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German Pages [228] Year 2013
Schiffbruch!
Selbstzeugnisse der Neuzeit Herausgegeben von Kaspar von Greyerz, Alf Lüdtke, Hans Medick, Claudia Ulbrich und Dorothee Wierling Band 21
Selbstzeugnisse sind Aufzeichnungen, die individuelle und auf das »Selbst« bezogene Beobachtungen und Erfahrungen zusammenhängend zum Ausdruck bringen. In größerer Zahl gibt es sie seit dem 16. Jahrhundert. Besonderes Interesse in der internationalen Forschung wie beim interessierten Publikum findet die populare Autobiographik, also die Selbstzeugnisse aus Unter- und Mittelschichten. Gerade sie erweisen sich als unverzichtbar für alle Versuche, soziale Praxis, Erfahrungszusammenhänge und Lebenswelten zu rekonstruieren. Selbstzeugnisse eröffnen neue Zugänge, um die historischen Akteure als empfindende und wahrnehmende, leidende und handelnde Personen zu zeigen. Selbstzeugnisse der Neuzeit wollen bisher noch nicht publizierte Individual quellen zugänglich machen, die historische Zeitgenossenschaft einprägsam reflektieren. Weiterhin wird die Reihe zu Unrecht vergessene oder vergriffene Selbstzeugnisse als kommentierte Nachdrucke verfügbar machen. Veröffentlicht werden auch exemplarische Analysen sowie beschreibende Verzeichnisse und Übersichten. Die Herausgeber hoffen zudem, daß mit diesem Vorhaben Schätze gehoben werden können, die bisher unbekannt sind.
Otto Ulbricht (Hg.)
Schiffbruch! Drei Selbstzeugnisse von Kaufleuten des 17./18. Jahrhunderts Edition und Interpretation
2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Ivan Konstantinovich Aivazovsky, Schiffbruch (1876), Öl auf Leinwand, 132 x 170 cm, I.K. Aivazovsky-Museum, Feodossija.
© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20965-0
Inhalt
Otto Ulbricht I. Einleitung ..................................................................................................................1 1. Allgemeine Einführung.............................................................................................3 2. Die Stadt: Flensburg................................................................................................12 3. Die Autoren: Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen.................................17 3.1. Gemeinsamkeiten.............................................................................................17 3.2. Peter Bischoff (1655–1721).............................................................................21 3.3. Johann Gerhard Feddersen (1712–1787) .........................................................42 4. Interpretation der Quellen .......................................................................................60 4.1. Flensburger Erinnerungskultur ........................................................................60 4.2. Bischoff............................................................................................................63 4.3. Feddersens Autobiographie .............................................................................78
Carl Petersen und Otto Ulbricht II. Die Quellen...........................................................................................................103 1. Zur Edition ............................................................................................................105 2. Bischoff.................................................................................................................107 2.1. Verzeichnis der See- und Landreisen (1671–91, 1688–1716).......................107 2.2. Der Schiffbruch von 1677..............................................................................136 3. Autobiographie Feddersens: Einige Umstände von dem Leben des Bürgermeisters Johan Gerhard Feddersen in Flensburg, welche von ihm selbst aufgesetzet sind (1777) ........................................................................165
Quellen- und Literaturverzeichnis.............................................................................194 Abbildungsverzeichnis..............................................................................................210 Personen- und Ortsregister........................................................................................211 Wer sonst noch beteiligt war.....................................................................................220
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Schiffbruch!
Otto Ulbricht
I. Einleitung
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Schiffbruch!
1. Allgemeine Einführung Drei Selbstzeugnisse, zwei Autoren und eine Stadt präsentiert diese Edition: ein Verzeichnis von See- und Landreisen, die Darstellung einer Fahrt in den Schiffbruch, beides aus dem 17. Jahrhundert, dazu eine kurze Autobiographie aus dem 18., in der ebenfalls Reisen in Vordergrund stehen – das sind die Quellen, Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen die Verfasser, und Flensburg ist die Stadt. Hier verbrachten die beiden Kaufleute die meiste Zeit ihres Lebens. Und in dieser Stadt stiegen sie zu Bürgermeistern auf. Die Edition und Interpretation dieser Texte ist Teil der aktuellen Debatte um Selbstzeugnisse und insbesondere um Autobiographien. Die Abwendung von der Konzentration auf Strukturen und Prozesse, das Aufkommen historisch-anthropologischer Fragestellungen wie die kulturgeschichtliche Wende überhaupt haben den Blick auf den Menschen gelenkt. Damit rückte auch eine ganz besondere Gruppe von Quellen in den Vordergrund: eben die Selbstzeugnisse. Lange wurde ihnen, insbesondere aber der Autobiographie, mit Misstrauen begegnet.1 Dabei hatten die Autobiographien bei der Grundlegung der Geschichtsschreibung einmal eine zentrale Rolle gespielt.2 Doch verdächtig waren sie nicht nur, weil sie bewusst für zukünftige Generationen geschrieben waren. Das gilt auch für andere Traditionsquellen. Was sie suspekter machte als diese, war, dass bei ihnen auch noch Subjekt und Objekt der Betrachtung identisch waren. Längst war die frühe Rechtfertigung der selbstverfassten Lebensbeschreibung – wer weiß besser über die geschilderte Person Bescheid als sie selbst – dem Vorwurf der Manipulation gewichen, was die Gattung in gefährliche Nähe zur Autofiktion, zur Fiktion von absolut wirklichen Ereignissen rückt.3 Doch die Situation hat sich seit zwanzig Jahren gründlich gewandelt. Selbstzeugnisse sind wieder zu Ansehen gelangt, eine „anhaltende Renaissance autobiographischer Texte“4 ist eingetreten. Die gesamte Quellengruppe und vor allem die Selbstbiographien stehen im Mittelpunkt einer lebhaften Diskussion5 in verschiede1
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Vgl. Rudolf Dekker, Introduction, in: ders. (Hrsg.), Egodocuments and History. Autobiographical Writing in its Social Context since the Middle Ages, Hilversum 2002, 10. Zur Entwicklung der Selbstzeugnisforschung unter Einbeziehung der großen theoretischen Debatten vgl. Kaspar von Greyerz, Ego-Documents: the Last Word? in: German History 28 (2010), 273–277. Vgl. Wilhelm Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (= Gesammelte Schriften, Bd. 7), 2. unveränd. Aufl. Stuttgart - Göttingen 1958, 191–204. Vgl. Frank Zipfel, Autofiktion. Zwischen den Grenzen von Faktualität, Fiktionalität und Literarität? in: Simone Winko, Fotis Jannidis, Gerhard Lauer (Hrsg.), Grenzen der Literatur. Zu Begriff und Phänomen des Literarischen, Berlin - New York ca. 2009, 285. Martin Scheutz und Harald Tersch, Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit, in: Briefe – Tagebücher – Autobiographien. Studien und Quellen für den Unterricht, hrsg. von Peter Eigner, Christa Hämmerle und Günter Müller, Innsbruck - Wien - Bozen 2006, 11. Volker Depkat, Zum Stand und zu den Perspektiven der Autobiographieforschung in der Geschichtswissenschaft, in: Bios 23 (2010), 171 versucht die Intensität der Forschung quantitativ nachzuweisen. Das Ergebnis wäre noch eindrucksvoller ausgefallen, hätte er die Schweizer
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nen Disziplinen.6 Die Vielfalt hat eine große Komplexität von Ansätzen nach sich gezogen, nicht nur weil verschiedene Fächer beteiligt sind, sondern auch weil innerhalb einer Disziplin ganz unterschiedliche Herangehensweisen vertreten werden. Vor allem für die Zeit nach 1500 – wobei hier der Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit7 liegen soll – stechen in grober und vergröbernder Sicht einige Forschungsrichtungen besonders in die Augen. Da sind einmal diejenigen, die über das Individualisierungskonzept nachdenken, also Burckhardts alte Interpretation vom Auftauchen der Individualität in der Renaissance, das dann von Misch in seiner Geschichte der Autobiographie aufgenommen und weitergeführt wurde. Sie versuchen es zu historisieren8 oder sie bemühen sich, Klarheit in zentrale Begrifflichkeiten dieses Konzepts wie Individualität, Identität und Authentizität zu bringen.9 Andere wenden sich von der Frage der Individualitätsentwicklung ganz oder teilweise ab und ersetzen Individuum durch Person.10 Gleichzeitig verschieben sie das Gewicht auf die Beziehungen. Dann werden die Selbstzeugnisse entweder als Kommunikationsmedien gesehen und von dieser Fragestellung her Beziehungsgeflechte erforscht11 oder der Finger wird auf die soziale Seite des Individuums, auf die
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und österreichischen Untersuchungen mit eingeschlossen. Außerdem verbirgt sich vieles zu Autobiographien – nur nach diesem Stichwort hat er gefragt – hinter dem Begriff „Selbstzeugnis“. Einen Überblick über die Diskussion in den verschiedenen Disziplinen gibt das Heft 2 der Zeitschrift Bios 23 (2010). Ein fragwürdiges Bild geschichtswissenschaftlicher Forschung liefert (der Soziologe) Carsten Heinze, Autobiographie und zeitgeschichtliche Erfahrung, in: Geschichte und Gesellschaft 36 (2010), 96–98, auch 99. Es beruht auf Dagmar Günther, „And now for something completely different“. Prolegomena zur Autobiographie als Quelle der Geschichtswissenschaft, in: Historische Zeitschrift 272 (2001), 26, die auf der Basis lückenhafter Kenntnis der frühneuzeitlichen Forschung (es fehlen, nur z. B., die Arbeiten von Kaspar von Greyerz und Harald Tersch, von Jan Peters ganz zu schweigen) meint, diese als „,naiv’“ (26) bezeichnen zu können, unnötigerweise, wo sie sich doch hauptsächlich mit der historischen Bürgertumsforschung des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt. Martin Scheutz und Harald Tersch, Individualisierung in der Frühen Neuzeit? Anmerkungen zu einem Konzept, in: wiener zeitschrift zur geschichte der neuzeit 1 (2001), 38–59. Vgl. Nora Bischoff, Über den heuristischen Wert der Konzepte ‚Selbstzeugnis‘ und ‚EgoDokument‘ am Beispiel schlesischer Selbstzeugnisse 1550–1650, in: Berichte und Forschungen 17 (2009), 87–117. – Um die Historisierung des Gattungsbegriffs geht es Barbara Schmid, Schreiben für Status und Herrschaft, (Zürich) 2006. Gabriele Jancke und Claudia Ulbrich, Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung, in: Querelles 10 (2005) 7–27; Claudia Ulbrich, Person and Gender: The Memoirs of the Countess of Schwerin, in: German History 28 (2010), 296–309. Gabriele Jancke, Autobiographische Texte – Handlungen in einem Beziehungsnetz. Überlegungen zu Gattungsfragen und Machtaspekten im deutschen Sprachraum von 1400 bis 1620, in: Winfried Schulze (Hrsg.), Ego-Dokumente. Annäherungen an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996, 73–106; dies., Autobiographie als soziale Praxis. Beziehungskonzepte in Selbstzeugnissen des 15. und 16. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum, Köln - Weimar - Wien 2002.
1. Allgemeine Einführung
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Beziehung des Verfassers zu anderen Menschen, zu Normen und Ereignissen gelegt, sowie auf die Bedeutung, die den Erfahrungen gegeben wurde und deren Umsetzung in einen Text.12 Diese Ausrichtungen können und werden z. T. mit geschlechtergeschichtlichen Fragestellungen verbunden, wobei auch auf die unreflektierte Ausrichtung auf Männer, die in vielen Entwürfen steckt, hingewiesen wird.13 Eine weitere Gruppe, beeinflusst von der Literaturwissenschaft und Textlinguistik, sieht in den Autobiographien zuallererst einen narrativen Text und propagiert z. B. einen textpragmatischen Zugang.14 In ersten Ansätzen findet in der Autobiographieforschung auch die Kategorie Raum Berücksichtigung.15 In der Literaturwissenschaft, in der Autobiographien des 20. Jahrhunderts bevorzugt interpretiert werden, wird wie in der Geschichtswisssenschaft z. T. ein kommunikationstheoretischer Ansatzpunkt gewählt oder das Konzept der Autofiktion, der Fiktion von absolut wirklichen Ereignissen, diskutiert.16 Thematisch gibt es seit einiger Zeit bereits Arbeiten zur Mentalitätsgeschichte,17 zu Körper und Tod18 z. B. (und schon besonders lange zur Geschichte der Kindheit auf dieser Basis19). Hier stehen kollektive Einheiten im 12 13
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Mary Fulbrook und Ulinka Rublack, In Relation: The Social Self and Ego-Documents, in: German History 28 (2010), 263–272. Daniela Hacke, Selbstzeugnisse von Frauen in der Frühen Neuzeit: Eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Frauen in der Stadt: Selbstzeugnisse des 16.–18. Jahrhunderts, Stuttgart 2004, 9–39 und Jancke und Ulbrich, Vom Individuum zur Person, 14; Ulbrich, Person and Gender. Günther, „And now“; Volker Depkat, Autobiographie und die soziale Konstruktion von Wirklichkeit, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), 441–476 und ders., Zum Stand. Andreas Bähr, Peter Burschel und Gabriele Jancke (Hrsg.), Räume des Selbst. Selbstzeugnisforschung transkulturell, Köln - Weimar - Wien 2007. Vgl. Zipfel, Autofiktion. Sebastian Leutert und Gudrun Piller, Deutschschweizerische Selbstzeugnisse (1500–1800) als Quellen der Mentalitätsgeschichte, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 49 (1999), 197–221; Fabian Brändle, Kaspar von Greyerz, Lorenz Heiligensetzer, Sebastian Leutert und Gudrun Piller, Texte zwischen Erfahrung und Diskurs. Probleme der Selbstzeugnisforschung, in: Kaspar von Greyerz, Hans Medick und Patrice Veit (Hrsg.), Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen, Köln - Weimar - Wien 2001, 3–31; Kaspar von Greyerz, Einführung, in: ders. (Hrsg.), Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit, München 2007, 1–9. Gudrun Piller, Private Körper. Spuren des Leibes in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts, Köln - Weimar - Wien 2007. Piller behauptet, ich verstünde die Aussagen von Selbstzeugnissen als „tatsächlich“ (12). Sie reißt nicht nur dieses Wort völlig aus dem Zusammenhang – mein Beitrag soll auf Autobiographien (in denen tatsächlich etwas über Erfahrung steht, beruhen, und nicht auf solchen Quellen, z. B. Traktaten, in denen nichts darüber steht (vgl. Otto Ulbricht, Pesterfahrung: „Das Sterben“ und der Schmerz in der Frühen Neuzeit, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 15 [1996], 11) –, sondern sie überliest auch, dass ich von „überformter Erfahrung“ (12) spreche und weitere einschränkende Bemerkungen mache (ebd., 13). – Lorenz Heiligensetzer, Getreue Kirchendiener – gefährdete Pfarrherrn. Deutschschweizer Prädikanten des 17. Jahrhunderts in ihren Lebensbeschreibungen, Köln etc. 2006; Sebastian Leutert, Geschichten vom Tod. Tod und Sterben in Deutschschweizer und oberdeutschen Selbstzeugnissen des 16. und 17. Jahrhunderts, Basel 2007. Linda A. Pollock, Forgotten Children. Parent-child relations from 1500 to 1900, repr. Cambridge 1988; Anita Meschendörfer, Bürgerliche Kindheit im Deutschland des 18. Jahrhun-
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Vordergrund, während sich sonst der Blick eher auf den Schreiber richtet. Doch neben den genannten wird auch eine Vielzahl von anderen Themen aufgegriffen.20 Eine lebhafte Editionspraxis (von den Verzeichnissen ganz abgesehen) hat währenddessen die Diskussion begleitet; unterschiedlichste Texte sind einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht worden. Am bekanntesten sind im frühneuzeitlichen Bereich sicher das Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg21 und die Lebensgeschichte des calvinistischen Kannengießers Augustin Güntzer.22 In Internet verfügbar sind vier mitteldeutsche „autobiographische Texte“ aus den Jahrzehnten der Verwüstung Deutschlands.23 Dazu kommen neuerdings z. B. noch solche von Musikern24, Kupferstechern25, Soldaten26 oder auch Patriziern27, zeitlich alle nach 1750 angesiedelt. Auch erhielten die Schuhmacher unter den Autobiographen (vornehmlich Hans Heberle und Johann Caspar Steube) Gesellschaft.28 Mit diesem Buch gesellen sich noch drei Quellen für Kaufleute hinzu. Sie weisen allerdings ganz andere Merkmale auf als die gut dokumentierten oberdeutschen des 15. und vor allem des 16. Jahrhunderts, die in vielen Überblicken für Kaufherren an sich stehen. Diese Selbstzeugnisse stammen nicht aus noch bestehenden Kaufmannsarchiven, sind aber aus solchen als vereinzelte, durch Zufall gerettete Stücke in die städtische Überlieferung gelangt. Ihre Veröffentlichung ist nicht nur für die Erforschung kaufmännischen Lebens wertvoll: „Aufzeichnungen von Kaufleuten in vor- und frühindustrieller Zeit standen bisher weder national noch international im Zentrum der archivischen Erschließungsvorhaben“, schrieb Jochen Hoock 1996. „Sie sind deshalb für die Forschung nur eingeschränkt verfügbar, obwohl ihr Angebot weit über die Wirtschaftsgeschichte hinaus reicht. Auf der Grundlage von Kaufmannsarchiven sind kultur-, technik- und sozialgeschichtliche Forschungen möglich. Im Bereich der Handelsgeschichte liefern Geschäftsbücher der Kaufleute Belege
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derts anhand autobiographischer Zeugnisse, Frankfurt am Main u.a. 1991; Silvia Ungermann, Kindheit und Schulzeit von 1750–1850. Eine vergleichende Analyse anhand ausgewählter Autobiographien von Bauern, Bürgern und Aristokraten, Frankfurt am Main u. a. 1997. Übersicht bei Depkat, Zum Stand. Jan Peters (Hrsg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, Berlin 1993. Augustin Güntzer, Kleines Biechlein von meinem gantzen Leben, ed. und kommentiert von Fabian Brändle und Dominik Sieber, Köln - Weimar - Wien 2002. Vgl. http://www.mdsz.thulb.uni-jena.de/sz/index.php (28.2.2012). Johann Friedrich Reichardt, Der lustige Passagier. Erinnerungen eines Musikers und Literaten, hrsg. von Walter Salmen, Berlin 2002. Vgl. Robert Violet, Daniel Chodowiecki (1726–1801). Eine verschollen geglaubte Autobiographie, Bad Karlshafen 2010. Gotthardt Frühsorge und Christoph Schreckenberg (Hrsg.), Lebens-Geschichte des Unterofficier [so] Pickert: Invalide bey der 7.ten Compagnie, 2. Aufl. Göttingen 2006. Paul von Stetten d. J., Selbstbiographie. Die Lebensbeschreibung des Patriziers und Stadtpflegers der Reichstadt Ausgsburg (1731–1808), hrsg. von Helmut Gier, Augsburg 2009. Mathias Lauberer, Vater und Sohn, Mein haußbiechlein. Schreibende Schuhmacher im 17. Jahrhundert, hrsg. eingeleitet und kommentiert von Fabian Brändle und Sebastian Leutert, Basel 2005.
1. Allgemeine Einführung
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für die Existenz eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes Europa, einer ,Republik der Kaufleute‘ (Peter Burke), lange bevor im 20. Jahrhundert die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft entstand.“29
Das angesprochene überstaatliche maritim-kommerzielle Netz wird auch hier aufscheinen. Einer der beiden Kaufleute (Feddersen) war darüber hinaus definitiv global tätig, wenn man diesen Begriff über die Weite des Raumes definiert. Für den anderen (Bischoff) könnte es in indirekter Form auch gelten.30 Damit scheint der Prozess der Protoglobalisierung, während dessen sich die Interaktionsradien und Netzwerke weiteten, hier kurz auf. Die hier erstmals veröffentlichten Quellen öffnen zudem den Blick auf drei neue bzw. ungewöhnliche Aspekte. Einmal erschließen sie inhaltlich für die Zeit von ca. 1650 bis ca. 1750 ein neues Gebiet, nämlich die Reisen von Kaufleuten übers Meer; zum anderen tun sie es für einen Raum, der wenig Beachtung gefunden hat, und drittens lädt die Kombination der drei Quellen zu mehr ein als den üblichen Reflexionen über die Intentionen ihrer Verfasser oder ihre Selbststilisierung. Der Schwerpunkt der Zeugnisse liegt also auf Kaufleuten (bzw. Kaufgesellen), die Handel über das Meer trieben, sei es nun innerstaatlich oder zwischen Staaten. Meer: das heißt konkret vom Polarmeer bis zur Bucht von Biscaya, bzw. in die Karibik. Keiner, von dem wir selbst verfasste Zeugnisse haben, ist so lange auf Handelsreisen über die „große wilde Nordsee“31 gefahren wie Peter Bischoff, der Verfasser der ersten beiden Quellen. Doch es war nicht nur die Nordsee, sondern es ging sogar um das Nordkap herum. Auch im Leben des anderen Autors, Johann Gerhard Feddersen, spielt das Meer eine große Rolle, wenn auch nicht in gleichem Maße. Nicht nur führen ihn seine Ausbildung und der Handel selbst übers Meer in andere Länder, sondern auf dem Meer erlebte er auch Momente seines Lebens, die sich ihm tief einprägten.32 Sicher haben auch andere (deutschsprachige) Kaufleute bzw. Kaufmannsgesellen, die ihre Tätigkeit festgehalten haben, Kontakt mit dem Meer gehabt: so z. B. während der Blütezeit des oberdeutschen Handels der Augsburger Lucas Rem während seiner zwei Portugal-Aufenthalte im Dienst der Welser33 oder der Schweizer Kaufmann Andreas Ryff, dessen Seefahrten an der italienischen Küste und in die holländische Provinz Seeland allerdings wie Intermezzi anmuten in einem Leben, das ein 29
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Jochen Hoock, Zum Stand der europäischen Kaufmannsgeschichte, in: Kaufleute in Europa: Handelshäuser und ihre Überlieferung in vor- und frühindustrieller Zeit, Dortmund 1997, 9. Vgl. Peter Burke, Republic of Merchants in Early Modern Europe, in: Jean Bacchler, John A. Hall, Michael Mann (Hrsg.), Europe and the Rise of Capitalism, Oxford 1988, 220–233. Nämlich wenn die Waren, die von Bischoff mitgereederte Schiffe in Bordeaux an Bord nahmen, auch Kolonialwaren umfassten. Johann Christian Fabricius, Reise nach Norwegen mit Bemerkungen aus der Naturhistorie und Oekonomie, Hamburg 1779, XV. Vgl. unten, 179 und 185. Tagebuch des Lucas Rem aus den Jahren 1494–1541, mitgetheilt von B. Greiff, Augsburg 1861, 9 f, 11, 12 f.
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Vierteljahrhundert lang mit Reisen zu Land gefüllt war.34 Die normale Fortbewegungsart war also eine andere: Der Nürnberger Kaufmann Willibald Imhoff z. B. war auf seinen Handelsreisen nie an Bord eines Schiffes. Er schrieb immer wieder im Verzeichnis seiner Reisen: „Anno 154x verryt ich von … gen…“35, Peter Bischoff dagegen immer wieder: „Ao 167x von Flensb(urg) gesiegelt.“36 Während der in augsburgischen Diensten stehende Hans Ulrich Krafft – bevor er von Marseille aus in die See stach – häufig auf die Qualität seiner Pferde einging37, nennt Bischoff stattdessen die Namen der Schiffer und der Schiffe, mit denen er reiste – wohinter sich auch ein Werturteil versteckt. Alle vier oberdeutsch-schweizerischen Kaufleute handelten über Land, und nur notgedrungen begaben sie sich auch einmal auf ein Schiff; Bischoff und Feddersen dagegen trieben Seehandel. Sie nutzten das Meer und setzten sich damit einer Urgewalt aus. Handel übers Meer ist immer gefährlich gewesen. So risikoreich „eines derer vornehmsten Stücke der Handlung“38 sein konnte, so profitabel konnte er allerdings auch sein. Der Seeweg zum Polarmeer oder nach Mittelnorwegen war von vornherein besonders gefährlich. Die erste Gefahr drohte durch die Strömungsverhältnisse im Kattegat und Skagerrak. Für die Passage dieser Seegebiete im Herbst wurden sogar spezifische Anweisungen gedruckt39, und im 19. Jahrhundert wurden die bei Skagen in Seenot geratenen Schiffe gar ein Motiv der Malerei40. Zweitens musste man vermeiden an der „Vormauer“ Norwegens, die „insonderheit die Westküste von Norwegen fast überall bedeckt“, also an „den kleinen Inseln, Klippen und Scheeren“,41 Schiffbruch zu erleiden. Die Vorstellung, dass „an den meisten See-Gebürgen in Norwehgen … des Meeres Grund so unermeßlich und grausam vertiefft (liegt)“42, dürfte dabei zweitrangig gewesen sein. Der Raum ist ungewöhnlich. Nicht Italien oder Frankreich, sondern der Norden, Norwegen, insbesondere Trondheim (aber auch Drammen westlich von Oslo) stehen hier im Vordergrund. Dieses Gebiet kommt bei beiden, ganz besonders jedoch bei Bischoff, in den Blick. Bei letzterem weitet sich die Perspektive bis hin zur russischen Fischerhalbinsel jenseits des Nordkaps in der Barentsee. Sie liegt ab von der Mitte 34 35 36 37 38 39
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Andreas Ryff, Reisebüchlein, hrsg. von Friedrich Meyer mit einem Beitrag von Elisabeth Landolt, (Basel) 1972, 65, 85–88. Vgl. Willibald Imhoff: Enkel und Erbe Willibald Pirckheimers, hrsg. von Stadtarchiv Nürnberg, bearb. von Horst Pohl, Nürnberg 1992, 28–33. Vgl. unten, Bischoff, 110, 111, 112. Reisen und Gefangenschaft Hans Ulrich Kraffts, hrsg. von K.D. Haszler, Stuttgart 1861, 8–11. Art. Kauffmannschaft, in: Johann Heinrich Zedler, Großes vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 15, Halle und Leipzig 1737, 265. Vgl. P(eter) V(an) D(er) H(orst), Beschriving Van der Kunst der Seefahrt, Lübeck 1673, 80–82. Vgl. auch Richard Wossidlo, Reise, Quartier, in Gottesnaam: niederdeutsches Seemannsleben in der Zeit der Segelschiffahrt, Rostock o. J., 162. Vgl. Lars Olof Larsson, Michael Ancher, Holger Drachman, N. L Høyen und der Mythos von Skagen, in: Nordelbingen 78 (2009), 45–54. Erich Pontoppidan, Versuch einer natürlichen Historie von Norwegen, Bd. 1, Kopenhagen 1753, 120. Zitat nach Leutert, 299, der eine Dresdner Leichenpredigt aus dem Jahre 1684 anführt.
1. Allgemeine Einführung
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oder dem Westen Europas (so weit, dass sie bei Braudel, bei dem nicht einmal Skandinavien vorkommt, selbstverständlich nicht existent sind43) und waren doch für das restliche Europa wichtig, und zwar nicht nur wegen der Fastentage. Es ist also nicht der skandinavisch-baltische Raum, dem immer Aufmerksamkeit geschenkt wird, sondern der norwegische. Und es ist nicht das durch die Hanse bekannte Bergen, das in den Blickpunkt rückt, sondern Trondheim, damals (wie heute) die drittgrößte Stadt Norwegens und dazu in der Nähe von Kupferminen gelegen. Die Stadt war von der Mitte des 17. Jahrhunderts an zunehmend eine „network city“44: Von hier gingen Schiffe nicht nur nach Flensburg, sondern auch nach Hamburg, London, Irland und natürlich Amsterdam, aber auch nach Frankreich und Spanien, genau wie von Flensburg. Die Achse Flensburg-Trondheim war also eingebettet in ein größeres Geflecht. Bei Bischoff steht diese Stadt ganz im Vordergrund; sie spielt aber auch bei Feddersen noch eine bedeutende Rolle. Es ist also ein dünn besiedeltes Gebiet in europäischer Randlage, das hier in den Selbstzeugnissen aufscheint. Die Reise von Flensburg in den Norden war jedoch für Bürger der Stadt keine Seefahrt in eine völlige Fremde. Die damals wichtigste Handelsstadt im Herzogtum Schleswig gehörte zu Dänemark, das mit Norwegen zu jener Zeit die skandinavische Doppelmonarchie bildete. In dieser Perspektive zeigen die Aktivitäten Bischoffs und Feddersens etwas von dem inneren Leben von Großreichen45. Durch die staatliche Wirtschaftspolitik hatte Flensburg anfangs eine privilegierte Stellung im Handel mit Nordnorwegen inne, wohin die Flensburger schon im 16. Jahrhundert ihre Schiffe hatten fahren lassen. Die Privilegien waren aber im Laufe der Zeit an Trondheim und Bergen übergegangen. Das führte zur Niederlassung von Flensburgern in Trondheim, ein Muster, das schon aus dem Spätmittelalter bekannt ist: Verwandte oder Freunde erwarben das Bürgerrecht in einer Stadt und umgingen so staatliche oder städtische Einschränkungen. So kam es, dass die Flensburger später hauptsächlich mit ehemaligen Flensburgern, die in die einzige Handelsstadt nördlich von Bergen eingewandert waren, Geschäfte machten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begannen die Flensburger dort eine zentrale Stellung einzunehmen.46 Zwar war ihre 43
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Vgl. Fernand Braudel, Der Handel, München 1986, 143–176; auch bei Pierre Jeannin, Marchands du Nord, espaces et trafics à l’époque moderne. Textes réunis par Philippe Braunstein et Jochen Hoock, Paris 1996 kommt Trondheim nicht vor. Ida Bull, Immigrating Merchants to Trondheim in the 18th Century – intermediaries between Europe and the Trondheim Hinterland: Economic, Social and Cultural Aspects. Paper given at the XIV International Economic History Congress, Helsinki 2006, 13. http://www.helsinki.fi/ iehc2006/papers1/Bull16.pdf (4.2.2012). Die Formulierung stammt von Emma Rothschild, The Inner Life of Empires. An EighteenthCentury History, Princeton 2011. Vgl. Olaus Schmidt, Den slesvikse indflytning til Trondhjem paa 1600‘ og 1700‘tallet, in: Norsk Slekhistorisk Tidsskrift 3 (1932), 1–27; Gerhard Kraack, Die Flensburger Geburtsbriefe. Auswanderung aus Flensburg 1550–1750, Flensburg 1977, 36–38; Knut Sprauten, Die deutsche Einwanderung in Norwegen in älterer Zeit mit besonderer Betonung der Verhältnisse in Trondheim, in: Nordelbingen 50 (1981), 217–223; ders, Flensburg und Drontheim im 17. und 18. Jahrhundert, in: Flensburg 700 Jahre Stadt – eine Festschrift, hrsg. von der Stadt Flensburg, Bd.
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Zahl nicht gerade groß, aber unter den Kaufleuten47 machten sie 1708 mehr als ein Drittel aus.48 Einige mächtige Handelsdynastien der Stadt hatten ihre Wurzeln in Flensburg und Umgebung. Da die Beziehung zur Heimatstadt erhalten blieb und Flensburger gern Geschäfte mit den Neu-Trondheimern machten, entstand ein Netzwerk von Verbindungen zwischen den beiden Städten, das lange Zeit Bestand haben sollte. Zeugnisse für diesen Raum und von der Küste überhaupt sind Mangelware, verglichen mit solchen für das oberdeutsch-schweizerische Gebiet, die deshalb manchmal als repräsentativ für die Überlieferung erklärt werden.49 Die wenigen Selbstzeugnisse von Seefahrern aus Norddeutschland (oder von Studien über sie), die in letzter Zeit veröffentlicht worden sind, erschließen diesen Raum eigenartigerweise gerade nicht. Sie scheinen zumindest früher nach dem Maß der Exotik ausgewählt worden zu sein, das die Quelle bietet. Die Brasilienreise eines Mannes aus der Umgegend von Tondern im 17. Jahrhundert zählt ebenso dazu50 wie die „sonderbaren avanturen“ eines Seefahrers von der Insel Amrum in der ersten Hälfte des folgenden, der, von Seeräubern gefangen, eine ganze Reihe von Jahren in Algerien verbrachte.51 Damit folgen sie einem jahrhundertealten Trend: Schon im 16. Jahrhundert – man denke an die Brasilien-Reisen Hans Stadens – wie auch im 17. schoben sich Berichte von Seereisen nach Südamerika und Ostindien so sehr in den Mittelpunkt des Interesses (mit der mächtigen Vereinigten Ostindischen Kompanie im Hintergrund), dass bereits um 1680 „kein Mangel“52 daran bestand. Die Möglichkeit, diese Quellen
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1, Flensburg 1984, 198–206; Ida Bull, Innvandring til Trondheim på 1600 – til 1700-tallet – etablering av en ny overklasse. Inzwischen gelöschte Intenet-Seite; Fotokopie des Verfassers; dies., Immigrating Merchants, 1–14. Später als Kaufleute wanderten Schiffer nach Trondheim ein, oft aus Nordfriesland; vgl. Georg Quedens, Inselfriesische Seefahrer in Trondheim, in: Robert Bohn (Hrsg.), Nordfriesische Seefahrer in der frühen Neuzeit, Amsterdam 1999, 45–77. Vgl. Bull, Innvandring, 2. Vgl. Schmid, Schreiben, 26. Das Memorial und Jurenal des Peter Hansen Hajstrup (1724–1672), kommentierte Textedition und Einführung, hrsg. von Frank Ibold, Jens Jäher und Detlev Kraack, Neumünster 1995. Vgl. Einhard Jannen, Hark Olufs besondre Avantüren oder wonderbares Schicksahl“. Wiederentdeckte Fassungen der Lebensbeschreibung von Hark Olufs, in: Nordfriesisches Jahrbuch 35 (1999), 11–40; Martin Rheinheimer, Hark Olufs „Sonderbare Avanturen“, in: Dieter Lohmeier und Renate Paczkowski (Hrsg.), Landesgeschichte und Landesbibliothek. Studien zur Geschichte und Kultur Schleswig-Holsteins. Hans F. Rothert zum 65. Geburtstag, Heide 2002, 213–229; ders., Der fremde Sohn. Hark Olufs Wiederkehr aus der Sklaverei, 3. Aufl. Neumünster 2007; Auswertung von Briefen und Autobiographien (u. a. des eben genannten Hark Olufs) von dems., Identität und Kulturkonflikt. Selbstzeugnisse schleswigholsteinischer Sklaven in den Barbareskenstaaten, in: Historische Zeitschrift 269 (1999), 317– 369. Aus früherer Zeit stammt: Aus den Lebenserinnerungen des Grönlandfahrers und Schiffers Paul Frercksen, mitgeth. von Friedrich Paulsen, in: Zeitschrift der Gesellschaft für SchleswigHolsteinische Geschichte 35 (1905), 76–116. Christoph Schweitzer, Reise nach Java und Ceylon, 1675–1682, 1680 Nd. Hamburg 2010, 1 (zuerst Tübingen 1680).
1. Allgemeine Einführung
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unter der Perspektive „Kulturkontakt“ zu sehen, taucht erst sehr spät auf. Die hier veröffentlichten Quellen bieten einen Ausgleich, indem sie in erster Linie, aber nicht ausschließlich, ganz gewöhnliche Handelsreisen schildern. Es geht nicht um die Entdeckung fremder Länder und Völker, auch nicht um den Handel mit Tabak oder Tulpenzwiebeln, sondern um die Versorgung der Bevölkerung oder auch des Militärs in Norwegen mit lebensnotwendigen Gütern wie Getreide und Textilien einerseits und der südlicher wohnenden Menschen mit Fisch, Tran, Holz und Kupfer andererseits. Statt fremder Welten und unbekannter Völker lassen diese Texte Stationen, Orientierungspunkte, Dauer und die Gefahren ganz normaler Handelsreisen zur See hervortreten. Aber der Raum ist nicht ausschließlich begrenzt auf den nördlichen Rand Europas. Auch die wirtschaftlichen Zentren der Zeit kommen zumindest kurz in den Blick: Amsterdam, London und Bordeaux. Nur flüchtig bei Bischoff, der auf der Rückreise vom Schiffbruch in das Welthandels- und Finanzzentrum Amsterdam kam, dessen Internationalität dadurch zum Ausdruck kommt, dass er dort Personen kontaktieren konnte, die ihm weiterhalfen. Feddersen jedoch begab sich gezielt dorthin als einem zentralen Ort seiner kaufmännischen „grand tour“, nachdem er vorher bereits im Rahmen einer gescheiterten Lehrlingsausbildung dort gewesen war. Dazu gesellt sich London, das zu jener Zeit noch nach Amsterdam blickte. London wurde von Bischoff, der beim ersten Mal zufällig dort hingelangte, „touristisch“ erschlossen, so scheint es, doch direkt darauf machte er zum ersten Mal eine Handelsreise in die englische Hauptstadt. Feddersens Bericht über sie konzentriert sich dagegen auf Handel und Gewerbe sowie die nationalen Eigenheiten. Kommentiert werden Börseneigenheiten, der Tower wird nur genannt; auf eine Beschreibung des dort Gesehenen in der Autobiographie aber verzichtet. Er hielt sich außerdem noch in Bordeaux auf, das im 18. Jahrhundert wirtschaftlich aufblühte, als zum traditionellen Weinhandel der Import von Kolonialwaren kam. Flensburg stand schon einige Zeit in Handelsbeziehungen zu dieser Stadt, in der sich eine Reihe von deutschen Kaufleuten angesiedelt hatte. Die Quellen sind auch wichtig für die Zeit, die sie abdecken. Die Forschung über das dänische Flensburg und seine Kaufleute hat sich wie für Deutschland, auf das 16. Jahrhundert, und dann auf die zweite Hälfte des 18. sowie die folgende Zeit konzentriert.53 Für Deutschland geraten die Kaufleute zwischen der Glanzzeit des oberdeutschen Handels und dem Beginn der Frühindustrialisierung weitgehend aus dem Blickfeld, ganz ähnlich für Flensburg. Auch hier hat man sich der Blütezeit des ersten frühneuzeitlichen Jahrhunderts zugewandt54, teils wegen deren Attraktivität, teils weil für diese Zeiten die Quellenlage besser ist als für das folgende. Die kriegerische Zeit danach, das 17. Jahrhundert, hat man in der Geschichte der 53
54
Eine Ausnahme ist z. B. Norbert Schindler, Der Prozess der Zivilisation in der Kleinstadt. Die Traunsteiner Kaufmannsfamilie Oberhueber (1600–1800), Wien - Köln - Weimar 2007, der auch den hier behandelten Zeitraum intensiv untersucht. Vgl. Flensburg um 1600, hrsg. von Broder Schwensen, Flensburg 2006.
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Autobiographie gern als durch kleinbürgerliche Enge gekennzeichnet gesehen.55 Daran sind schon starke Zweifel geäußert worden56, die hier durch Bischoffs Aufzeichnungen bestätigt werden. Mehr Quellen liegen dann erst wieder für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts vor, sogar einzelne Fundstücke von großem Wert.57 Nicht ohne Grund liegt der Anfang des Untersuchungszeitraums einer Reihe von Studien in der Mitte des 18. Jahrhunderts.58 Schließlich bieten die hier veröffentlichten Quellentexte, so kurz sie auch sein mögen, besondere Möglichkeiten. Um das verständlich zu machen, müssen sie an dieser Stelle schon einmal kurz vorgestellt werden. Bischoffs hier „Verzeichnis der See- und Landreisen“ genannte Aufzeichnung liefert im Wesentlichen eine kurze Beschreibung seiner Seereisen von 1671 bis 1692 und eine Liste seiner Landreisen von 1688 bis 1716. Der andere Text gibt dann die Fahrt des Jahres 1677, die zum Schiffbruch führte, wie unter dem Vergrößerungsglas wieder. Es ist jeweils der Weg zum Handelsort und zurück, der bei Bischoff geschildert wird, wozu auch die Gefahren gehören; die vorangehende geschäftliche Tätigkeit bleibt wie die folgende außen vor. Man kann also die Schilderung der Reise von 1677/78 mit ihrer Kurzfassung im „Verzeichnis der See- und Landreisen“ vergleichen und daraus Schlüsse für die Darstellungsmöglichkeiten ziehen. Bei Feddersen tritt der Weg selbst zurück, während die Gefahren und sonstige Ereignisse auf dem Weg über See oder Land weit mehr Gewicht erlangen. Hier ermöglicht die Konzentration auf eine einzelne Autobiographie, die dazu noch relativ kurz ist, sie nicht nur als narrativen Text unter die Lupe zu nehmen, sondern an ihr auch verschiedene neue Herangehensweisen auszuprobieren und einige nicht so neue Fragen zu stellen.
2. Die Stadt: Flensburg Der Seehandel Flensburgs war die Seele der Fördestadt. Sein Florieren beruhte zu einem guten Teil auf Privilegien, welche der Stadt verliehen worden waren, zu einem anderen auf den jeweiligen säkularen Konjunkturen und den Kriegen anderer Staaten – letzteres, weil Dänemark meist neutral blieb und so von den militärischen Auseinandersetzungen der Großmächte profitierte. Im Endeffekt ist die Geschichte 55 56 57 58
Vgl. Marianne Beyer-Fröhlich, Die Entwicklung der deutschen Selbstzeugnisse, Leipzig 1930, 182 f. Vgl. Benigna von Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Berlin 1997, 12 f. Vgl. Detlev Kraack, Die Briefkopialbücher des Flensburger Kaufmanns Christian Dethleffsen von 1775 bis 1792, Flensburg 1998. Vgl. Theodor Link, Flensburgs Überseehandel von 1755 bis 1806. Seine wirtschaftliche und politische Bedeutung im Rahmen des dänisch-norwegischen Seehandels, Neumünster 1959; Michael Jensen, Dansk handel på Rusland, 1760–1807, Copenhagen 1991.
2. Die Stadt: Flensburg
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Flensburgs aber von der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an die eines Rang- und Bedeutungsverlustes. An die Stelle der privilegierten Fördestadt, die nicht in Reichsdänemark gelegen war, sondern im Herzogtum Schleswig, das wiederum mit dem zum Reich gehörigen Holstein verbunden war, trat über die Jahrhunderte durch gezielte Förderung die Hauptstadt Kopenhagen. „Das Auge der Könige [war] Flensburg“ einmal gewesen59, doch hatte sich ihr Blick immer mehr von der Stadt abgewandt. Flensburg war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine kleine Stadt von schätzungsweise 4–5000 Einwohnern mit einem geschützten Hafen.60 Von ihrer Größe und Bedeutung stand sie im norddeutschen Raum in der zweiten Reihe hinter Hamburg, Lübeck oder Bremen; in Dänemark ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hinter Kopenhagen. Seehandel und Schifffahrt samt Schiffbau bestimmten den Pulsschlag der Stadt61, die in erster Linie eine Mittlerstellung zwischen dem norddeutschen Raum und Skandinavien innehatte. Der internationale Handel Flensburgs war im Wesentlichen Zwischenhandel; es kam daher nicht selten vor, dass die eigenen Schiffe die Stadt gar nicht anliefen. In Flensburg wurde außer Branntwein, Bier, Segeltuch und Ziegelsteinen nur wenig hergestellt. Man kaufte aus den umliegenden Gegenden oder von den dänischen Inseln Korn, das man dann weitertransportieren ließ. In die Ostsee segelte man hauptsächlich, um Flachs und Korn zu holen. Der Handel mit Schweden war durch den dänisch-schwedischen Gegensatz zum Erliegen gekommen. Von Südnorwegen konnte man Holz verschiffen (und Textilien dort hinbringen, wie Feddersens Autobiographie zeigt62), Mittelnorwegen bot Fisch und Kupfer, und aus nordrussischen Gebieten konnte man Fisch und Tran holen, wie man den Aufzeichnungen Bischoffs entnehmen kann63. Mit Amsterdam war man neben der Kornausfuhr durch Geldgeschäfte verbunden. Da sich Apenrader Handel mit England nachweisen lässt, ist gleiches auch für Flensburg zu vermuten: Magnus Paulsen, Bischoffs Patron, schickte ihn wie gesagt nach seinem Aufenthalt in London nach England.64 Eine alte Verbindung Flensburgs bestand auch 59
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61
62 63 64
Georg Claeden, Monumenta Flensburgensia, Flensburg 1765, 217. Da die Seitenzahlen bei Claedens in mehreren Bänden erschienenem Werk durchlaufend sind, wird im Folgenden auf die Angabe des Erscheinungsjahrs verzichtet. Im Volkszählungsjahr 1769 hatte Flensburg gut 6800 Einwohner in ca. 1635 Haushalten. Vgl. Lars Hennings, Städte in Schleswig-Holstein am Ende des 18. Jahrhunderts, Hamburg - Kiel 1990, 52. Ich variiere eine Aussage aus: Flensburg, Geschichte einer Grenzstadt, hrsg. von der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte, Flensburg 1966, 155. Im Folgenden zitiert als „Grenzstadt“. Vgl. unten, 182, 183. Vgl. unten, z. B. 113, 124, 126. Vgl. unten, 123 f. Flensburger Handel mit England bzw. Schottland gab es natürlich schon lange. Der Name des Flensburgers Nicolaus Brandt taucht Anfang des 18. Jahrhunderts in schottischen Akten auf, vgl. Scottish National Archives, Edinburgh, AC9/1243 (1733): Tuchlieferung an Niclas Brandt in Flensburg in Norwegen [!]. Frdl. Hinweis von Kathrin Zickermann, Dornoch. E-Mail vom 11.10.2010.
Schiffbruch!
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nach Bordeaux, von wo man Wein und Salz, später auch Kolonialwaren zurückbrachte. Die beiden Autoren lebten nicht zu einer Zeit, in welcher der Puls der Wirtschaft besonders kräftig schlug. Längst war die Blütezeit der Fördestadt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts – Flensburgs goldenes Zeitalter – vorbei, und eine neue Phase kräftigen wirtschaftlichen Aufschwungs sollte sich erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wieder einstellen. Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, in der Bischoff die Grundlage für seinen Reichtum gelegt haben muss, war für die Stadt an der Förde schwierig, schwieriger vielleicht noch als die fünf Jahrzehnte nach 1720 mit ihren Handelsstörungen, hohen Kriegslasten und schließlich einer neuen Kommerzordnung zuungunsten der Stadt in Jahre 1742.65
Abb. 1: Flensburg im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts Vor dem Hintergrund einer säkularen internationalen Stagnation bzw. Restrukturierung erlebte Flensburg von ca. 1660 an zwar eine Friedenszeit, hatte aber zum einen unter den Auswirkungen der vorangehenden kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden und zum anderen unter dem sich verschärfenden dänisch-schwedischen 65
Die Übersicht beschränkt sich im Wesentlichen auf die Zeit der Selbstzeugnisse (1655– ca. 1780).
2. Die Stadt: Flensburg
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Gegensatz, der schließlich 1676 zum Krieg führte. In dieser Zeit musste die Stadt die Folgen der Besatzungen mit Plünderungen und Zerstörungen und die hohen finanziellen Belastungen durch Kriegssteuern überwinden. Im Dreißigjährigen Krieg war Flensburg nach der Niederlage Christians IV. 1627 von kaiserlichen Truppen eingenommen worden. Zwei Besetzungen durch die Schweden (1643 und 1657 – in letztem Fall außerdem durch dänische Verbündete) folgten. In der Regel flohen die Kaufleute (wie die Obrigkeit), und der Handel brach ein. Die Schwäche des Seehandels der verschuldeten Stadt zeigt sich in der Zahl der Schiffe. Hatte die Stärke der Fördestadt in der Mitte der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in rund zweihundert Schiffen ihren Ausdruck gefunden, so hatten hundert Jahre später nur ca. 25–35 Schiffe dort ihren Heimathafen.66 Außerdem beeinträchtigten die Kriege Frankreichs mit Holland, die oft auch in dänisch-schwedischen Auseinandersetzungen ihren Widerhall fanden, die Fahrten der wenigen Flensburger Schiffe. Bischoff berichtet nicht nur von der Angst vor schottischen Kaperern, die sie besondere Routen wählen ließ, sondern auch, dass von ihm begleitete Waren ihre Beute wurden. Doch am Ende des Jahrhunderts boten die neuen Kriege gegen Ludwig XIV. eine Chance für die unter der neutralen Flagge Dänemarks segelnden Flensburger.67 Auch der Handel mit den Russen auf der Fischerhalbinsel, an dem sich Bischoff ab 1675 beteiligte, wie es die hier abgedruckte Quelle dokumentiert,68 nahm an Ende des Jahrhunderts einen Aufschwung.69 So waren zu dieser Zeit bescheidene Anzeichen einer Erholung zu verzeichnen. Das neue Jahrhundert begann jedoch schlecht. Dem Ausbruch des Nordischen Krieges folgte die Störung des Handels durch die Pest. Der spanische Erbfolge-Krieg dagegen bot wieder Möglichkeiten für neutrale Schiffe. Zu den Kriegssteuern kam die hohe Brandschatzungssumme, die den schwedischen Truppen Anfang 1713 zu zahlen war, nachdem sie gedroht hatten, die Stadt wie Altona niederzubrennen, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Bei Feddersens Taufe genau in dieser Zeit war die Lage daher äußerst gespannt.70 Diese einmalige Summe machte ein Viertel der Gesamtbelastung der Stadt aus. Gleichzeitig erlitten Kaufleute Verluste durch schwedische Kaperer.71 In der unmittelbaren Nachkriegszeit nach 1721 erweiterte sich zwar das Umland Flensburgs, da nun das ganze Herzogtum Schleswig königlich wurde, aber anderes wirkte sich negativ aus. Erst führten Dänemark und Hamburg, mit dem Flensburg finanziell eng verbunden war, einen Handelskrieg. Als dieser vorüber war und Ende 66 67 68 69 70 71
Flensburg in Wort und Bild, hrsg. von Helge Bernd und Hans-Friedrich Schütt, Flensburg 2003, 19.2. Seit 1684 mussten die Flensburger Schiffe den Danebrog führen. Vgl. unten, 113 (1675) und öfter. Vgl. Marie Schole-Rasmussen, Der Handel im 17. Jahrhundert, in: Flensburg, ein Heimatbuch, hrsg. von Chr. Voigt, Flensburg 1929, 432. Vgl. unten, 165. Vgl. StadtA FL, XII HS 1004, 157 v; 158 r; auch Andreas Lorck Schierning, Die Chronik der Familie Lorck, Neumünster 1949, 96, 97.
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der dreißiger Jahre der Tiefpunkt überwunden war, traten neue Schwierigkeiten auf. Denn nun setzte die dänische Regierung die Politik energisch fort, die sie schon unter Christian IV. in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts begonnen hatte: Sie förderte ein weiteres Mal Kopenhagen zum Nachteil Flensburgs. 1742 büßte Flensburg seine privilegierte Stellung durch die neue Kommerzordnung ein. Reichsdänemark und Norwegen wurden für die Stadt Zollausland, denn die Handelsware musste nun direkt vom Erzeuger kommen, Flensburg lebte aber wie gesagt vor allem vom Zwischenhandel. Das traf den Handel mit Dänemark stärker als den mit Norwegen, da es dort genügend Rückfracht gab. Dennoch wird die Ordnung allgemein als einschneidend angesehen. Nachdem Flensburg die Zollpacht verloren hatte72, schufen die Auseinandersetzungen in Europa und Amerika durch die Verknappung von Frachtraum und bald darauf der amerikanische Unabhängigkeitskrieg73 neue Möglichkeiten für den Flensburger Handel unter neutraler Flagge. Förderlich auf die Lage der Stadt wirkte sich auch der Karibikhandel aus, vor allem während des Siebenjährigen Krieges – auch wenn es zugleich zu Behinderungen der neutralen dänischen Schiffe kam. Dänemark hatte zwischen 1665 und 1733 Inseln in der Karibik erworben und ab 1754 den Handel mit ihnen freigegeben. Daran nahm sofort auch Flensburg teil.74 In der Fördestadt wurde auf Anregung Johann Gerhard Feddersens und seines Bruders Friedrich eine „Handelsgesellschaft auf St. Croix in Westindien“ gegründet, die bis 1770 Bestand hatte.75 Der Kolonialhandel Flensburgs mit St. Croix lief allerdings auch danach weiter. So notierte z. B. Andreas Christiansen (sen.), dass er 1775 zum sechsten Mal nach St. Croix gefahren sei.76 Bischoffs wie auch Feddersens Geschäftstätigkeit war also in den internationalen Handel eingebunden, der außer von den üblichen Krisen und Konjunkturen auch durch kriegerische Ereignisse beeinflusst wurde. Für Feddersen war die Zeit etwas weniger ungünstig als für Bischoff. Beide schafften es aber trotzdem, in diesen Zeiten ihren Handel erfolgreich zu führen. Anders gewendet: es gab auch damals Möglichkeiten, die genutzt werden konnten. Auf eine indirekte Weise hängt das Schreiben von Selbstzeugnissen auch mit dem sichtbaren Erfolg der geschäftlichen Unternehmungen der beiden zusammen – Verlierer schrieben in dieser Zeit selten ihre Lebensgeschichte auf, was sich bald, nachdem Feddersen seine niedergeschrieben hatte, ändern sollte. Man denke an den gescheiterten Magister Laukhard oder Seume, den Loser aus Leipzig.77 Aufsteiger aber taten es. 72 73 74 75 76 77
Vgl. unten, 47 und unten, 189 f. Vgl. August Hennings, Einige Bemerkungen über Flensburg, in: Materialien zur Statistik der Dänischen Staaten, Bd. 3, Flensburg und Leipzig 1791, 53 f. Vgl. Theodor Link, Flensburgs Überseehandel von 1755 bis 1807, Neumünster 1959, 61–74; auch unten, 50. Vgl. unten, 51. Vgl. StadtA FL, XII HS 15910, Andreas Christiansen sen. Bilanzbuch. Intus Lebensbericht. Friedrich Christian Laukhard, Leben und Schicksale, 5 Tle in 3 Bden, von Werner Engels und Andreas Harms, Frankfurt am Main 1987; Johann Gottfried Seume, Mein Leben, in: Werke in zwei Bänden, Bd. 1, hrsg. von Jörg Drews.
3. Die Autoren: Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen 3.1. Gemeinsamkeiten Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen kamen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen und waren, wie es scheint, auch ziemlich unterschiedliche Charaktere. Doch sie hatten auch einiges gemeinsam. Beide Autoren waren Kaufleute, führten ihre Geschäfte in wirtschaftlich schlechten Zeiten erfolgreich, erlebten gefährliche Situationen auf See und wurden schließlich Bürgermeister Flensburgs. Und beide hinterließen schriftliche Aufzeichnungen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie beide lutherische Protestanten waren. Von Kaufleuten gibt es relativ viele Autobiographien, Tagebücher und Briefe, jedenfalls im Vergleich zu anderen sozialen Gruppen. Schon vor sehr langer Zeit ist darauf hingewiesen worden, dass sich unter geschäftliche Aufzeichnungen leicht persönliche Notizen mischen können, die dann des Öfteren den Ursprung von längeren Aufzeichnungen zum Leben des Schreibers bilden.78 Ein zweiter Grund ist darin zu sehen, dass der Fernhändler viel von der Welt zu sehen bekam. Häufig traten zu der Erfahrung fremder Länder und Menschen noch besondere Ereignisse wie Unfälle, Überfälle, Gefangenschaften oder ähnliches, welche die Neigung, das Erlebte festzuhalten, erhöhten. In der Tat spielen geschäftliche Anlässe wie dramatische persönliche Erfahrungen bei beiden Autoren eine Rolle für die Niederschrift. Im Gegensatz zu den ortsfesten städtischen Einzelhändlern hatten die Großkaufleute häufig erheblichen politischen Einfluss und nahmen führend am politischen Leben der Stadt teil. In Flensburg dominierte die prozentual kleine Kaufmannschaft das politische Leben nach 1730 fast völlig. Vor 1700 war es nur selten vorgekommen, dass einer der zwei Bürgermeister – für jeden Stadtteil einen – nicht dem Kaufmannsstand angehörte. So war es für beide Autoren nicht nur prinzipiell möglich, in das Amt des Bürgermeisters zu gelangen, sondern dank weiterer erfüllter Voraussetzungen glückte ihnen dieser Aufstieg auch. Damit gab es noch einen weiteren Anlass zu schriftlichen Aufzeichnungen, und so sind denn auch Autobiographien von Bürgermeistern nicht selten. Inhaber dieses Amtes scheinen eine gewisse Neigung (und manchmal auch Anlass) gehabt zu haben, autobiographische Werke zu verfassen. Wenn man sich auf den norddeutschen Raum beschränkt, kann man z. B. an den Stralsunder Bürgermeister Nikolaus Gentzkow und sein Tagebuch denken, das über viele Geschäfte Auskunft gibt; auch an die voluminöse und doch nicht vollständig erhaltene Autobiographie des Bürgermeisters Bartholomäus Sastrow von Stralsund, der allerdings wie Gentzkow kein Kaufmann, sondern Jurist war. Dann an den Bremer Kaufmann und Bürgermeister Detmar Kenckel, der während eines Aufstandes die Stadt verlassen musste und an Lübecks 78
Adolf Rein, Über die Entwicklung der Selbstbiographie im ausgehenden Mittelalter, in: Günter Niggl (Hrsg.), Die Autobiographie, 2. Aufl. Darmstadt 1998, 324–26 (zuerst 1919).
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Bürgermeister Brokes, Sohn eines Kaufmannes und Bürgermeisters, oder an die Aufzeichnungen des Bürgermeisters der Hildesheimer Altstadt, Henni Arneken, der in Amsterdam die „Kaufmannschaft“, wie es in den Quellen heißt, gelernt hatte – um nur einige prominente Beispiele aus dem 16. und beginnen den 17. Jahrhundert zu nennen. Das Amt legte es nahe, über sein eigenes Leben zu schreiben, denn man war als Bürgermeister Teil der Stadtgeschichte. Erst recht war das so, wenn man sich z. B. wegen umstrittener Amtsführung rechtfertigen musste. Für Feddersen ist darüber nichts bekannt, wie er überhaupt über die Amtstätigkeit selbst wenig sagt; lediglich ganz am Ende kommen die Mühen in einer Art politischer Stellungnahme deutlich zur Sprache. Bischoff hat in hier nicht abgedruckten Teilen seines Hausbuchs seine Tätigkeit für die Stadt wie auch seine Stadtkarriere festgehalten, ebenso wie Feddersen in der Autobiographie. Aus seiner Zeit als Bürgermeister gibt er jedoch nur seine Rede zur Amtseinführung wieder. So sagen die beiden Quellen also, anders als man vermuten könnte, nichts oder nur wenig über die Amtstätigkeit als Bürgermeister oder die politischen Verhältnisse in der Stadt aus. Da beide Seehandel trieben (an dem Feddersen aber bald nicht mehr persönlich teilnahm), ist ihnen gemeinsam, dass sie zu Schiff unterwegs waren. Sie haben dazu offensichtlich auch Lust gehabt, schließlich wurde Bischoff sogar Steuermann, und von Feddersen ist zumindest bekannt, dass er sich gerne an Deck aufhielt. Mit dem Handel übers Meer setzten sie sich den Urgewalten Wind und Wasser aus und gingen ein hohes Risiko ein. Doch die Seefahrt war für sie Alltag. Sie war Gewohnheit, verbunden mit verdrängter Todesfurcht, aber das Meer war für sie nicht der „Ort der Angst par excellence.“79 Schiffbruch stand allerdings immer als große Gefahr im Hintergrund. Bischoff erlitt dieses Schicksal, Feddersen befand sich mehrere Male am Rande eines Schiffbruchs. Der Untergang eines Schiffes bezeichnet eine fundamentale existentielle Situation; es geht um eine „Elementarfahrung“80, um Leben oder Tod. Aber nicht auf dem Land, und das macht den Unterschied aus. Seefahrt kann als Grenzverletzung verstanden werden81, und eine Fahrt auf dem unberechenbaren und unheimlichen Meer als eine abenteuerliche Herausforderung der Götter.82 Das Ertrinken mutet dann wie eine Strafe an. So zumindest in der Antike. Im Christentum allerdings war dieses Bewusstsein zurückgetreten, denn es galt: „Wenn schon das Schiff zerbricht/ muß 79 80
81 82
Jean Delumeau, Angst im Abendland, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1985, 49. Burkhardt Wolf, Schiffbruch mit Beobachter. Zur Geschichte des nautischen Gefahrenwissens, in: Christian Kassung (Hrsg.), Die Unordnung der Dinge. Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls, Bielefeld 2009, 19, 42. Vgl. Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer, Frankfurt am Main 1979, 9–11 und zur Schiffbruch-Metaphorik überhaupt. Das klingt noch an, wenn van der Horst 1673 einen Heiden, der mit anderen aufs Meer hinausgefahren und in Seenot geraten ist und hört, wie seine Kameraden ihre Götter anrufen, sagen lässt: „Ach schweiget/auff dass die Götter nicht hören daß wir hie auff dem Meer seyn, sie möchten uns sonst wegen unser Sünde straffen.“ P[eter] V[an] D[er] H[orst], Beschriving Van der Kunst der Seefahrt, Lübeck 1673, 2. Buch, 9.
3. Die Autoren: Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen
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Paulus nicht vertrincken“83. Es kam auf Gottes Hilfe in höchster Not an. Man sah bei einem Schiffsuntergang dem Tod viel länger ins Angesicht als bei vielen Unfallarten zu Lande.84 Doch wenn sie ausblieb, drohte ein widernatürlicher Tod85, ein Auslöschen, ein Ende ohne christliche Bestattung, ohne einen Erinnerungsort. Wer das Unglück überlebte, jedoch Hab und Gut verlor, konnte für sein Leben ruiniert sein. Berichtet wurde von Schiffbrüchen seit dem Beginn schriftlicher Überlieferung. Selbstverständlich existieren auch für das 17. Jahrhundert Schilderungen von spektakulären Schiffbrüchen86, wenn eine größere Zahl von Menschen betroffen war, sogar in Flugblattform.87 Der existenzielle Charakter der Schiffbruch-Situation zeigt sich darin, dass sie schon in der Antike zu einer Metapher und einem literarischen Topos wurde. Sie spiegelt sich noch heute in der Metaphorik auf den verschiedensten Gebieten des Lebens. Stürme und Schiffbrüche haben auch in der neueren Literatur die entscheidende Ausgangssituation geschaffen für das Folgende – oft eine grundlegende Wandlung, „a sea-change“88 –; man denke nur an Shakespeares Tempest oder Defoes Robinson Crusoe. Gleichzeitig sind spektakuläre Schiffbrüche der Auslöser für eine Reihe von wichtigen Entwicklungen gewesen.89 Während in Geschichten meist eine Insel „bereitsteht“90, auf der dann wundersame Dinge geschehen, drohte Bischoff „nur“ eine Steilküste und Feddersen ein schnödes Stranden an der Wesermündung.91 Gemeinsam ist für beide schließlich auch die starke Bedeutung der „richtigen Religion“, des lutherischen Protestantismus. Religion war von jeher besonders wichtig für Seefahrende; die Schifffahrt war christlich. Die tiefe Prägung durch die Religion zeigt sich bei Bischoff weniger in den Formeln zu Anfang und zum Ende 83 84 85 86
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88
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H[orst ], 12. Vgl. Leutert, 289 f. Vgl. Delumeau, 55; Leutert, 292 spricht vom Gegenteil eines guten Todes. Aus der Selbstzeugnis-Perspektive interessante Schilderungen sind manchmal in größeren Werken versteckt, vgl. z. B. H[orst}, 2. Buch, 16–22 oder in Autobiographien und Reisebeschreibungen. Für schiffbruchartige Situationen bzw. Strandungen vor England vgl. z. B. Güntzer, 191; Karl Großmann, Reichart Nehrhof von Holterberg (1612–1660), in: Der Märker 14 (1985), 35. Vgl. auch unten, Anm. 391. Vgl. z. B. Manßfeldische Schiffbruch Daß ist Warhafftiger bericht und beschreibung der Erschröcklichen und sehr gefährlichen Wassers Noth/ (welche Graff von Manßfelt /mit seinem Comitat, als Er sich zu Flissingen zu Schiff nach Engellandt begeben) sich mit wenigen Personen Salvirt/ viel aber in solcher Wassers noth Ertruncken unnd jämerlich zu Grund gegangen, 1624; oder: Eigentlicher und recht Gründlicher Bericht Von dem jüngst in etwas gemeldeten Jämmerlichen Schiffbruch Der aus Pommern nach Schweden transportierten Schwedischen Völker unter Bornholm, 1679. Vgl. Peter Hulme, Schiffbrüchig. Die äußersten Ränder der Erde, in: Bernhard Klein und Gesa Mackentun (Hrsg.), Das Meer als kulturelle Kontaktzone. Räume, Reisende, Repräsentationen, Konstanz 2003, 319–321. Wolf, 24–27, 30–33 weist auf die Versicherungen, die Lösung des Problems der Längengradbestimmung und die Sicherungssysteme an Land hin. Ebd., 321. Vgl. unten, 118 und 147 sowie 178 f..
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jeder Reise – sie waren zu jener Zeit allgemein üblich. Ebenso war im Christentum die Benennung der Schiffe nach biblischen Gestalten althergebracht. Bei Bischoff ist die Religion mit Seefahrt verwoben, durch die Gefährlichkeit des Meeres ist die Allmacht Gottes für ihn präsenter. An Bord des Schiffes, mit dem Bischoff 1677 fuhr, wurde der Tag mit einem Gebet begonnen.92 Das war noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Fall, auch wenn Feddersen es nicht erwähnt. 1789 schrieb Büsching: „Die lübeckischen Schiffer halten auf der See des Morgens und Abends eine Betstunde, und am Sonntage Vormittag wird eine Nachahmung des öffentlichen Gottesdienstes in der Kirche angestellt.“93 Auffällig ist ferner die Erwähnung der großen Feste der Christenheit. Auch Menschen werden unter religiösen Gesichtspunkten gesehen: Während Bischoff mit einer gewissen Verwunderung die strenge Sonntagsheiligung der schottischen Presbyterianer wahrnimmt, sind für ihn die angeworbenen schottischen Soldaten eine „Gottloß Gesellschaft“94. Ein altes Muster aus dem Mittelalter scheint durch, wenn die Mannschaft in höchster Gefahr schwört, den Armen zu spenden – nur dass man in früheren Zeiten gelobte, auf Wallfahrt zu gehen. Wie strikt Bischoff den Katholizismus ablehnte, wird klar, als er durch Flandern reist. Dort ist für ihn die reine evangelische Lehre ausgelöscht, und die Menschen sind nun „mit des Papstes Abgötterey verblendet“95. Bei Feddersen zeigt sich seine protestantische Überzeugung vor allem in der heftigen Konfrontation mit einem Abbé in Frankreich. Er kann sich aber mit ihm nach dem Bekehrungsversuch ruhig unterhalten, denn er fand in ihm „keinen starken ortodoxen“, wie er schreibt96. Ein Hinweis auf die Virulenz konfessioneller Fragen in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wie auch ein zartes Anzeichen des Wandels. Will man Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit interpretieren, so ist es notwendig, möglichst viel über das Leben der Verfasser und deren Umwelt zu wissen. So können die Quellen teilkontextualisiert und neue Interpretationsmöglichkeiten erschlossen werden. Nicht selten ist aber für die ersten drei Jahrhunderte nach 1500 über die Verfasser wenig oder nichts bekannt. Bestimmten Interpretationen sind daher von vornherein enge Grenzen gesetzt.97 So gut wie nichts weiß man über Bischoff, was sich dann auch in den Stadtgeschichten widerspiegelt.98 Über Feddersen weiß man ein wenig mehr, nicht nur weil er länger im Amt war und bei Veränderungen in der Stadt 92 93 94 95 96 97 98
Vgl. unten, 143. Anton Friderich Büsching, Eine Lebensgeschichte in vier Stücken, Halle 1789, 183. Vgl. unten, 153. Vgl. unten, 160. Vgl. unten, 173. Hier ist vor allem an psychologische und psychoanalytische Interpretationen zu denken, vgl. von Greyerz, Ego-Documents, 280. Vgl. Flensborg bys historie, udg. af Grænseforeningen og Historisk Samfund for Sønderjylland, Bd. 1, København 1955, 288 erwähnt den Namen einmal mit Herkunft (im Folgenden zitiert als Flensborg); in Flensburg – Geschichte einer Grenzstadt, Flensburg 1966 taucht er gar nicht auf. Ein Bisschen findet man in biographischen Artikeln, vgl. dazu unten, 107.
3. Die Autoren: Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen
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hervortrat, sondern auch weil die Autobiographie von Stadthistorikern herangezogen worden ist.99 Über die beiden Autoren mehr heraus zu bekommen war eine schwierige und herausfordernde Aufgabe.100 Ego-Dokumente und insbesondere Selbstzeugnisse sind traditionell Quellen für biographische Nachrichten (nicht nur über die Autoren101, auch über andere Personen), die sonst nirgendwo erhältlich sind. Das ist auch hier der Fall. Die Feddersensche Selbstbiographie und die beiden Zeugnisse von Bischoff stellten hier zwar auch den Ausgangspunkt für weitere Nachforschungen dar, sie lieferten jedoch für den Gang ins Archiv nur punktuell präzise Hinweise auf die in Frage kommenden Archivalien. Es war daher zum Teil notwendig, großflächig Bestände lediglich aufgrund von Vermutungen heranzuziehen. Aus dieser Lage ergibt sich, dass vielleicht nicht alle Hinweise erfasst werden konnten. Aber mit den erschlossenen Quellen ließ sich das Leben der Autoren doch schon recht gut darstellen. Die so gewonnenen Aussagen ergänzen aber nicht nur die Informationen der Selbstzeugnisse in ganz beträchtlichem Maße. Mit ihnen wird es zum Teil möglich zu sehen, wo die (Art der) Quellengattung der Aufnahme bestimmter Inhalte entgegenstand; was, auch wenn es möglich war, die Verfasser trotzdem nicht aufnahmen, welcher Grad an Selbststilisierung der eigenen Person vorherrschte, allgemein schließlich wie das Wahrhafte gestaltet wurde.
3.2. Peter Bischoff (1655–1721) Der Verfasser der ersten beiden Quellen, Peter Bischoff102, stammte nicht aus den großen alten Familien, die in Flensburg, oft über Generationen, das Wohl und Wehe der Stadt mitbestimmt hatten. Im Gegenteil, Bischoff war ein Aufsteiger par excellence: Er begann sein Leben als Kleinknecht und beendete es als Bürgermeister der wichtigsten Handelsstadt des Herzogtums Schleswig. Statt eines Lebens in den Fußstapfen seiner Vorfahren im bäuerlichen Angeln machte er eine Karriere in der Welt der Kaufleute. Für die, welche die historische Welt in zwei Teile teilen, nämlich vormodern – modern, statisch – dynamisch, ständisch geordnet – funktional differenziert, immobil – mobil, kann es eine Figur wie ihn gar nicht geben. Sozialer
99 100 101
102
Vgl. Flensborg, Bd. 2, 16, 19; Grenzstadt, 174–177, 186, 189–192, 206. Hierzu allgemein Ulbrich, Person and Gender, 300. So schon früh Heide Stratenwerth, Selbstzeugnisse als Quellen zur Sozialgeschichte des 16. Jahrhunderts, in: Horst Rabe, Hansgeorg Molitor und Hans-Christoph Rublack (Hrsg.), Festgabe für Walter Zeeden, Münster 1976, 21–35. Zur Person vgl. Dieter Pust, Peter Bischoff, in: Bertold Hamer (Hrsg.), Biografien der Landschaft Angeln, Bd. 1: Personenlexikon A–J, Husum 2007, 88–89; ders., Könige, Bürgermeister und Präsidenten in Flensburg, Flensburg 1987, 152–154; Aage Bonde og Johan Hvidtfeldt, Personalhistoriske oplysninger om Borgmestre, rådmænd, byfogder og byskrivere i Flensborg 1550–1848, (Kopenhagen) 1961, 24.
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Schiffbruch!
Aufstieg beginnt nämlich für sie erst im 19. Jahrhundert.103 Doch bekanntlich gab es bereits im 16. Jahrhundert ein gerüttelt Maß an Aufstiegsmöglichkeiten und im 18. erneut. Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts und der Beginn des 18. sind jedoch weniger dafür bekannt. Es zeigt sich aber, dass im städtischen Bereich um 1700 auch Männer hohe Ämter erreichen konnten, die nicht über die Beziehungen der alten Ratsfamilien verfügten, sondern Neubürger waren. Eines allerdings mussten sie (geworden) sein: vermögend. 1655 war Bischoff als Sohn eines Bauern in Angeln geboren worden.104 Nach seinen eigenen Angaben ist er erst mit neun Jahren in die Schule geschickt worden.105 Das überrascht etwas: Zwar wurden Bürgerkinder des Öfteren einige Zeit zu Hause unterrichtet, um dann auf weiterführende Schulen zu gehen. Dieses Ziel strebten seine Eltern aber für ihn ganz offensichtlich nicht an. Von Ende 1669 an diente er auf einem Bauernhof. Doch schon 15 Monate später, Anfang 1671, begann er an seinem 16. Geburtstag eine Lehre als Kaufmannsjunge bei Magnus Paulsen in Flensburg. Paulsen war im Seehandel mit Norwegen und Russland tätig.106 Was dazu führte, dass Bischoff in die Kaufmannslehre gegeben wurde, ist nicht eindeutig auszumachen. Es lässt sich nicht klären, ob sich eine Veränderung in der Erbfolge ergeben hatte,107 oder ob die vorangegangene Dienstzeit nur eine Überbrückung darstellte, bis zur Konfirmation oder bis eine geeignete Lehrstelle gefunden war – in letzterem Fall wäre es vor vornherein geplant gewesen, den Jungen die „Kaufmannschaft“ lernen zu lassen. Vielleicht waren sich die Eltern selbst unsicher, welches der beste Weg für ihren Sohn war.108 Wie immer dem auch sei, Bischoff reiht sich ein in die Menschen aus der Umgebung Flensburgs und damit auch aus Angeln109, die in der Stadt an der Förde ihr Glück versuchten. Dazu gehörten auch Heranwachsende, die von ihren Eltern gezielt dorthin geschickt wurden, um den Beruf des Kaufmanns zu erlernen.110
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Vgl. Peter Alheit/Frank Schömer, Der Aufsteiger. Autobiographische Zeugnisse zu einem Prototypen der Moderne von 1800 bis heute, Frankfurt /Main - New York 2009. Da die Überlieferung der Kirchenbücher für Steinberg erst 1665 beginnt, ist man hier auf Bischoffs eigene Angaben angewiesen. Vgl. unten, 107. Über die Schule in Steinberg gibt es für diese Zeit keine lokalen Quellen. Zu dieser Zeit bestimmten die Eltern frei über den Beginn des Schulbesuchs. Vgl. StadtA FL, A 34, Bd. 16, 161 a. Pust, Bischoff, in: Biografien, 89 schreibt, dass „sein [Bischoffs] jüngerer Bruder für den väterlichen Hof bestimmt war“. Für die Entscheidung der Eltern gibt es keine Quellen. Bischoff hatte zwei Brüder und drei Schwestern; er war das älteste Kind und damit Erbe. StadtA FL, St.T. 21 I. Vgl. die Zweifel des Vaters von Henrich Brokes, Aus dem Tagebuch des Lübeckischen Bürgermeisters Henrich Brockes (Fortsetzung), in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 1 (1860), 174. Vgl. D. Graef, Angliter in Flensburg, in: Jahrbuch des Angliter Heimatvereins 3 (1932), 5–19. Zu Bischoff dort 11 f. Der am 16. Okt. 1743 geborene Andreas Christiansen (sen.) notierte: „1758 den 3 Octbr da mir mein Vater nach Flensburg bey Daniel Weis um die Handlung zu erlernen hinsetzte.“ StadtA FL, XII HS 15910. Man beachte die weitgehende Ähnlichkeit im Alter.
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Knapp zwei Monate später wurde Bischoff das erste Mal nach Trondheim geschickt. Das Alter mag für eine Auslandsreise ungewöhnlich erscheinen, war es aber keineswegs: Es war im norddeutschen Raum (wie auch in Oberdeutschland) üblich, wie man nicht nur an dem von Kaperern gefangen genommenen Flensburger Jungen sehen kann, den Bischoff auf der Fahrt von Schottland nach London traf.111 Auch Johann Gerhard Feddersen war in diesem Alter, als er erstmals für seinen Vater Kunden in Dänemark besuchte112, und der seefahrtsbesessene Joachim Nettelbeck begann 1749 im Alter von etwa elf Jahren von Amsterdam aus eine Reise nach Afrika, allerdings als Ausreißer.113 Für das 16. Jahrhundert lässt sich ein Zwölfjähriger nachweisen, der nicht nur als Schiffsjunge von Stralsund nach Lübeck reiste, sondern dort sogar einen Kauf tätigte.114 Mit seiner ersten Norwegen-Reise wurde der Lehrling Bischoff ins kalte Wasser geworfen: Seine Grundschulbildung war gering, maximal sechs Jahre, und seine kaufmännischen Kenntnisse können nach zwei Monaten Lehre eigentlich nur rudimentär gewesen sein. Statt also nach der Tagesarbeit, wie es empfohlen wurde, Land- und Seekarten zu studieren und Handelsliteratur sowie „curieuse Reisebeschreibungen“ 115 zu lesen, wurde er auf die Reise übers Meer geschickt. Bischoff gehörte ganz offensichtlich zur Gruppe der – das ist die Einteilung Marpergers, der vier Gruppen unterscheidet – „eigentlichen Kauffmanns-Jungen“, die, ohne [Lehr und Kostgeld] zu bezahlen, für alle Dienste eingesetzt wurden und sich so in der Lehrzeit die notwendigen Kenntnisse bei eigener Aktivität aneignen konnten.“116 Learning by doing würde man heute sagen. Der Kenntnisse waren viele zu erwerben: Sie umfassten die Bewachung der Waren auf dem Transport gleichermaßen wie deren Verkauf zum besten Preis und den geschickten Einkauf von Fracht für die Rückreise; die Beachtung der verschiedenen Zölle – z. B. des „Licents“ in Flensburg, des Stromzolls, wenn die Reise über Friedericia ging oder des „extra-ordinairen“ Zolls, der beim Handel mit Russland anfiel. Dazu kam der Umgang mit unterschiedlichen Währungen, Maßen, Gewichten und Wechseln. Einen Vorteil hatte Bischoff jedoch mitgebracht: Dänisch-Kenntnisse, denn die Umgangsprache im ländlichen Angeln war ein Dialekt dieser Sprache. 111 112 113 114
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Vgl. unten, 120. Vgl. unten, 166. Vgl. Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg, Eine Lebensbeschreibung, Berlin und Stuttgart, o. J., 20–25. Vgl. Herbert Langer, Kindsein im Spiegel hansestädtischer Rechtsquellen des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Werner Buchholz (Hrsg.), Kindheit und Jugend in der Neuzeit, 1500–1900, Stuttgart 2000, 78. Oberdeutsche Kaufleute haben ihre Sohne Ende des 15. und im 16. Jahrhundert noch früher nach Italien geschickt. So trat z. B. Lucas Rem im Alter von 13 Jahren die Reise nach Venedig an. Vgl. Tagebuch des Lucas Rem, 5. P. J. Marpergers Wohl-unterwiesener Kauffmanns=Jung, Nd. der Ausgabe von 1715, mit einer Einführung in das Werk von Jürgen Zabeck und einer Übersicht über den Inhalt des Werkes von Fritz Klein-Blenkers, Köln 1999, 142. Fritz Klein-Blenkers, Zusammenfassung über den Inhalt des Buches „Kauffmanns-Jung“ (1715) von Paul Jacob Marperger, in: ebd., LVIII, Anm.
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Die zu dieser Zeit schon unübliche Begleitung der Waren schloss die so genannte Vertretungsproblematik117 (Benachteiligung des auftraggebenden Kaufmanns durch Informationsdefizit, Manipulationsmöglichkeit des fremden Kaufmanns) aus: Bischoff arbeitete in abhängiger Position und verfolgte keine eigenen geschäftlichen Ziele und war somit eine sichere und auch überwachbare Vertretung. Um so mehr stand ihm die Möglichkeit offen, sich durch Ehrlichkeit, vor allem aber dadurch, dass er den Nutzen und Vorteil seines Patrons mehrte, dessen volles Vertrauen zu erwerben. Dies schloss Schnelligkeit mit ein: Handelsdiener, schrieb Marperger, sollten darauf bedacht sein, „fort zu eilen“118. Die Reise von London nach Amsterdam per Schiff und Treckschut bewältigte Bischoff in neun Tagen, und ein Wort, das bei seiner Beschreibung dieser Fahrt oft auftaucht, ist das lateinische Wort für „schnell“ (cito).119 Durch diese und andere Verhaltensweisen gelang es ihm in der Tat, das Vertrauen seines Patrons zu erwerben. Ging die erste Reise noch gut, so musste er auf der zweiten, die noch in demselben Jahr stattfand, erleben, wie gefährlich solche Fahrten sein konnten: Ein Matrose fiel über Bord und ertrank, und das Schiff wurde schwer beschädigt.120 Das hat ihn aber ebenso wenig abgeschreckt wie Feddersen, der bei ersten Reise den Weg über das unsichere Eis wagen musste.121 Auch wenn Bischoff keiner von dem „Volk“, kein Seemann, war und sein Risiko damit geringer, so musste er doch bei einem Schiffbruch genau wie die anderen dem Tod ins Auge sehen. So geschah es 1677, als das Schiff, von einem Sturm abgetrieben, vor der schottischen Küste sank. Bischoff und die Mannschaft entkamen nur mit knapper Not dem Tod. 1688 geriet er auf der Rückfahrt von der Fischerhalbinsel nicht nur in fürchterliche Stürme, sondern es ging auf dem Schiff auch der Proviant aus, insbesondere das Wasser. Ein Mann starb, und seine Leiche wurde in der Hoffnung, sie christlich bestatten zu können – so wie 1682 den Dolmetscher122 – noch vierzehn Tage an Bord mitgeführt, bevor sie dann doch den Wellen übergeben werden musste.123 Der Tod fuhr also während der gut zwanzig Jahre (1671–1691), in denen Bischoff diese gefahrvollen Reisen fortsetzte, immer mit. Meistens gingen sie nach Trondheim, des Öfteren auch um das Nordkap herum zur Fischerhalbinsel, nur in Ausnahmefällen auch einmal nach London oder Königsberg.124 Ohne Glück oder, anders gesprochen, ohne Gottes Hilfe konnte man 117
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Vgl. Ulf Christian Ewert und Stephan Selzer, Wirtschaftliche Stärke durch Vernetzung. Zu den Erfolgsfaktoren des hansischen Handels, in: Mark Häberlein, Christof Jeggle (Hrsg.), Praktiken des Handels, Konstanz 2010, 50–53. Paul Jacob Marpergers Getreuer und Geschickter Handels=Diener, Nachdruck der Ausgabe von 1715, mit einer Einführung in das Werk von Dr. Frank Deges, Köln 1999, 248. Vgl. unten Schiffbruch 31, 32 (zweimal), 34 (viermal) dazu noch „straxß“. Vgl. unten, 109. Vgl. unten, 166. Vgl. unten, 127. Vgl. unten, 132. Nach Pust, Könige, 153 machte Bischoff Reisen nach „Drontheim, Bergen, Amsterdam, Rotterdam, Schottland, London, Calais, Rußland, kleinere Reisen nach Lübeck, Königsberg, Hamburg, Bremen“. Den Schiffbruch vor Schottland kann man ebenso wenig als Reise dorthin
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solche Unternehmungen auf Dauer nicht überleben. Daher bemerkt Bischoff bei seiner Rede nach der Einführung als Bürgermeister sicher mit voller Überzeugung, dass Gott bei den „viehle[n] gefehrlichen Reisen“ 125 seine schützende Hand über ihn gehalten habe. Um solche Reisen durchzuhalten, brauchte man – was häufig nicht beachtet wird – eine „starcke Leibes=Complexion“126, die solchen Strapazen standhalten konnte, und das über zwei Jahrzehnte. Regen, Sturm auf See, Schneetreiben, also auch Kälte bei harter Arbeit – der Eindruck drängt sich auf, dass der Handelslehrjunge, später der Kaufgeselle, auch bei den seemännischen Arbeiten mit angefasst hat – und, von der einseitigen Ernährung abgesehen, gelegentlich auch Mangel an Nahrungsmitteln – all das musste man ertragen können. Für Bischoffs robuste Gesundheit spricht, dass er nur zweimal in über zwanzig Jahren von einer Krankheit berichtet.127 Über Bischoffs kaufmännische Tätigkeit erfahren wir nur in Sonder- oder Ausnahmefällen etwas. Sie gehörte nicht unter die Rubrik „Reisen“ und fand daher ihren Niederschlag in Hauptbüchern und Journalen. Bis 1684 war Bischoff auch noch weisungsgebunden, was sich deutlich zeigt, als er sich 1678 nach dem Schiffbruch in Amsterdam aufhält: Erst soll er sofort nach Flensburg zurückkehren, dann bekommt er Order, nach Trondheim zu segeln.128 Der Grund dafür lag allerdings in seiner eigenen kaufmännischen Initiative. Er hatte nämlich vorgeschlagen, eine Büse zu befrachten, die nach Trondheim segeln sollte.129 So wie er dies ausnahmsweise festhielt, so auch die Abwicklung der Geschäfte – der Handel selbst war längst etabliert – mit den Russen auf der Fischerhalbinsel jenseits des Nordkaps, ein im Vergleich zu Archangelsk weit weniger beachteter Handelsplatz.130 In diesem Fall notierte Bischoff die Mengen an eingekauftem Fisch und Tran wie auch die Preise. Aus Anlass von Unfällen erfahren wir, dass er Getreide nach Norwegen brachte: Als das Schiff 1673 auf der Nidelva kurz vor Erreichen des Trondheimer Hafens auf Grund läuft – der Fluss, an dem Trondheim liegt, ist den Gezeiten unterworfen –, müssen sie „Korn“ über Bord werfen, um wieder flott zu werden. Und als sie einmal
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bezeichnen, wie die Orte, die er auf der Rückreise passierte, nämlich Calais, Rotterdam und Amsterdam, Zielorte waren. Nach Bergen ist er auch nicht gesegelt, sondern die Stadt wurde nur in Notsituationen angesegelt, vgl. unten, 124, 129, 130. In der Stadt Bremen ist Bischoff nie gewesen. StadtA FL, XII HS 1004, 28 v. Marperger, Handels=Diener, 8. Vgl. auch Cornelius Neutsch/Harald Witthöft, Kaufleute zwischen Markt und Messe, in: Reisekultur, hrsg. von Hermann Bausinger u. a., München 1991, 80 f. Vgl. unten, 126, 131. Vgl. unten, 162. Auffällig ist auch, dass er im Jahr nach seinem zufälligen London-Aufenthalt 1677/78 das erste Mal nach London segelt. Lachshandel auf Kola und der mit Kabeljau (ohne auf Ausländer einzugehen) wird ganz kurz erwähnt bei Johann Philipp Kirberger, Kurzer Unterricht von dem rußischen Handel, wie selbiger mit ein- und ausgehenden Waaren 1674 durch ganz Russland getrieben worden, in: Magazin für die neue Historie und Geographie 3 (1769), 253 f.
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(1682) leer von einer Fahrt zur Fischerhalbinsel zurücksegeln müssen, nehmen sie in Südnorwegen – typischerweise – „holdtz“ an Bord.131 Beides entspricht genau dem, was wir über die Einfuhr nach und die Ausfuhr von Norwegen wissen: Ausgeführt wurden (Trocken-)Fisch und eben Holz. Dazu kommt Kupfer – einmal reist Bischoff zum Kupferbergwerk Lökken132 –, das für die Flensburger Kupfermühle in Krusau gebraucht wurde. Neben Getreide und daraus hergestellten Produkten wie Mehl oder Grütze wurden Hülsenfrüchte, Textilien, gewerbliche Produkte und Branntwein eingeführt. (Es gab es um diese Zeit in Flensburg ca. hundert Branntweinbrennereien.) Wenn Bischoff von Korn spricht, dann hat er sicher nur an das Hauptfrachtgut gedacht. Gern wüsste man genau, wie Bischoff sich finanziell nach oben gearbeitet hat, wie er ein reicher Mann geworden ist. Bereits am Ende seiner Lehrlingszeit unterstützte er seinen verarmten Vater mit Geldern für den Hof, auch für Kleidung, und schließlich bezahlte er sogar dessen Steuern. Doch ließ er sich die dafür aufgebrachten 178 ML durch einen Zugriff auf dessen Haus und Hof absichern.133 Der erste größere Schritt dazu war dann sein Verdienst als Kaufgeselle. Wie viel er als solcher verdiente, ist aber nicht bekannt.134 Der Kaufgeselle Knudt Andersen, der 1733 in Flensburg einen Sechsjahresvertrag schloss, erhielt in den ersten zwei Jahren 80, in den nächsten 100 und dann 120 ML.135 Aber das war nicht nur deutlich später, sondern Andersen begleitete die Waren auch nicht übers Meer, sondern führte die Geschäfte, Bücher und Korrespondenz an Land. Insofern sind diese Angaben von begrenztem Wert. Nicht ausgeschlossen ist, dass Bischoff einen Teil des Lohns für eigenen Handel genutzt hat. Zu Bischoffs Lohn als Kaufgeselle kam noch eine für einen angehenden Kaufmann ungewöhnliche Verdienstquelle hinzu. Marperger schreibt bei seinem Vorschlag zur Einrichtung mechanischer Werkschulen: „Was ein Seefahrender Bootsmann ist, der nur etwas Ambition und Lust zu solchen Künsten hat, die in seine Profession hinein lauffen, der wird bey müßigen Winter-Stunden, oder wann sein Schiff in Haven liegt, sich in der Steuermanns-Kunst unterweisen lassen, und nicht eher ruhen, biß er solche entweder in ordentlich auffgerichteten MarinenSchulen, … oder bey einem alten erfahrnen See- und Steurmann, der etwan sich zu Ruh gesetzet/ und nun mit Unterweisung anderer Leut seine Kost gewinnet, gelernet habe.“136
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Zum Holzhandel vgl. Maria Rasmussen, Geschichte des Handels in Flensburg bis gegen 1700, Diss. Kiel 1920, 43. Vgl. unten, 123. LASH, Abt. 167.6, Nr. 9, f. 113. Über die Entlohnung von Kaufgesellen konnte schon Rasmussen, Geschichte, 72 nichts aussagen. StadtA FL, XII HS 1004, 118 r. Paul Jacob Marpergers Trifolium mercantile aureum oder dreyfaches güldenes Klee-Blat der werthen Kaufmannschafft, Nd. der Ausgabe Dresden und Leipzig 1723, Köln 1997, 98.
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Bischoff war kein „seefahrender Bootsmann“, doch erstaunlicherweise verspürte der Kaufgeselle, dessen Ziel es sein musste, selbständig Handel zu treiben, eine „Ambition und Lust“ zu solchen Künsten. 1681 hielt er fest: „NB: Ist meine Erste Reiße, die ich vor Steurman angenommen.“137 Damit hob er die inzwischen eingetretene Differenzierung zwischen Kaufleuten und Schiffern wieder auf – teilweise jedenfalls, denn er war ja nur Steuermann und nicht Kapitän oder Schiffer, wie man damals sagte. Gleichzeitig übernahm er damit mehr Verantwortung. In Gefahrensituationen auf See jedoch war das laut Marperger eine gute Sache: „Wann nun der in der gleichen Sachen ein Handels=Diener etwas von der Seefahrt/ wie auch von den See=Rechten und See=Gewohnheiten verstehet, so kann er so viel leichter sich entschliessen/ und was zu thun oder zu lassen seyn möchte/ um so viel besser seine Rationes geben.“138 Bischoff hat die letzten sechs Reisejahre auf See, also von 1685 an, mit seinem Patron zusammengearbeitet, „in Compagnie desselben gehandelt“139. Diese Angabe erscheint glaubwürdig, obwohl die Angaben der Quelle nicht immer verlässlich sind,140 da er zu jenem Zeitpunkt bereits 14 Jahre für Paulsen gearbeitet hatte. Nach einer so langen Zeit liegt die Selbständigkeit oder das gemeinsame Führen der Geschäfte nahe, denn als durchschnittliche Lehrzeit nimmt man sechs Jahre an,141 denen oft drei weitere als Kaufgeselle bei demselben Patron folgten. Bischoff segelte nun nicht nach dem durch die Hanse bekannten Bergen, sondern nach Trondheim („Drontem“, wie er die Stadt nach der Bezeichnung auf holländischen Karten nennt), und zwar in über 20 Jahren 18mal. Inzwischen waren die beiden Gemeinwesen trotz der Entfernung verflochtene Städte geworden. Trondheim bot Fisch, Holz und Kupfer als Handelsgüter, die Bergwerke in den Bergen hinter Trondheim waren auf Lebensmittel von außerhalb angewiesen. Die Flensburger erlangten, obwohl sich auch Kaufleute aus Hamburg, England und Irland dort ansiedelten, die Oberhand innerhalb der ökonomischen Elite der Stadt. So war eine Verbindung entstanden, die nicht nur lange Zeit Bestand hatte, sondern auch zu einem gewissen Grad wechselseitig war. So wurden Flensburger zur Ausbildung auf Trondheimer Schiffe und in die Stadt geschickt142, und Trondheimer zur Ausbildung nach Flensburg gesandt.143 Einwohner der norwegischen Stadt beteiligten sich auch
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S. unten S. 125. Marperger, Handels=Diener, 249. StadtA FL, St.T. 21 II. Es geht um Mollers Stammtafeln für Bischoff. Er sagt z. B., dass Bischoff 1670 seine Stelle als Kaufmannsjunge (statt richtig 1671) antrat und schreibt, Bischoff habe mit Schweden gehandelt. Er verwechselt dieses Land mit Norwegen. Einen anderen Fehler – Schiffbruch vor Russland – hat Moller bemerkt und korrigiert. Das scheint auch für Flensburg zuzutreffen, für das direkte Angaben fehlen; vgl. Rasmusen, Geschichte, 71, Anm. 1. Vgl. Ida Bull, Merchant Households and their networks in the eighteenth century, in: Continuity and change 17 (2002), 223. Vgl. Sprauten, Flensburg und Trondheim, 206 f.
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an Flensburger Unternehmungen.144 So berichtete z. B. 1769 Johann Gerhard Feddersen davon, dass zu seiner Westindischen Kompagnie auch fünf Trondheimer als Befrachter gehört hätten.145 Nachdem Bischoff zehn Jahre nach dieser Stadt gesegelt war und dort immer einige Zeit verbracht hatte, bevor er nach Flensburg zurück oder um das Nordkap weitersegelte, hatte er eine emotionale Bindung zu ihr aufgebaut: „Als Trondheim 1681 im sogenannten Hornemann-Brand in Flammen aufging, befand sich Bischoff ganz in der Nähe; er erreichte die Stadt einen Tag später. Das führte zu einer Eintragung über die Feuersbrunst, in der seine innige Verbundenheit mit ihr trotz der Kürze zum Ausdruck kommt. Er notiert: In ‚der Nacht zwischen 18 vnd 19 May Brandte die gutte Stadt Drontem gandtz ab; blieb nicht mehr übrig als der ThumKirch Lateinische Schule, daß Schloß Hospital vnd einige FischerHäußer, sonsten alles in die Asche. Gott Erstatte den Schad(en) 1000feltig.’ Außer in der Tatsache, dass er hier auf eine fremde Stadt eine Formulierung (,die gute Stadt‘) anwendet, die oft für die Heimatstadt gebraucht wurde (und von Bischoff für Flensburg), kommt die enge Verbundenheit noch in der Intensität 146 (,1000feltig‘) der guten Wünsche zum Ausdruck.“
Es ist nicht bekannt, mit wem Bischoff während seiner Trondheimer Aufenthalte im Auftrag seines Dienstherrn geschäftlich in Kontakt stand. Ebenso wenig ist bekannt, wo er wohnte – wenn nicht auf dem Schiff –, mit wem er privat verkehrte, und wie er sich dort die Zeit vertrieb, denn die Zeit dort kann nicht völlig durch Aufkäufe in Anspruch genommen worden sein; ganz abgesehen davon, dass sich das Auslaufen oft genug dadurch verzögert haben dürfte, dass man auf günstige Winde warten musste.147 Das Verzeichnis der Reisen und der Bericht vom Schiffbruch 1677 geben nur ganz punktuelle und dazu nicht einmal eindeutige Hinweise für die Beantwortung der ersten Frage. Einer dieser deutet auf Henrik Hornemann hin: „Der größte Kaufmann und Kapitalbesitzer hier in der Stadt [Trondheim]“148 könnte ein Geschäftspartner gewesen sein. Denn als Bischoff während seines Aufenthalts in Edinburgh hört, dass ein gekapertes Schiff Hornemanns im Hafen liegt, greift er persönlich (wenn auch erfolglos) ein.149 Aber möglicherweise hätte er sich für alle Schiffe aus dieser Stadt 144 145 146
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Vgl. unten, S. (Trondheimer, Westindien) StadtA FL, A 422, Bd. 1, Unmaßgebliche Gedancken wegen hier in der Stadt aufzurichtende fabriquen, von Johann Gerhard Feddersen (1769). Otto Ulbricht, Nach Trondheim segeln. Die Aufzeichnungen des Flensburgers Peter Bischoff (2. Hälfte 17. Jh.), in: Rund um die Meere des Nordens. Festschrift für Hain Rebas, hrsg. von Michael Engelbrecht, Ulrike Hanssen-Decker, Daniel Höffker, Heide 2008, 326. Es sei in diesem Zusammenhang nur angemerkt, dass Frauen in diesen Aufzeichnungen Bischoffs nicht vorkommen. Johan Wibe, En del av Trondhjems innvåneres tilstand og deres sinns karakter 1708, in: Trondhjems borgerskap 1680–1730. Udvalgte kilder, av Tore Hermundson Vigerust (red.), Oslo (2000), 63. Vgl. auch Bjørn Sogner, Trondheims bys Historie, Bd. 2, Trondheim 1962, 226. – Meine Übersetzung, Vgl. unten, 152.
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eingesetzt, so dass diese Reaktion letztlich nicht eindeutig genug ist. Leider ist das Hornemann-Archiv dem eben erwähnten Feuer von 1681 zum Opfer gefallen, so dass von dieser Seite fast alle Informationen für diese Zeit fehlen. Als selbständiger Kaufmann trat Bischoff häufig als Partenreeder auf. Für diese Zeit lässt sich eine Beziehung zu Hornemann definitiv nachweisen. In den neunziger Jahren ersetzen die besonderen Schriftstücke, die der Krieg notwendig machte,
Abb. 2: Trondheim Mitte des 17. Jahrhunderts teilweise die fehlende private Überlieferung. Die dänischen Schiffe mussten Atteste mit sich führen, die u. a. genaue Angaben über das jeweilige Schiff enthielten. 1694 erstmals wurde ein solches Attest für das 1693 in Kappeln gebaute Schiff „Junfru Anna“ erbeten. Mitreeder waren u. a. „Hinrich Horneman, Bürger und Handelsman in Druntheim“, und Peter Bischoff150; 1696 tauchen beide in derselben Funktion für dasselbe Schiff und ein weiteres auf.151 Manchmal war ein anderer Trondheimer Mitreeder: der Kommerzrat Ebbe Carstensen152, Ratsherr ebenda und verheiratet mit 150 151 152
StadtA FL, A 34, Bd. 20, 336. Ebd., 770v und 771. Ebd., Bd. 19, 365 v.
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einer Tochter Hornemanns. Für die letzte Lebensphase Bischoffs ist eine Handelsbeziehung zu Hans Hornemann, dem Sohn Henriks, direkt nachweisbar.153 Da der Name Peter Bischoff in den Gerichtsprotokollen der Stadt Trondheim auftaucht154, lassen sich zwei weitere Trondheimer in Zusammenhang mit ihm aufspüren. Dabei handelt es sich zum einen um Thomas Hammond (1663–1719), zum anderen um Lorenz Hansen Holst. Der erstere war der älteste Sohn eines Engländers gleichen Namens, der sich in Trondheim niedergelassen hatte und über seinen in London lebenden Bruder gute Verbindungen nach England unterhielt. Sein ältester Sohn setzte sein Geschäft fort. Dieser und seine Geschäftspartner zogen 1691 vor Gericht, weil sie Geldforderungen an Magnus Paulsen hatten. Peter Bischoff stand an dessen Stelle vor dem Trondheimer Stadtvogt.155 Er konnte hier natürlich nicht ohne Rücksprache mit seinem Patron antworten, worauf er denn auch verwies. Den Protokollen lässt sich auch etwas völlig Unerwartetes entnehmen: 1689 wurde Bischoff in Trondheim verhaftet und konnte seine Reise erst nach Stellung einer Kaution fortsetzen, genauer gesagt, er musste dem Schiff, das bereits in Richtung Russland abgesegelt war, hinterherfahren. Es ging dabei um Geldgeschäfte. Anfangs hieß es um zwei Obligationen und einen Wechsel156, die nach Ansicht der gegnerischen Partei nicht eingelöst worden waren. Gegen Bischoff vorgegangen war Lorenz Hansen Holst, ein aus Flensburg eingewanderter Trondheimer Partenreeder und Schiffseigner, der auch im internationalen Seehandel, z. B. mit Frankreich und Spanien tätig war157. Holst war später nicht nur der größte Reeder Trondheims,158 sondern galt auch „als der aufsässigste Mann, den die Stadt hat; ein unruhiger Kopf, … dem Recht und Unrecht gleichviel gelten“159. Er behauptete, dass Bischoff Bürge für ein Geldgeschäft des Flensburger Kaufmanns Asmus Prehn sei, der nicht zahlen konnte. Bischoff bestritt diese Funktion jedoch und behauptete, die Obligation – in Wirklichkeit handelte es sich nur um eine einzige – nur bestätigt und verwahrt zu haben. Prehn und Bischoff verband, dass sie praktisch gleichaltrig – Prehn war ein Jahr jünger – und beide Aufsteiger in Flensburg waren. Prehns Vater war Schuster
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Statsarkivet i Trondheim, PA 236, Hans Horneman 236, Outlandisk Bok 1722–1740, box No. 2. Diesen Hinweis verdanke ich Maria Press, Archivarin im Staatsarchiv Trondheim. Die Trondheimer Quellen wurden nicht systematisch ausgewertet, sondern nur bei spezifischen Hinweisen herangezogen. Statsarkivet i Trondheim, Trondheim by, Tingbok 1A 17, 1691–1692, http://arkivverket.no/ URN:rg_read/31333/85 (und 86 und 89). Den Hinweis auf die digitalisierten Quellen gab mir ebenfalls Maria Press.(20.9.2011) Statsarkivet i Trondheim, Tingbok 1A 15, 1689–1690 = http://arkivverket.no/URN:rg_read/ 31331/125 (23. Mai 1689), mit dem Vermerk, dass keine Stellungnahme Bischoffs erfolgte, und 135 (6. Juni 1689). (19.9.2011) Vgl. Henry Berg, Trondhjems sjøfart under eneveldet 1660–1814, Trondheim[1939], 41. 43, 47. Vgl. auch Georg Quedens, Inselfriesische Seefahrer in Trondheim, in: Robert Bohn (Hrsg.), Nordfriesische Seefahrer in der frühen Neuzeit, Amsterdam 1999, 47, 55, 60. Vgl. Berg, 69. Wibe, 59 (meine Übersetzung).
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gewesen160, Bischoffs bekanntlich Bauer. Holst blieb hartnäckig und hat Bischoff „in Druntheim von einem Gericht ins ander geführet“161, vor das Stadtgericht, das Ratsgericht und den Lagmann, die nächsthöhere Instanz. Die Auseinandersetzung setzte sich bis 1691 fort.162 Der Verklagte musste zwar den Zertifikationsschein herausrücken, wurde aber nicht zur Zahlung der von Holst geforderten 600 Riksdaler und der entstandenen Kosten verurteilt. Bischoff bestritt jedoch beständig, dass die Trondheimer Gerichte überhaupt zuständig seien. Das könnte der Grund dafür sein, dass Holst 1692 in Flensburg vor Gericht zog. Er erhob nun gegenüber Prehn eine Forderung von 1122 Riksdalern, kam jedoch mit seiner Klage nicht weit: Zum einen musste er nach den Rechtsvorschriften als Fremder zunächst eine Kaution stellen, und zum anderen erhielt Prehn einen Aufschub wegen einer Geschäftsreise nach Kopenhagen. Da Holst sich auf der Durchreise befand, einigten sich die beiden und Bischoff freundschaftlich, wie es heißt, „nach liquidirter Rechnung“, auf die Zahlung kleiner, um nicht zu sagen winziger Beträge (Prehn an Holst und letzterer an Bischoff) und einen gänzlichen Verzicht Holsts auf Prozesse gegen die beiden, sei es in Flensburg, Trondheim oder anderswo, und zwar für alle Zeiten. Das ließen sie eine Woche nach erhobener Klage gerichtlich festhalten.163 Die Entwicklung verweist auf Aktivitäten im Hintergrund, die sich auf der formalisierten Oberfläche des gerichtlichen Verfahrens nicht abbilden. Man sollte meinen, damit wäre die Angelegenheit beendet gewesen. Doch eine weitere Woche später strengte Bischoff eine Klage gegen Holst an „in puncto erstattung mittels unbilliger arrestverfolgung zugefügten schimpfs u. schadens“164. Während es Holst ganz offensichtlich um Geld ging, waren die Kosten des ganzen Verfahrens eindeutig nachrangig. Er sah sich „wegen solcher vom citato widerrechtlich vorgenommenen prodecuren vnnd wegen angelegten Arrestes in so großer Beschimpfung, versäumniß, vndt unkosten gestürzet, daß er lieber 1000 ML aus seinen Mitteln entbehren“165 wollte, als so für einen Freundschaftsdienst an Prehn (die Bestätigung und Verwahrung der Obligation) belohnt zu werden. Auffälligerweise stehen Arrest und Beschimpfung an der Spitze der Klagepunkte. Bischoffs Ruf als ehrlicher Kaufmann hatte durch die Verhaftung gelitten. Nun ging es ihm darum, öffentlich zu machen, dass alles zu Unrecht geschehen war und man ihm das Vertrauen, auf das Kaufleute grundsätzlich angewiesen sind,166 ohne Bedenken
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StadtA FL, A 34, Bd. 19, undatiertes Schreiben von Asmus Prehn, eingebunden nach S. 170. Ebd., 546 v. Statsarkivet i Trondheim, Tingbok, 1 A 17, 1691–1692 = http://arkivverket.no/URN:rg_read/ 31331/86-87, 91. (20.9.2011) StadtA FL, A 34, Bd. 19, 545 r–547 v, 11. April 1692. Ebd., 546–547 v. Ebd., 547 r. Die Notwendigkeit des Vertrauens (für Unternehmer) wird unterstrichen bei Margrit Schulte Beerbühl und Jörg Vögel, Spinning the Commercial Web: International Trade, Merchants, and
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schenken könne. In weit gespannten Netzwerken, so scheint es, hatte das Vertrauen – weil die Beteiligten weniger voneinander wussten – größeres Gewicht als in Nahbeziehungen. Das Gericht erkannte auf Stellung einer Kaution und Aufschub um sechs Wochen. Damit war die Sache erledigt, denn es war nicht damit zu rechnen, dass sich ein fremder Kaufmann, der sich auf der Durchreise befand, so lange in Flensburg aufhalten würde, um für die (unbekannte) Dauer eines Prozesses zur Verfügung zu stehen.167 Bischoff dürfte das gewusst haben; insofern war der von ihm angestrengte Prozess eine symbolische Aktion, die dazu diente, allen Geschäftspartnern mitzuteilen: Gegen mich ist völlig ungerechtfertigterweise vorgegangen worden. Schließlich ergibt sich eine weitere Beziehung zu Trondheimern durch Bischoffs Funktion als Bevollmächtigter, die er als aus Angeln stammend für Bürger der norwegischen Stadt mit Wurzeln dort übernahm. So geschah es 1689 für die Brüder Lorenz und Morten Mortensen in einer Erbschaftsangelegenheit.168 Ob auch Geschäftsbeziehungen bestanden, lonnte nicht etabliert werden; sie sind aber nicht unwahrscheinlich. In den Jahren 1689 bis 1691 führte Bischoff eine Wende in seinem Leben herbei. Er wurde Bürger Flensburgs, heiratete, kaufte ein Haus und begann eine Karriere in der Stadt. Ab 1691 reiste er nicht mehr nach Trondheim oder ums Nordkap, sondern führte von Flensburg aus seine Geschäfte weiter. Zuerst wurde er Bürger der Stadt. Das geschah 1689. Auf seinen Status als „vollangeseßener pfandtbahrer Bürger“169 hatte er schon im Prozess mit Holst verwiesen. Als Begründung für den Erwerb der Bürgerschaft hatte er angegeben, dass er viele Jahre dem in der Stadt ansässigen Kaufmann Magnus Paulsen gedient habe und nun heiraten wolle.170 Seine Ehefrau wurde die Tochter seines Dienstherrn. Sicher ist, dass diese Heirat ihm alle Rechte eines Kaufmanns einbrachte. Auch Jobst Schramm in Hamburg, der ebenfalls im Nordhandel für seinen Prinzipal tätig gewesen war, hatte auf diese Weise den Status eines vollberechtigten Kramers – die Unterscheidung von Kramern und Kaufleuten gab es zu dieser Zeit in Flensburg noch nicht – erworben, nachdem ihm die Zunft die Aufnahme wegen einer zu geringen Zahl von Ausbildungsjahren verweigert hatte.171 Bischoff heiratete mit 34 Jahren, seine Braut war 18 Jahre alt. Der Altersunterschied gilt als typisch für bürgerliche Verbindungen späterer Zeit, hat aber offensicht-
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Commercial Cities, c. 1640–1939: An introduction, in: dies. (Hrsg.), Spinning the Commercial Web, Frankfurt am Main - Berlin - Bern u. and. 2004, 15. Zu dem in Frage kommenden Termin wurde der Prozess nicht wieder aufgenommen. Die Brüder hatten Anspruch auf das Erbe ihres Bruders Peter (Martensen) in Norgaard. Vgl. LASH, Abtl 167.6, Nr. 11, f. 177 f. Auf diese Quelle wies mich Ida Bull, Trondheim hin. StadtA FL, A 34, Bd. 19, 547 r. StadtA FL, A 35, Bd. 19, 205 v, 19. November 1689. Vgl. auch Bürgerbuch der Stadt Flensburg, Bd. 1, hrsg. von Gerhard Kraack und Heinz Kellermann, Flensburg 1999, 317 (Nr. 3353). Vgl. Percy Ernst Schramm, Neun Generationen. Dreihundert Jahre deutscher Kulturgeschichte im Lichte einer Hamburger Bürgerfamilie (1648–1948), Bd. I, Hamburg 1963, S. 102.
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lich viel ältere Wurzeln. Auch bei Feddersen war die Alterskonstellation so. Die Männer heirateten, wenn sie sich beruflich etabliert hatten.172 Es war auch nicht ungewöhnlich, dass ein Kaufgeselle die Tochter seines Dienstherrn heiratete. Dies tat z. B. auch Melcher Rombergh im 17. Jahrhundert, der aus Dortmund in die Fördestadt gekommen war, als er Margaretha Faust, die Tochter seines Patrons, ehelichte.173 Bischoff gelang es mit dieser Heirat seinen sozialen Status in der Stadt deutlich anzuheben. In engen Grenzen bestätigt sich hier die Argumentation von Kaufleuten, dass sie den Wohlstand ihrer Stadt förderten, indem sie fähige Neubürger in die Stadt zögen und ihnen ihre Töchter gäben.174 Sein Dienstherr Paulsen war allerdings selbst neu in die Stadt gekommen. Jedoch hatte er in zweiter Ehe immerhin die Tochter des Ratsverwandten Jürgen Valentiner verheiratet und wurde eine Reihe von Jahren später selbst Mitglied des Magistrats. Solche Heiraten werden immer wieder in vorwiegend ökonomisch argumentierenden Interpretationen als strategisch bezeichnet, was sie sicher auch waren. Aber abgesehen davon, dass aus demographischer Sicht die meisten Heiraten sowieso endogamisch waren und es somit nahe lag, die Tochter eines Kaufmanns zu ehelichen, kommt hier noch einiges hinzu: Das Verhältnis zwischen Paulsen und Bischoff muss ein sehr gutes gewesen sein, sonst hätte es nicht so lange überdauert und sonst hätte er ihn nicht 1685 als Kompagnon in sein Geschäft aufgenommen – ein Vertrauensbeweis, der aber gleichzeitig verhinderte, dass Bischoff mit den erworbenen Kenntnissen ein eigenes, komkurrierendes Geschäft aufbaute.175 1689 gab er ihm dann, so würden es die Zeitgenossen ausgedrückt haben, obendrein seine Tochter. Die Mitgift blieb so in der Familie. Auffällig ist auch, dass Bischoff eine städtische Karriere machen sollte, die der seines Schwiegervaters folgte. Als Neubürger war Paulsen nach Flensburg gekommen – und zwar aus Ostfriesland, er hatte allerdings verwandtschaftliche Verbindungen in die Stadt –, war Ratsherr geworden und hätte das Bürgermeisteramt antreten können, was jedoch nicht geschah, möglicherweise aus Altersgründen, er war zu dem Zeitpunkt bereits 72.176 Bischoff kam ebenfalls als Neubürger nach Flensburg, wurde Ratsherr und – Bürgermeister. Noch zwei Jahre nach seiner Heirat setzte Bischoff seine Fahrten nach Trondheim und um das Nordkap fort.177 In den neunziger Jahren stieg die Zahl der Schiffe, die
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Vgl. auch Peter Kriedte, Taufgesinnte und großes Kapital. Die niederrheinisch-bergischen Mennoniten und der Aufstieg des Krefelder Seidengewerbes, Göttingen 2007, 91. StadtA FL, St.T. 184 IV. Vgl. Axel Flügel, Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, Bielefeld 1993, 213. Vgl. zum prekären Verhältnis zwischen Patron und Kontorbediensteten bzw. Handlungsgesellen Stefan Gorißen, Der Preis des Vertrauens. Unsicherheit, Institutionen und Rationalität im vorindustriellen Fernhandel, in: Ute Frevert (Hrsg.), Vertrauen, Göttingen 2003, 90–98. Vgl. Dieter Pust, Politische Sozialgeschichte der Stadt Flensburg, Flensburg 1975, 200. – Da das Verhältnis zwischen Paulsen und Bischoff fast wie das von Vater und Sohn erscheint, sei darauf hingewiesen, dass Paulsen auch einen leiblichen Sohn hatte, der Kaufmann wurde. Nach seiner Heirat war 1690 er der Flensburger Totengilde beigetreten. Vgl. StadtA FL, A 435, S. 10, Nr. 37.
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zur russischen Fischerhalbinsel (Rybachij-Halbinsel) fuhren178, was dafür spricht, dass diese Fahrten sehr lohnend waren. Das müssen sie aber auch vorher schon gewesen sein, denn Bischoff segelte seit 1687 wieder regelmäßig dorthin, obwohl es in der Vergangenheit zweimal zu handfesten Konflikten gekommen war.179 Nachdem er aufgehört hatte, nach Trondheim und zur Fischer-Halbinsel zu fahren, trat er in den neunziger Jahren als Befrachter von Schiffen für die mittelnorwegische Stadt auf, des Öfteren zusammen mit seinem Schwiegervater. So befrachteten die beiden z. B. 1696 drei Schiffe, die Kurs auf Trondheim nahmen, und waren an einer weiteren Befrachtung beteiligt.180 Aber auch Handel mit Südnorwegen, mit Drammen, kommt wie später bei Feddersen vor.181 Manchmal taucht Bischoff auch als Mitreeder (Partenreeder) für Schiffe, die in andere Länder als Rußland segelten, z. B. nach Frankreich, sei es mit Fracht von Norwegen182 oder mit Ballast von Flensburg183. Auch an dem kriegsbedingten direkten Handel zwischen Trondheim und Bordeaux und zurück beteiligte er sich sich als Partenreeder.184 „Bischoff gehörte auch als Korrespondenzreeder das größte damalige Flensburger Schiff ,Das Wappen von Flensburg‘, 100 KL, das auch in der Nordlandfahrt eingesetzt war.“185 Es ist anzunehmen, das die zahlreichen Fahrten nach Bogense, die im Verzeichnis seiner Landreisen aufauchen, auch im Zusammenhang mit seinem Handel stehen.186 Aber auch innerstädtisch trieb Bischoff Handel, z. B. mit Weizen oder mit Branntwein, der in größerem Maßstab in der Stadt hergestellt wurde. Hier zeigt sich einmal wieder die realitätsfremde strikte Grenzziehung zwischen Fernkaufleuten und Detailhändlern.187 Daneben agierte er als Kreditgeber in der Stadt, denn er erscheint ab und zu vor dem Ratsgericht, um zu bewirken, dass nicht zurückgezahlte Schulden beglichen werden188, oder als jemand, dem, wenn es bei Konkurs zum Vergleich der Kreditoren und Debitoren kam, ein Anteil zugesprochen wurde.189
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Rasmussen, Geschichte, 47. Vgl. unten, 113, 124. StadtA FL, A 34, Bd. 20, 826, 827, 828 b. Ebd., Bd. 19, 811v–812r, Vgl. unten, 182, 183. Ebd., 691–692. Ebd., Bd. 20, 736. Ebd., 238 f. Hans-Friedrich Schütt und Emil Lorenzen, Segelschiffzeit, in: Schiffahrt und Häfen im Bereich der Industrie- und Handelskammer zu Flensburg. Flensburg 1971, 99. Es lässt sich eine Handelsverbindung zwischen Bogense und Flensburg in dieser Zeit ebenso nachweisen wie Handel Bogenses mit Norwegen. Vgl. Hans Hansen, Bogenses Historie 1. Købstadens opståen og udvikling frem til slutningen af 1700-tallet, Bogense 1982, 130 f. Die Zollregister für Bogense im Landsarkivet for Fyn beginnen erst 1725. Frdl. Mitteilung von Camilla Schjerning, Kopenhagen, E-Mail vom 25.7.2012. Vgl. Lars Henningen, Lebensmittelversorgung und Marktverhältnisse in Flensburg im 18. Jahrhundert, in: Flensburg 700 Jahre Stadt – eine Festschrift, hrsg. von der Stadt Flensburg, Flensburg 1984, 207. Vgl. auch Grenzstadt, 236. StadtA FL, A 34, Bd. 19, 629 f, 670–671. LASH, Abt. 11, Nr. 1403, Konkurs Paul Stüwer 1692.
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Bereits während dieser Zeit übernahm er ein Amt in seiner Gemeinde, und in den folgenden zwei Jahrzehnten füllte er insgesamt sieben weitere städtische Ämter (bzw. solche, die mit der Stadt zu tun hatten) von unterschiedlicher Zeitdauer (ein, zwei, drei oder mehr Jahre) aus. Dazu vertrat er mehrere Male die Anliegen der Stadt direkt vor den vorgesetzten Behörden.190 Dafür war Abkömmlichkeit, d. h. Vermögen, notwendig, und das hatte er ganz offensichtlich in den zwei vorausgehenden Jahrzehnten erworben. In Flensburg gab es wie in anderen Städten eine Art Karriereleiter, die in die höchsten Kollegien bzw. Ämter der Stadt führte.191 Das Durchlaufen dieser Ämter kam dem Erwerb von Wissen und Erfahrung in der städtischen Verwaltung gleich und sorgte dafür, dass nur Männer in reiferem Alter in die höchsten Ämter gelangten. Allerdings waren die einzelnen Stufen nicht völlig starr festgelegt; auch konnte man sich von einigen Ämtern freikaufen, was aber zu Bischoffs Zeit noch nicht üblich war.192 Eine königliche Dispensation war ebenfalls möglich. Doch bestimmte Ämter konnte man kaum auslassen. Gewöhnlicherweise begann man als Kirchengeschworener und hoffte, sofern man eine städtische Karriere anstrebte, irgendwann über die Vertretung der Bürgerschaft – in älteren Quellen die 24er, später dann Deputierte genannt – in den Rat der Stadt zu kommen. Nur Kaufleute konnten Deputierte werden, und nur aus dem Deputiertengremium konnte man in den Rat – manchmal in Flensburg auch Senat genannt – gelangen, dessen Mitglieder in der Stadt neben der allgemein allgemein üblichen Bezeichnung Ratsherrn auch oft Ratsverwandte (oder Senatoren) genannt wurden. Deshalb ist das 18. Jahrhundert geprägt durch das „Monopol der Kaufleute“193. Ratsherrn und Bürgermeister wurden auf Lebenszeit gewählt. Bischoff erfüllte wie gesagt die zentrale Anforderung für den Aufstieg. 1690 wurde er für das Kirchspiel St. Marien Kirchengeschworener und war in dieser Funktion u.a. für Rechnungslegung und für die oft umstrittenen Ansprüche auf die Kirchenstühle194 zuständig. Danach wurde er 1693 zum Deputierten gewählt und vertrat damit die Bürgerschaft gegenüber dem Rat. Die Gremien arbeiteten normalerweise harmonisch zusammen. Dafür sorgte der Modus der Ergänzung bei Tod eines Deputierten. Doch im Jahr seiner Wahl als 24er kam es zu Spannungen zwischen dem Rat und der Bürgerschaft,195 die einige Zeit andauern sollten. Wie fast zu erwarten, ging es um die Kontrolle der Finanzen und damit um größere Rechte für die Deputierten, also letztlich um die Stadtverfassung. Nachdem der Rat auf eine erste Beschwerde mit einer Minimalkonzession reagiert hatte, kam es zu einer zweiten, in 190 191 192 193 194 195
Vgl. XII HS 1004, 23v–27v; Pust, Politische Sozialgeschichte, 52. Vgl. hierzu Pust, Politische Sozialgeschichte, 29–53. - Hier werden nur die wichtigsten Stufen (vgl. ebd., 31) berücksichtigt. Vgl. Dieter Pust, Abkäufe vom Deputierten-Amt in Flensburg 1742 bis 1833, in: Die Heimat 78 (1971), 39–43. Pust, Politische Sozialgeschichte, 81, auch 9. Vgl. StadtA FL, A 34, Bd. 19, nach 309. Vgl. zum Folgenden Karl Alnor, Die Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Flensburg bis zum Jahre 1700, Flensburg 1914, 105–114.
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der nicht nur die Zahl der Forderungen deutlich vermehrt, sondern auch der Ton stark verschärft wurde. Bischoff und vier weitere Deputierte, darunter sein Schwiegervater, teilten zwar die Beschwerden der Mehrheit, hatten aber eine andere Vorstellung vom Vorgehen, wie sie an diesem Zeitpunkt klar machten: Sie seien „von Anfang her der Meinung gewesen, dass wir den glimpflichsten Weg belieben sollten, damit dass Hauptwesen unseres Zwecks so viel besser erhalten, und alle besorgte Weitläufftigkeiten dem gesuchten Guten nicht hinderlich fallen möchten, worauff wir bei allen Unterredungen beständigst Verharret.“196 Sie trugen also die neue Beschwerde nicht mit und protestierten dagegen beim Rat. Die Deputierten hatten keinen Einblick in den Geldfluss zwischen Stadtkassierer und Kämmerei. Der Rat erklärte, dass es dabei um zurückgehende Gelder gehe, welche die Kämmerer der Stadt vorgeschossen hätten. Dieser strittige Punkt wurde so geklärt, dass die Zuständigkeit für die städtischen Bauten dem Kämmerer entzogen wurde und nun von zwei Vertretern der Deputierten wahrgenommen werden sollte, den neuen Bau- und Brückenherrn, die auch beeidigt werden sollten. Peter Bischoff wurde einer der beiden. Er war nicht der einzige der Moderaten, der von seiner Haltung profitierte. Aus diesem Grunde findet sich sein Name zweimal in dem Vertrag zwischen Rat und Bürgerschaft von 1698, mit dem der Streit beigelegt wurde: Einmal unterzeichnete er als normaler Deputierter, dann wird er als zu vereidigender Bau- und Brückenherr genannt.197 In den 1690er Jahren scheint Bischoff einige Reputation als Mann von Gewicht, dem man vertrauen konnte und der sich um Ausgleich bemühte, gewonnen zu haben. Als dem Schiffer (und Partenreeder) Jürgen Petersen sein Schiff „unter Norwegen … bey vintingsohr [Kvitsøya]“ verlorenging und ihm Kosten entstanden, bat er Bischoff, dies dem Rat zu melden und um ein Attest zu bitten.198 Und als 1696 eine Witwe und ein Hans Lange in Streit gerieten, wurde Bischoff als „verordneter gut Mann“199 bestimmt.200 Auch später war er als Rechtsbeistand tätig.201 In soziokultureller Hinsicht – symbolisch – war er nun ebenfalls in Flensburg präsent. Als Hausvater einer traditionslosen Familie in der Stadt tat er einiges, um sie dort fest zu etablieren. Während sein Hausbuch in der Familie blieb, also nicht sichtbar war, kaufte er ein Haus202 in der Großen Straße, zu der zu jener Zeit auch der heutige Holm gehörte, der zentralen Achse Flensburgs. Die Große Straße war der Ort der Repräsentation von Macht und Wirtschaftskraft: Auch Johann Gerhard Feddersen sollte später hier wohnen. In dem Anwesen, das Bischoff nun sein eigen nannte, 196 197 198 199 200 201 202
StadtA FL, A 34, Bd. 20, 194 (diese Seitenzahl ist allerdings doppelt vergeben), Schreiben an die Kollegen und Freunde, 3. Aug 1697 (beigelegt). Vgl. Alnor, 159, 164. StadtA FL, A 34, Bd. 19, 259 v. Das Deutsche Rechtswörterbuch, Bd. 4, Weimar 1939–1951, Sp. 1343 gibt als Definition: ein „vertrauenswürdiger, unbescholtener Bürger … als Gerichtsbeisitzer“. StadtA FL, A 34, Bd. 20, 826 v, 833 – 834 v ff. Vielleicht handelt es sich bei Hans Lange um den Bürger und Kaufmann gleichen Namens, der oft in den Ratsprotokollen auftaucht. Ebd., XII HS 1004, 26 r. StadtA FL, St.T, 21 II.
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hatten vorher Bürgermeister gewohnt.203 Sein Erfolg teilte sich so auch den anderen Bürgern mit. Mehr noch: 1695 erstand er ein Erbbegräbnis in der Marienkirche204, der Kirche seiner Gemeinde, und somit konnte jeder Gottesdienstbesucher den Namen der Familie lesen, wenn denn ein Todesfall eintrat, wie es des Öfteren der Fall war. Nach einem Säugling und einem Kleinkind starb 1698 seine Frau. Als er dann Bürgermeister geworden war, brauchte er sich nicht mehr hervorzuheben. Stattdessen stiftete er 1718 dem Hospital ein Gemälde, das den Landesherrn, den dänischen König Friedrich IV., zeigte.205 1697 wurde er zum Hospitalsvorsteher vorgeschlagen und auch ernannt. Damit hatte er bereits ein sehr angesehenes hohes Amt inne. Vier Jahre später war er dann Ratsherr. Solche Ämter waren im Prinzip Ehrenämter, doch waren die Inhaber von der halben Schatzung und den Einquartierungen befreit, was für Kaufleute schon einen größeren Betrag ausmachen konnte. 1703/4 bekleidete Bischoff das Amt des Kämmerers,206 war also für die städtische Rechnung zuständig, eine Funktion, die neue Ratsherrn oft als erste übernahmen. Zweimal vertrat er in dieser Zeit (gemeinsam mit einem weiteren Ratsverwandten) die Angelegenheiten der Stadt direkt vor Vertretern der Regierungsbehörden. Dabei ist besonders die Reise Bischoffs, der bereits vorher in Zollsachen verhandelt hatte207, nach Kopenhagen im Jahre 1704 von Bedeutung208, auf der er wie üblich von Vertretern des Rates und der Deputierten begleitet wurde. Hier wurde die Verpachtung des „Licenten“ – die damalige Bezeichnung für den Ein- und Ausfuhrzoll, im Gegensatz zum (Passier-)Zoll) – an die Stadt vertraglich geregelt, nachdem die Regierung vorher die Pachtsumme auf 4500 Rthlr hochgetrieben hatte. Die Stadt hatte aber trotzdem zugegriffen, um die Verpachtung an einen Privatmann zu verhindern. Diese offensichtlich profitable Pacht, die auch Möglichkeiten zur Manipulation bot, wurde bis 1753/4, als Claeden und Feddersen mit dem Versuch scheiterten, sie der Stadt weiterhin zu sichern 209, immer wieder erneuert. 1704 gelang es zwar nicht, die Pachtsumme auf 4000 Rthlr herunterzuhandeln, aber für Bischoff persönlich (und andere) war es sicher sehr angenehm, daß man „die Freyheit Erhalten, daß alle von Norweg(en) kommenden wahren Licent frey Eingehen alhier“210. Als Berend Stricker 1710 aus Altersgründen vom Bürgermeisteramt zurücktrat211, wurde Bischoff zu seinem Nachfolger gewählt212. Damit war er einer der zwei 203 204 205 206 207 208 209 210 211
Die Kunstdenkmäler der Stadt Flensburg, bearb. von Ludwig Rohling, München 1955, 469. Ebd., 137. Flensburg in Bild und Wort, 16.2. Vgl. StadtA FL, A 210 b, 1703–04, auch XII HS1004, 25 v. Vgl. ebd., XII HS 1004, 26 v. Reise nach Kopenhagen u. a. wegen Zollfreiheit auf Branntwein. Vgl. Peter Kall, Das Zollwesen in Flensburg und im deutsch-dänischen Grenzgebiet, Flensburg 1978, 32–34 und StadtA FL XII HS 1004, 26 v. Vgl. unten, 47, 189 f. StadtA FL, XII 1004, 26. Vgl. dessen Gesuch vom 15. Febr. 1710 an den König, dem stattgegeben wurde. StadtA FL, A 221.
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Bürgermeister der Stadt – jeweils einen für St. Nicolai (und St. Johannes) im Süden und einen für St. Marien (und die Ramsharde) im Norden. Sein Kollege war bis 1715 Jürgen Valentiner, der schon seit 1697 die Geschicke der Stadt mitlenkte. Seine Dankesrede auf die Einführung als Bürgermeister hielt Bischoff als „meine schlechte oration“ in seinem Hausbuch fest213 und gibt damit zu erkennen, dass er in dieser Hinsicht seinen besser ausgebildeten Kollegen aus den alt-etablierten Flensburger Familien unterlegen war. Die Einführung eines neuen Bürgermeisters war ein feierliches Ritual; sie geschah öffentlich auf dem Rathausplatz. Anwesend waren nicht nur die Ratsverwandten und die Deputierten, sondern auch ein Vertreter des Königs. Nach der Vereidigung wurde ein Gebet gesprochen.214 In der Rede sprach Bischoff auch seinen erstaunlichen Aufstieg an. Vor ungefähr vierzig Jahren sei er „in diße guthe Stadt frembt gekommen, vnd auch nicht viehl Mehr als Jacobs Stab an wehrt hineingebracht“215, und nun sei er Bürgermeister. Der Aufstieg in das höchste Amt in der Stadt hob ihn aus der Zahl der Neubürger deutlich heraus, die in der Stadt Ämter innehatten, doch muss man bedenken, dass die Zahl der am cursus honorum beteiligten Neubürger in den hundert Jahren nach 1730 bei annähernd 60% lag216. Daher liegt die Annahme nahe, dass auch vorher die Bedingungen für einen Aufstieg schon günstig, wenn auch bei weitem nicht so gut wie danach waren.217 Flensburg reiht sich also in die norddeutschen Städte ein, die gesellschaftlich relativ offen waren und im Gegensatz zu vielen oberdeutschen Städten Möglichkeiten zu sozialer Mobilität boten. Doch das höchste Stadtamt war auch unter diesen Bedingungen für Fremde schwer erreichbar. Von 14 zwischen 1650 und 1750 gewählten Bürgermeistern waren neun in Flensburg geboren oder entstammten einem Flensburger Geschlecht; vier kamen aus dem Herzogtum Schleswig. Darunter war nur ein Bauernsohn: Peter Bischoff.218 Ein Gedicht, das Bischoff zu dem neuen Amt gratulierte, schloss in gewisser Weise an seine Bemerkungen über seine gefährlichen Reisen und die wunderbare Rettung durch Gottes Hand an, die in den beiden Texten von Bischoff hervortritt.219 212 213 214 215 216 217
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Ebd., A 34, Bd. 25, 78; vgl. auch XII HS 1004, 27 r, dort auch die Zeitangaben für die Konfirmation und die Einführung. StadtA FL, XII HS 1004, 27 v – 29 r. Vgl. StadtA FL, A 966, ohne Seitenzahl (nachgetragen 616). Ebd. XII HS 1004, 28 v. Vgl. Pust, Politische Sozialgeschichte, 29. Im Gegensatz dazu schreibt Rudolf Schlögl bei der Diskussion der frühneuzeitlichen städtischen Wahlen: „Social climbers in such a constellation probably had a difficult time in all ages.“ Rudolf Schlögl, Power and Poltics in the Early Modern European City: Elections and DecisionMaking, in: ders. (Hrsg.), Urban elections and Decision-Making in Early Modern Europe, 1500– 1800, Newcastle upon Tyne 2009, 14. Flensburg war überhaupt eine Stadt, in der westfälische Einwanderer, die im 16. und 17. Jahrhundert dorthin gekommen waren, in großer Zahl in die städtische Führungsschicht aufgestiegen waren. Weitere Beispiele für sozialen Aufstieg in Städten aus dem süddeutschen Raum liefert Schindler, 92. Vgl. Flensborg, 288. Vgl. dazu StadtA FL, XII HS 1004, 28 v und unten, 72–74.
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Es arbeitet mit der See- und Schiffsmetaphorik: „wo Gottes weise Hand an unserm Ruder liegt/ Darff kein erzürnter Nord die schwartzen Wellen thürmen/ Der Haafen öffnet sich auch bey den größten Stürmen.“220 Es scheint, als ob der Verfasser von Bischoffs Vergangenheit als Steuermann gewusst hat, denn nachdem Strickers Rücktritt angesprochen worden ist, heißt es über Flensburg: „so hat der Himmel dir itzt einen Mann geschickt/ Der als ein Argus recht am Ruder wieder steht“221 und also nun das Stadtschiff lenkt. Die Amtszeit Bischoffs begann mit Herausforderungen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurde der Magistrat mit Gerüchten über einen Einfall der Pest in die Stadt konfrontiert. Das konnte schwerwiegende Folgen für eine Handelsstadt haben, wenn Quarantäne über sie verhängt wurde. In der Tat trat das 1711 ein; Holstein-Gottorf und Hamburg verboten zeitweise den Handel mit der Stadt. Kaum waren diese Sorgen zurückgetreten, trat ein anderes großes Problem auf. Der Nordische Krieg hatte die Stadt schon erheblich belastet, als Anfang 1713 die Schweden in Flensburg einfielen und eine riesige Brandschatzungssumme forderten. Es handelte sich dabei um eine Einheit des Generals Stenbock, der in Mecklenburg das dänische Heer geschlagen hatte, danach in die Herzogtümer eingedrungen war und Altona niedergebrannt hatte. Die Brandschatzung musste gezahlt werden, wollte man nicht das Schicksal der holsteinischen Stadt vor den Toren Hamburgs erleiden. Der erste Bürgermeister und mit großem Abstand reichster Bürger der Stadt, Jürgen Valentiner, flüchtete aus Flensburg, ohne ausreichende Anweisungen darüber gegeben zu haben, wie man seinen Namen nutzen konnte, um in Hamburg den notwendigen Kredit aufzunehmen. Einer der Nachfolger Bischoffs, der langjährige Bürgermeister und Stadthistoriker im Nebenbei, Georg Claeden, spendet Bischoff (den er versehentlich Simon Bisshoff nennt) und seinen Ratskollegen Lob für ihr Verhalten in dieser Situation, die in der Fördestadt nicht zum ersten Mal eingetreten war. Normalerweise flohen die Bürgermeister in solcher Lage aus der Stadt. Es habe jedoch beim letzten Mal, schreibt Claeden, nämlich 1713, „als nur ein Bürgermeister die Stadt verlassen, der zweite aber der seel. Simon Bisshoff standhaft mit seinen übrigen Collegen ausgehalten, und der Stadt ersprißliche Dienst gethan“222. Der wichtigste bestand sicher im Herunterhandeln der enormen Brandschatzungssumme, der zweite in der schnellen Bereitstellung des Geldes durch Kreditgeber in Hamburg. Eine erhaltene Liste gibt Auskunft darüber, wer für welche Summe geradestehen sollte. Sie stellt gleichzeitig eine Rangfolge der Reichen in der Stadt dar. An der Spitze stand mit weitem Abstand 220
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Christian Ernst Lundius, Als Der Hoch=Edle/ Hochweise Herr/ Herr Peter Bißhoff/… Das Hoch ansehnliche Bürgermeister=Ampt in der Stadt Flensburg den 26. Augusti 1710 übernahm, Flensburg o. J., StadtA FL Gedichte und Reden, XIII Bü, 2234 S 04, Nr. 65. Ebd. Claeden, Monumenta, Bd. 1, 100. Keine besonderen Informationen zu Bischoffs Handeln in dieser Zeit liefert Matthias Friedrich Glasemeyer’s Bericht über seine 1712 und 1713 während des Schwedischen Krieges der Stadt Flensburg geleisteten Dienste, mitgeteilt von A. Wolff, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Geschichte 17 (1887); vgl. 89 f.
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Jürgen Valentiner, der für über 55 000 Reichstaler einstehen musste, doch dann folgte schon an zweiter Stelle Bischoff mit fast 9000.223 Ob darin auch die 3000 Reichstaler enthalten sind, die Bischoff und Jasper Jaspersen (der ihm zur Seite stand) sich bereit erklärten in Geld oder Waren zu bezahlen, als an der geforderten Brandschatzungssumme noch ein Rest fehlte, ist nicht klar.224 Eine heikle Aufgabe, die anschließend zu meistern war, stellte die Umlage der gezahlten Gelder auf die Bürgerschaft dar. Über eine solche Frage konnten sich Rat und Deputierte schon einmal zerstreiten. Die Lösung traf nicht überall auf Zustimmung. Für Hans Iversen Loit, der sich stets durch kritische Stellungnahmen auszeichnete, stand 1717 fest, „dass weder die Brandschatzung noch die Monathl. Contribution proportionaliter angelegt noch darin die gebühren gleicheit beobachtet worden, sondern die großen und welche in den collegii sitzen offtmahlen nicht auf die Hälffte nach ihren Mitteln angeschlagen werden da doch die armuth und die Mittelmäßigen Bürger mehr als ihr Vermögen ertragen kann bezahlen und hergeben müssen“.225 Wieweit eine solche Kritik gerechtfertigt war, könnte nur eine ganz detaillierte Untersuchung zeigen. Die Veranlagung erregte nicht nur Hans Iversen Loits Ärger. Bischoff und sein Kollege hatten auch die Lehrer der Lateinschule einbezogen.226 Zusammengenommen mit einem weiteren noch anzuführenden Fall könnte man das als Hinweis deuten, dass Bischoff versuchte, Privilegien zurückzudrängen und alle mit in die städtischen Pflichten einzubeziehen. Der Grund dafür liegt sehr wahrscheinlich in der schweren Belastung der Stadt durch den Nordischen Krieg. Schon als Bürgercapitän hatte er mit (einem anderen Kollegen) die Ärzte zum Wachdienst herangezogen.227 Das mag unangemessen erscheinen, muss doch ein Arzt für Notfälle bereitstehen. Da es aber drei Ärzte in der Stadt gab, hätte die Maßnahme wohl ohne Beeinträchtigung der medizinischen Versorgung stattfinden können. Aber zur frühneuzeitlichen Gesellschaft gehören Privilegien dazu wie das Auge zum Gesicht: Selbstverständlich beschwerten sich die betroffenen Gruppen beim König und ebenso selbstverständlich bekamen sie recht. Als gefühlte Bedrohung der städtischen Selbstverwaltung empfanden Bischoff und sein Kollege die Unterordnung unter einen Oberpräsidenten (oder vielleicht, wie in anderen Städten, unter den Amtmann des benachbarten Amtes). Eine solche Situation ergab sich 1714.228 Bürgermeister und Rat wie auch das Deputiertenkollegium wehrten sich heftig dagegen, unter anderem mit dem Argument, dass das Gehalt eines solchen Beamten die Stadtkasse belasten würde – ein Argument, das große 223 224 225 226 227 228
StadtA Flensburg, A 905 b, specification wie in Hamburg die Gelder bezahlt wurden. Ebd., A 905 a, Schreiben vom 21. Jan. 1713. Ebd., A 905 b, Brief von Hans Iversen Loit an den Statthalter C.S. von Ahlefeldt, 4. Jan. 1717. Herangezogen wurden auch die Prediger, die ebenfalls von solchen Auflagen befreit waren und deshalb mit Erfolg dagegen vorgingen. StadtA FL, A 966, S. 591. Vgl. hierzu Gert Sandhofer, Flensburgs Stadtverfassung von 1700 bis 1848, Neumünster 1964, 90 f.
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Langlebigkeit aufweist.229 Flensburg behielt die alte Stadtverfassung, und Bischoff und sein Kollege konnten ihren Aufgaben ohne unmittelbare Kontrolle nachgehen. Abschließend seien noch einige Punkte erwähnt, welche die private Seite Bischoffs ein wenig erhellen. Einige Bemerkungen Johann Heinrich von Seelens, der kurze Zeit (1713–15) Lehrer an der Lateinischen Schule Flensburgs war, bevor er nach Lübeck ging, werfen ein anderes, neues Licht auf Bischoff. Von Seelen schreibt, dass ihm das Haus Bischoffs immer offen gestanden habe und er dort mit Bischoff viel über die Geschichte der jüngsten Zeit wie der ferneren Vergangenheit gesprochen habe.230 Dies ist ein etwas überraschender Kontakt zwischen einem Kaufmann und einem Mann aus der Welt der Gelehrsamkeit. Ganz zum Schluss noch einige Worte zu Bischoff als Mann, der ein neues Geschlecht gründen wollte. Sein dickes Hausbuch sollte die schriftliche Grundlegung dazu sein, ließ es doch Platz für viele Generationen. Die Reihe nach vorne zu verlängern, wie es viele taten durch die Einfügung von Texten und Dokumenten der Vorfahren, war ihm offensichtlich nicht möglich. Doch auch wenn sich ein Geschlecht der Bischoffs in Flensburg nicht etablieren konnte, entstand doch eine Kontinuitätslinie. Sein Hausbuch wurde nämlich fortgesetzt, allerdings nicht von seinen Söhnen, sondern von dem Ehemann einer seiner Töchter, Thomas Lorenzen Lorck. Darauf wiederholte sich dasselbe gleich noch einmal, als der Schwiegersohn des Schwiegersohns, Knudt Andersen, ebenfalls sein Leben in diesem Hausbuch schilderte. Für Bischoff als Angehöriger einer patrilinearen Gesellschaft, in der sich die Familie über Söhne fortsetzte, wäre das vermutlich keine befriedigende Lösung gewesen. Er hatte seine ganze Hoffnung auf seinen ältesten „so hertzlich geliebte(n) Sohn Magnus“231 als Nachfolger gesetzt, der jedoch 22jährig vor ihm in Hamburg starb, ohne dass sein kranker Vater zu ihm eilen konnte. Von Seelen widmete dem Vater anlässlich dieses Todesfalls ein 13strophiges Gedicht232, das indirekt zugleich die emotionale Verbundenheit der beiden Männer zeigt. In einer der Strophen mag er Bischoffs Gefühlen sehr nahe gekommen sein: Wer wird es Ihm dann nun, Hoch-Edler Herr, verdencken, Daß sein Hertz voller Weh’ und gantz in Thränen schwimmt, Daß jetzo nichts bey Ihm als Grämen, Trauren, Kräncken, Da Ihm des Todes Wuht ein kostbar Kleinod nimmt: Den wohlgerathnen Sohn, der Ihm sehr wohl gefallen: Der des Geschlechts Zierd’ und sehr beliebt bey allen.233
229 230
231 232 233
Vgl. unten, 53. Henr. a Seelen, Epimetron ad Memorabilivm Flensburgensivm Syllogen, in: ders. (Hrsg.) Memorabilivm Flensburgensivm Historicorvm, ecclesiasticorvm, ivridico-politicorum, literariorvm Sylloge, Lübeck 1752, 316. StadtA FL, XII HS 1004, 47v. Seelen, 317–319. Ebd., 318.
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Vielleicht war der Vater diesem Sohn, der übrigens nach seinem Schwiegervater hieß, nicht nur besonders zugetan, weil er der älteste war: „Man erblickte schon bey Ihm des Vaters Wesen“234, schrieb der Verfasser in seinem Gedicht und hob diese Wörter durch Großdruck hervor. Der einzige noch verbliebene Sohn Bischoffs ließ sich als Kaufmann in Kopenhagen nieder. Bereits vorher hatte Bischoff in seiner Familie nicht nur, wie viele Ehemänner und Väter, den Tod von Kindern im Säuglings- oder Kleinkindesalter erfahren müssen – ein Sohn starb drei Wochen nach der Geburt an einer Brustkrankheit, eine Tochter fast zweijährig an den Pocken – , sondern auch früh den Tod seiner Frau (1698), die kurz nach der Geburt des siebten Kindes starb. Er erlebte aber die Heiraten seiner drei Töchter. Bischoff selbst starb 1721 nach kurzer Krankheit im Alter von 66 Jahren.
3.3. Johann Gerhard Feddersen (1712–1787) Feddersen begann dort, wo Bischoff erst nach langem, arbeitsamen Leben hingelangen sollte. Sein Ausgangspunkt war eine in Flensburg etablierte Kaufmannsfamilie. Nicht nur Feddersens Vater, sondern auch der seiner Mutter waren Kaufleute gewesen.235 Seine Familie gehörte zwar nicht zu den alt-eingesessenen, „großen“ Geschlechtern Flensburgs, denn sein Vater Peter Feddersen (1664–1732) war noch in Rudköping auf der dänischen Insel Langeland geboren worden. Er schaffte aber den Aufstieg zum Ratsverwandten in Flensburg. Als solcher begab er sich Anfang 1713, als Bischoff Bürgermeister und sein Sohn Johann Gerhard gerade geboren war, nach Hamburg, um Gelder für die schwedische Brandschatzung auszuhandeln.236 Das „gebohrne Stadt=Kind“237, wie der Bürgermeister und Jurist Claeden Peter Feddersens Sohn Johann Gerhard nannte, sollte es in der Stadt noch weiter bringen als sein Vater.
234 235
236 237
Ebd. Zur Familie: Olaus Heinrich Moller, Genealogische Tabelle von den Vorfahren und Nachkommen des Hochedelgebohrnen und Hochweisen Herrn, Herrn Johann Gerhard Feddersen, hochverdienten Bürgermeisters der Stadt Flensburg und dessen geliebtester Ehegattin, der Hochedelgebohrnen und tugendreichen Frau, Frau Anna Elisabeth Feddersen, geb. Hallensen, … Flensburg 1773; StadtA FL, St T 80 II liefert nur die Namen der ersten 14 Geschwister; 80 V bezeugt Johann Gerhards Geburt; vgl. auch Dansk Biografisk Leksikon, Bd. VI, København 1935, 603 f. Die wichtigsten Stationen zu seinem Leben liefert mit genauen Angaben in den Fußnoten Georg Heinrich Greif, Das Bild eines vor, in und bey seinen Aemtern sorgenden Christen; zu einem Ehrengedächtniß dem in dem Herrn entschlafenen weiland Hochedelgebornen und Hochweisen Herrn, Herrn Johann Gerhard Feddersen, Hochverdienten zwanzigjährigen Bürgermeister der Stadt Flensburg, Flensburg 1787; vgl. auch Lars N. Henningsen, Penge og ånd. Flensborg-købmanden Hans Feddersens vej til brødremigheden, in: Sønderjyske Ǻrbøger 1990, 57–60. Vgl. unten, 165 f und Wolff, Glasemeyer’s Bericht, 97. Claeden, 792.
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Eigentlich war für ihn eine andere Karriere vorgesehen als die eines Kaufmanns und Bürgermeisters. Wahrscheinlich weil seine Eltern schon die deutlich älteren Brüder für die Nachfolge im Geschäft bestimmt hatten und wohl auch weil er das entsprechende Talent zeigte, wurde er von den Eltern zum Studium bestimmt. Das hätte ihn z. B. wie den Kaufmannssohn Wilhelm Valentiner238 zum Predigeramt in der Stadt führen oder auch zum Juristen machen können. Er besuchte daher, wie seine älteren Brüder und wie für angehende Kaufherren allgemein üblich, die höhere Stadtschule,239 in seinem Fall die alt-ehrwürdige Flensburger Lateinschule, die fünf Klassen mit insgesamt etwa 60 Schülern hatte und gerade dabei war, eine eigene (neue) Bibliothek aufzubauen.240 Da der Schulunterricht vorrangig auf das Lateinische ausgerichtet war, dürfte Feddersen Französisch, das er gut beherrschte, privat gelernt haben. Französisch war zwar die dominierende Sprache der Zeit, wurde aber schon im 17. Jahrhundert von Flensburger Kaufleuten benutzt.241 Englisch sprach er dagegen nicht. Doch die Schulkarriere Feddersens endete nach vier Jahren, in seinem Fall 1729. Im Gegensatz zu dem späteren Kaufmann Matheus Miller in Augsburg, der sich schon im Griechischen übte, als er von seinem Vater von der Schule genommen wurde242, konnte Johann Gerhard Feddersen wie sein Bruder Martin die Schule abschließen.243 Danach muss die Entscheidung gefallen sein, ihn doch in die Lehre zu geben, um Kaufmann zu werden. Die entscheidende Wende in seinem jungen Leben erfolgte, als er von seinen Eltern losgeschickt wurde, um Kunden seines Vaters zu besuchen. Man fragt sich allerdings, warum die Eltern ihm diesen Auftrag erteilten, wenn er doch studieren sollte und dazu noch ältere Brüder hatte, die diese Tour hätten übernehmen können. Sahen sie, dass er für etwas Anderes als das Studium geeigneter war? Oder hatte er sie unter Druck gesetzt? Man kann sich schlecht vorstellen, wie die Entscheidungsprozesse in der großen Familie – Johann Gerhard war das fünfzehnte Kind, dem noch drei weitere folgen sollten – abgelaufen sind. Feddersen beschreibt die Wirkung dieser Reise so, dass sie im Einklang mit seinem ganzen Leben steht: Er entdeckte seine „Neigung“ zur Kaufmannschaft“244. Eine solche Stilisierung der Jugend unter
238 239 240 241 242 243
244
Vgl. Stadt A FL, XII HS 679, Bd. IX, Gruppe 23. Vgl. Ernst Walter Zeeden, Deutsche Kultur in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1968, 121. Vgl. Bernhard Ludwig Königsmann, Geschichte der Flensburgischen Stadtschule, 2. Hälfte, 1. Abth., Schleswig 1801, 66, 75. Melchior Rombergh, Mein und der lieben Meinigen Gebuhrtszeit, Uhrsprung, Leben und Sterben. StadtA FL XII St.T. 184 IV (Abschrift Olaus Moller). Vgl. Die Aufzeichnungen des Matheus Miller. Das Leben eines Augsburger Kaufmanns im 17. Jahrhundert, hrsg. von Max Safley, Augsburg 2003, 53. Laut CATALOGUS Juvenum ac Puerorum qui Scholam Flensburgensem ab initio Seculi Ärä Christianä XVIIvi frequentarunt hat Johann Gerhard Feddersen die Schule von 1725–1729 („1725, Mar. Nr 379, Gerh. Feddersen, Quintanus, Disc. Anno 1729“) besucht, sein Bruder Friedrich von 1715–1718 und sein Bruder Martin von 1716–1720. StadtA FL XII HS 675 a. S. unten, 166, 191.
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dem Blickwinkel des später gewählten Berufes oder der „Bestimmung“245, wie Feddersen an anderer Stelle sagt, liegt nahe, wird doch immer wieder versucht, das eigene Leben als bruchlos hinzustellen. Das schließt aber prinzipiell nicht aus, dass es sich tatsächlich so verhalten haben könnte. Bald danach sollte Feddersen eine Stelle als Kostjunge in einer Großhandlung in Amsterdam annehmen, wo sich auch einer seiner Brüder aufhielt. Kostjungen waren meist Kinder vermögender Eltern, die gegen Bezahlung, auf die sich auch Feddersen eingestellt hatte, ausgebildet werden sollten. Zu einfachen Haushaltsarbeiten waren sie nicht verpflichtet, sondern sie sollten im Kontor, eventuell auch im Laden und auf der Reise, den Beruf des Kaufmanns lernen. Zu üben waren auch das Verfassen von Geschäftsbriefen, das Ausfüllen von Formularen, das kaufmännische Rechnen und das Buchhalten. Es ist klar, dass Feddersen eine solche Ausbildung erhalten sollte, denn für den Lehrjungen eines Einzelhändlers war ein mehrjähriger Aufenthalt im Welthandelszentrum Amsterdam, verbunden mit dem Erlernen einer fremden Sprache, nicht notwendig. Aber infolge von Missverständnissen begann Feddersen 1729 eine Lehre bei einem Gewürzkrämer, und die geplante Ausbildung zum Großkaufmann in Amsterdam scheiterte. Es ist anzunehmen, dass er sich darauf das entsprechende Grundwissen im väterlichen Geschäft angeeignet hat; doch darüber berichtet er nicht, sondern nur über eine Reise, die dazu diente, es zu erweitern. Kurz nachdem er sich als Kaufmann niedergelassen hatte, nämlich 1734, begann Feddersen im Alter von 21 Jahren eine kaufmännische grand tour nach Holland, Frankreich und England. Eine solche Tour stellt im Leben eines Einzelnen ihrer Einmaligkeit wegen einen Höhepunkt dar – nicht ohne Grund hielt er die Ereignisse detailliert in einem verloren gegangenen Reisetagebuch fest –, und nicht um sonst finden einzelne Episoden ihren Niederschlag in der Autobiographie, aber unter größeren Fernkaufleuten scheint sie zur Ausbildung gehört zu haben.246 Für Feddersen als gerade etablierten Kaufmann bot die Reise neben der Möglichkeit, die erworbenen Sprachkenntnisse praktisch anzuwenden, zugleich die Gelegenheit, sich als ein potentieller Geschäftspartner zu präsentieren und Kontaktnetze unter Gleichaltrigen zu knüpfen. Angehende Kaufleute aus den besseren Familien haben sich oft auf Auslandsreisen begeben, so auch Flensburger. Dabei wurde Holland als Handelsmacht Nummer eins bevorzugt besucht.247 So hatte sich im 17. Jahrhundert der Flensburger Kaufmann und spätere Bürgermeister Gerdt von Oesede mit Holland
245 246
247
Ebd. Über die Ausbildung Trondheimer Kaufleute, die sich von der der Flensburger nicht viel unterschied, vgl. Ida Bull, Inheritance in Family Business: The „Long“ Merchant Family: Problems Concerning Generation Change, in: Scandinavian Journal of History, 27 (2007), 196– 199. Die Forschung konzentriert sich leider immer wieder aufs Neue auf die adlige Kavalierstour. – Diese kaufmännischen Ausbildungsreisen sind zu unterscheiden von den Commerzreisen früher Handelsvertreter.
3. Die Autoren: Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen
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und Flandern bekannt gemacht248 und zu Beginn des 18. war Mathias Valentiner, Sohn des reichsten Flensburger Kaufmanns, nach Amsterdam und Frankreich gereist.249 Johann Gerhards eigener Vater hatte sich ebenfalls in Holland und Norwegen aufgehalten.250 Während Amsterdam als Welthauptstadt des Handels zum Pflichtprogramm gehörte – wer eine traditionelle grand tour machte, hielt sich allerdings nicht lange in dieser Stadt auf, überhaupt wurde Holland meist schnell mit dem Ziel Paris durchquert –, konnte Bordeaux von Feddersen als Zielort nicht ausgelassen werden, da die Handelsbeziehungen der Fördestadt dorthin recht eng waren. Eher ungewöhnlich für die Zeit war dagegen sein Aufenthalt in London, wenn auch Männer des Geistes aus verschiedenen Gründen sich in dieser Zeit nach England begaben. Es ging auf diesen Reisen nicht darum, auf Empfängen, Festen, Jagden usw. in die vornehme Gesellschaft eingeführt zu werden, sondern darum, die wirtschaftlichen Vorgänge im internationalen Vergleich besser verstehen zu lernen: daher die intensive Beobachtung der Börsen in Amsterdam, Bordeaux und London. Die Börsenbesuche ermöglichten darüber hinaus die Kontaktaufnahme mit anderen Kaufleuten. Der Hauptzweck der Reise schloss eine Teilnahme an kaufmännischer Geselligkeit selbstverständlich nicht aus. Nach seiner Bildungsreise setzte Feddersen seine eigene Tätigkeit als Kaufmann fort. Wir wissen darüber nur aus seiner Autobiographie, andere private Quellen wie Geschäftsbücher oder Korrespondenzen sind wie bei Bischoff nicht erhalten. Er leitete das Geschäft seiner Brüder Friedrich und Martin, führte aber auch Fernhandel auf eigene Rechnung.251 Den Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bildete der Textilhandel en gros. Von 1734 bis 1766 (mit Ausnahme des Auslandsreisejahres) besuchte er regelmäßig die Messe in Braunschweig. Er stellte sich 1744, wie er anlässlich der Reise in ein deutsches Hauptgebiet der Leinenproduktion, nach Ostwestfalen, schreibt, ein komplettes Lager zusammen. Außer nach Westfalen ritt er auch ins Eichsfeld. Nach seiner Rückkunft nahm er zuerst Handelsverbindungen mit (Reichs-)Dänemark auf, dann mit Norwegen. Er bewegte sich damit auf eingefahrenen Wegen, so z. B. im Handel mit Kaufleuten in der südnorwegischen Stadt Drammen, die, da an der Mündung eines Flusses mit Sägemühlen (und Eisenwerken) gelegen, vor allem wegen ihrer Holzausfuhr bekannt war. Dorthin hatte auch Peter Bischoff 1696 ein Schiff gehen lassen, das dann mit Holz nach England oder Holland segeln sollte.252 Im darauf folgenden Jahr begab er sich nach Trondheim. Diese Reise brachte ihm einen Großauftrag ein: 4800 Uniformen für das norwegische Militär. Einiges deutet darauf hin, dass er diesen Auftrag auch für andere Familienmitglieder tätigte. Es fällt nämlich auf, dass deren Geschäft noch Jahre später auch auf Militärbedarf eingestellt war. Denn sein Bruder Martin, der sein Geschäft seit 1732 248 249 250 251 252
StadtA FL XII St.T. 156 II, Extract aus des seel. Herrn Gerdt von Oesede BürgerMeisters sein Haupt-Buch. Vgl. Grenzstadt, 174. Vgl. StadtA FL, XII St.T. 80 (VII), Personalia, S. 10. Alle drei Brüder wohnten übrigens in der Großen Straße, der Hauptstraße Flensburgs. StadtA FL, A 34, Bd. 20, 821v–822.
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betrieb, begründete 1753 seine Unabkömmlichkeit für den Fall einer Wahl zum Ratsherrn so: „Allein da mein Handel und insbesondere die Lieferungen der erlaubten MondirungsSorten nebst Zelten und sonstigen FeldRequisiten an viele Herrn Chefs in Ewr Königl. Mayt. Arméen so viele Accuratesse und Sorgfalt erfordern“, sei ihm eine Übernahme des Amtes nicht möglich.253 Der Handel einer verwitweten Schwägerin scheint sich zwar in kleinerem Rahmen bewegt zu haben, doch zeigt sich auch hier noch über 30 Jahre später eine gewisse Ausrichtung auf das Militär. So heißt es in einer Übersicht: „Die Handlung besteht gröstentheils aus Leinwand und kurzen Waaren; nächstdem in Lieferungen an Regiments- und FeldRequisiten… Ueberdem hat sie einen Krahm-Ausschnitt, bestehend in Leinen, wollen und baumwollen Waaren, nebst ihren dazu gehörigen kleinen Assortiments.“254 Nachdem Feddersen sich geschäftlich einigermaßen etabliert hatte, heiratete er. Wie Bischoff war er über dreißig, als er es tat, und ebenfalls wie bei Bischoff war die Braut deutlich jünger. Es liegt also dasselbe Muster zugrunde. Die Eheschließung mit Anna Elisabeth Hallensen (1726–1780), der Tochter eines Kaufmanns und Deputierten, im Jahre 1744 vermerkt er in seiner Lebensbeschreibung jedoch lediglich. Jeder Hinweis auf das Zustandekommen dieser Verbindung fehlt. Dagegen wird der durch Tod der Braut gescheiterte Heiratsplan mit einer Norwegerin, der Witwe des Kaufmanns Lars Christiansen in Christiania (Oslo), ausführlich und mit starken emotionalen Übertönen geschildert.255 Wie Bischoff durchlief Feddersen die Ämterlaufbahn der Stadt. Zwanzig Jahre nachdem er Deputierter geworden war (1747), wurde er zum Bürgermeister gewählt, ein Amt, das er weitere zwanzig Jahre innehaben sollte. Und obwohl er ein erhebliches Maß an Glück hatte, schon 1767 das höchste Amt zu erreichen, dürfte es ihm viel zu langsam gegangen sein. Alles spricht dafür, dass er ganz gezielt versuchte, möglichst früh möglichst weit nach oben zu kommen. In seiner Autobiographie beschränkt sich Feddersen bei der Darstellung seiner Stadtkarriere – mit einer Ausnahme – auf die reine Aufzählung der Stationen, im Gegensatz z. B. zu einem Schwiegersohn Bischoffs, zu Thomas Lorenzen Lorck, der immerhin sagt, was ihn ein bestimmtes Amt gekostet und was er in einem anderen zuwege gebracht habe.256 Vielleicht glaubte Feddersen einerseits, mit weiteren Angaben zu seinem öffentlichen Leben zuviel Herrschaftswissen preiszugeben (oder Uninteressantes mitzuteilen) oder er wollte sich selbst in dieser Hinsicht nicht zu sehr herauszustellen. Andererseits erforderte die für ihn unverzichtbare Erwähnung der 253
254 255 256
LASH, Abt. 65.2, Nr. 2243 I, Allerunterthänigste Vorstellung und Bitte, Flensburg 18. Juni 1753. Noch 1774 handelte er „mit allerley Sorten leinen, Seyden, wollen und Baumwollen Waaren als auch in Waaren zu Regiments lieferungen, zu Zelter, Kittel, Hembder, nebst übrige requisitis zu der Regiments Mundirung“. StadtA FL. A 307, Bd. 1, Liste von denen mit und ohne Concessionen handelnden Kramern, Flensburg, 17. März 1774. Ebd. Es handelt sich um Catharina Feddersen, Witwe von Peter Feddersen dem Älteren. Vgl. auch Briefkopialbücher, 94, 157, 234 und öfter für andere Seiten ihres Handels. Vgl. dazu unten, 188. Vgl. Lorck-Schierning, 91.
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Bürgermeisterwahl einschließlich der Einführung und des Kirchgangs eine Vorgeschichte. Aber vielleicht hielt er es auch ganz gezielt für besser, auf seinen Aufstieg nicht näher einzugehen – warum, wird aus dem Folgendem hervorgehen. Die Ausnahme bildet die erfolglose Deputation zum König in Kopenhagen zusammen mit dem von diesem ernannten „gelehrten“ Bürgermeister Claeden Ende 1753 um die Erneuerung der Zollpacht der Stadt. Diese hatte Peter Bischoff im Verein mit anderen Stadtvertretern 1704 erstmalig für Flensburg erworben.257 Die Beauftragung Feddersens erscheint ein wenig eigenartig, da er gegen die Gesandtschaft gestimmt hatte.258 Aber vielleicht hatte man dem Juristen Claeden einen Mann mit wirtschaftlichem Sachverstand an die Seite stellen wollen. Statt jedoch der Stadt den Zoll erneut zu verpachten, speiste man die zwei Vertreter Flensburgs mit königlichem Wein und Champagner ab. In Feddersens Autobiographie erhält die Mission einen anderen Akzent als bei Claeden, der sich ein knappes Jahrzehnt zuvor bereits in gedruckter Form dazu geäußert hatte.259 Während Claeden von dem „unschätzbaren Glück“260 spricht, an der königlichen Tafel gespeist zu haben, ist es für Feddersen in seiner detaillierteren Darstellung nur eine „Ehre“. Auch lässt er anklingen, dass man ihnen nur schöne Worte gab, die aber nicht ernst gemeint waren, sondern bloß beschwichtigen sollten, ohne dass dies damals schon zu erkennen war.261 Interessanter ist, was Feddersen nicht berichtet, was sich aber anderen Quellen entnehmen lässt. Einmal in Kopenhagen, wollte der Deputierte Feddersen die neuen Kontakte am Hof für seine eigene Karriere nutzen. Er wandte sich mit einem Gesuch um eine überzählige (oder „supernumeraire“ in der Sprache der Zeit) Ratsverwandtenstelle an den König.262 Sein Bruder Friedrich hatte das im selben Jahr getan, aber nur um eine Stelle ohne Sitz und Stimme gebeten.263 Johann Gerhard Feddersen war bereits sehr jung, mit 34, Deputierter geworden; die Zeit, bis er als einer der ältesten Deputierten in den Rat wählbar sein würde, konnte also lang werden. Er hat vielleicht spekuliert, dass man in den zentralen Behörden, nachdem man Flensburg die Zollpacht genommen hatte, dem Gesuch eines der beiden erfolglosen Gesandten der Stadt um so offener gegenüberstehen und seiner Bitte in einer Art ausgleichender Gerechtigkeit entsprechen würde. In dem Gesuch, ganz offensichtlich ohne Wissen des Bürgermeisters geschrieben, betont er nicht nur, dass er die Leitung der Grönländischen Gesellschaft innehabe, sondern hebt auch seinen Einsatz für die Stadt hervor, wenn er schreibt, „in diesem Officio [dem des Deputierten] bin ich verschiedene Jahre her, 257 258 259 260 261 262 263
Vgl. oben, 37. Vgl. Pust, Politische Sozialgeschichte, 44. Auch Iversen Loit war an der Delegation beteiligt, vgl. Grenzstadt, 186. Vgl. Claeden, 171 f. Ebd., 171. Ebd., und unten, 189 f. LASH, Abt. 65.2, Nr. 2243 I, Allerunterthänigste Vorstellung und Bitte, Kopenhagen, 28. Dez. 1753. Vgl. Pust, Politische Sozialgeschichte, 65; ungenau Sandhofer, 36, Anm. 77.
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mehr als einer von den Collegen, in StadtAffairen und weitläufftigen Rechnungssachen gebraucht worden“264. Er vertrat darin die Ansicht, „dass ein Bürger sich durch nichts anders als durch thätliche Verdienste den Weg zur besten Bürgerlichen EhrenStelle, nemlich einem Platz in RahtsCollegio bahnen müste“265. In Ehrenämter gelangte man normalerweise, wenn die Voraussetzungen Vermögen (d. h. Abkömmlichkeit) und Befähigung gegeben waren, durch Wahl (Kooptation) aufgrund von Gewohnheiten oder Sozialprestige.266 Nicht so nach Feddersens Verständnis: danach erreichte man ein Amt durch hervorragende Leistungen und königliche Ernennung. Diese Kombination gefährdete jedoch die Rechte der Stadt und beeinträchtigte die der anderen Mitglieder des Deputiertenkollegiums. Mit seiner Bitte versuchte Feddersen nicht nur, sich einen Vorteil gegenüber den älteren Anwärtern zu verschaffen, sondern er höhlte damit auch das Wahlrecht der Stadt aus, denn neue Mitglieder des Magistrats wurden gewählt und nicht vom König ernannt – was immer man von diesen Wahlen halten mag. Das Selbstergänzungsrecht war ein „Grundpfeiler“267 der Stadtverfassung, eine tragende Säule der städtischen Selbstverwaltung. Allerdings waren solche Gesuche in der Geschichte Flensburgs nicht unbekannt268 und gaben dem König die Möglichkeit – ob er sie nutzte, ist eine andere Frage –, seine Stellung im Sinne des Absolutismus auszubauen. Die Gnade des Königs hätte für Feddersen bedeutet, dass er bei der nächsten Vakanz richtiger Ratsherr geworden wäre. Der Statthalter befürwortete das Gesuch, u. a. mit der Begründung, dass „die allerhöchste Landesherrschaft Sich Selbst niemahlen“ durch das Wahlrecht der Stadt Grenzen gesetzt hätte.269 Ganz anders lautete jedoch die vorangehende Stellungnahme des Flensburger Bürgermeisters Claeden. Er strich zwar die Fähigkeiten und Verdienste Feddersens heraus, wies aber darauf hin, dass das Wahlrecht der Stadt dem Wunsche Feddersens entgegenstehe, ganz abgesehen davon, dass es im Augenblick keine Vakanz und damit keine Gelegenheit gebe, einen neuen Ratsverwandten zu wählen. Auf die Frage nach der Schaffung einer überzähligen Ratsverwandten-Stelle ging er gar nicht erst ein.270 Der König schloss sich diesem Votum an; das Gesuch wurde daraufhin abgelehnt.271 264 265 266
267 268 269 270 271
LASH, Abt. 65.2, Nr. 2243 I, Allerunterthänigste Vorstellung und Bitte, Kopenhagen, 28. Dez. 1753. Ebd. Vgl. Michael Hecht, Ehrenämter und Gemeinwohlorientierung? oder Was bedeutet „bürgerschaftliches Engagement“ für die Stadt der Vormoderne, in: Holger Zaunstöck, Jörn Weinert und Andres Thiele (Hrsg.), Der Bürger und seine Stadt, Halle 2011, 32 f. Sandhofer, 19. Vgl. ebd., 67–74. LASH, Abt. 65.2, 2243 I, Gottorf, den 27. März 1754. Ebd., Stellungnahme Claedens, Flensburg, 20. März 1754. Vgl. Pust, Politische Sozialgeschichte, 288, Liste der Gesuche. – Hier zeigt sich einmal wieder, dass der in Dänemark ja bekanntlich offiziell eingeführte und viel beschworene Absolutismus zu einem guten Stück nichts als ein Phantom war. Vgl. Nicholas Henshall, The myth of absolutism, London 1992; und zu den französischen bzw. deutschen Verhältnissen Lothar Schilling (Hrsg,), Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? München 2008.
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Den Sprung ins höchste Gremium der Stadt schaffte Feddersen dann erst über ein Jahrzehnt später, nämlich 1765. Nun wurde er zwar Ratsverwandter, aber auf eine ungewöhnliche Weise. Besonders vor dem Hintergrund seiner Bitte in den fünfziger Jahren zeigt sich, dass hier ein Mann mit Macht in das höchste Gremium der Stadt strebte. Bei den Wahlen für den Rat boten sich eigentlich wenig Möglichkeiten. Zwar gab es drei Kandidaten, nämlich die ältesten Deputierten. Nach alter Gewohnheit hatte aber das älteste Mitglied des Deputiertenkollegiums, genau der ältere der beiden Vorsteher dieses Gremiums, das Anrecht auf die freie Stelle. Ebendas war Feddersen aber nicht, als eine Ratstelle frei wurde. Deshalb wurde aus der Routinehandlung eine richtige Wahl, bei der widerstreitende Prinzipien aufeinander prallten.272 Der alte Bürgermeister und geschulte Jurist Claeden stimmte der Gewohnheit gemäß und damit nicht für Feddersen. Wer sich für ihn entschied, musste schon besondere Argumente vortragen. Einer berief sich darauf, dass Feddersen früher als der ältere der beiden Deputierten, Cramer, Ältermann geworden sei, sozusagen ein abgewandeltes Anciennitätsprinzip. Zugespitzt wurden die Positionen dann durch ein anderes Ratsmitglied, das Feddersen die „vorzüglichste Geschicklichkeit“273 zu dem Amte zuschrieb: Damit stand das Anciennitätsprinzip274 gegen das der Qualifikation durch Fähigkeit und Leistung. Diese eindeutige Gegenüberstellung dürfte bei der Wahl aber kaum der einzige wichtige Faktor gewesen sein. Vielmehr dürfte auch Feddersens prominente Stellung in der Stadt – er hatte die Grönländische Kompagnie geleitet und stand nun an der Spitze Westindischen Gesellschaft – eine Rolle gespielt haben wie das Netz seiner geschäftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen. Die Wahl ging knapp aus, vier Stimmen gingen an Feddersen, drei an den anderen Kandidaten. Keiner protestierte und Feddersen wurde von seiner Wahl benachrichtigt. Damit war nur noch die Meldung nach Kopenhagen notwendig, denn eine königliche Bestätigung war nicht nötig. Und doch: die Wahl sollte ein Nachspiel haben. Einige Zeit später beklagte sich der Unterlegene, übergangen worden zu sein. „Ein Ehrliebendes Gemüth wird nicht wenig gekräncket, wenn ihm diejenige Beforderung, worauf es billigste Ansprüche hat, nicht angedeyhet“275, schrieb er. In dem Kopenhagener Antwortschreiben wurde bestätigt, dass Feddersen „wieder [sic] die Gewohnheit“276 die Ratsstelle erlangt hatte. Man fand eine Lösung, ohne den Magistrat und Feddersen bloßzustellen. Dem Übergangenen wurde als Kompensation der Ratstitel ohne Sitz und Stimme
272 273 274 275 276
StadtA FL, A 34, Bd. 42, 67. Ebd. Ich benutze den Quellenbegriff; genau genommen müsste man wohl vom Senioritätsprinzip sprechen. LASH, Abt. 65.2, Nr. 2243 I, Allerunterthänigste Vorstellung und Bitte Jochim Cramers, Flensburg, 8. Juni 1765. Ebd., Pro Memoria, Copenhagen, 22. Aug. 1765.
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verliehen.277 Das war zwar eine Rangerhebung, entsprach aber nicht dem, was ihm eigentlich zustand. Ein Jahr später wurde dann eine Ratsstelle frei und nun zeigte sich die Spätwirkung von Feddersens Verhalten, denn da Cramer im vierten Grad mit Feddersen verwandt war, war ihm aufgrund eines königlichen Erlasses aus dem Jahre 1753 jede Chance genommen, in den Rat zu gelangen. Er sah sich daher gezwungen, um eine Dispensation einzukommen. Er erhielt sie und wurde mit sechs von sieben Stimmen, unter denen sich auch die von Feddersen befand, gewählt.278 Feddersens oben bereits geschilderte kaufmännische Aktivität diente in erster Linie dem Eigennutz. Er stellte sich aber auch in leitender Funktion bei verschiedenen Unternehmungen zur Verfügung, die der Stadt und ihren Bewohnern nutzen konnten, bei denen also das Gemeinwohl deutlich im Vordergrund stand. Den Hintergrund bildete die verschlechterte wirtschaftliche Situation der Stadt nach 1742. So war er daran beteiligt, als in der Stadt ein neuer Versuch unternommen wurde, Gewinn aus der Jagd auf Wale und Robben zu erzielen. Er gehörte früh zu den Mitgliedern der 1749 gegründeten „Handlungs=Societät auf Grönland, Spitzbergen und die Straße Davis“.279 Das war aber kein Neuland; bereits 1722 hatte man eine Gesellschaft zu diesem Zweck etabliert. Es handelte sich um eine Aktiengesellschaft. Geld brauchte man für Schiffe, Ausrüstung und Entlohnung der Besatzung, was Gewerbe in der Stadt förderte und Arbeitsmöglichkeiten an Land und an Bord schuf. 1753 übernahm Feddersen die Leitung oder „Ober-Direktion“ der Gesellschaft.280 Obwohl keine Dividenden ausgezahlt wurden, arbeitete sie mit Verlust, so dass sie ihre Schiffe 1757 verkaufte und im folgenden Jahr aufgelöst wurde. Die Aktionäre erlitten sehr große Verluste.281 Erneut trat Feddersen in leitender Position auf, als auch in Flensburg – nachdem dies bereits in Kopenhagen geschehen war – eine Gesellschaft für den Handel mit St. Croix gegründet und er ihr Direktor wurde.282 Die erst 1733 erworbene Insel St. Croix nahm „im dänischen Kolonialhandel eine hervorragende Stellung“ ein.283 Wie oben bereits angeführt, wurde die Gesellschaft direkt nach der Übernahme der Verwaltung durch den Staat und der Freigabe des Handels mit den dänischen Karibik-Inseln auf Feddersens Anregung und die seines Bruders Friedrich etabliert. Geschäftlich haben sich die Brüder aber unterschiedlich stark in diesem Handel engagiert, der, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt waren, vom Staat unterstützt wurde. Bei dem ersten 277
278 279
280 281 282 283
Ohne auf die Wahl Feddersens und Cramers Zurücksetzung einzugehen, meint Pust, Politische Sozialgeschichte, 64, 65, dass Cramer diesen Titel erstrebt habe, um schneller Ratsherr zu werden. StadtA FL, A 34, Bd. 42, 109. Flensburg in Bild und Wort, 18.5; Pust, Flensburger Grönlandfahrer, in: Martin Rheinheimer (Hrsg.), Mensch und Meer in der Geschichte Schleswig-Holsteins und Süddänemarks, Neumünster 2010, 102 f. Vgl. unten, 189. Vgl. Flensburg in Bild und Wort, 18.4–18.8. Vgl. unten, 190. Link, 55.
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nach St. Croix gehenden Schiff war Friedrich Feddersen Korrespondenzreeder, also für die gesamte Organisation zuständig und mit 2/6, Johann Gerhard selbst nur mit 1/6 Part beteiligt. Eine geringere Beteiligung als Reeder lässt sich auch in den beiden folgenden Jahren feststellen.284 Es scheint eher, dass Feddersen seinen Einsatz für die Stadt auch auf diese Weise zeigen wollte, als dass er in erster Linie auf großen Gewinn aus war. Die Gesellschaft schickte bis 1765 jährlich meist zwei Schiffe über den Atlantik, danach nur noch eins.285 Die gute Entwicklung dieses Handels zeigt sich darin, dass auch Trondheimer – die Verbindung war also immer noch vorhanden – Schiffe zum Befrachten zur Verfügung stellten. Allerdings gab es auch Schwierigkeiten, die nicht nur durch die Natur (Verlust von Schiffen in Stürmen) oder den Krieg in Europa und Amerika (die Engländer machten Konvoischiffe notwendig), sondern auch durch das Verhalten staatlicher Behörden enstanden: Den Hintergrund dieser Reibungen stellte die staatliche Kontrolle des Überseehandels sowohl bei der Ausfuhr von St. Croix – hier verhinderten die Maßnahmen die Zahlungsfähigkeit der Pflanzer – wie bei der Einfuhr nach Flensburg dar. Letztere resultierten aus der Tatsache, dass die Flensburger Kaufleute die Zollpacht verloren hatten und nun einen königlichen Beamten über sich dulden mussten, wovor sie sich immer gefürchtet hatten.286 So wurden z. B. Bitten um die Rückerstattung bestimmter Zollgebühren für das 1760 von St. Croix zurückgekommene Schiff Schwalbe abgelehnt.287 „Der von hiesige [so] Zollbedienten gebrauchte unerlaubte Umgang bey vielen Begebenheiten“288 war, so Feddersen, ein wichtiger Faktor bei der Auflösung der Gesellschaft 1770 (obwohl profitabel). In diesem Rückzug kann man einen Akt des passiven Widerstandes gegen die zunehmende staatliche Kontrolle sehen. Feddersen drückt es so aus: „mein Temperament (ist) nicht dazu aufgelegt, mich chicaniren zu lassen.“289 Diese Äußerung zeigt aber auch, was oben bereits gesagt wurde: dass für ihn (und andere) keine geschäftliche Notwendigkeit bestand, sich hier zu engagieren oder engagiert zu bleiben. Der Anlass für die Auflösung war letztendlich das Ausmaß der Gewinne, die der dänische Staat, hauptsächlich durch Zoll, aus dem Westindienhandel ziehen wollte.290 Auch in der Zuckerherstellung war Feddersen aktiv.291 Er leitete eine von drei im Jahre 1769 in der Stadt tätigen Raffinerien, und zwar eine mit acht Beschäftigten. Dabei wurde der Rohzucker mit eigenen Schiffen importiert – fremder wurde nicht 284 285 286 287 288 289 290
291
StadtA FL A 327, 8. Oct. 1756, 5. März 1757, 18. Febr. 1758. Vgl. Link, 68. Vgl. Kall, 52. Vgl. LASH, Abt. 68 Prot, No. 1. S. 193 f und S. 254 f (26. April und 17. Mai 1760). A 422, Bd. 1, Unmaßgebliche Gedancken. Ebd. Vgl. Klas Rönnback, Who Stood to Gain from Colonisation? A Case Study of Early Modern European Colonialism in the Caribbean, in: Markus A. Denzel, Jan de Vries and Philipp Robinson Rössner (eds.), Small is Beautiful? Interlopers and Smaller Trading Nations in the Preindustrial Period, Stuttgart 2011, 69–72. StadtA FL, A 422, Unmaßgebliche Gedancken.
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genutzt – und nach der Bearbeitung dann in der Stadt und der Umgebung verkauft. Staatliche Vergünstigungen konnte man also nicht in Anspruch nehmen, da es diese nur bei Re-Export gab. Den Angaben nach brachte das Geschäft nur geringen Gewinn, da man nicht billiger produzieren konnte als die Hamburger oder die Holländer. Diese leitenden Tätigkeiten Feddersens überschnitten sich zeitlich zu einem kleinen Teil mit einer anderen: Er war 1767 Bürgermeister geworden. Damit hatte er nach nur zwei Jahren Ratsmitgliedschaft das Ziel seines Strebens erreicht. Die höchste Position auf der städtischen Amtsleiter war normalerweise der Ratssitz, denn Bürgermeister hatten ihr Amt lebenslänglich inne und so konnte es lange dauern, bis eine der zwei Bürgermeisterstellen frei wurde. Obendrein musste man das älteste Mitglied des Rates sein, denn in der Regel wurde dieser Ratsherr von seinen Kollegen gewählt; die Deputieren hatten nur eine kollektive Stimme. Feddersen hatte das Glück, aufgrund von Todesfällen sehr schnell vom jüngsten zum ältesten Ratsverwandten aufzurücken, was sein Bürgermeisterkollege nicht vergaß anzumerken.292 Er war sichtlich stolz darauf, das höchste Amt in der Stadt erreicht zu haben. Claeden, ihm vorgesetzt von Regierungsseite und auch in traditioneller Sicht zumindest den Vorrang genießend, berichtet, ein Freund Feddersens habe ihm gesagt: „Zween Tage schätzte Er [Feddersen] in seinem Leben als die angenehmsten der Welt. Den einen Tag, da er zum Bürgermeister erwählet, und den andern, da Er introduciret worden.“293 Wenn dem so war – und daran ist kaum zu zweifeln –, dürfte ihn auch gefreut haben, dass ihm zu seinem Amtsantritt ein Gedicht gewidmet wurde.294 Claeden legte seinem neuen Kollegen öffentlich die Förderung des Handels nahe.295 Genau darum hatte sich Feddersen auch schon vorher bemüht, genau dafür besaß er die notwendigen Kenntnisse und so ergab sich eine quasi natürliche Arbeitsteilung zwischen den beiden Bürgermeistern: Der eine war hauptsächlich für die Justiz und die rechtlichen Angelegenheiten zuständig, der andere für das Wirtschaftsleben. Während Feddersens Wahl problemlos über die Bühne gegangen war, kam es während seiner Amtszeit durch den Tod seines Kollegen Claeden 1781 zu einer Richtungsentscheidung. Seit dem, was man undifferenziert den „größten Eingriff der Staatsmacht in die althergebrachte Selbstverwaltung der Stadt“296 genannt hat – gemeint ist Claedens überraschende Ernennung zum Bürgermeister im Jahre 1742
292 293 294
295 296
Vgl. Claeden, 792 f. Ebd., 815. Dem Hochedelgebohrnen, Hoch= und Wohlweisen Herrn Bürgermeister, Herrn Joh. Gerhard Feddersen, widmete bey dem Antritt solcher Würde am 18ten des Wintermonats 1767, gegenwärtiges Gedicht zum Zeichen wahrer Hochachtung J(ohann) D(iederich) B(remer), Flensburg o. J. StadtA FL, Gedichte und Reden, 2234 S 4. Gedichte zu solchen Anlässen waren nicht ungewöhnlich. Vgl. Claeden, 815. Flensborg, Bd. 2, 16. Meine Übersetzung.
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anstelle einer Wahl durch denn Rat297 –, waren die Probleme um die Bürgermeisterwahl durch Claedens lange Amtszeit von fast vier Jahrzehnten auf die lange Bank geschoben worden. In den 1770er Jahren jedoch kamen sie wieder auf die Tagesordnung. Dabei ging es darum, ob die Regierung ihren Einfluss noch ein Stück weiter vorschieben konnte oder die Flensburger die Selbstverwaltung, soweit noch gegeben, bewahren konnten. Konkret ging es um die Alternative Wahl durch den Rat oder Ernennung durch den König, um die Führung der ganzen Stadt durch eine einzige Person oder die der zwei Hauptkirchspiele durch jeweils eine, und es ging weiterhin – und das war ganz wichtig – um die Qualifikation des Bürgermeisters: Sollte es ein Kaufmann sein wie üblicherweise oder ein Jurist wie Claeden? Und das hieß gleichzeitig: Sollten auch Nichtkaufleute am Stadtregiment teilhaben? Damit nicht genug, es ging auch um das Geld der Stadt, so jedenfalls die Vertreter des alten Systems, da ein gelehrter Jurist aus der Stadtkasse bezahlt werden musste (dass die Steuerreduktion, die dem Bürgermeister zustand, geringere Einnahmen bedeutete, wurde nicht erwähnt). Und es ging um Alter und Ansehen. Sollte Feddersen, der ja inmitten der ganzen Konfliktfelder stand und seine Arbeit im Wesentlichen ehrenamtlich verrichtete, nun erneut einem bezahlten Juristen, aber diesmal einem jüngeren, untergeordnet werden oder sollte das Prinzip der Anciennität wieder Geltung erlangen? Wie im Fall Claeden selbst halfen auch hier Bürger der Stadt durch ihr Verhalten der Zentrale. Mit dem Ansinnen konfrontiert, einen Syndikus anzustellen – zurückgehend auf eine Initiative des Flensburger Advokaten Thor Straten –, antworteten Bürgermeister und Rat, man brauche einen solchen nicht, auch keinen gelehrten Ersten Bürgermeister; wer Vorrang habe, bestimme die Anciennität. Falls Claeden vor ihm stürbe und durch die Ernennung eines Bürgermeisters mit dieser Gewohnheit gebrochen würde, schreibt Feddersen, würde ihm „in der Zurücksetzung gegen einen viel jüngeren an Jahren und Dienstleistungen unverschuldeter Tort widerfahren“, zumal er nur die normalen Vergünstigungen erhalte und nicht daran denke, um mehr einzukommen.298 Das half nicht; die Regierung setzte 1777 fest, dass einer der Bürgermeister ein Jurist sein sollte. Als Claeden 1781 tatsächlich starb, hatte die Regierung dem Advokaten Thor Straten, der einer alten Flensburger Familie angehörte, die Ernennung bereits zugesichert. Die Stadt bestand aber in dieser Situation auf dem Wahlrecht. Sie konnte es aber nur unter der Bedingung behaupten, dass der neue gelehrte Bürgermeister der erste und dirigierende sein sollte. Gleichzeitig wurden dem Rat die Kandidaten nahe gelegt: Darunter war, wie zu erwarten, auch Thor Straten. Eine klare (wenn auch indirekte) Stellungnahme gegen die Pro-formaWahl wäre also gewesen, diesen nicht zu wählen. Da die Zentrale bisher kaum jemals 297
298
Man muss bedenken, dass die Initiative dazu von Claeden ausgegangen war. Eine Verbreiterung der sozialen Basis für das Amt brauchte nicht notwendigerweise durch eine Ernennung zu erfolgen. Zu sehen ist allerdings die größere Staatsnähe der Juristen. StadtA FL, A 221, Bürgermeister und Rat an den König, Flensburg, 12. Juni 1776 (Entwurf); das Argument taucht in aller Kürze schon auf in dem Ratsprotokoll vom 7. Juni 1776, vgl. A 34, Bd. 45 a; vgl. auch Sandhofer, 93.
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bereit gewesen war, zugestandene Rechte brüsk beiseite zu schieben, sondern den allmählichen Wandel unter weitgehender Berücksichtigung der Rechtslage bevorzugte, wäre damit keine große Gefahr verbunden gewesen. Es kam im Rat zu einer kontroversen Diskussion, ob man den schon zweimal abgelehnten Thor Straten als einen (der drei) Kandidaten präsentieren sollte. „Der Herr Bürgermeister Feddersen hat seine Meinung pro Negativo umständlich eröffnet, und anbey seine und der Stadt Jura reserviret.“299 Doch er unterlag; eine knappe Mehrheit sprach sich für Thor Straten aus, der dann auch zum ersten und dirigierenden Bürgermeister gewählt wurde. Ein auf Wunsch der Zentrale gewählter Bürgermeister bedeutete letztlich, dass das Bürgermeisteramt unterste Staatsbehörde wurde.300 Ein Jurist, der ein Vierteljahrhundert jünger war (geb. 1738), war nun Feddersen vor – oder sollte man sagen: vor die Nase – gesetzt worden. Feddersens Einsatz für die Stadt ist unbestritten – er wird, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, gleich noch zur Sprache kommen –, aber in seinem Machtstreben argumentierte er opportunistisch: Einmal war es die Leistung, die einen schnellen Aufstieg rechtfertigen, dann jedoch die Anciennität, die ihn zum ältesten, den Vorrang genießenden Bürgermeister machen sollte. (Daneben berief man sich allerdings auf durch die Stadtkarriere erworbenes gründliches administratives Wissen). Doch zurück zum Beginn der Amtszeit Feddersens. Als er Bürgermeister wurde, war die wirtschaftliche Lage der Stadt immer noch ein großes Problem – man konnte ja nicht wissen, dass Flensburg bald von den Kriegen der Großmächte profitieren würde. Zeitgenossen hatten der Stadt nichts Gutes prophezeit, so der Geograph Büsching, der mit dänischen Verhältnissen gut vertraut war. „Vor diesem war die Handlung hierselbst sehr ansehnlich und blühend, jetzo aber ist sie ziemlich schlecht“, schrieb er und begründete das damit, dass der Stadt der Handel mit Norwegen erschwert und der nach Kopenhagen und anderen Orten Dänemarks ihr genommen worden sei. Und nun, nach dem Frieden von Aachen 1748, sei „zu besorgen, dass die Stadt von Zeit zu Zeit in größere Abnahme gerahten werde“ – ein veröffentlichtes Urteil, das der erste Bürgermeister Claeden ca. zwanzig Jahre später mit Sorge zitierte.301 Deshalb legte er, wie schon gesagt, Feddersen als seinem neuen Kollegen in seinen Monumenta 1768 besonders die Förderung des Handels ans Herz. In Kopenhagen aber, wo man sich schon lange bemühte, das Wirtschaftsleben zu fördern, dachte man in eine andere Richtung, und so erreichte den Magistrat 1769 die Aufforderung, über die Errichtung von Fabriken nachzudenken und zu diesem Zweck erst einmal eine Bestandsaufnahme der gewerblichen Produktion zu machen. Gemeint waren arbeitsteilige gewerbliche Großbetriebe, keine Fabriken im heutigen Sinne. Derartige Vorgehensweisen sind zu gleicher Zeit auch in Deutschland zu beobach-
299 300 301
LASH 65.2, Nr. 2242 I, Kopie des Ratsprotokolls vom 10. Mai 1781; A 34, Nr. 46, 75 a. Das zeigt sich auch sehr schön an den Titeln, die Thor Straten erwarb: Justizrat und dann Etatsrat. Claeden, 219.
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ten.302 Im Vordergrund stand dabei eindeutig die Textilindustrie. Man versuchte also, dafür die relevanten Informationen einzuziehen. Feddersen musste wie andere auch über seine wirtschaftlichen Tätigkeiten berichten, stellte sie aber als Bürgermeister in einen größeren Zusammenhang. Er breitete sie in einer Stellungnahme unter dem Titel „Unmaßgebliche Gedancken wegen der alhie in der Stadt aufzurichtende [so] Fabriquen“303 aus. Nach Beratungen des höchsten Gremiums gab dann die Stadt ihren Bericht ab, der erkennen lässt, dass längere Passagen von Feddersen übernommen wurden.304 Vergleicht man nun die beiden Stellungnahmen und achtet dabei auf Streichungen und Verschiebungen in der Betonung, dann tritt Feddersens Haltung, auch was ihn in dieser Zeit besonders beschäftigte, deutlich hervor. Auffällig ist bei ihm das prononcierte Eintreten für die Schifffahrt und damit indirekt für den Handel und die Interessen der Kaufleute. Sie folgt unmittelbar auf die einleitende Vorstellung der wirtschaftlichen Fundamentalfaktoren (Standort, Mangel an Absatz – was man dem Standort unterordnen könnte – und Rohstoffe stehen dabei an der Spitze, später kommen das Lohnniveau und die Marktorganisation dazu). Für Fabriken fehlten Rohstoffe, Arbeitskräfte seien nicht vorhanden und das Lohnniveau zu hoch, argumentierte Fedddersen. Außerdem liege man an der See. „Es würde“, schreibt er daher, „der Absicht des Königes [dessen Vertreter nach der Möglichkeit eines Fabrikwesen gefragt hatte!] ehender gemäß sein, daß sich mehrere zur See gewöhnen, als durch Spinnen dadurch abhalten zu lassen.“305 Das war eine klare Stellungnahme gegen Manufakturen. Zwecks besserer Wirkung wurde noch eine Notsituation an die Wand gemalt. Würden nämlich Menschen für die Spinnereien abgezogen und würde dann die Marine zur Hälfte bemannt, dann müssten die Handelsschiffe im Hafen liegen bleiben. Das klingt wie eine Bestätigung der alten Sicht vom alten städtischen Bürgertum als innovationsfeindlich, aber ganz so verhält es sich nicht, wie sich gleich zeigen wird. Diese Stellungnahme Feddersens geht nun zwar im Bericht der Stadt nicht verloren, sie wird jedoch erst viel später, und zwar als letzter von drei Punkten vorgebracht und untertanengemäß eingekleidet. Ihr wurde also der konfrontative Charakter genommen. Die Tendenz des städtischen Berichts geht dahin, sich nicht direkt dem Aufbau eines „Fabrik“wesens entgegenzustellen, sondern anzumahnen, dass er von privater Seite, und zwar im Kleinen und mit Augenmaß zu beginnen sei und nicht durch große Unternehmungen par force, gestützt durch staatliche Eingriffe. Dahinter standen selbstverständlich auch Eigeninteressen – man wollte nicht, dass das Vermögen der Negotianten erschüttert werde. Aber wichtiger scheint die grundsätzliche wirtschaftspolitische Stellungnahme, nämlich dass „Handel und Wandel, samt 302 303 304 305
Z. B. in Kursachsen, das sich allerdings in einer anderen Situation befand. Vgl. Horst Schlechte (Hrsg.), Die Staatsreform in Kursachsen 1762–1763, Berlin 1958, 108. StadtA FL, A 422, Bd. 1, undatiert, mit Begleitschreiben vom 23. März und Zustimmung Claedens vom 29. März 1769. Der Schreiber tritt hervor, wenn es heißt: „ich der Bürgermeister Feddersen“. Doch nennen sich auch andere direkt. StadtA FL, A 422, Bd. 1, Antwort der Stadt, Flensburg, 30. März 1769. StadtA FL, A 422, Bd. 1, Unmaßgebliche Gedanken, ohne Datum (März 1769).
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allem commercio allermeist mittelst natürlicher Freiheit floriret“306. Das war eine deutliche Absage an merkantilistische Ideen (und insbesondere an die Zollgesetze von 1768, gegen die auch explizit Stellung bezogen wurde). In der Tat bargen staatliche Protektion und Subvention gerade bei Manufakturen etliche Gefahrenquellen. Was aber Bürgermeister und Rat wie auch Feddersen nicht erwähnten, war der riesige Import von Flachs über die Ostsee nach Flensburg307, wodurch zumindest ein Pfeiler für die Errichtung einer Leinenfabrik vorhanden war. Doch traditionellerweise pflegten die Flensburger Kaufleute den Flachs weiterzuverkaufen, wenn auch Segeltuch in der Stadt produziert wurde. Die schematische Einteilung in fortschrittliches Wirtschaftsbürgertum und beharrendes altes Stadtbürgertum erweist sich bei näherer Betrachtung als unterkomplex. Feddersen sprach sich nämlich für die Förderung der Weiterverarbeitungsgewerbe der Kattundruckerei und der Färberei aus. Das war zwar keine wegweisende Neuerung, zielte aber doch auf Veränderung durch Förderung eines relativ neuen Wirtschaftszweiges. Es waren zwar „Fabriken“, die mehr Menschen Arbeit gaben, aber sie dienten gleichzeitig auch dem Interesse der Kaufleute: Kattundruckereien (für die Färberei galt ähnliches) wurden von Zeitgenossen als „Hilfsmittel zum leichtern Vertrieb der Baumwollen und Leinen-Waaren“308 angesehen. Feddersen selbst hatte auch Versuche zur Herstellung von Textilien mit Wolle aus Eiderstedt machen lassen, was zwar gelang, doch die Produktion wurde aufgrund des hohen Wollpreises, der durch die gute Qualität bedingt war, abgelehnt. Er sprach sich darüber hinaus für die Übernahme neuer Methoden beim Spinnen aus, „womit die ausländer uns an die Hand gehen“309. Damit waren aber nicht die Engländer, sondern Spinnereien im herzoglichen Husum gemeint. Schließlich ist noch auf die schon erwähnten Zuckerraffinerien hinzuweisen, die auch unter die Fabriken gerechnet wurden und großes Entwicklungspotential besaßen. Aufschluss über das, was Feddersen zu diesem Zeitpunkt umtrieb, geben Teile, die gar nicht übernommen wurden. Dabei handelte es sich einmal um seine Attacke auf die staatlichen Eingriffe in den Überseehandel, die in einem Bericht über den Stand des Fabrikwesens in der Tat wenig zu suchen hatte. Probleme machte nicht nur, wie schon erwähnt, der einheimische Zollverwalter, sondern auch die Kämmerei in St. Croix bei der Rückfracht. Die Kämmerei beschlagnahmte große Teile der Rückfracht, welche zur Bezahlung der gelieferten Waren dienten. Mit dem Justizrat und 306 307
308
309
Ebd., Antwort der Stadt, Flensburg, 30. März 1769. Vgl. Lars N. Henningsen, Et „flittigt oeconomisk“ folk. Tilvirkning og salg af tekstiler fra Nordøstslesvig i 1700-årene, in: Sønderjyske Ǻrbøger 1989, 134. Auf den billigen Import von Flachs übers Meer wies auch W. Schmettow angelegentlich eines Projekts zur Errichtung einer Leinenfabrik in Flensburg hin, vgl. dieser an den Statthalter, Kopenhagen, 5. Juni 1753, LASH, Abt. 10, Nr. 458. Das Zitat findet sich bei Rolf Straubel, Kaufleute und Manufakturunternehmer. Eine empirische Untersuchung über die sozialen Träger von Handel und Großgewerbe in den mittleren preußischen Provinzen (1763 bis 1815), Stuttgart 1995, 35. StadtA FL. A 422, Bd. 1, Unmaßgebliche Gedanken, ohne Datum (März 1769).
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Zollverwalter geriet Johann Gerhard Feddersen über die Auslegung der Zollbestimmungen in Streit. Dass er nicht Recht bekam, reduzierte den Gewinn. Sein Ärger zeigte sich dann in seinem Gutachten. Zum anderen fehlt im städtischen Gutachten etwas Anderes, was Feddersen vorgeschlagen hatte, nämlich sein Engagement für die Armen, denen er Arbeit verschaffen wollte. Und zwar könnten sie, so meinte er, verschiedene Textilarbeiten übernehmen, die nicht profitabel genug durchgeführt werden konnten, um im wirtschaftlichen Wettbewerb zu bestehen, die aber doch dazu dienen könnten, dass das Geld dafür in der Stadt bliebe. Das war gegen jede wirtschaftliche Vernunft und Erfahrung, denn auf diese Weise hergestellte Produkte waren in der Regel von geringer Qualität und daher schlecht verkäuflich, wie die Defizite von Arbeits- und Armenhäusern zeigten. Man kann hier nur annehmen, dass die soziale Verantwortung die wirtschaftliche Einsicht zurückgedrängt hat. Eintreten für Arme zeigte Feddersen auch, als es um die Aufteilung des gemeinschaftlich von den Hausbesitzern (wenn auch nicht allen), teils als Ackerland, teils als Viehweide genutzten großen Stadtfeldes ging. Im Rahmen der Verkoppelungen und Gemeinheitsteilungen in der Landwirtschaft, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen, wurde die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Stadt Flensburg zwischen 1766 und 1773 unter die Berechtigten aufgeteilt. Wie im ländlichen Bereich ergaben sich auch im städtischen Probleme durch die gewohnheitsmäßige Nutzung des Feldes zur Hut nach der Ernte. Diese Nutzer hatten keine Rechte und wurden folglich bei der Privatisierung nicht berücksichtigt, d. h., ihre Lage verschlechterte sich. Es gab immer Menschen, die darauf hinwiesen. Feddersen, der von Anfang mit dem Verkoppelungsgeschäft befasst war,310 bezog jedoch noch eine weitere Gruppe in die Betrachtung ein. Er kleidete seine Ablehnung in die Frage: „Wäre wohl für eine Stadt zu bedencken: Ob nicht bey Einstellung der gemeinen Vieh-Weyde die kleinen Haus-Haltungen, so den größten Theil ausmachen, hauptsächlich darunter gefährdet werden, wann sie da ohnehin die Milch bey jetziger Vieh-Zeuge [Seuche] sparsahmer und kostbahrer geworden, nicht Gelegenheit hätten, dergleichen von ihren Nachbahren so leicht als bisher geschehen, erhalten?“ 311 Doch das war nicht nur seine Meinung, hinter ihm standen große Teile der Interessenten (zu denen er selbst gehörte), zumindest des St. Nikolai-Kirchspiels. Sie wurden zu sieben Punkten befragt und lehnten die Abschaffung der „gemeinen Gräsung und ViehWeide“ ab.312 Vor dem Hintergrund seines Einsatzes für die Armen, der gleich noch deutlicher werden wird, ist sicher, dass das Argument hier nicht rein instrumenteller Art war, nur vorgeschoben, um eine Veränderung zu verhindern. Das war allerdings nur einer in der Reihe von Einwänden, die er gegen die Umorganisation vor310 311 312
Vgl. StadtA FL, A 462 a, Bd. 2, 12. Sept. 1768, wo Feddersen den Felddeputierten fünf Fragen zur Beantwortung übersendet. StadtA Fl, A 459, Pro Memoria Johann Gerhard Feddersen, Flensburg, 30. Juni 1770. Vgl. auch Grenzstadt, 206, und Claeden, 5, Anm. StadtA FL, A 459, Fragen (o. D.) und die Antworten darauf, beginnend mit der ablehnenden Stellungnahme der Witwe Jens Kalls.
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brachte.313 Manche von ihnen schwören eine moralische Gefährdung der Unterschichten herauf, die sich nach Feddersens Meinung aus der Veränderung der Arbeitsabläufe ergeben konnten – besonders dann, wenn die Dienstmägde zum Melken auf das Feld gingen und sich dabei unter Vorwänden von Knechten begleiten ließen: Die Folge wären „liederliche Metzen“ und „Tage=Diebe“.314 Was hier zum Ausdruck kommt, sind wohl eher aus dem Ruder gelaufene Vorstellungen über die Unterschichten, vielleicht angeregt durch die steigenden Illegitimitätsraten. Die alte Einteilung des Stadtfeldes wurde unter „seiner Vorschrift und Direction“ auf einer Karte festgehalten, ohne vorheriges Wissen des Ratskollegiums, wie Claeden bemerkte315, bei dem man nie weiß, ob sich hinter seiner Faktenwiedergabe Kritik verbirgt oder nicht. Nach über 30 Jahren Tätigkeit hatte Feddersen 1770 sein Geschäft an seinen einzigen noch lebenden Sohn übergeben. 1773 musste er jedoch einen schweren Schlag hinnehmen, als dieser Sohn starb. Darin gleicht sein Schicksal dem Bischoffs, doch war seine Lage im Hinblick auf die Nachkommenschaft noch prekärer. Da auch seine Enkelinnen gestorben waren bzw. starben, war von seinen fünf Kindern nur noch eine unverheiratete Tochter am Leben. 1774 schrieb er gemeinsam mit seiner Frau ein Testament und setzte eine größere Summe für die Armen aus, „eine Linderung ihres Elends zu verschaffen, als welches ich denn mich um so zweckmesiger angesehen habe als wenn ich mein Vermögen der Thorheit aufgeopfert hätte“316. Das ist etwas geschönt, denn der Einsatz eines Teils seines Vermögens stand in engem Zusammenhang mit dem Schicksal seiner Tochter, die von Jugend an kränklich gewesen war. Für Feddersen und seine Frau schien es möglich, dass sie vor den Eltern sterben würde.317 Da sie dann nicht wüssten, „für wen wir hier in der Welt gearbeitet und uns Mühe gemacht haben“318, mussten sie darüber nachdenken, was mit dem Vermögen geschehen sollte. Da lag es nahe, sich an die Jahrhunderte alte Tradition Flensburger Kaufleute anzuschließen, Stiftungen für Arme zu gründen und Legate für sie auszusetzen319, was zur allgemein verbreiteten christlich-bürgerlichen Wohltätigkeit von Kaufleuten gehörte. Das Ehepaar traf die Entscheidung, 30 000 ML einzusetzen, 20 000 für ein Familienlegat, das vor allem sich verheiratende Töchter der Verwandtschaft begünstigte, während 10 000 ML einer „Fundation“ für die Armen gewidmet werden sollten. 313 314 315 316 317
318 319
Vgl. Flensborg, 73. StadtA Fl, A 459, Pro Memoria Johann Gerhard Feddersen, Flensburg, 30. Juni 1770, § 10. Claeden, Monumenta, 6. Abbildung der Karte in Flensborg, Bd. 2, 71. S. unten, 191. Das wird besonders im zweiten Testament von 31. März 1774 deutlich. Eine Kopie des Testaments findet sich im StadtA FL, XII HS 950 b 11 zusammen mit einem Auszug der wichtigsten Punkte. Stadt A FL, A 222, Testament von Johann Gerhard Feddersen und Anna Elisabeth Feddersen vom 8.1.1774. Das spiegelt sich noch in der „Allgemeine[n] tabellarische[]n] Üebersicht des Armenverpflegungs- und Versorgungswesens zu Flensburg, in den Jahren 1806 bis 1816 inclusive, Flensburg 1816, f. 4–7, 12.
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Diese Stiftung erscheint innovativ, wenn man sie sich genauer ansieht, denn sie war nicht ganz allgemein den Armen, sondern denjenigen unter ihnen gewidmet, die es besonders hart getroffen hatte. Das Geld des Ehepaars Feddersen sollte einem ganz speziellen Zweck dienen: der Errichtung einer Pflegestation für kranke Arme. Diese Abweichung von dem traditionellen Vorgehen wurde in einer Zusammenfassung deutlich hervorgehoben: „Es soll kein eigentliches Armen-, sondern ein Krankenhaus seyn für temporelle Verpflegung bettlägeriger Armen.“320 Das war eine Neuerung, einmal weil erst mit der Gründung der Hamburger Armenanstalt von 1788 ein neuer Impuls im Armenwesen gesetzt wurde und zum anderen weil Krankenhäuser in den Herzogtümern auch erst in den 1780er Jahren etabliert wurden und in Flensburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als ein Ehepaar, dessen einziger Sohn gestorben war, sein ganzes Vermögen für ein Hospital stiftete, aus dem sich dann ein Krankenhaus entwickelte. Flensburg besaß allerdings eine ganze Reihe von Häusern für Arme, die auf kaufmännische Schenkungen zurückgingen. Aus der von Feddersen zur Verfügung gestellten Summe sollte auch eine Pflegemutter bezahlt werden; der Arztlohn und die Kosten für die Medikamente dagegen sollten aus der öffentlichen Kasse bestritten werden. An diesem Plan hielt Feddersen auch fest, als seine Frau 1780 starb. Als seiner Tochter nicht nur ein früher Tod erspart blieb, sondern sie auch heiratete, verpflichtete der Vater das junge Paar im Ehevertrag auf diese Stiftung.321 Dazu war inzwischen eine jährliche Unterstützung für zwanzig Arme getreten. Da das junge Paar, auf dem diese Verpflichtung nun ruhte, auch Nachwuchs bekam, reduzierte Feddersen die von seinen Kindern zu tragende Last um die Hälfte, für die er nun selbst einstehen wollte. Als er 1784 diese Änderung verfügte, war das Haus „zur temporellen Verpflegung der bettlägeriger Armer“322 aus der Nikolai- und Johannis-Gemeinde (doch sollten durchreisende Fremde nicht ausgeschlossen sein) bereits fertig gestellt. Das bezeugt nicht nur Feddersen selbst323, sondern auch eine Würdigung anlässlich seines Todes, auch wenn sich darin der Charakter des Hauses nicht scharf von den in Flensburg vorhandenen Armenwohnungen unterscheidet: Zu Feddersens Sorgen für die Bürger der Stadt gehörten danach „unter andern die in den Jahren 1785 und 1786 von Ihm besorgte Aufbauung und Einrichtung einer soliden und wohlaptirten Armenwohnung im Kirchspiel St. Johannis“324. Nachdem Feddersen 1787 gestorben war, übergab sein Schwiegersohn 1788 5000 ML dem Stadtkassierer.325 Das weitere Schicksal dieser Stiftung ist unbekannt.326
320 321 322 323 324 325 326
StadtA FL, XII HS 950 b 11, Einige nachrichtliche Auszüge, aus der vom H. Bürgerm. J. G. Feddersen usw. unterm 8. Januar 1774 errichteten Fundation. Vgl. ebd. den Ehevertrag, Flensburg, den 21. Nov. 1781. StadtA Fl, A 222, Testament vom 8.1.1774. Vgl. ebd., Schedula, 1. Nov. 1784. Greif, 2 (eigene Zählung). StadtA FL, A 222, Quittung vom 18. Jan. 1788. Bei Emil Bartelt, Verzeichnis Flensburger Stiftungen, Flensburg 1904, wird sie nicht erwähnt. Frdl. Hinweis auf dieses Werk von Dieter Pust, Flensburg.
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4. Interpretation der Quellen 4.1. Flensburger Erinnerungskultur Die schriftlichen Zeugnisse der nun vorgestellten Autoren sind Teil der umfassenderen Erinnerungskultur der Stadt. Als solche standen sie in einer langen Tradition. Aus heutiger Sicht wurde die Dichte der Überlieferung erheblich gefördert durch den Genealogen und Geschichtsforscher Olaus Heinrich Moller, der im 18. Jahrhundert Einträge in Familienbibeln, Personalteile von Leichenpredigten ebenso wie Autobiographien abschreiben ließ bzw. selbst abschrieb. Dazu kommt gedrucktes Material: Gedichte und Reden anlässlich von Hochzeiten und Todesfällen, bei Bürgermeistern auch anlässlich des Amtsantritts. Zur Erinnerungskultur gehören aber auch die gedruckten oder ungedruckten Stadtchroniken, deren Wert „als Erinnerungsgattung und Quelle zur Bewußtseinsgeschichte der Stadt“327 erst in den letzten Jahren erschlossen wird. Bei der folgenden kurzen Skizze ist der Blick besonders auf die Kaufleute (und Bürgermeister wie auch Seefahrende) gerichtet und begrenzt im Wesentlichen auf den Zeitraum bis zur Abfassung von Feddersens Autobiographie, also ca. 1780. Die ungedruckten persönlich-familiären Aufzeichnungen sind ganz unterschiedlicher Art; sie reichen von bloßen Kinderlisten über Lebensläufe bis hin zu (kleinen) Autobiographien. Von ersteren sollen die Listen von Geburten und Todesfällen, hauptsächlich von Kindern, oft mit der vorangehenden Heirat, hier nur exemplarisch vorgestellt werden. Das Beispiel bildet „Gerhard Reimers Bürgermeisters in Flensburg Eigenhändiger Aufsatz von seiner Verheirathung und Kindern“. Er bietet nur wenig mehr, als der Titel verspricht, nämlich noch Patenschaften und die Information, dass sein erster Sohn als Auditor im fernen Flandern starb.328 Am Beginn der Frühen Neuzeit stehen für Flensburg sowohl eine Chronik wie auch ein Selbstzeugnis. Die Chronik Johann Hoyers, die 1624 endet, berichtet u. a. auch von dem Besuch des Königs in der Stadt wegen eines für ihn dort gebauten Schiffes.329 Im Stadtarchiv liegt dazu ein langes „autobiographisches Manuscript“330 des Gründers der Flensburger Gelehrtenschule, des ehemaligen Mönchs Lütke Namen, aus dem 16. Jahrhundert. Aus dem 17. Jahrhundert stammt die Lebensbeschreibung Melchior Romberghs, der 1633 aus Dortmund als Kaufdiener an die Förde kam. Er folgte damit den Spuren vieler Kaufleute aus diesem Raum. Rombergh musste auf seinen Reisen nach 327 328 329
330
Werner Rösener, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Göttingen 2000, 13. StadtA FL, XII St.T. 179 V. Gerhard Kraack, Johann Hoyers Haus-Protocoll. Flensburger Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahrhundert der Reformation, in: Flensburg um 1600, hrsg. von Broder Schwensen, Flensburg 2006, 359–466. So die Findbuchbezeichnung im StadtA FL, XII HS, 706.
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Westfalen nicht nur mit den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges fertig werden, sondern beklagte sich auch bitter darüber, dass er sich aufgrund der dänischschwedischen Kriege fast sechs Jahre in der Fremde aufhalten musste, „dabey doch zu Hause als wenn ich gegenwärtig contribuiren u. obgleich mein Hauß fast ruinieret, doch das meinige erlegen u. an Schatzungen erlegen müssen“331. Dass er einmal reich gewesen sein muss (oder vielleicht noch war) zeigt eine Forderung, die er bei einem Konkurs 1667 erhob: Sie belief sich auf 32 109 ML und 15 Schillinge. Dieser recht ausführlichen Lebensbeschreibung (sie umfasst auch das Leben seines Vaters) steht ein Extrakt aus dem Hauptbuch des Flensburger Kaufmanns und Bürgermeisters von Oesede (geboren 1622) gegenüber, der zwar nur die allerwichtigsten Angaben liefert, aber auch berichtet, er sei „nach Hollandt Brabandt umb die Ohrter zu besuchen gereiset“332. Während des Dreißigjährigen Krieges beschäftigte sich Jonaß Hoyer, der wie Rombergh die Stadt verlassen hatte und in Malmö im Exil – wie man damals sagte – lebte, mit der Geschichte Flensburgs.333 Welche anderen Lebenswege Kaufmannssöhnen offenstanden, können u. a. Selbstzeugnisse von Pastoren zeigen. An seinem 55. Geburtstag, dem 19. Dez. 1697, sah sich Wilhelm Valentin, den „Lauff [s]eines Lebens an“, der ihn auf die Predigerstelle in Brarup (in Angeln) geführt hatte. Sein Vater war Valentin Valentiner, der „Bürger und Kauffhändler, wie auch vier und zwanziger der Stadt Flensburg“ gewesen war.334 Zu nennen sind hier noch einmal die Aufzeichnungen des Seemanns und Lehrergehilfens Hansen Hajstrup335, die zu Lebzeiten Bischoffs in der Stadt weitergegeben wurden. Auch Briefe von Schiffern sind überliefert: In die Ratsprotokolle der Stadt eingebunden ist z. B. ein Brief von Asmuß Hanßen aus dem Jahre 1683, in dem er eine misslungene Fahrt nach Holland schildert.336 Aus der Zeit des Nordischen Krieges stammt der auf seine Tätigkeit als Spion konzentrierte Bericht des Kauf-
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Nach dem Titelblatt beginnt Rombergh so: „Im Nahmen der Heiligen Dreifaltigkeit. Hirin verzeignet und geschrieben Mein und der lieben Meinigen Gebuhrtszeit, Uhrsprung, Leben und Sterben.“ StadtA FL XII St.T. 184 IV (Abschrift Olaus Moller). StadtA FL XII St.T. 156 II, Extract aus des seel. Herrn Gerdt von Oesede BürgerMeisters sein Haupt-Buch. [Jonaß Hoyer], Historischer Bericht von der Stadt Flensburg, welchen ein Rahtsverwandter derselben, zur Zeit des Kayserlichen Krieges in seinem Exilio zu Malmoe A. 1628 zusammen getragen hat…, ans Licht stellet Olavs Henricvs Moller, Flensburg 1759–1760. StadtA FL, XII St.T. 679, Bd. IX, Gruppe 23. Das Memorial und Jurenal des Peter Hansen Hajstrup (1624–1672). Kommentierte Textedition und Einführung von Frank Ibold, Jens Jäher und Detlev Kraack, Neumünster 1995; vgl. auch D. A. Kraack, Flensburg, an early modern centre of trade. The autobiographical writings of Peter Hansen Hajstrup, in: Juliette Roding and Lex Heerma van Voss (eds.), The North Sea and Culture (1550–1800), Hilversum 1996, 235–246. Vgl. StadtA FL A 34, Bd. 18, zwischen Bl. 266 und 267.
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manns Franz Böckmann337, der oft abgeschrieben wurde (und der des Perückenmachers Glasemeyer in ähnlicher Funktion)338. Im Hausbuch Bischoffs selbst finden sich Aufzeichnungen seines Schwiegersohns Thomas Lorenzen Lorck (1676–1733)339 und dessen Schwiegersohns Knudt Andersen zu ihrem Leben. Lorenzen Lorcks nach Jahren strukturierte Aufzeichnungen sind stark durch seine Handelsgeschäfte geprägt. Dabei tritt sein Ostseehandel (auf den er sich aber nicht beschränkte) besonders deutlich hervor. Eine Rubrik über seine Verluste gibt u. a. Aufschluss darüber, was der Verlust eines Fahrzeuges durch Schiffbruch für den einzelnen Kaufmann bedeuten konnte.340 Knudt Andersen (geb. 1712) dagegen fasste sein Leben in einer zusammenhängenden Erzählung auf gut dreißig Seiten zusammen. Er gab auch den Grund preis, warum er, der, wie es scheint, auch gern als Kaufgeselle Norwegen-Handel getrieben hätte, sein Geschäft von zu Hause aus betrieb. Nach einer Fahrt – es sollte die erste und letzte sein – nach Drammen im Jahre 1738, bei der er wegen massenhafter Konkurrenz keinen nennenswerten Gewinn gemacht hatte, „erfuhr ich“, schreibt er, „daß die Seefahrt meinen Vater gantz zuwider“341. Sechsmal reiste der 1743 geborene spätere Flensburger Großkaufmann Andreas Christiansen (sen.), der wie Peter Bischoff aus dem Umland nach Flensburg kam, nach der dänischen Karibik-Insel St. Croix. Beim Bau eines eigenen Schiffes arbeitete er mit einem Bruder Johann Gerhard Feddersens und dessen Sohn zusammen. Einmal musste er erleben, dass sein Schiff strandete, allerdings in dänischen Gewässern. Den nach Jahren aufgelisteten Angaben über diese Reisen folgt ein Verzeichnis seiner Kinder und ihrer Heiraten.342 Rievert Claasen war zwar kein Flensburger, stand aber zeitweise in Flensburger Diensten und fuhr für Bürger der Stadt nach Spitzbergen zum Walfang, nach St. Croix und auch nach Trondheim. Seine „Reisen zur See“ beschrieb er ausführlicher als Bischoff.343 Bei Nicolaus Heinrich Nasser blieb es bei dem Plan, als Schiffschirurg nach Grönland zu fahren. Von seinem Leben erfahren wir nur, weil er es 1783, inzwischen alt, arm und in Hadersleben ansässig, nieder-
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Vgl. StadtA FL XII HS 945 II (10); s. auch: Des Flensburger Bürgers Frantz Böckmann „Aufzeichnungen“, hauptsächlich über seine Unternehmungen im Januar 1713, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Geschichte 17 (1887), 105–157. Auswertung unter einer bestimmten Perspektive bei Otto Ulbricht, Erlebte Adelswelt, bürgerliche Männlichkeit im Krieg und Patriotismus: Frantz Böckmann 1713, in: ders., Mikrogeschichte, Frankfurt - New York 2009, 160–206. Matthias Friedrich Glasemeyer’s Bericht über seine 1712 und 1713 während des Schwedischen Krieges der Stadt Flensburg geleisteten Dienste, mitget. v. A. Wolff, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Geschichte 17 (1887), 79–104. Teilabgedruckt bei Lorck Schierning, 90–99. StadtA FL, XII HS 1004, 157 v, 158 r, 159 r. Ebd., 118 v StadtA FL, XII HS 15910, Andreas Christiansen sen. Bilanzbuch. Intus Lebensbericht. Vgl. Rievert Classen/Rörd Knuten (1730–1812), Lebensbeschreibung. Anhang zu Pust, Flensburger Grönlandfahrer, 126–133.
4. Interpretation der Quellen
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schrieb, um eine Flensburger Stiftung um Hilfe zu bitten, von der er ein- oder zweimal in seiner Flensburger Zeit Unterstützung erhalten hatte.344 Olaus Heinrich Moller schließlich trug nicht nur durch seine Sammeltätigkeit und seine zahlreichen Stammtafeln unermüdlich zur Erinnerungskultur bei, sondern veröffentlichte neben Arbeiten zur Geschichte der Herzogtümer und der Stadt Flensburg auch längere Geschlechtergeschichten, doch meist von Adligen.345 Die „genealogischen Tabellen“ zur Familie Feddersen bilden in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Das große historische Interesse des Bürgermeisters Claeden schlug sich in Büchern wie den Monumenta Flensburgensia nieder, in denen er vor allem die Geschichte Flensburgs im Spätmittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit behandelte. Die einzelnen Monumenta, in denen er jeweils besondere Themen der Stadtgeschichte abhandelte, sind bestimmten Personen gewidmet. Das sechste Monument eignete er Johann Gerhard Feddersen (und dessen Vorgänger) zu. Zwar hatte er sich als Thema dafür die Religion in Flensburg auserkoren, es flossen aber auch Bemerkungen über Feddersens Reisen mit ein.346 Wohl nur aus heutiger Perspektive kann man sagen, dass, wer Selbstzeugnisse wie hier genannten produziert, am kollektiven Gedächtnis der Stadt mitarbeitet. Das ist nicht nur von den gesellschaftlichen Gruppen her gesehen problematisch, da viele von ihnen überhaupt nicht vertreten sind, sondern auch weil die sozialen Gruppen durchaus ein unterschiedliches Gedächtnis der Stadtgeschichte haben können. Hinzu kommt, dass eine ganze Reihe von Aufzeichnungen rein privater Art war, bzw. allein für die Familie bestimmt, und eher auf ein Geschlechterdenken zurückging als auf ein Stadtdenken. Hier konnten Nachkommen anknüpfen und das Gedächtnis der Familie lebendig halten. Aber es gab auch Aufzeichnungen, die wegen ihres spektakulären Inhalts, der oft mündlich in bestimmtem Kreisen bereits bekannt geworden war, vielfach abgeschrieben wurden und in der Stadt zirkulierten. Das trifft z. B. auf die Aufzeichnungen des zum Spion gewordenen Kaufmanns Franz Böckmann zu.347
4.2. Bischoff 4.2.1. Das Verzeichnis und das Schiffbruch-Journal Die Zeugnisse von Bischoff und Feddersen sollen nun zuerst charakterisiert und dann interpretiert werden. Dabei soll nicht nur ein Hinweis verfolgt werden, der in der aktuellen Debatte häufig gegeben worden ist, sondern auch die besonderen Möglichkeiten, welche die (ersten zwei) Quellen bieten, genutzt werden. Die Forschung hat immer wieder die genaue Beachtung der Gattung und ihrer Eigengesetzlichkeiten 344 345 346 347
StadtA FL, XII St.T. 148 V. Vgl. Otto Schütt, Olaus Henrich Moller, in: Aus Flensburgs Geschichte, Flensburg 1963, 90 f. Vgl. Claeden, 809. Vgl. Ulbricht, Mikrogeschichte, 162, 164.
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angemahnt348; für die Autobiographie ist sogar eine neue Quellenkunde gefordert worden349. Die kurze Autobiographie Feddersens wird daher zunächst einmal als narrativer Text gesehen und eingeordnet. Sie erlaubt eine facettenreiche Interpretation, bei der Anregungen der aktuellen Diskussion aufgegriffen werden. Die Konzentration auf ein einzelnes (und gleichzeitig kurzes) Werk, ist dafür am besten geeignet.350 Die beiden Zeugnisse von Bischoff bieten die seltene Möglichkeit des Vergleichs von zwei unterschiedlichen narrativen Texten über denselben Gegenstand, und zwar von ein und demselben Verfasser (solche von verschiedenen Verfassern über denselben Gegenstand sind bekanntlich viel häufiger). Der erste enthält eine Kurzfassung der Reise von 1677/78, deren Langfassung hier unter dem Titel „Der Schiffbruch von 1677“ abgedruckt wird. Ein Vergleich kann helfen herauszufinden, was verloren geht, wenn bei der Kontraktion ausgewählt wird, oder anders, wie sich die Akzentuierung verändert, wenn der Inhalt kurz zusammengezogen wird. Das ist eine Frage von größerem Interesse, denn abgesehen davon, dass jedes Selbstzeugnis komprimieren muss, erwecken viele Quellen der Frühen Neuzeit den Eindruck, dass der Autor mehr hätte schreiben können, sich aber mit Wenigem begnügt hat. Die hier abgedruckten Quellen repräsentieren zwei ganz unterschiedliche Formen selbst verfasster Zeugnisse. Einmal handelt es sich um ein Verzeichnis von See- und Landreisen und die „Schilderung“ der Reise des Jahres 1677, die zum Schiffbruch führte, zum anderen um eine Lebensbeschreibung, die vom Verfasser mit dem Titel „Einige Umstände von dem Leben des Bürgermeisters Johann Gerhard Feddersen ...“ versehen wurde. Sie entstand hundert Jahre nach der Schiffbruch-Fahrt Bischoffs (1777). Alle drei Quellen gehören ohne Zweifel in die Sammelgruppe der EgoDokumente, deren Definition wegen ihrer Weite – alle Quellen, ob freiwillig oder erzwungen, die etwas über die Selbstwahrnehmung von Menschen aussagen351 – des Öfteren kritisiert worden ist. Präziser ist es jedoch, sie als Selbstzeugnisse zu bezeichnen. Für die Selbstlebensbeschreibung Feddersens bedarf es dafür keiner weiteren Begründung. Die beiden Zeugnisse Bischoffs sind als Selbstzeugnisse einzustufen, weil sie der allgemeinen Definition dieser geschichtswissenschaftlichen Quellengruppe entsprechen. Diese erfordert, dass ein explizites Ich (im Gegensatz zum impliziten, das in jedem von einer Person verfassten Text, z. B. einem Roman oder einer wissenschaftlichen Arbeit, steckt), das „selbst handelnd oder leidend in Erscheinung tritt“, vorhanden sein muss.352 Dieses Kriterium der wegen ihrer angeblichen Individuali348
349 350 351 352
Scheutz/Tersch, 59 vor dem Hintergrund der Individualitätsproblematik; Schmid, 20 f. betont die Veränderlichkeit der Gattung und warnt vor der Übertragung der Gattungskriterien aus der Zeit um 1800 auf frühere Zeiten. Vgl. Depkat, Zum Stand, 174 f. Vgl. Jancke/Ulbrich, 12. Vgl. Schulze, 28. Tatsächlich wird jedoch über die Selbstwahrnehmung hinausgegangen. Benigna von Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie 3 (1994), 463.
4. Interpretation der Quellen
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tätszentriertheit manchmal kritisierten Definition erfüllen die beiden Texte.353 Die Definition erfordert nicht, dass Ich als solches im Mittelpunkt steht und schließt auch das kollektive „Wir“ ein, das im Schiffbruch-Text phasenweise vorkommt354. Auch die Freiwilligkeit der Aufzeichnung, die nach dieser Definition gegeben sein muss, ist vorhanden. Versucht man eine genauere Einordnung in vorgegebene Kategorien von Quellen, so kann man die Formen erkennen, die den hier veröffentlichten Texten zu Grunde liegen: Das Verzeichnis der Seereisen geht auf die Form des (Schiffs-)Journals oder Logbuchs der Seefahrt zurück. Daher rührt die gelegentlich anzutreffende Bezeichnung als Tagebuch355, die leicht falsche Assoziationen hervorrufen kann. Das trifft in umfassenderer Weise für den Text zu, der die Unglücksfahrt des Jahres 1677 zum Inhalt hat. Die beiden Bischoffschen Aufzeichnungen stellen damit eine ausgesprochene Rarität dar. Man muss bedenken, dass man für die Fahrten von Schiffen meist nur staatliche Quellen hat, beginnend mit Schiffslisten über Seepässe und Zoll- und Hafenregister bis zu etwaigen Konsulatsberichten.356 Hier aber handelt es sich um private Aufzeichnungen. Noch für das beginnende 19. Jahrhundert gelten sie als selten, so ist gesagt worden357, und für das 18. Jahrhundert müsse man lange danach suchen. Hier aber liegen nun Aufzeichnungen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor. Auch aus anderer Perspektive erscheint die Quelle selten: Nimmt man die Gesamtheit der selbst verfassten Zeugnisse von Seeleuten oder seefahrenden Kaufleuten in den Blick, so begegnen einem eher Briefe oder später auch Autobiographien als Journale.358 Journale der Seefahrt, definiert als „Schiffstageb[ü]ch[er] zur Aufzeichnung aller auf die Fahrt bezüglichen Vorkommnisse und Beobachtungen“359, kamen im 16. 353 354
355 356 357 358
359
Allerdings nicht, wenn man wie Nora Bischoff, 97 eine „Selbstbetrachtung als zentrale[n] Bestandteil des Textes“ zum (viel zu engen) Kriterium macht. Diese Problematik der „Existenz eines zweifachen Selbst“ ist zwar gesehen, aber nur für Frauenklöster behandelt worden. Vgl. Gudrun Gleba, „Wy“ und „yck“. Monastisches Selbstverständnis zwischen kollektiver und individueller Identität. Beispiele aus westfälischem Schriftgut des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Heinz-Dieter Heimann, Pierre Monnet (Hrsg.), Kommunikation mit dem Ich. Signaturen der Selbstzeugnisforschung an europäischen Beispielen des 12. bis 16. Jahrhunderts, Bochum 2004, 147–158. Vgl. auch Hacke, 31, die sich zwar nicht auf diesen Aufsatz bezieht, aber „raffinierte methodische Überlegungen“ in dieser Hinsicht anmahnt. Vgl. Aus dem Tagebuch [!] des späteren Bürgermeisters Peter Bischoff, in: Das Flensburger Schiffergelag, Flensburg 1979, 71–72. Vgl. Lars N. Henningsen, På Middelhavsfart fra Flensborg. Barkens Fidentias rejser 1800–1806, in: Sønderjyske Ǻrbøger 1997, 90 f. Ebd., 90. Vgl. oben, 10 und Rudolf Dekker, Briefe von Seeleuten an Bord niederländischer Schiffe und ihrer Familien im 17. und 18. Jahrhundert; in: Kaspar von Greyerz (Hrsg.), Individualisierungsweisen. Einen Privatbrief eines Bootsmannes an seine Großmutter druckt Ernst Baasch, Hamburgs Convoyschiffahrt und Convoywesen, Hamburg 1896, 443 f. ab. Er listet auch zehn offizielle Journale für die städtischen Hamburger Konvoischiffe auf, vgl. 411 f. Ob sie erhalten sind, ist nicht klar. Art. Journal, in: Friedrich Kluge (Hrsg.), Seemannsprache, Halle an der Saale 1911, 400.
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Jahrhundert auf. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde in einem Seefahrtswerk ein (fiktives) Beispiel dafür abgedruckt.360 Grundsätzlich war ein solches Journal stark normiert, was man schon an dem Vorschlag erkennen kann, es in Tabellenform zu führen. Im 19. Jahrhundert wird es dann als Tabelle bezeichnet. Durch diese Systematik wie auch dadurch, dass es mit dem Abschluss der Reise endet, unterscheidet es sich deutlich von einem privaten Tagebuch. Durch die thematische Begrenzung ist es klar, dass Bischoff tatsächlich stark von dieser Form beeinflusst ist. Sonst hätte er zumindest auf der ersten Reise noch vieles niedergeschrieben, was er zum ersten Mal sah oder erlebte, und auch festgehalten, wie und mit wem die Geschäfte in Trondheim abgewickelt wurden und was er dort an Berichtenswertem sah. Aber das gehörte nicht in ein Schiffsjournal.361 Es ist eben buchhälterisch362, abgefasst wie viele andere Selbstzeugnisse der Zeit, nur noch strikter in der Begrenzung. Schon ein kurzer Blick in das Verzeichnis macht jedoch klar, dass es sich nicht um ein richtiges Journal handeln kann. Bischoff gibt die Fahrten nicht eines, sondern vieler Schiffe wieder, und das über einen größeren Zeitraum. Damit ähneln seine Aufzeichnungen der „Buchführung“ von kaufmännischen Reisen zu Lande,363 was noch dadurch unterstrichen wird, dass er seine eigenen Reisen zu Pferde anhängt. Aber auch die einzelnen Reisen entsprechen nicht dem, was man von einem Schiffsjournal erwartet. Sieht man sich einmal eine einzelne Fahrt genau an, z. B. die Hinfahrt nach Trondheim 1682, die vom 21. März bis zum 21. Mai dauerte, so stellt man zwar fest, dass eine ganze Reihe von Punkten des vorgegebenen Musters auftauchen, wie z. B. der Abfahrtsort, das Abfahrtsdatum, der Zielort, der Name des Schiffes und des Schiffers (Kapitän), passierte Orte, eine Ankerung und das Ankunftsdatum. Außerdem wird ein widriger Wind registriert, was die relativ lange Reisedauer erklärt. Bezieht man dann die Fahrt ums Nordkap und zurück mit ein, so kommen besondere Ereignisse hinzu, die natürlich registriert werden mussten. Dabei handelt es sich weniger um das Zusammentreffen mit anderen Schiffen als um den Tod des Dolmetschers und einen gefährlichen Sturm. Wie im Muster (und traditionell auch bei Autobiographien des 17. Jahrhunderts üblich) wird die Reise im Namen Gottes begonnen. Bei Bischoff folgt zudem regelmäßig am Ende auch der Dank an Gott für die wohlbehaltene Fahrt. Aber viele Angaben fehlen auch, und das nicht nur, weil das Musterbeispiel vom Beginn des 18. Jahrhunderts natürlich Vollständigkeit anstrebte und deshalb ein größeres Schiff als Beispiel gewählt hatte, sondern auch, weil dort ein Idealzustand zu Grunde gelegt wird. Es fehlen z. B. Angaben über den Eigentümer, die Lastenzahl und zurückgelegte Strecke. Während es verständlich erscheint, dass einige Daten 360 361 362
363
Der geöffnete See-Hafen. Nd. der in zwei Teilen erschienenen Ausgabe von 1705–1706, Leipzig 1989, 94 ff., insbesondere 99–105. Eine Ausnahme bildet der Handel Bischoffs mit den Russen um Fisch und Tran. Benigna von Krusenstjern, Buchhalter ihres Lebens: Über Selbstzeugnisse aus dem 17. Jahrhundert, in: Klaus Arnold (Hrsg.), Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bochum 1999, 139–146. Vgl. Rem und Imhoff; anders Ryff.
4. Interpretation der Quellen
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aufgrund der Schiffsgröße nicht aufgenommen wurden, fällt dennoch vor allem die geringe Anzahl der Angaben schon für die Hinfahrt nach Trondheim auf. Ganze fünf Tage werden für die zweimonatige Hinfahrt einzeln aufgeführt, und nach der Abfahrt von Friedericia ganze zwei Orte. Von tagtäglichen Aufzeichnungen kann also nicht die Rede sein. Wellengang, Positionsbestimmungen (Gissungen) und Entfernungen zum Land fehlen ebenfalls, Schiffsmanöver werden selten festgehalten. Erstaunlicherweise finden sich auch keine astronomischen Beoachtungen, die Sonne kommt gar nicht vor und die Sterne ebensowenig, obwohl sie für Seefahrer an klaren Nächten sehr wichtig waren. Es entsteht daher der Eindruck, dass es sich hier um stark geraffte Versionen von Schiffsjournalen oder um Auszüge aus längeren Aufzeichnungen handelt. Besonders deutlich wird der kurz zusammenfassende Charakter an der Aufzeichnung für das Jahr 1672.364 Für die Reise von 1677 schreibt Bischoff ausdrücklich, er habe die Aufzeichnungen für das Jahr „nur kurtzl. Zusammen gezog(en)“365 und verweist auf die Langfassung. Es könnte also sein, dass er von Anfang an ausführlichere Aufzeichnungen über seine Seereisen gemacht (und die für 1677/78 zusätzlich vollständig ins Reine geschrieben) hat. Dafür spräche auch sein Interesse an der Seefahrt – schließlich wurde er Steuermann. Zu den Aufgaben eines Steuermanns gehörte nun gerade die Führung des Journals. Dazu fällt auf, dass er schon früh eine Führungsposition auf dem Schiff hatte – gerade 22 Jahre alt, verhandelte er in Schottland für die gesamte Besatzung: Voraussetzung für eine solche hervorgehobene Position waren eine gute Schreib- und vor allem Rechenfähigkeit.366 Darüber hinaus war es auch für seinen Patron wichtig, wie lange die Ware unterwegs gewesen oder warum es zu Abweichungen von der durchschnittlichen Segelzeit gekommen war. Dagegen ist es höchst unwahrscheinlich, dass er sich Journale von allen anderen Schiffern oder deren Steuerleuten nachträglich ausleihen konnte. Das dürfte praktisch nicht möglich gewesen ein. Diese Aufzeichnungen Bischoffs tragen keinen Titel oder Überschrift, was aber, wenn man sich die Gesamtüberlieferung von Selbstzeugnissen ansieht, nichts Ungewöhnliches ist.367 Die hier vorgebrachten Argumente rechtfertigen die Bezeichnung „Verzeichnis der See- und Landreisen“, die hier darüber gesetzt worden ist. Sie entspricht auch dem Gebrauch des 17. Jahrhunderts.368 „Journal“ oder gar „Tagebuch“ passen nicht, auch deshalb nicht, weil es die einzelnen Fahrten sind, die das Verzeichnis – wenn auch nicht ohne Ausnahme – strukturieren, und nicht die Jahre, 364 365 366
367 368
Vgl. unten, 111. Hier wären der Kurzfassung fast die Plünderungen durch Kaperer zum Opfer gefallen. S. unten, 117. Vgl. Jelle van Lottum and Bo Poulsen, Estimating levels of numeracy in the maritime sector of the North Atlantic in the late eighteenth century, in: Scandinavian Economic History Review 59 (2011), 68. Harald Tersch, Vielfalt der Formen. Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit als historische Quellen, in: Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Vom Lebenslauf zur Biographie, Waidhofen/Thaya 2000, 70. Vgl. Krusenstjern, Buchhalter, 140.
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sonst könnten einige Jahreszahlen nicht mehrfach auftauchen. Die Bezeichnung erscheint in diesem Wortlaut auch deshalb zutreffend, weil Bischoff den See- die Landreisen hinzugefügt hat. Er hat also die Aufzeichnungen als eine Gesamtauflistung seiner Fahrten verstanden.369 Ein solches Verzeichnis mit seinem Listencharakter ist nun kein Bericht eines Schiffbrüchigen, der staunend den hohen Norden wahrnimmt370, noch eines Forschungsreisenden371 oder eines Schiffschirurgen, der diese Gegend oder noch weiter nördlich gelegene erlebt hat372. Solche Autoren vermerken die Kürze der Tage bzw. Länge der Nächte oder das die Fremden faszinierende Nordlicht. Bischoff hingegen erwähnt nicht einmal die eisige Kälte, der er jenseits des Polarkreises ausgesetzt war, wenn er an der Küste der unwirtlichen arktischen Tundra jenseits des Nordkaps entlangsegelte, ganz zu schweigen von den See-Einhörnern oder Seegeistern, die einige, in der Tradition von Olaus Magnus, noch zu sehen glaubten.373 Es gibt auch keine Landschaftsbeschreibung der spektakulären Küsten, die den modernen Tourismus anziehen, obwohl doch eine genaue Beobachtung der Küste für Seeleute und insbesondere für den Steuermann Bischoff unerlässlich war. (Es verbergen sich allerdings hinter den von Bischoff gemachten Ortsangaben in Wirklichkeit markante Punkte der Küste). Das Ziel des Verzeichnisses ist die bloße Beschreibung des Weges eines Seehandelskaufmanns. Man kann es mit allem Recht typisch nennen. Ob man dagegen die Selbstbiographie eines Mannes, der den Kaufmannsberuf als Mittel nutzt, um seine Abenteuerlust auszuleben, als exemplarisch für Kaufmannsautobiographien bezeichnen kann, scheint mehr als problematisch.374 Das Verzeichnis ist keine separate Quelle, wie man meinen könnte, sondern vielmehr Teil eines Hausbuches, von denen für Norddeutschland nur sehr wenige Beispiele bekannt sind; für Hamburg weiß man im Augenblick von zweien375. Hausbücher, die typisch für die städtische Ober- und Mittelschicht sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie oft aus bestimmten Abteilungen oder Rubriken bestehen, in welche der Schreiber seine Tätigkeit aufgeteilt hat oder in denen sich sein Interessenhorizont spiegelt. Man findet daher Rubriken zu einzelnen Lebensbereichen und 369 370
371 372 373 374 375
Ähnlich ging etwa ein Jahrhundert später Rievert Claasen vor. Gabriel Zeilinger und Gerhard Fouquet, Spätmittelalterliche Nordlandfahrer – Michel Beheim (1450) und Pietro Querini (1431/32), in: Rund um die Meere des Nordens. Festschrift für Hain Rebas, hrsg. von Michael Engelbrecht, Ulrike Hanssen-Decker, Daniel Höffker, Heide 2008, 345–359. Vgl. Fridrich Martens von Hamburg Spitzbergische oder Groenlandische Reise Beschreibung gethan im Jahr 1671: Aus eigener Erfahrung beschrieben, Hamburg 1675. Meister Johann Dietz des Großen Kurfürsten Feldscher, Mein Lebenslauf, hrsg. von Friedhelm Kemp, München 1966, 101–148. Ebd., 109 f, 130. Gegen Werner Mahrholz, Deutsche Selbstbekenntnisse, Berlin 1919, 34–39. Vgl. Birgit Studt, Einführung, in: dies. (Hrsg.), Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, Köln 2007, XIV; zu Haus- und Familienbüchern vgl. auch Scheutz/Tersch, Selbstzeugnisse, 13.
4. Interpretation der Quellen
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Ereignissen. Zu familiengeschichtlichen Aufzeichnungen von Vorfahren und Kinderlisten (Verzeichnisse der Geburten), Hochzeiten und Todesfällen, die oft den Vorrang haben, gesellen sich kaufmännische und hauswirtschaftliche Notizen, medizinische Rezepte und anderes Wissen. Zu den persönlichen Sparten gehören auch Reisen, seien sie nun Teil der Berufstätigkeit oder privater Art, so wenn Bischoff seinen Sohn zum Antritt seiner Lehrlingsstelle nach Hamburg begleitet.376 Das ist übrigens typisch: Auch der Lübecker Sekretär Carstens hat in seinem Hausbuch seine Reisen verzeichnet, auch solche, bei denen er seine Söhne zur Ausbildungsstätte, in diesem Fall den Universitätsort, brachte.377 Ein Verzeichnis von Reisen in einem Hausbuch ist also prinzipiell nichts Ungewöhnliches. Doch ungewöhnlich ist der Beginn des Verzeichnisses, das wie eine Autobiographie mit Geburt, Vorfahren, Eltern, Taufe, Paten, Schulbesuch und Lehre anfängt. Das hat in der Lokalforschung dazu geführt, es als Autobiographie378 zu bezeichnen. Eine Erklärung dafür gibt der genaue Ort im Hausbuch, an dem sich Bischoffs Verzeichnis befindet: Es eröffnet das Hausbuch, dem dann wie üblich andere Komplexe folgen: Deshalb war es notwendig für den Schreiber, sich selbst erst einmal vorzustellen; er musste ja sagen, wer diese Reisen gemacht hatte. Hausbücher wurden oft zum Zeitpunkt der Gründung eines eigenen Hausstandes angelegt. Das war auch der Zeitpunkt, an dem das zeitlich Vorangehende niedergeschrieben wurde.379 Das könnte bei Bischoff etwas anders gewesen sein. Wie erwähnt, setzte er nach seiner Heirat 1689 seine Fahrten nach Trondheim und um das Nordkap noch zwei Jahre fort, dann begann er sein Geschäft von Flensburg aus zu führen. Es war nicht der Zeitpunkt der Eheschließung entscheidend für den Beginn des Hausbuches, vielmehr legte er es an, als er seine weiträumige Mobilität einstellte. Deshalb folgt in dieser Quelle die Heirat des Jahres 1689 dem Ende der Reisen 1691. So wie das Ende der Seereisen einen Schlussstrich markierte, so kann man auch das Ende der Landreisen im Jahr 1716 erklären. Dieses schnell hingeworfene Register – viel mehr ist es nicht – reicht fortlaufend von 1688 bis 1710, dann folgt nur noch ein einzelner Eintrag für 1716. Das Jahr 1710 ist im Leben Bischoffs durch zwei Ereignisse gekennzeichnet, ein öffentliches und ein familiäres. Er wurde Bürgermeister und er brachte seinen Sohn Magnus in die Lehre nach Hamburg. Da die Lehrlingszeit eines Kaufmannsjungen in der Regel nach sechs Jahren endete, ist die Eintragung für 1716 – seine Reise nach Hamburg – nur eine Ergänzung zu 1710. Der Sohn hatte seine Lehre abgeschlossen und wurde nun vom Vater und zwei Geschwistern aus diesem Anlass besucht. Der Fortbestand der Familie und des Geschäftes schien gesichert.
376 377 378 379
Vgl. unten, 135. Das Haupt=Registratur oder Secretbuch des Lübecker Syndikus Dr. Joachim Carstens, von Oscar L. Tesdorpf, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte 8 (1900), 35–37. Vgl. Pust, Könige, 154. Vgl. Rein, 338.
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Die zweite hier unter dem Titel „Der Schiffbruch von 1677“ 380 veröffentlichte Quelle ist, wie schon gesagt, die ausführliche Fassung der Reise von 1677, die zum Untergang des Schiffes vor der Küste Schottlands führte. Sie ist wahrscheinlich relativ kurz nach dem Unglück entstanden. Dafür sprechen die Situation und die Handschrift. Eine schnelle Abfassung legen sowohl rechtliche, soziale wie auch persönliche Gründe nahe. Man kann mit Sicherheit annehmen, dass von Bischoff aus rechtlichen Gründen eine genaue Schilderung gefordert wurde, schließlich war Eigentum von Reedern und Befrachtern verloren gegangen, und möglicherweise waren auch noch Versicherer betroffen. Außerdem wollte er sicher seinem Prinzipal, den er aus Schottland bereits brieflich unterrichtet hatte, seinen Eltern und Bekannten einen genauen Bericht dieses Ereignisses erstatten. Doch die Möglichkeit, unmittelbar davon zu erzählen, war ihm dadurch genommen, dass er in Amsterdam den Auftrag erhielt, nach Trondheim zu segeln. Vieles spricht daher dafür, dass er die Niederschrift dort angefertigt hat, allerdings erst nach dem 5. Juni, als er sich nach einer Fahrt zum Kupferbergwerk Løkken drei Monate in Trondheim aufhielt.381 Die Intensität der Danksagung nach seiner Ankunft dort weist ebenfalls auf eine Abfassung in der norwegischen Stadt hin (wie auch die Formulierung: „Biß anhero“): „Der Liebe Jesu sey hochlich gedanket, der mir Biß anhero so wunderlich vnd Vaterlich mit gesundheit anhero verholffen. Jhm sey Ewig Lob und dank in alle Ewigkeit. Amen. Amen.“382 Aber unabhängig von allen Informationswünschen anderer dürfte Bischoff selbst sehr bald den Wunsch verspürt haben, den Schiffbruch bei der nächsten Gelegenheit niederzuschreiben. Die detaillierte Ausarbeitung ist ganz sicher auch durch die Grenzerfahrung der Todesnähe verursacht. Neben epochalen Katastrophen sind auch lebensbedrohende Situationen häufig ein Schreibanlass; die sogenannten Bruchsituationen383. Durch den Schiffbruch stand den Männern, nachdem sie das sinkende Schiff verlassen hatten, ihr sicherer Tod vor Augen; „sahen aber gandtz kein rettung anß land Zu kommen“, schreibt Bischoff rückblickend, blickten sie doch, wohin sie auch sahen, auf eine felsige Steilküste.384 Die unverhoffte Rettung war ein wahrhaft denkwürdiges Ereignis und daher des Aufschreibens wert. Schiffbrüche sind deshalb immer wieder, von den ältesten Zeiten an, festgehalten worden. Darüber hinaus mag das Niederschreiben einer solchen existenziellen Bedrohung auch bei der Verarbeitung geholfen und die Dankbarkeit Gott gegenüber vertieft haben.
380 381 382 383
384
Eine fremde Hand hat der Quelle den etwas verunglückten Titel „Glückliche und vnglückliche Reisebeschreibung Im Ao 1677 und 1678 von Petter Bischopf“ gegeben. StadtA FL A 222 a. Vgl. unten, 123. Vgl. unten, 164. In Trondheim hatte Bischoff auch Zeit zu schreiben, da er sich dort immer eine Weile aufhielt, bis ein Schiff für die Rückfahrt gefunden war und günstige Winde wehten. Vgl. Jan Peters, Wegweiser zum Innenleben? Möglichkeiten und Grenzen der Untersuchung popularer Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit, in: Historische Anthropologie 1 (1993), 241; von Krusenstjern, Buchhalter, 144 zum Krieg als Schreibanlass; auch Depkat, Zum Stand, 179. S. unten, 147.
4. Interpretation der Quellen
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Die Schrift (als zweiter Hinweis auf die Entstehungszeit) ist im Gegensatz zu der des Verzeichnisses nicht sehr ausgeschrieben, sondern noch durch bewusstes Schönschreiben gekennzeichnet – was übrigens auch von jungen Kaufgesellen verlangt wurde, um sich den Kunden angenehm zu präsentieren. Auffällig an dem Text sind die Überschriften für Regionen wie z. B. Nordengland oder Friesland in fein “gemalten“ Großbuchstaben385, was sowohl für eine Reinschrift in Muße spricht als auch für die Bedeutung, die Bischoff diesen Aufzeichnungen beimaß. Und doch zeigt der Text schon einige Eigenarten der späteren Handschrift Bischoffs, z. B. die großen Unterlängen, die sich dann später über zwei Zeilen erstrecken können. Für eine zeitnahe Aufzeichnung könnte schließlich das der Quelle früh beigelegte Bild eines jungen Mann von schätzungsweise Anfang zwanzig sprechen – sofern es denn tatsächlich Bischoff zeigt.386 Es ist nämlich leider weder mit einem Namen noch mit einem Datum versehen.387 Bischoff war 22–23 Jahre alt, als sein Schiff vor der Küste Schottlands sank; das könnte auch das Alter des von einer nicht übermäßig geübten Hand Porträtierten sein.
4.2.2. Vergleich: das Verzeichnis und die Schiffbruch-Reise Ein Vergleich dieser beiden Quellen, konzentriert auf das Jahr 1677/78, bietet die relativ seltene Möglichkeit herauszufinden, was in der kurzen Auflistung der Reisen innerhalb des Hausbuches im Vergleich zur Darstellung der einzelnen Reise verloren gegangen ist und welche Folgen das haben kann.388 Anders gesprochen: es geht um Unterschiede, die durch die Länge oder Kürze bei derselben Quellengattung entstehen. Das gilt nicht nur für das Verzeichnis und den Schiffbruch-Bericht, sondern auch für Autobiographien; dort hat man in der Literaturwissenschaft zwischen berichtenden (kurzen) und erzählenden (langen) unterschieden.389 In der Diskussion der Historiker ist darauf praktisch nicht geachtet worden. Länge und Kürze können übrigens unter anderem auch auf die materiellen Bedingungen des Schreibens verweisen wie genügend Zeit und Ruhe, und Geld (für Papier, Tinte und oft auch Licht), (große) Vertrautheit mit der Kulturtechnik des Schreibens vorausgesetzt. Natürlich wird ein Journal einer einzelnen Reise größeren Detailreichtum aufweisen als die Kurzfasssung mehrerer Logbücher. Den findet man in der Tat auch vor, besonders in maritimer Hinsicht: Wellengang und Windrichtung, Positionsangaben 385 386 387 388
389
Vgl. das Bild unten, 151. Vgl. unten, 135. Erik Westengaard, Kurator von Frederiksborg Museet, meint, dass es sich um ein sogenanntes Stammbuchblatt handeln könnte. Frdl. E-Mail vom 12.7.2011. Die bei Pust, Könige, 152 sich findende Unterschrift Bischoffs unter dem Bild befindet sich nicht auf dem Original. Auch Feddersen hat in seiner Autobiographie solche Zusammenziehungen vorgenommen, doch leider scheint sein Reisetagebuch nicht erhalten zu sein, so dass der Vorgang bei seinem Text nicht näher beleuchtet werden kann. Vgl. Jürgen Lehmann, Bekennen – Erzählen – Berichten. Studien zu Theorie und Geschichte der Autobiographie, Tübingen 1988, 71–86.
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(besonders Breitengrade) und Meilenzahlen für die Entfernung zum Land, Segelmanöver und genaue Zeitangaben, auch Tiefenmessungen werden nun verzeichnet. Weit interessanter wird es, wenn man den Blick auf die Schilderung des Schiffbruches selbst innerhalb der längeren Fassung lenkt, schließlich ging es da um Leben oder Tod. Dabei drängt sich einmal die Frage auf, ob es sich hier so verhält wie in anderen Selbstzeugnissen auch, nämlich dass eine Extremsituation (sonst oft der Tod eines geliebten Ehepartners) Bischoff wie andere Menschen der Frühen Neuzeit dazu brachte, seine Gefühle zu offenbaren.390 Allerdings darf man auch bei der längeren Form nicht vergessen, dass die Grundform das Schiffsjournal ist, die der sprachlichen Gestaltung (die Fähigkeit dazu einmal vorausgesetzt) Grenzen setzt. Reisebeschreibungen bieten dagegen dazu reichlich Möglichkeiten391. Bei Seefahrenden wie Bischoff tritt allerdings, im Gegensatz zu Reisenden in Seenot, das Seemännische nicht zurück.392 Bei der Schilderung des Schiffbruchs tritt schnell eine tiefe Emotionalität zu Tage, wobei die eigene Stimme des Verfassers allerdings in einem „Wir“ aufgehoben ist. Zuerst wird die Situation emotional aufgeladen, denn der Ruf „Überall, überall“ (heute: „Alle Mann an Deck“) signalisierte eine gefährliche Situation, verbunden mit Aufregung und Anspannung.393 Eingefasst in das tiefe religiöse Verständnis der Zeit, wird die verzweifelte Lage gleich darauf jedoch fünfmal in die – jeweils leicht abgewandelte – Formulierung „Ach herre, du barmherziger Got, wie war uns da zu mute“ gebracht. Hier kommt gewissermaßen im Schriftlichen die „akustische“ Seite der Emotionsäußerung zum Vorschein, die für den Historiker sonst verloren ist394; „Barmherziger Gott, hilf!“ – so etwa wird der flehentliche Ausruf gelautet haben. Der gebetsartige Ausruf erinnert an die weitverbreitete Volksweisheit: Wenn man beten lernen wolle, solle man zur See fahren.395 Die Religiosität ist völlig glaubwürdig, handelt es sich hier doch um eine Ursituation396, dazu noch in einem religiösen Zeitalter, auch wenn in einem anderen Flensburger Schiffbruch-Bericht, ebenfalls aus 390 391
392 393 394
395 396
Vgl. Brändle u. and., 13. Man beachte z. B. die Vergleiche bei Olearius’ Schilderung eines Sturms: “In dem erhub sich …. ein so erschrecklicher und unerhörter Sturm gleich einem Erdbieben/ als wann er Himmel/Erd und See über einem Hauffen stützen wollte … Die als hohe Berge erhobene und schäumende Wellen wüteten grausamb in einander/ Das Schiff wurde von der See zum offtern verschlungen und wieder ausgespien.“ Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen Reyse, Schleswig 1656, hrsg. von Dieter Lohmeier, Tübingen 1971, 73. Den Hinweis auf die Schiffbruch-Passage in dieser Reisebeschreibung verdanke ich Benigna von Krusenstjern. Vgl. Leutert, 306. Vgl. zum Folgenden unten, 145–148. Vgl. Benigna von Krusenstjern, Die Tränen des Jungen über ein vertrunkenes Pferd. Ausdrucksformen von Emotionalität in Selbstzeugnissen des späten 16. und des 17. Jahrhunderts, in: Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich, hrsg. von Kaspar von Greyerz, Hans Medick und Patrice Veit, Köln - Weimar - Wien 2001, 163. Vgl. G. Kirby, Merja-Liisa Hinkkanen-Lievonen, The Baltic and the North Sea, London 2000, 41; Delumeau, 49; Leutert, 301, 302, zur Problematik des Betens 300–307. Vgl. Delumeau, 54 f., allerdings auf der Basis von Schöner Literatur.
4. Interpretation der Quellen
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der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Gott und das Beten keine Erwähnung finden. Die Erklärung dürfte darin liegen, dass dieses „Logbuch“ vor Gericht (neu) entstand.397 Es ist aber vor allem die Schilderung der anschließend weitgehend „innerweltlichen“, auf die Menschen beschränkten Emotionalität, die nun hervortritt, das emotionale Auf und Ab, das Wechselspiel von Hoffnung und Verzweiflung, zwischen freudiger Erwartung der bevorstehenden Rettung und der Angst vor dem Tod. Anfangs pumpen sie noch „mit Mut“. Als das dann aber keine Wirkung zeigt, versuchen sie sich mit einem Sprichwort zu helfen: „Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten.“ Das völlige Vertrauen in Gottes rettende Hand wird aber wohl nicht von jedem geteilt, denn sie müssen sich gegenseitig trösten.398 Als sie dann Land sehen, wird ihr „hertz“ „erfreuwet“. Die Freude dauert allerdings nicht lange; bald überkommt sie, nun im Rettungsboot, Mutlosigkeit und schleichende Todesangst. Sie sehen weit und breit nichts anderes als eine steile Felsenküste. Es war „gandtz kein Retung anß Land Zu kommen“ – „Daß wahr die leste angste, die wahr großer wie all den anderen“, schreibt Bischoff und macht damit nicht nur klar, dass ihnen der Tod vor Augen stand, sondern auch („die leste“!) zugleich dass es sich um erinnerte Emotionen handelt. Mut der Verzweiflung kommt zum Ausdruck, wenn sie das Boot in die „Schrecklich Brenung“ setzen, „denn es doch um unß Leben getahn wehre.“ Wir haben hier eine Schilderung vor uns, welche die Gefühle stark in den Vordergrund rückt, während der Gedanke an Gott – die Gottbezogenheit – zwar stets gegeben ist, aber doch in diesen Passagen in den Hintergrund tritt. Emotionalität mit Blick auf Gott kommt erst wieder zum Zug, als sie – nun an Land – auf die Knie fallen und ihm für die Rettung danken.399 Genau diese Emotionalität geht aber bei der Reduzierung auf die wichtigsten Fakten völlig verloren und wird durch eine ganz bestimmte Kurz-Interpretation ersetzt. In der verkürzten Fassung wird aus der emotionalen Achterbahn ein Wunder Gottes. „Wunderbahrlich“ ist nun das religiös-emotionale Schlüsselwort – es kommt viermal vor.400 Die Achterbahn der Emotionen gerinnt zum staunenden Nichtbegreifen der Rettung, zu einem religiösen Topos. Als Bischoff dann 1710 als Bürgermeister eingeführt wird und seine erste Rede hält, greift er genau diese Interpretation noch einmal auf. Bei einem kurzen Rückblick auf sein Leben innerhalb dieser Ansprache betont er in einem grammatisch mißratenen Satz: „allein durch des Höchsten
397 398
399 400
Vgl. StadtA FL A 34, Bd. 20, 319 und folgende nicht paginierte Seiten (16. Jan 1694). Interessant ist der Vergleich mit einer differenzierenden Passage bei Olearius: „Da hieß es: Aus der Tieffen ruff ich HERR. Eltiche sassen erstarret/ konten vor TodesAngst weder singen noch beten / seuffzen war das beste/ Einer tröstete den andern aus erbarmen mit guter Hoffnung/die er selbst nicht gläubte.“ Olearius, 74. Auch wenn dies eine rituelle Form des Dankes war, so scheint mir dahinter doch eine mehr oder weniger tiefe Religiosität zu stehen. Einmal steht zwar „wunderlich“, aber Bischoff meint „wunderbahrlich“.
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Führung, durch viele gefährliche Reisen und sonsten andere beschwerliche Zufälle mich [= wurde ich] nicht allein wunderlich erhalten …“401 Eines kommt noch hinzu: Strapazen hat Bischoff viele ausstehen müssen, doch normalerweise beschreibt er sie nicht genau. Doch hier schließt er auch die körperlichen Erschöpfungszustände mit ein. Z. B. schildert er die Pausen vom Pumpen so: „vielen wir in unß bloß hembt auf daß Vberlauff nieder“ – bei Wintertemperaturen, wohlgemerkt. Er hält außerdem fest, dass sie schließlich nicht mehr in der Lage waren, die Hand über den Kopf zu heben und es ihnen nur mit einer letzten Kraft- und Willensanstrengung gelang, das Rettungsboot über Bord zu hieven. Erschöpfung und Kraftlosigkeit implizieren den Kampf um das Leben um jeden Preis. Durch die Einbeziehung des Körpers gehört die Schiffbruch-Situation also zu den typischen, bei denen auch diese Seite des Menschen in den Blick gerät. Bei der Verkürzung wird sie wieder ausgeblendet.402 Wenn also diese Emotionen in der verkürzten Fassung weggefallen sind, dann muss die erzähltechnische Erklärung von einigem Gewicht sein. Sie kann durch ein weiteres Argument noch gestützt werden. Aufgrund der bekannten Verbindung von wichtigen Ereignissen im Leben einer Person mit Emotionen kann man argumentieren, dass das Festgehaltene, das harte Faktum eines Unglücksfalls z. B., die jeweilige Emotion signalisiert: Es ruft die Emotion(en) für den Schreiber wieder hervor. Die Unglücksfälle (um die es sich oft handelt) haben also eine Appellfunktion. Es ist bezeichnend, dass Bischoff sich in der Kurzfassung bei dramatischen Ereignissen ab und zu verschreibt.403 Auch bei jedem Leser mit Einfühlungsvermögen können entsprechende emotionale Reaktionen hervorgerufen werden. Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass allein die Nachricht vom Tod einer geliebten Person (z. B.) eine Traumatisierung verursachen kann. 404 Geht man einmal davon aus, man hätte nur die kurze Fassung, und sucht dann andere Erklärungen, so wird es schwer. Man könnte für Bischoff auf die kaufmännische Rationalität verweisen und annehmen, dass die (gewünschte) instrumentelle Haltung dieser Berufsgruppe gegenüber den „Leidenschaften“, nämlich die empfohlene „standhafte Unempfindlichkeit“ – man muss sich der Emotionen bedienen und ihre Herrschaft fliehen405 –, sich nun auch in den Aufzeichnungen niedergeschlagen hat. Das erweist sich aber sogleich als unhaltbar, da dasselbe Auslassen auch bei anderen Berufen zu entdecken ist. Man könnte weiterhin auf das Argument zurück401 402 403 404 405
Vgl. StadtA FL, XII HS 1004, 28 v. Hervorhebung von mir, O.U. Vgl. Pust, Könige, 154 mit anderer Lesart im Einzelnen. Vgl. Brändle u. and., 17. So z. B. bei den schrecklichen Kanonenschüsse (vgl. unten, 116) und als bei Sturm etwas von Bord gerissen wird (vgl. unten, 128). Vgl. z. B. Willi Butollo, Maria Hagl, Marion Krüsmann, Kreativität und Destruktion posttraumatischer Bewältigung, Stuttgart 1999, 28. Aleander Engel, Homo oecomomicus trifft ehrbaren Kaufmann, in: Mark Häberlein und Christof Jäggle (Hrsg,), Praktiken des Handels. Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und Neuzeit, Konstanz 2010, 154, der hier Johann Carl May zitiert.
4. Interpretation der Quellen
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greifen, dass die Großgattung Prosa zu dieser Zeit – vor Richardson – noch nicht der „richtige“ Ort für den Ausdruck von Gefühlen war. Lyrik, sowieso das vorrangige Genre, und Drama waren ohne Zweifel offener für die Darstellung von Emotionen.406 Da viele Selbstbiographen gebildet waren, ist das kein Argument, das man vernachlässigen sollte. Aber vielleicht gibt es eine allgemeinere Erklärung unterhalb des Arguments Länge/Kürze und Großgattung. Könnte es vielleicht eine Norm gegeben haben, die im weltlichen Bereich davon abhielt, sich beim Schreiben und damit (für die Nachwelt) emotional zu entblößen, eine Norm, die normalerweise nur im Extremfall durchbrochen wurde, manchmal – aber nicht notwendigerweise – begünstigt durch die Länge des Textes? Aber es ist ja nicht so, dass im Verzeichnis alle Emotionen der Kürze zum Opfer gefallen sind. Für die Angst (vor dem Tod) trifft das zu. Sieht man von denen ab, die in religiösem Zusammenhang erwähnt werden, so muss man zumindest auf die Freude hinweisen. Sie findet die kürzeste aller Erwähnungen, nämlich nur durch das Wort selbst, das aber bei Bischoff „Liebe“ heißt. Mit Liebe setzt er nach einer Krankheit seine Fahrt fort407, mit Liebe erreicht er seine Heimat Flensburg wieder.408 Dazu kommt, abgesehen von der Emotion, die das Wort Gefahr vermittelt, gelegentlich auch die „Sorg und Mühe“409 oder das Mitleid410. Eine reine Benennung lässt sich mit der gebotenen Kürze gut vereinbaren. Auch Adjektive vermitteln Emotionen mit einem einzigen Wort: So sind die Stürme (und Stürzungen) bei Bischoff „greulich“ oder „schrecklich“.411 Die Beobachtung der in der Erinnerung weggedrückten Emotionalität macht klar, wie bei einer Betrachtung, die das Geschriebene für bare Münze nahm, grobe Interpretationsfehler entstehen konnten: Man denke nur an die Interpretation des kommentarlos eingetragenen Todes von Kindern als Gleichgültigkeit. Ebenso wäre es falsch, in dem standardisierten Wunsch nach fröhlicher Auferstehung und ewigem Leben beim Vermerk eines Todesfalles nur eine Formel zu vermuten oder aus der Kürze und Gefasstheit, mit welcher der Tod eines Verwandten festgehalten wird, auf fehlende Trauer oder Mitleidlosigkeit zu schließen.412 Solche Passagen, schlicht interpretiert, eignen sich vorzüglich dazu, eine Evolution der menschlichen Psyche zu konstruieren, bei der alles linear auf die „hoch entwickelte“ und tief psychologisierte Gegenwart zuläuft. Dagegen muss man vielmehr fragen – und kann durch den Ver406
Vgl. Krusenstjern, Tränen, 159–161. Vgl. auch unten, 188. Feddersen fügt an einer emotional hochbesetzten Stelle ein Gedicht ein! 407 Vgl. unten, 131. 408 Vgl. unten, 114, 123. 409 S. unten, 128. 410 Vgl. unten, 120. 411 Vgl. unten, z. B. 117, 123, 125 (gräulich), z. B. 113, 123, 125 (schrecklich). 412 Gegen eine solche Interpretation bezieht Benigna von Krusenstjern, Seliges Sterben und böser Tod. Tod und Sterben in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: dies. und Hans Medick (Hrsg.), Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe, Göttingen 1999, 472, 492 überzeugend Stellung.
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gleich von Quellen einer Antwort näher kommen –, was ein Ereignis signalisiert und was wohl dahinter steckt, wenn z. B. eine Rettung als Wunder beschrieben wird. Sieht man sich den gesamten Schiffbruch-Text im Vergleich zum Verzeichnis an, gibt es, noch zwei weitere, teilweise miteinander verbundene Aspekte, die der Reduktion zum Opfer gefallen sind: die angenehmen Seiten der Seefahrt und die Solidarität des maritimen „commercial web“.413 Sie tauchen in der ausführlichen Beschreibung der Reise 1777/78 (wieder) auf. Zur Seefahrt gehörte auch das „Lustigsein“, wie Bischoff es ausdrückt, nämlich Essen, Trinken und Erzählen in geselliger Runde, wozu auf der Rückreise von Schottland noch das Spielen (allerdings an Land) kommt. Bei Windstille luden sich die Schiffer und Kaufleute der verschiedenen Schiffe gegenseitig zu Gast. Nachdem er selbst bewirtet worden war, erwiderte Bischoff die Gastfreundschaft. Er schreibt: Es „ist der Capitain von patientia mit andern guten freunden bey mir Zu taffel geweßen; haben unß lustig und in alle Manieren frülich angestellt alß dass Ein jeder mit Vergnügen 12 Vhr nachts“ – die genaue Zeitangabe spricht dafür, dass es sehr spät geworden war – „seint zu ihren Schipffen gefahren.“414 Auch die Matrosen hatten übrigens bei ruhiger Fahrt angenehme Stunden: Anderen Texten kann man entnehmen, dass sie bei gutem Wetter angelten415 und so die kargen Mahlzeiten bereicherten. Wie Feddersen berichtet, half ein Fang von Makrelen in einer Hungersituation.416 Bei guter Fahrt und schönem Wetter war auch für andere Dinge Zeit. Die Matrosen spielten Flöte, wie man aus gefundenen Instrumenten schließen kann.417 An Bord wurde aber auch gelesen, vor allem von Kaufleuten, wie wir von Feddersen erfahren. Ein Schiff, auf dem sich ein anderer Flensburger Kaufmann befand, wurde sogar an Feddersens festgemacht, „um gemeinschafftlich eine Historie Lesen zu hören“418. Für längere Fahrten nahmen die Männer auch schöne Literatur mit an Bord.419 Von all dem liest man in Bischoffs „Verzeichnis“ nichts. Es ist einfach zu erklären, warum solche „Freizeitgestaltung“ bei einem Kondensationsprozess ausgelassen wird: Sie hat zu geringes Gewicht, ist nebensächlich und bar jeglicher Dramatik. In dem Verzeichnis erfährt man auch nichts über die internationale Solidarität des maritim-kommerziellen Netzes, die Bischoff nach dem Schiffbruch zuteil wurde. In 413 414
415 416 417 418 419
Ich habe den Ausdruck von Margit Schulte-Beerbühl, Spinning the commercial web, übernommen. S. unten, 139. Den Kapitänen und Kaufleuten an Bord stand bessere Verpflegung zur Verfügung als der Mannschaft. Vgl. Ole Ventegodt, Die Flensburger Schiffahrt in der blühenden Periode, in: Slesvigland 10 (1989), 42. Vgl. Memorial …Hansen Hajstrup, 110, 116 oder Herrn Martiniėres Neue Reise in die Nordischen Landschafften, Hamburg 1675, 6, 8. Vgl. unten, 139. Detlev Ellmers, Mit Seekiste und Bettzeug an Bord: Das Reisegepäck der Seefahrenden vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert, in: Hansische Geschichtsblätter 127 (2009), 25. S. unten, 184. T. M. Devine, The Scottish merchant community 1680–1740, in: Roy Hutcheson Campbell and Andrew S. Skinner (eds.), The origins and nature of the Scottish Enlightenment, Edinburgh 1983, 35.
4. Interpretation der Quellen
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Edinburgh wurde er dreimal von Kapitänen eingeladen. Einer dieser Schiffer hatte in den beiden Jahren zuvor selbst Handelsreisen nach Norwegen unternommen;420 alle drei (Gillies, Lumsden, Fraser) hatten während des dritten englisch-holländischen Krieges (1672–74) zur Gruppe der Kaperer gehört,421 unter deren Plünderungen Bischoff gelitten hatte.422 Der gemeinsame Erfahrungshintergrund bot viel emotionsreichen Gesprächsstoff. Die Fahrt nach London wurde durch Gastwirtschaftsbesuche mit den Kapitänen unterbrochen. Bischoff wurde dabei stets als Gast behandelt und freigehalten. Selbst noch aktive Kaperkapitäne laden ihn (und den Kapitän des Schiffes, mit dem er fuhr), an Bord. Die Schiffsführer nehmen ihn darüber hinaus mit in ihr Haus oder ihre Unterkunft. Und als sie von einander gehen, erweisen sie ihm die Ehre der rituellen Begleitung bis zu einem bestimmen Punkt. Als er die schottischen Kapitäne in Holland wiedertraf, zeigten sie nochmals ihre Großzügigkeit. Es ist besonders die allen gleichmaßen drohende Gefahr des Schiffbruches, die zur Solidarität mit dem führt, welcher der Lebensgefahr entronnen ist. Ein wenig Mitgefühl mit dem Opfer ihrer Kaperergenossen mag in ihrer Einstellung zu ihm auch mitgeschwungen haben. Gegenseitige Hilfe, die keine Grenzen zwischen Staaten kennt, und auch, wie es scheint, keine Sprachbarrieren (von Verständigungsschwierigkeiten berichtet Bischoff nur, als er – des Englischen unkundig – auf dem Landweg von Edinburgh nach Redheugh reist423) ist ein Hinweis auf ein überstaatliches kulturelles System von Kaufleuten und Kapitänen um die Nordsee herum. In der komprimierten Version fällt mit der Solidarität ein weiterer Bereich der Emotionalität weg, und zwar ein wichtiger. Solidarität ist nämlich als eine emotional unterfütterte Einstellung von langer Dauer (und grundlegender gesellschaftlicher Bedeutung) aller Wahrscheinlichkeit nach von viel größerer Bedeutung als die kurzen, schnellen, dramatischen Emotionen,424 aber meistens weniger spektakulär. Die komprimierte Kurzfassung enthält die notwendigen harten Fakten, erweitert durch die Addition von dramatischen Ereignissen: Schiffbruch, gefährliche Stürme, ertrunkene Matrosen, Kaperer, Hunger, beschädigte Schiffe usw. Dadurch entsteht eine Geschichte kontinuierlicher Lebensbedrohung. Seefahrt erscheint so als steter Kampf mit der Urgewalt Meer um das Überleben, ein Kampf, der aber, obwohl mit Opfern an Menschen, Gütern und Schiffen verbunden, mit Gottes Hilfe durchgehalten werden kann. Das ist genau der Eindruck, den das Verzeichnis der Reisen vermittelt. Lustigsein und Solidarität passen da nicht hinein. So entsteht dann die Botschaft: Wer all das übersteht, auf dem ruht nicht nur der Segen Gottes, sondern der hat sich seinen
420 421 422 423 424
Capitän Fresel = Henry Fraser. Vgl. unten, 152, 155. Das geht aus Informationen zu den einzelnen Personen hervor, die mir Sue Mowat, Edinburgh, zur Verfügung gestellt hat. E-Mail vom 4.3.2012. Vgl. unten, z. B. 111, 112, 114. Vgl. unten, 149. Vgl. Randall Collins, Interaction Ritual Change, Princeton 2004, 106, 109, 117 f.
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Wohlstand (und den sozialen Aufstieg, den dieser ermöglicht) voll und ganz verdient.425
4.3. Feddersens Autobiographie Die Autobiographie ist von alters her für die Geistes- und Literaturgeschichte von immenser Bedeutung, da sie seit Burckhardts Tagen mit der Entdeckung der Individualität in der Renaissance parallelisiert worden ist. Das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts brachte nach traditioneller Lesart den Durchbruch der modernen Individualität. 1777 war bekanntlich das Jahr, in dem Jung-Stillings Henrich Stillings Jugend erschien. Damit begann eine neue Periode in der Geschichte der Autobiographie, in der sie, nachdem sie sich in der Frühen Neuzeit durch eine große Vielfalt an Formen auszeichnet hatte und meist nicht für den Druck gedacht war, nun als literarische Gattung klare Konturen annahm. Die fortan zunehmend gedruckten Werke öffneten sich dem Inneren des Menschen, der Entwicklung seiner Persönlichkeit, der Introspektion und Selbstreflexion. Anton Reiser von Karl Philipp Moritz (der allerdings in Adam Bernd und den Pietisten Vorläufer hatte) und Jean-Jacques Rousseaus Confessions sind Musterbeispiele psychologischer Selbstbeobachtung. Mit Goethes Dichtung und Wahrheit fand die klassische bürgerliche Autobiographie als Kunstform dann im folgenden Jahrhundert ihren Höhepunkt – so die traditionelle, an der Entwicklung der Gattung orientierte literaturwissenschaftliche Interpretation.426 Feddersens Autobiographie, verfasst am Beginn des Jahres 1777, steht vor diesem Hintergrund, der sich allerdings größtenteils erst unmittelbar darauf entfalten sollte und – wie gezeigt werden wird – aus aktueller geschichtswisssenschaflticher Sicht in seiner Bedeutung hinterfragbar ist. Dazu gehören als neue Erscheinung auch die Beschreibungen des eigenen Lebens aus den unteren Bevölkerungsschichten, die den Aufstieg nicht oder nur bedingt schafften oder ausgesprochene Verlierer waren, wie der Kleinbauer Bräker, der Schuhmacher Steube oder als sozialer Absteiger der Pfarrerssohn Laukhard, zu denen neuerdings noch der Soldat Pickert gekommen ist. Feddersen dagegen gehörte einer sozialen Gruppierung an, in der es – auch in Flensburg, wie gezeigt worden ist – eine lange Tradition des Schreibens von Autobiographien gab, dem Handel treibenden städtischen Bürgertum. Zu den schreibenden Männern aus dieser Schicht gesellten sich in dieser Zeit auch Frauen, so z. B. die Hamburger Kaufmannstochter Margarethe Milow. Die eben genannten Glanzlichter der Literatur dienen bzw. dienten in der Geschichtswissenschaft dazu, diese Zeit als neues Stadium des Individualisierungsprozesses ab ca. 1750/70 zu erforschen und hinzustellen.427 So unverkennbar die neuen 425 426 427
Ähnlich habe ich schon argumentiert in Ulbricht, Nach Trondheim segeln, 331. Vgl. z. B. Ingrid Aichinger, Selbstbiographie, in: Reallexikon der deutschen Literatur, Bd. 3, 2.Aufl. Berlin - New York 1977, 801–819. Vgl. Richard van Dülmen, Die Entdeckung des Individuums, Frankfurt am Main 1997.
4. Interpretation der Quellen
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Symptome sind, so problematisch ist die Blickverengung auf sie, selbst wenn man von der Burckhardt-Kritik und den divergierenden heutigen Ansichten über die Definition und Entwicklung von Individualität absieht.428 Es ist nämlich methodisch die Frage, ob man auf der Basis dieser singulären Werke – ganz besonders dann, wenn sie von Schriftstellern verfasst wurden – nicht den Prozess der Individualisierung verzeichnet, ob man nicht einige wenige starke Ausschläge auf der Skala nimmt,429 um Aussagen mit Allgemeingültigkeitsanspruch über die Durchsetzung zu treffen. Es steckt schon ein nicht zu kleines Körnchen Wahrheit in Friedrich Schlegels Polemik: „Reine Autobiographien werden geschrieben: entweder von Nervenkranken, die immer an ihr Ich gebannt sind, wohin Rousseau gehört; oder von einer derben künstlerischen oder abenteuerlichen Eigenliebe, wie die des Benvenuto Cellini; oder von gebornen Geschichtsschreibern, die sich selbst nur ein Stoff historischer Kunst sind.“430 Wie viele andere Werke mit den typischen Kennzeichen der schonungslosen Selbstanalyse eines Karl Philipp Moritz lassen sich auffinden? Hatte nicht der Autor Recht, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts konstatierte, dass es wenige Selbstdenker gebe und noch weniger Selbstbeobachter431? Es wäre also sinnvoll, den Sprung vom Höhenkamm der Werke außergewöhnlicher Menschen, in denen sich ein Trieb nach Selbsterkenntnis mit außergewöhnlichen literarischen Fähigkeiten verband, in die Ebene der gewöhnlichen Autobiographie zu tun, wofür Feddersens hier veröffentlichter Text stehen kann. Er erhebt nicht den Anspruch, ein Sprachkunstwerk zu sein. Es ist angesichts der reichen Forschung auch keine Vermutung mehr, dass es weit mehr Autobiographien dieser und ähnlicher Art gibt als die immer wieder vorgestellten Meisterwerke432, Werke, die allerdings gar nicht für das große Publikum gedacht waren. Gerieten sie dann in das Blickfeld von Forschern, dann blieben sie oft unveröffentlicht, da sie ästhetischen Kriterien wie z. B. der sprachlichen Gestaltung oder gar der Ausgewogenheit zwischen Ich und Welt nicht genügten oder Publikationsbedingungen nicht entsprachen, weil sie zu kurz waren (auch das Gegenteil gibt es natürlich) und deshalb entweder nicht oder nur an abgelegener Stelle veröffentlicht wurden, so dass sie keinen großen Bekanntheitsgrad erreichten.433 „Die literarische Autobiographie, die Autobiographie als Kunstwerk (ist) ein Sonderfall“, „der weitaus überwiegende Teil der Gattungsgeschichte der
428 429 430 431 432 433
Vgl. Hacke, 27–32; Mary Fulbrook/Ulinka Rublack, In Relation: The “Social Self” and EgoDocuments, in: German History 28 (2010), 264, 265. Vgl. auch Jancke und Ulbrich, 12, 15. Friedrich Schlegel, Fragmente, in: Athenaeum 1 (1798/II), 51. Vgl. D. Jenisch, Theorie der Lebens=Beschreibung, Nebst einer Lebensbeschreibung Karls des Großen: eine Preisschrift, Berlin 1802, 39 f. Erneut bei Martina Wagner-Egelhaaf, Autobiographie, 2. Aufl. Stuttgart etc. 2005, 155–166. Man sehe sich die Fundorte von vielen Selbstzeugnissen bei Benigna von Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Beschreibendes Verzeichnis, Berlin 1997, an.
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Autobiographie (steht) im Zeichen der Zweckform"434, der ohne literarischen Anspruch, hieß es schon vor langer Zeit von literaturwissenschaftlicher Seite. Es gibt aber nicht nur gute Gründe, die Ebene einmal zu wechseln, sondern auch dafür, die Frage nach der Individualität in den Hintergrund zu schieben. Zum einen ist nämlich (von Literaturwissenschaftlern) schon lange konstatiert worden: „Es gibt … unverkennbar vorher und nachher andere autobiographische Schreibweisen [als die der klassischen bürgerlichen Autobiographie], die aus anderen Konstellationen des Selbstbewusstseins und der öffentlichen Funktion geschaffen sind“435. Selbst für die Zeit der Aufklärung und ihres Wahlspruches sapere aude war bei vielen Menschen Selbsterkenntnis weder das primäre Lebensziel noch das einer Selbstlebensbeschreibung. Und selbst wo das Verfassen einer Autobiographie Selbsterkenntnis zum Ziel hatte, war das nicht das einzige.436 Zum anderen ist von geschichtswissenschaftlicher Seite auf empirischer Basis bereits darauf hingewiesen worden, dass Forscher „bei Selbstzeugnis-Autorinnen und -Autoren des späteren 18. sowie des frühen 19. Jahrhunderts, die gleichsam der mittleren gesellschaftlichen Ebene zuzuordnen sind“, die psychologische Selbstdarstellung und die Ich-Erforschung um ihrer Selbst willen, „vergeblich such[t]en.“437 Schließlich hat die weit fortgeschrittene niederländische Forschung gezeigt, dass die weitaus meisten Selbstzeugnisse dieses Landes nach 1770 gerade nicht das Ich des Autors in den Mittelpunkt stellen, sich nicht durch Introspektion auszeichnen, sondern faktenorientiert sind. Sie machen gewissermaßen das Äußere oder das Öffentliche zum privaten Besitz. Diese Tendenz lässt sich sowohl bei veröffentlichten Werken als auch bei ungedruckten Manuskripten feststellen.438 Die folgenden Abschnitte versuchen daher neue und nicht ganz so neue Wege zu gehen: Zuerst betrachten sie die 1777 verfasste Autobiographie als narrativen Text. Dann wird das Rollenkonzept aufgegriffen und anzuwenden versucht, wobei diese Vorgehensweise angeregt ist von dem Konzept der Person, das als relativ neutrale, von historischen und sozialen geprägten Vorstellungen geprägte Kategorie verstanden wird. Sie testen drittens das Konzept des sozialen Selbst an einigen Passagen der Autobiographie. Damit ist bereits angedeutet, dass Feddersens Beschreibung seines eigenen Lebens hier nicht als einheitliches, geschlossenes Werk gesehen wird, sondern durchaus aus unterschiedlichen Teilen bestehend.
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Klaus-Detlef Müller, Autobiographie und Roman. Studien zur literarischen Autobiographie der Goethezeit, Tübingen 1976, 28. Peter Sloterdijk, Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Autobiographien der Zwanziger Jahre, München 1978, 18. Vgl. Lorna Susan Bloom. German Secular Autobiography. A Study of Vernacular Texts from ca. 1450 to 1650. Doct. Diss. Toronto 1983, 15. Kaspar von Greyerz, Einführung, in: ders. (Hrsg.), Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit, München 2007, 2. In ders., Religion und Kultur. Europa 1500–1800, Göttingen 2000, 320 spricht er von Säkularisierungstendenzen, die sich beim Pietismus dieser Zeit nicht finden ließen. Vgl. Arianne Baggerman, Rudolf Decker and Michael Mascuch, Introduction, in: dies. (Hrsg.), Controlling Time and Shaping the Self, Leiden - Boston 2011, 3 f.
4. Interpretation der Quellen
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Jede Autobiographie, auch eine so „normale“439 wie die Feddersens, ist eine Konstruktion440, in der vergangenes eigenes Leben aus zeitlicher Distanz neu zusammengestellt und sprachlich gestaltet wird. Spätestens durch die Niederschrift geht einerseits die Ummittelbarkeit verloren, an die man oft noch glaubt, jedenfalls unter Nichtspezialisten. Andererseits erfolgt eine wie auch immer geringe „Literarisierung“. Eine ganze Reihe von unbekannten Autoren hat durchaus einen gewissen Sinn für Spannung und Dramatik, unter ihnen auch Feddersen. Nicht nur der Abstand, sondern auch der Vorgang des Wiedererinnerns im Akt des Schreibens beeinflusst den Inhalt.441 Die Anforderungen, die eine Beschreibung des eigenen Lebens an den Verfasser stellt, spiegeln sich indirekt (neben anderen Faktoren) in ihrer geringeren Zahl im Vergleich zu anderen Selbstzeugnissen.442 Die Konstruktion verweist auf den sozialen Kontext, denn so wie kein Autor ein autonomes Individuum ist, sondern eingebettet in gesellschaftliche Beziehungsgeflechte und Diskurse und von diesen nicht unabhängig, so ist alles autobiographische Schreiben „immer ein gesellschaftlich bestimmtes Ereignis“443. Bei der Abfassung folgen die Autoren, sei es nun bewusst oder nicht, in formaler und inhaltlicher Hinsicht Konventionen444, die beim Vergleich frühneuzeitlicher Autobiographien mit solchen der letzten zwei Jahrhunderte besonders deutlich hervortreten. Dabei muss man allerdings beachten, dass sich Kennzeichen der späteren Zeit aufgrund der Vielfalt der Formen wie des Inhalts vereinzelt auch vorher finden. Auffällig ist für die Autobiographie ab ca. 1770 z. B. neben der genannten Blickrichtung auf die innere Entwicklung das Hervortreten des sozialen Bewussteins. Das führt zur häufigeren Schilderung des Herkunftsmilieus wie schon bei Jung-Stilling am Anfang.445 Häufiger wird auch eine Integration des historischen Wandels der Zeit thematisiert, in welcher der Autor lebte, an der er teilhatte und die er in der Autobiographie zu verstehen sich bemüht. Das kann bedeuten, dass er in die Rolle eines Historikers schlüpft und versucht seine Zeit zu interpretieren.446 Die Berücksichtigung des Wandels hängt zusammen mit seiner 439
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Ich meine damit solche Werke, deren Verfassern es nicht darum ging, ein sprachliches Kunstwerk zu schaffen, sondern darum, ihr Leben wiederzugeben, wobei sie sich auch oft innerhalb ihrer Möglichkeiten bemühten, das in einer für den Leser attraktiven Art und Weise zu tun. Das unterstreicht noch einmal Andreas Rutz, Ego-Dokument oder Ich-Konstruktion? Selbstzeugnisse als Quellen zur Erforschung des frühneuzeitlichen Menschen, in: Zeitenblicke 1 (2002), (http://zeitenblicke.de/2002/02/rutz/index.html; 28.2.2012), 16–18. (6.5.2011). Einige behaupten eine grundsätzliche Differenz; mir scheint, diese muss nicht unbedingt gegeben sein. In ihrem sample entdeckten Leutert/Piller, 203, 207 nur 20% Autobiographien im literaturwissenschaftlichen Sinne. Depkat, Autobiographie, 462. So auch aus einem anderen Diskussionszusammenhang Schulze, 24; Fulbrook/Rublack, 267. H. J. Jung-Stilling, Henrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben, Stuttgart 1979, 7–24, wo man gleich in die Welt der Kleinbauern und Kohlenbrenner, der Schulmeister und verarmten Pastoren eingeführt wird. Geschieht das in der Epoche der Zeitgenossen, sprechen die Zeitgeschichtler dann von einem Konkurrenzverhältnis. Vgl. Depkat, Zum Stand, 170. Auch Autobiographen des 16. Jahrhun-
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Geschwindigkeit und Stärke in diesen Jahrhunderten. Schon in Autobiographien des frühen 19. Jahrhunderts kommt er zum Ausdruck.447 Auffällig ist auch, dass die Schilderung der Kindheit und Jugend einen Eigenwert gewinnt448, was sowohl die Konzentration auf die Entwicklung wie auch die Überzeugung spiegelt, diese Phase sei am besten in Erinnerung.449 Auch Landschaftsbeschreibungen finden sich nun häufiger. Das alles ist also bei Feddersen nicht (unbedingt) zu erwarten. Versteht man die Feddersenschen Aufzeichnungen zuerst einmal als narrativen Text450, so lässt sich als Grundmuster eindeutig die pragmatische Autobiographie451 feststellen, bei welcher der Reihe nach Geburt und Taufe, die Ahnen, dann in meist kurzer Form die Kindheit geschildert werden. Der Erziehung in Haus und Schule können, oft ausführlich, Reisen zur Bildung oder zum Zwecke des Studiums folgen. Heirat und weiterer Lebenslauf mit wichtigen Ereignissen, z. B. Geburten, Hauskäufe und Krankheiten schließen sich an. Dabei gehen die Autoren oft zur annalistischen Darstellungsweise über; ein Spannungsabfall ist nicht selten registrieren. Eine solche Autobiographie gibt also letztlich die natürliche zeitliche Abfolge wieder, mit Ausnahme der Ahnen und der Selbstcharakteristik am Ende.452 Sie konzentriert sich auf das „äußere Leben“, eine innere Entwicklung wird nicht beschrieben. Es ist offensichtlich, dass Feddersens Autobiographie weitgehend diesem Muster entspricht. Selbst in der relativ kurzen Kindheitsbeschreibung, die typischerweise schon auf den späteren Beruf hin stilisiert wird, und insbesondere in der ausführlichen Wiedergabe der Ausbildungs- und Geschäftsreisen wird das deutlich.453 Es fällt außerdem auf,
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derts sahen sich gelegentlich als Geschichtsschreiber, man denke nur an Bartholomäus Sastrow, der nur ein Beispiel dafür bietet, dass, was später gehäuft auftaucht, vorher schon vereinzelt zu finden ist. „Jene Menschen und Dinge, ja das ganze Leben der Jahre von 1780 und 1790 stehen schon gleich ein paar Jahrhunderten von uns geschieden, so ungeheure Risse haben die letzen fünfzig Jahre durch die Zeit gerissen.“ Ernst Moritz Arndt, Erinnerungen aus den äußeren Leben, hrsg. von Robert Geerds, Leipzig [ca. 1892], 3 (im Jahre 1840). Vgl. Baggerman, Dekker and Mascuch, 5 f , die von einem veränderten Zeitbewusstsein sprechen. Vgl. z. B. Franz Xaver Bronnen, Ein Mönchsleben aus der empfindsamen Zeit. Von ihm selbst erzählt, hrsg. und eingeleitet von Oskar Lang, Stuttgart o. J. (1912), 25–48 Vorschulzeit, 48–90 Schulzeit. Guten Einblick in seine Schul- und Ausbildungszeit gibt auch Franz Böving, vgl. Aus dem Tagebuch des Bremer Kaufmanns Franz Böving (1773–1849), hrsg. von Karl H. Schwebel, (Bremen) 1974, 20–22. Vgl. Jenisch, 41 f. Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen Heiligensetzer, 5–13. Vgl. Günter Niggl, Geschichte der deutschen Autobiographie im 18. Jahrhundert, Stuttgart 1977, 14. Vgl. ebd., 15. Ich bin hier von Niggl ein wenig abgewichen: Bei ihm kommen die Ahnen zuerst, und am Ende steht eine Selbstcharakteristik. Das ist sehr an der Gelehrtenautobiographie des 16. und 17. Jahrhunderts orientiert. In anderen fehlt die Selbstcharakteristik des Öfteren. Diese Konzentration entspricht der Neigung des autobiographischen Gedächtnisses, sich auf den entscheidungsreichen Zeitraum vom 15. bis zum 30. Lebensjahr zu konzentrieren. Vgl. Rüdiger Pohl, Das autobiographische Gedächtnis, in: Gedächtnis und Erinnerung, hrsg. von Christian Gudehus, Ariane Eichenberg und Harald Welzer, Stuttgart - Weimar 2010, 79; auch Harald Tersch, Schreiben in „gewissen Jahren“. Alter(n) und Autobiographie in der Neuzeit, in: Ursula
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dass sich gewisse Passagen nicht in diesen Ablauf einfügen, wie etwa die Reflektionen über den englischen Nationalcharakter. Inwieweit eine solche durch das Leben vorgegebene Abfolge noch einer intensiven sozialen Vermittlung bedarf, sei dahingestellt. Spätestens bei der Wahl der Großform darf man jedoch eine solche annehmen. Bei der Gesamtgestalt gibt es eine Neigung, sich an Vorbilder anzuschließen. Die Vermutung liegt nahe, dass Feddersen die kurze, berichtende Form und nicht die breit und detailliert erzählende und mit größerem Gestaltungsanspruch einhergehende454 unter anderem deshalb gewählt hat, weil ihm solche kurzen Selbstbiographien in seiner Umwelt bekannt waren.455 Die meisten Flensburger Autobiographien folgen diesem Muster. Feddersen hat auf jeden Fall gezielt auf einen kurzen Bericht hingearbeitet. Das zeigt sich z. B., wenn er ganz allgemein auf sein Reisetagebuch verweist, um den Aufenthalt in Bordeaux nicht näher beschreiben zu müssen456, oder wenn er sagt, dass er seine Besichtigungen in und um London nicht schildern wolle, weil das „alzu weitläuftig“457 würde. Wenn ein Verfasser sich bewusst für ein chronologisches Fortschreiten entschieden hat und dazu noch auf Dramatik setzt, dann steht das einer ausführlichen, verweilenden Beschreibung von Verhältnissen oder Zuständen entgegen. Die Entscheidung für den kurzen „Bericht“ zieht aber noch bestimmte weitere Konsequenzen nach sich. Eine berichtende Autobiographie folgt eigenen immanenten Gesetzen. So schließt das Berichten-Wollen Reflektion über das Erzählen selbst aus. Das zeigt sich gleich zu Anfang an drei Punkten. Zum einen fehlt eine Rechtfertigung der Niederschrift. Gott zur Ehre und zum Dank und den Nachkommen zur Nachricht und Belehrung, das sind traditionelle Begründungen für das Abfassen einer eigenhändigen Lebensbeschreibung. Dazu gehört auch oft genug die Zurückweisung der Vermutung, man habe die Autobiographie des Nachruhms wegen, „aus eitler Ehre“458, verfasst. Mit solchen Rechtfertigungen erfolgt dann zugleich eine erste Leseranrede. Da hier eine solche fehlt, ist die Möglichkeit verbaut, die Autobiographie von diesem Punkt aus als Gespräch oder sprachliche Interaktion zu sehen. Das gilt auch für den nächsten, den zweiten Punkt. Feddersen geht nämlich nicht darauf ein, in welcher Lage er sich befindet, als er zu erzählen anfängt; er sagt z. B. nicht, dass er nun alt und grau
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Klingenböck, Meat Niederkorn-Bruck und Martin Scheutz (Hrsg.), Alter(n) hat Zukunft. Alterskonzepte, Innsbruck - Wien - Bozen 2009, 190. Vgl. zum Unterschied Lehmann, 71–86. Vgl. dazu unten, 100, die Bemerkungen über die Beziehung Feddersens zu Moller. „Da meine Absicht nicht ist, etwas Specielles von meinem Aufenthalt alhie anzuführen, so übergehe dasjenige was sonsten bey meiner Reise Beschreibung gedacht worden.“ (unten, 175) und auch die Bemerkung, dass er über den Amsterdamer Bürgermeisterssohn nichts schreiben will, vgl. unten, 172.. Vgl. unten, 177. Er nennt eigenartigerweise das Fehlende „das eigentliche“. Selbstbiographie des Senator Barthold Heinrich Brockes, mitgeteilt von J. M. Lappenberg, in: Zeitschrift für hamburgische Geschichte 2 (1847), 169.
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geworden sei, viel (Übles) erlebt habe459 und nun Nachricht davon geben wolle. Verallgemeinert heißt das, dass für die systematische Gegenüberstellung von „damals“ und „heute“, also für den Prozess des Erinnerns, in solchen Werken nicht viel Raum gegeben ist.460 Selbstverständlich fehlt denn auch eine Bemerkung über die erste Erinnerung, wie sie sich z. B. bei Felix Platter461 oder Ulrich Bräker462 findet. Schließlich äußert Feddersen auch nirgendwo den Grundsatz, dem sich praktisch alle Autobiographen verpflichtet fühlen: nämlich dass „die Aufrichtigkeit, wie ich treuherzigen Dafürhaltens bin, das Hauptstück der Lebensbeschreibung ist“463, wie Theodor von Hippel es ausdrückte. Konzentriert sich ein Autor auf das Berichten, dann hält er das für selbstverständlich und betrachtet eine solche reflexive Bemerkung als unnötig. Berichten bedeutet darüber hinaus auch erzählen ohne zeitliche Umstellungen, insbesondere ohne Vor- oder Rückgriffe, ist doch die grundlegende Erzählstruktur „und dann … und dann“. Einen Rückgriff kann am Anfang einer Autobiographie die Beschäftigung mit den Eltern und Großeltern darstellen, die in Autobiographien des 18. Jahrhunderts meist nach der Geburt und Taufe genannt werden. Nicht selten wird auch weiter zurückgegangen. Ihr Leben wird manchmal sogar in kurzer Form erzählt. Die Eltern werden bei Feddersen aber nur nebenbei genannt, von den Großeltern erfährt man gar nichts. Ein starker zeitlicher Rückgriff wäre notwendig geworden, wenn Feddersen mit einer späteren Lebensphase begonnen hätte, z. B. mit der gefährlichen Rückreise aus Amsterdam nach seiner gescheiterten Lehrlingszeit dort.464 Doch die Umstände seiner Geburt boten genug für einen dramatischen Auftakt. Hätte Feddersen sein gleichzeitiges Wirken als Kaufmann und Inhaber eines städtischen Amtes in seine Lebensgeschichte einbezogen, hätte ein Abgehen von der chronologischen Reihenfolge nahe gelegen. Doch Feddersen blendet seine Geschäftstätigkeit nach 1746 – dem Jahr, in dem er Deputierter wurde – aus.465
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Formulierung angelehnt an Johann Cervinus, Chronik von Wetterfeld aus den Jahren 1608– 1654, hrsg. von Klewitz, in: Jahresbericht des Oberhessischen Vereins für Localgeschichte 1 (1878), 41. Dazu gehört auch, dass Feddersen keine Bemerkung darüber macht, wie er die Umstände seiner Geburt, die er nur aus anderer Quelle erfahren haben kann, erfahren hat. Felix Platter, Tagebuch (Lebensbeschreibung) 1536–1567, hrsg. von Valentin Lötscher, BaselStuttgart 1976, 56. Ulrich Bräker, Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg, in: Ulrich Bräker, Sämtliche Schriften, Bd. 4, hrsg. von Claudia Holliger-Wiesman u. and., München - Bern 2000, 367. Hippels Lebensbeschreibung, in: Th. G. v. Hippels sämmtliche Werke, Bd. 12, Berlin 1835, Nd. Berlin - New York 1978, 45. Wilhelm Harnisch, Mein Lebensmorgen: zur Geschichte der Jahre 1787–1822, hrsg. von Heinrich Eduard Schmieder, Berlin 1965 beginnt mit einer Reise in seine Heimat im Erwachsenenalter; vgl. 1 f. Er erwähnt nur die Übergabe des Geschäftes an einen Sohn 1770. Die Direktion der beiden „Kompagnien“ gehörte nicht zu seinen persönlichen Geschäften.
4. Interpretation der Quellen
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Ist über die Großform entschieden, bleiben trotz aller Vorgaben noch genügend Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. vor allem die Auswahl und die Akzentuierung)466. Man kann sagen: Autobiographien zeigen wie andere Gattungen das, was sie uns zeigen wollen467, allerdings nicht ohne auf die Einschränkungen hinzuweisen, die daraus resultieren, dass ihre Verfasser in geistige und soziale Kontexte eingebunden sind, welche die Auswahl begrenzen und die Darstellung beeinflussen. So war bekanntlich die Thematisierung von Sexualität lange Zeit tabuisiert, auch hat es wohl andere ansozialisierte Hemmungen gegeben, z. B. in Hinblick auf das Festhalten gotteslästerlicher Gedanken. Auch bei der Schilderung von engsten Verwandten können gewisse Skrupel bestehen. Feddersen ist sich seiner eigenen Rolle bei dem Auswahlprozess bewusst; gleich im Titel macht er darauf aufmerksam. Er erzählt nicht sein Leben als Ganzes, sondern „einige Umstände“ daraus. Zwar reicht die eigene Beschreibung seines Lebens, wie geboten, von der Geburt bis zur Abfassungszeit, aber dem Inhalt sind bewusst Grenzen gesetzt. Es fragt sich nun, was er ausgewählt und was er ausgelassen hat. Ausgeschlossen hat er konsequent die Geschichte seiner Heimatstadt, von deren Entwicklung er als Kaufmann betroffen war und die er als Bürgermeister mit zu beeinflussen versuchte. Nicht einmal ihre Lage und politische Zugehörigkeit nennt er, und sei es nur kurz am Anfang. Die traditionell enge Verbindung von Stadt und Autobiographie ist bei Feddersen nicht mehr vorhanden: ein langer Weg von Burkard Zink, dem Verfasser der ersten bürgerlichen Autobiographie, die bekanntlich ein Kapitel in seiner Chronik der Stadt Augsburg bildet468, oder dem Kölner Ratsherrn Weinsberg, der Stadtereignisse registriert469, bis zu Feddersen, der nur den Namen Flensburgs nennt. Das alles überrascht aber nur bedingt. Erstaunlich ist dagegen eher der Ausschluss von Herkunft und Geschäft. Dass die Abstammung nicht erwähnt wird, bemerkt man sofort. Es fehlt nach der Schilderung seiner Geburt in bedrohlicher Lage die Vorstellung der Vorfahren, zumindest aber der Eltern und Großeltern. Die Herauslösung des Individuums aus der Kette der Generationen ist für Autobiographen vor wie nach 1770 ungewöhnlich. Hatten einzelne Autoren des 16. Jahrhunderts noch die Reihe der Vorfahren fiktiv bis ins Hochmittelalter verlängert, so klafft hier eine auffällige Lücke. Feddersen erwähnt weder die Vornamen von Vater und Mutter (die nur im Vorübergehen genannt werden), noch den Beruf des Vaters oder die Herkunft der Mutter. So fehlt die Möglichkeit ihren Charakter zu schildern, wobei der des Vaters in anderen Autobiographien des Öfteren als aufbrausend, die Mutter dagegen als fromm beschrieben wird. Es erstaunt dann nicht, dass bei Feddersen die Namen der damals so wichtigen Taufpaten fehlen, die Bischoff noch wie üblich am Anfang 466 467 468 469
Vgl. Aichinger , 806. Thomas Max Safley, „So lang mir Gott das Leben verlihen“. Personkonzepte aus Selbstzeugnissen der schwäbischen Kaufleuteschaft in der Frühen Neuzeit, in: Jancke/Ulbrich, 126. Burkard Zink, Chronik des Burkard Zink 1368–1468 (Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. 5), hrsg von Carl Hegel, Leipzig 1866, Buch III. Vgl. Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert, Bd. 2, bearb. von Konstantin Höhlbaum, Leipzig 1887, 190, 208.
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seines Verzeichnisses angeführt hatte. Darüber hinaus erwähnt Feddersen seinen Platz in der Geschwisterreihe nur beiläufig und nennt die Gesamtzahl seiner Geschwister gar nicht.470 Der Verzicht auf die Ahnen – im 16. Jahrhundert von dem Autobiographen und Vater der Byzantinistik, Hieronymus Wolf, sinngemäß mit der Begründung versehen, unsere Vorfahren, das sind nicht wir471 – deutet auf die ausschließliche Konzentration auf die eigene Person hin. Eine narratologische Erklärung – der Zwang des chronologischen Vorwärtsschreitens des Berichts vom eigenen Leben stehe dem zeitlichen Rückgriff auf die Eltern und Großeltern entgegen – engt den Gestaltungsspielraum des Autors in diesem Fall zu sehr ein, zumal das Gewicht der Tradition und der natürliche Wunsch, sein Herkommen zu erläutern, eindeutig für eine Vorstellung der Eltern sprechen. Die strikte Beschränkung auf das eigene Leben könnte auch eine Erklärung für anderes sein, über das man nichts hört: nämlich über seine Frau und deren Familie, und über die Kinder. Von fünf Kindern wird nur ein Sohn namentlich genannt und eine Tochter erwähnt. In die Augen fällt auch, dass die Anbahnung der Beziehung zu seiner Frau und sein Heiratsmotiv fehlen, da Zeitgenossen darüber oft Auskunft geben472 und Feddersen selbst einen durch den Tod der Frau vereitelten Eheplan thematisiert. Auch wird das gesamte Ehe- und Familienleben ausgeklammert. Letzteres ist allerdings nicht ungewöhnlich. Oft findet man in Autobiographien mit der Heirat einen Bruch; es lässt sich dann eine Tendenz zur annalistischen Registrierung feststellen. Auch in den häufig überlieferten Gelehrtenautobiographien war für das Familienleben kein oder nur sehr wenig Platz. Es ist außerdem schon bemerkt worden, dass die ausführlichen Schilderungen von Hochzeitsfeiern, die sich in Quellen des 16. Jahrhunderts finden, im 18. nicht mehr anzutreffen sind.473 Das trifft auch Feddersens Lebensbeschreibung zu. Eine gesellschaftliche Entwicklung könnte die Tradition des Ausschlusses des Familienlebens und Feddersens Konzentration auf das eigene Leben zusätzlich verstärkt haben, und zwar die Auseinanderentwicklung von „öffentlich“ und „privat“, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts voranschritt. Gut möglich, dass ein zunehmendes Verständnis von Familie und Familienfeiern als privat in der bürgerlichen Elite – man denke z. B. an die zahlreichen Haustrauungen – dazu führen konnte, diese Themen auch in der Autobiographie auszusparen. Feddersen mag also Ausführungen über die Familie als Verletzung 470 471
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Vgl. dazu oben, 43 und unten, 166. Helmut Zäh, Hieronymus Wolf. Commentariolus de vita sua, Diss. München 1998, Donauwörth 1998, 4/4*. Im 18. Jahrhundert wird die Nennung des Vaters in sozialkritischer Hinsicht problematisiert von Melchior Adam Weikard, ‚Biographie‘ und ‚Denkwürdigkeiten‘. Nd der Ausgaben von 1784 und (im Auszug) von 1802, hrsg. von Franz-Ulrich Jestädt, Fulda 1988, 5 f. Vgl. Richard van Dülmen, Heirat und Eheleben in der frühen Neuzeit: autobiographische Zeugnisse, in: Archiv für Kulturgeschichte 72 (1990), 153–171. Vgl. auch Carl von BeaulieuMarconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts, in: Zeitschrift für die deutsche Kulturgeschichte 4 (1875), 662 f: Dort schildert Christian Friedrich Schmauß in seiner Autobiographie, wie die Wahl und die Eheschließung in den 1740er Jahren vor sich gehen konnte. Vgl. Tersch, Vielfalt, 89, der hier Ergebnisse anderer wiedergibt.
4. Interpretation der Quellen
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dieser privaten Sphäre – die heute oft als typisch für die Autobiographie gesehen wird – verstanden haben. Er setzte sich damit in dieser Hinsicht von kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Autoren ab. Anna Vetter, mit einem Handwerker verheiratet, und Johann Dietz wie auch Ulrich Bräker thematisieren ihr konfliktbeladenes, schlechtes Eheleben durchaus.474 Ebenfalls nicht zur Schilderung des eigenen Lebens gehört für Feddersen seine Tätigkeit als Kaufmann: weder das geschäftliche Auf und Ab noch in seinem Fall die Anhäufung von relativ großem Vermögen. Wenn er eine Bemerkung über Geschäftliches macht, dann zumeist, weil sie Anlass für etwas Erzählenswertes bildet. Oder es bleibt bei der reinen Feststellung eines Faktums: So erfahren wir für die Ausbildungszeit, dass er die Börsen verschiedener Städte besucht hat, aber nicht, welche Erkenntnisse er dort gewann (auch nicht, welche geschäftlichen Bekanntschaften er dort machte). Das trifft auch auf die Londoner Börse zu, die er detaillierter beschreibt. Oder er berichtet von erfolgreichen Geschäftsabschlüssen als Ende von abenteuerlichen Reisen oder als Anlass zu neuen. Immerhin teilt er ein paar Grundtatsachen mit, nämlich welche Art von Kaufmann er war, von wann bis wann er zu bestimmten Messen ritt oder wann er sein Geschäft aufgab. Das eigentliche geschäftliche Leben aber wird letztlich separiert, es gehört in die Kladden, die Haupt-, Korrespondenz- und Schuldenbücher, es sei denn, es kommt zu Streitereien oder Verlusten.475 Im 17. Jahrhundert hatte der Augsburger Caspar Koch die Geschäfte noch als dritten Teil seiner Autobiographie festgehalten476, und Anfang des 18. Jahrhunderts hatte Thomas Lorentzen Lorck immerhin noch seine Verluste mit aufgeführt, als er sein Leben im Hausbuch seines Schwiegervaters Peter Bischoff aufschrieb477. Solche Aufzeichnungen starben zwar nicht völlig aus, wie uns Andreas Christiansen aus Flensburg zeigt478, aber sie stehen noch weniger im Vordergrund als vorher; wahrscheinlich sind sie auch an Zahl geringer geworden. Gattungsmäßig gesprochen: das HausbuchKonzept tritt immer mehr in den Hintergrund; es tritt eine Spezialisierung ein, die auf die strikte Separierung von Leben und – nicht nur – Geschäften hinausläuft. Nachdem so viel darüber gesagt worden ist, was Feddersen nicht bietet, ist es Zeit festzustellen, was er tatsächlich berichtet: Zu einem großen Teil – mehr als zwei Drittel – handelt es sich um dramatische Ereignisse auf Reisen. Dabei verbindet sich mit den Episoden meist ein Wechsel der Schauplätze. Besonders das Meer ist ein Ort 474
475
476 477 478
Vgl. Dietz, 192–199, 205 f, 209–212; Bräker, 523–527. [Anna Vetterin] Ihr lebenlauff, den sie auf begehren eigenhändig aufgeschrieben und sonst mündlich zum öffteren erzehlet, in: Gottfried Arnold, Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie, 2. Nd Hildesheim - Zürich - New York 1999, 291 b–282 a. Für das 16. Jahrhundert gibt es Gegenbeispiele in privaten Aufzeichnungen; man denke an Weinsbergs zweite Ehe. Vgl. Fritz Redlich, Frühindustrielle Unternehmer und ihre Probleme im Licht ihrer Selbstzeugnisse, in: Wolfram Fischer (Hrsg.), Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Probleme der frühen Industrialisierung, Berlin 1968, 345–350 (Gotthelf Greiners Selbstlebensbeschreibung). Vgl. Safley, 114. Vgl. StadtA FL, XII HS 1004, 157 v–162 v; Lorck-Schierning, 96–99. Vgl. oben, 62.
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gefährlicher Erlebnisse. Erzählerisch wird so der Autobiographie eine gewisse Spannung verliehen; inhaltlich handelt es sich um gefährliche, des Öfteren auch um lebensgefährliche Situationen in der Fremde. Krankheitsbeschreibungen, die man manchmal als Kennzeichen frühneuzeitlicher Autobiographien bezeichnet hat479, spielen eine völlig untergeordnete Rolle.480 Die Feddersensche Beschreibung des eigenen Lebens stellt also zu großen Teilen eine Art abenteuerlichen Reisebericht dar. Reisen nehmen auch in anderen Kaufmanns- wie in Gelehrtenautobiographien – man denke z. B. an Barthold Heinrich Brockes – breiten Raum ein. Auf die große Nähe von Reisebericht und Autobiographie, deren Grenzen manchmal verschwimmen, ist schon oft hingewiesen worden481; Reiseberichte können auch Selbstzeugnisse sein482. Neben der Tatsache, dass das frühe Erwachsenenalter oft eine Phase von besonderen Erlebnissen und auch Entscheidungen ist bzw. sein kann, gibt es eine andere Erklärung für diese Prominenz: Das menschliche Gedächtnis speichert einzigartige, noch dazu mit starken Gefühlen verbundene Erlebnisse, wozu Reisen gehören, besser als Dinge, die sich Tag für Tag wiederholen. Darüber hinaus prägen sich ihm die Jugend und die erste Phase des Erwachsenenalters besonders gut ein.483 Feddersen berichtet also im Wesentlichen sein „äußeres Leben“ in blockhafter Erzählung als eine Abfolge von solchen Erlebnissen auf Reisen, die eine gewisse Dramatik oder zumindest eine Merk-Würdigkeit aufweisen. Sie zeigen ihn in Situationen der Gefahr: vermeintliche Bedrohung durch Seeräuber, lebensgefährliche Krankheit, verbunden mit der Bedrohung der religiösen Identität, sowie des Öfteren in Notsituationen auf See – während der Fahrten von Amsterdam nach Husum, von London nach Bremen, von Drammen nach Flensburg und der Überfahrt nach Norwegen mit dem Ziel Trondheim. Dazu kommen merkwürdige Begegnungen auf See ebenso wie seltsame Ereignisse bei Überlandreisen zu Pferd. Sieht man sich die Konfrontation mit den Gefahren genauer an, so kann man etwas über das Standardthema der Selbststilisierung sagen. Feddersen stellt sich als jemand dar, der alle Gefahren erfolgreich bewältigt: durch energisches Handeln (indem er zur Waffe greift), durch überlegtes Verhalten (beim Verirren an der Aller), durch das Verlassen eines mit unfähigen Seeleuten bemannten Schiffes (auf der Rückreise von Drammen nach Flensburg). Ja, sogar eine Situation, in der er durch seine übergroße und unangebrachte Furcht eigentlich der Dumme ist, schildert er so, 479 480 481
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Vgl. Heiligensetzer, 10. Vgl. unten, 173, wobei die einzige Krankheitschilderung eng mit der Bedrohung der religiösen Identität verbunden ist. Vgl. Mahrholz, 24–43; Roy Pascal, Die Autobiographie, Stuttgart etc. 1965, 39; James F. Amelang, The Flight of Icarus. Artisan autobiography in early modern Europe, Stanford 1998, 36. Vgl. Krusenstjern, Selbstzeugnisse, 463. Kritisch zur Aufnahme von Reiseberichten in die Gruppe der Selbstzeugnisse von Greyerz, Ego-Documents, 278 f. Man müsste wohl, um zu einem ausgewogenen Urteil zu kommen, für die Frühe Neuzeit zunächst einmal veröffentlichte von unveröffentlichten Reiseberichten unterscheiden. Vgl. Pohl, 79; Tersch, Schreiben, 190.
4. Interpretation der Quellen
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dass der Kapitän, der ihn im Scherz hinters Licht geführt hat, letztlich die Rechnung dafür bezahlen musste. Wir haben hier also ein altvertrautes Phänomen: die Selbststilisierung zum Positiven hin. Und doch – es gibt eine Ausnahme, die gut zu der Episode mit der gescheiterten norwegischen Heirat passt: Als während der Fahrt zu seiner norwegischen Braut in spe die Pferde durchgehen, misslingt ihm der Absprung von der Kutsche.484 Er stellt sich also nicht in erster Linie als ehrbarer, erfolgreicher Großkaufmann dar, auch wenn klar ist, dass der Segen des Höchsten auf ihm ruht, wie er sagt und worauf einige wenige Passagen offen oder indirekt hindeuten. Vielmehr erscheint er als ein Mann, der sich in der Welt bewährt hat. Dennoch hat die Schilderung von gemeisterten Gefahren etwas mit dem Kaufmannsleben zu tun – wenn man Autobiographien als Texte liest, in denen Sinn konstituiert wird, und zwar mit Feddersens Leben als Kaufmann bis ca. 1744. In dieser Phase seines Lebens ähnelt es noch der alten, nicht ganz verschwundenen Form, in welcher der Kaufmann noch seine Waren begleitete oder oft seine Kunden besuchte. Kaufmann sein heißt reisen, und reisen heißt sich Gefahren aussetzen. Solche mit Geschick und Hilfe des Höchsten überstandenen Gefahren rechtfertigen ebenso wie gemeisterte Geschäftsrisiken vor aller Welt den großen Erfolg. Gleichzeitig entging man dadurch, dass man nicht das kluge Rechnen und Kalkulieren, das Ergreifen von Chancen im häuslichen Kontor zum Thema machte – das wäre für viele Leser auch nicht besonders spannend gewesen –, dem alten zählebigen Vorwurf gegen Kaufleute, durch Nichtstun zu Reichtum gekommen zu sein.485 An dieser Stelle kann man die Frage nach dem Grad der Subjektivität (nicht von Individualität, Introspektion und Emotionalität) ansprechen. Das relativ große Ausmaß an offener Subjektivität ist bemerkenswert. Feddersen schreibt, was einzelne Situationen in seinem Leben bedeuten, er wertet also, und er liefert Interpretationen. Die Nacht, in der sein Schiff Gefahr lief zu stranden, bezeichnet er als „die Längste in meinem Leben“486. Als bei einer anderen Fahrt der Proviant knapp wurde, so dass die Mannschaft glaubte, England anlaufen zu müssen und sie dann aber Lebensmittel von einem anderen Schiff erhielten, spricht Feddersen von seiner besten Mahlzeit.487 Eine Interpretation liefert er beispielsweise, wenn er den soeben erwähnten Scherz des holländischen Kapitäns als wirtschaftlichen Schachzug deutet. (Die Subjektivität dieser Interpretation wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass der Kapitän, folgt man Feddersen, davon ausgegangen sein muss, dass Feddersen die für ihn eigentlich peinliche Situation in alle Welt verbreiten würde). In diesem Zusammenhang bringt er auch seine „unzeitige Furcht“488 zur Sprache, erklärt sie aber nicht, was dem traditionellen Umgang mit verschriftlichten Emotionen entspricht. Er sagt nicht, 484 485 486 487 488
Vgl. unten, 187 f. Vgl. Zeeden, 123 f.; Barbara Stollberg-Rilinger, Handelsgeist und Adelsethos, in: Zeitschrift für historische Forschung 15 (1988), 302, 303. Unten, 178 f. Vgl. unten, 185. S. unten, 171.
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warum er so ängstlich blieb, obwohl der Kapitän gesagt hatte, es bestehe keine Gefahr. Eine Einbeziehung seines Wissens um von Seeräubern gefangengenommene Flensburger hätte eine Teilerklärung liefern können489, doch die erfolgt nicht, da er den städtischen Hintergrund, wie schon gesagt, nicht einbezieht. So lässt sich zusammenfassen: Feddersens Autobiographie, obwohl formal weitgehend traditionell, zeigt eine starke Konzentration auf ihn selbst, besonders deutlich schon durch seine Herauslösung aus dem Familienzusammenhang. Zu starken subjektiven Elementen kommen noch „politische“ Stellungnahmen zu England und zum Wandel in der Stadt. Das innere Ich (und seine Entwicklung) wird jedoch nicht zum Gegenstand der Selbstbiographie. Dem in der Literaturwissenschaft und auch in Teilen der Geschichtswissenschaft, ja bis vor einiger Zeit auch in der Selbstzeugnisforschung postulierten Durchbruch der Individualität um diese Zeit entspricht sie damit nicht. Sie zeigt aber Züge des Wandels. Dazu gehört auch noch ein gewisser Grad an Säkularisierung, was aber nicht überrascht. Bischoff sieht sein Leben in Gottes Hand, er beginnt seine Reisen im Namen Gottes und beendet sie mit Dank an ihn; die Gottbezogenheit ist für ihn grundlegend. Bei Feddersen wird dagegen Gott oder der „von dem Höchsten verliehene Seegen“490 nur noch selten erwähnt. Es ist letzter Zeit vorgeschlagen worden, mit dem Konzept der Person als historischer und kulturell geprägter Einheit zu arbeiten.491 Ein Grund dafür ist, dass es mehr Möglichkeiten zur Verfügung stellt, stets an einen sozialen Kontext gebunden bleibt und außerdem die Aspekthaftigkeit einer Selbstbiographie berücksichtigt. Diese Erörterungen weisen mitunter auch auf das Konzept der sozialen Rolle hin, sei es, dass sie direkt davon sprechen oder von Masken.492 Manchmal legen auch Studien nahe mit dem Konzept der Rolle zu arbeiten, so wenn z. B. die Identität als Resultat des Schnittpunkts von Rollen(verständnis) und Erwartungen gesehen wird, in dessen Mittelpunkt eine Person steht.493 Unter Rolle versteht man bekanntlich gemeinhin das Bündel von unterschiedlichen Erwartungen an das Verhalten in einer bestimmten Position aufgrund von sozialen Normen, also den dynamischen Aspekt von Position oder Status. Dabei füllt jede Person mehrere Rollen aus494: Feddersen z. B. als Ehemann, Vater, Kaufmann und Bürgermeister. Städtische Eliten weisen einige Charakteristika auf, die zu einer Lockerung von Person und gegebenem sozialen Kontext beitragen konnten: Sie waren gebildet und kannten durch Auslandsreisen und 489 490 491 492
493 494
Vgl. unten, 170, Anm. 786. S. unten, 191. Janke und Ulbrich, 23–26; Ulbrich, Person and Gender, 299 f. „How are we to interpret this widespread mode of social thought in which the individual is not differentiated from the role,…” Richard A. Shewder and Edmund J. Bourne, Does the concept of the person vary cross-culturally? in: Culture Theory. Essays on Mind, Self and Emotion, ed. by Richard A. Shweder and Robert A. Levine, repr. Cambridge etc. 1990, 168. Heraushebung von mir, O. U. Unmittelbar darauf betonen die Verf., dass das Konzept nicht unabhängig vom Kontext ist. Vgl. auch Scheutz/Tersch, Selbstzeugnisse, 15, 19. Vgl. Fulbrook und Rublack, 268. Vgl. Art. Rolle, soziale, in: Lexikon zur Soziologie, 4. grundlegend überarbeitete Aufl. Wiesbaden 2007, 561 f.
4. Interpretation der Quellen
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internationalen Handel Alternativen zum eigenen Gemeinwesen. Gerade deshalb scheint das Rollenkonzept angebracht, auch gerechtfertigt durch die Hereinnahme von Diskursen z. B. über die Pflichten eines guten Bürgermeisters. Hier soll nur danach gefragt werden, in welcher Rolle Feddersen sich am Ende präsentiert, als er auf seine Tätigkeit als Bürgermeister etwas ausführlicher eingeht. Im Schlussteil stellt sich Feddersen in der Rolle des Stadtbürgers innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Führungsgruppe dar. Er schreibt sich also Charakteristika zu, die allen Mitgliedern dieser Gruppe eigen sein sollten und die man von seinem Auftreten und Handeln – war er doch Bürgermeister – in besonderem Maße erwartete. Da ist zuallererst der Einsatz für das Gemeinwohl. Er zeigt also „Patriotismus“ – Feddersen benutzt selbst dieses Wort495 im damals aktuellen Sinne.496 Das bedeutet Einschränkung der eigenen geschäftlichen, d. h. gewinnorientierten Tätigkeit zugunsten der Arbeit für die Stadt, allerdings in der Regel von einer finanziellen Basis aus, auf der man sich geringeren Einsatz für das eigene Geschäft gut erlauben konnte. Feddersen beschreibt seine Entscheidung als Verlassen der üblicher Pfade: „Wäre es mir indessen zu thun gewesen, Reichthum zu samlen, um mich dadurch der Welt gleichzustellen; So würde ich in solcher Absicht einen unverzeihlichen Fehler begangen haben, mich von meinen ordentlichen Berufs-Geschäfften abzugeben, um solche mit der Würde eines Bürgermeisters zu vertauschen.“497 Tätigkeit für die Stadt bedeutet Opfer an Zeit und Geld, aber auch den Einsatz von Körper – man denke an die beschwerlichen Reisen – und Geist für die Stadt. Zum Stadtbürger in herausragender Position gehört von alters her auch die Wohltätigkeit: der Einsatz für die Armen der Stadt, sei es zu Lebzeiten oder/und nach dem Tod durch Legate und Stiftungen. Von dem Bürgermeister Claeden wurde sie noch einmal ausdrücklich angemahnt.498 Feddersen spricht diese Rolle in einer Art understatement nur ganz kurz an; er erwähnt in der Autobiographie, dass er seine „Disposition in Hinsicht der Armen“499 gemacht habe und für die Linderung des Loses derjenigen in und außerhalb der Familie gesorgt habe, die bedürftig werden sollten. Die Testamente selbst sind oben näher betrachtet worden; ebenso wurde Feddersens weiterer Einsatz für die Armen bereits beschrieben.500 Damit sind die zentralen Rollenerwartungen eigentlich erfüllt, doch es kommen noch andere, weniger wichtige hinzu, die aber aufgrund der Ausrichtung der Autobiographie als Bericht schlecht zu fassen sind. Zu einem guten Stadtbürger in führender Position gehört weiterhin die Identifikation mit der vorherrschenden Konfession und ihrer Organisation. Sie kommt bei Feddersen nur im angeführten feierlichen Kirchgang beim Amtsantritt zum Ausdruck; 495
S. unten, 192. Vgl. zur alten Bedeutung von Patriotismus Ulbricht, Mikrogeschichte, 200–202. 497 S. unten, 191. 498 Vgl. Claeden, 813. 499 S. unten, 191. 500 Vgl. oben, 57–59. 496
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von regelmäßigem sonntäglichen Gottesdienstbesuch, der ja auch die soziale Repräsentation über die Sitzordnung in der Kirche einschloss, darf man ausgehen. Hervorgehoben wird allerdings seine Festigkeit in religiösen Angelegenheiten. Sie wird dadurch dokumentiert, dass Feddersen in der Autobiographie schildert, wie er den Anfechtungen durch einen Abbé in Frankreich tapfer widerstand.501 Schließlich gehörten zum Stadtbürger in führender Position auch die Geselligkeit in Form von Einladungen in das eigene Haus sowie die Teilnahme an Festen der Kaufmannschaft und den Organisationen der Stadt wie z. B. der Friedrichsgarde. Hier gibt nun eine Autobiographie, deren Verfasser sich im Wesentlichen auf Ereignisse von einer gewissen Dramatik beschränkt, womit das gesellige Leben in der Regel nicht verbunden ist, keine Auskünfte. Eine einzige Ausnahme gibt es. Feddersen berichtet, dass er sich nach Hamburg begeben hatte, um an einer „Obergesellschaft“ teilzunehmen. In diesem Zusammenhang lud er einen der anderen Gäste auf sein Zimmer, der aber ganz plötzlich verstarb.502 Die Geselligkeit, die in diesem Fall über die Stadt hinausreichte, kommt nur zur Sprache, weil sich damit ein überraschender Todesfall verband. Die Rolle eines Stadtbürgers in führender Position kann auch das Mäzenatentum einschließen, doch darüber erfahren wir nichts. Insgesamt lässt sich bei Feddersen in zentralen Punkten also die Rolle eines Mitgliedes der städtischen Führungsgruppe mehr oder weniger gut nachweisen. Dieser Frageansatz führt noch zu einem weiteren dazugehörigen Aspekt. Es fällt eine deutliche Dissonanz zwischen Feddersens Rollenverständnis als Stadtbürger der wirtschaftlichen und politischen Führungsgruppe (in der besonderen Ausprägung als Bürgermeister) und den Erwartungen und Verhalten der Mitbürger auf. Seine Frustration im stadtpolitischen Schaffen ist offenkundig. Seine Aussagen hierzu weisen darüber hinaus eine emotionale Färbung auf. Er dürfte nicht der einzige gewesen sein, dem es so erging; bekannt sind aber eher weit schlimmere Schicksale von Bürgermeistern: von Niklas Muffel in Nürnberg über Bartholomäus Sastrow in Stralsund bis zu Pommerening in Flensburg. Letzterer war 1567 vom König eingesetzt worden, machte sich aber so unbeliebt, dass er schließlich entlassen wurde und den Rest seines Lebens mit Prozessieren verbrachte.503 Für seinen Einsatz für die Stadt, für seine „Mühe und Sorge“, so Feddersen in einem frühen Schreiben, habe er nur „Undanck und Widerwillen“ der Bürger geerntet.504 Krasser drückt er es später in der Autobiographie aus: Bürgermeister von Flensburg zu sein sei eine Strafe. Gewisse schlecht fassbare Persönlichkeitsmerkmale mögen dazu beigetragen haben, Feddersen das Leben schwer zu machen. Aber sicher wurden auch die Erwartungen vieler seiner Mitbürger an seine Amtsführung enttäuscht. Claeden hatte kollegialische Freundschaft mit dem anderen Bürgermeister, den Magistratsmitgliedern und den Deputier501 502 503 504
Vgl. unten, 173. Vgl. unten, 180. Vgl. Grenzstadt, 106 f. StadtA FL, A 459, Pro Memoria, vom 30. Juni 1770 in Zusammenhang mit der Verkoppelung des Stadtfeldes. Beide Wendungen sind im Original von Feddersen durch Unterstreichung hervorgehoben.
4. Interpretation der Quellen
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ten von einem Bürgermeister gefordert.505 Das zielte auf ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft, im Idealfall Einmütigkeit. Doch an Feddersen schieden sich die Geister, wie sich sowohl bei seiner eigenen Ratswahl als auch bei der Wahl Thor Stratens zum Bürgermeister zeigte, bei der Feddersen die unterlegene Partei anführte.506 Der „authentische“ Johann Gerhard Feddersen ist selbstverständlich nicht fassbar; das dürfte von vornherein klar sein. Es ist aber möglich, die Rolle, in der er sich in der Autobiographie auch präsentiert, nämlich des Stadtbürgers der Führungselite, mit den Einsichten zu vergleichen, die aufgrund der archivalischen Arbeit gewonnen wurden. In der Forschung werden in diesem Zusammenhang immer wieder die Lücken und Auslassungen thematisiert507, die auch im Zentrum stehen, wenn es heißt, „der Autobiograph kontrolliert … die Überlieferung, er oder sie bestimmt darüber, was preisgegeben und was verschwiegen wird“508. Hinter den vielbeschworenen Lücken und Auslassungen vermutet man eine bewusste Täuschung des Lesers. Das gibt es selbstverständlich. Man sollte aber zum einen auch daran denken, dass es sich um eine Lebensgeschichte handelt, die naturgemäß nicht identisch mit dem Leben der Person sein kann.509 Wenn es außerdem, wie hier, darum geht, sich kurz und bündig auszudrücken, ist der Mut zur Lücke nicht nur unvermeidlich, sondern absolut notwendig. Lücken sind nicht unbedingt mit täuschendem Verschweigen gleichzusetzen. Autobiographien sind Abstraktionen, und zu Abstraktionen gehören Auslassungen. Wenn dann noch dazu kommt, dass man sich in bestimmter Hinsicht darstellen will („Einige Umstände von dem Leben“!), sind Auslassungen nur folgerichtig. Es kann zum anderen aber auch sein, dass die Wirklichkeit im Gedächtnis schon umgeformt worden ist, und folglich das neue Konstrukt für wahr gehalten und so präsentiert wird. Die aufgrund des Studiums der Archivalien gewonnenen Einsichten können die Ausrichtung der Gestaltung bzw. den Bewusstseinszustand erkennen helfen. Die Möglichkeit, die persönlichen Erinnerungen mit anderen Quellen zum Autor zu vergleichen, ist für die Frühe Neuzeit sehr oft nicht gegeben.510 Dabei geht es also nicht um die Konfrontation objektiver Fakten mit den präsentierten, sondern um Gestaltung im Rückblick und Wahrhaftigkeit. Durch die archivalische Forschungsarbeit konnte die Vorgeschichte der Rolle des guten Stadtbürgers der politischen und wirtschaftlichen Elite aufgezeigt werden. Dabei wurde klar, dass dem Einsatz für das Gemeinwohl ein zielbewusstes Streben nach Macht voranging: Feddersen versuchte einen Blitzaufstieg und scheiterte.511 Gut ein Jahrzehnt später kam er durch eine problematische Wahl in den Rat. Bürger, deren Rechte vorgingen, wurden dadurch benachteiligt. Zu einer gewissen Skrupello505 506 507 508 509 510 511
Vgl. Claeden, 227 f. Vgl. oben, 49 f; 54. Vgl. Rutz, 15; Fulbrook/Rublack, 264. Depkat, Autobiographie, 456. Vgl. Günther, 32. Vgl. von Greyerz, Ego-Documents, 278, 280. Vgl. oben, 47 f.
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sigkeit auf dem Weg nach oben gehört in seinem Fall auch ein argumentativer Opportunismus: Um nach oben zu kommen, pochte er auf seine Leistung, und als er oben war, pochte er auf die alte Gewohnheit und die hergebrachten Rechte der Stadt. Es ist möglich – mehr nicht –, dass er diese Aspekte zum Teil verdrängt hat, schließlich lagen über ein bzw. zwei Jahrzehnte zwischen den Ereignissen und der Niederschrift der Autobiographie. Auch mag er innere Angelegenheiten der städtischen Gremien als nicht für die Öffentlichkeit bestimmt betrachtet und daher dazu geschwiegen haben. Doch in einem Punkt ist ein bewusstes Auslassen anzunehmen: Es hätte ihn nicht in einem gutem Licht erscheinen lassen, seinen gescheiterten Blitzaufstieg anzuführen. Vielleicht hat auch sein feststellbarer, näher an der Schreibgegenwart liegender tätiger Einsatz für die Stadt geholfen, solche Erinnerungen zurückzudrängen. Feddersen hatte nämlich tatsächlich ein wachsames Auge auf das Wohl der Stadt. Das lässt sich an einzelnen Handlungen zeigen. Als z. B. der Scharfrichter während einer Viehseuche verdächtige Riten vollzog, brachte er das zur Anzeige.512 Oder: um Schaden zu vermeiden, machte er einen Vorschlag, wie das Wasser der Mühle besser abzuleiten wäre.513 Zu diesen kleinen Angelegenheiten tritt eine große, die viele Einwohner der Stadt betraf: die Umgestaltung des Stadtfeldes. Hier war er direkt involviert, wie bereits gezeigt worden ist.514 In anderen Punkten scheint es eher, dass die narrative Struktur des kurzen Berichts für die Auslassungen verantwortlich war, welche die archivalische Forschung nachweisen kann. Es sind Einzelheiten, die nicht zur Sprache kommen und sich in einem kurzen Überblick eigenartig ausnehmen würden. Sie stehen nicht im Gegensatz zur Tendenz seiner Aussagen – das sei hervorgehoben.515 Zum groben Überblick gehört z. B. seine Selbstcharakterisierung als wohltätiger reicher Bürger und Kaufmann. Daran kann es im Großen und Ganzen keinen Zweifel geben. Doch scheint auf den ersten Blick einiges nicht zu passen, was zusätzlich herausgefunden wurde. Als Feddersen z. B. in seiner Zeit als Deputierter sein Haus für eine Konkursabwicklung der Stadt überließ und gleichzeitig einen verarmten Schiffer versorgte, präsentierte er der Stadt eine Rechnung.516 Man kann hier argumentieren, dass er nur das forderte, was ihm zustand, vielleicht sogar weniger. In der Tendenz ergibt sich hier kein Widerspruch. So könnte man auch in einem anderen Punkt argumentieren. Er schreibt nämlich außerdem, dass er nie vor Gericht gezogen sei.517 Aber es lässt sich ein von ihm angestrengter Prozess gegen eine Witwe nachweisen, die ihre 512
StadtA FL, A 235, Bd. 3, 12. Dez. 1768. Ebd., A 34, Bd. 43, 168. 514 Vgl. oben, 57 f. 515 Da in allen möglichen Beständen solche Einzelheiten auftauchen können, diese aber nicht alle auf bloßen Verdacht hin durchgesehen werden konnten, ist es nicht ausgeschlossen, dass in den Akten noch diese oder jene Einzelheit verborgen sein mag. 516 Vgl. Verzeichniß einiger bey verschiedenen Begebenheiten der Stadt wegen gehabte Kosten und Mühewaltungen, Flensburg, 25. Jan. 1757. StadtA FL, A 235, ad 1021. 517 Vgl. unten, 191. 513
4. Interpretation der Quellen
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Zinsschulden nicht bezahlt hatte (was sie übrigens eingestand).518 Außerdem ging er, wie erwähnt,519 mindestens zweimal erfolglos gegen die Zollentscheide für Importe aus St. Croix an. Hier handelte es um unterschiedliche Rechtsauffassungen beim Zuckerimport und Re-Export.520 Doch das war letztlich eine kaufmännische Angelegenheit und gehörte schon deshalb nicht in die Autobiographie. Noch zwei Punkte sollen abschließend behandelt werden: Einmal bietet die schlichte Autobiographie auch noch die Möglichkeit, die subjektive Erfahrungsverarbeitung zu verstehen. Zum anderen soll abschließend einer traditionellen Frage nachgegangen werden: der nach der Schreibintention und der potenziellen Leserschaft. Subjektive Erfahrung wird in deutlichsten, wenn Feddersen zum einen am Ende der Autobiographie pointiert zu Veränderungen in der Stadt Stellung nimmt, zum anderen sich zu England äußert. Diese argumentierenden Passagen geben der eigenen Lebensbeschreibung zusammen mit den Zeilen über die geplante norwegische Heirat eine gewisse Uneinheitlichkeit (aber auch einen gewissen Reiz). Die beiden Passagen lassen sich mit dem Konzept des sozialen Selbst ganz gut interpretieren. Oft wird damit der nach außen gewandte Blick des frühneuzeitlichen Selbst und der Aufbau einer Identität über die äußere Welt gemeint. Das soziale Selbst soll hier aber die individuelle Aneignung sowie die Verarbeitung und auch die Reaktion auf die Erfahrung gesellschaftlicher Prozesse oder durchschlagender Ereignisse bezeichnen.521 Auf diese Weise kann man, wenn man eine Reihe von Selbstzeugnissen untersucht, verschiedene Reaktionsweisen aufspüren und braucht nicht auf eine pauschale Verallgemeinerung ohne Quellenbasis zurückzugreifen. Es müsste also auf diesem Wege möglich sein herauszufinden, wie Feddersen zu seiner politischen Haltung gekommen ist und wie diese genau aussieht. So kann auch die Interpretationsfigur Rechtfertigung, mit der man die Äußerungen am Ende seines Textes schnell erklären könnte, sinnvoll vertieft werden. In der Stadt sah sich Feddersen Wandlungsprozessen gegenüber, die vor allem darauf zielten, die städtische Selbstverwaltung einzuschränken. In der Tendenz sollten die Magistrate zur untersten Staatsbehörde werden, die den Direktiven der Zentrale folgen sollte. Das ist im königlich-dänischen Flensburg ebenso zu beobachten wie in Deutschland, wenn auch die Deutsche Kanzlei in Kopenhagen die Veränderung formal im alten Rahmen (Wahl) und personal angenehm (durch einen Vertreter der alten Flensburger Familie Thor Straten) zu gestalten und so einen Konsens zu erreichen suchte. Von diesem Prozess war Feddersen, wie bei seiner Vorstellung bereits deutlich geworden ist, ganz persönlich betroffen. Die Entwicklung verlief zu seinem Nachteil – er musste im Rat eine entscheidende Niederlage hinnehmen und konnte den Vorrang, den er als alter Bürgermeister errungen hätte, nicht mehr 518 519 520 521
StadtA FL, A 34, Bd. 42, 73. Vgl. oben, 51m 57 f. Vgl. LASH, Abt. 68, Prot. Nr. 1, 26. April und 17. Mai 1760, und oben, 56 f, auch 51. Vgl. Fulbrook/Rublack, 265 f., 271.
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erlangen. Das war für ihn eine wahre „Stör-Erfahrung“522, die ihn nötigte, Stellung zu beziehen. Er reagierte darauf mit einer Versteifung seiner Haltung. Feddersen interpretierte den Wandel als eine Auseinandersetzung zwischen opportunistischen, rechtsverdrehenden Juristen und patriotischen Kaufleuten. (In historischer Perspektive handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen der alten, bürgerlichen Führungselite oder dem Patriziat, das keineswegs mit der „oligarchischen Schicht wohlhabender Zunftmeister“523 gleichgesetzt werden kann, und dem neuen Bürgertum der Beamten und Gebildeten, von denen erstere über eine besondere Eignung verfügen mussten und für ihre Loyalität belohnt wurden524.) Sich selbst auf der Verliererseite sehend, wandte er sich in dieser Situation einem Konservativismus zu – diese politische Richtung entstand bekanntlich in dieser Zeit –, der am besten als eine Mischung aus Status-quo- und reaktionärem Konservatismus bezeichnet werden kann.525 Die Verbitterung, die er durchklingen lässt, deutet auf einen reaktionären Aspekt hin526, aber sonst möchte er bewahren, was sich gerade verändert. Er möchte die Überbleibsel der alten Stadtverfassung retten. Es geht ihm um die „ununterbrochene Gewohnheit“527, um die stete Gültigkeit der Gesetze, um „Gesetz und Ordnung“528, aber nicht darum, einen längst vergangenen Zustand wieder herzustellen. Bezeichnend ist, dass er sich dabei auf ein Buch des für den Adel, also für einen selbst in eine Krise geratenen Stand, zuständigen Gerichts berief.529 Das ist die subjektive Seite, objektiv steht hinter der Berufung auf Tradition und Recht der Kampf um die Macht. Konservativismus war hier keine Reaktion auf den Versuch der Aufklärer, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen, sondern eine Reaktion auf staatliche Zentralisierung, die das Gewicht zwischen den sozialen Gruppen vor Ort verschob. Der neue Konservatismus und das alte frühneuzeitliche Verständnis der Gesellschaft hatten eines gemeinsam: die Auffassung von der prinzipiellen Ungleichheit aller Menschen. Diese Auffassung spielt bei Feddersens Passage über England eine Rolle. Es scheint dabei nicht von Gewicht, in welche Erinnerungsschicht diese einzuordnen ist, ob sie nur der Schreibgegenwart angehört oder auch stark durch sein altes Reisetagebuch bestimmt ist. Die vorwiegende Haltung gegenüber England war die der Bewunderung, die im Laufe des Jahrhunderts in eine wahre Anglomanie überging. Einige priesen das politische System, andere die gesellschaftlichen Verhältnisse oder die Situation der englischen Frauen, wiederum andere versuchten – meist einige 522 523 524
525 526 527 528 529
Sloterdijk, 11. So aber Axel Schildt, Konservativismus in Deutschland, München 1998, 30. Vgl. Rudolf Vierhaus, Deutschland in Zeitalter des Absolutismus (1648–1763), Göttingen 1978, 78. – Genau das trifft auf Thor Straten zu, der nicht nur juristisch gebildet war und nicht nur Bürgermeister wurde, sondern zugleich auch Justizrat, also königlicher Beamter. Die Richtungen nach Klaus Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland, München 1973, 19–24. Ebd., 19. S. unten, 192. S. ebd. Interessanterweise gab es in der Traktatliteratur Stimmen, die den Großhandel treibenden Adel und die Seehandel Kaufleute einander annäherten, vgl. Stollberg-Rilinger, 289.
4. Interpretation der Quellen
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Zeit nach dem Aufenthalt Feddersens – landwirtschaftliche Neuerungen auf den Kontinent zu bringen. Später noch wurde die aufkommende Textil- und Eisenindustrie in Augenschein genommen und auch ausspioniert. Feddersens Urteil ist differenziert: Den englischen Handelsgeist sieht er offensichtlich positiv, wenn auch als etwas übertrieben, zugleich lobt er die Beachtung der inneren Verwaltung. Aber dann kommt die Grundlage seiner politischen Haltung zum Vorschein – in Übereinstimmung mit der am Ende so strikt konservativen Haltung. Gesellschaftlichen Freiheiten für breite Bevölkerungsschichten steht er vollkommen ablehnend gegenüber. Soziale und moralische Disziplinierung sieht er als unbedingt notwendig an, dazu natürlich Unterstützung der sich wohl verhaltenden Armen. Was ihm als elegantem Franzosen – für den er gehalten wurde – geschah, stellte für ihn das Resultat von zu weitgehendem gesellschaftlichen Freiraum (mit Immoralität als Folge) für die Bevölkerung dar (und setzte zudem die von ihm geschätzte französische Nation herab). Warum und für wen hat Feddersen nun diese Autobiographie verfasst? Eine präzise Antwort scheint vor allem auf die zweite dieser beiden miteinander verbundenen Fragen nicht möglich. Es ist zweifelhaft, ob sich „Abenteuer“-Episoden, reflektive Passagen, sei es über England oder seine politische Haltung (am Ende der Autobiographie) und die „romantische“ über die norwegische Braut in spe hinsichtlich der Leser auf einen Nenner bringen lassen. Feddersen selbst bringt, wie gesagt, keine Rechtfertigung für sein Schreiben vor. Aber solchen selbst genannten Motiven ist ohnehin nicht zu trauen. Sie sind nicht nur durch gesellschaftliche Normen bestimmt – natürlich musste man verneinen, aus Selbstliebe zu schreiben –, sondern manchmal auch ganz offensichtlich widersprüchlich. Was soll man davon halten, wenn der Kannengießer und Calvinist Augustin Güntzer in der Art von Verfassern gedruckter Werke erst den „Großginstigen Leser“ anspricht und dann behauptet, dass „nuhr alein die meinigen hinderlassen Erben“ sein Büchlein lesen sollen?530 Feddersen spricht weder im Text jemanden direkt an noch leitet er aus dem Erlebten allgemeine Lebensweisheiten für andere ab.531 Es kommt also zu keiner Verallgemeinerung, also kann auch keine Erbauung stattfinden, und somit bleibt die individuelle Ebene, wie oben schon betont, vorherrschend. Vielleicht ist es zur Beantwortung hilfreich, den Blick auf die Situation des Verfassers im Augenblick des Schreibens zu richten, wie schon lange gefordert.532 Die wesentlichen Fakten sind bereits oben genannt worden; sie seien hier noch einmal unter neuem Blickwinkel zusammengefügt: Anfang 1777 – genau zum Zeitpunkt der Niederschrift – war Feddersen gerade in sein 65. Lebensjahr eingetreten. Er hatte sein Geschäft 1770 aufgegeben und damit mehr Zeit für anderes gewonnen; 1773 hatte er seinen einzigen überlebenden „geliebte(n) Sohn“533 und Nachfolger verloren und 1774 zusammen mit seiner Frau die Weitergabe des Erbes geregelt.534 1776 war klar 530 531 532 533 534
Güntzer, 80. Einmal zieht er eine Lehre für sich selbst; vgl. unten, 180. Vgl. Jancke, Autobiographische Texte, 76. S.. unten, 191. Vgl. oben, 58.
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geworden, dass die Zentrale in Kopenhagen einen Juristen als ersten Bürgermeister wünschte, was es praktisch ausschloss, dass er jemals den Vorrang als ältester Bürgermeister würde genießen können. Aus diesen Fakten kann man eine Gesamtsituation ableiten, die einen Rückblick auf das eigene Leben begünstigte. Er konnte in Ruhe nicht alles, aber das, was ihm wichtig und was haften geblieben war, noch einmal Revue passieren lassen. Während bei laufenden Aufzeichnungen wie Tagebüchern ein buchhalterischer Drang, Ordnung in das eigene Leben und den äußeren wie den inneren Haushalt zu bringen, ein Motiv für das Schreiben sein kann535, verhält es sich hier etwas anders, wenngleich ähnlich. Hier geht es darum, vor dem Tod Ordnung in das eigene Leben zu bringen. In seinem ersten Testament legt Feddersen als Teil der Vorbereitung auf sein nahendes Ende dem judäischen König Hiskia die Worte in den Mund: „bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht lebendig bleiben.“536 Auch das Aufschreiben des eigenen Lebens kann man als eine Abschlusshandlung begreifen. Das psychologische Konzept der Lebensrevision passt eigentlich gut zum „InOrdnung-Bringen“. Im Laufe einer solchen reagieren einige religiös, „andere entdecken vielleicht verborgene Wahrheiten – z. B. tiefsitzende Ablehnung, die sie gegenüber einem Partner empfanden, oder eine Liebe, die vor einem halben Jahrhundert nicht ausgelebt werden durfte, …“537 Hier könnte man die Passage über den gescheiterten Heiratsplan einordnen, die in scharfem Kontrast steht zu seinem konsequenten Schweigen über seine Ehe. Feddersen hatte beabsichtigt, die Witwe538 des Kaufmanns Lars Christensen in Christiania (Oslo) zu heiraten, die auch ihre Zustimmung gegeben hatte, aber das Ende des Trauerjahres abwarten wollte und vorher starb. Diese Episode schildert Feddersen sehr emotional. Die gescheiterte Hoffnung findet Ausdruck in einem Gedicht in einer fremden Sprache, und zwar auf Französisch, vielleicht um anderen den Zugang etwas zu erschweren, vielleicht auch des besonderen Flairs der fremden Sprache wegen. Die in der Retrospektive hervorgehobene Trauer über eine nicht zustande gekommene, selbst gewählte emotionale Verbindung (übrigens mit einer fast zehn Jahre älteren Frau) kennzeichnet einen Punkt, an dem Feddersens Leben eine andere Wendung hätte nehmen können. Diese Möglichkeit wird nun aufgewertet. Wie in anderen Autobiographien der Zeit ist ein gewisses Schwelgen in gescheiterten Lieben – in einer anderen Schicht vor allem bei Ulrich Bräker u. a. über sein Ännchen, nur kurz bei dem Frauenhelden Dietz über eine Gastwirtstochter und bei Johann Kaspar Steube für eine unbekannte Holländerin nach einer darauf folgenden Wahl aus praktischen, konventionellen Gründen zu
535 536 537 538
Kaspar von Greyerz, Vorsehungsglaube und Kosmologie, Göttingen - Zürich 1990, 18. StadtA FL, A 222, Testament vom 8. Jan. 1774. An der zitierten Stelle, Jesaja 38, 1, spricht nicht Hiskia selbst, sondern es handelt sich vielmehr um eine Anweisung Gottes an ihn. John Kotre, Der Strom der Erinnerung. Wie das Gedächtnis Lebensgeschichten schreibt, München 1998, 217. Die Frau lässt sich identifizieren, vgl. unten, 187, Anm. 864 und 188, Anm. 867.
4. Interpretation der Quellen
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bemerken.539 Solche Passagen wie eben auch die Feddersens müssen „im Licht“540 der bestehenden Ehe gesehen werden. Man darf wohl vermuten, dass Feddersens nicht die glücklichste gewesen ist und er nun eine Möglichkeit heraushebt und verklärend emotionalisiert, die sich nicht verwirklicht hat. Vielleicht wurde es Feddersen durch bestimmte Entwicklungen leichter, diese Passage aufzunehmen. Seit Richardsons Briefromanen um die Mitte des Jahrhunderts war in bestimmten Schichten ein neues Männlichkeitsideal in den Vordergrund getreten: the Man of Feeling oder der tugendhafte, gefühlvolle Mann.541 Es könnte sein, dass Feddersen, der sich ja sonst als Mann anders darstellt, für einen Moment dieser um sich greifenden Tendenz nachgegeben hat. Die autobiographische Beschreibung des Meisterns schwieriger Situationen in der Vergangenheit wird heutzutage psychologisch damit erklärt, dass man sich auf diese Weise Mut zuspricht, auch die Schwierigkeiten das Alterns bewältigen zu können.542 Die Sicht des Alters am Ende der Frühen Neuzeit war aber immer noch überwiegend religiös. So rief der Schwiegersohn des Schwiegersohns von Peter Bischoff im 18. Jahrhundert im Alter genau so wie der Pfarrer Sibenhar in seiner Autobiographie im 16. Jahrhundert543 Gott um Hilfe an, jeweils auf Psalm 71 zurückgreifend: „verlaß mich nicht mein Gott im Alter“544, so Knudt Andersen. Es ging also nicht um die individuelle Bewältigung des Alterns, sondern um die Hilfe Gottes in diesem Lebensstadium. Bei Feddersen allerdings tritt dieser Aspekt in der Autobiographie nicht hervor. Feddersen hat die Autobiographie auch für sich selbst geschrieben. Die Frage ist aber, warum und für wen er sonst noch zur Feder gegriffen hat. Es ist von einem kommunikationstheoretischen Ansatz her gefordert worden, die vom Autor gewählte Öffentlichkeitssituation, das gewählte Publikum und die Rolle, welche die beiden Seiten in dieser Kommunikationssituation innehatten, zu ermitteln.545 Das scheint aber vor allem bei nicht veröffentlichten Selbstbiographien oft nur in Ansätzen realisierbar, ganz abgesehen von dem Zweifel, dass alle Verfasser wirklich klare Vorstellungen von ihrem Publikum hatten. Im Falle Feddersens ist allenfalls die Feststellung hilfreich, dass er die Lage und die politische Zugehörigkeit seiner Heimatstadt Flensburg als bekannt voraussetzt, ebenso das Wissen über seine Familie, 539 540 541
542 543
544 545
Vgl. Bräker, 402–420; Dietz, 39, 71 f; Johann Kaspar Steube, Von Amsterdam nach Temis war. Wanderungen und Schicksale 2. Aufl. Berlin 1984, 203 f. Sven Halse, Handwerker-Autobiographien, Bremen 2002, 112. Vgl. Dorothee Sturkenboom, Historizing the Gender of Emotions, in: Journal of Social History 34 (2000) 61, 63–66; Anne-Charlott Trepp, Anders als sein “Geschlechtscharakerter”: Der bürgerliche Mann um 1800: Ferdinand Beneke (1774–1848), in: Historische Anthropologie 4 (1996), 57–77. Vgl. Kotre, 215; Tersch, Schreiben, 190. Vgl. Otto Ulbricht, Physisches Altern und Identität in Autobiographien des 16. Jahrhunderts, in: Elisabeth Vavra (Hrsg.), Alterskulturen des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Wien 2008, 332. StadtA FL, XII HS 1004, 128. Vgl. Jancke, Autobiographische Texte, 76 f.
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denn er beschränkt sich ja auf sich selbst. Das schlösse viele Zeitgenossen als Leser nicht aus. Da er aber andererseits auf sein Reisetagebuch (vorausgesetzt, das war mehr als eine Rechtfertigung für die Kürze) verweist, käme eigentlich nur die Kernfamilie in den Blick. Dabei kann es sich kaum um sein einziges noch lebendes Kind, seine Tochter, gehandelt haben. Dass er sie als Adressatin ausgewählt haben sollte, ist kaum anzunehmen. Väter gaben in dieser Zeit zwar Ratschläge für ihre Töchter ab, wie Campe oder Condorcet, aber dass sie für sie ihre Autobiographie schrieben, ist wenig wahrscheinlich, da sie im Beruf nicht nachfolgen konnten (das konnten nur die Witwen). Außerdem ist keinerlei Ausrichtung der Autobiographie auf das weibliche Geschlecht zu erkennen. Es bleiben also noch Angehörige der großen Verwandtschaft, in erster Linie Geschwister, sofern noch am Leben, und deren Kinder. Zusätzlich zum Alter könnte für die Abfassung ein Anstoß von außen erfolgt sein. Es fällt einem unweigerlich der Flensburger Geschichtsforscher und eifrige Sammler von Autobiographien, Lebensläufen und Hersteller von Stammtafeln, Olaus Heinrich Moller, ein. Er hatte interessanterweise 1773 zwei Stammtafeln zur Familie Feddersen veröffentlicht, eine war den Vorfahren Feddersens gewidmet, die andere seinem 1773 verstorbenen Sohn Peter.546 Dazu muss er mit der Familie in engeren Kontakt getreten sein, denn die Daten über den Vater und erst recht den Großvater waren in Flensburg nicht vorhanden, da beide in Reichsdänemark geboren worden waren. Obwohl der Briefwechsel Mollers keine weiteren Hinweise liefert, weil er genau wie sein Lebenslauf nur eine frühere Zeit abdeckt,547 ist man für diese Beziehung nicht allein auf Vermutungen angewiesen. Im Jahr nach der Veröffentlichung der Tabellen lässt sich tatsächlich eine sehr enge Verbindung Feddersens zu Moller konkret nachweisen. Moller bezeugt nämlich 1774 durch seine Unterschrift die Echtheit des Testaments von Feddersen und seiner Frau.548 Es scheint daher sehr gut möglich, dass Moller Feddersen als wichtiger Persönlichkeit der Stadtgeschichte nahe gelegt hat, sein Leben aufzuschreiben. Der Wunsch von Freunden, der Autor möge sein Leben aufzeichnen, ist des Öfteren anzutreffen und fiel hier mit dem des Sammlers von Selbstzeugnissen in eins.
546
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548
StadtA FL, XII HS 651 VI und VII, Olaus Heinrich Moller, Genealogische Tabelle von den Vorfahren und Nachkommen des Hochedelgebohrnen und Hochweisen Herrn, Herrn Johann Gerhard Feddersen, hochverdienten Bürgermeisters der Stadt Flensburg und dessen geliebtester Ehegattin, der Hochedelgebohrnen und tugendreichen Frau, Frau Anna Elisabeth Feddersen, geb. Hallensen, … Flensburg 1773; sowie: Ehren=Gedächtniß, dem weiland Wohledlen und Wohlfürnehmen Herrn, Herr Peter Feddersen, dem Jüngeren, deputirten Bürger und Kaufmann der Stadt Flensburg, aufgerichtet als ein Denkmal der Blutsverwandtschaft, Hochachtung und Freundschaft, gegen den selig Verstorbenen und Dessen nachgelassene Frau Wittwe, Margaretha Elisabeth Feddersen, geb. Petersen, von Olaus Heinrich Moller, Flensburg 1773. Vgl. StadtA FL, XII HS 670, 1–12. Leider bricht der Lebenslauf Olaus Heinrich Mollers praktisch mit dem Jahre 1750 ab, so dass hier keine weiteren Informationen zu gewinnen sind. Vgl. StadtA FL, St.T. 144 XVII. StadtA FL, A 222, Testament vom 8. Jan. 1774.
4. Interpretation der Quellen
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Wenn also ein Stadtgeschichtsforscher seine Hand im Spiel hatte, dann könnte das auch die Selbstbezeichnung im Titel („Einige Umstände aus dem Leben des Bürgermeisters [!] Johan Gerhard Feddersen“) verständlich machen, sofern nicht der zeittypische Stolz auf das Amt und den damit verbundenen Rang dafür verantwortlich war. Auf eine zeitgenössische städtische Leserschaft war jedoch allenfalls eine Reihe von Passagen zugeschnitten, während andere Episoden (z. B. die norwegische Heirat) diese Zielgruppe nicht ansprechen. Gut passen würde die Selbstdarstellung – nun weiß man endlich, was er im Ausland alles erlebt hat und wie er sich dort bewährt hat und dass seine internationale Erfahrung ihn für das Bürgermeisteramt prädestinierte. Anderes wie die Rechtfertigung am Ende oder die Auslassungen bei der Darstellung seiner Stadtkarriere würden bei einem großen Teil der Zeitgenossen kaum Anklang gefunden oder nur böse Worte hervorgerufen haben. Da keine klare Ausrichtung auf die Zeitgenossen zu erkennen ist und da die Autobiographie Moller wohl auch nicht übergeben wurde und unveröffentlicht blieb, also zeitgenössisch nur die Familie Zugriff darauf hatte, nimmt man wohl besser an, dass Feddersen eine Leserschaft in der Stadt eines fernen Tages im Sinn hatte. Daher hatte er wohl auch keine klare Vorstellung von seinen Lesern, außer dass sie aus der Stadt kommen würden. Irgendwann würden Nachgeborene seine Autobiographie vielleicht lesen können – sofern die Überlieferung mitspielte. Das haben Stadthistoriker in der Tat getan. Auf die Verbindung zwischen Lokal- bzw. Stadt-, manchmal auch Landesgeschichte und Autobiographien ist schon hingewiesen worden.549 Feddersens Autobiographie war auch ein Akt imaginierter Kommunikation – in der Zukunft. Aus „Zeitgeschichte“ wurde so Geschichte.
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Tersch, Vielfalt, 96.
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Carl Petersen und Otto Ulbricht
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Carl Petersen und Otto Ulbricht
II. Die Quellen
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1. Zur Edition
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1. Zur Edition Bei allen abgedruckten Quellen handelt es sich um Originale und nicht um Abschriften, auf die man für die Frühe Neuzeit so oft angewiesen ist. Sie sind teils auf Umwegen, teils wohl direkt ins Flensburger Stadtarchiv gekommen. Letzteres scheint auf den Text von Feddersen zuzutreffen. Das Bischoffsche Hausbuch, dessen Anfang das Verzeichnis bildet, wurde 1933 ebenso wie die hier als „Der Schiffbruch von 1677“ bezeichnete Quelle, jedoch einige Monate später, von derselben Person dem Flensburger Archiv übergeben.1 Möglicherweise stammt das Hausbuch aus dem Husumer Kirchenarchiv.2 Die Archivbezeichnung für die zweite Quelle lautet „Glückliche und vnglückliche Reisebeschreibung Im Ao 1677 und 1678 von Petter Bischopf“. Diese Betitelung kann nicht von Peter Bischoff selbst stammen, denn so hat er seinen Namen nie geschrieben. Da auch die Wortwahl misslungen ist – nicht die Beschreibung ist unglücklich und glücklich, sondern die Reise – haben wir uns entschieden, der Quelle die Überschrift „Der Schiffbruch von 1677“ zu geben. Dieser Quelle liegt, wie oben erwähnt3, lose das Bild eines jungen Mannes bei. Die Vermutung, dass es sich um Peter Bischoff handelt, ist naheliegend; der Beweis kann aber leider nicht angetreten werden. Vor allen die Lesbarkeit der Aufzeichnungen Bischoffs im Hausbuch bereitete gewisse Schwierigkeiten, weshalb der Text wohl auch noch nicht veröffentlicht worden ist. Erfahrene Forscher, die vor uns kleine Auszüge präsentiert haben, sind um Lesefehler nicht herumgekommen. Experten, die angesprochen wurden, konnten bei den Problemstellen (manchmal Wörter, bei denen sich Bischoff verschrieben hat) meist nicht helfen.4 Somit steht zu befürchten, dass auch wir nicht vollkommen fehlerfrei geblieben sind. Ein Grund für die Schwierigkeiten ist die ausgeschriebene Schrift mit vielen fehlenden Endungen (was auf eine schnelle Niederschrift hindeutet); weitere mögliche Fehlerquellen sind die geographischen Namen und die nautischen Ausdrücke des 17. Jahrhunderts. Viel Arbeit bereitete die Identifizierung der Ortsangaben, die ein dänischer Untertan deutscher Sprache auf seiner Fahrt entlang der norwegischen Küste auf der Basis von holländischen Karten gemacht hat. Sie ist nicht vollständig glelungen, Letztlich dürfte es sich aber meist um markante Orientierungspunkte gehandelt haben. Wir haben in alle Texte möglichst wenig eingegriffen. Bei dem Verzeichnis haben wir es für nötig gehalten, die Interpunktion an die heutigen Verhältnisse vorsichtig anzupassen, da sonst die Lesbarkeit stark erschwert worden wäre. Die Rechtschrei1 2 3
4
StadtA FL, IV D 52; Verzeichnis von Erwerbungen und Schenkungen an das Stadtarchiv, Nr. 65 und Nr. 87 für das Jahr 1933. So Lorck Schierning, 90. Vgl. oben, 71. Wir möchten an dieser Stelle Albrecht Sauer, Bremerhaven und Hans Wilhelm Schwarz, Schleswig für ihre Hilfsbereitschaft danken.
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bung haben wir (mit einer Ausnahme: Großschreibung von Personen- und Ortsnamen sowie von Gott) nicht verändert, obwohl sich bei Bischoff die Schreibweise eines Wortes innerhalb weniger Zeilen ändern kann. Nicht ausgeschriebene Endungen haben wir in runden Klammern ergänzt. Bei dem Schiffbruch von 1677 fanden sich, wie bei Reisebüchern üblich, Marginalen mit Ortsangaben, die weggelassen worden sind, da sie letztlich nur Doppelungen darstellten. Durch Beschädigung (Mäusefraß) fehlen in diesem Text an bestimmten Stellen Wortteile, selten ganze Wörter. Dort haben wir die fehlenden Buchstaben soweit möglich ergänzt und kursiv gesetzt. Wenn die Einträge für einzelne Tage kurz waren, haben wir daraus einen Absatz gebildet oder sie zu einem hinzugenommen, um eine das Auge störende Zersplitterung zu vermeiden. Wie haben die beiden Texte von Bischoff so kommentiert, dass der eine letztlich ohne Kenntnis des andreren gelesen werden kann. Feddersen scheint seine Autobiographie in einem Zug und in geringerer Zeit als Thomas Platter5 niedergeschrieben zu haben und keine Zeit darauf verwandt zu haben, sie noch einmal durchzusehen. Beim Beginn eines Satzes hatte er offensichtlich manchmal einen anderen Fortgang im Sinn. Dadurch, dass er sich dann anders entschied, kommt z. B. manchmal eine Nichtübereinstimmung von Subjekt und Prädikat zustande. Bei ihm haben wir, da er Umlaute nur selten kennzeichnet, diese kenntlich gemacht und gelegentlich in eckigen Klammern eingefügt, was uns notwendig erschien. Wir haben uns bei dem Verzeichnis bemüht, die Schiffer zu identifizieren. Das liegt weniger daran, dass Schiffer auch einen kleinen Handel (gelegentlich auch Schmuggel) betrieben, als daran, dass hier langfristige Geschäftsbeziehungen im Hintergrund stehen und die Gruppen von Kaufleuten und Schiffern nicht immer klar getrennt werden können:; eine ganze Reihe von Schiffern gehörte zusammen mit Kaufleuten zur Gruppe der Partenreeder. Damit wollten wir die Möglichkeit offen halten, diese Netzwerke von Kaufleuten und Schiffern zu erforschen. Bei Feddersens Text haben wir dies nicht getan, weil der Kontakt zu den Schiffern, wie er sich dort darstellt, z. T. einmalig war, z. B bei den ausländischen. Bei denen aus Flensburg und Umgebung ist nicht zu erkennen, ob es ebenfalls so war oder anders. Jedenfalls mahnt eine Notiz Feddersens, in der er von seinem Schiffer spricht, der in der Autobiographie nicht auftaucht, zur Vorsicht.6 Auch auf die Identifizierung von Zufallsbekanntschaften haben wir verzichtet.
5 6
Thomas Platter, Lebensbeschreibung, hrsg. von Alfred Hartmann, 2. Aufl. Basel 1999, 23. Vgl. StadtA FL, A 327, Bd. 1, Pro Memoria Johann Gerhard Feddersens, o. D., ca. Jan. 1757.
2. Bischoff
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2. Bischoff 2.1. Verzeichnis der See- und Landreisen (1671–91, 1688–1716)7 /2/ Anno 1655 D(en) 5. February Bin ich Peter Bischoff8 von Erlichen Eltern gebohrn in Steinberg9. Mein Vatter ist geweßen Simon Bischoff10; die Mutter Christina Bischoffs11. Mein großvatter veterlichen Linnie ist geweßen Peter Bischoff12, die großmutter Catrina Bischoffs13, wohnhafftig geweßen in Steinberg. Mein großvatter auf der Mutterlich(en) Linnie Ist geweßen Hanß Brun14, die großMutter Metta Brunß15, bey Steinberg Haft. Mein Tauffgefattern seint geweßen H(err) Lorentz Anderßen16 – so 7
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13 14 15 16
Kurze Auszüge wurden gedruckt: Hans-Friedrich Schütt/Emil Lorenzen, Flensburg. Segelschiffszeit, in: Schiffahrt und Häfen im Bereich der Industrie- und Handelskammer Flensburg, hrsg. von der Industrie- und Handelskammer Flensburg, Flensburg 1971, 99; Aus dem Tagebuch des späteren Bürgermeisters Peter Bischoff, in: Das Flensburger Schiffergelag, Flensburg 1979, 71–72, und Emmerich Christiansen, Der Dingschreiber der Munkbrarup-Harde in Glücksburg, Major Christian von Christiansen, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln 58 (1994), 79–82. Diese Übertragung wimmelt nur so von Fehlern. Unabhängig von der jeweiligen Schreibweise wird der Name Bischoff immer so, d. h. mit Doppeleff, wiedergegeben. Steinberg: Kirchspiel in Angeln an der Ostküste des Landesteils Schleswig. Simon Bischoff, geb. 1616, Bohlsmann (Vollbauer) in Bredegatt. Vgl. Chronik des Kirchspiels Steinberg, Bd. II/1, hrsg. im Auftrag des Gesprächskreises Kirchspielchronik … von Bernhard Asmussen, Husum 1995, 146; Gerhard Kraack, Die Flensburger Geburtsbriefe, Flensburg. Auswanderung aus Flensburg 1550–1750, Flensburg 1977, 154. Frdl. Hinweis von Herrn Bernhard Asmussen, Steinberggaard. Gest. 1688, Kirchenkreis Schleswig-Flensburg, Bezirksarchiv Angeln (= KKSF, BAA), Kirchengemeinde Steinberg, Buch 1, Begräbnisse, S. 193. Vgl. auch Stadtarchiv Flensburg (=StadtA FL), St.T. 21 I. Danach war Simon Bischoff in Steinberg erbgesessen. Christina Bischoffs, geb. 1628 um Weihnachten, gest. 25. Okt. 1715, Heirat 1654 laut StadtA FL, St.T. 21 I; KKSF, BAA, Kirchengemeinde Steinberg, Buch 1, Begräbnisse, S. 232. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, drei Söhne und zwei Töchter. Der Großvater väterlicherseits, Peter Bischoff, Eingesessener und Rechensmann des Kirchspiels Steinberg in der Nieharde des Amts Flensburg. StadtA FL, St.T.21 I. 1621 im Besitz eines vollen königlichen Bohls; Vgl. Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abt. 167.3, Nr. 8, Korn- vndt Hür-Register deß Ambts Flenßburg Anno 1621, f. 18 und 22 b. Später in Steinbergholz ansässig, vgl. Chronik Bd. II/1, 145. Catrina (Catharina) Bischoffs. Keine weiteren Angaben bekannt. Hanß Brun: Erbgesessener bei Steinberghaft. Vgl. StadtA FL, St.T. 21 I. Metta Bruns, deren Eltern aus demselben Ort kamen. Vgl. ebd. Lorentz Anderßen = Lorents Andersen. 1669 königlicher Hufner und Rechensmann, Chronik, Bd. II/1, S. 249 „Lorentz Andersen aus Steinburg“ ist außerdem 1677 als Bürge für zwei Brüder aus dem Ort bezeugt. StadtA FL, A 34, Bd. 17, S. 282 v– 283; gest. 1694. KKSF, BAA, Kirchengemeinde Steinberg, Buch 1, Begräbnisse, S. 203.
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mir Zur tauffe gehalten – Lorentz Brun17 vnd Christina Bischoffs18 vnd ist Mein tauff vatter geweßen H(err) Mauriti(us) Müller19, Pastor der Christlichen gemeine Zu Steinberg Kirspel20. 1664 haben meine Liebe Eltern mir nach der Schulle gebracht Bey H(errn) Johaneß Woye21, Schul- vnd Kirchendiener in Ernanten22 Kirspel Steinberg. – Ao 1669 in 9br23 bin ich im Dienste gekommen bey H(errn) Lorentz Anderßen24. Alda verblieben, Biß Ao 1671 d(en) 5. Feb. Ich bey Herrn Magnuß Pauelß(en)25 in Flensburg in ferner Diensten getretten vmb vnd alß Ein KauffmanßJungen Ihm zu dienen. /3a/
Ao 1671 D(en) 2. April Ist im Nahmen Gotteß Meine Erste außfarth Zur See geweßen mit Schipffer Jenß Thomßen26, sein Kreier27 genandt die Harfe, vnd seint d(en) 7. dito Auf Schilstörre28 reide29 in Selandt angelanget. Von dar bin ich vber Landt nach Nedsted30 gefahren. Von dar seint d(en) 19 dito abgesiegelt, [mit] Anderß K…dt31, dz 17 18 19
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26
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Lorentz Brun: nicht eindeutig identifiziert. Ein Lorenß Bruhn wurde am 15. Mai 1716 in Steinberg beerdigt. KKSF, BAA, Kirchengemeinde Steinberg, Buch 1, Begräbnisse, S. 233. Christina Bischoffs: nicht identifiziert. Mauritius Müller: Pastor in Steinberg 1642 – ca.1660 (?), aus Flensburg, vgl. H.N.A. Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogtums Schleswig, 3. Lief. Flensburg 1841, 1028; auch Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, København 1932, Bd. 2, 98. Kirspel: Kirchspiel. Johaneß Woye, gest. 1778, KKSF, BAA, Kirchengemeinde Steinberg, Buch 1, Begräbnisse, S. 179. Ernanten: (bereits) genannten. 9br : November. Lorentz Anderßen (Dienstherr), s.o. Magnuß Pauelßen: Magnus Paulsen /Powelsen (1629–1712); Kaufmann. Paulsen war in Esens (Ostfriesland) geboren und wurde 1665 Bürger in Flensburg. Vgl. Gerhard Kraack und Heinz Kellermann (Hrsg), Bürgerbuch der Stadt Flensburg, Bd. 1, Verzeichnis der Neubürger von 1558-1869, Flensburg 1999, 277, Nr. 2920. Aage Bonde u. Johan Hvidtfeldt, Personalhistoriske Oplysninger om Borgmestre, rådmænd, byfogeder og byskrivere in Flensborg i 1550–1848, [Kopenhagen] 1961, 47. Später Deputierter (Mitglied der Bürgerschaft); 1701 hatte er als ältestes Mitglied des 24ers das gewohnheitsmäßige Recht, zum Bürgermeister gewählt zu werden. Das Amt trat jedoch ein anderer an. Vgl. Dieter Pust, Politische Sozialgeschichte der Stadt Flensburg, Flensburg 1975, 220, Anm. 400. Der Schiffer Jens Thomßen wurde 1664/5 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. Ältermann war er von 1682–1689. StadtA FL, XII V Schg 1.10, Bd.1.1. 1677 hatte sein Schiff, 70 Lasten groß und mit einem Tiefgang von 10 Fuß, einige Jahre keinen Reeder gefunden. Vgl. ebd., A 319 Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. Kreier, Kreyer: kleineres dreimastiges Schiff. Vgl. die Abbildung unten, 130. Schilstörre, weiter unten Schelschörre: Skælskør (westlich von Næstved). reide: Reede, Ankerplatz nahe bei der offenen See oder einiger Entfernung vom Hafen. Nedsted: Næstved auf Seeland. Anderß K…dt: Wie die folgenden den fünf Worte eine sehr schlecht lesbare, klein und eng geschriebene Einfügung. Möglicherweise Jenß Andreßen Kath (Kaett), Gründungsmitglied des
2. Bischoff
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Schipf die Hopfnung, vnd d(en) 7. Maius glücklich in Drontem32 angekommen. – D(en) 11. Juny wiederumb von Drontem mit Schipffer Dierich Peterßen33, sein Schut34 genandt die Liebe von Flenßb(urg), vnd d(en) 25. dito35 in Flenßburg glück(lich) angelanget, wofür Gott sey von Hertzen Lob vnd danck gesaget. – D(en) 12. 7br In erwäntem Jahr36 bin ich mit Schipffer Asmuß Hanßen37, sein Schipff genandt die Nordtstern, von Flenßb(urg) gesiegelt, vnd d(en) 18. dito auf Nedsteder reide angelanget. D(en) 29. dito darvon vnd selbigen abentz auf Schelschörre reide gekommen, d(en) 5. 8br darvon, vnd d(en) 9. dito Schagen38 passieret. Nach langem ausgestandenen Elendt haben d(en) 2. 9br ein von Vns volck39 verlohren. Selbige Nachtenß unvermutlich in die blinde Scheren40 benorden Drontem befallen41 vnd auf vnterschiedl(iche) Anstöße zu anckers gekommen, hatten 3 fuß waßer im Schipf, die Kaiut Eingeschlagen, vnßere Bot vnd vor Steng42 in Stücken, Gott Erhielt vnß doch, biß Es Tag wurde, da den[n] in Ein Haun43, genandt Suhlen44, auf der Halße45 seint gekommen. Alda gelegen biß d(en) 5. Feb. Ao 1672 vnd d(en) 12. dito zu Drontem angelanget. /3b/
32 33
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1680 erneut etablierten Sønderburg Skipperlaug, vgl. Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 1/30, Constitution und Ordnung vom 17. Feb. 1680 (Kopia). (Im Folgenden: Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 1680. Gest. 1698. Vgl. Cd-rom med Skipperlaugets historie indklusiv en medlemsliste fra perioden 1690–2009. Drontem = Trondheim. Dierich Peterßen: Dirick/Dyrich Petersen, aus Jürgensbuy/St. Jürgen (Klosterbezirk am Rande Flensburgs) wurde 1665 Bürger in Flensburg. Er war von 1663–1677 Mitglied des Schiffergelags und 1674 dessen Ältermann. Wohnhaft 1668 in der Norderstraße. Vgl. Bürgerbuch, Bd. 1, S. 277. Schut: kleines schnellsegelndes Schiff. Hier hat Bischoff die Wörter „wiederum glücklich“ gestrichen. Am selben Tag (12. Sept.) des Jahres 1671 wurden der Dienstherr Bischoffs, Magnus Paulsen, und ein Partner wegen ihres Schiffes Nordstern vor den Flensburger Rat gefordert und sagten aus, ihr Schiff sei noch nicht „erkauffet“. StadtA FL, A 34, Bd. 16, 367. Der Schiffer Asmuß Hanßen wurde 1670/71 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA Flensburg XII V Schg 1.10, Bd.1.1. 1677 hatte sein Schiff, 80 Lasten groß und mit einem Tiefgang von 11 Fuß, weder Masten noch Takel. Vgl. StadtA FL, A 319 Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. Schagen = Skagen. Volck: Mannschaft. Blinde Schäre: eine überflutete Klippe. befallen: gefahren, gesegelt. Vor steng: Vorstengen, auch Stenge, wird der obere, aufsetzbare Mastteil genannt. Haun = Hafen. Suhlen = wohl Sula; kleine Insel nordwestlich von Frøya; vor der Küste Mittelnorwegens im Nordmeer auf der Höhe des Tronheimfjords gelegen. Halße = Halse, Wende.
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Abb. 3: Historische Karte von Norwegen
Ao 72 D(en) 10. 8br bin ich vnter deß Höchsten geleit von Drontem gesiegelt mit Schipffer Christian Frost46 von Sönderburg, sein Schiff genannt die vergulte roße, vnd nach
46
Mit Christian Frost segelt Bischoff auch in den Jahren 1673, 1674 und 1682. Die Identifizierung ist schon deshalb schwierig, weil der Name häufig ist. Es lässt sich ein Christian Frost aus Sonderburg nachweisen, der laut Kirchenbuch am 20. Mai 1655, also in demselben Jahr wie Bischoff, geboren wurde. Frdl. Auskunft von Leif Hansen Nielsen, Landsarkivet for Sønderjylland. E-Mail vom 15.6 2010. Es würde sich also um einen 17jährigen Schiffsführer handeln. Christian Frost war Gründungsmitglied des 1680 erneut etablierten Sønderburg Skipperlaug, vgl. Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 1680. – Der Schwiegersohn des bekannten Trondheimer Kaufmanns und Reeders Lorenz Mortensen Angell hieß ebenfalls Christian Frost (1651–1702) und war aus Dänemark – ein genauerer Herkunftsort ist nicht bekannt – eingewan-
2. Bischoff
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dem in 10 Wochen in See geweßen vnd bey außgestandener großer Noth, Hunger vnd durst leib- vnd Lebenßgefahr seint wir durch Gottes gnedige Hülffe dennoch d(en) 5. Xbr glückl(ich) zu Flensburg gelanget, wofür der fromer Gott von Hertzen Lob vnd Dank gesaget. NB47 seint zweymahlen selbige reiße von Capperß48 geplündert worden. /4a/
Ao 1673 D(en) 9. Martij Im Nahmen Gotteß mit Schipfer Jasper Keyßern49, sein Schut genandt St. Anna, nach Nedsted gesiegelt, alda d(en) 13. dito Lob Gott angelanget. D(en) 17. Apr. von Nedsted mit Schipfer Hans Michelßen50 gesiegelt, dass Schipf die Fortuna genandt. D(en) 18. dito zu Neyburg51, d(en) 21. dito Ein schotsche52 Capper unß geplündert außen vor Schagen, daß Schipf hieß die Seher53. D(en) 27. dito wieder ein schotsche Kaper ambohr54 gehabt, so vnß gantz ausgeplündert vnd genommen, was Er vberkomm(en) kundte, ein Kitz55 von 4 St.56, genandt daß wapen von Schot(land). D(en) 5. May auf daß Liedt57 von Dronthem gekomm(en). D(en) 10. dito vnter der
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49 50
51 52 53
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dert. Vgl. Henry Berg, Trondhjems Sjøfart under eneveldet 1660-1814, Trondhjem 1938–41, 33, 35 36 und öfter. NB = nota bene. Capper, gleich darauf Kaper. Kaper sind von Privatpersonen für den Krieg ausgerüstete Schiffe. Mit Erlaubnis eines kriegsführenden Staates wurden den Handelsschiffen des Feindes Güter oder Geld abgepresst. Gelegentlich wurden auch Personen als Geiseln genommen. Zu unterscheiden von den illegalen Seeräuberschiffen. Im französisch-holländischen Krieg von 1672–1676 standen England und Schottland auf französischer Seite. Dänemark neigte zur holländischen Seite, trat aber erst 1675 der anti-französischen Koalition bei. Die Schiffe nach Trondheim und ums Nordkap wurden besonders von schottischen (wie das folgende Jahr zeigt) Kaperschiffen angegriffen. Jasper Keyßern: nicht identifiziert. Der Schiffer Hans Michelßen wurde 1671/72 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA FL XII V Schg 1.10, Bd.1.1. Seine Schute war 40 Lasten groß und hatte einen Tiefgang von 8 Fuß. Vgl. ebd., A 319 Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. 1680 war Michelsen bereits 26 Jahre zur Fischerhalbinsel gesegelt. Vgl. Boris I. Koshechkin, Discovery and analysis of 16th– 18th century inscriptions on a rock slab of Anikiyev Island, Rybachiy Peninsula, in: Polar geography and geology 6 (1982), 159, 172. Neyburg = Nyborg, Hafen und Festung auf der Ostseite Fünens. Schotsch = schottisch. Die Seher: Dieser Kaperschiffname ist wie der folgende (Wapen von Schottland) nach Auskunft der Spezialistin für die schottische maritime Geschichte dieser Zeit, Sue Mowat, Edinburgh, ungewöhnlich. Es könnte sich um gekaperte (holländische) Schiffe mit neuem Namen handeln. E-Mail vom 15.3.2012. ambohr = an Bord. Kitz: Kits oder Ketsch, ein besonders bei den Engländern und Schweden gebrauchtes zweimastiges Fahrzeug. St. = Stück, Kanonen. Liedt = Fahrrinne.
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Schiffbruch!
Holm58 von Drontem geankert, d(en) 11. dito von der Holm nach der Stadt siegelrede59, seint auf die grundt zu sitzen gekommen bey die andere Staag60. Mit negst fluth wieder floth vnd beßer hinauf die Elbe61 an die Stadt gekommen, ist daß Schipf zurück getrieben vnd wieder fest zu sitz(en) gekommen. Daselbst daß Schipf geborsten, die Ladung in 2700 t. besteh(end) auf 500 t. Naß62, alleß verdorben, daß Schipf ist, nach dem daß Korn wie gedacht verdorben hiraus geworf(en), wieder floth worden vnd auf Rußl(and) sein Reiße wieder vortgesetzet. – D(en) 15. July Mit Schipfer Christian Frost von Drontem gesiegelt vnd sein deß negst folgenden tages in See gelanget. D(en) 27. dito ein hollandsch Kaper ambohr gekommen, nicht geplündert. D(en) 3. Aug. binnen Schagen gekommen, d(en) 7. dito zu Fridericia63, d(en) 10. dito zu Flenßburg. Gott sey ewig danck vor behalt(ener) Reiße. Amen. /4b/
Ao 1674 D(en) 6. May Bin ich von Flensb(urg) gesiegelt mit Schipfer Christian Frost, die Schutte genandt die vergülde roß. D(en) 13. dito auf Nedsted reide, alda geladen vnd darvon gesiegelt d(en) 25. dito. D(en) 26. zu Neyburg klar geworden64, d(en) 30. dito Schagen paßirt, d(en) 4. Juny in Hitterö65 mit Contra[r]y windt bin[nen] gekomm(en). D(en) 15. dito wieder mit Contra[r]y [windt] in Siravag66. Nach langen außgestandenen Sturmen vnd Contra[r]y wind d(en) 25. dito zu Drontem Lob Gott angelanget. – D(en) 19. Aug. mit selbigen Schipfer von Drontem gesiegelt. D(en) 22. dito in See, d(en) 4. 7br binnen Schagen gekommen, d(en) 7. dito zu Frieder(i)cia. D(en) 13. dito Lob Gott glückl(ich) zu Flensb(urg). Gott sey ewig Lob vnd dank vor Erhalten. Amen. – D(en) 6. 8br mit Schipfer Heinrich Harmenß(en)67, sein Kreier genandt die Fortuna von Appenrade, von Flenßburg gesiegelt, vorhabende mit Gott nach Cönningßberg [zu segeln].68 D(en) 16. dito Abent in die Pillauw69 vnd d(en) 17 dito in Cönningßb(erg) wol angelanget. Gott sey danck. – 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69
Holm: Schiffsanlege-, oder Schiffsbauplatz; auch kleine landnahe Insel. Siegelrede, von dän. sejlrende: Fahrwassser, Fahrrinne. Staag = Stack, Buhne, rechtwinklig zum Ufer ins Wasser gebauter Damm. Elbe: Nidelva, der Fluss, an dem Trondheim liegt. Lesart unsicher. Frieder(i)cia: Fredericia: nordwestlich von Kolding. Hier musste der sogenannte „Strom-Zoll“ entrichtet werden. klar werden oder klar machen: beim Auslaufen eines Schiffes die Zollformalitäten erledigen. Hitterö = die Insel Hidra, Listafjorden. Hidra diente oft als Nothafen. Sirevag = Sirevåg, Hafen südlich von Stavanger. Heinrich Harmenßen, als Schiffer aus Apenrade bezeugt; StadtA FL, A 34, Bd. 17, S. 366 b. Cönningsberg = Königsberg, heute Kaliningrad. Pillauw = Pillau. Zollstation vor Königsberg. Schiffe, die nach Königsberg bestimmt waren, brauchten in Pillau keinen Zoll zu bezahlen. Vgl. Andrzej Groth, Warenumschlag am Frischen Haff, Köln - Wien - Weimar 2009, 9. Insofern verwundert es nicht, dass sich dieser Schiffer nicht in den erhaltenen Pillauer Zollbüchern des Jahres 1674 finden lässt. Wir danken für die
2. Bischoff
113
D(en) 5. 9 br von Cönningßberg mit bemelten70 Schipfer. D(en) 7. dito in die Pillauw klar geworden: Selbigen abent [unter] siegel gang(en) vnd d(en) 11. dito Lob Gott glücklich in Flensb(urg) gelanget. Ihm sey71 Lobpreiß vnd Ehr. Amen. /5a/
Ao 1675 D(en) 26. Marty Mit Schipfer Heindrich Harmenßen72, die Kreier genannt die Fortuna von Apenrade, von Flensb(urg) gesiegelt. D(en) 28. dito auf Nedstede reide angelanget, alda geladen vnd den 13. April darvon gesiegelt. D(en) 17. dito zu Neyburg klar geworden. D(en) 19. dito mit schrecklich Sturm in Alburger Bucht73 befallen. Daselbst vor 2 ankerß zu etmahlen abgehalten; die windt NNW. D(en) 21. lob Gott beede ankerß geborgen vnd vnter siegel gekomm(en). Deß Abentz Schag[en] passirt. D(en) 15. May nach vielem Contra[r]y windt Auf Drontemß Liedt. D(en) 16. dito Lob Gott zu Drontem. – D(en) 6. Junij von Drontem mit benanntem Schipfer, d(en) 16. dito in See, d(en) 24. dito die Nordtkap passiret, d(en) 25. dito in Wardehuß Sundt74 geanckert. D(en) 30. dito darvon vnd d(en) 31. dito Lob Gott in Rußlandt in Sypenwold75 geanckert. D(en) 19. Julij kauf auf die Fisch gemachet, daß 1000 Fisch 18 Rubel76, 1 to tranß 3 Rb 20 Copeken. D(en) 27. unsere Ladung Eingehabt, wir von die Rußen schelmischer weise vber gefallen, schreckl(ich) geschlag(en) vnd fast vmb Leib vnd Leben gekommen auß gahr nichtig(en) Ursach(en) mit unserem Volk. D(en) 29. July darvon gesiegelt, d(en) 1. Aug die Nordkap Passirt, d(en) 17. dito binnen Schagen gekommen vnd mit abent 1 Meile östl(ich) vor der Holmß geancke[r]t, die windt WSW. Des Nachtes mit ein Sturm trieben vor 2 Ancker, steng(en)77 vnd rahe an deck78 vber nach Leßö79. Daselbst in großer Lebensgefahr in drey tagen abgehalten. D(en) 20. dito
70 71 72 73 74 75 76 77 78
79
freundliche Auskunft Dieter Heckmann, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, EMail von 4.11.2010. Allerdings steht das darauf folgende „in die pillauw klar gworden“ nicht im Einklang damit. Die Königsberger Zollbücher für das Jahr sind nicht erhalten. bemelten = vorher genannten. Im Original folgt hier ein weiteres „Sey“. S. oben, 112, Anm. 67. Alburger Bucht: zwischen Frederikshavn und Grenå, an der Ostküste Jütlands. Wardehuß Sundt: Sund zwischen dem Festland und der dänischen Festung und Zollstation auf Vardöya (damals Wardehuus). Sypenwold = Tiepenwolok (Joan Blaeu, Atlas Maior of 1665. Introd and texts by Peter van der Krogt, Köln u.a. 2005); russ. Zyp Navolok. Auf der nahe Kirkenes gelegenen Fischerhalbinsel. Die Abkürzung ließe sich statt als Rb auch als Rthlr = Reichstaler lesen. Stengen = Verlängerung des Großmastes. Schlecht zu lesen, Stengen und Rahen an Deck zu bringen, um so das Toppgewicht zu reduzieren, war Praxis zum Abwettern von Stürmen. Frdl. Auskunft von Albrecht Sauer, Deutsches Schifffahrtsmuseum, Bremerhaven. E-Mail vom 5.12.2011. Leßö = Læsø, Insel im Kattegat südöstlich von Frederikshavn. Eine sehr gefährliche Stelle, über die es hieß: „Trindel, Anholt und Læsø bringen gar vielen Schiffern bald den Tod.“ G. Kirby, Merja-Liisa Hinkkanen-Lievonen, The Baltic and the North Sea, London 2000, 69 (meine Übersetzung). Eine Warnung vor der Strömung dort findet sich auch bei P(eter). V(an) D(er) H(orst), Beschriving Van der Kunst der Seefahrt, Lübeck 1673, 78.
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Schiffbruch!
darvon vnd d(en) 29. Zu Friedericia. D(en) 4. 7br Lob Gott zu Flensb(urg). Gott allein die Ehr. Amen. /5b/
Ao 75 D(en) 9. 8br Mit Schiffer Tomaß Niß(en)80 von Flensburg gesiegelt, der Schutte genandt St. Johaneß. D(en) 11. dito Lob Gott zu Nedsted angelanget. D(en) 20. 8br nach Eingenomner Ladung darvon vnd das ander Abent vor Schwenburg81 in Fühnen geanckert. D(en) 2. 9br Lob Gott zu Flensb(urg) mit Liebe angelanget.
Ao 1676 Mit Schipfer Baldtzer Olffsen82 d(en) 6. 8br von hier auf Lübeck, d(en) 9 dito zu Lübeck. D(en) 22. dito wieder vor Lübeck mit Ein WSW windt. D(en) 7. 9br Lob Gott glückl(ich) in Flensb(urg) angelanget. /6a/
Ao 1676 D(en) 3. April von Flensb(ur)g biß Apenrade gefahren. Daselbst d(en) 8. dito Mit Schipfer Heinrich Freleß(en)83, sein Kreier genandt St. Johannes, abgesiegelt vnd d(en) 14. dito auf Nedstedt Reide gekom(men). D(en) 15. May von Nedstedt gesiegelt mit Schipfer Heinrich Harmenßen, sein Kreier genandt Fortuna von Apenrade. D(en) 9. dito zu Neyburg klar geworden, d(en) 17. May in Fladstrandt84. Passirten deß Morgenß in Alburger Bucht 2 Convoyerß85 alß Antonet vnd F. Loxst. D(en) 18. May vmb 9 Vhr ist in gesicht von Fladstrandt [ein Überfall geschehen]. 9 a 10 Schipffe, wahren Schweden86, führeten densch(e)87 Flagen. 3 densch(e) haben sie vor daß Norder gath88 von fladtstrandt genommen vnd 2 wied(er) binnen geiaget. D(en) 20. dito pasirten Schagen. Ein Schotsch89 Kaper vnß passirt, hette kein Zeit vnß ambohr 80
81 82
83
84 85 86 87 88 89
Tomaß Nissen: vielleicht identisch mit Thomaß Nielßen, dem Besitzer einer kleinen Schutte in Flensburg, Vgl. Verzeichniß von die Schiffe groß und klein, so alhie gehörig, Flenßburg, den 23. Nov. 1677, StadtA FL, A 319, Bd. 1. Schwenburg: Svendborg, Hafenstadt auf Fünen. Der Schiffer Baldtzer Olffsen (Olluffsen) wurde 1669/70 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA FL, XII V Schg 1.10, Bd. 1.1. Seine Schute war 16 Lasten groß und hatte einen Tiefgang von 7 Fuß. Vgl. ebd., A 319 Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. 1703 gab er sein Amt als Ältermann des Flensburger Schiffergelags wegen Altersschwäche auf. Ebd., A 795, Von Schiffern. Nachrichten ex protocollis. Heinrich Freleß(en), weiter unten Frellßen = Hinrich Frellesen. In Johan Hvidtfeldt og Peter Kr. Iversen, Ảbenå Bys Historie, Bd. 1, Ảbenå 1961, 229, wird ein Hinrich Frellesen erwähnt. Vgl. auch unten, 121. Fladstrandt = Fladstrand, das heutige Frederikshavn. Convoyers: Begleitschiffe. Im Februar 1676 hatte Dänemark Schweden den Krieg erklärt. Densch = dänisch. Norder gath: nördliche Einfahrt. Schotsch = schottisch.
2. Bischoff
115
zu kommen, den[n] von einem Hollander verfolget wurde. D(en) 1. Juni seint außen vor Drontem Liedt in gesicht von der Vogel90 mit ein fliegenden Sturm auß WSW vberfallen, daß mit großer gefahr daß Liedt langst Eß halten konnte(n) vor ein geraffde Fock. In dieß wetter Ist Michel Lauß(en)91 sehl(ig) vber bordt gefallen. Mit Hanß Jepsen92, so Dicht bey vnß geweß(en), bey der vogel. Wir kehm(en) mit Noth bede anckers zu halten vnter Orelandt93. D(en) 2. dito Lob Gott in Drontem. – D(en) 17. July mit Schipfer Hanß Jepß(en), die Schutte patienta94 von Sonderburg genandt, von Drontem gesiegelt. D(en) 27. dito in See gegang(en). Nach Dato in 24 Tagen in daß Bucht mit großer Sturm vnd ungewitter getrieben auß WSW, SW, WNW. Hetten vnß offerß verlohren geschetzet. Gott halff wunderbarl(ich). D(en) 14. Aug(ust) wurden von kaper beost(lich) leg landt95 lest96 in Haun geiaget. D(en) 17. dito binnen Schag(en). Daselbst inß bucht vnß best(en) ancker Verlohren. Haben in ein groß Sturm 3 Tag auß gehalten aus SSO vnd SO. D(en) 23. zu Friedercia vnd d(en) 4. 7br Lob Gott zu Flensb(urg). Gott Sey Ewig danck vor behalten. Amen. /6b/
Ao 1677 D(en) 5. Marty von hier auf Hamburg gefahren, alda d(en) 10. dito angelanget. Bey schipfer Jurgen Peterß(en)97 logirt. D(en) 14. Mart[i]j im Nahmen Gotteß von Hamburg mit Schipfer od(er) viel mehr Capitein Jurgen Peterß(en), daß Schipf genandt Ich lieb vnd hoffe mit geduldt, [gesiegelt]; groß 200 lasten98, Mondirt99 mit 30 Stück100 vnd 80 Man. D(en) 15. dito Glückstadt Passirt, deß abent[s] bey Freyburg101 geanckert. D(en) 16. dito In Freyburg in daß Stifft Bremen anß landt geweß(en). D(en) 19.102 dito mit gutten winde in See gegang(en). Bey Schorton103 ein frandtsch.104 Kaper uns vor die Bug gekommen. Weihl der aber vernommen, [daß] 90
91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104
Vogel: die Schäre Fuglen an der Einfahrt zum Trondheim Leida. Vgl. P. de Löwenörn, Beschreibung der Norwegischen Küste, Kopenhagen 1816, 13 sowie Kartenblatt 3; vgl. auch die historische Karte Dioececis Trvndhemiensis Pars Avstralis, Joan Blaeu von 1662, www. geheugenvannedeland.nl/?/nl/items/KONB01:11/&p=88j=188st=blaeu&sc=(blaeu)&wst=blaeu (28.2.2012). Michel Laußen: nicht identifiziert. Hans Jepßen: Hans Jepsen Möllmarck, Gründungsmitglied des 1680 erneut etablierten Sønderburg Skipperlaug, vgl. Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 1680. Orelandt = Ørland, direkt am Eingang des Trondheimfjords, gegenüber Agdenes. Irrtümlich statt: patientia. Lesart unsicher. lest: zuletzt Jurgen Peterßen: nicht identifiziert. Lasten: Messeinheit für die Tragkapazität eines Schiffes. Mondirt: ausgerüstet mit. 30 Stück: 30 Kanonen. Freyburg: Freiburg im damals schwedischen (Stift) Bremen-Verden, heute Landkreis Stade. Aus zeitlichem Zusammenhang ergibt sich „17. dito“. Schorton: Scharhörn, damals Untiefe in der Elbmündung, wo sich seit 1661 eine Bake zur besseren Orientierung der Seefahrenden befand. Frandsch= französisch.
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Schiffbruch!
wir so rauch105 an der Zeite wahren, wieder seewertz gekerth. Selbigen abents Heilig landt106 passirt. D(en) 18. dito die windt contra[r]y.
Abb. 4: Eine der mit 1677 überschriebenen Seiten aus dem Verzeichnis Die lengte107 vor Jutsche Rif108 ist Nachtenß 2 Kaperß auf uns abgekommen, so entern wollen. Wir haben sie aber so wilkommen geheiß(en), daß nach getahne vnter schreckliche109 Schüße abgekert. D(en) 21 dito passirt(en) Stadt110. D(en) 22. dito auf Drontemß Liedt glückl(ich) angelanget vnd d(en) 27. dito vor Drontem. Gott sey Ewig danck vor behalten reiße. Amen. –
105
106 107 108 109 110
Rauch: rau. Die Schreibweise „rauch“ für „rau“ kam im 17. Jahrhundert vor. Ungewöhnlich ist die indirekte Ausdrucksweise Bischoffs. Vielleicht dachte Bischoff auch an den Rauch der Kanonen. Heilig landt = Helgoland. Lengte von: auf der Höhe von. Den Längengrad auf dem Meer zu bestimmen, war in dieser Zeit wegen ungenauer und schlecht transportierbarer Uhren nicht möglich. Jutsche Rif: Jütlandbank. Lesart durch Verbesserung unsicher. Stadt: die Halbinsel Stattlandet; ein wichtiger Orientierungspunkt (und gleichzeitig ein gefährliches Fahrwasser).
2. Bischoff
117
Von dieße reiße vnd ferner biß Ao 78 in April Ist Ein gandtze Reiße Beschreibung111 weitläuffig auf gezeichnet, diß ist [hier] nur kurtzl. zusammengezog(en). – /7a/
Ao 1677 D(en) 14. 8br Mit Schipfer Revert Stensen112, sein Schipf genandt der Engel Raphael von Flensburg, von Drontem gesiegelt. D(en) 27. dito in Foesen113 zu anckerß gekommen. D(en) 1. Novemb(er) auß Foßen gesiegelt vnter Comvoy114 Capitein Elcke Reinckes115, in Compagnie von 18 Schipfern. D(en) 5. dito von ein greulich Sturm auf die Lengte von die Ut…116, sage Utwehren,117 Befallen, alß daß wir vor top vnd tackel lenßen118 muß(ten). Windt SSO, da dan von die flote abgeracket119. D(en) 9. dito wahren aber mahl In lebenßgefahr, mit Ein Sturm vnd leger wahl120 auf Hittlandt121. Morgenß in die daging122 wahren fast123 in die Brening124, kundt(en) kein 111 112
113 114
115
116 117 118
119 120 121 122 123 124
Die Reisebeschreibung ist erhalten und folgt diesem Text, vgl. unten, 136 ff. Der Schiffer Revert (Reinert, Rehvirt) Stensen (Stehnßen) wurde 1664/65 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA FL, XII V Schg 1.10, Bd.1.1. Der nicht genannte Schiffstyp wird von Dieter Pust, Art. Bischoff, Peter, in: Berthold Hamer, Biografien der Landschaft Angeln, Bd. 1, Husum 2007, 89 als Bischoffs „Jacht“ bezeichnet. Der Schiffstyp „Yacht“ wurde zu jener Zeit, als er noch relativ neu war, zu „Freizeit“zwecken genutzt. Vgl. unten, 163. „Der Engel Raphael von Flensburg“ war 85 Lasten groß und hatte einen Tiefgang von 11 Fuß. Vgl. ebd., A 319 Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. Interessanterweise stand Revert Stensen schon am 27. Feb. 1778 in einer anderen Sache vor dem Flensburger Rat. Vgl. Stadtarchiv Flensburg, A 34, Bd. 17, 357 f. Foesen, weiter unten auch Foßen, Foßundt = Fosen, bis 1742 Bezeichnung von Kristiansund. Comvoy = Convoy: Schiffe, die vereinbaren, während einer Reise beieinander zu bleiben, um sich gegenseitig vor Übergriffen von Kaperern zu schützen. Ernst Baasch, Hamburgs Convoyschiffahrt und Schiffahrtseinrichtungen im 17. und 18. Jahrhundert, Hamburg 1896, 403. Elcke Reinckes: Elche Reiners war der zweite Kapitän des größten Trondheimer Konvoischiffes Patientia. Vgl. Berg, 23. In einer Liste für 1688 erscheint als eines der größten Trondheimer Schiffe (150 Lasten, 36 Mann Besatzung) eines namens Patientia, höchstwahrscheinlich identisch mit dem von 1677. Vgl. Ewald Bosse, Norwegens Volkswirtschaft vom Ausgang der Hansaperiode bis zur Gegenwart, Jena 1916, 356. Beim zweiten Wortteil hat sich Bischoff verschrieben und ihn unkenntlich gemacht. S. folgendes Wort (Utwehren). Utwehren: Utvaer, Schären unmittelbar nördlich des Songefjords. top und tackel lenßen = vor Top und Takel lenzen, vor dem Wind ohne Segel ablaufen oder treiben lassen; sehr riskant, weil bei schwerem Sturm die Seen das Schiff von achtern (hinten) überrollen, schweren Schaden anrichten und es im Extremfall zum Kentern bringen können. Abgeracket: das Wort findet sich in unterschiedlichsten Lexika nicht. Wohl ab- bzw. weggetrieben. Leger wall = Lägerwall, auf Lägerwall befindet sich ein Schiff, wenn in Lee in gefährlicher Nähe eine Küste liegt. Hittland = Shetland. Daging = Tagung; Tagwerden, Morgendämmerung. Im Original steht „hast“. Brening = Brandung.
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Schiffbruch!
siegel fuhren. Gott Errettede vnß wunderbahrlich, die windt verschob Sich, daß die NO Huck125 von Hittlandt recht langst die brening frey trieben. Hetten alle tage Sturm vnd vngewitter. D(en) 14. kehmen wieder vnter Stadt126 bey uns Commandeur Reinckes, bey dem wir geblieben biß d(en) 23. dito, auf die Lengte von die west Ende von Doggerß Sandt127, 26 Meihl(en) von Land128, seint wir mit Schne Jagt von die Comvoy Abermahl(en), wie auch durch Sturm vnd vngewitter gekommen. Zwisch(en) d(en) 24. vnd 25. 9br Nachteß in der Morgen wacht ein Stürtzung vbergekriegt, so daß Schipf Zerbroch(en). Kundten mit bede pumpen eß nicht halten, hilt(en) eß vor die windt, selbige wahr ONO vnd O u. N. Den gantz(en) tag mit pumpen angehalten, Nahm alle 4 Vhr 1 fuß waßer zu. Deß abentz sahen kein landt. Den gandtzen nacht mit pumpen angehalt(en). Deß Morgenß sah(en) landt, die windt Stil vnd vom landt. /7b/ Hetten damahle(n) 10 fuß waßer im Schipf, wolte auch kein Ruder mehr höhren vnd zu dem wolte selbigeß vmb fallen, ging auch vber Mittag. Sahen kein Apperentzy129 daß Schipf zu Bergen; fuhren mit der both darvon. Straxß darauf fiehl daß Schipf vmb,130 wir hett(en) noch 1 ½ Meihl z(um) lande, gegen windt, woselbst wir mit abent ankehmen. Sahe(n) aber kein Gelegenheit Zu landen, den[n] vberal ein Rodtzig131 fast kust132. Die Leute auf dem Lande gaben durch Zeichen so viel zu verstehen, wir solten Nordt wertz beßer Royen133, welcheß den(n) gefolget vnd haben sie vnß an ein ort gewieß(en) in ein Sandt Bay, daselbst wir durch ihre Hülffe – den(n) ohne dem vnmugl(ich) ein mensch anß landt hette lebendig komm(en) können – wunderbarhliche weiße seint zu lande geholfen, doch Meist alle halb todt vnd verfult134 von Waßer, den(n) der both gandtz vmb gewurff(en), vnd Ich gahr nicht weiß wie ich geborgen bin. Gotteß wunderliche Hulffhandt hat sich in der Zeit durch dehren gutt Leute Rettung sehen laß(en). Der Ort heist St. Abbenhofft135 in Schotlandt vnd daß Dorff, so vnß Einbracht(en), heist Redehyw136; barmherzige vnd guthige137 Leute. Der große wunderbahrer Gott sey vor seine gnedige Errettung aus dieser Elendt, der vnß gesundt hat die Erde wieder138 betreten laß(en), von Hertz(en) 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
Huck: eine kleine hervorragende Ecke oder Spitze des Landes. Stadt: vgl. oben. 116, Anm. 110. Doggerß Sandt = Doggerbank; in der Nordsee ungefähr auf der Höhe Yorkshires im Osten und dem Ringköpingfjord im Westen. Im Original steht „lanß“. Apperentzy = apparence, frz. Anschein, Wahrscheinlichkeit. Von einer Strandung des Schiffes (Pust, Art. Bischoff, Peter, 89) kann also nicht die Rede sein. Vgl. auch unten, 147. Rodtzig = rotsig (niederl.), felsig. ein Rodtzig fast kust: eine felsige, feste Küste. Rojen: rudern. verfult = aus-, angefüllt. St. Abbenhofft = St. Abbs Head, Vorgebirge südöstlich von Dunbar in Berwickshire, SüdSchottland. Redehyw = Redheugh, zwischen Dunbar und St. Abbs Head. Im Original steht „guthutige“. Im Original folgt hier ein zweites „wieder“.
2. Bischoff
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Danck; der Erstatte den Schaden tausentfeltig vnd Erwecke frommen hertz(en), die vnßere in diß(er) trubsal annehmen. Amen. /8a/
Ao 1677 Nach dem ich nun wie gemeldet in Schotlandt zu lande gekommen, habe d(en) 27. 9br durch Befodrung mein[es] wirth[es]139 die H. Deputirten auß Dambahr140 vber die See Kust141 vnd ein Notarius zu vnß gekriegt, die vnß in Eydt genommen, wie vnd welcher gestaldt daß Schipf verlohren, vnd daruber Ihren gezeugniß erhalten, auch ein paß vnd Befoderungs Brief, daß wir aller wegen frey durch kommen hetten.142 D(en) 28. bin ich zu143 Dambahr geweß(en), liegt der bey Baß144. Dem 29. darvon vnd zu Edenburg der Haubt Stadt in Schotl(and), 26 Meihlen vor Dambar. Daselbst mit ein Kaufman Mester Beliha145 gehandelt, daß er vnß both vnd andere Kleinigkeiten behalten. D(en) 29. von Edenburg vnd den 30. 9br wieder zu vnß Volck in Redehyw gekomm(en). D(en) 2. 10br von dar mit vnß both nach Redehyw, sage Dambar gerudert, d(en) 3. dießes von dar nach Liedt146, vnter wegenß die Bas vnd Presternans147, Nord barges148, Hein Kiff149 passirt. D(en) 4. zu Liedt gekomm(en); darselbst gelegen in der gulden Lew biß d(en) 18. 10br. Von dar mit Capitein Gillis150 ab gesiegelt willenß nach Rotterdam [zu fahren], daß Schipf genandt Jungfer 139 140 141 142
143 144 145
146 147 148 149 150
Es fällt auf, dass Bischoff, der sonst stets Namen nennt, das hier und im Folgenden („der Man im Hauße“) nicht tut. Dambahr = Dunbar, vor der Mündung des Firth of Forth. See Kust: Kust, holl. Küste. Wir danken Kathrin Zickerman, St. Andrews sowie auch auch Silke und Hartmut Lehmann für die leider vergeblichen Versuche in den National Archives of Scotland, Edinburgh, die entsprechenden schottischen Quellen zu finden. Das Scheitern dieser Versuche ist darin begründet, dass die entsprechende Küstenregion den deputies des Court of Admirality – dessen Überlieferung selbst gut ist – unterstanden, die nur Handakten führten. Frdl. Mitteilung von Sue Mowat, Edinburgh. E-Mail vom 15.3.2012. Hier folgt ein gestrichenes Wort. Baß = Bass Rock, auch The Bass, eine heute unbewohnte Insel im Südosten des Firth of Forth vor der Küste der schottischen Region East Lothian. Damals ein berüchtigtes Gefängnis. Kaufman Mester Beliha (unten Johan Beliehaa): konnte nicht identifiziert werden. Wir danken Richard Hunter, City Archives Edinburgh, für seine mit dem Hinweis auf zahlreiche nicht verzeichnete Serien versehene Auskunft vom 22.9.2011. Auch Sue Mowat, Edinburgh, war dieser Name völlig unbekannt. E-Mail vom 5.3.2012. Liedt = Leith, damals eine wichtige Hafenstadt vor Edinburgh, heute Stadtteil der schottischen Hauptstadt. Prestermans = Prestonpans, kleine Stadt östlich von Edinburgh in East Lothian. Nord barges = North Berwick. Hein Kiff = Inchkeith Island, Insel im Firth of Forth zwischen Prestonpans und Edinburgh. Jon Gillis = John Gillies, Kaperer- und Handelsschiffskapitän. Zuerst erwähnt in schottischen Quellen 1659. Dokumentiert sind Fahrten nach London, Rotterdam und Hamburg (1683). Wir danken Sue Mowat, Edinburgh, für diese Informationen und Eric Graham dafür, dass er den Kontakt vermittelt hat. John Gillies aus Leith taucht auch in einer Liste von Kaperern des zweiten englisch-holländischen Krieges 1665–7 auf bei Eric J. Graham, A Maritime History of Scotland, 1650–1790, East Linton 2002, 21.
Schiffbruch!
120
Ch(r)istina. D(en) 24. 10br alß weinacht(en) abent muß(ten) wir weg(en) Contrary windt in Heylig Eylandt151 binnen lauf(en), daselbst in der Heilig weihnacht(en) gelegen. Vor mir gefunden /8b/ Hanß Lorenzen152 auf ein frandsch153 Caper, der ihn mit ein Lubischenen genommen, mit den ich große mit leidenheit gehabt vnd gerne wolte loß haben, allein es wahr vergeblich; muste mit nach Cales154 in franckrei(c)he. 3ten heilig Tag sint wir mit der frandsch(en) Caper Captein vergeselschaftet nach Barwick155 gefahren, daß nechst(en) Tages wieder zurück. D(en) 30. Xbr mit gutem winde wieder Siegel gemachet vnd pasireten Bambery156, d(en) 31. dito Scherren Burg157. Daselbst geanckert, die windt Stihl. D(en) 1. January vnter Flamburg158 Weg(en) Stilte geanckert, d(en) 2. dito darvon, d(en) 3 dito geanckert vnter Haßburg159. D(en) 4. deß Morgenß vnß Ancker verlohren. Mittageß auf die reid[e] vor Jarmayden160 gekommen, daselbst mit Contrary windt gelegen biß d(en) 20. Jan. vnd weihl kein farth zu vermuth(en), den(n) eß frohr hart, so habe mich mit ein Kutz bedung(en) auf London. Deß Morgenß fruh auß Jarmyd(en), pasirten Bickels161, Kläldsen163, Sexmundum165, Wodbritz167, Ipsitz169 von da nach 151 152
153 154 155
156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168
Colschester162, Wittim164, Schienfort166, Ingerstan168, Bundtwod170.
Heylig Eylandt = Holy Island, auch Lindisfarne, an der Nordostküste Northumberlands. Hanß Lorenzen (1662–1699), Sohn von Lorenz Ketelsen, führte nach seiner Freilassung ein von zahlreichen Unglücksfällen geprägtes internationales Kaufmannsleben, vgl. Gerhard Kraack, Das Flensburger Schiffergelag in Vergangenheit und Gegenwart, Flensburg 1979, 70 f. Er „hatte eigentlich bei Hinrich Hornemann in Drontheim die Kaufmannschaft erlernen sollen…, wurde aber durch unglückliche Umstände [die hier geschildert werden] nach Amsterdam verschlagen und trat dort bei dem Bruder seiner Mutter Lorenz Ketelsen in die Lehre“, Kraack, Geburtsbriefe, 45. Nach Bischoff heißt der Vater Lorenz Ketelsen. Frandsch: französisch. Cales = Calais. Barwick = Berwick-upon-Tweed. Da Berwick nördlich von Holy Island liegt, sind sie an Land gegangen und nach Berwick hin- und zurückgefahren. Das Land ist von Holy Island bei Ebbe erreichbar. Bambery = Bamburgh in Northumberland. Scherren Burg = Scarborough. Flamburg = Flamborough Head. Haßburg = Happsburgh nördlich von Winterton on Sea. Jarmayden = Great Yarmouth. Bickels = Beccles. Colschester = Colchester. Kieldsen (schlecht zu lesen, da verbessert): vermutlich. Kelsale, nördlich von Sexmundam. Wittim = Witham. Sexmundum = Saxmundham. Schienfort = Chelmsford. Wodbritz = Woodbridge. Ingerstan = Ingatestone.
2. Bischoff
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D(en) 23. Abentz in London. Daselbst in Heinrich Frelleß(en)171 Kreier so da gelegen biß d(en) 1. Feb. [geschlafen]. In mittler Zeit mich der in alle welt berühmte Stadt London wolbekandt gemacht, da dan[n] ich von da auf Doven172 meine reiße vort gesetzet. /9a/
Ao 1678 D(en) 1. Febr. wie gedacht von London abgereist mit ein Kutsch, wie alda gebreuchl(ich). Passirten Dortford173, Rochester, deß abentz zu Sittingburg174 gekomm(en). D(en) 2. dito darvon. Mittag in die beruhmte Stadt Cantebury175 gespeißet, deß Abentz zu Doveren. D(en) 4. Feb. auß Doveren mit daß paket both Vber daß Canel nach Cales gefahren, alda Morgenß Gekommen, deß abentz diß zeit176 Dunkirch geschlaff(en). D(en) 5. durch177 Dunkirch vnd deß Abentz doch Erst Veuren178 passirt vnd so da(nn) deß Nachtenß In Neyport179 in Flandern geschlaff(en). D(en) 6. dito Morgenß darvon nach Ostende vnd so nach Brugge; daselbst den nacht geblieben. D(en) 7. dito darvon vnd durch Schlüß180 vnd ferner zu waßer; deß abentz in Flissingen181. Deß andern tageß alß d(en) 8. dito nach Milddelburg182, von dar auf Terver183, daselbst den nacht geblieben. D(en) 9. dito darvon. Passirt(en) Siercksee184, Willemstadt185, deß Abentz zu Dordrecht. D(en) 10. früh in Rotterdam, von dar auf Delfft vnd so nach der Haag vnd dan auf Leiden, Harlem. Des Abentz 9 Uhr in Amsterdam. Alda bey H(errn) Jacob Bartelßen186 geweß(en) biß d(en) 12. Mart[i]j.
169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186
Ipsitz = Ipswich. Bundtwood = Brentwood. Laut Hvidtfeldt og Iversen, 229, begann Hinrich Frellesen 1696 den Handel Apenrades mit England. Das geschah also fast zwanzig Jahre früher. Doven, Doveren = Dover. Dortford = Dartford. Sittingburg = Sittingbourne. Cantebury = Canterbury. diß zeit = diesseits. Im Original folgt ein zweites “durch“. Veuren: Veurne (Veurnen bzw. Furnes). Neyport in Flandern: Nieuwpoort. Schlüß, Schleuß = Sluis. Flißingen = Vlissingen. Milddenburg = Middelburg, nördlich von Vlissingen. Terver: anderer Name für die Stadt Veere. Siercksee = Zierikzee. Willemstadt = Willemstad. Jacob Bartelßen: Es liegt nahe zu vermuten, dass es sich um den Ehemann der Schwester von Bischoffs Patron Magnus Paulsen handelt. Vgl. unten, 162. Über Jacob Bartelsen ist sonst nur bekannt, dass er noch 1688 Bevollmächtigter einer Flensburgerin in Amsterdam – er wird als Einwohner der Stadt bezeichnet – in einer Erbschaftsangelegenheit war. Vgl. Kraack, Geburtsbriefe, 160 f.
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Schiffbruch!
Alda [dar]von vnd nach Stavere187, in Frießlandt, vmb von dahr mit Schipfer Dode Siblis188 von Molqueren189 nach Drontem zu siegeln. /9b/
Ao 1678 D(en) 16. Mart[i]j zu Staveren gekommen: Alda im Lande vmb her geweß(en) als zu Molqueren, Hinloppen,190 Caudum,191 Warns192 vnd sonsten durch eß193 Landt. – D(en) 22. dito von Staveren gesiegelt mit Schipper Dode Siblis et Otte Martens194, die Byß195 genandt die Hoffnung196 von Molqueren. D(en) 23 inß Vlie197, d(en) 26. dito darvon, d(en) 31. dito auf Drontemß Liedt vnd d(en) 13. April glücklich vor Drontem gelanget. Gott allein die Ehre. –198
Ao 1678, d(en) 5. Juny Sonabent Mit Heinrich Harmenßen199 von Apenrade, sein Schipff Genannt die Fortun, gesiegelt uon Drontem. Dito Pfingsten tag unter Örelandt200. Dito umb Mittag bin ich von ihm abgegangen bey Grib201. Dito deß abentz [bin] ich [in] Fosen202 [angelanget]. D(en) 9.
187 188
189
190
191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202
Stavere: Stavoren, Küstenort am Ijsselmeer. Ehemals eine bedeutende Handelsstadt. Dode Siblis = Doede Sibles, genannt als Schiffer für Trondheimer Reeder und Kaufleute wie Henrik Hornemann und Lorenz Mortensen Angell. Vgl. Berg, 36, 44. Er lässt sich als Einwohner Trondheims nachweisen: vgl. Etterskrevne skipsrum og fartøyer er nå Trondhjems bys invånere tilhøring, 1691–92, Nr. 12, in: Trondhjems borgerskap 1680–1730: utvalgte kilder, Tore Hermundsson Vigerust (red), Oslo 2000, 45. Molqueren: Molkwerum, Dorf im westlichen Friesland (Westergo) am IJsselmeer, eine Meile südlich von Stavoren. Wegen seiner Eigenheiten in Sprache und Kleidung im 17. und 18. Jahrhundert bekannt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es regen Schiffsverkehr zwischen den Orten am IJsselmeer wie Molkwerum und Hindelopen und Trondheim. Vgl. Maria Wessel Klöcker, Økonomiske forhold in Trondhejm i tiden 1600–1656, Trondheim 1943, 11 f. Hinloppen = Hindeloopen, Dorf zwischen Stavoren und Workum am Ijsselmeer (Zuidersee) wie Molkwerum wegen Eigenheiten der Sprache und Kleidung im 17. und 18. Jahrhundert bekannt. Vgl. die Anm. zu Molkwerum. Caudum = Koudum, Dorf im westlichen Westfriesland. Warns: Dorf im westlichen Westfriesland. durch eß Landt: durchs Land. Otte Martens: nicht identifiziert. Byß: Büse, ein holländischer Schiffstyp, der als Handelsschiff und zum Heringsfang eingesetzt wurde. Im Original folgt hier ein weiteres „genanndt“. Vlie: Vlie oder auch Vliestrom: der Meeresstrom zu und zwischen den Inseln Terschelling und Vlieland. Der folgende Absatz befindet sich irrtümlich im „Schiffbruch von 1677“. Heinrich Harmenßen, als Schiffer aus Apenrade bezeugt; StadtA FL, A 34, RP 1674, Bd, 17, 366 b. Örelandt = Halbinsel an der Nordseite des Ausganges des Trondheimer Fjords. Grib: kleine Insel südwestlich von Kristiansund. Fosen, weiter unten Foesen: bis 1742 Bezeichnung von Kristiansund.
2. Bischoff
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Dito wiederumb uon foeßen und deß nachteß in Surendahl203. Alda zu lande gegang(en) und des abentz Zu Medalß204 Kuperwerk gekommen; ist 10 meihlen. Deß Nachteß alda bey Jenß Erichß(en)205 gelegen. Deß Morgenß um 9 Vhr Zu Önkedalß ohr206, 3 M.; deß abentz zu Drontem 3 M. D(en) 11. Septemb(e)r Mit Schipfer Pauel Jacobß(en)207, sein Schipf genandt St. Peter von Flensburg, von Drontem gesiegelt. D(en) 1. 8br in Foßen gekommen, alda gelegen biß d(en) 14. Xbr wir In See gegangen. D(en) 21. dito die Lengte von Olde208 ein großer Sturm auß NNW vnß vber fallen v(nd) daß so vnuermuthl(ich) in der Morgen Stunde, daß unsere Siegels nicht kundten Bergen, mit großer noth endtl(ich) in Bandt gekriegt. Den gandtz(en) tag vnd weihnachten ein gahr greulicher Sturm, lensten vor ein Sch.209 gereffde fock; daß waß[er] flog wie Schne. Daß Schipf wardt leck, auch so verfült von Stürtzung weinachten nacht, daß keiner gedacht daß leb[en) darvon zu bringen. Gott halff unser dieße nacht wunderbarhl(ich) durch. Morgenß alß weinachten tag gegen Mittag beßer wetter. Mit Abent konnten vnter daß landt bey der Neß210. D(en) 27. dito als dritten weinachtentag Schagen passiret, d(en) 29. dito zu Elsenör211, d(en) 31. dito als Ney iahrs abent zu Coppenhagen angelanget. Gott Sey danck, der vnß auß dieser gefahr so gnediglich Errettet. In Coppenhagen habe ich gelegen biß Ao 79 d(en) 29. Febr. Mit der fahrende post nach Flenßb(urg) gefahren, alda d(en) 6. Mart[i]j mit liebe gekommen. /10a/
Ao 1679 D(en) 10. Marty von Flensburgh auf Hamburg gefahren, alda d(en) 15. dito angelanget. Von Hamburg d(en) 10. Ap(ril) Mit Schipfer Georg Jansen212, daß Schipf genandt daß Wape(n) von NeyCastel, d(en) 14. dito vnter der flamsche Bancken213 von Ein Capper vberfallen. D(en) 16. verlohren bede vnßere Anckern bey Orfordt
203 204
205 206 207 208
209 210 211 212 213
Surendahl = Surnadal südöstlich von Kristiansund. Medalß = Meldal, das 1656 eröffnete Kupferbergwerk Løkken in Meldal, ca. 30 km südwestlich von Trondheim. Zum Kupferexport von dort s. Ida Bull, City Merchants as Structuring Element in the Norwegian Region Trøndelag, in: Holger Thomas Gräf (Hrsg.), Städtelandschaft. Städte im regionalen Kontext in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln u. a. 2004, 178 f. Jenß Erichß(en): nicht identifiziert. Önkedahlß ohr = Orkdalsøra, auch Orkdalsøren genannt. Frdl. Hinweis von Maria Press, Statsarkivet Trondheim. E-Mail vom 20.4.2012. Pauel Jacobßsen: nicht identifiziert. Lengte von Olde: auf alten Karten zwischen Orgenal und Utvaer. Vielleicht bezieht sich die Ortsangabe auf die Gletscher am Ende des Nordfjords, die als Orientierungszeichen gedient haben könnten und in deren Nähe der Ort Olden liegt. Sch.: Bedeutung unklar. Neß = Lindesnes, südlichste Landspitze Norwegens. Elsenör = Helsingör. Georg Jansen: nicht identifiziert. flamsche Banken = Flämische Bucht.
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Schiffbruch!
Nes214. Kehmen doch d(en) 18. dießes glückl(ich) in London in Engelandt mit daß Schipf so weit behalten. – D(en) 6. May mit Schipfer Heinrich Freleßen215, daß Schipf genandt St. Johanes von Apenrade, von London gesiegelt nach Ryßlandt. D(en) 7. dito zu Gravesandt216 klar gemachet, d(en) 13. dito wegen Contrary windt in Horwitz217 gelauffen, d(en) 15. dito wieder darvon. D(en) 19. auf der Höhe von 59 graden ein Caper oder hollandtsch Creutzer vnß gesproch(en). D(en) 28. dito die Nordt Kap passirt vnd d(en) 30. dito In Wardehuß Sundt218 geanckert; alda gelegen, biß d(en) 13. Juny. Alle tag Mist, Schne, Sturm vnd ungewitter. – D(en) 15. dito lob Gott glückli(ch) in Ryßlandt in Sypenwold219 auf Fischer Eylandt220 geanckert. D(en) 6. July Kauf getroff(en), alß 16 Rubel 1000 fisch vnd 3 Rubel 1½ Ort221 die to[nne] tran. D(en) 13. dito vnßere Ladung ein gehabt, seint in Streidt mit Solwancken222 gekommen, daruber großer Schlegerey Entstanden. Kehmen mit Einß vnter Siegel vnd entlief(en) frei. – D(en) 14. dito in Wardehuß, d(en) 18. dito auß Wardehuß Sundt gesiegeldt, d(en) 6. Aug. in Fosen auf Drontemß Liedt geanckert. Von dar d(en) 13. dito binnen Scherß nach Bergen gesiegeldt, auß furcht vor Capperß. D(en) 18. dito zu Berg(en) gekommen, d(en) 20. dito darvon vnd in Strud haven223, alda nach Comvoy gelegen bey der Vogel Phenix, so von Ost Indien224 gekommen. Geleg(en) biß 27.7br Siegel gegang[en]. D(en) 18.8br Binnen Schagen feur in vns Hutt gekommen, doch wieder geleschet. D(en) 22. zu Friedericia vnd d(en) 23. zu Flensb(urg). Gott allein die Ehre. Amen. /10b/
Ao 1680 D(en) 25. Marty von Flensburg gesiegelt mit Schipfer Heinrich Harmenß(en)225, sein Kr[e]ier genandt Fortuna von Apenrade. D(en) 27. dito auf Nedsteder reide geanckert. Alda von ab nach Eingenommener Ladung d(en) 12. April; d(en) 15. dito zu Neyburg klar gemachet; d(en) 18. dito Schagen passirt. D(en) 20. dito alß Oster tag mit ein 214 215 216 217 218 219 220 221 222
223 224 225
Orfordt Nes = Orford Ness, Landzunge in Suffolk. Zu Frellesen vgl. oben, 114, Anm. 83; 121, Anm. 171. Gravesandt = Gravesend. Horwitz = Harwich. Wardehuß sundt: s. oben, 113, Anm. 74. Sypenwold: s. oben, 113, Anm, 75. Fischer Eilandt: russ. Rybachy-Halbinsel, norw. Fiskerhalvöya; östl. von Kirkenes. Ort: der vierte Teil einer Courant-Münze. Solwancken: möglicherweise Bewohner der Klosterinsel Solveckij Ostorova, Schreibweise auf alten holländischen Karten Soulofki. Freundlicher Hinweis von Ludwig Steindorff, Kiel. Die Holländer holten Fisch und Tran von den Pomoren an der Küste des Weißen Meeres. Man kann daher nicht sicher sein, ob es sich nicht auch hier um einen Volksstamm handelt, zumal da sich russische Namen auf der Felsplatte auf Anikiyev für diese Zeit nicht finden. Strud haven = Strudshaven; in der unmittelbaren Nähe von Bergen, doch weiter seewärts. Ost-Indien: der indische Subkontinent und die weiter östlich liegenden Staaten einschließlich der holländischen Kolonie Batavia auf Java. Harmenßen, s. oben, 112, Anm. 67.
2. Bischoff
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greulich Sturm auß OSO befallen; die lengte von der Neß, vnßere Seihlß226 in Stücke. Lensten vor top vnd tackel, daß Schipf verfult zu vnterschiedtl(ichen) mahlen, daß wir gedachten daß riemmen wehr227 wieder gerieß(en). D(en) 30. Ap(ril) Lob Gott mit behalten zu Drontem. – D(en) 20. Sebt. [sic] darvon gesiegelt mit Schipfer Asmuß Steg228, daß Schipf genandt daß vergulde Apel von Sonderb(urg). D(en) 27. dito in See gegangen, d(en) 29. dito binnen Schag(en) gekommen, d(en) 1. 8br glücklich in Elsenör, d(en) 2. dito auf Coppenhagner reide, von dar d(en) 8. dito vnd deß Abentz zu Kuck229 oder auf die reide geanckert. Alda die Meiste Ladung verhandelt, vnd d(en) 22. dito darvon, selbigen abent, die windt Contrary, vnter Drackö230 geanckert. D(en) 5. 9br darvon vnd den 6. dito In Sönderburg angelanget. D(en) 9. dito darvon vnd des abentz lob Gott zu Flensb(urg). Gott sey danck vor behalten. Amen. /11a/
Ao 1681 D(en) 13. Marty pr.231 Schipfer Tomaß Niß(en)232, sein Schutte von Flenßb(urg) gesiegelt. D(en) 15. dito zu Stubeköping233. Darvon zu Lande Vber Wardung burg234 vnd Köck235 nach Coppenhag(en) gegangen, von dar mit Schipfer Clauß Sedin236, sein gallioth237 genant St. Peter von Flenßb(urg). D(en) 28. dito gesiegelt nach Köck, alda gekommen d(en) 2 April. Daselbst vnßere Ladung ein gehabt, seint darvon gesiegelt d(en) 5. Ap(ril). NB: Ist meine Erste Reiße, die ich vor Steurman angenommen. D(en) 8. dito zu Elsenör klar geworden, d(en) 18. April auf Drontemß Liedt gekommen. Den Nacht Zwisch(en) 18. vnd 19. May Branndte der gutte Stadt Drontem gandtz ab238, blieb nicht mehr vbrig alß der thumb Kirch, Lateinsche Schuhl, daß Schloß, Hospital vnd einige fischer Heuser, Sonst(en) alleß in die asche. Gott Erstatte den Schad(en) 1000 feltig. D(en) 20. dito zu Drontem gekommen. –
226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237
238
Seihlß = Segel. Lesart unsicher. Asmuß Steg: Gründungsmitglied des 1680 erneut etablierten Sønderburg Skipperlaug, vgl. Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 1680. Kuck (im Folgenden auch Köck) = Køge, südlich von Kopenhagen. Drackö = Drejø, dänische Insel südlich von Fünen, östlich von Svendborg. pr.: per = durch. Tomaß Nißen, s.o. 114, Anm. 80. Stubeköping = Stubbeköbing auf Falster. wardung burg: Vordingborg, Stadt im äußersten Süden Seelands. Köck = Køge, an der Ostküste Seelands. Clauß Sedin wird vom sogenannten Kapitänsregister des Flensburger Stadtarchivs mit diesem Schiff und für 1696 mit dem Schiff St. Benjamin von Flensburg aufgeführt. Gallioth = Galiot, mittelgroßes Rundgattschiff (ein Schiff, das vorn und hinten abgerundet ist) und zwei, seltener drei Segel führt). Dieser Schiffstyp niederländischen Ursprungs kam im 17. Jh. auf. In der Geschichte der Stadt bekannt als der Hornemann-Brand.
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Schiffbruch!
Abb. 5: Historische Karte der Kola-Halbinsel D(en) 29. May darvon gesiegelt, d(en) 12. Juny in See gegangen. D(en) 24. Juny bin mit ein Fieber vberfallen, so mir 22 Woch(en) gefolget. D(en) 26. dito die Nordt Kap passirt, d(en) 27. dito in Wardehuß sundt geanckert, d(en) 29. dito darvon, selbig abent in 239 Sipenewolck geanckert, vnter Fischerß Eylandt. Lob sey Gott. D(en) 3. July Kauf auf 239
Sipenewolck: s. oben, 113, Anm. 75.
2. Bischoff
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der fisch gemachet a 1000 12 Rubel, a t tran 3 Rubel. D(en) 18. July darvon gesiegelt, d(en) 21. dito die Nordt Kap passirt, d(en) 19. August binnen Schagen gekommen. D(en) 27. dito zu Friederica klar geworden, d(en) 28. darvon vnd d(en) 30. Aug. Lob Gott zu Flenßb(urg). –
D(en) 25. 8br Mit Tohmaß Mattiß(en)240 von Flenßb(urg) sein Schutt nach langelandt(schen) Köping241, alda angelanget 28. dito. Nach Eingenommen Ladung d(en) 29. 9br Darv(on) gesiegeldt vnd d(en) 5. 10br Lob got zu Flenßb(urg) angelanget. /11b/
Ao 1682 D(en) 21. Marty von hier auf Sönderburg. Von dar pr. Schipfer Christian Frost auf Drontem gesiegeldt d(en) 24. dito, die Schutte, genandt die verguldete Rohse. D(en) 27. dito zu Friedericia klar gemachet, den 12. April Schagen passirt, den 28. dito in Walderhoff242 zu Ankerß gekommen, d(en) 21. May nach außgestandener Contrary wind(t) zu Drontem angelanget. – D(en) 11. Juny Mit Schipfer Christian Frost von Drontem gesiegeldt, den 20. dito bey Grib243 in See gegangen vnd also mit Contrary windt die See geplüget, biß d(en) 30. July in Wardehuß seint gekommen. Daselbst vernommen von Heinrich Harmenß(en) vnd Jacob Hanß(en)244, so von die Rusche Kust gekommen, daß nichteß zu krieg[en] auf Fischerß Eylandt vnd daß sie nicht vol geladen word(en). Al[so] mußten vnßere reiße ledig zu Ruck stell(en). – D(en) 5. Aug. auß Wardehuß gesiegelt, d(en) 10. dito die Kap passirt, d(en) 30. Aug. ist vnß Tolk245 in Drontemß Bucht gestorben, den wir begraben auf Bommel246 Kirchhoff d(en) 8. 7br. D(en) 13. dito in Findör247 od(er) Kali ford248 holdtz ein genommen. D(en) 16. dito binnen Schagen mit ein fliegender Sturm auß WSW vnd W; kundt(en) nicht mehr alß ein geriffde Schon verseil249 führen. Die windt ging al250 Nordtl(ich) auf WNW. 11 Uhr seint zu stoß(en) gekomm(en), in daß Anker wolten 240
241 242 243 244
245 246 247 248 249 250
Tohmaß Mattißen, wohl identisch mit dem Schiffer Tomas Mattysen aus Kollund, der 1654 Bürger in Flensburg wurde. Mitglied des Schiffergelags 1667–1680, gest. 1682. Vgl. Bürgerbuch, Bd. 1, 263. Köping: Rudköping auf Langeland. Walderhoff = Walderhaug, nahe Ǻlesund, auf der Insel Valderøya. Grib = Grip, Insel nordwestlich von Kristiansund, am Anfang der Fahrrinne nach Trondheim. Jacob Hanßen: der Name ist sehr häufig. Das Flensburger Schiffergelag verzeichnet zwei Mitglieder dieses Namens. Der erste trat 1670/71, der zweite 1691 dem Schiffergelag bei. Nach 1694 wurde nur noch einer dieses Namens geführt. StadtA Flensburg XII V Schg 1.10, Bd. 1.1. - 1677 wurde ein Schiff eines Jacob Hanßen registriert, das 80 Lasten fasste und auf der Fahrt von Amsterdam in die Ostsee war. StadtA FL, A 319, Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. – Einer der beiden starb 1699. Vgl. StadtA FL A 795. Tolck: mhd. (aber auch noch in Grimms Wörterbuch) und dän., Dolmetscher. Bommel = Bømlo, Inselgruppe zwischen Bergen und Stavanger. Findör = Findoe im Boknafjord. Kaliford = auf alten Karten Karsfjord: Boknafjord nahe Stavanger. Schon verseil = Schoversegel (fälschlich auch Schönfahrsegel): großes Segel des Hauptmastes. al: ganz.
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Schiffbruch!
fallen lassen251, auf einige Steinrodtz252, so 1 Meihl NW von Lesö253 liegen. Gott halff vnß wunderbarhl(ich) darvon. D(en) 3. 8br zu Friedericia vnd d(en) 6. dito zu Sönderb[ur]g. Gott lob vor behalt(en) vnd Erstatte den schaden nach sein(en) gnedig(en) will(en). Amen. /12a/
Ao 1683 D(en) 3. May Mit Schipfer Jürgen Peterß(en)254 von Flen[s]b(urg) gesiegelt, daß Schipf genandt Simbson. D(en) 8. dito auf Nedsted reide gelanget. Darvon gesiegelt d(en) 25. dito, d(en) 26 dito zu Neyburg klar geworden, d(en) 27. dito von Neyburg gesiegelt, d(en) 29. Schagen passirt. D(en) 8. Juny auf die lengte von Bommel255. Auf Berger Liedt durch Sturm vnß bei......256 vber bordt gesiegelt, daß Schipf auch sehr leck, 300 Steg257 Jeder glaß258. D(en) 17. dito auf Drontemß liedt. D(en) 23. dito mit großer Sorg vnd Muhe zu Drontem, lob Gott. – D(en) 6. Aug. wieder von Drontem mit selbigem Schipf. D(en) 8. dito in See, d(en) 19. dito binnen Orford Nes259 gekommen, d(en) 22. dito, Lob Gott, zu London In Engelandt. Gott lob vor so weit behalten. – D(en) 26. 7br von London gesiegelt mit selbig(em) Schipf, d(en) 30. dito in See gelanget. D(en) 1. 8br mit Contrary windt zu Rück vnd In Herwitz260 binnen gelaufen, alda gelegen biß d(en) 8. dito, darvon vnd d(en) 12. dito binnen Schagen gekommen. D(en) 13. Nachteß zu Neyburg, D(en) 15. dito glückl. zu Flenßb(urg). Gott sey danck vor behalten. Amen. – /12b/
Ao 1684 Den 24. April Mit gedachten Schipfer Jurgen Peterß(en) von hier auf Nedsted, alda d(en) 25. dto261 gelanget, alda darvon gesiegelt. Nach ein genommen(er) Ladung. D(en) 13. Maj darvon vnd nach Cassir262, alda den rest ein genommen, d(en) 24. dito
251 252 253 254
255 256 257 258 259 260 261 262
In heutigem Deutsch: als wir den Anker fallen lassen wollten. Steinrodtz: zusammengesetzt aus Stein und rodtz, niederl. Felsen. Lesö = Læsø, vgl. oben, 113, Anm. 79. Zu unterscheiden von dem Jürgen Petersen des Jahres 1677. Der Schiffer Jürgen (Petersen) Bladt (Blay?) aus Sonderburg wurde 1687 Bürger Flensburgs; gest. 1716. Bürgerbuch, Bd. 1, 313. 1689 verunglückte er mit dem Schiff Fortuna bei Vingindsoehr [Kvitsøya] vor der Küste Norwegens und ließ sich durch Peter Bischoff ein Attest vom Rat ausstellen. StadtA FL, A 34, Bd. 19, 238 (23. Febr. 1690). lengte von Bommel: s. oben, 127, Anm. 246. Unleserlich. Steg = Stich, das jedesmalige Auf- und Niederholen des Pumpenschubs mit der Hand. Glaß: halbe Stunde. Orford Nes, vgl. oben, 124, Anm. 214. Herwitz = Harwich. dito oder dießes: Lesart unsicher. Cassir = Korsör auf Seeland.
2. Bischoff
129
darvon vnd d(en) 30. dito passirten Schagen vnd nach außgestandener harter wind(t) vnd wetter Lob Gott d(en) 17. Juny in Drontem wol angelanget. – D(en) 12. Aug. Im Nahmen Gotteß mit selbige(m) Schipf von Drontem gesiegelt, D(en) 17. dito in See gegang[en], d(en) 26. dito Heilig Landt263 gesehen, selbigen Abent binnen Schorton264, d(en) 27. dito zu Glückstadt geanckert, d(en) 28. dito zu Neymöhlen265, d(en) 5. 7br vor der bohm266 vor Hamburg. – D(en) 7. 7br bin ich von Hamburg gefahre(n) vnd d(en) 9. dito lob Gott in Flenß(urg). Gott sey Ewig Danck vor behalten reiße vmb Christi will(en). Amen. /13a/
Ao 1685 Im Nahmen Gotteß mit Schipfer Lorentz Niß(en)267, sein Schutte daß vergulte Lahm268 (oder Kreier) d(en) 30. May von hier gesiegeldt. D(en) 2. Juny passirten Friedericia, d(en) 3. July auf Drontemß liedt vnd d(en) 6 dito zu Drontem angelanget. Lob Gott vor behalten. – D(en) 2. Aug. wieder von Drontem mit selbigem Schipfer. D(en) 5. dito in See gegangen bey Grib269, d(en) 18. dito binnen Schagen gekommen, d(en) 23. dito zu Friedercia, den selben tag darvon; deß negst folgenden tag zu Flenßb(urg). Gott sey hertzl(ich) Lob vnd danck vor behalten vmb Christi will(en). Amen. /13b/
Ao 1686 D(en) 21. Martij Mit Schipfer Lorentz Niß(en), die Kreier270 genandt daß vergulte Lahm, von flenßb(urg) gesiegelt. Alda, Nembl(ich) zu Friedercia angelanget, d(en) 23. dito zu Friedericia, d(en) 31. dito passirten Schagen. D(en) 9. April benorden Bergen mit Sturm vnd Contrary windt, auch ein Leck Schipf, so daß wir eß paß271 kundten ober waßer halten, alle glaß 400 Steg; haben vnter daß landt lodtz272 gekriegt, so vnß d(en) 8. dito Zu Bergen gebracht. Alda geloßet273 vnd d(en) 29. April
263 264 265 266 267
268 269 270 271 272 273
Heilig Landt = Helgoland. Vgl. oben, 115, Anm. 103. Neymöh1en = Neumühlen, Dorf westlich vom damals holsteinischen Altona. Bohm Baum: Sperre in der Elbe an der Einfahrt zum Niederhafen. Lorentz Nißen: Der Schiffer Lorenz Nissen wurde 1681/82 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA FL, XII V Schg 1.10, Bd.1.1. Später (1691) erscheint er neben anderen als Mitreeder eines Schiffes, an dem auch Peter Bischoff beteiligt war. Vgl. ebd., A 34, Bd. 19, 365 b. Aufgrund seines Todes soll 1703 ein neuer Ältermann gewählt werden.Vgl. ebd., A 795. Von Schiffern. Nachrichten ex protocollis, Ao 1703, fol. 10. Lahm = Lamm. Vgl. oben , 122, Anm. 201. Oben auf dieser Seite wird das Schiff als „Schute“ bezeichnet. Paß: kaum, gerade. Lodtz = Lotse. Losen: ndd. ein Schiff entladen; löschen.
130
Schiffbruch!
Mit Schipfer Peter Lohr Schow274 von Bergen gesiegelt. D(en) 2. May binnen Schag(en), d(en) 3. dito vnß ancker auß(er)275 Seeby276 verlohren, d(en) 6. dito zu Friedericia, d(en) 12. Flenßb(urg), lob Got[t]. –
Abb. 6: Modellzeichnung eines Kreiers D(en) 19. Juny von Flenß(urg) gesiegeldt mit gedachtem Schipfer Lorentz Niß(en), d(en) 26. dito zu Friedericia, d(en) 5. July Schagen passirt, vnd nachdem wir auf die lengte von Jeder277 ein Sturm mußten außhalten, in 10 tag siegelte die Kreier Schadloß. Mußten in Sirwach278 binnen. Alda dieselb(e) verbeßert so weit mugl(ich), ein teihl Naß Korn vber bordt geworff(en) vnd die last gekuhlt279. [In] siegel gegang(en) d(en) 23. dito mit nörhl(ich)280 Contrary wind(t). Endl(ich) d(en) 9. August Gottlob zu Drontem angelanget. –
274 275 276 277 278 279 280
Peter Lohr Schouw: nicht identifiziert. Außer: vor. Seeby = Sæby, südlich von Skagen. Jeder = Jæren, früher Jæderen, Landspitze und gefährliches Riff (Jæren Rev) südlich von Stavanger. S. oben, 112, Anm. 66. Gekuhlt, kulen: wälzen oder rollend fortbewegen. Hier ist ein Umstauen der Fracht gemeint. Nörlich = nördlich.
2. Bischoff
131
D(en) 2. 7br Mit selbigem Schipfer im Nahmen Gotteß darvon vnd d(en) 19. dito in See gegang(en), d(en) 26. dito mit Contra[r]y windt in Wittinger281 geanckert, d(en) 8. 8br nach dem mit Sturm vnd Sydtl(ich) windt außer Schag(en) gehalten, daselbst bey daß feur282 geanckert. D(en) 9. darvon vnd binnen Schag(en) wieder geanckert vnd ein Sturm auß SO außhalt(en) mußen. D(en) 19. in Friederica angelanget vnd d(en) 21. 8br auf die grundt bey Linderom283 gesiegelt. Daselbst 800 dehl284 auß werf(en) müß(en), blieben flodt vnd kehren Lob Gott d(en) 26. dito zu Flenßb(urg) zurück. /14a/
Ao 1687 d(en) 3. April Im Nahmen Gotteß von hier auf Sönderburg, daselbst von abgesiegelt mit Schipfer Niß Becker285, sein Schutte genandt die Hoffnung von Sönderb(urg), d(en) 6. April. D(en) 7. dito zu Friedericia, d(en) 10. dito Schagen passirt, d(en) 22. Ap(ril) auf Berger Liedt gekommen, da dan[n] ich gandtz kranck geword(en). D(en) 24. dito zu Bergen alda in 14 tag(en) betlegerig geweß(en). Endl[ich] lob Gott wieder gesundt vnd d(en) 19. May mit Liebe darvon vnd d(en) 24. dito in See. D(en) 8. Juny die Nordt Kap passiret, d(en) 10. dito zu Wardehuß Sundt geanckert, d(en) 17. dito in Osteroff286 geanckert vnter Fischerß Eylandt. D(en) 20. July Kauf auf den fisch vnd tran gemachet, gegeben a 1000 fisch 20 Rubel, tran 4 Rubel. D(en) 31. July darvon gesiegelt vnd d(en) 5. Aug. die Nordt Kap passiret. D(en) 23. Aug. binnen Schagen gekomm(en). D(en) 30. Aug. zu Neyburg klar gemachet, darvon selbigen abent vnd d(en) 31. abent vnter Kiehler Fiorde geanckert. D(en) 1. 7br Lob Gott zu Flenßburg. Gott sey Ewig dank vor behalten. Amen. /14b/
Ao 1688 d(en) 29. Martij Mit Schipfer Carsten Becker287 von Flensburg, die Kreier genandt Salvator. D(en) 3. April zu Friedericia, d(en) 9. dito Schagen vorbey gesiegelt, d(en) 20. dito zu Berg(en). D(en) 23. May darvon gesiegelt mit gedacht(en) Schipfer. D(en) 24. dito in See, d(en) 4. Juny die Nordt Kap passirt, d(en) 5. selbig Dato in Wardehuß glück-
281 282 283 284 285 286 287
Wittinger = Hvittingsoe, heute Kvitsöy. Das feur: Es gab bei Skagen seit Ende des 16. Jahrhunderts ein Leuchtfeuer, da es sich um eine besonders gefährliche Stelle handelte. Linderom: die kleine Insel Linderum im Kleinen Belt, nördlich von Årø. Der Wechsel von „Teihl“ zu „Dehl“ fällt auf, aber es sind wohl kaum Diehlen gemeint. Niß Becker: Niß Petersen Becker, Gründungsmitglied des 1680 erneut etablierten Sønderburg Skipperlaug, vgl. Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 1680. Osteroff: Ostrov Anikiyev ist eine Insel (russ. Ostrov) ein wenig südlich der Fischerhalbinsel (Rybachiy Poluostrov). Carsten Becker wurde 1685/86 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA FL XII V Schg 1.10, Bd.1.1. 1691 waren er und Peter Bischoff Mitreeder des hier genannten Schiffes. StadtA Flensburg. A 34, Bd. 19, 365.
132
Schiffbruch!
l(ich) angelanget, d(en) 16. Juny darvon vnd selbigen Abent vnter Osteroff288 in Rußlandt geanckert. D(en) 21. July Kauf auf der fisch vnd tran gemachet, gegeb[en] 11 Rubel a 1000 fisch vnd 4 Rubel a t tran. D(en) 29. July darvon gesiegelt vnd d(en) 2. Aug. die lengte von die Nordt Kap. Von der Zeit an biß d(en) 23. 7br zu See mit großer Sturm vngewitter. [In] Mangel von Bier, waßer, grütz, Erbß(en) vnd Speck gerathen. Auch von solchen greulich(en) Stürtzungen vberfallen; both vnd die eine Seite mit die Kogen289 in Stück(en), Summa wahren zu lest gandtz redloß290 von allent; in 3 woch(en) kein waßer mehr alß Gott von oben gab; auch alle 5 tage Jeder Mensch 1 Kroß291 Bier; alleß war Vnter vnß geteilet. Einer von vnß(erem) volck gestorben Namen(s) Jenß Nielß(en)292, welchen 14 tagen todt binnen borde geführt, hernacher vber bordt geworff(en). D(en) 23. 7br kehm(en) bey Stadt in kein Hauen. D(en) 1. 8br darvon vnd binnen Scherß293 gegang(en), d(en) 2. dito zu Bergen, d(en) 3. darvon vnd d(en) 5. in See bey Schutt[nes]294, d(en) 2. dito binnen Schag(en), d(en) 12. dito zu Friederica. D(en) 16. dito Lob Gott auß dießer gefährl[ichen] reiße behalten anheimb gekomm(en). Gott allein die Ehre. Amen. /15a/
Ao 1689, d(en) 5. April Mit Schipfer Jenß Jepß(en)295, sein Schipf genandt St. Johanes, von Sönderburg gesiegelt. D(en) 6. dito auf Nedsted Reide geanckert, d(en) 15. dito darvon vnd d(en) 16. dito Zu Neyburg klar geworden, d(en) 19. dito Schagen passiret. D(en) 26. dito auf Drontemß Ledt gelanget vnd d(en) 28. dito glückl(ich) zu Drontem gekomm(en). – D(en) 29. May Mit benanten Schipfer darvon vnd selbig(e) Nacht in See, d(en) 10. Juny die Nordt Kap passirt, d(en) 12. dito in Wardehuß Sundt geanckert, d(en) 14. dito auß Wardehuß gesiegelt vnd selbig(en) Abent glückl(ich) in Osteroff geanckert. D(en) 18. Juny Kauf auf der Tran a t 4 Rubel, a 1000 fisch 11 Rubel. D(en) 16. dito od(er) July von Osteroff, d(en) 21. July die Lengte von der Nordt Kap, d(en) 6. Aug. binnen Schagen gekommen, d(en) 12. dito zu Friederica gelanget vnd d(en) 16. dito Lob Gott zu Flensburg. Gott allein die Ehre. Amen. /15b/
288
289 290
291 292 293 294 295
Schütt/Lorenzen, Segelschiffszeit, 99 lassen bei ihrer Wiedergabe dieses Jahres nicht nur drei Passagen ungekennzeichnet aus, sondern schreiben auch irrtümlich statt „vnter Osteroff“ „weiter osterwärts“. Kogen = Kojen (pl.), Kajüte, Wohn- und Schlafplätze auf kleinen Schiffen. Schütt/Lorenzen, 99 schreiben: „Logis“. redloß: es passt wohl weniger die engere seemännische Bedeutung (fahruntauglich, mänövrierunfähig) als die allgemeine: schwach, schadhaft, baufällig. Die Transkription „entbloßt“ von Schütt/Lorenzen, 99 ist nicht haltbar. Kroß = Kroos, Krug, Kanne. Jenß Nielßen: nicht identifiziert. binnen Scherß: innerhalb (hinter den) Schären gesegelt. Schutt[nes]: nicht eindeutig lesbar, auf alten Karten Schytenes, heute Skudenes. Jenß Jepßen: 1696 Mitglied des Sønderburg Skipperlaugs Vgl. Auswertung von Sønderborg Skipperlaugs Protocol, Museum Sønderylland, Sønderburg Skipperlaug, 2/30.
2. Bischoff
133
Ao 1690 d(en) 28. Mart[i]j Mit Schipfer Jenß Jepß(en) so vorgedacht von Sönderburg gesiegelt. D(en) 10. April zu Neyburg gekommen, d(en) 28. dito Schagen passirt. D(en) 10. May vnter Drontemß liedt ein Both ambohr296 gekommen von Grib; darmit bin ich anß landt Foßundt297 gefahren; so freier auf Drontem, alda gekommen d(en) 13. dito zu Drontem. D(en) 15. dito kam daß Schipf, auch zu Drontem, d(en) 16. dito in auf Siegelung298 in der Elbe299, daß Schipf auf der Grundt gekommen300; da selbst muß(en) ablaß(en). – D(en) 8. Juny von Drontem. D(en) 14. dito in See; d(en) 20. dito der Nordt Kap passirt; d(en) 21. dito zu Wardehuß; d(en) selben abent darvon vnd d(en) 17. Juny301 glückl(ich) in Rußlandt vnter Osteroff geankert. D(en) 22. dito Kauf auf der fisch vnd tran gemachet, alß a 1000 fisch 11 Rubel, tran a t 4 vnd 5 Rubel. D(en) 17. July darvon vnd d(en) 20. July die Nordt Kap passirt, d(en) 23. Aug. Schagen binnen gekommen mit ein Sturm auß W. D(en) 25. dito zu Friedericia vnd d(en) 26. dito Zu Flenßburg. Lob Gott vor behalt(en). Amen. /16a/
1691 d(en) 1. April Mit Schipfer Carsten Becker von Sönderburg gesiegelt, die Kreier genandt St. Salvator von Flensb(urg). D(en) 7. dito zu Friedericia klar geworden, d(en) 17. dito S(c)hagen Passirt, d(en) 30. dito abent, auf Drontemß liedt. Mit Mist302 vnd Sturm den gandtz(en) nacht in großer gefahr daß liedt langß gelauf(en). D(en) 1. May Lob Gott zu Dronte(m). – D(en) 25. May darvon mit selbige(m) Schipfer. D(en) 8. Juny die Nordt Kap passiret, d(en) 12. dito lob [Gott] in Rußlandt geanckert in Osteroff.303 D(en) 15. Juny kauf auf die tran gemachet a t. 4 Rubel, a 1000 Fisch 11 Rb. 20 Cop(eken). D(en) 16. July Von Osteroff mit Schipfer Jenß Jepß(en), sein Schipf genandt St. Johanes von Sonder(burg). D(en) 19. dito die Nordt Kap passirt. D(en) 23. Aug. daß Riff passirt von Schagen mit Sturm auß W u. S, d(en) 26. dito zu Friedericia vnd d(en) 28. August Lob Gott zu Flenßb(urg). Gott sey Ewig danck vor behalten. Amen. /16b/
296 297 298 299 300
301 302 303
ambohr: hier wohl angelegt bzw. längsseits gegangen. Foßundt: wie Fosen ein anderer Name für Kristiansund vor 1742. In auf siegelung = in Aufsiegelung; beim Hinaufsegeln. Elbe: vgl. oben, 112, Anm. 61. Fabricius, 237 schreibt über den Hafen Trondheims: „Er hat indessen die Beschwerde eines schweren Einlaufs, da einige Klipen aussen in den Scheeren liegen, die die Schiffe bloß bey hohem Wasser passiren können.“ Dieses und das nächste Datum können nicht stimmen. Mist = Nebel. Im dänischen Reichsarchiv in Kopenhagen befindet sich ein Register von Seepässen (Danske Kancelli, C. 45, Søe-passer, som er udgifne, 1691–1693). Diese Fahrt ist dort jedoch nicht registriert. Wir danken Erik Gøbel und Peter Birkelund für die Auskunft vom 3.4. bzw. 25.4 2012.
134
Schiffbruch!
Ohne diese Reisen zu Wasser habe Zu Lande gereist alß Ao 88 in Xbr auf Lübeck. Ao 92 in July auf Hamburg, in 8br nach Langel(and) vnd Fühnen, in 9br 2 Mahlen auf Lang(e)l(and) vnd Fühnen. Ao 93 in April Nach Boggensee304 in Fühnen. Ao 94 in Xbr Nach Bogense in Fühnen. Ao 95 in Apr(il) Nach Bogensee in Fühnen, in Juny nach Bogensee in Fühnen, in 8br nach Bogense(e) in Fühnen. Ao 1696 in feb(ruar) nach Fühnen, Felße305, Bogensee, 306 in Mart[i]j nach Fühnen in Bogensee , in May nach Bogensee in Fühnen. Ao 97 in Jan(uar) nach Midelfarth307 vnd Bogensee, in Mart[i]j vnd April dito, in Juny dito. A 98 in feb(ruar) nach Bogensee in Fühnen, in Marty vnd April dito, in 7br. dito nach Fühnen, Langel(and) [vber] Ero308 vnd Alßen Zuhauße wieder. A 99 in April nach Fühnen, in 8br nach Bogensee. A 1700 in Mart[i]j nach Bogensee vnd Cart.309 A 1702 auf Glückstadt vnd wieder Zuhauße im April. /17a/ A 1702 auf Bogensee vnd vber Alßen zuhause. A 1703 nach Bogensee vnd vber Midelfarth, zuhause In April. Im May nach Copenhagen vnd im Juny wieder zuhause. A 1704 in April nach Bogensee vnd vber Midelfarth zuhause. Im August nacher Gluckstadt vnd Hamb(urg) vnd wieder zuhause. In 9br nach Copenhagen vnd den lesten Xbr zu Hauße gel(anget). A 1705 Jan(uar) nach Fühnen vnd wieder zuhause, April nach Bogensee vnd wieder zuhause. A 1706 Jan(uar) nach Bogensee vnd wieder zuhause. A 1707 Ap(ril) nach Bogensee vnd wieder zuhause, Juni noch nach Rendsb(urg) wg. der Stadt v(nd) zuhauß. A 1708 Im Juny nach Bogensee vnd wieder Zuhaus.
304 305 306 307 308 309
Boggensee = Bogense auf Fünen. Von Bischoff im Folgenden Bogensee geschrieben. Nicht eindeutig lesbar. Vertauscht, richtig: nach Bogense in Fünen. Midelfarth = Middelfart, südlich von Fredericia. Erö = Ærø, Insel südlich von Fünen. Cart. = Kerteminde auf Fünen.
2. Bischoff
135 Abb. 7: Porträt eines jungen Mannes, möglicherweise Peter Bischoff
A 1709 in Ap(ril) u(nd) May nach Bogensee vnd wieder zuhause, in 7br nach Glückstadt vnd Hamburg. A 1710 in May nach Bogensee vnd wieder Zuhause./17b/ A 1710 d(en) 25. July Mit mein Sohn310 nach Hamburg; bey H(errn) Clauß Willckenß311 im dienste gebracht. Der högste gebe sein gnade vnd segen dartzu, vmb Jesu Willen. Amen. A 1716 im July nach Hamb(urg) gereist mit mein Tochtern Gerdrut vnd Brigitta312, – 310 311
312
Magnus (1694–1717). Nicolaus Wilckens (1650–1725), Ratsherr in Hamburg von 1705 bis zu seinem Tod. Frdl. Auskunft von Dr. Klaus Lorenzen-Schmidt, Staatsarchiv Hamburg, vom 26.9.2011. Wilckens hatte Bischoff als Bürgermeister schon bei der Finanzierung der schwedischen Brandschatzungsforderung geholfen. Gertrud (geb. 1692) heiratete 1713 David Möller; Brigitta (geb. 1693) heiratete 1718 Thomas Lorentzen Lorck. Der Heiratsvertrag ist im Hausbuch, vgl. StadtA FL XII HS 1004, 46; abgedruckt bei Lorck-Schierning, 92–94.
136
Schiffbruch!
2.2. Der Schiffbruch von 1677313 HOLSTEIN ANNO 1677 Von Flensburg gefahren mit Ein Neymu(n)ster Fuhrmann Freitag war d(en) 5. Mart(ius). Deß abentz zu Schleßwig 4 Meilen. Sonabent d(en) 6. Dito von Schleßwig, deß abentz zu Rendsburg. Sontag d(en) 7. Dito von Rendsburg, deß Nachteß zu Neymu(n)ster314 gelegen - 5 Meilen. Montag von Neymunster d(en) 8. Dito; pasiereten Bramsted, deß Nachteß zu Oolsburg315 gelegen - 5 M. Dienstag von Oldßburg d(e)n 9. Dito; umb Mittag zu Hamburg. Mittwochen d(e)n 10. in Hamburg mein gut Bey Jürgen Peterßen316 Bringen laßen auf die Vorsetting317 in Wittenhoff318. Donerstag d(en) 11. Dito mein guth in den Euer319 geschipffet. D(en) 12. Dito freitag320 still gelegen wegen Schließung der bohm321. Sonabent d(en) 13. Dito des abentz von Hamburg322 mit der Euer deß Nachteß Zu Neymüllen323 in Jürgen Peterßen sein Schipff, genant Die Lieb und Hoffnung mit Gedult, ein fliöt324 auf 200 Lasten325 mit 18 Stücken.326 Sontag d(en) 14. Dito von Neymülen zu Siegel gegang(en) und umb Mittag Hitteler Schantz327 pasiret. Welche schantz liegt auf Ein Eylandt miten in die Elbe, d(em) Konnig von Den(marken) zu gehörig. Um 3 Vhr Stade od(er) den Schwing328 Pasiret; umb 5 ½ Vhr die Schone festung Glückstadt pasieret haben. Alda mußen streichen mit grüßen von 9 Schuß. Wieder seint beantwortet mit 5 Schoß. Deß abentz329
313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329
Archivbezeichnung: Glückliche und vnglückliche Reisebeschreibung Im Ao 1677 und 1678 von Petter Bischopf. (StadtA FL, A 222). Neymunster = Neumünster. oolsburg (nächste Zeile: oldßburg) = Ulzburg. Jürgen Peterßen: nicht identifiziert. Vorsetting: Bollwerk am Wasser. Wittenhoff: Gasse in der Vorstadt Hamburger Berg, heute St. Pauli. Euer = Ewer, ein kleinerer Segelschiffstyp, in der Küsten- und Flussschifffahrt genutzt. Im Original „feritag“. Auf der Elbe (und der Alster) gab es Flöße, Bohm genannt, mit denen man die Hafeneinfahrt wie ein Stadttor schließen konnte. Eine genaue Beschreibung des Segelns von Hamburg auf das offene Meer liefert Der Geöffnete See-Hafen, Hamburg 1705, Nd. Leipzig 1988, 148–151. Neymüllen = Neumühlen, Dorf westlich von Altona, damals holsteinisch. fliöt: Fleute oder Fleutschiff, ein großes dreimastiges (Handels-)Schiff mit großer Traglast, dessen Heck rund war. Von Hamburgern häufig genutzt. Lasten: Messeinheit für die Tragkapazität eines Schiffes. Stücke: Kanonen. Hitteler Schantz = Hettlinger Schanze: Wehranlage auf einer (heute nicht mehr vorhandenen) Insel vor Haseldorf. Schwing = Schwinge: der Fluss, an dem Stade liegt. Im Original folgt ein zweites „des abentz“.
2. Bischoff
137
geanckert bey Braunsbüttel330. Montag d(en) 15. Dito die wind NW; wieder zu Ruck gelauf(en) Vor Freyburg331. Alda still gelegen den Tag. /2/
STIFT BREMEN Zu Freiburg anß landt geweßen d(en) 15. Marty. Dienstag d(en) 16. Dito zu Siegel gegangen, umb 2 Vhr NM332, pasireten Cuxßhauen333, umb 3 ½ Vhr wahren auß(en) für Scharton od(er) Scharhörn334. Ist ein Kaper335 recht auf unß angekomm(en). Wir haben auf die lieh336 gebraßet 337, umb vns Mitterlen Zeit338 klarzumachen. Wie wir klar wahren, haben abgebraßet und auf ihn angehalt(en). Ein wenig hernache hat der Kaper über gelegt und sein gang zu luffuert339 auf gelauffen. Wir haben auch den guten wind gepreßen340 und mit Nacht und al341 seint wir den Lodtzman bey Heiligland342 entlediget worden in ein Heiliglander Pinck343. Pasiret(en) deß Nachteß mit ein schone Kulte344 und guten Wind Heiliglandt, die Wind von SSO. Mittwochen d(en) 17. Dito die wind stiller und NNW. Donerstag d(en) 18. Dito die wind Nordlich mit Moy wehr345, gefunden hochte auf 56 g. 20 M. 2 siegeler zu luffert. Umb 12 Vhr nachteß ist ein siegeler unß recht an lauffen kommen; gedachten es wahr ein Kaper geweß(en). Machten unß klar, ist unß vorübergelaufen und haben ihn gepreiet346. Berichtet, daß Er auß Engelandt wahr und hetten die Wil347 nach den Sundt348. Freitag d(en) 19. Dito ein Schon wind auß OSO mit ein harte Kulte Vnd
330 331 332 333 334 335
336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348
Braunsbüttel = Brunsbüttel. Freyburg, nächste Zeile (wie heute) Freiburg: Stadt im damals schwedischen (Stift) BremenVerden. NM = nachmittags. Cuxßhauen = Cuxhaven. Scharhörn: unbewohnte Insel vor der Elbmündung. Kaper: von Privatpersonen für den Krieg ausgerüstete Schiffe, die mit Erlaubnis eines kriegsführenden Staates den Handelsschiffen des Feindes Güter oder Geld abpressten, auch Geiseln nahmen. Zu unterscheiden von den illegalen Seeräuberschiffen. Lieh = Lee. gebraßet, brassen: die Segel durch die Taue (Brassen) umstellen, um die Fahrt des Schiffes zu erhöhen. Mitterlen Zeit: inzwischen. luffueret = Luv. pressen: so viel Segel führen, als das Schiff tragen kann (um gefährlichen Situationen zu entkommen). und al: zusammenfassend im Sinne von „und all das“. Heiligland = Helgoland. Pinck = Pinke, mittelgroßer Küstensegler. Kulte = Kühlte, Ausdruck für die unterschiedlichen Grade des Windes. „Schone Kulte und guten wind“ soll hier wohl heißen gute Windstärke aus günstiger Richtung. Moy wehr: gutes Wetter. Moy (niederl.): gut, günstig, schön; wehr: Wetter. Gepreiet, preien: ein Schiff in der Nähe anrufen. die Will: die Absicht (den Willen). Sundt = Öresund.
138
Schiffbruch!
gegen Ein storm gewehrt, muste[n] beyde Marseils349 Ein Nehmen für den Wind; deß Nachtes der Vtsierß350 pasiret. Sonabent d(en) 20. Dito anoch ein harter Kulte vnd gegen abent daß landt bey die Utwehr351 gesehen. /3/ Sontag, d(en) 21. Dito, die lengste uon Bresont352 in stilte353 getrieben. Montag, d(en) 22. Dito, mit stilte seint von See bauren in Smerholm354 eingebuxert355. Umb 5 Vhr abentz Zu Ankers gekommen. Dienstag, d(en) 22.356 Dito, auß Smerholm gesiegelt und deß abentz Zu ankerß gekommen unter Edö357. Mittwoch, d(en) 24. Dito, von Edö und abentz Zu anckerß Gelanget mit NO Wi[n]t in Schibeneß358. Donnertag, d(en) 25. Dito, still gelegen in Schib[e]neß. Freitag, d(en) 26. Dito, zu siegel gegangen und deß abentz bey Roberg359, und ist die wind ostlich gelauff(en). Sonabent, d(en) 27., bey Trolde360 bin ich mit Ein both von daß Schipff gefahren und deß abentz in Drontem in Norwegen. Diese Reiße von Flenßburg biß alhier in 3 Wochen und 1 tag. Gott sey Ewig gelobet und gebenedeiet, der durch den Schutz sein(er) lieb(en) Engeln mich fun allen Vnglück und Vbel gnediglich behuttet und bewahret hat, der wolle ferne mich begleiten und bewahren umb Christi will(en). Amen.361
NORWE[GE]N ANNO 1677 Drontem, d(en) 14. 8br, bin ich davon; abgesiegelt bey Röberg mit Schipffer Jurgen Janßen362, daß Schipff genant der Engel Raphael, sage der Junge Tobias von Hamburg. Umb 5 Vhr bey Aggenes363, die Wind sydlich. Deß Nachteß auf daß ledt364 gehalten. 349 350 351 352 353 354
355 356 357 358 359 360 361 362
363
Marseils = Marssegel; Segel des großen Mastes. Vtsierß = Utsira, Felseninsel vor der westnorwegischen Küste. Utwehr= Utvær, Insel in einer Schärengruppe unmittelbar nördlich des Sognefjords. Bresont = Breisundet, Breisunde, Breidsund: Sund südwestlich von Ålesund. Stilte = Windstille, Flaute. Smerholm = Smørholm: südöstlich von der Schäre Fuglen (s. oben, 115, Anm. 90) gelegen Nachweisbar auf Joan Blaeus Dioececis Trvndhemiensis Pars Avstralis (1662). www.geheugenvannederland.nl/?/nl/items/KONB01:11/&p=88j=188st=blaeu&sc=(blaeu)&wst= blaeu (28.2.2012). Eingebuxßert (weiter unten auch „eingeboxßert), buxeren = bugsieren, zum Zielort schleppen. Irrtümlich statt 23. Edö = Edøya: kleine Insel vor Smøla. Schibeneß, weiter unten auch Schibeß = Skipnes. Roberg, weiter unten Röhberg = Raudberget: an der Nordseite des Trondheimer Fjords. Trolde = Trolla, kleines Dorf westlich von Trondheim. Hier folgt im Original der Absatz überschrieben: Ao 1678, d(en) 5. Juny Sonabent.“ Jurgen Janßen (Jǿrgen Jansen/Janßen) wird als Schiffsführer des mit sechs Kanonen ausgestatteten Konvoischiffes Der junge Tobias erwähnt bei Henry Berg, Trondhjems sjøfart under eneveldet 1660–1814, Trondheim [1939], 23; vgl. auch Trondhjems hjemmehørende handelsflåtte 1681–1693, in: Trondhjems borgerskap 1680–1730, 44, 45. Aggenes = Agdenes an der Südseite des Trondheimer Fjord.
2. Bischoff
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D. 15. Dito Freitag in Schibeß zu ankerß gekommen, SSW wind. D(en) 16. Dito Sonabent ist patientia365 Bey unß gekomme(n) und Reinert Stenßen366. Ich bin367 alßo bald auf sein schipf gegangen, genandt der Engel Raphael von Flenßburg, gedencke damit, alß Eß Gott gefelt, nach Amsterdam [zu reisen]. D(en) 17., 18., 19. biß 20. Dito mit westlich wind still gelegen und alle tagen mit Schne und ungewitter. D(en) 21. Donnerstag gantz hart gewehet, so daß wir musten stengen368 und Rehen369 durchnehmen und unterschietten370. 2 Engelschen371 fur ihren Anckern abgetrieb(en) und daß tauw gebroch(en); seint doch fur ihren bester anckern auf daß bucht beliegen blieben372. Gegen abent still, d(en) 22. und 23. Dito mit westlich wind still gelegen und bey Elcke Reinkeß373 in p atient[i]a mit ander(en) freunden Zu gast geweß(en) und haben unß lustig gehalten. D(en) 24. Dito die wind ostlich, wehren willenß Zu siegel [zu gehen]; ist aber straxß still geblieben; haben wieder festgemacht. D(en) 25. und 26. dito mit Contrary wind still gelegen und ist Capitein von patient[i]a mit anderen guten freunden bey mir Zu taffel geweßen. Haben unß lustig und in alle Manieren frülich angestelt, alß daß Ein Jeder mit Vergnugen 12 Vhr Nachts seint zu ihren Schipffen gefahren. – /5/ D(en) 27. Octob(e)r Mitwochen mit Ein NO Windt [von] Schibneß gesiegelt, bey Edö patientia verwahret. Wahren[d] d(e)r Enng auf daß Ledt deß Nachteß zugehalten, deß Nachteß umtrent374 foeßen stil gelegen. D(en) 28. Dito Donnerstag wahren Recht für daß Südergath von Foeßen. Weil die wind aber Sydlich ist gewesen, musten nach
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ledt, weiter unten auch liedt = Fahrrinne. Patientia: Schiff unter der Führung von Elche Reiners, vgl. unten auf dieser Seite. Der Schiffer Revert (Reinert, Rehvirt) Stensen (Stehnßen) wurde 1664/65 Mitglied des Flensburger Schiffergelags. StadtA FL, XII V Schg 1.10, Bd. 1.1. Der nicht benannte Schiffstyp wird von Dieter Pust, Art. Bischoff, Peter, in: Berthold Hamer, Biografien der Landschaft Angeln, Bd. 1, Husum 2007, S. 89, als Bischoffs „Jacht“ bezeichnet. Der Schiffstyp „Yacht“ wurde zu jener Zeit, als er noch relativ neu war, viel zu „Freizeit“zwecken genutzt. Vgl. unten, 163. Es war 85 Lasten groß und hatte einen Tiefgang von 11 Fuß. Vgl. StadtA Flensburg, A 319 Fasc. 1, Schiffsverzeichnis von 1677. Interessanterweise stand Revert Stensen, der über Rotterdam zurückreiste, schon am 27. Feb. 1778 in einer anderen Sache vor dem Flensburger Rat. Vgl. StadtA FL A 34, Bd. 17, 357 f. Hier folgt im Original ein zweites ich. Stenge: die Verlängerung eines Mastes. Rehen = Rahen. Unterschietten: Die Bedeutung konnte auch mit Hilfe von Experten des Deutschen Schiffahrtsmuseums nicht geklärt werden. Engelschen = Engländer. Im Original: blieben. Elcke Reinkeß = Elche Reiners. Elcke Reiners war der zweite Kapitän des größten Trondheimer Konvoischiffes Patientia. Vgl. Berg, 23. In einer Liste für 1688 erscheint als eines der größten Trondheimer Schiffe (150 Lasten, 36 Mann Besatzung) eines namens Patientia, höchstwahrscheinlich identisch mit dem von 1677. Vgl. Ewald Bosse, Norwegens Volkswirtschaft vom Ausgang der Hansaperiode bis zur Gegenwart, Jena 1916, 356. umtrent: in der Nähe von, unweit.
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Schiffbruch!
daß Nordergath375 lauffen. Alda mit stilte deß Nachteß Eingeboxßert376. Umb 11 Vhr in Foesen anckerß gekommen. – D(en) 29. Dito Freitag haben wir Admirahl schaftt gemachet377, und ist Elcke Reinckeß zu Commandeur Erkant, Douve olferß378 vice Commendeur, Peter Jürgenßen379 Zu Admirahl, Jacob Claeßen380 Vice Admirahl, Jürgen Janßen Schaut bey Nacht381, Adrian Corteßen382 advisiagt383. D(en) 30. Dito Sonabent die Windstill auß ONO. D(en) 31. Dito Sontag deß Morgenß Umb 2 Vhr siegel gegangen auß foeßen mit stilachtig wind384 auß NO. So bald wir aber auß auf daß ledt gekommen, ist hart auf gekult, so daß wir bede Marseihlß haben Ein Nehmen müßen und seint Flesont385 auß gelaufen. So bald wir 1 Meihl auß(en) für die Scheren wahren, haben Eß auf die lieh geworffen und gewartet, biß unß Commandeur abgehalten. Weihl Er aber ein trag seiler386 wahr, haben387 wir unß siegel biß auf Ein aufgegiget388; fock muß(en) Ein Nehm(en). Umb Mittag die lengte von die Romßdalßen Scheren389, gegen abent Etwaß stiller, in den Mittel wacht still, in den tag wacht SSO mit Moy weder. Wahren auf die lengte von der Seyd Huck390 von Stadt391 ungefehr OSO von unß 3 ½ Meihl(en). /6/ D(en) 1. Novemb(e)r Montag die wind Nordost mit Moy Wahr, die befunden hogt 62 g. 10 M. den Commendeur gewaret. D(en) 2. Dito Dienstag die wind SSW mit Marseihls Kulte W angesiegelt. Umb Mittag ist Jürgen Peterße(n)392 in Folte393 gekommen, mit ihm gesprochen394. Berichtet unß, daß ein Kaper bey ihm auf dogersant395 gewesen. Er hat unß unterschiedliche grüße, adeu gewünschet. [Hat]396 375 376 377
378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395
Nordergath: von Gatt, nördliche Einfahrt. eingebuxßert: s. oben, 138, Anm. 355. Admirahl schaftt gemachet: nachdem sich alle Schiffe eines Konvois versammelt hatten, erhielt und unterschrieb jeder Schiffer den Admirals- und Signalbrief. Darauf erfolgte die Ernennung bestimmter Personen zu bestimmen Funktionen, wie es auch hier anschließend geschildert wird. Douve olferß: Douwe Olfers, Schiffer, vgl. Berg, 32. Peter Jürgenßen: nicht identifiziert. Jacob Claeßen; nicht identifiziert Schaut bey Nacht = Schout bej Nacht (ndl.), Stellvertreter des Kommandeurs bei Nacht. Adrian Corteßen: nicht identifiziert. advisiagt: avisiagen, Nachrichten und Befehle von einem Schiff zum anderen bringen. Stilachtig wind: schwacher achterlicher Wind. flesont = vielleicht Flemøya. trag seiler: langsamer Segler. Dem „Haben“ geht im Original ein „mußten“ voran. Aufgegiget, aufgeien: die Segel unter den Raaen festmachen oder einholen. Romßdalßen Scheren = Romsdalsøyene: Gruppe kleiner Inseln nördlich von Ålesund. Seyd Huck = südliche Spitze von Stadtlandet. Stadt: Stadlandet, Halbinsel zwischen Voldfjord im Osten und dem Sildegap im Westen; die See dort ein bekannt schwieriges Fahrwasser; die Wetterverhältnisse sind oft schlecht. Jürgen Peterßen: der Name ist identisch mit dem des Hamburger Kapitäns, mit dem er zu dieser Reise aufbrach, vgl. oben, 136. Folte: ungeklärt. Vielleicht: in entgegensetzter Richtung. Hier folgt ein überflüssiges „daß“. Dogersant = Doggerbank, große flache Bank in der Nordsee.
2. Bischoff
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mit diesen wind, umb sein Reiße zu kurtz(en), abscheidt genommen. Wir wahren ungefehr 12 M. O + S von Olde397. D. 3. Dito Wonstag398 die wind NNO mit Dießig Weder, ungefehr deß Abentz die lengte von die Utweer. D. 4. Dito die wind SSW mit scharfe Kulte, so daß wir umb mittag den fock auf steffe399 nehme(n) must(en). WSW angelegt400, gegen abent Etwas stiller. Vor den Wind nach die folte zu gehalten und bey Peter Jürgenß(en) wieder bey geworffen, aber haben unß Comendeur nicht vernommen. Deß Nachteß noch Zimblich wetter, gegen den tag aber harter aufgekult. D(en) 5. Dito Donderstag nach gehaltenen401 gebet mechtig hart auf gekult mit Mist402 und lage(n) do bey für Ein groß siegel, die wind SSO. Ist alzeit harter auf gekult, vnd Ein verlegener403 storm sich veranließet, hetten do gerne unßer Marseihlß, sage großsiegel, unter die füße gehabt. Wahren inß werck, umb unß besaen404 bey Zu405 bringen, umb unß groß siegel alß den[n] unter die füße Zu kriegen, aber Eß wolte unß mit der beßaen nicht glück(en). Musten denselben wieder unter die füße haben, umb beßer fast406 Zu machen. Weihl Eß aber mitteler weile so gahr sehr schrecklich angekult, so dass, wofern wir unß bergen wollten, /7/ Musten Eß für die wind lenßen407. Aber wir wurden mitteler weile so schrecklich hart mit stürtung verfüllt, so daß daß Schipff gandtz unter waßer gelegen und nicht für die wind drehen wollte. Wir gedachten vns nicht anderß, Eß hette mit Einß Ein Ende gekriegt. Aber Gott wahr noch im Mitten und ist straxß daß Schipff für die wind umbgedrehet. Lensten da vor die wind in drey gleße408 Für die wind wahre(n) nicht mächtig409, daß siegel unter die füße zu kriege(n). O du allmächtiger Gott, waß wahr Eß Ein Erbarmblich und verlegen Storm. Daß waßer flog wie Schnee, so daß man keine 2 Schipffs lengte vor sich sehen kundt(e). In dem wir lensten, seint wir Ein Schipff gewahr worden, so nach unßer gißing410 Peter Jurgenßen ist geweß(en). Wir haben da
396 397
398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410
Im Original steht hier „ist“. olde: Lengte von Olde: auf alten Karten zwischen Orgenal und Utvaer. Vielleicht bezieht sich die Ortsangabe auf die Gletscher am Ende des Nordjords, die als Orientierungszeichen gedient haben könnten und in deren Nähe der Ort Olden liegt. Wonstag = woensdag, Mittwoch. Steffe = Stäben = Steven: Verlängerung des Kiels vorn und achtern nach oben; auch Schiffsbank genannt. WSW angelegt: nach WSW gesegelt. Hier folgt im Original ein weiteres „gehaltenen“. Mist: Nebel. Verlegener: schlimmer. Besaen, auch beßaen: das Segel am hinteren Mast. Hier folgt im Original ein weiteres „zu“. Fast = fest. lenßen, lensten = lenzen. Hier vor dem Wind, in Windrichtung fahren. Gleße = Glas, eine halbe Stunde. „Mächtig“ (im Sinne von: „in der Lage sein“) ergänzt. Gißing, Gissing, Gißung: die Schätzung der Position, ohne Beobachtung von Sonne und Sternen, aufgrund gefahrenen Kurses und Entfernung (Geschwindigkeit). Hier Einschätzung.
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Schiffbruch!
Entlich daß siegel unter die füße gekriegt und 3 gleße annoch für den Tackel411 gelenßet; ist Etwaß gelindert. Den besaen bey gebracht und bey gelegt, OSO angew...412 ungefehr 3 gleße, wieder für die wind und SW angesigelt mit SSO wind. Gegen abent alzeit ostlich die wind und deß Nachteß gesteffent S und S + W. Mit schrecklich storm trieben [wir] so den gant[zen] Nacht für Ein beßaem westl(ich) weg, da Eß begunte Zu tagen. D(en) 6. November Freitags Morgen 5 Uhr wart geruff(en): landt landt. Da wahren wir Recht auf die wahl413 auf od(er) bey Hittlandt414, mit dick415 und Ein schrecklich storm von Ein wind, und daß recht auf die Wahl. Ach, du großer Gott, wie ward unß armen Elendigen Minsch[en] damahlen Zu mute. Wir sagen416 da den todt für Augen. Wahren kein ¼ Meihl auß(en) für die brening417 und Klippen. Summa: da wahr nahe kein lebenßmittel Zu hoffen. Vielen da auf unß knie und befahl ein418 /8/ Jeder Gott sein Seel in Henden. In dem wir dieß419 getahn, Er Warten mit Schmertz(en) den todt. In dem ist der barmhertzige Gott unß erscheinen mit Ein SW wind langß die wahl. Ach, wie wahr unß da Zu mute; faßen da Ein muht. Haben daß Schipff für die wind dichte in die brening gekrigt und haben unß fock bey gekrigt, gerackten420 alda mit großer gefahr auß die Brening und trieben so lang die wahl weg. Wurden mitteler Zeit greulich mit störting421 verfult, so daß wir langß Fettelo422 langß triebe(n) und fur daß landt frey wahren. Fielen do auf unß Knie und dancket(en) Gott, der unß so wunderlich auß Noth und todt Errettet, welcher sey gelobet in Ewigkeit. Wir musten straxß unß fock wieder ein nehmen und für die besaen bey legen. Deß Nachteß Etwaß stiller, so daß wir unß unter siegel bey bracht(en). D(en) 7. 9br Sonabent die wind SW unß marseihlß bey gebracht. 2 siegeler Zu luffuert geseh(en); befund(en) Hochte auf 61 g(r.) 40 M., gegen Abent die Windt SSW. D(en) 8. Dito Sontag die Wind S mit harter Kulte, so daß bey[de] Mars(eilßs) Eingenohmen; befunden Hochte 61 gr. 2 M. Die 2 siegeler in lieh gesehen, gegen abent die fock auf steffen423; deß Nachteß wieder still, SSW windt nach den ost angeleget, in die Morgen wacht gesiegelt und ubergelegt SW + W.
411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423
Für den Takel gelenßt: vor dem Wind ablaufen ohne Segel. Seite beschädigt. Für „angew...“ konnten wir keine Ergänzung finden. wahl oder wall: Ufer oder Küste. Hittlandt = Shetland. dick: neblig; schlechte Sicht. Sagen: sahen. Brening = Brandung. Im Original folgt ein weiteres „ein“. Quelle beschädigt, Einfügung unsicher. gerackten, racken: mit Anstrengung zustande bringen. Störting, weiter unter auch: Stortungen = Stürzungen; Sturzseen oder Brecher, die über das Schiff hinweggehen. Fettelo = Fetlar, Shetland-Insel. Auf alten holländischen Karten: Fetlo. die Fock aufsteffen = Focksegel auf die Steffen (Schiffsbank).
2. Bischoff
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D(en) 9. Dito Montag gandtz hart auf gekult, die fock auf steff(en); umb Mittag daß großiegel unter die füße und für den besaen bey gelegt und den gandtzen Nacht Ein harter storm geweßen auß S + W Wind. /9/ D(en) 10. 9br Dienstag deß Morgenß hart auf gekult und den gandtzen tag Ein verlegner Storm geweßen auß SSW und SW + S und hielt den gandtzen tag mit unterschiedlichen stortungen an, so daß wir bald unter, bald über waßer wahren. Theten da gebethe und lobeten zu den armen Ein jeder nach sein Vermögen, und dieß wahr daß 3. Mahl wir hetten alle den Armen auß gelobet. Wurd auch hernacher besser wetter. Gegen abent fur die windt auf den andern boy424; deß Nachteß für den beßaen anoch bey geleget425. D(en) 11. Dito Mittwoch, die Wind S und S + W in die Morgen wacht unß unter siegel426 beygebracht und nach gehaltenen gebeth Ein Siegel für auß gesehen. Nach gehaltener predigt Mars(eilß) bey gebracht, befund(en) Hochte 62427 gr. 1 M. Gegen abent vbergelegt und gesiegelt WSW. In die Erste wacht ubergelegt; gesiegelt SO + O. In die Morgen wacht Ein siegeler unß dicht vorbey gelauffen. Wir haben Eß nach die wacht stehen laß(en). D(en) 12. Dito Donerstag deß Morgenß 2 siegler Zu luffuert gesehen, die Wind S + W. Haben auch dass land straxß gesehen und wahren da recht für oder die lengte von Orgenael428, ungefehr 9 M. von die wahl OSO. Ließen Eß den gandtz(en) Tag nach die wahl ansteh(en) und kamen mit sonnen untergang auf 3429 M. Nah den wahl. Ist die wind auß die wahl von ostl(icher) Kant gelauffen. Haben Eß uber gelegt430 und seint langß die wahl gesiegelt. Haben auch Konneßan431, daß Eine schipff, so vor auß wahr, daß Eß patientia geweß(en). Wir wahren frolich, daß wir unß Comvoy wieder hetten gefunden; siegelt(en) so den gandt(zen) Nacht langs die wahl mit schon fort gang und harte Kulte. /10/ D(en) 13. 9br Freitag die wind wie forn432 auß die Wahl. Ein Schipff gepreiet, so von Argangel433 gekommen, so sein Comvoy in Bergen gedachte Zu suchen. Unß Comvoy wahr 1 ½ Meihl(en) in lieh. Haben fur die Wind auf ihm Zu gehalten und haben mit ihm gesprochen und wahr Ein Argangelß fahrer darmahl(en) bey unß, so auch gedachte bey unß biß hollandt Zu bleiben; Befunden hochte auf 60 gr. 50 M., gesiegelt Syden mit Zimblich fortgang den gandz(ten) Nacht. 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433
auf den andern boy gehen: eine Kursänderung beim Kreuzen. bey geleget, beilegen: mit wenigen Segeln in einem Sturm so nahe am Wind liegen wie möglich, damit das Schiff beinahe auf der Stelle bleibt. unter siegel = Untersegel (ein unteres Segel). Nach 61° 2 M.: eine überraschende Position, besonders bei der nachfolgenden Angabe. Orgenael = Hornelen, Seeklippe auf Bremangerlandet. Auf alten holländischen Karten: Ornaal (of Olderveg). Hier folgt im Original das Wort „Drey“. uber gelegt = gekreuzt. Konneßan = connaissance, frz. Kenntnis. forn (später auch: vorn): vorher. Argangel = Archangelsk, Seehafen im Norden Russlands, über den zu jener Zeit der Handel mit Westeuropa lief.
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Schiffbruch!
D(en) 14. Dito die wind NO mit fariabel; die hochte befunden 59 gr. 40 M., gegen abent die Wind SO. Gesiegelt SSW mit Zimblich fortgang, vngefehr 7 [Meilen] vonß landt und Saick 434 O + S von unß. D(en) 15. Dito die wind wie vorn, mit scharff Kulte gesiegelt SW + W; gegist435 hochte auf 58 [gr.]. 30 M. D(en) 16. Dito Sontag die wind SO + O mit Zimblich Kulte, doch fariabel und still. D(en) 17. Dito Montag die wind gandtz still befunden; hochte 58 gr. 13 M., vngefehr 13 Meihl(en) von Bockog436 in schotlandt, W + N von unß. D(en) 18. Dito Montag437 die wind auß S + W haben SO + O angesiegelt; befunden hocht 58 g(r.) 2 M. D(en) 19. Dito OSO vor gehaltene(m) gebet vbergelegt und SW und SW + S mit beide gereffde Marseihl(ß); befund(en) hocht 57 [gr.] 40 M. Nach Mittag unß pump unklar gebliebe(n)438; den selben muß(en) auß Nehm(en) und wieder Reparet. 2439 siegeler bey unß gekomm(en), so bey unß Commandeur gesproch(en); wahren geladene Schipffe, so auß Schotlandt kame(n). /11/ D(en) 20. 9br Dienstag die Wind SO + S mit Scharfer Kulte, befunden hochte auf 56 gr. 57 M. Gegen abent die wind SSO und SW angesiegelt. D(en) 21. Dito Mittwochen die wind ONO mit Scharfer Kulte, gesiegelt SO. Deß Nachteß die grund auf …440 Fadem, grauw grundt; nach gißung gegen die …441 Ende von Dogersant442. D(en) 22. Dito Donerstag mechtig auf gekult auf NO + O mit Schnee, Keken443 und Ein harter Storm; beyde unß Marseihlß eingenommen. Die grund auf 35 fadem; wahren da binnen Dogerß sant nach unß gießung und hetten Ein leger wahl444. Deß Nachteß die grund auf 20 fadem von den land Grund445. Wahren da mechtig betrubt, den[n] die [wind] wahr auf die wahl, und wir kunt(en) kein siegel fuhren. Verlohren den Nacht auch unß Comvoy wegen den stercken Schnee wetter. D(en) 23. Dito Freitag die wind O + N, beßer wetter, N + O angesiegelt. Haben bey[de] gereffde Marseihlß gefuhret, daß wir Ein wenig auß den legerwahl muchten geratte(n); haben nichteß Zu unß Comvoy vernomme(n). Eß wahr Ein dick schne wetter den gandtzen tag. Gesiegelt NNO, auf 35 biß 20 fad(em) grundt gehabt nach 434
435 436 437 438
439 440 441 442 443 444 445
Saick: schlecht lesbar, weil nachträglich verbessert; auf historischen Karten Syck auf Bømlo. Es dürfte sich um den fast 500 m hohen Felszacken Siggjo auf der Insel Bømlo, der noch heute ein Orientierungspunkt für Segler ist, handeln. gegist, gissen: schätzen. Bockog = möglicherweise Bockenes in Nordschottland. Irrtümlich Montag statt richtig Dienstag. unß pump unklar gebliebe(n): die Pumpe funktionierte nicht richtig. Da bei einem Holzschiff immer etwas Wasser ins Schiff drang, bedeutete eine nicht funktionierende Pumpe immer eine Gefahr. Im Original folgt hier noch einmal ausgeschrieben: zwey. Die Zahl fehlt durch Beschädigung, wahrscheinlich Himmelsrichtung. Wort fehlt durch Beschädigung Dogersant, weiter unten Doggerbank: flacher Teil der Nordsee zwischen Nordengland und Jütland. Kek, Keke: Windstoß. Legerwahl = Lägerwall: Auf Lägerwall befindet sich ein Schiff, wenn in Lee in gefährlicher Nähe eine Küste bzw. in diesem Fall eine Untiefe liegt. land grund: Meeresboden.
2. Bischoff
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gißung. Wieder gegen daß Riff zu [ge]weßen; die hochte auf 54 g[r.] 30 M. Deß Nachteß wieder Sydlich gewendet und gesiegelt SSO; grund auf 35 a 37 fadem gehabt. D(en) 24. Dito die Windt OSO mit Zimblich kulte. /12/ Vbergelegt und gesiegelt den gandtz(en) tag NO und gegen Mittag hart gekult, daß die fock auf steffe mußte, grund auf 27 biß 32; gisten, daß wir wahren benorden Doegerbanck. Die wind von OSO ist gegen abent gantz hart auf gekult, ia begunte gegen der Nacht so hart auf Zu sturmen, daß wir baldt nicht kunten unß groß siegel fuhren. Ist den gandtz(en) Nacht so unehrhorlich gewehet und unter schiedliche störtung uber gefahlen, doch haben alzeit Ein dicht und hechte446 schipff gehabt, So seine dinge in allent wolgetahn; umb 2 a 3 gleße verlauffen. In die Morgenwacht hat Gott sein Zorn uber unß arme(n) menschen wollen scheinen laße(n) und hat unß mit so Ein Erschreckliche störtung gestrafft, daß daß gantze schipff davon geknaket und gebracket447 hat. Selbige Störting ist am Steurbort auf daß hinterschipf bey den besaens mast ubergestört. Wie wir von daß Waßer entlediget worden, haben sie bey die pump versuchet, ungefehr 1 glaß gepumpet, kein lenß448 erhalten; wordt gerufften: uberahl uberahll449. D(en) 25. Dito Sontag alß den[n] haben wir angefahllen mit alle man und gepumpet ungefehr 2 gleßen, wahr kein lenß, ist hinten auf gebrochen und ist der Steurman an die Soot450 gegangen und kompt oben mit bescheit, daß kein lenß were Zu vermuten. Wahr da kein beße[r] rath, alß daß wirß für die wind nach den land kriegen muchten. Faßeten annoch an die pumpen vnd pumpte(n) annoch in 3 glaßen mit 2 pump(en), war aber kein lenß zu kriegen. Da Entfiel unß der muth, doch baten /13/ Gott umb gnad, der Er unß in dießem Elendigen Zustand Sein hulffreiche handt miteihlen wolte. Haben da alle gut gefunden für die wind laufen Zu lassen, haben451 mit großer beschwehrung dz siegel452 bey gekriegt und daß für die Wind WNW und W + N und W und wahr ein Schne und ungewitter, dz man sich dafür Entsetzen Muchte. Wahren ungefehr 25 M. uon das landt. Eß wurde aber Etwaß besser wetter. Mittelerweile von anfang unße ungluckliche störtung gingen die pumpen immer fort; verteihlten unß453. Der Schipffer, Ein alter man, kunte nicht viel arbeit thun, wurdt bey daß Ruder gestelt. Wir andern mit unß acht gingen, 4 Jeder glaß, 2 vnd 2 bey Ein pump und daß Schlag umb schlag, faßeten noch mit mut. Vermeinten, wir wulten gegen abent daß landt im gesicht bekommen haben. Pumpt(en) da mit alle macht und 446 447 448 449 450 451 452 453
Normalerweise anders herum: hecht und dicht: stark (stabil) und dicht. Gebracket, brecken/bracken: das Wort konnte nirgendwo nachgewiesen werden. Vielleicht brechen. lenß: leer; kein lenß erhalten: keine Leerung erhalten; das eingedrungene Wasser wurde nicht weniger. Uberahl, uberahll (überall, überall): Kommando für „Alle Mann an Deck!“ Soot: Schacht, in dem die Pumpenrohre verlaufen und durch den man zum Schiffsboden hinabsteigen kann. Im Original: habenß. Nach späterer Einfügung (vgl. nachfolgende Anm.) stehengeblieben. „dz Siegel“: am Seitenrand von Bischoff eingefügt. verteihlten unß: teilten uns (umschichtig) ein.
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Schiffbruch!
stunden in unß bloß(en) hembd(en). Aber al[les] waß wir pumpten, so Nam daß waßer alle 4 Vhren 1 fuß waßer Zu. Eß lieff gegen abent; Eß wurdt stiller vnd beßer wetter und ging die wind auch Sydlich. Sahen mit abent und all kein landung. Ach, du barmhertziger Gott, wie wahr unß da Zu mute! Wir waren vermudet und wahren nicht mechtig unße(re) handt über daß Haubt Zu heben Von die Schware pump(en). Wahr da ungefehr 5½ fuß waßer in die last. Trösten unß unter Einander mit Gotteß verheißung, daß wen[n] die Noth am größte(n), Gott am Naheste(n) ist. Sprach(en) Ein ander muth [zu], brachten unser Siegel bey454 und hielten mit daß pumpen algedurig an. Gedachte(n) so lang zu pumpen und Sieglen, biß daß Gott unß heim foderen wollte. Ach, du gnediger Gott, wie wahr /14/ daß Ein lange Nacht. In alle Vhren wurde tag lang. Wen[n] wir uon den pump(en) abgelaßet, so vielen wir in unß bloß hembt auf daß Vberlauff455 nieder, unß Ein wenig, biß daß glaß auß wahr, Zu verhollen. Eß wurde gegen Mitternacht still und gegen den Morgen haben wir so Ein Steinkol geruch geruchen: presomirten456, daß Eß Vonß land wehre457; wurden da hochlich Erfreuet. Endlich ist der gesegnete und458 so hertzl(ich) verlangte tag angekommen. Sahen da mit so lang(en) verlangen daß landt. Ach, wie wurd unß hertz da Erfreuwet. Begunte auch mit selbige uon Ein ostl(ich) windt auf zu kule(n), so daß wir im forsatz hette(n) und vermeinten, dz Schipff mit unß anß landt Zu bringen. Ungefehr auf 2 ½ Meihlen uon den wahl – so nah kemen wir – ist Eß still geblieben und auch die wind uon WSW auß die wahl gekommen. Haben auch kenst459 vonß landt gekriegt, daß [wir] für daß Revier460 für liedt wahren. Dieweihl nun die wind auß die wahl gefahl(en), haben wir die seilß gescherbt461 und kunten Ein Eylandt – hey die May462 – besiegelen. Alda annoch auf angehalten, mitterler weile stunden die pumpen nicht still, sondern ging(en) immerfort. Hatten noch muth, daß Eylandt mit daß Schipff Zu erreichen. Ungefehr 1 Vhr lieff Es so bey die wind hin, daß manß besteuren kundte. Straxs aber drehete Eß fur die wind umb und daß auf die ander boeg die Seil back463, daß Eß kein Ruder mehr hören wollte. Ach herre, du barmhert-
454 455 456 457 458 459 460 461 462 463
Im Original steht an der in eckigen Klammern eingeschlossenen Stelle: Ein brachte(n) muchte(n) siegel bey. Vberlauff: Hauptdeck des Schiffes. presomirten: vermuteten. Im Original: wehren. Das hier folgende mit haben wir gestrichen. kenst: ndd. Kurzform für Kenntnis. Revier: fahrbares Flussgebiet (am Rand von Meeren). Liedt ist eine Wasserstraße oder Fahrrinne für Seeschiffe, Revier bezeichnet das Gebiet bis zur offenen See. gescherbt, scherben: stramm ziehen. May = Isle of May, nördlich in der äußeren Mündung des Firth of Forth. Der Reim soll die Freude ausdrücken. auf die ander boeg die seil back: das schiff dreht sich plötzlich in den Wind, was zur Folge hat, dass „auf den anderen Bug“ die Segel back kommen, d. h. der Wind bläst vorne in die Segel und bringt das Schiff zum Stillstand oder treibt es rückwärts. Das Ruder ist in einem solchen Fall nutzlos. Wir danken Reimer Dietze, Erzhausen, für diese Erklärung.
2. Bischoff
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ziger Gott, wie wahr unß da Zu muthe; hatten da ungefehr 9 fuß wahr464 im Schipff. Wußten nicht, wie wir armen Mensch(en) hirauß solten od(er) wie wir unß leben salviren solten. /15/ Es wahr gegen abent, und hetten 2 1/2 Meihl zu der Wahl und daß gegen den Wind, doch da wahr kein andern auß wege. Wolten wir nicht mit dass Schipff sincken, so musten wir über halß und Kopff an daß bot fallen und die Pumpen verlaß(en), umb daßelbe überbort, ehe daß Schipff sink(en) sollte, zu kriegen. Faßeten dass both, wollten Es über bort heben, aber da wahren wir armen vermudeten Menschen nicht mechtig, dasselbe überbort zu kriegen. Den[n] Ein Jeder leicht Ermessen kan, In 37 Vhren Immer fort glaß umb glaß zu pompen, wehr balt unmuglich; aber daß leben ist lieb. Haben da Ent(lich) daß boot465 über bort gekrigt, seint Cito466 auch darin gefahlen, weihl wir Beförcht(en), daß dz Schipff unter unßere fuße sinken sollte. Seint da ungefehr 3 Vhr N. M. von daß Schipff gefahren, Vermudet und Vermattet, daß wir past467 nicht Ein Riemschlag thun könten. Ach herre, du barmhertziger Gott, wie wahr unß hertz gestelt, da wir musten unß Schon Schipff und guth fur unßer auge(n) verfahren und verlaßen teten. Da [wäre] unß best, daß wir Ehe den[n] Eß Nacht bleiben muchte unter den Wahl Zu kommen. Waren vngefehr 1 Meihl von daß Schipff, [da] ist es fur unßern augen weggeblieben. Presemir[t]en, daß Eß mit den hollen See468, so von den langen ostlich wind auf die wall gelaufe(n), umb geschlingert ist und also gesuncken. Waß wir Zu vorn nicht vermudet wahre(n) [als wir noch] anß pumpen, daß wurden wir nun an daß starke Rudern gegen den wind. Doch Gott wahr im Mitten, daß Eß noch Schon wetter blieb und meist in stilte viel. /16/ Kemen gegen ankommender Nacht, alß d(en) 25. 9br Montags Abent dichte unter daß landt, Sahen aber gandtz kein rettung anß land Zu kommen, weihl Eß uberall ein hoch Steinig und faste Kust ist, sonder469 einige bayen und hucken470 oder haffuenß, da man achter für den Schrecklich(en) brenung sein leben bergen muchte. Daß wahr die leste angste, die wahr größer wie all den anderen. Da lagen wir und trieben, wusten nicht, ob wir solten Syd od(er) Nort. Entlich seint 5 a 6 Kerlß auf daß hohe landt gelauf(en), geruffen und gewenket, wir sollten Nortwartz beßer Ruder(n), so wir auch getahn. Sie seint langß landt mit gelauff(en) biß fur Ein Sandbay: da seint sie hinunter an die see gekommen und unß zu sich gewencket und geruffen. Wir mußten darauf an setzentz471 recht for die brenung mit 4 Riem(en) an. Ach Gott, wie wahr unß da Zu mutte; die brening ging mit Ein unErhört Krafft: waß solten wir thun? Wir setzens mit Ein gut muth darein, den[n] Eß doch umb unß leben getahn wehre. Den Ersten störtung kein waßer inß bot geKrigt, aber die ander kam so Erschrecklich ann, 464 465 466 467 468 469 470 471
Wahr: irrt. statt Wasser. Im Original “bort“. Cito: lat. schnell, rasch, bald. past: fast holle See: hochgehende See. sonder: ohne. Huck = Huk, vorspringende Ecke der Küste. setzentz: setzten es (das Boot).
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Schiffbruch!
daß daß gandtze bot verfült und Dwarß472 auf die See kam. Die Dritte aber hat unß mit bot und all auf daß landt gesetzet. Einige von unß in vnd einige außer daß bot. Da seint die leute unß Zu hülff gekommen, daß bott gebergt und unß straxß in Ein
Abb. 8: Karte des Firth of Forth
Warme Stuff gebracht, Eße(n) und trink(en) gegeben. Wahren da in Schotlandt bey Sanct Abbenhafft473. Haben alß den[n] alle auf [die]474 Knie gefallen, Gott gedancket, daß Er unß daß leben so wunder(barlich) Gegeb(en). Ihm Sey lob von Nun An biß in Ewigkeit Amen /17/
472 473 474
Dwarß: quer zu den Wellen. St. Abbenhafft = St. Abbs Head, südöstl. von Dunbar in Berwickshire, Südschottland. Nach „auf“ ist ein Einfügungszeichen gesetzt; die Einfügung selbst („die“) fehlt jedoch.
2. Bischoff
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SCHOTLANDT Nachdem wir nun wie vor gemeldet in Schotlandt zu lande gekommen sein, so haben die bauren unß in ein dorff gebracht, heist Redehyw475. Alda wir d(en) 26. Novembr Stil gelegen, unße Kleider gedrocknet. D(en) 27. Dito alß Mittwog seint Drey gedeputireten Admirals mit Notarß bey unß gekommen, unß von unßer Kompt476 und Reiße geforschet und haben alleß mußen verklaren, wie Eß mit unß pasiret wahr und wart Cito Geschrieben. Worauf wir mit alle man Schweren musten, daß Eß sich, wie wir berichtet haben, pasiret od[er] zu getraget hat, worauf sie unß Cito Ein Attestat und Paße gegeben, daß wir muchten frey und ungehindert reiß(en), wo wir hin wolten, und dz ein Jeglich unß sollte die hülff reiche handt leisten477. Wofür ich habe bezahlt 6 Rthr. in Engelsch geldt. D(en) 28. Dito haben unß volck bey mich versuchet, ob ich wolte nach Edenburg Reißen Zu vernehme(n) wegen Schipffart, daß wir Kundten von landt Zu Schipff komme(n), so ich auch Cito getahn. Bin deß Morgenß von Redehyw gereist, deß Nacht(es) Zu Dambahr. Ist ein Schone stetcke(n); liegt an die See Kant, 10 M. von Redehyw. 3 Vhr deß Mor(gens) daruon und deß Mittageß Zu Prestenpans478, ist Ein Stadt, liegt auf daß Revier von liedt an die Seekandt, wirt viel Saldtz gebrent, ligt 16 M. von Dambahr. /18/ Umb 5 Vhr Zu Edenburg. Ist die Haubt[stadt]479 von Schotland, Ein schone Stadt. Wirdt große Handlung getrieb(en) und ist überauß Volckreich, so daß man past480 [nicht] auf die straß für Volck pasiren kann. Alda bin ich bey Ein Kauffman gekommen Nahmenß Mes Johan Beliehaa481, so groß Handelung auf Hamburg thut und Er kundte mir bericht geben, daß alhie gelegenheit genug wehre, uon ab Zu komme(n) und so fort alß die windt guth wehet auf Hollandt und Engel[andt] und Zwey uon sein Eigen Schipffen sollten Nach RotterDam und da solten wir gerne mit kommen, und Er hat mir auch daß bot abgekaufft, Zu Zahl[en] wen[n] Wir Zu liedt kemen, worauf ich den gandtzen Nacht Wiederumb gereist und des Andern tageß gegen Abent alß d(en) 29. 9br Freitag den Uorigen weg Wieder Zu Ruck Zu unß Volck gekommen. Aber wie Beschwerlich Eß mir angekomme(n), die weihl ich kein(en) Mensch noch Sie mir Verstehen kunte(n), daß weiß Gott; Bin dar doch so durch gekommen. – D(en) 30. Dito Sonabentz wegen Contrary wind still gelegen und haben unß klar gemachet auf die reiße mit daß Bot Zu Edenburg. D(en) 1. December Sontag seint wir mit der Man im
475 476 477 478 479 480 481
Redehyw = Redheugh, in der Nähe von St. Abbs Head. Kompt: Herkunft. Im Original folgt hier: wolte. Prestenpan = Prestonpans, östlich von Edinburgh am Firth of Forth. Im Original folgt hier ein „ist“. past: fast. Mes. Johan Beliehaa: konnte nicht identifiziert werden. Wir danken Richard Hunter, City Archives Edinburgh, für seine mit dem Hinweis auf zahlreiche nicht verzeichnete Serien versehene Auskunft vom 22.9.2011. Auch Sue Mowat, Edinburgh, war dieser Name völlig unbekannt. E-Mail vom 5.3.2012.
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Schiffbruch!
Hauß nach die Kircke482 gegangen, so Ein halbe Meihl von Hier gelegen. Alda gekommen seint aufm feldt, unter Einige Bohmen umtrent, Ca. 700 Menschen Versamlet woselbst Einer auf getretten und Ein lange Predigt getahn. Also verrichten die Armen leute ihr(en) Gotteßdienst unter ein bloßen Himmel. Wie der Predigt auß wahr, ist der Man im Hauße, da wir /19/ Gelegen, bey der Pastor gegangen und gesagt, daß Er solte Ein orration für unß thun, daß die leute unß muchten mit Ein reiß gelt Behelffen, so auch geschehe(n) ist und hat Er Ein lange orration gethan. Nach dem ist der Man, da wir geleg(en), herum gegangen mit sein hut, haben da gegebe(n) ungefahr 4:5 …483, so daß man denen Armen Mensch(en) ihren großen Mittleiden Ersehen. Ja, sie wolten unß mit anheim gehabt haben Zu Eß(en), ein Jeder für sich. Aber wir seint mit unß wirth zu hauße gegangen. Ihr Religion an belanget: so seint sie über auß sehr Eyfrig in ihre(r) Gotteß furcht, ia so heilig halten sie den Sontag, daß sie auch daß geringste nicht thun. Eßen nicht eher [als] gegen abent, bringen den gandtzen tag Zu mit Zing(en)484, betten und leßen, sondern daß sie mit kein ein wort wollen sprechen umb Einige andere dinge. Den Ursach, daß sie vnter den bloßen Himmel predig(en) [ist], daß in der Religion Ein großer Zweispalt ist. Diese485 haben sich nun den Bischopffs Religion abgetrent. Deß wegen muß(ten) sie in kein Kirche kommen, so doch uber daß gandtze landt viel und schöne gebauwete Kirchen sein, und trefflich groß. D(en) 2. Decembr. Montag von Wirt abscheidt genom(en) und langß landt biß Dambahr gelauffe(n); deß Nachteß Zu alda gelegen. Ist Ein Ti haffue(n) mit 15 fuß waßer fluth486, ist binnen Ein Molie487 woran 10 a 12 schipffe liege(n) könne(n); ist groß Heringfang. D(en) 3. Dito dauon deß Morgenß fruh und seint ein klip vorbey gekomme(n), leit in daß Ein siegelen auf daß Revier von liedt; heist der Bas488. /20/ Auf deßelben489 Klip liegt Ein Starck und von Natur fast Kastel; haben langß daß Revier gerudert tegen490 den wind. Umb Mittag Zu Nordbarg491 und deß Nachteß Zu Prestenpans gelanget.
482 483 484 485 486 487 488
489 490 491
Kircke: Kirk ist die Bezeichnung für die Church of Scotland. Vielleicht nennt Bischoff deshalb den im Folgenden beschriebenen Gottesdienst so. Die Quelle ist an dieser Stelle beschädigt. Vermutlich eine Währungsangabe. Zingen = singen. Im Original: diesen. ein Ti haffue(n) mit 15 fuß waßer fluth: ein Tidehafen von 15 Fuß Wassertiefe bei Flut. Molie = Mole. Bas = Bass Rock, auch The Bass, eine heute unbewohnte Insel vor der Küste der schottischen Region East Lothian im Südosten des Firth of Forth. Damals das bekannteste Gefängnis Schottlands. deßelben: derselben. Tegen = gegen. Nordbarg = North Berwick, Seehafen an der Küste Südschottlands.
2. Bischoff
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Abb. 9: Seite aus dem "Schiffbruch von 1677" D(en) 4. Xbr. von Prestenpans: und seint Heinkieff492 pasiret. Deß Mittageß seint nach vielen Beschwerung Zu Liedt493 in Ein behalten494 hauen gelanget, alda wir daß bot an vorgemelten495 man geliebert und selbige Me.496 Bilisa hat unß in ein Loso-
492 493 494 495 496
Heinkieff = Inchkeith Island, Insel im Firth of Forth zwischen Prestonpans und Edinburgh. Liedt = Leith, Hafenstadt östlich von Edinburgh, heute Stadtteil von Edinburgh. behalten: geschützten. vorgemelten: vorher genannten. Me: Messieur.
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Schiffbruch!
ment497 So lang bestellet, biß die wind muchte guth bleibe(n) und seint auf Ein Kammer in Den golden Leuw Bey Mestr. Jms Hamelton gekommen, Worein war 2 beden woselbst wir mit unß 9 mußten behelff(en) und hatten alle abent Ein feuer für unß; gaben nicht mehr alle nacht alß 6 Pens für Kam(m)er, feuer und bed(en). Hielten unß eigen Kost, den [n] Eß gab Ein reiche Zehr(en). D(en) 5. Xbr an Mein patron498 in flenßburg geschrieb(en), Zu gleich auch auf Drontem unßen schlechten Zustandt [berichtet]. D(en) 6. Dito in Edenburg geweßen, liegt ¼ Meihl von liedt und ist so Ein schone mit grau belegten stei(n) weg entwischen499, daß Eß ein playsir weg ist. D(en) 7. Dito Still gelegen, die Wind S mit Storm. D(en) 8. Dito wieder Zu Edenburg gegangen und bin ich auf daß Schone Castel, so auf Ein hoch Klip uber die Stadt liegt, geweße(n). Aber ich hette hast auf dem Kopf wieder auß gekommen500. D(en) 9. dito bin ich von Captein Gillis501 Zu gast genötiget, haben vnß sehr lustig angestelt; umb 11 Vhr nachts in Mein Logement gelanget. /21/ D(en) 10. Dito bin ich von hier auf Prestenpans gereist, weil mir wurdt Berichtet, daß Ein frandtsch Kaper, Ein gallioth502, so an Sr503 Horneman in Dront(em) gehöre, auf gebracht. Willenß geweßen mit ihm Zu Sprechen. Wie ich aber bey der Capitein gekommen, wurdte mir nicht vergunt, mit ihm Zu Sprechen; bin ich Eben weiß504 Zu Ruck gereist. D(en) 10. Dito still gelegen wegen Contra[r]y windt. D(en) 11. Dito bey Capitein Fresel505 Zu gast geweß(en). D(en) 12. Dito in die Kirch geweßen. D(en) 13. Dito wegen Contra[r]y windt still gelegen. D(en) 14. Dito Bey Capitein Lomsden506 Zu taffel geweßen. D(en) 15. Dito mit Capitein Jon Gillis vereiniget, mir mit Zu Nehmen auf 497 498 499 500 501
502 503 504 505
506
Losoment = Losement, Zimmer. patron: Magnus Paulsen (1629–1712), Flensburger Kaufmann, vgl. auch oben, 109. schone mit grau belegten stei(n) weg entwischen: schönen, mit grauen Steinen belegten Weg dazwischen. ich hette hast auf dem Kopf wieder auß gekommen: mir stand der Sinn danach, schnell wieder herauszukommen. Captein Gillis = John Gillies, Kaperer- und Handelsschiffskapitän. Zuerst erwähnt in schottischen Quellen 1659. Dokumentiert sind Fahrten anch London, Rotterdam und Hamburg (1683). Wir danken Sue Mowat, Edinburgh, für diese Informationen und Eric Graham dafür, dass er den Kontakt vermittelt hat. John Gillies aus Leith taucht auch in einer Liste von Kaperern des zweiten englisch-holländischen Krieges 1665–67 auf bei Eric J. Graham, A Maritime History of Scotland, 1650–1790, East Linton 2002, 21. gallioth = Galiot, ein seegehendes, flachbodiges Schiff, Sr: Sieur, Seignieur (fr.), Kürzel für Herr. eben weiß = ebenso weiß, ohne mehr erfahren zu haben Capitein Fresel: Henry Fraser (im Schottland des 17. Jahrhunderts oft Frisell gschrieben), Kaperer- und Handelsschiffskapitän. Er unternahm 1675 und 1676 Fahrten nach Norwegen (!), 1677 eine von Leith nach Rotterdam und Nantes; 1678 ist eine Reise nach Stockholm dokumentiert. Für diese Auskünfte danken wir Sue Mowat, Edinburgh, E-Mail vom 4.3.1012. Capitein Lomsden = Matthew Lumsden, Kaperer- und Handelskapitän; als letzterer mit vier erbeuteten Schiffen erfolgreich im dritten englisch-holländischen Krieg 1672–1674, der auch vor der Küste Norwegens ausgetragen wurde. Da die erbeuteten Schiffe Holz als Fracht führten, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie von Norwegen kamen. Auch eine Fahrt nach Bordeaux ist dokumentiert (1676). Es ist wiederum Sue Mowat, Edinburgh, der wir diese Informationen verdanken. E-Mail vom 4.3.2012.
2. Bischoff
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Rotterdam und der Schipffer und sein Son mit mir. D(en) 16. Dito unß Steuerman auf londen v(on) hier ge(siegelt). D(en) 17. Dito an Mein patron geschriebe(n) und bin auch in Jesu Nahmen von hier gesiegelt mit Capitein Gillis, sein Schipff genannt Jumfr. Chrestima507, ein fleut508 und pasireten gegen abent Bront Eylandt509, liegt uber für Liedt auf der Andere Zeit510. Deß Nachteß den Baß od(er) den May511 pasiret; woselbst alle Nacht gefeuret wirt. Eß ist daß Revier Ein Schon Rai(ne)512 Revier, 4 ½ M. lang biß513 liedt. D(en) 18. Dito die wind sydlich, mit moy weer gelouert514. D(en) 19. Dito die lengte von Heylig Eylandt515 mit stilten. D(en) 20. Dito die wind sydlich mit fariabel. D(en) 21. und 22. Dito mit schon we[er] und Sydlich. D(en) 23. Dito die lengte uon Coyet Eylandt516 hart gekult, musten vor die windt nach Hol[y] Eylandt in NortEngl(andt). /22/
NORT-ENGELANT D(en) 24. Decembr alß Weinachten abent in Hol Eylandt Od(er) in heylig Eylandt in Nort Engelandt Zu ankerß gekommen. Eß ist alhier ein Schone hauen mit hochst water 12 a 14 voet. Binnen ist Raum für 100 schipffe(n). Eß ist Ein Schon Eylandt. Eß liegt darauf Ein klein stedtken und auf Ein hoge berg Ein trefflich vnd starck Castel, umtre[n]t517 50 stucke(n)518 darauf, mit Ein Fort darunter, bey die See von 20 St(ü)ck. Wir seint alhier gelegen in denen heiligen weinachten; aber seint umgeben in unß schipff mit Ein Gottloß gesellschafft. Eß wahren 2 Capiteins auf unß schipff, so in Schotl(and) 100 Soldaten angenommen. Selbige519 lebten und Lamentirten tag und nath520 ummenschlich, so daß mir dieß leben sehr vbel und Elendig für gekommen, und wir wurden so schlecht gespeist, so daß ich im sin[n] wehre, von hol Eylandt über landt Zu Ney Kastel521 Zu Reißen.
507 508 509 510 511
512 513 514 515 516 517 518 519 520 521
Vgl. oben, 120. Dort, wohl richtiger, Ch(r)istina. Fleut= Fleute. S. oben, 136, Anm. 324. Bront eylandt= Burntisland, gelegen am Firth of Forth. Zeit = Seite. Bischoff benutzt hier wie an anderen Stellen „oder“ im Sinne von „richtig“. Es ist nicht anzunehmen, dass er als an der Seefahrt Interessierter die Inseln verwechselt hat. Es muss sich um May handeln, da es dort seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen Leuchtturm gab. Im Original folgt hier „.. und Reine“. Im Original folgt hier ein zweites „biß“. gelouert, luven: gegen den Wind ansteuern. Heylig Eylandt, weiter unten auch Hol Eylandt = Holy Island, auch Lindisfarne, Insel vor der Nordostküste Englands. Coyet Eylandt = Coquet Island. umtre[n]t: ungefähr. stucke: Geschütze. Holy Island war befestigt worden, um den Hafen vor schottischen Angriffen zu schützen. Im Original „selbigen“. nath = Nacht. Ney Kastel = Newcastle.
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D(en) 24. Dito vergeselschafftet mit vnterschiedliche Schotsche Kaper Capiteinen, so mir mit genommen Nach Barwick, Ein Schone festung. Scheidet Engl(and) vnd Schotlandt von Einander. Haben522 alda in 2 tage mit Spiele(n) und doppelen523 Hauß gehalten. Seint d(en) 26. Dito wieder gekommen und haben sie mich alzeit frey gehalten, ich sollte nicht zahlen. D(en) 27. Dito der frandtze Caper, so den gallioth an Sr. Horneman genommen, bey unß gekommen. D(en) 28. Dito bin ich und unß Capitein bey ihm /23/ Zu gast geweßen. Wie [wir] alda in sein Schipff gekommen und über taffel gesessen, hat Lorentz Kettelß(en)524 sein Sohn uon flenßburg, Hanß L.525, Zu taffel furlegen526 unß mußen, welcher mit den gallioth genommen waß527. Straxß hab ich ihn Erkant, und wie der Junge Mir gesehen, angefangen Zu weinen. Deß(en) vrsach der Capitein wißen wollte, und hab ichß ihm berichtet, waß die vrsach wehre, und ich versuchte bey der Capitein, ob Er ihn wollte an mir übergeben, so sollte ich omsorg für ihm haben, [ihn] anheimb Zu verhelffen. Aber alleß, waß ich und andere Capiteins für ihn gebeth(en), muste nicht helffen. Er wolte den Jung nicht laßen, Er wolte ihn Erst in Frankreich bringen. Da ich aber nichts damit Erhalten können, ist mir vergunt, daß ich ihm Etwaß an Kleider secundieren528 muchte, Weihl Er Nackent und Elendig geweßen. Habe ihm alßo von mein Armuth verstreckt529, 3 Rthr an gelt, 2 par buxen, hemde, helßducher, strömpen und schue, Mutze vnd Ein gesangbuch, und ist der Jung mit ungeheu(er) weinent und heulent fon mich gescheiden. D(en) 29. Xbr. bey vorigen Capitein anß landt530 geweßen und deß Nachteß bey ihm anß landt geschlaffe(n); sein Nahm ist Capitein Brisen531. D(en) 30. Dito auß den haffue(n) gesiegelt, deß abent die lengte von die Scharßen532 seint binnen durch gelauffen; deß Nachteß mit Schon Vortgang. D(en) 31. Dito mit stilte bey Scherenborg533 geanckert; liegt auf Ein hoheß landt dicht an die See. /24/ D(en) 1. Jannuary
522 523 524 525
526 527 528 529 530 531 532 533
Im Original „heben“. doppelen: würfeln. Lorentz Kettelßen: Ketelsen oder Lorenzen, Deputierter in Flensburg, vgl. Kraack, Geburtsbriefe, 13. Hanß Lorenzen (1662-1699), Sohn von Lorenz Ketelsen, führte nach seiner Freilassung ein von zahlreichen Unglücksfällen geprägtes internationales Kaufmannsleben, vgl. Gerhard Kraack, Das Flensburger Schiffergelag in Vergangenheit und Gegenwart, Flensburg 1979, 70 f. Er „hatte eigentlich bei Hinrich Hornemann in Drontheim die Kaufmannschaft erlernen sollen…, wurde aber durch unglückliche Umstände [die hier geschildert werden] nach Amsterdam verschlagen und trat dort bei dem Bruder seiner Mutter Lorenz Ketelsen in die Lehre“, Kraack, Geburtsbriefe, 45. Nach Bischoff heißt der Vater Lorenz Ketelsen. In Flensburger Schiffergelag, 72 wird statt „furlegen! ergänzt „zu unß.“ waß = war. Die Transkribierer in Schiffgelag, 72 scheiterten an diesem Wort und schreiben „(? geben)“. von mein Armuth verstreckt: von meinem (wenigen) Geld vorgestreckt. Hier findet sich der Randvermerk Bamburg: Bamburgh. Capitein Brisen: nicht identifiziert. Scharßen (auf alter holländischer Seekarte: De Schaßen): Farne Islands. Scherenborg = Scarborough.
2. Bischoff
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Ao 1678 Zu Flamburg534 wegen stilte geanckert. D(en) 2. dito dauon gesiegelt, deß Nachteß grund gehabt auf 5 faden, dick wer535. Haben Eß von die wal müssen abhalten. D(en) 3. Dito daß land gesehen und Befahlen536 auf Haßburg537. Seint langß die Wahl538 gelaufen biß bewesten539 Winterton540, alda geanckert, weil wir tegen den Strom nichteß Beschaffen kundten. Die wind auß den Wahl, deß Nachteß die Wind langß die wahl mit Ein harter Kulte. D(en) 4. Dito solten unß ancker fruh winnen; hatten aber Ein 4 Vhr werk, Ehe wir unß Ancker kriegen kunte(n), und daß mit groß Prickel541, den(n) Eß ging Ein hel waßer542. Nach dem wir Eß gekrigt, haben für die wind langß die wahl bey Winterton vmb[gelegt] biß auf die Reide vor Jarmeyen543 in Engelandt geanckert, woselbst uber hundert schipffe auf die Reide geleg(en). Seint alda gelegen mit Contrary wind und Ein Storm, biß d(en) 7. Dito Etwaß stiller. Anß landt gefahren544 bey den haffun vor Jarmeyen, so Ein Schon hauen ist. Ist 16 fuß waßer mit Fluth und ist Raum für 100 Schipffen, aber Eß geht ein starck strom, so daß offte Schipffe Zu Schaden komme(n). Auf die Reide ist guth Liegen, aber Nordlich und Sydlich wind können mechtig kliußen.545 /25/
ENGELANDT D(en) 7. Jannuary Ao 1678 Zu Jarmöyen mit die Capiteins von unsere Soldaten gegange(n), so eine ½ Meihl von den hauen ist. Alda die Stadt besehe(n) und ist Schone und Nedte Stadt, und wolgeforteficirt. Sonderlich ist Zu Rühmen alda den groß see fart, den[n] sie beschreiben sich 1300 Schipffer von der Stadt, die schipffe(n) ietzunderß fuhren. Deß abentz wieder hinunter gegange(n). Bey den haffuen liegt Ein flecken heist Golsted546. Alda deß Nachtes gelegen in der gekrönten plomasie547. D(en) 8. Dito in Capitein Fresel548 sein Schipff geweß(en), Den[n] Er binnen den pier gelegen. Deß Nachteß in unß alte Losement geschlaffe(n). D(en) 9. Dito 4 a 5 von die anderen Schotsche(n) Capite(ine), so Schipffen binne(n) liege(n) 534 535 536 537 538 539 540 541 542
543 544 545 546 547 548
Flamburg = Flamborough Head. dick wer: nebliges Wetter. befahlen: gefahren; Kurs genommen. Hassburg = Happsburgh, nördlich von Winterton on Sea. Nach dem Wort „Wahl“ folgt im Original das Wort „gewahl“. bewesten: westlich von (aufgrund der Fahrtrichtung). Winterton (on Sea), nördlich von Great Yarmouth. Prickel= Pricke, eine drehbare Vorrichtung zum Einholen des Ankers. Hel waßer = hol Waßer, Wellenbewegung, die nicht durch den am Ort herrschenden Wind verursacht ist: gerundete Wellen ohne Spitzen, oft in sehr langen parallelen Kämmen nach bestimmter Richtung rollend. Jarmeyen, auch Jarmöyen = Great Yarmouth. Im Original zuerst „gefachhren“, dann verbessert. kliusen: in schwerer See vor Anker stampfen. Golsted = Gorleston, südlich von Great Yarmouth. die gekrönte plomasie: plumasie, auf einen Helm gestecker Federbusch (engl. plumage). Frdl. Hinweis von Alastair Walker, Kiel wie auch Reimer Dietze, Erzhausen. Capitein Fresel: schottischer Handelsschiff- und Kaperkapitän; vgl auch, 152.
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Schiffbruch!
hetten, keme(n) bey mir und haben mir mit genommen Zu Jarmey(en). Alda wir hauß gehalte(n) in 2 Tagen mit Spiele(n) und Dobbpele(n)549, und habe(n) sie nicht wolle(n), daß ich Einigeß zahlen Solte. D(en) 9. Dito seint Zusammen biß Leistaff550 gegang(en). D(en) 10. Dito den gandtz(en) tag und Nacht in daß Könings wappen gespielt, gedobelt vnd unß Lustig gehalten, und daß haben wir so hin gehalt(en) in 8 Tagen, Biß d(en) 18. Dito Ein frandtz Kaper auf die Reide /26/ sich bey unß Schipff gelegt; wollte auch nicht siegeln, Ehr daß Schipff siegelt, alß den[n] gedachte Er Eß auf Zu bringe(n), weihl Eß hollandtsche Soldat(en) wahr(en), so darauf geweß(en)551. Ich habe straxß mein gut laß(en) anß landt bringen und habe mich bedungen, mit der ordenary Kutzsch, so auf Londen farth alle woche Ein mahl; für mir und mein gut 1 Pundt Sterling und seint d(en) 20. Jannuary mit unßere Capitein Zu Jarmoy [aufgebrochen, die] mir daß gleit gegebe(n). Da ich ihn(en) bedanket habe für alle Ehre und guttigkeit, so sie an mir Erzeigt. Furhen da mit die Kutzsch auf Londen, so 100 Meihl(en) von Jarmoyen Zu lande ist. Uon Jarmoye zu bickelß552 10 M.; alda geschaffet553. Ein schon stetken. 12 M. von hier liegt Kielßen554, 6 Meihl(en) von hier liegt Sexßmundum555, 3 M. von hier liegt Wodbritz556, [alda] deß Nachteß geleg(en). D(en) 21. Dito Zu Ebsitz557, Ein große stadt, worin 34 Kirchen, liegt 6 M. von da; 20 Meihl(en) zu Colchester, auch ein groß Stadt; 10 M. von hier liegt Wittem558; alda deß Nachteß geschlaffe(n). D(en) 22. Dito von hier 10 M. Schienßfort559; uon hier 16 Meihl(en) liegt Ingerstahn560; von hier 6 Meihl(en) leit Buntwod561; von hier 2 Meihl(en) liegt die große und in alle weldt berömte große Stadt Londen. Alda deß Abentz umb 9 Vhr gekommen. Habe deß nachteß gelegen in den graue drach in Bischopß strat562. /27/ London, d(en). 23. January alda hab ich gefragt nach Peter Spliedt563, so uon der stradt564 ab, wo ich deß Nachteß geschlaffen, 3 Meihl(en) von darab in die Stadt 549 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559 560 561 562 563
564
dobbpelen: wie vorher doppelen: würfeln. Leistaff = Lowestoft, südlich Great Yarmouth. Die Generalstaaten und Frankreich befanden sich seit 1675 im Krieg. Bickels = Beccles. geschaffet: versehentlich statt geschlafen. Kielßen = Kelsale. Sexßmundum = Saxmundham. Woddbritz = Woodbridge. Ebsitz = Ipswich. Wittim = Witham. Schienßfort = Chelmsford. Ingerstahn = Ingatestone. Bundtwod = Brentwood. Bischopß strat = Bishopgate street, alte Einfallstraße nach bzw. in London von Norden. Peter Spliedt = Peter Splidt: englischer Kaufmann dänischer Herkunft, der Nordseehandel betrieb. Einige der überlieferten Dokumente von ihm aus der Zeit zwischen 1659/60 und 1690 sind in dänischer Sprache. National Archives, Kew, E219/714. Trotz Vorlage meines Passes und eines Schreibens einer zentralen britischen Behörde mit Adresseneintrag wurde mir der Zutritt zu dem Archiv verweigert. Stradt (ndd.) = Straße.
2. Bischoff
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wonte und nach [dem] ich bey ihm gekommen und unterricht uon alleß gegeben, hat Er mir unterrichtet, wo Heinrich Freleß(en)565 sein Kreier gelegen. Alda mit Ein wirre566 nach Zu gefahren. Alda Jeß Holst567 auf daß Schipff Gefunden. Wurden Einig, ich solte bey ihm in daß Schipff Schlaffe(n), und ist Er mit mir gegangen nach mein guth, da ich deß Nachteß gelegen; so 4 Meihl(en) von hier wahr. Gegen abent mit daß guth wieder gekommen und habe alda im Schipffe geschlaffen und geEßen und getrunk(en). D(en) 24. Dito an mein patron geschrieben, und bin ich auf den Neye feuer torn568 straxß über die große broy569 geweßen, so 450 trepen hoch ist und ist für 20 Jahren Erst gebauwet. D(en) 25. Dito auf daß Tour570 od(er) Castel geweß(en). Alda die leuwen, Tigers, adelers vnd aller handt fremt gedirten571 gesehen für 2 Penß. Nebenst auch gesehen der Königliche Krone vnd Septer, Reichßappel und alle Königl(ichen) geschirr uon lauter gold und Edelgestein und Robinen für 6 Penß, Nebenst auch den gandtzen Rustzeug und Munitie hauß. /28/ Den572 26. Xbr573 in die stadt herumbher gegangen (...) Mit(ten) auch den Schonen Bürße574, so nicht Schoner in Europe mach gefunden werden; von oben und unten beschauet. D(en) 27. Dito Still gelegen und nicht auß L.575 gewest. D(en) 28. Dito in die Stadt gegangen und die große Kirche beschauet, genandt Saint Pauelus Kirch576, deßen größe wirt sich in die gandtze welt nicht können finden Zu vergleichen. Ist Itzunders unter die bauwung; ist in lesten brand577 abgebrennt. Nebenst auch bey daß Castel gesehen für 2 Penß; Ein Kuh mit zwey Haupten, Ein Pferdt mit 6 füße und andere wunderliche dirten mit denVogel Strauß. D(en) 29. Dito Hochdeutsche Lutersche Kirch578 geweß(en). Ist Ein vierkantig Kirch, Plat, sunden579 thurm. D(en) 565
566 567 568
569 570 571 572 573 574 575 576 577 578
Heinrich freleß(en) = Hinrich Frellesen. In Johan Hvidtfeldt og Peter Kr. Iversen, Ảbenå Bys Historie, Bd. 1, Ảbenå 1961, 229, wird Hinrich Frellesen erwähnt, der den England-Handel Apenrades 1696 begonnen habe. Da beide Personen ganz offensichtlich identisch sind, ist das also bereits zwanzig Jahre früher geschehen. wirre = wherry, engl. kleines Ruderboot. Frdl. Hinweis von Götz Schröder, Kiel. Jeß Holst: nicht identifiziert. Neye feuer torn: Es handelt sich um The Monument, ein Turm in der Londoner City in Form einer riesigen dorischen Säule, erbaut 1671–1677 zur Erinnerung an den großen Brand von 1666. Die Erbauungszeit ist also falsch angegeben, auch führten (und führen immer noch) genau genommen 311 Stufen auf eine Plattform, von der man einen guten Überblick über London hatte. Wir danken Frau Wendy Hawke von den London Metropolitan Archives für die Hilfe bei der Idenfizierung. E-Mail von 22.7.2005. broy: Brücke; die alte London Bridge. Tour: Tower of London. Über 600 Jahre enthielt der Tower auch eine Menagerie. Im Original folgt hier ein „d.“. Irrt. statt 26. Jan. Bürße = Börse. L.: London. St. Pauelus Kirch: St. Paul’s Cathedral, gebaut von Christopher Wren, 1675– 711. Der Große Brand von London 1666. Hochdeutsche Lutersche Kirch: die Hamburger Lutherische Kirche in Essex wurde als älteste deutsche Gemeinde in Großbritannien von Kaufleuten und Seefahrern im Jahre 1669 im Osten
158
Schiffbruch!
30. Dito Bin ich Nach Westmunster od(er) dass parlament Hauß, woselbst denselben tag dieselb(en) alle parlamenten verzamblet wahren, und ist der König580 hernacher selbst gekomen und nur 1 Vhr in daß parlement hauß geweßen. Ist straxß in Ein Kutsch nach Neymunster sage westmu(n)ster Gefahren. Ist Ein hoch und Schwartz person von Trone. Straxß [bin] ich nach daß Schipff gegang(en). D(en) 31. Dito mich mit Ein Kutsch auf Doveren581 von hier bedungen, so 70 Meihl(en) ist. Bin auch gegen abent Zu Dittford582 gegangen, alwo Ein teilß orlog Schipffe583 lagen und auch gebauwet worden. Habe mich klar gemachet und mein guth inß Schipff stehen laßen alß ein lad und sake584. /29/ D(en) 1. February Von London mit die Kutsch gefahren auf Douveren, vergesellschafftet mit 5 frandtschen Officierer. Ist gegen mittag mit starker Schnee eingefallen. Umb mittag gespeist Zu Dortfort585; 4 M. von London. Gegen Abendt durch Rochester gefahr(en) bey Schintern586, alwo den Meisten Orlog flote liegt; 14 M. Deß Nachteß mit die Kutsch 2 Mahl umb gewurffen. Entlich haben die frandtzen den Kutschman Erbarmlig geschlagen. Seint doch des Nachteß Zu Sittingburg587 gekommen. Alda deß Nachteß geschlaffen; 12 Meilen. Den tag gereist 40 M. D(en) 2. Febr. Zu Cantelenbury588. Ein zimblich Stadt, liegt in Sydt Engelandt. Ist deß Bischopffs Residentz von gandtz Engelandt, woselbst die schone große [Kathedrale] mit Marmelen und allebastern Pilern589 zu sehen. Wirt nicht darein geprediget, sondern nur590 daß Concilium wirt darein gehalten; 15 M. Deß Mittags alda gespeist, und ißt ein boßer weg geweßen mit Schnee und Ungewitter. Seint591 doch umb 8 Vhr abentz Zu Doveren gelanget. Haben da geloßert592 in die Stadt Calis. Den furman gegeben 16 Schil(linge) Sterling. D(en) 3. Febr. in Doveren Stil gelegen, weihl der packet bot deß folgendeß tages Erst siegeln sollte. Eß wahr dießen tag ein Storm auß WSW. D(en) 4. dito Morgenß umb 3 Vhr mit Deß Könings paket both auf Neyport593 in Flandern gesieg[e]lt. Habe Erst mußen geben fur daß ich auß dem landte reiste 3
579 580 581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 591 592 593
von London gegründet. In ihrer langen Geschichte war sie Mittelpunkt und auch Zufluchtsort für Generationen von deutschen Einwanderern im Großraum London. Sunden: ohne. König Karl II. (1660–1685). Doveren, weiter unten Douveren = Dover. Dittford = Deptford, Hier befand sich seit Heinrichs VIII. Zeiten das Royal Marine Arsenal. orlog schipffe: Bezeichnung für die Kriegsschiffe des 17.–19. Jahrhunderts. Lad = Lade, Kasten mit Deckel. Dortford = Dartford. Schintern = Chatham, Hauptmarinehafen zur Zeit Karls II. Sittingburg = Sittingbourne. Cantelenbury = Canterbury, Sitz des Erzbischofs von England. Piler: Säulen. Hier folgt im Original ein „für“. Im Original folgt hier ein zweites „seint“. geloßert: logiert. Neyport = Nieuwpoort an der Küste Westflanderns, nahe Ostende.
2. Bischoff
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Sch(illinge) St(erling), noch Zu fracht an d(aß) packetbot 10 ß.594 St(erling) und seint deß Nachm(ittag)s Zu Neyport in Flandern gelanget. /30/
FLANDERN D(en) 4. Febr. Zu Neyport angelanget. So bald wir anß landt kamen, wurden Cito für den Spans(ch) Goberneur gebracht, der unß uon allen Scharff Gefraget. Er wahr ein alter Man, Nahmenß Don Labalie595. Alda ich Ein pas bekommen. Habe deß Nachteß in die Stadt Diunkerk geloßert. Eß [ist] Neyport Ein klein, doch mechtig faste stadt. Liegt [e]in guarneson darin; 4000 Man Spansch soldaten. D(en) 5. Febr. uon Neyport auf Ostende gefahren und durch die stadt nur gelauffen und Cito in die treck Schiut596 auf Broy597 gegang(en). Ist auch nur Ein klein, doch faste stadt; liegt Recht an die offene See; Von Neyport biß Ostende 3 Meihl(en). Von Ostende biß Brug 4 Meihl(en). Umb 5 Vhr abentz in die Schone und Kosteliche Stadt Brög gelanget. Ist 2 Vhren in sein Circumfrentz598 und ist 80 Kirche(n) darein. Habe bezahlt in treckschuit für 4 M. 7 steu599. Waren Vergeselschafftet in die600 Schiut mit 15 München von barfußers601 und Karpesiner602, mit Einig(en) weiße(n) und grauen mönniche(n)603. Deß Nachteß in daß Stadtherberge gelegen. D(en) 6. Dito von Broy auf Schleuß604 mit die treck schiut gefahren, Morgenß vmb 8 Vhre(n) und seint Ein Nette kleine festung pasiret, heist Dam605. Umb Mittag Zu Sanct Donas606, ist ein Schantz, so ein viertel meihl von Schleuß liegt /31/ Vnd ist den Hollendern gehörig. Alda unß an gegebe(n) und für Jeder Persohn 1 Steu(ber) gegeben und ½ vhr NM Zu Schleuß. Alda wurden wir für den gobeneur auf daß Castel gefuhrt. Eß ist Ein Schone Stedtken. Ist den Eintzigen stadt, so Holland in Flandern hat. Eß liegt darein Ein starck guarneson. Wir seint Cito mit Ein fahr Schipffer einig geworden mit unß 5 fur 5 p607 uon Schleuß auf608 Flißingen609 in Seelandt Zu bringen und seint umb 2 Vhr uon Schleuß auf Vlißingen, so uon hier 7 Meihl lieget, gesiegelt. Pasireten daß Castel 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606 607 608 609
10 ß.: zehn Schilling Labalie: nicht identifiziert. treck Schiut: Treidelkahn. Meistens von Pferden gezogenes Fahrzeug, das auf Kanälen Passagiere und Güter befördert. Broy, weiter unten Brug, Brög = Brügge. Circumfrentz: Umfang. steu(ber), Stüber, holl. Stuiver: niederländische Scheidemünze. Im Original folgt hier ein weiteres „die“. Barfußer: Orden, die an Fußbekleidung alles außer Sandalen verbieten. Das gilt besonders für Kapuziner und Franziskaner. Karpesiner = Kapuziner. weiße und graue mönniche: Dominikaner und Franziskaner, nach der Farbe der Ordenstracht. Schleuß = Sluis. Dam = Damme. Sanct Donas = St. Donaes, auch St. Donat. p.: Pfennig. Ein Steuber hatte als Untereinheit allerdings den Deut, nicht den Pfennig. Hier folgt im Original ein zweites „auf“. Flißingen = Vlissingen, damals eine bekannte Hafenstadt.
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Schiffbruch!
od(er) Fort Nasauw 610, so bey die Seekant od(er) bey daß Ein lauf uon die Zee liegt. Eß laufft alda Ein Schones Revier, ein 4 a 5 faden waßer, und liegt die Stadt nur 1 ½ Vhr von die See auf daß Revier. Sie mußen aber kein seefarth gebrauchen, nicht anderß alß klein fart zeug alß ferschipffe und anderß alß kleine farth. Flandern ist Ein uber die Maßen Schoneß und fruchtbahreß landt und uber all trefflich und kostlich bebauwert. Wirt von Spanien vnd Franckreich gederigert, und ist die Reine Evangelische lehre alda Rein auß gelüschet und mit deß Papstes Abgötterey verblindet611. Umb 5 Vhr abentz Zu Vlisingen in Seelandt auf Das Eylandt Walchern612 gelanget. /32/
SEELANDT Den613 6. Febr umb 5 Vhr Zu Die schone Stadt Vlisingen auf daß Eylandt Walchern in Seel(andt). Diese stadt ist Ein Schipffe reiche und mit Schon Schipffe gezieret; lieget Recht an die Seekant, so daß der Marire614 Recht an die see stehet. Hat Ein Schone haue(n), und können durch die gandtze stadt die Schipffe durch lauffen. Ich bin nur durch gegang(en) straxß auf Ein wagen biß Middelburg615; ist 2 Vhren daruon. Umb 6 Vhren Zu616 die Weitberumte schone stadt Middelburg, welcheß auch Ein große und wolgefortivisirte Stadt, groß und kostlich im gebauw, und bin auch straxß auf Ein wagen Biß Terveer617, von hier 2 Vhren, umb 7 ½ Vhr Zu Terver. Ist auch Ein schon gefortifisirte Stadt, aber klein. Ist Ein schon Schipffart daruon; Eß liegen 7 a 8 schone orlog schipffe alda. Deß Nachteß in die Boots gesellen herberg geschlaffen. Deß abentz bin ich wiederumb Zu 3 von meine alte kenß618 von die schot[tischen] Capiteins bey mir gekommen, und haben wir der gandtze nacht unß lustig gemacht. D(en) 7. february von Terveer auf Zierecksee619. Diese stadt liegt auf daß Eylandt Schouwen620, Ein Schone stadt; ist Ein groß farth mit hering und durch fischerey. Pasireten Tertolen621, Duve landt622, Offuer flake623, biß ich gege(n) abent in WillemStadt624 in Brabant gekomm(en). /33/ 610 611 612 613 614 615 616 617
618 619 620 621 622
Fort Nassauw = Nassau, auf der damaligen Insel Cadzand. verblindet = verblendet. – Es folgt eine Abkürzung, die man als „sch.“ lesen könnte. Walchern = früher die Insel Walcheren. Dem „den“ folgt im Original „d.(en)“. Marire (nicht eindeutig lesbar) = mairie, frz. Bürgermeisterei, Rathaus. Middelburg: nördl von Vlissingen. Im Original folgt hier ein weiteres „zu“. Terveer, Terver: anderer Name für die Stadt Veere. Dort besaß Schottland seit Ende des 13. Jahrhunderts einen Stapel, woraus sich die im Folgenden erwähnte Anwesenheit der schottischen Kapitäne erklärt. Vgl. Matthijs P. Rooseboom, The Scottish Staple in the Netherlands, The Hague 1910. Frdl. Hinweis von Thomas Riis, Kiel. kenß: Bekanntschaft. Zierecksee = die Stadt Zierikzee, heute Hauptort auf Schouwen-Duiveland. Die ehemalige Insel Schouwen, zwischen Walcheren und Overflacken. Tertolen, auch Tolen: Insel mit Stadt gleichen Namens in Seeland, zwischen den Inseln Beveland, Schouwen und Overflake gelegen. Duvelandt = die Insel Duyveland (heute: Schouwen-Duiveland).
2. Bischoff
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BRABANDT625 D(en) 7. Febr. in William Stadt gekommen. Ist Ein kleine, doch wolgefortivisirte Stadt meist Rundumb mit hoge bohmen bewuß(en) und hat auch kein andere Schipffart alß kleine kagen626 und farzeug, womit sie binnen landt handelung mit thun. 8 Vhr selbigen abendt dauo(n) gega(n)g(en) auf Dordrecht; musten aber deß Nachteß wegen harten Contrary wind vnter Ißelmundt627. Ist Ein Schon Eylandt; Deß Nachtes [alda] gelegen. D(en) 8. Dito Mittages Zu Dordrecht. Eß ist dieße Stadt Ein Schone Stadt von Negosie628; wirdt viel handel getrieben. Lagen auch Ein Schone partey Schipffen alda, und lieget die Stadt recht in daß Waßer od(er) strom. Weihl ich nach daß ferschipff auf Rotterdam warten Mußte, bin außen fur die stadt gegangen und die vielle Windmölle(n)629 besehen, so in großer Mengte alda Stehen. Einiger holtz sage(n) od(er) schneide(n), Einige pampeier630, Einige lacke(n) vnd einige ollie631 stampeten und stunden uber die 50 a 60 St(ück). Umb 2 Vhr von hier auf Rotterdam in Hollandt mit daß fehr schipff. Zahlt alda fur pasaie632 5 steu. und ist 4 M. Umb 5 Vhr Zu Rotterdam. /34/
HOLANDT Den 8. Febr. umb 5 Vhr Zu Rotterdam. Ein Schone und kösteliche Stadt; groß und wolgefortivisirt und auf dem Marckt steht E r a s m u s633 in Metaln auß gearbeitet, mit ein Buch in der handt und alle mahl, wen[n] Er die Klocke hört schlagen, kert od(er) schlegt Er Ein bladt umb.634 Deß Nachteß alhir gelegen und gelosiret in daß vergulde weinfaß. D(en) 9. Dito Morgens 4 Vhren von Rotterdam auf Delfft, 3 Meihl(en). Alda Cito durch die Stadt gegang(en) biß an die andere Zeite; wieder Cito in die treck schiut auf den Haag gegangen, 1 ½ Meihl(en). Umb 9 Vhren in den hag. 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632 633 634
offuer flake = die Insel Overflake. WillemStadt, nachfolgend auch William Stadt = Willemstad. Durch einen Schreibfehler sind das A und das N im Original ineinander geschrieben. kage: holländischer Schiffstyp, einmastig. Ißelmundt = IJsselmund (Jsselmonde): Insel (wie der Text sagt) im Zusammenfluss von Maas, Merwe und Issel. Negosie: Handel. Die Windmühlen Dordrechts zählen heute bekanntlich zum Weltkulturerbe. Pampeier = papeier, Papier. Ollie = Öl, ndl. Olie. pasaie = Passage. Im Original benutzt Bischoff die übliche lateinische Schreibweise bei fremden Namen, wobei er hier die ersten beiden Buchstaben groß geschrieben hat. „(E)ine metallene Statue“ von Erasmus „mit einem Buche in der Hand auf einer Brücke“ wird erwähnt in zeitgenössischen Reiseberichten (z. B. Der Chronist Friedrich Lucä, hrsg. von Friedrich Lucä, Frankfurt am Main 1854, 120 für das Jahr 1666); auch im Zedler-Artikel über Rotterdam, vgl. Grosses vollständiges Universal=Lexicon, Bd. 32, Leipzig und Halle 1742, 1247. Abbildung in H. C. Hazewinkel, Geschiedenis van Rotterdam, T. 3, Amsterdam 1942, 185. Doch steht die Statue stets an einer Brücke und vom Umschlagen der Blätter ist nirgendwo die Rede.
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Schiffbruch!
Alda mich umgeschauet, auf den Prindtzen hoff635 gegang(en) und alleß besehen, bin ich wiederumb umb 12 Vhr dauon abgegangen, sondern636 daß ich ein Deut637 in den hag verzert. Bin in die treck schiut auf Leiden gegang(en), 4 M. Umb 4 Vhr Zu die Schone große und nette stadt Leyden gekommen; durch die Stadt gegangen biß an den harlemschen fart. Alda Cito in die treck schiut wiederumb und umb 6 Vhren zu den Schonen vnd wolgefortivisirten stadt Harlem gekomme(n). Alda durch gegange(n) und Das Cito; Auf Amsterdam in die trekschiut gegangen /35/ Vnd 9 Vhr deß abentz in Amsterdam. Gott sey gelobet, und bin ich auf die Reiße von Llond(o)n alhier 9 tage geweßen. Ich habe straxß binnnen den harlemßen Port Ein man mit mir bekommen, so mir hat den weg gezeiget biß in berge(n) in Norwegen638 auf den geldersen kay, wofur ich ihm 5 Steuber gegeben, und alda deß nachteß geschlaffen bey Cornelis Cornelesen639. D(en) 10. Dito mein Patrons schwester640 in den Peilsterg641 auf gefragt, woselbst ich 2 briffe von mein patron Erhalten, und hat sie meine Kleider und guth Cito holen laß(en), daß ich sollte bey ihn(en) verlieb nehmen, welcheß ich auch gern Consentert642. Dito an mein patron geschrieb(en) von Ein byße643, so auf gluck und Ebentheuer solte von hier auf Drontem gehen, ob Er Einiges Schipffen wollte, Kundte Er darauf antworte(n), [dann] solte ich uon Nutzliche wahr(en) kauff(en). Mitlerer weihle habe ich die Schone Stadt Amsterdam recht besehen. D(en) 13. Dito Peter Jurgenßen und Clauß Hanß(en)644 bey mir gekommen. D(e)n 15. Dito alhier antwort auf mein Schreibent von London, daß ich mich solte schleunig anheimb Sehen Zu uerfugen Zu waßer od(er) lande. Habe mich auch Resolviret. Mitteler weile kommbt antwort auf mein Schreibent von hier, ich solte mich selbst nu[n] unverseumblich mit die byße wo müglich auf Drontem verfug(en). Bin alßo d(en) 12. Marty von
635 636 637 638 639 640
641
642 643 644
Prinzenhof in Haag: Residenz und Ort der Ermordung Wilhelms I. von Oranien (1584); Versammlungsort der Generalstaaten. sondern: ohne. Deut: Scheidemünze. Ein Stüver hatte acht Deut. bergen in Norwegen: möglicherweise eine Gastwirtschaft oder ein Schiff. Cornelis Cornelesen: nicht identifiziert. mein Patron schwester: also die Schwester von Magnus Paulsen, wohl verheiratet mit Jacob Bartelßen, der oben an dieser Stelle erwähnt wird. Vgl. oben, 121, Anm. 186. Über Jacob Bartelsen ist sonst nur bekannt, dass er noch 1688 Bevollmächtigter einer Flensburgerin in Amsterdam – er wird als Einwohner der Stadt bezeichnet – in einer Erbschaftsangelegenheit war. Vgl. Gerhard Kraack, Flensburger Geburtsbriefe, Flensburg 1977, 160 f. peilsterg = Pfeilsteg, eine Straße nahe der sogenannten Verken-Schleuse, westlich des Burgwalls von Amsterdam. Vgl. Filip von Zesen, Beschreibung der Stadt Amsterdam, Amsterdam 1664, 337. Consentieren: einwilligen. Byße = Büse, großes dreimastiges Schiff, in diesem Fall ein seegehendes Frachtschiff, aber auch als Fischereifahrzeug und Küstenschiff bekannt. Peter Jürgenßen und Claus Hanßen: Es könnte sich um Mitglieder der Mannschaft des verunglückten Schiffes handeln. Andererseits wird ein Peter Jürgenßen oben als Vizekommandeur und Kapitän eines Schiffes des Konvois von 1677 erwähnt. Vgl. oben, 140..
2. Bischoff
163
Amsterdam auf Stauoren645 in frießlandt gegang(en), woselbst die buße geleg(en). /36/
FRISLANDT D(en) 13. Marty Sontags Morgenß Zu Stavoren in Frißl(and). Uon da bin ich Cito von abgegang(en) Zu Molqueren646; liegt Ein halb Vhr von Stauoren. Alda ich in die Kirch geweßen mit Dode Sibliß647. Deß abentz wiederumb Zu Stauvoren gegangen und des Nachteß in deß Stadtherberg gelosert. Stavoren ist Ein kleine, aber vor alten Zeiten Ein Mechtige berömte stadt geweßen. D(en) 14. Dito still gelegen mit Nordt west windt. D(en) 15. Dito mein gut ambohr gebracht in Dode Sibliß vnd Otte Martenßen648 sein byß. D(en) 16. Dito Zu Stauoren gegang(en) und649 Zu Molqueren deß Nachteß geschlaffen in Dode Sibliß sein Hauß und ist mir alle Ehr und dienst von ihm Erzeiget wurden. D(en) 17. Dito mit Otte Martenß Zu Wans650 gegang(en). D(en) 18. Dito mit William Peterß651 sein Jacht auß gesiegelt für pleysier, und seint Zu Coudum652 angelanget; von dar auf Hinlopen653, [von] da binnen landtz, so daß Eß ein Vberauß plysierig farth [gewesen]. Ist Ein kleine, doch Nette Stadt. D(en) 19., 20., 21. Zu Molqueren Stil gelegen. D(en) 22. Dito von Stavoren gesiegelt mit vorgemelt(en) byß, genandt die hoffnung von Molqueren. D(en) 23. Dito in daß Vlie654 gelanget und seint anß landt in die Vlie geweßen in die Wackende Böy655. Deß abentz 645 646
647
648 649 650 651 652 653
654 655
Stauoren, weiter unten auch Stavoren: Hafenstadt im westlichen Friesland. Die große Vergangenheit Stavorens, die Bischoff anspricht, liegt im Mittelalter. Molqueren: Molkwerum. Dorf im westlichen Friesland (Westergo) am IJsselmeer, eine Meile südlich von Stavoren. Im 17. und 18. Jahrhundert bekannt wegen seiner Eigenheiten in Sprache und Kleidung. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es regen Schiffsverkehr zwischen den Orten am IJsselmerr wie Molkwerum und Hindelopen und Trondheim, wenn auch die friesischen Schiffe hauptsächlich nach Südnorwegen westlich von Mandal gingen. Vgl. Maria Wessel Klöcker, Økonomiske forhold in Trondhejm i tiden 1600–1656, Trondheim 1943, 11 f. und S. Sogner, Popular contacts between Norway and the Netherlands in the Early Modern Period, in: Juliette Roding and Lex Heerma van Voss (eds.), The North Sea and Culture (1550– 1800), Hilversum 1996, 189. Dode Sibliß = Doede Sibles, genannt als Schiffer für Trondheimer Reeder und Kaufleute wie Henrik Hornemann und Lorenz Mortensen Angell; vgl. Berg, 36, 44. 1691/92 taucht Doede Sibles als Einwohner Trondheims auf; vgl. Trondhjems borgerskap, 45. Otte Martenßen: nicht identifiziert. In Original folgt hier eine versehentliche Wortwiederholung. Wans = Warns, Ort ganz in der Nähe von Stavoren und Molkwerum in Westfriesland. William Peterß: nicht identifiziert. Coudum = Koudum, Dorf im westlichen Westfriesland. Hinlopen = Hindeloopen. Dorf zwischen Stavoren und Workum am Ijsselmeer (Zuidersee) wie Molkwerum wegen Eigenheiten der Sprache und Kleidung im 17. und 18. Jahrhundert bekannt. Vgl. die Anm. zu Molkwerum. Vlie, auch Vliestrom: der Meeresstrom zu und zwischen den Inseln Terschelling und Vlieland. Wackende Böy: holländisches Schiff, das 1658 an der Suche nach dem mit vielen Menschen und einem großen Silberschatz an Bord verloren gegangenen VOC-Seglers Vergulde Draak beteiligt gewesen war und dabei selbst ein Boot mit Besatzung verloren hatte.
Schiffbruch!
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ambohr gegang(en) od(er) gefahren. /37/ Den 26. Marty auß daß Vlie gesiegelt vmb 9 a 10 Vhr mit den oxßen und Hamburger Comvoy, die wind SSW mit Moy wetter. Seint mit Ihn(en) gelauffen biß gegen sonnen vntergang Eß mit dick und donnerwetter auf gestiege(n). Seint unßer Cours sonder Conwoy N+O deß Nachteß gesiegelt. Sagen656 deß vorigen abentz annoch Brandarus657, deß Nachteß mit moy Vortgang, die Wind SSO. D(en) 27. Dito Sontags morgen Ein siegeler vor auß gesehen. Wahren nicht in gering(en) sorgen, doch Er ist mit od(er) fur die wind ostlicher alß wir gelauffen. D(en) gandtz(en) tag schon Kulte und heller und klar wetter. Waren sehr befurcht für Kaper. D(en) 28. Dito die wind deß vorigen Nachteß Mechtig hart gekult auß SSO. Haben Daß top seil für die wind so wol unß große benet658 Einnehmen [müssen]; ging lustig fort. D(en) 29. Dito den forigen wind mit Schon Kulte NO Gesiegelt; vermeinte(n) daß landt in sicht Zu krieg(en), befunden hochte auf 59 g. 10 M. Haben mit abent annoch kein landt gesehen. Seint die bede Erste wacht(en) N und N +W gesiegelt; in lest von die Mittel wacht659 daß landt gesehen. D(en) 30. dito ungefehr 2 ½ M. von die wahl und die lengte von Olden; lieffen mit660 moy kulte, die wind auß die wahl, langß landt. Umb 9 a 10 Vhr die lengte von die Syd huck von Stadt, die windt NO + O, ungefehr 3 a 4 gleße straxß wieder auf gekult auß SW mit schon Vort gang, so daß wir mit Sonnenuntergang die lengte von Heß661 hetten. Deß Nachtes die W(ind) auß d(ie) wahl. D(en) 31. Dito mit moy wehr und Sydlich wind binnen auf daß liedt gekomm(en). Weihl die wind Nort ost lieff, musten Nach Smerholm. D(en) 1. April still geleg(en). D(en) 2. Dito dauon gesiegelt und deß A(bend) in Lexße(n)662 zu anker. D(en) 3. Dito dauon und Mittag Agneß pasiret. /38/ 663
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Nachmitag d(en) 24. Marty ab(en)t still; glücklich an den holm gelanget. Der Liebe Jesu sey hochlich gedanket, der mir Biß anhero so wunderlich vnd Vaterlich mit gesundheit anhero verholffen. Jhm sey Ewig Lob und dank in alle Ewigkeit. Amen. Amen.
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Sagen = sahen. Brandarus = Brandaris, Leuchttum auf Terschelling. benet = beaupret, Bugsprietsegel. in lest von die Mittel wacht: im letzten Teil der mittleren Wache. Im Original: miit. Heß = auf alten historischen Karten die Insel Hessen. Lexßen = Lexen. Es ist entweder die Insel Nord- oder Sør-Leksa gemeint, gelegen östlich der Insel Hitra, westlich des Trondheimfjords. Man erwartet hier den 4. April. Vielleicht hat Bischoff versehentlich auf die vorletzte Seite geblickt und dort auf das letzte Datum (23. März) gesehen und ist dann einfach chronologisch weitergegangen. Holm: Schiffsanlege-, auch -bauplatz.
3. Autobiographie Feddersens
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Feddersens: Einige Umstände von dem Leben des 3. Autobiographie Feddersens Bürgermeisters Johan Gerhard Feddersen in Flensburg, welche von ihm selbst aufgesetzet sind (1777). Anno 1712 den 29. Dec. erblickte ich das Licht der Welt alhier in Flensburg und zwar zu einer solchen Zeit, da alles in der Stadt wegen Annäherung der Schweden, nach der unglücklichen Schlacht bei Gadebusch665 in Furcht und Schrecken gesetzet ward. Solches wurde durch die eingegangene Nachricht, daß der General Magnus Steinbock666 die Stadt in Brand zu stecken gewilliget, um so mehr vergrösert, so, daß als ich am NeuJahrsTage 1713 zur Taufe gehalten ward, die mehresten Leute durch ein vorläufiges Gerücht wegen solcher Annäherung zur Kirche hinaus liefen, um das ihrige in Sicherheit zu bringen.667 Als der Obrister Bassewitz668 mit einem commando Dragoner zum Brandschatzen in die Stadt würklich einrückte, und sein Quartier gerade über meiner Aeltern Hauße, bey dem damahligen Bürger Georg Sebastian Neuhaus669 genommen hatte, ließ er zwar Meine[r] Mutter als Kindbetterin allen Schutz angedeyen, weil mein Vater nach Hamburg reisen muste,670 um zu der Zahlung des unterm 21. Jan. 1713 auf 37000 rth.
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Gadebusch: Stadt in Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Am 20. Dez. 1712 siegten bei Gadebusch die Schweden, die an der mecklenburgischen Küste dort gelandet waren, um ihren im Osmanischen Reich gefangenen König zu befreien, über die Dänen. Steinbock = Magnus Graf Stenbock, schwedischer General, 1664 – 1717. Nach der Schlacht von Gadebusch, bei der Stenbock die schwedischen Truppen anführte, marschierte er in die Herzogtümer ein und ließ Altona in Brand stecken. Er musste aber kurz darauf in Tönning kapitulieren und war eine Zeitlang Gefangener in Flensburg. – Die Furcht vor den Schweden mag groß gewesen sein, doch die Brandschatzungsforderung wurde am 1. Jan. 1713 abgefasst und traf angeblich erst am 8. Jan. in Flensburg ein. Unter den Notizen des Flensburger Geschichtsforschers und Schulrektors Olaus Heinrich Moller findet sich folgender Eintrag, der sich auf Johann Gerhard Feddersen beziehen muss: „(3) er wurde gebohren Donnerstag Nachmitag um 4 Uhr und getaufft 1713 am Neuen Jahrs Tage, da leyder die Furcht vor den Schweden so groß gewesen, dass gar wenige Leute in der Kirche waren. Seine Gevatter sind gewesen 1. Johann Gerdt Burmester in Hamburg, 2. Fr. Margareta Meinck, 3. Peter Möller. Stadtarchiv Flensburg (im Folgenden StadtA FL), XII, St.T. 80, V., 2. Teil. Johann Gerdt Burmester (+ 1726), von dem Johann Gerhard ganz offensichtlich seinen Vornamen hatte, war ein prominenter Hamburger Kaufmann, der mit Textilien und Eisen (über Dänemark) und Kupfer handelte.Vgl. Briefe des hamburgischen Bürgermeisters Johann Schulte an seinen in Lissabon etablirten Sohn Johann Schulte, Hamburg 1856, 82–84. Obrister Bassewitz = Oberst Ulrich Carl von Bassewitz. Er hatte 1711 ein Dragonerregiment errichtet (das Wismarische Regiment), das sich 1712 Stenbock anschloss. Vgl. Georg Tessin, Die deutschen Regimenter der Krone Schweden, Teil II, Köln - Graz 1967, 227–229. Neuhaus = Georg Sebastian Neuhauß (1660–1738), vgl. Gerhard Kraack, Heinz Kellermann (Hrsg), Bürgerbuch der Stadt Flensburg, Bd. 1, Verzeichnis der Neubürger von 1558–1869, Flensburg 1999, 305. Die Reise des Vaters ist in einer anderen Quelle dokumentiert. Vgl. Glasemeyer’s Bericht, 96 f.
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ausgestellten und durch Geiseln versicherten Wechsels an die ordre des Grafen Magnus von Steinbock die erforderliche Vorkehrung zu machen. Wegen einer so mercklichen Geburt ward ich, als in der Folge das 15te Kind671, der Schwede genannt, dahero ich denn auch in meiner Jugend allezeit blau gekleidet gewesen. Bey anwachsenden Jahren äuserte sich bey mir / 2 / Ingenium zu nützlichen Erfindungen, so daß ich nicht alleinig die Music, Drechsler- und Schilderkunst672 von mir selbsten erlernete, sondern auch mit andern Dingen mich beschäftigte, die ich vermittelst der Gießkunst zu verfertigen wuste, welches mir nachhero bey meinen Geschäfften nützliche Dienste geleistet hat. Zwar hatten meine Aeltern mich dem Studieren gewidmet: als ich aber in 1728 und also in meinem 16ten Jahre, als ich noch die Lateinische Schule frequentirte und bis in der 3ten Classe gekommen673, eine Reise in meines Vaters Geschäffte, nach Seeland, Falster und Laaland unternehmen und mit einer ansehnlichen Summa Geldes, die ich eincassieret hatte – bey Hans Horneman674 in Nedstedt675 cassierte ich 4000 rth ein, welcher ein wichtiger Caland676 mein(es) Vaters war677 –, nach Copenhagen reisen muste; So bekahm ich dadurch eine solche Neigung zur Kaufmannschafft, daß meine Aeltern ihren ersten Vorsatz fahren ließen, weil die damit verknüpfte Reisen mir so reitzend geschienen, daß unerachtet ich bey diesem ersten Versuch viele Beschwerlichkeiten ausstehen muste, dennoch die Kaufmanschafft jederzeit mein Haubttemperament geblieben. Denn als ich nach dem großen Brande678 in Copenhagen (ich kam 3 Wochen nach dem Brandt in Copenhagen679 an) wegen des darauf erfolgten harten Winters meine Rückreise zu Lande antreten muste, fand ich die große Belt dergestalt mit Eis belegt, daß solche nicht anders als mit Eisbooten zu passiren wäre, dahero ich dann auch 5 Tage und darunter 3 Tage mit einer Anzahl Menschen auf der Insul Spro680 zubringen müßen, bis uns der Abgang an Lebensmittel nöhtigte, das äußerste zu wagen, und [wir] also dabey vieler Gefahr und Ungemach auszustehen hatten.
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Von insgesamt 18 Kindern. StadtA FL, XII, St.T. 80, Stammtafel 14. Schilderkunst: die Anfertigung von kupfernen, blechernen oder hölzernen Tafeln mit Inschriften und Bildern. Feddersen besuchte von 1725–1729 die Flensburger Lateinschule. Vgl. StadtA FL, HS XII, 651 a, Catalogus Juvenum ac Puerorum qui Scholam Flensburgensem ab initio Seculi Æræ Christianæ XVIIIvi frequentarunt, Nr. 379. Es handelt sich nicht um den bei Otto Smith, Næstved, Næstved 1935, 170, 180. 186 191, 194 f erwähnten Kaufmann und Bürgermeister Hans Hornemand, sondern um Hans Hornemann den yngeren (+ 1732). Nedstedt = Nævsted auf Seeland. Caland: Geschäftsfreund. Ende einer unplazierten Einfügung des Verfassers, hier in Gedankenstriche eingeschlossen. Im Oktober 1728 verwüstete ein verheerender Brand große Teile von Kopenhagen. Unplatzierte Einfügung des Verfassers, hier in Klammern. Insul Spro = Sprogø im Großen Belt zwischen Nyborg und Korsør.
3. Autobiographie Feddersens
Abb. 10: Erste Seite der Autobiographie Feddersens
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1729 reiste ich mit meinem Bruder Friderich681 nach Amsterdam, wo selbst mein Bruder Peter682 sich / 3 / damahls aufhielt, und obzwar mein Vater nicht die Absicht hatte, mich daselbst in Condition zu lassen, ließ er es dennoch auf meine Vorstellung geschehen, eine Condition auf 4 Jahre bey einem Gewürzhändler Boie683, wohnhafft op dat water, anzunehmen. Die Conditions Puncten, welche der Mäckler684 meinetwegen stipuliret685 hatte, waren wider mein Erwarten, indem da man sonst für die LehrJahre Geld zu bezahlet, so solte ich für das erste Jahr 100 f686 und für jedes der übrigen Jahre 50 f Verbesserung an Lohn haben. Dieses wurde denn auch bey der Gegenwart meiner beyden Brüder in so weit ins Werck gerichtet, welche aber für dienlich fanden, 6 Wochen zur Probe auszusetzen, und auf solche weise trat ich den Dienst an, als sie im Begrif standen wiederum nach Hauße zu reisen. Weil ich aber gleich einsahe, daß bey dieser Handlung687 nichts rechtes für mich zu erlernen stünde688, indem der gantze Betrieb nur als ein Gewerbe bey der Thür anzusehen war; so eröfnete ich meine Gedanken an Jan Rieger689, an welchen ich addressiret war, wie ich wohl einsahe, wie man mich für das zugestandene Solarium690 als ein Knecht, wozu die Westphalische Bauren sich verdingen ließen, gebrauchen wollte: Und als derselbe mir an einem Sonnabend in meinem Sergen Kittel691 und Schürztuch692 von Packleinen auf der Gaßen begegnete, mit zwey großen Krucken, die an einem breiten Riem befestiget, wovon die eine forn, die andere auf dem Rücken hing, welche mit einem Anker693 Öhl angefüllet waren, um mit den auf den Fingern hängenden dreyerley MaaßSorten an Calanden, die in einer weiten Strecke der Stadt vertheilet, auszumeßen und abzuliefern, äußerte / 4 / er über diesen Aufzug dergestalt seinen Mißfallen, daß er mir geboht mit ihm zurückzukehren, da er dann meinem Principal anzeigte, wie die Absicht meines Vaters nicht wäre, mich als Knecht zu halten, und also solcherwegen den Contract nicht einzugehen gedächte, besonders weil er vernommen, daß er Römisch catolischer Religion und in 681 682 683 684 685 686 687 688
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Friderich = Friedrich Feddersen (1703–1775). Peter = Peter Feddersen (1702–1773), Kaufmann in Flensburg und Klixbüll. Boie: nicht identifiziert. Zu beachten ist, dass Gewürzhändler noch unterhalb der Kramer standen. Mäckler = Makler. Stipulieren: (vertraglich) vereinbaren, festsetzen. f: Abkürzung für Gulden. Handlung = Handel; Firma. Auch der Kaufmannsjunge Johann Philipps Münch gibt in seinem „Lebens-Memorial“ als einen der Gründe, warum er seine erste Lehrstelle verließ, an, dass „bei ihm [seinem Patron] wenig mehr zu sehn war“. Gottlieb Schnapper-Arndt, Wanderjahre des Johann Philipps München als Kaufmannsjunge und Handlungsdiener 1680–1684, in: ders., Aufsätze und Vorträge, hrsg. von Leon Zeitlin, Tübingen 1906, 123. Jan Rieger, nachweisbar in den Akten der Amsterdamer Desolate Boedelskamer, dem Konkursgericht, unter der Nr. 784, 1725 augustus 31. Solarium = Salarium (Lohn). Sergen Kittel: ein Kittel aus geköpertem Wollzeug. Schürztuch = als Schürze dienendes Tuch. Anker: Hohlmaß für Flüssigkeiten mit nach Territorium unterschiedlichen Werten.
3. Autobiographie Feddersens
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der Zeit [da] ich dagewesen noch nicht die Erlaubniß erhalten zur Kirche zu kommen. Weiln nun währender Zeit ich daselbst zur Probe gestanden, die Condition auf dem Contoir bey Jacobus Blom694 mir entgangen, und der Winter vor der Thür stand; So reiste ich mit Schiffer Hinr. Hansen nach Husum zurück, der eine Fracht mit Schifsleuten, die von ihren Reisen nach dem VaterLande zurück kehrten, angenommen hatte. Ich muste es als eine besondere Vorsehung Gottes ansehen, daß dieses alte Schiff, nicht mit einer Lahdung über See gegangen, weiln wir mit einem so starcken Storm befallen, wodurch unser Schiff so sehr tramponiret695 wurde, daß einer der Plancken sich von dem forderSteven696 absonderte, und also das Schiff so viel Wasser einnahm, daß unerachtet der vielen Manschafft die Pumpe nicht lenß zu halten697 wäre: durch die Erfahrenheit des Capitains und der übrigen SeeErfahrne, wurde(n) alle Mittel herbey gebracht, solchen Umstand zu heben, so daß wir mit groser Noht zu Husum endlich wohlbehalten anlangten. Nach de[m] in 1732 am FastNachTage erfolgten Tod meines Vaters und bey der an meine Brüdern Friderich und Martin698 übertragenen Handlung stand ich die Geschäffte vor, so daß ich in 1734 zum ersten mahl nach der Braunschweiger LichtMeße699 reiste, womit ich denn auch bey frequentierung der LaurentzMeße700 theils für sie, theils nachhero für mich selbsten bis Anno 1766 / 5 / continuiret habe, ausbenommen in den Jahren 1734 (in Ansehung der Laurentz-Messe701) und 1735, da ich mich auf Reisen begeben. 1734 Anfangs July reiste ich über Husum und Fridrichstadt und von da mit dem berühmten Capitain Tabe Jours nach Amsterdam, woselbst ich nach einen Aufenthalt von 6 Wochen, auf dasjenige was sowohl auf dasiger Börse als in anderen Städten bey der Handlung und Fabriquen vorgegangene, meine Aufmercksamkeit gerichtet, um bei künfftigen Vorfällen davon Gebrauch zu machen. Im Aug. Monaht ging ich von da wiederum mit Capt. Pieter Bakker, führend das Fleuth Schiff702 de Hopp, nach 694
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700 701 702
Jacobus Blom: Kaufmann in Amsterdam, wahrscheinlich identisch mit dem 1751 erwähnten Jacob Blom, Kaufmann in Amsterdam. Vgl. Streekarchief Amsterdam, 110 Notarissen, Inv.nr. 1052, vom 01/11/1751. tramponiren = ramponieren, beschädigen. Fordersteven: Vordersteven ist die Verlängerung des Kiels nach oben im vorderen Teil des Schiffes. Die Pumpe konnte nicht lenß halten: es drang mehr Wasser ins Schiff, als abgepumpt werden konnte. Martin Feddersen, Kaufmann, Kommerz-Assessor (1706–1774). Braunschweiger Lichtmeße: bedeutende Messe seit 1681. Der Name der Messe leitet sich aus dem auf den 2. Feb. fallenden christlichen Feiertag (Mariä) Lichtmeß ab. Vgl. Peter Albrecht, Die Förderung des Landbaues im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel im Spiegel der Verwaltungsakten des 18. Jahrhunderts (1671–1806), Braunschweig 1980, 370–375. Laurentz Messe: Der Termin für diese bedeutende Messe (seit 1681) war der 10.Aug. Vgl. Albrecht, 370–375. Plazierte Einfügung. Fleuth Schiff = Fleute oder Fleutschiff, ein großes dreimastiges (Handels-)Schiff mit großer Traglast, dessen Heck rund war.
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Bordeaux ab. Wir langten in zweyen Tagen in Texel an und erreichten auch in wenigen Tagen den Canal. Hier fing der Wind an uns wiedrig zu werden, so daß wir gantzer 4 Wochen mit Sturm und Ungewitter zu kämpffen hatten. Eine starke Englische Flotte, welche nach Lissabon destininiret, und womit wir uns umgeben sahen, hatte dasselbe Schicksahl, welches dennoch für uns um so beschwerlicher war, weiln wir uns bey dem laviren in solcher Stellung halten mußten, nicht in der Linien der Flotte zu gerahten. Nachdem wir nun Isle de Douvesand703 passiret, und die Flotte also ihren Cours setzen können, musten wir dennoch um die fransche704 Bucht anzuthun, mit beständigen widrigen Winden streiten. Ob nun zwar zum öfteren während dieser Reise meine Furcht wegen der Barbarischen Raubschiffe705 geäusert706, der Capitain mir aber allemahl versicherte, daß nach seinem mit sich führenden Türckenpass707, seine Passagier so gut als Schiff und Gut für allem Überfall befreyet wären; So nahm er dadurch Gelegenheit, wie ich es nachhero erfahren habe, durch eine Stratagem708 mir etwas an dem Ermel zu binden, wodurch ich zwar anfänglich Tort709 litten, er selber aber davon viele / 6 / Ungelegenheit hatte; der Umstand war diese[r]. Als ich in der morgen Stunde, ein Schiff von einer mir Ungewöhnlich[en] Bauart auf uns ankommen sahe, äuserte ich meine Furcht, daß es etwa ein Saleer710 oder Algirer seyn mögte. Der Capitain ließ mich in der Meynung, versicherte dennoch, daß ich gar nichts zu fürchten hatte. Auf Annäherung deselben, riehte er mir dennoch in die Keller unter der Cajute zu gehen, welches ich denn auch thäte. Es kahmen auch würklich einige Manschafft an Bord, welche sich in die Cajute des Capitains Paß zeigen ließen und nach verschiedenen 703 704 705
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Isle de Douvesand = Ile d’Ouessant. fransche = französische. Barbarische Raubschiffe: Schiffe aus den nordafrikanischen Barbareskenstaaten, oft als Seeräuber bezeichnet. „Die Legalität ihrer Aktionen war zwar im gewissen Sinne anerkannt, aber rechtlich nicht hinreichend genau zu bestimmen.“ Daniel Heller-Roazen, Der Feind aller: der Pirat und das Recht, Frankfurt am Main 2010, 114. Vor 1734 waren zwei große Flensburger Schiffe von algerischen Seeräubern gekapert worden. Vgl. Flensburg in Bild und Wort, Flensburg 2003, 19.6. Dazu gehörte das Schiff des Baltzer Nissen 1721. Für den Freikauf von Nissen und seiner Mannschaft wurde in der Stadt und Umgebung eine Sammlung organisiert. Feddersen könnte also schon als Kind von der Gefahr der Versklavung gehört haben. Der Schwiegersohn Bischoffs, Thomas Lorenzen Lorck, notierte den zweiten Vorfall: „1724 den 29. Mai ist Schiffer Peter Hansen Weinschenk, so von Bordeaux gekommen, in der Bucht von Frankreich von Türken genommen und den 26. Juni nach Algier aufgebracht.“ Andreas Lorck Schierning, Die Chronik der Familie Lorck, Neumünster 1949, 97. Außerdem erfolgte die Rechnungsablegung für den in Gefangenschaft gestorbenen Hans Nissen Holst erst 1733, kurz vor der Abfahrt Feddersens, vgl. StadtA FL, A 805, Bd. 1, Bilance Rechnung vom 8. April 1733. Türkenpass: Seepass, den die Schiffe derjenigen Staaten mit sich führen mussten, die Verträge mit den Barbareskenstaaten abgeschlossen hatten. Stratagem = stratagème (frz.), (Kriegs-)List. Tort: Ärger, Kränkung. Saleer = Bewohner von Salé, einer Hafenstadt nahe Rabat im heutigen Marokko, zu jener Zeit ein berühmt-berüchtigter Piratenstützpunkt.
3. Autobiographie Feddersens
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Fragen, ob auch Schiffe anderer Nations mit ihm in der Folge gewesen, fuhren sie von uns wiederum ab, und wir vollführten unsern Cours. Der Capitain ließ mir also aus dem Keller aufkommen, und unterhielte mich die ganze Reise in dem Wahn, daß es ein Algierer gewesen, und zwar aus der Ursache, daß unsere und andere Nations Schiffe, die damahls mit den Algierer in keinem Alliance stunden, durch solches Gerücht mogten abgeschrecket werden, nicht in solche Gegenden zu kommen, wo sie selber für ihre Schiffe Fracht suchten. Wir langten endlich auf der Garonne und zu Blaye711 glücklich an, und da ich daselbst Monsr Vivier712 vorfand, der in Flensburg die Schule besucht hatte, und nunmehro als Mäckler713 daselbst wohnte, war es mir um so angenehmer einen Freund zu finden, der mir in etwas zu rechte weisen könnte. Nachdem ich nun zu Bordeaux angelanget, und meine Freunde Luetkens Freres & Drevesen714 nicht vorgefunden, weiln sie sich auf ihr LandGuth befanden, um die Vendange715 abzuwarten, begab ich mich bey einem Meister der Rafinaderie716 Monsr Mercier à la Rue du Couvent in Pension für 40 Livres per Monaht. Bey ihrer / 7 / Retour vom Lande aber, ward mir ihr Hauß angebohten, welches ich annahm und woselbst mir alle Hofflichkeiten angethan wurden. Ich meldete mein[e] Ankunft nach Flensburg, wobey ich den Vorfall wegen des Algiere[r]s mit einfließen ließ, wodurch das hiesige Commercium ziemlich allarmiret wurde. Da ich nun von verschiedenen Kaufleuten auf der Börse darum befraget worde; So konte darüber keine andere Gewährleistung als über den Vorgang thun, weil der Capitain schon wieder abgegangen war. Als er im Febr(uar) des folgenden Jahres wieder kahm, wurde er von verschiedenen Flensburger Schiffern darüber hart zugesetzet, da er dan gestanden, daß es ein Englisches PreßSchiff717 gewesen, und daß er durch meine unzeitige Furcht verleitet worden, mir einen Spaß zu machen, welches die Schiffern aber anders zu erklähren wusten, und ihm dahero mit einer derben Tracht Schläge recompensirten718. 711 712
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Blaye: Stadt an der Gironde-Mündung. Vivier: der Name taucht (in dieser Form!) in dem Catalogus Juvenum ac Puerorum qui Scholam Flensburgensem ab initio Seculi Æræ Christianæ XVIIIvi frequentarunt nicht auf. Vgl. StadtA FL, HS XII, 651 a. Mäckler: in diesem Fall wohl Schiffsmakler, der z. B. Frachtaufträge für Schiffe im Voraus gegen Provision besorgte, Formalitäten mit den örtlichen Behörden erledigte usw. Vgl. Christina Deggim, Hafenleben in Mittelalter und Früher Neuzeit, Bremerhaven und Hamburg 2005, 92– 94. Luetkens Freres & Drevesen: Das Handelshaus wurde von den Kaufleuten Hinrich Luetkens und Jacob Drewsen 1722 gegründet und firmierte unter Luetkens frères & Drewsen. Im Jahre 1742 meldete die Gesellschaft Konkurs an und wurde ein Jahr später aufgelöst. Vgl. Wolfgang Henninger, Johann Jacob von Bethmann 1717–1792, Kaufmann, Reeder und kaiserlicher Konsul in Bordeaux, Teil 1, Bochum 1993, 39–47. Vendange: (frz.) Weinlese. Rafinaderie = raffinaderie (dän.), Raffinerie. PreßSchiff: ein Schiff, das die Aufgabe hatte, Matrosen anderer Schiffe in die Kriegsmarine zu zwingen. Recompensiren: belohnen.
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Abb. 11: Bordeaux Mitte des 18. Jahrhunderts Während meines Aufenthaltes daselbst erwarb ich mich bey den besten Häusern auf Chartron719 einen Zutritt und hatte auch sowohl mit denen in Pension seyenden jungen Leuten, die aus Engeländer, Holländer und Teutschen bestanden, einen freundschafftlichen Umgang sondern auch insbesondere mit eines Burgermeisters Sohn aus Amsterdam, der was rechtes einzubrocken hätte, und dahero einen grosen Staatt [sic] führte, wovon ich in meinem Diario über meine Reise weitere Anmerckungen gemacht habe. Als ich bey dem von Zwey Hamburgern Krafft720 und Heseler721 in unserm Quartier (Quartier oder Nachbahrschaft722) gegebenen Ball, mich dermaasen verkältet hatte, daß ich in einige Tagen darnach einige Mattigkeit verspührte, reiste ich
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Chartron = Chartrons, ein Hafenviertel von Bordeaux; damals bevorzugter Ort für den Weinhandel. Krafft: auch erwähnt bei Henninger, 43, unter Verweis auf die hier abgedruckte Quelle. Möglicherweise der Kaufmann Adrian Krafft, der 1736 das Bürggerecht der Hansestadt erwarb (Staatsarchiv Hamburg, A I a 8, Bürgerbuch Jan. 1733 – April 1744, 78). Heseler: vgl. auch Henninger, 43. Wohl ein Mitglied der bei Schramm, Bd. 1, 104 erwähnten Hamburger Kaufmannsfamilie Haeseler. Unplazierte Einfügung.
3. Autobiographie Feddersens
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dennoch in einer Barcke zur Abendzeit die Garonne auf bis nach Prignac723, in der Absicht bey unserm Mackler Monsr Ladonne724 einen Monaht daselbst zu verbleiben. Des anderen Abend kam eine Gesellschafft junger Leute aus der Stadt zu / 8 / Pferde, um mich zu besuchen, und da wir bis in die Nacht untereinander vergnügt lebten, fand ich dennoch, daß meine Schwachheit nicht gehoben, sondern vielmehr durch dem, daß ich die Nacht auf dem Wasser gewesen, sich vermehret hatte. Auf Anrahten meines Freundes, muste ich mich des andern Morgens mit ihm zu Pferde setzen, um bey einer Wittwe zu Farges725 des Mittages zu speisen; und obwohl alles sehr gut angerichtet war, fand ich dennoch, daß mir alle Speisen zum Eckel wurden, dahero ich mich auf der Rückreise begeben mußte, welche nicht ohne Hulffe meines Freundes zu erreichen war. Ich verfiehl in eine so hefftige Pleuresie726, daß der Wundartz Monsr Petit, der mir in einem Tage drey mahl die Ader öfnete, so wenig als der Medicus einige Hoffnung zu meinem Aufkommen geben könten, dahero den[n] auch das Gerücht von meinem Ableben nach Chartron gekommen, so daß meine Freunde schon zusammen getreten waren, d. H. Luetkens zu vermögen, mich in ihrem Orange Haus beysetzen zu lassen727. Ein junger Abbé, mit welchem ich in Bordeaux in Bekantschafft gerahten, besuchte mich zu einer Zeit, da die Kranckheit am heftigsten war, der aber wegen der heftigen phantasie seinen Zweck nicht erreichen konte. Als ich mich in etwas wieder erholet (befand mich dennoch nicht außer Gefahr728), äuserte er seine Gesinnung, mich zum Proseliten729 zu machen. Auf die Frage, die er mir in GlaubensSachen vorlegte, schiene er mit meiner Antwort sowohl zu frieden zu seyn, daß er sich heraus ließ, niemahlen geglaubt zu haben, eine solche Erkentniß bey einem Ketzer zu finden. Als wir aber auf dem punct kamen, wohin er seine Absicht gerichtet hatte, daß ich nemlich mein Vermögen nicht beßer als der Kirche für die Seel-Meßen anvertrauen könte, welche er nach meinem Tode zu halten versprach, brachte ihm mein[e] unüberlegte Antwort, daß wenn / 9 / für mein Gewißen keinen beßern Trost vorhanden, als er mir zu geben gedachte, würde ich würklich schlecht daran seyn730, in einer solche Wuht, daß er darauf schwur, mich wegen solcher Blasphemie, an einen öffentlichen Weg hinwerfen zu laßen. Als aber meine Gesundheit nach Verlauf 4 Wochen wiederum hergestellet war, hatte ich zum öffteren Gelegenheit unter 4 Augen wegen dieser Materie mit ihm zu reden, weil ich an diesem Geistlichen eben keinen starcken ortodoxen fand, der nur dasjenige behauptete, was die Kirche glaubte.
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Prignac = Preignac, kleiner Ort im Bordelais, nahe Sauternes. Ladonne: nicht identifiziert. Farges = Fargues, nahe Sauternes. Pleuresie: im Verständnis des 19. Jahrhunderts eine Brustfellentzündung. Im Orangenhaus beysetzen: Religionsfremde durften in Bordeaux häufig nicht auf einem Friedhof beigesetzt werden, daher dachte man an eine Beerdigung auf einem Privatgrundstück. Unplatzierte Einfügung, hier in Klammern. Proselit = Proselyt, Konfessionswechsler. Im Original unterstrichen.
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Schiffbruch!
Ehe ich vom Lande nach der Stadt reiste, nahm ich eine Tour nach Sauterne731 vor, wo selbst ich von Monsr Tillot732 Conseiller733 et grand Chambelain734 au Parlement de Bordeaux auf ein gratieuse735 art bewirhtet wurde; denn ob er wohl an dem Tage als ein Catolique Jour Maigre736 hielt, war dennoch für die Gesellschafft, worunter verschiedene Fremde aus Bordeaux und besonders die beyden Hamburger Kraft und Heseler waren, herlich angerichtet, so wie es einige Tage vorher bey dem Prieur du Couvent737 au Saint Croix du Mont738 geschehen. (Die Capuciner Orden scheinet viel redliches mit sich zu führen, und ist besonders gastfrey739). Nachdem ich auf Chartron wieder zurückgekommen, wurden mir von verschiedene Freunde, worunter der jüngere Bruder Lucas Luetkens740 war, vortheilhaffte offerten gethan, daselbst zu verbleiben, um mit ihnen in Compagnie Handlung741 zu treten, und zwar deswegen, weil Flensburg in einige Jahre viel Wein von daher gezogen, und dahero glauben konten, mit mir aller Commisions an sich zu ziehen, indem alleinig in diesem Jahre 13 Schiffe für die Stadt daselbst abgelahdet wurden. Weil ich aber noch jung, und also furchtsam, wegen der Erfordernisse so nach dortiger Lebensart ein solches etablissement mit sich führet; So war dennoch die Hauptmotif, wodurch ich solchen Antrag decliniren742 muste, die vielen Concurse, die damahls hier in der Stadt existirten und welche mir bis zu 14 an der Zahl vom Hauße gemeldet wurden, daß ich also noch lieber / 10 / mich etwas in der Welt versuchen, als einen so wichtigen Schritt vorzunehmen. Nachdem ich nun auf alles was taglich auf der Börse passirte und in der Handlung vorging, sorgfältig bemerckte, faste ich den Endschluß mit Capt. William Poul führend das Schnau Schiffe743 the black Dog nach London abzugehen, welches dan in Juny Monaht geschahe, nachdem ich für die Passage 4 Guines accordiret hatte, um dafür alle Bequemlichkeit, welche ein solches Paquet Both mit sich führet, zu genießen. 731 732
733 734
735 736 737 738 739 740 741 742 743
Sauterne = Sauternes, kleiner Ort im Bordelais. Tillot = Filhot, Jean-Jacques-Romain de Filhot de Chimbaut, Conseiller au parlement de Bordeaux. Heirat 1712. Wir danken Bernd Klesmann, Köln, für die Identifizierung. E-Mail vom 15.3.2012. Conseiller: frz, Rat. grand chambelain: diese Bezeichnung dürfte darauf hinweisen, dass Filhot Mitglied der „grand chambre“ des Parlaments von Bordeaux war, d. h., der wichtigsten Kammer angehörte, in der politische Fragen allgemeiner Art entschieden wurden. Unser Dank gilt wiederum Bernd Klesmann, Köln. gratieuse = gracieux (frz.), eigentlich freundlich, hier wohl eher großzügig, vortrefflich. Jour Maigre: frz., Fastentag. Couvent: frz., Kloster. Sainte-Croix-du-Mont, nordöstlich von Sauternes. Unplazierte Einfügung, hier in Klammern. Lukas Luetkens = (Peter) Lukas Luetkens (1704–1789); vgl. Henninger, 47. in Compagnie Handlung treten: in eine Handelsgesellschaft eintreten. decliniren: ablehnen. Schnau Schiffe = Schnaue, zweimastiges Schiff, dessen großes Segel ein viereckiges Rahsegel ist.
3. Autobiographie Feddersens
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Eine Gesellschafft meiner Freunde convoyirten744 mich nach Blaye, woselbst wir auf recommandation des Consuls Hansen745 von dem Prieur des Klosters auf das liebreichste aufgenommen worden. Da meine Absicht nicht ist, etwas Specielles von meinem Aufenthalt alhie anzuführen, so übergehe dasjenige was sonsten bey meiner Reise Beschreibung gedacht worden. Nach einer zärtlichen Abschied von meine Freunde gingen wir zur See, und als wir unter bel Isle746 kahmen, musten wir wegen Storm und wiedrigen Windes zu Ancker gehen. Wir fuhren am Lande und speiseten in dem Flecken, der unter dem Castel liegt. Der Wihrt Maccolow erklärte sich auf mein Verlangen gerne das Castel zu besehen, dazu [bereit] die Erlaubniß zu verschaffen, und führte mich nebst eine englische Demoiselle, die meine Reißgefährtin war, in das Castell, welches ich von einer ungemeynen etendu747 fand, so daß es wie eine Windeltreppe, der um den ganzen Rampart748 bis an die oberste Höhe führte, aussahe. Durch die Bekantschafft unsers Führers mit der Wache, besahen wir die ganze unter Fläche, die mit unglaublicher armatur749 versehen war. Als wir aber an der 2ten Etage gekommen, wurden wir von der Wache angehalten und von einem Officir mit Ungestüm befraget, wer uns die Erlaubniß gegeben, / 11 / ins Fort zu kommen. Ich bezog mich auf meinen Führer, und zeigte ihm meinen Königl(ichen) Paß, woraus ersichtlich, daß ich ein Kaufman wäre, dem keine andere Absicht als die Neubegierde dazu gebracht hätte. Er hieß mich in arrest gehen bis er von den Commandanten weitere Ordre eingeholet hatte, und ging mit der Demoiselle, welche ihren Paß an Bord gelaßen hatte, fort. Nach Verlauf von einer Stunde kahm er mit ihr – welche von dem Commandanten alle Höflichkeit widerfahren – mit dem Befehl zurück, daß wir nicht alleinig das Fort verlassen, sondern uns so gleich am Bord begeben solten, welches dann unter Begleitung der Wache geschehen muste, so daß ich von dieser merkwürdigen Insul nichts mehreres zu sehen kriegte. Unter Dower750 begegnet uns ein Englisches Krieg Schiff. welches alle unsere Matrosen preste751, und an deren Stelle andere von seiner Manschafft an uns abgab. Bey dem vielen hin und herfahren mit der chaluppe752 schickte ich dem Befehlshaber 20 boutellien753 rohten Wein, von meiner Provision womit meine Freunde in Bordeaux mich so reichlich versehen hatten. Er nahm es so wohl auf, daß er mich ersuchen ließ, an sein Schiff zu kommen, und nachdem ich einen Punsch mit ihm trinken müßen, ließ er eben so viel Boutellien des besten engl(ischen) Biers mit einem Viertel Chester Käse in die 744 745 746 747 748 749 750 751 752 753
convoyiren: begleiten. Consul Hansen = Friederich Hansen, dänischer Konsul in Bordeaux. bel Isle = Belle-Île, vor der bretonischen Küste gelegen. Die Befestigungswerke wurden von dem berühmten Festungsbaumeister Vauban vollendet. etendue = étendue (frz.), Ausdehnung. Rampart: Befestigungsmauer. Armatur: Bewaffnung. Dower = Dover. pressen: in den Militärdienst zwingen. chaluppe = Beiboot, Rettungsboot. Boutellien = bouteille (frz.), Flasche.
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Schiffbruch!
chaluppe legen, und gab mir ein Paquet Documenten, welches ich an den ersten Zollbedienten, der am Bord kommen würde, mit dem Befehl abgeben sollte, solchen schleunige Beförderung zu verschaffen. Als wir die Themse erreichten und bis Gravesand754 gekommen, wurde das Schiff auf eine ungewöhnliche art inquiriret,755 und da man mein halb Oxhofft756 Wein, welches noch nicht halb ausgelehret war, auf des Schiffers Zollangabe – wovon in Engeland ein außerordentlich hoher Zoll bezahlet wird – mit anführen wolte757, gab ich solches der Manschafft mit dem Bedeuten preis, daß sie das übrige solten über die decke laufen laßen, weiln ich solches nicht weiter brauchen könte, wofür die guten Zollbediente dennoch werden Vorsehung gethan haben. Bey Erreichung der Stadt London übernahm meine Reißgefährtin mich nach dem Orte, wo mein Commissionair Teusch758 / 12 / wohnte hinweisen zu laßen. Als wir aber an ihren WohnOrt gekommen waren, gab sie sie mir jemanden mit, der zwar die Schepsay759 als die Hauptstraße kannte, dennoch die broad Street760, die nach dem Startcourt761 führte, nicht zu finden wußte, dahero ich mit ihm bis an den Abend herum wandern muste, bis wir endlich an den rechten Ort anlangten. Ich wurde dennoch als einer der die Sprache unkundig in Verlegenheit gesetzet, als man mir sagen ließ, der Herr Teusch wäre nicht zu Hauße, ich mögte den anderen Morgen wieder kommen, bis endlich der Gesell eines Perucqmachers, welcher neben an wohnte, meine Verlegenheit sahe, und mich auf fransösch anredete, und von mir vernahm, daß ich ganz unbekandt und mich deswegen an meinen Commissionair gewendet hätte, um mich ein convenables762 Quartier zu verschaffen. Wie ich nun zu der Frauen des Herrn Teusch einzutreten genöhtiget wurde, verweilet ich solange bey ihr, bis Master Musio und Turntong, welche beede daselbst in Pension waren und gut fransöisch reden konten, und auch d. H. Teusch am späten Abend selbst zu Hause kam, der mir sodan neben anbey dem Perucqmacher ein bequemes Zimmer miehtete, woselbst ich sehr wohl war, indem
754 755 756 757 758
759 760 761
762
Gravesand = Gravesend. inquiriren: untersuchen, befragen. Oxhofft = Oxhoft, Flüssigkeitsmaß, unterschiedlich nach Ort. Im Original: wolten. Commissionair Teusch: dabei muss es sich um den jungen Frederick Teusch aus Bergzabern handeln, der bei Schulte Beerbühl als alter Mann mit seinem Handelshaus am Star Court an der Bread Street erwähnt wird, und 1783 sein Testament machte. Vgl. Margrit Schulte Beerbühl, Deutsche Kaufleute in London, München 2007, 322. Schepsay: Cheapside in der City of London, eine der Haupt- und führenden Geschäftsstraßen Londons. Broad Street: Bread Street, die südlich von Cheapside abführt. Startcourt = Star Court, kleine Straße, die östlich von der Bread Street abzweigt. Vgl. Henry A. Herben, A Dictionary of London, Being Notes Topographical And Historical Relating To The Streets And Principal Buildings In The City Of London, London 1918, 547. Literaturhinweis von Stephen Freeth, Keeper of Manuscripts, Guildhall Library Manuscripts Section, London. EMail vom 26.8.2005. convenable: (frz.), bequem.
3. Autobiographie Feddersens
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mir der Tisch des Herrn Teusch zu Mittag und Abend angetragen wurde, welchen ich willig annahm. Des andern Morgens reiste ich mit Teusch auf dem Landt in einer Cariol763, um eine Blau amidam Fabrique764, worinen er interessiret war, zu besehen, welches in Hinsicht der Rüstung der Erze765, woraus der Blausel766 verfertigt wird, anmerckungswehrt fand. Da bey meiner Retour, mein Coffre von Zollhause noch nicht zu erhalten stünde, war ich genötiget in meiner frantzöischen Tracht, die den Engeländer so unerträglich, daß auch honette Leute sich nicht enthalten könen, die antipatie zu verbergen, mich zeigen zu müßen. Mein Freund, der mir gerne in den ersten Tagen in etwas zu rechte weisen wolte, sagte mir, daß es / 13 / mir nicht befremden müste, wenn ich als ein Frantzoß insultiret767 wurde: Und wie ich ihn versicherte, daß ich als ein Fremder daraus nichts machte, hatte ich unter andern diesen Vorfall, daß da wir uns ein OelHaus768 näherten, der einen offenen Beyschlag769 statt der Fenster Laden hatte, woran verschiedene Persohnen saßen, ihr Bier zu trinken, hätte ich insbesondere eine Persohn von diesen Gästen ins Gesicht, der so rohte Augen hatte, als wenn sie mit Jugd770 eingefaßet waren. Dieser nun in vorbeygehend, nahm sein Glas und brachte den Wunsch an mich, jour hels jour fransch Dog771 und sprütze mich mit dem im Munde genommenes Bier, mein gantzes Kleid über. Ein FrauenZimmer das hinter uns ging und in Reituniform gekleidet war, konte sich nicht enthalten, die Abneigung gegen der frantzoischen nation dadurch zu äußern, daß sie mit der Reitpeitsche mein Harbeutel, der forne mit einer breiten Schleife, so man Postillon d’amour nannte, versehen war, mit Behendigkeit in die Höhe hebte, mit dem Worten jour little fransch Dog med Jour Lans Becks772, welches vieleicht als eine Caresse773 mögte angesehen werden. Um nun nicht dergleichen Insulten ferner auszustehen, müßte ich nun den Frantzosen zu verbergen, mich auf englisch kleiden, so daß ich auf der Börse bald Bekantschafft und besonders mit denen sich damahls auf haltenden Fremden erhielte, 763 764 765 766 767 768 769 770 771 772
773
Cariol: stattliche Kutsche. Blau amidam Fabrique: eine Fabrik zur Herstellung blauer Farbe. Rüstung der Ertze: das Aufbereitungs- und Herstellungsverfahren, um den Farbstoff aus Kobalt, Sand und Pottasche herzustellen. Blausel (oder Smalte): blaue Farbe zum Färben von Papier oder weißer Zeuge. insultiren: beleidigen, bschimpfen. OelHaus: Gastwirtschaft, Kneipe. Die Schreibweise von „ale“ lässt sich wohl durch den Einfluss des Dänischen (øl = Bier) herleiten. Beyschlag: Vorbau. Jugd = Jod. jour hels jour fransch Dog = your health, you French dog (auf deine Gesundheit, du französischer Hund). Your little fransch dog med Jour Lans Becks = you little French dog with your land’s wigs (du kleiner französicher Hund mit den Perücken deines Landes); eine Anspielung auf die französische Perückenmode. Caresse: (frz.), Liebkosung, Gunstbezeigung.
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Schiffbruch!
wodurch ich nicht nur alles was in der Stadt, sondern auch in den umliegenden Gegenden remarquables war, in Betracht ziehen konte. Es würde alzu weitläuftig werden, mich auf das eigentliche einzulassen (die Beschreibung der Tour774 und was daselbst zu sehen ist, würde einen Bogen anfüllen können.775), dahero ich mich nur an dem, was ich sonsten davon angemercket, beziehe, und will nur überhaubt in Hinsicht des moralischen Caracters der Engeländer so viel angemercket haben, daß der Nahme einer freyen Nation, worauf sie so stoltz sind, die besten Genies in ihrer Beurtheilung so weit herabsetzen, daß der Um- /14 / gang der fremden Nationen dadurch fast unerträglich wird. Die Policey Anstalten, die einen Einfluß auf das allgemeine haben, werden so genau befolget, daß es zu bewundern, wie der freydenkende Pöbel, sich eines solchen Zwang noch unterwerfen wolle: dagegen wird auf dasjenige was ein Absehen auf die Moralitet hat, gar wenig gehalten, so daß derjenige, der einem Jeden gleich und Recht thun könne, so zu Handeln sich berechtiget glaubt, wie sein Gewißen ihn dazu die Erlaubniß erstattet. Der Geist zur Handlung ist bey den Engeländern so starck, daß sie in gewißermaaßen täglich von der Börse vertrieben werden: denn sobald die glock 2 geschlagen, gehen zwey Bediente wie Herolden mit einem langen Stab in der Hand, um die Börse herum, und schlagen damit so stark an das daselbst befindliche Panehlwerck, daß vast ein Jeder dadurch betäubet wird, und folglich nach Hause gehen muß, da sodan die Thüren bis zu 5 Uhr verschloßen bleiben. Diese Anordnung gründet sich auf eine parlements acte, da die Frauens zur Zeit der großen Actien Handel eingekommen sind, solches zu bewircken, indem sie vorgaben, daß die Neigung ihrer Männer zur Handlung so weit ginge, daß sie Frau und Kinder und ihr gantzes Haußwesen darüber vergaßen. Ob nun zwar gewünschet den Winter über in London zu verbleiben, so wolten dennoch meine VermögensUmstände mir solches nicht zustehen, nach dem ich mit meiner Caße Rechnung gemacht und befunden, daß die 10 Wochen, so ich daselbst zugebracht, mir mehr gekostet als 10 Monahte in Frankreich, obwohl mir wenigere agrements776 dafür zu theil worden. Eine Reise nach Hampton court und andere Sch(l)oßer zu besehen, kostete mich mehr, als wenn ich in Franckreich eine ganze Province durchreise, weil es nach dem gemeinen Sprichwort in London heist: / 15 / Des Morgens hat man Gold, des Mittages Silber und des Abends Kupffer in der Tasche. Ich reisete also mit Capt. Vogelsang, welcher das dreymastige Schiff der Oranien Baum führte, mit Ausgang Augusti nach Bremen ab. Als wir von Harwitsch zur See gingen, wehete es so starck, daß wir eine Guiné für ein Both bezahlen musten, das unser Lotz ans Land brachte, und womit es auch bis an den dritten Tag continuirte, da wir uns vor der Weser zu seyn glaubten. Ob nun zwar sonsten gewohnt war, mich mehrentheils aufm Verdeck aufzuhalten, so muste ich doch wegen des beständigen 774 775 776
Tour: Tower of London. Unplatzierte Einfügung. agrement = agrément (frz.), Annehmlichkeit, Vergnügen.
3. Autobiographie Feddersens
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Regens und dicke Luft777 in die cajute begeben, so daß ich von dieser Fahrt algar keine Anmerckung machen können. Es war der Capitain solcher wegen und da er so wenig von Jütland noch HelligoLand einige Kentniß gehabt oder zur Gesicht bekommen mögen, nicht wenig verlegen, denn da wir des Abends von einem Holländer geprayet778 und befraget worden, ob wir gedachten die Weser anzuthun, erklärte er sich die See halten zu müßen, weil er keine Land Kenning gehabt hätte, worauf der Holländer erwiderte, daß er nach seinem Bestick779 nur eine Meile vom Lande wäre, und sich dahero nicht getrauete, den Wall ablegen780 zu können, wäre
Abb. 12: Börse in London also entschloßen die Weser anzugehen. Wir must(en) also die Nacht über, den Wall abzwangen781, welche mir die Längste in meinem Leben geworden. Bey anbrechen777 778 779 780 781
dicke Luft: dunkle Wolken, Nebel. prayen = preien, ein Schiff, welchem man begegnet, anrufen und sich mit ihm besprechen. Bestick = Besteck, nautische Standortsbestimmung. den Wall ablegen: bei auflandigem Wind unter der Küste segeln, wobei häufig die Gefahr der Strandung droht. den Wall abzwangen: ausreichenden Abstand vom Ufer halten.
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Schiffbruch!
dem Tage aber, da der Wind sich geleget, kamen wir glücklich zum Fegesack, anstatt wir des Holländers Schiff auf dem Strand sitzen sahen, daß nichts mehr als die Masten herfürragten. In Bremen blieb ich 3 Tage und reiste von da mit meinem Reisegefährten, einem jungen Edelman, der sich auf die Universitet begeben wollte / 16 / und meiner Aufsicht von seinen Aeltern anbetrauet worden, nach Buxtehude ab. Er hatte statt einen Bediente[n] seine Amme mit sich, welches ich als eine alzu große Verzärtelung ansehen muste.782 Unterwegens erzählte er mir diese Anecdote von seinem Vater. Er war von Teutscher adelicher Herkunfft. Hatte bey der Gesandschafft in Engeland in verschiedenen Jahren als Secretair gestanden, wäre naturalisiret und bey Staatsgeschäfften gebraucht worden, so daß er ein Unterparlementsitz gehabt hatte: Und nachdem er dadurch als bey der Heyraht seiner Mutter zu783 ansehnlichen Mitteln gelanget, wären solche wegen der Leidenschafft, welchen er zum Hahnengefecht784 hatte, größestentheil daraufgegangen, so daß der Hang, so er zu dieser Sinlichkeit hatte, annoch beständig Geld erforderte. Im anno 1766 und also 31 Jahre danach, befanden wir uns in der Obergesellschaft785 in Hamburg an einer Tafel. Durch die Benennung unsers Nahmen, wurden wir ein ander bekannt, so daß ich ihn selbigen Abend mit seiner jungen Frauen auf ein Soupé auf meiner Stube nöhtigte, welches er auch annahm. Als ich aber mitlerweile ausgegangen meine Geschäffte zu treiben, fand ich ihm bey meinem Zuhausekunfft786 als ein Todten gekleydet, indem er gantz plötzlich verstorben war. Anstatt nun von Crantz787 uns nach Blanckenose über die Elbe setzen zu laßen, wurden wir mit den Everführers einig, uns nach Altona zu bringen, bey deren Ankunfft an einem Sontage wir so viel wie möglich eileten, um vor der Hauptpredigt, da das Thor geschlossen wird, in Hamburg zu kommen.788 Die Litzenbrüder789, die unsere Sachen einbringen solten, nahmen dadurch Gelegenheit davon zu profitiren, und verlangten von einem Jeden einen doppelt Marck, welches wir ihnen auch gern gegeben hätten, wenn die Condition nicht dabey gewesen, gleich das Geld zu bezahlen. Ich mögte nicht bekant seyn, daß mein Geld alle geworden, dahero ich sie 782 783 784
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Ein Einfügungszeichen befindet sich weiter unten nach „verstorben war“. Wir hielten die Einfügung an dieser Stelle für passender. Im Original „zur“. Hahnenkampf: Auf den Sieger dieses populären „Freizeit“-Vergnügens wurden Wetten abgegeben. Vgl. Derek Jarrett, England in the age of Hogarth, St Albans 1976, 152 und die Abb. 20 und 21. Obergesellschaft: dieser Begriff ist auch Kennern der Hamburger Geschichte wie Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke unbekannt (E-Mail vom 23. Feb. 2006) Es könnte sich um eine der zahlreichen – oft sehr kurzlebigen – privaten Gesellschaften handeln, die es zu dieser Zeit in Hamburg gab. Unplatzierte Einfügung, beginnend mit „bey“. Crantz = Cranz, Dorf am südlichen Elbufer, heute zu Hamburgs gehörig. Altona war zu jener Zeit eine Stadt im königlich-dänischen Holstein. Daher ist die Rede vom (Hamburger) Stadttor, dessen Schließung bevorstand. Litzenbrüder: Packknechte und Ablader in Hamburg und Lübeck.
3. Autobiographie Feddersens
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persuadirte790 die Sache nur auf Versicherung redliche[r] Bezahlung, einzubringen, wozu sie sich aber nicht verstehen wolten, vorgebende daß solche junge Herrn gewohnt wären, doppelt zu dingen, dahero wir uns entschloßen unsere Sachen daselbst niederzusetzen um zu Fuße nach Hamburg zu gehen. Ich fand also, daß es ein verzweifelter Umstand sey, wenn man auf Reisen weder Geld noch Credit hat. Nach einem Aufenthalt von 8 Tagen, reiste ich von Hamburg ab, / 17 / und kahm in Sept. 1735 glücklich wiederum zu Hauße. Anno 1737 nachdem ich bis dahin meine gewöhnliche Reisen nach der Messe und zweymahl nach Dännemark als zu den 11ten Juny und 11ten Dec. jährlich der Handlung wegen verrichtet, that ich Anfang Sept., nachdem ich kurz vorher von der Lauren(tz)Meße retourniret, eine Reise zu Pferde nach dem Eisfelde791 und zwar über Hamburg, Haarburg, Zelle, Hannovre, Alfeld, Einbeck, Göttingen woselbst ich zwey Tage nach der Inauguration792 ankahm und von da weiter nach Duderstadt, BreitenWorbis, Heiligenstadt und sodann über Hildesheim, Hannovre und Lüneborg retournirte, nachdem ich diese Reise in 22 Tagen zurückgelegt und den Zweck meiner Reise erreicht gesehen. Zweene Vorfälle sind dabey vorgekommen, welche von mir angemercket worden. Die erste war, nachdem ich in Hamburg bey meiner Aufreise keine Gelegenheit fand, über die Elbe zu kommen, ritte ich nach Altona und fand einen MilchEver, womit ich einig wurde, mich nach Haarburg überzusetzen. Weil es hart wehete und wir überdem GegenWind hatten, fragten die Leute mir, ob das Pferd dem Waßer gewohnt wäre, welches ich mit ja beantwortete, um nicht die Gelegenheit vorbey gehen zu laßen, obwohl ich dafür nicht die GewährLeistung thun konte. Es ging insoweit gut, bis wir zum laviren kahmen, und folglich mein Pferd eine andere Stellung nehmen muste, da es denn so unbändig wurde, daß die HinterFüße schon über die Ever lagen, wodurch die Zwey Handwerksbursche, welche ich gratis mitgenommen hatte, mit ihren Messern hervor kamen, die Halfter und Zügel, womit es angebunden stand, loszuschneiden, vorgebende daß es besser wäre, daß eine Creatur als Menschen ums Leben kähme. Weil ich aber was ansehnliches in Golde bey mir führte, welches in dem Mantelsack, / 18 / so an dem Sattel angebunden, verwahret war; So muste ich sie durch die Drohung mit meine Pistohlen davon abhalten, und da die SchiffsLeute meinen Ernst sahen, musten sie der Ever umlegen, um dadurch mein Pferd zu salviren, welches wir, nachdem wir es wieder in guter Stellung in der Ever hatten, alle Vieren zusammenbanden, daß es sich nicht mehr bewegen können, und auf solche weise glücklich zu Harburg anlangten. Der 2te Umstand war dieser. Obzwar ich in dem Hannöverschen sehr gut bekant war, weil ich die Reisen langs der Leine noch vor 4 Wochen, als ich meine Rückreise von Braunschweig über Hildesheim, Alfeld, Hannovre und Zelle genommen hatte; so war ich dennoch niemahlen die Aller übergekommen, dahero als ich Winsen, welches 790 791 792
persuadiren: überreden. Eisfelde = Eichsfeld. Inauguration: Eröffnungsfeier der Universität Göttingen am 17. Sept. 1737.
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Schiffbruch!
an der Aller gelegen793, auf eine Meile nahe gekommen, muste ich mich des Weges erkundigen, weil es schon spät am Abend war. Nach der mir gethanen Anzeige, kahm ich die Holtzung richtig durch: es wurde aber so finster, daß ich keinen Weg sehen könte, mithin sahe mich verirret, als ich der Aller Fluß vor mir hatte, ohne weiter zu kommen. Ich wurde ein Licht gewahr, welches mir so nahe schien, daß ich nach meiner Einbildung die Frau mit dem Lichte in der großen Hausthür bemercken konte. Ich ritte also darauf zu, befand aber anstatt sich zu nähern, daß es sich von mir entfernte und endlich gar verschwand. Ich lösete meine Pistolen und hörete in einer gegenseitigen Entfernung die Hunde bellen, wodurch ich veranlaßet worde umzukehren, und ehe ich michs versahe, war ich in der Krümmung, welche die Aller nimbt, so umgeben, daß ich aus solcher Schlenung nicht wieder heraus kommen konte. Ich entschloß mich also abzusatteln, und nachdem [ich] den Halfter mit meine Strumpffenbänder verlängert hatte, / 19 / band ich das Ende davon an meinen Fuß und legte mich schlaffen, bis ich bey anbrechenden Tage meinen Irthum einsehen konnte. Ich bemerckte, daß das Licht so ich gesehen hätte, ein Irwisch794 gewesen, weiln, so wie die Leute zu Winsen mir versicherten, in dasiger Gegenden algar keine Häuser zu finden wären. Anno 1739 in April reiste ich mit Schiffer Nicolay Thielsen, nachdem ich für mich selbst eine partey Waaren auf der Meße angekaufft, damit nach Dramen795. Ich machte dabey so gute Rechnung, daß ich mich entschloß auf den Herbst wieder zu kommen, nahm also meine Rückreise über die Grafschafft Jarlsberg796, über Laurwig797, Langesand798 Brevic 799 und Scheen800, bediente mich ein[es] Schiff[es] von Grennoe801 um nach Jütland überzusetzen. Diese waren die elendesten SchiffsLeute. Denn da ich meinen Mattkorb802 und Wein Keller Preiß gab, hätten wir in den 8 Tagen, welches wir wegen ihres Versehens, da wir Westen um Schagen803 gekommen, verhungern müßen, wenn uns nicht ein Seegen von Makrehl be[s]cheeret worden, weil es uns sogar an frisches Wasser gebrach. Als ich ein Schiff gewahr wurde, welches Jacob Harmesen804 von Apenrade war, der von Leverpol805 kam, 793 794
795 796 797 798 799 800 801 802 803
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Nordwestlich von Celle, nicht zu verwechseln mit dem größeren und bekannteren Winsen an der Luhe. Irrwisch: Irrlicht oder Sumpflicht, seltene Lichterscheinungen, die besonders nachts in Sümpfen und Mooren beobachtet werden können und im Volksglauben als Zeugen von Geistern angesehen werden. Dramen = Drammen, südnorwegische Stadt. Grafschaft Jarlsberg: (heute Herrensitz) nördlich von Laurvig in der Gemeinde Tønsberg. Laurwig = Laurvig. Langesand = Langesund. Brevic = Brevik. Scheen = Skien. Grennoe = Grenen. Mattkorb = Mattenkorb, Korb aus Matten, oft für Lebensmittel, Obst etc. gebraucht. Schagen = Skagen. Ein Heinrich Jacob Harmsen wurde 1725 Bürger Apenrades. Leider fehlt eine Angabe des Berufes. Vgl. Morten Kamphövener, Borgerskaber i Ǻbenrå 1686–1867, Ǻbenrå 1974, 21.
3. Autobiographie Feddersens
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setzte ich eine Schau806 bey und kahm an das Schiff, welcher mich willig aufnahm, so daß ich jene807 der Göttlichen Vorsicht überließ. Dieses Schiff hatte seinen Bockssprit808 in der See verlohren, dahero wir mit den andern Schiffen keinen Flott halten konnten, da wir auf der Alborger Bocht809 die Nacht über viel travaille (ein SeeTerminus wenn es scharf hergehet810) hatten und die mehresten Leute mit dem Schiffer sich schlaffen gelegt, näherte sich uns ein großes Lübeckisches Schiff, und kam uns in unsern KiehlWaßer so nahe, daß wir den Ausleger mit einen Loßhacken erreichen könnten. Der Steuermann, der mit mir am Ruder stand, fragte ihnen, was das bedeutete und ob sie nicht abdrehen wolten, worauf eine stille herschte und uns auf eine höhnische art belachten. Der Steurmann, welcher in Wuht dadurch gesetzet wurde, gab mir das SteurRuder, ladete in der Geschwindigkeit / 20 / einer der Schwengbassen811, der nach hinten ausragte, setzte ein Stück vom Gelbwurtzel812 davor und brandte nach813 den am Ruder stehenden Matrosen loß814, daß ihnen hören und sehen verging. Der Schiffer und die übrigen Matrosen, welche darüber erwachten, wurden so erbost, daß wir Mühe hatten, sie zu besänfftigen, weil alles Brand Holtz, was ihnen nur zu Händen kahm, statt einer canonade dienen muste. Zu Fridericia ging ich von ihnen ab und kehrte zu Lande nach Hauße. Als ich die erforderliche Waaren auf der Meße angekaufft, ging ich in Octobre mit einem Kauffman Christian Bendix Röling von Stromsoe815 wiederum nach Dramen ab, und nachdem ich meine Handlung nach Wunsch verrichtet, reiste ich in Gesellschafft mit Michael Nicolay Tanck durch Schweden über Copenhagen zu Hauße, nachdem ich die Nachricht erhalten, daß meine Mutter am 13. Dec. zu Hadersleben verstorben wäre.816 Eine besondere Ahndung hat mir diesen Todesfall vorher verkündiget.817 Wegen des harten Winters musten wir wiederum 3 Tage auf Spro zubringen.
805
Leverpol = Liverpool. eine Schau setzen = mit einer Flagge ein Hilfegesuch an ein anderes Schiff signalisieren. 807 Im Original: jener. 808 Bockssprit = Bugspriet, schräg über den Bug herausragende Spiere bei Segelschiffen. 809 Alburger Bocht: zwischen Frederikshavn und Grenå, an der Ostküste Jütlands. 810 Platzierte Einfügung. 811 Schwengbasse: kleines drehbares Schiffsgeschütz. 812 Gelbwurtzel: die Lexika geben als Erklärung die tropische Gelbsuchtswurtzel (Curcuma), die zu medizinischen Zwecken genutzt werden konnte. Es ist aber fraglich, ob es sich darum handelt, und wenn, ist kaum erklärlich, warum sie als Munitionsersatz gedient haben sollte. Vielleicht sind gelbe Möhren gemeint. 813 Im Original: noch. 814 losbrennen: schießen. 815 Strømø: heute Teil von Drammen. 816 Der Personalteil der Leichenpredigt seiner Mutter Lucia Feddersen findet sich im StadtA FL XII HS St.T 80 IX. Der Sterbeort erklärt sich dadurch, dass sie eine in Hadersleben lebende Tochter besuchte, die sich im Wochenbett befand. 817 Der vorangehende Satz ist eine unplatzierte Einfügung. 806
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Schiffbruch!
Anno 1740 d. 18. Oct. trat ich meine Reise nach Drontheim an, und ging mit Schiffer Nicolay Thielsen nach Christiania818 ab. Wir kamen in wenigen Tagen zu Fladstranden819, woselbst uns alles contrair zu gehen anfing; denn da wir zu dreyen mahlen mit günstigem Süden Wind abgingen, wurden wir jedes mahl unter Norwegen mit einem Storm aus dem Norden befallen, so daß wir umkehren und Theils zu Fladstrand Theils aber unter der Insel Dey820 unsere Retirade suchen musten. Als wir aber zum 4ten mahl mit einer Flotte von 40 Schiffer zur See gingen, schien uns das Wetter so schön, als wir es wünschen mögten, dahero wir das Schiff, worauf sich Hans Wackerhagen821 befand, an der Seite des unserigen festbanden, um gemeinschafftlich eine Historie lesen zu hören. Gegen Abend um 10 Uhr, welches d. 12. Nov., ward der Himmel mit einer so dicken Wolke überzogen, die uns alles befürchten ließ. Noch vor Mitternacht erhob sich ein so entsetzlicher Orcan, daß alles, was an Seegeln beystund, mußte geborgen / 21 / werden. Nach unserem Bestick konten wir das Feuer von Schagen ablegen, mithin da der Wind aus dem Osten kam, mußten wir für Tack und Tagel westwärts Lentzen822. Nach dem wir uns nun dabey gaben, alles wozu wir kommen konten, und besonders aus dem Keller über Bord zu werffen, ward uns, nach dem Wasser und Bier und alles, was auf dem Decke war, überbord gegangen, der Spielgel823 des Schiffes durch die Gewalt der Wellen in Stücke geschlagen, so daß die Cajutte mit Wasser angefült, und die Decke des Schiffes dergestalt mit Waßer überlahden war, daß wir glaubten jeden Augenblick sincken zu müssen. Am 14ten des Morgens, da wir uns bey der Næss824 gisseten825, und der Wind sich in etwas gelegt hatte, setzten wir unsere Fock826 bey, ob wir vieleicht in einer Fiorde binnen kommen mögten. Durch die außerordentliche hole See827 aber, mußten wir solche Hoffnung fahren laßen, und den Cours gehen lassen828, wo Wind und Wetter uns hinführte. Den 15ten legte sich der Wind, wobey jedoch die See sehr hohl und unruhig war, wir hatten unsern Cours bestimt, zu Neucastel829 in Engeland zu landen, wohin wir schon die Hälfte des Weges zurückgelegt, als uns die Noht trieb 818 819 820 821
822
823 824 825 826 827 828 829
Christiania: früherer Name von Oslo. Fladstranden = Fladstrand, heute Teil von Frederikshavn. Dey = Deget, Insel am südlichen Ende der Alburger Bocht. Hans Wackerhagen: 1757 erwähnt Feddersen, dass er einen inzwischen verstorbenen Wackerhagen mit dem Lebensnotwendigen versorgt habe, vgl. Stadt A FL, A 235, Bd. 2, Ad 1021. Es könnte sich um dieselbe Person handeln. für Tack und Tagel lentzen = vor Top und Takel lenzen: vor dem Wind ohne Segel ablaufen, treiben lassen. Riskant, weil bei schwerem Sturm die Seen das Schiff von achtern (hinten) überrollen, schweren Schaden anrichten und im Extremfall das Schiff zum Kentern bringen können. Spielgel: plattes, nicht rundes Heck; dadurch große Angriffsfläche für achterliche Seen. Naess = Lindesnaes, südlichstes Vorgebirge Norwegens. gisseten: schätzen. Fock: Vordersegel. hole See: hochgehende See mit tiefem Wellengang. Cours gehen lassen = vor dem Wind treiben lassen. Neucastel = Newcastle.
3. Autobiographie Feddersens
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die Lahdung zu brechen. Wir warfen ein Theil des Rockens über Bord, welches durch das eingedrungene Wasser bedorben war und unser Schiff erschwehret hatte. Einige Ancker830 Wein, die dabey zum Vorschein kahmen, solten unseren unersätlichen Durst stillen, womit wir es aber dermaaßen verdarben, daß durch die Hitze uns der Speichel am Gaumen klebte. Da der Wind uns noch beständig zugegen, verblieben wir bey unserem Endschluß Engeland anzugehen, weil Wasser und Bier verlohren gegangen, und alles Proviant durch das SeeWaßer verdorben worden, und wir also mehrere Hoffnung hatten, daselbst als in Norwegen zu landen. Auf der Mittag krigten wir ein Schiff zu Gesicht, welches auf uns zukahm. Wir steckten unsere Flache und machten Schau. Es kahm uns so nahe, daß wir ihm unser LothLin,831 woran wir ein Ancker gebunden hätten, überworfen, mit dem Verlangen, daß er es mit Wasser oder Bier füllen mögte, wogegen wir ihm ein Ancker Wein zu geben versprachen. Da er unsere / 22 / Noht sahe und hörete, ließ er sowohl eine Tonne Waßer als eine Tonne Bier über Bord, welches wir mit der Liene832 an uns zogen, und da er bemerkte, daß wir mit unser Manschafft nicht so viel Kräffte hatten, es ins Schiff zu bringen, setzte er sein Both aus uns behülflich zu werden, und unsere Seegels loszumachen, welche ganz befroren waren. Wir bezahlten ihn nach den Wehrt von 5 f hollandisch und er verehrte uns annoch eine große Capliau833, wofür er einige Stücke gepeckelt Fleisch annahm. Hier begunt uns der Muht aufzuleben, obzwar wir Norwegen nach seinem Bestick 40 Meilen von uns hatten. Wir setzten Seegel bey und krigten nach vielen Versuchen Feuer in die Cabuse gemacht, um unser Fisch und Grütz zu kochen. Wir hielten darüber eine Mahlzeit, welche die beste in meinem Leben gewesen, wobey freudenTrähnen zur Dankbahrkeit in die Schüßel fielen. Wir lavirten und krigten zuweilen einen Schlagbog834, daß wir am 19. Nov. einen Blick vom Lande bekahmen. Wir setzten darauf zu und fanden endlich eine große Föhrde vor uns, welchen wir ansegelten. Nach der Mittag sahen wir ein Both voraus, und glaubten, daß es ein Lotz wäre. Es waren aber darin 8 Matrosen von ein Lübsche Gallioth835, die verunglückt wäre, und sich mit dem Both salviret hätten. Wir nahmen sie auf und fanden, daß sie der Gegend ebenso unkundig wären wie wir. Endlich sahen wir eine Jolle vor uns mit 3 Mann, welche Lotzen waren. Als sie am Bord kahmen declarirten sie uns, daß keine Möglichkeit wäre, uns den Abend in einen Hafen zu bringen, weiln wir noch zwey Meilen dahin hätten und viele Klippen und Scheers zu passiren hätten. Sie ließen sich endlich dadurch überreden, da wir so 830 831
832 833 834 835
Ancker: Hohlmaß mit nach Territorium unterschiedlichen Werten. LothLin = Lotleine, eine mit einem Stück Blei in der Form eines verkürzten Kegels verbundene Leine, die man ablässt, um die Wassertiefe und die Beschaffenheit des Meeresbodens zu erkennen. Liene = niederdeutsch für Leine. Capliau = Kabeljau (cabillaud, frz., zeitgenössische Bezeichnung). Schlagbog = Schlagbug oder Streckbug, der Kurs, auf dem ein Schiff beim Kreuzen die größte Fahrt macht, also am schnellsten vorwärts kommt. Gallioth, auch Galiote; kuffähnliches, am Bug und Heck abgerundetes Schiff (der Nordsee), meist zweimastig.
186
Schiffbruch!
stark von Manschafft, die sich erbohten, mit einer Lanterne voraus in dem Both zu fahren, um an den gefährlichen Stellen eine Schau abzugeben, welches sie dann annahmen, so daß wir um 10 Uhr Abends in den Hafen von Raswoc836, welches 4 Meilen westen der Næss lieget, glücklich anlangten. Den 20ten ruheten wir aus, und des anderen Tages verließen wir das Schiff, nachdem ich mit meinen Reisegefährten, der Lieutenant Winter und einem alten Chimicus Byshing, einen / 23 / Both miethteten, unsere Reise weiter fortzusetzen. Wir kahmen Abends zu Scharvoe837, wo selbst wir Hans Wackerhagen vorfanden, und die Nacht über mit dankbahrem Gemüthe die uns widerfahrne gnädige Beschirmung um so mehr in Erwägung zogen, als wir allenthalben so viele unglückliche Begebenheiten in Erfahrung gebracht und noch mehreren von denen letztern Schiffe, welche Schagen noch nicht passiret wären, zu vermuhten hatten, als uns der Storm überfallen, weil für diese keine Retirade gewesen, sondern vielmehr an Jütland stranden müssen. Wir reiseten weiter theils binnen Scheers, theils Seewarts und kamen nach Hillesund838, Fleckeroe839, blind Leyer840 und Hummersund841. Hier verließ ich die Gesellschafft um den Obristen von Kroghen842 zu besuchen, mit der Verabredung uns in Arendahl843 zu rencontriren844, welches auch geschahe. Weil wir aber wegen der 2 ostjndische Schiffe, die sich daselbst befanden, kein Quartier erlangen konten, setzten wir unsere Reise weiter nach Oster Risor845 fort. Nachdem wir Porteur846 und Jungfernland847 passirten, sahen wir ein Schiff, das Noth-Schüße that und sein[e] Schau aufgesetzet hatte. Bey Erreichung von Langesund setzte dieses Schiff mit vollen Seegeln, welches Hans Wackerhagen war, in Langesund ein, der ein so gewaltige[s] Leck bekommen, daß es aufs sincken war. Nachdem er in Langesund die Ancker geworfen, wurde alle Vorkehrung zu dieser Ausbesserung gemacht. Weil aber 4 Fuß Waßer im Schiff war, mithin die Lahdung grösesten Theils bedorben worden; so war der Verlust für ihn so gros, daß er solchen in seinem Leben nicht überwinden mögen.848
836 837 838 839 840 841 842
843 844 845 846 847 848
Raswoc = Raswag. Scharvoe = Skarpøy. Hillesund: kleine Insel westlich von Mandal. Fleckeroe = Fleckerøy, befestigte Insel. blind Leyer= Blind Leia, die Fahrrinne von Kristiansand in Richtung Risør. Hummersund = Homborsund, nordöstlich von Lillesand. Obrist von Kroghen, wschl. Georg Friedrich von Krogh (1687–768), Oberst des 1. Vester. Nationalen Infanterieregiments; vgl. Olai Ovenenstad, Militærbiografier den norske haers officerer, Bd. 2, Oslo 1949, 75. Arendahl = die Stadt Arendal. Rencontriren: treffen. Oster Risor: das heutige Risör. Porteur = Portør. Jungfernland = die Insel Jomfruland. Vgl. oben, 184, Anm. 820.
3. Autobiographie Feddersens
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Hier verließ ich die Gesellschafft und reiste über Land nach Brevic, Scheen über die Heyen nach Kongsberg849, Bragnes850 und kam endlich den 15. Dec. glücklich zu Christiania an. Der Schiffer Thielsen war schon vor einige Tagen daselbst angekommen. Weil aber die gantze Ladung dergestalt bedorben, daß alles Korn in einen Klumpen und mit Hacken muste ausgehauen werden, so daß ein Sack Grütz für 10 s, eine ½ Tonne Butter für 18 s auf der Auction verkaufft wurde, weil alles durch den sogenannten Brand im Schiff zerschmolzen und ausgelauffen wäre; So muste ich die gethane Verklahrung851 des Schiffes eidlich mit meiner Außage corroberiren852. Am NeuJahrsTage reiste ich mit Capitain Heyde / 24 / zu Lande in Schlitten durch OsterDahlen853 langs der Gloma854 und der Schwedischen Grentzen und kamen über Eswold855, Tolgen856, Boraas 857 den 8. Jan. 1741 nach Drontheim. Nachdem ich meine Geschäffte nach Wunsch verrichtet und einen Contract mit die Obristen von Mangelsen858i, v. Heynen859, v. Emahusen860 und v. Matthison861 wegen Mondirungsrequisiten für 4800 Mann von Kopf zu Fuß geschlosen hatte862, reiste ich über Dorrefield863 durch Schweden über Land zurück. Bey meinen Reisen ward ich in Christiania bey dem damahligen ansehnlichen Kaufman Lars Christensen864 so liebreich aufgenommen, dass ich nach dessen erfolgten Ableben mich entschloß, den 2. Jan. 1743 über Copenhagen durch Schweden nach Christiania zu
849 850 851 852 853 854 855 856 857 858
859 860 861 862
863 864
Kongsberg: Stadt im Bezirk Buskerud. Bragnes = Bragernae. Verklahrung: Abfertigung von Schiffen und ihrer Ladung durch Hafen- oder Zollbehörden. corroberiren: beglaubigen. OsterDahlen = Österdahl. Gloma = der Fluss Glomma. Eswold = Elval. Tolgen = Tolga. Boraas = Boersa.Vielleicht ist auch Røros, oft Røraas geschrieben, gemeint. von Mangelsen: Johan Mangelsen (1694–1765), 1734 Oberst und tatsächlicher Kommandeur des 2. Trondheimischen nationalen Infanterieregiments., vgl. Ovenenstad, Bd. 2, 151–152. Ein Obrist (Oberst) war Finanzier und Besitzer des Regiments. v. Heynen = wahrscheinlich Johan Christoph von Heinen (1692–1744), 1736 Oberst und tatsächlicher Kommandeur für das gesamte Regiment, vgl. Ovenenstad, Bd. 1, Oslo 1948, 444. v. Emahusen = Jens (oder Johan) Heinrich Emahus (1688–1752), 1737 Oberst des 3. Trondheimischen nationalen Infanterieregiments, vgl. Ovenenstad, Bd. 1, 275. v. Matthison = wschl. Jacob Matheson (ca. 1683–1749), 1730 Oberst und Kommandeur des Nordenfjeldske nationalen Dragonerregiments, vgl. Ovenenstadt, Bd. 2, Oslo 1949, 151–152. Maria Press vom Statsarkivet Trondheim hat freundlicherweise nach diesem Vertrag in den Beständen des Nordenfjeldske generalkommandos und in denen des 2. und 3. Trondheimischen Infanteierregiments gesucht, jedoch vergeblich. E-Mail vom 20. April 2012. Dorrefield = Dovrefjell. Lars Christensen: am 22. Mai 1742 auf dem „byens kirkegaard“ in Christiania begraben. Vgl. Oslo fylke, Oslo Domkirke/Vår Frelsers menighet, Ministerialbok nr. 3 (1731–743), Døde og begravede 1742, 289. http://www.arkivverket.no/URN:NBN:no-a1450-kb20061005010145.jpg (18.12.2011)
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Schiffbruch!
reisen, die damalige Witwe Frau Maren865 gebohrne Cornelissen meine Liebes Neigung erkennen zu geben. Als ich von Mosh866 reiste, hatte ich das Schicksahl, daß die Pferde mit mir durchgingen, mit welchen ich es eine gute Strecke hielt. Als mir aber der Zügel zerbrach, mußte ich mich entschließen, aus der Carriole zu springen, welches mir aber dergestalt mißlang, dass die Lüntze867 den Ärmel faßte, und dadurch der linke Fuß von dem Rade übergefahren wurde. Es war ein Glück, dass es an einem Sontage war, indem die Leute, die auf einem Kirchhofe standen, die Pferde sahen angerennen kommen, welche sie anhielten und mich am Wege fühlloß fanden, die mich in einem Gasthof brachten. Daselbst verblieb ich 8 Tage und kahm nicht ohne viel Beschwerde nach Christiania. Ich muste auch da noch in 3 Wochen das Bett hüten, bis ich von dem Erfolg meiner Reise einige Hofnung schöpfen können. Verschiedene vorhin vorgefallene Umstände, konten dennoch meine Hoffnung bestärcken, so daß ich bey meinem Antrag nur dieses zu genehmigen hatte, daß es unter uns eine offene Sache seyn müste, weiln sie sich fürgenommen, in keiner Heyraht vor dem 8. May – als welchen der SterbeTag ihres Mannes war – zu willigen. Nachdem ich nun bey öfteren Besuch mit vieler Achtung angenommen ward, so unternahm ich eine / 25 / Reise in meinen Geschäfften auf 4 Wochen bis nach Scheen, da ich ihr sodan bey meiner Retour bettlägrig finden muste. Sie ließ mich dennoch den 5. May aus eigenem Triebe aus einer Gesellschafft zu sich fordern, declarirte mich in Anwesenheit ihrer Freunde als ihren Bräutigam, ordonnirte auch wenn sie sterben solte, ich in solcher Qualitet ihr zu Grabe bringen [sollte], und beschenkte mich mit verschiedenes zu ihrem Andencken. Der SterbeTag erfolgte am 8ten May868, und ich sahe also damahls mein Glück als zerscheitert an. Nachdem nun meine Freunde in 14 Tage wechselsweise mir die gröseste Höflichkeit bezeigten, gab mir eine Gesellschafft von 12 Persohnen das Geleit auf 2 Meilen, und nach dem wir den zärtlichsten Abschied genommen, verblieb ich auf der Insel bey dem Herrn Luxteur869 und reiste des folgenden Tages nach Larculn870, den Schiffer Hans Bune zu erwarten. Wir gingen zur See, musten aber zu Aresund wiederum zurück kehren, woselbst ich mein Schicksahl und Gesinnung äuserte und an eine FensterScheib schrieb: 865
866 867 868
869 870
Maren Christensen: eine Maren Nielsdatter, Witwe des Kaufmannes Lars Christensen in Christiania, lässt sich für 1743 nachweisen. Sie machte in jenem Jahr dem örtlichen Armenhaus ein großes Geschenk. Vgl. Knut Sprauten, Oslo bys historie, Bd. 2, Byen ved festningen. Fra 1536 til 1814, Oslo 1991, S. 234. Frdl. Hinweis des Autors; E-Mail vom 13.12.2005. Mosh = Moss. Lüntze: Achsnagel. Lars Christensens Witwe wurde am 15. Mai 1743 beerdigt. Vgl. Oslo fylke, Oslo Domkirke/ Vår Frelsers menighet, Ministerialbok nr. 3 (1731–1743). Døde og begravede 1743, 29. http://www.arkivverket.no/URN:NBN:no-a1450-kb20061005010153.jpg (16.12,1011) Luxteur: nicht identifiziert. Larculn = Larkollen.
3. Autobiographie Feddersens
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Je partis d’ici dans toute tristesse Dieu sois [!] mon aide et mon allegresse Ah! que le huitieme May me fait languir Lorsque je perdois ceque j’avois le plus cher871 Ich ließ mich zu Kierteminde872 an Land setzen, und reiste durch Fühnen und Jütland nach Hauße. Es währete nicht lange, als ich eine eheliche Verbindniß mit der damahligen Jungfer Anna Eliesabeth Hallensens873 als meine noch lebende lieben Frauen einging, und im folgenden Jahre etablirte eine Handlung en gros in Leinen und Wollen Waaren. Anno 1744 in Juny reiste ich nach Westphalen, um mich die besten Häusern in weise Waare auszusuchen, passirte über Bodenwerder, Nienborg, Minden, Herfort, Bielefeld, Lemgo, Hameln und von da über Alfeld, Hildesheim nach Braunschweig, an welchen Örtern ich mir ein Completes Lager sortirte. Bey meiner Retour in Hamburg, fand ich meine Braut mit ihrem Bruder und Schwester vor, welche mich entgegen gereiset waren. Kurz nach unserer Retour hielten wir unsere Hochzeit und zwar den 25. Sept. 1744874. Tags darauf verstarb mein Bruder Hinrich. / 26 / Ich wurde frühe zur Stadtgeschäfften gezogen und also in 1746 zum Deputirten875 ernannt. Anno 1753 übernahm ich die Direction der Grönländischen Compagnie876 und Anno 1754877 in Nov. reiste ich in Gesellschafft des Bürgermeisters Claeden878 als Deputierte der Stadt nach Copenhagen, um die Remedur der der Stadt benommenen Zollpacht zu suchen. Als wir bey den Ministern, welche in solche Geschäffte einen Einfluß hatten, unsere Aufwartung gemacht, von Jeden aber wenigen Trost empfingen; so bathen wir uns eine Audience bey Ihro Maj(estät) dem Könige879 aus, welche wir bey der Tafel zu Mittag zu erhalten die Ehre hatten. Nach überreichter schriftlicher Vorstellung erhielten wir die Antwort, daß wir alles erhalten sollten, was nur 871
872 873 874 875 876 877 878 879
Frei übersetzt: Ich gehe von hier in tiefer Trauer Gott sei meine Hilfe und mein Trost Ah! Der achte Mai läßt mich (Sehnsucht) leiden Als ich verlor, was ich am liebsten hatte. Kierteminde = Kerteminde, Hafenstadt an der Ostküste Fünens. Anna Eliesabeth Hallensen (1726–1780), Tochter eines Flensburger Kaufmanns und Deputierten. Ein Nachweis über die Kirchenbücher von St. Nicolai ist nicht möglich, da sie für diese Zeit fehlen. Deputirter: Mitglied des Bürgerausschusses. Grönländische Compagnie: die 1749 gegründete Aktiengesellschaft „Handlungs-Societät auf Grönland, Spitzbergen und die Straße Davis“. Irrtümlich statt richtig 1753. Georg Claeden, Bürgermeister von 1742–1781. König Friedrich V. von Dänemark, 1746–1766.
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Schiffbruch!
möglich wäre. Indem wir uns retirirten, kam ein Page, der jedem ein Pocal brachte, mit der Anzeige, daß wir auf des Königes Gesundheit zu trincken hätten, welchen wir dann mit dem Wunsch, lange lebe des Königs Hauß, daß es niemahls sterbe aus880, auslehreten, und noch eine zweyte gereicht worde, welches wir gleichfals austruncken. Ein anderer Page begleitete uns nach dem ersten Cammerdiener JusticeRaht Bruun881, der den Auftrag hatte, die Verfügung zu machen, daselbst zu Mittag zu speißen. Nach aufgehobener Königl. Tafel ward von Ihm zu zweyen Mahlen die Schelle angezogen, welches ein Zeigen war, daß unser Wihrt zum König kommen solte, der ihn sodann fragte, wie er seine Gäste bewirthete und das zweyte Mahl ihm befahl 3 Boutellien der besten Champagne Wein aus dem Keller zu requiriren, welchen wir denn auch auf die Gesundheit des Königes die Köpffe zerbrachen. Drey Tage darnach wurden wir an des Staatsministers von Bernstorff882 Tafel gezogen, und nachdem solche aufgehoben von ihm in sein Cabinet geführet, da er uns auf Befehl des Königes anzuzeigen hatte, wie der König nichts weniger – sowie wir uns in dem Memorial883 ausgedrücket – als eine Ungnade auf der Stadt geworffen. Er hätte der Cammer Vorschlag für diesesmahl nachgeben müssen, weiln in 30 Jahren, da die Stadt den Zoll gehabt, viele Veränderung in dem Commercio vorgehen könne. Es wäre dennoch dadurch nicht gesagt, daß die Stadt nicht den Zoll wieder haben sollte. Es wäre nur ein Essai und sollte der Stadt dadurch nichts benommen seyn. In solcher Hoffnung / 27 / reiseten wir von Copenhagen ab und kahmen glücklich zurück. In Anno 1755 errichtete ich mit meinem Bruder Friderich die Westindische Compagnie884, worüber ich das Directorium führte, bis solche in 1770 [auf]gehoben wurde. Anno 1757 ward ich Aelterman885 der Deputirten, bis man mich in 1759 zum HoßpitalsVorsteher886 erwählete, und im Jahr 1765 wiederum als Rahtsverwandten887 der Stadt von da wieder abrufte, nachdem ich meine Drey Jährige VerwaltungsJahre von 1762 bis 1765 getreulich geführet hatte.
880
Vgl. Georg Claeden, Monumenta Flensburgensia, Bd. 1, 171 f. Offensichtlich gab es daran Kritik in Flensburg und Schleswig; vgl. ebd., Anm. 26. 881 Bruun = Simon Gottfried Bruhn, Kammerdiener, Justizrat. Vgl. Des Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten Königs und Herrn, Herrn Friderich des Fünften, von Gottes Gnaden, Königs zu Dännemark…. Hochpreißliche Hof=Etat, Altona 1754, 23 f. 882 Bernstorff = Graf Johann Hartwig Ernst Bernstorff (1712–1772). U. a. Leiter der auswärtigen Politik und Präsident der Deutschen Kanzlei, d. h. der obersten Behörde des königlichen Anteils der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 2, Leipzig 1875, 499–500. 883 Vgl. StadtA FL A 21a (4), vom 29. Aug. 1753. 884 Westindische Compagnie: offiziell „Handlungsgesellschaft auf St. Croix in Westindien“. 885 Aelterman = Ältermann, einer der zwei Vorsitzenden der Deputiertenversammlung. 886 HoßpitalsVorsteher: einer der Leiter des Hospitals zum Heiligen Geist. 887 Rahtsverwandter: in Flensburg geläufige Bezeichnung für Ratsherr oder auch Senator.
3. Autobiographie Feddersens
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Anno 1767 ward ich zum Bürgermeister888 der Stadt erwählet und vom Könige bestätiget. Am 18. Dec. geschah die gewöhnliche öffentliche Einführung zu diesem Amte, nachdem der Bürgermeister Claeden zu solchem actu von Sr Excellence des Herrn Statthalters von Dehn889 war committiret890 worden. Am 20ten ejusdem891 war darauf mein Kirchengang, an welchem Tage der Pastor Boie892 als Haubtprediger zu St. Nicolay zugleich introduciret wurde. Nach der von meinem Sohn Peter Feddersen getroffenen Ehelichen Verbindung mit meiner Schwester Tochter893 Margaretha Eliesabeth Petersens, welcher mit ihr seinen HochzeitsTag den 31. Aug. 1770 celebrirte894, übergab ich ihm mein gantzes Waarenlager samt der bis hierher geführten Handlung, so daß ich seit der Zeit mich nicht mehr mit einiger Handlung beschäfftiget habe. Anno 1773 den 23. Sept. starb dieser mein geliebter Sohn, nachdem die eine Enckelin vorher, die andere kurtz darnach mit Tode abging, so daß von unsern 5 Kinder die Gott uns in der Ehe bescheeret, nur die einzige Tochter als Erbin übergeblieben. Ich machte dahero unterm 8. Jan. 1774895 meine Disposition in Hinsicht der Armen und der Famille und am 31. Martz desselben Jahrs meine Testamentarische Verfügung, welche eine Beziehung auf erstere hat. Meine Absicht ist lediglich dabey gewesen, daß der mir von dem Höchsten verliehene Seegen zum Nutzen derer mogte aufbehalten werden, welche in der Zukunfft es / 28 / sey in der Famille oder außer derselben, durch widrige Zufälle in Dürftigkeit gerahten mögten, eine Linderung ihres Elendes zu verschaffen, als welches ich denn mich um so zweckmesiger angesehen habe, als wenn ich mein Vermögen der Thorheit aufgeopfert hätte. Und da ich mich der Bedürfniße des Lebens dadurch nichts entzogen, weit weniger von meines Nägsten Guth sich etwas darunter menget findet, weiln ich um des Zufriedenheits willen, demjenigen welcher um meinen Rock mit mir zancken wollen, den Mantel dabey gelaßen habe, und dahero jemahls sowenig im Gericht geklaget habe noch verklaget worden; So kan ich auch ohne Eitelkeit um so mehr hoffen, daß die
888 889 890 891 892 893 894
895
Feddersen hatte das Amt des Bürgermeisters bis zu seinem Tode im Jahre 1787 inne. Von Dehn = Friedrich Ludwig von Dehn (1697–1771), Statthalter der Herzogtümer 1762–1769. Committiren: beauftragen. Ejusdem: desselben Monats. Boie = Johann Friedrich Boie (1716–1776). Dies war eine Eheschließung ersten Verwandtschaftsgrades. Ehen bis zum dritten Grad durften von den Predigern nur geschlossen werden, wenn eine Dispensation des Landesherrn vorlag. Vgl. Kirchenbuch von St. Nikolai, Bd. 38, Trauungen 1763–1844: „31. Aug. 1770 H. Peter Feddersen, Kaufmann; des H. Bürgermeisters Joh. Gerhard Feddersen einziger Sohn mit Jungfer Margaretha Elisabeth Petersen, l. königl. Dispensation im Hause copuliret.“ Im Original irrtümlich: 1744. Das Testament und seine „Weiterschreibung“ vom gleichen Jahr und die Schedula von 1784 sowie der in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende Ehevertrag der Tochter vom 21. Nov. 1781 finden sich im StadtA FL, A 222.
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Schiffbruch!
Posteritet896 durch diese gegebene Erklährung einen stets währenden Seegen daraus schöpffen könne. Wäre es mir indessen zu thun gewesen, Reichthum zu samlen, um mich dadurch der Welt gleichzustellen, So würde ich in solcher Absicht einen unverzeihlichen Fehler begangen haben, mich von meinen ordentlichen Berufsgeschäfften abzugeben, um solche mit der Würde eines Bürgermeisters zu vertauschen. Was gehöret aber nicht vor Geschicklichkeit dazu, seiner Bestimmung auszuweichen, wenn auf der einen Seite die reinesten Triebe und Absichten obsiegen, auch da die Leibeskräffte aufopffern zu wollen, wo man der Stadt nützlich zu werden hoffet, und nur die Gemächligkeit des Lebens auf der andern Seite den Weg dazu verlegen wolle? Und obzwar die Verwünschungen meines UrälterVaters, mir nicht unbekannt gewesen, mit welchen er diejenige – wenn er von Ungedult hingerissen worden – so ihn beleidigten, auf eine ernsthaffte weise belegen wollen, daß sie nicht von der Welt kommen mögten, bis sie Burgermeister in Flensburg gewesen, So kan man dennoch sicher annehmen, daß, da die Achtung für diese Würde, nicht geringer gewesen, als sie noch gegenwärtig seyn sollen, er dadurch / 29 / eine richtige Erklärung dieses mühseeligen Amts geben wollen, indem man zu allen zeiten befunden, daß Obrigkeitliche Persohnen die Anfalle schlecht denkende[r] Persohnen ausgesetzet gewesen sind, und diese sind auch die Folgen, welche der König Salomon bey seiner Anweisung sey nicht zu gerecht in deinem Fürnehmen verbindet, als welches ich dann auch in meinem Amte sowenig als meine Vorwesern entgehen möge. Und obzwar das leidige Interesse, welches nach dem allgemeinen Grundsatz auch den geschicktsten Mann im Amte verblenden können, nicht auf mich hafften mögen; So habe dennoch, so bald es auf die Wohlfart des Allgemeinen angekommen, die Triebe die aus dem Patriotismus hergeflossen, um soweniger widerstehen mögen, daß ich mich vielmehr diejenige, welche Gesetz und Ordnung umkehren wollen, bloßstellen müssen, um dadurch das Überbleibsel der alten Stadtsverfassung conservirt zu sehen.897 Das, was ich hier gesagt, läßet sich durch specielle Vorfälle in ein näheres Licht setzen, wenn der allgemeine Grundsatz nicht einleuchtend gnug wäre, daß die mehresten sich an die Obrigkeit zu reiben keine Scheu tragen, obwohl ihr gantzes Betragen ihnen als ein Bild vorgestellet wird, daß sie ihr Vergnügen, Bequemlichkeit und Vermögen sichtbahrlich um des allgemeinen Willen aufopffern. Den Mantel nach allen Winden wehen zu laßen, wenn es auf unrichtige Interpretations Königl(ichen) Gesetze und annoch Subsistirende Ordnung und Gewohnheiten angekommen, hat bey mir um sowenigeren Eindruck machen können, da ich solches bey meinem dem Könige und der Stadt geleisteten Eide feyerlich entsaget, dagegen solche als ein Maasstab und Richtschnur aller meiner Handlungen angelobet habe, dahero denn auch der Witz898 unserer neuen Rechtsgelehrten um soweniger bey mir Beyfall finden mögen, so lange ich die Sache durch eine ununterbrochene Gewohnheit bestätiget gefunden, als 896 897 898
Posteritet: Nachwelt. Das Folgende (bis „aufopffern“) ist eine platzierte Einfügung. Witz: Geist, Scharfsinn.
3. Autobiographie Feddersens
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welches denn auch nach dem Ausdruck der in der Vorrrede unter Königl(ichen). Auctoritet ausgegebene Urtheile und Bescheide des Hochstpreisl(ichen) Landsgericht899 als das beste Gesetz betrachtet habe, ohne mich von den Parteyen, welche auch die klaresten Worte des Gesetzes zu verdrehen wißen, im geringsten irre machen zu laßen. Diese Nachrichten und Äußerungen sind von mir geschrieben mit dem Anfang des 1777 ten Jahres. JG Feddersen
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Gemeint ist: Einige der merkwürdigsten Urtheile und Bescheide der vormaligen SchleswigHolsteinischen, nachher alleinigen Holsteinischen gemeinschaftlichen Landgerichte, größthentheils nach Anleitung der revidirten Landgerichtsordnung, Glückstadt 1774. Feddersen bezieht sich wohl auf die folgende Passage: „Indeßen ist das fortdaurende Gewicht der uralten der Vernunft und Billigkeit nicht entgegen laufenden Landesgebräuche und Gewohnheiten in beyden Herzogthümern in Fällen, derentwegen keine neuere geschriebene Gesetze und Verordnungen vorhanden sind, um soweniger zweifelhaft, als selbst nach klarer Vorschrift der Landgerichtsordnung im Schleswigschen nach Versehung des Lowbuchs und der alten Gewohnheiten, und in Holstein nach dem uralten kundbaren Landesgebrauch, … geurtheilet werden soll.“ (Vorrede, S. 2 [eigene Zählung].) Anzumerken ist, dass das Landgericht für den Adel zuständig war.
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Flensburg im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts................................................. 14 Abb. 2: Trondheim Mitte des 17. Jahrhunderts................................................................. 29 Abb. 3: Historische Karte von Norwegen ....................................................................... 110 Abb. 4: Eine der mit 1677 überschriebenen Seiten aus dem Verzeichnis ....................... 116 Abb. 5: Historische Karte der Kola-Halbinsel ................................................................ 126 Abb. 6: Modellzeichnung eines Kreiers .......................................................................... 130 Abb. 7: Porträt eines jungen Mannes, möglicherweise Peter Bischoff............................ 135 Abb. 8: Karte des Firth of Forth ..................................................................................... 148 Abb. 9: Seite aus dem "Schiffbruch von 1677"............................................................... 151 Abb. 10: Erste Seite der Autobiographie Feddersens...................................................... 167 Abb. 11: Bordeaux Mitte des 18. Jahrhunderts ............................................................... 172 Abb. 12: Börse in London............................................................................................... 179
Abbildungsnachweis Theatrum Daniæ Veteris et Modernæ. Oder: Schauplatz Des alten und jetzigen Dännemarcks, Bremen 1730; Samuel Pufendorf, Sieben Bücher Von denen Thaten Carl Gustavs Königs in Schweden, Nürnberberg 1697; Johannes van Keulen, Zee-Atlas: de groote nieuwe vermeerderde zee-atlas Faks. der Original Ausgabe 1685, Darmstadt 2008; Joan Blaeu, Atlas Maior of 1665. Introd and texts by Peter van der Krogt, Köln u.a. 2005; Henry Berg, Trondhjems sjøfart under eneveldet 1660–1814, Trondheim [1939]; Lucas Janszoon Waghenaer, Vanden Spieghel der Zeevaert, Leyden 1585; Bordeaux au XVIIe siècle, sous la dir. de François-Georges Pariset, Bordeaux 1968; Robert Mandrou, Propyläen Geschichte Europas 1649-1775, Berlin 1998
Personen- und Ortsregister von Carl Petersen Nicht aufgenommen in die Register wurden die Personenamen Peter Bischoff und Johann Gerhard Feddersen sowie bei den Ortsnamen Flensburg und Trondheim.
Personenregister Ahlefeldt, Carl S. von 40 Andersen, Knudt 26, 41, 62, 99 Andersen, Lorentz 107, 108 Angell, Lorenz Mortensen 110 Arneken, Henni 18 Asmussen, Bernhard 107 Bakker, Pieter 169 Bartelßen, Jacob 121, 162 – dessen Frau 121, 162 Bassewitz, Ulrich Carl von 165 Becker, Carsten 131, 133 Becker, Niß 131 Belihaa, Johan 119, 149, 151 Bernd, Adam 78 Bernstorff, Johann Hartwig Ernst von 190 Birkelund, Peter 133 Bischoff, Anna Christiana 32, 42 Bischoff, Brigitta 135 Bischoff, Christina (Mutter) 107 Bischoff, Christina (Taufpatin) 108 Bischoff, Gerdrut 135 Bischoff, Magnus 41, 69, 135 Bischoff, Peter (Großvater) 107 Bischoff, Simon 39, 42, 107 Blom, Jacobus 169 Böckmann, Franz 62, 63 Boie (Gewürzhändler) 168 Boie, Johann Friedrich 191 Bräker, Ulrich 78, 87, 98 Brandt, Nicolaus 13 Brietzke, Dirk 180
Brisen (schott. Kapitän) 154 Brokes, Henrich 18, 22 Brockes, Barthold Heinrich 88 Bruhn, Simon Gottfried 190 Brun, Hanß 107 Brun, Lorentz 108 Brunß, Metta 107 Bull, Ida 32 Bune, Hans 188 Burckhardt, Jacob 4, 78, 79 Burmester, Johann Gerdt 165 Büsching, Anton Friedrich 20, 54 Byshing (Chemiker) 186 Calvin, Jean 6, 97 Campe, Joachim Heinrich 100 Carstens, Joachim 69 Carstensen, Ebbe 29 Cellini, Benvenuto 79 Christensen, Lars 46, 98, 187 Christensen, Maren 98, 187 Christian IV. von Dänemark 15, 16 Christian VII. von Dänemark 55 Christiansen sen., Andreas 16, 22, 62, 87 Claasen, Rievert 62, 68 Claeden, Georg 37, 39, 42, 47, 48, 49, 52, 53, 54, 58, 63, 91, 92, 189, 190 Claeßen, Jacob 140 Condorcet, Marie Jean 100 Cornelesen, Cornelis 162 Corteßen, Adrian 140 Cramer, Joachim 49, 50
212 Defoe, Daniel 19 Dehn, Friedrich Ludwig von 190 Dietz, Johann 87, 98 Dietze, Reimer 146, 155 Drewsen, Jacob 171 Emahus, Jens Heinrich 187 Erasmus von Rotterdam 161 Erichsen, Jenß 123 Faust, Lorenz 33 Faust, Margaretha 33 Feddersen, Anna Elisabeth 58, 59, 97, 100 Feddersen, Catharina 46 Feddersen, Friedrich 16, 43, 45, 47, 50, 62 168, 169, 190 Feddersen, Hinrich 189 Feddersen, Lucia (Mutter) 165, 183 Feddersen, Lucia (Tochter) 59, 100 Feddersen, Martin (Bruder) 43, 45, 169 Feddersen, Peter (Bruder) 168 Feddersen, Peter (Vater) 42, 45, 165, 168, 169 Feddersen, Peter (Sohn) 58, 84, 100, 191 Filhot de Chimbaut, Jean-JacquesRomain 173 Fraser, Henry 77, 152, 157 Freeth, Stephen 176 Frellßen, Heinrich 114, 121, 124, 157 Friedrich IV. von Dänemark 37 Friedrich V. von Dänemark 47, 48, 49, 189, 190 Frost, Christian 110, 127 Gentzkow, Nikolaus 17 Gillies, John 77, 119, 152, 153 Glasemeyer, Mathias Friedrich 39, 62 Goethe, Johann Wolfgang von 78 Gøbel, Eric 133 Graham, Eric 152 Greif, Georg Heinrich 42 Greyerz, Kaspar von 4 Günther, Dagmar 7 Güntzer, Augustin 97
Schiffbruch!
Hallensen, Anna Elisabeth 46, 189 s. auch Feddersen, Anna Elisabeth Hamelton, James 151 Hammond, Thomas (jun.) 30 Hansen, Friedrich 174 Hansen, Hinr. 169 Hanßen, Asmus 61. 109 Hanßen, Clauß 162 Hanßen, Jacob 127 Harmenßen, Heinrich 112, 113, 114, 122, 124, 127 Harmesen, Jacob 182 Hawke, Wendy 157 Heberle, Hans 6 Heckmann, Dieter 113 Heseler (Hamburger Kaufmann) 172, 174 Heyde (Obrist) 187 Heynen, Johann Christoph von 187 Hippel, Theodor von 84 Hiskia 98 Holst, Jeß 157 Holst, Lorenz Hansen 30, 31 Hook, Jochen 6 Hornemann, Anna 29 Hornemann, Hans (Trondheim) 28, 29, 125, 152, 154 Hornemann, Hans, der jüngere (Næstved) 165 Hornemann, Henrik 28, 29, 120, 154, 163 Horst, Peter van der 18 Hoyer, Johann 60 Hoyer, Jonaß 60, 61 Hunter, Richard 149 Jakobßen, Pauel 123 Jansen, Georg 123 Jansen, Jørgen 138, 140 Jaspersen, Jasper 40 Jepsen, Hanß 115 Jepßen, Jenß 132, 133 Jours, Tabe 169 Jung-Stilling, Johann Heinrich 78 Jürgenßen, Peter 140, 141, 162
Personen- und Ortsregister
213
Kall, Jens 57 Karl II. von England 158 Kath, Jens Andresen 108 Kenckel, Detmar 17 Ketelsen, Lorentz 120, 154 Keyßern, Jasper 111 Klesmann, Bernd 174 Koch, Caspar 87 Kopitzsch, Franklin 180 Krafft (Hamburger Kaufmann) 8, 172, 174 Krogh, Georg Friedrich von 186 Krusenstjern, Benigna von 72, 79
Misch, Georg 4 Möller, David 135 Möller, Peter 165 Moller, Olaus Heinrich 27, 60, 63, 83, 100, 101, 165 Moritz, Karl Philipp 78, 79 Mortensen, Lorenz 32, 163 Mortensen, Morten 32 Mowat, Sue 77, 111, 119, 149, 152 Muffel, Niklas 92 Müller, Mauritius 108 Münch, Johann Philipp 168 Musio 176
Labalie (span. Gouverneur) 159 Ladonne (Makler) 173 Lange, Hans 36 Laukhard, Friedrich Christian 16,78 Laußen, Michel 115 Lehmann, Silke u. Hartmut 119 Leutert, Sebastian 81 Loit, Hans Iversen 40, 47 Lorck, Thomas Lorenzen 41, 46, 62, 87, 135 Lorenzen, Emil 132 Lorenzen, Hanß 120, 154 Lorenzen-Schmidt, Klaus 135 Ludwig XIV. 15 Luetkens, Hinrich 171, 173 Luetkens, Lucas 174 Lumsden, Matthew 77, 152 Luther, Martin 157 Luxteur 188
Namen, Lütke 60 Nasser, Nicolaus Heinrich 62 Neuhaus, Georg Sebastian 165 Nielsen, Leif Hansen 110 Nielßen, Jenß 132 Niggl, Günter 82 Nissen, Baltzer 170 Nissen, Lorentz 129, 130 Nissen, Tomaß 114, 125
Maccolow (Gastwirt) 175 Magnus, Olaus 68 Mangelsen, Johan 187 Martenßen, Otte 122, 163 Martensen, Peter 32 Matheson, Jacob 187 Mattysen, Tomas 127 May, Johann Carl 74 Meinck, Margareta 165 Mercier (Pensionsbesitzer) 171 Michelßen, Hans 111 Milow, Margarethe 78
Oesede, Gerdt von 44, 61 Olearius, Adam 72, 73 Olfers, Douwe 140 Olffsen, Baldtzer 114 Paulsen, Magnus 22, 27, 30, 32, 33, 36, 108, 109, 121, 152, 153, 162 Paulsen, Anna Christina 32 s. auch Bischoff, Anna Christina Paulus 19 Peters, Jan 4 Petersen, Jürgen 36, 115, 128, 136, 140 Petersen, Margaretha Elisabeth 191 Peterß, William 163 Peterßen, Dierich 109 Petit (Wundarzt) 173 Pickert, Johann Christoph 78 Piller, Gudrun 5, 81 Pommerening, Peter 92 Poul, William 174 Prehn, Asmus 30, 31 Press, Maria 123
Schiffbruch!
214 Pust, Dieter 59 Reimer, Gerhard 60 Reinkes, Elche, 117, 118, 139, 140 Rem, Lucas 23 Richardson, Samuel 75 Rieger, Jan 168 Riis, Thomas 160 Röling, Christian Bendix 183 Rombergh, Melcher 33, 60, 61 Rousseau, Jean-Jadques 78, 79 Sastrow, Bartholomäus 17, 82, 92 Sauer, Albrecht 113 Schjerning, Camilla 34 Schow, Peter Lohr 130 Schmauß, Christian Friedrich 86 Schramm, Jobst 32 Schröder, Götz 157 Schulte, Johann (Vater) 165 Schulte, Johann (Sohn) 165 Schulte Beerbühl, Margit 76, 176 Schütt, Hans-Friedrich 132 Sedin, Clauß 125 Seelen, Heinrich von 41 Seume, Johann Gottfried 16 Shakespeare, William 19 Sibenhar, Balthasar 99 Siblis, Dode 122, 163 Smith, Otto, 166 Spliedt, Peter 156 Staden, Hans 10 Steg, Asmuß 125 Stenbock, Magnus 39, 165, 166 Stensen, Reinert 117, 139 Steube, Johann Kaspar 6, 78, 98 Stricker, Berend 37, 39 Steindorff, Ludwig 124 Tanck, Michael Nicolay 183 Tersch, Harald 4 Teusch, Frederick 176 Thielsen, Nicolay 182, 183, 186 Thomßen, Jenß 108
Thor Straten, Josias 53, 54, 93, 95, 96 Tillot s. unter Filhot Turntong 176 Ulbricht, Otto 5, 90 Valentiner, Jürgen 33, 38, 39 Valentiner, Mathias 45 Valentiner, Valentin 61 Valentin, Wilhelm 43, 61 Vetter, Anna 87 Vivier (Makler) 171 Vogelsang (Kapitän) 178 Wackerhagen, Hans 184, 186 Walker, Alastair 155 Weinsberg, Hermann von 85, 87 Weinschenk, Peter Hansen 170 Weis, Daniel 22 Welser, Familie 7 Westengaard, Erik 71 Wilhelm I. von Oranien 162 Wilckenß, Nicolaus 135 Winter (Leutnant) 186 Wolf, Hieronymus 86 Woye, Johanneß 108 Zickermann, Kathrin 13, 119 Zink, Burkard 85
Personen- und Ortsregister
215
Ortsregister Aachen 54 Ärmelkanal 121, 170 Ærø 134 Afrika 23 Agdenes 138, 164 Ålborg Bogt 113, 114, 183 Alfeld 181, 189 Algerien 10 Algier 170, 171 Aller 181, 182 Alsen 134 Altona 15, 39, 165, 180, 181 Amerika 10, 16, 51 Amrum 10 Amsterdam 9, 11, 13, 18, 23, 24, 25, 44, 45, 70, 83, 84, 88, 121, 127, 139, 154, 162, 163, 168, 169, 172 Geldersen Kai 162 Pfeilsteg 162 Angeln 21, 23 Apenrade 13, 112, 114, 122, 124, 157, 182 Archangelsk 25, 143 Arendal 186 Augsburg 7, 8, 43, 85, 87,
Bodenwerder 189 Boersa 187 Bogense 34, 134, 135 Boknafjord 127 Bømlo 127, 137, 128 Siggjo 144 Bordeaux 7, 11, 14, 34, 45, 83, 152, 170, 171, 173, 174, 175 Brabant 61 Bragernæ 186 Brandaris 164 Brarup 61 Brasilien 10 Braunschweig 45, 169, 181, 189 Breisundet 138 Breitenworbis 181 Bremen (Stadt) 13, 24, 25, 88, 178, 179 Bremen-Verden, 115, 137 Brentwood 120,156 Brevik 182, 186 Brügge 121, 159 Brunsbüttel 137 Burntisland 153 Bussesundet 113, 124, 126, 131, 132 Buxtehude 180
Bad Bramstedt 136 Baltikum 9 Bamburgh 120, 154 Barentsee 8 Bass Rock 119, 150, 153 Beccles 120, 156 Belle-Île 175 Bergen 9, 24, 27, 124, 128, 129, 130, 132, 143 Bergzabern 176 Berwick-upon-Tweed 120, 154 Bielefeld 189 Biskaya 7 Blankenese 180 Blaye 171, 174, Blind Leia 186 Bockenes 144
Calais 24, 120, 121, 158 Canterbury 121, 158 Celle 181 Chartrons 172, 173, 174 Chatham 158 Chelmsford 120, 156 Colchester 120, 156 Coquet Island 153 Cranz 180 Cuxhaven 137 Damme 159 Davisstraße 50, 189 Dänemark 9, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 23, 29, 37, 39, 42, 45, 48, 50, 51, 54, 61, 62, 95, 100, 105, 110, 114, 134, 136, 156, 165, 175, 177, 180, 181
216 Dartford 121, 158 Deget 184 Delft 121, 161 Den Haag 121, 161 Prinzenhof 162 Deptford 158 Deutschland 6, 7, 8, 10, 11, 13, 17, 23, 38, 45, 54, 68, 95, 105, 157, 165, 172, 180, 190 Doggerbank 118, 140, 144, 145 Dordrecht 121, 161 Dortmund 33, 60 Dover 121, 158, 175 Dovrefjell 187 Drammen 8, 34, 45, 62, 88, 182, 183 Drejø 125 Duderstadt 181 Dunbar 119, 149, 150 Dünkirchen 121, 159 Edinburgh 28, 77, 119, 149, 152 Edøya 138, 139 Eichsfeld 45, 181 Eiderstedt 56 Einbeck 181 Elbe 136, 180, 181 Elval 187 England 11, 30, 43, 56, 71, 83, 96, 97, 128, 137, 139, 153, 154,155, 156, 157, 158, 176, 177, 178, 180, 184, 185 Esens 108 Europa 6, 8, 9, 11, 16, 51 Falster 166 Farne Islands 154 Fargues 173 Felße (?) 134 Fetlar 142 Findoe 127 Fischerhalbinsel 8, 15, 24, 25, 34, 124, 126, 127 131 Flamborough Head 120, 155 Flandern 20, 45, 121, 123, 159, 160 Fleckerøy 186 Flemøya 140
Schiffbruch!
Frankreich 8, 9, 15, 20, 30, 34, 43, 44, 45, 92, 97, 98, 111, 115, 120, 152, 154, 156, 158, 160, 170, 176, 177, 178 Friedericia 23, 67, 112, 114, 115, 124, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 183 Frederikshavn 114, 183, 184 Freiburg 115, 137 Friedrichstadt 169 Friesland 33, 71, 122, 163 Fuglen 115 Fünen 114, 134, 189 Gadebusch 165 Garonne 171, 172 Glomma 187 Glückstadt 115, 129, 134, 135, 136, 192 Gorleston 155 Göttingen 181 Gravesend 124, 176 Great Yarmouth 120, 155, 156 Grenen 182 Grip 122, 127, 129, 133 Grönland 47, 49, 50, 62, 189 Großbritannien 13, 27, 44, 45, 51, 77, 89, 90, 95, 111, 119, 121, 149, 152, 170, 171, 172, 175, Großer Belt 166 Hadersleben 62, 183 Hamburg 9, 13, 15, 27, 32, 39, 41, 42, 52, 59, 68, 69, 78, 92, 115, 123, 129, 134, 135, 136, 149, 152, 164, 165, 172, 174, 180, 181, 189 Bohm 129, 136 Wittenhoff 136 Hameln 189 Hampton Court 178 Hannover 181 Happsburgh 120, 155 Harburg 181 Harlem 121, 162 Harwich 124, 128, 178 Heiligenstadt 181 Helgoland 116, 129, 137, 178
Personen- und Ortsregister
Helsingör 123, 124, 125 Herford 189 Hessen (Insel) 164 Hettlinger Schanze 136 Hidra 112 Hildesheim 18, 181, 189 Hillesund 186 Hindeloopen 122, 163 Holland 44, 45, 52, 61, 89, 122, 143 149, 159, 161, 162 163, 172, 179 Holstein-Gottorf 39 Holstein (Herzogtum) 13, 136, 180, 192, 193 Holy Island 120, 153 Homborsund 186 Hornelen 143 Husum 56, 88, 105, 169 IJsselmeer 163 IJsselmund 161 Île d’Ouessant 170 Inchkeith Island 119, 151 Ingatestone 120, 156 Ipswich 120, 156 Irland 9, 27 Isle of May 146, 153 Italien 7, 8, 23 Jæren 130 Jarlsberg 182 Jomfruland 186 Jütland 178, 182, 186, 189 Jütlandbank 116 Kappeln 29 Karibik 7, 16, 50, 62 Kattegat 8 Kelsale 120, 156 Kerteminde 134, 189 Kieler Bucht 131 Klixbüll 168 Køge 125 Köln 85 Königsberg/Kaliningrad 24, 112, 113 Kola-Halbinsel 25 Kongsberg 186
217 Kopenhagen 13, 16, 31, 37, 42, 47, 49, 54, 95, 98, 123, 125, 134, 166, 183, 187, 189, 190 Korsör 128 Koudum 122, 163 Kristiansund 117, 123, 124, 132, 139, 140 Krusau 25 Kursachsen 54 Kvitsøya 36, 128, 131 Laaland 166 Læsø 113, 128 Langeland 134 Langesund 182, 186 Larkollen 188 Laurvig 182 Leiden 121, 162 Leine 181 Leith 151, 152 Leipzig 16 Lemgo 189 Lexen 164 Linderom 131 Lindesnes 123, 184, 185 Lissabon 165, 170 Liverpool 182 Løkken London 9, 11, 13, 23, 24, 25, 30, 45, 77, 83, 87, 88, 120, 121, 124, 128, 152, 153, 162, 156, 158, 163, 174, 176, 178 Bishopsgate Street 156 Börse 87, 157, Bread Street 176 Cheapside 176 Houses of Parliament 158 London Bridge 157 Star court 176 St. Paul´s Cathedral 157 The Monument 157 The Tower 157 Westminster 158 Lowestoft 156 Lübeck 13, 17, 20, 23, 24, 41, 69, 114, 120, 134, 180, 183, 185
Schiffbruch!
218 Lüneburg 181 Malmö 61 Mandal 163 Marseille 8 Mecklenburg 165 Meldal 123 Middelburg 121, 160 Middelfart 134 Minden 189 Molkwerum 122, 163, Moss 187 Næstved 108, 109, 111, 112, 113, 114, 124, 128, 132, 166 Nantes 152 Nassau 160, 169 Neumühlen 129, 136 Neumünster 136 Newcastle 153, 184 Nidelva 25, 112, 133 Niederlande 7, 15, 27, 65, 77, 80, 98, 105, 111, 112, 115, 124, 125, 143, 152, 154, 156, 159, 162, 185 Nienburg 189 Nieuwpoort 121, 159 Nordkap 7, 8, 24, 25, 28, 32, 33, 66, 68, 69, 111, 113, 124, 126, 127, 131-133 Nordsee 7, 77, 185 North Berwick 119, 150 Norwegen 8, 9, 11, 13, 16, 22, 23, 25, 27, 34, 36, 45, 46, 54, 62, 70, 77, 88, 89, 95, 97, 101, 105, 128, 138, 152, 163, 183, 185 Nürnberg 8, 92 Nyborg 111, 112, 113, 124, 128, 131, 132, 133 Öresund 137 Ørland 115, 122 Østerdalen 187 Olden 123, 141, 164 Orford Ness 123, 128 Orkdal 123 Oslo 8, 46, 98, 183, 186, 186, 187, 188 Osmanisches Reich 165, 170
Ostende 121, 159 Ostindien 10, 124, 186 Ostsee 13, 56, 62, 127 Ostrov Anikiyev 132, 133 Overflake 160, 161 Pillau 112, 113 Polarmeer 7, 8 Portør 186 Portugal 7 Preignac 172 Prestonpans 119, 149, 150, 151, 152 Raswag 185 Raudberget 138 Redheugh 77, 118, 119, 149 Rendsburg 134, 136 Risör 186 Rochester 121, 158 Rom 168 Romsdalsøyen 140 Rotterdam 24, 119, 121, 139, 149, 152, 153, 161 Rudkøping 42,127 Russland 8, 13, 15, 22, 23, 24, 25, 27, 30, 34, 66, 112, 113, 124, 127, 132, 133 Sæby 130 Sainte-Croix-du-Mont 174 Salé 170 Sauternes 173 Saxmundham 120, 156 Scarborough 120, 154 Scharhörn 115, 129, 137 Schleswig (Herzogtum) 9, 13, 15, 21, 38, 192, 193, Schleswig (Stadt) 136, 189 Schleswig u. Holstein, Herzogtümer 59, 63, 165, 190 Schottland 15, 20, 23, 24, 67, 70, 71, 76, 77, 111, 114, 118, 119, 148, 149, 153, 154, 155, 160 Schouwen-Duiveland 160 Schweden 13, 14, 15, 27, 39, 42, 61, 111, 114, 135, 165, 166, 183, 187
Personen- und Ortsregister
Schweiz 7, 8, 10 Schwinge 136 Seeland 7, 108, 159, 160, 166 Shetland 117, 118, 142 Sirevåg 112, 130 Sittingbourne 121, 158 Skælskør 108, 109 Skagen 8, 109, 111, 112, 113,114, 123, 124, 125, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 182, 184, 186 Skagerrak 8 Skandinavien 9, 13 Skarpøy 186 Skien 182, 186, 188 Skipnes 138, 139 Skudenes 132 Sluis 121, 159 Smørholm 138, 164 Solveckij Ostorova 124 Sonderburg 109, 110, 115, 125, 127, 128, 131, 132, 133 Spanien 9, 15, 30, 159, 160 Spitzbergen 50, 62, 189 Sprogø 166, 183 Stade 136 St Abbs Head 118, 148 St Croix 16, 50, 51, 56, 62, 95, 190 St Donaes 159 Stadlandet 116, 118, 132, 140, 164 Stavoren 122, 163 Steinberg 22, 107, 108 Steinbergholz 107 Steinberghaft 107 Stockholm 152 Stralsund 17, 23, 92 Strømsø 183 Strudshaven 124 Stubbekøbing 125 Sula 109 Surnadal 123
219 Svendburg 114 Tertolen/Tolen 160 Texel 170 Themse 176 Tiepenwolok 113, 124, 126 Tolga 187 Tondern 10 Tönning 165 Trolla 138 Ulzburg 136 Utsira 138 Utvær 117, 138, 141 Vardøya 127, 133 Veere 121, 160 Vegesack 179 Venedig 23 Veurne 121 Vlie 122, 163, 164 Vlissingen 121, 159, 160 Vordingborg 125 Walchern 160 Walderhaug 127 Wardehus Sund s. Bussesundet Warns 122, 163 Weser 19, 178, 179 Westfalen 38, 45, 61, 168, 189 Westindien 16, 28, 49, 51, 190 Willemstad 121, 161 Winsen 181, 182 Winterton 155 Wismar 165 Witham 120, 156 Woodbridge 120, 156 Zierikzee 121, 160
Wer sonst noch beteiligt war
Allgemein kann man sagen: viele. Das kommt schon zum Ausdruck bei dem Versuch, die Akten des Schiffbruchs von 1677 aufzuspüren. Zuerst legte sich Dr. Kathrin Zickermann, St. Andrews, ausgestattet mit entsprechenden Lokalkenntnissen, ins Zeug für uns, dann ergab sich für Dr. Silke und Prof. Hartmut Lehmann die Möglichkeit, im National Archives of Scotland in Edinburgh noch einmal nachzuhaken. Alles war vergebens. Die Lösung kam durch eine lokale Expertin, durch Sue Mowat, die wusste, wie die Verantwortlichkeiten aufgeteilt waren. Damit mussten wir unsere Hoffnungen begraben. Sue Mowat war es auch, die zahlreiche Informationen zur Verfügung stellte, die halfen, Bischoffs Beziehung zu den schottischen Kapitänen zu verstehen. Im fernen Trondheim hatte Maria Press stets prompte Antworten und dazu noch Tipps parat und war so nett, nach bestimmten Dokumenten zu suchen. Bei Fragen, die Oslo oder die norwegische Küste betrafen, zapften wir die Kenntnisse von Prof. Knut Sprauten in Oslo an. Sicher durch alle norwegischen Klippen und Schären gelotst hat uns Arve Iversen, Oslo, mit Ratschlägen und Kartenmaterial. Camilla Schjerning, Kopenhagen, spürte Bogense-Archivalien auf, doch reichte die Zeit nicht mehr für eine „;Rasterfahndung“. Im Stadtarchiv Flensburg sahen sich Herr Kästel ständigen Wünschen nach neuen Archivalien ausgesetzt und Herr Dr. Schwensen durch Fragen bedrängt. Sie verloren nie die Geduld und den Einsatzwillen. In Sønderburg wurde uns von allen Seiten Hilfe zu teil. Reimer Dietze, Erzhausen, hat sich nicht nur wie üblich als Meister der deutschen Sprache gezeigt, sondern auch durch seine guten nautischen Kenntnisse verblüfft. Zwei Selbstzeugnis-Experten – Dr. Benigna von Krusenstjern und Prof. Kaspar von Greyerz als Reihenherausgeber – haben den Text kritisch gelesen. Selbstverständlich fällt es auf mich zurück, wenn ich ihrem weisen Rat hier oder da nicht gefolgt bin. Außer den Genannten haben viele Archive von Bordeaux über London bis Kopenhagen geholfen oder es nicht können, weil unsere Anfragen ihre Möglichkeiten überschritten, auch viele Privatpersonen haben Einzelpunkte geklärt. Ihr Beitrag haben wird an der jeweiligen Stelle gewürdigt. Vielleicht haben wir die eine oder den anderen vergessen – dann bitten wir um Entschuldigung. Allen sei aber hiermit noch einmal ein aufrichtiges „Danke schön!“ zugerufen. Carl Petersen, Otto Ulbricht
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