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German Pages 384 Year 2014
Petra Schneidewind, Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Ein Handbuch für Kulturschaffende (2., komplett überarbeitete Auflage)
Petra Schneidewind, Martin Tröndle (Hg.)
Selbstmanagement im Musikbetrieb Ein Handbuch für Kulturschaffende (2., komplett überarbeitete Auflage)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2012 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Patricia Reed | leakystudio.com Umschlagabbildung: das Ensemble SPARK, fotografiert von Noam S. Mamane Korrektorat: Arnold Maxwill, Münster Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Druck: Aalexx Buchproduktion GmbH, Großburgwedel ISBN 978-3-8376-1660-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt Vorwort .................................................................................
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Manage yourself? Create your Concert! Eine Einleitung ...................................................................................
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Martin Tröndle
£ 1. KONZERT
UND
PUBLIKUM
1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen. Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit im Musikbetrieb ....................
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Martin Tröndle 1.2 Szenen und Milieus. Eine lebensstilorientierte Publikumssoziologie ...........................
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Martin Tröndle
£ 2. MUSIKMANAGEMENT 2.1 Strategien und Überlegungen zur eigenen Positionierung im Musikmarkt. Marketing für Musiker .............................................................
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Martin Tröndle/Petra Schneidewind 2.2 Das Kommunikationskonzept. Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende ..................................
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Martin Tröndle/Petra Schneidewind 2.3 Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mithilfe der Neuen Medien ....................................................... 119
Andreas Brandis 2.4 Das Land jenseits des Fingersatzes. Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk ............................................... 157
Jürgen Christ im Gespräch mit Martin Tröndle
2.5 Management und Managementinstrumente für Musikschaffende ............................................................... 169
Petra Schneidewind 2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung ................................... 199
Martin Tröndle/Petra Schneidewind
£ 3. AGENTUREN
UND
LABELS
3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung ............................. 217
Burkhard Glashoff 3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution. Wie die Reproduktions- und Speichermedien das musikalische Bewusstsein verändern .................................. 229
Max Nyffeler 3.3 Musikverlage im Wandel .......................................................... 243
Max Nyffeler
£ 4. ZUR AUSBILDUNGSSITUATION
IN DEN
MUSIKHOCHSCHULEN
4.1 Der lange Weg zum Profimusiker ............................................... 257
Werner Heinrichs 4.2 Was machen Sie in der Übezelle? Einige Ideen zur Karriereplanung junger Musiker ......................... 271
Sebastian Nordmann im Gespräch mit Martin Tröndle 4.3 Concerto21. Ein Innovationsinkubator für das Curriculum an Musikhochschulen .............................................................. 277
Martin Tröndle 4.4 We Do It Our Way. Spark, die klassische Band ....................................................... 289
Daniel Kochitzki und Andrea Ritter im Gespräch mit Martin Tröndle
£ 5. RECHT 5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland .................... 299
Ralf Kitzberger 5.2 Verwertungsgesellschaften in Deutschland ................................ 321
Ralf Kitzberger 5.3 Die Künstlersozialversicherung in Deutschland ........................... 327
Andri Jürgensen 5.4 Steuern zahlen in Deutschland ................................................. 341
Andri Jürgensen 5.5 Vertragsrecht ......................................................................... 357
Brigitte Treuer
£ ANHANG Service ............................................................................................... 373 Autorinnen und Autoren ........................................................... 377
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VORWORT
Bei der Konzeption der ersten Auflage dieses Bandes vor knapp zehn Jahren war es uns wichtig, ein längerfristig aktuell bleibendes Buch herausgeben zu können. Auf Steuer- oder Beitragssätze hatten wir damals daher bewusst verzichtet, dennoch veränderte sich der Klassikmarkt in den letzten Jahren so schnell, dass eine vollständige Überarbeitung dieser zweiten Auflage notwendig wurde. Unverändert hingegen bleibt die Notwendigkeit des Selbstmanagements für Musikschaffende. Wir hoffen, dass das neue Werk den Musikerinnen und Musikern weiterhin dienlich ist und freuen uns über Ihre Meinung. Rückmeldungen an den Verlag werden an uns weitergeleitet. Unser herzlicher Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die mit ihrem Fachwissen zu diesem Werk beigetragen und es schlussendlich ermöglicht haben. Weiter gilt unser Dank Johanna Schindler für das sorgfältige Lektorieren der Texte und dem transcript Verlag sowie der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Petra Schneidewind und Martin Tröndle
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M ANAGE
YOURSELF?
C REATE
YOUR
C ONCERT !
Eine Einleitung Martin Tröndle Wurden vor einigen Jahren die Begriffe ›Musikmanagement‹ oder ›Musikmarketing‹ teils noch kritisch beäugt, kann heute kein Ensemblemanager oder Konzertveranstalter darauf verzichten, diese Instrumente zur Publikumsgewinnung einzusetzen. Früher, zu den Zeiten von Leopold Mozart, Friedrich Wieck oder Richard Wagner – um prominente Beispiele erfolgreicher Musikmanager zu nennen –, existierte der Ausdruck Musikmanagement noch nicht. Die Tätigkeit jedoch war dieselbe: Auch sie nutzten die Eigenheiten des Musikbetriebes geschickt, um die Aufmerksamkeit eines potenziellen Publikums auf das Konzertereignis zu lenken. Heute, oder besser: in den letzten 20 Jahren hat sich der Markt der Kunstmusik (der Begriff soll für alles stehen, was man unter Alter, Klassischer und Neuer Musik subsumiert) gravierend verändert. Damit geht einher, dass auch die Instrumente des Aufmerksamkeitsmanagements heute nicht mehr dieselben wie noch vor 20, 50 oder gar 100 Jahren sein können. Diese Veränderungen sollen grob markiert sein: Zum einen ist allein zwischen 1997 und 2007 die Zahl der Musikhochschulabsolventen in Deutschland um circa 35 Prozent gestiegen. Zum anderen jedoch gingen die Planstellen an öffentlichen Orchestern im gleichen Zeitraum um knapp 18 Prozent zurück. Der Musikwissenschaftler Heiner Gembris konstatiert: »Seit Jahren setzt sich also eine Entwicklung fort, die man als größer werdende Schere zwischen wachsender Anzahl der ausgebildeten Musiker und schrumpfender Zahlen an Beschäftigungsmöglichkeiten beschreiben kann« (2011: 61f.). Dieser Trend führt dazu, dass immer mehr Musiker selbstständig agieren und eigene Ensembles, Konzertreihen und Festivals gründen. Die Anzahl der in der Künstlersozialkasse als freiberuflich gemeldeten Musiker demonstriert dies eindrücklich: Wurden 1995 noch circa 20.000 Musiker mit ihren Geldern unterstützt, waren es im Jahr 2007 bereits über 40.000 (ebd.: 64). Die Zahl der steuerpflichtigen Ensembles erhöht sich seit 1990 kontinuierlich bei gleichzeitigem Rückgang der steuerbaren Umsatzleistung (Söndermann 2000: 99). Allein zwischen 2006 und 2009 hat sich die Zahl der freiberuflichen Orchestermusiker und Instrumentalsolisten nochmals um knapp 20 Prozent erhöht. Das Durchschnittsjahreseinkommen beträgt derzeit circa 10.000 À. Heiner Gembris fasst dies wie folgt zusammen: »Eine wachsende Zahl gut ausgebildeter und schlecht bezahlter Musiker steht also bereit, […] musikalische Dienstleistungen zu erbringen« (Ebd.: 2011: 64).
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Die steigende Konkurrenz untereinander macht sich auch in der Anzahl der Konzerte bemerkbar: Diese sind im Vergleichszeitraum um fast 60 Prozent gestiegen, dabei konnte jedoch nur geringfügig mehr Publikum erreicht werden. Im Gegenteil, das Publikumsinteresse insbesondere bei den unter 60-Jährigen geht deutlich zurück. Das hat vorrangig mit einer popkulturellen Sozialisation dieser Alterskohorte zu tun, aber auch mit dem Image der Klassik, das vielen als verstaubt und langweilig erscheint und klassische Musik für sie unattraktiv macht (vgl. Kellersmann 2011). Dabei ist es weniger die Musik als vielmehr die Art und Weise, in welchem Rahmen und mit welcher Rahmung sie aufgeführt wird, die zu ihrer schwindenden Attraktivität führt (vgl. Keuchel 2011; Ungeheuer 2011; Vogels 2011). Will man also das Konzert zu neuer Attraktivität führen, bedeutet dies zu allererst Arbeit an der »Aufführungskultur« (Tröndle 2011). Seit Gerhard Schulzes (2011) paradigmatischer Beschreibung der »Erlebnisgesellschaft« wurde es zum Allgemeinplatz, dass die Musiker und Veranstalter nicht nur untereinander in Konkurrenz stehen, sondern auch zu allen anderen »Erlebnisanbietern« auf dem Freizeitmarkt. Die potenzielle Konzertbesucherin entscheidet zwischen einer Vielzahl von Konzert-, Theater-, Kinobesuchen oder einem Abend im Restaurant mit Freunden. Das Konzert als sozialer Anlass muss den Bedürfnissen potenzieller Besucher entsprechen, soll ihre Entscheidung für den Konzertbesuch fallen. Eine Zahl ist dabei besonders interessant: 53 Prozent der Konzertbesucher gehen laut dem Zentrum für Kulturforschung nicht vorrangig wegen der Musik ins Konzert, sondern um einen Abend mit Freunden zu verbringen, gut unterhalten zu werden, etwas zu erleben oder wegen der besonderen Atmosphäre (Keuchel 2011: 89f.). Das Konzert ist für das Publikum vor allem ein soziales und ästhetisches Ereignis und keine musikpädagogische Veranstaltung. Es geht um den Ort, die Gemeinschaft unter Gleichgesinnten, das Erleben im Augenblick und die Präsenzerfahrung der Musik. Das sind einige der Parameter entlang derer zukünftige Konzertkonzepte erarbeitet werden müssen. Die Digitalisierung hat sowohl auf dem Tonträgermarkt als auch bei den Musikverlagen deutliche Spuren hinterlassen (Brandis 2010) und zu völlig neuen Produktions- aber auch Distributionswegen geführt (siehe Kapitel £ 3.3). Die Digitalisierung des Konzertes außerhalb des Konzertsaales hat gerade erst begonnen z.B. mit der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker (DCH). Welchen Marktdruck, aber auch welche Chancen diese neue Form des Konzertes haben wird, ist noch nicht abzusehen (Krohn-Grimberghe 2011). Neue Sozialformen eines Konzertabends jedoch können bereits beobachtet werden: Klassikinteressierte laden Freunde zu sich nach Hause ein, um das Konzert gemeinsam live zu erleben oder treffen sich bei Public Viewings. Hörer könnten sich bald ein »Konzertwunschprogramm« aus dem Archiv der DCH
Martin Tröndle Manage yourself? Create your Concert! £
zusammenstellen und Freunde real aber auch im Netz einladen und mit ihnen dieses Konzert zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gemeinsam ansehen. Während des Konzertes können Chats genutzt und neue Bekanntschaften geschlossen werden. Die visuelle Digitalisierung im Konzertsaal treibt die Yellow Lounge sehr erfolgreich voran. Die VJs (Visual Jockey) mischen vorproduziertes Bildmaterial und während des Konzertes aufgenommene Bilder von mehreren Hand-Kameras zusammen. Die Zuhörer verfolgen die Live-Performance der VJs auf Leinwänden. Ihre Aufmerksamkeit wird auf das Konzertereignis durch Stimmungen, Rhythmen, aber auch Personifizierungen bspw. durch die Nahaufnahme der Hände und Gesichter der Ausführenden gelenkt (Canisius 2011). Eine ähnliche Veränderung der Konzertpraxis ist von den digital-akustischen Entwicklungen zu erwarten, wie sie in der Wellenfeldsynthese oder dem Zirkonium (Brümmer 2011) ermöglicht werden. Diese technischen Neuerungen können qualitativ mit dem Sprung von stereo zu dolby digital verglichen werden und lassen das Konzert als ästhetisch-akustisches Ereignis neu denken. Statt der Distanz zum Pianisten auf dem Podium und dem gerichteten Hören, wie wir es von Klavierrezitalen kennen, lässt sich die Fuge oder Sonate des Klavierabends mehrdimensional im Raum als Klang-Hologramm in Erscheinung bringen und damit eine völlig neue Hörerfahrung auslösen. Auch hier ist eine Steigerung der Präsenzerfahrung des Konzertereignisses durch die technische Neuerung vorstellbar. Insbesondere Publikumssegmente, die durch ihre Kinoerfahrung von dolby digital 5.1 geprägt sind, könnten so Klassikkonzerte auch als akustische Ereignisse erfahren. Kurz: Das Konzert befindet sich auf allen Ebenen im Umbruch und genau dies birgt die Möglichkeit, sich eine Nische im Markt zu schaffen (siehe Kapitel £ 4.4 ) Obwohl diese Themen für Musiker zentral sind, wird in der Ausbildung der Musikhochschulen bisher nur wenig Wert darauf gelegt (siehe Kapitel £4.1). Die Ausbildung an den Musikhochschulen ist zumeist noch von einem MeisterSchüler-Verhältnis und einer der Instrumental- respektive Werkorientierung geprägt. Wie das Leben nach der Ausbildung verläuft, eine gezielte Karriereplanung oder gar die Zukunft des Konzertwesens wird selten thematisiert (vgl. Tröndle 2005a, 2005b, 2005c). Zwar entstehen erste Career Center (siehe Kapitel £4.2), das Bewusstsein jedoch, dass Musiker wie bildende Künstler, Schauspieler oder Architekten größtenteils als Selbstständige in unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen ihren Lebensunterhalt verdienen werden (Gembris 2011), hat sich bisher nur rudimentär durchgesetzt. Bei unserer Themenstellung »Wie schaffen Musiker und Veranstalter es, für ihre Kunst ein Publikum zu finden?« geht es zunächst nicht um Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Finanzierungs- oder Rechtfragen; dies sind, trotz ihrer Wichtigkeit, nachgelagerte Entscheidungsfelder. Primär geht es um die Frage:
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Wie können Konzertformen geschaffen werden, die es vermögen, die Aufmerksamkeit eines Publikums wieder an sich zu binden? Wie gewinnt das Konzert als ästhetisches und soziales Ereignis wieder an Relevanz für das Publikum? Erst wenn diese Inhalte, d.h. das Konzertkonzept, seine Dramaturgie, seine Inszenierung, seine Akustik, seine Ritualität und seine Sozialität stringent entwickelt wurden, kann ein Marketing- und Öffentlichkeitsarbeitskonzept für genau dieses Konzept eines Ensembles oder Solisten erarbeitet werden. Das »Produkt« oder die »Dienstleistung« eines Ensembles oder einer Solistin ist nicht nur die möglichst perfekte Wiedergabe eines Musikstückes, sondern das Konzertereignis in den Augen und dem Erleben des Publikums. Über seine eigene Karriere, seine Rolle und seine Position in diesem Betrieb nachzudenken bedeutet, über das Konzert nachzudenken. Jeder Konzertveranstalter und jedes Ensemble sollte für sich die Frage beantworten: Warum sollte jemand dieses/mein Konzert besuchen?
D I E K A PI T EL I M E INZELNEN Es gilt zu begreifen, dass Musikerkarrieren von mehr abhängig sind als alleine von der Instrumental- oder Vokalkompetenz. Dieses Buch versteht sich als Hilfestellung im Erwerb dieser Kompetenzen. Dabei wird die künstlerische Reife vorausgesetzt; musikalische und spieltechnische Qualität lässt sich durch eine gute Inszenierung, den besonderen Ort oder ausgefallene PRMaßnahmen nicht wettmachen. Dieser Band schließt an das Handbuch für Musikschaffende (2003) an, das komplett überarbeitet und ergänzt wurde. Die wichtigsten Ergänzungen jedoch sind die Überlegungen zu neuen Konzertkonzepten, wie sie in dem Band »Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form« (Tröndle 2011) dargestellt sind. Es ist jedem Leser daher empfohlen, anhand dieses Bandes zunächst die eigene Konzertpraxis zu überdenken und ein prägnantes Konzept, das man als Konzert anbietet, zu entwickeln. Der vorliegende Band umfasst fünf Kapitel, mit denen wesentliche Aspekte des Selbstmanagements im Musikbetrieb dargestellt werden. Sie behandeln Themen rund um das Konzert und sein Publikum, das Musikmanagement, die Agenturen und Labels, die Musikerausbildung und zu verschiedenen Rechtsaspekten. Die Begriffe »Konzert« und »Publikum« sollen eingangs hinsichtlich der Präsentationsform der Musik, nämlich dem Konzert, und seinem Publikum verhandelt werden. Erst wenn man versteht, wie und warum sich das Konzert in seiner Präsentationsform zu dem entwickelt hat, was es heute ist – und diese Entwicklung nicht als rein zufällig erachtet, ist man in die Lage versetzt, zu-
Martin Tröndle Manage yourself? Create your Concert! £
künftige Konzertformen zu entwickeln, die bei einem veränderten Publikumsverhalten Erfolg haben können. Aufseiten des Publikums stehen zentrale Fragen, die ein jedes Ensemble für sich beantworten muss: Wer sind mögliche Besucher, die für das Konzert gewonnen werden könnten? Wo, wie und mit welchen Mitteln können diese Publikumssegmente angesprochen werden? In diesem Kapitel findet eine Einführung in die Publikumssoziologie von Gerhard Schulze statt, die sich insbesondere mit Lebensstilanalyse und Szenenbildung beschäftigt und sich daher besonders für diese Art der Publikumsanalyse eignet. Nach diesen Eingangsüberlegungen zum generellen Konzept des Ensembles soll es unter dem Titel »Musikmanagement« um die Umsetzung des Solisten- oder Ensemblekonzeptes gehen. Zentral sind bei Martin Tröndle und Petra Schneidewind die Themen Management, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung für Musikschaffende, in die jeweils praxisorientiert eingeführt wird. Ausführlich stellt Andreas Brandis, Labelmanager von ECM, die Methoden der Öffentlichkeitsarbeit mithilfe der Neuen Medien vor und Jürgen Christ, Leiter des Instituts LernRadio der Musikhochschule Karlsruhe, spricht über die Bedingungen der Öffentlichkeitsarbeit im Radio. Unter dem Titel »Agenturen und Labels« vereinen sich drei Beiträge, die die Agenturen, die Tonträgerindustrie und die Musikverlage vorstellen. Wie hat sich dieses Gefüge in den letzten Jahren verändert, welche Zukunftstrends existieren und welche Chancen ergeben sich dadurch für eine strategische Positionierung junger Musikschaffender? Burkhard Glashoff, Direktor für den Bereich Tourneen und Projekte der Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid (Hannover/Berlin), nimmt die Arbeit der Künstlervermittlung unter die Lupe und fragt nach den Bedingungen einer erfolgreichen Karriereentwicklung von Musikschaffenden. Der Musikjournalist und langjährige Verlagsmanager Max Nyffeler untersucht die Tonträgerindustrie als Ort der permanenten Revolution und geht der Rolle der Musikverlage im globalen Verwertungswettbewerb nach. Neu hinzugekommen ist ein eigenes Kapitel zur »Ausbildungssituation in den Musikhochschulen«. Der Werdegang zum Profimusiker wird aus verschiedenen Perspektiven diskutiert: Werner Heinrichs, langjähriger Vorsitzender der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, zeichnet den Weg zum Profimusiker nach. Sebastian Nordmann, Intendant des Konzerthauses Berlin, gibt Tipps für das Leben außerhalb der Übezelle. Martin Tröndle präsentiert Concerto 21., ein Projekt zur Innovation in der Lehre der Musikhochschulen. Und Spark, ein junges und erfolgreiches Ensemble, berichtet über seine Erfahrungen nach der Musikhochschule und das Thema Musikmanagement aus seiner Perspektive.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb
Der abschließende Teil des Handbuches konzentriert sich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen: Ralf Kitzberger stellt sowohl die Urheber- und Leistungsschutzrechte, als auch die Rolle der Verwertungsgesellschaften vor. Andri Jürgensen behandelt die Themen Künstlersozialversicherung und Steuerrecht und Brigitte Treuer widmet sich dem Vertragsrecht für Musikschaffende. Zum Schluss haben wir Literaturhinweise und Adressen zusammengestellt, die für die Arbeit der Musikschaffenden von Bedeutung sind. Mein besonderer Dank gilt der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., die es mir durch die mehrjährige Unterstützung und Ausrichtung von Concerto21. , der Sommerakademie für Aufführungskultur und Musikmanagement, ermöglichte, über Jahre hinweg wertvolle Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Akademisten zu sammeln, die auch diesen Band wesentlich bereichern.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Brandis, Andreas (2009): Aspekte zur Veränderung der Wertschöpfungskette im Musikmarkt, Magisterarbeit am Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Brümmer, Ludger (2011): »Instrument – Raum – Klang: Technische Entwicklungen in Akustik und Instrumentenbau«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert: Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 201-220. Canisius, David/Tröndle, Martin (2011): »Die Yellow Lounge denkt das Konzert neu. Ein Gespräch«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 293-302. Gembris, Heiner (2011): »Entwicklungsperspektiven zwischen Publikumsschwund und Publikumsentwicklung«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert: Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 61-82. Kellersmann, Christian (2011): »Wege der Erneuerung«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 221-226. Keuchel, Susanne (2011): »Vom ›High Tech‹ zum ›Live Event‹: Empirische Daten zum aktuellen Konzertleben und den Einstellungen der Bundesbürger«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert: Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 83-101. Krohn-Grimberghe, Lukas (2011): A PARADISE FOR GEEKS – Über Besucher und Nichtbesucher von Angeboten klassischer Musik im Internet am Beispiel
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der DIGITAL CONCERT HALL der Berliner Philharmoniker, Bachelorarbeit an der Zeppelin University, Friedrichshafen. Roselt, Jens (2011): »4’33’’. Das Konzert als performativer Moment«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 113-124. Schulze, Gerhard (2011): »Die Erfindung des Musik Hörens«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert: Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 45-52. Söndermann, Michael (2000): »Die Musikausgaben der Öffentlichen Hand«, in: Eckhardt, Andreas/Jakoby, Richard/Rohlfs, Eckart (Hgg.), Musikalmanach 1999/2000, Kassel: Gustav Bosse Verlag, S. 99-103. Tröndle, Martin (2005a): »Musikvermittlung: Variation oder Invention? Teil I«, in: nmz. Neue Musik Zeitung, Juni 2005, S. 24. Tröndle, Martin (2005b): »Musikvermittlung: Variation oder Invention? Teil II«, in: nmz. Neue Musik Zeitung, Juli/August 2005, S. 24. Tröndle, Martin (2005c): »Create yourself – create your Market. Was ein Musikstudium heute leisten müsste«, in: Musikforum, 3/05, S. 46-49. Tröndle, Martin (2011): »Von der Ausführungs- zur Aufführungskultur«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 21-41. Ungeheuer, Elena (2011): »Konzertformate heute: abgeschaffte Liturgie oder versteckte Rituale?«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 125-142. Vogels, Raimund (2011): »Zwischen Formalisierung und Überhöhung. Das westliche Konzertgeschehen aus musikethnologischer Perspektive«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 103-112.
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£ 1. Konzer t und Publikum
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1.1 D A S K ONZERT WESEN ALS VARIATIONSGESCHICHTE VON KONZERT T YPEN Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit im Musikbetrieb Martin Tröndle Every presentation form has once been contemporary.
Wenn man heute in einem Konzerthaus sitzt, kurz nach acht Uhr abends, die Musiker auf die Bühne kommen, sie beginnen ihre Instrumente zu stimmen, der Dirigent mit Applaus empfangen wird und sich alsdann auch die letzten Räusperer einstellen, überlegt man sich selten, ob das, was man gerade erfährt – also dieser Bau, diese Sitzanordnung, die Kleiderordnung der Musiker, das Verhalten des Publikums, die Informiertheit durch das Programmheft, das verstohlene Rascheln mit dem Bonbonpapier –, einfach nur zufällig entstanden ist oder ob die Entwicklung des Konzertes ggf. einer bestimmten Logik folgt. Verblüffenderweise interessiert sich die Musikwissenschaft kaum für diese Frage. Zwar existieren einige, jedoch letztendlich erstaunlich wenige Publikationen zur Entwicklung des Konzertwesens (z.B. Dahlhaus 1994, Heister 1983, Küster 1993, Salmen 1988, Scherliess 1996, Small 1998, Ziemer 2008). So wertvoll sie sind, über eine (kritische) Beschreibung des Konzerts oder eine Klassifizierung einzelner Konzertformen kommen sie meist kaum hinaus.1 Das mag an der musikwissenschaftlichen Tradition liegen, in der vornehmlich die Werke und deren Analyse im Vordergrund stehen, die biografische Forschung zu den Komponisten, die diese Werke hervorgebracht haben, und deren stilgeschichtliche Einordnung. Ein Blick in das Standardwerk – den MGG (www.mgg-online.com) – genügt, um diese These mannigfach zu stützen. Musikgeschichte wird dann als Fortschrittsgeschichte konzipiert, in der man staunend von Meisterwerk zu Meisterwerk entlang geglückter Formparameter geführt wird: Die Fuge kulminiert in Bach, die Sonatenhauptsatzform in Beethoven, das Lied in Schumann, das Leitmotiv bei, die Atonalität in etc. Scheinbar genialisch werden diese Ideen empfangen und im Werk entfaltet (vgl. Ortland 2004) und der Musikwissenschaftler wird zum Nachlassverwalter dieser Eingaben und Schöpfungen. Musikgeschichte als eine Aneinanderreihung genialer Werke großer Männer. Zweifelt man den Vorgang des Ingeniums an und fragt, warum sich gerade diese Werke durchsetzten, warum gerade diese Erfindung oder Weiterentwicklung eines Instrumentes, diese Konzertform Beachtung fand und nicht eine andere, erhält man in solch einer Denktradition keine Antwort. Allenfalls fällt ein Verweis auf die Qualität, auch wenn niemand zu sagen vermag, was das genau sein könnte. Mit Typisierungen und Historisierungen kommt man der Entwicklungsgeschichte des Konzertwesens wohl genau so wenig auf die Spur wie mit
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Qualitätsverweisen oder einer an Adorno-Lektüre geschärften Kulturkritik, in deren Logik es sich hier nur um eine »Zerfallsgeschichte« handeln kann. Will man das Konzert nicht als Zerfalls- sondern eher als Entwicklungsgeschichte verstehen, gebietet es sich, eine Theorieperspektive einzunehmen, die insbesondere auf die Prozesshaftigkeit abhebt, also zeitbezogen ist. Mit der Entstehung des Neuen und Unwahrscheinlichen beschäftigt sich die Evolutionstheorie. Evolutionstheoretische Perspektivierungen stoßen in Deutschland aufgrund ihres Missbrauchs während des Nazi-Regimes insbesondere in den Geisteswissenschaften auf Misstrauen und erhalten daher erst langsam Einzug in die Ästhetik und die Kulturbetriebslehre (vgl. Menninghaus 2007, Treml 2010). In den anglophonen Ländern hingegen haben die evolutionary aesthetics Tradition. Das lateinische »evolvere« bedeutet schlicht »sich aus etwas heraus zu entwickeln«. Dabei – und das ist wesentlich für ein modernes Verständnis der Evolutionstheorie – hat diese Entwicklung kein Ziel, keine Bestimmung und kein Telos (Futuyama 1990: 9). Es geht schlicht um Veränderungen, die sich zufällig (z.B. biologisch durch genetische Mutation) oder kulturell, d.h. durch Lernen, ergeben. Biologische Evolution wird als Transformation des genetischen Bestandes einer Population verstanden, also die Entstehung einer neuen Art aus einer bereits bestehenden (Wolters 2004a: 611f.). Dabei muss die neue Art nicht komplexer oder besser, sondern lediglich anders sein und sie muss sich in ihrer Umwelt behaupten können, d.h. eine ökologische Nische finden. Diese Vorstellung lässt sich unmittelbar in den Musikbetrieb übertragen, wo man manchmal staunt, mit welch musikalischer Schlichtheit oder Craziness manche Musikstücke oder Interpreten Berühmtheit erlangen. Die neue Art hat durch ihre Anpassungsleistung, bspw. einen längeren Schnabel, Zugang zu Ressourcen, die anderen Arten verwehrt blieben oder wirkt durch ausgefallene Bekleidungs- und Bewegungsstile als Aufmerksamkeitsattraktor. Wenden wir diese Perspektive probeweise auf die Entwicklung der Geschichte der Musikinstrumente an und fragen: Was ist den Entwicklungen der Zupfinstrumente von der Laute, zur chitarra battente, der romantischen Gitarre, der modernen Konzertgitarre und der E-Gitarre gemein? Das Gleiche könnte man für die Entwicklung von Cembalo, Hammerklavier, Flügel, Konzertflügel und E-Piano fragen. Haben sich diese Entwicklungen in den Zupf- und Tastengattungen rein zufällig etabliert? Manche mögen die E-Gitarre in der Konzeption einer musikwissenschaftlichen Fortschrittsgeschichte als Rückschritt, gar als einen Zerfall ansehen. Dieses normative Urteil vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass – überblickt man diese Instrumentalentwicklungen über die Jahrhunderte – beide eine wachsende Hörerschaft an sich binden konnten: durch eine verbesserte Spielbarkeit und damit eine gestiegene Virtuosität, die beeindruckt, Klangfarbeneffekte, die unterhaltsam sind, und eine
Martin Tröndle
£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen kontinuierlich wachsende Lautstärke. Erreicht man im Konzert mit der Laute circa 100 Zuhörer, so fasziniert die Konzertgitarre schon 300, die elektrische Gitarre 30.000 (vgl. Hutter 2011). Mit dieser gestiegenen Aufmerksamkeit auf das Konzertereignis lassen sich auch höhere Einnahmen realisieren und dies wiederum gibt den Musikern und Veranstaltern Anlass, mehr Konzerte zu veranstalten. In der Evolutionstheorie spricht man dann von autokatalytischen, also sich selbstverstärkenden Prozessen (Willke 2000: 246). Die Entwicklung des Konzertwesens kann über weite Teile als ein solch autokatalytischer Prozess verstanden werden, der zu einer steten Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des Konzertwesens geführt hat. Riskant aber nicht uninteressant ist es, diese Theorieperspektive auf die Kompositionsgeschichte anzulegen. Die Abfolge der Werke ist dann nicht genialisch oder zufällig zu begründen, sondern richtet sich nach einer steten Aufmerksamkeitsakkumulation. Werke, die besonders viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, werden von anderen imitiert und bilden so im Nachhinein stilgeschichtliche Zusammenhänge aus. So ließen sich sowohl Moden des Komponierens, temporär bevorzugte Formparameter als auch Schulbildungen erklären (vgl. Luhmann 1999), gleich ob es sich dabei um Empfindsamkeit, Frühklassik oder Punk handelt. Das Modell der Evolutionstheorie ist äußerst einfach und durch die Schritte Variation und Selektion geprägt (Wolters 2004b: 614f.). Variation bedeutet, dass eine Variante, also eine Abweichung oder Weiterentwicklung vom bisherigen entstanden ist. Das kann ein neues Instrument oder eine Variation eines Instrumentes, eine neue Kompositionstechnik oder ein verändertes Konzertformat sein. Ein Beispiel für solch ein verändertes Konzertformat könnte die Yellow Lounge sein, die das klassische Konzert in den Club verlegt (Canisius 2011), die Aktualisierung der Tradition der Haus- und Promenadenkonzerte oder die Digital Concert Hall, die das Konzert im virtuellen Raum stattfinden lässt. Vor allem die privaten Konzertveranstalter und die Konzertvereine des 18. und 19. Jahrhunderts waren – auch in ihrem Eigeninteresse – stets bemüht, Publikum anzuziehen; sie waren Konzertunternehmer. Bot also einer ihrer Konkurrenten ein neues Konzertmodell an, das vermehrt auf Publikumsinteresse stieß, imitierten sie dieses, um am neuen Trend teilzuhaben (Schleuning 1989). Nach der zufälligen oder absichtlichen Variation folgt die Selektion, die Entscheidung des potenziellen Konzertbesuchers für oder gegen diese Neuerung. Entscheiden sich genügend Personen für die Neuerung, kann sie sich auf Dauer halten. Entscheiden sich zunehmend mehr für sie, wird sie gar zum Trend und andere imitieren diese Neuerung. So gibt es mittlerweile in Berlin mehrere und weltweit viele Organisatoren, die das Konzept der Yellow Lounge kopieren. Andere Veranstalter ändern dieses Konzept auch leicht ab oder sie
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entwickeln etwas Neues. Beides sind Mutationen, also Anpassungen, die auf Anpassungen reagieren. Diese Anpassungsanpassungen erzeugen im Zeitverlauf eine hohe Diversifizierung im ›Biotop Musikmarkt‹. Durch die Linse der Evolutionstheorie wird auch sichtbar, dass der Anpassungsdruck im ›Biotop Musikmarkt‹ durch die massiven Zuwendungen der öffentlichen Haushalte gemindert ist. Die Nische des Klassikmarktes hat so zu ganz spezifischen Adaptionsleistungen derjenigen geführt, die hier auf ›ihre‹ Ressourcen zugreifen konnten; der Verteidigung dieser Nische wird hoher Wert beigemessen und sie wird wortreich legitimiert (vgl. Tröndle/Rhomberg 2011). Eine Art wird gegenüber anderen bevorzugt, es entsteht eine ›Monokultur‹ und Anpassungsleistungen werden verhindert. Auch dies soll nicht als Wertung verstanden werden, sondern zeigt lediglich, wie sich der Betrieb organisiert. Als Hypothese nehmen wir an, dass das Selektionskriterium in der Konzertgeschichte durch das Kriterium der Aufmerksamkeit geprägt ist. Diejenigen Variationen setzten sich durch – werden also über einen bestimmten Zeitraum stabilisiert –, die es vermögen, vermehrt die Aufmerksamkeit eines Publikums an sich zu binden. So lange, bis sie von anderen Variationen abgelöst werden, die dies besser vermögen. Aufmerksamkeit kann dabei im Sinne von Georg Franck als »subjektives Erleben« mit »sinnlichen Qualitäten« (1998: 16) verstanden werden, das dem im Moment Stattfindenden eine bestimmte Präsenz verleiht (ebd.: 18). D.h. es geht um das bewusste Erleben von etwas und nicht um alles andere: »… dass etwas in der Erfahrung auftritt, dass gerade dieses und solches und nicht vielmehr anderes und dass es in einem bestimmten Zusammenhang auftritt« (Waldenfels 2004: 16). Solch eine Theorie zur Ökonomie der Aufmerksamkeit würde behaupten, dass die im Konzertwesen selektierten Variationen das In-Erscheinung-Bringen der Musik steigern und damit das Erleben des Konzertereignisses fördern (vgl. Tröndle 2011: 26f.). Dies soll überblicksartig an verschiedenen Entwicklungslinien des Konzertbetriebs durch die Jahrhunderte geprüft werden:
D I E A NFÄ N G E D E S K O NZER T WE SEN S : VO N D E R G EB R AU C HS - Z U R K U N S TM U SIK Im Mittelalter war das Musizieren meist funktional gebunden. Ob im höfischen Kreis, in der Kirche oder in Gaststätten, stets stand weniger die Musik als deren Funktion im Vordergrund. Das Musizieren diente zu Repräsentationszwecken, dem Lob Gottes oder dem persönlichen Amüsement. Musiker spielten zum Tanz oder zum Essen auf, jedoch nicht allein um der Musik willen. Die Aufmerksamkeit galt weniger der Musik als dem eigentlichen Zweck,
Martin Tröndle
£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen für den sie den Rahmen bildete. So gab denn z.B. Orlando di Lasso die subtileren Stücke erst zum Dessert, wenn der Geräuschpegel sank und man mehr Aufmerksamkeit erwarten konnte (Salmen 1988: 12). Der allmähliche Wandel von der Gebrauchs- zur Kunstmusik und deren gesellschaftlicher Anerkennung vollzog sich während des 15. Jahrhunderts in den Niederlanden und Norditalien. Die Mitglieder der italienischen Akademien entwickelten während der Renaissance Interesse an musikalischen Werken, die von ihrer Zweckbindung losgelöst waren. Die musikalische Kunst als solche rückte ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Damit wurden die Leistungen von Virtuosen begünstigt, denen die Zuhörer hingebungsvoll lauschten. In Deutschland und England wurden im 17. Jahrhundert die ersten nicht zweckgebundenen Konzerte gegeben, bei denen die Musiker engagiert und für ihre Leistungen bezahlt wurden. In der Hansestadt Lübeck etwa suchten wohlhabende Kaufleute nach Abwechslung in geistlichen Abendmusiken. So gab der neu angetretene Organist, Franz Tunder, im Jahr 1641 eine Reihe geistlicher Konzerte und wurde dafür aus der Kasse der »Commercierenden Zünfte« (Kaufleute), die zugleich »Liebhaber von der Music« waren, entlohnt (ebd.: 13). Sein Nachfolger, Dietrich Buxtehude, weitete diese Konzerte ab 1668 aus und agierte als privater Veranstalter und Musiker. Dabei unterstützte ihn das Bürgertum, das eine freiwillige Trägerschaft bildete. Nach Heister (1996: 694) bildeten die ab diesem Zeitpunkt regelmäßig organisierten Konzerte der bürgerlichen Vereinigung sogar »eine – verdeckte – Konkurrenz zum Gottesdienst« und markierten damit »den Durchbruch des Konzertwesens als eine[r] Kulturform der Moderne«. Das Konzertwesen entwickelte sich also dort, wo Gönner der Musik Aufmerksamkeit schenkten und an ihr Interesse fanden. Musik emanzipierte sich aus ihrer religiösen bzw. sozialen Dienstfunktion und rückte langsam als Selbstwert in den Mittelpunkt. Das Interesse an regelmäßigen Musikdarbietungen war groß genug, um die Vergeltung der immateriellen und vergänglichen Leistung des Musizierens mit harter Währung durchzusetzen. Die Beständigkeit des Vorgangs wurde durch private Trägerschaften gewährleistet, und die allmähliche Institutionalisierung begründete die Anfänge eines durch die Jahrhunderte immer autonomer und professioneller werdenden Konzertwesens.
R ÄUMLI CHE M USIK ZENT RIERU NG 2 Am Anfang des Konzertwesens bestanden verschiedene Interessen, die zu dessen Herausbildung beitrugen. Es gab Konzerte, die von Komponisten oder Musikern organisiert wurden, um ihr Einkommen zu verbessern, und Konzerte, die von Wirten angeboten wurden, um ihre Schenke reizvoller zu machen.
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Zudem wurden Konzerte mit anschließendem Dinner und Ball organisiert, an denen nur die exklusive Gesellschaft teilhaben konnte. In den »Collegia Musica« der Schweiz oder Mitteldeutschlands trafen sich ab circa 1620 vornehme Bürger oder Studenten zum gemeinsamen Musizieren. Bei diesen Treffen fanden sich zunächst ausschließlich männliche Mitglieder ein, um zu musizieren, aber auch um miteinander zu speisen, zu rauchen und Konversation zu betreiben (ebd.: 19). In England waren dies die »music meetings« und »consorts of music«. Um die Aufmerksamkeit zu erhöhen, wurden ab 1676 »Musick-roomes« geplant, in deren Mitte das Podium, ein »Musiziertisch«, stand. Darauf standen oder saßen die Musiker und ihre Darbietungen konnten nun von einem größeren Publikum verfolgt werden. Die räumliche Erhöhung der Musiker war und ist Ausdruck einer gerichteten bzw. konzentrierten Aufmerksamkeit auf die Musik als solche und markiert gleichzeitig die Dominanz der Musik über ihren Aufführungsrahmen. Der Musiziertisch ist die Vorform des Musikpodiums bzw. der Bühne, die bis anhin beim gemeinsamen Musizieren noch nicht existiert hatte. Auf diese Weise begann sich auch die Trennung zwischen den Aufführenden und den Zuhörenden räumlich zu manifestieren. Die fortschreitende Erhöhung der Aufmerksamkeit auf die Musik kann durch die gesamte Geschichte des Konzertwesens an der räumlichen Gestaltung der Aufführungsorte abgelesen werden. In den folgenden Jahrzehnten kamen spezielle gruppeneigene Gebäude, Tanzsäle, Privathäuser und Gasthäuser hinzu (so z.B. der 1700 gebaute Musiksaal des Kollegiums Zur Teutschen Schule in Zürich oder das Collegium Musicum in Basel). Zu regelmäßigen Konzertserien kam es 1739 in Frankfurt a.M., 1743 in Leipzig und 1761 in Hamburg. Diese Konzerte fanden noch in den Räumlichkeiten der Gaststätten, der Zünfte oder in Privathäusern statt (ebd.: 21). Während des 18. und 19. Jahrhunderts wurden dann die Konzertsäle stände- und gebrauchsspezifisch gestaltet. Daneben etablierten sich Promenaden- bzw. Freiluftkonzerte, wo das Publikum zwischen Pavillons flanierte, in denen die Musiker spielten. Diese »pleasure gardens« waren vor allem in England beliebt (ebd.: 26). In den größeren Städten wuchs der Bedarf an Konzerträumen, sodass die bürgerlichen Musikfreunde Konzertsäle mit 600 und mehr Plätzen errichteten, in denen Abonnementkonzerte angeboten wurden; zusätzlich entstanden für die Gemeinde der Kenner und Liebhaber kleine, exklusive Räumlichkeiten wie Kammermusiksäle (ebd.: 23). Im 19. Jahrhundert richtete sich der großbürgerliche Ehrgeiz auf den Ausbau von Prunkstätten, die der symphonischen Hochkunst gewidmet waren, wie z.B. das Konzertgebäude der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (1870) oder die 1871 eröffnete Royal Albert Hall mit 5000 Plätzen (ebd.: 27). Die Konzerthäuser markierten das musikalische Zentrum der Städte und zogen durch ihre prunkvolle Architektur die Aufmerksamkeit auf sich. Innerhalb
Martin Tröndle
£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen des Raumes wurde die Aufmerksamkeit vom Parkett auf das Podium gelenkt. Diese sich stets verstärkende Musikzentrierung kann an den verschiedenen Variationen der Räumlichkeiten bis in das 20. Jahrhundert abgelesen werden. Jüngere Beispiele für diese urbanen Aufmerksamkeitsmagnete sind das Kultur- und Kongresszentrum Luzern, die Elbphilharmonie Hamburg oder die Philharmonie Luxembourg. Der Konzertbetrieb differenzierte sich nicht nur räumlich, sondern auch in seinen Präsentationsformen aus. Man sieht an der Variierung und Spezialisierung der Konzertpraxis, wie z.B. dem Promenadenkonzert, dem Abonnementkonzert oder dem Kammermusikkonzert für Kenner und Liebhaber, dass sich nach und nach verschiedene Publikumssegmente herausbildeten. Dabei hängt der Erfolg einer bestimmten Variation davon ab, wie stark sie die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen vermag und wie nachhaltig diese aufrecht erhalten werden kann. Von den Konzertbesuchern werden diejenigen Variationen angenommen, die ihre Aufmerksamkeit zu fesseln vermögen und dadurch die Bindung der Hörer an die Veranstaltungsform und deren Inhalt verstärken.
P RO G R A M MG E S TA LT U N G Ebenso wie sich die Orte, an denen musiziert und zugehört wurde, wandelten, erfuhr auch die Programmgestaltung beträchtliche Veränderungen. Bis circa 1850 waren die Konzerte aus unterschiedlichsten Teilen zusammengesetzt und dauerten durchschnittlich drei und mehr Stunden. Die Abfolge eines Symphoniekonzerts gestaltete sich folgendermaßen: Zunächst hörte man meist ein Orchesterwerk, dann ein begleitetes Gesangssolo, es folgte ein Satz aus einem Instrumentalkonzert, danach schloss eine KonversationsPause an und dann wieder Lieder, Instrumentalstücke und ein weiteres Orchesterwerk. Gewöhnlich ertrug man nicht einmal eine ›absichtlich‹ aus Sätzen ›zusammengesetzte Symphonie‹, sondern ›nur einen Satz‹, dem sich instrumentale wie vokale Darbietungen anzuschließen hatten, die zuweilen von ›tableaux vivants‹ (lebenden Bildern), gemeinsamem Singen, Rezitationen und Deklamationen, Reden, Predigten oder Gebeten unterbrochen wurden. (Ebd.: 80)
Das Konzert begann man frühzeitig, um noch einen Ball anschließen zu können. Die Zuhörer der Konzerte saßen oder standen, liefen umher, nippten an ihrem Glas und verließen je nach Laune und Interesse den Saal, um vielleicht nach einem Spaziergang wieder zuzuhören.
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Um circa 1800 entstand die Idee der »autonomen«, der »absoluten Musik«, mit der um 1850 eine zunehmende Dichotomisierung des Musiklebens einherging, eine für den Musikbetrieb entscheidende Entwicklung: In der Programmgestaltung der Konzerte zeichnete sich die Trennung von »heiter« und »ernst«, von »triviale Kompositionen darbietenden Veranstaltungen« und »Liebhaberkonzerten« ab (ebd.: 82). Mit der gestiegenen Ernsthaftigkeit und dem zelebrierten Konzertereignis (siehe unten) entfernte sich die »ernsthafte« von der »heiteren« Aufführungsform der Musik immer mehr. Diese Trennung kann als Grund zur späteren Unterscheidung zwischen der sogenannten ›ernsten‹ (E-) und der ›unterhaltenden‹ (U-)Musik angesehen werden. Auch wenn die Kategorisierung in U- und E-Musik anfechtbar sein mag, prägt sie unser heutiges Musikverständnis doch nachhaltig. Im heutigen Sprachgebrauch stellt E-Musik meist Musik dar, der man zuhören muss, der man beim Hören Aufmerksamkeit schenken sollte, während U-Musik zur Unterhaltung und zum Tanzen gebraucht wird. Im Zuge der Herausbildung der ›ernsten‹ Musikdarbietungen sind zwei Faktoren wesentlich: die Standardisierung der Programmabfolge und die Historisierung der Programme. Die Programmdauer wurde auf 90 Minuten gesenkt, Sinfoniesätze wurden nicht mehr durch Tänze und andere Einlagen unterbrochen. Der Gattungskanon wurde reduziert und normiert und die Programmabfolge zumeist mit Ouvertüre – Solokonzert – Symphonie standardisiert. Die verkürzte Konzertdauer verstärkte die Konzentration auf die Musik. Das Essen, Trinken und die Unterhaltung wurden in die Pause verlegt, das Tanzen verschwand. Man konnte sich nun mit ungeteilter Aufmerksamkeit in je 45-minütigen Blöcken der Musik widmen. Sie hatte sich damit einen unangefochtenen Platz im Zentrum der Aufmerksamkeit erobert. Um circa 1870 ging mit der Historisierung der Konzertprogramme das Repertoireprinzip einher. Der uns heute so selbstverständliche Repertoirekanon entstand erst mit dieser Historisierung. Prominentes Beispiel hierfür ist Mendelssohns Wiederaufführung der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach 1829 in Berlin. Wie schnell die Wiederentdeckung vergangener Komponisten vor sich ging, zeigen die daraufhin erscheinenden Gesamtausgaben: Die Edition der ersten Bach-Gesamtausgabe begann 1850, 1858 die von Händel, 1862 folgten Palestrina und Beethoven, 1877 W.A. Mozart, 1878 Purcell, 1885 Schütz, 1894 Orlando di Lasso und 1896 Rameau (Daten nach: Richter 1997: 79). Für die Konzertveranstalter war es sehr lukrativ, einen Kanon herausragender Werke der Vergangenheit immer wieder zur Aufführung kommen zu lassen. Die bekannten Werke und deren normierte Abfolge sparten Probezeiten für Neues und Unbekanntes und senkten dadurch die Kosten. Mit Aufkommen des Repertoireprinzips wurde der Wiedererkennungseffekt zu einem die Programme prägenden Faktor: Was man kennt, bekommt
Martin Tröndle
£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen die meiste Aufmerksamkeit. Zudem weiß der Zuhörer, was er zu erwarten hat, wenn er die Konzertkarte löst. Das Publikum entwickelt eine auf die bekannten, großen Werke ausgerichtete Erwartungshaltung und richtet seine Aufmerksamkeit auf Stücke, die es kennt und schätzt, aufgeführt von Künstlern, denen ihr Ruf vorauseilt. Dabei reizen die unterschiedlichen Interpretationen, wie Pierre Bourdieu in Die feinen Unterschieden zuspitzt: »Das Ergebnis sind dann genau solche Zyklen wie bei der Mode, nur vielleicht mit längeren Umlaufzeiten. In dieser Logik werden auch die verschiedenen Arten, Bach zu spielen, verständlich, mit denen […] immer auf die jeweils vorangegangene Art ›reagiert‹ wird« (1993: 164). So wird nicht das Neue, sondern das Wohlbekannte in immer neuen Interpretationen zum Mittelpunkt des Musiklebens. Der Komponist Wolfgang Rihm sagt: »Die Musik wird beherrscht durch die Präsenz der Vergangenheit – wie keine andere Kunst. Das Musik-Leben besteht aus der absoluten, permanenten, ungebremst suggerierten Verfügbarkeit der Vergangenheit« (Rihm 1996: 139). Die Aufmerksamkeit richtete sich auf die Unterschiede der Interpretationen und weniger auf die Unterschiede der Werke. Ein neuer Musikertypus entstand: der international herausragende Interpret. Kurz darauf entstanden die ersten Agenturen (vgl. Engel 2003). Mit unserer Theorielinse zur Aufmerksamkeitsökonomie wird sichtbar, dass nicht bloß die Art und Weise, wie wir Musik im Konzert darbieten und hören, durch das Gesetz der Aufmerksamkeitsakkumulation bestimmt wird, sondern auch, welche Werke wir hören und wie der Betrieb organisiert ist. Auch neuere Trends wie das Aufkommen der Agenturen um 1900 und – 100 Jahre später – von PR-Agenturen, die einzig auf Musiker und Ensembles spezialisiert sind, machen deutlich, dass unsere These von ästhetischen, ökonomischen aber auch sozialen und medialen Faktoren des Konzertwesens gestützt wird.
D A S K O NZ E R T A L S S OZI A LE S F O R U M Ab dem 18. Jahrhundert wuchs im Bürgertum vermehrt das Interesse an der Musik. Dabei wollte man nicht nur passiver Hörer sein, sondern auch selbst mitwirken. Es schlossen sich Musikliebhaber mit Geldgebern zu Zweckvereinen zusammen, in denen zunächst Amateure mit professionellen Musikern auftraten. Die aktive Mitwirkung des Bürgertums wurde jedoch durch die zunehmende Professionalisierung der Musiker im ausgehenden 18. Jahrhundert erschwert. Spätestens seit der Symphonik Beethovens konnten sich Laienmusiker meist nur noch choristisch an Konzerten beteiligen. War zuvor oftmals eine Einheit zwischen Spielenden und Hörenden gegeben, trat nun die Eigenaktivität (und Selbstverwirklichung) der Bürger immer mehr zurück.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Der Zuhörer, dem also spontanes Agieren verwehrt war und der mithin in die Rolle des passiv regungslos sitzenden Konsumenten gedrängt wurde, fand sich nicht ohne Widerstand und nur schrittweise in diese neue Verhaltensnormierung hinein; wollte man doch Kontakte knüpfen und verstand das organisierte bürgerliche Konzert als einen dazu dienlichen festlichen Rahmen. (Salmen 1988: 63)
Das Musikleben, in dem der Spielende gleichzeitig der Hörende war bzw. in dem der Interpret auch der Organisator war, differenzierte sich in verschiedene Teilbereiche: Es entwickelten sich das Publikum mit einem bestimmten Verhaltenscode, der professionelle Tutti-Musiker, die Konzertveranstalter und Konzertdirektionen und die die Künstler vermittelnden Agenten. Mit dieser Aufspaltung und Professionalisierung des Musiklebens formten sich die Verhaltensregeln aufseiten des Publikums aus. Gefordert wurde ein »angemessenes« Verhalten, die Konzentration auf den ästhetischen Genuss, feierliche Kleidung und ein »Demuts- und Huldigungsverhalten« (Heister 1996: 699), was Geselligkeit und Kommunikation stark einschränkte. Es entstand das Konzert als Ereignis gesellschaftlicher, bürgerlicher Repräsentation. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde durch die Verdrängung des ›Äußerlichen‹ (Virtuosen u.ä.) im Lauf der Konzertsaalreform eine endgültige Musikzentrierung und Sakralisierung des Symphoniekonzerts durchgesetzt. Weitere Charakteristika der Situation des Konzertwesens waren die fortschreitende Ausprägung der Verhaltensregeln und die Rigorosität, mit der sie durchgesetzt wurden, sowie die absolute Konzentration auf den ›höchsten Kunstinhalt‹ und der Verlust direkter Bezüge zur gesellschaftlichen Realität. Kontemplative Versenkung während des Werks, das Sprechverbot und der nach Regeln ablaufende Beifall (nicht zwischen den Sätzen, sondern nach dem Verklingen des Werks), die einzige noch verbleibende Möglichkeit sich in den Ablauf des Konzerts einzubringen, kennzeichneten die Kulmination des bürgerlichen Konzerts (ebd.: 690). Diese ›Überkultivierung‹ der musikalischen Praxis hat seine Wurzeln in der Emanzipation des Bürgertums im 18. Jahrhundert. Das öffentliche Symphoniekonzert fungierte als ein soziales Forum, in dem das aufstrebende Bürgertum seine Identität gegenüber dem Adel auszubilden suchte. An ›feinerer Geschmacksbildung‹ teilzuhaben und sich dem Kunstgenuss hinzugeben, charakterisierte dieses bürgerliche Emanzipationsbestreben. Man zog aus den dämmrigen Konzertsälen in die nun elektrisch beleuchteten, prunkvollen Konzerthäuser, um dort dem weihevollen Akt des Konzerts beizuwohnen. Diese Kunstpflege im klassischen Konzert stand dabei immer mehr »in deutlichem Kontrast zur zunehmend industriellen Umwelt, […] die man negierte« (Salmen 1988: 38). Pierre Bourdieu kommentiert:
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£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen Man braucht sich nur vor Augen zu führen, daß es keine Praxis gibt, die stärker klassifizierend, distinktiv, das heißt enger an die soziale Klasse und den Besitz von Bildungskapital gebunden ist, als der regelmäßige Konzertbesuch, […] und man versteht, daß das Konzert bestens geeignet war, eine der großen bürgerlichen Weihehandlungen zu werden. (Bourdieu 1993: 148)
Die Mitgliedschaft zum Publikum wurde durch ein eingeübtes Verhaltensrepertoire, durch edle Kleidung und Spezialwissen nach innen und außen deutlich gemacht. Die Aufmerksamkeit auf die Musik wurde nun auch nicht mehr durch Zwischenapplaus gestört. Durch den Umzug in die neu errichteten repräsentativen Konzertsäle wurde die Musikzentrierung weiter verstärkt. Die formale wie die inhaltliche Programmgestaltung und die Trennung von heiteren und ernsten Veranstaltungen setzten sich als Norm durch und erhöhten die Aufmerksamkeit auf den Kunstgehalt der Darbietung weiter.
D I E V A RI AT I O N »N EU E M U SI K« Die öffentlichen Musikinstitutionen, die sich während des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatten, waren in ihrer Mittlerfunktion zwischen Musik und Rezipient (als Orte der Aufmerksamkeit) wie oben dargestellt reproduktiv und damit auf musikalische Kunstformen angewiesen, die den Rahmen konventioneller Klangerwartungen weitgehend einhielten. Künstlerische Innovationen, die sich der Tradition entgegenstellten oder sie weiterentwickeln wollten, wie z.B. die Neue Musik, mussten diese Institutionen und ihr Publikum folglich überfordern. Das bürgerliche Publikum der beiden gesellschaftlichen Institutionen Konzert und Oper beharrte auf einer konventionellen Programmgestaltung und dem dazugehörigen Repertoire. Es forderte die Befriedigung seiner alten Konsumgewohnheiten, den ungetrübten Genuss des Repertoires im Rahmen eines gesellschaftlichen Anlasses, d.h. den »WerkKult« ein, überhöht mit dem »Interpretations-Kult« (Thrun 1994: 4). Ab 1910 ist unter dem Eindruck der neuen musikalischen aber auch politischen Entwicklungen eine Art Stagnation im bürgerlichen Konzertbetrieb zu verzeichnen. Es bildeten sich Interessensgruppen und Subkulturen aus, die nicht nur die Musik selbst, sondern auch deren Aufführung auf unterschiedliche Weise weiterführen wollten. Die Herausbildung von Subkulturen ist ein Anzeichen für die weiterschreitende Ausdifferenzierung des modernen Musiklebens. So entstanden einerseits ein ›traditionalistischer Trend‹, dessen Vertreter an der herkömmlichen Aufführungspraxis festhielten, und andererseits ein ›Progressivismus‹, dessen Vertreter Alternativen zur Institution des bürgerlichen Konzerts suchten. Als erste Beispiele dafür stehen der Verein für musikalische Privataufführungen, den Schönberg 1918 in Wien gründete, die
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Donaueschinger Musiktage, die 1921 gegründet wurden, oder aber auch die politisch motivierte Novembergruppe in Berlin, entstanden 1918. Die radikalen künstlerischen Forderungen der sich als progressiv verstehenden Komponisten standen dem Desinteresse des Publikums gegenüber, von dessen materieller Unterstützung sie aber abhängig blieben. Es ergab sich eine tief greifende, bis heute wirksame Veränderung des Konzertlebens: die Abtrennung der Progressiven vom traditionellen, konservativen Musikbetrieb. Zu den alten bürgerlichen Musikinstitutionen traten nun neue hinzu, die eine eigene Kultur der Neuen Musik entstehen ließen: »Die radikalste Ablehnung erfuhr die Tradition der bisherigen Kunstmusik durch die historischen Avantgardebewegungen, deren Revolte sich gegen die ›Institution Kunst‹ […] richtete, gegen ihre traditionellen Gehalte ebenso wie gegen die Rolle ihrer Institutionen in der Gesellschaft; […]« (Ebd.: 79). Dabei ging es der ersten Generation der Neue Musik-Komponisten, hier exemplarisch vertreten durch bspw. Bartók, Berg, Hauer, Ives, Satie, Schönberg, Stravinskij, Varèse und Webern, um eine Weiterführung und Erneuerung der musikalischen Ausdrucksmittel. Der Bruch mit dem kompositorischen Material war jedoch so tief greifend, dass das traditionsorientierte Publikum sich abwandte. Um diesem Aufmerksamkeitsverlust entgegen zu steuern, war die Abspaltung von den hergebrachten Institutionen unumgänglich (Salmen 1988: 214). Es entstanden Enklaven abseits des regulären Konzertbetriebs in Form von Vereins- oder Konzertinitiativen, die sich der Aufführung und Vermittlung der Neuen Musik widmeten. An diesen Orten konnte die Neue Musik gebührend aufgeführt und rezipiert werden. Hier wurde ihr die entsprechende Aufmerksamkeit entgegengebracht und die Aufführung ging nicht im Tumult eines aufgebrachten Publikums unter. Das grundlegende Problem dieser Abspaltung bestand nun darin, dass sich der Bereich der Neuen Musik z.T. bewusst dem bürgerlichen Massenpublikum verweigerte, wodurch die breite Aufmerksamkeit verloren ging. Es wurden Konzepte zur Wiedergewinnung dieser verlorenen Aufmerksamkeit für die Neue Musik entwickelt, von denen besonders zwei bis heute kontrovers diskutiert werden. Thrun (1994: 6) bezeichnet sie als das »integrative« und das »sezessionistische« Konzept. Hinter dem integrativen Konzept steht der Gedanke, dass es durch Beharrlichkeit und publikumspädagogische Maßnahmen möglich sein sollte, die Hörer der ›großen Häuser‹ an die Neue Musik heranzuführen und dass die Neue Musik wieder in diese zurückfinde, also Teil des Repertoirebetriebs werde. Man ging davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit und der Gewöhnung sei, bis das traditionelle Publikum seine Aufmerksamkeit auch der Neuen Musik schenken würde.
Martin Tröndle
£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen Auch die Vertreter des sezessionistischen Konzepts glaubten, dass sie nach einiger Zeit überflüssig würden. Sie sahen sich als Vorreiter einer alternativen Konzertkultur und verstanden ihre neu geschaffenen Enklaven als Vorbilder, an denen sich eine Reform des herkömmlichen Musikbetriebs orientieren könnte. Im Laufe der Zeit wurde dieses Ausweichmodell aber immer unabkömmlicher zur Realisation Neuer Musik. Die ursprünglich als Übergangslösung gedachten alternativen Konzertforen haben sich als die Foren der Neuen Musik etabliert. Nach einer Durststrecke von über 60 Jahren scheinen sich seit circa 1980 die Festivals wie auch die Ensembles für Neue Musik zu etablieren und ihre Anzahl wächst kontinuierlich, was auch auf eine steigende Aufmerksamkeit beim jüngeren Publikum schließen lässt. Die »Kultur der Neuen Musik« stellt eine Variation des Musikbetriebes dar; auch hier können die oben untersuchten Parameter eindeutig interpretiert werden: In ihrer räumlichen Dimension hat sich die Neue Musik zunächst vom traditionellen Konzertwesen abgespalten, da ihr dort keine Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Sie zog sich in private Räumlichkeiten zurück, kam dann über den Umweg von Sporthallen u.ä. in zumeist alternative Veranstaltungsräume wie z.B. umgebaute Fabrikgebäude wieder in das Musikleben zurück. Die typische Veranstaltungsform ist das Festival, denn es erlaubt eine (auch räumlich) flexible Programmgestaltung und funktioniert bestens als soziales Forum und Treffpunkt der Fachwelt. Festivals sind regelmäßige, aber punktuelle Ereignisse, denen aufgrund ihrer zeitlichen Begrenztheit eine konzentrierte Aufmerksamkeit zuteil wird. Die formale Programmstruktur ist mehrstündig und dicht gedrängt, die Aufmerksamkeit auf den oft komplizierten Inhalt äußerst gespannt. Inhaltlich ist die Programmstruktur im Gegensatz zum Repertoirebetrieb nahezu ausschließlich durch das zeitgenössische Schaffen und Uraufführungen geprägt. Auch die Kleidung des Publikums ist eine andere: Statt der feierlichen Abendrobe des bürgerlichen Konzerts tragen die Vertreter der Musikavantgarde immer noch mehrheitlich schwarz. Zum Kreis der Eingeweihten zählt, wer sich bei den Gesprächen über neue Kompositionen und deren Interpretationen fachgerecht beteiligen kann. Die Aufmerksamkeit auf die aufgeführte Musik wird hier im Vergleich zum ›normalen‹ Konzert nochmals erhöht, da eine Auseinandersetzung mit dieser Musik eine zumindest passionierte, wenn nicht gar professionelle Beziehung zwischen Musikschaffenden und Hörern erfordert. Diese hohe Selbstreferenzialität, die auch den musikästhetischen Diskurs lange Zeit prägte, machte und macht es der Neuen Musik schwer, ein breiteres Publikum zu finden.
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V A RI AT I O N O D E R A B G E SA N G ? Wie hier bruchstückhaft gezeigt, erfährt das Konzertwesen mit seinen Parametern (Musiker, Hörer, Aufführungsort, das Konzert als sozialer Ort sowie die formale und die inhaltliche Programmgestaltung) seit dem 16. Jahrhundert immer wieder immense Veränderungen, die sich in verschiedenen Variationen des Konzerts ausprägen (vgl. Tröndle 2011). Eine solchermaßen evolutionstheoretische Perspektivierung des Konzerts gibt eine gute Erklärung für den momentanen Zustand, die ›Krise‹ des Konzertes, sie bezieht sich nämlich hauptsächlich auf die traditionellen Aufführungsformen. Und gerade hier ist feststellbar, dass das Konzert meist immer noch den Aufführungsmustern des späten 19. Jahrhunderts gehorcht. Warum im traditionellen Konzertbetrieb diesmal die Wandelfähigkeit zu einer neuen Variation des Konzerts aussetzte, mit der er in einer veränderten Umwelt wieder hätte Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, soll hier nicht diskutiert werden (vgl. Heinrichs/Tröndle 2011; Tröndle 2006: 241ff.). Andere Musikformen und Darbietungsweisen haben sich im 20. Jahrhundert entwickelt und einen rasanten Aufstieg genommen. Der immense Aufschwung der Festivals klassischer Musik seit den 1980er Jahren (der Gérard Mortier zum Bonmot verleitete, in Frankreich gebe es mehr Festivals als Käsesorten) kann dahingehend gedeutet werden, dass ein Publikum gewonnen werden kann. Die Kunstmusik kann also durchaus noch Aufmerksamkeit auf sich ziehen, jedoch funktioniert dies immer seltener mit den althergebrachten Aufführungskonzepten. Ausnahmen sind die wenigen Stars der Szene (Personen und Institutionen mit herausragendem Renommee), denen die Aufmerksamkeit ungeteilt zukommt, wie z.B. den Berliner Philharmonikern mit Simon Rattle. Aber auch sie passen in unser evolutionstheoretisches Modell, ihre Nische ist die des Startums. Die Bedürfnisse der Hörer haben sich in den letzten 50 Jahren stark verändert, die Institution »Konzert« jedoch hat es nur partiell geschafft, sich zu einer neuen Variation zu entwickeln, der wieder breite Aufmerksamkeit geschenkt würde. Unter aufführungspraktischen, nicht interpretatorischen, sondern sozialen, ästhetischen und räumlichen Gesichtspunkten ist es fragwürdig, ob alle Musik (also zeitgenössische sowie aus der Renaissance, dem Barock, der Klassik oder Frühromantik stammende) unter den gleichen Bedingungen, im selben Rahmen und mit derselben Idee aufgeführt werden soll, wenn diese Umstände ihren Höhepunkt zwischen 1880 und 1910 hatten. Diese Fragestellung verschärft sich zusätzlich durch die Gebundenheit der Institutionen an ihre Häuser, deren großbürgerlicher, auf Repräsentation angelegter Geist den Besucher und die Musik umfängt. Ebenso führt die Verfestigung von Arbeitsabläufen, Organisationsformen, Sinnzuschreibungen etc.
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£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen einer Institution zu immer ähnlicheren Arbeitsergebnissen (Tröndle 2006). Pius Knüsel (2011) pointiert dies mit den Worten: »Oper bleibt Oper« und es ließe sich ergänzen »Konzert bleibt Konzert«, solange sich nicht die Organisation ändert, die diese Konzerte ausrichtet. Auch dies mögen Gründe sein, warum die Aufmerksamkeit am klassischen Konzert gerade im 20. Jahrhundert rapide abnahm, wo sie doch bis dahin in ihrer Entwicklungsgeschichte stetig zunahm.
D A S M O D ELL D E S P ROD U K T LEBENSZ Y KLUS Die Betriebswirtschaftslehre gibt mit dem Modell des Produktlebenszyklus prototypisch einen »Lebenszyklus« von Produktinnovationen wieder. Dieses Modell ist wie alle anderen Modelle weder wahr noch falsch, sondern allenfalls nützlich, um etwas darzustellen. Entwickelt wurde es vom Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Harry Markowitz Ende der 1950er Jahre. Es fand vielfältige Weiterentwicklungen u.a. von der Boston Consulting Group (Staehle 1999: 646) und wird hier ebenso mit einer leichten Abänderung vorgestellt (Abb. 1): Auf der Längsachse wird die Zeit abgetragen, die senkrechte Achse gibt an, wie viel Aufmerksamkeit die neue Variation an sich binden kann. Der Lebenszyklus der Variation wird als Kurve wiedergegeben, die sich in eine Entwicklungs-, Einführungs-, Wachstums-, Reife- und Rückgangsphase gliedern lässt:
Abbildung 1: Lebenszyklus einer Konzertvariante, in Anlehnung an den Produktlebenszyklus3
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Das abgebildete Modell ist prototypisch, denn die meisten Produkte enden in der Entwicklungs- und viele in der Einführungsphase. Neuentwicklungen sind risikoreich, denn ob die neue Konzertvariante zur Aufmerksamkeitsakkumulation beiträgt, ist noch nicht gewiss – zugleich binden sie Ressourcen zu ihrer Entwicklung. Besonders ertragreich ist die ›Reifephase‹. Um dem Rückgang entgegenzuwirken, können neue Variationen entworfen werden oder aber versucht werden, auf den Markt durch Marketing- und PR-Maßnahmen einzuwirken, sodass das Produkt oder die Dienstleistung weiter nachgefragt wird. Diese Option einer erfolgreichen Variation wird mit einer gestrichelten Linie dargestellt. Auch kann man die Nachfrage künstlich stimulieren, indem Preisnachlässe auf das Produkt gewährt werden, z.B. wenn es sich um ein bewahrenswertes oder förderungswürdiges Kulturgut handelt. Suchen wir nach Analogien im Konzertwesen: Die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker bspw. befindet sich gerade in der Einführungsphase.4 Dabei werden noch Entwicklungen und Verbesserungen dieser neuen Konzertvariante vorgenommen, gleichzeitig findet sie verbreitet Aufmerksamkeit bei einem virtuellen Publikum in aller Welt. Ähnliches gilt für das Aufführungskonzept der Metropolitan Opera, die mit ihren Kooperationen international in Kinos präsent ist.5 Die bereits erwähnte Yellow Lounge, ein Kind von Deutsche Grammophon und Universal Classics6, befindet sich ebenso in der Wachstumsphase, abzulesen an den vielen Imitationen anderer Konzertveranstalter, die dieses Konzept übernehmen. In seiner Reifephase befindet sich derzeit voraussichtlich die Variation »Festival«; in der Rückgangsphase sind Formen wie das standardisierte Sinfoniekonzert oder der Liederabend. Das Modell des Lebenszyklus verdeutlicht in der Analogiebildung die unterschiedlichen Phasen von Konzerttypen und gibt Anlass, über deren Entwicklung nachzudenken. Im Bereich der Kunstmusik (im Gegensatz zum Markt der Popularmusik) wird dieses Modell verzerrt, da manche Konzerttypen durch die Gebundenheit an ein Haus und spezifische Produktionsformen ›verstaatlicht‹ sind, d.h. die Dynamik der Rückgangsphase durch die öffentlichen Zuwendungen deutlich abgeschwächt wird. Hier existiert zum Schutz des Kulturerbes kein Anpassungsdruck, andererseits werden so aber auch Innovationen in der Produktion und Distribution von Konzertereignissen unwahrscheinlicher, was langfristig zu einem Aufmerksamkeitsverlust beiträgt. Dieses Dilemma kunstverträglich zu lösen, ist eine Herausforderung der Kulturpolitik. Ein Produktlebenszyklus ist teils nur von kurzer Dauer, er kann aber auch Jahrzehnte überdauern. Eine Zeit, in der viele neue Variationen entstehen, wie wir dies im Klassikbetrieb in Deutschland seit circa zehn Jahren erleben, deutet auf einen hohen Anpassungsdruck hin, ansonsten gibt es keinen Anlass, sich auf das Risiko und die Kosten von Neuentwicklung einzulassen. Veranstalter,
Martin Tröndle
£1.1 Das Konzertwesen als Variationsgeschichte von Konzerttypen Agenturen und Tonträgerproduzenten wetteifern um neue Konzepte der Aufmerksamkeitsakkumulation, mit Kinder- und Familienkonzerten, Lunch- und Midnight Konzerten und anderen Erlebnisangeboten. Man kann nach diesem kurzen historischen Rückblick sagen, dass die bürgerliche Aufführungspraxis am Beginn des 21. Jahrhunderts in zentralen Bereichen des Musikbetriebes an ihre Grenzen stößt, und dass für das Konzert zwingend neue Aufführungskonzepte entwickelt werden müssen, die es vermögen, die Aufmerksamkeit eines Publikums wieder vermehrt an sich zu binden. Es gilt also, die Variationsgeschichte des Konzertwesens weiterzuschreiben. Diese neuen Aufführungskonzepte sind nur dann erfolgreich, wenn sie in Korrespondenz bzw. Abstimmung mit dem Publikum und seiner Bedürfnis- und Rezeptionsstruktur entwickelt werden. Denn die potentiellen Besucher müssen sich von dem Ereignis Konzert ästhetisch und sozial angesprochen fühlen. Es soll hier betont werden, dass die schwindende Aufmerksamkeit des Publikums für die Kunstmusik nicht durch veränderte Verpackungen aufgehalten werden kann. Das Strohfeuer der drei Tenöre, Vanessa Mae u.a. hat gezeigt, dass zwar kurzfristige Umsatzerhöhungen machbar sind, diese aber keinerlei Nachhaltigkeit in sich bergen. Langfristig wird es nur mit sorgfältig durchdachten musik- und publikumsgerechten Konzepten möglich sein, neue Publikumskreise zu erschließen. Diese Konzertkonzepte müssen in ihrer Sozialform, ihrer Dramaturgie und ihren Kommunikationskonzepten durchdacht sein. Erst wenn diese Konzepte entwickelt sind, können die Strategien für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit umgesetzt werden. Aus dem oben Aufgeführten geht die Notwendigkeit hervor, die historisch eingefahrene Konzertform für ein Publikum zu öffnen, indem man es ernst nimmt und es gedanklich in die Konzeption miteinbezieht. Es geht um eine Pluralisierung des Konzertwesens, um den vielfältigen Lebensentwürfen des potenziellen Publikums gerecht zu werden. Sind Musikschaffende in der Lage, erfolgsversprechende Konzertvariationen zu entwickeln, steigt ihr Marktwert. Denn bietet man als Ensemble oder Solist das gleiche wie alle anderen Bewerber an, so muss entweder die Qualität absolut herausragend sein oder aber der Preis niedriger als der aller anderen Konkurrenten; wobei Ersteres schwer zu erreichen und Zweiteres nicht unbedingt erstrebenswert ist. An diesem kurzen Beispiel wird klar, dass das Dargestellte keine Selbstbeschäftigung für Theoretiker ist, sondern dass sich daraus sehr praktische Implikationen für ein erfolgreiches Musikmanagement ergeben.
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A N M E R K U N G EN 1
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Der Begriff »Konzertwesen« wird oft durch den Begriff »Konzert« (»concerto«) ersetzt, der eine musikalische Gattung, ein kompositorisches Prinzip oder aber auch Musik, die durch ein Ensemble aufgeführt wird, bedeuten kann. Denn im deutschen wie im italienischen Sprachgebrauch wird zwischen Konzert und Konzertwesen meist kein Unterschied gemacht. Im Englischen und Französischen unterscheidet man zwischen »concerto«, was das Werk, die Form oder die Gattung bezeichnet, und »concert«, was die Veranstaltung benennt. Beide Begriffe leiten sich vom lateinischen »concertare« ab, das sowohl »wetteifern, kämpfen, streiten, disputieren« als auch »mit jemandem zusammenwirken« heißen kann (Scherliess 1996: 628). Der Begriff des Konzertwesens wird hier mit dem Teil des Musikbetriebes gleichgesetzt, der sich mit der Produktion und Distribution von Live-Musik beschäftigt. Dieser und der folgende Absatz sind ein Wiederabdruck aus Tröndle 2011. Siehe hierzu die HSG St.Gallen: http://www.cciim.ch/glossar/begriffs erlaeuterung/?type=0&uid=22&cHash=e8d079b564 [25.07.11]. http://www.digitalconcerthall.com/ www.metoperafamily.org/metopera/broadcast/LiveinHD/current.aspx http://www.yellowlounge.de/
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Martin Tröndle
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1.2 S ZENEN
UND
M ILIEUS
Eine lebensstilorientierte Publikumssoziologie Martin Tröndle Die Geschichte des Konzertwesens kann als eine Geschichte von sich ablösenden Variationen gelesen werden, bei der der Begriff der Aufmerksamkeit zentral für die Entstehung der neuen Darbietungsformen wird. Nachdem solch eine Entwicklungsgeschichte des Konzertes skizziert wurde, soll im Folgenden der Blick auf das Publikum gerichtet werden. Es interessiert die Frage: Wie und warum fällt die Entscheidung für oder gegen bestimmte Musik, respektive für oder gegen den Besuch eines bestimmten Konzertes? Je besser man die Auswahlmechanismen der Musikkonsumenten kennt, desto eher wird es gelingen, ihre Aufmerksamkeit zu erzeugen und sie zum Konzertbesuch zu animieren. Im Folgenden wird dafür eine soziologische Deutung des Begriffs »Aufmerksamkeit« gewählt. Für solch eine Perspektivierung eignen sich die Konzepte der Lebensstilforschung, wie sie der Soziologe Gerhard Schulze in seinem Werk Die Erlebnisgesellschaft (1997) ausgearbeitet hat, aber auch die grundlegenden Ideen der Sinus-Milieus. Beide Modelle sollen hier vorgestellt werden. Die Modelle beruhen auf idealtypischen Mustern, die in dieser Reinform im Alltag kaum auftreten. Ihr Erklärungswert ist in unserem Zusammenhang dennoch hoch.
P LU R A LISIERU NG DE R L EB EN SS T ILE Gerhard Schulze konstatiert eine Pluralisierung und Ausdifferenzierung der Gesellschaft ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die zur Auflösung des bis dato gültigen Gesellschaftsbildes geführt haben. Die bürgerliche Gesellschaftsordnung, die relativ homogen und nach festen sozialen Kriterien eingeteilt war, hat sich zugunsten einer heterogenen Gesellschaft gewandelt, in der die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht mehr über stereotype Standescharakteristika bestimmt wird, sondern über den jeweiligen Lebensstil. Das ehemalige, pyramidale Gesellschaftsschema, das durch Hoch- und Trivialkultur gekennzeichnet war, wurde durch ein mehrdimensionales Schema ersetzt. Dieses neue Gebilde nennt Schulze die »Erlebnisgesellschaft«. Sie konstituiert sich durch die Herausbildung »sozialer Milieus«, die von den Faktoren Stil (Genuss, Distinktion, Lebensphilosophie), Bildung und Alter (generationsspezifische, kollektive Erfahrungskontexte) bestimmt werden (Schulze 1997: 265).
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Die sozialen Milieus sind »Gemeinschaften der Wirklichkeitsinterpretation und der Wirklichkeitsselektion« (ebd.: 266). Die Mitgliedschaft zu einem Milieu besteht somit in einer geteilten Vorstellung von Wirklichkeit, einem gemeinsamen Wertekanon, aber auch in einem ähnlichen Kulturverständnis und Kulturkonsum. Wie Schulze betont, sind diese milieuspezifischen Anschauungsweisen »im Leben des einzelnen nicht allgegenwärtig, aber typisch« (ebd.: 262). D.h. wir sind nicht allein fremdbestimmt durch die Sozialisierung in einem bestimmten Milieu. Jedoch hat diese (Selbst-)Sozialisierung spürbaren Einfluss auf die milieuspezifische Wirklichkeitskonstruktion, also darauf, was wir als »wahr«, »schön« und »gut« empfinden und auf unser dementsprechendes Verhalten.
D ER Ä S T HE T I S C HE C O D E Die Mitglieder konstruieren die Zugehörigkeit zu ihrem jeweiligen Milieu durch ein bewusst ausgewähltes Konsumgütersortiment. In diesem Sinne gilt auch Musik als Konsumgut; sie spielt bei der Ausbildung einer bestimmten sozialen Identität sogar eine besonders wichtige Rolle. Nach Schulze weisen die Konsumgüter jeweils einen eigenen, eindeutig zuzuordnenden »ästhetischen Code« auf. Dieser Code macht eine »stilabhängige Deutung« des jeweiligen Produktes möglich. Der Gebrauch der codifizierten Konsumgüter und deren stilabhängige Deutung prägen den jeweiligen Lebensstil und machen ihn zum entscheidenden Faktor, denn die Zugehörigkeit zu einem Milieu wird durch den Gebrauch der ›ästhetisierten Produkte‹ angezeigt. Durch die Auswahl bestimmter Konsumgüter (wie z.B. die Wahl der Kleider oder der Musik) ordnet man sich selbst einem Milieu, einer Szene zu. Andere Gesellschaftsmitglieder können über den benutzten ästhetischen Code den Lebensstil und die Szenenzugehörigkeit des Konsumenten deuten. Lautete früher der Satz »sag’ mir, wer Deine Freunde sind, und ich sage Dir, wer Du bist«, heißt es heute »zeig’ mir Deine Handtasche und ich sage Dir, was Du bist«. Die Auswahl der Konsumgüter richtet sich nach dem Selbstverständnis, das dem Lebensstil entspricht, d.h. nach dem alltagsästhetischen Konzept des Konsumenten. Der ästhetische Code macht das Konsumgut zum sozialen Symbol der Mitglieder eines Milieus. So stehen die drei Streifen von adidas nicht für Hochleistungssportler, sondern für Hip-Hop-Anhänger und die Hornbrille für Intellektuelle. Ist ein Produkt bzw. das Produktimage nicht Teil des alltagsästhetischen Konzepts der Mitglieder eines Milieus, wird es von diesen nicht angenommen (»das ist uncool«). Dabei ist es »[...] eine marktstrategische Selbstverständlichkeit[,] Grenzüberschreitungen zu vermeiden, um die Produkte so eindeutig wie möglich
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£1.2 Szenen und Milieus einer Zeichengruppe zuzuordnen« (ebd.: 440). Um möglichst viele Erlebnisnachfrager zu erreichen, müssen also spezialisierte Produkte angeboten werden, die an deren alltagsästhetische Schemata appellieren. Entspricht somit die Aufmachung, das Image eines Ensembles oder Konzertes nicht dem ästhetischen Code der Zielgruppe, die man ansprechen will, wird unabhängig vom Inhalt der Konzertbesuch abgelehnt. Daraus folgt, dass ein Produkt, für das man bei einer bestimmten Zielgruppe Aufmerksamkeit wecken will, mit Signalen versehen sein muss, die auf den ersten Blick deutlich machen, dass dieses Produkt dem ästhetischen Konzept der Gruppe entspricht. Eine Erklärung zur Entstehung und Aufrechterhaltung von sozialen Milieus sieht Schulze in ihrer Ordnungsfunktion. Sie dienen dazu, sich in einer schwer überschaubaren sozialen Wirklichkeit zu orientieren: »All diese kollektiven Konstruktionen entspringen der Suche nach Eindeutigkeit, nach Anhaltspunkten, nach kognitiver Sicherheit in einer zunehmend unübersichtlichen Situation. Dem ständig drohenden Chaos setzen die Menschen vereinfachende Strukturvorstellungen entgegen« (ebd.: 464). Dies scheint insbesondere für den Musikkonsum augenscheinlich. Die Mitglieder eines Musikstils wie bspw. Punk oder Heavy Metal hören diese Musik nicht nur, sondern kleiden sich in bestimmter Weise, treffen sich in bestimmten Clubs und Festivals, teilen jeweils eine ähnliche Weltsicht etc., die aus ihrer Perspektive höchstwahrscheinlich nicht weniger seltsam anmutet als diejenige von Fans italienischer Opern oder den Vertretern der Blockflötenszene. Wir ordnen unsere Welt anhand ästhetischer Codes und wählen diejenigen Dinge aus (d.h. wir schenken ihnen Aufmerksamkeit), die unserem Code, unserem Selbstverständnis entsprechen. Der Grad der Aufmerksamkeit bemisst sich dabei an der Bedürfnisstruktur. Diese ist ästhetisch (geschmacksorientiert), wobei der Geschmack (»das gefällt mir, das nicht«) vom Lebensstil des Urteilenden abhängt. Der benutzte ästhetische Code bestimmt also, wie viel Aufmerksamkeit einem bestimmten Produkt gewidmet wird. Was früher schön, gut und wahr genannt wurde, heißt heute einfach »cool«. Das Prädikat »cool« weist darauf hin, dass das Bezeichnete der Aufmerksamkeit wert ist.
S ZENEN Auch die Wahl des Erlebnisortes erfolgt (wie die Wahl des Konsumprodukts) nach ästhetischen Codes. Die Erlebnisnachfrager präferieren je nach Milieu bestimmte Orte. Dabei wechseln sie zwischen mehreren Einrichtungen hin und her und bilden damit einen übergreifenden Zusammenhang. So entstehen Szenen, die sich an verschiedenen Orten immer gleich zusammensetzen. Szenen sind überregional und ihre Mitglieder denken und leben nach ähnlichen ästhetischen Mustern. Vergleicht man z.B. die 20- bis 30-Jährigen in
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den ›angesagten‹ Cafés, so stellt man fest, dass sich das Publikum in Berlin, Paris, Barcelona, New York und Zürich erstaunlich ähnelt. Man trägt die gleichen Kleider, hört dieselbe Musik und liest die gleichen Zeitschriften. Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch in verschiedenen Kultureinrichtungen machen. Man vergleiche das Publikum der zeitgenössischen Museen in Berlin, Barcelona und Zürich oder die Abonnentenkonzerte in Wien, Prag und Bern. Die ästhetischen Codes der jeweiligen Szenen unterscheiden sich deutlich, die Codes innerhalb der einzelnen Szenen sind jedoch recht homogen. Sicher gibt es auch hier Ausnahmen, man sollte sich an dieser Stelle jedoch selbst befragen, warum man meist nur in ganz bestimmten Lokalitäten (z.B. Boutiquen, Bars, Kultureinrichtungen) verkehrt und warum sich gerade an diesen Orten Personen aufhalten, die als interessant empfunden werden. Schulze beschreibt Szenen als Orte, »[…] wo alltagsästhetische Schemata in einer gemeinsamen Aufführung der Beteiligten auf die Bühne gebracht werden. Jeder ist gleichzeitig Zuschauer und Darsteller« (ebd.: 466). Und an anderer Stelle: »Persönlicher Stil wendet sich immer an ein Publikum. Weil dieses fachkundig sein muss, zählt nicht jeder beliebige dazu« (ebd.: 405). Genau durch diese permanente gegenseitige Beobachtung und die darauf folgende Selbstangleichung werden alltagsästhetische Schemata kollektiv homogenisiert und stabilisiert. Die Abweichung von diesen milieuspezifischen Alltagsästhetiken ist durchaus riskant, denn sie verkörpern nicht bloß einen bestimmten Kleidungs- oder Musikstil und geben Auskunft darüber, ob man eher Individual-, Pauschal-, Club-, Erlebnis-, Nachhaltigkeits- oder Allin-Reisender ist, sondern sie verkörpern auch Weltbilder und Stammeszugehörigkeiten, sie be-deuten soziale Geborgenheit, Anerkennung und Identität.
K U LT U R KO N S U M A L S I D EN T I F I K AT I O N SM O M EN T Der Nutzen von Erlebnisangeboten, zu denen auch Opern- oder Konzertbesuche zählen, wird nach Schulze »[…] überwiegend in ästhetischen Begriffen wie schön, spannend, gemütlich, stilvoll, interessant usw.« gefasst (ebd.: 422). Diese Ausrichtung an ästhetischen Kriterien, d.h. solchen, die nur den individuellen Geschmack des Einzelnen betreffen, sind Ausdruck einer ausgeprägten Subjektzentriertheit. Schulze nennt dies »Innenorientierung« beim erlebnisorientierten Konsumverhalten (ebd.: 425). Dabei werden nicht nur die Produkte, sondern wird auch das Konsumieren konsumiert, d.h. es geht nicht um das Erlebnis eines Produktes, sondern um das Erlebnis um seiner selbst willen. Diese Verabsolutierung des Erlebnisses kennzeichnet die Erlebnisgesellschaft. Der Konsum geschieht mit anderen Worten einerseits um seiner selbst willen und andererseits als Identifikationsritual. Meist geschieht dies
Martin Tröndle
£1.2 Szenen und Milieus unbewusst und ist nahezu schon alltäglich. Man fragt sich dann z.B., ob dieses und jenes zu einem passt. Was genau aber ist dieses Passen? Es ist die Frage danach, ob das Zeichensortiment, das man z.B. einem Pullover zuordnet, dem eigenen ästhetischen Code entspricht. Erst wenn das Zeichensortiment sich mit ihm deckt, entstehen Aufmerksamkeit und Anschlussfähigkeit bspw. in Form von Investitionsbereitschaft. Dasselbe gilt auch für immaterielle Konsumgüter wie z.B. den Konzertbesuch, der als Erlebnis ebenfalls mit den genannten Begriffen »schön«, »spannend«, »gemütlich«, »stilvoll«, »interessant« beschrieben wird. Das Ziel des modernen Menschen ist laut Schulze ein erlebnisreiches Leben, genauer gesagt: Der Sinn des Lebens ist das Erleben selbst: »Das Projekt des schönen Lebens ist das Projekt, etwas zu erleben« (ebd.: 38). Die hieraus folgende permanente Suche nach Erlebnismöglichkeiten führt zur Ausbildung eines ausgedehnten »Erlebnismarktes«, zu dem auch Kulturveranstaltungen zählen. Die Erlebnisorientierung wird auf einem sich ausdifferenzierenden Erlebnismarkt mit dem »innenorientierten Konsum« durch ästhetisierte Produkte befriedigt. Ästhetisiert heißt in diesem Sinne, dass sie bewusst auf die Übereinstimmung mit den ästhetischen Codes eines bestimmten Lebensstils ausgerichtet sind. Auf diese Weise können derartige Produkte als Erlebnisoption einerseits dem individuellen Geschmack des Subjekts entsprechen, geben ihm aber andererseits die Möglichkeit, seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Milieu zu bestimmen. Erlebnisorientierter Konsum ist gleichermaßen innenorientiert und außenorientiert: innenorientiert, da er auf den individuellen Geschmack, d.h. das ästhetische Empfinden des Subjekts ausgerichtet ist, und außenorientiert, da das Konsumverhalten nachhaltig durch die von außen vorgegebenen ästhetischen Codes einer bestimmten sozialen Gruppe geprägt ist. Das verbindende Moment ist der Lebensstil. D.h., dass die Mitglieder der sozialen Milieus kulturelle Ereignisse (wie Opern-, Konzert- oder Galeriebesuche, aber auch Rock- oder Popkonzerte) nicht nur besuchen, weil sie »nach ihrem Geschmack sind«, sondern auch, um durch den Besuch genau dieser Veranstaltung an diesem bestimmten Ort (Szene) ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu befriedigen. Es geht also nicht primär um den Kunstgenuss, sondern um die Verwirklichung eines bestimmten Lebensstils und das damit verbundene Gemeinschaftsgefühl. Besucher identifizieren sich mit der ausgewählten Veranstaltung, die einen ganz bestimmten ästhetischen Code trägt und so wird der Besuch für sie zu einem Identifikationsmoment. Ihre Aufmerksamkeit fällt auf das, was Identifikation stiftet.
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Erinnert sei hier nochmals an die Abspaltung der Neuen Musik vom traditionellen Konzertbetrieb. Die Neue Musik entwickelte nicht nur neue Kompositionstechniken und Klangvorstellungen, sondern bildete auch einen ästhetischen Code aus, der sich gegen den des traditionellen Regelbetriebs wandte. Dieser Code war vom traditionellen Konzertbesucher nicht mehr lesbar, was zu tiefgreifenden Verunsicherungen führte, die z.T. zu Tumulten im Publikum ausarteten. Die Neue Musik musste sich mit ihrem neuen Lebensstil neue Aufführungsstätten suchen, eine eigene Szene etablieren und sich als alternativer Identifikationsort einrichten. Als Publikum definiert Schulze einen Personenkreis, der durch den (gleichzeitigen) Konsum eines bestimmten Erlebnisangebots abgegrenzt ist (ebd.: 460). Auch beim Publikum lassen sich die von Schulze gefundenen Milieugruppierungen wiederfinden. Eine für unseren Zusammenhang relevante Gruppierung ist die »Hochkulturszene«, die nach Schulze weiterhin das »Schöne« anstrebt und ein kanonisiertes Repertoire unvergänglicher Werke pflegt (ebd.: 475). So können die ästhetischen Codes und Weltbilder des Publikums der Hochkulturszene relativ eng zugeschnitten und ebenso alltagsästhetische Präferenzen ausgemacht werden, die dessen Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
D ER G EN U SS D E S A U SSERG E WÖ HNLI C HEN Wegen der Gewöhnung an den »innenorientierten« Konsum versuchen die Konsumenten den Reiz durch erhöhten Konsum zu häufen, die zeitlichen Abstände werden verkürzt: »Das Außergewöhnliche alltäglich zu machen – diese paradoxe Intention des habituellen Erlebniskonsumenten führt zu einer Erhöhung der Erlebnisgeschwindigkeit auf Kosten der Erlebnistiefe« (ebd.: 434). Da man andererseits nicht ständig ›tief‹ erleben kann, geht die Häufung der Erlebnisse auf Kosten der Erlebnisintensität. Die Anhäufung von Reizen ist ein Signum der Erlebnisgesellschaft und das Event deren typische Veranstaltungsform. In der Musikbranche zeigt sich dieser Trend zum Event im Festivalboom der drei letzten Jahrzehnte. Mittlerweile sind einige Kultureinrichtungen selbst dazu übergegangen, ihr Repertoire nur noch in Festivals anzubieten. So reiht sich in diesen Kultureinrichtungen Sonderveranstaltung an Sonderveranstaltung, ohne dass sich das Angebotene stark vom herkömmlichen Repertoirebetrieb abhebt. Der Reiz des Außerordentlichen und Einmaligen wird vom Betrieb genutzt, das eigentlich Alltägliche (z.B. eine Konzertreihe) zu etwas Außerordentlichem zu stilisieren. So will man der Erwartungshaltung des Publikums entsprechen, das den Reiz des Angebots und das Erlebnis des Besonderen immer mehr über den Inhalt stellt. Es ist
Martin Tröndle
£1.2 Szenen und Milieus mit anderen Worten im Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums vor allem wichtig aufzufallen, d.h. außergewöhnlicher zu sein als die anderen Kulturanbieter. »Wer auf dem Erlebnismarkt als Anbieter überleben möchte, kann sich nicht mit der Frage aufhalten, ob ihm die geschilderten Strategien der Anbieterrationalität gefallen oder nicht. Der Markt zwingt dazu; wer sie ignoriert, geht unter« (ebd.: 449). Hieraus erklären sich auch die immens gestiegenen Gagen der Topstars der Musikszene. Gelingt es einem Festivalveranstalter, einen dieser wenigen weltweit konzertierenden Künstler zu engagieren, fällt ein Hauch der außergewöhnlichen »Aura« dieses Künstlers auf das Festival, der es von anderen Festivals unterscheiden soll. Die Aufmerksamkeit soll über das Außergewöhnliche angezogen werden. Da aber immer mehr Festivals genau diese Strategie verfolgen, steigt die Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot: Die Preise explodieren. Gleichzeitig wendet sich diese Entwicklung in ihr Gegenteil, indem sie nämlich zu einer weltweiten Vereinheitlichung des Programms führt. Die inhaltlichen bzw. musikalischen Unterschiede der Festivals nivellieren sich aus. Diese Festivals laufen Gefahr, nicht mehr so außerordentlich zu sein, da auch die Konkurrenten ihre Strategie anwenden. Erinnert sei an die Tournee einer Solistin und die Einspielung sämtlicher Violinsonaten Beethovens. Gerade weil die Leistung besonders war, wollte natürlich kein großes Festival darauf verzichten und so konnte man die Solistin überall hören; die Veranstalter schlugen sich mit ihrer Strategie selbst und zahlten horrende Gagen. Aufmerksamkeit über die Aura der Außergewöhnlichkeit zu erlangen, wird in der Erlebnisgesellschaft immer schwieriger, da das täglich Angebotene, vermeintlich Außerordentliche bald seinen Reiz verloren hat. Die Ausbildung eines Erlebnismarktes führt zu einer Situation der nahezu unbegrenzten und permanenten Wahlmöglichkeit, es entsteht der Begriff der Multioptionalität. Alles ist möglich und verfügbar, während alle Erlebnisanbieter untereinander konkurrieren. In dieser multioptionalen Situation wird aus dem Angebotenen nicht nach rationalen Kriterien zielgerichtet ausgewählt, sondern es geht »vielmehr um die ständige Aufrechterhaltung von Optionen ohne bindenden Charakter« (Heinrichs 1997: 38). So bestimmen heute nicht mehr normative kulturpolitische Entwürfe die Inhalte; Kultur wird von »pluralen Trends, die von Medien, von neuen Wertekategorien und von einem exzessiven Erlebnisverhalten bestimmt« (ebd.) werden, geprägt. Wollen die Kulturanbieter dieser Entwicklung gegensteuern, können sie dies nicht, indem sie sich der Logik des Erlebnismarktes verschließen, da ihre Kunden (das Publikum) ihre Produkte nach den Kriterien der alltagsästhetischen Schemata auswählen.
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Den Wandel der Rolle der Kulturpolitik, durch deren Zuwendungen der Klassikbetrieb zum allergrößten Teil finanziert wird, fasst Schulze auf feuilletonistische aber auch scharfsinnige Weise zusammen: Gefragt ist Vorzeigbarkeit, Medienwirksamkeit, Imageträchtigkeit, Publikumswirksamkeit. Scheint dies gewährleistet, kann Kultur so aggressiv, subversiv, provozierend sein wie sie möchte. Längst haben alle Verantwortlichen die gesellschaftliche Folgenlosigkeit einer Kultur begriffen, die nur der Abwechslung und des Erlebnisreizes halber goutiert wird. Auch wilde Stilbrüche und kompromisslose Attacken haben keine Chance gegenüber einem Publikum, das in der frohen Erwartung wilder Stilbrüche und kompromissloser Attacken Eintrittskarten löst. (Schulze 1997: 517)
Und kommt dann zu dem Schluss: Die Hoffnung jedoch, daß sie die Kulturpolitik, MT die Dynamik des Erlebnismarktes bremsen, korrigieren oder zurückschrauben könnte, ist eine offenkundige Überschätzung ihrer Möglichkeiten. Weil die einzige Handlungsform, die der Kulturpolitik dem Publikum gegenüber zur Verfügung steht, das Anbieten von Erlebnissen ist, wird sie aus der Perspektive der Nachfrager selbst zum Teil des Erlebnismarktes. Sie muß mit den kommerziellen Erlebnisanbietern um das Publikum konkurrieren und kann dabei die Logik des Erlebnismarktes, gegen den sie eigentlich opponieren wollte, nicht gänzlich unterlaufen. (Ebd.: 525)
Offensichtlich ist diese Kulturkritik pessimistisch und zugespitzt. Nichtsdestotrotz markiert Schulzes Aussage eine Trendwende, nämlich die der Verschiebung von einer normativen Angebotsorientierung zu einer erlebnisgesteuerten Nachfrageorientierung. An dieser lebensstilorientierten, also per se ästhetisch verfassten Handlungsrationalität der jeweiligen Publikumssegmente hat sich bis dato kaum etwas geändert. Im Gegenteil: Die Ausdifferenzierung des Kulturmarktes hat sich auf hohem Niveau stabilisiert, alles ist nebeneinander und gleichzeitig konsumierbar, jedoch säuberlich getrennt. Der Omnivore, der ständig zwischen den Szenen und Milieus changiert und sich bei Guillaume de Machaut, dem großen Verdi-Gefühl, beim Wacken Open Air und in der Philharmonie am Potsdamer Platz wiederfindet, bleibt ein Phantom.
M U SI K A L S I D EN T I TÄT SS T I F T EN D E S M OMENT Durch die Möglichkeit, Musik zu speichern und wiederzugeben, wurde eine neue Form der Musikverbreitung gefunden, die die konzertante Aufführung mit der Kette Komponist – Musiker – Hörer erweiterte. Bis circa 1900 konnte Musik räumlich und zeitlich nur begrenzt, nämlich auf den Ort und die Dauer der Darbietung beschränkt, gehört werden. Mit dem Aufkommen der Ton-
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£1.2 Szenen und Milieus trägertechnik hat sich der Musikkonsum ausgeweitet, wodurch die Musik in der Gesellschaft verstärkt eine soziale und ökonomische Funktion bekam. Durch die ständige Verfügbarkeit und die uneingeschränkte Wahlmöglichkeit spielt Musik seit circa 1950 eine entscheidende Rolle für die Identifikation bzw. Selbstsozialisation Jugendlicher. Es entwickelte sich eine differenzierte Popkultur, in der sich alle Jugendbewegungen mit ihrem eigenen Musikstil identifizierten (Rock’n’Roll, Beat, Pop, Punk, Hip-Hop, Techno u.a.) und mit der ein neuer Typ des Rezipienten entstand: der Fan. »[E]s ist unbestreitbar, dass in den letzten dreißig Jahren der Begriff des ›Fan‹seins […] viel wichtiger für die Popmusik als für andere Formen der Populärkultur gewesen ist« (Frith 1992). Simon Frith geht davon aus, dass die Popmusik von gleicher Bedeutung für die Schaffung kultureller Identitäten ist, wie es die klassische Musik für das europäische Bürgertum im 19. Jahrhundert war: »In all diesen Fällen ist die Musik in der Lage, für die unmittelbare Erfahrung kollektiver Identität zu stehen, sie zu symbolisieren und anzubieten« (ebd.). Ähnlich also wie das aufstrebende Bürgertum das Konzert als soziales Forum wahrnahm, um sich darin zu präsentieren und seine Identität gegenüber dem Adel zu bestätigten, nutzen Jugendliche in einer zunehmend von Medien bestimmten Welt Musik, um eine Gruppenzugehörigkeit anzuzeigen. Mit der Auflösung des Gesellschaftsschemas von Hoch- und Trivialkultur in die Lebensstilgesellschaft stehen die verschiedenen Formen der Populärkultur ebenso wie die klassische oder Neue Musik für verschiedene Lebensstile. Musik wird zur Identitätskonstruktion benutzt. Durch die Auswahl einer bestimmten Musik, die durch ein ästhetisiertes Zeichensortiment geprägt ist, ordnet man sich selbst einer Szene zu; andere können über das benutzte ästhetisierte Zeichensortiment, das dieser Musik innewohnt, die Szenenzugehörigkeit deuten. Das Vergnügen, das Popmusik [dies gilt für alle innenorientierten Konsumgüter, also auch für klassische Musik, MT] erzeugt, ist ein Vergnügen der Identifikation – mit der Musik, die wir mögen, mit den Künstlern, die diese Musik spielen, mit allen Gleichgesinnten, die das Vergnügen an dieser Musik mit uns teilen. […] Das ist einer der zentralen Aspekte des Musikgeschmacks. (Ebd.)
Diese Identitätskonstruktion bleibt im Verlauf des Lebens relativ stabil. Dabei spielt der Inhalt der Musik, d.h. die ästhetisch intendierte Botschaft des Werkes, eine sekundäre Rolle. Vielmehr wird die jeweilige Musik nach kulturellen Codes und »musikalischen Symbolen« ausgewählt, die dann eine gewisse Gruppenzugehörigkeit ausdrücken. D.h. die Aufmerksamkeit und das Interesse fallen auf diejenige Musik, deren Code dem Selbstverständnis, dem eigenen Lebensstil am ehesten entspricht. »Indem wir die Musik ›in Besitz nehmen‹, machen wir sie zu einem Teil unserer Identität und bauen sie
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in unsere Vorstellung von uns selbst ein. […] Der Musikgeschmack leitet sich nicht nur einfach aus der sozial produzierten Identität her; er trägt zugleich dazu bei, diese zu prägen« (ebd.). Musik hat also sowohl eine kollektive wie auch eine fragmentierende Wirkung. Indem man wählt, schließt man etwas anderes aus und ordnet sich selbst in eine Welt ein; die getroffene Wahl bezeichnet die Ordnung.
TR A N SF ER Faktoren wie Lebensstil, Szenenbildung, ästhetische Codierung, Musik als identitätsbildendes Moment und das Konzert als soziales Forum sind wesentliche Parameter des Aufmerksamkeitsmanagements im Musikbetrieb – auch in der Klassik. Eine auf Langfristigkeit ausgerichtete, erfolgversprechende Positionierung eines Ensembles oder Solisten sollte sich deshalb nicht an ›das Publikum‹ als eine vage Masse richten, sondern vor dem Hintergrund des erlebnisorientierten und lebensstilgeprägten Zeitgeistes genaue Überlegungen zur Bedürfnisstruktur und Rezeptionskultur dieses Publikums anstellen: • Welche Codes prägen unsere Kunst, unsere Art zu Musizieren? • Welches Publikum interessiert sich dafür? • Kennen wir das Publikum, das wir ansprechen wollen? • Können wir unser Publikum genau charakterisieren? • Wissen wir, welches Werteverständnis es hat? • Kennen wir die benutzten »ästhetischen Codes« unserer Zielgruppen? • Wissen wir, wo sich unser Publikum aufhält (Szenen und Orte)? Ergeben sich daraus z.B. Auftritts- oder Bewerbungsmöglichkeiten? Um diese Fragen zur lebensstilorientierten Publikumsanalyse weiter zu vertiefen und zu präzisieren, sollen die Sinus-Milieus vorgestellt werden. Sie komplementieren Schulzes Theoriemodell anwendungsorientiert.
D I E S I N U S -M ILIEUS Das Sinus-Institut Heidelberg wurde Anfang der 1970er Jahre gegründet und ist seitdem auf empirisch sozialwissenschaftliche, psychologisch geprägte Marktforschung spezialisiert (www.sinus-institut.de). Das Forschungsmodell der sogenannten Sinus-Milieus wird seit 1979 weiterentwickelt. Mittlerweile existieren diese Milieubeschreibungen für 18 Länder. Ausgehend vom Alltagsverhalten der Menschen steht die Konstruktion bestimmter Käufergruppen im Mittelpunkt der Forschung, die sich jeweils durch ein ähnliches Selbstbild auszeichnen. Diese Selbstbilder schlagen sich dann in einer spezifischen Konsumorientierung, z.B. präferierten TV-Formaten, The-
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£1.2 Szenen und Milieus meninteressen, aber auch Musikpräferenzen nieder. Das Sinus-Institut Heidelberg erforscht die verschiedenen Arten der Orientierung und erarbeitet damit relevantes Wissen über Zielgruppen, ihre Einstellungen und ihr Konsumverhalten. Die »Sinnwelten« der einzelnen Milieus zeichnen sich, wie schon bei Schulze, durch eine spezielle Alltagsästhetik aus: Die Zielgruppen-Segmentation orientiert sich an der Lebensweltanalyse unserer Gesellschaft. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Grundlegende Wertorientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen – zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zu Geld und Konsum. (www.sinus-institut.de/loesungen/sinus-milieus.html [24.07.11]).
Diese Milieus sind Modelle, die wie alle Modelle Unschärfegrade aufweisen. Sie haben Überschneidungen und teils fließende Übergänge, dennoch veranschaulichen sie die Grundorientierung einzelner Milieus einer Gesellschaft. Grafisch umgesetzt werden die Sinus-Milieus in der mittlerweile berühmt gewordenen »Sinus-Kartoffelgrafik«:
Abbildung 1: Die Verteilung auf der vertikalen Achse bestimmen Bildung, Einkommen und Berufsgruppe; auf der horizontalen Achse wird die Grundorientierung abgetragen. Je ›moderner‹ diese ist, desto weiter rechts findet die Positionierung des Milieus statt. Die Größe der Blasen wird durch den prozentualen Anteil an der Bevölkerung des Milieus bestimmt (Sinus-Institut Heidelberg, 2010).
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Derzeit fasst das Sinus-Institut die zehn Milieus in drei Gruppen zusammen, die »Sozial gehobenen Milieus«, »Milieus der Mitte« und »Milieus der unteren Mitte/Unterschicht«. Jede dieser Gruppen setzt sich aus verschiedenen Milieus zusammen: die sozial gehobenen Milieus z.B. aus dem »liberal-intellektuellen Milieu«, mit einem Anteil von sieben Prozent an der Gesamtbevölkerung, womit auch eine potenzielle Kundenzahl beschrieben wird; dem »Milieu der Performer« mit ebenso sieben Prozent; dem gleich großen »liberal-intellektuellen Milieu« und dem »expeditiven Milieu« mit sechs Prozent. Diese Milieus werden vom Sinus-Institut charakterisiert, die ästhetischen Präferenzen und das Konsumverhalten ihrer Mitglieder dabei präzisiert. Das »liberal-intellektuelle Milieu« steht z.B. für die »aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln; Wunsch nach selbstbestimmtem Leben, vielfältige intellektuelle Interessen« (www.sinus-institut. de/loesungen/sinus-milieus.html 21.07.11). Die einzelnen Milieus werden auf der Website des Sinus-Institut Heidelberg dargestellt.
M ILIEU M A PPIN G S Die Sinus-Milieus liefern eine Hilfestellung in der weiteren Konkretisierung und Zielgruppenorientierung im Musikmanagement. Als Musikschaffender sollte man sich überlegen, welche der beschriebenen Zielgruppen diejenigen sind, die man mit seinem Angebot erreichen möchte. Alsdann gilt es, diese Zielgruppen möglichst genau zu beschreiben. Um das Bild der möglichen Milieus, die man mit seinem Angebot erreichen möchte, weiter zu konkretisieren und ihre Weltbilder, Alltagsästhetiken und ihr Konsumverhalten zu verstehen, bietet sich folgende Übung an: Zunächst muss man einen gut sortierten, großen Zeitschriftenhändler bspw. an einem Hauptbahnhof aufsuchen und möglichst viele Zeitschriften aus unterschiedlichen Bereichen (Architektur, Mode, Musik, Politik, Kunst, Wohnen etc.) durchsehen. Von diesen gilt es dann, einige zu erwerben und gezielt nach dem Bildmaterial zu durchstöbern, dessen ästhetische Codes dem ausgearbeiteten Angebot am ehesten entsprechen. Im nächsten Schritt werden diese ausgeschnitten, an eine Pinnwand geheftet und jeweils um die Milieus gruppiert, die man selbst als Zielgruppe für das eigene Angebot ausgemacht hat:
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Abbildung 2: Milieu Mapping In den nächsten Arbeitsschritten – Marketing und Öffentlichkeitsarbeit – sollten diese Milieustudien an der Pinnwand weiter konkretisiert werden. Hilfreich ist es ebenso, die Fotografien von anderen Musikern und Ensembles, die dem Selbstverständnis am ehesten entsprechen, zu mappen. Je deutlicher man die individuelle Marktposition erkennt, desto eher wird man später in der Lage sein, diese bei der Entwicklung des Erscheinungsbildes und des Images umzusetzen.
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Eine weitere einfache Form der Publikumsforschung ist die Beobachtung: Bei Konzerten oder Konzertorten, die einem selbst besonders gut gefallen und deren Publikum sich auch für das eigene Angebot interessieren könnte, sollte man sich dazu nach dem Konzert möglichst als Erster an den Ausgang stellen, um dann genau zu beobachten, welche Milieus sich im Publikum wiederfinden lassen. Mit welchen ästhetischen Codes könnte man deren Aufmerksamkeit wecken? Nicht uninteressant ist das Modell ebenso beim Thema Fundraising für das eigene Ensemble. Rickens (2010) stellt dazu speziell OberschichtenMilieus und deren Charakteristika vor.
F A ZI T Das Aufmerksamkeitsmanagement für das jeweilige Ensemble wird umso erfolgsversprechender sein, je konsequenter die einzelnen Merkmale des Kulturproduktes dem ästhetischen Code der Zielgruppe entsprechen. Ziel ist dabei das Bilden einer konsistenten Einheit, in der die Programmgestaltung, die Inszenierung der Veranstaltung und die Kommunikation darüber schlüssig sind. Als Beispiele für eine gelungene Umsetzung zielgruppenorientierter ästhetischer Codes können im Tonträgermarkt die Labels ECM oder Universal gelten. Als Veranstaltungen, die besonders auf eine ästhetische Codierung abheben, jedoch unterschiedliche Milieus ansprechen, sind die Yellow Lounge in Berlin und das Festspielhaus Baden-Baden nennenswert und als Vorbilder für die individuelle Entwicklung durchaus nützlich.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Frith, Simon (1992): Zur Ästhetik der Populären Musik, verfügbar unter: http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst01/pst01_frith.htm [27.07.11]. Heinrichs, Werner (1997): Kulturpolitik und Kulturfinanzierung. Strategien und Modelle für eine politische Neuorientierung der Kulturfinanzierung, München: Beck. Rickens, Christian (2010): Deutschland, deine Reichen. Oberschicht-Milieus, in: Spiegel-online, 03. August 2010, verfügbar unter: www.spiegel.de/wirt schaft/soziales/0,1518,709842,00.html [24.7.11]. Schulze, Gerhard (1997): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, 7. Aufl., Frankfurt a.M.: Campus. Sinus-Institut Heidelberg: www.sinus-institut.de
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W EIT ERF Ü HRENDE L IT ER AT U R Bruhn, Manfred/Kopiez, Reinhard/Lehmann, Andreas (Hg.) (2008): Musikpsychologie. Das neue Handbuch, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Gembris, Heiner (2011): »Entwicklungsperspektiven zwischen Publikumsschwund und Publikumsentwicklung. Empirische Daten zur Musikausbildung, dem Musikberuf und den Konzertbesuchern«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 61-82. Keuchel, Susanne (2011): »Vom ›High Tech‹ zum ›Live Event‹. Empirische Daten zum aktuellen Konzertleben und den Einstellungen der Bundesbürger«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 83-102. Rosenkranz, Jan (2009): So sind die Deutschen, in: Der Stern, 15. August 2009, verfügbar unter: www.stern.de/politik/deutschland/milieustudie-so-sind-diedeutschen-707657-print.html [22.07.11]. Ungeheuer, Elena (2011): »Konzertformate heute: abgeschaffte Liturgie oder versteckte Rituale?, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 125-142.
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2.1 S TR ATEGIEN UND Ü BERLEGUNGEN ZUR EIGENEN P OSITIONIERUNG IM M USIKMARKT Marketing für Musiker Martin Tröndle/Petra Schneidewind
Marketing kann eine Hilfestellung bieten, um sich systematisch über die eigene Positionierung auf dem Musikmarkt bewusst zu werden und daraus Strategien abzuleiten. Aus diesem Grund soll im folgenden Kapitel das Konzept des Marketing-Managements vorgestellt und am Fallbeispiel eines Ensembles durchgespielt werden. Was aber bedeutet Marketing-Management eigentlich? Und was unterscheidet es von Management? Die Hauptfunktionen von Management sind: Zielsetzung – Planung – Entscheidung – Realisierung – Kontrolle. Im Management geht es, wie im vorigen Kapitel dargestellt, um etwas Konkretes wie z.B. die Planung und Durchführung einer Konzerttournee. Der Marketing-Managementprozess dagegen stellt ein Instrumentarium zur Strategieplanung bereit. Darum werden hier auch verschiedenste Analysen und Strategien zu finden sein, die auf den ersten Blick vielleicht nicht besonders viel mit der alltäglichen Arbeit von Musikschaffenden zu tun haben mögen. Tatsächlich gilt aber auch im Musikmarkt: Bevor mit der praktischen Durchführung eines Projektes begonnen wird (bevor also z.B. ein Ensemble gegründet wird), sollte man sich erst systematisch über die grundsätzlichen Faktoren des Projektes befragen. Welche Chancen und Risiken ergeben sich bei der Umsetzung der momentanen Idee? Welche Konkurrenten gibt es? Welche Zielgruppen? Welche Positionierung im Musikmarkt ist erfolgversprechend? Und mit welcher Strategie wird sie erreicht? Leider werden diese Überlegungen aus lauter Tatendrang oft übersprungen und Fehler in der schnellen Umsetzung gemacht. Von den Ensemblemitgliedern wurden dann zwar Geld und Zeit investiert, das Resultat ist aber nicht zufriedenstellend und Ratlosigkeit stellt sich ein. Um dem vorzubeugen, wollen wir den Marketing-Managementprozess mit seinen strategischen Überlegungen auf die Praxis der Musikschaffenden anwenden. Dabei sollen die Überlegungen zur Aufmerksamkeitslenkung, die von grundlegender Bedeutung für das Musikmanagement und die Musikvermittlung sind, berücksichtigt werden. Zunächst (und das ist leider unumgänglich) erläutern wir die grundlegenden Marketing-Begriffe und den Marketing-Managementprozess. Anschließend befassen wir uns mit der Zielvorstellung, der Analyse der Ausgangslage, der Zielpräzisierung, der Strategieplanung und schließlich mit operativen Marketingprogrammen. Am Ende spielen wir den gesamten Marketing-Manage-
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mentprozess durch. Zudem liegt eine detaillierte Vorgehensweise zur Strategieplanung von Musikschaffenden vor.
W A S I S T M A R K E T I N G? Conzelmann verwendet zum Einstieg in die Marketingthematik folgende Definition: »Marketing ist zielgruppenadäquate Nutzenkommunikation« (2002: 210). Das ist zwar etwas komprimiert (und zunächst vielleicht unverständlich), doch in dieser Definition stecken die drei wesentlichen Merkmale eines guten Marketings: • Die Zielgruppe wird nicht als diffuse Menge vernachlässigt, sondern kann klar definiert werden: z.B. bestimmte Gruppen von Konzertbesuchern, Konzertveranstaltern, Sponsoren oder Gönnern, Kritikern u.a. • Die Zielgruppen müssen adäquat erreicht werden, d.h. die kommunizierte Botschaft muss bei ihnen ankommen (siehe die Stichworte »Szene« und »Code« im vorherigen Kapitel). • Die Zielgruppe befindet das Kommunizierte als nützlich, wodurch ihre Aufmerksamkeit geweckt wird. Was aber steht hinter abstrakten Begriffen wie »Zielgruppe« oder »nützlich«? Der Nutzenist eine Wertung des Verbrauchers: Er empfindet, dass das Produkt seine Bedürfnisse befriedigt und zieht darum einen Nutzen aus ihm. Nutzen ist also nichts ›Objektives‹, das dem Produkt von vornherein anhaftet, sondern entsteht erst durch die Einschätzung des Verbrauchers. Der Begriff Zielgruppe bezeichnet den Kreis der tatsächlichen oder möglichen Interessenten, die mit den Marketingaktivitäten angesprochen werden sollen (Heinrichs/Klein 2001: 406). Die Zielgruppe der Musikschaffenden ist mehrschichtig, immer aber findet zwischen den verschiedenen Zielgruppen und den Musikschaffenden ein Austausch statt. Sei dies nun der Konzertbesucher, der gegen Geld Einlass ins Konzert erhält und zugleich die Musiker seiner Wahl unterstützt, oder der renommierte Konzertveranstalter, der mit den engagierten Musikern Geld verdient und ihnen eine Auftrittsmöglichkeit bietet. Der Gewinn beim Austauschprozess beschränkt sich aufseiten der Künstler allerdings nicht nur auf die Gagenzahlung, sondern beinhaltet daneben Anerkennung für das von ihnen ›gelieferte‹ künstlerische Produkt und die Selbstverwirklichung. Der Ort, an dem der Austausch zustande kommt, wird im folgenden Markt, und da es sich um Kulturgüter handelt, Kulturmarkt genannt. Eine andere, erweiterte Definition von Marketing lautet: Marketing will erklären »[…] wie Austauschprozesse zwischen Organisationen oder zwischen Or-
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ganisationen und privaten Haushalten zustande kommen und Hinweise zur Ausgestaltung dieser Austauschbeziehungen ableiten« (Müller-Hagedorn 1996: 5). Wie wir in einem vorausgegangenen Kapitel gesehen haben, kann die Geschichte des Konzertwesens als eine Geschichte sich ablösender Variationen von Präsentationsmodellen geschrieben werden. Die verschiedenen Variationen hatten die Gemeinsamkeit, die Aufmerksamkeit des Publikums an das Konzertereignis zu binden und zu verstärken. Mit Hilfe von Schulzes Modell des erlebnisorientierten Konsums konnten wir zeigen, dass die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Kulturprodukt ganz spezifisch auf die Zielgruppe ausgerichtet sein muss, die man ansprechen will. In einer auf die Bedürfnisse von Musikschaffenden angepassten Definition von Marketing hat also der Begriff des Austausches und somit die Beziehung zu den jeweiligen Zielgruppen eine zentrale Bedeutung. Dass sich dieser nicht nur auf monetäre Aspekte bezieht, betont auch Klein (1995: 5): Konzertbesucher bringen beispielsweise wertvolle Zeit in den Austauschprozess ein; sie zeigen ein (zumindest gewisses) emotionales Engagement, etwa bei einer Opernaufführung; sie unterziehen sich einer geistigen Anstrengung, etwa bei einem modernen Musikstück usw. Die Nachfrager, das Publikum also, begeben sich nur dann in diesen Austauschprozess, wenn sie sich irgendeinen Nutzen hiervon versprechen: etwa Unterhaltung, Bildung, »Dabeisein«, »Mitredenkönnen« oder »Erlebnisse« welcher Art auch immer.
Zur Gestaltung dieser vielfältigen Austauschprozesse und damit letztendlich der strategischen Positionierung des Ensembles soll der Marketing-Managementprozess eine Hilfestellung bieten. Es versteht sich von selbst, dass wir hier eine Einführung in das Thema geben, in der die wichtigsten Instrumentarien und Überlegungen vorgestellt werden, jedoch keine abschließende Darstellung erfolgen kann. Daher finden sich weitere Literaturempfehlungen zu den Themen »Marketing« und »Strategieplanung« am Ende des Beitrages.
D ER M A R K E T I N G -M A N AG E M ENT PROZE SS Der Marketing-Managementprozess lässt sich in Phasen gliedern, von denen jede eine Art Handlungsanleitung beinhaltet. Diese Anleitung zur Positionierung und dem Marktverhalten muss von jedem Ensemble und jedem Solisten selbst erarbeitet werden. Dabei sollte man ehrlich und präzise analysieren, was den eigenen Fall ausmacht, um zu einem individuellen Marketingkonzept zu kommen. Für den gesamten Marketing-Managementprozess gilt: Je fantasievoller das Marketingmodell auf die eigene Situation übertragen wird (das theoretische Gerippe also mit eigenen Gedanken gefüllt werden kann),
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umso erfolgversprechender und überzeugender wird das Marketingkonzept am Ende sein. Ansatzpunkte für eine individuell maßgeschneiderte Strategie bieten sich auf allen drei Ebenen des Marketingprozesses: • Auf der normativen Ebene, welche die generellen Ziele, Prinzipien und Normen bestimmt. Hier wird das »Mission Statement« erarbeitet, welches das Selbstverständnis einer Organisation oder auch eines einzelnen Musikers zusammenfasst. Das Mission Statement gibt Antwort auf die Fragen: Wer sind wir? Was tun wir? • Auf der strategischen Ebene, die sich mit dem Aufbau und der Nutzung von Erfolgspotenzialen befasst. Hier wird die eigene Ausgangslage analysiert (Wo stehen wir?), das Ziel präzisiert (Was genau wollen wir erreichen? Wen wollen wir erreichen?) und die Strategie festgesetzt, mit der die Ziele erreicht werden. • Auf der operativen Ebene, welche sich mit der konkreten Umsetzung der normativen und strategischen Vorgaben befasst (Wie können wir die Strategien umsetzten?). Im Folgenden wird detailliert auf die Handlungsanweisungen der jeweiligen Ebenen eingegangen, zunächst aber verschaffen wir uns einen Überblick über den gesamten Marketing-Managementprozess und die konzeptionellen Grundfragen auf den einzelnen Ebenen:
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
Mission Statement Wer sind wir? Was tun wir?
? Analyse der Ausgangslage Nachfrageanalyse Wer sind unsere Kunden? Was wollen sie?
Beschaffungsanalyse Wen und was brauchen wir?
Umfeldanalyse Wie entwickeln sich die relevanten Rahmendaten?
Potenzialanalyse Stärken-SchwächenAnalyse
Konkurrenzanalyse Wer sind die Konkurrenten? Was tun sie?
? Zielpräzisierung Inhaltliche Ziele: Was wollen wir erreichen? Marketing-Management Ziele: Wen wollen wir erreichen?
? Strategieplanung Auf welchen Wegen sind die Ziele zu erreichen? Segmentierung und Positionierung Marktparzellierungsstrategie Marktfeldstrategie Marktarealstrategie Wettbewerbsstrategie Kundenstrategie Marktbeeinflussung Ressourcenstrategie
? Operative Marketingpolitiken Produktpolitik Preispolitik Distributionspolitik Kommunikationspolitik
? Risikoanalyse Grafik 1: Der Marketing-Managementprozess in Anlehnung an Klein (2001: 95)
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D A S M I SSI O N S TAT E M ENT ( N O R M AT I V E E B EN E ) Zu Beginn des Marketing-Managementprozesses sollten Ziele und Wünsche des Ensembles/des Solisten geklärt und ausgedrückt werden. Das ist nicht einfach, aber unbedingt notwendig, um überhaupt sinnvoll fortfahren zu können. Folgende Fragen sollten bei der Zielbildung berücksichtigt werden: • Wer sind wir? • Was tun wir? Respektive: Was wollen wir erreichen? • In welcher Quantität und Qualität soll es erreicht werden? • Warum wollen wir das erreichen?/Wofür stehen wir? • Wie wollen wir auf andere wirken? • Was ist das Besondere an uns? Die Antworten auf diese elementaren Grundfragen müssen in knapper Form (max. drei Sätze) schriftlich fixiert werden. Alle beteiligten Personen sollten daran teilhaben, denn die Antworten zeigen als Leitlinie den ›roten Faden‹ in der eigenen Arbeit auf und legitimieren sie. Diesen ›roten Faden‹ nennt man Mission Statement. Es muss allgemeingültig sein, um für einen längeren Zeitraum Bestand zu haben (drei bis fünf Jahre), andererseits aber auch spezifisch, um z.B. dem Ensemble ein klares Profil zu geben. Da häufig zunächst Unklarheit über die angestrebten Ziele besteht, bedarf die Formulierung dieser Kerngedanken Zeit. Aber: Wie soll man jemand anderem, z.B. einem Konzertveranstalter oder Journalisten sagen können, wofür die eigene Kunst steht und was das Besondere daran ist, wenn es einem selbst nicht klar ist? An dieser Stelle kommt das Pippilotti Ensemble ins Spiel. Es begleitet uns durch dieses Handbuch und dient als Fallbeispiel für die jeweils vorgestellten Theoriepakete. Was sich hinter dem Ensemble verbirgt, erfährt man über das Pippilotti-Mission Statement: »Das Pippilotti Ensemble will im deutschsprachigen Raum szenische Kinderkonzerte geben, die musikalisch und pädagogisch höchstes Niveau haben. Unsere hotzenplotzigen Musikgeschichten sollen bei den kleinen Zuhörern die Freude und das Interesse an klassischer Musik wecken.«
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
A N A LYSEPH A SE ( S T R AT EG I SC HE E B EN E ) Auf die Formulierung eines Mission Statements folgt eine umfangreiche Analysephase, welche die Ausgangslage des/der Musikschaffenden beschreibt und bewertet. Berücksichtigt werden dabei externe (Nachfrage-, Umfeld-, Konkurrenz- und Beschaffungsmarktanalyse) und interne Themen (Analyse des eigenen Potenzials). Es sei nochmals betont: Eine genaue und ehrliche Bestandsaufnahme des Jetzt-Zustandes ist hier zielführend. Sehen wir uns also die einzelnen Teile der Analysephase genauer an. Nachfrageanalyse Im Fokus der Nachfrageanalyse, die auch Zielgruppenanalyse genannt werden kann, befindet sich der potenzielle Konzertbesucher. Musikschaffende wollen über die Nachfrageanalyse mehr über ihr Publikum erfahren: Welche Personen sind Teil des Publikums? Warum kommen sie ins Konzert? Welche Merkmale haben sie (Alter, Schulbildung, Geschlecht, kulturelle Präferenzen, Bildung, Einkommen etc.)? Die Nachfrageanalyse interessiert sich aber auch für die Nichtkunden (Warum kommen diese nicht oder noch nicht?) und schließlich für die Nicht-Mehr-Kunden (Warum kommen diese nicht mehr?). Der folgende Fragenkatalog erleichtert die Nachfrageanalyse: 1. Wer sind unsere Zielgruppen? 2. Wie sind sie beschaffen? (Z.B.: Wie viel Freizeit und Einkommen haben sie oder welchen Bildungsstand?) 3. Wie verhalten sich die einzelnen Zielgruppen? (Nicht-Besucher, NochNicht-Besucher, Nicht-Mehr-Besucher, Erstbesucher, Stammbesucher) 4. An welchen Orten halten sie sich sonst auf? (Welche anderen Konzertorte, welche Kulturinstitutionen, welche Cafés etc. frequentiert die Zielgruppe, die angesprochen werden soll?) 5. Welche Einstellungen, Motive und Verhaltensweisen haben Besucher? (Sind sie z.B. Traditionalisten, Mitläufer, Neugierige, Experimentierfreudige?) 6. Welche Bedürfnisse hat unser Publikum?
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Das Pippilotti Ensemble antwortet wie folgt: Frage 1: Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren sowie ihre Eltern und Großeltern. Außerdem Janosch-Fans und Freunde der Gebrüder Grimm. Frage 2: Sie haben eher viel Freizeit, die Vorstellungen dürfen jedoch nicht zu spät sein und nicht zu lange dauern (max. 50 Minuten). Die Eintrittspreise dürfen nicht zu hoch sein, d.h. wir brauchen einen oder mehrere Geldgeber (vielleicht einen Kinderbuchverlag, örtliche Veranstalter, Kinderhilfswerke oder den SWR-Tigerentenclub [u.U. verbunden mit einem Fernsehauftritt?] etc.). Frage 3: Noch keine Information vorhanden, da das ein Pilotprojekt ist. Frage 4: In Schulen, Internaten, Musikschulen, Kunstschulen, bei Kinderärzten, Kinderfilmvorführungen… Frage 5: Kinder sind eher neugierig und experimentierfreudig. Allerdings treffen die Eltern die Kaufentscheidung. Es gilt also, auch sie von unserem Angebot zu überzeugen. Frage 6: Sie wollen unterhalten werden und verstehen meistens mehr als man glaubt. Das Programm sollte spannend sein und nicht anbiedernd.
Umfeldanalyse Die Umfeldanalyse beschäftigt sich mit den relevanten Rahmenbedingungen. Dazu zählen die soziodemografischen Entwicklungen (Altersstruktur, Jugendquote, Lebenserwartung etc.), Daten zur Bildung und zur Einkommensentwicklung, wirtschaftliche Daten, technische Entwicklungen, politische und rechtliche Rahmenbedingungen, Informationen zum Tourismus oder dem Freizeitverhalten. Diese Faktoren haben die Entwicklung des Musikmarktes in der Vergangenheit wesentlich beeinflusst. Ob sie auch zukünftig Auswirkungen haben und wie diese sein werden, soll durch die Umfeldanalyse geklärt werden. Es können je nach Situation auch andere Bereiche als die oben genannten von Interesse sein, bspw. die Öffnung von Osteuropa, die Entwicklungen im Internet, Trends, Modethemen, rechtliche Rahmenbedingungen wie etwa im Steuer- oder Urheberrecht etc. Welche Faktoren sind bei der Umfeldanalyse des Pippilotti Ensemble zu berücksichtigen?
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Für das Pippilotti Ensemble mit seinen Kinder- und Jugendkonzerten könnten solche Umfeldfaktoren z.B. sein: 1. Verkürzung der Schulzeit und die Ausweitung der Ganztagesschule: Inwiefern verändert dies das Kulturnutzerverhalten von Kindern und Jugendlichen? Haben sie überhaupt Zeit, solche Veranstaltungen zu besuchen? 2. Zielgruppenspezifische Radio- und Fernsehangebote für Kinder und Jugendliche: Inwiefern verändert dies das Vorwissen und die Themeninteressen von Kinder und Jugendliche? 3. Vermehrte Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen. Inwiefern muss man auf die zunehmend medialisierte Umwelt von Kindern und Jugendlichen in dem Konzertereignis oder auf dessen Bewerbung eingehen? 4. Vermehrte Angebote von Konzerthäusern im Bereich der Kinder- und Jugendkonzerte: Sind diese als Konkurrenz zu werten oder bestehen hier Kooperationsmöglichkeiten und neue Absatzchancen? 5. …
Konkurrenzanalyse Im hart umkämpften Musikmarkt spielt die Konkurrenz eine große Rolle. Konkurrenten bspw. für einen Pianisten sind aber nicht nur andere Pianisten (also die unmittelbaren Mitbewerber um ein Engagement), sondern auch die vielen weiteren Angebote, die dem potenziellen Publikum zur Auswahl stehen, sowohl im kulturellen Sektor (neben einem Klavierabend gäbe es auch ein Theaterangebot, Ballett, Kleinkunst und Kino) als auch durch Sport, Fernsehen, Gastronomie u.a. In der Konkurrenzanalyse versucht man, Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: • Wer sind die Konkurrenten? • Wie verhalten sich die Konkurrenten? • Was leisten die Konkurrenten im Vergleich zu uns/mir? • Wie groß ist der Einfluss der Konkurrenten auf die Nachfrage nach der eigenen Leistung? • Was machen die Konkurrenten besonders gut? Was können wir/kann ich von ihnen lernen? • Was machen wir/mache ich besser als sie?
Gibt es im Kulturmarkt Konkurrenten für das Pippilotti Ensemble? Gibt es im Musikmarkt Konkurrenten für das Pippilotti Ensemble? Falls ja, wie ausgeprägt ist die Konkurrenzsituation? Was tun die Konkurrenten?
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Beschaf fungsanalyse Neben Nachfrage-, Umfeld- und Konkurrenzanalyse sind noch zwei weitere Bereiche für Musikschaffende von Interesse. Zunächst sei die Beschaffungsanalyse genannt, die das erweiterte Marketingverständnis anwendet. Erinnern wir uns: Sinnvolles Marketing für Musikschaffende konzentriert sich nicht einfach auf den Absatz von etwas, sondern bezieht durch die Betonung des Austauschs auch die Beschaffungsseite und damit die Herstellung des Produkts mit ein. Schließlich geht dem Verkauf eines Produktes dessen Herstellung voraus und dafür werden verschiedene Ressourcen benötigt. Beschaffung, Produktion und Absatz bilden beim Marketing-Managementprozess eine Einheit. Auch für den Musiker spielt der Beschaffungsmarkt eine Rolle. Entweder er tritt mit seinem Angebot für Veranstalter auf dem Beschaffungsmarkt auf oder er ist selbst Nachfrager auf diesem Markt. Musikschaffende stellen als Produkt »Musik« her und für diese Herstellung müssen Ressourcen mobilisiert werden. Im Musikbereich fällt unter »Beschaffung« von Ressourcen also bspw. der Solist, der extra für die Aufführung eines bestimmten Stückes benötigt wird, oder aber auch das Verhandlungsgeschick des Ensembles mit einem Veranstalter. Der Beschaffungsmarkt spielt darüber hinaus auch eine Rolle für Anschaffungen des täglichen Bedarfs, z.B. Noten- und Textmaterial, Anmietung von Proberäumen oder für größere Investitionen, z.B. den Kauf eines neuen Instruments. Es geht also um die Frage: Wen und was brauchen wir und wie können wir es uns beschaffen? Bei der Beschaffungsanalyse kann zwischen sachlichen Mitteln (z.B. Künstlermappe, Internetauftritt, Licht- oder Tontechnik, Instrumente), finanziellen Mitteln (z.B. Geldgeber für ein bestimmtes Projekt) oder personellen Mitteln (z.B. Gastmusiker, neue Stellenbesetzung, Agent, musikwissenschaftlicher Berater, Kontakt zu einer einflussreichen Persönlichkeit, die der Sache dienlich wäre) unterschieden werden.
Auch hier können wir wieder fragen, wen oder was das Pippilotti Ensemble beschaffen müsste, um seinem selbst gesteckten Ziel näher zu kommen. Das könnte z.B. sein: 1. einen Dramaturgen mit Erfahrung im Bereich Kindertheater/Kinderoper; 2. Zeit und einen Ort um das Stück zu entwickeln und zu proben; 3. Kostüme und Maske: Ausstattungskonzept und Requisiten; 4. Bühnenbild: Konzept und Bau (es muss leicht transportierbar sein und einfach auf- und abzubauen sein); 5. Licht: Beleuchtungskonzept und Lichttechnik; 6. die Arbeitsbereiche Management, Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit müssen aufgebaut und professionalisiert werden.
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker Potenzialanalyse Die Beschaffungsanalyse geht mit dem letzten Instrument der Analysephase, der Potenzialanalyse, einher. Denn erst wenn man weiß, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, kann man sie zielgerichtet oder projektbezogen ergänzen. Die Potenzialanalyse untersucht die Leistungsstärke und die vorhandenen Ressourcen, indem sie das Verhältnis von Stärken und Schwächen näher betrachtet. Mit der Potenzialanalyse sollen schlussendlich die Erfolgschancen beurteilt werden. Für ein bestimmtes Vorhaben (Projekt) kann so bspw. vorab geklärt werden, ob dieses personell, räumlich, finanziell und organisatorisch überhaupt zu bewältigen wäre. Hat man die eigenen Stärken und Schwächen einmal untersucht, können diese in Zukunft aus- bzw. abgebaut und Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden. Für die Untersuchung von Stärken und Schwächen werden zunächst Kriterien aufgestellt; die folgende Liste gibt Musikschaffenden dazu einige Anregungen:
Welche Vor- und Nachteile ergeben sich • aus unserer Besetzung? • aus dem Repertoire? • aus der Programmgestaltung? • aus unseren bisherigen Projekten und Erfahrungen? • aus unseren Ideen und unseren Vorlieben? • aus unserem Zeitaufwand für das Üben, Proben, die Organisation und Sonstiges? • aus der Art und Weise, wie wir organisiert sind? Was wurde wie, wann, von wem gemacht? Kooperationen? Kontakte? • aus der Motivation der Ensemblemitglieder? • aus den Zeitressourcen der Ensemblemitglieder? • aus den finanzielle Ressourcen des Ensembles? • aus dem Grad der Professionalisierung? • aus unseren Aufnahmen? • aus der Art und Weise, wie wir uns präsentieren (Mappe, Anschreiben, Telefongespräch, Internet etc.)? Welche Folgen haben/hat • die Anzahl der Konzerte, die wir geben? • die herrschenden Auftrittsbedingungen (Raumgröße, Bühne, Licht, Inszenierung etc.)? • die Zusammensetzung unseres Publikums? Was für ein Publikum kommt? Wie viele Personen? An welchen Orten wird gespielt? • unsere Gagenhöhe?
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• •
unser Bekanntheitsgrad? unser Image?
Die Liste sollte allerdings unbedingt den eigenen Bedürfnissen folgend erweitert werden. Für das Pippilotti Ensemble hat die Stärken-Schwächen-Untersuchung die folgenden Ergebnisse gebracht: Kriterien
Stärke
Schwäche
Besetzung
Drei Solisten (Flöte, Cello, Gitarre) und ein Sprecher
Die Besetzung scheint interessant, aber vielleicht muss sie noch erweitert werden. Zudem existiert bei den derzeitigen Mitgliedern noch keine konzertpädagogische Erfahrung.
Idee
Märchen der Gebrüder Grimm in der JanoschFassung musikalischszenisch umzusetzen
Noch keine ausgearbeitete Textfassung, keine Dramaturgieerfahrung. Eine Art Bühnenbild wird benötigt (Kosten, Transport, Raum-, Bühnengröße).
Präsentation der Vorstellung
Kindergerecht, spannend
Gefahr des ›Kindischen‹, u.U. zu trivial oder anbiedernd
Technik Netzwerke zu Veranstaltern Bekanntheitsgrad/Image …
Ähnlich wie in unserem Beispiel sollten alle relevanten Parameter ausgesucht und bearbeitet werden, um sich über die eigenen Stärken und Schwächen ein
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detailliertes und klares Bild zu verschaffen. Meist ergeben sich aus gestellten Fragen wieder neue Fragen, sodass am Ende ein recht realistisches Bild des Ist-Zustandes entsteht. Man merkt, das Verfahren des Marketing-Managements beruht auf einem sehr systematischen Vorgehen, genau darin liegt seine Stärke. Sowohl die Analysephase als auch alle anderen folgenden Schritte sollten unbedingt schriftlich durchgeführt werden. Dies beansprucht zwar eine gewisse Zeit, aber bei einem nur oberflächlichen Vorgehen wird Elementares durch Wunschvorstellungen oder ›Betriebsblindheit‹ oft ausgeblendet. Man kann eigene Schwächen übersehen, da sie einem unangenehm sind. Dies ist zwar nachvollziehbar; die Konsequenz wird einem allerdings bei einem nur mäßigen oder gar gescheiterten Projekt vor Augen geführt. Auch die detaillierten Überlegungen zu den Zielgruppen mögen einem überflüssig vorkommen. Spielt man aber vor leeren Sitzen, wird man das nächste Mal genauer auf eine zielgruppenadäquate Kommunikation achten. Und zu guter Letzt: Wer für sein Projekt auf der Suche nach Drittmitteln ist, überzeugt weitaus mehr, wenn er detailliert sein Projekt, die angesprochenen Zielgruppen, die Chancen und Risiken vorstellen kann, als wenn er ›nur‹ seine Idee präsentiert. Es kann auch hilfreich sein, zu Papier und Stift zu greifen und einmal den gesamten Marketing-Managementprozess für das Pippilotti Ensemble durchzuspielen. Oft fällt es leichter, diese Überlegungen für einen fremden Fall und als Übung anzustellen, da man freier assoziieren kann als im eigenen Projekt. Hier fehlt oft die Distanz, man verliert sich in Detailfragen oder ist von der eigenen Sichtweise zu sehr gefangen. Mit dem distanzierten Blick aus der Übung kann man anschließend den eigenen Fall bearbeiten – und zu bisher ›ungesehenen‹ Lösungsansätzen gelangen.
Z IELPR Ä ZI SIERU N G ( S T R AT EG I SC HE E B EN E ) In dieser Phase werden die Ergebnisse der vorausgegangenen Analysephase genutzt. Nachdem im Mission Statement die grosse Linie skizziert wurde, sollen nach der Analysephase nun die Teilziele (Ober- und Unterziele) festgelegt werden. Die Analysephase hat verdeutlicht, welche Stärken und Schwächen vorhanden sind, welche Nachfragesituation zu erwarten ist, welche personellen, finanziellen und sachlichen Mittel beschafft werden müssen etc. Sie hat auch darüber Klarheit verschafft, ob das vormals angestrebte Ziel überhaupt zu realisieren ist oder ob es modifiziert werden muss. Durch die Überlegungen der Analysephase können nun konkrete Teilziele vom Mission Statement abgeleitet werden.
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Das Mission Statement des Pippilotti Ensemble lautete: »Das Pippilotti Ensemble will im deutschsprachigen Raum szenische Kinderkonzerte geben, die musikalisch und pädagogisch höchstes Niveau haben. Unsere hotzenplotzigen Musikgeschichten sollen bei den kleinen Zuhörern die Freude und das Interesse an klassischer Musik wecken.« Die daraus abgeleiteten Oberziele des Ensembles werden nach der Analysephase wie folgt beschrieben: • Wir wollen in den nächsten vier Jahren jährlich ein neues szenisches Kindermusiktheater auf die Beine stellen. • Wir wollen mit jedem Stück circa 60 Aufführungen haben. • Wir wollen jedes Stück auf CD produzieren. • Wir suchen mindestens einen Hauptsponsor für die gesamte Reihe und mehrere Projektsponsoren. • Wir wollen unsere administrativen Tätigkeiten stark professionalisieren. • In drei Jahren soll der Name Pippilotti für das Ensemble von szenischen Kinderkonzerten stehen. • In zwölf Monaten soll die erste Tournee starten. Unterziele für die erste Musikgeschichte sind: • 12 Monate vor der ersten Aufführung: Schreiben eines Librettos • 10 Monate vor der ersten Aufführung: Arrangieren und Komponieren der Musik • 6 Monate vor der ersten Aufführung: Dramaturgische Einstudierung, pädagogische Aufbereitung, Sponsorensuche • 4 Monate vor der ersten Aufführung: Herstellung des Bühnenbildes, der Requisiten, Einspielung einer Demo-DVD, Erstellen der Bewerbungsmaterialien, Kontaktieren von Veranstaltern, Presse- und Medienarbeit Bei der Zielpräzisierung hilft u.U. folgender Fragenkatalog: • Was soll genau angestrebt werden? (Angaben über den Inhalt, ein bestimmtes Image, ein definierter wirtschaftlicher Erfolg, ein bestimmter Marktanteil u.a.) • Bis zu welchem Grad soll/muss die Zielvorstellung erreicht werden? (Z.B.: Es soll eine Einnahmesteigerung erreicht werden und zwar um mindestens zehn Prozent). • In welchem Zeitraum sollen die Marketingziele realisiert werden? (Einen zeitlichen Bezug herstellen, um später Meilensteine setzen zu können, siehe Kapitel £2.5 Management für Musikschaffende)
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•
Welche Aufgaben ergeben sich aus den Zielen und wie sind sie voneinander abgrenzbar? (Arbeitspakete schnüren, siehe Kapitel £2.5 Management für Musikschaffende)
Im Kultursektor ist die präzise Formulierung von Zielen nicht einfach. In anderen Bereichen werden sie meist in Zahlen gefasst und dadurch evaluier- und überprüfbar. Eines der Hauptziele von Musikschaffenden, die künstlerische Qualität, ist schwer messbar. Neben der benötigten künstlerischen Qualität sollte man nicht vergessen, dass Besucher einen »Zusatznutzen« durch den gesellschaftlichen Rahmen eines Konzertbesuchs erhalten (prunkvoller Rahmen bei einem Opernbesuch, gemeinsames Ausgehen, Abwechslung suchen, Leute treffen, den Tagesstress vergessen u.v.m.). Das ist für viele Besucher ebenso wichtig wie die Musik selbst. Neben dem unterdessen vertrauten Hilfsmittel (Fragenkatalog) können auch die sogenannten »Indikatoren« helfen, Ziele zu ermitteln und zu bestimmen. Ein Indikator ist eine Größe, von der man annimmt, dass sie die Erreichbarkeit des Ziels wesentlich beeinflusst. Für Musikschaffende ist ihr Image ein bestimmender Indikator. Image ist ein oft gebrauchter Begriff; er ist im Musikmarkt so selbstverständlich, dass man eigentlich nicht darüber nachdenkt. Das Image kann sich aus Renommee, Bekanntheit, Ansehen, Beliebtheit, künstlerischem Rang, spezifischen Merkmalen, Habitus u.a. zusammensetzten und ist zunächst eine ideelle Größe. Es hat aber großen Einfluss auf die Absatzchancen und Auswirkungen auf die Ressourcengewinnung, wie z.B. die Unterstützungsfreudigkeit der Subventionsgeber und Sponsoren. Das Image ist ein Mittel, um das Spezifische des Angebots zu kommunizieren und sich von der Konkurrenz abzuheben. Das Image wird durch das Produkt, die Produktgestaltung und das Kommunikationsverhalten bestimmt. D.h. auf das Image kann direkt Einfluss genommen werden. Neben der schwer messbaren künstlerischen Qualität sind oftmals auch Mythen, Legenden und Geschichten an der (z.T. bewussten) Schaffung eines bestimmten Images beteiligt. Man denke an Dirigenten, die aus lauter Zorn ihren Taktstock zerbrechen, an Rockbands, die ihre Hotelzimmer zertrümmern, oder aber an die Weigerung eines Künstlers, Aufnahmen zu machen bzw. vor einem Publikum zu spielen. Die Popindustrie versucht nahezu ausschließlich über das Kreieren und Verbreiten eines Images, für einen Künstler Aufmerksamkeit zu wecken. Der Künstler oder die Band steht weniger für eine bestimmte Musik denn für ein bestimmtes Image, mit dem sich die jugendlichen Hörer identifizieren sollen (Boygroups, Girlgroups etc.). Aber auch Stars der klassischen Musik stellen sich selbst in einem ganz bestimmten Licht dar und transportieren so ihr Image. Bei der Analyse des Images derzeit
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erfolgreicher Violinisten wird dies augenscheinlich, z.B. bei Daniel Hope mit dem Slogan »the British violinist« und David Garret, für den der Slogan »rock symphony« steht. Auch die Bildsprache und die Aufmachung der Websites folgen klar dieser Imagebildung. Das Image ist das Bild, das man vor Augen hat, der Eindruck, den man beim Hören oder Lesen eines einem schon bekannten Namens bekommt. Auch wenn man als Musikschaffender bewusst kein Image pflegen will, werden die Rezipienten sich trotzdem ein Bild machen, das dann das Image prägt. Denn es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren; auch eine verweigerte Selbstdarstellung ergibt ein Image. Die Art und Weise, wie ein Pianist die Bühne betritt, wie er sich an den Flügel setzt, wie er sich verbeugt, wie eine Sängerin lächelt, wie sie sich auf der Bühne bewegt, was sie trägt, wie ein Programm gestaltet ist, wo das Konzert stattfindet, was ein Dirigent im Interview sagt und wie er es sagt, was das Künstlerfoto aussagt etc. All dies ist Kommunikation und schafft ein Image. Für den Aufbau eines bestimmten Images für ein Produkt hat sich in der Marketingliteratur in den letzten Jahren auch der Begriff des »Brand Management« (deutsch: Markenmanagement) durchgesetzt. Die Marke macht deutlich, dass das Produkt einzigartig, d.h. nicht vergleichbar oder austauschbar ist. Sie ermöglicht durch ihr Identifikationspotenzial eine emotionale Bindung an das Produkt und gibt so ein zumeist soziales Nutzenversprechen vor. Marken vermindern zudem Unsicherheit beim Kauf, da die Marke für etwas steht, das man kennt (Höhne 2009: 155). Insbesondere Universal Classics hat in den letzten Jahren im Musikmarkt mit seinen Labels sehr erfolgreich Markenmanagement betrieben, dies lässt sich beim Aufbau seiner Künstler gut ablesen. Falls man sich dafür entscheidet, sein Image aktiv zu beeinflussen, sollte das, wofür das Image steht, sich mit der angebotenen Kunst decken. Das Spiel mit dem Image sollte differenziert und bedacht gespielt werden, sonst wirkt es schnell aufgesetzt oder gar affektiert. Dann ist es eher peinlich als dienlich. Auch die Weckung von Aufmerksamkeit durch das Schaffen und Verbreiten eines Images kann in die Liste der zu erreichenden Ziele aufgenommen werden. Um zu ›funktionieren‹ muss ein Image folgende Kriterien erfüllen: Einfachheit und Unterscheidbarkeit – das Image muss prägnant sein und eine komplexe Botschaft komprimieren. Lesbarkeit – das Image muss von den anvisierten Zielgruppen verstanden werden und es muss emotional belegt sein, d.h. sein ästhetischer Code muss zielgruppenaffin sein (vgl. Lüddemann 2007: 68).
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Die untenstehenden Tipps helfen bei der Erfassung und Umsetzung der Ziele: • Die Ziele sollten so gesetzt sein, dass sie erreichbar sind. Sie dürfen durchaus hochgesteckt sein, aber nicht unrealistisch (dann frustrieren sie nur). • Die Ziele sollten so einfach und knapp als möglich formuliert werden. • Die Ziele müssen schriftlich formuliert werden. • Die Teilziele, die auf dem Weg zur Zielerreichung notwendig sind, müssen beschrieben werden. • Für die Teilziele sollten Arbeitspakete zusammengestellt werden. • Die Arbeitspakete müssen innerhalb eines aufgestellten Zeitrahmens erledigt werden können (siehe Kapitel £2.5 Management für Musikschaffende).
S T R AT EG I EPL A N U N G ( S T R AT EG I SC HE E B EN E ) Wer uns bis hierhin gefolgt ist, hat bereits einige Analysen, Instrumentarien und Methoden in der Hand, um seine Ziele zu definieren. Bei der Umsetzung dieser Ziele spielt die Strategieplanung eine zentrale Rolle: Mit ihrer Hilfe werden das Ensemble und sein Angebot auf dem Markt positioniert (Klein 2001: 259). Bevor Strategien aber überhaupt gewählt werden, müssen einige Vorentscheidungen getroffen werden. Dabei hilft das sogenannte STP-Marketing, das sich mit den Zielgruppen beschäftigt, denn für unterschiedliche Zielgruppen sind schließlich auch unterschiedliche Strategien notwendig. Den Namen »STP« erhält dieses Hilfsmittel über die Abkürzung seiner drei Hauptschritte: Segmenting – Targeting – Positioning. 1. Segmenting (S) bedeutet, dass der relevante Markt (Kulturmarkt, Musikmarkt etc.) nach Zielgruppen unterteilt wird, und zwar in größere, identifizierbare Gruppen (z.B. Konzertbesucher zwischen 30 und 40 Jahren, musikbegeisterte Jugendliche, Personen einer bestimmten Region, Besucher alternativer Konzertorte, Konzertabonnenten, Eltern mit Kindern u.a.) (vgl. Klein 2001: 260f.). Diese Gruppen nennt man »Marktsegmente«. Sie können auch über demografische Daten (Alter, Geschlecht, Einkommen, Wohnort) oder psychologische Kriterien (Motive, Einstellungen, Interessen oder Werte) gebildet werden. Die Auswahl der Kriterien ist vom geplanten Projekt/Produkt abhängig. Segmentierung läuft immer zwischen zwei Extremen ab. Den einen Pol bildet die sogenannte »Nullsegmentierung«,
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die alle potenziellen Besucher zu einer ›Riesengruppe‹ zusammen fasst. Den anderen Pol besetzt die »Atomisierung«, die jeden einzelnen Besucher als eigene Gruppe versteht. Atomisierung versucht also, eine ganz kleine Gruppe möglichst detailliert zu (er-)fassen, um individuell auf sie eingehen zu können. Wie differenziert und wie viele Marktsegmente man konstruiert, hängt vom jeweiligen Fall ab. Dabei lässt sich zunächst fragen: Was sind interessante Kriterien zur Bildung von Marktsegmenten (für das Pippilotti Ensemble)? Also welche Kriterien sind für uns interessant, um unseren Markt zu beschreiben? Welche unterscheidbaren Teilsegmente können identifiziert werden? 2. Targeting (T) bedeutet die Auswahl einer Zielgruppe nach ihrer Attraktivität. Alle oben gebildeten Segmente gleichzeitig bearbeiten zu wollen, ist nicht empfehlenswert. Deshalb ist eine Auswahl von einer oder mehreren Zielgruppen notwendig, die vorrangig angesprochen werden soll. Über die Attraktivität der einzelnen Segmente kann man sich mithilfe der folgenden Fragen Klarheit verschaffen: Was/Wer soll mit den künstlerischen Anstrengungen erreicht werden? An wen richten wir unsere Botschaft? Und welches Potenzial hat man selbst dafür zur Verfügung? Priorität haben also die Segmente, die am ehesten als Zielgruppe in Frage kommen. Das sind diejenigen, bei denen (wahrscheinlicher als bei anderen) Aufmerksamkeit erweckt wird, die eher z.B. zu einem Konzertbesuch zu animieren sind und somit eher in einen Austauschprozess treten. 3. Positioning (P) bedeutet die Anpassung des Produktdesigns an die ausgewählten Marktsegmente. Diese Anpassung kennzeichnet für die Nachfrager die Stellung (Position) der Produkte auf dem Markt, insbesondere gegenüber den Konkurrenzprodukten (ebd.: 268). Während der Positionierung wird also geklärt, welche Produkteigenschaften hervorgehoben werden, welcher Angebotspreis der richtige ist, welche Kommunikationsmittel eingesetzt werden müssen etc. Nach diesen strategischen Vorüberlegungen kommen wir nun zu den Hauptkoordinaten, welche die strategische Ebene ausmachen. Strategieentscheidungen (strategische Ebene)
Bisher wurde grob geklärt, wem wir welche Produkte anbieten wollen. Mit den Marketingstrategien legen wir nun fest, wie wir die einzelnen Produkte anbieten wollen. Es geht also um die Positionierung der Produkte im Musikmarkt. Um die Überraschung klein, die Vorfreude aber groß zu halten, folgt zunächst ein Überblick über alle behandelten Strategien:
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
• • • • • •
die Marktparzellierungsstrategie, die Marktfeldstrategien, die Marktarealstrategien, die Wettbewerbsstrategien, Marktbeeinflussung, Ressourcenstrategie.
Marktparzellierungsstrategie Die Marktparzellierung knüpft an die Vorarbeiten der Marktsegmentierung an. Für die verschiedenen Produkte wird der Markt nun in noch differenziertere Segmente eingeteilt (vgl. ebd.: 271f.). Als Übersichtshilfe dient die sogenannte »Produkt-Markt-Matrix«, ein Plan, der die Kombinationsmöglichkeiten von Marktsegmenten (Markt 1, 2 oder 3) und geplanten Produkten aufzeigt. Hier bspw. drei Produkte oder Produktvariationen und drei Märkte:
Markt 1
Markt 2
Markt 3
Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3 Man kann sich also bspw. auf eine Spalte (vertikal) konzentrieren (bspw. Markt 1). In diesem Fall wählt man die Strategie der Marktspezialisierung und fokussiert sich auf einen Markt. Dies kann ein spezielles Publikumssegment oder eine homogene Gruppe von Veranstaltern sein. Man kann versuchen, sich mit einem oder mehreren Produkten auf diesem Markt zu positionieren. Das wäre z.B. bei unserem Pippilotti Ensemble der Fall, wenn es seine Produktionen nur Veranstaltern von Kinder- und Jugendkonzerten anbieten würde und dabei einen spezifischen Produktaspekt hervorhebt (z.B. Heranführen an klassische Musik). Oder aber man wählt eine Zeile (horizontal) und spezialisiert sich auf ein bestimmtes Produkt (bspw. Produkt 1). Das Produkt könnte z.B. die historische Aufführungspraxis für Hammerflügel in verschiedenen Programmen sein. Verfährt man auf diese Weise, wendet man die Produktspezialisierung an. Das Pippilotti Ensemble kann die gleiche Vorstellung auch verschiedenen Nachfragern anbieten. Sie könnten ihr Produkt den oben genannten Veranstaltern von Kinder- und Jugendkonzerten anbieten, Kooperationen suchen und andere Zielgruppen ansprechen, indem sie mit Veranstaltern von Kinderund Jugendtheatern zusammenarbeiten (wobei sie dann u.U. einen anderen Produktaspekt hervorheben müssten). Sie könnten mit ihrer Vorstellung auch an städtische Kulturreferenten herantreten, selbst Vorstellungen organisieren
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und diese z.B. in Schulen bewerben etc. Jedes Mal haben sie aber eine andere Zielgruppe und müssen deshalb andere Kommunikationsmittel anwenden. Denn die Schulkinder und deren Lehrer muss man anders ansprechen als den Festivalveranstalter. Natürlich muss man sich nicht auf eine Spalte oder Zeile beschränken. Musikschaffende kennen aus ihrem Alltag eher eine bunte Mischung, die selektive Segmentierung genannt wird. In dem Fall werden unterschiedliche Produkte auf unterschiedlichen Märkten angeboten. Nehmen wir eine Musikerin an, die als Solistin und außerdem in verschiedenen Ensembles auftritt. Ist sie bspw. Gitarristin, wird sie für Hochzeits- oder Firmenanlässe (Markt 1) mit einer Sängerin zusammenarbeiten (Produkt 1) und gibt darüber hinaus Rezitale (Produkt 2) für kleinere Veranstalter (Markt 2). Daneben spielt sie in einem Ensemble für Musik des 20. Jahrhunderts (Produkt 3) für verschiedene Kammermusikveranstalter (Markt 3) und tritt mit zwei Flamenco-Gitarristen bei alternativen Kulturveranstaltern auf (Markt 4), um eine musikalische Begegnung von Flamenco und Klassik zu erproben (Produkt 4). Die letzte Möglichkeit ist die Strategie der völligen Marktabdeckung. Dem gesamten Markt wird ein einziges Angebotsprogramm gemacht, man überlässt es dem Nachfrager, das für ihn richtige auszusuchen. Diese Strategie wird im Kulturbereich oft angewendet, sie ist aber die am wenigsten erfolgsversprechende. Wie wir bei den Überlegungen zum Publikum gesehen haben, muss das Angebot zur Zielgruppe ›passen‹, es muss Aufmerksamkeit erzeugen und Anschlussfähigkeit ermöglichen. Je genauer die ›Passung‹ ist, desto eher wird es angenommen. Produkte, die aber scheinbar für alle sind, ›passen‹ meist niemandem wirklich und keiner fühlt sich angesprochen. Mit der Produkt-Markt-Matrix wird also systematisch das jeweilige Repertoire von Musikschaffenden und ihre Marktpositionierung analysiert. Aus den Produkten, die die Musikschaffenden anbieten, ergeben sich die folgenden Fragen: • Bewegt man sich auf einem oder mehreren Märkten? • Bietet man eines oder mehrere Produkte an? Die Überlegungen zur Positionierung mithilfe der Produkt-Markt-Matrix stehen in enger Verbindung mit dem daraus folgenden Kommunikationsverhalten (siehe Kapitel £2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende). Will man dasselbe Produkt in verschiedenen Marktsegmenten anbieten, braucht man verschiedene Kommunikationsarten: Schließlich will man die jeweiligen Zielgruppen, die die Marktsegmente bilden, ansprechen. Bietet man unterschiedliche Produkte an, muss man für jedes einzelne eine strategische Positionierung entwickeln und, da man sich höchstwahrscheinlich auch auf
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verschiedenen Märkten bewegt, individuell angepasstes Kommunikationsverhalten anwenden. D.h. konkret: Das Programm eines Streichquartetts kann ein und dasselbe bleiben, aber die Wahl des Ortes, des Zeitpunkts und die Gestaltung des Konzerts als sozialer Anlass (die Produktgestaltung), die Aufmachung der Werbung und der Öffentlichkeitsarbeit, die Orte der Bewerbung (die Kommunikationsmittel) müssen jeweils den verschiedenen Segmenten angepasst werden, um Aufmerksamkeit zu wecken und Anschlussfähigkeit zu erzeugen. Jenseits der Felder der Produkt-Markt-Matrix existieren die für die Musikschaffenden so wichtigen Nischen, auch »Marktlücken« genannt. Macht man sich daran, diese zu entdecken und zu besetzen, verfolgt man die Nischenstrategie. Dabei kann man als Musikschaffender schneller sein als die großen Kulturbetriebe (beim Entdecken) und andererseits besser geeignet (beim Besetzen). Meist werden hier nämlich Spezialisten gebraucht, bspw. in der zeitgenössischen und in der alten Musik (beide gelten meist immer noch als Nischenangebote), aber auch im Bereich Kinder- und Jugendkonzerte wie bei unserem Pippilotti Ensemble. Marktfeldstrategien Mit der Strategie der Marktparzellierung haben wir uns überlegt, welche die relevanten Marktsegmente für unsere Produkte sind und was dies für unsere Kommunikationsgestaltung bedeutet. Wir können unsere Überlegungen zu Märkten und Produkten weiter ausbauen, um uns unsere Positionierung und das daraus entstehende Marktverhalten noch deutlicher zu machen. Dafür eignen sich die Marktfeldstrategien. Die modellhafte Überlegung dazu ist einfach: Wir können versuchen, uns auf einem schon bestehenden oder einem neuen Markt zu positionieren, und wir können dies mit einem schon bestehenden oder einem neuen Produkt tun.
Bestehende Märkte
Neue Märkte
Bestehende Produkte
Marktdurchdringung
Marktentwicklung
Neue Produkte
Produktentwicklung
Diversifikation
Jede Produkt-Markt-Kombination steht für eine bestimmte Strategie: Marktdurchdringung, Produktentwicklung, Marktentwicklung und Diversifikation. Marktdurchdringungspolitik versucht, mit dem schon bestehenden Produkt schon bestehende Märkte zu versorgen, man spricht dann auch von einer Intensivierungsstrategie. Erfolgreich kann man damit sein, wenn:
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Zusatznutzen geschaffen, also der Nutzen für den Kunden erhöht wird. Zusatznutzen entsteht z.B. bei den typischen Gala- oder Neujahrskonzerten, an denen zwar dasselbe Programm gespielt wird wie in der Abonnementreihe, dafür findet nach dem Konzert aber ein Sektempfang o.Ä. statt. Die Karten für das Galakonzert dürfen übrigens mehr kosten, dies unterstützt das Gefühl des Besuchers, einem besonderen Anlass beizuwohnen. Kunden von der Konkurrenz gewonnen werden. Das ist z.B. der Fall, wenn ein junger Pianist mit gängigem Repertoire die Konzertsäle erobert. ehemalige Nicht-Kunden dazu gewonnen werden. Dies war z.B. der Fall bei Nigel Kennedy, der durch seine Einspielung von Antonio Vivaldis Vier Jahreszeiten einen Platz in den englischen Charts eroberte.
Rücken wir auf dem Modell der Marktfeldstrategien von der Marktdurchdringung aus ein Feld nach unten. Die Strategie der Produktentwicklung versucht, den bisherigen Markt mit neuen Angeboten zu besetzen. Das passiert etwa: • bei echten Produktinnovationen, wenn also ein Produkt entwickelt und auf dem Markt eingeführt wird, das es so bislang noch nicht gegeben hat. Das wäre dann etwa die Gründung eines ganz speziellen Festivals oder Ensembles, die Uraufführung eines Musikwerkes usw. • bei der Differenzierung von Produkten. Dabei werden bereits auf dem Markt befindliche Produkte und Leistungen modifiziert. Die Differenzierungen von Produkten können richtiggehend ›Umbauten‹ sein, bspw. wenn die Form, das ›Design‹, die ›Konstruktion‹ der Produkte verändert oder ihre Qualität verbessert wird (z.B. eine andere Interpretation/Einspielung). Es gibt aber auch Differenzierungen, die das Produkt gar nicht verändern, bspw. wenn bloß die Werbung anders angepackt wird. In diesem Falle handelt es sich um eine psychologische oder emotionale Produktdifferenzierung. Das könnte bei unserem Pippilotti Ensemble der Fall sein, wenn sie bei verschiedenen Angeboten verschiedene Produktaspekte bei ihrer Kommunikation hervorheben. Im Vorgang der Produktentwicklung findet eine Annäherung zwischen Produkt und Markt statt. Dabei gibt es verschiedene Grade der Anpassung, mit unterschiedlichen Folgen für den Inhalt des Produkts. Die augenfälligste Variante ist die totale Anpassung des Produkts an den Markt. In diesem Fall will jemand viel Geld verdienen, denn grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Ausrichtung des Produkts auf den Markt (und die Anpassung an ihn) umso größer ist, je stärker ökonomische Interessen herrschen. Es wird also ein möglichst marktkonformes Produkt geschaffen. Ein Beispiel für eine solche Marktausrichtung sind etwa die Musicals von Andrew Lloyd Webber. Marktausrichtungen sind im Kulturbetrieb aber nicht immer
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erfolgreich, man erinnere sich etwa an die Misere der Stuttgarter Musicals. Ein Großteil der Popindustrie verfolgt ebenfalls diese Strategie. Sie untersteht allerdings auch einem verstärkten ökonomischen Zwang, da sie kaum öffentliche Unterstützung erfährt. Hierin unterscheidet sich die Popindustrie auch weitgehend vom klassischen Markt, bei dem das Kernprodukt, das Werk, im Vordergrund steht, das nur wenig veränderbar ist. Wo befindet sich das Pippilotti Ensemble mit seiner Produktentwicklung? Rücken wir in unserem Schema der Marktfeldstrategien nach rechts oben, erreichen wir das Feld, wo mit bestehenden Produkten neue Märkte erschlossen werden sollen. Dieses Vorhaben wird Marktentwicklung genannt; es gelingt, wenn ein bestehendes Produkt neu und anders verwendet wird oder wenn neue Verwender dafür gewonnen werden können. Das Pippilotti Ensemble entwickelt z.B. einen Markt, wenn es seine Vorstellungen bewusst an ein Publikum richtet, das ansonsten selten oder nie klassische Konzerte besucht und so eine neue Marktschicht erreicht (z.B. Schulkinder, Kinderheime, Kinderkrankenhäuser). Auch Kompilationen wie »Adagios zum Entspannen« sind der Strategie der Marktentwicklung durch scheinbar neue Verwendungszwecke zuzurechnen. Das letzte Feld unseres Schemas (neues Produkt auf neuem Markt) ist die Diversifikation. Um sich eine starke Position auf dem neuen Markt zu sichern, wird ein ganz besonderer Aspekt des Produkts betont, der von den Konsumenten als positiv wahrgenommen wird und darum dem Anbieter eine einzigartige Nische verschafft. Diese Strategie ist mit hohem Risiko verbunden, da man mit zwei ›Unbekannten‹ (unbekannte Märkte und unbekannte Produkte) spielt. Ist man aber mit dem Produkt erfolgreich, so kann man für einige Zeit Marktführer sein. Dies war lange Zeit z.B. bei Hopkinson Smith der Fall, der sich auf Renaissance- und Barockmusik (mit den Originalinstrumenten Laute, Vihuela u.a.) spezialisierte und dies in einer Zeit, in der die Alte Musik-Szene entstand. Nach den ersten drei Strategien wollen wir kurz innehalten. Bis hierhin haben wir Überlegungen zur Segmentierung, zur Marktparzellierungsstrategie und zu Marktfeldstrategien angestellt. Manch ein Leser mag sich nun fragen, was ihm denn diese Strategien konkret zur Erreichung seiner Ziele bringen. Sinn und Zweck dieser strategischen Überlegungen ist es, eine ganze Reihe von Fragen zu untersuchen: • Ist all das, was man als Musikschaffender oder Ensemble anbietet, in verschiedene Produkte gliederbar? • Für welche Zielgruppen (Marktsegmente) sind diese einzelnen Produkte interessant? Wie groß sind diese Marktsegmente und u.U. wie potent?
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Welche Marktsegmente sollen schlussendlich angesprochen werden und mit welchen Kommunikationsmitteln muss dies geschehen? Wie steht es um die Konkurrenzsituation in den jeweiligen Marktsegmenten und welches Wettbewerbsverhalten bietet sich also an?
Um die Position der Produkte im Musikmarkt und das daraus resultierende Verhalten besser zu verstehen, stellen wir noch die Marktarealstrategien und die Wettbewerbsstrategien vor. Marktarealstrategien Sie grenzen den Markt ein und zwar zunächst einmal räumlich. Wo soll also das Produkt angeboten werden? Ist der Markt lokal, regional, überregional, national oder international? Eine ›natürliche‹ Grenze des Raums und Marktes, in dem die Musikschaffenden auftreten wollen, bildet die Entfernung der Gastspielorte vom Stammsitz des Ensembles. Ein Konzert ohne Übernachtung und größere Spesen geben zu können, ist ein wichtiger Vorteil in den Verhandlungen mit dem Veranstalter und beeinflusst die Absatzchancen positiv (Conzelmann 1995: 4). Musik ist international und die Ausrichtung auf den Weltmarkt grundsätzlich möglich. Stellt man sich aber dem internationalen Markt, bedeutet das auch eine größere Konkurrenz. Man sollte als Musikschaffender die Frage nach dem Marktareal also durchaus strategisch für sich entscheiden.
Auch zeitliche Abgrenzungen sind in der Marktarealstrategie denkbar, etwa bei saisonalen Schwankungen der Nachfrage. Muss beim geplanten Produkt eine zeitliche Abgrenzung vorgenommen werden? Gibt es saisonale Schwankungen der Nachfrage? Für das Pippilotti Ensemble wäre es z.B. nicht besonders ratsam, in den Sommerschulferien eine Tournee zu planen. Zur Weihnachtszeit jedoch kann es mit besonders vielen Aufführungen rechnen. Über die Anwendung einer Marktarealstrategie (mit zeitlicher Abgrenzung) könnten die Pippilottis ihr Programm geschickt anbieten: Zur Weihnachtszeit könnten sie kommunale Kulturveranstalter und in den Sommerferien Festivals (oder die Tourismusprogrammplaner der Städte) anfragen, um aufzutreten.
Bei einer qualitativen Abgrenzung gibt man sich im Rahmen der Marktarealstrategie Rechenschaft darüber, welche Eigenheiten das eigene Produkt besitzt, die es von anderen Produkten abgrenzen.
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Die Qualität des Pippilotti Ensemble ist es z.B., kindergerechte Musikgeschichten zu entwickeln und diese dann in einer Kindern verständlichen Art darzubieten. Sie müssen also eine lustvolle Atmosphäre schaffen und ihre jungen Zuhörer neugierig machen, um sie eine Dreiviertelstunde für Musik zu faszinieren.
Wettbewerbsstrategien Bei den Wettbewerbsstrategien geht es um das Verhalten gegenüber den Konkurrenten und den Umgang mit ihnen. Abhängig von der strategischen Positionierung eines Produktes in einem Marktsegment, stößt man auf verschiedene Konkurrenzsituationen.
Um das Puzzle der Marketinginstrumente einmal zusammenzusetzen, dient der folgende Fall: Der oben erwähnte junge Pianist will mit gängigem Repertoire die Konzertsäle erobern. Er spezialisiert sich auf ein Produkt (Klavierliteratur der Klassik und Romantik) und ein Segment (Klavierrezital) (siehe Marktparzellierungsstrategie). Er bewegt sich mit einem bestehenden Produkt auf einem bestehenden Markt und verfolgt somit die Strategie der Marktdurchdringung (siehe Marktfeldstrategien). Der Markt ist schon besetzt und die Konkurrenzsituation ist außerordentlich hoch und international (siehe Marktarealisierung). Seine Umfeldanalyse hat außerdem ergeben, dass der Markt seit einiger Zeit schrumpft, was die Konkurrenz noch erhöht. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, wird unser Pianist ein einzigartiges Merkmal am Produktdesign seines unveränderlichen Produktkerns hervorheben müssen (geringe Marktausrichtung). Falls er also in diesem Marktsegment Erfolg haben will, muss er eine psychologische oder emotionale Produktdifferenzierung glaubhaft an seine Abnehmer kommunizieren, um sich von seinen ebenfalls äußerst begabten Konkurrenten abzuheben. Genau dies versucht nun sein Agent, indem er für ihn ein Image kreiert, das dem Code der Zielgruppe entspricht und zu unserem Künstler passt (»Wunderkind«, »Rebell«, »Träumer«, »Perfektionist« etc.). Der Agent wählt also für den aufzubauenden Künstler ein innovatives, wettbewerbsstellendes Verhalten und fährt gegenüber anderen Konkurrenten eine Konfliktstrategie, um Marktanteile zu erobern. Danach richtet er nun sein Kommunikationsund Marktverhalten aus.
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Ziel der Wettbewerbsstrategien ist, im Vergleich zur Konkurrenz strategische Wettbewerbsvorteile zu schaffen oder bereits bestehende Vorteile zu sichern. Verhält man sich passiv gegenüber der Konkurrenz, werden deren Aktivitäten für die eigenen Entscheidungen nicht berücksichtigt. Aktives Verhalten bezieht hingegen die Konkurrenz in die Überlegungen mit ein. Mit Klein lassen sich über diese Grundunterscheidung vier Wettbewerbsstrategien entwickeln (Klein 2001: 295): Verhaltensdimensionen
innovativ
imitativ
wettbewerbsvermeidend
Ausweichen
Anpassung
wettbewerbsstellend
Konflikt
Kooperation
Pflegt jemand also einen passiven Umgang mit der Konkurrenz (wettbewerbsvermeidend) kann sich das, gepaart mit innovativem Verhalten, in einer ausweichenden Strategie niederschlagen. D.h. es werden ständig neue Produkte entwickelt, um der Konkurrenz auszuweichen. Das kann aber nur mit viel kreativem Potenzial und den entsprechenden Ressourcen bewerkstelligt werden, außerdem ist es mit einem erhöhten Risiko verbunden. Ebenfalls wettbewerbsvermeidend ist die Strategie der Anpassung, sie ist defensiv und setzt auf den Erhalt des Status quo. Wer sich aber aktiv seiner Konkurrenz stellt und sie berücksichtigt (wettbewerbsstellend), wird bei innovativem Verhalten eine Konfliktstrategie fahren und versuchen, neue Marktanteile zu gewinnen (ebd.: 296). Denkbar wäre es z.B., gezielt eine Alternative zu den bisherigen Aufführungsformen des Klassikbetriebs zu entwickeln oder aber bisher noch unbekanntes Repertoire auszugraben, selten gespieltes Repertoire aufzuführen oder Transkriptionen vorzunehmen, um so die Aufmerksamkeit der Hörer des Marktsegments auf sich zu ziehen. Eine weitere wettbewerbsstellende Strategie ist die der Kooperation. Voraussetzung dafür ist, dass man zwar in derselben Branche, nicht aber im selben Publikumssegment wie die Konkurrenz agiert. Ein renommiertes Beispiel hierfür ist die sechsteilige Filmreihe The Cello Suites: Yo-Yo Ma inspired by Bach, in der Bachs Musik mittels wechselnder Kontexte (Gemälde, Tanz, Ballett, Landschaften, Gärten etc.) visuell in Szene gesetzt wird; es ergibt sich dadurch ein »Klassik Video«, das auch Nicht-Klassikhörer begeistert. Man muss sich also im Rahmen der Wettbewerbsstrategie zwischen innovativem oder imitativem Verhalten entscheiden; entweder man ist Konformist oder Pionier. Die innovative Rolle des Pioniers birgt mehr Chancen, aber auch mehr Risiken. Ein motivierendes Pionier-Beispiel ist das Ensemble I Salonisti,
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
das sich auf Salon- und Tangomusik spezialisierte und unerwartet die Filmmusik für Titanic einspielen konnte. Bis dahin weitgehend unbekannt, hat das Ensemble heute Konzertangebote aus aller Welt. Bei der Wahl der Wettbewerbsstrategie sind auf dem engen und hart umkämpften Musikmarkt die aktuellen Informationen der Konkurrenzanalyse von entscheidender Bedeutung. Marktbeeinflussung Im weiten Feld der Marketingstrategien bestehen neben den eben vorgestellten noch einige weitere, z.B. die Strategien der Marktbeeinflussung. Diese bestimmen, mit welchen Mitteln der Markt stimuliert werden soll. Musikschaffende, die sich selbst managen, haben leider nur beschränkte Möglichkeiten: Sie können den Markt über die sogenannte »Preis-Mengen-Strategie« beeinflussen. Mit dieser Strategie konzentrieren sie sich, ähnlich wie ein Discounter, auf den Preiswettbewerb, weil für die angesprochenen Kunden der Preis das wichtigste Entscheidungskriterium ist. Ein Beispiel für die Preis-Mengen-Strategie ist das young.euro.classics. Im Berliner Sommerloch werden für dieses Festival Studentenorchester aus verschieden Ländern eingeladen, die jeweils landesspezifische Programme spielen. Die Orchester spielen meist ohne Gage und übernachten bei Gastfamilien. Dadurch ist der Eintrittspreis gering und macht Kinopreisen Konkurrenz. Ein anderes Beispiel sind Musiker und Orchester aus Osteuropa, die Veranstaltern ganze Tourneen für wenig Geld anbieten. Eine andere Möglichkeit der Marktbeeinflussung, die sich für junge Musikschaffende nur sehr beschränkt eignet, ist die Präferenzstrategie. Sie arbeitet mit Produkten von hoher Qualität. Die damit angesprochenen Kunden stören sich nicht an einem (ebenfalls) hohen Preisniveau, weil sie bereit sind, Einiges für Qualität zu bezahlen. Ausgeprägte Beispiele für die Präferenzstrategie sind das Wiener Neujahrskonzert oder die Salzburger Festspiele. Ressourcenstrategie Vielfältige Strategien stehen nun also Verfügung, um die Umsetzung der in der Analysephase herausgefilterten Ziele anzugehen. Bevor es jedoch an die konkrete Umsetzung geht, muss nochmals inne gehalten werden. Die Entscheidung für eine Strategie hat nämlich Auswirkungen auf die eigenen Ressourcen. So werden sie bspw. vertiefend genutzt (vertiefte Ressourcenzuordnung), d.h. dass eine Spezialisierung stattfindet und die Ressourcen nur in einem engen Bereich genutzt werden. Oder aber sie stehen für eine verschiedenartige Nutzung zur Verfügung (breite Ressourcenzuordnung). Die Salonisti haben sich bspw. für die vertiefte Ressourcenzuordnung entschieden, denn das Arrangieren und Einstudieren dieser besonderen Musik bedeutete eine Spezialisierung für das Ensemble. Fällt also z.B. einmal die Entscheidung, sich
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auf Alte bzw. Neue Musik zu spezialisieren oder auf die Interpretation frühromantischer Kammermusik zu konzentrieren, wird dies die Ressourcen beeinflussen (und damit auch alle nachfolgenden Entscheidungen). Bevor also die Entscheidung zwischen vertiefender oder breiter Ressourcenzuordnung (für oder gegen die Spezialisierung) gefällt wird, sollte man sich fragen, wo man sich in drei, vier Jahren damit voraussichtlich positioniert haben wird, wie das geschehen sein wird und welche Gefahren sich daraus ergeben könnten. Die Wahl der Ressourcenstrategie hängt natürlich ebenso von den eigenen musikalischen Vorlieben und Fähigkeiten ab. Beim Entwurf eines Projektes oder der Gründung eines Ensembles (wie etwa bei unserem Beispiel-Ensemble der Pippilottis) sollten solche Überlegungen zur Strategieplanung unbedingt angestellt werden. Denn jede der strategischen Entscheidungen (ob man sich auf einem neuen oder alten Markt bewegt, ob das Produkt eine hohe inhaltliche oder eher eine hohe Marktausrichtung hat, ob man eher Konformist oder Pionier ist etc.) hat Einfluss auf die Umsetzung (Politikenwahl) und auf die Kommunikation mit dem Zielpublikum.
M A R K E T I N G P O LI T I K EN ( O PER AT I V E E B EN E ) Nachdem die Angebote der Musikschaffenden (Produkte) ausgewählt wurden und das Marktverhalten (Strategie) festgelegt ist (das strategische Marketingkonzept sollte nun stehen), kann es mit verschiedenen Marketingpolitiken an die operative Umsetzung des Marketingkonzepts gehen. Ihren Namen haben die Marketingpolitiken von ihrem operativen Charakter: Musikschaffende nutzen sie im Sinne ihrer Ziele und Strategien, um auf Märkte einzuwirken. Die Marketingpolitik gliedert sich in Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik. Abgestimmt auf die gewählten Ziele und Strategien werden die verschiedenen Politiken angewendet und untereinander wiederum aufeinander abgestimmt. Wir sehen, nicht nur im Musikhandwerk ist ›Stimmung‹ eine wichtige Voraussetzung. Die Gesamtheit der angewendeten Politiken nennt man Marketing-Mix. Produktpolitik Am Anfang der Umsetzung steht die Produktpolitik. Ausgegangen wird bei der Gestaltung des Produkts immer von der subjektiven Kundeneinstellung. D.h., dass in diesem Fall die Einstellungen, Erwartungen, Wünsche des potenziellen Publikums gegenüber dem musikalischen Produkt ausschlaggebend sind und nicht diejenigen der Musiker. Es nützt nämlich nichts, wenn die Konzerte des traditionsreichen Konzertvereins nach ›objektiven‹ Kriterien zwar qualitativ hochwertig sind, das Publikum – und vor allem das potenzielle Pu-
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
blikum – sie aber als ›verstaubt‹ und uninteressant wahrnimmt. In diesem Fall bestünde ein eklatantes Marketingproblem. Grundsätzlich gibt es drei Ansatzpunkte für produktpolitische Maßnahmen: • die Produktelimination (Produkt wird aus dem Sortiment genommen), • die Produktänderung (Produkt wird in einzelnen Eigenschaften geändert), • die Aufnahme neuer Produkte in die Produktreihe. Bevor die jeweilige Variante der Produktpolitik angewandt werden kann, muss zunächst die Produktreihe (das »Sortiment«) analysiert werden. In diese Analyse fließen die (hoffentlich umfangreichen) Ergebnisse der Analysephase im Marketing-Managementprozess ein. Ziel ist, die Struktur des gegenwärtigen Programms herauszuarbeiten und dann im Rahmen der zuvor getroffenen strategischen Entscheidungen einzelne Produkte zu eliminieren bzw. ihre Qualität zu verbessern oder neue Produkte zu planen. Für Musikschaffende können die Varianten der Produktpolitik konkret bedeuten: Erarbeitung neuer Repertoirestücke, neue Programmgestaltung, Bearbeitungen, Neukompositionen und deren Uraufführung, CD-Neuproduktionen u.a. Preispolitik Eine der wichtigsten Bedingungen für den Austausch zwischen Musikschaffenden und ihren (möglichen) Nachfragern (Publikum/Konzertveranstalter) ist die Preispolitik, also die Festlegung der Verkaufspreise für kulturelle Produkte. Preise können kostenorientiert festgesetzt werden, wenn mit dem erzielten Erlös mindestens die entstehenden Kosten zu decken sind. Dieser ökonomisch geprägte Ansatz kann im Musikbetrieb jedoch nicht konsequent verfolgt werden. Preise können sich andererseits auch am Markt orientieren. In dem Fall lautet die zentrale Frage: Was kann bzw. darf das angebotene Produkt den Abnehmer kosten, damit dieser das Produkt kauft? Hier wird das Preisbewusstsein, das Preisverhalten und die Preisbereitschaft der Nachfrager (Veranstalter und Publikum), und darüber hinaus das Preisverhalten der Konkurrenz berücksichtigt; gerade der Blick auf die Konkurrenz bestimmt nämlich im Musikbetrieb häufig die Preispolitik. So kann man bspw. den Preisführer konsequent unterbieten oder sich an einem ungefähren Durchschnittspreis orientieren (vgl. Klein 2001: 359). Das Kommunikationsverhalten beeinflusst zusätzlich stark den Preis, zu dem das Produkt schlussendlich verkauft wird: Gelingt die Produktanpassung an den Abnehmer (Publikum, Veranstalter) durch Image, Auftreten, Zielgruppengenauigkeit, Gestaltung des Produktes, Grad der Professionalisierung u.v.m. auf optimalem Niveau, kann folglich ein weitaus höherer Preis erzielt werden.
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Die Bereitschaft der Abnehmer (Publikum oder Veranstalter), bestimmte Preise zu zahlen (oder eben nicht) wird Preiswürdigkeit genannt. Sie wird subjektiv gehandhabt (»Finde ich das Angebot günstig oder nicht?«) und mündet in der subjektiven Bewertung einer objektiven Zahl. Unser Urteil (»günstig«/»nicht günstig«) argumentiert weniger mit der Qualität des Produkts (oder seiner Seltenheit bzw. langwierigen Herstellung); über Preiswürdigkeit urteilen wir anhand des Preisvergleiches ähnlicher Angebote bzw. anhand der Art und Weise, wie das Produkt kommuniziert wird und ob der Code des Produktes von uns als soziales Symbol anerkannt und geschätzt wird. Gerade im Musikbereich ist es oftmals nicht möglich, das Produkt vorher zu begutachten (z.B. bei Werkaufträgen, aber auch bei Musikern, von deren Aufnahme man zwar begeistert ist, die man aber nie auf der Bühne gesehen hat). So muss sich der Veranstalter auf seine Fachkenntnis und seine Intuition verlassen. Dadurch wird das Kommunikationsverhalten aufseiten der Musikschaffenden zu einem zentralen Punkt bei der Preisbildung. Distributionspolitik Das künstlerische Produkt muss die Kunden bzw. Käufer auf geeigneten Wegen erreichen. Darum kümmert sich die Distributionspolitik. Sie umfasst alle Entscheidungen und Handlungen im Zusammenhang mit dem Weg eines Produktes bzw. einer Dienstleistung vom Produzenten zum Abnehmer. Dieser Weg kann direkt oder indirekt sein. Der direkte ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Produzent und Kunde keine anderen Absatzorgane eingeschaltet sind. Werden bspw. Karten für ein selbst veranstaltetes Konzert eines Kammermusikensembles nur bei diesem bzw. an einer vom Ensemble eingerichteten Abendkasse verkauft, handelt es sich um einen direkten Absatzweg. Wird die örtliche Musikalienhandlung oder die Tourismusinformation der Stadt für den Vorverkauf von Eintrittskarten zwischengeschaltet, handelt es sich um einen indirekten Absatzweg. Kennzeichen ist bei indirektem Absatz, dass zwischen Produzent und Kunde eine bestimmte Anzahl sogenannter Absatzmittler eingeschaltet sind. Die vielfachen Möglichkeiten des Ticketerwerbs haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit des Kunden: beschränkte Öffnungszeiten, lange Wartezeiten etc. wirken eher abschreckend – außer man nutzt die Schlange vor dem Einlass ins Konzert wiederum als Instrument der Inszenierung. Anbieter müssen deshalb sehr sorgfältig überlegen, welche Distributionskanäle genutzt werden und welche neuen Kanäle sich erschließen lassen. Eine Telefonnummer, unter der kompetente Infos angeboten werden und wo zugleich Tickets gekauft bzw. reserviert werden können, ist (als Beispiel für einen alternativen Distributionskanal) immer von Vorteil. Gleiches gilt natürlich auch für den Verkauf
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
von Tickets über einen Online-Shop auf der Website des Ensembles, sofern man als Eigenveranstalter auftritt. Kommunikationspolitik Das letzte Instrument der Umsetzungspolitiken ist die Kommunikationspolitik. Ihre zentrale Frage lautet: Was soll wann wem wie mit welchem Ziel gesagt werden? Kommunikationspolitik soll gewährleisten, dass Informationen und Inhalte an die Zielgruppen übermittelt werden, und dies in einer Form, die haften bleibt und verstanden wird. Im nächsten Kapitel (£2.5 Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation) beschäftigen wir uns damit ausführlich.
R I SI KOA N A LYSE Nachdem nun alle Analyseschritte durchlaufen sowie die Positionierungen und Politik gewählt wurden, sollte diese neue Ausrichtung des Ensembles noch einmal geprüft werden, um möglichen Risiken vorzubeugen. Dazu dient das Risikoportfolio, eine qualitative Prognosetechnik des strategischen Managements. Ziel dabei ist, die gewählte strategische Ausrichtung des Ensembles in die Zukunft zu projizieren und mögliche Szenarien zu entwerfen. Dabei lassen sich quantifizierbare Daten (z.B. Geburtenrate) mit qualitativen Bewertungen und Einschätzungen (z.B. Wertewandel, Moden, soziokulturelle Verhaltensweisen) kombinieren, weshalb sich die Technik für eine strategische Analyse eignet (vgl. Heinrichs 1996: 17). Das Vorgehen dabei ist recht einfach: Man überlegt in der Gruppe mögliche Störfälle, bewertet diese im Hinblick auf die Konsequenz für die gewählte Strategie und trägt sie dann im Risikoportfolio an der geeigneten Stelle ein. Welche Risiken beinhaltet die gewählte Positionierung? Wie müssten sie im Risikoportfolio gewichtet werden? Welche Risiken könnten umgangen werden? Welche Reaktionen wären im Falle eines oder mehrerer Störfälle möglich, um das Ensemble nicht zu gefährden (Plan B)?
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Mögliche Störfälle 1) Austritt eines Ensemblemitgliedes, 2) Entzug der Fördermittel der Stadt durch eine Haushaltssperre, 3) Wegfall eines Veranstaltungsraumes durch längerfristige Sanierungsmaß nahme … Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit und zudem deren Konsequenzen hoch sind, sollten zu Alternativplanung führen, also möglichst umgangen werden. Für Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit niedrig aber deren Konsequenzen hoch sind, sollte ein Plan B erarbeitet werden. Dieser letzte Arbeitsschritt einer Risikoabwägung sollte unbedingt in der Gruppe diskutiert werden, um verschiedene Perspektiven und Zukunftsbilder für das Ensemble zu entwerfen.
Z U G U T ER L E T Z T : M A R K E T I N G A L S P ROZE SS … Die vorgestellten Strategien und Politiken des Marketings werden in unterschiedlicher Ausprägung, jedoch stets kombiniert eingesetzt. Wichtig dabei ist natürlich, dass sie sich in ihrer Kombination nicht widersprechen. Sie müssen aufeinander abgestimmt werden und sinnvoll, in Anlehnung an die gewählte Strategie, auf das zu erreichende Ziel hin ausgerichtet werden. Mit Hilfe der festgelegten Ziele, der Teilziele, den Arbeitspaketen und der zeitlichen Staffelung sollte man regelmäßig überprüfen, ob oder inwieweit die
Martin Tröndle/Petra Schneidewind £2.1 Marketing für Musiker
Teilziele erreicht wurden und ob der Zeitplan eingehalten werden kann (siehe auch Kapitel £2.5 Management für Musikschaffende). Treten Probleme in manchen Arbeitsgebieten auf, kann frühzeitig darauf reagiert werden, ohne das ganze Projekt zu gefährden. Vielleicht muss das Leitbild oder die Zielsetzung modifiziert werden, vielleicht hat sich die Konkurrenzsituation verändert und die Analysephase muss nochmals durchschritten werden. Der Marketing-Managementprozess sollte deshalb nicht als ›abgehakt‹ betrachtet werden, er ist ein Prozess, d.h. er sollte unser Pippilotti Ensemble die gesamte Projektphase lang begleiten und immer wieder an die sich verändernden Gegebenheiten angepasst werden.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Conzelmann, Peter (1995): »Marketing für kleinere Orchester, D1.4«, in: Bendixen, Peter et. al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Ders. (2002): »Marketing im Musikbetrieb. Das Leitbild – Mittel und Weg der Kommunikation für Kulturorganisationen«, in: Klein, Armin (Hg.), Innovatives Kulturmarketing, Baden-Baden: Nomos, S. 209-218. Heinrichs, Werner (1996): »Strategisches Kulturmanagement. Frühzeitig Potentiale für den Erfolg von morgen schaffen, C 1.2«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Heinrichs, Werner/Klein, Armin (2001): Kulturmanagement von A–Z. 600 Begriffe für Studium und Beruf, 2. Aufl., München: Beck. Höhne, Steffen (2009): Kunst- und Kulturmanagement: Eine Einführung, Stuttgart: UTB. Klein, Armin (1995): »Marketinginstrumente. Planung und Einsatz, D 5.2«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Klein, Armin (2001): Kulturmarketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe. München: Beck. Lüddemann, Stefan (2007): Mit Kunst kommunizieren. Theorien, Strategien, Fallbeispiele, Wiesbaden: VS Verlag. Müller-Hagedorn, Lothar (1996): Einführung in das Marketing, 2. überarb. Aufl., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
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2.2 D A S K OMMUNIK ATIONSKONZEPT
Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Martin Tröndle/Petra Schneidewind
Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt wurde, bedeutet aktives Musikmanagement, Einfluss auf die Lenkung der Aufmerksamkeit zu nehmen. Die Instrumente der Kommunikationspolitik dafür sind Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Und genau darum soll es in diesem Kapitel gehen. Die Kommunikationspolitik legt fest, was wann wem wie mit welchem Ziel gesagt werden soll (Klein 2001: 421). Klein vermeidet in einer anderen Definition elegant die vielen Ws und hält fest, dass sie Ziel- und Maßnahmeentscheidungen zur Informationsgestaltung der Musikschaffenden trifft (ebd.). Für Musikschaffende stellt sich in der Kommunikationspolitik also konkret die Frage: Wie bewerben wir uns und unsere Programme? Drei mögliche Antworten stellt die Kommunikationspolitik zur Auswahl: • mit klassischer Werbung (früher auch Reklame); • über Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations sowie Presse- und Medienarbeit); • mit verkaufsfördernden Maßnahmen (Gewinnspiele, Werbegeschenke etc.)1. Der Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) wird hier ein separates Kapitel gewidmet, denn sie soll nicht nur Informationen verbreiten, sondern darüber hinaus Vertrauen schaffen. Die Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende zur Gestaltung der Beziehung Musikschaffende – Hörer kann darum gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit ist zwar zeitaufwendig, im Vergleich zur Werbung aber kostengünstiger. Und das ist für Einsteiger im Musikbetrieb ein wichtiger Punkt. Im Folgenden werden wir uns zunächst den Definitionen und damit einem allgemeinen Begriffsverständnis nähern, dann den Aufbau eines Kommunikationskonzeptes kennenlernen und im Anschluss die praktischen Tätigkeiten, die sich daraus für die Musikschaffenden ableiten, vorstellen.
W A S I S T Ö F F EN T LI C H K EI T S A R B EI T ? W A S I S T W E R B U N G ? Nach einer Arbeitsdefinition von Jürgens ist Öffentlichkeitsarbeit »[…] systematische Beziehungsarbeit einer Organisation [bzw. eines einzelnen Musikers, A.d.V.] mit ausgewählten Zielgruppen (Teilöffentlichkeiten)«. Als Mittel nennt er »Informations- und Kommunikationsangebote« und als Ziele »Bekanntheit, Vertrauen und Unterstützung« (Jürgens 2002: 26). Heinrichs und Klein verstehen Öffentlichkeitsarbeit als die Kommunikationsmaßnahmen
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gegenüber der Öffentlichkeit, die das Verständnis für die eigenen Ziele bzw. Anliegen fördern, ein eigenständiges Erscheinungsbild schaffen und eine Vertrauensbasis gegenüber der Öffentlichkeit aufbauen. »Im Kern geht es darum, dass kulturelle Einrichtungen auf Dauer ihr unverwechselbares Profil erhalten und sich behaupten können« (Heinrichs/Klein 2001: 303f.). Dieses Ziel können auch Ensembles und Solisten verfolgen. Öffentlichkeitsarbeit ist nicht identisch mit Werbung und sie lässt sich auch nicht auf Presse- und Medienarbeit reduzieren. Im Vergleich zur Werbung ist sie langfristig und dauerhaft orientiert. Sie konzentriert sich nicht auf eine einzelne Veranstaltung, sondern hat das Ziel, eine insgesamt positive Grundeinstellung gegenüber der Organisation, einem einzelnen Künstler oder einer Künstlergruppe aufzubauen. Öffentlichkeitsarbeit heißt: »Andere sollen gut über einen reden« (vgl. Klein 2001: 436). Werbung wiederum ist die versuchte Meinungsbeeinflussung durch besondere Kommunikationsmittel (z.B. Anzeigen, Plakate, Internetwerbung u.ä.), die das Ziel hat, beim Adressaten Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern. Im Zentrum der Werbung steht das einzelne Produkt (bzw. das einzelne Angebot) und nicht die gesamte Institution (bzw. das Gesamtangebot eines Musikers oder Ensembles). Werbung ist per se absatzorientiert, wird gegen Bezahlung in Auftrag gegeben und ist eher kurzfristig angelegt. Presse- und Medienarbeit ist nur ein Teilbereich von Öffentlichkeitsarbeit und konzentriert sich auf die Zielgruppe der Journalisten (in den Printmedien, beim Hörfunk und Fernsehen sowie bei Nachrichtenagenturen). Eine Abgrenzung von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zeigt die folgende Tabelle:
Erscheinungsformen
Werbung
Öffentlichkeitsarbeit
Bezahlte Anzeigen und Werbespots in Massenmedien
Unbezahlte Beiträge im redaktionellen Teil der Massenmedien
Werbebriefe, Ankündigungsplakate, Flyer, Gespräche über mögliche Engagements mit Veranstaltern
Infobriefe, Imageplakate, Veranstaltungen, wie z.B. öffentliche Proben
Martin Tröndle/Petra Schneidewind
£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Hauptfunktionen
Produkt auf Markt bringen (Absatz)
Organisation positiv darstellen (Image)
Kunden gewinnen
Besucher und Veranstalter informieren
Bedarf stimulieren (kurzfristig)
Vertrauen erwerben (langfristig)
Tabelle 1: Idealtypische Unterscheidungsmerkmale von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (nach Jürgens 2002: 4)
Die Kommunikation eines Künstlers (eines Ensembles) nach außen wird auf längere Sicht nur erfolgreich sein, wenn sie in sich stimmig ist und einen ›roten Faden‹ erkennen lässt. Das betrifft die sprachliche Formulierung von Aussagen und Botschaften ebenso wie das visuelle Erscheinungsbild. Ein Ensemble muss klar identifizierbar sein, einen unverwechselbaren Stil haben und die inhaltliche Arbeit muss mit der formalen Darstellung übereinstimmen. In diesem Zusammenhang wird auch von »Corporate Communication« gesprochen; dieser Oberbegriff umfasst sämtliche formelle und informelle Verhaltensweisen wie etwa »Corporate Identity« (das Selbstverständnis) und »Corporate Design« (das optische Erscheinungsbild) (Oehrens 1993: 2). Beim Erscheinungsbild sollte es sich also nicht um aufgesetztes ›Styling‹ oder monotone Einheitlichkeit handeln (vgl. ebd.). Wie in Kapitel £1.2 Szenen und Milieus ausführlich dargestellt, muss der ästhetische Code der zum Produkt passenden Zielgruppe getroffen werden, um die Aufmerksamkeit zu erwecken. Um in diesem Sinne erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, sind die folgenden Fragen vorab zu klären: •
• •
Welches sind die Zielgruppen der Musikschaffenden? Jede der Gruppen steht für ganz bestimmte Ziele, so stehen bspw.: – verschiedene Veranstalter, Publikumssegmente oder bestimmte Agenturen für das Absatzziel; – Freunde, Förderer und Geldgeber für das Finanzierungs- und Legitimationsziel; – Medienvertreter für das Absatz- und Legitimationsziel; – Meinungsführer (»Opinion Leaders«)2 für das Absatz-, Legitimationsund Finanzierungsziel. Mit welchen Mitteln sind die Zielgruppen zu erreichen? Oder: Welche Formen der Öffentlichkeitsarbeit sind für uns wichtig? Welche eigenen Medien müssen wir entwickeln und verbreiten (z.B. Künst-
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• •
lermappe, Projekt-, Programmbeschreibungen, Internetauftritt, Videos, Plakate, Tonträger, Demo-CDs, EPKs, DVDs u.a.)? Wie erreichen wir andere Medien (Pressemeldung, Pressemappe u.a.)? Sind Sonderaktionen, bspw. spezielle Veranstaltungen für eine bestimmte Zielgruppe möglich (z.B. Hauskonzert für die Freunde und Förderer)?
Mit diesen Überlegungen geht es an die Planung und Durchführung. Notwendige Voraussetzung für Öffentlichkeitsarbeit als Beziehungsarbeit sind wieder Ziele (z.B. inhaltlich-künstlerische, aber auch das erwünschte Publikum). Öffentlichkeitsarbeit kann also nicht isoliert betrachtet bzw. bearbeitet werden, denn sie muss sich selbstverständlich an den Marketingzielen, die im Rahmen des Marketing-Managementprozesses aufgestellt wurden, orientieren. Das folgende 5-Phasen-Konzept stellt die Grundstruktur dar und bietet eine Handlungsanleitung für die zielorientierte und planmäßige Öffentlichkeitsarbeit.
D A S K O M M U N I K AT I O N SKO NZEP T IN 5 P H A SEN Um Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) systematisch zu betreiben, empfiehlt Jürgens (1992: 4) die folgenden aufeinander aufbauenden Phasen, die in Analogie zum Managementprozess (siehe Kapitel £ 2.5 Management) stehen: 1. Bestandsaufnahme (Ist-Zustand) 2. Zielbestimmung (Soll-Zustand) 3. Kampagnenplanung 4. Durchführung 5. Auswertung (Kontrolle) Die Inhalte und Aufgabenschwerpunkte der einzelnen Phasen werden im Folgenden vorgestellt. Phase 1: Bestandsaufnahme (Ist-Zustand) Wie schon beim Marketing ist der erste Schritt eine kritische Betrachtung der Ausgangslage (Stärken-Schwächen-Analyse). Die Bestandsaufnahme konzentriert sich auf zwei Themen. Zum einen auf die Einschätzung des Selbst- und Fremdbildes (Image), zum anderen auf den erreichten Bekanntheitsgrad.
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Selbstbild
Fremdbild
Wie sehen wir uns selbst?
Wie werden wir gesehen?
Wie arbeiten wir?
Wie lässt sich das Image beschreiben?
Wo liegen unsere Stärken in der ÖA?
Wie ist die öffentliche Reputation?
Wo liegen unsere Schwächen in der ÖA?
Wie ist die Wahrnehmung von außen?
Wo gibt es Probleme?
Was behindert unseren guten Ruf?
Erste Informationen zum Fremdbild kann man durch eine Medienauswertung von Konzert- oder CD-Kritiken bekommen. Auch z.B. Newsgroups im Internet oder die Online-Fachpresse können zur Informationsbeschaffung dienen. Eine einfache Lösung für die Zwecke der Musikschaffenden ist die mündliche Direktbefragung. Neben dem Publikum könnten auch Medienvertreter, die eine Veranstaltung besucht haben, Kollegen (sofern sie ehrlich antworten), Veranstalter, Experten (z.B. ehemalige Professoren) oder Persönlichkeiten des Musiklebens befragt werden. Informationen über das Fremdbild erhält man auch durch einen Fragebogen, der ans Publikum verteilt wird. Gestaltet man ihn so, dass die zutreffenden Antworten am Rande eingerissen werden können, brauchen die Besucher noch nicht einmal Schreibzeug zum Ausfüllen. So gelangt man sehr leicht an Primärdaten von hohem Wert (vgl. Jürgens 1992: 7).3 Wichtig ist, dass ganz gezielt vorbereitete Fragen gestellt werden, denn um auf die brennenden Fragen auch die richtigen Antworten zu erhalten, muss der Fragebogen auf das jeweilige Ensemble zugeschnitten sein. Bei der Ausarbeitung sollte immer das im Mittelpunkt stehen, was in Erfahrung gebracht werden soll. Es hat keinen Sinn, gängige Fragen zu stellen, wenn man durch deren Auswertung keinen Wissensgewinn erhält! Der folgende Fragebogen dient darum als Anschauungsmaterial und sollte nicht einfach für das eigene Ensemble übernommen werden.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Alter Alter Alter Alter Alter Alter Alter @ 18 19 – 28 29 – 38 39 – 48 49 – 58 59-68 A 69 Weiblich Liebes Publikum, Männlich Ihre Meinung ist uns sehr wichtig. Wohnhaft in Bitte helfen Sie uns durch die Beantwortung dieser Fragen. der Region Herzlichen Dank für Ihre Hilfe. Wohnhaft Falls kein Stift vorhanden, reißen Sie bitte einfach den Rand außerhalb ein! der Region einmal oder seltener ein- bis zweimal zwei- bis viermal
bisher noch nie
Wie oft gehen Sie pro Monat ins Konzert?
Wie oft haben Sie unsere Konzerte bereits besucht?
viermal und öfter
öfter als viermal
Plakate
Spannende Programmierung Abwechslungsreiche Programmierung
Veranstaltungskalender
Wie beurteilen Sie unsere Programmgestaltung?
Gewöhnliche Programmierung Interessante Interpretation Mittelmäßige Interpretation
ein- bis dreimal
Tagespresse Auf welchem Weg haben Sie von dem Konzert erfahren? Flyer
Wie beurteilen Sie unsere Interpretationen?
Bekannte
Internet
Eine weitere Möglichkeit ist, einen Workshop zum Fremdbild zu veranstalten. Solch ein Workshop dauert meist nicht länger als zwei Stunden. Dazu sollten in einem ersten Schritt circa zwölf Personen eingeladen werden. Die Gruppe sollte aus befreundeten Kollegen bestehen aber auch Personen, die man bis-
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende her noch nicht oder nur beiläufig kannte, sowie Personen, die keine Musiker sind aber zur potenziellen Zielgruppe gehören. In einem zweiten Schritt stellt sich der Musiker oder das Ensemble vor, anschließend sieht man sich ein bis drei Konzertausschnitte an. In einem dritten Schritt notiert jeder der Gruppe schriftlich und anonym die positiven Dinge, die einem zu dem Musiker/dem Ensemble einfallen, und ebenso die Kritikpunkte. Die Teilnehmer werden ausdrücklich aufgefordert, ehrlich zu antworten. Die Notizen der Teilnehmer werden alsdann in einem vierten Schritt von einem Moderator eingesammelt und ausgewertet. Diese Sammlung von Adjektiven, Stichwörtern oder einzelnen Sätzen ergibt den Grundbaustein für die weitere Entwicklung des Profils. Solch ein Begriffssammlung kann z.B. lauten: »extrovertiert, Imageproblem des Instruments, grenzüberschreitend, energetisch, sexy, Repertoireproblematik, …«. Als Nächstes, in Schritt fünf, gilt es dann zu fragen, welche positiven Begriffe charakteristisch für den Musiker/das Ensemble sind und welche Begriffe positiv umgedeutet werden können. Hieran schließt sich Schritt sechs an, die Sloganentwicklung. Meist genügt eine kurze Improvisation der Gruppe, um aus diesen Stichwörtern eine Reihe von Slogans zu finden. Der Slogan selbst sollte maximal fünf Wörter lang sein und die Einmaligkeit und das Charakteristikum auf den Punkt bringen, z.B. »Daniel Hope – the British violinist«. Oder: »Spark – die klassische Band«. Im Idealfall ergibt sich aus dem Slogan und dem Bild eine Schnittmenge aus der Künstlerpersönlichkeit und dem künstlerischen Produkt (dem Künstler/Ensemble und dem Konzertereignis, für das er/es steht) sowie dem ästhetischen Code des Zielpublikums. In Schritt sieben wird dann ein längerer Text formuliert, der die gesammelten Begriffe wieder aufgreift und mit der Biografie verbindet. Der Slogan tritt zumeist in Kombination mit einem Bild (oder Logo) auf. Hier können nun Assoziationen entlang folgender Fragen gesammelt werden: Welche Farben sieht man für die Person? In welchem Umfeld sollte der Künstler positioniert sein? Ist es der Schlosssaal, die nächtliche Großstadt, auf einer Waldlichtung, am Meer etc.? Was trägt der Künstler auf den Bildern? Ist der Stil eher konservativ, elegant, natürlich, erotisch, kreativ, eher exzentrisch oder introvertiert? Was sollten diese Bilder ausstrahlen? Welcher Eindruck wird vermittelt? Auch die Typografie und die Farbpalette, die in den schriftlichen Medien verwendet werden, richten sich danach aus.
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Zur Verdeutlichung solch eines Prozesses dient das Ensemble Spark, das Echo-Preisträger 2011 ist:
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Phase 2: Zielbestimmung (Soll-Zustand) In dieser Phase geht es um die Definition von Kommunikationszielen. Sollten an dieser Stelle weder Mission Statement noch Leitbild vorhanden sein, sollte diese Lücke jetzt geschlossen werden. Sind Mission Statement oder Leitbild vorhanden, dann lassen sich daraus spezifische Kommunikationsziele und Kommunikationsbotschaften ableiten. Diese müssen den im Kapitel £2.1 Marketing für Musiker genannten Anforderungen zur Zielbildung genügen. Speziell für Kommunikationsziele ist eine positive Formulierung zu empfehlen.
Erinnern wir uns nochmals an das Pippilotti Ensemble. Nachdem sich die Musiker gefunden und ein Programm ausgearbeitet haben, stellt sich nun die Frage nach den Kommunikationsmöglichkeiten. Das Ensemble setzt sich bspw. folgende Ziele: 1. Bis in drei Monaten geeignete Materialien zur Präsentation des Projekts bei Veranstaltern erstellen. 2. Während der gleichen Zeit alle Adressen und Spielpläne der Kinder- und Jugendtheater in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz sammeln und die geeigneten Veranstalter auswählen. 3. Einige Veranstalter testweise kontaktieren und deren Meinung zum Angebotenen und der Darstellungsweise in Erfahrung bringen. U.U. müssen daraufhin die Materialien nochmals überarbeitet werden. Dies sollte maximal einen Monat dauern. 4. Alle ausgewählten Veranstalter anschreiben und anschließend telefonisch nachhaken, um mit der konkreten Tourneeplanung zu beginnen. Auf folgende Fragen sollten Antworten gesucht werden: • In welchem Zeitraum wollen wir bei welchen Zielgruppen bekannter sein als bisher? • Was ist das Besondere unseres Angebotes (das Unverwechselbare, ganz Spezifische, das im Mittelpunkt aller Publikationen stehen soll)? • Welche Botschaften sind uns wichtig und in welcher Form sollen sie sich bei unseren Beziehungsgruppen einprägen? Öffentlichkeitsarbeit möchte Botschaften an ein Publikum bringen. Dabei sollte der emotionale, ästhetische oder intellektuelle Wert dessen, was das Produkt ausmacht, in Worte gefasst werden. Der Leser soll gleichsam beim Lesen einen sinnlichen Eindruck von dem bekommen, was ihn beim Konsum des kulturellen Produktes erwartet. Die Charakteristik sollte sich im Design (Logo, Signet, Schriftzug, Farbgebung) der Veröffentlichungen (Flyer, Künstlermappe, Plakate etc.) widerspie-
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geln. Die Pippilottis haben sich für einen immer wiederkehrenden Schriftzug entschieden: Pippilotti – bewegte Geschichten gehaltene Bilder gefährliches Schnattern lachende Töne. Musikgeschichten für Große und Kleine Der sinnliche Eindruck, den die Zielgruppen wahrnehmen, darf nicht im Widerspruch zur angebotenen Kunst stehen. Bestehen Widersprüche, wirkt das Kommunikationsverhalten unglaubwürdig und nicht überzeugend. Beispielsweise sollte ein Ensemble für Alte Musik, das mit historischen Instrumenten, in historischen Kostümen und an historischen Orten auftritt, keine Hochglanz-Künstlermappe erstellen, die an die Präsentation eines LuxusAutomobils erinnert. Hier läge ein deutlicher Widerspruch vor. Das Kommunikationsverhalten darf nicht aufgesetzt wirken. Besteht eine zu große Lücke zwischen der eigenen Darstellung und dem Produkt, zerfällt das aufgebaute Bild spätestens beim ersten öffentlichen Auftritt. Veranstalter und Publikum sind verwirrt, ihr Vertrauen in den Künstler (das Ensemble) ist gestört (siehe auch Kapitel £2.1 Marketing für Musiker). Phase 3: Kampagnenplanung In dieser Phase sollen die Wege und Formen der Öffentlichkeitsarbeit konzipiert werden, die der Arbeit und den Ideen der jeweiligen Musikschaffenden entsprechen. Im Folgenden ein Überblick (von »A-Z«), der Anregungen geben könnte für die vielen möglichen Formen von Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Der Einsatz der folgenden Punkte muss je nach Projekt, Zielgruppe und finanziellem Aufwand abgewogen werden.
Anlass
Eröffnungen, Neubesetzungen, Jubiläen, Prominentenbesuche, Konzerte, Veranstaltungen, CDTaufen
Anzeigenwerbung
Inserate in der Presse, nicht nur zur Programmankündigung, sondern u.U. auch zur Selbstdarstellung und Imagepflege
Direktinformation
Handzettel, Faltblätter, Prospekte zur Verteilung auf öffentlichen Plätzen, bei Veranstaltungen, in Behörden, Schulen und anderen Kultureinrichtungen, in Cafés, Restaurants oder Bars (zu den geeigneten Orten der Bewerbung siehe auch Kapitel £1.2 Szenen und Milieus)
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Dokumentation
Schlussberichte von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Kulturprojekten, insbesondere für Gönner und Geldgeber (siehe auch Kapitel £ 2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung)
Erkennungszeichen
Einheitliches Organisations-Design wie Logo, Signet und Farbgebung für alle Veröffentlichungen, Briefpapier etc. (hier stellt sich die Frage, ob ein Schriftzug ausreicht oder ob ein Logo nötig ist)
EPK
Electronic Press Kit: Kurzfilm zur Präsentation des eigenen Ensembles/Projektes
Fachkooperation
Thematische Zusammenarbeit mit Kindergarten und Kirche, Hochschule und Seniorenverein (z.B. gehen die Musiker mancher Orchester in die Schulen und stellen den Kindern ihre Instrumente vor, worüber dann die Zeitungen berichten); Beiträge in Fachzeitschriften zum Erfahrungsaustausch über lokale und regionale Grenzen hinweg
Internetauftritt
Website mit aktuellen, wechselnden Informationen und dauerhaften Hintergrundinformationen; Links von und zu anderen Websites
Künstlermappe
Umfangreichste Form der Selbstdarstellung
Medienarbeit
Hintergrundgespräche, Pressekonferenzen, Pressemitteilungen, Pressefotos, Pressemappen
Medienauswertung
Archiv für Zeitungsartikel sowie Audio- und Videokassetten; Pressespiegel für Interessenten; regelmäßig gepflegte Adressdatei
PDF
Statt der materiellen Künstlermappe werden auch immer öfter PDFs versendet, in die auch neben Text und Bild auch Musik und Videos integriert werden können.
Plakatwerbung
Nicht nur aus gegebenem Werbeanlass, auch als ›Präsenz- und Imageplakat‹
Politikerkontakte
Hintergrundgespräche und Sonderführungen für ausgesuchte Ratsmitglieder, Kreis- und Landtagsabgeordnete etc.
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Programminformationen
Monats- bzw. Jahresprogramme, grafisch übersichtlich und thematisch erläutert, in jedem Fall informativ auch für Leute, die nicht kommen werden (siehe z.B. die Informationen des Ensemble Modern, Frankfurt: www.ensemble-modern.com/)
Publikumsaktionen
Einführungs- und Begleitveranstaltungen, öffentliche Proben, »Tag der offenen Tür« etc.
Publikumsbefragungen
Neben Datengewinnung zugleich Möglichkeit der Kontaktaufnahme und der direkten Eigendarstellung
Rundbriefe, Serienmails
Regelmäßig je nach Anlass an ausgewählte Kreise von Interessenten, insbesondere bei festem Abonnentenstamm
Sichtwerbung
Plakataufsteller, Schaukästen, Transparente, Flaggen und andere ›Unübersehbarkeiten‹
Sponsorenkontakte
Hintergrundgespräche und Sonderführungen
Veranstaltungsnotizen
Pressematerial zum Veranstaltungskalender des Kultur- oder Fremdenverkehrsamts versenden; Programmhinweise für Stadt- und Regionalmagazine (siehe Abschnitt Presse und Medienarbeit)
Zukunftsvision
Ideen und Pläne für die nächsten Jahre
Tabelle 2 in Anlehnung an Jürgens (1992: 14f.)
Die Fülle der Möglichkeiten mag zunächst verwirrend erscheinen. Klopft man die einzelnen Optionen im Hinblick auf sein eigenes Projekt sorgfältig ab, werden nur einige wenige übrig bleiben, denn die gewählten Mittel müssen Einiges gewährleisten, um auf Dauer sinnvoll zu bleiben: • Sie sollten der eigenen Botschaft entsprechen, • ihr »Code« sollte zur Zielgruppe passen und • sie sollten sich unaufdringlich, aber wahrnehmbar vom Gewöhnlichen abheben. Für Musikschaffende haben sämtliche Formen der Öffentlichkeitsarbeit eine große Bedeutung. Darum sollte man kritisch der Frage nachgehen, ob neben der zumeist verwendeten Künstlermappe noch andere Formen existieren, mit denen man sich angemessen darstellen könnte.
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Wie also sähe ein geeignetes Präsentationsmedium für das Pippilotti Ensemble aus? Die Pippilotti-Mitglieder haben sich gedanklich in die Lage eines kommunalen Kulturveranstalters versetzt. Der arbeitet in einer mittelgroßen Stadt und bekommt jeden Tag mehrere Angebote von verschiedensten Künstlern. Alle 14 Tage schaut er sich die gesammelten Mappen und CDs an, die eingeschickt wurden, aber für ihn sehen alle Angebote recht ähnlich aus. Also entscheidet er sich für das bereits bewährte musikalische Angebot, das er schon kennt. Um die Neugierde des durch das Überangebot ratlos gewordenen Veranstalters zu wecken, greifen die Pippilottis zu einem speziellen Präsentationsmedium. Der Veranstalter öffnet einige Wochen später ein merkwürdig geformtes Päckchen. Statt einer Künstlermappe hält er ein Kästchen in der Hand, das, wenn man es öffnet, Spieldosenmusik von sich gibt. Neugierig geworden holt er nun die anderen Unterlagen des Pippilotti Ensemble aus dem Päckchen und beginnt, sich für ihre Kindergeschichten zu interessieren. Rund 90 Prozent aller Künstlermappen, die ein Veranstalter zugesendet bekommt, sehen ungefähr gleich aus. Die meisten Angebote wollen mit vielen Worten vermitteln, dass das Angebotene schier außergewöhnlich ist. Es wimmelt nur so von jungen Hochbegabungen, einzigartigen Streichquartetten und hochkontextualisierten Künstlern. Leider schaffen es nur wenige, das Spezifische ihrer Kunst auch sinnlich so darzustellen, dass man tatsächlich Lust bekommt, sich damit eingehender zu beschäftigen. Und so landen fast alle Künstlermappen, ohne dass die mitgesendete CD je gehört wurde, nach dem Überfliegen des Anschreibens auf der Ablage bzw. direkt im Papierkorb. Die Entscheidung, ob man sich eingehender mit einer eingesandten Mappe beschäftigt, fällt nach den ersten Sätzen des Anschreibens und nach dem ersten Eindruck, den die Materialien hinterlassen, also nach circa 10-20 Sekunden. Mehr Zeit bleibt einem Veranstalter meist nicht. Phase 4: Durchführung Die in Schritt 3 getroffene Auswahl (welche Zielgruppen, welche Mittel, welche Botschaften) geht über in einen Maßnahmenplan, der nun in der Durchführungsphase realisiert wird. Der Maßnahmenplan beinhaltet die Realisierung der Selbstdarstellung und der Pressearbeit sowie die Schaffung der dazu notwendigen Rahmenbedingungen. Auf jede einzelne dieser Arbeiten wird in diesem Kapitel noch eingegangen.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Phase 5: Auswertung (Kontrolle) Die fünfte und letzte Phase ist die Wirkungskontrolle. Dazu müssen z.B. alle Pressebeiträge, die auf die Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen sind, gesammelt und ausgewertet werden (Pressespiegel). Dies sollte nicht nur nach quantitativen Kriterien gemacht werden (wie viele Berichte sind erschienen?), sondern auch qualitativ (hat sich die öffentliche Meinung im Vergleich zur Ausgangslage verändert?). Man kann nun also das eigene Schaffen evaluieren und das Ergebnis in einem Abschlussbericht unter folgenden Gesichtspunkten zusammenfassen: • Welche (Teil-)Ziele wurden erreicht? • Welche Maßnahmen hatten Erfolg und welche nicht? • Welche Faktoren haben offensichtlich hinderlich gewirkt?
Aus den Antworten auf diese Fragen ergeben sich Folgefragen grundsätzlicher Art: • Muss die Zielsetzung modifiziert werden? (War die alte unrealistisch?) • Müssen neue Maßnahmen überlegt werden (weil die alten wirkungslos waren)? Wenn alle fünf Konzeptionsphasen durchlaufen sind, bedeutet das nicht, dass die Öffentlichkeitsarbeit beendet ist. Die Ergebnisse der Auswertungsphase können für eine neue, noch genauere und dadurch wirkungsvollere Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Wie der Marketing-Managementprozess ist auch die Öffentlichkeitsarbeit ein Instrument zur Zielerreichung, das die Musikschaffenden (in unserem Fall das Pippilotti Ensemble) stets begleitet. Beide Instrumente müssen immer wieder an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden, denn mit der wachsenden Erfahrung der Ensemblemitglieder kann ihr Einsatz kontinuierlich verbessert werden.
A R B E I T SB E R E I C H E I M R A HM EN VO N Ö F F EN T LI C H K EI T S A R B EI T U ND W E R B U N G Bei der Vorstellung des 5-Phasen-Konzeptes für Öffentlichkeitsarbeit haben wir uns bei Phase 4 (der Durchführung) auf wenige Zeilen beschränkt, obwohl sie in der Praxis die ausführlichste und zeitintensivste ist. Deshalb wollen wir nun einige Tipps geben, die die praktischen Probleme und Fragen dieser Phase betreffen. Sie können je nach Bedarf ausgewählt und angewendet werden. Die Realisierung des Konzepts der Öffentlichkeitsarbeit bedeutet zu einem großen Teil das Verfassen von Texten. Dabei gibt es drei Haupttextarten: Anschreiben und Rundbriefe, die Unterlagen zur Selbstpräsentation und Projektvorstellung (auch im Internet) sowie das Material für die Presse- und Medienarbeit. Diese Texte müssen in Hinblick auf ihre jeweilige Funktion und Adressatengruppe hergestellt werden.
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Damit die sorgfältig produzierten Unterlagen und Materialien auch an den richtigen Ort gelangen, muss bei der Umsetzung der Öffentlichkeitsarbeit außerdem die Infrastruktur für die Verteilung aufgebaut werden; das bedeutet den Aufbau und die ständige Aktualisierung einer Adresskartei. Weil eben Vieles von guter Textarbeit abhängt, sollen hier einleitend einige grundsätzliche Empfehlungen stehen, die beim Verfassen von Texten im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigt werden sollten: • Möglichst adressatenbezogen denken und formulieren. • Die sprachliche Nähe (Code) zur Zielgruppe suchen. • Glaubwürdigkeit ausstrahlen (Verzicht auf Superlative und Personenkult). • Identifikationsmöglichkeiten für den Adressaten öffnen. • Eine gesunde Distanz zur eigenen Arbeit einnehmen (Verbissenheit und Selbstüberschätzung sind fehl am Platz). • Täuschungsversuche, Halbwahrheiten und Verschleierungen schaden dem eigenen Image. • Lektorat von Außenstehenden, um die Verständlichkeit zu überprüfen. • Möglichst klar und prägnant formulieren. • Der Text sollte die Einzelinformationen absatzweise zusammenfassen und mit Zwischentiteln gegliedert werden. • Witz, Phantasie, Wärme und Humor an der richtigen Stelle bereichern jeden Text und machen den Verfasser sympathisch. • Bei Bildunterschriften muss darauf geachtet werden, dass auch wirklich erklärt wird, was zu sehen ist. Zwei Beispiele: Was unterscheidet einen Bratscher von einem Hund? Einer von beiden hört irgendwann auf zu kratzen. Was haben ein Bratschensolo und eine Gerichtsverhandlung gemeinsam? Jeder ist froh, wenn’s endlich vorbei ist. Bratscherwitze. Sie sind verwandt mit jenen über Blondinen und Ostfriesen. Entstanden sind sie, weil die Bratsche oder Viola im Orchester und Streichquartett im Hintergrund wirkt und man darum die Kompetenz dieser Instrumentalisten anzweifelte. Völlig zu unrecht, klar. Wie die Witze über die Österreicher und die Ostfriesen sind Bratschersprüche selbst das, was sie zu glossieren vorgeben, – nämlich dumm. Aber lustig.
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Da meine Witze von einem Bratscher stammen, habe ich eine wasserdichte Entschuldigung. Der Musiker ist hochintelligent, sammelt alte Instrumente und Bratscherwitze. Zum Beispiel den: Ein Bratscher und ein Cellist stehen auf einem sinkenden Schiff. Der Cellist: »Hilfe, ich kann nicht schwimmen.« Der Bratscher. »Keine Angst, tu einfach so als ob.« Und zum Schluss noch den: Was ist der Unterschied zwischen einer Bratsche und einer Waschmaschine? Die Waschmaschine vibriert, was herauskommt ist sauber und sie kommt erst am Schluss des Programms ins Schleudern. Auf dem Programm stehen u.a. Werke von Zoltán Kodály und Benjamin Britten. Bei der Waschmaschine? Depp! Beim Konzert im Konservatorium. Tipp: Viola in my life, Werke für Bratsche, … Bratsche und … Klavier, am Sonntag, 10. Juli, um 17.00 Uhr. Peter Steiger (total: 1435 Zeichen mit Leerzeichen) Telefon: 030 – 123456 E-Mail: [email protected] **************************************************************** Reduktion, Transparenz, Ruhe, Genauigkeit Improvisation und Live-Elektronik verbindet Polwechsel. Der Name des österreichischen Ensembles ist Programm: Ganz gleich ob die vier Musiker Kompositionen spielen oder ohne Vorgaben improvisieren. Der Gestus bleibt – Reduktion, Transparenz, Ruhe, Genauigkeit. Feinste Abstufungen und Mixturen von Blas-, Saiten- und Elektronikklängen, ästhetische Maßstabsveränderungen, die auf Ambient-Musik verweisen, aber weit darüber hinaus reichen. Freitag, 5. Mai, 21.00 Uhr, Theatersaal, Witten WDR, Presseinformation, 528 Zeichen mit Leerzeichen Pressekontakt: Tel.: 0221/220 – xxxxx E-Mail: [email protected]
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Texte werden häufig mit Bildmaterial unterstützt, darum auch hier ein paar grundsätzliche Empfehlungen. Bei Vorankündigungen sollte stets versucht werden, ein Bild zu platzieren. Das Bild erhöht die Aufmerksamkeit für die Veranstaltung um ein Vielfaches. Bei der Bildauswahl gelten dieselben Kriterien wie für die anderen Mittel der Öffentlichkeitsarbeit (Einheit mit Botschaft und Code, Abhebung vom Gewöhnlichen). Das Bildmaterial sollte zumindest ein Farb- und ein Schwarz-Weiß-Foto beinhalten. Es kann die auftretende(n) Person(en) oder ein Sujet zeigen. Sinn des Bildes ist es, die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen, der die Bildunterschrift liest und so eventuell Interesse an der Veranstaltung bekommt. Die Ausgabe für einen professionellen Fotografen sollte man sich unbedingt leisten, dabei aber darauf achten, dass für zukünftige Abzüge keine horrenden Kosten entstehen. Das Bild sollte auf der Rückseite mit einem Aufkleber versehen sein, auf dem der Name des/der Abgebildeten steht, der Name des Fotografen und seine Kontaktadresse (Bildrechte) sowie die Adresse, an die das Bild nach Gebrauch zurückgeschickt werden soll. Zusätzlich kann auf die Website verwiesen werden, wo das Bild in Digitalform abgespeichert ist (falls vorhanden). Allgemein gilt: Nicht direkt auf Fotos schreiben, da man die Bilder ansonsten wegen des Durchdrückens nicht mehr scannen kann. Nach diesen grundlegenden Überlegungen zur Textarbeit an sich gehen wir nun durch die verschiedenen Textarten, die Musikschaffende für die Öffentlichkeitsarbeit herstellen. Arbeitsbereich »Selbstpräsentation« (z.B. die Künstlermappe) Beim Aufbau einer Künstlermappe, der von Musikschaffenden am häufigsten verwendeten Präsentationsform, sollte bezüglich inhaltlicher und formaler Fragen die folgende Checkliste durchgearbeitet werden:
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Formal: Form
Größe, Format, Falzung
Farbe
Einfarbig, mehrfarbig, bedruckt oder beklebt
Material
Papierstärke, Papiersorte, Papierqualität
Layout
Schrifttyp, Schriftgröße, Satzart, Aufmachung
Inhaltlich: Wie sind die Inhalte angeordnet?
Nach dem Bausteinprinzip oder in gebundener Form? Welche Inhalte sind statisch, welche müssen austauschbar sein?
Fact Sheet
Relevanteste Fakten auf einer Seite (»Wir über uns«): Wer wir sind, was wir tun, unsere Botschaft.
Aktuelle Projekte, aktuelle Konzerte
Wer? Was? Wann? Wo?
Repertoireliste(n)
Auf Vollständigkeit achten; zwei oder drei Programmvorschläge anbieten.
Pressespiegel
Kopien oder Ausschnitte der aktuellsten und wichtigsten Pressestimmen (fünf bis acht) auf einer Seite mit den Angaben des Mediums und des Datums.
Tonträger
Die Demo- oder Promotion-CD kann die aktuellste sein oder aber eine Zusammenstellung früherer Aufnahmen. Falls schon mehrere CDs eingespielt wurden, ist es möglich, die Covers einzuscannen und zusammen mit den Rezensionen auf einer Seite abzubilden.
DVD
Heute eigentlich unverzichtbar ist eine DVD mit Konzertmitschnitt(en). Veranstalter möchten wissen, wie der Künstler/das Ensemble auf der Bühne wirkt und was sie erwartet, wenn sie ihn/es bucht.
EPK
Circa fünfminütige Videopräsentation mit Hintergrundinformationen.
Lebensläufe, Kurzbiografien
Lebensläufe sollten in ausformulierter, prägnanter, aber leserfreundlichen Darstellung abgefasst sein. Sind die Lebensläufe tabellarisch abgefasst, muss der Veranstalter sie umschreiben. Das ist aufwendig und oft wird dann nicht das wiedergegeben, was der Künstler wollte.
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende Preise, Auszeichnungen, Empfehlungen
Gewonnene Wettbewerbe (auch zweite und dritte Plätze) sind für manche Veranstalter und Agenturen eine Qualitätsgarantie. Da es aber immer mehr Wettbewerbe gibt und sich auch bei den ›großen‹ jährlich die Gewinner ändern, ist das gewonnene Renommee oft nur von kurzer Dauer, da der Betrieb natürlich immer die jüngsten und aktuellsten Stars verlangt. Zudem haben ab einer bestimmten Liga alle Mitkonkurrenten gewonnene Preise vorzuweisen; sie sind damit kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Dennoch sind Empfehlungsschreiben, Preise und Auszeichnungen sind aber immer gute Beilagen.
Fotos
So auswählen, dass sie die Botschaft unterstützen.
Kontaktadresse
Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail, Web-Site. Die Kontaktadresse muss deutlich sichtbar angebracht sein.
Wenn wir an den vom Pippilotti Ensemble angeschriebenen Manager zurückdenken, sollte überprüft werden, wie lange es dauert, der Künstlermappe die wichtigsten Informationen zu entnehmen. Es sollte nicht länger als 30 Sekunden dauern, bis er sich einen ersten Überblick verschafft und geklärt hat, ob die Bewerbung überhaupt interessant ist. Ein inhaltlicher, formaler oder grafischer Aufmacher hilft, das Interesse zu wecken und animiert zum Weiterlesen und Anhören des Tonträgers. Das Anschreiben zur Künstlermappe sollte unbedingt persönlich adressiert werden. Die Informationen müssen an die richtige Person gelangen und diese sollte vor dem Versand ausfindig gemacht werden. Nach der Zusammenstellung der Künstlermappe kann eine Wirkungskontrolle durchgeführt werden. Man kann die Prüfung anhand des folgenden Fragekataloges selbst durchführen oder Dritte mit der Prüfung beauftragen: • Welche Aussage hat meine schriftliche Bewerbung? • Entspricht sie dem Bild, das ich vermitteln will? (A Zielformulierung A Zieldefinition A Zielgruppe[n] A Aufmachung) Je mehr sich der Inhalt und das Kommunikationsverhalten mit der ausgewählten Zielgruppe decken, desto höher liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Engagements.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Arbeitsbereich »Presse- und Medienarbeit« Presse- und Medienarbeit ist Öffentlichkeitsarbeit, die sich an Journalisten richtet. Die Medien informieren die Öffentlichkeit. Sie stellen ein wichtiges Bindeglied zwischen den Musikern und dem Publikum dar. Erfolgreiche Pressearbeit verlangt Kenntnis der Wahrnehmungsweisen und Arbeitsbedingungen von Journalisten. Journalisten sind dem Wettbewerb zwischen verschiedenen Publikationen und der Konkurrenz mit Kollegen innerhalb der Redaktion ausgesetzt. D.h. auch der Journalist, der sich für einen Beitrag interessiert, muss diesen innerhalb der Redaktion erst ›verkaufen‹. Wer die Medien erreichen will, muss sich diesem Denken anpassen und seine Botschaften darauf prüfen. Mitteilungen sollten also so aufbereitet sein, dass die Empfänger sie verstehen und verwerten können. Es gilt, das eigene Interesse mit dem der Journalisten zu verknüpfen (vgl. Scheurer 2001: 49). Für den Umgang mit Journalisten sind folgende Praxistipps von Oehrens (1992: 12) hilfreich: • Presse- und Medienarbeit funktioniert nur langfristig. Die Grundlage ihres Erfolgs sind solide, möglichst persönliche Medienkontakte. • Betreiben Sie Presse- und Medienarbeit kontinuierlich. Personen und Institutionen, von denen Journalisten lange Zeit nichts hören, verschwinden aus dem öffentlichen Bewusstsein. • Nehmen Sie eine gesunde und positive Distanz zu Ihrer Arbeit ein. Betriebsblindheit lässt manches selbstverständlich erscheinen, was anderen kaum bekannt ist. Suchen Sie Begegnungen mit Menschen, die sich angeblich nicht für Kultur interessieren, und erkundigen Sie sich nach ihren Interessen. • Animieren Sie die Journalisten, Ihre Themen aufzugreifen. Suchen Sie nach aktuellen Bezügen, bieten Sie neue und ungewöhnliche Sichtweisen. Denken Sie daran, dass die Medien, denen Sie Ihr Thema anbieten, ein eigenes Profil haben und es – auch mit Ihrer Hilfe – gern stärken und aufwerten. • Veranschaulichen Sie den ideellen und materiellen Nutzen Ihrer Tätigkeit. Verdeutlichen Sie den ›Gebrauchswert‹ von Kultur. Das Motto beim Verfassen von Pressetexten lautet also: den Journalisten bei seiner Arbeit unterstützen, nicht ihn behindern. Dazu gehört auch die Angabe der Anzahl der Anschläge, damit die Länge der Meldung oder des Artikels sofort erkennbar ist. (Scheurer 2001: 59)
Die Pressemeldung ist die kürzeste und unproblematischste Form der Pressearbeit. Sie wird vom Musikschaffenden verfasst und verschickt. Sie eignet sich für die Ankündigung von Veranstaltungen und Anmeldeterminen, für die Herausgabe von Programmen und Broschüren und für die Mitteilung von personellen Veränderungen oder Planungsvorhaben eines Kulturinstituts oder
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£ 2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende einer Künstlergruppe. In Zeitungen und Hörfunkprogrammen erscheint sie als Notiz. Wenn die Pressemeldung vielversprechend erscheint, dient sie oft als Grundlage für einen ausführlichen Bericht. Wie jeder journalistische Text muss auch die kürzeste Meldung auf die wichtigsten W-FragenAntwort geben: Wer? – Was? – Wann? – Wo? – Wie? Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Pressemeldung veröffentlicht wird, kann beeinflusst und gesteigert werden. Gute Chancen ergeben sich, wenn das Thema eine bestimmte öffentliche Bedeutung hat und seine Aktualität hervorgehoben wird, wenn sich die Leser, Zuhörer, Zuschauer damit identifizieren können und das Thema eine gewisse Nähe zum jeweiligen Publikum besitzt. Falls Quellen verwendet werden, sollte man unbedingt darauf achten, dass sie glaubwürdig sind (vgl. Oehrens 1992: 8). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein vollständig ausformulierter Text abgedruckt wird, ist eher gering. Wenn also für Presse und Medien Informationen zur Verfügung gestellt werden, ist es empfehlenswert, Stichworte auf einer Art Datenblatt zusammenzustellen. Auch hier ist wieder zu beachten, dass die W-Fragen mit den zusammengestellten Informationen beantwortet werden können. Folgende Regeln für Presse- und Medieninformationen sollten nach Oehrens (ebd.: 11) neben den grundsätzlichen Empfehlungen zur Textarbeit beachtet werden: • Schreiben Sie stets so, dass der Text von hinten nach vorn gekürzt werden kann. Die Hauptinformation steht am Anfang und bleibt auch nach Kürzungen erhalten. • Fassen Sie Einzelinformationen absatzweise zusammen. Der Redakteur kann nach Wichtigkeit entscheiden und absatzweise kürzen. • Wiederholen Sie die Überschriften wenigstens einmal im Text, eventuell auch mit leichten Abwandlungen. • Schreiben Sie einfach und anschaulich. Vermeiden Sie Fachbegriffe und verschachtelte Sätze. Benutzen Sie viele aussagekräftige Verben, aber so wenig Substantive und Substantivierungen auf »-ung« wie möglich. Ersetzen Sie Adjektive, die meistens entbehrlich sind, durch farbige und lebendige Adverbien. • Benutzen Sie Zitate und nennen Sie Namen. »Names are dates« sagen die Amerikaner. Namen sind Fakten und oftmals wichtiger als Sachverhalte. Personen im Text haben einen Vor- und Nachnamen. »Herr« und »Frau« gibt es in Texten für die Presse nicht. • Fassen Sie sich kurz, vermeiden Sie Wiederholungen und Umschreibungen. Schreiben Sie klar und prägnant, verzichten Sie auf Blähworte und Wich-
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tigtuereien (»so betrachtet«, »genauer gesagt«, »um es zu präzisieren«, »sowohl…als auch« u.v.a.). Verzichten Sie auf Superlative und Personenkult. Hofberichterstattung und Speichelleckereien sind in der Presse nicht gefragt. Sie passen nicht zum Image einer zeitgemäßen Kulturarbeit. Schreiben Sie stattdessen sachlich, themenorientiert und genau. Zuständige oder verantwortliche Personen zu benennen, gehört dazu. Die Bindung von Ereignissen an Menschen erhöht die Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft des Lesers. Finden Sie für Ihr Thema aktuelle Aufhänger. Auch solche, die scheinbar nichts mit Kultur zu tun haben. Sie haben damit den Überraschungseffekt auf Ihrer Seite und erhöhen das Wahrnehmungsspektrum für Kulturthemen. Beschriften Sie das Papier stets nur einseitig. Vergessen Sie nicht, für Rückfragen eine Kontaktperson mit Telefon anzugeben. Schreiben sie nicht mehr als 60 Zeichen pro Zeile und benutzen Sie einen doppelten Zeilenabstand. Dies ermöglicht Journalisten, Korrekturen und Anmerkungen auf Ihrem Pressetext anzubringen. Versuchen Sie, z.B. bei Vorankündigungen, stets ein Bild zu platzieren. Das Bild erhöht die Aufmerksamkeit für Ihre Veranstaltung um ein Vielfaches. Ergänzen Sie die traditionelle »Offline-Pressearbeit« durch »Online-Pressearbeit«, dazu zählen E-Mail, Pressebereiche auf der Website oder digitale Pressemappen. Online-Kommunikation bedeutet hauptsächlich, dass neue Transportwege genutzt werden. Online-Pressearbeit hat den Vorteil, dass sie einfach zu realisieren und kostengünstig ist. Die Journalisten können die digitalisierten Texte, Bilder und Grafiken leicht weiterbearbeiten.
Bei der Online-Pressearbeit sind folgenden Regeln einzuhalten: • Versenden Sie nicht unaufgefordert E-Mails. • Persönlich adressierte E-Mails genießen eine höhere Aufmerksamkeit. • Vermeiden Sie HTML-Mails; nicht jeder kann dieses Format problemlos lesen. Unter www.newsaktuell.de sind die folgenden Empfehlungen für den E-MailVersand zu finden: • Aussagefähige Headline in die Betreffzeile (mit einer Headline wie »Aktuelle Presseinformationen des XY Ensembles« kann kein Journalist etwas anfangen). • Länge der E-Mail überprüfen. Alles kann in 300 Worten beschrieben werden – das ist etwa eine DIN A4-Seite. Weiterführende Infos auf Anfrage versenden. • Harte Umbrüche und Trennungen entfernen. Reines »Copy & Paste« aus
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dem formatierten Word-Dokument heraus reicht nicht. Reiner Fließtext ist unumgänglich. Umlaute umwandeln. Manche der Mail-Programme machen aus ä, ö, ü oder ß ›Zeichensalat‹. Wenn Sie sicher gehen wollen, schreiben Sie ae, oe, ue oder ss. Keine besonderen Schriftarten oder Schriftgrößen verwenden. Denken Sie daran, dass Formatierungen in E-Mails nicht immer übertragen werden. Wenn Sie etwas hervorheben wollen, rahmen Sie Worte ein mit *, + oder //; besser aber ganz darauf verzichten. Adressen ins BCC-Feld einfügen. So kann der Adressat nicht die Adressen der anderen Journalisten lesen. Das ist guter Stil, denn persönliche E-MailAdressen sind kein Allgemeingut. Verzichten Sie auf Dateianhänge. Schicken Sie lieber einen einfachen Link in der Mail mit, der auf Ihre Website verweist: So haben Journalisten bequem Zugriff auf Bilder, Grafiken oder Statistiken, die Sie hinterlegt haben.
Der Arbeitsbereich »Internetauftritt« wird im folgenden Kapitel lichkeitsarbeit und Kommunikation eigens erörtert.
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Electronic Press Kit Ein »Electronic Press Kit« (EPK) ist eine Pressemappe in elektronischer Form. Enthalten sein können Konzertausschnitte, Probenausschnitte, Interviews etc. Der Vorteil dieser Videos ist, dass sie Emotionalität durch das gesprochene Wort, die Unmittelbarkeit der Bilder und der Musik besonders gut auslösen können. Verschiedene Firmen haben sich auf diese Produktion spezialisiert und bieten ihre Dienste ab vierstelligen Beträgen an. Gerade an Film-, Medien- und Kunsthochschulen jedoch finden sich auch immer wieder studentische Projektarbeiten innerhalb derer man gutes Material relativ günstig produzieren lassen kann. EPKs sind im Musikbereich sehr gefragt und nahezu jedes Orchester hat zumindest eines. Sie lassen sich ebenso auf der Frontpage ihrer Website einbetten und dienen so als Kurzportraits des Ensembles oder informieren über aktuelle und kommende Projekte (siehe z.B. www. kammerakademie-potsdam.de/). Weitere (derzeit) interessante EPKs finden sich im Web z.B. für das »bachCage«-Projekt von Cristian Tristano und Downtown Illusions von Spark. Arbeitsbereich »Infrastruktur« Wichtigstes Arbeitsmittel für die Presse- und Medienarbeit ist ein nach Zielgruppen geordneter, laufend aktualisierter – also zu pflegender – Anschriftenverteiler. Als Dateiverarbeitungsprogramm ist Excel oder ein ähnliches dafür ausreichend. Nachschlagewerke wie Kroll, Oeckl, Stamm, Zimpel (siehe
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auch das Literaturverzeichnis und £Service) und die Veranstalterverzeichnisse von www.miz.org erleichtern den Aufbau der Datenbank.
PR-A G ENT U R EN Für wen all dies zu viel Arbeit ist und wer zudem über die nötigen monetären Ressourcen verfügt, der kann auch eine PR-Agentur für sein Anliegen beauftragen. Manche dieser Agenturen haben sich auf die Kommunikationsarbeit für Kultur-Institutionen und Künstler spezialisiert und verfügen dadurch über gute Kontakte zu den im Feld relevanten Medienvertretern. Beispielhaft für das Aufgabengebiet solcher Agenturen soll der Leistungskatalog der PR-Agentur Ophelias zitiert sein:4 • Herausarbeiten von Alleinstellungsmerkmalen • Erstellen von Kommunikations-Strategien und Konzepten mit genauem Zeit- und Kostenplan • Erstellen professioneller Pressemappen • Verfassen und Versand von Pressemitteilungen • Akquise und Realisierung von Interviews, Reportagen, Features und Berichten im Print-, Funk-, TV- und Online-Bereich • Organisation von Pressekonferenzen und Pressereisen • Redaktion von Broschüren, Programmheften, Kundenmagazinen • Beratung des öffentlichen Auftritts • Media relations – Vernetzung mit Verlagen, Rundfunk- und Fernsehanstalten • Mediaplanung – Konzeption und Realisation von Werbemaßnahmen • Projekt-unterstützende Marketing-Maßnahmen Eine Liste einiger PR-Agenturen findet sich im Anhang unter £Service, viele weitere finden sich im Web. Diese Agenturen sind zumeist in den letzten 15 Jahren gegründet worden, konnten sich am Markt etablieren und unterstützen damit ebenso die These der Aufmerksamkeitsakkumulation. Wer sich keine PR-Agentur leisten möchte, sich z.B. jedoch bei der Textarbeit besonders schwer tut, dem sei folgender Tipp gegeben: Man kann durchaus auch freie Journalisten mit dieser Textarbeit für eine Biografie, einen Überblickstext zum Ensemble oder einen bestimmten Programm beauftragen. Dazu sollte man möglichst viele Musikzeitschriften durchsehen (z.B. taktvoll, Ensemble, nmz, Fono Forum etc.) und nach Beiträgen suchen, deren Schreibstil besonders gut zum eigenen Projekt passt, um dann diesen Autor für den möglichen Beitrag anzufragen.
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Z U M S C HL U SS Öffentlichkeitsarbeit ist immer Beziehungsarbeit. Beziehungen müssen kontinuierlich gepflegt werden und ehrlich sein, wollen sie auf stabilen Füßen stehen. Deshalb sollte man mit jedem ›in seiner Sprache‹ sprechen, d.h. für jede Zielgruppe braucht es ein maßgeschneidertes Kommunikationsverhalten. Nur so wird die Beziehungsarbeit langfristig Früchte tragen.
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Das wäre z.B. eine Ticketverlosung für das Konzert eines Streichquartetts in der Lokalzeitung. Eine der möglichen Wettbewerbsfragen könnte etwa lauten: »Wie viele Saiten hat ein Streichquartett insgesamt?« Diese Form der Öffentlichkeitsarbeit ist allerdings für anspruchsvolle Hörer schnell trivial und verleiht dem Ensemble eher einen etwas unbedarften Ruf. Den Einsatz solcher Maßnahmen sollte man sich gut überlegen. 2 Dies können z.B. einflussreiche Medienarbeiter (Kritiker, Kulturredakteure), aber auch – bezogen auf einen Ort oder eine Region – Musikalienhändler, Musiklehrer, Chorleiter und führende Mitglieder kultureller Vereinigungen sein, eben alle, die an der musikalischen Öffentlichkeit einer Gemeinde, Stadt, Region, eines Bundeslandes teilhaben. Diese musikalische Öffentlichkeit bildet ein Geflecht persönlicher Beziehungen, das für den Außenstehenden kaum zu erkennen, aber in jedem Fall von größter Bedeutung ist (Conzelmann 1995: 17). 3 Siehe auch: Butzer-Strothmann, Kristin/Günter, Bernd/Degen, Horst (2001): Leitfaden für Besucherbefragungen durch Theater und Orchester. Hrsg. v. Deutschen Bühnenverein, Baden-Baden: Nomos. 4 Einsehbar unter: www.ophelias-pr.com/5-0-Leistungen.htm [21.07.2011].
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Conzelmann, Peter (1995): »Marketing für kleinere Orchester, D1.4«, in: Bendixen, Peter et. al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Heinrichs, Werner/Klein, Armin (2001): Kulturmanagement von A–Z. 600 Begriffe für Studium und Beruf, 2. Aufl., München: Beck. Jürgens, Ekkehard (1992): »Projekt Öffentlichkeitsarbeit. Mit Öffentlichkeitsarbeit Bürger und Politiker für Kultur gewinnen, D 4.3«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe.
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Jürgens, Ekkehard (2002): Grundlagen der Öffentlichkeitsarbeit, Studienbrief im Master-Aufbaustudiengang Kulturmanagement Ludwigsburg. Klein, Armin (2001): Kulturmarketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe. München: Beck. Oehrens, Eva-Maria (1992): »Information und Kommunikation – damit Kultur unter die Leute kommt. Kurzlehrgang zum kooperativen Umgang mit Medien, D 4.1«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Oehrens, Eva-Maria (1993): »Der Rote Faden muß erkennbar sein. Leitfaden zur Entwicklung einer Konzeption für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, D 1.1«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch KulturManagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Scheurer, Hans (Hg.) (2001): Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Kultureinrichtungen. Ein Praxisführer, Bielefeld: transcript. www.newsaktuell.de
W EIT ERF Ü HRENDE L IT ER AT U R Mandel, Birgit (2011): PR für Kunst und Kultur. Handbuch für Theorie und Praxis. 3. unver. Aufl., Bielefeld: transcript. Scheurer, Hans (Hg.) (2001): Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Kultureinrichtungen. Ein Praxisführer, Bielefeld: transcript. Scheurer, Hans/Spiller, Ralf (Hg.) (2010): Kultur 2.0. Neue Web-Strategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media, Bielefeld: transcript.
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2.3 Ö FFENTLICHKEITSARBEIT UND K OMMUNIK ATION MITHILFE DER N EUEN M EDIEN Andreas Brandis
In den vorangegangenen Artikeln wurden die Themen Marketing sowie Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation ausführlich behandelt. Sie werden in dem folgenden Kapitel auf das Medium Internet übertragen und erhalten eine neue Ausrichtung. Dabei wird sich vor allem das Arbeitsumfeld und sein Instrumentarium verändern; Inhalte und Prozesse, wie sie bisher erläutert wurden, bleiben im Wesentlichen ähnlich. Der inhaltliche Schwerpunkt wird auf der Planung und der Umsetzung von Öffentlichkeitsarbeit im Internet liegen. Augenblicklich gibt es auf dem Buchmarkt noch nicht viel Literatur, die kulturelle Arbeit mithilfe der Neuen Medien behandelt. 1 Als Musikschaffender ist eine Auseinandersetzung mit den Neuen Medien unter zwei Gesichtspunkten hilfreich: Erstens ist mit dem Internet ein neues Kommunikationsmittel mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Zielgruppenansprache entstanden und zweitens eröffnet sich online ein neuer Musikmarkt, der eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, den Musikschaffenden neue Potenziale bietet und somit ein besonderes Verständnis von Marketing erfordert. Ausgangspunkt werden also zunächst die Fragen sein: In welchem Markt bewegen wir uns und welchen Anforderungen müssen wir gerecht werden? Im Anschluss geht es um das Bewerben der Künstlerpersönlichkeit und ihrer Programme.
D ER M U SI K M A R K T U ND SEINE V E R Ä ND E R U N G EN Der Musikmarkt ist ein Teil des Medienmarktes und »umfasst all diejenigen Akteure, die sich mit der Darbietung, Aufnahme, Produktion, Vermarktung, Verwertung und Distribution von Musik beschäftigen« (Wirtz 2009: 496). Betrachtet man diese Akteure und ihr Verhältnis zueinander im historischen Vergleich, stellt man fest, dass der Musikmarkt immer wieder Veränderungen erfahren hat. Grund hierfür waren einschneidende technische Entwicklungen, wie bspw. die Einführung des Rundfunks, die Digitalisierung von Musik oder die Entwicklung des Internet und die damit verbundene Entstehung neuer nichtphysischer Verbreitungsformen (vgl. Gensch et al. 2008: 158; Tschmuck 2002: 729; Wirtz 2009: 500). Das Internet hat sich in rasantem Tempo zu einem der wichtigsten Medien entwickelt2 und beeinflusst dadurch auch die Ausprägung des heutigen
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Musikmarktes maßgeblich. Neben allen Möglichkeiten der Musikrezeption, die traditionelle Medien bieten, eröffnet das Internet eine Vielzahl von neuen Angeboten, die das Selbstbewusstsein der Endverbraucher und ihre Rolle im Markt nachhaltig verändert haben (Vogel/Gleich 2008: 75). Sie konsumieren auf unterschiedliche Arten Musik im oder mithilfe des Internet. Sei dies illegal über P2P-Netzwerke3 oder legal über Downloadshops, Online-Radios und Streamingportale. Im Jahr 2010 luden bereits 52 Prozent der deutschsprachigen Internetnutzer ab 14 Jahren gelegentlich Musikdateien über unterschiedliche Distributionswege herunter.4 Den größten Anteil daran hatten die Jugendlichen, für die das Internet schon heute das wichtigste Medium zur Musiknutzung darstellt.5 Die neuen Distributionskanäle bieten dem Endverbraucher neben dem reinen Konsum zusätzlich die Gelegenheit, dem Anbieter seine Resonanz zu übermitteln. Er kann Rezensionen zu relevanten Themen, Künstlern und Ensembles verfassen und lesen, so wie sich mit anderen Nutzern austauschen. Der digitale Musikmarkt ist somit zu einem ›Mitmachmarkt für Jedermann‹ geworden, der durch die Attribute ›Aktivität‹ und ›Dialog‹ gekennzeichnet ist. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Meinungsäußerung und -bildung der Nutzergemeinschaft erzeugt eine neuartige Markttransparenz. Die Konsumenten haben direkt und indirekt Einfluss auf das Angebot von Musik. Man spricht deswegen auch von einem »Käufermarkt« (vgl. Huber 2008: 182), in dem sich die Anbieterseite an den Bedürfnissen, den Vorstellungen und der Meinung der Käufer orientieren muss. Im Gegensatz dazu stand der traditionelle Verkäufermarkt, der bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der Musikbranche vorherrschte. In diesem Marktgefüge konnten die Anbieter ihre Produkte weitestgehend kommentarlos und ohne Einflussnahme von Außen durch- und absetzen. Die Veränderungen des Marktes wirken sich allerdings nicht nur auf den Endverbraucher, sondern auch auf die Musikschaffenden aus. Durch die vielfältigen Formen der Distribution und Kommunikation im Internet sind erstmalig auch Potenziale für Musikschaffende entstanden, um sich von der Musikindustrie zu emanzipieren: Künstler und Produzenten können heute sehr einfach selbst zum Anbieter musikalischer Inhalte und Informationen werden, durch eigenständige Aktivitäten im Internet Aufmerksamkeit generieren und sich dadurch ein neues Publikum erschließen bzw. bestehende Kontakte pflegen (vgl. ebd.: 184). Diese Chancen nutzen sowohl Newcomer als auch arrivierte Künstler. Für einen Musikschaffenden, der langfristig erfolgreich sein möchte, ist es deshalb unerlässlich, sich als Anbieter mit den wichtigsten Nutzungsformen von Musik im Internet auseinanderzusetzen und die sich wandelnden Bedürfnisse der Endverbraucher (immer wieder) zu berücksichtigen.
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
F O R M EN MUSIK A LISCHER I NH A LT E U ND I NFO R M AT I O NEN Ü B ER M U S I K S C H A F F EN D E Die Vielfältigkeit des digitalen Musikmarktes manifestiert sich vor allem in den neuen Formaten und Distributionsformen, mit denen musikalische Inhalte und Informationen eines Musikschaffenden vermarktet werden können. Sie bilden die Grundlage des neuen Marktes. Die wichtigsten Formate sollen hier genannt werden: Format
Definition und Funktion
Musikfiles
Digitale Musikformate in unterschiedlichen Komprimierungsformen, wie z.B. mp3, wav, mp4
Musikvideos
Digitale Videoformate mit den unterschiedlichsten Inhalten. In der Popularmusik wurde das Musikvideo traditionell zur Visualisierung einer Single verwendet. Heute sind Musikvideos in vielen Genres im Internet zu finden. Sei dies in Form von Dokumentationen, LiveMitschnitten von Konzerten, Begleitung der Probenarbeit uvm. Auch hier werden unterschiedliche Komprimierungsformen verwendet, wie z.B. mpg, mov, mpg4
EPK6
Das Electronic Press Kit ist ein Kurzfilm zur Information über einen Künstler oder ein Ensemble.
Fotos
Künstlerfotos in allen Facetten. Vom professionellen Pressefoto bis hin zum Schnappschuss bei der Probenarbeit
Plattencover
Das Artwork musikalischer Veröffentlichungen in digitaler Form
Textmaterial
Alle relevanten Informationen in Textform
Tabelle 1: Das Portfolio digitaler Inhalte eines Musikschaffenden
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D I S T RIB U T I O N S - U ND N U T Z U N G SFO R M EN I M DIG ITA LEN M USIK M A RK T Format
Definition und Funktion
Kostenpflichtige Downloadservices
Verkauf von Musik via Portale wie iTunes, Musicload, Napster u.a.
Legale Gratisangebote
Dienen zu Marketingzwecken
Abonnements
Gegen feste Grundgebühren erhält der Abonnent Zugriff auf einen Pool von Musik, die er legal nutzen kann.
Streams
»Aus einem Computernetzwerk empfangene und gleichzeitig wiedergegebene Audio- und Videodaten« (Huber 2008: 175). Die Musik ist zu hören, kann allerdings nicht herunter geladen werden. Z.B. auf Portalen wie YouTube, Last.fm, Deezer u.a.
Social Network Sites und Weblogs im Web 2.0
Websites, die sich durch die starke Einbindung ihrer Nutzer bezüglich Inhalt und Gestaltung auszeichnen. Portale wie Myspace, YouTube u.a. zeichnen sich durch ihren meinungsbildenden Charakter für Künstler und Musikprodukte aus.
Filesharing-Netzwerke
Plattformen zum Tausch von Musik auf Peer-to-Peer-Basis. Dieser Vorgang entspricht dem Begriff »Internetpiraterie«.
Informations- und Verkaufswebsites
Produzierende Teilnehmer des Musikmarktes betreiben eigene Websites zum Zwecke der Information, Werbung, Distribution (auch Direktvertrieb) oder Download.
Download-Plattformen von Mobilfunkbetreibern
Diverse Mobilfunkbetreiber bieten Downloadservices von Musik für ihre Endgeräte an.
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Bundles7 im SubscriptionBereich8
Bei Abschluss von Mobilfunkverträgen oder dem Kauf mobiler Endgeräte wird der temporäre Zugang zu Musik vergeben9, 10
Bundles mit beliebigen Produkten
Musik wird mit einem anderen Produkt verkauft (z.B. Konzertkarten, Merchandise, Konsumgüter).
Tabelle 2: Distributionsformen digitaler Musik nach Huber (2008: 170)
O NLINE - O D E R I N T E R N E TM A R K E T IN G Wer sich als Musikschaffender professionell im Internet vermarkten möchte, sollte sich zunächst mit dem Begriff »Online-Marketing« auseinandersetzen. Online- oder Internetmarketing ist eine Teildisziplin des Marketings, das bereits ausgeführt wurde, und lässt sich wie folgt definieren: »Online-Marketing umschreibt alle Maßnahmen und Instrumente, welche die Neuen Medien und Technologien ermöglichen.«11 Der auf dieser und ähnlichen betriebswirtschaftlichen Definitionen aufbauende Katalog an Instrumenten und Möglichkeiten ist umfangreich. Dabei stehen Strategien und Taktiken zum Verkauf eines Produktes im Vordergrund; Öffentlichkeitsarbeit selbst ist nur ein Teil davon. In diesem Kapitel soll jedoch nicht der Verkauf eines Produktes, sondern der Teilbereich der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mittels der Neuen Medien behandelt werden. Ich habe daher eine Auswahl von Inhalten getroffen, die sowohl Grundlage als auch Anregung sein soll. Im Fokus steht dabei immer die effiziente Nutzung der Neuen Medien am PC oder Laptop, wobei zunehmend auch Anwendungen auf kleineren mobilen Endgeräten (Mobiltelefone, Netbooks, iPad etc.) an Relevanz gewinnen, die hier jedoch nur am Rande besprochen werden.
D I E A G ENDA F Ü R EINE EF F IZIENT E A RBEIT I M I NT ERNE T Das Internet ist vergleichbar mit einem Marktplatz, auf dem eine wachsende Anzahl an Informationen und Inhalten zu finden ist. Sich in diesem komplexen Marktgefüge zurecht zu finden und das zu identifizieren, was den eigenen Interessen entspricht, wird für Internetnutzer immer zeitaufwändiger. In Zukunft werden Empfehlungen anderer Nutzer, die sich in einem ähnlichen Interessensumfeld bewegen daher noch wegweisender12 – eine Tatsache, die sich operationalisieren lässt, wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird.
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Das Durchdringen der Angebotsfülle im digitalen Musikmarkt ist eine Herausforderung für Musikschaffende. Um sie zu meistern und positive Resonanz zu erzeugen, muss potenzielles Publikum mit individuellen und den Interessen entsprechenden Internetpräsenzen angesprochen und aktiviert werden. Der Idealfall Der Internetnutzer entdeckt einen Musikschaffenden oder dessen Ensemble im Internet, empfindet die von ihm angebotenen Inhalte als ansprechend und reagiert darauf in Form von z.B. Kommentaren, Rezensionen oder dem Kauf digitaler Produkte. Im Anschluss empfiehlt er das Gesehene/Gehörte seinen Freunden und Bekannten weiter und löst damit weitere Reaktionen aus. Zu guter Letzt verlässt der Internetnutzer den digitalen Raum und kauft ein physisches Produkt oder besucht ein Konzert – ein Publikum entwickelt sich.
Diese Schilderung einer idealen Reaktionskette verdeutlicht, dass Resonanz kein abstrakter Begriff ist, sondern sich auf konkrete Handlungen bezieht, die das Ergebnis eines entsprechenden Angebotes sind. Der Musikschaffende sollte in der Rolle des Anbieters mit der Arbeit im Internet also ein konkretes Ziel verfolgen, wie etwa den Aufbau oder die Pflege eines Publikums, die Steigerung der Verkaufszahlen von Produkten wie CDs oder Konzertkarten und die Erhöhung des generellen Bekanntheitsgrades. Dabei können die Neuen Medien als Mittel zur Information und Präsentation, zur Werbung, zur Vernetzung und zur Kommunikation genutzt werden. Hierbei sind unterschiedliche Formen der Ansprache möglich. Um sich ihrer zielgerichtet zu bedienen ist es notwendig, die Arbeit im Internet in mehreren Schritten vorzubereiten. Eine entsprechende Agenda von der Vorbereitung bis zur Umsetzung wollen wir nun durchlaufen. Um die Ausführungen anschaulicher zu gestalten, kommt ein Fallbeispiel zum Einsatz: Das Ensemble, welches hier seinen Online-Auftritt plant, heißt Antigua. Es handelt sich um eine kammermusikalische Besetzung, die sich der Barockmusik widmen möchte. Die Instrumentierung wird im Beispiel nicht näher beschrieben, da sie letztlich keine übergeordnete Rolle für die Konzeption spielt. Der Name »Antigua« wurde von den Ensemblemitgliedern gewählt, weil er auf Spanisch »alt« bedeutet, und gleichzeitig eine Insel in der Karibik benennt, die eines der Ensemblemitglieder schon mehrfach bereiste. Somit verbindet der Name erste Anhaltspunkte über die musikalische Ausrichtung der Besetzung und eine kleine Geschichte, die man in der Öffentlichkeitsarbeit immer wieder aufgreifen kann.
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
D I E A G ENDA : I. II. III. IV. V. VI.
Mission Identifizierung der Zielgruppe Marktanalyse Instrumente, Inhalte & Ziele Die eigene Internetpräsenz Rechtliche Belange
I. Die Mission Das Selbstverständnis des Musikschaffenden und die eigene Mission bilden die Grundlage für die Entwicklung jeglicher Form von Öffentlichkeitsarbeit. Dies gilt sowohl für den Offlinebereich, wie man dem vorangegangenen Kapitel £2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende entnehmen konnte, als auch für den Online-Bereich.
Das Ensemble aus unserem Beispiel definiert seine Mission selbst so: Antigua steht für Barockmusik, die sowohl werkgetreu als auch modern interpretiert aufgeführt wird. Das Ensemble tritt an ungewöhnlichen Orten auf und verlässt die stereotype Aufführungskultur für dieses Genre. Zudem wird das Programm mit Aufnahmen und Aufführungen moderner Interpretationen angereichert, die es in dieser Form noch nicht gibt. Ziel ist es, dieser Musikepoche einen modernen Anstrich zu verleihen und auch jüngere Menschen dafür zu begeistern.
II. Identifizierung der Zielgruppe Sobald festgelegt wurde, wie die inhaltliche künstlerische Arbeit aussehen soll, kann die relevante Zielgruppe des Ensembles von der beschriebenen Mission abgeleitet und eingegrenzt werden. Dabei sind vor allem soziodemografische Daten (Alter, Geschlecht, Wohngebiet etc.) und Einstellungs- bzw. Verhaltensmerkmale von Bedeutung. Eine nähere Beschreibung von Zielgruppendefinitionen findet sich in den Kapiteln £ 1.2 Szenen und Milieus und £ 2.1 Marketing für Musiker.
Für das Beispiel Antigua könnte das Ergebnis folgendermaßen lauten: Erreicht werden sollen sowohl das aufgeschlossene Stammpublikum für dieses Genre (55+ Jahre)13 als auch ein kulturinteressiertes junges Publikum (16-25 Jahre), das mit dieser Musik noch nicht in Berührung gekommen ist. Hinzu kommt die Zielgruppe potenzieller Geschäftspartner (Konzertveranstalter, Medienvertreter, Musikmanager etc.).
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Die definierten Publikums-Zielgruppen bieten durch ihre unterschiedliche Altersstruktur und verschiedenen Interessen vielfältige Ansatzpunkte für die Öffentlichkeitsarbeit im Internet. Ohne sich fachmännisch mit Marktforschung und Studien zur Internetnutzung in unterschiedlichen Altersgruppen auseinanderzusetzen, kann man aus dem Gefühl heraus für einen Großteil des möglichen Publikums folgende Aussagen zum Nutzungsverhalten im Internet treffen14: • Stammpublikum (50+ Jahre): Eine stark wachsende Gruppe im Bereich der Internetnutzung. Mehrheitlich wird das Internet zu Informationszwecken und zur Kommunikation via E-Mail verwendet. • Junges Publikum (16-25 Jahre): Die Gruppe der digital natives, derjenigen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Fast alle Formen der Mediennutzung finden im Internet statt. Kommunikation, Unterhaltung und Information sind nahezu gleichberechtigt. • Geschäftspublikum: Die Gruppe der im Musikmarkt Berufstätigen ist vor allem an direkten Informationen und musikalischen Inhalten interessiert. Für sie ist von besonderer Bedeutung, wie die beiden anderen Zielgruppen auf die Präsenz eines Musikschaffenden reagieren, da sie auch das potenzielle eigene Publikum darstellen. Die Charakteristika der einzelnen Gruppen haben später einen Einfluss auf die passenden Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit sowie die zu verwendende Sprache. Eine solche Zielgruppendefinition und -analyse kann jeder Musikschaffende für sich und seine musikalischen Aktivitäten vornehmen. Dabei sollte die definierte Zielgruppe auch real existent, die Heterogenität nicht zu groß und das Altersspektrum nicht zu beliebig sein. III. Die Marktanalyse Die Markt- oder Umfeldanalyse ist eine effiziente Methode, um sich einen Überblick über andere Musikschaffende im Internet zu verschaffen. Zu Beginn ist es hilfreich, ein Verzeichnis von Schlüsselbegriffen (»Keywords«15) zu erstellen, die das eigene musikalische Schaffen charakterisieren oder beschreiben. Diese Begriffe beziehen sich semantisch z.B. auf das zugehörige Genre, die Instrumentierung oder das Repertoire. Zudem ist es sinnvoll, die Liste um die Namen von Ensembles, Künstlern oder Institutionen zu erweitern, deren Arbeit man schätzt oder die sich mit ähnlichen musikalischen Inhalten beschäftigen. Um Anregung auf der Suche nach Keywords zu erhalten, empfiehlt sich das Keyword-Tool von Google. Es gibt weitere Synonyme zu einem Schlüsselbegriff aus.16
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Kontextbezogene Schlüsselbegriffe (Keywords) für das Ensemble Antigua: »Antigua«, »Barockmusik«, »Barockmusik + junges Ensemble«, »Barockmusik + Pop«, »innovatives Barockensemble«, »einzigartiges Barockensemble«, Instrumentierung, Namen bekannter Ensembles aus demselben Marktsegment, Namen von Komponisten, Namen geplanter Auftrittsorte
Im Anschluss werden die Begriffe/Namen im Internet recherchiert und analysiert, die definierten Keywords systematisch in einer der großen Internet-Suchmaschinen (Google, Yahoo, bing) getestet und die Ergebnisse anschließend ausgewertet. Dabei sollten unterschiedliche Fragen beantwortet werden, wie etwa: • Ist mein musikalisches Genre im Internet vertreten? • Welche Angebote gibt es insgesamt? • Welche Angebote könnten für meine Arbeit relevant sein? • Gibt es Ensembles mit einer ähnlichen Mission auf dem Markt? • Wie sind sie im Internet vertreten? • Welche Informationen findet man zu ihnen (positiv/negativ)? • Sind sie mit ihrem Internetauftritt erfolgreich (große Resonanz)? • Warum sind sie damit erfolgreich (positive Erkenntnisse)? • Warum sind sie damit nicht erfolgreich (negative Erkenntnisse)? • Wie sieht der Internetauftritt von mir geschätzter Künstler und Institutionen aus? Bei der Analyse nimmt der Musikschaffende selbst die Rolle eines Nutzers ein, der sich über die Anbieterseite informieren möchte. Das ermöglicht, die Dichte eines Qualitätsniveaus auf dem avisierten Markt zu erfassen und festzustellen, in welcher Form man selbst Informationen und Inhalte im Netz konsumieren würde. Von seinem persönlichen Geschmack kann man die Basis für eigene Aktivitäten im Internet ableiten. Um Grafikern und Programmierern bei der Erstellung der eigenen Internetpräsenz eine persönliche Vorstellung näher zu bringen, ist eine Liste mit positiven Beispielen (Websites, Weblogs etc.) hilfreich. IV. Instrumente, Inhalte & Ziele Mission, Zielgruppe und Marktanalyse sind die Basis für den Einsatz geeigneter Instrumente. Bestimmt wird die Wahl der passenden Instrumente durch ihre unterschiedliche Funktionsweise und die Form der Ansprache von Anbieter zu Konsument.
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Format
Definition und Funktion
Website/Homepage
Persönliche Präsenz im Internet; dient der direkten Information
Bookmark-Portale
Portale zum Anlegen persönlicher Adressverzeichnisse im Internet; z.B.: Delicious, Mister Wong
Blog
Online-Tagebuch oder -Journal, das über entsprechende Portale oder kostenlose Infrastruktur leicht angelegt werden kann; z.B.: Blogger, WordPress
Newsletter
Persönliches Informationsschreiben des Anbieters an sein Publikum
Newsletter-Tool
Software und Datenbanken zum Versand und der Auswertung von Newslettern; z.B.: Mad Mimi
Links
Externe Verlinkung/Querverweis auf die eigene Website oder von der eigenen Seite zu anderen
Fotoportale
Große Internetportale zum Einstellen von Fotos; z.B.: Flickr, Picasa
Videoportale
Große Internetportale zum Einstellen von Videos; z.B.: YouTube, MyVideo, Vimeo
Social Network Sites
Websites, die sich durch die starke Vernetzung und Einbindung ihrer Nutzer bezüglich Inhalt und Gestaltung auszeichnen, z.B.: Facebook, Myspace, meinVZ, Xing, Twitter, YouTube
Veranstaltungskalender
Regionale oder überregionale Veranstaltungskalender von Zeitungen, Stadtmagazinen, Veranstaltungsportalen und öffentlichen Einrichtungen
Themenportale
Internetseiten, die über bestimmte Themen oder musikalische Genres informieren
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Verzeichnisse
Internetverzeichnisse gibt es in den unterschiedlichsten Formen. Viele von ihnen sind offen für einen Selbsteintrag oder lassen Anfragen zur Aufnahme beim Betreiber der Seite zu.
Internetradios
Radiosender, die nur im Internet zu empfangen sind; z.B.: ByteFM, QUU.FM
Internetfernsehen
Fernsehsender, die auf Musikfernsehen im Internet spezialisiert sind; z.B.: QTom, tape.tv, Putpat
Tabelle 3: Die wichtigsten Instrumente für Musikschaffende im Internet
Die Form der Ansprache Da das Internet ein interaktives Medium ist, in dem viele Nutzer selbst aktiv sind und sich austauschen, ist das einfache Veröffentlichen von Inhalten (Informations-Push), die von der definierten Zielgruppe entdeckt, konsumiert und verbreitet werden sollen, nicht mehr ausreichend. Die Inhalte müssen vielmehr gezielt in ausgewählten Kanälen kommuniziert werden, um eine möglichst große Resonanz zu erzeugen. Die Rolle des Konsumenten ist dabei ambivalent: Zum einen ist er Suchender und Nachfragender (Informations-Pull), zum anderen aber auch Anbieter, sobald er aktiv am Geschehen im Internet teilnimmt und z.B. Rezensionen oder Kommentare verfasst. Er schafft aus einer Reaktion (Resonanz) neue Inhalte (user generated content) und verbreitet diese. Vor allem für interaktive Portale wie soziale Netzwerke ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung, da hier die Inhalte des Musikschaffenden schnell Dritte erreicht, die nicht bewusst nach ihnen gesucht haben, sondern automatisch über ihr Netzwerk darüber informiert wurden. All diese Aspekte kann sich der Musikschaffende zunutze machen. Direkte Ansprache (one-to-one) Die hochwertigste Form der Kommunikation ist die direkte Ansprache – der persönliche Kontakt mit dem Adressaten. Relevante Instrumente sind Homepage, Newsletter, Blog und soziale Netzwerke. Die genannten Instrumente ermöglichen nicht nur einen regelmäßigen Austausch mit den Nutzern oder deren direkte Ansprache, sondern dienen auch der Befriedigung ihrer Informationswünsche. Hier finden Besucher in konzentrierter Form Aktuelles (Konzerttermine, Ankündigungen, Artikel u.ä.) und haben darüber hinaus die Möglichkeit, Inhalte wie Musik und Videos zu
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nutzen. Basis für diese Form der Ansprache ist ein gewisser Bekanntheitsgrad und ein Grundstock an persönlichen Kontakten. Für Künstler, die noch kaum bekannt sind, dienen die genannten Instrumente als Aushängeschild und dazu, innerhalb ihres Marktes von Internetnutzern entdeckt zu werden (Suchanfragen über Keywords) und diese über das eigene Tun zu informieren (siehe auch Massenansprache). Anregungen zur Gestaltung finden sich auf den kommenden Seiten. Indirekte Ansprache (one-to-one-to-many) Die indirekte Ansprache setzt eine bestehende Beziehung zu Konsumenten voraus. Relevante Instrumente sind die sozialen Netzwerke. Die indirekte Kommunikation will das Netzwerk eines Konsumenten erreichen und ihn selbst als Multiplikator einsetzen. Dies geschieht in sozialen Netzwerken fast automatisch. Sobald ein Nutzer aus dem bereits bestehenden Netzwerk eines Musikschaffenden bspw. dessen Veranstaltungseinladung bestätigt, erfahren alle seine persönlichen Kontakte davon. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Nutzer in seinem Netzwerk wiederum Personen mit einem ähnlichen Geschmack aufweist, ist relativ hoch. Diese »Freunde« reagieren auf eine Information, die ihren Geschmack trifft, mit positiver oder negativer Resonanz. Der Absender der Information nimmt somit innerhalb seines Netzwerks temporär die Rolle eines »Meinungsführers« (opinion leader) ein und verbreitet die entsprechende Information sehr effizient (Multiplikator). Die anderen Netzwerkmitglieder vertrauen der Empfehlung des opinion leaders, da sie ihren Geschmack getroffen hat und werden dies auch zukünftig tun, wenn sich die Qualität der Empfehlung verifizieren lässt (Konzertbesuch, CD-Kauf). Eine andere Ausprägung des beschriebenen Effekts ist die »Mundpropaganda« (Langner 2009: 16ff.). Wenn die Inhalte eines Musikschaffenden besonders interessant oder spektakulär sind, besteht die Möglichkeit, dass sie sich durch ›Mundpropaganda‹ im Netz verbreiten und weiter getragen werden. Ein Schneeball- oder »viraler Effekt«, bei dem Informationen in kürzester Zeit unter Personen weitergegeben werden, entsteht (ebd.). Dies ist nicht nur in sozialen Netzwerken möglich, sondern kann über jedes Angebot von Inhalten im Internet ausgelöst werden. Die Massenansprache (one-to-many) Die Massenansprache setzt keine Beziehung zum Konsumenten voraus und ist daher auch die ungenaueste Form der Ansprache. Relevante Instrumente sind Werbebanner und Medienplattformen.
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Eine Massenansprache, wie sie von klassischen Medien wie Print, TV und Radio bekannt ist, erzielt im Internet meist nur eine geringe Resonanz für Künstler, erfordert jedoch einen hohen finanziellen Aufwand bei der Umsetzung (Erstellung von Werbemitteln, Platzierung der Werbemittel u.a.). Für kostenintensive Werbekampagnen sollte daher immer ein wirtschaftlicher Anlass gegeben sein, wie etwa die Veröffentlichung einer Aufnahme oder die Vorankündigung von Konzerttourneen. Die kostengünstigere Variante der Massenansprache findet auf großen Portalen, die der Musik- oder Videonutzung dienen, statt. Dafür müssen Inhalte in der Masse der Angebote entdeckt und durch Internetnutzer verbreitet werden. Dies ist sehr von ihrer Form abhängig und gelingt meist nur, wenn sie einen Anlass zur Mundpropaganda bieten (siehe Soziale Netzwerke und Medienplattformen). Dies gilt zunächst auch für die Veröffentlichung einer Homepage oder anderer Internetpräsenzen: Sie einfach anzubieten erzeugt noch keine Resonanz. Aufbereitung der Inhalte Das Netz ist vor allem im Musikbereich zu einem Unterhaltungsmedium geworden und lebt von einer ansprechenden, multidimensionalen Aufbereitung der Inhalte in Bild, Film und Musik – und weniger in Form von Textbeiträgen. Das bedeutet, der emotionale, ästhetische oder intellektuelle Wert des Produktes sollte audiovisuell verdeutlicht werden. Die Möglichkeiten zur Erstellung von Inhalten für die Arbeit im Internet sind vielfältig und bieten Spielraum zur Abgrenzung von der Konkurrenz. Dabei dient das Material, welches bereits in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellt wurde, als Ausgangspunkt (Fotos, Künstlermappe, Plakate, Artwork der aktuellen CD etc.). Texte Ergänzend zu den biografischen Texten eines Künstlers oder Ensembles sollten für Internetpräsenzen zielgruppengerechte Varianten erstellt werden. Im Internet ist es kontraproduktiv, mit langen Texten zu arbeiten, da das Nutzerverhalten auf eine schnelle Information ausgelegt ist (Weinreich et al. 2008: 18ff.). Zudem ist die verwendete Sprache in den einzelnen Zielgruppen sehr unterschiedlich. Beispielsweise wird ein jugendliches Netzwerk von einem musikwissenschaftlich gestalteten Text nicht unbedingt angesprochen. Der Intendant eines Festivals hingegen erwartet bei der Suche nach Informationen zu einem Künstler Seriosität und Kompetenz. So muss nicht nur die Textlänge, sondern auch die Sprache an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden.
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Fotos Beim Aufbau der Internetpräsenz kann selbstverständlich auch in diesem Fall das vorhandene Pressematerial genutzt werden. Das spart nicht nur weitere Aufwendungen, sondern führt auch zu einem Wiedererkennungseffekt. Im Gegensatz zu Printprodukten lässt sich im Netz eine nahezu unbegrenzte Anzahl an (qualitativ hochwertigen) Bildern zeigen. Von Konzerten, der Probenarbeit, Konzertreisen u.ä. lassen sich Fotodokumentationen erstellen, die dem Internetnutzer Aktualität und einen vermeintlichen Einblick in die private Seite eines Künstlers oder Ensembles vermitteln. Das steigert die emotionale Bindung und schafft Vertrautheit. Weiterhin kann auch den Internetnutzern selbst die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Bilder des Künstlers oder Ensembles auf eine Internetpräsenz des Künstlers hochzuladen und somit den user generated content zu integrieren. Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Form der Interaktion die Qualität des von Dritten hochgeladenen Bildmaterials regelmäßig überprüft werden muss (siehe auch VI. Recht im Internet). Videos Audiovisuelle Inhalte dienen dazu, sich Internetnutzern zu präsentieren. Die bekanntesten Formen sind dabei das Musikvideo und das EPK (Electronic Press Kit). Die professionelle Erstellung beider Formate ist kostenintensiv und eine gute Idee zur Umsetzung entscheidend für die Vermittlung von Kompetenz. Bei der Wahl eines Regisseurs sollte nicht nur die Referenz eine Rolle spielen: Gerade junge Regisseure und Kameramänner haben ein Interesse daran, eine Reputation und ein Portfolio aufzubauen und arbeiten häufig für ein geringeres Budget. Ausschlaggebend sollte das richtige Drehbuch sein, welches die Zielgruppe des Künstlers oder Ensembles ansprechen muss. Ähnlich wie bei den Fotos lohnt es sich, ergänzend zu einer professionellen Präsentation auch weniger aufwändige Videos während der Probenarbeit, den Reiseaktivitäten u.ä. selbst zu drehen. Einfache Videokameras oder Fotokameras mit Video-Funktion, die eine hochwertige Qualität für die Online-Auswertung bieten, können für überschaubare Kosten angeschafft oder ausgeliehen werden. Musik Besucht ein Internetnutzer die Homepage eines Künstlers, liegt der Musikkonsum häufig im Zentrum seines Interesses. Musik sollte daher leicht zu finden sein und in funktionalen Playern angeboten werden. Es dürfen jedoch nur Musikausschnitte wiedergegeben werden, besonders wenn es sich um aktuelle CD-Aufnahmen handelt (siehe VI. Recht im Internet). Auch diese Kurzversionen sind bereits GEMA-pflichtig. Es empfiehlt sich dennoch, sogenannte »Teaser« in Form von geschnittenen Versionen (z.B. 30 Sekunden Länge) anzubieten. Die Integration direkter
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Links zu den Verkaufsplattformen Amazon, iTunes, Musicload etc. verkürzen dem Internetnutzer den Weg zum Kauf einer CD. Ziele für das Online-Marketing Die Möglichkeiten für Öffentlichkeitsarbeit im Internet sind sehr vielfältig, daher ist es sinnvoll, spezifische Ziele für die eigenen Maßnahmen zu definieren. Dabei werden hier die Inhalte aus dem Kapiteln £ 2.1 Marketing für Musikschaffende und £2.2 Öffentlichkeitsarbeit für Musikschaffende um einige Punkte ergänzt. Unter »Zielen« sollen angestrebte zukünftige Zustände verstanden werden. Für Musikschaffende ist in diesem Kapitel das wichtigste strategische Ziel, eine signifikante Resonanz zu erzeugen. Operative (Teil-)Ziele sind definierte Stufen, die zum Erreichen des strategischen Ziels ›Aufmerksamkeit erzeugen‹ führen. Das können bspw. sein: • X Besuche auf der Homepage innerhalb eines zu definierenden Zeitraums und insgesamt; • Anzahl der dazu gewonnen Fans/Freunde in einem sozialen Netzwerk und insgesamt; • Anzahl von Kommentaren und Rezensionen zu eigenen Beiträgen; • Anzahl von Views einzelner Videobeiträge oder Plays von Musikbeiträgen. Diese Ziele lassen sich mithilfe von Kennzahlen überprüfen. Manche dieser Werte werden in der Musikindustrie wie ›harte Währung‹ verwendet. Insbesondere die Anzahl der Videoaufrufe eines Künstlers z.B. auf Youtube gibt Aufschluss über Bekanntheit, Reichweite und Popularität. Es gibt nicht wenige Erfolgsgeschichten von Musikern oder Ensembles, die einen entscheidenden Karriereschub über solche Portale erzielt haben. V. Die eigene Internetpräsenz 17 Dieses Kapitel widmet sich allen relevanten Instrumenten, die zum Aufbau einer eigenen Internetpräsenz gehören können. Zu welchem Zeitpunkt sie eingesetzt werden, ist von der individuellen Situation eines Musikschaffenden abhängig. Hilfreich ist es, zunächst ein Profil als Aushängeschild zu gestalten – in den meisten Fällen ist das nach wie vor die Homepage. Die Sinnhaftigkeit der Verwendung weiterer Instrumente ergibt sich aus dem fortschreitenden Arbeitsprozess, wie im Verlauf noch deutlich wird. Beim Aufbau der Internetpräsenz sind einige grundsätzliche Aspekte zu beachten, die für alle verwendeten Instrumente gleichermaßen gelten: 1. Es ist wichtig, bei allen Aktivitäten im Netz authentisch zu bleiben. Die Internetgemeinschaft merkt, ob ein Künstler lediglich auf seinen Vorteil bedacht ist oder ob er die Inhalte selbst verfasst.
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2. Inhalte müssen immer aktuell sein, denn Internetauftritte mit veralteten Informationen wirken unseriös. 3. Der Fokus auf einen schlichten und transparenten Internetauftritt wirkt kompetenter als zahlreiche Profile auf verschiedenen Plattformen, deren Inhalte variieren. 4. Inhalte wie Videos, Musik und Fotos sollten immer in bester Qualität hochgeladen werden, denn das Internet bzw. die Suchmaschinen speichern Inhalte langfristig (insbesondere Rezensionen, Kommentare u.ä.). 5. Die Verwendung eines einheitlichen Designs ist entscheidend für den optischen Wiedererkennungseffekt. Deshalb ist eine klare ästhetische Linie bei allen Internetauftritten empfehlenswert. Diese sollte sich im Wesentlichen aus dem allgemeinen bereits bestehenden visuellen Auftritt (Corporate Identity) eines Musikschaffenden ergeben (Grundlage bilden u.a. Fotomaterial, Artwork der aktuellen Platte, Gestaltung der Künstlermappe). 6. Die eigene Website aktiv zu gestalten und auf Nutzerkommentare zu reagieren, ist entscheidend für die Kundenbindung. Dazu gehört, regelmäßig auf Fragen zu antworten, sich öffentlich für Zuschriften und Konzertbesuche zu bedanken u.ä. Negative Kritik muss akzeptiert werden und solange nicht inhaltslos polemisiert wird, ist eine Zensur nicht ratsam. Diese könnte zu mehr Aufmerksamkeit führen als der Beitrag selbst. Abzuraten ist auch davon, mit dem Kritiker zu diskutieren, wenn es sich um Themen wie Geschmack handelt. Solche Diskussionen sind meist endlos und werden intensiver, sobald der Kritiker merkt, dass er ein Forum gefunden hat. 7. Die eigene Aktivität auf den Internetpräsenzen anderer Musikschaffender oder in Online-Medien z.B. durch Kommentare, Diskussionsbeiträge und Rezensionen sorgt für Austausch und weckt das Interesse an der eigenen Person. 8. Nicht alle Instrumente, die das Internet bietet, sind einfach zu bedienen oder erleichtern die Kommunikation mit der eigenen Zielgruppe. Es ist wichtig, selbst einzuschätzen, was wirklich von Interesse für die Zielgruppe ist und wo die persönlichen Stärken liegen. Die Homepage Das Design, die Erstellung und die Pflege einer Homepage kann sehr kostenintensiv, das Ergebnis jedoch oft eher enttäuschend sein. Vielen Seiten fehlt es an Dynamik, da die Informationen nur selten aktualisiert werden. Zudem haben die sozialen Netzwerke die intensive Kommunikation mit der Zielgruppe übernommen. Die Frage nach dem Nutzen einer Homepage ist also legitim. Es hängt vom persönlichen Schaffen eines Künstlers ab, inwieweit eine vielschichtige Homepage heute noch relevant ist. In einigen Genres, wie etwa dem klassischen Konzertbetrieb, wird eine Homepage zu repräsentativen
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Zwecken immer noch vorausgesetzt, in anderen hingegen ist sie fast überflüssig geworden – wie bei vielen Künstlern aus der Popularmusik. Von ihnen wird sie oft lediglich als erste Anlaufstelle und Wegweiser zu den übrigen Internetpräsenzen verwendet. Diese Variante würde ich als ersten Schritt immer empfehlen, da sie sich kostengünstig realisieren lässt und sehr übersichtlich wirkt. Einige aktuelle Grundprinzipien bei der Planung einer Homepage: 1. Zunächst muss bei einem Webhost (z.B. www.united-domains.de, www. hosteurope.de) der Name des Ensembles oder der Unternehmung als Internetadresse gesichert werden (z.B. www.antigua.de/www.antigua.com). 2. Eine solche Adresse zu sichern ist wichtig und sollte schon bei der Namenswahl für ein Ensemble oder Projekt berücksichtigt werden. Wenn eine Internetadresse nicht mehr verfügbar ist, wird die Arbeit im Netz sehr schwierig. In diesem Fall sollte eine Namensänderung in Betracht gezogen werden. Es gilt: Komplizierte Namen kann der Internetnutzer schwer behalten, geläufige Namen sind häufig bereits vergeben; demnach ist ein ausdrucksvoller, prägnanter und individueller Name zielführend. 3. Nachdem die Domain gesichert wurde, sollte in Absprache mit einem Webdesigner zusätzlicher Webspace für die Domain gebucht werden. Dies geschieht bei demselben Webhost, welcher für den Kauf der Domain ausgewählt wurde. Ein Basispaket, das Speicherplatz und einige E-Mail-Adressen bietet, ist zunächst ausreichend. 4. Im persönlichen Verwaltungsbereich des Webhosts lassen sich nun Domain und Webspace verwalten. Hier können E-Mail-Adressen angelegt (z.B. [email protected], [email protected]) und wichtige Zugangsdaten für die Erstellung einer Homepage in Erfahrung gebracht werden (ftp-Zugang18, Datenbankverwaltung etc.). Die Infrastruktur der eigenen Homepage ist nun erstellt. Ob dies vor oder nach der Konzeptions- und Designphase geschieht, ist unerheblich. Allerdings sollte die Domain so früh wie möglich gesichert werden. Empfehlung für die Gestaltung einer einfachen Homepage Im Fokus der Gestaltung steht zunächst die Startseite. Hier werden bereits die meisten relevanten Inhalte der Homepage in komprimierter, aber ansprechender Form abgebildet. Der neue Besucher erhält so auf einen Blick viele Informationen über den Künstler und seine Musik; der wiederkehrende Besucher erfährt Neuigkeiten und Termine, ohne sich dabei durch Untermenüs bewegen zu müssen. Wer sich intensiver mit dem Künstler auseinandersetzen möchte, kann dies in einem weiterführenden Menü tun, welches ausführli-
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chere Inhalte anbietet. Zudem dient die Startseite als Wegweiser zu allen übrigen Internetauftritten des Künstlers (soziale Netzwerke, Videoportale u.ä.).
Antigua - Das moderne BarockensembleBio//Audio//Medien//Kontakt
Kurzes Mission Statement
News-Feed
Einbindung Video/EPK
Termine
Einbindung dynamisches Widget
Links zu: Soziale Netzwerke, Blog, Videoplattformen, Fotoplattformen
Impressum
Newsletter abonnieren
Abbildung 4: Beispielhafte Startseite
In Abb. 4 ist beispielhaft dargestellt, wie eine Homepage übersichtlich konzipiert werden und trotzdem alle relevanten Informationen enthalten kann. Durch ein Design im Stil des Künstlers oder Ensembles wird eine ästhetische Aussage getroffen, die inhaltlich durch ein kurzes Mission Statement ergänzt werden kann. Eine audiovisuelle Information mithilfe eines Videos/EPK animiert den Besucher und vermittelt sofort einen persönlichen Eindruck. Die aktuelle Aktivität des Musikschaffenden wird mittels News-Feed19 und über die Termine widergespiegelt. Für eine gewisse Dynamik kann zusätzlich ein externes Widget20 sorgen, dass die großen Netzwerke (z.B. Facebook, Twitter) zur Einbindung in die Homepage bereitstellen. Hier wird in Echtzeit das aktuelle Geschehen auf der Facebook- oder Twitterseite des Künstlers im Kleinformat wiedergegeben. Um den Nutzer regelmäßig mit Informationen zu versorgen, bietet sich zusätzlich ein Anmeldetool für den eigenen Newsletter an (siehe unter Der Newsletter). Abschließend finden sich die Verlinkungen zu allen Internetpräsenzen des Künstlers auf der Startseite, die so zu einem ersten Anlaufpunkt für interes-
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation sierte Nutzer werden und einen Überblick über alle Aktivitäten und Informationen im Netz bieten. Das ergänzende Menü im oberen Bereich ist auf die wesentlichen Punkte beschränkt: Biografie, Audiomaterial, Media (Foto und Video) und die Kontaktinformationen. Im Bereich »Media« oder einem eigenen Pressebereich sollte ein Ordner mit der aktuellen Biografie und Pressefotos (ein sogenanntes »Presskit«) für Medienvertreter und interessierte Konzertveranstalter zum Download angeboten werden. Den Möglichkeiten zur Erweiterung einer Homepage und ihrer Gestaltung sind keine Grenzen gesetzt. Man sollte jedoch immer über den Mehrwert einer aufwendigen Lösung nachdenken und eine Basiskonzeption als Ausgangspunkt wählen. Eine Website kann oft auch im Nachhinein um Features ergänzt werden, wenn sie von vornherein daraufhin konzipiert wurde (ähnlich dem Baukastenprinzip). Weitere generelle Tipps zur Gestaltung: 1. Wichtig ist die einfache und transparente Struktur für eine Seite. »Mit drei Klicks ans Ziel« sollte die Regel heißen, mithilfe derer der Besucher nach nur drei Klicks seine gewünschte Information findet. Bei umfangreicheren Seiten ist es hilfreich, eine Suchfunktion in die Seite zu integrieren, damit Nutzer gezielt nach einzelnen Inhalten suchen können. 2. Das Design sollte, wie bereits erwähnt, zum Künstler oder Ensemble passen und eine ästhetische Aussage treffen. Viele Dinge lassen sich bei der Gestaltung mehrfach auswerten und somit kosteneffizient wiederverwenden (Pressefotos, das Artwork einer CD, das Logo u.ä.). 3. Welche Programmiersprache soll verwendet werden? Flash oder Html als momentan gängigste Formate? Diese Frage wird häufig von Webdesignern gestellt. In Flash lassen sich Seiten elegant designen, bieten Raum für Animation, sind aber schwer zu pflegen. Empfehlenswert ist immer eine Programmiersprache, die sich leicht mit einem Content Management System (CMS)21 verbinden lässt. Zu beachten ist, dass jede Homepage auf allen Internetbrowsern funktionieren muss und mittlerweile auch für mobile Endgeräte optimiert werden sollte, damit überall eine einwandfreie Darstellung gewährleistet ist. 4. Inhalte sollten praktisch integriert werden. Es muss nicht jede Fotogalerie oder jeder Video- und Musikplayer neu erfunden bzw. designed werden. Für die meisten Inhalte gibt es Lösungen von großen Portalen, die sich sehr gut in die eigene Seite integrieren lassen: • Videos über Youtube oder MyVideo, • Fotos über Picasa oder Flickr, • Musik über Last.fm oder SoundCloud.
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5. Je größer die Inhalte auf einer Seite sind (Dateigröße) und je mehr Animationen integriert sind, desto mehr Zeit zum Laden benötigt eine Homepage und desto langsamer wird sie. Man sollte darauf achten, dass die Funktionalität einer Seite nicht unter dem Design leidet. 6. Jede Homepage muss ein Impressum haben, in dem die Kontaktdaten des Seitenbetreibers genannt sind. Die Suchmaschinenoptimierung der Homepage (SEO) Wer sich mit dem Thema Online-Marketing auseinandersetzt, wird sehr häufig den Begriffen »Search Engine Optimization« 22 und »Search Engine Marketing«23 begegnen. Beide Begriffe beziehen sich auf eine sehr umfangreiche und komplexe Thematik. Hier sollen nur einige grundlegende Aspekte der SEO vorgestellt werden, die man beachten sollte. Im Wesentlichen geht es bei der SEO darum, die eigene Website so zu gestalten, dass die großen Suchmaschinen im Internet (Google, Yahoo u.a.) die Homepage finden und möglichst weit vorne in der Liste der inhaltlich relevanten Suchergebnisse aufführen. Im Falle unsere Beispiel-Ensembles Antigua würde das für Suchanfragen wie etwa »Barockmusik«, »Junge Barockmusik« u.ä. gelten (siehe Keywords). Die meisten Suchmaschinen verfügen über Datenbanken, in denen alle im Netz vorhandenen Dokumente gespeichert und regelmäßig aktualisiert werden. Die Suchergebnisse resultieren also aus einem Datenbankpool, der stetig wächst. Damit Suchmaschinen Internetseiten auflisten können, brauchen sie Informationen über deren Inhalte. Die dafür notwendige Analyse ist mehrschichtig und vor allem textbasiert. Die Suchmaschinenbetreiber schicken sogenannte »Spider« oder »Robots« durch das Internet, die täglich zahlreiche Seiten besuchen und überprüfen, welche davon neu sind und wo Inhalte verändert wurden. Die neuen Websites werden heruntergeladen und in mehreren Schritten inhaltlich und strukturell analysiert. Bereits bestehende Seiten werden aktualisiert und neu bewertet. Danach wird den Seiten eine Relevanz zugesprochen; sie werden gewichtet und ihrem Inhalt entsprechend geordnet. Wie die Kriterien für die Gewichtung einer Seite genau aussehen, ist das Geschäftsgeheimnis der Unternehmen. Zudem werden die Algorithmen zur Analyse immer wieder verändert. Mittlerweile hat sich eine ganze Industrie von Spezialisten und Beratern entwickelt, die sich ausschließlich mit der SEOOptimierung großer Online-Portale beschäftigen, denn: Eine besonders hohe Listung in den Suchergebnissen kann sich stark auf die ökonomischen Erfolge einer Seite auswirken. Als Musikschaffender muss man keinen eigenen SEO-Berater engagieren. Durch das Wissen über einige Beispiele, auf die Suchmaschinen bei ihrer Su-
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation che und Analyse achten, kann man selbst, eventuell mithilfe eines Webdesigners, aktiv am eigenen Listing arbeiten (vgl. im Folgenden Erlhofer 2011: 289ff. und Fischer 2009: 155ff.): 1. Code: Eine saubere Programmierung – diesen Punkt sollte man mit seinem Webdesigner besprechen und kontrollieren. Wie ›sauber‹ und fehlerfrei der Code einer Homepage programmiert wurde, kann man mithilfe kleiner Programme aus dem Internet – sogenannten »Validatoren« – überprüfen. Dies ist sicher etwas für Fortgeschrittene, hilft aber dabei, die Arbeit eines Webdesigners zu kontrollieren. Grundsätzlich kann man den Quelltext einer Seite, in dem der Code aufgeführt ist, per Rechtsklick anzeigen lassen. 2. Struktur: Die Robots einer Suchmaschine beurteilen den Aufbau einer Website – und dies nach ähnlichen Gesichtspunkten, wie ein menschlicher Nutzer sie anwenden würde. Ist die Startseite ansprechend und informativ gestaltet? Ist die Seitenstruktur einfach nachzuvollziehen? Findet der Besucher schnell die gewünschte Information? Wie viele Ebenen hat die Seite? 3. Keywords: In den Seitenquelltext kann der Programmierer viele Informationen integrieren, die für eine Gewichtung der Seite ausschlaggebend sein können. Die bekannteste Methode ist die Benennung der wichtigsten Keywords am Anfang des Seitenquelltextes. Auch wenn oft beschrieben wird, dass der Google-Algorithmus diese bei der Analyse einer Seite nicht mehr beachtet, lohnt es sich, die Integration vorzunehmen, da andere Suchmaschinenbetreiber nicht mit derselben Systematik arbeiten. Man findet die Keywords nach wie vor im Quelltext der meisten Websites; hierüber lässt sich nachvollziehen, mit welchen Begriffen der Seitenbetreiber gefunden werden möchte. Diese Informationen können für das eigene Projekt sehr aufschlussreich sein und bei der Definition von eigenen Keywords helfen. Beispiel: Beim Besuch der Homepage eines beliebigen Künstlers lässt man sich per Rechtsklick den Seitenquelltext anzeigen. In den ersten Zeilen findet sich im Quelltext folgende Zeile: @meta name=»keywords« content=«beispiel, beispiel, beispiel…. «/A. Alles was hinter »keywords content=« steht, sind Keywords, die für diese Seite definiert wurden. 4. Die Beschreibung: Ergänzend zur Keywordliste ist eine Beschreibung der Seite im Quellcode sinnvoll, wie etwa: @meta name=»description« content=»Official website for Max Mustermann, updated with all the latest news, music, videos and tour dates.«/A. Auch diese Meta Description befindet sich am Anfang des Quellcodes. 5. Text und Inhalte: Die definierten Keywords sollten auch in den Texten (Mission Statement, Biografie etc.) eine Rolle spielen, um die inhaltliche Relevanz der Seite zu untermauern. Zudem sind Überschriften für die Analyse wichtig und sollten auch mit Keywords versehen werden. Die Inhalte
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sollten zudem, wie oben beschrieben, immer auf den aktuellsten Stand gebracht werden. 6. Bilder und Grafiken: Wenige Grafiken verwenden; ein Robot kann Bilder nicht analysieren. Man sollte daher darauf achten, dass Webdesigner wenig statische Grafiken verwenden und alle Bilder, die Teil des Homepagedesigns sind, im Quellcode mit einem ALT-Text versehen. Dieser enthält einen Text, der dem Spider erklärt, was auf diesem Bild zu sehen ist und dass es für den Inhalt der Seite relevant ist. In vielen CMS können nach analogem Muster Bildunterschriften eingefügt werden. 7. Links und Backlinks: Der Spider interessiert sich dafür, wie hochwertig eine Seite gestaltet ist (Stichwort: Code), welche Inhalte sie enthält (Stichwort: Textanalyse, Keywords) und welchen Stellenwert sie im Internet zu diesen Inhalten hat. Das lässt sich u.a. daran bemessen, wie viele andere Internetseiten mit einem Link auf die Homepage verweisen. Diese sogenannten »Backlinks« lassen sich gezielt aufbauen. Man kann Freunde und Bekannte bitten, auf ihrer Homepage oder ihrem Blog mit einem Link auf die eigene Seite zu verweisen. Gleiches kann man mit den Seiten von Institutionen und Konzertveranstaltern versuchen, zu denen es einen persönlichen Kontakt gibt. Die Linksammlung ist hilfreich für die eigene Internetpräsenz; allerdings sollte man im Gegenzug auch andere Künstler oder Veranstalter auf der eigenen Website verlinken. Dies ist nur eine kurze Einführung in die Suchmaschinenoptimierung und es kann sinnvoll sein, sich damit intensiver auseinanderzusetzen, denn Grundwissen über die SEO ist bei der Gestaltung der Website von Vorteil. Abschließend eine interessante Frage: Wird die eigene Homepage überhaupt bei Google gefunden? Das sollte man überprüfen, bevor man die letzte Rate für die Erstellung einer Seite bezahlt. Einfach in die Suchmaske bei Google eingeben: Site: www.meine-site.de (Fischer 2009: 158). Es kann jedoch mehrere Tage dauern, bis ein Robot die neue Website zum ersten Mal im Netz besucht. Analyse des Besucherverhaltens Um zu überprüfen, wie häufig die eigene Homepage besucht wird, was die Besucher auf der Seite tun u.ä. gibt es sehr effiziente Analyse-Tools. Ein sehr häufig verwendetes Tool, das kostenfrei ist und sehr viele Möglichkeiten zur statistischen Auswertung bietet, heißt Google-Analytics. Wenn ein Webdesigner weiß, dass der Kunde Google-Analytics für seine Homepage verwenden möchte, gibt es eine individuelle Codierung, die in den Seitenquelltext integriert werden kann und alle relevanten Informationen an den persönlichen Google-Analytics-Account übermittelt. Um eigene Ziele und die Effektivität
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Homepage zu überprüfen ist es ratsam, ein solches Analyse-Tool regelmäßig zu nutzen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Google-Analytics aus Datenschutzgründen kein unumstrittenes Instrument ist. Alternativ kann auch auf kostenpflichtige Analyse-Tools wie bspw. etracker zurückgegriffen werden, die gegen einen monatlichen Beitrag genutzt werden können. Der Newsletter Die wertvollste direkte Verbindung zu einem Internetnutzer ist nach wie vor der Newsletter. Voraussetzung hierfür ist, dass der Musikschaffende die EMail-Adresse des Nutzers kennt und somit schon eine persönliche Information besitzt. Demzufolge muss der Newsletter auch sensibel eingesetzt, die Informationen stets der Zielgruppe angepasst werden und die Frequenz des Versands darf nicht zu hoch sein. Voraussetzungen schaffen Um E-Mail-Adressen von Internetnutzern zu sammeln, bieten sich viele Möglichkeiten. Einige davon seien hier beispielhaft genannt: 1. Das Konzert als Anlass: Es empfiehlt sich, bei allen Konzerten Listen auszulegen, in die sich Besucher in den Newsletter-Verteiler eintragen können, um weiterführende Informationen zu erhalten. 2. Anmeldeformular auf der Homepage: Hier kann der Besucher seine Adresse im Formularfeld in eine Newsletterliste eintragen, die automatisch in einer Datenbank gespeichert wird. Hierfür wird ein Newsletter-Tool benötigt und zudem sollte ein Verifizierungsverfahren für die E-Mail-Adresse (Double-Opt-in24) angewendet werden. Damit wird sichergestellt, dass der Empfänger tatsächlich einen Newsletter erhalten möchte. 3. Exklusive Inhalte oder Gewinnspiele: Eine weitere Option, an Adressen zu gelangen, ist der Tausch von E-Mail-Adressen gegen eine Gewinnspielteilnahme oder gegen exklusive Inhalte (Fotos, Autogrammkarten u.ä.). Mit solchen Mitmachaktionen lassen sich die Aktivität auf der eigenen Homepage erhöhen und neue Nutzer gewinnen. 4. Man sollte niemals E-Mail-Adressen verwenden, die einer fremden Datenbank entstammen. Internetnutzer, die ohne ihr ausdrückliches Einverständnis einen Newsletter erhalten, können rechtlich gegen den Absender vorgehen. 5. Jeder Internetnutzer muss die Möglichkeit haben, sich aus einem Newsletter-Verteiler wieder abzumelden. Meist wird dies mit einem entsprechenden Link am Ende eines Newsletters umgesetzt. Eine Abmeldung ist bindend für den Versender (Schirmbacher 2011: 325).
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Gestaltung und Versand Ein Newsletter soll eine persönliche Nachricht des Musikschaffenden an sein Publikum sein. Um seine Lektüre zu garantieren und das Interesse des Publikums weiterhin zu wecken, sollte ein sinnvoller Rhythmus definiert werden (z.B. vierteljährlich, vor Konzerttouren, vor CD-Veröffentlichungen). Es gelten dieselben Regeln wie bei der übrigen Gestaltung von Material für die Öffentlichkeitsarbeit. Die Corporate Identity des Musikschaffenden sollte erkennbar und die zu transportierende Information kurz und hochwertig sein. Der Newsletter soll den Empfänger durch seine Inhalte aktivieren. Diese können sich aus Konzert- oder CD-Ankündigungen, Rückblicken, Links zum Online-Shop, Links zu anderen Internetpräsenzen, Links zu Konzerttickets u.ä. zusammensetzen. Dabei sollten die Texte zur Fortsetzung der Lektüre animieren und die Chance bieten, an anderer Stelle weiter zu lesen, wie etwa der Homepage oder dem Blog. Es empfiehlt sich, eine Vorlage entwerfen zu lassen, die wie ein Briefkopf immer wieder verwendet werden kann. Diese Vorlage muss ähnlich wie eine Website programmiert werden und dies in der Codierung html. Da viele E-MailProgramme das Empfangen solcher html-Nachrichten unterbinden, sollte auch eine reine Textfassung erstellt werden, die von allen Empfängern gelesen werden kann. Der Versand kann, solange der Empfängerkreis noch überschaubar ist, über ein normales E-Mail-Programm erfolgen. Allerdings hat man wenig Kontrolle darüber, ob der Newsletter wirklich gelesen wurde, welche Links der Empfänger angeklickt hat u.ä. Für den Anfang ist dies aber ausreichend. Hilfreich ist, E-Mail-Adressen als Datenliste zu pflegen. Dazu eignet sich eine alphabetisch geordnete Excel-Liste mit den Namen, Vornamen und der E-MailAdresse. Je mehr Informationen vorhanden sind, desto mehr Kategorien kann diese Liste enthalten (z.B. Adresse, Arbeitgeber etc.). Wenn der Datensatz eine gewisse Größe erreicht hat, wird die Verwaltung über ein Versand-Tool für Newsletter notwendig. Diese Programme sind meist kostenpflichtig, bieten aber sehr viele Funktionen, angefangen beim Bouncemanagement25, über die Datenbankpflege und statistische Auswertungen bis zu termingerechtem Versand. Social Media Im Wesentlichen beschreibt der Begriff Social Media hier alle Instrumente, die Nutzern die Infrastruktur bieten, eigene Inhalte im Internet zur Verfügung zu stellen und zu verbreiten. Damit können ihre Nutzer, unabhängig von den klassischen Medien, eine große Anzahl von Menschen erreichen und sich mit ihnen austauschen (Weinberg 2009: 3).
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Social Media Marketing beschreibt den gezielten Einsatz dieser Instrumente, um die eigenen Angebote im Internet zu vermarkten. Für die Öffentlichkeitsarbeit von Musikschaffenden konzentriere ich mich auf die Formate Blog, Microblog (Twitter), soziale Netzwerke, Video- und Fotoplattformen und Foren (vgl. Zarrella 2010: 3). Der Blog Der Blog ist ein Format, das von vielen Internetnutzern verwendet wird, da sich entsprechende Seiten sehr leicht über kostenlose Frameworks wie WordPress oder Portale wie Blogger gestalten lassen. Ursprünglich waren Blogs öffentliche Tagebücher oder eine Form von Online-Journal, weshalb sie in der Regel auch deutlich textlastiger sind als andere Internetpräsenzen. Anspruchsvolle Blogs erfordern ein gewisses Maß an journalistischem Talent und zudem ein einzigartiges Thema, das eine Leserschaft generieren und halten kann. Ein Online-Tagebuch über Probenarbeiten, Konzerttouren oder die Entstehung einer Platte ist beliebt und sollte geführt werden. Allerdings muss es nicht zwangsläufig auf einem eigens dafür eingerichteten Blog veröffentlicht werden, sondern kann seinen Platz auch auf der Homepage und anderen Internetpräsenzen finden. Ein Internetnutzer, der sich eingehender mit einem Musikschaffenden auseinandersetzen möchte, wird sich, wie schon beschrieben, weniger auf Texte, denn auf Bewegtbild und Musik konzentrieren. Auch wenn ein inhaltlich interessanter Blog Fans anziehen kann, gehört er nicht zwingend zum Standardrepertoire der Öffentlichkeitsarbeit für Musiker im Internet. Microblog (Twitter) Das Internetportal Twitter ist in seiner Form einzigartig. Es ist ein Kommunikationsmittel, das die Eigenschaften von verschiedenen uns bekannten Formaten vereint (E-Mail, soziale Netzwerken, SMS, Blogs u.v.m.) und trotzdem ein ganz neues Format darstellt (vgl. O’Reilly/Milstein 2009: 1ff.). Mediale Berühmtheit hat Twitter vor allem dadurch erlangt, dass Menschen mit ihren maximal 140 Zeichen langen Beiträgen (tweets) schneller sind als die übrige Medienberichterstattung. Als bpsw. ein Flugzeug im Hudson River von New York notlanden musste, kamen die ersten Meldungen dazu über Twitter (vgl. Patalong 2009). Twitter lässt sich mit vielen anderen Internetportalen verknüpfen, synchronisieren (Facebook, Homepage etc.) und auch mobil nutzen. Mit einer Nachricht, die via Mobiltelefon auf Twitter veröffentlicht wird, können mehrere andere Internetpräsenzen mit Leben gefüllt werden, da dieselben Botschaften automatisch auch dort angezeigt werden. Durch die maximale Länge von 140 Zeichen erfordert das Schreiben der Nachrichten Effizienz und Einfallsreichtum. Gleichzeitig lassen sich die Texte sehr leicht
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konsumieren, was dem Mediennutzungsverhalten der meisten Internetnutzer entgegenkommt. Die Gemeinde der Twitternutzer selbst bildet wiederum ein soziales Netzwerk. Als follower folgt man interessanten Schreibern und wird auch selbst ›verfolgt‹, wenn man in den Augen anderer interessante Inhalte verfasst. Inhaltlich reicht die Nutzung des Dienstes von Statusmeldungen aus dem Alltag, über Spezialwissen bis hin zu Businessmeldungen und journalistischen Nachrichten. Soziale Netzwerke: Das Profil Das Erstellen eines Profils auf sozialen Netzwerken läuft immer ähnlich ab. Der Nutzer kann Fotos hochladen, Angaben zur eigenen Person machen, sich mit anderen Nutzern »befreunden«, Nachrichten versenden u.ä. Jeder Nutzer entscheidet selbst, wie viele persönliche Daten er zur Verfügung stellen möchte und welchen Spielraum er anderen lassen möchte, auf seinem Profil aktiv zu sein (bspw. Kommentare zu schreiben, Inhalte zu posten, Fotos zu markieren u.ä.). Wichtig ist bei der Kommunikation, den Zweck eines jeden Netzwerks für seine User zu beachten: Bspw. sind die Netzwerke Facebook und meinVZ eher für den privaten Kontakt und die Freizeitgestaltung gedacht, während sich andere, wie etwa LinkedIn oder Xing, an Berufstätige und ihr Geschäftsumfeld richten. Man sollte darauf achten, diese beiden Ebenen bewusst voneinander zu trennen bzw. eine dem Anlass entsprechende inhaltliche Ansprache der Nutzer zu wählen. Wer ein Profil anlegt, sollte zudem bewusst entscheiden, ob das Profil hauptsächlich für private oder für Öffentlichkeitsarbeitszwecke verwendet werden soll. Nutzt man ein Profil im beruflichen Kontext, empfiehlt es sich, nur Inhalte zu veröffentlichen oder von anderen veröffentlichen zu lassen, die zu dem avisierten Image passen. Für Ensembles ist es hilfreich, wenn die einzelnen Ensemblemitglieder als Personen mit einem Profil vertreten sind und man zusätzlich eine Seite für das Ensemble einrichtet, die gemeinsam bearbeitet wird. Soziale Netzwerke: Die Fanpage Insbesondere auf Facebook gibt es für Musikschaffende und ihre Aktivitäten ein Format, die sogenannte »Fanpage«, das in Musikerkreisen sehr geschätzt wird. Mit ihr lässt sich eine Minihomepage der eigenen Projekte innerhalb des sozialen Netzwerks anlegen. Hierüber können Konzerttermine und Nachrichten kommuniziert, sowie audiovisuelle Inhalte hochgeladen werden. Eine solche Fanpage ist passiv und kann sich nicht aktiv mit anderen Nutzern verbinden. Zur Generierung von Resonanz ist es daher wichtig, über die persön-
Andreas Brandis
£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation lichen Profile der Ensemblemitglieder das Netzwerk zu erweitern und die Fanpage zu bewerben. Die Facebook-Fanpage bietet die Möglichkeit, ähnlich wie bei einer Homepage, Statistiken einzusehen, die den Nutzungsgrad wiedergeben (Anzahl der Seitenbesuche in zeitlicher Übersicht, Anzahl neuer Fans etc.). Der Erfolg und die persönlichen Ziele lassen sich so überprüfen. Soziale Netzwerke: Die Gruppe Auf fast allen sozialen Netzwerken kann man thematische Gruppen gründen oder bereits bestehenden Gruppen beitreten. Hier lassen sich Kontakte knüpfen oder eigene Interessen kommunizieren. Zudem besteht die Möglichkeit, sich mit anderen Musikschaffenden zu verbinden, auszutauschen und gemeinsame Projekte zu entwickeln. Soziale Netzwerke: Werbung Es kann effizient sein, in sozialen Netzwerken Werbung in eigener Sache zu betreiben. Facebook bspw. bietet die Möglichkeit, eigene Werbeanzeigen zu erstellen, mit einem selbst festgelegten Tagesbudget zu schalten und sie eigenständig zu verwalten. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung kann Aufschluss darüber geben, inwieweit sich eine finanzielle Investition in die Werbung für die Fanpage lohnt. Eine hohe Anzahl an Fans steigert den Bekanntheitsgrad und ermöglicht es, Informationen noch schneller zu verbreiten. Medienplattformen Im weitesten Sinne zählen Video-, Foto- oder Musikcommunitys zu den sozialen Netzwerken, da sie im Wesentlichen die gleichen Handlungsoptionen bieten, dies allerdings immer mit einem thematischen Fokus. Es wird weniger über persönliche Profile kommuniziert als vielmehr über Playlisten und Galerien dargestellt, was dem persönlichen Geschmack entspricht – sei dies über das Angebot eigener Inhalte oder die Zusammenstellung von Inhalten anderer, die man besonders gerne konsumiert. Darüber hinaus dienen die Portale dem massenhaften Konsum von Medien, ohne dass ein persönliches Profil dafür notwendig ist. Es empfiehlt sich, in jeweils einer großen Foto-, einer großen Video- und einer großen Musik-Community aktiv zu sein und auf den entsprechenden Plattformen einen persönlichen Account einzurichten; der Name sollte Anlehnung an die eigene Domain haben, z.B. »antigua«, »antiguatv«, »antiguafoto« u.ä. Die bereitgestellten Inhalte werden innerhalb der Community per Suche oder Zufall gefunden und idealerweise weiterempfohlen. Dafür ist es wichtig, bei der Anlage eines Videos oder einer Fotogalerie möglichst viele Keywords und Tags anzugeben, die das thematische Umfeld und den Inhalt umschreiben. Um die Videos oder Fotogalerien bekannter zu
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machen, sollte man Links zu ihnen in anderen sozialen Netzwerken posten und sie in seine übrigen Internetpräsenzen einbinden. Für Musik gibt es Seiten wie z.B. Last.fm und SoundCloud, die Playlistenfunktionen mit Musikplayern anbieten, welche sich in die eigene Seite integrieren lassen und den Kontakt zu einer bestehenden Community ermöglichen. Außerdem werden durch Schlagworte sogenannte »Radiostationen« bedient, in denen die Nutzer »Musik, die so klingt wie« hören können und so wiederum auf neue Künstler aufmerksam werden. Urheberrechtliche Fragen sollten vor dem Hochladen aller Medien berücksichtigt werden. Sobald ein Musikschaffender in einem Vertragsverhältnis mit einem Musiklabel steht, ist dieses der Rechteinhaber von Musik und Musikvideos und hat den Plattformbetreibern diese Rechtslage häufig schon mitgeteilt. Die Folge für einen Musikschaffenden ist, dass der Plattformbetreiber die Inhalte auf dessen Profil möglicherweise für Urheberrechtsverletzungen hält und sperrt. In solchen Fällen kann das Musiklabel um Freischaltung des Künstler-Accounts beim Plattformbetreiber gebeten werden. Wenn kein Vertragsverhältnis zu einem Verlag oder Musiklabel besteht, sollte man als Musikschaffender dem Plattformbetreiber mitteilen, dass man Urheber der Inhalte auf dem eigenen Profil ist und diese für eine weitere Nutzung nicht freigibt. Unrechtmäßig veröffentlichte Kopien der Inhalte durch Dritte in jeglicher Form werden im Anschluss gesperrt. Die One-fits-all-Lösung: Myspace Lange Zeit war Myspace die beliebteste Plattform für Musiker, da sie alle Möglichkeiten bietet, die bisher beschrieben wurden; sie ist Medienplattform und soziales Netzwerk in einem. Die Musikschaffenden konnten ihre Profile nach eigenen Vorstellungen gestalten und es entstand eine wahre Designkultur um Myspace-Seiten. Sie wurden nicht selten Gradmesser für die Beliebtheit von Musikern (Freundeszahlen, Plays, Anzahl der Besuche); diverse Newcomer wurden entdeckt und durch Mundpropaganda einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Vielen Musikschaffenden wurde hier das erste Mal die Möglichkeit geboten, sich eigenständig im Musikmarkt zu präsentieren. Durch das Aufkommen und die Popularität anderer sozialer Netzwerke, manipulierte Freundeszahlen und Plays sowie die mehrfache Überarbeitung des Portals hat Myspace heute sehr viel von seinem Stellenwert verloren. Als soziales Netzwerk spielt es kaum noch eine Rolle. Der einzige offensichtliche Vorteil von Myspace ist nach wie vor die gute Platzierung in Google-Listings, sprich: Der Musikschaffende oder das Ensemble wird sehr schnell gefunden – ohne eigene SEO-Aktivitäten. Noch immer empfiehlt es sich, hier ein persön-
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation liches Profil vorzuhalten; allerdings ist die Arbeit auf anderen Portalen (wie etwa Facebook) für die Selbstvermarktung sehr viel höher einzustufen. Die eigene mobile App Mobile Internetanwendungen werden in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Die Netzqualität der Mobilfunkanbieter wird besser, die mobilen Endgeräte werden leistungsfähiger und ermöglichen bereits einen permanenten Internetzugang. Schon jetzt gibt es zahlreiche Programme, Spiele und Anwendungen, die für mobile Endgeräte entwickelt werden. Die sogenannten »Applikationen«, kurz: Apps, sind vor allem durch den Computerhersteller Apple und seinen App Store bekannt geworden. Apps für die Endgeräte von Apple und verschiedene andere Betriebssysteme kann ein Musikschaffender heute auch für die eigenen Belange herstellen lassen. Erste Firmen26 bieten Lösungen an, die sich individuell gestalten lassen und quasi eine Miniaturhomepage für das mobile Endgerät darstellen. Hier lassen sich kompakt Informationen, Musik, Videos und Bilder einpflegen sowie eine Echtzeit-Kommunikation mit Nutzern der eigenen Anwendung führen. Die Pflege der App erfolgt über ein CMS und ist einfach zu handhaben. Die Anbieter erheben eine monatliche Gebühr für die Nutzung ihres Services, stellen dafür aber die Infrastruktur (Design, CMS, Technik etc.) und den Vertrieb durch einen App Store sicher. Der Nutzer legt selbst fest, ob die Anwendung für den Endverbraucher kostenfrei oder kostenpflichtig sein soll. Bei der kostenpflichtigen Variante erhöht der Musikschaffende die Zugriffsbarriere, wird aber auch am Umsatz beteiligt – nach Abzug einer Vertriebsgebühr und der App Store-Gebühren. Es empfiehlt sich, als Künstler, der nicht über exklusive Inhalte und ein zahlungswilliges Publikum verfügt, keine Gebühren für seine Anwendung zu verlangen. Eine mobile Anwendung ist en vogue, allerdings sollte man über ihren Mehrwert nachdenken und darüber, ob sie die eigene Zielgruppe wirklich anspricht. Diskussionsforen, Verzeichnisse und Veranstaltungskalender Je präsenter ein Ensemble oder Künstler im Internet ist, desto höher ist auch die Trefferzahl in den Suchmaschinen. Bereits bei der Marktanalyse wird man festgestellt haben, dass es ein breites Spektrum an Seiten und Portalen zum eigenen Musikgenre gibt. Ob dies Magazine, Diskussionsforen, Künstlerverzeichnisse oder Veranstaltungskalender sind: Die Anmeldung erfolgt oft kostenlos, man kann Termine eingeben oder eine Anfrage auf redaktionelle Berichterstattung stellen. In vielen regionalen und überregionalen Veranstaltungskalendern kann man Konzerttermine hinterlegen und ggf. mithilfe eines kurzen Pressetextes in
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die Vorankündigung aufgenommen werden. Ähnlich verhält es sich mit Künstlerverzeichnissen. Es gibt auch hier regionale und überregionale Portale, bei denen sich der Eintrag lohnt. Häufig reicht eine kurze Beschreibung des Ensembles, eine Verlinkung zur Homepage und eine Kontaktadresse. Zusätzlich kann man in Diskussionsforen zu diversen Themen, die Musiker mittelbar oder unmittelbar betreffen, selbst aktiv werden. Durch regelmäßige Beiträge und gemeinschaftlichen Austausch baut man ein eigenes Netzwerk auf, das sich auch für persönliche Anliegen interessiert (Konzerttermine, CDVeröffentlichungen etc.). Hierbei steht der Kontaktaufbau im Vordergrund. Dieser benötigt Zeit, kann aber eine sehr hochwertige Qualität erlangen. Daher: Kein Vertrauensverlust durch aufdringliche Eigenwerbung riskieren. Internetradios, Internet-TV, Online-Magazine und Zeitungen Online-Magazine und Internetseiten von großen Printmedien sind in der Regel ähnlich schwer zu erreichen wie im Offlinebereich. Eine gute Pressearbeit, die im Wesentlichen aus Instrumenten der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit besteht, ist hierfür notwendig. Pressemitteilungen, Fotos u.ä. werden versandt und ein thematischer Aufhänger für die Redakteure geschaffen. Im Idealfall wird eine Rezension zu einer neuen Platte oder einem Konzert veröffentlicht oder man wird als Newcomer vorgestellt. Der persönliche Kontakt zu einem Ansprechpartner und die Pflege eines Netzwerks von verschiedenen Redakteuren ist dabei wertvoll. Von Interesse ist für Redaktionen häufig, im Gegenzug exklusive Inhalte zu bekommen wie z.B. ein Tour-Tagebuch, ein Interview, Freiexemplare der neuen CD oder Konzertkarten zum Verlosen. Ganz anders verhält es sich mit reinen Internetradios. Es ist empfehlenswert, die Namen wichtiger Online-Radios mit nennenswerter Hörerschaft zu recherchieren und die Sender zu identifizieren, die sich musikalisch in einem ähnlichen Umfeld bewegen, wie das eigene Ensemble oder Projekt. Internetradios sind oft dankbar, wenn sie mit CDs bemustert werden, spielen die Musik tatsächlich oder stellen das ganze Album vor. Auch Interviews und Features sind bei reinen Online-Radios recht einfach zu erhalten. Sollten Musikvideos vorhanden sein, kann man sich damit bei Internet-TV Sendern (tape.tv, q-tom, putpat u.a.) bewerben. Bei wöchentlichen Redaktionssitzungen wird darüber entschieden, wer in die neuesten Playlisten aufgenommen wird. In der Regel handelt es sich bei den Sendeinhalten allerdings um Videos aus der Popularmusik. VI. Recht im Internet Es gibt in diesem Band ein Kapitel zum Thema Urheberrecht (siehe Kapitel £ 5.1), in diesem Beitrag soll daher ausschließlich für einige internetspezifische Rechtsthemen sensibilisiert werden. Für den Aufbau eigener Inter-
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation netpräsenzen im Internet und die Verwendung digitaler Inhalte gibt es viele rechtliche Belange zu beachten (vgl. im Folgenden Schirmbacher 2011: 19ff.). Die eigene Domain Bei der Wahl der eigenen Domain gilt es nicht nur den inhaltlichen Bezug bei der Namenswahl zu beachten, sondern auch, dass keine Rechte anderer verletzt werden. Man sollte darauf achten, dass man keine Eigennamen, Städtenamen oder Namen von Marken in die eigene Domain integriert und im Idealfall inhaltlich etwas über das aussagt, was den Internetnutzer erwartet. Nutzung digitaler Inhalte Die Einbindung von Musik, Videos, Texten und Fotos der Homepage eines Musikschaffenden unterliegt verschiedenen Vorgaben. Abhängig sind diese hauptsächlich von Urheberrechtsfragen. Dies gilt auch für Inhalte, die von Dritten erstellt und auf dessen Seiten veröffentlicht werden (Fotos, Videos, Kommentare u.a.). Nutzung von Musik • Urheber ist, wer ein Werk geschaffen hat (§ 7 UrhG), d.h. im Falle von Musik der Komponist und ggf. der Textdichter. So lange der Musikschaffende selbst Urheber seiner Inhalte ist (Musik, Fotos, Videos, Texte), nicht die Rechte Dritter verletzt und keine Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat, ist ihre Verwendung unkritisch und jederzeit möglich. • Werke von Urhebern, die seit mehr als 70 Jahren verstorben sind, können ohne Probleme veröffentlicht werden, da sie nach § 64 UrhG frei sind. • Inhalte, die einem dieser beiden Umstände nicht entsprechen, müssen bei der entsprechenden Verwertungsgesellschaft oder dem Urheber für eine Verwendung gemeldet und freigegeben werden. Selbst kurze Soundschnipsel von geschützten Werken sind davon nicht befreit. • Die GEMA bietet einen Pauschaltarif, der die Nutzung von Musik auf der Homepage eines Interpreten abgilt. Nutzung von Musik durch Interpreten kostet 150 À pro Jahr (siehe: www.gema.de)27. Die zu nutzenden Musikfiles dürfen allerdings nur als Stream zur Verfügung stehen und nicht etwa als Download angeboten werden. Verkauf von Musik Der Verkauf oder das Verschenken von Musik auf der eigenen Website sollte auf jeden Fall mit einer Person besprochen werden, die sich mit Urheberrechts- und Lizenzfragen auskennt. Dieses Thema ist sehr umfangreich und
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bedarf spezieller Voraussetzungen, weshalb es hier nicht weiter ausgeführt werden soll. Nutzung von Fotos, Videos und Grafikarbeiten Bei der Nutzung von Inhalten, wie etwa Fotos, Videos und TV-Mitschnitten, ist darauf zu achten, dass der Rechteinhaber diese zur Nutzung freigegeben hat. Eventuell wird hierfür eine Lizenzgebühr verlangt. Wer Fotoshootings oder Videoproduktionen in Auftrag gibt, sollte daher schriftlich festhalten, dass in den Produktionskosten die Nutzungsrechte für jegliche Art der Auswertung enthalten sind. Selbiges gilt für die Arbeit von Grafikdesignern (Logos, Artwork u.ä.). Zu beachten sind zudem die Persönlichkeitsrechte anderer Personen. Es ist bspw. nicht erlaubt, Fotos aus einem Konzertpublikum zu zeigen, die deutlich erkennen lassen, wer dort abgebildet ist. Dies verletzt Persönlichkeitsrechte. Bei der Einbindung von Musikvideos in die eigene Homepage sollte man immer auf ein Videoportal zurückgreifen. Die Videos lassen sich einfach in die eigene Seite integrieren und ersparen viele rechtliche Probleme, wie bspw. Verpflichtungen gegenüber der GEMA. Für die Musik in Videos gilt dasselbe Urheberrecht wie für reine Musikfiles. Der Komponist des dargebrachten Werkes muss mehr als 70 Jahre verstorben sein, damit das Video GEMA-frei ist. Videoportale tätigen diese GEMA-Zahlungen und ersparen einem sehr viel bürokratischen und eventuell auch finanziellen Aufwand. Um ein Video bei einem der Portale hochladen zu dürfen, muss man dazu berechtigt sein, d.h. der Urheber oder sein rechtlicher Vertreter zu sein. Zusätzlich sollte immer geklärt sein, dass alle an der Aufnahme beteiligten Künstler mit der Veröffentlichung eines solchen Videos einverstanden sind. Neben den musikalischen Urheberrechten und Persönlichkeitsrechten der Mitwirkenden ist auch zu klären, ob der Ort der Videoaufnahme öffentlich gezeigt werden darf. Für die Einbindung von TV-Mitschnitten muss immer mit dem jeweiligen Sender geklärt werden, ob eine Veröffentlichung des Beitrages auf der eigenen Homepage gestattet ist. Das Impressum und Grundsätzliches Alle Internetpräsenzen und »jedes eigenständige Angebot innerhalb eines Portals« (Schirmbacher 2011: 105), die nicht rein privaten Zwecken dienen, benötigen nach § 5 Telemediengesetz (TMG) ein Impressum. Es muss leicht zu finden sein und relevante Angaben über den Betreiber enthalten. Für das Erstellen eines Impressums sollte man, um sicherzugehen, einen Menschen mit entsprechendem Fachwissen um Rat fragen (vgl. ebd.: 105ff.). Man sollte nach Möglichkeit alle Vereinbarungen schriftlich abschließen, selbst wenn es sich um Personen handelt, die man gut kennt. Rechtliche Belange sollten dauerhaft geklärt und für Dritte nachvollziehbar sein.
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S C HL U SS WO R T Dieses Kapitel geht davon aus, dass ein Musikschaffender seine Öffentlichkeitsarbeit im Internet aufnimmt und bis zu diesem Zeitpunkt ein, im wahrsten Sinne des Wortes, unbeschriebenes Blatt ist. Dies macht den Aufbau und die Beschreibung der Inhalte anschaulicher. Die Realität hingegen ist oft vielschichtiger und die Bedürfnisse in der Einzelfallbetrachtung unterschiedlich: Die meisten Musikschaffenden werden bereits über eine gewisse Präsenz im Internet verfügen, sei dies selbstgesteuert oder fremdgesteuert wie etwa durch die Ankündigungen von Konzertveranstaltern, CD-Veröffentlichungen o.Ä. Man hat die Wahl, aktiv auf ihre Gestaltung und Inhalte Einfluss zu nehmen oder ihre Effizienz dem Zufall zu überlassen. Wer sich dafür entscheidet, aktiv zu sein, sollte zunächst alles Vorhandene analysieren, um es im Anschluss optimieren zu können und in der Folge die eigene Internetpräsenz Stück für Stück auszubauen. Während dieses Prozesses lässt sich ein Gefühl dafür entwickeln, wie viel persönliche Zeit für Öffentlichkeitsarbeit im Internet zu Verfügung steht, wie viel Spaß einem diese Arbeit bereitet und inwieweit die einzelnen Möglichkeiten im relevanten Markt überhaupt von Bedeutung sind. An diesen Erkenntnissen muss sich der Umfang individueller Aktivitäten ausrichten. Ein Ensemble sollte diese Punkte unbedingt ausführlich besprechen und entsprechende Aufgaben nach Interessenslage der einzelnen Mitglieder verteilen. Für Solokünstler ist es, auch wenn das Interesse am Internet gering ist und wenig Zeit zur Verfügung steht, wichtig, zumindest eine professionelle Internetpräsenz zu schaffen, die als Anlaufstelle für interessierte Privatpersonen oder Musikprofis dient. Wer erst einmal begonnen hat, sich in seinem musikalischen Markt darzustellen und mit seiner Zielgruppe zu kommunizieren, wird sehen, wie schnell man offensichtliche Ergebnisse erzielen kann. Der Beitrag versteht sich als eine Übersicht der Vielfalt an Möglichkeiten: Angefangen bei einem Verständnis für den Markt, seiner individuellen Analyse und den daraus resultierenden Schritten für die Öffentlichkeitsarbeit im Internet bis hin zu Grundlagen für die Gestaltung von spezifischen Inhalten, gibt dieses Kapitel Anregungen und Hilfestellungen, sich als Musikschaffender freier und auf Dauer selbstverständlicher im digitalen Musikmarkt zu bewegen. Die in diesem Beitrag zitierte oder erwähnte Literatur empfehle ich zur Vertiefung einzelner Themengebiete.
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Ergänzend zu den hier folgenden Ausführungen für die Selbstvermarktung von Musikschaffenden empfehle ich die Werke Kultur 2.0. Neue WebStrategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media, hg. v. Hans Scheurer und Ralf Spiller, sowie PR für Kunst und Kultur. Handbuch für Theorie und Praxis von Birgit Mandel. Vgl. Rönisch, Susan (2009): Medienstudie: Internet degradiert TV zum »Nebenmedium«. Verfügbar unter: www.ibusiness.de./members/aktuell/ db/458278SUR.html [02.07.2009]. Peer-to-Peer-Plattformen oder P2P-Plattformen sind Netzwerke aus privaten Computern zum Austausch von Daten (Buschmeier 2006: 20 und Raschka 2006: 164ff.). Vgl. ARD/ZDF Online-Studie (2010): www.ard-zdf-onlinestudie.de [16.03.2011]. Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2008): JIMStudie 2008. Jugend, Information, (Multi-)Media Verfügbar unter:www. mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf08/JIM-Studie_2008.pdf [07.8.2009]. Das Electronic Press Kit (EPK) ist eine elektronische Pressemappe. Vgl: Electronic Press Kit. Verfügbar unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Electronic_ Press_Kit [05.01.2011]. »Beim Bundling (Bündeln) werden mehrere Güter zusammen zum Kauf angeboten. Die Bündelung führt zu einem höheren Gewinn für den Anbieter, wenn Güter mit sehr unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften seitens der Nachfrager in einem Paket angeboten werden« (Raschka 2006: 143). Bundles sind gleichzeitig ein in der Musikindustrie schon lange verbreitetes Format von Musik. Ein Album ist ein Bundle von Musiktiteln. Man spricht auch von Pure-Bundle oder Mixed-Bundle im Falle von Titeln unterschiedlicher Künstler (Clement et al. 2008: 4ff.). Subscription (engl. Abonnement). Das subscription business model ist ein Geschäftsmodell, bei dem der Kunde ein Abonnement (subscription price) für den Zugang zu einem Produkt oder einer Dienstleistung bezahlen muss. Vgl. Subscription business model. Verfügbar unter: http://en.wikipedia.org/ wiki/Subscription_business_model [22.07.2009]. Bspw. die Angebote »Nokia comes with music« und »TDC PLAY« im Telekommunikationsbereich. Vgl. IFPI: Digital Music Report 2009. Verfügbar unter: www.ifpi.org/content/ library/DMR2009.pdf [30.07.2009]. Eugster, Jörg (2011): »Was ist Onlinemarketing?«, verfügbar unter: http:// wifimaku.com/pages/viewpage.action?pageId=426119 [03.04.2011]. Bereits im Jahr 2009 zählte die persönliche Empfehlung von Bekannten und die Online-Konsumentenbewertungen mit zu den vertrauensbildenden
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Werbeformen. Vgl. Nielsen-Studie (2009): Vertrauen in Werbung, verfügbar unter: http://de.nielsen.com/site/documents/VertraueninWer bung_ Presse_Deutschland.pdf Belastbare Daten zum Alter des Konzertpublikums in der Barockmusik liegen nicht vor. Die Angaben richten sich nach Erkenntnissen aus dem klassischen Konzertbetrieb, die das Durchschnittalter der Konzertbesucher mit 55-60 Jahren beziffern (vgl. u.a. die Sekundärauswertung von Gembris [2011: 66]). Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden sich in den ARDZDF-Online Studien zur Mediennutzung unter: www.ard-zdf-onlinestudie. de Keywords sind Begriffe, mit denen Internetnutzer nach Websiten u.ä. suchen. Diese Schlüsselbegriffe werden hier nach Fischer (2009: 199) definiert und im Verlauf immer wieder verwendet. Das Keyword-Tool findet sich schnell über eine Suche bei Google. Die Anwendung ist quasi selbsterklärend. Zusätzlich zu den thematisch passenden Keywords wird ihre Relevanz im Internet abgebildet und die Anzahl der Suchanfragen pro Monat wiedergegeben. Die Wichtigkeit von Keywords für Suchabfragen wird im Verlauf des Kapitels noch diskutiert (s. auch Fischer 2009:211ff.). Der Begriff Internetpräsenz umfasst hier die Gesamtheit aller genutzten Instrumente eines Musikschaffenden bei seiner Öffentlichkeitsarbeit im Internet. Ein ftp-Zugang (File Transfer Protocol) ermöglicht die Übertragung von Dateien (Erlhofer 2011: 149). Im alltäglichen Umgang ist es vor allem durch den Datenaustausch auf Servern (Upload oder Download) bekannt. Ein News-Feed bezeichnet hier lediglich alle Nachrichten, die der Künstler auf seiner Website veröffentlicht. Dies ist nicht zwingend mit einem Abonnement in Form eines RSS-Feed verbunden. Ein Widget ist ein kleines Hilfsprogramm. Der Name entstammt dem Kunstwort Win(dow) und (Gad)get. Vgl. Widget. Verfügbar unter: http:// de.wikipedia.org/wiki/Widget [05.01.2011]. »Ein Content Management System (CMS) ist eine Software, die hilft, Websites zu erstellen, zu verwalten und alle für das WWW relevanten Publikationsformate zu handhaben.« Typo 3 Association (2011): »Was ist das, Content Management?«, verfügbar unter: http://typo3.com/Was_ist_ ein_CMS. 1351.0.html?&L=2 [05.01.2011]. SEO (engl. Search Engine Optimization) steht für Suchmaschinenoptimierung und »beschreibt alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Position von Websites für bestimmte Anfragen in den Suchmaschinen-Ergebnislisten zu verbessern« (Erlhofer 2011: 668).
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23 SEM (engl. Search Engine Marketing) steht für Suchmaschinenmarketing und »beschreibt alle Maßnahmen, um Besucher über Suchmaschinen auf die eigene Website zu führen« (ebd.). 24 Im Anschluss an die Eingabe der eigenen E-Mail-Adresse in das Anmeldeformular »wird an die eingegebene E-Mail-Adresse eine BestätigungsE-Mail gesandt. Nur wenn der Empfänger auf diese E-Mail noch einmal reagiert [etwa einen entsprechenden Bestätigungs-Link anklickt oder formlos mit einer entsprechenden Bitte auf die E-Mail antwortet, AB] wird die fragliche E-Mail-Adresse tatsächlich in den Verteiler aufgenommen« (Schirmbacher 2011: 316). 25 Bouncemanagement bezieht sich auf das Erfassen und Verwalten von fehlerhaften E-Mails (Bounce-Mails), die nicht zugestellt werden konnten (Fischer 2009: 79). Diese Adressen können im Anschluss korrigiert, aktualisiert oder aus der Datenbank entfernt werden. 26 Mobile Applikationen für Musikschaffende werden u.a. angeboten von Mobileroadie, Getsoundaround oder Mobile Backstage. 27 Die Information ist verfügbar unter: www.gema.de/fileadmin/inhalts dateien/musiknutzer/tarife/tarife_ad/tarif_vr_w_i.pdf [05.01.2011].
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS ARD/ZDF (2010): ARD/ZDF Online-Studie 2010, verfügbar unter: www.ard-zdfonlinestudie.de [16.03.2011]. Buschmeier, Alexander (2006):Mobile Music. Angebotsfokussierte Marktanalyse im Kontext digitaler Konvergenzen. Mering: Rainer Hampp. Clement, Michel/Altig, Ulrike/Papies, Dominik (2008): »Marktübersicht und Marktentwicklung der Musikindustrie«, in: Clement, Michel/Schusser, Oliver/Papies, Dominik (Hg.), Ökonomie der Musikindustrie, 2. Aufl., Wiesbaden: GWV Fachverlag, S. 23-32. Erlhofer, Sebastian (2011): Suchmaschinen-Optimierung. Das umfassende Handbuch, 5. Aufl., Bonn: Galileo Press. Eugster, Jörg (2011): Was ist Onlinemarketing?, verfügbar unter: http://wifimaku. com/pages/viewpage.action?pageId=426119 [03.04.2011]. Fischer, Mario (2009):Website Boosting 2.0. Suchmaschinen-Optimierung, Usability, Online-Marketing, 2. Aufl., Heidelberg: mitp. Gensch, Gerhard/Stöckler, Eva Maria/Tschmuck, Peter (2008): Musikrezeption, Musikdistribution und Musikproduktion, Wiesbaden: GWV Fachverlag. Gembris, Heiner (2011): »Entwicklungsperspektiven zwischen Publikumsschwund und Publikumsentwicklung. Empirische Daten zur Musikausbildung, dem Musikerberuf und den Konzertbesuchern«, in: Tröndle, Martin
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£2.3Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 61-82. Huber, Michael (2008):»Digitale Musikdistribution und die Krise der Tonträgerindustrie«, in: Gensch, Gerhard/Stöckler, Eva Maria/Tschmuck, Peter (2008), Musikrezeption, Musikdistribution und Musikproduktion, Wiesbaden: GWV Fachverlag, S. 163-186. Langner, Sascha (2009): Viral Marketing, 3. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2008): JIM-Studie 2008. Jugend, Information, (Multi-)Media,verfügbar unter:www.mpfs.de/fileadmin/ JIM-pdf08/JIM-Studie_2008.pdf [07.8.2009]. O’Reilly, Tim/Milstein, Sarah (2009): The Twitter Book, Sebastopol: O’Reilly Media. Patalong, Frank (2009): Airbus Unglück auf Twitter. ›Da ist ein Flugzeug im Hudson River. Verrückt.‹, verfügbar unter: www.spiegel.de/netzwelt/web/ 0,1518,601588,00.html [26.12.2010]. Raschka, Oliver D. (2006): Digitale Musik – Eine industrieökonomische Analyse der Musikindustrie, Dissertation, Universität Hohenheim. Rönisch, Susan (2009): Medienstudie: Internet degradiert TV zum »Nebenmedium«, verfügbar unter: www.ibusiness.de./members/aktuell/db/ 458278SUR.html [02.07.2009]. Schirmbacher, Martin (2011): Onlinemarketing und Recht, Heidelberg: mitp. Steinkrauß, Niko/Gmelin, Hannes/Günnel, Stefan (2008): »Wettbewerbsanalyse«, in: Clement, Michel/Schusser, Oliver/Papies, Dominik (Hg.), Ökonomie der Musikindustrie, 2. Aufl., Wiesbaden: GWV Fachverlag, S. 27-43. Tschmuck, Peter (2002): »Musikanbieter im Internet. B2C-Services als Alternativen zu traditionellen Distributionsformen in der Musikindustrie«, in: Bruhn, Manfred/Stauss, Bernd (Hg.), Electronic Services. Jahrbuch Dienstleistungsmanagement 2002, Wiesbaden: Gabler, S. 724-751. Vogel, Ines/Gleich, Uli (2008):»Music’s in the air – and everywhere… Musik als Teil des Medienangebotes«, in: Weinacht, Stefan/Scherer, Helmut (Hg.) (2008), Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien, Wiesbaden: VS Verlag, S. 65-84. Weinberg, Tamar (2009): The New Community Rules: Marketing on the social web, Sebastopol: O’Reilly Media. Weinreich, Harald et al. (2008): »Not quiet the Average. An Emperical Study of Web Use«, in: ACM Transactions on the Web (TWEB), Volume 2, Issue 1, February 2008. Wirtz, Bernd W. (2009): Medien- und Internetmanasgement, 6. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Zarrella, Dan (2010): The Social Media Marketing book, Sebastopol: O’Reilly Media.
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2.4 D A S L AND
JENSEITS DES
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Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk Jürgen Christ im Gespräch mit Martin Tröndle Martin Tröndle: Von der Karlsruher Musikhochschule kamen Sie als HörfunkMusikredakteur zum damaligen Südwestfunk nach Baden-Baden. Anschließend waren Sie Musikredakteur bei Radio Hamburg und ab 1990 Musikchef, seit 1991 dann Programmchef beim ersten privaten Klassiksender, dem Klassik Radio. In den letzten 25 Jahren hat sich das Medium Radio durch die Privatisierung des Hörfunks und das Aufkommen des Internets deutlich verändert. Inwiefern beeinflussen diese Veränderungen die Wahrnehmung der Klassik und die Berichterstattung zu Konzerten und Musikern? Jürgen Christ: Mit der Privatisierung des Hörfunks vor 25 Jahren hat sich im Pop- und Unterhaltungsradio ein spürbarer Wandel vollzogen. Das Kulturradio lag in dieser Hinsicht noch in tiefem Schlummer und ist erst später aufgewacht. Beim Unterhaltungsradio gab es plötzlich junge Moderatoren, die nicht durch Sprecherschulen gegangen waren, sondern frei heraus redeten. Auch wenn der Inhalt ihrer Beiträge nicht immer zwingend überzeugte, so trugen sie durch ihre Spontanität doch zu einer frischen Berichterstattung bei. Oder denken Sie an regionale Meldungen: Der Reporter von Radio Schleswig-Holstein berichtete nun live aus der Scheune von Bauer Piepenbrink und klönte mit ihm über den Milchfluss von Kuh Elsa. Auch der im Graben gelandete Traktor auf der L 211 wurde über Nacht im neuen Privatradio thematisiert. Davon reden die Leute heute noch! So etwas hatte es bis dato im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gegeben: Der beschäftigte sich mit anspruchsvolleren Themen und wirkte entsprechend eher abgehoben. MT: »Distanz verringern« ist nicht nur Schlagwort, sondern Prämisse der Medienarbeit. JC: Ja, als der duale Rundfunk mit vielen kleinen Privatsendern entstand, wünschten sich die Hörer schon seit Längerem Themen, die sie interessierten, und Moderatoren, die ihre Beiträge nicht gelangweilt vortrugen, sondern ihre Begeisterung für ein Thema an ihr Publikum weitergaben. Diese Wünsche wurden nun berücksichtigt, sodass zum ersten Mal seit mehreren Jahren der Hörer im Mittelpunkt des Rundfunks stand und nicht etwa das Programm. Mit der Einführung des dualen Systems Mitte der 80er Jahre wurde auch im Musikbereich der Hörergeschmack ins Zentrum der Programmplanungen gerückt, was ein Novum in der Geschichte des Rundfunks war: Die Musikredakteure sahen sich von Beginn an der Konkurrenz weiterer Programme aus-
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gesetzt. Zudem waren die Sender ausschließlich auf Werbeeinnahmen angewiesen, weshalb sich die Redakteure bei ihrer Programmarbeit die Fragen stellten: Will unser Publikum diesen Titel wirklich hören? Mit welcher Musikauswahl können wir möglichst viele Hörer erreichen? In den Jahren des öffentlich-rechtlichen Monopols konnte der Musikredakteur die Titel nach seinem Geschmack zusammenstellen – unabhängig davon, ob er damit die Vorlieben seiner Hörerschaft traf. Seit den 80er Jahren wurden nun die musikalischen Vorlieben des Publikums berücksichtigt, um es über die Musik und andere Programmelemente an den Sender zu binden. Je mehr Personen ein Programm hörten, desto höher waren die Werbeeinnahmen und desto besser war der Sender finanziell aufgestellt. In den weiteren Jahren wurde das systematische Zusammenspiel von Musikfarbe, Sendestilistik, Sendelayout, Ansprechhaltung der Präsentatoren, On-Air- und Off-Air-Promotion so vervollkommnet, dass man fortan von »Formatradio« sprechen konnte: Musik, Wort, Inhalte, Interaktion und Hörerkommunikation verliefen in ganz engen Bahnen und waren bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt. MT: Diese Formatveränderungen wurden ja durchaus auch kritisiert. Teilweise hat sich dies zu einer eintönigen Stromlinienförmigkeit entwickelt, oder? JC: Das stimmt, eine negative Konsequenz daraus ist, dass sich im privaten Bereich heute eine Reihe von Sendern auf Formate wie »das Beste der 90er, 2000er und von heute« beschränken. Dass ist jedoch nicht, was ich meine oder wofür ich plädiere. Mir geht es darum, das Gewicht von einem angebotszu einem nachfrageorientierten Programm zu diskutieren und auch inhaltlich anspruchsvolle Programme so zu gestalten, dass sie eine Hörerschaft finden. Die Wandlungen im Deutschlandfunk oder DeutschlandRadio Kultur könnten da stellvertretend genannt sein. Die Formate haben sich modernisiert ohne an Niveau verloren zu haben, im Gegenteil. MT: Wenn Sie gerade diese beiden Programme ansprechen, fällt mir zunächst einmal auf, dass beide ihre Online-Präsenz und ihre Angebote im Online-Bereich massiv ausgebaut haben. Können wir überhaupt noch von »Radio« sprechen? JC: Das ist ein wichtiger Punkt. Im Verlauf der letzten zehn Jahre kam durch das Internet ein ergänzendes Rundfunk-Medium hinzu, das heute eine programmprägende Funktion hat. Es gibt mittlerweile keinen Radio- und Fernsehsender mehr, der ohne das Internet und die crossmediale Nutzung der Möglichkeiten traditioneller und neuer Medien auskommt. »Visual Radio« oder »trimediale Produktion« sind Schlagworte, die längst auch in traditio-
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£2.4 Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk nelle Radio-, ja sogar Printredaktionen Einzug erhalten haben: Ein angehender Journalist, der heute nicht grundlegend den technischen Umgang mit Audio- und Videoschnitt beherrscht oder der nicht weiß, wie man Themen jeweils für Audio, Video und Internet (Print) aufbereitet, wird keine Chance haben, einen Fuß in Redaktionen, Sender oder Verlage setzen zu können – unabhängig davon, ob sein Schreibstil überzeugend ist. Wie ich zu Beginn sagte, begann das Umdenken beim Kulturradio zu einem späteren Zeitpunkt. Nämlich erst 1990, als der erste private Klassiksender in Deutschland, das Klassik Radio, an den Start ging. Junge, begeisterte Präsentatoren spielten ein »Best-Of«-Klassikprogramm und integrierten abwechslungsreiche Sendelayout-Elemente in ihre kurzen, knackigen Beiträge. Klassik konnte plötzlich Spaß machen! Die Entwicklungen haben nicht nur das Produktionsverhalten der Moderatoren verändert: ihre Sprache ist klarer, ihre Ansprechhaltung freundlicher und die Erzählweise in Beiträgen und Texten komprimierter geworden. MT: Das ist interessant. D.h. erst durch den Innovationsdruck der Konkurrenten hat Ihrer Meinung nach die Arbeit an den öffentlichen Programmen begonnen. Ist das eine Entwicklung, die nur in den Sendern vonstattengeht, oder sehen Sie die auch bei den Hörern? JC: Innerhalb der letzten Jahre hat sich auch das Rezeptionsverhalten von Hörern und Usern geändert: Durch die Vielseitigkeit und das Tempo, mit dem Medien heute nutzbar sind, hat sich der Radiohörer, Fernsehzuschauer und Internetnutzer zu einem anspruchsvolleren, aktiveren und auch ungeduldigeren Rezipienten entwickelt. Wenn ihm ein Programm nicht gefällt, wechselt er es einfach. Das geht ganz schnell. Aufgrund der großen Auswahl an Sendern, Programmen sowie der vielfältigen Möglichkeiten von internationalen Musikplattformen, Tauschbörsen und Filesharing-Angeboten hat sich der Rezipient mehr und mehr zum eigenen Programmdirektor entwickelt. Auch möchte er zeitnäher informiert sein – der traditionelle Journalistenspruch »Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern« hat heute keinen Bestand mehr. Richtig wäre hier vielmehr: »Nichts ist so alt wie die Zeitung von heute«, denn die Neuen Medien liefern per Livestream Informationen aus aller Welt und das in dem Moment, in dem sie passieren. Mit diesem Tempo kann die Zeitung nicht mehr mithalten. Auch das Medium Radio hat die Rolle als schnellster Informationsvermittler an das Internet abgeben müssen. Denn auch hinsichtlich der Hintergrundberichterstattung hat das Radio (wie das Fernsehen) weitestgehend ausgedient: Immer öfter wird in den traditionellen Programmen auf die Homepage des Senders verwiesen, wo der User weiterführende Informationen zeitunabhängig abrufen kann.
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MT: Welche Konsequenzen hat dieses veränderte Nutzerverhalten als auch der Umbau der ›Radiokultur‹ für Musiker und Veranstalter? JC: In der Musik allgemein und speziell in der Klassik erwartet der interessierte User heute eine multimedial zusammengestellte Musikkritik: So will er einerseits eine möglichst klare und objektive Einschätzung des Kritikers zu einem bestimmten musikalischen Sachverhalt lesen, gleichzeitig (etwa bei einer CD-Kritik) einen Höreindruck bekommen und optimaler Weise noch ein Video oder eine Fotogalerie anschauen. Dieser Service für den Kunden überträgt sich auch auf das Marketing eines Livekonzerts: Der Veranstalter oder auftretende Künstler muss das Konzert mithilfe einer inhaltlichen und zeitlichen Strategie von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in allen verfügbaren Medien, mit Eigenpromotion und individueller Kommunikation bewerben, um das Publikum zum Kartenkauf zu animieren. Letzteres erwartet auch, dass der Künstler nicht nur in Schwarz die Bühne betritt, spielt und die Bühne wieder verlässt. Vielmehr sollte er ein stringentes Thema und ein klares Konzept für seine Programmauswahl finden, um die Plätze im Veranstaltungssaal zu füllen. Insofern beeinflussen die Neuen Medien und ihre individuellen Möglichkeiten die Ausprägung des Konzertlebens und die Wahrnehmung der Klassik. MT: Können Sie das noch weiter spezifizieren? Als Medienberater haben Sie nicht nur für Daniel Barenboim und die Berliner Staatskapelle gearbeitet, sondern sich auch mit Ihrer Agentur Musik Medien Management 1994 selbstständig gemacht. Was würden Sie als »Medienberater« einem jungen aufstrebenden Ensemble heute raten, wenn es Sie in Ihrer Agentur aufsuchen würde? JC: Jedes Ensemble, das seinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen möchte, muss sich der großen Herausforderung bewusst sein, der nur wenige Musiker sich erfolgreich stellen. Ich würde dennoch jedem Ensemble, das sich mit Ernsthaftigkeit, Begeisterung und hohem Können an diese Aufgabe wagt, Mut machen, den Weg einzuschlagen. Auch wenn er anstrengend ist, hat er ereignisreiche und erfüllende Seiten. Eine erste Hürde für Musiker ist das Erarbeiten ihres Bekanntheitsgrades nicht nur auf der Bühne, sondern auch in den Medien. Mediale Präsenz ist insbesondere für junge Musiker, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, essenziell: Sie begeben sich in ein globales Konkurrenzfeld, in dem eine große Anzahl talentierter Musiker ihren Lebensunterhalt durch Konzerte verdienen möchte. Sich unter diesen Konkurrenten zu behaupten, bedeutet viel Kraft aufzubringen. Aus diesem Grund sollte die eigene künstlerische Qualität und die
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£2.4 Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk Motivation zum Erfolg vor dem Karrierebeginn realistisch eingeschätzt werden. Viele überschätzen ihre Möglichkeiten, doch Qualität ist eine Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg. Darüber hinaus kommt es darauf an, ein unverwechselbares Profil zu entwickeln und etwas anzubieten, was einen Seltenheitswert aufweist oder besser: einzigartig ist. Nehmen wir z.B. Nigel Kennedy. Er ist ein nicht weit überdurchschnittlich begabter Geiger, intelligent und spielt versiert auf seinem Instrument – so wie viele andere begabte Violinisten. Er wäre ebenso wie diese anderen Violinisten erfolglos geblieben, wenn er nicht als Erster zwei scheinbar unvereinbare Dinge zusammengebracht hätte: klassisches Violinspiel und Punk. Das war neu, spektakulär und ausreichend für seinen Karrierestart. Also: Neben dem Willen zum Erfolg, der künstlerischen Ernsthaftigkeit und dem musikalischen Können geht es heute auch darum, auf hohem Niveau etwas leicht vom Mainstream Abweichendes, was den Zeitgeist trifft, zu kreieren. Man muss ein Momentum des Unerwarteten erzeugen, das gleichzeitig für die Zielgruppe, die man damit ansprechen möchte, ein Identifikations- oder Sinnpotenzial transportiert. Hinzu kommt: Die Klaviatur der Selbstvermarktung muss ebenso einfallsreich gespielt werden wie die eigentliche Musik. Neben dem künstlerischen Niveau, der Vorbereitung auf den Musikmarkt und einer schlüssigen Kommunikationsstrategie gilt es zudem, mentale Stärke und Geduld aufzubringen, um sich für mögliche Rückschläge zu wappnen. Alle genannten Komponenten sind für die Stabilität des komplexen Konstrukts eines Künstlernamens – wir könnten auch von der ›Marke‹ sprechen – notwendig. Sind sie im Zusammenspiel vorhanden, fehlt nur noch das nötige Quäntchen Glück, um den Weg erfolgreich zu gehen. Natürlich – und das ist mir wichtig zu betonen – geht es nicht um eine beliebige Markenentwicklung, die dann mithilfe der Neuen Medien und des Radios transportiert werden soll. Die Künstler müssen hinter dem stehen, was sie tun. Diese Stimmigkeit zwischen gesellschaftlicher Verantwortung, musikalischer Leistung und gelungener Öffentlichkeitsarbeit sehen Sie bspw. bei Daniel Hope oder der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. MT: Wenn ich an meine eigene Musikausbildung denke, klingt das, was Sie sagen, wie Musik von anderen Sternen. Wie setzten Sie diese Fähigkeiten im Studium um, welche Rolle spielt dabei das LernRadio, ein Institut der Musikhochschule Karlsruhe, das Sie seit 1997 leiten? Warum braucht man so ein Institut? Und was lernen die Studierenden bei Ihnen? JC: Das Institut LernRadio wurde 1995 von der damaligen Rektorin der Hochschule für Musik Karlsruhe initiiert, weil sie mit dem Niveau der Radiolandschaft in Deutschland unzufrieden war. Die Programminhalte schienen ihr
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nicht anspruchsvoll genug, die Moderatoren zu wenig fokussiert und die Musikauswahl zu beliebig. Sie wollte intelligentes Radio hören und gründete das Institut mit dem Ziel, Musikjournalisten für Klassik und Pop auszubilden, die ihr Handwerk verstanden und spannende Inhalte einbringen konnten. Nun wissen wir alle, dass auch Kulturradio nebenbei konsumiert wird und der Unterhaltungsfaktor wesentlich im Vordergrund steht. Die Informationen sollen entsprechend leicht verständlich, dennoch spannend und möglichst in kurzen Beiträgen vermittelt werden. Anspruchsvolle Unterhaltung zu gestalten, ist harte Arbeit und setzt Kompetenz, Erfahrung und Wissen voraus, sowohl in der Vermittlung von Inhalten als auch im Umgang mit Produktions- und Sendetechnik. Und genau das lernen die Studierenden in unserem Institut. Es handelt sich um eine vorwiegend praktische Ausbildung, die während der letzten Jahre auf den Videobereich und im Zusammenhang mit den Entwicklungen der Neuen Medien auf Trimedialität (Audio, Video, Text) ausgeweitet wurde. Die Studierenden produzieren heute ein Radioprogramm von wöchentlich 45 Stunden, welches – und das ist eine Besonderheit – vom eigenen Sendestudio aus und über die UKW-Frequenz 104.8 MHz in Karlsruhe und der näheren Umgebung ausgestrahlt wird. Zusätzlich erstellen sie ein studentisches TV-Magazin (extraHertz) von wöchentlich zehn Minuten, das im Internet sowie über einige regionale und überregionale TV-Sender verbreitet wird. Zur Zeit werden je sieben Masterstudierende in zwei Jahrgängen und sieben Bachelorstudierende im Studiengang »Musikjournalismus für Rundfunk und Multimedia« ausgebildet, also 21 Studierende insgesamt. Hinzu kommen zehn Studierende in einem gerade neu gegründeten Bachelorprogramm »KulturMediaTechnologie«, das in enger Kooperation mit der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft stattfindet. Dieser sechssemestrige Bachelor führt die Bereiche Kultur und Technik über ein reines Projektstudium in den elektronischen Medien zusammen. Am Ende stehen Studienabgänger, die sowohl die Produktionstechnik in Video, Audio und Internettext beherrschen als auch die Moderation und Präsentation von Video- und Audiosendungen bzw. das Verfassen und Erstellen von trimedialen Musik- und Kulturbeiträgen. Eine solche Ausbildung ist in Deutschland einmalig und garantiert eine hohe Medienkompetenz. Die Studierenden des LernRadios erhalten in nahezu allen Kulturprogrammen öffentlich-rechtlicher Sender sowie in Online-Redaktionen und Redaktionsbüros Praktika, Volontariate, Freie Mitarbeiten und auch Festanstellungen. Unsere Moderatorenausbildung gilt heute im Kulturbereich als die beste deutschlandweit. MT: Die Veränderungen der letzten zehn Jahre im Medienbereich waren immens, die technischen Möglichkeiten haben Raum geschaffen für neue Re-
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£2.4 Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk zeptionsformen und Ästhetiken. Wohin wird sich Ihrer Meinung nach die traditionelle Radiolandschaft entwickeln? JC: Die Beschäftigung mit der Frage, wohin sich das traditionelle öffentlichrechtliche oder auch private Radio entwickelt, kann nicht getrennt von der Entwicklung der Neuen Medien und ihren Nutzungsmöglichkeiten betrachtet werden. Vor allem Internet und Audio-, Videodownload bilden zunehmend eine Alternative zu den Programmangeboten der traditionellen Massenmedien und haben zudem die Art und Ästhetik der gesendeten Inhalte traditioneller Anbieter verändert. Der Umgang mit dem Internet ist für viele selbstverständlich geworden. Sowohl unter beruflichen als auch privaten Aspekten erscheint das Internet mit seinen Anwendungsmöglichkeiten und Angeboten unentbehrlich. Diese Entwicklung geht einher mit dem technischen Fortschritt der vergangenen Jahre, wobei die Geschwindigkeit, mit der sich Hardund Software bzw. die Verbindungstechnik zum Internet entwickeln, die Veränderungen der Internetnutzung und eine Ausprägung neuer Inhalte begünstigt. In diesem Zusammenhang spielt der kabellose Highspeed-Zugang zum Internet (z.B. WLAN) eine wesentliche Rolle, da er schnelle Downloads und die Nutzung datenintensiver multimedialer Anwendungen ermöglicht. Mit dem Fortschritt der schnellen Verbindungen wurden auch neue Geräte entwickelt, welche eine Nutzung von Audio-, Video- und Textinhalten mobil und in hoher Qualität zulassen. In der Folge entstanden im Internet DownloadBörsen, Musikportale, Podcasts und Vodcasts, die dem Nutzer den mobilen Konsum von Webinhalten vielfältig gestalten. Durch RSS-Feeds können Inhalte abonniert sowie automatisch aktualisiert werden. Der Nutzer befindet sich dadurch stets auf dem neuesten Stand der Dinge. Der selbstverständliche Umgang mit den Neuen Medien ist besonders bei Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren stark ausgeprägt. Sie stellen die aktivste Gruppe hinsichtlich der Nutzung Neuer Medien dar und werden als digital natives bezeichnet, da sie mit den Neuen Medien aufgewachsen sind. Aber auch die über 60-Jährigen (die sogenannten »Silver Surfer«) nutzen die Möglichkeiten des Internets und der Rezeption von Online-/Offline-Inhalten immer häufiger: Sie verfügen über die nötige Zeit, sich damit zu beschäftigen. Diese Entwicklungen lassen erahnen, dass auf der Seite der Programmredakteure erhebliche Veränderungen anstehen, zusätzlich zu jenen, die bereits stattgefunden haben. So hat sich das Internet zum Leitmedium für die Jugendlichen entwickelt und im Popbereich bereits das Radio als wichtigste Quelle für neue Musiktitel abgelöst. Auch das Sender-Empfänger-Modell, wie es für die traditionelle Radionutzung typisch ist, weist kein Wachstumspotenzial mehr auf. Es reicht also nicht mehr, Inhalte nur für ein einziges Endnutzermedium aufzubereiten, wie dies bis zu Beginn des neuen Jahrtausends noch üblich
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war: Beispielsweise trafen sich auf einer Pressekonferenz zu einem aktuellen Thema der Hörfunkredakteur und das Fernsehteam desselben Senders, jeder nahm für seine Sendestrecke auf und produzierte später individuell im Studio. Es konnte sogar vorkommen, dass sich mehrere Radio- und TV-Redaktionen eines Senders ›ein Stelldichein gaben‹. Zurück im Sender bearbeitete anschließend jeder für sich dasselbe Thema. Lediglich für den Beitrag nicht mehr verwertbare Zusatzinformationen wurden auf die pflichtgemäß erstellte, wenn überhaupt vorhandene Webpage gestellt. Mittlerweile hat sich der Produktionsprozess zunehmend umgekehrt: Man produziert nicht mehr ausschließlich für Radio oder Fernsehen mit zusätzlichen Informationen für das Internet, sondern man bereitet Themen a priori so auf, dass sie gleichberechtigt über eine Vielzahl von unterschiedlichen Nutzungskanälen abgerufen werden können: Internet, Audio-Podcast, Video-Podcast (in wiederum unterschiedlichen Auflösungsformaten bis hin zu HDTV), Handy, PSP (Playstation portable), Radio und TV. Hierbei schreibt der verantwortliche Redakteur heute selbstverständlich außerdem Blogs und Teaser-Texte fürs Internet und für das programmbegleitende Online-Magazin des Senders. Fakt ist, dass kein traditioneller Hörfunk-/TV-Sender mehr ohne das Internet auskommt und sich der Arbeitsschwerpunkt von Programmverantwortlichen künftig noch mehr in Richtung der Neuen Medien verlagern wird. Waren Radio und Fernsehen vor nicht einmal 60 Jahren die einzigen elektronischen Unterhaltungs- und Informationsmedien, so reihen sie sich heute in ein breites Rezeptionsangebot ein. Dabei stellen sie nur noch jeweils eine von vielen unterschiedlichen Nutzungsarten von Inhalten dar und müssen ihre Rolle in diesem sich ständig verändernden Umfeld immer neu definieren. Da vor allem Jugendliche Inhalte immer selbstverständlicher individuell rezipieren, d.h. zu beliebiger Zeit und mobil, müssen Anbieter ihr Programm für die verschiedenen Nutzungsbedingungen und Wünsche des Publikums zur Verfügung stellen – das Radio muss einen Weg finden, sich in die unterschiedlichen Nutzer-Communities zu integrieren. Diese Entwicklung erfordert eine Umstellung der senderinternen Abläufe im Hörfunk und stellt über Jahrzehnte gewachsene redaktionelle wie organisatorische Strukturen in Frage: Redakteure können nicht mehr nur eigenständig oder nur in ihrem Themenfeld arbeiten und so ein Informationsmonopol aufbauen. Sie können nicht mehr nur ihr Manuskript ins Produktionsstudio mitbringen, Technikern und Sprechern Anweisungen erteilen und das Studio wieder verlassen. Die Renaissance der Inhalte, die Komplexität der Arbeitsabläufe und die multiplen Anforderungen auf produktions- und sendetechnischer Seite bedürfen eines neuen Redakteurstypus, der fachlich und medial gut ausgebildet ist. Dabei sollte er nicht nur redaktionelle Abläufe beherrschen, von der Recherche bis zum fertigen Produkt einwandfrei arbeiten und teamorientiert
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£2.4 Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk auftreten, sondern seine Beiträge auch kompetent und sympathisch präsentieren. Darüber hinaus gibt es Videobeiträge, die auf der Homepage von Hörfunksendern, auch Kulturradios, abrufbar sind. Diese multimedialen Elemente sind mittlerweile feste Bestandteile des Programms und müssen hausintern produziert werden. Im Vordergrund steht nicht mehr, möglichst viele verschiedene Themen für die Hörergemeinschaft zu produzieren, sondern vielmehr bestimmte Themen medienspezifisch und für die unterschiedlichen Nutzergruppen aufzubereiten. Die notwendigen Informationen zu diesen Themen – O-Töne, korrespondierende Audio- und Videoelemente, Sekundärliteratur, Spezialistenstatements (Audio/Video/Text) – müssen über ein digitales Netzwerk jederzeit und von jedem Programmredakteur abrufbar sein. Diese Art von zentralem Wissensmanagement ermöglicht den Moderatoren den Zugang zu den Informationen aller Kollegen. Auf diese Weise können Beiträge effektiver erstellt und das Gesamtprogramm abwechslungsreicher gestaltet werden. Um weitere Informationsquellen zu nutzen, ist auch die Pflege des sozialen Netzwerks unabdingbar. Das Radio und seine Macher müssen sich noch stärker in die Richtung der Online-Redaktion entwickeln; zudem wird Radio ohne Video künftig undenkbar sein. Wenn es gelingt, die oben aufgezeigten Entwicklungen ins programmatische Geschehen zu integrieren, wird das Radio in einem Konglomerat von Rezeptionsmöglichkeiten seine Nische finden und eine Alternative zu weiteren multimedialen Angeboten bieten. MT: Alles Dinge, auf die junge Musiker in den Musikhochschulen kaum sensibilisiert werden oder gar ein Kompetenzerwerb stattfindet; dennoch müssen sie und ihre Ensembles in dieser Medienlandschaft um Aufmerksamkeit für sich und ihr Angebot konkurrieren. Was sind aus Ihrer Perspektive als Hochschullehrer, Medienberater und Veranstalter des Kammermusik-Wettbewerbs Erst-Klassik die am häufigsten begangenen Fehler der Musiker (und Veranstalter) in ihrer Medienpraxis? JC: Unerfahrene Künstler scheitern häufig bereits vor ihrem Berufsbeginn im Konzertbetrieb, weil sie nicht wissen, was sie dafür vorweisen müssen und welche Dinge sie vermeiden sollten. Eine klar strukturierte Selbstdarstellung, ein verständlicher, emotional ansprechender Text zur Person und zum Programm, professionelle Fotos und eine qualitativ hochwertige Videopräsentation ihrer Kunst sind essenziell für den Karrierebeginn. Ich habe erlebt, dass bspw. bei der Bewerbung zum Wettbewerb Erst-Klassik als Vita ein handgeschriebener Karopapier-Knitterzettel eingereicht wurde, die Audioaufnahme per Handymikro stattgefunden hatte und ein Video gar nicht erst vorhanden war.
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Ein weiteres Manko ist oftmals die Unfähigkeit zur aussagekräftigen Selbstdarstellung, z.B. in Interviews oder auch in Bewerbungsgesprächen bei Agenten oder Konzertveranstaltern. Auch wenn einige Hochschulen mittlerweile berufsbezogene Beratung und diverse Weiterbildungskurse anbieten, kann die nachhaltige Sensibilisierung der Studienabgänger für diese wichtigen Maßnahmen zur erfolgreichen Jobsuche noch deutlich verbessert werden. Zudem ist die Fähigkeit zur (Selbst-)Kritik nicht zu vernachlässigen: Viele Künstler sind u.a. deshalb erfolglos, weil sie nicht in der Lage sind, Kritik anzunehmen oder sich selbst differenziert zu betrachten. Eine solche Haltung ist wenig förderlich und zieht ein weiteres Defizit nach sich: Künstler, die zu egozentriert agieren, können den Blick für das große Ganze nicht entwickeln und orientieren sich bei ihrer Programmdramaturgie oder Werkauswahl neben den eigenen Vorstellungen und Ideen nicht an den Markterfordernissen. Schlimmstenfalls führt dies zu leeren Konzertsälen, was häufig mit dem Vorwurf abgetan wird, die musikalische Botschaft würde nicht verstanden, obwohl schlicht der Publikumsgeschmack nicht berücksichtigt wurde. Dies gilt auch für manche Veranstalter, die seit vielen Jahren eingefahrene Strukturen bedienen und mit altmodischen Programmideen oder Präsentationsformen den Zeitgeist verfehlen. Zusätzlich können die immer wichtiger werdenden Sponsoren, mit deren Unterstützung viele Konzerte erst möglich werden, meist nur mit intelligenten und schlüssigen Ideen zu Programm und Aufführungspraxis überzeugt werden. Häufig wird die Wichtigkeit dieser Mechanismen von Veranstalterseite unterschätzt, ebenso wie die Tatsache, dass man sich frühzeitig – in der Regel mindestens ein Jahr im Voraus – um Sponsorenhilfe kümmern muss, wenn man sie schließlich auch erhalten möchte. MT: Angesichts der Herausforderungen, mit denen junge Musikerinnen und Musiker heute konfrontiert sind: Wie sollte das Ausbildungsangebot an den Musikhochschulen gestaltet sein, was müssten die Studierenden lernen, um am Musikmarkt bestehen zu können? JC: Die künstlerische Ausbildung an den deutschen Musikhochschulen ist größtenteils sehr gut: Die Studierenden erhalten ein umfangreiches Angebot an theoretischen und praktischen Fächern, die von Dozenten unterrichtet werden, die in der Regel international erfahren sind und bemerkenswerte künstlerische oder pädagogische Erfolge erzielen. An ihrem Instrument oder ihrer Stimme werden die Studierenden entsprechend auf hohem Niveau ausgebildet und auf den solistischen Musikerberuf detailliert vorbereitet. Allerdings gibt es eine große Anzahl an Musikstudenten, die nicht hochbegabt sind: Anstatt sie über ihre weniger guten Erfolgschancen aufzuklären und
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£2.4 Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk zu motivieren, Alternativen zu suchen, überlässt man sie schon während des Studiums ihrem Schicksal. Am Wichtigsten ist aus meiner Sicht, dass die Studierenden sich zuallererst die Frage stellen, wie ihr späterer Wunschberuf konkret aussieht, und dass sie sich möglichst genau darüber informieren. Oftmals haben sie keine wirkliche Idee, sondern eher eine idealisierte Vorstellung davon, was sie im Job erwartet. In diesem Punkt brauchen die meisten Studierenden Hilfe, weshalb die Hochschulen hier früh regelnd eingreifen müssten. Beispielsweise könnten ab Studienbeginn regelmäßige Veranstaltungen in den Seminarplan aufgenommen werden, die die Studierenden auf die Herausforderungen im Künstlerberuf vorbereiten: Der Durchschnittsjahreseinkommen für künstlerische Tätigkeiten in Deutschland liegt laut der Künstlersozialkasse bei circa 11.000 Àjährlich in den ersten Berufsjahren. Man muss also wirklich für seinen Beruf brennen! Um über dem Schnitt zu liegen, reicht es nicht, sein Instrument zu beherrschen. Die Hochschulen müssten bestimmte Studieninhalte verpflichtend anbieten. Dazu gehört meiner Meinung nach ein Seminar, das den deutschen Musikmarkt mit den internationalen Parallelmärkten vergleicht. So erhalten die Studierenden eine Vorstellung von dem Terrain, in dem sie sich bewegen und lernen zusätzlich neue Facetten und Möglichkeiten ihres Berufs kennen. Ebenso wichtig wäre ein Workshop zum Selbstmarketing. Die Studierenden sollten lernen, wie man sich öffentlich präsentiert, wie man strukturiert redet, wie eine Programmdramaturgie aussehen sollte und wie man sich in sozialen Netzwerken verhält. Außerdem sollte der Aspekt der (künstlerischen) Horizonterweiterung berücksichtig werden: Welche Perspektive geben Film, Architektur, Theater, Kunst und Literatur auf die Musik? Eines der wesentlichen Ziele einer verantwortungsbewussten Ausbildung an einer Musikhochschule sollte sein, den Blick für andere Kulturen zu schärfen und Neugier an aktuellen Ereignissen in der Welt zu wecken. Musiker sollten ihre Rolle in der Gesellschaft aktiv selbst bestismmen und gestalten und den Blick über den Tellerrand ihres Instrumentes halten. Dann kann auch die Karriere erfolgreich verlaufen. MT: Vielen Dank für das Gespräch!
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2.5 M ANAGEMENT UND M ANAGEMENTINSTRUMENTE FÜR M USIKSCHAFFENDE Petra Schneidewind
Dieses Kapitel nimmt den zentralen Begriff dieses Buches, den des Managements bzw. des Selbstmanagements ins Visier. Die Musikschaffenden sollen zunächst theoretisch an die Thematik herangeführt werden; vertieft und musikspezifisch angewendet wird das Managementverständnis in weiteren Beiträgen, insbesondere beim Marketing. In den einleitenden Kapiteln wurden Besonderheiten und wesentliche Eckdaten der Musiklandschaft vorgestellt. Die Pflicht der Musikschaffenden ist es, Verantwortung für die eigene Entwicklung in diesem Rahmen zu übernehmen. Dazu sind die Managementfunktion und die dazugehörenden Techniken ein Schlüssel. Management ist ein mehrdeutiger Begriff. Er kann bspw. personenbezogen verstanden werden und meint in diesem Fall Personen, die leitende Aufgaben wahrnehmen; man spricht dann von »dem Management« oder »dem Manager«. Gerade im Musikbetrieb ist dieses Verständnis üblich, wobei aber zwei Arten von Manager unterschieden werden, nämlich der Personalmanager und der Businessmanager. Letzterer kümmert sich nicht um die Entwicklung des Künstlers, er sorgt vielmehr für dessen finanzielle Angelegenheiten und übernimmt eher die Funktion des Rechts-, Steuer- und Finanzberaters. Der Personalmanager ist oft die Schlüsselfigur im Leben eines Künstlers, er plant den künstlerischen und wirtschaftlichen Verlauf der Karriere. Er konzipiert die Geschäftsstruktur des Künstlers. Er organisiert und kontrolliert die Zusammenarbeit aller Geschäftspartner und ist für den Künstler oft auch Beichtvater, Mutter und Freund zugleich (Lyng 2001: 20). Wenn es dieses ›Multitalent‹ jedoch nicht gibt, bzw. gerade am Anfang einer Karriere noch nicht gibt, muss der Musiker diese Aufgaben eben zusätzlich zur künstlerischen Arbeit selbst erledigen. Diese ›Personalunion‹ ist für viele Musikschaffende die Realität. Problematisch dabei ist, dass sich diese Arbeiten nicht nebenbei erledigen lassen, sondern durchaus größere Zeitanteile beanspruchen; diese können durchaus höher sein als die künstlerischen Zeitanteile (siehe auch Kapitel £ 4.4 Spark, die klassische Band). Der MusikerManager in Personalunion übernimmt dann alle Aufgaben, welche die Leitung eines ›Musikbetriebs‹ so mit sich bringt: Von der Planung und Organisation bis hin zum Absatz und der Finanzierung. Für das Selbstmanagement von Musikschaffenden eignet sich ein funktionsbezogenes Management am besten, darum soll nun dieses Managementverständnis in seinen wesentlichen Grundzügen eingeführt werden.
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Die Hauptfunktionen von Management sind: Zielsetzung – Planung – Entscheidung – Realisierung – Kontrolle Sie folgen in der Regel zeitlich aufeinander und bilden den Managementprozess oder Managementkreis:
;JFMFTFU[FO
QMBOFO
,PNNVOJ[JFSFO VOE JOGPSNJFSFO
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SFBMJTJFSFO
Abbildung 1: Der Managementkreis
Der Managementprozess ist das Zusammenwirken von Zielsetzung, Planung und Organisation, er stellt ein Grundmuster dar, das auch den Konzeptionen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zugrunde liegt. Management wird differenziert in strategisches und operatives Management, dabei sollten die beiden Teile unbedingt zusammenwirken und ineinandergreifen. Strategisches Management schafft Potenziale für die Erfolge der Zukunft. Operatives Management dagegen setzt unmittelbar Leistungen um und führt geradewegs zu Erfolg oder Misserfolg (Heinrichs 1999a: 135). Strategische Fragen eines Musikschaffenden wären bspw.: Welche neuen Zielgruppen können erschlossen werden? Welche Programmkonzepte lassen sich umsetzen, welche Partnerschaften sind in der Zukunft attraktiv? Operative Managementfragen ergeben sich aus den laufenden Entscheidungssituationen, die für die Erreichung der strategischen Ziele notwendig sind, also bspw. Fragen der konkreten Werbemaßnahmen, Pressetermine, Festlegung von Eintrittspreisen etc.
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Jedes Management-Handeln beginnt bei der Zielsetzung, also bei der Definition dessen, was man erreichen will. Im zweiten Schritt wird ein Plan für die Umsetzung dieses Ziels erstellt und an dieser Stelle setzen dann die vier übrigen Managementfunktionen (Planung – Entscheidung – Realisierung – Kontrolle) an (Heinrichs 1999b: 181). Ohne Zielsetzung sind Planung und die darauf aufbauenden Funktionen sinnlos. Das klingt banal, tatsächlich ist eine fehlende Zielsetzung aber in der Praxis weit verbreitet. Bei der Zieldefinition sollte man darauf achten, dass die Ziele inhaltlich (was soll erreicht werden?) und zeitlich (bis wann, für welchen Zeitraum?) beschrieben werden; sie müssen auch hinsichtlich Ausmaß (in welchem Umfang?) und Bereich (wo hat das Ziel Gültigkeit?) definiert werden. Einige Tipps dazu: • Ziele müssen realistisch definiert sein, d.h. ihre Erreichbarkeit muss gesichert sein. Sie sollten hinsichtlich ihrer Dimensionen so formuliert sein, dass sie motivierend wirken. • Die Ziele müssen schriftlich formuliert werden. • Ziele müssen hinsichtlich ihrer Zieldimension eindeutig festgelegt sein, damit ihre Realisierung und Überwachung gewährleistet ist. • Ziele müssen messbar sein sowie an Kosten und Termine gebunden werden. Dies gelingt natürlich einfacher mit quantitativen Zielvorgaben. • Die Teilziele, die auf dem Weg zur Zielerreichung notwendig sind, müssen beschrieben werden. • Es müssen Prioritäten gesetzt werden; also sollten Haupt- und Nebenziele unterschieden werden. • Zielsetzungen sollten mit neuen Erfahrungen und Erkenntnissen überarbeitet werden, schließlich sollen sie ja aktuell sein. • Mit einem regelmäßigen Soll-Ist-Vergleich sollte die Erreichung der Teilziele überprüft werden. Als Manager müssen Musikschaffende ihr künstlerisches Potenzial (ihre Ressource) vermarkten. Ausgangspunkt für ihr Handeln als Manager ist herauszufinden, was mit dem vorhandenen Potenzial erreicht werden soll (Zielfindung). Daran knüpft die Planung (zur Umsetzung dieses Ziels) an. Planung hat grundsätzlich die Aufgabe, Wege zu finden, auf denen die gesetzten Ziele realisiert werden können. Planung ist also die gedankliche Vorwegnahme der späteren Realisierung. Die Planungsphase lässt sich in Teilphasen differenzieren. Die folgenden Schritte sind üblich: Problemanalyse, Alternativensuche und Bewertung (Heinrichs 1999b: 182). Die Phase Problemanalyse lässt sich weiter gliedern in: Analyse des Ist-Zustandes, Zerlegen in Teilprobleme und Ordnung der Teilprobleme. Die IstAnalyse macht deutlich, auf welchen Wegen bisher versucht wurde, die
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gesetzten Ziele zu erreichen (Problemanalyse). Der folgende Schritt, die Alternativensuche soll neue Möglichkeiten der Problemlösung finden, also nach innovativen Lösungen suchen. Am Ende der Planungsphase sollten mehrere Lösungsvorschläge zur Verfügung stehen. Die Prognosephase muss die gefundenen Alternativen bezüglich ihrer Ergebniswirkung im Sinne der Zielsetzung überprüfen. Die Bewertungsphase muss die gefundenen Alternativen anschließend auf ihre Ergebnisse für die Zielsetzung überprüfen. Für die anschließende Entscheidung ist ausschlaggebend, welche Alternative am ehesten geeignet ist, die Zielsetzung zu realisieren. Die Entscheidungsphase ist quasi die Überleitung zur Realisierung der Zielsetzung. In der Regel fallen dort viele Managementaufgaben an, die sich um zwei Bereiche drehen: Aufbau und Ablauf. In der Organisation des Aufbaus steht die Frage »Wer macht was?« im Vordergrund. Diese Fragestellung ist allerdings nur für Ensembles relevant, denn nur dort kann Arbeitsteilung vorgenommen werden (z.B. kümmert sich ein Ensemblemitglied um mögliche Engagements, ein anderes Mitglied ist zuständig für die Pflege und Aktualisierung der Internetseite, ein weiteres kümmert sich um neues Notenmaterial etc.). Der Einzelmusiker hat keine Möglichkeiten der internen Arbeitsteilung. Natürlich ist die externe Vergabe an Dienstleister möglich, dabei fallen aber Kosten an. Wir gehen zunächst davon aus – und das ist sehr realistisch –, dass Musikschaffende selbst alle Tätigkeiten übernehmen, also einmal als Künstler und ein anderes Mal als Manager agieren. Der zweite Bereich der Realisierung ist die Organisation des Ablaufs. Darunter ist die Organisation eines Produktionsprozesses unter zeitlichen Gesichtspunkten zu verstehen, d.h. vorrangig die Gliederung des Prozesses in überschaubare Arbeitsschritte und deren Verlaufsplanung in einer sinnvollen Reihenfolge. Aber Ablauforganisation darf nicht ausschließlich unter dem chronologischen Aspekt gesehen werden. Auch logische Verknüpfungen von Arbeitsschritten sowie die Berücksichtigung der persönlichen und räumlichen Komponenten zählen zu den Steuerungshandlungen der Ablauforganisation. Am Ende des Managementprozesses oder des Managementkreislaufs steht die Phase der Kontrolle. Diese darf auf keinen Fall vernachlässigt werden, weil ggf. schon andere Planungen im Raum stehen. Aus einer sorgfältigen Nachbereitung, also einer kritischen Reflektion, ergeben sich wichtige Inputs für zukünftige Vorgehens- und Verhaltensweisen. Mit dieser Phase schließt sich der Kreis. Sie sollten sich allerdings nicht nur auf eine Endkontrolle verlassen, sondern laufend ihre Prozesse kontrollieren. Wenn Sie nämlich feststellen, dass die gesetzten Ziele nicht erreicht wurden, ein Konzert also schlecht besucht ist, können Sie am Konzertabend selbst kaum mehr gegensteuern. Wenn Sie aber ab dem Beginn des Vorverkaufes regelmäßig den Kartenverkauf überprüfen, können sie frühzeitig Fehlentwicklungen erkennen und gegen-
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende steuern. Offensichtlich wird die anvisierte Zielgruppe nicht erreicht oder Sie haben vielleicht eine Konkurrenzveranstaltung übersehen. Wenn sie die Ergebnisentwicklung laufend kritisch begleiten, haben Sie die Möglichkeit im Sinne der Zielerreichung steuernd einzugreifen. Idealtypisch gehen Steuerung und Kontrolle im Management Hand in Hand. Als erstes Zwischenergebnis lässt sich festhalten: Jedes manageriale Handeln beginnt bei der Zielsetzung, dann geht es an die Planung der Umsetzung. Managementtechniken begleiten den Managementprozess in allen Phasen. Dabei werden die Techniken vor allem in zwei Bereichen benötigt: bei der Entwicklung neuer Konzepte (Planung) und bei deren Realisierung, also zur Strukturierung und Steuerung von Arbeitsabläufen (Organisation) (vgl. Jürgens 2011: 19). Im Werkzeugkasten eines Managers finden sich bspw. folgende Hilfsmittel: Planungstechniken, Prognosetechniken, Kreativitätstechniken, Problemlösungstechniken, Motivationstechniken, Konflikt- und Verhandlungstechniken, Lese- und Schreibtechniken und ganz allgemein die Techniken der individuellen Arbeitsorganisation. Das Management muss die Techniken kennen und beherrschen, um für eine Aufgabe das richtige Instrument auswählen zu können. Es würde hier zu weit führen, alle möglichen Instrumente des Managements vorzustellen und ihre Anwendung zu diskutieren. Wir beschränken uns auf eine kleine Auswahl von Hilfsmitteln, die für das Selbstmanagement von Musikschaffenden leicht und wirkungsvoll eingesetzt werden können. Ausgewählt wurden einige Kreativitätstechniken, welche die Planungsphase unterstützen können, sowie Mind-Mapping, Checkliste, Balkendiagramm und Meilensteinplanung, die besonders die Durchführung befördern.
K R E AT I V I TÄT S T EC HNI K EN Kreativitätstechniken könnten Musikschaffende bspw. einsetzen, wenn es darum geht, neue Programme zu konzipieren, neue Zielgruppen zu erreichen, neue Werbemittel zu finden o.Ä. Kreativität heißt nach Stolle »aus dem Gleis springen«. Diese Definition legt er einem Aufsatz über Kreativitätstechniken zugrunde; er sieht darin ihren eigentlichen Kern (vgl. Stolle 1996: 3). Mit dem Einsatz von Kreativitätstechniken ist das Ziel verbunden, Wissen und Erfahrungen aus anderen Bereichen abzurufen. D.h. mit ihrer Hilfe entstehen nicht immer neue, geniale, noch nie da gewesene Ideen bzw. Lösungen, ihre Verwendung gewährleistet aber,
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• • •
dass Bekanntes in einem neuen Licht erscheint, dass eine bisherige Lösung bestätigt wird, weil ihr ein Detail hinzugefügt wurde, dass das Problem noch einmal, diesmal von einer anderen Seite betrachtet wird (vgl. ebd.: 4).
Eine ganze Reihe von Blockaden kann Kreativität verhindern oder behindern: z.B. Ängste, mangelnde Risikobereitschaft, Überhäufung mit Routine- und Detailarbeiten, Betonung des Sicherheitsaspekts, mangelnde Initiative u.a. Die Kreativitätstechniken haben die Funktion, diese Blockaden abzubauen und damit den kreativen Potenzialen Raum zu schaffen (vgl. ebd.: 6). Sie können alleine oder in der Gruppe angewendet werden. Bei der Anwendung in Gruppen gelten grundsätzlich die folgenden Spielregeln: • Quantität geht vor Qualität (Ziel ist die Entwicklung möglichst vieler Ideen); • alles ist erlaubt (gerade auch ›verrückte‹ Ideen, die im ersten Moment als nicht realisierbar erscheinen); • es gibt kein geistiges Eigentum (Anknüpfen an Gedanken ist ausdrücklich erwünscht); • Ideensuche und Ideenkritik müssen getrennt werden (unterstützt die Motivation); • Einfälle nicht zerreden (kurz und prägnant fassen, damit der Ideenfluss nicht unterbrochen wird) (vgl. ebd.: 10). Das Brainstorming ist die bekannteste Kreativitätstechnik. Ihr Ziel ist die Problemlösung, d.h. sie hat nichts zu tun mit der Schaffung eines Kunstwerks. Brainstorming ist vielmehr ein Verfahren zur Ideenfindung (gibt also Antworten auf die Frage: »Wie lässt sich das gesetzte Ziel umsetzen?«). Entsprechend den oben genannten Spielregeln geht es in erster Linie um Quantität. Innerhalb einer vorgegebenen Zeit sollen in einer Gruppe möglichst viele Ideen zu einem klar umgrenzten Problem gesammelt werden. Diese Art von Kreativitätstechnik lässt der Fantasie sehr viel Raum, was die Chance birgt, dass tatsächlich eine völlig neue, unkonventionelle Problemlösung gefunden werden kann. Der Ablauf vollzieht sich in drei Phasen: 1. Vorbereitung 1. Problem klar beschreiben 2. Teilnehmer auswählen 3. Moderator bestimmen 4. Protokollant benennen
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende 2. Ideenfindung 1. Problem als Ausgangspunkt 2. Freiraum für spontane Ideen 3. Neutrale Gesprächsführung (Moderator) 4. Ungewichtete Aufzeichnung (Protokollant) 5. Abbruch nach max. 30 Minuten 3. Ideenbewertung 1. Zeitlicher Abstand 2. Qualitative Auswahl 3. Ziel: Entscheidungsvorlage (vgl. Heinrichs/Klein 2001: 43) Der musikschaffende Einzelkämpfer muss sich für die Anwendung der Kreativitätstechnik »Brainstorming« ein Team zusammenstellen. Die möglichen Teammitglieder sind nicht automatisch durch eine gegebene Organisation vorhanden. Dies kann das kreative Potenzial dieses Verfahrens durchaus noch erhöhen. Es wäre denkbar, dass ein Team aus Familienmitgliedern, Freunden, Schülern, Lehrern, Kollegen, fachfremden Personen etc. zusammengesetzt wird, denn eine möglichst interdisziplinäre Zusammensetzung ist ausdrücklich erwünscht. Wichtig bei dieser Technik ist, dass zunächst alle Ideen ›gut‹ sind. Zwischen Sammlung und Bewertung sollte eine Pause von wenigstens einem Tag liegen (max. acht Tage). In der Bewertungsphase wird dann zunächst eine Klassifizierung vorgenommen, z.B. in drei Kategorien: • sofort umsetzbar, • mittelfristig umsetzbar, • nicht umsetzbar. Ob das Brainstorming als intuitive Methode für den vorhandenen Problemlösungsprozess das richtige Verfahren ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Die gängigen Kritikpunkte an der Methode sind der oberflächliche Umgang mit dem Problem (ergibt sich aus dem bewusst erzeugten Zeitdruck), die Gefahr des Abdriftens durch Assoziationsketten und die geringe Verwertungsquote (etwa 5-15 Prozent aller vorgebrachten Ideen). Eine weitere Methode, die zu den analytischen Kreativitätstechniken gehört und auch von einem Einzelnen angewendet werden kann, ist die morphologische Methode. Mit dieser Methode wird ein Problem nach Parametern (charakteristischen Konstanten) und Variablen analytisch zerlegt. So sucht etwa ein Pianist nach neuen Angebotsformen. Diese lassen sich finden, indem die Parameter »Programminhalte« unterschiedlich mit den Variablen
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»Veranstaltungsorte« kombiniert werden. Die Felder des untenstehenden Gitters werden systematisch gefüllt. Die Kombinationsmöglichkeiten werden dadurch transparent und lassen damit auch Nischen erkennbar werden, denn gerade leere Felder fordern die Fantasie heraus. Parameter Variable
Konzertsaal
Historisches Gebäude
Open Air
Klassisches Klavierprogramm (Sonaten etc.) Chansonprogramm Avantgardeprogramm Die morphologische Methode ist mehr ein System der Ideenordnung, weniger eines der Ideenfindung (vgl. Heinrichs 1999a: 118). Die Ideenfindung orientiert sich sehr stark an den Parametern (es können auch mehr als drei Parameter verwendet werden; je mehr Parameter, umso mehr Kombinationsmöglichkeiten ergeben sich). Wirklich revolutionäre Lösungen lassen sich mit dieser Methode nicht finden. Vorteilhaft ist allerdings, dass man durch das vorgegebene Raster das Problem nicht aus den Augen verliert und keine Zeit verloren geht mit der Diskussion eher abwegiger Ideen. Voraussetzung für das Funktionieren von Kreativitätstechniken ist, dass es den Beteiligten gelingt, sich wenigstens vorübergehend von vorhandenen Problemen zu lösen. Gleichzeitig ist aber auch Disziplin notwendig, was die Einhaltung der oben aufgeführten Spielregeln betrifft.
P RO G N OSE T EC HNIK EN Als Prognose bezeichnet man eine methodisch-systematisch gewonnene Vorhersage einer künftigen Entwicklung oder eines künftigen Ereignisses (Heinrichs 1999b: 197). Die dafür zum Einsatz kommenden Techniken lassen sich unterscheiden in die informellen Techniken, die auf Schätzungen, Erfahrungswerten und Intuitionen basieren und keinen Regeln unterliegen, und die formellen Techniken. Zu letzteren zählen quantitative (mathematisch-statische Verfahren, z.B. die Trendextrapolation) und qualitative Techniken (beschreibende Verfahren, z.B. die Szenariotechnik, Delphi-Methode). Die formellen Methoden sind hier nur aus Gründen der Vollständigkeit genannt. Ihr Einsatz ist aufwendig und setzt eine gewisse Komplexität voraus. Für die
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Zwecke der Musikschaffenden werden das bestehende Erfahrungswissen und die ›Gefühle aus dem Bauch‹ zunächst zur Abgabe von Prognosen ausreichen.
O RG A NI S AT I O N S -/A BL AU F T EC HNIKEN Der Begriff »Organisation« gehört zu denen, die im Alltag in sehr vielfältiger Weise verwendet werden. Eine Institution kann als Organisation bezeichnet werden. Im umgangssprachlichen Gebrauch meint »organisieren« sowohl Planung als auch Ausführung eines Vorhabens. Im Rahmen von Management ist Organisation die Methodik und Technik des Gestaltens von Abläufen und Handlungsstrukturen, bezieht sich also auf die Organisation der Realisierung einer Planung (ebd.: 204). Muss bspw. ein Konzert vorbereitet werden, würde sich das Management nur mit der Steuerung der Realisierung beschäftigen, also nicht selbst Hand anlegen bei der Bestuhlung des Raumes, beim Aufhängen von Plakaten oder ähnlichen Tätigkeiten. Die ausführenden Arbeiten werden durch Dritte erledigt, das Management führt und steuert alle Aufgabenträger. Im kulturellen Bereich entspricht diese idealtypische Aufgabenverteilung nicht ganz der Realität. Durch die Knappheit sämtlicher Ressourcen sieht man häufig auch Manager bei operativen Arbeiten wie Plakate kleben, Tickets verkaufen u.a. Trotzdem liegt die Verantwortung für Steuerung und Koordination im Hinblick auf die Zielerreichung allein beim Management. Eine weitere sehr einfache und wirkungsvolle Technik, die sowohl zur Ideenfindung als auch zur Planung eingesetzt werden kann ist das Mind-Mapping. Der Urvater dieser Methode, der Engländer Tony Buzan, orientierte sich bei deren Entwicklung an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Dieses funktioniert nicht linear, sondern arbeitet mit Assoziationen, Verknüpfungen und Bildern, die vernetzt werden. Für den Menschen ist es einfacher, Bilder aufzunehmen als Informationen, die in Texten oder Listen aufbereitet sind. Kern des Mind-Mapping ist also ein Bild im Sinne eines grafischen Denkwerkzeuges, dass ein Problem strukturiert. Auf einem Papier, welches grundsätzlich im Querformat genutzt wird, wird in der Mitte ein kleines Bild mit dem Hauptthema gezeichnet. Von diesem Ausgangspunkt ausgehend werden nun differenzierte, weiterführende Gedanken abgezweigt und beliebig weit verästelt. Auf diese Weise können viele Details erfasst werden. Die Technik ist organisch, kann also auch immer wieder weiterentwickelt werden, wenn Ergänzungen notwendig werden. Empfehlenswert ist, dass mit kurzen, prägnanten Begriffen gearbeitet wird. Auch unterschiedliche Farben und andere Hervorhebungen können genutzt werden. Ein Musiker könnte diese Technik
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bspw. für die Tourneeplanung einsetzen. Dazu sind im Vorfeld Terminfragen zu klären und Veranstaltungsort, eine Reiseroute, Fragen des notwendigen Equipments, Unterkünfte, Reisedokumente etc. zu berücksichtigen. Mit einer Mind-Map könnte die Planungsaufgabe wie folgt abgebildet werden:
Abbildung 2: Mind-Map Planungsaufgabe
Organisation wird unterschieden in Aufbau- und Ablauforganisation. Die Aufbauorganisation ist dabei die strukturelle Variante, bei der Ablauforganisation steht die zeitliche Komponente im Mittelpunkt des Interesses. Da viele Musikschaffende alleine bzw. in kleinen Gruppen arbeiten, ist die strukturelle Seite der Organisation hier vernachlässigbar. Wir wollen uns auf die Ablauforganisation konzentrieren, denn für den Musikbetrieb ist die Arbeit und Konzentration auf einen fixen Termin typisch (Konzerttermine, Aufnahmetermine, Tourneen, Fernsehauftritt etc.). Ablauforganisation beinhaltet: • die Gliederung eines Produktionsprozesses in einzelne, überschaubare und handhabbare Arbeitsschritte; • die Terminierung der Arbeitsschritte nach Anfangs- und Endtermin sowie Dauer; • die Abfolge der Arbeitsschritte in einer sinnvollen Reihenfolge; • die zeitliche Verknüpfung von Arbeitsschritten, soweit dies für den Gesamtprozess sinnvoll und notwendig ist; • die Verdeutlichung von Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Arbeitsschritten; • die Berücksichtigung der personellen, räumlichen und finanziellen Komponenten (also der Ressourcen) (nach Heinrichs 1999a: 143).
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Die Techniken, die im Rahmen der Ablauforganisation eingesetzt werden, konzentrieren sich auf die zeitliche Reihenfolge bestimmter Arbeitsschritte. Dazu kann bspw. eine Checkliste eingesetzt werden. Sie ist die einfachste Technik, die versucht, die einzelnen Arbeitsschritte in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Jedem Arbeitsschritt wird ein Endtermin zugeordnet. Bei mehreren Verantwortlichen können diese jeweils benannt werden (siehe untenstehende Tabelle). Das Ziel ist, alle Arbeitsvorgänge möglichst vollständig zu erfassen. Da die Checkliste laufend zu ergänzen ist, bspw. um Erledigungsvermerke, ist man schnell darüber im Bild, was bereits erledigt und was noch offen ist. Dadurch entsteht Transparenz, Planungssicherheit und Aktualität. Nachteilig beim Einsatz einer Checkliste ist, dass sie keine Angaben über die Dauer der einzelnen Tätigkeiten macht; es ist auch nicht ersichtlich, welche Tätigkeiten aufeinander aufbauen, was also zwingend vor Schritt 2 erledigt werden muss. Für einen ersten Einsatz von Managementtechniken ist die Checkliste aber durchaus geeignet. Vor allem die Vollständigkeit aller notwendigen Teilaufgaben kann damit leicht überprüft werden. Durch die schriftliche Fixierung werden die Tätigkeiten visualisiert und man erreicht die gewünschte Planungssicherheit. Das folgende Beispiel zeigt ihre Anwendung: 1. Ein junger Pianist (M) möchte den Einstieg in die ›Szene‹ schaffen und veranstaltet selbst einige Konzerte, um sich und sein Programm zu präsentieren. Das erste Konzert, der Auftakt zu – hoffentlich – einer ganzen Reihe von weiteren Konzerten, hat er für den 29.06.2011 angesetzt. Auch bezüglich Ort und Raum hat er konkrete Vorstellungen. Nun gilt es, den Plan zu realisieren. Zur Ablaufplanung verwendet er eine Checkliste, in der er zu Beginn der Realisierungsphase die folgenden Tätigkeiten auflistet:
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Checkliste: Planung eines Klavierkonzertes
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Der Planungszeitraum erstreckt sich auf etwa ein halbes Jahr (Planungsbeginn Januar, Konzerttermin 29.6.); das erscheint großzügig für eine recht einfache Konzertplanung. Aber an anderer Stelle haben wir darauf hingewiesen, dass bei der Ablaufplanung vom zeitlichen Faktor große Risiken ausgehen, eine großzügige Zeitplanung ist daher grundsätzlich empfehlenswert. Man muss sich außerdem vergegenwärtigen, dass die Anzahl der Aufgaben etwa gleich ist, egal ob nun ein Konzert in einem kleinen Saal mit 99 Plätzen oder in der Stadthalle mit 800 Plätzen organisiert wird. Außerdem muss man bedenken, dass die Vorbereitung dieses Konzertes nicht die einzige Aufgabe ist, die der Pianist in diesem Zeitraum zu bewältigen hat. Vor allem muss er das Programm einstudieren und hat darüber hinaus ggf. andere Konzert- und Unterrichtsverpflichtungen. Die Checkliste aus dem Beispiel könnte natürlich noch sehr viel detaillierter ausfallen oder aber noch weiter zusammengefasst werden. Der Musiker aus dem Beispiel ist für alle Tätigkeiten selbst verantwortlich. Er muss nun, dem Fortschritt der Arbeiten entsprechend, die Erledigungsvermerke pflegen, damit ihm die Checkliste einen Überblick über den Stand der Dinge geben kann. Derzeit ist noch ausreichend Platz für Ergänzungen. Eine Checkliste kann aber durchaus auch mehrere Seiten haben, solange sie noch übersichtlich bleibt. Bei zunehmender Komplexität der Aufgaben sollte jedoch der Einsatz eines anderen Managementinstruments geprüft werden. Einen Schritt professioneller ist das Balkendiagramm. Hier wird eine zweite Dimension, nämlich die der Dauer, eingeführt und die einzelnen Aktivitäten werden miteinander verknüpft. Den einzelnen Tätigkeiten wird ein Zeitintervall zugeordnet. Die Balken markieren jeweils den Anfangs- und Endzeitpunkt der Aufgabe. Dadurch werden auch Überlappungen transparent. Auch dazu ein Beispiel: 2. Ein junges Kammermusikensemble hat ein neues Mitglied aufgenommen (Geigerin) und ein neues Programm erarbeitet. Über beide Anlässe soll die Öffentlichkeit informiert werden. Ziel des Ensembles sind Konzertengagements. Zur Planung aller notwendigen Aktivitäten wird ein Balkendiagramm (s. S. 182) eingesetzt.
Das Balkendiagramm zeigt deutlich den Zusammenhang der Arbeiten und die zeitliche Verteilung. Einige Aktivitäten können parallel bearbeitet werden, andere sind zwingend von der Fertigstellung der vorausgehenden Arbeitsschritte abhängig. Auch hier besteht die Möglichkeit, mehr oder weniger stark zu differenzieren und zu ergänzen. Es könnte auch eine weitere Spalte mit den jeweils Verantwortlichen eingeführt werden. Im Zeitverlauf kann die
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aktuelle Entwicklung im Balkendiagramm mitverfolgt werden: Muss etwa der Zeitrahmen für eine Tätigkeit verlängert werden, kann man diese Ergänzung bspw. farblich hervorheben. Man könnte Arbeiten, die laufend verrichtet werden sollten (bspw. Adressenpflege), auch farblich oder mit einem bestimmten Muster kennzeichnen.
Balkendiagramm: Arbeitsschritte und Zeitplan
Bereits bei einfachen Aufgaben gibt diese Technik Planungssicherheit. Aber noch eine Bemerkung zur Routine. Man sollte nicht gedankenlos immer wieder die Formulare kopieren und verwenden, auch in der Routine gibt es kleine Unterschiede mit manchmal großer Wirkung. Die eigene Verantwortung kann das Formular nicht übernehmen! Ein Balkendiagramm ist übersichtlich, leicht zu erstellen und zu ergänzen. Nachteilig ist, dass auch hier die Logik der Ab-
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende läufe nicht erkennbar ist. Die Folgen der Verschiebung eines Vorgangs können nicht über das Diagramm eingesehen werden. Einen weiteren Fortschritt bringt der Einsatz der Meilensteinplanung. Diese baut auf dem Balkendiagramm auf, ergänzt es aber um eine Warnfunktion und kann darüber hinaus auch Abweichungen von der Planung hervorheben. Als sogenannte »Meilensteine« werden wichtige Termine definiert, die auf keinen Fall verschiebbar sind oder deren Verschiebung erhebliche Konsequenzen hätte. Plant man bspw. ein Festival, dann ist der Veranstaltungstag bzw. der Veranstaltungsbeginn der wesentliche Meilenstein, an dem sich die Planung orientiert und der auf keinen Fall verschoben werden kann. Bei einem Festival wäre bspw. auch für die Programmgestaltung ein Meilenstein zu setzten, denn diese muss zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Festival abgeschlossen sein, damit u.a. etwa die Herstellung eines Programmheftes gewährleistet werden kann. Der Programmgestaltung gehen wieder Meilensteine wie Ausschreibung und Anmeldefristen und -verfahren voraus etc. Der folgende kleine Ausschnitt einer Meilensteinplanung zeigt eine Konzertplanung aus Sicht der Musiker. 3. Vier Musiker eines Ortes planen für die Sommermonate, in denen gewöhnlich nur wenige Veranstaltungen angeboten werden, ein zehntägiges »Festival der Stimmen«. Dazu sollen Sängerinnen und Sänger aus allen musikalischen Genres sowie professionelle Chöre in allen denkbaren Besetzungen eingeladen werden. »Die Stadt soll singen«, so das Motto der Veranstaltung. Die Planungsarbeiten werden mit der Meilensteintechnik unterstützt.
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Meilensteindiagramm (für ein Festival)
Ausgangspunkt für die geplante Veranstaltung, welche in den Kalenderwochen (KW) 25 und 26 stattfinden soll, ist eine Grundkonzeption. Dieser Meilenstein (hier gesetzt Anfang KW 3) muss erreicht sein, damit die weiteren Aufgaben daran anschließen können, bspw. die Ausschreibung des Festivals, die Beantragung von Fördermitteln, die Pressearbeit etc. Wird bereits dieser erste Meilenstein verschoben, bleibt für die vielen verbleibenden Arbeiten ein geringerer zeitlicher Spielraum. Der gesamte Planungsspielraum wird dadurch also eingeschränkt. Die Bedeutung dieses Meilensteins wird durch den zusätzlich eingefügten Balken betont. Meilensteine sind vergleichbar mit Zwischenbilanzen, sie sind für den Ablauf eines Projektes von besonderer Bedeutung. Ist einer erreicht, werden also die folgenden Fragen gestellt: Wo stehen wir? Was haben wir bisher erreicht? Wie ist der Projektfortschritt im Hinblick auf die Zielerreichung? Und inwieweit ist die Planung noch aktuell? Im Beispiel ist der erste Meilenstein in KW 3 von großer Bedeutung zu diesem Zeitpunkt sollte schließlich ein Konzept der Veranstaltung vorliegen. Der nächste ganz wesentliche Meilenstein ist auf Ende KW 22 gesetzt: spätestens dann müssen alle Akquise- und Produktionsarbeiten abgeschlossen sein, damit das Festival planmäßig beginnen kann. Dazwischen gibt es aber für die einzelnen Arbeitspakete ebenfalls Meilensteine. Für die Pressearbeit wurden sogar mehrere gesetzt: bis Ende KW 8 soll eine erste Presseinformation er-
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende folgt sein, die nächste flächendeckende Information ist für KW 15/16 geplant (also circa acht Wochen vor der Veranstaltung), dann folgen die Meilensteine dicht aufeinander und stehen bspw. für die Durchführung einer Pressekonferenz, für einen Vororttermin mit der Presse (kurz vor der Eröffnung) sowie ganz zuletzt für einen Pressespiegel nach Beendigung der Veranstaltung. Um das Instrument der Meilensteinplanung noch effektiver einzusetzen, können mit unterschiedlichen Symbolen (siehe Grafik) auch die dann tatsächlich erreichten Meilensteine und die ggf. angepassten Meilensteine markiert werden.
P ROJ EK TM A N AG E MENT Im Zusammenhang mit Management taucht gerade im Kulturbereich auch häufig der Begriff Projektmanagement auf. Darunter versteht man die Planung, Steuerung und Kontrolle von Projekten. Ein Projekt zeichnet sich durch die folgenden Merkmale aus: • einmaliger (azyklischer) Ablauf; • definierter Anfangs- und Endzeitpunkt (zeitliche Befristung); • eindeutige Zielsetzung, Aufgabenstellung und Verantwortung; • begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen; • komplex in seinen Inhalten und Aufgaben; • interdisziplinär hinsichtlich der erforderlichen personellen Kompetenzen; • relativ innovativ (vgl. Heinrichs/Klein 2001: 325). Konzerte sind für Musiker zwar ›Tagesgeschäft‹, trotzdem kann man jedes einzelne Konzert als Projekt verstehen. Denn das Merkmal »einmaliger (azyklischer) Ablauf« schließt nicht aus, dass ein Projekt ein zweites oder drittes Mal in ähnlicher Weise durchgeführt wird. Man kann davon ausgehen, dass kein Konzert mit einem anderen identisch ist, denn sie variieren gewöhnlich im Aufführungsort, der Programmfolge u.a. Bei komplexeren Vorhaben wie bspw. der Durchführung eines Festivals oder einer mehrwöchigen Europatournee kann man ohne Weiteres von »Projekten« sprechen. Die wesentlichen Kriterien aus der oben aufgeführten Merkmalsliste sind die Einmaligkeit und der innovative Charakter. Projekte benötigen, bedingt durch ihren innovativen Charakter, auch eine besondere Betreuung, besondere Aufmerksamkeit. Dies soll durch die Methoden des Projektmanagements gewährleistet werden. Die Projektplanung besitzt Parallelen zum oben vorgestellten Managementprozess. Sie beginnt mit der Zielsetzung, gefolgt von der Aufgabenbestimmung (Hauptaufgaben, Teilaufgaben), der Durchführung und der Kontrolle. Die Phase der Projektdurchführung wird von einer Reihe von Projektmanagementwerkzeugen unterstützt.
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Diese sollen vor allem Transparenz im Projektverlauf herstellen, Hilfestellung leisten für die Beurteilung von Risiken, Information und Kommunikation optimieren, Kontrolle und Steuerungsmöglichkeiten geben und auch gewisse Standards schaffen. Mit Hilfe des Projektmanagements soll die Komplexität reduziert werden, sodass überschaubare und damit auch steuerbare Arbeitspakete entstehen. Projektmanagement lässt sich in mehrere Phasen gliedern, nämlich: 1. Die Konzeptphase ist die kreative Phase im Projektmanagement. Sie benötigt Kreativitäts- und Innovationskompetenz, denn hier wird quasi die Idee geboren. Am Ende dieser Phase steht die Entscheidung darüber, ob das Projekt durchgeführt werden soll oder bereits an dieser Stelle abgebrochen wird, weil es nicht durchführbar ist, weil man nicht bereit ist, die damit in Verbindung stehenden Risiken einzugehen etc. 2. Die Definitionsphase fordert Planungskompetenz und steht für die Konkretisierung der Projektidee. Hier muss die Realisierungsplanung breiten Raum einnehmen, im Detail erfolgen hier also die Erstellung eines Projektstrukturplans (Ablaufplan), die Definition von Arbeitspaketen, Termin-/Ablaufplanung, die Definition des Absatzmarktes, Planung der Marketing-Instrumente, Kostenberechnung, Finanzplanung etc. 3. Die Realisierungsphase braucht Führungs- und Konfliktlösungskompetenz. Hier werden die vorab geplanten Arbeitspakete ausgeführt; dabei spielt die Überwachung der Planvorgaben eine entscheidende Rolle. Die Konzentration liegt auf der Termin- und Kostenüberwachung sowie der Sicherung der Liquidität (im Sinne der Projektzielerreichung). 4. Die Abschluss- und Kontrollphase beinhaltet die Durchführung von Dokumentation, Abrechnung, Prämissen- und Erfolgskontrolle und ggf. das Erstellen eines Abschlußberichts. Gerade im Projektbereich sollte man diese Phase nicht unterschätzen und sich die nötige Zeit dafür nehmen, um so Erfahrungswissen aufzubauen. Die Planungsaufgaben bestehen in einem systematischen, vorausschauenden Durchdenken des Projektes, einer Analyse der Aufgabenstellung, dem Versuch einer Risikominderung, der Vorstrukturierung des Ablaufs, einer Festlegung von Teilzielen sowie einer Kosten-, Kapazitäten- und Finanzplanung. Die folgenden Fragen sollten zu Beginn einer Projektplanung bearbeitet werden: • Zielsetzung: Was will ich erreichen? • Aufgabenbestimmung: Welche Aufgaben sind zu erledigen (Haupt-, Teilaufgaben)?
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• • • • • •
Strukturierung: Wie können die Aufgaben einander strukturell zugeordnet werden (Projektstrukturplan; Strukturierung ist das Zerteilen von Arbeitsprozessen in immer kleinere Einheiten, die dann wieder sinnvoll zusammengesetzt werden)? Arbeitseinheiten: Wer erledigt welche Aufgaben (Arbeitspakete)? Organisation: Wie bringe ich die Aufgaben zusammen (Aufbauorganisation)? Motivation: Wie motiviere ich andere Projektteilnehmer? Zeitlicher Ablauf: In welcher zeitlichen Reihenfolge und innerhalb welcher Fristen (Ablauforganisation)? Welche Kosten entstehen? Wie ist das Projekt finanziert?
Das projektorientierte Denken ist für Musikschaffende sicher empfehlenswert. Ein wesentlicher Vorteil des Projektmanagements liegt aber darin, dass Projekte aus dem laufenden Betrieb herausgelöst werden. Damit ist die Konzentration auf dieses Projekt gewährleistet. Wird jedes Konzert eines Musikers als Projekt behandelt, könnten die Grenzen zerfließen und dieser vorteilhafte Effekt untergehen. Man könnte ggf. verschiedene Konzertarten in ein Projekt zusammenfassen, also bspw. alle Konzerte im Rahmen von musikalischen Reihen, alle Engagements bei Hotelketten oder Firmen etc. Problematisch könnte auch sein, dass mit dem Projektmanagement der Blick fürs Ganze verloren geht, man also ein Projekt im Detail kennt, aber keine Gesamtsicht mehr über alle Verpflichtungen und die damit zusammenhängenden Termine und Leistungen hat. Es gilt folglich auch hier aufgrund der individuellen Gegebenheiten zu entscheiden, wie weit die Anwendung von Projektmanagementmethoden geeignet ist und welche der zur Verfügung stehenden Techniken eingesetzt werden können. Die Techniken im Projektmanagement unterstützen das vorausschauende Durchdenken des Projektes. Durch weitgehend standardisierte Formulare wird Druck ausgeübt, die Projektdaten zu fixieren und sie dadurch transparent und steuerbar zu machen. Projektmanagement arbeitet häufig mit Arbeitsmappen. Dies sind in der Regel Formularsammlungen, deren Inhalt wie folgt aussehen könnte: • Projektauftrag* • Projektbeteiligte* • Terminplanung • Zielkonkretisierung • Arbeitspaket* • Kostenplanung • Projektbesprechung (Einladung)
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Protokoll (Ergebnisprotokoll) Offene Punkte Checkliste Balkendiagramm Meilenstein-Review* Vorgangsliste Abschlussbericht*
Die markierten Formulare (*) werden im Folgenden als Beispiele angeführt.
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Projektauftrag Projekt:
Projektleitung:
Allgemeine Zielsetzung:
Allgemeine Aufgabenstellung:
Zu erarbeitende Ergebnisse (allgemein):
Budget:
Teilnehmerkreis (allgemein):
Randbedingungen:
Endtermin (ggf. vorgegebene Zwischentermine, Meilensteine):
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Projekbeteiligte Projekt: Projektbeteiligte: Stand: Name
Kurzzeichen
Telefonnummer
Telefon (mobil)
E-Mail
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Arbeitspaket Arbeitspaket:
Arbeitspaketverantwortlicher:
Mitarbeiter:
Aufgabenstellung:
Zu erarbeitende Einzelergebnisse:
Budget:
Randbedingungen:
Termine, Meilensteine:
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Meilenstein-Review
Meilenstein-Review: Projekt Projektleiter: Projektphase: Datum: Projektbeurteilung/Zielabweichungen: •
Terminstatus:
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Kostenstatus:
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Künstlerischer Status:
•
Status der Qualitätssicherung:
•
Kapazitäts-/Aufwandsstatus:
•
Sonstiges:
Zwischenergebnis/Wichtige Abweichungen:
Aktionsplan/Weitere Projektschritte:
Eingetretene und noch zu erwartende Probleme:
Projektsteuerung/Einzuleitende Maßnahmen:
Mit diesem Hilfsmittel soll schnell und komprimiert informiert werden, dabei geht es insbesondere um eine Trendaussage (planmäßiger Projektverlauf: ja/nein). Detailliert lauten die Aufgaben des Review: • den jeweiligen Projektstand mittels eines Soll-Ist-Vergleichs für die wichtigsten Beteiligten dokumentieren; • aufgetretene Probleme und Abweichungen sowie deren Ursachen und mögliche Auswirkungen auf den weiteren Projektverlauf deutlich machen; • Gegenmaßnahmen einleiten; • besondere Vorkommnisse im Projektablauf dokumentieren. (Schneidewind 1999: 12)
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Abschlussbericht Abschlussbericht Projekt Hauptziel: Unterziele: Mitarbeiter intern: extern: Projektorganisation, -struktur: Beschreibung der Leistung: Grad der Zielerreichung Hauptziel: Teilziele: Zuschauerresonanz: Medienresonanz (Medienspiegel beifügen): Wichtige Ereignisse/Kritsche Probleme: Entsprechende Steuerrungsmaßmahmen: Ressourcenverbrauch (z.B. Finanzplan/Verwendungsnachweis): Finanzplan überschritten? Gründe: Mitarbeiterzufriedenheit: Wichtige Erfahrungen/Erkenntnisse für neues Projekt: Verbesserungsvorschläge:
Zuletzt ein Hilfsmittel zur Kosten- und Erlösplanung. Es unterstützt die möglichst vollständige Erfassung aller Kosten- und Erlösarten und zielt auf das Ergebnis des Projektes. Ist am Ende Gewinn oder Verlust entstanden? Informationen zur Liquidität, d.h. zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit zu jedem Zeitpunkt, können der Kosten- und Erlösplanung aber nicht entnommen werden. Für Projekte im Kulturbereich ist bekanntlich das Auseinanderfallen von Zahlungs-
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eingängen und -ausgängen typisch. Eingänge ergeben sich nämlich zu einem großen Teil erst beim Endtermin (Erlöse aus Eintrittsgeldern), die Kosten für Druckerzeugnisse, Reisen, Telefonate etc. müssen aber laufend bezahlt werden. Für einen Überblick darüber bedarf es einer separaten Liquiditätsplanung. Finanzplan im Projektmanagement
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende Erlösplanung
Auf den ersten Blick wirken diese Formulare sicherlich sehr formal und abschreckend. Sie können selbstverständlich, je nach Einsatz, individuell angepasst werden. Wichtig ist, dass durch ihre Verwendung das Projektziel bzw. der Status der Zielerreichung im Blick bleibt. Welche Instrumente des Projektmanagements genutzt werden, hängt in hohem Maße von der Komplexität des Projektes sowie von der Anzahl der Projektmitglieder ab, also auch vom Bedarf an Differenzierung, Koordination und Kommunikation. Ganz am Ende noch ein Hinweis zum Zeitmanagement, welches auch ein Teil des Selbstmanagements ist und die Musikschaffenden, gerade durch die für sie typischen Arbeitssituationen, die unklaren Grenzen von Beruf und Privatleben, vor große Herausforderungen stellt. Hier ist jeder gefordert, eine Balance zwischen Beruf, Familie und Gesundheit herzustellen. Dabei müssen die verwendeten Methoden mit den persönlichen Verhaltensweisen übereinstimmen. Es ist hilfreich zunächst die Zeitkiller zu identifizieren (z.B. alles
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selber machen, nicht »nein« sagen können, Unordnung, Unterbrechungen, zu viele Telefonate, mehrere Dinge gleichzeitig tun etc.) und im Anschluss den Weg zu einem effektiven Zeitmanagement einzuschlagen (Prioritäten setzen, Zeit am Stück schaffen, persönlichen Zeitplan erstellen, Pufferzeiten einkalkulieren etc.). Auch für das persönliche Zeitmanagement gilt der Managementgrundsatz: Die richtigen Dinge tun (Strategie) und die richtigen Dinge richtig tun (operatives Handeln). Um nach diesem Prinzip zu handeln, muss Wichtiges von Dringendem unterschieden werden, fragen Sie also, ob eine dringende Tätigkeit auch wirklich zur Zielerreichung beiträgt. Dies lässt sich mit dem Eisenhower-Prinzip unterstützen.
Abbildung 3: Eisenhower-Prinzip
Zum Schluss lässt sich zusammenfassen: die Musikschaffenden müssen in alle Managemententscheidungen einbezogen werden, sie müssen letztlich die Fäden in der Hand halten, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Es ist generell von einer intensiven Interaktion zwischen Musikschaffenden und Management auszugehen. Das reine Selbstmanagement setzt sich aus verschiedenen Teilkompetenzen zusammen. Die Musikschaffenden sind gefordert Ziele zu setzen, einen Plan und Strategien für eine effiziente Umsetzung der Ziele aufzustellen und
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£2.5Management und Managementinstrumente für Musikschaffende diesen auch konsequent umzusetzen. Dabei müssen laufend Ergebniskontrollen durchgeführt werden und, falls notwendig, Maßnahmen eingeleitet werden, die die Effizienz steigern. Um diesen Kernprozess des Managements erfolgreich zu durchlaufen, werden zur persönlichen Arbeitsorganisation Techniken des Zeitmanagements eingesetzt und es müssen Prioritäten festgelegt werden. Zur Zielsteuerung können weitere Techniken eingesetzt werden.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Lyng, Robert (2001): Die Praxis im Musikbusiness, 7. Aufl., Bergkirchen: PPV Medien. Heinrichs, Werner (1999a): Kulturmanagement. Eine praxisorientierte Einführung, 2., grundl. überarb. Aufl. , Darmstadt: Primus. Heinrichs, Werner (1999b): Kommunales Kuturmanagement. Rahmenbedingungen, Praxisfelder, Managementmethoden, Baden-Baden: Nomos. Heinrichs, Werner/Klein, Armin (2001): Kulturmanagement von A-Z. 600 Begriffe für Studium und Beruf, 2. Aufl., München: Beck. Jürgens, Ekkehard (2011): »Managementtechniken im Kulturbetrieb«, in: Klein, Armin (2011), Kompendium Kulturmanagement. Handbuch für Studium und Praxis, 3. Aufl., München: Beck. Schneidewind, Petra (1999): »Projektcontrolling – Teilfunktion des Projekmanagement, B 4.8«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch Kulturmanagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Stolle, Jürgen (1996): »Kreativitätstechniken. Kreativität und Techniken – (k)ein Widerspruch?, I 4.1«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch Kulturmanagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe.
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2.6 M ÖGLICHKEITEN DER D RIT TMIT TELEINWERBUNG Martin Tröndle/Petra Schneidewind
Das Einkommen von Musikschaffenden schwankt und ist oft zusammengesetzt, bspw. aus Einnahmen von Unterrichtsgebühren, Gagen für Auftritte bei verschiedenen Veranstaltern, Einnahmen (Überschüsse) aus selbstveranstalteten Konzerten oder Erlösen aus Wettbewerben (Preisgelder). Charakteristisch für den Musiker ist also eine Mischfinanzierung, bei welcher die zur Verfügung stehenden Mittel aus verschiedenen Quellen kommen. Darüber hinaus gibt es für Musikschaffende die Möglichkeit, zusätzliche Drittmittel einzuwerben (etwa Mittel der öffentlichen Hand, Stiftungs- und Sponsorengelder). Diese Drittmittel werden zumeist für Projekte wie z.B. eine Tournee, die Uraufführung eines Werkes oder die Realisation eines Musiktheaters angefragt. Für den Geldgeber ist die Förderung eines Projektes attraktiv, da sie erstens zeitlich beschränkt ist und sich der Geldgeber nicht auf lange Zeit verpflichten muss, weil zweitens recht schnell ein konkretes Resultat vorliegt, weil drittens eine weitere Verpflichtung eingegangen werden kann, wenn man mit dem Resultat zufrieden ist, und viertens weil Projekte zumeist eine wahrnehmbare Wirkung in der Öffentlichkeit hinterlassen. Jede Form der Drittmittelförderung hat ihre spezifische Herangehensweise, die man beim Einwerben berücksichtigen muss. Für Musikschaffende ist die projektbezogene Drittmittelfinanzierung ihrer künstlerischen Projekte der häufigste Fall. Dabei unterscheidet man zwischen der Projektförderung durch: • die öffentliche Hand (z.B. Bund, Land, Kommune), • Stiftungen (z.B. Kulturstiftung der Deutschen Bank, Stiftungen von Privatpersonen), • das Sponsoring (Firmen, z.B. Audi, EnBW). Auf Drittmittel in Form des Mäzenatentums einzugehen, möchten wir hier verzichten. Denn findet ein musikliebhabender Gönner Gefallen an einem Streichquartett oder an einem jungen Pianisten, ergibt sich der Kontakt meist von selbst und die Art der Förderung wird individuell vereinbart. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Arten der Projektförderung vorgestellt und Empfehlungen für das Vorgehen beim Einwerben von Drittmitteln gegeben. Dieses Kapitel dient als Einstieg in das Thema, auf weiterführende Literatur und Recherchemöglichkeiten wird verwiesen.
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F Ö R D E R U N G D U RC H D I E Ö F F EN T LI C HE H A ND Waren es 2007 insgesamt 8,5 Milliarden Euro, die für die Kulturförderung in Deutschland ausgegeben wurden, gab die öffentliche Hand (Bund, Länder und Gemeinden) 2010 knapp 9,6 Milliarden Eurofür die Kulturförderung aus (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2010: 24). Entgegen der vielfach zitierten Kürzungsszenarios steigt der Kulturhaushalt kontinuierlich, allerdings gibt es markante Unterschiede in der Ausgabenhöhe einzelner Städte und Gemeinden, aber auch zwischen den Bundesländern und den Stadtstaaten (ebd.: 32f., 38f.). Die öffentlichen Ausgaben für Kultur betrugen 2010 circa 116,95 Àjährlich pro Einwohner. Gefördert wurden damit die Aufgabenbereiche Theater, Musikpflege, wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Bibliotheken und Museen, Denkmalschutz und -pflege, Auswärtige Kulturpolitik und Sonstige Kulturpflege, Kunsthochschulen sowie die Verwaltung für kulturelle Angelegenheiten (ebd.). Zuzüglich zu diesen direkten Zuwendungen werden kulturnahe Bereiche wie die Rundfunkanstalten, Fernsehen, kirchliche Angelegenheiten und Volkshochschulen mit weiteren 1,6 Milliarden Eurodurch Bund, Länder und Gemeinden gefördert. Indirekte Förderungen des kulturellen Lebens bestehen auf der Ebene des Bundes zudem durch gesetzliche Regelungen wie die garantierte Kunstfreiheit in § 5 des Grundgesetztes, die Versammlungsfreiheit in § 8 oder § 12, der die Berufsfreiheit garantiert, einerseits durch die Wahrung der Urheber- und Verwertungsrechte und der daraus entstehenden Einnahmen für Komponisten und Interpreten, andererseits durch die Etablierung der Künstlersozialkasse sowie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Circa ein Drittel der öffentlichen Ausgaben für Kultur fließt in die Förderung von Musik und Musiktheater. Der Löwenanteil hiervon wiederum kommt Institutionen zugute (Staatsorchester, Staatsopern, Stadttheater etc.) und weniger als fünf Prozent werden in die projektorientierte Förderung von z.B. Ensembles, Solisten, Komponisten, Festivals, Musikvermittlungsprojekten und in die Rock- und Popförderung investiert (vgl. Heinrichs/Tröndle 2011). Diese projektorientierten Förderungsmöglichkeiten durch die öffentliche Hand sind stark kommunal- respektive länderspezifisch: Da die Kulturförderung vornehmlich Aufgabe der Länder und Kommunen ist, betätigt sich der Bund nur in geringem Maße an der projektbezogenen Musikförderung. Dennoch sollen zumindest zwei Institutionen auf der Ebene des Bundes erwähnt werden, die für diesen Zusammenhang relevant sind. Das ist zum einen die Kulturstiftung des Bundes, bei der Förderanträge ab einer Höhe von 50.000 À unterhalb von 250.000 À gestellt werden können, wenn es sich um ein internationales Kulturprojekt handelt.1 Zum anderen fördert das Goethe-Institut einen Austausch
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£2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung zwischen Musikern und Komponisten im In- und Ausland. Seit 2009 gibt es dort auch die Möglichkeit einer direkten Projektförderung für Auslandsgastspiele.2 Auf der Ebene der Länder stellt sich die Situation sehr vielfältig dar. Ist man auf der Suche nach möglichen Institutionen, an die solch ein Antrag gestellt werden kann, sollte man zunächst auf Länderebene die Website des jeweiligen Ministeriums aufsuchen. Je nach Bundesland oder Stadtstaat finden sich hier unterschiedliche Möglichkeiten der Projektförderung. Handelt es sich um ein Projekt, das im Besonderen Schulkooperationen beabsichtigt, ist ein Gespräch mit einem Referenten des Kultusministeriums sinnvoll. Geht es eher um Kulturförderung, sollte man sich an die Kulturabteilung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur wenden. Hat man insbesondere ein Auslandsgastspiel vor Augen und ist dieses Land ggf. ein Wirtschaftspartner, kann es auch sinnvoll sein, sich an die Staatskanzlei zu wenden. Jedoch gilt auch hier wieder, dass die Rollenteilung von Bundesland zu Bundesland verschieden ist; daher ist der erste Schritt der Besuch der Websites der Ministerien, sich dort genau über deren Tätigkeiten zu informieren und dann ggf. einen Ansprechpartner für sein Anliegen ausfindig zu machen (Auskunft gibt das Organigramm der jeweiligen Institution). Auf der Website der Abteilung Kultur des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur finden sich zumeist Informationen über Fördermöglichkeiten. Das Land Niedersachsen bspw. fördert das Musikschaffen auf unterschiedliche Weise3: Es gibt Probe- und Aufnahmemöglichkeiten in der Landesmusikakademie4, ein Zentrum für Konzertpädagogik und die Beratung von Musikschaffenden (Musikland Niedersachsen)5, Kompositionsstipendien, den Praetorius Musikpreis (in den Kategorien »Nachwuchsförderung«, »Komposition«, »Musikvermittlung«, »herausragende künstlerische Leistung«, »Ehrenamt« und den Friedensmusikpreis)6, das Vernetzungsprogramm Musik217 für die zeitgenössische Musik, die offene Projektförderung (hier kann sich jeder mit einem Projekt bewerben) sowie die thematische Projektförderung im Bereich der Musikvermittlung und der Musikschulkooperationsprojekte. Auch hier kann es sinnvoll sein, nicht direkt bei der »Musikförderung« vorstellig zu werden, sondern – sollte das dem Projektcharakter eher entsprechen – ggf. bei der »Soziokultur« oder dem Bereich »Kulturelle Zusammenarbeit mit dem Ausland«. Zudem existieren unabhängige, jedoch landesnahe Stiftungen wie die Stiftung Niedersachsen8, die Niedersächsische Lottostiftung9 oder die NDR-Musikförderung10, die ebenso über eigene Projektförderungen verfügen. Auch hier gilt es zunächst zu prüfen, bei wem der eigene Antrag am besten passt und wo am ehesten Chancen auf Förderung bestehen. Auf den jeweiligen Websites sollten sich ausführliche Informationen darüber finden, wie solch ein Förderantrag zu stellen ist. In Niedersachsen können
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bspw. Projektanträge erst ab einer Fördersumme von 10.000 À an das Land gerichtet werden. Projektanträge, deren Fördersumme darunter liegen, werden vom Kulturbüro der Stadt Hannover bzw. den Landschaftsverbänden (Regionen) bearbeitet. Ein Förderantrag besteht in Niedersachsen aus einem Formular auf Zuwendung aus Landesmitteln zur Musikförderung sowie einer formlosen Projektbeschreibung, die eine differenzierte konzeptionelle Darstellung des Projektes enthält, in der die Ziele und Erwartungen klar benannt sind, die sowohl über den Zeitplan als auch über die Planung/Durchführung Auskunft gibt, Kurzbiografien der Beteiligten darstellt und einen Kosten- und Finanzierungsplan enthält. Dazu werden folgende Kriterien angegeben, nach denen die Niedersächsische Musikkommission die Anträge prüft: • »künstlerische Qualität des Projekts, • überregionale Bedeutung des Projekts, • Professionalität der Durchführung (Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, effizienter Umgang mit Ressourcen), • Publikumserschließung (durch Öffentlichkeitsarbeit bzw. Musikvermittlung) oder Teilnehmergewinnung (im Falle von Workshops etc.), • Innovationsgrad des Konzepts, • Kooperationen oder Vernetzung mit anderen zur Durchführung des Vorhabens, • Schlüssigkeit des vermittelnden Konzepts, • wirtschaftliche Bedeutung des Projekts (z.B. im Rahmen des Kulturtourismus), • Bedeutung für die Nachwuchsförderung, • Nachhaltigkeit in Bezug auf die Zielsetzung, • überregionale Bedeutung und • Landesbezug.«11 Diese Auflistung ist exemplarisch. Auch wenn das eigene Projekt nicht allen Punkten entspricht, sollte man doch diese Fragen stellen und den eigenen Antrag daraufhin abklopfen. Zu beachten ist, dass bei Antragstellung das Projekt noch nicht begonnen haben darf. Die Bearbeitungs- und Begutachtungszeit dauert bis zu sechs Monaten, weshalb eine rechtzeitige Antragsstellung notwendig ist. In Ausnahmefällen kann eine Genehmigung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn beantragt werden, was jedoch unbedingt davor mit dem jeweiligen Referenten oder Sachbearbeiter geklärt werden muss. Auch gilt, dass vor der Antragseinreichung, insbesondere bei größeren Anträgen, zunächst die jeweils zuständige Person zur Klärung noch offener Fragen kontaktiert werden sollte.
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£2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung Förderung durch Stiftungen Stiftungen sind für Musikschaffende eine interessante Finanzquelle. Immerhin gibt es in Deutschland inzwischen 18.162 Stiftungen, mit noch immer steigender Tendenz: In 2010 konnten 824 neue Stiftungen gezählt werden (http:// www.stiftungen.org/fileadmin/bvds/de/Presse/Pressemitteilungen/Jahres PK_2011/PM_01_Jahresstatistik.pdf). Der Förderzweck »Kunst und Kultur« hat dabei einen hohen Stellenwert. Je nach Projekt könnten auch die Förderschwerpunkte »Wissenschaft und Forschung« bzw. »Bildung und Erziehung« von Musikschaffenden tangiert werden. Eine Übersicht über deutsche Stiftungen wird vom Bundesverband Deutscher Stiftungen gepflegt.
Eine Stiftung ist ein Vermögensbestand, der mithilfe einer entsprechenden Organisation für einen bestimmten Zweck arbeitet, darum ist die Stiftung von ihrem Grundsatz her eine zweckgewidmete Vermögensmasse. Stiftungen können öffentlich-rechtlich sein (z.B. Kulturstiftung der Länder) oder privatrechtlich (z.B. Robert Bosch Stiftung). Zusätzlich sind die operativen Stiftungen von den Förderstiftungen zu trennen. Operative Stiftungen sind Organisationen, deren Zweck in der Unterhaltung von Einrichtungen oder in der Durchführung von Programmen liegt (z.B. die Bertelsmann Stiftung). Förderanträge werden von ihnen in der Regel nicht angenommen, d.h. diese Stiftungsart ist für die Musikschaffenden als Geldquelle nicht relevant. Dagegen ist man auf der Suche nach Geld bei den Förderstiftungen an der richtigen Adresse (z.B. die Robert Bosch Stiftung), denn diese Organisationen vergeben Fördermittel an Dritte. Empfänger sind in der Regel gemeinnützige Organisationen oder Einzelpersonen. Die Vergabe richtet sich nach dem Stiftungszweck. Hier vier Auszüge von den Websiten der Kulturstiftung des Bundes, der Stiftung Niedersachsen, der NDR-Musikförderung und der Crespo Foundation, die die Unterschiedlichkeit der Stiftungszwecke verdeutlichen: Kulturstiftung des Bundes Die Kulturstiftung des Bundes wurde im Jahr 2002 durch die Bundesregierung, vertreten durch den Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, gegründet. Sie fördert Kunst und Kultur im Rahmen der Zuständigkeit des Bundes. Ein Schwerpunkt ist dabei die Förderung innovativer Programme und Projekte im internationalen Kontext. Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt künstlerische Produktionen und gewährt Projektförderung für Themenbereiche, die in die Zuständigkeit des Bundes für die Förderung von Kunst und Kultur fallen. Die Förde-
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rung kann für alle nicht-kommerziellen Sparten und Bereiche des Kulturschaffens gewährt werden, für bildende Kunst, darstellende Kunst, Literatur, Musik, Film, Photografie, Architektur, kulturhistorische Ausstellungen, Neue Medien, verwandte Formen und Zwischenformen. Die Kulturstiftung des Bundes fördert keine bereits laufenden Projekte, sondern allein für die Zukunft geplante Vorhaben. Neben der Förderung von Projekten Dritter entwickelt die Kulturstiftung des Bundes durch ihren Vorstand eigene Programme zu aktuellen kulturellen Themenstellungen, die nicht Gegenstand der Juryentscheidung sind.12 Stiftung Niedersachsen Die Stiftung Niedersachsen wurde 1986 errichtet. Sie ist die Landeskulturstiftung. [...] Das Förderspektrum umfasst die sechs Bereiche Bildung & Wissenschaft, Kunst, Literatur, Musik, Theater & Tanz und Soziokultur. Die Stiftung Niedersachsen ist in allen Sparten interessiert an innovativen Formaten, zeitgemäßen Formen der Vermittlung, neuen Perspektiven und der Ansprache eines neuen Publikums. Bereich Musik: • Förderung des Musiklandes mit dem Fokus auf außergewöhnlichen Ausführungs- und Aufführungsformaten • Ausgewählte Festivals mit überregionaler Ausstrahlung und thematischen Schwerpunkten, insbesondere unter Einbeziehung verschiedener Kulturen und zeitgenössischer Entwicklungen • Programme: Internationaler Joseph Joachim Violinwettbewerb, Hannover Musikland Niedersachsen musik.welt@niedersachsen Nicht gefördert werden Einzelkonzerte, der Ankauf von Instrumenten oder die Ausstattung von Musikklassen.13 NDR Musikförderung in Niedersachsen Der NDR verwendet einen Teil seiner Rundfunkgebühr im Einvernehmen mit dem Land gezielt für die Musikförderung in Niedersachsen. Auf Grundlage des entsprechenden Gesetzes (§ 50 Niedersächsisches Mediengesetz) stehen damit jährlich rund 600.000 Àausschließlich für Förderzwecke zur Verfügung.
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£2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung Ob Musikfestivals, Orchester, Ensembles, Wettbewerbe, Chöre oder der musikalische Nachwuchs: Mit den Mitteln sollen vor allem Projekte gefördert werden, die einen deutlichen Bezug zu Niedersachsen haben. Sei es, dass sie in Niedersachsen stattfinden, Niedersachsen betreffende Themen zum Inhalt haben oder von Musikschaffenden aus Niedersachsen realisiert werden. Die unterstützten Projekte sollen dazu beitragen, das Bild Niedersachsens als Kulturland national und international zu fördern, die Kooperation und Vernetzung des kulturellen Lebens und Schaffens zu intensivieren und Akzeptanz und Anteil der deutschen Sprache in der Vokalmusik zu erhöhen. Bevorzugt werden dabei Projekte, die mehrere Förderschwerpunkte in ihrer kulturellen Bedeutung für Niedersachsen miteinander verbinden.14 Crespo Foundation Menschen stark machen! So lautet das Leitmotiv der Crespo Foundation. Wir fördern jene, die aufgrund schwieriger sozialer Startbedingungen bisher keinen Zugang zu einer selbstbestimmten Bildungsbiografie hatten. Und wir fördern Künstler. Den Erfolg unserer Arbeit sehen wir dort, wo die von uns geförderten Menschen selbst zu Mentoren für andere werden. Wir unterstützen deshalb auch Künstler und Projekte, die schöpferische Erfahrungsräume in soziales Engagement überführen. Ein Fokus liegt auf der ästhetischen Bildung. Was wir fördern: • Projekte zur Frühförderung der musikalischen Entwicklung • Projekte zur Förderung begabter Zuwandererkinder • Konzepte und Projekte für die Aus- und Weiterbildung von Frauen mit Migrationshintergrund • Projekte mit Schwerpunkt auf Tanz- und Körperarbeit mit Kindern • Projekte zur Förderung der sprachlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen • Konzepte zur Stärkung des Bildungsanspruchs in Familien • Kunstpädagogische Projekte zur Integration arbeitsloser Jugendlicher • Projekte mit psychotherapeutischen Ansätzen zur Analyse und Förderung der kindlichen Bewegungsentwicklung in Kindertagesstätten • Ausbildungsprojekte und -programme für Künstler
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Wie wir fördern: • Mit der Entwicklung eigener Strategien und Projekte • Durch die Unterstützung externer Projekte, die uns vor dem Hintergrund unseres Förderungsprofils besonders überzeugen • Einzelpersonen im Rahmen von Programmen, die wir gemeinsam mit Partnern umsetzen Wo wir fördern: Die Crespo Foundation konzentriert sich auf die Förderung und Durchführung von Projekten im Großraum Frankfurt a.M., Berlin und Wien.15
Bei der Durchsicht allein dieser vier Stiftungszwecke wird klar: Stiftungen sind an ihren Satzungszweck gebunden, d.h. das eigene Anliegen/Vorhaben/Projekt muss zum Stiftungszweck passen, um förderungsfähig zu sein. Darum sollte man sich vor einem ersten Kontakt mit einer Stiftung über den Stiftungszweck genau informieren. • Auf Stiftungsgelder kann nicht kurzfristig zugegriffen werden. Die Anträge werden in der Regel sehr sorgfältig geprüft, durchlaufen je nach Stiftungsorganisation mehrere Gremien und brauchen also Zeit, bis sie bewilligt werden. • Projekte eignen sich grundsätzlich immer besser für eine Förderung. Viele Stiftungen sehen ihren gesellschaftlichen Auftrag darin, Neues und Innovatives zu fördern, gerne auch Projekte mit Vorbildcharakter. Nur selten kommt es zu einer Art ›institutioneller‹ Förderung. Ausnahmen sind hier die Förderungen von Einzelpersonen. So können z.B. Hochbegabte durchaus Mittel aus Förderstiftungen erhalten. Auch Veranstaltungen, Stipendien oder die Auslobung von Preisen (einen Überblick über Preise findet man im aktuellen Jahresbericht des Stifterverbandes) gehören zu den bevorzugten Förderobjekten von Stiftungen. • Stiftungen fördern in der Regel nur zeitlich begrenzt. Dauerverpflichtungen werden nicht eingegangen. • Stiftungsmittel sind zweckgebunden, haben aber gegenüber staatlichen Fördermitteln den Vorteil, dass sie nicht an das Haushaltsjahr gebunden sind und dass Einwände eines Rechnungshofes nicht zu befürchten sind. Wie kommt man nun an Stiftungsmittel? Auch hier gilt, dass es den Weg zu Stiftungen nicht gibt. Wer auf der Suche nach Fördermitteln ist, muss sich auf die Eigenarten der einzelnen Stiftungen einstellen (Haibach 1998: 323). Die folgenden Vorgehensschritte sollen als Orientierung dienen (vgl. ebd.: 327ff.).
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£2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung 1. Zunächst müssen einige passende Stiftungen gefunden werden. Als Datenquellen dienen die Stiftungsführer u.a. Veröffentlichungen dieser Art, das Internet, aber auch Tipps von anderen Musikern. Ziel dieser ersten Recherchearbeit muss die Überprüfung sein, ob das geplante Vorhaben wirklich in die Förderbereiche der Stiftung passt; diese Prüfung sollte sich auf Inhalt und Umfang beziehen. 2. Nach der Auswahl einer geeigneten Stiftung folgt die Kontaktaufnahme. Dies geschieht durch Zusendung einer Projektskizze, die das Interesse der Stiftung wecken soll. Nach der Zusendung sollte telefonisch nachgefragt werden, ob grundsätzlich eine Fördermöglichkeit besteht. Fällt die Antwort positiv aus, können am Telefon auch gleich die Antragsmodalitäten und Fristen geklärt werden, falls sich diese Informationen nicht auf der Website finden lassen. 3. Antrag formulieren und einreichen (dieser kann zumeist formlos sein, viele Stiftungen haben auch eigene Formulare). Üblicherweise besteht der Antrag aus einem Anschreiben und dem eigentlichen Antrag. Der Antrag sollte korrekt, sachlich und individuell sein und folgende Inhalte umfassen: • Angaben zur Person/Organisation • Darstellung des Vorhabens • Ausgangssituation, Problemlage, Zielsetzung des Projektes • Warum soll das Projekt unterstützt werden? Welche Lücken werden dadurch geschlossen? • Projektidee, Lösungskonzept • Beschreibung der praktischen Umsetzung des Vorhabens (Strukturierung und Zeitplan) • Ressourcenplan • Finanzierungsplan (Kostenaufstellung und Finanzmittel) • Andere Anlagen (z.B. Referenzen, Vereinssatzungen etc.) 4. Wird der Antrag bewilligt, sollte man sich unbedingt an die Bewilligungsbedingungen halten. Auf die Förderung durch die Stiftung muss schriftlich und mündlich hingewiesen werden. Bei Projektende sind eine korrekte Abrechnung und ein Nachweis einzureichen, wie die Gelder eingesetzt wurden. In der Regel wird vonseiten der Stiftung ein schriftlicher Abschlussbericht verlangt. 5. Über das Projektende hinaus sollte der Kontakt zur Stiftung (bzw. den Ansprechpartnern während der Projektphase) gepflegt werden. Das gesamte Prozedere hat viele Gemeinsamkeiten mit der Beantragung öffentlicher Mittel. Die Hauptarbeit wird im Vorfeld geleistet und braucht viel Zeit. Hat man aber eine wirklich interessante und zum Stiftungszweck passende Idee, sind die Chancen einer Förderung gut.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Förderung durch Sponsoring Eine weitere Drittmittelquelle ist in der Privatwirtschaft zu finden. Sponsoring kann man als Tauschverhältnis sehen: Eine Unternehmung stellt Geld, Dienstleistungen oder Know-how zur Verfügung und erhält dafür ein bestimmtes Image von der unterstützten Organisation (bzw. vom unterstützten Individuum). Die Unternehmung möchte damit ihre Kommunikationsziele erreichen (Bortoluzzi-Dubach/Frey 2000: 14). Heinrichs unterscheidet Sponsoring durch folgende Besonderheiten von anderen Formen der Drittmittelfinanzierung (1997: 193): • Sponsoring ist nicht mäzenatisch ausgerichtet, sondern setzt eine Gegenleistung voraus. • Sponsoring ist eine Leistung der Unternehmung, nicht von Privatpersonen, selbst wenn Motive der Geschäftsführung im Vordergrund stehen sollten. • Sponsoring ist ausgerichtet an den Unternehmenszielen und eingebunden in das Marketingkonzept des Sponsors; das zu fördernde Projekt dient diesen Marketing- und Unternehmenszielen. • Zuwendungen im Rahmen des Sponsorings sind steuerlich als Betriebsausgaben zu bewerten.
Beim Sponsoring geht es also in erster Linie um die Interessen eines Unternehmens. Mit Hilfe von Sponsoringmaßnahmen sollen seine Ziele erreicht werden. Möchte man Sponsorengelder einwerben, muss man also bereit sein, sich auf diese Interessen einzustellen. Wie also soll man entsprechend vorgehen? Gleichgültig, wen man um Geld anfragt, es ist immer notwendig, sich über den potenziellen Geldgeber zu informieren. Nur dann kann man von seiner Warte aus denken und seine Sprache sprechen. Ausgangspunkt und damit erster Schritt jeder Sponsorenakquise ist also die Informationsbeschaffung über den potenziellen Sponsor. Über das Internet kann man recht einfach die ansonsten geförderten Projekte in Erfahrung bringen und somit ein Profil des Sponsors erarbeiten. Es kann auch hilfreich sein, sich persönlich bei der entsprechenden Person (Sponsoringleiter) telefonisch zu informieren. Umso klarer einem die Motivation der Geldgeber ist, desto zielgerichteter und erfolgsversprechender kann man sich bewerben. Ein bedeutendes Kriterium, um erfolgreich Sponsoringgelder einzuwerben, ist die glaubwürdige Verbindung der Zielgruppen des Unternehmens mit dem Projekt (Braun/Gallus/Scheytt 1996: 116ff.). Darum empfiehlt sich die Vorgehensweise nach dem sogenannten »Affinitätenkonzept«. Notwendig ist dafür ein fit zwischen Projekt und Unternehmung. Der fit ist der thematische Zusammenhang zwischen gesponsertem Kulturprojekt und sponserndem
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£2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung Unternehmen. Ein Ensemble für zeitgenössische Musik könnte einem Hersteller von Designermöbeln etwa Folgendes anbieten: »Zu Ihrer thematischen Ausstellung Möbel zwischen 1950 und 1975 spielt unser Ensemble an der Vernissage ein inhaltlich passendes Programm mit Musik zwischen 1950 und 1975. Zudem werden wir bei der von Ihnen gesponserten Tournee auf Ihre Ausstellung hinweisen und den Ausstellungskatalog auf unseren Konzerten verteilen.« Die Affinitäten eines Kulturangebots können sich beziehen auf (Bruhn 1998: 225): • Die Produkte: Welche Merkmale des Kulturprojekts decken sich ganz oder teilweise mit Produkten oder Dienstleistungen von Unternehmen? Welche Unternehmen gibt es, die daraufhin angesprochen werden könnten? • Die Unternehmenskultur: Sie besteht bspw. in einer innovativen und qualitativ hochwertigen Produktpolitik oder in der Förderung des Nachwuchses. Diese Merkmale der Unternehmenskultur können die Begründung für bestimmte Ausprägungen des Kultursponsorings sein. Z.B. fördert die Siemens Kulturstiftung als Technologieunternehmen zeitgenössische Musik und unterhält eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. • Das Image: Welche Charakteristika lassen sich aus dem Kulturprojekt ableiten? Welche Unternehmen gibt es, deren Imagedimensionen mit diesen Charakteristika übereinstimmen? So stehen bspw. Hauptsponsoren wie Rolex für Exklusivität, ein Anspruch, den auch das Verbier Festival für sich beansprucht. • Den Standort des Unternehmens: Bestimmte Kulturbereiche werden gesponsert, weil sie in der Region gegeben sind. Im Rahmen der Integration des Unternehmens in sein geografisch-gesellschaftliches Umfeld werden häufig ortsansässige Kulturbereiche gefördert. Ein Beispiel ist die Unterstützung des Rheingau Musik Festivals durch Lotto Hessen aber auch die Unternehmen Opel und Fürst von Metternich Sektkellerei. Projekte, die eine regional begrenzte Aufmerksamkeit erhalten, sollten ihre Bemühungen auf Unternehmen richten, die eine gewisse Bindung an die jeweilige Stadt oder Gemeinde haben. Insbesondere die jeweiligen Sparkassen sind dann gute Ansprechpartner. • Die Zielgruppen: Gibt es ein Unternehmen, dessen Zielgruppe identisch ist mit dem erwarteten Publikum? Gibt es ein Unternehmen, dessen Zielgruppe sich zumindest z.T. mit dem erwarteten Publikum deckt? Ist der fit erst einmal gefunden, sollte in die Bewerbung eine gewichtete Liste von Gründen gestellt werden, die für das Sponsorship sprechen. Der Nutzen,
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den das Kulturprojekt für ein Unternehmen erbringen kann, muss deutlich werden. Die zentralen Begriffe beim Sponsoring sind »Interesse« und »Vertrauen«. Nur wenn beide Faktoren angesprochen werden, kann ein erfolgreicher Austauschprozess für die beiden Partner zustande kommen. Wie schon bei den Konzepten von Marketing und Öffentlichkeitsarbeit gilt auch hier: Leider gibt es keine Standardlösungen, wie eine erfolgreiche Sponsoring-Offerte zu stellen ist. In Abhängigkeit von den jeweiligen Partnern muss die Offerte immer wieder neu konzipiert werden. Allerdings gibt es einige grundsätzliche Empfehlungen, an die man sich halten kann: • Da Geldgeber (ähnlich wie Konzertveranstalter, Tonträgerhersteller und Agenturen) meistens viele Anfragen erhalten, ist ein aktives Vorgehen gegenüber Sponsoren erforderlich. Dabei sollte man nicht als Bittsteller auftreten, sondern als jemand, der ein hochwertiges und spezifisches Produkt anbietet, das dem Sponsor einen Nutzen bieten kann. Dieser Nutzen ist vor allem eine kommunikative Leistung. • Den meisten Musikschaffenden ist die Welt der Banken, Versicherungen und Firmen fremd; man sollte sich daher gut vorbereiten, um selbstbewusst und professionell auftreten zu können. • Der Eindruck, den die schriftliche Anfrage (und für einen Erstkontakt ist die schriftliche Kontaktaufnahme empfehlenswert) hinterlässt, wird maßgeblich über das entgegengebrachte Vertrauen entscheiden. In diesem ersten schriftlichen Kontakt sollte der Sponsoringpartner möglichst breit informiert werden (um sein Interesse zu wecken), aber er darf auch nicht durch zu viel Lesestoff abgeschreckt werden. • Falls es möglich ist, den potenziellen Sponsor zu einem aktuellen (vergleichbaren) Projekt oder Konzert einzuladen, sollte man dies unbedingt tun. Ein persönlicher Kontakt ist immer erfolgversprechender als ein noch so langer Brief- oder E-Mail-Verkehr. Eine Sponsoring-Offerte sollte nach Bortoluzzi-Dubach/Frey (2000: 74) die folgenden Bestandteile haben: 1. Die Vorstellung des Sponsoringempfängers (Biografie, Arbeitsschwerpunkt, Bekanntheitsgrad) 2. Das Projektprofil (Zentrale Bedeutung für die Kontaktaufnahme mit den potenziellen Geldgebern hat das Projektprofil, eine auf den potenziellen Sponsor zugeschnittene Projektdarstellung. Sie enthält die wichtigsten Informationen über das Sponsoring-Projekt in kompakter Form [nicht mehr als drei bis
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vier DIN-A4 Seiten mit den Antworten auf die Was-, Wann-, Wo-Fragen, ggf. visualisiert mit Skizzen, Abbildungen, Diagrammen, Fotos etc.].) Die Sponsoring-Vision (Was ist das Besondere an dem Projekt? Welches ist das unverwechselbare Merkmal bzw. Image?) Die Zielgruppenausrichtung (Positive Publikumsstruktur: Kulturprojekt deckt in starkem Ausmaß die Zielgruppen des Sponsors ab) Die Vorteile für den Sponsor (Erwartete Anzahl der Besucher bzw. Teilnehmer, die der Sponsor mit der betreffenden Veranstaltung erreichen kann. Angabe der Affinität zwischen Sponsorgeber und -nehmer, z.B. Produktaffinität, Kulturaffinität, Zielgruppenaffinität, Imageaffinität, regionaler Bezug, Medieninteresse, öffentliches Interesse u.a.) Die Budgetplanung (Gesamtkosten und Finanzierung sollten transparent sein, denn für den Sponsor ist relevant, welche Finanzmittel bereits sichergestellt sind und wie viele weitere Mittel benötigt werden.) Das Verzeichnis von Leistungen (Finanz-, Sachmittel, Organisationsleistungen) Das Verzeichnis von Gegenleistungen (Erwähnung in Programmheft und Eröffnungsrede, Eintrittskarten, Sonderveranstaltungen etc.) Den Zeitplan Die Ansprechpartner Die Erfolgskontrolle
Allgemeine Empfehlungen • Das Gesuch sollte seriös und grafisch ansprechend gestaltet sein. • Der schriftliche Antrag wird mit einem Anschreiben (möglichst nicht länger als eine Seite) eingereicht. Man sollte es vermeiden, die Anrede »Sehr geehrte Damen und Herren« zu verwenden. Stattdessen lohnt es sich, den Ansprechpartner ausfindig zu machen und den Brief persönlich zu adressieren. • Auf eine korrekte Schreibweise, insbesondere von Namen, muss Wert gelegt werden. • Alle Daten und Fakten sollten auf dem neuesten Stand sein. • Flexibilität und Bereitschaft zu Verhandlungen sind zu signalisieren. • Reagiert ein angesprochenes Unternehmen nicht, gilt es ›nachzufassen‹. Man sollte dazu jedoch circa zwei bis drei Wochen ab der ersten Kontaktaufnahme verstreichen lassen. Dann gilt es zu klären, ob das schriftliche
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Angebot angekommen ist, ob es gelesen worden ist, ob generelles Interesse besteht und weitere Informationen gewünscht werden. (Braun/Gallus/ Scheytt 1996: 113ff.) Gleich ob man sich um Mittel der öffentlichen Hand, einer Stiftung, eines Unternehmens oder einer Privatperson bemüht, gilt: Man sollte ehrlich kommunizieren und agieren, die Finanzpläne nicht aufbauschen und Probleme ansprechen, sollten diese im Projektverlauf entstehen. Die Geldgeber sollten regelmäßig informiert werden; nur so entsteht ein Vertrauensverhältnis und eine Basis für eine zukünftige Zusammenarbeit.
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Siehe:http://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/foerderung/ offen/grundsaetze/ab_december_2008/ [5.8.2011]. Siehe: http://www.goethe.de/uun/ang/mus/deindex.htm [5.8.2011]. Siehe:www.mwk.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id= 6302&article_id=18989&_psmand=19 [5.8.2011]. Siehe: www.landesmusikakademie-niedersachsen.de [5.8.2011]. Siehe: www.musikland-niedersachsen.de [5.8.2011]. Siehe: www.praetoriusmusikpreis.niedersachsen.de [5.8.2011]. Siehe: http://www.musik21-niedersachsen.de/ [5.8.2011]. Siehe: http://www.stnds.de/ [5.8.2011]. http://www.lottostiftung.de/front_content.php?idcat=11 [5.8.2011]. Siehe: http://www.ndr.de/unternehmen/organisation/musikfoerderung/ index.html [5.8.2011]. Siehe das PDF Projektförderung Musik: http://www.mwk.niedersachsen. de/live/live.php?navigation_id=6375&article_id=19102&_psmand=19 [5.8.2011]. http://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/foerderung/offen/ grundsaetze/ab_december_2008/ [5.8.2011]. http://www.stnds.de/de/was-wir-foerdern/projekte [5.8.2011]. Siehe: www.ndr.de/unternehmen/organisation/musikfoerderung/musik foerderungniedersachsen101.html [5.8.2011]. http://www.crespo-foundation.de/ [5.8.2011].
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Martin Tröndle/Petra Schneidewind
£2.6 Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung für die kommunale Kulturarbeit. Grundlagen, Praxisbeispiele, Handlungsempfehlungen für Kulturmanagement und Kulturverwaltung, Köln: Deutscher Gemeindeverlag, W. Kohlhammer. Bruhn, Manfred (1998): Sponsoring. Systematische Planung und integrativer Einsatz, 3. Aufl., Frankfurt a.M.: Gabler. Haibach, Marita (1998): Handbuch Fundraising: Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis, Frankfurta.M./New York: Campus. Haibach, Marita (2002): Handbuch Fundraising. Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis, Frankfurt a.M./New York: Campus. Heinrichs, Werner (1997): Kulturpolitik und Kulturfinanzierung. Strategien und Modelle für eine politische Neuorientierung der Kulturfinanzierung, München: Beck. Heinrichs, Werner/Tröndle, Martin (2011): »Mehr Mut! Musikförderung als Risikoprämie«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S. 345-355. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hg.) (2010): Kulturfinanzbericht 2010, Wiesbaden, verfügbar unter: www.destatis.de/publikationen.
W EIT ERF Ü HRENDE L IT ER AT U R Bortoluzzi-Dubach, Elisa/Frey, Hans-Rudolf (2000): Sponsoring, 2. Aufl., Bern/ Stuttgart/Wien: Paul Haupt. Bruhn, Manfred (1998): Sponsoring. Systematische Planung und integrativer Einsatz, 3. Aufl., Frankfurt a.M.: Gabler, S. 17ff., 193-270, 447-470. Eckhardt, Andreas/Rohlfs, Eckart/Jakoby, Richard (2008): Musik Almanach 2007/08. Daten und Fakten zum Musikleben in Deutschland, Regensburg: ConBrio. Fabisch, Nicole (2006): Fundraising. Spenden, Sponsoring und mehr, 2., vollst. überarb. Aufl., München: dtv. Haibach, Marita (2002): Handbuch Fundraising. Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis, Frankfurt a.M./New York: Campus. Heinrichs, Werner (1997): Kulturpolitik und Kulturfinanzierung. Strategien und Modelle für eine politische Neuorientierung der Kulturfinanzierung, München: Beck.
W EBSIT E S www.miz.org (Deutsches Musikinformationszentrum) www.stiftungen.org (Bundesverband Deutscher Stiftungen)
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3.1 K ÜNSTLERVERMIT TLUNG K ARRIEREENT WICKLUNG
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Burkhard Glashoff Der Niedergang der klassischen Musik ist in den letzten Jahren wiederholt beschworen worden. Dennoch sind in jüngster Zeit einige kometenhafte Karrieren klassischer Künstler zu beobachten, die diesen Trend zu widerlegen scheinen: Der amerikanische Organist Cameron Carpenter wird quasi über Nacht zum Weltstar und verkauft Konzerthallen wie die Berliner Philharmonie aus. David Garret, der in den 1990er Jahren eine beachtliche Karriere als ›Wunderkind‹ hatte und danach weitgehend vom Markt verschwunden war, wird sowohl mit dem Echo Klassik 2010 (»Bestseller des Jahres«) als auch mit dem Echo 2011 als »Künstler national Rock/Pop« ausgezeichnet und dominiert die Charts. Der chinesische Pianist Lang Lang tritt weltweit mit allen bedeutenden Orchestern auf und begeistert als Solist ein Millionenpublikum, welches über den Kreis der ›Klassik-Liebhaber‹ weit hinausreicht. Neben diesen in den Medien sehr präsenten Namen gelingt es einer großen Anzahl Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen, sich in verschiedenen Marktsegmenten erfolgreich zu etablieren. Wie kommt es zu solchen Karrieren und nach welchem Muster verlaufen sie? Handelt es sich in den genannten Fällen um einen bestimmten Künstlertypus und was zeichnet diesen aus? Im Folgenden soll untersucht werden, welche Rolle Künstleragenturen bei der Karriereentwicklung klassischer Musiker spielen und wie das Zusammenwirken von Plattenfirmen, PR-Agenturen und Konzertveranstaltern funktioniert. Dabei wird zunächst das Berufsbild des Agenten als Schnittstelle zwischen Künstler und Veranstalter verortet. In einem kurzen Exkurs wird auf die jüngste Marktentwicklung eingegangen, da sich aus ihr Konsequenzen für eine zeitgemäße Karriereentwicklung ergeben. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, welches aus Sicht einer Agentur die Kriterien für eine erfolgreiche Karriere sind und mit welchen Eigenschaften ein Künstler ausgestattet sein muss, um das Interesse einer Agentur und der Veranstalter zu wecken. Welche Aufgaben und Funktionen sollte eine professionelle Agentur dabei erfüllen und worauf ist beim Vertragsschluss unbedingt zu achten? Abschließend sollen einige Überlegungen angestellt werden, wie ein Künstler die für ihn passende Agentur findet, da es sich hierbei um eine sehr individuelle Entscheidung handelt, die weitreichende Konsequenzen für den Werdegang des Künstlers haben kann.
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A G ENT U R EN A L S S C HNIT T S T ELLE Z WI S C HEN K Ü N S T LER N U ND V ER A N S TA LT ERN Künstleragenturen und Konzertdirektionen agieren im Spannungsfeld zwischen Künstlern auf der einen und Veranstaltern auf der anderen Seite. Der Grad der Zusammenarbeit kann dabei von einer unverbindlichen Akquise lokaler Auftrittsmöglichkeiten und Konzertterminen bis hin zu einem umfassenden weltweiten Management reichen. In Deutschland gibt es eine Vielzahl zumeist kleinerer Künstlersekretariate und Konzertdirektionen, deren Tätigkeit sich in der Regel auf den deutschsprachigen Raum begrenzt. Viele dieser Agenturen arbeiten für eine überschaubare Anzahl von Künstlern, zu denen sie eine enge, persönlich geprägte Beziehung pflegen. Häufig sind die Konzertdirektionen auch auf bestimmte Bereiche wie z.B. Oper, Konzert, Kammermusik oder Tourneen spezialisiert. Einen Überblick über die Agenturlandschaft geben die Publikationen des Verbandes deutscher Konzertdirektionen (VDKD) oder auch internationaler Verbände wie der International Artist Management Association (IAMA) oder dem Musical America. Den deutschen Künstlersekretariaten und Konzertdirektionen entsprechend, gibt es auch im europäischen Ausland eine Reihe tradierter, oft familiär geführter Agenturen. Diesem Typus der Konzertdirektion, der sich in der Nachkriegszeit etabliert hat, dessen Wurzeln aber bereits ins 19. Jahrhundert zurückreichen (Engel 2003), steht ein verhältnismäßig junger, insbesondere in den anglo-amerikanischen Ländern verbreiteter Typ des Managements gegenüber: Die großen, in London und New York angesiedelten Agenturen wie IMG Artists, CAMI, Askonas Holt und Harrison Parrott vereinen die Künstlervermittlung (oft für eine große Anzahl Künstler unterschiedlichster Bereiche) in verschiedenen Territorien, internationale Orchestertourneen und »Special Projects« unter einem Dach. In Deutschland entspricht diesem Typus am ehesten die Konzertdirektion Schmid, die ebenfalls ein Büro in London unterhält und auch im europäischen Tourneebereich aktiv ist. Eine relativ neue Entwicklung ist die verstärkte Tätigkeit der Plattenfirmen in der Künstlervermittlung und Konzertveranstaltung. Beispielsweise hat die Sony Music Deutschland GmbH Anteile an der Deutschen Entertainment AG übernommen und Universal Music engagiert sich zunehmend als Künstlermanagement und Konzertveranstalter. An dieser Stelle kann keine generelle Empfehlung für einen dieser Agenturtypen ausgesprochen werden: Wird die Betreuung in einer kleineren Konzertdirektion oder einem Künstlersekretariat möglicherweise besser auf die Person und den Karrierestand des Künstlers zugeschnitten, können die großen Managements eher ein umfassendes Paket aus Künstlervermittlung, Tourneen und PR anbieten.
Burkhard Glashoff
£3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung
M A RK T E N T WI C K L U N G Der weltweite Wandel des Klassikmarktes innerhalb der letzten Jahre hat unmittelbare Auswirkungen auf die Entwicklung und den Verlauf von Künstlerkarrieren. Die Ursachen für die Veränderungen in der Rezeption klassischer Musik sind vielschichtig – einige sollen hier genannt werden: Traditionelle bildungsbürgerliche Strukturen lösen sich auf und der Besuch klassischer Konzerte ist für bestimmte bürgerliche Kreise nicht mehr selbstverständlich und gehört ›zum guten Ton‹, sondern ist ein Freizeitangebot unter vielen anderen attraktiven Optionen (Schulze 2005). Jüngere Menschen entwickeln häufig keine Affinität zu klassischen Konzerten, da ihnen sowohl die Inhalte als auch die stark ritualisierte Präsentation klassischer Musik in Form eines traditionellen Symphonie- oder Kammerkonzerts fremd sind (Gembris 2011; Keuchel 2011). Diese Skepsis gegenüber klassischer Musik verändert sich jedoch häufig zu großer Begeisterung und Faszination für das Gehörte, sobald die Barriere einmal überwunden und ein klassisches Konzert erlebt wurde. Zu erwähnen ist auch die Krise der Plattenindustrie, die die Branche in der Vergangenheit stark dominierte. Diese Krise hängt einerseits mit der nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit von Musikangeboten im Internet zusammen, andererseits aber auch mit dem limitierten Werkekanon klassischer Musik, der mittlerweile vielfach aufgenommen und in verschiedenen Editionen verkauft worden ist. Die an klassischer Musik interessierten Personen haben die gängigen Werke oftmals bereits mehrfach erworben, weshalb neue Aufnahmen in der Regel nur geringen Absatz erzielen (Kellersmann 2011). Die beschriebenen Aspekte scheinen sich im Rückgang des traditionellen Abonnements, der vielerorts zu beobachten ist, sowie in den sinkenden Verkaufszahlen von neuen CD-Veröffentlichungen zu bestätigen und würden nun eine eher kulturpessimistische Prognose nahelegen. Andererseits sind aber auch Phänomene zu beobachten, die diesem Trend entgegenstehen: Vielerorts entstehen neue Musikfestivals, Kirchen und Schlösser werden als »Ambiente-Spielstätten« erschlossen und Opernaufführungen aus der Metropolitan Opera werden in Multiplex-Kinos übertragen und finden ein großes Publikum. Das Live-Erlebnis gewinnt im Zeitalter des Internets eine neue Qualität, wovon insbesondere die Klassik profitieren kann, da der künstlerische Prozess im klassischen Konzert unmittelbar und hautnah miterlebt wird. Der geänderte Erfahrungshintergrund des Publikums hat hierbei Auswirkungen auf die Akzeptanz der verschiedenen Angebote: Konzerte in attraktiven Spielstätten mit zusätzlichen Angeboten werden wahrscheinlich eher angenommen, als ein lieblos präsentiertes klassisches Konzert in einer tristen Stadthalle. Neben den Spielstätten und der Präsentation des Konzerts spielt auch das Konzertformat eine große Rolle: Der traditionelle Ablauf mit einer Ouvertüre,
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einem klassischen oder romantischen Solistenkonzert sowie einer bekannten Symphonie garantiert heute nicht mehr automatisch volle Säle. Gefragt sind an dieser Stelle neuartige und genreübergreifende Programmkonzepte, die das Publikum intellektuell und ästhetisch ansprechen (Fein 2011). Nicht zuletzt ist das Publikum aber mehr denn je an der Persönlichkeit der Künstler interessiert.
K RIT ERIEN F Ü R EINE ERFOLG REI CHE K A R RI ER E Der Verlauf einer erfolgreichen Karriere hängt von der individuellen Künstlerpersönlichkeit ab. Aus diesem Grund existiert keine allgemeingültige Formel für den Werdegang eines Künstlers: Von außen ist oft nicht erkennbar, warum ein bestimmter Musiker nach kurzer Zeit große Medienresonanz erhält, während andere, deren Stil oder Ideen interessanter scheinen, von Medien und Veranstaltern kaum beachtet werden. Dennoch lassen sich einige Kriterien finden, die für eine erfolgreiche Karriereentwicklung von Bedeutung sind und anhand derer sich Agenturen und Managements entscheiden, ob sie für einen Künstler arbeiten wollen oder nicht. Im Vordergrund steht zunächst die künstlerische Leistung, die für eine Agentur im ›seriösen‹ klassischen Markt eine conditio sine qua non darstellen sollte. Eine exzeptionelle künstlerische Leistung ist notwendiges Kriterium für eine erfolgreiche Karriereentwicklung. Sie allein ist jedoch nicht hinreichend, denn das qualitative Niveau an den Musikhochschulen und Konservatorien ist in den letzten Jahren permanent angestiegen: Viele der Hochschulabsolventen und Preisträger der verschiedenen internationalen Wettbewerbe sind technisch versiert, doch nur wenige werden eine internationale Karriere verfolgen und bei den großen Agenturen unter Vertrag kommen können. Welches sind dann die Kriterien, die eine Karriereentwicklung voranbringen? Ein entscheidender Aspekt ist die Persönlichkeit des Künstlers, denn das Publikum ist immer auch an dem Menschen interessiert, der sich hinter dem Künstler verbirgt. Je geringer das pure Fachinteresse ist, desto mehr rückt die Persönlichkeit des Künstlers und seine Gabe, die Musik qua seiner Persönlichkeit zu vermitteln, ins Zentrum. Jedoch kann eine interessante und faszinierende Persönlichkeit genauso wenig wie der Verlauf einer erfolgreichen Karriere auf eine allgemeingültige Formel gebracht werden, zumal sie sich dem Agenten – und später dem Publikum – eher intuitiv mitteilt. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang die Schlüssigkeit der Persönlichkeit, unabhängig davon, ob es sich bei dem Künstler um die ›natürliche Schönheit‹, den ›Vamp‹, den ›vergeistigten Intellektuellen‹, den ›Klassik-Punk‹, ›strengen Maestro‹ oder ›Tastentiger‹ handelt. Diese Aufzählung stellt keine Wertung verschiedener Künstlertypen dar, vielmehr soll hervorgehoben werden, dass ein Künstler
Burkhard Glashoff
£3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung von seinem Publikum bewusst oder unbewusst stets auch als Persönlichkeit wahrgenommen wird. Hierbei ist zu beobachten, dass ein Typ je nach Kontext eine größere oder geringere Attraktivität ausüben kann. Agenten und Manager werden daher stets im Blick haben, ob der Künstler unter diesem Aspekt interessant erscheint und genügend Entwicklungspotenzial bietet. Auch die Authentizität der Künstlerpersönlichkeit ist von Bedeutung, denn eine aufgesetzte Künstlerpersönlichkeit, die dem ›wirklichen‹ Naturell des Künstlers nicht entspricht, wird das Publikum nicht überzeugen. Der Künstler sollte sich daher seiner eigenen Persönlichkeit bewusst werden und den Mut haben, sie in den künstlerischen Prozess einzubringen. Das Schlagwort hier lautet »Branding«, es geht um die Entwicklung einer Künstlerpersönlichkeit und des dazu passenden Images. Weiterhin wird ein Agent das Karrierepotenzial eines Künstlers auch anhand seines bereits vorhandenen Netzwerks beurteilen. Sprechen sich bspw. renommierte Professoren, Juroren internationaler Wettbewerbe, etablierte Dirigenten und Solisten für einen jungen Künstler aus, steigert dies seine Chance, bei einer professionellen und hochkarätigen Agentur unter Vertrag zu kommen. Für den Künstler ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, sein Netzwerk schon vor Beginn seiner Karriere auf- und auszubauen. Zusätzlich wird ein Künstler auch an verschiedenen Sekundärtugenden gemessen wie z.B. der Flexibilität im Repertoire, der Bühnenpräsenz oder der Fähigkeit, mit den Mitmusikern und dem Publikum zu kommunizieren. In diesen Bereichen kann durch bewusste Arbeit eine deutliche Verbesserung erzielt werden. Aus diesem Grund wird der Manager bei der Entscheidung, ob er für einen Künstler tätig werden möchte, dessen Entwicklungspotenzial mitberücksichtigen.
A U FG A B EN U ND F U NK T I O NEN EINER A G ENT U R Welche Funktionen kann nun eine Agentur bei der weiteren Karriereentwicklung übernehmen? Die Hauptaufgabe des Agenten liegt zunächst in der Akquise von Konzertterminen und Auftrittsmöglichkeiten für seinen Künstler; z.T. beschränkt sie sich auch hierauf. Dabei wird ein bereits vorhandenes Netzwerk der Agentur genutzt, zu dem in der Regel verschiedene öffentliche und private Veranstalter, Kulturämter, Festivals, Orchester und Opernhäuser gehören. Der Künstler profitiert in dieser Konstellation also unmittelbar von den Kontakten, die sein Agent in der Branche aufgebaut hat. Bei der Wahl der Agentur sollte aus diesem Grund das Netzwerk des potenziellen Agenten für die eigenen Zwecke analysiert und ggf. auch Erkundigungen über seinen Ruf in der Branche eingeholt werden. Wichtig ist zudem, ob der Künstler tatsächlich bei den Veranstaltern auftreten möchte (oder kann), die zu dem en-
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geren Kreis der Geschäftspartner seines Agenten gehören. Sind diese für den aktuellen Stand der Karriere (noch) zu hochkarätig oder bereits nicht mehr hochkarätig genug, birgt die Zusammenarbeit wenig Chancen auf Erfolg und könnte zu Frustrationen führen. Zu den Aufgaben des Agenten gehören heutzutage weitere Bereiche, die über das reine Buchen von Konzertterminen weit hinausgehen und unter dem Begriff »Karriereentwicklung« zusammengefasst werden können. In diesem Zusammenhang ist auch häufiger von einer »360°-Betreuung« des Künstlers die Rede. Ein Manager wird bspw. auch immer versuchen, das vorhandene Netzwerk des Künstlers kennenzulernen und gezielt zu nutzen. Er wird seinen Künstler ermuntern, bestehende Kontakte zu Dirigenten, anderen Musikern, Veranstaltern und Festivalleitern wiederzubeleben und auszubauen. Wie oben schon angedeutet ist die Kontaktpflege einer der wichtigsten Schritte für die Ausweitung der Auftrittsmöglichkeiten und die Karriereentwicklung. Weiter ist die professionelle PR Teil des Künstlermanagements. In einem frühen Stadium der Karriere wird diese üblicherweise von dem Agenten oder Manager des Künstlers betreut; ist die Karriere bereits weiter entwickelt und hat möglicherweise schon ein internationales Niveau erreicht, werden häufig die Dienste separater PR-Agenturen in Anspruch genommen. Dabei stimmt sich der PR-Manager eng mit dem Agenten des Künstlers ab, um den jeweiligen Stand der Karriere, wichtige Konzerttermine und Plattenveröffentlichungen medial zu verbreiten. Hat der Künstler bereits einen Vertrag mit einer Plattenfirma, engagiert sich diese häufig auch in der PR, bringt die neuesten CD-Aufnahmen sowie Konzerttermine bei den Journalisten ins Gespräch und vermittelt Interviews. Der Manager wird sich auch intensiv um das PromotionMaterial des Künstlers kümmern und dies (im Stile der jeweiligen Agentur) aufbereiten und aktualisieren. Beispielsweise sollte die Biografie des Künstlers ansprechend geschrieben und regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden. Weiterhin sollten eine Repertoireliste zusammengestellt sowie einige repräsentative Programmvorschläge ausgearbeitet werden. Hilfreich ist ferner, Kritiken vergangener Konzerte zu sammeln und besonderes prägnante Zitate und positive Bewertungen zu verwenden. Dadurch wird den potenziellen Veranstaltern und Orchestermanagern ein Eindruck von der Persönlichkeit und Programmvielfalt des Künstlers vermittelt. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Auswahl von Hörproben gelegt werden, die der Manager in Form von CDs oder E-Mail-Anhängen verschicken kann. Hier kommen z.B. Konzertmitschnitte oder Studioaufnahmen in Frage, wobei der Manager immer auf eine einwandfreie Qualität achten sollte, da der erste Höreindruck oft darüber entscheidet, ob eine Einladung ausgesprochen wird oder nicht. Im Zweifelsfall sollte von einer Versendung von Hörproben abgesehen werden, solange noch kein qualitativ befriedigendes Material vorliegt.
Burkhard Glashoff
£3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung Nicht zu unterschätzen ist zudem die Bedeutung des Fotomaterials. Auch hier ist wichtig, neben der technischen Qualität die Persönlichkeit des Künstlers herauszuarbeiten, wobei auch vor unkonventionellen, subjektiven Motiven und Perspektiven nicht zurückgeschreckt werden sollte. Ein verantwortungsbewusster Manager wird auf entsprechend hochwertiges und aktuelles Fotomaterial wertlegen und dem Künstler ggf. auch Fotografen seines Vertrauens empfehlen können, die sich mitunter auf die Arbeit mit Künstlern spezialisiert haben. Ein unverzichtbares Vermarktungstool im Informationszeitalter ist die Website. Einerseits sollte der Künstler bei der Auswahl der Agentur oder des Managements darauf achten, wie die Agentur die von ihr vertretenen Künstler (und sich selbst!) präsentiert. Andererseits sollte der Manager auch darauf achten, dass der Künstler eine attraktive und aktuelle Website unterhält oder aufbaut. Wie beim Audio- oder Fotomaterial sollte er dazu in der Lage sein, seinen Künstler hierbei umfassend zu beraten und, falls erforderlich, auch den Kontakt zu professionellen Webdesignern zu vermitteln. Essenzielle Bestandteile jeder Künstlerwebsite sind die Biografie des Künstlers, ansprechendes Fotomaterial, eine Diskografie, Hörproben, eine Repertoireliste sowie aktuelle Konzerttermine. Die Website ist ebenfalls ein probates Medium für den Künstler, seine Persönlichkeit darzustellen und sich seinen Fans und potenziellen Veranstaltern in dem von ihm gewünschten Stil zu präsentieren. Ergänzend zur Website legen einige Manager für ihre Künstler Profile bei sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook oder Twitter an und stellen gelungene Konzertmitschnitte und Hörproben bei MySpace und YouTube ein, wobei der rechtliche Rahmen geprüft und penibel eingehalten werden muss. Eine Facebook-Seite enthält grundsätzlich die gleichen Informationen wie die Website des Künstlers, ist häufig jedoch persönlicher gefärbt und sollte in jedem Fall sehr aktuell gehalten werden. Der Künstlermanager kann dort tagesaktuelle Meldungen wie Konzerttermine, unmittelbares Konzertfeedback und Kritiken posten. Abhängig von persönlichen Interessen und dem individuellen Stil kann die Pflege der Profile in den sozialen Netzwerken vom Künstler selbst, in Zusammenarbeit mit seinem Manager oder auch nur vom Manager vorgenommen werden. Für eine erfolgreiche Imagepflege und perspektivische Karriereentwicklung sollten immer die Aktualität sowie die Qualität der Inhalte im Vordergrund stehen, für die der Manager ein geschultes Auge haben sollte. Das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke haben innerhalb der letzten Jahre an Wert für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zugenommen, weshalb Künstler und Manager diese Tools beherrschen können und für ihre Zwecke nutzen sollten. Zu den Aufgaben des Managements gehört weiterhin der Versuch, einen Plattenvertrag für den Künstler abzuschließen. In der klassischen Musik wird
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heutzutage zwar nur noch in wenigen Fällen mit CD-Veröffentlichungen Geld verdient, dennoch ist es zu PR-Zwecken sowie zum Imagetransport und der Bindung ans Publikum hilfreich, hochkarätige Aufnahmen auf den Markt zu bringen. Dabei obliegt es dem Agenten, eine passende Plattenfirma für den Künstler auszusuchen, den Kontakt herzustellen und gemeinsam mit dem Künstler ein geeignetes Repertoire und überzeugende Projekte auszusuchen. Ist der Künstler bei einem Label unter Vertrag, übernimmt in der Regel die Plattenfirma die Beratung des Künstlers bei der Repertoireauswahl, wobei der Manager darauf achten sollte, dass die Veröffentlichungen mit der Gesamtstrategie für seinen Künstler koordiniert werden. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung, die CD-Veröffentlichungen für das Image des Künstlers haben, angefangen bei dem Image des Labels, bei dem der Künstler unter Vertrag ist, bis hin zur Gestaltung des Covers. Insbesondere im anglo-amerikanischen Raum spielt auch die Akquise von Sponsoren oder Mäzenen eine große Rolle, da dort mangels öffentlicher Subventionen für die Hochkultur keine ausreichende Finanzierung allein aus den Konzerteinnahmen der Künstler erreicht werden kann. Zwar ist es für gemeinnützige Institutionen wie z.B. Orchester, Opernhäuser und Festivals einfacher, Sponsoren zu akquirieren, dennoch werden auch individuelle Künstler gezielt gefördert, bspw. beim Kauf und der Finanzierung teurer Instrumente. Die Funktion des Managers ist es hierbei wiederum, potenzielle Sponsoren und Förderer zu identifizieren, den Kontakt herzustellen sowie die Vertragsverhandlungen für den Künstler zu führen. Weniger gut greifbar ist ein anderer Aufgabenbereich des Managers, der die Persönlichkeit des Künstlers betrifft: Für eine erfolgreiche Karriereentwicklung wird ein Manager, der ein enges Vertrauensverhältnis zu seinem Künstler hat, versuchen, diesen auch bei der Schärfung seines Persönlichkeitsprofils zu unterstützen und auf eine entsprechende Positionierung im Markt hinzuwirken.
V ER T R AG SSC HLU SS Grundsätzlich sollte der Künstler mit der Agentur oder dem Management, von dem er sich vertreten lassen möchte, eine schriftliche Vereinbarung schließen. In den meisten Fällen geschieht dies in Form eines Vertrags oder eines etwas weniger formellen Letter of Intent. Um spätere Missverständnisse und Konflikte, auch mit Blick auf einen möglichen Wechsel des Managements, zu vermeiden, sollten zumindest die folgenden Punkte festgehalten werden: • Vertretung: Das Management kann den Künstler weltweit vertreten (in diesem Fall spricht man von »Generalmanagement«), oder in bestimmten Territorien, die detailliert aufgeführt werden sollten (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz und Benelux).
Burkhard Glashoff
£3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung Exklusivität: Es ist unbedingt zu empfehlen, die Frage der Exklusivität einer Vertretung zu klären. Arbeitet die Agentur exklusiv für einen Künstler, so müssen alle nach Vertragsschluss direkt oder über andere Agenten an den Künstler gerichteten Anfragen jedweder Art an die Agentur weitergeleitet werden und werden somit provisionspflichtig. Es ist aber auch – insbesondere im Gesangsbereich – durchaus üblich, eine nicht-exklusive Vertretung zu vereinbaren, die sich nur auf einen bestimmten Bereich bezieht, wie z.B. Oper oder Konzert. In diesem Fall sollten aber der Umfang und die Modalitäten der Vertretung umso detaillierter geklärt werden, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. • Zusammenarbeit mit lokalen Managements: Vor allem bei Generalmanagements ist es üblich, dass der Agent in bestimmten Territorien mit lokalen Managements zusammenarbeitet. Hier spielen häufig auch traditionelle Gepflogenheiten und persönliche Verbindungen eine große Rolle. Der Agent sollte in diesem Fall dazu verpflichtet sein, den Künstler über die Kooperation mit lokalen Managements zu informieren und diese wiederum über die Aktivitäten des Künstlers auf dem Laufenden zu halten. • Laufzeit: Der Vertragsbeginn und Kündigungsfristen sowie -modalitäten sollten schriftlich festgehalten werden (z.B. drei Monate). • Provision: Im deutschsprachigen Raum ist eine Höhe von 10-15 Prozent auf die vereinbarten Bruttohonorare üblich. Zu klären wäre der Provisionssplit im Falle einer Zusammenarbeit mit einem lokalen Management (z.B. jeweils 7,5 Prozent), um eine doppelte Verprovisionierung auszuschließen. Weiterhin sollte die umsatzsteuerliche Behandlung vereinbart werden (in der Regel verstehen sich Provisionen zuzüglich eventuell anfallender gesetzlicher Steuern im Ausland sowie zuzüglich der Umsatzsteuer in der jeweils gültigen Höhe für deutsche Engagements). • Abrechnungsmodalitäten: Hier sollten die Rechnungsstellung und Zahlungsfristen vereinbart werden. Zu klären ist auch, ob das Management dazu berechtigt ist, im Auftrag des Künstlers Zahlungen entgegenzunehmen und die vereinbarten Provisionen sowie mögliche weitere Kosten, die dem Künstler laut Vertrag zuzuordnen sind, von den eingehenden Honoraren einzubehalten. Es sollte auch festgehalten werden, dass die Agentur dazu verpflichtet ist, dem Künstler die Honorare auf ein von ihm zu benennendes Konto zu überweisen. Es ist in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen, dass die Agenturen in der Regel nicht für die weitergehenden steuerlichen Angelegenheiten des Künstlers zuständig und verantwortlich sind, sondern diese hierfür einen professionellen Steuerberater beauftragen. • Beendigung des Vertragsverhältnisses: Für den Fall einer (fristgerechten) Beendigung des Vertragsverhältnisses sollte festgelegt werden, wie mit den •
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bereits akquirierten, in der Zukunft liegenden Konzertterminen verfahren wird. So könnte z.B. die Agentur dazu verpflichtet werden, innerhalb der Kündigungsfrist alle laufenden Verhandlungen über Engagements aufzulisten und dem Künstler zu präsentieren. Im Regelfall entfiele auf Konzerte, bei denen Datum und Honorar bereits verhandelt sind, die vereinbarte Provision. Ist dies noch nicht geschehen, könnten anteilige Provisionen vereinbart werden. PR-Material: Zu klären wäre, wer die Kosten für die Erstellung von PR-Material jedweder Art zu Werbezwecken trägt. Handelt es sich um die üblichen Künstlerlisten, generellen Mailings sowie die Website der Agentur, so liegen die Kosten auch bei dieser. Im Falle der Produktion von Demo-CDs, hochwertigem Fotomaterial oder individueller Websites übernimmt der Künstler üblicherweise die Kosten. Festzuhalten wäre auch eine Verpflichtung des Künstlers, in angemessener Weise an der Erstellung von PR-Material mitzuwirken, damit das Management erfolgreich für ihn arbeiten kann. Gerichtsstand und Schriftform: Jedwede Änderung des Vertrags sollte schriftlich erfolgen.
D I E W A HL DE R R I C H T I G EN A G ENT U R Da Künstlermanager einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Karrieren haben und den Werdegang maßgeblich beeinflussen können, ist die Wahl der ›richtigen‹ Agentur essentiell. Um entscheiden zu können, welche Agentur der eigenen Persönlichkeit und dem derzeitigen Karrierestand am besten entspricht, sollte zunächst eine Standortbestimmung und Selbstreflexion vorgenommen werden: Wie weit ist die eigene Karriere schon fortgeschritten, auf welche Netzwerke kann ich bereits zurückgreifen? Wie sehe ich mich selbst, welchem Persönlichkeits- bzw. Künstlertyp entspreche ich am ehesten? Die Beantwortung dieser Fragen sollte möglichst offen und realistisch erfolgen. Es ist auch zu empfehlen, Freunde oder Familienangehörige um ihre Einschätzung zu bitten, da diese (im Gegensatz zu Dozenten oder Kommilitonen) oft einen unverstellten Blick auf die Persönlichkeit haben. Es sollte aber auch abgewogen werden, in welche Richtung sich die eigene Karriere entwickeln soll, sowohl inhaltlich als auch persönlich. Wo sehe ich zukünftig meine musikalischen Schwerpunkte, in welchen Bereichen und Märkten möchte ich präsent sein? Mit welchen Musikern, Ensembles, Orchestern und bei welchen Veranstaltern möchte ich einmal spielen? Vor der Auswahl einer Vertretung sollte auch überlegt werden, inwieweit die Bereitschaft besteht, sich in den verschiedenen Bereichen des Managements persönlich einzubringen, da die Agenturen hier sehr unterschiedliche Service-Angebote machen.
Burkhard Glashoff
£3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung Ist sich der Künstler über den derzeitigen Stand seiner Karriere und seine Vorstellungen für die Zukunft klarer geworden, lässt sich anhand der genannten Quellen eine Auswahl geeigneter Agenturen treffen. Geachtet werden sollte dabei auf die Größe der Agentur, den Radius ihrer Aktivitäten, die aktuelle Künstler- bzw. Tourneeliste sowie die Eigendarstellung. Websites geben hier in der Regel einen guten Eindruck von den Firmenwerten und dem Stil einer Agentur. Da der gesamte Musikmarkt sehr persönlich geprägt ist, sollte zusätzlich unbedingt eine persönliche Einschätzung über die unterschiedlichen Agenturen eingeholt werden. Künstler und Veranstalter teilen in der Regel gerne ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Anbietern und können Empfehlungen aussprechen. Die Kontaktaufnahme selbst kann über die traditionelle Bewerbungsmappe erfolgen, zusätzlich ist aber die persönliche Einladung des potenziellen Agenten zu Konzerten, Auditions und Wettbewerben zu empfehlen, da Blind-Bewerbungen in vielen Fällen nicht weiterverfolgt werden. Bewerbungsmappen sollten als Standard eine aktuelle Biografie, ansprechendes Fotomaterial, eine Diskografie, Hörproben, eine Repertoireliste sowie aktuelle Konzerttermine enthalten. Eine Einladung zu Konzerten und Wettbewerben kann auch über befreundete Künstler, Dozenten oder Veranstalter erfolgen, denen die Agenten möglicherweise eher Aufmerksamkeit schenken werden. Vor dem Vertragsabschluss sollte dann in jedem Fall mindestens ein ausführliches persönliches Gespräch mit dem zukünftigen Manager stattfinden. Nimmt sich dieser hierzu keine Zeit oder zeigt kein großes Interesse, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er sich in Zukunft in besonderer Weise für den Künstler einsetzen wird. Dem persönlichen Kontakt zum Manager und der Gewissheit, dass dieser an das Entwicklungspotenzial des Künstlers glaubt und über ein geeignetes Netzwerk verfügt, seine Karriere voranzubringen, sollte grundsätzlich Priorität eingeräumt werden. Allein die Tatsache, auf der Liste einer der großen Agenturen zu stehen, garantiert dagegen noch keine erfolgreiche Karriere, nehmen diese in der Regel doch auch eine große Anzahl junger Künstler unter Vertrag. Wie im gesamten künstlerischen Bereich sollte hier eher dem eigenen Gefühl als wohlklingenden Beteuerungen vertraut werden.
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3.2 D IE TONTR ÄGERINDUSTRIE , EIN O RT DER PERMANENTEN R EVOLUTION Wie die Reproduktions- und Speichermedien das musikalische Bewusstsein verändern Max Nyffeler
Auch ein so schnelllebiger Wirtschaftszweig wie die Tonträgerindustrie besitzt Symbole, die an seine Geschichte erinnern. Das bekannteste ist zweifellos der Hund, der vor dem Grammofon-Trichter der Stimme seines toten Herrn lauscht. Barry Owen, Direktor der Gramophone Company in London, machte das Bild von Francis Barrauld 1899 mit sicherem Instinkt zum Verkaufssignet seiner Firma. Was hier als »His Master’s Voice« versinnbildlicht ist, hat auch ein Jahrhundert später seine Symbolkraft noch nicht verloren: Die Stimmen der Toten oder zumindest Abwesenden sollen aus der Konserve erklingen, als ob sie anwesend wären. Diese Scheinpräsenz ist das Kennzeichen des modernen Medienzeitalters. In den Anfängen vor rund 100 Jahren wurde sie noch als scheinhaft durchschaut. Bei »His Master’s Voice« kommt die Stimme des Herrn aus dem Trichter, nicht etwa aus dem Mund, und der zerquetschte Klang des frühen Grammofons wurde von den Hörern noch als technische Sensation empfunden. Heute, da Konservenmusik das Leben der Menschen auf Schritt und Tritt begleitet, ist sich der Durchschnittskonsument kaum noch bewusst, dass das, was aus dem Lautsprecher kommt, nicht einfach »Musik« ist, sondern das Resultat komplexer technischer und ökonomischer Prozesse. Weiß er von den manchmal hunderten von Schnitten, von den trickreichen Mikrofonaufstellungen und Abmischungen, die im Studio vorgenommen werden? Weiß er, dass die Studioproduktion einer Oper und ihre Inszenierung auf der Bühne zwei grundsätzlich verschiedene, nicht vergleichbare Dinge sind? Weiß er, warum beim großen Label plötzlich Pianist A als Star herausgebracht wird, der ebenso tüchtige Pianist B aber keine Chance hat? Über solche Fragen gibt die CD auch dem bewusst Hörenden keine Auskunft. Das Medium ist zur zweiten Natur geworden, und die Industrie setzt alles daran, die Differenz zwischen Klangwirklichkeit und Klangabbildung verschwinden zu lassen. Die technischen Verbesserungen lassen den Klang immer natürlicher erscheinen (dafür steht der Begriff »High Fidelity«), obwohl er paradoxerweise, mit immer mehr technischem Aufwand erzeugt, immer ›künstlicher‹ wird.
W EC H S ELWI R K U N G EN VO N TEC HNI K U ND I NT ER PR E TAT I O N Die Schallplatte, ein Vierteljahrhundert älter als Radio und Tonfilm, hat die Wahrnehmung von Musik revolutioniert. Und wie sie dem hörenden Be-
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wusstsein neben Sackgassen der Bequemlichkeit viele neue, faszinierende Horizonte eröffnete, so verhalf sie auch der Interpretation von Anfang an zu ungeahnten Höhenflügen. 1887 hatte der aus Deutschland stammende Emil Berliner in den USA sein Patent auf scheibenförmige Tonträger und ein Wiedergabegerät namens »Grammophon« angemeldet; zurück in Europa gründete er 1898 in London die Gramophone Company (die Firma mit dem Hündchen) und in seiner Geburtsstadt Hannover die Deutsche Grammophon Gesellschaft, die erste europäische Schallplattenfabrik. 1941 sollte sie »arisiert« werden und in den Besitz von Siemens übergehen. Nach der Gründung wurde das neue Medium innerhalb weniger Jahre zum Massenprodukt. Im Unterhaltungssektor boomte die Tanzmusik und in der Klassik gab es den ersten Schallplattenmillionär: Enrico Caruso. Zwischen 1902 und 1921 machte er 234 Aufnahmen und verdiente daran rund zwei Millionen Dollar. Mit dem Massenprodukt Schallplatte setzten sich auch seine sängerischen Standards weltweit durch. Andere Tenöre mussten sich an seinen Interpretationen messen lassen und umgekehrt verhalf Caruso mit seiner ungeheuren Popularität dem noch jungen Medium Schallplatte zum Durchbruch beim Klassikpublikum – eine Wechselwirkung, die seither immer wieder angestrebt, aber vermutlich nie wieder erreicht wurde. Auch nicht mit dem sensationellen Erfolg der Drei Tenöre in den 1980er und 90er Jahren; sie verhalfen ihren Firmen in der sich abzeichnenden Dauerkrise der Plattenindustrie bestenfalls zu einem trügerischen Zwischenhoch. In der 100-jährigen Geschichte der Schallplatte gibt es immer wieder herausragende Beispiele einer produktiven Wechselwirkung zwischen Künstler und Medium. Ein signifikanter Fall war der Pianist Glenn Gould, der sich 1964, mit 32 Jahren, aus dem Konzertleben vollständig zurückzog und fortan nur noch Studioproduktionen machte. Seine ganz auf das Medium zugeschnittene Aufführungspraxis ist in ihrer Konsequenz bis heute einzigartig – musikalische Interpretation und die Kontrolle der aufnahmetechnischen Mittel verschmolzen bei ihm zu einer Einheit. Eine andere Art von Wechselwirkung zwischen musikalischem Inhalt und technischem Medium erreichte Leonard Bernstein, als er zum 100. Geburtstag von Gustav Mahler 1960 die Gesamteinspielung von dessen Sinfonien in Angriff nahm. Die alle Möglichkeiten der Stereotechnik nutzenden Aufnahmen vermochten die komplexen Orchesterpartituren Mahlers erstmals adäquat auf Tonträgern abzubilden. Das war der Beginn des weltweiten Mahler-Revivals. Die Schallplatte hat somit die Rezeptionsgeschichte Mahlers wesentlich beeinflusst.
Max Nyffeler
£3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution
D ER TONT R ÄG ER A L S W I R T S C H A F T S - U ND K U LT U RG U T An solchen Beispielen zeigt sich der janusköpfige Charakter des Tonträgers Schallplatte bzw. CD: seine Stellung zwischen Kunst und Kommerz, zwischen Musik und Markt. Mit ihm lassen sich einerseits Meisterwerke der Musikkultur speichern und einer unbeschränkten Zahl von Menschen zu Gehör bringen. Andererseits ist er eine Ware, der zusätzlich zu den Klängen vielfältige wirtschaftliche Interessen in Form von Rechten unsichtbar eingebrannt sind: Urheberrechte (wahrgenommen durch die nationalen Urheberrechtsgesellschaften), Verlagsrechte, Interpretenrechte, institutionelle Rechte (Rechte auf Marken wie La Scala oder Wiener Musikverein) usw. All diese Rechte müssen – neben den Herstellungs-, Vertriebs- und Werbekosten, der Händlermarge usw. – durch den Verkaufspreis der fertigen CD abgegolten werden. Die Preiskalkulation ist denn auch entsprechend knapp, der Kampf um den Endkunden hart. Rechtsansprüche liegen aber auch auf der leeren CD-R, die man im Laden erwirbt. In ihrem Preis enthalten ist die sogenannte »Rohlingsabgabe«, die beim Verkauf von bespielbaren Tonträgern für die durch Kopien tangierten Urheberrechte pauschal erhoben wird. Zum 1. Januar 2010 betrug sie in Deutschland für eine CD-R 0,062 À, für eine DVD+/-R (4,7 GB) 0,139 À und für die neue, speicherstarke Blu-ray (25 GB) 3,473 À.1 Bei einem Verkauf von 145 Millionen zur Musikspeicherung benutzten CD-Rohlingen und 17 Millionen DVD-Rohlingen im Jahr 2009 2 kommt ein Betrag von etwa zehn Millionen Euro zusammen. Die Vergütung wird auf der Basis des Urheberrechts von Verwertungsgesellschaften periodisch neu festgelegt und führt stets zu langwierigen Auseinandersetzungen mit der Industrie. Die Tonträgerindustrie ist heute sowohl in ökonomischer als auch in kultureller Hinsicht ein wichtiger Faktor, zumindest in den entwickelteren Ländern. Im öffentlichen Leben ist sie nicht nur durch ihre Produkte, sondern auch durch zahlreiche Institutionen, Verbände und Organisationen medienwirksam präsent. In Deutschland – Österreich und die Schweiz sind zwar als Vertriebs-, nicht aber als Produktionsstandorte relevant – ist die ganze Branche im Bundesverband Musikindustrie3 zusammengeschlossen. Dieser wiederum ist die deutsche Sektion der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI)4. Der Bundesverband vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Politik und Öffentlichkeit, handelt die Rahmenverträge mit den Urheberrechtsgesellschaften aus, ermittelt Statistiken und gibt ein Jahrbuch mit den neusten Wirtschaftsdaten heraus. 1973 rief er die Deutsche Phono Akademie5 ins Leben, eine PR- und Lobbyorganisation, welche die mehr künstlerischen Belange in der Öffentlichkeit vertritt und in einer im Fernsehen übertragenen Galavorstellung mit viel Glamour und Prominenz die jährlichen Preise Echo Klassik, Echo Pop und seit 2010 auch Echo Jazz vergibt. Da im Bundesverband eindeutig die
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Marktführer das Sagen haben, schlossen sich die kleineren Labels aus den Bereichen Klassik, Jazz und Weltmusik zur Vereinigung Class – Association of Classical Independents in Germany e.V.6 zusammen. In ihrem Mitteilungsblatt Class und im Internet informieren sie über ihre Aktivitäten. Auf der Ebene der Preise gibt es neben dem Echo noch den von der Industrie unabhängigen Preis der Deutschen Schallplattenkritik7. Die Juroren sind rund 140 Fachjournalisten aus 29 Fachbereichen, die alle künstlerischen Sparten aus U und E abdecken. Mit vierteljährlichen Bestenlisten, Jahrespreisen und Ehrenurkunden wollen sie auf besonders gelungene Produktionen aufmerksam machen und damit das Käuferpublikum zu einer kritischen Auswahl aus dem unübersichtlichen Marktangebot ermuntern – eine Aufforderung zum bewussten Hören.
U-M U SI K : D I A LEK T IK D E S T ECHNISCHEN F O R T S C H R I T T S Mit zunehmender technischer Perfektionierung, Repertoirebildung und Marktdurchdringung scheint das Medium Schallplatte heute den Höhepunkt seiner Entwicklung hinter sich zu haben. Im Klassiksektor sind alle wesentlichen Werke der Vergangenheit mehrfach, Standardwerke in großer Anzahl am Markt vorhanden. In der U-Musik, wo sich seit Ende der 1990er Jahre dank MP3-Kompressionsverfahren und Breitbandübertragung im Internet die Piratenkopien im Kaninchentempo vermehrt haben, ist die Situation noch viel dramatischer: »Es ist das erste Mal, dass diese Branche seit 20 Jahren in einer tiefen Krise steckt«, sagte Ende 2002 ein Sony-Vertreter im Branchenblatt Musikmarkt. »Die Leute wachen auf und merken: Das Schlaraffenland ist abgebrannt, jetzt müssen wir was tun.«8 Noch schonungsloser hatte sich zuvor schon der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft (heute: Bundesverband Musikindustrie) in seinem Jahreswirtschaftsbericht 2001 geäußert. Im Telegrammstil sind ihm die folgenden harten Fakten vorangestellt: Drastischer Umsatzrückgang um 10,2 Prozent – Absatz 2001: 244,1 Millionen Tonträger (2000: 266,4) – Erstmals mehr mit Musik kopierte CD-Rohlinge (182 Mio.) als verkaufte CDAlben (173,4 Mio.) – Fast 500 Millionen Downloads aus zumeist illegalen Musikangeboten im Internet.9
Alle Maßnahmen gegen die Piraterie verliefen im Sande, die Phonowirtschaft geriet in die Defensive. Zu Beginn des Jahres 2003, nach mehreren kostspieligen Gerichtsverfahren, gab Cary Sherman, Präsident des Verbands der amerikanischen Musikindustrie RIAA, den juristischen Kampf gegen illegale Online-Musikangebote verloren. Es würden im Internet immer illegale Seiten zum Herunterladen von Musik existieren, sagte er im Interview mit der BBC
Max Nyffeler
£3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution und deutete einen Strategiewechsel an: »Unser Ziel ist es nicht, Musikpiraterie oder illegale Tauschbörsen komplett zu zerstören.«10 Um das Geschäft der legalen Anbieter für die Zukunft zu sichern, wolle die Industrie vielmehr das unkontrollierte Wachstum eindämmen. Die Antwort der Branche im Kampf gegen Musikpiraterie könne nur darin bestehen, den Kunden eine legale Alternative zu bieten. Diesen Grundsatz hat sich die Industrie inzwischen weitgehend zu eigen gemacht. Die Verantwortlichen haben gemerkt, dass sich die Musikhörer – gerade die jugendlichen Popmusikfans – nicht mehr als ›Konsumvieh‹ behandeln lassen, sondern sich ohne Umschweife den Tauschbörsen zuwenden, wenn ihnen am Angebot etwas nicht passt. Der Kampf gegen die Piraterie wird von den Musikkonzernen nie zu gewinnen sein, doch seit im Internet die neue Technologie des Cloud Computing11 im Vormarsch ist, sind sie wieder optimistischer.12 Diese Technologie, bei der die Daten nicht mehr auf dem heimischen Computer, sondern in einer Serverfarm irgendwo auf dem Globus gespeichert sind und überall und jederzeit über das Internet abgerufen werden können, begünstigt das Streaming-Verfahren, bei dem Musik direkt online gehört wird. Das Streaming, das der bisherige Download-Praxis und auch dem physischen Tonträger CD zunehmend Konkurrenz macht, ist für die Industrie ein probates Mittel, große Mengen Musik auf legalem Weg – d.h.: gegen Bezahlung – an den Konsumenten zu bringen. Vorerst gilt das aber nur für die U-Musik. Nach Ted Cohen – Mitglied des Visionary Chair Committee von MidemNet, einem Programmbereich der internationalen Musik- und Medienmesse Midem in Cannes und damit ein Kenner der Szene und des Marktes – befinden wir uns heute an einem Scheideweg: »Die Musikhörer sind auf den Geschmack der Freiheit gekommen und haben entdeckt, dass Musik nicht mehr an eine Vinylplatte oder eine CD gebunden ist. Sie haben heute Zugang zur Weltbibliothek und wollen ihre Musik überall, zu jeder Zeit und mit jeder Art von Gerät hören – mit Smart-Phone, iPad oder Galaxy Tab, im Video- oder Audioformat.«13 Die Zeit der untauglichen Verbote ist für ihn vorbei: »Wir müssen dem Musikfan dienen, das ist das Wichtigste. Wir müssen ihm geben, was er verlangt und ihn die Erfahrungen machen lassen, die er will. Dem Publikum unseren Willen aufzwingen – das geht nicht mehr.« Transparenz des Angebots, faire Preise und Partnerschaft unter sich und mit dem Publikum: Nur so, glaubt Cohen, kommt die Musikindustrie aus ihrem Jammertal heraus. Häufig ist die Meinung zu hören, CD und DVD würden als Tonträger verschwinden und Musik würde nur noch über das Internet konsumiert. Das ist vermutlich eine Fehleinschätzung. Es dürfte sich vielmehr ein Medienmix etablieren, dessen Schwerpunkt zwar im Internet liegt, in dem die physischen Tonträger aber nach wie vor eine Rolle spielen. Sie erfüllen spezifische Bedürfnisse und werden noch lange ihre Anhänger finden.
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D A S KU R Z SI CHT I G E P RINZIP D E S »M O R E O F T HE SA ME « Im Klassik-Sektor gab es nie die massenhaften Schwarzkopien – Klassikhörer laden ihre Sinfonien und Klavierkonzerte in der Regel nicht von illegalen Website herunter, sondern sind durchaus bereit, dafür zu bezahlen, sei es im Laden oder im Internet. Doch Probleme gab und gibt es auch hier: Jahrzehntelang griffen die großen CD-Labels auf ihre reichhaltigen Archivbestände zurück, um Produktionskosten zu sparen. Was in der Vinyl-Ära produziert wurde, hatte zumeist einen hohen technischen Standard – siehe Bernsteins Mahler-Einspielungen – und war großenteils frei von Interpretenrechten. Neukosten entstanden den Plattenfirmen nur noch durch die digitale Aufbereitung, die Booklet-Redaktion und die Fertigung des Endprodukts CD samt Verpackung. Mit Recycling und dem Grundsatz »More of the same« ließ sich eine Zeitlang gutes Geld verdienen, doch irgendwann war diese Bonanza zu Ende. Die Firmen merkten zu spät, dass sie mit der digitalen Wiederveröffentlichung der immer gleichen Highlights hoffnungslos den Markt verstopften. Erschwerend für die Marktführer kommt hinzu, dass seit der Einführung der CD Anfang der 1980er Jahre immer neue Billiglabels entstanden sind. Sie bieten dasselbe Repertoire wie die Großen an, verzichten aber auf die teuren Stars, deren Marktwert durch den Agenten in New York und die öffentlichkeitswirksamen Konzerte in Salzburg in die Höhe getrieben wird. Diese Labels beschäftigen weniger bekannte, aber sehr respektable Interpreten, häufig aus den osteuropäischen Ländern, die sie viel geringer, oft auch zu gering bezahlen; außerdem werden die teuren Studiozeiten auf ein Minimum reduziert. Solche Faktoren ermöglichen einen Verkaufspreis, der manchmal weniger als die Hälfte eines gepflegten Markenprodukts ausmacht. Qualitativ ist oft kaum noch ein Unterschied zu den Glamourprodukten auszumachen. Aber selbst wenn das zutreffen sollte: Den Durchschnittskäufer – und nur mit ihm ist schließlich das große Geschäft zu machen – stört das nicht.
K L A SSI K : A U F D E M W EG Z U R AU D I OV I SU ELLEN M U SI K WA H R N EH M U N G ? Events wie seinerzeit die Drei Tenöre oder spektakuläre Newcomer am Markt wie Lang Lang und Gustavo Dudamel mögen immer wieder gute Gewinne erzielen, aber der große Aufschwung wie nach Einführung der CD lässt sich nicht mehr wiederholen. Nachhaltig den Markt belebende Impulse im Klassiksektor kamen in den letzten 30 Jahren – sieht man von der unaufhaltsamen Ausbreitung der historischen Aufführungspraxis ab – fast nur noch von technischen Neuerungen. Als die CD die alte Vinylplatte ablöste, konnte das ganze Klassikrepertoire im neuen technischen Format ein weiteres Mal ver-
Max Nyffeler
£3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution kauft werden. Ihre Geburtsstunde kann auf jenen Tag im Sommer des Jahres 1981 angesetzt werden, als Herbert von Karajan, ein begnadeter Stratege im Musikbusiness und fraglos auch ein bedeutender Dirigent, in einer Pressekonferenz bei den Salzburger Festspielen ein Modell der kleinen Silberscheibe vorzeigte und ultimativ verkündete: »Alles andere ist Gaslicht.« Der Fortschrittsprophet sollte über seinen Tod hinaus Recht behalten, aber nur bis zum Ende des Jahrhunderts. Denn da kam die DVD und seither ist auch Karajans CD ein Gaslicht-Kandidat. Dank neuartiger Herstellungs- und Kompressionsverfahren vermag der Bildtonträger DVD ein Mehrfaches der Datenmenge einer CD zu speichern; darüber hinaus vereinigt er die Vorteile seiner Vorgängerin – brillante Qualität, leichtes Handling, kleines Format – mit der Mehrkanaltechnik: Statt in Stereo kann ein Werk in Dolby 5.1 (fünf Kanäle plus ein Tieftöner) bzw. Dolby Surround gehört werden. Dazu kommen ein Bild in Digitalqualität, Untertitel in mehreren Sprachen und Zusatztracks mit Probenausschnitten oder Künstlerinterviews. Die Wachstumsprognosen für die DVD waren günstig. Innerhalb weniger Jahre war das alte, unhandliche VHS-Band verdrängt und bei den Abspielgeräten der Durchbruch zum Massenmarkt geschafft. Doch im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts überschlug sich der technische Fortschritt geradezu. Heute gilt auch die DVD bereits als überholt, und der neue Standard heißt Blu-ray. Die BD (Blu-ray Disc) funktioniert nach demselben Prinzip wie die DVD, nur übertrifft sie mit einer Speicherkapazität von 25 GB die DVD rund fünfmal und die ›alte‹ CD rund 36-mal. Heute, da sich in der Film- und Fernsehtechnik High Definition (HD) als gängiges Format durchsetzt, sind auch für die Bildtonträger im Home Entertainment hohe Speichervolumen erforderlich, um HD-Bildqualität zu garantieren. Außerdem ermöglicht die BD mit ihrem immensen Speicherplatz auch einen besseren Ton – besser nicht nur als bei der DVD, wo in der Regel das die Klangsignale unmerklich komprimierende Dolby-Format verwendet wird, sondern auch besser als bei der alten CD. Mit der DVD und ihrem Nachfolgemedium BD ist auch in der Klassik das audiovisuelle Zeitalter endgültig angebrochen. Das bisherige Stereo-Musikhören wird verräumlicht und durch das Sehen ergänzt. Das wird, wie schon bei der ersten schwarzen Scheibe 1898, weitreichende Konsequenzen für die Musikwahrnehmung haben. Eine davon deutet sich schon darin an, dass die großen Medienkonzerne – und übrigens auch die Suchmaschinen im Internet – die E-Musik von ihrer Verwaltungslogik her unter »Entertainment« subsumieren. Der Trend zum oberflächlichen Hören wird verstärkt. Eine andere, optimistischer stimmende Konsequenz könnte aber auch in die entgegengesetzte Richtung, hin zu einer umfassenderen Wahrnehmung gehen. Was die Stereotechnik der 1960er Jahre für Gustav Mahlers Sinfonien war, könnte die Raumklang-Technik für Werke wie Luigi Nonos Prometeo werden – das adäquate Me-
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dium zur Darstellung komplexer räumlich-musikalischer Prozesse. Das könnte gerade der zeitgenössischen Musik zum Nutzen gereichen, wo auf vielfältige Weise mit Raumkonzepten gearbeitet wird. Ob Nutzen oder Schaden: Das ist auch hier nicht eine Frage der Technik, sondern des Umgangs mit ihr.
D I E P RO D UZENT EN : M E D I EN M U LT I S , K LEINL A B EL S , K L A SSI K -I NDEPENDENT S Wenn von der Schallplatten- oder Tonträgerindustrie die Rede war, so dachte man früher automatisch an die Branchenführer, die einst als stolze Einzelfirmen begonnen und im Lauf der Jahrzehnte Weltgeltung erreicht hatten: EMI und Deutsche Grammophon Gesellschaft (beide hervorgegangen aus den Gründungen von Emil Berliner), Decca, Teldec, Erato, Philips, RCA, Columbia, CBS etc. Von ihnen ist jedoch heute, wenn sie überhaupt noch existieren, meist nur noch die Labelbezeichnung original. Faktisch sind sie längst von Medienmultis übernommen worden: RCA wurde von BMG (Bertelmann Music Group) aufgekauft, die anschließend wiederum eine Fusion mit Sony einging, CBS/ Columbia ging direkt in die Hände von Sony über. Deutsche Grammophon, Philips und Decca landeten über den kanadischen Schnapsgiganten Seagram und den US-amerikanischen Medienmulti Universal bei Universal Music, der heute wiederum gemeinsam von Universal und dem französischen Wasser- und Energieversorger Vivendi kontrolliert wird. Teldec und Erato wurden von der Warner Music Group gekauft, einer Tochter des Time/Warner-Konzerns, der seinerseits mit AOL eine desaströse Liaison als AOL-Time/Warner einging. Der neue Multi schrieb 2002 rund 100 Milliarden Dollar Verlust, woraufhin man sich wieder trennte. Zu einem Dauer-Pflegefall hat sich die ruhmreiche EMI entwickelt. Die Firma, bei der einst die Beatles und die Rolling Stones und in der E-Musik viele große Dirigenten von Karajan und Klemperer bis Simon Rattle unter Vertrag standen, investierte jahrelang nichts mehr in neue Aufnahmen und lebte nur noch von ihren Back-Katalogen. Die Umsätze brachen ein, die Musiker verließen das Unternehmen, und innerhalb von acht Jahren wurde die Hälfte des Personals, rund 5500 Personen, entlassen. 2007 kaufte der Finanzinvestor Terra Firma Capital Partners den ganzen Musikkonzern für vier Milliarden Pfund; die für die Übernahme benötigten Kredite in der Höhe von 2,6 Milliarden wurden nach dem Heuschreckenprinzip der neu erworbenen Firma als Schulden zugeschrieben. Dann kam die Finanzkrise, die Schuldensituation der EMI verschlimmerte sich. Der Terra Firma-Boss, der früher in Autobahnraststätten investiert hatte, geriet in Panik und übernahm vorübergehend selbst die Führung des Musikkonzerns, um weitere Einsparungen vorzunehmen.14 Ihm folgte ein Marketing-
Max Nyffeler
£3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution spezialist aus der Haushaltsreiniger-Branche. Heute ist vom einstigen Paradepferd der Branche nur noch ein Gerippe übrig. Die gewaltigen Verschiebungen im Tonträgermarkt spiegeln die weltweite Tendenz zur Globalisierung der Medien wider. Die Labelvielfalt ist nur noch eine Vielfalt der bunten Etiketts, nicht aber der Besitzverhältnisse und Marktanteile. Als Produzenten in einem weltweiten Konzernverbund müssen sich die Verantwortlichen in den ›lokalen‹ Niederlassungen der Multis nach den Weltmärkten richten: Auf dem US-Markt sind vielleicht andere Titel und Interpreten gefragt als in Japan, in Mitteleuropa andere als in Südamerika. Was produziert wird, richtet sich daher zunehmend nach den Wünschen der Marketingabteilungen in den verschiedenen Märkten. Tourneen, in denen ein Künstler das Programm seiner neuen CD spielt, besitzen eine verkaufsfördernde Funktion und gelten als Türöffner für den lokalen Markt. Dies wiederum setzt voraus, dass eine Agentur den Künstler international vermarktet. Die Arbeit in diesen nun weltweit agierenden Konzernen hat die Tonträgerindustrie zunehmend ›managerialisiert‹ und das Denken in den Organisationen verändert. Für Außenstehende klang es denn auch reichlich skurril, wenn etwa eine »strategische Redefinition der traditionellen Sales Force«, auf deutsch also die Neuausrichtung des Vertriebssystems, angekündigt wurde: Die kundenindividuelle und schwerpunktmäßige Repertoirebearbeitung wird konsequent fortgeführt durch hoch spezialisierte Sales Forces wie der Breaker Force, Special Sales Classics & Jazz oder Special Sales Koch. Artist Development/Breaking New Acts, die Akquisition neuer Trend-Outlets, das Forcieren von Impulskäufen sowie ein enger Kontakt zu den Opinion-Leadern und Trendsettern ist hier als klare Zielsetzung definiert.15
Weiter ist im Militärjargon von »Hit Force«, »Frontline«, »Headquarters«, »Overshipments« und der »Zurückgewinnung von Tonträger-Flächen« die Rede. In der Selbstreferenzialität des Denkens klingt das auf fatale Weise nach dem Funktionärsjargon des untergegangenen sozialistischen Lagers. War es ein Ausdruck der eigenen Angst, ein Pfeifen im finsteren Wald? Mit dem Herunterrattern solcher Floskeln konnte die Tonträgerindustrie jedenfalls keinen Terraingewinn verbuchen. Ganz anders sind die Probleme bei den Kleinen: Was die Großen im Überfluss besitzen – Produktionsstätten, eine hinreichende Kapitaldecke, weltweite Vertriebswege – fehlt ihnen fast durchweg. Sie leben von der Hand in den Mund, arbeiten nach dem Prinzip der hochmotivierten Selbstausbeutung und sind latent von Liquiditätsmangel bedroht. Am Markt können sie sich vor allem dadurch behaupten, dass sie das Randrepertoire pflegen und mit jungen, noch nicht allzu teuren Künstlern arbeiten. Das Risiko des noch nicht Marktgängi-
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gen nehmen sie bewusst in Kauf und spekulieren – meist erfolgreich – mit der Entdeckerfreude ihres Publikums. Eine Reihe von Kleinlabels wie Neos, HatHut, Kairos, Winter&Winter, Telos, Naïve, Cybele, Mode oder Stradivarius haben sich wiederum gezielt auf Neue Musik spezialisiert. Was sie herausbringen, ist oft interessanter und wagemutiger als die Produktionen der großen Firmen, die auch auf diesem Feld meist nur Mainstream anbieten. Zwischen den Großen und den Nischenproduzenten gibt es die mittleren Labels wie Wergo, Musiques Suisses, ECM oder Harmonia Mundi France. Wergo gehört zum Traditionsverlag Schott – heute nennt sich das international breit aufgestellte Musikunternehmen Schott Music – und kann von manchen Synergieeffekten profitieren. Musiques Suisses versteht sich als Förderinstitution für junge Komponisten und Musiker und wird im wesentlichen von einer Arbeitsgemeinschaft unter Führung des Lebensmittelkonzerns Migros alimentiert. ECM wiederum, eine Initiative des Gründers und langjährigen Leiters Manfred Eichers und damit ein echtes Independent-Label, hat sich durch die Zusammenarbeit mit Musikern aus dem Jazz- und Crossover, die zu Trendsettern avancierten, eine solide Finanzbasis für manche extravaganten Projekte schaffen können. Harmonia Mundi France schließlich kann sich nicht nur auf eine jahrzehntelange, exquisite Programmpolitik der alten Musik stützen, sondern besitzt auch ein gut funktionierendes Vertriebsnetz, dem sich viele andere Labels angeschlossen haben.
E INI G E PR A K T I S C HE R AT S C HL ÄG E Wie sollen sich ein angehender Musiker, eine junge Solistin oder ein Nachwuchskomponist angesichts der Lage auf dem Tonträgermarkt verhalten? Welche Möglichkeiten haben sie, zu ihrer ersten CD zu kommen? Zunächst gilt es, von allen Illusionen Abschied zu nehmen: Die kulturfreundliche, munter Neues produzierende Plattenfirma gibt es nicht mehr. Kein Produzent stellt heute noch eine Tausenderauflage her auf der Basis der bloßen Erwartung, dass sie sich im Verlauf der nächsten fünf Jahre verkaufen und damit die Kosten einspielen wird. Kalkuliert wird heute äußerst knapp, und alles, was gelagert wird, gilt als Klotz am Bein. Mit anderen Worten: Das Risiko ist auf ein Minimum geschrumpft, und produziert wird nur noch, was von Anfang an finanziell gesichert ist – von Dritten, denn um eine Fremdfinanzierung bemüht sich ein Plattenproduzent nur noch bei erfolgversprechenden, also bei bereits bekannten Namen. Was er noch selbst finanziert, sind Verwaltungsabläufe, das dank dem Printing on Demand-Prinzip klein gehaltene Lager und vielleicht noch die Herstellung des physischen Produkts. Alles andere wird nach Möglichkeit fremdfinanziert, vor allem die teuren Interpretenrechte – bei Orchesteraufnahmen gehen sie in die Tausender – oder die Autorentexte
Max Nyffeler
£3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution für das Booklet. Diese Unternehmenspraxis gilt heute für das Buchgeschäft genauso wie für das Plattengeschäft. Wenn also der junge Musiker heute zum Plattenproduzenten geht, muss er genügend Kapital mitbringen: entweder in Form von kostenfreien Interpreten- und Autorenleistungen, von Absatzgarantien – als Übernahme eines Teils der Auflage zum Verkauf auf eigene Faust oder zum Verschenken – oder in Form von Finanzierungszusagen von Förderinstitutionen wie Stiftungen etc. Mancher Komponist oder Interpret legt dem Plattenproduzenten auch Bargeld auf den Tisch – einen Teil seines neuen Werkauftrags, Preisgeldes oder Arbeitsstipendiums. Für noch wenig bekannte Musiker und Komponisten ist es heute zweifellos schwieriger geworden, eine CD bei einem der gängigen Label zu veröffentlichen. Doch es gibt auch die Möglichkeit der Eigenproduktion – und die ist heute technisch und finanziell relativ leicht machbar. Die Herstellung einer ansprechenden CD als Mittel der Selbstpräsentation und Eigenwerbung liegt für jedermann im Rahmen der Möglichkeiten. In manchen Hochschulen gehört der zweckgerichtete Umgang mit den elektronischen Apparaturen inzwischen zur Grundausbildung. Einrichtungen wie das Studio für Klangdesign an der Basler Musikakademie haben auf diesem Gebiet schon in den 1980er Jahren Pionierarbeit geleistet. Bei der Produktion einer CD gibt es folgende Möglichkeiten: • man produziert sie in Eigenregie und vertreibt sie selbst (Verkauf bei Konzerten, über die eigene Homepage etc.); • man produziert sie in Eigenregie und sucht einen Vertrieb; • man sucht sich mit dem fertigen Material eine Firma, die für die Herstellung und den Vertrieb sorgt. Die Voraussetzungen zum Erfolg sind erst einmal dieselben wie bei einem Konzert: Nötig sind vor allem eine intelligente Programmzusammenstellung und eine künstlerisch ausgereifte Interpretation. Ein grafisch ansprechendes Äußeres und solide Informationen im Booklet sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Einbindung zeitgenössischer Stücke steht einer CD immer gut an; bei der immer selbstverständlicher gewordenen Zusammenarbeit zwischen Interpreten und Komponisten an den Hochschulen dürfte das heute keine Schwierigkesiten mehr bereiten. Ein Problem der im Selbstverlag produzierten CD ist der fehlende Vertrieb. Der Verkauf bei Konzerten und der Versand in Eigenregie kann vielleicht einiges wettmachen, der Radius bleibt dennoch beschränkt. Für eine wirksame Selbstdarstellung gegenüber Veranstaltern, Dirigenten, Medien (und bei Komponisten auch bei der Suche nach einem Verlag) leistet ein solches Produkt aber durchaus seine Dienste. Besser wäre gewiss die Veröffentlichung bei einem marktgängigen Label. Doch hier muss man, wie oben erläutert, realistisch bleiben. Marktführer, die
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nur mit großen Budgets und bekannten Namen operieren, kommen für einen Plattenneuling nicht in Frage, es sei denn, es handle sich um einen Jungstar, der gerade einen bedeutenden Wettbewerb gewonnen hat und alle Voraussetzungen für eine internationale Karriere erfüllt; eine solche Investition in die Zukunft wird eine Firma jederzeit tätigen. Für alle anderen gilt: sich selbst auf die Suche machen. Informationen findet man z.B. auf den Internetseiten www.deutscher-musikrat.de, www.miz.org (Deutsches Musikinformationszentrum), www.miz.ch (Schweizer Musikinformationszentrum), www.mica.at (music information center austria) oder in entsprechenden Nachschlagewerken. Erst nach einer solchen Recherche ist es sinnvoll, Kontakte zu knüpfen (für die Anfrage gelten dieselben Regeln, die im Kapitel £3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung aufgeführt sind). Wer von seiner eigenen Hörpraxis, von Kontakten oder vom Stöbern in CD-Geschäften her weiß, welches Label seinen Vorstellungen am ehesten entspricht, ist über den Schritt der Recherche bereits hinaus. Bei einer kommerziell vertriebenen CD sind die Marketing-Aspekte ebenso wichtig wie künstlerische Gesichtspunkte. Bei der Werkauswahl ist z.B. zu bedenken: CDs mit Werken verschiedener Komponisten landen in den Verkaufsregalen der Läden – wenn überhaupt – unter »Diverses« und sind schwer aufzufinden. Ein Händler wird zwar für René Jacobs oder Gidon Kremer, aber nie für einen Neuling eine eigene Namensrubrik im Regal einrichten. Deshalb ist es für einen jungen Interpreten auf jeden Fall besser, wenn seine CD im Fach »Mendelssohn«, »Cage« oder »Bartók« erscheint und nicht unter »Diverses«. Mit den zunehmenden Möglichkeiten einer Online-Distribution entfallen solche Schwierigkeiten. Viele Labels bieten inzwischen ihre Titel im Internet an, wobei sich natürlich das entsprechende Online-Portal wie ein physischer Vertrieb an den Einnahmen beteiligt. Pionier im Bereich des legalen Downloads war bekanntlich Apple mit iTunes, der pro »Song« den Brutto-Einheitspreis von 99 Cent ansetzte und damit ein Milliardengeschäft machte. Weitere Online-Dienste für den bezahlten Klassik-Download sind classicsonline.com, eine Gründung des Labels Naxos, oder der Vertriebsgigant amazon.com; auch ein repertoiregewaltiges Label wie die Deutsche Grammophon hat inzwischen sein eigenes Download-Portal (www.deutschegrammophon.com). Bei diesen Portalen wird häufig auch ein einzelner Satz einer mehrteiligen klassischen oder zeitgenössischen Komposition als »Song« berechnet; manche Werke kann man aber nur integral zu einem von Fall zu Fall festgesetzten Preis herunterladen. Die Klangqualität ist dank der höheren Durchsatzraten bei den DSL-Verbindungen inzwischen so gut, dass ein Unterschied zur CD kaum noch wahrnehmbar ist. Bei der Suche nach einem Label sind kleinere, wenn nicht sogar Nischenproduzenten oft die erste Anlaufadresse. Auch hier ist jedoch darauf zu ach-
Max Nyffeler
£3.2 Die Tonträgerindustrie, ein Ort der permanenten Revolution ten, ob die Firma über einen funktionierenden Vertrieb verfügt, oder ob die vereinbarte Auflage einfach nur herumliegt oder gar nicht erst vollständig produziert wird. Wer hofft, nach der großzügigen Übernahme wesentlicher Kosten nehme nun alles weitere seinen erfolgreichen Gang, kann unliebsame Enttäuschungen erleben. Manche Plattenfirma erblickt in einem von Dritten bezahlten Produkt nur eine praktische Möglichkeit, die Verwaltungskapazitäten auf lukrative Weise auszulasten. Vertragliche Abmachungen und das Pochen auf regelmäßigen Abrechnungen sind unbedingt empfehlenswert. Wenn ein Unternehmer schon kein finanzielles Risiko mehr eingehen will, so sollte vom Auftraggeber umso mehr darauf geachtet werden, dass er sich wenigstens mit der angebotenen Musik identifiziert. In der Regel spürt man das schon beim ersten Kontakt. Ohne persönliches Engagement kommt kein überzeugendes Resultat zustande; und was für den Komponisten oder Interpreten gilt, sollte auch für den Plattenproduzenten gelten.
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https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Musiknutzer/Tarife/Tarife_ sonstige/Tarif_Rohlinge.pdf www.musikindustrie.de/jwb_musikkopien09/ Siehe: www.musikindustire.de Siehe: http://www.ifpi.org/ Siehe: www.musikindustrie.de/phono-akademie/ Siehe: www.class-germany.de Siehe: www.schallplattenkritik.de In: Musikmarkt Online (http://www.musikmarkt.de/ [20.12.2002]). Vgl. Jahreswirtschaftsbericht 2001 des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft. Zit. nach: Musikmarkt Online (http://www.musikmarkt.de/ [10.01.2003]). Siehe: http://soundcloud.com/ Vgl. Süddeutsche Zeitung (http://www.sueddeutsche.de/digital/cebitcloud-computing-wolkige-versprechen-1.1066252 [01.03.2003]). Statement zur Eröffnung der internationalen Musik- und Medienmesse Midem, Cannes, 22.01.2011. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06.09.2009; siehe auch: »Die Bank und ihre Popstars«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.02.2011 (http://www.faz.net/artikel/C31151/citigroup-ist-neuer-eigentuemervon-emi-die-bank-und-ihre-popstars-30326435.html). In: Musikmarkt Online (http://www.musikmarkt.de/ [10.01.2003]).
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3.3 M USIKVERLAGE
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Max Nyffeler Was tut ein Verleger? Ein alter Musikerwitz lautet: »Er verlegt die Partituren, sodass sie keiner mehr findet.« Das mag gelegentlich der Fall sein, denn vor Pannen ist selbst das solideste Gewerbe nicht immer gefeit. Doch sind das natürlich Ausnahmen. Das Wort »Verleger« hat seine Wurzeln vielmehr in der Tätigkeit des Vor-Legens: Jemand produziert etwas auf Vorrat und bietet es dann öffentlich zum Kauf an. Verlegen ist eine Tätigkeit, die mit Investition und Risiko zu tun hat, also dem spekulativen Vorlegen von Geld – dem Investieren in ein Produkt, dessen Kosten sich erst in der Zukunft wieder ›hereinholen‹ lassen. Oder auch nicht. Im Falle eines Erfolgs winkt ein Gewinn, die Spekulation auf einen zukünftigen Sachwert hat sich gelohnt. Bei Misserfolg droht möglicherweise die Pleite. Verlegen ist also eine unternehmerische Tätigkeit wie jedes andere Gewerbe auch, nur handelt der Musikverleger nicht mit greifbaren Gütern wie Stühlen, Kanonen oder Damenunterwäsche, sondern mit dem ungreifbaren, vergänglichen Phänomen Musik. Um es auf den Markt zu bringen, also handelbar zu machen, bedarf dieses Phänomen einer materialisierten Form. Die war ursprünglich der Notendruck. Doch seit die flüchtige Klanggestalt selbst technisch reproduziert, gespeichert und somit auch gehandelt werden kann, also seit Ende des 19. Jahrhunderts, ist die immaterielle Form der mit dem Musikstück verbundenen Rechte auf immer differenziertere Weise zum Handelsgegenstand geworden.
V ERL AG SREC HT Das heutige europäische Urheberrecht garantiert den Schutz eines geschaffenen Werks bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. D.h. für die Musik: Alle Rechte an einer Komposition liegen beim Komponisten und nach seinem Tod 70 Jahre lang bei seinen Erben. Erst danach ist ein Werk »frei«, also Gemeinbesitz. Der Komponist (oder sein Rechtsnachfolger) kann seine Rechte am Werk ganz oder teilweise einem Dritten zur Verwertung oder »Wahrnehmung« übertragen. In der Regel ist dieser Dritte eine nationale Urheberrechtsgesellschaft (Suisa, Gema, Sacem, SIAE etc.), deren Mitglied der Komponist – und übrigens auch der Verlag – sein kann; sie betreibt für ihn das Inkasso der Tantiemen aus Konzertaufführungen und medialen Formen der Verbreitung und nimmt für ihren Aufwand einen Anteil vom Erlös. Darüber hinaus kann der Komponist aber auch ein Vertragsverhältnis mit einem Verlag eingehen. Der Verlag erklärt sich in diesem Fall bereit, seine Werke zu drucken und zu vertreiben, dafür zu werben und den anfallenden Verwaltungsaufwand zu über-
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nehmen. Als Gegenleistung überlässt ihm der Komponist einen Anteil an den Einnahmen aus der Verwertung. Die Rechte und Pflichten des Verlags sind im sogenannten Verlagsrecht festgehalten und somit allgemeinen Regeln unterworfen. Sie können aber durchaus individuell modifiziert werden. Das Rechtverhältnis zwischen Verlag und Komponist kann auf unterschiedliche Weise definiert werden. Der Verlag kann z.B. einen Exklusivvertrag mit dem Komponisten abschließen; danach hat der Komponist das Recht, aber auch die Pflicht, alle Werke nur bei diesem Verlag zu veröffentlichen. Der Exklusivvertrag kann zeitlich beschränkt oder auch lebenslänglich gelten – Letzteres kann sich für beide Seiten zu einem Risiko auswachsen, etwa wenn Vertrauenskrisen entstehen. Eine weitere Möglichkeit ist der Optionsvertrag: Der Verlag sichert sich eine Option auf alle neuen Werke des Komponisten, ist aber nicht verpflichtet, jedes zu übernehmen. Das schafft keine zementierten Verhältnisse und garantiert trotzdem eine kontinuierliche Zusammenarbeit, denn der Verlag zeigt sich ja interessiert an Folgewerken; er kann allerdings auch aussteigen, wenn er es für opportun hält. Ein Komponist kann mit einem Verlag auch vereinbaren, dass er ihm z.B. nur seine Bühnenwerke oder seine Orchesterwerke überlässt und die klein besetzten Stücke selbst verlegt und vertreibt; das kann für den Komponisten dann interessant sein, wenn er sein eigener Interpret ist. Eine weitere Variante wäre, dass der Komponist die Herstellung, etwa durch Computersatz, selbst übernimmt und der Verlag bloß für Verkauf bzw. Verleih des Materials sowie Werbung zuständig ist; in diesem Fall müsste dann der Komponist einen größeren Anteil der Erträge erhalten.
D ER W ERK V ER T R AG Die Basis all dieser Vertragsverhältnisse ist der Werkvertrag, der für jedes Werk einzeln abgeschlossen wird. In ihm werden die gegenseitigen Rechte und Pflichten sowie die prozentuale Aufteilung der Erträge aus den verschiedenen Verwertungsarten festgehalten. Generell wird unterschieden zwischen dem sogenannten »Großen Recht« und dem »Kleinen Recht«. Das Kleine Recht betrifft im Wesentlichen konzertante Werke, inbegriffen ihre mediale Verwertung (das sogenannte »mechanische Recht«); es wird durch die nationalen Urheberrechtsgesellschaften wahrgenommen, welche die Anteile von Verlag und Komponist nach einem allgemeinen Schlüssel direkt verrechnen. Das Große Recht bezieht sich auf Bühnenwerke, hier betreibt der Verlag selbst das Inkasso; die Basis hierfür ist der Aufführungsvertrag, den er von Fall zu Fall mit dem jeweiligen Theater abschließt. Sinnvollerweise ist der Verlag auch im »Innenverhältnis« zum Komponisten direkter Vertragspartner; d.h. die prozentuale Verteilung der Tantiemen zwischen ihm und dem Komponisten wird im Werkvertrag bei jedem Bühnenwerk neu festgelegt. Das
Max Nyffeler
£3.3 Musikverlage im Wandel ist nicht zuletzt auch deshalb nötig, weil die Zahl der Tantiemenberechtigten schwankt: Zu Komponist und Verlag tritt der Librettist, manchmal auch noch der Autor einer literarischen Vorlage, u.U. sogar zusätzlich der Übersetzer. So können die Anteile der einzelnen Mitwirkenden am gesamten Tantiemenkuchen schrumpfen; ihre Festlegung ist oft das Resultat langwieriger und zäher Verhandlungen. Weitere Punkte in einem Werkvertrag zwischen Verlag und Komponist betreffen Verwertungsarten wie Verkauf des gedruckten Werks, Verwendung in Film und Fernsehen, öffentliche Vorführung über Lautsprecher, Abbildungsrechte in Publikationen etc. Eine weitere Einnahmequelle sind die Leihgebühren, die der Verlag auf die Aufführungsmaterialien erhebt. Der Verlag beansprucht hier in der Regel deutlich mehr als die Hälfte der Einnahmen und begründet das damit, dass dieses gedruckte Material sein Eigentum ist, das mit erheblichem Aufwand vorfinanziert werden muss, und dass er, falls das Stück über die Uraufführung nicht hinauskommt, darauf sitzen bleibt. Bei viel gespielten Werken sind die Leihgebühren dann allerdings eine sprudelnde Einnahmequelle, die sich zusammen mit den Tantiemen zum Millionengeschäft entwickeln kann. Z.B. bei einem Erfolgsautor wie Richard Strauss und seinem Rosenkavalier. Eine Serie von neun Aufführungen bei den Salzburger Festspielen bringt, wie der ehemalige Festspieldirektor Peter Ruzicka einmal vorrechnete, dem Verlag und den Erben rund 400.000 À ein. Das lässt sich leicht überprüfen. Die Rahmenvereinbarung zum Großen Recht zwischen Verlegern und Opernhäusern sieht bei einem Festival wie den Salzburger Festspielen 13-14 Prozent der Abendeinnahmen als Verlagsanteil vor (den der Verlag mit den Rechteinhabern teilen muss). Der Geldbetrag ergibt sich nun aus einer simplen Dreisatzrechnung: Wenn bei einem Satz von 14 Prozent der Verlagsanteil 400.000 Àbeträgt, müssen die Abendeinnahmen rund 2,8 Millionen Euro betragen. Bei neun Aufführungen im Großen Festspielhaus mit je 2100 verkauften Plätzen und Kartenpreisen bis 400 Àkommt dieser Betrag leicht zusammen. Richard Strauss starb 1949. Verlag und Erben können also noch bis 2019 von den Leihgebühren profitieren. Bei einem Werkvertrag herrscht weitgehend Gestaltungsfreiheit, das bedeutet: Die Vereinbarungen sind Ausdruck und Resultat des Kräfteverhältnisses zwischen den beiden Vertragspartnern. Ein junger Komponist, der noch am Anfang der Karriere steht, wird daher keine Chance haben, seine Wunschbedingungen durchzusetzen. Er wird sich vielmehr damit abfinden müssen, dass ihm der Verlag einen gedruckten Normvertrag vorlegt, in dem seine prozentualen Anteile »im üblichen Rahmen« liegen, was immer das auch heißen mag. Anders sieht es aus, wenn sich Erfolg einstellt: Dann ist er u.U. in einer vorteilhaften Position. Er kann bessere Bedingungen verlangen – z.B. einen höheren Anteil an den Leihgebühren oder an den Einnahmen aus medialer Verwertung – oder auf Sonderkonditionen drängen, die dann unter »Verschiedenes« auf-
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geführt werden. Das kann bis zur Zahlung eines monatlichen Fixums gehen, das zusätzlich zu den Erträgen aus der Verwertung bezahlt wird. Große Verlage scheuen sich nicht, stattliche Summen in ihre Zugpferde zu investieren, denn sie wissen: in 70 Jahren nach dem Tod des Komponisten hat sich diese Investition längst amortisiert. Es kommt immer wieder vor, dass sich namhafte Komponisten im Alter plötzlich von dem Verlag abwenden, der sie Jahrzehnte lang betreut hat. Das war vor einigen Jahren der Fall mit Hans Werner Henze oder Peter Maxwell Davies. Der Grund dürfte in ihren kräftig gestiegenen Forderungen liegen. Ein Verlagswechsel ist allerdings stets ein gewichtiger Schritt, der für beide Seiten unangenehm sein kann und deshalb gut überlegt sein will. Die Verteilung eines Œuvres auf verschiedene Verlage ist nie von Vorteil.
V ERLEG ER U ND K O M P O N I S T Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass der Verleger von sogenannter E-Musik – in der U-Musik herrschen andere Gesetze – nicht nur ein Produzent und Verkäufer musikalischer Waren ist. Unabdingbar zu seinem Handwerk gehört auch der ständige und sehr enge Kontakt zu den Urhebern der gehandelten Produkte: den Komponisten. Häufig ist er der erste Leser einer neuen Partitur, oft bekommt er sogar schon Einblick in deren Entstehung. Damit steht er am Anfang des langen Realisierungsprozesses, den ein Werk bis zu seinem Erklingen durchläuft – ein Privileg, das ihn zum unmittelbaren Zeugen des stets geheimnisvollen künstlerischen Akts macht und viel Einfühlungsvermögen voraussetzt. Von Beethoven über Verdi und Strawinski bis in die Gegenwart hatten Komponisten und Verleger ein enges und symbiotisches, manchmal geradezu intimes Verhältnis zueinander, das, wie sich mancher erhaltenen Korrespondenz entnehmen lässt, nicht selten auch den Charakter von Hassliebe annahm. In seinem Liederzyklus Krämerspiegel über Texte von Alfred Kerr hat Richard Strauss diesem ambivalenten Verhältnis ein satirisches Denkmal gesetzt. Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es noch den ›Verleger alter Schule‹: die musikalisch gebildete Unternehmerpersönlichkeit, die Kunstverstand und Geschäftsinteresse, menschliches Einfühlungsvermögen und zielstrebiges Marktverhalten in sich vereinte und in der Regel auch die finanzielle Verantwortung für das Geschäft trug. Obwohl auch heute noch wichtige E-Musikverlage Einzel- oder Familienunternehmen sind, verschwindet dieser traditionelle Verlegertyp mehr und mehr. Die Betriebsläufe sind komplexer geworden und verteilen sich heute auf mehrere Managementebenen. Wenn seit den 1990er Jahren gelegentlich von einem schleichenden Niedergang des Verlagsgewerbes gesprochen wird, so mag dies nicht zuletzt
Max Nyffeler
£3.3 Musikverlage im Wandel damit zusammenhängen, dass durch die zunehmende Arbeitsteilung die Personalunion von fachlicher, kaufmännischer und sozialer Kompetenz selten geworden ist, und dass der Geschäftsaspekt, womöglich gar der interne Verwaltungsaspekt, die künstlerische und menschliche Seite in den Hintergrund gedrängt hat.
R EPER TO I R EBILD U N G U ND G EG ENWA R T SS C H A F F EN Der viel Fingerspitzengefühl erfordernde Umgang mit den Autoren könnte manchen heutigen Verlagsmanager, der nur noch in ökonomischen Kategorien denkt und glaubt, Notenlesen durch Controlling ersetzen zu können, zur Auffassung verleiten: Nur ein toter Komponist ist ein guter Komponist – man pflegt ganz einfach den »Backkatalog« und erspart sich so manchen Ärger. Das mag in gewisser Hinsicht zutreffen. Ist z.B. eine Ausgabe einmal musikwissenschaftlich auf den aktuellen Stand gebracht, lässt sie sich jahrelang verkaufen, was sich besonders bei Standardliteratur im Bereich von Oper und Orchestermusik bezahlt macht. Doch die Rechnung wird auf Dauer nicht aufgehen. Bei noch nicht lange verstorbenen Komponisten hat sie der triumphierende Verlagsmanager zudem ohne den Wirt gemacht. Der Wirt: Das ist in diesem Fall die obligate Witwe, die mit den Autorenrechten ihren Lebensabend an der Côte d’Azur finanzieren möchte, oder, noch unbequemer, die von den Erben gegründete Stiftung, die am Denkmal des Verstorbenen baut und die Copyrights mit vereinter Kraft ausbeutet; mit dem ganzen Gewicht ihrer institutionellen Macht treibt sie den Verlag an, das Äußerste aus den ihm anvertrauten Rechten herauszuholen. Solche Gesellschaften und Stiftungen entwickeln oft eine Eigendynamik, die dem Verlag unheimlich werden kann. Auch das sogenannte »freie Repertoire« – also Werke von Urhebern, die schon mehr als 70 Jahre tot sind – erweist sich nur in seltenen Fällen als Goldesel für den Verlag. Bei einer musikwissenschaftlich betreuten Neuausgabe fällt zwar wieder ein bestimmter Anteil an Tantiemen an, doch der deckt vielleicht gerade die Kosten für die Neuausgabe. Interessanter wird es mit den Leihgebühren für das vermietete Material (Chor und Orchesterstimmen, Klavierauszüge, Dirigierpartituren), die bei viel gespielten Werken eine solide Finanzquelle abgeben können. Ein Beispiel dafür ist der Verlag Ricordi, der dank einer generationenlang gepflegten, engen Autorenbindung weltweit eine Art Monopol auf das italienische Opernrepertoire etablieren konnte. Mit den Leihgebühren und den daran hängenden Medienrechten konnte er nicht zuletzt auch die üppigen Investitionen in die Neue Musik finanzieren. Bei den weltweiten Bestsellerautoren Verdi und Puccini konnte der Verlag außerdem noch bis
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weit nach dem Zweiten Weltkrieg sehr gute Geschäfte mit den Urheberrechten machen – Verdi starb 1901, Puccini 1924. An diesem Beispiel zeigt sich, dass ein Verlag der sogenannten E-Musik nur überleben kann, wenn er langfristig denkt – wenn er den Gewinn aus Werken der Vergangenheit in angemessener Weise in das Schaffen der Gegenwart reinvestiert. Nur so ist die für das Unternehmen lebenswichtige Repertoirebildung möglich und die Gefahr abzuwenden, dass der Verlag eines Tages ohne die nötige Anzahl urheberrechtlich geschützter Werke dasteht. Die Investition in die Musik der Gegenwart ist also immer eine – wie auch immer risikobehaftete – Absicherung in die Zukunft. Durch dieses langfristige Denken hat sich bisher ein traditioneller Musikverlag wesentlich von einem U-Musikverlag unterschieden. Dieser handelt mit schnell vergänglicher Ware und ist daher genötigt, Copyrights zu nutzen, so lange sie noch frisch sind. Nichts ist so öde wie der Hit von gestern – es sei denn, er avanciert zum »Golden Oldie«. Es gibt allerdings Anzeichen, dass auch E-Musik-Verlage heute vermehrt auf die kurzfristige Amortisation des eingesetzten Kapitals aus sind. Die Konsequenzen, die das für das zeitgenössische Musikschaffen hat, sind noch nicht abzusehen; sowohl das Komponieren wie das Hören von Musik könnte sich zunehmend auf einen tagesaktuellen Begriff von ›Neuer Musik‹ verengen, deren Verfallsdatum demjenigen eines beliebigen Verbrauchsartikels gleicht.
K LEINER HI S TO RI SC HER R Ü C K B LI C K Das Verlegen von Musik entwickelte sich zur gleichen Zeit wie der Notendruck, und dieser bildete sich schon bald nach der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert heraus. Die ersten Verleger waren Drucker, welche die Musikstücke in eigener Regie herstellten und vertrieben. Mit jedem Fortschritt der Drucktechnik wuchsen Produktion und Markt. 1501 führte Ottaviano dei Petrucci in Venedig den Notentypendruck ein, der den Druckvorgang erleichterte und ihn zum führenden Verleger Italiens machte. In Frankreich, wo Pierre Attaingnant der führende Hersteller von Musiknoten war, entstanden erste Abonnementsreihen mit periodischen Lieferungen von Musikalien, um die Kundschaft über längere Zeit hinweg an sich zu binden. Mit der Einrichtung von Handelsmessen – der erste erhaltene Messekatalog erschien 1564 in Frankfurt a.M. – breitete sich das Musikverlagswesen international aus. Um 1800 wurde die Lithografie geschaffen, die im Gegensatz zu den bisherigen Stichplatten mit einer begrenzten Zahl von Handabzügen eine beliebige Auflagenhöhe ermöglichte. Sie legte die Basis des ungeheuer schnell wachsenden Markts für Bearbeitungen, Paraphrasen, Potpourris und Fantasien vor allem über beliebte Opernmelodien. Diese Haus- und Salonmusik des
Max Nyffeler
£3.3 Musikverlage im Wandel 19. Jahrhunderts kann als der erste Massenmarkt für Musiknoten betrachtet werden. Mit der Herausbildung der Massenmedien im 20. Jahrhundert und der damit verbundenen explosionsartigen Ausbreitung von Musik in alle Gesellschaftsschichten potenzierte sich der Absatz vor allem in den unterhaltenden Bereichen. Operette, Schlager und Tanzmusik wurden zu den großen Geschäftserfolgen der Verlage, und immer mehr Unternehmen verlegten sich auf die Publikation von sogenannter U-Musik. Laut Statistik des bundesdeutschen Verlegerverbandes gab es bereits 1965 unter den 179 Mitgliedern nur noch 43 aktive E-Musik-Verlage. Im U-Musik-Sektor hat sich eingebürgert, dass die Verlagsrechte von den Plattenfirmen wahrgenommen werden, die mit den Autoren der veröffentlichten Songs entsprechende Verträge abgeschlossen haben. Viele dieser Plattenfirmen sind im Zuge der Globalisierung und der damit notwendig gewordenen Rationalisierung der Betriebsabläufe wiederum von größeren Unternehmen bis hin zu Weltkonzernen übernommen worden. So sind weltweit immer mehr Verlagsrechte in die Hände einiger weniger Medienmultis gelangt, die damit ihre Wertschöpfungskette erweitert haben und die erwirtschafteten Gewinne (aus Verlagstätigkeit, CD- und Videoproduktionen, Film, TV, Radio etc.) konzernintern verrechnen können. Die meisten der heutigen großen E-Musik-Verlage sind im 18. und 19., einige im 20. Jahrhundert entstanden. Sie verdanken sich der Initiative einzelner Gründerpersönlichkeiten, die ihre Unternehmungen mit einer Mischung aus technischer Sachkenntnis, künstlerischem Engagement und kaufmännischem Mut zu rascher Blüte brachten. Es waren und sind teilweise auch heute noch Familienunternehmen, die von Nachkommen und neuen Teilhabern weitergeführt worden sind. Einige Beispiele mögen diese Gründermentalität illustrieren: • Breitkopf & Härtel wurde um 1719 in Leipzig vom Drucker Bernhard Christoph Breitkopf gegründet. Als Kind der Aufklärung war er nicht nur mit Carl Philipp Emanuel Bach, sondern auch mit Lessing und Winckelmann befreundet. Die Erfolgsautoren des 18. Jahrhunderts wurden hier publiziert, darunter Georg Philipp Telemann, Johann Mattheson, Carl Stamitz, Joseph Haydn, Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart sowie Muzio Clementi. • Der Gründer des Verlags Schott – heute Schott Music – war der Klarinettist und Drucker Bernhard Schott. Er hatte um 1770 in Mainz mit populären Musikstücken angefangen und veröffentlichte die ersten Klavierauszüge von Mozarts Don Giovanni und der Entführung aus dem Serail. Durch eine enge Verbindung zu Beethoven erwarb der Verlag die Rechte an der Missa solemnis, der Neunten Sinfonie und den späten Streichquartetten. Schon früh entstanden Niederlassungen in Antwerpen, Brüssel, Paris, London und Leipzig.
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Der Verlag Peters wurde 1814 von Carl Friedrich Peters ins Leben gerufen, der ein um 1800 in Leipzig vom Wiener Verleger Hoffmeister gegründetes »Musikbureau« aufgekauft hatte. Max Abraham, der 1863 in die Leitung eintrat, brachte den Verlag mit Autoren wie Edvard Grieg, Richard Wagner und Johannes Brahms zur Weltgeltung. Boosey & Hawkes entstand aus einem 1795 in London von Thomas Boosey gegründeten Buchladen. Sein Nachfolger John Boosey rief 1867 die London Ballad Concerts ins Leben, eigens zu dem Zweck, den von ihm verlegten populären Balladen einen noch größeren Markt zu verschaffen. Der bereits erwähnte, 1808 in Mailand gegründete Verlag Ricordi war lange das wichtigste Verlagshaus für die italienische Musik. Sein Gründer Giovanni Ricordi betrieb eine Notenkopierwerkstätte und arbeitete von Anfang an mit Theatern zusammen. Bis ins 20. Jahrhundert wurde der Verlag in Familienregie geleitet. Die Hausautoren hießen Gaetano Donizetti, Vincenzo Bellini, Gioacchino Rossini, Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini, waren dem jeweiligen Verlagsleiter oft freundschaftlich verbunden und brachten dem Haus einen ungeheuren Reichtum ein. Der Verlag Durand wurde 1869 in Paris vom Organisten Auguste Durand gegründet, der mit César Franck und Camille Saint-Saëns studiert hatte und sich auch als Komponist und Kritiker betätigte. Unter der Editionsleitung von Saint-Saëns wurde 1894 eine 18-bändige Rameau-Edition begonnen; später wurde Durand zum Originalverleger der Werke u.a. von Claude Debussy und Maurice Ravel. Die 1901 gegründete Wiener Universal Edition machte Musikgeschichte mit ihrem kompromisslosen Engagement für die Moderne, besonders für die Komponisten der zweiten Wiener Schule. Das hängt vor allem mit ihren früheren Direktoren Emil Hertzka und Alfred Schlee zusammen. Die zum Zeitpunkt ihres Entstehens noch heftig umstrittenen Werke eines Arnold Schönberg, Alban Berg oder Anton Webern bilden heute eine der verlässlichsten Einnahmequellen des Verlags. Der Bärenreiter-Verlag, gegründet 1923 in Kassel von Karl Vötterle, gehört ebenfalls zu den noch jungen Verlagen. Mit der Konzentration auf Volksliedgut einerseits und barocke Musik andererseits schuf Vötterle eine Verbindung mit den damals aktuellen musikalischen Strömungen der Jugendmusikbewegung und des Neobarock. Von Anfang an hatte der Verlag eine starke musikwissenschaftliche Ausrichtung. Das schlug sich nieder in Großprojekten wie der Neuen Schütz-Edition, der Neuen Mozart-Edition oder der Kritischen Händel-Gesamtausgabe.
Ein düsteres Kapitel in der Geschichte der deutschen Verlage ist die Zeit des »Dritten Reiches«. Manche schlossen sich der »Blut- und Boden«-Ästhetik
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£3.3 Musikverlage im Wandel des Regimes an und erzielten mit Marschliedern und Führerhymnen Gewinnzuwachs. Verlage, die sich in jüdischen Händen befanden, wurden »arisiert«, die Eigentümer verfolgt. Der Eigentümer des Verlags C. F. Peters z.B., Henri Hinrichsen, wurde 1938 mit einem Berufsverbot belegt, sein Unternehmen durch einen – wie später festgestellt wurde – »Scheinvertrag« auf die neuen Besitzer Johannes Petschull und Kurt Hermann übertragen und erst 1945 wieder zurückgegeben. 1950 wurde der Verlag in der DDR zum zweiten Mal enteignet und erst 1993 an die Familie Hinrichsen zurückgegeben. Viele Verlage ergänzten das Geschäft mit Notenmaterialien schon früh durch den Ausbau anderer Geschäftszweige. Publizistische und wissenschaftliche Projekte bildeten eine Art Motor für die Produktion, indem sie das geistige Kapital mehrten. Breitkopf & Härtel gründete bereits 1798 die Allgemeine Musikalische Zeitung, die bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die führende deutschsprachige Musikzeitschrift war. Bei Peters erschien das Deutsche Jahrbuch der Musikwissenschaft, bei Bärenreiter die Enzyklopädie Musik in Geschichte und Gegenwart, bei Schott das Riemann-Musiklexikon. Schott gibt heute auch eine ganze Reihe von Fachzeitschriften sowie das CD-Label Wergo heraus. Boosey & Hawkes expandierte in die Herstellung und den Verkauf von Musikinstrumenten. Ricordi wiederum war einer der ersten Verlage, der Notenmaterial nicht verkaufte, sondern an die Theater nur vermietete und mit diesem Service die Kundenbindung verstärkte und einen blühenden neuen Geschäftszweig eröffnete.
B ERU F SBILDER Die Ausweitung und Differenzierung der Geschäftstätigkeit im Computerzeitalter brachte eine zunehmende Arbeitsteilung mit sich. Hatte vor einem Jahrhundert ein Verlagsleiter von der künstlerischen Entscheidung bis zur Endabrechnung noch alles in eigenen Händen, so ist er heute zum Geschäftsführer geworden, der zwar noch Grundsatzentscheidungen trifft und den Verlag nach außen repräsentiert, ansonsten aber hauptsächlich Managementaufgaben wahrnimmt und die meisten inhaltlichen Arbeiten delegiert. Es bestehen eigene Abteilungen für Herstellung, Promotion bzw. Werbung, Verleih, Verkauf und das Rechnungswesen, um die zunehmend komplexeren Vertragsangelegenheiten kümmern sich juristisch geschulte Mitarbeiter. Was früher im Kopf der charismatischen Verlegerfigur noch gleichsam natürlich zusammenlief, muss heute in einer komplizierten, abteilungsübergreifenden Arbeitsteilung erledigt werden. Reibungsverluste und Leerläufe sind damit vorprogrammiert. Bei einem komplexen Unternehmen wie einem Verlag, in dessen Tätigkeitsfeld menschlich-künstlerische und kommerzielle Aspekte gleichwertig nebeneinander stehen, kann das schwerwiegende Folgen für
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das äußere Erscheinungsbild und den Geschäftserfolg haben. Umso wichtiger ist das Humankapital: gut motivierte und an ihrem Gegenstand interessierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die der Tätigkeit im Schnittpunkt von Kultur und Kommerz auch persönlich einen gewissen Reiz abgewinnen können. Eine Buchhalterin, die abends auch einmal ins Sinfoniekonzert geht, oder ein flötenspielender Kollege in der Leihabteilung sind für einen Betrieb ebenso ein Gewinn wie der Verlagsvertreter, der den Theatern die neue Mozart- oder Verdi-Ausgabe schmackhaft macht und betriebswirtschaftliche Kenntnisse hat. Der Beruf des Verlagsangestellten ist ein typischer Erfahrungsberuf, der auf vielen Eigenschaften aufbaut. Eine gute Voraussetzung ist immer noch eine musikalische oder musikwissenschaftliche Ausbildung, gepaart mit dem Interesse für die spezifischen Produktions- und Kommunikationsabläufe. Ein Diplom oder Hochschulabschluss ist vielleicht beim Einstellungsgespräch wichtig, wenn es um Status und Lohn geht. Doch in der täglichen Praxis – im Umgang mit Komponisten, Musikern, Veranstaltern und Dramaturgen – ist vielmehr entscheidend, wie mit dem erworbenen Wissen umgegangen wird, und nicht, welche Papiere man vorzuweisen hat. Ein »Dr.« auf der Visitenkarte mag beim Gesprächspartner für einen gewissen Respekt sorgen, ist aber nicht so viel wert wie gutes Verhandlungsgeschick oder die Fähigkeit, ihn für ein neues Werk oder ein neues Aufführungsmaterial zu gewinnen. Ein weiterer Weg zum Musikverlag führt über die Ausbildung zum Verlagskaufmann, mit Lehrzeit im Betrieb und mehrjährigem Besuch der Berufsschule. Hier kann man sich das spezifische Verlagshandwerk direkt und praxisnah erwerben, und wenn man noch eine musikalische Ausbildung vorzuweisen hat, ergibt sich eine optimale Mischung für die berufliche Qualifikation. Auch Quereinsteiger, etwa Betriebswirtschaftler mit einem starken Faible für Kultur, sind denkbar. Rein betriebswirtschaftlich oder musikwissenschaftlich Denkende jedoch sind für einen Musikverlag problematisch.
P ER M A NENT ER Z WA N G Z U R E R N EU E R U N G Das Musikverlagswesen war stets großen Veränderungen ausgesetzt. Dass es sich – wie oben dargestellt – den jeweiligen Notwendigkeiten der Zeit anpassen konnte, beweist seine Lebenskraft. Heute steht die Branche wieder unter Erneuerungsdruck. Unter den Bedingungen der Globalisierung haben Konzentrationsprozesse eingesetzt, die das traditionelle Bild des Musikverlags als ein auf Hochkultur spezialisiertes, von einer dominierenden Verlegerfigur geprägtes Unternehmen nachhaltig in Frage stellen. Modellhaft ließ sich diese Umorientierung in den 1990er Jahren am Verlag Ricordi studieren. Der altehrwürdige Verlag mit Hauptsitz Mailand und Niederlassungen in
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£3.3 Musikverlage im Wandel München, London, Paris und São Paulo wurde 1994 der Bertelsmann-Tochter BMG mit Sitz in New York einverleibt, die das Marktsegment »Entertainment« abdeckt und damals von einem amerikanischen Allround-Manager geleitet wurde. Später kaufte Bertelsmann, bisher nur erfahren im Bereich der Unterhaltungs- und Filmmusik, die französischen E-Musik-Verlage Durand, Salabert und Eschig auf und verschmolz sie mit Ricordi. Unternehmensziel war, die Notenherstellung und die europaweite Auslieferung von Leihmaterial auf Mailand zu konzentrieren und die diversen Promotionsabteilungen zu einem internationalen Pool zusammenzufassen, um länderübergreifende Synergieeffekte bei der Propagierung einzelner Werke und Komponisten zu erzielen. Der Erfolg dieses gigantischen Umbaus in der Verlagslandschaft war durchmischt, und 2006 verkaufte Bertelsmann das ganze Paket an einen anderen Medienmulti, die amerikanische Universal Music Group. Diese Metamorphose ist symptomatisch für die Entwicklung in der Verlagslandschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Arbeitsweise, Inhalte und Erscheinungsform des klassischen Musikverlags haben sich tief greifend verändert, unter dem Einfluss der Digitalisierung wandelt er sich zu einem Medienunternehmen, das seine Einnahmen zunehmend aus den vielfältigen Medienrechten generiert. Darin nähert er sich ein Stück weit den U-Musik-Verlagen an, die sich primär als weltweite Rechtehändler verstehen und in deren Sicht die Autoren bloß als Zulieferanten der Ware »Copyright« fungieren. Ob sich die kulturelle Aufgabe, die der klassische Musikverlag während Jahrhunderten erfüllt hat, unter diesen Voraussetzungen am Leben erhalten kann, wird die Zukunft weisen.
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£ 4 . Zur Ausbildungssituation in den
Musikhochschulen
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Werner Heinrichs Wer als junger Mensch den Wunsch hat, später den Beruf des Musikers1 auszuüben, hat einen langen und viel Geduld abverlangenden Weg vor sich. Trotz mancher Erleichterung durch studienvorbereitende Kurse in den Musikschulen und der Anpassung des Studienaufbaus an die Vorgaben der BolognaReform, zeichnet sich die Berufsausbildung von Musikern immer noch durch eine Reihe von Eigenheiten aus, über die man gut informiert und derer man sich bewusst sein sollte, bevor man sich auf den anstrengenden Weg macht. Zu diesen Eigenheiten gehören eine lange Vorbereitungsphase vor Studienbeginn, das sehr auf die Person des Lehrers ausgerichtete Studium im Einzelunterricht sowie die vielen Stunden geduldigen Übens.
D I E V O R EN T S C HEID U N G FÄ LLT IN DE R F RÜ HEN K INDHEIT Nicht selten entscheiden sich junge Menschen erst im letzten Schuljahr für den anzustrebenden Beruf. Das gilt für das Gymnasium genauso wie für Realschule und Hauptschule. Deshalb konzentriert sich die Berufsberatung der Arbeitsagenturen, der Industrie- und Handelskammern oder der Handwerkskammern immer auf die letzten 12 bis 18 Monate der Schulzeit. Wer in dieser Phase – bspw. kurz vor dem Abitur – den Wunsch verspürt, Berufsmusiker zu werden, hat fast keine Chance mehr, diesen Wunsch zu realisieren. Denn anders als in fast allen anderen Berufen 2 benötigt der Musikstudent eine relativ lange Vorbereitungsphase, um die Aufnahmeprüfung in ein Studium an einer Musikhochschule überhaupt bestehen zu können. Üblicherweise beginnen begabte Kinder ihre Ausbildung auf dem Klavier oder der Violine im Alter von fünf bis sieben Jahren. Bei Blasinstrumenten – außer Blockflöte – setzt die Ausbildung häufig zwei oder drei Jahre später ein, weil hier eine gewisse körperliche Entwicklung Voraussetzung ist. Das gilt in noch stärkerem Maße für die Orgel – das Kind benötigt eine Mindestkörpergröße, um die Pedale erreichen zu können – sowie für den Kontrabass. Lediglich bei Sängern liegt der Start der solistischen Vorbereitungsphase nicht selten erst nach dem Stimmbruch bzw. wenn die Frauenstimme ihren eigenen Charakter entwickelt hat, obwohl nicht wenige Sänger bereits in Kinderchören gesungen haben. Folglich kann man davon ausgehen, dass Studenten, die sich mit 19 Jahren um einen Studienplatz an einer Musikhochschule bewerben, sich bereits seit acht bis zwölf Jahren auf dieses Ereignis vorbereiten. Von einem spontanen Berufswunsch kann man da sicher nicht mehr sprechen. Zur Vorbereitung auf das Studium bieten sich drei Wege an. Am weitesten verbreitet ist der Weg über die örtliche Musikschule. Dort erkennen erfahrene
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Pädagogen schon früh musikalische Talente, die für eine Ausbildung bis zum Studium geeignet wären. Fast alle Musikschulen – ob kommunale oder private – bieten zudem eine Unterrichtsstruktur an, die es ermöglicht, auf talentiertere Kinder besonders einzugehen und ihnen im Ensemblespiel, in Vorspielen und in Wettbewerben Gelegenheit zu geben, ihr Talent zu erproben. Ähnlich förderlich ist auch der Unterricht bei einem Privatlehrer, der keiner Schule angeschlossen ist, sondern als freiberuflicher Musiklehrer intensiv mit begabten Kindern arbeitet. Erweisen sich Kinder als besonders talentiert, haben sie – als dritte Variante der Vorbereitungsphase – etwa ab dem 15. oder 16. Lebensjahr die Chance, als sogenannte »Jungstudenten« oder »Vorklassenschüler«3 an einer Musikhochschule von den dortigen Professoren und Dozenten unterrichtet zu werden. Für die Talentförderung und für die Vorbereitung auf ein Studium ist die Teilnahme an musikalischen Wettbewerben unerlässlich. Hier gleicht die Musikerausbildung der Ausbildung im Sport: ohne Wettbewerb lassen sich Lernfortschritte kaum messen. Neben vielen lokalen und regionalen Wettbewerben ist für die musikalische Ausbildung der Kinder und Jugendlichen der Wettbewerb Jugend musiziert von überragender Bedeutung. Er wird im Auftrag des Deutschen Musikrats, dem Spitzenverband der deutschen Musikverbände und Musikorganisationen, in drei Stufen durchgeführt, nämlich als Regional-, Landes- und Bundeswettbewerb. 2009 nahmen fast 24.000 Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersklassen an den 140 Regionalwettbewerben teil, und selbst beim Bundeswettbewerb waren es noch 2300 Teilnehmer. Vor allem die Bundespreisträger des begehrten Wettbewerbs Jugend musiziert sind potenzielle Anwärter auf einen Studienplatz an einer Musikhochschule. Das in Deutschland vorherrschende System der Trennung von allgemein bildender Schule und Instrumentalunterricht an Musikschulen oder bei Privatlehrern ist für die Ausbildung künftiger Berufsmusiker aber eher untypisch. In vielen Staaten mit ähnlich differenziertem Musikbetrieb wie in Deutschland werden die jungen Talente frühzeitig in sogenannten Musikgymnasien ausgebildet und betreut, die besonders auf die Bedürfnisse der Musikerausbildung ausgerichtet sind. Solche Musikgymnasien sind nicht zu verwechseln mit Gymnasien mit Musikprofil. Zwar findet an Gymnasien mit Musikprofil mehr Musikunterricht statt und wird auch das gemeinsame Musizieren im Orchester oder Chor stärker gefördert als an Gymnasien mit anderen Profilen, aber einen Unterricht am Instrument oder mit der Stimme kennen solche Profilgymnasien nicht. Das aber ist das besondere Kennzeichnen der Musikgymnasien, dass dort auch Einzelunterricht auf hohem Niveau mit dem Instrument oder der Stimme erteilt wird. Während also die Schüler eines Gymnasiums mit Musikprofil weiter außerhalb der Schule die Musikschule oder ihren Privatlehrer besuchen und damit in zwei voneinander unabhängigen Systemen unterrichtet werden, ist dieser Einzelunterricht in einem Musikgymnasium Teil des Unterrichtsplans.
Werner Heinrichs
£4.1 Der lange Weg zum Profimusiker Dieser Einzelunterricht wird in der Regel von Lehrkräften einer Musikhochschule erteilt, die dazu mit dem Musikgymnasium eine Kooperation eingeht. Dadurch wird der spätere Übergang in die Musikhochschule deutlich erleichtert. Zudem hat ein Musikgymnasium den Vorteil, dass weit weniger Kinder die Musikausbildung im Alter von 13 bis 15 Jahren aufgeben als dies ohne die Betreuung eines Musikgymnasiums der Fall ist. Während nämlich die Kinder bis zum 14. Lebensjahr etwa 80 Prozent der Schüler einer Musikschule ausmachen, sind es in der Gruppe der 15- bis 18-Jährigen nur noch etwa 12 Prozent. Demnach gehen viele Talente, die bereits im Wettbewerb Jugend musiziert bestehen konnten, in dieser kritischen Phase der kindlichen Entwicklung für die Musikerberufe verloren. Da man bspw. in Osteuropa oder in Fernost die Talentförderung in Musikgymnasien seit langem praktiziert, ist das entsprechende Defizit in Deutschland der Hauptgrund dafür, weshalb der Anteil ausländischer Studierender an deutschen Musikhochschulen relativ hoch ist. Die ausländischen Bewerber sind häufig besser auf ein Studium vorbereitet als dies den deutschen Schülern aufgrund des Schulsystems möglich ist. Musikgymnasien nach osteuropäischem Vorbild gab es auch in der DDR. Sie wurden im Rahmen der Deutschen Einheit z.T. übernommen und erfreuen sich heute großer Beliebtheit. Allmählich geht man auch in den alten Bundesländern dazu über, solche Musikgymnasien zu errichten, doch kann kein Zweifel darüber bestehen, dass hier ein großer Nachholbedarf besteht.
D I E M U SI K H O C H S C H U L EN Die Ausbildung von Musikern, die Musik ausschließlich oder vorrangig zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausüben wollen, findet an Musikhochschulen statt. Musikhochschulen sind staatliche Einrichtungen der Bundesländer, die mit den Kunsthochschulen (für bildende Kunst) eine eigene Hochschulart bilden und in dieser Form Teil des Hochschulsystems sind. Sie sind nach dem Hochschulrahmengesetz den Universitäten gleichgestellt und haben in der Regel Promotions- und Habilitationsrecht. Die ersten Musikhochschulen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. Sie nannten sich zuerst Konservatorien und wurden erst im Laufe der Zeit zu staatlichen Hochschulen. Etwa die Hälfte der heutigen Musikhochschulen wurde allerdings erst nach 1945 gegründet. Der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, dem Zusammenschluss aller selbstständigen staatlichen Musikhochschulen in Deutschland, gehören 24 Hochschulen an. Es sind dies – in alphabetischer Reihenfolge – zwei Musikhochschulen in Berlin sowie die Musikhochschulen in Bremen, Detmold, Dresden, Düsseldorf, Essen, Frankfurt a.M., Freiburg i.Br., Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln, Leipzig, Lübeck, Mannheim, München, Nürnberg,
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Rostock, Saarbrücken, Stuttgart, Trossingen, Weimar und Würzburg. An den Universitäten in Augsburg, Mainz und Münster sowie an der Fachhochschule Osnabrück gibt es Fakultäten bzw. Institute für die Ausbildung von Musikern; sie bilden keine eigene Hochschulart und decken in der Regel nur einen Teil des Fächerspektrums ab. Daneben gibt es acht kleinere Hochschulen für Kirchenmusik, die ausschließlich für Musikberufe in kirchlichen Ämtern ausbilden.4 Vereinzelt gibt es auch heute noch Konservatorien, die aber meist nur den Rang von Musikschulen haben (z.B. das Badische Konservatorium Karlsruhe). Andere wiederum stehen in Konkurrenz zu den Musikhochschulen, vor allem, wenn es um die Ausbildung von Musikschullehrern geht (z.B. Dr. Hoch’s Konservatorium – Musikakademie in Frankfurt a.M. oder das Richard-StraussKonservatorium München, das inzwischen in die Hochschule für Musik und Theater München integriert wurde). Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass mehrere Musikhochschulen auch für anderen künstlerische Berufe ausbilden. An der Universität der Künste Berlin, an der Folkwang Universität Essen und an der Hochschule der Künste Bremen kann man auch Bildende Kunst studieren. Zudem kann man sich in Berlin, Essen sowie an den Musikhochschulen in Frankfurt a.M., Hannover, Hamburg, Leipzig, München, Rostock und Stuttgart zum Schauspieler ausbilden lassen. Aufnahmeprüfung Da an Musikhochschulen der Einzelunterricht im Vordergrund steht, ist die Zahl der Studierenden immer an die Zahl der Lehrenden gekoppelt und kann demnach nicht beliebig erhöht werden. Folglich findet unter den Studieninteressenten eine Auswahl in Form einer Aufnahmeprüfung statt. Man kann davon ausgehen, dass allein an den 24 staatlichen Musikhochschulen jährlich etwa 25.000 bis 30.000 Bewerbungen (ohne Schauspiel) um die etwa 2000 bis 2500 freien Studienplätze eingehen. Dabei handelt es sich aber vielfach um Mehrfachbewerbungen, d.h. es ist üblich, sich von vornherein an mehreren Musikhochschulen zu bewerben. Besonders begehrt sind die Plätze in den Fächern Klavier, Violine und Gesang, wo sich nicht selten mehr als 100 Interessenten um einen einzigen Studienplatz bemühen. Die Aufnahmeprüfungen sind sehr streng und verlaufen nach einem seit Jahrzehnten bewährten Verfahren. Sie bestehen aus zwei Teilen, nämlich einem theoretischen und einem praktischen Teil. Im theoretischen Teil müssen musiktheoretische Fragen (Tonsatzkunde) beantwortet oder Aufgaben zur Gehörbildung gelöst werden. Diese Prüfungen finden in der Regel schriftlich bzw. in Gruppen statt. Für den praktischen Teil geben die Musikhochschulen in ihren Immatrikulationssatzungen vor, welche Stücke vorbereitet werden müssen. In
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£4.1 Der lange Weg zum Profimusiker der Prüfung müssen die Kandidaten – in der Regel vor einer Kommission, die aus allen Lehrern des jeweiligen Faches besteht – ein oder zwei Stücke aus dem vorgegebenen Repertoire spielen bzw. singen. An manchen Hochschulen werden diese Stücke während der Prüfung vorgegeben, an anderen können die Kandidaten die Stücke – aus dem vorgegebenen Kanon – selbst wählen. Angesichts der hohen Zahl der Bewerber dauert der praktische Teil der Aufnahmeprüfung manchmal nur wenige Minuten. Die Kommission kann nämlich den Vortrag des Bewerbers jederzeit unterbrechen und ein anderes Stück fordern oder auch den Vortrag abbrechen, wenn das mangelnde Talent zu offensichtlich ist. Anschließend gibt es vielleicht noch einige Fragen an den Bewerber, und schon ist die praktische Prüfung vorüber. Es ist durchaus verständlich, dass sich manche abgelehnte Bewerber nicht ausreichend gefordert und gewürdigt sehen, wenn schon nach weniger als zehn Minuten eine Prüfung abgebrochen wird. Doch bleibt der Kommission, die manchmal zwei bis drei Wochen zusammensitzt, um Aufnahmeprüfungen abzunehmen, angesichts der Bewerbermassen oft keine andere Wahl. Zudem muss man den sehr erfahrenden Kommissionsmitgliedern zugestehen, dass sie nach zehn Minuten durchaus einzuschätzen wissen, ob ein Bewerber das erforderliche Talent besitzt, sich zu einem Profimusiker bzw. Profisänger weiterzuentwickeln. Auch sei daran erinnert, dass der Hauptfachunterricht am Instrument oder der Stimme an einer Musikhochschule stets als Einzelunterricht stattfindet. Folglich bedarf es auch der Lehrkräfte, die in einem Bewerber ein Talent sehen, das sie mit ihren Methoden weiter fördern können. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass ein Bewerber bei der Aufnahmeprüfung an der einen Musikhochschule durchfällt, an einer anderen Musikhochschule aber gern genommen wird, weil er dort eben auf den für sein Talent richtigen Lehrer gestoßen ist. Das Studium an einer Musikhochschule ist eben sehr personenbezogen. Das hat viele Vorteile, kann aber auch von Nachteil sein. Nach der Prüfung bewertet die Kommission die Leistungen der Kandidaten mit Punkten aus einer Skala von 1 bis 24. Mit mindestens 13 Punkten gilt eine Prüfung als bestanden. Sofern auch der theoretische Teil bestanden wurde, legt das Prüfungsamt die Bewerbung der Zulassungskonferenz vor. Wenn mehr Kandidaten bestanden haben als Studienplätze frei sind, entscheidet die Konferenz unter dem Vorsitz des Rektors und unter Beteiligung der Fachlehrer, wer zum Studium aufgenommen wird. Das werden in der Regel die Bewerber mit der höchsten Punktzahl sein. Für alle anderen Bewerber ist das Ergebnis besonders bitter: sie haben zwar bestanden, können aber dennoch wegen fehlender Studienplätze nicht aufgenommen werden. Es wurde bereits erwähnt, dass die Studienplätze an deutschen Musikhochschulen auch im Ausland heiß begehrt sind und diese Bewerber schon zur Aufnahmeprüfung mit exzellenten Leistungen aufwarten. Es ist durchaus nicht
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ungewöhnlich, dass sich an einer größeren Musikhochschule mit guter Verkehrsanbindung zwischen 500 und 800 Interessenten allein aus Süd-Korea bewerben. Das hat dazu geführt, dass das künstlerische Niveau schon während der Aufnahmeprüfungen außerordentlich hoch ist. Der Leistungsdruck und die physische wie psychische Belastung, die mit einer Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule verbunden sind, sollte man keineswegs unterschätzen. Die Studienfächer Ähnlich wie die Aufnahmeprüfung gliedert sich auch das Studium in theoretische und praktische Fächer. Anders als ein Privatunterricht ist eine Ausbildung an einer Hochschule eben ein Studium und das bedeutet, dass die ganze Breite des Fachs studiert und das Fach in seiner Gesamtheit gesehen werden muss. Manchen Studenten fällt es schwer, dies einzusehen, weil sie mit der Vorstellung an die Hochschule gekommen sind, sich nur ihrem Instrument widmen zu dürfen. Die theoretischen Fächer, die vor allem in den ersten Semestern zu studieren sind, umfassen: • Musiktheorie (Tonsatzlehre5) • Gehörbildung (Hörerziehung) • Musikwissenschaft (Musikgeschichte)
Je nach Studienrichtung kommen weitere theoretische Fächer hinzu wie bspw.: • Instrumentalpädagogik (Methodik) • Literaturkunde Im Mittelpunkt der praktischen Fächer steht das Hauptfach, also jenes Instrument, das der Musikstudent vorrangig spielt oder – sofern er Gesang studiert – eben seine Stimme. Die 24 selbstständigen Musikhochschulen, die in der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen versammelt sind, bieten alle gängigen Orchesterinstrumente sowie Klavier, Gitarre, Harfe und Gesang an. Auch das Fach Komposition kann man an allen Musikhochschulen studieren. Ausnahmen gibt es bei weniger stark nachgefragten Instrumenten wie bspw. Akkordeon oder Mandoline sowie bei Instrumenten, die eine besondere Ausstattung verlangen wie bspw. Orgel. Dieses Hauptfach wird immer im Einzelunterricht erteilt, der – je nach Studienfortschritt – ein bis zwei Stunden pro Woche umfasst. Gerade im Vergleich zum Massenstudium an einer Universität oder Fachhochschule ist der Einzelunterricht an den Musikhochschulen von hohem Wert. Der Hauptfachlehrer ist denn auch im Berufsleben eines jeden Musikers die prägende Persönlichkeit, auf den sich manche Musiker ein Leben lang beziehen. Allerdings ist damit
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£4.1 Der lange Weg zum Profimusiker auch eine enge persönliche Bindung verknüpft. Wenn sich Lehrer und Schüler nicht verstehen, kann der Einzelunterricht für beide Seiten zu einer großen Belastung werden, bei der ein Lehrerwechsel oft der einzige Ausweg ist. Die stilistische Bandbreite ist sehr groß. Zwar steht die klassische Ausrichtung im Vordergrund, doch kann man an mehreren Musikhochschulen auch Jazz und Pop studieren. Kleinere Musikhochschulen gehen zunehmend dazu über, sich zu spezialisieren, vor allem dort, wo mit dem Studienangebot eine aufwändige Zusatzausstattung verbunden ist. Das gilt durchaus schon für die Alte Musik, die einen großen Bestand an besonderen Instrumenten verlangt, aber auch für die Neue Musik, wenn bspw. ein sehr teures Studio für elektronische Musik erforderlich ist. Ähnliche Spezialisierungen findet man in medienorientierten Studiengängen (z.B. in Hannover und Köln), in der Ausstattung mit Orgeln (z.B. in Stuttgart) oder in einer hohen technischen Ausstattung zur Ausbildung von Tonmeistern (z.B. in Detmold). Da Musizieren fast immer auf ein Spiel mit anderen ausgerichtet ist, gehört auch die Arbeit in Klangkörpern zu den Pflichtfächern eines Studiums. Dies betrifft vor allem die Fächer: • Orchester • Chor • Kammermusik Viele Musikhochschulen bieten den Studierenden auch an, sich schon während des Studiums in einem frei zu wählenden Bereich zu spezialisieren. Damit besteht die Möglichkeit, frühzeitig Bereiche zu erproben, die später möglicherweise im Zentrum der Berufstätigkeit stehen werden. Gleich welches Fach oder welche stilistische Ausrichtung man wählt, bleibt gleichermaßen die Pflicht und Notwendigkeit ständigen Übens. Weder wird man die Geschmeidigkeit der Hände beim Spiel noch die Aufnahmefähigkeit des Gedächtnisses beim Erlernen von Werken erhalten, wenn beide Seiten nicht permanent im Üben gefordert werden. Pianisten und Streicher üben – je nach Studienfortschritt und Studiengang – zwischen vier und acht Stunden pro Tag, Bläser und Sänger etwa die Hälfte. Dies betrifft selbstverständlich auch die Wochenenden und die Ferienzeit. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass auch die Organisation des Übens keine leichte Herausforderung ist, denn nicht überall und zu jeder Zeit stehen Überäume zur Verfügung, zumal wenn man noch – wie Pianisten und Organisten – auf ein Instrument zurückgreifen muss, dass man zwangsläufig nicht immer bei sich trägt.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Die Studienstruktur Traditionell werden an den deutschen Musikhochschulen folgende Studiengänge unterschieden: • Künstlerische Ausbildung (Diplomabschluss für Orchestermusiker und Sänger mit der Möglichkeit, sich später auf Kammermusik oder eine solistische Laufbahn zu spezialisieren) • Musikschullehrer (Diplomabschluss für eine berufliche Tätigkeit als Instrumental- oder Gesangslehrer an einer Musikschule oder als Privatlehrer; alternative Bezeichnungen des Studiengangs sind Musikerziehung oder einfach nur Musiklehrer) • Schulmusiker (Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien, also ohne im späteren Beruf Einzelunterricht am Instrument zu erteilen) • Kirchenmusiker (Kirchenmusik B und Kirchenmusik A für eine Tätigkeit als Kantor oder Organist).
Diese vier Ausrichtungen auf eine künftige berufliche Tätigkeit gelten bis heute, da auch die genannten Berufsprofile nach wie vor bestehen. Zwar bieten alle Musikhochschulen die Studiengänge Künstlerische Ausbildung und Musikschullehrer an, doch sind die Studiengänge Schulmusik und Kirchenmusik nicht an allen Musikhochschulen vorhanden. Dort, wo es alle vier Studiengänge gibt, sind auch Kombinationen möglich, bspw. Kirchenmusik und Schulmusik oder – am häufigsten – Künstlerische Ausbildung und Musikschullehrer. Diese Kombinationen sind gerade mit Blick auf den Arbeitsmarkt sinnvoll und empfehlenswert. Nach der alten Studienstruktur, die mit einem Diplom endete, konnte man das Studium durch bis zu zwei Aufbaustudien ergänzen und sogar noch ein Studium für Solisten (als Solistenklasse, Konzertexamen oder Bühnenexamen bezeichnet) anschließen. Diese alte Studienstruktur wurde mit der BolognaReform aufgegeben, die die deutschen Musikhochschulen im Bereich der Musik-Studiengänge vollständig eingeführt haben. Demnach gilt heute an den deutschen Musikhochschulen folgender vertikale Studienaufbau: Erster Zyklus Bachelor Musik (4 Jahre) Bachelor Schulmusik Bachelor Kirchenmusik (4 Jahre) Zweiter Zyklus Master Musik (mit zahlreichen Profilen; zwei Jahre) Master Schulmusik Master Kirchenmusik (2 Jahre)
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£4.1 Der lange Weg zum Profimusiker Dritter Zyklus Solistenklasse/Konzertexamen/ Bühnenexamen (1-2 Jahre) Wissenschaftliche Promotion Künstlerische Promotion Der Bachelor Musik ist die fächerübergreifende Basisausbildung für die frühere Künstlerische Ausbildung und das Studium Musikschullehrer. Die Hochschulen reagieren damit auf die Erfahrung, dass bei Weitem die meisten Studierenden beide Studienrichtungen parallel studierten, weil eine künstlerische Berufstätigkeit nur in den seltensten Fällen ohne eine zusätzliche Unterrichtstätigkeit möglich ist. Der ehemalige Studiengang Musikschullehrer ist also nicht verschwunden, sondern in den gemeinsamen Bachelorstudiengang Musik aufgegangen. Dagegen ist im Fach Kirchenmusik die Übertragung auf die neue Struktur leicht nachvollziehbar: aus dem Studiengang Kirchenmusik B wurde der Bachelor Kirchenmusik und aus Kirchenmusik A wurde der Master Kirchenmusik. Etwas unübersichtlich ist dagegen die Neuregelung im Bereich der Schulmusik, weshalb hier auch auf Angaben zur Studiendauer verzichtet wurde. In einigen Bundesländern wurde der Studiengang auf die Bachelor-MasterStruktur umgestellt, in anderen Bundesländern wurde zwar das Staatsexamen beibehalten, doch wurde der Studiengang modularisiert und in einer dritten Gruppe von Studiengängen blieb das Staatsexamen in der bisherigen Form unverändert. Offensichtlich sind in der Kultusverwaltung die Vorbehalte gegenüber der Bologna-Reform größer als an den Hochschulen. In jedem Fall aber entspricht der Abschluss einem Master-Niveau. Weit mehr als in der Vergangenheit ist mit der neuen Studienstruktur die zweite Studienphase in den Blickpunkt geraten. Entgegen dem alten Aufbaustudium, das häufig eine bloße Fortsetzung des ersten Studienabschnitts bot, ist der neue zweite Zyklus mit dem Master-Abschluss auf eine künftige berufliche Tätigkeit ausgerichtet. Folglich können sich die Studierenden über das Master-Studium als künftige Orchester- oder Kammermusiker spezialisieren, können sich für Alte oder Neue Musik entscheiden oder sich auch auf eine Tätigkeit als Musikschullehrer vorbereiten. Damit ist zwischen den Musikhochschulen ein neuer Wettbewerb entstanden, weil nicht wenige Studenten nach dem Bachelor die Hochschule wechseln und sich an einer anderen Hochschule ein Master-Studium suchen, das ihren persönlichen Bedürfnissen und Erwartungen am ehesten entspricht. Zugleich wird damit auch die Nachfrage aus dem Ausland kanalisiert, denn heute interessieren sich die ausländischen Studierenden vorrangig für ein Master-Studium an einer deutschen Musikhochschule, während sie den Bachelor in ihrem Heimatland erwerben. Damit
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ist die Zahl der ausländischen Studierenden an deutschen Musikhochschulen zwar nach wie vor sehr hoch, doch ist die Verweildauer deutlich geringer als vor der Bologna-Reform. Im dritten Zyklus der Bologna-Struktur zeigt sich einmal mehr die Eigenheit der Musikhochschulen als besondere Hochschulart. Während an anderen wissenschaftlichen Hochschulen im dritten Zyklus allein die Promotion vorgesehen ist, steht an den Musikhochschulen die Solistenklasse bzw. – lediglich mit einer anderen Bezeichnung, aber sonst gleich – das Konzert- oder Bühnenexamen im Vordergrund. Wie bereits der Name vermuten lässt, bereitet diese Studienphase auf eine spätere solistische Karriere als Instrumentalist oder Sänger vor und steht damit nur den besten Studierenden zur Verfügung. In der Regel schließt dieses Studium mit einem großen öffentlichen Konzert ab, bei dem der Student als Solist mit einem Orchester auftritt. Doch bieten die Musikhochschulen als wissenschaftliche Hochschulen natürlich auch die Möglichkeit der Promotion. Vorrangig sind Musikwissenschaft und Musikpädagogik die Fächer, in denen besonders begabte Studenten zum Dr. phil. promoviert werden. Dem geht ein entsprechendes Master-Studium Musikwissenschaft bzw. Musikpädagogik voraus. Neu ist dagegen das Bemühen, auch eine künstlerische Promotion anzubieten, wie sie in den nordamerikanischen und vielen europäischen Musikhochschulen bereits Praxis ist. Dabei sollen Erkenntnisse, die sich aus dem künstlerischen Prozess der Produktion oder Interpretation ergeben in eine wissenschaftliche Reflexion und Erkenntnis einfließen, d.h. die Promotionsform steht nur den Studierenden offen, die auch zu einer entsprechenden künstlerischen Leistung in der Lage sind.
Ü BERG A NG I N S B ERU F SLEBEN Ähnlich wie an anderen Hochschularten haben auch die Musikhochschulen in den letzten Jahren einen Wandel hin zu einem berufsorientierten Studium vollziehen müssen. Die früher häufig zu beobachtende Praxis, dass eine Hochschule mit der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Kernbereich des Fachs ihren Auftrag als erfüllt angesehen hat, ist heute nicht mehr tragbar. Heute erwarten Studenten von ihrer Musikhochschule, dass sie ihr nicht nur hervorragende Kenntnisse in Musik und ausgezeichnete Fertigkeiten auf dem Instrument vermitteln, sondern sie ihnen auch den Zugang zum Beruf erleichtert, indem ihnen Grundkenntnisse aus dem beruflichen Umfeld vermittelt werden. Dabei kann man drei Gruppen von Erwartungen unterscheiden. Die erste Gruppe von Anforderungen ist noch relativ traditionell und umfasst vor allem Konzertmöglichkeiten schon während des Studiums. In der
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£4.1 Der lange Weg zum Profimusiker Tat bieten die Musikhochschulen jährlich – je nach Größe – zwischen 300 und 600 öffentliche Konzerte an, bei denen die Musikstudenten ihr Können unter Beweis stellen und den öffentlichen Auftritt proben. Doch diese seit jeher an Musikhochschulen geübte Praxis wird heute mit neuen Herausforderungen verbunden. Die Studenten wollen ihr Konzert in einen professionellen Musikbetrieb eingebunden sehen, d.h. sie erwarten ein kompetentes künstlerisches Betriebsbüro, eine zuverlässige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine an Profibetrieben ausgerichtete Bühnenausstattung, die von einem Bühnenoder Beleuchtungsmeister bedient wird. Das gilt im besonderen Maße für die Darstellende Kunst, also bspw. die Opernschule, wo die Erwartungen an Bühnenausstattung und Beleuchtung inzwischen recht hoch sind. Gleichzeitig haben die Studenten aber auch die Anforderungen an sich selbst erhöht und stellen sich als Musiker einem Auftrittstraining, bei dem bühnenerfahrene Pädagogen mit ihnen das Verhalten auf der Bühne trainieren. Was sich so leicht als Forderung formulieren lässt, ist in der Praxis mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Um es am Beispiel der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart zu konkretisieren: Dort gibt es drei Konzertsäle unterschiedlicher Größe, von denen mindestens zwei regelmäßig von einem Bühnen- oder Beleuchtungsmeister betreut werden. Zudem verfügt sie mit dem Wilhelma Theater von 1840 als einzige Musikhochschule Deutschlands über ein eigenes Theater. Zwei künstlerische Betriebsbüros betreuen jährlich etwa 450 Veranstaltungen, in denen man circa 85.000 Besucher zählt. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieser Aufwand an Personal und Finanzen, der über den Aufwand für das Studium im engeren Sinne hinausgeht, den Etat der Hochschule ganz erheblich belastet. Da andere Musikhochschulen eine ähnliche Ausstattung vorhalten, besteht aber kein Zweifel, dass eine Hochschule nur mit einem solchen Aufwand konkurrenzfähig bleiben kann. Die zweite Gruppe von Erwartungen geht deutlich über die traditionelle Konzertpraxis im eigenen Hochschulgebäude hinaus. Um den Studierenden den Einstieg in den künftigen Beruf zu erleichtern, schließen die Musikhochschulen mit renommierten Profi-Orchestern aus der Region Vereinbarungen über den Betrieb von Orchesterakademien. In solchen Orchesterakademien wird besonders begabten Studenten nach einem Auswahlverfahren die Möglichkeit geboten, für eine definierte Zeit an der Arbeit des Orchesters teilzunehmen. Im Unterschied zu Praktikantenstellen in Orchestern, die in der Regel als billige Aushilfen genutzt werden, verpflichten sich die Orchester zu einer intensiven Betreuung der Akademisten. In der Regel erhält deshalb jeder Akademist einen Mentor, also einen erfahrenen Orchestermusiker, mit dem er auch das Programm der nächsten Proben und Konzerte bespricht und der ihn auch während des Konzerts – in der Regel gemeinsam am gleichen Pult – betreut. Es hat sich gezeigt, dass diese Praxisphase das Hochschulstudium sehr
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wirksam unterstützt und Absolventen von Orchesterakademien später viel leichter eine Anstellung in einem Orchester erhalten als andere Studenten. Ähnlich wie Orchesterakademien sind auch Chorakademien für Sänger oder Opernstudios ausgerichtet, bei denen junge Opernsänger im Ensemble eines großen Opernhauses mitwirken dürfen. Dieser Praxisorientierung vergleichbar ist auch die Zusammenarbeit mit Orchestern und Chören zur Ausbildung von Chor- und Orchesterdirigenten. An allen Musikhochschulen gilt der Grundsatz, dass Studenten nicht von Studenten lernen sollen, was bedeutet, dass bspw. Dirigierstudenten ein ProfiOrchester bzw. einen Profi-Chor benötigen, um praktische Erfahrungen sammeln zu können. Mit dem Dirigentenforum des Deutschen Musikrats oder den Dirigierpodien in verschiedenen Bundesländern wird diese Qualität der Ausbildung zusätzlich gesichert. Ein ähnlich praxisorientiertes Programm wird in manchen Städten auch den Studenten angeboten, die als Musikschullehrer tätig werden wollen. Große Musikschulen bieten ihnen die Möglichkeit, eine Art Referendariat an einer Musikschule zu absolvieren. Wie auch im Referendariat an staatlichen Gymnasien haben die Studenten hier die Gelegenheit, sich auf den Beruf eines Musikschullehrers vorzubereiten und gleichzeitig für sich selbst festzustellen, ob der angestrebte Beruf wirklich den Erwartungen entspricht. Nicht zuletzt bietet sich damit den Musikschulen die Chance, geeignete Bewerber um Lehrerstelle frühzeitig kennenzulernen und auch außerhalb einer Probezeit zu testen. Da aber die Zahl der festen Anstellungen für Musiker weiter rückläufig ist6, gewinnt – als dritte Erwartung an das Studium – auch die Vorbereitung auf eine freiberufliche Tätigkeit immer mehr an Bedeutung. Folglich haben viele Musikhochschulen inzwischen Studienangebote zur Musikvermittlung und zum Musikmanagement eingerichtet. Dabei ähnelt das Studienfach Musikvermittlung einerseits der Arbeit eines Dramaturgen oder Pressereferenten im Theater, andererseits ist es aber auch pädagogisch ausgerichtet, wenn es bspw. gilt, einleitend zu einem Konzert Informationen über den Komponisten und sein Werk zu vermitteln. Musikmanagement lehnt sich an das seit Beginn der 1990er Jahre bekannte Fach Kulturmanagement7 an, allerdings spezialisiert für den Musikbereich. Neben Themen wie Musikmarketing und Musikfinanzierung sind vor allem Fächer wie Urheber- und Vertragsrecht oder Selbstmanagement von großem Interesse. Um die jungen Studenten auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten, haben einige Musikhochschulen in jüngster Zeit einen sogenannten »Career service« eingerichtet. Dort können sich die jungen Freelancer fachkundig beraten lassen oder berufsspezifische Fortbildungen über GEMA-Rechte,
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£4.1 Der lange Weg zum Profimusiker steuerrechtliche Fragen oder die Gestaltung einer eigenen Homepage besuchen. Vor allem die zuletzt genannten zusätzlichen Angebote machen deutlich, dass sich auch ein Studium an einer Musikhochschule in den letzten Jahren deutlich verändert hat. Es ist nicht nur die Umstellung auf die Bologna-Struktur, die ein Studium heute so ganz anders erscheinen lässt als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten, sondern es sind vor allem die konsequente Berufsorientierung und Berufsvorbereitung, die das Studium gewandelt haben. Das eigentliche Problem besteht aber nicht in diesen, die Rahmenbedingungen betreffenden Veränderungen, sondern darin, dass auch die Anforderungen an die musikalischen Kenntnisse und an die künstlerischen Fertigkeiten auf dem Instrument zugenommen haben. Das bringt für die jungen Studenten eine enorme, weil doppelte Belastung mit sich. Dennoch kann man feststellen, dass diese zusätzliche Belastung keineswegs umsonst ist. Ganz im Gegenteil haben sich die Berufschancen für die Absolventen der Musikhochschulen zuletzt wieder deutlich verbessert. Wer sich also heute als junger Mensch entschließt, den langwierigen und zweifellos anstrengenden Weg zum Profimusiker zu gehen, hat gute Chancen, diesen schönen Beruf mit viel Freude und Zufriedenheit ein Leben lang ausüben zu können.
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Der Genus masculinum in Berufs- und Personenbezeichnungen meint Männer und Frauen immer gleichermaßen. Eine ähnliche Vorbereitungsphase benötigen auch professionelle Tänzer. Der etwas eigenartige Begriff »Vorklassenschüler« ergibt sich daher, dass an den Musikhochschulen alle Studenten eines Professors oder eines Dozenten im Hochschuljargon als »Klasse« bezeichnet werden. Vorklassenschüler sind demnach die Schüler, die der Klasse noch nicht angehören, aber bereits von einem Professor oder Dozenten unterrichtet werden. Heinrichs, Werner (2010): Hochschulmanagement, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 23ff. Die Fächerbezeichnungen sind nicht an allen Musikhochschulen einheitlich; deshalb wird in Klammern jeweils noch eine Alternativbezeichnung angegeben. Heinrichs, Werner (2006): Der Kulturbetrieb. Bildende Kunst – Musik – Literatur – Theater – Film, Bielefeld: transcript, S. 147ff. Heinrichs, Werner (1999): Kulturmanagement. Eine praxisorientierte Einführung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
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Einige Ideen zur Karriereplanung junger Musiker Sebastian Nordmann im Gespräch mit Martin Tröndle Martin Tröndle: Herr Nordmann, auch wenn Sie selbst kein Musiker sind, so erscheinen Sie mir doch als der beste Kandidat, mit dem ich über das Thema »Karriereentwicklung« sprechen könnte. Denn Sie sitzen auf der ›anderen Seite‹. Sie haben mit Ihren Tätigkeiten als ehemaliger Intendant der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern und seit einem Jahr als Intendant des Konzerthauses Berlin Einblick in den internationalen Musikbetrieb in all seinen Facetten bekommen. Früher gab es keine career coaches – warum ist es notwendig, über so etwas an den Hochschulen nachzudenken? Sebastian Nordmann: Feste Stellen auf dem Musikmarkt werden weniger. Absolventen hingegen gibt es laut dem Musikinformationszentrum immer mehr. In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich immer mehr Berufsmusiker eine Existenz als Freiberufler aufbauen müssen. Das zeigen z.B. auch die Statistiken der Künstlersozialkasse. Die Kernkompetenz, ein technisch-interpretatorisch erstklassiger Musiker zu sein, ist heutzutage selbstverständlich, darauf wird man in den Musikhochschulen auch trainiert. Die Gesetze des Musikmarktes hingegen lernen die Studierenden meist erst nach dem Studium kennen, oft ohne jede Hilfestellung. Das Fach »Karriereplanung« soll dabei wie ein Katalysator funktionieren, das den Studierenden hilft, die definierten Ziele schneller und geradliniger zu erreichen. Die Studenten müssen lernen, ein Portfolio an Tätigkeiten aufzubauen: Z.B. spielt ein fest angestellter Orchestermusiker nebenbei noch in verschiedenen Ensembles, ist als Solist aktiv und bildet zusätzlich noch Schüler aus. Dafür muss er, ähnlich einem Unternehmer, Eigeninitiative, kreatives Denken und eine kritische Selbsteinschätzung entwickeln. MT: Seit dem WS 2008/09 sind Sie auch Professor für Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Theater Rostock und bringen Ihr Know-how in die Hochschule. Meines Wissens ist Rostock damit ein Vorreiter in der deutschen Musikhochschullandschaft. Was lernen Ihre Studierenden in der Zusammenarbeit mit Ihnen? Wie muss man sich so ein Semester vorstellen? SN: Das Seminar teilt sich in drei Bereiche: Konzertorganisation, Musikvermittlung und Karriereplanung. Bei der Konzertorganisation stehen die Initiierung, Finanzierung, Umsetzung und Nachbereitung eines Konzerts im Mittelpunkt, während es in der Musikvermittlung um die Interaktion zwischen Musiker und Publikum geht und um die Frage, wie sich Musik einem Publikum
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mit sehr unterschiedlichem Hintergrund und Wissen am besten vermitteln lässt. In der Karriereplanung stehen die Berufswünsche eines jeden einzelnen Studierenden im Vordergrund. Dabei führe ich mit jedem Teilnehmer ein Einzelgespräch, das intensiv vor- und nachbereitet wird. Zahlreiche Themen werden mithilfe von Gastdozenten analysiert: welche Rolle spielen Wettbewerbe oder Agenturen, wie agiere ich im Web 2.0, wie funktioniert Fundraising, wie Zeitmanagement, bis hin zu der Frage, wann man als Musiker wie viel Honorar verlangen kann oder wie man mit Veranstaltern in Kontakt kommt. Zudem erarbeiten wir stets auch ein praxisorientiertes Projekt. MT: Könnten Sie von solch einem Projekt einmal berichten? SN: In Rostock habe ich bspw. mit meinen Studenten ein Projekt entwickelt, bei dem sie die Spielstätte, das Programm, die Werbung und die Finanzierung selbst auf die Beine stellen mussten. Allein der Gang durch Rostock – das sogenannte location scouting – war für alle gewinnbringend: Welche Größe muss der Raum haben, welche Akustik, ist die Spielstätte gut erreichbar, gibt es Notausgänge und weitere Fragen müssen dabei berücksichtigt werden. Heraus kam eine Kooperation mit der Kunsthalle Rostock, in der Wolfgang Joops Ausstellung »Eternal love« lief. Die Musiker haben sich passend zum Titel der Ausstellung oder zu den Kunstwerken jeweils ein oder zwei Kompositionen wie z.B. Lieder aus Frauenliebe und -leben oder An den Mond von Dvo˘rák ausgesucht. Dabei haben Sie ihre persönliche Programmauswahl kurz anmoderiert. Der Abend war restlos ausverkauft, das Konzert hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen. Wir konnten sogar einen CD-Mitschnitt finanzieren. Diese und viele andere Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, dass die Studierenden nicht nur Konzerte unter dem Deckmantel der Hochschule bestreiten, sondern schon frühzeitig erkennen, dass sie auch selbständig Konzerte organisieren und eine aktive Rolle übernehmen können und damit auch ein Publikum erreichen, wenn sie es richtig anstellen. Im Gegensatz zu einem Engagement können sie Ort, Programm, Uhrzeit und Werbung selbst bestimmen, d.h. sie haben viel größere Freiheit, sich als Musiker darzustellen. MT: Inwiefern spielen bei solchen Überlegungen auch Gedanken der Musikvermittlung eine Rolle? SN: Dies kann ich vielleicht anhand eines weiteren Projektes am besten veranschaulichen. In diesem Projekt sollten sich die Studierenden Gedanken machen, wieso das Interesse an Liederabenden so stark rückläufig ist. Als Gründe wurden genannt, dass die Konzertsäle für den intimen Rahmen oft
Sebastian Nordmann/Martin Tröndle
£4.2 Einige Ideen zur Karriereplanung junger Musiker zu groß, die Texte eher veraltet und schwer verständlich seien und man neue bzw. zeitgemäße Texte nicht kennenlernen würde. Ein Liederabend sei außerdem zu elitär und Laien nicht zu vermitteln. Als weiterer Grund wurde von den Studierenden zudem die starre Situation auf der Bühne genannt. Interessant war, dass die Studenten all diese Dinge wussten, sich aber nicht trauten, mit neuen Formen zu experimentieren. Die Studierenden entwarfen dann in unserem Projekt einen Liederabend, der ihren Vorstellungen eher entsprach: Einige inszenierten ihren Auftritt, andere stellten Lieder unter ein bestimmtes Thema und moderierten diese Zusammenstellung. Mit verschiedenen Lichttechniken wurden die Stimmungen variiert. Außerdem wechselten die Begleitinstrumente oder auch die Anzahl der Gesangsstimmen. Dabei ging es nicht um die Auslöschung des traditionellen Liederabends, sondern um die Entwicklung neuer Formatideen. Ziel des Projektes war und ist, weiterhin ein neues und interessiertes Publikum an den Liederabend heranzuführen, was – gemessen an der Reaktion des Publikums – an diesem Abend wohl glückte. Musikvermittlung ist bei der Neugewinnung eines interessierten Publikums das entscheidende Schlagwort geworden. Wir alle kennen diesen Effekt: Wenn der Solist oder Dirigent nach dem offiziellen Teil des Konzerts die Zugabe ansagt, egal wie gut sein Deutsch ist, egal wie lang seine Ansprache ist, egal ob ein leises Stück oder ein virtuoses Stück folgt – das Publikum applaudiert danach doppelt so laut. Dabei gibt es verschiedene Formen der Kommunikation. Die Geigerin Isabel Faust hat sich z.B. nach einem Martinu-Violinkonzert an das Publikum gewandt und sagte, sie habe sich gemeinsam mit fünf Musikern des Orchesters eine kleine Zugabe ausgedacht: ein Ausschnitt aus Strawinskis Petruschka. Dazu stellte Sie sich mitten ins Orchester, anstatt wie sonst üblich alleine vor das Orchester. Die Begeisterung im Publikum war riesig, nur durch diese minimale Veränderung eines ansonsten standardisierten Rituals. MT: Das zeigt eigentlich sehr gut, das »Musikvermittlung« nicht unbedingt etwas mit pädagogischen Programmen zu tun hat. SN: Mir ist es wichtig, den Studierenden deutlich zu machen, dass es beim Publikum verschiedene Segmente gibt, die man je unterschiedlich ansprechen muss. Beim Thema »education« denken momentan alle an Kinder und Jugendliche. Genauso interessant ist meines Erachtens aber die Frage, wie ich die 30- bis 40-Jährigen wieder ins Konzert führe. Dieses Segment hat nur selten Gelegenheit ins Konzert zu gehen, schließlich baut man in dieser Phase seine Familie auf und versucht, auch im beruflichen Umfeld die Basis für eine erfolgreiche Karriere zu legen. Ziel muss also sein, die Familie in der
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Freizeit nicht zu trennen, sondern gemeinsam in ein Konzerthaus zu locken. Ein erfolgreiches Konzept hat Lothar Zagrosek erfunden: die Mozart-Matinee am Konzerthaus Berlin. Die Mozart-Matinee beginnt am Sonntagmorgen mit einem Familienfrühstück in den Foyers des Konzerthauses – es gibt Croissants und Latte Macchiato. Dieses Frühstück ist im Ticketpreis inklusive. Anschließend werden Kinder unter sechs Jahren im Kleinen Saal musikalisch betreut. Dabei stehen Kinderinstrumente zur Verfügung, um kurze Stücke gemeinsam einzuüben. Auf der Bühne im Großen Saal dirigiert der Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin und moderiert sein Mozartprogramm. Die Atmosphäre ist lockerer als bei gewöhnlichen Konzerten, das Publikum darf bei der Moderation klatschen oder auch Zwischenapplaus geben. Oft werden auch unbekannte Stücke von Mozart gespielt, es gibt keine Pause und das Konzert dauert nicht länger als eine Stunde. Für diese neue Reihe wurden allein in der letzten Saison 700 Abonnements verkauft. Den Studierenden versuche ich durch solche Beispiele zu vermitteln, wie groß heutzutage die musikalischen Möglichkeiten sind. Für jedes Festival oder Konzerthaus könnte man ein spezielles Angebot zusammenstellen, dafür braucht man aber das Know-how, wie man solche Reihen etabliert. MT: Der Musiker als Entrepreneur, haben Sie das bei der Boston Consulting Group gelernt? Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit bei einer Unternehmensberatung fließen in Ihren Unterricht ein? SN: Grundsätzlich geht es um die Strategieberatung eines Unternehmens. Was ist deren USP (Unique Selling Proposition) – sprich welches Alleinstellungsmerkmal besitzt das Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern? Wie sieht der derzeitige Markt aus? Ebenso kann man aber auch in den Betrieb hineingehen und Prozesse optimieren oder Kosten reduzieren. Wenn man diese Punkte auf die jungen Musiker überträgt, entstehen ähnliche Fragen: Welche Ziele hat der Musiker und in welchem Umfeld bewegt er sich? Wie konzentriert man sich auf das Wesentliche, wer oder was kann einem weiterhelfen? Aus der Wirtschaft kennt man auch die SWOT-Analyse, d.h. man unterzieht ein Unternehmen einer Stärken- (strengths), Schwächen- (weaknesses), Möglichkeiten- (opportunities) und Gefahren-Analyse (threats). Diese Analyse lässt sich ebenso auf einen Künstler beziehen. Der jeweilige Musiker kann so herausbekommen, ob seine Ziele erreichbar sind und in welchen Bereichen er sich noch verbessern muss, um diese Ziele umzusetzen. Ein weiteres Handwerkzeug des Beraters ist die Portfolioanalyse. In Bezug auf den Musiker funktioniert das wie folgt: Man stelle sich ein Portfolio im IstZustand vor – wie viel Prozent verbringt der Musiker mit seinem Hauptfach (z.B. Klaviersolo), wie viel Prozent mit Kammermusik, wie viel mit Pädagogik
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£4.2 Einige Ideen zur Karriereplanung junger Musiker und wie viel Prozent mit Managementnebentätigkeiten (z.B. Pflege von Agenturkontakten, Konzertakquise, Produktion von Aufnahmen oder musikwissenschaftliche Forschungen für die Programmgestaltung). Anschließend erstellt der Musiker ein Zielportfolio, in dem er die Gewichtung der Prozentzahlen neu einträgt. Daraus hervorgehend kann ein Zeitplan erarbeitet werden, in dem Meilensteine eingetragen werden, die zum Erreichen des Zielportfolios notwendig sind. Durch äußere Einflüsse können sich das Zielportfolio und der daraus resultierende Zeitplan immer wieder ändern. Entscheidend ist deswegen, die ständige Kontrolle und Überarbeitung dieser Pläne nicht aus den Augen zu verlieren, um die Wünsche zielstrebig zu verfolgen. Schließlich geht es darum, einen Musiker langfristig auf dem Musikmarkt zu positionieren und seine Karriere aufzubauen. MT: Was sind die größten Probleme der Studenten, mit denen Sie konfrontiert werden? SN: Eine der häufigsten Fragen seitens der Studierenden bezieht sich auf die Kontaktaufnahme zu Konzerthäusern oder Festivals. Die Strategie, 100 gleiche Bewerbungen an alle bekannten Adressaten zu senden, ist wenig hilfreich. Viel erfolgversprechender ist eine zielgerichtete Herangehensweise an einige wenige Veranstalter. Wir erhalten am Konzerthaus Berlin unzählige E-Mails oder Bewerbungsmappen von Künstlern, die ohne einen direkten Kontakt schnell auf einem riesigen Stapel landen. Die Bewerbungsmappe muss individuell für das jeweilige Festival oder Konzerthaus zusammengestellt werden. Jedes Haus hat seine eigenen Schwerpunkte oder Reihen, oftmals mit wechselnden Themen pro Saison. Diese herauszubekommen muss das Ziel der Musiker sein. Das Anschreiben sollte sich dementsprechend gezielt auf ein Projekt beziehen, das den Programmplanern am Haus noch ›fehle‹. Die Bewerbungsmappe sollte zudem nicht blind versandt werden, sondern durch eine Kontaktperson bei einem Mitarbeiter des Konzerthauses abgegeben werden. Eine weitere, oft gestellte Frage ist, wie man an die richtige Agentur kommt. Viele Studenten bewerben sich erfolglos bei verschiedenen Agenturen, während z.B. Preisträger großer Wettbewerbe sich die Agentur aussuchen können. Gerade am Anfang ist es sinnvoller, eine kleine Agentur für sich zu gewinnen, die sich intensiv um den langfristigen Aufbau der Karriere kümmert. Wunsch aller Studenten und junger Musiker ist die Vermittlung von Konzertauftritten durch die Agentur. Gerade während des Aufbaus einer Karriere kommen die meisten Auftritte allerdings durch die eigenen Kontakte zustande. Dafür ist heutzutage ein professionelles Netzwerk vonnöten. Oftmals gehe ich mit meinen Studenten nach einem Konzert ›hinter die Bühne‹. Gerade nach
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einem Konzert herrscht dort eine gute Stimmung, in der man dem Dirigenten, Solisten oder Veranstalter gratulieren kann. Bevor man dem Künstler gegenüber tritt, sollte man sich allerdings Gedanken gemacht haben, was man ihm überhaupt sagen möchte. Häufig habe ich Begegnungen erlebt, bei denen der Student vor dem großen Namen stand und keinen Ton hervorbrachte. Ich empfehle den Studenten auch, sich frühzeitig in ein Tonstudio an der Hochschule zu begeben. Heute sind CD-Aufnahmen für die Bewerbung unumgänglich. Die trockene Akustik eines Tonstudios, die zahlreichen Wiederholungen desselben Stücks und der Zeitdruck müssen frühzeitig kennengelernt werden, damit bei der Produktion durch ein professionelles Label die eigene Konzentration und Motivation nicht nachlassen. MT: Wie könnten die Musikhochschulen ihr Angebot verbessern? Wie müssten die Musikhochschulen sich stärker den verändernden Marktbedingungen anpassen? SN: Wünschenswert wäre, dass die Hochschulen neben der Ausbildung des Musikers am Instrument zusätzliche Hilfestellung z.B. durch ein Mentorenoder Alumnisystem bieten, bei dem ehemalige Studierende dem Musikernachwuchs mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen. An einigen Hochschulen haben sich bereits Konzertvermittlungsbüros aufgebaut, die den Studierenden helfen, Kontakte auf dem Markt zu knüpfen. Hilfreich wäre dabei die Zusammenarbeit zwischen professionellen Institutionen wie Orchestern, Festivals oder privaten Musikveranstaltern und der Hochschule. In den USA gibt es an den Hochschulen sogar »Career Development Center«, die den Studierenden nach dem Abschluss bei der Stellensuche helfen. Abschließend möchte ich aber betonen, dass alle Netzwerke oder Managementkenntnisse nicht zielbringend sind, wenn die Qualität der Darbietung nicht stimmt. Die Hochschulen müssen selbstverständlich auch weiterhin den Fokus auf die instrumentale Ausbildung legen. Im Zuge der wachsenden Anforderungen an die Studierenden sollten die Musikhochschulen allerdings reagieren und die Sekundärkompetenzen der Studierenden fördern. An der HMT Rostock ist das Fach Karriereplanung/Musikmanagement mittlerweile Pflichtfach für den Bachelor- und Masterstudiengang. MT: Vielen Dank für das Gespräch und diesen Einblick ›hinter die Bühne‹!
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4.3 Concerto 21.
Ein Innovationsinkubator für das Curriculum an Musikhochschulen Martin Tröndle
Glaubt man neueren Erkenntnissen der kultursoziologischen Forschung, dann steht es nicht gut um das Musikland Deutschland. Zwar profitiert der Musikbetrieb noch von den geburtenstarken und teils klassikaffinen Jahrgängen, doch in absehbarer Zeit wird das Konzertpublikum dramatisch schrumpfen: Wer heute ein Konzert mit klassischer Musik oder eine Opernaufführung besucht, findet sich in einer Gesellschaft ergrauter Herrschaften wieder, in die sich kaum jüngeres Publikum verirrt. Eine Reihe von teilweise repräsentativen Studien zeigt, dass das Durchschnittsalter des Konzertpublikums zwischen 55 und 60 Jahren liegt […]. Nach Untersuchungen von Hamann (2003, 2005) ist das Durchschnittsalter des Klassikpublikums in den vergangenen 20 Jahren dreimal so schnell angestiegen (um ca. 11 Jahre) wie das Durchschnittsalter der Bevölkerung (ca. 3,4 Jahre). Prognosen für die Zukunft verheißen nichts Gutes: Wenn die Computer-Simulation, die Hamann durchgeführt hat, richtig ist, wird das Klassik-Publikum in den nächsten 30 Jahren um ca. 36 Prozent zurückgehen. Das steigende Alter des Publikums in den Konzertsälen und Opernhäusern ist nicht darauf zurückzuführen, dass Erwachsene mit zunehmendem Lebensalter eine Vorliebe für Klassische Musik entdecken (auch wenn das hier und da der Fall sein mag). Stattdessen handelt es sich hauptsächlich um einen Generationseffekt. (Gembris 2011: 66)
Die Sozialisation, die den Gebrauch von Kunst und Musik bestimmt, ist bis zum 25. Lebensjahr weitgehend abgeschlossen. Die musikalischen Präferenzen, die man bis dahin ausgebildet hat, verändern sich kaum noch: Es gibt kein ›Klassik-Gen‹, das die Leute im Alter in den Konzertsaal gehen lässt. Nicht nur die Musiksoziologie sondern auch die Altersforschung bestärkt dies: »Wenn es irgendeine Tendenz gibt, dann die, bei dem zu bleiben, was man immer schon war« (Geschke 2003: 11). Auch der Soziologe Gerhard Schulze konstatiert, dass alltagsästhetische Vorlieben und Abneigungen über die Jahre hinweg ähnlich bleiben und Ausdruck von Persönlichkeit sind, »[…] geprägt durch das Verhältnis der Alterskohorte eines Individuums zur kollektiven Geschichte der Stile. Differenzierungen der Alltagsästhetik wandern mit den Geburtsjahrgängen durch die Zeit.« (Schulze 1997: 189) Ähnlich argumentierte bereits Albrecht Göschel (1991) unter dem Titel Die Ungleichzeitigkeit in der Kultur. Die vielfältigen Musikvermittlungsprogramme, die in den letzten Jahren landauf landab lanciert wurden, tragen dem Rechnung. Man beabsichtigt, durch eine großflächige musikalische Sozialisation Kinder und Jugendliche
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mit klassischer Musik und den Ritualen des klassischen Konzerts vertraut zu machen. Die Namen der Programme sind bekannt: Jedem Kind sein Instrument, Kinder zum Olymp, netzwerk junge ohren u.v.a. Aus ökonomischer Perspektive lässt sich hier von Absatzsicherung sprechen (der Entwicklung neuer Hörerschichten), aus einer kulturpolitischen von Ressourcensicherung, denn es geht um die Legitimation der eigenen Arbeit gegenüber den Instanzen, die über die öffentliche Mittelvergabe wachen.
›S INNKULT U R ‹ U ND ›P R Ä SENZKU LT U R ‹ Was jedoch bei diesen ›vermittelnden‹ Initiativen weitgehend außer Acht gelassen wird, ist die Frage, warum die Konzertgänger ausbleiben. Ist es die viel zitierte mangelnde Vorbildung, die ein ›Verstehen‹ des Konzerts verunmöglicht? Das Versagen der schulischen Erziehung, das fehlende Musizieren im Elternhaus oder gar der Zerfall bürgerlicher Werte? Ist es das Konzert selbst, das als unattraktiv empfunden und daher gemieden wird? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt sich der Blick in die empirische Besucherforschung. Susanne Keuchel sammelt seit Jahren Daten zum aktuellen Konzertleben (Kulturbarometer und Jungendkulturbarometer) und ihre Forschungsergebnisse widersprechen in weiten Teilen den musikpädagogischen Prämissen. Der Mainstream der Musikpädagogik vertritt eher einen kognitiv geprägten Ansatz. Man geht davon aus, dass je mehr man über die Musik weiß, desto stärker die Bindung an die Musik sei. Pointiert: Wer die Sonatenhauptsatzform hörend zu analysieren versteht, der liebt sie. Vor dem Hintergrund, dass die Profession der Pädagogen darin besteht, Wissen zu vermitteln, erscheint diese Argumentation aus der Sicht der Musikpädagogik nur stringent. Die empirischen Forschungsergebnisse zur Einstellung und Erwartungshaltung der Konzertbesucher hingegen verhalten sich dazu konträr: Den Besuchern geht es weit weniger um neues Wissen, als vielmehr um gute Unterhaltung, um ein spannendes Ereignis und darum, eine sozial ansprechende Situation zu erleben. Das Konzert wird von den potenziellen Besuchern als ein ästhetischsoziales Ereignis empfunden (Keuchel 2011: 88f.). Vergegenwärtigt man sich ebenso, dass Jahr für Jahr, seit Jahrzehnten hunderttausende Kinder und Jugendliche in Deutschland Musikunterricht erhalten, also aktiv mit klassischer Musik in Kontakt kommen, lässt dies einen an einem Kausalzusammenhang zwischen musikalischer Kompetenz und dem Konzertbesuch zweifeln. Denn würden all diese Kinder und Jugendlichen, die nun zu Erwachsenen geworden sind, Konzerte besuchen, wären die Konzerthäuser voll. Es ist gut, dass Kinder und Jugendliche ein Instrument erlernen, sie werden dadurch jedoch nicht automatisch zu Konzertbesuchern (vgl. Mende/Neuwöhner 2006: 247).
Martin Tröndle £4.3 Concerto21.
Dieser Unterschied in der Erwartungshaltung an das Konzert zwischen Machern und Hörern ist folgenreich: Denn zentral ist beim Konzertbesuch offensichtlich nicht die Kategorie des Wissens, sondern die der Erfahrung. Matthias Rebstock spricht in Anlehnung an Hans Ulrich Gumbrecht von »presentness« (2011: 144ff.). Ein Begriff, mit dem ein Paradigmenwechsel weg von der hermeneutischen ›Sinnkultur‹ hin zu einer ›Präsenzkultur‹ vollzogen werden soll. »Grundsätzlich wird mit dem Begriff der Präsenz eine Erfahrung beschrieben, die sich nicht als Zeichendeutung oder Sinnzuschreibung verstehen lässt. Präsenz zielt auf die Materialität und den Ereignischarakter der Dinge der Welt, auf die Körperlichkeit der Akteure und den Vollzug der Handlungen und insbesondere auf den Vollzug von Ritualen.« (Ebd.: 145) Versteht man die Darbietungsform der klassischen Musik als ein ästhetisch-soziales Ereignis, dann rückt die Art und Weise der Aufführung, also die Aufführungskultur der Kunstmusik in den Fokus und lässt sich wie folgt pointieren: Die Krise der Kunstmusik ist weniger eine der Musik oder des Publikums als vielmehr eine ihrer Darbietungsform. Welche Folgen hat diese Erkenntnis für die Ausbildung der Musiker an Musikhochschulen? Wie müssten die curricularen Angebote daraufhin erweitert werden?
Z U R K O N S T RU K T I O N D E S I NN OVAT I O N SINKU B ATO R S Im Rahmen des Programmes »Gesellschaftliche Innovation« fördert die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. in Hamburg das Projekt Concerto21. – Sommerakademie für Aufführungskultur und Musikmanagement. Seit dem Jahr 2008 werden hier jährlich maximal 16 Akademisten (Solisten, Ensemblemusiker oder junge Musikmanager) eingeladen, um zukünftige Konzertmodelle zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Leitidee dabei ist, die für die musikalische Praxis der Musikschaffenden notwendigen Kompetenzfelder experimentell zu entwickeln. In einem zweistufigen Verfahren werden die potenziellen Akademisten zunächst von Nominatoren vorgeschlagen. Nominatoren sind die Lehrenden der Sommerakademie, frühere Akademisten und Institutionen des Kulturlebens (z.B. Akademie Schloss Solitude, Bundeskulturstiftung, Goethe-Institut, Studienstiftung des deutschen Volkes). In einem zweiten Schritt werden aus diesen Nominationen die Akademisten aufgrund ihrer Bewerbungsunterlagen (Künstlermappe/Arbeitsproben) und eines Motivationsschreibens ausgewählt. Das sind Solisten, Ensemble- und Orchestermusiker sowie junge Musikmanager; die Bandbreite reicht von Inhabern von Solostellen in renommierten Staatsorchestern bis hin zu Noch-Studierenden. Nahezu alle sind Preisträger internationaler Musikwettbewerbe wie z.B. dem ARD-Musikwettbewerb, Deutschen Musikwettbewerb, Isang-Yun- oder dem Pablo-Sarasate-Wettbewerb. Ihnen ge-
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mein ist eine hohe musikalische Qualität, Neugier und der Wille, die eigene Konzertpraxis weiter zu entwickeln. Sie werden für zweimal fünf Tage auf das Seminarzentrum Gut Siggen zu Concerto21. eingeladen, um inhaltsorientierte Konzertmodelle, neue Vermittlungsmethoden und nachhaltige Kommunikationsstrategien zu diskutieren. Dabei geht es nicht um eine ›Eventisierung‹ des Konzerts, sondern darum, die Kunstform »Konzert« als Präsentationsform zeitgemäß weiterzuentwickeln und der Klassik so Marktanteile zurück zu erobern. Die Abgeschiedenheit von Gut Siggen fördert eine konzentrierte und familiäre Arbeitsatmosphäre, also auch die persönliche Begegnung zwischen den Stipendiaten der Akademie und den Dozierenden. Zeitlich gliedert sich die Sommerakademie in drei Phasen: In der ersten Woche in Siggen werden die Themen »Publikum«, »Konzertprogramme«, »Dramaturgie« und »Inszenierung« behandelt. Dabei werden die eigene Aufführungspraxis reflektiert und neue Aufführungskonzepte erarbeitet (Phase I). In den darauf folgenden Wochen setzen die Akademisten die Theorie selbstständig in die Praxis um: Das Gelernte wird nun am eigenen Ensemble bzw. Programm konkretisiert und weiter ausgearbeitet (Phase II). Mit ihren überarbeiteten Konzepten kommen die Akademisten zu einer zweiten Arbeitswoche in Siggen zusammen (Phase III). Die in Phase II entwickelten Konzepte werden diskutiert. Darauf aufbauend, werden nun geeignete Kommunikationsstrategien erarbeitet und mögliche Marktpositionierungen geprüft. Die Themen der Sommerakademie sind in folgende Module gegliedert: Musikbetrieb und Musikmarkt; Publikumssoziologie; praktische Musikphänomenologie; Musikdramaturgie und Konzertkonzepte; Inszenierte Konzerte und Konzertinszenierungen; Strategisches Ensemblemanagement; Artist Development; Öffentlichkeitsarbeit für Musiker; Marketing für Musiker; Strategische Künstlerentwicklung; Interviewtraining; Image Management; Drittmittelakquise. Unterrichtet werden die Module u.a. von Hochschulprofessoren, Intendanten von Konzerthäusern, Festivals und Ensembles, PR-Managern, Label-Direktoren und Dramaturgen.
D I E M O D U LE I M E INZELNEN Musikbetrieb und Musikmarkt Im Mittelpunkt des Moduls stehen die Theorie und Geschichte der Aufführungskultur klassischer Musik. Anhand dieser historisch-theoretischen Perspektivierung soll ein Verständnis für die Entwicklung der Rituale, Dramaturgien, Ökonomien, Architekturen und Performanzen geschaffen werden, die es vermochten, die Aufmerksamkeit einer stetig wachsenden Hörerschaft an sich zu binden. Erst wenn man versteht, wie und warum sich das Konzert in seiner Präsentationsform zu dem entwickelt hat, was es heute ist, und diese
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Entwicklung nicht als rein zufällig erachtet, ist man in der Lage, zukünftige Konzertformen zu entwickeln, die bei einem veränderten Publikumsverhalten Erfolg haben können. Publikumssoziologie »Audience Development« beginnt damit, sein Publikum und seine Gewohnheiten kennen zu lernen, denn zielgruppengerechte Konzertangebote können nur bei klaren Publikumsprofilen entstehen. In diesem Modul findet anhand ausgewählter Texte und Publikumsstudien eine Einführung in die Publikumssoziologie statt. Wer sind die Konzertbesucher? Wie entwickeln sich die Segmente, aus denen das Publikum besteht? Welche Erwartungen hat es an das Ereignis »Konzert«? Wer sind mögliche Nicht-Besucher, die für das Konzert gewonnen werden könnten? Wo, wie und mit welchen Mitteln können diese Publikumssegmente angesprochen werden? Praktische Musikphänomenologie Unter dem Titel »Praktische Musikphänomenologie« wird versucht, die Hörerfahrung in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht darum, Situationen und Bedingungen zu schaffen, in der eine Intensität des Hörens ausgelöst werden kann und so der Musik vermehrt Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird. Musikdramaturgie und Konzertkonzepte Durch die Vielzahl von Themenfestivals und inhaltlichen Vorgaben der Veranstalter müssen Musiker heute flexibel und erfinderisch in der Gestaltung von Konzertprogrammen sein. Und nicht nur das: Musiker und Ensembles geben sich durch ihre musikdramaturgische Arbeit ein erkennbares Profil. In dem Modul steht daher die inhaltlich-konzeptionelle Arbeit im Mittelpunkt. Anhand der Vorstellung und Diskussion unterschiedlicher theoretischer und praktischer Ansätze soll das Verständnis für musikdramaturgisches Arbeiten geschärft und eine Einführung in die Thematik gegeben werden. Folgend entwickeln die Seminarteilnehmer in Workshops eigene musikdramaturgische Ideen und Aufführungskonzepte. Das Seminar erläutert Techniken der Materialrecherche und Ideenfindung anhand von Beispielen und begleitet die Akademisten bei der Erarbeitung eigener Programme. Inszenierte Konzerte und Konzertinszenierungen Bei dem Begriff des »inszenierten Konzertes« stellt man sich zunächst ein multimediales Popkonzert vor. Doch die Inszenierung des Konzertes beginnt lange vor der Inszenierung der Popkonzerte, denn jedes Konzert ist ein Konglomerat verschiedenster Inszenierungen und Rituale, die auf die Hörerfahrung maßgeblichen Einfluss haben. Allein die Art und Weise, wie ein
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Pianist die Bühne betritt, ist Teil einer Inszenierung. In Anlehnung an Paul Watzlawick lässt sich sagen: Man kann nicht nicht inszenieren. Wenn man in einem Konzert Momente erlebt, in denen das Hier und Jetzt besonders stark empfunden wird und es zu einer Verbindung zwischen Musik, Musikern und Zuhörern kommt, dann spricht man von »Präsenzerfahrungen«. Dabei spielt der Zusammenhang zwischen Hörsituation und Hörerfahrung eine entscheidende Rolle. Die Hörsituation, bspw. geprägt durch die Saalgestaltung, die Bühnenanordnung, die Bühnengestaltung, die Ausrichtung des Publikums, die Lichteinstellungen, Ritualisierung der Auf- und Abtritte der Musiker und die Beifallsbekundung, die stille Versenkung während des Konzertes u.v.a., erscheint uns selbstverständlich, da wir seit dem Kindesalter mit ihr sozialisiert sind. In den beiden Modulen »Inszenierte Konzerte« und »Konzertinszenierungen« beschäftigen sich die Akademisten mit Theorien der Inszenierung von Konzerten und analysieren konkrete Konzertsituationen im Hinblick auf ihre Präsenz. Die Leitfragen dabei sind: Wie kann das Ereignis »Konzert« zu einer Präsenzerfahrung gemacht werden und welche Inszenierungsstrategien eignen sich dazu? Diese Fragen sollen zu einer kritischen Reflexion bzw. zur bewussten Entwicklung der eigenen Konzertpraxis im Hinblick auf ihre Inszenierungspraktiken beitragen. Marketing für Musiker Die bis hierhin angestellten ästhetischen und kultursoziologischen Überlegungen wurden in der Selbstarbeitsphase zu verschiedenen Konzepten verdichtet. Diese Konzepte der einzelnen Solisten und Ensembles werden nun auf ihre Machbarkeit hin geprüft. Dabei sollen im Rahmen des MarketingManagement-Prozesses Arbeitsschritte wie z.B. die Wettbewerbssituation, die Beschaffung- und Nachfrageanalyse operationalisiert werden, um daraus geeignete Strategien zur Positionierung des Angebotenen zu entwickeln. Diese Strategien werden maßgeblichen Einfluss auf die Kommunikationspolitik der Musiker oder Ensembles haben. Das Modul »Marketing« bietet somit die grundlegenden Überlegungen für das Modul »Öffentlichkeitsarbeit«. Die Profilierung des eigenen Angebots und dessen Versprachlichung hat nicht zuletzt eine kathartische Wirkung auf das Selbstverständnis der Musiker. Artist Development Jede strategische Künstlerentwicklung muss, um schlussendlich zu überzeugen, auf den Spezifika des jeweiligen Künstlers oder Ensembles basieren. In diesem Modul lernen die Akademisten Techniken des framing und re-framing der individuellen, persönlichen und künstlerischen Eigenschaften kennen. Durch bewusste Deutungs- und Umdeutungsprozesse und unterschied-
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liche Kontextualisierungen kann so dem Künstler oder den Ensembles ein bestimmter Sinn zugewiesen und eine besondere Rahmung vorgenommen werden. Imageentwicklung und story telling sind wesentliche Stichwörter im Modul »Artist Development«. Sie liefern einen weiteren Grundstein zur strategischen Künstlerentwicklung, der Marktpositionierung und der Kommunikationspolitik. Strategische Künstlerentwicklung Neben der künstlerischen Leistung sind heutzutage der Aufbau eines dichten Netzwerks, die Kooperation mit Sponsoren sowie gezielte Öffentlichkeitsarbeit für den Erfolg von Karrieren von wesentlicher Bedeutung. Welche Eigenschaften machen einen jungen Künstler für den Musikmarkt und damit für eine Agentur interessant? Welches sind die relevanten Parameter für einen erfolgreichen Karrierestart? In diesem Modul werden die entscheidenden Kriterien für die Karriere-Entwicklung exemplarisch mit den Akademisten erarbeitet. Zudem wird an Fallbeispielen gezeigt, wie eine strategische Entwicklung eines Solisten oder Ensembles von statten geht. Öf fentlichkeitsarbeit für Musiker Im Hinblick auf die vorausgegangenen Überlegungen zum Kulturpublikum, den Inszenierungspraktiken, den Marketingstrategien und dem Artist Development werden erste Slogans, Texte und Künstlerbiografien erstellt. Anhand der Analyse zahlreicher Bildmaterialien, Biografien und Selbstdarstellungen anderer Künstler und Ensembles wird der Blick für die eigene Selbstdarstellung geschärft. Zusätzlich zu diesen materiellen Erzeugnissen der Öffentlichkeitsarbeit findet eine ausführliche Beschäftigung mit dem Internet statt. Die digitalen Netzwerke haben auch für die Klassik rasant an Bedeutung gewonnen. Unweigerlich stellt sich für Künstler die Frage: »Wie kann und muss man diese Trends für sich und sein Ensemble nutzen?« Im Fokus dieses Moduls stehen das Online-Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit im Netz. Es geht darum, wirkungsvolle Kanäle im Internet kennenzulernen und anhand von Beispielen Strategien für die eigene Online-Präsenz zu entwickeln. Im Anschluss werden die Online-Auftritte der teilnehmenden Künstler und Ensembles analysiert und diskutiert, um die eigene Online-Präsenz zu verbessern sowie das Internet als Instrument der Selbstvermarktung kennenzulernen und zu nutzen. Konzertkonzepte und Konzertakquisition Schwerpunkte des Moduls sind die Verknüpfung von Konzertkonzepten und Konzertakquisition sowie das Vorgehen bei der Konzertakquisition als Musiker oder Ensemble. Was genau ist bei der Kontaktaufnahme mit dem Veran-
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stalter zu beachten? Wann ist mein Angebot für diesen überhaupt erst interessant? Wie verhandle ich die Gage? Image Management In dem Modul »Stilberatung« werden Farbwirkungen, Proportionslehre und Stil sowohl theoretisch als auch praktisch an den Teilnehmern gezeigt. Nähe oder Distanz herstellen, die eigene Präsenz verstärken, Angemessenheit in der persönlichen Erscheinung zeigen, all dies kann über die Farben und die stilistische Ausrichtung der Kleidung erreicht werden. Ziel des Moduls ist, den künstlerischen Auftritt durch ein stimmiges Erscheinungsbild optimal zu unterstreichen, den eigenen Stil zu definieren und zu wissen, was für die Persönlichkeit und Zielsetzung vorteilhaft ist. Strategisches Ensemblemanagement Das Tätigkeitsfeld von Ensemblemusikern hat sich in den letzten Jahren erheblich erweitert: Neben der klassischen Ensembletätigkeit treten Aufgabenfelder wie Vermarktung, Education, Projektentwicklung und Dramaturgie ins Zentrum der beruflichen Existenz. Der Ensemblemanager muss diese Entwicklung maßgeblich begleiten und profilieren sowie neue Herausforderungen antizipieren. Gemeinsam mit den Akademisten soll erörtert werden, welche Zukunftsstrategien für ein Ensemble zu entwickeln sind. Drittmittelakquise Viele der Akademisten bewerben sich nicht nur um Engagements bei Veranstaltern, sondern haben ihr eigenes Ensemble, Festival oder ihre eigene Konzertreihe gegründet. Für die Realisierung der ausgearbeiteten Projektidee gilt es, Drittmittel zu akquirieren. In diesem Modul soll daher ein Kosten- und Finanzierungsplan erstellt, mögliche Förderer gefunden, ein Förderantrag exemplarisch erarbeitet sowie ein Anschreiben verfasst werden. Im Rollenspiel üben die Akademisten dann die Verhandlungssituation mit dem potenziellen Drittmittelgeber. Interviewtraining Spätestens wenn der Erfolg der vorausgegangenen Arbeitsschritte spürbar wird und das Ensemble ins Rampenlicht tritt, müssen Interviews mit Journalisten für Radio- und TV-Stationen gegeben werden. Mit den Akademisten wird daher ein medienspezifisches Interviewtraining mit anschließender Video-Analyse durchgeführt. Dabei soll das eigene Auftreten und Sprechen über sich und die eigene Musik vor Mikrofon und Kamera geübt werden.
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E VA LUAT I O N U ND C U R R I C U L U M S E N T W I C K L U N G Im Anschluss an die drei Arbeitsphasen der Sommerakademie sind die Akademisten dazu aufgefordert, einen mindestens zweiseitigen ausformulierten Erfahrungsbericht zu verfassen. Die Akademisten lassen in diesem jedes Modul einzeln Revue passieren und kommentieren es kritisch. Insbesondere wird in dem Erfahrungsbericht nach ihrer Meinung gefragt, welche der Module im Curriculum der Sommerakademie weniger Gewicht haben sollten. Als Ergebnis dieser Evaluation werden in jedem Jahr die beiden Module, die als am wenigsten wichtig erachtet werden, aus dem Curriculum genommen und durch zwei neue Module oder Dozierende ersetzt. Die Akademisten schlagen ebenso ihre gewünschten neuen Modulthemen und Dozierende vor. Im Laufe der letzten Jahre hat sich das Curriculum dadurch deutlich verändert. Indem die Anspruchsgruppen die Lehrinhalte auf diese experimentelle Art weiterentwickeln, kann Concerto21. als Innovationsinkubator für die Ergänzung des Curriculums in den Musikhochschulen verstanden werden. Solche Überlegungen wie die oben skizzierten anzustellen und Solisten und Ensembles strategisch zu entwickeln, ist jedoch erst dann möglich und sinnvoll, wenn diese künstlerisch weitgehend selbstständig sind. Im Rahmen eines Transfers in die Musikhochschulen sollten solche Module daher erst gegen Ende des Studiums oder in den künstlerischen Aufbaustudiengängen angeboten werden. Dass dieser außermusikalische Kompetenzaufbau notwendig ist, zeigt uns die jährliche Bewerberlage um die Stipendien der Akademie. Bei der hohen Qualität der Bewerber wird ebenso sichtbar, dass auch die Preisträger (oftmals mehrerer) internationaler Musikwettbewerbe für ihren Karriereaufbau diese Kompetenzen dringend benötigen. Es sind gerade diese jungen Musiker, die als Botschafter der Kunstmusik dieser wieder zu einem grösseren Publikumskreis verhelfen können. Sie stehen jedoch im Wettbewerb mit allen anderen Erlebnisanbietern und benötigen daher die Reflexionsfähigkeit und das professionelle Know-how, sich in diesem Wettbewerb um Aufmerksamkeit behaupten zu können. Die Reflexion dieser Themen in Bezug auf die eigene künstlerische Praxis stiftet bei den Stipendiaten zunächst Verwirrung. Gleichzeitig zeigt dies jedoch, wie eng die musikalische Sozialisation gerade bei Spitzenmusikern ist. So äußerte eine Cellistin nach einigen Tagen der Sommerakademie: »Seit 28 Jahren spiele ich Cello, seit 20 Jahren stehe ich auf der Bühne. Ich schäme mich dafür, dass ich in dieser Zeit noch nie an mein Publikum gedacht habe.« Eine weitere schriftliche Evaluation findet ein Jahr nach Besuch der Sommerakademie statt, um zu prüfen, welche Auswirkungen Concerto21. hatte. Auch diese Evaluation fließt in die Curriculumsentwicklung ein. Im Rückblick unse-
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rer mehrjährigen Erfahrung zeigt sich zudem, dass die Ensembles mindestens ein Jahr benötigen, um das in der Sommerakademie Gelernte erfolgreich umzusetzen. Wie solch ein Veränderungsprozess von statten geht, wird im nächsten Beitrag (siehe Kapitel £4.4 Spark, die klassische Band) diskutiert. Concerto21. fand 2011 zum vierten Mal statt und hat sich in diesen wenigen Jahren zu einem hoch effektiven und nachhaltig wirksamen Weiterbildungsformat entwickelt. Viele der Teilnehmer haben im Anschluss an die Sommerakademie ihre mediale Präsenz komplett überarbeitet, bestehende Ensembles aufgelöst und neue gebildet; sie entwickeln Konzertdramaturgien und gehen auf die Bedürfnisse ihres Publikums ein. Sie haben damit auch messbaren Erfolg, der sich in Konzertengagements niederschlägt. Bereits zwei ehemalige Akademisten sind mittlerweile für ihre kreative Arbeit mit einem Echo Klassik ausgezeichnet worden: 2010 das Podium Festival von Steven Walter, 2011 das Ensemble Spark. »Um die Klassik in der Gesellschaft zu verankern, braucht man andere Künstler!«, forderte Rabea Weihser (2007) in der ZEIT. Diesen neuen Künstlertyp fördert Concerto21.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Gembris, Heiner (2011): »Entwicklungsperspektiven zwischen Publikumsschwund und Publikumsentwicklung. Empirische Daten zur Musikausbildung, dem Musikberuf und den Konzertbesuchern«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, Bielefeld: transcript, S.61-82. Geschke, Susanne (2003): »Sie werden nicht alle konservativ«, in: Die ZEIT vom 02.11.2003. Göschel, Albrecht (1991): Die Ungleichzeitigkeit in der Kultur. Wandel des Kulturbegriffs in vier Generationen, Stuttgart: Kohlhammer. Keuchel, Susanne (2011): »Vom ›High Tech‹ zum ›Live Event‹. Empirische Daten zum aktuellen Konzertleben und den Einstellungen der Bundesbürger«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielefeld: transcript, S.83-102. Mende, Annette/Neuwöhner, Ulrich (2006): »Wer hört heute klassische Musik? ARD-E-Musikstudie 2005: Musiksozialisation, E-Musiknutzung und EMusikkompentenz«, in: Media Perspektiven (5), S. 246-258. Rebstock, Matthias (2011): »Strategien zur Produktion von Präsenz«, in: Tröndle, Martin (Hg.), Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, 2. erw. Aufl., Bielfeld: transcript, S. 143-152. Schulze, Gerhard (1997): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, 7. Aufl., Frankfurt a.M.: Campus.
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Weihser, Rabea (2007): »Klassik, jetzt für alle! Dank Anna Netrebko, Sting und Rolando Villazon gewinnt die Plattenbranche neuen Auftrieb. Wie die ›ernste‹ Musik langsam zum Pop wird«, in: ZEIT online vom 15.03.2007, verfügbar unter: www.zeit.de/online/2007/11/klassikmarkt [14.1.2009].
W EBSIT E S http://toepfer-fvs.de/concerto21.html
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4.4 W E D O I T O UR WAY Spark, die klassische Band Daniel Kochitzki und Andrea Ritter im Gespräch mit Martin Tröndle
Martin Tröndle: Gratulation, gestern waren Sie beide im ZDF-Mittagsmagazin, um ihr Ensemble Spark vorzustellen, vor drei Wochen gab es eine TVDokumentation beim Südwest Rundfunk, und der Deutschlandfunk machte dieses Jahr gleich mehrere Sendungen zu Spark. Über mangelnde Medienaufmerksamkeit können Sie sich nicht beschweren, oder? Daniel Kochitzki: Tatsächlich. Wir sind sehr glücklich über diese Medienresonanz. Es freut uns zu sehen, wie unsere Idee einer neuartigen und frischen Kammermusik mithilfe der Medien immer weitere Kreise zieht. MT: Vor kurzem ist Spark zum »Kultur- und Kreativpiloten Deutschland 2010/11« ernannt worden. Was hat es denn mit dieser Auszeichnung auf sich? Andrea Ritter: Die Bundesregierung hat die Auszeichnung in diesem Jahr erstmals vergeben, um innovative Konzepte der Kreativwirtschaft in den Bereichen Musik, Literatur, Film oder Design zu fördern. Aus über 750 Bewerbungen wurden 32 Projekte ausgewählt, die zum »Kultur- und Kreativpilot Deutschland« ernannt wurden. Spark hat diesen Titel als einziger Vertreter des Musikzweigs erhalten. DK: Der Preis ist mit weiterer Medienaufmerksamkeit verbunden, was für die Gruppe gut ist. Im Kern jedoch geht es um etwas anderes: Die »Kulturund Kreativpiloten« sollen nachhaltig gefördert werden. Das bedeutet, dass uns ein Jahr lang Expertenteams zur Seite gestellt werden, um uns zu unterstützen. In Fortbildungen, Workshops und regelmäßigen, individuellen Coachings werden der Stand des Ensembles, die Entwicklungschancen und auch Marktstrategien immer wieder besprochen. MT: Der Preis ist, wie Sie sagten, für innovative Tätigkeit verliehen worden. Was genau ist denn an Spark innovativ? DK: Klassischen Konzerten fehlt häufig das junge Publikum. Die eher steife Atmosphäre solcher Konzertabende bietet zu wenig Anknüpfungsmomente mit dem Lebensstil junger Menschen. Das wollen wir mit Spark ändern. Wir haben einen neuen Klassik-Act kreiert, der sich der Tradition verpflichtet fühlt, aber gleichzeitig am Puls der Zeit ist. Wir arbeiten viel mit Komponis-
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ten zusammen, die in ihre Klangsprache Elemente aus anderen musikalischen Welten einfließen lassen. Das können bspw. Minimalrhythmen oder jazzige Harmonien sein. Wichtig ist, dass diese patterns künstlerisch weiterverarbeitet werden. Sie werden abstrahiert, überhöht oder zu einem neuen Gewebe verflochten. Dennoch bleibt der Moment von etwas Vertrautem. AR: Innovativ ist außerdem, dass wir alle musikalischen Einflüsse zulassen, mit denen wir aufgewachsen sind und die uns umgeben – sei es traditionelle Volksmusik, Jazz oder Rock und Pop. In unseren Konzertprogrammen verknüpfen wir gerne aktuelle Stücke mit klassischen Werken. Dabei schaffen wir manchmal improvisatorische Verbindungsmomente, suchen bisweilen aber auch den radikalen Cut. Wenn wir z.B. den letzten Satz eines VivaldiKonzerts durch ein rockiges Minimalstück ersetzen, verschmelzen Alt und Neu zu einer Einheit. Die klassische Musik wirkt dadurch nicht mehr elitär oder abgehoben, sondern sie wird verständlich und lebendig. MT: Wenn Sie über Ihre Musik sprechen, klingt es eher, als sprechen hier Mitglieder einer Band. Sie verwenden auch den Slogan »die klassische Band« für Spark. Was hat es damit auf sich? AR: Dieser Begriff spiegelt die Energie wieder, die wir freisetzen wollen. Wir glauben, dass wir die Präzision und Virtuosität eines klassischen Kammermusikensembles mit der Power und dem Biss einer Rockband verbinden können. DK: Gleichzeitig möchten wir keinem spezifischen Genre zugeordnet werden. Der Begriff »Band« schien uns passend, da Bands häufig verschiedene musikalische Stile in ihre Stücke integrieren. Das hat uns inspiriert. »Klassisch« wird das Ensemble durch unsere Ausbildung und das Instrumentarium. MT: Facebook, Twitter, Blogs, YouTube etc. – überall findet sich die »klassische Band«. Wie wichtig sind für Sie die Neuen Medien und wie setzen Sie sie ein? AR: Wir fühlen uns selbst der »Generation Web 2.0« zugehörig und bewegen uns gerne auf den oben genannten Plattformen. Sie erleichtern den stetigen Austausch mit Freunden und Fans. Alle Neuigkeiten zu Spark, wie aktuelle Konzerttermine, neueste Videos oder Auftritte in Funk und Fernsehen, sind dort zu finden und können kommentiert werden.
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MT: Früher spielten Sie im Amsterdam Loeki Stardust Quartet, einem der weltbesten Blockflötenquartette und waren in der Alte-Musik-Szene beheimatet. Was drängte Sie dazu, sich neu zu erfinden? DK: Die Zeit im ALSQ war wichtig und intensiv. In diesen Jahren konnten wir das breite Spektrum des Quartettspiels kennenlernen – und das nicht nur in der Alte-Musik-Szene. Loeki führte auch Repertoire aus der Klassik, Romantik und modernen Musik auf. Als die Zusammenarbeit 2007 endete, wollten wir dieser Formation nicht nacheifern. Viel interessanter fanden wir es, etwas noch nie Dagewesenes zu erschaffen, so wie die Gründungsmitglieder des Quartetts es in den 1970er Jahren selbst gemacht haben. Die zentralen Fragen waren also: Wie könnte heute eine völlig neue Ensemblekonstellation aussehen, die die Blockflöte als gleichwertiges Instrument integriert? Welche Musik wird da gespielt? Welches Konzept und welche Klänge könnten dafür prägend sein? AR: Als Blockflötisten ging es uns darum, unser Instrument neu zu platzieren und mit Instrumenten zu kombinieren, mit denen es sonst nicht in Verbindung gebracht wird. Auf diese Weise sollten sich auch das Repertoire und die Auftrittsmöglichkeiten für die Blockflöte erweitern. Aus der allgemeineren Sicht als klassische Musiker hatten wir das Anliegen, mit einer völlig neuen Besetzung frische Impulse zu setzen. Spark vereint das traditionelle klassische Klaviertrio mit der exotischen Welt von über 30 verschiedenen Flöteninstrumenten. Schon in der Besetzung steckt ein ungeheures Potenzial, Tradition zu aktualisieren. DK: Es gibt für unsere Besetzung keine Vorbilder, an denen wir uns hätten orientieren können. Das nimmt viel Erwartungsdruck, denn es wird Raum geschaffen, in dem wir uns musikalisch entfalten können. Gleichzeitig begegnet man einem unvoreingenommenen Publikum. MT: Sie haben ja nicht bloß mit der Besetzung experimentiert, sondern auch, das Konzept, was ein Konzert respektive ein Konzertereignis ist, haben Sie in den letzten drei Jahren intensiv entwickelt. Ihre Konzertprogramme sind dramaturgisch genau durchgeplant. Wie gehen Sie die Programme an und wann haben Sie den Eindruck, dass ein Programm ›gut‹ ist? AR: Eine wichtige und zeitaufwendige Arbeit ist zunächst die Suche nach Komponisten, die ein Auftragswerk schreiben könnten und nach Stücken, die wir dann größtenteils selbst arrangieren. Zudem hat jedes Programm ein übergeordnetes Thema, für das die Stücke ausgewählt werden oder an dem
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sich die Komponisten orientieren. Dann testen wir die Spannungsverläufe zwischen den einzelnen Stücken während unserer Proben oder Probeauftritte. Da wir ganz neue Spannungsbögen zwischen den Stücken herstellen, indem wir sie aus ihrem vertrauten Umfeld lösen und in einen völlig neuen Kontext stellen, ist dies ein wichtiger Moment. Ein Gefühl für die Spannungsbögen bekommen wir jedoch eigentlich nur mit einem Publikum – und wenn es ›nur‹ einige gute Freunde sind. Manchmal können Monate vergehen, bis wir mit einem Programmablauf wirklich zufrieden sind. MT: Bei den Konzerten von Spark gibt es auch eine ›Bühnenshow‹, die je nach Konzert adaptiert wird. Ich sah mehrere Konzerte von Ihnen z.B. bei dem Festival Musik in den Häusern der Stadt, im Konzerthaus Berlin oder im Berghain bei einer Yellow Lounge. Dort haben Sie sogar mit VJs zusammen gearbeitet. Welche Komponente hat die Inszenierung in Ihren Konzerten? Und warum ist Ihnen das wichtig? DK: Wir spielen Musik, die sehr rhythmusbetont ist und dadurch eine körperliche Komponente hat. Diese wollen wir auf der Bühne ausleben – wobei unsere Bewegungen nicht im Sinne einer Choreografie inszeniert sind, sondern sich vielmehr spontan ergeben. Gerne nutzen wir die Möglichkeit, die Wirkung unserer Musik mit VJing oder Lichteffekten zu verstärken. Das ist aber nicht zwingend notwendig. Am wichtigsten ist uns die Interaktion mit dem Publikum. Im Idealfall greift es unsere Energie auf und gibt sie gesteigert an uns zurück, was uns wiederum weiter antreibt. MT: In den Medien stößt Spark auf großes Interesse. Da ist zu lesen, dass Spark die »Kammermusik revolutioniert«, den »Sound der Kammermusik neu erfindet«, und »für frischen Wind im angestaubten Klassikregal sorgt«. Aber wie steht es mit der Akzeptanz bei den Veranstaltern und dem Publikum für diese Konzepte? AR: Sobald wir auf der Bühne stehen, sind Veranstalter und Publikum überzeugt. Wir waren natürlich besonders darauf gespannt, was das traditionelle Klassikpublikum und auch ältere Zuhörer von Spark halten würden. In dieser Hinsicht haben wir nur gute Erfahrungen gemacht. Einmal kam ein älteres Ehepaar nach einem Konzert zu uns, bedankte sich überschwänglich und sagte, es habe sich schon lange nicht mehr so jung gefühlt. In diesem Moment war ich sehr berührt. DK: Wir machen etwas Neues, etwas das sich nicht einordnen lassen will. Umso schwieriger ist es, Spark den Veranstaltern in den richtigen Worten zu
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beschreiben und zu vermitteln, was genau ein Spark-Konzert ausmacht. Viele Veranstalter zögern daher oder wollen die Gruppe zunächst live erleben, bevor sie sie buchen. Inzwischen werden wir glücklicherweise des Öfteren von Veranstaltern weiterempfohlen, sodass die Situation einfacher geworden ist. Es gibt zudem immer wieder experimentierfreudige Veranstalter, die spontan etwas völlig Neues ausprobieren möchten. MT: Wir haben uns vor drei Jahren bei Concerto21. kennengelernt. Was haben Sie in den letzten drei Jahren getan, um das Ensemble zu entwickeln? Wie verlief der ›Karrierepfad‹ und was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen? DK: Der erste entscheidende und zeitaufwändige Schritt war, die richtigen Mitspieler zu finden. Wenn nicht alle in der Gruppe dasselbe Ziel haben und ähnlich viel Engagement einbringen wollen, kann das Ensemble nicht wachsen. Als wir vor drei Jahren mit Spark begonnen haben, haben wir uns die ersten Schritte einfacher vorgestellt und dachten, dass wir viel schneller gut aufgestellt wären. Inzwischen wissen wir, dass wir immer noch vergleichsweise schnell vorangekommen sind. Eine gewisse Entwicklungszeit muss man jeder neuen Idee geben. AR: In den ersten Monaten haben wir viel im Internet recherchiert, uns die Seiten von verschiedenen Komponisten angesehen, stundenlang Musik gehört und über unsere Träume und Vorhaben mit Spark geredet. Es war ein steter Prozess, in dem sich allmählich herauskristallisierte, welche Ziele wir verfolgen wollten und welches Gesicht Spark bekommen würde. MT: Diese Phase des gemeinsamen Suchens und der Vergemeinschaftung ist außerordentlich wichtig. Ich sehe immer wieder, dass entweder niemand im Ensemble eine Vision dafür entwickeln kann, was man anders tun könnte und falls doch, es sehr schwierig ist, die anderen für diese Vision zu begeistern. AR: Ja, bei uns war das auch ein langer Prozess. Es dauert einfach eine ganze Weile, einer Vision ein klares Gesicht zu verleihen – vor allem in einem Ensemble. Man muss viel gemeinsam ausprobieren und Ideen entwickeln. Es können Jahre vergehen, bis man zu einem Konzept kommt, das wirklich stimmig ist. Wir haben zu Beginn eine ganze Menge Kompositionsaufträge vergeben, um unser Repertoire aufzubauen. Viele Stücke haben wir auch selbst arrangiert. Wichtig bei der Auswahl der Komponisten war uns, dass sie unsere Wünsche nachvollziehen konnten und genau in der von uns gewünschten Ästhetik schreiben wollten. Die ersten Konzerte mit einer Art ›Einsteigerprogramm‹ – sprich allen Stücken, die wir zu der Zeit aufführen konnten – haben
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wir selbst organisiert. Gleich bei diesen Auftritten haben wir gespürt, welche Chancen von unserer Besetzung und der Musik ausgehen. Das hat uns natürlich für die nächsten Schritte motiviert. DK: Großes Glück war, dass wir relativ zu Beginn mehrere Agenturen von unserem Konzept überzeugen konnten und somit bei der Konzertakquise Hilfe bekamen. Im Frühjahr 2010 haben wir schließlich ein Label gefunden. Unser Debütalbum Downtown Illusions wurde im September 2010 veröffentlicht und ist sowohl vom Publikum als auch von der Presse begeistert aufgenommen worden. Hinzu kam die Ernennung zum »Kultur- und Kreativpiloten«. Das hat uns viel Auftrieb gegeben und gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. MT: Welche Chancen bietet es, eine Nische zu entwickeln und welche Risiken und Kosten gehen mit so einer Pionierrolle einher, wie sie Spark innehat? DK: Es ging uns nie darum, mit Spark eine Nische zu besetzen – auch wenn es in den Medien immer wieder heißt, wir hätten uns eine geschickte Nische geschaffen. Vielmehr wollten wir unsere Vision einer jungen und frischen Kammermusik ohne Kompromisse verwirklichen und die klassische Kammermusik aus dem Nischendasein führen, in das sie in den letzten Jahren zunehmend gedrängt wird. Es mag sein, dass sich auf diesem Weg eine neue Nische entwickelt hat. Das war aber nicht geplant. AR: Ein großes Risiko steckt darin, dass Spark sich nicht eindeutig einem Genre zuordnen lässt: Immer wieder beobachten wir, dass es Veranstaltern schwer fällt, sich auf ein nicht kategorisierbares Konzertprogramm einzulassen. Während in der Popmusik jeder neuen Strömung ein neuer Begriff zugeordnet wird, bemüht die klassische Musikszene für alles, was über die gewohnten Grenzen tritt, den etwas hilflosen Begriff »Crossover«. Dieser Begriff ist inzwischen so schwammig, dass er für Klassifizierungen unbrauchbar geworden ist. Wir haben viel Zeit und Geld darauf verwendet, Aufnahmen, Filmclips, Bildmaterial, Texte, Flyer, Poster und eine Webpräsenz zu erstellen, um Spark auch neben den Konzerten so gut wie möglich erfahrbar zu machen, um das zu vermitteln, was wir tun. Dennoch übertrifft nichts das Live-Erlebnis. MT: Wie viel Zeit stecken Sie in die Entwicklung des Ensembles, wie viel in Managementaufgaben (PR, Konzertakquise, Agenturgespräche) und wie viel Zeit nimmt das Üben und Proben ein? Wie funktioniert die Aufgabenteilung? AR: Das Üben und Proben macht letztendlich einen viel kleineren Teil der
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Arbeit aus, als man denkt. Das ist wohl eine der ernüchterndsten Erscheinungen im professionellen Musikerleben. Die meiste Zeit investieren wir in die Entwicklung des Ensembles – also die Programmplanung, die CD-Projekte, dazugehörige Texte, Filmclips oder die Kontaktpflege. Damit verbunden sind im Fall von Spark auch die Auswahl der Komponisten oder die Zeit, die wir selbst mit Arrangieren verbringen. An zweiter Stelle steht der Organisationsapparat. Dazu gehören u.a. die Proben- und Konzertplanung, die Absprachen mit Agenturen und Kooperationspartnern oder auch die finanziellen Abwicklungen bis hin zur Steuererklärung. Auch unseren Webauftritt pflegen wir zum Großteil selbst. Einzig die PR-Arbeit und Konzertakquise übernehmen inzwischen Agenturen. MT: Wie wichtig sind diese Konzert- und PR-Agenturen für die Entwicklung von Spark? DK: Die Agenturen sind sehr wichtig, denn sie tragen wesentlich zur öffentlichen Wahrnehmung und zur Imagebildung der Gruppe bei. Außerdem wird der Kontakt zu größeren Veranstaltern erst durch sie möglich. MT: Neben Ihnen beiden als Blockflötisten gibt es ja auch noch andere Bandmitglieder: Victor Plumettaz, Violoncello; Stefan Glaus, Violine und Jutta Rieping, Piano. Werden die Neuerungen und Arbeitsweisen von allen mitgetragen oder gibt es auch Spannungen aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen zur Entwicklung von Spark? AR: Spark funktioniert nur gut, wenn wir zu fünft hinter allen Entscheidungen stehen. Somit versuchen wir immer, einen gemeinsamen Weg zu finden. Sicherlich gibt es auch mal Diskussionen, aber das gehört zur Entscheidungsfindung dazu und kann sehr bereichernd sein. Bisher sind wir uns jedoch immer einig geworden. DK: Um es mit unserem Gruppenmotto zu formulieren: Gemeinsam sind wir Spark! MT: Schönes Motto, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit der Ideenentwicklung!
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£ 5. Recht
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5.1 U RHEBER - UND L EISTUNGSSCHUTZRECHTE IN D EUTSCHLAND Ralf Kitzberger
I. E INLEIT U N G Wer in der Musikbranche tätig ist, hat nahezu täglich mit urheberrechtlich geschützten Werken zu tun. Ein Orchester führt z.B. Musikstücke auf, die ein Komponist geschaffen hat, oder ein Musiker verwendet den Text von jemand anderem. Auch wenn ein Musiker ein Werk selber komponiert und den Text dazu selber verfasst hat, werden Fragen des Urheberrechts berührt. Häufig herrscht jedoch bei den in der Musikbranche Tätigen eine gewisse Unsicherheit bei konkreten urheberrechtlichen Fragen. Dieser Beitrag vermittelt daher einen Überblick über die Grundlagen des Urheberrechts im Bereich der Musik.
II. A LLG E MEINE S Das Urheberrecht schützt Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, die persönliche geistige Schöpfung sind (§§ 1, 2 Urheberrechtgesetz, im Folgenden UrhG genannt). Im Gegensatz zu den technischen Rechten des gewerblichen Rechtsschutzes (z.B. Patent, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster) regelt das Urheberrecht die Rechte an den geschaffenen geistigen Werken (vgl. Dreier/Schulze Urheberrechtsgesetz, Einleitung Rz. 2ff.). Ein spezielles ›Musikurheberrecht‹ existiert nicht. Die wesentliche Grundlage für den Schutz von Werken aller Kunstgattungen finden sich im »Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte«. Die heute in Deutschland gültige Version des UrhG ist am 01.01.1966 in Kraft getreten. Es ist vielfach novelliert worden, die letzte wesentliche Novellierung trat am 07.12.2008 durch das »6. Gesetz zur Änderung des Urheberrechts« in Kraft.
III. G E SC H Ü T Z T E W E R K E U ND DA S S CHÖPFERPRINZIP 1. Welche Werke sind geschützt? Zu den nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken zählen insbesondere: • Sprachwerke, wie Schriftwerke und Computerprogramme, • Werke der Musik, • Pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst, • Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke,
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Lichtbildwerke, Filmwerke, Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
Bei Musikwerken betrifft das Urheberrecht grundsätzlich die Rechte an der Komposition und am Text (Brandhorst 2002: 15; Kitzberger, Musikrecht 2010: 22f.). An die Schutzfähigkeit eines Werks im Bereich der Musik oder Literatur werden keine hohen Anforderungen erstellt. Dabei gilt, dass ein Werk um so eher urheberrechtlich geschützt ist, je mehr es sich durch andersartige Gestaltungselemente vom Bisherigen abhebt, und je zahlreicher die Indizien sind, welche die Besonderheit oder Individualität des Werks bestätigen (BGH GRUR 1988, 810 – Fantasy). Je kürzer eine Tonfolge ist, um so geringer ist also der Spielraum und um so seltener wird Urheberrechtsschutz erlangt (Andryk 1998: 69). Allerdings bestehen in der Musik durch die verschiedenen Tonarten, Betonungen, Rhythmen sowie unterschiedliche Instrumentierungen die Möglichkeiten zur Variation, sodass auchkurze Melodien, Motive oder Tonfolgen urheberrechtlichen Schutz genießen können. Dabei ist auch die sogenannte »kleine Münze« geschützt, d.h. es kommt nicht darauf an, ob ein Werk besonders anspruchsvoll ist. Auch einfache Schöpfungen, wie z.B. Schlager- und Tanzmusik, die nur einen verhältnismäßig geringen Eigentümlichkeitsgrad aufweisen, genießen daher urheberrechtlichen Schutz (BGH GRUR 1968, 321 – Haselnuß; BGH GRUR 1981, 267, 268 – Dirlada; OLG München ZUM 1989, 588, BGH GRUR 1988, 812, 814 – Ein bisschen Frieden). Der Begriff »kleine Münze« ist historisch begründet und stammt aus einer Zeit, als für einfache Schlager vom Komponisten nur relativ geringe Einnahmen erzielt werden konnten (Brandhorst 2002: 15). Nicht geschützt ist der musikalische Stil, etwa der Dixieland-Jazz oder der Country-Sound. Welche Anforderungen an die Schutzfähigkeit eines Werks im Bereich der Musik sowie an die Individualität des Musikstücks gestellt werden, wird von den Gerichten aufgrund der bestehenden Gesetze und der vorliegenden Rechtsprechung entschieden. Dabei müssen die Gerichte im gerichtlichen Verfahren immer wieder Sachverständige aus dem Bereich der Musik bemühen, um beurteilen zu können, ob die Eigentümlichkeit des Werks ausreichend ist, um eine persönlich, geistige Schöpfung im Sinne des UrhG zu bejahen. Die Landesregierungen sind gemäß § 105 UrhG ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Urheberrechtsstreitsachen für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem Landgericht zuzuweisen. Das Urheberrecht trägt damit der Tatsache Rechnung, dass es sich bei den Urheber- und Leistungsschutzrechten um eine Spezialmaterie handelt, die grundsätzlich nur von Richtern beherrscht werden
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£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland kann, die sich ständig mit diesem Gebiet beschäftigen (Fromm/Nordemann 2008: § 105 Rz. 1ff.). Bei elektronischer Musik gelten die üblichen urheberrechtlichen Regelungen. Benutzt also ein Komponist seinen Computer zum Komponieren, so ist das entstehende Musikstück ein Werk der Musik, wenn es von genügender schöpferischer Eigenart ist. Es liegt daher keine persönliche geistige Schöpfung vor, wenn nicht der Komponist, sondern die Software des Computers die Gestalt der Komposition bestimmt und diese für den Komponisten nicht mehr vorhersehbar ist (ebd: § 2 Rz. 48). 2. Was ist bei Bearbeitungen zu beachten? In der Praxis spielt die Veränderung bereits vorhandener Musikwerke eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Veränderung kann als schöpferische Bearbeitung wie ein selbständiges Werk geschützt sein (§ 3 Satz 1 UrhG). Zu beachten ist dabei, dass die Bearbeitung nur mit Zustimmung des ursprünglichen Urhebers veröffentlicht oder verwertet, also z.B. als CD kopiert, verkauft oder im Radio gesendet werden darf (§ 23 UrhG). Von der schutzfähigen Bearbeitung zu unterscheiden sind die unwesentlichen Bearbeitungen eines nicht geschützten Musikwerks. Sie sind nicht urheberrechtlich geschützt (§ 3 Satz 2 UrhG). Dadurch soll die Pflege des Volksmusikgutes erleichtert werden. Unwesentlich im Sinne des § 3 Satz 2 UrhG ist eine Bearbeitung dann, wenn sie bei einem überlieferten melodischen, harmonischen und rhythmischen Grundmuster verbleibt (Moser/Scheuermann 1997: 766). Bei musikalischen Bearbeitungen im Sinne des § 3 Satz 1 UrhG werden an die schöpferischen Eigentümlichkeiten relativ niedrige Anforderungen gestellt. Welcher Maßstab im Einzelfall angelegt wird, um den Abstand zwischen dem Originalwerk und der abhängigen Umgestaltung zu ermitteln, hängt von der Gestaltungshöhe des als Vorlage benutzten Werks ab. Je auffallender und je größer die Eigenarten der benutzten Vorlage sind, um so weniger werden dessen übernommene Eigenheiten in dem danach geschaffenen Werk verblassen. Umgekehrt gilt, dass eine Vorlage von geringer Eigenart eher in dem später geschaffenen Werk aufgeht als eine Vorlage mit besonderer Eigenprägung (BGH GRUR 81, 276, 269 – Dirlada; BGH GRUR 91, 533, 534 – Brown Girl II; Moser/ Scheuermann 1997: 766). Der Maßstab, der an die Eigentümlichkeit anzusetzen ist, wird von der Rechtsprechung vorgegeben und mithilfe von Sachverständigengutachten durch Gerichte beurteilt. So hat der Bundesgerichtshof z.B. bereits der Instrumentierung und Orchestrierung eines gemeinfreien Volksliedes für Blasmusik und Männerchor den Bearbeiterschutz zuerkannt mit der Begründung, dass durch die Kombination der einzelnen Gestaltungselemente, den Einsatz der
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Instrumente, die Wirkung ihrer Klangfarbe und die andersartige Rhythmisierung ein eigenständiger Charakter geschaffen worden sei (BGH GRUR 68, 321, 324 – Haselnuß; Moser/Scheuermann 1997: 766f.). Bei Coverversionen ist zu unterscheiden, ob eine Bearbeitung vorliegt, oder ob es sich lediglich um eine Interpretation handelt. Unter einer Coverversion versteht man die neue Version eines bereits erschienenen Musikstücks (Berndorff/Eigler 2004: 214). Handelt es sich bei der Coverversion um eine Bearbeitung im Sinne des § 3 UrhG, so muss für die Bearbeitung, Veröffentlichung und Verwertung die Einwilligung der Urheber bzw. Rechteinhaber eingeholt werden. Eine Coverversion stellt keine Bearbeitung dar, wenn das ursprüngliche Musikwerk weitgehend unverändert wiedergegeben wird, also weder Text noch Melodie abgewandelt werden. Für die Abgrenzung ist § 39 Abs. 2 UrhG heranzuziehen. Danach sind Änderungen des Werks zulässig, die der Urheber nach Treu und Glauben nicht versagen kann, d.h die ihm unter Berücksichtigung der Verkehrssitte sowie der herrschenden sozialethischen Wertvorstellungen zumutbar sind. Daraus folgt, dass die Veränderungen den Charakter des ursprünglichen Werks im wesentlichen unberührt lassen müssen. Wird dies berücksichtigt, so sind Änderungen der Tonart, der Instrumentierung, des Sounds und leichte Kürzungen oder Verlängerungen zulässig (Schack 2005: Rz. 238; BGH GRUR 72, 143, 145 – Biographie: Ein Spiel ; Berndorff/ Eigler 2007: 215f.). Ob eine Bearbeitung vorliegt oder nicht, muss im Einzelfall entschieden werden. Im Falle einer streitigen Auseinandersetzung muss vom angerufenen Gericht – ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigengutachtens – entschieden werden, ob eine Bearbeitung vorliegt. 3. Das Schöpferprinzip Im deutschen Urheberrechtsgesetz herrscht das sogenannte »Schöpferprinzip«, d.h. Urheber eines Werks kann nur der Schöpfer des Werks sein (§ 7 UrhG). Als Schöpfer kommen nur natürliche Personen in Frage. Roboter, Tiere, juristische Personen etc. können daher nicht Schöpfer von urheberrechtlich geschützten Werken sein (Fromm/Nordemann 2008: § 7 Rz. 1ff., Kitzberger 2010: 24). Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich, sodass auch minderjährige Urheber sein können. Folge des Schöpferprinzips ist, dass nicht vereinbart werden kann, dass derjenige, der die finanziellen Mittel für die Herstellung eines Musikwerks gegeben hat, als Urheber anzusehen ist. Solche Vereinbarungen sind nach US-amerikanischem Recht und dem dort geltenden Prinzip »work made for hire« zulässig. Dem deutschen Urheberrecht ist dieses Prinzip fremd (Fromm/Nordemann 2008: § 7 Rz. 2ff.).
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IV. W I E ENT S T EHT DA S U RHEBERRECHT ? 1. Ist ein formeller Eintragungsakt erforderlich? Das Urheberrecht entsteht unmittelbar durch die Schaffung des Werks durch den Urheber und verschafft somit dem Schöpfer des Werks die ihm nach dem UrhG zustehenden gesetzlichen Ansprüche. Es ist kein Eintrag, keine amtliche Prüfung und keine Registrierung erforderlich. Sobald ein Werk geschaffen und für menschliche Sinne wahrnehmbar gemacht worden ist, genießt es Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz. Eine körperliche Fixierung, z.B. auf CD oder Papier, ist im Bereich der Musik nicht notwendig (Berndorff/Eigler 2007: 19). Für Urheber, die ihre Werke anonym oder unter einem Pseudonym erscheinen lassen wollen, ist die Eintragung in die Urheberrolle beim deutschen Patentund Markenamt möglich. Sinn und Zweck der Eintragung ist die Verlängerung der gesetzlichen Schutzfrist. Anonyme Werke und solche, die unter einem Pseudonym veröffentlicht werden, sind grundsätzlich nur bis 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung geschützt (§ 66 UrhG). Die Eintragung in die Urheberrolle führt dazu, dass die Werke bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt sind (§§ 64, 66 UrhG). Für das Entstehen des Urheberrechts ist keine Veröffentlichung notwendig. Das Anbringen des Copyright-Vermerks © führt nicht zwingend zu urheberrechtlichem Schutz. Allerdings kann die Anbringung des Copyright-Vermerks zu Beweiserleichterungen führen, denn nach § 10 UrhG gilt bis zum Beweis des Gegenteils derjenige als Urheber eines Werks, der auf den Vervielfältigungsstücken in üblicher Form als Urheber bezeichnet ist (§§ 10, 63 UrhG). Zu Kennzeichnungen von Tonaufnahmen verwendet man regelmäßig den PhonorecordVermerk ƿ (Berndorff/Eigler 2002: 20). 2. Wer ist Urheber? Im Bereich der Musik wirken häufig mehrere Personen an einem Musikstück und seinem Text mit. Es muss daher geklärt werden, wer Urheber ist und wem welche Rechte zustehen. Es ist dabei zwischen den Miturhebern und den Urhebern verbundener Werke zu unterscheiden. a) Miturheber Haben mehrere Urheber ein Werk (Text oder Musik) gemeinsam geschaffen, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so sind sie Miturheber des Werks. Miturheber sind danach z.B. die Mitglieder einer Musikgruppe, wenn sie ein Musikwerk gemeinsam komponiert haben, also jeder zur Komposition einen eigenen Beitrag geleistet hat. Es kommt dabei entscheidend darauf an, dass die Gestalt des Musikwerks von den einzelnen Miturhebern zusammen geprägt wurde (Berndorff/Eigler 2002: 43). Die Geschichte kennt
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zahllose Beispiele der Miturheberschaft, bspw. die Wiener Staatsoper von v.d. Nüll und Sickartsburg. In neuerer Zeit haben sich Autorengemeinschaften insbesondere bei der Schaffung von Lustspielen, Libretti und Schlagertexten bewährt (Fromm/Nordemann 2008: § 8 Rz 1). Sehr gut kann man die Miturheberschaft auch am Beispiel von Surfin’ USA verdeutlichen. Brian Wilson hatte diesen Song auf Chuck Berrys Sweat Little Sixteen aufgebaut. Surfin’ USA kann nur zusammen mit Berrys und Wilsons Beiträgen verwertet werden. Sie sind deshalb Miturheber (Berndorff/Eigler 2002: 44). Sind die Musiker Miturheber, so steht ihnen das Recht zur Veröffentlichung und zur Verwertung des Musikwerks gemeinsam zu. Änderungen des Werks sind nur mit Einwilligung der Miturheber zulässig. Die Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung oder Änderung darf jedoch nicht wider Treu und Glauben verweigert werden (§ 8 Abs. 2 UrhG), d.h. es muss für jeden einzelnen Fall und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte überprüft werden, ob die Verweigerung der Einwilligung schutzwürdige Interessen des anderen Teils verletzt. Die Erträge aus der Verwertung des Werks stehen den Miturhebern in dem Verhältnis zu, in dem sie an der Entstehung des Werks beteiligt waren, sofern sie nichts anderes vereinbart haben (§ 8 Abs. 3 UrhG). Es empfiehlt sich daher, einen gemeinsamen Verteilungsschlüssel festzulegen, da spätere Uneinigkeiten in den meisten Fällen nicht zufriedenstellend gelöst werden können (Fromm/Nordemann 2008: § 8 Rz. 26). Der urheberrechtliche Schutz endet bei Werken von Miturhebern 70 Jahre nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Miturhebers (§ 65 UrhG). b) Verbundene Werke Von einem verbundenen Werk spricht man dann, wenn mehrere Urheber ihre Werke zur gemeinsamen Verwertung miteinander verbinden. Jeder Urheber kann vom anderen dann die Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung und Änderung der verbundenen Werke verlangen, wenn die Einwilligung dem anderen nach Treu und Glauben zuzumuten ist (§ 9 UrhG). Fügen ein Verfasser eines Liedtextes und ein Komponist ihre Werke zu einem Musikstück zusammen, liegt ein verbundenes Werk vor. Gleiches gilt bei Gesangstexten in einem Libretto. Sie sind im Verhältnis zu diesem stets gesondert verwertbar. Arien, Oratorien und Messen sind ebenso Werkverbindungen (Fromm/Nordemann 2008: § 9 Rz. 9ff.). Bei verbundenen Werken erlischt der urheberrechtliche Schutz für die Werkteile gesondert. So kann er z.B. für einen Werkteil bereits erloschen sein, während der verbleibende Werkteil noch so lange geschützt bleibt, wie der Schutz für den Urheber dieses Teils währt (Moser/Scheuermann 1997: 765), nämlich bis 70 Jahre nach seinem Tod.
Ralf Kitzberger
£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland Im Musikbusiness verbinden häufig der Verfasser des Liedtextes und der Komponist ihre Werke zu einem Musikstück und gehen damit eine sogenannte Werkverbindung zur gemeinsamen Verwertung ein (ebd.: 764f.). Ein Liedtext ist ein Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, wenn er die Voraussetzungen einer persönlichen geistigen Schöpfung erfüllt. Wie im Zusammenhang mit der Musik werden auch hier nur geringe Anforderungen an den Grad der Individualität gestellt (ebd.: 763).
V. W ELC HE R EC HT E H AT DE R U RHEBER ? 1. Die Urheberpersönlichkeitsrechte a) Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG) Solange der Urheber den Inhalt des Werks der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt hat, ist ausschließlich er selbst berechtigt, über das Ob, das Wann und das Wie einer Veröffentlichung zu entscheiden. Das Veröffentlichungsrecht gilt nur für die Erstveröffentlichung, also nicht für spätere anderweitige Nutzungen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Verbrauch des Veröffentlichungsrechts (Fromm/Nordemann 2008: § 12 Rz. 11). Das Veröffentlichungsrecht wird jedoch nur in der jeweiligen konkreten Form der Veröffentlichung verbraucht. Die Zustimmung zur Aufführung eines Musicals bedeutet nicht, dass mit dem Musical in der Hörfunkwerbung für branchenfremde Produkte geworben werden darf (LG Düsseldorf, ZUM 1986, 158 – GEMA; KG GRUR 1981, 742 – Totenmaske ; LG Berlin, GRUR 1983, 762 – Portraitbild; Andryk 1998: 77). Ein Werk gilt als veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (§ 6 Abs. 1 UrhG). § 6 UrhG enthält für die Veröffentlichung eine Legaldefinition. Der Begriff der Veröffentlichung wird nach der herrschenden Meinung (vgl. Fromm/Nordemann 1998: § 6 Rz. 1m.w.N.) der Legaldefinition des Begriffs Öffentlichkeit in § 15 Abs. 3 UrhG entnommen. Das Vorspielen eines Musikstücks im Familienkreis ist daher keine Veröffentlichung (Andryk 1998: 78). Eine qualifizierte Form der Veröffentlichung stellt das Erscheinen eines Musikwerks dar (ebd.). Der Begriff »erscheinen« ist dem Begriff »verbreiten« im Sinne des § 17 UrhG gleichzusetzen: Das Werk ist erschienen, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten in einer genügenden Anzahl von Vervielfältigungsstücken in der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden ist (§ 6 Abs. 2 UrhG). Die vorbehaltslose Einräumung von Nutzungsrechten stellt in der Regel die Erlaubnis zur Veröffentlichung dar (BGHZ 15, 249, 258 – Cosima Wagner). Kehrseite des Veröffentlichungsrechts ist das sogenannte Rückrufsrecht. Hat der Urheber seine Rechte einem Verwerter (z.B. einem Verlag) übertragen
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und übt dieser die ihm übertragenen Rechte nur unzureichend aus und werden dadurch berechtigte Interessen des Urhebers erheblich verletzt, so kann dieser das Nutzungsrecht zurückrufen (§ 41 UrhG). Ob ein Nutzungsrecht zureichend oder unzureichend ausgeübt wurde, lässt sich in der Regel schwer feststellen. Im Fall eines Musikverlagsvertrag hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Verlag verpflichtet ist, die für eine Verwertung des Werks durch Aufführungen, Sendungen und Schallplattenaufnahmen erforderlichen Verbindungen zu den in Betracht kommenden Musikverbraucherkreisen zu schaffen (BGH GRUR 1970, 40, 43 Musikverleger I; GRUR 1974, 789, 790 – Hofbräuhaus-Lied). Bei der E-Musik muss der Verleger genügend Kopien des Werks herstellen und zwar in einer Form, die zur Benutzung im Orchester ohne weiteres geeignet ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob ein nennenswerter Verkauf oder eine häufige Vermietung der Noten erwartet werden kann. Darüber hinaus muss der Verleger das Werk propagieren, d.h. in geeigneter Form Dirigenten, Orchesterträgern, Sendern und Produzenten anbieten. Er muss geeignete Werbemaßnahmen ergreifen, z.B. Kataloge drucken und versenden, Verlagsnachrichten publizieren und die Öffentlichkeit über besondere Ereignisse wie Uraufführungen und Jubiläen informieren. Der Bundesgerichtshof hat betont, dass es nicht genügt, wenn der Musikverleger das Werk im Katalog führt und die Noten dazu vorrätig hält; er muss aktiv tätig werden, um neuen Bedarf nach dem bei ihm verlegten Werk zu wecken (BGH GRUR 1970, 40, 43 – Musikverleger I). Weil der Urheber stets ein erhebliches Interesse daran hat, dass sein Werk in allen denkbaren Nutzungsarten verwertet wird, folgt aus der Tatsache der unzureichenden Ausübung der Rechte in der Regel die Verletzung erheblicher berechtigter Interessen des Urhebers (vgl. BGH GRUR 1970, 40,43 – Musikverleger I; Fromm/Nordemann 2008: § 41 Rz. 4 n.w.N.). Ein Rückrufsrecht besteht auch dann, wenn das Werk nicht mehr der ursprünglichen Überzeugung des Urhebers entspricht (§ 42 UrhG). b) Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft. Er kann insbesondere darüber bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Er kann also entscheiden, ob das Werk unter seinem richtigen Namen, einem Pseudonym oder anonym erscheinen soll. Der Urheber kann aber auch darauf verzichten, als Urheber genannt zu werden. So verpflichtet sich z.B. ein Ghostwriter vertraglich gegenüber dem Namensgeber, am unter Beachtung von dessen Vorstellungen und Meinungen zu schaffenden Werk keine eigene Urheberbezeichnung anzubringen. Solche Abreden können zwischen den Parteien unwirksam sein (Fromm/Nordemann 2008: § 13 Rz. 19 m.w.N.).
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£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland c) Verbot der Entstellung (§ 14 UrhG) Durch die Urheberpersönlichkeitsrechte wird auch das begründete Interesse des Urhebers geschützt, dass sein Werk einschließlich einzelner Werkstücke in seiner individuellen schöpferischen Eigenart und Integrität erhalten bleibt (Fromm/Nordemann 2008: § 14 Rz. 1). § 14 UrhG räumt daher dem Urheber das Recht ein, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werks, die seine berechtigten Interessen an diesem Werk gefährden könnten, zu verbieten. Eine Entstellung ist jede Verzerrung oder Fälschung der Wesenszüge des Werks (vgl. BGH GRUR 1954, 80; Fromm/Nordemann 2008: § 14 Rz. 9). Bei Sprach- und Musikwerken wurde z.B. eine Entstellung durch Streichungen, welche die Aussage des Werks veränderten, bejaht oder im Fall einer Filmmusik, die zu etwa zwei Dritteln durch neue, für die deutsche Filmfassung geschriebene Kompositionen ›ersetzt‹ wurde (OLG München, ZUM 1992, 307f. – Christoph Kolumbus; Fromm/Nordemann 2008: § 14 Rz. 9). Eine Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte durch Entstellung eines Werks eines Filmkomponisten wurde hingegen verneint, als lediglich kurze Filmausschnitte in einen neuen, eigenständigen Film nebst neuer Vertonung integriert wurden (LG Hamburg, ZUM 1995, 683, 684; OLG Hamburg GRUR 1997, 822, 826 – Edgar-Wallace-Filme). Eine andere Beeinträchtigung des Werks liegt vor, wenn dessen ursprüngliche Fassung als solche unberührt bleibt, diese aber in einen beeinträchtigenden Zusammenhang gestellt wird. So kommt z.B. eine Beeinträchtigung in Betracht, wenn ein Musikwerk zwar unverändert, aber in werkfremden Zusammenhang, wie z.B. in einem Pornofilm oder im Rahmen einer geschmacklosen Werbung wiedergegeben wird (Andryk 1998: 79). Eine andere Beeinträchtigung des Werks kommt auch bei Bearbeitungen in Betracht, wenn der Urheber zwar seine Einwilligung erteilt hat, die Bearbeitung aber so minderwertig ist, dass er sie mit seinem Namen nicht mehr in Verbindung bringen möchte. Ein Beispiel dafür ist die Verwendung einer rhythmisch betonten, südländisch anmutenden Musik, die für einen Kulturfilm über Mittelmeerländer komponiert worden war, als Unterhaltungsmusik für einen pornografischen Film. (Fromm/ Nordemann 2008: § 14 Rz. 10 n.w.M.). Ein anderes Beispiel ist die Darbietung eines Chorstücks aus einer szenischen Kantate beim Einmarsch eines Boxers in die Arena (Russ ZUM 1995, 32, 34 zu LG München, Beschluss vom 25.07.1994 – 7O 14229/94 – O Fortuna). Auch im Fall der Präsentation von Musiktiteln auf einem Sampler, auf dem sich auch Musik von Gruppen aus der rechtsradikalen Szene befinden, wurde die Beeinträchtigung bejaht (OLG Frankfurt GRUR 1995, 215, 216 – Springtoifel).
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb 2. Ver wertungsrechte Neben dem Urheberpersönlichkeitsrechten stehen dem Urheber die Verwertungsrechte an seinem Werk zu. In der Regel ist ein Musiker nicht in der Lage, die wirtschaftliche Verwertung seiner Werke selbst zu übernehmen. Er betraut damit häufig Partner, wie z.B. Plattenfirmen, Musikverlage oder die Verwertungsgesellschaft GEMA (Berndorff/Eigler 2007: 26ff.). Um diesen Partnern die Verwertung zu ermöglichen, muss der Urheber seinen Partnern bestimmte Verwertungsrechte einräumen. Er muss daher zunächst wissen, welche Verwertungsrechte ihm zustehen. Es wird dabei zwischen körperlichen und unkörperlichen Verwertungsrechten unterschieden. Im Bereich der Musik kommen insbesondere die folgenden Verwertungsrechte in Betracht: a) Verwertung in körperlicher Form Das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werks herzustellen, sowie auch die Übertragung des Werks auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- und/oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger). Bei Kompositionen kommt eine Vervielfältigung im Wesentlichen in zwei Arten in Betracht, nämlich in Notenform (grafische Vervielfältigung) oder auf Tonträger (mechanische Vervielfältigung). Im heutigen Musikgeschäft ist die Verwertung auf mechanischem Wege die wirtschaftlich bedeutendste Vervielfältigung (Berndorff/Eigler 2002: 17). Unter die mechanische Vervielfältigung fallen auch private Kopien von Tonträger. Hier nimmt das Urheberrechtsgesetz eine Einschränkung der ausschließlichen Rechte des Urhebers vor. Gemäß § 53 UrhG ist die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum privaten Gebrauch ohne Zustimmung des Urhebers zulässig. Man darf jedoch nur einzelne Vervielfältigungsstücke, je nach Einzelfall maximal sieben, manchmal jedoch nur ein bis drei Exemplare herstellen (vgl. BGH GRUR 1978, 474, 476 – Vervielfältigungsstücke). Wie viele Einzelstücke für den privaten Gebrauch im Einzelfall zulässig sind, muss dann im Streitfall gerichtlich geprüft werden. Das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Im Musikbusiness ist dies hauptsächlich der Vertrieb von industriell gefertigten Tonträgern. Grundsätzlich wird ein Urheber das Verbreitungsrecht zusammen mit dem Vervielfältigungsrecht übertragen. Denkbar ist jedoch auch, dass er zwar das Recht zur Vervielfältigung z.B. einem Schallplattenpresswerk überträgt, sich das Verbreitungsrecht aber vorbehält (Berndorff/Eigler 2007: 26ff.). Eine Verbreitung setzt ein körperliches Festlegen des Werks in Werkstücken – z.B. auf einer CD – voraus (vgl. BGH GRUR 1963, 215), sodass eine Sendung im Radio kein Verbreiten im Sinne des Ge-
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£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland setzes ist. Zu berücksichtigen ist, dass sich das Verbreitungsrecht nur auf die Erstverbreitung bezieht (sogenannter »Erschöpfungsgrundsatz«). Ein Werkexemplar darf also beliebig durch Dritte veräußert werden, wenn es einmal mit Zustimmung des berechtigten Urhebers veräußert wurde (Fromm/Nordemann 2008: § 17 Rz. 8ff.). Wer also einen Tonträger kauft, darf diesen weiterverkaufen (Andryk 1998: 80). b) Verwertung in unkörperlicher Form Das Aufführungsrecht (§ 19 Abs. 2 UrhG) ist das Recht, ein Musikwerk durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen oder ein Werk öffentlich bühnenmäßig darzustellen. Es handelt sich also um die konzert- und bühnenmäßige Aufführung. Eine konzertmäßige Aufführung kann bspw. in einer Instrumentalaufführung oder Gesangsaufführung mit Texten bestehen. Eine bühnenmäßige Aufführung liegt vor, wenn ein Werk in bühnenmäßiger Weise, d.h. durch ein für das Auge bestimmtes, bewegtes Spiel mit einer visuell erkennbaren, bewegten Darstellung und einem gewissen Handlungsablauf dargeboten wird, wie dies z.B. bei einer Oper, einer Operette, einem Puppenspiel oder einem Schauspiel der Fall ist (Fromm/Nordemann 2008: § 19, Rz. 17 m.w.N.; Andryk 1998: 82). Dem Urheber steht auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung zu. Der § 19a UrhG ermöglicht dem Urheber mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, sein geschütztes Werk dadurch zu nutzen, dass es in Netzwerken – dem Internet wie auch in sonstigen Netzwerken – Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (Dreier/Schulze: § 19a Rz. 1). Unter dem Senderecht (§ 20 UrhG) versteht man das Recht, ein Werk durch Funk – z.B. Ton-, Fernseh- und Drahtfunk oder ähnliche technische Einrichtungen – der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vom Senderecht sind besonders die Rundfunk- und Fernsehanstalten betroffen, die nur mit der Zustimmung des Urhebers dessen Werke ausstrahlen dürfen (Andryk 1998: 83). Das Recht der Wiedergabe durch Bild- und/oder Tonträger (§ 21 UrhG) ist das Recht, Vorträge oder Aufführungen des Werks mittels Bild- und/oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar zu machen. Das Recht der Wiedergabe durch Tonträger ist z.B. dann betroffen, wenn in einem Musikclub eine Schallplatte aufgelegt wird. Da es sich um bereits aufgenommene Werke (Erstverwertung) handelt, spricht man beim Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger auch vom sogenannten »Zweitverwertungsrecht« (Fromm/Nordemann 2008: § 21 Rz. 1 m.w.N.). Das Recht der Wiedergabe von Funksendungen (§ 22 UrhG) ist das Recht, Funksendungen des Werks durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. Diese Regelung behält somit dem Urheber das Recht vor, darüber zu entscheiden, ob sein bereits
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gesendetes Werk nochmals dadurch verwertet werden darf, dass es über Bildschirm, Lautsprecher usw. optisch und akustisch öffentlich wahrnehmbar gemacht wird. D.h., dass z.B. beim Aufstellen und bei der Verwendungvon Fernsehgeräten in Gastwirtschaften, Heimen, Hotels, Krankenhäusern usw. das Nutzungsrecht vom Rechteinhaber gemäß § 22 UrhG benötigt wird (Fromm/ Nordemann 2008: § 22 Rz. 1 m.w.N.; Andryk 1998: 83). c) Wann erfolgt eine Wiedergabe eines Werks öffentlich? Im Gesetz wird im Zusammenhang mit den genannten Verwertungsrechten mehrfach der Begriff »Öffentlichkeit« gebraucht. Gemäß § 15 Abs. 3 UrhG ist die Wiedergabe eines Werks öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, dass der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind. Ob der Öffentlichkeitsbegriff erfüllt ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Wer sich darauf beruft, dass die Wiedergabe nicht öffentlich erfolgt, muss das darlegen und im Prozessfall beweisen können (Schack 2005: Rz. 400). Im Zweifelsfall müssen daher die Gerichte Öffentlichkeit annehmen (Fromm/ Nordemann 1998: § 15 Rz. 39). So wurde z.B. weder eine Familienfeier, noch das Betriebsfest eines Kleinunternehmens, noch der Tanzkurs einer Schulklasse (BGH GRUR 1956, 515, 517 – Tanzkurse) noch die Abschlussfeier eines kleinen Sprachkurses mit Freunden und Verwandten, wohl aber das Fest eines größeren Betriebes (BGHZ 17, 376, 379 – Betriebsfest) als öffentlich angesehen, weil die persönliche Verbundenheit der Teilnehmer verneint wurde. Der gleiche strenge Maßstab wurde bei größeren Tanzkursen, wo die Teilnehmer mehr oder weniger zufällig zusammen kamen (OLG München, ZUM 1986, 482f.; OLG Frankfurt ZUM 1987, 91, 93), bei Abtanzbällen (BGH GRUR 1960, 383, 389 – Tanzstunden, Abtanzbälle), bei Vereinsfeiern (BGH GRUR 1961, 97, 98 – Sportheim), bei Festlichkeiten in Sanatorien (BGHZ 58, 262, 264 – Landesversicherungsanstalt), in Aufenthaltsräumen von Schulen (BGH GRUR 1983, 562, 563 – Zoll- und Finanzschulen) oder in Strafanstalten (BGH GRUR 1964, 734, 735 – Vollzugsanstalten; BGHZ 123, 149, 154 – Verteileranlagen) angelegt (Fromm/Nordemann 2008: § 15 Rz. 39 m.w.N.). 3. Bearbeitungsrecht Wie bereits dargelegt, dürfen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werks nur mit der Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Allerdings gestattet § 24 UrhG in bestimmtem Umfang die Verwendung fremden Werkschaffens als Anregung für die eigene Werkschöpfung (freie Benutzung). Voraussetzung dafür ist, dass der Benutzer ein eigenständig schutz-
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£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland fähiges Werk schafft und das fremde Werkschaffen so benutzt, dass gegenüber der Eigentümlichkeit des eigenen Werks die Wesenszüge des benutzen Werks »verblassen« (Moser/Scheuermann 1997: 770; Fromm/Nordemann 2008: § 23/24 Rz. 41ff.). Für den Musikbereich gilt jedoch der sogenannte »starre Melodienschutz«, d.h., dass für die Benutzung fremder Melodien das Privileg der freien Benutzbarkeit nicht gilt. Urheberrechtlich geschützte Melodien aus Musikwerken sind gegen ihre erkennbare Entnahme und die Verwendung in anderen Werken geschützt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere im Bereich der Unterhaltsmusik die Melodie das tragende Element ist, welches ein Musikstück erfolgreich macht (vgl. BGH GRUR 1988, 812 – Ein bisschen Frieden). Bereits die Erkennbarkeit der Melodie reicht aus, um das Privileg der freien Benutzbarkeit entfallen zu lassen. Auf die Gestaltungshöhe der Melodie kommt es dabei nicht an (Andryk 1998: 85). Für die Übernahme anderer Werkelemente wie z.B. Harmonie, Rhythmus, Instrumentierung, Sound, textliche Elemente usw. gilt dieser starre Schutz jedoch nicht (Moser/ Scheuermann 1997: 770). Gemäß § 3 UrhG sind Bearbeitungen eines Werks wie selbständige Werke geschützt. Die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten Musikwerks wird allerdings nicht als selbständiges Werk urheberrechtlich geschützt (Andryk 1998: 87). Durch Veränderungen der Komposition oder Erweiterung der musikalischen Substanz entsteht jedoch ein neues, selbständiges und nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Werk. Die Unterscheidung muss für jeden Einzelfall konkret erfolgen. Wenn die musikalische Substanz der Vorlage wesentlich unverändert und der Notentext des Originals werkgetreu verwendet wird, ist jedoch davon auszugehen, dass keine Bearbeitung, sondern eine Benutzung des Originalwerks vorliegt. »Benutzung« bedeutet, dass weder Text noch Melodie abgewandelt werden. Änderungen der Tonart, der Instrumentierung und des Sounds unter Berücksichtigung des kompositorischen und/oder textlichen Ausgangswerke sind in diesem Rahmen zulässig (Berndorff/Eigler 2007: 214; Schack 2005: Rz. 238). In der Regel liegt deshalb keine Bearbeitung vor, wenn die Musik aus einem bekannten Musical statt von einem großen Orchester von einer Rock-Band gespielt wird oder wenn tragende Melodien anstatt von Streichern von Keyboards gespielt werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die ursprüngliche Komposition z.B. dadurch modifiziert wird, dass in der Bearbeitung Reggae- oder Hip-Hop-Rhythmen vorherrschen (Berndorff/Eigler 2007: 216). Im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Bearbeitung vorliegt, stellt sich auch die Frage der rechtlichen Zulässigkeit des sogenannten »Samplings«. In der urheberrechtlichen Diskussion ist unter Sampling eine Vorgehensweise zu verstehen, bei der aus einem vorbestehenden Tonträger einzelne Töne oder komplette Sounds elektronisch kopiert, verfremdet und zu neuen Kom-
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positionen verarbeitet werden (Andryk 1998: 85). In diesem Zusammenhang ist zunächst zu klären, ob es sich bei dem Ausgangsmaterial um ein urheberrechtlich geschütztes Musikwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziffer 2 UrhG handelt. Dies wird in der Regel zu verneinen sein, wenn nur wenige Töne, die nicht den Umfang einer Melodie ausmachen, entnommen werden (ebd.: 86). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass selbst dann, wenn ein urheberrechtlicher Schutz des Ausgangsmaterials ausscheidet, das Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler und des Tonträgerherstellers berührt sein kann.
VI. B E S C HR Ä NKU N G EN D E S U R H E B E R R EC H T S 1. Dauer des Urheberrechts Das geistige Eigentum (Urheberrecht) erlischt gemäß § 64 UrhG 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bzw. bei Miturhebern 70 Jahre nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Miturhebers (§ 65 UrhG). Nach Ablauf dieser Frist wird das Werk »gemeinfrei«, d.h., es kann von jedem in beliebiger Weise genutzt und verändert werden, ohne dass hierfür eine Vergütung gezahlt werden muss. 2. Zitatrecht Gemäß § 51 Nr. 3 UrhG ist es zulässig, einzelne Stellen eines erschienen Musikwerks in einem anderen selbständigen Musikwerk anzuführen. »Anführen« heißt, dass die entlehnte Stelle als fremder Bestandteil in der zitierenden Komposition erkennbar bleiben muss (Fromm/Nordemann 1998: § 51 Rz. 35). Musikzitate sind sehr häufig, als Beispiel sei das Zitat des Wagnerischen Wallhall-Motivs in der Feuersnot von Richard Strauss genannt (vgl. Fromm/ Nordemann 1998: § 51 Rz. 35). 3. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch Gemäß § 53 Abs. 1 UrhG ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke zum privaten Gebrauch herzustellen. Je nach Einzelfall handelt es sich dabei um sieben, manchmal allerdings auch nur um ein bis drei Exemplare (BGH GRUR 1978, 474, 476 – Vervielfältigungsstücke; Fromm/Nordemann 2008: § 53 Rz. 15).
Für Musiknoten bestehen besondere Regelungen (§ 53 Abs. 4 UrhG). Diese dürfen manuell abgeschrieben werden, ansonsten dürfen sie nur mit Einwilligung des Berechtigten vervielfältigt werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, zum eigenen Gebrauch Kopien von einem seit mindestens zwei Jahren vergriffenen Werk herzustellen.
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VII. W I E KÖ NNEN R EC HT E A N M U SI K WER K EN Ü B ER T R AG EN WER D EN ? 1. Einräumung von Nutzungsrechten Das Urheberrecht ist grundsätzlich nicht übertragbar, sondern lediglich vererblich (§ 28, 29 UrhG). Die vom Urheberrecht abgeleiteten Nutzungsrechte können jedoch anderen eingeräumt werden. § 31 Abs. 1 UrhG bestimmt ausdrücklich, dass der Urheber einem anderen das Recht einräumen kann, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen. Der Urheber hat dabei die Möglichkeit, seine Rechte räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt zu übertragen. Er kann die Rechtübertragung inhaltlich beschränken und z.B. einem Verleger das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht einräumen und einer Verwertungsgesellschaft das Aufführungs- und Senderecht übertragen. Der Urheber hat auch die Möglichkeit, seine Rechte räumlich zu beschränken: Er kann sie seinem Vertragspartner weltweit einräumen oder die Rechteeinräumung auf bestimmte Kontinente, Länder etc. beschränken. Da das Urheberrecht 70 Jahre über den Tod des Urhebers hinaus besteht, macht es für den Urheber eines Musikwerks häufig Sinn, die Rechtübertragung zeitlich zu begrenzen. Insbesondere hat der Urheber so die Möglichkeit, nach Ablauf der zeitlichen Beschränkung die Rechte jemand anderem einzuräumen, falls sein Vertragspartner die Verwertung der Rechte nicht mit dem von ihm gewünschten Einsatz vornimmt. 2. Ausschließliches oder einfaches Nutzungsrecht Bei der Rechteeinräumung ist zwischen dem einfachen und dem ausschließlichen Nutzungsrecht zu unterscheiden. Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Rechteinhaber, das Musikwerk auf die erlaubte Art zu nutzen, ohne dass eine Nutzung durch andere, wie z.B. durch den Urheber selbst oder durch Dritte, ausgeschlossen ist (§ 31 Abs. 2 UrhG). Das ausschließliche Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubte Art zu nutzen und Nutzungsrechte einzuräumen. 3. Zweckübertragungsgrundsatz Wenn bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet werden, bestimmt der von beiden Vertragspartnern zugrunde gelegte Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten sich das Nutzungsrecht sich erstreckt (§ 31 Abs. 5 UrhG). Pauschale Formulierungen – z.B.: »Es werden sämtliche Rechte eingeräumt« – sind daher nicht ausreichend. Vielmehr müssen die Nutzungsrechte im Einzelnen genau bezeichnet
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werden, was häufig zu sehr langen und ausführlichen Rechtübertragungsklauseln führt. Im Zweifel bestimmt sich die Einräumung nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck. 4. Anspruch auf angemessene Vergütung Gemäß § 32 UrhG hat der Urheber für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung, sofern die Höhe der Vergütung nicht explizit bestimmt wurde. Eine Vergütung ist gemäß § 32 Abs. 2, Satz 2 UrhG u.a. dann angemessen, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist. Sofern eine übliche Branchenpraxis feststellbar ist, die nicht der Redlichkeit entspricht, bedarf es einer Korrektur. Ein Beispiel dafür sind literarische Übersetzer, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbreitung von fremdsprachlicher Literatur leisten. Ihre in der Branche überwiegend praktizierte Honorierung steht in keinem angemessenen Verhältnis zu den von ihnen erbrachten Leistungen (Deutscher Bundestag – Drucksache 14/8058: 18). Sollte die vereinbarte Vergütung nicht angemessen sein, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen. 5. »Bestsellerparagraph« Bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen den Erträgen und den Vorteilen aus der Nutzung des Werks einerseits und der Vergütung des Urhebers andererseits, kann der Urheber von seinem Vertragspartner verlangen, in die Änderung des Vertrages einzuwilligen, nach der dem Urheber eine weitere, angemessene Beteiligung gewährt wird. In Ausnahmefällen kann daher ein auffälliges Missverhältnis zwischen den Erträgen/Vorteilen der Nutzung und der Vergütung korrigiert werden. Die weitere Beteiligung besteht neben dem Anspruch auf angemessene Vergütung gemäß § 32 UrhG. Ein auffälliges Missverhältnis liegt dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung um 100 Prozent von der angemessenen Beteiligung abweicht. Je nach Umständen können aber auch bereits geringere Abweichungen ein auffälliges Missverhältnis begründen. 6. Verträge über künftige Werke Gemäß § 40 UrhG ist es zulässig, dass ein Urheber Nutzungsrechte an künftigen Werken einräumt. Allerdings muss ein solcher Vertrag schriftlich abgeschlossen werden. Beauftragt ein Komponist daher einen Texter mit der Neuverfassung eines Textes für seine Komposition, so muss er, wenn er sich
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£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland die Nutzungsrechte an dem Text einräumen lassen möchte, mit dem Texter eine schriftliche Vereinbarung über die Rechteeinräumung an dessen zukünftigem Werk treffen. Zu den Verträgen über künftige Werke gehören auch Wahrnehmungsverträge mit Verwertungsgesellschaften. Unzulässig war früher die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten (§ 31 Abs. 4 UrhG a.F.). So konnte z.B. im Jahre 1975 durch die Formulierung »Der Urheber räumt dem Verlag sämtliche Nutzungsrechte an seiner Komposition auch für heute noch nicht bekannte Nutzungsarten ein« keine Einräumung zur Verwertung der Komposition im Internet erfolgen, da das Internet frühestens seit 1985 als Nutzungsart bekannt ist. Durch den mit Wirkung vom 01.01.2008 in Kraft getretenen § 31a UrhG können nunmehr auch Verträge über unbekannte Nutzungsart abgeschlossen werden. In § 31a UrhG ist festgehalten, dass ein Vertrag, durch den der Urheber Rechte für unbekannte Nutzungsrechte einräumt, der Schriftform bedarf. Der Urheber kann diese Rechtseinräumung oder die Verpflichtung hierzu widerrufen. Das Widerrufsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der andere die Mitteilung über die beabsichtigte Aufnahme der neuen Art der Werknutzung an den Urheber unter der ihm zuletzt bekannten Anschrift abgesendet hat. Der Urheber hat Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung, wenn der Vertragspartner eine neue Art der Werksnutzung nach § 31a UrhG aufnimmt, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart, aber noch unbekannt war (§ 32c UrhG). 7. Rückrufsrecht wegen Nichtausübung Übt der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht nicht oder nur unzureichend aus und werden dadurch die berechtigten Interessen des Urhebers erheblich verletzt, so kann dieser das Nutzungsrecht grundsätzlich rückrufen. Dies ist allerdings nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung und Übertragung des Nutzungsrechts möglich oder – wenn das Werk später abgeliefert wurde – nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit der Lieferung (§ 41 UrhG). Ein Musikverleger verpflichtet sich z.B., die ihm am Musikwerk eingeräumten Rechte hinreichend zu verwerten und das Werk den Medien anzubieten. Ein Rückruf ist erst möglich, nachdem der Urheber dem Inhaber des Nutzungsrechts unter Ankündigung des Rückrufs eine angemessene Nachfrist zur zureichenden Ausübung des Nutzungsrechts gegeben hat. Im Bereich der Popmusik wurde eine Frist von drei bis sechs Monaten als angemessene Nachfrist genannt. (Andryk 1998: 99 m. w. N.).
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VIII. W ELC HE R EC HT E H A B EN M USIKER , D I E KEINE U RHEBER SIND ? Ausübende Musiker, also z.B. Interpreten, die ein fremdes Musikstück aufführen, genießen für ihre individuelle geistige Leistung sogenannte Leistungsschutzrechte, die keine Urheberrechte, sondern nur verwandte Schutzrechte sind. Zu den Leistungsschutzberechtigten gehören gemäß Urheberrechtsgesetz: • Ausübende Künstler (§ 73-83 UrhG), • Lichtbildner (§ 72 UrhG), • Hersteller von Tonträgern (§ 85 f.) UrhG), • Sendeunternehmen (§ 87 UrhG), • Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70 UrhG), • Herausgeber nachgelassener Werke (§ 71 UrhG). Ein ausübender Künstler ist, wer ein Werk vorträgt oder aufführt oder bei einem Vortrag oder einer Aufführung des Werks künstlerisch mitwirkt. Hierunter gehören insbesondere Sänger, Musiker, Tänzer und Dirigenten. 1. Schutz gegen Entstellung Der ausübende Künstler hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Darbietung zu verbieten, die sein Ansehen oder seinen Ruf als ausübender Künstler gefährden könnte. Technische Qualitätsmängel eines Tonträgers reichen hierfür grundsätzlich nicht aus (BGH GRUR 1987, 814, 816 – Die Zauberflöte; OLG Hamburg GRUR 1989, 525, 526f. – Zauberflöte II; OLG Köln GRUR 1992, 388, 389 – Prince; vgl. § 75 UrhG). Eine Entstellung liegt jedoch vor, wenn die Tonaufzeichnung einer Gesangsgruppe einer auf Bildträger aufgenommenen, »posierenden« – d.h. nur scheinbar singenden – anderen Gruppe unterlegt wird (KG FuR 1967, 92; Fromm/Nordemann 2008: § 75 Rz. 16). 2. Verbotsrechte Neben dem Schutz gegen Entstellung stehen dem ausübenden Künstler auch Verbotsrechte zu: • Seine Darbietung darf nur mit seiner Einwilligung außerhalb des Raums, indem sie stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar gemacht werden. • Der ausübende Künstler darf nur mit seiner Zustimmung auf Bild- oder Tonträger aufgenommen werden (§ 77 Abs. 1 UrhG). • Seine Darbietung darf nur mit seiner Einwilligung durch Funk gesendet werden (§ 78 Abs. 1 UrhG).
Ralf Kitzberger
£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland •
Bild- und Tonträger dürfen nur mit der Einwilligung des ausübenden Künstlers vervielfältigt und verbreitet werden (§ 77 Abs. 2 UrhG).
3. Vergütungsansprüche Die auf Bild- oder Tonträger aufgenommene Darbietung eines ausübenden Künstlers darf ohne dessen Einwilligung durch Funk nur gesendet werden, wenn die Bild- und Tonträger erschienen sind und ihm hierfür eine angemessene Vergütung bezahlt wird (§ 78 Abs. 2 UrhG). Ein Anspruch auf Vergütung besteht auch, wenn die Darbietung des ausübenden Künstlers mittels Bildoder Tonträger oder die Funksendung seiner Darbietung öffentlich wahrnehmbar gemacht werden. Sehr häufig treten ausübende Künstler die ihnen zustehenden Rechte an eine Verwertungsgesellschaft ab. Im Bereich der Musik kommt besonders die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) in Betracht. 4. Schutzfrist Ist die Darbietung des ausübenden Künstlers auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden, so erlöschen seine Rechte 50 Jahre nach dem Erscheinen des Bild- oder Tonträgers. Die Rechte erlöschen bereits 50 Jahre nach der Darbietung, wenn der Bild- oder Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen ist (§ 82 UrhG). 5. Rechte der Tonträgerhersteller und Veranstalter Im Musikbereich genießen auch die Hersteller von Tonträgern und die Veranstalter Leistungsschutzrechte gemäß §§ 81, 85ff. UrhG. Der Tonträgerhersteller hat dabei das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten. Wird der Tonträger öffentlich wiedergegeben, so steht dem Tonträgerhersteller eine angemessene Vergütung zu. Veranstalter können die unerlaubte Bildschirme- und Lautsprecherübertragung der Darbietung in Räume außerhalb des Veranstaltungsortes, die Aufnahme der Darbietung auf Bild- und Tonträger sowie ihre Vervielfältigung oder Funksendung verbieten (§ 82 UrhG). Veranstalter ist dabei derjenige, der die Darbietung des ausübenden Künstlers organisiert, den Ablauf überwacht und das finanzielle Risiko trägt.
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IX.
W ELC HE R EC HT E KÖ NNEN B EI V ERLE T ZU NG D E R R EC HT E U RHEBER S G ELT END G E M AC HT WER D EN ?
DES
1. Zivilrechtliche Ansprüche Der Urheber eines Werkes kann im Fall einer Verletzung der Urheberrechte verschiedene Ansprüche geltend machen: • Er kann vom Verletzer des Urheberrechts die Unterlassung weiterer Rechtsverletzungen verlangen. (§ 97 Abs. 1 UrhG). • Er hat einen Anspruch auf Vernichtung aller rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücke die sich noch im Eigentum des Rechtsverletzers befinden (§ 98 Abs. 1 UrhG). • Statt der Vernichtung kann der Urheber auch die Herausgabe aller rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücke und Produktionsvorrichtungen verlangen, die noch im Eigentum des Rechtsverletzers stehen (§§ 98 Abs. 2, 99 UrhG). • Der Urheber hat Anspruch auf Schadensersatz, wenn die Rechtsverletzung vom Verletzer verschuldet wurde, d.h., wenn dieser vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Der Urheber kann die Herausgabe des Gewinns verlangen, den der Rechtsverletzer durch die rechtswidrige Nutzung erzielt hat und Rechnungslegung über diesen Gewinn verlangen (§§ 97 Abs. 2 UrhG, 101 UrhG, 242 BGB). Anstelle der Herausgabe des Gewinns kann der Urheber auch einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen finanziellen Schadens erheben. Da beide Varianten jedoch oft auf große Beweisschwierigkeiten stoßen, wird vom Urheber häufig der Anspruch auf eine branchenübliche Vergütung geltend gemacht. 2. Strafrechtliche Vorschriften Neben den zivilrechtlichen Ansprüchen kommen auch strafrechtliche Vorschriften zur Anwendung (§§ 106ff. UrhG). Wer ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werks vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, kann z.B. mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldbuße bestraft werden.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Andryk, Ulrich (1998): Musikerrecht. Rechtliche und praktische Grundlage für Musiker, Texter und Komponisten, 3. Aufl., Brühl: AMA. Berndorff, Gunnar/Berndorff, Barbara/Eigler, Knut (2002): Musikrecht. Die häufigsten Fragen des Musikgeschäfts, 3. Aufl., Bergkirchen: PPV Presse. Berndorff, Gunnar/Berndorff, Barbara/Eigler, Knut (2004): Musikrecht. Die häufigsten Fragen des Musikgeschäfts, 4. Aufl., Bergkirchen: PPV Presse.
Ralf Kitzberger
£5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland Berndorff, Gunnar/Berndorff, Barbara/Eigler, Knut (2007): Musikrecht. Die häufigsten Fragen des Musikgeschäfts, 5. Aufl., Bergkirchen: PPV Presse. Brandhorst, Jürgen (2002): »Musikalisches Urheberrecht und die Arbeit der GEMA«, in: Das Orchester, Juni 2002, S. 14-25. Fromm, Friedrich Karl/Nordemann, Wilhem (1998): Urheberrecht. Kommentar zum Urheberrechtsgesetz und zum Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, 9. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer. Fromm, Friedrich Karl/Nordemann, Wilhem (2008): Urheberrecht. Kommentar zum Urheberrechtsgesetz und zum Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, 10. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer. Kitzberger, Ralf (2010): Musikrecht, München: Musikmarkt-Verlag. Moser, Rolf/Scheuermann, Andreas (Hg.) (1997): Handbuch der Musikwirtschaft, 4. vollst. neu überarb. Aufl., Starnberg: Josef Keller. Schack, Haimo (2005): Urheber- und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., Tübingen: Mohr.
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5.2 V ERWERTUNGSGESELLSCHAF TEN IN D EUTSCHLAND Ralf Kitzberger
I. W A S SIND V ERWER T U N G S G E SELL SC H A F T EN? 1. Grundsätzliche Bedeutung Verwertungsgesellschaften nehmen Urheberrechte und verwandte Schutzrechte treuhänderisch für eine große Anzahl von Urhebern oder Inhabern verwandter Schutzrechte zur gemeinsamen Auswertung wahr. Wenn ein Urheber der Verwertungsgesellschaft die Rechte einräumt, kann diese im eigenen Namen als Berechtigte über diese Rechte verfügen. Die Leistungsschutzrechte des Künstlers und das Urheberrecht des Schöpfers wären sehr häufig wertlos, wenn die Berechtigten sie selbst verfolgen müssten. Urheber und ausübende Künstler haben häufig weder direkten Zugang zu den Nutzungsinteressenten, noch können sie erfolgte Rechtsverletzungen selbst in Erfahrung bringen. Die Verwertungsgesellschaften verfügen über Kontakte und Kontaktmöglichkeiten, z.B. zu Verwertungsgesellschaften in anderen Ländern, die eine umfassende Kontrolle ermöglichen. So hat bspw. die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) in jedem Bundesland Bezirksdirektion. Die GEMA-Mitarbeiter lesen Lokalzeitungen und befragen Gastwirte, um unangemeldete Veranstaltungen ausfindig zu machen. 2. Kontrahierungszwang Die Tätigkeiten der Verwertungsgesellschaften sind erlaubnispflichtig. Das deutsche Patentamt in München ist die zuständige Aufsichtsbehörde. Da die Verwertungsgesellschaften faktisch eine Monopolstellung inne haben, unterliegen sie dem sogenannten »doppelten Kontrahierungszwang«, d.h. dem Zwang zum Abschluss eines Vertrages. Die Verwertungsgesellschaften sind verpflichtet, aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen oder eine Einwilligung zu erteilen. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche auf Verlangen der Berechtigten zu angemessenen Bedingungen wahrzunehmen.
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II. V ERWER T U N G S G E SELL SC H A F T EN I M M U SI K B E R EI C H 1. Gesellschaft für musikalische Auf führungs- und mechanische Ver vielfältigungsrechte (GEMA) Die GEMA nimmt die Urheberrechte von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern wahr (Lyng 2004: 157). Sie schließt mit ihnen sogenannte »Wahrnehmungsverträge« ab. Die Aufnahmegebühr beträgt für Urheber derzeit 51,13 À und für Verleger 102,26 €. Der jährliche Mitgliedsbeitrag liegt bei 25,56 €. Die Wahrnehmungsverträge werden für sechs Jahre abgeschlossen und verlängern sich um jeweils weitere sechs Jahre, wenn sie nicht ein halbes Jahr vor Ablauf gekündigt werden. Die Komponisten, Textdichter und Musikverleger werden bei der GEMA in drei Mitgliedschaftskategorien eingestuft. Es gibt sogenannte ordentliche, außerordentliche und angeschlossene Mitglieder. Angeschlossene Mitglieder sind keine Mitglieder im Sinne des Vereinsrechts. Sie sind bspw. von den Abstimmungen auf den Mitgliederversammlungen weitgehend ausgeschlossen und im Aufsichtsrat und in Ausschüssen nicht zugelassen. Zu den angeschlossenen Mitgliedern gehören bspw. Hobby- oder semi-professionelle Komponisten und Textdichter. Auf Grund der Aufnahmekriterien für außerordentliche und ordentliche Mitglieder sind jedoch auch die meisten professionellen Komponisten lediglich angeschlossene Mitglieder (Berndorff/Eigler 2007: 69f.). Außerordentliches Mitglied kann man auf Antrag werden, wenn man mit dem Aufnahmeantrag fünf selbst verfasste und eigenhändig geschriebene Partituren bzw. Texte einreicht sowie deren öffentliche Aufführung oder Verbreitung nachweist. Komponisten und Texter müssen in einer Klausur (Prüfung) nachweisen, dass sie über berufsmäßiges Können verfügen. Von der Klausur kann abgesehen werden, wenn ein Kompositionsstudium abgeschlossen wurde oder der Urheber bereits einen künstlerischen Ruf besitzt. Außerordentliche Mitglieder haben ein aktives Wahlrecht und können auf diesem Wege die Zusammensetzung der verschiedenen Gremien mitgestalten. Sie erhalten einen Beteiligungsanspruch an der GEMA-Sozialkasse, die Leistungen im Alter, bei Krankheit und Tod des Mitglieds gewährt. Ordentliches Mitglied kann nur werden, wer mindestens fünf Jahre außerordentliches Mitglied war und in den letzten fünf Jahren ein Mindestaufkommen von rund 30.000 € (für Musikverleger 77.000 €) erzielte. Als ordentliches Mitglied kann man sich in sämtliche Gremien und Entscheidungsorgane wählen lassen.
Ralf Kitzberger
£5.2 Verwertungsgesellschaften in Deutschland Die Organe der GEMA sind: • die Versammlung der ordentlichen Mitglieder, • der Aufsichtsrat, • der Vorstand. Der Vorstand vertritt die GEMA. Er wird vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen. Der Aufsichtsrat besteht aus 15 Mitgliedern, von denen sechs Komponisten, fünf Verleger und vier Textdichter sein müssen. Welche Rechte werden der GEMA im Berechtigungsvertrag eingeräumt? In dem Berechtigungsvertrag werden der GEMA alle wichtigen Nutzungsrechte zur Wahrnehmung eingeräumt. Die GEMA nimmt insbesondere das Recht der Konzertaufführung, das Senderecht, das Verfilmungsrecht, das Recht der Zweitverwertung von Sendungen und das Recht der mechanischen Vervielfältigung wahr, das bei Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung von Tonträgern anfällt. Nicht wahrgenommen werden die grafischen Rechte am Notenbild und das Recht der bühnenmäßigen Aufführung von musikdramatischen und anderen Werken. Die GEMA nimmt auch die Rechte aus der Verbindung von Musikwerken mit Filmen und Werken anderer Gattungen auf Datenträgern oder Speichern ähnlicher Art wahr. Diese Rechte können jedoch vom einzelnen Mitglied innerhalb von vier Wochen nach Kenntniserlangung von der Verbindung zurückgerufen werden, sodass der Urheber diese Rechte selbst wahrnehmen kann. Bei der Filmmusik machen die Urheber von diesem Recht regelmäßig Gebrauch. Die GEMA nimmt auch das sogenannte »Aufführungsrecht« wahr. In der Praxis wird bei Musikwerken zwischen dem großen und dem kleinen Recht unterschieden. Die kleinen Rechte werden von der GEMA wahrgenommen. Die großen Rechte verbleiben beim Urheber, der sie in der Regel einem Bühnenverleger zur individuellen Verwertung überlässt (Fromm/Nordemann 2008: § 19 Rz. 14). Bei den großen Rechten handelt es sich um die Rechte der bühnenmäßigen Aufführung dramatisch-musikalischer Werke, d.h. Aufführungen, bei denen die Musik in eine dramatische Spielhandlung einbezogen ist. Zum Bereich des sogenannten großen Rechts gehören insbesondere Oper, Operette, Ballett und Musical (Berndorff/Eigler 2002: 59). Verteilung der Einnahmen Bei der GEMA existiert ein sehr komplizierter Verteilungsplan für die erzielten Einnahmen. Die Erträge werden an die Berechtigten nach Abzug der Verwaltungskosten verteilt. Im Bereich der mechanischen Vervielfältigung werden sie im Verhältnis 30:30:40 an Komponist, Texter und Verleger verteilt. Für die Vervielfältigung einer CD verlangt die GEMA beim Presswerk z.B. die ur-
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heberrechtliche Vergütung und schüttet diese im genannten Verhältnis an Komponist, Texter und Verleger aus. Im Bereich Aufführungsrecht erhält der Komponist 7/12, der Bearbeiter 1/12 und der Verleger 4/12 der Einnahmen. Im Bereich Senderecht werden die von den Rundfunk- und Fernsehanstalten gemeldeten Sendeminuten und Sendesekunden pro Werk notiert. Die Division der gesamten Einnahmen durch die Zahl der Sendeminuten ergibt am Jahresende den Geldwert einer Musikminute. Im Bereich Unterhaltungs-, Tanzmusik und Konzerte werden Verrechnungspunkte anstelle von Minuten notiert. 2. Gesellschaft zur Ver wertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL) Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten nimmt die Leistungsschutzrechte von ausübenden Künstlern und von Bild- und Tonträgerherstellern wahr. Die GVL wurde 1959 von der Deutschen Orchestervereinigung e.V. (DOV) und dem Verband der Schallplattenfirmen gegründet (Andryk 1998: 38). Ausübende Künstler sind Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler und alle sonstige Werkinterpreten. Tonträgerhersteller sind Schallplatten- bzw. CDFirmen und sonstige Tonträger-Produzenten mit einem eigenen Label.
Wahrnehmungsvertrag Voraussetzung für die ›Mitgliedschaft‹ bei der GVL ist der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrages zwischen der GVL und dem Berechtigten. Die GVL ist für den Bereich der Zweit- und Drittauswertung von Rechten zuständig. Die Zweitauswertung setzt eine bereits fixierte Darbietung (z.B. eine CD) voraus und bedeutet die Nutzung dieser Darbietung, z.B. die öffentliche Wiedergabe oder die private Überspielung von Schallplatten und von Funk- und Fernsehsendungen (Berndorff/Eigler 2002: 139ff.; Lyng 2002: 21). Drittauswertungen sind u.a. die öffentliche Wiedergabe von gesendeten CDs oder gesendeten Filmen, die private Vervielfältigung von gesendeten Schallplatten oder Filmen und die Weitersendung gesendeter Schallplatten oder Filme durch Kabelunternehmen (Andryk 1998: 38; Berndorff/Eigler 2002: 139ff.). Die Erstauswertung (Aufnahme einer Darbietung auf CD, Hörfunkübertragung oder Fernsehersendung einer Livedarbietung, Mitwirkungen einer Videoproduktion oder an einem Film) wird von der GEMA wahrgenommen. Musikvideos stehen den Tonträgern gleich. Bei der öffentlichen Wiedergabe führt die GEMA das Inkasso für die GVL mit durch. Der Aufgabenbereich der GVL umfasst dann die Wahrnehmung der Rechte der ›Mitglieder‹ auf dem Gebiet:
Ralf Kitzberger
£5.2 Verwertungsgesellschaften in Deutschland • • •
Sendung von Schallplatten in Radio- oder Fernsehstationen, öffentliche Wiedergabe von Tonträgern und Sendungen, private Vervielfältigung von Ton und Bild.
Verteilung der Einnahmen Die GVL zieht die Beiträge von Zweit- und Drittverwertern ein und verteilt diese nach einem bestimmten Verfahren und in einem bestimmten Verhältnis an die Künstler und an die Tonträgerhersteller. Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschüttung ist der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags. Die ausübenden Künstler müssten darüber hinaus ihre jährliche Einnahmen aus dem Bereich der Erstauswertung an die GVL melden. Die Einnahmen der GVL setzen sich aus den Sendevergütungen und den Vergütungen für die öffentliche Wiedergabe und die private Überspielung zusammen. Die GVL schließt für die Sendevergütung mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Privatsendern Verträge ab. Die öffentlichrechtlichen Sender zahlen eine Pauschalvergütung, die sich an der Zahl der zugelassenen Empfangsgeräte und einem Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen bemisst. Die Privatsender zahlen einen Prozentsatz, der sich ausschließlich an ihren jeweiligen Werbeeinnahmen bemisst (Berndorff/Eigler 2002: 141ff. m.w.N.). Bei den Einnahmen der öffentlichen Wiedergabe (z.B. in Gaststätten oder Diskotheken) erhebt die GEMA als Inkassounternehmen für die GVL einen Aufschlag von 20 Prozent für die Tonträgerwiedergabe und einen Aufschlag von 26 Prozent für die Wiedergabe von Sendungen und Videoclips auf den von der GEMA selbst erhobenen Tarif (Berndorf/Eigler 2002: 141). Im Bereich der privaten Überspielung erhält die GVL ihre Einnahmen von der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ). Durch die ZPÜ werden mit den Herstellern von Ton- und Bildaufzeichnungsgeräten Geräteabgaben sowie Abgaben für Leerkassetten ausgehandelt (ebd.). Die einzelnen Einnahmen werden zwischen Künstlern und Tonträgerherstellern im Verhältnis 50:50 aufgeteilt.
L IT ER AT U RV ER ZEICHNIS Andryk, Ulrich (1998): Musikerrecht. Rechtliche und praktische Grundlage für Musiker, Texter und Komponisten, 3. Aufl., Brühl: AMA. Berndorff, Gunnar/Berndorff, Barbara/Eigler, Knut (2002): Musikrecht. Die häufigsten Fragen des Musikgeschäfts, 3. Aufl., Bergkirchen: PPV Presse. Berndorff, Gunnar/Berndorff, Barbara/Eigler, Knut (2007): Musikrecht. Die häufigsten Fragen des Musikgeschäfts, 5. Aufl., Bergkirchen: PPV Presse.
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Lyng, Robert (2002): Die Praxis Booking, Management/Label Presse. Lyng, Robert (2004): Die Praxis Booking, Management/Label Presse.
im Musikbusiness. Musterverträge/Promotion, und Verlag/GEMA/GVL, Bergkirchen: PPV im Musikbusiness. Musterverträge/Promotion, und Verlag/GEMA/GVL, Bergkirchen: PPV
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5.3 D IE K ÜNSTLERSOZIALVERSICHERUNG IN D EUTSCHLAND Andri Jürgensen
Selbständige Musiker sind in Deutschland pflichtversichert in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Der Vorteil: Die Künstlersozialkasse (KSK) übernimmt 50 Prozent der Versicherungsbeiträge, was sich zu mehreren Tausend Euro im Jahr summieren kann. Eine vergleichbare Bevorzugung bietet das Recht keiner anderen selbständigen Berufsgruppe – soweit man das gesetzliche Sozialsystem als Bevorzugung ansieht.
1. D A S S YS T E M D E R K Ü N S T LER SOZI A LV ER SI CHERU NG Nicht nur Musiker sind häufig von geringen bis sehr geringen und stark schwankenden Einkünften betroffen, es gilt dies für Künstler und Publizisten aller Sparten an Bühnen, in Redaktionen oder in Film- und Tonstudios. Weil unter diesen geringen und schwankenden Einkünften fast immer die persönliche soziale Absicherung für Krankheit und Alter leidet, hat der Gesetzgeber 1983 mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) bestimmt, dass freie Künstler und Publizisten pflichtversichert sind in • der gesetzlichen Rentenversicherung, • der gesetzlichen Krankenversicherung und in • der sozialen Pflegeversicherung. Da viele der Versicherten die Beiträge für diese Versicherungen aber nicht alleine tragen können, gibt die KSK einen Zuschuss von 50 Prozent. Wie hoch die Beiträge und mit ihnen die Zuschüsse im Einzelfall sind, richtet sich nach den Einkünften aus der künstlerischen bzw. publizistischen Tätigkeit. Wer als freier Musiker im Jahr 10.000 ÀGewinn erzielt, zahlt davon pro Jahr • für die Rentenversicherung (Beitragssatz z.Zt. 9,95 %): 995,00 À • für die Krankenversicherung (Beitragssatz z.Zt. 8,2 %): 820,00 À • für die Pflegeversicherung (Beitragssatz z.Zt. 1,225 %): 122,50 À • total im Jahr: 1.937,50 À • und im Monat: 161,45 À Dies entspricht 50 Prozent der gesetzlichen Beiträge, die KSK zahlt den gleichen Anteil dazu und leitet alles an die zuständige Einrichtung weiter. Finanziell werden die Versicherten damit einem Arbeitnehmer gleichgestellt, denn
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auch dieser zahlt von seinen Beiträgen zur Sozialversicherung nur die Hälfte, die andere Hälfte übernimmt der Arbeitgeber. Finanziert wird dieser Zuschuss von zwei Seiten: Einen Teil, nämlich 40 Prozent der Zuschüsse, übernimmt der Staat; die restlichen 60 Prozent leisten die sogenannten »Verwerter« durch die Künstlersozialabgabe. Diese prozentual erhobene Abgabe müssen alle Unternehmen zahlen, die regelmäßig Aufträge an freie Künstler geben: Bühnen, Verlage, Produktionsfirmen, Tonstudios, Museen, Galerien etc. Die Abgabe wird auf jedes an einen freien Künstler gezahlte Honorar erhoben. Der Prozentsatz wird jedes Jahr durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung neu festgesetzt; im Jahr 2011 lag er bei 3,9 Prozent. Wenn ein Musikproduzent einem freien Musiker ein Honorar von 1000 À zahlt, dann muss er zusätzlich 3,9 Prozent an die KSK zahlen, also 39 À wohlgemerkt zusätzlich, denn die Künstlersozialabgabe darf dem Musiker nicht vom Honorar abgezogen werden!
2. D I E V ER SI CHERU NG SPFLI CHT F Ü R SELBS TÄ NDI G E M USIKER Ein Musiker ist gemäß § 1 KSVG unter den folgenden Voraussetzungen nach dem KSVG versicherungspflichtig: • er ist Künstler im Sinne des KSVG; • er ist selbständig tätig; • er übt diese Tätigkeit erwerbsmäßig und dauerhaft aus; • er beschäftigt nicht mehr als einen Arbeitnehmer; • sein durchschnittlicher Monatsverdienst übersteigt 325 À. Auf diese Voraussetzungen wird im Folgenden genauer eingegangen. Daneben gibt es eine Reihe von Fällen, in denen ein Künstler von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und/oder der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung befreit ist. Dieser Bereich wird in Abschnitt 4 erörtert. Musiker Musiker ist nach § 1 KSVG, wer »Musik schafft, ausübt oder lehrt«. Unerheblich ist dabei das künstlerische Gestaltungsniveau. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil zum Kunstbegriff des KSVG entschieden, dass jede Darbietung als Kunst anzusehen ist, »bei der auch nur in Ansätzen eine freie schöpferische Gestaltung« zu erkennen ist (BSG Urteil vom 25.10.1995, Az. 3 RK 24/94).
Andri Jürgensen
£5.3 Die Künstlersozialversicherung in Deutschland Insgesamt haben es Musiker bei der KSK in Bezug auf die Frage nach ihrer künstlerischen Tätigkeit nicht schwer. Ihr Berufszweig hat zumeist keine Probleme, das geforderte Mindestniveau an »freier schöpferischer Gestaltung« nachzuweisen. Dies gilt für den Komponisten wie für den ausübenden Musiker oder die Sängerin. Schwieriger wird es bspw. für einen Instrumentenbauer. Hier stellt sich die Frage, ob er ein Handwerk ausübt (welches nicht unter das KSVG fällt), oder ob seiner Tätigkeit eine freie schöpferische Gestaltung im Sinne des KSVG innewohnt. Musiker im Sinne des KSVG sind bspw.: • Arrangeure • Chorsänger • Dirigenten • Instrumentalsolisten • Kapellmeister • Komponisten • Liedermacher • Musiklehrer • Orchestermusiker • Sänger • Textdichter • Tonmeister Spannend ist die Frage, ob und wann bspw. DJs Künstler sind. Wer nur Platten auflegt, schafft in der Regel dadurch nicht eigene Kunst, sondern präsentiert ›nur‹ fremde Kunst. Derzeit beschäftigen sich die Gerichte mit dieser Frage, vermutlich wird sich auch das Bundessozialgericht hierzu noch äußern. Selbständigkeit Für die Versicherungspflicht nach dem KSVG genügt es nicht, als Musiker tätig zu sein. Diese Tätigkeit muss außerdem selbständig ausgeübt werden. Wer als Musiker abhängig beschäftigt ist (bspw. in einem Orchester), ist nicht selbständig und damit nicht versicherungspflichtig. Die Unterscheidung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist in der Praxis nicht leicht zu treffen, denn eine pauschal anwendbare Definition des Begriffs der Selbständigkeit gibt es nicht. In einem Urteil umreißt das BSG KennzeichenfüreineSelbständigkeit, nämlich »das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit« (Urteil vom 28.01.1999, Az. B3 KR 2/98). Demgegenüber ist abhängig beschäftigt, wer weisungsgebunden und in einen fremden Betrieb eingegliedert ist.
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In der Praxis führen diese Stichworte aber zu vielen Problemen. Natürlich ist ein Musiker hinsichtlich der Zeit und des Ortes eines Konzertes gebunden. Nicht selten sehen die Sozialversicherungsträger in dieser Gebundenheit schon eine Weisungsunterworfenheit und damit eine abhängige Beschäftigung. In solchen Fällen hilft nur ein fundierter Widerspruch (vgl. Abschnitt 7). Er werbsmäßigkeit und Dauerhaftigkeit Weniger Schwierigkeiten als die beiden vorherigen Punkte bereitet in der Praxis das Erfordernis einer erwerbsmäßigen und dauerhaften Tätigkeit. Die musikalische Tätigkeit ist dann erwerbsmäßig, wenn sie »dem Broterwerb« dient. Vom KSVG sollen diejenigen ausgeschlossen werden, die Kunst nur als Hobby ausüben. Sie haben nicht mit den schwierigen Bedingungen des professionellen Kunstmarktes zu kämpfen und sind deshalb nicht vom Schutz des KSVG umfasst. Der Erwerbsmäßigkeit steht aber nicht entgegen, dass man zusätzlich noch einem anderen Beruf nachgeht – im Gegenteil, nur so können viele Musiker ihren Lebensunterhalt bestreiten. Aber die musikalische Tätigkeit muss eben auch diesem Zweck dienen. Dauerhaft ist die Tätigkeit, wenn sie länger als zwei Monate ausgeübt werden soll oder ausgeübt wird. Keine arbeitgeberähnliche Stellung Als Musiker wird nach dem KSVG nur versichert, wer im Zusammenhang seiner musikalischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Erfordernis, das einem freien Musiker kaum Probleme bereiten dürfte.
Ein freier Musiker beschäftigt für seine künstlerische Arbeit eine Sekretärin und einen persönlichen Referenten. In diesem Fall beschäftigt er im Zusammenhang mit seiner musikalischen Arbeit mehr als einen Arbeitnehmer. Deshalb kann er gemäß § 1 KSVG nicht über die KSK versichert werden. Anders ist es dagegen, wenn er eine Sekretärin für seine berufliche Tätigkeit als Musiker beschäftigt und daneben eine Hauswirtschafterin für seine Privatwohnung. Letztere ist nicht im Zusammenhang mit seiner musikalischen Tätigkeit beschäftigt und er ist also versicherungspflichtig nach dem KSVG.
Mindestverdienst Nach § 3 KSVG ist nur versicherungspflichtig, wer im Kalenderjahr aus seiner künstlerischen (oder publizistischen) Tätigkeit pro Jahr mindestens 3900 À als Gewinn erwirtschaftet (zum Gewinn siehe das folgende Kapitel £5.4 Steu-
Andri Jürgensen
£5.3 Die Künstlersozialversicherung in Deutschland ern zahlen in Deutschland). Auf den Monat umgerechnet muss der Mindestverdienst also bei durchschnittlich 325 À liegen. Dabei kommt es nicht auf Einnahmen aus anderen nicht-künstlerischen Arbeiten oder Jobs an; diese Summe muss allein aus einer freien künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit erzielt werden. Aus anderen, nichtkünstlerischen Tätigkeiten oder als Arbeitnehmer darf man hingegen nur bestimmte Höchstgrenzen erreichen, sonst endet die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bzw. auch der Rentenversicherung. Ein freier Musiker erzielt mit seinem Nebenjob als Taxifahrer 20.000 À im Jahr, mit seiner Arbeit als freier Musiker 3500 À. Damit liegt er unter der Mindestgrenze von 3900 À und ist nicht nach dem KSVG versicherungspflichtig. Würde er als Musiker über 3900 À verdienen, wäre er wegen der anderen Einkünfte trotzdem bei der KSK nur rentenversichert, die Kranken- und Pflegeversicherung wäre ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn er als Musiklehrer an einer Musikschule noch abhängig beschäftigt ist und hier im Jahr 5000 Àerzielt. Diese Einnahmen stammen nicht aus einer freiberuflichen Tätigkeit, sondern aus einer abhängigen Beschäftigung. Also bestünde auch hier bei der KSK nur die Rentenversicherungspflicht. Es schadet allerdings nicht, wenn die Summe von 3900 À aus der selbständigen künstlerischen Tätigkeit in einem Kalenderjahr ausnahmsweise unterschritten wird. Nach § 3 Abs. 3 KSVG bleibt die Versicherungspflicht dann bestehen, wenn die Mindestschwelle innerhalb von sechs Kalenderjahren nicht mehr als zweimal unterschritten wird. Ein Musiker verdiente mit seiner Tätigkeit im Jahr 2008 erstmals weniger als 3900 À. Die Versicherungspflicht bleibt aber dennoch bestehen, denn der Musiker darf in sechs Jahren zweimal die Geringfügigkeitsgrenze unterschreiten. Selbst wenn er auch 2009 oder 2010 unter dem Mindestverdienst lag, bleibt die Versicherungspflicht bestehen. Der Mindestverdienst gilt gemäß § 3 Abs. 2 KSVG nicht für Berufsanfänger, also nicht innerhalb der ersten drei Jahre nach der erstmaligen Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Die Versicherungspflicht besteht vielmehr in jedem Fall, völlig unabhängig vom Einkommen.
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3. V ER SI CHERU NG SF REIHEIT Das KSVG soll durch den Zuschuss der KSK für die Versicherungsbeiträge gerade geringverdienenden freien Künstlern eine soziale Vorsorge ermöglichen. Diese Absicherung und insbesondere die Zuschüsse benötigen aber solche Personen nicht, die bereits anderweitig für Rente und/oder Krankheit abgesichert sind. Ein Beamter hat ausreichende Pensionsansprüche und zudem den Beihilfeanspruch für den Krankheitsfall. Deshalb ist ein Beamter, der nebenberuflich einer künstlerischen selbständigen Tätigkeit nachgeht, in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei. Angenommen, er würde noch erwerbsmäßig als Künstler arbeiten – er bekäme von der KSK keine Zuschüsse. § 4 KSVG regelt, wann die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung eintritt. § 5 KSVG regelt die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Liegt einer der Tatbestände vor, zahlt die KSK für den betroffenen Versicherungszweig keine Zuschüsse. Einige Beispiele seien an dieser Stelle überblicksartig genannt. Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung tritt für einen freien Musiker ein, wenn er u.a. • zugleich Beamter ist, • eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, • durch eine andere, nicht-künstlerische Tätigkeit in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung abgesichert ist (z.B. Rechtsanwälte), • einer anderen, nicht-künstlerischen Tätigkeit nachgeht und daraus jährlich ein Einkommen erreicht, was über die Hälfte der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze ausmacht, • Wehr- oder Zivildienstleistender ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist versicherungsfrei, wer als freier Musiker u.a. • zugleich Beamter ist, • in seinem Hauptberuf einer abhängigen Beschäftigung nachgeht, • eine selbständige nicht-künstlerische Tätigkeit ausübt und hieraus nicht nur geringfügige Einkünfte erzielt, • Arbeitslosengeld bzw. -hilfe bezieht, • Wehr- oder Zivildienst leistet, • als Student eingeschrieben ist und das Studium den überwiegenden Teil der Arbeitszeit und -kraft in Anspruch nimmt.
Andri Jürgensen
£5.3 Die Künstlersozialversicherung in Deutschland
4 . D ER W EC HSEL IN EINE PRI VAT E K R A NK EN V ER SI C HERU N G Für zwei Gruppen ist es nach dem KSVG möglich, von der gesetzlichen in eine private Krankenversicherung zu wechseln: für Berufsanfänger und für Höherverdienende. Diese Möglichkeit bietet sich nur für die Kranken- und Pflegeversicherung, nicht aber für die gesetzliche Rentenversicherung! Ob eine private Krankenversicherung der gesetzlichen vorzuziehen ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. Für Alleinstehende ist die private Krankenversicherung bei gleichzeitig besserer Absicherung u.U. günstiger. Für Familien ist meistens die gesetzliche Krankenkasse günstiger, weil (anders als bei der privaten Versicherung) alle Familienmitglieder mitversichert sind, also ein Tarif für alle gilt. Dennoch sind pauschale Empfehlungen nicht möglich; jeder muss die Vor- und Nachteile persönlich abwägen. Wer danach in die private Krankenversicherung wechseln möchte, sollte die beiden Möglichkeiten kennen, die sich ihm bieten. a) Berufsanfänger Berufsanfänger können sich gemäß § 6 KSVG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zugunsten einer privaten Versicherung befreien lassen. Diese Befreiung ist bei der KSK zu beantragen. Vorsicht: Dieser Antrag kann nur innerhalb der ersten drei Monate nach der Feststellung der Versicherungspflicht gestellt werden!
Ein Musiker meldet sich als Berufsanfänger bei der KSK. Am 20. Januar 2011 stellt sie dessen Versicherungspflicht fest. Nun hat der Musiker drei Monate Zeit, den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 KSVG zu stellen. Diese Entscheidung zugunsten der privaten Krankenversicherung ist jedoch noch nicht endgültig. Nach § 6 Abs. 2 KSVG kann der Berufsanfänger innerhalb der ersten drei Jahre nach der Berufsaufnahme gegenüber der KSK erklären, dass die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht enden soll und er zurück in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung wechseln möchte. Dieser Wechsel ist allerdings endgültig, ein erneuter Wechsel in die private Versicherung ist aufgrund der heutigen gesetzlichen Regelung nicht möglich. b) Höherverdienende § 7 KSVG ermöglicht es den sogenannten »Höherverdienenden«, sich von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht befreien zu lassen und in eine
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private Versicherung zu wechseln. Als Höherverdienender gilt, wer in drei aufeinanderfolgenden Jahren ein Durchschnittseinkommen erzielt, das eine bestimmte Summe überschreitet. Konkret muss der Verdienst in den drei Jahren die Summe der »Jahresarbeitsentgeltgrenze« gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SBG V überschritten haben. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE) markiert im Sozialrecht jene Summe, ab der abgängig Beschäftigte in die private Krankenversicherung wechseln können. Dieser Wert wird für jedes Jahr neu festgesetzt. Auch der Höherverdienende muss eine Frist beachten: Der Antrag auf Befreiung zugunsten der privaten Krankenversicherung muss bis zum 31. März des auf den 3-Jahres-Zeitraum folgenden Jahres gestellt werden. Wenn der Musiker in den drei Jahren von 2009 bis 2011 die Schwelle des in § 7 KSVG genannten Betrags erreicht hat, muss er den Antrag auf Befreiung bis zum 31.3.2012 bei der KSK stellen (Datum des Zugangs, nicht der Absendung!). Beitragszuschüsse zur privaten Versicherung Wer nach den §§ 6 oder 7 KSVG von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung befreit wurde, muss eine vergleichbare private Absicherung vornehmen. Zu den Beiträgen für diese private Kranken- und Pflegeversicherung zahlt die KSK gemäß § 10 KSVG einen Zuschuss. Die Höhe des Zuschusses beträgt 50 Prozent der tatsächlichen Kosten – aber nicht mehr, als der Versicherte bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung bekommen würde. Das Verfahren für die Zuschüsse zur privaten Absicherung ist zweigeteilt. Zunächst zahlt die KSK vorläufige Beiträge, die sich nach dem voraussichtlichen Einkommen im jeweiligen Kalenderjahr richten (zu den Prognosen vgl. Abschnitt 6). Im Folgejahr muss der Versicherte der KSK das im Vorjahr tatsächlich erzielte Einkommen melden. Anhand dieses tatsächlichen Einkommens berechnet die KSK dann den endgültigen Beitragszuschuss. Aus dieser Berechnung kann sich eine Rückforderung der KSK ergeben oder ein Guthaben des Versicherten. Ein nach § 6 KSVG befreiter Musiker meldet als voraussichtliches Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit im Folgejahr 20.000 À Aus dieser Summe berechnet die KSK den vorläufigen Beitragszuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Anschließend muss der Versicherte bis zum 31. Mai des Folgejahres das im Vorjahr tatsächlich die tatsächlich erzielten Einkünfte melden. Daraufhin berechnet die KSK den endgültigen Beitragszuschuss.
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£5.3 Die Künstlersozialversicherung in Deutschland
5. D A S V ERFA HREN VO R DE R K Ü N S T LER S OZI A LK A SSE Es ist ein häufig unter Künstlern anzutreffendes Missverständnis, dass die Versicherung nach dem KSVG im Belieben des einzelnen Künstlers oder Publizisten stehe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wer die in Abschnitt 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, muss sich bei der KSK melden – er ist nach § 1 KSVG pflichtversichert. Die Meldung bei der KSK ist auch der erste Schritt, den ein freier Musiker unternehmen muss. Dazu verpflichtet ihn § 11 Abs. 1 KSVG. Diese Meldung kann formlos erfolgen, schriftlich oder auch per E-Mail (Adresse siehe am Ende des Beitrags). Auf die Meldung hin verschickt die KSK einen Fragebogen. In diesem Fragebogen sind allerlei Angaben zur Person und zur künstlerischen Tätigkeit zu machen. Außerdem müssen bestimmte Nachweise beigefügt werden wie Verträge, Kritiken etc. Anhand der Angaben im Fragebogen trifft die KSK eine Entscheidungüber dieVersicherungspflicht. Wird die Versicherungspflicht abgelehnt, kann der Betroffene Widerspruch und ggf. Klage vor dem Sozialgericht erheben. Bei selbständig arbeitenden Musikern gibt es meist weniger Probleme mit der Versicherungspflicht als bei manch anderen Berufsgruppen, weil bei ihnen das Künstlerische der Arbeit nicht in Frage steht. Aus der Bejahung der Versicherungspflicht durch die KSK folgt für den nun versicherten Musiker eine Reihe von Meldepflichten (vgl. Abschnitt 6). Die KSK entscheidet aber nicht nur über die Versicherungspflicht der sich meldenden Künstler. Sie sammelt bspw. auch die Beiträge der Versicherten und leitet diese zusammen mit dem Zuschuss als sogenannten Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle weiter. Außerdem überwacht sie die Zahlung der Künstlerabgabe durch die abgabepflichtigen Unternehmen. Die KSK hat das Recht, die jährlichen Meldungen des Künstlers zu überprüfen. Deshalb muss der Künstler alle relevanten Unterlagen (Rechnungen, Verträge etc.) aufbewahren und ggf. vorlegen. Man sollte daher auch im Alltag als freier Musiker – und damit als Geschäftsmann – darauf achten, dass diese Unterlagen vorhanden sind und auch in einer gewissen Ordnung stehen. Auch wenn eine Überprüfung nicht häufig stattfindet, wird die Hektik im Ernstfall sonst groß. Die Details der Prüfung regelt die KSVG-Beitragsüberwachungsverordnung.
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6. J Ä H RLI C HE M ELD U N G EN A N D I E K Ü N S T LER S OZI A LK A SSE Die KSK zahlt an die versicherten Künstler und Publizisten monatliche Beitragszuschüsse. Wie hoch die Beiträge und damit die Zuschüsse ausfallen, richtet sich nach den jeweiligen Einkünften aus der künstlerischen Tätigkeit. Diese Einkünfte muss der Versicherte der KSK melden. a) Meldung der voraussichtlichen Einkünfte bis zum 1.12. Die Meldung sorgt alljährlich bei vielen Versicherten für eine gewisse Ratlosigkeit. Jeder Versicherte muss der KSK bis zum 1.12. melden, welchen Gewinn er oder sie im kommenden Jahr voraussichtlich erzielen wird. Die KSK verschickt rechtzeitig vor diesem Datum einen Meldebogen, auf dem das voraussichtliche Einkommen anzugeben ist. Es wird also nicht das tatsächliche Einkommen eines Jahres gemeldet, sondern eine Prognoseabgegeben. Selbstverständlich kann niemand eine Prognose abgeben, die das tatsächliche Einkommen auf den Euro genau trifft. Vielmehr wird man nur die Größenordnung angeben können. Dabei sollte man Folgendes bedenken: Liegt die Prognose über den dann tatsächlich erzielten Einkünften, hat man für dieses Jahr zu hohe Versicherungsbeiträge gezahlt. Liegt die Prognose darunter, hat man zwar geringere monatliche Beiträge, aber auch einen geringeren Rentenanspruch erwirtschaftet. Wer über die Jahre immer wieder zu geringe Prognosen abgibt, hat somit später einen geringeren Rentenanspruch, als er eigentlich hätte erwirtschaften können! Es liegt daher im Interesse des Versicherten, die Meldung so realistisch wie möglich abzugeben. Hier gibt es Hilfe: Unter www. kunstrecht.de kann man ein »Prognose-Abo« bestellen, gibt seine tatsächlich erzielten Gewinne der Vergangenheit an und bekommt daraufhin eine Bandbreite für die Prognose, damit man sich nicht im bußgeldgefährdeten Bereich bewegt. Natürlich kann sich die Prognose als fehlerhaft erweisen. Man mag mit erheblich mehr Einkünften gerechnet haben und sieht nun, dass man die daraus resultierenden monatlichen Beiträge nur schwer oder gar nicht aufbringen kann. Umgekehrt kann sich das Jahr als sehr erfolgreich erweisen und mancher Künstler mag einen Teil dieses unerwarteten Mehrverdienstes in seine Rentenvorsorge stecken. In all diesen Fällen ist nach § 12 Abs. 3 KSVG eine Anpassung an das tatsächliche Einkommen möglich, allerdings nicht rückwirkend, sondern immer nur ab dem Monat nach der Antragstellung. b) Meldung des tatsächlichen Einkommens bis zum 31.5. Nur eine bestimmte Gruppe der Versicherten muss nicht nur die oben genannte Prognose des voraussichtlichen Einkommens abgeben, sondern nachträglich auch das tatsächlich erzielte Einkommen melden.
Andri Jürgensen
£5.3 Die Künstlersozialversicherung in Deutschland Dies betrifft diejenigen Künstler, die auf ihren Antrag hin zugunsten einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreit wurden (vgl. Abschnitt 4). Wer nicht befreit wurde, sondern in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, braucht sich um diese nachträgliche Meldepflicht nicht zu kümmern. Wer als Berufsanfänger nach § 6 oder als Höherverdienender nach § 7 KSVG von der gesetzlichen Krankenversicherung befreit wurde, muss eine private Kranken- und Pflegeversicherung abschließen. Zu den Beiträgen für diese Versicherung erhält er Zuschüsse von der KSK. Die Zuschüsse aber richten sich nach dem tatsächlich erzielten Einkommen. Deshalb müssen die Künstler, die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung erhalten, der KSK bis zum 31. Mai des Folgejahres ihr im vorangegangenen Kalenderjahr tatsächlich erzieltes Einkommen melden. Die Angaben werden von der KSK kontrolliert. Wenn sie z.B. anhand der Einkommenssteuerbescheide feststellt, dass aufgrund falscher, zuhoherEinkommensangaben ein zu hoher Zuschuss bezahlt wurde, fordert sie die zu viel bezahlte Summe zurück. Und das kann in die Tausende gehen!
7. R EC HT SSC H U T Z Zum Streit mit der KSK kann es in vielen Fällen kommen: Beginn oder Ende der Versicherungspflicht, Beitrags- oder Zuschusshöhe, Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht – alles kann im Einzelfall zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der KSK und dem Versicherten führen. Dabei sitzt die KSK zunächst am längeren Heben, weil sie als Behörde per Verwaltungsakt rechtsverbindlich und damit hoheitlich entscheidet. Schutzlos ist der Versicherte dennoch nicht. Ihm bleiben die beiden Rechtsmittel Widerspruch und Klage. a) Widerspruch Wer mit einer Entscheidung der KSK nicht einverstanden ist und seine Rechte verletzt sieht, legt zunächst gegen den Bescheid der KSK Widerspruch ein. Auf diesen Widerspruch hin überprüft die KSK intern den Verwaltungsakt. Diese Aufgabe übernehmen speziell hierfür eingerichtete Ausschüsse, die mit Vertretern der KSK, der Verwerterverbände und der Künstlerverbände besetzt sind. Es ist keineswegs so, dass ein Widerspruch per se keine Aussicht auf Erfolg hätte, nur weil er KSK-intern behandelt wird. Manchmal liegt die Ursache jedoch auch aufseiten des Versicherten (bzw. des sich bei der KSK Meldenden), etwa weil Angaben nicht korrekt gemacht wurden und die KSK von einem unrichtigen Sachverhalt ausging. Es lohnt sich deshalb, bei einem Widerspruch einen KSVG-erfahrenen Anwalt einzuschalten. Dieser kann den
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Sachverhalt überprüfen und im Widerspruch die richtigen juristischen Argumente entfalten. Der Widerspruch muss schriftlich (Brief, Fax) bei der KSK eingereicht werden, es sind aber keine besonderen Formvorschriften zu beachten. Wichtig ist die Frist: Der Widerspruch muss innerhalbvoneinemMonatnach Zugang des beanstandeten Verwaltungsaktes bei der KSK eingehen. Eine genaue Begründung ist nicht erforderlich, es genügt der Hinweis, dass eine Überprüfung der Entscheidung begehrt wird. Auf einen solchen Hinweis sollte man den Widerspruch natürlich in der Praxis nicht beschränken, sondern ihn dazu nutzen, seine juristischen Argumente vorzubringen. Der Widerspruch ist die einzige kostenfreie Möglichkeiteiner Neuentscheidung der KSK vor der Klage. Die KSK kann auf den Widerspruch hin die gewünschte Entscheidung fällen und ihren ursprünglichen Bescheid aufheben. Es wird dem Widerspruch »abgeholfen«, deshalb spricht man von einem »Abhilfebescheid«. Sie kann den Widerspruch aber auch ablehnen und es bei ihrer ursprünglichen Entscheidung belassen. Dies versteht man unter dem Begriff »Widerspruchsbescheid«. In diesem Fall bleibt als nächstes Rechtsmittel die Klage. b) Klage vor dem Sozialgericht Eine Klage gegen die KSK vor dem Sozialgericht ist erst möglich, nachdem das Widerspruchsverfahren erfolglos durchgeführt wurde. Dabei sind bestimmte Anforderungen an FormundFrist der Klage zu beachten. Die Klage ist bspw. innerhalb von einem Monat nach Zugang des Widerspruchbescheides zu erheben. Das Kostenrisiko hält sich für Versicherte in Grenzen, denn es gibt hier keine Gerichtskosten (anders als bei Klagen bezüglich der Künstlersozialabgabe) und die KSK kann, wenn sie gewinnt, keine Kostenerstattung verlangen. Man trägt also nur das Risiko, den eigenen Anwalt bezahlen zu müssen (nämlich wenn man verliert).
8. TI PP S F Ü R B ERU FSA NFÄ NG ER Gerade Berufsanfänger sollten folgende Hinweise beachten, die zumeist mit Fristen zusammenhängen: • Die Versicherungspflicht besteht erst mit der Meldung bei der KSK. Erst ab diesem Monat werden also auch die Zuschüsse zu den Beiträgen gezahlt. Eine rückwirkende Zahlung ist nicht möglich. • In der Zeit als Berufsanfänger (also in den ersten drei Jahren nach Aufnahme der selbständigen künstlerischen Tätigkeit) besteht die Versicherungspflicht unabhängig von der Höhe des Einkommens. Erst nach Ablauf der
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drei Jahre müssen im Kalenderjahr mindestens 3900 À aus dieser Tätigkeit erwirtschaftet werden. Ein Studium schadet der Versicherungspflicht nicht, solange es nicht den Hauptteil der Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Wenn die freie künstlerische Arbeit den Tätigkeitsschwerpunkt bildet, kann man trotz des Studiums nach dem KSVG versichert werden. Wer in eine private Kranken- und Pflegeversicherung wechseln möchte, muss dies innerhalb von drei Monaten nach der Meldung bei der KSK beantragen. Danach ist die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherung erst wieder als Höherverdienender möglich (vgl. Abschnitt 4).
W EBLINK S [email protected] www.kuenstlersozialkasse.de
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5.4 S TEUERN
ZAHLEN IN
D EUTSCHLAND
Andri Jürgensen Steuern, Steuerrecht, Einkommensteuererklärung, Schriftverkehr mit dem Finanzamt – das alles steht im Ruf, zeitraubend und unangenehm zu sein. Es gibt aber einige einfache Regeln, die einem die Arbeit mit der Steuererklärung erheblich erleichtern können. Freilich gibt es immer wieder einzelne Probleme, die eine Nachfrage beim Finanzamt erfordern oder anderweitig Zeit in Anspruch nehmen können: Kann ich die 3000 À für mein neues Instrument gleich im ersten Jahr in voller Höhe als Betriebsausgabe absetzen? Wie ist das also mit der »Abschreibung für Aufwendungen«? Was ist mit den Einkünften aus der Tour durch Österreich? Muss ich auf meinen Rechnung eine Umsatzsteuer ausweisen? Diese Fragen in den Grundzügen zu beantworten, ist Ziel dieses Kapitels.
1. H INF Ü HRU NG Z U R S T EU ER PR A X I S DE R M USIKER Freiberufliche Musiker sind Unternehmer. Und als Unternehmer wird jeder Schritt der beruflichen Praxis vom Steuerrecht begleitet. Es bleibt die Wahl, ob man sich im Vorfeld die nötige Zeit nimmt oder ob man die Angelegenheit auf später verschiebt und dann zumeist wesentlich mehr Zeit aufwendet. a) Belege, Belege, Belege Um als freier Musiker einen möglichst einfachen und schnellen Umgang mit dem Finanzamt zu haben, gibt es einen relativ einfachen Weg: Belege sammeln, Rechnungen, Quittungen – alles.
Regel Nr. 1: Sammeln Sie alle Belege über Einnahmen und Ausgaben! Es hilft bei der Steuererklärung ungemein, wenn man auf eine zeitlich geordnete Sammlung aller Belege über die (beruflichen) Einnahmen und die (beruflichen) Ausgaben zurückgreifen kann. Das ist nicht teuer und kostet kaum Zeit. Am Ende des Jahres müssen nur noch die jeweiligen Summen der Einnahmen und der Ausgaben addiert und die Ausgaben von den Einnahmen abgezogen werden – und schon hat man sein zu versteuerndes Einkommen. Regel Nr. 2: Sammeln Sie die Belege gleich in ihrer zeitlichen Reihenfolge! Man kann sich dadurch beinahe den Steuerberater sparen, dem man sonst einen Schuhkarton mit einer Ansammlung von allerlei Zetteln einschließlich
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falsch abgelegter Ansichtspostkarten seiner Freunde zur freundlichen Sortierung überlässt – gegen Bares. b) Welche Steuern gibt es? Rund 50 verschiedene Steuern werden in Deutschland erhoben. Von vielen der Steuern ist man als Verbraucher betroffen. Für den Musiker als Unternehmer sind – wenn er ausschließlich auf diese Tätigkeit abstellt – letztlich nur zwei Steuerarten von Interesse: die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer. Es gibt darüber hinaus weitere Steuerarten, die Unternehmer betreffen können: die Gewerbesteuer, die Kapitalertragssteuer, die Körperschaftssteuer etc. Diese Steuern betreffen aber nur denjenigen, der neben seiner freien Musikertätigkeit etwa noch ein Gewerbe betreibt (z.B. Musikalienhandel oder Instrumentenbau) oder eine Kapitalgesellschaft gründet (z.B. eine Produktions-GmbH). Die Darstellung in diesem Kapitel wird sich ausführlich mit der Einkommensteuer (Abschnitt 2) und der Umsatzsteuer (Abschnitt 3) befassen. In der Praxis bestehen aber viele Berührungspunkte zur gewerblichen Tätigkeit und zur Kapitalgesellschaft. Deshalb wird auch überblicksartig beschrieben, wann hier in steuerlicher Hinsicht Vorsicht geboten ist (vgl. Abschnitte 4-6). c) Wen kann man fragen? Wenn in der Praxis die Frage auftaucht, wie etwa bestimmte Einnahmen oder Ausgaben zu behandeln sind, man Fristen für die Absezung für Abnutzung (AfA; vgl. Abschnitt 2d) wissen möchte, ist der Steuerberater gern behilflich. Günstiger und zudem verbindlich sind die Auskünfte aber beim Finanzamt. Dort kann man alle praktischen Fragen konkret klären. Bei schwierigeren Fragen kann es sogar nützlich sein, einen Termin mit dem zuständigen Sachbearbeiter zu vereinbaren und die Angelegenheit vor Ort mit ihm zu besprechen.
2. E INKOMMENS T EU ER Wer Einkommen erzielt, muss dieses versteuern. Kapitalgesellschaften zahlen als »juristische Personen« auf ihre Gewinne die Körperschaftssteuer, die sogenannten »natürlichen Personen« – also Menschen – die Einkommensteuer. Auch für die Einkommensteuer gilt: Belege sind das A und O der einfachen Steuerbearbeitung. Die sich im Laufe der Zeit anhäufenden Belege, Rechnungen und Quittungen stammen dabei aus unterschiedlichsten Quellen:
Andri Jürgensen
£5.4 Steuern zahlen in Deutschland Manch einer hat neben seinen Einkünften als Musiker noch andere Einnahmen, etwa aus einer anderen nicht-musikalischen Tätigkeit, aus einem bescheidenen Aktiendepot oder aus der Vermietung einer ihm gehörenden Eigentumswohnung, die auch als Altersversorgung dient. Genauso haben die eigenen Ausgaben unterschiedliche Quellen: neue Instrumente müssen angeschafft werden, das Aktiendepot kostet Bankgebühren und für die Eigentumswohnung müssen Handwerkerrechnungen bezahlt und muss ein Bankkredit getilgt werden. Wer an den oben genannten Tipp denkt und eine Belegsammlung einrichtet, wird sich fragen, ob das Steuerrecht und gerade das Einkommensteuergesetz möglicherweise eine Einteilung vorgibt, an die man sich für die Ordnung der Belege halten kann. Die Systematik des Einkommensteuergesetzes legt eine solche Ordnung bzw. Sortierung tatsächlich nahe. a) Sieben Einkunftsarten Das Einkommensteuergesetz (kurz EStG) kennt insgesamt sieben Einkunftsarten, die alle unter den Oberbegriff der Einkommensteuer fallen. Sie stehen in § 2 EStG und lauten: • Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, • Einkünfte aus Gewerbebetrieb, • Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ferner • Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, • Einkünfte aus Kapitalvermögen, • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, • und sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG.
Um an das obige Beispiel anzuknüpfen: Die Einnahmen und Ausgaben, die sich aus der freien Tätigkeit als Musiker ergeben, passen zu den »Einkünften aus selbständiger Arbeit«, Einnahmen, die sich aus dem Aktiendepot ergeben, zu den »Einkünften aus Kapitalvermögen« und Einnahmen aus der Eigentumswohnung zu den »Einkünften aus Vermietung und Verpachtung«. Die Unterteilung in die genannten sieben Kategorien findet ihre Fortführung bei der Steuererklärung. Dort wird nicht einfach eine große Gesamtsumme aus allen Einnahmen und allen Ausgaben gebildet, vielmehr sind die Einnahmen und Ausgaben für jede der Kategorien in teilweise gesonderten Anlagen zur Einkommensteuererklärung detailliert anzugeben:
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gewerblichen Einkünfte Einkünfte aus selbständiger Arbeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Kapitalvermögen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sonstige Einkünfte nach § 22 EStG
in der Anlage »G« in der Anlage »S« in der Anlage »N« in der Anlage »KAP« in der Anlage »V« in der Anlage »SO«
Es hilft also bei der Bearbeitung der Steuererklärung, wenn man seine Belege schon beim Sammeln nach diesen Kategorien sortiert hat. Regel Nr. 3: Ordnen Sie Ihre Belege nicht nur zeitlich, sondern auch nach den oben genannten sieben verschiedenen Einkunftsarten! b) Gewinnermittlung: Bilanzierung oder »4/3« Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass die Liste der Einkunftsarten durch den Einschub »und ferner« in einen 3er- und einen 4er-Block unterteilt wird. Diese Unterteilung ist nicht zufällig, denn das EStG kennt zwar sieben Einkunftsarten, aber ›nur‹ zwei verschiedene Arten der Einkünfteermittlung. Versteuert werden muss, vereinfacht gesagt, der Gewinn aus einer Tätigkeit, also der Überschuss der Einnahmen nach Abzug der Ausgaben. Und dieser zu versteuernde Gewinn wird auf zwei verschiedene Arten berechnet. Die ersten drei Einkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe und selbständige Arbeit) sind die sogenannten Gewinneinkünfte. Hier errechnet sich der Gewinn, indem die Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen abgezogen werden:
Betriebseinnahmen – Betriebsausgaben = Gewinn (zu versteuernde Einkunft) Dies geschieht durch eine Bilanz (also einen Vergleich des Betriebsvermögens am Beginn und am Ende eines Wirtschaftsjahres) oder durch die wesentlich einfachere und weniger aufwendige Einnahmen-Überschuss-Rechnung, abgekürzt nach dem einschlägigen § 4 Abs. 3 EStG als »4/3«. Die Gewinnermittlung nach »4/3« ist für freie Musiker die Regel, sie wird unten ausführlich erörtert (Abschnitt d). Die verbleibenden vier Einkunftsarten (nicht-selbständige Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, sonstige Einkünfte) heißen Überschusseinkünfte. Hier wird der zu versteuernde Überschuss errechnet, in dem die sogenannten »Werbungskosten« von den Einnahmen abgezogen werden:
Andri Jürgensen
£5.4 Steuern zahlen in Deutschland
– =
Einnahmen Werbungskosten (Ausgaben) Überschuss (zu versteuernde Einkunft)
Für die Systematik in Ihrem persönlichen Ordner »Steuern/Belege« haben Sie damit eine gute Voraussetzung für ein entspanntes Herangehen an die Steuererklärung. c) Einkünfte aus der (frei-)beruflichen Tätigkeit als Musiker Wer als Künstler selbständig tätig wird, erzielt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit und damit aus »selbständiger Arbeit« nach der oben genannten Einteilung in sieben Einkunftsarten. Alle Einnahmen, die aus der freiberuflichen musikalischen (oder anderen künstlerischen) Tätigkeit erzielt werden, gehören hierzu. Die Einordnung in die Kategorie »Einkünfte aus selbständiger Arbeit« hat Vorteile: • Die Einkünfte werden nicht zusätzlich der Gewerbesteuer unterworfen. • Der Freiberufler muss nicht bilanzieren, es genügt die unkomplizierte »4/3«-Gewinnermittlung.
Der freiberuflich tätige Musiker muss also alle Einnahmen und Ausgaben aus dieser Tätigkeit auf der Anlage »S« zur Steuererklärung angeben. Zwei Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein: es muss sich um eine selbständig ausgeübte und um eine künstlerische Tätigkeit handeln. Künstlerisch im Sinne des § 18 EStG ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Tätigkeit, wenn es sich um eine nicht nur handwerkliche, sondern auch eigenschöpferische Betätigung einer gewissen Gestaltungshöhe handelt, in der eine individuelle Anschauungsweise und besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommen müssen. Selbständig ist die Tätigkeit, wenn sie weisungsunabhängig und auf eigenes Unternehmerrisiko hin ausgeübt wird. Neben den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit kann ein Musiker weitere Einkünfte haben, bspw. aus einerTätigkeit als Angestellter, etwa an einer Musikschule. Diese Einkünfte gehören dann nicht zu den freiberuflichen, sondern zu den »Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit« nach § 19 EStG. Hierauf wird die Einkommensteuer in Form der sogenannte »Lohnsteuer« erhoben. Die Lohnsteuer wird vom Arbeitgeber direkt an der Quelle abgezogen, es handelt sich daher nur um eine besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer, nicht um eine eigenständige Steuerart neben der Einkommensteuer. Steuermindernd können hier die Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden: Fahrten zum Betrieb, Beiträge an Verbände etc.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb d) Im Detail: Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung – »4/3« Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ist eine sehr einfache Form der Gewinnermittlung für Freiberufler. Es müssen nur zwei Posten einander gegenübergestellt werden: die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben. Die Differenz stellt den Gewinn bzw. den Verlust dar. Jeder Freiberufler kann, wenn er möchte, statt eine Einnahme-ÜberschussRechnung zu erstellen auch bilanzieren. Wer aber einmal gegenüber dem Finanzamt erklärt hat, dass er den Gewinn durch eine Bilanz ermittelt, kommt hiervon so einfach nicht wieder weg. Da eine Bilanz intensive Arbeit und zumeist Kosten für einen Steuerberater bedeutet, sollte man sich den Schritt gut überlegen. Diese Überlegung lohnt sich, denn die Bilanz bietet einen Vorteil: der Bilanzierende hat jederzeit eine exakte Angabe über den Wert seines Unternehmens. Dies ist gerade in der kritischen Anfangszeit von Vorteil, weil man deutlicher sieht, wie stark das Unternehmen verschuldet ist. Schulden tauchen in der »4/3«-Berechnung nicht auf und mögen so gerne »vergessen« werden – bei einer Bilanzierung ist das nicht möglich. Eine Vorlage für die eigene »4/3«-Berechnung lässt sich leicht erstellen. Als beispielhaftes, aber nicht vollständiges Muster kann die folgende Gliederung dienen:
Einnahmen-Überschuss-Rechnung A.
Betriebseinnahmen a) Honorare b) PKW-Nutzung privat c) Sonstiges d) Entnahmen e) USt. 7 % f) USt. 19 % g) Summe
B.
Betriebsausgaben a) Miete b) Büromaterial c) Porto d) Telefon e) Versicherungen f) PKW g) Reisekosten h) Fachzeitschriften i) Bankkosten
Andri Jürgensen
£5.4 Steuern zahlen in Deutschland j) Schuldzinsen k) Einlagen l) Verauslage USt. 7 % m) Verauslage USt. 19 % n) Summe C.
Einnahmen abzüglich Ausgaben Betriebseinnahmen – Betriebsausgaben = Gewinn/Verlust
1. Betriebseinnahmen Zu den Betriebseinnahmen gehören nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs »alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind«. Als Einnahme zählt also nicht nur, was als konkrete Geldzahlung dem Bankkonto oder der Kasse gutgeschrieben wird, wie etwa Honorare, Vorschüsse, Tantiemen etc. Auch Sachleistungen und geldwerte Vorteile gehören zu den Einnahmen. Beispiel für eine Sachleistung kann ein Auto sein, das einem Künstler als Werbegeschenk von einem Autohaus überlassen wird. Der Besteuerung in Deutschland unterliegt das Welteinkommen, also auch sämtliche im Ausland erzielten Einkünfte. Allerdings gibt es mit einer Vielzahl von Staaten Abkommen, die eine doppelte Besteuerung der Einnahmen in zwei Staaten verhindern sollen (sogenanntes »Doppelbesteuerungsabkommen«). In welchem Kalenderjahr die Einnahmen anzusetzen sind, richtet sich nach dem in § 11 EStG niedergelegten sogenannten Zuflussprinzip. Danach ist die Einnahme in dem Kalenderjahr zu verbuchen, in dem der Zufluss tatsächlich erfolgt ist (eine Ausnahme gilt für jährlich wiederkehrende Zahlungen, die zwischen dem 22.12. und 10.1. zugehen – sie sind in dem Jahr zu verbuchen, zu dem sie wirtschaftlich gehören).
Ein Musiker schreibt eine Rechnung mit Datum vom 15. Dezember. Die Zahlung durch den Kunden erfolgt am 18. Januar des Folgejahres. Diese Einnahme ist in diesem Fall für das Folgejahr zu verbuchen. 2. Betriebsausgaben Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG »die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind«. Damit eine Ausgabe betrieblich veranlasst ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
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Die Ausgabe muss objektiv in einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen und die Ausgabe muss subjektiv vom Musiker zur Förderung seines Berufes gemacht werden.
Keine betriebliche Veranlassung ist bei Ausgaben für die persönliche Lebensführung gegeben. Problematisch wird dies bspw. beim Besuch von Fortbildungsveranstaltungen in Urlaubsländern. Hier prüft das Finanzamt, ob die Fortbildung das alleinige Motiv für die Reise war. Wenn der berufliche Aspekt nicht ganz überwiegend ist (mindestens 90 Prozent), können die Reisekosten nicht als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Problematisch sind in dieser Hinsicht auch Aufwendungen für Kleidung. Das Finanzamt wird bei Kleidung immer davon ausgehen, dass eine private (Mit-)Nutzung wahrscheinlich ist und diese Kosten daher nicht für abzugsfähig halten. Aus dem gleichen Grund hat ein Finanzgericht den in der Privatwohnung stehenden Flügel einer Klavierlehrerin nicht als abzugsfähig anerkannt. Wie bei den Betriebseinnahmen sind gemäß § 11 Abs. 2 EStG auch die Betriebsausgaben in dem Kalenderjahr abzuziehen, in dem sie tatsächlich geleistet werden (sogenanntes Abflussprinzip). Ein Musiker bezahlt eine Rechnung vom 13. November am 5. Januar des Folgejahres. Er muss die Ausgabe dann im Folgejahr verbuchen, nicht bereits für das Vorjahr, in dem die Rechnung ausgestellt wurde und bei ihm eingegangen ist. a) Gängige Betriebsausgaben Zu den üblichen Betriebsausgaben gehören bspw. (soweit allein betrieblich veranlasst): • Arbeitsmittel (Musikinstrumente, Computer, Büroeinrichtung etc.), • ggf. Aufwendungen für das Arbeitszimmer, • Bewirtungskosten (aber nur in Höhe von z.Zt. 70 %), • Einlagen, • Fortbildungskosten, • Fachliteratur und -zeitschriften, • Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte, • Personalkosten, • PKW-Kosten (1 % vom Listen-Neupreis ist aber als Einnahme anzusetzen), • Rechtsberatungs- und Steuerberatungskosten, • Reisekosten, • betriebliche Steuern (Umsatzsteuer, Gewerbesteuer), • Mietkosten Studio oder Proberaum,
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Telefonkosten, betriebliche Versicherungen, Werbekosten, Schuldzinsen.
b) Abschreibung für Abnutzung (AfA) Wer im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit Ausgaben hat für Instrumente, Büroeinrichtung und andere Gegenstände, kann diese Kosten teilweise nicht gleich in voller Höhe absetzen. Er muss den Netto-Kaufpreis vielmehr über die (normierte) Nutzungsdauer aufteilen. Dies gilt für alle Wirtschaftsgüter mit einem Nettokaufpreis von mehr als 410 À
Ein Musiker kauft im Januar 2011 einen Computer für sein Heimstudio für 2000 À zzgl. Umsatzsteuer. Der Computer hat eine angenommene Nutzungsdauer von drei Jahren. Der Musiker kann den Kaufpreis von 2000 À nicht in voller Höhe im Jahr 2011 als Betriebsausgabe absetzen. Vielmehr hat er den Kaufpreis über die Dauer von drei Jahren aufzuteilen. Deshalb kann er von Januar 2011 bis Januar 2013 jeweils nur 666,66 Àals Betriebsausgabe absetzen. Die USt. hingegen wird im Monat des Kaufs in voller Höhe abgezogen. Welche fiktive Nutzungsdauer für einen Gegenstand gilt, kann beim Finanzamt erfragt werden. Zur Zeit sind es für Büromöbel 13 Jahre, für PKW sechs Jahre, für Computer zwischen drei und fünf Jahren. Für die sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgüter gelten besondere Regelungen, hier kann der Steuerpflichtige z.Zt. zwischen zwei Varianten wählen – die gewählte Variante gilt immer für das komplette Kalenderjahr, man kann in einem Jahr also nur eine Variante anwenden und muss prognostizieren, was sich lohnen wird: • In der ersten Variante sind Netto-Beträge zwischen 60,01 Àund 410,10 À in einer Liste zu sammeln. Diese geringwertigen Wirtschaftsgüter können entweder im Anschaffungsjahr komplett (also in der Gesamtsumme) als Betriebsausgabe abgesetzt oder aber einzeln monatsgenau nach ihrer mutmaßlichen Nutzungsdauer. • In der zweiten Variante sind die Anschaffungskosten eines Jahres, die zwischen 150,01 À und 1000 Àliegen, zusammengefasst und über einen Zeitraum von pauschal fünf Jahren abgeschrieben werden. Die fiktiven Abschreibungszeiträume gelten also nicht. Alles über 1000 À wird wieder ganz normal mit der individuellen Laufzeit monatsgenau abgeschrieben.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb e) Das Verfahren vor dem Finanzamt Das Verwaltungsverfahren zur Bestimmung der Höhe der Steuerpflicht ist das Veranlagungsverfahren. In diesem Verfahren erfolgt die Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen und der Steuerschuld. Der Steuerpflichtige hat dazu bis zum 31. Mai des Folgejahres eine Einkommensteuererklärung für das vorige Kalenderjahr abzugeben. Das Kalenderjahr bildet den Veranlagungszeitraum. Die Einkommensteuererklärung gliedert sich in die oben schon genannten Anlagen für die unterschiedlichen Einkunftsarten. Aufgrund der Einkommensteuererklärung setzt das Finanzamt die Steuerschuld dann in einem Steuerbescheid nach § 155 AO fest.
3. U M SAT Z S T EU ER Kaum einer nennt die Umsatzsteuer bei ihrem richtigen Namen, auf Rechnungen und in Prospekten ist noch häufig »Mehrwertsteuer« oder kurz »MWSt« zu lesen. Der richtige Name lautet Umsatzsteuer – der tiefere Sinn dieser Steuer liegt darin, den Verbrauch des Konsumenten besteuern, da neben dem Einkommen auch der individuelle Verbrauch ein Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist. Wer viel konsumiert, zahlt also nicht über über die ESt mehr an den Staat, sondern auch über die USt. Dieser Punkt wird bei den Vorwürfen gegenüber ›den Reichen‹ oft übersehen. a) Das Grundprinzip der Umsatzsteuer Das Prinzip der Umsatzsteuer ist folgendes: Der Unternehmer berechnet in seinen Rechnungen die Umsatzsteuer auf das von ihm geforderte Honorar und führt die eingenommene Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Außerdem zahlt er die Umsatzsteuer auf die Rechnungen anderer Unternehmer, die er begleicht. Diese an einen Dritten bezahlte Umsatzsteuer erhält er aber vom Finanzamt erstattet (sogenannter Vorsteuerabzug). Nur der Endverbraucher – etwa der Konzertbesucher – bekommt die von ihm bezahlte Umsatzsteuer nicht erstattet. Und nur ihn soll die Umsatzsteuer auch treffen, nicht aber die Unternehmen auf den Vorstufen dieser Produktionskette.
Konkret sieht das so aus: Ein Musiker erbringt eine Leistung, sei es durch das Komponieren eines Stückes, durch ein Konzert oder eine Studioaufnahme. Für diese Leistung fordert er von seinem Kunden – dem Auftraggeber der Komposition, dem Konzertveranstalter oder dem Tonstudio – ein Honorar und stellt eine entsprechende Rechnung aus. Auf das vereinnahmte Honorar muss er die Umsatzsteuer erheben (für Ausnahmen vgl. Abschnitt e).
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£5.4 Steuern zahlen in Deutschland Auf eine Rechnung von 1000 Àmuss ein Musiker 7 Prozent oder 19 Prozent Umsatzsteuer erheben (zu den unterschiedlichen Steuersätzen vgl. Abschnitt c). Die Rechnung sieht also so aus: Honorar zzgl. USt. 7 % Gesamtsumme
1000 À 70 À 1070 À
Diese Umsatzsteuer muss er, zusammen mit den durch die weiteren Rechnungen vereinnahmten Umsatzsteuerbeträgen, an das Finanzamt abführen. Zugleich erhält er aber eine Erstattung der Umsatzsteuerbeträge, die er an andere Firmen gezahlt hat, sofern der Umsatzsteuer-Betrag in den jeweiligen Rechnungen ausgewiesen wurde. Dies ist der sogenannte Vorsteuerabzug, denn für den Musiker als Unternehmer soll die Umsatzsteuer ja neutral sein. Ein selbständiger Musiker kauft ein Cello zum Preis von 10.000 À inkl. 19 Prozent Umsatzsteuer. Der Kaufpreis von 10.000 Àsetzt sich also zusammen aus dem Nettokaufpreis von 10.000 À./. 1,19 = 8.403,36 À und aus der USt. in Höhe von 1596,64 À. Diese Umsatzsteuer wird dem Musiker später bei der Steuermeldung zurückerstattet. Ihn kostet das Cello also – anders als einen privaten Endverbraucher – nur 8403,36 À. Im Ergebnis können also die eingenommene und die gezahlte Umsatzsteuer saldiert werden. Ein Musiker rechnet anhand seiner aufgehobenen Belege die eingenommene und die gezahlte Umsatzsteuer zusammen und zieht hiervon die in dem gleichen Zeitraum – wie etwa beim Kauf des Cellos – verauslagte USt ab:
+ ./. ./.
eingenommene USt. (7 %) eingenommene USt. (19 %) verauslagte USt. (7 %) verauslagte USt. (19 %) Ergebnis
1.546 À 406 À 15 À 2039 À – 503,40 À
Der Musiker hat also 503,40 Àmehr an Umsatzsteuer bezahlt als er vereinnahmt hat. Deshalb meldet er dem Finanzamt auf dem vorgesehenen Formular die Beträge und erhält vom Finanzamt eine Auszahlung von 503,40 À. Diesen Luxus hat man in der Regel aber nicht oft, da in der Regel ja die Ein-
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nahmen über den Ausgaben liegen sollen und somit zumeist eher eine Zahlungspflicht an das Finanzamt übrig bleibt. Wann und wie häufig die Meldungen an das Finanzamt erfolgen müssen, wird unten im Abschnitt d) besprochen. b) Die steuerbaren Umsätze Die Umsatzsteuer ist auf alle Lieferungen und alle Leistungen zu erheben, die ein selbständig tätiger Musiker – gewerblich oder freiberuflich – im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Zu den Umsätzen, die der Umsatzsteuer unterliegen, gehören alle Lieferungen von Gegenständen und alle (unkörperlichen) Leistungen. Eine solche Lieferung liegt bspw. vor, wenn ein Musiker ein Keyboard aus seinem Betriebsvermögen verkauft. Ob er es an Privatleute oder an einen anderen Musiker verkauft, in jedem Fall muss er auf den Verkaufspreis die Umsatzsteuer (in diesem Fall 19 Prozent) erheben. Da gerade Privatleute gewohnt sind, über den Endpreis zu verhandeln, sollte man sich als Verkaufender der Umsatzsteuerpflicht bewusst sein und den Verkaufspreis entsprechend kalkulieren.
Ein Musiker verkauft für 500 Àein Keyboard aus seinem Betriebsvermögen an einen Privatmann, ohne sich über die Umsatzsteuer Gedanken zu machen. Da es sich um eine nach § 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegende Lieferung handelt, fordert das Finanzamt bei einer späteren Prüfung vom Musiker 19 Prozent Umsatzsteuer. Der Musiker muss also die per Gesetz in den 500 Àenthaltene Umsatzsteuer von 19 Prozent an das Finanzamt nachzahlen. Ihm verbleiben also nur noch 500 À ./. 1,19 = 420,16 À – die USt von 79,84 Àerhält das Finanzamt.
c) Die Steuersätze: 19 Prozent und 7 Prozent Der Steuersatz beträgt gemäß § 12 UStG in der Regel 19 Prozent. Es gibt aber Ausnahmen, auf die der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent anzuwenden ist. Dies gilt für bestimmte Gegenstände, etwa Noten, Bücher und manche Kunstgegenstände sowie Eintrittskarten. Aber auch alle entgeltlichen Leistungen des selbständigen Musikers unterliegen der Umsatzbesteuerung. Zu den Leistungen zählen Konzerte, Einspielungen im Tonstudio, Auftritte bei Hochzeiten oder anderen Veranstaltungen. Welcher Steuersatz hierauf anzuwenden ist, hängt von der Art der erbrachten Leistung ab. Auch hier gilt für den Normalfall der reguläre Steuersatz von 19 Prozent. Der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent gilt für folgende Leistungen:
Andri Jürgensen
£5.4 Steuern zahlen in Deutschland • •
für Leistungen u.a. von Orchestern, Kammermusikensembles, Chören und für Konzertveranstaltungen; für die Einräumung, Übertragung oder Wahrnehmung von Urheber- und Leistungsschutzrechten nach dem Urhebergesetz (etwa bei Konzerten, bei denen der Auftritt in Bild und/oder Ton mitgeschnitten wird.
Soweit ein Musiker daher ein Honorar für eine musikalische Darbietung fordert und mit der Darbietung zugleich Leistungsschutzrechte (bzw. Urheberrechte; siehe Kapitel £5.1 Urheber- und Leistungsschutzrechte) eingeräumt werden, braucht er nur den – für den Endverbraucher günstigeren – ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent zu erheben. Gleiches gilt für Orchester und Kammermusikensembles. d) Das Meldeverfahren Die Umsatzsteuer wird mit dem Finanzamt jährlich abgerechnet (sogenannte Steueranmeldung). Die Steueranmeldung ist bis zum 15. Mai des jeweiligen Folgejahres vorzunehmen. In dieser Anmeldung sind die vereinnahmte und die verausgabte Umsatzsteuer anzugeben sowie die sich daraus ergebende Nachzahlungspflicht des Unternehmers bzw. dessen Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt (je nachdem, ob der Unternehmer mehr Umsatzsteuer vereinnahmt als verausgabt hat oder umgekehrt). Eventuell sind aber auch sogenannte Voranmeldungen und Vorauszahlungen zu leisten. Wie häufig diese Meldungen an das Finanzamt zu erstatten sind, hängt vom Volumen der an das Finanzamt weiterzuleitenden Umsatzsteuer ab. Lag die Umsatzsteuer-Erstattung an das Finanzamt im vorangegangenen Kalenderjahr über 6136 À, müssen monatliche Vorausmeldungen und Vorauszahlungen geleistet werden (jeweils bis zum 10. des Folgemonats). Lag die Summe darunter, genügen gemäß § 18 Abs. 2 UStG vierteljährliche Meldungen und Vorauszahlungen. Beträgt die Steuer dagegen weniger als 512 À kann der Unternehmer auch von den vierteljährlichen Voranmeldungen befreit sein. In diesem Fall genügt die jährliche Umsatzsteuermeldung und -zahlung (bzw. -erstattung, wenn mehr Umsatzsteuer verausgabt als vereinnahmt wurde).
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Umsatzsteuer-Zahlung an das Finanzamt im Vorjahr
Häufigkeit der Voranmeldungen und Vorauszahlungen
mehr als 6136 À
monatlich
mehr als 512 À
vierteljährlich
nicht mehr als 512 À
jährlich (nach Absprache mit dem Finanzamt)
e) Befreiung von der Umsatzsteuer Bei den sogenannten Kleinunternehmern wird gemäß § 19 UStG die Umsatzsteuer nicht erhoben. Voraussetzung dafür ist, dass der Umsatz des Unternehmens im vorausgegangenen Kalenderjahr 17.500 À nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 50.000 À nicht übersteigen wird. Die Folge davon ist, dass der Kleinunternehmer auf seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen muss, aber auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Er wird wie ein Privatverbraucher behandelt und zahlt die auf den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer ohne spätere Erstattung durch das Finanzamt. Der Kleinunternehmer kann auf dieses Privileg aber auch durch eine Erklärung gegenüber dem Finanzamt verzichten. Dann nimmt er ganz normal am Umsatzsteuerverfahren und am Vorsteuerabzug teil. Musiklehrer an Musikschulen können zudem u.U. von der Umsatzsteuerpflicht auf die hier in Rechnung gestellten Honorare gemäß § 4 UStG befreit werden, wodurch der Träger – soweit er die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann – finanziell entlastet wird, sodass auch die Kursgebühr entsprechend niedriger kalkuliert werden kann. Voraussetzung ist, dass der Unterricht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dient. Hierzu muss die zuständige Landesbehörde bescheinigen, dass der Unterricht auf einen Beruf oder eine Prüfung vorbereitet, die vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegen ist. Dies ist in der Regel möglich bei öffentlichen Schulen und Hochschulen, ggf. bei privaten Musikschulen und oftmals nicht bei den Volkshochschulen.
4 . G E WERBE S T EU ER Die Gewerbebetriebe in Deutschland unterliegen der Gewerbesteuer. Sie wird gemäß § 1 GewStG von den Gemeinden erhoben. Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Gewerbeertrag. Nur inländische Gewerbebetriebe sind steuerpflichtig. Eine gewerbliche Tätigkeit wird – etwas umständlich – definiert als jede selbständige nachhal-
Andri Jürgensen
£5.4 Steuern zahlen in Deutschland tige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und keine selbständige Arbeit im Sinne des § 18 EStG ist. In Grenzbereichen ist die Unterscheidung zwischen freiberuflicher künstlerischer Arbeit als Musiker und der Tätigkeit als nicht-künstlerischer und damit gewerblicher Musiker nur schwer zu treffen. Eine Gegenüberstellung zeigt die bisherige Praxis der Finanzgerichte: künstlerisch nach § 18 EStG
gewerblich nach GewStG
•
• • • • •
• • •
alle Musiker ab einem bestimmten Qualitätsstandard Kapellmeister Musikpädagogen Tonmeister
Arrangeur Barpianist Kaffeehausmusiker Instrumentenbauer Klavierstimmer
Soweit das Finanzamt die musikalische Tätigkeit als Gewerbe im Sinne des § 15 EStG bzw. des GewStG einstuft, müssen zwei Steuern bezahlt werden: zum einen die Einkommensteuer auf die Einkünfte aus dem Gewerbe (siehe oben die Liste der Einkunftsarten im EStG), zum anderen die Gewerbesteuer auf den Gewerbeertrag (der nicht identisch ist mit dem Gewinn des Betriebes, sondern einen fiktiven Wert für die Ertragskraft des Betriebes darstellt). Die Einordnung einer musikalischen Tätigkeit als gewerblich und nicht als freiberuflich führt also zu einer höheren Steuerbelastung. Deshalb kann es ratsam sein, bei einer entsprechenden Entscheidung des Finanzamtes Widerspruch einzulegen (zu den Rechtsmitteln vgl. Abschnitt 6).
5. K Ö R PER S C H A F T SS T EU ER Inländische Kapitalgesellschaften (GmbHs, Aktiengesellschaften) zahlen als juristische Personen die Körperschaftssteuer. Keine Kapitalgesellschaften sind die Personengesellschaften wie bspw. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Bei einer GbR werden die Einkünfte direkt den Unternehmern zugeordnet und der Einkommensteuer unterworfen.
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Zwei Freunde aus Studienzeiten gründen gemeinsam ein Label. Es gehört ihnen jeweils zu 50 Prozent. Bei diesem Zusammenschluss handelt es sich um eine GbR (ein schriftlicher Vertrag ist dafür nicht erforderlich!). Die Einkünfte werden auf die beiden Gesellschafter nach ihren Gesellschaftsanteilen aufgeteilt. Bei einem Gewinn von 10.000 À wird jedem der Gesellschafter also ein Gewinn von 5000 À zugeteilt, der entsprechend zu versteuern ist (Analoges gilt für einen Verlust.) Nach fünf Jahren laufen die Geschäfte gut, und die beiden Freunde gründen eine GmbH. Die Gewinne werden nun nicht mehr den Gesellschaftern zur Versteuerung zugeordnet. Vielmehr ist nun die GmbH selbst nach dem KStG steuerpflichtig. Die Gesellschafter müssen natürlich entnommene Gewinne und ggf. als Geschäftsführer bezogene Gehälter als Einkünfte nach dem EStG versteuern.
6. R EC H T SM I T T EL G EG EN S T EU E R B E S C H EI D E Ein Unternehmer kann vielfältig von Entscheidungen des Finanzamtes betroffen sein, nicht nur durch den Steuerbescheid, sondern bspw. auch durch die Einordnung einer Tätigkeit als gewerblich im Sinne des § 15 EStG und des GewStG und nicht als freiberuflich im Sinne des § 18 EStG. Entsprechend kann es verschiedene Anlässe geben, gegen eine Entscheidung oder einen Bescheid des Finanzamtes vorzugehen. Das Rechtsschutzverfahren ist dabei für alle Bereiche formalisiert. Es besteht aus einem zweistufigen Verfahren: dem Einspruchsverfahren vor der Behörde selbst und dem ggf. nötigen Klageverfahren vor dem Finanzgericht. Das Einspruchsverfahren ist zwingende Voraussetzung für eine spätere Klageerhebung. Er ist schriftlich innerhalb von einem Monat nach Bekanntmachung des Verwaltungsaktes einzulegen. Anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich. Auf den Einspruch hin wird die Behörde selbst ihre Entscheidung überprüfen. Sie kann dem Einspruch stattgeben oder bei ihrer Ausgangsentscheidung bleiben. Wenn die Behörde bei ihrer Ausgangsentscheidung bleibt und dem Einspruch nicht abhilft, steht die Klage vor den Finanzgerichten offen. Auch hier ist in der Regel die Frist von einem Monat zur Klageerhebung nach Bekanntgabe des Einspruchsbescheides zu wahren.
£
5.5 V ERTR AGSRECHT Brigitte Treuer
»Musikmanagement – Selbstmanagement«: Wie bereits in der Einleitung zu diesem Werk betont wird, ist die ›Vermarktung‹ von Musikerinnen und Musikern grundsätzlich auf zwei Wegen denkbar: Zum einen durch Selbstvermarktung und zum anderen durch eine Agentur. Mit der Vermarktung eines Künstlers durch eine Agentur beschäftigt sich der Beitrag von Burkhard Glashoff in diesem Band (siehe Kapitel £ 3.1 Künstlervermittlung und Karriereentwicklung). Vertragsrechtliche Aspekte werden dort unter dem Thema »Vertragsabschluss« behandelt. Dieser Beitrag betrifft hingegen die Selbstvermarktung eines Musikers. Dargestellt werden die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Künstler/Musiker und dem Veranstalter.
R EC HT LI C HE G RU NDL AG EN Grundsatz der Vertragsfreiheit Das deutsche Vertragsrecht wird vom Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 I Bürgerliches Gesetzbuch BGB) beherrscht. Das bedeutet, dass die Vertragsparteien sowohl bei der Wahl der äußeren Form eines Vertrages als auch bei der inhaltlichen Gestaltung im Grundsatz völlig frei sind. Für die Wirksamkeit eines Vertrages spielt es keine Rolle, ob er schriftlich, mündlich oder gar nur (stillschweigend) durch schlüssiges Verhalten geschlossen worden ist. Entscheidend ist, dass sich die Parteien auf irgendeine Weise geeinigt haben. Außerdem stellt der Grundsatz der Vertragsfreiheit die vertraglichen Vereinbarungen vor die gesetzlichen Regelungen (dispositives/nachgiebiges Recht), es sei denn, es handelt sich um zwingende gesetzliche Vorschriften, die eine vertragliche Abänderung ausdrücklich verbieten. Soweit jedoch spezielle vertragliche Vereinbarungen fehlen, richten sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nach den gesetzlichen Bestimmungen. Vertragsabschluss Obwohl für die Wirksamkeit des Vertrages die schriftliche Form nicht erforderlich ist, so ist sie doch unbedingt zu empfehlen. Der schriftliche Vertrag ist ein wertvolles Beweismittel. Abgesehen von den Fällen, in denen sich Vertragsparteien später nicht mehr erinnern wollen, ist zu bedenken, dass dem menschlichen Erinnerungsvermögen Grenzen gesetzt sind und man sich nicht mehr oder nicht mehr richtig erinnern kann. Kommt es wegen Streitigkeiten zu einem Prozess, so muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die tatsächlichen Voraussetzungen dafür beweisen. Gelingt ihm das nicht, trifft
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ihn die sogenannte »Beweislast«, d.h. er unterliegt. Recht zu haben bedeutet eben nicht immer auch Recht zu bekommen. Vereinfacht wird der Abschluss eines schriftlichen Vertrages durch die Verwendung von schon vorformulierten Verträgen (Musterverträgen). Dabei handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), wenn eine Partei (Verwender) der anderen Partei die schon vorformulierten Bestimmungen stellt. »Stellen« bedeutet, dass die Vertragsbedingungen nicht einzeln ausgehandelt werden, sondern – so wie sie sind – vom Vertragspartner akzeptiert werden müssen. Zeigt der Verwender Verhandlungsbereitschaft und werden sonach die Vertragsbedingungen »im Einzelnen ausgehandelt«, liegen keine AGB, sondern Individualvereinbarungen vor (§ 305 I BGB). Die Unterscheidung von AGB und Individualvereinbarung ist für die Praxis insofern von Bedeutung, als bei im Einzelnen ausgehandelten Vertragsbestimmungen die inhaltliche Gestaltungsfreiheit größer ist als bei AGB, bei denen der Vertragspartner durch die §§ 305-310 BGB besonders geschützt ist. Die Bezeichnung des Vertrages ist rechtlich unbeachtlich. Es spielt also keine Rolle, ob ein Vertrag als »Konzertvertrag«, als »Gastspielvertrag«, als »Künstlervertrag« oder sonstwie bezeichnet wird. Es genügt die schlichte Bezeichnung »Vertrag«, denn wesentlich ist der Inhalt des Vertrages. Ein Vertrag kann auch Elemente verschiedener gesetzlich geregelter Vertragstypen enthalten. So ist z.B. der Vertrag zwischen dem Inhaber der Aufführungsrechte und dem Veranstalter ein urheberrechtlicher Nutzungsvertrag mit Elementen aus Pacht-, Gesellschafts-, Werk- und Verlagsvertrag (vgl. Palandt-Sprau, 69. Aufl., 2010, Rnr. 29 Einf. Vor § 631 BGB). Die Leistung des Künstlers/Musikers und die Umstände bestimmen die rechtliche Zuordnung des Vertrages. Hierbei kommen bei einem selbständigen Künstler in der Hauptsache ein Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) oder ein Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) in Betracht. Ein Dienstvertrag liegt vor, wenn die Leistung des Musikers oder der Musikgruppe in der Mitwirkung an einer (fremden) Aufführung besteht (vgl. Palandt-Sprau 2010); ein Werkvertrag wird angenommen, wenn der Künstler/die Künstlergruppe die Veranstaltung insgesamt schuldet, z.B. der Auftritt einer Musikgruppe oder ein Soloauftritt eines Künstlers. Wirkt ein selbständiger Musiker bei einer fremden Aufführung mit (z.B. Mitwirkung in einem Orchester) und wird er dort wie ein festangestellter Musiker beansprucht, so kann u.U. in Wirklichkeit ein Arbeitsvertrag gegeben sein, die Selbständigkeit des Künstlers wäre in diesem Fall eine Schein-Selbständigkeit. Es ist wichtig, die vertragsschließenden Parteien genau zu bezeichnen, wobei insbesondere die Vertretungsverhältnisse anzugeben sind. So müssen minderjährige Vertragsschließende auf Künstler- wie auf Veranstalterseite durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten werden, es sei denn, dass bereits die Voraussetzungen der §§ 112, 113 BGB vorliegen (wenn die gesetzlichen Vertreter
Brigitte Treuer £5.5 Vertragsrecht
schon für eine frühere gleichartige Tätigkeit ihre Zustimmung gegeben haben). Auch juristische Personen müssen durch das zuständige Organ vertreten werden. Im übrigen ist eine Vertretung der Vertragsparteien durch Bevollmächtigte möglich. Vertragspflichten Im Mittelpunkt der vertraglichen Vereinbarung stehen die sogenannten Hauptpflichten der Vertragsparteien: die Leistungspflicht des Künstlers (Was? Wann? Wo?) und die Bezahlung der Gage durch den Veranstalter. Daneben sind eine Reihe von Nebenpflichten zu regeln. Der Umfang dieser Regelungen ist davon abhängig, ob der Musiker einen Vertrag mit einem Orchester schließt und das Orchester in vertragliche Beziehungen zu dem Veranstalter tritt, oder ob der Musiker/die Musikgruppe unmittelbar mit dem Veranstalter der Aufführung den Vertrag schließt. Im ersten Fall beschränken sich die Regelungen auf persönliche Ansprüche/Verpflichtungen gegenüber dem Orchester, im zweiten Fall müssen auch alle Rechtsbeziehungen mit dem Veranstalter geregelt werden. Bühnenspezielle Vertragsbedingungen werden üblicherweise in Form einer »Bühnenanweisung« oder – anders ausgedrückt – einer »Checkliste Bühne« dem Vertrag beigefügt. Das hier vorgeschlagene Vertragsmuster ist für den Vertrag zwischen dem Künstler/der Künstlergruppe und dem Veranstalter gedacht. Es sind die üblichen Vertragspflichten von Künstler und Veranstalter berücksichtigt. Es wird jedoch betont, dass diese Form des Vertrages nicht zwingend ist. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann jeder Vertrag individuell nach den Wünschen der Vertragsschließenden gestaltet werden. Es wird dringend empfohlen, die vertraglichen Vereinbarungen genau und deutlich zu formulieren, damit – wie so häufig – im Streitfalle keine Auslegungsschwierigkeiten bestehen. Unbestimmte, nicht eindeutige Begriffe wie z.B. »erforderlich«, »ausreichend«, »üblich« sind – soweit möglich – zu vermeiden und durch klare Angaben zu ersetzen. Die Erfahrung aus der gerichtlichen Praxis zeigt, dass es sich lohnt, bei der Vertragsgestaltung viel Sorgfalt anzuwenden. Es könnten dadurch spätere Prozesse vermieden werden. Hinzuweisen ist zudem auf die üblicherweise nicht ausdrücklich im Vertrag, aber inzwischen im Gesetz (§ 241 II BGB) geregelten allgemeinen Verhaltenspflichten der Vertragsparteien, die Pflicht zur gegenseitigen Sorgfalt und Rücksichtnahme. Diese beiderseits geforderten Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehen nicht nur nach Vertragsabschluss, sondern bereits im vorvertraglichen Bereich, im Stadium der Vertragsanbahnung, sobald also die Parteien miteinander in einen geschäftlichen Kontakt getreten sind (§ 311 II BGB).
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Vertragsstörungen/Leistungsstörungen/Pflichtverletzungen Die Rechtsfolgen bei Vertragsstörungen bzw. bei Pflichtverletzungen ergeben sich – ohne spezielle vertragliche Regelung – aus dem Gesetz (BGB). Der Grundsatz der Vertragsfreiheit erlaubt jedoch – wie bereits ausgeführt – die Vereinbarung vom Gesetz abweichender Bestimmungen. Es ist aber auch üblich, im Vertragstext Rechtsfolgen zu bestimmen, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Zentrale Bestimmung für alle vertraglichen Pflichtverletzungen (insbesondere auch für die Verletzung der allgemeinen Sorgfalts- und Schutzpflicht gem. § 241 II BGB, vgl. oben) ist die Schadensersatzpflicht (§ 280 BGB), wenn der Schädiger die Pflichtverletzung zu vertreten hat. »Vertreten müssen« bedeutet in der Regel Verschulden, d.h. vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten, wobei es sich sowohl um eine grobe als auch um eine leichte Fahrlässigkeit handeln kann (§ 276 BGB). Die Beweislast für das schuldhafte Verhalten trägt der Schädiger, d.h. er muss nachweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Durch Vertrag kann diese Haftung (bis auf eigenes vorsätzliches Verhalten) ausgeschlossen oder beschränkt werden. Bei der Verwendung von AGB darf jedoch generell keine Haftung für Personenschäden ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 7a BGB) und ein Haftungsausschluss für andere Schäden (Eigentumsschäden/Vermögensschäden) ist nur wirksam, wenn er ausdrücklich auf leichte Fahrlässigkeit beschränkt ist (§ 309 Nr. 7 b BGB). Wird die Haftung völlig – ohne Beschränkung auf leichte Fahrlässigkeit – ausgeschlossen, ist diese vertragliche Regelung insgesamt unwirksam, und der Verwender der AGB ist auch bei nur leicht fahrlässigem Verhalten schadensersatzpflichtig (§§ 306 I, II, 276 BGB). Bei nicht rechtzeitigen oder nicht vertragsgemäßen Leistungen kann die andere Vertragspartei (unter den Voraussetzungen des § 323 BGB) auch vom Vertrag zurücktreten. Das Rücktrittsrecht setzt kein Verschulden voraus und kann neben dem Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden (§ 325 BGB). Ein Rücktritt ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Rücktrittswillige für den Grund des Rücktritts allein oder weit überwiegend verantwortlich ist (§ 323 VI BGB). Bei Unmöglichkeit der Leistungen, z.B. wenn der Künstler wegen Krankheit nicht auftreten oder die Veranstaltung nicht stattfinden kann, wird der Künstler von seiner Leistungspflicht frei (§ 275 I BGB). Wenn weder er noch der Veranstalter den Grund für die Unmöglichkeit zu vertreten haben, entfällt der Anspruch auf die Gage (§ 326 I BGB). Ein schon ausgezahlter Teil der Gage ist zurückzuzahlen (§ 326 IV BGB). Dasselbe gilt, wenn der Künstler für die Unmöglichkeit verantwortlich ist. In diesem Falle ist er zusätzlich noch schadensersatzpflichtig (§§ 280 I, III, 283 BGB). Ist dagegen der Veranstalter für den Grund der Unmöglichkeit allein oder
Brigitte Treuer £5.5 Vertragsrecht
weit überwiegend verantwortlich, behält der Künstler seinen Anspruch auf die Gage (§ 326 II BGB), und der Veranstalter ist außerdem dem Künstler zum Schadensersatz verpflichtet (§ 280 BGB). Bei verspäteter Leistung befinden sich die Parteien unter den Voraussetzungen des § 286 BGB in Verzug. Sie sind, wenn sie die Verspätung zu vertreten haben, zum Ersatz des durch die Verspätung entstandenen Schadens verpflichtet (§ 280 II BGB). Befindet sich der Künstler in Verzug, so kann der Veranstalter unter den Voraussetzungen des § 323 BGB auch vom Vertrag zurücktreten (vgl. oben) und (unter den Voraussetzungen des § 281 BGB) die Leistung ablehnen und Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Kommt der Veranstalter mit der Bezahlung der Gage in Verzug, hat er als Mindestverzugsschaden Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Bundesbank zu zahlen (§ 288 BGB). Die Parteien haben gemäß §§ 339 ff. BGB die Möglichkeit, für den Fall, dass eine Pflicht nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt wird, die Zahlung einer bestimmten Geldsumme als Strafe (sogenannte Vertragsstrafe oder Konventionalstrafe) zu vereinbaren. Dadurch kann der Pflichterfüllung mehr Nachdruck verliehen werden. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist in der Praxis durchaus üblich. Bei der Verwendung von AGB ist dies jedoch in der Regel unzulässig. Gemäß § 309 Nr. 6 BGB darf für die Fälle der Nichtabnahme oder die verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs und für den Fall, dass der andere Teil sich vom Vertrag löst, eine Vertragsstrafe nicht vereinbart werden. Vereinbarung des deutschen Rechts Da Künstler häufig international tätig sind, ist es empfehlenswert, die Anwendung des deutschen Rechts zu vereinbaren; diese Vereinbarung (freie Rechtswahl) ist nach Art. 3 der 3. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I) zulässig und vereinfacht die rechtliche Handhabung im Falle eines Rechtsstreits. Gerichtstandvereinbarung Für Klagen gegen eine Partei ist gemäß §§ 12 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) allgemein das Gericht zuständig, wo diese ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz hat. Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts (Gerichtsstandsvereinbarung) durch die Vertragsparteien ist gemäß §§ 38 ff. ZPO nur ausnahmsweise zulässig. Das ist der Fall • wenn beide Vertragsparteien juristische Personen sind, • eine Vertragspartei im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, • die Vereinbarung für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsabschluss ihren Wohnsitz
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oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus Deutschland verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist. Da insbesondere die beiden letzten Voraussetzungen wegen der schon genannten Internationalität der Musikbranche gegeben sein können, ist zur einfacheren Durchsetzung von Ansprüchen im Klagewege eine solche Gerichtstandsvereinbarung zu empfehlen. Salvatorische Klausel Bei Verträgen ist es üblich, eine Bestimmung zu treffen, dass bei Unwirksamkeit einer Vereinbarung der Vertrag im Übrigen wirksam sein soll und dass stattdessen im Wege der Vertragsauslegung eine dem Vertragszweck entsprechende Rechtsfolge eintreten soll. Diese Regelung verdrängt die gesetzliche Bestimmung des § 139 BGB, nach der bei Teilunwirksamkeit eines Vertrags im Zweifel der ganze Vertrag unwirksam ist. Bei Geltung von AGB ist eine solche Vereinbarung entbehrlich, da § 306 BGB diese geltungserhaltende Rechtsfolge von Gesetzes wegen vorsieht.
Brigitte Treuer £5.5 Vertragsrecht
V ER T R AG SM U S T ER
Vertrag zwischen
(Name und Anschrift des Musikers bzw. der Musikgruppe) Tel./Fax/E-Mail vertreten durch (Künstler) und
(Name und Anschrift des Veranstalters) Tel./Fax/E-Mail vertreten durch (Veranstalter) 1. Leistung des Künstlers
Der Künstler verpflichtet sich gegenüber dem Veranstalter, am (Datum) um (Uhrzeit) in (Veranstaltungsort mit genauer Angabe der Adresse, Halle/Konzertsaal) aufzutreten und für eine Spieldauer von folgendes Programm zu spielen:
Der Künstler unterliegt weder in der Programmgestaltung noch in seiner Darbietung Weisungen des Veranstalters.
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb 2. Vergütung
1. Der Veranstalter verpflichtet sich, dem Künstler eine Gage in Höhe von À zzgl. % Umsatzsteuer zu zahlen. Der Veranstalter leistet als Vorauszahlung % der Gage bei Vertragsunterzeichnung in bar. Die restliche Gage ist nach Beendigung der Veranstaltung fällig und an den Künstler auszuzahlen. 2. Der Veranstalter trägt die Kosten der An- und Abreise des Künstlers sowie die Kosten der Übernachtung inklusive Frühstück. Hierzu wird folgende Vereinbarung getroffen: (z.B. Flug/Bahn/Autokosten; Hotel bzw. Hotelkategorie; evtl. Zahlung einer Pauschale)
Die Kosten von insgesamt À zzgl. % Umsatzsteuer sind zusammen mit der Gage nach Beendigung der Veranstaltung an den Künstler auszuzahlen. 3. Der Veranstalter bestellt und zahlt Plakate zum Preis von À zzgl. % Umsatzsteuer. Auch diese Kosten sind zusammen mit der Gage an den Künstler auszuzahlen. 3. Weitere Verpflichtungen des Veranstalters
1. Der Veranstalter ist zur Einholung aller für die Veranstaltung erforderlichen Genehmigungen verpflichtet. Er ist insbesondere verpflichtet, die Veranstaltung bei der GEMA anzumelden und die an die GEMA zu leistenden Beiträge zu zahlen. 2. Der Veranstalter ist zur Zahlung der Künstlersozialabgabe verpflichtet. 3. Der Veranstalter verpflichtet sich zum Abschluss folgender für die Durchführung der Veranstaltung notwendigen Versicherungen (z.B. Diebstahl-, Feuer- oder Publikumsversicherungen):
4. Der Veranstalter stellt dem Künstler plätze in guter Lage zur Verfügung.
Freikarten für reservierte Sitz-
Brigitte Treuer £5.5 Vertragsrecht
5. Der Veranstalter ist verpflichtet, dem Künstler Presseveröffentlichungen unmittelbar nach Erscheinen in zweifacher Ausfertigung zuzusenden. 4. Werbung
1. Der Veranstalter verpflichtet sich, zur Werbung für das Konzert (die genaue Veranstaltung) folgende Maßnahmen durchzuführen:
2. Der Künstler verpflichtet sich, dem Veranstalter spätestens Wochen vor der Veranstaltung folgendes Pressematerial zur Durchführung der Werbung zu überlassen:
3. Der Veranstalter ist nicht befugt, mit der Veranstaltung Werbung für andere Zwecke als die Veranstaltung selbst zu betreiben. Die Nennung des Künstlers auf Plakaten oder anderen Veranstaltungshinweisen in Verbindung mit Herstellern von Produkten oder Anbietern von Dienstleistungen bedarf einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung. 4. Der Künstler ist berechtigt, ohne Beteiligung des Veranstalters und ohne Zahlung einer Nutzungsgebühr einen Merchandising-Stand zu betreiben. 5. Leistungsschutz
1. Alle die Musikveranstaltung betreffenden Rechte verbleiben beim Künstler. Hiervon erfasst sind insbesondere sämtliche Leistungsschutz-, Urheber- und Persönlichkeitsrechte. Soweit dem Veranstalter bestimmte Rechte übertragen werden sollen, ist hierzu eine gesonderte schriftliche Vereinbarung zu treffen. 2. Der Künstler ist berechtigt, die Musikveranstaltung mitzuschneiden, Tonträger herzustellen und diese auszuwerten. Ebenso können Fotografien und andere Bildaufzeichnungen hergestellt und verwertet werden. 3. Der Veranstalter ist nicht befugt, die Aufführung(en) des Künstlers auf Bild- oder Tonträger jeglicher Art aufzuzeichnen oder mitzuschneiden oder aufzeichnen oder mitschneiden zu lassen. Er verpflichtet sich, widerrechtlich hergestellte Aufnahmen an den Künstler herauszugeben. 4. Für jeden Fall der Verletzung von Schutzrechten, insbesondere Urhe-
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berpersönlichkeits- und Leistungsschutzrechten des Künstlers sowie ungenehmigten Bild- oder Tonaufzeichnungen verpflichtet sich der Veranstalter, eine Vertragsstrafe in Höhe von À zu zahlen. 6. Leistungsstörungen
1. Der Künstler ist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Veranstalter seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt. Er behält den vollen Gagen- und Kostenerstattungsanspruch. Dasselbe gilt, wenn die Veranstaltung wegen etwaiger Störungen aus dem Publikum abgebrochen werden muss. 2. Der Veranstalter ist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Künstler nicht zu dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung steht. Der Künstler verliert dann den vollen Gagen- und Kostenerstattungsanspruch. 3. Beide Parteien werden von ihren vertraglichen Leistungspflichten frei, wenn die Veranstaltung wegen Vorliegens höherer Gewalt nicht stattfinden kann (z.B. Streiks bei Transportunternehmen, Naturkatastrophen, dauernder Stromausfall). 4. Ist der Künstler durch Krankheit verhindert, so hat er dies dem Veranstalter unverzüglich mitzuteilen und durch ärztliches Attest nachzuweisen. Die Auftrittspflicht des Künstlers und die Vergütungspflicht des Veranstalters entfallen in diesem Fall. 5. Hat eine Vertragspartei eine Pflichtverletzung zu vertreten, ist sie der anderen Partei zum Schadensersatz verpflichtet. 6. Der Veranstalter haftet für alle Schäden innerhalb der Räume des Veranstaltungsortes und auf den von ihm organisierten Transportwegen. Die Haftung erstreckt sich auch auf Verletzungen von Besuchern oder deren Eigentum während der Veranstaltung. Dies gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig durch den Künstler verursacht worden ist. Außerdem trägt der Künstler die Gefahr von Verzögerungen und Beschädigungen bei der Anreise und dem Transport zum Veranstaltungsort, wenn er die Anreise bzw. den Transport selbst organisiert hat. 7. Abschließende Bestimmungen
1. Die beiliegende Bühnenanweisung/Checkliste Bühne ist Bestandteil dieses Vertrags. 2. Auf diesen Vertrag findet das deutsche Recht Anwendung. 3. Als Gerichtsstand wird (Ort) vereinbart für den Fall, dass
Brigitte Treuer £5.5 Vertragsrecht
• •
mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, die im Klageweg in Anspruch genommene Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht mehr in Deutschland hat oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
4. Salvatorische Klausel: Sollten einzelne Vertragsbedingungen unwirksam sein, so bleibt der Vertrag im übrigen wirksam. Fehlende Regelungen werden im Wege einer ergänzenden, wirtschaftlich dem Zweck des Vertrags entsprechenden Auslegung getroffen und – soweit erforderlich – durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt.
(Ort, Datum)
Künstler
(Ort, Datum)
Veranstalter
Bühnenanweisung/Checkliste Bühne
1. Anforderungen an die Bühnenfläche: Breite: m; Tiefe: m; Beschaffenheit: Anzahl- und Art der Stromanschlüsse:
Höhe:
m
2. Vom Veranstalter sind auf seine Kosten zu stellen: Bühneneinrichtung (z.B. Stromanschlüsse, Stühle, Bühnenteile):
Sound (z.B. PA, Lautsprecher, Mikses, Backline-, Kanal-Mischpult):
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Licht:
Sonstiges (z.B. ein/e/n technisch einwandfreie/s/n Klavier/Flügel/ Orgel, gestimmt nach Kammerton »a« = 880-886 Hz):
3. Anfahrtsbeschreibung zum Veranstaltungsort:
(Stadtplanauszug ist beigefügt) 4. Der Aufbau der Bühnen-, Instrumenten-, Beschallungs- und Beleuchtungsanlage erfolgt am ab Uhr. 5. Der Veranstalter stellt beim Eintreffen des Künstlers um Uhr Helfer für das Entladen und den Aufbau der Bühne zur Verfügung. Er übernimmt die gleiche Verpflichtung für den Abbau und das Verladen nach der Veranstaltung. 6. Sound-Check ist von bis Uhr. Zuständige Personen: (z.B. Tontechniker, Beleuchter)
Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail:
7. Publikumseinlass ist am um Beginn der musikalischen Darbietung ist um
Uhr. Uhr.
8. Reihenfolge der Auftritte (bei mehreren Künstlern):
9. Während der Veranstaltung sind Minuten vorgesehen.
Pausen von jeweils
Brigitte Treuer £5.5 Vertragsrecht
10. Der Veranstalter ist für die Sicherheit im Zusammenhang mit der Veranstaltung verantwortlich und stellt Ordnungskräfte zur Verfügung. Durch das Sicherheitspersonal ist zu gewährleisten, dass Zuschauer, die Bild- oder Tonaufzeichnungsgeräte mit sich führen, der Zutritt nicht gestattet wird oder die Geräte abgenommen und verwahrt werden. 11. Der Veranstalter ist verpflichtet, für den Künstler mindestens beleuchtete, beheizbare, mit Waschmöglichkeit und Wandspiegel ausgestattete und abschließbare Garderobenräume von mindestens m2 für die Zeit der Veranstaltung bereitzustellen. 12. Im Falle von Übernachtungen verpflichtet sich der Veranstalter, für Technik, Garderobe, Verstärkeranlagen, Instrumente und dergl. dem Künstler für diese Zeit eine sichere Aufbewahrungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. 13. Catering: Der Künstler erhält auf Kosten des Veranstalters folgende Getränke und Speisen:
14. Sonstige Vereinbarungen:
(Ort, Datum)
Künstler
Abbildung 1: Beispielvertrag
(Ort, Datum)
Veranstalter
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A N M E R K U N G EN 1
Vgl. auch die Vertragsmuster in: Herrman J. Fischer/Steven A. Reich: »Vertragsmuster Darstellende Kunst, H.2.2.« sowie Herrmann J. Fischer/ Barbara Junger/Steven A. Reich: »Vertragsmuster Musik, H.2.3.«, in: Bendixen, Peter et al., Handbuch Kulturmanagement. Die Kunst, Kultur zu ermöglichen, Stuttgart: Raabe. Siehe auch: Rolf Moser/Andreas Scheuermann (Hg.) (2003): Handbuch der Musikwirtschaft, 6. vollst. neu überarb. Aufl. Starnberg: Josef Keller (Konzertvertrag: S. 1190ff.; Künstlervertrag: S. 1198ff.).
£ Anhang
£
S ERVICE
W EBSIT E S http://toepfer-fvs.de/concerto21.html www.askonasholt.co.uk www.cami.com www.harrisonparrott.com www.iamaworld.com/ www.imgartists.com www.kdschmid.de/ www.musicalamerica.com/ www.vdkd.de/ www.ifpi.org/ www.miz.org www.musikindustrie.de/ www.sinus-institut.de www.stiftungen.org
I NT ERNE TQ U ELLEN Musikmanagement und Musikmarkt www.deutscher-musikrat.de www.miz.org (Deutsches Musikinformationszentrum) www.miz.ch (Schweizer Musikinformationszentrum) www.musikhandbuch.ch (Schweizer Musikhandbuch) www.kulturinfo.de/Jufo/ www.musicedition.ch/ www.nmz.de www.kulturrat.de Öffentlichkeitsarbeit und Marketing www.sinus-sociovision.de www.pressguide.de www.mediadaten.de www.stamm.de www.zimpel.de www.dprg.de www.medienhandbuch.de
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Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb
www.pressguide.de (Kroll Presse-Taschenbücher) www.stamm.de (Leitfaden durch Presse und Werbung) www.zimpel.de/ (Zimpel-Mediennachschlagewerke) Recht Deutschland www.gema.de www.gvl.de www.juris.de (juristische Datenbank) www.urheberrecht.org (Institut für Urheber- und Medienrecht) www.kunstrecht.de www.kuenstlersozialkasse.de www.medienhandbuch.de Recht Schweiz www.interpreten.ch (Schweizer Interpreten Gesellschaft) www.suisa.ch www.swissperform.ch www.smv.ch/(Schweizerische Musikerverband (SMV)) Recht Österreich www.musikergilde.at www.ifpi.at (Verband der Österreichischen Musikwirtschaft) www.akm.at http://musiker-forum.at www.musicaustria.at www.vvat.at (Veranstalterverband) Tonträgerindustrie www.musikmarkt.de (Musikmarkt online) www.class-germany.de www.schallplattenkritik.de PR-Agenturen (Auswahl) www.ophelias-pr.com/ www.wischmann-pr.de www.quint-essenz.com www.virginia-tutila.de/seite_ueberuns.html www.forartists.de/
Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) £Service
Fundraising www.fundraisingverband.de/ www.swissfoundations.ch/ https://www.stiftungsverzeichnis.de/ www.stiftungen.org/ www.miz.org/suche_3.html www.buergergesellschaft.de/praxishilfen/fundraising/103985/ Schweizer Förderstiftungen Kulturmanagement www.kulturmanagement-portal.de/ www.kulturmanagement.net/
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£
A UTORINNEN
UND
A UTOREN
Andreas Brandis, geboren 1980 in Heidelberg, ist studierter Jazzschlagzeuger und arbeitet als Musiker und Komponist in unterschiedlichen nationalen und internationalen Besetzungen sowie an verschiedenen deutschen Schauspielhäusern. Zusätzlich zu seinen musikalischen Aktivitäten absolvierte er ein Masterprogramm für Kultur- und Medienmanagement und arbeitete in diesem Zusammenhang für unterschiedliche Projekte und namhafte Unternehmen. Andreas Brandis ist als Product Manager Jazz/ECM bei Universal Classics & Jazz tätig. Prof. Jürgen Christ ist seit 1997 Leiter des Instituts LernRadio an der Hochschule für Musik Karlsruhe, wo er für Ausbildung, Sendekonzept und -inhalte sowie die externe Kommunikation verantwortlich zeichnet. Außerdem leitet er den Bachelorstudiengang »KulturMediaTechnologie« (KMT) in enger Kooperation mit der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft. Bevor er sich mit seiner Agentur Musik Medien Management 1994 selbständig machte, sammelte er internationale Erfahrungen als Director TV-Marketing bei der UFA Film- und Fernseh GmbH in Hamburg. Im Rahmen seiner Agenturarbeit ist er nach wie vor als Hörfunkjournalist tätig, wobei er sich mit großen Interview-Reihen (u.a. mit Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Nikolaus Harnoncourt, Georg Solti und Yehudi Menuhin) bei allen wesentlichen Klassikprogrammen in Deutschland einen Namen machte. Burkhard Glashoff ist seit Januar 2001 in der Konzertdirektion Schmid tätig. Er studierte Musik und Geschichte und hat freiberuflich als Producer für den NDR gearbeitet. Im Anschluss war er beim Niedersächsischen Gastspielbüro für die Planung und Durchführung des Klassikprogramms der EXPO 2000 Hannover verantwortlich. In der Orchesterabteilung der Konzertdirektion Schmid arbeitete er zunächst als Project Manager und ist seit Oktober 2005 als Director für den Bereich Tourneen und Projekte international renommierter Symphonieorchester zuständig. Prof. Dr. Werner Heinrichs, 1990 bis 2002 Gründer und Leiter des Instituts für Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seit 2002 Rektor der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Seit 2008 Vorsitzender der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der HRK. Andri Jürgensen, Jahrgang 1969. Nach dem Zivildienst Regiehospitanzen am Schauspielhaus Kiel. Von 1992 bis 1997 Jurastudium in Kiel, Trier und Heidel-
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berg. Anschließend Referendariat in Baden-Württemberg mit Stationen an der Kunsthalle Mannheim und dem Nationaltheater Mannheim. Journalistische Hospitanzen bei Hamburg 1 Fernsehen und dem ZDF in Mainz. Seit 2001 in Kiel tätig als Rechtsanwalt und freier Autor/Journalist. 2008 Gründung des Kölner Büros als Hauptsitz der Kanzlei. Zulassung als Rechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer Schleswig. Prof. Dr. Ralf Kitzberger L.L.M., Rechtsanwalt. Studium der Rechte an den Universitäten Konstanz und Lausanne sowie an der Temple Universität (Philadelphia/USA); Partner der Anwalts- und Notarkanzlei Grub, Frank, Bahmann, Schickhardt in Ludwigsburg. Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Medien- und Urheberrechts. Dr. Kitzberger vertritt Musiker und Produzenten auf den wichtigsten Rechtsgebieten wie Vertragsrecht, Urheberrecht etc. Prof. Dr. Sebastian Nordmann, geboren 1971, ist Intendant des Konzerthauses Berlin. Bevor er dort im September 2011 die Leitung übernahm, hat er über sechs Jahre als Intendant die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern geleitet. Mit über 100 Konzerten an 70 Spielstätten und einem Etat von 3,5 Millionen Euro gehören die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern zu den größten Klassikfestivals Deutschlands. Er studierte in Heidelberg, Edinburgh und Berlin und promovierte als Musikwissenschaftler über den Einfluss des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) auf die Musiklandschaft in Schleswig-Holstein. Sebastian Nordmann ist seit dem WS 2008/09 Professor für Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Max Nyffeler lebt als freiberuflicher Publizist für Rundfunk und Presse in Frauenneuharting bei München. Er wurde 1941 in Wettingen/Schweiz geboren und studierte Musik und Musikwissenschaft in Zürich, Basel und Köln. Nach dem Konzertexamen für Klavier bei Sava Savoff in Zürich übersiedelte er 1970 nach Köln. Er war Rundfunkredakteur in München und Zürich, Pressechef der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, wo er die Auslandzeitschrift Passagen gründete, sowie Künstlerischer Leiter des Musikverlags Ricordi in München. Er ist Jurymitglied des Preises der deutschen Schallplattenkritik und publiziert im Internet (www.beckmesser.de). Dr. Petra Schneidewind, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim Tätigkeit als Controllerin im Bereich Softwareentwicklung sowie Unternehmensberatung in Karlsruhe; seit 1996 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg; Promotion zum Thema »Entwicklung eines Theater-Manage-
Petra Schneidewind/Martin Tröndle (Hg.) £ Autorinnen und Autoren
mentinformationssystems« (Abschluss 2000); seit 2011 Studiengangsleitung Kontaktstudium; Lehraufträge an der Reinhold-Würth-Hochschule Künzelsau; der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt a.M.; zahlreiche Vorträge, Workshops, Beratungsaufträge sowie Publikationen. Prof. Dr. Brigitte Treuer war Professorin für Zivilrecht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg und Lehrbeauftragte am Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg. Junior-Prof. Dr. Martin Tröndle lehrt seit 2009 Kulturbetriebslehre und Kunstforschung an der Zeppelin University Friedrichshafen und ist Senior Researcher am Institut für Design- und Kunstforschung der HGK Basel. Er leitet das Schweizerische Nationalfonds Forschungsprojektes eMotion – mapping museum experience und war 2008 Stipendiat im Programm art, science & business an der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart. Er ist seit 2008 Fellow der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und leitet Concerto 21. . Er studierte Musik und anschließend Kulturmanagement/Kulturwissenschaften in Bern und Ludwigsburg. Nach der Promotion zum Thema »Festivalmanagement« (summa cum laude) war er als Musikreferent des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur für die Profilierung des Musiklandes Niedersachen zuständig. Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Fachverbandes Kulturmanagement e.V.
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Barbara Alder, Barbara den Brok Die perfekte Ausstellung Ein Praxisleitfaden zum Projektmanagement von Ausstellungen Mai 2012, ca. 200 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1489-3
Patrick S. Föhl, Patrick Glogner Kulturmanagement als Wissenschaft Überblick – Methoden – Arbeitsweisen. Einführung für Studium und Praxis September 2012, ca. 150 Seiten, kart., ca. 13,80 €, ISBN 978-3-8376-1164-9
Carl Christian Müller, Michael Truckenbrodt Handbuch Urheberrecht im Museum Praxiswissen für Museen, Ausstellungen, Sammlungen und Archive Mai 2012, ca. 200 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1291-2
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Andrea Rohrberg, Alexander Schug Die Ideenmacher Lustvolles Gründen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Ein Praxis-Guide 2010, 256 Seiten, kart., zahlr. Abb., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1390-2
Gernot Wolfram (Hg.) Kulturmanagement und Europäische Kulturarbeit Tendenzen – Förderungen – Innovationen. Leitfaden für ein neues Praxisfeld September 2012, ca. 280 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1781-8
Jochen Zulauf Aktivierendes Kulturmanagement Handbuch Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement für Kulturbetriebe Oktober 2012, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1790-0
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Joachim Baur (Hg.) Museumsanalyse Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes 2010, 292 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-814-8
Hartmut John, Hans-Helmut Schild, Katrin Hieke (Hg.) Museen und Tourismus Wie man Tourismusmarketing wirkungsvoll in die Museumsarbeit integriert. Ein Handbuch
Claudia Gemmeke, Franziska Nentwig (Hg.) Die Stadt und ihr Gedächtnis Zur Zukunft der Stadtmuseen
2010, 238 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1126-7
2011, 172 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 20,80 €, ISBN 978-3-8376-1597-5
Peter Leimgruber, Hartmut John Museumsshop-Management Einnahmen, Marketing und kulturelle Vermittlung wirkungsvoll steuern. Ein Praxis-Guide
Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli, Sibylle Lichtensteiger (Hg.) Das partizipative Museum Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen Mai 2012, ca. 300 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1726-9
Doris Harrasser, Karin Harrasser, Stephanie Kiessling, Karin Schneider, Sabine Sölkner, Veronika Wöhrer Wissen Spielen Untersuchungen zur Wissensaneignung von Kindern im Museum (2., überarbeitete Auflage)
2011, 348 Seiten, kart., inkl. Begleit-CD-ROM, 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1296-7
Tobias G. Natter, Michael Fehr, Bettina HabsburgLothringen (Hg.) Das Schaudepot Zwischen offenem Magazin und Inszenierung 2010, 174 Seiten, kart., zahlr. Abb., 18,80 €, ISBN 978-3-8376-1616-3
Tobias G. Natter, Michael Fehr, Bettina Habsburg-Lothringen (Hg.) Die Praxis der Ausstellung Über museale Konzepte auf Zeit und auf Dauer Februar 2012, 258 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1862-4
Mai 2012, 304 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1926-3
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de