142 22 9MB
German Pages 1434 Year 2011
van Bühren/Lemcke/Jahnke (Hrsg.) Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht
Anwalts-Handbuch
Verkehrsrecht herausgegeben von
RA Dr. Hubert van Bühren RA Hermann Lemcke RA Jürgen Jahnke bearbeitet von
RA Dr. Hubert van Bühren, Köln RAin und Avvocato Sabine Feller, LL.M. (Master of Insurance Law), München, Rom RA Jürgen Jahnke, Münster RAuNin Edith Kindermann/ RAuN Rembert Brieske †, Bremen RA Herman Lemcke, VorsRiOLG a.D., Münster RAin Karen Lessing, Hamburg/Köln RA Klaus-Friedrich Meinecke, Münster
2. neu bearbeitete Auflage
2012
Zitierempfehlung: Bearbeiter in van Bühren/Lemcke/Jahnke (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl., Teil ..., Rz. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21 / 9 37 38-01, Fax 02 21 / 9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-18060-7 © 2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Die erste Auflage des vorliegenden Werkes entstand aus der Idee, dem Praktiker einen Leitfaden an die Hand zu geben, der alle wesentlichen Aspekte des verkehrsrechtlichen Mandats mit ihren spezifischen Einzelfragen in einem Band erläutert. Hinter dem scheinbar profanen Begriff Verkehrsrecht verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlichster Rechtsgebiete: Im Vordergrund steht die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer. Dies erfordert jedoch nicht nur Kenntnis der zivilrechtlichen Haftungsgrundlagen und der Kasuistik zum Personen- und Sachschaden, sondern z.B. auch profunde Kenntnis der Schnittstellen zum Arbeits- und Sozialrecht: Welche Forderungen sind gegen den Schädiger, welche gegen Drittleistungsträger geltend zu machen? Welche Ansprüche sind bereits auf Drittleistungsträger übergegangen und evtl. für diese einzufordern? Bestehen Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen? Dabei ist auch das Versicherungsrecht von erheblicher Bedeutung: Neben der Inanspruchnahme der gegnerischen Haftpflichtversicherung spielen auch Forderungen gegen die eigene Fahrzeugversicherung eine große Rolle. Gleiches gilt für die Inanspruchnahme der eigenen Rechtsschutzversicherung, zumal 2/3 aller Autofahrer rechtsschutzversichert sind. Hier sind zahlreiche spezifisch versicherungsrechtliche Vertragsgestaltungen zu beachten: Welche Obliegenheiten vor und nach dem Schadensfall sind dem Versicherungsnehmer auferlegt? Welche Verhaltensweisen führen zu Haftungsbeschränkungen oder -ausschlüssen? Ebenfalls im Vordergrund des verkehrsrechtlichen Mandats steht schließlich die Verteidigung in Bußgeld- und Strafsachen sowie das verwaltungsbehördliche und u.U. gerichtliche Verfahren gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis. Auch hier ist eine umfangreiche Kasuistik zu beachten. All diese unterschiedlichen Rechtsgebiete in einem Band umfassend darzustellen, war Autoren und Herausgebern auch bei der nun vorliegenden zweiten Auflage ein Anliegen. Nach einem einleitenden allgemeinen Kapitel über die Unfallregulierung werden die zivilrechtlichen Haftungsvoraussetzungen und die Einzelfragen des Personen- und des Sachschadens erläutert. Den Anwaltsgebühren ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Es folgt eine ausführliche Erläuterung der besonderen Problematik der Unfallmanipulation. Im Anschluss werden Inanspruchnahme von Rechtsschutzversicherung sowie Einzelheiten zu Haftpflicht- und Fahrzeugversicherungen dargestellt. Der zivilrechtliche Teil schließt mit der Darstellung des zivilgerichtlichen Verfahrens. Es folgen das Bußgeldund strafgerichtliche Verfahren sowie das Verwaltungsverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Neu hinzugekommmen ist in der zweiten Auflage ein eigenständiges Kapitel zum Thema „Abwicklung V
Vorwort
von Auslandsunfällen“, exemplarisch an den Beispielen Italien und Österreich sind die Kernprobleme solcher Fallgestaltungen darstellt. Trotz seiner großen inhaltlichen Bandbreite beschränkt sich das Werk nicht darauf, abstrakt die jeweilige Rechtslage darzustellen: Wie schon in der Vorauflage haben die Autoren besonderen Wert darauf gelegt, dem Leser mit Beispielen, Tipps aus ihrer eigenen Praxis, Checklisten und Musterschriftsätzen möglichst konkrete Arbeitshilfen für das verkehrsrechtliche Mandat an die Hand zu geben. Köln, im August 2011
VI
Herausgeber und Autoren
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Allgemeine Literaturübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Teil 1 Unfallregulierung (van Bühren) I. Das verkehrsrechtliche Mandat . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
1
1
II. Anwaltliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
3
III. Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
6
IV. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
13
V. Verjährung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . .
69
15
VI. Ausschlussfrist (§ 15 StVG) . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
19
VII. Verjährung versicherungsrechtlicher Ansprüche . . . .
95
19
1
31
Teil 2 Haftungsvoraussetzungen (Lemcke) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
40
III. Aufklärung des Unfallhergangs . . . . . . . . . . . . . . .
615
217
IV. Beweislast und Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . .
655
227
V. Ermittlung der Haftungsquote . . . . . . . . . . . . . . .
686
234
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
250
II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens . . . . . . . . . .
8
252
III. Sonstige Schadenspositionen . . . . . . . . . . . . . . . .
196
303
Teil 3 Sachschaden (Lemcke)
VII
Inhaltsübersicht
Teil 4 Personenschaden (Jahnke)
Rz.
Seite
I. Allgemeines zum Personenschaden . . . . . . . . . . . .
1
363
II. Fahrerschutzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
467
487
III. Heilbehandlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
489
IV. Vermehrte Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
566
513
V. Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
634
530
VI. Verdienstausfallschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
827
573
VII. Ausfall im Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1162
656
VIII. Mittelbar Geschädigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1236
677
Teil 5 Anwaltskosten (Jahnke) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
729
II. Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
730
III. Mandatsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
740
IV. Gebührenrechtliche Abgeltung . . . . . . . . . . . . . . .
73
748
V. Anfall und Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101
753
VI. Gebührenabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
776
VII. Gebührentatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
777
VIII. Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
789
IX. Einzelaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
799
Teil 6 Unfallmanipulation (Lemcke) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
809
II. Die häufigsten Manipulationsvarianten . . . . . . . . .
7
811
III. Der gestellte Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . . . . .
23
814
IV. Der provozierte Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . . . .
146
852
V. Der fiktive Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . . . . . .
162
855
VIII
Inhaltsübersicht Rz.
Seite
VI. Der ausgenutzte Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . . .
169
856
VII. Prozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
860
Teil 7 Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung (Meinecke) I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung .
1
884
II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . .
266
998
III. Kaskoversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346 1026
IV. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
480 1093
V. Prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
482 1093
Teil 8 Rechtsschutzversicherung (Brieske/Kindermann) I. Allgemeines und Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . .
1 1098
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung . . . .
17 1103
III. Rechtsschutz für Auseinandersetzungen mit anderen als dem Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95 1139
IV. Rechtsschutz in Verkehrsstrafsachen . . . . . . . . . . .
96 1141
V. Rechtsschutz in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101 1143
VI. Rechtsschutz bei verwaltungsrechtlicher Entziehung oder verweigerter Wiedererteilung der Fahrerlaubnis .
103 1144
VII. Rechtsschutz in Kfz-Steuer-Angelegenheiten . . . . . .
109 1146
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen .
110 1146
Teil 9 Zivilgerichtliches Verfahren (van Bühren) I. Haftpflichtprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 1161
II. Versicherungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 1176
III. Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . .
40 1181
IV. Unfallmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 1183 IX
Inhaltsübersicht
Teil 10 Bußgeldverfahren (Lessing)
Rz.
Seite
I. Ordnungswidrigkeitengesetz . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1190
II. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 1190
III. Bußgeldkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82 1210
IV. Einzelne Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86 1211
V. Geldbuße/Verwarnung/Fahrtenbuch . . . . . . . . . . .
107 1223
VI. Fahrverbot nach § 25 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 1227
VII. Verkehrszentralregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159 1241
Teil 11 Verkehrsstrafsachen (Lessing) I. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1247
II. Einzelne Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 1255
III. Fahrverbot nach § 44 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 1271
IV. Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 f. StGB . . . .
90 1275
V. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 1280
VI. Entschädigung nach strafgerichtlicher Führerscheinmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 1282
VII. Nebenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116 1283
VIII. Adhäsionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124 1285
Teil 12 Verwaltungsrecht (Lessing)
X
I. Verwaltungsbehördliches Verfahren . . . . . . . . . . .
1 1287
II. Verwaltungsgerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . .
57 1305
Inhaltsübersicht
Teil 13 Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung (Feller)
Rz.
Seite
I. Grundlagen der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1310
II. Außergerichtliche Regulierung . . . . . . . . . . . . . . .
53 1322
III. Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62 1324
IV. Materielles Schadenersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97 1329
V. Exkurs: Vollstreckung von verkehrsrechtlichen Geldstrafen und Geldbußen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 1341
VI. Verordnungen und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . .
185 1343
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1345
XI
Abkürzungsverzeichnis a.A. AAK ABl. EG Abs. ADAC a.F. AfV AG AGB AGS AHB AKB alic Alt. Anh. Anm. AnwBl ARB ArbGG Art. ASU Aufl. AuslPflVG AV AVB Az. BA BAFin BAG BAK BAV BayObLG BayObLGSt BB BBG BBR Bd.
andere Ansicht Atemalkoholkonzentration Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Allgemeiner Deutscher Automobilclub alte Fassung Amt für Verteidigungslasten Amtsgericht, Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift; Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwaltsgebühren spezial (Zeitschrift; Jahr, Seite) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung actio libera in causa Alternative Anhang Anmerkung Anwaltsblatt (Zeitschrift; Jahr, Seite) Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Abgassonderuntersuchung Auflage Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (Ausländer – Pflichtversicherungsgesetz) Arbeitslosenversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen Aktenzeichen Blutalkohol (Zeitschrift; Jahr, Seite) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbei tsgericht Blutalkoholkonzentration Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht in Strafsachen Betriebs-Berater (Zeitschrift; Jahr, Seite) Bundesbeamtengesetz Besondere Bedingungen in Risikobeschreibungen für private Haftpflichtversicherungen Band
XIII
Abkürzungsverzeichnis
BeamtVG
bzw.
Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz) Beschluss Begutachtung der Fahreignung (siehe auch MPU) Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bürgerliches Gesetzbuch – Entwurf Bundesgesetzblatt Bürgerliches Gesetzbuch – Regierungsentwurf Bundesgerichtshof BGH-Report (Zeitschrift; Jahr, Seite) Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BußgeldkatalogVerordnung) Bundesministerium der Finanzen Bundesnotarordnung Berufsordnung der Rechtsanwälte Bundesrat Bundesrechtsanwaltsordnung Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Bundessteuerblatt Bundestag Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) beziehungsweise
DAngVers DAR
Die Angestellten Versicherung (Zeitschrift; Jahr, Seite) Deutsches Autorecht (Zeitschrift; Jahr, Seite)
Beschl. BfF BFH BFHE BGB BGB-E BGBl. BGB-RE BGH BGHR BGHSt BGHZ BKatV
BMF BNotO BORA BR BRAO BSG BSHG Bsp. BStBl. BT BtMG BUZ BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVG BVSK BZRG
XIV
Abkürzungsverzeichnis
DAV DB DIN DRK Drucks.
Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb (Zeitschrift; Jahr, Seite) Deutsche Industrie-Normen Deutsches Rotes Kreuz Drucksache
EFZG EG EGBGB ErwZulG
Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union, Erwerbsunfähigkeit Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofes Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen eingetragener Verein Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum
EStG etc. EU EuGH EuGHE EuGVÜ e.V. EWG EWR F. f. FamRZ FeV ff. Fn. FPersG
Fach folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Zeitschrift, Jahr, Seite) Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung) fortfolgende Fußnote Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen
GDV gem. GenTG GG ggf. GKG GmbH GmbHR GmS GoA GVG
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. gemäß Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift; Jahr, Seite) Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Geschäftsführung ohne Auftrag Gerichtsverfassungsgesetz
h HGB h.M.
Stunde Handelsgesetzbuch herrschende Meinung XV
Abkürzungsverzeichnis
HPflG Hrsg. HS HWS
Haftpflichtgesetz Herausgeber Halbsatz Halswirbelsäule
i.d.R. insb. IntKfzVO i. S. i.S.d. i.S.v. i.V.m.
in der Regel insbesondere Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr im Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit
JAV JB
Jahresarbei tsverdienst Das juristische Büro (Zeitschrift; Jahr, Seite), auch zitiert als JurBüro Jugendgerichtsgesetz Das juristische Büro (Zeitschrift; Jahr, Seite), auch zitiert als JB Juristische Schulung (Zeitschrift; Jahr, Seite) Die Justiz (Zeitschrift; Jahr, Seite) Juristen-Zeitung (Zeitschrift; Jahr, Seite)
JGG JurBüro JuS Justiz JZ Kap. KBA KF Kfz KfzPflVV KG KH km km/h KSVG KV KVdR LAG LAGE LFZG LG lit. Lit. Lkw LPartG LS XVI
Kapitel Kraftfahrt-Bundesamt Kapi talisi erungsfaktor Kraftfahrzeug Verordnung über den Versicherungs schutz in der Kraftfahrzeug – Haftpflichtversicherung (Kraftfahrzeug – Pflich tversicherungsverordnung) Kammergericht Kraftfahrzeug – Haftpflicht Kilometer Kilometer pro Stunde Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten Krankenversicherung Krankenversicherung der Rentner Landesarbeitsgericht Entscheidungssammlungen der Landesarbeitsgerichte Lohnfortzahlungsgesetz Landgericht Buchstabe Literatur Lastkraftwagen Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Leitsatz
Abkürzungsverzeichnis
LSG LuftVG LZA
Landessozialgericht Luftverkehrsgesetz Lichtzeichenanlage
m m. MdE MDR MedR Min. mm MPI MPU MüKo m.w.H. m.w.N.
Meter mit Minderung der Erwerbsfähigkeit Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Medizinrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Minute Millimeter Medizinisch – Psychologisches Institut Medizinisch-psychologische Untersuchung (siehe auch: BfF) Münchener Kommentar zum BGB mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen
n.F. NJW NJWE-VHR
NVwZ NW NZA NZV
neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift; Jahr, Seite) NJW – Entscheidungsdienst Versicherungs- und Haftungsrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift; Jahr, Seite) Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Nato- Truppenstatut nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift, Jahr, Seite) Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite)
o.Ä. OGH oHG OLG OLGR OVG OWi OWiG
oder Ähnliches Oberster Gerichtshof offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report (Zeitschriften; Jahr, Seite) Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeit/en Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PflVG
Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Pflichtversicherungsverordnung Prozesskostenhilfe Personenkraftwagen perge, perge (und so weiter, wörtl.: Fahre fort)
NJW-RR Nr. NStZ NTS n.v. NVersZ
PflVV PKH Pkw pp.
XVII
Abkürzungsverzeichnis
ProdHaftG PS PV PVR pVV r+s RA RAin RBerG rd. RehaAnglG RG RGSt RGZ Rspr. RV RVO RVT Rz. s. S. SchadÄndG SFR SGB s.o. sog. SP st. StGB StPO str. StrEG StrG StV StVG StVO StVZO s.u. SVG SVT
XVIII
Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Pferdestärke Pflegeversicherung Praxis Verkehrsrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) positive Vertragsverletzung Recht und Schaden (Zeitschrift; Jahr, Seite) Rechtsanwalt Rechtsanwältin Rechtsberatungsgesetz rund Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (Rehabilitationsangleichungsgesetz) Reichsgericht Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechtsprechung Rentenversicherung Reichsversicherungsordnung Rentenversicherungsträger Randziffer siehe Satz, Seite Zweites Gesetz zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften (Schadenrechtsänderungsgesetz) Schadenfreiheitsrabatt Sozialgesetzbuch siehe oben sogenannte/n/r Schaden-Praxis (Zeitschrift; Jahr, Seite) ständige Strafgesetzbuch Strafprozessordnung strittig, umstritten Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Straßengesetz Der Strafverteidiger (Zeitschrift; Jahr, Seite) Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung siehe unten Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz) Sozialversicherungsträger
Abkürzungsverzeichnis
TA TÜV
Teilungsabkommen Technischer Überwachungs-Verein
u. u.a. UmwelthaftG Urt. USt u.U. UVEG
und, unter unter anderem, und andere Umwelthaftungsgesetz Urteil Umsatzsteuer unter Umständen Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch Unfallversicherungsträger
UVT v. VAG VBL VerBAV Verf. VerkMitt VersR VerwarnVwV VG VGH vgl. VGT VkBl. VM Mitteilungen VN VRS VVG VW VwGO VwRspr VwVfG VZR WM
von/m Gesetz über die Beaufsichtigung der Versieherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Verfasser/s Verkehrsrechtliche Mitteilungen (Zeitschrift; Jahr, Seite), auch zitiert als VM Versicherungsrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Erteilung einer Verwarnung bei Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten (Verwarnungsgeld-Katalog) Verwaltungsgericht Verwal tungsgerichtshof vergleiche Verkehrsgerichtstag (Zeitschrift; Jahr, Seite) Amtsblatt des Bundesministers für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland Verkehrsrechtliche (Zeitschrift; Jahr, Seite), auch zitiert als VerkMitt Versicherungsnehmer Verkehrsrechts-Sammlung (Zeitschrift; Jahr, Seite) Gesetz über den Versicherungsvertrag [Versieherungsvertragsgesetz) Versicherungswirtschaft (Zeitschrift; Jahr, Seite) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland (Nichtamtliche Sammlung obergerichtlicher Entscheidungen aus Verwaltungsund Verfassungsrecht) Verwaltungsverfahrensgesetz Verkehrszentralregister Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) XIX
Abkürzungsverzeichnis
ZAP z.B. ZDK zfs Ziff. ZPO ZRP ZSEG ZVersWiss ZVR
XX
Zeitschrift für die Anwaltspraxis (Zeitschrift; Fach, Seite) zum Beispiel Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes e.V. Zeitschrift für Schadensrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite) Ziffer Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift; Jahr, Seite) Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (Zeitschrift; Jahr, Seite) Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zeitschrift; Jahr, Seite)
Allgemeine Literaturübersicht
Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, 6. Aufl. 2010 Baumbach/Lauterbach/Albers, Zivilprozessordnung, 69. Aufl. 2011 Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 6. Aufl. 2011 Beck/Löhle, Fehlerquellen bei polizeilichen Meßverfahren, 10. Aufl. 2011 Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 24. Aufl. 2009 Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Loseblatt, Stand August 2010 Bruck/Möller, Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 9. Aufl. 2008–2011 Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 26. Lfg. 2010 Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010 Burmann/Priester, Unfallrekonstruktion im Verkehrsprozess, 2007 Buschbell, Münchener Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2009 Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009 Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl. 2010 Fleischmann/Hillmann, Das verkehrsrechtliche Mandat Bd. 2, 6. Aufl. 2011 Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, 6. Aufl. 2008 Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl. 2008; Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Aufl. 2010 Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Aufl. 2009 Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007; Groß, Forderungsübergang im Schadenfall, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht – Homburger Tage 1998 Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 11. Aufl. 2008 Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 29. Aufl. 2010 Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl. 2010 Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011 Hentschel/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011 Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Aufl. 2006 Himmelreich/Bücken, Formularbuch Verkehrsstrafrecht, 5. Aufl. 2007 Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, 5. Aufl. 2009 Himmelreich/Janker, Fahrverbot, Fahrerlaubnisentzug und MPU-Begutachtung im Verkehrsverwaltungsrecht, 8. Aufl. 2007 Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, 2. Aufl. 2008 XXI
Allgemeine Literaturübersicht
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Allgemeine Literaturübersicht
Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 11. Aufl. 2011 van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 2002 van Bühren, Unfallregulierung, 3. Aufl. 2002 van Bühren, Rechtsschutzversicherung, 2. Aufl. 2008 van Bühren, Das verkehrsrechtliche Mandat Bd. 4 Versicherungsrecht, 2. Aufl. 2010 Wandt, Verbraucherinformationen und Vertragsschluss nach neuem Recht, Münsteraner Reihe, 1995 Weber, Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetrugs, 1995 Wolf/Lindacher/Pfeifer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009 Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl. 2002 Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010
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Teil 1 Unfallregulierung Rz.
Rz. 2. Unfallhelferringe . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Schadensanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . 53
I. Das verkehrsrechtliche Mandat . .
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1. Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenkollision . . . . . . . . . . . . . 3. Aktenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Anwaltliche Tätigkeit . . . . . . . . . . .
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1. Beweissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zentralruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruchsschreiben . . . . . . . . . . . . 5. Schadensanzeige . . . . . . . . . . . . . . . .
10 11 16 17 18
III. Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Schadenminderungspflicht . . . . . . a) Umfang der Schadenminderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllungsgehilfen . . . . . . . . . . . c) Auswahlverschulden . . . . . . . . . d) Kontrollpflicht . . . . . . . . . . . . . . e) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 32 36 40 42 44
IV. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Haftpflichtversicherungen . . . . . . . 2. Deutsches Büro Grüne Karte e. V. 3. Verein Verkehrsopferhilfe e. V. . . . 4. Amt für Verteidigungslasten . . . . .
57 58 59 66
V. Verjährung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Beginn der Verjährung . . . . . . . . . . . 2. Grob fahrlässige Unkenntnis . . . . . 3. Hemmung der Verjährung . . . . . . . 4. Neubeginn der Verjährung . . . . . . . 5. Verzicht auf die Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 77 82 86 88
VI. Ausschlussfrist (§ 15 StVG) . . . . . . 90 VII. Verjährung versicherungsrechtlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 95
I. Das verkehrsrechtliche Mandat Obgleich die Kraftfahrzeugversicherung nur geringe Gewinne erzielt, wird diese Sparte von den meisten Versicherern betrieben. Plausibler Grund für diese Aktivitäten ist die Erfahrung, dass die Versicherung von Kraftfahrzeugen den Kontakt zu Versicherungsnehmern eröffnet und aufrechterhält, so dass bei dieser Gelegenheit dann auch andere – lukrative – Versicherungsverträge angeboten werden können. Diese Marketing-Überlegungen sind zwanglos übertragbar auf die Tätigkeit von Rechtsanwälten in Unfallsachen. Der erste Kontakt zu einer Anwaltskanzlei erfolgt in vielen Fällen durch die Vertretung in einer Verkehrssache, sei es ein Bußgeldverfahren, ein Strafverfahren oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Obgleich die Gebühren in Verkehrssachen relativ gering sind, können nur wenige Rechtsanwälte Mandate in diesem Bereich ablehnen, wenn sie Mandanten gewinnen oder an sich binden wollen. Ein Rechtsanwalt, der eine Unfallsache kompetent und schnell bearbeitet hat, gewinnt das Vertrauen seiner Mandanten auch für andere rechtvan Bühren
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Teil 1
Rz. 2
Unfallregulierung
liche Beratungen oder Auseinandersetzungen. Eine optimale Sachbearbeitung gerade in Verkehrssachen ist daher geboten, zumal die meisten Deutschen ein geradezu emotionales Verhältnis zu ihrem Auto und zu ihrer Fahrerlaubnis haben.
1. Formalien 2
Bei Übernahme des Mandats muss eindeutig und unmissverständlich darüber gesprochen werden, welche Tätigkeit vom beauftragten Rechtsanwalt erwartet wird. Erschöpft sich das Mandat darin, dass lediglich Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollen, genügt es, die für diese Tätigkeit notwendigen Informationen zu erfassen und eine Vollmacht für die außergerichtliche Tätigkeit unterzeichnen zu lassen.
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Hilfreich ist der „Fragebogen für Anspruchsteller“, dessen Inhalt vom Deutschen AnwaltVerein mit der Versicherungswirtschaft abgestimmt worden ist. Der Fragebogen kann kostenpflichtig im Internet unter www.soldanshop.de angefordert werden. Die formularmäßigen Vollmachten enthalten in der Regel auch eine Geldempfangsvollmacht. Wenn unmittelbar Zahlung an den Mandanten erfolgen soll, ist es sinnvoll, diesen Passus in der Vollmacht zu streichen und den Versicherer darauf hinzuweisen, dass Zahlungen nur unmittelbar an den Mandanten zu leisten sind.
2. Interessenkollision 4
In Verkehrssachen kann es sehr leicht zu einem Doppelmandat kommen, auch in einer Kanzlei, die über eine umfangreiche Mandantenkartei verfügt: Wenn beide Unfallbeteiligte unmittelbar nach dem Unfall in derselben Kanzlei einen Besprechungstermin vereinbaren, hängt es oft vom Zufall ab, ob dieses Doppelmandat bekannt wird, wenn verschiedene Rechtsanwälte die Sachbearbeitung übernommen haben. Auch kann es vorkommen, dass in der einen Unfallakte der Halter als Anspruchsgegner aufgeführt wird, so dass nicht oder erst spät bemerkt wird, dass in einer anderen Akte der Fahrer dieses Halters Mandant der Kanzlei ist.
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In allen Fällen ist es somit erforderlich, Halter, Fahrer und Versicherer sowie Unfalltag und Unfallort zu dokumentieren, damit eine Interessenkollision vermieden werden kann.
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Für größere Kanzleien, die auf verkehrsrechtliche Mandate spezialisiert sind, empfiehlt es sich, einen speziellen Unfallkalender zu führen, in dem nach Ort und Zeit alle Verkehrsunfälle festgehalten werden, die Gegenstand der Mandate dieser Kanzlei sind. 2
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II. Anwaltliche Tätigkeit
Rz. 10 Teil 1
3. Aktenführung Ein Verkehrsunfall kann zu einer Vielzahl von Mandaten führen:
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– Verteidigung in einem Strafverfahren – Verteidigung in einem Bußgeldverfahren – Vertretung als Nebenkläger – Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen – Geltendmachung von Leistungsansprüchen gegenüber der (eigenen) Fahrzeugversicherung – Vertretung gegenüber dem Straßenverkehrsamt bei Entziehung der Fahrerlaubnis In allen Fällen ist es dringend geboten,
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– getrennte Akten anzulegen, – getrennte Vollmachten (mit Datum) unterzeichnen zu lassen, – gesonderte Fristen und Wiedervorlagefristen zu notieren, – gesonderte Deckungszusagen beim Rechtsschutzversicherer für jedes einzelne Mandat einzuholen.
II. Anwaltliche Tätigkeit In einem Bußgeldverfahren oder Strafverfahren genügt es in der Regel, sich zu den Akten zu legitimieren und um Akteneinsicht nachzusuchen. Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist jedoch Eile geboten: Eine erfolgreiche und den Mandanten zufrieden stellende Bearbeitung ist nur dann gewährleistet, wenn der gegnerische Haftpflichtversicherer zügig über den Unfallhergang informiert und zur Schadensregulierung aufgefordert wird.
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1. Beweissicherung Für die Bezifferung des Fahrzeugschadens ist es erforderlich, die voraussichtlichen Reparaturkosten zu ermitteln. Bei größeren Schäden ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens sinnvoll und erforderlich, bei kleineren Schäden genügt es auch, die Schäden fotografisch festzuhalten und die voraussichtlichen Reparaturkosten durch einen Kostenvoranschlag zu ermitteln. Diese Schadensberechnung empfiehlt sich insbesondere auch dann, wenn von einer Mithaftung des Mandanten auszugehen ist, so dass er auch die anteiligen Kosten eines Sachverständigengutachtens zu tragen hat. van Bühren
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Teil 1
Rz. 11
Unfallregulierung
2. Zentralruf 11
Unfallbeteiligte neigen dazu, den Unfallgegner allein für den Unfall verantwortlich zu machen. Sie weigern sich daher oft, Name und Anschrift des Haftpflichtversicherers mitzuteilen. Wenn der Fahrer nicht zugleich Halter ist, weiß er oft gar nicht, bei welcher Gesellschaft Versicherungsschutz besteht. Gelegentlich wird auch das Angebot gemacht, den Unfallschaden „ohne Einschaltung der Versicherung“ zu regeln. Derartige Regulierungsversuche scheitern in der Regel, da die tatsächlichen Reparaturkosten und Nebenkosten meist unterschätzt werden.
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Allein sinnvoll ist eine sofortige Korrespondenz mit dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer. Dieser kann zwar durch das zuständige Straßenverkehrsamt ermittelt werden. Eine derartige Anfrage kann nur schriftlich erfolgen und ist mit Gebühren und einer mehrtägigen Bearbeitungsdauer verbunden.
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Da auch die Haftpflichtversicherer möglichst frühzeitig über den Schadenfall informiert werden wollen, hat der frühere „Verband der Schadenversicherer“ (VDS), der im „Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.“ (GDV) aufgegangen ist, eine zentrale Auskunftsstelle eingerichtet, die 24 Stunden täglich – auch am Wochenende – zur Verfügung steht. Dieser Zentralruf ist zu erreichen unter der bundeseinheitlichen Rufnummer 0 180/2 50 26 Kostengünstiger und zuverlässiger ist es, diese Auskunft per Telefax einzuholen. Telefax-Nummer des Zentralrufs lautet 0 40/33 96 54 01 Die E-Mail-Adresse lautet: [email protected]
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Der Zentralruf wird nur dann tätig, wenn der Unfall nicht länger als drei Monate zurückliegt. Die Anfrage beim Zentralruf muss enthalten – den Namen des Mandanten, – die Adresse des gegnerischen Fahrzeughalters, – den Fahrzeugtyp und das Kennzeichen des schädigenden Fahrzeuges, – das Datum des Unfallereignisses.
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Neben der schnellen Informationsbeschaffung hat die Anfrage beim Zentralruf auch den weiteren Vorteil, dass der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer sofort vom Zentralruf informiert wird, so dass der Versicherer bereits eine Schadensakte anlegen und den Versicherungsnehmer zur Schadensanzeige auffordern kann.
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II. Anwaltliche Tätigkeit
Rz. 20 Teil 1
3. Akteneinsicht Es empfiehlt sich, für den Mandanten bei der zuständigen Polizeidienststelle um Akteneinsicht nachzusuchen, da die Regulierung durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer oft davon abhängig gemacht wird, dass ein Aktenauszug zur Verfügung gestellt wird. Die meisten Unfallbeteiligten halten sich für „unschuldig“ und berufen sich auf eine vermeintliche Haftung oder Mithaftung des Unfallgegners.
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4. Anspruchsschreiben Sobald der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer bekannt ist, sollte er zur Schadensregulierung aufgefordert werden unter Beifügung der für die Regulierung notwendigen Belege:
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– Sachverständigengutachten oder Kostenvoranschlag, – ausgefüllter und unterzeichneter Fragebogen für Anspruchsteller, – Vollmacht, – Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht bei Personenschäden.
5. Schadensanzeige Jeder Unfallbeteiligte ist grundsätzlich verpflichtet, seinen Haftpflichtversicherer innerhalb einer Woche über den Schadensfall zu informieren (E 1.1 AKB 2008).
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Diese Schadensanzeige ist entbehrlich, wenn der Versicherungsnehmer den Schadensfall selbst regulieren will. Der Kontakt zum Haftpflichtversicherer des Mandanten bietet die Möglichkeit einer zulässigen „Werbung“ des Rechtsanwalts, der seinem Mandanten die „lästige“ Schadensanzeigepflicht abnimmt. Es genügt in der Regel, dem Haftpflichtversicherer des Mandanten das Anspruchsschreiben an die gegnerische Haftpflichtversicherung in Kopie als „vorsorgliche Schadensanzeige“ zukommen zu lassen.
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! Hinweis: Haftpflichtversicherer beauftragen in Passivprozessen überwiegend Kanzleien, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeiten. Wenn der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt den Haftpflichtversicherer seines Mandanten sachkundig über seine Regulierungsverhandlungen mit der Gegenseite unterrichtet, wird er meist auch im Passivprozess beauftragt. Bei einigen Haftpflichtversicherern besteht die ausdrückliche Anweisung, in derartigen Fällen den für den van Bühren
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Teil 1
Rz. 21
Unfallregulierung
Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalt zu beauftragen, soweit dieser sich als kompetent erwiesen hat.
III. Beratungspflichten 21
In den meisten Auseinandersetzungen über die Schadenshöhe geht es um den Vorwurf des Versicherers, der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungspflicht gemäß § 254 BGB verstoßen. Es gehört daher zu den wichtigsten anwaltlichen Beratungspflichten, jeden Mandanten – auch ungefragt – darauf hinzuweisen, dass er bei der Schadensbeseitigung generell keinen Aufwand betreiben soll, der über das hinausgeht, was er bei einem eigenen Schaden aufwenden würde. Gerade dann, wenn die Haftungsfrage eindeutig ist, besteht die Gefahr, dass dem Mandanten die Reparaturdauer und die Reparaturkosten gleichgültig sind, weil er darauf vertraut, dass diese Kosten von der gegnerischen Haftpflichtversicherung getragen werden.
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Der Mandant ist daher darüber zu belehren, – dass er sich um eine schnelle Reparatur bemühen muss, – dass er am Schadensfall nicht „verdienen“ darf, – dass er nach Möglichkeit auf einen Mietwagen verzichten sollte.
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Über keine Position der Schadensregulierung wird so intensiv gestritten wie über Mietwagenkosten. Ein Mandant, der darauf hingewiesen wird, dass er für die Reparaturdauer eine Nutzungsentschädigung verlangen kann, die pro Tag in einer Größenordnung von 30 bis 100 Euro liegt, wird im Zweifel von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn er nicht unbedingt auf ein Fahrzeug angewiesen ist. Soweit die Inanspruchnahme eines Mietwagens unumgänglich ist, sollte ein möglichst kleines Fahrzeug angemietet werden, damit kein Abzug für Eigenersparnis vorgenommen wird.
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Zwar sind die mit der Reparatur beauftragte Werkstatt und der mit der Schadensfeststellung beauftragte Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfen des Geschädigten, sondern des Schädigers. Gleichwohl muss auch der Geschädigte sich ein Auswahlverschulden anrechnen lassen, wenn er einen nicht qualifizierten Sachverständigen und eine nicht qualifizierte Werkstatt einschaltet. In Zweifelsfällen sollte daher empfohlen werden, – einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu beauftragen, – eine Vertragswerkstatt des Herstellerwerks zu beauftragen. 6
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III. Beratungspflichten
Rz. 31 Teil 1
1. Schadenminderungspflicht Einwendungen der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer zur Schadenshöhe beruhen in der Regel auf dem Vorwurf, der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungspflicht gemäß § 254 BGB verstoßen. Dieser Einwand greift oft durch, insbesondere dann, wenn der Geschädigte damit rechnet, dass ohnehin alle Kosten nicht von ihm zu tragen sind, so dass ihm die Höhe der Schadensbeseitigungskosten gleichgültig ist. Bei jedem Beratungsgespräch muss der Mandant daher darauf hingewiesen werden, dass er keinen unnötigen und überflüssigen Schadensaufwand betreibt, insbesondere vermeidet, dass die an der Schadensbeseitigung Beteiligten (Reparaturwerkstatt, Mietwagenunternehmen, Sachverständiger) offenkundig überhöhte Kosten berechnen.
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Nach § 254 Abs. 2 BGB ist der Geschädigte gehalten, den Schädiger „auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen“; sein Anspruch wird ebenfalls gekürzt, wenn er es „unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern“.
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Es liegt daher ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor, wenn der Geschädigte sein beschädigtes Fahrzeug ungesichert und ungeschützt am Unfallort zurücklässt, so dass der Schaden durch Witterungseinflüsse oder potentielle Diebe vergrößert wird.
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Ebenso ist von einem Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht auszugehen, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug in einem hochwassergefährdeten Gebiet abstellt, obgleich – erkennbar – mit Hochwasser zu rechnen ist.
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Zur Schadenminderungspflicht gehört es auch, unverzüglich den Reparaturauftrag zu erteilen, damit der Schaden als solcher sich nicht vergrößert, zumal auch nur für einen angemessenen Zeitraum Mietwagenkosten/Nutzungsentschädigung gezahlt werden.
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Schließlich gehört es auch zur Schadenminderungspflicht, den gegnerischen Haftpflichtversicherer auf eventuelle Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung oder andere Umstände hinzuweisen, die eine zügige Schadensbeseitigung erschweren und dadurch den Schaden vergrößern.
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! Hinweis: Immer dann, wenn die Schadensbeseitigung mehr als zwei Wochen dauert, ist die gegnerische Haftpflichtversicherung zu informieren, da hierdurch die Schadenminderungspflicht auf den Versicherer verlagert werden kann.
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Teil 1
Rz. 32
Unfallregulierung
a) Umfang der Schadenminderungspflicht 32
Nach § 254 Abs. 2 BGB ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Eine Verletzung dieser Schadenminderungspflicht mindert den Schadensersatzanspruch. Der Geschädigte ist aber keineswegs im Interesse des Schädigers verpflichtet, sich so zu verhalten, als hätte er den Schaden selbst zu tragen1. Zumutbar sind alle Maßnahmen zur Schadensminderung, die ein ordentlicher Mensch ergriffen hätte, um den Schaden abzuwenden oder gering zu halten2.
33
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte im Allgemeinen ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Schadensbehebung hat3.
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Unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert4.
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Das „Wirtschaftlichkeitspostulat“5 findet seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal „erforderlich“ des § 249 Satz 2 BGB und in dem Grundsatz, dass nur der Aufwand zu ersetzen ist, der für die Wiederherstellung eines gleichwertigen Zustandes erforderlich ist. b) Erfüllungsgehilfen
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Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Schadensersatzpflichtige „den Zustand herzustellen, der entstehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“.
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Dieser Grundsatz der Naturalrestitution spielt in der Praxis keine Rolle, da ein Geschädigter in der Regel nicht bereit ist, sein beschädigtes Fahrzeug vom Unfallgegner reparieren zu lassen. Gegenstand der Schadensersatzansprüche ist somit der „erforderliche Geldbetrag“ gemäß § 249 Abs. 2 BGB.
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Die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 BGB lässt die Verpflichtung des Schädigers unberührt, den Geschädigten wirtschaftlich so zu stellen, als ob der Unfall nicht eingetreten wäre6.
1 BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90, NJW 1992, 302 = r+s 1992, 16; v. 15. 2. 2005 – VI ZR 74/04, zfs 2005, 390. 2 BGH v. 7. 5. 1996 – VI ZR 138/95, DAR 1996, 314; Hentschel/König/Dauer, § 12 StVG Rz. 8 m. w. N. 3 BGH v. 30. 11. 1999 – VI ZR 219/98, VersR 2000, 467, 469 = NZV 2000, 162. 4 BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90, DAR 1992, 22, 23; v. 25. 10. 2005 – VI ZR 9/05, VersR 2006, 133 = NJW 2005, 2541 5 BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90, DAR 1992, 22, 23; v. 15. 2. 2005 – VI ZR 74/04, zfs 2005, 390. 6 Palandt/Grüneberg, § 249 BGB Rz. 2
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III. Beratungspflichten
Rz. 42 Teil 1
Der Geschädigte ist bei der Schadensbeseitigung in der Regel abhängig von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeuges heranziehen muss1. Die beauftragte Werkstatt ist daher nicht Erfüllungsgehilfin des Geschädigten, sondern des Schädigers2. Auch der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern des Schädigers3. Ein fehlerhaftes Sachverständigengutachten geht daher zu Lasten des Schädigers, solange den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft4.
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c) Auswahlverschulden Die Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verlangt von dem Geschädigten, dass er bei der Auswahl und Beauftragung eines Sachverständigen und einer Reparaturwerkstatt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) beachtet. Der Geschädigte darf daher keine Werkstatt beauftragen, die erkennbar nicht in der Lage ist, eine fachgerechte Reparatur zügig durchzuführen. Die gleichen Grundsätze gelten bei der Beauftragung eines Sachverständigen und der Inanspruchnahme eines Mietwagens. Der Geschädigte darf auch keineswegs überhöhte Reparaturkosten und/oder Mietwagenkosten akzeptieren, da derartige Beträge für die Schadensbeseitigung nicht „erforderlich“ und daher auch nicht zu erstatten sind.
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Im Zweifelsfall sollte der Geschädigte nur öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige einschalten und eine Vertragswerkstatt des Herstellerwerks. Wenn den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft, kann er Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen gegenüber der Reparaturwerkstatt, dem Sachverständigen und dem Mietwagenunternehmen beanspruchen. Der Schädiger hat jedoch im Wege des Vorteilsausgleichs einen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen Werkstatt, Mietwagenunternehmen und Sachverständigen5.
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d) Kontrollpflicht Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Geschädigte verpflichtet ist, den Schaden möglichst gering zu halten, genügt es nicht, lediglich eine Fachwerkstatt zu beauftragen. Der Geschädigte muss sich um eine zügige Instandsetzung bemühen, einen Reparaturtermin vereinbaren und die Ein1 2 3 4
Hentschel/König/Dauer, § 12 StVG Rz. 22 m. w. N. Hentschel/König/Dauer, § 12 StVG Rz. 22 m. w. N. OLG Hamm v. 13. 4. 1999 – 27 U 278/98, r+s 1999, 279. OLG Hamm v. 13. 4. 1999 – 27 U 278/98, r+s 1998, 279; Hentschel/König, § 12 StVG Rz. 6 m. w. N. 5 OLG Hamm v. 31. 1. 1995 – 9 U 168/94, NZV 1995, 442 = SP 1996, 52.
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Teil 1
Rz. 43
Unfallregulierung
haltung des vereinbarten Reparaturtermins überwachen. Nach Fertigstellung des Fahrzeuges kann es erforderlich sein, eine Probefahrt durchzuführen und eventuelle Mängel unverzüglich zu rügen. Der Geschädigte muss darauf achten, dass Mängelgewährleistungsansprüche nicht verjähren.
! Hinweis: Bei mangelhafter Reparatur empfiehlt es sich, den eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer zu informieren, damit dieser gegebenenfalls eingreifen und die Schadensersatzansprüche gegen das Werkstattunternehmen geltend machen kann1.
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e) Beweislast 44
Ausgehend von dem zivilprozessualen Grundsatz, dass jede Prozesspartei die für sie günstigen Umstände zu beweisen hat, trägt der Geschädigte die Beweislast für sämtliche Schadenspositionen. Insoweit handelt es sich um anspruchsbegründende Tatsachenbehauptungen.
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Während für die haftungsbegründende Kausalität der Strengbeweis gemäß § 286 ZPO zu führen ist, gelten bei dem Beweis für den Schadensumfang die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO für die haftungsausfüllende Kausalität. § 287 ZPO ändert zwar nicht die Beweislastverteilung, es erfolgt lediglich eine Beweismaßreduzierung und eine freiere Gestaltung der Beweisaufnahme, die es auch ermöglicht, abweichend von § 448 ZPO den beweisbelasteten Kläger als Partei zu vernehmen2.
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Wenn der Geschädigte im Rahmen von § 287 ZPO nachgewiesen hat, dass der von ihm geltend gemachte Geldbetrag „erforderlich“ war, obliegt es der Beweisführung und Beweislast des Schädigers, einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darzulegen und zu beweisen. Die Beweislast für das Verschulden des Geschädigten und dessen Ursächlichkeit hat der Ersatzpflichtige3.
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Neben dem im Rahmen des § 254 BGB grundsätzlich beweisbelasteten Schädiger hat auch der Geschädigte eine (sekundäre) Darlegungslast4. Wenn der Schädiger einen überdurchschnittlichen Aufwand rügt, muss der Geschädigte im Einzelnen darlegen und beweisen, was er zur Schadensminderung unternommen hat5. 1 Hentschel/König, § 12 StVG Rz. 22. 2 Vgl. Zöller/Greger, § 287 ZPO Rz. 1 m. w. N. 3 Palandt/Grüneberg, § 254 BGB Rz. 72 m. w. N.; Hentschel/König/Dauer, § 12 StVG Rz. 8 m. w. N. 4 BGH v. 22. 11. 2005 – VI ZR 330/04, VersR 2006, 286; Palandt/Grüneberg, § 254 BGB Rz. 72 m. w. N. 5 BGH v. 5. 12. 1995 – VI ZR 398/94, NJW 1996, 652, 653; v. 29. 9. 1998 – VI ZR 296/97, NJW 1998, 3706, 3707; v. 22. 11. 2005 – VI ZR 330/04, VersR 2006, 286; Palandt/Grüneberg, § 254 BGB Rz. 72.
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III. Beratungspflichten
Rz. 51 Teil 1
§ 254 BGB begründet keine Einrede, sondern ist als Einwand von Amts wegen zu berücksichtigen1.
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Beispiele: Die Umstände, die eine Kreditaufnahme notwendig machen und wirtschaftlich erscheinen lassen, sind vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen2. Der Geschädigte muss nachweisen, dass er keine Möglichkeit der Anmietung zu einem billigeren Pauschaltarif hatte3.
49
2. Unfallhelferringe In vielen Städten haben sich Werkstätten, Sachverständige und Mietwagenunternehmen zu einem Unfallhelferring zusammengeschlossen, der bereits an der Unfallstelle tätig wird: Ein seriös wirkender „Passant“ spricht den Unfallbeteiligten an, der nach dem äußeren Erscheinungsbild am Unfallgeschehen schuldlos ist, beispielsweise bei einem Auffahrunfall den Vordermann, bei einer Vorfahrtsverletzung den Berechtigten. Dem Unfallbeteiligten wird versprochen, er brauche sich um nichts weiter zu kümmern und müsse lediglich einige „Formulare“ (Abtretungserklärungen) unterzeichnen.
50
Durch das Zusammenwirken der an diesem Unfallhelferring Beteiligten (Werkstatt, Sachverständiger, Mietwagenunternehmen) wird der Schaden oft dramatisch vergrößert, weil der Geschädigte sich nicht um die Schadensregulierung kümmert, da er darauf vertraut, dass die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung ohnehin den Schaden zu ersetzen hat. Wenn in der geschilderten Weise eine Werkstatt oder ein Mietwagenunternehmen die Schadensregulierung übernimmt, kann ein Verstoß gegen § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RdG) vorliegen (früher Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG), so dass die in diesem Zusammenhang geschlossenen Verträge gemäß § 134 BGB nichtig sein können4. Zulässig ist es jedoch, dass sich der Mietwagenunternehmer darauf beschränkt, die Ansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten sicherungshalber abtreten zu lassen5. Es muss jedoch zweifelsfrei klargestellt sein, dass die Kunden für die Verfolgung und Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche selbst tätig werden müssen6.
51
1 2 3 4
Palandt/Grüneberg, § 254 BGB Rz. 72 m. w. N. Palandt/Grüneberg, § 254 BGB Rz. 43 m. w. N. BGH v. 19. 4. 2005 – VI ZR 37/04, NJW 2005, 1933. BGH v. 26. 4. 1994 – VI ZR 305/93, DAR 1994, 314; AG Frankfurt v. 22. 8. 2008 – 32 C 357/08, SP 2009, 114. 5 BGH v. 26. 4. 1994 – VI ZR 305/93, DAR 1994, 314; AG Frankfurt v. 22. 8. 2008 – 32 C 357/08, SP 2009, 114. 6 BGH v. 26. 4. 1994 – VI ZR 305/93, DAR 1994, 314.
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Teil 1
Rz. 52
Unfallregulierung
Eine Reparaturwerkstatt verstößt nicht gegen das Dienstleistungsgesetz, wenn sie für den Unfallgeschädigten einen Sachverständigen beauftragt und/oder ein Ersatzfahrzeug anbietet oder reserviert1. 52
Werkstätten und Mietwagenunternehmen arbeiten oft mit Rechtsanwälten zusammen, die ihnen Stapelvollmachten zur Verfügung stellen. Die anwaltliche Beauftragung ist in derartigen Fällen nur ein rechtstechnisches Mittel, mit dem die Werkstatt oder das Mietwagenunternehmen in die Lage versetzt werden soll, die Ansprüche des Geschädigten geltend zu machen. Der Geschädigte kennt den beauftragten Rechtsanwalt in der Regel nicht, dieser korrespondiert ausschließlich mit dem Mietwagenunternehmen oder mit der Werkstatt. Eine derartige Stapelvollmacht dient lediglich der Umgehung des Rechtsberatungsgesetzes und führt daher ebenfalls gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages2.
3. Schadensanzeige 53
Gemäß E.1.1 AKB 2008 ist jeder Versicherungsfall dem Versicherer innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Versicherungsnehmer einen Schadensfall selbst regelt. Unfallbeteiligte weigern sich oft, den Schaden dem eigenen Versicherer zu melden, weil sie – mit Recht – befürchten, dass zunächst eine Höherstufung in der Rabattklasse erfolgt. Es gehört zu den anwaltlichen Beratungspflichten, den Mandanten auf diese Obliegenheit der Schadensanzeige hinzuweisen, da der Mandant sonst riskiert, den Versicherungsschutz zu verlieren.
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Versicherungsfall ist jedes Ereignis, das zu einer Leistung des Versicherers „führen kann“ (E.1.1 AKB 2008). Auch dann, wenn die Rechtslage klar ist oder klar zu sein scheint, besteht die Obliegenheit der Schadenanzeige.
55
Eine Verletzung der Anzeigepflicht bleibt wirkungslos, wenn der Versicherer in anderer Weise von dem Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat (§ 30 VVG). In den meisten Fällen hat der Unfallgeschädigte bereits Ansprüche beim Haftpflichtversicherer geltend gemacht und diesen somit vom Eintritt des Versicherungsfalles in Kenntnis gesetzt. Der Versicherungsnehmer bleibt jedoch verpflichtet, Anfragen des Haftpflichtversicherers zu beantworten, insbesondere muss er alle erforderlichen Auskünfte erteilen, die der Versicherer für eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung benötigt. Insoweit verbleibt es bei der Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers gemäß E.1.3 AKB 2008: 1 BGH v. 30. 3. 2000 – I ZR 289/97, SP 2000, 274 = VersR 2001, 80. 2 LG Frankenthal v. 26. 10. 1994 – 2 S 80/94, VersR 1996, 777.
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IV. Anspruchsgegner
Rz. 59 Teil 1
Der Versicherungsnehmer ist „verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann“. Er muss insbesondere alle Fragen „zu den Umständen des Schadenereignisses wahheitsgemäß und vollständig beantworten“. Schließlich hat er die „für die Aufklärung des Schadenereignisses erforderlichen Weisungen zu befolgen“.
IV. Anspruchsgegner In den meisten Unfallsachen richten sich die Ansprüche gegen den Pflichthaftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeuges. Neben dem bereits oben genannten Deutschen Büro Grüne Karte e. V. kommen als weitere Anspruchsgegner in Betracht der Verein Verkehrsopferhilfe e. V. und das Amt für Verteidigungslasten.
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1. Haftpflichtversicherungen Name und Anschrift des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers erfährt man in der Regel durch eine Anfrage beim Zentralruf. Liegt der Unfall länger als drei Monate zurück, wird der Zentralruf aufgrund der fehlenden Datenaktualität nicht mehr tätig. In diesen Fällen bleibt nur die gebührenpflichtige und etwas länger dauernde Anfrage beim zuständigen Straßenverkehrsamt bzw. der Zulassungsstelle des beteiligten Fahrzeuges.
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2. Deutsches Büro Grüne Karte e. V. Bei Inland- und Auslandunfällen mit Ausländern ist das Deutsche Büro Grüne Karte e. V. passivlegitimiert. Diese Passivlegitimation bleibt auch dann bestehen, wenn die Unfallregulierung einem inländischen Versicherer oder Regulierungsbüro übertragen wird.
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3. Verein Verkehrsopferhilfe e. V. In vielen Fällen können der Verursacher eines Verkehrsunfalls und seine Haftpflichtversicherung nicht ermittelt werden (Unfallflucht), Versicherungsschutz besteht auch dann nicht, wenn ein Fahrzeugführer einen Unfall vorsätzlich herbeiführt (§ 103 VVG), beispielsweise in Selbsttötungsabsicht. Schließlich gibt es Unfälle, die durch ein nicht versichertes Fahrzeug verursacht werden. In all diesen Fällen besteht kein Versicherungsschutz, es sei denn, dass bei einem nicht mehr versicherten Fahrzeug noch die einmonatige Nachhaftung gemäß § 117 Abs. 2 VVG besteht. In all diesen Fällen würde der Geschädigte schutzlos sein und hätte keinen Anspruchsgegner. van Bühren
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Teil 1 60
Rz. 60
Unfallregulierung
Damit ein möglichst lückenloser Schutz für Verkehrsunfallopfer besteht, ist gemäß § 12 PflVG ein Entschädigungsfonds gebildet worden, der dann eintritt, – wenn das schädigende Fahrzeug nicht ermittelt werden kann, – eine Haftpflichtversicherung überhaupt nicht besteht, – die Haftpflichtversicherung wegen Vorsatz (§ 103 VVG) nicht einzutreten braucht, – wenn Zahlungsunfähigkeit des leistungspflichtigen Versicherers eingetreten ist (Insolvenz).
61
Die Leistungen dieses Entschädigungsfonds sind jedoch erheblich geringer, so dass stets zu prüfen ist, ob der Vorversicherer sich nicht doch noch in der Nachhaftung gemäß § 117 VVG befindet.
62
Der Anspruch gegen den Entschädigungsfonds besteht nur subsidiär, wenn weder gegen den Halter, den Eigentümer oder den Fahrer noch aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (Straßenverkehrsamt) Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden können. Bestehen Ansprüche gegen einen Schadensversicherer (z. B. Kaskoversicherung, Rechtsschutzversicherung, private Krankenversicherung), sind diese vorrangig geltend zu machen.
63
Bei Unfallflucht des Schädigers ist der Leistungsanspruch nochmals eingeschränkt: Schmerzensgeld wird nur bei besonderer Schwere der Verletzungen zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit gezahlt, Sachschäden am Fahrzeug werden überhaupt nicht ersetzt, während für weitere Schäden (Ladung, Gepäck, Kleider usw.) ein Selbstbehalt von 500 Euro gilt.
64
Der Entschädigungsfonds wird gespeist von Beiträgen aller Kraftfahrzeugversicherer entsprechend ihrem Anteil am Gesamtbestand der Fahrzeuge (§ 13 Abs. 1 PflVG). Träger des Entschädigungsfonds ist ein eingetragener Verein als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 13 Abs. 1 PflVG): Verein Verkehrsopferhilfe e. V., Glockengießerwall 1, 20095 Hamburg 1, Tel.: 0 40/30 18 00, Fax: 0 40/3 01 80 70 70, Mail: [email protected].
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V. Verjährung von Schadensersatzansprüchen
Rz. 72 Teil 1
Derartige Entschädigungsfonds bestehen auch in den meisten europäischen Ländern, die auch von einem deutschen Unfallgeschädigten in Anspruch genommen werden können1.
65
4. Amt für Verteidigungslasten Bei Unfällen mit Militärfahrzeugen der Nato erfolgt die Regulierung durch das jeweils zuständige Amt für Verteidigungslasten, das auch im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung ausschließlich passivlegitimiert ist (Art. VIII Abs. 5 des Nato-Truppenstatuts vom 19. 7. 1961 i. V. m. Art. 41 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut in der Fassung vom 21. 10. 1971).
66
Für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen das Amt für Verteidigungslasten gilt eine Ausschlussfrist von drei Monaten (Art. VI Abs. 1 des Gesetzes zum Nato-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen vom 18. 8. 1961).
67
Lehnt das Amt für Verteidigungslasten eine Ersatzpflicht ab, muss binnen zwei Monaten Klage vor den ordentlichen Gerichten erhoben werden2. Passivlegitimiert ist ausschließlich die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das zuständige Amt für Verteidigungslasten.
68
V. Verjährung von Schadensersatzansprüchen Die Änderung des Verjährungsrechtes war ein zentraler Punkt der am 1. 1. 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform.
69
Die Verjährungsregeln sind verkürzt und vereinheitlicht worden. Die regelmäßige Verjährungsdauer von 30 Jahren (§ 195 BGB a. F.) beträgt nunmehr lediglich 3 Jahre (§ 195 BGB n. F.).
70
Für die Unfallregulierung tritt somit keine wesentliche Änderung ein, da die 3-jährige Verjährungsfrist auch nach altem Recht bestand (§ 852 Abs. 1 BGB a. F., § 14 StVG).
71
Die 3-jährige Verjährungsfrist gilt weiterhin unverändert für Direktansprüche gegen Haftpflichtversicherer (§ 115 VVG), aber auch für Ansprüche gegen den Verein Verkehrsopferhilfe e. V. (§ 12 PflVG) und für Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB.
72
1 Vgl. Schwarz, zfs 1991, 361 und zfs 1991, 397. 2 BGH v. 8. 11. 1984 – III ZR 183/83, NJW 1985, 1081.
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Teil 1
Rz. 73
Unfallregulierung
73
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB) und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 BGB).
74
Die Einführung der allgemeinen Jahresschlussverjährung dient der Erleichterung für den Rechtsverkehr, hat aber zur Folge, dass zum Jahresschluss Rechtsanwälte und Gerichte besonders belastet werden.
75
Die absolute Verjährungsfrist – unabhängig von Kenntnis oder grober Fahrlässigkeit – beträgt weiterhin 30 Jahre (§ 199 Abs. 3 BGB).
1. Beginn der Verjährung 76
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und „der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen“ (§ 199 Abs. 1 BGB). Neben die (objektive) Entstehung des Anspruchs tritt kumulativ die (subjektive) Kenntnis vom Schaden und vom Schadensverursacher. Der positiven Kenntnis wird die grob fahrlässige Unkenntnis gleichgesetzt.
2. Grob fahrlässige Unkenntnis 77
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt wird und das nicht beachtet wird, was bei naheliegenden Überlegungen jedem hätte einleuchten müssen1.
78
Die umfassende Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a. F. hat der positiven Kenntnis die Fälle gleichgestellt, in denen es versäumt wurde, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen. Es muss zumindest soviel Kenntnis vorhanden sein, dass eine Feststellungsklage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann2. Entscheidend ist, ob der Geschädigte sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe und ohne besondere Kosten beschaffen kann3. 1 BGH v. 29. 9. 1992 – XI ZR 265/91, NJW 1992, 3235, 3236; Palandt/Grüneberg, § 277 BGB Rz. 5. 2 BGH v. 18. 1. 2000 – VI ZR 375/98, NJW 2000, 953; v. 6. 3. 2001 – VI ZR 30/00, NJW 2001, 1721; v. 3. 6. 2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576; Mansel in Dauner/Lieb, § 199 Rz. 21 m. w. N. 3 BGH v. 18. 1. 2000 – VI ZR 375/98, NJW 2000, 953; v. 6. 3. 2001 – VI ZR 30/00, NJW 2001, 1721; v. 3. 6. 2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576.
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V. Verjährung von Schadensersatzansprüchen
Rz. 85 Teil 1
Bei Minderjährigen kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an1.
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Ist ein Rechtsanwalt beauftragt, so wird seine Kenntnis dem Geschädigten zugerechnet2. Bei juristischen Personen kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an.
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Es muss zunächst Kenntnis von der Person des Schädigers vorliegen mit Name und Anschrift3. Diese Kenntnis muss zumindestens für eine schlüssige Feststellungsklage ausreichen4.
81
3. Hemmung der Verjährung Die Verjährung ist gehemmt, wenn Verhandlungen zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten geführt werden, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 203 Satz 1 BGB). Diese Formulierung entspricht § 203 S. 1 BGB. Weiterhin heißt es in § 203 S. 2 BGB: „Die Verjährung tritt frühestens 3 Monate nach dem Ende der Hemmung ein“.
82
Die Verjährung wird weiterhin gehemmt durch die 14 Rechtsverfolgungsmaßnahmen gemäß § 204 BGB. Auch der (erstmalige) Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hemmt die Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB). Nur der erstmalige Antrag hemmt die Verjährung und auch nur, wenn der Antrag dem Schuldner bekannt gegeben wird5.
83
Anders als in § 203 BGB endet die Hemmung gemäß § 204 BGB 6 Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens (§ 204 Abs. 2 BGB).
84
Die Wirkung der Hemmung ist in § 209 BGB geregelt: „Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.“
85
Die Verjährungsfrist verlängert sich somit um die konkret zu berechnende Hemmungszeit6.
1 2 3 4 5 6
BGH v. 30. 6. 1998 – VI ZR 260/97, r+s 1998, 412. BGH v. 8. 5. 2001 – VI ZR 208/00, VersR 2001, 1255, 1256. BGH v. 8. 5. 2001 – VI ZR 208/00, VersR 2001, 1255. BGH v. 19. 12. 1989 – VI ZR 57/89, NJW-RR 1990, 343, 344. Palandt/Ellenberger, § 204 BGB Rz. 31/32. Palandt/Ellenberger, § 209 BGB Rz. 1.
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Teil 1
Rz. 86
Unfallregulierung
4. Neubeginn der Verjährung 86
Die bis zum 31. 12. 2001 im BGB verankerte „Unterbrechung“ der Verjährung wird nunmehr in § 212 BGB als „Neubeginn der Verjährung“ bezeichnet. Die Vielzahl der bis 31. 12. 2001 im BGB geregelten Unterbrechungstatbestände ist in § 212 BGB auf ein geringes Maß zurückgeführt worden, während die meisten früheren Unterbrechungstatbestände nunmehr in § 204 BGB als Hemmungstatbestände geregelt sind.
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Der Neubeginn der Verjährung tritt gemäß § 212 BGB nur noch ein bei Anerkenntnis des Schuldners und durch Vollstreckungsmaßnahmen.
5. Verzicht auf die Einrede der Verjährung 88
Nach § 225 BGB a. F. waren nur Vereinbarungen zur Erleichterung der Verjährung erlaubt, der Verzicht auf die Verjährung war unzulässig und gemäß § 134 BGB nichtig. § 202 BGB erlaubt aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) Vereinbarungen sowohl über eine Verjährungsverlängerung wie eine Verjährungsverkürzung. Unzulässig sind lediglich Vereinbarungen, durch die „eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden“ (§ 202 Abs. 2 BGB). Lediglich die Haftung wegen Vorsatzes kann nicht im Voraus erleichtert werden, also auch nicht durch Verkürzung der Verjährung (§ 202 Abs. 1 BGB). § 202 BGB berücksichtigt das Bedürfnis der Praxis, insbesondere bei Abfindungsverträgen mit Versicherern. Während bislang der Verzicht auf die Einrede der Verjährung für Zukunftsschäden unzulässig war, kann ein derartiger Verzicht für die Dauer von 30 Jahren vertraglich vereinbart werden.
! Hinweis für Altfälle: Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung in Abfindungsvereinbarungen, die vor dem 1. 1. 2002 geschlossen worden sind, ist weiterhin unwirksam, Schadensersatzansprüche sind 3 Jahre nach Abschluss der Abfindungsvereinbarung verjährt. Der Geschädigte kann sich dann nur noch auf § 242 BGB berufen, wenn der Versicherer, mit dem der Einredeverzicht vereinbart worden ist, sich gleichwohl auf die Einrede der Verjährung beruft1. Dieser Vertrauensschutz gemäß § 242 BGB führt weder zu einer Hemmung noch zu einer Unterbrechung der Verjährung. Der Geschädigte muss innerhalb einer angemessenen Frist seine Ansprüche geltend machen, diese Frist beträgt in der Regel einen Monat2.
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1 BGH v. 6. 12. 1990 – VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975. 2 BGH v. 6. 12. 1990 – VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975.
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van Bühren
VII. Verjährung versicherungsrechtlicher Ansprüche
Rz. 96 Teil 1
VI. Ausschlussfrist (§ 15 StVG) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung sind verwirkt, wenn der Unfall dem Ersatzpflichtigen nicht binnen einer Ausschlussfrist von 2 Monaten angezeigt wird.
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Die Frist beginnt, nachdem der Geschädigte „von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erhalten hat“ (§ 15 Satz 1 StVG). Weiterhin bestimmt § 15 Satz 2 StVG:
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„Der Rechtsverlust tritt nicht ein, wenn die Anzeige infolge eines von dem Ersatzberechtigten nicht zu vertretenden Umstandes unterblieben ist oder der Ersatzpflichtige innerhalb der bezeichneten Frist auf andere Weise von dem Unfall Kenntnis erhalten hat.“ Die Ausschlussfrist soll dem Ersatzpflichtigen die Beweissicherung ermöglichen und ist von Amts wegen zu berücksichtigen1.
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Es genügt eine Anzeige an den Haftpflichtigen, der Schaden muss nicht im Einzelnen spezifiziert und begründet werden2.
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Beweisfragen: Der Ersatzpflichtige, der sich auf die Ausschlussfrist beruft, muss beweisen, dass und wann der Berechtigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Schädigers erlangt hat; der Anspruchsteller muss dartun, dass die Ausschlussfrist eingehalten oder schuldlos versäumt wurde (§ 15 S. 2 StVG).
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VII. Verjährung versicherungsrechtlicher Ansprüche Die im VVG 1908 enthaltenen Verjährungsfristen sind ebenso ersatzlos entfallen, wie die Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VVG a. F. Das neue VVG 2008 kennt keine Sonderregelung für die Verjährung versicherungsrechtlicher Ansprüche, es gelten vielmehr die allgemeinen Verjährungsregeln gemäß §§ 194 ff. BGB.
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Lediglich in § 15 VVG wird die Hemmung der Verjährung geregelt:
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„Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht.“
1 Hentschel/König/Dauer, § 15 StVG Rz. 1 m. w. N. 2 Vgl. Hentschel/König/Dauer, § 15 StVG Rz. 1 m. w. N.
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Teil 2 Haftungsvoraussetzungen Rz. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unfallhergang . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährdungs- und Verschuldenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitverantwortung und Bildung der Haftungsquote . . . d) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderungen durch das 2. SchadÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderungen des BGB . . . . . . . . . b) Änderungen des StVG . . . . . . . .
3 4 8 12 23 30a 31 36
II. Haftungsgrundlagen 1. Haftungsbeschränkungen und -erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Häufig übersehene Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsbeschränkung nach §§ 12, 12a StVG bzw. nach §§ 9, 10 HPflG . . . . . . . . . . . . . . c) Haftungsbeschränkung nach §§ 104 ff. SGB VII . . . . . . . . . . . . d) Haftungserweiterungen . . . . . . e) Ansprüche gegen die „Verkehrsopferhilfe“ . . . . . . . . . f) Die erweiterte Haftung des Kfz-Halters als Geschäftsherr . 2. Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche des Geschädigten gegen den gegnerischen Halter aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . (1) Nicht der Gefährdungshaftung unterliegende Kfz . . . . (2) Anspruchsverpflichteter . . . . . . . . (a) Halter des Kfz oder des Kfz-Anhängers . . . (b) Ende der Halterhaftung . . . . . . . . . . . . . (3) Anspruchsberechtigter . . . . . . . . . (a) „Verletzter“ . . . . . . . . . (b) Berechtigter Besitzer als „Verletzter“ . . . . . .
43 44 45 46 48 52 53 57 63 64 65 68 69 73 79 80 81
Rz. (4) Schaden „bei dem Betrieb“ des SchädigerKfz oder Anhängers . . (a) Kausalzusammenhang zwischen Betrieb und Schadensereignis . . . . . . . . . . . . . (b) Psychische Kausalität (c) Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang . . . . . . . . . . . . (5) Schaden durch „Unfall“ . . . . . . . . . . . . (6) Rechtswidrigkeit . . . . (7) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . (8) Entlastungsbeweis des Halters des Kfz oder Anhängers . . . . . . (a) Höhere Gewalt i. S. d. § 7 Abs. 2 StVG . . . . . . (b) Unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG . . . . . . . . . (9) Anspruchsumfang und Höhe (a) Personenschäden . . . . (b) Sachschäden . . . . . . . . . (c) Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . . . . . (1) Haftung des Halters als Kfz-Fahrer . . . . . . . . (a) Verkehrswidriges (pflichtwidriges) Verhalten . . . . . . . . . . . (b) Vorwerfbares Verhalten . . . . . . . . . . . (c) Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Vermeidbarkeitsbetrachtung . . . . . . . . . (2) Haftung des Halters als Kfz-Halter (a) Haftung des Halters aus § 823 BGB . . . . . . . (b) Haftung des Halters aus § 831 BGB . . . . . . .
Lemcke
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87 90 93 95 97 99 100 102 105 110 111 113 114 115 117 119 123 125
128 130
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Teil 2
Haftungsvoraussetzungen Rz.
(c) Haftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansprüche des Geschädigten gegen den Fahrer des gegnerischen Kfz oder KfzAnhängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . (1) „Fahrer“ eines Kfz oder Kfz-Anhängers . . (2) Entlastungsbeweis des Fahrers . . . . . . . . . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . . . . . c) Ansprüche des Geschädigten gegen den gegnerischen KH-Versicherer . . . . . . . . . . . . . . aa) Versicherter Schädiger . . . . (1) Nichtberechtigter Fahrer als Mitversicherter . . . . . . . . . . . . (2) Gestörtes Versicherungsverhältnis . . . . . . (3) Risikoausschluss . . . . bb) Anspruchsberechtigter „Dritter“ . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Versicherungsnehmer als anspruchsberechtigter Dritter . . (2) Haftungsbegrenzung gem. § 11 Nr. 2 AKB . (3) Eigenbeschädigung . . . (4) Konfusion . . . . . . . . . . . cc) „Gebrauch“ des Kfz oder Kfz-Anhängers . . . . . . . . . . . dd) Mehrere Versicherungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . ee) Haftungsbegrenzung und Aufnahme in das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung des Geschädigten . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchskürzung nach § 17 Abs. 2 StVG . . . . . . . . bb) Anspruchskürzung nach § 254 BGB, evtl. i. V. m. § 9 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geschädigter Insasse . . . . . . . . . . . . . . (2) Geschädigter Leasinggeber bzw. Sicherungseigentümer . . . . .
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Lemcke
140
154 155 157 159 161 163 166 167 170 171 173 174 176 179 180 181 184 190 194 202 206 207 212
Rz. (3) Geschädigter Halter eines langsam fahrenden Kfz . . . . . . . (4) Kfz-Beschädigung bei Vermietung . . . . . . e) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 57) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unfall eines Kfz ohne Beteiligung eines weiteren Kfz . . . . . . . . . a) Ansprüche des Eigentümers/ Halters gegen den Fahrer aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . . . . . (1) Gefälligkeitsfahrt . . . . (2) Probefahrt . . . . . . . . . . . (3) Unfall mit Mietfahrzeug . . . . . . . . . . . . (4) Ehegatte als Fahrer . . . (5) Arbeitnehmer als Fahrer . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung des Geschädigten (1) Mitverschulden . . . . . . (2) „Mitwirkende Betriebsgefahr“ . . . . . . b) Ansprüche des Leasinggebers bzw. Sicherungseigentümers gegen Kfz.-Halter bzw. Fahrer seines Kfz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . . . . . c) Ansprüche des Fahrers gegen den Halter aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . . . . . cc) Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter . . . . . d) Ansprüche des Insassen gegen Halter und Fahrer aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . . . . . cc) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Insassen (1) Mitverschulden . . . . . .
223 225 229 232
237 239 241 242 243 244 245
246 247
249 250 252
254 257 258
261 265
270
Teil 2
Haftungsvoraussetzungen Rz. (a) Mitverschulden wegen Verletzung der Anschnallpflicht . . . . . (b) Mitfahrt mit fahruntüchtigem Fahrer . . (c) Mitverschulden des Busfahrgastes . . . . . . . . (2) „Mitwirkende Betriebsgefahr“ . . . . . . e) Ansprüche des Geschädigten gegen den KH-Versicherer . . . . aa) Akzessorietät . . . . . . . . . . . . bb) Geschädigter „Dritter“ . . . cc) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 232) . . . . . 4. Unfall zwischen Kfz und Radfahrer/Fußgänger . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche des Radfahrers/ Fußgängers gegen Halter, Fahrer und KH-Versicherer . . . aa) Ansprüche des Radfahrers/Fußgängers aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG; § 115 Abs. 1 VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schaden bei dem „Betrieb“ des Kfz . . . . (2) Entlastungsbeweis . . . bb) Ansprüche des Radfahrers/Fußgängers aus der Verschuldenshaftung . . . . . (1) Nichtbeachtung des § 3 Abs. 2a StVO . . . . . (2) Mitverursachung durch überhöhte Geschwindigkeit . . . . . (3) Mitverursachung durch falsche Reaktion auf das Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . (4) Verhalten des Kraftfahrers gegenüber Radfahrern . . . . . . . . . . (a) Sicherheitsabstand . . . (b) Vorfahrt des Radfahrers . . . . . . . . . . . . . . (c) Vertrauensgrundsatz . . . . . . . . . . . (5) Verhalten des Kraftfahrers gegenüber Fußgängern . . . . . . . . . . (a) Überqueren der Fahrbahn . . . . . . . . . . . . (b) Vertrauensgrundsatz .
271 273 274 275 276 277 278 281 284 290
292 293 295 299 302 305
307 309 310 311 315 316 317 319
Rz. (c) Fahrbahnbenutzung in Längsrichtung . . . . . cc) Anspruchskürzung aufgrund eigenen Mitverschuldens des Radfahrers/ Fußgängers . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitverschulden des Radfahrers (a) Radwegbenutzung . . . (b) Gehwegbenutzung . . . (c) Fahrbahnbenutzung . . (d) Mitverschulden bei Benutzung eines fremden Fahrrades . . . (2) Mitverschulden des Fußgängers (a) Fahrbahnüberquerung . . . . . . . . . . . . . (b) Fahrbahnbenutzung . . dd) Haftungsabwägung . . . . . . . b) Ansprüche Kfz-Halter/Fahrer gegen Radfahrer/Fußgänger aa) Verschuldenshaftung . . . . . bb) „Mitwirkende Betriebsgefahr“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besonderheiten beim Kinderunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche des Kindes gegen Halter, Fahrer und KH-Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kinder unter 10 Jahren (1) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung (a) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . (b) Entlastungsbeweis . . . (2) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung . (a) Ansprüche gegen den Fahrer aus § 823 BGB . (aa) Erlaubte Geschwindigkeit bei möglicher Anwesenheit von Kindern . . . . . . . . . . . . . (bb) Verhalten gegenüber sichtbaren Kindern . . . (b) Ansprüche gegen den Halter aus § 831 BGB . (3) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Kindes bzw. eines Aufsichtspflichtigen
343
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Lemcke
322
324 328 330 331 332
333 334 336 338 339
350
353 355 358 359
362 363 368
Teil 2
Haftungsvoraussetzungen Rz.
(a) Kürzung aufgrund eigener Mitverantwortung gem. § 254 BGB . (b) Kürzung wegen Mitverschuldens eines Aufsichtspflichtigen . . . . . . . . . . bb) Jugendliche unter 18 Jahren (1) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung (a) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . (b) Entlastungsbeweis . . . (2) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (a) Ansprüche gegen den Fahrer . . . . . . . . . . . . . . (b) Ansprüche gegen den Halter . . . . . . . . . . . . . . (3) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Jugendlichen bzw. des Aufsichtspflichtigen (a) Kürzung aufgrund eigener Mitverantwortung . . . . . . . . . . . . . (b) Mitverschulden des Aufsichtspflichtigen . cc) Haftungsabwägung . . . . . . . b) Ansprüche des Kfz-Halters/ Fahrers gegen das Kind aa) Kind bis zu 10 Jahren (1) § 828 Abs. 1 und 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Billigkeitshaftung gem. § 829 BGB . . . . . . (3) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . bb) Jugendlicher unter 18 Jahren (1) §§ 823, 828 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anspruchskürzung gem. § 254 BGB . . . . . . c) Ansprüche gegen einen Aufsichtspflichtigen aa) Ansprüche des Kraftfahrers gegen einen Aufsichtspflichtigen . . . . .
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Lemcke
370
376
380 381
383 385
386 391 393
394 395 398
399 400
401
Rz. (1) Umfang und Inhalt der Aufsichtspflicht . . (2) Gesetzliche Vermutung der Verletzung . . (3) Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung . . . bb) Ansprüche des Kindes gegen einen Aufsichtspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . d) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 344) . . . . . . . . . . . . . . 6. Unfall unter Beteiligung eines Tieres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche des durch das Tier Geschädigten gegen Tierhalter und Tierhüter . . . . . aa) Ansprüche gegen den Tierhalter (1) Anspruchsverpflichteter . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Selbsttätiges Tierverhalten . . . . . . . . . . . . (3) Kausal- und Zurechnungszusammenhang (4) Entlastungsbeweis . . . bb) Ansprüche gegen den Tierhüter . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Geschädigten (1) Geschädigter Kraftfahrer . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geschädigter Fußgänger oder Radfahrer . . . . (3) Geschädigter Halter oder Hüter eines anderen Tieres . . . . . . . (a) Falls beiderseits kein Verschulden gegeben ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Falls beiderseits auch ein Verschulden gegeben ist . . . . . . . . . . . . . . (c) Falls nur auf einer Seite ein Verschulden gegeben ist . . . . . . . . . . (4) Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit . . . . b) Ansprüche zwischen Tierhalter und Tierhüter aa) Ansprüche des Tierhüters gegen den Tierhalter . . . . .
402 403 405 406 408 412 419
420 421 423 424 429
432 435 437 438 440 441 444
445
Teil 2
Haftungsvoraussetzungen Rz. (1) Ansprüche aus § 833 BGB . . . . . . . . . . . (2) Anspruchskürzung gem. § 254 BGB . . . . . . bb) Ansprüche des Tierhalters gegen den Tierhüter . . (1) Vertragliche Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . (2) Ansprüche aus § 823 BGB . . . . . . . . . . . (3) Ansprüche aus § 834 BGB . . . . . . . . . . . (4) Anspruchskürzung gem. §§ 254, 833 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansprüche des Tierhalters gegen den Kraftfahrer aa) Ansprüche aus der Verschuldens- und Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . bb) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung . . . . . . . d) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 412) . . . . . . . . . . . . . . 7. Unfall zwischen Kfz und Schienenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche des Geschädigten gegen Bahnunternehmer und Bahnführer aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung . . . . . (1) Schaden bei dem Betrieb der Bahn . . . . . (2) Entlastungsbeweis . . . (2a) Entlastungsbeweis nach § 1 Abs. 2 HPflG . . . . . . . . . . . . . . (2b) Entlastungsbeweis nach § 13 Abs. 3 HPflG . . . . . . . . . . . . . . (2c) Entlastungsbeweis nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 StVG . . bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB) . . . . . . . . (1) Ansprüche aus § 823 BGB gegen den Bahnführer . . . . . . (2) Ansprüche aus §§ 823, 831 BGB gegen den Bahnunternehmer . . . . . . . .
446 450 452 453 454 455 456
457 458 460 461
469 471 473 474 478 479 482 483
488
Rz. cc) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung . . . . . . . dd) Anspruchsumfang . . . . . . . b) Ansprüche des geschädigten Bahnunternehmers . . . . . . . . . . c) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 461) . . . . . . . . . . . . . . 8. Unfall zwischen Radfahrern bzw. Fußgängern . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansprüche des Verletzten gegen den Radfahrer aa) Verletzter Radfahrer . . . . . . (1) Fahrbahn- oder Radwegbenutzung . . . (2) Unfall im gleichgerichteten Verkehr . . (3) Unfall im Begegnungsverkehr . . . . . . . . bb) Verletzter Fußgänger . . . . . (1) Fahrbahnüberschreitung . . . . . . . . . . . (2) Gehwegbenutzung . . . b) Ansprüche des Verletzten gegen den Fußgänger aa) Verletzter Radfahrer . . . . . . bb) Verletzter Fußgänger . . . . . c) Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens des Verletzten . . 9. Mehrere Schädiger, Außenhaftung und Innenausgleich . . . . . a) Mittäter- und (fahrlässige) Nebentäterschaft aa) Mittäterschaft . . . . . . . . . . . bb) Fahrlässige Nebentäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Alles-oder Nichts-Prinzip . bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . c) Haftungs- und Zurechnungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten . . . . . . . . . . bb) Tatsächlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten . . . . . . . . . . cc) Haftungs- oder Zurechnungseinheit bei Unfall mit mehreren Kfz . . . . . . . . d) Einzelabwägung und Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . .
Lemcke
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490 492 493 494 495 501 502 505 508 513 514 516 519 520 524 528 531 532 534 534 536 541 548 553 559 563
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Teil 2
Haftungsvoraussetzungen Rz.
e) Gesamtschuldner-Innenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesamtschuldnerausgleich nach § 840 Abs. 2 und 3 BGB . . . . . . . . (1) Gesamtschuldnerausgleich nach § 840 Abs. 2 BGB . . . . (2) Gesamtschuldnerausgleich nach § 840 Abs. 3 BGB . . . . bb) Gesamtschuldnerausgleich nach §§ 426 Abs. 1, 254 BGB bzw. nach § 17 Abs. 1 StVG (1) Fahrzeugschaden des Halters B . . . . . . . . . . . . (2) Fahrzeugschaden des Halters D . . . . . . . . . . . (3) Schaden des Radfahrers E . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtschuldnerausgleich nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG . . . . . . . . . dd) Gestörter Gesamtschuldnerausgleich . . . . . . f) Alternativtäterschaft i. S. d. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . .
574 577 578 579
3. Die Aufgabe des Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit und der Signalposition . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermeidbarkeitsbetrachtung . . aa) Räumliche Vermeidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitliche Vermeidbarkeit . cc) Teilvermeidbarkeit . . . . . . 4. Ergänzungsfragen zur Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
628 631 636 642 644 647 650
IV. Beweislast und Beweiswürdigung
598
1. Beweislast und Beweismaß a) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweiswürdigung a) Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung von Zeugenaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Parteianhörung . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahrscheinlichkeitsbetrachtung . 4. Plausibilitätserwägungen . . . . . . . . 5. Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . .
608
V. Ermittlung der Haftungsquote . . . 686
584 589 591 596
III. Aufklärung des Unfallhergangs 1. Rechtliche Vorfragen . . . . . . . . . . . . a) Das Verhalten des Fußgängers . b) Das Verhalten des Kraftfahrers c) Die Aufgabe des Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der für die Unfallrekonstruktion maßgebliche Zeitpunkt . . . . . . . . .
Rz.
616 619 621 622 624
1. Ermittlung des jeweiligen Verantwortungsbeitrags . . . . . . . . . a) Die mitwirkende Betriebsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „durch Verschulden erhöhte“ Betriebsgefahr . . . . . . c) Die berücksichtigungsfähigen Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . .
655 658 663 665 668 671 676 679
690 693 694 697 702
Literatur: Ady, Der neue § 17 StVG, VersR 2003, 1101; Albat, Inline-Skates und Skateboards im Straßenverkehr, VGT 1998, 240, 245; Allgier, Zum Problem der Staatshaftung bei Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer durch Kfz der Deutschen Bundespost (DBP) Postdienst und Telekom, VersR 1991, 636; Bäumler, Rekonstruktion von Straßenverkehrsunfällen mit Hilfe von Fahrzeugstrukturdaten, DAR 1997, 470; Beck, Inanspruchnahme von Sonderrechten gemäß § 35 StVO durch Angehörige von Hilfsorganisationen, NZV 2009, 324; Bernau, Die Anforderungen an die elterliche Aufsicht über das spielende Kind im Vorschulalter, NZV 2008, 329; Bernau, Die Aufsichtshaftung über Minderjährige im Straßenverkehr, DAR 2008, 286; Bernau, Führt die Haftungsprivilegierung des Kindes in § 828 II BGB zu einer Verschärfung der elterlichen Aufsichtshaftung aus § 832 BGB? NZV 2005, 234; Berr, Mithaftung des Falschparkers, DAR 1993, 418; Blankenburg, Warum müssen Verkehrsunfälle vor Gericht? ZRP 1997, 183; Blumberg,
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Haftungsvoraussetzungen
Teil 2
Verkehrsunfälle zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrern, NZV 1994, 249; Blum/Weber, Wer ist Fahrer eines Fahrschulwagens, NZV 2007, 228; Böhrensen, Inline-Skates im Staßenverkehr, NJW-Spezial 2009, 169; Bollweg, Gesetzliche Änderungen im Schadensersatzrecht? NZV 2000, 185; Bouska, Änderungen der StVO, DAR 1997, 337; Bollweg, Neue Höchstgrenzen in der Straßenverkehrshaftung, NZV 2007, 599; Brock, Rechtliche Probleme beim begleiteten Fahren ab 17, DAR 2006, 63; Brüseken/Krumbholz/Thiermann, Typische Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen (Münchener Quotentabelle), NZV 2000, 441; Burmann, Die Verkehrssicherungspflicht für den Straßenverkehr, NZV 2003, 20; Burmann, Zum Begriff des Fahrers in § 10 Abs. 2c AKB, zfs 1998, 410; Bursch/Jordan, Typische Verkehrsunfälle und Haftungsverteilung (Hamburger Quotentabelle), VersR 1985, 512; Cimolino/Dickmann, Die Sonder- und Wegerechte von Notarztfahrzeugen im Straßenverkehr, NZV 2008, 118; Dahm, Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB, NZV 2009, 378; Dannert, Beweiserleichterungen im Verkehrshaftpflichtrecht, Teil 1, zfs 2005, 5; Teil 2, zfs 2005, 64; Dannert, Die Reaktionszeit des Kraftfahrers, DAR 1997, 477; Deubner, Aktuelles Zivilprozessrecht, JuS 1997, 835; Deutsch, Die Haftung des Tierhalters, JuS 1987, 673; Diederichsen, Die Rechtsprechung des BGH zum Haftpflichtrecht, DAR 2010, 301; DAR 2009, 301; DAR 2008, 301; DAR 2007, 301; DAR 2006, 301; DAR 2005, 301; DAR 2004, 301; DAR 2003, 301; Diehl, Unfälle von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2007, 451; Dörr, Der Anscheinsbeweis im Verkehrsunfallprozess, MDR 2010, 1163; Dörr, Der Anscheinsbeweis im Verkehrsunfallprozess, MDR 2010, 1163; Eberz, Der Übergang der Halterhaftung bei Abschluss eines Kfz-Mietvertrages, DAR 2001, 393; Eckert, Der Fußgängerunfall in der Dunkelheit und seine Rekonstruktion, NZV 1992, 474; Eggert, Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach einem Verkehrsunfall, NZV 2009, 367; Einmahl, Zeugenirrtum und Beweismaß im Zivilprozess, NJW 2001, 469; Elsner, Prozesstaktik gegen den Versicherungsbetrug, Teil 1, zfs 2005, 423; Teil II, zfs 2005, 475; Engelbrecht, Rechtliche Folgen von Geschwindigkeitsüberschreitungen, DAR 2007, 12; Etzel, Haftungsfragen durch seit 1. 4. 1993 vorgeschriebene Kinderrückhaltevorrichtungen in Kfz, DAR 1994, 301; Figgener, Haftung bei mehreren Schädigern – Probleme der Quotenbildung, NJW-Spezial 2006, 543; Filthaut, Die neuere Rechtsprechung zur Bahnhaftung, NZV 2008, 599; NZV 2006, 634; NZV 2004, 554; NZV 2002, 352; NZV 2000, 353; NZV 1998, 271; NZV 1996, 181; NZV 1994, 175; NZV 1992, 177; NZV 1990, 178; Filthaut, Haftungsausschlüsse und -beschränkungen für Schäden von Bahn- und Busfahrgästen, NZV 2001, 238; Filthaut, Die deliktische Haftung für Unfälle hilfsbedürftiger Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr, NZV 2000, 13; Filthaut, Die neuere Rechtsprechung zur Schadenshaftung des Omnibusunternehmers und -fahrers, NZV 2008, 226; NZV 2006, 176; NZV 2004, 67; NZV 1999, 284, NZV 1997, 294 und NZV 1995, 304; Filthaut, Die Gefährdungshaftung des Kfz-Halters und des Bahnbetriebsunternehmers für vorsätzlich verursachte Schäden, NZV 1998, 89; Filthaut, Neues Haftungsrecht für Unfälle von Eisenbahnfahrgästen, NZV 2009, 417; Fildhaut, 2. SchadÄndG und Bahnhaftung – Zweifelsfragen zum Begriff des „motorisierten Verkehrs“, NZV 2003, 161; Förschner, Der Verkehrsunfall im Arbeitsverhältnis, DAR 2001, 16; Förste, Überholverbot auf Bundes- und Landstraßen bei Dunkelheit? NZV 2002, 217; Förste, Erwägungen zum Bremsweg, DAR 1997, 341; Foerste, Parteiische Zeugen im Zivilprozess, NJW 2001, 321; Freyberger, Das neue Schadensersatzrecht – Die praktische Abwicklung von Verkehrsunfällen seit dem 1. 8. 2002, MDR 2002, 867; Freyberger, Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls – typische Probleme mit Sachverständigengutachten, MDR 2000, 1281; Freyberger, Neues vom manipulierten Unfall, VersR 1998, 1214; Friedrich, Die Selbstaufopferung für Minderjährige und
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Teil 2
Haftungsvoraussetzungen
die Haftung im Straßenverkehr nach dem 2. SchadÄndG, NZV 2004, 227; Friedrich, Die Selbstaufopferung im Straßenverkehr für ein Kind und die Inanspruchnahme der Eltern aus Geschäftsführung ohne Auftrag, VersR 2000, 697; Frommhold, Verhaltenspflichten von Inlineskatern im Straßenverkehr, NZV 2002, 359; Fuchs, Die deliktsrechtliche Verantwortung der Eltern für Schäden von und an Kindern im Straßenverkehr, NZV 1998, 7; Geier, Neugewichtung bei den Schadenersatzleistungen für Personen- und Sachschäden? zfs 1996, 321 = VersR 1996, 1457; von Gerlach, Die Rechtsprechung des BGH zum Haftpflichtrecht, DAR 1997, 217; DAR 1998, 213; Geyer, Ersatzanspruch des geschädigten, mit dem Halter und/oder Fahrer nicht identischen Kfz-Eigentümers, NZV 2005, 565; Göbel, Pferde im Verkehrsraum, DAR 2010, 191; Golder, Der Einfluss der überhöhten Geschwindigkeit auf die Unfallfolgen – Unfallanalyse, NZV 2007, 10; Greger, Zur Gefährdungshaftung von Eisenbahnbetriebsunternehmen bei Unfällen durch Hindernisse auf den Schienen, NZV 2008, 81; Greger, Überlegungen zur Zivilprozessreform aus verkehrsrechtlicher Sicht, NZV 2001, 1; Greger, Haftungsfragen beim Fußgängerunfall, NZV 1990, 409; Griebenow, Grenzüberschreitende Unfallregulierung in der EU, NZV 2009, 21; Grüneberg, Schadensverursachung durch ein außerhalb der Fahrbahn abgestelltes Kraftfahrzeug, NZV 2001, 109; Grüneberg, Radfahrerunfälle im Straßenverkehr ohne Kfz-Beteiligung, NZV 1997, 417; Haberstroh, Haftungsrisiko Kind – Eigenhaftung des Kindes und elterliche Aufsichtspflicht, VersR 2000, 806; Häublein, Zur Bewertung des Mitverschuldens des Geschädigten bei Missachtung der Gurtpflicht, VersR 1999, 163; Hansen, Der Indizienbeweis, JuS 1992, 327; Hasselblatt, Reiten auf eigene Gefahr, aber fremde Rechnung? NJW 1993, 2577; Henne, Eine fragwürdige Karriere des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB: Analoge Anwendung beim vertraglichen Schadensersatzanspruch? VersR 2002, 685; Henschel, Die StVr-Novelle vom 7. 8. 1997, NJW 1998, 343; Heß/Buller, Der Kinderunfall und das Schmerzensgeld nach der Änderung des Schadensrechtes, zfs 2003, 218; Heß/Burmann, Die Entwicklung des Straßenverkehrsrechts; NJW 2010, 915; NJW 2009, 899; NJW 2008, 808; NJW 2007, 486; Heß/Burmann, Haftung bei Unfällen mit Tieren im Verkehr, NJWSpezial 205, 543; Heß/Jahnke, Das neue Schadensrecht, 2002; Hoffmann, Tierhalter- und Tierhüterhaftung, zfs 2000, 181; Hoffmann, Der Anscheinsbeweis aus Anlass von Trunkenheitsfahrten im Schadensersatzrecht, NZV 1997, 57; Hofmann, Die Abgrenzung der Haftpflichtversicherung von der Kraftfahrtversicherung durch die Kraftfahrzeugklauseln, NVersZ 1998, 54; Huber, Das neue Schadensersatzrecht, 2003; Huber, Schadensersatzpflicht eines 7- bis 10-jährigen Kindes bei Kollision mit einem ordnungsgemäß geparkten Fahrzeug, DAR 2005, 171; Hugemann und Becke, Stand- und Sitzsicherheit von Businsassen, DAR 1991, 199; Huppertz, Verkehrsrechtliche Einordnung von Elektrofahrrädern, NZV 2010, 390; Jaeger, Höhe des Schmerzensgeldes bei tödlichen Verletzungen im Lichte der neueren Rechtssprechung des BGH, VersR 1996, 1177; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl. 1999; Jahnke, Schadensersatzansprüche und deren Versteuerung, NJW-Spezial 2009, 601; Karczeski, Der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, VersR 2001, 1070; Kettler, Die Fahrradnovelle zur StVO, NZV 1997, 497; Kettler, Neues zum Verschulden gegen sich selbst, NZV 2007, 603; Kettler, Nochmals: Radwegbenutzungspflicht bei Eis und Schnee, NZV 2006, 347; Kettler, Sind Radfahrer bessere Menschen? NZV 2009, 16; Kipp, Haftung des Tierhalters gem. § 833 S. 1 BGB trotz Selbstgefährdung des Geschädigten? VersR 2000, 1348; Kirchhoff, Der Verkehrsunfall im Zivilprozess – Grundlagen und Systematik der Haftungsverteilung, DRiZ 2004, 148; Kirchhoff, Haftungsfragen bei Beteiligung Dritter am Verkehrsunfall, NZV 2001, 361; Kirchhoff, Der Verkehrsunfall
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Lemcke
Haftungsvoraussetzungen
Teil 2
im Zivilprozess, Haftungseinheit und Gesamtschau, MDR 1998, 377; Klimke, Muss der Leasinggeber, der aus einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall als Eigentümer Schadensersatzansprüche gegen den Dritten geltend macht, sich eine Mitverursachung des Leasingnehmers anrechnen lassen? VersR 1988, 329; Knappmann, Der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers, ZAP, F. 9, S 65; Kunschert, Die Haftung des Kfz-Halters gegenüber seinem Partner und seinem Kind als Insassen, NJW 2003, 950; Kunschert, Halterhaftung bei Beschädigung eigener Sachen des Kfz-Führers, NZV 1989, 61; Lamberts/Landscheidt, Schadensersatz und Sicherheitsgurt, NZV 1988, 7; Lang/Stahl/Huber, Das Modell „Begleitetes Fahren mit 17“ aus Haftungs- und versicherungsrechtlicher Sicht, NZV 2006, 449; Lang/Stahl/Suchomel, Die Unfallregulierung nach neuem Schadensersatzrecht, NZV 2003, 441; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Lemcke, Der Direktanspruch gegen den KH-Versicherer, alte Probleme in neuem Gewand, FS für Wälder, 2009, 179; Lemcke, Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung, r+s 2006, 52; Lemcke, Verkehrsunfälle mit Beteiligung älterer Verkehrsteilnehmer, zfs 2004, 441; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lemcke, Ist in die Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 3. Alt SGB VII auch der Unternehmer einbezogen? r+s 2000, 221; Lemcke, Die Beschränkung der Haftung nach dem Unfallversicherungsrecht, ZAP Fach 2, S. 199; Lemcke, Die Rechtsprechung des OLG Hamm zum Verkehrs-Haftpflichtrecht in den Jahren 1994–1996, DAR 1997, 41; Lemcke, Probleme des Haftpflichtprozesses bei behaupteter Unfallmanipulation, Teil A, r+s 1993, 121; Teil B, r+s 161; Lepa, Die Haftung des Arbeitnehmers im Verkehr, NZV 1997, 137; Lepa, Beweiserleichterungen im Haftpflichtrecht, NZV 1992, 129; Lepsien/Mazotti, Wie aussagekräftig sind die eigenen Angaben von Unfallopfern hinsichtlich der einwirkenden Belastung bei einer Fahrzeugkollision? NZV 2007, 226; Looschelders, Zur Frage der Zurechnung der einfachen Betriebsgefahr bei einem Fahrer ohne Haltereigenschaft, VersR 2010, 272; Macke, Aktuelle Tendenzen bei der Regulierung von Unfallschäden, DAR 2000, 506; Medicus, Ungefährlich, weil langsam?, DAR 2000, 442; Metz, Der Anscheinsbeweis bei Kollision von Kfz und Straßenbahn, NZV 2009, 484; Metz, Der Anscheinsbeweis im Straßenverkehrsrecht, NJW 2008, 2806; Möllers, Verkehrspflichten gegenüber Kindern, VersR 1996, 153; Müller, Grundprinzipien und Gestaltungsspielräume beim Schadensersatz, Homburger Tage 2008, 7, ferner Teil 1, zfs 2009, 62; Teil 2, zfs 2009, 124; Müller, Neue Perspektiven beim Schadensersatz, VersR 2006, 1289; Müller, Alles oder nichts – Schadensersatz und Schadensbegrenzung nach der neueren Rechtsprechung des BGH, VersR 2005, 1461; Müller, Aktuelle Fragen des Haftungsrechts, zfs 2005, 54; Müller, Das reformierte Schadensersatzrecht, VersR 2003, 1; Müller, Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB, VersR 2001, 429; Müller, Zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, ZRP 1998, 258; Müller, Besonderheiten der Gefährdungshaftung nach dem StVG, VersR 1995, 489; Notthoff/Schub, Sektorale Deliksfähigkeit nach dem 2. SchdÄndG und Kinderunfälle, zfs 2006, 183; Nugel, Schadensregulierung und Prozesstaktik bei einem Verkehrsunfall mit einem Leasingfahrzeug, NZV 2009, 313; Nugel, Die Quotenbildung beim Verkehrsunfall und der Anscheinsbeweis, DAR 2008, 548; Nugel, Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall zwischen Fußgänger und Pkw, NJW-Spezial 2008, 425; Oechsler, Die Unzurechnungsfähigkeit von Kindern in Verkehrssituationen, NJW 2009, 417; Otten, Das neue Schadensersatzrecht – Haftungsfalle Unfallschadenregulierung, MDR 2002, 1100; Otto, Große Reformen müssen reifen, NZV 2001, 335; Otzen,
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Teil 2
Haftungsvoraussetzungen
Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Mitverschuldensabwägung gegenüber mehreren Haftpflichtigen – ein Irrweg?, VersR 1997, 808; Pardey, Radfahrer und Fußgänger im Straßenverkehr, zfs 2006, 488; Pardey, Reichweite des Haftungsprivilegs von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2004, 499; Pardey, Verkehrsunfall mit Beteiligung von Kindern, zfs 2002, 264; Pardey, Aufsichts- und Schutzpflichten zur Teilnahme von Kindern am Straßenverkehr, DAR 2001, 1; Pardey, Gesteigerter Schutz von Kindern bei ihrer Teilnahme am Straßenverkehr, DAR 1998, 1; Pauge, Vorteilsausgleich bei Sach- und Personenschaden, Homburger Tage 2006, 7; Rebler, Fahrräder im öffentlichen Straßenverkehr, DAR 2009, 12; Rebler/Scheidler, Schienenverkehr – Haftung von Betriebsunternehmer und Beförderer, MDR 2010, 300; Reinking, Mehrwertsteuerprobleme beim Unfall und Diebstahl des privat genutzten Leasingfahrzeugs, DAR 1998, 333; Reitenspiess, Baustellen auf Autobahnen, NZV 2007, 16; Reitenspiess, Verkehrssicherungspflicht bei Straßenbaustellen – Inhalt, Umfang und rechtliche Konsequenzen ihrer Verletzung, NZV 2003, 504; Riedmeyer Gerichtliche Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Unfällen im Ausland, zfs 2008, 602; Riedmeyer, Regulierung von Auslandsunfällen, zfs 2006, 132; Sapp, Das Modell Begleitetes Fahren ab 17 im Haftungsrecht, NJW 2006, 408; Schäfer, Unfallrisiko Kleintransporter, NZV 2004, 236; Schauseil, Die Abwägung der Verursachungsbeiträge nach enem Kfz-Unfall, MDR 2008, 360; Scheffen, Änderungen schadensersatzrechtlicher Vorschriften im Hinblick auf betroffene Kinder und Jugendliche, ZRP 2001, 380; Scheffen, Der Kinderunfall – Eine Herausforderung für Gesetzgebung und Rechtsprechung, DAR 1991, 121; Scheffen, Zur Reform der (zivilrechtlichen) Deliktsfähigkeit von Kindern ab dem 7. Lebensjahr, ZRP 1991, 458; Scheffen, Schadensersatzansprüche bei Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Verkehrsunfällen, VersR 1987, 116; Scheidler, Änderungen der Radverkehrsvorschriften in der StVO 2009, NZV 10, 230; Schubert, Radwegbenutzungspflicht bei Eis und Schnee, NZV 2006, 288; Schug, Zur Benzinklausel in der Haftpflichtversicherung, VersR 1998, 819; Schulz-Ahrenstorff, Die Tücken des grünen Rechtsabbiegerpfeils, NZV 2008, 67; Skauradszun, Schadensfälle mit nicht pflichtversicherten Kfz, VersR 2009, 330; Splitter, Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen auf Parkplätzen, zfs 2000, 236; Splitter, Schadensverteilung bei Verkehrsunfällen, 3. Aufl. 1995; Stahl/Jahnke, Deckungs- und Haftungsfragen bei Unfallbeteiligung eines Anhängers, NZV 2010, 57; Steffen, Zur Haftung von Kindern im Straßenverkehr, VersR 1998, 1449; Steffen, „Höhere Gewalt“ statt „unabwendbares Ereignis“ in § 7 Abs. 2 StVG?, DAR 1998, 135; Steffen, Die Verteilung des Schadens bei Beteiligung mehrerer Schädiger an einem Verkehrsunfall, DAR 1990, 41; Stöhr, Ausgewählte Fragen zum Verschulden gegen sich selbst, Homburger Tage 2009, 7, ferner zfs 2010, 62; Terbille, Die Beweislastverteilung bei der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB, VersR 1995, 129; Terbille, Der Schutzbereich der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB, VersR 1994, 1151; Ternig, Segway und Elektrofahrrad, zfs 2010, 2; Ternig, Fahrradhelm erforderlich, ja oder nein, zfs 2008, 548; Ternig, Fahrradfahrer in der StVO, DAR 2002, 105; Tomson, Haftung ohne Grenzen? – Haftung des nicht haltenden Fahrzeugeigentümers, NZV 2009, 577; Vieweg, Inlineskating – Rechtstatsachen, Rechtslage und Reformbedarf, NZV 1998, 1; Vogenauer, Die zivilrechtliche Haftung von Inlineskatern im Straßenverkehr, Teil 1, VersR 2002, 1345; Teil 2, VersR 2002, 1478; Vogt, Fahrerassistenzsysteme: Neue Technik – neue Rechtsfragen? NZV 2003, 153; Weber, Der Entschädigungsanspruch gegen den Verein „Verkehrsopferhilfe“, DAR 1987, 333; Weber, Direktanspruch ohne Verschuldensnachweis? VersR 1985, 1004; Weber/Schimmelpfennig, Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetruges mittels technischer Beweisführung, VersR 1990, 832; Wellner, Neues Schadensrecht seit dem 1. 8. 2002,
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I. Einführung
Rz. 2
Teil 2
Homburger Tage 2003, 7; Wendrich, Inline-Skating und Skateboarding in Fußgängerbereichen und auf Gehwegen aus straßenrechtlicher Sicht, NZV 2002, 212; Wiesner, Inline-Skates und Skateboards im Straßenverkehr, haftungs- und versicherungsrechtliche Fragen, NZV 1998, 177; Wolf, Billigkeitshaftung statt überzogener elterlicher Aufsichtspflichten – ein erneutes Plädoyer für die Anwendung des § 829 BGB aufgrund einer Haftpflichtversicherung, VersR 1998, 812; Zoll, Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen, Homburger Tage 2007, 7.
I. Einführung Im Jahre 2009 haben die deutschen Kfz-Haftpflichtversicherer bei einem Bestand von über 55 Mio. Fahrzeugen fast 3,4 Mio. Schadensfälle bearbeitet und Versicherungsleistungen von fast 12 Mrd. Euro erbracht, im Durchschnitt über 3 500 Euro pro Fall1. In rd. 75 % aller Schadensfälle werden im Rahmen der Schadensregulierung Anwälte eingeschaltet. Zwar gelangt letztlich nur ein geringer Anteil dieser Schadensfälle (unter 2 %) zu den Zivilgerichten; mit insgesamt rd. 150 000 erstinstanzlichen Verfahren – darunter befinden sich auch zahlreiche, an denen ein KHVersicherer nicht beteiligt ist – bilden Verkehrsunfallprozesse aber auch hier einen Tätigkeitsschwerpunkt2. Beim Oberlandesgericht Hamm sind z. B. drei Zivilsenate ausschließlich und ein weiterer Zivilsenat teilweise mit der Bearbeitung von allgemeinen Haftpflichtsachen – das sind zu rd. 80 % Verkehrsunfallsachen – befasst.
1
Aus diesen Zahlen ergibt sich, welch überragende Bedeutung die zivilrechtliche Aufarbeitung der Verkehrsunfälle hat, nicht nur für die Versicherungswirtschaft, sondern auch für Anwaltschaft und Zivilgerichtsbarkeit. Diese Aufarbeitung hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert. Die Veränderungen beruhen teilweise auf den Änderungen durch das am 1. 8. 2002 in Kraft getretene 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. 7. 2002 (2. SchadÄndG)3, vor allem aber auch darauf, dass die Berufungskammern der Landgerichte seit der ZPOReform von 2002 die Möglichkeit haben, die Revision zum BGH zuzulassen, und hiervon auch in großem Umfang Gebrauch machen. Die Änderungen durch das 2. SchadÄndG, die überwiegend die Rechtsstellung des Geschädigten verbessert haben, hat die Praxis inzwischen weitgehend in den Griff bekommen (wegen des wesentlichen Inhalts der für das Verkehrs-Haftpflichtrecht bedeutsamen Neuregelungen s. fi Rz. 31). 1 Jahrbuch 2010 des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), S. 104; s. auch Greger, NZV 2001, 1. 2 S. dazu auch Geier, zfs 1996, 321 = VersR 1996, 1457; Blankenburg, ZRP 1997, 183. 3 BGBl. Teil I, Nr. 50 vom 25. 7. 2002, S. 2674.
Lemcke
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2
Teil 2
Rz. 3
Haftungsvoraussetzungen
Fast noch gewichtiger für die Regulierungspraxis sind die Änderungen, die sich dadurch ergeben haben, dass seit der ZPO-Reform Rechtsfragen zum BGH gelangt sind, die zuvor aus Streitwertgründen keine Chance hatten, zum BGH zu gelangen. Auf diese Weise hat der BGH seit Anfang 2003 allein zur Sachschadenregulierung in über 80 neuen Entscheidungen neue Abrechnungsgrundsätze entwickelt, die die Schadenregulierung teilweise grundlegend verändert haben Diese Entwicklung ist weiter im Fluss. Wer als Anwalt diese Entwicklung nicht regelmäßig verfolgt, läuft immer Gefahr, insoweit wichtige Änderungen zu übersehen.
1. Haftungsgrund 3
Bei der zivilrechtlichen Aufarbeitung eines Verkehrsunfalls steht zunächst die Klärung des Haftungsgrundes im Vordergrund. Dabei bereitet die Anwendung der rechtlichen Haftungsvoraussetzungen oft weniger Schwierigkeiten als die Sachverhaltsaufklärung. Weil insbesondere die Aufklärung des Unfallhergangs oft nur lückenhaft möglich ist, gewinnt in Haftpflichtprozessen die Beweislastverteilung, also die Beantwortung der Frage, von welchem Sachverhalt jeweils zu Gunsten oder zu Ungunsten der einen oder der anderen Seite ausgegangen werden muss, besondere Bedeutung. Insgesamt ist zum Haftungsgrund häufig nur eine Beweislastentscheidung möglich. a) Unfallhergang
4
Er ist i. d. R. nicht unstreitig. Weil sich bei einem Unfall die Ereignisse überstürzen, ist es nicht verwunderlich, dass die Darstellungen der Unfallbeteiligten und -zeugen zum Unfallhergang oft stark voneinander abweichen; auch dann, wenn sie sich um eine korrekte Wiedergabe des Erlebten bemühen, ihre Angaben also subjektiv wahr sind, ergeben sich Abweichungen oft schon allein aus Wahrnehmungs- oder Erinnerungsfehlern, sind ihre Angaben also oft objektiv falsch1. Unbewusst werden Wahrnehmungslücken durch Rückschlüsse oder durch Fremdinformationen (oder auch durch Wunschdenken) geschlossen. Angaben zu Entfernungen, Zeiten, Geschwindigkeiten p. p. sind oft objektiv grob fehlerhaft.
5
Zuverlässiger als die Angaben der Beteiligten und Zeugen sind deshalb oft die Ergebnisse einer Unfallrekonstruktion durch einen (nicht nur in der Schadensschätzung) erfahrenen Sachverständigen unter Auswertung der Unfallörtlichkeit, der Unfallspuren und der Unfallschäden.
6
Voraussetzung für eine möglichst exakte Unfallrekonstruktion ist eine sorgfältige Spurensicherung. Leider ist die Unfallaufnahme durch die hinzugezogenen Polizeibeamten nicht immer von gleich hoher Qualität. 1 S. Einmahl, NJW 2001, 469.
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Lemcke
I. Einführung
Rz. 8
Teil 2
So werden z. B. selbst bei schweren Unfällen gelegentlich keine Fotos – das für die Unfallrekonstruktion zumeist wichtigste Beweismittel – angefertigt; sind Fotos angefertigt worden, sind sie oft jedenfalls deshalb weitgehend unbrauchbar, weil sich der Unfall bei Dunkelheit oder bei schlechtem Wetter ereignet hat. Es ist deshalb wichtig, Mängel der polizeilichen Unfallaufnahme1 möglichst zeitnah noch auszugleichen. So stehen z. B. die Unfallfahrzeuge in der ersten Zeit oft noch für technische Untersuchungen und Fotos zur Verfügung. Bremsspuren sind oft noch wochenlang auf der Fahrbahn sichtbar. Besonderheiten der Unfallstelle (z. B. ungünstige Sichtverhältnisse durch Baustellen, Pflanzenbewuchs o. ä.) können oft in der ersten Zeit noch fotografisch festgehalten werden.
! Hinweis: Nach einem Verkehrsunfall ist (vor allem bei hohem Schaden) die private Spurensicherung von Seiten des Geschädigten – vor allem durch Fotos – die vorrangigste Aufgabe. Vorsicht ist geboten bei der Berücksichtigung im Ermittlungsverfahren eingeholter Gutachten zum Unfallhergang. Sie sind i. d. R. (zu Recht) einschichtig angelegt, d. h. nur unter Ansatz der für den Beschuldigten günstigen Daten, soweit sich exakte Daten nicht ermitteln lassen. Es handelt sich um eine einseitige Grenzbetrachtung. Für die Beurteilung der Haftung des Schädigers und der evtl. Mitverantwortung des Geschädigten benötigen wir aber die doppelte Grenzbetrachtung, d. h. auch eine Begutachtung auf der Basis der für den Unfallgegner günstigen Daten (s. näher fi Rz. 635 ff.). Diese doppelte Grenzbetrachtung benötigen wir nicht nur für die Frage der Mitverantwortung und für die Haftungsabwägung, sondern im Rahmen der Gefährdungshaftung evtl. bereits für die Frage der Entlastung des Kraftfahrers. Viele Haftpflichturteile sind schon deshalb fehlerhaft, weil sie allein auf der Grundlage eines derartigen einschichtig angelegten Gutachtens ergangen sind, bei dem praktisch die zweite Hälfte der Begutachtung fehlt; zumeist ist dann irgendwann die Beweislast verkannt.
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! Hinweis: Gutachten aus Ermittlungsverfahren sind oft nur einschichtig und damit für die Schadensregulierung oft nicht ausreichend. b) Gefährdungs- und Verschuldenshaftung Schadensersatzansprüche können bestehen aus der sog. Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG, § 1 HPflG) oder aus der sog. Verschuldenshaftung (§§ 823 ff. BGB). 1 S. OLG Celle v. 11. 11. 1996 – 16 W 19/96, NZV 1997, 354: Grobe Mängel der polizeilichen Unfallaufnahme können evtl. Amtshaftungsansprüche auslösen.
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8
Teil 2
Rz. 9
Haftungsvoraussetzungen
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Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus der Gefährdungshaftung sind geringer, insbesondere ist kein Verschuldensnachweis erforderlich. Andererseits ist dieser Ersatzanspruch nach Umfang und Höhe begrenzt (§§ 10 ff. StVG, §§ 5 ff. HPflG).
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Insoweit ist aber zu beachten, dass die Gefährungshaftung inzwischen zugunsten des Geschädigten nach Umfang und Höhe stark ausgeweitet worden ist, zunächst durch das 2. SchadÄndG für Unfälle ab dem 1. 8. 2002, dann erneut, jetzt durch erneute wesentliche Anhebung der Haftungshöchstbeträge, durch das 2. PflVÄndG für Unfälle ab dem 18. 12. 2007 (s. näher fi Rz. 31). Spätenstens seit diesem Zeitpunkt ist der Schaden im KH-Bereich im Regelfall bereits voll durch die Ersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung abgedeckt. Das hat zur Folge, dass sich bei jüngeren Schadensfällen die Frage, ob Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB gegeben sind, idR erübrigt1. Für ältere noch in der Regulierung befindliche Schadensfälle haben aber die Ansprüche aus der Verschuldenshaftung weiterhin erhebliche Bedeutung, weil die Neuregelungen nicht rückwirkend gelten; es sind also bei Altfällen zwei Stichtage zu beachten: 1. 8. 2002 und 18. 12. 2007. Für Unfälle aus der Zeit vor dem 1. 8. 2002 besteht z. B. auch weiterhin nur aus der Verschuldenshaftung ein Schmerzensgeldanspruch, zudem ist die Haftung auch weiterhin für Personenschäden auf 500 000 DM begrenzt. Abgesehen davon ist die Verschuldensfrage auch weiterhin, auch für neue Schadensfälle aus dem Bereich der KH, für die Bildung der Haftungsquote von wesentlicher Bedeutung.
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Die Ansprüche aus der Gefährdungshaftung und die weiter gehenden Ansprüche aus der Verschuldenshaftung können nebeneinander bestehen (§ 16 StVG, § 12 HPflG). c) Mitverantwortung und Bildung der Haftungsquote
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Zum Haftungsgrund gehört auch die Frage, ob der Geschädigte evtl. für den Unfall mitverantwortlich ist und deshalb gem. § 17 StVG, gem. § 254 BGB, evtl. i. V. m. § 9 StVG, oder gem. §§ 4, 13 HPflG eine quotenmäßige Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss. Es geht hier – das wird oft sprachlich falsch gefasst – nicht um eine „Mithaftung“ des Geschädigten für seinen Schaden, sondern um eine Kürzung seiner Ersatzansprüche wegen seiner Mitverantwortung für den Unfall und für seinen Schaden.
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Dabei ist zu beachten, dass nach einem Verkehrsunfall dann, wenn auf beiden Seiten ein Kfz beteiligt ist und beide Seiten für die Betriebsgefahr des Kfz einstehen müssen, nach der Gesetzeslage (§§ 7, 17 StVG) die beiderseits hälftige Haftung der gesetzliche Regelfall ist; beide Seiten können vom Gegner die Hälfte des eigenen Schadens ersetzt verlangen. Wer 1 S. hierzu Lemcke, zfs 2002, 318.
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Lemcke
I. Einführung
Rz. 18 Teil 2
für sich ein günstigeres Ergebnis erzielen, also entweder mehr beanspruchen oder weniger zahlen will, muss nachweisen, dass die vom Kfz des Gegners ausgehende Betriebsgefahr höher oder die des eigenen Kfz geringer gewesen ist, und selbst dann ist die volle Haftung bzw. die volle Haftungsfreistellung nach der Gesetzeslage eher die Ausnahme.
! Hinweis: Bei einem Verkehrsunfall mit zwei Kfz ist die jeweils hälftige Haftung der gesetzliche Regelfall; wer mehr fordern oder weniger zahlen will, trägt die Beweislast für eine für ihn günstigere Gewichtung der beiderseitigen Betriebsgefahr. In der Regulierungspraxis wird eher anders verfahren, viele Versicherer neigen dazu, angemeldete Ansprüche außergerichtlich, wenn überhaupt, dann auf 100 %-Basis zu regulieren; dort steht dann häufig der Streit um einzelne Schadenspositionen im Vordergrund.
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Kommt es aber zum Prozess, wird i. d. R. auch die volle Haftung bestritten. Aller Kampf um einzelne Schadenspositionen ist – wirtschaftlich gesehen – vergeblich, wenn das Gericht diese Schadensposition zwar zubilligt, aber dafür einen Quotenabzug vornimmt. Neben der Frage der Haftung ist deshalb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Frage, ob der Geschädigte, weil für den Unfall mitverantwortlich, eine quotenmäßige Anspruchskürzung hinnehmen muss, für das Ergebnis von besonderer Bedeutung.
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Das wird in der Begründung gerichtlicher Entscheidungen oft nicht genügend beachtet; oft wird zwar die Zubilligung oder Aberkennung einzelner Schadenspositionen ausführlich begründet, die – oft wirtschaftlich viel bedeutsamere – Quotenbildung dagegen eher beiläufig behandelt.
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Das mag daran liegen, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Haftungsabwägung eher dürftig sind und dass auch der BGH nur selten Gelegenheit hat, sich zur Quotenbildung zu äußern.
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Das liegt aber oft auch an der Prozessführung durch die Anwälte: Man fordert zwar 100 %, rechnet aber häufig schon selbst nicht damit, diese Maximalforderung durchzusetzen zu können; deshalb wird sie auch nur oberflächlich begründet, Hinweise darauf, was ggf. im Rahmen einer Haftungsabwägung zu berücksichtigen wäre, unterbleiben. Das hat dann häufig zur Folge, dass auch in der gerichtlichen Entscheidung eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Kriterien der Haftungsabwägung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung unterbleibt.
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! Hinweis: Auch wenn auf 100 %-Basis geklagt wird, sollte hilfsweise zur Haftungsabwägung näher vorgetragen werden, vor allem dann, wenn sich nach Beweisaufnahme ein Quotenabzug abzeichnet. Lemcke
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Teil 2
Rz. 19
Haftungsvoraussetzungen
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Zur Haftungsabwägung und zur Quotenbildung haben sich in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gewisse Grundsätze herausgebildet, die – nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit – von den Gerichten zu beachten sind. Jeder Richter hat deshalb – ebenso wie z. B. bei der Schmerzensgeldbemessung1 – seine eigenen Quotenvorstellungen mit denen anderer Gerichte abzugleichen, Abweichungen von der h. M. müssen zumindest begründet werden.
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Insoweit können Quotentabellen2 die Arbeit für alle an der Schadensregulierung Beteiligten erleichtern, auch wenn sich, weil immer die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, eine schematische Anwendung irgendwelcher Quotentabellen verbietet3.
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Zudem lassen Quotentabellen oft nicht genügend erkennen, dass das zitierte Obergericht die vom Untergericht gebildete Quote entweder gar nicht oder nur in die eine Richtung zu überprüfen hatte; wenn z. B. das Landgericht dem Kläger 50 % zugesprochen hat und dieser mit seiner Berufung vergeblich die volle Haftung des Beklagten erstrebt hat, kann es – ohne dass dieses in dem Berufungsurteil zum Ausdruck kommt – durchaus so sein, dass das OLG dem Kläger sogar eine geringere Quote zugebilligt hätte, wenn der Beklagte ebenfalls Berufung eingelegt hätte.
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Es besteht hier die gleiche Problematik wie bei Schmerzensgeldtabellen hinsichtlich der Entscheidung des Obergerichts zur Schmerzensgeldhöhe4; auch in diesen Fällen ist in 2. Instanz häufig nur noch zu prüfen, ob ein Schmerzensgeldanspruch besteht oder nicht oder ob das Schmerzensgeld zu hoch oder zu niedrig festgesetzt worden ist, eine Überprüfung in die andere Richtung scheidet dann häufig aus, weil das Urteil insoweit nicht angefochten ist. d) Beweislast
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So weit zum Unfallhergang sichere Feststellungen nicht möglich sind, stellt sich die Frage nach der Beweislast. Sie entscheidet darüber, von welchem Sachverhalt jetzt für die Entscheidung zu Gunsten oder zu Lasten der einen oder der anderen Seite ausgegangen werden muss, soweit er unaufgeklärt geblieben ist; es wird also jetzt zu Lasten des Beweispflichtigen (Beweisfälligen) ein angenommener (fiktiver) Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt. 1 BGH v. 24. 5. 1988 – VI ZR 159/87, MDR 1988, 950 = VersR 1988, 943 = NJW 1989, 773. 2 S. vor allem Grüneberg, 7. Aufl. 2002. 3 So hat es der Arbeitskreis V des VGT 1985 mehrheitlich beschlossen, s. Bursch und Jordan, VersR 1985, 512, 519. 4 S. dazu z. B. OLG Köln v. 3. 3. 1995, VersR 1995, 549; Lemcke, Urteilsanm. r+s 1995, 230; Jaeger, VersR 1996, 1177.
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I. Einführung
Rz. 29 Teil 2
Weil der Unfallhergang häufig nicht oder jedenfalls nur teilweise aufgeklärt werden kann, gewinnt die – insbesondere bei der Gefährdungshaftung komplizierte – gesetzliche Beweislastverteilung bei der zivilrechtlichen Aufarbeitung eines Verkehrsunfalls oft besondere Bedeutung.
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Ist es z. B. zu einem Frontalzusammenstoß zweier Pkw im Begegnungsverkehr gekommen und bleibt es ungeklärt, welches Kfz in die Gegenfahrbahn geraten ist, sind Ansprüche aus der Verschuldenshaftung beiderseits nicht gegeben, weil jeder als geschädigter Anspruchsteller nicht nachgewiesen hat, dass der Gegner seine Fahrbahnhälfte verlassen und auf diese Weise schuldhaft einen Verkehrsverstoß begangen hat. Ansprüche aus der Gefährdungshaftung sind dagegen beiderseits gegeben, weil der Gegner als Schädiger nicht nachgewiesen hat, dass er selbst seine Fahrbahnhälfte eingehalten hat, also den Entlastungsbeweis nicht geführt hat. Im Rahmen der Gefährdungshaftung ist die Beweislast also umgekehrt; jeder ist nicht für das angebliche gegnerische Fehlverhalten, sondern für sein eigenes angeblich verkehrsgerechtes Verhalten beweispflichtig.
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Das gilt jeweils nicht nur für die Frage der Haftung des Schädigers, sondern auch für die – spiegelbildliche – Frage der Mitverantwortung des Geschädigten: Weil auch er sich nicht entlasten kann, muss er gem. § 17 StVG eine Anspruchskürzung hinnehmen.
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Das gilt aber – dieses wird in der Praxis oft verkannt – nicht für die Ermittlung der Haftungsquote: Insoweit müssen die beiderseitigen Verantwortungsanteile gegeneinander abgewogen werden, und im Rahmen dieser Haftungsabwägung können zum Nachteil jeder Seite nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, d. h. nur solche Umstände, die – wie bei der Verschuldenshaftung – unstreitig oder vom Gegner nachgewiesen sind; zudem muss feststehen, dass diese Umstände sich auch tatsächlich auf den Schadenshergang oder die Schadensfolgen ausgewirkt haben. Im Rahmen der Haftungsabwägung ist also die Beweislast erneut umgekehrt (s. näher fi Rz. 697 ff.).
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Im Rahmen der Gefährdungshaftung ist also in dem Ausgangsfall (fi Rz. 25) für die Frage der Haftung davon auszugehen, dass beide Kfz in die Gegenfahrbahn geraten sind. Dagegen ist für die Ermittlung der Haftungsquote davon auszugehen, dass beide Kfz ihre Fahrbahnhälfte nicht verlassen haben; hiernach ist das Maß der jeweiligen Betriebsgefahr zu bestimmen. Die Betriebsgefahr ist damit aber auch hier nicht zwingend gleichgewichtig; sie kann durch andere Faktoren, wie z. B. Geschwindigkeit und Masse der Fahrzeuge, im Ergebnis unterschiedlich zu gewichten sein.
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So weit der Sachverhalt unaufgeklärt geblieben ist, sind Grundlage der Entscheidung also verschiedene, jeweils nur angenommene (fiktive)
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Teil 2
Rz. 30
Haftungsvoraussetzungen
Sachverhalte, die sich u. U. sogar völlig widersprechen. Das wird oft nicht hinreichend berücksichtigt. 30
Zu beachten sind neben den zahlreichen gesetzlichen Beweisregeln auch die zahlreichen von der Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen (z. B. der Anscheinsbeweis, s. dazu fi Rz. 679 ff.).
2. Änderungen durch das 2. SchadÄndG 30a
Durch das 2. SchadÄndG sind mit Wirkung vom 1. 8. 2002 insbesondere folgende, für das Verkehrs-Haftpflichtrecht wichtige Änderungen eingetreten: a) Änderungen des BGB
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– Anhebung der Verantwortlichkeitsgrenze für Kinder auf 10 Jahre bei Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen und Bahnen In § 828 Abs. 2 BGB ist die Verantwortlichkeitsgrenze bei Unfällen mit einem Kfz oder mit einer Schienen- oder Schwebebahn von 7 auf 10 Jahre angehoben worden; das gilt nur dann nicht, wenn die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Das hat zur Folge, dass bei einem Kfz-Verkehrsunfall unter Beteiligung eines unter 10 Jahre alten Kindes im Regelfall – nicht immer, die vom BGH vorgenommene Einschränkung ist zu beachten (s. näher fi Rz. 343) – nicht nur eine Haftung des Kindes ausscheidet, sondern auch eine Kürzung der Ansprüche des Kindes gem. §§ 254, 828 Abs. 2 BGB wegen Mitverschuldens.
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– Schmerzensgeld auch bei Gefährdungs- und Vertragshaftung § 847 BGB ist aufgehoben. Dafür wurde in § 253 BGB dessen bisheriger Wortlaut zu Abs. 1; danach ist folgender Abs. 2 eingefügt: „Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.“
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Damit bestehen Schmerzensgeldansprüche auch bei der Gefährdungs- und der Vertragshaftung; § 11 StVG wurde entsprechend angepasst. Die ursprünglich bestehende Absicht, zum Ausgleich dafür bei Schmerzensgeldansprüchen allgemein eine Erheblichkeitsschwelle einzuführen, ist kurz vor der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes aufgegeben worden.
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Der Geschädigte hat also in Zukunft evtl. auch dann einen Schmerzensgeldanspruch, wenn er ein Verschulden des Gegners nicht nachweisen 38
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I. Einführung
Rz. 38 Teil 2
kann; anders ist es auch weiterhin nur im Fall einer Bagatellverletzung. Andererseits ist die Frage, ob die Unfallbeteiligten ein Verschulden trifft oder nicht, aber nicht bedeutungslos; sie ist weiterhin im Rahmen der Haftungsabwägung für die Bildung der Haftungsquote bedeutsam. – Kein Ersatz fiktiver Mehrwertsteuer
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§ 249 BGB wurde dahin geändert, dass bei Beschädigung einer Sache die Umsatzsteuer nur zu erstatten ist, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Diese Regelung gilt nicht nur für Kfz, sie hat aber insbesondere die Fahrzeugschaden-Regulierung erheblich verkompliziert. Die wesentlichen Fragen sind jedoch inzwischen durch eine ganze Kette von BGHEntscheidungen weitgehend geklärt1. b) Änderungen des StVG – Entlastungsbeweis des Halters gegenüber bestimmten Geschädigten (z. B. Fußgängern und Radfahrern) nur noch bei höherer Gewalt
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§ 7 Abs. 2 StVG ist dahin abgeändert worden, dass die Ersatzpflicht ausgeschlossen ist, wenn „der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird“. Diese schon aus § 1 Abs. 2 S. 1 HPflG bekannte Regelung gilt jetzt auch für Kfz-Halter; auf die dazu entwickelten Rechtsgrundsätze kann verwiesen werden2 (s. näher fi Rz. 474 f.). Der Entlastungsbeweis des Kfz-Halters wird jetzt noch seltener möglich sein als in der Vergangenheit. Hinsichtlich des Entlastungsbeweises für den Kfz-Fahrer gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ist keine Änderung erfolgt. Zu beachten ist aber, dass die Regelung des § 7 Abs. 2 StVG letztlich nur gegenüber einem Geschädigten gilt, der selbst nicht für die bei dem Unfall evtl. mitwirkende Betriebs- oder Tiergefahr einzustehen hat, also insbesondere gegenüber einem verletzten Fußgänger oder Radfahrer. Denn im Anwendungsbereich der §§ 17, 18 StVG ist nach § 17 Abs. 3 StVG der in Anspruch genommene Kfz-Halter auch weiterhin schon dann entlastet, wenn er den Unabwendbarkeitsnachweis führen kann. Diese Regelung ist ebenfalls erst kurz vor der endgültigen Verabschiedung in das Gesetz aufgenommen worden (s. näher fi Rz. 100 ff.).
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– Haftungsrechtliche Gleichstellung des Kfz-Anhängers mit einem Kfz
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§ 7 Abs. 1 StVG sollte zunächst dahin geändert werden, dass dann, wenn an dem Unfall ein Kfz mit einem verbundenen Anhänger beteiligt ist, neben dem Halter des Kfz auch der Halter des Anhängers zum Schadens1 S. Teil 3, ferner Lemcke, r+s 2002, 265; Heß, zfs 2002, 367. 2 S. dazu Steffen, DAR 1998, 135.
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Teil 2
Rz. 39
Haftungsvoraussetzungen
ersatz verpflichtet ist. Bezweckt war, auch dem Geschädigten, dem nur das Kennzeichen des Anhängers bekannt ist, die Verfolgung seiner Ansprüche aus der Gefährdungshaftung zu erleichtern. 39
Auf Anregung des Bundesrates ist der Kfz-Anhänger aber voll mit in die Gefährdungshaftung einbezogen worden; auch der isoliert abgestellte oder sonst von der Zugmaschine getrennte Kfz-Anhänger kann jetzt Ersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung auslösen (s. näher fi Rz. 64).
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– Gefährdungshaftung auch bei unentgeltlicher Personenbeförderung § 8a StVG wurde neu gefasst; die Beschränkung der Gefährdungshaftung auf die entgeltliche Personenbeförderung ist gestrichen. Der Insasse, der nicht zugleich Halter ist (d. h. der Nur-Insasse), ist damit den sonstigen bei einem Kfz-Unfall Geschädigten gleichgestellt. Diese Regelung ist von besonderer Bedeutung bei Kfz-Unfällen mit verletzten Insassen ohne Beteiligung eines weiteren Kfz, aber auch bei Unfällen unter Beteiligung mehrerer Kfz bei ungeklärtem Unfallverlauf (s. näher fi Rz. 261 ff.).
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– Anhebung der Haftungshöchstbeträge In §§ 12 ff. StVG sind die bisherigen Haftungshöchstbeträge wesentlich angehoben worden. Diese Anhebung hat – zusammen mit der Zubilligung von Schmerzensgeld auch im Rahmen der Gefährdungshaftung – zur Folge, dass bei vielen Kfz-Unfällen die Prüfung unterbleiben kann, ob die Voraussetzungen für Ersatzansprüche aus der Verschuldenshaftung vorliegen; das gilt erst recht für Unfälle ab dem 18 12. 2007 wegen der erneuten Anhebung der Haftungshöchstbeträge durch das das 2. PflVÄndG. Insoweit ist einerseits zu beachten, dass für noch in der Regulierung befindliche Altfälle weiterhin das alte Recht anzuwenden ist, andererseits aber auch, dass die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung für Neufälle teilweise überholt ist.
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Zudem wird die Verschuldensfrage durch die Neuregelungen nicht bedeutungslos; für die Abwägung nach § 17 StVG bzw. nach §§ 9 StVG, 254 BGB und für die Bildung der Haftungsquote wird es auch weiterhin wesentlich darauf ankommen, ob die Unfallbeteiligten ein Verschulden bzw. ein Mitverschulden trifft.
II. Haftungsgrundlagen 1. Haftungsbeschränkungen und -erweiterungen 43
Bevor man tiefer in die zivilrechtliche Aufarbeitung eines Verkehrsunfalls einsteigt, ist es ratsam, einige Besonderheiten des Haftungsrechts zu beachten; es enthält eine Reihe teils überraschender Stolpersteine in Form von Haftungsbeschränkungen und -ausschlüssen, aber auch teils 40
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 44 Teil 2
überraschende Haftungserweiterungen, die hier zunächst stichwortartig zusammengefasst werden sollen. a) Häufig übersehene Haftungsbeschänkungen Immer wieder übersehen wird z. B.,
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– dass nicht alle Kfz der Gefährdungshaftung unterliegen (§ 8 StVG, konstruktionsbedingt nicht schneller als 20 km/h fahrende Kfz) und dass z. T. (bei Kfz i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 PflVG) sogar keine Versicherungspflicht und damit auch kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer besteht (fi Rz. 65 ff.), – dass der Eigentümer des den Unfall verursachenden Kfz nicht immer aus der Gefährdungshaftung haftet (wenn er nämlich weder Halter noch Fahrer ist, z. B. der Sicherungseigentümer oder der Leasinggeber, s. fi Rz. 69 ff. und 219 ff.), – dass auch Halter und Fahrer des den Unfall verursachenden Kfz nicht gegenüber allen Geschädigten aus der Gefährdungshaftung haften (nämlich nicht gegenüber Betriebstätigen, § 8 StVG, fi Rz. 263), – dass die Halterstellung oder jedenfalls die Halterhaftung bereits vor dem Unfall ihr Ende gefunden haben kann (nämlich bei Entwendung und Schwarzfahrt, § 7 Abs. 1 und 3 StVG, fi Rz. 73 ff.), – dass der Beamte als Fahrer häufig nicht persönlich in Anspruch genommen werden kann (Art. 34 GG, § 839 BGB) und dass für Amtshaftungsklagen ohne Rücksicht auf den Streitwert immer das LG sachlich zuständig ist (fi Rz. 140 ff.), – dass die Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer i. d. R. nur in der KH-Versicherung in Betracht kommt, also z. B. nicht bei Ansprüchen gegen einen Radfahrer oder Tierhalter (fi Rz. 163 ff.), und auch nicht bei Unfällen mit bestimmten Kfz (fi Rz. 67), – dass im Falle vorsätzlicher Schadensverursachung § 103 VVG auch im Bereich der Kfz-Haftpflicht-Pflichtversicherung Anwendung findet (fi Rz. 170 f.), – dass es im Bereich des Haftpflichtgesetzes, also z. B. bei Unfällen mit Eisen- und Straßenbahnen, eine Fahrerhaftung nicht gibt (weil eine dem § 18 StVG vergleichbare Vorschrift fehlt, fi Rz. 461 ff.), – dass alle genannten die Haftung des Schädigers beeinflussenden Umstände immer auch spiegelbildlich auf Seiten des Geschädigten von Bedeutung sein können, wenn es um dessen Mitverantwortung für den Unfall und um eine dadurch begründete Anspruchskürzung geht (fi Rz. 194 ff.), Lemcke
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Teil 2
Rz. 45
Haftungsvoraussetzungen
– dass im Rahmen des § 254 BGB auch bei fehlendem Mitverschuldensnachweis evtl. die „mitwirkende Betriebsgefahr“ anspruchskürzend zu berücksichtigen ist (fi Rz. 339 ff.). b) Haftungsbeschränkung nach §§ 12, 12a StVG bzw. nach §§ 9, 10 HPflG 45
Geht es um den Ersatz überschaubarer materieller und immaterieller Schäden, liegt es – wegen der geringeren Anspruchsvoraussetzungen – nahe, sich auf die Ansprüche aus der Gefährdungshaftung zu beschränken; sie reichen jetzt, nach den Änderungen aufgrund des 2. SchadÄndG, i. d. R. zur Schadensdeckung aus. Geht es aber um hohe materielle Zukunftsschäden, stehen vor allem hohe künftige materielle Personenschäden im Raum, die durch eine Feststellungsklage gegen Verjährung gesichert werden sollen, ist es im Hinblick auf die Haftungsbegrenzungen aus §§ 12, 12a StVG bzw. §§ 9, 10 HPflG – jedenfalls bei Altfällen aus der Zeit vor dem 18. 12. 2007 und insbesondere aus der Zeit vor dem 1. 8. 2002 – weiterhin wichtig, dass die Entscheidung auf die §§ 823 ff. BGB gestützt wird, wenn auch deren Voraussetzungen vorliegen. Denn wenn das Feststellungsurteil nur auf §§ 7, 17, 18 StVG bzw. §§ 1, 4 HPflG gestützt ist, deckt es auch nur diese Ansprüche ab; nur diese sind dann z. B gegen Verjährung geschützt. Das gilt auch dann, wenn die Haftungsbegrenzungen der Gefährdungshaftung in dem Urteil nicht erwähnt sind; sie sind später auch ohne ausdrückliche Erwähnung zu beachten1.
! Hinweis: Ein nur auf §§ 7, 17 StVG und nicht auf §§ 823 ff. BGB gestütztes Feststellungsurteil deckt auch nur die – der Höhe nach begrenzten – Ansprüche aus der Gefährdungshaftung ab. c) Haftungsbeschränkung nach §§ 104 ff. SGB VII 46
Eine besondere Fallgrube stellen die Vorschriften über die sog. Haftungsersetzung dar (§§ 104 ff. SGB VII, bis zum 31. 12. 1996 §§ 636 f. RVO). Die Risiken für den Anwalt sind jetzt noch dadurch verschärft, dass durch die ab dem 1. 1. 1997 geltenden Neuregelungen und durch die Haftungserweiterungen aufgrund des 2. SchadÄndG auch der Kreis der haftungsprivilegierten Schädiger erheblich ausgeweitet worden ist2.
1 BGH v. 22. 9. 1981 – VI ZR 170/80, NJW 1982, 447 = MDR 1982, 221 = VersR 1981, 1180. 2 S. z. B. näher Geigel/Kolb, Kap. 31; Küppersbusch, S. 162; Lemcke, ZAP Fach 2, S. 199 m. w. H.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 50 Teil 2
Wer sich als Anwalt z. B. bei einem Unfall, bei dem der Fahrer von der Fahrbahn abgekommen ist und bei dem ein Mitfahrer verletzt worden ist, sofort auf die zivilrechtlichen Haftpflichtansprüche konzentriert, statt zunächst zu klären, ob der Mitfahrer evtl. bei dem Unfall gesetzlich unfallversichert war, ferner, ob der Fahrer evtl. nach den genannten Vorschriften zum Kreis der haftungsprivilegierten Schädiger gehört, begeht einen doppelten Fehler;
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– er übersieht auf diese Weise nicht nur die u. U. viel wertvolleren Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern – er übersieht vor allem auch, dass evtl. die zivilrechtlichen Ansprüche auf Ersatz der Personenschäden gegen den Schädiger (und damit auch gegen dessen Haftpflichtversicherer) gerade wegen des bestehenden sozialversicherungsrechtlichen UV-Schutzes ausgeschlossen sind.
! Hinweis: Sind neben Sach- auch Personenschäden entstanden, muss vor der Geltendmachung von Ersatzansprüchen geprüft werden, ob für den Geschädigten UV-Schutz besteht, ferner, ob deshalb die Haftung des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers für Personenschäden ausgeschlossen (ersetzt) ist. d) Haftungserweiterungen Im Haftpflichtrecht gibt es aber teilweise auch überraschende Haftungserweiterungen.
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So müssen zwar dann, wenn der Geschädigte ohne Beschränkung auf Haftungshöchstbeträge Ersatzansprüche geltend macht, die Voraussetzungen der sog. Verschuldenshaftung (§§ 823 ff. BGB) erfüllt sein. Tatsächlich ist eine schuldhafte Schadensverursachung durch den Schädiger aber auch hier nicht immer Anspruchsvoraussetzung. So haftet z. B. der Halter eines sog. Luxustieres auch ohne Verschulden für den Schaden, den das Tier angerichtet hat (§ 833 S. 1 BGB), und zwar auch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Oder es wird ein Verschulden jedenfalls gesetzlich vermutet wie z. B. in den Fällen der §§ 831, 832, 833 S. 2, 834, 836 BGB; insoweit hat die Geschäftsherrnhaftung aus § 831 BGB für die Regulierungspraxis besondere Bedeutung (s. fi Rz. 53 ff.).
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Sind mehrere Schädiger als Mittäter oder Gehilfen oder als (fahrlässige) Nebentäter beteiligt, haften sie gem. §§ 830, 840 BGB u. U. auch dann voll, wenn sie den Tatbestand der unerlaubten Handlung nicht voll erfüllt oder jedenfalls nur einen geringen Tatbeitrag geleistet haben. Das ist von besonderer Bedeutung, wenn ein Teil der Schädiger unbekannt oder nicht haftpflichtversichert und insolvent ist. Der Geschädigte kann jeden Gesamtschuldner voll in Anspruch nehmen, die unterschiedlichen
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Teil 2
Rz. 51
Haftungsvoraussetzungen
Tatbeiträge finden (i. d. R.) nicht im Außenverhältnis zum Geschädigten, sondern erst im Innenverhältnis, beim Gesamtschuldner-Innenausgleich gem § 426 BGB oder gem. § 17 StVG, Berücksichtigung; bei eigenem Mitverschulden wiegt dieses evtl. geringer, wenn ihm mehrere Schädiger gegenüber stehen (s. näher fi Rz. 534 ff., 574 ff.). 51
Der Kfz-Halter kann sogar – für viele überraschend – bei Verletzung durch sein eigenes Kfz gegen seinen eigenen KH-Versicherer Schadensersatzansprüche haben. Sie bestehen dann, wenn ein anderer mit seinem Kfz einen Unfall verschuldet und er dabei verletzt wird. Zwar hat der KH-Versicherer in diesem Falle die Sachschäden des Halters nicht zu ersetzen (§ 11 Nr. 2 AKB, s. fi Rz. 176 ff.). Anders ist es aber hinsichtlich seiner Personenschäden. Denn weil auch der Fahrer mit versichert ist, muss der KH-Versicherer auch für Schadensersatzansprüche des Halters gegen den Fahrer aus der Verschuldenshaftung gem. § 115 Abs. 1 VVG, früher § 3 Nr. 1 PflVG eintreten; auch der Halter ist insoweit „Dritter“ i. S. d. § 115 Abs. 1 VVG (s. näher fi Rz. 174 f., 279 f.). e) Ansprüche gegen die „Verkehrsopferhilfe“
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Ist der Unfallverursacher geflüchtet und unbekannt oder ist er mit einem unversicherten Fahrzeug gefahren und vermögenslos, ist das Unfallopfer nicht schutzlos. Auch vielen Anwälten ist nicht bekannt, dass in diesem Falle ein Entschädigungsanspruch nach §§ 12 ff. PflVG gegen den Entschädigungsfonds in Betracht kommt1. Träger ist die Verkehrsopferhilfe e. V. in Hamburg (vgl. auch Teil 1 fi Rz. 80 ff.). Die Verkehrsopferhilfe (VOH) tritt u. a. ein, – wenn das unfallverursachende Kfz nicht ermittelt werden kann, – wenn das unfallverursachende Kfz nicht kh-versichert ist, – wenn der KH-Versicherer gem. § 103 VVG leistungsfrei ist. Sie ist immer nur subsidiär eintrittspflichtig, d. h. nur dann, wenn der Geschädigte weder vom Schädiger noch von sonstiger Seite (Arbeitgeber, SVT, Schadensversicherer) Ersatz verlangen kann. Ihre Entschädigungsleistungen sind auch der Höhe nach geringer als im sonstigen Haftpflichtrecht. So ist z. B. der Sachschaden nur eingeschränkt entschädigungspflichtig (§ 12 Abs. 2 S. 2 und 3 PflVG). Andererseits besteht jedenfalls bei erheblichen Verletzungen sogar ein Schmerzensgeldanspruch; er besteht, wenn die Leistung wegen der besonderen Schwere der Verletzung und zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist (§ 12 1 S. dazu Weber, DAR 1987, 333; alle notwendigen Informationen sind in einem Merkblatt enthalten, zu beziehen u. a. aus dem Internet unter: www.verkehrs opferhilfe.de.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 55 Teil 2
Abs. 2 S. 4 PflVG)1. Zu beachten ist, dass die Leistungspflicht der VOH durch das 2. PflVÄndG seit Ende 2007 deutlich erweitert worden ist, vor allem bei Sachschäden (§ 12 Abs. 2 S. 2 und S. 3 PflVG n. F.). f) Die erweiterte Haftung des Kfz-Halters als Geschäftsherr Hat statt des Halters ein anderer am Steuer gesessen, muss beachtet werden, dass der (Nur-)Halter i. d. R. nicht aus der Verschuldenshaftung in Anspruch genommen werden kann.
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Hat aber statt des Halters ein anderer als Verrichtungsgehilfe am Steuer gesessen, kommt eine Haftung des Halters als Geschäftsherr aus § 831 BGB in Betracht, und über diese Norm sind der Höhe nach nicht begrenzte Ersatzansprüche gegen den Halter sogar leichter durchzusetzen als über § 823 BGB gegen den Fahrer (s. näher fi Rz. 130 ff.).
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Das „Geschenk“, das der Gesetzgeber in Gestalt des § 831 BGB für den von einem Verrichtungsgehilfen Verletzten bereithält, wird in der Praxis aber weitgehend nicht angenommen. Der – zu weite – Haftungsrahmen des § 831 BGB ist nicht nur vielen Anwälten, sondern auch vielen Richtern nicht bekannt2. Zwar hat § 831 BGB für Ersatzansprüche aus KfzUnfällen an Bedeutung verloren, weil der Geschädigte auch aus der Gefährdungshaftung einen Anspruch auf Ersatz seiner immateriellen Schäden hat und weil die neuen Haftungshöchstbeträge i. d. R. zur Abdeckung des Schadens ausreichen. In den Altfällen, bei denen die Haftungshöchstbeträge des StVG evtl. nicht ausreichen, sowie bei Ersatzansprüchen außerhalb des KH-Bereichs behält § 831 BGB aber auch weiterhin erhebliche Bedeutung. Für die anwaltliche Praxis ist es deshalb jedenfalls bei Altfällen mit hohem Personenschaden auch weiterhin wichtig, in allen Fällen, in denen bei dem Unfall statt des Halters ein anderer am Steuer gesessen hat, aufzuklären, ob dieser Fahrer evtl. als Verrichtungsgehilfe tätig gewesen ist. Daran ist vor allem bei Unfällen mit gewerblich genutzten Kfz (z. B. Lkw, Bus, Taxe) zu denken. Stellt sich erst während des Prozesses heraus, dass der Fahrer als Verrichtungsgehilfe tätig gewesen ist, und sind bisher nur Fahrer und KH-Versicherer verklagt, muss die Klage nicht durch nachträgliche Einbezie1 OLG Hamm v. 30. 6. 1986 – 6 U 109/86, VersR 1987, 456; LG Lüneburg v. 10. 11. 2000 – 3 S 38/00, VersR 2001, 1152; LG Verden v. 10. 4. 2001 – 4 O 530/00, VersR 2001, 1152; AG Bersenbrück v. 31. 5. 1989 – 11 C 139/89, VersR 1991, 180. 2 S. dazu Lemcke, r+s 1997, 365, 412, Urteilsanm. zu BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1995, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364; auch in dem dieser BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren waren die Probleme der Geschäftsherrnhaftung nicht von allen Seiten voll erkannt.
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Teil 2
Rz. 56
Haftungsvoraussetzungen
hung des Halters erweitert werden; es reicht die Erklärung aus, dass der KH-Versicherer „auch aus § 115 Abs. 1 VVG nF. (früher § 3 Nr. 1 PflVG) i. V. m. § 831 BGB“ in Anspruch genommen werde1.
! Hinweis: Hat der gegnerische Halter sein Kfz nicht selbst gefahren, bestehen gegen ihn i. d. R. keine Ersatzansprüche aus § 823 BGB; die Voraussetzungen des § 831 BGB können aber selbst dann gegeben sein, wenn ein Verschulden des Fahrers nicht feststeht. 56
Vor Inanspruchnahme des Halters muss ein weiteres Risiko bedacht werden. Zwar ist es bei Kfz-Unfällen üblich und i. d. R. auch richtig, neben dem KH-Versicherer auch denjenigen zu verklagen, der am Steuer gesessen hat (gleichgültig, ob Halter oder nur Fahrer); auf diese Weise wird er als Zeuge ausgeschaltet. Zu beachten ist aber, dass vom gegnerischen Halter die Erhebung einer Widerklage wegen seiner eigenen Schäden droht, evtl. sogar die Erhebung einer Drittwiderklage gegen weitere Beteiligte. Das kann nicht nur zu erheblichen Prozessverzögerungen führen, z. B. dadurch, dass nur für die Widerklage weitere Beweiserhebungen erforderlich sind, z. B. die Einholung eines ärztlichen Gutachtens; die Widerklage wird häufig auch erhoben zur Ausschaltung gegnerischer Zeugen, insbesondere des Fahrers. Um dieses zu vermeiden, reicht es – zumal dann, wenn der Halter nicht selbst am Steuer gesessen hat und deshalb als Zeuge für die Gegenseite ausscheidet – aus, nur den KH-Versicherer und ggf. den Fahrer zu verklagen; die Klage gegen den KH-Versicherer ist dann aber ausdrücklich auf die Eintrittspflicht des KH-Versicherers für den Halter und ggf. auch für den Halter in seiner Eigenschaft als Geschäftsherr zu stützen, also auf § 115 Abs. 1 VVG n. F. in Verbindung mit § 7 StVG und ggf. auch mit § 831 BGB (s. fi Rz. 55, 184 ff.).
! Hinweis: Bei Inanspruchnahme des gegnerischen Halters besteht das Risiko, dass dieser durch Erhebung einer Widerklage die Entscheidung verzögert und Zeugen ausschaltet; dieses kann dadurch vermieden werden, dass nur Fahrer und KH-Versicherer in Anspruch genommen werden, der KH-Versicherer aber ausdrücklich auch aus seiner Haftung aus § 115 Abs. 1 VVG n. F. in Verbindung mit § 7 StVG und ggf. auch mit § 831 BGB.
1 Lemcke, r+s 2000, 221, 222.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 58 Teil 2
2. Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen Literatur: Förste, Überholverbot auf Bundes- und Landstraßen bei Dunkelheit?, NZV 2002, 217; Förste, Erwägungen zum Bremsweg, DAR 1997, 341; Freyberger, Das neue Schadensersatzrecht – Die praktische Abwicklung von Verkehrsunfällen seit dem 1. 8. 2002, MDR 2002, 867; Freyberger, Neues vom manipulierten Unfall, VersR 1998, 1214; Hofmann, Die Abgrenzung der Haftpflichtversicherung von der Kraftfahrtversicherung durch die Kraftfahrzeugklauseln, NVersZ 1998, 54; Klimke, Muss der Leasinggeber, der aus einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall als Eigentümer Schadensersatzansprüche gegen den Dritten geltend macht, sich eine Mitverursachung des Leasingnehmers anrechnen lassen?, VersR 1988, 329; Knappmann, Der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers, ZAP, F. 9, S. 65; Landscheidt, Schadensersatz und Sicherheitsgurt, NZV 1988, 7; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens nach § 249 Abs. 2 BGB n. F., r+s 2002, 265; Lepa, Die Haftung des Arbeitnehmers im Verkehr, NZV 1997, 137; Medicus, Ungefährlich, weil langsam?, DAR 2000, 442; Reinking, Mehrwertsteuerprobleme beim Unfall und Diebstahl des privat genutzten Leasingfahrzeugs, DAR 1998, 333; Schug, Zur Benzinklausel in der Haftpflichtversicherung, VersR 1998, 819; Weber, Der Entschädigungsanspruch gegen den Verein „Verkehrsopferhilfe“, DAR 1987, 333.
Ausgangsfall: Familie G ist mit dem Pkw unterwegs, Halter des bei VG haftpflichtversicherten Pkw ist HG, seine Ehefrau FG sitzt am Steuer, der zwölfjährige Sohn IG fährt mit. Auf einer Kreuzung kommt es zu einem Unfall mit dem Pkw des HS, haftpflichtversichert bei VS, gefahren von FS. FS hat die Vorfahrt verletzt, FG ist aber schneller als erlaubt gefahren (mit 70 km/h statt mit 50 km/h). HG, FG und IG werden sämtlich erheblich verletzt und verlangen Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden. (Lösung: s. fi Rz. 229 ff.) Es kommen Ansprüche des HG, der FG und des IG gegen HS und FS aus der Gefährdungshaftung, §§ 7, 18 StVG, und aus der Verschuldenshaftung, § 823 BGB, evtl. auch § 831 BGB, in Betracht. Soweit HS und FS haftpflichtig sind, besteht daneben auch gegen VS der Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG); die Regelungen des § 3 PflVG zum Direktanspruch sind mit der VVG-Reform seit dem 1. 1. 2008 in das VVG über nommen worden und jetzt in §§ 113 ff. VVG enthalten.
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Die Ansprüche aus der Gefährdungshaftung sind zwar, weil die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind, wesentlich leichter durchzusetzen, sie sind aber auf die Höchstbeträge der §§ 12 ff. StVG beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch spätenstens seit dem 18. 12. 2007 wegen der (erneuten) Anhebung der Haftungshöchstbeträge (§ 12 StVG n. F.: Für Personenschäden jetzt auf 5 Mio. Euro, für Sachschäden jetzt auf 1 Mio. Euro) nur noch für Altfälle von Bedeutung.
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Teil 2
Rz. 59
Haftungsvoraussetzungen
Die Ansprüche aus der Verschuldenshaftung sind zwar der Höhe nach nicht beschränkt; insoweit ist aber zu beachten, dass VS gem. § 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG) nur „im Rahmen der Leistungspflicht aus dem Versicherungsverhältnis“ haftet; dessen Haftung ist also auf die Höhe der vereinbarten Versicherungssumme beschränkt. Auch diese Beschränkung ist aber nur noch für Altfälle von Bedeutung, weil die Mindestversicherungssummen jetzt ebenfalls erheblich angehoben worden sind (Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG: Für Personenschäden jetzt auf 7,5 Mio. Euro, für Sachschäden auf 1 Mio. Euro). Soweit HS, FS und VS jeweils haftpflichtig sind, haften sie gem. § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner; diese Norm gilt auch für Ansprüche aus der Gefährdungshaftung1 (s. näher fi Rz. 534 ff.). 59
HG, FG und IG können evtl. auch untereinander (im Innenverhältnis) Schadensersatzansprüche haben (z. B. HG und IG gegen FG und den eigenen Haftpflichtversicherer); sie werden hier zunächst ausgeklammert, insoweit wird verwiesen auf die Ausführungen zu 3. (Unfall eines Kfz ohne Beteiligung eines weiteren Kfz, fi Rz. 232 ff.).
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Anspruchsberechtigter ist der „Verletzte“, also derjenige, der bei dem Unfall einen Personen- oder Sachschaden erlitten hat. Ist bei dem Unfall ein Kfz beschädigt worden, kann anspruchsberechtigt sein: – der Kfz-Eigentümer, der i. d. R., aber nicht immer, auch dessen Halter ist, – der Nur-Eigentümer (z. B. Leasinggeber, Sicherungseigentümer), der nicht zugleich Halter ist und für den gewisse Besonderheiten gelten, – der berechtigte Kfz-Besitzer (z. B. Leasingnehmer, Sicherungsgeber, Mieter), der zwar nicht Eigentümer, aber evtl. Halter ist und neben dem Eigentümer Geschädigter sein kann.
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Anspruchsverpflichteter kann sein: – der gegnerische Kfz-Halter, – der gegnerische Kfz-Fahrer, – der gegnerische KH-Versicherer.
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Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert: a) Ansprüche des Geschädigten gegen den Halter (fi Rz. 63 ff.) b) Ansprüche des Geschädigten gegen den Fahrer (fi Rz. 154 ff.) c) Ansprüche des Geschädigten gegen den KH-Versicherer (fi Rz. 163 ff.) 1 BGH v. 13. 12. 2005 – VI ZR 68/04, r+s 2006, 169 = NJW 2006, 896 = NZV 2006, 191 = VersR 2006, 369.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 64 Teil 2
a) Ansprüche des Geschädigten gegen den gegnerischen Halter Es kommen Ersatzansprüche des Geschädigten
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– aus der Gefährdungshaftung, § 7 Abs. 1 StVG (fi Rz. 64 ff.), und – aus der Verschuldenshaftung, §§ 823 ff. BGB (fi Rz. 114 ff.), in Betracht. aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung Nach § 7 Abs. 1 StVG kann der bei einem Verkehrsunfall „Verletzte“ den Halter des gegnerischen Kfz oder Kfz-Anhängers wegen der erlittenen Personen- und Sachschäden auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn der Schaden „bei dem Betrieb“ des gegnerischen Kfz oder KfzAnhängers eingetreten ist. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der in Anspruch genommene Halter den Entlastungsbeweis gem. § 7 Abs. 2 StVG führen kann. Der Kfz-Anhänger unterliegt zwar gem. § 1 PflVG – wenn nicht die Befreiungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 6c PflVG vorliegen – ebenfalls der Versicherungspflicht; Zugmaschine und Anhänger können auch verschiedene Halter haben und bei verschiedenen KH-Versicherern haftpflichtversichert sein. Der Kfz-Anhänger ist aber nicht selbst Kfz, sondern allenfalls Teil eines Kfz, weil er nicht durch Maschinenkraft bewegt werden kann (§ 1 Abs. 2 StVG). Deshalb konnten bisher auch dann, wenn z. B. durch einen isoliert abgestellten Kfz-Anhänger ein Schaden verursacht wurde, allenfalls Ersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung gegen Halter und Fahrer der Zugmaschine bestehen. Durch das 2. SchadÄndG ist der Kfz-Anhänger haftungsrechtlich einem Kfz gleichgestellt worden. Die Neuregelung gilt sowohl für den mit einem Kfz verbundenen als auch für den vom Kfz getrennten Anhänger. Der Geschädigte, dem nur das Kennzeichen des Anhängers bekannt ist – z. B. weil er auf der BAB von einem ausscherenden Lastzug in die Mittelleitplanke abgedrängt worden ist und von dem weiterfahrenden Lastzug nur das Kennzeichen des Anhängers kennt –, kann sich also in Zukunft darauf beschränken, dessen Halter und KH-Versicherer zu ermitteln und in Anspruch zu nehmen. Vom Wortlaut her erstreckt sich die Neuregelung auf alle Kfz-Anhänger, auf verbundene ebenso wie auf nicht verbundene, aber auch auf diejenigen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 6c PflVG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FZV (früher § 18 Abs. 2 Nr. 6 StVZO) von der Versicherungspflicht befreit sind wie z. B. bestimmte landwirtschaftliche Anhänger sowie Anhänger zur Beförderung von Tieren für sportliche Zwecke und Bootstrailer; teilweise wird deshalb die Gefährdungshaftung auch für solche Anhänger bejaht1. Da1 So z. B. Heß/Jahnke, a. a. O., S. 43; Stahl/Jahnke, NZV 2010, 57, 63.
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Teil 2
Rz. 65
Haftungsvoraussetzungen
mit reicht dann aber die Gefährdungshaftung bei Anhängern weiter als bei Kfz; insoweit sind nämlich die sog. langsam fahrenden Kfz von der Gefährdungshaftung ausgenommen (fi Rz. 65 ff). Sinnvoll wäre es gewesen, die Neuregelung ausdrücklich nur auf solche Anhänger zu erstrecken, die wie ein Kfz ebenfalls der Versicherungspflicht unterliegen1; es geht hier um einen Systemwiderspruch, nicht um eine unzulässige Vermengung von von Deckung und Haftung2. Ob eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 1 StVG im Wege der teleologischen Reduktion möglich ist, ist zweifelhaft. Wenn jetzt auch die Halter eines von der Versicherungspflicht befreiten Anhängers der Gefährdungshaftung aus § 7 StVG unterliegen, kann eine gefährliche Deckungslücke entstehen, z. B. dann, wenn ein derartiger Anhänger vorübergehend verkehrsbehindernd abgestellt wird und dadurch ein Kind als Radfahrer verunglückt3. Den Haltern derartiger Anhänger ist deshalb dringend zu empfehlen, für sie eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, vor allem auch deshalb, weil der Versicherungsvertragssenat des BGH4 soeben entschieden hat, der Halter des Anhängers habe wegen der bestehenden Doppelversicherung – der Fahrer des Zugfahrzeugs ist auch Fahrer des Anhängers und mitversicherte Person in der Anhängerversicherung – gemäß § 59 Abs. 2 VVG a. F. (jetzt § 78 Abs. 2 VVG) den Schaden des Dritten im Innenverhältnis hälftig zu tragen. (1) Nicht der Gefährdungshaftung unterliegende Kfz 65
Kraftfahrzeuge sind nach § 1 Abs. 2 StVG alle Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden können. Darunter fallen z. B. auch Fahrzeuge mit Hilfsmotor und selbstfahrende Arbeitsmaschinen. Nach § 8 Nr. 1 StVG unterliegen aber Kfz, die nicht schneller als 20 km/h fahren können, nicht der Gefährdungshaftung. Zwar ist diese Regelung fragwürdig, weil von derartigen Kfz im heutigen Straßenverkehr eher größere als geringere Gefahren ausgehen und weil zudem schnellere Kfz auch im Ruhezustand der Gefährdungshaftung unterliegen können5. Sie ist aber durch das 2. SchadÄndG nicht aufgehoben oder verändert worden. Sie gilt jetzt nach § 8 Nr. 1 StVG auch für mit dem Kfz verbundene Kfz-Anhänger, aber nur, solange sie mit einem derartigen Kfz verbunden sind; der getrennte Kfz-Anhänger unterliegt zumindest nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 StVG (fi Rz. 64) immer der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG. 1 S. insoweit Huber, § 4, Rz. 109 m. w. H. 2 So aber Heß/Jahnke, a. a. O., S. 43; Stahl/Jahnke, NZV 2010, 57, 63. 3 S. Lemcke, zfs 2002, 318, 319; Otten, MDR 2002, 1100, 1102; Lang/Stahl/Suchomehl, NZV 2003, 443; Huber, § 4, Rz. 92 ff.; Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 22, 119 will dieses Risiko durch eine teleologische Reduktion des Betriebsbegriffs minimieren. 4 BGH v. 27. 10. 2010 – IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211 = MDR 2011, 105 = r+s 2011, 60 = VersR 2011, 105; dazu Lemcke, r+s 2011, 56. 5 S. z. B. Medicus, DAR 2000, 442; Greger, 4. Aufl., § 19, Rz. 4.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 67 Teil 2
Maßgebend für die Ausnahmeregelung in § 8 Nr. 2 StVG ist nach der Rechtsprechung des BGH1 nicht die bauartbedingte, sondern die konstruktionsbedingte Beschaffenheit; es reicht aus, wenn im Unfallzeitpunkt eine höhere Geschwindigkeit als 20 km/h infolge technischer Vorrichtungen oder Sperren nicht erreichbar war2. Es kommt also auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Kfz an, nicht auf die Eintragung im Kfz-Brief, auch nicht auf die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit.
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Diese Ausnahmeregelung gilt i. d. R. nicht für Fahrräder mit Hilfsmotor, Mofas und Mopeds; sie erreichen i. d. R. höhere Geschwindigkeiten (s. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 FeV), dann kommen Ersatzansprüche aus §§ 7, 17 StVG in Betracht. An sie ist aber vor allem bei einem Unfall mit einem Baufahrzeug (z. B. in einer Straßenbaustelle) oder mit einem landwirtschaftlichen Fahrzeug zu denken, ferner bei einem Unfall mit einem Gabelstapler3; sie wird in der Praxis häufig übersehen4. Es können dann gegen Fahrer und Halter eines solchen Kfz nur Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB) bestehen. Daran ist auch zu denken, wenn wegen der Beschädigung eines solchen Fahrzeugs Ansprüche geltend gemacht werden und es um die Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung des Geschädigten für den Unfall geht; allenfalls ein Mitverschulden rechtfertigt dann eine Anspruchskürzung, nicht die Betriebsgefahr eines solchen Kfz (s. näher fi Rz. 212 ff.). Handelt es sich um ein Fahrzeug, das gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 PflVG von der Versicherungspflicht befreit ist – z. B. um ein Kfz, das konstruktionsbedingt nicht schneller als 6 km/h fahren kann, oder um eine selbst fahrende Arbeitsmaschine oder einen Gabelstapler i. S. d. § 3 Abs. 2 FZV (früher § 18 Abs. 2 Nr. 1 StVZO), die nicht schneller als 20 km/h fahren können – besteht auch keine Versicherungspflicht und damit auch kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer aus § 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG)5. Die Rechtslage ist dann nicht anders als z. B. bei Ansprüchen gegen einen Radfahrer als Unfallverursacher.
! Hinweis: Insbesondere bei einem Unfall mit einem Baufahrzeug, landwirtschaftlichen Fahrzeug oder Gabelstapler muss die Regelung des § 8 1 BGH v. 30. 9. 1997 – VI ZR 347/96, MDR 1997, 1120 = r+s 1998, 16 = NZV 1997, 511 = DAR 1998, 15 = VersR 1997, 1525 m. Anm. Lorenz; BGH v. 17. 6. 1997 – VI ZR 156/96, NJW 1997, 2517 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 366 = VersR 97, 1115; s. auch LG Bad Kreuznach v. 14. 9. 1999 – 1 S 77/99, r+s 2000, 324. 2 KG v. 7. 1. 2002 – 22 U 8137/09, KGR 2003, 64. 3 S. z. B. KG v. 7. 1. 2002 – 22 U 8137/09, KGR 2003, 64. 4 Welche Probleme dadurch entstehen können, zeigt die Entscheidung des OLG Hamm v. 1. 3. 2001 – 6 U 214/00, r+s 2002, 11. 5 BGH v. 30. 9. 1997 – VI ZR 347/96, MDR 1997, 1120 = r+s 1998, 16 = NZV 1997, 511 = DAR 1998, 15 = VersR 1997, 1525 m. Anm. Lorenz; OLG Hamm v. 1. 3. 2001 – 6 U 214/00, r+s 2002, 11.
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Teil 2
Rz. 68
Haftungsvoraussetzungen
Nr. 1 StVG beachtet werden, bei sog. langsam fahrenden Fahrzeugen bestehen nur Ansprüche aus der Verschuldenshaftung und evtl. (in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 PflVG) auch nur gegen Halter und Fahrer, nicht gegen den Haftpflichtversicherer. (2) Anspruchsverpflichteter 68
Der Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG richtet sich gegen denjenigen, der im Augenblick des Unfalls Halter des gegnerischen Kfz oder des – mit einem Kfz verbundenen oder nicht verbundenen – gegnerischen Kfz-Anhängers ist. Ist der Halter gleichzeitig Fahrer gewesen, wird § 18 StVG durch § 7 StVG verdrängt. (a) Halter des Kfz oder des Kfz-Anhängers
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Der Halter muss weder Eigentümer des Kfz1 oder des Kfz-Anhängers noch im Kfz- oder Anhänger-Brief als Halter eingetragen noch Versicherungsnehmer des für das Kfz oder den Kfz-Anhänger abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages sein. Halter ist vielmehr derjenige, der das Kfz – und zwar nicht nur vorübergehend – für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Kfz oder den Anhänger besitzt2. Andererseits können auch mehrere Personen – z. B. Eheleute – gleichzeitig Halter sein. Sie haften dann dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner3; zwischen ihnen scheiden dann Ansprüche des mitfahrenden gegen den fahrenden Halter aus der Gefährdungshaftung aus; die Eigenbeschädigung ist kein Haftpflichttatbestand (s. auch Rz. 237)4.
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Sicherungseigentum, Leasing: Steht das Schädiger-Kfz z. B. im Sicherungseigentum einer Bank oder handelt es sich um ein Leasingfahrzeug, ist Kfz-Halter nur der Sicherungsgeber bzw. nur der Leasingnehmer; nur sie sind damit als Halter anspruchsverpflichtet5.
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Miete, Leihe, Werkvertrag, Gebrauchsüberlassung: Bei nur vorübergehender Überlassung tritt i. d. R. kein Halterwechsel ein. I. d. R. wird des-
1 Insoweit a. A. Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 261. 2 BGH v. 26. 11. 1996 – VI ZR 97/96, NJW 1997, 660 = MDR 1997, 241 = r+s 1997, 58 = VersR 1997, 204; zur Abgrenzung Eigentümer, Besitzer, Halter, Fahrer s. auch Schug, VersR 1998, 819, 820. 3 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 271 ff., 290. 4 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 246. 5 So für den Sicherungseigentümer BGH v. 30. 3. 1965 – VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273 = VersR 1965, 523; für den Leasinggeber BGH v. 22 3. 1983 – VI ZR 108/81, BGHZ 87, 133 = NJW 1983, 1492 = MDR 1983, 656 = r+s 1983, 116 = VersR 1983, 656 = DAR 1983, 224.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 74 Teil 2
halb der Mieter nicht Halter1, auch nicht der Entleiher oder der Inhaber einer Reparaturwerkstatt; sie können deshalb i. d. R. sämtlich nicht aus der Halterhaftung in Anspruch genommen werden2. Anders ist es bei längerer Gebrauchsüberlassung unter Aufgabe der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit3. Dienstfahrt, Dienstfahrzeug: Verursacht ein Beamter auf einer Dienstfahrt mit seinem Privat-Pkw einen Unfall, richten sich zwar die Ansprüche aus der Verschuldenshaftung evtl. nur gegen den Dienstherrn (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, s. näher fi Rz. 140 ff.); aus der Halterhaftung (§ 7 StVG) kann der Beamte aber persönlich in Anspruch genommen werden. Verursacht er diesen Unfall mit einem Dienstfahrzeug, kann der Halter des Dienstfahrzeugs aus der Halterhaftung in Anspruch genommen werden. In diesen Fällen ist zwar evtl. die Haftung aus §§ 823, 831 BGB durch die Sonderregeln über die Amtshaftung verdrängt; der Anspruch aus § 7 StVG gegen den Kfz-Halter besteht aber (anders als der Anspruch aus § 18 StVG) auch in den Fällen der Amtshaftung4.
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(b) Ende der Halterhaftung Im Falle der Veräußerung des Kfz oder des Kfz-Anhängers endet die Halterstellung und damit auch die Halterhaftung mit der Gebrauchsüberlassung und der Übertragung der Verfügungsgewalt; sie geht von diesem Zeitpunkt ab auf den Erwerber über5.
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Entwendung: Im Falle der Entwendung des Kfz oder des Kfz-Anhängers endet die Halterstellung ebenfalls, sobald der bisherige Halter die Verfügungsgewalt über das Kfz oder den Anhänger nicht nur vorübergehend verloren hat. Die Halterstellung und damit die Halterhaftung gehen jetzt auf den neuen Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über. In diesen Fällen haftet der neue Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt als jetziger Halter aus § 7 Abs. 1 StVG, neben ihm ggf. der Fahrer aus § 18 Abs. 1 StVG. Der frühere Halter kann nicht mehr aus § 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz in Anspruch genommen werden6. Das gilt auch dann, wenn er die Entwendung schuldhaft ermöglicht hat; § 7 Abs. 3 S. 1 2. Halbs. StVG setzt das Fortbestehen der Halterstellung voraus, diese Regelung findet
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1 BGH v. 3. 12. 1991 – VI ZR 378/90, NJW 1992, 900 = MDR 1992, 453 = r+s 1992, 185 = VersR 1992, 437. 2 S. näher Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 279 ff. 3 S. näher Greger, 4. Aufl., 283 f. m. w. H.; Eberz, DAR 2001, 393. 4 BGH v. 21. 1. 1993 – III ZR 189/91, MDR 1993, 850 = VersR 1993, 881; s. ferner Greger, 4. Aufl., § 12, Rz. 8. 5 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 279. 6 BGH v. 28. 11. 2006 – VI ZR 136/05, MDR 2007, 332 = r+s 2007, 78 = NJW 2007, 1208 = VersR 2007, 196.
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Teil 2
Rz. 75
Haftungsvoraussetzungen
deshalb hier keine Anwendung1. Der frühere Halter haftet allenfalls deliktisch. Insoweit muss der Geschädigte aber nicht nur nachweisen, dass der frühere Halter die Entwendung schuldhaft ermöglicht hat, sondern auch, dass dieser den Unfall durch sein Verschulden adäquat verursacht hat, z. B. deshalb, weil er mit einem verkehrsgefährdenden Verhalten des Benutzers rechnen musste2. 75
Unterschlagung: Im Falle der Unterschlagung des Kfz oder des Kfz-Anhängers nach vorübergehender Gebrauchsüberlassung endet die Halterstellung ebenfalls mit dem nicht nur vorübergehenden Verlust der tatsächlichen Verfügungsgewalt. Die Halterstellung und damit die Halterhaftung geht auch hier auf den neuen Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über. Daneben kann der frühere Halter auch hier nicht aus § 7 Abs. 3 S. 1 StVG in Anspruch genommen werden; auch in den Fällen der anfänglichen Gebrauchsüberlassung ist diese Bestimmung – so der BGH3 – nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (§ 7 Abs. 3 S. 2 StVG) nicht anwendbar. Der Halter, der sein Kfz oder seinen Kfz-Anhänger vermietet oder verleiht, kann also, wenn der Mieter bzw. der Entleiher das Kfz oder den Anhänger unterschlägt und er auf diese Weise die Halterstellung verliert, nicht mehr aus der Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden. Auch hier kommt allenfalls eine Haftung des früheren Halters aus § 823 BGB in Betracht. Diese Voraussetzung wird i. d. R. nicht vorliegen.
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Schwarzfahrt: Im Falle der vorübergenden unerlaubten Benutzung des Kfz (sog. Schwarzfahrt) findet kein Halterwechsel statt. Hat der Halter sein Kfz dem anderen freiwillig überlassen, bleibt er auch dann als Halter aus § 7 Abs. 1 StVG haftpflichtig, wenn der andere das Kfz jetzt vereinbarungswidrig zu einer Schwarzfahrt benutzt; die Regelung des § 7 Abs. 3 S. 1 StVG findet dann nach § 7 Abs. 3 S. 2 StVG keine Anwendung4. Daneben haftet dann der Scharzfahrer ggf. aus § 18 StVG und § 823 BGB. Anders ist es bei eigenmächtiger Inbesitznahme des Kfz durch den Schwarzfahrer. Dann geht die Halterhaftung nach § 7 Abs. 3 S. 1 StVG auf den Schwarzfahrer über; daneben bleibt der Halter trotz fortbestehender Halterstellung nach § 7 Abs. 3 S. 1 2. Halbs. StVG nur dann haftpflichtig, wenn er die Inbesitznahme schuldhaft ermöglicht hat. Im Ergebnis haftet also z. B. der Vater, der seinem Sohn sein Kfz überlässt, auch dann als Halter, wenn der Sohn abredewidrig eine Spritz1 BGH v. 26. 11. 1996 – VI ZR 97/96, NJW 1996, 660 = MDR 1997, 241 = r+s 1997, 58 = VersR 1997, 204; Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 327 ff.; § 14, Rz. 7; anders in der Vorauflage. 2 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 327 ff.; § 14, Rz. 7. 3 BGH v. 26. 11. 1996 – VI ZR 97/96, NJW 1996, 660 = MDR 1997, 241 = r+s 1997, 58 = VersR 1997, 204; s. dazu auch v. Gerlach, DAR 1997, 217, 230. 4 BGH v. 26. 11. 1996 – VI ZR 97/96, NJW 1996, 660 = MDR 1997, 241 = r+s 1997, 58 = VersR 1997, 204; Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 327 ff.; § 14, Rz. 7.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 80 Teil 2
tour unternimmt und dabei einen Unfall verursacht; hat der Sohn dagegen die Schlüssel entwendet, haftet der Vater als Halter nur dann, wenn er die Entwendung der Schlüssel schuldhaft ermöglicht hat. Sicherungspflicht des Halters: Der Halter hat die Pflicht, sein Fahrzeug gegen unbefugte Benutzung zu sichern (§ 14 Abs. 2 S. 2 StVO). An die Erfüllung dieser Pflicht – nicht nur hinsichtlich der Betätigung der Sicherungseinrichtungen beim Abstellen, sondern auch hinsichtlich der sicheren Verwahrung der Schlüssel – werden hohe Anforderungen gestellt. Hat der Halter sein Kfz nicht ausreichend gegen unbefugte Benutzung gesichert, ist er neben dem Schwarzfahrer gem § 7 Abs. 3 S. 1 StVG ersatzpflichtig, daneben besteht die Haftung aus § 823 BGB, wenn auch der Unfall durch sein Verschulden adäquat verursacht wurde, z. B. weil er mit einem verkehrsgefährdenden Verhalten des Benutzers (z. B. wegen Alkoholbeeinflussung oder wegen fehlender Fahrerlaubnis) rechnen musste1.
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Für die Regulierungspraxis ist zu beachten, dass zwar in den Fällen der Entwendung, der Unterschlagung oder der unerlaubten Benutzung des Kfz oder des Kfz-Anhängers evtl. der (frühere) Halter nicht mehr aus der Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden kann, dass aber die Haftung des KH-Versicherers aus § 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG dadurch nicht berührt wird, weil auch der nicht berechtigte Fahrer gem. §§ 1 PflVG, 10 Abs. 2c AKB zu den mitversicherten Personen gehört (s. näher fi Rz. 167 ff.).
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! Hinweis: Im Falle der Entwendung, der Unterschlagung oder der unerlaubten Benutzung des Kfz oder des Kfz-Anhängers endet zwar evtl. die Haftung des (früheren) Halters, nicht aber die Haftung des KH-Versicherers gegenüber dem Geschädigten. (3) Anspruchsberechtigter Anspruchsberechtigt ist nach § 7 Abs. 1 StVG der „Verletzte“, also derjenige, der bei dem Betrieb des Kfz oder des Kfz-Anhängers einen Personenoder Sachschaden erlitten hat.
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(a) „Verletzter“ Verletzter in diesem Sinne kann bei einem Unfall zwischen zwei Fahrzeugen sein: Halter, Fahrer und Insassen des Geschädigten-Kfz, aber auch dessen Eigentümer und evtl. auch der berechtigte Besitzer. Die sich aus §§ 8, 8a StVG ergebenden – teils durch das 2. SchadÄndG aufgeho1 OLG Oldenburg v. 29. 4. 1998 – 2 U 264/97, r+s 1999, 236 = VersR 1999, 482 = NZV 1999, 294; s. näher Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 327 ff.; § 14, Rz. 7.
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80
Teil 2
Rz. 81
Haftungsvoraussetzungen
benen – Haftungsausschlüsse gelten nur im Innenverhältnis, nicht für das Außenverhältnis zu dem gegnerischen Halter und/oder Fahrer. (b) Berechtigter Besitzer als „Verletzter“ 81
Bei einem Kfz können Eigentum, Besitz und Halterstellung auseinander fallen. Steht das beschädigte Kfz z. B. im Sicherungseigentum einer Bank oder handelt es sich um ein Leasingfahrzeug, ist zu unterscheiden: – Bezüglich des Fahrzeugschadens – des Substanzschadens – ist der Sicherungseigentümer bzw. der Leasinggeber „Verletzter“ und damit Anspruchsberechtigter. – Bezüglich der Schäden aufgrund der Beeinträchtigung des Besitzrechts ist der berechtigte Besitzer (Sicherungsgeber, Leasingnehmer, Mieter) „Verletzter“ i. S. d. § 7 StVG und damit ersatzberechtigt.
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Ist der berechtigte Besitzer Ersatzansprüchen des Eigentümers ausgesetzt, kann er zusätzlich, ohne dass es einer Abtretung bedarf, den sog. Haftungsschaden ersetzt verlangen. Hierzu rechnen die Reparatur- oder Ersatzbeschaffungskosten, und zwar auch beim Leasingfahrzeug einschließlich Mehrwertsteuer, wenn der Leasingnehmer nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist1; hierzu rechnen jedoch nicht die weiteren Miet- oder Leasingraten, da sie auch ohne den Unfall zu zahlen gewesen wären2.
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Ist zweifelhaft, ob der Anspruchsteller Eigentümer des beschädigten Kfz ist, muss er sein Eigentum nachweisen. Wer Halter des Kfz ist, muss nicht auch dessen Eigentümer sein. Erst recht folgt daraus, dass der Anspruchsteller als Halter im Kfz-Brief eingetragen ist oder dass er den Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen hat, nicht zwingend, dass er auch tatsächlich Eigentümer des Kfz ist. Allerdings gilt zugunsten des Besitzers des Kfz die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB.
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Vor allem bei Familienfahrzeugen ist oft zweifelhaft, ob nicht statt des im Kfz-Brief eingetragenen Halters oder statt des Versicherungsnehmers ein anderes Familienmitglied Eigentümer des Kfz ist. So wird z. B. der Versicherungsvertrag häufig aus wirtschaftlichen Erwägungen von einem anderen Familienmitglied als dem wahren Eigentümer abgeschlossen. Oft sind sich die Angehörigen selbst nicht sicher, wer wirklich Eigentümer ist. Im Prozess lassen sich derartige Zweifel an der Aktivlegitimation am 1 OLG Hamm v. 9. 12. 2002 – 6 U 98/02, r+s 2003, 438 = OLGR 2003, 153 = VersR 2004, 1191; OLG Hamm v. 14. 9. 2000 – 27 U 84/00, MDR 2001, 213 = OLGR 2001, 174 = VersR 2002, 174; Greger, 4. Aufl., § 27, Rz. 7; Reinking, DAR 1998, 333. 2 BGH v. 18. 11. 1980 – VI ZR 215/78, MDR 1981, 396 = VersR 1981, 161; s. auch OLG Frankfurt a.M. v. 17. 6. 1997 – 10 U 122/97, r+s 1997, 503; Greger, 4. Aufl., § 27, Rz. 7.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 85 Teil 2
einfachsten durch Vorlage entsprechender Abtretungserklärungen der in Betracht kommenden übrigen Familienmitglieder überwinden. Eine Abtretung hilft aber z. B. dann nicht weiter, wenn dem Haftpflichtversicherer dem Zessionar gegenüber Einwendungen zur Verfügung stehen (z. B. der Einwand der Einwilligung in die Schadenszufügung)1; die muss sich der Kläger, wenn er aus abgetretenem Recht klagt, ebenfalls zurechnen lassen. (4) Schaden „bei dem Betrieb“ des Schädiger-Kfz oder Anhängers Der Unfall muss „bei dem Betrieb“ des gegnerischen Kfz oder des KfzAnhängers eingetreten sein. Dieses Tatbestandsmerkmal wird nach der Rechtsprechung des BGH2 im Hinblick auf den Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG weit gefasst; die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird, sie will alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen3. Nach der vom BGH vertretenen verkehrstechnischen Auffassung werden der Betrieb eines Kfz und die von ihm ausgehende Betriebsgefahr nicht allein dadurch beendet, dass das Kfz mit ausgestelltem Motor abgestellt wird; auch von einem am Fahrbahnrand oder auf einem öffentlichen Parkplatz oder auf einem Privatgelände abgestellten Kfz kann noch eine Betriebsgefahr ausgehen4. Andererseits reicht es für einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG nicht aus, dass die Anwesenheit eines Kfz für einen Unfall kausal geworden ist5; das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ ist nur dann erfüllt, wenn das Schadensgeschehen durch die von dem Kfz ausgehende Gefahr mitgeprägt worden ist6. Es müssen sich die speziellen von einem Kfz ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben7. Diese Voraussetzung ist z. B. erfüllt, wenn ein Kfz verkehrsbehindernd auf einem Privatgelände abgestellt worden ist und dadurch ein ausgebrochenes Pferd zu Schaden kommt8. Sie ist z. B. nicht er1 OLG Hamm v. 26. 1. 1998 – 13 U 128/97, r+s 1998, 500; OLG Hamm v. 25. 3. 1993 – 6 U 199/92, r+s 1993, 444. 2 BGH v. 25.10 1994 – VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = r+s 1995, 44 = VersR 1995, 90 = NZV 1995, 19 = NJW-RR 1995, 215. 3 BGH vom 26 4. 2005 – VI ZR 168/04, MDR 2005, 1104 = r+s 2005, 348 = NZV 2005, 455 = VersR 2005, 992. 4 BGH v. 27. 11. 2007 – VI ZR 210/06, MDR 2008, 623 = r+s 2008, 212 = NZV 2008, 285 = VersR 2008, 656. 5 OLG Karlsruhe v. 29. 6. 2005 – 1 U 247/04, NJW 2005, 2318 = NZV 2005, 474. 6 BGH v. 27. 11. 2007 – VI ZR 210/06, MDR 2008, 623 = r+s 2008, 212 = NZV 2008, 285 = VersR 2008, 656; BGH v. 25. 10. 1994 – VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = r+s 1995, 44 = VersR 1995, 90 = NZV 1995, 19 = NJW-RR 1995, 215. 7 BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = NZV 1988, 63 = VersR 1988, 641. 8 BGH v. 25. 10 1994 – VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = r+s 1995, 44 = VersR 1995, 90 = NZV 1995, 19 = NJW-RR 1995, 215.
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Rz. 86
Haftungsvoraussetzungen
füllt, wenn ein Kind, ohne irgendwie bedrängt worden zu sein, mit einem Fahrrad gegen einen ordnungsgemäß am Fahrbahnrand abgestellten Pkw fährt; dann hat sich, so der BGH1, „die Betriebsgefahr nicht ausgewirkt“. 86
Soll ein fahrendes Kfz einen Unfall verursacht haben, reicht allein die Anwesenheit dieses Kfz zum Unfallzeitpunkt nicht aus; es muss durch seine Fahrweise oder durch eine sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens in zurechenbarer Weise beigetragen haben2. Es muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Schaden bestehen, ferner muss der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Schaden bejaht werden können. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn sich die Gefahr des Kfz als Fortbewegungs- und Transportmittel nicht ausgewirkt hat, wenn z. B. der Kfz-Motor nur als Arbeitsmaschine eingesetzt war, z. B. als Antriebskraft der Pumpvorrichtung für das Entladen des Tankwagens, und wenn sich nur die Gefahren des Kfz als Arbeitsmaschine verwirklicht haben3. (a) Kausalzusammenhang zwischen Betrieb und Schadensereignis
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Der Schaden muss bei dem Betrieb des Kfz „eingetreten“ sein, d. h. es muss zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen.
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Diese Voraussetzung ist bei einem Kfz-Kfz-Unfall immer erfüllt, wenn es zu einer Berührung zwischen dem in Bewegung befindlichen Schädiger-Kfz und dem anderen Kfz gekommen ist.
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Ist es zu keiner Berührung gekommen, ist der Schaden „bei dem Betrieb“ des Schädiger-Kfz eingetreten, wenn dieses Kfz, wie bereits gesagt, durch seine Fahrweise oder durch eine sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens in zurechenbarer Weise beigetragen hat4. Der Betrieb des gegnerischen Kfz muss irgendwie mitursächlich geworden sein 1 BGH v. 21. 11. 2004 – VI ZR 276/03, r+s 2006, 254 = VersR 2005, 378 = NJW-RR 2005, 327; s. auch BGH v. 30. 11. 2004 – VI ZR 335/03 und VI ZR 365/03, MDR 2005, 506 = r+s 2005, 80 und 82 (Anm. Lemcke) = NZV 2005, 137 uns 139 = VersR 2005, 376 und 380. 2 BGH v. 21. 9. 2010 – VI ZR 263/09, MDR 2010, 1379 = r+s 2010, 527 = NZV 2010, 1614 = VersR 2010, 1614; BGH v. 26. 4. 2005 – VI ZR 168/04, MDR 2005, 1104 = r+s 2005, 348 = NZV 2005, 455 = VersR 2005, 992; BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 115/04, MDR 2005, 684 = r+s 2005, 303 = NZV 2005, 305 = VersR 2005, 566. 3 BGH v. 13. 12. 1994 – VI ZR 283/93, NJW 1995, 1150 = MDR 1995, 365 = r+s 1995, 135 = VersR 1995, 427 = NZV 1995, 185; BGH v. 14. 6. 1993 – III ZR 135/92, MDR 1994, 258 = VersR 1993, 1155. 4 BGH v. 26. 4. 2005 – VI ZR 168/04, MDR 2005, 1104 = r+s 2005, 348 = NZV 2005, 455 = VersR 2005, 992; BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 115/04, MDR 2005, 684 = r+s 2005, 303 = NZV 2005, 305 = VersR 2005, 566; BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, NJW 1988, 2802 = MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = VersR 1988, 641 = NZV 1988, 63.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 90 Teil 2
für den Unfall1. Diese Voraussetzung ist z. B. erfüllt, wenn durch Kettenfahrzeuge die Fahrbahn verschmutzt worden ist und deshalb später ein anderes Kfz ins Schleudern gerät2, wenn von einer an einem Kfz angebrachten Mähmaschine, mit der der Grünstreifen einer BAB geschnitten wird, ein Stein aufgewirbelt wird, durch den ein anderes vorbeifahrendes Kfz beschädigt wird3, wenn der Luftsog eines fahrenden Lkw bewirkt, dass ein die Fahrbahn überragender Ast eines Baumes abbricht und auf eine Radfahrerin fällt4. Wird ein Kfz von Unbekannten in Brand gesetzt, verwirklicht sich dessen Betriebsgefahr, wenn infolge des Brandes der Motor anspringt und das Kfz dann auf ein anderes Kfz zurollt und dieses auf diese Weise ebenfalls in Brand setzt; anders ist es dann, wenn sich infolge des Brandes nur die Bremsen des Kfz gelöst haben5. Schließlich hat sich die Betriebsgefahr sogar dann verwirklicht, wenn ein Kfz rückwärts in eine Garage gefahren wird, sich jetzt Teile an dem noch heißen Auspuff entzünden und durch den jetzt ausbrechenden Brand Dritte geschädigt werden6. (b) Psychische Kausalität Eine die Haftung begründende Beeinflussung ist auch dann zu bejahen, wenn der Geschädigte durch den Betrieb des Schädiger-Kfz zu einem bestimmten selbstgefährdenden Verhalten veranlasst wird, z. B. zu einer Abwehr- oder Ausweichreaktion oder auch zu einer Verfolgungsfahrt, und dieses Eigenverhalten dann zu einem Unfall führt. So ist z. B. psychische Kausalität gegeben, wenn während eines Überholvorgangs der Überholer vom Überholten zu einer – objektiv nicht erforderlichen – Ausweichreaktion veranlasst wird7, wenn ein Kraftfahrer bei der Einfahrt in eine Tiefgarage einen Entgegenkommenden durch einen Schlenker nach links, ohne die Mittellinie zu überfahren, zu einer Ausweichlenkung veranlasst8, oder wenn der wartepflichtige den vorfahrtsberechtigten Kraftfahrer an einer Einmündung durch zügiges Heranfahren zu einer Ausweichlenkung veranlasst mit der Folge, dass dieser mit einem entgegenkommenden Kfz zusammenstößt. 1 KG v. 11. 10. 2001 – 12 U 1470/00, NZV 2002, 229 = DAR 2002, 265 = KGR 2002, 112. 2 BGH v. 13. 7. 1982 – VI ZR 113/81, r+s 1982, 210 = NJW 1982, 2669 = VersR 1982, 977. 3 BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 115/04, MDR 2005, 684 = r+s 2005, 303 = NZV 2005, 305 = VersR 2005, 566. 4 OLG Hamm v. 30. 3. 2007, r+s 2009, 33 = NZV 2009, 31. 5 BGH v. 27. 11. 2007 – VI ZR 210/06, MDR 2008, 623 = r+s 2008, 212 = NZV 2008, 285 = VersR 2008, 656. 6 OLG Düsseldorf v. 15. 6. 2010 – 1 U 105/09, MDR 2011, 28 = NZV 2011, 195. 7 BGH v. 21. 9. 2010 – VI ZR 263/09, MDR 2010, 1379 = r+s 2010, 527 = NZV 2010, 1614 = VersR 2010, 1614. 8 BGH v. 26. 4. 2005 – VI ZR 168/04, MDR 2005, 1104 = r+s 2005, 348 = NZV 2005, 455 = VersR 2005, 992.
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Teil 2
Rz. 91
Haftungsvoraussetzungen
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Insoweit ist verkehrswidriges Verhalten des Fahrers nicht erforderlich; das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ kann z. B. schon dann zu bejahen sein, wenn ein Radfahrer die Begegnung mit einem Kfz auf einer schmalen Straße in einer unübersichtlichen Kurve als gefährlich empfindet, deshalb ausweicht und stürzt1 oder wenn ein Pkw-Fahrer auf schmaler Straße wegen eines entgegenkommenden Busses zu weit nach rechts ausweicht und deshalb von der Fahrbahn abkommt2. Die Gefährdungshaftung ist, so der BGH3, der Preis dafür, dass durch Verwendung des Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet worden ist.
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Bloße Anwesenheit: Sie reicht allein nicht aus4. So ist das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ z. B. nicht erfüllt, wenn ein Pkw-Fahrer auf der BAB beim Überholen eines Lkw nach links von der Fahrbahn abkommt, aber möglicherweise – die Beweislast liegt insoweit beim Geschädigten – nicht wegen der Anwesenheit des Lkw, sondern aus anderen Gründen, z. B. deshalb, weil er wegen Übermüdung eingeschlafen ist5. Dann beruht der Unfall evtl. allein auf dem eigenen Fahrverhalten. (c) Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang
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Allein der adäquate Kausalzusammenhang reicht aber für die Haftung nicht aus, die Selbstschädigung muss dem Schädiger auch haftungsrechtlich zugerechnet werden können. Der Zurechnungszusammenhang zwischen Erst- und Zweitunfall ist z. B. gegeben, wenn nach einem Erstunfall ein nachfolgender Kraftfahrer in die noch ungesicherte Unfallstelle fährt; der Zurechnungszusammenhang fehlt, wenn die Unfallstelle nach dem Erstunfall bereits hinreichend abgesichert war6. Ein selbstgefährdende Verhalten muss durch den Betrieb des Schädiger-Kfz „herausgefordert“ worden sein, der Schaden muss durch die infolge der Herausforderung gesteigerte Gefahrenlage entstanden sein7. Zwar wird ein Unfall, der sich infolge einer Abwehr- oder Ausweichreaktion des Ge1 BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, NJW 1988, 2802 = MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = VersR 1988, 641 = NZV 1988, 63. 2 OLG Schleswig v. 13. 9. 1997 – 9 U 135/96, VersR 1998, 473; s. auch OLG Hamm v. 24. 10. 2000 – 27 U 62/00, MDR 2001, 154 = NZV 2001, 154. 3 BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, NJW 1988, 2802 = MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = VersR 1988, 641 = NZV 1988, 63. 4 KG v. 11. 10. 2001 – 12 U 147/00, DAR 2002, 265. 5 OLG Hamm v. 22. 1. 1996 – 13 U 156/95, OLGR 1996, 80 = zfs 1996, 248; s. hierzu auch KG v. 24. 4. 1997 – 12 U 8659/95, VersR 1998, 778. 6 BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 286/09, MDR 2010, 1378 = r+s 2011, 34 = NZV 2010, 609 = VersR 2010, 1662; BGH v. 10. 2. 2004 – VI ZR 218/03, r+s 2004, 212 = NJW 2004, 1375 = NZV 2004, 243 = VersR 2004, 529; OLG Saarbrücken v. 27. 4. 1998 – 3 U 1018/97, NZV 1999, 510 = VersR 2000, 987. 7 BGH v. 12. 3. 1996 – VI ZR 12/95, NJW 1996, 1533 = MDR 1996, 586 = r+s 1996, 438 = VersR 1996, 715; BGH v. 4. 5. 1993 – VI ZR 283/92, MDR 1993, 621 = r+s 1994, 134 = VersR 1993, 843.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 96 Teil 2
schädigten ereignet hat, dem Betrieb des Kfz, das diese Reaktion ausgelöst hat, selbst dann zugeordnet, wenn die Reaktion objektiv nicht erforderlich war1. Die Reaktion des Geschädigten muss aber zumindest aus seiner Sicht subjektiv vertretbar erscheinen2. Deshalb kann z. B. bei einer überzogenen Schreckreaktion des Geschädigten der Zurechnungszusammenhang zu verneinen sein. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang kann z. B. auch dann fehlen, wenn nicht der Unfall als solcher, sondern erst nachträgliche Auseinandersetzungen bei der Unfallaufnahme einen Schlaganfall auslösen3. Der BGH hat den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang ferner verneint, wenn allein Unfallgeräusche dazu führen, dass in Massentierhaltung aufgezogene Schweine in Panik geraten und verenden4.
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! Hinweis: Haben sich die Fahrzeuge nicht berührt, muss der Geschädigte nachweisen, dass der Betrieb des gegnerischen Kfz irgendwie mitursächlich geworden ist für den Unfall; seine Abwehr- oder Ausweichreaktion muss zumindest subjektiv vertretbar erscheinen. (5) Schaden durch „Unfall“ § 7 Abs. 1 StVG fordert nicht ausdrücklich, dass der Schaden durch einen „Unfall“ entstanden ist. Es wird lediglich der in § 7 Abs. 1 StVG umschriebene Tatbestand in § 7 Abs. 2 StVG kurz „Unfall“ genannt. Dennoch entspricht es allgemeiner Meinung, dass der Schaden durch einen „Unfall“, d. h. durch ein plötzlich eingetretenes Ereignis, entstanden sein muss, und dass schleichende Schäden, z. B. durch dauerndes Befahren oder dauernde Erschütterungen entstehende Schäden, nicht zu einer Haftung nach § 7 StVG führen5.
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Ob es sich um ein plötzliches unfreiwilliges Ereignis gehandelt haben muss, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 StVG ebenfalls nicht. Teilweise wird dieses gefordert; ein mit dem Willen des Geschädigten herbeigeführter Schadensfall sei kein Unfall6. Der BGH sieht aber die Einwilligung des Geschädigten in die Rechtsgutverletzung als Rechtfertigungsgrund7; daraus
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1 OLG Schleswig v. 13. 8. 1997 – 9 U 135/96, VersR 1998, 473 = OLGR 1998, 4. 2 KG v. 24. 4. 1997 – 12 U 8659/95, VersR 1998, 778 m. w. N. 3 BGH v. 6. 6. 1989 – VI ZR 241/88, BGHZ 107, 359 = NJW 1989, 2618 = MDR 1989, 899 = r+s 1989, 283 (nur LS) = VersR 1989, 823. 4 BGH v. 2. 7. 1991 – VI ZR 6/91, BGHZ 115, 84 = NJW 1991, 2586 = MDR 1991, 1040 = r+s 1992, 11 = VersR 1991, 1068; s. hierzu aber auch LG Köln v. 31. 7. 1997 – 21 O 267/95, VersR 1999, 633. 5 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 26 ff.; Geigel/Kaufmann, Kap. 25, Rz. 6. 6 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 30 f. 7 BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 235 = VersR 1978, 862.
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Teil 2
Rz. 97
Haftungsvoraussetzungen
ist zu folgern, dass jedenfalls nach der Auffassung des BGH die Unfreiwilligkeit des Schadensereignisses nicht Tatbestandsvoraussetzung ist; auch der verabredete „Unfall“ ist danach also ein Unfall i. S. d. § 7 StVG. (6) Rechtswidrigkeit 97
Zwar enthält § 7 StVG, anders als § 823 BGB, nicht ausdrücklich das Erfordernis der Rechtswidrigkeit. Deshalb wird teilweise vertreten, im Rahmen des § 7 StVG sei Rechtswidrigkeit der Rechtsgutverletzung nicht Anspruchsvoraussetzung1. Richtig ist jedenfalls, dass für die Haftung aus § 7 StVG ein verkehrswidriges Verhalten nicht Anspruchsvoraussetzung ist; allein ein verkehrsrichtiges Verhalten schließt die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG noch nicht aus.
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Auch das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes führt nicht zwingend zur Haftungsbefreiung. So mag z. B. dem Kraftfahrer, der einem auf die Fahrbahn laufenden Kind ausweicht und dabei in Kauf nimmt, gegen ein am Fahrbahnrand abgestelltes Kfz zu geraten, hinsichtlich der Beschädigung dieses Kfz ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stehen (§ 904 BGB); um der Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG zu entgehen, müsste er aber dem anderen Kraftfahrer gegenüber gem. § 17 Abs. 3 StVG nicht nur den Nachweis erbringen, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat, sondern darüber hinaus, dass er die größtmögliche Sorgfalt beachtet hat (s. fi Rz. 100 ff.). Gleiches dürfte gelten, wenn ein Polizeifahrzeug ein fliehendes Kfz bei der Verfolgung versehentlich anfährt oder gar absichtlich rammt2. Hat der Geschädigte dagegen (wie z. B. beim verabredeten Unfall) in die Beschädigung seines Kfz eingewilligt, liegt ein die Haftung ausschließender Rechtfertigungsgrund vor3. (7) Vorsatz
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Auch ein vorsätzlich herbeigeführter „Unfall“ ist ein Unfall i. S. d. § 7 Abs. 1 StVG (s. auch fi Rz. 96); wer also aus Ärger oder aus anderen Beweggründen, z. B. aus Zerstörungslust oder in Selbsttötungsabsicht, vorsätzlich mit seinem Kfz gegen ein fremdes Kfz fährt oder mit einem Kfz einen sonstigen Personen- oder Sachschaden anrichtet, haftet persönlich aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensersatz (der KH-Versicherer haftet dagegen insoweit gem. § 103 VVG n. F., früher § 152 VVG, nicht, s. näher fi Rz. 171 f.). 1 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 60; a. A. Geigel/Kaufmann, Kap. 25, Rz. 4 ff. 2 OLG Hamm v. 19. 1. 1995 – 6 U 98/94, MDR 1995, 213 = r+s 1995, 295 = NZV 1995, 320 = NJW-RR 1996, 282 = OLGR 1995, 136; OLG Hamm v. 7. 10. 1987 – 11 U 40/87, NJW 1988, 1096. 3 BGH v. 13. 12 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 235 = VersR 1978, 862.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 101 Teil 2
(8) Entlastungsbeweis des Halters des Kfz oder Anhängers Die Ersatzpflicht ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 StVG nur noch ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
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Das ist aber nur zum Teil richtig. Denn nach § 17 Abs. 3 StVG ist die Haftung gegenüber einem geschädigten Kfz-Halter (oder gegenüber einem Kfz-Eigentümer, der nicht Halter ist, s. § 17 Abs. 3 S. 3 StVG) weiterhin schon dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird. Diese Regelung, die erst kurz vor der endgültigen Verabschiedung in das 2. SchadÄndG aufgenommen worden ist, ist missglückt. Sie hätte mit in den § 7 StVG gehört; zumindest hätte es in § 7 Abs. 2 StVG eines Hinweises auf § 17 Abs. 3 StVG bedurft1. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll unter unfallbeteiligten Kfz-Haltern bzw. Eigentümern auch weiterhin schon der Unabwendbarkeitsnachweis zum Ausschluss der Halterhaftung führen. Weil aber § 17 Abs. 4 StVG auf § 17 Abs. 3 StVG verweist und weil auch § 18 Abs. 3 StVG auf § 17 StVG verweist, gilt dieser erleichterte Entlastungsbeweis für den gesamten Anwendungsbereich der §§ 17, 18 StVG, also auch bei Unfällen zwischen Kfz bzw. Anhänger und Tier bzw. Bahn im Verhältnis zwischen dem Kraftfahrer und dem Tierhalter bzw. Bahnunternehmer. Bei einem Unfall zwischen einem Kfz und einem Tier ist also der Kraftfahrer nach § 17 Abs. 4 und Abs. 3 StVG nicht mitverantwortlich, wenn er den Unabwendbarkeitsbeweis führen kann; es kommt nicht zur Abwägung, er haftet nicht und hat selbst einen quotenmäßig ungekürzten Ersatzanspruch. Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 StVG reduziert sich damit tatsächlich auf die Fälle, in denen der Geschädigte weder für eine bei dem Unfall mitwirkende Betriebsgefahr eines Fahrzeugs oder einer Bahn noch für eine bei dem Unfall mitwirkende Tiergefahr einzustehen hat. Zugunsten des in Anspruch genommenen Halters eines Kfz oder Kfz-Anhängers besteht jetzt also – entgegen dem insoweit irreführenden Wortlaut des § 7 Abs. 2 StVG – ein zweistufiger Entlastungsbeweis2: – Gegenüber einem Geschädigten, der selbst nicht nach dem Ausgleichssystem der §§ 17, 18 StVG für eine mitwirkende Betriebs- oder Tiergefahr, sondern allenfalls für einen persönlichen Verursachungsbeitrag gem. §§ 9 StVG, 254 BGB einzustehen hat, ist der Halter eines Kfz oder Kfz-Anhängers als Schädiger nach § 7 Abs. 2 StVG nur bei höherer Gewalt entlastet. Das gilt insbesondere für Unfälle mit geschädigten Fußgängern und Radfahrern, aber auch mit geschädigten Kfz-Insassen, wenn sie nicht Halter oder Fahrer sind, und schließlich mit ge1 Lemcke, zfs 2002, 318, 320; Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 349 m. w. N. 2 S. auch Lemcke, zfs 2002, 318, 320.
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Teil 2
Rz. 102
Haftungsvoraussetzungen
schädigten Haltern oder Fahrern eines Kfz, das nach § 8 Nr. 1 StVG nicht der Gefährdungshaftung unterliegt (s. näher fi Rz. 206 ff.). – Gegenüber einem Geschädigten, der selbst ebenfalls nach dem Ausgleichssystem der §§ 17, 18 StVG für eine mitwirkende Betriebs- oder Tiergefahr einzustehen hat, ist der Halter eines Kfz oder Kfz-Anhängers als Schädiger nach § 17 Abs. 3 StVG schon bei unabwendbarem Ereignis entlastet (s. näher fi Rz. 202 ff). – Bei einem Kfz-Kfz-Unfall trägt somit im Ergebnis jeder Kraftfahrer seinen Schaden allein, wenn sich beide auf Unabwenbarkeit berufen können. Wird aber einer von ihnen von einem bei dem Unfall verletzten Insassen oder Fußgänger in Anspruch genommen, ist er diesem gegenüber haftpflichtig. Reguliert er diesen Schaden des Dritten, stellt sich die Frage, ob er diesen endgültig allein zu tragen hat. Dieses unsinnige Ergebnis muss und kann durch eine teleologische Reduktion des § 17 Abs. 3 StVG vermeiden werden; diese Norm ist im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs nach §§ 17 Abs. 1 StVG, 426 Abs. 1 BGB nicht anwenbar1. (a) Höhere Gewalt i. S. d. § 7 Abs. 2 StVG 102
Wann höhere Gewalt vorliegt, ist in § 7 Abs. 2 StVG nicht näher erläutert. Die für Bahnen außerhalb von Straßen schon immer geltende Regelung (§ 1 Abs. 2 S. 1 HPflG a. F.) ist zu Lasten des Kfz-Halters in das StVG übernommen worden. Die für Bahnen entwickelten Rechtsgrundsätze können herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung des RG und des BGH, auf die auch die amtl. Begründung zum 2. SchadÄndG Bezug nimmt, muss ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis vorliegen, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist2.
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Mit dieser Gesetzesänderung ist der Entlastungsbeweis des Halters gegenüber Verletzten, die allenfalls für einen persönlichen Verursachungsbeitrag einzustehen haben, nur noch theoretisch möglich; praktisch ist er bei einem Verkehrsunfall ausgeschlossen. Zu denken ist hier an Naturereignisse wie Blitzschlag, Bergrutsch, Lawinenabgang o. Ä. oder technische Katastrophen wie Explosion, Flugzeugabsturz o. Ä. Soweit es um Handlungen dritter Personen geht, z. B. Steinewerfen, Gewalteinwir1 So auch Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 359, § 36, Rz. 20 m. w. N. 2 BGH v. 15. 3. 1988 – VI ZR 115/87, MDR 1988, 851 = VersR 1988, 910; s. dazu Steffen, DAR 1998, 135; Filthaut, HPflG, 5. Aufl., § 1, Rz. 158 f.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 105 Teil 2
kung, müssen sie unvorhersehbar und unabwendbar sein sein; dass plötzlich hinter einem abgestellten Fahrzeug ein Kind hervorkommen kann, ist nicht unvorhersehbar1. Allerdings ist der Begriff der höheren Gewalt, so der BGH2 zur Bahnhaftung, ein wertender Begriff, der die Risiken ausschließen will, die mit dem Bahnbetrieb nichts zu tun haben und bei einer rechtlichen Bewertung nicht mehr dem Betrieb der Bahn, sondern allein dem Drittereignis zugerechnet werden können. Auf den Betrieb eines Kfz oder Kfz-Anhängers übertragen stellt sich die Frage, ob der Halter z. B. auch dann noch haftpflichtig ist, wenn ein Kfz oder Kfz-Anhänger ordnungsgemäß auf einem öffentlichen Parkplatz oder in einer Parkbucht abgestellt ist und hier ein Kind infolge eigener Unaufmerksamkeit mit seinem Fahrrad oder als Skater gegen dieses Fahrzeug gerät, stürzt und sich verletzt.
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Es stellt sich dann schon die Vorfrage, ob dieses Fahrzeug bei dem Unfall überhaupt noch „im Betrieb“ gewesen ist i. Sd. § 7 StVG und ob sich die Betriebsgefahr üerhaupt ausgewirkt hat (fi Rz. 85). Selbst wenn das bejaht werden müsste, hat der Unfall aber jedenfalls mit den Risiken, vor denen das StVG schützen will, nichts zu tun. Falls deshalb ein Unfall „bei dem Betrieb des Kfz oder Anhängers“ zu bejahen ist, dürfte jedenfalls höhere Gewalt gegeben sein; es kann keinen Unterschied machen, ob das Kind gegen das Fahrzeug oder gegen einen Baum oder eine Mauer geraten und deshalb gestürzt ist, die Gefahr, die von dem Kfz ausgeht, unterscheidet sich hier nicht von der Gefahr, die von dem Baum oder von der Mauer ausgeht. Jedenfalls ist es aber jetzt mit einem erheblichen Risiko verbunden, ein nicht oder nicht mehr versichertes Fahrzeug – Kfz oder Kfz-Anhänger – vorübergehend im öffentlichen Verkehrsraum abzustellen; evtl. ist der Halter den Risiken der Gefährdungshaftung ausgesetzt. (b) Unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG § 17 Abs. 3 StVG stimmt inhaltlich mit § 7 Abs. 2 StVG a. F. weitgehend überein; die zu § 7 Abs. 2 StVG a. F. entwickelten Rechtsgrundsätze gelten deshalb weiter. Der Kfz-Halter hat den Entlastungsbeweis gem. § 7 Abs. 2 StVG geführt, wenn er nachweist, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Als unabwendbar gilt danach ein Ereignis insbesondere dann, wenn es nicht auf einem technischen Versagen des Kfz beruht und wenn der Fahrer jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewandt hat. Beruht der Unfall also möglicherweise auf einem technischen Versagen des Kfz 1 S. näher Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 355 ff. 2 BGH v. 15. 3. 1988 – VI ZR 115/87, MDR 1988, 851 = VersR 1988, 910.
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Teil 2
Rz. 106
Haftungsvoraussetzungen
(z. B. auf einem Versagen der Bremsen), scheidet der Entlastungsbeweis schon deshalb aus. Erst recht hat der Kfz-Halter den Entlastungsbeweis nicht geführt, wenn der Fahrer seines Kfz (er selbst oder ein anderer) möglicherweise einen Fahrfehler begangen hat. 106
Während § 276 BGB für die Frage des Verschuldens – auf den „Durchschnittsfahrer“ – abstellt, stellt § 17 Abs. 3 StVG wie bisher § 7 Abs. 2 StVG für die Frage der Entlastung – auf den „Idealfahrer“ ab. Dieser beachtet die zur Vermeidung des konkreten Unfalls erforderliche größtmögliche Sorgfalt Sie geht über die nach § 276 BGB zu beachtende „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ weit hinaus. Vor allem reicht dazu die Beachtung der Verkehrsregeln allein nicht aus1. Wer z. B. auf der Autobahn als Lkw-Fahrer einem anderen Lkw-Fahrer das Einfädeln auf die BAB nicht durch Ausweichen nach links erleichtert, begeht zwar keinen Verkehrsverstoß; er verhält sich aber nicht wie der Idealfahrer und ist nicht entlastet, wenn es zu einem Unfall kommt, weil er entgegen der Erwartung des anderen Lkw-Fahrers nicht ausweicht2. Wer auf der BAB die empfohlene Richtgeschwindigkeit erheblich überschreitet, verstößt nicht allein deshalb gegen irgendwelche Verkehrsregeln. Wer schneller fährt, erhöht aber die von dem Kfz ausgehenden Gefahren, vor allem auch die Gefahr, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit unterschätzt und sich deshalb auf diese Fahrweise nicht einstellt. Der Idealfahrer befolgt deshalb diesen „Vernunftaufruf“ und vermeidet diese Gefahrerhöhung3.
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Allerdings muss das dem Idealverhalten widersprechende Verhalten unfallursächlich geworden sein. Wer mit mehr als 130 km/h in einen Unfall verwickelt wird, kann deshalb den Unabwendbarkeitsbeweis auch dadurch führen, dass er nachweist, dass es auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit zu einem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre4.
1 OLG Frankfurt a. M. v. 8. 1. 1998 – 15 U 3/97, VersR 1999, 770 = OLGR 1998, 306; OLG Frankfurt a. M. v. 19. 3. 1998 – 15 U 184/97, MDR 1998, 1097 = VersR 1998, 771 = OLGR 1998, 305. 2 OLG Hamm v. 27. 10. 1999 – 13 U 14/99, VersR 2001, 654. 3 BGH v. 17. 3. 1992 – VI ZR 62/91, MDR 1992, 647 = r+s 1992, 228 = VersR 1992, 714 m. Anm. Reiff; OLG Hamm v. 10. 1. 2000 – 6 U 191/99, VersR 2001, 779; OLG Hamm v. 8. 9. 1999 – 13 U 35/99, NZV 2000, 42. 4 BGH v. 17. 3. 1992 – VI ZR 62/91, MDR 1992, 647 = r+s 1992, 228 = VersR 1992, 714 m. Anm. Reiff.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 108 Teil 2
Deshalb ist der Entlastungsbeweis auch z. B. bei einem Unfall im Begegnungsverkehr nicht geführt, wenn zwar nicht festgestellt werden kann, dass der Fahrer gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat, andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass er durch ein weiteres Ausweichen weiter nach rechts den Unfall möglicherweise vermieden hätte1. Wer auf einer Ölspur ins Rutschen kommt, muss nachweisen, dass auch ein entsprechend aufmerksamer, geschickter, umsichtiger und geistesgegenwärtiger Idealfahrer die Situation nicht beherrscht und den Unfall nicht vermieden hätte2. Andererseits bedeutet Unabwendbarkeit nicht absolute Unvermeidbarkeit; der Entlastungsbeweis ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein anderes Verhalten des Fahrers den Unfall möglicherweise verhindert hätte3. Außerdem geht es allein um das zur Abwendung des konkreten Schadensfalles erforderliche Idealverhalten; es muss neben dem Kausalzusammenhang auch der Zurechnungszusammenhang bestehen. Musste z. B. auch der in § 7 Abs. 2 a. F. StVG vorausgesetzte „Idealfahrer“ nicht damit rechnen, dass von rechts ein Kind auf die Fahrbahn läuft, und deshalb aus diesem Grund nicht langsamer fahren, steht es dem Unabwendbarkeitsbeweis nicht entgegen, wenn der Idealfahrer aus einem davon unabhängigen anderen Grund Veranlassung zu langsamerer Fahrweise gehabt hätte4. Der Entlastungsbeweis nach § 17 Abs. 3 StVG ist geführt, wenn feststeht, dass der Unfall nicht auf einem technischen Versagen des Kfz beruht und dass auch der Idealfahrer diesen Unfall nicht vermieden hätte; hat der in Anspruch genommene Kfz-Halter sein Kfz nicht selbst geführt, muss er beweisen, dass der Fahrer seines Kfz diese größtmögliche Sorgfalt beachtet hat. Der Entlastungsbeweis nach § 17 Abs. 3 StVG ist misslungen, – wenn der Unfall möglicherweise auf einem technischen Versagen des Kfz beruht oder – wenn der Unfall bei Anwendung der vom Idealfahrer zu erwartenden größtmöglichen Sorgfalt möglicherweise vermieden worden wäre.
1 OLG Frankfurt a. M. v. 8. 1. 1998 – 15 U 3/97, VersR 1999, 770 = OLGR 1998, 306; s. auch OLG Frankfurt a. M. v. 19. 3. 1998 – 15 U 184/97, MDR 1998, 1097 = VersR 1999, 771 = OLGR 1998, 305. 2 OLG Köln v. 20. 10. 1993 – 2 U 48/93, r+s 1994, 94 = VersR 1994, 573. 3 BGH v. 21. 2. 1985 – III ZR 205/83, NJW 1985, 1950, 1951 = MDR 1986, 34 = VersR 1985, 637. 4 BGH v. 25. 9. 1990 – VI ZR 19/90, MDR 1991, 327 = r+s 1991, 15 = VersR 1990, 1366; s. auch BGH v. 21. 2. 1985 – III ZR 205/83, NJW 1985, 1950, 1951 = MDR 1986, 34 = VersR 1985, 637.
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Teil 2 109
Rz. 109
Haftungsvoraussetzungen
Darüber hinausgehend ist der Entlastungsbeweis nach der Rechtsprechung des BGH zu § 7 Abs. 2 StVG a. F.1 – das ist von besonderer Bedeutung für die Schadensabwicklung und es ist kein Grund ersichtlich, warum das zu § 17 Abs. 3 StVG n. F. nicht gelten sollte – bereits dann misslungen, – wenn der Unfall bei Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt möglicherweise jedenfalls weniger folgenschwer gewesen wäre. Diese Auffassung ist allerdings nicht unbedenklich; Greger2 ist der Auffassung, es reiche im Rahmen des § 7 Abs. 2 StVG aus, wenn der Schädiger nachweise, dass er das Ereignis, d. h. den Unfall als solchen, nicht habe vermeiden können; der Beweis, dass es auch nicht möglich gewesen sei, die Folgen irgendwie abzumildern, sei praktisch nie zu führen.
! Hinweis: Der Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. und jetzt nach § 17 Abs. 3 StVG n. F. ist nach der Rechtsprechung des BGH bereits dann misslungen, wenn der Unfall bei größtmöglicher Sorgfalt möglicherweise weniger folgenschwer gewesen wäre. Eine besondere Regelung ist in § 17 Abs. 3 S. 3 StVG für den Eigentümer eines Kfz, der nicht zugleich dessen Halter ist, getroffen. Sie gilt insbesondere für Leasingfahrzeuge und sicherungsübereignete Fahrzeuge. Macht z. B. nach einem Unfall mit einem Leasingfahrzeug der Leasinggeber als (Nur-) Eigentümer gegen den gegnerischen Kfz-Halter Schadensersatzansprüche geltend, ist dieser von der Haftung freigestellt, wenn er den Unabwendbarkeitsbeweis führen kann. Daraus folgt aber nicht, dass der Leasinggeber, obwohl nicht Halter des Leasingfahrzeugs, ggf. auch einen Quotenabzug nach § 17 StVG wegen mitwirkender Betriebsgefahr seines Kfz hinnehmen muss (dazu näher fi Rz. 219 ff.). (9) Anspruchsumfang und Höhe (a) Personenschäden 110
Nach §§ 253 BGB, 11 StVG a. F. beschränkte sich der Anspruch aus §§ 7, 18 StVG im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit auf den Ersatz der materiellen Personenschäden. Dieses ist jetzt geändert. Nach §§ 253 BGB, 11 StVG n. F. besteht auch im Rahmen der Gefährdungshaftung ein Schmerzensgeldanspruch. Die ursprüngliche Absicht, zum Ausgleich dafür allgemein eine Erheblichkeitsschwelle für Schmerzensgeldansprüche zu schaffen, ist nicht realisiert worden. Schmerzensgeld1 BGH v. 9. 2. 1982 – VI ZR 59/80, MDR 1982, 569 = r+s 1982, 73 = VersR 1982, 441 = DAR 1982, 226; s. auch z. B. OLG Jena v. 25. 1. 2001 – 1 U 716/00, r+s 2002, 194. 2 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 363.
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Rz. 111 Teil 2
ansprüche entfallen somit auch weiterhin wie bisher nur bei Bagatellverletzungen1. Diskutiert wird, ob bei Ansprüchen aus der Gefährdungshaftung das Schmerzensgeld niedriger zu bemessen ist als bei Ansprüchen aus der Verschuldenshaftung. Das ist aber für den Regelfall – leichte Fahrlässigkeit – zu verneinen2. Bei der Schmerzensgeldbemessung steht die Ausgleichsfunktion im Vordergrund3. Zwar ist die Genugtuungsfunktion auch bei nicht vorsätzlichen Delikten nicht bedeutungslos; ein grobes Verschulden wirkt schmerzensgelderhöhend4. Es ist aber für die Schmerzensgeldbemessung ohne Bedeutung, ob dem haftpflichtigen Kraftfahrer ein leichtes Versehen unterlaufen ist oder ob er nur nicht entlastet ist. Die Frage, ob der haftpflichtige Kraftfahrer den Unfall verschuldet hat oder ob er sich nur nicht entlasten kann und deshalb nur aus der Betriebsgefahr haftet, wird deshalb dann, wenn der Kraftfahrer dem Grunde nach voll haftet, oft nicht mehr klärungsbedürftig sein. Anders ist es in den Abwägungsfällen, wenn also auch der Geschädigte für den Unfall mitverantwortlich ist und deshalb für die Bildung der Haftungsquote eine Haftungsabwägung nach § 17 StVG oder nach § 254 BGB erfolgen muss; im Rahmen der Haftungsabwägung hat die Frage, ob die Betriebsgefahr durch Verschulden erhöht ist, auch weiterhin große Bedeutung. (b) Sachschäden Beförderte Sachen: Die Gefährdungshaftung greift bei der Beschädigung beförderter Sachen grundsätzlich nicht ein. Dann kommen nur vertragliche Ansprüche oder Ansprüche aus der Verschuldenshaftung in Betracht. Dieses ist jetzt in § 8 Nr. 3 StVG und klarer als bisher geregelt. Dort ist jetzt ferner geregelt, dass auch für auf einem Anhänger beförderte Güter die Gefährdungshaftung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Anders war es immer schon geregelt im Falle der entgeltlichen Personenbeförderung hinsichtlich der Sachen, die eine beförderte Person an sich trägt oder mit sich führt. Nachdem für Insassen die Beschränkung auf entgeltliche, geschäftsmäßige Personenbeförderung gefallen ist, musste sie auch hier fallen. Jetzt ist also auch bei unentgeltlicher Personenbeförderung im Rahmen der Gefährdungshaftung Ersatz zu leisten für Schäden 1 BGH v. 11. 11. 1997 – VI ZR 376/96, BGHZ 137, 142 = NJW 1998, 810 = r+s 1998, 20 = VersR 1998, 201 = MDR 1998, 157; Heß, zfs 2001, 532, 533. 2 OLG Celle v. 23. 1. 2004 – 14 W 51/03, NJW 2004, 1185 = NZV 2004, 251 = VersR 2005, 91 = OLGR 2004, 200. 3 BGH v. 29. 11. 1994 – VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117 = MDR 1995, 482 = r+s 1995, 97 (Anm. Lemcke) = VersR 1995, 351; s. näher Heß, zfs 2001, 532. 4 BGH v. 2. 2. 1982 – VI ZR 296/80, BGHZ 83, 71 = MDR 1982, 478 = r+s 1982, 71 = NJW 1982, 985 = VersR 1982, 400; s. auch Heß, zfs 2001, 532, 533.
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Rz. 112
Haftungsvoraussetzungen
an Sachen, die Insassen an sich tragen oder mit sich führen. Dazu gehören insbesondere mitgeführte Koffer und sonstiges Gepäck, ferner z. B. mitgeführte Fotoapparate, Fahrräder, Skier, Tiere. Bei Insassen, die zugleich Mitversicherte sind, ist die Haftung für Sachschäden gem. §§ 4 Nr. 1 KfzPflVV, 11 Nr. 2 AKB insgesamt ausgeschlossen. 112
Kein Ersatz der MWSt bei fiktiver Abrechnung des Sachschadens: Zwar kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung der Sache den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen; das ist der Betrag, den er für eine Reparatur in einer Fachwerkstatt aufwenden müsste, einschließlich der MWSt. Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB schließt aber jetzt bei Beschädigung einer Sache der Ersatzanspruch die Umsatzsteuer nur noch mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist1. Der Geschädigte kann also bei fiktiver Abrechnung nur noch den Nettobetrag verlangen; das gilt allgemein für Sachschäden, nicht nur für Schäden an Fahrzeugen (s. näher Teil 3 Sachschaden). (c) Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG
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Sie betrugen für Unfälle bis zum 31. 7. 2002 gem. § 12 StVG a. F. im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen 500 000 DM bzw. jährlich 30 000 DM Rente, im Falle der Verletzung oder Tötung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis 750 000 DM bzw. jährlich 45 000 DM Rente, im Falle der Sachbeschädigung 100 000 DM, aufgrund der Anhebung durch das 2. SchadÄndG gem. § 12 StVG n. F. für Unfälle ab dem 1. 8. 2002 bis zum 17. 12. 2007 im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen 600 000 Euro bzw. jährlich 36 000 Euro Rente, im Falle der Verletzung oder Tötung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis 3 000 000 Euro bzw. jährlich 180 000 Euro Rente, im Falle der Sachbeschädigung 300 000 Euro. Für Unfälle ab dem 18. 12. 2007 sind die Höchstbeträge durch das 2. PflVÄndG gem. § 12 StGB n. F. erneut wesentlich angehoben worden, im Falle der Tötung oder Verletzung eines oder mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis jetzt auf 5 000 000 Euro, im Falle der Sachbeschädigung jetzt auf 1 000 000 Euro. Für Schäden beim Transport gefährlicher Güter sieht § 12a StVG n. F. noch deutlich höhere Höchstbeträge vor, für Schäden beim Betrieb von gepanzerten Gleiskettenfahrzeugen entfallen die Höchstbeträge nach § 12b StVG n. F. ganz. Besteht die Gefahr, dass die Höchstbeträge überschritten werden – das Problem kann sich auch weiterhin in Altfällen stellen –, muss die Haftungsbegrenzung in das Urteil aufgenommen werden. Daran ist insbesondere bei Renten- und Feststellungsurteilen zu denken. Ist das ver1 S. dazu Lemcke, NZV 2009, 115; Lemcke, r+s 2003, 441; Lemcke, r+s 2002, 265; Freyberger, MDR 2002, 867; Heß, zfs 2002, 367.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 116 Teil 2
säumt worden, ist die Haftung nur dann auf die Höchstbeträge des § 12 StVG beschränkt, wenn die Urteilsgründe zweifelsfrei ergeben, dass sich die Leistungspflicht nur auf die Bestimmungen des StVG gründet1.
! Hinweis: Bestehen lediglich Ansprüche aus der Gefährdungshaftung und besteht bei einem Renten- oder Feststellungsurteil die Gefahr, dass die Haftungsgrenzen der §§ 12, 12a StVG überschritten werden, muss der Anwalt des Schädigers darauf hinwirken, dass die Haftungsbegrenzung in das Urteil aufgenommen wird. bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung Die Verschuldenhaftung hat aufgrund der zweifachen Anhebung der Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG zum 1. 8. 2002 und erneut zum 18. 12. 2007 (s. näher fi Rz. 113) an Bedeutung verloren, zumal durch die Gefährdungshaftung seit dem 1. 8. 2002 auch die immateriellen Schäden erfasst sind; sie ist praktisch nur noch für Altfälle von Bedeutung. Die Frage, ob der Kraftfahrer den Unfall schuldhaft verursacht hat im Sinne des § 823 BGB, hat aber weiterhin ihre große Bedeutung für alle Fälle, in denen es um eine Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung des Geschädigten geht. Denn für die Haftungsabwägung ist weiterhin von wesentlicher Bedeutung, ob die Betriebsgefahr durch Verschulden erhöht ist.
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(1) Haftung des Halters als Kfz-Fahrer Hat der Halter den Unfall selbst als Fahrer seines Kfz verschuldet, haftet er aus § 823 Abs. 1 BGB – und evtl zusätzlich aus § 823 Abs. 2 BGB – auf Ersatz aller unfallbedingten und zurechenbaren Personen- und Sachschäden. Er haftet der Höhe nach unbeschränkt, also ggf. über die Höchstsätze der §§ 12, 12a StVG und auch über die mit dem Haftpflichtversicherer vereinbarte Versicherungssumme hinaus.
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Weil es im Verkehrsrecht nahezu immer um die Verletzung eines absoluten Rechts i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB (Leben, Körper, Gesundheit, Eigentum) geht, wird die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i. d. R. mit der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB zusammentreffen, d. h. die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB hat im Verkehrsrecht nur geringe praktische Bedeutung. Fahrlässige Unfallverursachung: Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Der Halter muss den Unfall als Fahrer durch ein – objektiv verkehrswidriges (pflichtwidriges) und auch – subjektiv vorwerfbares Verhalten verursacht haben. 1 BGH v. 20. 12. 1981 – VI ZR 170/80, NJW 1982, 447 = VersR 1981, 1120.
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Teil 2
Rz. 117
Haftungsvoraussetzungen
(a) Verkehrswidriges (pflichtwidriges) Verhalten 117
Der Kraftfahrer hat nicht nur die speziellen Verkehrsregeln der StVO zu beachten (z. B. Vorfahrtregelungen, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Rechtsfahrgebot pp.), sondern auch die allgemeinen Verhaltensanforderungen, z. B. das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 StVO) und das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 StVO)1; u. U. muss er sogar auf sein Vorrecht verzichten (§ 11 Abs. 2 StVO) 2. So ist z. B. eine Geschwindigkeitsverletzung nicht nur gegeben, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten ist (§ 3 Abs. 3 StVO), sondern auch schon dann, wenn die örtlichen Verhältnisse eine geringere Geschwindigkeit erfordert hätten, wenn z. B. gegen das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1) verstoßen ist, bei engen Straßen evtl. sogar schon dann, wenn gegen das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht (§ 3 Abs. 1 S. 5 StVO) verstoßen ist3. Insbesondere Eis und Schnee können eine langsamere Fahrweise gebieten; ein Kradfahrer kann auch deshalb zu langsamerer Fahrweise verpflichtet sein, weil Regentropfen auf dem Visier die Sicht verschlechtern4.
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Wer z. B außerorts bei Dunkelheit wegen Gegenverkehrs zum Abblenden gezwungen ist, muss – hiergegen wird besonders häufig verstoßen – auch seine Geschwindigkeit den verkürzten Sichtverhältnissen anpassen; das erfordert, wenn keine sonstigen Lichtquellen vorhanden sind, eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf unter 70 km/h5. Während des Überholens sind die Sichtverhältnisse wegen der Asymmetrie des Abblendlichts sogar noch schlechter; dennoch muss das Sichtfahrgebot beachtet werden; um überhaupt ein Überholen bei Dunkelheit zu ermöglichen, ist trotz des Blendverbots ein kurzfristiges Aufblenden erlaubt6. Wer nachts gegen ein Hindernis auf der Fahrbahn (stehendes Fahrzeug, Mensch, Tier) fährt, hat entweder gegen das Sichtfahrgebot verstoßen oder verspätet reagiert. Anders ist es dann, wenn das Hindernis plötzlich von der Seite her in den vorderen Sichtbereich eingedrungen ist oder wenn durch das Hindernis selbst der Bremsweg verkürzt wird. So muss 1 BGH v. 22. 2. 2000, VI ZR 92/99, MDR 2000, 764 = r+s 2000, 280 = NJW 2000, 1949 = NZV 2000, 291 = VersR 2000, 736; OLG Hamm v. 9. 3. 2000 – 6 U 94/99, r+s 2000, 281 (Anm. Lemcke) = OLGR 2000, 227; in den beiden Entscheidungen wird auf die Gefahren des Fahrens bei Dunkelheit mit Abblendlicht hingewiesen. 2 OLG Hamm v. 7. 4. 2000 – 9 U 257/98, r+s 2000, 452. 3 S. z. B. BGH v. 9. 7. 1996 – VI ZR 299/95, NJW 1996, 3003 = MDR 1996, 1238 = r+s 1996, 482 = VersR 1996, 1249; OLG Jena v. 25. 1. 2001 – 1 U 716/00, r+s 2002, 194; s aber auch BGH v. 12. 5. 1998 – VI ZR 124/97, NJW 1998, 2816 = MDR 1998, 1095 = r+s 1998, 411 = VersR 1998, 1128. 4 OLG Hamm v. 31. 5. 2001 – 6 U 28/01, DAR 2001, 456 = OLGR 2001, 327. 5 OLG Hamm v. 9. 3. 2000 – 6 U 94/99, r+s 2000, 281 m. Anm. Lemcke = OLGR 2000, 227; OLG Hamm v. 2.12 1997 – 27 U 133/97, r+s 1998, 280. 6 BGH v. 22. 2. 2000 – VI ZR 92/99, MDR 2000, 764 = VersR 2000, 736 = r+s 2000, 280 m. Anm. Lemcke, r+s 2000, 282.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 122 Teil 2
der Kraftfahrer zwar damit rechnen, dass der Vordermann plötzlich scharf bremst; er muss aber nicht damit rechnen, dass dieser durch Auffahren abrupt zum Stehen kommt. Ist ein Kraftfahrer z. B. nachts mit einem aus einer Weide ausgebrochenen Tier (Rind, Pferd) zusammengestoßen, kommt es für die Frage, ob der Kraftfahrer das Sichtfahrgebot verletzt hat, oft darauf an, ob das Tier auf der Fahrbahn gestanden hat oder ob es von der Seite her auf die Fahrbahn getreten ist oder dem Kraftfahrer jedenfalls dadurch den Bremsweg verkürzt hat, dass es ihm auf der Fahrbahn entgegen gelaufen ist. (b) Vorwerfbares Verhalten Das pflichtwidrige Verhalten muss auch vorwerfbar sein. Es ist vorwerfbar, wenn ein besonnener und gewissenhafter Durchschnitts-Verkehrsteilnehmer das verkehrswidrige Verhalten (den Verkehrsverstoß, das Fehlverhalten) nicht begangen, es vermieden hätte. Insoweit gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab, d. h. es kommt (anders als bei der strafrechtlichen Beurteilung) nicht auf die individuellen Fähigkeiten an; Maßstab ist vielmehr das Können und das Verhalten eines Durchschnitts-Verkehrsteilnehmers.
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So kann sich z. B. der Führerscheinneuling nicht auf seine mangelnde Fahrpraxis berufen. Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit kommt nur unter den Voraussetzungen der §§ 827, 828 BGB in Betracht. Andererseits darf z. B. der Kraftfahrer grundsätzlich darauf vertrauen, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer sich verkehrsgerecht verhalten, solange nichts dagegen spricht; denn auch ein besonnener und gewissenhafter Durchschnittsfahrer vertraut darauf. Starke Alkoholbeeinflussung führt aber i. d. R. nicht zu einem Ausschluss der Verantwortlichkeit gem. § 827 BGB1.
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Es ist also im Rahmen des § 276 BGB auf den „Durchschnittsfahrer“ abzustellen, nicht wie bei § 17 Abs. 3 StVG auf den „Idealfahrer“; es geht um die Beachtung der „gewöhnlichen“ Sorgfalt und nicht um die Beachtung der „äußerst möglichen“ Sorgfalt i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG.
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Liegt ein objektiv verkehrswidriges Verhalten, d. h. ein Außer-Acht-Lassen der sog. äußeren Sorgfalt vor, ist i. d. R. der Schluss gerechtfertigt, dass das Fehlverhalten auch subjektiv vorwerfbar ist (Außer-Acht-Lassen der sog. inneren Sorgfalt)2. Wer z. B. trotz Gegenverkehrs in die Gegenfahrbahn gerät, handelt nicht nur objektiv verkehrswidrig, sondern i. d. R. auch subjektiv vorwerfbar; Letzteres kann fehlen, wenn er z. B. durch das Platzen eines Reifens in die Gegenfahrbahn geraten ist.
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1 OLG Brandenburg v. 12. 12. 2001 – 14 U 50/01, VersR 2002, 863. 2 BGH v. 11. 3. 1986 – VI ZR 22/85, MDR 1986, 924 = r+s 1986, 206 = VersR 1986, 765; einschränkend Greger, 4. Aufl., § 10, Rz. 51 f.
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Teil 2
Rz. 123
Haftungsvoraussetzungen
Zu beachten ist ferner, dass das unfallursächliche Verschulden schon vor Fahrtantritt oder nach Fahrtende gegeben sein kann. U. a. hat der Kraftfahrer sich vor Fahrtantritt davon zu überzeugen, dass sein Fahrzeug hinreichend verkehrssicher ist; beim Aussteigen und Abladen darf er nicht andere Verkehrsteilnehmer gefährden1. (c) Kausalzusammenhang 123
Der Pflichtenverstoß muss für den Unfall ursächlich geworden sein. Das ist der Fall, wenn der Unfall bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten wäre. Technische Mängel des Fahrzeugs (z. B. abgefahrene Reifen oder mangelhafte Bremsen) oder Fahrfehler (z. B. Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, Fahren unter Alkoholeinfluss) können also Ansprüche aus der Verschuldenshaftung nur dann begründen, wenn (zumindest im Wege des Anscheinsbeweises) festgestellt werden kann, dass der Unfall ohne sie vermieden worden wäre.
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Ergebnis: Der Kraftfahrer hat den Unfall schuldhaft verursacht, wenn ein „Durchschnittsfahrer“ in seiner Situation bei Anwendung der „gewöhnlichen“ Sorgfalt den Unfall mit seinen Folgen vermieden hätte. (d) Vermeidbarkeitsbetrachtung
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Sie ist oft nicht möglich ohne vorherige Festlegung des maßgeblichen Zeitpunktes. Geht es z. B. um die Frage, ob eine überhöhte Geschwindigkeit für einen Fußgängerunfall ursächlich geworden ist, reicht es für die Haftung des Fahrers nicht aus, dass er bei langsamerer Fahrweise den Unfallort erst später erreicht hätte, nachdem der Fußgänger die Fahrbahn längst überquert hatte. Nach der Rechtsprechung ist insoweit der Zeitpunkt des Erkennbarwerdens der Gefahr für den Kraftfahrer maßgeblich (s. näher fi Rz. 624 ff.). Zu fragen ist dann, ob der Kraftfahrer den Unfall mit seinen Folgen (räumlich oder jedenfalls zeitlich) vermieden hätte, wenn er im Augenblick des Erkennbarwerdens der Gefahr die erlaubte Geschwindigkeit eingehalten hätte.
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Teilvermeidbarkeit: Lässt sich zwar nicht feststellen, dass der Unfall als solcher vermieden worden wäre, wohl aber, dass bei pflichtgemäßem Verhalten, z. B. bei Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit, ein Teil der Folgen nicht eingetreten wäre, haftet der Schädiger für diesen Teil der Folgen. So kann sich z. B. bei einem Kinderunfall ergeben, dass das Kind zwar die Beinverletzung auch bei der geringeren zulässigen Geschwindigkeit des Kfz erlitten hätte, dass es dem Kraftfahrer aber in diesem Fall gelungen wäre, die Geschwindigkeit so weit herabzusetzen, 1 BGH v. 6. 10. 2009 – VI ZR 316/08, MDR 2010, 24 = r+s 2009, 520 = NJW 2009, 3791 = NZV 2010, 24.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 130 Teil 2
dass der Kopfaufprall auf die Haube und damit die schwere Kopfverletzung des Kindes vermieden worden wäre1. Zu beachten ist aber, dass z. B. eine geringere Kollisionsgeschwindigkeit nicht ohne weiteres die Feststellung rechtfertigt, dass dann auch geringere Folgen eingetreten wären. So kann es z. B. bei einem Kreuzungsunfall gerade wegen der höheren Ausgangsgeschwindigkeit eines unfallbeteiligten Kfz zwischen den Fahrzeugen nur zu einem Streifstoß statt zu einem Vollstoß – mit viel höheren Schäden – gekommen sein.
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(2) Haftung des Halters als Kfz-Halter (a) Haftung des Halters aus § 823 BGB Hat der Halter das Kfz nicht selbst gefahren, kann er aus § 823 BGB nur ausnahmsweise auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, z. B. dann, wenn er ein nicht hinreichend verkehrssicherers Kfz einem anderen überlassen hat, wenn er einem alkoholbedingt Fahruntüchtigen die Führung des Kfz überlassen hat, wenn er sein Fahrzeug nicht abgeschlossen oder die Schlüssel nicht hinreichend sicher verwahrt hat und damit rechnen musste, dass ein anderer (z. B. ein Betrunkener) das Kfz verkehrsgefährdend benutzt2.
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Einer der häufigsten Fehler in Haftpflichtprozessen war es in der Vergangenheit, dass auch der Halter, der sein Kfz bei dem Unfall nicht selbst gefahren hat, auf Ersatz der immateriellen Schäden in Anspruch genommen wurde, obwohl die Voraussetzungen der § 823 BGB (und auch die des § 831 BGB) ganz offensichtlich nicht vorlagen Dieses Problem besteht heute nicht mehr.
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(b) Haftung des Halters aus § 831 BGB Wenn eine Haftung des Halters aus § 831 BGB in Betracht kommt (was z. B. sehr häufig der Fall ist, wenn Schädiger-Kfz ein Lkw ist, aber auch bei einem Unfall mit einem Bus oder einer Taxe oder mit einem Gabelstapler), wurde in der Vergangenheit oft von der Möglichkeit kein Gebrauch gemacht, auch den Halter auf Ersatz der immateriellen Schäden in Anspruch zu nehmen3. 1 BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = NJW 2000, 3069 = NZV 2000, 466 = VersR 2000, 1294; BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 (Anm. Lemcke); Greger, 4. Aufl., § 10, Rz. 29. 2 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 327 ff.; § 14, Rz. 7. 3 S. z. B. BGH v 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1997, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364 (Anm. Lemcke); OLG Hamm v. 23. 3. 1998 – 6 U 210/97, MDR 1998, 1222 = r+s 1998, 278 = NZV 1998, 409 = OLGR 1998, 244; OLG Hamm v. 28. 9. 1998 – 6 U 47/98, OLGR 1999, 243; s. auch Lemcke, r+s 2009, 45, 46; Lemcke, r+s 2000, 221, 222.
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Teil 2
Rz. 131
Haftungsvoraussetzungen
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Insoweit war und ist weithin unbekannt, dass eine Haftung des Halters aus § 831 BGB und damit auch ein Anspruch gegen ihn auf Zahlung eines Schmerzensgeldes selbst dann in Betracht kommt, wenn dem Fahrer ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann1. Nach § 831 BGB haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den der Verrichtungsgehilfe einem Dritten widerrechtlich zufügt. Der Grund für die Haftung liegt nicht in dem Verschulden des Verrichtungsgehilfen, sondern im (vermuteten) Verschulden des Geschäftsherrn bei dessen Auswahl und Beaufsichtigung. Diese Vorschrift hat zwar an Bedeutung verloren, weil der Geschädigte jetzt auch aus der Gefährdungshaftung Schmerzensgeld verlangen kann. Wegen der dort bestehenden Haftungshöchstgrenzen hat § 831 BGB aber bei Altunfällen (und bei Unfällen außerhalb des Bereichs der Gefährdungshaftung, insbesondere bei Unfällen ohne Beteiligung eines Kfz) weiterhin erhebliche Bedeutung.
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Wenn z. B. ein angestellter Lkw-Fahrer unfallbeteiligt ist, braucht der Geschädigte nur zu beweisen, dass der Fahrer als Verrichtungsgehilfe durch sein Verhalten, z. B. durch seine Fahrweise, zurechenbar eine Ursache oder Mitursache für den Unfall mit seinen Folgen gesetzt hat. Zwar ist im Rahmen des § 831 BGB, anders als im Rahmen der Haftung aus §§ 7, 18 StVG, nicht auf den Betrieb des Kfz und auf die von ihm ausgehenden Gefahren, sondern auf das Verhalten des Fahrers bei der Bedienung des Kfz abzustellen. Wenn aber das Verhalten des Fahrers, insbesondere seine Fahrweise, irgendwie mitursächlich geworden ist für den Unfall, d. h. wenn sein Verhalten zur Entstehung des Schadens irgendwie in zurechenbarer Weise beigetragen hat, ist der Halter als Geschäftsherr wie im Falle des § 7 StVG ersatzpflichtig, wenn er sich nicht entlasten kann, wobei aber zu beachten ist, dass die Entlastungsmöglichkeiten bei § 831 BGB erweitert sind2.
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Dass das Verhalten des Lkw-Fahrers mitursächlich geworden ist für den Unfall und seine Folgen, ist i. d. R. sogar unstreitig. Damit ist der Geschädigte bereits am Ziel; er braucht wie im Rahmen der Haftung aus §§ 7, 18 StVG insbesondere nicht nachzuweisen, dass der Fahrer sich verkehrswidrig verhalten hat.
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Indizierung der Rechtswidrigkeit: Die Rechtswidrigkeit wird nämlich, wenn eines der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter (Körper, Ge1 Greger, 4. Aufl., § 7, Rz. 2. 2 BGH v. 7. 1. 1992 – VI ZR 116/91, NJW-RR 1992, 533; BGH v. 30. 10. 1990 – VI ZR 340/89, MDR 1991, 426 = r+s 1991, 159 = VersR 1991, 320 = NZV 1991, 114; KG v. 21. 5. 2001 – 12 U 3372/00, DAR 2002, 122; OLG Hamm v. 1. 3. 2001 – 6 U 214/00, r+s 2002, 11; OLG Hamm v. 23. 3. 1998 – 6 U 210/97, MDR 1998, 1222 = r+s 1998, 278 = NZV 1998, 409 = OLGR 1998, 244; OLG Hamm v. 2. 2. 2000 – 13 U 155/99, NZV 2001, 171; OLG Hamm v. 27. 5. 1998 – 13 U 29/98, NZV 1998, 463 = OLGR 1998, 222.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 137 Teil 2
sundheit, Eigentum) verletzt worden ist, indiziert. Hieraus folgt, dass es Sache des Geschäftsherrn ist, darzulegen und nachzuweisen, dass der Fahrer nicht rechtswidrig gehandelt hat. Nicht rechtswidrig war dessen Verhalten nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn er sich verkehrsrichtig verhalten hat1. Diesen Nachweis des verkehrsrichtigen Verhaltens kann der Halter als Geschäftsherr oft ebenso wenig führen wie der Geschädigte den Nachweis, dass der Lkw-Fahrer den Unfall verschuldet hat. Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB: Kann der Halter den Nachweis des verkehrsrichtigen Verhaltens des Fahrers nicht führen, kann er nur noch den Versuch unternehmen, den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zu führen, nach Lepa2 ein „dornenreicher Weg“. Insoweit besteht eine – vom Geschäftsherrn zu widerlegende – doppelte Vermutung
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– dafür, dass er seinen Gehilfen nicht ausreichend ausgewählt, angewiesen und beaufsichtigt hat (Verschuldensvermutung), – ferner dafür, dass die Verletzung dieser Verpflichtung für die Schädigung kausal geworden ist (Kausalitätsvermutung). Der Geschäftsherr muss eine dieser beiden gesetzlichen Vermutungen widerlegen (s. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB: „oder“). Vor allem die Widerlegung der Verschuldensvermutung gelingt in der Praxis nur selten. Denn der Geschäftsherr muss insoweit nicht nur beweisen, dass er den Fahrer sorgfältig ausgewählt hat, sondern auch, dass er ihn, z. B. durch gelegentliches heimliches Nachfahren oder Mitfahren, so überwacht hat, dass er auch bei Beauftragung mit der Unfallfahrt von seiner Zuverlässigkeit überzeugt sein konnte3. Gelingt ihm das nicht, bleibt nur die Widerlegung der Kausalitätsvermutung. Insoweit muss er den Nachweis führen, dass ein etwaiges Fehlverhalten des Fahrers jedenfalls nicht unfallursächlich geworden ist4.
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Im Ergebnis kann der Geschäftsherr der Haftung aus § 831 BGB nur dann entgehen, wenn er
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– entweder nachweist, dass der Fahrer sich verkehrsrichtig verhalten hat, – oder nachweist, dass ein etwaiges Fehlverhalten des Fahrers jedenfalls nicht unfallursächlich geworden ist, 1 BGH v. 29. 6. 1971 – VI ZR 271/69, VersR 1971, 1060. 2 So Lepa, NZV 1997, 137, 141. 3 BGH v. 8. 10. 2002 – VI ZR 182/01, r+s 2003, 78 = NJW 2003, 288 = NZV 2003, 27 = VersR 2003, 75; BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1997, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364 m. Anm. Lemcke; OLG Hamm v. 23. 3. 1998 – 6 U 210/97, MDR 1998, 1222 = r+s 1998, 278 = NZV 1998, 409 = OLGR 1998, 244; KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, VM 1999, 11; Lepa, NZV 1997, 137, 141. 4 BGH v. 29. 6. 1971 – VI ZR 271/69, VersR 1971, 1060.
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Teil 2
Rz. 138
Haftungsvoraussetzungen
– oder nachweist, dass er den Fahrer sorgfältig ausgewählt und hinreichend überwacht hat. 138
Misslingt dieses, ist der Halter als Geschäftsherr aus § 831 BGB (und damit auch der KH-Versicherer aus § 115 Abs. 1 VVG) auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens zu verurteilen, und zwar ohne die Beschränkungen der §§ 12, 12a StVG, während der Fahrer nur aus der Gefährdungshaftung haftet1.
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Im Rahmen der Schadensregulierung ist es deshalb wichtig, als Anwalt des Geschädigten jedenfalls bei größeren Personenschäden in allen Fällen, in denen bei dem Unfall ein anderer als der Halter am Steuer gesessen hat, der Frage nachzugehen, ob dieser Fahrer evtl. als Verrichtungsgehilfe tätig war.
! Hinweis: Hat der Fahrer den Unfall als Verrichtungsgehilfe verursacht (z. B. als angestellter Lkw-Fahrer), ist es grob fehlerhaft, den Halter nicht mit auf Schadensersatz zu verklagen; zumindest ist die Klage gegen den Versicherer auch auf seine Eintrittspflicht für den Halter zu stützen. (c) Haftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG 140
Ist ein Beamter mit einem Dienstfahrzeug unfallbeteiligt, kommen Schadensersatzansprüche aus der Amtshaftung (§ 839 BGB) in Betracht. Hier besteht die Besonderheit, dass der Fahrer gem. Art. 34 GG nicht persönlich in Anspruch genommen werden kann; die Ersatzansprüche richten sich gegen die Anstellungskörperschaft (gegen den Dienstherrn). Ist sie auch Halter des Dienstfahrzeugs, haftet sie daneben auch aus § 7 StVG; das ist zu beachten für den Fall, dass ein Verschulden des beamteten Fahrers nicht beweisbar ist. Zudem gilt für die Haftung aus § 7 StVG nicht das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (fi Rz. 147). Das Dienstfahrzeug ist i. d. R. nach § 2 PflVG versicherungsfrei; der Dienstherr haftet dann auch selbst als sog. Quasi-Versicherer aus § 115 VVG (früher § 3 PflVG). Ist ein Beamter mit seinem Privatfahrzeug auf einer Dienstfahrt unfallbeteiligt, haftet er selbst als Halter aus § 7 StVG, daneben sein KH-Versicherer aus § 115 VVG und bei schuldhafter Unfallverursachung daneben der Dienstherr aus § 839 BGB.
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„Beamter“: Beamter im haftungsrechtlichen Sinne kann auch ein nicht beamteter Bediensteter sein; er muss nur als Amtsträger, d. h. in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes, gehandelt haben, also nicht in Ausübung einer privatrechtlichen Tätigkeit. 1 OLG Hamm v. 23. 3. 1998 – 6 U 210/97, MDR 1998, 1222 = r+s 1998, 278 = NZV 1998, 409 = OLGR 1998, 244.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 144 Teil 2
„Amtspflichtverletzung“: Bei einem Verkehrsunfall greift die Amtshaftung ein, wenn der Schädiger in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit gehandelt hat und dabei seine dem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber obliegenden Amtspflichten schuldhaft verletzt hat; in diesem Falle haftet der schädigende Amtsträger nicht nach § 823 BGB, sondern nur nach § 839 BGB, und er haftet für den von ihm angerichteten Schaden gem. Art. 34 GG auch nicht persönlich, sondern der Staat, und zwar die Körperschaft, die ihm das Amt übertragen hat.
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Die Amtshaftung kommt im Straßenverkehr insbesondere in Betracht bei einem Unfall auf einer Dienst- oder Einsatzfahrt (z. B. mit einem Dienst- oder Einsatzfahrzeug der Polizei, der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes). Amtshaftungsansprüche bestehen aber auch dann, wenn z. B. ein privater Abschleppunternehmer im Auftrag der Polizei bei der Bergung eines Unfallfahrzeugs einen anderen Verkehrsteilnehmer schädigt; er wird insoweit im Rahmen einer polizeilichen Sicherungsmaßnahme als Verwaltungshelfer tätig1.
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Schwierig ist die Situation, wenn ein Kfz der Rettungsdienste unfallbeteiligt ist. Die Rettungsdienste sind teils hoheitlich, teils privatrechtlich organisiert, zudem kommen häufig auch bei privatrechtlich organisierten Rettungsdiensten Zivildienstleistende als Fahrer zum Einsatz, für deren Fehlverhalten dann die Bundesrepublik nach Amtshaftungsgrundsätzen haftet2. Insoweit gilt Folgendes:
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– Ist der Rettungsdienst in dem betreffenden Land privatrechtlich organisiert und ist der Rettungswagen einer privaten Organisation (z. B. DRK) mit einem von dieser Organisation gestellten Fahrer unfallbeteiligt, bestehen evtl. gegen Fahrer, Halter und KH-Versicherer Ansprüche aus §§ 823, 831 BGB, §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG. – Ist der Rettungsdienst in dem Land (wie z. B. in NW) öffentlich-rechtlich organisiert und ist ein städtischer Rettungswagen unfallbeteiligt, bestehen evtl. gegen die Stadt Amtshaftungsansprüche, und zwar auch dann, wenn der Fahrer von einer freiwilligen Hilfsorganisation (z. B. Malteser Hilfsdienst) gestellt wird. Daneben bestehen evtl. Ansprüche gegen die Stadt als Kfz-Halter aus § 7 StVG und als Quasi-Versicherer aus § 115 VVG. Der Fahrer haftet persönlich weder aus § 823 BGB noch aus § 18 StVG3. – War als Fahrer ein Zivildienstleistender eingesetzt, bestehen gegen die Bundesrepublik evtl. Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB, gleich1 BGH v. 21. 1. 1993 – III ZR 189/91, MDR 1993, 850 = VersR 1993, 881. 2 BGH v. 11. 5. 2000 – III ZR 258/99, MDR 2000, 955 = NZV 2000, 503 = zfs 2000, 435; BGH v. 26. 3. 1997 – III ZR 295/96, VersR 1997, 967; s. dazu auch v. Gerlach, DAR 1998, 213, 222. 3 BGH v. 21. 3. 1991 – III ZR 77/90, VersR 1991, 1053 = NZV 1991, 347.
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Teil 2
Rz. 145
Haftungsvoraussetzungen
gültig, wie der Rettungsdienst organisiert ist, und auch dann, wenn der Rettungswagen einer privaten Organisation (z. B. DRK) unfallbeteiligt ist1. Der Fahrer haftet dann persönlich weder aus § 823 BGB noch aus § 18 StVG2. Daneben bestehen dann aber Ansprüche gegen den KfzHalter aus § 7 StVG und gegen den KH-Versicherer aus § 115 VVG3. – Im Innenverhältnis hat dann der KH-Versicherer den gesamten materiellen und immateriellen Schaden allein zu tragen; es handelt sich bei der Amthaftung um den Fall einer befreienden Schuldübernahme, durch die Schadensverlagerung tritt der Staat an die Stelle des Fahrers, er ist wie der Fahrer durch die KH-Versicherung geschützt4. 145
Bei Unfällen mit Bahn- oder Postfahrzeugen kommt eine Amtshaftung nicht (nicht mehr) in Betracht. Der Betrieb der Bahn war schon vor der Privatisierung nicht hoheitlich, anders dagegen der Betrieb der Post. Seit dem 1. 7. 1991 waren auch insoweit nur noch Dienstfahrten in den Bereichen Briefbeförderung und Betrieb des Fernmeldenetzes hoheitliche Tätigkeit5, seit dem 1. 1. 1995 scheidet die Amtshaftung auch im Postbereich ganz aus.
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Amtshaftungsansprüche können ferner entstehen bei Verletzung der – immer hoheitlichen – Verkehrsregelungspflicht6 und der – privatrechtlichen, aber teilweise nach den Landesgesetzen (z. B. in NW, s. § 9a StrG NW) hoheitlich ausgestalteten – Straßenverkehrssicherungspflicht7.
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Subsidiaritätsprinzip, Verweisungsprivileg: Grundsätzlich haftet der „Beamte“ im Falle der fahrlässigen Schadensverursachung gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur subsidiär, d. h. wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz verlangen kann. Greift dieses „Verweisungsprivileg“ ein – die Inanspruchnahme der anderweitigen Ersatzmöglichkeit muss zumutbar sein8 –, kann der Geschädigte weder den Beamten (diesen auch nicht aus 1 BGH v. 11. 5. 2000 – III ZR 258/99, MDR 2000, 955 = NZV 2000, 503 = zfs 2000, 435. 2 BGH v. 4. 6. 1992 – III ZR 93/91, MDR 1992, 750 = VersR 1992, 1397. 3 BGH v. 21. 1. 1993 – III ZR 189/91, MDR 1993, 850 = VersR 1993, 881. 4 BGH v. 15. 2. 2001 – III ZR 120/00, MDR 2001, 563 = DAR 2001, 271 = VersR 2001, 578. 5 S. näher Allgaier, VersR 1991, 636. 6 S. z. B. BGH v. 15. 3. 1990 – III ZR 149/89, MDR 1990, 904 = VersR 1990, 739; OLG Hamm v. 24. 1. 1995 – 9 U 149/94, NZV 1995, 275 = OLGR 1995, 100. 7 S. z. B. BGH v. 15 1. 1998 – III ZR 124/97, MDR 1998, 402 = NZV 1998, 199 = DAR 1998, 140; BGH v. 18. 11. 1993 – III ZR 178/92, MDR 1994, 992 = VersR 1994, 618; OLG Hamm v. 16. 1. 1998 – 9 U 159/97, r+s 1998, 460; OLG Hamm v. 10. 12. 1996 – 9 U 128/96, VersR 1997, 1148; OLG Saarbrücken v. 23. 10. 1997 – 3 U 994/96 –160, OLGR 1998, 79; OLG Dresden v. 9. 10. 1996 – 6 U 1328/96, VersR 1997, 594. 8 BGH v. 26. 3. 1997 – III ZR 295/96, NJW 1997, 2109 = NZV 1997, 301 = VersR 1997, 967.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 150 Teil 2
§ 18 StVG) noch die Anstellungskörperschaft aus der Verschuldenshaftung in Anspruch nehmen; ist die Anstellungskörperschaft aber Kfz-Halter, haftet sie (und damit auch ggf. der KH-Versicherer), auch dann, wenn das Verweisungsprivileg eingreift, aus § 7 StVG1. Einschränkung des Verweisungsprivilegs: Dieses Verweisungsprivileg gilt nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nur noch eingeschränkt. Es gilt im Straßenverkehr weiterhin bei Unfällen auf Einsatzfahrten unter Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 Abs. 1 StVO2, ferner bei der Verletzung der Verkehrsregelungspflicht. Es gilt aber nicht, wenn der „Beamte“ den Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr schuldhaft verursacht; es gilt dann der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer3. Das Verweisungsprivileg gilt ferner nicht, wenn der „Beamte“ den Unfall durch Verletzung der – in einigen Ländern hoheitlich ausgestalteten – Straßenverkehrssicherungspflicht schuldhaft verursacht4.
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Teilnahme am Straßenverkehr: Bei der Teilnahme am Straßenverkehr hat der „Beamte“ den übrigen Verkehrsteilnehmern gegenüber die Amtspflicht, die Verkehrsvorschriften zu beachten5. Die Amtspflicht besteht den anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber, also z. B. nicht dem Eigentümer des von dem Beamten für eine Dienstfahrt benutzen Privat-Pkw gegenüber6. Soweit der Beamte aber schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht und dabei einen anderen Verkehrsteilnehmer schädigt, sind die Voraussetzungen für eine Haftung der Anstellungskörperschaft aus § 839 BGB gegeben.
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Einsatzfahrt gem. § 35 StVO: Fahrzeuge der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, der Polizei und des Zolldienstes sind gem. § 35 Abs. 1 StVO von der Einhaltung der Verkehrsregeln befreit, soweit zur Erfüllung ihrer Aufgaben dringend geboten; Fahrzeuge des Rettungsdienstes gem. § 35 Abs 5a StVO dann, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere ge-
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1 BGH v. 13. 12. 1990 – III ZR 14/90, BGHZ 113, 164 = MDR 1991, 510 = NJW 1991, 1171 = VersR 1991, 925. 2 BGH v. 26. 3. 1997 – III ZR 295/96, NJW 1997, 2109 = NZV 1997, 301 = VersR 1997, 967. 3 BGH v. 27. 1. 1977 – III ZR 173/74, BGHZ 68, 217 = MDR 1977, 735 = r+s 1977, 169 = NJW 1977, 1238 = VersR 1977, 541. 4 BGH v. 18. 11. 1993 – III ZR 178/92, MDR 1994, 992 = NZV 1994, 146 = VersR 1994, 618; BGH v. 1. 7. 1993 – III ZR 167/92, BGHZ 123, 102 = MDR 1994, 256 = NJW 1993, 2612 = NZV 1993, 386 = VersR 1994, 347; BGH v. 12. 7. 1979 – III ZR 102/78, BGHZ 75, 134 = MDR 1979, 1004 = r+s 1979, 256 = NJW 1979, 2043 = VersR 1979, 1009. 5 BGH v. 21. 2. 1985 – III ZR 205/83, MDR 1986, 34 = NJW 1985, 1950 = VersR 1985, 637. 6 BGH v. 12. 12. 1991 – III ZR 10/91, MDR 1992, 944 = NJW 1992, 1227 = VersR 1992, 823.
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Teil 2
Rz. 151
Haftungsvoraussetzungen
sundheitliche Schäden abzuwenden. Hierdurch sind die Verkehrsregeln nicht geändert; die Fahrzeugführer dürfen sich nur über bestehende Verkehrsregeln hinwegsetzen und auch nur dann, wenn dadurch andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. 151
Wegerecht gem. § 38 StVO: Ist höchste Eile geboten, kann der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs gem. § 38 StVO blaues Blinklicht zusammen mit dem Martinshorn verwenden und auf diese Weise für sich das sog. Wegerecht beanspruchen. Es bedeutet gem. § 38 Abs. 1 S. 2 StVO, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben; es bedeutet aber nicht, dass die Vorfahrtregeln nicht mehr gelten1.
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Auch das sog. Wegerechtsfahrzeug bleibt grundsätzlich an die Verkehrsregeln gebunden; die an sich bevorrechtigten übrigen Verkehrsteilnehmer dürfen aber ihr Vorrecht nicht wahrnehmen. Der Wegerechtsfahrer darf nicht darauf vertrauen, dass sämtliche vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer die Signale wahrnehmen, er darf auch nicht darauf vertrauen, dass sie ihre Fahrzeuge schlagartig zum Stehen bringen. Er darf nicht bei Rotlicht blindlings in die Krezung einfahren, er muss die Geschwindigkeit herabsetzen, u. U. sogar auf Schrittgeschwindigkeit, und darf sich über das fremde Vorrecht nur hinwegsetzen, wenn er sieht, dass die Bevorrechtigten ihm das Vorrecht einräumen2. Das Wegerecht besteht nur bei Verwendung beider Signaleinrichtungen.
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In der Regulierungspraxis wird immer wieder übersehen, dass der unfallverursachende Fahrer dann, wenn er hoheitlich tätig geworden ist, i. d. R. nicht persönlich in Anspruch genommen werden kann, ferner, dass für Amtshaftungsansprüche auch bei Streitwerten unter 5 000 Euro das LG sachlich zuständig ist (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG).
! Hinweis: Ist der Fahrer hoheitlich tätig geworden, kann er i. d. R. nicht persönlich in Anspruch genommen werden, d. h. auch hinsichtlich der immateriellen Ansprüche ist die Klage allein gegen die Anstellungskörperschaft zu richten; zudem ist zu beachten, dass für Ansprüche aus § 839 BGB immer das LG sachlich zuständig ist. b) Ansprüche des Geschädigten gegen den Fahrer des gegnerischen Kfz oder Kfz-Anhängers 154
Es kommen Ersatzansprüche des Geschädigten – aus der Gefährdungshaftung, § 18 Abs. 1 StVG (fi Rz. 155 ff.), und – aus der Verschuldenshaftung, § 823 BGB (fi Rz. 161 ff.), in Betracht. 1 Cimolino/Dickmann, NZV 2008, 118 ff. 2 KG v. 7. 5. 2007 – 12 U 129/06, NZV 2008, 149 = KGR 2008, 93.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 158 Teil 2
aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung Der bei einem Verkehrsunfall „Verletzte“ kann gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StVG i. V. m. § 7 Abs. 1 StVG neben dem Halter auch den Fahrer des Kfz oder Kfz-Anhängers wegen der erlittenen Personen- und Sachschäden auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn der Schaden „bei dem Betrieb“ des Schädiger-Kfz eingetreten ist. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn sich der in Anspruch genommene Fahrer gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entlasten kann.
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Im Bereich der Gefährdungshaftung sind die Anspruchsvoraussetzungen für Ansprüche gegen Halter und Fahrer völlig gleich. Es kann deshalb auf die Ausführungen zur Halterhaftung (fi Rz. 64 ff.) verwiesen werden.
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Nur der Entlastungsbeweis ist für den Fahrer erleichtert; er ist gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG bereits dann geführt, wenn der Fahrer nachweist, dass der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht ist (Nachweis der Schuldlosigkeit). Ist der Fahrer gleichzeitig Halter, wird § 18 StVG durch § 7 StVG verdrängt. Ist der Fahrer Beamter im haftungsrechtlichen Sinne, wird die Haftung aus § 18 StVG durch die Staatshaftung verdrängt1. (1) „Fahrer“ eines Kfz oder Kfz-Anhängers Hier ergeben sich i. d. R keine rechtlichen Probleme; Kfz-Fahrer ist derjenige, der das Kfz (nicht nur zur Überprüfung seiner Funktionstüchtigkeit) anlässt, erst recht derjenige, der es lenkt, dagegen nicht der Insasse, der beim Fahren kurzfristig in das Lenkrad greift2; auch nicht derjenige, der das Kfz versehentlich in Gang setzt3. Beim verbundenen Anhänger ist der Fahrer des Kfz gleichzeitig der Fahrer des Anhängers4. Beim getrennten Anhänger können Fahrer von Kfz und Anhänger personenverschieden sein.
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Beim „Begleiteten Fahren mit 17“ gem. § 6e StVG (neu gefasst mit Wirkung vom 9. 12. 2010) ist nur der Minderjährige der Fahrer und ggf. aus § 18 StVG haftpflichtig; daneben haftet der Halter aus § 7 StVG; der erwachsene Begleiter kann, falls nicht Halter, aus § 823 BGB haftpflichtig sein5. Beim Fahrschulbetrieb gilt dagegen der Fahrlehrer gem. § 2 Abs. 15 S. 2 StVG als Fahrer des Kfz. Gegen ihn richten sich deshalb die Ansprüche aus der Fahrerhaftung. Daneben kann der Fahrschüler evtl. aus § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden6.
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1 2 3 4 5 6
BGH v. 4. 6. 1992 – III ZR 93/91, MDR 1992, 750 = VersR 1994, 1397. S. näher Schug, VersR 1998, 819, 821 m. w. N. Burmann, zfs 1998, 411. BGH v. 27. 10. 2010 – IV ZR 279/08, MDR 2011, 105 = r+s 2011, 60. Lang/Stahl/Huber, NZV 2006, 449. OLG Hamm v. 18. 2. 1999 – 27 U 290/98, VersR 2000, 1032; s. näher Greger, 4. Aufl., § 4, Rz. 18.
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Teil 2
Rz. 159
Haftungsvoraussetzungen
(2) Entlastungsbeweis des Fahrers 159
Die Ersatzpflicht des Fahrers ist – hieran hat das 2. SchadÄndG nichts geändert – weiterhin unter erleichterten Voraussetzungen ausgeschlossen, nämlich gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG schon dann, wenn der Fahrer nachweist, dass der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht ist; hier besteht also eine gesetzliche Verschuldensvermutung.
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Diese gesetzliche Verschuldensvermutung ist z. B. widerlegt, wenn der Fahrer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat1. Sie kann auch dann widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler des Kfz beruht. In der Praxis gelingt der Entlastungsbeweis zwar auch dem Fahrer i. d. R. nicht; in Zukunft wird aber häufiger als bisher die Situation eintreten, dass der Fahrer entlastet ist, während der Halter haftet. Es wird sich deshalb in Zukunft häufiger als bisher die Frage stellen, ob es zweckmäßig ist, neben dem Halter auch den Fahrer zu verklagen. Zwar verhindert man auf diese Weise, dass die Gegenseite sich auf den Fahrer als Zeugen berufen kann. I. d. R. ist es aber für die Beweiswürdigung ohne Bedeutung, ob der Fahrer seine Angaben bei seiner Anhörung als Partei oder bei seiner Vernehmung als Zeuge gemacht hat. Wenn z. B. ein Kleinkind plötzlich auf die Fahrbahn gelaufen und von einem Kfz angefahren und verletzt worden ist, ist die Klage gegen den gegnerischen Halter und dessen Versicherer sicher erfolgreich; die Klage gegen den Fahrer wäre aber abzuweisen, wenn dieser den Nachweis seiner Schuldlosigkeit erbringen kann. Evtl. wird allein wegen der Inanspruchnahme des Fahrers eine – die Entscheidung verzögernde und für die Haftung des gegnerischen Versicherers letztlich bedeutungslose – Beweisaufnahme zum Unfallhergang erforderlich, deren Kosten dann evtl. der Kläger allein zu tragen hat
! Hinweis: In Zukunft wird häufiger als bisher die Situation gegeben sein, dass der Fahrer entlastet ist, der Halter dagegen nicht; es ist deshalb häufig sinnvoll, den Fahrer nicht mit zu verklagen. bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung 161
Hierzu kann auf die Ausführungen zur Verschuldenshaftung des Halters (fi Rz. 114) Bezug genommen werden. Denn für die Verschuldenshaftung ist es ohne Bedeutung, ob der in Anspruch genommene Fahrer eines Kfz oder Kfz-Anhängers zugleich auch Halter ist oder nicht.
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Sind Halter und Fahrer personenverschieden, sind ihre beiden Verantwortungsbeiträge zu einer sog. Haftungseinheit verbunden. Der Halter 1 OLG Hamm v. 27. 5. 1998 – 13 U 29/98, NZV 1998, 463 = OLGR 1998, 222; OLG Bamberg v. 7. 4. 1981 – 5 U 1/81, VersR 1982, 583.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 164 Teil 2
muss sich auch das Verhalten des Fahrers zurechnen lassen, der Fahrer auch die Betriebsgefahr des Kfz; ihre beiderseitigen Verantwortungsbeiträge verschmelzen zu einem einheitlichen Verantwortungsbeitrag. Evtl. tritt jetzt noch der Beitrag des Halters des Anhängers hinzu. Das hat z. B. zur Folge, dass sie im Falle der Quotenhaftung immer auf dieselbe Quote haften. Andererseits steigt das Gewicht des von ihnen gemeinsam zu tragenden Verantwortungsanteils durch diese Verschmelzung nicht an; der Geschädigte hat nicht Anspruch auf eine höhere Quote, wenn der gegnerische Halter nicht selbst am Steuer gesessen hat und ihm deshalb mehrere Schädiger gegenüberstehen (s. auch fi Rz. 203, 541 ff.). c) Ansprüche des Geschädigten gegen den gegnerischen KH-Versicherer Nach § 115 Abs. 1 VVG n. F. (früher § 3 Nr. 1 PflVG) kann der geschädigte „Dritte“ seinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger „auch gegen den Versicherer“ geltend machen. In dem Sonderbereich der Kfz-Haftpflicht kann der Geschädigte den Haftpflichtversicherer also direkt klageweise in Anspruch nehmen. In der Vergangenheit war diese Direktklage – was in der Praxis häufig übersehen wurde – außerhalb des KH-Bereichs immer ausgeschlossen; in Zukunft ist sie nach § 115 Abs. 1 VVG auch außerhalb des KH-Bereichs bei bestehender Pflichtversicherung unter besonderen Voraussetzungen möglich.
163
Es muss eine Versicherungspflicht nach § 1 PflVG bestehen. Nach § 1 PflVG hat der Halter eines Kfz oder Kfz-Anhängers für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung abzuschließen zur Deckung der durch den „Gebrauch“ des Kfz oder des Kfz-Anhängers verursachten Schäden, wenn das Fahrzeug im öffentlichen Verkehr verwendet wird; für Fahrzeuge, die nur für den innerbetrieblichen Verkehr bestimmt sind (z. B. Gabelstapler), besteht also keine Versicherungspflicht. Nach § 2 PflVG sind bestimmte Kfz und Kfz-Anhänger von der Versicherungspflicht befreit, u. a. nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 3 PflVG die Kfz des Bundes, der Länder und der Gemeinden; sie haften aber nicht nur als Kfz-Halter aus § 7 Abs. 1 StVG, sondern auch für die sonst mitversicherten Personen, insbesondere für den Fahrer, nach § 2 Abs. 2 PflVG wie ein Versicherer (als Quasi-Versicherer)1. Wichtig ist auch die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 6 PflVG; danach sind auch bestimmte langsam fahrende Kfz und Arbeitsmaschinen sowie Kfz-Anhänger von der Versicherungspflicht befreit. Verursachen derartige Fahrzeuge einen Unfall, können allenfalls Halter und Fahrer in Anspruch genommen werden, dagegen nicht der Haftpflichtversicherer; die sog. Direktklage ist (wie bei einem
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1 BGH v. 4. 7. 1972 – VI ZR 182/71, VersR 1972, 1070.
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Teil 2
Rz. 165
Haftungsvoraussetzungen
von einem Fußgänger oder Radfahrer verschuldeten Unfall oder bei einem Tierunfall) nicht möglich1.
! Hinweis: Die sog. Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer besteht i. d. R. nur im Bereich der Kfz-Haftpflicht-Pflichtversicherung, nicht im Bereich sonstiger Haftpflichtversicherungen. 165
Es handelt sich bei diesem sog. Direktanspruch2 nicht um einen versicherungsvertraglichen Anspruch, sondern um einen gesetzlich angeordneten Schuldbeitritt; der KH-Versicherer ist nicht Mitschädiger, sondern nur Mitschuldner, er tritt gem. § 115 Abs. 2 VVG als Gesamtschuldner neben „seine“ Versicherten, er haftet nur, wenn und soweit einer von ihnen haftet; er nimmt lediglich, so der BGH3, an der Haftungsquote teil, die auf „seine“ Versicherten entfällt. Der KH-Versicherer haftet nie in weiterem Umfang als der oder die Versicherten, er haftet im Gegenteil teilweise in geringerem Umfang (s. fi Rz. 170 f.). Durch § 115 Abs. 2 VVG wird nicht der Ersatzanspruch erweitert, sondern lediglich dessen Geltendmachung und Durchsetzung erleichtert.
! Hinweis: Der KH-Versicherer haftet nur, wenn Halter und/oder Fahrer haften; er haftet auch nie in weiterem Umfang als diese, allenfalls in geringerem Umfang. aa) Versicherter Schädiger 166
Der KH-Versicherer muss für einen Schaden aufkommen, den ein „Versicherter“ verursacht hat. Nach §§ 1 PflVG, 2 Abs. 1 KfzPflVV ist der Halter eines Kfz oder Anhängers verpflichtet, u. a. für sich und den Fahrer eine KH-Versicherung abzuschließen. Deshalb sind in der KH-Versicherung nach § 10 AKB neben dem Versicherungsnehmer u. a. Halter und Fahrer mitversichert. Soweit also Ersatzansprüche des Geschädigten gegen Halter und Fahrer des gegnerischen Kfz bestehen, ist der KH-Versicherer des gegnerischen Kfz grundsätzlich eintrittspflichtig. Ist der Fahrschüler, obwohl nicht Fahrer, ausnahmsweise persönlich aus § 823 BGB haftpflichtig, muss der Haftpflichtversicherer auch für ihn eintreten4. Dagegen sind sonstige Insassen nicht durch die KH-Versicherung geschützt; wird z. B. ein Radfahrer dadurch verletzt, dass ein (Nur-) In1 BGH v. 30. 9. 1997 – VI ZR 347/96, MDR 1997, 1120 = r+s 1998, 16 = NZV 1997, 511 = DAR 1998, 15 = VersR 1997, 1525 m. Anm. Lorenz; OLG Hamm v. 1. 3. 2001 – 6 U 214/00, r+s 2002, 11. 2 S. dazu näher Knappmann, ZAP, F. 9, S. 65. 3 BGH v. 13. 12. 2005 – VI ZR 68/04, MDR 2006, 809 = r+s 2006, 169 (Anm. Lemcke) = NJW 2006, 896 = NZV 2006, 191 = VersR 2006, 369. 4 OLG Stuttgart v. 17. 12. 1998 – 7 U 138/98, r+s 2000, 15.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 169 Teil 2
sasse nach dem Anhalten unachtsam eine Fahrzeugtür öffnet, ist der KHVersicherer zwar für den aus § 7 StVG haftpflichtigen Halter eintrittspflichtig, dagegen nicht für den aus § 823 BGB haftpflichtigen Insassen; dieser kann ggf. vom KH-Versicherer nach der Regulierung auf Ausgleichung nach § 426 BGB in Anspruch genommen werden1, er ist allenfalls durch eine bestehende Privathaftpflichtversicherung geschützt2. (1) Nichtberechtigter Fahrer als Mitversicherter Die Halterstellung und damit auch die Halterhaftung gehen evtl. im Falle der Entwendung oder der Unterschlagung des Kfz oder des Anhängers auf den neuen Inhaber der tatsächlichen Gewalt über, also z. B. auf den Dieb3.
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Weil aber gem. §§ 2 Abs. 2 KfzPflVV, 10 Abs. 2c AKB auch der nicht berechtigte Fahrer haftpflichtversichert ist, besteht der Versicherungsschutz für das Kfz und für den Anhänger auch in diesem Falle weiter. Selbst wenn der Dieb nach dem Unfall geflohen und seine Identität deshalb nicht bekannt ist, kann der Geschädigte den Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 VVG gegen den KH-Versicherer geltend machen. Zwar ist der KH-Versicherer dem nicht berechtigten Fahrer gegenüber leistungsfrei; der Direktanspruch des Geschädigten gegen den KH-Versicherer bleibt aber hiervon gem. § 117 Abs. 1 VVG n. F. (früher § 158c Abs. 1 VVG i. V. m. § 3 Nr. 4 PflVG) unberührt; er unterliegt lediglich der Höhe nach gem. §§ 117 Abs. 3, 3 PflVG n. F. (früher § 158 Abs. 3 VVG i. V. m. § 3 Nr. 6 PflVG) u. U. gewissen Beschränkungen.
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Diese Rechtslage wird bei einer bestimmten Form der Unfallmanipulation ausgenutzt, dem sog. „Berliner Modell“: Es wird ein Kfz entwendet und dann absichtlich gegen ein anderes, zumeist am Fahrbahnrand abgestelltes Kfz gefahren, anschließend flieht der Dieb unter Zurücklassung des entwendeten Kfz; der Eigentümer des abgestellten Kfz kann den KHVersicherer des entwendeten Kfz, den er über das Kennzeichen ermitteln kann, aus § 115 Abs. 1 VVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn der KH-Versicherer weder die Einwilligung des Eigentümers in die Beschädigung seines Kfz noch die vorsätzliche Schadenszufügung durch den Dieb beweisen kann4.
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1 OLG Köln v. 1. 4. 1992 – 11 U 234/91, VM 1992, Nr. 117; s. auch OLG München v. 28. 10. 1994 -10 U 4858/93, r+s 1996, 53 = VersR 1996, 1036. 2 Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Aufl., § 10 AKB, Rz. 79. 3 BGH v. 26. 11. 1996 – VI ZR 97/96, NJW 1997, 660 = MDR 1997, 241 = r+s 1997, 58 = VersR 1997, 204. 4 OLG Hamm v. 23. 1. 1996 – 9 U 145/96, zfs 1996, 260 = r+s 1996, 435 m. Anm. Lemcke; Freyberger, VersR 1998, 1214.
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Teil 2
Rz. 170
Haftungsvoraussetzungen
(2) Gestörtes Versicherungsverhältnis 170
Der Direktanspruch des Geschädigten gegen den KH-Versicherer besteht gem. § 117 VVG n. F. (früher § 158c Abs. 1 VVG i. V. m. § 3 Nr. 4 und Nr. 5 PflVG) auch dann, wenn der KH-Versicherer dem bei ihm versicherten Halter oder Fahrer gegenüber leistungsfrei ist, z. B. wegen Obliegenheitsverletzung, Gefahrerhöhung, Nichtzahlung der Erstprämie; die Leistungsfreiheit besteht nur im Innenverhältnis zwischen Versichertem und Versicherer, nicht im Außenverhältnis zwischen Geschädigtem und Versicherer. Jedoch ist zu beachten, dass der Direktanspruch des Geschädigten in diesem Falle gem. § 117 Abs. 3 VVG (früher § 158c Abs. 3–5 VVG i. V. m. § 3 Nr. 6 PflVG) der Höhe nach beschränkt ist. (3) Risikoausschluss
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Anders als im Falle einer Obliegenheitsverletzung ist es im Falle eines Risikoausschlusses; dieser gilt auch im Außenverhältnis. Verursacht z. B. der Versicherte den Unfall als Halter oder Fahrer vorsätzlich, ist der KH-Versicherer dem dabei „Verletzten“ gegenüber gem. § 103 VVG n. F. (früher § 152 VVG) von der Leistung frei1. Die KH-Versicherung tritt nicht ein, wenn das Kfz als Waffe benutzt wird oder z. B. als Mittel zur Selbsttötung2.
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Es ist deshalb z. B. zumeist auch wenig sinnvoll, sich im Rahmen einer Schmerzensgeldklage darauf zu berufen, die Verletzung sei nicht nur fahrlässig, sondern (bedingt) vorsätzlich zugefügt worden; vorsätzliche Schadenszufügung erhöht zwar den Schmerzensgeldanspruch, befreit aber u. U. (der Vorsatz muss sich auch auf die Folgen erstrecken) den Versicherer von der Leistungspflicht.
! Hinweis: Bedingter Vorsatz erhöht zwar das Schmerzensgeld; der Versicherer ist dann aber evtl. gem. § 103 VVG n. F. (früher § 152 VVG) leistungsfrei.
1 BGH v. 15. 12. 1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971, 459 = VersR 1971, 239; OLG Rostock v. 5. 2. 2010 – 5 U 83/09, Juris; OLG Düsseldorf v. 28. 2. 2003 – 14 U 167/02, r+s 2003, 258 = NZV 2003, 424 = VersR 2003, 1248; OLG Hamm v. 23. 1. 1996 – 9 U 145/95, zfs 1996, 260 = r+s 1996, 435 m. Anm. Lemcke; a. A. OLG Frankfurt a. M. v. 23. 5. 1996 – 12 U 125/95, r+s 1996, 472 = VersR 1997, 224 m. abl. Anm. Langheid und Lorenz, VersR 1997, 348, sowie Lemcke, r+s 1996, 483 und Freyberger, VersR 1998, 1214, 1215. 2 OLG Oldenburg v. 29. 4. 1998 – 2 U 264/97, r+s 1999, 236 = VersR 1999, 482 = NZV 1999, 294; s. hierzu aber auch OLG Hamm v. 14. 3. 1996 – 6 U 188/95, r+s 1997, 3 und 320.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 177 Teil 2
bb) Anspruchsberechtigter „Dritter“ Anspruchsberechtigter „Dritter“ im Sinne des § 115 Abs. 1 VVG ist der „Verletzte“, also derjenige, der durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs einen Personen- oder Sachschaden erlitten hat und deshalb gegen den oder die Versicherten aus §§ 7, 18 StVG, §§ 823, 831 BGB einen Ersatzanspruch erworben hat: Fahrer und Halter des gegnerischen Kfz, ggf. auch, falls personenverschieden, dessen Eigentümer (z. B. der Leasinggeber), ferner Insassen. Anspruchsberechtigter „Dritter“ kann aber auch ein (Mit-)Versicherter sein, nach der Auffassung des BGH1 sogar der Versicherungsnehmer selbst. Ihnen gegenüber ist aber die Haftung des KHVersicherers gem. §§ 4 Nr. 1 KfzPflVV, 11 Nr. 2 AKB auf den Ersatz der Personenschäden begrenzt.
173
(1) Versicherungsnehmer als anspruchsberechtigter Dritter Wird der Versicherungsnehmer z. B. als Fußgänger oder als Fahrer eines Kfz von dem Fahrer eines ihm gehörenden Kfz angefahren und verletzt oder erleidet er als Insasse in seinem eigenen Kfz bei einem Unfall eine Verletzung, kann er, soweit der Fahrer ihm gegenüber haftpflichtig ist (nur aus der Verschuldenshaftung, s. fi Rz. 237), nicht nur den Fahrer seines eigenen Kfz, sondern auch seinen eigenen KH-Versicherer gem. § 115 Abs. 1 VVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Das gilt sogar dann, wenn der Fahrlehrer als Halter und Versicherungsnehmer von seinem Fahrschüler verletzt wird2.
174
Das gilt aber gem. §§ 4 Nr. 1 KfzPflVV, 11 Nr. 2 AKB – s. nachfolgend – nur hinsichtlich des Ersatzanspruchs des Versicherungsnehmers wegen seiner Personenschäden.
175
(2) Haftungsbegrenzung gem. § 11 Nr. 2 AKB Nach § 11 Nr. 2 AKB sind Haftpflichtansprüche des Versicherungsnehmers, Halters oder Eigentümers gegen mitversicherte Personen wegen Sach- und Vermögensschäden von der KH-Versicherung ausgeschlossen.
176
Das gilt z. B. auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Eigentümer mehrerer Kfz ist, die sämtlich bei demselben KH-Versicherer versichert sind, und der Fahrer eines Kfz schuldhaft ein anderes Kfz des Versicherungsnehmers anfährt und beschädigt. Zwar kann der Versicherungsnehmer (wenn nicht irgendwelche – zB. arbeitsvertragliche – Haftungs-
177
1 BGH v. 10. 6. 1986 – VI ZR 113/85, MDR 1987, 45 = r+s 1986, 222 = VersR 1986, 1010 m. Anm. Bauer; s. insoweit auch BGH v. 25. 5. 2008 – IV ZR 313/06, MDR 2008, 1153 = r+s 2008, 372 = NZV 2008, 509 = VersR 2008, 1202; a. A. Greger, 4. Aufl., § 15, Rz. 10. 2 OLG Stuttgart v. 17. 12. 1998 – 7 U 138/98, r+s 2000, 15.
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Teil 2
Rz. 178
Haftungsvoraussetzungen
beschränkungen eingreifen) auch in einem solchen Fall den Fahrer aus § 823 BGB auf Ersatz aller Personen- und Sachschäden in Anspruch nehmen. Gegen den eigenen KH-Versicherer sind aber Ansprüche auf Ersatz der Sachschäden und der evtl. Sachfolgeschäden nach § 11 Nr. 2 AKB ausgeschlossen1. 178
Die Ausschlussklausel des § 11 Nr. 2 AKB ist jetzt durch § 4 Nr. 1 KfzPflVV „sanktioniert“; die bestehende Lücke im Versicherungsschutz muss und kann durch Abschluss einer Kaskoversicherung geschlossen werden.
! Hinweis: Der von seinem eigenen Kfz Verletzte kann zwar bei schuldhafter Unfallverursachung durch einen Fahrer neben diesem auch den (eigenen) KH-Versicherer in Anspruch nehmen, den Versicherer aber nur wegen seiner Personenschäden, nicht wegen der Schäden an seinem Kfz und wegen sonstiger Sachfolge- oder Vermögensschäden. (3) Eigenbeschädigung 179
Fügt der Versicherungsnehmer sich selbst mit seinem Kfz Schäden zu, kann er seinen KH-Versicherer weder auf Ersatz seiner Sachschäden noch auf Ersatz seiner Personenschäden in Anspruch nehmen. Wenn der Versicherungsnehmer z. B. mit seinem Kfz oder dem seiner Ehefrau das eigene Garagentor oder seinen eigenen Zweitwagen anfährt und beschädigt und sich dabei selbst verletzt, entsteht kein Haftpflichtanspruch des Geschädigten „gegen sich selbst als Schädiger“ und damit auch nicht der Direktanspruch gegen den KH-Versicherer2. (4) Konfusion
180
Zwar handelt es sich bei dem Direktanspruch um einen akzessorischen Anspruch, d. h. er ist von dem Entstehen des Haftpflichtanspruchs abhängig. Trotz der Akzessorietät entsteht der Direktanspruch aber auch dann, wenn der Schädiger bei dem Unfall getötet wird und deshalb persönlich nicht in Anspruch genommen werden kann; er entsteht sogar im Falle der sog. Konfusion, d. h. sogar dann, wenn der Verletzte, z. B. als Insasse, Alleinerbe des bei dem Unfall getöteten Kraftfahrers ist und sich Forderung und Schuld in seiner Person vereinigen3. 1 OLG Hamm v. 15. 3. 1989 – 20 U 291/88, r+s 1989, 173 = NZV 1990, 155; zweifelnd Lemcke, Urteilsanm., r+s 1997, 59 f., 60. 2 BGH v. 25. 5. 2008 – IV ZR 313/06, MDR 2008, 1153 = r+s 2008, 372 = NZV 2008, 509 = VersR 2008, 1202; OLG Saarbrücken v. 6. 2. 2007 – 4 U 538/05, MDR 2007, 1130; OLG Jena v. 6. 1. 2004 – 4 U 936/03, VersR 2004, 1168 = OLGR 2004, 116. 3 OLG Hamm v. 16. 6. 1994 – 6 U 227/93, r+s 1995, 176 = NZV 1995, 276; s. auch BGH v. 9. 7. 1996 – VI ZR 5/95, NJW 1996, 2933 = r+s 1996, 398 = VersR 1996, 1258 = NZV 1996, 445.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 182 Teil 2
cc) „Gebrauch“ des Kfz oder des Kfz-Anhängers Nach §§ 1 PflVG, 2 Abs. 1 KfzPflVV hat die Pflichtversicherung u. a. alle Ansprüche des „Dritten“ gegen Halter und Fahrer auf Ersatz der Personen- und Sachschäden abzudecken, die „durch den Gebrauch“ des Kfz oder des Kfz-Anhängers entstehen. Dem entspricht § 10 AKB, wonach die KH-Versicherung Schadensersatzansprüche abdeckt, die „durch den Gebrauch“ des versicherten Kfz entstehen.
181
Inhaltlich geht der Begriff „Gebrauch des Kfz“ i. S. d. §§ 1 PflVG, 2 Abs. 1 KfzPflVV, 10 AKB über den Begriff „Betrieb des Kfz“ i. S. d. § 7 StVG weit hinaus1. Der Schaden ist „durch den Gebrauch des Kfz“ verursacht, wenn er auf eine Handlung des Fahrers zurückzuführen ist, die in den gesetzlichen oder durch die Verkehrsauffassung bestimmten Aufgabenkreis eines Kraftfahrers fällt; die Gefahr muss von dem Kfz selbst ausgehen2. So können zum „Gebrauch“ des Kfz z. B. auch Reparaturarbeiten am Kfz gehören mit der Folge, dass selbst ein bei Schweißarbeiten an dem Kfz entstandener, von einem Versicherten verschuldeter Brandschaden an einem Gebäude durch die KH-Versicherung gedeckt sein kann; der Schaden entstand zwar nicht bei dem Betrieb, aber durch den Gebrauch des Kfz3. Das gilt auch dann, wenn sich beim Waschen eines Kfz eine Eisfläche bildet und jemand darauf ausrutscht4. Beim Be- und Entladen eines Kfz ist zu unterscheiden5: Der unmittelbare Be- und Entladevorgang am Kfz gehört noch zum Betrieb (Beisp.: Unmittelbar beim Abladen wird ein vorbeigehender Fußgänger verletzt; ein Stein fällt vom Lkw, ein Fußgänger stolpert darüber; bei der Heizölanlieferung stolpert ein Fußgänger über den Schlauch6); das Entladen eines Tankwagens mittels einer Pumpe gehört nicht mehr zum Betrieb, aber zum Gebrauch des Kfz mit der Folge, dass der durch Überlaufen des Heizöltanks im Keller entstandene Schaden noch durch die KH-Versicherung gedeckt sein kann7. Anders ist es dann, wenn der Entladevorgang bereits abgeschlossen ist, wenn z. B. ein Fußgänger auf dem Gehweg beim Wegschieben eines vom
182
1 S. näher Hofmann, NVersZ 1998, 54; Schug, VersR 1998, 819. 2 BGH v. 10. 7. 1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52 = MDR 1980, 1007 = r+s 1980, 252 = NJW 1980, 2525 = VersR 1980, 1039. 3 BGH v. 21. 2. 1990 – IV ZR 271/88, r+s 1990, 196 = VersR 1990, 482; s. dazu auch OLG Hamm v. 21. 9. 1998 – 6 U 125/98, r+s 1999, 55 = VersR 1999, 882 = OLGR 1999, 67 und OLG Saarbrücken v. 2. 6. 1999 – 5 U 40/99, r+s 2000, 322. 4 OLG Hamm v. 29. 5. 1987 – 20 W 73/86, r+s 1987, 213 = VersR 1988, 732. 5 OLG Hamm v. 22. 9. 1999 – 13 U 134/99, r+s 2000, 498 (Abladen von Fässern, auslaufende Flüssigkeit verursacht Schaden); s. dazu auch OLG Hamm v. 16. 8. 1999 – 6 U 227/98, r+s 1999, 494 = NZV 1999, 469 = DAR 1999, 546 = VersR 2000, 1270 (Folgeunfall, ausgelöst bei dem Versuch, ein anderes Kfz aufzuhalten). 6 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 124 ff. 7 BGH v. 14. 6. 1993 – III ZR 135/92, MDR 1994, 258 = NJW 1993, 2740 = VersR 1993, 1155.
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Teil 2
Rz. 183
Haftungsvoraussetzungen
Lkw abgeladenen Rollwagens angestoßen und verletzt wird1; dieser Unfall ist auch nicht mehr „durch den Gebrauch“ des Kfz entstanden. Auch das Einsammeln weggeflogener Papiere auf der Fahrbahn durch den Kraftfahrer gehört noch zum Gebrauch des Kfz2, ferner das Aussteigen zum Erkundigen nach dem Weg3; anders ist es dann, wenn das Überqueren der Fahrbahn nach dem Aussteigen nicht mehr im Zusammenhang mit den Pflichten als Kraftfahrer stand4. 183
Soweit also Ansprüche aus der Gefährdungshaftung – d. h. „bei dem Betrieb“ des Kfz – gegen den Halter und den Fahrer des Kfz entstanden sind, sind sie immer erst recht „durch den Gebrauch“ des Kfz entstanden und damit durch die KH-Versicherung gedeckt5. dd) Mehrere Versicherungsverhältnisse
184
In der KH-Versicherung sind, wie bereits gesagt, neben dem Versicherungsnehmer gem. § 10 Abs. 2 AKB insbesondere auch der Halter und der Fahrer des Kfz mitversichert. Diese verschiedenen Versicherungsverhältnisse stehen selbständig nebeneinander, sie können ein unterschiedliches Schicksal haben und sind deshalb getrennt zu betrachten6.
185
Hat z. B. der Mieter eines Kfz den Unfall mit dem Mietwagen vorsätzlich verursacht und ist der Vermieter als mithaftender Kfz-Halter nicht an der Vorsatztat beteiligt, braucht der KH-Versicherer zwar gem. § 103 VVG n. F. (früher § 152 VVG) nicht für den Mieter einzutreten. Er ist aber dennoch für den aus § 7 StVG mithaftenden Vermieter eintrittspflichtig. Im Ergebnis kann der Geschädigte also in einem solchen Falle (wenn er nicht, wie z. B. beim verabredeten Unfall, in die Selbstschädigung eingewilligt hat) neben Fahrer und Halter auch den KH-Versicherer auf Ersatz in Anspruch nehmen, Halter und KH-Versicherer allerdings nur aus der Halterhaftung7.
186
Anders kann es wiederum im Falle der Entwendung oder Unterschlagung des Kfz sein. Hat z. B. der Mieter das Mietfahrzeug unterschlagen, ist evtl. die Halterstellung und damit auch die Halterhaftung des Vermieters untergegangen (§ 7 Abs. 1 und 3 StVG). Verursacht jetzt der Mieter vor1 OLG Hamm v. 7. 7. 1997 – 6 U 86/97, r+s 1998, 52 = OLGR 1998, 63. 2 OLG Hamm v. 24. 11. 2008 – 6 U 105/08, r+s 2009, 124 = OLGR 2009, 195 = NZV 2009, 187. 3 Greger, 4. Aufl., § 15, Rz. 5. 4 BGH v. 10. 7. 1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52 = MDR 1980, 1007 = r+s 1980, 252 = NJW 1980, 2525 = VersR 1980, 1039. 5 OLG Hamm v. 21. 9. 1998 – 6 U 125/98, r+s 1999, 55 = VersR 1999, 882 = OLGR 1999, 67. 6 BGH v. 24. 9. 1985 – VI ZR 4/84, MDR 1986, 135 = r+s 1986, 27 = VersR 1986, 153. 7 S. z. B. LG Bonn v. 19. 12. 1997 – 2 S 18/96, r+s 1998, 461.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 189 Teil 2
sätzlich einen Unfall, kann der Geschädigte nur ihn auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, und für ihn braucht der KH-Versicherer gem. § 103 VVG n. F. (früher § 152 VVG) nicht einzutreten1.
! Hinweis: Bei vorsätzlicher Schadenszufügung ist der KH-Versicherer zwar gem. § 103 VVG n. F. leistungsfrei; für mithaftende Mitversicherte, die selbst nicht vorsätzlich gehandelt haben, hat der KH-Versicherer aber dennoch einzutreten. Soweit der Direktanspruch aus § 115 VVG n. F. gem. § 103 VVG n. F. ausgeschlossen ist, kommen evtl. Ansprüche des Geschädigten gegen die „Verkehrsopferhilfe“ in Betracht (§§ 12 ff. PflVG, s. fi Rz. 52)2.
187
Die Selbständigkeit der verschiedenen Versicherungsverhältnisse ist z. B. auch dann zu beachten, wenn bei einem Unfall mit mehreren Fahrzeugen unklar ist, wer den Verkehrsverstoß begangen hat, die beteiligten Fahrzeuge aber bei demselben KH-Versicherer versichert sind; der Geschädigte kann dann z. B. nicht von dem KH-Versicherer Ersatz aus § 823 BGB mit der Begründung verlangen, es stehe jedenfalls fest, dass ein bei ihm Versicherter den Unfall verschuldet habe3. Die Selbständigkeit der verschiedenen Versicherungsverhältnisse ist aber z. B. auch dann zu beachten, wenn bei einem Lkw-Unfall nur Fahrer und KH-Versicherer aus §§ 823 BGB, 3 Nr. 1 PflVG in Anspruch genommen werden und wenn sich dann im Prozess ergibt, dass zwar ein Verschulden des Fahrers nicht bewiesen ist, dass aber der Halter aus § 831 BGB in Anspruch genommen werden könnte, aber nicht verurteilt werden kann, weil er nicht verklagt ist – in der Praxis insbesondere vor der jetzigen Gesetzesänderung, als ein Schmerzensgeld nur aus der Verschuldenshaftung zugesprochen werden konnte, ein häufiger Fehler (s. auch fi Rz. 53 ff.).
188
In diesem Falle kann das Gericht nicht ohne weiteres den KH-Versicherer aus der Halterhaftung verurteilen. Denn aus der Art der Klageerhebung ergibt sich, dass der Kläger den KH-Versicherer nur aus der Fahrerhaftung in Anspruch nehmen will. Es ist deshalb zumindest die Klarstellung erforderlich, dass der KH-Versicherer (klageerweiternd) auch aus der Halterhaftung in Anspruch genommen werden soll4.
189
1 2 3 4
OLG Hamm v. 23. 1. 1996 – 9 U 145/95, r+s 1996, 435 m. Anm. Lemcke. S. dazu eingehend Weber, DAR 1987, 333. S. dazu Weber, VersR 1985, 1004. S. Lemcke, r+s 2000, 221, 222; Lemcke, Anm. zu BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, r+s 1997, 364, 366 = MDR 1997, 827; OLG Hamm v. 23. 3. 1998 – 6 U 210/97, r+s 1998, 278 = NZV 1998, 409 = OLGR 1998, 244; s. hierzu auch Wussow, WI 1998, 66.
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Teil 2
Rz. 190
Haftungsvoraussetzungen
ee) Haftungsbegrenzung und Aufnahme in das Urteil 190
Der Direktanspruch gegen den KH-Versicherer ist der Höhe nach mehrfach begrenzt, – nicht nur im Falle der Gefährdungshaftung durch die Beschränkung auf die Höchstsätze der §§ 12, 12a StVG, sondern – zusätzlich durch die Höhe der vereinbarten Versicherungssumme (§ 10 Abs. 6 AKB), – beim sog. gestörten Versicherungsverhältnis zusätzlich durch die Beschränkung der Haftung auf die Mindestversicherungssumme (§ 117 Abs. 3 VVG n. F., früher §§ 3 Nr. 4 und 6 PflVG i. V. m. § 158c Abs. 3 VVG).
191
Die Haftungsbegrenzungen sollten jedenfalls dann, wenn die Gefahr besteht, dass die Grenzen überschritten werden – z. B. bei einem Rentenurteil, aber auch bei einem Feststellungsurteil –, immer in das Urteil aufgenommen werden1; praktische Bedeutung hat dieses aber jetzt wegen der erneuten (s. näher fi Rz. 113) Anhebung der Haftungshöchstgrenzen (§ 12 StVG n. F.) für Unfälle seit dem 18. 12. 2007 auf 5 Mio. Euro für Personenschäden und auf 1 Mio. Euro für Sachschäden nur noch in Altfällen aus der Zeit davor.
192
Unterbleibt dieses, ist die Haftung nur dann auf die Höchstsätze der §§ 12, 12a StVG beschränkt, wenn die Urteilsgründe zweifelsfrei ergeben, dass die Leistungspflicht sich nur auf die Bestimmungen des StVG gründet2. Auch auf die Versicherungssumme ist die Haftung des Versicherers bei fehlendem Hinweis nur dann beschränkt, wenn die Urteilsgründe zweifelsfrei ergeben, dass die Verurteilung auf §§ 7, 18 StVG, 115 Abs. 1 VVG n. F. (früher § 3 Nr. 1 PflVG) gestützt ist3.
193
Die Beschränkung der Haftung des Versicherers auf die Mindestversicherungssumme besteht nur dann, wenn sie sich eindeutig aus dem Urteil – entweder aus dem Urteilstenor oder zweifelsfrei aus den Urteilsgründen – ergibt; fehlt diese Beschränkung in einem rechtskräftig gewordenen Feststellungsurteil, kann sich der KH-Versicherer in einem späteren Rechtsstreit nicht mehr darauf berufen4.
1 BGH v. 25. 6. 1996 – VI ZR 300/95, MDR 1996, 1061 = r+s 1996, 387 = VersR 1996, 1299. 2 BGH v. 20. 12. 1981 – VI ZR 170/80, NJW 1982, 447 = VersR 1982, 1120. 3 BGH v. 25. 6. 1996 – VI ZR 300/95, MDR 1996, 1061 = r+s 1996, 387 = VersR 1996, 1299; BGH v. 21. 1. 1986 – VI ZR 63/85, NJW 1986, 2703 = MDR 1986, 574 = r+s 1986, 88 = VersR 1986, 565. 4 BGH v. 23. 1. 1979 – VI ZR 199/77, VersR 1979, 272.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 198 Teil 2
! Hinweis: Besteht die Gefahr, dass der Schaden die Haftungsgrenzen des KHVersicherers übersteigt, muss dessen Anwalt darauf hinwirken, dass die Begrenzung auch tatsächlich in das Urteil – insbesondere in ein Renten- oder Feststellungsurteil – aufgenommen wird. d) Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung des Geschädigten Beim Unfall zwischen zwei Kfz stellt sich auch dann, wenn die Haftung des gegnerischen Halters und/oder Fahrers nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG zu bejahen ist und weder der Halter nach § 7 Abs. 2 StVG wegen höherer Gewalt noch der Fahrer nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG wegen Schuldlosigkeit entlastet ist, immer die Anschlussfrage, ob der Geschädigte eine Anspruchskürzung hinnehmen muss, weil er selbst für den Unfall mitverantwortlich ist, entweder nach § 17 Abs. 2 StVG oder nach § 254 BGB, evtl. in Verbindung mit § 9 StVG.
194
Ist der Anwendungsbereich des § 17 StVG gegeben, ist zu beachten, dass der Halter als Schädiger nach § 17 Abs. 3 StVG nicht erst bei höherer Gewalt, sondern schon dann entlastet ist, wenn er den Unabwendbarkeitsnachweis geführt hat. Deshalb ist es, falls ein Halter als Schädiger in Anspruch genommen wird, wichtig (wichtiger als früher), den Anwendungsbereich des § 17 StVG von dem des § 254 BGB zu trennen.
195
§ 17 StVG ist – evtl. in Verbindung mit § 18 Abs. 3 StVG – bei einem Unfall zwischen zwei Fahrzeugen anzuwenden, wenn Halter und/oder Fahrer des Kfz oder Kfz-Anhängers als Schädiger aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG haftpflichtig sind und wenn der Geschädigte ebenfalls als Fahrer oder Halter des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs – Kfz oder Anhänger – für die mitwirkende Betriebsgefahr einstehen muss. Der Geschädigte muss für die Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs einstehen, wenn der Schädiger ihn bei spiegelbildlicher Betrachtung ebenfalls als Halter oder Fahrer aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könnte, ohne als Halter nach §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG oder als Fahrer nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entlastet zu sein.
196
Dagegen ist der Anwendungsbereich des § 254 BGB gegeben, wenn der Geschädigte nur für einen persönlichen Verantwortungsbeitrag einstehen muss (s. insoweit näher fi Rz. 206 ff.).
197
Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 17 Abs. 3 S. 2 StVG) ist der Eigentümer eines Kfz oder Anhängers, der nicht Halter ist (Nur-Eigentümer) – das betrifft insbesondere den Leasinggeber – in die Regelung des § 17 Abs. 3 StVG mit einbezogen; macht der Nur-Eigentümer wegen des Fahrzeugschadens Ersatzansprüche geltend, ist der gegnerische Hal-
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Teil 2
Rz. 199
Haftungsvoraussetzungen
ter danach ebenfalls schon dann haftungsfrei, wenn er den Unabwendbarkeitsnachweis führen kann. 199
§ 17 Abs. 1 StVG enthält Regelungen über den Gesamtschuldnerausgleich zwischen mehreren unfallbeteiligten Kfz-Haltern für den Fall, dass ein Dritter durch mehrere Kfz geschädigt wird und die Kfz-Halter dem Dritten aus § 7 StVG (und evtl. auch aus §§ 823, 831 BGB) gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet sind. Für diese Fälle enthält § 17 Abs. 1 StVG eine ergänzende Sonderregelung zu § 426 Abs. 1 BGB.
200
Die Hauptbedeutung des § 17 StVG liegt in der Regelung des § 17 Abs. 2 StVG. Diese Norm regelt das Haftungsverhältnis zwischen zwei unfallbeteiligten Kfz-Haltern untereinander wegen der eigenen Schäden, wenn der Geschädigte als Halter für seinen Schaden mitverantwortlich ist und deshalb eine Anspruchskürzung in Betracht kommt. Insoweit enthält § 17 Abs. 2 StVG eine Sonderregelung zu § 254 Abs. 1 BGB, und zwar auch dann, wenn auf einer Seite oder auf beiden Seiten die Betriebsgefahr durch ein Verschulden erhöht ist.
201
§ 17 Abs. 2 StVG verweist auf Abs. 1, d. h. bei einem Kfz-Kfz-Unfall mit geschädigtem Dritten werden die Ausgleichsquote nach Abs. 1 hinsichtlich des Schadens des Dritten und die Haftungsquote nach Abs. 2 hinsichtlich der eigenen Schäden nach denselben Maßstäben ermittelt. aa) Anspruchskürzung nach § 17 Abs. 2 StVG
202
Sind beide Seiten, Schädiger und Geschädigter, nach § 17 Abs. 1 oder § 18 Abs. 1 S. 2 StVG für die mitwirkende Betriebsgefahr eines bei dem Unfall beteiligten Kfz oder Kfz-Anhängers verantwortlich und nicht nach §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 oder nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entlastet, hängt nach § 17 Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 StVG – die „Verpflichtung zum Ersatz“ sowie – der „Umfang des zu leistenden Ersatzes“ von den „Umständen“, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden – „vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht“ worden ist. In einem ersten Schritt ist das Gewicht des einen und des anderen Verursachungsbeitrags zu ermitteln; in einem zweiten Schritt sind dann die beiden Verursachungs-(Verantwortungs-)Anteile gegeneinander abzuwägen.
203
Sind Halter und Fahrer personenverschieden, sind – wie schon auf der Schädigerseite (fi Rz. 162, 541) – ihre beiden Verantwortungsanteile zusammenzufassen; sie verschmelzen auch hier zu einer Zurechnungseinheit (nicht Haftungseinheit, weil es hier nicht um die Haftung, sondern 96
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 206 Teil 2
um die Mitverantwortlichkeit für den eigenen Schaden geht; die Begriffe sind aber inhaltlich identisch). Auch auf der Geschädigtenseite müssen sich Halter und Fahrer jeweils den Verantwortungsanteil des anderen zurechnen lassen, d. h. wenn sich beide nicht entlasten können, ist die Quote, um die ihre Ansprüche zu kürzen ist, für beide immer gleich. Im Rahmen der Haftungsabwägung dürfen – das wird in der Praxis immer wieder übersehen – zum Nachteil der einen oder der anderen Seite jeweils
204
– nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, und ferner auch – nur solche Umstände, die sich auch erwiesenermaßen auf den Unfall – auf Schadensentstehung oder Schadenshöhe – ausgewirkt haben1. Bei der Haftungsabwägung kann sich ergeben, dass das Gewicht des einen Verantwortungsbeitrags so hoch ist, dass diese Seite den Schaden im Ergebnis allein zu tragen hat. In einem derartigen Fall kann dann oft die Vorfrage, ob die andere Seite entlastet ist, offen bleiben, weil die Haftungsabwägung zu demselben Ergebnis führt.
205
Nähere Einzelheiten zur Haftungsabwägung sind im Abschnitt V dargestellt (fi Rz. 686 ff.).
! Hinweis: In der Praxis ist der gelungene Entlastungsbeweis zwar die Ausnahme. Die Frage der Entlastung kann aber offen bleiben, wenn der Verantwortungsanteil einer Seite so schwer wiegt, dass sie auch ohne Entlastung des Gegners die Folgen des Unfalls allein zu tragen hat. bb) Anspruchskürzung nach § 254 BGB, evtl. i. V. m. § 9 StVG Auch bei einem Unfall zwischen zwei Kfz ist der Geschädigte evtl. nicht für die bei dem Unfall mitwirkende Betriebsgefahr eines der unfallbeteiligten Kfz verantwortlich. Das gilt zunächst für den Insassen, wenn er nicht zugleich Halter des Kfz ist. Das gilt aber auch für den geschädigten Eigentümer eines unfallbeteiligten Kfz, der nicht zugleich Halter ist (NurEigentümer, z. B. der Leasinggeber bei einem Leasingfahrzeug, s. näher unten zu fi Rz. 219 ff.). Das gilt schließlich für den Eigentümer eines unfallbeteiligten Kfz, wenn es sich um ein sog. langsam fahrendes Fahrzeug i. S. d. § 8 Nr. 1 StVG handelt, das nicht der Gefährdungshaftung unterliegt. In diesen Fällen ist § 17 StVG nicht anwendbar. Eine Haftungsabwägung nach § 17 StVG setzt nämlich voraus, dass beide Seiten für eine bei dem 1 BGH v. 10. 1. 1995 – VI ZR 247/94, MDR 1995, 359 = r+s 1995, 132 = VersR 1995, 357.
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Teil 2
Rz. 207
Haftungsvoraussetzungen
Unfall mitwirkende Betriebs- oder Tiergefahr einzustehen haben. Das entspricht jedenfalls – auch beim Leasingfahrzeug – der Rechtsprechung des BGH1. In diesen Fällen kommt deshalb allenfalls eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB in Betracht, evtl. i. V. m. § 9 StVG. (1) Geschädigter Insasse 207
Wird ein Insasse, der nicht zugleich Halter oder Fahrer dieses Kfz ist (Nur-Insasse), bei einem Verkehrsunfall verletzt, kann er den gegnerischen Halter, Fahrer und KH-Versicherer, soweit diese aus der Gefährdungshaftung oder der Verschuldenshaftung haftpflichtig sind, i. d. R. voll auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
208
Er braucht sich – das wird oft übersehen – im Außenverhältnis zu dem Unfallgegner weder die Betriebsgefahr des Kfz, in dem er Insasse ist, noch das Verschulden des „eigenen“ Fahrers zurechnen zu lassen. Denn es fehlt eine entsprechende Zurechnungsnorm. Anders ist es nur dann, wenn der Insasse selbst der Halter dieses Kfz ist.
209
Auch die in § 8 StVG geregelten Haftungsausschlüsse gelten nur im Innenverhältnis, nicht im Außenverhältnis zum gegnerischen Halter, Fahrer und KH-Versicherer. So kann z. B. derjenige, der bei dem Betrieb des Kfz tätig ist (z. B. beim Beladen oder als Beifahrer) und dabei verletzt worden ist, zwar nicht seinen eigenen Halter und Fahrer, wohl aber den gegnerischen Halter und Fahrer aus der Gefährdungshaftung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
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Anders ist es dann, wenn ein eigenes Mitverschulden des Insassen bei der Entstehung seines Schadens gegeben ist, wenn er z. B. seine Anschnallpflicht verletzt hat2 oder wenn er sich einem erkennbar alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrer anvertraut hat und dieses für die Entstehung seines Schadens mitursächlich geworden ist. Das ist auch gegenüber dem gegnerischen Halter, Fahrer und KH-Versicherer i. d. R. gem. § 254 BGB anspruchsmindernd zu berücksichtigen; bei grobem Verschulden des gegnerischen Fahrers kann es evtl. außer Ansatz bleiben3. 1 BGH v. 10. 7. 2007 – VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 = MDR 2007, 1307 = r+s 2007, 435 m. Anm. Lemcke = NZV 2007, 610 m. Anm. Heß = VersR 2007, 1387; OLG Hamm v 14. 11. 1994 – 6 U 101/94, NJW 1995, 2233 = r+s 1995, 94 = VersR 1996, 347 = NZV 1995, 233; OLG Hamm v. 30. 5. 1996 – 6 U 16/96, r+s 1996, 339 = NZV 1996, 320; Wussow/Baur, Kap. 17, Rz. 31 m. w. H.; a. A. z. B. Greger, 4. Aufl., § 22, Rz. 89; Schmitz, NJW 1994, 302. 2 S. dazu Landscheidt, NZV 1988, 7 m. w. H. 3 BGH v. 20. 1. 1998 – VI ZR 57/97, NJW 1998, 1137 = MDR 1998, 532 m. Anm. Lessing = r+s 1998, 148 = VersR 1998, 474; OLG Karlsruhe v. 6. 11. 2009 – 14 U 42/08, NZV 10, 26; OLG München v. 13. 1. 1999 – 7 U 4576/98, NJW-RR 1999, 820; OLG Frankfurt a. M. v. 18. 5. 1995 – 15 U 97/94, r+s 1996, 18 m. Anm. Lemcke.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 214 Teil 2
Ist z. B. der Ehemann als Halter und Fahrer seines Kfz in einen Unfall verwickelt worden und ist dabei auch die Ehefrau als Insassin verletzt worden, muss zwar der Ehemann bei der Inanspruchnahme des gegnerischen Halters, Fahrers und KH-Versicherers evtl. eine quotenmäßige Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen, aber seine Ehefrau nicht. In der Praxis geschieht es immer wieder, dass in einem derartigen Falle auch die Ansprüche der Ehefrau gekürzt werden.
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! Hinweis: Der verletzte Nur-Insasse kann den gegnerischen Halter, Fahrer und KH-Versicherer i. d. R. ohne quotenmäßige Kürzung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. (2) Geschädigter Leasinggeber bzw. Sicherungseigentümer Handelt es sich bei dem beschädigten Kfz um ein Leasingfahrzeug oder steht dieses im Sicherungseigentum einer Bank, fallen Eigentümer- und Halterstellung auseinander; Eigentümer ist der Leasinggeber bzw der Sicherungsnehmer, Halter ist (nur) der Leasingnehmer bzw. der Sicherungsgeber (s. fi Rz. 69 ff.).
212
Hier können sowohl der Nur-Eigentümer als auch der Halter Schäden erleiden und Ersatzansprüche geltend machen, der Eigentümer wegen der Eigentumsverletzung, der Halter als berechtigter Besitzer wegen seiner Besitzrechtsverletzung und ggf. wegen seines Haftungsschadens (s. fi Rz. 81 f.). Machen Leasingnehmer bzw. Sicherungsgeber wegen Verletzung ihres Besitzrechts Ersatzansprüche aus der Gefährdungs- oder der Verschuldenshaftung gegen den Unfallgegner geltend, müssen sie, weil Kfz-Halter, gem. § 17 StVG eine Anspruchskürzung hinnehmen, wenn sie oder ihr Fahrer den Unfall mitverschuldet haben oder wenn sie sich jedenfalls trotz mitwirkender Betriebsgefahr nicht entlasten können. Sind sie Ersatzansprüchen des Eigentümers ausgesezt oder nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet, die Fahrzeugschäden selbst zu beheben, können sie den Unfallgegner zwar auch wegen des Fahrzeugschadens auf Ersatz in Anspruch nehmen; sie müssen dann aber ebenfalls evtl. gem. § 17 StVG eine Anspruchskürzug hinnehmen.
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Machen aber Leasinggeber bzw. Sicherungseigentümer selbst wegen Verletzung ihres Eigentums Ersatzansprüche aus der Gefährdungs- oder der Verschuldenshaftung geltend, muss berücksichtigt werden, dass auf ihrer Seite zwar ein der Gefährdungshaftung unterliegendes Kfz unfallbeteiligt ist, dass sie aber nicht Kfz-Halter sind. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sie als Nur-Eigentümer dennoch für die Betriebsgefahr ihres Kfz einzustehen haben.
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Teil 2 215
Rz. 215
Haftungsvoraussetzungen
Insoweit ist nach der Rechtsprechung des BGH1 zu unterscheiden: – Bestehen nur Ansprüche des Eigentümers gegen den Unfallgegner aus der Gefährdungshaftung, §§ 7, 18 StVG, muss sich der Eigentümer, obwohl nicht Halter, gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB das Mitverschulden des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über ihr Fahrzeug, also des Kfz-Halters oder seines Fahrers, ggf. anspruchskürzend zurechnen lassen. Insoweit bestehen also im Rahmen der Schadenregulierung keine Besonderheiten. Voraussetzung ist aber, dass ein Mitverschulden tatsächlich gegeben ist. – Bestehen auch Ansprüche des Eigentümers gegen den Unfallgegner aus der Verschuldenshaftung, §§ 823, 831 BGB, fehlt eine entsprechende Zurechnungsnorm. § 254 BGB sieht eine Zurechnung des Verhaltens desjenigen, der für den Eigentümer die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, nicht vor. § 17 StVG ist nur zu Lasten des Halters anwendbar. Daran hat sich nach der Auffassung des BGH2 auch durch die Regelung in § 17 Abs. 3 S. 3 StVG nichts geändert; diese Norm regelt nur, dass bei einem Kfz-Unfall die erleichterte Entlastungsmöglichkeit des § 17 Abs. 3 StVG auch im Verhältnis zwischen dem Nur-Eigentümer und dem gegnerischen Kfz-Halter besteht, nicht, dass sich der Nur-Eigentümer die Betriebsgefahr seines Kfz zurechnen lassen muss. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10. 7. 2007 zum Leasing ausgeführt, die Erweiterung der Mithaftung des geschädigten Nur-Eigentümers durch § 9 StVG diene ebenso wie die in § 12 StVG festgelegten Höchstbeträge dem Ausgleich für die verschärfte Gefährdungshaftung. Der Gesetzgeber habe sich im Rahmen der Änderungen des Schadensrechts durch das 2. SchadÄndG nicht veranlasst gesehen, an dieser Rechtslage etwas zu ändern. – Bestehen nur Ansprüche des Eigentümers gegen den Unfallgegner aus der Gefährdungshaftung, §§ 7, 18 StVG, und ist ein Mitverschulden des Inhabers der tatsächlichen Gewalt nicht gegeben, fehlt ebenfalls eine Zurechnungsnorm. § 9 StVG setzt ein Mitverschulden des Inhabers der tatsächlichen Gewalt voraus. Eine entsprechende Anwendung der §§ 9 StVG, 254 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Nur-Eigen1 Für den Sicherungseigentümer: BGH v. 30. 3. 1965 – VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273, 1274 = VersR 1965, 523; für den Leasinggeber: BGH v. 7. 12. 2010 – VI ZR 288/09, MDR 2011, 222 = r+s 2011, 132 m. Anm. Lemcke = NZV 2011, 179 = VersR 2011, 365; BGH v. 10. 7. 2007 – VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 = MDR 2007, 1307 = r+s 2007, 435 m. Anm. Lemcke = NZV 2007, 610 m. Anm. Heß = VersR 2007, 1387; so auch OLG Hamm v. 14. 11. 1994 – 6 U 101/94, NJW 1995, 2233 = r+s 1995, 94 = NZV 1995, 233 = OLGR 1995, 91 = VersR 1996, 347; Wussow/Baur, Kap. 17, Rz. 31 und 57 m. w. H. 2 BGH v. 10. 7. 2007 – VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 = MDR 2007, 1307 = r+s 2007, 435 m. Anm. Lemcke = NZV 2007, 610 m. Anm. Heß = VersR 2007, 1387; a. A. Greger, 4. Aufl., § 22, Rz. 89; Schmitz, NJW 2002, 3070 f.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 218 Teil 2
tümer für die mitwirkende Betriebsgefahr seines Kfz nicht verantwortlich ist. Wer aber für die Betriebsgefahr nicht verantwortlich ist und deshalb aus § 7 StVG nicht in Anspruch genommen werden kann, muss sie sich auch nicht als Geschädigter zurechnen lassen1. Das hat der BGH in seiner Entscheidung vom 7. 12. 2010 offenbar übersehen. Daraus folgt: Macht z.B. der Leasinggeber als Nur-Eigentümer den Fahrzeugschaden selbst geltend, hat er einen vollen Ersatzanspruch gegen den Unfallgegner, wenn der Unfallgegner aus der Verschuldenshaftung haftet oder wenn dieser zwar nur aus der Gefährdungshaftung haftet, aber kein Mitverschulden des Leasingnehmers oder seines Fahrers gegeben ist. Anders ist es nur dann, wenn gegen den Unfallgegner nur Ansprüche aus der Gefährdungshaftung bestehen und ein Mitverschulden des Leasingnehmers oder seines Fahrers gegeben ist; dann muss der Leasinggeber sich deren Mitverschulden nach §§ 9 StVG, 254 BGB zurechnen lassen.
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Das wenig verständliche Ergebnis: Stoßen zwei Leasingfahrzeuge zusammen und bestehen für beide Leasinggeber Ersatzansprüche aus der Verschuldenshaftung, haben beide Leasinggeber gegen den Unfallgegner jeweils einen vollen Ersatzanspruch. Das gilt auch bei Ansprüchen aus der Gefährdungshaftung, wenn der Unfall unaufklärbar ist, also ein Verschulden beiderseits nicht feststeht.
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Es stellt sich die Anschlussfrage, ob in diesen Fällen der in Anspruch genommene und voll haftpflichtige Unfallgegner bzw. sein KH-Versicherer den Leasingnehmer und/oder seinen Fahrer im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs auf Beteiligung an dem Schaden am Leasingfahrzeug in Anspruch nehmen kann. Insoweit gilt Folgendes:
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– Haben der Leasingnehmer oder sein Fahrer den Unfall mitverschuldet, hat der Leasinggeber auch gegen diese aus §§ 823, 831 BGB einen Anspruch auf Ersatz des gesamten Fahrzeugschadens; es besteht mit dem Unfallgegner insoweit ein Gesamtschuldverhältnis. Hat der gegnerische KH-Versicherer den Schaden des Leasinggebers reguliert, kann er den Leasingnehmer und dessen Fahrer gem. §§ 426, 254 BGB im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs auf Erstattung der von ihnen – sie stehen in einer Haftungseinheit – gemeinsam zu tragenden Quote in Anspruch nehmen. Insoweit sind diese nicht durch die für das Leasingfahrzeug bestehende KH-Versicherung geschützt; es geht um einen Eigenschaden am versicherten Leasingfahrzeug. Der Leasingnehmer hat aber i.d.R. für das Leasingfahrzeug eine Kasko-Versicherung abgeschlossen; i.d.R. ist er dazu aufgrund des Leasingvertrages verpflichtet.
1 Lemcke, r+s 2011, 134; s. auch Nugel, jurisPR-VerkR 13/2011 Anm. 1.
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Teil 2
Rz. 219
Haftungsvoraussetzungen
Hierdurch ist dann der Schaden am Leasingfahrzeug, soweit vom Leasingnehmer und dessen Fahrer zu tragen, gedeckt1. – Haben der Leasingnehmer oder sein Fahrer aber den Unfall nicht verschuldet, kann der Leasinggeber sie nicht auf Ersatz in Anspruch nehmen, § 7 StVG gilt im Verhältnis zwischen Eigentümer und Fahrer nicht2. Weil kein Gesamtschuldverhältnis besteht, besteht auch kein Ausgleichsanspruch. In diesem Fall trägt der Unfallgegner also den Schaden am Leasingfahrzeug endgültig allein. 219
Im Ergebnis wird also, wenn der Leasinggeber selbst die Ersatzansprüche wegen der Beschädigung des Leasingfahrzeugs gegen den Unfallgegner und dessen KH-Versicherer geltend macht, bei Ansprüchen aus der Verschuldenshaftung in die Ebene des Gesamtschuldnerausgleichs verlagert, was bei Ansprüchen des Kfz-Halters gegen den Unfallgegner gem. § 17 StVG immer direkt gilt3.
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Anders ist es dann, wenn nur Ersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung gegen den Unfallgegner bestehen. – Hat auf Seiten des Leasinggebers ein Verschulden des Fahrers des Leasingfahrzeugs (des Leasingnehmers oder seines Fahrers) mitgewirkt, muss der Leasinggeber sich dieses gem. §§ 9 StVG, 254 BGB zurechnen lassen. – Hat auch auf Seiten des Leasinggebers kein Verschulden des Fahrers mitgewirkt, bleibt es endgültig bei der vollen Haftung des Unfallgegners4.
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Die aufgrund der neuen Rechtsprechung des BGH bestehende Rechtslage führt teilweise zu grob unbilligen Ergebnissen. In den Fällen der Verschuldenshaftung muss der gegnerische KH-Versicherer den Umweg über den Gesamtschuldnerausgleich gehen, er trägt aber das Insolvenzrisiko für den Fall, dass für das Leasingfahrzeug keine Kaskoversicherung besteht oder dass der Kasko-Versicherer leistungsfrei ist und der Leasingnehmer selbst insolvent ist. In den Fällen der Gefährdungshaftung bleibt es sogar, wenn den Fahrer des Leasingfahrzeugs kein Verschulden trifft, endgültig bei der vollen Haftung des gegnerischen KH-Versicherers. Zwar käme, wenn den Unfallgegner ein Verschulden trifft, allenfalls ein geringer Quotenabzug in Betracht. Ist aber beiderseits kein Verschulden gegeben oder jedenfalls nicht bewiesen, besteht für den Leasinggeber end1 So Heß, NZV 2007, 611 f.; es könnten aber Bedenken bestehen, ob der Kaskoversicherer noch leistungspflichtig ist, wenn der Fahrzeugschaden des Leasinggebers bereits anderweitig, durch den gegnerischen KH-Versicherer, ausgeglichen worden ist; s. auch Nugel, NZV 2009, 313 ff. 2 BGH v. 7. 12. 2010 – VI ZR 288/09, MDR 2011, 222 = r+s 2011, 132 m. Anm. Lemcke = NZV 2011, 179 = VersR 2011, 365. 3 Lemcke, r+s 2007, 437. 4 Lemcke, r+s 2011, 134; s. auch Nugel, jurisPR-VerkR 13/2011 Anm. 1.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 224 Teil 2
gültig die volle Haftung, während eigentlich nur die hälftige Haftung sachlich gerechtfertigt wäre. Die Entscheidung des BGH hat große wirtschaftliche Bedeutung, zumal nicht nur Pkw geleast werden, sondern auch Großfahrzeuge wie z. B. Busse, Lkw, Mobilkräne und andere Nutzfahrzeuge. Es ist zu erwarten, dass bei Leasingfahrzeugen in Zukunft verstärkt der jeweilige Leasinggeber als Nur-Eigentümer selbst die Ersatzansprüche geltend macht, um den Quotenabzug zu vermeiden; teilweise sollen schon Leasingverträge entsprechend angepasst werden. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass diese Rechtsprechung des BGH trotz der Änderungen durch das 2. SchadÄndG weiterhin auch für sicherungsübereignete Fahrzeuge gilt; auch hier ist Kfz-Halter nicht der Sicherungseigentümer (die Bank), sondern der Sicherungsgeber1. Es wäre sicher sinnvoll und angemessen gewesen, wenn der Gesetzgeber die Gleichbehandlung von haltendem und nicht haltendem Eigentümer auch hinsichtlich der Anrechnung der Betriebsgefahr geregelt hätte, nicht nur gem. § 17 Abs. 3 S. 2 StVG hinsichtlich des erleichterten Entlastungsbeweises. Eine gesetzliche Nachbesserung ist dringend geboten.
222
(3) Geschädigter Halter eines langsam fahrenden Kfz Kraftfahrzeuge, die konstruktionsbedingt (s. fi Rz. 65 ff.) nicht schneller als 20 km/h fahren können (daran ist insbesondere zu denken bei Unfällen mit Baufahrzeugen, mit landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen und mit Gabelstaplern), unterliegen nicht der Gefährdungshaftung (§ 8 Nr. 1 StVG); Halter und Fahrer dieses Fahrzeugs können allenfalls aus der Verschuldenshaftung auf Ersatz in Anspruch genommen werden.
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Als Geschädigter muss der Halter eines solchen Kfz eine Anspruchskürzung allenfalls nach § 254 BGB wegen Mitverschuldens hinnehmen, nicht wegen mitwirkender Betriebsgefahr.. Hat ein anderer sein Fahrzeug gefahren, gelten im Ergebnis dieselben Grundsätze wie bei einem Leasingfahrzeug oder einem sicherungsübereigneten Kfz; bei Ansprüchen aus der Gefährdungshaftung muss er sich das Mitverschulden seines Fahrers nach §§ 9 StVG, 254 BGB zurechnen lassen, bei Ansprüchen aus der Verschuldenshaftung nicht, weil eine Zurechnungsnorm fehlt (s. fi Rz. 215).
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Der Halter eines langsam fahrenden Fahrzeugs kann also, wenn er sein Fahrzeug nicht selbst gefahren hat, bei Ansprüchen aus der Verschuldenshaftung den Unfallgegner und dessen Versicherer immer voll auf Ersatz in Anspruch nehmen, er braucht sich das Verschulden seines Fahrers nicht zurechnen zu lassen; der Versicherer des Unfallgegners kann allenfalls Rückgriffsansprüche gemäß § 426 BGB gegen den Fahrer geltend machen. 1 BGH v. 30. 3. 1965 – VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273, 1274 = VersR 1965, 523; s. hierzu Thomson, NZV 2009, 577 ff., 578 f.; Heß, NZV 2007, 611 ff., 612.
Lemcke
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Teil 2
Rz. 225
Haftungsvoraussetzungen
(4) Kfz-Beschädigung bei Vermietung 225
Handelt es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um ein Mietfahrzeug, ist der Vermieter i. d. R. – jedenfalls bei nur kurzfristiger Vermietung – nicht nur Eigentümer, sondern auch Halter1. Auch in diesem Falle kann aber neben dem Vermieter als Eigentümer auch der Mieter als berechtigter Besitzer „Verletzter“ sein (s. fi Rz. 81 ff.).
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Wird das Mietfahrzeug bei einem Unfall beschädigt, kann der Vermieter als Eigentümer zwar den gegnerischen Kfz-Halter, Fahrer und KH-Versicherer aus §§ 7, 18 StVG und § 823 BGB auf Schadensersatz – Ersatz des Substanzschadens – in Anspruch nehmen, er muss sich aber als Halter gem. § 17 StVG die – evtl. durch Verschulden des Mieters/Fahrers erhöhte – Betriebsgefahr seines Kfz anspruchsmindernd zurechnen lassen.
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Der Mieter ist ebenfalls „Verletzter“ i. S. d. § 7 StVG. Er kann den gegnerischen Kfz-Halter und/oder Fahrer deshalb ebenfalls sowohl aus §§ 7, 18 StVG als auch aus § 823 BGB auf Ersatz seines Besitzentziehungsschadens und – soweit er Schadensersatzansprüchen des Vermieters ausgesetzt ist – des sog. Haftungsschadens in Anspruch nehmen; als Fahrer des Mietfahrzeugs muss er sich aber gem. §§ 18, 17 StVG ebenfalls die – evtl. durch sein Mitverschulden erhöhte – Betriebsgefahr des Mietfahrzeugs anspruchskürzend zurechnen lassen.
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Hat der Mieter die Führung des Mietfahrzeugs einem Dritten überlassen, ist er dennoch hinsichtlich seiner Schäden „Verletzter“ i. S. d. § 7 StVG, d. h. er kann Halter und Fahrer des gegnerischen Kfz auch in diesem Fall sowohl aus der Gefährdungshaftung als auch aus der Verschuldenshaftung in Anspruch nehmen. Weil er aber jetzt weder Halter noch Fahrer ist, kommt eine Anspruchskürzung nach § 17 StVG nicht in Betracht. § 254 BGB ist nicht anwendbar, weil die besonderen Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB im Verhältnis zur Gegenseite nicht vorliegen. Für den Fall der Gefährdungshaftung muss der Mieter deshalb auch hier evtl. eine Anspruchskürzung gem. § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB hinnehmen, dagegen wohl nicht für den Fall der Verschuldenshaftung; insoweit dürften die Schädiger wohl ebenfalls darauf beschränkt sein, den Dritten gem. § 426 BGB in Regress zu nehmen. e) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 57)
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Falls die Sichtverhältnisse nicht eingeschränkt gewesen sind, hat FS den Unfall infolge Vorfahrtsverletzung schuldhaft verursacht; mit geringen Geschwindigkeitsüberschreitungen muss der Wartepflichtige rechnen. Ob FG und HG wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung der FG eine 1 BGH v. 3. 12. 1991 – VI ZR 378/90, NJW 1992, 900 = MDR 1992, 453 = r+s 1992, 185 = VersR 1992, 437.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 231 Teil 2
Anspruchskürzung hinnehmen müssen, ist davon abhängig, ob sich diese überhaupt auf den Unfall ausgewirkt hat. Ist dieses zu bejahen, ergibt sich folgende rechtliche Beurteilung:
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FG und HG können FS, HS und VS aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG und §§ 823, 831 BGB (falls die besonderen Voraussetzungen des § 831 BGB vorliegen) i. V. m. 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG) auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch nehmen. FG und HG müssen aber wegen der mitwirkenden Betriebsgefahr des eigenen Kfz, die durch Verschulden der FG erhöht ist, nach § 17 StVG eine Anspruchskürzung hinnehmen. Sie sind beide gem. §§ 7, 18 StVG für den Unfall mitverantwortlich, auch HG; er muss sich, obwohl nur Insasse, als Halter die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs auf seinen gesamten Personen- und Sachschaden zurechnen lassen. Weil die beiderseitigen Verantwortungsanteile des Halters und des Fahrers immer zu einer Zurechnungseinheit verschmelzen, ist die ihnen zustehende Haftungsquote im Ergebnis immer gleich. Eine Kürzung der Ansprüche um 1/3 ist bei einem derartigen Sachverhalt angemessen und auch üblich. Der Höhe nach sind die Ansprüche aus §§ 7, 18 StVG auf die (zum Unfallzeitpunkt geltenden) Haftungshöchstbeträge nach §§ 12 f. StVG beschränkt, die Ansprüche gegen VS aus §§ 823, 831 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG auch auf die Höhe der vereinbarten Versicherungssumme. Das Kind IG kann FS, HS und VS voll auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, es braucht sich als Nur-Insasse die Betriebsgefahr des Kfz seiner Eltern nicht anspruchskürzend zurechnen zu lassen. Das wird in der Praxis oft übersehen. HG und IG haben aber auch Ersatzansprüche gegen FG und den eigenen Haftpflichtversicherer VG. Diese ergeben sich aus den nachfolgenden Erörterungen zu 3. (fi Rz. 232 ff., 281 ff.).
3. Unfall eines Kfz ohne Beteiligung eines weiteren Kfz Literatur: Blum/Weber, Wer ist Fahrer eines Fahrschulwagens, NZV 2007, 228; Brock, Rechtliche Probleme beim begleiteten Fahren ab 17, DAR 2006, 63; Burmann, Zum Begriff des Fahrers in § 10 Abs. 2c AKB, zfs 1998, 410; Etzel, Haftungsfragen durch seit 1. 4. 93 vorgeschriebene Kinderrückhaltevorrichtungen in Kfz, DAR 1994, 301; Filthaut, Haftungsausschlüsse und -beschränkungen für Schäden von Bahn- und Busfahrgästen, NZV 2001, 238; Filthaut, Die deliktische Haftung für Unfälle hilfsbedürftiger Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr, NZV 2000, 13; Filthaut, Die neuere Rechtsprechung zur Schadenshaftung des Omnibusunternehmers und -fahrers, NZV 1999, 284, NZV 1997, 294 und NZV 1995, 304; Freyberger, Das neue Schadensersatzrecht – Die praktische Abwicklung von Verkehrsunfällen seit dem 1. 8. 2002, MDR 2002, 867; Häublein, Zur Bewertung des Mitverschuldens des Geschädigten bei Missachtung der Gurtpflicht, VersR 1999, 163; Hugemann und Becke, Stand- und Sitzsicherheit von Businsassen,
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231
Teil 2
Rz. 232
Haftungsvoraussetzungen
DAR 1991, 199; Kunschert, Halterhaftung bei Beschädigung eigener Sachen des Kfz-Führers, NZV 1989, 61; Kunschert, Die Haftung de Kfz-Halters gegenüber seinem Partner und seinem Kind als Insassen, NJW 2003, 950; Landscheidt, Schadensersatz und Sicherheitsgurt, NZV 1988, 7; Lang/Stahl/Huber, Das Modell „Begleitetes Fahren mit 17“ aus Haftungs- und versicherungsrechtlicher Sicht, NZV 2006, 449; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lepa, Die Haftung des Arbeitnehmers im Straßenverkehr, NZV 1997, 137; Sapp, Das Modell Begleitetes Fahren ab 17 im Haftungsrecht, NJW 2006, 408; Ternig, Fahrradfahrer in der StVO, DAR 2002, 105.
Ausgangsfall: Familie G ist mit dem Pkw unterwegs, Halter des bei VG haftpflichtversicherten Pkw ist HG, seine Ehefrau FG sitzt am Steuer, der zwölfjährige Sohn IG fährt mit. In einer Kurve kommt FG ohne Fremdbeteiligung von der Fahrbahn ab, alle drei Insassen werden verletzt und verlangen von VG Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden (Lösung: s. fi Rz. 281 ff.). 232
Stoßen im öffentlichen Straßenverkehr zwei Fahrzeuge zusammen, ist es i. d. R. sehr unwahrscheinlich, dass zwischen den Unfallbeteiligten vertragliche oder gesetzliche Beziehungen bestehen, die die gesetzliche Haftung beeinflussen können. Geht es aber um Haftungsansprüche im Innenverhältnis zwischen Eigentümer, Halter, Fahrer und Insassen desselben Fahrzeugs, sind derartige vertragliche (z. B. mietvertragliche) oder gesetzliche (z. B. arbeitsrechtliche oder familiäre) Beziehungen häufig gegeben.
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Verursacht z. B. der Mitarbeiter eines Unternehmers mit einem Firmenfahrzeug einen Unfall, bei dem das Kfz beschädigt und der Unternehmer und ein weiterer Mitarbeiter als Insassen verletzt werden, ist zu beachten: – Soweit es um den Sachschaden des Arbeitgebers an dem Kfz geht, haftet nur der Mitarbeiter, nicht der KH-Versicherer (§ 11 Nr. 2 AKB); insoweit sind aber die vom BAG zugunsten der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB entwickelten und durch Beschluss vom 27. 9. 1994 erweiterten Haftungserleichterungen zu beachten1. Diese Haftungserleichterungen gelten jedoch nicht, wenn es nicht um Schäden an dem Kfz, sondern um andere Sachschäden des Arbeitgebers geht, für die der Arbeitnehmer durch die KH-Pflichtversicherung geschützt ist2.
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– Soweit es um den Personenschaden des Arbeitgebers und des weiteren Mitarbeiters geht, sind die Regelungen über die sog. Haftungsersetzung zu beachten. Nach den für Unfälle seit dem 1. 1. 1997 geltenden 1 BAG v. 27. 9. 1994 – GS 1/89 [A], MDR 1995, 135 (nur LS) m. Anm. Tschöpe/Hennige = VersR 1995, 607 = DAR 1994, 506; s. dazu näher Förschner, DAR 2001, 16; Geigel/Schlegelmilch, Kap. 12, Rz. 61. 2 BGH v. 3. 12. 1991 – VI ZR 378/90, NJW 1992, 900 = MDR 1992, 453 = r+s 1992, 185 = VersR 1992, 437.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 237 Teil 2
neuen Regelungen (statt §§ 636 ff. RVO jetzt §§ 104 ff. SGB VII) ist der den Unfall verursachende Mitarbeiter und damit auch der Haftpflichtversicherer nicht nur dem Arbeitskollegen gegenüber, sondern auch dem Arbeitgeber gegenüber von der Haftung freigestellt1 (s. auch fi Rz. 46 f.).
! Hinweis: Insbesondere bei Kfz-Unfällen ohne Fremdbeteiligung ist zunächst zu prüfen, ob zwischen den Beteiligten haftungsbeschränkende Rechtsbeziehungen bestehen. Gesamtschuldnerische Haftung: Soweit eine Haftpflicht besteht, haften die Haftpflichtigen jeweils gesamtschuldnerisch (§ 840 Abs 1 BGB). Das gilt auch dann, wenn bei dem Unfall nicht nur im Innenverhältnis (gegen den „eigenen“ Halter und/oder Fahrer) Ersatzansprüche bestehen, sondern auch dann, wenn zusätzlich Ansprüche gegen weitere Unfallbeteiligte bestehen. Wegen derartiger, evtl. zusätzlich bestehender Ansprüche im Außenverhältnis wird auf die Ausführungen zu 2. (fi Rz. 57 ff.) verwiesen, die nachfolgende Darstellung befasst sich nur mit den Ansprüchen im Innenverhältnis.
235
Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert:
236
a) Ansprüche des Eigentümers/Halters gegen den Fahrer (fi Rz. 237 ff.) b) Ansprüche des Sicherungseigentümers bzw. Leasinggebers gegen Halter und Fahrer (fi Rz. 249 ff.) c) Ansprüche des Fahrers gegen den Halter (fi Rz. 254 ff.) d) Ansprüche des Insassen gegen Halter und Fahrer (fi Rz. 261 ff.) e) Ansprüche des Geschädigten gegen den KH-Versicherer (fi Rz. 276 ff.) a) Ansprüche des Eigentümers/Halters gegen den Fahrer aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung Der Eigentümer/Halter eines Kfz kann nach einem Unfall ohne Fremdbeteiligung den Fahrer seines eigenen Kfz nicht aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) auf Ersatz der Fahrzeugschäden in Anspruch nehmen2. Ansprüche aus der Gefährdungshaftung kommen nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte bei dem Betrieb eines fremden Kfz einen Personen- oder Sachschaden erlitten hat, nicht, wenn er durch sein eigenes Kfz geschädigt worden ist. Durch die Gefährdungshaftung sollen andere vor den Gefahren geschützt werden, die von dem Betrieb eines Kfz 1 S. z. B. näher Geigel/Kolb, Kap. 31; Lemcke, ZAP, Fach 2, S. 199 m. w. H. 2 Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 246, 252; s. auch BGH v. 7. 12. 2010 – VI ZR 288/09, MDR 2011, 222 = r+s 2011, 132 m. Anm. Lemcke = NZV 2011, 179 = VersR 2011, 365.
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Teil 2
Rz. 238
Haftungsvoraussetzungen
ausgehen, nicht diejenigen, die die Gefahrenquelle geschaffen haben; dazu gehört neben Halter und Fahrer auch der Eigentümer. 238
Der verbundene Anhänger ist Teil des Kfz. Der Eigentümer des Anhängers konnte deshalb jedenfalls bisher den Halter des Zugfahrzeugs wegen seiner unfallbedingten Eigenschäden ebenfalls nicht aus der Gefährdungshaftung in Anspruch nehmen1. Daran dürfte sich jetzt, nach der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Kfz-Anhängers mit dem Kfz nichts geändert haben. Im Innenverhältnis zwischen den Haltern eines Lastzugs oder zwischen Halter und Fahrer kommen deshalb wegen der Eigenschäden auch weiterhin immer nur Ersatzansprüche aus der Verschuldens- und der Vertragshaftung in Betracht. bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung
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Der Kfz-Eigentümer kann gegen den Fahrer seines eigenen Kfz Ersatzansprüche aus der Verschuldenshaftung haben und zwar sowohl wegen der Sach- (vor allem der Fahrzeug-)Schäden als auch wegen etwaiger Personenschäden (z. B. wenn er als Insasse verletzt worden ist).
240
Neben den gesetzlichen Ersatzansprüchen kommen hier, weil häufig vertragliche Beziehungen zwischen Eigentümer und Fahrer bestehen, auch vertragliche Ersatzansprüche aus schuldhafter Vertragsverletzung in Betracht. Andererseits können aber aufgrund der Beziehungen zwischen Eigentümer und Fahrer auch vertragliche oder gesetzliche Haftungsbeschränkungen bestehen, die sich sowohl auf die vertraglichen als auch auf die gesetzlichen Ansprüche auswirken können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Fahrer, wenn er vom Eigentümer wegen des Fahrzeugschadens in Anspruch genommen wird, weder durch die für das Kfz bestehende KHVersicherung (§ 11 Nr. 2 AKB, s. fi Rz. 176 ff., 279 ff.) noch durch eine Privathaftpflichtversicherung (sog. Kleine Benzinklausel) geschützt ist. (1) Gefälligkeitsfahrt
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Verschuldet der Fahrer, der aus Gefälligkeit die Führung des Kfz übernommen hat, einen Unfall, kann evtl. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – Auslegung der Abmachung über das Führen des Kfz – ein stillschweigender Haftungsverzicht (evtl. jedenfalls für leichte Fahrlässigkeit) angenommen werden2. Das gilt vor allem dann, wenn der Ei1 OLG Hamm v. 30. 11. 1998 – 6 U 136/98, MDR 1999, 419 = NZV 1999, 243 = NJW-RR 1999, 906 = OLGR 1999, 99. 2 S. näher Greger, 4. Aufl., § 19, Rz. 48 ff.; Geigel/Schlegelmilch, Kap. 12, Rz. 28, 50; s. dazu OLG Hamm v. 8. 6. 1999 – 26 U 21/99, r+s 2000, 451 = NZV 1999, 421 = NJW-RR 2000, 62.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 243 Teil 2
gentümer (i. d. R. zugleich auch der Kfz-Halter) ein erhebliches Interesse an der Übernahme der Führung des Kfz hatte, z. B. deshalb, weil er selbst alkoholbedingt fahruntüchtig war1. Evtl. kann auch ein stillschweigender inhaltlich begrenzter Haftungsverzicht angenommen werden, nämlich ein Verzicht, soweit kein Versicherungsschutz besteht. Insoweit ist zu beachten, dass der Halter zwar nicht wegen seiner Sachschäden, aber wegen seiner Personenschäden Ersatzansprüche gegen seinen „eigenen“ KH-Versicherer hat (s. näher fi Rz. 278 ff.). (2) Probefahrt Der Kunde eines gewerblichen Autohändlers darf bei einer Probefahrt anlässlich von Kaufverhandlungen darauf vertrauen, dass eine Fahrzeugvollversicherung besteht und dass seine Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist; das gilt auch dann, wenn der Händler lediglich vermittelnd tätig wird2. Bei einer Probefahrt mit einem privat angebotenen Gebrauchtwagen besteht ein derartiger Vertrauenstatbestand nicht, der Kaufinteressent fährt auf eigenes Risiko3.
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(3) Unfall mit Mietfahrzeug Der Mieter haftet für eine schuldhafte Beschädigung des Mietfahrzeugs aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 280 Abs. 1 BGB (schuldhafte Vertragsverletzung), wenn für ihn ein Dritter das Fahrzeug geführt hat, evtl. aus § 831 BGB und/oder aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 278 BGB. Verspricht der Vermieter aber in seinen AGB, den Mieter gegen Zahlung eines Entgelts von der Haftung freizustellen, muss er die Freistellung nach dem Leitbild der Kaskoversicherung ausgestalten4; ein pauschaler Haftungsvorbehalt für jeden Fall grober Fahrlässigkeit ist mit dem Grundgedanken des ab 1. 1. 2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG nicht zu vereinbaren und deshalb nach § 307 BGB nichtig mit der Folge, dass die Haftungsbefreiung durchgreift5. Entsprechend § 15 Abs. 2 AKB ist dann auch der berechtigte Fahrer von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit freizustellen6. Die vereinbarte Freistellung entfällt, wenn der Mieter der 1 BGH v. 15. 1. 1980 – VI ZR 191/78, r+s 1980, 111 = VersR 1980, 384. 2 BGH v. 10. 1. 1979 – VIII ZR 264/76, VersR 1979, 352; OLG Saarbrücken v. 27. 4. 1990 – 1 U 188/89, NZV 1990, 466; OLG Köln v. 13. 1. 2003, 12 U 1360/01, NJW-RR 2003, 1185 = VersR 2003, 342. 3 OLG Köln v. 20. 11. 1995 – 16 U 32/95, NZV 1996, 313. 4 BGH v. 2. 2. 2009 – XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480; OLG Stuttgart v. 29. 3. 2001 – 19 U 222/00, r+s 2002, 61 = VersR 2001, 773 m. w. N. 5 OLG Köln v. 13. 1. 2010 – 11 U 159/09, VersR 2010, 1193. 6 BGH v. 20. 5. 2009 – XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 = MDR 2009, 1159 = NZV 2009, 490 = VersR 2009, 1123; OLG Köln v. 13. 1. 2010 – 11 U 159/09, VersR 2010, 1193.
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Teil 2
Rz. 244
Haftungsvoraussetzungen
Verpflichtung, nach einem von ihm verschuldeten Unfall die Polizei hinzuzuziehen, nicht nachkommt1. (4) Ehegatte als Fahrer 244
Die Haftung zwischen Ehegatten ist zwar gem. § 1359 BGB auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beschränkt; der Ehegatte haftet i. d. R. nur bei grober Fahrlässigkeit (§ 277 BGB). Fügt aber ein Ehegatte dem anderen durch Verstoß gegen die Vorschriften des Straßenverkehrs Schaden an seiner Gesundheit oder an seinem Eigentum zu, so kommen Haftungsbeschränkungen aufgrund der ehelichen Beziehungen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der verantwortliche Ehegatte durch die KHPflichtversicherung geschützt wird2. Verschuldet also ein Ehegatte als Fahrer einen Unfall, bei dem der andere Ehegatte als Insasse verletzt wird, haftet er auch bei leichter Fahrlässigkeit auf Schadensersatz, und zwar ohne Rücksicht darauf, wer von beiden Halter dieses Kfz ist; ist der Fahrer zugleich Halter, haftet er seinem als Insasse verletzten Eheparter auch ohne Verschulden aus der Gefährdungshaftung. Allerdings besteht die unbeschränkte Haftung nur hinsichtlich der Personenschäden; hinsichtlich der Sachschäden ist der KH-Versicherer gemäß §§ 4 Nr. 1 KfzPflVV, 11 Nr. 2 AKB nicht eintrittspflichtig (s. näher fi Rz. 280); insoweit kann der Geschädigte den Ehepartner deshalb nur gemäß §§ 823, 1359, 277 BGB auf Ersatz in Anspruch nehmen, also i. d. R. nur bei grober Fahrlässigkeit. (5) Arbeitnehmer als Fahrer
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Verursacht der Arbeitnehmer mit dem Kfz seines Arbeitgebers einen Unfall, müssen hinsichtlich der Fahrzeugschäden die arbeitsrechtlichen Haftungserleichterungen beachtet werden3. Wird bei dem Unfall sein Arbeitgeber als Insasse verletzt, ist der Arbeitnehmer evtl. gem. § 105 SGB VII haftungsprivilegiert; es greifen dann evtl. die Regelungen über die Haftungsersetzung ein, auch zugunsten des KH-Versicherers (fi Rz. 234). cc) Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung des Geschädigten (1) Mitverschulden
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Ein mitwirkendes Verschulden des Eigentümers/Halters (z. B. das Verschweigen technischer Mängel des Kfz oder die Überlassung des Kfz an 1 BGH v. 2. 2. 2009 – XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480. 2 BGH v. 24. 3. 2009 – VI ZR 79/08, MDR 2009, 804 = r+s 2009, 257 (m. Anm. Lemcke) = NZV 2009, 381 = VersR 2009, 840; BGH v. 10. 7. 1974 – IV ZR 212/72, VersR 1974, 1117; BGH v. 11. 3. 1970 – VI ZR 772/68, VersR 1970, 672. 3 S. näher Förschner, DAR 2001, 16.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 251 Teil 2
einen alkoholbedingt Fahruntüchtigen) ist gem. § 254 BGB anspruchsmindernd zu berücksichtigen. (2) „Mitwirkende Betriebsgefahr“ Die „mitwirkende Betriebsgefahr“ des Kfz als solche ist dagegen nicht zu berücksichtigen. Sie kann zwar auch im Rahmen des § 254 BGB Berücksichtigung finden, aber immer nur dann, wenn sie spiegelbildlich, in umgekehrter Richtung, Haftpflichtansprüche begründen kann. Der Eigentümer/Halter hat jedoch dem Fahrer gegenüber nicht für die Betriebsgefahr seines Kfz einzustehen. Das ergibt sich aus § 8 Nr. 2 StVG; danach gilt § 7 StVG nicht, wenn der Geschädigte „bei dem Betrieb des Kfz tätig“ war.
247
Der BGH1 hat zu dieser Frage ferner ausgeführt, auch Treu und Glauben gebiete nicht, dem Fahrer zu gestatten, sich dem Halter gegenüber auf die allgemeine Betriebsgefahr zu berufen; denn mit der Überlassung des Kfz habe der Halter dem Fahrer die Beherrschung eben dieser Betriebsgefahr anvertraut.
248
! Hinweis: Der Fahrer kann sich dem Halter gegenüber nicht auf die mitwirkende Betriebsgefahr des ihm anvertrauten Kfz berufen. b) Ansprüche des Leasinggebers bzw. Sicherungseigentümers gegen Kfz-Halter und Fahrer seines Kfz In diesen Fällen ist der Leasingnehmer bzw. der Sicherungsgeber berechtigter Besitzer und Kfz-Halter (s. fi Rz. 69 ff., 81 ff.). Bei einem Unfall ohne Fremdbeteiligung kommen Ersatzansprüche des Eigentümers wegen Eigentumsverletzung (auf Ersatz des Fahrzeugschadens, des sog. Substanzschadens, s. fi Rz. 81 ff.) gegen den Halter des Kfz und ggf. auch gegen dessen Fahrer in Betracht.
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aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung Ansprüche des (Nur-)Eigentümers gegen Halter und Fahrer des eigenen Kfz aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG sind nicht gegeben. Diese Ansprüche kommen nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte bei dem Betrieb eines fremden Kfz einen Schaden erlitten hat, nicht, wenn er durch sein eigenes Kfz geschädigt worden ist (s. fi Rz. 212 ff.).
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Das gilt auch für den Leasinggeber und den Sicherungseigentümer2. Sie können bei einem Unfall ohne Fremdbeteiligung den Halter und/oder Fahrer ihres Kfz nicht aus der Gefährdungshaftung in Anspruch nehmen.
251
1 BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 38/71, NJW 1972, 1415 = VersR 1972, 959. 2 BGH v. 7. 12. 2010 – VI ZR 288/09, MDR 2011, 222 = r+s 2011, 132 m. Anm. Lemcke = NZV 2011, 179 = VersR 2011, 365: s. auch Greger, 4. Aufl. § 4, Rz. 35; § 3, Rz. 252.
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Teil 2
Rz. 252
Haftungsvoraussetzungen
Das ist auch zu beachten, wenn an dem Unfall ein Dritter beteiligt ist; es entsteht dann kein Gesamtschuldverhältnis. Das wird bedeutsam, wenn der Nur-Eigentümer Ersatzansprüche gegen den Unfallgegner geltend macht (s. näher fi Rz. 215 ff.). bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung 252
Neben vertraglichen Schadensersatzansprüchen können Ansprüche des (Nur-)Eigentümers aus §§ 823, 831 BGB gegen den Sicherungsgeber bzw. den Leasingnehmer und ggf. auch gegen den Fahrer gegeben sein.
253
Ein Mitverschulden des (Nur-)Eigentümers wäre anspruchsmindernd zu berücksichtigen, nicht aber die „mitwirkende Betriebsgefahr“ des Kfz, und zwar wiederum gem. § 8 Nr. 2 StVG nicht (s. fi Rz. 247). c) Ansprüche des Fahrers gegen den Halter aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung
254
Der Fahrer kann im Falle eines Unfalls mit eigenem Personen- und/oder Sachschaden den Halter des von ihm geführten Kfz nicht aus § 7 Abs. 1 StVG in Anspruch nehmen. Das ergibt sich, wie bereits gesagt (s. fi Rz. 247), aus § 8 Nr. 2 StVG.
255
§ 8 Nr. 2 StVG kommt auch dann zur Anwendung, wenn ein Fahrschüler während einer Übungsstunde mit dem Schulungsfahrzeug (Pkw oder auch Krad) einen Unfall erleidet. Zwar gilt dann gem. § 2 Abs. 15 S. 2 StVG der Fahrlehrer als Fahrer des Kfz. Der Fahrschüler ist aber ebenfalls „bei dem Betrieb des Kfz tätig“1, d. h. er kann den Halter des Fahrschulwagens nicht aus § 7 StVG in Anspruch nehmen; auch die Inanspruchnahme des Fahrlehrers aus § 18 StVG scheidet aus.
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Wer als Kfz-Fahrer mit einem fremden Kfz eine eigene Sache beschädigt (Beisp.: Der Ehemann fährt mit dem Pkw seiner Ehefrau gegen das Tor seiner Garage oder gegen seinen eigenen Pkw), kann den Halter des von ihm selbst gefahrenen Kfz (hier seine Ehefrau) und damit auch den KHVersicherer dieses Kfz nicht gem. § 7 StVG auf Ersatz seines eigenen Schadens in Anspruch nehmen; er ist bei dem Betrieb des fremden Kfz tätig geworden, es greift deshalb auch hier der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG2. Voraussetzung für die Halterhaftung ist die Beschädigung einer fremden, d. h. weder dem Halter noch dem Fahrer gehörenden Sache mit dem Kfz. 1 KG v. 26. 10. 1988 – 12 U 7102/87, NZV 1989, 150 m. Anm. Kunschert; Greger, 4. Aufl., § 19, Rz. 11. 2 OLG Hamm v. 25. 6. 1996 – 27 U 68/96, NZV 1997, 42 = zfs 1997, 457 = r+s 1997, 59 m. Anm. Lemcke; Kunschert, NZV 1989, 61.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 260 Teil 2
bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung Sie setzt den Verschuldensnachweis voraus. Ist Ursache des Unfalls ein technisches Versagen des Kfz (z. B. defekte Bremsen, defekter Reifen), kann der Fahrer den eigenen Halter aus der Verschuldenshaftung in Anspruch nehmen, wenn dieser den technischen Mangel kannte oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte kennen müssen und das Kfz dennoch dem Fahrer überlassen hat, ohne ihn auf den technischen Mangel hinzuweisen.
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cc) Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter Bei nur vorübergehender Überlassung tritt kein Halterwechsel ein; i. d. R. bleibt deshalb der Vermieter der Kfz-Halter1. Als Fahrer kann der Mieter den Vermieter als Halter schon gem. § 8 Nr. 2 StVG nicht aus der Halterhaftung (§ 7 StVG) auf Ersatz seiner Schäden in Anspruch nehmen, weil er bei dem Betrieb des Kfz tätig war.
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Hat ein Dritter auf Veranlassung des Mieters das Mietfahrzeug gefahren, steht zwar § 8 Nr. 2 StVG einer Inanspruchnahme des Vermieters aus § 7 StVG durch den Mieter nicht entgegen. Hat der Dritte aber den Unfall schuldhaft verursacht, wäre die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Halterhaftung gegen den Vermieter eine unzulässige Rechtsausübung, weil der Vermieter aus schuldhafter Vertragsverletzung i. V. m. § 278 BGB einen Befreiungsanspruch gegen den Mieter hätte2. Ist ein Verschulden des Dritten nicht gegeben, dürften Ansprüche des Mieters aus § 7 StVG im Ergebnis ebenfalls nicht bestehen, hinsichtlich des Besitzentziehungsschadens nicht, weil durch das Kfz eine andere fremde Sache beschädigt worden sein muss, hinsichtlich eines etwaigen Personenschadens (z. B. wenn der Mieter als Insasse bei dem Unfall verletzt worden ist) nicht wegen § 8 Nr. 2 StVG.
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Der Vermieter hat dafür zu sorgen, dass sich das Mietfahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand befindet. Überlässt der Vermieter das Kfz dem Mieter z. B. mit defekten Bremsen, obwohl er bei ausreichender Kontrolle und Wartung den Mangel hätte erkennen können, kann der Mieter nach einem Unfall gegen ihn Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB (positive Vertragsverletzung) geltend machen, daneben kommen Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) in Betracht.
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1 BGH v. 3. 12. 1991 – VI ZR 378/90, NJW 1992, 900 = MDR 1992, 453 = r+s 1992, 185 = VersR 1992, 437. 2 BGH v. 3. 12. 1991 – VI ZR 378/90, NJW 1992, 900 = MDR 1992, 453 = r+s 1992, 185 = VersR 1992, 437.
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Teil 2
Rz. 261
Haftungsvoraussetzungen
d) Ansprüche des Insassen gegen Halter und Fahrer aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung 261
Schadensersatzansprüche des Insassen aus §§ 7, 18 StVG gegen den Halter und/oder Fahrer des Kfz, in dem er befördert worden ist, bestanden nach § 8a StVG a. F. nur ausnahmsweise, nämlich nur bei entgeltlicher geschäftsmäßiger Personenbeförderung. Diese Haftungslücke ist durch das 2. SchadÄndG geschlossen worden; § 8a Abs. 1 S. 1 StVG ist ersatzlos gestrichen worden. Der Insasse eines Kfz oder Kfz-Anhängers ist jetzt haftungsrechtlich allen übrigen Geschädigten gleichgestellt (s. fi Rz. 40). Das gilt aber nur für den Insassen, der nicht zugleich Halter ist (Nur-Insasse); im Verhältnis zwischen Fahrer und Halter kommen nur Ansprüche aus der Verschuldens- oder Vertragshaftung in Betracht (fi Rz. 237).
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Nach der bisherigen Rechtslage (also auch weiterhin für Unfälle vor dem 1. 8. 2002) liegt eine die Gefährdungshaftung begründende entgeltliche geschäftsmäßige Personenbeförderung z. B vor bei der Beförderung im Taxi oder im Linienbus, dagegen z. B. nicht bei der Mitnahme in einer Fahrgemeinschaft1. Halter und Fahrer eines Taxi oder eines Linienbusses haften also dem Fahrgast schon nach der bisherigen Rechtslage aus §§ 7, 18 StVG, und zwar dann nicht nur hinsichtlich der Personenschäden, sondern auch hinsichtlich der Sachen, die der Fahrgast an sich trägt oder mit sich führt (§ 8a Abs. 1 S. 2 StVG a. F.). Das gilt jetzt auch bei unentgeltlicher Personenbeförderung; § 8 Nr. 3 StVG n. F. stellt klar, dass die Gefährdungshaftung zwar bei Beschädigung beförderter Sachen grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass dieses aber nicht für Sachen gilt, die die beförderte Person an sich trägt und mit sich führt (s. dazu auch fi Rz. 111).
263
Schadensersatz aus §§ 7, 18 StVG ist nach § 8 Nr. 2 StVG n. F. weiterhin insgesamt ausgeschlossen, wenn der Geschädigte „bei dem Betrieb des Kfz tätig“ war. Das gilt auch dann, wenn er Insasse ist; so kann z. B. der Taxi-Fahrgast den Fahrer und Halter des Taxi gem. § 8 StVG nicht aus der Gefährdungshaftung in Anspruch nehmen, wenn er beim Öffnen der Tür der Taxe verletzt wird; sobald der Aussteigevorgang aber voll abgeschlossen ist, können im Falle der Verletzung des (früheren) Insassen Ersatzansprüche aus §§ 7, 18 StVG bestehen2.
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Die Einbeziehung aller Insassen in die Gefährdungshaftung verbessert deren Stellung wesentlich, zumal auch der Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG n. F. jetzt nur noch theoretisch möglich ist. Bisher gingen z. B. die mitfahrenden Familienangehörigen leer aus, wenn die Familie im 1 BGH v. 14. 5. 1981 – VI ZR 233/79, NJW 1981, 1842 = MDR 1981, 835 = r+s 1981, 144 = VersR 1981, 780. 2 OLG Celle v. 18. 3. 1999 – 14 U 90/98, VersR 2000, 1034; zweifelhaft, s. insoweit BGH v. 5. 10. 1010 – VI ZR 286/09, MDR 2010, 1378 = r+s 2011, 34 = NZV 2010, 609 = VersR 2010, 1662; danach ist eine Tätigkeit von gewisser Dauer erforderlich.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 267 Teil 2
Kfz ohne Fremdbeteiligung verunglückte und ein Verschulden des Fahrers nicht beweisbar war (z. B. wegen überraschender Eisglätte oder wegen eines technischen Defekts). Jetzt besteht immer ein Ersatzanspruch der Insassen gegen den „eigenen“ Fahrer und dessen KH-Versicherer, und zwar auch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die familienrechtlichen Haftungsbeschränkungen bei Schädigung von Familienangehörigen (§§ 1359, 1644 BGB i. V. m. § 277 BGB) gelten nicht, wenn der Fahrer durch eine Pflicht-Haftpflichtversicherung geschützt ist; sie soll nicht nur den Schädiger, sondern auch das Opfer schützen1. Jetzt besteht aber auch bei Unfällen unter Beteiligung mehrerer Kfz mit ungeklärtem Unfallhergang immer zumindest ein – quotenmäßig nicht gekürzter – Ersatzanspruch des Insassen aus der Gefährdungshaftung gegen den „eigenen“ Halter und/ oder Fahrer und dessen KH-Versicherer, und zwar auch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes; es ist dann diesen überlassen, ggf. andere Unfallbeteiligte und deren Versicherer wegen der Leistungen an den Insassen im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch zu nehmen. bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung Der geschädigte Insasse kann sowohl den Halter als auch den Fahrer des Kfz, in dem er befördert wurde, aus §§ 823, 831 BGB in Anspruch nehmen. Ist der geschädigte Insasse zugleich Halter dieses Kfz, kann er den eigenen Fahrer zwar nicht aus § 7 StVG in Anspruch nehmen (s. fi Rz. 237), wohl aber aus § 823 BGB (wegen der Haftung des eigenen KH-Versicherers aus § 3 Nr. 1 PflVG in diesem Falle s. fi Rz. 174).
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In Bezug auf den Halter werden die Voraussetzungen für die Verschuldenshaftung i. d. R. nicht vorliegen; ist der Fahrer aber Verrichtungsgehilfe i. S. d. § 831 BGB (z. B. ein angestellter Taxi-, Lkw- oder Busfahrer), kann der Insasse den Halter evtl. selbst dann auf Ersatz seiner Personen- und Sachschäden in Anspruch nehmen, wenn ein Verschulden des Fahrers nicht bewiesen ist (s. näher fi Rz. 130 ff.). Das ist insbesondere dann zu beachten, wenn der Fahrgast eines Busses durch das Fahrverhalten des Fahrers zu Schaden kommt; Ansprüche aus § 831 BGB gegen den Halter bestehen evtl. selbst dann, wenn ein Verschulden des Busfahrers nicht bewiesen ist.
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Der Fahrer eines Linienbusses braucht sich vor dem Anfahren nicht zu vergewissern, ob alle Fahrgäste Platz oder Halt im Wagen gefunden haben; anders ist es bei erkennbarer schwerer körperlicher Behinderung des Fahrgastes2. Er muss sich zum Schutze seiner Fahrgäste bemühen, plötz-
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1 BGH v. 10. 7. 1974 – IV ZR 212/72, VersR 1974, 1117; BGH v. 11. 3. 1970 – VI ZR 772/68, VersR 1970, 672. 2 BGH v. 1. 12. 1992 – VI ZR 27/92, MDR 1993, 315 = r+s 1993, 97 = VersR 1993, 241; OLG Oldenburg v. 6. 7. 1999 – 5 U 62/99, VersR 2001, 118; OLG Koblenz v. 14. 8. 2000 – 12 U 893/99, r+s 2000, 498; s. dazu auch in dieser Sache die abschlie-
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Teil 2
Rz. 268
Haftungsvoraussetzungen
liche Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen möglichst zu vermeiden. Er handelt aber nicht schuldhaft, wenn er durch einen anderen sich verkehrswidrig verhaltenden Verkehrsteilnehmer zum plötzlichen Abbremsen gezwungen wird und dadurch ein Fahrgast verletzt wird1. Hat der Busfahrer sich verkehrsrichtig verhalten, sind auch Ansprüche aus § 831 BGB gegen den Halter ausgeschlossen2. 268
Weil aber der Insasse jetzt immer, jedenfalls aus der Gefährdungshaftung, Ersatzansprüche hat, und zwar auch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, treten die Ersatzansprüche aus der Verschuldenshaftung für den Insassen in ihrer Bedeutung zurück; sie haben jedoch weiterhin Bedeutung in Altfällen und bei großen Personenschäden, wenn die Haftungshöchstbeträge aus der Gefährdungshaftung evtl. zur Schadensdeckung nicht ausreichen.
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Wird ein Fahrschüler während einer Übungsstunde mit dem Schulungsfahrzeug bei einem Unfall verletzt, kann er Halter und Fahrlehrer nicht aus §§ 7, 18 StVG in Anspruch nehmen, weil er bei dem Betrieb des Kfz tätig wird (§ 8 StVG)3. Er kann aber den Fahrlehrer, der gem. § 2 Abs. 15 S. 2 StVG als Führer des Kfz gilt, aus der Verschuldenshaftung in Anspruch nehmen, wenn dieser den Fahrschüler nicht ausreichend überwacht oder überfordert hat4. cc) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Insassen (1) Mitverschulden
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Ein eigenes Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens muss sich der Insasse anspruchsmindernd zurechnen lassen, im Rahmen der Verschuldenshaftung gem. § 254 Abs. 1 BGB, im Rahmen der Gefährdungshaftung gem. § 9 StVG i. V. m. § 254 Abs. 1 BGB. (a) Mitverschulden wegen Verletzung der Anschnallpflicht
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Wer die Anschnallpflicht (§ 21a StVO) verletzt, muss i. d. R. gem. § 254 Abs. 1 BGB einen Teil seines Schadens selbst tragen; jedoch muss feststehen, dass sich die Unterlassung tatsächlich ausgewirkt, d. h. den Schaden vergrößert hat5; diese Prüfung unterbleibt häufig6. Die Anschnall-
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ßende Entscheidung des OLG Hamm v. 25. 3. 1993 – 6 U 156/91, r+s 1993, 335; s. hierzu ferner Filthaut, NZV 1999, 284 und NZV 1997, 294. OLG Hamm v. 27. 5. 1998 – 13 U 29/98, NZV 1998, 463 = OLGR 1998, 222. OLG Hamm v. 27. 5. 1998 – 13 U 29/98, NZV 1998, 463 = OLGR 1998, 222. KG v. 26. 10. 1988 – 12 U 7102/87, NZV 1989, 150 m. Anm. Kunschert; Greger, 4. Aufl., § 19, Rz. 11. OLG Hamm v. 15. 4 1997 – 27 U 247/96, r+s 1998, 331. BGH v. 12. 12. 2000 – VI ZR 411/99, MDR 2001, 386 = r+s 2001, 190 = NJW 2001, 1485 = VersR 2001, 524; OLG Hamm v. 1. 3. 2001 – 6 U 214/00, r+s 2002, 11; OLG Hamm v. 26. 11. 1996 – 9 U 174/95, r+s 1998, 149; Häublein, VersR 1999, 163; Landscheidt, NZV 1988, 7 m. w. H.; s. dazu aber auch OLG Saarbrücken v. 31. 3. 2009 – 4 U 26/08, NZV 2010, 77. S. z. B. LG Braunschweig v. 13. 4. 2000 – 4 O 2919/99, VersR 2002, 774.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 273 Teil 2
pflicht besteht auch bei kurzfristigem, verkehrsbedingtem Anhalten1. Sowohl die Nichtanlegung des Gurtes2 als auch die Auswirkung der Nichtanlegung3 können evtl. im Wege des Anscheinsbeweises festgestellt werden. Die Verletzung der Anschnallpflicht führt aber i. dR. nicht zu einem völligen Anspruchsverlust, sondern nur zu einer Anspruchskürzung; auch in diesen Fällen trägt der Fahrer die Verantwortung für den Unfall mit seinen Folgen. Bei grobem Verschulden des Fahrers scheidet eine Anspruchskürzung evtl. sogar ganz aus; das wird aber in Anbetracht des groben Verschuldens des Insassen gegen sich selbst nur ausnahmsweise in Betracht kommen4. Bei der Verletzung der Anschnallpflicht durch den Insassen liegt oft ein beiderseitiges Verschulden vor; denn insbesondere bei dem durch § 3 Abs. 2a StVO geschützten Personenkreis hat auch der Fahrer dafür zu sorgen, dass der Insasse sich anschnallt; das gilt nicht nur für mitfahrende Kinder, sondern auch für ältere Personen und für Betrunkene als Insassen5. Seit Ende 2006 ist der Fahrer sogar nach ausdrücklicher Regelung in § 21 Abs. 1a StVG bei Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, die kleiner als 1,50 m sind, dafür verantwortlich, dass sie als Insasse den Gurt anlegen; er ist auch dafür verantwortlich, dass sie den Gurt während der Fahrt nicht lösen6. Wird ein derartiges Kind bei einem Unfall infolge Nichtanlegung des Gurtes verletzt, hat der Fahrer evtl. in doppelter Hinsicht schuldhaft gehandelt mit der Folge, dass das Mitverschulden des Kindes bei der Haftungsabwägung zurücktritt.
272
(b) Mitfahrt mit fahruntüchtigem Fahrer Bei einem Unfall infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit des Fahrers trifft den Insassen ein Mitverschulden an seinen erlittenen Verletzungen, wenn er die Fahruntüchtigkeit des Fahrers bei Fahrtantritt kannte oder kennen musste. Stellt er während der Fahrt die Fahruntüchtigkeit fest, muss er evtl. die weitere Mitfahrt beenden7. Eine vorwerfbare Selbstgefährdung kann zu verneinen sein, wenn der jugendliche Insasse selbst erheblich alkoholisiert war8. 1 BGH v. 12. 12. 2000 – VI ZR 411/99, MDR 2001, 386 = r+s 2001, 390 = NJW 2001, 1485 = VersR 2001, 524. 2 BGH v. 3. 7. 1990 – VI ZR 238/89, r+s 1990, 416 = VersR 1991, 195. 3 BGH v. 10. 3. 1981 – VI ZR 236/79, VersR 1981, 548. 4 BGH v. 20. 1. 1998 – VI ZR 59/97, NJW 1998, 1137 = MDR 1998, 532 m. krit. Anm. Lessing = r+s 1998, 148 = VersR 1998, 474; kritisch dazu auch Häublein, VersR 1999, 163. 5 OLG Hamm v. 21. 6 1995 – 3 U 60/90, r+s 1996, 20. 6 AG Köln v. 14. 3. 2005 – 809 Owi 723/04, NZV 05, 598. 7 OLG Oldenburg v. 26. 6. 1997 – 8 U 210/96, r+s 1998, 237. 8 OLG Brandenburg v. 12. 12. 2001 – 14 U 50/01, VersR 2002, 863.
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Teil 2
Rz. 274
Haftungsvoraussetzungen
Allein der Umstand, dass man sich gemeinsam auf einer Veranstaltung befunden hat, reicht aber nicht aus, auch Alkoholgeruch allein noch nicht; entscheidend ist die Kenntnis von der genossenen Alkoholmenge oder das Erkennbarwerden von Ausfallerscheinungen1. In erster Linie ist der Fahrer dafür verantwortlich, seine eigene Fahrtüchtigkeit zu beurteilen. (c) Mitverschulden des Busfahrgastes 274
Er muss sich nach dem Einsteigen sofort festen Halt verschaffen, er muss sich auch während der Fahrt und bei der Vorbereitung des Ausstiegs auf plötzliche Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen einstellen2. Den Busfahrgast trifft i. d. R. ein Mitverschulden, wenn er infolge der auf ihn einwirkenden Fahrbewegungen stürzt3. Alte und Schwache sind aber oft körperlich gar nicht in der Lage, sich z. B. bei einer Notbremsung des Busfahrers ausreichend vor einer Eigenverletzung zu schützen4. Ist ein Mitverschulden nicht feststellbar, haben sie jetzt auch dann aus § 7 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG einen ungekürzten Ersatzanspruch gegen den Halter und KH-Versicherer des Busses, wenn der Busfahrer zum plötzlichen Bremsen gezwungen war und sich wie ein Idealfahrer verhalten hat. (2) „Mitwirkende Betriebsgefahr“
275
Die Betriebsgefahr des Kfz, in dem er befördert wird, braucht der Insasse sich bei der Inanspruchnahme des Halters oder Fahrers dieses Kfz nicht zurechnen zu lassen. Das gilt auch dann, wenn der Insasse selbst Halter dieses Kfz ist und seinen Fahrer in Anspruch nimmt. Denn der Halter braucht dem Fahrer gegenüber gem. § 8 Nr. 2 StVG nicht für die Betriebsgefahr seines Kfz einzustehen5 (s. näher fi Rz. 247). 1 OLG Hamm v. 27. 1. 1997 – 6 U 172/96, r+s 1997, 497 = OLGR 1997, 243; OLG Hamm v. 3. 3. 1998 – 27 U 185/97, r+s 1998, 236 = OLGR 1998, 145; OLG München v. 18. 12. 1997 – 24 U 463/97, OLGR 1998, 107; LG Braunschweig v. 13. 4. 2000 – 4 O 2919/99, VersR 2002, 774. 2 S. hierzu näher Filthaut, NZV 1999, 284 und NZV 1997, 294. 3 BGH v. 1. 12. 1992 – VI ZR 27/92, MDR 1993, 215 = r+s 1993, 97 = VersR 1993, 241; s. in dieser Sache auch die abschließende Entscheidung des OLG Hamm v. 25. 3. 1993 – 6 U 156/91, r+s 1993, 335; s. ferner KG v. 28. 10. 2010 – 12 U 62/10, Juris; OLG München v. 25. 7. 2008 – 10 U 2966/08, Juris; OLG Köln v. 6. 4. 2001 – 19 U 181/00, VersR 2002, 231; OLG Hamm v. 27. 5. 1998 – 13 U 29/98, NZV 1998, 463 = OLGR 1998, 222. 4 Hugemann/Becke, DAR 1991, 199. 5 BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 38/71, NJW 1972, 1415 = VersR 1972, 959.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 280 Teil 2
e) Ansprüche des Geschädigten gegen den KH-Versicherer Bei einem Verkehrsunfall zwischen zwei Kfz hat der Geschädigte im Falle der Haftung des gegnerischen Halters und/oder Fahrers den sog. Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG) gegen den gegnerischen KH-Versicherer (s. fi Rz. 163 ff.). Auch bei einem Verkehrsunfall mit einem Kfz ohne Beteiligung eines zweiten Kfz kann dem Geschädigten – Halter, Eigentümer – der Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 VVG gegen den KH-Versicherer dieses Kfz (den „eigenen“ KH-Versicherer) zustehen, allerdings nur unter den nachfolgenden Voraussetzungen.
276
aa) Akzessorietät Voraussetzung für das Entstehen des Direktanspruchs ist auch hier das Entstehen eines Haftpflichtanspruchs des geschädigten „Dritten“ gegen den Versicherungsnehmer und/oder Mitversicherten, insbesondere Halter und Fahrer (s. näher fi Rz. 163 ff.).
277
bb) Geschädigter „Dritter“ Geschädigter „Dritter“ kann auch ein Mitversicherter sein, also nach § 10 Abs. 2 AKB u. a. der Eigentümer, der Halter und der Fahrer. Nach der Auffassung des BGH1 kann sogar der Versicherungsnehmer selbst „Dritter“ sein (s. näher fi Rz. 174 f.).
278
Zu beachten ist aber auch hier, dass im Verhältnis zwischen Eigentümer, Halter und Fahrer nur Ersatzansprüche aus der Verschuldens- oder Vertragshaftung bestehen können, nicht aus der Gefährdungshaftung (s. fi Rz. 237). Selbst wenn Ersatzansprüche aus § 823 BGB bestehen, ist die Regelung der §§ 4 Nr. 1 KfzPflVV, 11 Nr. 2 AKB zu beachten. Danach sind Haftpflichtansprüche des Versicherungsnehmers, Halters oder Eigentümers gegen mitversicherte Personen wegen Sach- oder Vermögensschäden von der KH-Versicherung ausgeschlossen; anders ist es beim geschädigten Insassen, der nicht zum Kreis der Versicherten gehört.
279
Wenn also der Halter als Insasse in seinem eigenen Kfz bei einem Unfall ohne Fremdbeteiligung verletzt wird, kann er den Fahrer wegen seiner Personen- und Sachschäden auf Ersatz in Anspruch nehmen, wenn dieser den Unfall verschuldet hat; Ansprüche aus der Gefährdungshaftung scheiden im Innenverhältnis zwischen Halter und Fahrer immer aus. Wegen seiner Personenschäden kann er auch seinen „eigenen“ KH-Versicherer auf Ersatz in Anspruch nehmen; Ansprüche wegen seiner Sachschäden sind nach §§ 4 Nr. 1 KfzPflVV, 11 Nr. 2 AKB ausgeschlossen.
280
1 BGH v. 10. 6. 1986 – VI ZR 113/85, MDR 1987, 45 = r+s 1986, 222 = VersR 1986, 1010 m. Anm. Bauer; a. A. Greger, 4. Aufl., § 15, Rz. 10.
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Teil 2
Rz. 281
Haftungsvoraussetzungen
Letzteres gilt auch dann, wenn der Fahrer mit dem Pkw des Halters ein anderes diesem gehörendes Kfz angefahren hat oder diesem auf diese Weise sonstige Sach- oder Vermögensschäden zugefügt hat1. cc) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 232) 281
Gerät wie in dem Ausgangsfall (vor fi Rz. 232) die Ehefrau bei einem Familienausflug mit dem Pkw des Ehemannes von der Fahrbahn ab und werden dabei beide Eheleute und das mitfahrende Kind verletzt, können Ehemann und Kind die Ehefrau bzw. Mutter aus der Verschuldenshaftung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Die Mutter haftet für deren Personenschaden schon bei leichter Fahrlässigkeit aus § 823 BGB. Denn die Haftungsbeschränkungen gem. § 1359 BGB bzw. § 1664 BGB gelten nicht, soweit die Ehefrau bzw. Mutter durch eine Pflichtversicherung geschützt ist. Das ist sie; der KH-Versicherer ist für den Personenschaden beider Insassen eintrittspflichtig, auch für den des Ehemannes, obwohl Halter des Pkw; denn auch er ist „Dritter“ i. S. d. § 115 Abs. 1 VVG. Wegen der Sachschäden kann dagegen nur das Kind und nur im Rahmen der Haftungsbegrenzung gem. § 8 Nr. 3 StVG seine Mutter und den KHVersicherer in Anspruch nehmen (s. fi Rz. 261), der Ehemann seinen KH-Versicherer wegen § 11 Nr. 2 AKB nicht und seine Ehefrau jedenfalls nicht bei leichter Fahrlässigkeit (§§ 1359, 277 BGB, sie ist insoweit nicht durch die Pflichtversicherung geschützt). Das gilt insbesondere für den Schaden an seinem Pkw.
282
Das Kind kann auch seinen Vater als Halter des Kfz aus § 7 StVG und damit seinen KH-Versicherer aus § 115 Abs. 1 VVG auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch nehmen. Dieser Anspruch bestände selbst dann, wenn die Mutter den Unfall als Fahrerin nachweislich schuldlos verursacht hätte (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG), weil damit der Vater als Halter noch nicht entlastet wäre (§ 7 Abs. 2 StVG n. F.). Dessen Haftung aus § 7 StVG ist aber begrenzt auf die Höchstbeträge aus § 12 StVG in der zum Unfallzeitpunkt jeweils geltenden Fassung. Die verletzte Ehefrau kann ihren Ehemann nicht als Halter aus der Gefährdungshaftung in Anspruch nehmen, damit auch nicht dessen KH-Versicherer; die Gefährdungshaftung besteht nicht im Innenverhältnis zwischen Fahrer und Halter.
283
Im Ergebnis gilt also bei einem Unfall ohne Fremdbeteiligung: – Der geschädigte Insasse, der nicht Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer des Kfz ist (Nur-Insasse), kann, soweit ein Haftpflichtanspruch gegen einen Versicherten aus § 823 BGB oder aus §§ 7, 18 1 BGH v. 25. 6. 2008 – IV ZR 313/06, MDR 2008, 1153 = r+s 2008, 372 = NZV 2008, 509 = VersR 2008, 1202.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 283 Teil 2
StVG besteht, auch den KH-Versicherer aus § 115 Abs. 1 VVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, und zwar sowohl wegen seiner Personenschäden als auch (im Rahmen des § 8 Nr. 3 StVG) wegen seiner Sachschäden. – Der geschädigte Insasse, der Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer des Kfz ist, kann, soweit ein Haftpflichtanspruch gegen einen Mitversicherten besteht (allenfalls aus der Verschuldens- oder Vertragshaftung), auch den KH-Versicherer aus § 115 Abs. 1 VVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, aber gem. § 11 Nr. 2 AKB nur hinsichtlich seiner Personenschäden, nicht hinsichtlich seiner Sachoder Vermögensschäden. – Der geschädigte Eigentümer des Kfz kann, auch wenn ihm ein Haftpflichtanspruch gegen einen Mitversicherten, insbesondere gegen den Fahrer wegen der Beschädigung seines Kfz zusteht, den KH-Versicherer dieses Kfz nicht aus § 115 Abs. 1 VVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, und zwar wegen § 11 Nr. 2 AKB nicht.
! Hinweis: Der als Insasse verletzte Halter kann zwar neben dem Fahrer auch den (eigenen) KH-Versicherer aus der Verschuldenshaftung in Anspruch nehmen, den Versicherer aber nur wegen seiner Personenschäden, nicht wegen der Schäden an seinem Kfz und wegen sonstiger Sachfolge- oder Vermögensschäden.
4. Unfall zwischen Kfz und Radfahrer/Fußgänger Literatur: Albat, Inline-Skates und Skateboards im Straßenverkehr, VGT 1998, 240, 245; Bernau, Die Anforderungen an die elterliche Aufsicht über das spielende Kind im Vorschulalter, NZV 2008, 329; Bernau, Die Aufsichtshaftung über Minderjährige im Straßenverkehr, DAR 2008, 286; Bernau, Führt die Haftungsprivilegierung des Kindes in § 828 II BGB zu einer Verschärfung der elterlichen Aufsichtshaftung aus § 832 BGB? NZV 2005, 234; Blumberg, Verkehrsunfälle zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrern, NZV 1994, 249; Bouska, Änderungen der StVO, DAR 1997, 337; Brock, Rechtliche Probleme beim begleiteten Fahren ab 17, DAR 2006, 63; Dahm, Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB, NZV 2009, 378; Diehl, Unfälle von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2007, 451; Eckert, Der Fußgängerunfall in der Dunkelheit und seine Rekonstruktion, NZV 1992, 474; Grüneberg, Radfahrerunfälle im Straßenverkehr ohne Kfz-Beteiligung, NZV 1997, 417; Greger, Haftungsfragen beim Fußgängerunfall, NZV 1990, 409; Huber, Schadensersatzpflicht eines 7- bis 10-jährigen Kindes bei Kollision mit einem ordnungsgemäß geparkten Fahrzeug, DAR 2005, 171; Huppertz, Verkehrsrechtliche Einordnung von Elektrofahrrädern, NZV 2010, 390; Kettler, Die Fahrradnovelle zur StVO, NZV 1997, 497; Kettler, Neues zum Verschulden gegen sich selbst, NZV 2007, 603; Kettler, Nochmals: Radwegbenutzungspflicht bei Eis und Schnee, NZV 2006, 347; Kettler, Sind Radfahrer bessere Menschen? NZV 2009, 16; Kunschert, Die Haftung des Kfz-Halters gegenüber seinem Partner und seinem Kind als Insassen, NJW 2003, 950; Lang/Stahl/Huber, Das Modell „Begleite-
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Teil 2
Rz. 284
Haftungsvoraussetzungen
tes Fahren mit 17“ aus Haftungs- und versicherungsrechtlicher Sicht, NZV 2006, 449; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lemcke, Verkehrsunfälle mit Beteiligung älterer Verkehrsteilnehmer, zfs 2004, 441; Lemcke, Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung, r+s 2006, 52; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Limbourg, Verkehrssicherheit für Kinder, 39. VGT 2001, 39; Notthoff/Schub, Sektorale Deliksfähigkeit nach dem 2. SchdÄndG und Kinderunfälle, zfs 2006, 183; Pardey, Radfahrer und Fußgänger im Straßenverkehr, zfs 2006, 488; Pardey, Reichweite des Haftungsprivilegs von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2004, 499; Rebler, Fahrräder im öffentlichen Straßenverkehr, DAR 2009, 12; Sapp, Das Modell Begleitetes Fahren ab 17 im Haftungsrecht, NJW 2006, 408; Scheidler, Änderungen der Radverkehrsvorschriften in der StVO 2009, NZV 10, 230; Ternig, Fahrradfahrer in der StVO, DAR 2002, 105; Ternig, Segway und Elektrofahrrad, zfs 2010, 2; Ternig, Fahrradhelm erforderlich, ja oder nein, zfs 2008, 548; Vieweg, Inlineskating – Rechtstatsachen, Rechtslage und Reformbedarf, NZV 1998, 1; Vogenauer, Die zivilrechtliche Haftung von Inlineskatern im Straßenverkehr, Teil 1, VersR 2002, 1345; Teil 2, VersR 2002, 1478.
Ausgangsfall: Ein Kfz kollidiert mit einem Radfahrer bzw. Fußgänger; die Unfallbeteiligten nehmen sich wechselseitig auf Ersatz ihrer Personenund Sachschäden in Anspruch. 284
Bei der Abwicklung eines Radfahrer- bzw. Fußgängerunfalls mit einem Kfz gelten einige Besonderheiten. Sie ergeben sich insbesondere daraus, dass als Radfahrer bzw. Fußgänger auch Personen am Straßenverkehr teilnehmen, die verkehrsrechtlich nicht ausgebildet und oft auch weniger verkehrserfahren oder sogar besonders schutzbedürftig sind (Kinder, Hilfsbedürftige und Alte). Das hat z. B. zur Folge, dass der sonst im Straßenverkehr geltende Vertrauensgrundsatz im Verhältnis zu Radfahrern und Fußgängern häufig nur eingeschränkt oder gar nicht gilt. Besonderheiten ergeben sich ferner daraus, dass immer nur auf Seiten des Kfz-Halters bzw. Fahrers die Kfz-Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist. Die Abwicklung des Kinderunfalls folgt teilweise wieder anderen Regeln; deshalb werden die Besonderheiten des Kinderunfalls in einem besonderen Abschnitt (s. fi Rz. 343 ff.) behandelt.
285
Während beim Kfz-Unfall in der Mehrzahl der Fälle allein um den Ausgleich des Sachschadens gestritten wird, geht es beim Radfahrer- und Fußgängerunfall i. d. R. um den Ausgleich entstandener Personenschäden. Weil der nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer allenfalls bei Verschulden mitverantwortlich ist, steht hier die Frage nach dem Verschulden der Unfallbeteiligten im Vordergrund.
286
Radfahrerunfälle ereignen sich – entsprechend der Zunahme des Radfahrverkehrs1 – immer häufiger. Während in der Zeit von 1999 bis 2007 die 1 Es gab bereits 2002 in Deutschland 75 Mio. Fahrräder, s. Ternig, DAR 2002, 105.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 288 Teil 2
Zahl der Verkehrsunfälle mit Verletzten von rd. 521 000 auf rd. 436 000 und die Zahl der verletzten Fußgänger von rd. 39 000 auf rd. 34 000 gesunken ist, ist die Zahl der verletzten Radfahrer in dieser Zeit von rd. 75 000 auf rd. 79 000 gestiegen; der Anteil der verletzten Kinder unter 15 Jahren sank in dieser Zeit von rd. 41 000 auf rd. 34 000, von den letztgenannten rd. 34 000 Kindern verunglückten 2007 rd. 12 000 mit dem Fahrrad, rd. 11 500 als Pkw-Insasse und rd. 8 500 als Fußgänger1. Für Radfahrer gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Straßenverkehrsrechts, soweit diese nicht auf andere Verkehrsteilnehmer (Kraftfahrzeuge oder Fußgänger) beschränkt sind. Bei Elektrofahrrädern muss man unterscheiden: Ein Fahrrad mit elektromotorischer Tretunterstützung (Pedelec), die sich bei Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher ausschaltet, steht einem Fahrrad gleich, ein Elektrofahrrad mit Anfahrhilfe oder mit Unterstützung bei über 25 km/h ist ein Kfz2. Letzteres steht einem Fahrrad nur dann gleich, wenn es durch Treten bewegt wird. Straßenverkehrsrechtlich gelten für Fahrräder ohne oder mit Hilfsmotor zahlreiche Sonderregeln. Diese sind in letzter Zeit mehrfach geändert worden, zunächst durch die sog. „Fahrradnovelle“ vom 7. 8. 1997 dann durch die (evtl. teilweise unwirksame) StVO-Novelle 2009 vom 5. 8. 2009. Durch die Fahrradnovelle sind insbesondere die in § 2 Abs. 4 und 5 StVO enthaltenen Sonderregeln für Radfahrer über die Radweg- und Seitenstreifenbenutzung geändert worden, ferner über die Gehwegbenutzung durch Kinder3. Durch die StVO-Novelle 2009 ist § 2 Abs. 4 StVO (Radwegbenutzung) erneut geändert worden, ferner § 9 Abs. 2 StVO (Linksabbiegen). Neu geregelt wurde u. a. in § 21 Abs. 3 die Benutzung von Fahrradanhängern für Kinder, ferner wurde nunmehr in § 24 Abs. 1 und 31 StVO ausdrücklich geregelt, dass Inline-Skater als Fußgänger einzustufen sind, dass sie aber Radwege und Fahrbahnen benutzen dürfen, wenn dieses ausdrücklich durch ein entsprechendes Hinweiszeichen zugelassen ist.
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Die Änderungen sind überwiegend zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zum Schutz der Radfahrer erfolgt, ferner zur Förderung der Verwendung des Fahrrades. Sie tragen aber auch zur Verunsicherung darüber, wie sich Radfahrer im Verkehr zu bewegen haben, bei. Diese Verunsicherung besteht nicht nur bei den Radfahrern, die zudem oft noch wenig Verkehrserfahrung haben, sondern auch bei den Kraftfahrern; das führt häufig beiderseits zu Fehlverhalten. Abgesehen davon ist Ursache vieler Radfahrerunfälle mangelnde Verkehrsdisziplin auf Seiten der Radfahrer, mangelnde Rücksichtnahme auf Seiten der Kraftfahrer.
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1 Quelle: Statistisches Bundesamt. 2 Huppertz, NZV 2010, 390; s. aber auch Ternig, zfs 2010, 2. 3 S. Kettler, NZV 1997, 497; Bouska, DAR 1997, 337; Hentschel, NJW 1998, 344; eine gute Übersicht über die Rechte und Pflichten des Radfahrers enthält der Beitrag von Ternig, DAR 2002, 105.
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Teil 2 289
Rz. 289
Haftungsvoraussetzungen
Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert: a) Ansprüche des Radfahrers bzw. Fußgängers gegen Kfz-Halter, Kfz-Fahrer und KH-Versicherer (fi Rz. 290 ff.) b) Ansprüche des Kfz-Halters bzw. des Kfz-Fahrers gegen Radfahrer bzw. Fußgänger (fi Rz. 338 ff.) a) Ansprüche des Radfahrers/Fußgängers gegen Halter, Fahrer und KH-Versicherer
290
In Betracht kommen Ersatzansprüche gegen Halter und Fahrer aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) und aus der Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB); soweit Ansprüche gegen Halter und Fahrer bestehen, kommt ferner der Direktanspruch gegen den KH-Versicherer aus § 115 Abs. 1 VVG in Betracht. Für Unfälle seit dem 1. 8. 2002 und vor allem für Unfälle seit dem 18. 12. 2007 hat die Verschuldenshaftung für verletzte Radfahrer und Fußgänger an Bedeutung verloren, weil sie auch aus der Gefährdungshaftung ein Schmerzensgeld beanspruchen können und weil auch die zu diesen Stichtagen jeweils erheblich angehobenen Haftungshöchstbeträge gemäß §§ 12 ff. StVG (s. näher fi Rz. 58) jetzt idR zur Abdeckung des gesamten Schadens ausreichen. Im Rahmen der Haftungsabwägung ist die Verschuldensfrage aber weiterhin von wesentlicher Bedeutung, ferner für noch in der Regulierung befindliche Altfälle.
291
Wird ein Radfahrer oder Fußgänger dadurch verletzt, dass ein Nur-Insasse eine Fahrzeugtür unvorsichtig öffnet (z. B. ein Taxi-Fahrgast), haftet dieser persönlich aus § 823 BGB; weil er nicht zu den mitversicherten Personen i. S. d. § 14 Abs. 2 AKB gehört, ist der KH-Versicherer für ihn nicht eintrittspflichtig. Auch Fahrer und Halter brauchen für das Verschulden des Nur-Insassen nicht einzustehen; sie haften aber aus der Gefährdungshaftung, weil sich der Unfall bei dem Betrieb des Kfz ereignet hat1. aa) Ansprüche des Radfahrers/Fußgängers aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 VVG)
292
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Halter- und die Fahrerhaftung sind gleich (§ 18 Abs. 1 StVG verweist insoweit auf § 7 Abs. 1 StVG); Unterschiede ergeben sich nur beim Entlastungsbeweis; er ist im Falle der Fahrerhaftung erleichtert (§§ 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 2 StVG). Zu beachten ist, dass der Halter dem geschädigten Fußgänger und Radfahrer
1 OLG Hamm v. 20. 8. 1999 – 9 U 9/99, NZV 2000, 126; OLG München v. 28. 10. 1994 – 10 U 48/58, r+s 1996, 53 = VersR 1996, 1036; zum Gesamtschuldnerausgleich zwischen KH-Versicherer und Nur-Insasse s. OLG Köln v. 1. 4. 1992 – 11 U 234/91, VM 1992, Nr. 117 = OLGR 1992, 231.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 297 Teil 2
gegenüber jetzt immer nur noch bei höherer Gewalt entlastet ist; § 17 Abs. 3 StVG n. F. ist bei derartigen Unfällen nicht anwendbar. (1) Schaden bei dem „Betrieb“ des Kfz Die Voraussetzung ist immer erfüllt, wenn es zu einer Berührung zwischen Kfz und Radfahrer bzw. Fußgänger gekommen ist. Ist es zu keiner Berührung gekommen, muss die Betriebsgefahr des Kfz irgendwie mitursächlich geworden sein für den Unfall des Radfahrers bzw. Fußgängers.
293
Zwar reicht die bloße Anwesenheit des Kfz als solche nicht aus. Andererseits muss der Fahrer sich nicht verkehrswidrig verhalten haben, z. B. den Radfahrer zu dicht überholt haben. Es reicht aus, wenn der Radfahrer durch das entgegenkommende oder überholende Kfz irritiert worden ist, deshalb ausgewichen ist und infolgedessen gestürzt ist1 Die Gefährdungshaftung ist, so der BGH2, der Preis dafür, dass durch Verwendung des Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet worden ist (s. näher fi Rz. 85 ff., 91).
294
(2) Entlastungsbeweis Der in Anspruch genommene Halter ist gem. § 7 Abs. 2 StVG n. F. nur noch bei höherer Gewalt entlastet. Sie ist bei Unfällen im fließenden Verkehr praktisch nie gegeben, z. B. selbst dann nicht, wenn ein Fußgänger bei Rotlicht die Fahrbahn betritt oder ein Radfahrer auf einen ordnungsgemäß vor einer Ampel anhaltenden Pkw auffährt. Es stellt sich aber bei Fußgänger-und Radfahrerunfällen im Rahmen der Haftungsabwägung häufiger als früher die Frage, ob der Verantwortungsanteil des Fußgängers oder Radfahrers so schwer wiegt, dass er seinen Schaden allein zu tragen hat.
295
Der in Anspruch genommene (Nur-)Fahrer ist gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entlastet, wenn er die gesetzliche Verschuldensvermutung widerlegt hat, d. h. nachweist, dass er den Unfall nicht verschuldet oder mitverschuldet hat3.
296
Es ist nicht erforderlich, dass der Unfall unvermeidbar gewesen ist. Der Fahrer darf auch bei einem Radfahrer bzw. Fußgänger grundsätzlich darauf vertrauen, dass dieser die Verkehrsregeln beachtet. Anders ist es dann, wenn er konkreten Anlass hat, mit einem Fehlverhalten zu rechnen. Der in Anspruch genommene (Nur-)Fahrer ist bereits dann entlas-
297
1 BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, NJW 1988, 2802 = MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = VersR 1988, 641 = NZV 1988, 63. 2 BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, NJW 1988, 2802 = MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = VersR 1988, 641 = NZV 1988, 63. 3 OLG Hamm v. 27. 5 1998 – 13 U 29/98, NZV 1998, 463 = OLGR 1998, 222.
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Teil 2
Rz. 298
Haftungsvoraussetzungen
tet, wenn er nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten, d. h. die Verkehrsregeln beachtet hat. 298
Im Ergebnis wird bei einem Radfahrer- oder Fußgängerunfall häufiger die Situation gegeben sein, dass zwar der Fahrer entlastet ist, der Halter aber nicht. Es stellt sich deshalb häufiger als früher die Frage, ob es aus der Sicht des verletzten Radfahrers oder Fußgängers zweckmäßig ist, den Fahrer mit zu verklagen. bb) Ansprüche des Radfahrers/Fußgängers aus der Verschuldenshaftung
299
Der Kraftfahrer haftet aus § 823 BGB, wenn er den Unfall mit seinen Folgen durch ein objektiv verkehrswidriges und auch subjektiv vorwerfbares Verhalten verursacht oder jedenfalls mitverursacht hat. Das ist der Fall, wenn er den Unfall mit seinen Folgen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, vor allem bei Einhaltung der Verkehrsregeln, vermieden hätte (s. näher fi Rz. 117 ff.).
300
Bei einem Radfahrer- oder Fußgängerunfall ist häufig ein verkehrswidriges Verhalten des Radfahrers bzw. Fußgängers Auslöser des Unfalls. Der Kraftfahrer kann in diesem Falle den Unfall aber schuldhaft mitverursacht haben und deshalb aus § 823 BGB auf Schadensersatz haften, z. B. dadurch, dass er sich selbst ebenfalls verkehrswidrig verhalten hat (z. B. zu schnell gefahren ist), aber auch dadurch, dass er auf das Fehlverhalten des Radfahrers oder Fußgängers nicht verkehrsgerecht reagiert hat (z. B. verspätet gebremst hat).
301
Soweit das Kfz von einem Verrichtungsgehilfen geführt worden ist, kommt auch die Haftung des Halters aus § 831 BGB in Betracht; sie setzt nicht den Verschuldensnachweis voraus (s. näher fi Rz. 130 ff.). (1) Nichtbeachtung des § 3 Abs. 2a StVO
302
Gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen hat der Kraftfahrer die erhöhten Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 2a StVO zu beachten; er muss sich durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und Bremsbereitschaft so verhalten, dass deren Gefährdung ausgeschlossen ist; gefordert ist das „Äußerste an Sorgfalt“1.
303
Bei einem älteren Fußgänger kommt es nicht auf das Lebensalter, sondern auf das äußere Erscheinungsbild aus der Sicht des Kraftfahrers an. Die Person muss als älterer Mensch erkennbar sein. Konkreter Anhaltspunkte für eine Verkehrsunsicherheit bedarf es aber nicht. Es reicht aus, wenn die Person als älterer Mensch erkennbar ist und aufgrund der Lebenserfahrung damit gerechnet werden muss, dass sie aufgrund ihres 1 BGH v. 26. 10. 1999, MDR 2000, 155 = r+s 2000, 64 = VersR 2000, 199.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 307 Teil 2
Alters das Verkehrsgeschehen nicht mehr voll übersehen und meistern kann1. Auch ein erkennbar alkoholisierter Fußgänger kann zu dem durch § 3 Abs. 2a StVO geschützten Personenkreis gehören; es kommt auf die objektive Hilfsbedürftigkeit an2.
304
(2) Mitverursachung durch überhöhte Geschwindigkeit Es reicht nicht aus, dass die überhöhte Geschwindigkeit als solche feststeht. Sie muss auch in einem haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang mit dem Unfall stehen. Dieser ist nicht schon deshalb gegeben, weil der Kraftfahrer bei langsamerer Fahrweise die Unfallstelle erst später erreicht und den Unfall so vermieden hätte. Zur Beantwortung der Frage bedarf es der Festlegung eines bestimmten Zeitpunktes, von dem an dann eine Vermeidbarkeitsbetrachtung zu erfolgen hat: Zu fragen ist, ob der Kraftfahrer den Unfall vermieden hätte, wenn er in diesem Zeitpunkt mit der erlaubten statt der tatsächlichen Geschwindigkeit gefahren wäre.
305
Der maßgebliche Zeitpunkt ist nach der Rechtsprechung der Zeitpunkt des Erkennbarwerdens der Gefahr für den Kraftfahrer3; zu fragen ist also, ob er den Unfall mit seinen Folgen entweder schon räumlich (durch rechtzeitiges Anhalten) oder jedenfalls zeitlich (durch späteres Erreichen der Unfallstelle) vermieden hätte, wenn er in diesem Augenblick mit der erlaubten Geschwindigkeit gefahren wäre (s. näher fi Rz. 636 ff.). Eine Teilvermeidbarkeit reicht aus; Ansprüche aus der Verschuldenshaftung bestehen für solche Folgen, die bei zulässiger Ausgangsgeschwindigkeit nicht eingetreten wären4.
306
(3) Mitverursachung durch falsche Reaktion auf das Fehlverhalten Ein Anspruch gegen den Kraftfahrer aus der Verschuldenshaftung kommt auch dann in Betracht, wenn er auf das Fehlverhalten des Radfahrers bzw. Fußgängers nicht oder nicht verkehrsgerecht oder verspätet reagiert 1 BGH v. 19. 4. 1999 – VI ZR 219/93, MDR 1994, 668 = r+s 1994, 292 = NZV 1994, 273 = VersR 1994, 739; OLG Hamm v. 4. 5. 1994 – 13 U 225/93, r+s 1994, 294 = OLGR 1994, 160; OLG Hamm v. 28. 4. 1994 – 6 U 231/93, OLGR 1994, 196; Lemcke, zfs 2004, 441. 2 BGH v. 26. 10. 1999, MDR 2000, 155 = r+s 2000, 64 = VersR 2000, 199. 3 BGH v. 25. 3. 2003 – VI ZR 161/02, MDR 2003, 805 = r+s 2003, 256 = NZV 2004, 21 = VersR 2003, 783. 4 BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = NJW 2000, 3069 = NZV 2000, 466 = VersR 2000, 1294; BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 (Anm. Lemcke); Greger, 4. Aufl., § 10, Rz. 29.
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Teil 2
Rz. 308
Haftungsvoraussetzungen
hat. Erkennt der Kraftfahrer z. B., dass der Radfahrer oder Fußgänger seinen Vorrang mißachtet und dass die Gefahr einer Kollision besteht, muss er – das fordert von ihm das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO – sofort reagieren, i. d. R. durch Bremsen, evtl. durch Ausweichen, zumindest durch Hupen. 308
Dabei dürfen aber die Anforderungen nicht überspannt werden; auch eine objektiv falsche Abwehr- oder Ausweichreaktion ist oft nicht vorwerfbar. Wer z. B., weil ihm von rechts ein Fußgänger vor das Fahrzeug läuft, nach links („weg von der Gefahr“) ausweicht und gleichzeitig bremst, handelt nicht vorwerfbar, wenn sich hinterher herausstellt, dass eine Ausweichlenkung nach rechts hinter dem Fußgänger her oder gar bloßes Bremsen den Unfall verhindert hätte, weil sich der Fußgänger dann noch rechtzeitig vor dem Kfz nach links aus der Fahrlinie entfernt hätte1; dabei ist auch zu berücksichtigen, dass derartige Reaktionen reflexartig, nicht vom Willen gesteuert, erfolgen. Im Übrigen darf und kann der Kraftfahrer auch gar nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass ein Fußgänger, der mit dem Überqueren der Fahrbahn begonnen hat, auch weitergehen wird und nicht stehen bleibt oder gar zurückläuft. (4) Verhalten des Kraftfahrers gegenüber Radfahrern
309
Radfahrerunfälle mit Kraftfahrzeugen ereignen sich insbesondere beim Überholen eines Radfahrers, entweder weil sich Kfz und Radfahrer zu nahe kommen oder weil das beabsichtigte Abbiegen des Radfahrers nach links zu spät erkannt oder erkennbar wird. Häufige Unfallursache ist auch das Übersehen des geradeaus fahrenden Radfahrers – evtl. auf einem Radweg – durch den nach rechts abbiegenden Kraftfahrer. (a) Sicherheitsabstand
310
Kraftfahrer müssen insbesondere zu Radfahrern einen ausreichenden Seitenabstand halten (§ 5 Abs. 4 S. 2 StVO). Radfahrer benötigen wegen der mit dem Radfahren verbundenen Schwankungen einen Bewegungsraum von insgesamt 1 m Breite (0,60 m Lenkerbreite + je 0,20 m Bewegungsraum); auf Steigungsstrecken ist ein höherer Bewegungsraum erforderlich. Der von einem Kraftfahrer zum Radfahrer einzuhaltende Seitenabstand muss – unter Berücksichtigung dieses Bewegungsraumes – mindestens zusätzlich 1,5 m betragen2. Der überholende Kraftfahrer haftet bereits dann aus der Verschuldenshaftung, wenn der Radfahrer infolge zu geringen Sicherheitsabstandes unsicher wird und stürzt. 1 S. insoweit OLG Hamm v. 16. 5. 1994 – 6 U 207/91, r+s 1995, 336 = VersR 1995, 1326 = OLGR 1995, 150; s. auch Ternig, DAR 2002, 105, 106. 2 OLG Hamm v. 28. 10. 1993 – 6 U 91/93, r+s 1994, 296 = NZV 1995, 26; OLG Düsseldorf v. 13. 10. 2003 – 1 U 234/02, Juris.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 315 Teil 2
(b) Vorfahrt des Radfahrers Der die bevorrechtigte Straße benutzende Radfahrer hat die Vorfahrt vor einem von ihr nach links oder rechts abbiegenden Kfz sowie vor dem aus der untergeordneten Straße einbiegenden Querverkehr.
311
Das Vorfahrtsrecht besteht auch dann, wenn der Radfahrer den vorhandenen Radweg benutzt. Der nach rechts oder links abbiegende Kraftfahrer muss sich also vergewissern, dass er beim Abbiegen nicht Radfahrer auf dem Radweg gefährdet; Gleiches gilt für den aus der untergeordneten Straße einbiegenden Kraftfahrer.
312
Der aus einer untergeordneten Straße einbiegende Kraftfahrer hat bei vorhandenem Radweg nicht nur mit Radfahrern von links zu rechnen, sondern auch mit Radfahrern von rechts. Denn auch diese haben ihm gegenüber (evtl.) Vorfahrt.
313
Das ist unstrittig, wenn der Radfahrer den für ihn linken Radweg erlaubterweise benutzt (§ 2 Abs. 4 S. 2 StVO). Benutzt er den linken Radweg verbotswidrig, hat er – im Anschluss an eine Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH1 – nach der wohl h. M. dennoch Vorfahrt2. Zur Begründung wird angeführt, das Vorfahrtsrecht erstrecke sich über die gesamte Fahrbahnbreite. Das ist zweifelhaft. Der VI. Zivil-(Haftpflicht-)Senat des BGH hat in einer älteren Entscheidung für den Fall der Benutzung einer Einbahnstraße in falscher Richtung die Auffassung vertreten, ein Recht zur Vorfahrt sei dann begrifflich ausgeschlossen, wenn es schon an einem Recht zum Fahren mangele3. Der Radfahrer, der unerlaubt auf dem Gehweg fährt, hat deshalb kein Vorfahrtsrecht4. Richtig ist auch, dass der baulich abgegrenzte Radweg nicht Teil der Fahrbahn ist, sondern Sonderweg5. Unabhängig von diesem Meinungsstreit trifft aber den unerlaubt den linken Radweg benutzenden Radfahrer im Falle der Kollision mit einem für ihn von links einbiegenden Kraftfahrer in jedem Falle ein erhebliches Mitverschulden6.
314
(c) Vertrauensgrundsatz Der Kraftfahrer darf im Allgemeinen darauf vertrauen, dass auch Radfahrer die Verkehrsregeln kennen und beachten. Das gilt aber nicht uneinge1 BGH v. 15. 7. 1986 – 4 StR 192/96, NJW 1986, 2651. 2 OLG Celle v. 28. 4. 2010 – 14 U 157/09, Juris; OLG Düsseldorf v. 10. 4. 2000 – 1 U 206/99, NZV 2000, 2506; OLG Hamm v. 24. 10. 1996 – 6 U 68/96, NZV 1997, 123 = NJW-VHR 1997, 57; Blumberg, NZV 1994, 249, 256 m. w. N.; a. A. OLG Bremen v. 11. 2. 1997 – 3 U 69/96, VersR 1997, 765 = DAR 1997, 272 = r+s 1997, 238 m. Anm. Lemcke m. w. N.; a. A. auch Hentschel, § 8 StVO, Rz. 30. 3 BGH v. 6. 10. 1981 – VI ZR 296/79, MDR 1982, 311 = VersR 1982, 84. 4 OLG Düsseldorf v. 26. 4. 1995 – 15 U 53/94, VersR 1996, 1120. 5 Hentschel, § 2 StVO, Rz. 67. 6 OLG Hamm v. 24. 10. 1996 – 6 U 68/96, NZV 1997, 123 = NJW-VHR 1997, 57.
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Teil 2
Rz. 316
Haftungsvoraussetzungen
schränkt. Wird erkennbar, dass ein Radfahrer sich falsch verhält, muss der Kraftfahrer sich darauf einstellen. Der Vertrauensgrundsatz ist insbesondere eingeschränkt gegenüber Kindern und älteren Menschen (§ 3 Abs. 2a StVO). Fährt z. B. ein 13jähriges Kind auf dem Radweg auf die Kreuzung zu, darf der Kraftfahrer u. U. nicht darauf vertrauen, dass es seine Vorfahrt beachtet und rechtzeitig anhält1. (5) Verhalten des Kraftfahrers gegenüber Fußgängern 316
Fußgängerunfälle mit Kraftfahrzeugen ereignen sich insbesondere – beim Überqueren der Fahrbahn (zumeist innerorts), – beim Gehen auf der Fahrbahn in Längsrichtung (zumeist außerorts). Oft ist das Fehlverhalten des Fußgängers außer Streit (vor allem beim Kinderunfall). Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht dann die Frage, ob der Kraftfahrer den Unfall mitverschuldet hat. (a) Überqueren der Fahrbahn
317
Hierbei hat der Fußgänger grundsätzlich den Vorrang des Fahrzeugverkehrs zu beachten (§ 25 Abs. 3 S. 1 StVO).
318
Vorrangausschluss und -beschränkung: Das Vorrecht des Kraftfahrers ist ausgeschlossen an markierten Fußgängerüberwegen (§ 26 StVO), ferner – das wird oft von Kfz-Fahrern missachtet – beim Abbiegen (§ 9 Abs. 3 S. 3 StVO) sowie beim Überqueren des Gehwegs an Grundstücksausfahrten und an Einmündungen mit abgesenktem Bordstein (§ 10 StVO)2. Es besteht nur eingeschränkt beim Anfahren vom Fahrbahnrand, beim Rückwärtsfahren3 und beim Wenden. Es ist ferner inhaltlich beschränkt durch das Gebot, die Geschwindigkeit des Kfz den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen (Anpassungsgebot, § 3 Abs. 1 StVO), ferner durch das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO). (b) Vertrauensgrundsatz
319
Der Kraftfahrer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Fußgänger sein Vorrecht beachtet. Er darf insbesondere darauf vertrauen, dass ein am 1 BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1997, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364 m. Anm. Lemcke. 2 OLG Karlsruhe v. 10. 12. 1993 – 10 U 180/93, VersR 1994, 362 m. Anm. v. Rosenberg. 3 OLG Hamm v. 12. 2. 1998 – 6 U 64/97, MDR 1998, 902 = r+s 1998, 371 = OLGR 1998, 147.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 322 Teil 2
rechten Fahrbahnrand stehender Fußgänger nicht vor ihm auf die Fahrbahn tritt. Er darf jedenfalls bei guten Sichtverhältnissen und breiter Fahrbahn auch darauf vertrauen, dass ein die Fahrbahn von links überquerender Fußgänger, der in der Fahrbahnmitte innehält, auch dort stehen bleibt und ihn vorbeifahren lässt1. Bei schmaler Fahrbahn und schlechten Sichtverhältnissen ist es anders; er muss dann zumindest die Geschwindigkeit von 50 km/h herabsetzen2. Ob er auch darauf vertrauen darf, dass ein die Fahrbahn von links überquerender Fußgänger in der Fahrbahnmitte stehen bleibt, hängt davon ab, ob er sicher sein darf, dass der Fußgänger ihn gesehen und sich auf die Verkehrslage eingestellt hat3. Andererseits darf er zumindest bei schlechten Sichtverhältnissen auch nicht darauf vertrauen, dass der die Fahrbahn überquerende Fußgänger weitergeht, und sich darauf beschränken, hinter diesem herzufahren, anstatt zu bremsen4. Der Vertrauensgrundsatz ist eingeschränkt gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen (§ 3 Abs. 2a StVO, s. fi Rz. 302 ff.). Er ist ferner eingeschränkt, soweit es um Verkehrsverstöße geht, die erfahrungsgemäß besonders häufig vorkommen (z. B. Überquerung der Fahrbahn wenige Meter neben einem Fußgängerüberweg), oder wenn sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fußgänger verkehrsunsicher oder unaufmerksam ist.
320
Erkennt der Kraftfahrer, dass der Fußgänger seinen Vorrang missachtet und dass die Gefahr einer Kollision besteht, muss er – ebenso wie im Falle des sich verkehrswidrig verhaltenden Radfahrers – sofort reagieren (§ 1 Abs. 2 StVO), i. d. R. durch Bremsen, evtl. durch Ausweichen, zumindest durch Hupen.
321
(c) Fahrbahnbenutzung in Längsrichtung Fußgänger müssen vorhandene Gehwege benutzen, das Gehen auf der Fahrbahn am Fahrbahnrand ist nur dann erlaubt, wenn weder ein Gehweg noch ein begehbarer Seitenstreifen vorhanden ist (§ 25 Abs. 1 StVO). Außerorts müssen sie den linken Fahrbahnrand benutzen, und zwar einzeln hintereinander bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn es die Verkehrslage erfordert. Soweit sie aber berechtigt die Fahrbahn in Längsrichtung benutzen, hat der Kraftfahrer ihnen gegenüber kein Vorrecht. Er muss im Gegenteil ausreichenden Abstand (mindestens 1m5) von ihnen halten; das gilt auch für auf dem Gehweg gehende oder stehende Fußgänger. 1 2 3 4
OLG Stuttgart v. 30. 11. 1982 – 11 U 144/82, VersR 1984, 271. OLG Hamm v. 2. 6. 1999 – 13 U 22/99, OLGR 2000, 300. BGH v. 29. 4. 1975 – VI ZR 225/73, VersR 1975, 858. OLG Hamm v. 29. 7. 1996 – 6 U 226/95 (n. v., zitiert bei Lemcke, DAR 1997, 41, 50). 5 S. Greger, 4. Aufl., § 14, Rz. 234.
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Teil 2 323
Rz. 323
Haftungsvoraussetzungen
Im Übrigen besteht häufig Veranlassung, verstärkt mit Fußgängerverkehr auf der Fahrbahn zu rechnen (z. B. in der Nähe eines Jahrmarktes oder Schützenfestes); dann muss der Kraftfahrer seine Fahrweise darauf einstellen1. cc) Anspruchskürzung aufgrund eigenen Mitverschuldens des Radfahrers/Fußgängers
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Ein eigenes Mitverschulden müssen sich Radfahrer und Fußgänger zurechnen lassen, im Rahmen der Verschuldenshaftung gem. § 254 BGB, im Rahmen der Gefährdungshaftung gem. § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB; § 17 StVG findet hier keine Anwendung.
325
Ein Fahrrad ist zwar kein Kraftfahrzeug, aber ebenfalls ein Fahrzeug; für den Radfahrer gelten deshalb – neben den besonderen Regeln für den Fahrradverkehr – alle Regeln für den Fahrzeugverkehr, dagegen nicht die Regeln für den Kraftfahrzeugverkehr und den Fußgängerverkehr2. Ein Fußgänger ist auch Verkehrsteilnehmer; für ihn gelten alle Regeln für Verkehrsteilnehmer und zusätzlich die besonderen Regeln für den Fußgängerverkehr. So richtet sich z. B. das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) an alle Verkehrsteilnehmer, also auch an Radfahrer und Fußgänger. Das Gebot, in verkehrsberuhigten Bereichen mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren (§ 42 Abs. 4a StVO), richtet sich an den Fahrzeugverkehr, also auch an Radfahrer.
326
Bei einem Kfz-Unfall mit einem Radfahrer oder Fußgänger stellt sich immer die Frage, ob dieser gegen eine der für Radfahrer und Fußgänger geltenden Verkehrsregeln verstoßen hat. Die Nichtbeachtung der Verkehrsregel rechtfertigt dann zumeist auch die Schuldfeststellung (s. fi Rz. 117 ff.); anders ist es im Hinblick auf §§ 828, 829 BGB, wenn Kinder unfallbeteiligt sind. Ist aber ein Mitverschulden des Radfahrers oder Fußgängers nicht nachgewiesen, scheidet eine quotenmäßige Anspruchskürzung schon deshalb aus. Das gilt auch im Rahmen der Gefährdungshaftung.
327
Kfz-Halter und Fahrer können also beim Radfahrer- oder Fußgängerunfall der (vollen) Haftung für sämtliche Personen- und Sachschäden (im Rahmen der Höchstgrenzen des § 12 StVG) nur dann entgehen, wenn sie entweder für sich den Entlastungsbeweis nach §§ 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 2 StVG führen – was allenfalls dem Fahrer gelingen kann – oder wenn sie nachweisen, dass den Radfahrer bzw. Fußgänger ein (Mit-)Verschulden trifft. Ein Mitverschulden des Radfahrers lässt sich, solange eine gesetzliche Helmpflicht nicht besteht, zumindest bei einem Radfahrer, der das Rad als Fortbewegungsmittel benutzt, nicht damit begründen, dass er 1 OLG Hamm v. 22. 2 1996 – 27 U 83/95, OLGR 1996, 127. 2 S. näher Ternig, DAR 2002, 105.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 330 Teil 2
keinen Helm getragen hat und dass er mit Helm weniger schwer verletzt worden wäre1. Bei Radfahrern, die mit Sporträdern und entsprechend höherer Geschwindigkeit unterwegs sind, wird aber inzwischen teilweise eine Helmpflicht bejaht2. (1) Mitverschulden des Radfahrers (a) Radwegbenutzung Hierzu müssen die mehrfachen Änderungen beachtet werden. Früher mussten Radfahrer vorhandene rechte Radwege und Seitenstreifen benutzen. Nach dem ab 1. 10. 1998 geltenden § 2 Abs. 4 StVO n. F. mussten nur noch ausdrücklich als solche gekennzeichnete Radwege benutzt werden, d. h. der Radfahrer darf jetzt häufiger als früher die Fahrbahn benutzen. Für sie linke Radwege durften Radfahrer nur dann benutzen, wenn diese ausdrücklich durch Zeichen 237, 240 oder 241 für die Gegenrichtung freigegeben sind (§ 2 Abs. 4 S. 2 StVO). Seit dem 1. 9. 2009 reicht schon das Zeichen „Radfahrer frei“ aus. Liegt diese Voraussetzung aber vor, dürfen sie den linken Radweg auch dann benutzen, wenn auf beiden Seiten ein Radweg vorhanden ist3.
328
Benutzt der Radfahrer verbotswidrig den linken Radweg, hat er nach der wohl h. M. dennoch Vorfahrt (s. fi Rz. 314); allerdings trifft ihn, wenn er mit einem für ihn von links kommenden wartepflichtigen Kraftfahrer zusammenstößt, ein erhebliches Mitverschulden4.
329
(b) Gehwegbenutzung Benutzt der Radfahrer unerlaubt den Gehweg, trifft ihn ein Mitverschulden; das Verbot, als Radfahrer den Gehweg zu benutzen, dient auch dem Schutz des sich einer Einmündung nähernden Kraftfahrers5. Der in ein Grundstück ein- oder ausfahrende Kraftfahrer muss aber das Vorrecht der Fußgänger und Radfahrer beachten (§ 10 StVO), er muss auch zumindest mit radfahrenden Kindern auf dem Gehweg rechnen. 1 OLG Saarbrücken v. 9. 10. 2007 – 4 U 80/07, MDR 2008, 503 = NZV 2008, 202 = VersR 2008, 982; OLG Düsseldorf v. 18. 6. 2007 – 1 U 278/06, NZV 2007, 614 = OLGR 2007, 749; OLG Hamm v. 26. 9. 2000, 27 U 93/00, MDR 2000, 330 = NZV 2001, 86 = VersR 2001, 1577; OLG Hamm v. 2. 2. 2000 – 13 U 115/99, VersR 2001, 1257. 2 OLG Düsseldorf v. 12. 2. 2007 – 1 U 182/06, NZV 2007, 619 = NJW 2007, 3075; offen gelassen: BGH v. 6. 11. 2008 – VI ZR 171/07, MDR 2009, 203 = r+s 2009, 79 = NZV 2009, 177 = VersR 2009, 234. 3 BGH v. 29. 10. 1996 – VI ZR 310/95, NJW 1997, 395 = MDR 1997, 141 = r+s 1997, 14 = VersR 1997, 79; Scheidler, NZV 2010, 230. 4 OLG Hamm v. 24. 10. 1996 – 6 U 68/96, NZV 1997, 123 = NJW-VHR 1997, 57. 5 OLG Hamburg v. 18 10. 1991 – 14 U 12/91, NZV 1992, 281 m. Anm. Grüneberg.
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Teil 2
Rz. 331
Haftungsvoraussetzungen
(c) Fahrbahnbenutzung 331
Benutzt der Radfahrer trotz eines vorhandenen (ausdrücklich als solchen gekennzeichneten) Radwegs grundlos die Fahrbahn und kommt es deshalb während eines Überholvorgangs zum Unfall mit einem Kfz, muss der Radfahrer eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens hinnehmen; das Gebot der Radwegbenutzung dient nicht nur seinem Schutz, sondern auch der Entmischung des Verkehrs1. Anders ist es wohl, wenn ein Kraftfahrer beim Einbiegen einen grundlos die Fahrbahn benutzenden, aber vorfahrtsberechtigten Radfahrer anfährt2. Überquert der Radfahrer fahrend einen Fußgängerüberweg, genießt er nicht den Schutz des § 26 Abs. 1 StVO3. (d) Mitverschulden bei Benutzung eines fremden Fahrrades
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Ist bei einem Fahrradunfall ein Dritter Eigentümer des Rades, hat auch er wegen seines Sachschadens Ansprüche aus der Gefährdungs- oder der Verschuldenshaftung gegen Halter und Führer des Kfz. Ein Mitverschulden des Radfahrers muss sich der Radeigentümer aber nur im Rahmen der Gefährdungshaftung gem. § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB zurechnen lassen. Im Rahmen der Verschuldenshaftung fehlt dagegen auch hier eine Zurechnungsnorm für das Fremdverschulden (s. fi Rz. 215 ff.). (2) Mitverschulden des Fußgängers (a) Fahrbahnüberquerung
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Fußgänger müssen die Fahrbahn zügig und auf dem kürzesten Weg überqueren (§ 25 Abs. 3 StVO). Bei einer mehrspurigen Fahrbahn dürfen sie die Fahrbahn in Etappen überqueren und in der Fahrbahnmitte stehen bleiben. Wenn es die Verkehrslage erfordert, müssen sie aber einen Umweg in Kauf nehmen und an einer nahe gelegenen Kreuzung oder Einmündung oder an einem nahe gelegenen Fußgängerüberweg überwechseln4. (b) Fahrbahnbenutzung
334
Der Fußgänger darf zwar die Fahrbahn benutzen, wenn kein Gehweg oder Seitenstreifen vorhanden ist; nähert sich aber z. B. bei Dunkelheit auf schmaler Landstraße ein Kfz, kann es geboten sein, vorübergehend 1 OLG Hamm v. 28. 10. 1993 – 6 U 91/93, r+s 1994, 296 = NZV 1995, 26. 2 OLG Köln v. 14. 1. 1994 – 19 U 208/93, r+s 1994, 295 = VersR 1995, 64 = OLGR 1994, 52. 3 OLG Hamm v. 19. 12. 1995 – 27 U 145/95, NZV 1996, 449. 4 BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = VersR 2000, 1294; s. ferner Greger, NZV 1990, 409, 410.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 338 Teil 2
die Fahrbahn zu verlassen und auf den nicht begehbaren Randstreifen auszuweichen1. Inline-Skates und Skateboards sind nicht nur nach der Auffassung des BGH2 und auch nach überwiegender Auffassung in der Literatur3, sondern jetzt nach ausdrücklicher Regelung (§§ 24, 31 StVO) keine Fahrzeuge, sondern „ähnliche Fortbewegungsmittel“ i. S. d. § 24 Abs. 1 StVO; für Inline-Skater und Skateboard-Fahrer gelten deshalb grundsätzlich die Regeln für Fußgänger (s. dazu näher bei fi Rz. 497). Sie haben somit grundsätzlich den Gehweg zu benutzen; fehlt ein Gehweg, haben sie außerorts ebenfalls den linken Fahrbahnrand zu benutzen. Auf der Fahrbahn haben sie keine weitergehenden Rechte als Fußgänger.
335
dd) Haftungsabwägung Ist auf beiden Seiten ein schuldhafter Verkehrsverstoß gegeben, ist im Rahmen der Abwägung immer zu berücksichtigen, dass nur auf Seiten des Kfz-Halters oder Fahrers die Betriebsgefahr des Kfz mit zu berücksichtigen ist; bei gleichgewichtigem Verschulden ist deshalb der Haftungsanteil des Kfz-Halters oder Fahrers höher zu bemessen.
336
Haften dagegen der Kfz-Halter und/oder Fahrer nur aus der Gefährdungshaftung, wird ein Mitverschulden des Radfahrers oder Fußgängers i. d. R. dazu führen, dass ihr Mitverantwortungsanteil höher zu bemessen ist; das völlige Zurücktreten der Betriebsgefahr dürfte aber eher die Ausnahme sein4 (s. auch fi Rz. 702 ff., 709).
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b) Ansprüche Kfz-Halter/Fahrer gegen Radfahrer/Fußgänger aa) Verschuldenshaftung Es kommen nur Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) in Betracht; zu den Verhaltensanforderungen an Radfahrer und Fußgänger kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden5. Ein Fußgänger kann z. B. für den Schaden eines Kraftfahrers haftpflichtig sein, 1 OLG Hamm v. 13. 9. 2000 – 13 U 82/00, DAR 2001, 166 = VersR 2002, 728; OLG Hamm v. 10. 10. 1994 – 6 U 334/91, r+s 1995, 379 = NZV 1995, 483. 2 BGH v. 19. 3. 2002 – VI ZR 333/00, MDR 2002, 756 = r+s 2002, 234 = VersR 2002, 727; die Vorinstanz (OLG Oldenburg v. 15. 8. 2000 – 9 U 71/99, MDR 2000, 1314 = NJW 2000, 3793 = r+s 2001, 239 = NZV 2000, 470) hatte angenommen, Skater seien Fahrzeuge. 3 Zuletzt Wendrich, NZV 2002, 212 m. w. H. 4 S. dazu BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = NZV 2000, 1294 = VersR 2000, 1294; aber auch OLG München v. 6. 4. 2001 – 10 U 3661/00, DAR 2001, 407. 5 S. näher Blumberg, NZV 1994, 249; Grüneberg, NZV 1997, 417; Greger, NZV 1990, 409.
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Teil 2
Rz. 339
Haftungsvoraussetzungen
den dieser erleidet, weil er unachtsam die Fahrbahn überschreitet und dadurch den Kraftfahrer zum Ausweichen zwingt1. bb) „Mitwirkende Betriebsgefahr“ 339
Auch dann, wenn ein Mitverschulden des Kraftfahrers nicht nachgewiesen ist, ist die „mitwirkende Betriebsgefahr“ des Kfz in entsprechender Anwendung des § 254 BGB zu Lasten des Kfz-Halters und Fahrers evtl. anspruchskürzend zu berücksichtigen, wenn der Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG nicht geführt ist.
340
Zwar ist nach dem Wortlaut des § 254 BGB nur ein Mitverschulden anspruchskürzend zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung hat aber die Anwendung des § 254 BGB auf die Fälle erweitert, in denen der Geschädigte seinen Schaden zwar nicht mitverschuldet, aber bei dessen Entstehung in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat2. Weil Halter und Fahrer einem Radfahrer oder Fußgänger im Falle seiner Schädigung auch ohne Verschulden allein aufgrund der Betriebsgefahr des Kfz gem. §§ 7, 18 StVG haftpflichtig wären, müssen sie sich im Falle eigener Schädigung auch bei fehlendem Mitverschulden die „mitwirkende Betriebsgefahr“ des Kfz anspruchskürzend zurechnen lassen.
341
Das gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch, soweit Halter und/oder Fahrer verletzt worden sind, hinsichtlich ihrer Schmerzensgeldansprüche3. Das war nach der bisherigen Rechtslage nicht unbedenklich4. Denn im umgekehrten Fall konnte der verletzte Fußgänger den Halter und den Fahrer bisher nicht aus der Gefährdungshaftung auf Schmerzensgeldzahlung in Anspruch nehmen. Diese Bedenken bestehen jetzt aufgrund der Änderungen durch das 2. SchadÄndG (§§ 253 BGB, 11 StVG) nicht mehr.
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Im Ergebnis muss also zB. ein Kraftfahrer, der einem unvorsichtig auf die Fahrbahn laufenden Fußgänger ausgewichen und dabei – ohne sich entlasten zu können – von der Fahrbahn abgekommen ist, auch ohne Mitverschuldensnachweis allein schon wegen der mitwirkenden Betriebsgefahr seines Kfz evtl. in entsprechender Anwendung des § 254 BGB eine Anspruchskürzung hinnehmen, und zwar nicht nur hinsichtlich seiner materiellen Ersatzansprüche, sondern auch hinsichtlich seines Schmerzensgeldanspruchs. 1 BGH v. 17. 11. 2009 – VI ZR 64/08, MDR 2010, 320 = r+s 2010, 76 = NZV 2010, 192 = VersR 2010, 268; OLG Hamm v. 31. 1. 1994 – 32 U 87/93, NZV 1994, 276 = OLGR 1994, 100. 2 BGH v. 3. 2. 1981 – VI ZR 290/79, MDR 1981, 573 = VersR 1981, 354; OLG Hamm v. 1. 3. 2001 – 6 U 214/00, r+s 2002, 11; s. näher Palandt/Grüneberg, 70. Aufl., § 254 BGB, Rz. 2; Greger, 4. Aufl., § 22, Rz. 85. 3 S. näher Palandt/Grüneberg, 70. Aufl., § 254 BGB, Rz. 2 m. w. N. 4 A. A. z. B. Greger, 3. Aufl., § 17 StVG, Rz. 46.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 342 Teil 2
! Hinweis: Kfz-Halter und Fahrer müssen bei der Inanspruchnahme eines Fußgängers oder Radfahrers auch ohne Mitverschulden in entsprechender Anwendung des § 254 BGB evtl. eine Anspruchskürzung wegen „mitwirkender Betriebsgefahr“ hinnehmen.
5. Besonderheiten beim Kinderunfall Literatur: Bernau, Die Anforderungen an die elterliche Aufsicht über das spielende Kind im Vorschulalter, NZV 2008, 329; Bernau, Die Aufsichtshaftung über Minderjährige im Straßenverkehr, DAR 2008, 286; Bernau, Führt die Haftungsprivilegierung des Kindes in § 828 II BGB zu einer Verschärfung der elterlichen Aufsichtshaftung aus § 832 BGB? NZV 2005, 234; Brock, Rechtliche Probleme beim begleiteten Fahren ab 17, DAR 2006, 63; Dahm, Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB, NZV 2009, 378; Diehl, Unfälle von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2007, 451; Etzel, Haftungsfragen durch seit 1. 4. 93 vorgeschriebene Rückhaltevorrichtungen in Kfz, DAR 1994, 301; Friedrich, Die Selbstaufopferung im Straßenverkehr für ein Kind und die Inanspruchnahme der Eltern aus Geschäftsführung ohne Auftrag, VersR 2000, 697; Fuchs, Die deliktsrechtliche Verantwortung der Eltern für Schäden von und an Kindern im Straßenverkehr, NZV 1998, 7; Haberstroh, Haftungsrisiko Kind – Eigenhaftung des Kindes und elterliche Aufsichtspflicht, VersR 2000, 806; Huber, Schadensersatzpflicht eines 7- bis 10-jährigen Kindes bei Kollision mit einem ordnungsgemäß geparkten Fahrzeug, DAR 2005, 171; Karczewski, Der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften, VersR 2001, 1070; Kunschert, Die Haftung des Kfz-Halters gegenüber seinem Partner und seinem Kind als Insassen, NJW 2003, 950; Lang/Stahl/Huber, Das Modell „Begleitetes Fahren mit 17“ aus Haftungs- und versicherungsrechtlicher Sicht, NZV 2006, 449; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Möllers, Verkehrspflichten gegenüber Kindern, VersR 1996, 153; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Lemcke, Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung, r+s 2006, 52; Limbourg, Verkehrssicherheit für Kinder, 39. VGT 2001, 39; Müller, Zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften, ZRP 1998, 258; Notthoff/Schub, Sektorale Deliksfähigkeit nach dem 2. SchdÄndG und Kinderunfälle, zfs 2006, 183; Oechsler, Die Unzurechnungsfähigkeit von Kindern in Verkehrssituationen, NJW 2009, 417; Pardey, Reichweite des Haftungsprivilegs von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2004, 499; Sapp, Das Modell Begleitetes Fahren ab 17 im Haftungsrecht, NJW 2006, 408; Pardey, Verkehrsunfall mit Beteiligung von Kindern, zfs 2002, 264; Pardey, Aufsichts- und Schutzpflichten zur Teilnahme von Kindern am Straßenverkehr, DAR 2001, 1; Pardey, Gesteigerter Schutz von Kindern bei ihrer Teilnahme am Straßenverkehr, DAR 1998, 1; Scheffen, Änderungen schadensersatzrechtlicher Vorschriften im Hinblick auf betroffene Kinder und Jugendliche, ZRP 2001, 380; Scheffen, Der Kinderunfall – Eine Herausforderung für Gesetzgebung und Rechtsprechung, DAR 1991, 121; Scheffen, Schadensersatzansprüche bei Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Verkehrsunfällen, VersR 1987, 116; Steffen, Zur Haftung von Kindern im Straßenverkehr, VersR 1998, 1449; Steffen, „Höhere Gewalt“ statt „unabwendbares Ereignis“ in § 7
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Teil 2
Rz. 343
Haftungsvoraussetzungen
Abs. 2 StVG?, DAR 1998, 135; Ternig, Fahrradfahrer in der StVO, DAR 2002, 105; Wolf, Billigkeitshaftung statt überzogener elterlicher Aufsichtspflichten – ein erneutes Plädoyer für die Anwendung des § 829 BGB aufgrund einer Haftpflichtversicherung, VersR 1998, 812.
Ausgangsfall: Auf einer Radtour mit seiner Mutter missachtet ein neunjähriger Radfahrer die Vorfahrt eines Pkw, er wird angefahren und verletzt. Der Fahrer fährt beim Ausweichversuch gegen einen Baum. Das Kind und der Fahrer verlangen wechselseitig Ersatz ihrer Personen- und Sachschäden; der Fahrer nimmt auch die Mutter in Anspruch (Lösung: fi Rz. 408 ff.). 343
Nach den Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes verunglückte im Jahre 1999 in Deutschland noch alle 9 Minuten ein Kind im Straßenverkehr, alle 28 Stunden kam ein Kind dabei zu Tode; insgesamt verunglückten 1999 mehr als 16 000 Kinder als Pkw-Insasse, weitere fast 13 000 Kinder als Fußgänger, die meisten davon im Alter von 6 bis 9 Jahren, und weitere fast 18 000 Kinder als Radfahrer, die meisten davon im Alter von 10 bis 14 Jahren1. Seit diesem Zeitpunkt hat die Zahl der Verletzten im Straßenverkehr deutlich abgenommen, auch die Unfallzahlen bei den Kindern haben sich positiv entwickelt. Im Jahr 2007 verunglückten aber immer noch rd. 11 500 Kinder als Pkw-Insasse, weitere rd. 8 500 Kinder als Fußgänger und weitere rd. 12 000 Kinder mit dem Fahrrad2.
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Etwa die Hälfte der Unfälle wurde durch ein Fehlverhalten des Kindes ausgelöst, bei den Fußgängerunfällen insbesondere durch ein plötzliches Überqueren der Fahrbahn, ohne auf den Verkehr zu achten, und durch das plötzliche Hervortreten hinter Sichthindernissen.
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Eines der zentralen Ziele des 2. SchadÄndG war es, die Stellung des Kindes bei Unfällen im Straßenverkehr zu verbessern, sowohl für das Kind als Opfer als auch für das Kind als Täter3. Dieses Ziel ist voll erreicht worden; für Kinderunfälle ab dem 1. 8. 2002 sind insbesondere folgende Änderungen zu beachten4: – Anhebung der Verantwortlichkeitsgrenze für Kinder auf 10 Jahre sowohl als Täter als auch als Opfer bei Unfällen im Straßenverkehr, – Erschwerung des Entlastungsbeweises für den Kfz-Halter, – Einbeziehung des Insassen in die Gefährdungshaftung auch bei unentgeltlicher Personenbeförderung, – Erweiterung der Ansprüche aus der Gefährdungshaftung auf Schmerzensgeldansprüche, 1 2 3 4
Limbourg, 39. VGT 2001, S. 39 ff., 39. Quelle: Statistisches Bundesamt. S. dazu insbesondere Karczewski, VersR 2001, 1070. S. dazu Lemcke, zfs 2002, 318.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 348 Teil 2
– Anhebung der Haftungshöchstbeträge bei Ansprüchen aus der Gefährdungshaftung. Kinder und Jugendliche sind für ihr Handeln gem. §§ 828, 829 BGB nicht bzw. allenfalls eingeschränkt verantwortlich. Das wirkt sich sowohl
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– bei der Frage der Haftpflicht für den von ihnen angerichteten Schaden (gem. § 823 BGB i. V. m. §§ 828, 829 BGB) als auch – bei der Frage der Anspruchskürzung wegen des eigenen Beitrags bei der Entstehung des eigenen Schadens (gem. § 254 BGB i. V. m. §§ 828, 829 BGB) aus. – Bei einem Kinderunfall stellt sich aber häufig auch die Frage, ob eine Aufsichtspflichtverletzung des Aufsichtspflichtigen vorliegt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Insbesondere die Unfälle, die durch ein Fehlverhalten des Kindes ausgelöst worden sind, führten in der Vergangenheit oft zu Haftpflichtprozessen, die sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung als auch hinsichtlich der rechtlichen Bewertung erhebliche Probleme aufwiesen. Denn wenn das Kind z. B. plötzlich auf die Fahrbahn gelaufen und dort von einem Kraftfahrer angefahren und verletzt worden ist, steht zwar das Fehlverhalten des Kindes fest; es war jetzt aber die sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht schwierige Frage zu klären, ab wann der Kraftfahrer die Gefahrensituation erkennen konnte und ob er in diesem Augenblick und bei seiner Reaktion auf diese Gefahrensituation die an ihn zu stellenden Anforderungen erfüllt hat.
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Aufgrund der Änderungen durch das 2. SchadÄndG wird es sich bei Kinderunfällen jedenfalls dann, wenn das Kind für seinen Schaden selbst nicht mitverantwortlich ist, i. d. R. erübrigen, der Frage näher nachzugehen, ob der Kraftfahrer den Unfall verschuldet hat und ob deshalb gegen ihn Ersatzansprüche aus der Verschuldenshaftung bestehen. Denn das verletzte Kind erhält schon aus der Gefährdungshaftung vollen Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden, und die Haftungshöchstbeträge nach dem StVG reichen auch aus, den Schaden des Kindes voll abzudecken; selbst für die Schmerzensgeldhöhe ist es ohne Bedeutung, ob die Betriebsgefahr des Kfz nicht oder evtl. doch geringfügig durch Verschulden erhöht ist. Das erleichtert die Bearbeitung des Kinderunfalls für den Anwalt. Nur bei noch in der Regulierung befindlichen Altfällen aus der Zeit vor dem 18. 12. 2007 und insbesondere vor dem 1. 8. 2002 (dazu näher fi Rz. 113) kann es weiterhin auf die Klärung der Verschuldensfrage ankommen; es ist dann wichtig, dass insbesondere Feststellungsurteile – durch die künftige Ersatzansprüche gegen Verjährung gesichert werden sollen – auch tatsächlich auf §§ 823 ff. BGB gestützt werden und nicht lediglich auf §§ 7, 17, 18 StVG.
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Teil 2 349
Rz. 349
Haftungsvoraussetzungen
Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert: a) Ansprüche des Kindes gegen Halter, Fahrer und KH-Versicherer (fi Rz. 350 ff.) b) Ansprüche des Halters/Fahrers gegen das Kind (fi Rz. 394 ff.) c) Ansprüche gegen einen Aufsichtspflichtigen (fi Rz. 401 ff.) a) Ansprüche des Kindes gegen Halter, Fahrer und KH-Versicherer
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Es kommen Ersatzansprüche des Kindes aus der Gefährdungs- und aus der Verschuldenshaftung in Betracht. Wenn eine Mitverantwortung des Kindes aus Altersgründen ausscheidet, ist die Verschuldenshaftung, wie bereits gesagt, spätestens für Unfälle ab Ende 2007 nahezu bedeutungslos geworden. Für die Haftung dem Grunde nach ist deshalb entscheidend, ob das geschädigte Kind evtl. für seinen Schaden nach den §§ 828, 829 BGB mitverantwortlich ist oder ob es sich jedenfalls die etwaige Mitverantwortung eines Aufsichtspflichtigen zurechnen lassen muss.
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Ein Kind unter 7 Jahren ist für sein Handeln nach § 828 Abs. 1 BGB nicht verantwortlich. Nach § 828 Abs. 2 BGB n. F. ist diese Verantwortlichkeitsgrenze für „Unfälle mit einem Kfz oder einer Bahn“ auf 10 Jahre erhöht. Dazu gehören auch Unfälle „in einem Kfz oder in einer Bahn“, wenn also das Kind als Insasse unfallbeteiligt ist. Dagegen ist der Kfz-Anhänger hier nicht aufgeführt. Bei einem Unfall mit einem isoliert abgestellten Kfz-Anhänger liegt also die Verantwortlichkeitsgrenze weiterhin bei 7 Jahren. Das gilt ferner weiterhin bei Unfällen unter Fußgängern oder Radfahrern.
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Bei einem Kfz-Unfall mit einem über 7 und unter 10 Jahre alten Kind ist es somit von wesentlicher Bedeutung, wann das Tatbestandsmerkmal „Unfall mit einem Kfz“ erfüllt ist (dazu näher fi Rz. 371 ff.). Das gilt sowohl für die Frage der Haftung des Kindes als auch für die Frage der Kürzung der Ansprüche des Kindes gem. § 254 BGB wegen eigener Mitverantwortung für den Unfall. aa) Kinder unter 10 Jahren (1) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung (a) Haftungsvoraussetzungen
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Das Kind muss „bei dem Betrieb“ des Kfz oder Kfz-Anhängers verletzt worden sein. Ist das Kind von einem Kfz angefahren und verletzt worden oder ist es bei einem Kfz-Unfall als Insasse verletzt worden, sind die Haftungsvoraussetzungen der §§ 7, 18 StVG immer erfüllt Das gilt aber auch dann, wenn das Kind z. B. aus eigener Unvorsichtigkeit mit dem 140
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 358 Teil 2
Fahrrad gegen ein auf der Fahrbahn verkehrsbedingt anhaltendes Kfz gefahren ist. Bei einem Unfall des Kindes mit einem ordnungsgemäß abgestellten Fahrzeug – Kfz oder Kfz-Anhänger – müssen sich die speziellen von einem Kfz ausgehenden Gefahren irgendwie noch ausgewirkt haben1, das Schadensgeschehen muss durch die von dem Kfz ausgehende Gefahr mitgeprägt worden sein2. Dies ist z. B. nicht der Fall, wenn ein Kind, ohne irgendwie bedrängt worden zu sein, mit seinem Fahrrad gegen einen ordnungsgemäß am Fahrbahnrand abgestellten Pkw fährt; dann hat sich, so der BGH3, „die Betriebsgefahr nicht ausgewirkt“ (s. näher fi Rz. 85).
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(b) Entlastungsbeweis Der Entlastungsbeweis ist beim Unfall mit Fußgängern, Radfahrern und Insassen und damit auch beim Kinderunfall für Unfälle seit dem 1. 8. 2002 gem. § 7 Abs. 2 StVG nur noch bei höherer Gewalt geführt.
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Höhere Gewalt kommt bei Kinderunfällen praktisch nicht vor. Höhere Gewalt ist weder gegeben, wenn ein Kind auf die Fahrbahn läuft und selbst der ideale Kraftfahrer den Unfall nicht verhindert hätte, noch dann, wenn ein Kind unter 10 Jahren trotz Rotlichts die Fahrbahn überquert und von einem Kfz erfasst wird oder mit dem Fahrrad auf einen wegen Rotlichts ordnungsgemäß anhaltenden Pkw auffährt.
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Der Entlastungsbeweis nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ist geführt, wenn der Kraftfahrer die Verschuldensvermutung widerlegen kann, also z. B. nachweisen kann, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (fi Rz. 159 ff.). In Zukunft wird häufiger als bisher die Situation gegeben sein, dass der Fahrer entlastet ist, der Halter aber nicht.
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(2) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung Die Verschuldenshaftung hat aufgrund der Gesetzesänderungen für Unfälle ab dem 1. 8. 2002 an Bedeutung verloren; für Altfälle mit erheblichem Dauerschaden, der möglicherweise durch die Haftungshöchstbeträge nach §§ 12 f. StVG a. F. nicht gedeckt ist, behält sie aber weiterhin ihre Bedeutung. 1 BGH v. 19. 4. 1988 – VI ZR 96/87, MDR 1988, 850 = r+s 1988, 223 = NZV 1988, 63 = VersR 1988, 641. 2 BGH v. 27. 11. 2007 – VI ZR 210/06, MDR 2008, 623 = r+s 2008, 212 = NZV 2008, 285 = VersR 2008, 656; BGH v. 25. 10. 1994 – VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = r+s 1995, 44 = VersR 1995, 90 = NZV 1995, 19 = NJW-RR 1995, 215. 3 BGH v. 21. 11. 2004 – VI ZR 276/03, r+s 2006, 254 = VersR 2005, 378 = NJW-RR 2005, 327; s. auch BGH v. 30. 11. 2004 – VI ZR 335/03 und VI ZR 365/03, MDR 2005, 506 = r+s 2005, 80 und 82 (Anm. Lemcke) = NZV 2005, 137 uns 139 = VersR 2005, 376 und 380.
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Teil 2
Rz. 359
Haftungsvoraussetzungen
(a) Ansprüche gegen den Fahrer aus § 823 BGB 359
Zwar ist im Rahmen des § 823 BGB nicht auf den Idealfahrer, sondern auf den Durchschnittsfahrer abzustellen. Auch dieser behält aber, vor allem in Wohngebieten, nicht nur die Fahrbahn, sondern auch den Gehweg und das Gelände neben der Fahrbahn im Auge. Er muss jedoch nicht ständig mit der Möglichkeit rechnen, dass ein für ihn nicht sichtbares Kind plötzlich auf die Fahrbahn läuft; dazu muss er einen triftigen Anlass haben1.
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Ein derartiger Anlass besteht nach der Auffassung des BGH z. B. nicht schon dann, wenn auf dem Gehweg ein 8jähriges Kind mit dem Fahrrad fährt und nichts darauf hindeutet, dass es plötzlich auf die Fahrbahn fährt2. Werden aber Kinder im Alter von unter zehn Jahren sichtbar, gilt der Vertrauensgrundsatz jedenfalls dann nicht mehr, wenn das Verhalten des Kindes oder die Situation, in der es sich befindet, irgendwelche Auffälligkeiten zeigt3.
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Spätestens dann muss der Kraftfahrer sich auf die Unberechenbarkeit kindlichen Verhaltens einstellen und auch völlig unüberlegtes und unbesonnenes Verhalten in Rechnung stellen4. Denn er muss die erhöhten Sorgfaltsanforderungen nach § 3 Abs. 2a StVO beachten; danach muss er sich gegenüber Kindern, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung der Kinder ausgeschlossen ist (s. näher fi Rz. 366). (aa) Erlaubte Geschwindigkeit bei möglicher Anwesenheit von Kindern
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Häufig stellt sich die Frage, ob der Kraftfahrer den Unfall (räumlich oder jedenfalls zeitlich) vermieden hätte, wenn er langsamer gefahren wäre, und ob er langsamer hätte fahren müssen. Zur Frage, wie schnell der 1 BGH v. 23. 4. 2002 – VI ZR 180/01, r+s 2002, 325; BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke; BGH v. 21. 2. 1985 – III ZR 205/83, NJW 1985, 1950 = MDR 1986, 34 = VersR 1985, 637; BGH v. 5. 5. 1992 – VI ZR 262/91, MDR 1993, 27 = r+s 1992, 370 = VersR 1992, 890 = NZV 1992, 360; OLG Köln v. 22. 11. 2000 – 11 U 75/00, VersR 2002, 209. 2 BGH v. 23. 4. 2002 – VI ZR 180/01, MDR 2001, 212 = r+s 2002, 325 = NZV 2001, 35 = NJW 2001, 152; BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke. 3 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke. 4 BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1997, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364 m. Anm. Lemcke; s. hierzu auch OLG Frankfurt a. M. v. 12. 1. 2001 – 24 U 95/99, r+s 2001, 242 = DAR 2001, 217; OLG Hamm v. 9. 2. 1999 – 9 U 160/98, r+s 2000, 195 = NZV 2000, 167.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 362 Teil 2
Kraftfahrer innerorts mit Rücksicht auf die mögliche Anwesenheit von Kindern fahren darf, ist Folgendes zu beachten: – Richt-Zeichen 325 „Verkehrsberuhigter Bereich“: Nach § 42 Abs. 4a StVO ist nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt, also nur 5–7 km/h und nicht, wie sogar gelegentlich Anwälte meinen, 30 km/h. – Gefahr-Zeichen 136 „Kinder“: Es soll den Kraftfahrer veranlassen, sich auf das Auftauchen nicht sichtbarer Kinder einzustellen; er muss, auch wenn Kinder nicht sichtbar sind, wie bei einer konkreten Gefahrenlage die Pflichten aus § 3 Abs. 2a StVO erfüllen1. Es ist zwar keine generelle Herabsetzung der Geschwindigkeit, z. B. auf 30 km/h, geboten2. Der Kraftfahrer muss aber so fahren, dass er in der Lage ist, jederzeit vor plötzlich auftauchenden Kindern anzuhalten; er muss insbesondere jederzeit bremsbereit sein; das gilt auch für die Abendstunden3. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit ist deshalb insbesondere dann erforderlich, wenn die Sichtmöglichkeiten eingeschränkt sind, z. B. durch parkende Fahrzeuge, Bepflanzung p. p.4. – Wohnstraße: Zwar ist die innerorts erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h die Höchstgeschwindigkeit, die nach § 3 Abs. 3 StVO „nur unter günstigsten Umständen“ gefahren werden darf. Andererseits ist auch in Straßen, die durch ein Wohngebiet führen, eine Reduzierung der Geschwindigkeit unter die 50 km/h-Grenze nur dann geboten, wenn sie entweder nach § 45 Abs. 1 StVO angeordnet ist oder wenn sie durch konkrete örtliche Gefahrenmomente veranlasst ist5. Eine Geschwindigkeitsreduzierung ist z. B. geboten, wenn die Fahrbahn unübersichtlich ist, dagegen nicht schon dann, wenn der Fahrbahnrand unübersichtlich ist6, wenn er z. B. durch parkende Fahrzeuge verstellt ist; der Kraftfahrer muss sich nicht bei jedem am Fahrbahnrand abgestellten Kfz darauf einstellen, dass dahinter ein Kind sein kann, das evtl. plötzlich auf die Fahrbahn läuft7. Die Geschwindigkeitsreduzierung ist ferner geboten, wenn durch parkende Fahrzeuge eine Engstelle
1 BGH v. 21. 12. 1993 – VI ZR 246/92, NJW 1994, 941 = MDR 1994, 669 = r+s 1994, 91 = VersR 1994, 326; OLG Hamm v. 24. 5. 1995 – 13 U 45/95, NZV 1996, 70. 2 OLG Hamm v. 24. 5. 1995 – 13 U 45/95, NZV 1996, 70. 3 BGH v. 21. 12. 1993 – VI ZR 246/92, NJW 1994, 941 = MDR 1982, 569 = r+s 1994, 91 = VersR 1994, 326. 4 OLG Köln v. 26. 10. 1988 – 13 U 123/88, VersR 1989, 206; OLG Karlsruhe v. 24. 11. 1989 – 1 U 95/89, DAR 1990, 137. 5 BGH v. 12. 5. 1998 – VI ZR 124/97, NJW 1998, 2816 = MDR 1998, 1095 = r+s 1998, 411 = VersR 1998, 1128; OLG Köln v. 22. 11. 2000 – 11 U 75/00, VersR 2002, 209. 6 BGH v. 23. 4. 2002 – VI ZR 180/01, r+s 2002, 325. 7 OLG Schleswig v. 7. 5. 1997 – 9 U 112/96, VersR 1999, 334 = OLGR 1997, 285; OLG Köln v. 22. 11. 2000 – 11 U 75/00, VersR 2002, 209.
Lemcke
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Teil 2
Rz. 363
Haftungsvoraussetzungen
geschaffen ist, so dass der gebotene Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann1. (bb) Verhalten gegenüber sichtbaren Kindern 363
§ 3 Abs. 2a StVO: Danach obliegt dem Kraftfahrer insbesondere gegenüber Kindern eine gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme; er hat sich ihnen gegenüber insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass ihre Gefährdung ausgeschlossen ist2. Geschützt sind nicht nur Kleinkinder, sondern Kinder bis zu etwa 14 Jahren3. Es ist nicht erforderlich, dass sie verkehrsunsicher wirken; sie müssen aber für den Kraftfahrer – ebenso wie Alte und Hilfsbedürftige – als Angehörige der schutzbedürftigen Personengruppe erkennbar sein4; diese Voraussetzung ist jedenfalls bei Kindern unter 10 Jahren immer erfüllt.
364
Kind am Fahrbahnrand: Zwar gilt nach der – insoweit bedenklichen und kaum mit § 3 Abs. 2a StVG zu vereinbarenden – Rechtsprechung des BGH auch gegenüber Kindern unter 10 Jahren grundsätzlich der Vertrauensgrundsatz; anders ist es aber auch nach Auffassung des BGH dann, wenn das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigen5. Diese Voraussetzung ist sehr schnell erfüllt. Wenn ein Kind in Fahrbahnnähe sichtbar wird und möglicherweise die Absicht hat, diese zu betreten oder zu überqueren, ist Verminderung der Geschwindigkeit und Bremsbereitschaft erforderlich, solange der Kraftfahrer nicht sicher sein darf, dass das Kind ihn gesehen hat und beachtet6. Er darf z. B. auch Rad fahrende Kinder in einer Wohnstraße nicht mit wesentlich höherer Geschwindigkeit überholen; anders ist es nur dann, 1 BGH v. 12. 5. 1998 – VI ZR 124/97, NJW 1998, 2816 = MDR 1998, 1095 = r+s 1998, 411 = VersR 1998, 1128; BGH v. 13. 2. 1990 – VI ZR 128/89, MDR 1990, 811 = r+s 1991, 300 = VersR 1990, 535 = NZV 1990, 227; BGH v. 21. 2. 1985 – III ZR 205/83, NJW 1985, 1950 = MDR 1986, 34 = VersR 1885, 637; OLG Hamm v. 30. 9. 1993 – 6 U 9/93, VersR 1994, 1489. 2 BGH v. 5. 5. 1992, VI ZR 262/91, MDR 1993, 27 = r+s 1992, 370 = VersR 1992, 890 = NZV 1992, 360; OLG Hamm v., 19. 11. 1999 – 26 U 28/99, r+s 2001, 60 = NZV 2000, 259; OLG Hamm v. 9. 2. 1999 – 9 U 160/98, r+s 2000, 195 = NZV 2000, 167; OLG Frankfurt a. M. v. 12. 1. 2001 – 24 U 95/99, r+s 2001, 242 = DAR 2001, 217; s. ferner Lemcke, DAR 1997, 41, 49. 3 OLG Hamm v. 24. 5 1995 – 13 U 45/95, NZV 1996, 70; OLG Hamm v. 11. 2. 1993 – 27 U 182/92, VersR 1994, 831 = NZV 1994, 397; OLG München v. 31. 5. 1983 – 5 U 5289/82, VersR 1984, 395. 4 BGH v. 19. 4. 1994 – VI ZR 219/93, r+s 1994, 292 = VersR 1994, 739; OLG Hamm v. 4. 5. 1994 – 13 U 225/93, r+s 1994, 294. 5 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke. 6 BGH v. 25. 9. 1990 – VI ZR 19/90, MDR 1991, 327 = r+s 1991, 15 = VersR 1990, 1366; OLG Hamm v. 12. 9. 1994, 13 U 12/94, VersR 1996, 906.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 367 Teil 2
wenn er sicher sein kann, dass sie ihn wahrgenommen haben und beachten1. Wenn zwar nicht das später verletzte Kind, wohl aber ein anderes Kind in Fahrbahnnähe sichtbar wird, gilt Folgendes:
365
– Musste der Kraftfahrer wegen dieses Kindes auch mit dem Auftauchen anderer Kinder, insbesondere auch des später verletzten Kindes rechnen, ist er für den Unfall verantwortlich, wenn er seine Geschwindigkeit nicht sofort herabgesetzt hat und bei pflichtgemäßem Verhalten den Unfall vermieden hätte. Das Auftauchen eines Kindes kann Veranlassung geben, nunmehr auch mit dem Auftauchen anderer Kindern zu rechnen2. – Musste der Kraftfahrer nicht mit dem Auftauchen weiterer Kinder rechnen, ist der Schutzzweck der Norm zu beachten. Auf einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2a StVO kann sich nur derjenige berufen, dem gegenüber die Vorschrift in der konkreten Verkehrssituation die Pflicht zu erhöhter Rücksichtnahme ausgelöst hat3. Musste der Kraftfahrer deshalb nicht mit dem Auftauchen des später verletzten Kindes rechnen, ist diesem gegenüber ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2a StVG auch dann nicht gegeben, wenn der Kraftfahrer an sich dem sichtbaren Kind gegenüber zu langsamerer Fahrweise verpflichtet gewesen wäre. In der Nähe von Kindergärten, Spielplätzen und Schulen wird man zu den üblichen Tageszeiten immer mit plötzlich auftauchenden Kindern rechnen müssen4, auch in der Nähe eines anfahrenden Schulbusses5. In der Nähe von haltenden Schulbussen oder solchen, die sich einer Haltestelle nähern, sind die besonderen Anforderungen des § 20 Abs. 1–4 StVO zu beachten.
366
Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ergibt sich oft, dass der Kraftfahrer das Kind zwar auch bei angepasster Geschwindigkeit angefahren hätte, dass dann aber die Kollisionsgeschwindigkeit erheblich geringer gewesen wäre. Kann festgestellt werden, dass dann auch die Verletzungen geringer gewesen wären (z. B dass dann jedenfalls die schweren Kopfverletzungen vermieden worden wären), hat das Kind Ersatzansprüche wegen der Mehrschäden6.
367
1 OLG Oldenburg v. 1.12 1992 – 12 U 33/92, r+s 1994, 93. 2 BGH v. 25. 9. 1990 – VI ZR 19/90, MDR 1991, 327 = r+s 1991, 15 = VersR 1990, 1366. 3 BGH v. 25. 9. 1990 – VI ZR 19/90, MDR 1991, 327 = r+s 1991, 15 = VersR 1990, 1366; OLG Frankfurt a. M. v. 12. 1. 2001 – 24 U 95/99, r+s 2001, 242 = DAR 2001, 217; s. auch OLG Köln v. 21. 4. 1995 – 11 U 232/94, OLGR 1995, 164. 4 BGH v. 5. 5. 1992, VI ZR 262/91, MDR 1993, 27 = r+s 1992, 370 = VersR 1992, 890 = NZV 1992, 360; OLG Karlsruhe v. 9. 10. 1987 – 14 U 225/98, DAR 1989, 25. 5 OLG Oldenburg v. 9. 7. 1987 – 8 U 10/87, NZV 1988, 103. 6 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke.
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Teil 2
Rz. 368
Haftungsvoraussetzungen
(b) Ansprüche gegen den Halter aus § 831 BGB 368
Insoweit kann auf die Ausführungen zur Haftung des Halters als Geschäftsherr beim Unfall zwischen zwei Kfz verwiesen werden (s. fi Rz. 130). Auch bei Kinderunfällen ist häufig ein angestellter Kraftfahrer unfallbeteiligt (z. B. Unfall mit Lkw, Linienbus, Taxe). Zwar liegt bei Kinderunfällen i. d. R. ein grobes Fehlverhalten des Kindes vor mit der Folge, dass in Bezug auf den Kraftfahrer der Verschuldensnachweis oft nicht zu führen ist. Wegen der geringeren Anspruchsvoraussetzungen ist aber die Klage gegen den Halter sinnvoll; vor allem bei Kinderunfällen ist eine Klage gegen den Halter aus § 831 BGB oft viel aussichtsreicher als eine solche gegen den Fahrer aus § 823 BGB.
369
In diesen Fällen wird – teilweise auch von den Gerichten1 – viel zu wenig beachtet, dass auch dann, wenn dem Fahrer ein schuldhafter Verkehrsverstoß nicht nachgewiesen werden kann, der Halter als Geschäftsherr aus § 831 BGB auf Ersatz des gesamten Schadens ohne Beschränkung auf die Höchstbeträge nach §§ 12 f. StVG haftet, wenn er nicht nachweisen kann, dass sich sein Fahrer verkehrsrichtig verhalten hat, und wenn er auch den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nicht führen kann (s. näher fi Rz. 130 ff.). Es ist deshalb insbesondere beim Kinderunfall mit hohem Personenschaden wichtig, in allen Fällen, in denen bei dem Unfall ein anderer als der Halter am Steuer gesessen hat, der Frage nachzugehen, ob der Fahrer evtl. als Verrichtungsgehilfe tätig gewesen ist. (3) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Kindes bzw. eines Aufsichtspflichtigen (a) Kürzung aufgrund eigener Mitverantwortung gem. § 254 BGB
370
§§ 254, 828 Abs. 1 und Abs. 2 BGB: Kinder unter 7 Jahren sind nach § 828 Abs. 1 BGB für einen von ihnen angerichteten Schaden persönlich nicht verantwortlich, Kinder unter 10 Jahren nach § 828 Abs. 2 BGB nicht bei einem Unfall mit einem Kfz oder einer Bahn; anders ist es dann nur bei vorsätzlicher Herbeiführung der Verletztung. Im Rahmen des § 254 BGB ist § 828 BGB „spiegelbildlich“ anwendbar. Deshalb kommt auch eine Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Kindes nach § 254 BGB in den Fällen des § 828 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht in Betracht.
371
Ein Unfall mit einem Kfz im Sinne des § 828 Abs. 2 BGB ist zwar nicht bei jeder Kollision mit einem Kfz gegeben; der BGH hat den Anwen1 S. z. B. BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1997, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364 m. Anm. Lemcke.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 374 Teil 2
dungsbereich dieser Norm in mehreren Entscheidungen1 im Wege der teleologischen Reduktion eingeschränkt. Die Tendenz geht aber dahin, die erhöhte Altersgrenze nur ausnahmsweise nicht anzuwenden; nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung des BGH gilt die erhöhte Altersgrenze nur dann nicht, wenn sich nachweislich keine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat. Im praktischen Ergebnis bedeutet dies, dass die 10-Jahres-Grenze des § 828 Abs. 2 BGB bei einem Unfall im fließenden Verkehr immer gilt. Ein verkehrsbedingt haltendes Kfz befindet sich noch im fließenden Verkehr, ein ordnungsgemäß geparktes Kfz dagegen nicht. Die erhöhte Altersgrenze kann aber auch bei einem Unfall im ruhenden Verkehr gelten, z. B. dann, wenn vor mehreren quer zum Gehweg auf einem Parkplatz abgestellten Pkw möglicherweise ein Fahrzeug auf den Gehweg ragt und ein 8jähriges Kind, das den Gehweg mit dem Fahrrad befährt (befahren darf, s. § 2 Abs. 5 StVO), gegen diesen Pkw fährt. Dass tatsächlich keine Überforderungssituation bestanden hat, hat der Kraftfahrer darzulegen und zu beweisen2.
372
§ 828 Abs. 2 BGB gilt nicht, wenn ein 9jähriges Kind unbedrängt mit dem Fahrrad gegen ein auf der Fahrbahn ordnungsgemäß abgestelltes Kfz fährt. Es dürfte allerdings wieder anders sein, wenn das Kfz verkehrswidrig abgestellt ist, z. B. an einer unübersichtlichen Stelle, und das Kind wegen Gegenverkehrs gegen dieses Kfz gerät3, evtl. auch schon dann, wenn das Kfz verkehrswidrig links abgestellt ist4. Es ist sicher anders, wenn das Kind gegen ein im fließenden Verkehr verkehrsbedingt anhaltendes Kfz fährt. Dagegen gilt § 828 Abs. 2 BGB nicht für ein 7jähriges Kind, das ein ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug mit einer Glasscherbe zerkratzt5.
373
Weil die Anhebung der Verantwortlichkeitsgrenze eine Folge der wissenschaftlichen Erkenntnis ist, dass Kinder bis zu 10 Jahren den Anforderungen des Verkehrs häufig noch nicht gewachsen sind, wurde diskutiert, ob
374
1 BGH v. 30. 6. 2009 – VI ZR 310/08, MDR 2009, 1101 = r+s 2009, 385 = NZV 2009, 551 = NJW 2009, 3231 = VersR 2009, 1136; BGH v. 11. 3. 2008 – VI ZR 75/07, MDR 2008, 682 = r+s 2008, 213 = NZV 2009, 77 = VersR 2008, 701; BGH v. 16. 10. 2007 – VI ZR 42/07, MDR 2008, 80 = r+s 2008, 32 = NZV 2008, 22 = NJW 2008, 147 = VersR 2007, 1669; BGH v. 30.11 2004 – VI ZR 335/03, MDR 2005, 506 = r+s 2005, 80 = NJW 2005, 354 = NZV2005, 137 = VersR 2005, 376; BGH r+s 2006, 254 = VersR 2005, 378; BGH v. 30. 11. 2004 – VI ZR 365/03, MDR 2005, 390 = r+s 2005, 82 (Anm. Lemcke) = NJW 2005, 356 = NZV 2005, 139 = VersR 2005, 380. 2 BGH v. 30. 6. 2009 – VI ZR 310/08, MDR 2009, 1101 = r+s 2009, 385 = NZV 2009, 551 = NJW 2009, 3231 = VersR 2009, 1136. 3 S. insoweit OLG Karlsruhe v. 29. 6. 2005 – 1 U 247/04, NZV 2005, 474. 4 LG Saarbrücken v. 20. 11. 2009 – 13 S 133/09, NJW 2010, 944 = NZV 2010, 150. 5 BGH v. 24. 3. 2009 – VI ZR 199/08, MDR 2009, 747 = r+s 2009, 258 = NJW 2009, 1954 = VersR 2009, 790.
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Teil 2
Rz. 375
Haftungsvoraussetzungen
§ 828 Abs. 2 BGB n. F. auch auf Altfälle anzuwenden ist1. Dem ist das OLG Celle2 entgegengetreten; es hat den Anspruch eines 7jährigen Kindes gegen den Kraftfahrer gem. §§ 254, 828 Abs. 2 BGB a. F. um 25 % gekürzt. Die Richtigkeit dieser Auffassung hat der BGH in seinem Nichtannahmebeschluss ausdrücklich bestätigt unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 23. 4. 20023; in dieser Entscheidung hatte der BGH die Ansprüche eines 8jährigen Kindes quotenmäßig gekürzt, ohne die Frage der Rückwirkung des § 828 Abs. 2 BGB überhaupt anzusprechen. 375
§§ 254, 829 BGB: Auch derjenige, der für seinen Schaden nach § 828 BGB nicht verantwortlich ist, kann evtl. gem. § 829 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (sog. Billigkeitshaftung). Zwar ist auch § 829 BGB im Rahmen des § 254 BGB „spiegelbildlich“ anwendbar (sog. Billigkeits-Mitverantwortung). Nach der Rechtsprechung des BGH4 kommt aber dann, wenn wie hier für den Ersatzanspruch des Geschädigten eine Pflichtversicherung besteht, eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB i. V. m. § 829 BGB nicht in Betracht. Wenn für den Ersatzanspruch des Geschädigten, so der BGH, eine Pflichtversicherung aufkommen müsse, werde der Schädiger, für dessen Freistellung von der Ersatzpflicht das Gesetz vorgesorgt habe, durch die Nichtberücksichtigung des Unfallbeitrags des schuldunfähigen Geschädigten i. d. R. nicht unbillig belastet. Dabei muss beachtet werden, dass die Pflichtversicherung auch das Opfer schützen soll. Diese Erwägungen gelten auch nach Erhöhung der Verantwortlichkeitsgrenze auf 10 Jahre für das Kind als Opfer unverändert weiter (für das Kind als Täter ist es evtl. anders, s. fi Rz. 395 f.). (b) Kürzung wegen Mitverschuldens eines Aufsichtspflichtigen
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§§ 254 Abs. 2 S 2, 278 BGB: Hiernach ist Voraussetzung für eine Anspruchskürzung ein bereits bestehendes Sonderrechtsverhältnis zwischen Kind und Schädiger. Bei einem Verkehrsunfall entsteht ein solches aber i. d. R. erst mit dem Unfall; erst danach kann eine Anspruchskürzung – z. B. weil die Eltern nicht für die gebotene ärztliche Behandlung gesorgt haben – in Betracht kommen5. 1 So OLG Schleswig v. 18. 12. 2002 – 9 U 63/01, MDR 2003, 264 = NZV 2003, 188 = OLGR 2003, 85. 2 OLG Celle v. 17. 7. 2003 – 14 U 190/02, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen m. Beschl. des BGH v. 20. 1. 2004 – VI ZR 248/03, r+s 2004, 475 = NZV 2004, 360. 3 BGH v. 23, 4. 2002 – VI ZR 180/01, MDR 2002, 942 = r+s 2002, 325 = NJW 2002, 2324 = NZV 2002, 365 = VersR 2002, 911. 4 BGH v. 11. 10. 1994 – VI ZR 303/93, MDR 1995, 92 m. Anm. Lieb = r+s 1995, 53 = VersR 1995, 96; BGH v. 26. 6. 1973 – VI ZR 47/72, NJW 1973, 1795 = VersR 1973, 925; KG v. 31. 10. 1994 – 12 U 4031/93, VersR 1996, 235; OLG Karlsruhe v. 9. 10. 1987 – 14 U 225/98, DAR 1989, 25. 5 BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 = MDR 1988, 766 = VersR 1988, 632.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 380 Teil 2
Zurechnungseinheit: Die Grundsätze der sog. Zurechnungseinheit (s. näher fi Rz. 541 ff.) sind nicht anwendbar, weil das Kind noch nicht deliktsfähig ist und deshalb nicht selbst mithaftet1. Die Verantwortungsbeiträge mehrerer Unfallbeteiligter können nur dann zu einem einheitlichen Haftungs- oder Zurechnungsbeitrag verschmelzen, wenn sie auch tatsächlich sämtlich für ihr Handeln einstehen müssen.
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Gestörter Gesamtschuldner-Innenausgleich: Die Grundsätze über den sog. gestörten Innenausgleich unter Gesamtschuldnern (s. näher fi Rz. 598 ff.) sind ebenfalls nicht anwendbar; entweder haftet der Aufsichtspflichtige nach §§ 1664, 277 BGB ebenfalls gegenüber dem Kind, dann sind er und der Kraftfahrer – soweit sie haftpflichtig sind – Gesamtschuldner, oder der Aufsichtspflichtige haftet nicht mit, weil er nicht grob fahrlässig gehandelt hat oder jedenfalls die Voraussetzungen des § 277 BGB vorliegen; dann besteht auch kein (gestörtes) Gesamtschuldverhältnis2.
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Im Ergebnis kommt also bei einem Unfall mit einem Kind bis zu 7 Jahren bzw. bei einem Unfall eines Kfz oder einer Bahn mit einem Kind bis zu 10 Jahren eine quotenmäßige Anspruchskürzung nie in Betracht, weder aufgrund eigener Mitverantwortung noch aufgrund der Mitverantwortung eines Aufsichtspflichtigen.
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! Hinweis: Halter und Fahrer haften einem bis zu 10 Jahre alten Kind nie quotenmäßig. I. d. R. können sie sich nicht entlasten; dann besteht immer die volle StVG-Haftung, jedoch beschränkt auf die Höchstbeträge nach §§ 12 f. StVG. Kann das Kind den Verschuldensnachweis führen, haftet der Fahrer aus § 823 BGB ohne diese Beschränkungen voll. Im Falle des § 831 BGB haftet der Halter evtl. sogar ohne Verschuldensnachweis voll. bb) Jugendliche unter 18 Jahre (1) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung (a) Haftungsvoraussetzungen Der Jugendliche muss – als Radfahrer, Fußgänger oder Skater – bei dem Betrieb eines Kfz oder Kfz-Anhängers verletzt worden sein (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG). Diese Voraussetzung ist bei einem Unfall im fließenden Verkehr immer erfüllt; sie kann aber auch bei einem Unfall im ruhenden Verlehr erüllt sein (s. näher fi Rz. 353 f.). 1 BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 = MDR 1988, 766 = VersR 1988, 632; OLG Düsseldorf v. 12. 1. 1981 – 1 U 152/79, VersR 1982, 300. 2 BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 = MDR 1988, 766 = VersR 1988, 632; OLG Hamm v. 20. 1. 1992 – 6 U 13/91, NJW 1993, 542.
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380
Teil 2
Rz. 381
Haftungsvoraussetzungen
(b) Entlastungsbeweis 381
Der Halter ist jetzt gem. § 7 Abs. 2 StVG n. F. nur noch bei höherer Gewalt entlastet. Sie ist auch bei Unfällen mit jugendlichen Radfahrern, Fußgängern und Skatern zwischen 10 und 17 Jahren nicht gegeben. Bei einem Kfz-Unfall mit einem jugendlichen Mopedfahrer gilt § 17 Abs. 3 StVG; der Unabwendbarkeitsbeweis reicht aus.
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Auch für Unfälle vor dem 1. 8. 2002 reicht weiterhin der Unabwendbarkeitsnachweis nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. aus. Das bedeutet: Weil der ideale Kraftfahrer auch bei älteren Kindern noch mit unbedachten Reaktionen rechnet, wird der Unabwendbarkeitsbeweisder i. d. R. ausscheiden, wenn der Jugendliche rechtzeitig sichtbar gewesen ist1. Bei 13- und 14jährigen Kindern darf der Kraftfahrer zwar evtl. darauf vertrauen, dass sie nicht plötzlich auf die Fahrbahn rennen oder fahren, mit der Folge, dass eine Verschuldenshaftung evtl. ausscheidet; der Idealfahrer stellt sich aber auch auf solche Verhaltensweisen ein2. Von dem Kraftfahrer kann aber nichts Unmögliches verlangt werden. Fährt er z. B. an einem Pkw vorbei, an dem zwei Erwachsene tätig sind, muss auch der Idealfahrer nicht damit rechnen, dass hinter dem Pkw plötzlich ein Kind auf die Fahrbahn läuft3. (2) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (a) Ansprüche gegen den Fahrer
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Auch gegenüber älteren Kindern gilt der Vertrauensgrundsatz nicht, wenn das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigen4. Wenn z. B. ein 10jähriges Mädchen auf dem Radweg auf die Fahrbahn zufährt; darf der Kraftfahrer nicht darauf vertrauen, dass es stehen bleiben bzw. rechtzeitig anhalten wird, u. U. selbst dann nicht, wenn es in seine Richtung schaut; er muss auch jetzt noch kindtypische Fehleinschätzungen und dadurch bedingte Fehlreaktionen in Betracht ziehen5. 1 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = r+s 2001, 23 = VersR 2000, 1556; OLG Schleswig v. 22. 7. 1998 – 9 U 89/96, r+s 1999, 454; s. aber auch OLG Brandenburg v. 15. 9. 1999 – 14 U 54/99, NZV 2000, 122; OLG Hamm v. 19. 11. 1999 – 26 U 28/99, r+s 2001, 60. 2 S. die Rechtsprechung des OLG Hamm zum Kinderunfall, zitiert bei Lemcke, DAR 1997, 41, 49. 3 OLG Schleswig v. 7. 5. 1997 – 9 U 112/97, VersR 1999, 334 = OLGR 1997, 285. 4 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = r+s 2001, 23 = VersR 2000, 1556; OLG Schleswig v. 22. 7. 1998 – 9 U 89/96, r+s 1999, 454; s. aber auch OLG Brandenburg v. 15. 9. 1999 – 14 U 54/99, NZV 2000, 122. 5 BGH v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205/96, NJW 1997, 2756 = MDR 1997, 827 = r+s 1997, 364 m. Anm. Lemcke; s. hierzu auch OLG Hamm v. 9. 2. 1999 – 9 U 160/98, r+s 2000, 195.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 387 Teil 2
Bei Kindern bis zu etwa 14 Jahren – es kommt letztlich nicht auf das Alter, sondern auf das äußere Erscheinungsbild an – muss der Kraftfahrer noch die gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 3 Abs. 2a StVO beachten (s. fi Rz. 363 ff.). Bei älteren Jugendlichen wird der Kraftfahrer aber i. d. R., jedenfalls sobald diese ihn wahrgenommen haben und solange sie sich verkehrsgerecht verhalten, darauf vertrauen dürfen, dass sie die Verkehrsregeln kennen und beachten. Anders ist es, solange sie ihn möglicherweise nicht wahrgenommen haben oder wenn sogar Anzeichen für Ablenkung oder Unaufmerksamkeit bestehen; das wird z. B. bei Jugendlichen in einer Gruppe häufig der Fall sein1. Der Kraftfahrer ist dann zumindest verpflichtet, die Jugendlichen durch Hupen zu warnen.
384
(b) Ansprüche gegen den Halter Insoweit kann auf die Ausführungen zu fi Rz. 368 verwiesen werden.
385
(3) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Jugendlichen bzw. des Aufsichtspflichtigen (a) Kürzung aufgrund eigener Mitverantwortung Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren sind gem. § 828 Abs. 3 BGB bei einem Unfall mit einem Kfz oder einer Bahn für einen von ihnen angerichteten Schaden verantwortlich, wenn sie zum Unfallzeitpunkt
386
– bereits schuldfähig (deliktsfähig, zurechnungsfähig, einsichtsfähig) waren, d. h. intellektuell in der Lage waren, die Gefährlichkeit ihres Tuns oder Unterlassens zu erkennen, und wenn sie ferner – fahrlässig i. S. d. § 276 BGB gehandelt haben. Da auch § 828 Abs. 3 BGB im Rahmen des § 254 BGB spiegelbildlich anwendbar ist, müssen Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren evtl. gem. §§ 254, 828 Abs. 3 BGB eine quotenmäßige Kürzung ihrer Ansprüche hinnehmen, wenn die Voraussetzungen des § 828 Abs. 3 BGB vorliegen, und zwar nicht nur im Rahmen der Verschuldenshaftung, sondern gem. § 254 BGB i. V. m. § 9 StVG auch im Falle der Gefährdungshaftung. Auch bei Schuldlosigkeit des Kraftfahrers wird allerdings jedenfalls bei jüngeren Kindern, die noch in den Schutzbereich des § 3 Abs. 2a StVO fallen (Kinder zwischen 10 und 14 Jahren), eine völlige Freistellung des Kraftfahrers kaum je in Betracht kommen2. 1 S. die Rechtsprechung des OLG Hamm zum Kinderunfall, zitiert bei Lemcke, DAR 1997, 41, 49. 2 BGH v. 13. 2. 1990 – VI ZR 128/89, MDR 1990, 811 = r+s 1991, 300 = VersR 1990, 535 = NZV 1990, 227; anders OLG Köln v. 18.12 1991 – 2 U 71/91, NZV 1992, 320; OLG Hamm v. 13. 7. 2009 – 13 U 179/08, r+s 2010, 299 = NZV 2010, 464.
Lemcke
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387
Teil 2
Rz. 388
Haftungsvoraussetzungen
388
Schuldfähigkeit: Die Frage der Schuldfähigkeit ist individuell zu beantworten, es kommt auf den Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes an, d. h. ob es nach seinem Entwicklungsstand bereits in der Lage war, die Gefährlichkeit seines Verhaltens zu erkennen und einzusehen. Neben der Einsichtsfähigkeit ist – anders als im Strafrecht – die Steuerungsfähigkeit (die Fähigkeit, sich entsprechend der Einsicht zu verhalten), nicht weitere Anspruchsvoraussetzung1.
389
Fahrlässigkeit: Für die Frage der Fahrlässigkeit i. S. d. § 276 BGB ist (wie auch sonst) ein objektiver Maßstab anzulegen, allerdings ist auf die Verstandesreife der entsprechenden Altersgruppe abzustellen (Gruppenfahrlässigkeit)2; es kommt darauf an, ob ein Kind dieser Altersgruppe bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in der Lage gewesen wäre, die Situation zu beherrschen und den Unfall zu vermeinden.
390
Die Beweislast für die fehlende Schuldfähigkeit des Kindes liegt bei diesem3; die Beweislast für das Verschulden des Kindes liegt (wie auch sonst) beim Unfallgegner. (b) Mitverschulden des Aufsichtspflichtigen
391
Ist auch ein Mitverschulden eines Aufsichtspflichtigen gegeben, braucht sich das Kind dieses zwar ebenfalls grundsätzlich nicht zurechnen zu lassen; das Kind kann vielmehr beide Schädiger gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen (fi Rz. 376 ff.). Weil das Kind aber bereits deliktsfähig ist, können die beiden Verursachungsbeiträge von Kind und Aufsichtspflichtigem ausnahmsweise zu einem einheitlichen Verursachungsbeitrag verschmelzen (fi Rz. 555 ff.).
392
Eine derartige Zurechnungseinheit entsteht jedoch nur dann, wenn die beiderseitigen Verantwortungsbeiträge weitgehend identisch sind (Bsp.: Aufsichtspflichtiger und Kind überqueren gemeinsam unvorsichtig die Fahrbahn). Nur in diesem Ausnahmefall muss sich das Kind das Mitverschulden des Aufsichtspflichtigen zurechnen lassen mit der Folge, dass sich zugunsten des Kfz-Halters und Fahrers die Haftungsquote gegenüber dem Kind verringert4. 1 BGH v. 28. 2. 1984 – VI ZR 132/82, NJW 1984, 1958 = MDR 1985, 40 = VersR 1984, 641; OLG Nürnberg v. 28. 4. 2006 – 5 U 130/06, MDR 2006, 1110 = NZV 2006, 580 = OLGR 2006, 506 = VersR 2006, 1128. 2 BGH v. 28. 2. 1984 – VI ZR 132/82, NJW 1984, 1958 = MDR 1985, 40 = VersR 1984, 641; LG Osnabrück v. 13. 7. 2006 – 4 O 473/06, NZV 2007, 208 = NJW 2007, 522. 3 BGH v. 14. 6. 2005 – VI ZR 181/04, MDR 2005, 1286 = r+s 2005, 394 = NZV 2005, 460 = VersR 2005, 1154; BGH v. 28. 2. 1984 – VI ZR 132/82, NJW 1984, 1958 = MDR 1985, 40 = VersR 1984, 641. 4 BGH v. 18. 4. 1978 – VI ZR 81/76, VersR 1978, 735; OLG Stuttgart v. 12. 7. 1991 – 2 U 190/90, NZV 1992, 185; OLG Hamm v. 3. 3. 1994 – 6 U 186/93, OLGR 1994, 149.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 395 Teil 2
cc) Haftungsabwägung Im Rahmen der Haftungsabwägung gem. § 254 BGB muss insbesondere die jugendliche Unerfahrenheit zugunsten des geschädigten Kindes berücksichtigt werden; jugendliches Fehlverhalten wiegt weniger schwer. Auch dann, wenn der Kraftfahrer nur aus der Gefährdungshaftung haftet, wird die völlige Haftungsfreistellung des Kraftfahrers nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen1; je jünger das Kind ist, desto eher ist sein verkehrswidriges Verhalten dem Gefahrenkreis zuzuordnen, dessen Schadenslasten die Gefährdungshaftung dem Kraftfahrer zuweist2. Auch ein grob verkehrswidriges Verhalten des Kindes reduziert dessen Anspruch gegen den nur aus der Gefährdungshaftung haftenden Kraftfahrer nicht immer auf null3.
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b) Ansprüche des Kfz-Halters/Fahrers gegen das Kind aa) Kind bis zu 10 Jahren (1) § 828 Abs. 1 und Abs. 2 BGB Das Kind bis zu 10 Jahren ist gem. § 828 Abs. 1 und Abs. 2 BGB für den von ihm bei einem Kfz-Unfall angerichteten Schaden im fließenden Verkehr nicht verantwortlich. Das gilt selbst dann, wenn z. B. ein 9jähriger Radfahrer infolge eigener Unvorsichtigkeit gegen ein verkehrsbedingt anhaltendes Kfz geraten ist und dieses beschädigt hat. Ob Abs. 2 auch dann noch anzuwenden ist, wenn dieser Radfahrer gegen ein abgestelltes Kfz geraten ist, hängt von den näheren Umständen ab; im Ergebnis gilt die erhöhte Altersgrenze nur dann nicht, wenn sich nachweislich keine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat (s. näher fi Rz. 370 ff.).
394
(2) Billigkeitshaftung gem. § 829 BGB Bei einem Kind unter 10 Jahren kommen allenfalls Ansprüche aus der sog. Billigkeitshaftung gem. § 829 BGB in Betracht. Voraussetzung ist u. a., dass von einem Aufsichtspflichtigen kein Ersatz verlangt werden kann. Ferner muss die Billigkeit die Schadloshaltung des Geschädigten erfordern. Diese Voraussetzungen wurden bisher bei einem Kfz-Unfall durch ein Kind unter 7 Jahren i. d. R. verneint; insbesondere durfte bisher nach der Auffassung des BGH allein der Umstand, dass für das Kind eine 1 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke. 2 BGH v. 13. 2. 1990 – VI ZR 128/89, MDR 1990, 811 = r+s 1991, 300 = VersR 1990, 535 = NZV 1990, 227; s. aber auch OLG Hamm v. 13. 7. 2009 – 13 U 179/08, r+s 2010, 299 = NZV 2010, 464. 3 OLG Nürnberg v. 2. 10. 1998 – 6 U 1860/98, VersR 1999, 1035.
Lemcke
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Teil 2
Rz. 396
Haftungsvoraussetzungen
Privathaftpflichtversicherung besteht, nicht zur Bejahung eines Anspruchs aus § 829 BGB führen1. 396
Ob das weiterhin gilt, insbesondere auch für die jetzt hinzugekommene Gruppe der 7- bis 10jährigen Kinder, ist zweifelhaft. Die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. SchadÄndG vom 28. 9. 20012 enthält den Hinweis, falls es im Einzelfall nicht gerechtfertigt sei, den durch ein Kind zwischen 7 und 10 Jahren Geschädigten ohne Entschädigung zu lassen, könne die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB, die nach der Gesetzesänderung stärker als zuvor in den Blick genommen werden müsse, zu angemessenen Ergebnissen führen. Ob der BGH dem folgen wird, bleibt abzuwarten; dagegen spricht, dass der vom Gesetzgeber gewollte verstärkte Schutz der Kinder auf diesem Wege unterlaufen würde3.
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Andererseits galt aber schon bisher: Falls für den Schädiger eine Pflichtversicherung besteht, kann das Bestehen des Versicherungsschutzes nach der neueren Rechtsprechung des BGH4 schon für das „Ob“ der Haftung als zu berücksichtigender Umstand herangezogen werden, weil sie auch dem Schutz des Opfers dient. In der Literatur wird zunehmend die Auffassung vertreten, auch das Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung müsse im Rahmen des § 829 BGB schon für das „Ob“ berücksichtigt werden5 Die jetzige Verstärkung des Kinderschutzes könnte zur Folge haben, dass die Rechtsprechung dann, wenn Kinder zwischen 7 und 10 einen Verkehrsunfall verursachen und die Eltern nicht aus § 832 BGB in Anspruch genommen werden können6, häufiger als bisher Ersatzansprüche aus § 829 BGB bejaht, jedenfalls dann, wenn eine Privathaftpflichtversicherung besteht. Bisher wird das aber überwiegend abgelehnt7. (3) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag
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Es kommen zwar auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen die Eltern und das Kind in Betracht. Sie sind aber ohne praktische 1 BGH v. 24. 4. 1979 – VI ZR 8/78, VersR 1979, 645. 2 BR-Drucks. 742/01, S. 37. 3 LG Heilbronn v. 5. 5. 2004, NJW 2004, 2391 = NZV 2004, 464; AG Ahaus v. 11. 6. 2003 – 15 C 87/03, NZV 2004, 145. 4 BGH v. 11. 10. 1994 – VI ZR 303/93, MDR 1995, 992 m. Anm. Lieb = r+s 1995, 53 = VersR 1995, 96; s. auch OLG Nürnberg v. 30. 10. 1997, 8 U 1741/97, r+s 1999, 23 m. Anm. Lemcke, r+s 1999, 69. 5 Wolf, VersR 1998, 812; s. auch Pardey, zfs 2002, 264, 266. 6 S. z. B. OLG Oldenburg v. 4. 11. 2004 – 1 U 73/04, VersR 2005, 807 = OLGR 2005, 25. 7 S. z. B. OLG Celle v. 13. 12. 2006 – 4 U 99/06, OLGR 2007, 863; LG Heilbronn v. 5. 5. 2004, NJW 2004, 2391 = NZV 2004, 464.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 401 Teil 2
Bedeutung, weil sie schon dann ausscheiden, wenn Kfz-Halter und/oder Fahrer den Entlastungsbeweis nicht geführt haben1. Am ehesten lassen sich bei einem derartigen Unfall Ansprüche gegen den Aufsichtspflichtigen aus § 832 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht realisieren (s. dazu fi Rz. 401 ff.). bb) Jugendliche unter 18 Jahren (1) §§ 823, 828 Abs. 3 BGB Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren können aufgrund eines Unfalls mit einem Kfz gem. § 828 Abs. 3 BGB wie bisher auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn sie zum Unfallzeitpunkt schuldfähig gewesen sind und wenn sie den Unfall fahrlässig (i. S. d. Gruppenfahrlässigkeit) verursacht haben2 (s. fi Rz. 386 ff.).
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Je älter das Kind ist, desto höhere Anforderungen können an das Kind in Bezug auf die Einhaltung von Verkehrsregeln gestellt werden. (2) Anspruchskürzung gem. § 254 BGB Sind Kfz-Halter und Fahrer nicht entlastet, wird auch dann, wenn die Betriebsgefahr des Kfz nicht durch Verschulden des Fahrers erhöht ist, allein die gem. § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB zu berücksichtigende „mitwirkende Betriebsgefahr“ zu einer erheblichen Anspruchskürzung führen, weil ihr ein jugendliches Fehlverhalten gegenübersteht, das weniger schwer wiegt3.
400
c) Ansprüche gegen einen Aufsichtspflichtigen aa) Ansprüche des Kraftfahrers gegen einen Aufsichtspflichtigen Nach § 832 BGB ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ein minderjähriges Kind oder Jugendlichen unter 18 Jahren oder einen sonstigen Aufsichtsbedürftigen verpflichtet ist, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der zu Beaufsichtigende einem Dritten widerrechtlich zufügt. 1 OLG Hamm v. 25. 9. 2000 – 13 U 45/00, r+s 2001, 320 = DAR 2001, 127; LG Berlin v. 29. 10. 1998 – 58 S 445/97, NJW 1999, 2906 = VersR 1999, 1510; Greger, 4. Aufl., § 17, Rz. 9; s. dazu auch Friedrich, VersR 2000, 697. 2 S. z. B. OLG Zweibrücken v. 25. 8. 1999 – 1 U 199/98, r+s 2001, 109; Greger, 4. Aufl., § 10, Rz. 64. 3 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 m. Anm. Lemcke; BGH v. 13. 2. 1990 – VI ZR 128/89, MDR 1990, 811 = r+s 1991, 300 = VersR 1990, 535 = NZV 1990, 227; OLG Nürnberg v. 2. 10. 1998 – 6 U 1860/98, VersR 1999, 1035.
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401
Teil 2
Rz. 402
Haftungsvoraussetzungen
Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, der die Aufsichtspflicht durch Vertrag übernommen hat; der Übertragende bleibt zur Überwachung verpflichtet. (1) Umfang und Inhalt der Aufsichtspflicht 402
Sie richten sich einerseits nach Alter, Entwicklungsstand, Eigenart und Charakter des Kindes oder Jugendlichen und nach den bisher mit ihm gesammelten Erfahrungen, andererseits nach dem Ausmaß der drohenden Gefahren; die Anforderungen sind hoch, eine Überwachung „auf Schritt und Tritt“ kann aber i. d. R. nicht gefordert werden1. Einem 10jährigen verkehrserfahrenen und im Radfahren sicheren Großstadtkind kann es z. B. erlaubt werden, unbeaufsichtigt in der ihm vertrauten Umgebung seiner Wohnung am Straßenverkehr teilzunehmen2. Eltern verletzen ihre Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 5jähriges Kind nicht schon dadurch, dass sie es ihm erlauben, in einer reinen Anwohnerstraße – ohne Bürgersteige mit 30 km/h-Begrenzung – Fahrrad zu fahren3. Die Aufsichtspflicht ist aber verletzt, wenn ein 5jähriges Kind mehr als 30 Minuten unbeaufsichtigt auf einem Spielplatz zurückgelassen wird und in dieser Zeit mehrere Pkw mit Glasscherben zerkratzt4 – bei einem 7jährigen Schulkind ist das bereits anders5 – oder wenn ein 5jähriges Kind in Gegenwart seiner Eltern eine ältere gehbehinderte Frau mit dem Roller anfährt und verletzt6, ferner auch dann, wenn es einem 4jährigen Kind in Gegenwart der Mutter gelingt, auf einem Flugplatz ein Kfz in Gang zu setzen und auf diese Weise ein Flugzeug zu beschädigen7. (2) Gesetzliche Vermutung der Verletzung
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Schädigt der zu Beaufsichtigende einen Dritten, wird gesetzlich vermutet, dass der Aufsichtspflichtige seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt hat und dass diese Verletzung für den entstandenen Schaden kausal war. Es ist dann Sache des Aufsichtspflichtigen, diese beiden Vermutungen zu 1 BGH v. 18. 3. 1997 – VI ZR 91/96, NJW 1997, 2047 = MDR 1997, 643 = r+s 1997, 368 = VersR 1997, 750; BGH v. 10. 10. 1995, VI ZR 219/94, NJW 1995, 3385 = r+s 1996, 21 = VersR 1996, 65. 2 OLG Oldenburg v. 4. 11. 2004 – 1 U 73/04, VersR 2005, 807 = OLGR 2005, 25; LG Berlin v. 29. 10. 1998 – 58 S 445/97, VersR 1999, 1510. 3 OLG Hamm v. 16. 9. 1999 – 6 U 92/99, VersR 2001, 386; s. auch OLG Hamm v. 9. 6. 2000 – 9 U 226/99, MDR 2000, 1373 = VersR 2002, 376 = OLGR 2000, 266. 4 BGH v. 24. 3. 2009 – VI ZR 51/08, MDR 2009, 746 = r+s 2009, 259 = NZV 2009, 384 = VersR 2009, 788. 5 BGH v. 24. 3. 2009 – VI ZR 199/08, MDR 2009, 747 = r+s 2009, 258 = NZV 2009, 383 = VersR 2009, 790. 6 OLG Hamm v. 26. 9. 1994 – 13 U 76/94, NZV 1995, 112 = OLGR 1995, 245. 7 OLG Stuttgart v. 12. 3. 2008 – 4 U 58/07, NZV 2008, 191 = OLGR 2008, 48 = VersR 2009, 206.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 406 Teil 2
widerlegen. Er muss nachweisen, dass er alles Erforderliche zur Verhütung eines derartigen Unfalls getan hat; das ist oft nicht möglich1. Kinder in der Altersgruppe zwischen 7 und 10 Jahren sind z. B. häufig als Radfahrer an Verkehrsunfällen beteiligt. Sie bewegen sich auch viel häufiger als jüngere Kinder bereits unbeaufsichtigt im Verkehr. Weil sie persönlich gem. § 828 Abs. 2 BGB von dem geschädigten Kraftfahrer nicht aus § 823 BGB in Anspruch genommen werden können, wird in diesen Fällen vermehrt versucht, statt des Kindes die Eltern gem. § 832 BGB auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Insoweit muss aber berücksichtigt werden, dass Kinder dieser Altersgruppe nicht mehr so intensiv beaufsichtigt werden müssen wie kleinere Kinder. Es wird deshalb Eltern bei Kindern dieser Altersgruppe häufiger als bei kleineren Kindern gelingen, sich zu entlasten2. Es ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, wegen des verstärkten Kinderschutzes die Anforderungen an die elterliche Aufsichtspflicht zu erhöhen3. Dann bleibt nur noch die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB.
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(3) Anspruchskürzung wegen eigener Mitverantwortung Ein mitwirkendes Verschulden hat der Kraftfahrer sich gem. § 254 BGB anspruchskürzend zurechnen zu lassen. Auch bei fehlendem Verschulden kommt eine Anspruchskürzung in entsprechender Anwendung des § 254 BGB wegen „mitwirkender Betriebsgefahr“ in Betracht.
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bb) Ansprüche des Kindes gegen einen Aufsichtspflichtigen Anspruch aus § 823 BGB, nicht aus § 832 BGB: Ersatzansprüche des Kindes ergeben sich – das wird häufig übersehen – nicht aus § 832 BGB, sondern allenfalls aus § 823 BGB; die Pflichtenstellung korrespondiert aber. So sind Eltern z. B. nicht nur Dritten gegenüber, sondern auch dem eigenen Kind gegenüber verpflichtet, die zur Verhinderung von Verkehrsunfällen – oder die zur Herabsetzung der Verletzungsgefahr (z. B. Tragen eines Schutzhelms4) – jeweils erforderlichen Vorkehrungen zu treffen 1 OLG Hamm v. 26. 9. 1994 – 13 U 76/94, NZV 1995, 112 = OLGR 1995, 245; OLG Frankfurt v. 20. 11. 2007 – 3 U 91/06, NJW-RR 2008, 975 = OLGR 2009, 437; LG Bielefeld v. 18. 10. 2006 – 21 S 166/06, NJW-RR 2007, 610. 2 S. z. B. OLG Oldenburg v. 4. 11. 2004 – 1 U 73/04, VersR 2005, 807 = OLGR 2005, 25. 3 OLG Oldenburg v. 4. 11. 2004 – 1 U 73/04, VersR 2005, 807 = OLGR 2005, 25; OLG Hamm v. 9. 6. 2000 – 9 U 226/99, MDR 2000, 1373 = NJW-RR 2002, 236. 4 OLG Hamm v. 26. 9. 2000 – 27 U 93/99, MDR 2001, 330 = NZV 2001, 86; das OLG hat bei einem erwachsenen Radfahrer ein Mitverschulden verneint, weil keine Verpflichtung zum Helmtragen besteht, bei Kindern könnte aber – auch in Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse – eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein.
Lemcke
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406
Teil 2
Rz. 407
Haftungsvoraussetzungen
Wenn also ein Kind bei einem Verkehrsunfall verletzt wird, können Schadensersatzansprüche des Kindes gegen Halter und Fahrer des Kfz und solche des Kindes aus § 823 BGB gegen die Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht nebeneinander bestehen. 407
Verschuldensmaßstab der §§ 1664, 277 BGB: Allerdings haften Eltern gegenüber ihren Kindern nur nach dem Verschuldensmaßstab der §§ 1664, 277 BGB. Ob diese Haftungserleichterung auch für deliktische Ansprüche gilt, ist umstritten; überwiegend wird dieses verneint. Diese Frage ist insbesondere auch für Ausgleichsansprüche nach § 426 BGB zwischen Kfz-Halter und Fahrer einerseits und Eltern andererseits bedeutsam. Der BGH hat diese Frage offen gelassen1. Das OLG Hamm ist der Auffassung, diese Haftungserleichterung gelte grundsätzlich auch für deliktische Ansprüche; sie gelte nur dann nicht, wenn die Verletzung des Kindes durch die Eltern mittels eines Kfz erfolgt sei und die Eltern durch die Kfz-Pflichtversicherung geschützt seien2. Das OLG hat dabei auch berücksichtigt, dass Eltern sich zwar vor Ansprüchen Dritter, verursacht durch ihr Kind, durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung schützen können, aber gem. § 4 Abs. 2 S. 2a AHB nicht vor Ansprüchen ihres in ihrem Haushalt lebenden Kindes3. Das Angehörigenprivileg des § 67 Abs. 2 VVG gilt hier nicht, weil es hier nicht um den Übergang des Ersatzanspruchs des Kindes gegen die Eltern auf den Versicherer geht, sondern um den Ausgleichsanspruch des Mitschädigers gegen die Eltern gem. § 426 BGB. d) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 343)
408
Der Kraftfahrer (Halter und/oder Fahrer) haftet einem unter 10 Jahre alten Kind nie quotenmäßig: – I. d. R. kann er sich nicht entlasten; dann haftet er voll auf Schadensersatz aus § 7 StVG, allerdings nur in den Höchstgrenzen der §§ 12 f. StVG in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung – Kann das Kind ein Verschulden des Fahrers beweisen, haftet dieser voll und unbeschränkt auf Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden aus § 823 BGB. 1 BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 = MDR 1988, 766 = VersR 1988, 632. 2 OLG Hamm v. 20. 1. 1992 – 6 U 183/91, NJW 1993, 542 = VersR 1993, 493; OLG Hamm v. 17. 8. 1993 – 27 U 144/92, r+s 1994, 15 m. Anm. Lemcke; so auch OLG Saarbrücken v. 20. 11. 2001 – 4 U 31/01, NZV 2002, 511; s. auch Lemcke, r+s 2009, 45 ff., 55 ff. 3 S. dazu aber auch Lemcke, r+s 2009, 45 ff., 55 ff.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 411 Teil 2
– In den Fällen des § 831 BGB kommt evtl. sogar eine Verschuldenshaftung des Geschäftsherrn ohne Verschuldensnachweis in Betracht. Das unter 10 Jahre alte Kind braucht sich
409
– sein eigenes Fehlverhalten nicht anspruchsmindernd zurechnen zu lassen, §§ 254, 828 Abs. 1 und 2 BGB; – auch eine Billigkeits-Mitverantwortung gem. §§ 254, 829 BGB kommt nicht in Betracht, wenn der Schädiger wie hier durch eine Pflichtversicherung geschützt ist; – ein Fehlverhalten der Mutter braucht es sich ebenfalls nicht zurechnen zu lassen, gem. §§ 254, 278 BGB nicht, weil § 254 ein bereits bestehendes Sonderrechtsverhältnis zwischen Kind und Schädiger erfordert (es entsteht erst durch den Unfall), nach den Grundsätzen über die Zurechnungseinheit nicht, weil das Kind selbst noch nicht deliktsfähig ist, nach den Grundsätzen über den gestörten Innenausgleich nicht, weil hier kein gestörter Innenausgleich vorliegt (fi Rz. 375 ff.). Wäre das Kind älter als 10 Jahre, muss es gem. §§ 254, 828 Abs. 3 BGB eine quotenmäßige Anspruchskürzung hinnehmen, und zwar aufgrund eigenen Mitverschuldens, wenn es nach seinem Entwicklungsstand bereits schuldfähig war (der Entwicklungsrückstand ist vom Kind nachzuweisen) und wenn es (bezogen auf seine Altersgruppe) fahrlässig gehandelt hat (die Fahrlässigkeit ist wie immer vom Gegner nachzuweisen); dagegen brauchte es wegen des evtl. Mitverschuldens der Mutter keine weitere Anspruchskürzung hinzunehmen, weil die Tatbeiträge des Kindes und der Mutter hier nicht im Wesentlichen identisch sind (fi Rz. 391 f.).
410
Der Kraftfahrer kann das Kind nicht aus § 823 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Er kann aber die Mutter des Kindes aus § 832 BGB in Anspruch nehmen, weil diese sich voraussichtlich nicht entlasten kann; sie hätte die Vorfahrtsverletzung verhindern können. Der Kraftfahrer muss sich dann jedoch evtl. gem. § 254 BGB ein Mitverschulden oder in entsprechender Anwendung des § 254 BGB die mitwirkende Betriebsgefahr seines Kfz anspruchskürzend zurechnen lassen (fi Rz. 400, 401 ff.).
411
Falls er die Mutter nicht nach § 832 BGB auf Ersatz in Anspruch nehmen kann, kommt evtl. ein Ersatzanspruch aus § 829 BGB in Betracht.
6. Unfall unter Beteiligung eines Tieres Literatur: Göbel, Pferde im Verkehrsraum, DAR 2010, 191; Deutsch, Die Haftung des Tierhalters, JuS 1987, 673 ff; Hasselblatt, Reiten auf eigene Gefahr, aber fremde Rechnung?, NJW 1993, 2577; Heß/Burmann, Haftung bei Unfällen mit Tieren im Verkehr, NJW-Spezial 205, 543; Hoffmann, Tierhalter- und Tierhüterhaftung, zfs 2000, 181; Kipp, Haftung des Tierhalters gem. § 833 S. 1 BGB trotz Selbstgefährdung des Geschädigten?, VersR 2000, 1348; Lemcke, Gefährdungs-
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Teil 2
Rz. 412
Haftungsvoraussetzungen
haftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Terbille, Der Schutzbereich der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB, VersR 1994, 1151; Terbille, Die Beweislastverteilung bei der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB, VersR 1995, 129.
Ausgangsfall: Ein Reiter verliert die Kontrolle über ein ausgeliehenes Pferd und prallt im Straßenverkehr mit einem Kfz zusammen; es entstehen beiderseits Personen- und Sachschäden. Die Geschädigten nehmen sich wechselseitig auf Ersatz in Anspruch (Lösung: s. fi Rz. 460). 412
Wer als motorisierter oder nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer durch ein Tier verletzt wird, kann gegen den Tierhalter und, falls vorhanden, auch gegen den Tierhüter neben Ersatzansprüchen aus der allgemeinen Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB) auch Ansprüche aus der verschärften Tierhalter- bzw. Tierhüterhaftung (§§ 833, 834 BGB) haben; in Gegenrichtung kommen Ersatzansprüche des Tierhalters bzw. Tierhüters aus § 823 BGB bzw. aus §§ 7, 18 StVG in Betracht.
413
Nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer müssen sich bei mitwirkendem Verschulden evtl. gem. § 254 BGB eine Anspruchskürzung gefallen lassen. Ist auch auf Seiten des Geschädigten ein Tier beteiligt, kommt evtl. eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB i. V. m. §§ 833, 834 BGB wegen mitwirkender Tiergefahr in Betracht. Bei einem Unfall zwischen Kfz bzw. Kfz-Anhänger und Tier kommt eine Anspruchskürzung nach der Sonderregelung des § 17 Abs. 4 StVG in Betracht. § 17 Abs. 4 StVG verweist auf § 17 Abs. 1 bis 3 StVG, d. h. der Halter des Kfz oder Kfz-Anhängers ist evtl. schon bei Idealverhalten gem. § 17 Abs. 3 StVG entlastet, nicht erst bei höherer Gewalt. Sind weder Halter bzw. Fahrer gem. §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 S. 2 StVG noch der Tierhalter bzw. Hüter gem. §§ 833 S. 2, 834 S. 2 BGB entlastet und sind somit beide Seiten für die bei dem Unfall mitwirkende Betriebs- und Tiergefahr verantwortlich, sind die – evtl. jeweils durch Verschulden erhöhte – Tiergefahr und die Betriebsgefahr des Kfz gegeneinander abzuwägen.
414
Schadensersatzansprüche aus §§ 833, 834 BGB können auch zwischen Halter und Hüter desselben Tieres oder zwischen Haltern und Hütern mehrerer Tiere bestehen; derartige Fallgestaltungen sind insbesondere bei Reitunfällen häufig gegeben. Es stellt sich dann aber immer die Frage, ob der Reiter nach § 254 BGB, evtl. i. V. m. § 834 BGB oder § 834 BGB analog, eine Anspruchskürzung hinnehmen muss1. Ein verletzter Mithalter hat gegen den anderen Mithalter desselben Tieres keine Ersatzansprüche aus § 833 BGB2. 1 S. z. B. OLG München v. 16. 6. 2010 – 20 U 5105/09, r+s 2010, 391. 2 OLG Jena v. 23. 9. 2009 – 4 U 420/09, r+s 2010, 126; OLG Köln v. 12. 2. 1999 – 19 U 118/98, VersR 2000, 861 = NJW-RR 1999, 1628.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 419 Teil 2
Ist an einem Verkehrsunfall ein Tier beteiligt, ist es für die Frage der Haftung oft von entscheidender Bedeutung, ob es sich dabei um ein sog. Luxustier i. S. d. § 833 S. 1 BGB oder um ein sog. Nutztier i. S. d. § 833 S. 2 BGB handelt.
415
Wird ein Unfall durch ein Luxustier verursacht, haftet der Tierhalter auch ohne Verschulden und ohne die Möglichkeit einer Entlastung auf Ersatz des gesamten Schadens, also auch gem. § 253 BGB auf Zahlung eines Schmerzensgeldes1; allenfalls kommt eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB in Betracht. Diese strenge Haftung des Tierhalters ist der Ausgleich dafür, dass andere der nur unzureichend beherrschbaren Tiergefahr ausgesetzt sind. Wer sich den Luxus leistet, ein Tier allein zu seinem Vergnügen zu halten, muss zum Ausgleich dafür denjenigen entschädigen, der dieses hinnehmen muss und dadurch einen Schaden erleidet.
416
Die Haftung ist etwas gemildert, wenn es sich um ein Nutztier handelt. Denn in diesem Falle besteht für den Tierhalter gem. § 833 S. 2 BGB die Möglichkeit einer Entlastung durch Widerlegung der bestehenden Verschuldens- und Kausalitätsvermutung2.
417
An Verkehrsunfällen beteiligt sind in der Praxis insbesondere Pferde (Reiter) und Hunde, aber häufig auch entlaufene – aus einer Weide oder aus einem Stall ausgebrochene – Tiere.
418
Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert: a) Ansprüche des durch das Tier Geschädigten gegen Tierhalter und Tierhüter (fi Rz. 419 ff.) b) Ansprüche zwischen Tierhalter und Tierhüter (fi Rz. 445 ff.) c) Ansprüche des Tierhalters gegen den Kraftfahrer (fi Rz. 457 ff.) a) Ansprüche des durch das Tier Geschädigten gegen Tierhalter und Tierhüter Ist ein Tier unfallbeteiligt, kommen Schadensersatzansprüche des Geschädigten – das kann ein motorisierter oder nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer sein, auch der Halter oder Hüter eines anderen Tieres – gegen den Tierhalter aus § 833 BGB und, wenn ein anderer die Aufsicht über das Tier übernommen hatte, auch gegen den Tierhüter aus § 834 BGB in Betracht. Ansprüche zwischen Halter und Hüter desselben Tieres – z. B. des Reiters gegen den Halter des Pferdes – werden in einem besonderen Abschnitt (unten zu b) dargestellt (fi Rz. 445 ff.).
1 BGH v. 14. 7. 1977 – VI ZR 234/75, r+s 1977, 231 = VersR 1977, 864. 2 S. z. B. OLG München v. 15. 1. 2010 – 10 U 5748/08, r+s 2010, 434.
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419
Teil 2
Rz. 420
Haftungsvoraussetzungen
aa) Ansprüche gegen den Tierhalter (1) Anspruchsverpflichteter 420
Anspruchsverpflichteter ist der Tierhalter. Er muss nicht der Eigentümer des Tieres sein. Tierhalter ist, wer die Bestimmungsmacht über das Tier hat, für seine Kosten aufkommt und das wirtschaftliche Risiko des Verlustes trägt1. Eheleute können gemeinsam Halter sein, z. B. Halter des Familienhundes; sie haften dann gesamtschuldnerisch. Der Inhaber einer Reitbeteiligung ist i. d. R. nicht Mit-Halter2. Wer vorübergehend ein zugelaufenes Tier aufnimmt, wird allein dadurch nicht Halter. Andererseits verliert nicht die Haltereigenschaft, wem ein Tier entläuft; er bleibt also trotz fehlender Einwirkungsmöglichkeit für alle Schäden verantwortlich, die das entlaufene Tier anrichtet. (2) Selbsttätiges Tierverhalten
421
Voraussetzung für die Haftung aus § 833 BGB ist, dass der Unfall auf ein der tierischen Natur entsprechendes willkürliches und selbsttätiges Tierverhalten zurückgeht: Beißen, Ausschlagen, Anspringen, umrennen, Scheuen, Durchgehen, Losreißen, Ausbrechen o. ä. Die Tiergefahr verwirklicht sich auch, wenn das Tier zwar unter menschlicher Leitung steht, aber anders als von der Person gewollt reagiert, z. B. aufgrund äußerer Reize (Geräusche pp.)3. Kommt es z. B. zur Kollision mit einem Kfz, weil ein aus einem Feldweg kommender Reiter mit einem fremden Pferd beim Überqueren der Fahrbahn das Vorrecht des Kraftfahrers missachtet (für ihn gelten gem. § 28 Abs. 2 StVO die für den Fahrverkehr geltenden Verkehrsregeln sinngemäß), kommen Ansprüche aus § 833 BGB gegen den Pferdehalter nicht in Betracht, wenn das Pferd beim Überqueren der Fahrbahn dem Willen des Reiters gehorcht hat und dessen Leitung gefolgt ist. Es bestehen dann nur Ersatzansprüche gegen den Reiter, und zwar nur solche aus § 823 BGB. Anders ist es, wenn das Pferd dem Reiter „durchgegangen“ ist oder sich jedenfalls der Leitung des Reiters widersetzt hat4; dann greift die Haftung aus § 833 BGB gegen den Tierhalter ein; daneben haftet dann evtl. der Reiter aus § 823 BGB und – falls er zugleich Tierhüter ist – auch aus 1 S. z. B. OLG Frankfurt v. 25. 2. 2009 – 4 U 210/08, NJW-RR 2009, 894 = OLGR 2009, 516; OLG Celle v. 12. 6. 1978 – 1 U 2/78, VersR 1979, 161. 2 OLG Frankfurt v. 25. 2. 2009 – 9 U 75/07, OLGR 2009, 5; OLG Schleswig v. 21. 6. 2007 – 7 U 50/06, OLGR 2007, 768. 3 BGH v. 20. 12. 2005 – VI ZR 225/04, MDR 2006, 991 = r+s 2006, 301 = VersR 2006, 416. 4 BGH v. 20. 12. 2005 – VI ZR 225/04, MDR 2006, 991 = r+s 2006, 301 = VersR 2006, 416; OLG Düsseldorf v. 28. 1. 1994 – 22 U 161/93, VersR 1995, 186.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 424 Teil 2
§ 834 BGB. Das gilt auch dann, wenn ein berittenes Pferd ausschlägt, zur Seite springt, beißt o. ä. und dadurch einen Schaden verursacht. Ein selbsttätiges Tierverhalten liegt ferner vor, wenn ein Tier sich unbeaufsichtigt im Verkehr bewegt und einen Unfall verursacht, z. B. ein aus der Weide ausgebrochenes Pferd oder Rind. Die Tierhalterhaftung kommt schließlich auch bei einem unerwünschten Deckakt – z. B. bei Hunden – in Betracht1. Der Umstand, dass sich der Verletzte bewusst der Tiergefahr ausgesetzt hat (z. B. als Tierarzt), steht der Haftung aus § 833 BGB nicht entgegen2; anders ist es aber dann, wenn sich jemand bewusst Risiken aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen3.
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(3) Kausal- und Zurechnungszusammenhang Der Schaden muss infolge des tierischen Verhaltens eingetreten sein. Ein unmittelbarer Kontakt mit dem Tier ist nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn z. B. ein Kraftfahrer vor einem auf die Fahrbahn laufenden Hund ausweicht und deshalb verunglückt oder wenn ein älterer Radfahrer wegen eines unangeleint auf ihn zulaufenden Hundes vom Rad steigt und dabei stürzt4 oder wenn ein Kind aus Angst vor einem Hund wegläuft und beim Überqueren der Fahrbahn von einem Kfz angefahren wird5. Andererseits reicht allein die Anwesenheit des Tieres nicht aus; die Tiergefahr muss sich ausgewirkt haben6. Lässt sich nicht klären, welches von zwei ausgebrochenen Pferden, die verschiedenen Haltern gehören, letztlich den Unfall des Kraftfahrers verursacht hat, werden die bestehenden Verursachungszweifel evtl. gem. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB überwunden mit dem Ergebnis, dass beide Pferdehalter haften7.
423
(4) Entlastungsbeweis Der Entlastungsbeweis ist gem. § 833 S. 2 BGB nur möglich, wenn es sich um ein sog. Nutztier gehandelt hat und nicht um ein sog. Luxustier. 1 BGH v. 6. 7. 1976 – VI ZR 177/75, VersR 1976, 1090; OLG Hamm v. 8. 7. 1993 – 6 U 44/93, NJW-RR 1994, 804 = OLGR 1994, 50. 2 BGH v. 17. 3. 2009 – VI ZR 166/08, MDR 2009, 749 = r+s 2009, 295 = VersR 2009, 693. 3 BGH v. 9. 6. 1992 – VI ZR 49/91, MDR 1992, 1032 = r+s 1992, 373 = NJW 92, 2474 = VersR 1992, 1145; BGH v. 22. 12. 1992 – VI ZR 53/92, MDR 1993, 743 = NJW 1993, 2611; OLG Düsseldorf v. 5. 5. 2000 – 22 U 148/99, NJW-RR 2001, 890 = OLGR 2000, 349. 4 OLG Brandenburg v. 17. 1. 2008 – 12 U 94/07, DAR 2008, 647. 5 OLG Köln v. 5. 11. 1998 – 1 U 51/98, VersR 1999, 49; OLG Düsseldorf v. 25. 5. 1994 – 15 W 13/94, OLGR 1994, 216. 6 OLG Frankfurt v. 4. 6. 2002 – 8 U 23/02, NZV 2003, 486; OLG München v. 23. 7. 1999 – 21 U 6185/98, OLGR 2000, 3. 7 OLG Köln v. 17. 5. 1990 – 7 U 191/89, NZV 1990, 351 = VersR 1991, 115.
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Teil 2
Rz. 425
Haftungsvoraussetzungen
Nutztiere i. S. d. § 833 S. 2 BGB sind Haustiere, die dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt zu dienen bestimmt sind. 425
Haustier: Das sind, entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch, zahme Tiere, die vom Menschen in seiner Wirtschaft und zu seinem Nutzen gezogen und gehalten werden, insbesondere Pferd, Rind, Schwein, Ziege, Schaf, Hund, Katze, Geflügel. Keine Haustiere sind gezähmte Tiere, z. B. im Gehege gehaltenes Wild.
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Haustier, das dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt zu dienen bestimmt ist: Das Tier muss diesen Zwecken wesentlich, d. h. in erheblichem Umfang, dienen und nicht nur gelegentlich. Entscheidend ist die allgemeine Zweckbestimmung, nicht die augenblickliche tatsächliche Nutzung. – Pferd: Ein in der Landwirtschaft genutztes Pferd ist auch dann noch ein Nutztier, wenn es aus Altersgründen nicht mehr zur Arbeit verwendet wird1. Andererseits wird ein derartiges Nutzpferd nicht dadurch zu einem Luxustier, dass es ausnahmsweise zu anderen Zwecken eingesetzt wird, z. B. bei einem Karnevalsumzug2. Pferde, die privat oder von einem Reitverein gehalten werden, sind i. d. R. keine Nutztiere, anders ist es dann, wenn vereinseigene Reitpferde überwiegend oder jedenfalls in einem erheblichen Umfang wie in einem wirtschaftlichen Unternehmen zu Erwerbszwecken genutzt werden3. Nutztier ist auch das vom Händler zur Weiterveräußerung erworbene Pferd, ferner das zu Erwerbszwecken gehaltene Rennpferd4, dagegen nicht das zu Liebhaberzwecken gehaltene Rennpferd5. – Hund: Nutztier ist der Hütehund des Schäfers oder der Jagdhund des Försters, nicht der Jagdhund des Hobbyjägers6, Nutztier ist auch der zu Bewachungszwecken gehaltene Hofhund des Landwirts, nicht der privat zu Bewachungszwecken gehaltene Hund7.
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Entlastungsbeweis: Der Tierhalter muss entweder nachweisen, dass er die bei der Beaufsichtigung erforderliche Sorgfalt gewahrt hat, oder er muss die fehlende Kausalität der evtl. Sorgfaltsverletzung nachweisen, d. h. nachweisen, dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.
1 OLG Hamm v. 12. 3. 1993 – 20 U 332/92, NJW-RR 1994, 1436 = OLGR 1993, 294. 2 OLG Koblenz v. 8. 5. 1991 – 5 U 1812/90, VersR 1992, 1017 = NZV 1992, 76. 3 BGH v. 26. 11. 1985 – VI ZR 9/85, MDR 1986, 395 = r+s 1986, 66 = VersR 1986, 345. 4 OLG Brandenburg v. 30. 1. 1997 – 12 U 137/95, VersR 1999, 375. 5 OLG Düsseldorf v. 28. 1. 1994 – 22 U 161/93, VersR 1995, 186. 6 OLG Hamm v. 8. 12. 1994 – 6 U 42/94, OLGR 1995, 54. 7 OLG Köln v. 25 4. 1997 – 19 U 32/95, OLGR 1998, 52.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 430 Teil 2
Bei der Beaufsichtigung erforderliche Sorgfalt: Tiere müssen vor allem daran gehindert werden, unbeaufsichtigt in den Straßenverkehr zu gelangen. Ställe und Weiden müssen ausreichend gegen ein Ausbrechen der Tiere gesichert sein1; erhöhte Anforderungen bestehen dann, wenn sich in der Nähe viel befahrene Verkehrswege befinden2. Die doppelte Vermutung kann widerlegt sein, wenn Pferde von anderen Tieren, z. B. von einem streunenden Hund, erschreckt werden und deshalb durchgehen3. Überlassung des Tieres an Dritte: Überlässt der Tierhalter das Tier einem Tierhüter, muss er nachweisen, dass er bei dessen Auswahl und Beaufsichtigung die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Pferd einem anderen zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen wird, wenn z. B. der Tierhalter ein Reitpferd zum Ausreiten im Straßenverkehr vermietet4.
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bb) Ansprüche gegen den Tierhüter Tierhüter ist, wer die Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernommen hat; die Übernahme braucht nicht Hauptverpflichtung zu sein, sie kann sich bereits aus dem Wesen des Vertrages ergeben; eine rein tatsächliche Übernahme der Aufsicht über das Tier reicht aber nicht aus. Der Mieter oder Entleiher eines Pferdes wird i. d. R. Tierhüter5; anders kann es sein, wenn das Pferd einem Reiter lediglich kurzfristig und aus Gefälligkeit überlassen wird6.
429
Der Tierhüter haftet gem. § 834 BGB im Ergebnis unter den gleichen Voraussetzungen wie der Tierhalter für den Schaden, den das ihm anvertraute Tier verursacht hat; er haftet aber – wie der Halter eines Nutztieres – nur für vermutetes Verschulden, d. h. er hat wie der Halter eines Nutztieres die Möglichkeit, sich zu entlasten7.
430
1 OLG Oldenburg v. 22. 6. 1999 – 5 U 36/99, MDR 2000, 455. 2 OLG Brandenburg v. 19. 7. 2007 – 12 U 234/06, SP 2007, 421; OLG Celle v. 13. 1. 2005 – DAR 2005, 623 = OLGR 2005, 88; OLG Köln v. 18. 12. 1998 – 19 U 280/97, VersR 2000, 860; OLG Brandenburg v. 25. 3. 1997 – 2 U 66/96, OLGR 1998, 3; OLG Hamm v. 12. 11. 1996 – 27 U 83/96, VersR 1997, 1542 = OLGR 1997, 108; OLG Celle v. 5. 6. 1996, OLGR 1996, 251; OLG Köln v. 2. 12. 1992 – 13 U 114/92, VersR 1993, 616; s. aber auch OLG Hamm v. 27. 9. 2005 – 9 W 45/05, NZV 2006, 155 = OLGR 2006, 429 = VersR 2006, 1559; OLG Hamm v. 14. 4. 1994 – 6 U 2/94, OLGR 1994, 209. 3 OLG Karlsruhe v. 6. 12. 1995 – 7 U 21/95, r+s 1997, 111; OLG Hamm v. 14. 4. 1994 – 6 U 2/94, OLGR 1994, 209. 4 BGH v. 27. 5. 1986 – VI ZR 275/85, MDR 1986, 1014 = VersR 1986, 1077. 5 BGH v. 30. 9. 1986 – VI ZR 161/85, MDR 1987, 306 = r+s 1987, 44 = VersR 1987, 196; s. aber auch OLG Düsseldorf v. 28. 1. 1994 – 22 U 161/93, VersR 1995, 186. 6 BGH v. 9. 6. 1992 – VI ZR 49/91, MDR 1992, 1032 = r+s 1992, 373 = VersR 1992, 1145. 7 OLG Hamm v. 14. 4. 1994 – 6 U 2/94, MDR 1995, 161 = VersR 1996, 237 = OLGR 1994, 209.
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165
Teil 2
Rz. 431
Haftungsvoraussetzungen
Der Tierhüter hat die Entlastungsmöglichkeit aber immer, bei der Inanspruchnahme des Tierhüters ist die Unterscheidung zwischen Luxustier und Nutztier ohne Bedeutung. Auch die Anforderungen an den Entlastungsbeweis sind gleich. 431
Im Ergebnis unterscheiden sich Tierhalter- und Tierhüterhaftung also lediglich durch die verschärfte Haftung des Tierhalters bei Luxustieren. cc) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung des Geschädigten (1) Geschädigter Kraftfahrer
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Ist der Geschädigte als Halter oder Fahrer eines Kfz unfallbeteiligt und ist er bei spiegelbildlicher Betrachtung ebenfalls gem. §§ 7, 17, 18 StVG oder §§ 823, 831 BGB für den Unfall mitverantwortlich, kommt eine Anspruchskürzung nach der Sonderregelung des § 17 Abs. 4 StVG in Betracht. § 17 Abs. 4 StVG verweist auf § 17 Abs. 1 bis 3 StVG, d. h. es sind dann die Tiergefahr und die mitwirkende Betriebsgefahr des Kfz gegeneinander abzuwägen1; für den Halter gilt aber auch hier § 17 Abs. 3, d. h. er ist bei einem Unfall mit einem Tier schon bei Unabwendbarkeit entlastet2.
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Bei der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG bleibt es auch dann, wenn auf Seiten des geschädigten Kraftfahrers ein Verschulden vorliegt, während der Tierhalter/-hüter lediglich aus der Tiergefahr haftet. Geht es um die originäre Haftung des Tierhalters/-hüters aus §§ 833, 834 BGB, ist insbesondere auch § 840 Abs. 3 BGB, nach dem bei gesamtschuldnerischer Haftung zweier Schädiger der nur aus der Tiergefahr Haftende gegenüber dem aus Verschulden Haftenden den Schaden im Innenverhältnis allein tragen muss, weder direkt noch entsprechend anwendbar3.
434
Es kommt also wie bei einem Kfz-Kfz-Unfall auch hier im Ergebnis darauf an, inwieweit der Schaden „vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht“ worden ist. Die mitwirkende Betriebsgefahr oder Tiergefahr können dabei jeweils durch Verschulden erhöht sein, d. h. im Rahmen der Abwägung ein größeres Gewicht haben. Kommt es zu einem Verkehrsunfall zwischen Kfz und Tier, weil ausgebrochene oder sonst außer Kontrolle geratene Tiere auf die Fahrbahn laufen, wird die Tiergefahr i. d. R. erheblich höher zu bewerten sein als die Betriebsgefahr des 1 S. z. B. OLG Hamm v. 10. 1. 2000 – 6 U 202/99, OLGR 2000, 228 = VersR 2001, 914 = DAR 2000, 406 = NZV 2000, 36. 2 LG Lüneburg v. 14. 2. 2008 – 5 O 74/07, SP 2008, 85. 3 OLG Hamm v. 25. 2. 2002 – 6 U 139/01, r+s 2002, 326 = NZV 2003, 423 = OLGR 2003, 131: OLG Koblenz v. 31. 1. 2002 – 5 U 465/01, r+s 2002, 330 = VersR 2003, 1317; OLG Hamburg v. 8. 8. 1996 – 6 U 51/96, OLGR 1997, 22; Greger, 4. Aufl., § 9, Rz. 3.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 438 Teil 2
Kfz1; das Vorrecht des Kraftfahrers, das gem. § 25 StVO gegenüber Fußgängern auf der Fahrbahn besteht, besteht erst recht gegenüber frei laufenden Haustieren. Deshalb ist die Tiergefahr auch bei leichtem Verschulden des Kraftfahrers höher zu bewerten2; evtl. kann es sogar gerechtfertigt sein, die Betriebsgefahr des Kfz ganz zurücktreten zu lassen3. (2) Geschädigter Fußgänger oder Radfahrer Der nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer kann den Halter und/oder Hüter des Tieres, das ihn verletzt hat, auch dann aus §§ 833, 834 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn er seine Verletzung mitverschuldet hat, z. B. dadurch, dass er versucht hat, das fremde Tier – Hund, Pferd – zu streicheln, und dabei von dem Tier gebissen oder sonst verletzt worden ist; der Geschädigte muss sich aber sein Mitverschulden gem. § 254 BGB anspruchskürzend zurechnen lassen. Bei grobem Eigenverschulden kann die Haftung ganz entfallen4.
435
Wenn es um die originäre Haftung des Tierhalters/-hüters aus der Tiergefahr geht, ist § 840 Abs. 3 BGB weder direkt noch entsprechend anwendbar (s. näher fi Rz. 443).
436
So muss sich z. B. derjenige, der sich grundlos in die Nähe eines Pferdes begibt, zwar sein Mitverschulden zurechnen lassen, wenn dieses ausschlägt und ihn verletzt; der Tierhalter ist aber haftpflichtig5 Bei grobem Eigenverschulden kann die Haftung entfallen6. (3) Geschädigter Halter oder Hüter eines anderen Tieres Ist der Geschädigte selbst als Tierhalter oder Tierhüter an dem Unfall beteiligt und ist er bei spiegelbildlicher Betrachtung ebenfalls gem. §§ 833, 834 BGB für den Unfall mitverantwortlich, ist zu unterscheiden:
437
(a) Falls beiderseits kein Verschulden gegeben ist Hat auf beiden Seiten nur die Tiergefahr mitgewirkt, ist zwar § 17 Abs. 4 StVG nicht anwendbar. In diesem Falle hat sich der Geschädigte aber bei 1 OLG Köln v. 16. 11. 2000 – 7 U 64/00, VersR 2001, 1396; OLG Hamm v. 12. 11. 1996 – 27 U 83/96, VersR 1997, 1542 = OLGR 1997, 108; OLG Köln v. 2. 12. 1992 – 13 U 114/92, VersR 1993, 616. 2 OLG Hamm v. 25. 4. 2006 – 9 U 7/05, NZV 2007, 143 = OLGR 2007, 44; OLG Hamm v. 25. 2. 2002 – 6 U 139/01, r+s 2002, 326. 3 OLG Celle v. 13. 1. 2005 – 14 U 64/03, DAR 2005, 623 = OLGR 2005, 88; OLG Schleswig v. 17. 2. 2005 – 7 U 168/03, OLGR 2005, 717; OLG Nürnberg v. 6. 4. 2004 – 9 U 3987/03, MDR 2004, 996 = OLGR 2004, 226. 4 OLG Düsseldorf v. 25. 5. 1994 – 15 W 13/94, OLGR 1994, 216; OLG Nürnberg v. 8. 2. 1991 – 6 U 2394/90, VersR 1991, 1072. 5 OLG Celle v. 24. 4. 1996 – 20 U 57/94, VersR 1997, 632. 6 OLG München v. 5. 10. 2000 – 14 U 1010/99, r+s 2002, 151.
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438
Teil 2
Rz. 439
Haftungsvoraussetzungen
einer Inanspruchnahme des Tierhalters/-hüters aus §§ 833, 834 BGB die eigene mitwirkende Tiergefahr in entsprechender Anwendung des § 254 BGB anspruchskürzend zurechnen zu lassen1. Es hat also auch hier eine Abwägung der beiderseitigen Tiergefahren stattzufinden. 439
Das gilt z. B. für den Hundehalter, der selbst oder dessen Hund bei einer Beißerei zwischen Hunden durch den fremden Hund verletzt wird2. In diesen Fällen besteht die Haftung aus § 833 BGB selbst dann, wenn der Halter durch das eigene Tier verletzt worden ist; die Tiergefahr des fremden Tieres hat haftungsbegründend mitgewirkt, die mitwirkende Tiergefahr des eigenen Tieres ist aber anspruchskürzend zu berücksichtigen3. Auch wenn beiderseits ein Verschulden nicht gegeben ist, kann der Geschädigte zwar den fremden Hundehalter aus § 833 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. I. d. R. muss er aber in entsprechender Anwendung des § 254 BGB eine Anspruchskürzung hinnehmen. Denn i. d. R. ist auch die Tiergefahr des eigenen Tieres mitursächlich geworden, i. d. R. hat die Anwesenheit des einen Tieres die Aggression des anderen Tieres ausgelöst. Das gilt auch dann, wenn fremde Pferde auf der Weide oder im Stall einander verletzen4 oder wenn ein Reiter beim gemeinsamen Ausritt durch das „Auskeilen“ eines anderen Pferdes verletzt wird5 oder wenn dadurch ein Schaden entsteht, dass das Durchgehen des einen Pferdes ausgelöst wird durch ein anderes Pferd6. In diesen Fällen haben jeweils beide Tierhalter für die von ihrem Tier ausgehende Tiergefahr einzustehen. (b) Falls beiderseits auch ein Verschulden gegeben ist
440
In diesem Falle ändert sich nichts. Neben den Ansprüchen aus §§ 833, 834 BGB bestehen auch Ansprüche aus der Verschuldenshaftung, die Haftungsabwägung hat nach §§ 254, 823 BGB zu erfolgen.
1 OLG Düsseldorf v. 11. 12. 1998 – 22 U 110/98, VersR 1999, 1292; OLG Hamm v. 24. 11. 1994 – 6 U 236/93, NJW-RR 1995, 598. 2 OLG Brandenburg v. 13. 10. 2008 – 1 U 2/08, OLGR 2008, 246; OLG Düsseldorf v. 11. 12. 1998 – 22 U 110/98, VersR 1999, 1292; OLG Hamm v. 24. 11. 1994 – 6 U 236/93, NJW-RR 1995, 598. 3 OLG Frankfurt v. 12. 1. 2007 – 19 U 217/06, MDR 2007, 1257 = OLGR 2007, 489; OLG Düsseldorf v. 21. 7. 1992 – 22 U 26/92, VersR 1993, 1496; s. dazu aber Schmalzl, VersR 1994, 234 und Lemcke, r+s 2009, 45 ff., 46; die Abwägung ist in beiden Fällen fehlerhaft erfolgt. S. ferner OLG Hamburg v. 8. 8. 1996 – 6 U 51/96, OLGR 1997, 22. 4 OLG Düsseldorf v. 11. 12. 1998 – 22 U 110/98, VersR 1999, 1292. 5 OLG Hamm v. 11. 12. 1998 – 9 U 170/98, OLGR 1999, 123; s. auch OLG Celle v. 12. 6. 1978, – 1 U 2/78, VersR 1979, 161. 6 OLG Hamm v. 16. 6. 1998 – 27 U 206/97, OLGR 1998, 316.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 443 Teil 2
(c) Falls nur auf einer Seite ein Verschulden gegeben ist Jetzt ist die Regelung des § 840 Abs. 3 BGB zu beachten. Diese Bestimmung ist zwar hier nicht unmittelbar anwendbar; sie regelt den Fall, dass der Geschädigte zwei Schädiger gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, neben dem aus §§ 833, 834 BGB Haftpflichtigen auch einen aus § 823 BGB Haftpflichtigen. Für diesen Fall bestimmt § 840 Abs. 3 BGB als Sonderregelung zu § 426 BGB, dass im Innenverhältnis der Gesamtschuldner der aus § 823 BGB Haftpflichtige den Schaden allein zu tragen hat; die Haftung aus der Tiergefahr tritt dann im Innenverhältnis zurück. Diese Regelung findet aber auch im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger zumindest teilweise entsprechende Anwendung.
441
Sie findet nach allgemeiner Meinung jedenfalls dann entsprechende Anwendung, wenn auf Seiten des Geschädigten nur die Tiergefahr seines Tieres mitgewirkt hat, während der Schädiger den Schaden schuldhaft verursacht hat1. In diesen Fällen kann der Geschädigte den Schädiger voll in Anspruch nehmen.
442
Für den umgekehrten Fall, dass der Schädiger nur aus der Tiergefahr haftet, während der Geschädigte den Schaden schuldhaft mitverursacht hat, ist dieses zweifelhaft. Teilweise wird die entsprechende Anwendung des § 840 Abs. 3 BGB auch in diesem Fall bejaht mit dem Ergebnis, dass die Klage abzuweisen ist2. Überwiegend wird in diesem Fall aber auch nur eine Anspruchskürzung gem. § 254 BGB vorgenommen3.
443
Die originäre Haftung des Schädigers aus §§ 833, 834 BGB wird durch die Regelung des § 840 Abs. 3 BGB nicht berührt. Für diese Auffassung spricht, dass bei Reitunfällen auch der Reiter, der infolge eines eigenen Fehlers von einem fremden Pferd abgeworfen und verletzt wird, nach allgemeiner Auffassung jedenfalls dann, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, den fremden Pferdehalter aus § 833 BGB in Anspruch nehmen kann; sein Mitverschulden wird nur im Rahmen der Abwägung nach § 254 BGB berücksichtigt. Die entsprechende Anwendung des § 840 1 BGH v. 25. 10. 1994, VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = VersR 1995, 90 = r+s 1995, 44 m. Anm. Lemcke, r+s 1995, 55; OLG Hamm v. 13. 1. 1998 – 9 U 131/96, VersR 2000, 732; OLG Hamm v. 8. 2. 1990 – 6 U 143/89, VersR 1991, 676 = NJW-RR 1990, 794; LG Aachen v. 21. 7. 1999 – 4 O 15/98, VersR 2001, 1039; Palandt/ Sprau, 70 Aufl., § 840 BGB, Rz. 12; s. dazu auch OLG Oldenburg v. 15. 1. 2001 – 13 U 104/00, r+s 2002, 155 = zfs 2001, 539: das OLG hat der Klage im Rahmen der Abwägung voll stattgegeben, ohne § 840 Abs. 3 BGB heranzuziehen. 2 OLG Hamm v. 5. 6. 2000 – 13 U 202/99, OLGR 2001, 229. 3 OLG Hamm v. 25. 2 2002 – 6 U 139/01, r+s 2002, 326 = NZV 2003, 423 = OLGR 2003, 131 (die vom OLG zugelassene Revision ist nicht eingelegt worden); OLG Koblenz v. 31. 1. 2002 – 5 U 465/01, r+s 2002, 330; OLG Hamburg v. 8. 8. 1996 – 6 U 51/96, OLGR 1997, 22; Greger, 4. Aufl., § 9, Rz. 3.
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Teil 2
Rz. 444
Haftungsvoraussetzungen
Abs. 3 BGB wird in diesen Fällen auch vom BGH nicht einmal diskutiert1. (4) Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit 444
Soweit auf der einen oder der anderen Seite Tierhalter und Tierhüter bzw. Kfz-Halter und Fahrer personenverschieden sind, bilden sie jeweils eine Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit, d. h. die beiderseitigen Mitverantwortungsbeiträge verschmelzen jeweils zu einem einheitlichen Verantwortungsbeitrag, Tierhalter und -hüter bzw. Kfz-Halter und Fahrer sind im Rahmen der Abwägung jeweils wie eine Person zu behandeln2. (s. näher fi Rz. 541 ff.). b) Ansprüche zwischen Tierhalter und Tierhüter
445
Dieses Haftungsverhältnis ist auch bei Tierunfällen im Straßenverkehr von Bedeutung, vor allem bei Reitunfällen mit fremden Pferden. aa) Ansprüche des Tierhüters gegen den Tierhalter (1) Ansprüche aus § 833 BGB
446
Nach § 833 BGB kann der durch das Tier „Verletzte“ den Tierhalter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Daraus ergibt sich, dass die Tierhalterhaftung aus § 833 BGB auch gegenüber demjenigen besteht, der sich freiwillig der Tiergefahr ausgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht die Tierhalterhaftung deshalb auch gegenüber dem Tierarzt3 sowie gegenüber dem Reiter, und zwar auch dann, wenn der Halter dem Reiter das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat4.
447
Anders ist es nur dann, wenn der Verletzte freiwillig besondere Risiken übernommen hat, die über die gewöhnlich mit einem Ritt verbundenen Gefahren hinausgehen, wie z. B die Überlassung zum Zureiten, zum Springreiten oder auch zur Behandlung in einer Tierklinik; dann scheidet die Haftung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr aus5.
448
Bei einem Sturz vom Pferd ist zu beachten, dass der Sturz Folge eines selbsttätigen tierischen Verhaltens sein muss. Der Sturz muss „durch 1 S. Lemcke, Urteilsanm., r+s 1995, 55 m. w. H. 2 OLG Hamm v. 25. 4. 2006 – 9 U 7/05, NZV 2007, 143 = OLGR 2007, 44; OLG Schleswig v. 20. 2. 1997 – 7 U 165/95, OLGR 1997, 138. 3 BGH v. 17. 3. 2009 – VI ZR 166/08, MDR 2009, 749 = r+s 2009, 295 = VersR 2009, 693. 4 BGH v. 6. 7. 1999 – VI ZR 170/98, NJW 1999, 3119 = MDR 1999, 1197 = r+s 2000, 17 = VersR 1999, 1291; BGH v. 22. 12. 1992 – VI ZR 53/92, r+s 1993, 298 = VersR 1993, 369; BGH v. 9. 6. 1992 – VI ZR 49/91, r+s 1992, 373 = VersR 1992, 1145. 5 Palandt/Sprau, 70. Aufl., § 833 BGB, Rz. 8 m. w. H.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 451 Teil 2
das Pferd“ verursacht sein und nicht durch den Reiter selbst; wer abgeworfen wird, hat einen Anspruch, nicht dagegen derjenige, der herunterfällt, weil er das Gleichgewicht verloren hat. Die Beweislast liegt insoweit beim verletzten Reiter1 Eine Ersatzpflicht besteht schon dann, wenn die Tiergefahr für den Sturz vom Pferd mitursächlich geworden ist2. Zu beachten ist ferner, dass zwischen Pferdehalter und Reiter bzw. Pfleger oder Betreuer oft Rechtsbeziehungen bestehen, die die Haftung beeinflussen3. So kann z. B. im Falle eines Unfalls bei der Beschäftigung mit dem fremden Pferd einerseits Unfallversicherungsschutz bestehen, andererseits aber deshalb der Ersatzanspruch wegen erlittener Personenschäden gem. § 104 SGB VII ausgeschlossen sein4.
449
(2) Anspruchskürzung gem. § 254 BGB Der verletzte Reiter muss sich ein evtl. Mitverschulden gem. § 254 BGB anspruchskürzend zurechnen lassen; die Regelung des § 840 Abs. 3 BGB ist hier nicht anwendbar (s. fi Rz. 443). Bei erheblichem Mitverschulden des Reiters kann die Haftung des Halters ganz entfallen5.
450
Ist der verletzte Reiter zugleich Tierhüter, ist er bei spiegelbildlicher Betrachtung gem. § 834 BGB für seinen Unfall schon dann mitverantwortlich, wenn er sich nicht entlasten kann (s. fi Rz. 430). § 834 BGB ist auch im Rahmen des § 254 BGB entsprechend anwendbar. Der verletzte Tierhüter muss sich deshalb gem. §§ 254, 834 BGB eine Anspruchskürzung schon dann gefallen lassen, wenn er sich nicht entlasten, d. h. die bestehende Verschuldens- und Verursachungsvermutung nicht widerlegen kann6.
451
Ist der verletzte Reiter nicht Tierhüter, weil ihm das Pferd nur gefälligkeitshalber überlassen worden ist und weil er die Aufsicht über das Pferd nicht vertraglich übernommen hat, sind die Beweislastregeln des § 834 BGB entsprechend anzuwenden, d. h. auch ein solcher Reiter muss die bestehende Verschuldens- und Verursachungsvermutung widerlegen7. 1 OLG Koblenz v. 21. 4. 1998 – 3 U 899/97, r+s 1998, 374. 2 BGH v. 6. 7. 1999 – VI ZR 170/98, NJW 1999, 3119 = MDR 1999, 1197 = r+s 2000, 17 = VersR 1999, 1291; OLG München v. 16. 6. 2010 – 20 U 5105/09, r+s 2010, 390. 3 S. z. B. Hoffmann, zfs 2000, 181, 184. 4 S. z. B. OLG Köln v. 16. 12. 1992 – 27 U 92/92, VersR 1994, 693; s. auch BGH v. 19. 10. 1993 – VI ZR 158/93, MDR 1994, 38 = r+s 1994, 60 = VersR 1993, 1540; OLG Hamm v. 28. 6. 1993 – 6 U 45/93, r+s 1994, 18 = VersR 1994, 692; OLG Hamm v. 7. 11. 1997, 9 U 122/97, r+s 1999, 27. 5 OLG Köln v. 17. 1. 2001 – 5 U 137/00, r+s 2002, 238. 6 OLG Frankfurt a. M. v. 25. 7. 1995 – 22 U 82/94, r+s 1996, 137. 7 BGH v. 9. 6. 1992 – VI ZR 49/91, MDR 1992, 1032 = r+s 1992, 373 = VersR 1992, 1145; OLG München v. 16. 6. 2010 – 20 U 5105/09, r+s 2010, 390.
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Teil 2
Rz. 452
Haftungsvoraussetzungen
bb) Ansprüche des Tierhalters gegen den Tierhüter 452
Ersatzansprüche aus der Verletzung eines Tieres stehen dem Eigentümer zu; i. d. R. ist er aber zugleich der Tierhalter. (1) Vertragliche Ersatzansprüche
453
Hat der Tierhalter/Eigentümer, z. B. der Eigentümer eines Pferdes, dem Tierhüter (oder Reiter) die Führung der Aufsicht durch Vertrag übertragen, kann er den Tierhüter oder Reiter aus schuldhafter Vertragsverletzung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn das Tier infolge eines vertragswidrigen Verhaltens des Tierhüters oder Reiters verletzt wird; die Anspruchsvoraussetzungen hängen dann vom Inhalt des Überlassungsvertrages ab. (2) Ansprüche aus § 823 BGB
454
Daneben kann der Eigentümer den Tierhüter oder Reiter aus § 823 BGB in Anspruch nehmen, wenn die Verletzung des Pferdes auf einem schuldhaften Verhalten des Tierhüters oder Reiters (z. B. auf einem Reitfehler) beruht. (3) Ansprüche aus § 834 BGB
455
Dagegen scheiden Ansprüche des Eigentümers aus § 834 BGB gegen den Tierhüter oder Reiter aus; die Haftung aus § 834 BGB besteht nur dann, wenn das zu beaufsichtigende Tier – s. den Gesetzeswortlaut – „einem Dritten“ einen Schaden zufügt. Es kann also der Hüter den Halter aus § 833 BGB in Anspruch nehmen, wenn er „Verletzter“ ist, nicht aber der Halter den Hüter, weil aus § 834 BGB nur ein „verletzter Dritter“ Ansprüche haben kann. (4) Anspruchskürzung gem. §§ 254, 833 BGB
456
Weil bei spiegelbildlicher Betrachtung der verletzte Hüter den Halter in Anspruch nehmen kann, muss sich auch der Halter bei Inanspruchnahme des Hüters grundsätzlich die Tiergefahr seines Tieres gem. §§ 254, 833 BGB zurechnen lassen. I. d. R. wird aber eine Anspruchskürzung ausscheiden, weil der Tierhalter dem Tierhüter die Beherrschung der Tiergefahr anvertraut hat1.
1 OLG Celle v. 6. 7. 1991 – 5 U 109/88, r+s 1993, 299 (nur LS).
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 460 Teil 2
c) Ansprüche des Tierhalters gegen den Kraftfahrer aa) Ansprüche aus der Verschuldens- und Gefährdungshaftung Wird ein Tier durch ein Kfz verletzt, kann der Halter/Eigentümer des Tieres Kfz-Halter und Fahrer sowohl aus der Verschuldenshaftung, §§ 823, 831 BGB, als auch aus der Gefährdungshaftung, §§ 7, 17 StVG, auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Zu beachten ist, dass der KfzHalter weiterhin nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 StVG schon bei Unabwendbarkeit entlastet ist, nicht erst bei höherer Gewalt.
457
Der Kraftfahrer muss sich z. B. bei Pferden immer auf die Möglichkeit einstellen, dass diese durch das Kfz (z. B. durch Motor- oder Hupgeräusche) erschreckt werden und durchgehen können; er muss deshalb, soweit möglich, alles unterlassen, was zu einer Panikreaktion führen kann. Deshalb muss er z. B. beim Überholen eines Reiters seine Geschwindigkeit herabsetzen und einen ausreichenden Sicherheitsabstand halten1. Fahrzeuge müssen im Bereich einer Trabrennbahn so abgestellt sein, dass durchgehende Pferde sich nicht daran verletzen können2. bb) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung Beim Zusammentreffen von Betriebsgefahr und Tiergefahr gilt die Sonderregelung des § 17 Abs. 4 StVG. Die Haftungsabwägung findet in diesem Falle gem. § 17 Abs. 4 StVG immer im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG statt, und zwar auch dann, wenn die Betriebsgefahr durch Verschulden des Kraftfahrers erhöht ist.
458
§ 17 Abs. 4 StVG ist insoweit auch Sonderregelung gegenüber § 840 Abs. 3 BGB; das ist in der Entscheidung des BGH vom 25. 11. 19943 offenbar übersehen worden4. Die Frage, ob § 840 Abs. 3 BGB auch im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem anzuwenden ist, stellt sich nur dann, wenn ein Tier durch einen anderen ohne Beteiligung eines Kfz verletzt wird. Sie stellt sich nicht, wenn bei der Verletzung des Tieres durch einen anderen auf dessen Seite die Betriebsgefahr eines Kfz mitwirkt; dann sind Tiergefahr und Betriebsgefahr gem. § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 StVG gegeneinander abzuwägen.
459
d) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 412) Der geschädigte Kraftfahrer kann, weil sich hier die Tiergefahr verwirklicht hat, den Pferdehalter auch ohne Verschulden aus § 833 BGB in An1 2 3 4
OLG Hamm v. 16. 12. 1993 – 27 U 156/93, r+s 1994, 334 = NZV 1994, 190. BGH v. 25. 10. 1994, VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = r+s 1995, 44 = VersR 1995, 90. BGH v. 25. 10. 1994, VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = r+s 1995, 44 = VersR 1995, 90. So Greger, 4. Aufl., § 7, Rz. 3, § 22, Rz. 4.
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460
Teil 2
Rz. 461
Haftungsvoraussetzungen
spruch nehmen; er muss sich aber evtl. gem. § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 und 3 StVG eine Anspruchskürzung gefallen lassen (s. dazu fi Rz. 432). Den Reiter kann er, falls diesen ein Verschulden trifft, aus § 823 BGB in Anspruch nehmen; ein Anspruch aus der verschärften Haftung des § 834 BGB besteht nur, wenn der Reiter während des Ausritts Tierhüter gewesen ist (s. dazu fi Rz. 429 ff.). Der geschädigte Reiter kann den Kraftfahrer aus § 7 Abs. 1 StVG und, falls diesen ein Verschulden trifft, auch aus § 823 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Ist er Tierhüter, muss er sich gem. § 17 Abs. 4 StVG i. V. m. § 834 BGB eine Anspruchskürzung gefallen lassen, wenn er sich nicht entlasten kann; ist er nicht Tierhüter, ist § 834 BGB entsprechend anzuwenden. Er kann, weil sich die Tiergefahr verwirklicht hat, daneben auch den Pferdehalter aus § 833 BGB in Anspruch nehmen, muss sich aber evtl. gem. § 254 BGB i. V. m. § 834 BGB – in entsprechender Anwendung – eine Anspruchskürzung gefallen lassen (s. dazu fi Rz. 450 ff.). Der geschädigte Pferdehalter kann den Kraftfahrer ebenfalls aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 3 StVG und evtl. auch aus § 823 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, daneben auch den Reiter des Pferdes, aber nur aus § 833 BGB, nicht aus § 834 BGB. Er muss aber evtl. gem. § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 StVG eine Anspruchskürzung hinnehmen (s. dazu fi Rz. 458 f.).
7. Unfall zwischen Kfz und Schienenbahn Literatur: Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl. 2010; Filthaut, Die neuere Rechtsprechung zur Bahnhaftung, NZV 2008, 599; NZV 2006, 634; NZV 2004, 554; NZV 2002, 352; NZV 1998, 271; NZV 1996, 181; NZV 1994, 175; NZV 1992, 177; NZV 1990, 178; Filthaut, Die Gefährdungshaftung des Kfz-Halters und des Bahnbetriebsunternehmers für vorsätzlich verursachte Schäden, NZV 1998, 89; Filthaut, Neues Haftungsrecht für Unfälle von Eisenbahnfahrgästen, NZV 2009, 417; Fildhaut, 2. SchadÄndG und Bahnhaftung – Zweifelsfragen zum Begriff des „motorisierten Verkehrs“, NZV 2003, 161; Greger, Zur Gefährdungshaftung von Eisenbahnbetriebsunternehmen bei Unfällen durch Hindernisse auf den Schienen, NZV 2008, 81; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Metz, Der Anscheinsbeweis bei Kollision von Kfz und Straßenbahn, NZV 2009, 484; Rebler/ Scheidler, Schienenverkehr – Haftung von Betriebsunternehmer und Beförderer, MDR 2010, 300.
Ausgangsfall: Ein Pkw-Fahrer benutzt auf einer vierspurigen Fahrbahn, in deren Mitte Straßenbahnschienen verlegt sind, die innere Fahrspur; er muss verkehrsbedingt anhalten, eine nachfolgende Straßenbahn fährt auf; es entsteht Sachschaden an den Fahrzeugen, ferner werden Personen in der Bahn verletzt. 461
Das Haftpflichtgesetz (HPflG) regelt die verschuldensunabhängige Haftung des Bahnunternehmers, wenn eine Schienenbahn unfallbeteiligt ist. 174
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 463 Teil 2
In diesen Fällen kommen zwar ebenfalls Ansprüche aus der Gefährdungshaftung in Betracht; diese sind aber nicht im StVG, sondern im HPflG besonders geregelt. Zu beachten ist, dass für die Haftung gegenüber Fahrgästen seit dem 29. 7. 2009 die EG-VO Nr. 1361/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (CIV)1 gilt; sie sieht gem. Art. 26 §§ 1 und 2 CIV eine Haftung aus vermutetem Verschulden vor, nach Art. 11 CIV bleiben aber nationale Vorschriften, die den Fahrgästen weitergehenden Schadensersatz gewähren, unberührt, so dass die weitergehende Haftung aus § 1 HPflG auch für Fahrgäste fortbesteht2. Neben den Ansprüchen aus § 1 HPflG und aus dem CIV können Ansprüche aus der Verschuldenshaftung, §§ 823, 831 BGB, in Betracht kommen (§ 12 HPflG).
462
Das HPflG regelt ferner die verschuldensunabhängige Haftung des Betreibers einer Schwebebahn und des Inhabers anderer Anlagen; sie wird in diesem Handbuch, das sich nur mit dem Verkehrsrecht befasst, nicht erörtert. Das HPflG regelt die Gefährdungshaftung des Bahnunternehmers. Soweit es um Eisenbahnunfälle geht, kommt seit der Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Allgemeine Eisenbahngesetz vom 27. 12. 1993 je nach den Umständen als Haftpflichtiger neben dem für den Bahnbetrieb zuständigen Eisenbahnverkehrs- (Betriebs-) Unternehmer auch der den Gleisbetrieb unterhaltende Eisenbahninfrastrukturunternehmer in Betracht. Bahnbetriebsunternehmer ist, wer die Bahn für eigene Rechnung benutzt und und über den Betrieb die Verfügung hat3. Der Infrastrukturunternehmer ist ebenfalls Bahnunternehmer, er ist, wenn z. B. wegen eines Felsblocks oder wegen Tieren auf den Schienen Schäden am Zug entstehen, auch Ersatzansprüchen des Verkehrsunternehmers ausgesetzt4. Dem geschädigten Dritten gegenüber haften die beiden Bahnunternehmer ggf. gesamtschuldnerisch5. Das HPflG enthält, anders als das StVG (in § 18 StVG), nicht besondere Vorschriften über die Haftung des Bahnführers. Dieser kann deshalb persönlich allenfalls aus § 823 BGB in Anspruch genommen werden6. 1 2 3 4
S. Fildhaut, HaftpflG, Anh. 8 (Gesetzestext); s. ferner Fildhaut, NZV 2009, 417. Rebler, MDR 2010, 300; Fildhaut, § 1 HPflG, Rz. 4 b. Filthaut, NZV 2008, 599. BGH v. 17. 2. 2004 – VI ZR 69/03, NZV 2004, 245 = VersR 2004, 612; BGH v. 16. 10. 2007 – VI ZR 173/06, MDR 2008, 266 = NZV 2008, 79 = VersR 2008, 126; s. auch Greger, NZV 2008, 81; Filthaut, NZV 2008, 599. 5 BGH v. 17. 2. 2004 – VI ZR 69/03, NZV 2004, 245 = VersR 2004, 612. 6 OLG Hamm v. 23. 10. 2006 – 13 U 2/06, Juris; OLG Hamm v. 22. 11. 2004 – 13 U 131/04, NZV 2005, 414.
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Teil 2 464
Rz. 464
Haftungsvoraussetzungen
Bei einem Unfall mit einem Kfz kann der Bahnunternehmer wie der KfzHalter den Entlastungsbeweis führen, § 1 Abs. 2 HPflG. Die Anforderungen waren bis zum 31. 7. 2002 bei Straßen- und Eisenbahn unterschiedlich: – Straßenbahn: Die Voraussetzungen für die Entlastung gem. § 1 Abs. 2 S. 2 HPflG waren bisher identisch mit denen für den Kfz-Halter nach § 7 Abs. 2 StVG a. F., wenn eine Straßenbahn unfallbeteiligt ist, d. h. eine Schienenbahn, deren Schienen innerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße verlegt sind und die auf diese Weise ebenfalls am Straßenverkehr teilnimmt; dann musste der Bahnunternehmer wie der Kfz-Halter nachweisen, dass ein unabwendbares Ereignis vorliegt. – Eisenbahn: War dagegen eine Eisenbahn unfallbeteiligt, d. h. eine Schienenbahn außerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße, war schon bisher der Entlastungsbeweis gem. § 1 Abs. 2 S. 1 HPflG nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich, nämlich nur dann, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht ist.
465
Das ist ebenfalls durch das 2. SchadÄndG geändert worden. § 1 Abs 2 S. 2 und 3 HPflG sind ersatzlos gestrichen worden, d. h. auch bei Straßenbahnen ist der Bahnunternehmer bei Unfällen ab dem 1. 8. 2002 nur noch bei höherer Gewalt entlastet. Aber auch diese Regelung ist – wie bei § 7 Abs. 2 StVG – durch eine dem § 17 Abs. 3 StVG entsprechende Regelung ergänzt worden, und zwar in § 13 HPflG. Ist auch der Geschädigte nach §§ 1, 2 HPflG für seinen Schaden mitverantwortlich, ist der Schädiger als Straßenbahnunternehmer nach § 13 Abs. 2 S. 3 HPflG schon bei Unabwendbarkeit entlastet.
466
Das 2. SchadÄndG hat die Haftpflicht aus dem Haftpflichtgesetz auch im Übrigen teilweise wesentlich verändert. Zu beachten ist zunächst, dass bei einem Unfall zwischen Bahn und Kfz (bzw. Kfz-Anhänger) nicht § 13 HPflG, sondern § 17 StVG anzuwenden ist (§ 17 Abs. 4 StVG). § 17 StVG ist insoweit Sondervorschrift gegenüber § 13 HPflG und auch gegenüber § 4 HPflG und § 254 BGB, und zwar nicht nur dann, wenn der (Schienen- oder Eisen-)Bahnunternehmer Ersatzansprüche gegen Fahrer und Halter des Kfz geltend macht, sondern auch in dem umgekehrten Fall1. Der in Anspruch genommene Kfz-Halter oder Bahnunternehmer ist also jeweils gem. § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 StVG schon bei Unabwendbarkeit entlastet, wenn bei dem Unfall auch 1 BGH v. 15. 3. 1988 – VI ZR 115/87, MDR 1988, 851 = VersR 1988, 910; BGH v. 18. 11. 1993 – III ZR 178/92, VersR 1994, 618; KG v. 9. 4. 2001 – 12 U 8410/99, r+s 2001, 501 = NZV 2001, 426; OLG Köln v. 9. 5. 1996 – 7 U 10/96, r+s 1997, 192 = NZV 1997, 477 = OLGR 1997, 188; OLG Hamm v. 30. 10. 1996 – 13 U 55/96, OLGR 1997, 28; Filthaut, § 13 HPflG, Rz. 2.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 469 Teil 2
auf Seiten des Geschädigten die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs oder eine Tiergefahr mitgewirkt hat. Zu beachten ist ferner, dass auch bei Ersatzansprüchen aus § 1 HPflG künftig gem. § 253 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 S. 2 HPflG n. F. Schmerzensgeldansprüche bestehen. Zu beachten ist schließlich, dass in §§ 9 und 10 HPflG die Haftungshöchstbeträge durch das 2 SchadÄndG wesentlich angehoben worden sind (allerdings keine erneute Anhebung Ende 2007 wie zu § 12 StVG). Vorrecht des Schienenverkehrs: Die Schienenbahn hat gegenüber dem sonstigen Verkehr ein Vorrecht. Dieses ist nicht einheitlich, sondern in verschiedenen Vorschriften geregelt:
467
– Gem. § 19 StVO haben Schienenfahrzeuge an Bahnübergängen Vorrang. – Gem. § 2 Abs. 3 StVO müssen Fahrzeuge, die in Längsrichtung einer Schienenbahn verkehren, die Bahn „so weit wie möglich“ durchfahren lassen1. – Gem. § 9 Abs. 3 S. 1 StVO muss, wer abbiegen will, entgegenkommende oder in gleicher Richtung fahrende Schienenfahrzeuge durchfahren lassen, auch dann, wenn sie neben der Fahrbahn fahren; hier fehlt der Zusatz „so weit wie möglich“, d. h. hier gilt das Vorrecht der Schienenbahn immer. – Gem. § 9 Abs. 1 S. 3 StVO darf sich, wer nach links abbiegen will, auf längs in der Fahrbahnmitte verlegten Schienen nur dann einordnen, wenn er kein Schienenfahrzeug behindert. Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert:
468
– Ansprüche des Geschädigten gegen Bahnunternehmer und Bahnführer (fi Rz. 467 ff.) – Ansprüche des geschädigten Bahnunternehmers (fi Rz. 493) a) Ansprüche des Geschädigten gegen Bahnunternehmer und Bahnführer aa) Ansprüche aus der Gefährdungshaftung Nach § 1 HPflG kann derjenige, der bei dem Betrieb einer Schienenbahn einen Personen- oder Sachschaden erleidet, den Betriebsunternehmer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Anspruchsberechtigt ist also der Verletzte, das kann ein Fahrgast oder ein sonstiger Verkehrsteilnehmer 1 KG v. 9. 4. 2001 – 12 U 8410/99, r+s 2001, 501 = NZV 2001, 426; OLG Hamm v. 12. 8. 1999 – 6 U 56/99, r+s 2000, 150 = DAR 2000, 34 = NZV 2000, 212.
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469
Teil 2
Rz. 470
Haftungsvoraussetzungen
sein; der Fahrgast kann jetzt neben den Ansprüchen aus § 1 HPflG auch solche aus Art. 26 § 1 CIV geltend machen (fi Rz. 461). 470
Anspruchsverpflichtet ist der Bahnbetreiber. Er muss nicht unbedingt Bahneigentümer sein. Der Bahnführer kann nicht aus der Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden; eine dem § 18 StVG entsprechende Regelung fehlt im HPflG1.
! Hinweis: Der Bahnführer kann nicht aus der Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden, er haftet nur aus der Verschuldenshaftung. (1) Schaden bei dem Betrieb der Bahn 471
Der Unfall muss dem Bahnbetrieb zuzurechnen sein. Das ist nicht nur bei einer Kollision zwischen Bahn und einem anderen Verkehrsteilnehmer der Fall, sondern auch bei einem Unfall beim Öffnen oder Schließen der Bahnschranken, ferner bei dem Unfall eines Fahrgastes beim Einoder Aussteigen2 oder während der Fahrt, zB. infolge versehentlichen Öffnens der Außentür. Der Unfall ist aber auch dann dem Bahnbetrieb zuzurechnen, wenn Tiere wegen des fahrenden Zuges scheuen, wenn Kinder auf das Dach eines auf einem Abstellgleis abgestellten Güterwagens klettern und dabei mit der Elektrooberleitung in Berührung kommen3 oder wenn ein Fahrgast während der Fahrt am offenen Fenster von einem Gegenstand getroffen wird, der entweder von einem Mitreisenden aus dem fahrenden Zug oder von Dritten auf diesen geworfen worden ist4.
472
Dagegen ist der Unfall nicht mehr dem Bahnbetrieb zuzurechnen, wenn z. B. ein Fahrgast, nachdem das Aussteigen beendet ist, auf dem Bahnsteig oder auf einer Rolltreppe stürzt5 oder wenn ein Rad- oder Motorradfahrer auf den Bahnschienen zu Fall kommt6. (2) Entlastungsbeweis
473
Die Haftung des Bahnunternehmers ist jetzt nach § 1 Abs. 2 HPflG n. F. nur noch bei höherer Gewalt ausgeschlossen. Das ist aber so genau so wenig richtig wie im Fall des § 7 Abs. 2 StVG. In dem eher seltenen Fall, dass auch der Geschädigte nach §§ 1, 2 HPflG haftpflichtig ist, ist der Straßenbahnunternehmer nach § 13 Abs. 3 HPflG n. F. schon bei Unab1 S. z. B. OLG Hamm v. 21. 3. 2001 – 13 U 216/00, r+s 2001, 503 = DAR 2001, 402. 2 OLG Karlsruhe v. 3. 7. 1987 – 10 U 3/87, VersR 1988, 583. 3 BGH v. 14. 3. 1995 – VI ZR 34/94, MDR 1995, 579 = r+s 1995, 383 = VersR 1995, 672; OLG Hamm v. 19. 6. 1995 – 6 U 55/94, VersR 1996, 1155. 4 BGH v. 10. 3. 1987, VI ZR 123/86, MDR 1987, 750 = r+s 1987, 309 = VersR 1987, 781. 5 OLG Düsseldorf v. 8. 12. 1988 – 18 U 142/88, VersR 1989, 274. 6 OLG Hamm v. 16. 6. 1997 – 13 U 13/97, OLGR 1997, 255.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 477 Teil 2
wendbarkeit entlastet. Viel bedeutsamer ist die Regelung des § 17 Abs. 4 StVG n. F., die u. a. auf § 17 Abs. 3 StVG n. F. verweist. Danach ist bei einem Unfall zwischen Bahn und Kfz oder Kfz-Anhänger sowohl der Fahrzeughalter als auch der Bahnunternehmer – die Regelung gilt wechselseitig – immer schon bei Unabwendbarkeit entlastet (s. näher fi Rz. 464 ff.). (2a) Entlastungsbeweis nach § 1 Abs. 2 HPflG Die Regelung findet im Ergebnis nur dann Anwendung, wenn der Geschädigte nicht die mitwirkende Betriebsgefahr einer Bahn oder eines Kfz zu verantworten hat, also insbesondere bei Bahnunfällen mit Fußgängern, Radfahrern und Insassen. Dann ist der Bahnunternehmer nur bei höherer Gewalt entlastet. Gemeint ist ein von außen durch Naturereignisse oder durch Handlungen betriebsfremder Personen einwirkendes Ereignis, das so außergewöhnlich ist, dass der Unternehmer damit nicht rechnen muss, und dass auch mit wirtschaftlichen Mitteln nicht abwendbar ist1. Die Beweislast liegt beim Bahnunternehmer.
474
Die höhere Gewalt kann auch von dem Geschädigten selbst ausgehen, z. B. wenn dieser sich in Selbsttötungsabsicht vor den Zug wirft; sie ist aber z. B. nicht zu bejahen, wenn ein Kraftfahrer mit dem Pkw ins Schleudern gerät, auf den neben der Straße verlaufenden Schienen landet und dort von einem Zug erfasst wird2 (in diesem Falle wäre die Bahn jetzt allerdings nach § 17 Abs. 3 StVG entlastet, s. fi Rz. 466). Höhere Gewalt ist auch gegeben, wenn ein Fahrgast während der Fahrt am offenen Fenster von einem Gegenstand getroffen wird, den ein Dritter von außen auf den fahrenden Zug geworfen hat; dagegen liegt keine höhere Gewalt vor, wenn der Gegenstand von einem Mitreisenden aus dem Fenster geworfen worden ist3.
475
Die Neuregelung führt insbesondere zu einer wesentlichen Besserstellung der Straßenbahnfahrgäste; wurden sie z. B. verletzt, wenn der Straßenbahnführer wegen des Fehlverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer plötzlich scharf abbremsen musste, war der Bahnunternehmer schon dann haftungsbefreit, wenn er den Unabwendbarkeitsnachweis führen konnte; jetzt ist er nur noch bei höherer Gewalt entlastet, also praktisch nie, es kann dann nur noch um die Frage gehen, ob sich der verletzte Fahrgast wegen Mitverschuldens gem. § 254 BGB eine Anspruchskürzung gefallen lassen muss (fi Rz. 490).
476
Die Neuregelung wirkt sich insbesondere bei einem Kinderunfall stark aus. Ein Kind unter 10 Jahren hat in Zukunft bei einem Straßenbahnunfall im Ergebnis immer aus § 1 HPflG einen – auch nicht quotenmäßig
477
1 S. dazu Steffen, DAR 1998, 135. 2 BGH v. 15. 3. 1988, – VI ZR 115/87, MDR 1988, 851 = VersR 1988, 910. 3 BGH v. 10. 3. 1987 – VI ZR 123/86, MDR 1997, 750 = r+s 1987, 309 = VersR 1987, 781.
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Teil 2
Rz. 478
Haftungsvoraussetzungen
beschränkten (§ 828 Abs. 2 BGB) – Anspruch auf Ersatz seiner gesamten materiellen und immateriellen Schäden; sie sind nur der Höhe nach auf die Höchstbeträge gem. §§ 9 f. HPflG beschränkt. (2b) Entlastungsbeweis nach § 13 Abs. 3 HPflG 478
Diese Regelung hat nur geringe praktische Bedeutung; sie kommt nur dann zur Anwendung, wenn beide Seiten nach §§ 1 oder 2 HPflG haftpflichtig sind, also z. B. beim Zusammenstoß zweier Bahnen verschiedener Bahnunternehmer. In diesem Falle ist der Schädiger wie im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 StVG schon dann entlastet, wenn ein unabwendbares Ereignis gegeben ist. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 17 Abs. 3 StVG verwiesen werden (s. fi Rz. 100 ff.). (2c) Entlastungsbeweis nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 StVG
479
Wenn der Schaden durch eine Bahn und ein Kfz bzw. Kfz-Anhänger verursacht wird, kommt § 17 Abs. 4 StVG als Spezialvorschrift zu § 1 Abs. 2 HPflG, zu § 4 HPflG und zu § 254 BGB zur Anwendung, und zwar wechselseitig (s. näher fi Rz. 464 f.). Weil § 17 Abs. 4 StVG u. a. auf Abs. 3 verweist, ist der Bahnunternehmer als Schädiger bei einem Unfall mit einem Kfz oder Kfz-Anhänger gegenüber Halter und Fahrer schon dann entlastet, wenn er den Unabwendbarkeitsnachweis führen kann. Das führt – es bestehen Zweifel, ob dieses im Gesetzgebungsverfahren gesehen worden und beabsichtigt gewesen ist – zu einer Besserstellung des Eisenbahnunternehmers bei Unfällen mit Kfz, z. B. an Bahnübergängen; bisher war der Bahnunternehmer in diesem Falle nur nach § 1 Abs. 2 S. 1 HPflG bei höherer Gewalt entlastet, jetzt ist er es nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 HPflG bereits bei Unabwendbarkeit.
480
Bei Unfällen zwischen Kfz und Straßenbahn war der Bahnunternehmer auch bisher schon immer bei Unabwendbarkeit entlastet, früher nach § 1 Abs. 2 S. 2 HPflG, jetzt nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 StVG; insoweit hat sich sachlich nichts geändert.
481
Entlastung gem. § 17 Abs. 3 StVG wegen Unabwendbarkeit, wenn der Bahnführer zu plötzlichem Bremsen gezwungen wird: Der Schienenverkehr hat Vorrang gegenüber dem sonstigen Verkehr (s. fi Rz. 465). Der Bahnführer darf zwar i. d. R. darauf vertrauen, dass sein Vorrecht beachtet wird. Dennoch muss er, wenn er eine öffentliche Straße befährt oder kreuzt, seine Fahrweise an den Vorschriften der StVO ausrichten und insbesondere seine Geschwindigkeit den Verkehrs- und Sichtverhältnissen anpassen1. 1 BGH v. 30. 10. 1990 – VI ZR 340/89, MDR 1991, 426 = r+s 1991, 159 = VersR 1991, 320.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 484 Teil 2
Deshalb ist der Bahnbetreiber i. d. R. nicht entlastet, wenn das Vorrecht der Bahn von anderen Verkehrsteilnehmern missachtet wird und es deshalb zu einem Unfall kommt; der ideale Bahnführer rechnet nämlich mit Vorrangverstößen und stellt sich frühzeitig darauf ein1. Anders kann es z. B. dann sein, wenn ein Kfz plötzlich in den vorderen Sicherheitsbereich der Bahn einfährt und dann bremst. bb) Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB) Insoweit kommen Ansprüche aus § 823 BGB gegen den Bahnführer und aus § 831 BGB gegen den Bahnunternehmer in Betracht. Weil der Geschädigte jetzt auch schon aus § 1 HPflG seinen gesamten materiellen und immateriellen Schaden innerhalb der – wesentlich angehobenen – Höchstgrenzen der §§ 9, 10 HPflG geltend machen kann, haben die Ansprüche aus der Verschuldenshaftung in Zukunft nur noch bei großen Personenschäden Bedeutung.
482
(1) Ansprüche aus § 823 BGB gegen den Bahnführer Auch wenn er grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht beachten, muss er sich auf erkennbare Verstöße einstellen.
483
Auffahrunfall: Wenn z. B. bei in der Fahrbahnmitte verlaufenden Schienen ein Kfz links blinkend auf die Schienen fährt, muss der nachfolgende Bahnführer sich darauf einstellen, dass das Kfz offenbar aus dieser Position nach links abbiegen will. Zwar darf er zunächst darauf vertrauen, dass der Kraftfahrer sein Vorrecht beachtet und ihn nicht verkehrswidrig durch Bremsen oder Anhalten behindern wird, sondern notfalls weiterfahren wird2. Sobald aber erkennbar wird, dass das Kfz seine Geschwindigkeit herabsetzt, muss er gleichfalls reagieren.
484
Kommt es jetzt zu einem Auffahrunfall, ist ein Verschulden des Bahnführers nur gegeben, wenn er zu einer gefahrverhütenden Reaktion noch ausreichend Zeit hatte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Bahn im Verhältnis zum Kfz immer einen längeren Bremsweg hat und dass die sog. Schnellbremsung immer mit Gefahren für die Fahrgäste verbunden ist. Bei einem Auffahrunfall der Bahn ist deshalb die Schuldfeststellung
1 OLG Hamm v. 30. 10. 1996 – 13 U 55/96, OLGR 1997, 28; OLG Düsseldorf v. 12. 7. 1993 – 1 U 116/92, OLGR 1993, 339. 2 OLG Hamm v. 18. 4. 1994 – 6 U 243/93, OLGR 1994, 183; s. ferner Filthaut, NZV 1998, 275 und NZV 1996, 185, jeweils m. w. N.
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Teil 2
Rz. 485
Haftungsvoraussetzungen
im Wege des Anscheinsbeweises zumindest dann nicht möglich, wenn das Kfz erst kurz vor dem Unfall auf die Schienen gefahren ist1. 485
Zwar braucht der Bahnführer außerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße nicht auf Sicht zu fahren2. Innerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße hat er aber ebenfalls seine Geschwindigkeit den Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen, er hat insbesondere ausreichenden (auch für eine Bahn ausreichenden) Sicherheitsabstand zu halten.
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Sorgfaltspflichten gegenüber Fußgängern: Der Bahnführer muss sie zumindest durch Läutezeichen warnen; u. U. ist er verpflichtet, eine Notbremsung einzuleiten3. Das gilt insbesondere dann, wenn Fußgänger oder Radfahrer in Gefahr geraten, die zum gem. § 3 Abs. 2a StVO geschützten Personenkreis gehören wie z. B. ein 10jähriges Kind4. Andererseits darf der Bahnführer darauf vertrauen, dass ein Fußgänger nicht von der Straßenbahnhalteinsel plötzlich vor der Bahn auf die Schienen tritt5.
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Sorgfaltspflichten gegenüber Insassen: Diese sind sich weitestgehend selbst überlassen und müssen insbesondere beim Ein- und Aussteigen selbst für festen Halt sorgen6. Der Bahnführer muss sich auch sonst um die Sicherheit seiner Fahrgäste nur dann kümmern, wenn ein konkreter Anlass besteht7. Er muss aber den Anfahrruck und auch eine Notbremsung möglichst vermeiden. (2) Ansprüche aus §§ 823, 831 BGB gegen den Bahnunternehmer
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Ansprüche aus § 823 BGB: Ansprüche aus § 823 BGB gegen den Bahnunternehmer kommen insbesondere bei technischen Mängeln der Bahn8 sowie bei Organisationsfehlern in Betracht. Bei Unfällen an höhenglei1 OLG Karlsruhe v. 29. 6. 2007 – 4 U 244/06, Juris; OLG Düsseldorf v. 15. 11. 2007 – 1 U 268/06, Juris; OLG Hamm v. 22. 11. 2004 – 13 U 131/04, NZV 2005, 414; OLG Düsseldorf v. 12. 7. 1993 – 1 U 161/92, NZV 1994, 28 = OLGR 1993, 339; OLG Hamm v. 2. 6. 1987 – 9 U 320/86, VersR 1988, 1250. 2 OLG Hamm v. 19. 6. 1995 – 32 U 209/94, NZV 1996, 32 = OLGR 1995, 196. 3 BGH v. 30.10 1990, VI ZR 340/89, MDR 1991, 426 = r+s 1991, 159 = VersR 1991, 320. 4 OLG Hamm v. 12. 9. 1994 – 13 U 12/94, VersR 1996, 906; OLG Hamm v. 22. 1. 1992 – 32 U 251/90, VersR 1993, 454. 5 OLG Hamm v. 2. 10. 2002 – 13 U 30/02, MDR 2003, 627 = OLGR 2003, 63. 6 BGH v. 1. 12. 1992 – VI ZR 27/92, MDR 1993, 215 = r+s 1993, 97 = VersR 1993, 241, s. hierzu auch die abschließende Entsch. d. OLG Hamm v. 25. 3. 1993 – 6 U 156/91, r+s 1993, 335; s. ferner KG v. 1. 3. 2010 – 12 U 95/09, MDR 2010, 1111 = NZV 2010, 570; OLG Dresden v. 21. 2. 2006 – 13 U 2195/05, Juris; OLG Düsseldorf v. 3. 6. 1996 – 1 U 89/95, VersR 1997, 889. 7 BGH v. 24. 11. 1998 – VI ZR 217/97, NJW 1999, 573 = MDR 1999, 221 = r+s 1999, 148 = VersR 1999, 203. 8 OLG Düsseldorf v. 3. 6. 1996 – 1 U 89/95, VersR 1997, 889.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 490 Teil 2
chen Bahnübergängen stellt sich immer wieder die Frage, ob die Sicherung ausreichend war. An die Sicherung eines derartigen Bahnübergangs sind hohe Anforderungen zu stellen. Ansprüche aus § 823 BGB können z. B. bestehen, wenn die an sich ausreichenden Sicherungseinrichtungen teilweise durch Büsche verdeckt waren1. Ansprüche aus § 831 BGB: Gegen den Bahnunternehmer kommen – der Bahnführer ist sein Verrichtungsgehilfe – insbesondere Ansprüche aus § 831 BGB in Betracht. Es ist nicht der Nachweis erforderlich, dass der Bahnführer den Unfall verschuldet hat; gehaftet wird für vermutetes Auswahl- oder Überwachungsverschulden. Die Rechtswidrigkeit wird indiziert. Es ist deshalb Sache des Unternehmers, zu beweisen, dass der Bahnführer sich verkehrsrichtig verhalten hat; Zweifel gehen zu Lasten des Unternehmers2 (s. näher fi Rz. 130 ff.). Der Entlastungsbeweis ist nicht geführt, wenn der Bahnunternehmer nicht nachweisen kann, dass er den Bahnführer ausreichend überwacht hat3.
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cc) Anspruchskürzung aufgrund eigener Mitverantwortung Fußgänger, Radfahrer und Insassen: Sie müssen sich ein mitwirkendes Verschulden gem. § 4 HPflG i. V. m. § 254 BGB zurechnen lassen4. Bei grobem Verschulden tritt die Betriebsgefahr der Bahn evtl. völlig zurück5; das gilt aber nicht, wenn Kinder oder Jugendliche betroffen und für ihren Schaden gem. §§ 828, 829 BGB mitverantwortlich sind6. Weil der Straßenbahnunternehmer in Zukunft gegenüber diesem Personenkreis, der nicht für eine mitwirkende Betriebsgefahr, sondern allenfalls für ein persönliches Fehlverhalten einzustehen hat, nicht mehr schon bei Unabwendbarkeit, sondern gem. § 1 Abs. 2 HPflG erst bei höherer Gewalt entlastet ist, also praktisch nie, wird sich häufiger als bisher die Frage stellen, ob der Unternehmer nicht jedenfalls im Rahmen der Schadensabwägung von jeglicher Haftung freizustellen ist. Voraussichtlich wird deshalb dann, wenn in diesen Fällen ein gem. § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschädigten gegeben ist, nur die 1 BGH v. 18. 11. 1993 – III ZR 178/92, MDR 1994, 992 = VersR 1994, 618; OLG Hamm v. 20. 12. 1993 – 6 U 151/93, NZV 1994, 437 = OLGR 1994, 198. 2 BGH v. 30. 10. 1990, VI ZR 340/89, MDR 1991, 426 = r+s 1991, 159 = VersR 1991, 320; OLG Jena v. 31. 5. 2006 – 2 U 964/05, OLG-NL 2006, 146; OLG Düsseldorf v. 15. 10. 2007 – 1 U 268/06, Juris; KG v. 9. 4. 2001 – 12 U 8410/99, r+s 2001, 501 = NZV 2001, 426. 3 OLG Jena v. 31. 5. 2006 – 2 U 964/05, OLG-NL 2006, 146; KG v. 2. 9. 2002 – 12 U 1969/00, NZV 2003, 416 = VersR 2003, 606 = KGR 2003, 22. 4 OLG Hamm v. 2. 10. 2002 – 13 U 30/02, MDR 2003, 627 = OLGR 2003, 63. 5 LG München I v. 15. 6. 2006 – 17 S 8044/05, NZV 2005, 478; OLG Hamm v. 15. 3. 1990 – 27 U 247/89; VersR 1992, 510; s. aber auch OLG Düsseldorf v. 26. 10. 1998 – 1 U 245/97, VersR 2000, 71. 6 OLG Hamm v. 19. 6. 1995 – 6 U 55/94, VersR 1996, 1155 = NZV 1996, 30.
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Teil 2
Rz. 491
Haftungsvoraussetzungen
Zahl der Fälle zunehmen, in denen eine Abwägung zu erfolgen hat; das Abwägungsergebnis wird sich nicht wesentlich von den früheren Ergebnissen unterscheiden. Anders ist es, wenn den Geschädigten kein nach § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden trifft (fi Rz. 476). 491
Kfz-Halter und Fahrer: Sie müssen sich evtl. gem. §§ 17 Abs. 4, 18 Abs. 3 i. V. m. § 17 Abs. 1 StVG eine Anspruchskürzung gefallen lassen. Diese Regelung des § 17 Abs. 4 StVG geht der des § 13 HPflG und des § 254 BGB vor1 (s. näher fi Rz. 465, 472). Bleibt bei einem Kreuzungsunfall zwichen Pkw und Straßenbahn ungeklärt, wer freie Fahrt hatte, ist wegen der größeren Betriebsgefahr der Bahn von einem höheren Haftungsanteil der Bahn auszugehen2. dd) Anspruchsumfang
492
Soweit Ansprüche des Geschädigten gegen den Bahnunternehmer aus der Gefährdungshaftung (§ 1 HPflG) bestehen, besteht aufgrund des 2. SchadÄndG für Unfälle seit dem 1. 8. 2002 gem. § 6 S. 2 HPflG auch Anspruch auf ein Schmerzensgeld. Die Ansprüche aus § 1 HPflG sind zwar gem. §§ 9 f. HPflG der Höhe nach beschränkt. Die Haftungshöchstbeträge sind aber für Unfälle seit dem 1. 8. 2002 ebenfalls wesentlich angehoben worden, im Falle der Tötung oder Verletzung für jede Person auf einen Betrag von 600 000 Euro oder jährlich 36 000 Euro Rente, bei Sachschäden in den Fällen des § 10 Abs. 1 und 2 HPflG auf 300 000 Euro. Diese Höchstbeträge sind im Zuge der erneuten Anhebung der StVGHöchstbeträge Ende 2007 nicht erneut mit angehoben worden. b) Ansprüche des geschädigten Bahnunternehmers
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Es kommen Ansprüche aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) und aus der Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB) in Betracht; insoweit ergeben sich keine Besonderheiten. Bei Schäden am Zug ist der Bahnverkehrsunternehmer geschädigt und Anspruchsinhaber, bei Schäden an den Anlagen der Eisenbahnstrukturunternehmer. Sind Schäden an dem Zug daduch entstanden, dass sich Steine oder Tiere auf den Gleisen befanden, kommen Ansprüche des Verkehrsunternehmers gegen den Infrastrukturunternehmer aus § 1 HPflG in Betracht; derartige Unfälle beruhen nicht auf höherer Gewalt3. 1 S. hierzu OLG München v. 17. 11. 2000 – 10 U 1721/98, r+s 2002, 10; das OLG hat zu Unrecht für die Abwägung § 254 BGB herangezogen. 2 OLG Celle v. 21. 2. 2006 – 14 U 121/05, MDR 2006, 1166 = OLGR 2006, 274: 60 zu 40 zu Lasten der Bahn; s. auch OLG München v. 25. 9. 2003 – 1 U 4436/02, OLGR 2005, 755. 3 BGH v. 17. 2. 2004 – VI ZR 69/03, NZV 2004, 245 = VersR 2004, 612; BGH v. 16. 10. 2007 – VI ZR 173/06, MDR 2008, 266 = NZV 2008, 79 = VersR 2008, 126; s. auch Greger, NZV 2008, 81.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 494 Teil 2
Richten sich die Ersatzansprüche gegen den Halter eines Kfz oder KfzAnhängers, ist zu beachten, dass dessen Haftung nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 StVG auch weiterhin schon bei Unabwendbarkeit ausgeschlossen ist. Der geschädigte Bahnunternehmer muss sich, wenn er spiegelbildlich ebenfalls gem. § 1 HPflG für den Unfall mitverantwortlich ist, eine Anspruchskürzung gefallen lassen, in den Fällen des § 17 Abs. 4 StVG gem. § 17 Abs. 1 StVG, falls ein Fußgänger oder Radfahrer den Schaden verursacht hat, gem. § 254 BGB wegen mitwirkender Betriebsgefahr. Im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 4 StVG ist aber zuvor zu prüfen, ob die Mitverantwortlichkeit des Bahnunternehmers schon nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist. Ist bei einem Unfall zwischen Bahn und Kfz an einem Bahnübergang der Kfz-Halter aus § 7 Abs. 1 StVG haftpflichtig und nicht nach § 17 Abs. 3 StVG entlastet, braucht der Bahnunternehmer keine Anspruchskürzung hinzunehmen, wenn er für sich den Unabwendbarkeitsnachweis führen kann (s. auch fi Rz. 479). c) Lösung des Ausgangsfalles (vor fi Rz. 461) Der Pkw-Fahrer musste gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 StVO trotz seiner Absicht, nach links einzubiegen, die in der Fahrbahnmitte verlegten Schienen freihalten, wenn sich für ihn erkennbar bereits von hinten eine Straßenbahn näherte. War dieses nicht der Fall, durfte er sich trotz der Schienen bis zur Fahrbahnmitte einordnen; er musste dann die Schienen beim Auftauchen einer Bahn auch nicht wieder räumen. Steht fest, dass der Kraftfahrer berechtigt auf den Schienen angehalten hat, hat der auffahrende Straßenbahnfahrer den Unfall schuldhaft verursacht, Straßenbahnfahrer und –halter haften dem Kraftfahrer gegenüber aus §§ 823, 831 BGB, und zwar i. d. R. gem. § 17 Abs. 4 und Abs. 2 StVG voll. Hat sich der Kraftfahrer erst kurz vor dem Unfall nach links eingeordnet und auf den Schienen angehalten, hat er den Unfall verschuldet; es ist dann kein Anscheinsverschulen des auffahrenden Bahnführers gegeben, der Kraftfahrer haftet jetzt i. d. R. gem. §§ 17 Abs. 4 und Abs. 2 StVG voll. Die verletzten Bahninsassen können den Bahnhalter aus §§ 1 HPflG, 831 BGB und den Pkw-Fahrer aus § 7 StVG auf Ersatz in Anspruch nehmen; sie müssen sich gem. § 254 BGB ein Mitverschulden anspruchskürzend zurechnen lassen, wenn sie nicht für aureichenden Halt gesorgt haben. Der Bahnführer haftet nur aus § 823 BGB, nicht aus § 1 HPflG.
8. Unfall zwischen Radfahrern bzw. Fußgängern Literatur: Albat, Inline-Skates und Skateboards im Straßenverkehr, VGT 1998, S. 240, 245; Bernau, Führt die Haftungsprivilegierung des Kindes in § 828 II BGB zu einer Verschärfung der elterlichen Aufsichtshaftung aus § 832 BGB? NZV
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Teil 2
Rz. 495
Haftungsvoraussetzungen
2005, 234; Böhrensen, Inline-Skates im Staßenverkehr, NJW-Spezial 2009, 169; Frommhold, Verhaltenspflichten von Inlineskatern im Straßenverkehr, NZV 2002, 359; Greger, Haftungsfragen beim Fußgängerunfall, NZV 1990, 409; Grüneberg, Radfahrerunfälle im Straßenverkehr ohne Kfz-Beteiligung, NZV 1997, 417; Huppertz, Verkehrsrechtliche Einordnung von Elektrofahrrädern, NZV 2010, 390; Kettler, Nochmals: Radwegbenutzungspflicht bei Eis und Schnee, NZV 2006, 347; Kettler, Sind Radfahrer bessere Menschen? NZV 2009, 16; Nakas, Inline-Skating aus unfallanalytischer Sicht, NZV 1999, 278; Pardey, Verkehrsunfall mit Beteiligung von Kindern, zfs 2002, 264; Pardey, Radfahrer und Fußgänger im Straßenverkehr, zfs 2006, 488; Pardey, Reichweite des Haftungsprivilegs von Kindern im Straßenverkehr, DAR 2004, 499; Rebler, Fahrräder im öffentlichen Verkehr, DAR 2009, 12; Scheffen, Schadensersatzansprüche bei Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Verkehrsunfällen, VersR 1987, 116; Schubert, Radwegbenutzungspflicht bei Eis und Schnee, NZV 2006, 288; Ternig, Fahrradfahrer in der StVO, DAR 2002, 105; Ternig, Segway und Elektrofahrrad, zfs 2010, 2; Ternig, Fahrradhelm erforderlich, ja oder nein, zfs 2008, 548; Vieweg, Inlineskating – Rechtstatsachen, Rechtslage und Reformbedarf, NZV 1998, 1; Vogenauer, Die zivilrechtliche Haftung von Inlineskatern im Straßenverkehr, Teil 1, VersR 2002, 1345; Teil 2, VersR 2002, 1478; Wendrich, Inline-Skating und Skateboarding in Fußgängerbereichen und auf Gehwegen aus straßenrechtlicher Sicht, NZV 2002, 212; Wiesner, Inline-Skates und Skateboards im Straßenverkehr, haftungs- und versicherungsrechtliche Fragen, NZV 1998, 177.
Ausgangsfall: Auf einem kombinierten Rad- und Gehweg stoßen Radfahrer und/oder Fußgänger (Jogger, Skater, Skateboardfahrer) zusammen und verletzen sich. 495
Wenn Radfahrer oder Fußgänger einander verletzen, kommen lediglich Ansprüche aus der Verschuldenshaftung (§§ 823, 831 BGB) in Betracht; ein mitwirkendes Verschulden muss sich der verletzte Radfahrer oder Fußgänger gem. § 254 BGB zurechnen lassen. Bei Verkehrsunfällen ohne Kfz-Beteiligung interessiert somit nur die Frage, ob ein Unfallbeteiligter oder beide den Unfall verschuldet haben; es kommt allerdings, wenn z. B. der Radfahrer als Verrichtungsgehilfe unterwegs gewesen ist, auch eine Haftung des Geschäftsherrn aus § 831 BGB wegen vermuteten Auswahl- oder Überwachungsverschuldens in Betracht. Im Rahmen des § 823 BGB setzt die fahrlässige Unfallverursachung ein objektiv verkehrswidriges und ein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus. Im Zentrum der Fallbearbeitung steht dann die Frage, ob die Unfallbeteiligten (einer oder beide) gegen eine der für Radfahrer und Fußgänger geltenden Verkehrsregeln verstoßen haben. Die Nichtbeachtung der Verkehrsregel rechtfertigt dann zumeist auch die Bejahung der Schuldfeststellung (s. fi Rz. 119 ff.); anders ist es im Hinblick auf §§ 828, 829 BGB, wenn Kinder unfallbeteiligt sind.
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Ein Fahrrad ist zwar kein Kraftfahrzeug, aber ebenfalls ein Fahrzeug; für den Radfahrer gelten deshalb – neben den besonderen Regeln für den Fahrradverkehr – alle Regeln für den Fahrzeugverkehr, dagegen nicht die 186
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 497 Teil 2
Regeln für den Kraftfahrzeugverkehr und den Fußgängerverkehr. Ein Fußgänger ist auch Verkehrsteilnehmer; für ihn gelten alle Regeln für Verkehrsteilnehmer und zusätzlich die besonderen Regeln für den Fußgängerverkehr. Bei Elektrofahrrädern muss man unterscheiden (s. auch fi Rz. 287): Ein Fahrrad mit elektromotorischer Tretunterstützung (Pedelec), die sich bei Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher ausschaltet, steht einem Fahrrad gleich, ein Elektrofahrrad mit Anfahrhilfe oder mit Unterstützung bei über 25 km/h ist ein Kfz1. Letzteres steht einem Fahrrad nur dann gleich, wenn es durch Treten bewegt wird; dann muss der Radweg benutzt werden. Mit Motorkraft dürfen mit ihm, falls 25 km/h bauartbedingt nicht überschritten werden können, außerorts vorhandene Radwege benutzt werden (§ 2 Abs. 4 S. 5 StVO). Der einachsige ElektroStehroller mit elektronische Balance (Segway) darf nach § 7 der MobilitätshilfenVO vom 16. 7. 2009 (MobHV) auch innerorts nur auf Radwegen gefahren werden. Skater und Skateboard-Fahrer waren schon bisher nach der Rechtsprechung des BGH und nach überwiegender Auffassung in der Literatur Fußgänger, die sich nicht mit Fahrzeugen, sondern mit besonderen Fortbewegungsmitteln i. S. d. § 24 Abs. 1 StVO fortbewegen und für die daher die Regelungen für den Fußgängerverkehr gelten2; teilweise wurde aber auch die Auffassung vertreten, Inline-Skates seien Fahrzeuge i. S. d. StVO, für die daher die Regelungen für den Fahrzeugverkehr gelten3. Inzwischen ist in § 24 Abs. 1 StVO n. F. ausdrücklich geregelt, dass auch Skater und Skatebordfahrer sowie Rollschuhfahrer Fußgänger mit besonderen Fortbewegungsmitteln sind. Sie haben sich deshalb grundsätzlich wie Fußgänger zu verhalten4; sie müssen auf Gehwegen mit Fußgängerverkehr mit Schrittgeschwindigkeit fahren5. Nach § 31 StVO n. F. können aber entsprechend geeignete Verkehrsflächen, auch Fahrbahnen und Radwege, durch ein besonderes Zusatzzeihen für Skater und Rollschuhfahrer freigegeben werden. Sie sind, ebenso wie Radfahrer, auf gemein1 Huppertz, NZV 2010, 390; s. aber auch Ternig, zfs 2010, 2. 2 BGH v. 19. 3. 2002 – VI ZR 333/00, MDR 2002, 756 = r+s 2002, 234 = VersR 2002, 727; OLG Koblenz v. 10. 1. 2001 – 1 U 881/99, NJW-RR 2001, 1392 = DAR 2001, 167 = OLGR 2001, 171; OLG Karlsruhe v. 24. 7. 1998 – 10 U 60/98, VersR 1999, 590 = OLGR 1998, 392; s. ferner die Beschlüsse des Arbeitskreises VII des VGT 1998, veröffentlicht u. a. in VersR 1998, 292, 294; Frommhold, NZV 2002, 359; Wendrich, NZV 2002, 212; Wiesner, NZV 1998, 177; Nakas, NZV 1999, 278. 3 OLG Oldenburg v. 15. 8. 2000 – 9 U 71/99, MDR 2000, 1314 = NJW 2000, 3793 = r+s 2001, 239 = NZV 2000, 470, insoweit aber später abgeändert durch BGH v. 19. 3. 2002 – VI ZR 333/00, MDR 2002, 756 = r+s 2002, 234 = VersR 2002, 727; Vieweg, NZV 1998, 1. 4 S. näher Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 24 StVO, Rz. 3. 5 OLG Karlsruhe v. 24. 7. 2008 – 10 U 60/98, NZV 1999, 44 = OLGR 1998, 392 = VersR 1998, 590.
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Teil 2
Rz. 498
Haftungsvoraussetzungen
samen Fuß- und Radwegen zu besonderer Sorgfalt verpflichtet (§ 1 StVO)1. Zwar gilt das Rechtsfahrgebit auf derartigen Wegen nur für Radfahrer; auch Skater sollten aber, wenn sie Fußgängern oder Radfahrern begegnen, nach rechts auszuweichen; denn allein das entspricht den berechtigten Erwartungen des Gegenverkehrs2. 498
Der Geschädigte hat den Verschuldensnachweis zu führen, der Schädiger den Mitverschuldensnachweis. Gelingt der Verschuldensnachweis nur auf einer Seite, sind die Ansprüche dem Grunde nach voll gegeben bzw. voll nicht gegeben. Zu einer Haftungsabwägung nach § 254 BGB und zu einer Anspruchsquotierung kann es nur dann kommen, wenn auf beiden Seiten ein Verschulden beim Zustandekommen des Unfalls nachgewiesen ist. Dann liegt der größere Verantortungsanteil bei einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Radfahrer oder Skater i. d. R. bei Letzterem; die i. d. R. höhere Geschwindigkeit führt isd. R. auch zu höherem Schaden.
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Bei Unfällen unter Radfahrern bzw. Fußgängern bleibt häufig unaufgeklärt, wie und wodurch es letztlich zu der Kollision gekommen ist3; dann können die Unfallbeteiligten beiderseits keine Ansprüche geltend machen.
500
Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert: – Ansprüche des Verletzten gegen den Radfahrer (fi Rz. 501 ff.) – Ansprüche des Verletzten gegen den Fußgänger (fi Rz. 519 ff.) a) Ansprüche des Verletzten gegen den Radfahrer aa) Verletzter Radfahrer
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Unfälle unter Radfahrern mit teils erheblichen Verletzungsfolgen ereignen sich als Begleiterscheinung zur ansteigenden Zahl der Radfahrer immer häufiger. Sie ereignen sich insbesondere beim Überholen, dann oft infolge genügenden Seitenabstands, oder im Begegnungsverkehr, häufig auch auf Radwegen. (1) Fahrbahn- oder Radwegbenutzung
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Die Regeln für Radfahrer sind in den letzten Jahren mehrfach geändert worden4; insbesondere ist Radfahrern die Benutzung von Radwegen, die 1 KG v. 5. 7. 2007 – 12 U 195/05, VM 2007, Nr. 79. 2 OLG Hamm v. 30. 10. 2000 – 6 U 63/00, r+s 2001, 241 = OLGR 2001, 151; einschränkend KG v. 5. 7. 2007 – 12 U 195/05, VM 2007, Nr. 79. 3 S. z. B. BGH v. 29. 10. 1996 – VI ZR 310/95, NJW 1997, 395 = MDR 1997, 141 = r+s 1997, 14 = VersR 1997, 79. 4 Zum Recht für Radfahrer s. Ternig, DAR 2002, 105; Rebler, DAR 2009, 12.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 506 Teil 2
nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet sind, und die Benutzung von Seitenstreifen freigestellt; sie dürfen in solchen Fällen also auch die Fahrbahn mitbenutzen. Radfahrer müssen nach § 2 Abs. 4 StVO n. F. nur noch den vorhandenen und auch ausdrücklich als solchen gekennzeichneten Radweg benutzen. Das gilt andererseits aber auch für den linken Radweg, wenn nur ein solcher vorhanden ist und dieser für beide Richtungen freigegeben ist. Kinder bis zu 8 Jahren müssen, auch wenn ein Radweg vorhanden ist, den Gehweg benutzen, Kindern von 8 bis 10 Jahren ist es freigestellt, ob sie Rad- oder Gehweg benutzen; beim Überqueren der Fahrbahn müssen Kinder absteigen (§ 2 Abs. 5 StVO).
503
Sowohl auf der Fahrbahn als auch auf dem Radweg müssen Radfahrer hintereinander fahren; nebeneinander dürfen sie nur fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird (§ 2 Abs 4 StVO). Das Nebeneinanderfahren ist also grundsätzlich verboten. Wer abbiegen will, muss die Pflichten aus § 9 Abs. 1 S. 1 StVO beachten und seine Abbiegeabsicht rechtzeitig und deutlich per Handzeichen anzeigen. Der Verstoß hiergegen ist die Ursache vieler Kollisionen unter Radfahrern, sowohl im gleichgerichteten Verkehr beim Überholen als auch im Begegnungsverkehr. Deshalb eröffnet § 9 S. 2 StVO dem Radfahrer jetzt eine weniger gefährliche Alternative: Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn er die Fahrbahn erst jenseits der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überqueren will.
504
(2) Unfall im gleichgerichteten Verkehr Der Radfahrer, der vor der Kreuzung oder Einmündung nach links abbiegen will, muss nicht nur seine Abbiegeabsicht anzeigen, er muss auch seinen Rückschaupflichten genügen und sich davon überzeugen, dass nicht ein anderer Radfahrer gerade überholen will.
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Wer als Radfahrer einen anderen Radfahrer überholen will, muss einen ausreichenden Sicherheitsabstand halten (§ 5 Abs. 4 S. 2 StVO). Zwar kann hier wegen der geringeren Geschwindigkeitsdifferenz der Abstand geringer sein als dann, wenn ein Kfz einen Radfahrer überholt. Dafür besteht für den überholenden Radfahrer eher Anlass, seine Überholabsicht durch Klingelzeichen anzukündigen, um das Überraschungsmoment auszuschalten1. Auf der Fahrbahn dürfen Radfahrer und Mofafahrer Kfz, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.
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1 OLG Frankfurt a.M. v. 29. 11. 1989 – 17 U 129/88, NZV 1990, 188 = NJW-RR 1990, 466.
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Teil 2 507
Rz. 507
Haftungsvoraussetzungen
Ist ein kombinierter Rad- und Gehweg vorhanden, der durch eine durchgezogene Linie geteilt ist (Z. 241), und ist die für Radfahrer vorgesehene Hälfte zum Überholen zu schmal, muss der Radfahrer seine Überholabsicht zurückstellen, er darf nicht auf den Fußgängerteil ausweichen, die durchgezogene Linie wirkt sich als Überholverbot aus; will er dennoch überholen, muss er zumindest durch Klingeln warnen1. (3) Unfall im Begegnungsverkehr
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Ist bei einem Unfall unter Radfahrern im Begegnungsverkehr – sie ereignen sich häufig auf Rad- oder Gehwegen – ein Radfahrer betrunken gewesen, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass die Fahruntüchtigkeit unfallursächlich geworden ist2.
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Unerlaubte Rad- oder Gehwegbenutzung: Häufig stellt sich zunächst die Frage, ob einer oder sogar beide den Rad- oder Gehweg unerlaubt benutzt haben.
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Wer den linken Radweg erlaubt benutzt, darf ihn auch dann weiterbenutzen, wenn rechts ein zweiter Radweg beginnt; er muss nicht überwechseln3.
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Fährt ein Kind, das (erlaubt) einen Gehweg benutzt, einen entgegenkommenden (erwachsenen) Radfahrer an, trägt dieser schon wegen der unerlaubten Benutzung des Gehweges eine erhebliche Mitverantwortung für den Unfall4.
512
Stürzt ein Radfahrer, weil er von zwei entgegen kommenden den Radweg in falscher Richtung benutzenden Radfahrern zum Ausweichen gezwungen wird, kann er sie voll auf Ersatz in Anspruch nehmen5. Benutzen im Gegenverkehr beide Radfahrer unerlaubt den Gehweg, können sie sich wechselseitig auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, zwar nicht aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 StVO, aber aus § 823 Abs. 1 BGB6; allerdings müssen sie sich beide gem. § 254 BGB eine Anspruchskürzung gefallen lassen7. 1 OLG Hamm v. 15. 2. 1995 – 13 U 111/94, OLGR 1995, 89 = NZV 1995, 316. 2 OLG Hamm v. 25. 6. 1991, 27 U 57/91, NZV 1992, 318 = OLGR 1991, 14. 3 BGH v. 29. 10. 1996 – VI ZR 310/95, NJW 1997, 395 = MDR 1997, 141 = r+s 1997, 14 = VersR 1997, 79. 4 BGH v. 7. 7. 1987 – VI ZR 176/86, MDR 1988, 132 = r+s 1988, 8 = VersR 1988, 83. 5 OLG Celle v. 2. 12. 2004 – 14 U 103/04, MDR 2005, 504 = OLGR 2005, 50. 6 OLG Frankfurt a. M. v. 7. 7. 1995 – 24 U 396/93, NJWE-VHR 1996, 36 = OLGR 1995, 218 = VersR 1996, 1122 m. Anm. Looschelders. 7 BGH v. 21. 5. 1996 – VI ZR 283/95, VersR 1996, 1293 (nur LS) = NJWE-VHR 1996, 114, Revisionsentscheidung zu OLG Frankfurt a. M. v. 7. 7. 1995 – 24 U 396/93, NJWE-VHR 1996, 36 = OLGR 1995, 218 = VersR 1996, 1122 m. Anm. Looschelders; s. hierzu auch OLG Düsseldorf v. 26. 4. 1995 – 15 U 53/94, VersR 1996, 1120, ferner Grüneberg, NZV 1997, 417, 418 f.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 517 Teil 2
bb) Verletzter Fußgänger Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern ereignen sich häufig, wenn Fußgänger Radwege oder Fahrbahnen überschreiten, aber auch, wenn Radfahrer Gehwege oder gemischte Rad-/Gehwege benutzen.
513
(1) Fahrbahnüberschreitung Vertrauensgrundsatz: Die Sorgfaltspflichten, die der Fußgänger beim Überschreiten der Fahrbahn zu beachten hat (§ 25 StVO), gelten auch für das Überschreiten des Radwegs (§ 26 Abs. 4 StVO)1. Der Radfahrer darf deshalb darauf vertrauen, dass der Fußgänger sein Vorrecht beachtet, sowohl auf der Fahrbahn als auch auf dem Radweg. Er muss aber, wenn er an einer auf dem Gehweg stehenden Fußgängergruppe vorbeifahren will, die erkennbar nicht auf ihn achtet, die Gruppe rechtzeitig durch Klingelzeichen warnen und ggf. die Geschwindigkeit herabsetzen2. Gegenüber dem durch § 3 Abs. 2a StVO geschützten Personenkreis gilt dieser Grundsatz nur eingeschränkt.
514
Auf Fußgängerüberwegen – auch auf den einen Radweg kreuzenden Fußgängerüberwegen (§ 26 Abs. 4 StVO) – haben Fußgänger Vorrang (fi Rz. 318); sie haben ferner gegenüber einem Radfahrer Vorrang, der abbiegen will (§ 9 Abs. 3 S. 3 StVO).
515
(2) Gehwegbenutzung Über 10 Jahre alte Kinder und Erwachsene: Ihnen ist die Benutzung des Gehwegs mit dem Fahrrad generell verboten. Kommt es zu einem Unfall mit einem Fußgänger, wird i. d. R. ein Ersatzanspruch nach §§ 823, 828 Abs. 2 BGB bestehen; das Verschulden wird sich auch bei Kindern schon im Wege des Anscheinsbeweises feststellen lassen.
516
Bis zu 10 Jahre alte Kinder: Sie dürfen jetzt Gehwege mit dem Fahrrad benutzen, und zwar in beiden Richtungen. Rad fahrende Kinder bis zu 10 Jahren und Fußgänger sind also auf Gehwegen gleichberechtigt, die Rad fahrenden Kinder haben aber auf Fußgänger besondere Rücksicht zu nehmen (§ 2 Abs. 5 S. 3 StVO).
517
Das hat vor allem gegenüber dem durch § 3 Abs. 2a StVO geschützten Personenkreis zu gelten; vor allem Alte und Schwache werden durch die ausgeweiteten Möglichkeiten der Gehwegbenutzung durch kindliche Radfahrer gefährdet. Bei einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Kind, das erlaubt den Gehweg mit dem Fahrrad benutzt, wird häufig 1 Hentschel, § 25 StVO, Rz. 33 m. w. N. 2 BGH v. 6. 11. 2008 – VI ZR 171/07, MDR 2009, 203 = r+s 2009, 79 = NZV 2009, 177 = VersR 2009, 234.
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Teil 2
Rz. 518
Haftungsvoraussetzungen
der Mitverantwortungsteil des Kindes durch ein Aufsichtsverschulden des Aufsichtspflichtigen erhöht sein1. Die eingeschränkte Verantwortlichkeit der Kinder beginnt hier weiterhin bereits mit 7 Jahren (§ 828 BGB nF.). 518
Gemeinsamer Fuß- und Radweg (Z. 240): Radfahrer haben hier auf Fußgänger besondere Rücksicht zu nehmen (§ 2 Abs. 5 S. 3 StVO). Schon wegen der höheren Geschwindigkeit ist von den Radfahrern ein höheres Maß an Rücksichtnahme zu verlangen, im Falle eines Unfalls wird der höhere Verantwortungsanteil deshalb im Zweifel bei ihnen liegen. b) Ansprüche des Verletzten gegen den Fußgänger aa) Verletzter Radfahrer
519
Ersatzansprüche des verletzten Radfahrers gegen einen unfallbeteiligten Fußgänger aus § 823 BGB kommen vor allem in Betracht, wenn der Fußgänger das Vorrecht des Radfahrers auf der Fahrbahn oder auf dem Radweg verletzt (§ 25 StVO) und der Radfahrer dadurch zu Fall kommt. Will ein Radfahrer an einer Gruppe Jugendlicher vorbeifahren, muss er ausreichenden Abstand halten; ihn trifft ein Mitverschulden, wenn er durch eine unbedachte Bewegung eines Jugendlichen zu Fall gebracht wird2. Das gilt auch bei der Vorbeifahrt an Erwachsenen, die sich in der Nähe des Radwegs aufhalten3. bb) Verletzter Fußgänger
520
Unfälle unter Fußgängern waren in der Vergangenheit eher selten. Sie werden voraussichtlich im Gefolge moderner Fortbewegungsmittel – vor allem durch Inline-Skates und Skateboards – zunehmen.
521
Skater und Skateboard-Fahrer sind nach § 24 Abs. 1 StVO n. F. Fußgänger, die sich nicht mit Fahrzeugen, sondern mit besonderen Fortbewegungsmitteln i. S. d. § 24 Abs. 1 StVO fortbewegen (s. näher fi Rz. 497). Für sie gelten die Regelungen des § 25 StVO für den Fußgängerverkehr, d. h. sie müssen den Gehweg benutzen. Sie dürfen also weder Fahrbahnen noch Radwege benutzen, es sei denn, diese sind gem. § 31 StVO n. F. entsprechend ausgeschildert. Sie haben als Fußgänger mit besonderen Fortbewegungsmitteln auf Gehwegen mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren; das ergibt sich aus § 24 Abs. 2 StVO, für verkehrsberuhigte Bereiche (Z. 325) auch aus § 42 Abs. 4a StVO. 1 BGH v. 7. 7. 1987 – VI ZR 176/86, MDR 1988, 132 = r+s 1988, 8 = VersR 1988, 83. 2 OLG Köln v. 23 8. 2000 – 11 U 16/00, VersR 2001, 1168; s. auch KG v. 11. 8. 2010 – 12 U 179/09, Juris. 3 OLG Düsseldorf v. 25. 5. 2009 – 1 U 278/06, OLGR 2009, 686.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 526 Teil 2
Skater und Skateboard-Fahrer sind zwar vor allem eine Gefahr für sich selbst; die Unfallstatistiken weisen vor allem Alleinunfälle aus1. Weil Skater und Skateboard-Fahrer einerseits Gehwege benutzen dürfen, andererseits beachtliche Geschwindigkeiten erreichen können – die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt zwischen 12 und 18 km/h2 –, wird ihnen bei einer Kollision mit einem Fußgänger im Zweifel zumindest ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) und gegen das Gebot, Schrittgeschwindigkeit einzuhalten (§ 24 Abs. 2 StVO) anzulasten sein. Wenn sie auf Wegen, die dem Fußgänger- und Radfahrerverkehr vorbehalten sind, Fußgängern oder Radfahrern begegnen, haben sie nach rechts auszuweichen; denn allein das entspricht – wie auch dann, wenn sich Fußgänger begegnen – den berechtigten Erwartungen des Gegenverkehrs3.
522
Skater und Skateboard-Fahrer können auch gegen für sie geltende Geschwindigkeitsbeschränkungen verstoßen. So muss z. B. in einem verkehrsberuhigten Bereich (§ 42 Abs. 4a StVO) selbst der Fahrzeugverkehr Schrittgeschwindigkeit (5–7 km/h) einhalten. In einer Fußgängerzone (§ 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO) und auf Gehwegen ist ebenfalls Schrittgeschwindigkeit einzuhalten. Diese Regelungen gelten – jedenfalls gem. § 24 Abs. 2 StVO – auch für Skater.
523
c) Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens des Verletzten Falls den Verletzten (Radfahrer, Skater, Fußgänger) ein Mitverschulden trifft, muss er ggf. nach § 254 BGB eine Anspruchskürzung hinnehmen.
524
Bei Unfällen zwischen Fußgängern (Joggern, Skatern) und/oder Radfahrern liegt häufig auch auf Seiten des Verletzten ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) vor; es richtet sich an alle Verkehrsteilnehmer, also auch an Radfahrer und Fußgänger.
525
Werden Radfahrer oder auch Skater von einem unachtsamen Fußgänger zu Fall gebracht, müssen sie sich evtl. wegen zu dichten Vorbeifahrens eine Anspruchskürzung gefallen lassen4. Evtl. kommt auch wegen überhöhter Geschwindigkeit eine Anspruchskürzung in Betracht. Denn wie bereits gesagt (s. fi Rz. 521), dürfen Skater und Radfahrer in verkehrsberuhigten Bereichen und in Fußgängerzonen nicht schneller als mit Schrittgeschwindigkeit fahren; für Skater gilt das auch bei der Gehwegbenutzung.
526
1 Albat, VGT 1998, S. 240, 245; s. z. B. OLG Koblenz v. 10. 1. 2001 – 1 U 881/99, NJW-RR 2001, 1392 = DAR 2001, 167 = OLGR 2001, 171. 2 Wendrich, NZV 2002, 212, 215. 3 OLG Hamm v. 30. 10. 2000 – 6 U 63/00, r+s 2001, 241; einschränkend KG v. 5. 7. 2007 – 12 U 195/05, VM 2007, Nr. 79. 4 OLG Köln v. 23. 8. 2000 – 11 U 16/00, VersR 2001, 1168.
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Teil 2 527
Rz. 527
Haftungsvoraussetzungen
Deshalb trägt z. B. der Radfahrer, dem in einem verkehrsberuhigten Bereich ein unachtsamer Fußgänger in das Rad gelaufen ist und der deshalb gestürzt ist und sich verletzt hat, ein Mitverschulden, wenn er schneller als 5–7 km/h gefahren ist und bei langsamerer Fahrweise den Unfall vermieden hätte.
9. Mehrere Schädiger, Außenhaftung und Innenausgleich Literatur: Figgener, Haftung bei mehreren Schädigern – Probleme der Quotenbildung, NJW Spezial 2006, 543; Henne, Eine fragwürdige Karriere des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB: Analoge Anwendung beim vertraglichen Schadensersatzanspruch?, VersR 2002, 685; Kirchhoff, Der Verkehrsunfall im Zivilprozess – Grundlagen und Systematik der Haftungsverteilung, DRiZ 2004, 148; Kirchhoff, Haftungsfragen bei Beteiligung Dritter am Verkehrsunfall, NZV 2001, 361; Kirchhoff, Der Verkehrsunfall im Zivilprozess, Haftungseinheit und Gesamtschau, MDR 1998, 377; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Lemcke, Der Direktanspruch gegen den KH-Versicherer, alte Probleme in neuem Gewand, FS für Wälder, 2009; Lemcke, Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung, r+s 2006, 52; Müller, Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB, VersR 2002, 429; Otzen, Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Mitverschuldensabwägung gegenüber mehreren Haftpflichtigen – ein Irrweg?, VersR 1997, 808; Stahl/Jahnke, Deckungs- und Haftungsfragen bei Unfallbeteiligung eines Anhängers, NZV 2010, 57;Steffen, Die Verteilung des Schadens bei Beteiligung mehrerer Schädiger an einem Verkehrsunfall, DAR 1990, 41; Zoll, Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen, Homburger Tage 2007, 7.
Ausgangsfall: A missachtet mit dem Pkw des B an einer Einmündung die Vorfahrt und kollidiert deshalb mit C, Fahrer des Pkw des D; C hat den Unfall evtl. durch überhöhte Geschwindigkeit mit verursacht und kann sich deshalb nicht entlasten; infolge der Kollision schleudert der Pkw des D gegen den Radfahrer E, der statt auf dem Radweg verkehrswidrig auf der Fahrbahn fährt und nur deshalb erfasst und schwer verletzt wird. E verlangt von den übrigen Unfallbeteiligten (A bis D) und deren Haftpflichtversicherern (VB und VD) Schadensersatz, ferner verlangen die beiden Halter ihren Fahrzeugschaden ersetzt (Lösung: s. fi Rz. 544, 550 f., 565, 569 ff., 597). 528
E kann A als Fahrer und B als Halter des wartepflichtigen Pkw aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. E kann den Fahrer A, weil dieser den Unfall mit seinen Folgen durch die Vorfahrtsverletzung schuldhaft verursacht hat, auch aus der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Soweit A und B haftpflichtig sind, haftet auch der Haftpflichtversicherer VB aus § 115 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG). 194
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 529 Teil 2
E kann aber auch C als Fahrer und D als Halter des vorfahrtsberechtigten Pkw aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, weil sie sich nicht entlasten können. Soweit C und D haftpflichtig sind, haftet auch der Haftpflichtversicherer VD aus § 115 Abs. 1 VVG. E muss sich aber wegen mitwirkenden Verschuldens gem. § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB eine Anspruchskürzung gefallen lassen. Denn sein verkehrswidriges Verhalten – Fahren auf der Fahrbahn statt auf dem Radweg, Verstoß gegen § 2 Abs. 4 StVO – ist für seine Verletzungen mitursächlich geworden; die Pflicht zur Radwegbenutzung dient seinem Schutz und zugleich der Entmischung des Verkehrs1. Die beiden Kfz-Halter B und D sind ebenfalls geschädigt. Sie können wegen ihres Fahrzeugschadens wechselseitig gegen den gegnerischen Halter, Fahrer und Versicherer aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG, 115 VVG) Ersatzansprüche geltend machen, müssen aber evtl. gem. § 17 StVG eine Anspruchskürzung hinnehmen. Zur Ermittlung der Quote, zu der die vier Schädiger A bis D und deren Haftpflichtversicherer – den Geschädigten E, B und D gegenüber (im Außenverhältnis) und – untereinander (im Innenverhältnis) haften, ist eine Auseinandersetzung mit den nachfolgend zu a) bis e) benannten Rechtsfiguren erforderlich, die sich teilweise aus dem Gesetz ergeben, teilweise aber auch von der Rechtsprechung entwickelt worden sind. Insbesondere der Innenausgleich unter mehreren Gesamtschuldnern hat aufgrund der Änderungen, die durch das 2. SchadÄndG für Unfälle seit dem 1. 8. 2002 gelten, erheblich an Bedeutung gewonnen. Wenn es z. B. zu einer Kollision mit mehreren Fahrzeugen gekommen ist und dabei auch Insassen verletzt worden sind, können die Insassen jetzt nach Belieben einen der beteiligten KH-Versicherer heraussuchen und in Anspruch nehmen; er hat die materiellen und immateriellen Schäden der Insassen aus §§ 7 StVG, 115 VVG voll zu ersetzen (zumindest innerhalb der Höchstgrenzen gem. § 12 f. StVG), selbst wenn der bei ihm Versicherte offensichtlich schuldlos in den Unfall verwickelt worden ist und nur nicht den Entlastungsbeweis führen kann, und es ist dann Sache des KHVersicherers, über den Gesamtschuldner-Innenausgleich zumindest einen Teil der Leistungen wieder ausgeglichen zu bekommen. Weil insoweit jetzt zudem nach § 195 BGB n. F. nicht mehr die 30jährige, sondern ab 1. 1. 2002 nur noch die 3jährige Verjährungsfrist gilt, besteht jetzt zu1 OLG Hamm v. 28. 10. 1993 – 6 U 91/93, r+s 1994, 296 = NZV 1995, 26; s. auch LG Duisburg v. 11. 10. 2000 – 3 O 151/00, NZV 2001, 174.
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Teil 2
Rz. 530
Haftungsvoraussetzungen
sätzlich – das hat insbesondere auch der eingeschaltete Anwalt zu beachten – kurzfristig Verjährungsgefahr; der Ausgleichsanspruch entsteht bereits mit der Begründung der Gesamtschuld, nicht erst mit der Zahlung1. 530
Die nachfolgende Darstellung wird wie folgt gegliedert: a) Mittäter- und (fahrlässige) Nebentäterschaft (fi Rz. 531 ff.) b) Gesamtschuldnerische Haftung (fi Rz. 534 ff.) c) Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit (fi Rz. 541 ff.) d) Einzelabwägung und Gesamtschau (fi Rz. 563 ff.) e) Gesamtschuldner-Innenausgleich (fi Rz. 574 ff.) f) Alternativtäterschaft i. S. d. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB (fi Rz. 608 ff.) a) Mittäter- und (fahrlässige) Nebentäterschaft aa) Mittäterschaft
531
Mittäter, Anstifter und Gehilfen i. S. d. § 830 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB haften nicht nur für die Schäden, die sie durch ihr eigenes Verhalten verursacht haben; sie müssen sich auch die Tatbeiträge der anderen Beteiligten wie eigene zurechnen lassen. Wenn also z. B. Jugendliche von einer Autobahnbrücke Steine werfen und dabei ein Stein ein Kfz trifft, haftet nicht nur derjenige, der getroffen hat, es haften auch alle übrigen Beteiligten für den Schaden, selbst diejenigen, die nur beim Steinesuchen geholfen haben. Voraussetzung ist aber, dass ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken vorliegt. bb) Fahrlässige Nebentäterschaft
532
Bei einem Verkehrsunfall mit mehreren Schädigern liegt immer eine (fahrlässige) Nebentäterschaft vor2. Anders als bei Mittätern haftet jeder Nebentäter dem Geschädigten gegenüber – wenn nicht der Fall des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB gegeben ist (dazu fi Rz. 608 ff.) – nur für den durch sein Verhalten (mit-)verursachten Schaden und nur im Rahmen seiner Einstandspflicht. Deshalb braucht sich im Ausgangsfall C den schuldhaften Verkehrsverstoß des A nicht zurechnen zu lassen; er haftet nur für den durch sein Verhalten mitverursachten Schaden und nur im Rahmen der sich daraus ergebenden Einstandspflicht, also nur aus der Gefährdungshaftung. 1 BGH v. 18. 6. 2009 – VII ZR 167/08, MDR 2009, 1276 = NJW 2010, 60 = VersR 2010, 294; Müller, VersR 2001, 429, 430 m. w. N.; Lemcke, r+s 2009, 45 ff., 52 ff. 2 S. z. B. OLG Hamm v. 15. 5. 2000 – 13 U 131/99, VersR 2000, 1036 = OLGR 2000, 367.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 536 Teil 2
Andererseits kann sich C im Rahmen der Gefährdungshaftung dem Geschädigten E gegenüber nur auf dessen eigene Mitverantwortung berufen, nicht aber darauf, dass sein Verantwortungsbeitrag viel geringer ist als der des A. Denn soweit mehrere Schädiger haftpflichtrechtlich in Anspruch genommen werden können – hier also, soweit die Ansprüche des E aus der Gefährdungshaftung sowohl gegen A als auch gegen C bestehen –, haften sie gem. § 840 Abs. 1 BGB dem Geschädigten gegenüber (d. h. im Außenverhältnis) als Gesamtschuldner.
533
b) Gesamtschuldnerische Haftung aa) Alles-oder-Nichts-Prinzip Im Haftpflichtrecht gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip, d. h. bei einer Mehrheit von Schädigern kann der Geschädigte grundsätzlich auch bei unterschiedlich hohen Verantwortungsbeiträgen sämtliche Schädiger gem. § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch voll in Anspruch nehmen; diese Norm findet auch bei Ansprüchen aus der Gefährdungshaftung entsprechende Anwendung1. Die volle Haftung aller Schädiger besteht unabhängig davon, ob sie Mittäter oder Nebentäter sind, auch unabhängig davon, ob die Verantwortungsbeiträge der Nebentäter selbstständig nebeneinander stehen oder zu einer Haftungseinheit verschmolzen sind.
534
Das unterschiedliche Gewicht der Verantwortungsbeiträge wird erst dann berücksichtigt, wenn es um die Frage geht, in welchem Umfang die Schädiger den Schaden im Innenverhältnis zu tragen haben, also beim Gesamtschuldner-Innenausgleich.
535
bb) Ausnahmen Anders ist es dann, wenn ein Gesamtschuldner nur für einen Teil der Schäden mitverantwortlich ist. Haftet der eine Gesamtschuldner nur aus der Gefährdungshaftung, der andere aus der Verschuldenshaftung, besteht die Gesamtschuldnerschaft nur, soweit sie beide haftpflichtig sind. Ebenso ist es, wenn der Schaden des Unfallopfers anschließend bei einem zweiten Unfall2 oder durch ärztliche Falschbehandlung3 vergrößert wird; dann haftet zwar der Erstschädiger i. d. R. auch für die nachträgliche Schadensausweitung mit; der Zweitschädiger ist aber nur für den Mehrschaden mitverantwortlich. Ist der Mehrschaden aber nicht hinreichend abgrenzbar, ist z. B. evtl. der Zweitunfall mitursächlich geworden für den 1 BGH v. 13. 12. 2005 – VI ZR 68/04, r+s 2006, 169 m. Anm. Lemcke = NJW 2006, 896 = NZV 2006, 191 = VersR 2006, 369. 2 BGH v. 20. 11. 2001 – VI ZR 77/00, r+s 2002, 107 = VersR 2002, 200; OLG Saarbrücken v. 27. 8. 1998 – 3 U 1018/97–71, NZV 1999, 510. 3 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 99; OLG Köln v. 18. 4. 1996 – 18 U 101/95, VersR 1997, 1367.
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Teil 2
Rz. 537
Haftungsvoraussetzungen
eingetretenen Dauerschaden, haftet der Zweitschädiger für diesen gesamtschuldnerisch voll mit1. 537
In diesen Fällen wird zu Lasten des Erstschädigers der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang in sehr weitem Umfang bejaht. Z. B. besteht bei einem Folgeunfall der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang, solange die Unfallstelle noch nicht abgesichert ist2. Der Zweitschädiger haftet dann nur für den Mehrschaden gesamtschuldnerisch mit. Es muss dann zunächst geklärt werden, in welchem Umfang der Schaden allein auf dem Zweitunfall bzw. auf der Falschbehandlung beruht; erst danach stellt sich die Frage, wie dieser Mehrschaden auf die Schädiger zu verteilen ist.
538
Anders ist es auch beim Schmerzensgeldanspruch; dessen Höhe ist bei mehreren Schädigern immer individuell zu ermitteln3.
539
Anders ist es ferner dann, wenn sich der Geschädigte – wie hier der E – wegen eines eigenen Mitverantwortungsbeitrags eine Anspruchskürzung gefallen lassen muss. Dann ist zunächst die Vorfrage zu klären, ob die Verantwortungsbeiträge der Schädiger identisch sind, d. h. zu einem einheitlichen Verantwortungsbeitrag verschmolzen sind mit der Folge, dass die Schädiger in einer Haftungseinheit stehen, oder ob ihre Verantwortungsbeiträge selbständig nebeneinander stehen. Das hat Auswirkung auf den Umfang der Kürzung, die der Geschädigte wegen seiner Mitverantwortung im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 254 BGB oder nach § 17 StVG hinnehmen muss. Insoweit ist zu unterscheiden: – Stehen die Mitverantwortungsanteile der Schädiger selbständig nebeneinander, finden die Grundsätze der Einzel- und Gesamtabwägung Anwendung (s. fi Rz. 563 ff.). – Ist der Mitverantwortungsanteil des Geschädigten mit dem eines Schädigers oder eines Teils der Schädiger zu einer Zurechnungseinheit verschmolzen, muss sich der Geschädigte deren Verantwortungsbeiträge schon bei Ermittlung seines Schadensersatzanspruchs anspruchskürzend zurechnen lassen; ein Gesamtschuldner-Innenausgleich findet nicht statt (s. fi Rz. 548 ff.).
540
Anders ist es schließlich in den Fällen des sog. gestörten Gesamtschuldnerausgleichs; hier wirkt sich der Umstand, dass ein Schädiger von der Haftung freigestellt ist, und zwar aus Gründen, die in der Rechtsbezie1 BGH v. 20. 11. 2001 – VI ZR 77/00, r+s 2002, 107 = VersR 2002, 200. 2 BGH v. 5. 10. 2010 – IV ZR 286/09, MDR 2010, 1378 = r+s 2011, 34 = NZV 2010, 609 = VersR 2010, 1662; BGH v. 10. 2. 2004 – IV ZR 218/03, r+s 2004, 212 = NZV 2004, 243 = VersR 2004, 529; BGH v. 9. 2. 1988 – VI ZR 168/87, MDR 1988, 664 = r+s 1988, 164 = VersR 1988, 640. 3 BGH v. 4. 6. 1996 – VI ZR 123/95, MDR 1996, 959 = NJW 1996, 2646 = VersR 1996, 1151.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 544 Teil 2
hung des Geschädigten zu diesem Schädiger liegen, dahin aus, dass die Haftung des nicht privilegierten Schädigers von vornherein beschränkt ist auf die Quote, die er im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs letztlich zu tragen hätte (s. näher fi Rz. 598 ff.). c) Haftungs- und Zurechnungseinheit Die Verantwortungsbeiträge mehrerer Beteiligter können zu einer Haftungs- oder Zurechnungseinheit verschmolzen sein1.
541
Ein typisches Beispiel dafür bilden die Verantwortungsbeiträge von Fahrer und Halter im Rahmen der Gefährdungshaftung. Der Halter hat für die Betriebsgefahr seines Kfz einzustehen, Bestandteil der im Augenblick des Unfalls von seinem Kfz ausgehenden Betriebsgefahr ist, wenn er sein Kfz nicht selbst gefahren hat, auch das Fehlverhalten des Fahrers. Der Fahrer hat dagegen nicht nur für sein eigenes Fehlverhalten einzustehen, sondern auch für die Betriebsgefahr des von ihm gelenkten Kfz. Ihre beiden Verantwortungsbeiträge sind also im Ergebnis völlig deckungsgleich, aber zu einer Einheit verschmolzen. Für diesen einheitlichen Beitrag haben beide dem Geschädigten gegenüber gesamtschuldnerisch einzustehen. Andererseits ist das Gewicht dieses Verantwortungsbeitrags nicht deshalb höher, weil statt des Halters ein anderer am Steuer gesessen hat und dem Geschädigten deshalb zwei Schuldner gegenüberstehen.
542
Wenn Halter und Fahrer (wie im Regelfall) beide haftpflichtig sind, ist der von ihnen gemeinsam zu tragende Mitverantwortungsanteil im Verhältnis zu dem Mitverantwortungsanteil des Geschädigten und damit auch ihre Haftungsquote immer gleich hoch. Ihr gemeinsamer Mitverantwortungsanteil ist immer zu einem einheitlichen Haftungsanteil verschmolzen. Andererseits ist dieser Anteil und damit die Haftungsquote nicht deshalb höher, weil für den Anteil zwei Schädiger verantwortlich sind und nicht nur einer.
543
Daraus folgt für den Ausgangsfall:
544
– Die Mitverantwortungsbeiträge einerseits von A und B und andererseits von C und D sind im Verhältnis zum Mitverantwortungsbeitrag des Geschädigten E jeweils zu einem einheitlichen Mitverantwortungsbeitrag verschmolzen, für den jeweils im Außenverhältnis zu E beide voll einzustehen haben, und zwar gem. § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch. – Wie der auf A und B bzw. auf C und D jeweils entfallende gemeinsame Haftungsanteil im Innenverhältnis zu tragen ist, entscheidet sich erst beim Gesamtschuldner-Innenausgleich. 1 S. näher Steffen, DAR 1990, 41; ferner Kirchhoff, MDR 1998, 377.
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Teil 2
Rz. 545
Haftungsvoraussetzungen
545
Es stellt sich aber die Frage, ob nicht auch die beiden Mitverantwortungsbeiträge A/B und C/D zu einer Einheit verschmolzen sind, ehe sie – nach der Kollision der beiden Kfz – auf den Mitverantwortungsanteil des Geschädigten E trafen.
546
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass in der Rechtsprechung neben gesetzlich begründeten auch tatsächlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten anerkannt sind.
547
Insoweit ist ferner zu berücksichtigen, dass Haftungs- oder Zurechnungseinheiten nicht nur auf der einen oder der anderen Seite, sondern auch übergreifend, zwischen Geschädigtem und einem (oder einem Teil) der Schädiger, bestehen können; es stellt sich deshalb die weitere Frage, ob sich E bei der Inanspruchnahme von A und B den Mitverantwortungsbeitrag von C und D zurechnen lassen muss oder umgekehrt den Beitrag von A und B bei der Inanspruchnahme von C und D. aa) Gesetzlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten
548
Derartige gesetzlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten bestehen nicht nur zwischen Halter und Fahrer, sondern z. B. auch zwischen Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe1 oder zwischen Tierhalter und Tierhüter2. Auch sie sind bei einem Unfall mit einem Dritten jeweils gemeinsam an einer einheitlichen Schadensursache beteiligt.
549
Haftungs- oder Zurechnungseinheiten können nicht nur auf der Schädiger-Seite, sondern auch auf der Geschädigten-Seite bestehen. So können z. B. in dem Ausgangsfall auch die beiden Kfz-Halter B und D wegen ihrer Kfz-Schäden wechselseitig Schadensersatzansprüche gegen den gegnerischen Halter und Fahrer geltend machen. Sie müssen sich aber den Mitverantwortungsanteil ihrer Fahrer jeweils wechselseitig (im Rahmen der Sondervorschrift des § 17 StVG) anspruchsmindernd zurechnen lassen, weil sie jeweils mit ihrem Fahrer eine Zurechnungseinheit bilden und sich deren Verhalten zurechnen lassen müssen.
550
Haftungs- oder Zurechnungseinheiten können aber auch übergreifend auf beiden Seiten, zwischen einem Geschädigten und einem oder einem Teil der Schädiger, bestehen3. So kann z. B. in dem Ausgangsfall – der Halter B wegen seines Kfz-Schadens sowohl seinen Fahrer A (aus § 823 BGB) als auch C und D (aus §§ 7, 18 StVG) gesamtschuldnerisch 1 BGH v. 25. 4. 1989 – VI ZR 146/88, MDR 1989, 901 = r+s 1989, 311 = VersR 1989, 730. 2 OLG Hamm v. 25. 4. 2006 – 9 U 7/05, r+s 2006, 374 = NZV 2007, 143 = OLGR 2007, 44; OLG Schleswig v. 20. 2. 1997 – 7 U 165/97, OLGR 1997, 138. 3 BGH v. 18. 4. 1978 – VI ZR 81/76, NJW 1978, 2392 = r+s 1978, 208 = VersR 1978, 735; s. Steffen, DAR 1990, 41, 45.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 552 Teil 2
(§ 840 Abs. 1 BGB) auf Ersatz in Anspruch nehmen; im Verhältnis zu B ist auch A Mitschädiger. – Der Halter B muss sich aber im Verhältnis zu C und D neben dem eigenen auch den Mitverantwortungsanteil seines Fahrers A zurechnen lassen. – Dagegen muss B sich bei der Inanspruchnahme des A seinen eigenen Mitverantwortungsanteil nicht zurechnen lassen (s. näher fi Rz. 246 f.). – Der Fahrer A haftet deshalb dem Halter B (i. d. R., anders, wenn z. B. aus verwandtschaftlichen oder arbeitsrechtlichen Gründen Haftungserleichterungen bestehen) voll, während C und D dem Halter B nur auf eine Quote haften. – Nur hinsichtlich dieser Quote haften dann A, C und D gesamtschuldnerisch, im Übrigen A allein. Im Verhältnis zu C und D muss der Mitverantwortungsanteil des A – das ist wichtig für die Regulierungspraxis – schon im Außenverhältnis zum Geschädigten B berücksichtigt werden. Später, beim GesamtschuldnerInnenausgleich zwischen A einerseits und C und D andererseits, kann er nicht mehr berücksichtigt werden. Das folgt daraus, dass B als Geschädigter mit A als einem der drei Schädiger in einer Zurechnungseinheit verbunden ist.
551
Ebenso ist es, wenn z. B ein Reiter infolge eines Reitfehlers mit einem fremden Pferd verunglückt und bei dem Unfall sowohl die Tiergefahr als auch die Betriebsgefahr eines fremden Pkw mitursächlich geworden ist. Der Reiter kann zwar – unter Berücksichtigung seiner eigenen Mitverantwortung (§§ 823, 834 BGB) – sowohl den Tierhalter aus § 833 BGB – die Tierhalterhaftung besteht grundsätzlich auch gegenüber dem Reiter (s. fi Rz. 445) – als auch den Kfz-Halter aus § 7 StVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Im Verhältnis zum Kfz-Halter bilden aber der Reiter als Tierhüter und der Tierhalter eine Zurechnungseinheit mit der Folge, dass die mitwirkende Tiergefahr schon bei der Inanspruchnahme des Kfz-Halters mitberücksichtigt werden muss und dass später zwischen Kfz-Halter und Tierhalter kein Gesamtschuldner-Innenausgleich mehr stattfinden kann1.
552
! Hinweis: Besteht zwischen dem Geschädigten und einem Schädiger eine Zurechnungseinheit, muss der Mitverantwortungsanteil dieses Schädigers schon bei der Inanspruchnahme der übrigen Schädiger berücksichtigt werden; ein späterer Gesamtschuldner-Innenausgleich ist nicht mehr möglich. 1 OLG Schleswig v. 20. 2. 1997 – 7 U 165/95, OLGR 1997, 138.
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Teil 2
Rz. 553
Haftungsvoraussetzungen
bb) Tatsächlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten 553
Verunglückt z. B. ein Kradfahrer nachts wegen eines unbeleuchtet auf der Fahrbahn abgestellten Lkw-Anhängers oder wegen einer nicht hinreichend abgesicherten Straßenbaustelle, ist es im Verhältnis zu dem geschädigten Kradfahrer gleichgültig, ob einer oder mehrere für den Gefahrenzustand verantwortlich sind. Sind mehrere Schädiger verantwortlich, haben sie gemeinsam eine identische Gefahrenquelle geschaffen, ihre Verantwortungsbeiträge sind zu einer Haftungseinheit verschmolzen1. Sie haften dem Kradfahrer gemeinsam gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz, im Falle des Mitverschuldens des Kradfahrers ist ihre gemeinsam zu tragende Haftungsquote aber nicht von der Anzahl der Schädiger abhängig, sondern von dem Gewicht ihres gemeinsamen Verantwortungsbeitrags im Verhältnis zum Mitverantwortungsbeitrag des Geschädigten. Das unterschiedliche Gewicht ihrer Einzelbeiträge wirkt sich erst beim Gesamtschuldner-Innenausgleich aus.
554
Ebenso ist es z. B., wenn mehrere Schädiger (Verwalter, Mieter, Nutzer) für den Brand einer Halle verantwortlich sind und sich dann bei der Brandbekämpfung ein Feuerwehrmann verletzt. Ohne eigenes Mitverschulden des Geschädigten haften alle drei Schädiger auch dann, wenn ihre Mitverantwortungsanteile unterschiedlich zu gewichten sind, nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip gem. § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch voll. Trifft den Feuerwehrmann ein Mitverschulden, ist die Frage bedeutsam, ob die Mitverantwortungsbeiträge der drei Schädiger selbstständig nebeneinander stehen – dann finden die Grundsätze der Einzel- und Gesamtabwägung Anwendung (s. fi Rz. 563 ff.) – oder ob sie (wie in dem vorstehenden Anhänger-Fall) zu einer Haftungseinheit verschmolzen sind. Der BGH2 hat auch hier eine Haftungseinheit bejaht, weil die Verantwortungsbeiträge der drei Schädiger im Wesentlichen identisch seien. Deshalb haften sie dem Feuerwehrmann (wegen seiner materiellen Schäden) gesamtschuldnerisch nach dem Gewicht ihres gemeinsamen Verantwortungsbeitrags. Dieser ist, so der BGH, identisch mit dem Gewicht des höchsten Einzelverantwortungsbeitrags. Hiernach bemisst sich die von ihnen gesamtschuldnerisch zu tragende Quote; die unterschiedlichen Einzelverantwortungsanteile sind erst beim Gesamtschuldner-Innenausgleich zu berücksichtigen.
555
Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs ist es aber – so der BGH3 – anders; hier gelten andere Abrechnungsgrundsätze. Das Schmerzensgeld 1 BGH v. 29. 9. 1970 – VI ZR 74/69, BGHZ 54, 283 = VersR 1970, 1110. 2 BGH v. 4. 6. 1996 – VI ZR 75/95, NJW 1996, 2646 = MDR 1996, 910 = VersR 1996, 1151. 3 BGH v. 4. 6. 1996 – VI ZR 75/95, NJW 1996, 2646 = MDR 1996, 910 = VersR 1996, 1151.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 557 Teil 2
ist auch bei mehreren in einer Haftungseinheit stehenden Schädigern individuell zu bemessen. Hier wirken sich also die unterschiedlichen Einzelverantwortungsanteile schon bei der Ermittlung des Ersatzanspruchs aus und nicht erst beim Innenausgleich. Auch tatsächlich begründete Haftungs- oder Zurechnungseinheiten können übergreifend zwischen dem Geschädigten und einem Mitschädiger bestehen. Wird z. B. ein Kind beim Überqueren der Fahrbahn von einem Kfz angefahren, kann das Kind nicht nur gegen den Kraftfahrer, sondern auch gegen seine die Aufsicht führende Großmutter oder Mutter Ersatzansprüche haben. Großmutter und Kind bilden aber – so der BGH1 – eine Haftungseinheit mit der Folge, dass der Mitverantwortungsanteil der Großmutter mit dem des Kindes verschmolzen ist und deshalb schon bei der Inanspruchnahme des Kraftfahrers durch das Kind berücksichtigt werden muss. Der Ersatzanspruch des Kindes ist dadurch zu ermitteln, dass das Gewicht des von Großmutter und Enkelkind gemeinsam zu tragenden Verantwortungsanteils dem des Kraftfahrers gegenübergestellt wird. Wird das versäumt, kommt dennoch ein späterer Gesamtschuldner-Innenausgleich zwischen Kraftfahrer und Großmutter nicht in Betracht.
556
Diese Auffassung des BGH ist allerdings nicht unbedenklich2. Denn es fehlt eine Zurechnungsnorm, nach der sich das Kind das Fehlverhalten der Großmutter zurechnen lassen muss. Nähme der Kraftfahrer wegen seines Schadens Großmutter und Kind in Anspruch, wäre es anders; jetzt müssten beide nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 840 Abs. 1 BGB haften, ohne einen Mitverantwortungsbeitrag des Kraftfahrers beide gemeinsam voll, mit einem Mitverantwortungsbeitrag des Kraftfahrers beide gemeinsam voll auf den Anteil, der sich nach dem Mitverantwortungsanteil der Großmutter bemisst und von Großmutter und Enkelkind gemeinsam zu tragen ist. Hier schafft der § 840 Abs. 1 BGB die Basis, das Kind gesamtschuldnerisch bis in Höhe des Verantwortungsbeitrags der Großmutter mithaften zu lassen. Auf der Geschädigten-Seite fehlt eine derartige Zurechnungsnorm, die Zurechnung wird allein durch die Rechtsfigur der Zurechnungseinheit begründet. Das vom BGH vertretene Ergebnis lässt sich allenfalls damit begründen, dass es hier nicht um die Frage der Zurechnung, sondern um die Ermittlung des Gewichts des Verantwortungsbeitrags des Kraftfahrers und damit um die Ermittlung seiner Haftungsquote geht.
557
1 BGH v. 18. 4. 1978 – VI ZR 81/76, NJW 1978, 2392 = r+s 1978, 208 = VersR 1978, 735; s. Steffen, DAR 1990, 41, 45; s. auch OLG Hamm v. 3. 3. 1994 – 6 U 186/93, OLGR 1994, 149 = Juris; OLG Stuttgart v. 12. 7. 1991 – 2 U 190/90, NZV 1992, 169. 2 A. A. z. B. Greger, 4. Aufl. § 22, Rz. 142.
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Teil 2 558
Rz. 558
Haftungsvoraussetzungen
Zu beachten ist, dass ein noch nicht 7 Jahre altes Kind nicht in einer Haftungs- oder Zurechnungseinheit stehen kann. Denn es ist noch nicht deliktsfähig (§ 828 Abs. 1 BGB). Wer noch nicht haftpflichtig ist, kann auch nicht in einer Haftungs- oder Zurechnungseinheit stehen. Ein unter 7 Jahre altes Kind braucht sich deshalb ein Fehlverhalten des Aufsichtsführenden nicht anspruchsmindernd zurechnen zu lassen1. Bei einem Unfall mit einem Kfz oder einer Bahn liegt die Verantwortlichkeitsgrenze für Kinder jetzt nach § 828 Abs. 2 BGB n. F. erst bei 10 Jahren. cc) Haftungs- oder Zurechnungseinheit bei Unfall mit mehreren Kfz
559
Auch bei einem Unfall unter Beteiligung mehrerer Kfz im Straßenverkehr können die Mitverantwortungsbeiträge mehrerer Beteiligter zu einer Zurechnungs- oder Haftungseinheit verschmelzen. So können z. B. dann, wenn an einer Kreuzung der Fahrer des ersten Kfz in Verkennung der Vorfahrtsregelung grundlos anhält und der Fahrer des zweiten Kfz – sowohl deshalb als auch aus Unaufmerksamkeit – auffährt und der Fahrer des dritten Kfz nunmehr – sowohl aufgrund der Bremswegverkürzung als auch aus Unaufmerksamkeit – ebenfalls auffährt, die Mitverantwortungsbeiträge der beiden ersten Fahrer für den Schaden des dritten Fahrers zu einer Haftungseinheit verschmolzen sein. Aus der Sicht des dritten Fahrers ist es bedeutungslos, warum ihm der zweite Fahrer plötzlich den Bremsweg verkürzt hat, die Verantwortungsbeiträge der beiden ersten Fahrer für den Zweitunfall sind auch im Wesentlichen identisch. Ähnlich kann es sein, wenn bei einem Auffahrunfall das vordere Fahrzeug beschleunigt wird und dann auf dessen Vordermann aufgeschoben wird2.
560
I. d. R. stehen aber bei einem Unfall unter Beteiligung mehrerer Kfz die Verantwortungsbeiträge der Kraftfahrer selbstständig nebeneinander3. Voraussetzung für ein Verschmelzen ist nicht nur, dass sich zwei Schadensursachen bereits verbunden hatten, ehe die dritte hinzutrat. Es muss auch eine weitgehende Identität der Beiträge bestehen4. I. d. R. tritt durch den Erstunfall eine Gefahrerhöhung für andere Verkehrsteilnehmer ein. Die Verantwortungsbeiträge der Beteiligten des Erstunfalls für den Zweitunfall sind dann nicht im Wesentlichen identisch, sie haben sich viel1 BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 = MDR 1988, 766 = VersR 1988, 632; OLG Düsseldorf v. 12. 1. 1981 – 1 U 152/79, VersR 1982, 300. 2 OLG Hamm v. 6. 9. 2001 – 6 U 188/00, NZV 2002, 175 = DAR 2002, 268; das OLG nimmt hier eine „Bündelung“ der Betriebsgefahren an, die Betriebsgefahren der beiden nachfolgenden Fahrzeuge waren hier zu einer Haftungseinheit verschmolzen, ehe das mittlere Fahrzeug auf das vordere traf. 3 S. z. B. OLG Hamm v. 15. 5. 2000 – 13 U 131/99, VersR 2000, 1036; s. auch Anm. Lemcke, r+s 2001, 23 zu BGH v. 17. 10. 2000 – VI ZR 313/99. 4 Steffen, DAR 1990, 41, 45.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 564 Teil 2
mehr zu höherer Gefahrenträchtigkeit addiert1. Es handelt sich dann nicht um ein Verschmelzen mehrerer nahezu identischer Gefahrenbeiträge, sondern um eine Gefahrenaddition. In dem Ausgangsfall hatten sich zwar der durch die Vorfahrtverletzung des A begründete Mitverantwortungsbeitrag A/B und der allein durch die Betriebsgefahr begründete Mitverantwortungsbeitrag C/D durch die Kollision miteinander verbunden mit der Folge, dass nunmehr ein Kfz unkontrolliert in Richtung auf den Radfahrer E schleuderte. Es fehlt aber eine weitgehende Identität der Beiträge und damit ein Verschmelzen zu einem einheitlichen Gefahrenbeitrag; es handelt sich hier vielmehr um eine typische Gefahrenaddition.
561
Weil die beiden Mitverantwortungsbeiträge A/B und C/D nicht zu einer Haftungseinheit verbunden sind, brauchen sich C und D den höheren Mitverantwortungsbeitrag A/B nicht zurechnen zu lassen. Erst recht braucht sich E bei der Inanspruchnahme von A und B oder von C und D nicht den jeweils anderen Mitverantwortungsbeitrag zurechnen zu lassen.
562
d) Einzelabwägung und Gesamtschau Nimmt in dem Ausgangsfall der Geschädigte E allein den Fahrer A, den Halter B und deren Haftpflichtversicherer VB gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Anspruch, findet nur eine Einzelabwägung statt. Die Tatsache, dass auch C und D haftpflichtig sind, bleibt dann völlig unberücksichtigt. Wägt man einerseits die durch die schuldhafte Vorfahrtsverletzung erhöhte Betriebsgefahr und andererseits das verhältnismäßig geringe Mitverschulden des E gegeneinander ab, erscheint eine Haftungsquote von 75 % gerechtfertigt; jedenfalls soll nachfolgend davon ausgegangen werden.
563
Nimmt der Geschädigte E allein den Fahrer C, den Halter D und deren Haftpflichtversicherer VD gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Anspruch, findet ebenfalls nur eine Einzelabwägung statt. In diesem Falle bleibt die Tatsache, dass auch A und B haftpflichtig sind, völlig unberücksichtigt. Wägt man einerseits die einfache Betriebsgefahr und andererseits das verhältnismäßig geringfügige Mitverschulden des E gegeneinander ab, erscheint hier eine Haftungsquote von 50 % gerechtfertigt; jedenfalls soll nachfolgend davon ausgegangen werden.
564
1 OLG Hamm v. 20. 3. 2000 – 6 U 216/99, r+s 2000, 235; OLG Hamm v. 2. 9. 1999 – 6 U 55/99, r+s 2000, 103 = NZV 2000, 371; OLG Hamm v. 31. 8. 1998 – 6 U 15/98, MDR 1999, 34 = r+s 1998, 501 = OLGR 1998, 387.
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Teil 2 565
Rz. 565
Haftungsvoraussetzungen
Im Ergebnis kann E somit – A, B und VB gesamtschuldnerisch auf eine Quote von 75 % und – C, D und VD gesamtschuldnerisch auf eine Quote von 50 % seines Schadens in Anspruch nehmen.
566
Nimmt E aber alle vier Schädiger und die beiden Haftpflichtversicherer gleichzeitig (oder nacheinander) in Anspruch, muss nach der Rechtsprechung des BGH1 – zwar zunächst eine derartige doppelte Einzelabwägung stattfinden, – anschließend aber eine Gesamtabwägung, innerhalb derer der Mitverantwortungsanteil des Geschädigten – 25 % bzw. 50 % – nur einmal angesetzt werden darf. Der BGH begründet das damit, dass bei einer Mehrheit von Schädigern mit jeweils selbstständig zu berücksichtigenden Mitverantwortungsbeiträgen der Geschädigte andernfalls insgesamt benachteiligt werde.
567
Das bedeutet: Sind z. B. der Geschädigte und zwei Schädiger zu jeweils gleichen Anteilen für den Schaden des Geschädigten verantwortlich, kann dieser zwar – jeden der beiden Schädiger nur zu 1/2, – beide zusammen aber zu 2/3 seines Schadens auf Ersatz in Anspruch nehmen, d. h. von einem Schaden von 30 000 Euro hat zwar jeder Schädiger nur 15 000 Euro zu zahlen, – beide zusammen aber 20 000 Euro, also 5 000 Euro mehr.
568
Das wird im Rahmen der Schadensregulierung häufig nicht beachtet. In der Praxis wird i. d. R. der Schädiger mit dem voraussichtlich höchsten Haftungsanteil herausgegriffen und in Anspruch genommen2; die Vorteile, die die – nicht aus dem Gesetz abzuleitende, sondern allein von der Rechtsprechung entwickelte – Gesamtabwägung (Gesamtschau) dem 1 BGH v. 16. 6. 1959 – VI ZR 95/58, BGHZ 30, 203; BGH v. 29. 9. 1970 – VI ZR 74/69, BGHZ 54, 83 = VersR 1970, 1110; BGH v. 25. 4. 1989, VI ZR 146/88, MDR 1989, 901 = r+s 1989, 311 = VersR 1989, 730; s. auch OLG Hamm v. 15. 5. 2000 – 13 U 131/99, VersR 2000, 1036; OLG Düsseldorf v. 25. 5. 1994 – 15 W 13/94, OLGR 1994, 216; OLG Celle v. 22. 3. 1990 – 5 U 129/88, VersR 1991, 234; s. auch Steffen, DAR 1990, 41; s. ferner Kirchhoff, MDR 1998, 377; Lemcke, r+s 2009, 45 ff., 48 f. 2 Beispiele: OLG Hamm v. 31. 8. 1998 – 6 U 15/98, r+s 1998, 501 = OLGR 1998, 387; OLG Hamm v. 20. 3. 2000 – 6 U 216/99, r+s 2000, 235 = OLGR 2000, 168 = DAR 2000, 356; OLG Hamm v. 2. 9. 1999 – 6 U 55/99, r+s 2000, 103 = NZV 2000, 371.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 572 Teil 2
Geschädigten bietet, werden häufig nicht wahrgenommen. Andererseits: Werden mehrere Unfallverursacher gleichzeitig in Anspruch genommen, ist wegen der erforderlichen Gesamtschau und der Gefahr widersprechender Entscheidungen der Erlass eines Teilurteils gegen einen Unfallverursacher unzulässig1.
! Hinweis: Sind mehrere Schädiger mit jeweils selbstständig zu berücksichtigenden Mitverantwortungsbeiträgen vorhanden, ist eine Gesamtabwägung erforderlich, innerhalb derer der Verantwortungsbeitrag des Geschädigten zu dessen Gunsten nur einmal angesetzt werden darf. Für den Ausgangsfall bedeutet das:
569
– Nach der Einzelabwägung ist, wie bereits aufgezeigt, der Mitverantwortungsanteil des Geschädigten E im Verhältnis zu A und B mit 25 % zu 75 % = 1 zu 3 Anteilen anzusetzen, im Verhältnis zu C und D mit 50 % zu 50 % = 1 zu 1 Anteilen. – Im Rahmen des Gesamtabwägung ist der zweifache Anteil des Geschädigten E nur einmal anzusetzen, d. h. die Gesamtabwägung ergibt hier Anteile von 1 (E) zu 3 (A/B) + 1 (C/D). E kann deshalb von allen vier Schädigern und den beiden Haftpflichtversicherern zusammen 4/5 = 80 % seines – materiellen – Schadens ersetzt verlangen, also z. B. bei einem Schaden von 100 000 Euro zwar
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von A/B nur 75 000 Euro und von C/D nur 50 000 Euro, von allen insgesamt aber 80 000 Euro. Die Praxis formuliert den Tenor teilweise so: Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 80 000 Euro zu zahlen, jedoch A, B und BV gesamtschuldnerisch insgesamt nicht mehr als 75 000 Euro und C, D und VD gesamtschuldnerisch insgesamt nicht mehr als 50 000 Euro.
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Korrekter ist es, eine Gesamtschuld und je eine Separatschuld zu bilden, die für den einen Schädiger selbst dann noch besteht, wenn der andere voll geleistet hat. Danach schulden
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A, B und VB allein 30 000 Euro (80 000 Euro ./. 50 000 Euro), C, D und VD allein 5 000 Euro (80 000 Euro ./. 75 000 Euro); 1 OLG Hamm v. 15. 5. 2000 – 13 U 131/99, VersR 2000, 1036.
Lemcke
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Teil 2
Rz. 573
Haftungsvoraussetzungen
die restlichen 45 000 Euro bilden die „echte“ Gesamtschuld, die E zusätzlich von allen gesamtschuldnerisch fordern kann. 573
Werden A, B und VB oder C, D und VD isoliert in Anspruch genommen, bleibt es bei der Verurteilung auf Zahlung von 75 000 Euro bzw. von 50 000 Euro. Die Gesamtschau ist erforderlich, – wenn alle gleichzeitig in Anspruch genommen werden, wenn die Prozesse nacheinander geführt werden und eine Schädigergruppe bereits verurteilt ist, oder – wenn ein Haftpflichtversicherer bereits seinen Anteil gezahlt hat. e) Gesamtschuldner-Innenausgleich
574
Grundsätzlich findet der Innenausgleich unter Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB statt. Danach sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“. Derartige Sonderregeln enthalten insbesondere § 840 Abs. 2 und 3 BGB, aber auch § 17 Abs. 1 StVG und § 3 Nr. 9 PflVG, jetzt § 116 VVG.
575
Soweit diese Sonderregeln nicht anwendbar sind, richtet sich die Abwägung bei Schadensersatzansprüchen unter mehreren Gesamtschuldnern nach § 254 BGB. Zwar regelt § 254 BGB nur den Umfang der Ersatzpflicht des Schädigers bei einem Mitverschulden des Geschädigten. Für den Innenausgleich mehrerer Schädiger untereinander findet aber § 254 BGB entsprechende Anwendung1.
576
Weil die Abwägungskriterien bei § 17 Abs. 1 StVG und bei § 254 BGB identisch sind, gelten für die Abwägung im Innenverhältnis zwischen zwei Schädigern im Ergebnis immer dieselben Kriterien wie bei der Abwägung im Außenverhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger; lediglich in § 840 Abs. 2 und 3 BGB und in § 3 Nr. 9 PflVG bzw. jetzt § 116 VVG sind hiervon abweichende Sonderregelungen enthalten. aa) Gesamtschuldnerausgleich nach § 840 Abs. 2 und 3 BGB
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§ 840 Abs. 2 und 3 BGB legen fest, dass in bestimmten Fällen ein Schädiger den Schaden im Innenverhältnis allein zu tragen hat. In diesen Fällen ist also für eine Abwägung kein Raum. Es geht um Fälle, in denen der eine Gesamtschuldner den Schaden nachweislich verschuldet hat, während der andere nur aus vermutetem Verschulden oder nur aus der Gefährdungshaftung haftet; in diesen Fällen soll der Erstgenannte den Schaden im Innenverhältnis allein tragen. 1 BGH v. 22. 4. 1980 – VI ZR 134/78, MDR 1980, 923 = NJW 1980, 2348 = VersR 1980, 770.
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Lemcke
II. Haftungsgrundlagen
Rz. 583 Teil 2
(1) Gesamtschuldnerausgleich nach § 840 Abs. 2 BGB Diese Bestimmung regelt insbesondere das Ausgleichsverhältnis zwischen dem nach § 823 BGB haftenden Verrichtungsgehilfen und dem (nur) nach § 831 BGB haftenden Geschäftsherrn. Danach ist der – allein aus nachgewiesenem Verschulden haftende – Verrichtungsgehilfe im Innenverhältnis allein zur Schadenstragung verpflichtet.
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Zu beachten ist aber, dass in dem Verhältnis zwischen Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe häufig ein arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch1 bestehen wird. Dann hat, abweichend von § 840 Abs. 2 BGB, im Innenverhältnis im Ergebnis der Geschäftsherr den Schaden aus arbeitsvertraglichen Gründen (ganz oder teilweise) zu tragen. (2) Gesamtschuldnerausgleich nach § 840 Abs. 3 BGB Diese Bestimmung regelt das Ausgleichsverhältnis zwischen dem nach § 823 BGB aus nachgewiesenem Verschulden Haftenden und den aus §§ 833 bis 838 BGB Haftenden; auch hier haftet wieder der nachweislich schuldhaft Handelnde gegenüber demjenigen, der ohne Verschuldensnachweis oder aus vermutetem Verschulden haftet, im Innenverhältnis allein2.
579
Das bedeutet z. B., dass dann, wenn ein Reiter mit einem fremden Pferd durch einen schuldhaften Reitfehler einen Dritten schädigt, zwar neben dem aus § 823 BGB haftenden Reiter im Außenverhältnis auch der Tierhalter gem. §§ 833, 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch mithaftet, dass aber im Innenverhältnis der Reiter den Schaden des Dritten gem. § 840 Abs. 3 BGB allein zu tragen hat.
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§ 840 Abs. 3 BGB findet analog Anwendung, wenn ein Tier durch Verschulden eines anderen verletzt wird. Der Tierhalter kann dann den aus § 823 BGB haftpflichtigen Schädiger voll in Anspruch nehmen, er muss nicht in entsprechender Anwendung des § 840 Abs. 3 BGB wegen der mitwirkenden Tiergefahr eine Anspruchskürzung hinnehmen.
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Das gilt aber nicht in dem umgekehrten Verhältnis, wenn ein Tier einen anderen verletzt und diesen dabei ein Mitverschulden trifft. Deshalb kann der verletzte Reiter den Pferdehalter aus § 833 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, er muss sich sein Mitverschulden nur gem. § 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen (s. näher fi Rz. 445 ff.).
582
Liegen die besonderen Voraussetzungen des § 840 Abs. 3 BGB nicht vor, ist bei einem Unfall zwischen Tier und Kfz die Spezialregelung des § 17 Abs. 4 StVG zu beachten; insbesondere in den Fällen, in denen beider-
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1 Greger, 4. Aufl., § 16, Rz. 41. 2 S. z. B. OLG Schleswig v. 17. 4. 2003 – 7 U 61/00, OLGR 2003, 499.
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Teil 2
Rz. 584
Haftungsvoraussetzungen
seits ein Verschulden oder beiderseits kein Verschulden vorliegt, hat jeweils eine Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG stattzufinden. Die Tiergefahr wiegt dann im Zeifel immer wesentlich schwerer. bb) Gesamtschuldnerausgleich nach §§ 426 Abs. 1, 254 BGB bzw. nach § 17 Abs. 1 StVG (1) Fahrzeugschaden des Halters B 584
Im Ausgangsfall kann der Halter B wegen seines Fahrzeugschadens seinen eigenen Fahrer A wegen der schuldhaften Unfallverursachung aus § 823 BGB voll auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (s. näher fi Rz. 239 ff.). Wegen dieses Schadens kann der Halter B auch C und D als Mitschädiger in Anspruch nehmen, diese aber nur nach §§ 7, 18 StVG und nur in Höhe einer Quote, die im Rahmen einer Haftungsabwägung nach §§ 17 Abs. 2, 18 StVG i. V. m. § 17 Abs. 1 StVG zu ermitteln ist; denn im Verhältnis zu C und D muss sich B den Mitverantwortungsanteil seines – mit ihm in einer Zurechnungseinheit stehenden – Fahrers A zurechnen lassen. Im Rahmen dieser Haftungsabwägung ist auf Seiten A/B die durch die schuldhafte Vorfahrtsverletzung erhöhte Betriebsgefahr zu berücksichtigen, auf Seiten C/D allein die einfache Betriebsgefahr. In einem derartigen Fall ist es häufig angemessen, der Vorfahrtsverletzung ein solches Gewicht beizumessen, dass die gegnerische einfache Betriebsgefahr dahinter zurücktritt. Allenfalls kommt eine Mitbeteiligung von 20 % in Betracht; hiervon soll nachfolgend ausgegangen werden. Im Ergebnis kann dann also B von A vollen Ersatz seines Fahrzeugschadens verlangen, in Höhe von 20 % haften C und D gem. § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch mit.
585
Wegen dieser 20 % hat zwischen A, C und D ein Gesamtschuldner-Innenausgleich nach § 426 BGB stattzufinden. Die Sonderregelung des § 17 Abs. 1 StVG findet hier keine Anwendung. Sie setzt voraus, dass die Schuldner dem Gläubiger gegenüber sämtlich zumindest auch aus der Gefährdungshaftung haftpflichtig sind. Der Fahrer A haftet dem Halter B gegenüber aber nur aus § 823 BGB (s. fi Rz. 237 ff.).
586
Bei dem Gesamtschuldner-Innenausgleich ist hier zu beachten, dass zwei der drei Gesamtschuldner, hier C und D, in einer Haftungseinheit stehen. Es ist deshalb der Mitverantwortungsanteil des A und der verbundene Mitverantwortungsanteil C/D gegeneinander abzuwägen; ggf. hat dann ein zweistufiger Gesamtschuldner-Innenausgleich1 stattzufinden, d. h. C und D haben sich später in einer 2. Stufe auseinander zu setzen. 1 BGH v. 25. 4. 1989 – VI ZR 146/88, MDR 1989, 901 = r+s 1989, 311 = VersR 1989, 730.
210
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 590 Teil 2
Dazu folgender BGH-Fall1: Ein Pkw-Fahrer verunglückt in einer Straßenbaustelle, er nimmt den Bauleiter (B1) und dessen Arbeitgeber (B2) sowie das für die Verkehrssicherungspflicht zuständige Land (B3) erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch. B3 gleicht den Schaden aus und nimmt B1 und B2 im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch. Das OLG hatte alle drei Ursachenbeiträge als gleichgewichtig angesehen und B1 und B2 zur Erstattung von 2/3 verurteilt.
587
Der BGH hat darauf hingewiesen, es sei nicht berücksichtigt, dass zwischen B1 und B2 eine Haftungseinheit bestanden habe; ihre Verantwortungsbeiträge seien in ein und demselben Ursachenbeitrag zusammengeflossen. B1 und B2 seien deshalb gegenüber B3 wie ein Verursacher zu behandeln; der von ihnen gemeinsam zu verantwortende Verursachungsbeitrag dürfe nicht doppelt ins Gewicht fallen. Die in einer Haftungseinheit verbundenen Gesamtschuldner hafteten im Innenausgleich dem außerhalb der Einheit stehenden Mitschuldner in Höhe des auf die Einheit entfallenden Anteils wiederum als Gesamtschuldner, sie hätten sich ggf. ihrerseits auf einer 2. Stufe unabhängig von den Mitschädigern auseinander zu setzen. Der BGH hat die Ersatzpflicht von B1 und B2 deshalb auf insgesamt 50 % reduziert und sie insoweit als Gesamtschuldner verurteilt. Im Ausgangsfall dürfte es angemessen sein, dem Fahrer A den Schaden des B im Rahmen des Gesamtschuldner-Innenausgleichs gem. § 426 BGB voll aufzubürden, d. h. er hat auch den im Verhältnis zum Geschädigten B auch von den Mitschuldnern C und D gesamtschuldnerisch zu tragenden Anteil von 20 % im Innenverhältnis allein zu tragen.
588
(2) Fahrzeugschaden des Halters D Nimmt in dem Ausgangsfall der Halter D wegen seines eigenen Fahrzeugschadens A und B auf Schadensersatz in Anspruch, ist im Rahmen der Haftungsabwägung nach §§ 17 Abs. 2, 18 StVG i. V. m. § 17 Abs. 1 StVG auf Seiten A/B die schuldhafte Vorfahrtsverletzung zu berücksichtigen, auf Seiten C/D allein die einfache Betriebsgefahr.
589
Die Abwägungskriterien sind identisch mit denen, die anzuwenden sind, wenn der Halter B seinen Fahrzeugschaden gegen C und D geltend macht (s. fi Rz. 584). Kann der Halter B von C und D aber gesamtschuldnerisch 20 % seines Schadens ersetzt verlangen, folgt daraus zugleich, dass der Halter D von A und B gesamtschuldnerisch 80 % seines Schadens ersetzt verlangen kann.
590
1 BGH v. 25. 4. 1989 – VI ZR 146/88, MDR 1989, 901 = r+s 1989, 311 = VersR 1989, 730.
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Teil 2
Rz. 591
Haftungsvoraussetzungen
(3) Schaden des Radfahrers E 591
Sind an einem Verkehrsunfall wie hier zwei Kraftfahrer beteiligt, enthält § 17 StVG – in Abs. 2 eine Sonderregelung zu § 254 BGB für die wechselseitige Haftung der Kraftfahrer als Schädiger für den Schaden des anderen (Sonderregelung für das Haftungsverhältnis Geschädigter – Schädiger), – in Abs. 1 eine Sonderregelung zu § 426 BGB für den Fall, dass beide Kraftfahrer einem Dritten ersatzpflichtig sind (Sonderregelung für das Ausgleichsverhältnis der beiden Schädiger). Weil Abs. 2 auf Abs. 1 verweist, erfolgt die Festlegung des Haftungs- und des Ausgleichsverhältnisses nach denselben Kriterien; mit der Festlegung des Haftungsverhältnisses zwischen den beiden Kraftfahrern liegt zugleich auch das Ausgleichsverhältnis fest, nach dem sie den Schaden des Dritten zu tragen haben.
592
Weil hier das Haftungsverhältnis zwischen A/B und C/D auf 80 %: 20 % festgelegt ist (s. fi Rz. 590), liegt damit zugleich fest, zu welchen Anteilen die Gesamtschuldner A/B einerseits und C/D andererseits den Schaden des E im Innenverhältnis zu tragen haben, soweit er von ihnen gesamtschuldnerisch zu ersetzen ist.
593
Das bedeutet: Der gesamtschuldnerisch zu tragende Schadensteil von 80 % (20 % sind von E selbst zu tragen) ist im Innenverhältnis von A/B zu 80 % (= 64 %) und von C/D zu 20 % (= 16 %) zu tragen.
594
Ginge man davon aus, dass im Haftungsverhältnis zwischen A/B und C/D C und D voll haften, hätten diese auch im Innenverhältnis den Schaden des E allein zu tragen, soweit ein Ersatzanspruch besteht. Sie hätten den Schaden des E also in Höhe von 80 % (Ergebnis der Gesamtabwägung) zu tragen und nicht nur in Höhe von 75 % (Ergebnis der Einzelabwägung).
595
Der Umstand, dass die Einzelabwägung für A/B eine Haftungsquote von 75 % und für C/D eine Haftungsquote von 50 % ergeben hat – hieraus ergäbe sich für das Innenverhältnis eine Aufteilung von 3 : 2 = 60 % zu 40 % – ist für den Gesamtschuldner-Innenausgleich nach § 17 Abs. 1 S. 1 StVG nicht maßgeblich. Es kommt nicht auf ihr Haftungsverhältnis zu E, sondern auf ihr Haftungsverhältnis zueinander an. cc) Gesamtschuldnerausgleich nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG
596
Im Innenverhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer und den Versicherten (Halter und Fahrer) hat – jedenfalls im Regelfall; anders, wenn 212
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 599 Teil 2
der Versicherer aus versicherungsvertraglichen Gründen leistungsfrei ist – abweichend von § 426 BGB der Haftpflichtversicherer den auf Halter und Fahrer entfallenden Schadensteil gem. § 115 Abs. 1 S. 4 VVG (früher § 3 Nr. 9 S. 1 PflVG) allein zu tragen. Zwischen den beiden Haftpflichtversicherern findet dann wieder (jedenfalls nach h. M.1) unmittelbar ein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB statt. Das bedeutet im Endergebnis für den Ausgangsfall:
597
– VB hat im Innenverhältnis zwischen A, B und VB den Fahrzeugschaden des Halters D nach einer Quote von 80 % und den Schaden des Radfahrers E nach einer Quote von 64 % zu tragen. – VD hat im Innenverhältnis zwischen C, D und VD den Schaden des Radfahrers E nach einer Quote von 16 % zu tragen. – Der Fahrer A hat im Innenverhältnis den Fahrzeugschaden des Halters B voll zu tragen. – Im Übrigen müssen die Geschädigten ihren Schaden jeweils selbst tragen. dd) Gestörter Gesamtschuldnerausgleich Er besteht, wenn die Inanspruchnahme eines oder eines Teils von mehreren Gesamtschuldnern trotz grundsätzlich bestehender Haftpflicht aus in dem Verhältnis zwischen dem Geschädigten und diesen Schädigern liegenden Gründen nicht möglich ist, z. B. deshalb, weil er gem. §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegiert ist. Er besteht nicht, wenn von mehreren Schädigern einer oder ein Teil deshalb nicht in Anspruch genommen werden kann, weil er nicht haftpflichtig ist, z. B. deshalb nicht, weil er nur wegen grober Fahrlässigkeit haftet (§§ 1359, 1664 BGB); dann liegt schon kein Gesamtschuldverhältnis vor, erst recht kein gestörtes2.
598
Fährt z. B.3 auf dem Werksgelände des Arbeitgebers ein Mitarbeiter eine Arbeitskollegin mit dem Pkw seiner Ehefrau an, kann die Geschädigte
599
1 Zwar vom BGH offen gelassen im Beschl. v. 27. 7. 2010 – VI ZB 49/08, MDR 2010, 1322 = r+s 2010, 433 = NZV 2010, 560 = VersR 2010, 1360; bejahend aber BGH v. 13. 6. 1978 – VI ZR 166/76, MDR 1979, 129 = VersR 1978, 843 zu II., OLG Hamm v. 24. 11. 2008 – 6 U 105/08, r+s 2009, 124 = NZV 2009, 187 = VersR 2009, 652 = OLGR 2009, 195; OLG München v. 15. 12. 1999 – 7 U 4486/99, VersR 2002, 1289 = NVersZ 2000, 349 = NJW-RR 2000, 837 = OLGR 2000, 33; OLG Düsseldorf v. 24. 11. 1997 – 1 U 255/96, NZV 1998, 502 = VersR 1998, 1521; Knappmann in Prölss/Martin, 27. Aufl., § 3 Nr. 1, 2 PflVG, Rz. 11; Greger, 4. Aufl., § 15 Rz. 37. 2 BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 = MDR 1988, 766 = VersR 1988, 632; OLG Hamm v. 20. 1. 1992 – 6 U 13/91, NJW 1993, 542; s. näher Lemcke, r+s 2006, 52. 3 BGH v. 23. 3. 1993 – VI ZR 164/92, MDR 1993, 623 = r+s 1993, 324 = VersR 1993, 841; s. auch OLG Saarbrücken v. 19. 12. 2000 – 4 U 941/99–289, r+s 2002, 67.
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Teil 2
Rz. 600
Haftungsvoraussetzungen
zwar die Ehefrau als Halterin des Pkw aus § 7 StVG in Anspruch nehmen, den Arbeitskollegen als Fahrer dieses Pkw – trotz seiner grundsätzlich bestehenden Haftpflicht aus §§ 18 StVG, 823 BGB – aber nicht. Denn die Arbeitskollegin hat den Unfall als Arbeitsunfall erlitten, sie hat deshalb Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung erworben. Das führt aber andererseits dazu, dass sie nach den Regelungen über die sog. Haftungsersetzung Haftpflichtansprüche gegen den Arbeitskollegen nicht geltend machen kann; dessen Haftung ist durch die Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung ersetzt, dieser ist gem. § 105 SGB VII von der Haftung freigestellt (s. fi Rz. 46 f.). 600
Zwar steht die Haftungsprivilegierung des Fahrers einer Inanspruchnahme der Halterin nicht entgegen. Auf den ersten Blick scheint deshalb die Haftungsprivilegierung des Fahrers bedeutungslos zu sein, weil ja Halter und Fahrer gem. § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch haften und deshalb die Geschädigte auch die Halterin voll auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann Zu beachten ist aber, dass der Fahrer als privilegierter Schädiger auch auf dem Umweg über den Gesamtschuldnerausgleich nicht zur Schadenstragung herangezogen werden kann; der Gesamtschuldnerausgleich ist also gestört1.
601
Diese Privilegierung des einen Schädigers darf sich nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu Lasten des anderen nicht privilegierten Schädigers auswirken. Denn die Gründe für die Haftungsprivilegierung ergeben sich aus der Beziehung der Geschädigten zu dem privilegierten Schädiger.
602
Das gilt auch dann, wenn die Schädiger durch eine Haftpflicht-Pflichtversicherung geschützt sind; die Regelungen über die Haftungsersetzung wirken immer auch zugunsten des dahinter stehenden Haftpflichtversicherers.
603
Deshalb muss die Geschädigte die Folgen der Haftungsprivilegierung tragen, die nicht privilegierte Halterin darf im Endergebnis nicht weitergehend haften, als sie ohne die Haftungsprivilegierung haften müsste. Die Rechtsprechung löst das Problem so, dass sie den Anspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger von vornherein beschränkt auf die Quote, die dieser im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs letztlich zu tragen hätte.
604
Es ist also zu fragen, nach welcher Quote Fahrer und Halterin die Ansprüche der Geschädigten ohne die Haftungsprivilegierung im Innenverhältnis im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs zu tragen hätten, eine Fragestellung, die sich normalerweise nicht stellt, weil Fahrer und 1 BGH v. 23. 3. 1993 – VI ZR 164/92, MDR 1993, 623 = r+s 1993, 324 = VersR 1993, 841.
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II. Haftungsgrundlagen
Rz. 608 Teil 2
Halter im Außenverhältnis immer gesamtschuldnerisch auf dieselbe Quote haften und im Innenverhältnis das Ausgleichsverhältnis nicht interessiert, weil der KH-Versicherer für beide voll eintrittspflichtig ist. Im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs zwischen Halter und Fahrer gilt Folgendes:
605
– Haften Fahrer und Halter nur aus der Gefährdungshaftung, dürfte i. d. R. im Rahmen des § 426 BGB (§ 17 StVG ist hier nicht anwendbar, s. fi Rz. 237 ff., 246 ff.) eine Schadensteilung gerechtfertigt sein; das entspricht der Grundregel in § 426 Abs. 1 BGB1. – Haftet der Fahrer auch aus der Verschuldenshaftung, ist § 840 Abs. 2 BGB zu beachten. Danach trägt der Fahrer den Schaden im Innenverhältnis allein, wenn der Halter nur aus der Geschäftsherrnhaftung (§ 831 BGB) haftpflichtig ist. Dasselbe gilt dann, wenn der Fahrer den Unfall verschuldet hat, der Halter aber nur aus der Gefährdungshaftung (§ 7 StVG) haftpflichtig ist2. Geht man hier davon aus, dass der Fahrer den Unfall verschuldet hat und im Innenverhältnis zu seiner Ehefrau als Halterin den Schaden der Arbeitskollegin allein zu tragen hätte, geht diese im Ergebnis haftungsrechtlich leer aus; der Fahrer ist als privilegierter Schädiger nicht ersatzpflichtig, die Halterin ist als nicht privilegierte Zweitschädigerin wegen gestörter Gesamtschuld voll leistungsfrei.
606
Zwar wird der Fahrer häufig gegen den Halter einen vertraglichen (z. B. einen arbeitsvertraglichen) Freistellungsanspruch haben. Dieser ist aber im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses nicht zu berücksichtigen, es kommt auf die Verantwortlichkeit für die Schadensverhütung an3.
607
f) Alternativtäterschaft i. S. d. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB § 830 Abs. 1 S. 2 BGB erweitert die Haftung auf sog. Alternativtäter. Mit dieser Vorschrift werden, wenn mehrere (fahrlässige) Nebentäter einen Haftpflichttatbestand verwirklicht haben und der Geschädigte nur nicht nachweisen kann, wessen Handeln den Schaden verursacht hat, die bestehenden Urheber- oder Anteilszweifel in der Weise überwunden, dass 1 Greger, 4. Aufl., § 4, Rz. 32. 2 BGH v. 18. 12. 2007 – VI ZR 235/06, MDR 2008, 384 = r+s 2008, 261 = NZV 2008, 289 = VersR 2008, 261; OLG Dresden v. 24. 9. 2004 – r+s 2004, 479; OLG Düsseldorf v. 22. 9. 2005 – 1 U 170/04, r+s 2006, 65. 3 BGH v. 23. 1. 1990 – VI ZR 209/89, MDR 1990, 530 = r+s 1990, 270 = VersR 1990, 387; OLG Hamm v. 3. 6. 1996 – 6 U 211/95, r+s 1996, 490; OLG Hamm v. 11. 12. 2000 – 6 W 41/00, r+s 2001, 150; OLG Oldenburg v. 23. 5. 2001 – 2 U 74/01, r+s 2002, 65; s. hierzu auch Lemcke, r+s 2000, 221, 224.
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608
Teil 2
Rz. 609
Haftungsvoraussetzungen
alle haften, obwohl ihr Handeln möglicherweise nicht schadensursächlich geworden ist. 609
Der in Beweisnot befindliche Geschädigte profitiert sogar davon, wenn die Voraussetzungen des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen; er erlangt auf diese Weise sogar statt eines Ersatzpflichtigen gleich mehrere, was spätestens dann bedeutsam werden kann, wenn die Schädiger teilweise nicht haftpflichtversichert sind.
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Werfen z. B. mehrere Jugendliche Steine von einer Autobahnbrücke und wird dabei ein Kfz getroffen und beschädigt, gilt Folgendes: – Sind sie Mittäter, d. h. liegt ein gemeinschaftliches Handeln vor, haften alle; dann interessiert nicht, wer getroffen hat, Mittäter müssen sich auch fremdes Handeln zurechnen lassen (s. fi Rz. 531 ff.). – Sind sie Nebentäter, d. h. handeln sie unabhängig voneinander, haftet jeder nur für sein Handeln. In diesem Falle müsste der Geschädigte nachweisen, wessen Stein sein Kfz getroffen hat. Dieser Nachweis ist im Zweifel nicht zu führen. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB nimmt dem Geschädigten aber diesen Nachweis ab; danach haften sämtliche Steinewerfer dem Geschädigten, es ist ihre Sache, nachzuweisen, dass sie nicht Schädiger sind.
611
§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist auch anwendbar im Falle der fahrlässigen Nebentäterschaft; überholen z. B. zwei Kfz nacheinander einen Radfahrer in zu geringem Abstand und kommt er deshalb zu Fall, haften sie im Ergebnis beide für die Folgen des Sturzes, auch wenn das Handeln des einen von ihnen evtl. nicht kausal geworden ist. Allerdings müssen sich beide Fahrer in anspruchsbegründender Weise (hier: zu dichtes Vorbeifahren) verhalten haben, im Rahmen der Haftung aus § 7 StVG muss eine vom Betrieb des Kfz typischerweise ausgehende Gefahr irgendwie auf den Geschädigten eingewirkt haben1; die bloße Anwesenheit zweier Kfz reicht nicht aus.
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Zu beachten ist ferner, dass die Nebentäter nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB immer nur bis zur geringsten hypothetischen Haftungsquote gesamtschuldnerisch haften2. Würde z. B. ein Nebentäter wegen Mitverschuldens des Geschädigten nur auf eine Quote haften, haften alle Nebentäter nur auf diese Quote. Denn wäre er der Schadensverursacher, hätte der Geschädigte nur auf diese Quote einen Anspruch. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht dazu da, den Geschädigten besser zu stellen.
1 BGH NJW 1996, 3205 ff.; OLG Köln v. 22. 6. 2006 – 12 U 6/06, Juris; Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 105. 2 BGH v. 7. 11. 1978 – VI ZR 128/76, MDR 1979, 301 = NJW 1979, 544 = VersR 1979, 226.
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III. Aufklärung des Unfallhergangs
Rz. 614 Teil 2
Zu beachten ist ferner, dass § 830 Abs. 1 S. 2 BGB in den sog. Folgeschadensfällen nicht anwendbar ist. Wird z. B. ein Fußgänger von einem ersten Kfz angefahren und auf die Fahrbahn geschleudert und anschließend von einem zweiten Kfz überrollt, und lässt sich später nicht klären, durch welches Kfz er die schweren oder tödlichen Verletzungen erlitten hat, kann der Geschädigte nur den ersten Kraftfahrer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen; er haftet zwar auch für die Folgen des Zweitunfalls, die Folgen sind ihm noch haftungsrechtlich zuzurechnen1. Er haftet aber evtl. nur auf eine geringe Quote, während der Zweitschädiger evtl. auf eine günstigere Quote oder sogar voll haften würde2.
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Steht fest, dass ein bestimmter Schädiger den Schaden verursacht hat, ist in Bezug auf einen zweiten möglichen Schädiger für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB kein Raum. Das gilt – so der BGH3 – auch für den Fall, dass der Erstschädiger unbekannt oder insolvent ist oder nur auf eine Quote haftet. Denn wie bereits gesagt, ist es nicht Sinn dieser Vorschrift, dem Geschädigten einen weiteren Schuldner zu verschaffen, sondern, die Haftung nicht an nicht anderweitig überwindbaren Urheberoder Anteilszweifeln scheitern zu lassen.
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Der BGH hat mit dieser Entscheidung seine frühere Rechtsprechung zu Folgeschadensfällen4 aufgegeben.
III. Aufklärung des Unfallhergangs Literatur: Bäumler, Rekonstruktion von Straßenverkehrsunfällen mit Hilfe von Fahrzeugstrukturdaten, DAR 1997, 470; Burmann/Priester, Unfallrekonstruktion im Verkehrsprozess, 2007; Dannert, Die Reaktionszeit des Kraftfahrers, DAR 1997, 477; Eckert, Der Fußgängerunfall in der Dunkelheit und seine Rekonstruktion, NZV 1992, 474; Förste, Überholverbot auf Bundes- und Landstraßen bei Dunkelheit?, NZV 2002, 217; Freyberger, Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls – typische Probleme mit Sachverständigengutachten, MDR 2000, 1281; Foerste, Erwägungen zum Bremsweg, DAR 1997, 341; Golder, Der Einfluss der überhöhten Geschwindigkeit auf die Unfallfolgen – Unfallanalyse, NZV 2007, 10; Greger, Haftungsfragen beim Fußgängerunfall, NZV 1990, 409; Lepsien/Mazotti, Wie aussagekräftig sind die eigenen Angaben von Unfallopfern hinsichtlich der einwirkenden Belastung bei einer Fahrzeugkollision? NZV 2007, 226; Schimmelpfennig, Neue Möglichkeiten in der Rekonstruktion von „spurlosen“ Unfällen 1 BGH v. 10. 2. 2004 – VI ZR 218/03, r+s 2004, 212 = NZV 2004, 243 = VersR 2004, 529; BGH v. 7. 11. 1978 – VI ZR 128/76, NJW 1979, 544 = VersR 1979, 226; s. auch OLG Saarbrücken v. 27. 8. 1998 – 3 U 1018/97–71, NZV 1999, 510. 2 BGH v. 7. 11. 1978 – VI ZR 128/76, MDR 1979, 301 = NJW 1979, 544 = VersR 1979, 226. 3 BGH v. 7. 11. 1978 – VI ZR 128/76, MDR 1979, 301 = NJW 1979, 544 = VersR 1979, 226. 4 BGH v. 15. 11. 1960 – VI ZR 7/60, BGHZ 33, 286 = NJW 1961, 263; BGH v. 15. 12. 1970 – VI ZR 51/70, BGHZ 55, 86 = NJW 1971, 506.
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Teil 2
Rz. 615
Haftungsvoraussetzungen
durch Verwendung einer Crashtest-Datenbank, zfs 2002, 510; Vogt, Fahrerassistenzsysteme: Neue Technik – neue Rechtsfragen? NZV 2003, 153; Weber/Schimmelpfennig, Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetruges mittels technischer Beweisführung, VersR 1990, 832.
615
Ausgangsfall: Der Pkw-Fahrer fährt im Jahr 2006 in der rechten Fahrspur einer insgesamt vierspurigen Fahrbahn. Für ihn von links betritt ein Fußgänger die Fahrbahn, um sie zu überqueren. Als der Fußgänger entgegen seiner Erwartung nicht in der Fahrbahnmitte stehen bleibt, sondern weitergeht, führt er eine Vollbremsung durch. Dennoch wird der Fußgänger von dem Pkw erfasst und sehr schwer verletzt. Er verlangt Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden mit der Begründung, der Kraftfahrer sei mit 70 km/h statt erlaubten 50 km/h gefahren und habe außerdem verspätet gebremst.
1. Rechtliche Vorfragen 616
Es kommt ein Ersatzanspruch des Fußgängers aus der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) und aus der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) in Betracht, aber auch eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens des Fußgängers gem. § 254 BGB bzw. nach § 254 BGB i. V. m. § 9 StVG.
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Weil der Fußgänger sehr schwer verletzt worden ist und evtl. die Haftungshöchstbeträge gem. §§ 12, 12a StVG aF nicht ausreichen, steht der Anspruch aus der Verschuldenshaftung im Vordergrund (wegen des Anspruchs aus der Gefährdungshaftung s. fi Rz. 650 ff.). In juristischer Hinsicht stellen sich hierzu die Fragen, – ob die Verkehrsteilnehmer sich verkehrswidrig verhalten haben, – ob ihnen ein Verschulden zur Last fällt, – ob sie den Unfall mit seinen Folgen bei verkehrsrichtigem Verhalten vermieden hätten.
618
Welches Verhalten in der Unfallsituation verkehrsrichtig gewesen wäre und ob es schuldhaft war, sich nicht so zu verhalten, ist eine juristische Frage und ggf. für die Unfallrekonstruktion dem Sachverständigen vorzugeben. Aufgabe des Sachverständigen ist die Klärung, – wie die Beteiligten sich in der Unfallsituation tatsächlich verhalten haben und – ob sie den Unfall bei verkehrsrichtigem Verhalten vermieden hätten. a) Das Verhalten des Fußgängers
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Es steht schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts fest, dass er seine Pflicht aus § 25 Abs. 3 StVO, die Fahrbahn nur unter Beachtung des 218
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III. Aufklärung des Unfallhergangs
Rz. 623 Teil 2
Fahrzeugverkehrs zu überqueren, verletzt hat. Auch wenn der Pkw-Fahrer mit überhöhter Geschwindigkeit fährt, hat der Fußgänger den Vorrang des Fahrverkehrs zu beachten. Die Missachtung des Vorrangs geschieht auch – jedenfalls bei entsprechenden Sichtverhältnissen – i. d. R. schuldhaft. Denn der Fußgänger muss zumindest bei größeren Straßen wie hier mit Geschwindigkeitsüberschreitungen rechnen. Nur bei eingeschränkten Sichtverhältnissen (z. B. wegen einer Kurve oder wegen Nebels) oder bei extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen kann das Verschulden fehlen; beides liegt hier nicht vor. Das verkehrswidrige Verhalten ist hier das Überschreiten der Fahrbahnmitte. Es war auch unfallursächlich; denn der Fußgänger hätte den Unfall vermieden, wenn er hier stehen geblieben wäre. Ob es schon verkehrswidrig war, die Fahrbahn trotz des sich von rechts nähernden Pkw zu betreten, ist hier ohne Bedeutung, weil der Unfall nicht darauf beruht. Das verkehrswidrige Verhalten geschah auch schuldhaft i. S. d. § 276 BGB; denn bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte er seine Pflicht, stehen zu bleiben, erkannt und sich danach gerichtet.
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b) Das Verhalten des Kraftfahrers Er hat seine Pflichten aus § 3 StVO verletzt, wenn er zu schnell gefahren ist, und seine Pflichten aus § 1 StVO, wenn er auf den pflichtwidrig weiter gehenden Fußgänger nicht sofort durch Bremsen und/oder Ausweichen reagiert hat. Wie schnell er fahren durfte – ob mit 50 km/h oder evtl. auch nur mit einer geringeren Geschwindigkeit aufgrund der örtlichen Verhältnisse – und wie er sich im Übrigen hätte verhalten müssen, ist für die Unfallrekonstruktion eine rechtliche Vorgabe.
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c) Die Aufgabe des Sachverständigen Aufgabe des Sachverständigen ist es,
622
– die Ausgangsgeschwindigkeit des Pkw zu ermitteln, ferner, – ob der Kraftfahrer sofort und auch richtig reagiert hat, und schließlich, – ob er den Unfall bei verkehrsrichtigem Verhalten vermieden hätte. Insoweit reicht es im Falle einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht aus, dass der Kraftfahrer bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit den Unfallort erst später erreicht hätte. Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfallverursachung müssen in einem haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang stehen. Dazu ist es erforderlich, die Vermeidbarkeitsbetrachtung an einen bestimmten Zeitpunkt anzuknüpfen.
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2. Der für die Unfallrekonstruktion maßgebliche Zeitpunkt 624
Maßgeblicher Zeitpunkt ist nach der Rechtsprechung1 – der Zeitpunkt des Eintritts der konkreten kritischen Verkehrslage, – das ist der Zeitpunkt des Erkennbarwerdens der Gefahr, also – der Zeitpunkt, zu dem der Kraftfahrer verpflichtet gewesen wäre, Maßnahmen zur Abwendung des Unfalls einzuleiten. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten des Kraftfahrers und dem Unfall mit seinen Folgen ist nur dann gegeben, wenn der Unfall bei Einhaltung der zulässigen statt der tatsächlichen Geschwindigkeit in dem maßgeblichen Zeitpunkt für den Kraftfahrer vermeidbar gewesen wäre, und zwar – entweder räumlich durch rechtzeitiges Anhalten bzw. Ausweichen – oder zeitlich durch späteres Erreichen des Gefahrenbereichs (nachdem der Fußgänger ihn bereits verlassen hatte)2.
625
Der maßgebliche Zeitpunkt kann nicht allgemein festgelegt werden. Im Ausgangsfall ist er z. B. davon abhängig, – ab wann der Kraftfahrer den Fußgänger und seine Absicht, die Fahrbahn zu überqueren, erkennen konnte (z. B. trotz Sichtbehinderungen durch andere Fahrzeuge oder Dunkelheit), ferner davon, – ob der Fußgänger für ihn erkennbar zu dem gem. § 3 Abs. 2a StVO besonders geschützten Personenkreis gehörte, evtl. auch davon, – ob er sich für den Kraftfahrer erkennbar unaufmerksam verhielt.
626
Das ist ggf. durch Anhörung der Parteien und durch Vernehmung von Zeugen zu klären. Es geht darum, ob und wie lange ein Kraftfahrer in der konkreten Situation darauf vertrauen darf, dass der Fußgänger sein Vorrecht beachtet und nicht über die Fahrbahnmitte hinaus weitergeht3. Bei der Festlegung des maßgeblichen Zeitpunktes handelt es sich für die Unfallrekonstruktion ebenfalls um eine rechtliche Vorgabe.
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Es soll nachfolgend davon ausgegangen werden, dass nach den Sichtverhältnissen, wegen der Breite der Fahrbahn und nach dem Verhalten des 1 BGH v. 6. 11. 1984 – 4 StR 72/84, NJW 1985, 1350 m. Anm. Streng, NJW 1985, 2809; BGH v. 21. 2. 1985 – III ZR 205/83, NJW 1985, 1950 = MDR 1986, 34 = VersR 1985, 637; BGH v. 11. 1. 1977 – VI ZR 268/74, VersR 1977, 524; s. hierzu auch Dannert, DAR 1997, 477, 489. 2 BGH v. 6. 11. 1984 – 4 StR 72/84, NJW 1985, 1350 m. Anm. Streng, NJW 1985, 2809; BGH v. 9. 6. 1992 – VI ZR 222/91, NJW 1992, 2291 = MDR 1992, 941 = r+s 1992, 371 = VersR 1992, 1015. 3 S. z. B. OLG Hamm v. 15. 1. 2001 – 6 U 82/00, r+s 2002, 192.
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III. Aufklärung des Unfallhergangs
Rz. 631 Teil 2
Fußgängers hier der Zeitpunkt des Überschreitens der Fahrbahnmitte maßgeblich ist und dass bis zu diesem Zeitpunkt der Kraftfahrer mit 50 km/h fahren durfte; bis zu diesem Zeitpunkt galt für ihn der Vertrauensgrundsatz1.
3. Die Aufgabe des Sachverständigen Nach diesen rechtlichen Vorgaben ist das Erkennbarwerden der Fortsetzung der Überquerung über die Fahrbahnmitte hinaus der für die Unfallrekonstruktion maßgebliche Zeitpunkt. Die Fortsetzung der Fahrbahnüberquerung ist danach für den Kraftfahrer das maßgebliche Gefahrensignal, die sog. objektive Reaktionsaufforderung. Die tatsächliche Position des Kraftfahrers in diesem Augenblick ist die sog. Signalposition.
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Aufgabe des Sachverständigen ist es jetzt, zu ermitteln,
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– wie schnell das Kfz in diesem Augenblick tatsächlich gefahren wurde (die Ausgangsgeschwindigkeit), – wo das Kfz sich in diesem Augenblick befand (die Signalposition) und ob der Unfall in diesem Augenblick aus dieser Position heraus bei verkehrsrichtigem Verhalten vermeidbar gewesen wäre. Hier sollte der Jurist seine Fähigkeiten nicht überschätzen, sondern sich auf einen (in der Unfallrekonstruktion, nicht nur in der Schadensschätzung) erfahrenen Sachverständigen verlassen. Im Prozess ist die Einholung eines Gutachtens i. d. R. zumindest dann erforderlich, wenn es beantragt wird2; vorgelegte Privatgutachten dürfen nicht übergangen werden3. Mit einiger Erfahrung kann aber auch der Jurist aus den vorhandenen Unterlagen, insbesondere aus den Ermittlungsakten und aus Fotos von den Unfallfahrzeugen und der Unfallstelle, bereits wichtige Informationen über den Unfallhergang erlangen. Zudem muss der Jurist im Rahmen der Beweiserhebung darauf achten, dass die Unfallrekonstruktion methodisch richtig erfolgt.
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a) Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit und der Signalposition Zunächst ist der Kollisionspunkt zu ermitteln; dieser ist für die Unfallrekonstruktion der wichtigste Anknüpfungspunkt. Häufig sind die Angaben in der polizeilichen Unfallskizze hierzu falsch. Bei einer Kfz-Kfz-Kollision ist z. B. ein auch für den technischen Laien sicherer Anhaltspunkt 1 Anders z. B. im Fall des OLG Hamm v. 2. 6. 1999 – 13 U 22/99, OLGR 2000, 300. 2 BGH v. 6. 6. 2000 – VI ZR 172/99, MDR 2000, 1148 = r+s 2000, 411 = VersR 2001, 121. 3 BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 10/00, MDR 2001, 85 = r+s 2001, 351 = VersR 2001, 525.
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631
Teil 2
Rz. 632
Haftungsvoraussetzungen
ein Spurenknick in der Bremsspur oder – bei einem Fußgängerunfall wie in dem Ausgangsfall – eine Bremsspurverdickung; sie entsteht, wenn der angefahrene Fußgänger auf die Kfz-Haube prallt, der Kollisionspunkt liegt dann etwas weiter (rd. 2 m) zurück. 632
Sodann sind die Kollisionsgeschwindigkeiten zu ermitteln. Anhaltspunkte dafür ergeben sich insbesondere aus den Fahrzeugbeschädigungen und aus den Auslaufwegen der Kfz (aber auch aus anderen Spuren wie z. B. Lage des Splitterfeldes oder sonstiger Kfz-Teile). Beim Fußgängerunfall sind neben der Kollisionsgeschwindigkeit des Kfz, für die hier u. a. die sog. Abwicklungslänge (Kopfaufprall auf Haube, Unterkante Frontscheibe oder noch höher) einen wichtigen Anhaltspunkt gibt, auch die Gehgeschwindigkeit und -richtung des Fußgängers von besonderer Bedeutung. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus Verletzungsart und -schwere, aber auch z. B. aus dem sog. Beulenversatz (durch den Körperaufprall verursachte Beulen auf Vorderfront, Haube und Scheibe) und aus der Endlage des Fußgängers (sog. Wurfweite und -richtung)1.
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Sodann sind Ausgangsgeschwindigkeit und Signalposition zu ermitteln. Hierzu müssen die Bewegungen der Fahrzeuge – beim Fußgängerunfall auch die Bewegung des Fußgängers – unter Berücksichtigung sonstiger Beweisergebnisse, insbesondere etwa vorhandener Spuren (insbesondere Bremsspuren) an der Unfallstelle, oder auch anhand bestehender Erfahrungswerte zeit- und wegemäßig zurückverfolgt werden bis zu dem Zeitpunkt des Erkennbarwerdens der Gefahr für den Kraftfahrer, im Ausgangsfall also bis zu dem Zeitpunkt, in dem für ihn erkennbar wurde, dass der Fußgänger entgegen seiner Erwartung nicht in der Fahrbahnmitte stehen blieb, sondern weiterging. Zur Beurteilung des Mitverschuldens müssen die Bewegungen noch weiter zurückverfolgt werden bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Fußgänger auf der Fahrbahnmitte zum Weitergehen entschloss. Es ist jetzt – als ob man einen Film über das Unfallgeschehen rückwärts laufen ließe – der Ablauf der tatsächlichen Ereignisse zurückzuverfolgen, um so Ausgangsgeschwindigkeit und Signalposition des Kfz zu ermitteln.
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Weil der Ereignisablauf aber nie völlig exakt zurückverfolgt werden kann – im Zweifel stehen weder die Ausgangsgeschwindigkeit noch die Signalposition exakt fest –, muss der Sachverständige zwangsläufig mit Toleranzen arbeiten. Weil es im Haftpflichtprozess aber – anders als im Strafprozess – um die Mitverantwortung beider Seiten und zudem im Hinblick auf die Gefährdungshaftung auch um den Entlastungsbeweis geht, ist eine doppelte Grenzbetrachtung erforderlich; es sind gleichsam zwei Gutachten zu erstellen, eines unter Berücksichtigung aller der einen
1 S. hierzu z. B. OLG Hamm v. 18. 5. 1998 – 6 U 31/97, OLGR 1999, 256.
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III. Aufklärung des Unfallhergangs
Rz. 640 Teil 2
Seite günstigen Daten, ein zweites Gutachten unter Berücksichtigung aller der anderen Seite günstigen Daten. Deshalb ist z. B. Vorsicht geboten bei der Berücksichtigung im Ermittlungsverfahren oder im Strafprozess eingeholter Gutachten zum Unfallhergang. Sie sind i. d. R. (zu Recht) einschichtig angelegt, d. h. unter Ansatz der für den Beschuldigten günstigen Daten, soweit sich exakte Daten nicht ermitteln lassen. Es handelt sich um eine einseitige Grenzbetrachtung. Viele Haftpflichturteile sind deshalb fehlerhaft, weil sie allein auf der Grundlage eines derartigen einschichtig angelegten Gutachtens ergangen sind, bei dem praktisch die zweite Hälfte der Begutachtung fehlt; zumeist ist dann irgendwann die Beweislast verkannt.
635
b) Vermeidbarkeitsbetrachtung Nachdem die Signalposition des Kraftfahrers und die Ausgangsgeschwindigkeit (unter Berücksichtigung der Toleranzen) ermittelt sind, ist – ggf. doppelt mit unterschiedlichen Ausgangsgeschwindigkeiten und unterschiedlicher Signalposition (s. o.) – zu prüfen, ob der Unfall in diesem Augenblick aus dieser Position heraus bei verkehrsrichtigem Verhalten vermeidbar gewesen wäre oder ob er dann jedenfalls weniger folgenschwer gewesen wäre.
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Es ist also jetzt der Ereignisablauf von diesem Punkt an neu zu entwickeln, jetzt aber fiktiv auf der Basis eines verkehrsrichtigen Verhaltens des Kraftfahrers, d. h. bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit und bei sofortiger Reaktion. Es ist gleichsam der Film der nachfolgenden Ereignisse von diesem Punkt an neu zu drehen, jetzt aber mit einem anderen Drehbuch.
637
Dabei muss im Rahmen der Verschuldenshaftung (zur Gefährdungshaftung s. fi Rz. 650 ff.) beachtet werden, dass die Vermeidbarkeitsbetrachtung weder auf der Grundlage der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des betroffenen Kraftfahrers noch auf derjenigen des Idealfahrers, sondern am Maßstab des Durchschnittsfahrers zu erfolgen hat; zu fragen ist, ob ein Durchschnittsfahrer in dieser Situation bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Unfall mit seinen Folgen ganz oder jedenfalls teilweise vermieden hätte (s. fi Rz. 117 ff.).
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Das hat Bedeutung sowohl für die Reaktionszeit, die man dem Kraftfahrer vom Erkennbarwerden der Gefahr (objektive Reaktionsaufforderung durch das Gefahrensignal) bis zum Beginn der Vollbremsung oder der Ausweichlenkung zubilligen muss, als auch für die Art der Reaktion.
639
Reaktionszeit: Kommt die Reaktionsaufforderung (bei guten Sichtverhältnissen) überraschend, ist sie i. d. R. mit 1 s anzusetzen (sog. Schrecksekunde). Kommt sie nicht überraschend, musste der Kraftfahrer evtl. sogar im Gegenteil (wie hier) ein mögliches Fehlverhalten in Betracht zie-
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Teil 2
Rz. 641
Haftungsvoraussetzungen
hen, ist sie geringer anzusetzen, z. B. mit. 0,8 s1. Je nach den Umständen des Falles muss dem Kraftfahrer aber auch eine längere Reaktionszeit zugebilligt werden, z. B. bei Dunkelheit oder auch dann, wenn eine Blickzuwendung erforderlich ist2. 641
Art der Reaktion: Im Rahmen der Unfallrekonstruktion ergibt sich oft, dass die auf das Gefahrensignal hin eingeleitete Abwehrreaktion objektiv falsch war (z. B. „Flucht nach vorn“ statt Vollbremsung, Ausweichlenkung „Weg von der Gefahr“ statt Beibehaltung der Fahrlinie). Insoweit muss beachtet werden, dass viele Abwehrreaktionen automatisiert erfolgen; eine derartige objektiv falsche, aber natürliche Abwehrreaktion ist i. d. R. nicht vorwerfbar. aa) Räumliche Vermeidbarkeit
642
Es kommt darauf an, ob der Unfall für den Kraftfahrer – im Rahmen der Verschuldenshaftung auf der Basis der für ihn günstigen Daten – aus der Signalposition bei verkehrsrichtigem Verhalten oder jedenfalls bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch Bremsen und/oder durch Ausweichen räumlich vermeidbar gewesen wäre. Im Ausgangsfall kommt es also insbesondere darauf an, ob der Kraftfahrer noch vor Erreichen der Gehlinie des Fußgängers hätte anhalten können. Der Unfall kann beruhen auf überhöhter Geschwindigkeit im Augenblick des Erkennbarwerdens der Gefahr oder auf einer verzögerten Reaktion oder auf einer Kombination beider Verkehrsverstöße.
643
Im Rahmen der Unfallrekonstruktion kann sich ergeben, dass der Unfall trotz der Geschwindigkeitsüberschreitung vermeidbar gewesen wäre, wenn der Kraftfahrer beim Erkennbarwerden der Gefahr sofort oder schneller reagiert hätte. Dann tritt neben die überhöhte Geschwindigkeit als weitere Unfallursache die verspätete oder verzögerte Reaktion. Für die Frage der Haftpflicht kann es offen bleiben, ob beide Verstöße vorliegen und unfallursächlich geworden sind oder nur einer von ihnen; sind aber beide gegeben und unfallursächlich geworden, ist das im Rahmen der Haftungsabwägung zu beachten. bb) Zeitliche Vermeidbarkeit
644
Die zeitliche Vermeidbarkeitsbetrachtung ist nur hilfsweise in den Fällen geboten, in denen die räumliche Vermeidbarkeit nicht gegeben ist. Auch dann, wenn der Kfz-Führer selbst bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit nicht mehr rechtzeitig hätte anhalten können, kann sich (auf der 1 OLG Köln v. 2. 12. 1998 – 13 U 152/98, VersR 1999, 1034. 2 OLG Hamm v. 16. 5. 1994 – 6 U 207/91, r+s 1995, 336 = OLGR 1995, 150; s. dazu näher Dannert, DAR 1997, 477.
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III. Aufklärung des Unfallhergangs
Rz. 648 Teil 2
Basis der für ihn günstigen Daten) ergeben, dass er jedenfalls die Kollisionsstelle erst später erreicht hätte, zu einem Zeitpunkt, als der andere Unfallbeteiligte – im Ausgangsfall der Fußgänger – den Gefahrenbereich bereits verlassen hatte; diese Untersuchung unterbleibt in der Praxis häufig1. Die Frage, ob der Unfall für den Kraftfahrer durch Bremsen und/oder Ausweichen zeitlich vermeidbar gewesen wäre, kann sich immer nur dann stellen, wenn auch der andere Unfallbeteiligte in Bewegung gewesen ist; ist z. B. der die Fahrbahn überquerende Fußgänger (was nicht selten bei Kindern geschieht) nach Eintritt der Gefahrensituation schreckerstarrt stehen geblieben, erübrigt sich diese Erwägung.
645
Eine objektiv gegebene zeitliche Vermeidbarkeit wird häufig wieder aufgehoben durch eine objektiv falsche Ausweichreaktion. So ist z. B. dann, wenn ein Fußgänger von rechts auf die Fahrbahn tritt, die natürliche Abwehrreaktion des Kraftfahrers eine Bremsreaktion, verbunden mit einer Ausweichlenkung nach links „weg von der Gefahr“. Tritt nun der Fußgänger die „Flucht nach vorn“ an, wird es evtl. nur deshalb zum Unfall kommen, weil der Kraftfahrer seine Fahrlinie verlassen und den Fußgänger auf seiner „Flucht nach vorn“, wie es auf den ersten Blick scheint, regelrecht „verfolgt“ hat. Oft wird dann in dem Verhalten des Kraftfahrers ein grobes Verschulden gesehen. Tatsächlich ist die objektiv falsche Ausweichlenkung nach links als natürliche Abwehrreaktion i. d. R. nicht vorwerfbar. Weil die Wirkung der Ausweichlenkung etwas früher (rd. 0,2 s) einsetzt als die der Bremsung, ist das nunmehr (ohne ABS) voll gebremst diagonal über die Fahrbahn rutschende Kfz noch nicht einmal mehr steuerbar. Um den Unfall noch durch erneute Richtungsänderung zu vermeiden, wäre ein Lösen der Bremsen erforderlich.
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cc) Teilvermeidbarkeit Ergibt die Beweisaufnahme, dass der Unfall möglicherweise weder räumlich noch zeitlich vermeidbar gewesen ist, stellt sich – auch im Rahmen der Verschuldenshaftung – die Anschlussfrage, ob der Unfall bei verkehrsgerechtem Verhalten nicht jedenfalls weniger folgenschwer gewesen wäre.
647
Ist z. B. feststellbar, dass bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit jedenfalls geringere Verletzungen eingetreten wären, ist es gerechtfertigt, hinsichtlich der allein auf der Geschwindigkeitsüberschreitung beruhenden Folgen die Verschuldenshaftung zu bejahen2. Denn der Schutzzweck
648
1 S. insoweit z. B. BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = VersR 2000, 1294. 2 BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = NJW 2000, 3069 = NZV 2000, 466 = VersR 2000, 1294; BGH v. 10. 10. 2000 – VI ZR 268/99, NJW 2001, 152 = MDR 2001, 212 = VersR 2000, 1556 = r+s 2001, 23 (Anm. Lemcke); Greger, 4. Aufl., § 10, Rz. 29.
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Teil 2
Rz. 649
Haftungsvoraussetzungen
der Geschwindigkeitsvorschriften besteht auch darin, die Folgen möglicher Unfälle gering zu halten. 649
Ergibt z. B. die Beweisaufnahme, dass bei einem Fußgängerunfall bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit die Kollisionsgeschwindigkeit statt 20 km/h nur 5 km/h betragen hätte, lässt sich evtl. zwar nicht ausschließen, dass der Fußgänger auch dann diese oder ähnliche Beinverletzungen erlitten hätte. Evtl. ist aber die Feststellung gerechtfertigt, dass der Kopfaufprall und die dadurch entstandene schwere Kopfverletzung vermieden worden wäre; dann hat der Schädiger für diese Verletzung und deren Folgen einzustehen. Zu beachten ist aber, dass oft nicht festgestellt werden kann, dass eine niedrigere Ausgangsgeschwindigkeit auch die Folgen verringert hätte. Oft besteht sogar die Möglichkeit, dass der Unfall bei niedrigerer Ausgangsgeschwindigkeit und entsprechend niedrigerer Kollisionsgeschwindigkeit aufgrund andersgearteten Kollisionsablaufs folgenschwerer gewesen wäre (z. B. Vollstoß statt Streifstoß bei einem Kreuzungsunfall).
4. Ergänzungsfragen zur Gefährdungshaftung 650
In den bisherigen Vermeidbarkeitsbetrachtungen ging es um die Frage, ob von den Unfallbeteiligten einer oder beide den Unfall – jeweils auf der Basis der für sie günstigen Daten – schuldhaft mitverursacht haben. Geht man davon aus, dass bei Zugrundelegung der für den Kraftfahrer günstigen Daten zwar eine unfallursächliche Geschwindigkeitsüberschreitung oder eine unfallursächliche verspätete Reaktion möglich, aber nicht feststellbar ist, stellt sich die Anschlussfrage, ob nach dem Beweisergebnis jedenfalls Ansprüche aus der Gefährdungshaftung bestehen.
651
Wenn es zu einer Kollision gekommen ist und der Kfz-Halter oder Fahrer in Anspruch genommen wird, sind die Voraussetzungen für die Gefährdungshaftung (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG) immer erfüllt. Es geht dann nur noch um die Frage, ob der unfallbeteiligte Kfz-Halter oder Fahrer den Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 2 StVG führen kann.
652
Der Fahrer hat den Entlastungsbeweis nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG auch weiterhin schon dann nicht geführt, wenn er sich möglicherweise verkehrswidrig verhalten, d. h. eine Verkehrsregel missachtet hat, und wenn der Unfall mit seinen Folgen hierauf beruht. Hat also das Gutachten des Sachverständigen im Rahmen der doppelten Grenzbetrachtung bei der Eingabe der für den Fahrer ungünstigen Daten eine räumliche oder zeitliche Vermeidbarkeit ergeben, ist der Fahrer aus der Gefährdungshaftung ersatzpflichtig. In dem Ausgangsfall kann also der Fußgänger den Kraftfahrer, falls nur Fahrer, aus der Gefährdungshaftung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, er muss sich aber wegen seines Mitverschuldens eine Anspruchskürzung gefallen lassen. 226
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IV. Beweislast und Beweiswürdigung
Rz. 654 Teil 2
Aber auch dann, wenn der Nachweis geführt wäre, dass der Fahrer sich verkehrsrichtig verhalten, d. h. die Verkehrsregeln beachtet hat, oder dass er jedenfalls die Sorgfalt eines Durchschnittskraftfahrers beachtet hat, wäre der Entlastungsbeweis nur für den Fahrer geführt (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG), nicht für den Halter.
653
Der Kfz-Halter müsste bei einem Fußgängerunfall wie hier gem. § 7 Abs. 2 StVG n. F. den Nachweis führen, dass höhere Gewalt vorliegt. Dieser Nachweis ist nicht zu führen.
654
Ginge es um einen Kfz-Kfz-Unfall, würde zwar auch weiterhin schon der Unabwendbarkeitsnachweis ausreichen (§ 17 Abs. 3 StVG n. F.); dieser ist schon dann nicht geführt, wenn der Unfall möglicherweise auf einem technischen Fehler oder Versagen des Kfz beruht oder wenn Kfz-Halter und/oder Fahrer möglicherweise nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben. Der Entlastungsbeweis wäre aber auch schon dann nicht geführt, wenn der Unfall zwar auch unter Beachtung dieser Sorgfaltsanforderungen nicht vermieden worden wäre, aber, z. B. aufgrund geringerer Kollisionsgeschwindigkeit, möglicherweise jedenfalls weniger folgenschwer gewesen wäre1.
IV. Beweislast und Beweiswürdigung Literatur: Auer/Krumbholz, Das HWS-Trauma: Kausalzusammenhang aus biomechanischer und juristischer Sicht, NZV 2007, 273; Burmann/Heß, Das „Kreuz“ mit der (Hals-) Wirbelsäule, NZV 2008, 481; Burmann/Priester, Unfallrekonstruktion im Verkehrsprozess, 2007; Dannert, Beweiserleichterungen im Verkehrshaftpflichtrecht, Teil 1, zfs 2005, 5; Teil 2, zfs 2005, 64; Dörr, Der Anscheinsbeweis im Verkehrsunfallprozess, MDR 2010, 1163; Einmahl, Zeugenirrtum und Beweismaß im Zivilprozeß, NJW 2001, 469; Foerste, Parteiische Zeugen im Zivilprozeß, NJW 2001, 321; Greger, Haftungsfragen beim Fußgängerunfall, NZV 1990, 409; Hansen, Der Indizienbeweis, JuS 1992, 327; Hoffmann, Der Anscheinsbeweis aus Anlass von Trunkenheitsfahrten im Schadensersatzrecht, NZV 1997, 57; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Lemcke, Probleme des Haftpflichtprozesses bei behaupteter Unfallmanipulation, r+s 1993, 121 und 161; Lepa, Beweiserleichterungen im Haftpflichtrecht, NZV 1992, 129; Lepsien/Mazotti, Wie aussagekräftig sind die eigenen Angaben von Unfallopfern hinsichtlich der einwirkenden Belastung bei einer Fahrzeugkollision? NZV 2007, 226; Metz, Der Anscheinsbeweis bei Kollision von Kfz und Straßenbahn, NZV 2009, 484; Metz, Der Anscheinsbeweis im Straßenverkehrsrecht, NJW 2008, 2806; Nugel, Die Quotenbildung beim Verkehrsunfall und der Anscheinsbeweis, 1 BGH v. 9. 2. 1982 – VI ZR 59/80, MDR 1982, 569 = r+s 1982, 73 = VersR 1982, 441 = DAR 1982, 226; OLG Jena v. 25. 1. 2001 – 1 U 716/00, r+s 2002, 194; a. A. Greger, 4. Aufl., § 3, Rz. 363: Der Halter müsse nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 StVG die Unabwendbarkeit des Unfallereignisses beweisen, nicht auch die Unabwendbarkeit sämtlicher Unfallfolgen.
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Teil 2
Rz. 655
Haftungsvoraussetzungen
DAR 2008, 548; Schäfer, Unfallrisiko Kleintransporter, NZV 2004, 236; Terbille, Die Beweislastverteilung bei der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB, VersR 1995, 129; Vogt, Fahrerassistenzsysteme: Neue Technik – neue Rechtsfragen? NZV 2003, 153.
1. Beweislast und Beweismaß a) Beweislast 655
Wer nach einem Verkehrsunfall Schadensersatzansprüche aus der Verschuldenshaftung geltend machen will, trägt die Beweislast dafür, dass der Unfallgegner den Unfall durch ein objektiv verkehrswidriges (pflichtwidriges) und auch subjektiv vorwerfbares (fahrlässiges) Verhalten verursacht hat.
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Will der Unfallgegner eine Anspruchskürzung gem. § 17 StVG oder § 254 BGB wegen mitwirkenden Verschuldens erreichen, gilt das spiegelbildlich auch für ihn in Bezug auf die schuldhafte Mitverursachung des Unfalls durch den Anspruchsteller; jetzt trägt er die Beweislast.
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Im Zentrum steht die Frage, ob ein verkehrswidriges Verhalten vorliegt und ob dieses verkehrswidrige Verhalten für den Unfall ursächlich geworden ist. Ist das zu bejahen, folgt aus dem objektiv verkehrswidrigen Verhalten zumeist auch die subjektive Vorwerfbarkeit. b) Beweismaß
658
Das verkehrswidrige Verhalten und dessen Ursächlichkeit für den Unfall muss im Wege des sog. Vollbeweises nach § 286 ZPO nachgewiesen werden. Es geht hier um den haftungsbegründenden Tatbestand, die Tatsachen, aus denen der haftungsbegründende Tatbestand hergeleitet wird, müssen mit praktisch brauchbarem Grad von Gewissheit feststehen, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit reicht hier noch nicht aus.
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Für die haftungsausfüllenden Tatsachen gelten dagegen die Voraussetzungen des § 287 ZPO; jetzt reicht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit aus.
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Zum nach § 286 BGB nachzuweisenden Haftungsgrund gehört die Frage, – ob das verkehrswidrige Verhalten schadensursächlich geworden ist. Für die Frage, – wie (in welchem Ausmaß) das verkehrswidrige Verhalten schadensursächlich geworden ist, gilt die Beweiserleichterung des § 287 ZPO.
661
Das hat schon Auswirkungen auf die Haftungsabwägung nach § 17 StVG bzw. § 254 BGB und die Quotenbildung. Geht es z. B. um die Frage, ob 228
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IV. Beweislast und Beweiswürdigung
Rz. 665 Teil 2
und wie eine Alkoholbeeinflussung oder eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu berücksichtigen ist, gilt für den Nachweis, ob das Fehlverhalten ursächlich geworden ist, das Beweismaß des § 286 ZPO, dagegen für den Nachweis, wie (in welchem Ausmaß) sich das Fehlverhalten ausgewirkt hat, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO1. So beeinflusst z. B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung i. d. R. auch das Schadensausmaß. Das ist aber nicht zwingend. Es muss nach dem Beweismaß des § 286 ZPO bewiesen sein, dass sich die Geschwindigkeitsüberschreitung irgendwie schadenserhöhend ausgewirkt hat. Falls dieses nicht feststeht, muss sie bei der Haftungsabwägung außer Betracht bleiben. Erst wenn dieses feststeht, gilt für die Frage, in welchem Umfang sie sich ausgewirkt hat, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO.
662
2. Beweiswürdigung a) Beweismittel Weil sich bei einem Unfall die Ereignisse überstürzen, ist es nicht verwunderlich, dass die Darstellungen der Unfallbeteiligten und -zeugen zum Unfallhergang oft stark voneinander abweichen. Auch dann, wenn sie sich um eine korrekte Wiedergabe des Erlebten bemühen, ihre Angaben also subjektiv wahr sind, ergeben sich Abweichungen oft schon allein aus Wahrnehmungs- oder Erinnerungsfehlern, sind ihre Angaben also oft objektiv falsch. Unbewusst werden Wahrnehmungslücken durch Rückschlüsse oder durch Fremdinformationen (oder auch durch Wunschdenken) geschlossen. Angaben zu Entfernungen, Zeiten, Geschwindigkeiten p. p. sind oft objektiv grob fehlerhaft2.
663
Zuverlässiger als die Angaben der Beteiligten und Zeugen sind deshalb i. d. R. die Ergebnisse einer Unfallrekonstruktion durch einen (nicht nur in der Schadenschätzung) erfahrenen Sachverständigen unter Auswertung der Unfallörtlichkeit, der Unfallspuren und der Unfallschäden.
664
b) Bewertung von Zeugenaussagen Bei der Bewertung von Zeugenaussagen wird aber andererseits dem Umstand, dass ihre Entfernungs-, Geschwindigkeits- und Zeitangaben evtl. teilweise objektiv fehlerhaft sind, bei Würdigung ihrer sonstigen Angaben zur Unfallsituation oft ein zu hoher Stellenwert beigemessen; i. d. R. ist es nicht gerechtfertigt, hieraus Schlüsse auf die Glaubhaftigkeit der übrigen Angaben oder gar auf ihre persönliche Glaubwürdigkeit zu ziehen. 1 BGH v. 10. 1. 1995 – VI ZR 247/94, MDR 1995, 359 = r+s 1995, 132 = VersR 1995, 357. 2 S. dazu z. B. Einmahl, NJW 2001, 469.
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Teil 2
Rz. 666
Haftungsvoraussetzungen
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So hat z. B. ein erfahrener Autofahrer i. d. R. ein sicheres Gefühl dafür entwickelt, ob er (oder ein anderer) in einer bestimmten Verkehrssituation trotz Gegenverkehrs noch gefahrlos überholen kann oder nicht; er bewertet Abstände und Geschwindigkeiten nicht wege- und zeitmäßig, sondern allein auf der Grundlage seiner Verkehrserfahrung. Hat ein Zeuge einen derartigen Unfall im Begegnungsverkehr beobachtet, hat seine Aussage „Ich dachte gleich, das wird schief gehen“ Beweiswert, und zwar auch dann, wenn seine – ihm oft erst von den Juristen abgenötigten – Angaben zu Entfernungen und Geschwindigkeiten aus technischen Gründen falsch sein müssen1.
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Bei der Zeugenvernehmung sollte man den Zeugen seine Unfalldarstellung im Zusammenhang wiedergeben lassen, die anschließende Zeugenbefragung muss vor allem auch das Ziel haben, abzuklären, ob und inwieweit der Zeuge – damals in der Lage und auch fähig und bereit gewesen ist, das Unfallgeschehen richtig wahrzunehmen, – jetzt in der Lage und auch fähig und bereit ist, das damals Wahrgenommene richtig und unverfälscht wiederzugeben. c) Parteianhörung
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Man sollte zum Unfallhergang immer auch die unfallbeteiligten Parteien persönlich gemäß § 141 ZPO anhören; bei den Haftpflichtsenaten des OLG Hamm ist das bei weiterer Sachverhaltsaufklärung eine Selbstverständlichkeit, es geschieht fast ausnahmslos. Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung – des gesamten Inhalts der Verhandlung und – des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder unwahr zu erachten ist. Schon aus dem Wortlaut des § 286 BGB ergibt sich, dass die Ergebnisse einer Beweisaufnahme nicht allein maßgebend sind für die Überzeugungsbildung.
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I. d. R. kann niemand zuverlässiger zum Unfallhergang aussagen als die unfallbeteiligte Partei. Schon die eigene Unfallschilderung einer Partei kann – trotz ihres Interesses am Verfahrensausgang – aufgrund des übrigen Sachverhalts so plausibel und mit so hoher Wahrscheinlichkeit richtig sein, dass der Richter seine Überzeugungsbildung allein auf diese stützen kann. Die Parteiangaben sind also, das wird oft viel zu wenig beachtet, neben der Beweisaufnahme eine wichtige Quelle der Wahrheitsfindung und der Überzeugungsbildung. 1 So ausdrücklich BGH v. 20. 11. 1984 – VI ZR 73/83, MDR 1982, 566 = VersR 1985, 183.
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IV. Beweislast und Beweiswürdigung
Rz. 674 Teil 2
Das gilt vor allem in einem Unfallhaftpflichtprozess für die Aufklärung des Unfallhergangs. Insbesondere dann, wenn nur eine Partei einen Zeugen für den Unfallhergang aufbieten kann (z. B. den Fahrer), während die andere Partei bei dem Unfall allein im Kfz gesessen hat und auch sonst keinen Zeugen hat, gebietet es schon der Grundsatz der Waffengleichheit, dass die in Beweisnot befindliche Partei persönlich angehört wird1.
670
3. Wahrscheinlichkeitsbetrachtung Jede Beweiswürdigung besteht aus einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung. Eine bestimmte Behauptung kann aus tatsächlichen, vor allem aus technischen Gründen sehr unwahrscheinlich sein. Dann besteht zwar die Möglichkeit, dass es dennoch so gewesen ist; die Beweisanforderungen sind aber erhöht.
671
So ist z. B. bei einem Unfall auf einer beampelten Kreuzung sog. „feindliches Grün“ zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber extrem unwahrscheinlich; deshalb sind an die Beweisführung, z. B. durch Zeugen, sehr hohe Anforderungen zu stellen2. Bleibt bei einem Streit zwischen Geradeausfahrer und einem entgegenkommenden mit Grünpfeil geführten Linksabbieger offen, wer Grün gehabt hat, ist eine Schadensteilung angemessen3; im Rahmen der Beweiswürdigung ist aber zu berücksichtigen, dass die größere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Unfall in einer Phase passiert ist, in der jedenfalls beide kein Rot hatten (die Vorfahrtsverletzung ohne Grünlicht ist wahrscheinlicher als der Rotlichtverstoß).
672
Fährt ein Pkw-Fahrer kurz vor Erreichen des Ortsausgangsschildes ein Kind an, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Fahrer noch mit 50 km/h gefahren ist4.
673
Ist bei einem Auffahrunfall die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung des gestoßenen Kfz und damit die biomechanische Einwirkung auf den Insassen sehr gering, ist es sehr unwahrscheinlich, dass dieser dennoch eine HWS-Verletzung erlitten hat5.
674
1 Deubner, JuS 1997, 835, 836 unter Hinweis auf OLG Zweibrücken v. 18. 3. 1997 – 5 U 4/96; Lemcke, r+s 2007, 471 m.w.H. 2 OLG Hamm v. 14. 6. 1996 – 9 U 162/95, zfs 1996, 363 = NZV 1997, 40. 3 BGH v. 13. 2. 1996 – VI ZR 126/95, NJW 1996, 1405 = MDR 1996, 907 = r+s 1996, 174 = VersR 1996, 513; BGH v. 6. 5. 1997 – VI ZR 150/96, MDR 1996, 732 = r+s 1997, 281 = VersR 1997, 852. 4 OLG Hamm v. 18. 5. 1998 – 6 U 31/97, OLGR 1999, 256. 5 OLG Hamm v. 2. 4. 2001 – 13 U 148/00, DAR 2001, 360; OLG Hamm v. 30. 8. 2000 – 13 U 8/00, DAR 2001, 361; OLG Hamm v. 10. 3. 2000 – 9 U 187/96, NZV 2001, 303 = zfs 2001, 160; KG v. 21. 10. 1999 – 12 U 8303/95, NJW 2000, 877 = r+s 2000, 151 = VersR 2001, 595; OLG Hamm v. 4. 6. 1998 – 6 U 200/96, r+s 1998, 326, m. Anm. Lemcke, r+s 1998, 328.
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Teil 2 675
Rz. 675
Haftungsvoraussetzungen
Unterlaufen einem Kraftfahrer gleichzeitig mehrere schwere Verkehrsverstöße, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es sich um ein unfreiwilliges Schadensereignis handelt1. Hat ein Kraftfahrer bereits in kurzer Zeit zahlreiche Auffahrunfälle „erlitten“, ist es auch dann, wenn die bisherigen Unfälle sämtlich reguliert worden sind, ebenfalls sehr unwahrscheinlich, dass es sich bei dem weiteren Unfall um ein unfreiwilliges Schadensereignis handelt2.
4. Plausibilitätserwägungen 676
Mit in die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung einzubeziehen sind auch technische und allgemeine Plausibilitätserwägungen. Schilderungen der Parteien über den Unfallhergang sowie über das, was sie getan oder unterlassen haben, können aus technischen oder sonstigen Gründen in hohem Maße plausibel oder auch unplausibel sein, z. B. deshalb, weil sich der Kraftfahrer in einer bestimmten Verkehrssituation typischerweise völlig anders verhält.
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Läuft z. B. für den Kraftfahrer von rechts ein Kind auf die Fahrbahn und weist die Bremsspur seines Kfz anschließend nach links, ist es völlig plausibel, wenn er erklärt, er habe die Lenkung beim Auftauchen des Kindes spontan nach links verrissen; eine derartige Reaktion läuft i. d. R. sogar automatisch ab. Weist die Bremsspur aber nach rechts, ist es völlig unplausibel, wenn er erklärt, er habe die Lenkung beim Auftauchen des Kindes spontan nach rechts verrissen, um hinter dem Kind herzufahren. Die Plausibilität spricht dafür, dass er, statt sofort zu bremsen, sich zunächst entschlossen hat, hinter dem Kind herzufahren, und dass er sich erst verspätet, evtl. weil das Kind entgegen seiner Erwartung stehen geblieben ist, zum Bremsen entschlossen hat. I. d. R. spricht also schon die Lage der Bremsspur für eine verspätete Reaktion, die Erklärung des Kraftfahrers ist nicht plausibel.
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Plausibilitätserwägungen sind vor allem beim Verdacht der Unfallmanipulation von großer Bedeutung. So spricht z. B. bei einem Auffahrunfall eine starke Abbremsung des nachfolgenden Kfz gegen, eine aufgrund der Kompatibilitätsprüfung festgestellte Beschleunigung für eine absichtlich herbeigeführte Kollision. Es geht um die Frage, ob der Unfallhergang als unfreiwilliges Geschehen plausibel ist oder nicht. Unplausibel können aber auch sonstige Angaben sein, etwa die Angaben dazu, warum man zum Unfallzeitpunkt am Unfallort gewesen ist oder warum man den Mietwagen, mit dem man aufgefahren ist, überhaupt angemietet hat. 1 OLG Hamm v. 30. 11. 1992 – 6 U 50/92, VersR 1993, 1418. 2 OLG Hamm v. 28. 10. 1996 – 6 U 70/96, r+s 1997, 327; OLG Hamm v. 28 4. 1997 – 6 U 171/95, r+s 1997, 328 m. Anm. Lemcke.
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IV. Beweislast und Beweiswürdigung
Rz. 684 Teil 2
5. Anscheinsbeweis Der Anscheinsbeweis ist ein von der Rechtsprechung entwickeltes Hilfsmittel, um dem Kläger im Schadensersatzprozess den Beweis für die Kausalität oder das Verschulden zu erleichtern. Er ist anwendbar, wenn ein Sachverhalt feststeht, bei dem der behauptete Kausalzusammenhang oder das behauptete Verschulden typischerweise vorliegt. In diesem Fall ist es erlaubt, sich auch dann, wenn der Geschehensablauf in seinen Einzelheiten unaufgeklärt ist, stattdessen zum Nachweis der Kausalität oder des Verschuldens mit der Typizität des Sachverhalts zu begnügen1.
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Der Beklagte kann die Typizität in Frage stellen; dazu reicht es aus, wenn er Tatsachen vorträgt und ggf. nachweist, nach denen möglicherweise ein atypischer Sachverhalt vorliegt, z. B., dass er als Linksabbieger den entgegen kommenden Motorradfahrer wegen einer Kurve erst nach Beginn des Einbiegens sehen konnte2.
680
Sind diese Tatsachen unstreitig oder vom Beklagten nachgewiesen, muss der Kläger beweisen, dass die Typizität dennoch weiterhin besteht3.
681
Nimmt z. B. die verletzte Beifahrerin den Kfz-Fahrer auf Schadensersatz in Anspruch, weil er von der Fahrbahn abgekommen ist, liegt ein Sachverhalt vor, der typischerweise den Schluss auf einen schuldhaften Fahrfehler des Fahrers zulässt; es ist (vorläufig) im Wege des Anscheinsbeweises bewiesen, dass der Fahrer den Unfall schuldhaft verursacht hat. Es ist dann Sache des Beklagten, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt und beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt.
682
a) Ist unstreitig oder vom Beklagten nachgewiesen, dass er infolge Fahrbahnglätte abgekommen ist4, könnte ein atypischer Sachverhalt vorliegen; er könnte aus diesem Grund schuldlos abgekommen sein.
683
– Jetzt muss die Klägerin nachweisen, dass diese Tatsache dem Sachverhalt die Typizität nicht nimmt, weil die Glätte rechtzeitig vorhersehbar war und der Fahrer sich deshalb darauf einstellen konnte. Kann die Klägerin diesen Nachweis nicht führen, ist die Klage abzuweisen. b) Ist unstreitig oder vom Beklagten nachgewiesen, dass eine Schraube im hinteren Reifen gesteckt hat, die zu einem Luftdruckverlust geführt 1 BGH v. 30. 11. 2010 – VI ZR 15/10, MDR 2011, 157 = r+s 2011, 81 = NZV 2011, 177 = VerR 2011, 234. 2 S. z. B. OLG Hamm v. 5. 10. 2009 – 6 U 94/09, NZV 2010, 28 = VersR 2010, 1238. 3 BGH v. 19. 3. 1996 – VI ZR 380/94, NJW 1996, 1828 = MDR 1996, 794 = r+s 1996, 224 = VersR 1996, 772. 4 So war der Sachverhalt in OLG Schleswig v. 11. 9. 1997 – 7 U 37/96, mit Nichtannahmebeschluss des BGH, r+s 1998, 370.
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Teil 2
Rz. 685
Haftungsvoraussetzungen
hat1, könnte ein atypischer Sachverhalt vorliegen; er könnte aus diesem Grund schuldlos abgekommen sein. – Jetzt muss die Klägerin darlegen und beweisen, dass diese Tatsachen dem Sachverhalt die Typizität nicht nehmen. – Ergibt sich aufgrund der Beweisaufnahme, dass der Luftdruckverlust, weil gering, die Fahrsicherheit nicht beeinträchtigt hat, ist die Typizität weiterhin gegeben und die schuldhafte Unfallverursachung im Wege des Anscheinsbeweises weiterhin bewiesen. – Es ist jetzt wieder (s. o.) Sache des Beklagten, den Anscheinsbeweis in anderer Weise zu erschüttern. Kann er das nicht, ist er zu verurteilen. 685
Der Anscheinsbeweis ist also immer nur ein vorläufiger Beweis, er ist bereits dann erschüttert, wenn sich aus unstreitigen oder bewiesenen Zusatztatsachen die Möglichkeit eines anderen (atypischen) Geschehensablaufs ergibt.
V. Ermittlung der Haftungsquote Literatur: Berr, Mithaftung des Falschparkers, DAR 1993, 418; Blumberg, Verkehrsunfälle zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrern, NZV 1994, 249; Brüseken/Krumbholz/Thiermann, Typische Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen (Münchener Quotentabelle), NZV 2000, 441; Bursch/Jordan, Typische Verkehrsunfälle und Haftungsverteilung (Hamburger Quotentabelle), VersR 1985, 512; Figgener, Haftung bei mehreren Schädigern – Probleme der Quotenbildung, NJWSpezial 2006, 543; Greger, Haftungsfragen beim Fußgängerunfall, NZV 1990, 409; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 11. Aufl. 2008; Grüneberg, Radfahrerunfälle im Straßenverkehr ohne Kfz-Beteiligung, NZV 1997, 417; Häublein, Zur Bewertung des Mitverschuldens des Geschädigten bei Missachtung der Gurtpflicht, VersR 1999, 163; Kirchhoff, Der Verkehrsunfall im Zivilprozess – Grundlagen und Systematik der Haftungsverteilung, DRiZ 2004, 148; Lemcke, Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten, r+s 2009, 45; Lemcke, Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318; Medicus, Ungefährlich, weil langsam?, DAR 2000, 442; Nugel, Die Quotenbildung beim Verkehrsunfall und der Anscheinsbeweis, DAR 2008, 548; Nugel, Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall zwischen Fußgänger und Pkw, NJW-Spezial 2008, 425; Nugel, Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall zwischen Überholendem und Linksabbieger, NJW-Spezial 2007, 351; Schauseil, Die Abwägung der Verursachungsbeiträge nach enem KfzUnfall, MDR 2008, 360; Scheffen, Schadensersatzansprüche bei Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Verkehrsunfällen, VersR 1987, 116; Scheffen, Zur Reform der (zivilrechtlichen) Deliktsfähigkeit von Kindern ab dem 7. Lebensjahr, ZRP 1991, 458; Splitter, Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen auf Parkplätzen, 1 So war der Sachverhalt in OLG Hamm v. 4. 2. 1993 – 6 U 203/92, r+s 1993, 177; s. hierzu auch OLG Schleswig v. 11. 9. 1997 – 7 U 37/96, mit Nichtannahmebeschluss des BGH, r+s 1998, 370.
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V. Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 690 Teil 2
zfs 2000, 236; Splitter, Schadensverteilung bei Verkehrsunfällen, 3. Aufl. 1995; Zoll, Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen, Homburger Tage 2007, 7.
Sind Schädiger und Geschädigter für den Unfall mitverantwortlich, hängt sowohl nach § 17 Abs. 1 StVG als auch nach § 254 Abs. 1 BGB
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– die „Verpflichtung zum Ersatz“ sowie – der „Umfang des zu leistenden Ersatzes“ von den „Umständen“, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil „verursacht“ worden ist. In einem ersten Schritt ist also, getrennt für beide Seiten, der jeweils zu verantwortende Verursachungsbeitrag (Verantwortungsbeitrag) zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sind dann die beiderseitigen Verantwortungsbeiträge gegeneinander abzuwägen.
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Im ersten Schritt geht es also darum, zu ermitteln, was zu Lasten der einen und der anderen Seite jeweils in die Waagschale zu legen ist. Im zweiten Schritt geht es darum, das Gewichtsverhältnis zu bestimmen. Aus dem Gewichtsverhältnis folgt der Haftungsanteil, d. h. die Haftungsquote, nach der der Schädiger den Schaden zu ersetzen hat. Bei gleichem Gewicht beträgt die Haftungsquote 50 %. Sie kann sich auf bis zu 100 % erhöhen, aber auch bis auf 0 % reduzieren; das folgt schon daraus, dass in den beiden Vorschriften auch „die Verpflichtung zum Ersatz“ angesprochen ist.
688
Ist auf der einen Seite ein erhebliches Verschulden gegeben, während auf der anderen Seite allenfalls der Entlastungsbeweis nicht gelungen ist, kann die Festlegung, ob der Entlastungsbeweis tatsächlich gelungen ist oder nicht, unterbleiben. Denn diese Vorfrage kann offen bleiben, wenn sich im Rahmen der Abwägung auch bei nicht gelungener Entlastung eine volle Haftung bzw. eine volle Haftungsfreistellung ergibt. Das gilt erst recht dann, wenn z. B. auf Seiten des Fußgängers oder Radfahrers ein erhebliches Verschulden gegeben ist und auf der anderen Seite der Kraftfahrer trotz Idealverhaltens gem. § 7 Abs. 2 StVG n. F. nicht entlastet ist, weil eine höhere Gewalt nicht gegeben ist.
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1. Ermittlung des jeweiligen Verantwortungsbeitrags Der Verantwortungsbeitrag eines Unfallbeteiligten wird gebildet durch sein den Unfall auslösendes Verhalten und, soweit ein Kfz unfallbeteiligt ist, für dessen Betriebsgefahr er einzustehen hat, durch die mitwirkende Betriebsgefahr dieses Kfz.
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Teil 2
Rz. 691
Haftungsvoraussetzungen
691
Das den Unfall auslösende Verhalten des Unfallbeteiligten (Kraftfahrers, Radfahrers oder Fußgängers) kann objektiv besonders gefahrträchtig und subjektiv besonders vorwerfbar sein.
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Hat der Unfallbeteiligte als Kraftfahrer auch für die Betriebsgefahr eines Kfz einzustehen, fließt mit seinem Verhalten auch die Betriebsgefahr mit in seinen Verantwortungsbeitrag ein. Beim Kfz-Halter fließt das Verhalten des Fahrers mit in seinen Verantwortungsbeitrag ein. Sind also Halter und Fahrer zwar personenverschieden, aber beide für den Unfall mitverantwortlich, sind ihre beiden Verantwortungsanteile zu einem einzigen identischen Verantwortungsbeitrag zusammenzufassen; sie verschmelzen auf der Schädigerseite zu einer Haftungseinheit, auf der Geschädigtenseite zu einer Zurechnungseinheit. Das Gewicht dieses gemeinsamen Verantwortungsbeitrags ist aber nicht deshalb höher, weil zwei Personen für ihn verantwortlich sind. Als Schädiger haften sie immer gemeinsam und gem. § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch auf dieselbe Quote, nicht anders, als wenn der Halter selbst am Lenker gesessen hätte (s. näher fi Rz. 541 ff.). a) Die mitwirkende Betriebsgefahr
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Die mitwirkende Betriebsgefahr ist die Summe der Gefahren, die in der konkreten Unfallsituation von dem Kfz ausgegangen sind und sich bei dem Unfall ausgewirkt haben; die mitwirkende Betriebsgefahr ist also nicht abstrakt, sondern situationsbezogen zu bestimmen. So können z. B. abgefahrene Reifen die Betriebsgefahr eines Kfz stark erhöhen und die wesentliche Ursache eines Unfalls sein; das gilt aber nur für eine nasse Fahrbahn, bei trockener Fahrbahn wirken sich abgefahrene Reifen eher günstig aus. b) Die „durch Verschulden erhöhte“ Betriebsgefahr
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Die Betriebsgefahr eines Kfz kann durch ein schuldhaft verkehrswidriges Fahrverhalten des Kfz-Fahrers ansteigen. Es ist üblich, in diesen Fällen von einer „durch Verschulden erhöhten Betriebsgefahr“ zu reden.
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Das ist nicht korrekt, zumindest missverständlich. Denn wenn z. B. ein Kfz trotz Gegenverkehrs in die Gegenfahrbahn gerät, ist es für die Gefährlichkeit dieses Betriebsvorgangs ohne Bedeutung, ob ein technischer Fehler oder eine Unaufmerksamkeit des Fahrers die Ursache ist. Beruht aber der mit dem Fahren in die Gegenfahrbahn verbundene Anstieg der Gefährlichkeit des Betriebsvorgangs nicht auf technischem, sondern auf menschlichem Versagen, wiegt die bei dem Unfall mitwirkende Betriebsgefahr im Rahmen der Abwägung schwerer, ist das Gewicht des vom Fahrer und ggf. auch vom Halter zu tragenden Verantwortungsbeitrags erhöht. 236
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Lemcke
V. Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 700 Teil 2
Es ist dann also in Wahrheit nicht
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– eine durch Verschulden erhöhte Betriebsgefahr gegeben, sondern – eine schuldhaft herbeigeführte Erhöhung der Betriebsgefahr, die das Gewicht des Verantwortungsbeitrags erhöht und deshalb zu einer höheren Haftungsquote führt1. c) Die berücksichtigungsfähigen Umstände Zum Nachteil der einen oder der anderen Seite dürfen jeweils nur feststehende Umstände (d. h. unstreitige oder bewiesene Umstände) berücksichtigt werden, und zwar nur solche Umstände, die sich auch erwiesenermaßen auf den Unfall – auf den Unfallhergang oder auf die Unfallfolgen – ausgewirkt haben2, und zwar zum Nachteil des Unfallgegners3. Deshalb ist z. B. die Betriebsgefahr eines Motorrades nicht allein deshalb erhöht, weil der Unfall für den Motorradfahrer besonders gefährlich ist; sie kann aber z. B. wegen der Schleudergefahr für Dritte erhöht sein4. Das alles wird in der Praxis häufig verkannt. Während es für die Frage, ob Ansprüche aus der Gefährdungshaftung bestehen, schon ausreicht, dass möglicherweise ein Verkehrsverstoß vorliegt und für den Unfall mitursächlich geworden ist, kann ein Verkehrsverstoß im Rahmen der Haftungsabwägung nur berücksichtigt werden, wenn dieser selbst und seine Mitursächlichkeit feststeht; hier ist die Beweislast umgedreht.
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Für die Frage, ob die Umstände vorliegen und sich ausgewirkt haben, gilt das Beweismaß des § 286 ZPO, für die Frage, in welchem Umfang sich diese Umstände ausgewirkt haben und auf diese Weise den Mitverantwortungsanteil erhöht haben, gilt das Beweismaß des § 287 ZPO5.
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Der Nachweis im Wege des Anscheinsbeweises reicht aus, das Bestehen einer gesetzlichen Verschuldensvermutung, z. B. aus § 18 StVG oder aus § 831 BGB, reicht dagegen nicht aus.
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Überhöhte Geschwindigkeit: Steht fest, dass ein unfallbeteiligter Kraftfahrer zu schnell gefahren ist, haben zwar selbst bei räumlicher und zeit-
700
1 S. auch Lemcke, zfs 2002, 318, 322. 2 BGH v. 21. 11. 2006 – VI ZR 115/05, MDR 2007, 399 = r+s 2007, 76 = NZV 2007, 190 = NJW 2007, 506 = VersR 2007, 264; BGH v. 27. 6. 2000 – VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189 = r+s 2000, 409 = NJW 2000, 3069 = NZV 2000, 466 = VersR 2000, 1294; BGH v. 10. 1. 1995 – VI ZR 247/94, MDR 1995, 359 = r+s 1995, 132 = VersR 1995, 357. 3 BGH v. 1. 12. 2009 – VI ZR 221/08, MDR 2010, 381 = r+s 2010, 167 = NZV 2010, 293 = VersR 2010, 642. 4 BGH v. 1. 12. 2009 – VI ZR 221/08, MDR 2010, 381 = r+s 2010, 167 = NZV 2010, 293 = VersR 2010, 642. 5 BGH v. 10. 1. 1995 – VI ZR 247/94, MDR 1995, 359 = r+s 1995, 132 = VersR 1995, 357.
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Teil 2
Rz. 701
Haftungsvoraussetzungen
licher Unvermeidbarkeit des Unfalls weder Fahrer noch Halter den Entlastungsbeweis geführt, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung auch nur möglicherweise den Schaden vergrößert hat. Im Rahmen der Abwägung muss dieses aber feststehen1. Zwar wird häufig eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass die höhere Kollisionsgeschwindigkeit auch zu einem größeren Schaden geführt hat. Es kann aber auch sein, dass sich die überhöhte Geschwindigkeit in der konkreten Unfallsituation günstig ausgewirkt hat, z. B. deshalb, weil es deshalb statt zu einem Vollstoß nur zu einem Streifstoß gekommen ist, möglicherweise mit geringeren Folgen. Solange diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, darf die Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen der Abwägung nicht berücksichtigt werden. 701
Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit: Steht fest, dass ein unfallbeteiligter Kraftfahrer alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen ist, haben zwar weder er noch der Halter den Entlastungsbeweis geführt, wenn der Alkoholgenuss möglicherweise mitursächlich geworden ist. Im Rahmen der Abwägung ist die Beweislast aber umgedreht; jetzt darf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nur dann zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich auf den Unfall ausgewirkt hat2. Das wird in der Regulierungspraxis häufig verkannt; stehen die Geschwindigkeitsüberschreitung oder die Alkoholisierung (oder auch z. B. die fehlende Fahrerlaubnis3) fest, wird fälschlich allein deshalb der Anspruch gekürzt.
! Hinweis: Haftungserhöhende Umstände wie z. B. überhöhte Geschwindigkeit oder Alkoholisierung müssen nicht nur feststehen, sie dürfen im Rahmen der Abwägung nur berücksichtigt werden, wenn sie sich auch auf den Unfall ausgewirkt haben.
2. Die Abwägung 702
Hier sind, wie bereits gesagt, die Verursachungsbeiträge beider Seiten gegeneinander abzuwägen. Sind sie gleichgewichtig, hat der Schädiger den Schaden des Geschädigten nach einer Haftungsquote von 50 % zu ersetzen. Sind die Verursachungsbeiträge von unterschiedlichem Gewicht,
1 So z. B. KG v. 17. 1. 2000 – 12 U 6687/98, NZV 2000, 377. 2 BGH v. 10. 1. 1995 – VI ZR 247/94, MDR 1995, 359 = r+s 1995, 132 = VersR 1995, 357; KG v. 8. 7. 1988 – 3 U 188/86, DAR 1988 382 = zfs 1989, 8. 3 BGH v. 21. 11. 2006 – VI ZR 115/05, MDR 2007, 399 = r+s 2007, 76 = NZV 2007, 190 = NJW 2007, 506 = VersR 2007, 264.
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Lemcke
V. Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 707 Teil 2
kann sich der Haftungsanteil der Gegenseite auf bis zu 100 % erhöhen, aber auch auf bis zu 0 % reduzieren1. Unterschiede in der Gewichtung können sich ergeben
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aus objektiven Umständen, z. B. – aus der unterschiedlichen Beschaffenheit der Kfz (ihrer Masse, Beweglichkeit, Erkennbarkeit, Verkehrssicherheit), – aus der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Kfz, – aus dem konkreten Fahrmanöver (Wenden, Ein- oder Ausfahren, Rückwärtsfahren, Anfahren, Überholen, Fahrstreifenwechsel), aber auch aus subjektiven Umständen, z. B. – aus Eignungsmängeln des Fahrers (keine Fahrerlaubnis, Alkohol, Übermüdung), – aus dem Fahrverhalten des Fahrers (Verstoß gegen Verkehrsregeln). Derartige Umstände müssen aber nicht nur vorliegen, d. h. entweder unstreitig oder bewiesen sein; sie müssen sich auch, wie bereits gesagt, nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben. Haben sich derartige objektive Umstände nachweislich auf den Unfall ausgewirkt, war die in der konkreten Situation von dem Kfz ausgehende Betriebsgefahr erhöht; haben sich derartige subjektive Umstände nachweislich ausgewirkt, war die in der konkreten Situation von dem Kfz ausgehende Betriebsgefahr durch Verschulden des Fahrers erhöht. Das hat zur Folge, dass der Verursachungsbeitrag schwerer wiegt und der zu tragende Haftungsanteil evtl. erhöht ist.
704
Im Ergebnis wird das Gewicht der konkreten Betriebsgefahr insbesondere durch die Gefährlichkeit des Betriebsvorgangs und, falls ein Fehlverhalten des Fahrers zu der Gefährlichkeit beigetragen hat, durch das Ausmaß des Verschuldens des Fahrers bestimmt.
705
Derjenige trägt – so der BGH2 – den größeren Verantwortungs- und damit als Schädiger auch den größeren Haftungsanteil, dessen Verursachungsbeitrag den Eintritt des Schadens in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat.
706
Das ist insbesondere derjenige, dem es in erster Linie oblegen hätte, den Unfall zu verhindern. Wer z. B. schuldhaft eine Verkehrsregel missachtet,
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1 S. z. B. OLG Frankfurt a. M. v. 17. 4 2000 – 18 U 199/00, NZV 2001, 169; OLG Hamm v. 2. 2. 2000 – 13 U 155/99, NZV 2001, 171. 2 BGH v. 20. 1. 1998 – VI ZR 59/97, MDR 1998, 532 m. Anm. Lessing = r+s 1998, 148 = NJW 1998, 1137 = VersR 1998, 474; BGH v. 12. 7. 1988 – VI ZR 283/87, MDR 1989, 54 = VersR 1988, 1238.
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Teil 2
Rz. 708
Haftungsvoraussetzungen
trägt im Verhältnis zu demjenigen, der lediglich hierauf (unter Verstoß gegen § 1 Abs 2 StVO) nicht oder nur verspätet reagiert, i. d. R. den größeren Verantwortungsanteil. Begehen zwar beide Fahrer schuldhaft einen Verkehrsverstoß, hatte aber einer der Fahrer nach den Regeln der StVO ein gesteigertes Maß an Sorgfalt zu beachten, ist es i. d. R. gerechtfertigt, dieser Seite den größeren Verantwortungsanteil aufzuerlegen. Insoweit ist zu beachten, dass die StVO bei bestimmten Fahrmanövern dem Fahrer aufgibt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer „ausgeschlossen“ ist (s. z. B. §§ 9 Abs. 5, 10 StVO: Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Ausfahren aus Grundstück). 708
Gegenüber der durch Verschulden erhöhten Betriebsgefahr (genauer, s. fi Rz. 694 ff.: der schuldhaft herbeigeführten Erhöhung der Betriebsgefahr) auf der einen Seite wird die einfache Betriebsgefahr auf der anderen Seite üblicherweise mit 20 % bewertet; bei einem schwerwiegenden Verkehrsverstoß ist es aber oft gerechtfertigt, die einfache Betriebsgefahr dann ganz zurücktreten zu lassen. Anscheinsverschulden ist immer nur leichtes Verschulden; liegt nur ein Anscheinsverschulden vor, ist ein völliges Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr nur bei objektiv schweren Verkehrsverstößen gerechtfertigt.
709
Ist beiderseits ein Verschulden nicht nachgewiesen, können dennoch die bei dem Unfall mitwirkenden Betriebsgefahren für den Unfallgegner unterschiedlich hoch gewesen sein, z. B. aufgrund unterschiedlicher Massen oder Geschwindigkeiten. Hierdurch kann durchaus eine Erhöhung des Verantwortungsanteils auf 3/5 oder 2/3 gerechtfertigt sein. Insoweit ist aber zu beachten, dass geringere Geschwindigkeit oder Masse nicht immer mit einer geringeren Betriebsgefahr verbunden ist. So geht z. B. von einem langsam fahrenden Fahrzeug i. S. d. § 8 Nr. 1 StVG trotz geringer Geschwindigkeit oder von einem Motorrad trotz geringer Masse oft eine hohe Betriebsgefahr für den Unfallgegner aus1. Bei dem langsam fahrenden Kfz kann die Betriebsgefahr aber allenfalls zusammen mit dem Verschulden des Fahrers im Rahmen der Abwägung nach §§ 823, 254 BGB Berücksichtigung finden, weil es nicht der Gefährdungshaftung unterliegt. Bei einem Unfall zwischen Kfz und Straßenbahn ist auch dann, wenn nur ein Verschulden des Kraftfahrers feststeht, die hohe Betriebsgefahr der Bahn zu berücksichtigen2.
710
Bei Kfz-Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern muss bei beiderseitigem Verschulden berücksichtigt werden, dass nur auf einer Seite die mitwirkende Betriebsgefahr hinzutritt. Ist das beiderseitige Verschulden 1 S. dazu z. B. Medicus, DAR 2000, 442. 2 BGH v. 10. 3. 1998 – VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222 = MDR 1998, 793.
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V. Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 712 Teil 2
gleichgewichtig, ist häufig eine Verantwortungsquote von 2/3 zu Lasten des Kfz-Halters und/oder Fahrers gerechtfertigt. Haften Kfz-Halter und/ oder Fahrer nur aus der Gefährdungshaftung, ist (allenfalls) eine Schadensteilung gerechtfertigt; je nach Schwere des Verschuldens kommt aber auch eine höhere Verantwortungsquote auf Seiten des Fußgängers oder Radfahrers in Betracht1 Letzteres gilt vor allem dann, wenn der Kraftfahrer trotz Idealverhaltens nicht entlastet ist; hier kann eine Alleinverantwortung des Fußgängers gerechtfertigt sein2. Bei Kfz-Unfällen mit Tieren, die entweder ausgebrochen sind oder sich jedenfalls unbeaufsichtigt auf der Fahrbahn befinden, ist die Tiergefahr i. d. R. erheblich höher zu bewerten als die Betriebsgefahr des Kfz3; das Vorrecht des Kraftfahrers, das gemäß § 25 StVO gegenüber Fußgängern auf der Fahrbahn besteht, besteht erst recht gegenüber freilaufenden Haustieren. Deshalb ist die Tiergefahr auch bei leichtem Verschulden des Kraftfahrers höher zu bewerten4; bei erheblichem Verschulden des Tierhalters und nur geringem Verschulden des Kraftfahrers kann es sogar gerechtfertigt sein, die Betriebsgefahr des Kfz ganz zurücktreten zu lassen5.
711
Das Mitverschulden eines (deliktsfähigen) Kindes wiegt i. d. R. deutlich weniger schwer als das eines Erwachsenen, das Gewicht des Mitverschuldens steigt aber mit steigendem Alter6. Bei grobem Verschulden wird teilweise sogar selbst bei einem gerade erst deliktsfähig gewordenen Kind eine Alleinverantwortung des Kindes bejaht7; so hat z. B. das OLG Hamm im Fall eines gerade erst 10 Jahre alt gewordenen Schülers, der
712
1 S. z. B. OLG Dresden v. 24. 5. 2000 – 11 U 3252/99, r+s 2001, 411 = NZV 2001, 411; OLG Hamm v. 22. 1. 2001 – 6 U 149/00, r+s 2001, 412. 2 So zum alten Recht KG v. 29. 9. 2003 – 12 U 315/01, NZV 2004, 358 = KGR 2004, 50; KG v. 3. 1. 2002 – 12 U 4708/00, NZV 2003, 380 = KGR 2002, 366 = VersR 2003, 340; OLG Hamm v. 19. 11. 2002 – 27 U 86/02, MDR 2003, 329 = NZV 2003, 181 = OLGR 2003, 111; OLG Dresden v. 24. 5. 2000 – 11 U 3252/99, r+s 2001, 411 = NZV 2001, 378; OLG Hamm v. 22. 1. 2001 – 6 U 149/00, r+s 2001, 412; so zum neuen Recht OLG Nürnberg v. 23. 11. 2004 – 3 U 2818/04, r+s 2005, 526 = NZV 2005, 422 = OLGR 2005, 84; OLG Celle v. 3. 2. 2004 – 14 W 65/03, MDR 2004, 994 = OLGR 2004, 269. 3 OLG Köln, Urt. v. 16. 11. 2000 – 7 U 64/00, VersR 2001, 1396; OLG Hamm, Urt. v. 12. 11. 1996 – 27 U 83/96, VersR 1997, 1542 = OLGR 1997, 108; OLG Köln, Urt. v. 2. 12. 1992 – 13 U 114/92, VersR 1993, 616. 4 OLG Hamm, Urt. v. 25. 4. 2006 – 9 U 7/05, NZV 2007, 143 = OLGR 2007, 44; OLG Hamm, Urt. v. 25. 2. 2002 – 6 U 139/01, r+s 2002, 326. 5 OLG Celle, Urt. v. 13. 1. 2005 – 14 U 64/03, DAR 2005, 623 = OLGR 2005, 88. 6 OLG Hamm v. 19. 3. 2001 – 6 U 79/00, r+s 2001, 456. 7 So zum alten Recht: KG v. 29. 9. 2003 – 12 U 315/01, NZV 2004, 358 = KGR 2004, 50; OLG Brandenburg, v. 15. 9. 1999 – 14 U 54/99, NZV 2000, 122; OLG Braunschweig v. 11. 12. 1996, r+s 1997, 498 = NZV 1998, 27; so zum neuen Recht: OLG Nürnberg v. 23. 11. 2004 – 3 U 2818/04, r+s 2005, 526 = NZV 2005, 422 = OLGR 2005, 84; OLG Celle v. 3. 2. 2004 – 14 W 65/03, MDR 2004, 994 = OLGR 2004, 269; LG Bielefeld, NZV 2004, 465; AG Nordhorn, NZV 2004, 465.
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Teil 2
Rz. 713
Haftungsvoraussetzungen
unvorsichtig eine Straße überquerte und von einem Pkw angefahren wurde, dessen Fahrer keine Abwehrmöglichkeit hatte, eine Alleinverantwortung bejaht; der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Kindes zurückgewiesen1 Das widerspricht der Annahme des BGH, bei jüngeren Kindern müsse die Alleinverantwortung die Ausnahme sein2. 713
Besonderheiten gelten bei einem Mitverschulden des Insassen wegen Verstoßes gegen die Anschnallpflicht (s. dazu fi Rz. 271 f.) oder des Kradfahrers wegen Verstoßes gegen die Helmpflicht3 (§ 21a StVO). In diesen Fällen ist zu beachten, dass evtl. nur ein Teil der Schäden auf dem Verstoß beruht und dass deshalb auch der Ersatzanspruch nur hinsichtlich dieser Schäden wegen dieses Verstoßes gekürzt werden darf. Der Schädiger muss beweisen, dass der Verstoß zumindest für einen Teil der Verletzungen kausal geworden ist; behauptet der Geschädigte, dass er mit Gurt oder Helm andere ebenso schwere Verletzungen erlitten hätte, muss er dieses beweisen. Steht fest, dass jedenfalls ein Teil der Verletzungen auf dem Verstoß gegen § 21a StVO beruht, kann das Gericht auch bei unterschiedlicher Auswirkung des Verstoßes auf einzelne Verletzungen in Ausübung des Schätzungsermessens nach § 287 ZPO eine einheitliche Minderungsquote auswerfen4.
714
Bei einem Unfall mit mehreren Schädigern muss im Rahmen der Abwägung zunächst geklärt werden, ob die Verantwortungsbeiträge der Schädiger zu einem identischen Beitrag verschmolzen sind oder ob sie selbständig nebeneinander stehen mit der Folge, dass ihr Gewicht insgesamt erhöht ist. Ist Letzteres der Fall, muss beachtet werden, dass zugunsten des Geschädigten die vom BGH entwickelten Grundsätze der Einzelund Gesamtabwägung Berücksichtigung finden müssen; sie werden in der Praxis kaum beachtet. Haben z. B. bei einem Unfall mit drei Fahrzeugen alle drei Unfallbeteiligten den Unfall mit zu verantworten und sind ihre Mitverantwortungsanteile gleichgewichtig, kann der Geschädigte zwar dann, wenn er nur einen der beiden Mitverantwortlichen in Anspruch nimmt, von ihm auch nur die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangen; nimmt er aber beide zusammen oder nacheinander in Anspruch, kann er von beiden zusammen nicht nur die Hälfte, sondern insgesamt 2 /3 seines Schadens ersetzt verlangen (s. näher fi Rz. 563).
715
Insgesamt können die Besonderheiten des einzelnen Falles immer ein Abweichen von derartigen Grundregeln rechtfertigen. Deshalb sollte man 1 OLG Hamm v. 13. 7. 2009 – 13 U 179/08, r+s 2010, 299 = NZV 2010, 464. 2 BGH v. 13. 2. 1990 – VI ZR 128/89, MDR 1990, 811 = r+s 1991, 300 = NZV 1990, 227 = NJW 1990, 1483 = VersR 1990, 535. 3 S. dazu näher Geigel/Zieres, Kap. 27, Rz. 547. 4 BGH v. 1. 4. 1980 – VI ZR 40/79, NJW 1980, 2125 = r+s 1980, 191 = VersR 1980, 824; s. dazu näher Geigel/Zieres, Kap. 27, Rz. 553 ff. m. w. N.
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V. Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 719 Teil 2
Haftungsquoten auch nicht schematisch aus entsprechenden Tabellen übernehmen. Andererseits sind sie eine wichtige Orientierungshilfe. Zudem haben die Gerichte – ebenso wie bei der Schmerzensgeldbemessung1 – die eigenen Quotenvorstellungen mit denen anderer Gerichte abzugleichen; Abweichungen von der h. M. müssen zumindest begründet werden. In der außergerichtlichen Regulierungspraxis werden dann, wenn der KH-Versicherer seine Eintrittspflicht bejaht, rd. 80 % aller Schadensfälle auf 100 %-Basis reguliert. Die Gerichte, zu der allerdings im Ergebnis nur rd. 1 – 2 % aller Schadensfälle gelangen, tendieren insgesamt häufiger zu einer quotenmäßig beschränkten Haftung, wenn beide Seiten für den Unfall verantwortlich sind.
716
Dabei ist zu beachten, dass dann, wenn auf beiden Seiten ein Kfz beteiligt ist und beide Seiten für die Betriebsgefahr des Kfz verantwortlich sind und sich nicht entlasten können, die beiderseits hälftige Haftung der gesetzliche Regelfall ist; wer mehr fordern oder weniger zahlen will, hat es jeweils schwerer, weil er beweispflichtig dafür ist, dass der eigene Mitverantwortungsanteil geringer und der gegnerische Mitverantwortungsanteil höher ist.
717
Werden die wechselseitigen Ersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall in einem Prozess (durch Klage und Widerklage) verfolgt, müssen die zu bildenden Quoten zusammen immer 100 % ergeben; wenn dem Kläger z. B. 2/3 zugebilligt werden, können dem Widerkläger notwendigerweise nur 1/3 zugebilligt werden. Werden die Ansprüche aber – dieses ist der Regelfall – in verschiedenen Prozessen verfolgt, sind voneinander abweichende Entscheidungen möglich; der eine Richter ist nicht an die Quotenbildung des anderen gebunden.
718
Ist die Klage des Geschädigten gegen den KH-Versicherer oder den Versicherungsnehmer abgewiesen worden, ist die negative Rechtskrafterstreckung des § 124 Abs. 1 VVG (früher § 3 Nr. 8 PflVG) zu beachten; es soll nicht derselbe Prozess vom Geschädigten erneut geführt werden können, jetzt gegen den bisher nicht Verklagten. Das gilt auch dann, wenn beide gemeinsam verklagt worden sind und zunächst nur die Klage gegen den einen von ihnen, evtl. sogar durch Versäumnisurteil, abgewiesen wird2; die Klage gegen den anderen muss dann ohne Sachprüfung wegen der negativen Rechtskrafterstreckung abgewiesen werden.
719
1 BGH v. 24. 5. 1988 – VI ZR 159/87, MDR 1988, 950 = NJW 1989, 773 = VersR 1988, 943. 2 BGH v. 24. 6. 2003 – VI ZR 256/02, MDR 2003, 1231 = r+s 2003, 404 = VersR 2003, 1121.
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Teil 2 720
Rz. 720
Haftungsvoraussetzungen
Die negative Rechtskrafterstreckung gilt aber nur zwischen Versicherer und Versichertem, nicht zwischen zwei Mitversicherten, also nicht zwischen Halter und Fahrer. Nach einer Abweisung der Klage gegen Halter und Versicherer wäre z. B. immer noch eine Klage gegen den Fahrer und den Versicherer, jetzt aus seiner Eintrittspflicht für den Fahrer, möglich1.
1 BGH v. 24. 9. 1985 – VI ZR 4/84, MDR 1986, 135 = r+s 1986, 27 + 32 = NJW 1986, 1610 = VersR 1986, 153; OLG Bremen v. 18. 10. 1984 – 3 U 21/84, VersR 1984, 1084; OLG Stuttgart v. 6. 10. 1978 – 2 U 37/78, VersR 1979, 562; Knappmann in Prölss/Martin, § 124 VVG, Rz. 2.
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Teil 3 Sachschaden Rz. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . 9 a) Naturalrestitution gem. § 249 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Kompensation gem. § 251 BGB 21 2. Die Beweisanforderungen . . . . . . . 28 3. Die vier Eckdaten, Ermittlung und Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Reparaturkosten, Ermittlung und Abrechnung aa) Ermittlung der Reparaturkosten (1) Unfallbedingter Reparaturaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (2) Materialkosten . . . . . . . . . . 45 (3) Lohnkosten . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Abrechnung der Reparaturkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (1) Konkrete Abrechnung . . . . 50 (2) Fiktive Abrechnung . . . . . . 53 b) Minderwert, Ermittlung und Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Wiederbeschaffungswert, Ermittlung und Abrechnung . . . . 68 d) Restwert, Ermittlung und Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Ermittlung des Restwerts . 72 bb) Abrechnung des Restwerts 79 (1) Verwertung vor Zugang eines höheren Restwertangebots . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Verwertung nach Zugang eines höheren Restwertangebots . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Modell des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand . . . . . . . . 93 b) Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert . . . . . . . . . . . . 107 c) Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert + 30 % . . . . . 119 d) Reparaturaufwand > Wiederbeschaffungswert + 30 % . . . . . 134
Rz. 5. MWSt-Probleme bei der Fahrzeugschaden-Abrechnung . . . . . . . . . . . . a) Abrechnung auf Reparaturkostenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis . . . . . . . . . . . . . . 6. Abrechnung auf Neuwagenbasis . a) Neuwertiges Kfz . . . . . . . . . . . . . b) Erhebliche Beschädigung . . . . . c) Anschaffung eines Neufahrzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149 150 162 172 178 182 188
III. Sonstige Schadenspositionen . . . . . 196 1. Ersatz der Mietwagenkosten . . . . . 202 a) Erforderlichkeit des Mietwagens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Wirtschaftliches Interesse 207 bb) Dauer der Mietzeit . . . . . . . 214 cc) Umfang der Benutzung . . . 217 b) Der „erforderliche“ Geldbetrag iSd. § 249 Abs. 2 BGB aa) Die Rechtslage bis zum Herbst 2004 . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Die neue Rechtslage ab Herbst 2004 . . . . . . . . . . . . . 226 (1) Pflichten des Geschädigten bei der Anmietung . . . 229 (2) Der zugängliche Tarif als Abrechnungsgrundlage . . . 235 (3) Der Normaltarif als Abrechnungsgrundlage . . . 238 (4) Aufschlag auf den Normaltarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Aufklärungspflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 d) Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . 252 e) Abtretung des Ersatzanspruchs an den Vermieter . . . . . . . . . . . . 257 2. Ersatz des Nutzungsausfalls . . . . . 260 a) Nutzungsmöglichkeit und -wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Entschädigungsdauer . . . . . . . . . 271 c) Entschädigungshöhe . . . . . . . . . 278 3. Ersatz der Vorhaltekosten . . . . . . . 281 4. Ersatz der Abschleppkosten . . . . . . 284 5. Ersatz von Zinsschäden und Finanzierungskosten . . . . . . . . . . . . 287
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Teil 3
Sachschaden Rz.
Rz.
6. Ersatz von Regulierungs- und Ersatzbeschaffungskosten . . . . . . . 293 7. Ersatz der Sachverständigenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Gutachten nach Bagatellschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) Bezahlung fehlerhafter Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 c) Haftung für fehlerhafte Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Ansprüche des Geschädigten gegen den Gutachter (1) Werkvertrag zwischen Geschädigtem und Gutachter . . . . . . . . . . . 314 (2) Haftung für fehlerhaftes Gutachten . . . . 317 bb) Ansprüche des Haftpflichtversicherers gegen den Gutachter . . . . . . . . . . . . . . . 323
(1) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (2) Schuldhaft unrichtige Kosten- oder Wertermittlung . . . . . . . . . . 326 d) Höhe der Gutachterkosten . . . . 330 8. Ersatz der Anwaltskosten . . . . . . . . 338 9. Ersatz des Rückstufungsschadens 343 a) Haftpflichtversicherung . . . . . . 344 b) Fahrzeugversicherung . . . . . . . . 345 c) Künftiger Rückstufungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 10. Kaskoversicherung und Quotenvorrecht des Geschädigten a) Quotenvorrecht nach Inanspruchnahme des Kaskoversicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 b) Quotenvorrecht vor Inanspruchnahme des Kaskoversicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
Literatur: Albrecht, Eine Analyse der Preisdifferenz zwischen Unfallersatzwagengeschäft und freiem Geschäft, NZV 1996, 49; Albrecht, Marktgerechte Preise im Unfallersatzwagengeschäft, VersR 1996, 306; Bär, Anspruch auf Nutzungsausfall und Schadensminderungspflicht des Geschädigten, DAR 2001, 27; Bartels, Unerlaubte Rechtsberatung in Verkehrssachen – Regulierungspraxis, VersR 1995, 632; Boetzinger, Nutzungsausfall trotz fehlender Nutzungsmöglichkeit, zfs 2000, 45; van Bühren, Unfallregulierung, 2. Auflage, 1997; van Bühren, Schadensminderungspflichten bei der Unfallregulierung, MDR 1997, 318; Budel, Kfz-Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen, zfs 2000, 89; Budel, Zeitwertgerechte Reparatur, VersR 1998, 1460; Bültmann, Pflicht zur Schadensgeringhaltung bei Anmietung eines Mietwagens zum Unfallersatztarif, zfs 1997, 161; Burmann, Ersatz fiktiver Verbringungskosten zum Lackierer, zfs 1999, 121; Burmann, Abrechnung eines Kfz-Schadens auf Neuwagenbasis, zfs 2000, 329; Clos, Der Abzug von Sozialabgaben und Lohnnebenkosten bei fiktiver Reparaturkostenabrechnung, r+s 2011, 277; Danner/Echtler, Tagessätze bis 8 t zulässiges Gesamtgewicht, Reservehaltungs-/Vorhaltekosten allgemein, VersR 1990, 1066; Dornwald, Allgemeiner Markt und Sondermarkt für Fahrzeugreste, VersR 1993, 1075; Ebert/Segger, Abschied vom Quotenvorrecht, VersR 2001, 143; Eggert/Splitter/Räder, Neuberechnung des Gebrauchsvorteils für Pkw, Geländewagen und Transporter; Eggert/Splitter/Räder, Die Nutzungsausfallentschädigung, SP 1997, 250 ff., 253; Eggert, Alte und neue Probleme der Schadensabrechnung auf Neuwertbasis, DAR 1997, 129; Eggert, Entschädigungsobergrenzen bei der Abrechnung „fiktiver“ Reparaturkosten – ein Dreistufenmodell, DAR 2001, 20; Engel, Das Porsche-Urteil des BGH, DAR 2007, 662; Freyberger, Die 130 %-Grenze im Lichte der neuesten Rechtsprechung des BGH, NZV 2005, 231; Freyberger, Mehrwertsteuer bei Verkehrsunfällen seit dem 1. 8. 2002, MDR 2002, 1103; Freyberger, Das neue Schadensrecht – die praktische Abwicklung von Verkehrsunfällen seit dem 1. 8. 2002, MDR 2002, 867; Freyberger, Das Quotenvorrecht, DAR 2001, 385; Freyberger,
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Lemcke
Teil 3
Sachschaden
Wertminderung beim vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten – brutto oder netto?, NZV 2000, 290; Freyberger, Mietwagenkosten zum Unfallersatztarif, MDR 1996, 1091; Fuchs, BVSK-Restwertrichtlinie – praxisgerechte Hilfe für Sachverständige und Anwälte, DAR 2002, 189; Fuchs, Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, 1997; Gas, Bemerkungen zum Schadensersatzrecht aus der Sicht der Versicherungswirtschaft, VersR 1999, 261; Gebhardt, Der Restwert bei der Regulierung von Fahrzeugschäden, NZV 2002, 249; Geier, Neugewichtung bei den Schadensersatzleistungen bei Personen- und Sachschäden?, zfs 1996, 321 und VersR 1996, 1457; Gerard-Morguet, Dogmatische Grundlagen des Fahrzeugschadens – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis, zfs 2006, 303; v. Gerlach, Der merkantile Minderwert in der Rechtsprechung des BGH, DAR 2003, 49; v. Gerlach, Die Rechtsprechung des BGH zum Haftpflichtrecht, DAR 1994, 217; Göbel, Die Vergütung des Sachverständigen in Verkehrsunfallsachen, NZV 2006, 512; Greger, Kurskorrekturen beim Kraftfahrzeugschaden, NZV 2006, 1; Greger, Ein Beitrag des Prozesssrechts zur Versachlichung der fiktiven Reparaturkostenabrechnung, NJW 2002, 1477; Greger, Ein Beitrag des Prozessrechts zur Versachlichung der fiktiven Reparaturkostenabrechnung, NJW 2002, 1477; Greger, StVG, 3. Auflage, 1997; Greger, Zum aktuellen Stand der Mietwagen-Rechtsprechung, NZV 1996, 430; Greger, Der Streit um den Schaden – Derzeitiger Stand und Wege zu seiner Vermeidung, NZV 1994, 11; Greiner, Die Rechtsprechung des BGH zum Fahrzeugschaden seit dem 2. SchadÄndG, Homburger Tage 2005, 7, ferner Teil 1 zfs 2006, 63; Teil 2 zfs 2006, 124; Greißinger, Erstattbarkeit der Rechtsanwaltskosten bei der Kfz-Schadensregulierung, zfs 1999, 416; Griebenow, Erstattungsfähigkeit von unfallbedingten Mietwagenkosten, NZV 2006, 13; Griebenow, Unfallersatztarif und kein Ende – oder doch? NZV 2005, 113; Griebenow, Unfallersatztarife der Autovermieter – Wie kann ihnen begegnet werden? NZV 2003, 353; Empfehlungen für die Kfz-Schadensregulierung, Schlichtungsausschuss – Erläuterungen, DAR 1998, 286; Gsell, Keine Abrechnung „auf Neuwagenbasis“ ohne konkretes Deckungsgeschäft, NJW 2009, 2994; Halbgewachs, Der merkantile Minderwert bei älteren Fahrzeugen, NZV 2008, 125; Halbgewachs, Mietwagenkosten – ein Überblick, NZV 1997, 467; Harneit, Restwerterlös und Mietwagenkosten – Inhalt und Grenzen der Schadensminderungspflicht, DAR 1994, 93; Haug, Die Rechtsprechung des BGH zur Dispositionsfreiheit, NZV 2003, 545; Haug, Naturalrestitution und Vermögenskompensation, VersR 2000, 1329 und 1471; Heß, Die MWSt-Abrechnung nach dem 2. SchadÄndG, zfs 2002, 367; Heß, Die Abrechnung der MWSt.: 11/ 2 Jahre nach der Reform – Bestandsaufnahme und Ausblick, NZV 2004, 1; Hillmann, Der Nutzungsausfall, Streit ohne Ende, zfs 2001, 341; Hiltscher, Sachverständigenhonorare – verständlich umrissen, NZV 1998, 488; Hirsch, Fälligkeit des Schadenseratzanspruchs bei Unfallschäden, VersR 2009, 756; Höke, Aspekte zur Restwertermittlung aus Sicht der Versicherungswirtschaft, NZV 2002, 254; Hörl, Kfz-Sachverständigenkosten – Marktforschungspflicht des Geschädigten und Aufklärungspflicht des Gutachters? NZV 2003, 305; Hörl, Der Kfz-Sachverständige in der Unfallschadenregulierung, zfs 2000, 422; Hopfner, Restwertbestimmung von Unfallfahrzeugen – Berücksichtigung des Sondermarktes für Sachverständige, MDR 2002, 801; Huber, Die Fälligkeit der Ersatzleistung beim Kfz-Schaden, DAR 2009, 252; Huber, Die Ermittlung der Schwellwerte bei 100 und 130 %, NZV 2009, 322; Huber, Pauschalierte Nutzungsentschädigung bei Überlassung eines Pkw zum Freundschaftspreis? NJW 2008, 1785; Huber, Eine neue Kategorie – Totalschadensabrechnung de luxe oder verkappte Reparaturkostenabrechnung, NJW 2007, 1625; Huber, Zur Kappung der MWSt bei der fiktiven Schadensabrechnung gem. § 249 II 2 BGB, NZV 2004,
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105; Hufnagel, Merkantile Wertminderung bei unfallgeschädigten Nutzfahrzeugen, NZV 2010, 235; Imbach, Die Reparatur in Eigenregie, VersR 1996, 425; Kääb/Jandel, Sachverständigenhonorar, ein Fass ohne Boden?, NZV 1998, 268; Kääb/Jandel, Zum Ersatz von Sachverständigenkosten bei objektiv unrichtigem Gutachten, NZV 1992, 16; Kalb, Ersparte Eigenkosten bei Mietwagennutzung, zfs 2001, 486; Kappus, Neues zur Schadensberechnung in Verkehrsunfallsachen, DAR 2010, 13; Kappus, Fiktive Schadensberechnung bei der Verkehrsunfallregulierung, DAR 2008, 453; Karczewski, Der Referentenentwurf des 2. Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, VersR 2001, 1070; Kirchhoff, Der Verkehrsunfall im Zivilprozess, MDR 1999, 273; Kirchhoff, Das Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers in der Kaskoversicherung, MDR 1998, 249; Knöpper/Quaisser, Erstattung der Mehrwertsteuer im Totalschadensfall, NJWSpezial 2005, 495; Körber, Grundsätzliche Fragen und aktuelle Entwicklung des Anspruchs auf Ersatz der Unfallersatzwagenkosten, NZV 2000, 68; Kuhn, Nutzungsausfallentschädigung 2002 für Pkw, Geländewagen, Transporter und Krafträder, DAR 2002, 1; Kuhn, Schwierigkeiten bei der fiktiven Abrechnung, DAR 1999, 379; LaChevallerie, Nutzungsausfallentschädigung für ältere Pkw und Oldtimer, zfs 2007, 423; Lachner, Das Quotenvorrecht in der Kaskoversicherung, zfs 1999, 184 und zfs 1998, 161; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Modell des BGH, NZV 2009, 115; Lemcke, Schadenabrechnung nach § 249 Abs. 2 BGB n.F. bei tatsächlicher und fiktiver Ersatzbeschaffung, r+s 2003, 441; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens nach § 249 Abs. 2 BGB n.F., r+s 2002, 265; Lemcke, Die Rechtsprechung des OLG Hamm zum Verkehrs-Haftpflichtrecht in den Jahren 1994 – 1996, DAR 1997, 41; Lemcke/Heß/Burmann, Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Model des BGH, NZV 2009, 120; Leng, Rechtsfragen beim Taxi, DAR 2001, 43; Lepa, Beweiserleichterungen im Haftpflichtrecht, NZV 1992, 129; Lepa, Inhalt und Grenzen der Schadensminderungspflicht, DRiZ 1994, 161; Lipp, Der Ausgleich des Integritätsinteresses im Kfz-Schadensrecht, NZV 1996, 7; Macke, Aktuelle Tendenzen bei der Regulierung von Unfallschäden, DAR 2000, 506; Martis/Enslin, Aktuelle Rechtspechung zur Sachschadenregulierung nach einem Verkehrsunfall, MDR 2010, 1032; Martis/Enslin, Aktuelle Entwicklungen im Verkehrszivilrecht – Nutzungsausfall, Mietwagen und Reparaturkosten, MDR 2009, 848; Martis/Enslin, Aktuelle Entwicklungen im Verkehrszivilrecht – Mietwagen und Reparaturkosten nach einem Unfall, MDR 2008, 6; Meiendresch/Heinke, Rechtsanwaltskosten bei einfach gelagerten Kfz-Unfällen, zfs 1995, 281; Meinig, Gutachten zur Erstellung eines Modells zur Berechnung des Eigenersparnisanteils im Unfallersatzwagengeschäft, DAR 1993, 281; Metz, Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung – 6 Jahre nach „Porsche“, NZV 2010, 119; Metz, Ausgewählte Probleme der Mietwagenrechtsprechung, NZV 2009, 58; Neidhardt/Kremer, Ein betriebswirtschaftlicher Kalkulationsansatz für Mietpreise im Unfallersatztarif, NZV 2005, 171; Nickel, Der Restwertregress, zfs 1998, 309; Notthoff, Rechtsprechungsübersicht zum Sachschadensrecht im Straßenverkehr, NZV 2003, 509; Notthoff, Anmietung eines Unfallersatzwagens zum Unfallersatztarif; zfs 1998, 1; Notthoff, Die Entwicklung des Mietwagenkostenersatzrechts; VersR 1998, 144; Notthoff, Nebenkosten im Rahmen der Unfallschadensregulierung, VersR 1995, 1399; Notthoff, Ersatzfähigkeit der Kosten eines Kostenvoranschlags im Falle der Abrechnung des Verkehrsunfallschadens nach fiktiver Reparatur, DAR 1994, 417; Nugel, Rechtsprechung des BGH zur Restwertberechnung im Totalschadensfall, NJW-Spezial 2008, 105; Nugel, Haftungsquote und Mehrwertsteuerersatz für den Fahrzeugschaden bei dem Verkehrsunfall mit einem Leasingfahrzeug, zfs 2008, 4;
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Nugel, Kürzung bei Stundenverrechnungssätzen, zfs 2007, 248; Otting, 130 %-Problematik und Prognoserisiko, zfs 1994, 154; Otting, Die Sachverständigenkosten bei der Schadensregulierung von Verkehrsunfällen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, VersR 1997, 1328; Otting, Bemerkungen zum merkantilen Minderwert, zfs 1994, 434; Otting, Eigenersparnis bei Mietwagenkosten, zfs 1994, 353; Otting/Gansert, Die zeitwertgerechte Instandsetzung, in Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 1996, 267; Otto, Große Reformen müssen reifen, NZV 2001, 335; Pamer, Nutzungszeitraum nach BGH auch bei Abrechnungsfällen im Rahmen der 130 %-Grenze? DAR 2007, 721; Pamer, Die zeitwertgerechte Instandsetzung, DAR 2000, 150; Quaisser, Der Fraunhofer Marktpreisspiegel für Mietwagen, NZV 2009, 121; Reiff, Die Unverhältnismäßigkeit als Grenze der Naturalrestitution, NZV 1996, 425; Reinking, Unfallreparaturen mit gebrauchten Ersatzteilen, zfs 1997, 81; Reinking, 130 % Reparaturkosten auch für Leasingfahrzeuge, DAR 1997, 425; Reinking, Schadensabwicklung von Unfällen unter Beteiligung von Leasingfahrzeugen, zfs 2000, 281; Richter, Schätzung des Normaltarifs für Kfz-Anmietungen im freien Selbstzahlergeschäft, NZV 2008, 321; Richter, Zur Schätzung „erforderlicher“ Mietwagenkosten im Rahmen des § 287 ZPO, VersR 2007, 620; Riedmeyer, Die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten nach der Rechtsprechung des BGH, zfs 2010, 70; Riedmeyer, Restwertrichtlinie des BVSK in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung?, DAR 2002, 43; Rischar, Die Rechtsprechung zur sog. 130 %-Grenze, SP 1997, 288; Zwei unterschiedliche Restwerte für ein und dasselbe Unfallfahrzeug?, VersR 1999, 686; Rode, Restwertfragen im Lichte der neuen Restwertbörsen, DAR 1998, 52; Röttgering, 130 % auch bei Selbstreparatur und nicht nachgewiesenem erhöhten Kostenaufwand?, zfs 1995, 441; Ross, Rechtliche Probleme beim Kfz-Gutachten, NZV 2001, 322; Ruppert, Berechnung des ersatzfähigen Schadens bei der Kfz-Reparatur, zfs 2010, 466; Schauseil, Schadenersatz bei vorgeschädigtem Fahrzeug, MDR 2009, 425; Schiemann, Perspektiven des Rechts der Unfallschäden, NZV 1996, 1; Schmalzl, Die Mehrwertsteuer als Schadensposten im Rahmen der Schadensregulierung, VersR 2002, 816; Schneider, Kfz-Totalschaden und Umsatzsteuer – Fiktiver Steuersatz für die fiktive Abrechnung, NZV 2003, 555; Speer, Der Restwert – Thema des Arbeitskreises IV des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2002, VersR 2002, 17; Splitter, Der merkantile Minderwert, DAR 2000, 49; Splitter, Nutzungsausfallentschädigung 2001 für Pkw, Geländewagen, Transporter und Kräder, DAR 2001, 97; Staab, Mindestnutzungsdauer bei Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwands, NZV 2007, 279; Staab, Restwert auf dem lokalen Markt, NZV 2006, 456; Steffen, Zur Restwertproblematik bei Kfz-Haftpflichtschäden, zfs 2002, 161; Steffen, Die Haftung des Kfz-Sachverständigen, DAR 1997, 297; Steffen, Der normative Verkehrsunfallschaden, NJW 1995, 2057; Steffen, Die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Berechnung des Fahrzeugschadens, NZV 1991, 1; Thole, Das Wirtschaftlichkeitspostulat im Unfallschadensrecht – ist die Rechtsprechung auf dem Weg zu uneinheitlichen Maßstäben?, NZV 2010, 425; Trost, Probleme der Bestimmung des Restwerts eines Unfallfahrzeugs, VersR 2002, 795; Trost, Die Sachverständigenkosten bei der Schadensregulierung von Verkehrsunfällen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, VersR 1997, 537; Ullmann, Das sog. VW-Urteil – „Steine statt Brot“?, NZV 2010, 489; Ullmann, Stundenverrechnungssätze und kein Ende?, NZV 2009, 270; Unberath, Ersatz „überhöhter“ Mietwagenkosten nach einem Unfall, NZV 2003, 497; Wagner, Kein Ersatz fiktiver Verbringungskosten, NZV 1999, 358; Wallentowitz/Diekamp, Höhe der Eigenersparniskosten bei Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs, SP 1995, 12; Walter, Die zeitwertgerechte Kfz-Repara-
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tur mit geprüften Gebrauchtteilen, NZV 1999, 19; Die zeitwertgerechte Reparatur als zukunftsweisender Weg, SP 1997, 11; Weber, „Dispositionsfreiheit“ des Geschädigten und fiktive Reparaturkosten, VersR 1990, 934; Wellner, Kfz-Schadenabrechnungs-Übersicht, NZV 2007, 401; Wenger, Anspruch wegen Nutzungsausfall trotz Leihfahrzeugs, MDR 1997, 798; Wenker, Die Rechtsprechung zur Nuzungsausfallentschädigung – Eine aktuelle Bestandsaufnahme, VersR 2000, 1082; Wenning, Unfallersatztarif – ein Ausweg aus dem Dilemma über den Unfallersatztarif, NZV 2005, 169; Wirsching, Der Begriff des „wirtschaftlichen Totalschadens“, DAR 1999, 311; Witte, Neue Aspekte der Restwertermittlung als Voraussetzung für eine zeitwertgerechte Reparatur, SP 1997, 26; Wortmann, Der Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz im Schadensersatzrecht, NZV 1999, 414; Wortmann, Ersatz der Verbringungskosten und der Ersatzteilaufschläge auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis?, zfs 1998, 365 und NZV 1999, 503; Zinn, Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007, Marktstudie, 2008; Zwieschack, Zur Verweisungsmöglichkeit auf günstigere Reparaturwerkstätten bei einem Fahrzeugschaden, NZV 2008, 326.
I. Einführung 1
Die Sachschadenregulierung nach einem Verkehrsunfall hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert.
2
Die Veränderungen beruhen teilweise auf den Änderungen durch das 2. SchadÄndG, das für Unfälle ab dem 1. 8. 2002 gilt1. Hierdurch sind vor allem bis dahin nicht relevante steuerliche Probleme entstanden; aufgrund des neuen § 249 Abs. 2 S. 2 BGB kann die Umsatzsteuer, sie wird landläufig und insbesondere auch in Rechnungen Mehrwertsteuer (MwSt) genannt, nur noch ersetzt verlangt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
3
Vor noch größerem Einfluss ist aber der Umstand, dass seit 2002 auch die Berufungskammern der Landgerichte die Möglichkeit haben, unter bestimmten Voraussetzungen die Revision zum BGH zuzulassen; sie haben hiervon in den letzten Jahren auch zu Abrechnungsfragen in großem Umfang Gebrauch gemacht. Dadurch sind Rechtsfragen zum BGH gelangt, die früher schon aus Streitwertgründen keine Chance hatten, durch den BGH geklärt zu werden.
4
Vor allem wegen der vielen Revisionszulassungen durch die Landgerichte sind in den letzten acht Jahren weit mehr als 100 Entscheidungen des Haftpflichtsenats des BGH zur Sach- und Sachfolgeschadenabrechnung nach einem Verkehrsunfall ergangen, durch die die KH-Schadenregulierung ständig verändert und ergänzt worden ist. Wer sich beruflich mit der Schadenregulierung befasst – jährlich werden mehr als 3 Mio. Schadensfälle bei den KH-Versicherern angemeldet –, muss die Entwicklung ständig 1 S. z.B. Lemcke, zfs 2002, 318.
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Rz. 7
Teil 3
verfolgen und sein Regulierungsverhalten ständig neu anpassen. Durch die neue Rechtsprechung ist zwar insgesamt mehr Rechtssicherheit entstanden. Die Schadenregulierung ist dadurch aber nur teilweise einfacher geworden; teilweise ist sie inzwischen noch komplizierter. Zum Umfang der Aufwendungen für die Sachschadenregulierung nimmt Deutschland auch weiterhin eine europäische Spitzenstellung ein. Zwar hat sich die neue Rechtsprechung teilweise, vor allem bei der Mietwagenabrechnung, zugunsten der Ersatzverpflichteten entwickelt; der Anteil der Aufwendungen der KH-Versicherer für Sach- und Vermögensschäden ist auch in dem letzten acht Jahren im Verhältnis zu dem Anteil für Personenschäden von rd. 70 % auf rd. 60 % gesunken. Das liegt aber vor allem daran, dass die Aufwendungen für Personenschäden in den letzten Jahren stark gestiegen sind; in den Nachbarländern liegt der Anteil für Personenschäden seit Jahren bei mindestens 50 %1.
5
In Deutschland ist der Geschädigte auch nach einem eher harmlosen Unfall i.d.R ohne anwaltliche Hilfe nicht in der Lage, seinen Schaden unter Berücksichtigung der ihm vom Gesetz und von der Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeiten – er ist von diesen Möglichkeiten nach anwaltlicher Beratung oft angenehm überrascht – abzurechnen. Wer nach Belegen dafür sucht, dass wir Deutschen im Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit notfalls auch ein kompliziertes Abrechnungssystem in Kauf nehmen, findet hier – bei jährlich über drei Mio. Schadensfällen ein Massengeschäft, das eigentlich nach Vereinfachung auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit schreit – reichlich Anschauungsmaterial.
6
Zwar ließen die §§ 249 ff. BGB auch in ihrer jetzigen Form engere und pauschalierendere Rahmenbedingungen zu2. Wesentliche Änderungen durch die Rechtsprechung sind aber schon deshalb nicht zu erwarten, weil auch die Rechtssicherheit ein hohes Gut ist und weil es sich schon aus Gründen der Rechtssicherheit verbietet, bei einem derartigen Massengeschäft wie der KH-Sachschaden-Abrechnung die Rahmenbedingungen durch einige Einzelfallentscheidungen von heute auf morgen wesentlich zu ändern. Derartige Änderungen sind nur für künftige Schadensfälle und damit nur durch den Gesetzgeber möglich; wesentliche Einschränkungen werden spätestens irgendwann im Zuge der EU-Rechtsangleichung notwendig werden3.
7
1 Budel, VersR 1998, 1460. 2 Greger, 4. Aufl., § 24, Rz. 32; Clos, r+s 2011, 277. 3 Nach der amtl. Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. SchadÄndG (Ds 742/01 S. 30) hat man weitergehende Änderungen zwar erwogen, dieses aber aufgegeben, um es der Rechtsprechung zu überlassen, das Sachschadensrecht weiterzuentwickeln; das ist der falsche Weg.
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Rz. 8
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens 8
Die Abrechnung des Fahrzeugschadens steht naturgemäß im Mittelpunkt der Schadenregulierung nach einem Verkehrsunfall mit einem Kfz. Insoweit hat der BGH ein kompliziertes Abrechnungssystem geschaffen, es ist in den letzten acht Jahren durch inzwischen fast 50 Entscheidungen des BGH ständig vervollständigt und weiterentwickelt worden. Die Möglichkeiten, die dem Geschädigten für die Schadensbehebung auf Kosten des Ersatzverpflichteten zur Verfügung stehen, sind abhängig von der Schadenshöhe und dem Wert des Unfallfahrzeugs; hierdurch wird die Zugehörigkeit zu einer von vier Schadensstufen bestimmt. Zu unterscheiden ist zwischen den Grundsätzen, die bei der Schadensermittlung gelten, von denen, die bei der Schadensabrechnung gelten, bei der Schadensabrechnung gelten unterschiedliche Abrechnungsgrundsätze je nachdem, ob der Fahrzeugschaden konkret oder, was ebenfalls möglich ist, fiktiv abgerechnet wird.
1. Allgemeine Grundsätze a) Naturalrestitution gem. § 249 BGB 9
Nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Schädiger zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verpflichtet (Naturalrestitution). Gemeint ist ein wirtschaftlich identischer Zustand. Dieser Zustand lässt sich nach der – dogmatisch bedenklichen1, aber wirtschaftlich vernünftigen – Rechtsprechung des BGH i.d.R. auf zwei Wegen erreichen, durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung; es handelt sich um zwei verschiedene Formen der Naturalrestitution2.
10
Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte die Schadensbehebung selbst in die Hand nehmen; er hat insoweit eine Ersetzungsbefugnis. Er kann vom Schädiger statt der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Es geht also bei dem Anspruch aus § 249 Abs. 1 S. 1 BGB nicht um Kostenersatz; die tatsächlich angefallenen Kosten für die Schadensbeseitigung können niedriger, aber auch höher sein als der zu ersetzende Betrag.
1 S. z.B. Reiff, NZV 1996, 425; Haug, VersR 2000, 1329 und 1471; Greger, § 24 Rz. 9. 2 BGH v. 9. 6. 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 = MDR 2009, 979 = r+s 2010, 38 = NZV 2009, 487 = VersR 2009, 1092; BGH v. 20. 4. 2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388 = MDR 2004, 934 = r+s 2004, 303 = NZV 2004, 341 = VersR 2004, 876 = BGHR 2004, 1080 (Anm. Lemcke); BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 = MDR 1992, 131 = r+s 1992, 16 = NZV 1992, 66 = VersR 1992, 61; BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 = MDR 1992, 132 = r+s 1992, 15 = NZV 1992, 68 = VersR 1992, 64.
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Rz. 15 Teil 3
Andererseits kann der Geschädigte den „erforderlichen“ Geldbetrag auch dann ersetzt verlangen, wenn er ihn für andere Zwecke verwenden will als für eine Reparatur der beschädigten Sache. Er kann den Schaden nach Schadensbehebung konkret abrechnen; er kann ihn aber auch fiktiv abrechnen, ohne Offenlegung seiner tatsächlichen Dispositionen; ein Anspruch auf Ersatz der MWSt besteht allerdings nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur, soweit sie tatsächlich angefallen ist.
11
Der „erforderliche“ Geldbetrag ist nicht rein objektiv zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung des BGH1 gilt hier die subjektbezogene Schadensbetrachtung; zu ersetzen ist danach der erforderliche Herstellungsbedarf aus der Sicht eines wirtschaftlich vernünftigen Betrachters in der Lage des Geschädigten.
12
Das ist eine Konsequenz daraus, dass der Gesetzgeber es dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gestattet, die Schadensbehebung selbst in die Hand zu nehmen. Wenn ihm dieses aber gesetzlich gestattet ist, muss er nicht nur die Dispositionsfreiheit haben; es darf auch nicht jede seiner Dispositionen, die höhere Kosten verursacht als objektiv erforderlich, hinsichtlich der Mehrkosten zu seinen Lasten gehen. Es sind deshalb einerseits die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten zu berücksichtigen. Andererseits hat er sich aber auch wirtschaftlich vernünftig zu verhalten; er muss sich bemühen, die Kosten der Schadensbeseitigung gering zu halten.
13
Hat der Geschädigte hiergegen verstoßen und unangemessene Kosten verursacht, muss er Kürzungen hinnehmen; diese Mehraufwendungen gehören dann trotz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht mehr zu dem „erforderlichen“ Herstellungsaufwand. Zudem gilt neben dem Wirtschaftlichkeitsgebot auch das Bereicherungsverbot; einerseits soll der Geschädigte bei voller Haftung auch vollen Schadensausgleich erhalten, andererseits soll er aber an dem Unfall auch nichts verdienen.
14
Die subjektbezogene Schadensbetrachtung erlangt also Bedeutung, wenn es um die Beurteilung der nachträglichen Dispositionen des Geschädigten im Rahmen der Schadensbehebung geht. Das Gebot, den Schaden gering zu halten, folgt nicht erst aus § 254 Abs. 2 BGB; es ist bereits bei der Ermittlung des „erforderlichen“ Geldbetrags i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB zu beachten. Diese Zuordnung hat Folgen für die Darlegungs- und Beweislast. Dass der geforderte Geldbetrag zur Schadensbehebung „erforderlich“ ist i.S.d. § 249
15
1 BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 = MDR 1992, 131 = r+s 1992, 16 = NZV 1992, 66 = VersR 1992, 61; BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 = MDR 1992, 132 = r+s 1992, 15 = NZV 1992, 68 = VersR 1992, 64; BGH v. 20. 6. 1989 – VI ZR 334/88, MDR 1990, 41 = r+s 1989, 328 = NZV 1989, 465 (Anm. Hofmann) = VersR 1989, 1056; Steffen, NZV 1991, 1, 2; Lemcke, r+s 2002, 265; Lemcke, NZV 2009, 115.
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Rz. 16
Sachschaden
Abs. 2 S. 1 BGB, muss der Geschädigte beweisen; dagegen ist der Schädiger beweispflichtig, wenn es um die Frage geht, ob der Geschädigte gegen das Schadengeringhaltungsgebot des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB verstoßen hat. 16
Weil es so ist, bestimmt sich der „erforderliche“ Geldbetrag für die Behebung des Fahrzeugschadens grundsätzlich trotz subjektbezogener Schadensbetrachtung nach der wirtschaftlich günstigeren Alternative der Naturalrestitution (Wirtschaftlichkeitspostulat)1; dazu ist es erforderlich, – Reparaturaufwand (Reparaturkosten + Minderwert) und – Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert ./. Restwert) miteinander zu vergleichen.
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Diese Vergleichsbetrachtung hat – jedenfalls beim nicht vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten – auf Brutto-Basis zu erfolgen2. Denn es geht hier nur um die Frage, wie der Geschädigte disponieren kann, d.h. auf welchem Weg er die Wiederherstellung des früheren Zustandes zu Lasten des Schädigers vollziehen kann. Die Frage, ob er einen Anspruch auf Ersatz der MWSt hat, stellt sich für ihn erst bei der Abrechnung. also erst dann, wenn es darum geht, ob im Zuge der Schadensbehebung tatsächlich MWSt angefallen ist oder nicht. Beim Vorsteuerabzugsberechtigten liegt es nahe, schon die Vergleichsbetrachtung auf Netto-Basis vorzunehmen3.
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Für diese Vergleichsbetrachtung sind der voraussichtliche Reparaturund Wiederbeschaffungsaufwand in einer Bedarfsprognose zu ermitteln. Insoweit ist es üblich und i.d.R. auch richtig, ein Schätzgutachten eines Kfz-Sachverständigen einzuholen; der Geschädigte darf jedenfalls dann, wenn es um mehr als um einen Bagatellschaden geht4, zu Lasten des Schädigers einen Sachverständigen beauftragen. Dieser hat den zu erwartenden Aufwand nach objektiven Kriterien zu ermitteln5, d.h. er hat – unter Beachtung der rechtlich geltenden und deshalb auch von ihm zu 1 BGH v. 9. 6. 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 = MDR 2009, 979 = r+s 2010, 38 = NZV 2009, 487 = VersR 2009, 1092; BGH v. 5. 3. 1985 – VI ZR 204/83, MDR 1985, 748 = NJW 1985, 2469 = VersR 1985, 593; BGH v. 18. 6. 1985 – VI ZR 128/84, VersR 1985, 963; BGH v. 18. 6. 1985 – VI ZR 168/84, VersR 1985, 865. 2 BGH v. 3. 3. 2009 – VI ZR 100/08, MDR 2009, 561 = r+s 2009, 216 = NZV 2009, 333 = VersR 2009, 654; ferner Lemcke, r+s 2002, 265, 266; Riedmeyer, DAR 2003, 159; Gebhardt, zfs 2003, 157; Huber, NZV 2004, 105, 109; Heß, NZV 2004, 1, 5. 3 Dazu neigend, aber vom BGH offen gelassen in BGH v. 3. 6. 2009 – VI ZR 100/08, MDR 2009, 561 = r+s 2009, 216 = NZV 2009, 333 = VersR 2009, 654; s. dazu auch Schneider, jurisPR-VerkR 11/2009, Anm. 1 m.w.H. 4 BGH v. 30. 11. 2004 – VI ZR 365/03, MDR 2005, 390 = r+s 2005, 82 = NZV 2005, 139 = VersR 2005, 380. 5 BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 = MDR 1992, 132 = r+s 1992, 15 = NZV 1992, 68 = VersR 1992, 64; BGH v. 10. 7. 2007 – VI ZR 258/06, MDR 2007, 1367 = r+s 2007, 433 (Anm. Lemcke) = NZV 2007, 564 = VersR 2007, 1244.
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 21 Teil 3
berücksichtigenden subjektbezogenen Schadensbetrachtung – die ortsüblichen Lohn- und Materialkosten einer Vertragswerkstatt unter Ansatz von Neuteilen zugrunde zu legen, ferner den ortsüblichen Minderwert, den ortsüblichen Wiederbeschaffungswert, d.h. den ortsüblichen Händler-Brutto-Verkaufspreis für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug, und den ortsüblichen Restwert, d.h. den auf dem regionalen Markt erzielbaren Händler-Einkaufspreises für das Unfallfahrzeug. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose ist der Unfallzeitpunkt; denn das Prognoseund auch das Werkstattrisiko trägt der Schädiger1. Auf dieser Basis muss und kann der Geschädigte dann disponieren. Ergibt die Vergleichsbetrachtung, dass die Ersatzbeschaffung bereits die wirtschaftlich günstigere Alternative ist, liegt eigentlich bereits ein wirtschaftlicher Totalschaden vor mit der Folge, dass sich der Ersatzbetrag aus dem Wiederbeschaffungsaufwand ergibt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es dem Geschädigten aber gestattet, den Schaden auch dann noch durch Reparatur zu beheben und nach dem Reparaturaufwand abzurechnen, wenn dieses bereits die teurere Alternative ist; allerdings ist dieses Recht von besonderen Voraussetzungen abhängig.
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Die geforderten besonderen Voraussetzungen steigen, wenn der Reparaturaufwand nicht nur den Wiederbeschaffungsaufwand, sondern auch den Wiederbeschaffungswert übersteigt. Die Möglichkeit zur Abrechnung nach dem Reparaturaufwand endet zumindest im Regelfall, wenn der Reparaturaufwand die sog. 130 %-Grenze (Wiederbeschaffungswert + 30 %) übersteigt. Jenseits dieser Toleranzgrenze kann der Ersatzbetrag dann zumindest im Regelfall nur noch auf der Wiederbeschaffungsbasis ermittelt werden.
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b) Kompensation gem. § 251 BGB Ist eine Wiederherstellung durch Reparatur nicht möglich (technischer Totalschaden) oder jedenfalls so teuer, dass die Toleranzgrenze überschritten ist (wirtschaftlicher Totalschaden), besteht dennoch jedenfalls im Regelfall immer noch die Möglichkeit der Wiederherstellung; sie beschränkt sich jetzt nur auf die Wiederherstellung durch Ersatzbeschaffung. Deshalb ist der Fahrzeugschaden weiterhin nach § 249 BGB abzurechnen, es bleibt ein Fall der Naturalrestitution mit der Folge, dass MWSt gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur zu ersetzen ist, soweit sie angefallen ist2.
1 BGH v. 15. 10. 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 = MDR 1992, 131 = r+s 1992, 16 = NZV 1992, 66 = VersR 1992, 61. 2 BGH v. 20. 4. 2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388 = MDR 2004, 934 = r+s 2004, 303 = NZV 2004, 341 = BGHR 2004, 1080 (Anm. Lemcke).
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Teil 3
Rz. 22
Sachschaden
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Ist eine Wiederherstellung weder durch Reparatur noch durch Ersatzbeschaffung möglich, oder ist die Wiederherstellung jedenfalls zur Entschädigung des Geschädigten nicht genügend, kann der Geschädigte vom Schädiger gem. § 251 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld verlangen (Kompensation). Dieser Anspruch besteht z.B. hinsichtlich des auch nach fachgerechter Reparatur verbleibenden merkantilen Minderwerts.
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Ist eine Wiederherstellung durch Ersatzbeschaffung nicht möglich (z.B. weil es um einen Oldtimer geht, für den ein vergleichbares Ersatzfahrzeug auf dem Markt nicht zu beschaffen ist), aber eine Reparatur technisch möglich, ist § 251 Abs. 2 BGB zu beachten. Danach hat in einer derartigen Situation der Schädiger eine Ersetzungsbefugnis; er darf den Geschädigten in Geld entschädigen, wenn die Wiederherstellung durch Reparatur nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist1.
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Diese Unverhältnismäßigkeitsgrenze des § 251 Abs. 2 BGB (die sog. Opfergrenze) darf nicht verwechselt werden mit der 130 %-Grenze (Toleranzgrenze); sie ist u.U. erst wesentlich später erreicht2. Die 130 %-Grenze beschränkt die Naturalrestitution bei hohem Reparaturaufwand auf die 2. Herstellungsalternative (Ersatzbeschaffung), die Unverhältnismäßigkeitsgrenze gilt dann, wenn die Naturalrestitution ausnahmsweise durch Ersatzbeschaffung nicht möglich ist, sondern nur mit sehr hohem Reparaturaufwand. Bei einem nicht durch Ersatzbeschaffung ersetzbaren wertvollen Oldtimer dürfte die Reparatur z.B. auch dann, wenn der Reparaturaufwand den (fiktiven) Wiederbeschaffungswert um deutlich mehr als 30 % übersteigt, noch zu Lasten des Schädigers durchgeführt werden. Voraussetzung für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis ist dann aber, dass das Kfz tatsächlich fachgerecht repariert worden ist3.
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Ist trotz möglicher Reparatur die Unverhältnismäßigkeitsgrenze überschritten, ist Wertersatz zu leisten, d.h. Ersatz in Höhe des Betrages, der aufzuwenden wäre, wenn die Ersatzbeschaffung möglich wäre4. Zu beachten ist, dass in § 251 BGB eine dem § 249 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechende Regelung nicht enthalten ist. Der Wertersatz nach § 251 Abs. 2 BGB wäre deshalb, obwohl keine MWSt. anfällt, brutto zu leisten5. 1 BGH v. 2. 3. 2010 – VI ZR 144/09, MDR 2010, 985 = r+s 2010, 258 = NZV 2010, 556 = VersR 2010, 785. 2 BGH v. 19. 10. 1993 – VI ZR 20/93, MDR 1994, 37 = r+s 1994, 137 = NZV 1994, 21 = VersR 1994, 64; der BGH hat hier wegen besonderer Umstände Mehraufwendungen von 200 % noch toleriert. 3 BGH v. 2. 3. 2010 – VI ZR144/09, MDR 2010, 985 = r+s 2010, 258 = NZV 2010, 556 = VersR 2010, 785. 4 BGH v. 2. 3. 2010 – VI ZR 144/09, MDR 2010, 985 = r+s 2010, 258 = NZV 2010, 556 = VersR 2010, 785. 5 BGH v. 20. 4. 2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388 = MDR 2004, 934 = r+s 2004, 303 = NZV 2004, 341 = BGHR 2004, 1080 (Anm. Lemcke).
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 28 Teil 3
Im Ergebnis findet, wie aufgezeigt, beim Fahrzeugschaden § 251 BGB nur ausnahmsweise Anwendung; anders ist es bei der Beschädigung anderer Sachen (z.B. bei der Beschädigung von Kunstwerken, Antiquitäten und sonstigen Unikaten)1. Anders ist es auch, wie bereits erwähnt, beim Fahrzeugschaden hinsichtlich des auch nach fachgerechter Reparatur noch verbleibenden merkantilen Minderwerts. Anders kann es auch dann sein, wenn es um Fahrzeugfolgeschäden geht, z.B. um die Nutzungsausfallentschädigung, aber auch z.B. um den Erwerbsschaden infolge der Beschädigung eines gewerblich genutzten Fahrzeugs2.
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Die Berechtigung des Geschädigten, den Fahrzeugschaden unter bestimmten Voraussetzungen auch dann noch auf Reparaturkostenbasis abrechnen zu können, wenn dieses bereits die teurere Alternative ist, gilt auch für Leasingfahrzeuge3, für gewerblich genutzte Pkw4 und für Nutzfahrzeuge5, auch z.B. für einen Sattelauflieger6.
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2. Die Beweisanforderungen Zwar ist der Geschädigte sowohl zur Unfallbedingtheit der Fahrzeugschäden als auch zur Schadenshöhe darlegungs- und beweispflichtig. Ihm kommen hier aber die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute7. Eine hinreichende (erhebliche) Wahrscheinlichkeit reicht aus8, zudem besteht hier bei Beweisschwierigkeiten für das Gericht auch die Möglichkeit der freien Schadensschätzung. Ferner kann der erste Anschein dafür sprechen, dass die festgestellten Schäden bei dieser Kollision entstanden sind9. 1 BGH v. 10. 7. 1984 – VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85 = r+s 1984, 189 = VersR 1984, 966. 2 BGH v. 19. 10. 1993 – VI ZR 20/93, MDR 1994, 37 = r+s 1994, 137 = NZV 1994, 21 = VersR 1994, 64. 3 OLG München v. 1. 12. 1999 – 7 U 4239/99, DAR 2000, 121 = OLGR 2000, 119; OLG Köln v. 15. 8. 2000 – 15 U 42/00, SP 2001, 15; Reinking, DAR 1997, 425 m.w.N. 4 BGH v. 8. 12. 1998 – VI ZR 66/98, MDR 1999, 2693 = r+s 1999, 151 = NZV 1999, 159 = VersR 1999, 245. 5 OLG Hamm v. 19. 3. 1998 – 6 U 192/97, MDR 1998, 1223 = r+s 1998, 284 = VersR 1998, 330; OLG Düsseldorf v. 10. 3. 1997 – 1 U 118/96, r+s 1997, 286 = NZV 1997, 355. 6 OLG Celle v. 2. 12. 2009 – 14 U 123/09, NZV 2010, 249 = NJW-RR 2010, 600. 7 BGH v. 28. 4. 1982 – IVa ZR 8/81, MDR 1982, 918 = NJW 1983, 998 = VersR 1982, 756. 8 BGH v. 16. 10. 2001 – VI ZR 408/00, BGHZ 149, 63 = MDR 2002, 29 = r+s 2002, 63 = NZV 2002, 28 = VersR 2001, 1521; BGH v. 5. 4. 1991 – VI ZR 291/89, MDR 1991, 423 = VersR 1991, 437; KG, NZV 09, 241 m.w.N. 9 BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, MDR 1979, 47 = r+s 1978, 233 = VersR 1978, 862; BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 36/76, MDR 1979, 48 = r+s 1978, 235 = VersR 1978, 865.
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Teil 3
Rz. 29
Sachschaden
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Die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO kommen aber nur dem in Beweisnot befindlichen Geschädigten zugute, d.h. dem Geschädigten, der das ihm Mögliche zur Aufklärung des Schadensumfangs beiträgt. Ergibt die Beweisaufnahme, dass er Vorschäden verschwiegen hat, oder ergibt sich jedenfalls, dass ein Teil der Schäden tatsächlich nicht bei dieser Kollision entstanden sein kann, hat der Geschädigte wieder im Wege des Vollbeweises (§ 286 ZPO) den Nachweis zu führen, welche Schäden bei dieser Kollision entstanden sind1.
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Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte schon im Vorfeld des Prozesses dem Versicherer schuldhaft die Beweisführung erschwert oder gar vereitelt, z.B. durch Verhinderung der Nachbesichtigung des vom Privatgutachter begutachteten Unfallfahrzeugs2.
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Steht fest, dass das Fahrzeug in einen oder mehrere Vorunfälle verwickelt war, und behauptet der Geschädigte, die Vorschäden seien von ihm vor dem streitigen Unfall behoben worden, muss er deren Behebung beweisen, oder er muss jedenfalls ausschließen, dass die Schäden, für die er jetzt Ersatz verlangt, schon früher vorhanden waren3. Erst wenn in diesen Fällen der Nachweis gelingt, dass dennoch ein Teil der Schäden bei dieser Kollision entstanden ist, ist wieder Raum für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO; dabei kommt dann evtl. noch ein Sicherheitsabschlag in Betracht4.
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Zu beachten ist insoweit, dass der Geschädigte nach § 249 BGB immer nur den Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes hat. So kann z.B. ein bereits bei einem Vorunfall beschädigter und entwerteter Kotflügel durch eine erneute Kollision nicht noch weiter entwertet werden. Kann z.B. nicht festgestellt werden, in welchem Umfang der Heckschaden aus dem Vorunfall vor dem neuen Auffahrunfall beseitigt war, ist evtl. trotz nachweislich vorhandener kompatibler Schäden infolge des neuen Auffahrunfalls selbst die Feststellung eines Mindestschadens im Wege der Schadensschätzung wegen Fehlens ausreichender Schätzungsgrundlagen nicht möglich5. 1 BGH v. 10. 2. 1981 – VI ZR 182/79, MDR 1981, 662 = VersR 1981, 464; KG v. 11. 10. 2007 – 12 U 46/07, MDR 2008, 142 = NZV 2008, 196 = KGR 2008, 333; OLG Köln v. 22. 2. 1999 – 16 U 33/98, MDR 1999, 1324 = NZV 1999, 378 = VersR 1999, 865; r+s 96, 176; NZV 96, 241; OLG Karlsruhe v. 19. 7. 1995 – 1 U 19/95, SP 1996, 36; OLG Hamm v. 4. 10. 1989 – 13 U 153/88, NJW-RR 1990, 42 = zfs 1990, 86. 2 LG München I v. 3. 6. 1991 – 13 T 8865/91, zfs 1991, 411; KG v. 13. 6. 2005 – 12 U 65/04, NZV 2006, 88 = KGR 2005, 738; dazu auch Lepa, NZV 1992, 135, 139. 3 KG v. 22. 3. 2010 – 12 U 128/09, Juris; KG v. 11. 10. 2007 – 12 U 46/07, NZV 2008, 196 = NJW 2008, 1006 = KGR 2008, 333. 4 BGH v. 29. 3. 1990 – VI ZR 115/89, zfs 1990, 289 = DAR 1990, 224; OLG Düsseldorf v. 11. 2. 2008 – 1 U 181/07, NZV 2008, 295 = DAR 2008, 344. 5 KG v. 12. 11. 2009 – 12 U 9/09, NZV 2010, 348; KG v. 13. 8. 2007 – 12 U 180/06, NZV 2008, 356 = KGR 2008, 499; KG v. 11. 10. 2007 – 12 U 46/07, MDR 2008,
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Lemcke
II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 34 Teil 3
Andererseits verliert der Geschädigte seinen Ersatzanspruch nicht dadurch, dass das Unfallfahrzeug vor der Behebung des Schadens bei einem weiteren Unfall weitergehend beschädigt wird und die Beseitigung des Schadens dadurch unmöglich wird; er kann den Unfallschaden aus dem ersten Unfall auch weiterhin – nicht anders als nach einer Veräußerung des unreparierten Unfallfahrzeugs – fiktiv abrechnen1.
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Die Frage, ob und in welchen Fällen der Ersatzverpflichtete hinsichtlich des Fahrzeugschadens das Recht zur Besichtigung des Unfallfahrzeugs und nach der Reparatur zur Überprüfung der Schadensbeseitigung hat, ist umstritten. Wenn der Geschädigte aber die Schadensbeseitigung in die eigene Hand nehmen kann und der Ersatzverpflichtete zudem das Prognose- und das Werkstattrisiko trägt, muss er zumindest das Recht haben, bei Bedenken gegen das Schadensgutachten eine eigene Überprüfung vorzunehmen und, falls es für die Abrechnung auf eine fachgerechte Schadensbeseitigung ankommt, eine Nachbesichtigung durchzuführen, jedenfalls dann, wenn dieses möglich ist, ohne dass der Geschädigte dadurch in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt wird. Im Übrigen wird durch die Gestattung derartiger Nachbesichtigungen evtl. eine gerichtliche Auseinandersetzung mit umfangreicher Beweisaufnahme vermieden, an deren Ende sich evtl. die Frage der Beweisvereitelung stellt.
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3. Die vier Eckdaten, Ermittlung und Abrechnung Literatur: Budel, Kfz-Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen, zfs 2000, 89; Budel, Zeitwertgerechte Reparatur, VersR 1998, 1460; Budel, Kfz-Instandsetzung mit gebrauchten Ersatzteilen, zfs 2000, 89; Budel, Zeitwertgerechte Reparatur, VersR 1998, 1460; Burmann, Ersatz fiktiver Verbringungskosten zum Lackierer, zfs 1999, 121; Dornwald, Allgemeiner Markt und Sondermarkt für Fahrzeugreste, VersR 1993, 1075; Eggert, Entschädigungsobergrenzen bei der Abrechnung „fiktiver“ Reparaturkosten – ein Dreistufenmodell, DAR 2001, 20; Engel, Das PorscheUrteil des BGH, DAR 2007, 662; Freyberger, Die 130 %-Grenze im Lichte der neuesten Rechtsprechung des BGH, NZV 2005, 231; Freyberger, Wertminderung beim vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten – brutto oder netto?, NZV 2000, 290; Fuchs, BVSK-Restwertrichtlinie – praxisgerechte Hilfe für Sachverständige und Anwälte, DAR 2002, 189; Fuchs, Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, 1997; Gebhardt, Der Restwert bei der Regulierung von Fahrzeugschäden, NZV 2002, 249; Geier, Neugewichtung bei den Schadensersatzleistungen bei Personen- und 142 = NZV 2008, 196 = KGR 2008, 333; OLG Frankfurt a.M. v. 21. 9. 2006 – 16 U 75/06, NZV 2007, 313 = NJW-RR 2007, 603 = OLGR 2007, 272; OLG Düsseldorf v. 19. 2. 2001 – 1 U 228/99, SP 2001, 272; OLG Hamburg v. 28. 3. 2001 – 14 U 87/00, MDR 2001, 1111 = r+s 2001, 455 = OLGR 2001, 261; OLG Hamm v. 18. 4. 1994 – 6 U 116/93, r+s 1994, 332 = NZV 1994, 483 = OLGR 1994, 212; teilweise einschränkend: OLG Düsseldorf v. 11. 2. 2008 – 1 U 181/07, NZV 2008, 295 = DAR 2008, 344. 1 BGH v. 12. 3. 2009 – VII ZR 88/08, MDR 2009, 743 = r+s 2009, 349 = NZV 2009, 336 = VersR 2009, 1130.
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Teil 3
Rz. 34
Sachschaden
Sachschäden?, zfs 1996, 321 und VersR 1996, 1457; Gerard-Morguet, Dogmatische Grundlagen des Fahrzeugschadens – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis, zfs 2006, 303; v. Gerlach, Der merkantile Minderwert in der Rechtsprechung des BGH, DAR 2003, 49; Greger, Kurskorrekturen beim Kraftfahrzeugschaden, NZV 2006, 1; Greger, Ein Beitrag des Prozesssrechts zur Versachlichung der fiktiven Reparaturkostenabrechnung, NJW 2002, 1477; Greger, Ein Beitrag des Prozessrechts zur Versachlichung der fiktiven Reparaturkostenabrechnung, NJW 2002, 1477; Greger, Der Streit um den Schaden – Derzeitiger Stand und Wege zu seiner Vermeidung, NZV 1994, 11; Greiner, Die Rechtsprechung des BGH zum Fahrzeugschaden seit dem 2. SchadÄndG, Homburger Tage 2005, 7, ferner Teil 1 zfs 2006, 63; Teil 2 zfs 2006, 124; Empfehlungen für die Kfz-Schadensregulierung, Schlichtungsausschuss – Erläuterungen, DAR 1998, 286; Halbgewachs, Der merkantile Minderwert bei älteren Fahrzeugen, NZV 2008, 125; Harneit, Restwerterlös und Mietwagenkosten – Inhalt und Grenzen der Schadensminderungspflicht, DAR 1994, 93; Haug, Die Rechtsprechung des BGH zur Dispositionsfreiheit, NZV 2003, 545; Haug, Naturalrestitution und Vermögenskompensation, VersR 2000, 1329 und 1471; Heß, Die MWSt-Abrechnung nach dem 2. SchadÄndG, zfs 2002, 367; Heß, Die Abrechnung der MWSt.: 11/ 2 Jahre nach der Reform – Bestandsaufnahme und Ausblick, NZV 2004, 1; Hirsch, Fälligkeit des Schadenseratzanspruchs bei Unfallschäden, VersR 2009, 756; Höke, Aspekte zur Restwertermittlung aus Sicht der Versicherungswirtschaft, NZV 2002, 254; Hopfner, Restwertbestimmung von Unfallfahrzeugen – Berücksichtigung des Sondermarktes für Sachverständige, MDR 2002, 801; Huber, Die Fälligkeit der Ersatzleistung beim Kfz-Schaden, DAR 2009, 252; Huber, Die Ermittlung der Schwellwerte bei 100 und 130 %, NZV 2009, 322; Huber, Eine neue Kategorie – Totalschadensabrechnung de luxe oder verkappte Reparaturkostenabrechnung, NJW 2007, 1625; Huber, Zur Kappung der MWSt bei der fiktiven Schadensabrechnung gem. § 249 II 2 BGB, NZV 2004, 105; Hufnagel, Merkantile Wertminderung bei unfallgeschädigten Nutzfahrzeugen, NZV 2010, 235; Imbach, Die Reparatur in Eigenregie, VersR 1996, 425; Kappus, Fiktive Schadensberechnung bei der Verkehrsunfallregulierung, DAR 2008, 453; Knöpper/Quaisser, Erstattung der Mehrwertsteuer im Totalschadensfall, NJW-Spezial 2005, 495; Kuhn, Schwierigkeiten bei der fiktiven Abrechnung, DAR 1999, 379; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Modell des BGH, NZV 2009, 115; Lemcke, Schadenabrechnung nach § 249 Abs. 2 BGB n.F. bei tatsächlicher und fiktiver Ersatzbeschaffung, r+s 2003, 441; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens nach § 249 Abs. 2 BGB n.F., r+s 2002, 265; Lemcke/Heß/Burmann, Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Model des BGH, NZV 2009, 120; Lipp, Der Ausgleich des Integritätsinteresses im Kfz-Schadensrecht, NZV 1996, 7; Martis/ Enslin, Aktuelle Rechtspechung zur Sachschadenregulierung nach einem Verkehrsunfall, MDR 2010, 1032; Martis/Enslin, Aktuelle Entwicklungen im Verkehrszivilrecht – Nutzungsausfall, Mietwagen und Reparaturkosten, MDR 2009, 848; Martis/Enslin, Aktuelle Entwicklungen im Verkehrszivilrecht – Mietwagen und Reparaturkosten nach einem Unfall, MDR 2008, 6; Metz, Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung – 6 Jahre nach „Porsche“, NZV 2010, 119; Notthoff, Nebenkosten im Rahmen der Unfallschadensregulierung, VersR 1995, 1399; Notthoff, Ersatzfähigkeit der Kosten eines Kostenvoranschlags im Falle der Abrechnung des Verkehrsunfallschadens nach fiktiver Reparatur, DAR 1994, 417; Nugel, Rechtsprechung des BGH zur Restwertberechnung im Totalschadensfall, NJW-Spezial 2008, 105; Nugel, Haftungsquote und Mehrwertsteuerersatz für den Fahrzeugschaden bei dem Verkehrsunfall mit einem Leasingfahr-
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 36 Teil 3
zeug, zfs 2008, 4;Nugel, Kürzung bei Stundenverrechnungssätzen, zfs 2007, 248; Otting, 130 %-Problematik und Prognoserisiko, zfs 1994, 154; Otting, Bemerkungen zum merkantilen Minderwert, zfs 1994, 434; Otting/Gansert, Die zeitwertgerechte Instandsetzung, in Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 1996, 267; Reiff, Die Unverhältnismäßigkeit als Grenze der Naturalrestitution, NZV 1996, 425; Reinking, Unfallreparaturen mit gebrauchten Ersatzteilen, zfs 1997, 81; Reinking, 130 % Reparaturkosten auch für Leasingfahrzeuge, DAR 1997, 425; Reinking, Schadensabwicklung von Unfällen unter Beteiligung von Leasingfahrzeugen, zfs 2000, 281; Riedmeyer, Restwertrichtlinie des BVSK in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung?, DAR 2002, 43; Rischar, Die Rechtsprechung zur sog. 130 %-Grenze, SP 1997, 288; Zwei unterschiedliche Restwerte für ein und dasselbe Unfallfahrzeug?, VersR 1999, 686; Rode, Restwertfragen im Lichte der neuen Restwertbörsen, DAR 1998, 52; Röttgering, 130 % auch bei Selbstreparatur und nicht nachgewiesenem erhöhten Kostenaufwand?, zfs 1995, 441; Ross, Rechtliche Probleme beim Kfz-Gutachten, NZV 2001, 322; Ruppert, Berechnung des ersatzfähigen Schadens bei der Kfz-Reparatur, zfs 2010, 466; Schauseil, Schadenersatz bei vorgeschädigtem Fahrzeug, MDR 2009, 425; Schiemann, Perspektiven des Rechts der Unfallschäden, NZV 1996, 1; Schmalzl, Die Mehrwertsteuer als Schadensposten im Rahmen der Schadensregulierung, VersR 2002, 816; Schneider, Kfz-Totalschaden und Umsatzsteuer – Fiktiver Steuersatz für die fiktive Abrechnung, NZV 2003, 555; Speer, Der Restwert – Thema des Arbeitskreises IV des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2002, VersR 2002, 17; Splitter, Der merkantile Minderwert, DAR 2000, 49; Staab, Mindestnutzungsdauer bei Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwands, NZV 2007, 279; Staab, Restwert auf dem lokalen Markt, NZV 2006, 456; Steffen, Zur Restwertproblematik bei Kfz-Haftpflichtschäden, zfs 2002, 161; Steffen, Der normative Verkehrsunfallschaden, NJW 1995, 2057; Steffen, Die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Berechnung des Fahrzeugschadens, NZV 1991, 1; Thole, Das Wirtschaftlichkeitspostulat im Unfallschadensrecht – ist die Rechtsprechung auf dem Weg zu uneinheitlichen Maßstäben?, NZV 2010, 425; Trost, Probleme der Bestimmung des Restwerts eines Unfallfahrzeugs, VersR 2002, 795; Ullmann, Das sog. VW-Urteil – „Steine statt Brot“?, NZV 2010, 489; Ullmann, Stundenverrechnungssätze und kein Ende?, NZV 2009, 270; Wagner, Kein Ersatz fiktiver Verbringungskosten, NZV 1999, 358; Wirsching, Der Begriff des „wirtschaftlichen Totalschadens“, DAR 1999, 311; Witte, Neue Aspekte der Restwertermittlung als Voraussetzung für eine zeitwertgerechte Reparatur, SP 1997, 26; Wellner, KfzSchadenabrechnungs-Übersicht, NZV 2007, 401; Wortmann, Ersatz der Verbringungskosten und der Ersatzteilaufschläge auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis?, zfs 1998, 365 und NZV 1999, 503; Zwieschack, Zur Verweisungsmöglichkeit auf günstigere Reparaturwerkstätten bei einem Fahrzeugschaden, NZV 2008, 326.
In der Regulierungspraxis wird häufig nicht genügend unterschieden zwischen den Grundsätzen, die für die Ermittlung der vier Eckdaten gelten, und denen, die im Rahmen der – konkreten oder fiktiven – Abrechnung gelten.
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Zur Ermittlung der vier Eckdaten ist es üblich und i.d.R. auch richtig, ein Schätzgutachten eines Kfz-Sachverständigen einzuholen; der Geschädigte darf jedenfalls dann, wenn es um mehr als um einen Bagatellscha-
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Rz. 37
Sachschaden
den geht1, zu Lasten des Schädigers einen Sachverständigen beauftragen. Die Kosten gehören als Fahrzeugfolgeschaden zum nach § 249 BGB zu ersetzenden Herstellungsaufwand; entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung geht es nicht um Rechtsverfolgungskosten2. 37
Deshalb ist aus Sicht des Geschädigten zu beachten, dass dann, wenn die Haftung quotenmäßig beschränkt ist, auch dieser Kostenaufwand nur quotenmäßig zu ersetzen ist3. In diesen Fällen kann es evtl. erwägenswert sein, sich bei kleineren Schäden, evtl. nach Rücksprache mit dem gegnerischen KH-Versicherer, mit einem Kostenvoranschlag zu begnügen. Falls eine Kasko-Versicherung besteht und in Anspruch genommen wird, wird der Kasko-Versicherer auf seine Kosten ein Gutachten einholen. Dieses kann dann evtl. auch für die Schadenregulierung verwendet werden. Dabei ist dann aber zu beachten, dass der Kaskoschaden teilweise nach anderen Grundsätzen zu ermitteln ist als der Haftpflichtschaden.
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Wird ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt, hat er, wie bereits ausgeführt, die von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Ermittlungsgrundsätze zur KH-Schadenregulierung zu beachten. Insbesondere hat er zu beachten, dass die subjektbezogene Schadensbetrachtung gilt und dass er deshalb jeweils nur die allgemeinen ortsüblichen Preise zu berücksichtigen hat und auch nur den Markt, der dem Geschädigten zugänglich ist. Das gilt sowohl für die Reparaturkosten als auch für Wiederbeschaffungswert und Restwert.
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Der Sachverständige hat ferner zu beachten, dass es hier um den Schadensumfang geht, also um die haftungsausfüllende Kausalität. und dass dem Geschädigten insoweit die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute kommt, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit reicht aus. Dieses gilt auch dann, wenn es um die Frage geht, ob es sich bei bestimmten Schäden um Unfallschäden oder um Vorschäden handelt. Schäden, die er zwar nicht sicher, aber mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dem Unfall zuordnen kann, hat er mit aufzuführen, aber unter Hinweis auf die bestehende Unsicherheit. Die Entscheidung, ob sie im Rahmen der Ermitt1 BGH v. 30. 11. 2004 – VI ZR 365/03, MDR 2005, 390 = r+s 2005, 82 = NZV 2005, 139 = VersR 2005, 380. 2 BGH v. 30. 11. 2004 – VI ZR 365/03, MDR 2005, 390 = r+s 2005, 82 = NZV 2005, 139 = VersR 2005, 380; OLG Düsseldorf v. 15. 3. 2011 – 1 U 152/10, MDR 2011, 655 = r+s 2011, 268 (Anm. Lemcke S. 269) = DAR 2011, 326 = zfs 2011, 384, dazu Wenker, juris PR-VerkR 11/2011, Anm. 3; Nugel, NJW-Spezial 2011, 329; a.A. OLG Rostock v. 18. 3. 2011 – 5 U 144/10, MDR 2011, 655 = r+s 2011, 269 (Anm. Lemcke) = NJW 2011, 1973 = SP 2011, 221. 3 So OLG Düsseldorf v. 15. 3. 2011 – 1 U 152/10, MDR 2011, 655 = r+s 2011, 268 (Anm. Lemcke S. 269) = DAR 2011, 326 = zfs 2011, 384, dazu Wenker, juris PRVerkR 11/2011, Anm. 3; Nugel, NJW-Spezial 2011, 329; a.A. OLG Rostock v. 18. 3. 2011 – 5 U 144/10, MDR 2011, 655 = r+s 2011, 269 (Anm. Lemcke) = NJW 2011, 1973 = SP 2011, 221.
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 44 Teil 3
lung der Schadenshöhe zu berücksichtigen sind, obliegt dann letztlich dem Gericht. Weil der Sachverständige i.d.R. nicht weiß, wie der Schaden letztlich behoben und/oder abgerechnet werden wird, muss er aufgrund der Neuregelung in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB immer neben den üblichen Bruttopreisen auch die üblichen Nettopreise ermitteln und im Gutachten angeben; die Nettopreise werden evtl. benötigt für den Fall, dass der Geschädigte fiktiv abrechnen will.
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Das gilt für Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswert, bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten auch für den Restwert.
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a) Reparaturkosten, Ermittlung und Abrechnung aa) Ermittlung der Reparaturkosten (1) Unfallbedingter Reparaturaufwand Bei der Ermittlung des unfallbedingten Reparaturaufwands darf sich der Sachverständige nicht blind auf die Angabe des Geschädigten verlassen, das Fahrzeug sei vor dem Unfall schadenfrei gewesen, sämtliche Schäden seien bei dem fraglichen Unfall entstanden. Weil er weiß, dass sein Gutachten für die Schadenregulierung verwendet werden soll, ist der Gutachtervertrag ein Vertag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter1, hier des gegnerischen KH-Versicherers; der Sachverständige macht sich evtl. ersatzpflichtig, wenn er auch offensichtliche Vorschäden mit in seine Begutachtung einbezieht2 (fi Rz. 311 ff.).
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Andererseits geht es um den Schadensumfang, es gilt, wie gesagt, zugunsten des Geschädigten die Beweiserleichterung aus § 287 ZPO. Es ist deshalb unbedenklich, wenn der Sachverständige bei der Schadensermittlung auch die Schäden mitberücksichtigt, die nur mit einer mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeit dem Unfall zugeordnet werden können, die aber nach den Angaben des Geschädigten auf dem Unfall beruhen. Allerdings muss er insoweit im Gutachten auf die Bedenken hinweisen.
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Ist die Wiederherstellung des früheren Zustandes auf verschiedenen Wegen möglich, hat der Sachverständige den wirtschaftlich günstigeren Reparaturweg zu wählen3. Denn trotz der subjektbezogenen Schadens-
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1 Kääb/Jandel, NZV 1992, 18. 2 S. z.B. OLG München v. 11. 6. 1990 – 31 U 5232/89, r+s 1990, 273; LG Gießen v. 4. 7. 2001 – 1 S 357/00, MDR 2001, 1237 = VersR 2002, 328 = zfs 2001, 496 (Anm. Diehl) = NJW-RR 2002, 751; Nickel, zfs 1998, 409; s. dazu auch Steffen, DAR 1997, 297, 298. 3 S. z.B. OLG Karlsruhe v. 21. 8. 2003 – 19 U 57/03, MDR 2004, 149 = r+s 2003, 523 = OLGR 2003, 458 = DAR 2003, 559; LG Nürnberg-Fürth v. 26. 3. 2003 – 8 S 9638/02, zfs 2003, 292.
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Teil 3
Rz. 45
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betrachtung gilt, dass sich der Geschädigte wirtschaftlich vernünftig zu verhalten hat. (2) Materialkosten 45
Hinsichtlich der Materialkosten hat der Sachverständige bei der Kostenkalkulation die ortsüblichen Preise für Neuteile anzusetzen. Der Einbau von – dem Zustand des Unfallfahrzeugs vor dem Unfall entsprechenden – Gebrauchtteilen würde zwar ebenfalls zu einer vollen Wiederherstellung des früheren Zustandes führen (sog. zeitwertgerechte Reparatur); es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass passende Gebrauchtteile in den Reparaturwerkstätten tatsächlich vorhanden sind. Deshalb muss der Sachverständige Neuteile zugrunde legen.
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Abzüge „Neu für Alt“ kommen für zu erneuernde Verschleißteile in Betracht, z.B. für Motor, Getriebe, Reifen, Motorradkleidung1.
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Hinsichtlich der Preise für Neuteile existieren i.d.R. von den Herstellern vorgegebene, aber unverbindliche Preisempfehlungen. Insbesondere in Großstätten und Ballungsräumen fordern die Vertragswerkstätten häufig höhere als diese vorgegebenen Preise, sie stellen den Kunden die sog. UPE-Zuschläge (UPE = unverbindliche Preisempfehlung) in Rechnung. Wenn es ortsüblich ist, dass die Werkstätten UPE-Zuschläge in Rechnung stellen, hat auch der Sachverständige sie bei der Kostenkalkulation mit zu berücksichtigen. Die sog. Verbringungskosten (Verbringung des Kfz zum Lackieren in eine Lackierwerkstatt) sind dagegen schon bei der Kostenkalkulation nicht zu berücksichtigen, wenn die örtlichen Vertragswerkstätten überwiegend selbst lackieren2. (3) Lohnkosten
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Hinsichtlich der Lohnkosten darf der Geschädigte auch bei der fiktiven Abrechnung nach der Rechtsprechung des BGH3 grundsätzlich die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Deshalb darf auch der Sachverständige seiner Schadenskalkulation 1 OLG Düsseldorf v. 25. 6. 2001 – 1 U 126/00, NZV 2002, 87 = VersR 2002, 208 = DAR 2002, 68; OLG Frankfurt a.M. v. 8. 2. 2011 – 22 U 162/08, Juris; OLG München v. 1. 7. 2010 – 1 U 5424/09, Juris. 2 BGH v. 13. 7. 2010 – VI ZR 259/09, MDR 2010, 1181 = r+s 2010, 437 = NZV 2010, 533 = VersR 2010, 1380. 3 S. BGH v. 20. 10. 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 = MDR 2010, 203 = r+s 2010, 34 (Anm. Lemcke) = NZV 2010, 133 = VersR 2010, 225; ferner BGH v. 29. 4. 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1 = MDR 2003, 1046 = r+s 2003, 301 = NZV 2003, 372 = VersR 2003, 920; außerdem BGH v. 23. 2. 2010 – VI ZR 91/09, MDR 2010, 741 = r+s 2010, 302 = NZV 2010, 445 = VersR 2010, 923; BGH v. 22. 6. 2010 – VI ZR 337/09, MDR 2010, 919 = r+s 2010, 346 = NZV 2010, 555 = VersR 2010, 1097; BGH v. 15. 6. 2010 – VI ZR 232/09, MDR 2010, 983 = r+s 2010, 348 = NZV 2010, 443 = Vers 2010, 1096.
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 52 Teil 3
nur die regional üblichen Vertragswerkstattpreise zugrunde legen; er darf insbesondere nicht die regional üblichen Durchschnitts-Stundenverrechnungssätze berücksichtigen, wie sie z.B. die DEKRA jährlich neu ermittelt1. bb) Abrechnung der Reparaturkosten Hier macht es einen wesentlichen Unterschied, ob der Geschädigte nach durchgeführter Reparatur konkret abrechnet oder ob er den Fahrzeugschaden fiktiv abrechnet.
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(1) Konkrete Abrechnung Bei konkreter Abrechnung kann der Haftpflichtversicherer i.d.R. nicht mehr geltend machen, bestimmte Arbeiten seien nicht erforderlich gewesen. Wenn der Sachverständige z.B. den Austausch bestimmter Teile vorgesehen hat und die Werkstatt sie dann auch tatsächlich ausgetauscht hat, kann sich der Haftpflichtversicherer nicht mehr darauf berufen, der Austausch sei nicht erforderlich gewesen. Ggf. ist dann insoweit im Zuge der Reparatur eine Schadensausweitung eingetreten, die allenfalls einen Ersatzanspruch gegen den Sachverständigen oder die Werkstatt begründen kann; der Geschädigte wird dieses i.d.R. nicht erkannt und deshalb seine Pflicht, sich wirtschaftlich vernünftig zu verhalten, nicht verletzt haben. Der Haftpflichtversicherer hat die in Rechnung gestellten Kosten einschließlich der berechneten Stundenverrechnungssätze, UPEZuschläge und Verbringungskosten zu ersetzen.
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Das dürfte – offen gelassen vom BGH in einer neueren Entscheidung2 – grundsätzlich auch dann gelten, wenn der Geschädigte sonst bei Wartungs- und Reparaturarbeiten, die er selbst bezahlen muss, keine markengebundene Fachwerkstatt aufzusuchen pflegt; er muss sich wirtschaftlich vernünftig verhalten, er muss aber nicht zugunsten des Schädigers Sparmaßnahmen ergreifen.
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Der Haftpflichtversicherer kann jedoch auch nach durchgeführter Reparatur geltend machen, bei einem Teil der beseitigten Schäden habe es sich um nicht unfallbedingte Vorschäden gehandelt. Den Beweis für die Unfallbedingtheit hat der Geschädigte zu erbringen3 (fi Rz. 28 ff.). Soweit ihm das nicht gelingt, ist die Klage abzuweisen. Ergibt sich, dass er Vorschäden verschwiegen hat, ist evtl. sogar eine Schadensschätzung nicht möglich (fi Rz. 31 f.).
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1 BGH v. 29. 4. 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1 = MDR 2003, 1046 = r+s 2003, 301 = NZV 2003, 372 = VersR 2003, 920. 2 S. insoweit Lemcke, r+s 2010, 36. 3 KG v. 14. 1. 2008 – 12 U 96/07, NZV 2009, 241 (L) = KGR 2008, 815 m.w.H.
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Teil 3
Rz. 53
Sachschaden
(2) Fiktive Abrechnung 53
Bei fiktiver Abrechnung ist die Rechtsstellung des Geschädigten insgesamt schwächer. Hier kann der Haftpflichtversicherer auch im Prozess noch geltend machen, ein Teil der vom Sachverständigen für notwendig gehaltenen Arbeiten sei tatsächlich nicht erforderlich. Hat der Sachverständige z.B. den Austausch der Vorderachse vorgesehen, ergibt sich aber, dass deren Austausch nicht erforderlich ist, wäre der Austausch zwar nach durchgeführter Reparatur ersatzpflichtig (fi Rz. 50); bei fiktiver Abrechnung wäre die Klage aber insoweit abzuweisen1.
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Hoch um stritten war die Frage, wann und unter welchen Umständen der Geschädigte auch bei fiktiver Abrechnung die oft sehr hohen Stundenverrechnungssätze der Vertragswerkstätten ersetzt verlangen kann und ob der Haftpflichtversicherer in diesem Fall die Möglichkeit hat, den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit zu verweisen. Insoweit hat der BGH2 inzwischen folgende Grundsätze entwickelt:
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– Der Geschädigte darf grundsätzlich auch bei fiktiver Abrechnung auf der Basis der ortsüblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen.
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– Der Haftpflichtversicherer hat aber die Möglichkeit, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit zu günstigeren Preisen hat, z.B. bei Karosserieschäden eine Karosseriewerkstatt, die ohne weiteres zugänglich und in der Lage ist, die Reparatur ebenso wie eine Vertragswerkstatt auszuführen.
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– Jedoch muss sich der Geschädigte nur dann darauf verweisen lassen, wenn ihm dieses aufgrund seiner Verpflichtung zur Schadensgeringhaltung gem. § 254 Abs. 2 BGB zumutbar ist. Die Zumutbarkeit setzt eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur voraus. Trotz Gleichwertigkeit fehlt die Zumutbarkeit i.d.R. bei jungen noch nicht 3 Jahre alten Fahrzeugen. Auch bei älteren Fahrzeugen fehlt die Zumutbarkeit, wenn der Geschädigte konkret darlegen kann, dass er sein Fahrzeug regelmäßig in einer Vertragswerkstatt hat warten und reparieren lassen („scheckheftgepflegt“). Schließlich fehlt die Zumutbarkeit auch dann, 1 S. z.B. OLG Hamm v. 18. 3. 1999 – 6 U 104/98, r+s 1999, 240 = NZV 1999, 297 = VersR 2001, 198 = OLGR 2000, 204 (L). 2 BGH v. 29. 4. 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1 = MDR 2003, 1046 = r+s 2003, 301 = NZV 2003, 372 = VersR 2003, 920; BGH v. 13. 3. 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 = MDR 2010, 203 = r+s 2010, 34 (Anm. Lemcke) = NZV 2010, 133 = VersR 2010, 225; BGH v. 23. 2. 2010 – VI ZR 91/09, MDR 2010, 741 = r+s 2010, 302 = NZV 2010, 445 = VersR 2010, 923; BGH v. 22. 6. 2010 – VI ZR 337/09, MDR 2010, 919 = r+s 2010, 346 = NZV 2010, 555 = VersR 2010, 1097; BGH v. 15. 6. 2010 – VI ZR 232/09, MDR 2010, 983 = r+s 2010, 348 = NZV 2010, 443 = VersR 2010, 1096; BGH v. 13. 7. 2010 – VI ZR 259/09, MDR 2010, 1181 = r+s 2010, 437 = NZV 2010, 533 = VersR 2010, 1380.
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 62 Teil 3
wenn die Reparatur in einer vom Haftpflichtversicherer benannten „freien Werkstatt“ nur deshalb kostengünstiger ist, weil mit dem Haftpflichtversicherer vereinbarte Sonderkonditionen zugrunde liegen. – Trägt der Geschädigte derartige Unzumutbarkeitsgründe vor, hat der Haftpflichtversicherer sie zu widerlegen.
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– Liegen aber die Voraussetzungen für eine Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit vor, kommt es nicht auf die Preise einer bestimmten Werkstatt an, sondern auf die marktüblichen Preise einer freien Werkstatt. Die Ersatzforderung beschränkt sich dann auf diese Preise.
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Im Ergebnis hat somit der Haftpflichtversicherer im Rahmen der fiktiven Abrechnung bei einem mindestens 3 Jahre alten Fahrzeug die Möglichkeit, den Geschädigten, der sein Fahrzeug nicht regelmäßig in einer Vertragswerkstatt warten und reparieren lässt, auf eine anderweitige günstigere Reparaturmöglichkeit zu verweisen1.
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Hoch umstritten ist auch, ob der Geschädigte die UPE-Zuschläge und die Verbringungskosten auch bei einer fiktiven Abrechnung des Fahrzeugschadens ersetzt verlangen kann; auch die Rechtsprechung der Untergerichte ist insoweit höchst uneinheitlich. Nach der wohl h.M.2 können die UPE-Zuschläge und die Verbringungskosten auch bei fiktiver Abrechnung ersetzt verlangt werden, wenn sie ortsüblich sind und bei einer Reparatur tatsächlich anfallen3.
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Das gilt im Ergebnis für alles, was zur fachgerechten Wiederherstellung des beschädigten Kfz gehört, also auch für etwa erforderliche Reparaturen an Umbauteilen; es gilt nicht für das, was nicht zur fachgerechten Wiederherstellung des Kfz gehört wie z.B. für Werbeaufschriften, Kostenvor-
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1 OLG Braunschweig v. 27. 7. 2010 – 7 U 51/08, VerkehrsR aktuell 2011, 21; OLG Bremen v. 7. 2. 2011 – 3 U 61/10, NJW-Spezial 2011, 170; LG Bielefeld v. 19. 1. 2011 – 21 S 207/09, Juris; LG Frankfurt v. 19. 1. 2011 – 16 S 121/10, Juris; LG Saarbrücken v. 8. 4. 2011 – 13 S 152/10, Juris. 2 KG v. 7. 1. 2010 – 12 U 20/09, MDR 2010, 748 = NZV 2011, 38 = VersR 2010, 1178; KG v. 10. 9. 20067 – 22 U 224/06, KGR 2008, 610; OLG Düsseldorf v. 25. 6. 2001 – 1 U 126/00, NZV 2002, 87 = VersR 2002, 208 = DAR 2002, 68; AG Hamburg v. 18. 9. 2008 – 51a C 104/08, Juris; LG Aachen v. 7. 4. 2005 – 6 S 200/04, NZV 2005, 649 = SP 2005, 415; AG Trier v. 19. 2. 2010 – 32 C 500/09, NZV 2010, 403 = NJW-RR 2010, 837; AG Halle v. 16. 7. 2008 – 101 C 1173/08, SP 2009, 151; AG Hagen v. 26. 1. 2006 – 19 C 340/05, Juris; a.A. z.B. AG Solingen v. 26. 1. 2010 – 10 C 491/09, SP 2010, 405; AG Hannover v. 7. 5. 2009 – 425 C 4415/08, SP 2010, 118; AG Köln v. 14. 5. 2008 – 261 C 111/07, SP 2009, 151; AG Aachen v. 25. 11. 2004 – 8 C 471/04, SP 2005, 167. 3 S. aber insoweit BGH v. 13. 7. 2010 – VI ZR 259/09, MDR 2010, 1181 = r+s 2010, 437 = NZV 2010, 563 = VersR 2010, 1380: Nicht, wenn sämtliche örtlichen Vertragswerkstätten selbst lackieren.
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Teil 3
Rz. 63
Sachschaden
anschlags- und Gutachterkosten (Folgeschäden); sie müssen konkret angefallen sein. b) Minderwert, Ermittlung und Abrechnung Literatur: Freyberger, Wertminderung beim vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten – brutto oder netto?, NZV 2000, 290; v. Gerlach, Der merkantile Minderwert in der Rechtsprechung des BGH, DAR 2003, 49; Halbgewachs, Der merkantile Minderwert bei älteren Fahrzeugen, NZV 2008, 125; Hörl, Der Kfz-Sachverständige in der Schadensregulierung, zfs 2000, 422, 428; Hufnagel, Merkantile Wertminderung bei unfallgeschädigten Nutzfahrzeugen, NZV 2010, 235; Otting, Bemerkungen zum merkantilen Minderwert, zfs 1994, 434; Splitter, Der merkantile Minderwert, DAR 2000, 49.
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Auch nach vollständiger Wiederherstellung ist das Unfallfahrzeug i.d.R. im Verkaufwert gemindert. Dieser sog. merkantile Minderwert ist ein verbleibender Fahrzeugschaden, er ist nicht beseitigungsfähig und deshalb nach § 251 Abs. 1 BGB im Wege der Kompensation auszugleichen1. Das gilt auch für Nutzfahrzeuge2. Der Anspruch auf Ersatz besteht auch dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nicht veräußern, sondern weiterbenutzen will3.
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Der Sachverständige hat sich deshalb zur Höhe des Minderwerts zu äußern; er errechnet sich nach dem Betrag, den das Fahrzeug trotz fachgerechter Reparatur auf dem Gebrauchtwagenmarkt weniger wert ist als zum Unfallzeitpunkt; nicht ganz unwesentliche Unfallschäden sind auch nach fachgerechter Behebung bei der Veräußerung des Kfz zu offenbaren.
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Der Sachverständige muss versuchen, den Minderwert unter Berücksichtigung der örtlichen Marktverhältnisse zu schätzen; die Methode Ruhkopf/Sahm4 sollte er allenfalls zu Kontrollzwecken berücksichtigen. Der Minderwert ist immer steuerneutral5.
66
Bei älteren Fahrzeugen wird oft kein Minderwert mehr gegeben sein; der BGH hat die Verneinung eines Minderwerts bei einem 16 Jahre alten Pkw akzeptiert6. Die früher vertretene Auffassung, bei einer Laufleistung
1 BGH v. 23. 11. 2004 – VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 = MDR 2005, 268 = r+s 2005, 86 = NZV 2005, 82 = VersR 2005, 284; s. dazu Halbgewachs, NZV 2008, 125. 2 BGH v. 18. 9. 1979 – VI ZR 16/79, MDR 1980, 133 = r+s 1980, 16 = VersR 1980, 46; s. dazu Hufnagel, NZV 2010, 235. 3 BGH v. 18. 9. 1979 – VI ZR 16/79, MDR 1980, 133 = r+s 1980, 16 = VersR 1980, 46. 4 Palandt/Grüneberg, 70. Aufl., § 251 BGB, Rz. 17. 5 A.A. Freyberger, NZV 2000, 290; es geht aber um Wertersatz. 6 BGH v. 23. 11. 2004 – VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 = MDR 2005, 268 = r+s 2005, 86 = NZV 2005, 82 = VersR 2005, 284.
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 70 Teil 3
von über 100 000 km sei i.d.R. bereits kein Minderwert mehr gegeben, ist aber sicher inzwischen aufgrund der technischen Entwicklung überholt1. Bei neuwertigen Fahrzeugen, die bei einem Unfall erheblich beschädigt werden, besteht evtl. statt des Anspruchs auf Ersatz der Reparaturkosten samt Minderwert der Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs (sog. Abrechnung auf Neuwagenbasis, fi Rz. 172 ff.). Der Kläger, der zunächst die Abrechnung auf Neuwagenbasis verlangt hat, kann im Prozess zur Abrechnung auf Reparaturkostenbasis übergehen und im Rahmen dessen den Minderwert geltend machen; darin liegt keine Klageänderung2; evtl. ist es zweckmäßig, die (ggf. fiktive) Abrechnung auf Reparaturkostenbasis von vornherein hilfsweise geltend zu machen.
67
c) Wiederbeschaffungswert, Ermittlung und Abrechnung Es ist der ortsübliche Händler-Verkaufspreis für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug zu ermitteln und ggf. der Abrechnung zugrunde zulegen. Insoweit können die Sachverständigen auf die Schwacke-Listen und/oder auf die DAT-Listen zurückgreifen. Das geschieht i.d.R. auch. Insoweit ergibt sich in der Regulierungspraxis nur selten Streit.
68
Der Sachverständige muss aber, diese Information wird für die fiktive Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis benötigt, den üblichen Wiederbeschaffungswert brutto und netto angeben. Insoweit muss er sich informieren, wie das Fahrzeug üblicherweise gehandelt wird: Regelbesteuert, differenzbesteuert oder – weil nur im Privathandel erhältlich – steuerfrei.
69
Hinzuweisen ist hier auf die Schwacke-Liste „Regel- und Differenzbesteuerung“; sie enthält Aussagen darüber, welche Fahrzeuge überwiegend entweder regel- oder differenzbesteuert am Markt angeboten werden3.
70
d) Restwert, Ermittlung und Abrechnung Literatur: Fuchs, BVSK-Restwertrichtlinie – praxisgerechte Hilfe für Sachverständige und Anwälte, DAR 2002, 189; Gebhardt, Der Restwert bei der Regulierung von Fahrzeugschäden, NZV 2002, 249; Harneit, Restwerterlös und Mietwagen1 OLG Oldenburg v. 1. 3. 2007 – 8 U 246/06, MDR 2007, 1369 = NZV 2008, 158 = OLGR 2007, 587; LG Berlin v. 25. 6. 2009 – 41 S 15/09, NZV 2010, 36 = NJW-RR 2009, 1475; AG Neumünster v. 15. 5. 2008 – 32 C 1453/07, VerkehrsR aktuell 2009, 39; s. insoweit auch Halbgewachs, NZV 2008, 125 m.w.H. 2 KG v. 2. 8. 2010 – 12 U 49/10, NJW-Spezial 2010, 682; OLG München v. 17. 10. 2008 – 10 U 3432/08, Juris. 3 S. dazu Heß, NZV 2004, 1, 6; Huber, NZV 2004, 105, 106; Schneider, NZV 2003, 555, 556; Rochow, zfs 2003, 536; auch OLG Düsseldorf v. 1. 3. 2004 – 1 U 120/03, VerkehrsR aktuell 2004, 55.
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Teil 3
Rz. 71
Sachschaden
kosten – Inhalt und Grenzen der Schadensminderungspflicht, DAR 1994, 93; Höke, Aspekte zur Restwertermittlung aus Sicht der Versicherungswirtschaft, NZV 2002, 254; Hopfner, Restwertbestimmung von Unfallfahrzeugen – Berücksichtigung des Sondermarktes für Sachverständige, MDR 2002, 801; Hörl, Der KfzSachverständige in der Schadensregulierung, zfs 2000, 422, 427; Kuhn, Nutzungsausfallentschädigung 2002 für Pkw, Geländewagen, Transporter und Krafträder, DAR 2002, 1; Nickel, Der Restwertregreß, zfs 1998, 309; Nugel, Rechtsprechung des BGH zur Restwertberechnung im Totalschadensfall, NJW-Spezial 2008, 105; Riedmeyer, Restwertrichtlinie des BVSK in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung?, DAR 2002, 43; Rischar, Zwei unterschiedliche Restwerte für ein und dasselbe Unfallfahrzeug?, VersR 1999, 686; Rode, Restwertfragen im Lichte der neuen Restwertbörsen, DAR 1998, 52; Roß, Rechtliche Probleme beim Kfz-Sachverständigengutachten, NZV 2001, 321, 325; Schmalzl, Die Mehrwertsteuer als Schadensposten im Rahmen der Schadensregulierung, VersR 2002, 816; Speer, Der Restwert – Thema des Arbeitskreises IV des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2002, VersR 2002, 17; Staab, Restwert auf dem lokalen Markt, NZV 2006, 456; Steffen, Zur Restwertproblematik bei Kfz-Haftpflichtschäden, zfs 2002, 161; Steffen, Die Haftung des Kfz-Sachverständigen, DAR 1997, 297; Trost, Probleme der Bestimmung des Restwerts eines Unfallfahrzeugs, VersR 2002, 795; Witte, Neue Aspekte der Restwertermittlung als Voraussetzung für eine zeitwertgerechte Reparatur, SP 1997, 26.
71
Beim Restwert werden die bei der Ermittlung und die bei der Abrechnung geltenden Grundsätze besonders häufig verwechselt; erst bei der Abrechnung geht es auch um die Frage, ob die Restwertschätzung des Sachverständigen evtl. selbst dann der Abrechnung zugrunde zu legen ist, wenn günstigere Verwertungsmöglichkeiten bestehen oder jedenfalls bestanden hätten, oder ob ein höherer Restwertbetrag in die Abrechnung einzustellen ist. aa) Ermittlung des Restwerts
72
Zu ermitteln ist vom Sachverständigen der Betrag, den ein seriöser Restwertaufkäufer zu zahlen bereit ist, der das Kfz – evtl. auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – wieder aufbauen und anschließend – unter Offenlegung des Unfallschadens und der Art seiner Beseitigung – mit Gewinn veräußern will1.
73
Insoweit hat der BGH2 entschieden, der Sachverständige müsse – hiergegen wird oft verstoßen – als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt einholen und diese in seinem Gutachten konkret benennen. Ein Gutachten, das diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist für die Schadenregulierung unzureichend und ggf. vom Gutachter zu ergänzen. 1 OLG Hamm v. 26. 5. 1997 – 6 U 44/97, r+s 1998, 64 = OLGR 1998, 41; s. hierzu auch Hörl, zfs 2000, 422, 427. 2 BGH v. 13. 10. 2009 – VI ZR 318/08, MDR 2010, 205 = r+s 2010, 36 = NZV 2010, 193 = VersR 2010, 130.
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II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 78 Teil 3
Weil der Sachverständige weiß, dass sein Gutachten für die Schadenregulierung verwendet werden soll, ist der Gutachtervertrag auch hinsichtlich der Restwertermittlung ein Vertag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter1, hier des gegnerischen KH-Versicherers; der Sachverständige macht sich diesem gegenüber evtl. ersatzpflichtig, wenn er leichtfertig einen zu niedrigen Restwert angibt und dadurch dem Versicherer ein Schaden entsteht2 (fi Rz. 311 ff.).
74
Im Übrigen hat der BGH3 zur Vorgehensweise des Sachverständigen entschieden, dieser dürfe nur den auch dem Geschädigten zugänglichen allgemeinen örtlichen Markt berücksichtigen, es sei fehlerhaft, wenn der Sachverständige auch – die häufig wesentlich höheren – Internetangebote berücksichtige.
75
Damit ist der Sachverständige zwar auf den örtlichen Markt beschränkt, er darf nur diesen berücksichtigen; er muss aber drei Angebote einholen und diese in seinem Gutachten konkret bezeichnen.
76
Der Geschädigte, der evtl. nur einen quotenmäßig begrenzten Ersatzanspruch hat und der deshalb im eigenen Interesse Informationen über günstigere Verwertungsmöglichkeiten erhalten will – über das Internet lässt sich z.B. häufig ein Preis erzielen, der um mehr als 100 % über dem ortsüblichen Schätzpreis liegt4 –, muss dem Sachverständigen insoweit einen Zusatzauftrag erteilen. Der vorsichtige Sachverständige wird evtl. in sein Gutachten den Hinweis aufnehmen, dass evtl. auch andere günstigere Verwertungsmöglichkeiten bestehen.
77
Der Sachverständige muss den Betrag angeben, den der Restwertkäufer brutto zu zahlen bereit ist, also den Bruttokaufpreis. Zwar ist der Verkauf durch einen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten steuerneutral; auch der Händler, der das Unfallfahrzeug mit einem Aufschlag weiterveräußert, hat nur den Veräußerungsgewinn zu versteuern (Differenzsteuer). Für den Vorsteuerabzugsberechtigten ist der Verkaufserlös aber
78
1 Kääb/Jandel, NZV 1992, 18. 2 S. z.B. LG Essen v. 30. 4. 2009 – 13 S 19/09, SP 2010, 23; LG Düsseldorf v. 29. 5. 2008 – 21 S 142/07, SP 2009, 82; LG Gießen v. 4. 7. 2001 – 1 S 357/00, MDR 2001, 1237 = VersR 2002, 328 = zfs 2001, 496 (Anm. Diehl) = NJW-RR 2002, 751; s. aber auch z.B. LG Kleve v. 4. 9. 2008 – 6 S 39/08, SP 2009, 113. 3 BGH v. 12. 7. 2005 – VI ZR 132/04, BGHZ 163, 362 = MDR 2006, 148 = r+s 2005, 482 (Anm. Lemcke) = NZV 2005, 571 = VersR 2005, 1448; s. auch BGH vom 13. 1. 2009 – VI ZR 205/08, MDR 2009, 444 = r+s 2009, 215 = VersR 2009, 413; BGH v. 7. 12. 2004 – VI ZR 119/04, MDR 2005, 330 = r+s 2005, 124 = NZV 2005, 140 = VersR 2005, 381; Steffen, zfs 2002, 161; Riedmeyer, DAR 2002, 43. 4 S. zB. BGH v. 6. 4. 1993 – VI ZR 181/92, MDR 1993, 622 = r+s 1993, 301 = NZV 1993, 305 = VersR 1993, 769; BGH v. 1. 6. 2010 – VI ZR 316/09, MDR 2010, 984 = r+s 2010, 350 = NZV 2010, 446 = VersR 2010, 963; OLG Hamm v. 31. 10. 2008 – 9 U 4808, MDR 2009, 745 = NZV 2009, 183 = OLGR 2009, 230; s. ferner Lemcke, r+s 1997, 334.
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Teil 3
Rz. 79
Sachschaden
eine Einnahme, von der er Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss1. Deshalb ist bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten bei fiktiver Abrechnung der Netto-Restwert in die Abrechnung einzustellen, der Sachverständige muss deshalb in seinem Gutachten den Restwert brutto und netto benennen. bb) Abrechnung des Restwerts 79
Bei der Restwert-Abrechnung geht es darum, ob der vom Sachverständigen ermittelte Restwert selbst dann in die Abrechnung eingestellt werden kann, wenn dieser evtl. zu niedrig ermittelt ist oder, was allerdings eher selten vorkommt, wenn der Geschädigte nur einen geringeren Betrag tatsächlich erzielt hat. (1) Verwertung vor Zugang eines höheren Restwertangebots
80
Der Geschädigte darf den vom Schadensgutachter angegebenen Wert grundsätzlich seiner Abrechnung zugrunde legen2. Er darf das Unfallfahrzeug zu dem vom Sachverständigen angegebenen Restwert veräußern, er muss es nicht zuvor dem KH-Versicherer anbieten oder abwarten, bis dieser eine eigene Schätzung vornimmt3.
81
Kann der Geschädigte beweisen, dass er trotz entsprechender Verkaufsbemühungen nur einen geringeren Preis erzielt hat, ist dieser in die Abrechnung einzustellen. Erzielt er aber bei der Veräußerung des Unfallfahrzeugs ohne überobligationsmäßige Anstrengungen einen höheren Erlös, ist dieser in die Abrechnung einzusellen4. Das kann insbesondere auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte das Unfallfahrzeug selbst über das Internet zu einem höheren Preis veräußert; auch dann ist der tatsächlich erzielte Erlös abzusetzen5.
82
Verschweigt der Geschädigte im Prozess, wie er das Unfallfahrzeug verwertet hat, insbesondere, welchen Erlös er tatsächlich erzielt hat, und behauptet der Versicherer unwidersprochen, der Geschädigte habe ohne besondere Anstrengungen mindestens den von ihm ermittelten Restwert 1 OLG Jena v. 13. 5. 2009 – 7 U 711/08, OLGR 2009, 605 = SP 2009, 368. 2 BGH v. 6. 4. 1993 – VI ZR 181/92, MDR 1993, 622 = r+s 1993, 301 = NZV 1993, 305 = VersR 1993, 769. 3 BGH v. 6. 4. 1993 – VI ZR 181/92, MDR 1993, 622 = r+s 1993, 301 = NZV 1993, 305 = VersR 1993, 769; a.A. aber OLG Köln v. 14. 2. 2005 – 15 U 191/04, SP 2005, 196 = NJW-Spezial 2005, 449; LG München I v. 5. 3. 1998 – 19 S 18868/97, r+s 1998, 243. 4 BGH v. 21. 1. 1992 – VI ZR 142/91, MDR 1992, 851 = r+s 1992, 122 = NZV 1992, 147 = VersR 1992, 457; OLG Hamm v. 10. 12. 1998 – 6 U 153/98, OLGR 1999, 134. 5 BGH v. 15. 6. 2010 – VI ZR 232/09, MDR 2010, 983 = r+s 2010, 348 = NZV 2010, 443 = Vers 2010, 1096; BGH v. 7. 12. 2004 – VI ZR 119/04, MDR 2005, 330 = r+s 2005, 124 = NZV 2005, 140 = VersR 2005, 381.
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Lemcke
II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 86 Teil 3
erlöst, ist von dem behaupteten Erlös schon aus prozessualen Gründen – die Behauptung des Versicherers ist unstreitig – auszugehen1. Ein abzusetzender Übererlös ist aber nicht erzielt worden, wenn der Geschädigte das Unfallfahrzeug bei Anschaffung eines Neufahrzeugs besonders günstig (versteckter Rabatt) in Zahlung gegeben hat2 oder wenn er durch besonderes Verkaufsgeschick einen höheren Preis erzielt hat3.
83
Ist der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt, ist bei einer Ersatzbeschaffung von dem Netto-Wiederbeschaffungswert der Netto-Restwert abzuziehen4.
84
(2) Verwertung nach Zugang eines höhere Restwertangebots Der Versicherer darf sich nicht darauf beschränken, dem Geschädigten irgendeine günstigere Verwertungsmöglichkeit mitzuteilen; er muss ihm auch die Lasten und Risiken abnehmen5. Er muss dem Geschädigten ein annahmefähiges Angebot unterbreiten; das Angebot muss verbindlich sein und die Erklärung der Bereitschaft des Anbieters enthalten, das Unfallfahrzeug beim Geschädigten abzuholen, und zwar gegen Barzahlung6.
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Wird dem Geschädigten vor der Veräußerung vom Versicherer ein annahmefähiges Angebot unterbreitet, darf er das Unfallfahrzeug nicht mehr zum niedrigeren Schätzpreis anderweitig veräußern oder in Zahlung geben; in die Abrechnung mit dem Schädiger ist dann das das höhere Angebot einzustellen7.
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1 BGH v. 7. 12. 2004 – VI ZR 119/04, MDR 2005, 330 = r+s 2005, 124 = NZV 2005, 140 = VersR 2005, 381; OLG Düsseldorf, v. 7. 6. 2004 – 1 U 12/04, r+s 2004, 392 = NZV 2004, 584 = OLGR 2005, 20. 2 OLG Köln v. 16. 7. 1993 – 19 U 243/92, r+s 1994, 257 = NZV 1994, 24 = versR 1993, 1290 = OLGR 1993, 257; v. Gerlach, DAR 1993, 204. 3 OLG Düsseldorf v. 14. 6. 1993 – 1 U 142/92, zfs 1993, 338. 4 OLG Jena v. 13. 5. 2009 – 7 U 711/08, OLGR 2009, 605 = SP 2009, 368. 5 BGH v. 30. 11. 1999 – VI ZR 219/98, BGHZ 143, 189 = MDR 2000, 330 = r+s 2000, 107 (Anm. Lemcke) = NZV 2000, 162 = VersR 2000, 467; s. dazu auch OLG Hamm v. 23. 6. 1999 – 6 U 16/99, r+s 1999, 326 = OLGR 2000, 184 = VersR 2000, 1122; OLG Düsseldorf v. 22. 12. 1997 – 1 U 53/97, r+s 1999, 24 = NZV 1998, 285 = VersR 1998, 518 = OLGR 1998, 165; v. Gerlach, DAR 1994, 217, 218; ferner Steffen, DAR 1997, 297, 300, Nickel, zfs 1998, 309; Speer, VersR 2002, 17, 22; Diehl, Urteilsanm., zfs 998, 332, 333. 6 S. hierzu insb. OLG Düsseldorf v. 7. 6. 2004 – 1 U 12/04, r+s 2004, 392 = NZV 2004, 584 = OLGR 2005, 20. 7 BGH v. 1. 6. 2010 – VI ZR 316/09, MDR 2010, 984 = r+s 2010, 350 = NZV 2010, 446 = VersR 2010, 963; OLG Hamm v. 31. 10. 2008 – 9 U 4808, MDR 2009, 745 = NZV 2009, 183 = OLGR 2009, 230; OLG Düsseldorf, v. 7. 6. 2004 – 1 U 12/04, r+s 2004, 392 = NZV 2004, 584 = OLGR 2005, 20; LG Erfurt v. 9. 11. 2006 – 1 S 227/06, NZV 2007, 361; AG Frankfurt/M. v. 30. 6. 2006 – 31 C 944/06, NZV 2007, 361; a.A. offenbar KG v. 27. 7. 2009 – 12 U 155/08, NZV 2010, 300 = DAR 2010, 138, es ist evtl. nicht hinreichend unterschieden zwischen Ermittlung und Verwertung.
Lemcke
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Teil 3
Rz. 87
Sachschaden
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Insoweit hat der BGH1 in einem Fall, in dem der Geschädigte das Unfallfahrzeug zum vom Sachverständigen ermittelten Restwert von 800 Euro veräußert hatte, obwohl ihm der gegnerische Haftpflichtversicherer zuvor mehrere annahmefähige Restwertangebote – das höchste belief sich auf 1 730 Euro – unterbreitet hatte, die Entscheidung des LG, diesen höheren Restwertbetrag in die Abrechnung einzustellen, gebilligt. Das OLG Hamm2 hat z.B. in einem Fall, in dem der Geschädigte das Unfallfahrzeug zum vom Sachverständigen ermittelten ortüblichen Preis von 4 000 Euro in Zahlung gegeben hatte, obwohl ihm ein annahmefähiges Angebot über 9 900 Euro vorlag, diesen höheren Betrag in die Abrechnung eingestellt. Im Fall der Entscheidung des BGH vom 8. 4. 19933 hatte der Geschädigte sein Unfallfahrzeug bereits entsprechend der Angabe des Sachverständigen für 7 500 DM veräußert, als ihn eine Angebot des Versicherers über 14 500 DM erreichte.
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Die vorstehend genannten Entscheidungen zeigen, wie sehr sich die örtlichen Preisangebote oft von den erzielbaren Preisen unterscheiden. Der Geschädigte kann sich (jedenfalls bei voller Haftung) darauf beschränken, dem Haftpflichtversicherer das Unfallfahrzeug zur Verwertung zu überlassen, der Restwert ist dann bei der Abrechnung nicht abzusetzen4. Es verwundert, dass sich die Versicherungswirtschaft nicht selbst intensiver als bisher darum bemüht, die Resteverwertung selbst zu organisieren; hier liegt ein hohes Einsparpotential.
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Will der Geschädigte das Unfallfahrzeug behalten, z.B., weil er es, obwohl eine wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist, nach einer Teiloder Billigreparatur weiterbenutzen will, ist i.d.R. der vom Sachverständigen korrekt auf dem regionalen Markt ermittelte Wert in Abzug zu bringen, nicht das vom Versicherer – evtl. über das Internet beschaffte – höhere Restwertangebot5. Der BGH hat insoweit ausgeführt, der Geschädigte könne in diesem Fall nicht auf ein höheres Restwertangebot verwiesen werden, weil er dieses wegen der tatsächlichen Weiternutzung des Fahrzeugs nicht realisieren könne. 1 BGH v. 1. 6. 2010 – VI ZR 316/09, MDR 2010, 984 = r+s 2010, 350 = NZV 2010, 446 = VersR 2010, 963. 2 OLG Hamm v. 31. 10. 2008 – 9 U 4808, MDR 2009, 745 = NZV 2009, 183 = OLGR 2009, 230. 3 BGH v. 6. 4. 1993 – VI ZR 181/92, MDR 1993, 622 = r+s 1993, 301 = NZV 1993, 305 = VersR 1993, 769. 4 So BGH v. 14. 6. 1983 – VI ZR 213/81, MDR 1984, 40 = r+s 1983, 211 (L) = VersR 1983, 758 bei Abrechnung auf Neuwagenbasis; s. dazu näher Lemcke, r+s 1997, 334, Anm. zu LG Saarbrücken v. 4. 4. 1997 – 13 S 108/96, r+s 1997, 332. 5 BGH v. 13. 10. 2009 – VI ZR 318/08, MDR 2010, 205 = r+s 2010, 36 = NZV 2010, 193 = VersR 2010, 130; BGH v. 6. 3. 2007 – VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 = MDR 2007, 831 = r+s 2007, 259 = NZV 2007, 291 = VersR 2007, 1145; BGH v. 10. 7. 2007 – VI ZR 217/06, MDR 2007, 1368 = r+s 2007, 434 = NZV 2007, 535 = VersR 2007, 1243.
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Lemcke
II. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens
Rz. 92 Teil 3
4. Die Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-StufenModell des BGH Literatur: Eggert, Entschädigungsobergrenzen bei der Abrechnung „fiktiver“ Reparaturkosten – ein Dreistufenmodell, DAR 2001, 20; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Modell des BGH, NZV 2009, 115; Lemcke, Schadenabrechnung nach § 249 Abs. 2 BGB n.F. bei tatsächlicher und fiktiver Ersatzbeschaffung, r+s 2003, 441; Lemcke, Abrechnung des Fahrzeugschadens nach § 249 Abs. 2 BGB n.F., r+s 2002, 265; Lemcke/Heß/Burmann, Abrechnung des Fahrzeugschadens: Das Vier-Stufen-Model des BGH, NZV 2009, 120; Wellner, Kfz-Schadenabrechnungs-Übersicht, NZV 2007, 401.
Hat Geschädigte (G) ein Interesse an der Weiterbenutzung seines Fahrzeugs, kann er sich auch dann noch zur Wiederherstellung durch Reparatur entschließen, wenn dieses bereits die teurere Alternative ist. Allerdings hat er dann bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, die sich bei steigendem Schadensumfang jeweils weiter erhöhen. Zudem ist dieser Weg nur bis zu einer bestimmten Schadensgrenze offen. Insoweit hat der BGH ein System von vier Schadensstufen entwickelt1; die Zugehörigkeit des Reparaturaufwands zu einer bestimmten Stufe entscheidet i.d.R. darüber, welche Möglichkeiten der Schadensbehebung und der Abrechnung dem G zur Verfügung stehen; weil der BGH zunehmend Durchbrechungen zulässt, ist es sinnvoll, nicht mit der höchsten, sondern mit der niedrigsten Schadensgruppe zu beginnen.
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Es geht dabei um folgende Schadensstufen:
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– Reparaturaufwand kleiner (
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c) Zeitraum Während bei abhängig Beschäftigten der Verdienstausfall regelmäßig spätestens mit dem Erreichen des hypothetischen Rentenalters endet, ist das Lebensarbeitszeitende eines Selbständigen nur schwer zu ermitteln. Wenn man im konkreten Einzelfall eine Verwertung der Arbeitskraft bei einem Selbständigen auch jenseits des 65. Lebensjahres annehmen will, muss man dann allerdings eine reduzierte Leistungsfähigkeit und altersbedingt sinkende Arbeitskraft im Beruf berücksichtigen4.
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Zu berücksichtigen sind ein zwischenzeitlich eingetretener gesellschaftlicher Wandel, welcher der Freizeit höheren Wert zukommen lässt, aber auch wirtschaftliche Veränderungen (Konkurrenzdruck gerade im Bereich der Freiberufler durch hohe Studienabgängerzahlen) und gesetzgeberische Maßnahmen (z.B. Gesundheitsreformen) und Beschränkungen (z.B. Ende der Notartätigkeit, §§ 47 Nr. 1 1. Alt., 48a BNotO).
1095
Bei der Prognose zur voraussichtlichen Entwicklung der Erwerbstätigkeit des Geschädigten ohne das Unfallereignis sind auch solche Entwicklungen mit einzubeziehen, die sich erst nach dem Unfallgeschehen bis zur letzten mündlichen Verhandlung ergeben5.
1096
1 KG v. 8. 7. 2010 –12 U 81/10; AG Stade v. 18. 5. 2004 – 61 C 1277/03, SP 2004, 263. 2 OLG Oldenburg v. 10. 11. 1992 – 5 U 43/92, zfs 1993, 263. 3 BGH v. 10. 12. 1996 – VI ZR 268/95, VersR 1997, 453. 4 BGH v. 10. 2. 1976 – VI ZR 72/75, VersR 1976, 663; BGH v. 7. 5. 1974 – VI ZR 10/73, MDR 1974, 1012 = NJW 1974, 1651 = VersR 1974, 1016; BGH v. 15. 1. 1963 – VI ZR 79/62, VersR 1963, 433. 5 BGH v. 27. 10. 1998 – VI ZR 322/97, VersR 1999, 106.
Jahnke
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Teil 4
Rz. 1097
Personenschaden
d) Vorteilsausgleich 1097
Kann das Unternehmen/Gewerbe vom Verletzten nicht mehr weiter betrieben werden, ist der aus der Verwertung erzielte Erlös (Verkaufspreis1, Pacht) mit dem Gewinnausfallschaden zu verrechnen2. e) Schadensminderung
1098
Der verletzte Selbständige hat sich unverzüglich um eine Ersatzkraft zu bemühen. Drohen durch den Ausfall des Unternehmers dem Betrieb unmittelbare Nachteile, muss unverzüglich mit dem Haftpflichtversicherer Kontakt aufgenommen werden, um abzustimmen, ob und durch welche Maßnahmen (z.B. Vorschusszahlungen oder kurzfristige Kreditgewährung) die Fortführung des Betriebes sichergestellt werden kann.
1099
Ist ein Unternehmer zu seiner Berufsausübung auf eine Fahrzeugbenutzung angewiesen und ist ihm wegen seiner Verletzung das eigenhändige Fahren nicht möglich, muss er auf andere Verkehrsmittel (z.B. Taxi und Bahn) umsteigen oder vorübergehend einen Fahrer einstellen3.
1100
Fällt der Unternehmer nur kurz- oder mittelfristig aus, ist er im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, entgangene Geschäfte oder unterbliebene Arbeitsleistungen durch maßvolle4 Verlängerung der täglichen Arbeitszeit nachzuholen5. Auch durch Umdisposition kann (gerade bei leitender Tätigkeit) im Einzelfall der Schaden gemindert werden.
1101
Verbleiben gesundheitliche Dauerschäden, ist der Selbständige gehalten, seinen Betrieb so weit wie möglich neu zu organisieren und seinen Behinderungen entsprechend umzustrukturieren und seine noch verbliebene Arbeitskraft voll einzusetzen. f) Leistungen von dritter Seite6
1102
Selbständige sind oftmals nicht Pflichtmitglied des Sozialversicherungssystem und müssen von daher selbst Risikovorsorge durch Abschluss privater Versicherungen oder freiwilligen Beitritt zur Sozialversicherung betreiben. Teilweise besteht allerdings auch für Selbständige Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Renten- (z.B. für in die Handwerksrolle 1 OLG Saarbrücken v. 13. 6. 2006 – 4 U 364/05, zfs 2007, 325 (Anm. Diehl) (Mehrerlös bei unfallkausal vorzeitigem Verkauf eines Geschäftes ist als Vorteil auf den Verdienstausfall des Selbständigen zu verrechnen). 2 OLG Saarbrücken v. 13. 6. 2006 – 4 U 364/05, zfs 2007, 325 (Anm. Diehl) (Vorzeitiger Verkauf einer Apotheke). 3 OLG Köln v. 4. 3. 1993 – 12 U 138/92, zfs 1993, 261 (Handverletzung). 4 BGH v. 16. 2. 1971 – VI ZR 147/69, MDR 1971, 469 = VersR 1971, 544. 5 Vgl. LG Kiel v. 13. 10. 1967 – 8 S 113/67, VersR 1968, 853. 6 S. ergänzend Teil 4 VI Rz. 942 ff.
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1105 Teil 4
eingetragene Handwerker, § 2 Nr. 8 SGB VI), Kranken-, Pflege- (z.B. für Künstler, § 1 KSVG) und Unfallversicherung1 (teilweise sogar unvermutet wie in § 105 Abs. 2 SGB VII2) sowie in berufsständischen Versorgungswerken. Der Forderungsübergang auf die Sozialversicherer (§ 116 SGB X) erfolgt auch bei freiwillig Sozialversicherten, da § 116 SGB X nicht zwischen freiwilliger und Pflicht-Versicherung differenziert. Die Barleistungen (u.a. Krankengeld, Verletztenrente, Erwerbsunfähigkeitsrente) sind demzufolge anspruchsmindernd auf die Forderung des unmittelbar Verletzten anzurechnen3.
1103
g) Verletzte Mitarbeiter des Unternehmens – Arbeitgeberregress Arbeitgeber bzw. Dienstherren eines Verletzten erleiden infolge des Fortfalls dieser Arbeitskraft zwar oft erhebliche wirtschaftliche Einbußen, können diese allerdings nur in eng umrissenem Rahmen beim Schädiger im Wege übergegangenen Rechts (§ 6 EFZG, Abtretung) einfordern, sofern Deckungsgleichheit zum Schadensersatzanspruch des unmittelbar Verletzten besteht. In eng umgrenztem Bereich ist eine wirksame Abtretung von Verdienstausfallansprüchen des verletzten Arbeitnehmers zugunsten seines Arbeitgebers möglich4.
1104
Zu beachten ist, dass Ersparnisse des Arbeitnehmers5 während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit bzw. der stationären Behandlung den Verdienstausfallschaden kürzen und sich damit auch anspruchsmindernd auf die gemäß § 6 EFZG bzw. durch Abtretung auf den Arbeitgeber übergegangenen Forderungen auswirken6.
1105
1 Zu Einzelheiten Teil 4 I Rz. 96 ff. 2 Dazu Jahnke, S. 139 ff. 3 BGH v. 25. 2. 1986 – VI ZR 229/84, VersR 1986, 698; BGH v. 25. 2. 1986 – VI ZR 229/84, VersR 1986, 698, BGH v. 1. 1. 1981 – VI ZR 203/79, MDR 1982, 479 = NJW 1982, 1045 = VersR 1982, 291 (unter Aufgabe von BGH v. 30. 1. 1962 – VI ZR 75/61, NJW 1962, 800), KG v. 26. 1. 2004 – 12 U 8954/00, NZV 2005, 148 = VersR 2004, 1567 (nur Ls.), OLG Celle v. 17. 8. 2005 – 9 U 4/05, r+s 2006, 42, OLG Hamburg v. 3. 3. 1998 – 7 U 213/97, SP 1998, 315, OLG Hamm v. 28. 1. 2002 – 6 U 124/01, r+s 2002, 505, OLG Nürnberg v. 7. 6. 2002 – 6 U 3849/01, VersR 2004, 1290, OLG Oldenburg v. 20. 10. 1994 – 1 U 56/94, VersR 1996, 480. Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 4 Rz. 137 m.w.N. 4 Zur Wirksamkeit einer solchen Abtretung s. Jahnke, VersR 1996, 930 (zu B.IV.2); Jahnke, NZV 1996, 172 (zu B.IV); Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 1 Rz. 56, Kap. 3 Rz. 320. S. ergänzend Teil 4 I Rz. 211 ff. 5 Teil 4 VI Rz. 898 ff. 6 OLG Hamm v. 23. 11. 1999 – 27 U 93/99, NJW-RR 2001, 456 = NZV 2000, 369. Die Entscheidung des BGH v. 3. 4. 1984 – VI ZR 253/82, MDR 1984, 1017 = VersR 1984, 583, die dieses Ergebnis begründet, führt in der Praxis häufig wegen der schwer verständlichen, sogar eher missverständlich gefassten, Leitsätze häufig zu Irritationen.
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Teil 4
Rz. 1106
Personenschaden
1106
Abzugrenzen von den schadensersatzberechtigten – in ihren Rechten unmittelbar betroffenen – Verletzten sind die mittelbar Geschädigten. Arbeitgeber sind durch die Verletzung ihres Mitarbeiters nur mittelbar betroffen. Ansprüche haben sie nur aus vom unmittelbar Verletzten abgeleitetem Recht. Umsatzeinbußen (z.B. aufgrund des Ausfalles eines besonders qualifizierten, manchmal nur schwer oder gar nicht ersetzbaren Spezialisten) sind nicht zu ersetzen1. Die Erstattung der Kosten für eine während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Verletzten eingestellte Ersatzkraft bzw. der Kosten für Überstunden der Kollegen, um den Arbeitsausfall des verletzten Arbeitnehmers aufzufangen2, kann ein Arbeitgeber nicht verlangen.
1107
Dem Arbeitgeber eines verletzten Arbeitnehmers steht (mangels Forderungsübergang) kein Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten zu, die ihm bei der Abwicklung der Leistung an den Verletzten, für die Ermittlung des Schädigers sowie durch die Abwicklung des Regresses entstehen3. Nur soweit sich der Aufwand des Arbeitgebers als Verzugsschaden (§§ 284, 285, 286 Abs. 1 BGB) darstellt, kann eine daraus resultierende Ersatzpflicht des Schadensersatzschuldners in Betracht kommen. Diese Verantwortlichkeit resultiert dann aber nicht aus dem Unfallereignis selbst als vom unmittelbar Verletzten abgeleiteter Anspruch, sondern es handelt sich um einen unmittelbaren Schaden des Fordernden, dem gegenüber der Schadensersatzschuldner vorwerfbar verzögert leistet. Bedient sich der Arbeitgeber bei der Verfolgung seines Regressanspruches anwaltlicher Hilfe, sind ihm die dadurch entstehenden Kosten nur dann zu erstatten, wenn die Voraussetzungen des Verzuges (insbesondere Einschaltung des Anwaltes erst nach vorheriger Mahnung durch den Arbeitgeber selbst) erfüllt und die Kosten zudem Verzugsfolgen sind4.
6. Kinder, Schüler, Auszubildende, Studenten5 1108
Kinder, Schüler und Studenten haben mit Ausnahme von Ferien- oder Wochenendjobs regelmäßig keinen Verlust eines vorhandenen Einkommens, können aber – wie auch Auszubildende – in ihrer zukünftigen Ausrichtung betroffen sein. 1 OLG Stuttgart v. 21. 12. 1983 – 1 U 114/83, NJW 1984, 1904 = zfs 1984, 290; LG Duisburg v. 11. 4. 1972 – 1 O 377/71, r+s 1975, 95; LG Hamburg v. 9. 11. 1989 – 6 O 174/89, r+s 1991, 158 (BGH hat Sprungrevision des Arbeitgebers zurückgewiesen, Beschl. v. 19. 6. 1990 – VI ZR 346/89); LG Wiesbaden v. 27. 7. 1971 – 1 S 18/71, VersR 1972, 989; LG Zweibrücken v. 9. 6. 1980 – 1 O 1/80, VersR 1981, 990. S. BGH v. 15. 5. 1979 – VI ZR 187/78, MDR 1980, 46 = VersR 1979, 936. 2 AG Burgdorf v. 3. 3. 1987 – 3 C 937/86, r+s 1987, 284; AG Bad Schwalbach v. 27. 5. 1982 – 2 C 93/82, zfs 1982, 322. 3 Zu Einzelheiten s. Jahnke, NZV 1996, 172. 4 Zu Einzelheiten s. Jahnke, VersR 1991, 264 (272 f.); Jahnke, NZV 1996, 169 (177 f. zu C.III.4a) m.w.N.; siehe ferner Teil 5 Rz. 105 ff., 137. 5 Zum Thema: Felsinger, 2004.
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1113 Teil 4
Grundsätzlich hat der Schadensersatzpflichtige sämtliche vermögensrechtlich relevanten Nachteile auszugleichen, die infolge verzögerter Berufsausbildung und/oder verspätetem Eintritt in das Erwerbsleben entstehen1. Zu ersetzen sind u.a. entgangene Ausbildungsvergütungen für den Zeitraum der Verzögerung, Nachteile durch Erschwernisse im Studiengang infolge veränderter Studienbedingungen bzw. Eingangsverschlechterungen im Beruf (Änderung der Einstellungsbedingungen, veränderte Arbeitsmarktlage), entgangenes Entgelt für den Zeitraum der unfallkausalen Verzögerung des Berufseintrittes, Minderverdienste infolge verspäteter Einkommenssteigerungen bzw. Minderung der Altersrente, soweit keine Rentenversicherungsbeiträge abgeführt werden.
1109
Ein verletztes Kind kann Ersatzansprüche wegen der Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit nur im Wege der Feststellung (außergerichtliches Anerkenntnis oder Feststellungsklage) geltend machen. Eine Leistungsklage auf künftige Rentenzahlung ist vor dem Eintritt ins erwerbsfähige Alter regelmäßig ausgeschlossen2.
1110
Kann wegen der Schadensfolgen der Verletzte den Beruf nicht mehr ergreifen, den er ohne den Unfall wahrscheinlich ergriffen hätte, sind ihm die Minderungen gegenüber dem tatsächlich ergriffenen Beruf zu ersetzen. Die nutzlos gewordenen bisherigen Ausbildungskosten sind als frustrierte Aufwendungen nicht zu ersetzen.
1111
Eine Person, die als junger Mensch ursprüngliche berufliche Ziele aufgibt oder umstellt, muss unabhängig von ihren individuellen Interessen eine finanziell möglichst adäquate Laufbahn einschlagen3. Anspruchsmindernd sind diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die sich nach dem üblichen Gang der Dinge ebenfalls ungünstig auf die Einkommensverhältnisse ausgewirkt hätten, z.B. Wehr- oder Ersatzdienstzeit4, aber auch Wartezeiten im Studium (Numerus clausus) sowie Schwierigkeiten bei der Beschaffung und Zurverfügungstellung von Ausbildungsstellen.
1112
Schwierigkeiten bereitet die Feststellung von Erwerbsschäden bei schwer verletzten Kindern und Jugendlichen, da über deren berufliche Zukunft im Zeitpunkt des Schadenseintritts noch nicht viel gesagt werden kann. Ohne konkrete Anhaltspunkte ist nicht davon auszugehen, dass ein verletzter junger Mensch auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit nicht nutzen und ohne Einkünfte
1113
1 BGH v. 23. 10. 1984 – VI ZR 30/83, MDR 1985, 479 = VersR 1985, 62. S. auch BGH v. 11. 2. 1992 – VI ZR 103/91, VersR 1992, 1235. 2 OLG Köln v. 19. 5. 1988 – 7 U 139/87, VersR 1988, 1185 = zfs 1989, 10. 3 Vgl. OLG Hamm v. 26. 11. 1997 – 13 U 92/96, VersR 2000, 234 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 29. 9. 1998 – VI ZR 364/97). 4 OLG Hamm v. 26. 11. 1997 – 13 U 92/96, VersR 2000, 234 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 29. 9. 1998 – VI ZR 364/97). S. auch OLG Köln v. 21. 3. 1997 – 19 U 158/96, VersR 1998, 507.
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Teil 4
Rz. 1114
Personenschaden
bleiben würde1. Die Rechtsprechung2 billigt dem Verletzten einen „Schätzungsbonus“ zu: Grundsätzlich hat der Schädiger die Prognoseschwierigkeiten zu tragen, vor die ein Verletzter gestellt wird, wenn er ex ante beurteilen soll, ob die Verletzungen ihm die Weiterverfolgung seiner ursprünglichen Pläne erlaubt haben würden. Für die Einschätzung, welchem Erwerb das Kind nachgegangen wäre, kann man auf u.a. folgende Faktoren zurückgreifen:3 Bereits erkennbare Fähigkeiten, Begabungen4 und Neigungen des Kindes vor dem Unfall, schon begonnene schulische oder berufliche Ausbildungen5, mit Einschränkungen auch schulische und berufliche Entwicklung im familiären Umfeld, Entwicklung des Kindes nach (insbesondere trotz) der Verletzung, aber auch unfallfremde Gebrechen6. Verbleibenden Risiken in der Einschätzung ist mit Abschlägen Rechnung zu tragen7. 1114
1115
Handelt es sich für das verletzte Kind um einen der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallenden Unfall, stehen ihm bei dauerhafter Schädigung – auf den Schaden anzurechnende – Verletztenrentenansprüche zu, die sich in der Folgezeit in Abhängigkeit vom erreichten Lebensalter erhöhen8. Bemessungsgrundlage ist die jährlich dynamisierte soziale Bezugsgröße (§ 18 SGB IV). vollendetes Lebensjahr
% der Bezugsgröße
Norm
bis zum 6. Lebensjahr
25 %
6.–15. Lebensjahr
331/ 3
15.–18. Lebensjahr
40 %
§ 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII
ab dem 18. Lebensjahr
60 %
§ 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII
%
fiktives Ausbildungsende
§ 86 Nr. 1 SGB VII § 86 Nr. 2 SGB VII
§ 90 SGB VII
ab dem 18. Lebensjahr
75 %
§ 90 Abs. 4 SGB VII
ab dem 25. Lebensjahr
100 %
§ 90 Abs. 4 SGB VII
1 BGH v. 3. 3. 1998 – VI ZR 385/96, MDR 1998, 595 = NJW 1998, 1634 = VersR 1998, 772; BGH v. 14. 1. 1997 – VI ZR 366/95, MDR 1997, 347 = VersR 1997, 366. 2 BGH v. 9. 11. 2010 – VI ZR 300/08, MDR 2011, 29 = NJW 2011, 1146 = VersR 2011, 229; BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 186/08, MDR 2010, 1381 = VersR 2010, 1607; BGH v. 6. 6. 2000 – VI ZR 172/99, NJW 2000, 3287 = VersR 2000, 1521, BGH v. 20. 4. 1999 – VI ZR 65/98, VersR 2000, 233; KG v. 23. 7. 2001 – 12 U 980/00, NZV 2002, 95, OLG Stuttgart v. 25. 11. 1997 – 14 U 20/97, VersR 1999, 630. 3 BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 186/08, MDR 2010, 1381 = VersR 2010, 1607; OLG Frankfurt v. 28. 10. 1987 – 17 U 171/83, VersR 1989, 48; OLG Karlsruhe v. 25. 11. 1988 – 10 U 188/88, VersR 1989, 1101; OLG Köln v. 21. 9. 1971 – 9 U 62/71, VersR 1972, 406 (nur Ls.). 4 OLG Karlsruhe v. 4. 8. 1989 – 10 U 51/89, zfs 1990, 151. 5 OLG Frankfurt v. 7. 4. 1983 – 1 U 187/82, MDR 1983, 752 = zfs 1983, 362. 6 OLG Stuttgart v. 25. 11. 1997 – 14 U 20/97, VersR 1999, 630. 7 BGH v. 8. 11. 2001 – IX ZR 404/99, NZV 2002, 268. 8 S. ergänzend Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 6 Rz. 45 ff. S. Teil 4 VI Rz. 981, 984.
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Jahnke
VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1117 Teil 4
7. Schadensminderung1 Die in § 254 BGB normierte Schadensminderungspflicht verlangt einem Verletzten alle Maßnahmen ab, die nach allgemeiner Lebenserfahrung von einem ordentlichen Menschen angewandt werden müssen, um den Schaden abzuwenden oder zu verringern2. Auch wenn das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung vom Geschädigten nicht verlangt, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich ausnahmslos in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte, kann diesem Aspekt aber Bedeutung für die Beurteilung der Frage zukommen, ob der Geschädigte den Aufwand in vernünftigen Grenzen gehalten hat3. Die Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge zu Schadenseintritt und Schadenshöhe lässt auch zu, einen der Beteiligten (auch den Verletzten) allein mit dem Schaden zu belasten.
1116
a) Einsatz und Verwertung noch vorhandener Arbeitskraft aa) Erhaltung des Arbeitsplatzes Die Aufgabe eines Arbeitsplatzes durch eigene Kündigung kann einen Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungsverpflichtung darstellen4. Einem Verletzten ist zuzumuten, alles zu tun, um seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zu erhalten5. Auch die Frage einer – zumeist unterlassenen – betrieblichen Umsetzung im Betrieb des früheren Arbeitgebers stellt sich häufig: Kann eine Beschäftigung im selben Unternehmen erreicht werden, muss der Verletzte u.U. auch weniger angesehene, sozial niederwertigere Positionen übernehmen. Das gilt jedenfalls, wenn ansonsten Arbeitslosigkeit eintritt. Der Verletzte muss auch nach einer Kündigung sich zügig um einen anderen Arbeitsplatz bemühen6. 1 S. auch Teil 4 I Rz. 460 ff. 2 BGH v. 5. 10. 1965 – VI ZR 90/64, VersR 1965, 1173; OLG Dresden v. 25. 8. 1997 – 17 U 57/97, VersR 1999, 765 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 19. 5. 1998 – VI ZR 317/97). 3 BGH v. 15. 2. 2005 – VI ZR 70/04, MDR 2005, 748 = NJW 2005, 1108 = VersR 2005, 663, BGH v. 2. 3. 1982 – VI ZR 35/80, VersR 1982, 548, BGH v. 20. 6. 1972 – VI ZR 61/71, VersR 1972, 1024. 4 Vgl. BGH v. 25. 3. 1980 – VI ZR 98/79, VersR 1980, 751, OLG Hamm v. 3. 2. 1999 – 13 U 66/98, SP 2000, 159, OLG Hamm v. 14. 2. 1979 – 3 U 137/78, VersR 1980, 751. 5 BGH v. 13. 7. 2004 – VI ZR 315/03, r+s 2007, 303 (Anm. Jahnke, r+s 2007, 271) (Nichtannahmebeschluss zum Urteil des OLG Oldenburg v. 1. 10. 2003 – 5 U 77/03) (Der Arbeitsplatzverlust ist dem Schädiger nicht zuzurechnen, weil der Verletzte nicht substantiiert darlegte, dass angesichts der Größe des Betriebs von mehr als 1 300 Beschäftigten keine Möglichkeit bestanden hatte, ihn im Betrieb anderweitig einzusetzen. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne den Abschluss des Prozessvergleiches im arbeitsgerichtlichen Verfahren seinen Arbeitsplatz aufgrund einer – noch auszusprechenden – wirksamen ordentlichen Kündigung wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ohnehin verloren hätte.); Küppersbusch, Rz. 55. 6 OLG Düsseldorf v. 21. 2. 2006 – I-24 U 22/05, VersR 2007, 244.
Jahnke
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1117
Teil 4 1118
Rz. 1118
Personenschaden
Wird einem Arbeitnehmer wegen der Verletzungen gekündigt, kann das Nicht-Erheben einer Kündigungsschutzklage eine Verletzung der den Verletzten auch im Verhältnis zum Schadenersatzpflichtigen treffenden Obliegenheiten darstellen und zur Minderung oder gar zum Ausschluss von Ersatzansprüchen wegen Verdienstausfall führen1. Die Kündigungsschutzklage muss auch erhoben werden, wenn die Beschäftigung auf einem (anderweitigen) leidensgerechten Arbeitsplatz möglich ist. bb) Verwertung
1119
Kann ein Verletzter seiner früheren Beschäftigung infolge des Unfalles nicht mehr nachgehen, ist seine Arbeitskraft aber nicht vollständig aufgehoben, muss er die ihm noch verbliebene Arbeitskraft verwerten2 und sich gegebenenfalls auch um einen neuen Arbeitsplatz bemühen3. Dabei muss er auch erhebliche Anstrengungen vornehmen, um eine Beschäftigung (wieder) zu erlangen4. Er kann verpflichtet sein, zur Minderung des Schadens einen anderen Beruf und einen anderen Wohnort zu wählen, ein Fahrzeug anzuschaffen und zu benutzen5 oder sich umschulen zu lassen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Gesundheitszustand, Alter, Persönlichkeit, sozialer Lage, bisheriger Tätigkeit, Vorbildung und bisheriger Lebensstellung des Verletzten. Abzuwägen sind auch die Schwierigkeit bei der Arbeitsuche (u.U. Berufstätigkeit des Ehegatten) oder die Notwendigkeit zur Versorgung minderjähriger Kinder.
1120
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Verletzten, seine noch verbliebene Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen, ist aber nur dann anzunehmen, wenn der Verletzte zur Verwertung der Arbeitskraft die Möglichkeit hat und in der Lage ist6.
1 OLG Koblenz v. 30. 11. 1998 – 11 U 467/98, OLGR Koblenz 1999, 263 (Schädiger muss beweisen, dass der Verletzte erfolgreich eine Kündigungsschutzklage hätte erheben können). 2 BGH v. 24. 2. 1983 – VI ZR 59/81, NJW 1984, 354; BGH v. 26. 9. 1961 – VI ZR 234/60, VersR 1961, 1018. 3 BGH v. 23. 1. 1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = VersR 1979, 424, LG Bonn v. 7. 2. 1994 – 10 O 443/93, VersR 1995, 57. 4 BGH v. 2. 4. 1991 – VI ZR 179/90, MDR 1991, 602 = VersR 1991, 703; BGH v. 9. 10. 1990 – VI ZR 291/89, MDR 1991, 423 = VersR 1991, 437; OLG Köln v. 10. 1. 1990 – 26 U 41/87, VersR 1991, 111 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 16. 10. 1990 – VI ZR 60/90). 5 BGH v. 29. 9. 1998 – VI ZR 296/97, VersR 1998, 1428. 6 BGH v. 5. 12. 1995 – VI ZR 398/94, MDR 1996, 695 = VersR 1996, 332, BGH v. 9. 10. 1990 – VI ZR 291/89, MDR 1991, 423 = VersR 1991, 437.
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Jahnke
VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1122 Teil 4
Der Schädiger muss beweisen1, dass es dem Verletzten nach den Gesamtumständen seiner besonderen Lage möglich und zumutbar war, eine andere als die ihm infolge des Unfalles unmöglich gewordene Arbeit aufzunehmen. Andererseits muss sich vorrangig der Verletzte selbst um eine Arbeitsaufnahme kümmern. Er hat sich ernsthaft darum zu bemühen, seine verbliebene Arbeitskraft nutzbringend zu verwerten, denn er kennt schließlich seine Fähigkeiten und Neigungen am besten2. Den Verletzten seinerseits trifft die Darlegungs- und Beweislast für die in seiner Sphäre liegenden Hindernisse an der Aufnahme einer zumutbaren Arbeitstätigkeit3. Der Verletzte muss in aller Regel, wenn er arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger darüber unterrichten, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen (ohne allerdings verpflichtet zu sein, insoweit einen Negativbeweis erbringen zu müssen) und was er bereits unternommen hat, um sich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern und einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten4. Hat der Schädiger eine konkrete zumutbare Arbeitsmöglichkeit aufgezeigt, muss der Verletzte darlegen und beweisen, warum er diese Möglichkeit nicht hatte nutzen können. Hat der Verletzte gar nichts unternommen, die ihm verbliebene Arbeitskraft zu verwerten, spricht häufig ein Anscheinsbeweis gegen ihn; jedenfalls kann eine Beweislastumkehr anzunehmen sein5. Soweit bei unzureichenden Bemühungen vorgetragen wird, es sei überhaupt nicht möglich gewesen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, kann auch auf Grundlinien des familienrechtlichen Unterhaltsrechts zu Erwerbsobliegenheiten zurückgegriffen werden:6 Abzuwägen ist, ob die Chance, bei intensiverer Arbeitssuche einen Arbeitsplatz zu finden, real oder doch nicht völlig irreal oder nur theoretischer Art ist; Ansprüche entfallen, soweit für den Fall sachgerechter Bemühungen eine nicht ganz von der Hand zu weisende Beschäftigungschance besteht.
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Erzielt der Verletzte aus einer ersatzweise aufgenommenen Erwerbstätigkeit Einnahmen, ist ihm die Einkommensdifferenz zwischen früherer oder jetziger Tätigkeit zu ersetzen. Der Verletzte ist verpflichtet, dem
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1 BGH v. 22. 4. 1997 – VI ZR 198/96, MDR 1997, 880 = VersR 1997, 1158; BGH v. 9. 10. 1990 – VI ZR 291/89, MDR 1991, 423 = VersR 1991, 437; BGH v. 26. 2. 1980 – VI ZR 2/79, MDR 1980, 570 = VersR 1980, 529; BGH v. 23. 1. 1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = VersR 1979, 424; OLG Köln v. 22. 6. 1999 – 15 U 67/98, VersR 2000, 237. 2 BGH v. 23. 1. 1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = VersR 1979, 424. 3 BGH v. 29. 9. 1998 – VI ZR 296/97, VersR 1998, 1428; BGH v. 9. 10. 1990 – VI ZR 291/89, MDR 1991, 423 = VersR 1991, 437. 4 BGH v. 23. 1. 1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = VersR 1979, 424; OLG Köln v. 22. 6. 1999 – 15 U 67/98, VersR 2000, 237. 5 BGH v. 23. 1. 1979 – VI ZR 103/78, MDR 1979, 658 = VersR 1979, 424; OLG Köln v. 22. 6. 1999 – 15 U 67/98, VersR 2000, 237. 6 BGH v. 4. 6. 1986 – IVb ZR 45/85, NJW 1986, 3080 (Keine Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 BGB für den Unterhalt begehrenden Ehegatten, der keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag), BGH v. 15. 11. 1995 – XII ZR 231/94, FamRZ. 1996, 345 = MDR 1996, 345 = NJW 1996, 517.
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Teil 4
Rz. 1123
Personenschaden
Schädiger unaufgefordert seine Einkünfte offenzulegen. Bei Mithaftung hat der Verletzte den Anspruch auf den Differenzschaden grundsätzlich nur entsprechend der Haftungsquote1; Besonderheiten gelten wegen des Quotenvorrechtes für verletzte Beamte. cc) Umschulung 1123
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Kann der Verletzte in seinem erlernten Beruf unfallbedingt nicht mehr tätig sein, ist er grundsätzlich verpflichtet, sich einer geeigneten Weiterbildung oder Umschulung in einen anderen Beruf, der seinen Behinderungen gerecht wird, zu unterziehen, wenn damit sein ansonsten eintretender Erwerbsschaden gemindert oder ausgeschlossen werden kann2. Erforderlichenfalls muss er auch einen Umzug oder eine internatsmäßige Unterbringung hinnehmen. Eine Umschulung ist nur geschuldet, wenn sie zumutbar ist. In der Regel fehlt es hieran, wenn die Umschulung allen beruflichen Neigungen und Fertigkeiten des Geschädigten widerspricht3. Der Schädiger muss beweisen, dass der Verletzte trotz seiner unfallbedingten Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt noch vermittelbar war und dass, wenn die Vermittlung eine Umschulung voraussetzt, der Verletzte trotz der unfallbedingten Beeinträchtigungen hieran hätte teilnehmen können4. Die Umschulung muss im Zeitpunkt der Entschließung bei verständiger Beurteilung ihrer Erfolgschancen zur Abwendung des andernfalls absehbaren Erwerbsschadens sinnvoll und geeignet erscheinen5. Der Ersatzpflichtige trägt die Kosten der Umschulung nur, wenn bewiesen ist, dass der Verletzte ohne berufsfördernde Maßnahmen eine Arbeitsstelle, die hinsichtlich des Einkommens seinen früheren Tätigkeiten entsprochen hätte, nicht hätte finden können6. Insbesondere ist auch die Frage einer vorherigen – zumeist unterlassenen – betrieblichen Umsetzung im Betrieb des früheren Arbeitgebers zu prüfen. Es besteht kein Anspruch auf eine höhere Qualifizierung7. Wird ein Verletzter, dessen Umschulung zu einem seiner bisherigen Tätigkeit in Einkommensstruktur und sozialer Stellung gleichwertigen Beruf möglich und ihm zumutbar war, auf eigenen Wunsch für eine höher qualifizierte Arbeit ausgebildet, beschränkt sich die Ersatzverpflichtung auf diejeni1 BGH v. 28. 4. 1992 – VI ZR 360/91, VersR 1992, 886. 2 OLG Koblenz v. 2. 4. 1979 – 12 U 1260/77, VersR 1979, 964; s. auch OLG München v. 25. 10. 1984 – 1 U 2989/84, VersR 1986, 669 (zu § 2 Abs. 1 BUZ). 3 OLG Karlsruhe v. 25. 3. 1988 – 10 U 24/88, NJW 1989, 111. 4 BGH v. 22. 4. 1997 – VI ZR 198/96, MDR 1997, 880 = VersR 1997, 1158. 5 BGH v. 4. 5. 1982 – VI ZR 175/80, MDR 1982, 1008 = VersR 1982, 767; OLG Koblenz v. 25. 4. 1994 – 12 U 543/93, VersR 1995, 549 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 24. 1. 1995 – VI ZR 174/94). 6 OLG Koblenz v. 2. 4. 1979 – 12 U 1260/77, VersR 1979, 964. 7 BGH v. 26. 2. 1991 – VI ZR 149/90, MDR 1991, 1143 = VersR 1991, 596; LG Osnabrück v. 13. 10. 1989 – 11 S 246/89, r+s 1990, 237.
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1130 Teil 4
gen Umschulungskosten, die auch bei einer Ausbildung zu einem gleichwertigen Beruf angefallen wären1. Hätte die Ausbildung im gleichwertigen Beruf in kürzerer Zeit abgeschlossen werden können, ist ebenso für den darüber hinausgehende Zeitraum kein Verdienstausfall oder Minderverdienst zu ersetzen, wenn eine entsprechend frühzeitigere Vermittlung in diesem gleichwertigen Beruf wahrscheinlich (§ 252 BGB, § 287 ZPO) gewesen wäre. Ein Vorteilsausgleich wegen einer durch die Umschulung erfolgten Einkommensverbesserung des Geschädigten findet grundsätzlich nicht statt2. Auch ein Minderverdienst während der Einarbeitungszeit ist nicht mit einem späteren höheren Einkommen verrechenbar3. Zu berücksichtigen ist derjenige mit der Umschulung verbundene Aufwand, den ein Ersatzberechtigter zur unfallfremden Aus- und Weiterbildung ebenfalls hätte betreiben müssen; vor allem Arbeitsmaterialien und Arbeitskleidung sind nicht in allen Fällen mit zu übernehmen. Erfolgt eine internatsmäßige Unterbringung, ist ein Vorteilsausgleich wegen ersparter Eigenaufwendungen zunächst beim unmittelbar Verletzten und nicht beim Träger der Rehabilitationsmaßnahme vorzunehmen4.
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Behindertengerechte Umgestaltungen des Arbeitsplatzes sind im Rahmen von Angemessenheit und Erforderlichkeit als vermehrte Bedürfnisse zu ersetzen, wenn dadurch ein Verdienstausfallschaden abgewendet oder gemindert wird5.
1128
Ist die Umschulungsmaßnahme zur Schadenbeseitigung ungeeignet, hat der Geschädigte den Aufwand selbst zu tragen6. Führt der Drittleistungsträger eine Umschulungsmaßnahme mit vorhersehbarer Unvermittelbarkeit des in diesen Beruf Umgeschulten durch, entfällt eine Ersatzpflicht. Gleiches gilt für unbrauchbare und übertriebene Reha-Maßnahmen7.
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dd) Haushaltsführung Gibt der Verletzte eine ihm nicht mehr zumutbare oder nicht mehr mögliche Erwerbstätigkeit auf und versorgt er statt dessen den Haushalt seiner Familie, liegt hierin eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der 1 BGH v. 2. 6. 1987 – VI ZR 198/86, MDR 1987, 1014 = VersR 1987, 1239; OLG Schleswig v. 6. 9. 1989 – 9 U 132/87, VersR 1991, 355 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 26. 9. 1990 – VI ZR 294/89). 2 BGH v. 1. 2. 1983 – VI ZR 62/82, VRS 65, 89; BGH v. 2. 6. 1987 – VI ZR 198/86, MDR 1987, 1014 = VersR 1987, 1239. 3 OLG Nürnberg v. 16. 1. 1991 – 4 U 3530/90, VersR 1991, 1256. 4 Dieses folgt aus der Entscheidung des BGH v. 3. 4. 1984 – VI ZR 253/82, MDR 1984, 1017 = VersR 1984, 583. 5 OLG Hamm v. 30. 9. 1998 – 32 U 6/98, VersR 2000, 600. 6 LG Augsburg v. 26. 9. 2006 – 2 O 1165/06, NJW-Spezial 2007, 258 unter Hinweis auf BGH v. 4. 5. 1982 – VI ZR 175/80, NJW 1982, 1638. 7 S. zum Mitverschulden des Drittleistungsträgers Teil 4 I Rz. 230 f.
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Teil 4
Rz. 1131
Personenschaden
ihm verbliebenen Arbeitskraft. Der Erwerbsschaden ist um den Wert dieser Haushaltstätigkeit zu kürzen1. 1131
Als Vorteil ist anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn infolge der Haushaltsführung durch den Verletzten eine Haushaltshilfe oder Kinderfrau nicht weiterbeschäftigt werden muss oder dem Ehepartner eine Erwerbstätigkeit ermöglicht wird2. b) Medizinische Maßnahmen3
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Ein Verletzter muss ärztlichem Rat folgen, um den Gesundungsprozess zu fördern4. Dem Verletzten kann die fehlende Durchführung einer Maßnahme oder Therapie allerdings u.U. dann nicht entgegengehalten werden, wenn er gerade wegen seiner psychischen und intellektuellen Anlage die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkennen konnte5.
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Der Geschädigte muss sich zur Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit im zumutbaren Rahmen auch medizinischen Eingriffen unterziehen6. Bei operativen Eingriffen muss es sich um einen Eingriff handeln, der einfach und gefahrlos ist, keine besonderen Schmerzen bereitet und sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bietet7. Für die Zumutbarkeit einer solchen Operation reicht es nicht aus, 1 Vgl. BGH v. 24. 4. 1979 – VI ZR 204/76, NJW 1979, 1403 = VersR 1979, 622; OLG Hamm v. 8. 6. 2001 – 9 U 137/99 (Der Haushaltstätigkeit muss ein konkreter Vermögenswert zuzumessen sein. Handreichungen im Sinne einer bloßen „Betätigungstherapie“ reichen nicht); LG Frankfurt (Oder) v. 18. 5. 2007 – 17 O 524/03, DAR 2008, 29 (Die verletzte Person soll und muss das Gefühl haben, dass sie in der Familie benötigt wird und nicht den anderen Familienangehörigen zur Last fällt. Insofern ist es in ihrem eigenen Interesse, wenn ihre Mitarbeit im Haushalt auch wertmäßig zum Tragen kommt und nicht etwa nur wegen des guten Willens der anderen ganz außer Ansatz bleibt. Konkret wurde der Ausfall im Haushalt nicht mit 100 %, sondern nur mit 90 % dann berücksichtigt.). Küppersbusch, Rz. 63, 180. 2 Diehl, zfs 2000, 531. 3 S. auch Teil 4 III Rz. 460. 4 OLG Hamm v. 15. 6. 1959 – 3 U 92/58, VersR 1960, 859 (Verpflichtung, Diät einzuhalten), OLG Köln v. 16. 12. 1996 – 5 U 256/94, VersR 1997, 1102; OLG Oldenburg v. 28. 5. 1985 – 1 U 49/83, VersR 1986, 1220 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 8. 4. 1986 – VI ZR 91/85). 5 OLG Hamm v. 1. 10. 1996 – 27 U 25/95, NZV 1997, 272 = VersR 1997, 374. 6 BGH v. 18. 4. 1989 – VI ZR 221/88, MDR 1989, 900 = VersR 1989, 701; BGH v. 14. 3. 1989 – VI ZR 136/88, MDR 1989, 404 = VersR 1989, 635; BGH v. 4. 11. 1986 – VI ZR 12/86, VersR 1987, 408; OLG Oldenburg v. 28. 2. 1985 – 1 U 49/83, VersR 1986, 1220 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 8. 4. 1986 – VI ZR 91/85). 7 BGH v. 15. 3. 1994 – VI ZR 44/93, MDR 1994, 667 = r+s 1994, 217; BGH v. 4. 11. 1986 – VI ZR 12/86, VersR 1987, 408; BGH v. 24. 10. 1961 – VI ZR 23/61, VersR 1961, 1125; OLG Düsseldorf v. 19. 12. 1974 – 12 U 174/72, VersR 1975, 1031, OLG Frankfurt v. 22. 10. 1992 – 3 U 146/93, VRS 86, 17 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 6. 7. 1993 – VI ZR 293/92).
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1138 Teil 4
dass sie aus ärztlicher Sicht unter Abwägung ihrer Chancen und Risiken empfehlenswert ist und dementsprechend dem Verletzten ärztlicherseits angeraten wird. c) Warnhinweis Bedeutsam ist die Verpflichtungen des Geschädigten zum rechtzeitigen1 Hinweis auf drohende Schäden (z.B. Finanzierungskosten, Nutzungsausfall2, Verdienstausfall)3. Der Hinweis muss konkret und insbesondere in seiner Dringlichkeit für den Ersatzpflichtigen nachvollziehbar sein und darf nicht nur in allgemein gehaltener Form (z.B. in standardisierter Schriftsatzform, Textbaustein) erfolgen.
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Der Schadensersatzpflichtige hat zu beweisen, dass der Geschädigte schuldhaft den Schaden nicht abgewendet hat4.
1135
Da dem Schädiger Gelegenheit geboten werden soll, durch entsprechende Maßnahmen doch noch die Entstehung oder Vergrößerung des Schaden abzuwenden, kann er sich mangels Kausalität nicht auf eine Verletzung der Warnpflicht berufen, wenn derartige Maßnahmen entweder überhaupt nicht hätten getroffen werden können oder er nachweislich auf die Warnung nicht reagiert hätte5.
1136
8. Reha-Management Sozialleistungsträger haben den gesetzlichen Auftrag (s. §§ 33ff. SGB IX) zur beruflichen Rehabilitation verletzter Personen, unabhängig von der Existenz etwaiger Schadensersatzpflichtiger oder deren Haftpflichtversicherer. Kostenträger sind vor allem die Renten- und Unfallversicherer sowie die Arbeitsverwaltung (§ 6 SGB IX), nur ausnahmsweise der Sozialhilfeträger. Die praktische Ausführung liegt fast vollständig in der Hand der Arbeitsverwaltung, die sich mit dem jeweiligen Kostenträger abzustimmen hat.
1137
Selbst bei ordnungsgemäßer Beratung vergingen häufig mehr als 2 bis 21/ 2 Jahre zwischen dem Antrag auf Rehabilitation und dem Beginn einer
1138
1 LG Halle v. 5. 5. 2000 – 1 S 77/00, SP 2000, 386; AG Bochum v. 30. 5. 2001 – 42 C 82/01, SP 2002, 23. 2 OLG Frankfurt v. 28. 10. 2005 – 24 U 111/05, VersR 2005, 1742 (Bei monatelanger Wartezeit auf ein Ersatzteil obliegt es dem Geschädigten vor einem ungewöhnlich hohen Nutzungsausfall zu warnen). 3 BGH v. 13. 9. 2007 – I ZR 155/04, VersR 2008, 1090, BGH v. 19. 9. 1995 – VI ZR 226/94, VersR 1996, 380, BGH v. 26. 5. 1988 – III ZR 42/87, MDR 1989, 45 = NJW 1989, 290 = VersR 1988, 1178, BGH v. 24. 6. 1986 – VI ZR 222/85, MDR 1987, 742 = NJW 1986, 2945 = VersR 1986, 1208; OLG Dresden v. 25. 8. 1997 – 17 U 57/97, VersR 1999, 765 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 19. 5. 1998 – VI ZR 317/97), OLG Düsseldorf v. 31. 5. 2006 – I-18 U 205/05, VersR 2007, 667, OLG Nürnberg v. 17. 9. 1999 – 6 U 428/99, zfs 2000, 12. 4 BGH v. 4. 3. 1986 – VI ZR 242/84, VersR 1986, 705. 5 BGH v. 19. 9. 1995 – VI ZR 226/94, VersR 1996, 380.
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Teil 4
Rz. 1139
Personenschaden
Maßnahme1. Die in dieser Warteschleife sich verstärkende psychische Belastung des Verletzten führte dann zu Demotivation und Frustration, aber auch zu Gewöhnungseffekten an den Zustand von Untätigkeit. Die Chance auf einen Rehabilitationserfolg verringert sich zudem überproportional zur Länge der Wartezeit2. Der Haftpflichtversicherer war in der Vergangenheit regelmäßig nur mit dem Regress der Sozialleistungsträger nach Durchführung der Maßnahmen befasst, ohne auf die Art, den Umfang und den Zeitpunkt Einfluss genommen zu haben. Nachdem vermehrt Zweifel an der Effizienz der öffentlichen Träger aufkamen3, werden verstärkt Reha-Dienste in die Schadensregulierung mit einbezogen, um eine erfolgversprechendere Reintegration von Verletzten in ein Berufsleben zu fördern. 1139
Das Reha-Management kann dem Unfallopfer helfen, seine durch den Unfall herabgesetzten Chancen im Verhältnis zu konkurrierenden Arbeitsund Beschäftigungslosen zu verbessern. Ansatzpunkt ist von daher nicht die Behandlung der Einschränkung der Leistungsfähigkeit, sondern das Wecken, Entwickeln und Fördern des individuell verbliebenen bzw. vorhandenen Potentials. Gewollt ist die materielle Schadensabwicklung im Interesse aller Beteiligten durch die (Re-)Integration des Verletzten in das auf ein eigenes Erwerbsleben gestützte soziale und volkswirtschaftliche Umfeld.
1140
Das Reha-Management ist eine freiwillige Unterstützungshandlung der privaten Versicherungswirtschaft, die die eigentlich der Sozialversicherung obliegenden Aufgaben übernimmt oder forciert. Der gesetzliche Auftrag der Sozialleistungsträger soll nicht durch die Aktivitäten der privaten Versicherer und Reha-Dienste zurückgedrängt werden. Weder das Unfallopfer noch der Haftpflichtversicherer können voneinander verlangen, dass anstelle des von Sozialleistungsträgern gesteuerten Verfahrens ein privat initiiertes Reha-Management eingerichtet wird4. Der Haftpflichtversicherer beauftragt den Reha-Dienst und trägt die Kosten des Reha-Managementes. Der Verletzte hat keinen Anspruch darauf, sich selbst einen Reha-Berater zu suchen und dessen Kosten dann dem Haftpflichtversicherer in Rechnung zu stellen5. Erst recht kann ein Verletzten keine fiktiven Kosten eines nicht in Anspruch genommenen Reha-Dienstes beanspruchen.
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Das Reha-Management kann nur aufgrund freiwilliger Übereinkunft zwischen Verletztem und Schadensersatzpflichtigem eingerichtet wer1 Budel/Buschbell, VersR 1999, 158 (160 unter Hinweis auf die Angaben des VDR für das Jahr 1996). 2 V. Hadeln/Riedl, NZV 2000, 34. 3 Höfle, zfs 2001, 197; Hugemann, NZV 2002, 22; Hugemann, PersonenschadenManagement, 2007; Knospe, Versicherungswirtschaft 2001, 1215; Müller, Versicherungswirtschaft 2001, 687; Steffen, zfs 2001, 389. 4 Höfle, S. 75. 5 Siehe auch Fleischmann/Hillmann/Schneider, § 9 Rz. 575, Schah Sedi/Schah Sedi, § 5 Rz. 15.
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1144 Teil 4
den. Ohne Einverständnis des Verletzten kommt eine Einschaltung nicht in Betracht. Erforderlich ist, dass der Verletzte die ihn behandelnden Ärzte auch gegenüber dem Reha-Dienst von der Schweigepflicht entbindet und darüber hinaus die Einverständniserklärung abgibt, dass der Reha-Berater Einsicht in die beim Sozialleistungsträger vorhandenen Unterlagen nehmen kann. Auch wenn für den Verletzten der Grundsatz der Freiwilligkeit einer Teilnahme am Reha-Management gilt, obliegt ihm weiterhin die Verpflichtung, die ihm noch verbliebene Arbeitskraft sinnvoll zu verwerten und sich hierzu erforderlichenfalls auch beruflich neu zu orientieren1. Ein Geschädigter, der das Angebot auf ein Reha-Management ablehnt, muss sich dann selbst (gegebenenfalls mit Unterstützung der Sozialleistungsträger) im Rahmen des Zumutbaren anderweitig um die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben bemühen, wobei ihm die Regelungen des SGB IX deutlich stärkere Rechte – die er dann auch unverzüglich geltend machen muss – gegenüber den Sozialleistungsträgern verschaffen. Die Ablehnung, ein Reha-Management zu nutzen, führt für sich genommen nicht zum Mitverschuldenseinwand. Der Verletzte hat aber bei Scheitern oder Verzögerung einer beruflichen Wiedereingliederung u.U. eine erhöhte Darlegungslast, warum seine eigenen Bemühungen nicht oder erst verzögert erfolgreich waren2.
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Soweit der Anwalt des Verletzten im Verhältnis zum eingeschalteten Reha-Dienst besondere Tätigkeiten entfaltet, beeinflusst dieses je nach Umfang der Tätigkeit allenfalls den Gebührenrahmen und ausnahmsweise den Gegenstandswert; eine neue und eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheit wird aber nicht begründet3. Der Reha-Dienst entfaltet Tätigkeiten im vom Sozialleistungsträger bereits aufgrund gesetzlichen Auftrages geschuldeten Bereich, der, wird kein Reha-Dienst tätig, gebührenrechtlich ohne Relevanz ist.
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9. Steuern4 a) Versteuerung von Schadenersatz Ersatz für Verdienstausfallschäden ist zu versteuern. Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehören auch „Entschädigungen, die ge1 Teil 4 VI Rz. 1119 ff. 2 Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 10 Rz. 6, Schneider, zfs 2008, 303 (zu 6.a). Ähnlich Küppersbusch, Rz. 67. 3 BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155, BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 152/09, MDR 2010, 1492 = NJW 2011, 782. 4 Zum Thema: Hartung, VersR 1986, 308; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 16; Jahnke, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (zu BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07 NJW 2009, 1229); Jahnke, NJW-Spezial 2009, 601; Jahnke, r+s 1996, 205; Kullmann, VersR 1993, 385; Weber-Grellet, DAR 1994, 52.
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1144
Teil 4
Rz. 1145
Personenschaden
währt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ (§ 24 Nr. 1 lit. a EStG). Entschädigungen in diesem Sinne können bei allen Einkunftsarten in Betracht kommen1 und erfassen auch die Leistungen aufgrund haftpflichtrechtlicher Bestimmungen. Nur soweit der Geschädigte den ermittelten und vom Schädiger zu erstattenden Schadensersatz (Rente oder Einmalbetrag) als Einkommen versteuern muss, hat der Ersatzpflichtige ihm die dann konkret auf den zu erstattenden Betrag entfallende Mehrsteuer (nach erbrachtem Nachweis2) zu ersetzen3. 1145
Zu ersetzen ist nur die (anteilige) Mehrsteuer, die auf den erstatteten Betrag entfällt, nicht jedoch die gesamte Steuerlast4.
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Soweit Lohn-/Einkommensteuer zu erstatten ist, ist auch der Solidaritätszuschlag sowie eine etwaige Kirchensteuer anteilig zu ersetzen.
1147
Nicht zu ersetzen sind fiktiv geltend gemachte Steuern5. Die Erstattung von Steuerbeträgen kann vom Schädiger erst verlangt werden, wenn die Steuerveranlagung des Geschädigten durchgeführt ist6. Steuerzahlungen sind gegenüber der Finanzverwaltung fällig aufgrund eines Vorauszahlungsbescheides (§ 37 EStG) bzw. aufgrund eines endgültigen Steuerbescheides (§ 220 AO). Vor Fälligkeit der Steuerschuld besteht nur ein Feststellungsanspruch7 oder Freistellungsanspruch8. Liegt ein Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes vor, besteht der Ersatzanspruch in Höhe der Steuervorauszahlung Zug-um-Zug gegen Abtretung eines etwaigen steuerrechtlichen Erstattungsanspruches. 1 BFH v. 26. 5. 1965 – I 84/63 U, BStBl. III 1965, 480; BFH v. 17. 12. 1959 – IV 223/58 U, BStBl. III 1960, 72. 2 BGH v. 2. 12. 1997 – VI ZR 142/96, VersR 1998, 333. 3 BGH v. 17. 11. 2005 – III ZR 350/04, MDR 2006, 407 (nur Ls.) = NJW 2006, 499 = VersR 2006, 413; BGH v. 2. 12. 1997, VI ZR 142/96, MDR 1998, 283 = NJW 1998, 985 = VersR 1998, 333; BGH v. 10. 4. 1979, VI ZR 151/75, MDR 1979, 833 = NJW 1979, 1501 = VersR 1979, 670; BGH v. 19. 3. 1974, VI ZR 19/73, VersR 1974, 700; OLG Oldenburg v. 13. 2. 1991 – 4 U 83/90, r+s 1992, 414; BFH v. 25. 10. 1994, VIII R 79/91, NJW 1995, 1238 = VersR 1995, 856. 4 BGH v. 2. 12. 1997, VI ZR 142/96, MDR 1998, 283 = NJW 1998, 985 = VersR 1998, 333. 5 BGH v. 2. 12. 1997, VI ZR 142/96, MDR 1998, 283 = NJW 1998, 985 = VersR 1998, 333; OLG Celle v. 15. 5. 2007 – 14 U 56/06, OLGR Celle 2007, 505; OLG München v. 18. 9. 1998 – 10 U 5352/97, r+s 1999, 417 (Anm. Lemcke) (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 6. 7. 1999, VI ZR 352/98); OLG Nürnberg v. 9. 4. 1997 – 4 U 1841/96, NZV 1997, 439. 6 BGH v. 10. 12. 1992 – IX ZR 54/92, MDR 1993, 582 = NJW 1993, 1137 = VersR 1993, 446 (Rechtskraft des Bescheides ist abzuwarten); BGH v. 3. 12. 1992 – IX ZR 61/92, MDR 1993, 582 = NJW 1993, 1139 = VersR 1993, 443 (Nicht vor Erlass des Steuerbescheides); OLG Celle v. 15. 5. 2007 – 14 U 56/06, OLGR Celle 2007, 505; OLG München v. 28. 8. 1980 – 10 U 1469/80, VersR 1981, 169; OLG Oldenburg v. 13. 2. 1991 – 4 U 83/90, r+s 1992, 414. 7 OLG München v. 28. 8. 1980 – 10 U 1469/80, VersR 1981, 169; OLG Oldenburg v. 13. 2. 1991 – 4 U 83/90, r+s 1992, 414. 8 OLG Celle v. 15. 5. 2007 – 14 U 56/06, OLGR Celle 2007, 505.
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1152 Teil 4
b) Abrechnung Die Steuerermäßigung nach § 34 EStG für Kapitalentschädigung1, die auch für schadensrechtliche Entschädigungsleistungen gilt (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG), spielt seit der gesetzlichen Neufassung keine Rolle mehr. Für Zahlungen nach dem 1. 1. 1999 wird die Vergütung für mehrjährige Tätigkeit aus dem zu versteuernden Einkommen herausgerechnet, durch 5 dividiert, 1/ 5 dem zu versteuernden Einkommen wieder hinzugerechnet, die Einkommensteuer für dieses Fünftel berechnet und der ermittelte Steuerbetrag dann verfünffacht (§ 34 Abs. 1 EStG).
1148
Wird der Geschädigte vom Finanzamt auch hinsichtlich solcher Einnahmen zur Steuer veranlagt, die steuerfrei sind, muss er Rechtsmittel einlegen. Verabsäumt er dieses, hat er keinen Erstattungsanspruch wegen der letztlich ungerechtfertigt erhobenen Steuer gegenüber dem wegen des Schadenereignisses einstandspflichtigen Schädigers. Versäumnisse von Vertretern (vor allem Eltern, Vormund, Anwalt) gehen zulasten des Vertreten (§§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB). Da die Steuerlast Jahr für Jahr neu bestimmt wird, ist auch in alten Schadenfällen die steuerrechtliche Veranlagung abzuändern, soweit steuerrechtliche Veränderungen eintreten.
1149
c) Einzelaspekte aa) Steuerfreie Einnahmen Soweit Geschädigte anlässlich einer Schadenregulierung auch von dritter Seite Leistungen erhalten, ist die Steuerfreiheit dieser Leistungen zugunsten des ersatzpflichtigen Schuldners zu berücksichtigen, wobei auch der steuerrechtliche Progressionsvorbehalt zu beachten ist2.
1150
Für Selbständige gilt, dass, obwohl ihre Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung Betriebsausgaben sind, die erhaltenen Versicherungsleistungen steuerfrei bleiben3.
1151
bb) Selbständiger Die Entschädigung kann nach § 24 Nr. 1 EStG einkommensteuerpflichtig (als Einkünfte aus Gewerbebetrieb) sein4. Es kann sich empfehlen, ge-
1 Zum alten Recht noch: BGH v. 22. 3. 1994 – VI ZR 163/93, MDR 1994, 669 = VersR 1994, 733; BGH v. 14. 1. 1993 – III ZR 53/92, MDR 1993, 742 = VersR 1993, 707. 2 Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, Kap. 16 Rz. 84 ff. 3 OFD Magdeburg, Verfügung v. 9. 7. 2004 – S 2144 – 33 – St 211, DB 2004, 2191. 4 Zur Abgrenzung einkommensteuerpflichtiger Entschädigungsleistungen s. BFH v. 18. 6. 1998 – IV R 61/97, NJW 1998, 3736 (Vom Steuerberater wegen Falschberatung zu leistender Schadensersatz stellt keine Betriebseinnahme dar).
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Teil 4
Rz. 1153
Personenschaden
rade um auch das Problem der Steuerschraube1 zu vermeiden, das zuständige Finanzamt bereits vor Zahlung der Abfindungs- oder Schadensumme mit einzubeziehen und die Steuerbelastung durch Vereinbarung eines Einmal-Steuerbetrages abzugelten. 1153
Der Wegfall u.a. der Gewerbesteuer für Schadensersatz an Gewerbetreibenden wegen unfallbedingter Minderung der Erwerbsfähigkeit2, Rückerstattung von Mehrwertsteuer wegen Gemeinnützigkeit3 sowie unfallbedingt verminderte oder entfallende Mehrwertsteuern4 wirken zugunsten des Ersatzpflichtigen. cc) Mehrwertsteuer5
1154
Bei Schadensersatzleistungen wegen entgangenen Gewinns fällt keine zu ersetzende Umsatzsteuer an6.
1155
Nur soweit Geschädigter nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist auf Anwaltskosten entfallende Mehrwertsteuer zu übernehmen. Unterliegen bei Vorsteuerabzugsberechtigtem Positionen nicht der Mehrwertsteuer (z.B. Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld), ist diese nur verhältnismäßig zu erstatten. d) Vorteilsverteilung aa) Vorteilsausgleich
1156
Zu den auf einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten anzurechnenden Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschä-
1 S. zu dieser Problematik: Hartung, VersR 1986, 310 (mit Wiedergabe der Auffassung der Oberfinanzdirektion Hannover); Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 16 Rz. 9; OLG München v. 18. 9. 1998 – 10 U 5352/97, r+s 1999, 417 (Anm. Lemcke) (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 6. 7. 1999 – VI ZR 352/98). 2 BGH v. 10. 2. 1987, VI ZR 17/86, MDR 1987, 571 = NJW 1987, 1814 = VersR 1987, 668; BGH v. 26. 2. 1980, VI ZR 2/79, MDR 1980, 570 = NJW 1980, 1788 = VersR 1980, 529; BGH v. 23. 1. 1979, VI ZR 4/77, MDR 1979, 485 = NJW 1979, 915 = VersR 1979, 519. BFH v. 28. 8. 1968 – I ZR 252/65, VersR 1969, 481 (Schadensersatz, den ein Gewerbetreibender wegen unfallbedingter Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erhält, gehört nicht zum Gewerbeertrag nach § 7 GewStG und unterliegt nicht der Gewerbesteuer. 3 LG Zweibrücken v. 8. 12. 1997 – 4 S 65/97, NJW-RR 1998, 1246. 4 BGH v. 10. 2. 1987 – VI ZR 17/86, MDR 1987, 571 = NJW 1987, 1814 = VersR 1987, 668. 5 Zum Thema: Behnke, DAR 2000, 60; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Jahnke, § 249 Rz. 150 ff. 6 BGH v. 21. 11. 1991, VII ZR 4/90, NJW 1992, 1620.
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VI. Verdienstausfallschaden
Rz. 1158 Teil 4
digte infolge der Schädigung erspart hat1. Bei der Betrachtung möglicher Steuervorteile muss berücksichtigt werden, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamts2, sei es durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung3. Zwar hat der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich eine Ausgleichung von Vorteilen ergibt4. Den Geschädigten trifft aber eine sekundäre Darlegungslast, die auf dem Umstand beruht, dass allein er Zugang zu der Frage hat, welche Steuervorteile sich für ihn ergeben5. Ein Ersatzpflichtiger genügt seiner Substantiierungspflicht durch die Darlegung, bei welchen Steuerpositionen der Geschädigte unfallbedingt Steuervorteile erlangt. Nähere Zahlenangaben werden vom Ersatzpflichtigen dabei nicht erwartet, da sich die Tatbestände der steuerlichen Auswirkungen aus den entsprechenden Gesetzen ergeben (curia novit iura)6. Für die Darlegungs- und Beweislast des Verletzten macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Steuerersparnis als Schadensberechnungsfaktor oder als ein auszugleichender Vorteil anzusehen ist; auch im letzten Fall trifft den Geschädigten wegen der Nähe zu den in seiner Sphäre liegenden Umständen die Darlegungs- und Beweislast7.
1157
bb) Steuervorteile beim Schädiger Ausgehend vom Grundsatz, dass schadensbedingte Steuerersparnisse des Geschädigten stets den zu ersetzenden konkreten Schaden verringern8, 1 BGH v. 15. 7. 2010 – III ZR 336/08, MDR 2010, 1255; BGH v. 17. 11. 2005 – III ZR 350/04, MDR 2006, 407 (nur Ls.) = NJW 2006, 499 = VersR 2006, 413; BGH v. 9. 12. 1987 – IVa ZR 204/86, NJW-RR 1988, 856; BGH v. 22. 3. 1979, VII ZR 259/77, MDR 1979, 748 = NJW 1979, 1449; BGH v. 18. 12. 1969, VII ZR 121/67, NJW 1970, 461 = VersR 1970, 223. 2 BGH v. 15. 7. 2010 – III ZR 336/08, MDR 2010, 1255; BGH v. 18. 12. 1969, VII ZR 121/67, NJW 1970, 461 = VersR 1970, 223. 3 BGH v. 15. 7. 2010 – III ZR 336/08, MDR 2010, 1255; BGH v. 22. 3. 1979, VII ZR 259/77, MDR 1979, 748 = NJW 1979, 1449. 4 BGH v. 15. 7. 2010 – III ZR 336/08, MDR 2010, 1255; BGH v. 9. 10. 1989 – II ZR 257/88, NJW-RR 1990, 229; BGH v. 30. 11. 2007, V ZR 284/06, MDR 2008, 257 = NJW 2008, 649; BGH v. 19. 6. 2008, VII ZR 215/06, NJW 2008, 2773. 5 BGH v. 15. 7. 2010 – III ZR 336/08, MDR 2010, 1255; BGH v. 3. 12. 2007 – II ZR 21/06, WM 2008, 391; BGH v. 31. 5. 2010 – II ZR 30/09, DB 2010, 1524. 6 Zu Kritik s. Teil 4 I Rz. 163. 7 BGH v. 10. 2. 1987 – VI ZR 17/86, MDR 1987, 571 = VersR 1987, 668. S. auch BGH v. 28. 9. 1999 – VI ZR 165/98, VersR 2000, 65. 8 BGH v. 28. 9. 1999, VI ZR 165/98, VersR 2000, 65; BGH v. 15. 11. 1994, VI ZR 194/93, MDR 1995, 155 = NJW 1995, 389 = VersR 1995, 105; BGH v. 30. 5. 1989, VI ZR 193/88, MDR 1989, 982 = NJW 1989, 3150 = VersR 1989, 855; LG Zweibrücken v. 8. 12. 1997 – 4 S 65/97, NJW-RR 1998, 1246.
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Teil 4
Rz. 1159
Personenschaden
sind zugunsten des Schädigers die Steuerbegünstigung und -freiheit von sozialen Leistungen (s. § 3 Nrn. 1 lit. a; 2b, 11 EStG; Barleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, Krankengeld. Erwerbsunfähigkeitsrente1, Sozialhilfe2, Beihilfe) zu berücksichtigen. 1159
Steuerliche Progressionsdifferenzen, wie sie sich beispielsweise bei nur quotenmäßiger Haftung oder bei anzurechnenden steuerbegünstigten Leistungen Dritter ergeben, kommen ebenfalls dem Ersatzpflichtigen zugute3. cc) Steuervorteile beim Verletzten
1160
Steuererleichterungen sind bei der Schadensbemessung zugunsten des Schädigers nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie dazu dienen, eine sonst gegebene steuerliche Schlechterstellung des Geschädigten zu vermeiden4.
1161
Dem Geschädigten verbleiben Steuervorteile aus dem Pauschalbetrag für Körperbehinderte (§ 33b EStG)5, einer Ermäßigung des Steuertarifes infolge Verzögerung in der Schadensersatzleistung6, Steuerermäßigung nach § 34 EStG für Kapitalentschädigung7 sowie einer Verjährung der Steuerschuld8.
VII. Ausfall im Haushalt 1. Allgemein 1162
Wird ein den Haushalt führender Ehegatte (gleich ob Hausfrau oder Hausmann) verletzt und kann er dadurch seiner Unterhaltspflicht nicht mehr nachkommen, verliert er damit die Möglichkeit einer wirtschaft1 BGH v. 28. 9. 1999 – VI ZR 165/98, VersR 2000, 65; BGH v. 10. 11. 1987 – VI ZR 290/86, MDR 1988, 307 = VersR 1988, 464; BGH v. 8. 4. 1986 – VI ZR 92/85, VersR 1986, 914; BGH v. 24. 9. 1985 – VI ZR 65/84, MDR 1986, 218 = VersR 1986, 162. 2 BGH v. 28. 9. 1999 – VI ZR 165/98, VersR 2000, 65. 3 BGH v. 15. 11. 1994 – VI ZR 194/93, MDR 1995, 155 = VersR 1995, 105. 4 BGH v. 30. 5. 1989, VI ZR 193/88, MDR 1989, 982 = NJW 1989, 3150 = VersR 1989, 855. 5 BGH v. 10. 11. 1987 – VI ZR 290/86, MDR 1988, 307 = VersR 1988, 464; BGH v. 30. 5. 1958 – VI ZR 90/57, VersR 1958, 528. 6 BGH v. 3. 2. 1970 – VI ZR 245/67, WM 1970, 633. 7 BGH v. 15. 7. 2010 – III ZR 336/08, MDR 2010, 1255; BGH v. 22. 3. 1994, VI ZR 163/93, MDR 1994, 669 = NJW 1994, 2084 = VersR 1994, 733; BGH v. 14. 1. 1993 – III ZR 53/92, MDR 1993, 742 = NJW 1993, 1643 = VersR 1993, 707; BGH v. 26. 2. 1980, VI ZR 2/79, MDR 1980, 570 = NJW 1980, 1788 = VersR 1980, 529; OLG Hamm v. 15. 2. 1995 – 13 U 111/94, NZV 1995, 316. 8 BGH v. 18. 12. 1969, VII ZR 121/67, NJW 1970, 461 = VersR 1970, 223.
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VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1165 Teil 4
lich sinnvollen Verwertung seiner Arbeitskraft. Die daraus entstehenden Nachteile sind dem Verletzten nach §§ 842, 843 BGB zu ersetzen: Soweit die Haushaltsführung als Beitrag zum Familienunterhalt der Versorgung von Familienangehörigen dient, handelt es sich um einen Erwerbsschaden (§§ 842, 843 I 1. Alt. BGB), soweit die Eigenversorgung der verletzten Person (Hausfrau, Hausmann) entfällt, resultiert der Anspruch aus § 843 I 2. Alt. BGB (vermehrte Bedürfnisse)1. Der Einsatz der Arbeitskraft im Haushalt zur Erfüllung der Unterhaltspflicht steht dem auf Erzielung von Gewinn zur Deckung des Lebensbedarfs gerichteten Arbeitseinsatz wirtschaftlich gleich2. Von der Dienstleistung gegen Geld unterscheidet sich die Haushaltsführung letztlich nur dadurch, dass sich ihr wirtschaftlicher Erfolg nicht in barer Münze erweist, sondern sich dadurch auszeichnet, dass für die Familiengemeinschaft notwendige Arbeiten nicht entgeltlich (unbar) durch Dritte erbracht werden müssen.
1163
2. Personenkreise a) Hausmann, Hausfrau Der Haushaltsführungsschaden ist geschlechtsunspezifisch zu ersetzen, also unabhängig davon, ob der Ehemann3 oder die Ehefrau verletzt wurde.
1164
b) Berufstätige Auch Berufstätige können neben ihrem Verdienstausfall in ihrer Haushaltsführung beeinträchtigt sein. Jedoch bedeutet nicht jede Arbeitsunfähigkeit im Beruf zugleich eine Beeinträchtigung der Haushaltsführung, hier ist eine getrennte Betrachtung notwendig. Es gibt zahlreiche Verletzungen, die zwar – je nach Beruf – zur (teilweisen) Arbeitsunfähigkeit führen, gleichwohl aber keine entschädigungspflichtige Einschränkung in der Fähigkeit zur Haushaltsführung nach sich ziehen4. Auch derjenige, 1 BGH v. 23. 6. 1998 – VI ZR 327/97, VersR 1998, 1387. 2 BGH v. 25. 9. 1973 – VI ZR 49/72, MDR 1974, 302 = NJW 1974, 41, 640 = VersR 1974, 162. 3 LG Köln v. 15. 4. 2008 – 8 O 270/06, DAR 2008, 389 = jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 6 (Anm. Lang); LG Saarbrücken v. 21. 4. 2006 – 3 O 79/04, zfs 2006, 500 (Anm. Diehl). 4 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187; OLG Celle v. 28. 9. 2000 – 14 U 215/99 (Nach HWS-Verletzung verstärkte psychische Erkrankung einer Lehrerin führte zwar zur vorzeitigen Pensionierung, hindert sie aber nicht daran, mit den wesentlichen Anforderungen ihres täglichen – außerberuflichen – Lebens fertig zu werden. Ein Haushaltsführungsschaden ist nicht zu ersetzen.), OLG Saarbrücken v. 21. 10. 2008 – 4 U 454/07, jurisPR 25/ 2008 Anm. 2 (Nugel) = OLGR Celle 2009, 126 = SP 2009, 182; AG Hamburg v. 16. 4. 2009 – 50 A C 395/08, SP 2009, 324.
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1165
Teil 4
Rz. 1166
Personenschaden
der hinsichtlich seines Berufes krankgeschrieben ist, kann zumindest in einem eingeschränkten Umfang Haushaltstätigkeiten ausführen1. 1166
Zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitsunfähige die ihm wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nunmehr zur Verfügung stehende zusätzliche Zeit nutzen kann und muss, um (leichtere) Hausarbeiten langsamer und erforderlichenfalls mit Pausen zu erledigen2. Tätigkeit im Haushalt ist zugleich Verwertung von Arbeitskraft3. c) Ehegatten
1167
Der allein voll berufstätige Ehepartner erbringt Leistungen im Haushalt regelmäßig freiwillig und nicht aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtung. Ein ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden entsteht ihm dann nicht4.
1168
In einer Doppelverdienerehe müssen die Eheleute durch Umverteilung der Hausarbeit dafür sorgen, dass sich die Behinderung möglichst gering auswirkt5. d) LPartG
1169
Eingetragene Lebenspartner (LPartG) hatten bis zum 31. 12. 2004 zwar Ehegatten angenäherte Rechte und Pflichten, u.a. zur gegenseitigen Fürsorge und Unterstützung (§ 2 LPartG), waren aber untereinander nur zu angemessenem Barunterhalt verpflichtet (§ 5 LPartG, §§ 1360a, 1360b BGB), begrenzt durch §§ 12, 16 LPartG. Eine Verpflichtung zum Naturalunterhalt bestand nicht, da eine Verweisung auf die die Haushaltsführung regelnden Bestimmungen der §§ 1356, 1360 BGB fehlte. Ersatz wegen entgangenen Naturalunterhaltes (Haushaltsführung) kann daher bis zum 31. 12. 2004 nicht verlangt werden.
1170
Erst mit der Änderung des § 5 LPartG ab 1. 1. 20056 besteht bei eingetragenen Lebenspartnern eine Verpflichtung zur Haushaltsführung wie bei Ehegatten, sodass seitdem ein Haushaltsführungsschaden wie bei Ehegatten abzurechnen ist.
1 2 3 4
LG Dortmund v. 2. 12. 2009 – 21 O 141/09, SP 2010, 290. Küppersbusch, Rz. 200. Teil 4 VII Rz. 1222 ff. Teil 4 VI Rz. 1130 f. OLG Frankfurt v. 26. 7. 2005 – 17 U 18/05, SP 2005, 338, OLG Oldenburg v. 20. 12. 1982 – 13 U 55/82, VersR 1983, 890. 5 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187; AG Düren v. 7. 6. 2006 – 45 C 78/06, SP 2007, 209. 6 Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 15. 12. 2004, BGBl I 2004, 3396.
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VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1173 Teil 4
e) Nicht-eheliche Gemeinschaft Ob der verletzungsbedingte Wegfall oder die Beeinträchtigung der Haushaltsführung in einer nicht-ehelichen Gemeinschaft einen Haushaltsführungsschaden (Berücksichtigung der Fremdversorgung des Partners) ebenso wie in der Ehe begründet, wird in Rechtsprechung1 und Literatur2 weitgehend abgelehnt.
1171
Gegenüber dem nicht-ehelichen Lebenspartner bestehen grundsätzlich keine gesetzlichen Unterhaltspflichten, eine entsprechende Anwendung der Regeln über den Ehegattenunterhalt kommt nicht in Betracht3. Die Regelung im SGB II, wonach auch Einnahmen von Personen zu berücksichtigen sind, die dem Antragstellenden zwar nicht zum Unterhalt verpflichtet sind, mit diesem aber tatsächlich zusammenleben, führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung4; nicht zuletzt können Unterhaltspflichten im Gegensatz zu auf freiwilliger Basis gewährten Leistungen nicht jederzeit und ohne weiteres beendet werden.
1172
Haben die nicht-ehelichen Partner bereits vor5 dem Unfall verbindlich6 geregelt7, dass Haushaltsleistungen als Gegenleistung zur Unterhalts-
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1 OLG Celle v. 12. 2. 2009 – 5 U 138/08, jurisPR-VerkR 19/2009 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = SP 2009, 288; OLG Düsseldorf v. 27. 4. 2009 – I-1 U 95/08, jurisPRVerkR 20/2009 Anm. 3 (Anm. Jahnke); OLG Düsseldorf v. 12. 6. 2006 – I-1 U 241/05, NJW-RR 2006, 1535 = r+s 2006, 436; OLG Düsseldorf v. 21. 2. 1991 – 13 U 177/90, VersR 1992, 1418; KG Berlin v. 26. 7. 2010 – 12 U 77/09, MDR 2010, 1460; OLG Köln v. 11. 3. 1982 – 3 W 18/82, zfs 1984, 132; OLG Nürnberg v. 10. 6. 2005 – 5 U 195/05, MDR 2006, 93 = VersR 2007, 248; OLG Oldenburg v. 4. 7. 2005 – 11 U 4/05; LG Hildesheim v. 6. 7. 2000 – 1 S 36/00, VersR 2002, 1431; LG Krefeld v. 9. 10. 2003 – 3 S 30/03, SP 2003, 418; AG Wuppertal v. 12. 3. 2009 – 312 C 77/08, SP 2009, 325; OLG Karlsruhe v. 6. 3. 1992 – 9 U 189/91, DAR 1993, 391 (Zu Unrecht zitiert von Hillmann zfs 1999, 229, worauf LG Hildesheim v. 6. 7. 2000 – 1 S 36/00, VersR 2002, 1431 ausdrücklich hinweist) bezieht sich nur auf § 843 Abs. 1, 2. Alt. BGB; OLG Rostock v. 14. 6. 2002 – 8 U 79/00, zfs 2003, 233 lässt ausdrücklich offen, ob ein Anspruch besteht, da ein solcher bereits nicht geltend gemacht wurde. 2 Jahnke, NZV 2007, 329; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 7 Rz. 53; Küppersbusch, Rz. 183; Schirmer, DAR 2007, 2. S. auch die Entschließungen des 23. VGT 1985, Arbeitskreis II, Ziff. 4 sowie des 45. VGT 2007, Arbeitskreis I, Ziff 3. 3 KG Berlin v. 26. 7. 2010 – 12 U 77/09, MDR 2010, 1460. 4 KG Berlin v. 26. 7. 2010 – 12 U 77/09, MDR 2010, 1460. 5 Vgl. BGH v. 25. 4. 2006 – VI ZR 114/05, MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = VersR 2006, 1081. 6 Zivilrechtlich sind formlose vertragliche Vereinbarungen möglich. 7 S. auch BGH v. 18. 2. 2009 – XII ZR 163/07, MDR 2009, 693 = NJW-RR 2009, 1142 (Nach Auflösung einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft kommt eine über die Ausgestaltung des nicht-ehelichen Zusammenlebens hinausgehende Zweckbestimmung regelmäßig nur bei solchen Leistungen in Betracht, die deutlich über das hinausgehen, was die Gemeinschaft Tag für Tag benötigt [im Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 177, 193]); BGH v. 3. 2. 2010 – XII ZR 53/08,
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Teil 4
Rz. 1174
Personenschaden
und Versorgungsleistung erfolgen, ist bei unfallkausaler Beeinträchtigung des Haushaltsführenden ein entsprechender Verdienstausfallschaden anzunehmen1. Werden diese Haushaltsleistungen aber freiwillig und ohne wechselseitige Verpflichtung erbracht, können sie also jederzeit wieder eingestellt werden, entfällt ein Schaden2. Es sind an die Darlegung einer entsprechenden Übereinkunft erhöhte Anforderungen zu stellen3. f) Kind 1174
Kindern entsteht vor Gründung eines eigenen Hausstand kein Haushaltsführungsschaden4. Denkbar ist nur ein originär dann den Eltern zustehender Drittanspruch nach § 845 BGB (entgangene Dienste).
3. Beeinträchtigung a) Verletzung 1175
Die Haushaltsführung muss konkret und spürbar beeinträchtigt sein5, abstrakt bestimmte Grade der Erwerbsminderung sind irrelevant6. Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens reicht es materiell nicht, abstrakt auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit zu verweisen; vielmehr ist die konkrete Lebenssituation darzustellen, damit nach § 287 ZPO die
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MDR 2010, 575 = NJW 2010, 868 (Die persönliche und wirtschaftliche Leistungserbringung in einer nicht-ehelichen Gemeinschaft kann auch davon abhängig sein, wer zur konkreten Leistung gerade in der Lage ist). OLG Düsseldorf v. 12. 6. 2006 – I-1 U 241/05, NJW-RR 2006, 1535 = r+s 2006, 436. S. auch die Empfehlung des 45. VGT 2007, AK I. OLG Celle v. 12. 2. 2009 – 5 U 138/08, jurisPR-VerkR 19/2009 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NZV 2009, 400 (nur Ls.) = SP 2009, 288 (nur Ls.); OLG Nürnberg v. 10. 6. 2005 – 5 U 195/05, NZV 2006, 209 = VersR 2007, 248; LG Essen v. 5. 5. 2004 – 11 O 10/02. KG Berlin v. 26. 7. 2010 – 12 U 77/09, MDR 2010, 1460 (Allein die Tatsache, dass nach den Angaben der Klägerin „damals“ die Miete von dem Konto ihres Lebenspartners abgezogen worden sei, führt nicht zur Annahme einer vertraglichen Bindung dergestalt, dass die Klägerin deshalb den Haushalt führte, weil ihr Lebenspartner die Miete zahlte. Die Klägerin hatte nämlich auch ausgeführt, dass sie den Haushalt führte, weil ihr Lebenspartner voll berufstätig war, sie hingegen seit 1999 erwerbsunfähig. In der Zeit, in der sie noch berufstätig gewesen sei, hätten sie sich die Haushaltsaufgaben aufgeteilt. Dass die Lebenspartner eine Vereinbarung dergestalt getroffen hätten, dass die Klägerin den Haushalt führe und ihr Lebenspartner als Gegenleistung die Miete zahlte, lässt sich ihrem Vorbringen hingegen nicht entnehmen.). OLG Frankfurt v. 21. 12. 2005 – 21 O 370/04, NJW-RR 2006, 1320 = NZV 2007, 94. OLG Hamm v. 26. 3. 2002 – 27 U 185/01, VersR 2002, 1430; OLG Koblenz v. 3. 7. 2003 – 5 U 27/03, NJW 2003, 2834 = NZV 2004, 33 = zfs 2003, 444; OLG Oldenburg v. 28. 7. 1992 – 5 U 32/92, r+s 1993, 101 = VersR 1993, 1491 = zfs 1993, 154. OLG Hamm v. 26. 3. 2002 – 27 U 185/01, VersR 2002, 1430; OLG Koblenz v. 3. 7. 2003 – 5 U 27/03, VersR 2004, 1011.
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Jahnke
VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1176 Teil 4
wesentlichen Auswirkungen auf die Hausarbeit sich bestimmen lassen1. Der Umstand, dass die verletzte Person arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, bedeutet nicht automatisch eine Einschränkung in der Fähigkeit zur Haushaltsführung: Arbeitsunfähigkeit und Fähigkeit zur Haushaltsführung sind in ihrer jeweiligen Beeinträchtigung nicht deckungsgleich2 nicht jede (vor allem psychische3) Verletzung führt zwangsläufig auch zu einer Beeinträchtigung bei der Haushaltsführung. Die Beeinträchtigung ist zwar nicht am allgemeinen Arbeitsmarkt auszurichten, sondern an der spezifischen Haushaltstätigkeit; in aller Regel entfällt aber wie beim Verdienstausfallschaden4 bei einer festgestellten MdE von 20 % oder weniger eine messbare und schadensrechtlich relevante Einbuße in der Haushaltsführung5. Bei geringgradiger Erwerbsminderung kann, gerade auch unter Einsatz technischer Hilfen und Möglichkeiten, eine eventuell verbliebene Einschränkung in der Haushaltsführung kompensiert werden. Eine deutliche Minderung in der allgemeinen Erwerbsfähigkeit ist nicht zwingend gleichbedeutend mit einer gleichhohen Beeinträchtigung im hauswirtschaftlichen Bereich: Selbst bei hochgradigen Bewegungseinschränkungen der Arme und/oder Beine bewegen sich die Behinderungen in den Tätigkeitsbereichen Beschaffung/ Einkauf und Putzen im Bereich von 10–20 %6. 1 OLG Koblenz v. 3. 7. 2003 – 5 U 27/03, NJW 2003, 2834 = NZV 2004, 33 = zfs 2003, 444. 2 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187; OLG Celle v. 28. 9. 2000 – 14 U 215/99 (Nach HWS-Verletzung verstärkte psychische Erkrankung einer Lehrerin führte zwar zur vorzeitigen Pensionierung, hindert sie aber nicht daran, mit den wesentlichen Anforderungen ihres täglichen – außerberuflichen – Lebens fertig zu werden. Ein Haushaltsführungsschaden ist nicht zu ersetzen.); OLG Saarbrücken v. 21. 10. 2008 – 4 U 454/07, jurisPR 25/2008 Anm. 2 (Nugel) = OLGR Saarbrücken 2009, 126 = SP 2009, 182. S. auch Teil 4 VII Rz. 1165. 3 OLG Celle v. 28. 9. 2000 – 14 U 215/99; OLG Saarbrücken v. 21. 10. 2008 – 4 U 454/07, jurisPR 25/2008 Anm. 2 (Nugel) = OLGR Saarbrücken 2009, 126 = SP 2009, 182. 4 S. dazu Teil 4 VI Rz. 831. 5 KG v. 13. 10. 2005 – 12 U 296/03, VersR 2006, 661; KG v. 26. 2. 2004 – 12 U 276/02, VersR 2005, 237; OLG Hamm v. 14. 5. 2001 – 6 U 250/00, SP 2001, 376; OLG München v. 18. 2. 1992 – 5 U 6007/90, zfs 1994, 48; OLG Nürnberg v. 18. 4. 1983 – 5 U 251/83, zfs 1983, 165; OLG Oldenburg v. 28. 7. 1992 – 5 U 32/92, VersR 1993, 1491; LG Aachen v. 30. 10. 2002 – 4 O 69/01, NZV 2003, 137; LG Bonn v. 9. 12. 1992 – 7 O 163/91, SP 1993, 281; LG Itzehoe v. 10. 2. 1997 – 3 (9) O 172/94, SP 1997, 248; LG Kaiserslautern v. 19. 5. 2006 – 2 O 333/01, SVR 2007, 343 (nur Ls.) (MdH von 10 % ist entschädigungslos hinzunehmen; LG Mannheim 26. 7. 2007 – 10 S 5/07, SP 2008, 143. 6 OLG Köln v. 17. 3. 2000 – 19 U 202/98, SP 2000, 336 (Der Verletzte muss sich zudem aller Hilfsmittel der modernen Technik bedienen und gegebenenfalls durch organisatorische Maßnahmen die Arbeit im Haushalt umverteilen und auf diese Weise den verbleibenden Rest der Behinderung auffangen); LG Saarbrücken
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1176
Teil 4
Rz. 1177
Personenschaden
b) Stationäre Behandlung 1177
Solange ein Verletzter stationär untergebracht (z.B. Krankenhaus, Kur, Pflegeheim) ist bzw. künftig sein wird, beschränkt sich der Haushaltsführungsschaden auf diejenigen Tätigkeiten, die die verletzte Person den anderen Familienmitgliedern gegenüber zu erbringen gehabt hätte; ihre eigenen Bedürfnisse werden durch die stationäre Versorgung bereits abgedeckt1. Der Monatsbetrag ist auf den Verdienstausfallanteil (§ 842 BGB) reduziert.
1178
In einem Ein-Personen-Haushalt ist der Haushaltsführungsschaden naturgemäß deutlich reduziert und beschränkt sich während der Zeit einer stationären Behandlung im Allgemeinen auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen2.
4. Haushaltsversorgung a) Eigenversorgung 1179
Wegen der unfallbedingt beeinträchtigten Eigenversorgung steht der verletzten Person ein vom Familienstand unabhängiger Ersatzanspruch (§ 843 BGB) zu, bei stationärer Behandlung beschränkt auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen im heimischen Bereich3. b) Fremdversorgung
1180
Nach der Konzeption der §§ 842 ff. BGB genießt nur die gesetzliche, d.h. familienrechtliche, Unterhaltsbeziehung deliktischen Schutz (§§ 844 Abs. 2, 845 BGB)4. Beim Mehrpersonenhaushalt ist der fremdnützige (rechtlich dem Verdienstausfall zugewiesene) Anteil am Haushaltsführungsschaden zweistufig zu ermitteln: Erst wenn erstens überhaupt eine Fremdversorgung geschuldet ist, ist zweitens anschließend dann das er-
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v. 21. 4. 2006 – 3 O 79/04, zfs 2006, 500 (Anm. Diehl) (Der Grad der Erwerbsunfähigkeit ist nicht ohne weiteres mit dem Grad der Beeinträchtigung in der Haushaltsführung gleichzusetzen. Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens sind daher die substantiierte Darlegung der anfallenden Haushaltstätigkeiten, der Umfang der Haushaltsführung und die konkrete Art und Weise der Einschränkung des Verletzten bei dieser Haushaltsführung auf Grund bestimmter körperlicher oder psychischer Mängel erforderlich.). OLG Düsseldorf v. 12. 6. 2006 – I-1 U 241/05, NJW-RR 2006, 1535 = r+s 2006, 436; Küppersbusch, Rz. 198, 200. BGH v. 3. 2. 2009 – VI ZR 183/08, jurisPR-VerkR 7/2009 Anm. 1 (Anm. Lang) = VersR 2009, 515. BGH v. 3. 2. 2009 – VI ZR 183/08, jurisPR-VerkR 7/2009 Anm. 1 (Anm. Lang) = VersR 2009, 515 (Vorinstanz OLG Oldenburg v. 20. 6. 2008 – 11 U 3/08, zfs 2009, 436); KG v. 4. 5. 2006 – 12 U 42/05, NZV 2007, 43. Zur historischen Entwicklung s. Jahnke, NZV 2007, 329 (zu V.2.b); Röthel, NZV 2001, 329 (333, zu IV. 1) sowie Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl. (2006), Rz. 181.
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VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1184 Teil 4
satzfähige Volumen der diesem Personenkreis gegenüber geschuldeten Arbeitsleistung zu bestimmen1. aa) Familienrechtliche Unterhaltspflicht (1. Stufe) Die Arbeit muss anderen überhaupt erst rechtlich geschuldet sein (erste Stufe). Bei der Hausarbeit stellt nicht schon die Betätigung der Arbeitskraft als solche, sondern nur die für andere in Erfüllung einer gesetzlich geschuldeten Unterhaltsverpflichtung geleistete Haushaltstätigkeit eine der Erwerbstätigkeit vergleichbare, wirtschaftlich ins Gewicht fallende Arbeitsleistung und damit einen Erwerbsschaden dar2. Das durch §§ 842 f. BGB geschützte Vermögen des Verletzten kann nur dann betroffen sein, wenn durch das Unterbleiben der Hausarbeit für dritte Personen eine bestehende Unterhaltspflicht mit der Folge unerfüllt bliebe, dass der Verletzte an sich gehalten wäre, auf andere Weise seinen Beitrag zum Familienunterhalt zu leisten3.
1181
Der personelle Rahmen einer geschuldeten Fremdversorgung im Haushalt orientiert sich an der familienrechtlichen Unterhaltspflicht4, andere im Haushalt lebende Personen (z.B. nicht-eheliche Partner5 Schwiegermutter, Stiefkind, Bruder) bleiben unberücksichtigt.
1182
Sind Haustiere (wie Hund, Katze, Pferd, Vögel) zu versorgen, ist mangels unterhaltsrechtlicher Verpflichtung der mit dieser Versorgung verbundene Zeitaufwand außer Betracht zu lassen.
1183
Bei Verrentung eines Ehegatten ist eine Neuverteilung der Aufgaben im Haushalt zu bedenken. Mit seiner Verrentung ist der Ehepartner unterhaltsrechtlich zur hälftigen Mitarbeit im Haushalt verpflichtet. Auch wenn es grundsätzlich bei einer verletzten Person, die im Haushalt ausfällt, auf die rechtliche Verpflichtung nicht ankommt, spricht eine Vermutung dafür, dass der Ehegatte nach seiner Verrentung entsprechend
1184
1 Ergänzend Jahnke, NZV 2007, 329 (zu V.2.Qb). 2 BGH v. 25. 9. 1973 – VI ZR 49/72, NJW 1974, 41, 640 = VersR 1974, 162; OLG Düsseldorf v. 12. 6. 2006 – I-1 U 241/05, NJW-RR 2006, 1535 = r+s 2006, 436. 3 OLG Nürnberg v. 10. 6. 2005 – 5 U 195/05, MDR 2006, 93 = VersR 2007, 248. 4 BGH v. 25. 9. 1973 – VI ZR 49/72, MDR 1974, 302 = NJW 1974, 41, 640 = VersR 1974, 162 (zu II.1.b); OLG Düsseldorf v. 27. 4. 2009 – I-1 U 95/08; OLG Düsseldorf v. 12. 6. 2006 – I-1 U 241/05, NJW-RR 2006, 1535 = r+s 2006, 436; OLG Düsseldorf v. 12. 4. 1996 – 14 U 163/95, OLGR Düsseldorf 1996, 181 (Versorgung von Altenteilern [Schwiegermutter] im landwirtschaftlichen Betrieb); OLG Düsseldorf v. 21. 2. 1991 – 13 U 177/90, VersR 1992, 1418; OLG Nürnberg v. 10. 6. 2005 – 5 U 195/05, MDR 2006, 93 = VersR 2007, 248; LG Itzehoe v. 9. 2. 2004 – 2 O 145/02; LG Hildesheim v. 6. 7. 2000 – 1 S 36/00, VersR 2002, 1431; AG Krefeld v. 3. 4. 2003 – 70 C 457/02, SP 2003, 269 (bestätigt LG Krefeld v. 3. 4. 2003 – 3 S 30/03, SP 2003, 418). Jahnke, NZV 2007, 329 (zu V.2.b) aa) m.w.N. 5 S. Teil 4 VII Rz. 1171 ff.
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Teil 4
Rz. 1185
Personenschaden
seiner rechtlichen Verpflichtung mitgeholfen hätte („gewöhnliches Maß“ im Sinne von § 252 BGB, § 287 ZPO). bb) Tatsächliche Leistung (2. Stufe) 1185
Erst nachdem der Kreis derjenigen Familienangehörigen bestimmt ist, denen Haushaltsbetätigung rechtlich berücksichtigenswert geschuldet ist, wird – anders als beim Unterhaltsschaden nach § 844 Abs. 2 BGB, der allein auf die familienrechtliche Verpflichtung abstellt (und damit bereits auf der ersten Prüfungsstufe anhält) – sodann im zweiten Schritt die tatsächlich erbrachte (hypothetisch bestimmt) Leistung relevant, d.h. der Ersatzanspruch richtet sich danach, welche tatsächliche Arbeitsleistung die verletzte Person ohne den Unfall ihren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen im Haushalt tatsächlich erbracht hätte1.
1186
Nach §§ 1356, 1360 BGB regeln die Eheleute Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit im wechselseitigen Einvernehmen. Ihnen obliegt es, die mit der Haushaltsführung verbundenen Pflichten untereinander aufzuteilen. Die interne familiäre Verteilung der Haushaltsführung ist schadensersatzrechtlich dann allerdings zu korrigieren, wenn ein offensichtliches Missverhältnis vorliegt, das eine Korrektur als überobligationsmäßig erlaubt oder wenn der Gestaltungsspielraum nicht mehr mit dem Grundsatz der Angemessenheit in Einklang gebracht werden kann2.
5. Anspruchsvolumen a) Ermittlungs- und Rechenschritte 1187
Die Schadenermittlung beinhaltet folgende Schritte:
1188
– Ermittlung der gesundheitlichen Beeinträchtigung (Verletzungen, Tod) und
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– der daraus resultierenden vorübergehenden oder dauerhaften Einschränkung in der Haushaltsführung (unfallbedingte prozentuale Minderung der Fähigkeit zur Haushaltsführung [MdH, nicht MdE]),
1190
– Ermittlung des konkreten ausgleichspflichtigen Arbeitszeitaufwandes (Zeitbedarf für den konkreten Haushalt in Stunden pro Woche) des An1 BGH v. 7. 5. 1974 – VI ZR 10/73, MDR 1974, 1012 = NJW 1974, 1651 = VersR 1974, 1016; OLG Düsseldorf v. 29. 8. 2002 – 8 U 190/01, NJW-RR 2003, 87 = OLGR 2003, 383 = VersR 2004, 120; OLG Oldenburg v. 28. 7. 1992 – 5 U 32/92, r+s 1993, 101 = VersR 1993, 1491 = zfs 1993, 154. 2 BGH v. 22. 1. 1985 – VI ZR 71/83, VersR 1985, 365; OLG Bamberg v. 16. 11. 1982 – 5 U 90/82, zfs 1983, 295; OLG Köln v. 17. 2. 1989 – 20 U 37/87, VersR 1990, 1285 (nur Ls.) = zfs 1991, 11 (BGH v. 20. 3. 1990 – VI ZR 127/89, VersR 1990, 748 hat Revision teilweise nicht angenommen); OLG Zweibrücken v. 31. 10. 1988 – 1 W 48/88, NJW-RR 1989, 479 = zfs 1989, 228.
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VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1196 Teil 4
spruchsberechtigten aufgrund vergleichender Betrachtung der Leistungen vor und nach der Schädigungshandlung, – Ermittlung des erforderlichen Stundensatzes der Ersatzkraft (Euro pro Stunde).
1191
b) Ersatzkraft Wird unfallabhängig eine Ersatzkraft eingestellt, sind deren konkrete Kosten brutto (einschließlich der Arbeitgebersozialabgaben und Steuern)1 auszugleichen, wenn deren Einstellung erforderlich und angemessen ist. Die Angemessenheit richtet sich nach Art und Größe des Haushaltes.
1192
Wird keine Ersatzkraft eingestellt, kann der Haushaltsführungsschaden auch fiktiv berechnet werden2. Es sind dann allerdings die Nettovergütungen (also unter Herausnahme insbesondere der Steuern sowie der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Sozialversicherungsabgaben) vergleichbarer Arbeitskräfte einer Berechnung zugrunde zu legen3.
1193
Kann die verletzte Person weiterhin den Haushalt leiten, sind die anzusetzenden Kosten selbstredend niedriger als bei einem vollständigen Ausfall.
1194
c) Dauer Die Dauer einer Rente wegen Beeinträchtigung in der Haushaltsführung kann nicht auf das 65. Lebensjahr begrenzt werden. Zu berücksichtigen ist allerdings eine altersbedingte unfallfremde Herabsetzung der Leistungsfähigkeit4 und eine voraussehbare Mitarbeit anderer Familienangehöriger (z.B. nach Verrentung bzw. Pensionierung), ferner die unfallunabhängige Einstellung, aber auch die vorbestehende Existenz von Hilfskräften im Haushalt5.
1195
In der Rechtsprechung besteht eine Tendenz, das Ende des Haushaltführungsschaden mit dem 75. Lebensjahr anzunehmen, da ab diesem Zeitpunkt die in ihrer Haushaltsführung beeinträchtigte Person auch unfallfremd nicht mehr in der Lage sein würde, ihren Haushalt vollumfänglich ohne Unterstützung zu führen6.
1196
1 BGH v. 8. 2. 1983 – VI ZR 201/81, MDR 1983, 570 = VersR 1983, 458. 2 BGH v. 10. 4. 1979 – VI ZR 151/75, MDR 1979, 833 = VersR 1979, 670. 3 BGH v. 17. 10. 2000 – VI ZR 313/99, VersR 2001, 76 (Konkret wurde der Stundenlohn entsprechend BAT X netto zugrundegelegt); BGH v. 8. 2. 1983 – VI ZR 201/81, MDR 1983, 570 = VersR 1983, 458. 4 OLG Zweibrücken v. 29. 7. 1977 – 1 U 108/76, VersR 1978, 356; LG Essen v. 12. 2. 1976 – 4 O 126/73, VersR 1977, 674. 5 BGH v. 10. 10. 1989 – VI ZR 247/88, r+s 1989, 399. 6 OLG Celle v. 23. 6. 1983 – 5 U 247/82, zfs 1983, 291; OLG Frankfurt v. 14. 7. 1981 – 12 U 65/80, VersR 1982, 981 (BGH hat Revision nicht angenommen,
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Teil 4
Rz. 1197
Personenschaden
d) Zeitbedarf 1197
Nach ausreichendem Vortrag des Verletzten zu seiner Beeinträchtigung im Haushalt wird die Zeit geschätzt, die eine professionelle Hilfskraft für die Erledigung dieser Arbeiten, soweit diese erforderlich (§ 249 BGB) sind, benötigen würde. Die ermittelte Zeitdauer wird sodann mit dem ortsüblichen Stundenlohn für Hilfskraft bewertet1.
1198
Bei längerfristiger Beeinträchtigung in der Haushaltsführung ist zu beachten, dass der jährliche Haushaltsführungsschaden nicht dem 12fachen Monatswert entspricht. Zeiten, in denen auch ohne den Unfall keine Haushaltsführung angefallen wäre (z.B. Urlaub oder andere Freizeitaktivitäten; verlängertes Wochenende; Besuche bei Freunden und Verwandten) sind herauszunehmen2.
1199
Es gibt Zeiträume, in denen hauswirtschaftliche Tätigkeiten nicht oder nur reduziert anfallen; so fallen im Winter beispielsweise Gartenarbeiten3 kaum an. e) Darlegung aa) Anforderungen
1200
Die Haushaltsführung muss konkret und spürbar beeinträchtigt sein4, abstrakt bestimmte Grade der Erwerbsminderung sind irrelevant5.
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3 4
5
Beschl. v. 8. 6. 1982 – VI ZR 206/81); OLG Hamm v. 21. 2. 1994 – 6 U 225/92, NJW-RR 1995, 599; OLG Hamm v. 10. 11. 1994 – 6 U 147/93; OLG Zweibrücken v. 29. 7. 1977 – 1 U 108/76, VersR 1978, 356; s. auch: BGH v. 7. 5. 1974 – VI ZR 10/73, MDR 1974, 1012 = NJW 1974, 1651 = VersR 1974, 1016; KG v. 29. 11. 1996 – 9 U 2238/95, r+s 1997, 461 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 8. 7. 1997 – VI ZR 39/97). OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187. OLG Celle v. 8. 11. 1979 – 5 U 236/78, VersR 1981, 81 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 21. 10. 1980 – VI ZR 302/79), OLG Schleswig v. 2. 6. 2005 – 7 U 124/01, OLGR Schleswig 2006, 5 (Ist ein Geschädigter durchschnittlich 11 Wochen jährlich abwesend, entfällt für diesen Zeitraum ein Anspruch wegen Haushaltsführungsschaden), OLG Schleswig v. 13. 1. 2005 – 7 U 78/02, VersR 2006, 938 (BGH hat Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschl. v. 13. 9. 2005 – VI ZR 25/05) (Haushaltsführungsschaden immer nur für 101/ 2 Monate im Jahr). OLG Oldenburg v. 4. 7. 2005 – 11 U 4/05. OLG Oldenburg v. 28. 7. 1992 – 5 U 32/92, VersR 1993, 1491 (Eine Behinderung von 10 % bei haushaltsspezifischen Tätigkeiten kann bei der Schadenberechnung wegen gegebener Kompensationsmöglichkeiten außer Betracht bleiben); LG Mannheim 26. 7. 2007 – 10 S 5/07, SP 2008, 143. OLG Celle v. 14. 12. 2006 – 14 U 73/06, OLGR Celle 2007, 41 = SP 2007, 428; OLG Hamm v. 26. 3. 2002 – 27 U 185/01, VersR 2002, 1430; OLG Koblenz v. 3. 7. 2003 – 5 U 27/03, VersR 2004, 1011; LG Aachen v. 30. 10. 2002 – 4 O 69/01, NZV 2003, 137 (Bei einer MdE um 100 % bzw. 50 % kann nicht ohne weiteres von einer gleich hohen Beeinträchtigung der Haushaltsführung ausgegangen werden); LG Kleve v. 16. 1. 2004 – 5 S 160/03, SP 2004, 230.
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Jahnke
VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1203 Teil 4
Schätzung setzt Vortrag voraus. Das Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ersetzt nicht den erforderlichen Vortrag zu den körperlichen Beeinträchtigungen1. Ein Anspruch auf Ersatz von Haushaltsführungsschäden steht einem Unfallverletzten nicht zu, wenn sein diesbezüglicher Vortrag völlig unsubstantiiert ist und eine sachgemäße Rechtsanwendung schlechthin nicht zulässt2.
1201
Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens genügt es materiellrechtlich nicht, lediglich abstrakt auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit hinzuweisen3. Es ist vielmehr die konkrete Lebenssituation darzustellen4, um gemäß § 287 ZPO ermitteln zu können, nach welchen wesentlichen Auswirkungen auf die Hausarbeit sich der Haushaltschaden berechnen lässt5. Die bloße Bezugnahme auf Tabellenwerke (z.B. Schulz-Borck/Hofmann) reicht zur Substantiierung nicht aus6.
1202
Es ist von der verletzten Person im Einzelnen substantiiert vorzutragen, welche konkreten Tätigkeiten vor dem Haftpflichtgeschehen durchgeführt wurden, welche konkreten Beeinträchtigungen sie nunmehr daran hindern, bestimmte Haushaltstätigkeiten auszuführen und in welchem Umfang sie bislang von ihr tatsächlich ausgeführte Arbeiten im Haushalt nicht mehr hat erbringen können („Was hat die verletzte Person vorher gemacht? Was kann sie wegen des Unfalles nunmehr nicht
1203
1 OLG Frankfurt v. 11. 10. 2005 – 8 U 47/04, OLGR Frankfurt 2006, 489; OLG Düsseldorf v. 29. 8. 2002 – 8 U 190/01, VersR 2004, 120. 2 OLG Koblenz v. 7. 11. 2005 – 12 U 1240/04, OLGR Koblenz 2006, 385 = SP 2006, 6, 89; OLG München v. 1. 7. 2005 – 10 U 2544/05, SVR 2006, 180; AG Magdeburg v. 1. 3. 2004 – 115 C 37/04 (115), SP 2004, 408. S. auch KG v. 4. 5. 2006 – 12 U 42/05, KGR 2006, 749 = NZV 2007, 43 (nur Ls.) = VRS 111, 16 (Trägt der Kläger erstinstanzlich nicht im Einzelnen vor, welche Hausarbeiten er vor dem Unfall auszuführen pflegte, sondern verweist er auf entsprechende Tabellen in der einschlägigen Literatur, hat das Erstgericht ihn nach § 139 ZPO zur Ergänzung seines Vortrages aufzufordern). 3 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187; OLG Celle v. 14. 12. 2006 – 14 U 73/06, OLGR Celle 2007, 41. 4 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGRCelle 2009, 354 = SP 2009, 187; OLG Koblenz v. 7. 11. 2005 – 12 U 1240/04, OLGR Koblenz 2006, 385 = SP 2006, 6, 89; OLG Koblenz v. 3. 7. 2003 – 5 U 27/03, VersR 2004, 1011; LG Saarbrücken v. 21. 4. 2006 – 3 O 79/04, zfs 2006, 500. 5 OLG Brandenburg v. 25. 10. 2007 – 12 U 38/07, SP 2008, 46; OLG Celle v. 14. 12. 2006 – 14 U 73/06, OLGR Celle 2007, 41 = SP 2007, 428; OLG Koblenz v. 7. 11. 2005 – 12 U 1240/04, OLGR Koblenz 2006, 385 = SP 2006, 6, 89; OLG Koblenz v. 3. 7. 2003 – 5 U 27/03, VersR 2004, 1011 (Die Angabe eines verletzten Chirurgen, er lebe in einer eheähnlichen Gemeinschaft und habe für 4 Monate seinen „üblichen“ Anteil an den Hausarbeiten in einer 200 m2 großen Wohnung nicht erbringen können, lässt bereits keine plausible Schätzung zu); LG Köln v. 15. 4. 2008 – 8 O 270/06, DAR 2008, 389 = jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 6 (Anm. Lang); LG Saarbrücken v. 21. 4. 2006 – 3 O 79/04, zfs 2006, 500. 6 KG Berlin v. 26. 7. 2010 – 12 U 77/09, jurisPR-VerkR 1/2011 Anm. 2 (Anm. Lang) = MDR 2010, 1460 = NJW-RR 2010, 1687.
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Teil 4
Rz. 1204
Personenschaden
mehr machen?“)1. Die verletzte Person hat darzulegen, welche Arbeiten ihr unfallbedingt nicht mehr möglich oder zumutbar sind und auch nicht durch Einsatz von Haushaltstechnik oder Umorganisation kompensiert werden können2. bb) Tabellenwerke 1204
Die Praxis benötigt zur Schadenabwicklung, insbesondere um eine schnelle Regulierung gerade auch im Interesse des Verletzten zu gewährleisten, ein auf breiter Basis akzeptiertes Handwerkszeug. Dabei ist gegen eine Abwicklung aufgrund von Tabellenwerken (von der Rechtsprechung als Werkzeug der Ermittlung ja auch nach § 287 ZPO gebilligt) im Grundsatz nichts einzuwenden, solange keine berechtigten Zweifel an deren Eignung und Brauchbarkeit bestehen: Tabellen dienen der praktikablen Abwicklung des Massengeschäftes nicht nur beim Sachschaden (Nutzungsausfall, Mietwagen), sondern können auch bei der Personenschadenregulierung bei richtiger Anwendung Hilfestellung geben3.
1205
Tabellenwerke enthalten keine Falllösung, können diese aber ergänzen oder einer Plausibilitätskontrolle zuführen. Man bewegt sich im Rahmen der Schätzung (§ 287 ZPO), Tabellen bieten dabei nur einen Anhaltshaltspunkt für die letztlich grobe Daumenschätzung und führen nicht – was nicht immer deutlich genug gesehen wird – zu einer exakten, auf x Stellen hinter dem Komma zutreffenden Schadenbestimmung. 1 OLG Celle v. 14. 12. 2006 – 14 U 73/06, OLGR Celle 2007, 41 = SP 2007, 428; OLG Frankfurt v. 11. 10. 2005 – 8 U 47/04, OLGR Frankfurt 2006, 489 (Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ersetzt nicht den erforderlichen Vortrag zu den körperlichen Beeinträchtigungen, die die Klägerin an der Haushaltsführung gehindert haben); OLG Düsseldorf v. 29. 8. 2002 – 8 U 190/01, VersR 2004, 120 (Es ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen, zunächst einmal zu eruieren, in welchem Umfang der Verletzte früher im Haushalt tätig war; dieses wäre unzulässige Ausforschung); LG Kleve v. 16. 1. 2004 – 5 S 160/03, SP 2004, 230; AG Düren v. 7. 6. 2006 – 45 C 78/06, SP 2007, 209. 2 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187. 3 BGH v. 17. 11. 2009 – VI ZR 64/08, MDR 2010, 320 = NJW 2010, 192 = VersR 2010, 268 (Zugrundelegung des ZSEG für Schätzung von Fahrtkosten); BGH v. 3. 2. 2009 – VI ZR 183/08, jurisPR-VerkR 7/2009 Anm. 1 (Anm. Lang) = VersR 2009, 515 (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl. 2000); BGH v. 29. 3. 1988 – VI ZR 87/87, MDR 1988, 664 = NJW 1988, 1783 = VersR 1988, 490 = VRS 75, 7 (Schulz-Borck/ Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 3. Aufl. 1987); BGH v. 16. 12. 2008 – VI ZR 48/08, MDR 2009, 337 = VersR 2009, 419 (Liegegeldsätze nach § 32 BinSchG 1994); BGH v. 14. 10. 2008 – VI ZR 308/07, MDR 2009, 25 = NJW 2009, 58 VersR 2008, 1706 (Bedenken gegen eine Schätzgrundlage [Schwacke-Mietpreisspiegel] muss nicht durch Beweiserhebung nachgegangen werden, wenn eine andere geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht); BGH v. 10. 4. 1979 – VI ZR 151/75, MDR 1979, 833 = NJW 1979, 1501 = VersR 1979, 670 (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 1978).
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VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1209 Teil 4
(1) Schulz-Borck/Hofmann (6. Aufl.)1 In der Praxis wird häufig auf das Tabellenwerk Schulz-Borck/Hofmann Bezug genommen, welches seit dem VGT 1977, AK V Eingang in die Praxis gefunden hat. Die dort vorhandenen Tabellen 1 und 8 haben verschiedene statistische Ansätze2, die es zu beachten gilt. Für die abstrakte Berechnung können die Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann eine Schätzungsgrundlage bieten3, die allerdings wegen ihrer allgemein gehaltenen, fiktiven und bundeseinheitlichen Betrachtung in Ansehung der konkreten örtlichen und persönlichen Umstände der Korrektur (in aller Regel nach unten) bedürfen.
1206
Tabellen zur Haushaltsführung sind nicht entweder nur der Tötung oder nur der Verletzung zwecks Schadenbestimmung zugewiesen: Sowohl die Tabelle 1 wie auch die Tabelle 8 geben den Einstieg in die grobe Schätzung des möglichen Zeitbedarfes, nicht aber den auf den jeweiligen Fall exakt zutreffenden Wert jeweils nur für Tötung oder Verletzung. SchulzBorck4 weist in der Einleitung selbst darauf hin, dass die amtliche Zeitbudget-Erhebung nicht originär der Erfassung von schadenersatzrechtlichen Aspekten des Haushaltsführungsschadens dient.
1207
Das Tabellenwerk Schulz-Borck/Hofmann greift auf recht alte5 Erhebungen zum Arbeitszeitbedarf zu, die die heutigen, demgegenüber stark veränderten gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen nicht berücksichtigen. Soweit Behinderungen aus Verletzungsbildern abgeleitet werden, findet sich gerade im Bereich der prothetischen Versorgung und Hilfsmittel nennenswerter technischer Fortschritt6.
1208
(2) Schulz-Borck/Pardey (7. Aufl.)7 Die Neuauflage (7. Aufl.) gestaltet die Ermittlung der Werte unnötig kompliziert und in sich nicht immer schlüssig8. Die Aktualität des zu1 Schulz-Borck/Hofmann, 6. Aufl. 2000. 2 Dazu Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 7 Rz. 63 ff., Küppersbusch, Rz. 370 (Fn. 183). 3 S. auch BGH v. 10. 4. 1979 – VI ZR 151/75, MDR 1979, 833 = VersR 1979, 670. 4 Schulz-Borck/Pardey, 7. Aufl., S. 5. 5 Schulz-Borck/Hofmann, 6. Aufl., S. 8 Fn. 4 nennt die Datensammlungen. Die dort zugrundeliegenden Erhebungen stammen teilweise aus den 80er Jahren (s. auch Ludolph, SP 2004, 406 Fn. 4), auch wenn sie erst später veröffentlicht wurden; Schulz-Borck/Pardey, 7. Aufl., S. 5, 19, 22, 25. 6 S. auch Ludolph, SP 2004, 404. 7 Schulz-Borck/Pardey, Der Haushaltsführungsschaden – Schadensersatz bei Beeinträchtigung oder Ausfall unentgeltlicher Tätigkeit in Privathaushalten, 7. Aufl. 2009. 8 Z.B. Angaben in der Tabelle 8, Ehefrau nicht erwerbstätig: 3-Personenhaushalt mit Kind unter 6 Jahre: 63,5 h, 4-Personenhaushalt mit Kind unter 6: 89,1 h, 5-Personenhaushalt mit Kind unter 6: 66,9 h.
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1209
Teil 4
Rz. 1210
Personenschaden
grundeliegenden Zahlenmaterials ist gegenüber der 6. Aufl. nicht nennenswert verbessert. Es gibt, wie die Einleitung zur 7. Aufl1. herausstellt, keine breite Datenbasis; gleichwohl werden hieraus mehr als 402 Tabellen und Untertabellen generiert. Tabellen sind nur Hilfswerkzeuge zur Schadensschätzung nach § 287 ZPO, Tabellen müssen also handhabbar und verständlich bleiben. Zu starke Zersplitterung und Detailverliebtheit passen aber nicht zu einer notwendigerweise pauschalen und letztlich vergröberten Betrachtung anhand abstrakter Ermittlungsmethodik. Nur übersichtliche und unkompliziert anwendbare Tabellen sind hilfreich; die Tabellen der 6. Auflage erfüllen mit den aus dem Schadensrecht erforderlichen Modifikationen diese Aufgabe. (3) Hohenheimer Verfahren 1210
Das auf Professor Landau zurückgehende Hohenheimer Verfahren wurde erstmals auf dem ADAC-Fachgespräch „Schadenersatz für Hausfrauentätigkeit“ am 14. 3. 1986 vorgestellt3 und war hernach diskutierter Gegenstand des VGT 1989, AK V4. Die damaligen Aufforderungen des VGT, Bewertungstabellen oder Leitlinien zum Haushaltsführungsschaden zu erarbeiten, scheiterten in der Folgezeit an Problemen einer allgemein tauglichen praktischen Umsetzung. Das Hohenheimer Verfahren hat sich für die Tagesarbeit nicht als taugliches Mittel erwiesen und wird dementsprechend auch nicht angewendet5.
1211
Ziel des Verfahrens war nicht die Ermittlung von Schadenersatz, sondern die Bewertung von Arbeit im Haushalt im Verhältnis zum gewerblichen Arbeitsplatz. Benötigt wurde dieses zur Schaffung von der gewerblichen Tätigkeiten damit vergleichbaren Arbeitstypen, denen im Interesse der Arbeitswissenschaft dann Arbeitsentgelte zugewiesen werden konnten. Schadenersatzrechtlich kommt es aber nicht auf abstrakte Zuweisungen zu einem wissenschaftlich interessanten Arbeitstypus an, sondern auf diejenigen Aufwendungen, die im Schadenfall benötigt werden, den Aus1 Schulz-Borck/Pardey, Der Haushaltsführungsschaden – Schadensersatz bei Beeinträchtigung oder Ausfall unentgeltlicher Tätigkeit in Privathaushalten, 7. Aufl. 2009, S. 5 f. 2 Die Tabelle 1 enthält 5 Untertabellen und zusätzlich mehr als 10 Korrekturtabellen (Tabelle 2), die Tabellen 8–13 enthalten 29 Untertabellen. Schulz-Borck weist zutreffend darauf hin, dass die diesen Vereinzelungen zugrundeliegenden Zahlen teilweise nur „sehr geringe Besetzungszahlen“ zugrunde liegen (Schulz-Borck/ Pardey, S. 5) entnommen wurden. 3 Landau, VGT 1989, 207; Landau, DAR 1989, 166. 4 Zu Resonanzen auch in der weiteren Presse s. Hofmann, NZV 1990, 8; Jung, DAR 1990, 161; Hofmann, NZV 1990, S. 8 ff. 5 S. auch Schulz-Borck/Pardey, Der Haushaltsführungsschaden – Schadensersatz bei Beeinträchtigung oder Ausfall unentgeltlicher Tätigkeit in Privathaushalten, 7. Aufl. 2009, S. 34.
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Jahnke
VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1214 Teil 4
fall im Haushalt vor Ort konkret auszugleichen. Während ein Bundesbeamter in Aurich dasselbe Gehalt hat wie ein Bundesbeamter in München, trifft dieses für den Handwerksgesellen in denselben Städten wegen der deutlich unterschiedlichen Lebenshaltungskosten nicht zu. f) Stundensatz Der überwiegende Teil der Forderungen wegen Ausfalls im Haushalt wird fiktiv abgerechnet, weil im betroffenen Haushalt entweder niemand benötigt wurde (stationäre Unterbringung), man den Ausfall jedenfalls für einen Zeitraum hinnimmt oder man sich mit selbstbeschaffter Hilfe oder eigener (Mehr)Leistung behilft. Dem Haushaltsführenden entstehen dabei keine wirtschaftlichen Aufwendungen. Es sind dann die Nettovergütungen (also unter Herausnahme insbesondere der Steuern sowie der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Sozialversicherungsabgaben) vergleichbarer Arbeitskräfte der Berechnung zugrunde zu legen.
1212
aa) Gerichtsbezirk Gerichte legen häufig in ihrem jeweiligen Sprengel feste Sätze der Berechnung zugrunde, berücksichtigen bei der Netto-Abrechnung aber nicht immer, dass mit einem höheren Stundensatz der zugrundezulegende Netto-Satz abzusenken ist1.
1213
Falsch ist, bei hohem Zeitbedarf mit einem Euro-Betrag/Stunde zu multiplizieren, der nur für einen geringen wöchentlichen Stundenbedarf gilt. Bei der für die Fiktivabrechnung erforderlichen Nettobetrachtung sinkt der zu erstattende Nettobetrag mit Ansteigen des Zeitbedarfes wegen der dann herauszunehmenden Steuer- und Sozialversicherungsanteile.
1214
1 S. z.B. KG v. 4. 12. 2006 – 12 U 119/05, MDR 2007, 887 (9,81 Euro/h BAT-O VIII; 7,33 Euro/h BAT-O X); OLG Celle v. 17. 1. 2007 – 14 U 101/06, SP 2008, 7 (8 Euro/h BAT IX); OLG Celle v. 28. 4. 2005 – 14 U 200/04, zfs 2005, 434 (8 Euro/h); OLG Celle v. 9. 9. 2004 – 14 U 32/04, SP 2004, 371 (8 Euro/h); OLG Düsseldorf v. 18. 9. 2006 – I-1 W 53/06 (7 Euro/h); OLG Frankfurt v. 29. 10. 2008 – 22 W 64/08, SP 2009, 217 (9 Euro/h); OLG Hamm v. 21. 7. 2008 – 6 U 60/08, NZV 2008, 564 (8 Euro/h); OLG Karlsruhe v. 30. 12. 2008 – 14 U 107/07, NJW-RR 2009, 882 (9,79 Euro/h); OLG Köln v. 25. 10. 2005 – 4 U 19/04, DAR 2006, 325 = OLGR Köln 2006, 36 (8 Euro/h); OLG Saarbrücken v. 30. 1. 2007 – 4 U 409/06-132, MDR 2007, 1069 (9 Euro/h); LG Braunschweig v. 21. 7. 2006 – 1 O 1326/04, VersR 2007, 1584 (10 Euro/h); LG Frankfurt/Oder v. 18. 5. 2007 – 17 O 524/03, DAR 2008, 29 (10 Euro/h); LG Mannheim v. 26. 7. 2007 – 10 S 5/07, SP 2008, 143 (10 Euro/h); LG Traunstein v. 20. 10. 2008 – 7 O 2602/06, SP 2009, 13 (6,26 Euro/h); AG Magdeburg v. 1. 3. 2004 – 115 C 37/04 (115), SP 2004, 408 (5,77 Euro/h).
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Teil 4
Rz. 1215
Personenschaden
bb) Hausfrauentarifvertrag 1215
Zur Bemessung der Höhe des erforderlichen Stundensatzes kann auf den Tarifvertrag zwischen den Landesverbänden des Deutschen Hausfrauenbundes als Arbeitgebervertretung und den Landesbezirken der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) („Tarifvertrag für die private Hauswirtschaft und Dienstleistungszentren“1) zurückgegriffen werden2. Dieser Tarifvertrag bietet einen angemessenen und sachnahen Beurteilungsmaßstab, welcher am ehesten dem hier maßgeblichen Tätigkeitsfeld der Haushaltsführung entspricht und daher den Löhnen nach BAT/ TVöD als Vergleichsgröße vorzuziehen ist3.
1216
Bei sachgerechter Anwendung der Tabellen nach Schulz-Borck/Hofmann ergeben sich jedenfalls bei höherem Zeitbedarf keine nennenswerten Unterschiede zum Hausfrauentarifvertrag. cc) Tabellenwerte
1217
Bei korrekter Anwendung der Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann4 gilt: Je höher die Stundenzahl, desto niedriger der Netto-Stundenlohn; dies beruht auf den mit zunehmender Stundenzahl überproportional steigenden Abgabenlasten (Steuern und Sozialversicherungsabgaben). Einen Stolperstein und damit eine Fehlerquelle für die Praxis bildet die Entgelttabelle mit der Darstellung der Brutto-/Netto-Werte. Diese Tabellen enthalten nur Monatsentgelte (brutto/netto), die aus den der Tabelle vorangestellten Wochenstunden hochgerechnet werden. Zur Ermittlung des Wochenentgeltes ist daher der Euro-Monatswert (netto) auf den wöchentlichen Wert herunterzurechnen, aus dem sich im weiteren Schritt der Euro-Betrag pro Stunde ergibt.
1218
Der Brutto-Ausgangswert (Euro pro Stunde) bleibt stets gleich; er ist unabhängig vom Arbeitszeitbedarf. Bei Übernahme der stündlichen Nettowerte ergeben sich aber unterschiedliche fiktive Beträge: Je nach Stundenbedarf bewegt sich (wegen der unterschiedlichen Sozialabgaben- und Steuerlast) der Netto-Ansatz (Beispiel BAT X) zwischen 5,88 Euro (bei
1 Zu weiteren Angaben s. www.dhb-netzwerk-haushalt.de. 2 OLG Dresden v. 1. 11. 2007 – 7 U 3/07, NZV 2009, 289 (nur Ls.) = SP 2008, 292; OLG Düsseldorf v. 27. 4. 2009 – I-1 U 95/08, jurisPR-VerkR 20/2009 Anm. 3 (Anm. Jahnke); OLG Frankfurt v. 29. 10. 2008 – 22 W 64/08, jurisPR-VerkR 8/2009 Anm. 2 (Anm. Eilers) = OLGR Frankfurt 2009, 131 = SP 2009, 13 (nur Ls.); Balke, SVR 2009, 224; Eilers, jurisPR-VerkR 8/2009 Anm. 2 (zu OLG Frankfurt v. 29. 10. 2008 – 22 W 64/08); Nickel/Schwab, SVR 2010, 11; Nickel/Schwab, SVR 2009, 286. 3 OLG Dresden v. 1. 11. 2007 – 7 U 3/07, NZV 2009, 289 (nur Ls.) = SP 2008, 292. 4 Schulz-Borck/Günther, Entgelttabellen TVöD/Bund zur Bewertung von Personenschäden in der Haushaltsführung, Stand Mai 2010.
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Jahnke
Rz. 1221 Teil 4
VII. Ausfall im Haushalt
70 Wochenstunden) über 6,58 Euro (bei 40 Wochenstunden) und 9,19 Euro (bei 1 Wochenstunde). Vergleich brutto – netto in Abhängigkeit von der wöchentlichen Stundenleistung:1 Stunden/ Woche
Euro pro Stunde2
BAT X
BAT VIII
BAT VII
BAT Vb
1h
brutto3
9,19 Euro
12,58 Euro
13,74 Euro
16,60 Euro
1h
9,19 Euro
12,58 Euro
13,74 Euro
16,60 Euro
10 h
7,38 Euro
10,03 Euro
10,96 Euro
13,24 Euro
7,38 Euro
9,72 Euro
10,46 Euro
12,15 Euro
40 h
6,58 Euro
8,39 Euro
9,01 Euro
10,50 Euro
70 h
5,88 Euro
8,50 Euro
9,10 Euro
10,48 Euro
20 h
netto
1219
g) Gutachten für Haushaltsführungsschaden Soweit ein Anwalt Gutachten für Haushaltshaltsführungsschäden erstellen lässt, handelt es sich nicht um einen vom Schädiger zu ersetzenden Schaden. Ermittlungen und Vortrag zum Haushaltsführungsschaden gehören zum Aufgabenkreis des Geschädigten und des von ihm eingeschalteten Rechtsanwaltes. Wenn diese sich zur Vorbereitung des Vortrages Arbeitsmaterialien besorgen oder Recherchen betreiben, sind dabei entstehende Kosten von den Anwaltsgebühren mitumfasst und nicht gesondert vom Schädiger zu ersetzen.
1220
Wird (z.B. mithilfe des Hohenheimer Verfahrens) ein Fragebogen (s. auch Schulz-Borck/Hofmann, 6. Aufl., Tabelle 4) ausgewertet oder ein Sachverständiger für Haushaltsführungsschäden4 bemüht, hat der Schadenersatzpflichtige die dafür entstehenden Kosten nicht zu erstatten.
1221
1 Beispielswerte nach Schulz-Borck/Günther, Entgelttabellen TVöD/Bund zur Bewertung von Personenschäden in der Haushaltsführung, Stand Mai 2010, Tabelle 1.1 (alte Bundesländer). 2 Schulz-Borck/Günther gibt in den Tabellen den Monatswert vor, der wie folgt errechnet wird: Stunden pro Woche * 4,348 * Stundenentgelt = Monatsentgelt (Schulz-Borck/Günther, Entgelttabellen TVöD/Bund zur Bewertung von Personenschäden in der Haushaltsführung, Stand Mai 2010, S. 4). 3 Mit anteiligen Jahressonderzahlungen. 4 OLG Celle v. 26. 11. 2009 – 5 W 67/09 (Es ist Sache des Prozessbevollmächtigten einer Partei, dem Gericht den Sachverhalt zu unterbreiten. Wenn der Prozessbevollmächtigte sich nicht in der Lage sieht, seinen Mandanten zu einem vergleichsweise einfachen Sachverhalt wie den Haushaltsführungsschaden zu befragen, wie es vorliegend auch die Sachverständige getan hat, so mag er einen Dritten mit der Ermittlung des Sachverhalts beauftragen. Er kann die dadurch entstandenen Kosten aber grundsätzlich nicht vom Gegner ersetzt verlangen.); LG Bückeburg v. 18. 8. 2009 – 2 O 108/09 (Vorinstanz zu OLG Celle v. 26. 11. 2009 – 5 W 67/09) (Der Haushaltsführungsschaden hätte auch von dem beauftragten Rechts-
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Teil 4
Rz. 1222
Personenschaden
6. Schadenminderung 1222
Ist der Unfallbeteiligte vorübergehend arbeitsunfähig oder gibt der Verletzte seinen Beruf vollständig auf, ist kompensatorisch zu berücksichtigen, dass die verbliebene Arbeitskraft nunmehr voll im Haushalt eingesetzt werden kann, sofern die unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen dieses auch zulassen1. Diesem Aspekt ist nicht nur bei psychischen Beeinträchtigungen aufgrund eines HWS-Syndroms Beachtung zu schenken2.
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Die in ihrer Haushaltsführung beeinträchtigte Person muss ihren Haushalt durch organisatorische Maßnahmen umstrukturieren und die häusliche Arbeitsverteilung neu vornehmen3. Kann die Beeinträchtigung durch technische Geräte kompensiert oder erleichtert werden, muss sich der Verletzte hierauf einlassen4.
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Unregelmäßig anfallende Aufgaben (z.B. Gardinenwaschen, Fensterputzen5) sind bei nur vorübergehender Behinderung durch Umorganisieren und Umdisponieren zu verschieben6. Gerade bei kurzen Zeiträumen ist
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anwalt berechnet werden können); AG Stadthagen v. 17. 11. 2010 – 41 C 66/10 (VII). Ähnlich OLG Hamm v. 6. 12. 2010 – 13 U 172/09, I-13 U 172/09, MDR 2011, 424 zum Verdienstausfall. Jahnke, Haushaltsführungsschaden, 48. VGT 2010, S. 99 (S. 111, zu IV.1.a). Vgl. BGH v. 18. 2. 1992 – VI ZR 367/90, MDR 1992, 1129 = r+s 1992, 235 = VersR 1992, 618, BGH v. 24. 4. 1979 – VI ZR 204/76, NJW 1979, 1403 = VersR 1979, 622; OLG Hamm v. 8. 6. 2001 – 9 U 137/99 (Vorinstanz LG Paderborn v. 11. 5. 1999 – 2 O 430/96); LG Frankfurt (Oder) v. 18. 5. 2007 – 17 O 524/03, DAR 2008, 29; AG Hamburg v. 16. 4. 2009 – 50 A C 395/08, SP 2009, 324. OLG Celle v. 28. 9. 2000 – 14 U 215/99 (Nach HWS-Verletzung verstärkte psychische Erkrankung einer Lehrerin führte zwar zur vorzeitigen Pensionierung, hindert sie aber nicht daran, mit den wesentlichen Anforderungen ihres täglichen – außerberuflichen – Lebens fertig zu werden. Ein Haushaltsführungsschaden ist nicht zu ersetzen.); LG Frankfurt (Oder) v. 18. 5. 2007 – 17 O 524/03, DAR 2008, 29 (Die verletzte Person soll und muss das Gefühl haben, dass sie in der Familie benötigt wird und nicht den anderen Familienangehörigen zur Last fällt. Insofern ist es in ihrem eigenen Interesse, wenn ihre Mitarbeit im Haushalt auch wertmäßig zum Tragen kommt und nicht etwa nur wegen des guten Willens der anderen ganz außer Ansatz bleibt. Konkret wurde der Ausfall im Haushalt nicht mit 100 %, sondern nur mit 90 % dann berücksichtigt.). KG v. 26. 2. 2004 – 12 U 276/02, VersR 2005, 237; OLG Düsseldorf v. 19. 1. 2009 – 1 U 113/05, SP 2009, 289, AG Düren v. 7. 6. 2006 – 45 C 78/06, SP 2007, 209 (In einer Doppelverdienerehe müssen die Eheleute durch Umverteilung der Hausarbeit dafür sorgen, dass sich die Behinderung möglichst gering auswirkt). OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187, KG v. 26. 2. 2004 – 12 U 276/02, VersR 2005, 237, OLG Köln v. 17. 3. 2000 – 19 U 202/98, SP 2000, 336. S. auch BGH v. 12. 1. 1965 – VI ZR 228/63, VersR 1965, 461 für die berufsbezogene Minderung der Erwerbsfähigkeit. AG Düren v. 7. 6. 2006 – 45 C 78/06, SP 2007, 209. LG Köln v. 15. 4. 2008 – 8 O 270/06, DAR 2008, 389 = jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 6 (Anm. Lang); AG Hamburg v. 16. 4. 2009 – 50 A C 395/08, SP 2009, 324,
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VII. Ausfall im Haushalt
Rz. 1228 Teil 4
es möglich und zumutbar, die Führung des Haushaltes anders zu regeln1. Dabei muss vorübergehend auch eine geringfügige und zumutbare Unterstützung durch einen (an sich nicht im Haushalt tätigen) Lebensgefährten in Anspruch genommen werden2. Bei einem Single-Haushalt besteht in einem höheren Maße als in einem Mehr-Personenhaushalt die Möglichkeit, zeitlich disponible Tätigkeiten (Rasenmähen, Fensterputzen), die aufgrund einer vorübergehenden Beeinträchtigung nicht ausgeführt werden können, nach hinten zu verschieben.
7. Steuern Der Ausfall eines Verletzten im Haushalt ist kein steuerbarer Einkommenstatbestand3.
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8. Drittleistungen Von Drittleistungsträgern werden zum Haushaltsführungsschaden kongruente Leistungen erbracht, die anspruchsmindernd auf den Direktanspruch anzurechnen sind.
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a) Verdienstausfall aa) Lohnersatzleistungen Krankengeld4, Verletztengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld sind auf den Haushaltsführungsschaden zu verrechnen. Es besteht Kongruenz aber nur zum Erwerbsschadensanteil.
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Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist wie die Verletztenrente kongruent zum Haushaltsführungsschaden5.
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AG Düren v. 7. 6. 2006 – 45 C 78/06, SP 2007, 209. AG Köln v. 5. 2. 1996 – 262 C 482/95, SP 1996, 171 (Auch wenn die Unfallverletzte nach dem ärztlichen Attest als Verkäuferin 2 Wochen lang krankgeschrieben war, schließt dieses nicht aus, dass sie nicht in der Lage war, mit zumutbarem Aufwand jedenfalls die gängigen Arbeiten leichterer Art in ihrem kinderlosen 2-Personen-Haushalt zu erledigen). OLG Oldenburg v. 4. 7. 2005 – 11 U 4/05. Geigel/Pardey, Kap. 4 Rz. 143. OLG Oldenburg v. 4. 7. 2005 – 11 U 4/05 (Zumutbar ist u.a., Einkäufe zu erledigen und darüber hinaus für eine kurze Zeit, jedenfalls für die ersten 3 Wochen des Ausfalles zu 100 %, die sonstige Hausarbeit zu übernehmen, ferner für die weiteren 6 Wochen [50%iger Ausfall] die körperlich schweren Arbeiten zu verrichten); AG Göttingen v. 28. 2. 2001 – 30 C 165/00, SP 2001, 236. Geigel/Pardey, Kap. 4 Rz. 143. BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229. Jahnke, § 4 Rz. 24, 29. KG v. 5. 6. 2008 – 2 U 188/04, DAR 2008, 520 (nur Ls.) = KGR 2008, 860, OLG Hamm v. 24. 9. 2001 – 6 U 86/01, r+s 2001, 506, OLG Koblenz v. 25. 7. 1991 – 12 U 638/90, VRS 81, 337. BGH v. 25. 9. 1973 – VI ZR 49/72, MDR 1974, 302 = NJW 1974, 41, 640 = VersR 1974, 162; OLG Hamm v. 24. 9. 2001 – 6 U 86/01, r+s 2001, 506, OLG Nürnberg
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Teil 4
Rz. 1229
Personenschaden
bb) Verletztenrente 1229
Die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung kürzt den beim Direktgeschädigten verbliebenen Anspruch wegen Ausfalles im Haushalt1. Soweit der Ausfall der verletzten Person (Hausfrau, Hausmann) zu den vermehrten Bedürfnisse zu rechnen ist, besteht keine sachliche Kongruenz mit der Verletztenrente des Unfallversicherungsträgers. cc) Haushaltshilfe
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Gehört mindestens ein Kind unter 12 Jahren2 zum Haushalt, stellt die Krankenkasse, aber auch die gesetzliche Unfallversicherung, bei stationärer Behandlung eine Haushaltshilfe (§ 38 SGB V), wenn eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann. Auch in anderen Fällen kann nach § 38 SGB V, § 42 SGB VII eine Haushaltshilfe gewährt werden. Dies gilt auch im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversorgung.
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Die Drittleistungen sind auf den Direktanspruch zu verrechnen3. dd) Kongruenzhinweise
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Für die Kapitalisierung von Regressforderungen der Drittleistungsträger ist zu bedenken, dass sich der Haushaltsführungsschaden rechtlich aus dem übergangsfähigen Verdienstausfallschadenanteil und dem nicht übergangsfähigen Teil der vermehrten Bedürfnissen zusammensetzt. Die Anteile verändern sich mit jeder Veränderung der familiären Situation (z.B. sukzessiver Auszug der Kinder, Verrentung des Partners, Tod des Partners, Heirat, Scheidung) und damit verändert sich auch der Anteil des übergangsfähigen Verdienstausfallanteiles des Haushaltsführungsschadens4.
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Soweit der Ausfall der verletzten Person (Hausfrau, Hausmann) zu den vermehrten Bedürfnissen (Eigenversorgung, § 843 BGB) zu rechnen ist, besteht keine sachliche Kongruenz zu Lohnersatzleistungen, so dass der Forderungsübergang wegen dieses Teiles entfällt5. Die Aufteilung des
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v. 31. 3. 2000 – 6 U 3817/99, OLGR Nürnberg 2000, 288 = VersR 2002, 1114 (nur Ls.). BGH v. 4. 12. 1984 – VI ZR 117/83, MDR 1985, 660 = NJW 1985, 735 = VersR 1985, 356; KG v. 5. 6. 2008 – 2 U 188/04, DAR 2008, 520 (nur Ls.) = KGR 2008, 860; LG Frankfurt (Oder) v. 18. 5. 2007 – 17 O 524/03, DAR 2008, 29. Keine Altersbegrenzung bei auf Hilfe angewiesenen behinderten Kindern, § 38 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. SGB V. LG Nürnberg-Fürth v. 8. 1. 1998 – 2 S 7252/97, SP 1998, 354. Im Detail Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 7 Rz. 5 ff. BGH v. 23. 6. 1998 – VI ZR 327/98, DAR 1998, 447; BGH v. 8. 10. 1996 – VI ZR 247/95, NJW 1997, 256 = VersR 1996, 1565, BGH v. 25. 9. 1973 – VI ZR 49/72, MDR 1974, 302 = NJW 1974, 41, 640 = VersR 1974, 162.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1236 Teil 4
Schaden in (nicht übergangsfähigen) Mehrbedarf und (übergangsfähigen) Erwerbsschaden kann in der Regel nach Kopfteilen der haushaltsangehörigen Personen vorgenommen werden1. b) Vermehrte Bedürfnisse Die Leistungen für häusliche Pflegehilfe der Krankenkasse nach §§ 53 ff. SGB V a.F. und Pflegeversicherung nach § 36 SGB XI sind kongruent zu den vermehrten Bedürfnissen und dementsprechend auf den Haushaltsführungsschaden anzurechnen, soweit dieser auf die Eigenversorgung (§ 843 BGB) entfällt2. Hier spielt dann aber die Kongruenz zum Verdienstschaden keine Rolle.
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9. Tod Der Ausfall der Tätigkeit im Haushalt ist Bestandteil des Unterhaltsschaden (Naturalunterhalt)3.
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VIII. Mittelbar Geschädigte 1. Anspruchsberechtigung – Allgemein a) Mittelbare Schädigung Abzugrenzen von den schadensersatzberechtigten, in ihren Rechten unmittelbar betroffenen, natürlichen und juristischen Personen sind die mittelbar Geschädigten. Mittelbar Geschädigte4 sind diejenigen, die zwar weder körperlich verletzt noch in Sachen geschädigt worden sind, die aber doch einen Vermögensschaden anlässlich des Unfalles erlitten haben. Ihnen gibt (mit Ausnahme bestimmter Fälle, z.B. §§ 844, 845 BGB) das Recht der unerlaubten Handlung keine eigenen Ersatzansprüche5, ihre Forderungsberechtigung beschränkt sich auf die gesetzlich oder durch Abtretung übergegangenen Ansprüche.
1 BGH v. 4. 12. 1984 – VI ZR 117/83, MDR 1985, 660 = VersR 1985, 356. 2 BGH v. 8. 10. 1996 – VI ZR 247/95, VersR 1996, 1565; LG Frankfurt (Oder) v. 18. 5. 2007 – 17 O 524/03, DAR 2008, 29. 3 S. Teil 4 VIII Rz. 1371 ff. 4 BGH v. 5. 2. 1985 – VI ZR 198/83, MDR 1985, 563 = VersR 1985, 499 (Verletzung der Leibesfrucht durch Angriff auf die Psyche der Schwangeren); OLG Köln v. 13. 1. 1993 – 11 U 224/92, VersR 1994, 356 (Ausfall der Arbeitskraft des Verletzten bei Hausbau eines Dritten). 5 BGH v. 21. 11. 2000 – VI ZR 231/99, MDR 2001, 389 = NJW 2001, 971 = VersR 2001, 648.
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Teil 4 1237
Rz. 1237
Personenschaden
Die aufgrund von §§ 844, 845 BGB (und den entsprechenden Regeln in den speziellen Haftungsgesetzen) nur ausnahmsweise ermöglichten Schadenersatzleistungen dürfen weder auf andere Drittgeschädigte noch auf andere als die dort genannten Schäden ausgedehnt werden1. b) Mittelbare gesundheitliche Einwirkung
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Schreckzustände unterfallen als Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos nicht dem Schutzzweck der deliktischen Haftung2. So ist eine psychische Erkrankung durch das Miterleben eines schweren Unfalles, bei dem der Betroffene nur als Zuschauer oder Zeuge anwesend, sonst aber nicht beteiligt war, dem allgemeinen Lebensrisiko zugewiesen3.
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Im Ausnahmefall kann diejenige Person schützenswert sein, die dem Unfallgeschehen selbst unmittelbar ausgesetzt war und daran mitgewirkt hat4.
1 BGH v. 17. 12. 1985 – VI ZR 152/84, MDR 1986, 488 = NJW 1986, 984 = VersR 1986, 391, BGH v. 25. 10. 1960 – VI ZR 175/59, VersR 1960, 1097, BGH v. 26. 1. 1955 – VI ZR 251/53, VersR 1955, 183; OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452 (Anm. Diehl), OLG Koblenz v. 18. 6. 2001 – 12 U 814/00, PVR 2003, 25. 2 BGH v. 22. 5. 2007 – VI ZR 17/06, MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 = VersR 2007, 1093; OLG Celle v. 28. 4. 2005 – 9 U 242/04, VersR 2006, 1376 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 16. 5. 2006 – VI ZR 108/05), OLG Köln v. 29. 7. 1999 – 1 U 27/99, NJW-RR 2000, 760 = OLGR Köln 2000, 22, OLG Oldenburg v. 27. 3. 2001 – 12 U 03/01, DAR 2001, 313; LG Magdeburg v. 14. 3. 2007 – 10 O 2703/06, SP 2008, 46; Diehl, zfs 2007, 628. 3 BGH v. 22. 5. 2007 – VI ZR 17/06, MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 = VersR 2007, 1093, BGH v. 12. 11. 1985 – VI ZR 103/84, MDR 1986, 487 = NJW 1986, 777 = VersR 1986, 240 (zu II. 2. c) (Auswirkungen eines Unfallgeschehens auf Dritte als „Reflex eines haftungsbegründenden Geschehens“ [vgl. RGRK, 12. Aufl. § 823 Rz. 11] sind haftungsrechtlich auszugrenzen, um eine uferlose Ausweitung der Schutzrichtung von Gefährdungs- und Verhaltensnormen auf die Umwelt des in erster Linie Geschützten zu vermeiden); OLG Karlsruhe v. 10. 7. 1998 – 10 U 27/98, OLGR Karlsruhe 1998, 308. S. auch OLG Köln v. 31. 5. 1988 – 15 U 197/87, zfs 1989, 42 (Schlaganfall nach Aufregung über Alkoholvorwurf seitens des Schädigers anlässlich eines fremdverschuldeten Unfalls); in der Revision verneint BGH v. 6. 6. 1989 – VI ZR 241/88, MDR 1989, 899 = NJW 1989, 2616 = VersR 1989, 923 den haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen Schlaganfall und Verkehrsverstoß bzw. Betriebsgefahr. 4 BGH v. 22. 5. 2007 – VI ZR 17/06, MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 = VersR 2007, 1093, BGH v. 12. 11. 1985 – VI ZR 103/84, MDR 1986, 487 = NJW 1986, 777 = VersR 1986, 240; OLG Hamm v. 2. 4. 2001 – 6 U 231/00, r+s 2001, 366 = NJW-RR 2001, 1676; s. auch BGH v. 18. 7. 2006 – X ZR 142/05, MDR 2007, 258 = NJW 2006, 3268 = VersR 2006, 1653 (Geschwister erleben den Tod ihres Bruders mit, den sie trotz eigener Anstrengungen nicht verhindern können); LG Frankfurt v. 28. 3. 1969 – 2/12 U 50/67, NJW 1969, 2286 (Freundin erlebt mit, wie ihr Begleiter getötet wird).
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1242 Teil 4
c) Schock-/Fernwirkungsschaden1 aa) Voraussetzungen Ist der Unfall selbst als Bagatelle2 einzustufen, sind psychisch vermittelte Schäden nicht mehr zurechenbar3. Auch eine psychische Erkrankung durch das Miterleben eines schweren Unfalles, bei dem der Betroffene nur als Zuschauer anwesend, sonst aber nicht beteiligt war, ist dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen4. Nur im Ausnahmefall können Ansprüche derjenigen bestehen, die unmittelbar am Unfallgeschehen beteiligt waren5.
1240
Angehörige, die anlässlich eines Unfalles einen sog. Schock- oder Fernwirkungsschaden erleiden, sind nicht mittelbar, sondern unmittelbar verletzt. Psychische Beeinträchtigungen (wie Trauer und Schmerz) beim Tod oder schwerster Verletzung naher Angehöriger sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entschädigungspflichtige Gesundheitsbeschädigungen6. Um ein Ausufern der Haftung zu vermeiden, sind strenge Kriterien anzuwenden7.
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Der Schock eines Dritten durch den Unfalltod eines nahen Angehörigen löst in aller Regel keinen Ersatzanspruch aus8; grundsätzlich sind auch schwere Schicksalsschläge zunächst dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen und entschädigungslos hinzunehmen9. Psychische Beeinträch-
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Zum Schmerzensgeld s. Teil 4 V Rz. 749 ff. S. Teil 4 I Rz. 27 f. und Teil 4 V Rz. 705 ff. OLG Hamm v. 2. 7. 2001 – 13 U 224/00, SP 2002, 11 m.w.N. BGH v. 22. 5. 2007 – VI ZR 17/06, MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 = VersR 2007, 1093. BGH v. 18. 7. 2006 – X ZR 142/05, NJW 2006, 3268 = VersR 2006, 1653, OLG Hamm v. 2. 4. 2001 – 6 U 231/00, NZV 2002, 36. BVerfG v. 8. 3. 2000 – 1 BvR 1127/96, MDR 2000, 829 = NJW 2000, 2187 = VersR 2000, 897 (Ausgangsverfahren OLG Nürnberg v. 1. 8. 1995 – 3 U 468/95, NZV 1996, 367 = r+s 1995, 384 = VersR 1997, 328 [nur Ls.]) (Schockschaden der Eltern nach Tötung aller drei Kinder); BGH v. 5. 2. 1985 – VI ZR 198/83, MDR 1985, 563 = NJW 1985, 1390 = VersR 1985, 499; KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, NZV 1999, 329 = VersR 1999, 504, OLG Hamm v. 10. 3. 1997 – 6 U 175/96, NJW-RR 1997, 1048 = NJW-VHR 1997, 277 (nur Ls.) r+s 1997, 246 = VersR 1998, 730 (Abgrenzung von nicht ersatzfähiger mittelbarer Beeinträchtigung und Fernwirkungsschaden); zu Einzelheiten s. Teil 4 VIII Rz. 1240 f., 1293 ff. BGH v. 14. 6. 2005 – VI ZR 179/04, NJW 2005, 2614 = VersR 2005, 1238 (Vorinstanz OLG Koblenz v. 7. 6. 2004 – 13 U 1527/01, OLGR Koblenz 2004, 505); OLG Hamm v. 18. 8. 2003 – 6 U 198/02, r+s 2004, 80; OLG Hamm v. 2. 7. 2001 – 13 U 224/00, SP 2002, 11. OLG Köln v. 24. 10. 1980 – 20 U 42/80, VersR 1982, 558. OLG Celle v. 28. 4. 2005 – 9 U 242/04, VersR 2006, 1376 (BGH, Beschl. v. 16. 5. 2006 – VI ZR 108/05); OLG Hamm v. 22. 2. 2001 – 6 U 29/00, NZV 2002, 234; OLG Köln v. 29. 7. 1999 – 1 U 27/99, NJW-RR 2000, 760 = OLGR Köln 2000, 22; OLG Köln v. 24. 10. 1980 – 20 U 42/80, VersR 1982, 558; OLG Oldenburg v. 27. 3.
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Teil 4
Rz. 1242
Personenschaden
tigungen beim Tod (u.U. auch bei schwerer Verletzung1) naher Angehöriger sind erst dann als Gesundheitsschädigung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anzusehen, wenn sie pathologisch fassbar sind und deshalb nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit angesehen werden2. Die Gesundheitsbeeinträchtigung muss echten Krankheitscharakter haben. Die mit dem Tode eines Verwandten verbundenen Missempfindungen reichen zur Begründung einer Verletzung allein noch nicht aus. Gleiches gilt für gewisse pathologisch zu verifizierende Beeinträchtigungen wie depressive Verstimmungen3, Verzweiflung und andauernde Leistungsminderung, die dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind4. Dass aus medizinischer Sicht physiologische Störungen bestehen, reicht nicht; erforderlich ist, dass auch aus medizinischer Sicht eine nachhaltige traumatische Schädigung verursacht ist, die zudem aus juristischer Sicht dasjenige übersteigt, worin sich das normale Lebensrisiko der menschlichen Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt realisiert5.
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2001 – 12 U 03/01, DAR 2001, 313; LG Gera v. 31. 8. 2005 – 1 S 189/05, SP 2006, 8; Diehl, zfs 2007, 627. BGH v. 5. 2. 1985 – VI ZR 198/83, MDR 1985, 563 = NJW 1985, 1390 = VersR 1985, 499; OLG Hamm v. 10. 3. 1997 – 6 U 175/96, NJW-RR 1997, 1048 = VersR 1998, 730 (Ehefrau eines Verletzten); zum Schock-/Fernwirkungsschaden im Einzelnen Jahnke, Kap. 2 Rz. 176 ff.; OLG Hamm v. 10. 3. 1997 – 6 U 175/96, VersR 1998, 730 (Ehefrau eines Verletzten). BGH v. 4. 4. 1989 – VI ZR 97/88, MDR 1989, 805 = NJW 1989, 2317 = VersR 1989, 853, BGH v. 31. 1. 1984 – VI ZR 56/82, MDR 1984, 657 = NJW 1984, 1405 = VersR 1984, 439 (Verschlimmerung einer Alkoholabhängigkeit nach Unfalltod des Ehegatten. Konkret kein Schadenersatzanspruch); KG v. 10. 6. 2004 – 12 U 315/02, KGR 2004, 576 = NZV 2005, 315, KG v. 30. 10. 2000 – 12 U 5120/99, NZV 2002, 38 (Erforderlich sind psycho-pathologische Auswirkungen im Sinne einer Neurose oder sogar einer Psychose), OLG Düsseldorf v. 19. 1. 1995 – 8 U 17/94, NJW-RR 1996, 214 = zfs 1996, 176, OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452 (Anm. Diehl), OLG Frankfurt v. 23. 6. 1979 – 3 U 225/77, r+s 1979, 173 (nur Ls.) = VersR 1979, 578, OLG Hamm v. 22. 2. 2001 – 6 U 29/00, NZV 2002, 234, OLG Hamm v. 10. 3. 1997 – 6 U 175/96, NJW-RR 1997, 1048 = r+s 1997, 246 = VersR 1998, 730, OLG Nürnberg v. 27. 2. 1998 – 6 U 3913/97, zfs 1998, 378, OLG Stuttgart v. 21. 7. 1988 – 14 U 3/88, NJW 1989, 1554 (nur Ls.) = NJW-RR 1989, 477 = VersR 1988, 1187 = zfs 1989, 9; LG Flensburg v. 10. 5. 1988 – 10 O 75/88, VersR 1989, 261 = zfs 1989, 158 (nur Ls.). OLG Düsseldorf v. 29. 7. 1992 – 8 U 78/91, OLGR Düsseldorf 1992, 320, OLG Hamm v. 18. 8. 2003 – 6 U 198/02, r+s 2004, 80, OLG Karlsruhe v. 13. 3. 1998 – 10 U 239/97, OLGR Karlsruhe 1998, 258, OLG Koblenz v. 17. 10. 2000 – 3 U 131/00, OLGR Koblenz 2001, 9; OLG Naumburg v. 7. 3. 2005 – 12 W 118/04, NJW-RR 2005, 900. KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, NZV 1999, 329 = VersR 1999, 504, OLG Düsseldorf v. 19. 1. 1995 – 8 U 17/94, NJW-RR 1996, 214 = zfs 1996, 176, OLG Stuttgart v. 21. 7. 1988 – 14 U 3/88, NJW-RR 1989, 477 = VersR 1988, 1187. KG v. 30. 10. 2000 – 12 U 5120/99, NZV 2002, 38, OLG Düsseldorf v. 29. 7. 1992 – 8 U 78/91, OLGR Düsseldorf 1992, 320 (Die prozessuale Darlegungspflicht erfordert substantiierten Vortrag, inwieweit – qualitativ und/oder quantitativ – die
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1244 Teil 4
Die psychische Reaktion muss in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Haftpflichtgeschehen stehen. Maßgebliches Kriterium für den erforderlichen engen Zusammenhang zwischen der das Primäropfer betreffenden Schädigung und den psychischen Auswirkungen beim Sekundäropfer ist die zeitliche und örtliche Nähe zum primär schädigenden Ereignis und/oder die personale Nähe zum Primäropfer1. Spätestens mit Ablauf von 6 Monaten ab Kenntnis vom Unfallgeschehen wird die zeitliche Grenze erreicht; spätere psychische Erkrankungen, die z.B. durch die Konfrontation mit dem Leidensbild des Angehörigen allmählich hervorgerufen werden, sind dem allgemeinen Lebensrisiko zugewiesen und nicht unter dem Aspekt des Schockschadens zu ersetzen.
1243
Es muss auf die sehr schwere Verletzung oder den Tod eines anderen Menschen reagiert werden; dabei beschränkt sich der zu berücksichtigende Personenkreis auf Ehegatten, Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 1 Abs. 1 LPartG), Eltern und Kinder. Bei Schockschäden dient die enge personale Verbundenheit dazu, den Kreis derer zu beschreiben, die den Integritätsverlust des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität und nicht als „normales“ Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt empfinden2. Sonstige Dritte (Geschwister3, Verlobte, nicht-eheliche Lebenspartner; geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten, Stiefkinder; Beifahrer eines unfallbeteiligten Fahrzeuges4) gehören nicht dazu.
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Erkrankungen tatsächlich zugenommen haben), OLG Hamm v. 18. 8. 2003 – 6 U 198/02, r+s 2004, 80, OLG Hamm v. 22. 2. 2001 – 6 U 29/00, NZV 2002, 234, OLG Hamm v. 10. 3. 1997 – 6 U 175/96, NJW-RR 1997, 1048 = r+s 1997, 246 = VersR 1998, 730, OLG Karlsruhe v. 13. 3. 1998 – 10 U 239/97, OLGR Karlsruhe 1998, 258 (Ein pauschal als „Depression“ bezeichneter Zustand reicht als Prozessvortrag nicht aus, um eine Gesundheitsbeeinträchtigung anzunehmen), OLG Koblenz v. 17. 10. 2000 – 3 U 131/00, OLGR Koblenz 2001, 9 (Erforderlich sind gewichtige psychopathologische Ausfälle von einiger Dauer. Befindlichkeitsstörungen wie Depressionen, Schlafstörungen, Alpträume, Seelenschmerzen, Weinkrämpfe, Gefühle des „Aus-der-Bahn-geworfen-seins“ und vorübergehende Kreislaufstörungen bis hin zum Kollaps haben noch keinen konkret fassbaren Krankheitswert), OLG Köln v. 24. 10. 1980 – 20 U 42/80, VersR 1982, 558. BSG v. 12. 6. 2003 – B 9 VG 1/02 R, NJW 2004, 1477 (Entscheidung zum OEG. Dass der Schock erst nach einer Latenzzeit von 5 Monaten als Gesundheitsstörung manifest in Erscheinung trat, schloss den Leistungsanspruch konkret nicht aus.); OLG Oldenburg v. 30. 6. 2000 – 6 U 109/00 – (Gegen eine unmittelbar durch das Unfallgeschehen ausgelöste Gesundheitsbeeinträchtigung spricht, dass sich die Klägerin – Ehefrau des Unfallverletzten – erst rd. 2 Jahre nach dem Unfall in ambulante Behandlung begab). BGH v. 14. 6. 2005 – VI ZR 179/04, NJW 2005, 2614 = VersR 2005, 1238; OLG Düsseldorf v. 22. 4. 1993 – 8 U 23/92, MDR 1994, 44 = OLGR Düsseldorf 1993, 254. Anderes kann gelten, wenn die Geschwister den Tod unmittelbar miterleben, dazu BGH v. 18. 7. 2006 – X ZR 142/05, MDR 2007, 258 = NJW 2006, 3268 = VersR 2006, 1653. LG Magdeburg v. 14. 3. 2007 – 10 O 2703/06, SP 2008, 46.
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Teil 4
Rz. 1245
Personenschaden
1245
Die Trauerreaktion auf den Tod eines geliebten Tieres oder die Beeinträchtigung einer Sache begründet keinen Anspruch1. Auch der Verlust einer gesellschaftlichen Stellung rechtfertigt keinen Anspruch der Witwe2.
1246
Wussow3 fasst unter Hinweis auf eine Entscheidung des österreichischen OGH4 die dort aufgestellten und durchaus auf das deutsche Recht übertragbaren Grundsätze wie folgt zusammen:
1247
– Körperverletzung ist jede Beeinträchtigung der leiblichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit, und zwar einschließlich der Nervenschäden. Lediglich eine psychische Beeinträchtigung, die bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen besteht, reicht für sich allein nicht aus, um als Körperverletzung angesehen oder einer Körperverletzung gleichgestellt zu werden.
1248
– Massive Einwirkungen auf die psychische Sphäre sind dann eine Körperverletzung, wenn sie mit körperlichen Symptomen einhergehen, die als Krankheit anzusehen sind. Eine derartige Beeinträchtigung ist jedenfalls dann gegeben, wenn aus ärztlicher Sicht die Behandlung der psychischen Störung geboten ist.
1249
– Für seelische Schmerzen, die nicht auf der Verletzung des eigenen Körpers beruhen, steht zwar kein Schmerzensgeld zu, wohl aber für eine dadurch hervorgerufene Krankheit.
1250
– Erleidet der Verletzte aufgrund des Unfalles nicht etwa nur seelische Schmerzen, sondern eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung, steht ihm ein Schmerzensgeld für die durch den Unfall hervorgerufenen Krankheit zu. bb) Haftung
1251
Trifft den Verstorbenen, dessen Tod den Schock- bzw. Fernwirkungsschaden auslöste, eine Mitverantwortlichkeit (Mitverschulden, aber auch Verantwortlichkeit für eine Betriebsgefahr oder Gefahrenquelle), ist der Anspruch des betroffenen Angehörigen entsprechend dieser Mitverantwortlichkeit zu mindern5. Der Schadensersatzanspruch des durch die 1 KreisG Cottbus v. 12. 5. 1993 – 40 C 124/93, NJW-RR 1994, 804 (Schock wegen tödlicher Bissverletzungen eines fremden Hundes); AG Essen-Borbeck v. 2. 3. 1983 – 6 C 858/82, zfs 1986, 197 (Schock des Hundehalters nach Tötung seines Hundes), AG Meppen v. 9. 12. 1994 – 3 C 1226/94. 2 OLG Celle v. 12. 5. 1975 – 5 U 81/74, VersR 1976, 594 (Teilnahme an Empfängen und sonstigen gehobenen Veranstaltungen). 3 Wussow, WI 1998, 46. 4 Österr. OGH v. 21. 12. 1995 WI 1998, 45 = ZVR 1997, 186. S. auch Österr. OGH v. 16. 5. 2001 – 2 Ob 84/01 v, NZV 2002, 26. 5 BGH v. 6. 2. 2007 – VI ZR 55/06, MDR 2007, 953 = NJW-RR 2007, 1395 = VersR 2007, 803; BGH v. 16. 1. 2001 – VI ZR 381/99, VersR 2001, 874; BGH v. 11. 5.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1255 Teil 4
Fernwirkung Geschädigten ist mit denselben Grundeinwendungen zu regulieren wie sie dem hypothetisch überlebenden, tatsächlich aber verstorbenen Unfallbeteiligten gegenüber hätten eingewandt werden können; der Dritte steht nicht besser dar als der unmittelbar Beteiligte. Das letztendlich unstreitige Ergebnis findet seine Begründung entweder in einer entsprechenden Anwendung von § 846 BGB1 (der sich seinem Wortlaut nach zwar nur auf §§ 844, 845 BGB bezieht2, allerdings einen allgemeinen Rechtsgedanken beinhaltet) oder aber in einer Anrechnung fremden Mitverschuldens nach §§ 242, 254 BGB, weil die psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung an den unmittelbar Verletzten beruht3. Es gelten letztlich dieselben Grundsätze wie beim Unterhaltsschaden4.
1252
Beruht der Schock auf dem Tod mehrerer Angehöriger, wobei nur eine Person eine Mitverantwortlichkeit trifft, kann im Einzelfall eine Anspruchsminderung entfallen5.
1253
Sind im Verhältnis zwischen Schädiger und Getötetem vertragliche Haftungsausschlüsse zu berücksichtigen, beeinträchtigen diese den Ersatzanspruch des Schockgeschädigten in gleicher Weise wie der Anspruch des Getöteten selbst gemindert oder ausgeschlossen wäre. Es kommen dieselbe Aspekte zum Tragen, wie sie bei der Zurechnung der Mitverantwortung des Getöteten zur Anspruchskürzung beim Hinterbliebenen führen; es handelt sich daher nicht um einen Vertrag zulasten Dritter.
1254
Anderes gilt für den gesetzlichen Ausschluss (Arbeitsunfall, §§ 104 ff. SGB VII). Hier ist zu differenzieren zwischen der eigenen Verletzung (Schockschaden) und dem mittelbaren Schaden als Hinterbliebener (Beerdigung, entgangene Dienste, Unterhalt). Während der mittelbar Geschädigte Leistungen der Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhält und dann mit weiteren Ersatzansprüche nach §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen ist, erhält der Schockgeschädigte als unmittelbar Verletzter (außerhalb des OEG) keine Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung, da er nicht zum versicherten und damit wegen der eigenen Verletzung leistungsberechtigten Personenkreis des SGB VII gehört. Ein Arbeitsunfall im Verhältnis zwischen Schädiger und
1255
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1971 – VI ZR 78/70, MDR 1971, 919 = VersR 1971, 905; KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, NZV 1999, 329 = VersR 1999, 504; OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452 (Anm. Diehl). LG Rostock v. 9. 2. 2001 – 9 O 342/99, SP 2001, 302 m.w.N. Dazu Teil 4 VIII Rz. 1265 ff. BGH v. 11. 5. 1971 – VI ZR 78/70, MDR 1971, 919 = VersR 1971, 905; KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, NZV 1999, 329 = VersR 1999, 504. Teil 4 VIII Rz. 1265 ff. OLG Hamm v. 27. 3. 1981 – 9 U 234/78, VersR 1982, 557 (Frau verliert Ehemann und einen Sohn, der zweite Sohn wird zugleich schwer verletzt).
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Teil 4
Rz. 1256
Personenschaden
Getötetem wirkt daher nicht anspruchsausschließend (oder im Falle der gestörten Gesamtschuld mindernd), soweit es um Ansprüche wegen eigener Verletzung geht1. Soweit die Leistungen an Hinterbliebene (z.B. Witwenrente) aus dem Anspruchsrecht des Getöteten unmittelbar folgen, kommt hier der Haftungsausschluss zum Tragen: Mitverantwortlichkeiten des Getöteten und gegebenenfalls Mitverantwortlichkeiten des Schockgeschädigten wirken sich dann anspruchsmindernd aus; der Umstand, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt, führt nicht zu einer Verbesserung der Anspruchssituation des Schockgeschädigten. 1256
Bei Dienstunfällen von Soldaten und Beamten sollen Schockschaden-Ansprüche der Eltern ausgeschlossen sein2. cc) Eigene Mitverantwortung des mittelbar Beeinträchtigten
1257
Eigenes Fehlverhalten des „Geschockten“ (z.B. vorwerfbar unterlassene Mitarbeit bei der Trauerverarbeitung) ist nach allgemeinen Grundsätzen wie bei unmittelbar physisch Verletzten schadenmindernd anzusetzen3. d) Anspruch der Hinterbliebenen und Erben
1258
Die Ansprüche wegen Verletzung bzw. Tötung eines Dritten aus §§ 844, 845 BGB stehen den dort genannten Personen, vor allem Unterhaltsgeschädigten, aus eigenem Recht zu, gehören also nicht zum Nachlass des Getöteten. In diesen Vorschriften wird der Grundsatz durchbrochen, dass mittelbar geschädigte Dritte nicht anspruchsberechtigt sind. Zur Höhe ist der Anspruch der Dritten begrenzt auf die in §§ 844, 845 BGB genannten Schäden: Kosten der Beerdigung, gesetzlich geschuldeter Unterhalt, entgangene Dienste. aa) Eigener Anspruch – ererbter Anspruch
1259
Bei fremdverschuldeten Unfällen mit Todesfolge ist zu unterscheiden zwischen einerseits den eigenen Schadensersatzansprüchen des Verletzten, die dieser selbst noch zu Lebzeiten erworben hat und die dann im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen sind, und andererseits den Ansprüchen unterhalts- und dienstberechtigter Dritter nach §§ 844, 845 BGB (bzw. den haftungsrechtlichen Sonderbestimmungen, z.B. § 10 StVG). Dabei ist zu beachten, dass Erben und unterhaltsberechtigte Personen nicht zwingend personenidentisch sein müssen 1 BGH v. 6. 2. 2007 – VI ZR 55/06, MDR 2007, 953 = NJW-RR 2007, 1395 = VersR 2007, 803. A.A.: OLG Celle v. 25. 8. 1986 – 5 W 28/86, VersR 1988, 67 (§§ 636 f. RVO). 2 OLG Celle v. 5. 6. 2007 – 16 U 103/06, OLGR Celle 2007, 548 (n. rkr. RevisionsAz. III ZR 171/07), OLG Celle v. 2. 9. 2002 – 9 U 13/02, OLGR Celle 2002, 231. 3 S. Teil 4 I Rz. 465 f.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1263 Teil 4
und dass die ererbten Ansprüche einerseits und die aus eigenem Recht erworbenen Ansprüche der Unterhaltsgeschädigten andererseits auch inhaltlich völlig verschieden sind. Die Erben eines Getöteten sind als Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 BGB) anspruchsberechtigt. Soweit der Verstorbene selbst vor seinem Tod noch unfallkausale Vermögensnachteile (wie Sachschaden1, Einkommensminderung, Heilbehandlungskosten, vermehrte Bedürfnisse) erlitten hat, gehen diese in der Person des unmittelbar Verletzten entstandenen Ansprüche dann im Wege der Rechtsnachfolge auf den oder die Erben über. Daneben kann der Erbe als Hinterbliebener seine nur mittelbaren Schäden in den Fällen der §§ 844, 845 BGB aus eigenem Recht gegenüber dem Schädiger geltend machen2.
1260
Die Erben sind auf diejenigen Ersatzansprüche beschränkt, die der Erblasser selbst zu seinen Lebzeiten hätte geltend machen können, selbst wenn die Folgen des Haftpflichtgeschehens noch über den Erbfall hinaus wirken und das Vermögen des Erblassers nach seinem Tode nunmehr in der Person der Erben schädigen3.
1261
Der Verletzte kann nur über die eigenen Ansprüche vor seinem Tod wirksam verfügen, d.h. sie ganz oder teilweise abfinden oder eine Haftungsquote vereinbaren. Soweit Ansprüche den Hinterbliebenen originär zustehen (§§ 844, 845 BGB), kann der Verletzte und später Verstorbene diese nicht beeinträchtigen. Ein Vergleich, der nur mit dem unmittelbar Verletzten geschlossen wird, betrifft nicht zugleich auch die Ersatzansprüche der mittelbar Geschädigten, wenn und soweit diesen eigene Ersatzansprüche zugewiesen sind (Hauptanwendungsfälle: Unterhaltsschaden, entgangene Dienste, §§ 844, 845 BGB). Diese Drittansprüche entstehen zwar bereits mit der Verletzung des Unterhalts bzw. Dienstpflichtigen, die Verjährung beginnt aber erst mit dem Tod zu laufen, da der Tod als weitere Schadensfolge zunächst noch ungewiss ist4.
1262
Sog. Entwertungsschäden (z.B. Entwertung des Unternehmens oder der Praxis durch den Wegfall des Inhabers) sind allenfalls erstattungsfähig, wenn sie noch in der Person des Erblassers eingetreten sind; der Ersatz-
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1 Fahrzeugschäden sind wie andere Sachschäden auch dann zu ersetzen, wenn der Unfallbeteiligte sofort verstirbt (BGH v. 25. 1. 1972 – VI ZR 75/71, MDR 1972, 504 = VersR 1972, 460). 2 OLG Koblenz v. 3. 3. 2005 – 5 U 12/05, VersR 2005, 1401 (Macht der Angehörige des Verstorbenen Ansprüche aus eigenem und ererbten Recht geltend, ist ein Teilurteil über den eigenen Anspruch nicht statthaft, wenn es dadurch im weiteren Prozessverlauf zu einander widersprechenden Entscheidungen kommen kann). 3 BGH v. 22. 6. 2004 – VI ZR 112/03, MDR 2004, 1355 = NJW 2004, 2894 = VersR 2004, 1192, BGH v. 8. 1. 1968 – III ZR 32/67, VersR 1968, 554. 4 BGH v. 13. 2. 1996 – VI ZR 318/94, MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = VersR 1996, 649, BGH v. 17. 12. 1985 – VI ZR 152/84, MDR 1986, 488 = NJW 1986, 984 = VersR 1986, 391.
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Teil 4
Rz. 1264
Personenschaden
anspruch geht dann auf die Erben über. Derartige Entwertungsschäden sind aber nicht erstattungsfähig, wenn der Erblasser alsbald verstirbt und Verletzung und Tod zeitlich so nahe zusammenfallen, dass sie gemeinsam als die Ursache für den Entwertungsschaden erscheinen1. Dann erben seine Rechtsnachfolger den entwerteten Nachlass, ohne den Schädiger auf Ersatz in Anspruch nehmen zu können. Auf die Höhe der Schadensrenten der Unterhaltsgeschädigten wirkt sich der Entwertungsschaden nicht aus, weil für die Berechnung dieser Ansprüche von den Verhältnissen auszugehen ist, wie sie ohne das Schadensereignis bestanden hätten. 1264
Verstirbt der Schuldner eines Leibgedings, hat der hieraus berechtigte Versorgungsleistungsempfänger keinen Schadensersatzanspruch2. bb) Haftung3
1265
Voraussetzung ist, dass der Getötete, hätte er den Unfall überlebt, vom Schädiger hätte Schadensersatz verlangen können. Bei gesetzlichem oder vertraglichem Haftungsausschluss (wie wirksamer Verzichtsvertrag, Arbeitsunfall gemäß §§ 104 ff. SGB VII, Haftungsausschluss nach §§ 7 StVG, 8a StVG a.F. gegenüber Insassen4)5 entfallen die originären Ansprüche der Hinterbliebenen nach §§ 844, 845 BGB (Unterhaltsansprüche, Beerdigungskosten6), nicht in jedem Fall aber Schockschäden7 der Hinterbliebenen.
1266
Auch die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld8 sind auf die Ansprüche der mittelbar Anspruchsberechtigten anzuwenden.
1267
Die Angehörigen (und damit auch die Drittleistungsträger als deren Rechtsnachfolger) müssen sich ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten, aber auch eine etwaige Betriebsgefahr, gemäß §§ 846, 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen. Eigenes mitwirkendes Verschulden des Hinterbliebenen kann (u.U. zusätzlich9) anspruchsmindernd zum
1 BGH v. 20. 2. 1962 – VI ZR 65/61, VersR 1962, 337; BGH v. 22. 11. 1983 – VI ZR 22/82, VersR 1984, 353. 2 BGH v. 21. 11. 2000 – VI ZR 231/99, MDR 2001, 389 = NJW 2001, 971 = VersR 2001, 648. 3 S. ergänzend Teil 4 VIII Rz. 1251 f., 1276, 1299, 1333. 4 OLG Celle v. 3. 11. 1994 – 14 U 174/93, NZV 1996, 114 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 24. 10. 1995 – VI ZR 383/94). 5 S. auch Teil 4 V Rz. 653 ff. 6 BAG v. 24. 5. 1989 – 8 AZR 240/87, VersR 1990, 50. 7 Teil 4 VIII Rz. 1251 f. 8 Teil 4 I Rz. 427 ff. 9 OLG Köln v. 16. 10. 1990 – 15 U 46/90, VersR 1992, 894 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 25. 6. 1991 – VI ZR 376//90).
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1271 Teil 4
Tragen kommen1. Hat lediglich die Betriebsgefahr seines Kfz mitgewirkt, geht es um Ansprüche aus der Gefährdungshaftung (§ 10 StVG) bzw. eine Abwägung nach § 17 StVG, ist § 846 BGB analog anwendbar2. Eigenes schadensersatzminderndes Verhalten kann beim mittelbar Verletzten hinsichtlich der Schadenshöhe zu berücksichtigen sein.
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Ist der Unterhaltsberechtigte mit dem Schadensersatzpflichtigen identisch (z.B. wird die mitfahrende Ehefrau durch einen vom Ehemann verschuldeten Fahrfehler getötet), stehen zwar den weiteren Hinterbliebenen (Waise, geschiedener Ehegatte) Ansprüche zu; der den Tod herbeiführende Schadenersatzpflichtige kann aber auch unter dem Aspekt der Direktklagemöglichkeit (§ 115 Abs. 1 VVG, § 3 PflVG a.F.) keinen Ersatzanspruch geltend machen, da § 844 BGB die Tötung durch eine dritte Person voraussetzt3. Gleiches gilt für Beerdigungskosten und entgangene Dienste.
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cc) Zeitgleicher Tod, Konfusion Der Direktanspruch nach § 115 VVG, § 3 PflVG a.F. geht infolge Konfusion nicht ganz oder teilweise unter, wenn der Verletzte Alleinerbe des Schädigers wird4.
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Erbfolge kann auch zwischen Personen eintreten, die beim selben Unfallereignis versterben. § 1923 BGB macht die Erbfähigkeit allein davon abhängig, dass der Erbe den Erblasser – wenn auch nur um den Bruchteil einer Sekunde – überlebt. Im Erbrecht ist (wie im Transplantationsgesetz) als Todeszeitpunkt der Eintritt des Gesamthirntodes (und nicht der – in aller Regel spätere – Herz- und Kreislaufstillstand) anzunehmen5. Der Hirntod tritt ein beim vollständigen und irreversiblen Zusammenbruch der Gesamtfunktion des Gehirns, auch wenn dann Kreislauf und Atmung noch aufrecht erhalten bleiben6.
1271
1 OLG Karlsruhe v. 7. 12. 1977 – 1 U 85/77, VersR 1978, 575 (Aufsichtspflichtverletzung, die zum Tod des eigenen Kindes führte), OLG Köln v. 16. 10. 1990 – 15 U 46/90, VersR 1992, 894 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 25. 6. 1991 – VI ZR 376//90). 2 BGH v. 27. 6. 1961 – VI ZR 205/60, NJW 1961, 1966. 3 Jahnke, Kap. 2 Rz. 162 ff. 4 BGH v. 9. 7. 1996 – VI ZR 5/95, VersR 1996, 1258; OLG Hamm v. 16. 6. 1994 – 6 U 227/93, VersR 1995, 454 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 14. 3. 1995 – VI ZR 230/94); s. auch BGH v. 16. 12. 2010 – Xa ZR 81/09, NJW-RR 2011, 488 (Wird die Partei eines Rechtsstreits Alleinerbin ihres Gegners, endet das Verfahren wegen des Verbots des Insichprozesses in der Hauptsache. Auch eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO kommt in diesem Fall grundsätzlich nicht in Betracht.). 5 OLG Frankfurt v. 11. 7. 1997 – 20 W 254/95, NJW 1997, 3099 (Koma nach Unfall). 6 OLG Frankfurt v. 11. 7. 1997 – 20 W 254/95, NJW 1997, 3099.
Jahnke
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Teil 4
Rz. 1272
Personenschaden
1272
Nicht entscheidend ist der in der Todesurkunde bescheinigte Todeseintritt, es kommt allein auf den tatsächlichen Todeseintritt an. Gerade bei Verkehrsunfällen mit mehreren Verletzten und Toten kommt dem von Notarzt und Polizei in Ermittlungsakte, Sterbefallanzeige oder amtlicher Todesbescheinigung notierten Zeitpunkt des Todeseintritts allenfalls eine indizielle Bedeutung zu1. Regelmäßig wird der Todeseintritt nämlich in der zeitlichen Reihenfolge der Behandlung und Untersuchung der verstorbenen Unfallbeteiligten vor Ort festgehalten und gibt bereits von daher den tatsächlichen Zeitpunkt nicht zwingend korrekt wieder.
1273
Das Nachlassgericht muss im Rahmen des Möglichen aufklären, ob ein Beteiligter den anderen, sei es auch nur um den Bruchteil einer Sekunde, überlebt hat2. Kann die Reihenfolge zweier Todesfälle nicht geklärt werden, gilt die Vermutung des § 11 VerschG, wonach beide gleichzeitig gestorben sind3. Bleibt die Erbfolge für den Schadenersatzpflichtigen unklar, kann er den geschuldeten Betrag hinterlegen (§§ 372 ff. BGB).
2. Entgangene Dienste a) Forderungsberechtigung 1274
Einem Dienstberechtigten stehen bei Wegfall von Dienstleistungen Ersatzansprüche nach § 845 BGB zu, sofern und soweit die verletzte oder getötete Person im Unfallzeitpunkt4 diesem gesetzlich (familienrechtlich) zur Leistung von Diensten in Haushalt und/oder Gewerbe verpflichtet war.
1275
Der Ausfall nur vertraglich oder tatsächlich erbrachter Verpflichtungen begründet keinen Anspruch5.
1276
Haftungsvoraussetzung ist eine Verschuldenshaftung nach §§ 823 ff. BGB, die anderweitigen haftpflichtrechtlichen Sondergesetze sehen (mit Ausnahme von § 53 Abs. 2 LuftVG) keinen entsprechenden Anspruch vor.
1277
Trifft den verletzten Dienstpflichtigen eine Mitverantwortlichkeit, ist Ersatz nur entsprechend der Quote zu leisten, § 846 BGB6. 1 S. auch OLG Düsseldorf v. 6. 3. 2006 – 1 U 141/00 für die Feststellung der Überlebenszeit nach einem Unfall im Rahmen der Schmerzensgeldzumessung. 2 OLG Hamm v. 12. 6. 1995 – 15 W 120/95, NZV 1996, 150. 3 Palandt/Edenhofer, § 1923 Rz. 5. 4 OLG München v. 9. 4. 1965 – 10 U 1559/64, VersR 1965, 1085; KG v. 6. 2. 1967 – 12 W 174/67, VersR 1967, 983 (Verlobte). 5 BGH v. 21. 11. 2000 – VI ZR 231/99, MDR 2001, 389 = NJW 2001, 971 = VersR 2001, 648 (Leibgeding); OLG Celle v. 3. 12. 1987 – 5 U 299/86, VersR 1988, 1240 (Ordensbruder). 6 Dazu Teil 4 VIII Rz. 1265 ff.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1282 Teil 4
b) Personenkreis aa) Ehegatte Ein Ehegatte erbringt weder durch die Haushaltsführung noch durch Mitarbeit im Geschäft oder Büro Dienstleistungen im Sinne des § 845 BGB, sondern erfüllt seine Unterhaltspflicht. Bei Verletzung des haushaltsführenden Ehegatten steht diesem ein eigener Ersatzanspruch zu, im Falle der Tötung richtet sich der Anspruch der Hinterbliebenen nur an § 844 Abs. 2 BGB aus, ohne dass § 845 BGB etwa subsidiär noch Anwendung fände1.
1278
bb) Kinder Wird ein Kind durch einen Unfall verletzt oder getötet, kommen Ersatzansprüche der Eltern gegen den Schädiger in Betracht, sofern und soweit das Kind ihnen (den Eltern) gesetzlich zur Leistung von Diensten in Haushalten und/oder Gewerbe verpflichtet war.
1279
Eine umgekehrte Verpflichtung der Eltern ihren Kindern gegenüber besteht ebenso wenig2 wie eine Dienstpflicht gegenüber anderen Verwandten.
1280
Zur Dienstleistung sind Kinder gesetzlich (§§ 1591, 1671 Abs. 6, 1705, 1754, 1755 BGB) solange verpflichtet, wie sie ihren Lebensmittelpunkt im Hause der Eltern haben und von diesen erzogen und unterhalten werden (§ 1619 BGB). Eine eigene Wohnung oder ausreichendes eigenes Einkommen des Verpflichteten sprechen gegen einen Lebensmittelpunkt im elterlichen Hause. Bei Kindern ab dem 14. Lebensjahr kann eine gesetzlich geschuldete Mitarbeitspflicht in der Größenordnung von 1 h/Tag angenommen werden3.
1281
Schwer abzugrenzen ist, ob es sich um familienrechtliche oder arbeitsvertragliche Verpflichtungen handelt; entscheidend ist der Wille der Beteiligten4, der zumeist schriftlich (z.B. in einem Ausbildungsvertrag) fixiert ist. Vermutungen für die eine oder die andere Variante gibt es nicht. Hat das Kind eine eigene Erwerbstätigkeit aufgenommen, lebt es aber noch im Haushalt der Eltern, erhält dort Unterhaltsleistungen und arbeitet in seiner Freizeit im elterlichen Betrieb noch mit, entfällt gleich-
1282
1 BGH v. 20. 5. 1980 – VI ZR 202/78, VersR 1980, 921. 2 OLG Bamberg v. 3. 1. 1984 – 5 U 126/83; offen gelassen in BGH v. 20. 11. 1984 – VI ZR 48/84, VersR 1985, 290. 3 BGH v. 12. 6. 1973 – VI ZR 26/72, VersR 1973, 939, BGH v. 2. 5. 1972 – VI ZR 80/70, VersR 1972, 948; OLG Celle v. 7. 10. 2004 – 14 U 27/04, NZV 2006, 95 (Nicht mehr als 10 h/Woche im landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb des Vater geschuldet) (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 15. 3. 2005 – VI ZR 278/04). 4 BGH v. 6. 11. 1990 – VI ZR 37/90, MDR 1991, 425 = VersR 1991, 428.
Jahnke
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Teil 4
Rz. 1283
Personenschaden
wohl in aller Regel ein Ersatzanspruch der Eltern nach § 845 BGB bei Tötung des Kindes1. Auch in der Landwirtschaft entfällt ein Ersatzanspruch, wenn die Dienstleistung aufgrund eines Arbeits- oder Ausbildungsvertrages erfolgte. 1283
Soweit eine Verpflichtung eines bereits berufstätigen Kindes bestand, in seiner Freizeit im elterlichen Betrieb mitzuhelfen, können bei Verletzung grundsätzlich Ansprüche der Eltern nach § 845 BGB neben denen des Kindes bestehen2. c) Höhe und Dauer des Anspruches
1284
Es ist nicht der Schaden aus dem Verlust der Dienste zu erstatten, sondern ihr Wert; und zwar mit demjenigen Betrag, der auf dem freien Arbeitsmarkt für eine Ersatzkraft aufzuwenden ist, die die Leistungen des Verletzten erbringt3, gekürzt um den Vorteilsausgleich für ersparte Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung und erhöht um den Wert von Sachbezügen. Der Anspruch besteht ohne Rücksicht darauf, ob eine Ersatzkraft tatsächlich eingestellt wird.
1285
Regelmäßig ist der Wert der entgangenen familienrechtlich geschuldeten Dienstleistungen geringer als die ersparten Aufwendungen4. Schadensmindernd ist der verletzte Dienstleistungspflichtige an anderer Stelle im Haushalt oder Betrieb ganz oder teilweise einzusetzen, wenn dort Dienste ebenfalls verrichtet werden können.
1286
Die Dauer der Rente beschränkt sich auf denjenigen Zeitraum, in dem der Dienstverpflichtete voraussichtlich die Dienste geleistet hätte5. Hervorzuheben ist, dass ein volljähriges Kind die familiäre Dienstleistung jederzeit hätte beenden können, indem es aus dem elterlichen Haushalt ausscheidet und eine selbständige Lebensstellung begründet6 oder mit seinen Eltern einen Arbeitsvertrag schließt7. 1 BGH v. 7. 10. 1997 – VI ZR 144/96, NJW 1998, 307 = r+s 1998, 111; OLG Celle v. 31. 1. 1996 – 3 U 24/95, r+s 1997, 160 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 3. 12. 1996 – VI ZR 81/96); LG Trier v. 25. 5. 1999 – 11 O 322/98, SP 1999, 341. 2 OLG Saarbrücken v. 23. 10. 1987 – 3 U 176/85, VersR 1989, 757. 3 OLG Karlsruhe v. 13. 3. 1987 – 10 U 128/86, r+s 1988, 168 = VersR 1988, 1128 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 29. 3. 1988 – VI ZR 107/87). 4 S. OLG Karlsruhe v. 13. 3. 1987 – 10 U 128/86, r+s 1988, 168 = VersR 1988, 1128 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 29. 3. 1988 – VI ZR 107/87), OLG Schleswig v. 14. 5. 1998 – 7 U 87/96, NJW-RR 1998, 1404 = VersR 1999, 632. 5 Vgl. BGH v. 6. 11. 1990 – VI ZR 37/90, VersR 1991, 428; OLG Jena v. 3. 12. 2008 – 2 U 157/08, zfs 2010, 79 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 13. 10. 2009 – VI ZR 342/08). 6 BGH v. 6. 11. 1990 – VI ZR 37/90, VersR 1991, 428. 7 OLG Celle v. 10. 8. 1989 – 5 U 97/88, VersR 1991, 1291.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1291 Teil 4
d) Subsidiarität Der Anspruch aus § 845 BGB ist subsidiär. Steht dem Verletzten selbst ein Anspruch wegen Verdienstausfall (§ 842 BGB) zu, weil er seine Arbeitskraft außer Haus ganz oder teilweise nicht verwerten kann, haben die Eltern daneben keinen Anspruch aus § 845 BGB1. Das Fehlen eines vorrangigen Anspruches des Kindes haben die Eltern zu beweisen2.
1287
e) Drittleistungen Erhält der Dienstpflichtige eine Rente eines Sozialversicherers, müssen die Dienstberechtigten sich diese anspruchsmindernd anrechnen lassen3.
1288
f) Steuer Die Schadenersatzleistung unterliegt keiner Besteuerung. Historisch betrachtet ist der Anspruch aus § 845 der Vorgänger des Haushaltsführungsschaden4; dieser ist kein steuerbarer Einkommenstatbestand5.
1289
3. Unfalltod a) Schmerzensgeld aa) Unfallopfer6 Der Schmerzensgeldanspruch (§ 253 Abs. 2 BGB sowie die Spezialnormen in den Sonderhaftpflichtgesetzen; § 847 BGB in der seit 1. 7. 1990, für Unfälle vor dem 1. 8. 2002 geltenden Fassung) geht im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben über auch, ohne dass er zuvor vertraglich anerkannt oder rechtshängig gemacht werden muss (wie es früher § 847 Abs. 1 S. 2 BGB in der bis zum 30. 6. 1990 geltenden Gesetzesfassung noch verlangte).
1290
Das Schmerzensgeld ist nicht deshalb niedriger, weil es an die Erben gezahlt wird7.
1291
1 2 3 4 5
BGH v. 25. 10. 1977 – VI ZR 220/75, VersR 1978, 90. BGH v. 25. 10. 1977 – VI ZR 220/75, VersR 1978, 90. BGH v. 25. 10. 1977 – VI ZR 220/75, VersR 1978, 90. Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, Kap. 7 Rz. 23 f. m.w.H. BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229. 6 S. auch Teil 4 V Rz. 722 f. 7 OLG München v. 16. 12. 1969 – 10 U 1691/68, VersR 1970, 643. S. auch OLG München v. 3. 5. 1996 – 10 U 6205/95, OLGR München 1997, 51 = VersR 1998, 644 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 4. 3. 1997 – VI ZR 282/96) (Nichte und Neffe erben den Schmerzensgeldanspruch ihres Onkels, nachdem sie als Erben erst ein Jahr nach dem Unfall ermittelt wurden).
Jahnke
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Teil 4 1292
Rz. 1292
Personenschaden
Der Anspruch muss in der Person des unmittelbar Verletzten und sodann Verstorbenen aber bereits entstanden sein: Der Unfallbeteiligte muss daher den Unfall – wenn auch nur kurze Zeit – überlebt haben; verstirbt er noch an der Unfallstelle oder in unmittelbarem zeitlichem Abstand („alsbald“1), entfällt ein in der Person des Verletzten noch selbst entstandener Schmerzensgeldanspruch2. bb) Hinterbliebene
1293
Ein Schmerzensgeld für Verwandte kennt – im Gegensatz zu anderen europäischen Rechtssystemen – das deutsche Ersatzrecht nicht3. Auch die Schadensrechtsreform (2. Schadenrechtsänderungsgesetz) lehnt die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeld ausdrücklich ab4.
1294
Angehörige, die anlässlich eines Unfalles einen sog. Schock- oder Fernwirkungsschaden5 erleiden, haben, und zwar aus eigenem Recht, nur unter engen Voraussetzungen einen Schmerzensgeldanspruch6. Psychische Belastungen, denen Angehörige durch das Miterleben von Leidensweg und Tod eines Familienmitgliedes ausgesetzt sind, rechtfertigen nur im Ausnahmefall ein Schmerzensgeld7. Ansprüche stehen nur engen Familienangehörigen zu. Die seelische Erschütterung durch die Nachricht vom tödlichen Unfall begründet einen Anspruch nicht schon dann, wenn sie zwar medizinisch fassbare Auswirkungen hat, diese aber nicht über gesundheitliche Beeinträchtigungen hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Es muss zu psycho-pathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommen8. Eine eventuelle Mitverantwortlichkeit des Getöteten wirkt sich anspruchsmindernd aus9.
1295
Schützenswert kann aber auch diejenige Person sein, die unmittelbar am Unfallgeschehen beteiligt ist10. 1 KG v. 30. 10. 2000 – 12 U 5120/99, NZV 2002, 38. 2 BGH v. 12. 5. 1998 – VI ZR 182/97, NJW 1998, 2741 = VersR 1998, 1034; OLG Naumburg v. 7. 3. 2005 – 12 W 118/04, NJW-RR 2005, 900. S. auch Teil 4 V Rz. 721 ff. 3 S. Teil 4 V Rz. 750 ff. 4 Heß/Jahnke, S. 85. Siehe auch Teil 4 V Rz. 750. 5 Zu den Voraussetzungen s. Teil 4 VIII Rz. 1240 ff. 6 S. auch BVerfG v. 8. 3. 2000 – 1 BvR 1127/96, MDR 2000, 829 = NJW 2000, 2187 = VersR 2000, 897 u.a. zu der gerechtfertigten Differenzierung zwischen Persönlichkeitsverletzungen einerseits und schweren psychischen Gesundheitsschäden anderseits. 7 OLG Düsseldorf v. 19. 1. 1995 – 8 U 17/94, NJW-RR 1996, 214 = zfs 1996, 176. 8 BGH v. 4. 4. 1989 – VI ZR 97/88, MDR 1989, 805 = VersR 1989, 853 (Anm. Deutsch/Schramm, VersR 1990, 715); OLG Frankfurt v. 23. 6. 1979 – 3 U 225/77, VersR 1979, 578, OLG Hamm v. 22. 2. 2001 – 6 U 29/00, NZV 2002, 234. 9 Teil 4 VIII Rz. 1251 f. 10 BGH v. 12. 11. 1985 – VI ZR 103/84, MDR 1986, 487 = NJW 1986, 777 = VersR 1986, 240.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1300 Teil 4
cc) Drittbeteiligte Außerhalb der Schockschadenrechtsprechung stehen Dritten keine Schmerzensgeldansprüche zu. Sie sind nicht zum Schadenersatz berechtigte mittelbar Geschädigte. Schreckzustände, aber auch tiefergreifende psychische Erkrankungen, durch das Miterleben eines schweren Unfalles, bei dem der Betroffene nur als Zuschauer anwesend, sonst aber nicht beteiligt war, sind Ausdruck des allgemeinen Lebensrisiko und unterfallen nicht dem Schutzzweck der deliktischen Haftung1. Nur ausnahmsweise können Ansprüche desjenigen bestehen, der unmittelbar am Unfallgeschehen beteiligt war2.
1296
b) Beerdigungskosten aa) Forderungsberechtigung Beerdigungskosten sind demjenigen zu erstatten, der zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet ist (§ 844 Abs. 1 BGB, § 10 Abs. 1 S. 2 StVG). Der Erbe, bei Erbenmehrheit die Erbengemeinschaft, trägt die standesgemäßen Beerdigungskosten (§§ 1968, 1615 Abs. 2, 1615m, 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB).
1297
Einem Dritten, der die Beerdigungskosten tatsächlich getragen hat, steht ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Erben, aber auch gegen den ersatzpflichtigen Schädiger zu (s. auch § 64 Abs. 3 SGB VII, § 36 Abs. 5 BVG)3.
1298
Trifft den Verstorbenen eine Mitverantwortlichkeit, ist Ersatz nur entsprechend der Quote zu leisten, § 846 BGB4.
1299
Der Ersatzpflichtige hat die Beerdigungskosten auch dann zu ersetzen, wenn der Verstorbene aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes ohnehin kurze Zeit später gestorben wäre5.
1300
1 BGH v. 22. 5. 2007 – VI ZR 17/06, MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 = VersR 2007, 1093; OLG Celle v. 28. 4. 2005 – 9 U 242/04, VersR 2006, 1376 (BGH, Beschl. v. 16. 5. 2006 – VI ZR 108/05); OLG Köln v. 29. 7. 1999 – 1 U 27/99, NJW-RR 2000, 760; OLG Oldenburg v. 27. 3. 2001 – 12 U 03/01, DAR 2001, 313. 2 BGH v. 18. 7. 2006 – X ZR 142/05, NJW 2006, 3268 = VersR 2006, 1653, OLG Hamm v. 2. 4. 2001 – 6 U 231/00, NZV 2002, 36. S. Teil 4 I Rz. 32 f. 3 KG v. 12. 2. 1979 – 12 W 289/79, MDR 1979, 672 = VersR 1979, 379, OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452, OLG Saarbrücken v. 6. 3. 1964 – 3 U 132/62, VersR 1964, 1257; LG Mannheim v. 15. 12. 2006 – 1 S 147/06, NZV 2007, 367. 4 Teil 4 VIII Rz. 1265 ff. 5 OLG Düsseldorf v. 11. 2. 1994 – 13 U 129/93, zfs 1994, 405.
Jahnke
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Teil 4
Rz. 1301
Personenschaden
bb) Umfang1 1301
Es sind die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung (§ 1968 BGB) zu ersetzen. Bestimmend ist, was nach Herkunft, Lebensstellung und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verstorbenen und nach den in seinen Kreisen herrschenden Auffassungen, Sitten und Gebräuchen2, aber auch der wirtschaftlichen Lage der zur Übernahme dieser Kosten bestimmten Erben zu einer würdigen Bestattung zählt3. Die Besonderheiten eines fremden Kulturkreises, dem der Getötete angehört, sind zu berücksichtigen4.
1302
Letztlich ist aber nicht auf die Angemessenheit einzelner Positionen abzustellen, sondern es zählt die Gesamtschau sämtlicher Aufwendungen, die sich in ihrer Summe im finanziell angemessenen und vertretbaren Rahmen halten müssen5.
1303
Die Ersatzpflicht aus § 844 Abs. 1 BGB geht nicht über den Umfang der Verpflichtungen hinaus, die den Erben bei der ihm nach § 1968 BGB obliegenden Kostenlast treffen6. § 844 Abs. 1 BGB ist restriktiv auszulegen7. (1) Erstattungsfähige Positionen
1304
Beerdigung im Sinne des § 844 BGB ist der Bestattungsakt als solcher, abgeschlossen durch die Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte8.
1305
Erstattungsfähig sind regelmäßig Aufwendungen für Anzeigen (in Zeitungen, Einzelnachrichten), Danksagungen, Blumen und Kränze der nächsten Angehörigen, Sarg-, Trauerhallen und Grabschmuck zur Beerdigung (nicht dagegen Aufwendungen zu späteren Erinnerungsakten).
1306
Ersetzt werden Aufwendungen für den Beerdigungsakt an sich einschließlich der Bewirtung9 der Trauergäste anlässlich der Beerdigung (u.U. auch 1 Zum Thema: Theda, DAR 1985, 10, Wenker, VersR 1998, 557. 2 KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, VersR 1999, 504, OLG Karlsruhe v. 7. 10. 1955 – 1 W 55/55, VersR 1956, 542, OLG München v. 15. 6. 1978 – 1 U 4719/77, VersR 1979, 1066 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 10. 7. 1979 – VI ZR 228/78); LG Fulda v. 7. 1. 2009 – 4 O 461/07, SP 2010, 181, LG Siegen v. 17. 6. 1998 – 7 O 53/98, SP 1998, 457. 3 OLG Düsseldorf v. 23. 3. 1994 – 15 U 282/92, VersR 1995, 1195. 4 KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, VersR 1999, 504. 5 KG v. 10. 11. 1997 – 12 U 5774/96, VersR 1999, 504, OLG Hamm v. 6. 7. 1993 – 27 U 63/93, NJW-RR 1994, 155 = zfs 1993, 407. 6 AG Rheinbach v. 9. 4. 1999 – 5 C 372/98, SP 1999, 375. 7 BGH v. 4. 4. 1989 – VI ZR 97/88, MDR 1989, 805 = NJW 1989, 2317 = VersR 1989, 853; LG Siegen v. 17. 6. 1998 – 7 O 53/98, SP 1998, 457. 8 LG Siegen v. 17. 6. 1998 – 7 O 53/98, SP 1998, 457. 9 LG Ulm v. 2. 12. 1966 – 4 O 7/66, VersR 1968, 183 (nur Ls.).
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1311 Teil 4
Unterbringung und Sammelfahrten zur Beerdigungsstätte), beschränkt aber auf einen angemessenen und üblichen Rahmen. Trauerkleidung (Oberbekleidung, die extra für die Beerdigung erworben wurde, nicht aber sämtliche im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod angeschaffte Ober- und Unterbekleidung1) ist zu bezahlen, wenn diesen Angehörigen ansonsten aufgrund beengter wirtschaftlicher Verhältnisse das Tragen von Trauerkleidung nicht möglich wäre2. Ein Abzug ist vorzunehmen, wenn die schwarze Kleidung (Schuhe, Anzug) auch ohne den Trauerfall noch weiter getragen werden kann und somit im zeitlichen Zusammenhang mit dem Trauerfall spätere Ausgaben erspart werden. In aller Regel ist der Vorteilsausgleich mit mindestens 50 % der Kosten anzusetzen.
1307
Zu ersetzen sind die Gebühren (kirchliche und behördliche Bestattungsgebühren, Sterbeurkunden) und angemessene3 Kosten der Grabstelle (und zwar Einzelgrab4) und Grabausstattung (Grabstein, Grablaterne; bei Mehrfachgrab sind die fiktiven Kosten eines Einzelgrabes anzusetzen), Grabbepflanzung (nur Erstbepflanzung).
1308
Kosten der Überführung sind grundsätzlich im Rahmen der Angemessenheit erstattungsfähig5.
1309
Nur im Einzelfall kann Ersatz von Verdienstausfall für die Vorbereitung und den Beerdigungstag geltend zu machen sein6.
1310
(2) Nicht erstattungsfähige Positionen Nicht zu erstatten sind Mehraufwendungen für Doppel- oder Mehrfachgrabstellen, ersatzfähig ist nur der Anteil für ein Einzelgrab7.
1 OLG Hamm v. 21. 1. 1954 – 9 UH 67/53, VersR 1954, 129, OLG Karlsruhe v. 13. 3. 1998 – 10 U 239/97, OLGR Karlsruhe 1998, 258. 2 OLG Karlsruhe v. 13. 3. 1998 – 10 U 239/97, OLGR Karlsruhe 1998, 258. 3 OLG Düsseldorf v. 23. 3. 1994 – 15 U 282/92, VersR 1995, 1195. 4 BGH v. 20. 9. 1973 – III ZR 148/71, MDR 1974, 29 = VersR 1974, 140. 5 LG Giessen v. 30. 6. 1983 – 2 O 796/82, zfs 1984, 231. SG Hamburg v. 14. 3. 1994 – 25 U 31/92, WI 1996, 60 (Keine Übernahme von Überführungskosten in die Türkei, wenn der Mittelpunkt der familiären Beziehungen des Verstorbenen in Deutschland war). 6 OLG Hamm v. 25. 11. 1955 – 9 U 214/55, DAR 1956, 217 = VersR 1956, 666. 7 BGH v. 20. 9. 1973 – III ZR 148/71, MDR 1974, 29 = VersR 1974, 140; OLG Celle v. 31. 1. 1996 – 3 U 24/95, r+s 1997, 160 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 3. 12. 1996 – VI ZR 81/96); LG Aurich v. 19. 10. 2000 – 4 O 828/00, DAR 2001, 368 (nur Ls.).
Jahnke
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1311
Teil 4
Rz. 1312
Personenschaden
1312
Da der Ersatzanspruch mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte endet, sind Kosten der weiteren Grabunterhaltung und Grabpflege nicht vom Schädiger zu übernehmen1.
1313
Umbettungskosten sind grundsätzlich nicht zu erstatten2. Eine Ausnahme kann in Betracht kommen, wenn Friedhofsteile später neu aufgelassen werden.
1314
Ebenfalls nicht ersatzfähig sind Erbscheinkosten3, Kosten der Nachlassverwaltung oder Testamentseröffnung sowie frustrierte Aufwendungen (z.B. Abbruch bzw. Nichtantritt einer geplanten Reise4, Stornokosten), ferner Reisekosten und Blumenspenden von weiteren Verwandten und Bekannten5. (3) Übersicht
1315
Erstattungsfähig
Nicht erstattungsfähig
– Aufwendungen für den Bestattungsakt als solchen. Der Akt ist abgeschlossen durch die Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte.
– Aufwendungen zu späteren Erinnerungsakten
– Traueranzeigen, Trauerkarten, Danksagungen, Porto
– Fotos – Anzeigen und Karten für 6-Wochen-Seelenamt und Jahresgedächtnis
– Bewirtung der Trauergäste anlässlich der Beerdigung (u.U. auch Unterbringung und Sammelfahrten zur Beerdigungsstätte), beschränkt auf einen angemessenen und üblichen Rahmen
– Reisekosten von weiteren Verwandten und Bekannten
1 LG Stuttgart v. 29. 4. 1985 – 8 O 83/85, zfs 1985, 166, LG Rottweil v. 3. 6. 1987 – 1 O 268/87, VersR 1988, 1246 (Selbst dann keine Erstattungspflicht, wenn die Rechtspflicht zur Unterhaltung sich aus der Friedhofsordnung ergibt). 2 LG Bochum v. 16. 9. 1999 – 1 O 312/99, nachfolgend OLG Hamm v. 23. 5. 2000 – 9 U 221/99 (Die Umbettung stellt keine adäquate Schadensfolge dar, sondern beruht auf der Entscheidung der Eltern, in eine andere Stadt zu ziehen und die sterblichen Überreste ihres bereits ordnungsgemäß bestatteten Sohnes mit zum neuen Wohnsitz zu überführen). 3 OLG Köln v. 24. 10. 1980 – 20 U 42/80, VersR 1982, 558. 4 BGH v. 4. 4. 1989 – VI ZR 97/88, MDR 1989, 805 = VersR 1989, 853. 5 BGH v. 19. 2. 1960 – VI ZR 30/59, MDR 1960, 487 = VersR 1960, 357.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1316 Teil 4
Erstattungsfähig
Nicht erstattungsfähig
– Blumen und Kränze der nächsten Angehörigen – Sarg-, Trauerhallen- und Grabschmuck
– Blumenspenden von weiteren Verwandten und Bekannten
– Trauerbekleidung für die Erben (abzgl. Vorteil)
– sämtliche im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod angeschaffte Ober- und Unterbekleidung – von und für Verwandte angeschaffte Kleidung
– Gebühren (kirchliche und behördliche Bestattungsgebühren, Sterbeurkunden)
– Kosten der Nachlassverwaltung oder Testamentseröffnung – Erbscheinkosten – Dolmetscher- und Übersetzungskosten
– angemessene Kosten einer Einzelgrabstelle
– Mehraufwendungen für Doppeloder Mehrfachgrabstellen
– Graberstausstattung (Grabstein, Grablaterne)
– Kosten der weiteren Grabunterhaltung und Grabpflege
– Grabbepflanzung (nur Erstbepflanzung) – Kosten einer Überführung
– Umbettungskosten
– ausnahmsweise Ersatz von Verdienstausfall für die Vorbereitung und den Beerdigungstag
– Verdienstausfall von Mitarbeitern
– frustrierte Aufwendungen (z.B. Abbruch bzw. Nichtantritt einer geplanten Reise, Stornokosten)
cc) Steuer Schadenersatzleistungen auf Beerdigungskosten unterfallen keiner Steuerpflicht1.
1 BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229, BFH v. 25. 10. 1994 – VIII R 79/91, VersR 1995, 856 (klarstellend gegenüber BFH v. 19. 10. 1978 – VIII R 9/77, r+s 1980, 20); Jahnke, NJW-Spezial 2009, 601.
Jahnke
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697
1316
Teil 4
Rz. 1317
Personenschaden
dd) Drittleistungen 1317
Soweit der Sozialhilfeträger die Kosten der Bestattung (Bestattungskosten, § 74 SGB XII) zu tragen hat1, erfolgt ein Forderungsübergang nach § 116 SGB X.
1318
Gleiches wie bei der Sozialhilfe gilt für den Träger nach dem AsylbLG. § 6 AsylbLG als Auffangtatbestand kann auch Beerdigungskosten erfassen. Der Forderungsübergang erfolgt nur per Abtretung, da § 116 SGB X nicht für anwendbar erklärt ist2.
1319
Nach dem Recht der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden (§ 24 Abs. 1 SGB I, § 9 BVG) werden Bestattungsgeld (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 SGB I, § 36 BVG) und Überführungskosten (§ 36 Abs. 5 BVG) an denjenigen gezahlt, der die Kosten tatsächlich getragen hat (§ 36 Abs. 5 BVG) gezahlt. Es findet (unter Beachtung des Quotenvorrechtes, § 81a Abs. 1 S. 3 BVG)3 ein Forderungsübergang auf den Drittleistungsträger4 im Zeitpunkt des Schadenereignisses statt5. Nach dem OEG sind auch Hinterbliebene anspruchsberechtigt (§ 1 Abs. 8 OEG).
1320
Die gesetzliche Krankenversicherung sieht keine Leistungen im Sterbefall mehr vor. Mit der Gesundheitsreform wurde das Sterbegeld (§§ 58, 59 SGB V a.F.) für Sterbefälle ab dem 1. 1. 2004 ersatzlos gestrichen.
1321
Ist die gesetzliche Unfallversicherung (z.B. Berufsgenossenschaft, Gemeinde-Unfallversicherungsverband) eintrittspflichtig, ist das Sterbegeld für alle Versicherten gleich hoch und beträgt (unabhängig vom Jahresarbeitsverdienst) 1/ 7 der im Todeszeitpunkt geltenden jährlichen Bezugs1 Zu den Anforderungen an die Kostentragungspflicht des Sozialhilfeträgers s. BVerwG v. 13. 3. 2003 – 5 C 2/02, NJW 2003, 3146, zu den sozialrechtlichen Voraussetzungen s. BVerwG v. 5. 6. 1997 – 5 C 13/96, NJW 1998, 1329. 2 LG Münster v. 6. 11. 1997 – 15 O 379/97, VersR 1998, 739 (Anm. Jahnke) (Kein gesetzlicher Forderungsübergang auf den Leistungsträger – konkret: Gemeindeverwaltung – nach § 116 SGB X oder § 90 BSHG); Jahnke, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV – Homburger Tage 1998, S. 108 f., Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, Kap. 4 Rz. 81. S. auch OLG Köln v. 29. 5. 1996 – 27 U 6/96, VersR 1997, 225 (226 re. Sp., zu I.2.). Küppersbusch, Rz. 488 bejaht Forderungsübergang per Überleitungsanzeige nach § 90 BSHG. 3 OLG Hamm v. 24. 10. 2001 – 13 U 85/01, VersR 2003, 1595. 4 BGH v. 12. 4. 2005 – VI ZR 50/04, VersR 2005, 1004 (Kann der Verletzte zugleich Leistungen nach dem SGB V und nach dem BVG verlangen, so geht ein kongruenter Schadenersatzanspruch gegen Dritte gemäß § 116 SGB X sowohl auf die Krankenkasse wie auch nach § 81a BVG auf den Bund (als Gesamtgläubiger) über), BGH v. 30. 3. 1971 – VI ZR 190/69, VersR 1971, 637 (Erbringen Versorgungsverwaltung und Sozialversicherungsträger wegen desselben Unfalles Leistungen, so geht, reicht der übergangsfähige Schaden nicht zur vollen Deckung der unfallbedingten Leistungen aus, der Anspruch des Sozialversicherungsträgers dem der Versorgungsverwaltung vor). 5 BGH v. 4. 10. 1983 – VI ZR 44/82, VersR 1984, 35.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1325 Teil 4
größe (§ 64 Abs. 1 SGB VII, § 18 SGB IV). Gezahlt wird an den tatsächlichen Kostenträger der Beerdigung (§ 64 Abs. 3 SGB VII). Jahr
Sterbegeld West
Sterbegeld Ost
2007
4 200,00 Euro
3 600,00 Euro
2008
4 260,00 Euro
3 600,00 Euro
2009
4 320,00 Euro
3 660,00 Euro
2010
4 380,00 Euro
3 720,00 Euro
2011
4 380,00 Euro
3 840,00 Euro
Überführungskosten an den Ort der Bestattung (§ 64 Abs. 2 SGB VII) werden zusätzlich erstattet, wenn der Tod nicht am Ort der ständigen Familienwohnung des Versicherten eingetreten ist. Die Leistungen des Sozialversicherers mindern den Anspruch der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen (§ 116 SGB X).
1322
Manche berufsständischen Versorgungswerke gewähren neben den gesetzlichen Leistungsträgern Sterbegelder, die dann auf die Beerdigungskosten anzurechnen sind. Der Forderungsübergang erfolgt nur per Abtretung, die ihrerseits das Quotenvorrecht des Abtretenden zu berücksichtigen hat1.
1323
Die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung sieht als Sterbegeld das Doppelte der Dienst- bzw. Ruhestandsbezüge des Verstorbenen vor (§§ 30 Abs. 3, 18 Abs. 1 BeamtVG). Der neben den Witwen- und Waisenbezügen gezahlte Betrag ist auf die Beerdigungskosten zu verrechnen2. Im Ausnahmefall (§ 18 Abs. 2, 3 BeamtVG) kann das Sterbegeld auch an sonstige Dritte, die mit dem Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft lebten, gezahlt werden. Es findet ein Forderungsübergang nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen statt3.
1324
Soweit einzelarbeits- oder tarifvertraglich Sterbegeld vom Arbeitgeber gezahlt werden muss, erfasst der gesetzliche Forderungsübergang nach § 6 EFZG dieses nicht4. Ob die Hinterbliebenen zur Abtretung von Schadenersatzansprüchen verpflichtet sind, beurteilt sich dann arbeitsvertraglich5.
1325
1 BGH v. 1. 12. 2009 – VI ZR 221/08, jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 1 (Anm. Jahnke), MDR 2010, 381 = NJW-RR 2010, 839 = VersR 2010, 642.Jahnke, Kap. 3 Rz. 420 f.; Jahnke, Kap. 6 Rz. 840 ff. 2 BGH v. 18. 1. 1977 – VI ZR 250/74, MDR 1977, 569 = VersR 1977, 427. 3 Teil 4 VI Rz. 963. 4 OLG Nürnberg v. 13. 5. 1975 – 7 U 277/74, VersR 1976, 598; LG Bielefeld v. 23. 3. 1979 – 6 O 18/79, MDR 1980, 145 = VersR 1980, 541; LG Limburg v. 11. 3. 1981 – 2 O 482/80, VersR 1982, 254. 5 Jahnke, Kap. 4 Rz. 86 ff.
Jahnke
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699
Teil 4
Rz. 1326
Personenschaden
1326
Private Kranken- und Pflegeversicherer erbringen keine zu Beerdigungskosten kongruenten Leistungen. Soweit Überführungskosten (z.B. bei einem Auslandsunfall im Rahmen einer Reisekrankenversicherung) getragen werden, erfolgt ein Forderungsübergang nach § 86 VVG unter Beachtung des Quotenvorrechtes.
1327
Es kann dahinstehen, ob die Reiserücktrittversicherung Summen-1 oder Schadenversicherung ist. Jedenfalls ist ihre Leistung nicht zu Beerdigungskosten kongruent, so dass bereits von daher ein Rückgriff entfällt.
1328
Leistungen aus einer privaten Sterbefall-/Beerdigungsversicherung sind nicht anzurechnen und als Summenversicherung (ähnlich der Risiko-Lebensversicherung) dem Forderungsübergang nach § 86 VVG nicht zugänglich. Gleiches gilt für (vor allem berufsständisch gebildete) Sterbekassen (z.B. anwaltliche Sterbekasse, Notarsterbekasse).
1329
Bei Leistungen solcher Zusatzversorgungskassen, die weder Sozialversicherer im Sinne von § 116 SGB X noch private Schadenversicherer im Sinne von § 86 VVG sind, erfolgt kein Forderungsübergang2.
4. Unterhaltsschaden3 1330
War ein infolge eines Haftpflichtgeschehens Getöteter zu seinen Lebzeiten gesetzlich verpflichtet, Dritten Unterhalt zu leisten, geben die – als Ausnahmevorschriften restriktiv auszulegenden – § 28 Abs. 2 AtomG, § 844 Abs. 2 BGB, § 5 Abs. 2 HaftpflG, § 35 Abs. 2 LuftVG, § 10 Abs. 2 StVG, § 7 Abs. 2 ProdHaftG, § 12 Abs. 2 UmweltHG den Unterhaltsberechtigten trotz ihrer mittelbaren Betroffenheit einen eigenen Ersatzanspruch.
1331
Die Hinterbliebenen haben die Wahl zwischen Rentenzahlung und – bei wichtigem Grund – Kapitalabfindung, §§ 844 Abs. 2 S. 1, 843 Abs. 3 BGB.
1332
Der Drittanspruch entsteht bereits mit der Verletzung des Unterhaltspflichtigen, so dass ein mit dem unmittelbar Verletzten abgeschlossener Abfindungsvergleich den unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen nicht entgegengehalten werden kann4. 1 LG München v. 27. 4. 2006 – 31 S 21056/05, VersR 2007, 354. 2 BGH v. 26. 9. 1979 – IV ZR 94/78, VersR 1979, 1120 (Rheinische Zusatzversorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände); OLG Frankfurt v. 21. 12. 1999 – 14 U 60/94, VersR 2000, 1523 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 1. 8. 2000 – VI ZR 26/00) (Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost); Küppersbusch, Rz. 91. 3 Zum Thema: Elsner, zfs 2001, 393; Jahnke, Kap. 6. 4 BGH v. 13. 2. 1996 – VI ZR 318/94, MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = VersR 1996, 649.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1337 Teil 4
a) Haftung1 In der Person des Getöteten begründete Einwände zum Grund und zur Höhe der Haftung mindern auch den Anspruch auf Ersatz etwaiger Unterhaltsschäden. Wenn neben dem getöteten Unterhaltsverpflichteten auch den Unterhaltsberechtigten eine weitere Mitverantwortung am Unfall trifft, mindert sich der Schadensersatzanspruch kumulativ um beide Mitverantwortungsanteile2. Im Rahmen der Haftung nach dem StVG (§§ 7, 10, 17) gilt § 846 BGB entsprechend3.
1333
Der Unterhalt muss dem Berechtigten infolge der Tötung entzogen worden sein. Für die Beurteilung des Kausalzusammenhanges zwischen Haftpflichtereignis (Körperverletzung) und folgendem Tod des Verletzten gilt § 287 ZPO4.
1334
Verstirbt der Unfallbeteiligte nach einer Körperverletzung aufgrund unfallfremder Ursachen, ist den Hinterbliebenen nicht analog § 844 Abs. 2 BGB derjenige Schaden auszugleichen, der infolge der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Verletzten entstanden ist5.
1335
b) Forderungsberechtigung aa) Unterhaltsberechtigter Personenkreis Ersatzberechtigt sind diejenigen Personen, denen der Getötete zur Zeit der Verletzung kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder im Falle seines Fortlebens hätte unterhaltspflichtig werden können. Es kommt nicht auf individuelle Versorgungsabsprachen an, sondern allein auf den gesetzlich geschuldeten Unterhalt. Bei Ausländern ist für die rechtliche Unterhaltsverpflichtung das ausländische Recht maßgeblich6.
1336
Unterhaltsberechtigt sind Ehegatten (auch: geschiedene und getrennt lebende) (§§ 1360, 1361; 1569 ff. BGB), Partner einer eingetragenen (§ 1 Abs. 1 LPartG) gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft (§§ 2, 5 LPartG), Verwandte in gerader Linie (§§ 1601 ff. BGB), Kinder (eheliche und nicht-eheliche, adoptierte) (§§ 1602 Abs. 2, 1615a; 1751 Abs. 4, 1770 Abs. 3 BGB; ferner § 844 Abs. 2 S. 2 BGB) sowie für einen begrenzten Zeitraum die Eltern des nicht-ehelichen Kindes (§ 1615l BGB).
1337
1 Dazu Teil 4 VIII Rz. 1265 ff. 2 OLG Köln v. 16. 10. 1990 – 15 U 46/90, VersR 1992, 894 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 25. 6. 1991 – VI ZR 376//90). 3 BGH v. 22. 3. 1983 – VI ZR 67/81, MDR 1983, 923 = NJW 1983, 2315 = VersR 1983, 726.BGH v. 27. 6. 1961 – VI ZR 205/60, MDR 1961, 1009 = NJW 1961, 1966 =VersR 1961, 918. 4 BGH v. 22. 9. 1992 – VI ZR 293/91, MDR 1993, 175 = VersR 1993, 55. 5 BGH v. 17. 12. 1985 – VI ZR 152/84, MDR 1986, 488 = NJW 1986, 984 = VersR 1986, 391; OLG Stuttgart v. 21. 7. 1987 – 26 O 66/87, zfs 1988, 311. 6 BGH v. 22. 9. 1967 – VI ZR 30/66, VersR 1967, 1154.
Jahnke
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Teil 4
Rz. 1338
Personenschaden
1338
Entscheidend für den familienrechtlich geschuldeten Unterhalt von Ehegatten (§ 1360 BGB) ist allein die vor dem Standesbeamten erklärte Zivilehe (§ 1310 Abs. 1 S. 1 BGB). Soweit seit dem 1. 1. 2009 nicht-standesamtliche religiöse Feierlichkeiten und kirchliche Trauungen auch schon vor der Schließung der Zivilehe erlaubt sind (§§ 67 f. PStG a.F. sind im neuen Personenstandsrecht1 weggelassen), begründet nur die wirksame standesamtliche Trauung (§ 1312 BGB) durch den Standesbeamten die Ehe im Rechtssinn; ein nur kirchlich getrautes Paar lebt familienrechtlich betrachtet weiterhin in einer nicht-ehelichen Gemeinschaft2.
1339
Der familienrechtliche Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten geht – anders als bei bestehender Ehe (§§ 1615 Abs. 1, 1360a Abs. 3 BGB) – nicht unter, sondern setzt sich gegen den Nachlass fort (§ 1586b BGB). Wie bei nicht-ehelichen Eltern besteht daher zur Höhe häufig kein ersatzfähiger Schaden. Es kann Anspruch auf Gewährung einer Erziehungsrente nach § 47 SGB VI aus eigener Versicherung bestehen.
1340
Soweit das Familienrecht für einen begrenzten Zeitraum der Mutter3 (nach § 1615l Abs. 4 S. 1 BGB auch dem Vater) des nicht-ehelichen Kindes (§ 1615l BGB) einen zeitlich befristeten4 Unterhaltsanspruch gewährt, handelt es sich um eine besondere Form mittelbarer Alimentierung des Kindes kraft Sonderbedarfes und nicht um eine Unterstützung des Partners5. Der Versorgungsanspruch des Partners nach § 1615l BGB erlischt nicht mit dem Tode des Unterhaltspflichtigen, sondern setzt sich gegen den Nachlass fort (§ 1615l Abs. 3 S. 5 BGB, für Väter gilt Entsprechendes, § 1615l Abs. 4 S. 2 BGB). Wenn und soweit der Nachlass ausreicht, besteht bereits von daher kein Schadenersatzanspruch6. Nur wenn und soweit die Erben die volle Befriedigung verweigern können (§§ 1967 ff. BGB), kann der nicht-eheliche Elternteil, sofern er bedürftig ist (§ 1602 BGB), dann schadenrechtlich die Differenz beanspruchen7.
1 Das Personenstandsgesetz (PStG) wurde durch Art. 1 des am 1. 1. 2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform des Personenstandsrechts – PStRG – v. 19. 2. 2007, BGBl I 2007, 122 (s. zur Begründung BT-Drucks. 16/1831) neugefasst. 2 Palandt/Brudermüller, vor § 1310 Rz. 2. 3 Küppersbusch, Rz. 323, Fn. 18 verneint zutreffend einen Schadensersatzanspruch, da der Anspruch der Mutter nicht untergeht, sondern gegen den Nachlass fortbesteht (§ 1615l Abs. 3 S. 5 BGB). 4 BVerfG v. 28. 2. 2007 – 1 BvL 9/04, MDR 2007, 1020 = NJW 2007, 1735 erklärte die unterschiedliche Regelung der Ansprüche in § 1615l BGB und § 1570 BGB für mit dem GG unvereinbar und gibt dem Gesetzgeber auf, bis 31. 12. 2008 eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. 5 Huffmann, VGT 1985, S. 98; in diesem Sinne auch BGH v. 5. 7. 2006 – XII ZR 11/04, NJW 2006, 2687. 6 Huffmann, VGT 1985, S. 99; Jahnke, Kap. 6 Rz. 34, 45 und Fn. 14 m.w.N. 7 BGH v. 27. 10. 1970 – VI ZR 47/69, VersR 1970, 149, RG v. 26. 10. 1910 – III 213/10, RGZ 74, 375.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1342 Teil 4
Der Schadenersatzanspruch von Waisen wegen der Entziehung des Unterhaltes wird nicht dadurch gemindert, dass Unfallwaisen (z.B. vom Stiefvater oder den Großeltern) adoptiert werden (s. auch § 1755 BGB)1.
1341
Eltern eines getöteten Kindes kann grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zustehen. Der Wegfall bzw. die Schmälerung von Kindergeldern stellt keinen ersatzfähigen Schaden dar. Die gesetzliche Unterhaltspflicht eines getöteten Kindes gegenüber seinen Eltern bestimmt sich zum ersten nach deren Unterhaltsbedürftigkeit (§ 1602 BGB)2, zum zweiten nach der eigenen Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB) des getöteten Kindes, zum dritten aber auch danach, ob neben dem Getöteten noch andere Unterhaltspflichtige (Ehegatte – auch geschiedener3 –, Geschwister4) vorhanden waren. Bei Existenz weiterer Unterhaltspflichtiger entfällt die Unterhaltspflicht nur anteilig und nicht gesamtschuldnerisch (§ 1606 Abs. 3 BGB)5. Es besteht regelmäßig allerdings ein Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich des Unterhaltsschadens6. Die Zukunftsprognose richtet sich wesentlich an der hypothetischen beruflichen und privaten Entwicklung des verstorbenen Kindes aus7, ergänzt um die unterhaltsrechtlich relevanten Veränderungen bei den etwaig vorhandenen weiteren Unterhaltspflichtigen. Sind die Eltern sozialversichert, sind vielleicht auch noch Geschwister vorhanden, kann sich mangels ausreichender Wahrscheinlichkeit eine Feststellungsklage als unbegründet herausstellen8. Auf die Aszendentenrente (§ 69 SGB VII) aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist hinzuweisen.
1342
1 BGH v. 22. 9. 1970 – VI ZR 28/69, MDR 1970, 1000 = NJW 1970, 2061 = VersR 1970, 1051. 2 BGH v. 18. 6. 1985 – VI ZR 6/84, VersR 1985, 1140 (Ein Unterhaltsbedürftiger im Sinne des § 1602 Abs. 1 BGB muss zur Deckung seines Lebensbedarfes zunächst seine eigenen Mittel einschließlich seines Vermögens verwerten; es sei denn, die Verwertung ist unwirtschaftlich oder unzumutbar). 3 Zu beachten ist, dass der geschiedene Ehemann nach § 1584 BGB grundsätzlich vor dem getöteten Nachkommen und dessen Geschwistern unterhaltspflichtig ist. 4 BGH v. 9. 6. 1967 – VI ZR 180/65, VersR 1967, 880. 5 BGH v. 5. 7. 1988 – VI ZR 299/87, MDR 1988, 1047 = VersR 1988, 1166. 6 BGH v. 21. 10. 1953 – VI ZR 320/52, MDR 1954, 160, OLG Düsseldorf v. 23. 3. 1994 – 15 U 282/92, SP 1994, 210 (Voraussetzung ist, dass der Eintritt eines zukünftigen Unterhaltsschadens hinreichend wahrscheinlich ist), OLG Koblenz v. 18. 11. 2002 – 12 U 1035/01, NJW 2003, 521. 7 BGH v. 3. 12. 1951 – III ZR 119/51, NJW 1952, 539 (Die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten ist anhand der im Zeitpunkt der Urteilsfindung bekannten Tatsachen zu prüfen. Eine bestimmte Altersgrenze, von der an die mutmaßliche Leistungsfähigkeit eines getöteten Kindes erst beurteilt werden kann, ist nicht festzulegen.); OLG Hamm v. 4. 11. 1991 – 6 U 109/91, OLGR Hamm 1992, 44. 8 LG Rostock v. 9. 2. 2001 – 9 O 342/99, SP 2001, 302 (Allein die theoretische Wahrscheinlichkeit einer möglichen Anspruchsberechtigung aus §§ 1601 ff. BGB reicht nicht aus; erforderlich ist schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit).
Jahnke
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703
Teil 4
Rz. 1343
Personenschaden
bb) Nicht-berechtigter Personenkreis 1343
Nicht unterhaltsberechtigt sind Verlobte oder in eheähnlicher Gemeinschaft Lebende (und zwar auch dann nicht, wenn später die Ehe geschlossen wird)1, Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft (und zwar selbst dann nicht, wenn ihnen vom Getöteten vertraglich Unterhaltsansprüche eingeräumt worden sind)2, Partner einer nicht-eingetragenen3 homophilen Lebensgemeinschaft, im Unfallzeitpunkt noch nicht gezeugte (§ 844 Abs. 2 S. 2 BGB)4 Kinder.
1344
Nicht zu den Ersatzberechtigten gehören ferner Stiefkinder des getöteten Ehegatten sowie Geschwister und verschwägerte Personen untereinander.
1345
Der Umstand, dass die getötete Person Tiere (wie Hunde, Katzen, Pferde, Vögel) versorgte und betreute, bleibt schadenersatzrechtlich außer Betracht, da Tiere gesetzlich keinen Unterhaltsanspruch haben. cc) Zeitpunkt der Unterhaltsverpflichtung
1346
Das die Unterhaltspflicht begründende familienrechtliche Verhältnis (wie Ehe, Zeugung, Adoption) muss bereits im Zeitpunkt der Körperverletzung des Unterhaltspflichtigen und nicht erst im Zeitpunkt seines Todes bestanden haben5. Die Witwe, die ihren später aufgrund der Unfallverletzungen verstorbenen Ehemann erst nach dem Unfall heiratete, hat ebenso wenig einen Anspruch auf Ersatz des Unterhaltsschadens wie dasjenige Kind, welches erst nach dem Haftpflichtereignis gezeugt worden ist6. Eine Ausnahme gilt nach § 844 Abs. 2 S. 2 BGB nur für bereits gezeugte, im Unfallzeitpunkt aber noch ungeborene Kinder. dd) Teilgläubigerschaft
1347
Mehrere Ersatzberechtigte sind nicht Gesamt-, sondern Teilgläubiger:7 Jeder hat einen selbständigen Ersatzanspruch, der zur Höhe und Dauer 1 BGH v. 13. 2. 1996 – VI ZR 318/94, MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = VersR 1996, 649, OLG Frankfurt v. 29. 6. 1983 – 7 U 267/82, VersR 1984, 449 (Verlobte). 2 BGH v. 24. 6. 1969 – VI ZR 66/67, MDR 1969, 921 = VersR 1969, 998; OLG Frankfurt v. 24. 1. 1984 – 8 U 24/83, zfs 1984, 165 (Vereinbarung, dass Verdienst der Ehefrau ihr allein verbleiben solle, bleibt unberücksichtigt), OLG München v. 15. 6. 1978 – 1 U 4719/77, VersR 1979, 1066 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 10. 7. 1979 – VI ZR 228/78). 3 Im Sinne von § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG –), BGBl I 2001, 266. 4 OLG Hamm v. 23. 9. 1996 – 6 U 70/94, r+s 1997, 65. 5 BGH v. 13. 2. 1996 – VI ZR 318/94, MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = VersR 1996, 649. 6 OLG Hamm v. 23. 9. 1996 – 6 U 70/94, r+s 1997, 65 (Selbstmord 10 Jahre nach Unfall). 7 BGH v. 17. 10. 1972 – VI ZR 111/71, VersR 1973, 84.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1350 Teil 4
seinen eigenen Verlauf nimmt. Der Unterhaltsbedarf ist getrennt für jeden einzelnen Berechtigten zu bestimmen. Zu beachten ist die häufige Abhängigkeit der Ansprüche voneinander: Ist das gesamte verteilungsfähige Einkommen zu verteilen, bedingt die Herabsetzung des einen Anspruches die Anhebung des anderen. Der Anspruch auf bezifferte Rentenleistungen der Hinterbliebenen kommt nur bis zu demjenigen Zeitpunkt in Betracht, bis zu dem eine Unterhaltsberechtigung aller Hinterbliebenen feststeht. Schadensrenten sind daher in aller Regel auf den Zeitpunkt der Volljährigkeit des ältesten Kindes zu begrenzen, für die Zeit danach besteht nur ein Feststellungsanspruch1.
1348
ee) Hinterbliebenenvorrecht Für den Fall einer quotenmäßigen Haftung der Beklagten bestimmt sich der Umfang des Rechtsübergangs grundsätzlich nach § 116 Abs. 3 SGB X2. Besonderheiten gelten für den hinterbliebenen Ehegatten eines durch einen Unfall Getöteten: Haben Witwe/Witwer nach §§ 846, 254 BGB nur Anspruch auf Ersatz einer Quote ihres Unterhaltsschadens, dürfen sie die durch den Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber dem Partner erzielten Vorteile dazu verwenden, ihren Unterhaltsschaden in Höhe der ungedeckten Quote auszugleichen. Sie müssen sich also Einkommen, mit dem sie nun nicht mehr zu den persönlichen Bedürfnissen des Getöteten beitragen müssen, nur dann mindernd anrechnen lassen, wenn es den von ihnen selbst zu tragenden Schadensanteil übersteigt3. Setzt die Witwe ihre freigewordene Arbeitskraft zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ein und erzielt sie nunmehr selbst Einkünfte, kann sie diese vorrangig auf den nicht vom Schädiger zu ersetzenden Schadensanteil verrechnen.
1349
Diese Bevorzugung des Hinterbliebenen kommt etwaigen Drittleistungsträgern nicht zugute4. Macht der Hinterbliebene von seinem Quotenvorrecht keinen Gebrauch, kann der Drittleistungsträger mangels entspre-
1350
1 OLG Hamm v. 19. 12. 1995 – 27 U 117/95, NJW 1996, 3423 (nur Ls.) = NJW-RR 1996, 1221 = zfs 1996, 211. 2 BGH v. v. 21. 11. 2000 – VI ZR 120/99, MDR 2001, 328 = NJW 2001, 1214 = VersR 2001, 387; BGH v. 14. 2. 1989 – VI ZR 244/88, MDR 1989, 626 = NJW 1989, 2622 = VersR 1989, 648; OLG Köln v. 22. 11. 2000 – 11 W 83/00, SP 2001, 129. 3 BGH v. 16. 9. 1986 – VI ZR 128/85, MDR 1987, 132 = VersR 1987, 70, BGH v. 22. 3. 1983 – VI ZR 67/81, MDR 1983, 923 = VersR 1983, 726. 4 OLG Hamm v. 16. 10. 2003 – 6 U 16/03, NJW-RR 2004, 317 = OLGR Hamm 2004, 43 = VersR 2004, 1425 (Anm. Kerpen) unter Hinweis auf Wussow/Küppersbusch [7. Aufl. 2000] Rz. 339a; s. ergänzend Jahnke, Unfalltod und Schadensersatz, Kap. 6 Rz. 218 ff.
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Teil 4
Rz. 1351
Personenschaden
chendem Forderungsüberganges nicht auf diesen (aufgegebenen) Anspruch zurückgreifen1. 1351
Hat ein Sozialversicherer oder Sozialhilfeträger auf Grund des Schadensereignisses den Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht nach § 116 Abs. 5 SGB X bei Mitverantwortlichkeit des Getöteten (Mitverschulden, u.U. aber verschuldensunabhängige Verantwortung wegen der eigenen Betriebsgefahr oder einer anderen Gefährdungshaftung wie der Tiergefahr) der Schadenersatzanspruch nur insoweit auf den Drittleistungsträger über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens der Hinterbliebenen erforderlich ist. Diese Bevorrechtigung gilt auch dann, wenn der Getötete im Unfallzeitpunkt noch kein Altersrentner war, jedoch der Unterhaltsschaden auch für Zeiten nach fiktiver Verrentung zu regulieren ist2. c) Umfang der Ersatzverpflichtung aa) Allgemein
1352
Für die Höhe des Schadensersatzanspruches aus § 844 Abs. 2 BGB (und den vergleichbaren Vorschriften der anderen Haftungsgesetze) kommt es allein auf den gesetzlich geschuldeten und nicht auf den tatsächlich gewährten Unterhalt des Getöteten an3. Das kann insbesondere dann bedeutsam werden, wenn mehrere Unterhaltspflichtige vorhanden sind und nur einer von ihnen tatsächlich Unterhalt leistet4. Vom Unterhaltspflichtigen erbrachte überobligationsmäßige Unterhaltsleistungen sind deshalb im Rahmen des § 844 Abs. 2 BGB nicht zu ersetzen5.
1353
Die Unterhaltsansprüche der Hinterbliebenen gegenüber dem Ersatzverpflichteten orientieren sich an Umfang und Ende der familienrechtlich geschuldeten Unterhaltsverpflichtung. Der Unterhalt besteht zum einen im Barunterhalt (wirtschaftliche Unterstützung durch Einkommen), zum anderen im Naturalunterhalt (persönliche Zuwendung durch Betreuung, Erziehung, Haushaltsführung). Am Unterhalt sind beide Ehegatten grundsätzlich zu gleichen Teilen beteiligt. Es obliegt ihnen dann, die Aufteilung der Pflichten nach den konkreten Bedürfnissen und Möglich1 In diesem Sinne KG v. 5. 10. 1998 – 22 U 3273/97, NZV 1999, 208 zum Quotenvorrecht des Beamten. 2 BGH v. 1. 12. 2009 – VI ZR 221/08, jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 1 (Anm. Jahnke), MDR 2010, 381 = NJW-RR 2010, 839 = VersR 2010, 642; Jahnke, Unfalltod und Schadensersatz, Kap. 2 Rz. 289; Geigel/Plagemann, Kap. 30 Rz. 75. 3 BGH v. 9. 6. 1967 – VI ZR 180/65, VersR 1967, 880. 4 BGH v. 5. 7. 1988 – VI ZR 299/87, MDR 1988, 1047 = VersR 1988, 1116. 5 BGH v. 6. 10. 1992 – VI ZR 305/91, MDR 1993, 124 = VersR 1993, 56; OLG Düsseldorf v. 6. 3. 1992 – 14 U 184/91, r+s 1992, 375.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1359 Teil 4
keiten zu bestimmen1. Die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten ist prognostisch mit einzubeziehen. Es ist zu ermitteln, wie sich bei hypothetischem Weiterleben der Unterhaltsanspruch des Berechtigten wahrscheinlich entwickelt haben würde. Es sind ähnliche Überlegungen anzustellen wie beim Erwerbsschaden. Eingetragene Lebenspartner (LPartG) haben ehegattenähnliche Rechte und Verpflichtungen2. Sie waren bis zum 31. 12. 2004 untereinander nur zu angemessenem Barunterhalt verpflichtet (§ 5 LPartG, §§ 1360a, 1360b BGB); die Berechnung des Barunterhaltsschadens folgt denselben Grundsätzen wie bei der Doppelverdienerehe. Erst ab 1. 1. 2005 besteht auch eine Verpflichtung zum Naturalunterhalt, sodass bis zum 31. 12. 2004 kein Ersatz wegen entgangenem Naturalunterhaltes (Haushaltsführung) verlangt werden kann.
1354
bb) Trennung von Eheleuten Grundsätzlich ist dem Aspekt einer möglichen Trennung und Scheidung Rechnung zu tragen. Der familienrechtliche Unterhalt – und damit auch der Schaden – richtet sich bei bestehender Ehe an §§ 1360, 1360a BGB aus, bei getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten an §§ 1569 ff. BGB.
1355
Es müssen deutliche Anzeichen dafür vorhanden sein, dass die Ehe vor dem Tod des Unterhaltspflichtigen bereits zum Scheitern verurteilt war. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Schädiger. Bei mehr als 3 Jahre getrennt lebenden Ehegatten kann dabei dem Schädiger die unwiderlegbare Vermutung des § 1566 Abs. 2 BGB zugute kommen, dass die Ehe dann gescheitert ist.
1356
Lebten die Ehegatten bereits zum Unfallzeitpunkt getrennt oder war diese Trennung bereits abzusehen, entfällt ein Naturalunterhalt (Haushaltsführungsschaden)3.
1357
Der Barunterhaltsschaden richtet sich bei getrennt Lebenden4 und Geschiedenen nach den familienrechtlichen Tabellen und Grundsätzen der OLG’e zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts.
1358
cc) Einkünfte Der Barunterhalt richtet sich nach dem Einkommen des Getöteten. Auszugehen ist vom tatsächlichen Nettoeinkommen des Getöteten zum Unfallzeitpunkt. Für die Zukunft muss das jeweilige Einkommen, u.U. 1 BGH v. 6. 10. 1987 – VI ZR 155/86, MDR 1988, 217 = VersR 1987, 1243, BGH v. 22. 1. 1985 – VI ZR 71/83, MDR 1985, 482 = NJW 1985, 1460 = VersR 1985, 365. 2 Zum Hausführungsschaden vgl. Teil 4 VII Rz. 1169. 3 LG Bayreuth v. 22. 6. 1981 – 3 O 117/81, VersR 1982, 607. 4 OLG Hamm v. 23. 6. 1988 – 6 U 293/87, NZV 1989, 271 = zfs 1989, 298.
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Teil 4
Rz. 1360
Personenschaden
auch getrennt nach Zeitabschnitten, gemäß § 287 ZPO fiktiv ermittelt werden. (1) Nettoeinkommen 1360
Zu berücksichtigen sind sämtliche Einkünfte aus abhängiger oder selbständiger Beschäftigung einschließlich aller Gehaltsbestandteile (z.B. Überstundenvergütung, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und ähnlicher Einmalzahlungen) und Nebenverdienste, aber auch Leistungen der Sozialversicherung, die grundsätzlich der Befriedigung des Unterhaltsbedarfes dienen (z.B. Altersrenten, Erwerbsersatzeinkommen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld, Versorgungsbezüge, berufsgenossenschaftliche Verletztenrente1, Mehrbedarfszulagen, soweit nicht durch den tatsächlichen Bedarf aufgezehrt2) sowie Vermögenserträgnisse, soweit sie zum Familienunterhalt verwendet wurden3.
1361
Der Schadensberechnung ist das Nettogehalt zugrunde zu legen: Ausgangspunkt ist das Bruttogehalt, gemindert dann um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge4, freiwillige Beiträge zu Versicherungen5 (z.B. private Lebens-, Krankenzusatz- und Unfallversicherung), Rücklagen für die Alterssicherung6, Aufwendungen zur Vermögensbildung7, Prämienzahlungen für Kapitallebensversicherung8 sowie berufsbedingte Aufwendungen (die auch pauschal angesetzt werden können)9, Gewerkschafts1 OLG Braunschweig v. 6. 7. 1979 – 4 U 6/79, VersR 1979, 1124. 2 BGH v. 27. 5. 1960 – VI ZR 131/59, NJW 1960, 1615 = VersR 1960, 757 (Kriegsbeschädigtenrente), BGH v. 21. 1. 1981 – IVb ZR 548/80, NJW 1981, 1313, BGH v. 16. 9. 1981 – IVb ZR 674/80, NJW 1982, 41; OLG Braunschweig v. 6. 7. 1979 – 4 U 6/79- VersR 1979, 1124. 3 BGH v. 19. 3. 1974 – VI ZR 19/73, NJW 1974, 1236 = VersR 1974, 700. 4 BGH v. 23. 3. 1971 – VI ZR 188/69, VersR 1971, 717; OLG Frankfurt v. 15. 4. 1999 – 15 U 236/96, SP 1999, 267. S. auch BGH v. 9. 11. 2010 – VI ZR 300/08, MDR 2011, 29 = NJW 2011, 1146 = VersR 2011, 229. 5 S. auch OLG Zweibrücken v. 4. 12. 1992 – 1 U 155/89, VersR 1994, 613 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 26. 10. 1993 – VI ZR 6/93). 6 S. zum selbständigen Gewerbetreibenden OLG Zweibrücken v. 4. 12. 1992 – 1 U 155/89, VersR 1994, 613 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 26. 10. 1993 – VI ZR 6/93). 7 BGH v. 4. 11. 2003 – VI ZR 346/02, MDR 2004, 449 = NJW 2004, 358 = VersR 2004, 75, BGH v. 5. 12. 1989 – VI ZR 276/88, MDR 1990, 532 = NJW-RR 1990, 221 = VersR 1990, 317; OLG Nürnberg v. 9. 4. 1997 – 4 U 1841/96, NZV 1997, 439. 8 OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342. 9 KG v. 20. 10. 2005 – 12 U 31/03, VersR 2006, 794 (Berücksichtigung von 5 % ersparten berufsbedingten Aufwendungen bei Ermittlung des Schadens wegen verspäteten Berufseintritts), OLG Celle v. 29. 11. 2005 – 14 U 58/05, SP 2006, 96 (Pauschal 5 % des Nettoeinkommens für ersparte berufsbedingte Aufwendungen), OLG Frankfurt v. 26. 7. 2005 – 17 U 18/05, SP 2005, 338 (Pauschaler Abzug entsprechend den unterhaltsrechtlichen Regelungen mit 5 % des Nettoeinkommens auch nach Berücksichtigung der Arbeitnehmer-Werbungskostenpauschale
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1366 Teil 4
beiträge und Werbungskosten, ferner gemindert um Leistungen an nichteheliche Kinder und geschiedene Ex-Partner1 sowie sonstige regelmäßige Lasten2. Bei unentgeltlicher Tätigkeit im Familienbetrieb ist nicht das tatsächlich vereinbarte Einkommen, sondern das dem Beitrag des Verstorbenen zum Geschäftsgewinn und der Arbeitsleistung entsprechende „wirkliche Arbeitseinkommen“ anzusetzen3.
1362
Bei Selbständigen sind die tatsächlichen Privatentnahmen anzusetzen, soweit diese mit Rücksicht auf den Geschäftsbetrieb vertretbar waren. Rücklagen für Investitionen und Beiträge zur privaten Vorsorge sind mindernd zu berücksichtigen.
1363
Unberücksichtigt bleiben Aufwandsentschädigungen und Spesen (unter denselben Voraussetzungen wie beim Verdienstausfall4), Einnahmen aus sittenwidrigen und rechtswidrigen Geschäften (insbesondere Schwarzarbeit5) ebenso wie der Wert von Eigenleistungen für einen Hausbau6 und Kindergeld7, das auch nach dem Tode des Unterhaltspflichtigen weitergezahlt wird.
1364
Überdurchschnittlich hohes Einkommen ist nicht vollständig dem Familienunterhalt zuzuführen.
1365
Ist der Unterhaltsschaden bei einer Doppelverdienerehe zu bestimmen, gelten für die Bestimmung und Berücksichtigung der Einkünfte des überlebenden Ehegatten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.
1366
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des § 9a EStG), OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342 (Bei der Ermittlung des durch die Tötung eines Unterhaltspflichtigen verursachten Unterhaltsschadens ist für die Ersparnis berufsbedingter Aufwendungen auch bei Berücksichtigung der Steuervorteile durch den Werbungskostenpauschalbetrag für Arbeitnehmer ein pauschaler Abzug von 5 % vom Nettoeinkommen des Getöteten gerechtfertigt). S. auch BGH v. 9. 11. 2010 – VI ZR 300/08, MDR 2011, 29 = NJW 2011, 1146 = VersR 2011, 229. Diesen Personen können eigene Ersatzansprüche wegen entzogenen Unterhalts zustehen. Jahnke, Unfalltod: Schadenersatz nach eigener Verpflichtung, Kap. 1 Rz. 56. BGH v. 22. 11. 1983 – VI ZR 22/82, MDR 1984, 569 = VersR 1984, 353. S. dazu Teil 4 VI Rz. 913 ff. BGH v. 11. 1. 1994 – VI ZR 143/93, NJW 1994, 851 = VersR 1994, 355; OLG Köln v. 28. 8. 1968 – 13 U 29/68, VersR 1969, 382. S. ferner Teil 4 VI Rz. 838 ff. BGH v. 22. 6. 2004 – VI ZR 112/03, MDR 2004, 1355 = NJW 2004, 2894 = VersR 2004, 1192, BGH v. 3. 7. 1984 – VI ZR 42/83, MDR 1985, 220 = NJW 1985, 49 = VersR 1984, 961 (Aufwendungen für den Erwerb eines Eigenheims gehören nicht zum standesgemäßen Unterhalt; unterhaltsrechtlich geschuldet wird nur eine standesgemäße Mietwohnung). BGH v. 12. 7. 1979 – III ZR 50/78, MDR 1979, 916 = VersR 1979, 1029; OLG Oldenburg v. 4. 3. 2003 – 12 U 36/02, VersR 2004, 654, OLG Saarbrücken v. 3. 1. 2005 – 3 U 568/03–53, SP 2005, 160.
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Teil 4
Rz. 1367
Personenschaden
(2) Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten 1367
Ein Ersatzanspruch besteht nicht, wenn der Getötete nicht leistungsfähig war oder die Ansprüche gegen ihn nicht durchsetzbar gewesen wären. Der Unterhaltsberechtigte erleidet in diesen Fällen keinen Schaden, durch den fremdverschuldeten Unfall kann er nicht in eine günstigere Lage kommen.
1368
Für den Nachweis der Realisierbarkeit kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute1.
1369
Nicht entscheidend ist, ob der Unterhaltsverpflichtete in der Vergangenheit seine Unterhaltspflicht erfüllt hat und ob er sie im Falle seines Weiterlebens freiwillig erfüllt hätte. Es kommt auf das weitere künftige Bestehen und die Durchsetzbarkeit des Anspruchs an2.
1370
War der Getötete zwar zum Todeszeitpunkt noch nicht leistungsfähig, wäre er es aber ohne den Unfall später geworden, besteht der Ersatzanspruch von diesem Zeitpunkt an3; bis dahin haben die Hinterbliebenen nur einen Anspruch auf Feststellung der zukünftigen Ersatzpflicht. dd) Naturalunterunterhalt
1371
Bei Ausfall des Naturalunterhalts ist der Unterhaltsberechtigte vom Schädiger finanziell in die Lage zu versetzen, sich lebensüblicherweise wirtschaftlich gleichwertige Dienste zu verschaffen. (1) Haushaltsführungsschaden
1372
Der Ersatz wegen Fortfalles der Haushaltsführung orientiert sich – anders als im Verletzungsfall – am gesetzlich geschuldeten Maß. Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht hängt von den Lebensumständen und den persönlichen Bedürfnissen ab4.
1373
Veränderungen ergeben sich u.a. auch bei (hypothetischer) Verrentung des Ehegatten. Sind beide Ehegatten nicht oder nicht mehr berufstätig (z.B. Rentner, arbeitslos), ist die Haushaltstätigkeit hälftig zu teilen.
1374
Nach § 1356 BGB ist es den Eheleuten überlassen, wie sie ihre Lebensgemeinschaft gestalten, ob sie an der herkömmlichen Rollenverteilung (Haushaltsführungsehe) festhalten wollen oder ob sie sich für eine andere 1 BGH v. 23. 4. 1974 – VI ZR 188/72, MDR 1974, 922 = NJW 1974, 1373 = VersR 1974, 906; KG v. 6. 10. 1986 – 12 U 6341/84, zfs 1987, 133. 2 OLG Köln v. 26. 2. 1996 – 15 W 15/96, NJWE-VHR 1996, 152; LG Düsseldorf v. 4. 11. 1999 – 13 O 309/99, SP 2000, 379. 3 BGH v. 23. 4. 1974 – VI ZR 188/72, MDR 1974, 922 = NJW 1974, 1373 = VersR 1974, 906. 4 BGH v. 15. 3. 1983 – VI ZR 187/81, MDR 1983, 835 = NJW 1983, 2197 = VersR 1983, 688.
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Jahnke
VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1378 Teil 4
Aufgabenverteilung (Doppelverdienerehe) entscheiden. Eheleute können durch tatsächliches Verhalten oder durch Vereinbarungen den Haftungsrahmen des § 844 Abs. 2 BGB zwar nicht erweitern, sie können aber gemäß §§ 1356, 1360, 1360a BGB die Art und Weise der gegenseitigen Unterhaltsgewährung im Rahmen des Angemessenen unter Berücksichtigung der Belange der Familie frei gestalten mit der Folge, dass diese Vereinbarungen dann nicht nur unterhaltsrechtlich, sondern auch haftungsrechtlich verbindlich sind1. Zu berücksichtigen sind die gesetzlich geschuldeten Mitarbeitsverpflichtungen von Kindern (ab 14. Lebensjahr 1 h/Tag)2 und Ehegatten (Halbtagsbeschäftigung 25 %3, Doppelverdiener 50 %4) unabhängig davon, ob diese ohne den Tod des Haushaltsführenden ansonsten tatsächlich erbracht worden wären. Ist nur ein Ehepartner berufstätig und der Haushaltsführende nicht durch Alter oder Krankheit an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert, besteht keine Mithilfepflicht.
1375
(2) Betreuungsschaden Bestimmend für den Schadensersatz ist der erforderliche Arbeitszeitaufwand für einen um die getötete Person reduzierten Haushalt im Verhältnis zum nicht durch einen Tod verkleinerten Haushalt. Wird nach dem Tode der Hausfrau eine Haushaltshilfe tatsächlich eingestellt, kann nicht ohne weiteres das dieser gezahlte Gehalt als Schadenersatz verlangt werden; es kommt vielmehr darauf an, ob der Aufwand nach den konkreten Umständen des Einzelfalles und dem Familienzuschnitt angemessen ist5.
1376
Wird keine Ersatzkraft eingestellt, können die Kosten einer vergleichbaren Kraft unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten der Berechnung zugrunde gelegt werden6.
1377
Werden Unterhaltsberechtigte berechtigt in einem Kinderheim untergebracht, sind Ausgangspunkt der Berechnung die Heimkosten, gekürzt um ersparte Aufwendungen, insbesondere für Wohnen und Verpflegung7.
1378
1 BGH v. 29. 3. 1988 – VI ZR 87/87, MDR 1988, 664 = VersR 1988, 490; OLG Köln v. 17. 2. 1989 – 20 U 37/87, VersR 1990, 1285 (nur Ls.) (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 20. 3. 1990 – VI ZR 127/89, VersR 1990, 748). 2 BGH v. 12. 6. 1973 – VI ZR 26/72, VersR 1973, 939, BGH v. 2. 5. 1972 – VI ZR 80/70, VersR 1972, 948. 3 LG Bayreuth v. 30. 11. 1981 – 2 O 35/81, VersR 1983, 66. 4 BGH v. 2. 4. 1974 – VI ZR 130 und 155/73, NJW 1974, 1238. 5 OLG Köln v. 17. 2. 1989 – 20 U 37/87, zfs 1991, 11 (BGH v. 20. 3. 1990 – VI ZR 127/89, MDR 1990, 1100 = NJW-RR 1990, 706 = VersR 1990, 748 hat Revision teilweise nicht angenommen). 6 BGH v. 29. 3. 1988 – VI ZR 87/87, MDR 1988, 664 = VersR 1988, 490. 7 OLG Düsseldorf v. 1. 2. 1985 – 14 U 189/84, VersR 1985, 698. OLG Celle v. 20. 3. 2003 – 14 U 188/02, NZV 2004, 307 = OLGR Celle 2003, 187 (BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschl. v. 3. 2. 2004 – VI ZR 119/03) be-
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Teil 4
Rz. 1379
Personenschaden
Bei unentgeltlicher Unterbringung von Waisen in einer versorgenden Familie ist der Schaden anhand der üblichen Kosten einer gleichwertigen Familienunterbringung zu schätzen1, einen praktikablen Anhaltspunkt für eine angemessene Bestimmung bietet der doppelte Regelbedarfssatz2. ee) Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten 1379
Der Anspruch des Ehegatten auf den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) setzt, da § 1602 BGB nicht anwendbar ist, keine Bedürftigkeit voraus. Dass das eigene Einkommen zum eigenen Unterhalt reichen würde, berührt also nicht den Anspruch der Ehegatten untereinander auf Leistung eines Unterhaltsbeitrages3.
1380
Ansonsten (vor allem bei Kindern und nicht-ehelichen Elternteilen) setzt die gesetzliche Unterhaltspflicht die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten voraus (§ 1602 BGB).
1381
Kann z.B. die minderjährige Waise sich bereits aus eigenem Vermögen (u.U. auch des vom Getöteten ererbten [Quellentheorie] oder vermachten Vermögens, z.B. Auszahlung einer Lebens- oder Unfallversicherungsleistung an das Kind oder der Beleihungsfähigkeit von Wohneigentum4; Erbschaft oder Pflichtteilsanspruch seitens der Großeltern) selbst unterhalten, fehlt es an einer Barunterhaltspflicht des Getöteten, § 1602 Abs. 2 BGB. d) Berechnung
1382
Der Barunterhaltsschaden richtet sich an denjenigen Beträgen aus, die der getötete Unterhaltspflichtige, wäre er am Leben geblieben, aus sei-
1 2
3 4
fasste sich mit dem Fall, dass die getötete Mutter zur Erziehung des Kindes nicht in der Lage gewesen sein sollte (Ersatz hoher Heimkosten bejaht. Eine fehlende Leistungsfähigkeit der getöteten Mutter wurde nicht berücksichtigt: Maßgeblich ist allein die Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Erbringung von Unterhalt – auch in Form des Naturalunterhaltes –, nicht jedoch die Leistungsfähigkeit hinsichtlich einer förderlichen Erziehung. Unzureichende Erziehung auch mit starker Beeinträchtigung der sozialen Entwicklung des Kindes ist für die Frage der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Unterhaltsgewährung ohne Bedeutung; es handelt sich um einen Fall der schadensgeneigten Konstitution.). BGH v. 13. 7. 1971 – VI ZR 260/69, MDR 1971, 921 = VersR 1971, 1045; OLG Koblenz v. 1. 2. 1993 – 12 U 31/92, VRS 84, 258 (Mehraufwand bei Unterbringung in Pflegefamilie). Küppersbusch, Rz. 381 (S. 129) und Böhme/Biela, Kap. 4 Rz. 303 unter Hinweis auf einen entsprechenden Vorschlag des 15. deutschen Verkehrsgerichtstages. OLG Celle v. 22. 12. 1977 – 5 U 33/77, VersR 1980, 583 (Mischung zwischen einfachem Regelsatz, aber veränderten Altersstufen), OLG Stuttgart v. 10. 11. 1992 – 14 W 4/92, VersR 1993, 1536. BGH v. 13. 7. 1971 – VI ZR 31/70, MDR 1971, 999 = NJW 1971, 2066 = VersR 1971, 1065. Palandt/Diederichsen, § 1602 Rz. 6.
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Rz. 1385 Teil 4
VIII. Mittelbar Geschädigte
nem Einkommen hätte aufwenden müssen, um den Unterhaltsberechtigten denjenigen Lebensstandard zu verschaffen, den sie nach den familienrechtlichen Vorschriften des Unterhaltsrechts hätten beanspruchen können1. Wegen der Berechnung im Detail sind die Rechenbeispiele des BGH2 hervorzuheben. aa) Prinzip Wird der Ehegatte durch Fremdverschulden getötet, erfolgt die Ermittlung des zu ersetzenden Barunterhaltsschadens grundsätzlich in folgenden Schritten:
1383
Barunterhalt Alleinverdiener (gerechnet ohne Kinder, mit fixen Kosten)
1384
Nettoeinkommen des Verstorbenen ./. Aufwendungen zur Vermögensbildung ./. fixe Kosten (optional) =
verteilbares Einkommen des Getöteten davon Unterhaltsquoten des Hinterbliebenen (45 %)
=
Unterhaltsanteil des Hinterbliebenen + fixe Kosten (wenn nicht Berechnung ohne fixe Kosten) ./. Vorteilsausgleich
Barunterhalt Doppelverdiener (gerechnet ohne Kinder, ohne fixe Kosten)
+ =
Nettoeinkommen des Verstorbenen Nettoeinkommen des hinterbliebenen Ehegatten verteilbares Familieneinkommen davon Unterhaltsquoten des Hinterbliebenen (50 %)
=
Unterhaltsanteil des Hinterbliebenen ./. Nettoeinkommen des Hinterbliebenen
1 BGH v. 1. 10. 1985 – VI ZR 36/84, VersR 1986 (Die „Düsseldorfer Tabelle“ kann keine Grundlage der Schadensersatzberechnung sein). 2 BGH v. 23. 6. 1994 – III ZR 167/93, NZV 1994, 475, BGH v. 11. 10. 1983 – VI ZR 251/81, VersR 1984, 79 = zfs 1984, 73, BGH v. 22. 3. 1983 – VI ZR 67/81, MDR 1983, 923 = NJW 1983, 2315 = VersR 1983, 726; OLG Brandenburg v. 19. 11. 1998 – 2 U 114/97, zfs 1999, 330.S. ferner Böhme/Biela, Kap. 4 Rz. 303 ff.; Küppersbusch, Rz. 328, 353, 358, 385 ff.
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1385
Teil 4
Rz. 1386
Personenschaden
bb) Fixe Kosten 1386
Die Berechnung mit fixen Kosten ist nicht zwingend. Lässt man sie außer Acht, sind allerdings die Unterhaltsquoten anzuheben1.
1387
Fixkosten sind nicht etwa alle im Monat getätigten Ausgaben. Zu den fixen Kosten2 gehören vielmehr diejenigen Ausgaben, die weitgehend unabhängig vom Wegfall eines Familienmitglieds als feste Kosten des Haushalts weiterlaufen und deren Finanzierung der Getötete unterhaltsrechtlich geschuldet hätte3. Sie müssen den unterhaltsgeschädigten Familienangehörigen vorweg zugebilligt werden. Das geschieht rechnerisch dadurch, dass sie zunächst vom Nettoeinkommen abgezogen und dann dem Anteil der Unterhaltsgeschädigten wieder zugeschlagen werden4. Existenz und Höhe der Fixkosten sind vom Geschädigten konkret darzulegen und zu beweisen, ohne dass auf Statistiken zurückgegriffen werden kann5.
1388
Die Fixkosten können sich infolge des Todes des Unterhaltspflichtigen verringern (z.B. Umzug in kleinere Wohnung, geringere Energiekosten, geringere PKW-Kosten) oder erhöhen (z.B. Verlust einer billigen Werkswohnung). Dann sind zunächst die ursprünglichen Fixkosten vom Nettoeinkommen abzuziehen und die veränderten Fixkosten dem Anteil des Unterhaltsgeschädigten zuzuschlagen.
1389
Zu den Fixkosten gehören insbesondere Miete und Mietnebenkosten6 einschließlich Energiekosten, Telefongrundgebühr (ohne zusätzliche7 Handykosten), Zeitung, Fernsehen, Kosten für Versicherungen, die den Schutz der Familie sicherstellen sollen (Hausrat- und Wohngebäudeversicherung, Haftpflichtversicherung, Rechtschutzversicherung), Kosten der Pkw-Haltung8 (ohne die variablen Betriebskosten wie Benzin und Reparaturen), Rücklagen für Schönheitsreparaturen sowie Reparatur und Ersatzbeschaffung der Wohnungseinrichtung. 1 Dazu Teil 4 VIII Rz. 1397. 2 S. auch Ege, DAR 1995, 305; grundlegend BGH v. 2. 12. 1997 – VI ZR 142/96, VersR 1998, 333, BGH v. 31. 5. 1988 – VI ZR 116/87, MDR 1988, 950 = NJW 1988, 2365 = VersR 1988, 954. 3 BGH v. 1. 1. 1985 – VI ZR 36/84, VersR 1986, 39, BGH v. 31. 5. 1988 – VI ZR 116/87, MDR 1988, 950 = NJW 1988, 2365 = VersR 1988, 954. 4 BGH v. 1. 1. 1985 – VI ZR 36/84, VersR 1986, 39. 5 Küppersbusch, Rz. 337. BGH v. 31. 5. 1988 – VI ZR 116/87, MDR 1988, 950 = NJW 1988, 2365 = VersR 1988, 954 lässt allerdings einen gewissen Raum im Rahmen des § 287 ZPO. 6 BGH v. 23. 6. 1987 – VI ZR 188/86, MDR 1988, 41 = VersR 1987, 1241. 7 OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342. 8 OLG Karlsruhe v. 18. 8. 2005 – 19 U 120/04, SP 2006, 276 („Fahrzeughaltungskosten pauschal“ sind ohne Konkretisierung nicht zu berücksichtigen), OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1392 Teil 4
Nicht zu den Fixkosten zählen Aufwendungen für den täglichen Lebensbedarf (Essen, Trinken, Kleidung)1, personengebundene Kosten (z.B. Ausbildung, Kosten des Schulbesuchs, Schulmaterial, Klassenausflugskosten, Taschengeld, Gewerkschaftsbeiträge, Reitstunden, Vereinsbeiträge, Mobiltelefonkosten)2, personengebundene Versicherungen (Kranken-, Lebens-, Unfallversicherung)3, zur Vermögensbildung4, für den Erwerb eines Eigenheims (einschließlich Bausparkassenbeitrag, Tilgungsbeitrag5 und Rücklage)6.
1390
Lasten eines vorhandenen Eigenheims (einschließlich Tilgung von Grunddarlehn, Instandhaltungsrücklagen) sind bis zur maximalen Höhe fiktiver Mietkosten einer vergleichbaren Unterkunft anzusetzen7. Ist das Haus unbelastet, können nicht fiktive Mietwertkosten angesetzt werden8.
1391
Die Fixkosten sind, da die Hinterbliebenen Einzel- und nicht Gesamtgläubiger nach § 844 Abs. 2 BGB sind9, unter den Anspruchsberechtigten aufzuteilen. Der Verteilungsschlüssel richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei im Rahmen der Schätzung (§ 287 ZPO) davon auszugehen ist, dass der Unterhaltsbedarf eines Elternteiles höher ist als der des Waisen. Die Praxis akzeptierte Quotierungen für:
1392
1 OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452, OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342. 2 BGH v. 2. 12. 1997 – VI ZR 142/96, MDR 1998, 283 = NJW 1998, 985 = VersR 1998, 333; OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452, OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342, OLG Karlsruhe v. 18. 8. 2005 – 19 U 120/04, SP 2006, 276. 3 OLG Karlsruhe v. 18. 8. 2005 – 19 U 120/04, SP 2006, 276, OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342. 4 BGH v. 3. 7. 1984 – VI ZR 42/83, MDR 1985, 220 = NJW 1985, 49 = VersR 1984, 961. 5 BGH v. 4. 11. 2003 – VI ZR 346/02, MDR 2004, 449 = NJW 2004, 358 = VersR 2004, 75 (Tilgungsbeiträge dienen der Vermögensbildung); OLG Hamm v. 1. 9. 1992 – 9 U 42/92, r+s 1992, 413. 6 BGH v. 4. 11. 2003 – VI ZR 346/02, MDR 2004, 449 = NJW 2004, 358 = VersR 2004, 75, BGH v. 3. 7. 1984 – VI ZR 42/83, MDR 1985, 220 = NJW 1985, 49 = VersR 1984, 961. 7 BGH v. 4. 11. 2003 – VI ZR 346/02, MDR 2004, 449 = NJW 2004, 358 = VersR 2004, 75, BGH v. 2. 12. 1997 – VI ZR 142/96, MDR 1998, 283 = NJW 1998, 985 = VersR 1998, 333. 8 OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452, OLG Koblenz v. 19. 11. 2007 – 12 U 1400/05, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2008, 1097 = OLGR Koblenz 2008, 342, OLG Köln v. 17. 2. 1989 – 20 U 37/87, zfs 1991, 11 (BGH v. 20. 3. 1990 – VI ZR 127/89, MDR 1990, 1100 = NJW-RR 1990, 706 = VersR 1990, 748 hat Revision teilweise nicht angenommen), OLG Nürnberg v. 9. 4. 1997 – 4 U 1841/96, NZV 1997, 439. 9 BGH v. 23. 11. 1971 – VI ZR 241/69, VersR 1972, 176.
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Teil 4
Rz. 1393
Personenschaden
Witwe/r
1. Waise
2. Waise
3. Waise
100 % 66,7 %1 50 %2 40 %
– 33,3 % 25 % 20 %
– – 25 % 20 %
– – – 20 %
cc) Anteil der Hinterbliebenen am verteilbaren Nettoeinkommen 1393
Unter Eheleuten gilt der Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe am Familieneinkommen, wenn beide oder keiner von beiden (mehr) berufstätig ist3. Der erwerbstätige Ehegatte hat aber einen höheren Unterhaltsbedarf als der nicht erwerbstätige4.
1394
Der Unterhaltsbedarf von Kindern ändert sich in Abhängigkeit von Alter und schulischer Laufbahn. Ein familienrechtlicher Abgleich der Anspruchshöhe ist angezeigt. Der Unterhaltsbedarf von Kindern richtet sich zwar an der Lebensstellung der Eltern aus5, sie haben aber nur einen Anspruch auf Deckung des notwendigen Lebensbedarfes, gedeckelt durch die Sättigungsgrenze.
1395
Bei erheblichem Altersunterschied der Kinder kann eine unterschiedliche Quotierung geboten sein. Hohes Einkommen des Getöteten kann mit Rücksicht auf den tatsächlichen Bedarf zum Unterschreiten der ansonsten für Waisen üblichen Quoten führen. Es muss ein familienrechtlicher Abgleich erfolgen und das Gefüge der familienrechtlichen Maßstäbe gewahrt bleiben6.
1396
Die Praxis bedient sich pauschaler Prozentsätze bei der Berücksichtigung des Unterhaltsbedarfes, von denen im Einzelfall nur bei Vorliegen besonderer Umstände abgewichen werden kann7. Wird mit fixen Kosten gerechnet, ist beim Alleinverdiener dessen berufsbedingter Aufwand über eine Veränderung der Quote mit zu berücksichtigen8; sind beide Ehegat1 BGH v. 2. 12. 1997 – VI ZR 142/96, VersR 1998, 333; OLG Karlsruhe v. 18. 8. 2005 – 19 U 120/04, SP 2006, 276, OLG Zweibrücken v. 4. 12. 1992 – 1 U 155/89, VersR 1994, 613 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 26. 10. 1993 – VI ZR 6/93) (Witwe 70 %, Waise 30 %). 2 BGH v. 31. 5. 1988 – VI ZR 116/87, MDR 1988, 950 = NJW 1988, 2365 = VersR 1988, 954. 3 BGH v. 16. 12. 1986 – VI ZR 192/85, VersR 1987, 507. 4 BGH v. 16. 9. 1981 – IVb ZR 674/80, NJW 1982, 41. 5 BGH v. 22. 1. 1985 – VI ZR 71/83, MDR 1985, 482 = NJW 1985, 1460 = VersR 1985, 365. 6 BGH v. 6. 10. 1987 – VI ZR 155/86, MDR 1988, 217 = VersR 1987, 1243. 7 BGH v. 15. 10. 1985 – VI ZR 55/84, MDR 1986, 306 = NJW 1986, 715 = VersR 1986, 264 (Tod beider Eltern). 8 OLG Brandenburg v. 19. 11. 1998 – 2 U 114/97, zfs 1999, 330.
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Rz. 1400 Teil 4
VIII. Mittelbar Geschädigte
ten berufstätig oder keiner von ihnen (mehr), bleibt es bei einer gleichmäßigen Aufteilung. – Quoten bei Rechnung ohne fixe Kosten1 Witwe/r 50 40 35 32
% % % %
1397
1. Waise
2. Waise
3. Waise
– 20 % 15 % 12 %
– – 15 % 12 %
– – – 12 %
– Quoten bei Rechnung mit fixen Kosten2 (keine Abstufung nach Alter und schulischem Stand der Waisen) nicht-erwerbstätige/r Witwe/r 45 35 30 27
% % % %
1. Waise
2. Waise
3. Waise
– 20 % 15 % 13 %
– – 15 % 13 %
– – – 13 %
– Quoten bei Rechnung mit fixen Kosten3 (keine Abstufung nach Alter und schulischem Stand der Waisen) erwerbstätige/r Witwe/r
1. Waise
2. Waise
3. Waise
50 % 40 % 35 % 30,5 %
– 20 % 15 % 13 %
– – 15 % 13 %
– – – 13 %
1398
1399
e) Anrechnung aa) Drittleistungsträger Die von dritter Seite anlässlich des Todesfalles erbrachten Leistungen kürzen, soweit diese kongruent sind, wegen des Forderungsüberganges den vom Hinterbliebenen noch zu verfolgenden Ersatzanspruch4. Die Anrechnung gilt vor allem für Leistungen des Dienstherrn, der Sozialversicherer (gesetzliche Unfallversicherung, insbesondere Berufsgenossenschaft, Rentenversicherung) sowie der betrieblichen Altersvorsorge5. Bei Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist ebenfalls der mögli1 2 3 4
Küppersbusch, Rz. 351. Küppersbusch, Rz. 351. Küppersbusch, Rz. 351. BGH v. 1. 12. 2009 – VI ZR 221/08, jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = MDR 2010, 381 = NJW-RR 2010, 839 = VersR 2010, 642. 5 OLG Hamm v. 1. 9. 1992 – 9 U 42/92, r+s 1992, 413.
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1400
Teil 4
Rz. 1401
Personenschaden
che Forderungsübergang (Art. II § 1 Nr. 18 SGB I, § 116 SGB X) zu beachten. 1401
Die Vorrechte der Hinterbliebenen (Quotenvorrecht, Witwen/WitwerVorrecht, § 116 Abs. 5 SGB X) sind zu beachten1. bb) Privatvorsorge
1402
Ansprüche aus Lebens-2 und privater Unfallversicherung finden im Verhältnis zu einem Ersatzpflichtigen keine Anrechnung; es sei denn, die Versicherungen dienten bereits zu Lebzeiten des Erblassers dem Unterhalt3. cc) Eigenes Einkommen
1403
Anspruchsmindernd sind der eigene Verdienst, aber auch die Mitarbeitsverpflichtung der Unterhaltsberechtigten im Haushalt (u.U. gesteigert nach eigenem Eintritt in den Ruhestand) und Beruf4 mit einzubeziehen.
1404
Zu berücksichtigen sind auch erst mit Erreichen der Altersgrenze gezahlte Altersbezüge einschließlich etwaiger Betriebsrenten des Hinterbliebenen.
1405
Eigene Einkommen des Waisen mindern den Ersatzanspruch. Dabei sind seine berufsbedingten Aufwendungen herauszunehmen (Selbstbehalt nach den familienrechtlichen Tabellen). dd) Ererbtes Vermögen
1406
Der Stammwert der Erbschaft ist auf den Unterhaltsersatzanspruch nicht zu verrechnen, da dieser den Erben sowieso später zugefallen wäre. Soweit Erträgnisse aus dem ererbten Vermögen (z.B. Mieteinnahmen, Zinsen) bereits vor dem Schadensereignis dem Familienunterhalt zur Verfügung standen, sind sie soweit auf den Schaden zu verrechnen5.
1407
Hat nur die Person des Unterhaltspflichtigen, nicht aber die Quelle des Unterhalts gewechselt (z.B. Bauernhof, Erwerbsgeschäft, Mieteinkünfte)6, 1 2 3 4
Dazu Teil 4 VIII Rz. 1349 f. BGH v. 19. 12. 1978 – VI ZR 218/76, MDR 1979, 484 = VersR 1979, 323. BGH v. 19. 12. 1978 – VI ZR 218/76, MDR 1979, 484 = VersR 1979, 323. OLG Düsseldorf v. 6. 3. 1992 – 14 U 184/91, r+s 1992, 375, OLG Nürnberg v. 9. 4. 1997 – 4 U 1841/96, NZV 1997, 439. 5 BGH v. 19. 12. 1978 – VI ZR 218/76, MDR 1979, 484 = VersR 1979, 323, BGH v. 19. 3. 1974 – VI ZR 19/73, NJW 1974, 1236 = VersR 1974, 700; BGH v. 16. 11. 1965 – VI ZR 139/64, VersR 1966, 338; OLG Frankfurt v. 24. 11. 1988 – 1 U 29/87, VersR 1991, 595 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 31. 5. 1990 – III ZR 272/88). 6 BGH v. 24. 6. 1969 – VI ZR 52/67, VersR 1969, 951, BGH v. 27. 9. 1957 – VI ZR 230/56, VersR 1957, 783.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1412 Teil 4
sind die laufenden Erträge dann auf den Ersatzanspruch anzurechnen, wenn die Fortführung des Betriebes den Erben zugemutet werden kann1. Ist die Fortführung des Betriebes nicht zumutbar, ist der anderweitige Einsatz der verwertbaren Arbeitskraft der Hinterbliebenen zu prüfen2. Wird die Quelle veräußert, sind die Erträgnisse aus dem Veräußerungserlös auf den Schaden zu verrechnen3. Wird die Quelle von den Erben heruntergewirtschaftet, kann eine Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht vorliegen4.
1408
Die mit dem Getöteten nicht verheirateten (unterhaltsberechtigten) Erben sind u.U. wegen der Erträgnisse aus der Erbschaft nicht mehr bedürftig und deshalb nicht unterhaltsgeschädigt5.
1409
ee) Schadensminderung Die Hinterbliebenen sind im Rahmen der Zumutbarkeit zu eigener Erwerbstätigkeit verpflichtet6. Arbeitet ein Hinterbliebener nicht, obwohl ihm dieses zumutbar ist, ist fiktiv erzielbares Arbeitseinkommen anspruchsmindernd zu berücksichtigen7.
1410
Als Erwerbstätigkeit kann auch die Haushaltsführung für einen neuen Lebenspartner gelten8.
1411
ff) Vorteilsausgleichung Mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen können auch „wirtschaftliche Vorteile“ verbunden sein. Ein Vorteilsausgleich erfolgt, wenn Vor- und Nachteile in einem so engen Zusammenhang stehen, dass beide Positionen zu einer Rechnungseinheit verbunden sind; da der Schaden in dem 1 BGH v. 13. 12. 1966 – VI ZR 75/65, VersR 1967, 259. 2 BGH v. 22. 11. 1983 – VI ZR 22/82, MDR 1984, 569 = VersR 1984, 353. 3 Zurückhaltend ist BGH v. 22. 11. 1983 – VI ZR 22/82, MDR 1984, 569 = VersR 1984, 353 zu sehen: Dort war der Verstorbene „pro forma“ bei seiner Ehefrau angestellt, aber praktisch „die Seele des Betriebes“. Die Witwe veräußerte den ihr gehörenden Betrieb. 4 BGH v. 25. 1. 1972 – VI ZR 75/71, VersR 1972, 460, BGH v. 4. 2. 1964 – VI ZR 79/63, VersR 1964, 514, BGH v. 3. 12. 1951 – III ZR 68/51, VersR 1952, 97. 5 Dazu Teil 4 VIII Rz. 1381. 6 BGH v. 6. 4. 1976 – VI ZR 240/74 MDR 1976, 751 = NJW 1976, 1501 = VersR 1976, 877) (Eine junge, gesunde, kinderlose und arbeitsfähige Witwe ist regelmäßig zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit verpflichtet); OLG Düsseldorf v. 6. 3. 1992 – 14 U 184/91, r+s 1992, 375. 7 BGH v. 26. 9. 2006 – VI ZR 124/05, MDR 2007, 337 = NJW 2007, 64 = VersR 2007, 76; BGH v. 19. 6. 1984 – VI ZR 301/82, MDR 1984, 1016 = NJW 1984, 2520 = VersR 1984, 936; OLG Düsseldorf v. 6. 3. 1992 – 14 U 184/91, r+s 1992, 375. 8 BGH v. 19. 6. 1984 – VI ZR 301/82, MDR 1984, 1016 = NJW 1984, 2520 = VersR 1984, 936.
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Teil 4
Rz. 1413
Personenschaden
Verlust des Unterhaltsanspruchs besteht, muss sich der Vorteil gerade darauf beziehen1. 1413
Den Wegfall eigener Unterhaltsleistungen an den Getöteten muss sich der Hinterbliebene ebenso anrechnen lassen wie ersparte Mehraufwendungen u.a. für dessen Bekleidung, Körperpflege, Freizeitaktivitäten (Urlaub), Verpflegung, Zweitwagen. f) Anspruchsdauer aa) Zeitraum der Unterhaltsverpflichtung
1414
Die für die zeitliche Begrenzung der Geldrente maßgebliche mutmaßliche Lebensdauer des Getöteten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben2.
1415
Die Ersatzpflicht besteht für die gesamte Zeit, für die dem Unterhaltsberechtigten der Unterhalt infolge des Unfalltodes tatsächlich entzogen ist und beginnt mit dem unfallbedingten Tod. Unterhaltsrückstände sind daher nicht zu ersetzen3.
1416
Das zeitliche Ende der Ersatzverpflichtung ist durch drei Punkte gekennzeichnet:4 Das mutmaßliche Lebensende des getöteten Unterhaltsverpflichteten5, den Wegfall oder die Verringerung der Unterhaltsverpflichtung des getöteten Verpflichteten aus anderen Gründen und das tatsächliche Lebensende des Unterhaltsberechtigten. bb) Beendigungsgründe in der Person des Verpflichteten
1417
Ausgangspunkt ist die allgemeine Lebenserwartung der durch das Lebensalter gekennzeichneten Personengruppe, der die verstorbene Person angehörte und dessen besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind6. Ähnlich wie beim Erwerbsschaden ist die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten und damit die hypothetische Entwicklung seiner Unterhaltsverpflichtung einzuschätzen7.
1 BGH v. 19. 6. 1984 – VI ZR 301/82, MDR 1984, 1016 = NJW 1984, 2520 = VersR 1984, 936. 2 BGH v. 27. 1. 2004 – VI ZR 342/02, NJW-RR 2004, 821 = VersR 2004, 653. 3 BGH v. 9. 3. 1973 – VI ZR 119/71, MDR 1973, 662 = VersR 1973, 620; LG Düsseldorf v. 4. 11. 1999 – 13 O 309/99, SP 2000, 379. 4 S. auch Wussow, WI 1998, 75 f. 5 KG v. 23. 10. 1969 – 12 W 6556/69, VersR 1970, 350 (und 746). 6 BGH v. 27. 1. 2004 – VI ZR 342/02, NJW-RR 2004, 821 = VersR 2004, 653, BGH v. 25. 4. 1972 – VI ZR 134/71, MDR 1972, 769 = VersR 1972, 834; OLG Hamm v. 8. 9. 1998 – 9 U 86/98, MDR 1998, 1414. 7 BGH v. 11. 7. 1972 – VI ZR 21/71, MDR 1973, 129 = VersR 1972, 945.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1423 Teil 4
Der der Berechnung zugrunde zu legende mutmaßliche Todestag des durch den Unfall Getöteten ist der dem Todestag am nächsten liegenden Sterbetafel zu entnehmen1.
1418
Neben dem mutmaßlichen Todeszeitpunkt wird die fiktiv zu betrachtende Unterhaltsverpflichtung des Getöteten individuell beeinflusst durch eine eventuell von der statistischen Wahrscheinlichkeit konkret abweichende Lebenserwartung im Todeszeitpunkt (z.B. gesundheitsgefährdender Arbeitsplatz, schwere unfallfremde Erkrankung), alters- oder gesundheitsbedingte Herabsetzung der körperlichen Leistungsfähigkeit2 (z.B. Wegfall von Überstunden, Wegfall oder Unwirtschaftlichkeit von Nebentätigkeiten), Verdiensteinbußen (z.B. durch Wegfall des Arbeitsplatzes, Wegfall von Nebentätigkeiten) sowie die Reduzierung des Nettoeinkommens nach hypothetischer Verrentung des Getöteten.
1419
cc) Beendigungsgründe in der Person des Berechtigten Die Unterhaltsansprüche der Hinterbliebenen gegenüber dem Ersatzverpflichteten orientieren sich an Umfang und Ende der familienrechtlich geschuldeten Unterhaltsverpflichtung.
1420
Die Unterhaltsverpflichtung endet mit dem individuellen Tod des jeweiligen Unterhaltsberechtigten. Dessen statistische Lebenserwartung kann länger, ebenso aber auch kürzer als die des Unterhaltsverpflichteten sein.
1421
Beim hinterbliebenen Ehegatten endet der Schadensersatzanspruch nicht mit der Wiederheirat. Bei einer Wiederheirat ruht der Unterhaltsanspruch und kann nach Beendigung der neuen Ehe wieder aufleben3. Die Unterhaltspflichten des neuen Ehepartners sind aber zu berücksichtigen. Die individuelle Wahrscheinlichkeit einer Wiederheirat ist abhängig u.a. von Kinderzahl, Vermögen und sozialer Stellung, u.U. aber auch von der ethnischen Zugehörigkeit.
1422
Im Zuge der gesellschaftlichen Fortentwicklung ist auch die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft immer mehr in den Vordergrund gerückt4. Un-
1423
1 BGH v. 27. 1. 2004 – VI ZR 342/02, NJW-RR 2004, 821 = VersR 2004, 653; OLG Hamm v. 8. 9. 1998 – 9 U 86/98, MDR 1998, 1414. 2 BGH v. 7. 5. 1974 – VI ZR 10/73, MDR 1974, 1012 = NJW 1974, 1651 = VersR 1974, 1016, BGH v. 25. 4. 1972 – VI ZR 134/71, MDR 1972, 769 = VersR 1972, 834. 3 BGH v. 17. 10. 1978 – VI ZR 213/77, MDR 1979, 218 = NJW 1979, 268 = VersR 1979, 55; OLG Bamberg v. 22. 3. 1977 – 5 U 161/76, DAR 1977, 300 = r+s 1978, 18. 4 Groß, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht – Homburger Tage 1998 –, S. 15 hebt im Zusammenhang mit dem Verwandtenprivileg die zwischenzeitlichen gesellschaftlichen Veränderungen hervor und weist auf Kriterien hin, die sich in der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 87, 264) sowie des VIII. Zi-
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Teil 4
Rz. 1424
Personenschaden
terhaltsvergleichbare Leistungen begleiten die Aufnahme einer eheähnlichen Beziehung1. Diesem Umstand ist bei der Schadensberechnung anspruchsmindernd Rechnung zu tragen, auch wenn zum neuen Lebensabschnittspartner keine familienrechtliche Unterhaltsverpflichtung begründet wird, sondern allenfalls eine vertragliche. 1424
Den Waisen ist (wenn und solange sie bedürftig sind) Schadenersatz wegen entgangenen Barunterhaltes bis zum Ende der familienrechtlich geschuldeten Ausbildung zu zahlen. Der Betreuungsschaden tritt aber nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres daneben2. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres können Waisen keine Ansprüche wegen entzogenen Betreuungsunterhaltes mehr geltend machen.
1425
Regelmäßig ist die Unterhaltsrente eines Kindes auf die Vollendung des 18. Lebensjahres (Volljährigkeit)3 zu begrenzen (unter Berücksichtigung aller zukünftigen Entwicklungen4) und darüber hinaus nur durch Feststellungsurteil abzusichern5. Der familienrechtliche Barunterhaltsanspruch der Kinder endet häufig mit der Lehre (16.–18. Lebensjahr), kann allerdings bis zum 27. Lebensjahr (z.B. bei Studium) – u.U. auch darüber hinaus6 – andauern. Gegenüber volljährigen Kindern sind beide Eltern-
1
2
3 4 5 6
vilsenates des BGH (BGH v. 13. 1. 1993 – VIII ARZ 6/92, NJW 1993, 999) finden, um vielleicht schützenswerte nicht-eheliche Gemeinschaften zu typisieren. Jahnke, NZV 2007, 329. S. BGH v. 19. 6. 1984 – VI ZR 301/82, MDR 1984, 1016 = NJW 1984, 2520 = VersR 1984, 936: Geht eine Witwe nach dem Unfalltod ihres Ehemannes eine eheähnliche Beziehung ein, so ist der Wert der dem neuen Partner erbrachten Haushaltsführung als solcher nicht auf den Unterhaltsschaden anzurechnen. Allerdings sind unter dem Aspekt einer Erwerbsobliegenheit Einkünfte aus einer der Witwe zumutbaren und möglichen Arbeitsleistung schadensmindernd zu berücksichtigen (§ 254 Abs. 2 BGB); BGH v. 13. 3. 1996 – XII ZR 2/95, MDR 1996, 712 = NJW 1996, 1815 (Unterhaltspflicht eines nach der Scheidung zu einem Hausmann „Konvertierten“) sowie LG Zweibrücken v. 29. 6. 1993 – 3 S 94/93, NJW 1993, 3207 = VersR 1994, 819. OLG München v. 11. 5. 2005 – 20 U 5275/04; Jahnke, in Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (2004), S. 213. S. auch BGH v. 25. 4. 2006 – VI ZR 114/05, MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = VersR 2006, 1081 (Ein gesetzlich geschuldeter Unterhalt kann auch bei Gewährung des Unterhalts als Naturalunterhalt nach § 1612 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB vorliegen). OLG Hamm v. 19. 12. 1995 – 27 U 117/95, OLGR Hamm 1996, 67 = zfs 1996, 211. BGH v. 24. 4. 1990 – VI ZR 183/89, MDR 1990, 809 = VersR 1990, 907. BGH v. 15. 3. 1983 – VI ZR 187/81, MDR 1983, 835 = NJW 1983, 2197 = VersR 1983, 688. U.U. auch darüber hinaus: S. dazu OLG Köln v. 17. 2. 1989 – 20 U 37/87, VersR 1990, 1285 (nur Ls.) = zfs 1991, 11 (BGH hat die Revision teilweise nicht angenommen, Beschl. v. 20. 3. 1990 – VI ZR 127/89, MDR 1990, 1100 = VersR 1990, 748).
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1427 Teil 4
teile nur barunterhaltspflichtig, wenn und solange die Kinder noch bedürftig sind1. Während der Barunterhalt auch gegenüber volljährigen Berechtigten besteht, ist der Betreuungsunterhalt nur minderjährigen Kindern zu gewähren2. Betreuungsleistungen für ein volljähriges Kind sind keine Unterhaltsleistungen mehr. Leistungen, die ein Elternteil seinem Kind noch über die Vollendung seines 18. Lebensjahres hinaus in Natur erbringt, sind nicht mehr als Betreuungsunterhalt im Sinne von § 1606 Abs. 3 BGB zu werten3. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit endet die elterliche Sorge im Rechtssinne und – als Teil hiervon – die vor allem die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes beinhaltende Personensorge (§§ 1626, 1631 BGB) des betreuenden Elternteils. Damit entfällt nach dem Gesetz die Grundlage für eine Gleichbewertung von Betreuungsund Barunterhalt ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall etwa ein volljähriger Schüler weiter im Haushalt eines Elternteils lebt und von diesem noch gewisse Betreuungsleistungen erfährt4. Das gilt auch für die Pflege und Betreuung volljähriger Kinder. Nur im eng begrenzten Ausnahmefall können nach § 1612 Abs. 2 BGB Pflegeleistungen – unter Einrechnung erzielter Pflegegelder – als gesetzlich geschuldeter Naturalunterhalt (der bei nicht verheirateten Anspruchstellern auch deren Bedürftigkeit voraussetzt) angesehen werden5. Dabei reicht eine bloße Vereinbarung aber nicht aus; vielmehr muss diese bereits vor dem Unfalltod praktiziert, d.h. umgesetzt und verwirklicht worden sein6.
1426
dd) Veränderungen im weiteren Verlauf der hypothetischen Unterhaltsberechtigung Bei der Ermittlung des künftigen Unterschadens sind wirtschaftliche Veränderungen bei den Einkommensverhältnissen von Getötetem und Hinterbliebenen (z.B. eigener Rentenbezug des Hinterbliebenen wegen Erwerbsunfähigkeit oder Alter) ebenso zu beachten wie Veränderungen im familiären Rahmen (Herausfallen der Kinder aus der Unterhaltsberechtigung, Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit durch den hinterbliebenen Ehegatten). 1 BGH v. 9. 1. 2002 – XII ZR 34/00, NJW 2002, 2026 = MDR 2002, 826. Palandt/Diederichsen, § 1606 Rz. 9. 2 OLG Oldenburg v. 14. 8. 2009 – 6 U 118/09, NZV 2010, 156. 3 BGH v. 9. 1. 2002 – XII ZR 34/00, NJW 2002, 2026 = MDR 2002, 826; BGH v. 2. 3. 1994 – XII ZR 215/92, MDR 1994, 1013 = NJW 1994, 1530. 4 BGH v. 9. 1. 2002 – XII ZR 34/00, NJW 2002, 2026 = MDR 2002, 826; BGH v. 2. 3. 1994 – XII ZR 215/92, MDR 1994, 1013 = NJW 1994, 1530. 5 BGH v. 25. 4. 2006 – VI ZR 114/05, MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = VersR 2006, 1081. 6 BGH v. 25. 4. 2006 – VI ZR 114/05, MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = VersR 2006, 1081.
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Teil 4
Rz. 1428
Personenschaden
g) Steuer 1428
Nach §§ 2 I, 24 Nr. 1 lit. a EStG unterliegen (nur) „Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“, der Steuerpflicht. Allein die periodische Zahlungsweise führt nicht zur Steuerpflichtigkeit einer Zahlung. Für die steuerliche Behandlung wiederkehrender Leistungen kommt es vielmehr darauf an, ob die Schadensersatzrente einer bestimmten Einkunftsart des EStG zuzuordnen ist: Schadensersatzrenten sind bei periodischer Zahlungsweise (s. § 22 Nr. 1 EStG) vom Empfänger (dem Geschädigten) als Einkommen zu versteuern, es sei denn, bei einmaliger Leistung wäre die Ersatzleistung nicht steuerbar1. Werden Schadensersatzansprüche durch Einmalzahlung abgefunden, ist auch diese Abfindung steuerfrei, wenn und soweit es sich nicht um den Ersatz entgangener Einnahmen handelt2.
1429
Im Falle der Tötung wird nicht differenziert zwischen Barunterhalt und Naturalunterhalt; Anspruchsgrundlage ist stets der Unterhaltsschaden im Sinne des § 844 BGB. Die Schadenersatzrente nach § 844 Abs. 2 BGB (materieller Unterhaltsschaden, Haushaltsführungsschaden) unterliegt nicht der Einkommensteuerpflicht nach § 22 Nr. 1 EStG, da sie nur den durch das schädigende Ereignis entfallenden, nicht steuerbaren Unterhaltsanspruch ausgleicht und nicht Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 2 I 1 Nr. 1–7 EStG) genannten Einkunftsarten gewährt3.
1430
Zahlungen auf Unterhaltsschäden sind (kapitalisiert4 oder als Einmal-Betrag) nicht steuerpflichtig5.
1431
Soweit der hinterbliebene Ehegatte steuerliche Vorteile (z.B. Splittingtarif) verliert, ist dieses ein nicht ersatzfähiger mittelbarer Schaden6.
1 BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229, BFH v. 31. 7. 2002 – X R 39/0, HFR 2002, 1082, BFH v. 25. 10. 1994 – VIII R 79/91, VersR 1995, 856. 2 BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229. 3 BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229. In diesem Sinne ist bereits BFH v. 25. 10. 1994 – VIII R 79/91, VersR 1995, 856 zu verstehen; s. auch BGH v. 2. 12. 1997 – VI ZR 142/96, VersR 1998, 333. 4 BFH v. 25. 10. 1994 – VIII R 79/91, VersR 1995, 856. 5 BFH v. 26. 11. 2008 – X R 31/07, jurisPR-VerkR 4/2009 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = NJW 2009, 1229; OLG Brandenburg v. 20. 12. 2000 – 14 U 84/99, NZV 2001, 213; OLG Nürnberg v. 9. 4. 1997 – 4 U 1841/96, NZV 1997, 439 (Dienstherrnregress bei Tod eines Beamten). Jahnke, NJW-Spezial 2009, 601. 6 BGH v. 10. 4. 1979 – VI ZR 151/75, MDR 1979, 833 = NJW 1979, 1501 = VersR 1979, 670.
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VIII. Mittelbar Geschädigte
Rz. 1434 Teil 4
h) Drittleistungen Hinterbliebene (Witwe/Witwer, Waisen, aber auch geschiedene Partner) erhalten Leistungen (Hinterbliebenenrenten) von dritter Seite1. Es gelten dieselben Aspekte zur Anrechnung und zum Forderungsübergang wie beim Verdienstausfall.
1432
Ob sich die Drittleistungen mindernd auf Schadensersatzansprüche wegen entzogenen Unterhalts auswirken, entscheidet sich nach dem Zweck der Drittleistung. Soweit und sobald ein Empfänger von Drittleistungen in Erfüllung einer Abtretungsverpflichtung ihm nach anderweitigem früheren Rechtsübergang (z.B. nach § 116 SGB X) noch zustehende Schadensersatzansprüche an den Träger der Versorgung abgetreten hat, verliert er die Aktivlegitimation für die betroffenen Ansprüche2.
1433
Der Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung erlischt mit dem Tode, §§ 35, 49 SGB XI (siehe auch Rz. 600a). Leistungen für den Todesfall sieht das Gesetz nicht vor. Soweit teilweise Leistungen bis zum jeweiligen Monatsende abgerechnet (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB XI) werden, sind diese nicht kongruent zu Schadenersatzforderungen.
1434
1 Zu den einzelnen Leistungen s. ausführlich Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, Kap. 6 Rz. 272 ff. 2 BGH v. 1. 12. 2009 – VI ZR 221/08, jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 1 (Anm. Jahnke) = MDR 2010, 381 = NJW-RR 2010, 839 = VersR 2010, 642.
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Teil 5 Anwaltskosten Rz. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Regulierung 1. Sachverhaltsaufklärung, Sachverhaltsaufarbeitung a) Feststellung der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit von Drittleistungsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . . . d) Behauptungen des Mandanten e) Sachverständige/Gutachten im Personenschaden . . . . . . . . . . . . f) Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . g) Ermittlungen aa) Recherche . . . . . . . . . . . . . . . bb) Belohnung . . . . . . . . . . . . . . cc) Detektiv . . . . . . . . . . . . . . . . h) Aktenauszug aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . bb) Abrechnung (1) Honorarvereinbarung, übliche Vergütung . . . (2) Abrechnungsmodalität . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Erstattung . . . . . 2. Korrespondenz a) Rechtshinweis . . . . . . . . . . . . . . b) Kontakt Partei zu Partei . . . . . . 3. Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . .
3 7 8 12 15 19 21 24 25 26 28 30 37 39 40 42
III. Mandatsverhältnis 1. Bevollmächtigung a) Erteilung der Vollmacht . . . . . . b) Erlöschen der Vollmacht . . . . . 2. Parteiverrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beratung a) Beratungspflicht . . . . . . . . . . . . . b) Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . c) Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . 4. Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . 6. Abfindung, Erledigung . . . . . . . . . .
44 47 50 56 59 61 62 64 70
IV. Gebührenrechtliche Abgeltung 1. Außergerichtliches Gebührenverfahren a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Rz. b) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mandatsverhältnis – Schadenersatzverhältnis . . . . . . . . . . . . . aa) Mandatsverhältnis . . . . . . . bb) Schadenersatzverhältnis . . cc) Abgleich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtliches Verfahren a) Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilgerichtlicher Vergleich . . . 3. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . .
76 80 85 87 89 90 91 96
V. Anfall und Erstattung 1. Erstattung im Schadenersatzverhältnis a) Anwaltskosten als Schadenersatz aa) Anspruchsgrund (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . 102 (2) §§ 91 ff. ZPO . . . . . . . . 103 (3) Haftung im Rahmen vertraglicher oder schuldrechtlicher Beziehungen . . . . . . . . . . . 104 (a) Verzug . . . . . . . . . . . . . . 105 (b) Verschulden bei Vertragsschluss, positive Vertragsverletzung . . . 115 (4) Überzogene Ansprüche 117 (5) Aufwendungsersatz . . 118 (6) Haftpflichtschadenregulierung (a) Ausnahmetatbestand . 119 (b) Schutzbedürftigkeit, Waffengleichheit . . . . . 121 (c) Rückkehr zum Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (d) Einfach gelagerter Sachverhalt . . . . . . . . . 127 (e) Anwalt in eigener Angelegenheit . . . . . . . . . . 130 (f) Rechtsnachfolger . . . . 134 (g) Fehlender Versicherungsschutz . . . . . . . . . 138 bb) Anspruchshöhe (1) Erforderliche Rechtsverfolgungskosten . . . 140 (2) Schadenminderungspflicht, § 254 BGB . . . 141
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Teil 5
Anwaltskosten Rz.
(3) Ortsansässiger Anwalt (4) Anwaltswechsel . . . . . b) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tätigkeiten außerhalb der zivilrechtlichen Schadenregulierung a) Tätigkeiten im Verhältnis zum Versicherer des Mandaten aa) Verfolgung eigener Versicherungsansprüche (1) Kostentragung des angegangenen Versicherers . . . . . . . . . . . . (2) Schadenersatzanspruch gegen Dritte bb) Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung cc) Abwicklung des Haftpflichtgeschehens . . . . . . . . b) Anderweitige Verfahren aa) Sozial- bzw. Arbeitsrechtsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vormundschaftsgericht . . . c) Strafverfahren aa) Nebenklage . . . . . . . . . . . . . bb) Adhäsionsverfahren . . . . . . d) Verteidigung gegenüber öffentlich-rechtlichen Maßnahmen .
144 146 148
158 160 162 168 171 172 173 177 182
VI. Gebührenabkommen . . . . . . . . . . . 184 VII. Gebührentatbestände . . . . . . . . . . . 188 1. Geschäftsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mandatsverhältnis . . . . . . . . . . . b) Rahmengebühr . . . . . . . . . . . . . . c) Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einfache Tätigkeiten . . . . . . . . . f) Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einigungsgebühr, Vergleichsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitlicher Anwendungsbereich aa) Einigungsgebühr (Mandat nach dem 30. 6. 2004 erteilt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichsgebühr (Mandat vor dem 1. 7. 2004 erteilt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abrechnung und Vergleich . . . c) Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abfindungsvereinbarung . . . . . e) Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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190 191 193 196 198 200 201 203 208
Rz. 4. Erhöhungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . a) Getrennte Mandate . . . . . . . . . . b) Gemeinsames Mandant . . . . . . c) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hebegebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nebenkosten a) Auslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlungsakte . . . . . . . . . . . . . c) Reisekosten . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 224 226 231 236 241 245 246
VIII. Streitwert 1. Mandatsverhältnis – Schadenersatzverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Mandatsverhältnis . . . . . . . . . . . 248 b) Schadenersatzverhältnis . . . . . . 249 2. Gegenstandswert . . . . . . . . . . . . . . . 255 3. Dieselbe Angelegenheit . . . . . . . . . 258 4. Mehrere Verhandlungen und Abrechnungsschritte . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Vereinzelung . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Sukzessives Geltendmachen . . 264 c) Wiederkehrende Leistungen . . 266 d) Zwischenvergleich . . . . . . . . . . . 270 e) Berechnungsgrundlage bei Kapitalisierung von wiederkehrenden Leistungen aa) Außergerichtliche Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 bb) Gerichtsverfahren . . . . . . . 276 5. Teilerledigung a) Zwischenvergleich . . . . . . . . . . . 279 b) Abfindungsvorbehalt . . . . . . . . . 280 c) Teilerledigung vor Auftrag . . . . 281 6. Anderweitige Forderungen a) Forderungsübergang . . . . . . . . . . 283 b) Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung . . . . . . . . . . . 286 c) Leasing, Sicherungseigentum . 288 7. Differierende Streitwerte verschiedener Gebührentatbestände . . . . . . 289 IX. Einzelaspekte
209 212 215 217 220 222
1. Versicherungsnehmer a) AKB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Gestellter Unfall . . . . . . . . . . . . . 294 2. Anwaltliche Honorarvereinbarung a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 3. Mehrheit von Haftpflichtigen bzw. Versicherern (Gesamtschuld) 304 4. Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . 306
I. Einleitung
Rz. 1
Teil 5
Literatur: Baldus, Die Besprechungsgebühr in der Unfallschadenregulierung, zfs 1989, 397; Balke, Die Prüfungs- und Bearbeitungsfrist des Kfz-Haftpflichtversicherers, SVR 2009, 457; Beck, Abrechnung nach dem Gebührenmodell Gebhardt/Greißinger, Differenzgebühr, DAR 1998, 41; Burhoff, Erstreckung der Bestellung eines Rechtsanwaltes auch auf das Adhäsionsverfahren?, RVGreport 2008, 249; Buse, Von Anwalt zu Anwalt – international, DAR 2001, 536; Gehrlein, Keine Ersetzung eines Gerichtsgutachtens durch Privatgutachten, VersR 2003, 574; Greger, DAV-Regulierungsempfehlungen: Gebühren bei Teilerledigung, NZV 1997, 263; Greißinger, Erstattbarkeit von Rechtsanwaltskosten bei der Kfz-Schadenregulierung, zfs 1999, 504; Greißinger, Regulierungs- und Gebührenempfehlungen für KH-Schäden, zfs-Sonderheft 2002, 6; Hansens, Die Gebührenerhöhung gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO, AnwBl 2001, 581; Hansens, Erfolgshonorar- und Vergütungsvereinbarung ab 1. 7. 2008, RVGreport 2008, 282; Höfle, Die Interessenkollision im Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, zfs 2002, 413; Jahnke, Anfall und Erstattung der Besprechungsgebühr (§ 118 I Nr. 2 BRAGO) bei der Regulierung von Schadenfällen, VersR 1991, 264; Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, 1. Aufl., Bonn 2001; Jahnke, Entgeltfortzahlung und Regress des Arbeitgebers im Schadenfall seines Arbeitnehmers, NZV 1996, 177; Jahnke, Steuern und Schadenersatz, r+s 1996, 205; Jungbauer, Abrechnung nach den Regulierungsempfehlungen als „Verzichtsfalle“?, DAR 2006, 357; Kersting/ Reuter, Die Anrechnung bei unterschiedlichen Gegenstandswerten und gleichen oder verschiedenen Gebührensätzen (§§ 39, 43 118 BRAGO), MDR 1984, 445; Kilger, Freie Rechtsberatung in Verkehrssachen?, zfs 2005, 216; Madert, Anwaltsgebühren für die Regulierung von Verkehrsunfallschäden, zfs 1990, 288, 361; Möhlenkamp, Haftungsrechtliche Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren für die Einholung einer Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer, VersR 2011, 190; Neidhart, Straßenverkehrsrechtliche Probleme in Spanien, DAR 2001, 536; Neidhart, Adhäsionsverfahren – ein kurzer Ländervergleich. Schadenersatz im Strafverfahren nach Verkehrsstraftaten“ (Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweiz, Spanien), DAR 2006, 415; Peitscher, Interessenkollision bei der Vertretung von Kfz-Insassen, ZAP 2004 Fach 23, 647; Schäpe, (Steuer)rechtliche Probleme bei der Aktenversendungspauschale, DAR 2008, 114; Schneider, Probleme der Gebührenanrechnung zum Jahreswechsel, AnwBl 2002, 103; von Seltmann, Die Neuregelung des anwaltlichen Erfolgshonorars – und was sich sonst noch ändert, BRAK-Mitt 2008, 99; Sinhuber, Aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, MDR 1986, 984; Tomson, Kosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung bei der Schadenregulierung, VersR 2010, 1428; Vossler, Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen und Gerichtsstand für anwaltliche Honorarklagen, NJW 2003, 1164; Wirsching, Vertretung von Fahrer und Beifahrer – ein Fall der Interessenkollision, DAR 2004, 173; Zwerger, Gebühren für die außergerichtliche Regulierung von Verkehrsunfallschäden in den wichtigsten europäischen Reiseländern durch deutsche Rechtsanwälte, DAR 1988, 321.
I. Einleitung Die anwaltliche Tätigkeit spiegelt sich wieder in der Abrechnung der Gebühren nach getaner Arbeit; beiden Komponenten ist allerdings gebührende Beachtung zu schenken. Leider stehen nicht immer anwaltlicher Jahnke
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Teil 5
Rz. 2
Anwaltskosten
Zeitaufwand und gebührenrechtliche Abwicklung in einem angemessenen Verhältnis. 2
Anwaltskosten sind nicht fiktiv zu erstatten. Sie fließen insbesondere nicht in die Bewertung der zivilrechtlichen Erstattungsansprüche im Rahmen von § 110 SGB VII ein.
II. Regulierung1 1. Sachverhaltsaufklärung, Sachverhaltsaufarbeitung a) Feststellung der Beeinträchtigung 3
Bei der Ermittlung des Umfanges der Verletzungen hat der Verletzte dadurch mitzuwirken, dass er aussagekräftige ärztliche Unterlagen zur Prüfung des Verletzungsumfanges beibringt2 bzw. dem Versicherer die notwendigen Schweigepflichtentbindungserklärungen zur Verfügung stellt3. Lehnt ein Verletzter medizinische Begutachtungen ab, kann dies zu seinen Lasten im Prozessfall gehen4.
4
Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Sachschäden.
5
Zur Ermittlung der Schäden bedarf es konkreter Anknüpfungstatsachen, die der Geschädigte substantiiert darlegen und nachweisen muss5. Beweisantritt durch „Einvernahme des Steuerberaters“ oder „Einholung eines Sachverständigengutachtens“ ersetzt nicht substantiiertes Vorbringen6.
6
Die Feststellung der Verletzungen im gerichtlichen Beweissicherungsverfahren ist regelmäßig nicht erforderlich; die damit verbundenen er-
1 S. ergänzend Teil 4 I Rz. 149 ff. 2 S. OLG Hamm v. 8. 6. 1994 – 32 U 166/90, zfs 1996, 11; AG Beckum v. 15. 7. 1997 – 7 C 89/97, r+s 1997, 458 (Anm. Lemcke insbesondere zum HWS-Schaden). 3 BGH v. 11. 10. 1983 – VI ZR 251/81, VersR 1984, 79. S. auch OLG Stuttgart v. 17. 9. 1993 – 2 W 26/93, SP 1994, 227 (Recht auf Einsicht in Originalunterlagen). 4 OLG Koblenz v. 14. 11. 1994 – 12 U 1830/93, r+s 1996, 403 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 7. 11. 1995 – VI ZR 393/94) (Absehen von weiterer Gutachteneinholung und Rückgriff auf anderweitige Sozialgerichtsakten, als Verletzter die Begutachtung durch Gerichtsgutachter ablehnte). 5 BGH v. 5. 4. 2005 – VI ZR 21/03 (Trotz mehrfacher Aufforderung durch das OLG hatte ein selbständiger Bauunternehmer seinen Steuerberater nicht von der Schweigepflicht entbunden, sondern wollte stattdessen seinen Verdienstausfall abstrakt berechnen); BGH v. 3. 3. 1998 – VI ZR 385/96, NJW 1998, 1634; OLG Frankfurt v. 11. 3. 2004 – 26 U 28/98, zfs 2004, 452 (Anm. Diehl); OLG München v. 15. 9. 2006 – 10 U 3622/99, r+s 2006, 474 (Anm. Lemcke). 6 OLG Karlsruhe v. 14. 7. 2004 – 7 U 18/03, VersR 2005, 420; AG Düsseldorf v. 18. 2. 2004 – 22 C 15432/03, SP 2004, 262.
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II. Regulierung
Rz. 11 Teil 5
höhten Aufwendungen insbesondere für Anwalt und Gericht sind vom Schädiger nicht zu tragen1. b) Zuständigkeit von Drittleistungsträgern Anlässlich der Personenschadenregulierung hat der Anwalt nicht nur den zivilrechtlichen Anspruch zum Grund und zur Höhe darzustellen; er hat auch anderweitige, vor allem (sozial-)versicherungsrechtliche Umstände und Absicherungen des Mandanten im Auge zu behalten2.
7
c) Hinweispflicht Den Anspruchsberechtigten treffen im Rahmen der Schadenabwicklung originäre Aufklärungs- und Hinweispflichten.
8
Soweit Dritte (z.B. Eltern, Ehegatten) für den unmittelbar Verletzten gehandelt haben, trifft den Verletzten bzw. seinen Vertreter (Anwalt, Vormund, Pfleger, Eltern) eine Nachforschungs- und Erkundigungspflicht.
9
Der Geschädigte hat unaufgefordert auf Leistungen von dritter Seite3 bzw. bei Drittleistungsträgern (insbesondere Sozialversicherungsträgern) gestellte Leistungsanträge4 hinzuweisen. Sind Anträge und Anerkennungsverfahren bei Drittleistungsträgern (z.B. Rentenversicherung, vor allem aber Unfallversicherung) noch nicht endgültig beschieden oder laufen Sozialgerichtsverfahren, besteht hierzu ebenfalls eine Erklärungsverpflichtung5.
10
Der Schadenersatzberechtigte ist verpflichtet, unaufgefordert tatsächlich erzieltes Einkommen zu offenbaren6.
11
1 S. OLG Düsseldorf v. 24. 11. 1981 – 4 U 105/81, VersR 1982, 1147. 2 S. ergänzend Teil 4 I Rz. 153 ff. 3 OLG Hamm v. 3. 4. 2001 – 27 U 199/00, OLGR Hamm 2002, 7 = VersR 2002, 483 (Ein Geschädigter, der eine Unfallrente des GUV erhalten hat, kann in Höhe dieser Leistungen den dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichteten Versicherer nicht aus einem zum Vergleich des Verdienstausfallschadens geschlossenen Abfindungsvergleich in Anspruch nehmen, wenn er den Versicherer vor Vergleichsabschluss pflichtwidrig nicht auf die in jenem Zeitpunkt bereits anerkannte Leistungspflicht des Sozialversicherers hingewiesen hat). 4 OLG Hamm v. 3. 4. 2001 – 27 U 199/00, OLGR Hamm 2002, 7 = VersR 2002, 483 (Verschweigen, dass der Unfall nach vorangegangener Ablehnung seitens des Unfallversicherers dann doch als Arbeitsunfall anerkannt wurde und eine Verletztenrente gewährt wird). 5 OLG Hamm v. 3. 4. 2001 – 27 U 199/00, OLGR Hamm 2002, 7 = VersR 2002, 483. 6 Vgl. OLG Hamm v. 26. 11. 1997 – 13 U 92/96, NZV 1999, 248 = VersR 2000, 234 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 29. 9. 1998 – VI ZR 364/97). S. auch BAG v. 8. 5. 2007 – 9 AZR 527/06, NJW 2007, 3594.
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Teil 5
Rz. 12
Anwaltskosten
d) Behauptungen des Mandanten 12
Da es zu den wesentlichen Pflichten des Rechtsanwaltes gehört, den Sachverhalt unter Konzentration auf die rechtlich entscheidenden Tatsachen vollständig zu erfragen und dabei insbesondere die tatsächlichen Grundlagen für die in den Rechtsbehauptungen des Mandanten steckenden rechtlichen Wertungen zu erforschen, begründen unzutreffende Rechtsbehauptungen des Mandanten nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens1.
13
Der Rechtsanwalt darf sich regelmäßig auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Auftraggebers verlassen und muss keine eigenen Nachforschungen anstellen2. Ein Anwalt kann solange auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Mandanten vertrauen, als er die Unrichtigkeit weder kennt noch erkennen muss.
14
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen, die Verwendung von Rechtsbegriffen oder für rechtliche Wertungen. Insoweit darf sich der Anwalt keineswegs mit der Auskunft des Mandanten zufrieden geben, sondern muss – gegebenenfalls durch Rückfragen – eine eigene Klärung herbeiführen3. e) Sachverständige/Gutachten im Personenschaden
15
Gutachterkosten sind nicht fiktiv zu erstatten4.
16
Privatgutachten können im Rahmen des § 91 ZPO im Einzelfall ausnahmsweise erstattungsfähig sein5. Die Einholung eines Privatgutach1 LG Gießen v. 18. 2. 2009 – 1 S 231/08, VersR 2010, 949. 2 BGH v. 7. 3. 1995 – VI ZB 3/95, NJW-RR 1995, 825 = VersR 1995, 931; LG Gießen v. 18. 2. 2009 – 1 S 231/08, VersR 2010, 949. 3 BGH v. 7. 3. 1995 – VI ZB 3/95, NJW-RR 1995, 825 = VersR 1995, 931 (Zwar kann grundsätzlich ein Rechtsanwalt solange auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Mandanten vertrauen, als er die Unrichtigkeit weder kennt noch erkennen muss. Dies gilt aber dort nicht, wo es sich um sog. Rechtstatsachen handelt, zu denen die Urteilszustellung gehört. In einem solchen Fall darf sich der Anwalt keineswegs ohne weiteres mit der Auskunft des Mandanten zufrieden geben, sondern muss gegebenenfalls durch Rückfragen eine eigene Klärung herbeiführen.); BGH v. 21. 4. 1994 – IX ZR 150/93, MDR 1994, 837 = NJW 1994, 2293 = VersR 1994, 1344; LG Gießen v. 18. 2. 2009 – 1 S 231/08, VersR 2010, 949. 4 OLG Celle v. 26. 11. 2008 – 14 U 45/08, OLGR Celle 2009, 354 = SP 2009, 187. 5 BGH v. 17. 12. 2002 – VI ZB 56/02, r+s 2004, 128 (Kosten für ein vorprozessual erstattetes Privatgutachten sind erstattungsfähig, wenn das Gutachten nicht nur der Schadenfeststellung dient, sondern auch die Position des Auftraggebers im angedrohten Rechtsstreit stützen soll); OLG Düsseldorf v. 18. 5. 2001 – 1 W 16/01, VersR 2003, 524 (Verdacht auf manipulierten Unfall); OLG Koblenz v. 8. 3. 2001 – 14 W 152/01, VersR 2002, 1531 (Partei war nach den seinerzeit bestehenden Erkenntnismöglichkeiten auf sachverständigen Rat angewiesen, um einem für sie negativen gerichtlichen Gutachten entgegen zu treten); OLG Koblenz v. 27. 12.
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II. Regulierung
Rz. 17 Teil 5
tens1 kann u.a. als zur zweckentsprechenden Prozessführung notwendige Maßnahme gewertet werden, wenn das Gutachten mit Rücksicht auf einen sich bereits abzeichnenden Prozess eingeholt wurde und erforderlich war, um das Bestehen von Ansprüchen festzustellen oder Unterlagen für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu beschaffen und letztlich damit den Prozessverlauf zu fördern. Selbst während eines anhängigen Rechtsstreites eingeholte Privatgutachten können in Ausnahmefällen, die freilich eng begrenzt sind (z.B. Gründe der Waffengleichheit2, Substantiierungsaufforderung, der anders nicht nachgekommen werden kann3) erstattungsfähig sein4. Privatgutachten zu Rechtsfragen – auch des europäischen Rechts – sind grundsätzlich nicht zu ersetzen5. Ob und in welchem Umfang vorprozessual eingeholte Gutachten vom Ersatzpflichtigen zu bezahlen sind, hängt vom Einzelfall ab. Während Gutachten zu Sachschäden (Kfz- und Gebäudegutachten) von eigener, auf den Personenschaden nicht übertragbarer Problematik gekennzeich-
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2001 – 14 W 852/01, VersR 2002, 1531 (Ergänzender Parteivortrag war nur aufgrund sachverständiger Beratung möglich); OLG Nürnberg v. 20. 7. 2001 – 4 W 1826/01 (Ersatz für prozessbegleitende Gutachten nur unter engen Voraussetzungen); OLG Nürnberg v. 18. 6. 2001 – 4 W 2053/01, MDR 2001, 1439 = OLGR Nürnberg 2001, 368 (Ersatz für prozessbegleitende Gutachten nur unter engen Voraussetzungen); OLG Rostock v. 22. 12. 2000 – 8 W 256/00, VersR 2001, 1534 (Schlüsselgutachten eines Kaskoversicherers); OLG Stuttgart v. 30. 1. 2001 – 8 W 634/00, VersR 2001, 1535 (Keine Erstattungsfähigkeit eines gemäß Versicherungsbedingungen einzuholenden Privatgutachtens eines BUZ-Versicherers im nachfolgenden Deckungsprozess); LG Münster v. 2. 11. 1998 – 2 O 197/97, SP 1999, 61; LG Wuppertal v. 26. 9. 2001 – 6 T 689/01, SP 2002, 35. S. auch BGH v. 10. 10. 1996 – IX ZR 294/95, NJW 1997, 250 (Die Kosten eines überflüssigen Privatgutachtens hat der wegen fehlerhafter Beratung in Anspruch genommene Anwalt dem Mandanten nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dann nicht zu ersetzen, wenn Kosten in gleicher Höhe für ein anderes Gutachten hätten aufgewandt werden müssen, die nunmehr erspart werden, weil es sich im Regressprozess – und nur hier – um Prozesskosten handelt). Ergänzend zum Thema: Gehrlein VersR 2003, 574. S. auch LG Berlin v. 13. 3. 2001 – 7 O 76/00, r+s 2002, 220 (Es besteht grundsätzlich keine Vorlegungspflicht des Versicherers für ein von ihm in Auftrag gegebenes Schadengutachten gegenüber dem Versicherungsnehmer). OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11. 12. 1996 – 3 W 152/96, NJW-RR 1997, 613. OLG Frankfurt v. 7. 3. 2002 – 18 W 32/02, SP 2003, 148; OLG Hamburg, Beschl. v. 22. 5. 1997 – 8 W 94/97, MDR 1997, 785; OLG Stuttgart v. 14. 9. 1995 – 14 U 27/95, MDR 1996, 368 (nur Ls.) = NJW-RR 1996, 255 = VersR 1997, 630. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14. 4. 1994 – 10 W 48/94, OLGR Düsseldorf 1994, 251 (Keine Kosten notwendiger Rechtsverfolgung, wenn die Partei das Gutachten nur für die Abfassung ihres Vorbringens verwertet, ohne es in den Rechtsstreit einzuführen). OLG München v. 11. 4. 2000 – 11 W 1298/00, AnwBl 2001, 442 (Konkret hat das OLG eine Ausnahme für urheberrechtliche Fragen allerdings zugelassen).
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Teil 5
Rz. 18
Anwaltskosten
net sind1, sollte im Personenschaden die Einschaltung von Sachverständigen einvernehmlich erfolgen. Nicht jede vom Verletzten selbst eingeholte Stellungnahme (z.B. eines Steuerberaters2 oder Arztes) ist ohne weiteres zu erstatten; Erforderlichkeit und Brauchbarkeit deren Aussagen unterliegen mit Blick auf das Vorantreiben der außergerichtlichen Regulierung strenger Prüfung3. Kosten für Steuerberater4, Rentenberatung o. ä. anlässlich der Schadenabwicklung sind regelmäßig nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB und daher nicht zu erstatten. 18
Zum verfolgten Schadenersatzanspruch muss der Anwalt eigenverantwortlich vortragen. Bedient er sich dabei fremder Hilfe (z.B. eines Sachverständigen für Haushaltshaltsführungsschäden), ist dieser Aufwand vom Schädiger nicht zu ersetzen. Es ist Aufgabe des Anwaltes, in diesem Bereich zu ermitteln und vorzutragen; der Aufwand ist mit den zu erstattenden Anwaltskosten abgegolten. OLG Celle5 und OLG Hamm6 lehnen die Erstattung von Gutachterkosten für die Bezifferung von Verdienstausfallansprüchen und Haushaltsführungsschäden ab. f) Akteneinsicht
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Dritten Personen im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO steht ohne die Einwilligung der Parteien ein Recht auf Einsicht in die Akten nur dann zu, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
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Die gesetzliche Unfallversicherung, die an den Geschädigten eines Verkehrsunfalls, der Gegenstand des Zivilverfahrens ist, Leistungen erbracht und daher zu prüfen hat, ob auf Grund des im Umfang der Leistungserbringung erfolgten gesetzlichen Übergangs eines möglichen Schadensersatzanspruchs bei einem Schädiger Schadensersatz verlangt werden kann, hat ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Akten
1 S. Teil 3 Rz. 299 ff. 2 Zum familienrechtlichen Unterhaltsrecht differenzierend: BGH v. 13. 4. 1988 – IVb ZR 46/87, FamRZ 1988, 820; OLG Köln v. 9. 7. 1997 – 27 UF 22/97, JMBl NW 1997, 233. 3 LG Bochum v. 16. 5. 1988 – 8 O 134/88, zfs 1988, 383, 386 (Verletzung der Schadenminderungspflicht, wenn Verletzter selbst ein ärztliches Attest einfordert, obwohl der Haftpflichtversicherer dieses bereits veranlasst); AG Langenfeld v. 12. 5. 1999 – 31 C 134/98, SP 1999, 342 (Keine Erstattung der Attestkosten bei fehlerhafter Diagnose); AG Garmisch-Partenkirchen v. 24. 4. 1990 – 7 C 196/90, zfs 1990, 339. 4 OLG Celle v. 15. 5. 2007 – 14 U 56/06, OLGR Celle 2007, 505 = SVR 2008, 219 (Anm. Jokisch); OLG Nürnberg, Verfügung v. 6. 7. 2004 – 2 U 1260/04, NZV 2008, 349 (Anm. Küppersbusch). 5 OLG Celle. v. 26. 11. 2009 – 5 W 67/09; AG Stadthagen v. 17. 11. 2010 – 41 C 66/10 (VII). 6 OLG Hamm v. 6. 12. 2010 – 13 U 172/09, I-13 U 172/09, MDR 2011, 424.
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II. Regulierung
Rz. 22 Teil 5
des Zivilverfahrens, so dass ihr im Rahmen des insoweit auszuübenden Ermessens Akteneinsicht zu gewähren ist1. g) Ermittlungen aa) Recherche Nicht erstattungsfähig sind Allgemeinkosten des Anwaltes, z.B. Datenbankrecherchen2 oder Anschaffung von spezieller Literatur (z.B. Schmerzensgeldtabelle, Fachliteratur und Monographien zu einzelnen Schadensersatzthemen, Anschaffung medizinischer Fachliteratur3) sowie die Beschaffung von Entscheidungen, Zeitschriften etc. Auch die Kosten für spezielle Aus- und Fortbildung sind durch die allgemeinen Anwaltsgebühren abgegolten.
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Gleiches gilt für Rechercheaufwand (z.B. zur Ermittlung einer Anwaltsadresse; Internet-Recherche4 für Allgemeininformationen, Ärzte, Berater, Heilvorschläge; Juris-Recherche5 u. ä.).
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1 OLG Schleswig-Holstein v. 20. 1. 2009 – 12 Va 11/08 – DGUV-Forum 2009, Nr 7/8, 45 (Anm. Konradi). 2 OLG Stuttgart v. 12. 3. 1998 – 8 W 74/97, NJW-RR 1999, 437. 3 S. auch: BFH v. 24. 10. 1995 – III R 106/93, NJW 1996, 1623 (Aufwand für medizinische Fachliteratur ist auch dann nicht als „außergewöhnliche Belastung“ zu berücksichtigen, wenn die Literatur dazu dient, die Entscheidung für eine bestimmte Therapie oder für die Behandlung durch einen bestimmten Arzt zu treffen); BFH v. 6. 4. 1990 – III R 60/88, DB 1990, 2402 (Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Arzneimittel ohne schriftliche ärztliche Verordnung und für medizinische Fachliteratur sind in aller Regel keine „außergewöhnliche Belastung“); OLG Düsseldorf v. 6. 3. 1989 – 3 Ws 343/87, 3 Ws 344/87, NStE Nr. 6 zu § 464a StPO (Keine Kostenerstattung für Privatgutachten, Anschaffung medizinischer Fachliteratur sowie für Akten- und Literaturstudium). 4 OLG Stuttgart v. 23. 5. 2000 – 8 W 236/00, MDR 2000, 1398 = OLGR Stuttgart 2000, 313; OLG Stuttgart v. 12. 3. 1998 – 8 W 74/97, NJW-RR 1999, 437 = OLGR Stuttgart 1998, 264 (Allgemeinkosten des Anwaltes wie z.B. Datenbankrecherche in juris sind nicht erstattungsfähig). 5 LG Köln v. 11. 3. 1991 – 105 Qs 153/91, ags 1992, 14 (Zu den notwendigen Auslagen des Angeklagten zählen nicht die Kosten einer Juris-Anfrage seines Verteidigers. Die Anlage- und Betriebsgebühren für das Juris-System sind als allgemeine Geschäftsunkosten durch die Gebühren der §§ 25 ff. BRAGO abgegolten. Die Kosten einer Juris-Anfrage sind weder als Schreibauslagen für Abschriften oder Ablichtungen noch als Post- oder Fernschreibgebühren anzusehen. Handelt es sich um einfache tatsächliche Probleme im Rahmen eines Strafverfahrens, sind Juris-Kosten als nicht notwendige Kosten in keinem Fall erstattungsfähig.). Für Erstattungsfähigkeit einer einzelfall-bezogenen Juris-Recherche: SG Berlin v. 21. 1. 1994 – S 25 J 278/91, AnwBl 1994, 367 (Juris-Kosten sind, wenn sie zu einer speziellen Rechtsfrage einzelfall-bezogen stattfinden, erstattungsfähig); SG München v. 29. 9. 1992 – S 36 Al 1092/91, AnwBl 146 (Anm. Jordan/Konradi-Martin, AnwBl 1994, 117) = NJW-RR 1993, 381.
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Teil 5 23
Rz. 23
Anwaltskosten
Kosten für sonstige Auskunftsdienste sind nicht zu ersetzen. Zu den allgemeinen Geschäftskosten zählen auch Mitgliedsbeiträge bei einer Kreditauskunft (Creditreform u. ä.) oder bei sonstigen Fachvereinigungen. bb) Belohnung
24
Zur Ermittlung des Ersatzpflichtigen oder Unfallzeugen ausgelobte Belohnungen können erstattungsfähig sein. Der Umfang der Erstattung orientiert sich an der Bedeutung der Sache, dem Streitwert und der Verhaltensweise des Gegners1. cc) Detektiv
25
Detektivkosten sind, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, zu ersetzen2. h) Aktenauszug aa) Allgemeines
26
Der Anwalt darf ohne Verstoß gegen die Interessenwahrnehmungspflichten gegenüber seinem Mandanten auch dem Anspruchsgegner, wenn dieser es wünscht, auf dessen Kosten einen Auszug aus der polizeilichen Ermittlungsakte zur Verfügung stellen3.
27
Für unaufgefordert dem Anspruchsgegner übersandte Aktenauszüge besteht regelmäßig kein Erstattungsanspruch. bb) Abrechnung (1) Honorarvereinbarung, übliche Vergütung
28
Das RVG regelt Gebühren im Mandatsverhältnis; ein solches kommt aber zwischen dem einen Geschädigten vertretenden Anwalt und der 1 OLG Düsseldorf v. 26. 9. 2000 – 4 U 212/99, r+s 2001, 396; OLG Koblenz v. 12. 9. 1974 – 6a W 446/74, VersR 1975, 933; AG Iserlohn v. 18. 12. 1984 – 4 C 657/84, zfs 1985, 104; AG München v. 16. 7. 1980 – 28 C 1042/80, VersR 1981, 195 (Belohnung bis zu 10 % des Schadens). 2 BGH v. 24. 4. 1990 – VI ZR 110/89, MDR 1990, 1099 = VersR 1990, 749; OLG Düsseldorf v. 26. 9. 2000 – 4 U 212/99, r+s 2001, 396; OLG Hamm v. 13. 10. 1982 – 23 W 236/82, VersR 1983, 498. Teilweise wird die Erstattung nur in engen Grenzen angenommen, s. dazu OLG Hamburg v. 14. 8. 2000 – 8 W 188/00, MDR 2000, 1459 = VersR 2001, 1534 m.w.N. 3 OLG Hamburg v. 19. 1. 1995 – 1 Ws 12/95, VersR 1996, 1428 (Nichtverfahrensbeteiligten Dritten kann trotz Fehlens einer gesetzlichen Grundlage nach Maßgabe der Nr. 185 III RiStBV unter verfassungskonformer Abwägung der betroffenen Interessen Akteneinsicht gewährt werden).
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II. Regulierung
Rz. 31 Teil 5
gegnerischen Versicherung gar nicht erst zustande (§ 43a Abs. 4 BRAO). Die Kosten für die Erstellung eines Ermittlungsaktenauszuges regelt seit vielen Jahren eine Vereinbarung zwischen DAV und HUKR-Verband bzw. GDV1. Diese die Honorierung für Akteneinsicht und Aktenauszüge aus Unfallakten für die Versicherung regelnde Vereinbarung ist durch das Inkrafttreten des RVG nicht weggefallen, sondern besteht nach wie vor. Diese Vereinbarung zur Beschaffung von Aktenauszügen darf nicht verwechselt werden mit der Regulierungsempfehlung2 zur Abwicklung von Kfz-Haftpflichtschäden, der durch das RVG ihre Grundlage entzogen wurde. Im übrigen wäre die übliche Gebühr abzurechnen, die sich aufgrund allgemeiner Handhabung an den früheren Empfehlungen ausrichtet3. Die darin enthaltenen Bestimmungen bilden die „übliche Vergütung“ (s. §§ 612, 670 BGB) im Zusammenhang mit der Beschaffung von Aktenauszügen; die Ersetzung der BRAGO durch das RVG hat auf die Üblichkeit der Vergütung keinen Einfluss. Es kommt kein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande, der eine höhere als die in der Vereinbarung zugrunde gelegte Vergütung zulässt4. Der Anwalt kann mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, da kein Mandatsverhältnis besteht (vgl. § 43a Abs. 4 BRAO), keine Geschäftsgebühr (Nr. 2400 RVG-VV, seit 30. 6. 2006: Nr. 2300 RVG-VV) abrechnen5.
29
(2) Abrechnungsmodalität Nach der Vereinbarung zwischen DAV und HUKR-Verband bzw. GDV erhält der Anwalt
30
– für die erstmalige Beschaffung (d.h. für die Einsichtnahme in die Unfallakte und für die Herstellung eines Aktenauszuges) ein Pauschalhonorar von 26,– Euro6
31
1 S. AnwBl 1989, 214 und AnwBl 1969, 431. Die Empfehlung ist gemäß § 102 a.F. GWB beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen und beim Bundeskartellamt angemeldet, ohne dass eine der beteiligten Behörden Einwände erhoben hat. Zur Umstellung von DM auf Euro per 1. 1. 2002 s. AnwBl 2002, 103 = zfs 2002, 13. 2 S. Greißinger, zfs-Sonderheft 2002, 6. 3 AG Delmenhorst v. 25. 7. 2007 – 5b C 7080/07, SP 2008, 234; AG Hannover v. 23. 9. 2005 – 506 C 10921/05, zfs 2006, 288; AG Münster v. 2. 12. 2008 – 6 C 4386/07, jurisPR-VerkR 18/2009, Anm. 3 (Anm. Jahnke) = SP 2009, 160. 4 AG Delmenhorst v. 25. 7. 2007 – 5b C 7080/07, SP 2008, 234. 5 AG Delmenhorst v. 25. 7. 2007 – 5b C 7080/07, SP 2008, 234; AG Münster v. 2. 12. 2008 – 6 C 4386/07, jurisPR-VerkR 18/2009 Anm 3 (Anm. Jahnke) = SP 2009, 160. 6 Diese Umstellung von DM auf Euro per 1. 1. 2002 entspricht der Empfehlung des GDV/DAV-Schlichtungsausschusses, zfs 2002, 13.
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Teil 5
Rz. 32
Anwaltskosten
32
– und für die daran anschließenden Ergänzungen jeweils 13,– Euro.
33
Neben der Pauschale sind nach Ziff. 2 der Vereinbarung zwischen DAV und HUKR-Verband/GDV nur Gerichtskosten und sonstige außergewöhnliche Kosten des Auftraggebers, die entweder vom Anwalt verauslagt (z.B. Aktenversendungspauschale) oder zu einer vom Auftraggeber gewünschten beschleunigten Ausführung des Auftrages aufgewandt worden sind, zu zahlen,
33a
ferner die gegebenenfalls auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer.
34
– Kopiekosten werden analog Nr. 7000 RVG-VV mit 0,50 Euro pro Kopie für die ersten 50 Seiten und 0,15 Euro ab der 51. Seite berechnet; hinzu kommen 19 % MwSt (Nr. 7008 RVG-VV).
35
– Die Aktenversendungspauschale (in der Regel 12 Euro1) ist dem Anwalt (incl. etwaiger MwSt)2 neben den Kosten nach Nrn. 7000 ff. RVG-VV zu erstatten3. Die Inrechnungstellung der vom Anwalt verauslagten Aktenversendungspauschale unterliegt nach § 10 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer4; es handelt sich insoweit nicht um einen durchlaufenden Posten im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 6 UStG.
36
– Gleiches gilt für die Kosten der schriftlichen Halteranfrage beim Straßenverkehrsamt5. (3) Keine Erstattung
37
Die Auslagenpauschale (Nr. 7002 RVG-VV) kann nicht zusätzlich berechnet werden. Ziff. 1a der Vereinbarung zwischen DAV und HUKRVerband bestimmte dazu ausdrücklich, dass die Gebühr des früheren § 26 BRAGO nicht anfiel.
38
Der Anwalt kann vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, da kein Mandatsverhältnis besteht (vgl. § 43a Abs. 4 BRAO), keine Geschäftsgebühr (Nr. 2400 RVG-VV) fordern6. 1 OVG Rheinland-Pfalz v. 24. 5. 2007 – 7 A 10110/07, NJW 2007, 2426 (Die Aktenversendungspauschale für das Bußgeldverfahren nach § 107 Abs. 5 OWiG gilt auch für die Akteneinsicht eines Dritten und selbst dann, wenn die Aktenversendung nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids erfolgt). 2 BGH v. 6. 4. 2011 – IV ZR 232/08, MDR 2011, 758; BVerwG v. 9. 4. 2010 – 1 WDS, KSt 6/09, zfs 2010, 467 (Anm. Hansens); OLG Bamberg v. 2. 4. 2009 – 1 Ws 127/09, zfs 2009, 466 (Anm. Hansens). 3 BGH v. 6. 4. 2011 – IV ZR 232/08, MDR 2011, 758 (zur Rechtsschutzversicherung); LG Ravensburg v. 16. 12. 1994 – 4 O 1154/94, AnwBl 1995, 153. 4 BGH v. 6. 4. 2011 – IV ZR 232/08, MDR 2011, 758. S. auch AG Chemnitz v. 12. 9. 2007 – 12 Owi 520 Js 36363/06, DAR 2008, 114. Schäpe „(Steuer)rechtliche Probleme bei der Aktenversendungspauschale“ DAR 2008, 114. 5 AG Herford v. 20. 6. 1984 – 9 C 358/84, zfs 1984, 299. 6 AG Delmenhorst v. 25. 7. 2007 – 5b C 7080/07, SP 2008, 234.
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II. Regulierung
Rz. 41 Teil 5
2. Korrespondenz a) Rechtshinweis Der Anwalt ist nicht nur zum Tatsachenvortrag verpflichtet, er hat auch in gebotenem Umfang Rechtsausführungen zu machen1.
39
b) Kontakt Partei zu Partei Nimmt ein Anspruchsteller oder Anspruchsgegner mit der anderen Partei unmittelbar Kontakt auf, obwohl sich für diese ein Anwalt bestellt hat, der namens seiner Partei um ausschließliche Korrespondenz mit ihm bittet, ist diese unmittelbare Kontaktaufnahme „von Partei zu Partei“ in aller Regel rechtmäßig. Die anwaltlich vertretene Partei ist durch den Empfang der außergerichtlichen Korrespondenz vergleichsweise geringfügig beeinträchtigt; es ist ihr zumutbar, die nicht gewünschten Schreiben an ihren Rechtsvertreter weiterzuleiten.
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Weder aus § 172 ZPO noch aus § 12 BORA lässt sich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen Ersatzpflichtigen herleiten, eine unmittelbare Kontaktaufnahme zum anwaltlich vertretenen Anspruchsteller zu unterlassen. § 172 Abs. 1 ZPO ist nur auf ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren bezogen und besagt nichts zur Frage des richtigen Zustellungsadressaten bei außergerichtlichen Streitigkeiten2. § 12 BORA verbietet zwar einem Anwalt, ohne Einwilligung des gegnerischen Rechtsanwalts mit dessen Mandanten unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln; diese berufsrechtliche Vorschrift verpflichtet aber nur die beteiligten Anwälte, nicht jedoch die von ihnen vertretenen Mandanten3. Auch §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB iVm Art 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geben dem Anwalt unter dem Aspekt des Persön-
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1 Dazu Teil 4 I Rz. 162 f. 2 BGH v. 8. 2. 2011 – VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005. 3 BGH v. 17. 10. 2003 – V ZR 429/02, MDR 2004, 117 = NJW 2003, 3692 = VersR 2004, 402 m.w.N. (Ein Verstoß gegen das in § 12 I BORA bestimmte Verbot führt weder zur Nichtigkeit eines verbotswidrig zustande gekommenen Vertrages nach § 134 BGB noch ohne weitere Umstände zu seiner Nichtigkeit nach § 138 I BGB. § 12 I BORA wendet sich nicht gegen den Inhalt des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts, sondern gegen die Umstände seines Abschlusses. Zweck des Verbots sind der Schutz des gegnerischen Rechtsanwalts vor Eingriffen in dessen Mandatsverhältnis, der Schutz des gegnerischen Mandanten und der Schutz der Rechtsprechung vor der Belastung mit Auseinandersetzungen, die ihren Grund in Einlassungen der von ihrem Rechtsanwalt nicht beratenen Partei finden. Diese Zwecke gebieten es nicht, ein unter Verstoß gegen das in § 12 I BORA bestimmte Verbot zustande gekommenes Rechtsgeschäft als nichtig zu werten. Die Achtung von § 12 Abs. 1 BORA ist durch die standesrechtlichen Befugnisse der Rechtsanwaltskammern hinreichend gewährleistet.).
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Teil 5
Rz. 42
Anwaltskosten
lichkeitsschutzes keinen Anspruch auf Unterlassen der unmittelbaren Kontaktaufnahme1.
3. Klagerücknahme 42
Verpflichtet sich ein Haftpflichtversicherer in einem außergerichtlichen Vergleich, im Falle der Klagerücknahme keinen Kostenantrag zu stellen, hat diese Erklärung für eine mitverklagte versicherte Person im Außenverhältnis zum klagenden Geschädigten bindende Wirkung.
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Ein Kostenbeschluss gegen den Geschädigten darf mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht ergehen2. Jedenfalls aber ist der Kostenantrag unbegründet3.
III. Mandatsverhältnis 1. Bevollmächtigung a) Erteilung der Vollmacht 44
Das Mandatsverhältnis ist ein zivilrechtlicher Vertrag, und zwar (jedenfalls bei der Abwicklung von Schadenersatzansprüchen aus Haftpflichtereignissen) ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB)4.
45
Eine Vollmachtsurkunde ist, auch wenn nicht vorgeschrieben, ein sinnvoller Nachweis für den Umstand der Beauftragung, und zwar nicht zuletzt für die Inkassoberechtigung. Die anwaltliche Versicherung einer Bevollmächtigung ersetzt nicht deren Nachweis.
46
Erfolgt (z.B. verletzungsbedingt) eine Bevollmächtigung durch Dritte, sind nahe Verwandte im Rahmen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) zur Mandatierung befugt. Der Verletzte kann allerdings die Mandatierung anfechten, kündigen oder widerrufen. Bei Minderjährigen erstreckt sich die Vermögenssorge (§§ 1626 Abs. 1, 1629 1 BGH v. 8. 2. 2011 – VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005. 2 BGH v. 13. 6. 1972 – X ZR 45/69, MDR 1972, 945 = NJW 1972, 1716 = VersR 1972, 1046; KG v. 14. 6. 1993 – 12 W 3057/93, VersR 1994, 1491; OLG Frankfurt v. 12. 5. 1986 – 17 W 11/86, MDR 1986, 765 = zfs 1986, 335; OLG München v. 21. 6. 1990 – Beschw. Reg. 10 W 1710/90, DAR 1990, 437; LG Aachen v. 5. 3. 1996 – 7 T 27/96, zfs 1997, 179. S. auch OLG Köln v. 27. 4. 1998 – 5 W 29/98, VersR 1999, 1122 (Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO ist kein Raum mehr, wenn die Parteien sich außergerichtlich darauf verständigten, dass gegen Zahlung eines bestimmten Betrages die gegenseitigen Ansprüche erledigt sein sollen). 3 OLG Düsseldorf v. 7. 5. 2001 – 1 W 10/01, zfs 2001, 560; LG Traunstein v. 12. 1. 2001 – 8 T 4127/00, DAR 2002, 130. 4 Palandt/Weidenkaff, Einf v § 611 Rz. 20; Palandt/Sprau, § 675 Rz. 23 „Rechtsanwalt“.
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III. Mandatsverhältnis
Rz. 50 Teil 5
BGB) der Eltern (für nicht miteinander verheiratete Eltern ist § 1626a BGB zu beachten) auch auf die Erteilung von Vollmachten für die gerichtliche und außergerichtliche Schadenregulierung1. Bei Pflegschaft pp. sind die Beschränkungen u.a. aus § 1822 Nr. 12 BGB zu beachten. b) Erlöschen der Vollmacht Die dem Anwalt erteilte Vollmacht erlischt mit der Beendigung des Mandates.
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Die von einem gesetzlichen Vertreter erteilte Vollmacht endet nicht zugleich mit der Beendigung der gesetzlichen Vertretung (§§ 672, 675 BGB)2. Dies gilt nicht nur für juristische Personen (z.B. bei Wechsel in der Person des Geschäftsführers), sondern auch für Kinder, die bis zu ihrer Volljährigkeit von ihren Eltern vertreten werden (zur Haftung für eingegangene Verbindlichkeiten, wie Gebührenforderungen, s. § 1629a BGB).
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Verstirbt der Mandant (Vollmachtgeber), erlischt mit seinem Tod nicht zugleich auch die Vollmacht (§§ 672, 675, 1922 BGB)3. Nach dem Tode vertritt der Anwalt dann die Erben, beschränkt auf den Nachlass4. Jeder Erbe kann für sich aber die Vollmacht widerrufen5.
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2. Parteiverrat Bei Vertretung verunfallter Kinder, aber auch bei Insassen von Fahrzeugen, stellt sich für den eingeschalteten Anwalt die Frage nach einer Interessenkollision (s. auch § 3 BORA6) und daran anschließend einer Strafbarkeit im Sinne von § 356 StGB (Parteiverrat)7. 1 Palandt/Diederichsen, § 1626 Rz. 21, § 1629 Rz. 9. 2 BayObLG v. 28. 8. 1959 – BReg 2 Z 114/59, BReg 2 Z 115/59, MDR 1960, 59 = NJW 1959, 2119. Palandt/Ellenberger, § 168 Rz. 4; Palandt/Sprau, § 672 Rz. 3. 3 OLG Zweibrücken v. 1. 3. 1982 – 3 W 12/82, RPfleger 1982, 216 = DNotZ 1983, 105. Palandt/Weidlich, § 1922 Rz. 33. 4 BGH v. 23. 2. 1983 – IVa ZR 186/81, MDR 1983, 472 = NJW 1983, 1487. 5 BGH v. 30. 10. 1974 – IV ZR 172/73, MDR 1975, 301 = NJW 1975, 382. 6 Begründung abgedruckt BRAK-Mitt 2006, 213 ff. 7 Zu den Anforderungen des § 356 StGB s. BGH v. 25. 6. 2008 – 5 StR 109/07, NStZ 2008, 627; BayObLG v. 29. 9. 1994 – 5 St RR 60/94, NJW 1995, 606 = VersR 1995, 215 (Ein Rechtsanwalt macht sich des Parteiverrats schuldig, wenn er nach einem Verkehrsunfall gleichzeitig oder nacheinander den unfallverursachenden Fahrer/ Halter des Kraftfahrzeugs in einem Ermittlungs-, Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren und einen Unfallgeschädigten [auch Fahrzeuginsassen] in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers vertritt); OLG Düsseldorf v. 5. 11. 2002 – 2a Ss 167/02 – 57/02 II, DAR 2003, 83 = NZV 2003, 297 (Ein Interessengegensatz liegt nicht vor, wenn der Anwalt, der den Täter einer Unfallflucht verteidigt, von der Geschädigten mit dem Ziel beauftragt wird, ihrer Vernehmung als Zeugin zu entgehen, und der Art
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Teil 5
Rz. 51
Anwaltskosten
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Ein Anwalt dient dann pflichtwidrig, wenn er einer Partei Rat und Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in der selben Sache bereits Rat und Beistand geleistet hat. „Rechtssache“ kann jede rechtliche Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll1.
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Eine Vertretung des Fahrers im Straf-/Ordnungswidrigkeitsverfahren schließt die zivilrechtliche Vertretung der Insassen (unabhängig vom Verwandtschaftsgrad) aus. Gleiches muss auch dann gelten, wenn nur zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem weiteren Unfallbeteiligten verfolgt werden; auch hier ist der Fahrer potentieller Anspruchsgegner der weiteren Insassen auch in einem Klageverfahren.
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Insassen haben bei Verkehrsunfällen nach dem 31. 7. 2002 regelmäßig Ansprüche auch gegenüber dem Fahrer des eigenen Fahrzeuges, Kinder können gegen ihre Eltern u.a. Ansprüche wegen Verletzung der Aufsichtspflicht haben. Die gleichzeitige Vertretung von Fahrer und Eigentümer eines Fahrzeuges ist problematisch, wenn die Haftung unklar ist; der Fahrzeugeigentümer kann aus der Überlassung des Fahrzeuges Ersatzansprüche (z.B. aus pVV des Leihvertrages) gegenüber dem Fahrer haben.
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Auf Einhaltung des Verbotes, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a BRAO), kann ein Mandant grundsätzlich nicht verzichten2. Das in § 43a Abs. 4 BRAO als anwaltliche Berufspflicht normierte Verbot, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten, geht über die Strafbestimmung des § 356 StGB hinaus3.
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Der strafrechtliche Aspekt führt nicht stets zu einer Unwirksamkeit der erteilten zivilrechtlichen Vollmacht (§ 134 BGB iVm § 43a IV BRAO)4.
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der Ermittlungstätigkeit, durch die sie sich belästigt fühlt, entgegenzutreten); van Bühren, Kammerforum Köln 2004, 172; Höfle, ags 2002, 70, Höfle, zfs 2002, 413; Kääb, NZV 2003, 121; Kilger, zfs 2005, 216; von Lewinski, „Grundriss des Anwaltlichen Berufsrechts“ (2005), S. 48; Peitscher, ZAP 2004 Fach 23, 647; Wirsching, DAR 2004, 173. BGH v. 25. 6. 2008 – 5 StR 109/07, NStZ 2008, 627. BVerfG v. 3. 7. 2003 – 1 BvR 238/01, MDR 2003, 1081 (Anm. Römermann) = NJW 2003, 2520 (Anm. Westerwelle NJW 2003, 2958; Anm. Hartung NJW 2006, 2721); BGH v. 8. 11. 2007 – IX ZR 5/06, MDR 2008, 413 = NJW 2008, 1307 (Anm. Henssler NJW 2008, 1275). BGH v. 25. 6. 2008 – 5 StR 109/07, NStZ 2008, 627. BGH v. 14. 5. 2009 – IX ZR 60/08 – MDR 2009, 996 = NJW-RR 2010, 67 = VersR 2010, 670; BGH v. 23. 4. 2009 – IX ZR 167/07 – MDR 2009, 1011 = NJW 2009, 3297 = VersR 2010, 667 (Ein Verstoß des Anwalts gegen die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen führt nicht zum Verlust solcher Honoraransprüche, die schon vor der Pflichtverletzung entstanden sind, es sei denn die Beratungsleistungen sind für den Auftraggeber ohne Interesse); BGH v. 23. 10. 2003 – IX ZR 270/02 – MDR 2004, 478 = NJW 2004, 1169 = VersR 2005, 651 = WM 2004,
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III. Mandatsverhältnis
Rz. 56 Teil 5
Auch eine Prozessvollmacht ist unabhängig vom zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrag zu sehen1. Ein mit dem Mandanten geschlossener Abfindungsvergleich, an dessen Zustandekommen der Anwalt mitgewirkt hat, wird jedenfalls nicht dadurch unwirksam, dass die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters unwirksam ist. Die Wirksamkeit von Rechtshandlungen eines Anwaltes wird nicht durch einen Verstoß gegen berufsrechtliches Tätigkeitsverbot berührt, nicht zuletzt zum Schutze der Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit2.
3. Beratung a) Beratungspflicht Den beim Vergleichsabschluss mitwirkenden Anwalt trifft eine Beratungspflicht3, die ihm auch vom Gericht nicht abgenommen wird4. Der Anwalt darf ein vorteilhaftes Vergleichsangebot nicht ohne ausreichende Beratung seines Mandanten ablehnen5.
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478. S. Palandt/Ellenberger, § 134 Rz. 20 „Rechtsanwälte, Rechtsberatung“ und Rz. 24 „Strafgesetze“. BGH v. 14. 5. 2009 – IX ZR 60/08, MDR 2009, 996 = NJW-RR 2010, 67 = VersR 2010, 670. BGH v. 14. 5. 2009 – IX ZR 60/08, MDR 2009, 996 = VersR 2010, 670; BGH v. 19. 3. 1993 – V ZR 36/92, NJW 1993, 1926 = VersR 1993, 1170, BGH v. 8. 11. 2001 – IX ZR 64/01, NJW 2002, 292; BGH v. 13. 4. 2000 – IX ZR 372/98, VersR 2001, 641; BGH v. 16. 11. 1982 – VI ZR 58/82, VersR 1983, 86 (Vorinstanz: OLG Koblenz v. 29. 1. 1982 – 8 U 408/81, VersR 1983, 450); OLG Nürnberg v. 1. 7. 1999 – 2 U 531/99, VersR 2001, 982 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 11. 4. 2000 – VI ZR 427/99). BGH v. 13. 3. 2003 – IX ZR 181/99, MDR 2003, 742 = NJW-RR 2003, 850 (Betreibt ein Rechtsanwalt eine Ehescheidungsklage für einen Mandanten, obwohl dieser erkennbar keine wirksame Ehe geschlossen hatte, wird die Haftung des Anwalts für die Schäden, die dem Mandanten aus der Scheidung erwachsen, regelmäßig nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass auch das Familiengericht das Vorliegen einer Nichtehe hätte erkennen und deswegen die Scheidungsklage hätte abweisen müssen); OLG Düsseldorf v. 27. 11. 1991 – 15 U 191/90, zfs 1992, 334; OLG Frankfurt v. 12. 1. 1988 – 14 U 178/86, NJW 1988, 3269; OLG Saarbrücken v. 18. 7. 2001 – 1 U 795/00–175, OLGR Saarbrücken 2001, 437 = VersR 2002, 1378. OLG Düsseldorf v. 26. 1. 2005 – I-18 U 120/04 – BRAK-Mitt (Anm. Chab) (Im Prozess ist die Rechtsanwendung Aufgabe des Gerichts. Deshalb muss der Anwalt vorrangig dafür sorgen, dass alle entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen werden. Nur wenn das Gericht eine für den Mandanten erkennbar ungünstige Rechtsansicht vertritt, hat der Anwalt auch die Pflicht, das Gericht mit rechtlicher Argumentation zu einer anderen Auffassung zu bewegen. Eine Erfolgsaussicht besteht regelmäßig aber nur, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts nicht mit den Gesetzen in Einklang steht oder von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.). OLG Düsseldorf v. 22. 5. 2001 – 24 U 157/00, VersR 2002, 1377. Diehl, zfs 2005, 339.
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Teil 5
Rz. 57
Anwaltskosten
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Die Anforderungen an die Beratungspflicht dürfen allerdings auch nicht überspannt werden, da ansonsten dieses praktisch das Ende der Vergleichspraxis bedeuten würde1. Der Anwalt ist verpflichtet, über Inhalt und Tragweite des Abfindungsvergleiches aufzuklären und darüber zu belehren, dass Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung der Körperschäden zu den vom Mandanten zu übernehmenden Risiken gehören. Die Belehrungspflicht ist regelmäßig erfüllt, wenn der Mandant, der Art, Umfang und Zukunftsprognose hinsichtlich seiner Körperschäden kennt, sich darüber im Klaren ist, dass mit dem Vergleich alles abgegolten sein soll; denn dann ist ihm bekannt, dass die Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung seiner körperlichen Beeinträchtigungen zu den von ihm zu tragenden Risiken gehört2.
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Ist der Geschädigte anwaltlich vertreten, ist dieses letztlich zulasten3 des Geschädigten im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer des Schädigers zu berücksichtigen4: Ein den Schaden regulierender Haftpflichtversicherer ist – jedenfalls einem anwaltlich vertretenen – Verletzten gegenüber nicht zur Aufklärung und Beratung verpflichtet5. Anwaltliche Fehler berechtigen weder zur Anfechtung noch zum Rücktritt vom Vergleichsvertrag. 1 OLG Karlsruhe v. 9. 6. 2004 – 10 U 236/03, VersR 2006, 251; OLG Saarbrücken v. 18. 7. 2001 – 1 U 795/00–175, OLGR Saarbrücken 2001, 437 = VersR 2002, 1378. Diehl zfs 2005, 339: Dem Anwalt muss ein Ermessensspielraum zugebilligt werden (vgl. BGH v. 14. 1. 1993 – IX ZR 76/92, NJW 1993, 1328 = VersR 1993, 1109). Zugunsten des beratenden Anwaltes wirkt sich dabei aus, dass für die Beurteilung der Pflichterfüllung auf den Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Beratungstätigkeit abzustellen ist. 2 OLG Karlsruhe v. 31. 10. 2000 – 7 U 269/96, OLGR 2001, 445. 3 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Verletzte Anspruch auf Ersatz von erforderlichen Rechtsvertretungskosten hat. 4 OLG Nürnberg v. 1. 7. 1999 – 2 U 531/99, VersR 2001, 982 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 11. 4. 2000 – VI ZR 427/99); OLG Karlsruhe v. 9. 6. 2004 – 10 U 236/03, VersR 2006, 251; OLG Thüringen v. 9. 8. 2006 – 7 U 289/06, NJW-RR 2007, 605 = r+s 2006, 527 (BGH v. 12. 6. 2007 – VI ZR 196/06 – hat das OLG-Urteil aufgehoben und zurückverwiesen, da eben nicht unstreitig sei, dass die Verletzungsfolgen objektiv vorhersehbargewesen seien [Gehörsrüge]). 5 OLG Hamm v. 23. 10. 1995 – 6 U 57/95, r+s 1996, 58; OLG Karlsruhe v. 9. 6. 2004 – 10 U 236/03, VersR 2006, 251; OLG Thüringen v. 24. 11. 2004 – 4 U 399/04, OLG-NL 2005, 54 = SVR 2005, 383 (Anm. Nehls) (Die Qualität des damaligen anwaltlichen Vertreters des Klägers kann keine besondere Pflichtenlage beim beklagten Krafthaftpflichtversicherer schaffen. Im Übrigen hat der BGH v. 8. 12. 1998 [gemeint ist wohl – VI ZR 318/97, VersR 1999, 382] sogar eine vollständig fehlende anwaltliche Vertretung für unbedenklich gehalten.) (Anm.: Die vom OLG Thüringen aufgehobene Entscheidung der ersten Instanz [LG Erfurt v. 13. 4. 2004 – 9 O 736/03] folgerte aus dem Umstand, dass ein Verletzter von einem „jungen und unerfahrenen Rechtsanwalt vertreten“ wurde, einen Verstoß gegen Treu und Glauben hinsichtlich der vom Haftpflichtversicherer erhobenen Verjährungseinrede). S. auch: OLG Düsseldorf v. 11. 5. 2000 – 8 U 105/99, VersR 2002, 54 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 13. 2. 2001 – VI ZR 236/00); OLG Saarbrücken v. 9. 7. 1998 – 3 U 854/97–63, SP 1999, 49 (S. 51 a.E.); OLG Nürnberg v. 1. 7.
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III. Mandatsverhältnis
Rz. 60 Teil 5
b) Vertragsschluss Ein Rechtsanwalt darf einen (im Außenverhältnis) bindenden Abfindungsvergleich mit nicht unerheblicher Tragweite regelmäßig nur dann abschließen, wenn sein Mandant (im Innenverhältnis) hierüber belehrt ist und zugestimmt hat1. Das Einverständnis des Mandanten zu einem Vergleich hat der Anwalt und nicht der Mandant zu beweisen2. Besteht die Möglichkeit, dass der Mandant sich nicht im Klaren darüber ist, seine Äußerungen könnten als bindendes Vergleichsangebot verstanden werden, hat der Anwalt ihn auch darüber zu belehren3. Wie sich der Mandant nach vollständiger Belehrung über die Folgen seiner Entscheidung verhalten hätte, ist nach § 287 ZPO zu beurteilen; die Handlungsalternativen sind aufzuzeigen4.
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Die Pflicht eines Rechtsanwalts, seinen Mandanten über den Inhalt eines möglichen Vergleichs aufzuklären, dient auch dem Schutz der ohne den Vergleich bestehenden Rechtsposition des Mandanten. Schließt der Mandant einen Vergleich, weil ihn sein Rechtsanwalt über dessen Inhalt unzureichend aufgeklärt hat, kann sein Anspruch auf Schadensersatz
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1999 – 2 U 531/99, VersR 2001, 982 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 11. 4. 2000 – VI ZR 427/99); Geigel/Kolb, Kap 40 Rz. 4. BGH v. 21. 4. 1994 – IX ZR 123/93, MDR 1994, 730 = NJW 1994, 2085 = VersR 1994, 1298; BGH v. 14. 1. 1993 – IX ZR 76/92, MDR 1993, 804 = NJW 1993, 1325 = VersR 1993, 1109; OLG Saarbrücken v. 18. 7. 2001 – 1 U 795/00–175, OLGR Saarbrücken 2001, 437 = VersR 2002, 1378. S. auch OLG Oldenburg v. 23. 1. 1998 – 6 U 236/97, VersR 1999, 622 (Ausnahme, wenn der Vergleich die einzige ersichtliche Möglichkeit ist, Vermögensschaden vom Mandanten abzuwenden). BGH v. 17. 1. 2002 – IX ZR 182/00, MDR 2002, 547 = NJW 2002, 1048 (Anm. Zugehör NJW 2003, 3225) = VersR 2002, 887. Das BVerfG v. 12. 8. 2002 – 1 BvR 399/02, MDR 2002, 1339 = NJW 2002, 2937 hat die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen und führt aus: Die anwaltliche Berufsausübung ist durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnet, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung grundsätzlich entgegensteht. Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Auffassung, dass rechtsfehlerhaftes Unterlassen eines Gerichts, das die Folgen eines anwaltlichen Fehlers perpetuiert, haftungsrechtlich unbeachtlich ist, denn auch als „Organe der Rechtspflege“ haften Anwälte nicht ersatzweise für Fehler der Rechtsprechung, nur weil sie haftpflichtversichert sind. Die Gerichte sind verfassungsrechtlich nicht legitimiert, den Anwälten auf dem Umweg über den Haftungsprozess auch die Verantwortung für die richtige Rechtsanwendung zu überbürden, indem ihnen angelastet wird, es pflichtwidrig unterlassen zu haben, das Gericht auf dessen falsche Rechtsauffassung hinzuweisen. Die Verurteilung zu Schadensersatz ist gleichwohl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Anwalt es unterlassen hat, seinen Mandanten über die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels zu belehren, nachdem er eine durch Richterspruch verfestigte ungünstige Rechtsposition seines Mandanten mitverschuldet hat und eine Korrektur des Fehlers im vorgesehenen Instanzenzug aber noch zu erreichen war; BGH v. 13. 4. 2000 – IX ZR 372/98, VersR 2001, 641. BGH v. 21. 7. 2005 – IX ZR 49/02, MDR 2006, 177 = NJW 2005, 3275.
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Teil 5
Rz. 61
Anwaltskosten
nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Pflicht auf die Differenz zu der Vermögenslage beschränkt werden, die er – nicht aber die Gegenpartei – als Inhalt des Vergleichs akzeptiert hätte1. c) Schmerzensgeld 61
Erteilt ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Beratungstätigkeit eine falsche Auskunft (z.B. zu Haftung oder Höhe der Ansprüche) und führt dieses zu Angstzuständen beim Mandanten, hat letzterer keinen Schmerzensgeldanspruch gegen seinen Berater2. Die psychische Fehlverarbeitung fehlerhafter Auskünfte ist grundsätzlich dem Empfänger überantwortet, jedenfalls soweit es allein Risiken und Bedrohungen in Bezug auf die eigene Vermögenslage betrifft3. Belastungen hieraus sind dem allgemeinen Lebensrisiko zugewiesen.
4. Hinweispflicht 62
Der Anwalt ist nach § 49b Abs. 5 BRAO verpflichtet, seinen Mandanten auf die Höhe der durch seine Inanspruchnahme entstehenden Kosten hinzuweisen, wenn diese sich nach dem Gegenstandswert richten4. Eine Aufklärungspflicht kann sich darüber hinaus im Einzelfall aus Treu und Glauben ergeben5.
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Der Mandant hat darzulegen und zu beweisen, dass der Anwalt ihn nicht belehrt hat und ihm sodann aus dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht ein Schaden entstanden ist6.
5. Aktivlegitimation 64
Gegen seinen Auftraggeber kann der Anwalt nur die gerichtlichen Kosten festsetzen lassen (§ 11 RVG, früher § 19 BRAGO), § 11 Abs. 8 RVG schließt (ähnlich § 19 Abs. 8 BRAGO) die Festsetzung bei Rahmengebühren faktisch aus. Die Gebühren können letztlich nur im Wege der 1 BGH v. 15. 1. 2009 – IX ZR 166/07, MDR 2009, 596 = NJW 2009, 1589 = VersR 2009, 1499. 2 BGH v. 9. 7. 2009 – IX ZR 88/08, NJW 2009, 30258. 3 OLG Frankfurt v. 30. 4. 2008 – 4 U 176/07, VersR 2008, 1396 (Vorinstanz zu BGH v. 9. 7. 2009 – IX ZR 88/08). 4 BGH v. 24. 5. 2007 – IX ZR 89/06, MDR 2007, 1046 = NJW 2007, 2332 = VersR 2007, 1377 (Weist Anwalt vor Übernahme des Auftrages nicht darauf hin, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist er dem Mandaten zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet). 5 OLG Köln v. 12. 3. 1997 – 17 U 85/96, VersR 1998, 1282 231 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 5. 2. 1998 – IX ZR 161/97). 6 BGH v. 24. 5. 2007 – IX ZR 89/06, MDR 2007, 1046 = NJW 2007, 2332 = VersR 2007, 1377.
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III. Mandatsverhältnis
Rz. 69 Teil 5
Klage gegen den Mandanten (an dessen allgemeinem Gerichtsstand, § 12 ZPO) geltend gemacht werden1. Der Rechtsanwalt kann in eigenem Namen aus eigenem Recht die Gebühren zwar gegenüber seinem Mandanten verfolgen, nicht aber beim Schadenersatzverpflichteten einklagen. Der Rechtsanwalt selbst hat gegenüber dem Schadenersatzverpflichteten keinen eigenen Anspruch auf Zahlung von Gebühren. Der Anspruch besteht nur in der Person des (schadenersatzberechtigten) Mandanten.
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Soweit die Klage in eigenem Namen auf eine in einer Prozessvollmacht formularmäßig enthaltene Abtretung etwaiger Kostenerstattungsansprüche gestützt wird, bestehen berechtigte Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Abtretung unter dem Gesichtspunkt von § 305c Abs. 1 BGB (§ 3 AGBG a.F.)2.
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Die Abtretung einer Anwaltsgebührenforderung an einen anderen Rechtsanwalt ist auch ohne Zustimmung des Mandanten wirksam3.
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Wird die Freistellung des Mandanten von der Gebührenforderung verlangt, ist diese Verpflichtung möglichst konkret und genau zu bezeichnen. Der Freistellungsanspruch setzt u.a. die Fälligkeit derjenigen Schuld, von der Befreiung verlangt wird, voraus4; dabei gilt, dass solange eine anwaltliche Honorarnote nicht erstellt ist, sie auch nicht fällig ist (§ 10 Abs. 1 RVG)5.
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Gegenüber dem Anspruch seines Mandanten auf Auskehrung von ihm erfolgreich geltend gemachter Versicherungsleistungen darf der Anwalt nur mit konnexen Honoraransprüchen aufrechnen, nicht dagegen mit solchen aufgrund früher erteilter Aufträge6.
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1 S. auch Vossler, NJW 2003, 1164 sowie BayObLG v. 14. 10. 2002 – 1Z AR 140/02, NJW 2003, 366 und BayObLG v. 10. 12. 2002 – 1Z AR 163/02, NJW 2003, 1196. 2 Nach OVG Münster v. 23. 2. 1987 – 11 B 43/87, NJW 1987, 3029 unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung ist die in einer Prozessvollmacht formularmäßig enthaltene Vorausabtretung unwirksam. 3 BGH v. 1. 3. 2007 – IX ZR 189/05, MDR 2007, 806 = NJW 2007, 1196 = VersR 2007, 861. 4 BGH v. 7. 11. 1985 – III ZR 142/84, MDR 1986, 385 = NJW 1986, 978 = VersR 1986, 170; LG Berlin v. 17. 4. 2000 – 58 S 428/99, VersR 2002, 333. 5 LG Aachen v. 13. 11. 2009 – 6 S 122/09, SP 2010, 113; LG Bonn v. 21. 3. 2005 – 1 O 484/04, NJW 2005, 1873 = NZV 2005, 583. Siehe auch BGH v. 25. 1. 2006 – IV ZR 207/04, MDR 2006, 871 = NJW 2006, 1281 = VersR 2006, 404; ferner BGH v. 22. 3. 2011 – VI ZR 63/10. 6 OLG Düsseldorf v. 4. 6. 1998 – 10 U 89/97, zfs 1999, 132. S. ergänzend: BGH v. 12. 12. 2002 – IX ZR 66/01, MDR 2003, 57 = NJW 2003, 140 = VersR 2003, 509 (Anwalt ist grundsätzlich nicht gehindert, sich durch Aufrechnung mit Honoraransprüchen aus nicht zweckgebundenen Fremdgeldern zu befriedigen – vgl. auch § 4 Abs. 3 BORA); BGH v. 23. 2. 1995 – IX ZR 29/94, MDR 1995, 962 = NJW 1995, 1425 (Anwalt kann mit solchen Honoraransprüchen aufrechnen, die nicht gerade den Auftrag betreffen, der zu dem Geldeingang geführt hat).
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Teil 5
Rz. 70
Anwaltskosten
6. Abfindung, Erledigung 70
Die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (im wesentlichen Anwaltskosten) wird dem Direktgeschädigten in der Regel neben einem vereinbarten Abfindungsbetrag geschuldet, auch wenn dieses nicht ausdrücklich schriftlich fixiert ist1.
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Anderes gilt u.a. bei Abwicklung von Auslandsschäden oder der Regulierung mit solchen Anspruchstellern, denen nicht ohne weiteres auch außerhalb der Voraussetzungen des Verzuges Anwaltskosten zu ersetzen wären (z.B. Arbeitgeber2, Sozialversicherung)3. Mangels ausdrücklicher anderweitiger Abrede trägt dann jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
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Die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs gehören nur dann zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben4.
IV. Gebührenrechtliche Abgeltung 1. Außergerichtliches Gebührenverfahren a) Allgemein 73
Der Schwerpunkt anwaltlicher Gebührenabrechnung bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen liegt in der außergerichtlichen Abwicklung der Haftpflichtfälle. Letztlich bedarf es nur in einem sehr geringen Teil (deutlich unter 2 % der Verkehrsunfälle) der prozessualen Intervention anlässlich der Schadenregulierung.
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Im Rahmen außergerichtlicher Schadenregulierung bestimmen sich die Anwaltskosten in Altfällen bis zu deren Abschluss nach §§ 23, 118 BRAGO, für Mandate ab 1. 7. 2004 nach dem RVG und dem zugehörigen Vergütungsverzeichnis (RVG-VV) (§ 60 RVG).
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Die Prozesslandschaft zu Umfang und Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren bei der Abwicklung von Versicherungsangelegenheiten (vor allem zur Haftpflichtschadenregulierung) gleicht, da überwiegend vor Amtsgerichten letztinstanzlich und dabei häufig widersprechend, entschieden, vielfach dem Sprengelrecht vergangener Jahrhunderte. Bei Streit ist der Prozesserfolg für beide Seiten oft nur schwer oder gar nicht voraussehbar5. 1 Küppersbusch, Rz. 837. Anders noch OLG Köln v. 26. 11. 1962 – 10 U 125/62, VersR 1963, 468. 2 S. Teil 4 VI Rz. 1107. 3 S. Jahnke, NZV 1996, 177 (zu C.III.4.a); Jahnke, VersR 1991, 272 f. 4 BGH v. 15. 3. 2011 – VI ZB 45/09. 5 N. Schneider in Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Kap. 22 A Rz. 1.
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IV. Gebührenrechtliche Abgeltung
Rz. 84 Teil 5
b) Einleitung Sind in die Abwicklung zu regulierender Versicherungsfälle Rechtsanwälte eingeschaltet, ist für die gebührenrechtliche Abwicklung zu differenzieren
76
– zwischen den Aktivitäten im Rahmen der Abwicklung eines Versicherungsverhältnisses (z.B. Geltendmachen/Verfolgen von Ansprüchen aus dem eigenem Versicherungsvertrag, wie Kaskoleistung oder Unfallversicherungsleistung) als Vertreter des Versicherten gegenüber dessen eigenen Versicherer einerseits1 und
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– der Vertretung eines in seinen Rechten unmittelbar Verletzten gegenüber einem Schädiger und dem hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherer (Verkehrsunfall oder sonstiger Haftpflichtschaden) andererseits.
78
– Besonderheiten gelten für die Vertretung von Rechtsnachfolgern des unmittelbar Verletzten.
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c) Mandatsverhältnis – Schadenersatzverhältnis Für die außergerichtliche Abwicklung der Anwaltsgebühren ist voneinander streng zu scheiden, ob jemand
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– einerseits dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt aus dem Mandatsvertrag die gesetzlichen (auf Grundlage von RVG oder – in Altfällen – BRAGO zu berechnenden) bzw. wirksam vereinbarten Gebühren schuldet
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– oder andererseits diese seinem Rechtsanwalt geschuldeten Gebühren von einem ihm (dem Geschädigten) zum Schadenersatz Verpflichteten ersetzt verlangen kann.
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Diese notwendige Differenzierung wird häufig nicht richtig gesehen und beachtet.
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Die Antwort auf die Frage, in welchem Umfang ein Schadensersatzverpflichteter die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten2 (vor allem Rechtsanwaltsgebühren) zu zahlen hat, hängt von folgenden zwei Faktoren ab3:
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1 S. dazu Teil 5 V Rz. 158 ff. 2 Grundsätzlich zur Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren: BGH v. 8. 11. 1994 – VI ZR 3/94, MDR 1995, 150 = NJW 1995, 446 = VersR 1995, 183. 3 BGH v. 7. 11. 2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = NJW 2008, 1888 = zfs 2008, 164 (Anm. Hansens); BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558; BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145.
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Teil 5
Rz. 85
Anwaltskosten
aa) Mandatsverhältnis 85
Zum Ersten muss die Gebühr im (Mandats-)Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant überhaupt angefallen und dann auch vom Mandanten seinem Anwalt geschuldet sein (Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 23, 118 BRAGO [in Altfällen] bzw. deren Nachfolgeregeln des RVG)1.
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Dieses ist eine gebührenrechtliche Frage, die nach den Vorschriften von RVG/BRAGO zu beantworten ist. Der Anspruch im Mandatsverhältnis richtet sich nach RVG/BRAGO2, gekürzt u.U. wegen anwaltlichen Fehlverhaltens (positive Vertragsverletzung [pVV] des Beratungsvertrages, §§ 241 Abs. 2, 280, 282 BGB). Es ist zu überprüfen, ob und dass der Rechtsanwalt seinen Beratungspflichten nachgekommen ist, insbesondere seinen Hinweispflichten im Hinblick auf das Entstehen von weiteren Gebühren3. Verletzt der Rechtsanwalt seine diesbezügliche Beratungspflicht (Nebenpflicht des Mandatsvertrages), ist er seinem Mandanten aus pVV zum Schadenersatz verpflichtet4. Der Schadenersatzanspruch besteht dann regelmäßig in Höhe der angefallenen (Mehr-)Gebühr; dieses hat zur Konsequenz, dass der Mandant nach dem sich aus § 242 BGB ergebenden Grundsatz „dolo agit, qui petit quod statim redditurus est“ die Bezahlung der (Mehr-)Gebühr verweigern bzw. mit seinem in gleicher Höhe bestehenden Schadenersatzanspruch aufrechnen5 kann. bb) Schadenersatzverhältnis
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Zum Zweiten muss die im Mandatsverhältnis (zwischen Rechtsanwalt und Mandant) angefallene Gebühr dann schadensersatzrechtlich im (Schadensersatz-)Verhältnis Schädiger – Geschädigter auch zu erstatten sein. Erst wenn die erste Voraussetzung zum Grund und zur Höhe erfüllt ist, stellt sich anschließend sodann die Frage, ob der Schadensersatzberechtigte nach den für sein Verhältnis zum Schädiger (Außenverhältnis) maßgebenden Grundsätzen des sachlichen Schadensersatzrechts6 1 BGH v. 21. 6. 2011 – VI ZR 73/10, MDR 2011, 949; BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145. 2 Besonderheiten gelten für eine vertragliche Gebührenvereinbarung im Mandatsverhältnis, s. ergänzend Rz. 299 f. 3 Dazu Nugel, jurisPR-VerkR 8/2011 Anm 3 (zu LG Münster v. 4. 5. 2010 – 3 S 12/10). 4 S. zum Umfang der Beratungspflichten: BGH v. 13. 3. 1980 – III ZR 145/78, MDR 1980, 828 = NJW 1980, 2128 = zfs 1980, 335; OLG Düsseldorf v. 15. 12. 1988 – 8 U 41/87, VersR 1989, 286. 5 OLG Koblenz v. 26. 5. 1986 – 14 W 385/86, MDR 1986, 1037. 6 Verlangt wird vor weiterer Beurteilung der sich dann nach §§ 249 ff. BGB richtenden Voraussetzungen zur Höhe zunächst ein den Ersatzanspruch dem Grunde nach rechtfertigender Anspruchstatbestand (wie beispielswiese Verzug oder pVV).
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IV. Gebührenrechtliche Abgeltung
Rz. 90 Teil 5
verlangen kann, dass der zum Schadensersatz Verpflichtete ihm diese Kosten ganz oder teilweise zu ersetzen hat1. Auch wenn im Mandatsverhältnis die Gebühren zum Grunde angefallen sind, bedeutet dieses nicht zwingend, dass sie auch von einem Ersatzpflichtigen in gleichem Umfange zu ersetzen sind. Das Schadenersatzverhältnis reguliert der vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Filter der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit2: Der Schadensersatzpflichtige hat nicht alle durch das Schadenereignis adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren3.
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cc) Abgleich Der Gebührenanspruch des Rechtsanwaltes aus dem Mandatsverhältnis einerseits und der Schadensersatzanspruch aus dem Schadensersatzverhältnis andererseits sind nicht deckungsgleich; der Anspruch aus dem Mandatsverhältnis stellt lediglich die Begrenzung nach oben dar, der begründete Schadensersatzanspruch kann (auch durchaus erheblich) darunter liegen. Ist im Ersatzverhältnis nicht der volle im Mandatsverhältnis entstandene Vergütungsanspruch zu ersetzen, besteht ein Anspruch in Höhe der Differenz gegen den Mandanten (bzw. dessen Rechtsschutzversicherer) fort.
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2. Gerichtliches Verfahren a) Prozesskosten Nach § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO umfasst die Kostenerstattung auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis. Auch einer juristischen Person kann wegen der Teilnahme ihres Geschäftsführers an einem Gerichtstermin ein Anspruch auf Verdienstausfallersatz (§§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO iVm §§ 19, 22 JVEG) zustehen4. Der Erstattungsanspruch beträgt maximal 170 Euro pro Tag (§ 22 S. 1 JVEG: maximal 17 Euro/h; § 19 Abs. 2 S. 1 JVEG: maximal 10h/Tag). 1 BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145. 2 BGH v. 12. 7. 2011 – VI ZR 214/10; BGH v. 9. 3. 2011 – VIII ZR 132/10, MDR 2011, 512 = NJW 2011, 1222. 3 BGH v. 24. 2. 2011 – I ZR 181/09; BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558. 4 BGH v. 2. 12. 2008 – VI ZB 63/07, MDR 2009, 230 = zfs 2009, 105 (Anm. Hansens).
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90
Teil 5
Rz. 91
Anwaltskosten
b) Zivilgerichtlicher Vergleich 91
Wird im Verlaufe eines Prozesses ein Vergleich geschlossen, sollte dieser auch die Kostenverteilung regeln.
92
Die Kostenregelung in einem Prozessvergleich geht der gesetzlichen Regelung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO vor1. Wird im gerichtlichen Vergleich ausdrücklich festgehalten, dass die „Kosten gegeneinander aufgehoben“ werden (oder aber gelten gemäß § 98 S. 1 ZPO die Kosten als gegeneinander aufgehoben), bedeutet dieses gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO, dass
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– jede Prozesspartei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten (insbesondere Anwaltskosten) selbst trägt2,
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– dem Nebenintervenienten gegen den Gegner der von ihm unterstützten Hauptpartei kein Anspruch auf Kostenerstattung zusteht (s. § 101 ZPO)3,
95
– die Gerichtskosten (einschließlich der Kosten für eventuelle Beweisaufnahmen, z.B. für Sachverständige und Zeugen) hälftig geteilt werden.
3. Zwangsvollstreckung 96
Wird nach Abschluss eines Rechtsstreites der Ersatzpflichtige, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden, aufgefordert, den Vergleichsbetrag oder die Urteilssumme zu zahlen, dann lässt dieses anwaltliche Aufforderungsschreiben zur freiwilligen Leistung die Vollstreckungsgebühr (Nr. 3309 RVG-VV, früher § 57 BRAGO) im Mandatsverhältnis entstehen.
1 BGH v. 27. 9. 2007 – VII ZB 85/06, MDR 2007, 1442 = NJW-RR 2008, 261; BGH v. 24. 6. 2004 – VII ZB 4/04, MDR 2004, 1251 = NJW-RR 2004, 1506. 2 Die außergerichtlichen Kosten insbesondere des Anwaltes werden also nicht geteilt. Vertritt der Anwalt nur eine Partei, haben beide Prozessparteien in der Regel gleich hohe Kosten. Unterschiede ergeben sich aber gegenüber einer Kostenteilung auch der außergerichtlichen Kosten u.a. dann, wenn die Erhöhungsvorschrift des § 6 BRAGO aF/Nr. 1008 RVG-VV anzuwenden ist (Häufiger Fall: Verklagt sind Fahrer, Halter und Kfz-Haftpflichtversicherung – oder wenn Korrespondenzanwälte eingeschaltet sind). 3 BGH v. 27. 9. 2007 – VII ZB 85/06, MDR 2007, 1442 = NJW-RR 2008, 261 (Antrag des Streithelfers, dem Antragsteller die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, ist unwirksam, wenn die vom Streithelfer unterstützte Partei diesem Antrag widerspricht); BGH v. 5. 9. 2006 – VI ZB 65/05, MDR 2007, 290 = NJW 2006, 3498 = VersR 2007, 84. S. auch OLG Hamm v. 19. 7. 2000 – 20 U 53/99, r+s 2001, 304 (§ 101 ZPO gilt auch, wenn ein Prozess durch gerichtlichen Vergleich – auch ohne Mitwirkung des Nebenintervenienten – beendet wird. Die Prozessparteien können den Kostenanspruch nicht beschneiden.).
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 101 Teil 5
Ist der Schuldner nur Zug-um-Zug zu seiner Leistung verpflichtet, muss ihm die Gegenleistung erbracht oder in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten worden sein1.
97
An Kosten der Zwangsvollstreckung hat der Schuldner nur die notwendigen zu erstatten (§§ 788 Abs. 1 S. 1, 91 ZPO). Die Kosten sind nur dann ersatzfähig, wenn der Schuldner durch sein Verhalten (fehlende Sicherheitsleistung, Verstreichenlassen angemessener Fristen nach Urteilszustellung) Veranlassung gegeben hat, ihn durch einen Anwalt zur Zahlung anzuhalten. Der Ersatzpflichtige ist grundsätzlich berechtigt, Rechtsmittelfristen bis zum letzten Tage auszuschöpfen und Zahlungen zurückzuhalten2. Zudem ist vor kostenauslösenden Maßnahmen eine Karenzzeit von 2 bis 3 Wochen nach Rechtskraft des zugrundeliegenden Titel abzuwarten; eine vorher abgesandte Zahlungsaufforderung ist daher in aller Regel verfrüht, die dadurch entstehenden Kosten sind nicht erstattungsfähig.
98
Der Gegenstandswert entspricht bei Geldforderungen dem Betrag der zu vollstreckenden Forderung einschließlich der Nebenforderungen (einzuziehende Zinsen und Kosten), § 57 Abs. 2 ZPO.
99
Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt sind, haften sie auch hinsichtlich der Zwangsvollstreckungskosten gesamtschuldnerisch (§ 788 Abs. 1 S. 3 ZPO).
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V. Anfall und Erstattung 1. Erstattung im Schadenersatzverhältnis a) Anwaltskosten als Schadenersatz Besteht ein Schadenersatzanspruch hinsichtlich der Anwaltsgebühren, ist zu beachten, dass Gebührenanspruch aus Mandatsverhältnis (Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt) einerseits und Schadensersatzanspruch aus Schadensersatzverhältnis (Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger) andererseits nicht zwingend deckungsgleich sind. Der Schadensersatzpflichtige hat nicht alle durch das Schadenereignis adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen. Ein Erstattungsanspruch setzt vielmehr voraus, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine
1 OLG Koblenz v. 9. 11. 1994 – 14 W 621/94, MDR 1995, 753 = SP 1995, 157. 2 OLG Hamburg v. 8. 2. 1985 – 8 W 33/85, VersR 1986, 1031.
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101
Teil 5
Rz. 102
Anwaltskosten
spezielle Situation zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war1. aa) Anspruchsgrund (1) Grundsatz 102
Grundsätzlich ist es, wie schon das BVerfG2 hervorhebt, einer prozessfähigen Partei selbst überlassen, mit den Schwierigkeiten der Bewältigung von Sach- und Prozesslagen fertig zu werden und für ihre (d.h. der Partei) angemessene Beratung und Vertretung Sorge zu tragen. Außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten – zu denen auch die Anwaltskosten gehören – sind von jeder Partei grundsätzlich selbst zu tragen und nur als Folge von Verzug oder (vor-)vertraglichem Fehlhalten als Schadenersatz geschuldet3. Diese Grundregel gilt im Ansatz auch für das Schadenersatzrecht4. (2) §§ 91 ff. ZPO
103
Die §§ 91 ff. ZPO5 können als prozessuale Sondervorschriften nicht zur Stützung einer Erstattungspflicht hinsichtlich außergerichtlich entstandener Anwaltskosten herangezogen werden6. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift verbietet sich, obwohl in dieser Vorschrift enthaltene Beschränkungen (insbesondere auf die erforderlichen Kosten) durchaus bei der Ausgleichung nach den anderweitigen Anspruchsregeln und -normen Berücksichtigung finden. 1 BGH v. 9. 3. 2011 – VIII ZR 132/10, MDR 2011, 512 = NJW 2011, 1222; BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 152/09, MDR 2010, 1492 = NJW 2011, 782; BGH v. 3. 8. 2010 – VI ZR 113/09, MDR 2010, 1155 = NJW 2010, 3037; BGH v. 27. 7. 2010 – VI ZR 261/09, MDR 2010, 1156 = NJW 2010, 3035; BGH v. 26. 5. 2009 – VI ZR 174/08, MDR 2009, 1073 = NJW-RR 2010, 428 = VersR 2009, 1269; BGH v. 4. 12. 2007 – VI ZR 277/06, VersR 2008, 413; BGH v. 10. 1. 2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 = VersR 2006, 521; BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558. 2 BVerfG (3. Kammer des 2. Senates) Beschl. v. 30. 1. 1990 – 2 BvR 1085/89, NJW 1990, 3072. 3 BSG v. 15. 11. 2007 – B 3 KR 1/07 R, BSGE 99, 208 = NZS 2008, 653 (nur Ls.) (Rechtsanwaltsgebühren für die vorgerichtliche Geltendmachung einer Vergütungsforderung bilden jedenfalls in einfach gelagerten Fällen keinen ersatzfähigen Verzugsschaden); SG Koblenz v. 8. 6. 2009 – S 3 KR 332/08, VersR 2010, 1245 (Anm. Jaeger); OLG Düsseldorf v. 17. 11. 2009 – I-4 U 35/09. 4 AG Minden v. 22. 10. 1991 – 20 C 664/91. 5 S. BGH v. 10. 11. 2010 – IV ZR 188/08 – MDR 2011, 36 = NJW 2011, 232 = VersR 2011, 67 (Das in § 5 (1) a) Satz 1 ARB 94 enthaltene Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers erfasst auch die Rechtsanwaltsvergütung, die durch die Selbstvertretung eines versicherten Rechtsanwalts in einem Zivilrechtsstreit entsteht). 6 LG Essen v. 14. 8. 1973 – 38 HS 2/73, NJW 1974, 997.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 108 Teil 5
(3) Haftung im Rahmen vertraglicher oder schuldrechtlicher Beziehungen Der Anspruchsgegner hat außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu erstatten, wenn er sich in Verzug befand und die Anwaltskosten infolge des Verzuges dann als Verzögerungsschaden entstanden sind. Haftet jemand aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo, cic; §§ 311 Abs. 2, 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) oder positiver Vertrags-/ Forderungsverletzung (pVV, §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB), können Anwaltskosten als adäquater und dem Schädiger zuzurechnender Folgeschaden zu ersetzen sein. Gemeinsam ist diesen Haftungsnormen, dass der Anspruchsgegner den Schaden verschuldet haben muss (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
104
(a) Verzug Rechtsanwaltskosten sind vielfach nur dann zu erstatten, wenn die Voraussetzungen des Verzuges (§§ 286 ff. BGB) vorliegen und die Gebührentatbestände des RVG nach Verzugseintritt erfüllt wurden.
105
Der Gläubiger (der Schadenersatzberechtigte; bei Abwicklung eigener Versicherungsverträge: der Versicherungsnehmer) muss Inhaber eines fälligen, durchsetzbaren Anspruch sein. Schadenersatzleistungen sind häufig sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB)1, die Unangemessenheit einer Verzögerung durch die Bearbeitung ist eine Frage des Vertretens im Sinne von § 286 Abs. 4 BGB; es wird demgegenüber auch die Auffassung vertreten, dass Ersatzansprüche erst nach Ablauf eines angemessenen Prüfungszeitraumes fällig werden2.
106
Die sofortige Fälligkeit gilt aber vorwiegend für den Sachschaden am Unfallort; gerade bei Personenschäden entwickeln sich die Schäden erst in zeitlichem Abstand zum Unfallgeschehen und werden erst mit ihrer jeweiligen späteren Entstehung fällig. Für die Kasko-/Sachversicherung gilt regelmäßig, dass der Versicherer binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt der Feststellung die Kasko-Entschädigung zu leisten hat (bei Entwendung: 1 Monat). Vorher ist die Versicherungsleistung nicht fällig3. Eine ähnliche Regelung gilt für die Sachversicherung.
107
Der Schuldner (derjenige, der die Ersatzleistung zu zahlen hat) gerät mit der Erfüllung des fälligen Anspruches nur dann in Verzug, wenn der Gläubiger ihn zuvor mahnt. Mahnung bedeutet die bestimmte und drin-
108
1 S. OLG Celle v. 14. 2. 1963 – 5 U 22/62, NJW 1963, 1205; OLG Stuttgart v. 26. 4. 2010 – 3 W 15/10, jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 2 (Anm. Revilla) = VersR 2010, 1306; ferner Stiefel/Maier/Jahnke, § 109 VVG Rz. 25 ff. 2 OLG Karlsruhe v. 2. 11. 1972 – 4 U 149/71, NJW 1973, 851; LG Köln v. 24. 11. 1976 – 9 S 56/76, VersR 1977, 928; AG Dortmund v. 11. 10. 1999 – 132 C 6509/99, NZV 2001, 383. 3 S. ergänzend BGH v. 27. 2. 2002 – IV ZR 238/00, r+s 2002, 216 (Fälligkeit des Leistungsanspruches im Rahmen von § 12 VVG und AUB 88).
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Teil 5
Rz. 109
Anwaltskosten
gende zweite (erneute) Leistungsaufforderung; eine einseitige Fristsetzung ist noch keine Mahnung. Nur eine bereits fällige Forderung kann angemahnt werden. Die Mahnung ist entbehrlich, wenn sie von vornherein zwecklos ist, z.B. der Schuldner endgültig die Zahlung verweigert (§ 286 Abs. 2 BGB). 109
§ 286 Abs. 3 BGB ergänzt das Mahnungssystem durch eine Fristenregelung, die die weiteren Verzugsvoraussetzungen (Fälligkeit und Verschulden) nicht berührt1. Die 30-Tage-Regelung des § 286 Abs. 3 BGB gilt nur für den Schuldner einer Entgeltleistung; auf Schadenersatzforderungen wegen eines Haftpflichtereignisses ist die Vorschrift also nicht anwendbar2.
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Der Eintritt des Verzuges setzt voraus, dass der Schuldner die Nichtleistung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Der Haftpflichtversicherer ist nicht verpflichtet, unbesehen und vorschnell Zahlungen zu leisten3. Ermittlungen (z.B. durch Beiziehung der Ermittlungsakten4) sind dem Versicherer zuzubilligen; wurden beide Unfallbeteiligte bei der Unfallaufnahme polizeilich ermahnt, ist dem Haftpflichtversicherer zuzubilligen, zunächst die Ermittlungsakte einzusehen5. Solange und soweit ein Haftpflichtversicherer trotz ordnungsgemäßer Behandlung des Regulierungsbegehrens eines Anspruchstellers nicht abschließend beurteilen kann, beruht das Nichtzahlen der Regulierungsleistung auf einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand mit der Wirkung, dass zum einen kein Verzug eintritt (und damit bis dahin auch kein Verzugsschaden zu ersetzen ist) und zum anderen auch keine Veranlassung zur Klage1 S. auch BT-Drucksache 14/6040, S. 146 ff., BT-Drucksache 14/2752, S. 11 re. Sp. a.E. 2 BT-Drucksache 14/6857, S. 51, BT-Drucksache 14/7052, S. 186. Dieses entspricht auch dem ursprünglichen Anliegen des gesetzlichen Vorläufers, dem § 286 III 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen v. 30. 3. 2000 (s. dazu BT-Drucksachen 14/2752 und 14/1246), der den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine „Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Handelsverkehr“ aufnehmen und umsetzen sollte, dabei allerdings nicht nur über das Ziel hinausschoß, sondern auch die gewünschte Wirkung (vor allem Bekämpfung fehlender Zahlungsmoral im Bauhandwerk und Stärkung des Mittelstandes, s. BT-Drucksachen 14/673 und 14/567 und 14/799) gründlich verfehlte; § 284 III BGB a.F. sollte auf vertragliche Beziehungen beschränkt sein, eine Erstreckung auf sämtliche Forderungen war ursprünglich nicht beabsichtigt. 3 OLG Düsseldorf v. 27. 6. 2007 – 1 W 23/07, NZV 2008, 151 = OLGR Düsseldorf 2008, 197. 4 OLG Dresden v. 30. 7. 2007 – 7 W 863/07, SVR 2008, 188; LG Mannheim v. 11. 6. 1982 – 10 T 2/82, VersR 1983, 962; LG Mönchengladbach v. 15. 1. 2008 – 5 T/08, zfs 2009, 155. A. A.: LG München v. 29. 7. 2010 – 10 W 1789/10, jurisPR-VerkR 23/2010 Anm. 1 (Anm. Poppe) = NJW-RR 2011, 386 = zfs 2011, 150. 5 OLG Stuttgart v. 21. 4. 2010 – 3 U 218/09, jurisPR-VerkR 14/2010 Anm. 4 (Anm. Wenker) = VersR 2010, 1074.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 112 Teil 5
erhebung besteht1. Vor Ablauf der dem Versicherer zustehenden Prüfungsfrist können auch Prozesszinsen nicht beansprucht werden2. Die Regulierungsfrist wird erst durch den Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreiben in Lauf gesetzt3 und beginnt, wenn dem Versicherer die zum Nachweis erforderlichen Belegen übermittelt sind und der Versicherer dann in eine eigenverantwortliche Sachprüfung eintreten kann4. Dabei obliegt es dem Geschädigten, von sich aus die notwendigen Maßnahmen zur Beweissicherung zu treffen; er hat die volle Veranlassungspflicht.
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Dem Schadenersatzverpflichteten steht eine angemessene Prüfungszeit nach Geltendmachung des ordnungsgemäß spezifizierten und belegten Schadens zu5, die regelmäßig etwa vier bis sechs Wochen beträgt, unter Umständen aber auch darüber liegen kann6. Bei Schäden mit Auslandsbezug kann auch eine über 4 Wochen liegende Regulierungsfrist einzuräumen sein7. Vor Ablauf der Prüfungsfrist gerät der Schuldner nicht
112
1 OLG Stuttgart v. 21. 4. 2010 – 3 U 218/09, jurisPR-VerkR 14/2010 Anm. 4 (Anm. Wenker) = VersR 2010, 1074. 2 OLG Stuttgart v. 21. 4. 2010 – 3 U 218/09, jurisPR-VerkR 14/2010 Anm. 4 (Anm. Wenker) = VersR 2010, 1074. 3 OLG Dresden v. 29. 6. 2009 – 7 U 0499/09, NZV 2009, 604; LG Köln v. 11. 3. 2004 – 22 O 680/03, SP 2004, 192. 4 OLG München v. 13. 12. 1978 – 24 W 190/78, VersR 1979, 480. 5 KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, VersR 2009, 1262; OLG Köln v. 9. 4. 1973 – 10 W 11/73, VersR 1974, 268 (Anm. Klimke, VersR 1974, 498); OLG Stuttgart v. 26. 4. 2010 – 3 W 15/10; jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 2 (Anm. Revilla) = VersR 2010, 1306. 6 KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, jurisPR-VerkR 11/2009 Anm. 3 (Anm. Nugel) = VersR 2009, 1262 (Dem Haftpflichtversicherer muss nach § 14 Abs. 1 VVG auch in einfach gelagerten Fällen eine angemessene Überprüfungszeit zur Klärung des Haftungsgrundes sowie der Schadenshöhe zugestanden werden, die von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Klageveranlassung im Sinne von § 93 ZPO besteht erst, wenn erkennbar wird, dass eine angemessene Prüfung verzögert oder dem Anspruch bereits ohne Prüfung entgegen getreten wird. Eine Regulierung ohne jegliche Information durch den Versicherungsnehmer und ohne Möglichkeit der Kenntnisnahme der Ermittlungsakte ist dem Haftpflichtversicherer grundsätzlich jedenfalls innerhalb eines Zeitraumes von 6 Wochen nicht zuzumuten.); OLG Frankfurt v. 31. 1. 1996 – 22 W 27/95, VersR 1997, 645; OLG München v. 29. 7. 2010 – 10 W 1789/10, DAR 2010, 644 = jurisPR-VerkR 23/2010 Anm. 1 (Anm. Poppe); OLG Rostock v. 9. 1. 2001 – 1 W 338/98, MDR 2001, 935 = OLGR Rostock 2001, 232; OLG Stuttgart v. 26. 4. 2010 – 3 W 15/10, jurisPRVerkR 11/2010 Anm. 2 (Anm. Revilla) = SP 2010, 412 = VersR 2010, 1306; OLG Stuttgart v. 21. 4. 2010 – 3 U 218/09, jurisPR-VerkR 14/2010 Anm. 4 (Anm. Wenker) = VersR 2010, 1074; AG Darmstadt v. 28. 4. 2005 – 309 C 513/04, SVR 2005, 434. Balke „Die Prüfungs- und Bearbeitungsfrist des Kfz-Haftpflichtversicherers“ SVR 2009, 457 m.w.N.; Böhme/Biela, Kap 8 Rz. 6 m.w.N. 7 2 Monate: OLG Koblenz v. 7. 8. 2003 – 11 W 54/03, SP 2003, 391; AG Neuwied v. 21. 11. 2001 – 4 C 982/01, SP 2002, 106; 6 Wochen: OLG Dresden v. 29. 6. 2009 – 7 U 499/09, NZV 2009, 604; 4–6 Wochen: AG Neuwied v. 21. 11. 2001 – 4 C 982/01, SP 2002, 106; 4 Wochen: LG Köln v. 11. 3. 2004 – 22 O 680/03, SP 2004, 192.
Jahnke
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Teil 5
Rz. 113
Anwaltskosten
Verzug. Die Prüfungs- und Bearbeitungsfrist kann auch nicht dadurch abgekürzt werden, dass die verschiedenen Schadenspositionen sukzessive geltend gemacht oder möglichst frühzeitig Vorschusszahlungen eingefordert werden1. 113
Gibt der Versicherungsnehmer trotz Aufforderung keine Erklärung zum Sachverhalt ab, ist dieses nicht dem Versicherer anzulasten (s. § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG, § 425 BGB), wenn er sich um die Schadenanzeige durch Anmahnung bemüht2. Ein Versicherer hat allerdings die Prüfung des Schadens, für den er einzustehen hat, tunlichst zu beschleunigen. Dabei ist auch der technische Fortschritt in der Schadensbearbeitung zu berücksichtigen, weshalb auch kürzere Fristen zu erwägen sind3.
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Der Schuldner hat nach §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 BGB dem Gläubiger ausschließlich den durch (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB) die Zahlungsverzögerung entstandenen Schaden (Verzögerungsschaden) zu ersetzen, was manchmal übersehen wird. Ist eine Gebühr bereits vor Vollendung der Verzugsvoraussetzungen entstanden, ist diese Gebühr nicht als Verzugsschaden zu erstatten; es fehlt an den gesetzlichen Schadenersatzvoraussetzungen der §§ 286, 280 BGB, da der Schaden eben nicht infolge des Verzuges, sondern bereits zuvor entstanden ist4. (b) Verschulden bei Vertragsschluss, positive Vertragsverletzung
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Haftet jemand aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo – cic –, §§ 311 Abs. 2, 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB) oder positiver Vertrags-/Forderungsverletzung (pVV, §§ 280 Abs. 1, 282 BGB), können auch Anwaltskosten als adäquater und dem Schädiger zuzurechnender Folgeschaden zu ersetzen sein5. 1 OLG Stuttgart v. 26. 4. 2010 – 3 W 15/10, jurisPR-VerkR 11/2010 Anm. 2 (Anm. Revilla) = VersR 2010, 1306. 2 KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, VersR 2009, 1262. 3 6 Wochen: KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, jurisPR-VerkR 11/2009 Anm. 3 (Anm. Nugel) = VersR 2009, 1262; max. 4 Wochen: OLG München v. 29. 7. 2010 – 10 W 1789/10, jurisPR-VerkR 23/2010 Anm. 1 (Anm. Poppe); 3 Wochen: OLG Düsseldorf v. 27. 6. 2007 – 1 W 23/07, NJW-RR 2008, 114 = NZV 2008, 151 = OLGR Düsseldorf 2008, 197; 2 Wochen: OLG Saarbrücken v. 27. 2. 2007 – 4 U 470/06, MDR 2007, 1190 = SP 2008, 51. 4 OLG Saarbrücken v. 7. 7. 1999 – 5 U 139/99 (14), VersR 2000, 358; LG Köln v. 22. 11. 1989 – 19 S 168/89, r+s 1990, 97; AG Ahaus v. 11. 1. 1996 – 5 C 836/95, r+s 1997, 48; AG Hamburg v. 19. 1. 1984 – 7 C 282/84, zfs 1984, 78; AG Köln v. 25. 11. 1993 – 117 C 292/93, VersR 1994, 1170; AG Mannheim v. 2. 3. 1984 – 4 C 378/83, zfs 1984, 301; AG Neuburg/D. v. 11. 12. 1989 – C 575/89, zfs 1990, 88. 5 BGH v. 30. 4. 1986 – VIII ZR 122/85, NJW 1986, 2243 = MDR 1987, 49; OLG Düsseldorf v. 21. 5. 1969 – 9 U 134/68, AnwBl 1969, 446; OLG Dresden v. 6. 9. 2001 – 11 W 1293/01, NJW 2002, 523; LG Hamburg v. 2. 3. 1990 – 13 S 85/89, zfs 1990, 374; AG Hanau v. 8. 3. 1990 – 34 C 3732/89, zfs 1990, 126 m.w.N.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 119 Teil 5
Im Bereich außergerichtlicher Haftpflichtschadenregulierung spielen die Haftungsnormen der pVV und cic nur eine untergeordnete Rolle. Von Bedeutung sind diese Anspruchsgrundlagen allerdings bei der Abwicklung von Versicherungsverträgen.
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(4) Überzogene Ansprüche Die Geltendmachung unbegründeter oder überzogener Ansprüche mindert nicht nur den für den Ersatz erforderlicher Anwaltskosten zu berücksichtigenden Streitwert, sondern kann u.U. sogar zu Gegenansprüchen der Gegenseite führen1.
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(5) Aufwendungsersatz Auch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA, §§ 677 ff. BGB) können prinzipiell Rechtsanwaltskosten als Aufwendungsersatz zu erstatten sein. Die GoA hat im Hinblick auf Anwaltskosten als anspruchsbegründende Rechtsgrundlage ausschließlich im Bereich des Wettbewerbsrechtes2 Bedeutung und wird dort wegen der Einzelheiten ihrer Anwendung kontrovers diskutiert. Als Anspruchsgrundlage findet sie keinerlei Übertragung auf Rechtsbeziehungen außerhalb dieses besonderen Rechtskreises.
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(6) Haftpflichtschadenregulierung (a) Ausnahmetatbestand Im Bereich der Haftpflichtschadenregulierung ist seit langem anerkannt, dass einem Geschädigten auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen von Verzug bzw. positiver Vertragsverletzung oder culpa in contrahendo grundsätzlich auch die bei der Verfolgung seiner Schadensersatzansprüche entstehenden Rechtsanwaltskosten als adäquater und dem Schädiger zurechenbarer Folgeschaden zu ersetzen sind3. Das ist für einfach gelagerte Sachverhalte allerdings nicht selbstverständlich4. 1 OLG Brandenburg v. 9. 7. 2009 – 12 U 203/08, VersR 2010, 66 unter Hinweis auf Palandt-Heinrichs, 68. Aufl., § 249 BGB Rz. 39. 2 Vgl. BGH v. 12. 4. 1984 – I ZR 45/82, MDR 1984, 733 = NJW 1984, 2525. 3 BGH v. 9. 3. 2011 – VIII ZR 132/10, MDR 2011, 512 = NJW 2011, 1222; BGH v. 30. 4. 1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2243; BGH v. 21. 10. 1969 – VI ZR 86/68, VersR 1970, 41; BGH v. 1. 6. 1959 – III ZR 49/58, MDR 1959, 736 (nur Ls.) = NJW 1959, 1631 (nur Ls.) = VersR 1959, 674 (Wenn sich ein durch Verschulden des Fahrers eines Dienstfahrzeuges der in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte Geschädigter zur Geltendmachung seiner Ersatzansprüche beim Amt für Verteidigungslasten eines Rechtsanwaltes bedient, sind ihm die dadurch entstandenen Anwaltskosten zu ersetzen); BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145; BGH v. 31. 1. 1963 – III ZR 117/62, BGHZ 39, 60 (Auch wenn in einer Vereinbarung über die Höhe der Ersatzleistung keine Regelung bezüglich der dem Geschädigten durch seine
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Teil 5 120
Rz. 120
Anwaltskosten
Grundsätzlich sind Anwaltskosten von jeder Partei selbst zu tragen und nur als Folge von Verzug oder (vor-)vertraglichem Fehlhalten als Schadenersatz geschuldet. Diesen Grundsatz hat die deutsche1 Rechtsprechung ausnahmsweise durchbrochen, und zwar für den Bereich der Haftpflichtschadenregulierung, beschränkt ferner auf einen fest umrissenen, ganz bestimmten Kreis von Geschädigten, die aus Gründen der Waffengleichheit besonderen Schutzes bedürfen2. Zu ersetzen sind dann aber nicht alle durch das Schadenereignis adäquat verursachten Kosten, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind. Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vom Geschädigten substantiiert dazulegen und zu beweisen3. (b) Schutzbedürftigkeit, Waffengleichheit
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Nach der Rechtsprechung des BGH4, entwickelt zunächst zu den sogenannten Stationierungsschäden5, hat ausnahmsweise der durch ein Schadenereignis (Unfall) unmittelbar und direkt Betroffene einen Schadenersatzanspruch auch hinsichtlich der erforderlichen Kosten des von ihm mit der Schadenabwicklung beauftragten Rechtsanwaltes, wenn er insoweit schutzwürdig und schutzbedürftig ist.
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Direktgeschädigte sind die in ihren absoluten Rechten (insbesondere Eigentum, Gesundheit, Leben; vgl. § 823 Abs. 1 BGB) betroffenen Personen, beispielsweise Sacheigentümer (wie Kfz- oder Gebäudeeigentü-
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Rechtsverfolgung erwachsenen Rechtsanwaltskosten getroffen ist, sind diese Kosten zu erstatten. Das gilt regelmäßig auch für eine entstandene Vergleichsgebühr.), BGH v. 8. 1. 1962 – III ZR 210/60, MDR 1962, 380 = NJW 1962, 637 (Kann der Geschädigte Ersatz der Rechtsanwaltskosten fordern, die durch die Geltendmachung seiner Ersatzansprüche beim Amt für Verteidigungslasten entstanden sind, sind die Gebühren nach dem Gegenstandswert zu erstatten, der dem Wert der begründeten Anmeldung entspricht). BGH v. 6. 10. 2010 – VIII ZR 271/09, MDR 2011, 151 = NJW 2011, 296 (In einem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall bedarf ein gewerblicher Großvermieter für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung eines Wohnungsmietvertrags keiner anwaltlichen Hilfe. Die Kosten für einen gleichwohl beauftragten Rechtsanwalt sind dann vom Mieter nicht zu erstatten.) Anders überwiegend im europäischen Ausland: Buse, DAR 2001, 536; Neidhart, DAR 2001, 536; Zwerger, DAR 1988, 321. S. auch OLG München v. 28. 9. 1995 – 1 U 2954/95, VersR 1997, 114 (Verletzt die Finanzbehörde die ihr dem Steuerpflichtigen gegenüber obliegenden Amtspflichten, hat sie diesem die Kosten eines zur Anfechtung des rechtswidrigen Bescheides eingeschalteten Steuerberaters zu ersetzen). S. Teil 5 V Rz. 101 ff. BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145; BGH v. 21. 10. 1969 – VI ZR 86/88, VersR 1970, 41. BGH v. 31. 1. 1963 – III ZR 39/62, VersR 1963, 830; BGH v. 31. 1. 1963 – III ZR 117/62, MDR 1963, 289 = VersR 1963, 267 m.w.N.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 125 Teil 5
mer), in ihrer körperlichen Integrität verletzte Fahrer, Insassen, Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer. Dabei hat die Rechtsprechung gleichzeitig klargestellt, dass diese Durchbrechung des Grundsatzes als höchstpersönliches Recht des unmittelbar Geschädigten ausgestaltet ist1. Der auf § 249 BGB i.V.m. den Haftungstatbeständen (u.a. §§ 7 StVG, 823 ff., 839 BGB) gestützte Schadenersatzanspruch beruht auf dem Prinzip der Waffengleichheit2: Im Regelfall kann einem rechtsunkundigen Anspruchsteller nicht zugemutet werden, sich unter Aufwendung von Mühe und Freizeit mit einem Haftpflichtversicherer auseinander zu setzen, der über in dieser Spezialmaterie besonders erfahrenes und geschultes Personal verfügt. Daher kann derjenige, der des Schutzes bedarf, bereits vor Eintritt des Verzuges einen Anwalt mit der Durchsetzung seiner Ansprüche beauftragen. Die Anwaltskosten sind dann adäquater und dem Schädiger zurechenbarer materieller Unfallfolgeschaden3.
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Ist der haftpflichtige Schädiger selbst nicht haftpflichtversichert, schuldet er also den Schadenersatz aus eigener Tasche, sind dem Geschädigten allerdings nicht ohne weiteres auch die Anwaltskosten geschuldet. Es bedarf in diesen Fällen dann der näheren Darlegung, warum – ohne dass die Voraussetzungen des Verzuges oder der positiven Vertragsverletzung/ culpa in contrahendo vorliegen – die Waffengleichheit hergestellt werden musste durch die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwaltes ohne vorangehendes zumutbares eigenes Tätigwerden des Verletzten4. Im Ansatz dürften die Voraussetzungen nur dann vorliegen, wenn ein einem Haftpflichtversicherer vergleichbarer Gegenpart die Regulierung übernimmt, insbesondere in Fällen der Eigenversicherung (§ 2 PflVG) und bei Großunternehmen oder Behörden (z.B. Post, Bahn, Schadenregulierungsstelle des Bundes [SRB]), die über geschultes Personal verfügen.
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(c) Rückkehr zum Grundsatz Der schutzbedürftige Geschädigte im Bereich der Haftpflicht-Schadenregulierung ist gegenüber anderen Gläubigern insofern privilegiert, als er 1 BGH v. 13. 11. 1961 – III ZR 114/60, MDR 1962, 35 = VersR 1961, 1141; LG Mosbach v. 19. 10. 1982 – S 94/82, VersR 1983, 571; AG Borken v. 15. 4. 1983 – 3 C 119/83; AG Castrop-Rauxel v. 15. 2. 1985 – 4 C 7/85. 2 BGH v. 26. 9. 1960 – III ZR 119/59, VersR 1960, 1046. Ähnlich: OLG Köln v. 19. 11. 1974 – 4 U 4/74, VersR 1975, 1106; AG Brake v. 12. 2. 1990 – 3 C 600/89; AG Bielefeld v. 13. 3. 1990 – 12 C 136/90, zfs 1990, 196; AG Dortmund v. 6. 1. 1982 – 116 C 665/81, VersR 1984, 48; AG Nürnberg v. 2. 12. 1982 – 22 C 6746/82, zfs 1986, 16; AG Würzburg v. 23. 11. 1982 – 14 C 2060/82, zfs 1986, 15. 3 BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145; BGH v. 21. 10. 1969 – VI ZR 86/88, VersR 1970, 41. 4 LG Zweibrücken v. 10. 2. 1998 – 3 S 178/97, NJW-RR 1998, 1105; AG Biedenkopf v. 16. 6. 1997 – C 66/97, NJW-RR 1998, 1455 (Abwehr einer wegen Verjährung nicht durchsetzbaren Vertragsforderung).
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Teil 5
Rz. 126
Anwaltskosten
zu Lasten des ersatzpflichtigen Schädigers von vornherein – vor Eintritt des Verzuges – einen Anwalt mit der Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche betrauen darf. Hiervon wiederum ausgenommen (und damit zurückkehrend zum Grundsatz) haben einige Gruppen von Direktgeschädigten keinen Anspruch auf Anwaltskostenerstattung außerhalb der Voraussetzungen des Verzuges, und zwar dann, wenn eine Waffengleichheit anzunehmen ist, insbesondere also größere Firmen (dabei unabhängig vom Vorhandensein einer Rechtsabteilung). 126
Einer rechtskundigen bzw. im Geschäftsverkehr nicht unerfahrenen Partei ist zuzumuten, ohne Einschaltung eines Anwaltes zunächst die Ansprüche selbst gegenüber dem Versicherer geltend zu machen1. Schutzwürdigkeit fehlt bei Unternehmen und Behörden, die über geschultes, rechtskundiges bzw. im Geschäftsverkehr nicht unerfahrenes Personal verfügen. Ist der unmittelbar in seinen Rechten Geschädigte selbst im Geschäftsverkehr erfahren, bedarf er des besonderen Schutzes nicht. Kaufleuten wird bereits gesetzlich eine besondere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit im Geschäftsverkehr abverlangt (s. §§ 343 ff. HGB), da man von ihnen eine größere Erfahrung im Handels- und Geschäftsleben erwartet. Diese besondere Erfahrung im Wirtschaftsleben rechtfertigt es, Unternehmen abzuverlangen, sich zunächst unmittelbar mit dem Schädiger in Verbindung zu setzen2. Dieses gilt für kleinere Unternehmer, die alles selbst erledigen, ebenso wie für große Betriebe (z.B. für Banken, Behörden, Bahn, Post, städtische Verkehrsbetriebe3 und ausländische Versicherer4), die teilweise für diese Zwecke sogar Personal halten müssen; entsprechende Gemeinkosten sind nicht erstattungsfähig5. Leasing- und Mietwagenunternehmen haben bei Beschädigung ihrer Fahrzeuge durch einen Dritten keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes außerhalb der Voraussetzungen des Verzugsschadens6. 1 So ausdrücklich AG Bielefeld v. 13. 3. 1990 – 12 C 136/90, zfs 1990, 196. 2 LG Düsseldorf v. 25. 5. 1999 – 24 S 553/98, SP 2000, 179; AG Cloppenburg v.7. 6. 1991 – 2a C 114/91. 3 OLG Köln v. 19. 11. 1974 – 4 U 4/74, VersR 1975, 1106. 4 AG Ahaus v. 30. 1. 1991 – 5 C 980/90 (Niederländischer Kaskoversicherer); AG Münster v. 11. 10. 1988 – 28 C 466/88, zfs 1989, 54 (Niederländischer Kaskoversicherer). 5 OLG Köln v. 19. 11. 1974 – 4 U 4/74, VersR 1975, 1106; AG Cloppenburg v. 7. 6. 1991 – 2a C 114/91. 6 LG München I v. 15. 4. 2010 – 19 S 25160/09 (Für eine Kfz-Leasinggesellschaft mit eigener Rechtsabteilung ist bei einfach gelagerten Sachverhalten die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur erstmaligen Geltendmachung des Verkehrsunfallschadens nicht erforderlich); AG Bielefeld v. 22.12.87 – 12 C 1118/87, zfs 1988, 137; AG Bergisch-Gladbach v. 30. 10. 2000 – 61 C 133/00, SP 2001, 67; AG Bocholt v. 31. 7. 1990 – 4 C 439/90, zfs 1991, 198; AG Brake v. 12. 2. 1990 – 3 C 600/89, zfs 1991, 198; AG Cloppenburg v. 7. 6. 1991 – 2a C 114/91; AG Charlottenburg v. 17. 7. 1986 – 210 C 124/86, zfs 1987, 46; AG Dieburg v. 12. 6. 1979 –
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 130 Teil 5
(d) Einfach gelagerter Sachverhalt Etliche Gerichte1 verneinen generell einen Ersatzanspruch, wenn der Schadensfall von vornherein einfach gelagert war und der Schädiger auf ein erstes Anspruchsschreiben unverzüglich regulierte.
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Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten – unabhängig, ob Privatmann oder Behörde – kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, ist es nach Auffassung des BGH2 grundsätzlich nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schaden gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Versicherung einen Anwalt beizuziehen. Vor allem die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist zu diesem Problem allerdings uneinheitlich3.
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Richtet sich der Anspruch gegen ausländische Schädiger, ist auch bei einfach gelagertem Sachverhalt Anwaltseinschaltung erforderlich4.
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(e) Anwalt in eigener Angelegenheit Auch ein Rechtsanwalt kann Anspruch auf Erstattung anwaltlicher Gebühren als Rechtsverfolgungskosten haben, wenn er in eigener Angelegenheit berufliche Tätigkeiten entfaltet. Dem Geschädigten ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen5.
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22 C 148/79; AG Dresden v. 13. 9. 2001 – 107 C 3997/01, SP 2002, 36; AG Düsseldorf v. 25. 11. 2009 – 35 C 6106/09, SP 2010, 305 = VersR 2010, 1380; AG Frankfurt v. 15. 11. 2005 – 30 C 2707/05–45, zfs 2006, 286; AG Minden v. 22. 10. 1991 – 20 C 664/91; AG Münster v. 18. 4. 1989 – 28 C 39/89, zfs 1990, 231; AG Wiesbaden v. 20.3.86 – 99 C 1439/85, zfs 1986, 176. LG Bonn v. 9. 4. 2001 – 1 O 435/00, SP 2001, 216, LG Berlin v. 23. 4. 2009 – 42 S 31/09, SP 2009, 446; AG Berlin-Mitte v. 6. 12. 2002 – 101 C 3307/02, SP 2003, 149; AG Karlsruhe v. 14. 1. 1998 – 5 C 459/97, zfs 1998, 306; AG Nürnberg v. 25. 2. 2003 – 16 C 5594/02, SP 2003, 326; AG Wiesloch v. 5. 11. 1997 – 2 C 115/97, zfs 1998, 306. BGH v. 8. 11. 1994 – VI ZR 3/94, MDR 1995, 150 = NJW 1995, 446 = VersR 1995, 183. AG Gießen v. 11. 3. 1999 – 47 C 3050/97, SP 1999, 250; AG Hamburg v. 15. 3. 2001 – 53a C 2712/00, zfs 2001, 272; AG Kiel v. 24. 6. 1998 – 114 C 189/98, SP 1999, 250; AG Kaiserslautern v. 24. 4. 1998 – 8 C 508/98, zfs 1998, 380 (Ist ein ausländischer Schädiger in Anspruch zu nehmen, ist auch bei einfach gelagertem Sachverhalt die Anwaltseinschaltung zur Schadenregulierung erforderlich). AG Kaiserslautern v. 24. 4. 1998 – 8 C 508/98, zfs 1998, 380 Vgl. BGH v. 26. 5. 1970 – VI ZR 168/68, MDR 1970, 751 = NJW 1970, 1454 = VersR 1970, 832 (Unterhält ein Verkehrsbetrieb eine Werkstätte, die nur zur Instandsetzung der eigenen Fahrzeuge bestimmt ist, kann er vom Schädiger eines Fahrzeugs nicht ohne weiteres Ersatz der höheren Kosten einer nicht vorgenommenen Fremdreparatur fordern).
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Teil 5
Rz. 131
Anwaltskosten
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Reguliert der Anwalt selbst (oder die Sozietät bzw. Bürogemeinschaft, der er angehört) seinen eigenen Schaden, sind ihm die üblicherweise1 bei einer solchen Regulierung entstehenden Anwaltskosten aber nur unter weiteren Voraussetzungen zu ersetzen. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO gilt nicht im Rahmen außergerichtlicher Regulierung2.
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Bei anwaltlicher Selbstvertretung kann nicht generell darauf abgestellt, ob in der betreffenden Situation ein juristischer Laie die Beauftragung eines Anwalts für notwendig erachten durfte3. In Fällen einer Eigenvertretung durch den geschädigten Rechtsanwalt hängt die Erstattungsfähigkeit seiner Gebühren davon ab, ob eine typische anwaltliche Tätigkeit erforderlich ist, die über die gewöhnliche eigene Mühewaltung hinausgeht. Ein ersatzfähiger Schaden resultiert nicht schon daraus, dass der Gläubiger für die Verfolgung seiner Rechte Zeit aufwendet und seine Arbeitskraft einsetzt; die gewöhnliche eigene Mühewaltung des Geschädigten zur Durchsetzung seiner Ansprüche wird vielmehr seinem Verantwortungsbereich zugerechnet4. Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren bei Eigenvertretung ist davon abhängig, ob und in welchem Umfang dem Anwalt im Einzelfall der Einsatz seiner beruflichen Fähigkeiten unzumutbar war, was – auch zur Abgrenzung zur gewöhnlichen eigenen Mühewaltung – auf typische anwaltliche Tätigkeiten zu beschränken ist (wie z.B. die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen, das Führen von Vergleichsverhandlungen und die rechtliche Überprüfung von Sachverhalten mit zumindest mittlerem Schweregrad)5. Handelt es sich um eine einfache Angelegenheit, sind keine Gebühren zu erstatten6.
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Die Frage, ob die Tätigkeit eines Anwaltes in eigener Sache der Umsatzsteuer unterliegt7 und daher deren Erstattung verlangt werden kann, 1 LG Hamburg v. 23. 10. 1970 – 6 O 293/70, AnwBl 1971, 113. 2 LG Berlin v. 8. 11. 1973 – 17 O 233/73, VersR 1974, 868; AG Siegburg v. 26. 2. 1982 – 2 C 39/82, zfs 1983, 13. 3 OLG Oldenburg v. 6. 2. 2008 – 5 U 34/07, VersR 2009, 797. 4 BGH v. 9. 3. 1976 – VI ZR 98/75, MDR 1976, 831 = NJW 1976, 1256 = VersR 1976, 857; OLG Oldenburg v. 6. 2. 2008 – 5 U 34/07, VersR 2009, 797. 5 OLG Oldenburg v. 6. 2. 2008 – 5 U 34/07, VersR 2009, 797. 6 LG Düsseldorf v. 2. 3. 1977 – 2 O 322/76, VersR 1977, 971; LG München I v. 7. 9. 1971 – 15 S 356/71, NJW 1972, 162 = VersR 1973, 168; AG Bielefeld v. 13. 3. 1990 – 12 C 136/90, zfs 1990, 196; AG Bochum v. 1. 8. 2000 – 63 C 167/00, SP 2000, 429; AG Brackenheim v. 21. 6. 2000 – 1 C 145/00, VersR 2000, 1272; AG Dresden v. 13. 9. 2001 – 107 C 3997/01, SP 2002, 36; AG Eschwege v. 26. 10. 1995 – 2 C 650/95, zfs 1996, 470; AG Essen v. 2. 9. 1991 – 10 C 453/91, zfs 1991, 413; AG Hamburg v. 26. 1. 1990 – 50 C 447/89, zfs 1990, 307; AG Hannover v. 19. 4. 1985 – 516 C 2352/85; AG München v. 28. 1. 2004 – 322 C 33323/03, SP 2004, 283; AG Naumburg v. 4. 7. 2000 – C 156/00, zfs 2001, 327. S. auch AG Halle v. 28. 4. 2010 – 2 C 876/09 – NJW 2010, 3456 (Allein die zügige Verkehrsunfallabwicklung und unproblematische Schadensregulierung schließt eine durchschnittliche Angelegenheit nicht aus). 7 KG v 17. 7. 1981 – 1 W 2401/81, MDR 1981, 1024 = VersR 1982, 300.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 136 Teil 5
hängt davon ab, ob er eine private oder berufliche Angelegenheit wahrgenommen hat. Vertritt sich der Anwalt in einer privaten Sache selbst, entsteht ein Eigenverbrauch im Rahmen des anwaltlichen Unternehmens für Zwecke, die außerhalb dieses Unternehmens liegen; da der Anwalt die auf diesen Eigenverbrauch anfallende Umsatzsteuer nicht als Betriebsausgabe absetzen kann, entstehen ihm Aufwendungen in Höhe der abzuführenden Umsatzsteuer, die ihm dann auch zu erstatten sind1. (f) Rechtsnachfolger Zwar darf ein unmittelbar Unfallgeschädigter ausnahmsweise bereits vor Verzug einen Anwalt auf Kosten des Schädigers für Anspruchsdurchsetzung einschalten, wenn er schutzbedürftig ist. Der Anspruch, sich sofort auf Kosten des Ersatzpflichtigen anwaltlicher Hilfe zu bedienen, steht aber ausschließlich, und zwar als höchstpersönliches Recht im Sinne von § 399 BGB2, dem Verletzten zu und kann bereits von daher nicht durch Zession übertragen werden. Rechtsnachfolger (sei es aufgrund gewillkürter Rechtsnachfolge – Abtretung –3, sei es durch gesetzlichen Forderungsübergang – cessio legis – [z.B. § 116 SGB X, § 86 VVG, § 6 EFZG]) können daher nicht unmittelbar auf Kosten des Schädigers einen Anwalt einschalten.
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Sind Ersatzansprüche z.B. an ein Mietwagenunternehmen oder eine Reparaturwerkstatt abgetreten, können diese Abtretungsgläubiger nicht außerhalb des Verzugsschadensersatzes4 Rechtsverfolgungskosten (insbesondere Anwaltskosten) vom Schadensersatzpflichtigen verlangen.
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Für Drittleistungsträger (z.B. Arbeitgeber, Sozialhilfeträger, Sozialversicherer5) gilt ebenfalls, dass eine Anwaltskostenerstattung außerhalb des Verzuges entfällt. Es besteht kein Anspruch auf Ersatz der vorgericht-
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1 OLG Hamm v. 5. 2. 1985 – 23 W 525/84, MDR 1985, 683 = VersR 86, 556; ähnlich OLG Hamburg v. 21. 3. 1986 – 8 W 62/86, JurBüro 1986, 873. S. auch OLG Hamburg v. 21. 11. 1986 – 8 W 284/86, JurBüro 1987, 1032 (Vertreten sich Anwälte in einer Angelegenheit, in der ihnen zur Abdeckung von Gebührenansprüchen eine gesicherte Forderung abgetreten worden war, vor Gericht selbst, entsteht keine Umsatzsteuer). 2 BGH v. 13. 11. 1961 – III ZR 114/60, MDR 1962, 35 = VersR 1961, 1141; LG Arnsberg v. 22. 1. 1990 – 5 S 284/89, zfs 1990, 224; LG Detmold v. 1. 10. 1986 – 2 S 149/86; LG Mosbach v. 19. 10. 1982 – S 94/82, VersR 1983, 571. 3 LG Detmold v. 1. 10. 1986 – 2 S 149/86; AG Castrop-Rauxel v. 15. 2. 1985 – 4 C 7/85; AG Köln v. 11. 4. 1980 – 267 C 17/80, VersR 1980, 588; AG Lemgo v. 5. 2. 1986 – 18 C 778/85; AG Witten v. 8. 5. 1987 – 3 C 134/87. 4 Dann folgt die Ersatzverpflichtung allerdings aus eigenem und nicht etwa aus vom unmittelbar Verletzten abgetretenem Recht. Aus diesem Grunde ist u.a. auch die Vorsteuerabzugsberechtigung ausschließlich im Verhältnis zum Rechtsnachfolger zu beurteilen. 5 BGH v. 13. 11. 1961 – III ZR 114/60, MDR 1962, 35 = VersR 1961, 1141.
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Teil 5
Rz. 137
Anwaltskosten
lichen Anwaltskosten aus §§ 280, 286 BGB, wenn der Schadenersatzpflichtige sich im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts nicht in Verzug befunden hat1. 137
Arbeitgeber, die ihren verletzten Arbeitnehmern Lohn bzw. Gehalt fortzahlen, können den auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch ihres Arbeitnehmers beim Schädiger geltend machen. Soweit sie sich dabei anwaltlicher Hilfe bedienen, sind diese Kosten dem Arbeitgeber als nur mittelbar Geschädigtem nur dann zu erstatten, wenn die Voraussetzungen des Verzuges erfüllt und die Kosten zugleich zwingend nach Vollendung der Verzugsvoraussetzungen entstanden sind, sich also als Verzugsfolge darstellen2. Ein Anspruchsübergang hinsichtlich der Anwaltskosten erfolgt weder gesetzlich (§ 6 EFZG) noch kann er durch Abtretung herbeigeführt werden. (g) Fehlender Versicherungsschutz
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Nimmt bei „krankem“ Versicherungsverhältnis auf Seiten des Ersatzpflichtigen der Geschädigte seine Kaskoversicherung in Anspruch, kann die Haftpflichtversicherung wegen der ersatzfähigen Anwaltskosten den Geschädigten gemäß § 117 Abs. 3 VVG an dessen Rechtsschutzversicherung verweisen (str.)3.
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Wird ein Schadenfall durch die Verkehrsopferhilfe reguliert, kann der Geschädigte an seine Rechtsschutzversicherung verwiesen werden4. bb) Anspruchshöhe (1) Erforderliche Rechtsverfolgungskosten
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Der zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten Verpflichtete (bzw. sein Versicherer) hat nicht alle beim Ersatz Begehrenden angefallenen bzw. in Rechnung gestellten Rechtsverfolgungskosten zu erstatten, die Ersatzpflicht ist beschränkt auf die erforderlichen Kosten5. Zu ersetzen sind 1 OLG Hamm v. 26. 10. 2010 – 21 U 163/08, VersR 2011, 637. 2 LG Arnsberg v. 22. 1. 1990 – 5 S 284/89, zfs 1990, 224; LG Hanau v. 26. 7. 1977 – 2 S 149/77, VersR 1978, 381; LG Koblenz v. 28. 6. 1977 – 6 S 435/76, VersR 1977, 1060; LG Mosbach v. 19. 10. 1982 – S 94/82, VersR 1983, 571; LG Münster v. 11. 9. 1986 – 8 S 30/86; AG Dortmund v. 11. 10. 1999 – 132 C 6509/99, NZV 2001, 383 mit ausführlicher Begründung; AG Gummersbach v. 10. 12. 1986 – 2 C 161/86, zfs 1988, 106; AG Nordhorn v. 15. 6. 1987 – 3 C 576/87, zfs 1988, 135. 3 Stiefel/Maier/Jahnke, § 117 VVG Rz. 120; Prölss/Martin/Knappmann, § 117 VVG Rz. 24. A. A.:AG Frankfurt v. 24. 10. 1975 – 32 C 1021/75, VersR 1976, 335; AG Köln v. 25. 5. 1983 – 265 C 72/83, zfs 1983, 211. 4 AG Idar-Oberstein v. 4. 2. 2010 – 301 C 771/09, DAR 2010, 271 5 OLG Frankfurt v. 3. 7. 2001 – 13 U 95/99, SP 2001, 361; OLG München v. 28. 3. 1985 – 26 U 5082/84, DAR 85, 382; LG Paderborn v. 15. 9. 1988 – 3 O 287/88; AG Bochum v. 5. 2. 1987 – 65 C 616/86; AG Lüdenscheid v. 9. 10. 1986 – 8 C 660/86,
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 142 Teil 5
nur diejenigen Rechtsanwaltskosten, die zur Durchsetzung eines Anspruches erforderlich sind. Dieser in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zum Ausdruck gebrachte Grundsatz gilt allgemein. Dienen die anwaltlichen Aktivitäten nicht der Durchsetzung des Schadenersatzbegehrens, fallen die (im Mandatsverhältnis entstandenen) Gebühren nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm und sind nicht zu erstatten1. (2) Schadenminderungspflicht, § 254 BGB An der Erstattungsverpflichtung des Schädigers fehlt es ganz oder teilweise, wenn § 254 BGB zum Tragen kommt. Die Schadenersatzverpflichtung findet ihre Grenze, wenn die entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der auch dem Verletzten/Geschädigten obliegenden Schadenminderungspflicht nicht nötig geworden wären. Wenn der Geschädigte die Höhe der Kosten für die Schadenbeseitigung beeinflussen kann, ist er unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadenbeseitigung zu wählen. Diese Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, bildet gleichsam eine immanente Schranke für die Höhe der zur Schadenbeseitigung erforderlichen Kosten2.
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Diesen ihm zumutbaren Weg verlässt der Geschädigte dann, wenn er Tätigkeiten, die er selbst erledigen könnte, auf kostenträchtige Weise anwaltlich erledigen lässt3. Vom Geschädigten ist zu verlangen, dass er zur zweckentsprechenden Durchsetzung seiner Ansprüche durch einen Rechtsanwalt einen Weg wählt, der auch unter Kostengesichtspunkten den Ersatzverpflichteten nicht mehr als erforderlich belastet4. Dieser Aspekt gilt auch, wenn letztlich ein Versicherer für den Schaden aufzukommen hat5. Bei Nichtbeachtung dieser ihn treffenden Obliegenheit muss der Geschädigte den Rechtsnachteil hinnehmen, nicht seinen ge-
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zfs 1987, 45; AG Recklinghausen v. 4. 1. 1984 – 15 C 577/83; AG Witten v. 1. 10. 1981 – 2 C 545/81, zfs 1982, 111. LG Berlin v. 17. 4. 2000 – 58 S 428/99, VersR 2002, 333 (Einholung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung). BVerfG v. 30. 1. 1990 – 2 BvR 1085/89, NJW 1990, 3072; BGH v. 2. 7. 1985 – VI ZR 177/84, VersR 1985, 1092; BGH v. 26. 5. 1988 – III ZR 42/87, VersR 1988, 1178. Zu regelmäßig wiederkehrenden Abrechnungen s. Teil 5 VIII Rz. 266 ff. AG Alzey v. 19. 2. 1982 – C 24/82, VersR 1983, 647; AG Bochum v. 5. 2. 1987 – 65 C 616/86; AG Bruchsal v. 18. 10. 1989 – 3 C 262/89, zfs 1990, 196; AG Euskirchen v. 20. 12. 1982 – 4 C 545/82, zfs 1983, 112; AG Recklinghausen v. 4. 1. 1984 – 15 C 577/83. S. auch: BGH v. 2. 7. 1985 – VI ZR 177/84, VersR 1985, 1092 und BGH v. 26. 5. 1988 – III ZR 42/87, VersR 1988, 1178; in diesem Sinne ebenfalls: BVerfG v. 30. 1. 1990 – 2 BvR 1085/90, NJW 1990, 3072. AG Alzey v. 19. 2. 1982 – C 24/82, VersR 1983, 647; ähnlich AG Westerstede v. 4. 5. 1988 – 2 C 160/88, zfs 1989, 263.
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Teil 5
Rz. 143
Anwaltskosten
samten Schaden (hier: die ihm in Rechnung gestellten Anwaltskosten) ersetzt zu erhalten1. Konnten die zur Begründung vorgebrachten anwaltlichen Aktivitäten problemlos und zumutbar durch den Geschädigten selbst erfolgen, verstößt der Geschädigte gegen seine – dem Schädiger gegenüber obliegende – Verpflichtung, den Schaden möglichst gering zu halten2. Ebenso wie der Schädiger nicht verpflichtet ist, die Kosten einer die gesetzlichen Gebühren überschreitenden Honorarvereinbarung zu tragen, hat er vermeidbar entstehende Kosten aus dem Auftragsverhältnis zwischen Geschädigtem und seinem Anwalt nicht zu ersetzen3. 143
Dem Verletzten ist auch hinsichtlich des Ersatzes von Rechtsverfolgungskosten ein etwaiges Fehlverhalten seiner Anwälte gemäß §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB schadenersatzmindernd zuzurechnen. (3) Ortsansässiger Anwalt
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Zu ersetzen sind diejenigen Kosten, die bei Beauftragung eines ortsansässigen Anwaltes entstehen.
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Sind Ersatzansprüche in Deutschland zu verfolgen, ist die Einschaltung ausländischer Anwälte nicht erforderlich4. Deren über das deutsche Maß hinausgehende Kosten sind vom ersatzpflichtigen Schädiger nicht zu ersetzen. (4) Anwaltswechsel
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Bei Anwaltswechsel sind die weitergehenden Kosten des zweiten Anwaltes nicht zu erstatten, es sei denn, es liegt ausnahmsweise ein vom Geschädigten nachgewiesener5 wichtiger Grund vor.
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Die Gebührennote des erstbeauftragten Anwaltes kann als Schadenersatzanspruch (der Streitwert entspricht den bisherigen Zahlungen an den erstbeauftragten Anwalt) bereits in der noch laufenden Regulierung geltend gemacht werden; allerdings nur Zug-um-Zug gegen die Erklärung 1 BGH v. 26. 5. 1988 – III ZR 42/87, VersR 1988, 1178. 2 LG Paderborn v. 15. 9. 1988 – 3 O 287/88; AG Erlangen v. 30. 11. 1982 – 1 C 377/82, zfs 1983, 111; AG Frankfurt v. 20. 3. 1981 – 32 C 2689/80, VersR 1981, 329; AG Hannover v. 29. 2. 1988 – 521 C 19620/87, r+s 1988, 206. AG Köln v. 16. 11. 1984 – 267 C 274/84, zfs 1984, 367; AG Mayen v. 11. 4. 1989 – 2 C 161/89; AG Münster v. 15. 11. 2001 – 49 C 3409/01; AG Solingen v. 21. 9. 1983 – 10(11) C 439/83, zfs 1984, 13; AG Witten v. 1. 10. 1981 – 2 C 545/81, zfs 1982, 111. 3 AG Bochum v. 5. 2. 1987 – 65 C 616/86. Ähnlich: LG Paderborn v. 15. 9. 1988 – 3 O 287/88; AG Bruchsal v. 18. 10. 1989 – 3 C 262/89, zfs 1990, 196; AG Recklinghausen v. 4. 1. 1984 – 15 C 577/83. 4 BGH v. 12. 7. 2005 – VI ZR 83/04, NJW 2006, 1271 = VersR 2005, 1559. 5 Vgl. OLG Koblenz v. 30. 8. 1978 – 12 W 386/78, MDR 1979, 320 = VersR 1979, 359.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 151 Teil 5
des nachbeauftragten Anwaltes, dass letzterer nur die Differenzgebühren (berechnet nach den über die zuvor bereits abgerechneten/gezahlten hinaus verfolgten Ansprüche) vom Schadenersatzpflichtigen einfordere. b) Umsatzsteuer1 Ist der Anspruchsberechtigte nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist die auf die Anwaltskosten entfallende Umsatzsteuer ebenfalls zu übernehmen.
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Kann der Anspruchsberechtigte grundsätzlich die Vorsteuer absetzen, ist zu beachten, dass auch bei vorsteuerabzugsberechtigten Ersatzberechtigten nicht alle Positionen der Umsatzsteuer unterliegen (z.B. nicht Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld). Die Umsatzsteuer auf die Rechtsanwaltskosten ist dann in demjenigen Verhältnis zu übernehmen, in dem die umsatzsteuerpflichtigen Schadenpositionen zum Gesamtschaden stehen. Relevanz hat dieses u.a. in denjenigen Fällen, in denen auch ein hoher Sachschaden (z.B. am PKW) mit abgewickelt wird.
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Der Anwalt kann auf seine Vergütung Umsatzsteuer erheben, wenn die Tätigkeit umsatzsteuerpflichtig ist (Nr. 7008 RVG-VV). Die Umsatzsteuerpflicht kann bei Auslandsberührung entfallen. Bei Tätigkeit für Mandanten aus einem anderen EG-Mitgliedsstaat2 gelten die Bedingungen und Ausnahmen der EG-Mehrwertsteuerrichtlinien3; die Behandlung der nicht im Gemeinschaftsgebiet niedergelassenen Steuerpflichtigen regelt u.a. die 13. Mehrwertsteuerrichtlinie4.
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Ob ein Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer besteht, richtet sich danach, ob der Verletzte (Mandant) die Steuer auf das Finanzamt abwälzen kann. Ist er hierzu berechtigt, besteht wirtschaftlich sein Schaden nur im Nettobetrag5. Nur soweit der Geschädigte nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist die auf die Anwaltskosten entfallende Umsatzsteuer zu er-
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1 S. ergänzend Jahnke, r+s 1996, 205. 2 S. zu Detailfragen u.a. die Fundstellennachweise des geltenden Gemeinschaftsrechtes 09.30.10 (Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer) im analytischen Verzeichnis von EUR Lex (http://europa.eu.int/eur-lex/de/lif/reg/de_register_093010.html). 3 U.a. die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates v. 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. Nr. L 145 v. 13. 6. 1977, S. 1), zuletzt geändert durch 301L0004 (ABl. L 022 v. 24. 1. 2001, S. 17). 4 Dreizehnte Richtlinie 86/560/EWG des Rates v. 17. 11. 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 326 v. 21. 11. 1986, S. 40). 5 AG Heidelberg v. 31. 1. 1985 – 20 C 413/84, VersR 1985, 974 (nur Ls.) = zfs 1985, 363.
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Teil 5
Rz. 152
Anwaltskosten
setzen, der zum Vorsteuerabzug Berechtigte kann die an seinen Anwalt zu entrichtende Umsatzsteuer nicht als Schaden geltend machen. 152
Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen der Vorsteuerabzugsberechtigung ist, wie bei den anderen Schadenersatzpositionen auch, der Geschädigte1. Der Beweis ist einfach, z.B. durch einen Negativattest des Finanzamtes oder die nachprüfbare Stellungnahme des Steuerberaters, zu erbringen.
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Hat der Verletzte seine Ansprüche abgetreten oder im Wege der Legalzession verloren, ist hinsichtlich der Umsatzsteuererstattung ausschließlich auf die Person des Mandanten und nicht auf die Person des ursprünglich Verletzten abzustellen.
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Auch bei vorsteuerabzugsberechtigten Ersatzberechtigten unterliegen nicht alle Schadenersatzpositionen der Umsatzsteuer, z.B. nicht Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld. Die Umsatzsteuer auf die Rechtsanwaltskosten ist dann in demjenigen Verhältnis zu übernehmen, in dem die umsatzsteuerpflichtigen Schadenpositionen zum Gesamtschaden stehen.
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Werden mehrere Mandanten vertreten, die gemeinsam – auch unter Anwendung von § 7 RVG – abzurechnen sind, von denen aber nicht alle zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ist die Umsatzsteuer ebenfalls verhältnismäßig (grundsätzlich Streitwertanteil, bei identischem Streitwert Kopfanteil) anzusetzen.
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Werden Kfz-Haftpflichtversicherung und Halter gemeinsam verklagt und obsiegen beide, ist auch bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Halters dem Haftpflichtversicherer die Umsatzsteuer auf die gesamte Vergütung des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten (einschließlich der Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 RVG-VV) zu erstatten, weil der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Haftpflichtversicherer im Innenverhältnis allein zur Kostentragung verpflichtet ist2.
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Ärzte sind bei der Erstellung ihrer Atteste und Gutachten in Schadenfällen seit dem 8. 3. 2001 nicht mehr grundsätzlich von der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 14 UStG) freigestellt3. Zu beachten ist allerdings, dass die Um1 KG v. 10. 3. 1975 – 12 U 1768/74, VersR 1976, 391; LG München I v. 28. 3. 1985 – 19 S 20610/84, zfs 1985, 198. 2 KG v. 28. 10. 1997 – 1 W 1070/97, VersR 1999, 464. 3 EuGH v. 14. 9. 2000 – C-384/98, DB 2000, 1948. Mit Rundschreiben des Bundesministeriums der Finanzen v. 8. 11. 2001 – IV D 1-S 7170 – 201/01 (das an die Stelle des Schreibens v. 13. 2. 2001 – IV D 1-S 7170 – 4/01 getreten ist) wird darauf hingewiesen, dass bei der Erstellung u.a. von Alkohol-Gutachten, Gutachten für Versicherer und in Sozialversicherungsangelegenheiten die Steuerbefreiung nach § 4 Nrn. 14, 16 UStG für nach dem 8. 3. 2001 (Veröffentlichung des BMF-Schreibens v. 13. 2. 2001 im BStBl. I 2001, 157) erstellte Gutachten nicht mehr gelte.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 160 Teil 5
satzsteuer nur dann anfällt, wenn die Ärzte aus ihrer Gutachtertätigkeit mehr als 16 620 Euro im Jahr erwirtschaften; ansonsten werden sie nämlich als Kleinunternehmer (§ 19 UStG) behandelt, bei denen der Fiskus auf die Umsatzsteuerpflicht der Einkünfte verzichtet. Wird Umsatzsteuer vom Arzt ausgewiesen (vgl. § 15 UStG), ist sie auch zu erstatten.
2. Tätigkeiten außerhalb der zivilrechtlichen Schadenregulierung a) Tätigkeiten im Verhältnis zum Versicherer des Mandaten aa) Verfolgung eigener Versicherungsansprüche (1) Kostentragung des angegangenen Versicherers Wird der Schaden mit der eigenen Sachversicherung (Kaskoversicherung, Gebäudeversicherung) reguliert, sind die dabei entstehenden Anwaltskosten vom in Anspruch genommenen eigenen Versicherer des Mandanten nur dann zu erstatten, wenn sie sich im Verhältnis zu diesem als Verzugsschaden darstellen1. War der Anwalt bereits vor Vollendung der Verzugsvoraussetzungen eingeschaltet, sind nur die Mehrkosten nach Verzugseintritt zu ersetzen2. Bei Falschabrechnung des Versicherers besteht ein Anspruch auch aus positiver Vertragsverletzung (§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB)3.
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Gleiches gilt, wenn der Anwalt in die Regulierung von Unfall- und Lebensversicherungsleistungen eingeschaltet wird.
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(2) Schadenersatzanspruch gegen Dritte Wird der Anwalt tätig, um anlässlich eines Unfalles Ansprüche des Verletzten oder seiner Hinterbliebenen gegenüber deren eigenen Versicherung (z.B. Kaskoversicherung, Gebäudeversicherung, private Unfallversicherung, Lebensversicherung) durchzusetzen, sind die dabei entstehen1 LG Oldenburg v. 24. 9. 2010 – 13 O 1964/10, jurisPR-VerkR 5/2011 Anm 3 (Anm. Wenker) = r+s 2010, 462; LG Hamburg v. 13. 5. 1976 – 2 S 16/76, VersR 1977, 365; LG Wiesbaden v. 20. 11. 1978 – 1 S 362/78, r+s 1979, 135, 153; AG Homburg v. 17. 2. 1987 – 4 C 629/86, zfs 1988, 139; AG Köln v. 2. 5. 1986 – 267 C 18/86, zfs 1986, 270; AG Köln v. 25. 6. 1976 – 142 C 3179/75, VersR 1977, 29; AG Tauberbischofsheim v. 12. 5. 1989 – C 109/89, zfs 1989, 237. 2 OLG Köln v. 21. 1. 1982 – 5 U 93/81, VersR 1983, 922 = VersR 1984, 230 (Anm. Klimke); LG Köln v. 8. 1. 1986 – 19 S 120/85, r+s 1986, 250; AG Ahaus v. 11. 1. 1996 – 5 C 836/95, r+s 1997, 48; AG Hamburg v. 19. 1. 1984 – 7 C 282/83, zfs 1984, 78. 3 AG Aachen v. 29. 6. 1992 – 14 C 206/92, JurBüro 1992, 812. S. auch LG Hamburg v. 2. 3. 1990 – 13 S 85/89, zfs 1990, 374 (Anspruch aus pVV, weil Versicherer auf Schreiben des Versicherten nicht antwortet).
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Teil 5
Rz. 161
Anwaltskosten
den Anwaltskosten grundsätzlich nicht vom Ersatzpflichtigen des zugrunde liegenden Haftpflichtereignisses zu ersetzen1. 161
Rechtsverfolgungskosten gegenüber dem eigenem Versicherer (z.B. Kaskoversicherung, private Unfallversicherung) können dem Geschädigten ausnahmsweise nur dann zu ersetzen sein, wenn er unfallbedingt davon abgehalten ist, seine Ansprüche anzumelden und anwaltliche Inanspruchnahme notwendig war2. bb) Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung
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Nicht zu ersetzen sind die Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung3. Unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens sind Rechtsverfolgungskosten – dazu gehören auch 1 S. allerdings zu Ausnahmen bei der Kaskoschadenregulierung Teil 5 VIII Rz. 286 ff. 2 BGH v. 10. 1. 2006 – VI ZR 43/05, MDR 2006, 929 = NJW 2006, 1065 = VersR 2006, 521; BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558; s. auch BGH v. 16. 1. 1990 – VI ZR 170/89, NJW 1990, 1360 = VersR 1990, 495 3 BGH v. 9. 3. 2011 – VIII ZR 132/10, MDR 2011, 512 = NJW 2011, 1222; OLG Celle v. 12. 1. 2011 – 14 U 78/10, jurisPR-VerkR 3/2011 Anm. 3 (Anm. Revilla) = NJWSpezial 2011, 75; OLG München v. 4. 12. 1990 – 13 U 3085/90, JurBüro 1993, 163; LG Berlin v. 17. 4. 2000 – 58 S 428/99, VersR 2002, 333; LG Erfurt v. 27. 11. 2009 – 9 O 1029/09, r+s 2010, 261; LG Koblenz v. 2. 2. 2010 – 6 S 236/09 (Die Einholung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ist Annex zur Hauptsache der Verkehrsunfallschadenregulierung und damit keine besondere Angelegenheit im Sinne des § 19 RVG. Die Tätigkeit wird daher nicht gesondert vergütet.); LG München I v. 1. 3. 1990 – 26 O 24064/88, zfs 1993, 208; LG Münster v. 4. 5. 2010 – 3 S 12/10, VersR 2011, 411 (Ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die Einholung einer Deckungszusage besteht deshalb nicht, weil es insoweit nicht erforderlich ist, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Von jedem mit durchschnittlicher Begabung und Befähigung kann erwartet werden, dass er dies selbst erledigt anstatt unverhältnismäßige Kosten zu produzieren, um diese vom Gegner ersetzt zu verlangen. Dem Versicherer ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung schließlich lediglich anzuzeigen.); LG Nürnberg-Fürth v. 30. 9. 2010 – 2 S 11198/09, MDR 2010, 1451; LG Nürnberg v. 9. 9. 2010 – 8 O 1617/10, jurisPR-VerkR 21/2010 Anm. 3 (Anm. Schöller); AG Heidelberg v. 23. 2. 2011 – 29 C 484/10; AG Heinsberg v. 9. 11. 2009 – 16 C 333/09, SP 2010, 197 (Die Einholung einer Deckungszusage betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen Geschädigtem, Rechtsschutzversicherer und Rechtsanwalt); AG Köln v. 15. 6. 2010 – 267 C 256/09; AG Rastatt v. 09. 10. 2009 – 20 C 146/09, SP 2010, 90. Möhlenkamp, VersR 2011, 190; Tomson, VersR 2010, 1428 (Im Ergebnis wird die Frage der Erstattungsfähigkeit von Tomson insbesondere mit Blick darauf verneint, dass der Rechtsschutzversicherer nicht der Gegner seines Versicherungsnehmers sei. Der Versicherungsnehmer könne somit die Deckungszusage selbst beim Versicherer einholen, ohne dass ihm unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit hierdurch ein Nachteil entstünde.). Rechtsprechungsübersicht Revilla, jurisPRVerkR 3/2011, Anm. 3.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 169 Teil 5
etwa entstehende Kosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung – nur dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falles erforderlich und zweckmäßig ist1. Der Mandant darf darauf vertrauen, dass sein Anwalt für ihn insoweit gebührenfrei tätig wird2. Das OLG Celle3 fasst den Sach- und Streitstand zusammen und verneint den Ersatzanspruch, da
163
– die Rechtsschutzversicherung lediglich das eigene Prozess- und Kostenrisiko minimiert;
164
– es sich um einen mittelbaren Schadensersatzanspruch handelt;
165
– die Einschaltung eines Rechtsanwalts für die Einholung der Deckungszusage nicht erforderlich ist;
166
– der Geschädigte im Regelfall im Innenverhältnis zum Rechtsanwalt zur Zahlung nicht verpflichtet ist und somit kein eigener Schaden besteht.
167
cc) Abwicklung des Haftpflichtgeschehens Fragt der Haftpflichtversicherer beim Anwalt seines Versicherungsnehmers nach dem Stand des Straf- oder Bußgeldverfahrens bzw. einer etwaigen Regulierungsquote nach, kann für die informierende Antwort oder das Übersenden einer – auch vervollständigten – Schadenanzeige vom Versicherer keine Gebühr verlangt werden4, da lediglich eine dem Mandanten gegenüber seinem Versicherer obliegende Verpflichtung erfüllt wird.
168
Bedient sich der Versicherungsnehmer anwaltlicher Hilfe, um Klarheit im Deckungsbereich zu erhalten, sind die Anwaltskosten vom Versicherer nur
169
1 S. BGH v. 6. 10. 2010 – VIII ZR 271/09, MDR 2011, 151 = NJW 2011, 296 (Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Abfassung eines Kündigungsschreibens); BGH v. 10. 1. 2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 (Zur Ersatzfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten, die dem Geschädigten durch die anwaltliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen seinen eigenen Unfallversicherer entstehen); BGH v. 30. 4. 1986 – VIII ZR 112/85, MDR 1987, 49 = NJW 1986, 2243 (unter B II 2b. Zur Frage, wann die durch die fristlose Kündigung und Anfechtung eines Vertrages entstandenen Rechtsanwaltskosten von dem Vertragsgegner zu ersetzen sind.); BGH v. 8. 11. 1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350. 2 LG München I v. 1. 3. 1990 – 26 O 24064/88, zfs 1993, 208. 3 OLG Celle v. 12. 1. 2011 – 14 U 78/10, jurisPR-VerkR 3/2011 Anm. 3 (Anm. Revilla) = NJW-Spezial 2011, 75 (Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls steht kein Schadensersatzanspruch wegen der Kosten zu, die im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer durch einen vom Geschädigten beauftragten Rechtsanwalt entstanden sind), 4 AG Darmstadt v. 4. 3. 1984 – 37 C 349/84, zfs 1984, 301; AG Köln v. 8. 11. 1983 – 135 C 741/82, zfs 1983, 366; AG Köln v. 16. 2. 1981 – 262 C 153/80, VersR 1982, 503.
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Teil 5
Rz. 170
Anwaltskosten
unter den Aspekten von Verzug und positiver Vertragsverletzung zu ersetzen1 (z.B. bei ungerechtfertigter Versagung des Versicherungsschutzes). 170
Die Kosten für eine Verteidigung im Straf- oder Bußgeldverfahren trägt der Haftpflichtversicherer – anders als der Rechtschutzversicherer – nur, wenn er die Kostenübernahme zugesagt hat und das weitere Verfahren (auch hinsichtlich weiterer Rechtsmittel) seinen Weisungen unterstellt wird (§ 101 Abs. 1 S. 2 VVG)2. b) Anderweitige Verfahren aa) Sozial- bzw. Arbeitsrechtsstreit
171
Im Ausnahmefall können die Kosten eines Sozial- oder Arbeitsrechtsstreites im Zusammenhang mit dem Unfall (Haftpflichtgeschehen) ersatzfähig sein3. Wird der Anwalt beauftragt (z.B. im Rentenverfahren), tätig zu werden, kann dieses als Unfallfolge Schadenersatzansprüche auch hinsichtlich der hiermit verbundenen Rechtsverfolgungskosten einschließlich der Anwaltskosten auslösen. bb) Vormundschaftsgericht
172
Die Kosten für die Einholung der familien-/betreuungsgerichtlichen4 (bis 31. 8. 2009 vormundschaftsgerichtlichen) Genehmigung sind als Schadenersatzposition (vermehrte Bedürfnisse) im Rahmen der Haftung zu erstatten5. Rechtsverfolgungskosten können ersatzfähig sein, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadenereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles erforderlich war6.
1 AG Nürnberg v. 24. 7. 1984 – 12 C 2574/84, zfs 1985, 46. 2 S. auch Teil 5 V Rz. 173 ff. 3 BGH v. 16. 1. 1990 – VI ZR 170/89, MDR 1990, 707 = NJW 1990, 1360 = VersR 1990, 496. 4 Seit dem Inkrafttreten des FamFG zum 1. 1. 2009 (Art. 112 Abs. 1 FGG-RG) ist anstelle des zuvor zuständigen Vormundschaftsgerichts das Betreuungsgericht für Betreuungsangelegenheiten Volljähriger das berufene Gericht, während die Zuständigkeiten für Angelegenheiten Minderjähriger beim Familiengericht konzentriert sind. 5 LG Hanau v. 11. 7. 2003 – 2 S 50/2003, zfs 2004, 35 (Anm. Madert) (hier: Prozess gegen Rechtschutzversicherung) (Vorinstanz AG Hanau v. 30. 1. 2003 – 36 C 1960/02-16, zfs 2003, 309 [Anm. Madert]). 6 BGH v. 10. 1. 2006 – VI ZR 43/05, MDR 2006, 929 = NJW 2006, 1065 = VersR 2006, 1065, BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558.
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V. Anfall und Erstattung
Rz. 175 Teil 5
c) Strafverfahren aa) Nebenklage Wer sich als Nebenkläger dem Verfahren anschließen kann, regelt § 395 StPO abschließend1. Stirbt das Opfer einer Körperverletzung, geht seine Nebenklagebefugnis nicht mehr auf seine in § 93 Abs. 2 StPO bezeichneten Angehörigen über2.
173
Auslagen für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Schädiger sind vom Schutzzweck der Schadenstragungsnormen nicht gedeckt3; Nebenklagekosten und andere Kosten im Rahmen der Strafverfolgung sind ausschließlich im Strafverfahren auszugleichen. Werden dem Schadenersatzpflichtigen im Strafverfahren die Nebenklagekosten ganz oder teilweise auferlegt, muss er diese selbst (u.U. auch sein Rechtsschutzversicherer) zahlen. Rechtsanwaltskosten, die einem durch strafbares Verhalten betroffenen Verletzten für die Vorbereitung und Durchführung seiner Nebenklage entstehen, fallen nicht in den Schutzbereich von § 7 StVG, § 823 BGB4.
174
Werden die Nebenklagekosten nur teilweise dem Schädiger auferlegt (z.B. bei erheblicher Mithaftung) (§ 472 StPO), können die weiteren, beim Geschädigten verbliebenen, Kosten nicht zivilrechtlich verlangt werden, da insoweit das Strafurteil Rechtskraftwirkung entfaltet. Wird im Strafverfahren über die Kosten der Nebenklage nicht entschieden, kann der Schädiger ebenfalls nicht mehr zivilrechtlich in Anspruch genommen werden, da allein der Strafrichter zur Entscheidung über die Nebenklagekosten befugt ist5.
175
1 LG Passau v. 22. 9. 2006 – 1 Qs 146/06, DAR 2007, 405 (Besonderes Anschlussinteresse im Sinne von § 395 III StPO ist zu bejahen, wenn das Strafverfahren Auswirkungen auf den nicht abschließend regulierten Verkehrsunfall haben kann; z.B. wenn Mitverschulden streitig ist). 2 BGH v. 13. 5. 1998 – 3 StR 148/98, VRS 95, 227 (Aufgabe von BGHSt 33, 114 nach Änderung des Nebenklagerechtes durch das Opferschutzgesetz v. 18. 12. 1986). 3 BGH v. 6. 11. 1979 – VI ZR 254/77, MDR 1980, 217 = NJW 1980, 119 = VersR 1980, 70. 4 BGH v. 20. 5. 1958 – VI ZR 127/57, MDR 1958, 597 = NJW 1958, 1044 = VersR 1958, 417; BGH v. 23. 1. 1958 – II ZR 28/57, MDR 1958, 218 = VersR 1958, 106; BGH v. 17. 5. 1957 – VI ZR 63/56, VersR 1957, 599; LG Duisburg v. 10. 10. 1978 – 3 O 49/78, VersR 1980, 75; LG Krefeld v. 8. 12. 1976 – 9 Qs 598/76, AnwBl 1977, 121; LG Münster v. 25. 11. 1985 – 3 S 156/88, NJW-RR 1989, 1369 = zfs 1990, 42; LG Wuppertal v. 25. 8. 1976 – 8 S 154/76, VersR 1977, 1041; LG Verden v. 5. 3. 1979 – 1 T 52/79, r+s 1976, 96; AG Stadthagen v. 17. 7. 1985 – 4 C 432/85, zfs 1988, 65. Diehl, zfs 2007, 627. 5 BGH v. 24. 9. 1957 – VI ZR 300/56, NJW 1957, 1878; OLG Schleswig v. 30. 6. 1993 – 9 U 11/92, VersR 1994, 831; OLG Düsseldorf v. 26. 3. 1970 – 18 U 101/69, VersR 1972, 52; OLG Köln v. 21. 4. 1997 – 12 U 114/96, VersR 1998, 1036; AG Friedberg v. 19. 7. 1989 – C 757/89, NJW-RR 1989, 1368 = zfs 1990, 43; AG Karlsruhe v. 10. 9. 1982 – 6 C 330/82, VersR 1983, 693.
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Teil 5 176
Rz. 176
Anwaltskosten
Der Haftpflichtversicherer eines Schadenersatzpflichtigen erstattet Nebenklagekosten nicht, da sie öffentlich-rechtlichen Ursprungs sind und damit nicht dem Deckungsbereich von AKB und AHB unterfallen1. U. U. besteht eine Eintrittspflicht einer Rechtsschutzversicherung. bb) Adhäsionsverfahren2
177
Der durch eine Straftat Verletzte oder sein Erbe selbst kann nach §§ 403 ff. StPO seine zivilrechtlichen Ansprüche auch im Wege des Adhäsionsverfahrens gegen den Beschuldigten (nicht jedoch gegenüber Jugendlichen, § 81 JGG)3 vor dem Strafgericht im Strafverfahren verfolgen.
178
Im Adhäsionsverfahren ist ein Anerkenntnisurteil zulässig4.
179
Antragsberechtigt ist nach § 403 StPO der Erbe (Miterbe)5, nicht aber der Unterhaltsberechtigte.
180
Der einem Nebenkläger beigeordnete Anwalt muss im Rahmen der Prozesskostenhilfe gemäß § 404 Abs. 5 StPO, § 121 Abs. 2 ZPO ausdrücklich für das Adhäsionsverfahren aufgrund Antrages beigeordnet sein6.
181
Andere Rechtsnachfolger (Zessionare; Drittleistungsträger insbesondere Sozialversicherer), aber auch Haftpflichtversicherer7, haben, da sie ihren Anspruch nicht unmittelbar aus der Straftat erworben haben, kein Antragsrecht nach § 403 StPO im Rahmen des Adhäsionsverfahrens8. d) Verteidigung gegenüber öffentlich-rechtlichen Maßnahmen
182
Verteidigerkosten sind dem unfallbeteiligten Straßenverkehrteilnehmer vom Haftpflichtigen nicht zu ersetzen, da diese Kosten außerhalb des gesetzlichen Schutzbereiches liegen9.
183
Gleiches gilt für die Verteidigung gegenüber ordnungsrechtlichen Verfügungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Unfallgeschehen.
1 BGH v. 2. 2. 1960 – VI ZR 48/59, VersR 1960, 405; BGH v. 23. 1. 1958 – II ZR 28/57, MDR 1958, 218 = VersR 1958, 106; LG Aachen v. 17. 10. 1980 – 3 S 231/80, VersR 1982, 199; LG Hannover v. 2. 9. 1985 – 9 S 204/85, VersR 1986, 1245. 2 Zum Thema: Neidhart, DAR 2006, 415. 3 Meyer-Goßner, § 403 Rz. 8 und vor § 406d Rz. 3. 4 BGH v. 30. 6. 2005 – 1 StR 176/05, DAR 2006, 285. 5 Meyer-Goßner, § 403 Rz. 3. 6 Einzelheiten s. Burhoff, RVGreport 2008, 249. 7 OLG Karlsruhe v. 25. 11. 1983 – 3 Ws 169/83, MDR 1984, 336. 8 Meyer-Goßner, § 403 Rz. 4. 9 BGH v. 24. 3. 1959 – VI ZR 82/58, VersR 1959, 519.
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 188 Teil 5
VI. Gebührenabkommen (vgl. auch Teil 8 Rz. 91 f. u. Rz. 130 ff.) Im Bereich der Abwicklung von Verkehrsunfällen haben Gebührenabkommen und Empfehlungen zur Abrechnung eine Bedeutung. Im Ergebnis werden bei der Gebührenabrechnung aufgrund eines Gebührenabkommens die jeweiligen Gebühren nicht getrennt ausgeworfen und abgerechnet, die Abrechnung ist vielmehr pauschalisiert. Die Versicherung des Schädigers zahlt ohne Prüfung der einzelnen Gebührentatbestände stets eine Pauschgebühr (z.T. auch gestaffelt) nach dem Erledigungswert1. Nach Überschreiten vorgesehener Grenzbeträge erfolgt die Abrechnung der Anwaltsgebühren nach Sach- und Rechtslage.
184
Folgen sowohl Versicherer des Schädigers wie auch der den Geschädigten vertretende Rechtsanwalt einer Vereinbarung und kann der Schaden innerhalb eines etwaig geltenden Abkommenslimits erledigt werden, ist die Gebührenabrechnung regelmäßig unproblematisch und ohne gerichtliche Auseinandersetzung schnell erledigt. Im Verhältnis zum Mandanten bleiben allein die gesetzlichen Gebühren maßgebend, soweit dieses den Mandanten nicht benachteiligt2.
185
Die kostenrechtliche Abrechnung auf Basis einer Gebührenvereinbarung gilt häufig nur für den Fall der vollständigen außergerichtlichen Schadenregulierung. Gleichwohl enthält die anwaltliche Rechnungsstellung kein Angebot zu einem weitergehende Schadenersatzansprüche ausschließenden Erlassvertrag3. Wird die Abwicklung wegen streitiger Positionen dann gerichtlich fortgesetzt, können Gebühren allerdings auch nicht nach dem Abkommen abgerechnet werden.
186
Die zum DAV-Abkommen ergangene Rechtsprechung gilt für inhaltlich ähnliche Gebührenabkommen zum RVG4.
187
VII. Gebührentatbestände Die im RVG und dem als Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG beigefügten Vergütungsverzeichnis (RVG-VV) enthaltenen Gebühren sind Fest- oder Rahmengebühren. 1 Streitwert = auf den Schaden vom Versicherer gezahlter Betrag. 2 AG Cham v. 11. 9. 2003 – 1 C 0263/03, IVH 2003, 221; AG Papenburg v. 10. 6. 1988 – 2 C 769/87, zfs 1989, 88. S. auch LG Augsburg v. 19. 2. 1982 – 4 S 2541/81, AnwBl 1982, 318. 3 BGH v. 21. 11. 2006 – VI ZR 76/06, VersR 2007, 71 (Revision zu OLG Bremen v. 14. 3. 2006 – 3 U 72/05); BGH v. 7. 3. 2006 – VI ZR 54/05, VersR 2006, 659; OLG Celle v. 20. 6. 2006 – 14 U 141/05, NZV 2006, 659; OLG Thüringen v. 12. 10. 2005 – 2 U 293/05, OLG-NL 2005, 243. 4 Jungbauer, DAR 2006, 357.
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188
Teil 5 189
Rz. 189
Anwaltskosten
Bei Rahmengebühren richtet sich der Gebührensatz nach den Umständen des Einzelfalls und billigem Ermessen (§ 14 RVG).
1. Geschäftsgebühr 190
RVG-VV Nr. 2300 (bis 30. 6. 2006 RVG-VV Nr. 2400) setzt § 118 BRAGO fort. a) Mandatsverhältnis
191
Die Geschäftsgebühr entsteht im Mandatsverhältnis mit dem ersten Tätigwerden des Anwaltes nach Erhalt des Mandates und bevor der Ersatzanspruch erfüllt wurde. Mit dieser Gebühr wird die anwaltliche Tätigkeit weitreichend umfasst; beinhaltet sind u.a. alle Besprechungen mit dem Auftraggeber ebenso wie der außergerichtliche Schriftwechsel mit dem Mandanten, dem Anspruchsgegner oder sonstigen Dritten (z.B. Behörden, Sachverständige) sowie die Einsicht in amtliche Unterlagen (z.B. Ermittlungsakte, Handelsregister, Grundbuch).
192
Mit der Geschäftsgebühr sind sämtliche Tätigkeiten, die zur sachgemäßen Bearbeitung des Auftrages notwendig sind, abgegolten. Beweisaufnahmen und Besprechungen lösen (anders als nach § 118 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BRAGO) keine gesonderten Gebühren aus. Entsprechende Tätigkeiten des Anwaltes können allerdings den Wert der Rahmengebühr bestimmen (§ 14 Abs. 1 RVG). b) Rahmengebühr
193
Es handelt sich um eine Rahmengebühr mit einer Spannbreite von 0,5 bis 2,5. Für leichte Fälle gilt eine Maximalgebühr von 1,3; eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
194
Nach Auffassung des BGH1 ist in durchschnittlichen Fällen ein Gebührensatz von 1,3 angemessen. Die Schwellengebühr von 1,3 erfüllt ähnliche Funktionen wie die 7,5/10-Gebühr2 nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. 1 Zur Angemessenheit eines 1,3-fachen Gebührensatz s. BGH v. 31. 10. 2006 – VI ZR 261/05, MDR 2007, 491 = NJW-RR 2007, 420 = VersR 2007, 265. 2 KG v. 30. 10. 1975 – 12 U 1191/75, VersR 1976, 641; OLG München v. 28. 4. 1977 – 1 U 4177/76, VersR 1977, 1036; OVG Berlin v. 23. 8. 1974 – II B 21/74, VersR 1975, 194; S. auch AG Düsseldorf v. 20. 6. 2003 – 52 C 14600/02, SP 2003, 326 (Die Anpassung der BRAGO ist allein Angelegenheit des Gesetzgebers. Es besteht keine Kompetenz von Anwälten und auch nicht einer Anwaltskammer aus Unzufriedenheit mit nicht erfolgten Anpassungen (in welche Richtung auch immer) sich diese Rechtssetzungskompetenz dadurch auf Umwegen zu verschaffen, dass eine schleichende Gebührenerhöhung durch regelmäßig höhere Einstufung innerhalb eines Gebührensrahmens erfolgt.).
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 200 Teil 5
Bei unterdurchschnittlichen Fällen kann die Festsetzung einer Geschäftsgebühr von 1,3 aber unbillig sein1. Bei sehr einfachen Angelegenheiten fallen geringere Gebühren an, bei schwierigeren Angelegenheiten darf der Anwalt nach oben abweichen und den Gebührenrahmen ausschöpfen.
195
c) Streitwert Im Mandatsverhältnis richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem geforderten Schadenersatzbetrag (Auftragswert)2.
196
Der im Schadenersatzverhältnis zugrunde zu legende Streitwert ist einerseits stets der Höhe nach beschränkt durch den Geschäftswert im Mandatsverhältnis3, andererseits bestimmt er sich letztlich dann nach dem insgesamt vom Ersatzpflichtigen gezahlten Betrag, wenn der Anwalt von Anfang an mit der Regulierung betraut ist oder aber im Zeitpunkt seiner Beauftragung Schadenpositionen noch nicht außer Streit und beglichen waren4. Ansonsten sind diejenigen Zahlungen an den Verletzten, die außerhalb der anwaltlichen Regulierung geflossen sind, aus der Streitwertberechnung heraus zu nehmen5.
197
d) Erstattung Die Ersatzfähigkeit der Geschäftsgebühr setzt voraus, dass der Geschädigte den Auftrag, seine Interessen gegenüber dem Schädiger zu vertreten, vor Regulierung durch den Ersatzpflichtigen erteilte. Bei teilweiser Regulierung vor Anwaltseinschaltung reduziert sich der Streitwert entsprechend6.
198
Schadenersatzrechtlich kann die Geschäftsgebühr auch dann zu erstatten sein, wenn der Verletzte in unverschuldeter Unkenntnis von der bereits erfolgten Erfüllung des geltend zu machenden Ersatzanspruches einen Anwalt beauftragt.
199
e) Einfache Tätigkeiten Anstelle einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV kann im Einzelfall, z.B. im Zusammenhang mit einer langandauernden Abwicklung und einer notwendig gewordenen gebührenrechtlichen Einzelbetrach1 BGH v. 31. 10. 2006 – VI ZR 261/05, MDR 2007, 491 = NJW-RR 2007, 420 = VersR 2007, 265. 2 LG Limburg v. 27. 5. 1992 – 3 S 61/92, zfs 1993, 64. 3 BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145. 4 AG Simmern v. 26. 5. 1983 – 3 C 41/83, zfs 1983, 272. 5 AG Tostedt v. 23. 11. 1972 – 4 C 686/72, VersR 1973, 1178. 6 AG Hannover v. 23. 9. 2005 – 537 C 9280/05, SP 2006, 187.
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200
Teil 5
Rz. 201
Anwaltskosten
tung, auch nur die 0,3-Gebühr nach Nr. 2302 RVG-VV für einfache Tätigkeit anfallen. f) Prozess 201
Kommt es in derselben Angelegenheit zu einem Prozess, werden die Hälfte der Gebühren nach Nrn. 2300–2303 RVG-VV auf die späteren Verfahrensgebühren angerechnet. Der maximale Anrechnungsbetrag liegt bei 0,75 (Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV).
202
Nach § 15a RVG1 kann der Anwalt im Falle einer im RVG vorgesehenen Verrechnungsbestimmung zwar beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. § 15a RVG stellt nur eine Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage dar2 und ist daher auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren (bei Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozessbevollmächtigten vor Inkrafttreten des § 15a RVG3) anzuwenden4. Auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes ist davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren (wie der Geschäftsgebühr5), deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist, so dass eine obsiegende Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV beanspruchen kann.
2. Terminsgebühr 203
Statt der Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr der BRAGO gewährt das RVG die Terminsgebühr (RVG-VV Nr. 3104). 1 Eingeführt durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 30. 7. 2009, BGBl I 2009, 2449 mWv. 5. 8. 2009. 2 BGH v. 15. 9. 2010 – IV ZB 5/10, VersR 2011, 412 (§ 15a RVG stellt nur eine Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage dar). 3 BGH v. 15. 9. 2010 – IV ZB 5/10, VersR 2011, 412; BGH v. 9. 12. 2009 – XII ZB 175/07, MDR 2010, 471 = NJW 2010, 1375. 4 BGH v. 15. 3. 2011 – VI ZB 50/10; BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZB 26/10, RVGreport 2010, 464; BGH v. 4. 11. 2010 – VI ZB 86/09, SP 2011, 158; BGH v. 16. 11. 2010 – VI ZR 47/10; BGH v. 7. 12. 2010 – VI ZB 45/10, MDR 2011, 135 = NJW 2011, 861; BGH v. 2. 9. 2009 – II ZB 35/07, MDR 2009, 1311 = NJW 2009, 3101 = VersR 2009, 1682; BGH v. 9. 12. 2009 – XII ZB 175/07, MDR 2010, 471 = NJW 2010, 1375; BGH v. 3. 2. 2010 – XII ZB 177/09, ags 2010, 106 = FamRZ 2010, 806; BGH v. 11. 3. 2010 – IX ZB 82/08, ags 2010, 159 = Jur Büro 2010, 358; BGH v. 29. 4. 2010 – V ZB 38/10, DAR 2010, 554 = FamRZ 2010, 1248; BGH v. 10. 8. 2010 – VIII ZB 15/10, MDR 2010, 1426 (nur Ls.) = VersR 2011, 283; BGH v. 15. 9. 2010 – IV ZB 5/10, VersR 2011, 412. 5 BGH v. 15. 3. 2011 – VI ZB 50/10.
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 209 Teil 5
Außergerichtliche Besprechungen lösen keine Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) aus (Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV). Hat der Anwalt bereits einen unbedingten Klageauftrag erhalten, kann zwar im Mandatsverhältnis eine Terminsgebühr auch dann entstehen, wenn der Rechtsstreit oder das Verfahren noch nicht anhängig ist1, mangels Erforderlichkeit (§ 249 BGB) ist diese Gebühr aber im Schadenersatzverhältnis nicht zu erstatten.
204
Die Terminsgebühr entsteht, wenn in einer Rechtstreitigkeit ein Verhandlungstermin (Gerichtstermin), ein Erörterungstermin (z.B. Güteverhandlung) oder ein Beweistermin stattfindet. Auch wenn kein Gerichtstermin statt findet, fällt die Terminsgebühr an (Erlass eines Anerkenntnisurteils, § 307 ZPO; Entscheidung im schriftlichen Verfahren bei einem Streitwert unter 600 Euro, § 495a ZPO). Auch ein Termin mit einem Sachverständigen oder ein vereinbarter Termin mit der Gegenseite, der der Vermeidung oder Erledigung eines Prozesses dienen soll, löst die Gebühr aus. Die Gebühr entsteht auch dann, wenn im Einverständnis beider Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
205
Die Terminsgebühr beträgt 1,2 (auch in der Berufung, Nr. 3202 RVGVV).
206
Bei Wahrnehmung eines Termins, in dem eine Partei oder ein Beteiligter, im Berufungsverfahren der Berufungskläger, im Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführer, nicht erschienen bzw. nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil, Versäumnisentscheidung oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt wird, kann nur eine 0,5 Terminsgebühr verlangen werden, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (Nr. 3202 RVG-VV).
207
3. Einigungsgebühr, Vergleichsgebühr Neben der Geschäftsgebühr kann der Anwalt eine Erfolgsgebühr verdienen.
208
a) Zeitlicher Anwendungsbereich aa) Einigungsgebühr (Mandat nach dem 30. 6. 2004 erteilt) Nach Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 RVG-VV entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Anwaltes beseitigt wird; es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Die Einigungsgebühr soll die frühere Vergleichsgebühr ersetzen und inhaltlich erweitern durch Honorierung 1 BGH v. 8. 2. 2007 – IX ZR 215/05, MDR 2007, 863 = NJW-RR 2007, 720.
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209
Teil 5
Rz. 210
Anwaltskosten
jeglicher vertraglicher Beilegung eines Parteistreits1. Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung vergütet werden. 210
Für das Mitwirken am Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, erhält der Anwalt eine 1,5 Einigungsgebühr.
211
Die bloße Annahme eines einseitigen Verzichts oder ein Anerkenntnis reicht für das Entstehen der Einigungsgebühr nicht aus2. Die Abrechnung von Ansprüchen, die der Schädiger bzw. dessen Versicherer für objektiv gerechtfertigt oder doch für vertretbar hält, enthält noch kein Angebot auf Einigung und löst daher die Einigungsgebühr nicht aus3. bb) Vergleichsgebühr (Mandat vor dem 1. 7. 2004 erteilt)
212
Die Vergleichsgebühr richtete sich für die gerichtliche und außergerichtliche Regulierung nach § 23 BRAGO4.
213
Für das Mitwirken am Abschluss eines außergerichtlichen Vergleiches erhält der Anwalt eine 15/ 10 Vergleichsgebühr5.
214
§ 23 BRAGO greift, wenn ein Vergleich (§ 779 BGB) unter anwaltlicher Mitwirkung geschlossen wurde6. Wird der Vergleich ohne den Anwalt geschlossen, entsteht ihm die Gebühr, wenn seine anwaltliche Beteiligung ursächlich für den späteren Vergleichsabschluss war (§ 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO). Diese Ursächlichkeit entfällt u.a., wenn der Mandant entgegen anwaltlichem Rat oder nach Abbruch der anwaltlichen Verhandlungen den Vergleich selbst abschließt7.
1 BGH v. 13. 4. 2007 – II ZB 10/06, MDR 2007, 979 = NJW 2007, 2187 = zfs 2007, 469 (Anm. Hansens); BGH v. 10. 10. 2006 – VI ZR 280/05, NZV 2007, 132 = zfs 2007, 165 (Anm. Hansens). S. ergänzend BT-Drucksache 15/1971, S. 147, 204. 2 BGH v. 13. 4. 2007 – II ZB 10/06, MDR 2007, 979 = NJW 2007, 2187 = zfs 2007, 469 (Anm. Hansens); BGH v. 10. 10. 2006 – VI ZR 280/05, NZV 2007, 132 = zfs 2007, 165 (Anm. Hansens); BGH v. 28. 3. 2006 – VIII ZB 29/05, MDR 2006, 1375 = NJW 2006, 1523. 3 BGH v. 10. 10. 2006 – VI ZR 280/05, NZV 2007, 132 = zfs 2007, 165 (Anm. Hansens); AG Düsseldorf v. 10. 7. 2006 – 48 C 5936/06, SP 2007, 159. 4 IdF des KostenrechtsänderungsG v. 24. 6. 1994 (BGBl I 1994, S. 1325 ff.), das am 1. 7. 1994 in Kraft trat (Art. 12). 5 Wurde der Anwalt vor dem 1. 7. 1994 mandatiert, so erhält er nur eine 10/10 Vergleichsgebühr, § 134 I BRAGO in der Fassung des KostenrechtsänderungsG v. 24. 6. 1994 (BGBl I 1994, 1325). 6 Zu den Problemen bei Abschluß eines Abfindungsvergleiches s. im Detail Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 2. 7 AG Meiningen v. 13. 8. 1998 – 11 C 162/98, JurBüro 1999, 244 (Anm. Enders).
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 220 Teil 5
b) Abrechnung und Vergleich Wird der Schadenfall vom Ersatzpflichtigen abgerechnet, kann der Anwalt nur die Geschäfts- oder Verfahrensgebühren verlangen. Nur wenn die Angelegenheit (insgesamt, aber auch nur teilweise) außergerichtlich oder prozessual im Wege wechselseitigen Nachgebens erledigt wird, fällt zusätzlich die Vergleichsgebühr an.
215
Ein Vergleich (§ 779 BGB) ist dann anzunehmen, wenn ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsgeschäft durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird. Es reicht nicht aus, dass beide Parteien nachgeben und dass dieses Nachgeben die Streitbeendigung zur Folge hat. Vielmehr ist es erforderlich, dass das Nachgeben ein gegenseitiges ist, dass also jede Partei nur deshalb nachgibt, weil auch die andere Partei dies tut: Die Abrechnung von Ansprüchen wird auch dann nicht zum Vergleich, wenn sich die andere Partei mit den Kürzungen zufrieden gibt1. Gleiches gilt bei einseitigem Forderungsverzicht2.
216
c) Einigung Die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV–RVG) verlangt eine wirksame Einigung der Parteien, ohne allerdings einen Vergleich (und damit gegenseitiges Nachgeben, § 779 BGB) vorauszusetzen. Ausreichend sind auch einseitige Zugeständnisse.
217
Eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV–RVG) fällt nicht an, wenn der Schädiger dem Zahlungsverlangen ohne jegliche Argumentation ganz oder teilweise (z.B. durch Klaglosstellung) nachkommt3. Ebenso wenig fällt die Einigungsgebühr an, wenn der Vertrag zwischen den Parteien sich nur auf Anerkenntnis oder Verzicht beschränkt (Nr. 1000 Abs. 1 RVG-VV).
218
Werden Ansprüche teilweise abgerechnet, reduziert sich der Streitwert der Einigungsgebühr auf den streitigen und nicht im Wege der Abrechnung bereits erledigten Teil4.
219
d) Abfindungsvereinbarung Abfindungsvereinbarungen mit Schädigern und deren Versicherern erfolgen häufig durch Vergleich. Ein Vergleich kann auch dann vorliegen, 1 BGH v. 13. 4. 1970 – III ZR 75/69, MDR 1970, 663 = NJW 1970, 1122, 1456 = VersR 1970, 573; OLG München v. 21. 4. 1969 – 11 W 1700/68, NJW 1969 1306; LG Stuttgart v. 11. 7. 1969 – 4 S 71/69, VersR 1970, 532; AG Altötting v. 29. 8. 2000 – 1 C 299/00, SP 2001, 141. 2 AG Düsseldorf v. 28. 7. 1967 – 17 C 1634/67, VersR 1967, 1010; AG Eggersfelden v. 13. 8. 2001 – 1 C 513/01, zfs 2001, 560. 3 BGH v. 10. 10. 2006 – VI ZR 280/05, VersR 2007, 810. 4 AG Frankfurt v. 15. 10. 1991 – 23 C 1466/91–39, zfs 1992, 243.
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220
Teil 5
Rz. 221
Anwaltskosten
wenn damit noch keine endgültige Erledigung herbeigeführt wurde (z.B. Teilvergleich zur Höhe, Zwischenvergleich zum Haftungsgrund). Wird eine Abfindungserklärung unterzeichnet, liegt regelmäßig ein Vergleich vor. 221
Werden Ersatzansprüche außergerichtlich erledigt, wird die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in der Regel neben dem vereinbarten Abfindungsbetrag geschuldet, auch wenn dieses nicht ausdrücklich schriftlich fixiert ist1. Ausnahmen sind denkbar, u.a. bei Abwicklung von Auslandsschäden oder Anspruchstellern, denen nicht ohne weiteres auch außerhalb der Voraussetzungen des Verzuges Anwaltskosten zu ersetzen wären (z.B. Dienstherr). e) Streitwert
222
Anwaltskosten sind von denjenigen Schadenbeträgen zu berechnen, die der Ersatzpflichtige in einem Vergleich oder außerhalb eines solchen als berechtigt anerkannt hat und mit deren Zahlung sich der Geschädigte begnügt2.
4. Erhöhungsgebühr3 223
Nr. 1008 RVG-VV (für Mandate ab 1. 7. 2004) setzt inhaltlich im wesentlichen unverändert § 6 BRAGO (Erhöhungsgebühr) fort. § 6 BRAGO und Nr. 1008 RVG-VV sind hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen identisch und unterscheiden sich lediglich im Volumen. a) Getrennte Mandate
224
Vertritt der Anwalt anlässlich eines Haftpflichtgeschehens mehrere Mandanten (z.B. Fahrer und Eigentümer des beschädigten Fahrzeuges), erhält er regelmäßig zwei getrennte Mandate4. Die Mandate sind dann getrennt abzurechnen.
225
Den Auftraggebern steht es frei, dem Anwalt ein einheitliches Mandat oder getrennte Aufträge zu erteilen. Führt dieses allerdings zu einer höheren Gebührenbelastung der Mandanten, sind diese hierüber vom Anwalt zu belehren. Soweit die Gebühren als Schadenersatz gegenüber Dritten geltend gemacht werden, sind nur die jeweils niedrigeren (nur diese sind regelmäßig erforderlich im Sinne von § 249 BGB) zu erstatten. 1 Anders noch OLG Köln v. 26. 11. 1962 – 10 U 125/62, VersR 1963, 468. 2 BGH v. 13. 4. 1970 – III ZR 75/69, MDR 1970, 663 = NJW 1970, 1122, 1456 = VersR 1970, 573. 3 Zum Thema: Hansens, AnwBl 2001, 581. 4 S. auch Teil 5 III Rz. 50 ff.
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 232 Teil 5
b) Gemeinsames Mandant Wird dem Anwalt von mehreren Auftraggebern ein gemeinsames Mandat erteilt, handelt es sich um eine einheitliche Angelegenheit, für die Gebühren auch nur einmal anfallen (§ 15 RVG).
226
Für mehrere Auftraggeber wird der Anwalt tätig, wenn er durch dieselbe Tätigkeit die ihm in derselben Angelegenheit erteilten Aufträge verschiedener juristischer und natürlicher Personen erledigt. Es wird nur die Gebühr des für mehrere tätigen Anwaltes erhöht, nicht die Gebühr des Gegenanwaltes, der nur einen Mandanten vertritt.
227
Erhöht werden nur die – im RVG-VV für sämtliche Angelegenheiten eingeführten – Verfahrensgebühren (wie Nr. 3100 RVG-VV) und die Geschäftsgebühren (wie Nr. 2300 RVG-VV), nicht aber weitere Gebühren wie die Termins-, Hebe- oder Einigungsgebühr1.
228
Der Anwalt kann im Falle des Nr. 1008 RVG-VV seine Gebühren nicht nach Kopfzahl der Mandanten berechnen, sondern erhält stattdessen nur die Erhöhungsgebühr. Jeder der Auftraggeber schuldet die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 RVG).
229
Mehrere Erhöhungen dürfen einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen (Nr. 1008 Abs. 3 RVG-VV).
230
c) Einzelfälle Der Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit ist identisch, wenn die mehreren Auftraggeber an ein und demselben Streitgegenstand gemeinschaftlich beteiligt sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Mandate gleichzeitig oder zeitlich nacheinander erteilt werden. Sind die Gegenstände, deren wegen die einzelnen Auftraggeber den Anwalt mandatiert haben, verschieden, können die Werte nach § 22 Abs. 1 RVG addiert werden und so zu einem höheren Gegenstandswert führen2. Werden gleichzeitig Halter und Fahrer eines Kfz vertreten, handelt es sich regelmäßig um verschiedene Angelegenheiten, deren Gegenstandswerte nicht im Rahmen zu kumulieren sind.
231
Für die Beurteilung der Gebührenerhöhung kommt es allein auf die Anzahl der vertretenen Personen an, nicht jedoch auf die Zahl der gesetzlichen oder vertraglichen Vertreter3. Bei Auftragserteilung durch Vertreter – unabhängig von der Frage, ob die Vertretung auf gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmung gegründet ist – ist Auftraggeber nur die vertretene Person. Juristische Personen (z.B. rechtsfähiger Verein, oHG, GmbH,
232
1 N. Schneider in Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Kap 22 B Rz. 53. 2 BVerfG v. 15. 7. 1997 – 1 BvR 1174/90, NJW 1997, 3430. 3 LG Berlin v. 1. 8. 2001 – 82 T 601/01, AnwBl 2002, 114.
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Teil 5
Rz. 233
Anwaltskosten
BGB-Gesellschaft1) stellen nur eine Person dar, auch wenn sie mehrere Geschäftsführer haben. Wird ein Kind verletzt und durch seine Eltern vertreten, handelt es sich nur um einen Mandanten (Kind); werden mehrere Geschwisterkinder verletzt, besteht Mandantenmehrheit, auch wenn sie nur von einem gesetzlichen Vertreter vertreten werden. 233
Sind Eheleute gemeinsam Anspruchsinhaber und sind sie wirtschaftlich betrachtet eine Einheit (z.B. bei einer Sachbeschädigung des gemeinsamen Kfz), entfällt eine Erhöhungsgebühr2. Sind beide eigenständig verletzt (z.B. Körperverletzung), handelt es sich um zwei getrennt zu betrachtende Einzelmandate, ohne dass Nr. 1008 RVG-VV anwendbar wäre3.
234
Hinsichtlich der Beerdigungskosten stellt die Erbengemeinschaft nur eine Person dar4, hinsichtlich des Unterhaltsschadens besteht Mandantenmehrheit (Witwe und Waise).
235
Nachdem der BGH5 von einer Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeht, ist gebührenrechtlich nur von einer Person und nicht von Personenmehrheit auszugehen. Die Vertretung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet nicht (mehr)6 die Erhöhungsgebühr, nachdem der BGH7 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Recht1 Dazu Teil 5 VII Rz. 235. 2 LG Dortmund v. 27. 5. 1986 – 9 T 270/86, JurBüro 1986, 1534; LG Köln v. 20. 12. 1989 – 6 T 264/89, JurBüro 1990, 857. A.A.: LG Aachen v. 9. 11. 1981 – 3 T 365/81, JurBüro 1982, 392 (Anm. Mümmler). 3 S. auch LG Krefeld v. 8. 12. 1976 – 9 Qs 598/76, AnwBl 1977, 121 (Anwalt vertritt Ehemann als Strafverteidiger und zugleich dessen Ehefrau als Nebenkläger gegenüber einem Mitangeklagten.) 4 OLG Frankfurt v. 15. 1. 1981 – 20 W 832/80, AnwBl 1981, 403. 5 BGH v. 10. 3. 2011 – VII ZR 54/10, NJW 2011, 1453; BGH v. 7. 3. 2007 – VIII ZR 125/06, MDR 2007, 899 = NJW 2007, 2987; BGH v. 2. 6. 2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = NJW 2005, 2061 (die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt). Anders noch BGH v. 12. 2. 1987 – III ZR 255/85, MDR 1987, 912 = VersR 1987, 1217, BGH v. 6. 10. 1983 – III ZR 109/82, MDR 1984, 561 = NJW 1984, 2296 (nur Ls). 6 A.A. noch vor der Änderung der BGH-Rechtsprechung zur BGB-Gesellschaft (s. Teil 5 VII Rz. 235 Fn. 6) OLG Koblenz v. 23. 7. 1997 – 14 W 382/97, zfs 1998, 437 (zum Streitstand s. ergänzend BGH v. 18. 6. 2002 – VIII ZB 6/02, VersR 2003, 385). BGH v. 18. 6. 2002 – VIII ZB 6/02, VersR 2003, 385 bejaht den Anfall (und die Erstattung) der Erhöhungsgebühr im konkreten Fall, da zum einen die Klage kurz vor der Entscheidung des BGH v. 29. 1. 2001 (BGHZ 146, 341) – erhoben wurde, und zwar von den Gesellschaftern und nicht der Gesellschaft – und im konkreten Fall eine erhebliche Mehrarbeit des Rechtsvertreters festzustellen sei (über 400 Kläger, die ständigem Wechsel unterworfen sind). Ob in Ansehung der BGH-Entscheidung v. 29. 1. 2001 (BGHZ 146, 341) für künftige Fälle anderes gilt, lässt der BGH ausdrücklich offen (ähnlich OLG Koblenz v. 9. 4. 2002 – 14 W 183/02, VersR 2003, 387). 7 BGH v. 29. 1. 2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056 = VersR 2001, 510. Anm.: Nachdem gegen das Versäumnisurteil des BGH v. 29. 1. 2001
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 238 Teil 5
sprechung die Rechts- und Parteifähigkeit der am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Außengesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat1.
5. Hebegebühr Nach Nr. 1009 RVG-VV (früher § 22 BRAGO) erhält der Anwalt eine Hebegebühr, wenn er für seinen Mandanten Zahlungen (nicht Kosten; Nr. 1009 Abs. 5 RVG-VV setzt § 22 Abs. 5 BRAGO fort) vereinnahmt und diese dann an ihn oder Zessionare (z.B. Mietwagenunternehmen, Reparaturwerkstatt, Sachverständige) weiterleitet. Nimmt ein Anwalt einen größeren Geldbetrag auf ein Anderkonto, um diesen später entsprechend der Weisung seines Mandanten zu verwenden, fällt keine Hebegebühr an2. In der Praxis wird diese Gebühr in aller Regeln bereits nicht dem Mandanten im Auftragsverhältnis in Rechnung gestellt. Da heute nahezu jedermann eine Kontoverbindung unterhält, muss der Anwalt, will er gegen seinen Mandanten die Hebegebühr geltend machen, diesen auf die entstehenden Kosten aufmerksam machen.
236
Die Hebegebühr beträgt für Beträge bis zu 2 500 Euro 1 %, für den Mehrbetrag bis 10 000 Euro 0,5 % und vom Mehrbetrag jenseits 10 000 Euro 0,25 % der vereinnahmten und abgeführten Summe.
237
Nur ausnahmsweise ist eine im Mandatsverhältnis entstandene Hebegebühr dann auch im Schadenersatzverhältnis zu erstatten. Kann der Anwalt bereits im Mandatsverhältnis die Hebegebühr nicht fordern, besteht von daher schon kein Schadenersatzanspruch, gerichtet auf Zahlung der Hebegebühr.
238
Einspruch seitens der Bekl. zu 1 eingelegt worden war, erklärten beide Parteien im Verhandlungstermin vor dem Senat am 3. 12. 2001 die Hauptsache für erledigt. Das ergangene Versäumnisurteil ist, da den Parteien die Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand zusteht, nach zivilprozessualen Grundsätzen wirkungslos. Der II. Senat hat am 18. 2. 2002 nach § 91a ZPO über die Verfahrenskosten entschieden und – nach interner Umfrage bei den weiteren Zivilsenaten des BGH und ohne den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen – an seiner im Versäumnisurteil geäußerten Rechtsauffassung festgehalten (BGH v. 18. 2. 2002 – II ZR 331/00, NJW 2002, 1207). 1 OLG Karlsruhe v. 26. 2. 2001 – 11 W 5/01, MDR 2001, 596 = NJW 2001, 1072; LG Berlin v. 16. 7. 2001 – 82 T 167/01, AnwBl 2001, 692; LG Frankfurt v. 29. 1. 2002 – 209 T 498/01. A.A.: OLG Nürnberg v. 23. 4. 2001 – 4 W 1394/01, MDR 2001, 1378 = OLGR Nürnberg 2001, 239 (Mehrere persönlich verklagte Gesellschafter); Differenzierend OLG Nürnberg v. 15. 6. 2001 – 13 W 1753/01, OLGR Nürnberg 2001, 332 (Mehrvertretungszuschlag auf der Passivseite, wenn nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Gesellschafter gesamtschuldnerisch verklagt sind). 2 OLG Frankfurt v. 16. 1. 2002 – 7 U 97/2001, zfs 2002, 247 (Verlangt werden kann die für die Aufbewahrung und Weiterleitung des Geldbetrags „übliche“ Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB).
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Teil 5
Rz. 239
Anwaltskosten
239
Bei der Abrechnung aufgrund eines Gebührenabkommens ist die Hebegebühr mit dem Pauschbetrag bereits abgegolten.
240
Gibt ein Anwalt auf seinem Briefkopf Bankkonten an, unterlässt er aber gegenüber dem Ersatzleistenden den Hinweis, dass bei Zahlung an ihn die Hebegebühr anfällt, ist die Gebühr nicht erstatten1. Zahlt der Schadenersatzpflichtige dann weisungswidrig an den Anwalt und nicht an den Geschädigten selbst, so ist, wenn im Mandatsverhältnis deswegen eine Hebegebühr überhaupt entsteht, dieser als adäquater Folgeschaden zu ersetzen2. Die Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr folgt nicht aus dem Umstand, dass sich die erstattungspflichtige Partei in einem Prozessvergleich zur Zahlung an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten verpflichtet3.
6. Nebenkosten a) Auslagen 241
Neben den gesetzlichen Gebühren steht dem Anwalt Ersatz seiner baren Auslagen (z.B. für erforderliche Atteste4) zu. Die allgemeinen Geschäftskosten sind bereits durch die gesetzlichen Gebühren abgegolten (Vorbemerkung 7 Abs. 1 RVG-VV). Die Auslagen erhöhen nicht den Streitwert5.
242
Nach Nrn. 7001, 7002 RVG-VV sind Porto- und Telefonspesen wahlweise in Höhe des tatsächlichen Aufwandes oder aber pauschal (20 % der Gebühren, max. 20 Euro) geltend zu machen. Bei Regulierung eines Kfz-Unfallschadens zunächst mit der Kaskoversicherung und danach mit der Haftpflichtversicherung kann die Portopauschale nur einmal gefordert werden6. Eine Verrechnung der außergerichtlichen Postpauschale mit den Auslagen eines sich anschließenden Gerichtsverfahrens erfolgt nicht7. 1 LG Köln v. 23. 11. 2000 – 24 O 403/99, SP 2001, 107; AG Aschaffenburg v. 29. 3. 1984 – C 286/84, zfs 1984, 202; AG Bonn v. 3. 9. 1982 – 2 C 142/82, VersR 1984, 196; AG Dortmund v. 10. 12. 1980 – 124 C 634, VersR 1981, 490; AG Dorsten v. 20. 3. 1990 – 8a C 11/90; AG Krefeld v. 19. 5. 1992 – 5 C 148/92, SP 1992, 292; AG Rostock v. 5. 11. 1996 – 43 C 155/96, r+s 1997, 88; AG Westerstede v. 30. 6. 1994 – 2 C 514/94 VI, zfs 1995, 32. 2 OLG Düsseldorf v. 9. 1. 1985 VersR 1986, 243; OLG Frankfurt v. 15. 4. 1981 – 20 W 593/80, zfs 1981, 337; LG Hagen v. 6. 1. 1982 – 17 S 118/81, zfs 1982, 333; AG Rostock v. 14. 10. 1996 – 43 C 155/96, r+s 1997, 88. 3 OLG München v. 16. 1. 1998 – 11 W 3354/97, NJW-RR 1998, 1452. 4 AG Langenfeld v. 12. 5. 1999 – 31 C 134/98, SP 1999, 342 (Keine Erstattung der Attestkosten bei fehlerhafter Diagnose). S. ergänzend Teil 5 II Rz. 16. 5 AG Pirmasens v. 5. 11. 1986 – 3 C 467/86, zfs 1987, 143. 6 LG Karlsruhe v. 11. 3. 1983 – 9 S 444/82, r+s 1983, 170. 7 AG Emmerich v. 15. 6. 1993 – 2 C 183/93, AnwBl 1993, 641; AG Kleve v. 17. 1. 1994 – 2 C 409/92, AnwBl 1994, 197; AG Saarbrücken v. 28. 12. 1998 – 42 C 605/98, zfs 1999, 489 (Anm. Madert).
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VII. Gebührentatbestände
Rz. 246 Teil 5
Kopiekosten (Nr. 7000 RVG-VV) sind nur erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren1. Es gelten dieselben Grundsätze wie in § 91 ZPO, wonach Kopiekosten grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind2. Bei der Unfallschadenregulierung gehört die Ablichtung maßgeblicher Teile von Behörden- und Gerichtsakten in aller Regel zur sachgerechten Bearbeitung3. Ablichtungen von Arztberichten, Reparatur- und Mietwagen- und Sachverständigenabrechnungen, Quittungen u. ä. sind nicht ersatzfähig. Ebenso wenig kann für die Übersendung von Schadenbelegen Kostenersatz verlangt werden4.
243
Kopiekosten für Anlagen zu Schriftsätzen sind im Rahmen von § 91 ZPO nur in engen Grenzen erstattungsfähig.
244
b) Ermittlungsakte S. Teil 5 II Rz. 26 ff.
245
c) Reisekosten Reisekosten (Fahrt- und Übernachtungskosten) einschließlich der Tageund Abwesenheitsgelder (Nr. 7003 ff. RVG-VV, früher § 28 BRAGO) auch eines am Prozessgericht nicht zugelassenen, aber postulationsfähigen und in der Nähe der auswärtigen Partei ansässigen Anwalts können dann erstattungsfähig sein, wenn es sich nicht um einen einfach gelagerten Routinefall handelt5. 1 OLG Dresden v. 8. 12. 1997 – 15 W 1700/97, SP 1999, 27 (Kosten für Kopien, die in Befolgung gesetzlicher Vorschriften oder nach allgemeiner Übung Schriftsätzen beigefügt werden, sind mit der Prozessgebühr abgegolten); OLG Düsseldorf v. 30. 7. 1985 – 10 W 100/85, VersR 1986, 770. S. auch LG Mönchengladbach v. 17. 4. 2000 – 3 O 170/97, zfs 2001, 83 (Kopiekosten sind nicht mit der Prozessgebühr abgegolten). 2 BGH v. 5. 12. 2002 – I ZB 25/02, MDR 2003, 476 = NJW 2003, 1127 = VersR 2004, 665; BGH v. 25. 3. 2003 – VI ZB 53/02, ags 2003, 349 = BRAGOreport 2003, 176 (nur Ls.). 3 OLG Frankfurt v. 8. 12. 1977 – 20 W 766/77, MDR 1978, 498; AG Kenzingen v. 17. 10. 1983 – C 245/82, VersR 1984, 547 (nur Ls.) (Auch wenn Akten später durch gerichtliche Anordnung beigezogen werden); AG Köln v. 3. 12. 1984 – 265 C 488/84, zfs 1985, 15 (Vorprozessuale Akteneinsichtskosten sind im Rahmen von § 91 ZPO nicht zu erstatten); AG Mayen v. 26. 11. 1981 – 2 C 10/81, zfs 1982, 44. 4 LG Aachen v. 1. 6. 2001 – 8 O 549/00, SP 2002, 36. 5 OLG Bremen v. 7. 6. 2001 – 2 W 54/2001, 4 O 634/2000, AnwBl 2001, 574; KG v. 23. 1. 2001 – 1 W 8967/00 K, AnwBl 2001, 573. A.A.: OLG München v. 6. 4. 2001 – 11 W 946/01, AnwBl 2001, 575 (Auch nach Änderung des § 78 ZPO sind Kosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten nicht zu ersetzen. Informationsreisenkosten der Partei sind dann anzusetzen). Ähnlich OLG Hamm v. 12. 2. 2001 – 23 W 8/01, AnwBl 2001, 441. OLG Schleswig v. 31. 10. 2000 – 9 W 145/00, zfs 2001, 326 (Im Einzelfall können Flugkosten eines am Gericht postulationsfähigen, aber nicht zugelassenen Anwaltes erstattungsfähig sein).
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Teil 5
Rz. 247
Anwaltskosten
VIII. Streitwert 1. Mandatsverhältnis – Schadenersatzverhältnis 247
Nicht nur bei der Frage nach der Erstattungsfähigkeit, sondern auch bei der Ermittlung des Streitwertes ist zwischen Mandatsverhältnis einerseits und Schadenersatzverhältnis andererseits zu unterscheiden. a) Mandatsverhältnis
248
Im Mandatsverhältnis entspricht der Gebührenstreitwert dem Auftragswert. Beauftragt der Mandant seinen Anwalt, beispielsweise einen Kapitalbetrag von 50 000 Euro zu fordern, schuldet er die Gebühr nach einem Streitwert von 50 000 Euro unabhängig vom Ergebnis1. b) Schadenersatzverhältnis
249
Der dem Schadenersatzbegehren zugrunde zu legende Gebührenstreitwert ist stets der Höhe nach beschränkt durch den Geschäftswert im Mandatsverhältnis2.
250
Probleme ergeben sich bei Verzicht des Geschädigten – aus welchen Gründen auch immer – auf Mehrforderungen.
251
Unstreitig kann der Geschädigte vom Schädiger nicht Ersatz der Anwaltsgebühren, berechnet auf der Grundlage eines Streitwertes in Höhe der vollen – aber letztlich vom Ersatzpflichtigen nicht vollständig erfüllten – Forderung verlangen. Für die Problemlösung erweist sich eine Analogie zu § 92 ZPO als unpraktikabel, obwohl die dieser Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedanken letztlich zum Tragen kommen.
252
Die Rechtsprechung hat die Praxis gebilligt, nach der die Gebühren nach dem letztendlich gezahlten Entschädigungsbetrag streitwertmäßig berechnet werden3.
253
Sind die Gebühren unabhängig von den Verzugsvoraussetzungen dem unmittelbar Verletzten zu ersetzen, entspricht der Gegenstandswert im Schadenersatzverhältnis der Summe aller Ansprüche des Geschädigten, 1 LG Limburg v. 27. 5. 1992 – 3 S 61/92, zfs 1993, 64. 2 BGH v. 1. 10. 1968 – VI ZR 159/67, MDR 1969, 41 = NJW 1968, 2334 = VersR 1968, 1145. 3 BGH v. 7. 11. 2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = NJW 2008, 1888 = zfs 2008, 164 (Anm. Hansens); BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558; BGH v. 13. 4. 1970 – III ZR 75/69, MDR 1970, 663 = NJW 1970, 1122, 1456 = VersR 1970, 573; OLG Brandenburg v. 9. 7. 2009 – 12 U 203/08, VersR 2010, 66; OLG München v. 28. 4. 1977 – 1 U 4177/76, VersR 1977, 1036; Jahnke VersR 1991, 264 (274), Fn 117 m.w.N.
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VIII. Streitwert
Rz. 258 Teil 5
soweit sie im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwaltes noch im Streit waren, bei Teilhaftung der entsprechend quotierte Betrag. Zugrundegelegt wird damit der vom Ersatzpflichtigen nach Anwaltseinschaltung letztendlich gezahlte Betrag1. Vor Anwaltseinschaltung geleistete Zahlungen mindern den Streitwert2, wenn damit einzelne Schadenpositionen abgegolten wurden; allgemeine Vorschusszahlungen reichen dazu aber nicht. Im übrigen sind im Schadenverhältnis die Differenzgebühren zu ersetzen, die aus den Zahlungen und Aktivitäten nach Vollendung der Verzugsvoraussetzungen resultieren. Vorherige, im Mandantenverhältnis bereits angefallene Gebühren unterliegen nicht der Erstattung.
254
2. Gegenstandswert Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist das Recht bzw. Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Anwalts bezieht; der Gegenstand wird durch den Auftrag des Mandanten bestimmt. Der Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG) ist der objektive Geldwert des Gegenstandes unabhängig von einer subjektiven Bewertung durch den Auftraggeber.
255
Betrifft die anwaltliche Tätigkeit in derselben Angelegenheit mehrere Gegenstände, sind deren Einzelwerte zusammenzurechnen und die Gebühren dem kumulierten Wert zu entnehmen (§ 22 RVG).
256
Gemäß § 49b Abs. 5 BRAO ist der Rechtsanwalt bei Vorliegen der Voraussetzungen verpflichtet, den Mandanten vor der Übernahme des Mandats über eine Abrechnung nach dem Gegenstandswert zu belehren. Für den Rechtsanwalt ist es ratsam, die erfolgte Belehrung in den Akten zu dokumentieren bzw. unterschreiben zu lassen. Unterlässt der Rechtsanwalt diese Information des Mandanten, macht er sich schadensersatzpflichtig3.
257
3. Dieselbe Angelegenheit Der Anwalt kann in derselben Angelegenheit Gebühren nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). 1 BGH v. 13. 4. 1970 – III ZR 75/69, MDR 1970, 663 = NJW 1970, 1122, 1456 = VersR 1970, 573; OLG München v. 28. 4. 1977 – 1 U 4177/76, VersR 1977, 1036; AG Bochum v. 14. 3. 1985 – 67 C 737/84, zfs 1985, 172; AG Lüneburg v. 24. 10. 1985 – 12 C 264/85, zfs 1988, 107; AG Ulm v. 22. 8. 1979 – 3 C 1007/79, zfs 1980, 175. 2 BGH v. 13. 4. 1970 – III ZR 75/69, MDR 1970, 663 = NJW 1970, 1122, 1456 = VersR 1970, 573. 3 BGH v. 24. 5. 2007 – IX ZR 89/06, MDR 2007, 1046 = NJW 2007, 2332 = VersR 2007, 1377.
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Teil 5
Rz. 259
Anwaltskosten
259
Ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist1.
260
Auftragsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen dann dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann2. Ein – für die Annahme einer Angelegenheit erforderlicher – innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören3. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann auch dann bestehen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat; denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll4. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn verschiedene Gegenstände anwaltlicher Tätigkeit einheitlich vom Anwalt so bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören. Die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger 1 BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; BGH v. 26. 5. 2009 – VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269; BGH v. 4. 3. 2008 – VI ZR 176/07, VersR 2008, 985; BGH v. 4. 12. 2007 – VI ZR 277/06, VersR 2008, 413; BGH v. 9. 2. 1995 – IX ZR 207/94, MDR 1995, 641 = NJW 1995, 1431 = VersR 1995, 980; BGH v. 11. 12. 2003 – IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043. 2 BGH v. 11. 1. 2011 – VI ZR 64/10, MDR 2011, 263 = NJW 2011, 784 (Eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit kann auch dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt von mehreren Personen beauftragt wird, gegen eine unzulässige Presseberichterstattung vorzugehen, die sämtliche Auftraggeber in gleicher Weise betrifft); BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 152/09, MDR 2010, 1492 = NJW 2011, 782. 3 BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; BGH v. 26. 5. 2009 – VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269; BGH v. 4. 3. 2008 – VI ZR 176/07, VersR 2008, 985; BGH v. 11. 12. 2003 – IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043. 4 BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 152/09, MDR 2010, 1492 = NJW 2011, 782.
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VIII. Streitwert
Rz. 264 Teil 5
ist eine Angelegenheit, wenn den Schädigern eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist1. Die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger im Auftrag auch mehrerer Mandanten (z.B. Hinterbliebene bei einer Mehrfachkollision) kann eine einzige Angelegenheit sein2.
261
4. Mehrere Verhandlungen und Abrechnungsschritte Soweit mehrere Verhandlungen oder Besprechungen stattfinden, die sich auf denselben Gegenstand beziehen, entsteht im Ergebnis stets nur eine Gebühr (§ 15 Abs. 2 RVG, § 13 Abs. 2 BRAGO)3.
262
a) Vereinzelung Einem Rechtsanwalt ist es nicht gestattet, einseitig und ohne hinreichenden Sachgrund anstehende Verfahren eines Auftraggebers zu vereinzeln statt sie nach ihrer objektiven Zusammengehörigkeit als eine Angelegenheit zu behandeln, bei der die Gegenstandswerte zusammenzurechnen sind. Ist sowohl eine getrennte als auch eine gehäufte Verfahrensführung ernsthaft in Betracht zu ziehen, muss der Rechtsanwalt das Für und Wider des Vorgehens unter Einbeziehung der Kostenfolge dem Auftraggeber darlegen und seine Entscheidung herbeiführen4.
263
b) Sukzessives Geltendmachen Die sukzessive außergerichtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, teilweise über Jahre hinweg, ist grundsätzlich eine Einheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG (§ 13 Abs. 2 BRAGO). Wird der mit der außergerichtlichen Regulierung beauftragte Anwalt im Verlaufe der Abwicklung mit der Verfolgung weiterer, zum Teil auch erst später entstehender, Ansprüche betraut, verbleibt es bei ein und derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne5. Die Gebühren sind also nach einem einzigen Gesamtstreitwert zu berechnen6, soweit nicht die 2-Jahres-Frist 1 BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; BGH v. 5. 10. 2010 – VI ZR 152/09, MDR 2010, 1492 = NJW 2011, 782. 2 BGH v. 19. 10. 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155. 3 S. Jahnke, VersR 1991, 264 (274), Fn. 115 m.w.N. 4 BGH v. 11. 12. 2003 – IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043. 5 Gerold/Schmidt/Madert, § 15 Rz. 26, 255; Hartmann, § 15 RVG Rz. 43; Hoppmann, DAR 1998, 328. 6 BGH v. 9. 2. 1995 – IX ZR 207/94, MDR 1995, 641 = NJW 1995, 1431 = VersR 1995, 980. Hartmann, § 15 RVG Rz. 43. S. aber auch OLG Hamm v. 27. 3. 2000 – 3 U 212/99, r+s 2000, 440 (Es handelt sich dann nicht um „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne von § 13 II 1 BRAGO, wenn es sich um die Geltendmachung von Teilansprüchen über längere zeitliche Abschnitte über Jahre hinweg, in oftmals
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264
Teil 5
Rz. 265
Anwaltskosten
des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG (§ 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO) zur Anwendung gerät. 265
Ein Rechtsanwalt kann analog § 15 Abs. 5 S. 2 RVG seine Gebühren erneut fordern, wenn ein Prozessvergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird1. c) Wiederkehrende Leistungen
266
Bei regelmäßig wiederkehrender Abrechnung (z.B. von Verdienstausfallschäden oder Pflegekosten) sind Anwaltskosten im Wege der Differenzabrechnung zu erstatten, da durch die jährliche Abrechnung kein jeweilig neues Mandat begründet wird, sondern es sich vielmehr um eine einheitliche Abrechnung handelt2.
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Dem Geschädigten steht ein Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten dann nicht mehr zu, wenn die Tätigkeit des Anwaltes letztlich darin besteht, die Abrechnungsunterlagen zur Schadensbestimmung (z.B. von Verdienstausfallschäden) zu übersenden, und zwar auch dann, wenn die notwendigen Rechenoperationen (z.B. Minderverdienstberechnung) im Anwaltschreiben durchgeführt sind3. Gleiches gilt, wenn die Abrechnung für den Geschädigten so transparent geworden ist, dass die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht mehr geboten (erforderlich im Sinne von § 249 BGB) erscheint4. Im Einzelfall kann anstelle der Gebühren nach Nr. 2400 RVG-VV auch die Gebühr nach Nr. 2402 RVG-VV in Betracht zu ziehen sein, wenn bei einer Gesamtbetrachtung letztere Gebühr zu einer geringeren Gesamtgebührenforderung führt.
268
Werden wiederkehrende Leistungen – häufig im Vergleichswege – kapitalisiert und durch Einmalzahlung ausgeglichen, ist der Berechnung der Anwaltskosten der Abfindungsbetrag zugrunde zu legen.
269
Der für die Berechnung der im gerichtlichen Verfahren5 anzusetzenden Anwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert bemisst sich ausschließ-
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wechselnder Höhe und auf der Grundlage nicht unkomplizierter Neuberechnungen handelt, an denen der Anwalt beteiligt ist und über die er auch Verhandlungen führt). BGH v. 11. 8. 2010 – XII ZB 60/08, MDR 2010, 1218 = VersR 2010, 640 (Abgrenzung zu BGH v. 30. 3. 2006 – VII ZB 69/05, NJW 2006, 1525). Ob „mehrere Angelegenheiten“ im Sinne von § 13 BRAGO anzunehmen sind, wenn die Schadenregulierung irgendwann zu einem Abschluß gekommen ist und der Anwalt danach nur noch den in den jeweiligen Jahren neu entstehenden Verdienstausfall verfolgt, lässt der BGH (v. 9. 2. 1995 – IX ZR 207/94, MDR 1995, 641 = NJW 1995, 1431 = VersR 1995, 980) ausdrücklich offen. S. auch LG Kleve v. 7. 10. 1981 – 5 S 17/81, zfs 1982, 44. AG Münster v. 15. 11. 2001 – 49 C 3409/01. AG Lippstadt v. 10. 7. 1985 – 20 C 151/85, zfs 1986, 206. S. Teil 5 VIII Rz. 275 ff.
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VIII. Streitwert
Rz. 273 Teil 5
lich nach der Bewertungsvorschrift des § 42 GKG (5-facher Jahresbetrag des Bezugsrechtes). Der prozessuale Wert nach § 9 ZPO dient ausschließlich der Ermittlung der sachlichen Zuständigkeit des erkennenden Gerichtes sowie des Rechtsmittelstreitwertes, so dass für die Bemessung des Gegenstandswertes für Rentenansprüche hierauf nicht zurückgegriffen werden darf. d) Zwischenvergleich Werden in derselben Schadensache mehrere Vergleiche geschlossen, kommt es auf die Umstände, aber auch auf die Parteiabsprachen an, ob die Streitwerte zu kumulieren sind oder aber getrennte Abrechnungen im Sinne einer neuen Angelegenheit vorzunehmen sind.
270
Bei Zwischenvergleichen kann – je nach den zeitlichen Umständen – ein neuer „Gegenstand“ § 15 Abs. 5 S. 2 RVG (§ 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO) begründet sein mit der Folge, dass erneut ohne Berücksichtigung der Streitwertprogression abgerechnet werden muss, und zwar dann, wenn die ursprüngliche Schadensabwicklung abgeschlossen (d.h. mandatsmäßig erledigt1) wurde und erst 2 Jahre später der Anwalt erneut tätig wird.
271
Wird aber Jahr für Jahr z.B. der Verdienstausfall abgerechnet, verbleibt es bei der Regel des § 15 Abs. 5 S. 1 RVG (§ 13 Abs. 5 S. 1 BRAGO) und damit bei einer einzigen Angelegenheit, die (nur) streitwertprogressiv, d.h. letztlich mit Differenzgebühren2, abgerechnet wird. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG (§ 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO) stellt dabei nicht auf Zeitjahre (also 24 Monate) ab, sondern auf Kalenderjahre: Wurde der ursprüngliche Auftrag im März 2008 erledigt, dann löst ein neuer Auftrag in derselben Sache tätig zu werden, neue Gebühren im Mandatsverhältnis erst dann aus, wenn der erneute Auftrag im Jahre 2011 (ab dem 1. 1. 2011) erteilt wurde3. Die Forderungsberechtigung im Mandatsverhältnis führt aber nicht zwingend auch zu einem schadensersatzrechtlichen Ausgleichsverhältnis, da hier Rücksichtspflichten (Schadenminderung) zu beachten sind.
272
e) Berechnungsgrundlage bei Kapitalisierung von wiederkehrenden Leistungen aa) Außergerichtliche Regulierung Regelmäßig erfolgt die außergerichtliche Kapitalisierung im Vergleichswege. Anwaltskosten werden dann hinsichtlich des zugrunde zu legenden Streitwertes vom kapitalisierten Abfindungsbetrag geschuldet. 1 OLG Karlsruhe v. 25. 8. 1997 – 11 W 111/97, JurBüro 1998, 26 (§ 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO gilt auch für Fälle, in denen der frühere Auftrag vor dem 1. 7. 1994 erteilt wurde). 2 Gerold/Schmidt/Madert, § 15 Rz. 10. 3 Gerold/Schmidt/Madert, § 15 Rz. 259; Hoppmann, DAR 1998, 328.
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Teil 5
Rz. 274
Anwaltskosten
274
Sobald die regelmäßig wiederkehrende Abrechnung für den Geschädigten so transparent geworden ist, dass die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht mehr geboten erscheint, kann er die im Mandatsverhältnis entstandenen Kosten nicht im Wege des Schadenersatzes vom Ersatzpflichtigen einfordern.
275
Im übrigen wären die Anwaltskosten im Wege der Differenzabrechnung zu erstatten, da die jährliche Abrechnung kein jeweilig neues Mandat begründet, sondern es sich um eine einheitliche Abrechnung im Sinne von § 15 RVG (§ 13 BRAGO) handelt1. bb) Gerichtsverfahren
276
Der für die Berechnung der im gerichtlichen Verfahren anzusetzenden Anwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert bemisst sich ausschließlich nach der Bewertungsvorschrift des § 42 Abs. 2 GKG. Es kommt also auf den 5-fachen Jahresbetrag des Bezugsrechtes an (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 8 Abs. 1 S. 1 BRAGO, § 42 Abs. 2 GKG)2.
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Der prozessuale Wert nach § 9 ZPO dient ausschließlich der Ermittlung der sachlichen Zuständigkeit des erkennenden Gerichtes sowie des Rechtsmittelstreitwertes3, so dass für die Bemessung des Gegenstandswertes für Rentenansprüche hierauf nicht zurückgegriffen werden darf.
278
Der Gebührenstreitwert eines Antrags auf Feststellung einer Geldrente wegen Körperverletzung kann mit 80 % des Wertes, den ein im übrigen gleichgelagerter Zahlungsanspruch in Anwendung des § 42 Abs. 2 GKG gehabt hätte, in Ansatz gebracht werden4.
5. Teilerledigung a) Zwischenvergleich 279
S. dazu Teil 5 VIII Rz. 270 ff.
1 Ob „mehrere Angelegenheiten“ im Sinne von § 13 BRAGO anzunehmen sind, wenn die Schadenregulierung irgendwann zu einem Abschluss gekommen ist und der Anwalt danach nur noch den in den jeweiligen Jahren neu entstehenden Verdienstausfall verfolgt, lässt der BGH (v. 9. 2. 1995 – IX ZR 207/94, MDR 1995, 641 = NJW 1995, 1431 = VersR 1995, 980) ausdrücklich offen. S. auch LG Kleve v. 7. 10. 1981 – 5 S 17/81, zfs 1982, 44. 2 OLG Düsseldorf v. 21. 9. 1976 – 15 U 204/72, VersR 1977, 868. 3 Zöller/Herget, § 9 Rz. 1. 4 OLG Frankfurt v. 9. 7. 1996 – 24 W 28/96, OLGR Frankfurt 1996, 179 (Rückstände aus der Zeit vor Klageerhebung bleiben außer Betracht).
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VIII. Streitwert
Rz. 284 Teil 5
b) Abfindungsvorbehalt Etwaige Vorbehalte wirken sich regelmäßig nicht gebührensteigernd aus. Soweit aus einem Vorbehalt in einem Abfindungsvergleich künftige Ansprüche später dann noch abzuwickeln sind, werden diese im Wege der gebührenrechtlichen Differenzabrechnung berücksichtigt, soweit nicht eine abweichende Regelung getroffen wurde.
280
c) Teilerledigung vor Auftrag Sind Teile des Anspruches bereits vor Abschluss des Abfindungsvergleiches durch Abrechnung erledigt, bleiben sie bei der Ermittlung des Gegenstandswertes für die Vergleichsgebühr unberücksichtigt1.
281
Hatte der Ersatzpflichtige z.B. vor einem Vergleichsgespräch, aufgrund dessen für Schmerzensgeld und Wertminderung weitere 4 000 Euro gezahlt werden, bereits einen Betrag (z.B. auf den unstreitigen Fahrzeugschaden) von 10 000 Euro abgerechnet oder erkennbar nicht in das Vergleichsgespräch einbezogen, ist schadenersatzrechtlich eine Geschäftsgebühr nach dem insgesamt gezahlten Betrag (14 000 Euro) sowie eine Einigungsgebühr nach 4 000 Euro zu erstatten, da Gegenstand der Einigung nur ein Betrag von letztlich 4 000 Euro war2.
282
6. Anderweitige Forderungen a) Forderungsübergang Soweit Ansprüche bereits im Unfallzeitpunkt auf Drittleistungsträger (z.B. Sozialversicherer) übergehen, bleiben sie bei der Gegenstandswertbestimmung unberücksichtigt. Die Zahlungen der Sozialversicherungsträger beeinflussen wegen des Forderungsüberganges den Gebührenstreitwert nicht3.
283
Wird die private Kranken- oder Pflegeversicherung in Anspruch genommen, erhöht sich der Kostenstreitwert nicht um die angefallenen Heilbehandlungskosten. Bei einer Mithaftung wäre ein Verletzter häufig nicht in der Lage und auch nicht willens, einen erheblichen Kostenanteil selbst zu tragen. Bei voller Haftung erleidet der Verletzte keinen Schaden, da die Aufwendungen beim privaten Krankenversicherer regelmäßig durchlaufende Positionen sind und nicht zu einem Rabattschaden beim Verletzten führen. Probleme werden zudem in der Abwicklung der Heilund Pflegekosten aufgeworfen (Angehörigenprivileg, Kostenprüfung).
284
1 AG Göttingen v. 13. 8. 1999 – 26 C 69/99 (1204), DAR 2000, 285. 2 LG Bochum v. 10. 3. 1983 – 10 S 2/83, zfs 1983, 272; AG Dortmund v. 18. 6. 1986 – 111 C 289/86, zfs 1986, 268; AG Gießen v. 11. 1. 1989 – 45 C 3224/88, zfs 1989, 126; AG Tempelhof-Kreuzberg v. 15. 4. 1997 – 9 C 622/96, SP 1999, 68. 3 Zur Einschaltung von Reha-Diensten s. Teil 4 VI Rz. 1143.
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Teil 5 285
Rz. 285
Anwaltskosten
Bei Abtretungen ist zwischen Vollabtretung und Sicherungsabtretung zu unterscheiden: Bei einer Vollabtretung mindert sich der Streitwert in Höhe des abgetretenen Betrages1, bei der Sicherungsabtretung2 (z.B. an Werkstätten) wirkt sich die Abtretung nicht streitwertmindernd aus. b) Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung
286
Durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung soll der Schädiger zwar nicht entlastet, aber auch nicht belastet werden: Daher sind die von der Kaskoversicherung erbrachten Leistungen streitwertmäßig auch dann zu berücksichtigen, wenn in die Abwicklung mit der Kaskoversicherung ebenfalls ein Anwalt eingeschaltet war (aber auch nur dann)3. Wurde eine Kasko-/Sachversicherung nach Anwaltseinschaltung in Anspruch genommen, entspricht der Gebührenstreitwert dem fiktiv nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden an der versicherten Sache. Der Höhe nach ist der Schadenersatzanspruch beschränkt auf diejenigen Kosten, die bei einer ausschließlichen Inanspruchnahme des Haftpflichtigen entstanden wären. Die gebührenrechtliche Abwicklung vollzieht sich also entsprechend einer hypothetischen Regulierung aufgrund haftpflichtrechtlicher Grundsätze4.
287
Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Kaskoleistung sind ohne Einfluss auf die schadenersatzrechtlich geschuldete Geschäftsgebühr, wenn die Probleme ihren Ursprung in der Abwicklung des Kaskoverhältnisses haben und haftungsrechtlich ohne Belang sind (z.B. Fragen des Versicherungsschutzes)5.
1 Vgl. LG Essen v. 15. 6. 1988 – 1 S 39/88, zfs 1989, 16; LG Mosbach v. 19. 10. 1982 – S 94/82, VersR 1983, 571. 2 AG Freiburg v. 29. 4. 1981 – 1 C 102/81, VersR 1981, 1088. 3 A.A.: LG Düsseldorf v. 5. 9. 1985 – 3 O 83/85, zfs 1986, 205 (Ersatz der Anwaltskosten nur, wenn dieses im Verhältnis zum Kaskoversicherer auch erforderlich war). 4 BGH v. 7. 11. 2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = NJW 2008, 1888 (Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht); BGH v. 18. 1. 2005 – VI ZR 73/04, MDR 2005, 751 = NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558 (Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung einer Ersatzforderung gegen den eigenen Versicherer, kann sein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Anwaltskosten dem Schädiger gegenüber grundsätzlich auf die Gebühren nach dem Wert beschränkt sein, für den dieser Ersatz zu leisten hat.); OLG Hamm v. 7. 10. 1982 – 27 U 161/82, MDR 1983, 315 = zfs 1983, 5; OLG Karlsruhe v. 27. 6. 1990 – 1 U 317/89, NZV 1990, 431 = zfs 1990, 373, 5 S. auch LG Osnabrück v. 21. 11. 1986 – 11 S 362/86, zfs 1988, 138 sowie AG Hagen v. 21. 10. 1988 – 15 C 466/88, zfs 1988, 388.
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IX. Einzelaspekte
Rz. 292 Teil 5
c) Leasing, Sicherungseigentum Macht der Leasinggeber die Ansprüche aus der Eigentumsverletzung selbst geltend, kann der Leasingnehmer nur die ihm noch verbliebenen Ansprüche verfolgen. Der für den Leasingnehmer zugrunde zu legende Streitwert berücksichtigt nicht die Schäden am Eigentum des Leasinggebers. Gleiches gilt für Sicherungseigentum.
288
7. Differierende Streitwerte verschiedener Gebührentatbestände Die Streitwerte von Geschäfts- und Einigungsgebühr müssen nicht identisch sein1. Die Gegenstandswerte von Besprechungs- und Vergleichsgebühr richten sich nach demjenigen Betrag, der sich aufgrund einer Besprechung als außergerichtlicher Abschlussbetrag ergibt. Häufig sind die Werte der Einigungsgebühr erheblich geringer anzusetzen als mit dem der Geschäftsgebühr zugrunde liegenden Geschäftswert. Regelmäßig ist der Streitwert der Geschäftsgebühr der oberste Wert, der Streitwert der Einigungsgebühr übersteigt diesen Wert fast nie, liegt aber um so häufiger erheblich darunter.
289
In der Praxis wird zwar häufig die Einigungsgebühr nach demselben Streitwert verlangt wie die Geschäftsgebühr, oft ist dieses aber rechtsfehlerhaft. Es ist im Einzelfall stets zu prüfen, auf welchen Gegenstand sich die Einigung (bzw. der Vergleich) erstreckte.
290
Bei Personenschäden werden häufig Sachschäden, aber auch andere Einzelpositionen, über die nicht diskutiert wurde, abgerechnet. Soweit Ansprüche teilweise abgerechnet sind, erhöhen sie nur den Gegenstandswert der Geschäftsgebühr, nicht aber auch den der Einigungsgebühr.
291
IX. Einzelaspekte 1. Versicherungsnehmer a) AKB Aufgabe des Versicherers ist es, den Versicherungsnehmer und mitversicherte Personen vor den begründeten oder unbegründeten Ansprüchen des Dritten zu schützen: Begründete Ansprüche werden erfüllt, unbegründete sachgemäß abgewehrt. Das Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers besteht zum einen in einem Freistellungsanspruch gegenüber an den Versicherten herangetragenen begründeten Ansprüchen und zum an1 LG Wiesbaden v. 19. 10. 1993 – 8 S 237/93, zfs 1995, 71; AG Göttingen v. 13. 8. 1999 – 26 C 69/99 (1204), zfs 2001, 131; AG Hersbruck v. 1. 8. 1995 – 4 C 1006/95, SP 1996, 151.
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292
Teil 5
Rz. 293
Anwaltskosten
deren (bei unbegründeten Ansprüchen) in einem Abwehranspruch (verbunden mit einem Rechtsschutzanspruch); Rechtsschutzversicherung und Pflicht zur Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche sind gleichrangige Hauptleistungspflichten des Haftpflichtversicherers1. 293
Nach E.2.4. AKB hat der Versicherungsnehmer seinem Versicherer die Prozessführung – und damit auch die Entscheidung, welcher Anwalt für die Verteidigung gegen den Anspruch eingeschaltet wird – zu überlassen2. b) Gestellter Unfall
294
Wird der Haftpflichtversicherer im Wege der Direktklage (§ 115 VVG) neben Fahrer und Halter in Anspruch genommen, kann er im Prozess seine eigenen Interessen wahrnehmen ohne Rücksicht auf den Vortrag seiner Versicherten; es besteht nur einfache Streitgenossenschaft (§ 61 ZPO). Richtet sich der Manipulationsverdacht nur gegen einen von mehreren Versicherten (insbesondere Fahrer), kann für die übrigen unbeteiligten Versicherten (z.B. Halter) eine einheitliche Rechtsvertretung erfolgen.
295
Der Versicherer kann auch dem Rechtsstreit des Geschädigten gegen seinen Versicherten als Nebenintervenient (Streithelfer, § 66 ff. ZPO) beitreten, für einen nicht vertretenen Versicherungsnehmer Klageabweisung beantragen und dadurch ein Versäumnisurteil abwenden3; sein für die Zulässigkeit (§ 66 Abs. 1 ZPO) erforderliches Interesse am Obsiegen seines Versicherten ergibt sich aus der Bindungswirkung. Der Beitritt ist auch dann möglich, wenn der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht mitverklagt ist. Der Beitritt kann auch noch in Verbindung mit der Rechtsmitteleinlegung erfolgen (§ 66 Abs. 2 ZPO). Wird ein Anwalt für eine im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Partei und zugleich für diese als Streithelfer einer anderen Partei tätig, steht ihm keine erhöhte Gebühr nach Nr. 1008 RVG-VV zu4.
296
Der unter Manipulationsverdacht stehende Versicherte hat seine Rechte selbst zu wahren. Ein Prozesskostenhilfegesuch eines Fahrzeugführers 1 BGH v. 15. 9. 2010 – IV ZR 107/09; BGH v. 7. 2. 2007 – IV ZR 149/03, MDR 2007, 776 = NJW 2007, 2258 = VersR 2007, 1116; BGH v. 30. 9. 1992 – IV ZR 314/91, MDR 1993, 30 = NJW 1993, 68. 2 S. näher Stiefel/Maier/Maier, AKB E Rz. 13 ff.; Stiefel/Maier/Jahnke, vor § 113 VVG Rz. 22 ff. 3 BGH v. 6. 7. 2010 – VI ZB 31/08, jurisPR-VerkR 24/2010 Anm. 3 (Anm. Krenberger) = MDR 2010, 1048 = NJW 2010, 3522 = VersR 2010, 1472 = zfs 2010, 583 (Hansens) mit Darstellung des Streitstandes; BGH v. 9. 3. 1993 – VI ZR 249/92, MDR 1994, 317 = NJW-RR 1993, 765 = VersR 1993, 625; OLG Karlsruhe v. 10. 10. 1997 – 14 U 109/95, VersR 1998, 386; OLG Köln v. 7. 1. 1998 – 2 U 85/96, r+s 1998, 191. 4 BGH v. 19. 1. 2010 – VI ZB 36/08, MDR 2010, 354 = NJW 2010, 1377 = VersR 2010, 496.
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IX. Einzelaspekte
Rz. 297 Teil 5
zum Zweck der Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts für die Verteidigung gegen seine Inanspruchnahme als Fahrer eines Unfallfahrzeuges ist auch dann nicht mutwillig, wenn der Kfz-Haftpflichtversicherer dem mitversicherten Fahrer als Streithelfer beigetreten ist, da die Art der Rechtsverteidigung – insbesondere die Frage, ob der Antragsteller sich gegebenenfalls einer Parteivernehmung zu dem Vorwurf der Begehung einer Straftat stellen müsse – von so erheblicher Bedeutung ist, dass ihm eine auf seine Person zugeschnittene anwaltliche Beratung nicht vorenthalten werden darf. Einer Partei kann eine Rechtsverteidigung durch einen Anwalt, der ihr – aus ihrer Sicht unberechtigt – einen (versuchten) Betrug vorwirft, nicht zugemutet werden1. Es ist auch zu sehen, dass der vom Versicherer beauftragte Anwalt in eine auch an § 356 StGB zu messende Interessenkollision geraten kann. Der Versicherte kann, auch wenn der Haftpflichtversicherer als Streithelfer die Interessen des Versicherten wahrnimmt, wegen des für den Haftpflichtversicherer und den vom Versicherer beauftragten Anwalt bestehenden Interessenkonfliktes einen eigenen Anwalt einschalten und vom Versicherer je nach Ausgang des Verfahrens die Freistellung von den Anwaltskosten gemäß § 101 VVG (§ 150 VVG a.F.) verlangen. Lässt sich der Manipulationsverdacht im Prozess nicht beweisen, ist der Haftpflichtversicherer verpflichtet, den Versicherten von den ihm im Haftpflichtprozess entstandenen erforderlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen2. Hat der Versicherer die Deckung aus anderen Gründen wirksam abgelehnt oder hat sich der Verdacht des Versicherers im Prozess bestätigt, entfällt die Rechtsschutzverpflichtung3 nach § 81 VVG (§ 61 VVG a.F.).
1 BGH v. 6. 7. 2010 – VI ZB 31/08, jurisPR-VerkR 24/2010 Anm. 3 (Anm. Krenberger) = MDR 2010, 1048 = NJW 2010, 3522 = VersR 2010, 1472 = zfs 2010, 583 (Hansens) mit Darstellung des Streitstandes; BGH v. 6. 7. 2010 – VI ZB 30/08, NJW-Spezial 2010, 553; OLG Köln v. 8. 11. 1996 – 16 W 74/96, OLGR Köln 1997, 52 = VersR 1997, 597. Elsner, juris PR-VerkR 7/2010 Anm. 4 (zu OLG Düsseldorf v. 10. 6. 2009 – I-1 W 4/09). A. A. vor BGH v. 6. 7. 2010 – VI ZB 31/08, jurisPRVerkR 24/2010 Anm. 3 (Anm. Krenberger) = MDR 2010, 1048 = NJW 2010, 3522 = VersR 2010, 1472 = zfs 2010, 583 (Hansens) mit Darstellung des Streitstandes: OLG Brandenburg v. 1. 9. 2009 – 12 W 27/09, MDR 2010, 25 = NJW-RR 2010, 245 = VersR 2010, 274; KG v. 17. 4. 2008 – 12 W 1/08, KGR 2008, 903 = VersR 2008, 1558 (Ein Prozesskostenhilfeantrag eines Fahrzeugführers für die Verteidigung gegen seine Inanspruchnahme als Fahrer eines Unfallfahrzeuges ist abzulehnen, wenn der Kfz-Haftpflichtversicherer dem mitversicherten Fahrer als Streithelfer beigetreten ist. Dann sind die Interessen des mit verklagten Fahrers hinreichend gewahrt.); KG v. 11. 6. 2008 – 12 U 115/08, KGR 2008, 783 = NJW-RR 2009, 172 = VersR 2008, 1559; OLG Frankfurt v. 29. 12. 2004 – 1 W 96/04, VersR 2005, 1550; OLG Hamm v. 6. 1. 2009 – 9 W 57/08, OLGR Hamm 2009, 461 =VersR 2009, 947. 2 BGH v. 15. 9. 2010 – IV ZR 107/09, MDR 2010, 1382 = NJW 2011, 377 = VersR 2010, 1590. 3 Dazu Stiefel/Maier/Jahnke, vor § 113 VVG Rz. 24.
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Teil 5 298
Rz. 298
Anwaltskosten
Bestätigt sich im Verfahren der Manipulationsverdacht und obsiegt der Versicherer, ergeben sich Probleme, wenn der den Versicherten (Versicherungsnehmer, Halter, Fahrer) vertretende Anwalt zuvor Vorschussleistungen vom Versicherer verlangt hat. Nach § 9 RVG kann der Anwalt von seinem Auftraggeber einen angemessenen Vorschuss fordern; Auftraggeber ist der Versicherte, der seinerseits Vorschussrechte (§ 101 Abs. 1 S. 3 VVG) hat. Da die Klage regelmäßig auch gegen den Versicherten (zumeist Fahrer) abzuweisen ist, hat dieser gegenüber dem unterlegenen Kläger ebenfalls einen Kostenerstattungsanspruch, obwohl die Vorschussleistungen an seinen Rechtsvertreter der Versicherer erbrachte. Der Kostenerstattungsanspruch des Versicherers bezieht sich ausschließlich auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen desjenigen Anwaltes, der (nur) für ihn tätig war (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO), nicht aber auf die Kosten des für den Versicherten tätigen Anwaltes, der einen zugunsten des von ihm vertretenen Mandanten (Versicherter) lautenden Kostenfestsetzungsbeschluss erhält. Wird der zugunsten des Versicherten lautende Kostenfestsetzungsbeschluss erfüllt, kann der Rechtsvertreter des Versicherungsnehmer den eingehenden Geldbetrag nicht ohne Weiteres an den tatsächlichen Leistungsträger (Versicherer) auskehren; es handelt sich nicht um einen Anspruch des Rechtsanwalts, sondern um einen solchen seines Mandaten (Versicherungsnehmer). Verlangt der den Versicherten (insbesondere Fahrer) vertretende Anwalt vom Versicherer eine Vorschusszahlung, muss der Versicherer diese nur Zug um Zug gegen Abtretung des (bereits mit Begründung des Prozessrechtsverhältnisses entstehenden) prozessualen Kostenerstattungsanspruchs durch den vertretenen Versicherten leisten, um sicher zu stellen, dass er (der Versicherer) nach einem obsiegenden Urteil auch die Vorauszahlung für den Versicherten-Anwalt zurück erhält. Der den Versicherten vertretende Anwalt hat die erforderlichen Erklärungen des Versicherten dem Versicherer zu übermitteln; vorher ist eine Vorschusszahlung nicht fällig.
2. Anwaltliche Honorarvereinbarung1 a) Zulässigkeit 299
Von der gesetzlichen Regelung (BRAGO/RVG) abweichende Gebühren dürfen vereinbart werden. Während im gerichtlichen Verfahren diese nur höher sein dürfen als die gesetzlichen Gebühren, kann im außergerichtlichen Bereich auch eine niedrigere Vergütung (s. § 49b BRAO Abs. 1, § 4 Abs. 1 RVG) bzw. ein Zeit- oder Pauschalhonorar vereinbart werden.
300
Die Möglichkeiten zum Abschluss einer Honorarvereinbarung sind in den letzten Jahren zunehmend erweitert worden. Seit dem 1. 7. 1 Zum Thema: Hansens, RVGreport 2008, 282; von Seltmann, BRAK-Mitt 2008, 99.
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IX. Einzelaspekte
Rz. 303 Teil 5
2006/1. 8. 20081 ist über die Vergütung einer Beratungstätigkeit zwingend eine Gebührenvereinbarung abzuschließen. Über den Gebührenanspruch hinausgehende Gebührenvereinbarungen sind im Mandatsverhältnis regelmäßig wirksam, wenn sie die Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht überschreiten2. Gebührenvereinbarungen oberhalb der gesetzlichen Vergütung ohne Textform (§ 126b BGB) sind nichtig (§ 125 BGB iVm § 3a Abs. 1 S. 1 RVG, § 4a RVG [§ 3 Abs. 1 S. 1 BRAGO])3. Der Anwalt fällt auf die gesetzlichen Gebühren zurück, § 4b RVG.
301
Erfolgshonorare (§ 49b Abs. 2 BRAO, § 4a RVG) sind nur nach Maßgabe des § 4a RVG im Mandatsverhältnis wirksam4.
302
b) Ersatz Im Schadenersatzverhältnis sind nur die gesetzlich geschuldeten und nicht die vertraglich vereinbarten Gebühren und Honorare zu erstatten (vgl. § 3a Abs. 1 S. 3 RVG5). Gebührenvereinbarungen zwischen Mandant und Rechtsanwalt im Mandatsverhältnis führen nicht zu einer 1 Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren (ErfHonVNG) v. 12. 6. 2008, BGBl I 2008, 1000 m.W.v. 1. 7. 2008. 2 BVerfG (2. Kammer des 1. Senates) v. 12. 8. 2002 – 1 BvR 328/02, NJW 2002, 3314 (Bei Unwirksamkeit einzelner Abreden sind die Vereinbarungen über Auslagen zu denjenigen über das Honorar in ein der Bedeutung des Grundrechts – Art 12 Abs. 1 GG – gerecht werdendes Verhältnis zu setzen) (Zum Anwendungsbereich des § 352 StGB bei Honorarvereinbarungen anlässlich einer Haftpflichtregulierung BGH v. 6. 9. 2006 – 5 StR 64/06, NJW 2006, 3219). S. auch BVerfG v. 12. 12. 2006 – 1 BvR 2576/04, MDR 2007, 621 (nur Ls.) = NJW 2007, 979 (Das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare einschließlich des Verbotes der „quota litis“ [§ 49b II 2 BRAO aF, § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO] ist mit Art 12 Abs. 1 GG insoweit nicht vereinbar, als es keine Ausnahme für den Fall zulässt, dass der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen.) (Vorinstanz BGH v. 18. 10. 2004 – AnwSt(B) 11/03). BGH v. 27. 1. 2005 – IX ZR 273/02, VersR 2006, 431 (Bei einer Vergütungsvereinbarung für Strafverteidigung von mehr als dem 5fachen der gesetzlichen Höchstgebühren wird ein Verstoß gegen das Mäßigungsverbot vermutet); BGH v. 30. 5. 2000 – IX ZR 121/99, VersR 2001, 1235; OLG Hamm v. 25. 4. 1996 – 28 U 188/95, zfs 1997, 70; OLG Köln v. 3. 9. 1997 – 17 U 31/97, VersR 1998, 520; OLG Saarbrücken v. 3. 5. 2006 – 1 U 397/05–143, BRAK-Mitt 2006, 183 (Vergütungsvereinbarung, bei der sich ein Anwalt ein Erfolgshonorar in Form eines prozentualen Anteils am noch zu erzielenden Entschädigungsbetrag in einer Arzthaftungssache versprechen lässt, stellt eine unzulässige quota-litis-Vereinbarung im Sinne des § 49b BRAO dar. Der gesetzliche Gebührenanspruch bleibt, da der Anwaltvertrag nicht nichtig ist, allerdings bestehen.). 3 OLG Saarbrücken v. 3. 5. 2006 – 1 U 397/05–143, BRAK-Mitt 2006, 183. 4 Zur Gesetzesbegründung BT-Drucksache 16/8384 v. 5. 3. 2008. 5 S. auch BT-Drucksache 16/8384 v. 5. 3. 2008, S. 10 (zu Artikel 2, Nr. 2).
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303
Teil 5
Rz. 304
Anwaltskosten
Belastung des Schadenersatzverpflichteten; solches wäre ein gesetzlich verbotener Vertrag zulasten Dritter. Ebenso, wie der Schädiger nicht verpflichtet ist, die Kosten einer die gesetzlichen Gebühren überschreitenden Honorarvereinbarung zu tragen, hat er darüber hinaus vermeidbar entstehende Kosten aus dem Auftragsverhältnis zwischen Geschädigtem und seinem Anwalt nicht zu tragen1.
3. Mehrheit von Haftpflichtigen bzw. Versicherern (Gesamtschuld) 304
Haften dem Mandanten des Rechtsanwaltes mehrere Erstattungspflichtige gesamtschuldnerisch auf Ersatz der Kosten (§ 421 BGB), ist hinsichtlich der geltend gemachten Anwaltsgebühren stets zu überprüfen, ob im Verhältnis zum auf die Erstattung dieser Gebühr Inanspruchgenommenen die Erstattungsvoraussetzungen überhaupt in vollen Umfange gegeben sind. Die Grenzen von Einzelschuld und Gesamtschuld sind gerade im außergerichtlichen Bereich zu beachten.
305
Hinsichtlich der einzelnen Gebührentatbestände ist manchmal eine Differenzierung notwendig, auch wenn für die Schadenersatzansprüche (Sachschaden, Personenschaden) im übrigen eine gesamtschuldnerische2 Verantwortlichkeit Mehrerer bestehen mag.
4. Auslandsberührung 306
Ist ein ausländischer Schädiger in Anspruch zu nehmen, ist auch bei einfach gelagertem Sachverhalt in aller Regel die Anwaltseinschaltung zur Schadenregulierung erforderlich3.
307
Ausländische Sach-4, Schaden oder Sozialversicherer erhalten außerhalb der Verzugsvoraussetzungen keine Rechtsverfolgungskosten ersetzt. Bei Regulierung seitens des Deutschen Grüne-Karte-Büros beträgt die Prüfungsfrist etwa 2 Monate5.
308
Verfolgt ein nicht-deutscher Verletzter Ansprüche, ist die Erstattung der Anwaltskosten beschränkt auf die Höhe derjenigen Kosten, die bei Vertretung durch einen in Deutschland niedergelassenen Anwalt angefallen 1 LG Hamburg v. 28. 4. 1967 – 6 O 62/67, VersR 1968, 263; AG Bochum v. 5. 2. 1987 – 65 C 616/86. Ähnlich: LG Paderborn v. 15. 9. 1988 – 3 O 287/88; AG Bruchsal v. 18. 10. 1989 – 3 C 262/89; AG Recklinghausen v. 4. 1. 1984 – 15 C 577/83. 2 In diesem Sinne ist der Gesamtschuldner im folgenden Satz zu verstehen. 3 AG Kaiserslautern v. 24. 4. 1998 – 8 C 508/98, zfs 1998, 380. 4 AG Ahaus v. 30. 1. 1991 – 5 C 980/90 (Niederländischer Kaskoversicherer); AG Münster v. 11. 10. 1988 – 28 C 466/88, zfs 1989, 54 (Niederländischer Kaskoversicherer). 5 AG Neuwied v. 21. 11. 2001 – 4 C 982/01, SP 2002, 106.
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IX. Einzelaspekte
Rz. 309 Teil 5
wären1. Zu ersetzen sind Kosten der Beauftragung eines ortsansässigen Anwaltes; für in Deutschland zu verfolgende Ersatzansprüche ist die (auch zusätzliche) Einschaltung ausländischer Anwälte nicht erforderlich2, sodass ihre Kosten nicht vom ersatzpflichtigen Schädiger zu ersetzen sind. Die Umsatzsteuerpflicht kann bei Auslandsberührung entfallen3.
309
1 S. auch EuGH (5. Kammer) v. 11. 12. 2003 – C-289/02, NJW 2004, 833 (Die der in einem Rechtsstreit obsiegenden Partei von der unterlegenen Partei zu leistende Erstattung der Kosten derjenigen Dienstleistungen, die ein in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassener Rechtsanwalt erbracht hat, kann ohne Verstoß gegen Art. 49, 50 EG auf die Höhe derjenigen Kosten begrenzt werden, die bei Vertretung durch einen im erstgenannten Mitgliedsstaat niedergelassenen Rechtsanwalt angefallen wären) zum Vorlagebeschluss des OLG München v. 25. 7. 2002. 2 BGH v. 12. 7. 2005 – VI ZR 83/04, NJW 2006, 1271 = VersR 2005, 155. 3 Zu Einzelheiten s. Teil 5 V Rz. 150.
Jahnke
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Teil 6 Unfallmanipulation Rz. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Die häufigsten Manipulationsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1. Der gestellte Verkehrsunfall . . . . . 2. Der provozierte Verkehrsunfall . . 3. Der fiktive Verkehrsunfall . . . . . . . 4. Der ausgenutzte Verkehrsunfall . .
11 14 17 21
III. Der gestellte Verkehrsunfall . . . . . 23 1. Beweis des äußeren Schadenshergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweis des äußeren Schadenshergangs durch den Geschädigten . . . . . . . . . . . . b) Gegenbeweis durch den Haftpflichtversicherer . . . . . . . . c) Abgrenzung zur dritten Stufe . 2. Die Einwilligung des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Feststellung der Einwilligung im Wege des Anscheinsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Feststellung der Einwilligung im Wege des Indizienbeweises aa) Nur feststehende Indizien bb) Fallbezogene Würdigung . . cc) Gesamtschau . . . . . . . . . . . . dd) Beweiswert von Indizien . . (1) Wahrscheinlichkeitsbetrachtung . . . . . . . . . (a) Das Motiv . . . . . . . . . . . (b) Der Unfallhergang . . . (c) Die beteiligten Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einfache (allgemeine) Erfahrungssätze . . . . . . (3) Indizienkombination . (4) Unabhängigkeit der Indizien . . . . . . . . . . . . . (5) Nicht in das Gesamtbild passende Indizien (a) Angeblich fehlende Kompatibilität der Schäden . . . . . . . . . . . . . (b) Vorgetäuschte Angaben über Unfallbeteiligte . . . . . . . . . . . .
28 32 37 46 49 52 55 57 61 64 67 68 69 73
Rz. (c) Vortäuschung von Verletzungen . . . . . . . . ee) Technische Kompatibilität und Plausibilität . . . . . . ff) Allgemeine Plausibilität . . c) Checkliste zur Feststellung der Einwilligung beim gestellten Unfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweis des Schadensumfangs . . . . a) Beweiserleichterung nach § 287 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Schätzungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Manipulationsfolgen . 4. Gestellter Unfall ohne Mitwirkung des Anspruchstellers . . . . . . . a) Einwilligung bewiesen . . . . . . . b) Einwilligung nicht bewiesen . . 5. Vorsätzliche Beschädigung eines abgestellten Fahrzeugs . . . . . . . . . . a) Vorsätzliche Beschädigung mit eigenem Fahrzeug . . . . . . . . b) Vorsätzliche Beschädigung mit fremdem Fahrzeug . . . . . . . 6. Gestellter Unfall nach dem „Berliner Modell“ . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsausschluss bei Verabredung/Einwilligung . . . . b) Haftungsausschluss auch ohne Verabredungsnachweis . . c) Haftung bei Beschädigung eines weiteren Kfz . . . . . . . . . . .
86 88 92 97 98 99 103 105 110 114 116 125 130 132 133 136 140 144
IV. Der provozierte Verkehrsunfall . . 146
78 81
1. Herbeiführung durch äußerlich verkehrsgerechtes Verhalten . . . . . 156 2. Herbeiführung durch absichtliches Anfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 160
82
V. Der fiktive Verkehrsunfall . . . . . . . 162
76
83 84 85
1. Beweis des äußeren Schadenshergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Beteiligung Dritter . . . . . . . . . . . . . . 167 VI. Der ausgenutzte Verkehrsunfall . . 169 1. Einbringung vorhandener Vorschäden in die Abrechnung . . . . . . 170
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Teil 6
Unfallmanipulation Rz.
Rz.
2. Manipulation der Eckdaten für die Schadensschätzung . . . . . . . . . . 175 3. Vortäuschung des Weiterbenutzungswillens . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Nachträgliche Schadensvergrößerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
c) Befreiung von den Beschränkungen des § 67 Halbs. 2 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
VII. Prozessuale Besonderheiten . . . . . 183 1. Streitgenossenschaft . . . . . . . . . . . . 2. Negative Rechtskrafterstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interessenkollision und Streithilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenkollision . . . . . . . . . . b) Streitbeitritt des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . . .
189 193 201 210 211
5. Geständnis und Anerkenntnis des Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . 230 6. Konsequenzen für die Prozessführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozessführung durch den klagenden Geschädigten . . . . . . b) Prozessführung durch den verklagten Versicherer . . . . . . . c) Prozessführung durch den verklagten Versicherten . . . . . . d) Prozessführung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
234 235 238 242 248
215
Literatur: Arendt, Der manipulierte Verkehrsunfall, NJW-Spezial 2005, 447; Bayer, Kein Schutz des Haftpflichtversicherers vor nachteiliger Prozessführung durch den Versicherungsnehmer? NVersZ 1999, 9; Born/Schneider in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Teil 5 D; Birkner, Der manipulierte Verkehrsunfall, zfs 1994, 113; Born, Der manipulierte Unfall im Wandel der Zeit, NZV 1996, 257; Bruck/Möller/Johannsen, VVG, Band V, 8. Aufl.; Dannert, Die Abwehr vorgetäuschter und manipulierter Verkehrshaftpflichtansprüche, Teil I, r+s 1989, 381; Teil II, r+s 1990, 1; Dannert, Das Vorschieben eines angeblich gutgläubigen Anspruchstellers bei betrügerischen Haftpflichtansprüchen, NZV 1993, 13; Eggert, Beweisprobleme bei behaupteter Unfallmanipulation, r+s, Sonderheft 2011, 24; Elsner, Prozesstaktik gegen den Versicherungsbetrug, Teil 1, zfs 2005, 423; Teil II, zfs 2005, 475; Freyberger, Neues vom manipulierten Verkehrsunfall: der gutgläubige Eigentümer, VersR 1998, 1214; Freyberger, Prozessuale Möglichkeiten des Haftpflichtversicherers beim gestellten Versicherungsfall, NZV 1992, 391; Freyberger, Die Vertretung des Beklagten beim gestellten Unfall aus standesrechtlicher und prozessualer Sicht; VersR 1991, 842; von Gerlach, Die Rechtsprechnung des BGH zum Verkehrshaftpflichtrecht, DAR 1993, 202; Geyer, Die Unfallmanipulation in der Kfz-Versicherung, VersR 1989, 882; Goerke, Beweisanzeichen für eine Unfallmanipulation, VersR 1990, 707; Gottwald/Adolphsen, Zur Prozessführung des Versicherers bei gestellten Unfällen, NZV 1995, 129; Greger, Praxis und Dogmatik des Anscheinsbeweises, VersR 1980, 1091; Hansen, Der Indizienbeweis, JuS 1992, 327; Heß/Burmann, Das neue VVG und der Versicherungsbetrug – Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung, NJW-Spezial 2007, 399; Kääb, Beweisfragen bei betrügerisch gestellten Ansprüchen im Kasko- und Haftpflichtrecht, NZV 1990, 5; Kääb, Anwaltliches Berufsrecht und Behandlung von Kfz-Schäden, NZV 1991, 169; Keilbar, Prozessmundschaft des Haftpflichtversicherers, Bindungswirkungen und anwaltliches Mandat, NZV 1991, 335; Knoche, Vorgetäuschte und vorsätzlich herbeigeführte Verkehrsunfälle (1991); Knoche, Der Anscheinsbeweis bei der Manipulation eines Verkehrsunfalls, MDR 1992, 919; Krämer, Prozessuale Besonderheiten des Haftpflicht- und Versicherungsprozesses, r+s 2001, 177; Krumbholz, Rechtsfragen zum manipulierten Un-
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Lemcke
I. Einführung
Rz. 1
Teil 6
fall, DAR 2004, 67; Langheid, Rechtsprechungsübersicht zum Versicherungsvertragsrecht, NJW 1992, 665; Langheid/Müller/Frank, Rechtsprechungsübersicht zum Versicherungsvertragsrecht 1992/93, NJW 1993, 2652; Lemcke, das „HWSSchleudertrauma“ aus juristischer Sicht, NZV 1996, 337; Lemcke, Neue Wege zur Abwehr des Versicherungsbetrugs, VersR 1995, 989; Lemcke, Probleme des Haftpflichtprozesses bei behaupteter Unfallmanipulation, Teil A, r+s 1993, 121; Teil B, r+s 1993, 161; Lepa, Beweiserleichterungen im Haftpflichtrecht, NZV 1992, 129; Liebscher, Die gemeinsame Klage gegen Haftpflichtversicherung und Versicherungsnehmer, NZV 1994, 215, 216; Meiendresch, Eigener Anwalt bei „fingiertem“ Unfall?, r+s 2005, 50; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., 1998; Nack, Der Indizienbeweis, MDR 1986, 366; Reiff, Zivilprozessuale Probleme der Haftpflichtversicherung insbesondere bei gestellten Verkehrsunfällen, VersR 1990, 113; Schauseil, Schadenersatz bei vorgeschädigtem Fahrzeug, MDR 2009, 425; Schneider, Problemfälle aus der Praxis: Gestellte Unfälle, MDR 1986, 991; Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl., 1994; Sieg, Neuere Entwicklung des Beweisrechts in der Privatversicherung, ZVersWiss 1994, 253; Staab, Betrug in der Kfz-Haftpflichtversicherung, VVW Karlsruhe, H.75 (1991); Verheyen, KH-Kriterienkatalog für manipulierte Verkehrsunfälle, zfs 1994, 313; Weber et. al., Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetrugs, Schriftenreihe Unfallrekonstruktion, Münster, 1. Aufl. 1995, 647; Weber/Schimmelpfennig, Die Aufdeckung des Versicherungsbetruges mittels technischer Beweisführung, VersR 1990, 832.
I. Einführung Durch Versicherungsbetrug entsteht den deutschen Kraftfahrtversicherern nach aktuellen Schätzungen jährlich ein Schaden von über 1,5 Milliarden Euro1. Die Versicherungswirtschaft geht davon aus, dass in 10 % aller angemeldeten KH-Schadensfälle zumindest im Bereich der Schadenshöhe manipuliert worden ist. Oft ist aber schon der Unfall als solcher absichtlich herbeigeführt; wirtschaftlich lohnend ist dies vor allem deshalb, weil der Fahrzeugschaden nach dem deutschen Haftungsrecht nicht nur konkret auf Reparaturkostenbasis, sondern auch fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet werden kann. Während einerseits die Wirtschaftskrise offensichtlich auch zu einem Ansteigen der manipulierten Verkehrsunfälle geführt hat, nimmt andererseits die Zahl der zur Anzeige gebrachten Unfallmanipulationen ab2. Der Wunsch vieler Unternehmensleitungen, Schadenfälle aus Werbungsgründen möglichst schnell und möglichst auf Zuruf papierlos abzuwickeln, sowie der mit dem Personalabbau verbundene Anstieg der Arbeitsbelastung der Versicherungs-Sachbearbeiter erleichtern denjenigen, die ihren Lebensunterhalt weitgehend durch die Gewinne aus absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfällen bestreiten, ihr Geschäft. Die Leidtragenden sind letztlich nicht die KH-Versicherer, sondern die ehrlichen 1 GDV-Presseforum vom 29. 4. 2008: Nicht jeder Unfall ist ein Zufall. 2 Burgartz, Experte im Bereich Versicherungsbetrug-Bekämpfung, in einem Pressegespräch vom 13. 10. 2009.
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Teil 6
Rz. 2
Unfallmanipulation
Kraftfahrer, die die Unfallmanipulationen mit entsprechend höheren Prämien bezahlen. Dabei sollten die Firmenleitungen bedenken, dass jede aufgeklärte Unfallmanipulation mehrere neue verhindert; Banden, die das Geschäft mit der Unfallmanipulationen professionell betreiben, wissen, welche KH-Versicherer die Unfallmanipulation weniger intensiv bekämpfen, und melden die zu diesem Zweck neu angeschafften Fahrzeuge – oft geht es um für wenige 100 Euro angeschaffte Schrott-Fahrzeuge – dort an. 2
Bei der Unfallmanipulation werden die Methoden immer raffinierter, zudem erschweren neue Fahrzeugkonstruktionen die Aufklärung. Andererseits hat die Versicherungswirtschaft auch auf diesem Gebiet verbesserte Kontrollsysteme (Uniwagnis-Datei, EDV-Programm „ISP/KH“, Sonderabteilungen zur Bearbeitung verdächtiger Anträge, auch der GDV hat eine eigene Abteilung „Kriminalitätsbekämpfung“ gegründet) geschaffen, durch die zumindest diejenigen, die die Unfallmanipulation gewerbsmäßig betreiben, schneller erkannt werden können. Zudem sind die Methoden zur Aufdeckung der Unfallmanipulation in den letzten Jahren auch im technischen und juristischen Bereich ständig verbessert worden.
3
Wer sich beruflich mit der Aufarbeitung und Regulierung von Verkehrsunfällen befasst, muss die Methoden kennen, nach denen üblicherweise bei der Unfallmanipulation verfahren wird. Er muss genügend sensibilisiert sein, um typische Auffälligkeitsmerkmale zu erkennen. Er muss sich aber auch immer dessen bewusst sein, dass diese Auffälligkeitsmerkmale in ihrem Zusammenhang mit sonstigen entlastenden Umständen gesehen werden müssen. Denn wer in einen Unfall verwickelt wird, kann sich seinen Schädiger nicht aussuchen; es kann ein mehrfach Vorbestrafter sein, der zudem auch noch mit einem schrottreifen Kfz oder einem Mietwagen zu irgendwelchen dunklen Geschäften unterwegs ist.
4
Nicht selten wird ein (echter) Unfall für den Betroffenen erst dadurch zu einer realen Katastrophe, dass er sich nachträglich dem Manipulationsvorwurf des Versicherers ausgesetzt sieht und sich hiergegen zur Wehr setzen muss. So wichtig die Abwehr des Versicherungsbetrugs im Interesse der Versichertengemeinschaft und im allgemeinen öffentlichen Interesse ist: Es darf nicht leichtfertig aus gewissen Auffälligkeiten immer gleich auf doloses Verhalten geschlossen werden.
5
Beim Verdacht der Unfallmanipulation trägt der Geschädigte die Beweislast für den Unfallhergang und die dabei verursachten Unfallschäden, dagegen nicht die Beweislast für die Unfreiwilligkeit. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch der zur Vortäuschung von Haftpflichtansprüchen absichtlich herbeigeführte Verkehrsunfall ein „Unfall“ i. S. d. § 7 StVG (s. Teil 2, fi Rz. 95 ff.); in der Einwilligung des Geschädigten liegt (lediglich) ein Rechtfertigungsgrund, der von dem zu beweisen ist, 810
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II. Die häufigsten Manipulationsvarianten
Rz. 9
Teil 6
der sich darauf beruft, also von dem in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer1. Unfallmanipulationen kommen (allerdings viel seltener) auch in der Fahrzeugversicherung vor; so kann z. B. ein vollkaskoversichertes Kfz als Schädigerfahrzeug zum Einsatz kommen mit dem Ziel, den Fremdschaden über die Haftpflichtversicherung und den eigenen Schaden über die Kaskoversicherung abzurechnen2. Insoweit ist zu beachten, dass die für den Versicherungsfall „Entwendung“ entwickelten beiderseitigen Beweiserleichterungen für den Versicherungsfall „Unfall“ nicht gelten; wie in einem Haftpflichtfall muss auch hier der Versicherungsnehmer im Wege des Vollbeweises den von ihm behaupteten Unfallhergang nachweisen, der Versicherer im Wege des Vollbeweises den Vorsatz3.
6
II. Die häufigsten Manipulationsvarianten Unfallmanipulationen geschehen i. d. R. zu dem Zweck, aus dem Unfallschaden unter Ausnutzung der Möglichkeit, den Schaden fiktiv abrechnen zu können, ein Geschäft zu machen. Ein geschickter Autobastler kann ein Unfallfahrzeug bei einer Reparatur in Eigenregie und unter Verwendung von Altteilen mit 20–25 % des bei Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erlangten Betrages wieder in einen technisch und auch optisch ordentlichen Zustand versetzen und so z. B. bei sachverständig geschätzten Reparaturkosten von 10 000 Euro; und fiktiver Abrechnung ohne weiteres 7500 Euro verdienen.
7
Teilweise geht es aber auch darum, auf diesem Wege ein schwer verwertbares Kfz zu verwerten oder unfreiwillig erlittene Schäden, für die kein Ersatzpflichtiger vorhanden ist, ersetzt zu bekommen.
8
Aus Verschleierungsgründen werden häufig Dritte einbezogen, die selbst nicht immer wissentlich an der Manipulation beteiligt sind; die sich da-
9
1 BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 233 = VersR 1978, 862; v. 9. 6. 1992 – VI ZR 215/91, MDR 1993, 803 = r+s 1993, 333 = VersR 1992, 1028 = NZV 1992, 403; OLG Köln v. 2. 3. 2010 – 9 U 122/09, r+s 2010, 192 = VersR 2010, 1361. 2 S. z. B. OLG Brandenburg v. 25. 9. 2008 – 12 U 202/07, Juris; OLG Karlsruhe v. 8. 3. 2007 – 19 U 54/06, MDR 2007, 1019 = r+s 2007, 466 = OLGR 2007, 466 = VersR 2007, 1365; KG v. 8. 12. 2005 – 12 U 201/05, KGR 2007, 265; OLG Hamm v. 21. 1. 2005 – 20 U 228/03, MDR 2005, 924 = r+s 2005, 194 = OLGR 2005, 154 = NZV 2006, 89; OLG Frankfurt v. 20. 9. 1995 – 7 U 209/94, NZV 1996, 148; OLG Zweibrücken v. 24. 2. 1999 – 1 U 12/98, VersR 2000, 223. 3 BGH v. 10. 5. 1981 – IVa ZR 58/80, MDR 1981, 827 = NJW 1981, 1315 = VersR 1981, 450; v. 17. 5. 1989 – IVa ZR 130/88, MDR 1989, 976 = r+s 1989, 297 = VersR 1989, 841; OLG Köln v. 3. 3. 1998 – 9 U 99/95, r+s 1998, 406; OLG Hamm v. 31. 3. 1993 – 20 U 343/92, r+s 1994, 125; OLG Hamm v. 21. 1. 2005 – 20 U 228/03, MDR 2005, 924 = r+s 2005, 194 = OLGR 2005, 154 = NZV 2006, 89.
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Teil 6
Rz. 10
Unfallmanipulation
raus ergebenden Sonderprobleme werden in einem besonderen Abschnitt dargestellt (s. fi Rz. 110 ff.). 10
Manipulierte Verkehrsunfälle zur Vortäuschung von Haftpflichtansprüchen werden üblicherweise in folgende vier Hauptgruppen eingeteilt: Gestellter, provozierter, fiktiver und ausgenutzter Verkehrsunfall1. Die Grenzen sind aber fließend.
1. Der gestellte Verkehrsunfall 11
Hier wird ein Unfall nach entsprechender Verabredung absichtlich herbeigeführt. Diese Variante beschäftigt die Gerichte am häufigsten; hier stößt man nicht selten auf professionell arbeitende Banden, die vom Geschäft mit der Unfallmanipulation leben.
12
Wird ein derartiger Unfall verabredet, werden i. d. R. Standard-Unfallsituationen (z. B. Auffahrunfall, Vorfahrtsverletzung, Fahren gegen ein abgestelltes Kfz) gewählt, bei denen nach dem äußeren Bild des Unfalls die volle Haftung des angeblichen Schädigers nach §§ 7, 18 StVG, §§ 823, 831 BGB außer Frage steht, damit auch die Eintrittspflicht seines Haftpflichtversicherers nach § 3 Nr. 1 PflVG a. F. bzw. jetzt nach § 115 Abs. 1 VVG (s. fi Rz. 23 ff.).
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Bei der Planung wird versucht, möglichst alles zu vermeiden, was hinterher Verdacht erregen könnte. Andererseits darf die Unfallsituation nicht zu kompliziert sein, d. h. sie muss praktisch ausführbar sein; außerdem sollte die Unfallsituation für die Ausführenden möglichst nicht zu gefährlich sein. Um nicht durch Unfallhäufigkeit aufzufallen, werden zur Verschleierung Fahrzeuge, Halteranmeldung und Fahrer gewechselt; u. U. wird der Unfall selbst von professionellen „Autobumsern“ gestellt, die dann anschließend noch vor Erscheinen der – oft von ihnen selbst hinzugerufenen – Polizei durch unverdächtige Dritte ausgetauscht werden. Als Schädiger-Fahrzeug wird ein weitgehend wertloses (Schrott-)Fahrzeug oder ein (kaskoversichertes) Mietfahrzeug eingesetzt, evtl. auch ein kurz zuvor entwendetes Fahrzeug (sog. Berliner Modell, s. fi Rz. 133 ff.).
2. Der provozierte Verkehrsunfall 14
Hier wird der Unfall zwar ebenfalls absichtlich herbeigeführt, aber durch einseitig doloses Verhalten. I. d. R. wird die Unaufmerksamkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers, der an der Manipulation als solcher nicht beteiligt ist, durch ein für diesen unerwartetes Fahrmanöver ausgenutzt, z. B. dadurch, dass man ein für den „Hintermann“ überraschendes 1 S. näher Dannert, r+s 1990, 361 und r+s 1990 1 f.; Lemcke, r+s 1993, 121 und r+s 1993, 161; Lemcke in Weber, 647; Born, NZV 1996, 257.
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II. Die häufigsten Manipulationsvarianten
Rz. 19 Teil 6
Bremsmanöver durchführt und so einen Auffahrunfall auslöst oder dass man einen Verkehrsverstoß eines anderen dadurch ausnutzt, dass man bewusst „draufhält“ statt zu bremsen (s. fi Rz. 147 ff.). Diese Variante ist die übelste Form der Unfallmanipulation, weil hier ein anderer Verkehrsteilnehmer nicht nur geschädigt, sondern zusätzlich gesundheitlich gefährdet wird; i. d. R. ist der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erfüllt1. Zudem sind diese Fälle am schwersten aufzuklären, weil der Unfallbeteiligte meistens gar nicht auf die Idee kommt, Opfer eines Betrügers geworden zu sein. Hier ist es oft nur die Unfallhäufigkeit, die irgendwann Verdacht erregt.
15
Diese Variante scheidet natürlich aus, wenn das Fahrzeug des Unfallbeteiligten abgestellt gewesen ist; dieser muss aktiv mitwirken. An diese Variante muss der Versicherer aber denken, wenn bei Manipulationsverdacht der eigene Versicherungsnehmer unverdächtig ist und evtl. sogar selbst wegen der Beschädigung seines – evtl. hochwertigen und evtl. nicht kaskoversicherten – Fahrzeugs einen hohen eigenen Schaden erlitten hat.
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3. Der fiktive Verkehrsunfall Beim fiktiven Unfall (auch „fingierter“ Unfall oder „Papierunfall“ genannt) hat der behauptete Unfallhergang nicht stattgefunden, die Beteiligten haben ihn erdacht, um durch Täuschung Versicherungsleistungen zu erlangen. Häufig geht es hier darum, anderweitig selbst verschuldete oder jedenfalls unfreiwillig erlittene Unfallschäden unter Mithilfe von Verwandten oder Bekannten auf einen fremden Haftpflichtversicherer abzuwälzen (s. fi Rz. 162 ff.).
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Der Entschluss hierzu wird oft aus einer gewissen Notsituation heraus gefasst; die Hemmschwelle ist deshalb herabgesetzt. Man ist z. B. infolge eigener Unaufmerksamkeit in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen, man hat keine Kaskoversicherung oder man hat jedenfalls wegen irgendwelcher Obliegenheitsverletzungen (z. B. wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit oder Unfallflucht) keinen Anspruch gegen den Kaskoversicherer; vielleicht ist das beschädigte Kfz sogar nicht einmal das eigene Kfz. Jetzt muss zum Schadensausgleich ein Geldgeber gefunden werden, ein Bekannter oder Verwandter ist bereit, mitzuwirken; es wird gemeinsam behauptet, der Schädiger sei dem Geschädigten mit seinem Kfz in der Kurve entgegengekommen und habe ihn durch Schneiden der Kurve von der Fahrbahn abgedrängt.
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Oft ist das Unfallfahrzeug hier nicht vom Halter selbst, sondern von einem Dritten (Angehöriger, Freund, Mieter, Arbeitnehmer) gefahren wor-
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1 BGH v. 27. 9. 2007 – 4 StR 1/07, DAR 2008, 272; v. 22. 7. 1999 – 4 StR 90/99, VersR 1999, 1431.
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Teil 6
Rz. 20
Unfallmanipulation
den, der sich jetzt Ersatzansprüchen oder sonstigen Nachteilen ausgesetzt sieht. In diesen Fällen ist es deshalb durchaus möglich, dass der Halter und Anspruchsteller selbst gutgläubig ist. Daraus können sich dann weitere rechtliche Probleme ergeben (s. näher unten zu fi Rz. 167 f.). Zudem ist dies zu beachten, wenn man vor der Frage steht, ob man den Beteiligten den Betrug zutraut. 20
Der angebliche Schädiger kann hier auch ein (haftpflichtversicherter) Radfahrer, Fußgänger oder Tierhalter sein, der angeblich durch irgendein Fehlverhalten den Unfall des Kraftfahrers verursacht hat, ohne selbst in den Unfall verwickelt worden zu sein. Es geht dann darum, einen anderweitig erlittenen – zumeist selbst verschuldeten – Kfz-Schaden auf einen fremden AH-Versicherer abzuwälzen.
4. Der ausgenutzte Verkehrsunfall 21
In diese Kategorie fallen Unfälle, die zwar als unfreiwilliges Ereignis stattgefunden haben, bei denen aber die jetzt gegebene Gelegenheit, den Fahrzeugschaden über einen fremden Versicherer abrechnen zu können, ausgenutzt wird zum Versicherungsbetrug, und zwar – durch Einbeziehung vorhandener Vorschäden in die Abrechnung, – durch Aufbauschung des Schadensumfangs mittels Manipulation der Eckdaten für die Schadensermittlung (Reparaturkosten, Minderwert, Wiederbeschaffungswert, Restwert), – durch Vortäuschung des Weiterbenutzungswillens, um bei einem Fahrzeugschaden im Toleranzbereich noch auf Reparaturkostenbasis abrechnen zu können, – durch nachträgliche Schadensvergrößerung.
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Mitwirkende sind hier neben dem Anspruchsteller evtl. auch andere, z. B. der Sachverständige und/oder derjenige, der den Reparaturauftrag durchführen soll bzw. will. Nicht selten geschehen derartige Manipulationen aber auch ohne Mitwirkung des Anspruchstellers hinter dessen Rücken durch andere, die aus dem Unfall für sich ein Geschäft machen wollen (s. näher unten zu fi Rz. 177, 182).
III. Der gestellte Verkehrsunfall 23
Entsteht bei der Bearbeitung eines angemeldeten Kfz-Unfallschadens der Verdacht, dass der Unfall gestellt (verabredet) ist, kann der Haftpflichtversicherer auf drei Stufen versuchen, eine Verteidigungslinie zur Abwehr einer evtl. betrügerischen Inanspruchnahme aufzubauen, nämlich 814
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 25 Teil 6
– bei der Feststellung des äußeren Schadenshergangs (fi Rz. 28 ff.), – bei der Feststellung der Einwilligung (fi Rz. 49 ff.), – bei der Feststellung des Schadensumfangs (fi Rz. 98 ff.). Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsverteidigung für den Versicherer nicht auf allen Stufen in gleicher Weise erfolgversprechend ist. Denn die Beweislast und das Beweismaß sind auf den einzelnen Stufen unterschiedlich; nur auf der ersten und dritten Stufe liegt die Beweislast beim Anspruchsteller, zudem kommen diesem auf der dritten Stufe Beweiserleichterungen zugute.
24
– Zunächst muss also der Anspruchsteller, falls bestritten, nachweisen, dass der Unfallhergang – der äußere die Ersatzpflicht begründende Schadenshergang – tatsächlich wie behauptet stattgefunden hat. Kann er diesen Beweis nicht führen, sind die Ersatzansprüche schon deshalb zurückzuweisen; der behauptete Unfallhergang ist nicht bewiesen, ein anderer einen Ersatzanspruch begründender Hergang ist schon nicht dargelegt. – Ist der behauptete Unfallhergang aber unstreitig oder bewiesen, muss der Versicherer nachweisen, dass dieses mit Einwilligung des Anspruchstellers geschehen ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, ist von einem realen Unfall auszugehen. – Ist der behauptete Schadensumfang bestritten, muss der Anspruchsteller – mit den Darlegungs- und Beweiserleichterungen aus § 287 ZPO – den Umfang des unfallbedingten Schadens näher darlegen und ggf. nachweisen. Ergibt sich, dass er jedenfalls beim Schadensumfang getäuscht hat, kann dieses nicht nur zur Anspruchskürzung, sondern auch zur völligen Leistungsablehnung führen, nämlich dann, wenn eine Trennung zwischen unfallbedingten Schäden und unfallunabhängigen Schäden nicht möglich ist. Kommt es zum Prozess, wird der Haftpflichtversicherer i. d. R. wegen des bestehenden Direktanspruchs aus § 3 Nr. 1 PflVG a. F. bzw. jetzt aus § 115 Abs. 1 VVG selbst verklagt. Er kann auch dann, wenn Fahrer und/ oder Halter gleichzeitig mit verklagt werden, seine Interessen ohne Rücksicht darauf wahrnehmen, ob und wie sich die Versicherten verteidigen. Denn sie sind nur einfache Streitgenossen; sie können deshalb unterschiedlich vortragen, die Prozesse sind nur äußerlich miteinander verbunden und können ein unterschiedliches Schicksal haben1 (s. näher fi Rz. 189 ff.).
1 BGH v. 10. 7. 1974 – IV ZR 212/72, VersR 1974, 1117; v. 14. 7. 1981 – VI ZR 304/79, MDR 1982, 219 = r+s 1981, 249 = NJW 1982, 996 = VersR 1981, 1158.
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Teil 6
Rz. 26
Unfallmanipulation
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Weil die Prozesse ein unterschiedliches Schicksal haben können, kann die Situation eintreten, dass die Klage gegen Fahrer und/oder Halter (z. B. aufgrund eines Geständnisses) begründet, die Klage gegen den Haftpflichtversicherer dagegen unbegründet und abweisungsreif ist. Dem Haftpflichtversicherer darf aber auch das Schicksal des Prozesses gegen den oder die Versicherten nicht gleichgültig sein. Denn wenn diese verurteilt werden, hat das Haftpflichturteil Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der angeblich Geschädigte aufgrund eines Haftpflichturteils gegen Fahrer und/ oder Halter deren Deckungsanspruch gegen den Versicherer pfändet und dass dieser dann, selbst wenn im Haftpflichtprozess die Klage gegen ihn selbst abgewiesen worden ist, im nachfolgenden Deckungsprozess wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils doch noch verurteilt wird1 (s. näher fi Rz. 201 ff.).
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Nachfolgend werden zunächst nur die Abwehrmöglichkeiten des Haftpflichtversicherers gegen seine eigene Inanspruchnahme im Rahmen der Direktklage aus § 3 Nr. 1 PflVG a. F. bzw. jetzt aus § 115 Abs. 1 VVG näher dargestellt; wegen der Abwehrmöglichkeiten gegen eine isolierte Verurteilung des oder der Versicherten s. nachfolgend Ziff. VII (fi Rz. 234 ff.).
1. Beweis des äußeren Schadenshergangs 28
Auf der ersten Stufe geht es um die Feststellung des behaupteten äußeren Tatbestandes der Rechtsgutverletzung, d. h. um die Feststellung des äußeren Schadens-(Unfall-)Hergangs.
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Hier ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig2. Er muss darlegen und ggf. beweisen, dass der Schädiger mittels seines Kfz durch ein bestimmtes einen Ersatzanspruch begründendes Verhalten den Schaden verursacht hat. Dabei geht es nicht nur um die Kollision zwischen den Fahrzeugen als solche, sondern um den gesamten äußeren Schadenshergang, aus dem der Geschädigte das Bestehen des Schadensersatzanspruchs aus § 823 BGB bzw. aus § 7 StVG herleitet; ausgenommen sind hier nur die Einzelheiten zum Schadensumfang, sie interessieren erst auf der dritten Stufe.
1 Grundlegend BGH v. 30. 9. 1992 – IV ZR 314/91, MDR 1993, 30 = r+s 1992, 406 = VersR 1992, 1504; auch BGH v. 18. 3. 1992 – IV ZR 51/91, MDR 1992, 652 = r+s 1992, 501 = VersR 1992, 568; s. hierzu Lemcke, r+s 1993, 151 f.; Gottwald/ Adolphsen, NZV 1995, 129, 130. 2 BGH v. 9. 6. 1992 – VI ZR 215/91, MDR 1993, 803 = r+s 1993, 333 = VersR 1992, 1028 = NZV 1992, 403; OLG Köln v. 23. 8. 2000 – 11 U 121/98, VersR 2002, 252; v. 26. 6. 1994 – 19 U 272/93, NJW-RR 1995, 546.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 34 Teil 6
Andererseits dürfen an die Darlegung des Schadenshergangs insbesondere in den Fällen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, in denen der Geschädigte bei dem Unfall (angeblich) nicht zugegen gewesen ist. Wird z. B. ein am Fahrbahnrand abgestelltes Kfz in Abwesenheit des Geschädigten von einem anderen Kfz angefahren und beschädigt, kann der Geschädigte nähere Einzelheiten zum Schadenshergang nicht darlegen. Hier muss es ausreichen, wenn der Geschädigte darlegt und nachweist, dass sein Fahrzeug von dem fremden Fahrzeug angefahren worden ist. Hier reduziert sich also die Darlegungs- und Beweislast auf die Kollision als solche. Anders ist es, wenn er selbst zugegen gewesen ist und den Unfallhergang selbst wahrgenommen hat.
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Erst wenn der Geschädigte nachgewiesen hat, dass sich der äußere Schadenshergang so wie behauptet tatsächlich ereignet hat, stellt sich – auf der zweiten Stufe – die Anschlussfrage, ob es sich um ein unfreiwilliges oder ein freiwilliges Geschehen gehandelt hat, d. h. ob ein normaler Verkehrsunfall vorliegt oder ob der Unfall willentlich und mit dem Einverständnis des Anspruchstellers herbeigeführt worden ist.
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a) Beweis des äußeren Schadenshergangs durch den Geschädigten In der Praxis ist der äußere Schadenshergang häufig unstreitig. Schon der Inhalt der Ermittlungsakten (polizeilich festgestellte Unfallspuren, neutrale Zeugen p. p.) deutet oft so sehr darauf hin, dass das behauptete Schadensereignis als solches tatsächlich stattgefunden hat, dass es auch der Versicherer für aussichtslos hält, auf dieser Stufe eine Verteidigungslinie aufzubauen. Das gilt insbesondere für Auffahrunfälle.
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Andererseits kann sich der Haftpflichtversicherer im Haftpflichtprozess darauf beschränken, den Sachvortrag des Anspruchstellers zum äußeren Unfallhergang mit Nichtwissen zu bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Dann muss der Geschädigte ihn nachweisen, und zwar nach dem Beweismaß des § 286 ZPO; es ist – so der BGH1 – zwar keine unumstößliche Gewissheit erforderlich, aber ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie gänzlich verstummen zu lassen.
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Im Falle des Bestreitens wird der Geschädigte den Nachweis, dass die Fahrzeuge tatsächlich in der von ihm behaupteten Art und Weise kollidiert sind, häufig durch den Inhalt der Ermittlungsakten und durch neutrale oder jedenfalls glaubwürdige Zeugen führen können. Ferner kann er die Kollision als solche häufig auch durch ein Sachverständigengutach-
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1 BGH v. 18. 3. 1987 – IVa ZR 205/85, MDR 1987, 649 = r+s 1987, 173 = VersR 1887, 503; v. 4. 11. 2003 – VI ZR 28/03, MDR 2004, 509 = r+s 2004, 39 = VersR 2004, 118.
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Teil 6
Rz. 35
Unfallmanipulation
ten nachweisen. Denn nach einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen lassen sich häufig stempelartige Kontaktstellen finden, die sich eindeutig beiden Fahrzeugen zuordnen lassen. Ein derartiger Nachweis ist evtl. auch dann noch möglich, wenn nur noch Fotos von den Unfallfahrzeugen zur Verfügung stehen. 35
Insoweit ist im Rahmen der Beweiswürdigung auch zu beachten, dass es derjenige, der z. B. durch einen gestellten Auffahrunfall Vorteile erlangen will, gar nicht nötig hat, den Auffahrunfall irgendwo im Verborgenen durchzuführen, um dann anschließend – für die polizeiliche Unfallaufnahme – an einer Straßeneinmündung mit den beschädigten Fahrzeugen ein entsprechendes Szenarium aufzubauen. Insbesondere erfahrene „Autobumser“ wählen im Gegenteil für die beabsichtigte Kollision oft ganz bewusst eine Stelle aus, an der neutrale Zeugen zu erwarten sind, und sie ziehen dann auch ganz bewusst hinterher die Polizei zur Unfallaufnahme hinzu, um dem – in Wahrheit gestellten – Unfall in jeder Hinsicht das äußere Bild eines normalen Verkehrsunfalls zu geben.
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Andererseits sind aber aus der Praxis auch Fälle bekannt, in denen die Fahrzeuge tatsächlich zunächst an anderer Stelle, z. B. in einer Werkhalle, gegeneinander gefahren wurden, um sie dann anschließend im beschädigten Zustand für die polizeiliche Unfallaufnahme zur behaupteten Unfallstelle zu schaffen. b) Gegenbeweis durch den Haftpflichtversicherer
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Der Haftpflichtversicherer kann den Sachvortrag des Anspruchstellers mit Nichtwissen bestreiten. Er kann ihn aber auch substantiiert bestreiten, z. B. näher darlegen, dass und warum der äußere Unfallhergang so wie behauptet nicht gewesen ist. Evtl. kann er sogar beweisen, dass es (z. B. aus technischen Gründen) so nicht gewesen sein kann. Der Versicherer kann auf diese Weise dem Anspruchsteller den Nachweis erschweren oder sogar selbst den sog. Gegenbeweis1 führen.
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Es geht dabei nicht um den Nachweis eines anderen Geschehensablaufs, sondern allein darum, die Überzeugung des Gerichts zu verhindern oder zu erschüttern, dass sich der äußere Unfallhergang so wie vom Anspruchsteller behauptet zugetragen hat; das kann auch in der Weise geschehen, dass der Versicherer nachweist, dass es jedenfalls so wie vom Anspruchsteller behauptet nicht gewesen sein kann2; wir haben ihn, zu1 BGH v. 23. 3. 1983 – IVa ZR 120/81, MDR 1983, 830 = VersR 1983, 560; Hansen, JuS 1992, 327, 328 f. 2 OLG Saarbrücken v. 25. 5. 2009 – 4 U 205/08, Juris; KG v. 7. 5. 2009 – 12 U 56/09, KGR 2009, 775; OLG Saarbrücken v. 23. 1. 2007 – 4 U 112/06, OLGR 2007, 351; OLG Hamburg v. 19. 6. 2002 – 14 U 178/01, OLGR 2003, 107; v. 19. 6. 2002 – 14 U 178/01, OLGR 2003, 107; OLG Hamm v. 15. 3. 2001 – 6 U 197/00, r+s 2001,
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 41 Teil 6
nächst senatsintern, „So-Nicht-Unfall“ genannt1; inzwischen findet diese Bezeichnung auch in L. u. R. Verwendung. Insoweit ist zu beachten, dass für einen gestellten Unfall häufig Szenarien gewählt werden, bei denen die Beteiligten die fahrdynamischen und kollisionsmechanischen Vorgänge und Auswirkungen im Falle eines unfreiwilligen Ereignisses nicht voll übersehen und deshalb bei der Darstellung Fehler begehen. Soll sich z. B. ein abgestelltes Fahrzeug auf einer abschüssigen Straße von selbst in Bewegung gesetzt und dann andere Fahrzeuge beschädigt haben, kann die technische Überprüfung ergeben, dass es auf diese Weise nicht die Geschwindigkeit erreichen konnte, die erforderlich ist, um den Schaden an den anderen Fahrzeugen herbeizuführen2.
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Insoweit ist ferner zu beachten, dass für einen gestellten Unfall häufig Szenarien gewählt werden, deren geplante Durchführung schwierig ist. Deshalb ist der tatsächliche (gestellte) Schadenshergang häufig zumindest in wesentlichen Details anders als der behauptete3. So ist es z. B. schwierig, einen Kreuzungsunfall mit zwei sich bewegenden Fahrzeugen so zu organisieren, dass diese sich planmäßig treffen (und zwar ohne die Insassen zu gefährden); tatsächlich wird dann häufig ein derartiger Unfall mit einem stehenden Fahrzeug durchgeführt, das zu schädigende Fahrzeug wird (evtl. ohne Insasse) auf die Kreuzung gestellt. Das ist dann aber für einen Schverständigen aufgrund der Schadensbilder i. d. R. unschwer zu erkennen.
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Hat der Haftpflichtversicherer schon hinsichtlich des äußeren Schadenshergangs Zweifel, ist es i. d. R. sinnvoll, das Gutachten eines (nicht in der Schadensschätzung sondern in der Unfallrekonstruktion erfahrenen) Sachverständigen einzuholen oder dessen Einholung zu beantragen mit dem Auftrag, sowohl die Kompatibilität der Schäden als auch die technische Plausibilität des behaupteten Unfallhergangs zu überprüfen.
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455; v. 29. 1. 2001 – 6 U 105/00, r+s 2001, 458; OLG Köln v. 20. 10. 2000 – 19 U 207/99, VersR 2002, 253; OLG Hamm v. 27. 10. 1999 – 13 U 50/99, DAR 2000, 163 = OLGR 2000, 357; v. 18. 11. 1998 – 13 U 101/98, r+s 1999, 322 = DAR 1999, 405; v. 24. 6. 1996 – 6 U 29/96, r+s 1996, 437; v. 25. 4. 1995 – 27 U 13/95, VersR 1996, 1555; s. hierzu auch OLG Hamm v. 21. 1. 2005 – 20 U 228/03, MDR 2005, 924 = r+s 2005, 194 = OLGR 2005, 154 = NZV 2006, 89 m. Anm. Priester, jurisPRVerkR 3/2008, Anm. 5; in diesem Fall war die Rückforderungsklage eines Kaskoversicherers erfolgreich, weil sich der Unfall nicht so wie behauptet zugetragen haben konnte; so auch OLG Hamm v. 22. 6. 2007 – 20 U 280/06, Juris. 1 Lemcke, r+s 1993, 121, 122. 2 OLG Hamm v. 15. 6. 2000 – 6 U 96/99. 3 OLG Köln v. 7. 1. 2000 – 19 U 71/99, VersR 2000, 1037; OLG Hamm v. 30. 9. 1999 – 6 U 41/99, r+s 2000, 67; v. 27. 10. 1999 – 13 U 50/99, DAR 2000, 163 = OLGR 2000, 357; v. 30. 11. 1998 – 6 U 148/97, r+s 1999, 321 = VersR 1999, 252 (nur LS).
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Teil 6
Rz. 42
Unfallmanipulation
42
Bei der Kompatibilitätsprüfung kann sich z. B. ergeben, dass die Schäden an den beiden Fahrzeugen schon deshalb nicht zueinander passen, weil sie andere Kollisionsgeschwindigkeiten erfordert hätten1. Es kann sich aber auch ergeben, dass jedenfalls ein wesentlicher Teil der Schäden nicht von dem anderen Fahrzeug verursacht sein kann. Letzeres spricht zwar nicht zwingend gegen den behaupteten Unfallhergang; evtl. liegt nicht ein gestellter, sondern ein ausgenutzter Unfall vor. Derartige Ungereimtheiten können aber auch die Aussagen der Zeugen und Unfallbeteiligten zum Unfallhergang entwerten, mit der Folge, dass gegen den behaupteten Geschehensablauf im Ergebnis doch durchgreifende Bedenken bestehen2.
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Bei der Plausibilitätsprüfung kann sich ergeben, dass die Unfalldarstellung aus technischen Gründen nicht nachvollziehbar ist, z. B. deshalb, weil der Schädiger vor dem Auffahrunfall noch gebremst haben will, während sich aus den Schadensfotos (aus den Schadenshöhen) ergibt, dass er tatsächlich noch beschleunigt hat, oder deshalb, weil ein wesentlicher Teil der Schäden dem behaupteten Unfallhergang nicht zugeordnet werden kann. Oder es ergibt sich aufgrund von Korrosionserscheinungen an den beschädigten Fahrzeugteilen, dass die Kollisionen nicht kurz vor der Besichtigung entstanden sein können, sondern schon wesentlich älter sein müssen3.
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In diesen Fällen ist die Klage – selbst wenn die Kollision als solche feststeht – schon in dieser ersten Stufe abweisungsreif, weil der behauptete Geschehensablauf, aus dem der Ersatzanspruch aus §§ 7 StVG, 823 BGB hergeleitet wird, nicht nachgewiesen oder sogar widerlegt ist4.
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Abgesehen davon können Falschangaben zum Geschehensablauf mit herangezogen werden und von erheblichem Beweiswert sein für die Beweiswürdigung in der zweiten Stufe, d. h. für die Feststellung der Einwilligung. 1 S. z. B. OLG Hamm v. 21. 1. 2005 – 20 U 228/03, MDR 2005, 924 = r+s 2005, 194 = OLGR 2005, 154 = NZV 2006, 89 m. Anm. Priester, jurisPR-VerkR 3/2008, Anm. 5. 2 OLG Hamm v. 18. 11. 1998 – 13 U 101/98, r+s 1999, 322 = DAR 1999, 405. 3 OLG Hamm v. 23. 4. 1998 – 27 U 2/98, OLGR 1998, 237; s. hierzu auch OLG Hamm v. 24. 6. 1996 – 6 U 29/96, r+s 1996, 437; v. 18. 4. 1994 – 6 U 116/93, r+s 1994, 332 = NZV 1994, 483; OLG Köln v. 7. 12. 1995 – 6 U 53/95, r+s 1998, 191 m. Anm. Lemcke; v. 14. 7. 1995 – 19 U 278/94, r+s 1996, 176 = NJW-RR 1995, 546 = zfs 1996, 34. 4 OLG Saarbrücken v. 25. 9. 2009 – 4 U 205/08, Juris; OLG Celle v. 20. 3. 2003 – 14 U 3902, Juris; OLG Brandenburg v. 17. 1. 2008 – 12 U 123/07, Juris; OLG Hamm v. 23. 4. 1998 – 27 U 2/98, OLGR 1998, 237; v. 18. 9. 1997 – 6 U 46/97, r+s 1998, 108 = OLGR 1998, 25; v. 13. 1. 1997 – 13 U 112/96, OLGR 1997, 60; v. 24. 6. 1996 – 6 U 29/96, r+s 1996, 437; v. 7. 12. 1995 – 6 U 53/95, r+s 1996, 97; OLG Köln v. 14. 7. 1995 – 19 U 298, 94, r+s 1996, 176.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 50 Teil 6
! Hinweis: Beim Verdacht der Unfallmanipulation ist die Klage schon dann abzuweisen, wenn es so wie behauptet (z. B. aus technischen Gründen) nicht gewesen sein kann und ein anderer anspruchsbegründender Sachverhalt nicht dargelegt ist (sog. So-Nicht-Unfall). c) Abgrenzung zur dritten Stufe Die vorstehenden Ausführungen gelten nicht, wenn der äußere Schadenshergang als solcher bewiesen ist und sich im Rahmen der Beweisaufnahme lediglich ergibt, dass ein Teil der Kfz-Schäden nicht oder jedenfalls möglicherweise nicht bei diesem Schadensereignis entstanden ist. Es müssen weiterhin Zweifel bestehen, ob sich der behauptete äußere Schadenshergang tatsächlich ereignet hat.
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Der äußere Schadenshergang ist bewiesen, wenn sich das Schadensereignis tatsächlich wie behauptet ereignet hat und einen (irgendeinen) Schaden am Fahrzeug des Anspruchstellers zur Folge gehabt hat (die sog. haftungsbegründende Kausalität1). Dagegen gehört die Frage, ob dieses Schadensereignis den behaupteten Schaden in seinem vollen Umfang zur Folge gehabt hat (die sog. haftungsausfüllende Kausalität), zum Schadensumfang (s. fi Rz. 98 ff.); die Unterscheidung ist wichtig wegen der unterschiedlichen Beweisanforderungen (s. fi Rz. 99).
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Bricht z. B. kurz nach einer Streifkollision zwischen einem Lkw und einem auf dem Seitenstreifen abgestellten Pkw mit anhängendem Bootstrailer auf dem Boot ein Brand aus, und besteht der Verdacht, dass der Unfall gestellt und der Brand gelegt ist, gehört die Frage, ob auch der Brand Unfallursache ist, nicht mehr zur haftungsbegründenden, sondern zur haftungsausfüllenden Kausalität2.
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2. Die Einwilligung des Geschädigten Ist der äußere Schadenshergang unstreitig oder bewiesen, geht es auf der zweiten Stufe um die Frage, ob sich dieser Hergang unfreiwillig ereignet hat oder ob der Geschädigte in die Beschädigung seines Kfz eingewilligt hat. Die Einwilligung ist Rechtfertigungsgrund (s. näher fi Rz. 5), hier trägt der Haftpflichtversicherer die Darlegungs- und Beweislast.
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Der Haftpflichtversicherer muss also näher darlegen und ggf. beweisen, dass der Geschädigte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, entweder aufgrund einer entsprechenden Absprache mit einem anderen (gestellter
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1 BGH v. 28. 4. 1982 – IVa ZR 8/81, MDR 1982, 918 = VersR 1982, 756; v. 28. 6. 1983 – VI ZR 98/81, VersR 1983, 985; Lepa, NZV 1992, 129, 133. 2 OLG Hamm v. 19. 12. 1997 – 9 U 69/97, OLGR 1998, 105.
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Teil 6
Rz. 51
Unfallmanipulation
Unfall) oder einseitig absichtlich (provozierter Unfall, s. insoweit fi Rz. 147 ff.). Es gilt auch hier der Beweismaßstab des § 286 ZPO, d. h. es ist auch hier ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich. 51
Gelegentlich liegen bereits Geständnisse Beteiligter im Ermittlungsoder Strafverfahren vor; diese sind dann evtl. auch zu entsprechenden Aussagen im Haftpflichtprozess bereit. I. d. R. stellen aber die Beteiligten den Unfall als unfreiwilliges Ereignis dar, und i. d. R. stehen auch Zeugen für die absichtliche Herbeiführung des Unfalls nicht zur Verfügung. Dann ist die Beweisführung nur möglich entweder im Wege des Indizienbeweises oder im Wege des Anscheinsbeweises. a) Feststellung der Einwilligung im Wege des Anscheinsbeweises
52
Ein Anscheinsbeweis kommt in Betracht bei typischen Geschehensabläufen, wenn also ein bestimmter Lebenssachverhalt vorliegt, der generell den Schluss auf eine bestimmte andere Tatsache zulässt. Ist eine derartige Typizität gegeben, ist der Beweis vorläufig erbracht und es ist dann Sache des Gegners, diesen Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern.
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Ob im Bereich der Unfallmanipulation aber ein Anscheinsbeweis überhaupt jemals in Betracht kommt, ist umstritten1. Nach der h. M. gibt es im Bereich individueller Willensentschlüsse keine Typizität. Nach Auffassung des für das Versicherungsvertragsrecht zuständigen IV. Zivilsenats des BGH2 gilt das auch dann, wenn ein bewusst gefasster Entschluss in die Tat umgesetzt wird wie z. B. in den Fällen der Selbsttötung, der Selbstverstümmelung oder der Eigenbrandstiftung. Dagegen hält der für das Haftpflichtrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH den Anscheinsbeweis auch in Fällen der „Unfallvereinbarung“ jedenfalls in Ausnahmefällen für anwendbar3. 1 Bejahend Knoche, MDR 1992, 919, 922; OLG Zweibrücken v. 14. 7. 2004 – 1 U 97/03, OLGR 2005, 98; OLG Hamm v. 18. 12. 1997 – 27 U 40/97, OLGR 1998, 60 = VersR 1999, 335; verneinend Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 38, Rz. 40, 54; Greger auch schon VersR 1980, 1091, 1094, 1097; verneinend ferner Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991) S. 90; Hansen, JuS 1992, 327, 417 f.; Johannsen in Bruck/Möller/Johannsen, Anm. B 25; Lemcke, r+s 1993, 121, 123; Eggert, r+s, Sonderheft 2011, 24; OLG Schleswig v. 24. 6. 2010 – 7 U 102/09, NZV 2011, 291; OLG Düsseldorf v. 19. 1. 2009 – 1 U 209/07, Juris; v. 18. 12. 1995 – 1 U 255/94, NZV 1996, 321 = VersR 1997, 337 = r+s 1996, 132 m. Anm. Lemcke. 2 BGH v. 18. 3. 1987 – IVa ZR 205/85, MDR 1987, 649 = r+s 1987, 173 = VersR 1987, 503; v. 4. 5. 1988 – IVa ZR 278/86, r+s 1988, 239 = VersR 1988, 863. 3 BGH v. 5. 12. 1978 – VI ZR 71/77, r+s 1979, 99 = VersR 1979, 281; v. 6. 3. 1978 – VI ZR 269/76, VersR 1979, 514; so auch zahlreiche Oberlandesgerichte, z. B. OLG Frankfurt v. 21. 4. 2009 – 16 U 175/09, Juris; OLG Brandenburg v. 18. 12. 2008 – 12 U 152/08, Juris; OLG Celle v. 18. 4. 2007 – 14 U 176/06, OLGR 2007, 467;
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 56 Teil 6
Richtig ist zwar, dass es auch im Bereich der Unfallmanipulation typische Verhaltensmuster gibt. Daneben behalten aber die individuellen Umstände des Einzelfalles im Rahmen der Beweiswürdigung i. d. R. ihre selbständige Bedeutung. Insgesamt spricht deshalb mehr gegen die Anwendung des Anscheinsbeweises. Abgesehen davon wird dann, wenn zahlreiche Anhaltspunkte für eine Unfallmanipulation sprechen, der Anscheinsbeweis i. d. R. entbehrlich und eine Feststellung der Einwilligung auch im Wege des Indizienbeweises möglich sein; denn schon eine Häufung von für eine Manipulation sprechenden Beweisanzeichen ist geeignet, die Überzeugung des Gerichts zu begründen, dass eine Einwilligung vorliegt, es ist weder eine absolute Sicherheit noch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit reicht für die Überzeugungsbildung aus1.
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b) Feststellung der Einwilligung im Wege des Indizienbeweises Der Indizienbeweis wird geführt durch die Sammlung von Hilfstatsachen (Auffälligkeitsmerkmalen, Indizien, Beweisanzeichen), die dann bei einer Gesamtwürdigung den Schluss auf die gesuchte Haupttatsache rechtfertigen, hier also den Schluss auf das Einverständnis des Anspruchstellers mit der Beschädigung seines Fahrzeugs.
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Es sind aber nicht nur die belastenden, sondern auch die entlastenden Umstände zu sammeln. Es erleichtert die Arbeit, wenn dieses anhand einer Checkliste geschieht. Diese sollte – anders als z. B. der KH-Kriterienkatalog2 – möglichst strukturiert sein, auch wenn sich dann zwangsläufig gewisse Überschneidungen ergeben. Vor allem aber sollte sie nicht nur die belastenden, sondern auch die entlastenden Umstände enthalten wie z. B. die nachfolgende vom Verfasser für die Senatsarbeit entwickelte und 1993 erstmalig veröffentlichte Checkliste (fi Rz. 97)3. Denn Ziel der Nachforschungen – auch der vorprozessualen Nachforschungen durch den Haftpflichtversicherer – sollte es sein, ein möglichst eindeutiges Ergebnis zu gewinnen, nicht, ein bestimmtes. Viele Manipulationsprozesse mit für den Versicherer negativem Ausgang wären überflüssig, wenn sich auch schon der zuständige Sachbearbeiter des Versicherers nicht nur auf die Sammlung belastender Umstände konzentriert hätte.
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v. 11. 12. 2003 – 14 U 99/03, OLGR 2004, 328; OLG Bremen v. 5. 11. 2002, OLGR 2003, 128 = VersR 2003, 1553; OLG Köln v. 29. 3. 1995 – 2 U 163/94, r+s 1995, 412; einschränkend OLG Saarbrücken v. 19. 12. 2006 – 4 U 318/06, OLGR 2007, 310. 1 S. Schneider, MDR 1986, 991, 993; OLG Hamm v. 29. 3. 2000 – 13 U 99/99, OLGR 2001, 58; v. 19. 12. 1997 – 9 U 69/97, OLGR 1998, 105. 2 Verheyen, zfs 1994, 313. 3 Lemcke, r+s 1993, 121, 125; s. auch Born, NZV 1996, 257, 260.
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Teil 6
Rz. 57
Unfallmanipulation
! Hinweis: Beim Verdacht der Unfallmanipulation erleichtern Checklisten die Sammlung der Indizien; sie sollten aber nicht nur die belastenden, sondern auch die entlastenden Indizien enthalten. aa) Nur feststehende Indizien 57
Die Indizien müssen ihrerseits feststehen, d. h. entweder unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Mutmaßungen, die durch erwiesene Tatsachen nicht zu untermauern sind, reichen also nicht aus1.
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Das gilt aber nicht nur für belastende, sondern auch für entlastende Indizien. Für belastende ist der Haftpflichtversicherer beweispflichtig, für entlastende der Geschädigte; es geht dann um den Gegenbeweis (s. insoweit fi Rz. 37). So ist z. B. für die Verabredung eines Unfalls i. d. R.2 Voraussetzung, dass die Beteiligten sich kennen. Steht die Bekanntschaft fest, ist das ein gewichtiges Indiz für einen gestellten Unfall; steht fest, dass sie sich vorher nicht kannten, ist das eher Indiz dagegen. Steht aber weder das eine noch das andere fest, lässt sich hieraus auch weder für noch gegen einen gestellten Unfall etwas herleiten.
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Ferner ist Folgendes zu beachten: Ist der Geschädigte z. B. unstreitig bereits häufig in Unfälle verwickelt gewesen, steht zwar allein damit nicht fest, dass er Vorunfälle manipuliert hat; die Unfallhäufigkeit als solche steht aber fest, und sie allein ist bereits ein Auffälligkeitsmerkmal.
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Bei entlastenden Umständen ist zu beachten, dass sie oft – insbesondere von erfahrenen „Autobumsern“ – ganz bewusst vorgetäuscht werden, um das äußere Bild eines „echten“ Unfalls zu verstärken. Hat z. B. bei einem Auffahrunfall nach dem Inhalt der Ermittlungsakten in einem der Fahrzeuge ein Kleinkind gesessen, spricht das stark gegen einen gestellten Unfall. Uns sind aber aus der Praxis Fälle bekannt, in denen erst nach der Kollision für die polizeiliche Unfallaufnahme ein Kleinkind in das Fahrzeug gesetzt worden ist oder in denen der Fahrer (ein professioneller „Autobumser“) nachträglich ausgetauscht worden ist durch eine unverdächtige Person, der man evtl. weder die Bereitschaft noch das Geschick zu einem derartigen Crash zutraut. Bestehen Bedenken, ob der behauptete entlastende Umstand tatsächlich vorliegt, ist der Geschädigte beweispflichtig.
1 OLG Frankfurt v. 11. 3. 1999 – 1 U 216/97, OLGR 1999, 162. 2 Manchmal erfolgt die Absprache auch über Mittelsmänner.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 65 Teil 6
bb) Fallbezogene Würdigung Die – belastenden oder entlastenden – Indizien sind nicht abstrakt, sondern fallbezogen zu würdigen.
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So ist z. B. die Nicht-Hinzuziehung der Polizei ungewöhnlich und deshalb ein Auffälligkeitsmerkmal bei einem Unfall mit nicht unerheblichem Sachschaden unter Fremden. Bei einem Unfall unter Verwandten und Freunden ist dagegen eher die Hinzuziehung auffällig. Sie kann aber auch hier wiederum unauffällig sein, z. B. dann, wenn ein Mietfahrzeug beteiligt ist und dem Mieter durch die AGB des Vermieters die Hinzuziehung der Polizei aufgegeben ist.
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So kann es z. B. auch ein Auffälligkeitsmerkmal sein, wenn die Unfallbeteiligten und Zeugen ausländische Landsleute sind. Das ist aber nicht auffällig, wenn sich der Unfall in einem Ortsteil mit hohem entsprechenden Ausländeranteil ereignet1.
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cc) Gesamtschau Die Besonderheiten des Einzelfalles werden zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Dabei kann sich ein Ring belastender Umstände ergeben, der auch unter Berücksichtigung aller entlastenden Umstände hinreichend tragfähig ist als Fundament für die Überzeugungsbildung des Richters.
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Dabei geht es nicht um absolute Gewissheit, sondern um eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Unfall absichtlich und mit dem Einverständnis des Anspruchstellers herbeigeführt worden ist. Bei dieser Wahrscheinlichkeitsbetrachtung reicht zwar auch eine erhebliche Wahrscheinlichkeit noch nicht aus2. Andererseits ist aber eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich, erst recht nicht eine absolute Gewissheit. Man sollte deshalb mit praktischer Vernunft und Lebenserfahrung an die Würdigung der Indizien herangehen und dabei nicht auch ein an ein Wunder grenzendes Zufallsgeschehen noch für möglich halten; die absichtliche Unfallherbeiführung steht schon dann fest, wenn das Gegenteil zwar theoretisch möglich und nicht völlig ausgeschlossen, aber völlig unwahrscheinlich ist3.
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1 OLG Hamm v. 12. 12. 1996 – 27 U 190/96, OLGR 1997, 73. 2 A. A. offenbar OLG Köln v. 18. 1. 2000 – 22 U 185/99, OLGR 2000, 272; KG v. 29. 11. 2007 – 12 U 185/07, KGR 08, 456 = NZV 2008, 243 m. Anm. Elsner, jurisPR-VerkR 15/2008 Anm. 1. 3 Bsp. für gelungenen Indizienbeweis: OLG Düsseldorf v. 5. 10. 2010 – 1 U 190/09, Juris; KG v. 7. 9. 2010 – 12 K 210/09, Juris; OLG Köln v. 23. 7. 2010 – 2 U 32/10, SP 2011, 104; OLG Frankfurt v. 21. 4. 2009 – 16 U 175/08, Juris; OLG Brandenburg v. 18. 12. 2008 – 12 U 152/08, Juris; v. 25. 9. 2008 – 12 U 202/07, Juris; OLG
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Teil 6 66
Rz. 66
Unfallmanipulation
Überzeugung heißt, so der BGH1, nicht absolute Gewissheit, ausreichend ist ein für das praktische Leben ausreichender Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen; es braucht keine mathematische Sicherheit zu bestehen, die jeden möglichen Zweifel und jede denkbare Möglichkeit des Gegenteils ausschließt.
Stuttgart v. 9. 7. 2008 – 3 U 31/08, SP 2009, 137; OLG Brandenburg v. 17. 1. 2008 – 12 U 123/07, Juris; KG v. 1. 10. 2007 – 12 U 72/06, Juris; KG v. 14. 5. 2007 – 12 U 212/06, KGR 2008, 137; KG v. 6. 2. 2006 – 12 U 4/04, KGR 2006, 793; OLG Koblenz v. 4. 10. 2005 – 12 U 1114/04, OLGR 2006, 386 = NZV 2006, 262 = VersR 2006, 523; OLG Hamm v. 30. 5. 2005 – 13 U 30/05, zfs 2005, 539, m. Anm. Elsner, jurisPR-VerkR 15/2008, Anm. 1; OLG Frankfurt v. 29. 1. 2004 – 7 U 87/03, zfs 2004, 501; OLG Celle v. 8. 1. 2004 – 5 U 119/03, Juris; KG v. 30. 10. 2003 – 12 U 291/01, KGR 2005, 738; OLG Hamm v. 29. 9. 2003 – 13 U 16/03, zfs 2004, 68; OLG Jena v. 19. 8 2003 – 8 U 150/03, DAR 2004, 30; KG v. 17. 4. 2003 – 12 U 272/01, KGR 2004, 260 = NZV 2003, 530; KG v. 16. 1. 2003 – 12 U 207/01, KGR 2003, 366; KG v. 5. 12. 2002 – 12 U 7990/00, KGR 2003, 143; OLG Jena v. 20. 3. 2002 – 4 U 1233/00, SP 2003, 23; OLG Hamm v. 14. 2. 2001 – 13 U 194/00, NZV 2001, 374; OLG Köln v. 20. 10. 2000 – 19 U 207/99, VersR 2002, 253; OLG Hamm v. 22. 3. 2000 – 13 U 144/99, VersR 2001, 1127; v. 27. 10. 1999 – 13 U 50/99, DAR 2000, 163 = OLGR 2000, 357; v. 21. 10. 1999 – 6 U 126/99, OLGR 2000, 36 = zfs 2000, 143; v. 30. 9. 1999 – 6 U 41/99, r+s 2000, 67; OLG Köln v. 9. 7. 1999 – 19 U 193/98, DAR 2000, 67; v. 21. 6. 1999 – 16 U 66/97, VersR 2000, 1517 = NZV 2001, 376; OLG Zweibrücken v. 24. 2. 1999 – 1 U 12/98, VersR 2000, 223; OLG Hamm v. 9. 12. 1998 – 13 U 93/98, OLGR 1999, 97; v. 1. 12. 1998 – 27 U 237/98, OLGR 1999, 64 = VersR 1999, 591 (nur LS); v. 30. 11. 1998 – 6 U 148/97, r+s 1999, 321 = VersR 1999, 252 (nur LS); v. 23. 11. 1998 – 6 U 56/98, r+s 1999, 320; OLG Hamm 12. 11. 1998 – 6 U 111/98, r+s 1999, 319; v. 19. 12. 1997 – 9 U 69/97, OLGR 1998, 105; OLG Düsseldorf v. 23. 8. 1996 – 14 U 186/95, SP 1996, 404; OLG Köln v. 9. 1. 1996 – 9 U 53/95, r+s 1996, 353; OLG Düsseldorf v. 18. 12. 1995 – 1 U 255/94, NZV 1996, 321 = VersR 1997, 337 = r+s 1996, 132 m. Anm. Lemcke; OLG Köln v. 14. 7. 1995 – 19 U 236/94, VersR 1997, 129 = NZV 1997, 129; OLG Köln v. 14. 7. 1995 – 19 U 278/94, r+s 1996, 176 = NJWE-VHR 1996, 10; OLG Hamm v. 25. 4. 1995 – 27 U 13/95, VersR 1996, 1555; KG v. 27. 3. 1995 – 12 U 4993/93, VM 1995, 84; OLG Karlsruhe v. 1. 9. 1994 – 12 U 159/94, VersR 1995, 953; OLG Köln v. 13. 2. 1994 – 12 U 206/93, r+s 1994, 212; OLG Hamm v. 13. 5. 1993, 6 U 93/91, r+s 1993, 411; v. 25. 3. 1993 – 6 U 199/92, r+s 1993, 444; v. 30. 11. 1992 – 6 U 50/92, VersR 1993, 1418; OLG Köln v. 23. 10. 1992 – 19 U 35/92, VersR 1993, 1373; OLG Hamm v. 1. 6. 1992 – 3 U 17/92, r+s 1992, 300. 1 BGH v. 17. 2. 1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255 f. = NJW 1970, 946, 948; v. 17. 5. 1989 – IVa ZR 130/88, MDR 1989, 876 = r+s 1989, 244, 297 = VersR 1989, 841 = NJW-RR 1989, 983; s. auch MüKo/Prütting, § 286 ZPO, Rz. 27 ff.; Knoche, S. 157 ff.; Goerke, VersR 1990, 707, 710; OLG Köln v. 5. 6. 1998 – 19 U 269/97, OLGR 1998, 384; OLG Düsseldorf v. 18. 12. 1995 – 1 U 255/94, NZV 1996, 321 = VersR 1997, 337 = r+s 1996, 132 m. Anm. Lemcke; OLG Hamm v. 8. 11. 1984 – 27 U 401/83, VersR 1986, 280; v. 1. 6. 1992 – 3 U 17/92, r+s 1992, 300; v. 4. 10. 1990 – 6 U 9/90, MDR 1991, 160 = r+s 1990, 413 = VersR 1991, 113.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 71 Teil 6
! Hinweis: Beim Verdacht der Unfallmanipulation ist die Klage schon dann abzuweisen, wenn der Geschädigte mit einem für das praktische Leben ausreichenden Grad von Gewissheit eingewilligt hat; eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich, erst recht nicht eine absolute Gewissheit. dd) Beweiswert von Indizien Indizien können je nach den Umständen einen hohen oder geringen Beweiswert und damit im Rahmen der Beweiswürdigung ein hohes oder geringes Gewicht haben.
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(1) Wahrscheinlichkeitsbetrachtung Das Gewicht einer einzelnen Hilfstatsache, ihr Beweiswert, ergibt sich ebenfalls aus einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung: Wie wahrscheinlich ist es, dass bei Vorliegen der Hilfstatsache (die als solche feststehen muss) auch die behauptete und zu beweisende Haupttatsache (hier: die Einwilligung des Anspruchstellers) vorliegt1.
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(a) Das Motiv Wer einen Unfall stellt, will mit dem Unfall ein Geschäft machen, hierin liegt das Motiv; je größer die Gewinnerwartung ist, desto eher kommt die absichtliche Unfallherbeiführung in Betracht. Ein Geschäft ist möglich
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– bei fiktiver Abrechnung, – bei Einbeziehung vorhandener Schäden oder – beim Einsatz eines schwer verkäuflichen Kfz. Deshalb ist z. B. dann, wenn das Unfallfahrzeug ein neuwertiges Fahrzeug ist2 oder wenn es ein gut verwertbares Fahrzeug ist, das nach dem Unfall in einer Fachwerkstatt instand gesetzt oder unrepariert veräußert oder in Zahlung gegeben worden ist3, ein gestellter Unfall weniger wahrscheinlich als dann, wenn es sich um ein schwer verwertbares Fahrzeug handelt oder wenn es anschließend in Eigenregie wieder instand gesetzt worden ist und der Schaden fiktiv abgerechnet werden soll.
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Typisch für einen gestellten Unfall ist auch die Geltendmachung hoher Zusatzforderungen: Hohe Mietwagenkosten, hohe zusätzliche Ladungs-
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1 Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 88. 2 KG v. 29. 10. 2007 – 12 U 5/07, KGR 2008, 855. 3 OLG Hamm v. 15. 10. 2007 – 6 U 2/07, NZV 2008, 91 = VersR 2008, 1233.
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Teil 6
Rz. 72
Unfallmanipulation
schäden in einem Pkw, zusätzliche Geltendmachung von möglicherweise unberechtigten Personenschäden (HWS-Schleudertrauma). Umgekehrt spricht es eher gegen einen gestellten Unfall, wenn keine Zusatzkosten geltend gemacht werden. 72
Der Frage nach dem möglichen Motiv sollte immer nachgegangen werden1. Es muss nicht immer offen zutage treten. So kann z. B. ein – vom Schadensgutachter nicht erkannter oder jedenfalls im Gutachten nicht vermerkter – Vor-Unfallschaden oder ein Motor- oder Getriebeschaden2 der Beweggrund für den gestellten Unfall sein; von dem wegen der Ermittlung der Unfallschäden beauftragten Schadensgutachter werden Motor und Getriebe häufig nicht auf Schäden überprüft, evtl. ist eine Nachuntersuchung geboten. (b) Der Unfallhergang
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Bei der Planung eines gestellten Unfalls wird i. d. R. eine Unfallsituation gewählt, die praktisch ausführbar und auch für die Beteiligten nicht zu gefährlich ist. Die klassische Variante ist der Auffahrunfall, evtl. auch als „Dreier-Unfall“3, weil so mit einem Schlag zwei Fahrzeuge beschädigt werden können, das mittlere zudem vorn und hinten. Je komplizierter und je gefährlicher der Unfall, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass der Unfall gestellt ist.
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Generell ist ein gestellter Unfall weniger wahrscheinlich, wenn bei dem Unfall alle Fahrzeuge in Bewegung gewesen sind; das gilt sowohl für einen Kreuzungsunfall als auch für einen Auffahrunfall4. Weil es technisch viel einfacher ist und weil das Risiko geringer ist, werden gestellte Unfälle typischerweise so inszeniert, dass dabei nur das unfallverursachende Fahrzeug in Bewegung ist.
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Das muss aber nicht so sein; neuerdings werden immer häufiger auch gestellte Unfälle im fließenden Verkehr mit mehreren Fahrzeugen oder sogar manipulierte Unfälle auf der Autobahn im Hochgeschwindigkeitsbereich aufgedeckt5. Auch Profis nutzen die bekannt gewordenen Checklisten für ihre Zwecke aus und versuchen, belastende Auffälligkeitsmerkmale möglichst zu vermeiden und entlastende zu schaffen.
1 So auch Krumbholz, DAR 2004, 67. 2 OLG Hamm v. 13. 5. 1993 – 6 U 73/91, r+s 1993, 411. 3 OLG Hamm v. 21. 10. 1999 – 6 U 126/99, OLGR 2000, 36 = zfs 2000, 143; v. 23. 11. 1998 – 6 U 56/98, r+s 1999, 320. 4 OLG Hamm v. 9. 1. 1996 – 9 U 102/95, NJWE-VHR 1996, 87 = VersR 1996, 1169 (nur LS); s. auch Born, NZV 1996, 257, 260 f. 5 S. z. B. KG v. 29. 11. 2007 – 12 U 185/07, MDR 2008, 971 = KGR 2008, 456 = NZV 2008, 243 m. Anm. Elsner, jurisPR. VerkR 15/2008 Anm. 1.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 79 Teil 6
(c) Die beteiligten Fahrzeuge Als Schädiger-Fahrzeug wird typischerweise ein Mietfahrzeug oder ein Uralt-Fahrzeug eingesetzt, häufig sogar ein (für diesen Zweck) frisch erworbenes Uralt- (Schrott-)Fahrzeug, häufig noch unangemeldet und mit rotem Kennzeichen im Verkehr. Teilweise kommt auch ein kurz zuvor entwendetes Fahrzeug zum Einsatz (Berliner Modell, s. fi Rz. 133 ff.). Seltener kommt ein kaskoversichertes Fahrzeug zum Einsatz, wenn doch, dann deshalb, um für diesen Schaden die Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen.
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Gehört das Schädiger-Fahrzeug nicht in diese Kategorien, ist ein gestellter Unfall weniger wahrscheinlich; es kann dann aber ein provozierter Unfall vorliegen (s. fi Rz. 146 ff.). Als Geschädigten-Fahrzeug ist häufig ein älteres Luxusfahrzeug oder ein jedenfalls schwer verwertbares Fahrzeug beteiligt. Häufig sind vorhandene Vorschäden – Schäden aus einem Vorunfall, Motorschäden pp. – das Motiv für die Unfallmanipulation; evtl. steht die nächste TÜV-Untersuchung bevor, man befürchtet, das Kfz nicht mehr durch den TÜV zu bekommen. Oft ist das Kfz erst kurz vor dem Unfall erworben oder jedenfalls umgemeldet und neu versichert worden, evtl. ist die Neuanmeldung auf den Namen einer Person (Freundin, Mutter pp.) erfolgt, für die es offensichtlich nicht bestimmt war (z. B. weil keine Fahrerlaubnis), und die sich (z. B. weil arbeitslos) ein derartiges Fahrzeug auch gar nicht leisten kann1.
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(2) Einfache (allgemeine) Erfahrungssätze Um den Grad der Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, ist häufig ein Rückgriff auf sog. einfache oder allgemeine Erfahrungssätze geboten. So ist z. B. Voraussetzung für eine Verabredung i. d. R. eine Bekanntschaft zwischen dem Anspruchsteller und dem Schädiger; ist sie bewiesen, ist sie ein Indiz, dessen hoher Beweiswert sich aber erst aus dem Satz der Lebenserfahrung ergibt, dass es, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, äußerst unwahrscheinlich ist, im Falle eines Unfalls ausgerechnet auf einen Bekannten zu treffen. Auch eine ungewöhnliche Unfallhäufigkeit ist deshalb, weil als Kette unfreiwilliger Ereignisse der Lebenserfahrung widersprechend, ein Beweisanzeichen für eine Unfallmanipulation2.
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Derartige einfache Erfahrungssätze reichen zwar für einen Anscheinsbeweis allein nicht aus; sie fließen aber als Beweisanzeichen mit in die
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1 OLG Schleswig v. 19. 5. 2005 – 7 U 82/04, OLGR 2005, 780. 2 OLG Karlsruhe v. 8. 3. 2007 – 19 U 54/06, r+s 2007, 188 = OLGR 2007, 466 = VersR 2007, 1365; OLG Hamm v. 3. 3. 2004 – 13 U 183/03, SP 2004, 222; KG v. 22. 6. 2000 – 12 U 606/99, Juris; OLG Hamm v. 22. 3. 2000 – 13 U 144/99, OLGR 2001, 61 = VersR 2001, 1127.
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Teil 6
Rz. 80
Unfallmanipulation
konkrete Beweiswürdigung ein1. Für diese einfachen Erfahrungssätze gelten dieselben Beweisgrundsätze wie für diejenigen, die allein einen Anscheinsbeweis zu tragen in der Lage sind (sog. Erfahrungsgrundsätze2). Es ist daher Sache des Anspruchstellers, den Nachweis zu führen, dass besondere Umstände vorliegen, nach denen es entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung im konkreten Fall doch anders gewesen sein kann. Behauptet er z. B., man habe ein gemeinsames Fahrtziel gehabt, unterwegs sei es dann zu dem Auffahrunfall gekommen, reicht es, anders als im Strafrecht, nicht aus, dass der Geschädigte dieses nur behauptet; er muss es auch beweisen, nur dann ist der Beweiswert des Auffälligkeitsmerkmals „Bekanntschaft“ geschwächt. 80
Je unwahrscheinlicher ein zufälliges Aufeinandertreffen ist, desto mehr spricht für einen verabredeten Unfall und desto höher ist deshalb der Beweiswert. Wohnen die Unfallbeteiligten dagegen z. B. beide in der Nähe der Unfallstelle, ist ein Unfall zwischen ihnen nicht mehr so unwahrscheinlich; dann ist der Beweiswert nur gering. (3) Indizienkombination
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Zahlreiche Indizien erlangen ihre besondere Bedeutung erst in ihrer Kombination; in der Kombination ist ihr Beweiswert weitaus höher als in der Addition. Ergibt die Beweisaufnahme z. B.3 bei einem Auffahrunfall, dass dieser nicht im Zuge des Anhaltens geschehen ist, sondern dass der Geschädigte schon mehrere Sekunden vor der roten Ampel gestanden hat, dass der Schädiger dann ungebremst aufgefahren ist und dass er bei der gefahrenen Geschwindigkeit von 30 km/h vor der Kreuzung auch nicht mehr hätte anhalten können, müsste der Schädiger also nicht nur das stehende Fahrzeug übersehen haben, sondern auch das Rotlicht und die gesamte großräumige Kreuzung, von der eine zusätzliche Warnfunktion ausging; mehrere schwere Verkehrsverstöße, die zwar isoliert täglich vorkommen, in der Kombination aber sehr unwahrscheinlich sind. (4) Unabhängigkeit der Indizien
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Vorsicht ist geboten, wenn die gefundenen Indizien sämtlich voneinander abhängig sind. Stellt sich bei einem Unfall mit einem Miet-Lkw z. B. heraus, dass der auffahrende Mieter bereits mehrfach wegen Betruges vorbestraft ist, keinen plausiblen Grund für die Anmietung nennen kann 1 BGH v. 21. 12. 1960 – VIII ZR 145/59, NJW 1961, 777; Schneider, Rz. 230; ders., MDR 1986, 991, 993; MüKo/Prütting, § 286 ZPO, Rz. 59. 2 MüKo/Prütting, § 286 ZPO, Rz. 57 f. 3 S. OLG Hamm v. 30. 11. 1992 – 6 U 50/92, VersR 1993, 1418; v. 18. 4. 1996 – 6 U 201/95, NJWE-VHR 1997, 9; ferner Lemcke, DAR 1997, 41, 54.
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Lemcke
III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 85 Teil 6
und sich eigentlich, weil arbeitslos, die Anmietung auch gar nicht leisten konnte, liegen zwar mehrere Auffälligkeitsmerkmale vor; alle hängen aber mit der Person des Schädigers zusammen. Evtl. hatte der Geschädigte aber nur das Pech, von einer zwielichtigen Person angefahren zu werden1. Hier besteht nur eine Beweiskette, die nicht stärker ist als ihr einzelnes Glied; hinreichend tragfähig ist i. d. R. nur eine Reihe voneinander unabhängiger Indizien2. (5) Nicht in das Gesamtbild passende Indizien Vorsicht ist auch geboten, wenn einzelne (belastende oder entlastende) Indizien bei sonst eindeutigem Gesamtbild nicht in das Gesamtbild passen.
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(a) Angeblich fehlende Kompatibilität der Schäden So ist z. B. Vorsicht geboten, wenn bei sonst unauffälligem Sachverhalt einziges Indiz von Gewicht die angeblich fehlende Kompatibilität der Schäden ist. Das kann auch an einer Fehleinschätzung des Sachverständigen liegen. Nach unseren Erfahrungen überschätzen viele ihre Sachkunde3. Es gibt reiches Erfahrungswissen, wenn es um die Ermittlung von Kollisionsgeschwindigkeiten und um die Unfallrekonstruktion geht; zu der – anders gearteten – Frage, ob die Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen zueinander passen, zumal bei einem Unfall im niedrigen Geschwindigkeitsbereich, haben wir schon die gröbsten Fehlleistungen erlebt, die sich z. B. durch nachgestellte Versuche eindeutig widerlegen ließen.
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(b) Vorgetäuschte Angaben über Unfallbeteiligte In gleicher Weise ist Vorsicht geboten, wenn bei sonst eindeutigem Sachverhalt einzelne Indizien gegen einen gestellten Unfall sprechen; sie können vorgetäuscht sein. So müssen z. B. das Kleinkind oder die schwangere Freundin nicht schon bei der Kollision im Fahrzeug gesessen haben, das kann auch erst danach für die Polizei so inszeniert worden sein (s. fi Rz. 13). Es können auch andere Personen am Steuer gesessen haben als diejenigen, die sich gegenüber der Polizei als Fahrer ausgeben. In diesen Fällen ist es wichtig, näher abzuklären, ob neutrale Zeugen vorhanden sind, die etwas über die Insassen der Fahrzeuge sagen können.
1 S. z. B. OLG Hamm v. 18. 12. 1997 – 27 U 40/97, OLGR 1998, 60. 2 Nack, MDR 1986, 366, 368 f.; Hansen, JuS 1992, 327, 329. 3 OLG Hamm v. 26. 3. 1992 – 6 U 238/91, NJW-RR 1992, 1055 = DAR 1992, 463; s. auch Weber/Schimmelpfennig, VersR 1990, 832.
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Teil 6
Rz. 86
Unfallmanipulation
(c) Vortäuschung von Verletzungen 86
Zwar sind gestellte Unfälle i. d. R. so inszeniert, dass eine Verletzung der Beteiligten vermieden wird. Kleinere Verletzungen werden aber oft ungeplant erlitten oder in Kauf genommen1. Es häufen sich jedoch auch die Fälle, in denen Verletzungen, insbesondere HWS-Verletzungen, vorgetäuscht werden, um daraus zusätzliche Vorteile zu erlangen, insbesondere Schmerzensgeld, Krankengeld, Freizeit mit Lohn- oder Gehaltsfortzahlung. Oft haben dann angeblich sogar jeweils mehrere Personen in den Fahrzeugen gesessen und angeblich Verletzungen erlitten. Oft ist dann nicht nur der Unfall manipuliert, sondern auch noch die Verletzung vorgetäuscht2.
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Offenbar ist es nicht schwierig, nach einem Unfall auch ohne Verletzung ein ärztliches Attest über ein HWS-Schleudertrauma zu erlangen3. Ein derartiges Attest spricht daher aus doppeltem Grund nicht gegen einen gestellten Unfall: Weil man eine Verletzung in Kauf genommen haben kann und weil das Attest falsch sein kann. ee) Technische Kompatibilität und Plausibilität
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Wichtigstes Beweismittel bei der Klärung der Frage, ob ein gestellter Unfall vorliegt oder nicht, ist i. d. R. das Gutachten eines erfahrenen Sachverständigen zur Kompatibilität der Schäden an den Unfallfahrzeugen und zur technischen Plausibilität des behaupteten Unfallhergangs. Denn während für alle sonstigen Indizien i. d. R. auch eine natürliche Erklärung zu finden ist, kann die Kompatibilitäts- und Plausiblitätsanalyse die Feststellung rechtfertigen, dass der Vortrag des Anspruchstellers zumindest teilweise falsch ist, weil z. B. jedenfalls ein Teil der Schäden an seinem Kfz nicht aus diesem Unfall stammen kann oder weil der Unfallhergang zumindest teilweise anders gewesen sein muss.
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Beispiel: Die technische Rekonstruktion kann z. B. ergeben, – dass der behauptete Unfallhergang (Abkommen von der Fahrbahn durch Abdrängung4 oder Abkommen von der Fahrbahn gegen einen Straßenbaum infolge eines Auffahrunfalls5) technisch ausgeschlossen ist; 1 OLG Köln v. 9. 7. 1999 – 19 U 193/98, DAR 2000, 67. 2 OLG Saarbrücken v. 25. 9. 2009 – 4 U 205/08, Juris; OLG Hamm v. 29. 1. 2001 – 6 U 105/00, r+s 2001, 458; v. 13. 11. 1997, 6 U 91/97, r+s 1998, 98 = VersR 1998, 1539 = OLGR 1998, 42 = NZV 1998, 330; v. 2. 10. 1997 – 6 U 104/97, r+s 1998, 192 = OLGR 1998, 344; v. 28. 10. 1996 – 6 U 70/96, r+s 1997, 327; s. näher Lemcke, NZV 1996, 337. 3 OLG Hamm v. 29. 1. 2001 – 6 U 105/00, r+s 2001, 458. 4 OLG Hamm v. 29. 1. 2001 – 6 U 105/00, r+s 2001, 458. 5 OLG Hamm v. 25. 4. 1995 – 27 U 13/95, VersR 1996, 1555 = OLGR 1995, 162.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 91 Teil 6
– dass durch den behaupteten Abdrängungsunfall die eingetretenen Fahrzeugschäden nicht entstanden sein können1; – dass die Schäden nicht bei der behaupteten Streifkollision entstanden sein können2; – dass ein Teil der Fahrzeugschäden dem behaupteten Unfallgeschehen nicht zugeordnet werden kann3; – dass ein zweifacher Anstoß erfolgt ist, der mit einem unfreiwilligen Geschehen nicht in Einklang zu bringen ist4 – dass der Geschädigte nicht mit dem Unfallfahrzeug, wie behauptet, nach dem Unfall noch 200 km gefahren sein kann5; – dass Fahrzeugschäden, die unfallbedingt sein sollen, schon am Tag nach dem Unfall Korrosionserscheinungen aufweisen6. Oft ist die technische Rekonstruktion allerdings dadurch erschwert, dass weder die beschädigten Fahrzeuge noch brauchbare Fotos, insbesondere Fotos von den Schäden am Schädiger-Kfz, für eine Auswertung zur Verfügung stehen. Das ist insbesondere dann unverständlich, wenn das Schädiger-Kfz wie so oft ein Mietfahrzeug gewesen ist7.
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Noch wichtiger als die Kompatibilitätsanalyse ist aber für die Aufklärung oft die technische Plausibilitätsanalyse durch einen erfahrenen Sachverständigen. Es geht dabei um die Frage, ob der Unfall als unfreiwilliges Geschehen plausibel ist oder ob sich aus dem Unfallhergang aus technischer Sicht Anhaltspunkte für ein freiwilliges Geschehen ergeben8. Da kann sich dann z. B. bei einem Auffahrunfall ergeben, dass der angebliche Schädiger nicht etwa, wie es zu erwarten gewesen wäre, noch im letzten Augenblick gebremst oder auszuweichen versucht hat, sondern dass er stattdessen noch Gas gegeben oder hingelenkt hat. Es kann sich aber andererseits auch ergeben, dass es der Einschaltung zweier Crash-Akrobaten unter der Leitung eines erfahrenen Regisseurs bedurft hätte, um den Unfall zu stellen; gegen einen gestellten Unfall spricht, wenn der Unfallhergang schwer beherrschbar gewesen ist9.
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
OLG Hamm v. 18. 9. 1997 – 6 U 46/97, r+s 1998, 108. OLG Hamm v. 4. 11. 1997 – 27 U 117/97, SP 1998, 42. OLG Köln v. 19. 12. 1997 – 19 U 87/97, VersR 1999, 121. KG v. 8. 12. 2005 – 12U 201/05, KGR 2007, 265; v. 6. 6. 2002 – 12 U 9189/00, KGR 2002, 348 = NZV 2003, 85 = VersR 2003, 613. OLG Hamm v. 13. 1. 1997 – 13 U 112/96, OLGR 1997, 60. OLG Hamm v. 23. 4. 1998 – 27 U 2/98, OLGR 1998, 237. S. auch Born, NZV 1996, 257, 263. S. z. B. KG v. 20. 8. 2007 – 12 U 11/07, KGR 2008, 497; v. 12. 1. 2006 – 12 U 228/06, VersR 2007, 126. OLG Frankfurt v. 21. 4. 2009 – 16 U 175/08, Juris.
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Teil 6
Rz. 92
Unfallmanipulation
ff) Allgemeine Plausibilität 92
Wichtig ist auch – neben der technischen – die allgemeine Plausibilitätsanalyse. Es geht dabei um die Frage, ob die Angaben über das im Zusammenhang mit dem Unfall stehende Verhalten der Beteiligten plausibel sind.
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Wer einen Unfall verabredet, denkt sich eine einfache und vor allem ungefährliche Unfallsituation aus und stimmt vor allem auch miteinander die Aussagen ab. Andererseits denkt man bei der Verabredung aber häufig nicht an alles. So hat z. B. derjenige, der einen Unfall verabredet, oft hinterher Schwierigkeiten, plausibel zu begründen, warum er zu jener Zeit an jenem Ort gewesen ist1 oder warum sein Kfz dort abgestellt gewesen ist2. Wer ein Mietfahrzeug zur Unfallmanipulation anmietet, hat hinterher oft Schwierigkeiten, die Anmietung anderweitig plausibel zu begründen3. Insgesamt ist es wichtig, im Rahmen der Aufklärung zu versuchen, die Grenzen der evtl. Absprache zu durchdringen.
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Typisch für eine Unfallmanipulation ist es auch, wenn Angaben zum Unfallhergang an die Ergebnisse der Beweisaufnahme angepasst werden, nachdem sich herausgestellt hat, dass es, z. B. aus technischen Gründen, nicht so wie bisher behauptet gewesen sein kann4. Schriftliche Befragungen durch den Haftpflichtversicherer – z. B. zum Grund für die Anwesenheit an der Unfallstelle, zum Grund für die Anmietung des Mietfahrzeugs p. p. – erlauben es den Beteiligten, ihre Antworten aufeinander abzustimmen. Viel zweckmäßiger ist es oft, die Befragung mündlich durchzuführen, um derartige Absprachen zu verhindern, oder diese Fragen bis zur mündlichen Verhandlung zurückzustellen.
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Schließlich lässt auch das Verhalten der Unfallbeteiligten nach dem Unfall Rückschlüsse darauf zu, ob ein gestellter Unfall vorliegt oder nicht. So spricht es z. B. für einen gestellten Unfall, wenn die Unfallbeteiligten bei der Unfallaufnahme die bestehende Bekanntschaft verheimlichen, aber eher gegen einen gestellten Unfall, wenn der Schädiger – bei der Unfallaufnahme die Unfalldarstellung des Anspruchstellers bestreitet, – wenn er sich um Aufklärung bemüht, – wenn er später eigene Ersatzansprüche geltend macht, 1 OLG Celle v. 15. 1. 2004 – 14 U 144/03, OLGR 2004, 175. 2 OLG Hamm v. 12. 11. 1998 – 6 U 111/98, r+s 1999, 319; v. 30. 11. 1998 – 6 U 148/97 –, r+s 1999, 321 = VersR 2000, 252. 3 KG v. 6. 6. 2005 – 12 U 190/04, KGR 2005, 851 = VersR 2006, 714; OLG Hamm v. 23. 11. 1998 – 6 U 56/98, r+s 1999, 320. 4 OLG Hamm v. 20. 4. 1994 – 13 U 209/93, OLGR 1994, 172.
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Rz. 97 Teil 6
III. Der gestellte Verkehrsunfall
In Haftpflichtprozessen, in denen der Manipulationseinwand erhoben wird, sollte sich das Gericht immer auch einen persönlichen Eindruck von den Unfallbeteiligten verschaffen; eine Ladung der unfallbeteiligten Parteien gem. § 141 ZPO zur ergänzenden Anhörung ist deshalb insbesondere in derartigen Prozessen unbedingt erforderlich.
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c) Checkliste zur Feststellung der Einwilligung beim gestellten Unfall Eher für Einwilligung
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Eher gegen Einwilligung (1) Motiv
– – – –
Abrechnung auf Reparaturkosten-Basis schwer verwertbares (Luxus)-Kfz vorgeschädigtes Kfz hohe Nebenforderungen, z. B. Ladungsschäden, Mietwagenkosten
– – – –
Reparatur in Fachwerkstatt neues oder gängiges Kfz Kaskoversicherung geringe Nebenforderungen
(2) Art des Unfalls – Auffahrunfall – Fahren gegen ein geparktes Kfz – Unfall beim Ein-, Ausparken, Zurücksetzen – Vorfahrtsverletzung – Fahrspurwechsel – angebliches Ausweichen für Tier oder unbekannten Dritten
– schwere Stellbarkeit des Unfalls – schwere Beherrschbarkeit des Unfalls – Gefährlichkeit des Unfalls
(3) Hergang des Unfalls – – – – – – – – –
abgelegener Unfallort Dunkelheit fehlende Bremsung fehlende Ausweichbewegung Beschleunigung grober Fahrfehler fehlende Plausibilität des Unfallhergangs kein plausibler Grund für Anwesenheit keine unabhängigen Zeugen
– – – –
fehlende Kompatibilität der Schäden Vor- oder Nachschäden Ladungsschäden hohe Folgekosten
– – – –
Brems- oder Ausweichversuch hohe Geschwindigkeit Gefährdung der Insassen unabhängige Zeugen
(4) Unfallfolgen – Kompatibilität der Schäden – hoher eigener Schaden des Schädigers – erhebliche Verletzungen
(5) Die beteiligten Fahrzeuge (a) Geschädigten-Kfz – – – – – – –
Luxusfahrzeug schwer verwertbares Kfz Vorunfälle Vorschäden neu angemeldet nächste TÜV-Untersuchung steht bevor unklare Eigentumsverhältnisse
– – – –
neues Kfz gut verwertbares Kfz gepflegtes Kfz Liebhaberfahrzeug
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Teil 6
Rz. 97
Unfallmanipulation
Eher für Einwilligung
Eher gegen Einwilligung (b) Schädiger-Kfz
– – – – – –
Mietwagen Schrottfahrzeug gestohlenes Fahrzeug rotes Kennzeichen neu angemeldet Kaskoversicherung
– – – –
wertvolles Kfz gepflegtes Kfz keine Kaskoversicherung Kleinwagen
(6) Die beteiligten Personen (Frage, ob ihnen ein Betrug zuzutrauen ist) – – – – –
Vorstrafen verschuldet zahlreiche Vorunfälle Autobastler mit Schädiger bekannt
– – – –
Normalbürger keine Vorunfälle geregeltes Einkommen Führerschein auf Probe
(7) Das Verhalten nach dem Unfall (a) Geschädigter – Keine Polizei trotz fehlender Bekanntschaft – Polizei trotz Bekanntschaft – Bekanntschaft mit Schädiger verschwiegen? – Vorschäden werden verschwiegen – sonstige falsche Angaben – Nachbesichtigung des Kfz wird verhindert – sofortige Verschrottung des Kfz – sofortiger Verkauf des Kfz – mangelnde Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Unfalls bzw. des Schadens – Abrechnung auf Reparaturkosten-Basis – hohe Mietwagen- und sonstige Nebenkosten
– Reparatur in Fachwerkstatt – Mithilfe bei der Aufklärung (Polizei, Zeugen) – geringe Nebenforderungen
(b) Schädiger – – – –
Schuldanerkenntnis sofortige Beseitigung des Unfall-Kfz falsche Angaben keine Mithilfe bei der Aufklärung
– abweichende Unfalldarstellung – Geltendmachung eigener Ansprüche
(8) Das Verhalten im Prozess – widersprüchliche Angaben – ausweichende Angaben – sonstige Gründe für Glaubwürdigkeitsbedenken – Nichterscheinen – Anpassen des Prozessvortrags
– Schädiger bestreitet – Schädiger macht eigene Ansprüche geltend – Bemühen um Aufklärung – glaubwürdiger Eindruck – Plausibilität der Angaben
(9) Falls Unfall mit Mietfahrzeug – kein plausibler Grund für Anmietung – finanziell zur Anmietung nicht in der Lage – kurze Anfahrstrecke – Vorhaben nicht verwirklicht – Anmietung eines Pkw, obwohl eigenes Kfz
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– plausibler Grund – Vorhaben trotz Unfalls verwirklicht – häufigere Anmietungen
III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 100 Teil 6
3. Beweis des Schadensumfangs Ist der äußere Schadenshergang unstreitig oder vom Anspruchsteller nachgewiesen und ist der Nachweis der Einwilligung vom Versicherer nicht geführt, geht es in der dritten Stufe um die Frage, welchen Schaden der Anspruchsteller durch das Unfallereignis erlitten hat, d. h. um die sog. haftungsausfüllende Kausalität. Zu klären ist der Umfang der unfallbedingten Fahrzeugschäden, d. h. der Schäden, die tatsächlich bei dem Unfall entstanden sind (weder vorher noch nachher), ferner ist der zur Wiederherstellung des früheren Zustands erforderliche Geldbetrag zu ermitteln (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB).
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a) Beweiserleichterung nach § 287 ZPO Hier ist zwar der Anspruchsteller wieder darlegungs- und beweispflichtig. Es kommen ihm hier aber grundsätzlich die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute1. Anders als in den ersten beiden Stufen, in denen der sog. Vollbeweis nach § 286 ZPO geführt werden, d. h. eine hinreichende Gewissheit2 bestehen muss, reicht hier eine hinreichende (erhebliche) Wahrscheinlichkeit3 aus, zudem besteht hier bei Beweisschwierigkeiten auch für das Gericht die Möglichkeit der freien Schadensschätzung. Ferner kann der erste Anschein dafür sprechen, dass die festgestellten Schäden bei dieser Kollision entstanden sind4.
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Es ist deshalb hier nicht so ohne weiteres gerechtfertigt, alle Fahrzeugschäden, die der eingeschaltete Sachverständige nicht eindeutig dem behaupteten Geschehen zuordnen kann, auszusondern; solange das Gericht keinen Anlass hat, an der Redlichkeit des Anspruchstellers zu zweifeln, reicht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit aus. Es ist also von den Beweisanforderungen her ein Unterschied, ob es um die Frage geht, ob die Kollision wie behauptet stattgefunden hat (s. fi Rz. 47) oder ob die Kolli-
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1 BGH v. 28. 4. 1982 – IVa ZR 8/81, MDR 1982, 918 = NJW 83, 998; Lepa, NZV 1992, 129, 132 f.; Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 84. 2 Sieg, ZVersWiss 1994, 253, 254: über 90 %. 3 Sieg, ZVersWiss 1994, 253, 255: über 50 %; zu § 287 ZPO ist der VI. ZS des BGH schon terminologisch nicht immer eindeutig; er redet mal von hinreichender (BGH v. 9. 4. 1991 – VI ZR 106/90, MDR 1992, 32 = VersR 1991, 704), mal von überwiegender (BGH v. 22. 9. 1992 – VI ZR 293/91, MDR 1993, 175 = VersR 1993, 55) Wahrscheinlichkeit; nach von Gerlach, DAR 1993, 202, 219, ist je nach der Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit erforderlich; die im Bereich des Kasko-Rechts entwickelten Wahrscheinlichkeitsstufen (vgl. hierzu näher z. B. Langheid, NJW 1992, 665, 661 f. m. w. N.) können hier jedenfalls nicht übertragen werden; zudem hat es der BGH bisher abgelehnt, die Wahrscheinlichkeiten in Prozentzahlen auszudrücken. 4 BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 233 = VersR 1978, 862; v. 13. 12. 1977 – VI ZR 36/768, r+s 1978, 235 = VersR 1978, 865; Weber, DAR 1979, 127; OLG Celle v. 14. 10. 1999 – 14 U 298/98, r+s 2000, 240.
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Teil 6
Rz. 101
Unfallmanipulation
sion als solche feststeht und es nur darum geht, welche Schäden der Kollision zuzuordnen sind. 101
Die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO kommen aber nur dem zur Aufklärung bereiten, jedoch in Beweisnot befindlichen Geschädigten zugute, d. h. dem Geschädigten, der das ihm Mögliche zur Aufklärung des Schadensumfangs beiträgt. Ergibt die Beweisaufnahme, dass der Geschädigte Vorschäden verschwiegen oder sogar den Schaden nachträglich vergrößert hat, oder ergibt sich jedenfalls, dass ein Teil der Schäden nicht bei dieser Kollision entstanden sein kann, hat der Geschädigte wieder im Wege des Vollbeweises (§ 286 ZPO) den Nachweis zu führen, welche Schäden bei dieser Kollision entstanden sind1. Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte schon im Vorfeld des Prozesses dem Versicherer schuldhaft die Beweisführung erschwert oder gar vereitelt, z. B. durch Verhinderung der Nachbesichtigung des Fahrzeugs2.
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Erst wenn dem Geschädigten in diesen Fällen der Nachweis gelingt, dass dennoch ein abgrenzbarer Teil der Schäden bei dieser Kollision entstanden ist, ist wieder Raum für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO; dabei kommt dann evtl. noch ein Sicherheitsabschlag in Betracht3. b) Fehlende Schätzungsgrundlage
103
Zu beachten ist, dass der Geschädigte nach § 249 BGB immer nur Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes hat. Steht fest, dass er Vorschäden verschwiegen hat oder dass er die Schäden nachträglich vergrößert hat, kann oft auch im Bereich der kompatiblen Schäden nicht mehr festgestellt werden, in welchem Zustand sich das Fahrzeug in diesem Bereich vor dem Unfall befand. Diese Situation ist z. B. nicht selten gegeben, wenn sich herausstellt, dass das durch einen Auffahrunfall beschädigte Fahrzeug einen unreparierten Heckschaden hatte. Kann jetzt nicht mehr festgestellt werden, in welchem Umfang das Heck bereits vorgeschädigt war – auf die Angaben des unredlichen Geschädigten ist insoweit kein Verlass –, ist es oft gerechtfertigt, die Klage wegen Fehlens ausreichender Schätzungsgrundlagen in vollem Umfang abzu1 BGH v. 10. 2. 1981 – VI ZR 182/79, VersR 1981, 464 = NJW 1981, 1454; Schauseil, MDR 2009, 425; Dannert, r+s 1990, 1, 3; Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 85; Lepa, NZV 1992, 129, 134; OLG Köln v. 22. 2. 1999 – 16 U 33/98, VersR 1999, 865 = NZV 1999, 378; v. 14. 7. 1995 – 19 U 278/94, r+s 1996, 176; v. 5. 2. 1996 – 16 U 54/95, NZV 1996, 241; OLG Karlsruhe v. 19. 7. 1995 – 1 U 19/95, SP 1996, 36; OLG Hamm v. 4. 10. 1989 – 13 U 153/88, NJW-RR 1990, 42; v. 27. 5. 1993 – 27 U 85/93, OLGR 1993, 257. 2 Lepa, NZV 1992, 129, 135; Kääb, NZV 1990, 5, 7; Born, NZV 1996, 257, 264. 3 BGH v. 27. 3. 1990 – VI ZR 115/89, DAR 1990, 224; s. auch OLG Düsseldorf v. 11. 2. 2008 – 1 U 181/07, NZV 2008, 295; OLG Köln v. 8. 5. 1998 – 19 U 227/97, VersR 1999, 1166 = OLGR 1998, 242.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 105 Teil 6
weisen; auch die Feststellung eines Mindestschadens ist dann nicht möglich1. Im Ergebnis ist insbesondere in den Fällen, in denen das Beweisergebnis zwar für die Feststellung der Einwilligung evtl. noch nicht ganz ausreicht, in denen aber jedenfalls feststeht, dass im Bereich des Schadensumfangs manipuliert worden ist, die Klageabweisung evt. schon mit dieser Begründung gerechtfertigt; die Frage der Einwilligung kann dann offen bleiben2.
! Hinweis: Beim Verdacht der Unfallmanipulation ist die Klage wegen Fehlens ausreichender Schätzungsgrundlagen evtl. schon dann abzuweisen, wenn feststeht, dass der Geschädigte Vorschäden verschwiegen hat, und wenn der Zustand des Fahrzeugs vor dem Unfall im Bereich der kompatiblen Schäden nicht festgestellt werden kann. Denkbar ist es aber auch, dass die Beweisergebnisse zum Schadensumfang (z. B. wenn sich ergibt, dass jedenfalls der Schaden nachträglich absichtlich vergrößert worden ist) die noch bestehenden Zweifel an der Einwilligung beseitigen und die Klageabweisung wegen feststehender Einwilligung rechtfertigen. Deshalb ist es i. d. R. auch unzulässig, in Fällen, in denen sowohl zum Grund als auch zur Höhe Manipulationsverdacht besteht, schon vor Klärung des Schadensumfangs ein Grundurteil zu erlassen3.
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c) Sonstige Manipulationsfolgen Ist das vom Anspruchsteller vorgelegte Gutachten für die Schadenregulierung weitgehend unbrauchbar, weil er dem Gutachter Vorschäden ver1 Schauseil, MDR 2009, 425; Dannert, r+s 1990, 1, 3; KG v. 29. 6. 2009 – 12 U 146/08, NZV 2010, 350 = KGR 2009, 902; OLG Brandenburg v. 25. 10. 2007 – 12 U 131/08, zfs 2008, 107; OLG Frankfurt v. 21. 9. 2006 – 16 U 75/06, OLGR 2007, 272 = NZV 2007, 313; OLG Karlsruhe v. 21. 8. 2001 – 10 U 242/00, SP 2001, 416; OLG Düsseldorf v. 19. 2. 2001 – 1 U 228/99, SP 2001, 272; OLG Hamburg v. 28. 3. 2001 – 14 U 87/00, MDR 2001, 1111 = r+s 2001, 455; OLG Köln v. 22. 2. 1999 – 16 U 33/98, VersR 1999, 865 = NZV 1998, 378; v. 7. 1. 1998 – 2 U 85/96, r+s 1998, 191 m. Anm. Lemcke; NZV 1996, 241; OLG Hamm v. 18. 4. 1994 – 6 U 116/93, r+s 1994, 332; v. 25. 5. 1993 – 27 U 85/92, r+s 1994, 59; v. 4. 10. 1989 – 13 U 153/88, NJW-RR 1990, 42; OLG Karlsruhe v. 19. 7. 1995 – 1 U 19/95, SP 1996, 36; OLG Düsseldorf v. 27. 5. 1992 – 15 U 32/91, VersR 1993, 1123; v. 27. 04. 1987 – 1 U 79/86, VersR 1988, 1191; OLG Nürnberg v. 21. 5. 1976 – 1 U 184/75, VersR 1978, 334. 2 OLG Saarbrücken v. 25. 9. 2009 – 4 U 205/08, Juris; KG v. 29. 6. 2009 – 12 U 146/08, NZV 2010, 350 = KGR 2009, 902. 3 OLG Hamm v. 4. 6. 1993 – 20 U 62/93, VersR 1994, 301; v. 9. 3. 1995 – 27 U 200/94, NZV 1995, 403.
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Teil 6
Rz. 106
Unfallmanipulation
schwiegen hat, kann er die Gutachterkosten nicht ersetzt verlangen1. Ergibt die Beweisaufnahme, dass die Schäden überwiegend nicht unfallbedingt gewesen sind, sind auch die während der Reparatur angefallenen Mietwagenkosten nicht erstattungsfähig2. 106
Ergibt die Beweisaufnahme, dass ein wesentlicher Teil der Fahrzeugschäden nicht bei der – als solche unstreitigen – Fahrzeugkollision entstanden sein kann, sind evtl. auch hinsichtlich der behaupteten Unfallverletzungen Zweifel angebracht; evtl. ist deshalb die Klage auch bzgl. der geltend gemachten Personenschäden abzuweisen3.
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Ist die Klage abgewiesen worden, hat der Kläger dem Haftpflichtversicherer auch die Kosten eines Privatgutachtens zu erstatten, das dieser vorprozessual zum Nachweis der Unfallmanipulation eingeholt hat; ist das Gutachten prozessbezogen eingeholt worden, besteht schon ein Erstattungsanspruch nach § 91 ZPO, ist es nicht prozessbezogen im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung eingeholt worden, besteht ggf. ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch aus § 823 BGB4. Evtl. kann in einem solchen Fall auch der Rechtsschutzversicherer Rückzahlung der Versicherungsleistungen verlangen5.
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Stellt der Haftpflichtversicherer erst nach Erbringung der Ersatzleistung fest, dass er betrogen worden ist, kann er den Empfänger der Eratzleistung gem. § 812 BGB aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung in Anspruch nehmen. Zwar muss der Versicherer nachweisen, dass eine Leistungspflicht nicht bestand; es reicht aber aus, dass aufgrund von Indizien ein Hergang feststeht, der auf eine vorsätzliche Schädigung hindeutet6. 1 OLG Hamm v. 9. 10. 1092 – 9 U 20/92, NZV 1993, 149. 2 OLG Hamm v. 27. 5. 1993 – 27 U 85/92, r+s 1994, 59 = zfs 1994, 123. 3 OLG Hamm v. 29. 1. 2001 – 6 U 105/00, r+s 2001, 458; OLG Köln v. 7. 1. 1998 – 2 U 85/96, r+s 1998, 191 m. Anm. Lemcke; s. auch OLG Saarbrücken v. 25. 9. 2009 – 4 U 205/08, Juris. 4 BGH v. 18. 10. 2008 – VI ZB 16/08, MDR 2009, 231 = NZV 2009, 27 = VersR 2009, 280; BGH v. 18. 11. 2008 – VI ZB 24/08, MDR 2009, 231 = VersR 2009, 563; BGH v. 4. 3. 2008 – VI ZR 2/06, MDR 2008, 622 = r+s 2008, 491 = NZV 2008, 340 = NJW 2008, 1597 = VersR 2008, 801; v. 17. 12. 2002 – VI ZB 56/02, MDR 2003, 413 = r+s 2004, 128 = NJW 2003, 1398 = VersR 2003, 481; s. auch OLG Frankfurt v. 16. 2. 2009 – 12 W 11/09, OLGR 2009, 583, m. Anm. Elsner, juris-PR-VerkR 8/2009, Anm. 5; OLG Koblenz v. 13. 2. 2008 – 14 W 81/08, MDR 2008, 432 = OLGR 2008, 382 = VersR 2008, 802; OLG Hamm v. 17. 6. 2002 – 23 W 171/02, OLGR 2003, 15 = zfs 2003, 145; OLG Düsseldorf v. 18. 5. 2001 – 1 W 16/01, r+s 2002, 131 = OLGR 2002, 18 = VersR 2003, 524; v. 11. 9. 1995 – 1 W 28/95, SP 1996, 63; OLG Frankfurt v. 5. 8. 1996 – 12 W 114/96, OLGR 1996, 216. 5 LG Dortmund v. 28. 4. 1999 – 21 O 208/98, r+s 2000, 419; LG Köln v. 20. 12. 2001 – 24 U 276/01, r+s 2002, 244. 6 OLG Hamm v. 22. 6. 2007 – 20 U 280/06, Juris; OLG Köln v. 30. 6. 2000 – 19 U 203/99, NVersZ 2001, 133.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 112 Teil 6
Ergibt sich die Manipulation erst nach erfolgter Ersatzleistung, kann der Versicherer alle an der Manipulation Beteiligten gesamtschuldnerisch aus §§ 823, 826, 830, 840 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, unabhängig davon, wer Vorteile aus der Unfallmanipulation erlangt hat; der Versicherungsnehmer haftet auch aus §§ 280 ff. BGB1. Der Versicherungsnehmer, der an der Unfallmanipulation mitwirkt, muss auch damit rechnen, dass der „Geschädigte“ die Gelegenheit ausnutzt, um neben dem Sachschaden auch Personenschäden geltend zu machen; er ist seinem Haftpflichtversicherer auch insoweit zum Ersatz verpflichtet2. Diese Rechte hat auch der betrogene Kaskoversicherer hinsichtlich der zu Unrecht erbrachten Entschädigungsleistung3. Beim GesamtschuldnerInnenausgleich zwischen den auf Ersatz in Anspruch genommenen Tätern ist insbesondere der jeweilige Beuteanteil zu berücksichtigen4.
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4. Gestellter Unfall ohne Mitwirkung des Anspruchstellers Halter, Versicherungsnehmer und Eigentümer eines Kfz können personenverschieden sein. Ist eine Unfallmanipulation beabsichtigt, werden häufig aus Verschleierungsgründen Dritte eingeschaltet, entweder als Fahrer eines der beteiligten Fahrzeuge oder auch als Halter durch entsprechende An- oder Ummeldung.
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Oft sind deshalb die beteiligten Fahrzeuge erst kurz vor dem Unfall auf einen neuen Halter umgeschrieben worden, manchmal trägt eines der beteiligten Fahrzeuge sogar noch ein rotes Kennzeichen. Aus derartigen Umständen können sich deshalb einerseits weitere Verdachtsmomente ergeben, die auf Unfallmanipulation hindeuten. Andererseits können sich daraus auch zusätzliche Probleme bei der rechtlichen Bewertung ergeben.
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Besondere Probleme ergeben sich insbesondere dann, wenn der Anspruchsteller (Kläger) das ihm angeblich gehörende beschädigte Fahrzeug bei dem Unfall nicht selbst gefahren hat. Denn wenn ein anderer am Steuer gesessen hat, steht auch dann, wenn die Unfallverabredung zwi-
112
1 OLG Brandenburg v. 1. 2. 2007 – 12 U 201/06, Juris; OLG Hamm v. 21. 10. 1999 – 6 U 126/99, OLGR 2000, 36 = zfs 2000, 143; v. 13. 11. 1997 – 6 U 91/97, r+s 1998, 98 = OLGR 1998, 42 = VersR 1998, 1539 = NZV 1998, 330; s. hierzu auch OLG Hamm v. 12. 9. 1994 – 6 U 75/94, r+s 1994, 412; v. 31. 1. 1994 – 6 U 128/93, r+s 1994, 164; v. 30. 6. 1993 – 20 U 372/92, r+s 1994, 123 = VersR 1994, 802 = NZV 1994, 232. 2 OLG Hamm v. 13. 11. 1997 – 6 U 91/97, r+s 1998, 98 = OLGR 1998, 42 = VersR 1998, 1539 = NZV 1998, 330. 3 OLG Hamm v. 22. 6. 2007 – 20 U 280/06, Juris, m. Anm. Priester, jurisPR-VerkR 3/2008 Anm. 5; OLG Frankfurt v. 20. 9. 1995 – 7 U 209/94, NZV 1996, 148. 4 OLG Hamm v. 13. 9. 2001 – 6 W 31/01, r+s 2001, 459.
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Teil 6
Rz. 113
Unfallmanipulation
schen Fahrer und Schädiger feststeht, noch nicht fest, dass der Anspruchsteller mit der Beschädigung des Fahrzeugs einverstanden gewesen ist. 113
Hat der Anspruchsteller persönlich nicht an dem gestellten Unfall mitgewirkt, sind folgende Fälle zu unterscheiden: – Einwilligung bewiesen (fi Rz. 114 f.). – Einwilligung nicht bewiesen (fi Rz. 116 ff.). a) Einwilligung bewiesen
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Wer einen Unfall manipuliert, will daran verdienen. Verdienen kann nur der, dem letztlich die Versicherungsleistung zukommen soll. Das ist i. d. R. der Eigentümer. Er ist deshalb bei einem gestellten Unfall i. d. R. auch dann, wenn er nicht selbst am Steuer gesessen hat, der Initiator der Unfallmanipulation.
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I. d. R. ist deshalb dann, wenn der gestellte Unfall als solcher feststeht, auch die Feststellung möglich, dass der Eigentümer mit der Beschädigung seines Fahrzeugs einverstanden gewesen ist; nur er hat ein Motiv1. Das OLG Celle2 hält in diesen Fällen sogar eine erweiterte Anwendung des Anscheinsbeweises für gerechtfertigt. Richtig ist sicher, dass in vielen Fällen ein Teil der Indizien, die die Feststellung der Unfallverabredung rechtfertigen, bereits auf den Eigentümer als Mitbeteiligten hindeutet. b) Einwilligung nicht bewiesen
116
Ist die Einwilligung des Anspruchstellers nicht bewiesen, ist es dringend erforderlich, der Frage näher nachzugehen, ob er überhaupt Eigentümer des Fahrzeugs und anspruchsberechtigt ist.
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Oft ist der Anspruchsteller zwar als Halter eingetragen, aber tatsächlich nur vorgeschoben, um dem wahren Initiator die Unfallmanipulation zu ermöglichen und zugleich selbst im Hintergrund zu bleiben; dieser kann der Fahrer des Unfallfahrzeugs oder auch ein sonstiger Hintermann sein. Der klagende Anspruchsteller (z. B. ein Angehöriger oder die Freundin des Initiators der Manipulation) ist dann i. d. R. persönlich unverdächtig und in den einschlägigen Dateien nicht erfasst. Er kann bzgl. der Manipulation auch tatsächlich gutgläubig sein und nur bewogen worden sein,
1 OLG Celle v. 30. 6. 2010 – 14 U 6/10, Juris; OLG Hamm v. 14. 2. 2001 – 13 U 194/00, NZV 2001, 374. 2 OLG Celle v. 16. 6. 1988 – 5 U 199/87, VersR 1988, 1286; s. auch Dannert, NZV 1993, 13, 15.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 120 Teil 6
aufgrund seiner Eintragung als Halter im Prozess auch als geschädigter Eigentümer aufzutreten1. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der klagende Anspruchsteller überhaupt Eigentümer des beschädigten Kfz und damit aktivlegitimiert ist. Wird in einem Verkehrsunfallprozess die Aktivlegitimation bestritten, kann der beweispflichtige Kläger, statt die Zweifel an seiner Eigentümerstellung auszuräumen, das Problem normalerweise auch dadurch umgehen, dass er sich die Ansprüche abtreten lässt. Dieser Weg ist in diesen Fällen aber versperrt, weil sich der Kläger bei einer Klage aus abgetretenem Recht die gegenüber dem Zessionar bestehenden Einwendungen zurechnen lassen muss. Kann er sein Eigentum nicht nachweisen, ist die Klage schon wegen fehlender Aktivlegitimation abzuweisen2. Zwar ist zu beachten, dass für den Besitzer des Kfz die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB spricht3; allein die Eintragung als Kfz-Halter im Kfz-Brief reicht aber nicht aus4.
118
! Hinweis: Hat der Anspruchsteller selbst nicht oder jedenfalls nicht nachweislich beim Unfall mitgewirkt, ist dessen Anspruchsberechtigung kritisch zu prüfen; evtl. ist er zwar unbeteiligt, aber nur vorgeschoben und die Klage deshalb wegen fehlender Aktivlegitimation abzuweisen. Ist die Einwilligung des Anspruchsstellers nicht bewiesen, muss aber davon ausgegangen werden, dass er Eigentümer des beschädigten Kfz ist, stellt sich die Anschlussfrage, ob er sich das dolose Verhalten des Fahrers seines Kfz zurechnen lassen muss. Eine derartige Situation ist z. B. gegeben, wenn der Anspruchsteller ein ihm gehörendes Kfz seinem Sohn zur ständigen Benutzung überlassen hat und der Sohn mit einem Bekannten einen Unfall gestellt hat, um auf diesem Weg an ein neues Fahrzeug zu gelangen.
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Ist das Fahrzeug dem Dritten zur alleinigen und eigenverantwortlichen Benutzung, Wartung und Pflege überlassen, hat er versicherungsvertraglich die Stellung eines Repräsentanten oder Wissensvertreters. In diesen Fällen wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, der Eigentümer müsse sich dessen Wissen und Wollen auch haftungsrechtlich zu-
120
1 Ähnlich OLG Hamm v. 25. 3. 1993 – 6 U 199/92, r+s 1993, 444; s. auch OLG Hamm v. 28. 1. 1998 – 13 U 128/97, r+s 1998, 500 = OLGR 1998, 151. 2 OLG Saarbrücken v. 23. 1. 2007 – 4 U 112/06, OLGR 2007, 351; OLG Köln v. 1. 3. 2005 – 9 U 90/04, r+s 2006, 34; OLG Hamm v. 25. 3. 1993 – 6 U 199/92, r+s 1993, 444; s. auch OLG Hamm v. 31. 1. 1994 – 6 U 128/93, r+s 1994, 164. 3 OLG Saarbrücken v. 19. 12. 2006 – 4 U 318/06, OLGR 2007, 310. 4 OLG Brandenburg v. 18. 12. 2008 – 12 U 152/08, Juris; OLG Saarbrücken v. 23. 1. 2007 – 4 U 112/06, OLGR 2007, 351; v. 19. 12. 2006 – 4 U 318/06, OLGR 2007, 310; OLG Frankfurt v. 11. 3. 1999 – 1 U 216/97, OLGR 1999, 162.
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Teil 6
Rz. 121
Unfallmanipulation
rechnen lassen1. Teilweise wird sogar die längerfristige Überlassung zum ständigen Gebrauch als ausreichend angesehen für die Zurechnung2. 121
Das ist aber nur dann richtig, wenn eine Zurechnungsnorm besteht; so muss sich z. B. der Sicherungseigentümer die Mitwirkung des Sicherungsgebers an dem gestellten Unfall nicht zurechnen lassen3.
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Anders kann es sein, wenn der geschädigte Eigentümer auch Halter ist. So ist es z. B. denkbar, dass ein Kaufinteressent im Rahmen einer Probefahrt mit dem fremden Kfz unter Mithilfe eines Bekannten und unter Einsatz eines Mietwagens einen Unfall stellt, um das Kfz anschließend als Unfallfahrzeug billiger erwerben zu können4. In diesem Fall ist zu unterscheiden: – Hätte der Bekannte als Schädiger ein eigenes Fahrzeug benutzt, könnte der Geschädigte nur die beiden an dem gestellten Unfall unmittelbar Beteiligten aus § 823 BGB in Anspruch nehmen; zugunsten des gegnerischen Haftpflichtversicherers bestände der subjektive Risikoausschluss des § 103 VVG n. F. (früher § 152 VVG)5. – Hat der Bekannte aber wie hier ein fremdes Fahrzeug benutzt und ist dessen Halter wie hier nicht an der Manipulation beteiligt, braucht der Versicherer zwar für den vorsätzlich handelnden Fahrer gem. § 103 VVG n. F. nicht einzutreten6. Anders ist es aber hnsichtlich des Ver1 OLG Celle v. 26. 7. 1990 – 5 U 119/89, NZV 1991, 269; s. dazu Dannert, NZV 1993, 13, 15; so auch OLG Hamm v. 26. 1. 1998, 13 U 128/97, r+s 1998, 500 = OLGR 1998, 151. 2 OLG Hamm v. 19. 3. 2001 – 13 U 164/00, NZV 2001, 521. 3 OLG Celle v. 30. 6. 2010 – 14 U 6/10, Juris; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 10, Rz. 45. 4 OLG Hamm v. 28. 9. 1992 – 6 U 45/92, r+s 1992, 400 = VersR 1993, 1372; s. hierzu auch den späteren Regressprozess des Versicherers in dieser Sache, OLG Hamm v. 12. 9. 1994 – 6 U 75/94, r+s 1994, 412; s. ferner OLG Schleswig v. 15. 11. 1994 – 9 U 85/93, r+s 1995, 84 = NZV 1995, 114 = VersR 1995, 827. 5 BGH v. 15. 12. 1970 – VI ZR 97/69, VersR 1971, 239 = NJW 1971, 459; OLG Düsseldorf v. 28. 2. 2003 – 14 U 167/02, r+s 2003, 258 = NZV 2003, 424 = VersR 2003, 1248; OLG Koblenz v. 12. 8. 2002 – 12 U 823/01, zfs 2003, 68; OLG Hamm v. 28. 9. 1992 – 6 U 45/92, r+s 1992, 400 = VersR 1993, 1372, m. w. N.; OLG Schleswig v. 15. 11. 1994 – 9 U 85/93, r+s 1995, 84 = NZV 1995, 114 = VersR 1995, 827, m. w. N.; OLG Düsseldorf v. 26. 3. 1993 – 14 U 229/92, NJW-RR 1993, 1375; KG v. 5. 6. 1999 – 12 U 4073/88, NZV 1990, 30 = VersR 89, 1188; s. insoweit auch OLG Stuttgart v. 19. 1. 1990 – 2 U 306/88, NJW-RR 1990, 527 = NZV 1990, 214; s. ferner OLG Hamm v. 7. 12. 1995 – 6 U 53/95, r+s 1996, 97 = zfs 1996, 251 m. abl. Anm. Diehl; dieser hat aber übersehen, dass hier auf der Schädigerseite beide, Fahrer und Halter, an der Manipulation beteiligt waren und der Versicherer deshalb für beide nicht eintreten muss. 6 BGH v. 15. 12. 1970 – VI ZR 97/69, VersR 1971, 239 = NJW 1971, 459; v. 20. 6. 1990 – IV ZR 298/89, BGHZ 111, 372 = MDR 1991, 134 = r+s 1990, 291 = VersR 1990, 888; OLG Celle v. 30. 6. 2010 – 14 U 6/10, Juris; OLG Düsseldorf v.
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Lemcke
III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 122 Teil 6
mieters als Kfz-Halter. Dieser ist aus §§ 7, 17 StVG haftpflichtig; ein vorsätzliches Handeln des Fahrers schließt dessen Halterhaftung nicht aus1. In einem solchen Fall müssen sich beide Halter die durch das dolose Verhalten ihres Fahrers erhöhte Betriebsgefahr ihrer Fahrzeuge zurechnen lassen mit der Folge, dass eine Schadensteilung gerechtfertigt ist2. Soweit der Vermieter als Halter haftpflichtig ist, ist auch dessen Haftpflichtversicherer gem. 115 Abs. 1 VVG n. F. (früher § 3 Nr. 1 PflVG) eintrittspflichtig. Insoweit müssen die beiden Versicherungsverhältnisse auseinander gehalten werden; wenn der haftpflichtige Halter selbst nicht – oder jedenfalls nicht nachweislich – vorsätzlich gehandelt hat, ist der Versicherer für ihn eintrittspflichtig3.
! Hinweis: Ist auf beiden Seiten der Eigentümer/Halter nicht oder jedenfalls nicht nachweislich an der Unfallmanipulation beteiligt, kann der Geschädigte zwar Ansprüche aus der Halterhaftung gegen Halter und Versicherer geltend machen; er muss sich aber das dolose Verhalten seines Fahrers mit einem Abzug von 50 % zurechnen lassen. 28. 2. 2003 – 14 U 167/02, r+s 2003, 258 = NZV 2003, 424 = VersR 2003, 1248; OLG Hamm v. 23. 1. 1996 – 9 U 145/95, zfs 1996, 260 = r+s 1996, 435 m. Anm. Lemcke; AG Berlin-Wedding v. 11. 3. 1997 – 6a C 337/96, r+s 1997, 319; Freyberger, VersR 1998, 1214. 1 BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 233 = VersR 1978, 862; OLG Hamm v. 15. 6. 2005 – 13 U 63/05, r+s 2006, 33 = OLGR 2006, 306 = NZV 2006, 253; OLG Köln v. 24. 2. 2002 – 2 U 127/01, SP 2002, 301; OLG Hamm v. 28. 9. 1992 – 6 U 45/92, r+s 1992, 400 = VersR 1993, 1372, m. w. N.; LG Bonn v 19. 12. 1997 – 2 S 18/96, r+s 1998, 461; OLG Saarbrücken v. 25. 6. 1998 – 3 U 924/97, OLGR 1998, 442. 2 OLG Nürnberg v. 14. 9. 2000 – 8 U 1855/00, MDR 2001, 31 = NZV 2001, 261; OLG München v. 16. 6. 2000 – 10 U 5480/99, NZV 2001, 220; OLG Köln v. 30. 5. 2000 – 9 U 130/99, MDR 2000, 1429 = r+s 2000, 316; OLG Hamm v. 28. 9. 1992 – 6 U 45/92, r+s 1992, 400 = VersR 1993, 1372, m. w. N.; OLG Schleswig v. 15. 11. 1994 – 9 U 85/93, r+s 1995, 84 = NZV 1995, 114 = VersR 1995, 827, m. w. N.; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 10, Rz. 45; Freyberger, VersR 1998, 1214, 1217; Dannert, NZV 1993, 13; Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 25 ff., 32. 3 OLG Hamm v. 15. 6. 2005 – 13 U 63/05, r+s 2006, 33 = OLGR 2006, 306 = NZV 2006, 253; OLG Köln v. 24. 2. 2002 – 2 U 127/01, SP 2002, 301; OLG Nürnberg v. 14. 9. 2000 – 8 U 1855/00, MDR 2001, 31 = NZV 2001, 261; OLG München v. 16. 6. 2000 – 10 U 5480/99, NZV 2001, 220; OLG Köln v. 30. 5. 2000 – 9 U 130/99, MDR 2000, 1429 = r+s 2000, 316; OLG Hamm v. 28. 9. 1992 – 6 U 45/92, r+s 1992, 400 = VersR 1993, 1372, m. w. N.; OLG Schleswig v. 15. 11. 1994 – 9 U 85/93, r+s 1995, 84 = NZV 1995, 114 = VersR 1995, 827, m. w. N.; Dannert, NZV 1993, 13; Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 25 ff., 32; so mit eingehender Begründung auch Freyberger, VersR 1998, 1214, 1217; a. A. OLG Stuttgart v. 19. 1. 1990 – 2 U 306/88, NJW-RR 1990, 527 = NZV 1990, 214, das OLG hat aber das dolose Verhalten des Fahrers auf der Beklagten-Seite kommentarlos nicht berücksichtigt.
Lemcke
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Teil 6
Rz. 123
Unfallmanipulation
123
In diesen Fällen kann z. B. bei einem gestellten Auffahrunfall sogar der Halter des auffahrenden Fahrzeugs von dem Halter und dem Versicherer des vorderen Fahrzeugs 50 % seines Schadens ersetzt verlangen; das Auffahren geschah nicht unbeabsichtigt aus mangelnder Sorgfalt, sondern beabsichtigt aufgrund der getroffenen Absprache zwischen den beiden Fahrern1. Den Versicherern bleibt nur die Möglichkeit, die Beteiligten an der Unfallmanipulation anschließend gem. §§ 826, 830, 840 BGB gesamtschuldnerisch auf Ersatz aller erbrachten Leistungen – einschließlich der Kosten des Vorprozesses – in Anspruch zu nehmen2.
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Diese Grundsätze gelten nicht bei einer verabredeten Beschädigung eines Leasingfahrzeugs mittels eines Mietwagens; der Leasinggeber ist nicht Halter des Leasingfahrzeugs; er muss sich das dolose Verhalten des Fahrers seines Fahrzeugs mangels Zurechnungsnorm nicht zurechnen lassen und kann deshalb den Halter des Mietwagens und dessen Haftpflichtversicherer voll auf Ersatz seines Schadens in Anspruch nehmen3.
5. Vorsätzliche Beschädigung eines abgestellten Fahrzeugs 125
Besondere Probleme können sich auch dann ergeben, wenn das Fahrzeug des Anspruchstellers bei dem Unfall am Fahrbahnrand oder auf einem Parkstreifen abgestellt gewesen ist und der Unfall in Abwesenheit des Anspruchstellers geschehen sein soll. Auch in diesem Fall steht selbst dann, wenn die absichtliche Unfallherbeiführung als solche feststeht, noch nicht fest, dass der Geschädigte mit der Beschädigung seines Fahrzeugs einverstanden gewesen ist.
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In diesen Fällen wird i. d. R. vom Schädiger behauptet, er sei aus Unaufmerksamkeit nach rechts oder links abgekommen oder einem Fußgänger oder einem Tier ausgewichen oder von einem entgegenkommenden oder überholenden Fahrzeug abgedrängt worden4.
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Oft ergibt sich aber aus den Unfallspuren und -schäden unter Mithilfe eines Sachverständigen zweifelsfrei, dass der Schädiger das von ihm gefahrene Fahrzeug – entweder ein eigenes oder ein fremdes Fahrzeug, z. B. ein Mietfahrzeug – absichtlich gegen das abgestellte Fahrzeug des Anspruchstellers gelenkt hat. So kann sich z. B. im Zuge der Unfallrekonstruktion schon aus dem Aufprallwinkel ergeben, dass es so wie behauptet nicht
1 LG Hagen v. 23. 9. 2009 – 10 S 228/08, r+s 2009, 478. 2 OLG Hamm v. 29. 9. 1993 – 20 U 75/93, r+s 1994, 123 = VersR 1994, 802; v. 31. 1. 1994 – 6 U 128/93, r+s 1994, 164; v. 12. 9. 1994 – 6 U 75/94, r+s 1994, 412. 3 S. hierzu die neue Rechtsprechung des BGH zum Leasing, dazu Teil 2, Rz. 215 ff. 4 OLG Hamm v. 30. 9. 1999 – 6 U 41/99, r+s 2000, 67; v. 12. 11. 1998 – 6 U 111/98, r+s 1999, 319.
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Lemcke
III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 132 Teil 6
gewesen sein kann und dass das Fahrzeug absichtlich gegen das abgestellte Fahrzeug gelenkt worden ist1. Ein derartiges Verhalten macht nur Sinn, wenn es auf Bestellung geschehen ist. I. d. R. wird deshalb dann, wenn in derartigen Fällen die absichtliche Unfallherbeiführung feststeht, auch die Feststellung möglich sein, dass der Geschädigte der Initiator der Unfallmanipulation ist, also mit ihr einverstanden gewesen ist2.
128
Kann dieses ausnahmsweise nicht festgestellt werden, sind folgende Varianten zu unterscheiden:
129
a) Vorsätzliche Beschädigung mit eigenem Fahrzeug Hat der Schädiger ein eigenes Fahrzeug benutzt, kann der Geschädigte zwar den Schädiger persönlich wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung aus § 823 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Zugunsten des Haftpflichtversicherers besteht dann aber der subjektive Risikoausschluss des § 103 VVG n.F. (früher § 153 VVG); dieser ist leistungsfrei.
130
Kann der Geschädigte vom Schädiger keinen Ersatz erlangen, hat er die Möglichkeit, gem. § 12 Abs. 1 Nr. 3 PflVG n. F. die „Verkehrsopferhilfe“ (hierzu näher Teil 2 fi Rz. 52 ff.) in Anspruch zu nehmen; der teilweise Ausschluss der Leistungspflicht für Fahrzeugschäden (§ 12 Abs. 2 S. 2 PflVG n. F.) gilt hier nicht. Damit aber eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Verkehrsopferhilfe von vornherein ausgeschlossen wird, sollte dann, wenn die Verabredung feststeht, die Ablehnung bzw. die Klageabweisung auf die Einwilligung des Anspruchstellers gestützt werden und nicht nur auf den Vorsatz.
131
! Hinweis: Wenn die Einwilligung des Anspruchstellers feststeht, sollte, um eine Inanspruchnahme der Verkehrsopferhilfe von vornherein auszuschließen, die Anspruchsablehnung hierauf gestützt werden und nicht auf § 103 VVG n. F. b) Vorsätzliche Beschädigung mit fremdem Fahrzeug Hat der Schädiger ein fremdes Fahrzeug benutzt und ist der Eigentümer dieses Fahrzeugs – wie z. B. beim Einsatz eines Mietwagens – nicht an der Manipulation beteiligt, ist zwar der Fahrer wegen vorsätzlicher Schadenszufügung haftpflichtig, für ihn braucht der Versicherer aber gem. § 103 VVG n. F. nicht einzutreten. Der Halter ist jedoch gem. §§ 7, 17 StVG ebenfalls haftpflichtig, und wenn dieser nicht – oder jedenfalls 1 OLG Hamm v. 30. 9. 1999 – 6 U 41/99, r+s 2000, 67. 2 OLG Düsseldorf v. 5. 10. 2010 – 1 U 190/09, Juris.
Lemcke
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132
Teil 6
Rz. 133
Unfallmanipulation
nicht nachweislich – vorsätzlich gehandelt hat, ist für ihn auch der Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 VVG n. F. eintrittspflichtig.
6. Gestellter Unfall nach dem „Berliner Modell“ 133
Beim sog. Berliner Modell1 – diese Form der Unfallmanipulation ist erstmalig in Berlin bekannt geworden, sie kommt inzwischen aber überall vor – wird ein Kfz entwendet und dann gegen ein (zumeist in der Nähe am Fahrbahnrand abgestelltes) Kfz gefahren; anschließend flüchtet der Fahrer und bleibt so selbst unerkannt, das entwendete Kfz lässt er – zwecks Feststellung des Halters und vor allem des Haftpflichtversicherers – an der Unfallstelle zurück.
134
Wird ein Kfz entwendet und verursacht der Dieb anschließend mit dem Kfz einen „echten“ Unfall, ist zwar der (frühere) Halter des entwendeten Fahrzeugs evtl. leistungsfrei; er ist nur noch haftpflichtig, wenn er die Entwendung schuldhaft ermöglicht hat (§ 7 Abs. 3 S. 1 2. Halbs. StVG). In jedem Falle haftet aber der Dieb gem. § 7 Abs. 1 oder Abs. 3 StVG, und weil auch der nicht berechtigte Fahrer mitzuversichern ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 KfzPflVV), ist der Haftpflichtversicherer auch für den von einem Dieb angerichteten Schaden im Außenverhältnis zu dem Anspruchsteller grundsätzlich eintrittspflichtig (§ 117 Abs. 1 und 3 VVG n. F., früher § 3 Nr. 1 und 4 PflVG i. V. m. § 158c Abs. 1 VVG)2.
135
Beim „Berliner Modell“ wird also der Umstand ausgenutzt, dass der Haftpflichtversicherer auch im Falle der Kfz-Entwendung für den vom Dieb verursachten Unfallschaden eintreten muss, wenn ein „echter“ Unfall vorliegt oder wenn jedenfalls weder die vorsätzliche Schadenszufügung noch die Einwilligung des Anspruchstellers vom Versicherer nachgewiesen werden kann. Es handelt sich um eine moderne Variante der Unfallmanipulation, die zahlreiche „Vorteile“ bietet. Für sie ist nämlich – weder der Einsatz eines eigenen Fahrzeugs – noch der Aufwand für einen Mietwagen nötig, man riskiert 1 S. näher Lemcke in Weber, 647, 648; ders., r+s 1996, 436 (Urteilsanm.); ders., r+s 1996, 483 (Urteilsanm.) sowie ders., DAR 1997, 41, 54; ferner Born, NZV 1996, 257, 265; Freyberger, VersR 1998, 1214; OLG Schleswig v. 24. 6. 2010 – 7 U 102/09, NZV 2011, 291 = NJW-RR 2011, 176; OLG Celle v. 18. 4. 2007 – 14 U 176/06, OLGR 2007, 467; v. 21. 2. 2006 – 14 U 149/05, OLGR 2006, 273; KG v. 24. 3. 2003 – 12 U 282/01, KGR 2003, 223 = NZV 2003, 529; v. 29. 4. 2002 – 12 U 7995/00, KGR 2003, 5 = NZV 2003, 87 = VersR 2003, 610; OLG Schleswig v. 5. 12. 2002 – 7 U 19/02, OLGR 2003, 115; OLG Köln v. 30. 6. 2000 – 19 U 203/99, NVersZ 2001, 133. 2 OLG Köln v. 17. 11. 1999 – 7 U 15/99, VersR 2001, 872 = NZV 2001, 375; OLG Hamm v. 23. 1. 1996 – 9 U 145/95, zfs 1996, 260 = r+s 1996, 435 m. Anm. Lemcke.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 137 Teil 6
– weder ein Bußgeld – noch eine Rückstufung beim Schadensfreiheitsrabatt; schließlich wird – so die Aufdeckung von Beziehungen zwischen den Beteiligten – und von Darstellungswidersprüchen erschwert. a) Haftungsausschluss bei Verabredung/Einwilligung Der Versicherer haftet aber – wegen der Einwilligung des Eigentümers – nicht, wenn er nachweisen kann, dass der Unfall zwischen dem Dieb und dem Eigentümer des angefahrenen Kfz verabredet worden ist. Das OLG Frankfurt1 hat die typischen Indizien für eine Unfallmanipulation nach dem Berliner Modell wie folgt aufgelistet:
136
– Kollision zwischen einem meist in der Nähe entwendeten Pkw, (damals) typischerweise Opel, weil dessen Sicherungen als besonders leicht zu überwinden gelten, und einem Pkw der gehobenen Klasse, – Entwendung eines alten, sonst für Diebe uninteressanten Tatfahrzeugs, – Belassen des gestohlenen Fahrzeugs, obwohl noch fahrbereit, an Ort und Stelle, – Unfallhergang mit geringem Verletzungsrisiko für den Fahrer, – Fehlen anderer plausibler Gründe für den Unfall, insbesondere das Fehlen von Schleuder- oder Bremsspuren, – Relativ teures, reparaturwürdiges Fahrzeug, Abrechnung auf Gutachtenbasis, – Wahl von Unfallort und -zeit so, dass keine Zeugen zu erwarten sind, – persönliche Unglaubwürdigkeit des angeblichen Opfers oder unglaubhafter Vortrag (wechselndes oder widersprüchliches Vorbringen), – Vorschäden oder schwere Absetzbarkeit des Opferfahrzeugs, – Fehlen von Anhaltspunkten für jugendlichen Vandalismus. Weitere Indizien aus anderen Entscheidungen:
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– Ein leicht aufzubrechendes Fahrzeug wird gegen einen reparaturkostenintensiven Pkw gefahren, die beiden Fahrzeuge stehen im Kontakt
1 OLG Frankfurt v. 25. 10. 1996 – 19 U 63/96, zfs 1997, 6; s. auch OLG Frankfurt v. 25. 9. 1996 – 19 U 4/96, VersR 1997, 1507; v. 31. 10. 1996 – 16 U 9/96, OLGR 1996, 265.
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Teil 6
Rz. 138
Unfallmanipulation
miteinander in einer Position, die als Endposition nach der Kollision technisch ausgeschlossen ist1. – Das entwendete Kfz ist unstreitig vorsätzlich gegen das abgestellte Kfz gefahren worden, hinzu kommt, dass der Geschädigte falsche Angaben zu Vorschäden gemacht hat2. – Die Anstoßkonstellation – nahezu vollflächiger Heckanstoß gegen ein am Fahrbahnrand abgestelltes Fahrzeug – lässt auf eine gezielt gerichtete Fahrweise schließen3. – Das geparkte Fahrzeug ist, teilweise unter Mitbenutzung des Gehwegs, bewusst angesteuert worden, es wies erhebliche Vorschäden auf4. – Das später angefahrene Kfz ist, zudem ohne plausiblen Grund, in einer stark unfallgefährdeten Position abgestellt worden, das entwendete Kfz ist offensichtlich absichtlich gegen das abgestellte Kfz gefahren worden und anschließend, obwohl noch fahrbereit, zurückgelassen worden5. – Der Motor des angeblich schon vor Stunden abgestellten Fahrzeugs ist bei der Unfallaufnahme noch warm, das entwendete Kfz gehört zu denen, die besonders leicht aufzubrechen und kurzzuschließen sind6. 138
Wenn ein Unfall nach dem „Berliner Modell“ vorliegt, spricht schon der äußere Anschein für einen gestellten Unfall7. Anders ist es, wenn Indizien vorliegen, die für ein unfreiwilliges Geschehen und gegen eine Verabredung sprechen, und wenn auch ein Motiv nicht ersichtlich ist8.
139
Das OLG Frankfurt9 hatte auch einen vorgetäuschten Unfall nach dem „Berliner Modell“ in einer abgewandelten Form: Nach Darstellung des Klägers hatte er im fließenden Verkehr einen Auffahrunfall erlitten, der Auffahrende war nach dem Unfall unter Zurücklassung des – angeblich entwendeten – (11 Jahre alten) Opel Ascona geflüchtet. Das OLG hat auf1 2 3 4 5 6 7 8 9
OLG Hamm v. 21. 9. 1995 – 27 U 58/95, SP 1996, 35. OLG Hamm v. 26. 6. 1996 – 13 U 23/96, r+s 1996, 434. OLG Hamm v. 18. 6. 1996 – 27 U 41/96, VersR 1997, 1370 = NZV 1997, 179. OLG Köln v. 30. 6. 2000 – 19 U 203/99, NVersZ 2001, 133. OLG Hamm v. 22. 11. 1994 – 27 U 107/94, r+s 1995, 212; v. 10. 1. 1995 – 27 U 151/94, r+s 1995, 213 = VersR 1996, 519; v. 18. 6. 1996 – 27 U 41/96, OLGR 1996, 234. OLG Hamm v. 11. 7. 1995 – 9 U 19/95, n. v. OLG Köln v. 1. 10. 1999 – 19 U 48/99, NZV 2000, 260; anders OLG Köln v. 17. 11. 1999 – 7 U 15/99, VersR 2001, 872 = NZV 2001, 375. OLG Hamm v. 28. 6. 1994 – 9 U 61/94, r+s 1995, 214 = VersR 1995, 1369 = NZV 1995, 321 = NJW-RR 1995, 224 = zfs 1995, 50 = OLGR 1995, 236. OLG Frankfurt, Urt v. 11. 3. 1998 – 23 U 149/97 –, mitgeteilt von Wussow in WI 1998, 146.
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III. Der gestellte Verkehrsunfall
Rz. 144 Teil 6
grund zahlreicher Indizien eine Vortäuschung als erwiesen angesehen und die Klage deshalb abgewiesen. b) Haftungsausschluss auch ohne Verabredungsnachweis Oft ist das entwendete Fahrzeug in einer Weise gegen das abgestellte Fahrzeug gefahren worden, dass kein Zweifel daran besteht, dass dieses vorsätzlich geschehen ist; die vorgefundenen Unfallspuren lassen ein unfreiwilliges Abkommen von der Fahrbahn infolge Unaufmerksamkeit oder aus sonstigen Gründen (z. B. infolge Alkoholbeeinflussung) als ausgeschlossen erscheinen.
140
In diesen Fällen spricht zwar immer eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Beschädigung „auf Bestellung“ erfolgt ist. Es kann aber gelegentlich auch nicht ausgeschlossen werden, dass z. B. jugendlicher Vandalismus im Spiel gewesen ist; es muss also nicht zwingend eine Verabredung oder Einwilligung des Anspruchstellers vorliegen.
141
Andererseits bedarf es der Feststellung der Einwilligung nicht, wenn der Halter das entwendete Fahrzeug ordnungsgemäß gesichert hatte. Denn dann haftet gem. § 7 Abs. 3 StVG nur der Entwender, und für ihn braucht der Versicherer gem. § 103 VVG n. F. nicht einzutreten.
142
In diesem Falle hat der Geschädigte aber wiederum die Möglichkeit, gem. § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 PflVG die „Verkehrsopferhilfe“ in Anspruch zu nehmen (s. fi Rz. 131). Deshalb sollte, damit eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Verkehrsopferhilfe von vornherein ausgeschlossen wird, jedenfalls dann, wenn die Verabredung feststeht, die Ablehnung bzw. die Klageabweisung auf die Einwilligung gestützt werden und nicht nur auf den Vorsatz.
143
! Hinweis: Wenn die Einwilligung des Anspruchstellers feststeht, sollte auch in diesen Fällen die Anspruchsablehnung hierauf gestützt werden und nicht auf § 103 VVG n. F. c) Haftung bei Beschädigung eines weiteren Kfz Wird ein abgestellter Pkw aufgebrochen und dann von dem nicht berechtigten Fahrer absichtlich gegen einen anderen Pkw gefahren und wird dieser Pkw dabei, ohne dass insoweit Vorsatz feststellbar ist, gegen einen davor abgestellten weiteren Pkw geschoben, kann dessen Eigentümer den Haftpflichtversicherer des aufgebrochenen Pkw evtl. auf Ersatz in Anspruch nehmen1. Denn die Voraussetzungen des § 103 VVG n. F. lie1 OLG Hamm v. 18. 9. 1995 – 13 U 48/95, r+s 1996, 43 = VersR 1996, 1358 = OLGR 1995, 5.
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144
Teil 6
Rz. 145
Unfallmanipulation
gen nur vor, wenn sich der Vorsatz auch auf die Folgen erstreckt, hier also auch auf die Beschädigung des vorderen Fahrzeugs. 145
Die Klage ist aber schon dann abzuweisen, wenn die Feststellung gerechtfertigt ist, dass der Dieb die Beschädigung des vorderen Fahrzeugs in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz).
IV. Der provozierte Verkehrsunfall 146
Hier führt der Anspruchsteller den Unfall einseitig absichtlich herbei, entweder dadurch, dass er durch ein unerwartetes Fahrmanöver die Unaufmerksamkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers ausnutzt, z. B. dadurch, dass er ein für den „Hintermann“ überraschendes Bremsmanöver durchführt und so einen Auffahrunfall provoziert, oder dadurch, dass er einen Verkehrsverstoß eines anderen ausnutzt, indem er bewusst „draufhält“, statt zu bremsen.
147
In beiden Fällen ist die Beschädigung des eigenen Fahrzeugs des Provokateurs durch seine Einwilligung gerechtfertigt, d. h. er kann den Unfallgegner nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
148
Der Unfallgegner kann zwar den Provokateur wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung aus §§ 823 BGB, 7 StVG voll auf Schadensersatz in Anspruch nehmen; sein eigenes Fehlverhalten hat im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG wegen des Vorsatzes des Provokateurs zurückzutreten1. Der Haftpflichtversicherer des Provokateurs – dieser nimmt die Fremdschäden in Kauf – ist aber wegen des Vorsatzes gem. § 103 VVG n. F. leistungsfrei2.
149
Der Geschädigte hat jedoch auch in diesem Falle evtl. die Möglichkeit, die „Verkehrsopferhilfe“ in Anspruch zu nehmen (s. fi Rz. 131).
150
Strafrechtlich erfüllt auch ein äußerlich verkehrsgerechtes Verhalten den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr i. S. d. § 315b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB, wenn es aus verkehrsfeindlichen Gründen, nämlich in der Absicht erfolgt, einen Verkehrsunfall herbeizuführen3.
151
Ist der Provokateur nicht Eigentümer des von ihm gefahrenen Fahrzeugs, gilt Folgendes: Dessen Eigentümer muss sich als Halter das vorsätzliche Verhalten des Fahrers im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG zurechnen lassen, falls es sich um ein Leasingfahrzeug handelt, evtl. auch au1 OLG Hamm v. 28. 10. 1996 – 6 U 70/96, r+s 1997, 327. 2 LG Bonn v. 19. 12. 1997 – 2 S 18/96, r+s 1998, 461. 3 BGH v. 22. 7. 1999 – 4 StR 90/99, VersR 1999, 1431.
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IV. Der provozierte Verkehrsunfall
Rz. 155 Teil 6
ßerhalb des Anwendungsbereichs des § 17 StVG1. Der betroffene andere Unfallbeteiligte kann den nicht beteiligten Halter aus § 7 StVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, für ihn muss dann auch der Haftpflichtversicherer eintreten2. Beim provozierten Unfall ist der Nachweis der Einwilligung oft besonders schwer zu führen, er bleibt am häufigsten unentdeckt. Weil es hier nicht um Verabredung, sondern um einseitig doloses Verhalten geht, kommt insbesondere hier ein Anscheinsbeweis nicht in Betracht3.
152
Oft ist es erst die Unfallhäufigkeit, die irgendwann Verdacht erregt; es stellt sich heraus, dass der angeblich Geschädigte in der Vergangenheit bereits ungewöhnlich häufig4 das (angebliche) Opfer irgendwelcher Unaufmerksamkeiten anderer Verkehrsteilnehmer geworden ist und dann jeweils (i. d. R. auch mit Erfolg) den jeweiligen Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen hat. Die Unfallhäufigkeit als solche ist dann oft schon das wichtigste Indiz dafür, dass der „Geschädigte“ jeweils bewusst „nachgeholfen“ hat.
153
Typisch für den provozierten Unfall ist das Abreißen der „Unglücksserie“, sobald Verdacht aufgekommen ist (z. B. nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) und der Täter davon Kenntnis erlangt hat.
154
Oft ergeben sich aber auch in der Beweisaufnahme über den Hergang eines solchen Unfalls (Zeugenvernehmung, Unfallrekonstruktion durch einen erfahrenen Sachverständigen) Anhaltspunkte dafür, dass der „Geschädigte“ den Unfall absichtlich herbeigeführt hat; die Beweisaufnahme hat sich nicht nur auf eine Rekonstruktion des Unfallherganges zu erstrecken, sondern insbesondere auch darauf, ob das Verhalten des Anspruch-
155
1 KG v. 30. 6. 2010 – 12 U 151/09, Juris; OLG Hamm v. 26. 1. 1998 – 13 U 128/97, r+s 1998, 500 m. Anm. Lemcke; es ist aber die neue Rechtsprechung des BGH zum Leasing zu beachten (fi Teil 2 Rz. 215 ff.). 2 LG Bonn v. 19. 12. 1997 – 2 S 18/96, r+s 1998, 461. 3 OLG Köln v. 8. 5. 1998 – 19 U 227/97, VersR 1999, 1166 = OLGR 1998, 242; OLG Düsseldorf v. 18. 12. 1995 – 1 U 255/94, NZV 1996, 321 = VersR 1997, 337 = r+s 1996, 132 m. Anm. Lemcke. 4 Bsp.: BGH v. 28. 3. 1989 – VI ZR 232/88, MDR 1989, 806 = r+s 1989, 181 = VersR 1989, 637 = NZV 1989, 468: 4 ähnliche Unfälle an derselben Stelle in 4 Monaten; OLG Hamm v. 29. 9. 2003 – 13 U 16/03, zfs 2004, 68: 7 Unfälle in 6 Monaten; OLG Hamm v. 2. 10. 1997 – 6 U 104/97, r+s 1998, 192: 9 Unfälle in 29 Monaten; OLG Hamm v. 28. 4. 1997 – 6 U 171/95, OLGR 1997, 259 = VersR 1998, 734 = r+s 1997, 328 m. Anm. Lemcke: 20 Auffahrunfälle in 26 Monaten; OLG Hamm v. 13. 1. 1994 – 6 U 173/93, r+s 1994, 214 = DAR 1994, 278: 38 Unfälle in 3 Jahren; OLG Frankfurt v. 17. 1. 1989 – 22 U 12/88, MDR 1989, 458 = VersR 1989, 858: Mindestens 20 Unfälle in 3 Jahren; KG v. 13. 3. 1989 – 12 U 2882/88, NZV 1989: Zahlreiche Unfälle in kurzer Zeit. S. aber andererseits auch OLG Frankfurt v. 21. 1. 2008 – 25 U 220/04, Juris, und OLG Köln v. 8. 5. 1998 – 19 U 227/97, VersR 1999, 1166 = OLGR 1998, 242: Mehrere Vorunfälle allein reichen nicht aus.
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Teil 6
Rz. 156
Unfallmanipulation
stellers eher dem eines auf Unfallvermeidung oder eher dem eines auf Unfallherbeiführung ausgerichteten Verkehrsverhalten entspricht.
1. Herbeiführung durch äußerlich verkehrsgerechtes Verhalten 156
Der provozierte Verkehrsunfall kommt typischerweise in der Form vor, dass der „Geschädigte“ sich selbst nach dem äußeren Anschein verkehrsgerecht verhält, aber eine Verkehrssituation herbeiführt, die von einem anderen Verkehrsteilnehmer, zumeist von dem nachfolgenden, nicht erwartet wird und auf die dieser deshalb selbst infolge ungenügender Aufmerksamkeit nicht oder erst zu spät reagiert.
157
So wird z. B. ein Auffahrunfall typischerweise durch ein zwar äußerlich korrektes, aber den Nachfolgenden überraschendes Bremsmanöver provoziert, z. B. dadurch, dass der „Geschädigte“ vor einer ampelgeregelten Kreuzung entgegen der Erwartung des Nachfolgenden sofort mit dem Umspringen auf Gelb bremst, oder dadurch, dass er schon vor Erreichen einer Kreuzung plötzlich abbremst, angeblich um z. B. nach rechts in eine dort vorhandene Tankstelleneinfahrt zu fahren. Oder der Vorausfahrende bremst plötzlich, angeblich wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses, tatsächlich grundlos scharf ab, z. B. auf freier Strecke1 oder auf dem Beschleunigungsstreifen einer BAB2. Oft wird eine besonders „günstige“ Stelle – z. B. eine Auffahrt auf eine autobahnähnlich ausgebaute Umgehungsstraße ohne Beschleunigungsstreifen – sogar mehrfach zur Unfallprovokation ausgenutzt3.
158
Auch Kreuzungsunfälle können provoziert sein, z. B. dadurch, dass der Vorfahrtsberechtigte zunächst den Anschein erweckt, als wolle er dem Wartepflichtigen den Vortritt lassen, und dann doch anfährt4.
159
Weitere Auffälligkeiten bei provozierten Unfällen: – Auffällige Gemeinsamkeiten der Unfälle, – typische, sich wiederholende Unfallsituationen, die leicht herbeizuführen, beherrschbar und ungefährlich sind, – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis, – Reparatur in Eigenregie oder in derselben Billigwerkstatt, – mehrfache Wiederverwendung desselben, meistens nur notdürftig instand gesetzten Pkw. 1 OLG Hamm v. 2. 10. 1997 – 6 U 104/97, r+s 1998, 192. 2 LG Bonn v. 19. 12. 1997 – 2 S 18/96, r+s 1998, 461. 3 S. die beiden denselben Komplex betreffenden Urteile des OLG Hamm v. 28. 10. 1996 – 6 U 70/96, r+s 1997, 327 und OLG Hamm v. 28. 4. 1997 – 6 U 171/95, OLGR 1997, 259 = VersR 1998, 734 = r+s 1997, 328 m. Anm. Lemcke. 4 OLG Hamm v. 13. 1. 1994 – 6 U 173/93, r+s 1994, 214 = DAR 1994, 278.
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Lemcke
V. Der fiktive Verkehrsunfall
Rz. 164 Teil 6
2. Herbeiführung durch absichtliches Anfahren Eine weitere Variante ist die, dass der „Geschädigte“ den Verkehrsverstoß eines anderen dadurch ausnutzt, dass er, statt zu bremsen, bewusst „draufhält“.
160
Dieser Sachverhalt ist z. B. gegeben, wenn der Wartepflichtige bei dichtem Verkehr schließlich im Vertrauen auf das Rücksichtnahmegebot einbiegt in der Erwartung, der Vorfahrtsberechtigte werde den Fuß vom Gas nehmen, dieser aber statt dessen evtl. sogar noch beschleunigt, oder wenn der Vorfahrtsberechtigte sogar sein Fahrzeug durch Fahrstreifenwechsel in Richtung auf den einbiegenden Wartepflichtigen lenkt1, oder wenn der Schädige eine Vorfahrtsverletzung ausnutzt, um „draufzuhalten“, um auf diese Weise einen Vorschaden über die Versicherung des Unfallgegners abzurechnen2.
161
V. Der fiktive Verkehrsunfall Soll die Schadensverursachung ohne Kollision geschehen sein, kann ein fiktiver Unfall vorliegen. Die Fahrzeugschäden sind tatsächlich auf andere Weise entstanden, z. B. infolge eigenen Fehlverhaltens ohne Fremdbeteiligung. Ziel der Manipulation ist es, diesen Schaden unter Mithilfe von Verwandten oder Bekannten auf einen fremden Haftpflichtversicherer abzuwälzen.
162
Der klassische fiktive Unfall ist der sog. Abdrängungsunfall; der Schädiger soll den Anspruchsteller im Begegnungsverkehr durch Schneiden der Kurve, im gleichgerichteten Verkehr durch falsches Überholen oder an einer Einmündung durch Verletzung der Wartepflicht zum Ausweichen gezwungen und so ohne Berührung der Fahrzeuge verursacht haben, dass der Geschädigte von der Fahrbahn abgekommen oder sonst verunglückt ist. Angeblicher Unfallversursacher kann in diesen Fällen auch ein (privathaftpflichtversicherter) Radfahrer oder Fußgänger sein.
163
1. Beweis des äußeren Schadenshergangs Der Geschädigte muss auf der ersten Stufe den Beweis des äußeren Schadenshergangs erbringen. Weil er beweispflichtig ist, muss die Klage schon dann abgewiesen werden, wenn er den Verdacht nicht ausräumen kann, dass die Schäden an seinem Fahrzeug tatsächlich auf andere Art und Weise entstanden sind. 1 OLG Hamm v. 7. 6. 1999 – 6 U 177/98, r+s 2000, 66 = OLGR 2000, 118. 2 OLG Frankfurt v. 7. 6. 2004 – 16 U 195/03, zfs 2005, 69; OLG Hamm v. 6. 3. 2003 – 6 U 106/02, r+s 2003, 343.
Lemcke
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164
Teil 6
Rz. 165
Unfallmanipulation
165
Bei einer technischen Überprüfung ergibt sich häufig, dass es so wie geschildert gar nicht gewesen sein kann. So kann sich z. B. ergeben, dass der behauptete Abdrängungsunfall schon aus technischen Gründen ausgeschlossen ist; die Fahrzeugschäden können schon deshalb nicht durch Abdrängung in den Graben entstanden sein, weil dort entsprechende Hindernisse fehlen1. Zudem ergeben sich, weil die Beteiligten und Zeugen ein fiktives Ereignis schildern müssen, in der Beweisaufnahme oft Widersprüche, die auch durch Erinnerungslücken nicht zu erklären sind.
166
Derartige Unfallmanipulationen sind im Ergebnis nur selten erfolgreich. Professionell arbeitende Täter wählen wegen der größeren Erfolgsaussichten die Form des gestellten Unfalls; bei unfreiwillig erlittenen Schäden wird versucht, sie durch einen gestellten Unfall zu überdecken und dann auf diese Weise mit abzurechnen.
2. Beteiligung Dritter 167
Häufig hat ein anderer als der Eigentümer am Steuer des beschädigten Fahrzeugs gesessen. Der Fahrer hat einen selbst verschuldeten Unfall erlitten, jetzt geht es um die Abwälzung des Schadens auf einen Versicherer. Evtl. war es der Sohn, der mit dem Pkw seines Vaters durch Leichtsinn oder unter Alkohol einen Unfall verschuldet hat. Der klagende Vater ist dann evtl. persönlich nicht nur unverdächtig, sondern auch gutgläubig.
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Das ändert aber nichts daran, dass seine Klage gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer schon dann abzuweisen ist, wenn Zweifel bleiben, ob das Kfz des angeblichen Unfallverursachers überhaupt beteiligt gewesen ist; es muss feststehen, dass sich die Betriebgefahr des Kfz ausgewirkt hat.
! Hinweis: Ohne Kollision ist auch die Klage des unbeteiligten und gutgläubigen Anspruchstellers abzuweisen, wenn Zweifel bleiben, ob das andere Fahrzeug überhaupt unfallbeteiligt gewesen ist.
VI. Der ausgenutzte Verkehrsunfall 169
Hier ist ein „echter“ Unfall geschehen, er wird jetzt ausgenutzt – durch Einbringung vorhandener Vorschäden in die Abrechnung (fi Rz. 170 ff.),
1 OLG Hamm v. 18. 9. 1997 – 6 U 46/97, r+s 1998, 108 = OLGR 1997, 259; s. hierzu auch OLG Köln v. 23. 8. 2000 – 11 U 121/98, VersR 2002, 252.
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Lemcke
VI. Der ausgenutzte Verkehrsunfall
Rz. 175 Teil 6
– durch Aufbauschung des Schadensumfangs mittels Manipulation der Eckdaten für die Schadensermittlung (fi Rz. 175 ff.), – durch Vortäuschung des Weiterbenutzungswillens, um bei einem Fahrzeugschaden im Toleranzbereich noch auf Reparaturkostenbasis abrechnen zu können (fi Rz. 177 ff.), – durch nachträgliche Schadensvergrößerung (fi Rz. 181 ff.).
1. Einbringung vorhandener Vorschäden in die Abrechnung Hier ist häufig die Hemmschwelle niedrig. Man hat zum Unfallzeitpunkt bereits eine Beule im Kotflügel, man verschweigt dem Sachverständigen den Vorschaden, dieser übersieht ihn oder verschweigt ihn jedenfalls im Gutachten, der Vorschaden wird im Zuge der Reparatur mit behoben und abgerechnet.
170
Viele Schätzgutachten sind insoweit, entweder wegen Unfähigkeit des Schätzgutachters oder wegen offener oder heimlicher Mitwirkung an dem Versicherungsbetrug, grob fehlerhaft.
171
Hier sind die Aufklärungsmöglichkeiten aber gut; derartige Manipulationen lassen sich insbesondere durch eine Kompatibilitätsanalyse, d. h. durch eine technische Nachprüfung des Gutachtens und der Fahrzeuge bzw. der über die Schäden angefertigten Fotos häufig aufklären. Evtl. existieren Vorgutachten, aus denen sich ergibt, dass Vorschäden vorlagen, die offensichtlich vor dem neuen Unfall nicht beseitigt worden sind.
172
Allerdings ist zu beachten, dass auch Gutachten, nach denen die Kompatibilität angeblich fehlt, oft grob fehlerhaft sind. Viele Gutachter beachten nicht, dass ein Unfall nicht ein statisches, sondern ein dynamisches Geschehen ist, bei dem sich die Fahrzeuge evtl. während der Kollision drehen und abwickeln und bei dem (z. B. bei Dreier-Auffahrunfällen) evtl. sogar Mehrfachkollisionen möglich sind. Sie berücksichtigen ferner nicht, dass sich die unfallbedingten Fahrzeugverformungen teilweise nach der Kollision wieder rückverformen.
173
Viele Unfallopfer geraten nachträglich dadurch in einen unbegründeten Manipulationsverdacht, dass die Schäden nicht zueinander zu passen scheinen und dass dieses dann von einem vom Versicherer eingeschalteten Gutachter auch noch zu Unrecht bestätigt wird.
174
2. Manipulation der Eckdaten für die Schadensschätzung Hier wirkt sich aus, dass viele Sachverständige wirtschaftlich abhängig sind von Anspruchstellergruppen oder von irgendwelchen Werkstattinhabern. Schadensschätzungen, in denen die vom Gutachter ermittelLemcke
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175
Teil 6
Rz. 176
Unfallmanipulation
ten Reparaturkosten um 100 % über dem tatsächlichen Schaden liegen, sind keine Seltenheit. Teilweise werden auch die Eckdaten manipuliert, um einen Schaden unterhalb der 130 %-Grenze und damit die Reparaturwürdigkeit vorzutäuschen oder um eine günstige Reste-Verwertung zu ermöglichen. 176
Teilweise geschehen diese Manipulationen hinter dem Rücken des Geschädigten im Zusammenwirken zwischen Schätzgutachter und dem Werkstattinhaber, der den Reparaturauftrag erwartet oder schon erhalten hat oder das Unfallfahrzeug im Zuge der Ersatzbeschaffung in Zahlung nehmen will. Teilweise werden dann nicht beschädigte Teile ausgetauscht und berechnet, teilweise werden sie sogar ohne Austausch berechnet. Ist der Geschädigte in einem solchen Fall gutgläubig und hat er die Reparatur bezahlt, kann er von dem Haftpflichtversicherer auch die Erstattung des Rechnungsbetrages verlangen; es ist nachträglich, ohne dass der Geschädigte schuldhaft gegen seine Pflicht aus § 254 Abs. 2 BGB zur Schadensgeringhaltung verstoßen hat, durch Manipulationen Dritter eine Schadensausweitung eingetreten, der Versicherer kann dann nur den Sachverständigen und/oder den Werkstattinhaber auf Ersatz in Anspruch nehmen.
3. Vortäuschung des Weiterbenutzungswillens 177
Ist die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis die teurere Alternative der Schadensbehebung, liegen die Reparaturkosten aber noch im Toleranz(130 %-)Bereich, besteht ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, die Reparatur auch dann auf Kosten des Haftpflichtversicherers durchzuführen, wenn der Geschädigte tatsächlich eine Ersatzbeschaffung vornehmen will und die Schadensabrechnung deshalb auf Ersatzbeschaffungsbasis zu erfolgen hat1.
178
Bei einem Schaden im 100 %-Bereich kann der Geschädigte, statt das Unfallfahrzeug im Zuge der Ersatzbeschaffung unrepariert zu veräußern oder in Zahlung zu geben und dann auf Ersatzbeschaffungsbasis abzurechnen, nach der insoweit fragwürdigen Rechtsprechung des BGH2 das Fahrzeug auf Kosten des Versicherers reparieren und nach fachgerechter Reparatur sofort veräußern und dann den Schaden auf Brutto-Reparaturkostenbasis abrechnen, eine vorübergehende Weiterbenutzung ist nicht erforderlich. Es entsteht so eine erhebliche Mehrbelastung des Versicherers, ohne dass ein schützenswertes Interesse des Geschädigten ersicht-
1 S. dazu näher Lemcke, NZV 2009, 115, 116 ff. 2 BGH v. 5. 12. 2006 – VI ZR 77/06, MDR 2007, 517 = r+s 2007, 122 (Anm. Lemcke) = NZV 2007, 180 = NJW 2007, 588, dazu Lemcke, NZV 2009, 115, 118.
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VI. Der ausgenutzte Verkehrsunfall
Rz. 182 Teil 6
lich ist; dieses Verfahren ist aber nach der Rechtsprechung des BGH zu tolerieren. Bei einem Schaden im 130 %-Bereich ist nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls nach fachgerechter Reparatur sofort eine Abrechnung auf Brutto-Reparaturkostenbasis möglich; hier muss der Geschädigte aber zur eigenen Weiterbenutzung reparieren wollen und das Fahrzeug anschließend i. d. R. mindestens sechs Monate weiterbenutzen1. Hier besteht ein erheblicher Anreiz, dem Versicherer vorzuspiegeln, der Geschädigte wolle das Fahrzeug zum Zwecke der Weiterbenutzung reparieren lassen, während tatsächlich die Ersatzbeschaffung beabsichtigt und evtl. auch schon vollzogen ist und nur mit der Ab- und Anmeldung der Fahrzeuge noch bis zum Abschluss der Schadensregulierung gewartet wird.
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Diese Manipulation ist aber vom Versicherer leicht aufzudecken durch eine Halteranfrage beim Straßenverkehrsamt einige Wochen nach der Schadensregulierung. Ist das Unfallfahrzeug jetzt abgemeldet, ohne dass der Geschädigte plausibel erklären kann, dass und warum er sich erst nachträglich umentschlossen hat, hat der Versicherer wegen der Überzahlung ein Rückforderungsrecht; anders ist es nur dann, wenn der Geschädigte nachweisen kann, dass er sich nachträglich aus wichtigem Grund – neuer Unfall, großer Verschleißschaden, Arbeitslosigkeit – umentschlossen hat (s. näher Teil 3 fi Rz. 113, 122).
180
4. Nachträgliche Schadensvergrößerung Sie geschieht teilweise durch den Geschädigten selbst, z. B. deshalb, weil er nach einem „echten“ Unfall ein Ersatzfahrzeug anschaffen möchte, der bisherige Schaden aber für die Finanzierung einer Ersatzbeschaffung noch nicht ausreicht.
181
Teilweise geschehen nachträgliche Schadensvergrößerungen aber auch hinter dem Rücken des Geschädigten in der Kfz-Werkstatt in der Zeit zwischen der Überlassung des Fahrzeugs und der Besichtigung durch den Schätzgutachter. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen Unfallschäden in dieser Zwischenzeit durch den Werkstattinhaber bzw. dessen Mitarbeiter systematisch vergrößert wurden. Die Geschädigten merkten von diesem Schwindel z. T. schon deshalb nichts, weil sie das Unfallfahrzeug bereits gegen Abtretung der Ersatzansprüche in Zahlung gegeben hatten. Hier sind die Aufklärungsmöglichkeiten aber auf dem Weg über eine technische Nachprüfung ebenfalls sehr gut. Derartige nachträgliche Schadensausweitungen braucht der Haftpflichtversicherer nicht zu erset-
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1 BGH v. 18. 11. 2008 – VI ZB 22/08, MDR 2009, 198 = r+s 2009, 81 = NZV 2009, 73 = NJW 2009, 910 = VersR 2009, 128; v. 26. 5. 2009 – VI ZB 71/08, r+s 2009, 434.
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Teil 6
Rz. 183
Unfallmanipulation
zen. Zwar trägt der Schädiger auch das Prognose- und das Werkstattrisiko; darum geht es hier aber nicht.
VII. Prozessuale Besonderheiten Literatur: Baumgärtel/Prölss, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 5, Versicherungsrecht; Born/Schneider in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Teil 5 D; Bruck/Möller/Johannsen, VVG, Band V, 8. Aufl.; Bayer, Kein Schutz des Haftpflichtversicherers vor nachteiliger Prozessführung durch den Versicherungsnehmer?, NVersZ 1999, 9; Dannert, Das Vorschieben eines angeblich gutgläubigen Anspruchstellers bei betrügerischen Haftpflichtansprüchen, NZV 1993, 13; Dannert, Die Abwehr vorgetäuschter und manipulierter Verkehrshaftpflichtansprüche, Teil I, r+s 1989, 361; Teil II, r+s 1990, 1; Elsner, Prozesstaktik gegen den Versicherungsbetrug, Teil 1, zfs 2005, 423; Teil II, zfs 2005, 475; Freyberger, Neues vom manipulierten Verkehrsunfall: Der gutgläubige Eigentümer, VersR 1998, 1214; Freyberger, Prozessuale Möglichkeiten des Haftpflichtversicherers beim gestellten Versicherungsfall, NZV 1992, 391; Freyberger, Die Vertretung des Beklagten beim gestellten Unfall aus standesrechtlicher und prozessualer Sicht; VersR 1991, 842; Geyer, Die Unfallmanipulation in der Kfz-Versicherung, VersR 1989, 882; Goerke, Beweisanzeichen für eine Unfallmanipulation, VersR 1990, 707; Gottwald/Adolphsen, Zur Prozessführung des Versicherers bei gestellten Unfällen, NZV 1995, 129; Kääb, Anwaltliches Berufsrecht und Behandlung von Kfz-Schäden, NZV 1991, 169; Kääb, Beweisfragen bei betrügerisch gestellten Ansprüchen im Kasko- und Haftpflichtrecht, NZV 1990, 5; Keilbar, Prozessmundschaft des Haftpflichtversicherers, Bindungswirkungen und anwaltliches Mandat, NZV 1991, 335; Knoche, Der Anscheinsbeweis bei der Manipulation eines Verkehrsunfalls, MDR 1992, 919; Krämer, Prozessuale Besonderheiten des Haftpflicht- und Versicherungsprozesses, r+s 2001, 177; Lange, Das Zusammenspiel von Anerkenntnis und Abtretung in der Haftpflichtversicherung nach der VVG-Reform, r+s 2007, 401; Langheid, Tücken in den §§ 110 ff. VVG-RegE, VersR 2007, 865; Lemcke, Neue Wege zur Abwehr des Versicherungsbetrugs in der Haftpflichtversicherung?, VersR 1995, 989; Lemcke, Probleme des Haftpflichtprozesses bei behaupteter Unfallmanipulation, r+s 1993, 121 und r+s 1993, 161; Lepa, Beweiserleichterungen im Haftpflichtrecht, NZV 1992, 129; Liebscher, Die gemeinsame Klage gegen Haftpflichtversicherung und Versicherungsnehmer, NZV 1994, 215, 216; Lindacher, Die Streitgenossenschaft, JuS 1986, 379; Meiendresch, Eigener Anwalt bei „fingiertem“ Unfall?, r+s 2005, 50; Prölss/ Martin, VVG, 26. Aufl., 1998; Nack, Der Indizienbeweis, MDR 1986, 366; Reiff, Zivilprozessuale Probleme der Haftpflichtversicherung insbesondere bei gestellten Verkehrsunfällen, VersR 1990, 113; Schauseil, Schadenersatz bei vorgeschädigtem Fahrzeug, MDR 2009, 425; Schneider, Problemfälle aus der Praxis: Gestellte Unfälle, MDR 1986, 991; Sieg, Neuere Entwicklung des Beweisrechts in der Privatversicherung, ZVersWiss 1994, 253; Staab, Betrug in der Kfz-Haftpflichtversicherung, VVW Karlsruhe, H.75 (1991); Verheyen, KH-Kriterienkatalog für manipulierte Verkehrsunfälle, zfs 1994, 313; Weber et. al., Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetrugs, Schriftenreihe Unfallrekonstruktion, Münster, 1. Aufl. 1995, 647.
183
Im KH-Haftpflichtprozess ist wegen des bestehenden Direktanspruchs aus § 115 Abs. 1 VVG n. F. (früher § 3 Nr. 1 PflVG) der Haftpflichtver860
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 188 Teil 6
sicherer (fast) immer neben Halter und/oder Fahrer mitverklagt, also unmittelbar als Partei mitbeteiligt. Erhebt der verklagte Versicherer den Manipulationseinwand nur gegenüber dem Kläger und nicht auch gegenüber dem mitverklagten Halter und/oder Fahrer – beim provozierten Unfall und oft auch beim ausgenutzten Unfall richtet sich sein Betrugsverdacht nur gegen den Kläger –, ergeben sich keine prozessualen Besonderheiten. Der Versicherer bzw. dessen Anwalt vertritt Halter und/oder Fahrer mit, sie teilen im Prozess dessen Schicksal.
184
Erhebt der verklagte Versicherer aber den Manipulationseinwand auch gegenüber dem mitverklagten Halter und/oder Fahrer – i. d. R. geht es dann um einen gestellten oder fiktiven Unfall –, ergibt sich eine ungewöhnliche prozessuale Situation:
185
Die Beklagten stehen zwar prozessual als Streitgenossen in einem Lager; mindestens einer der Mitverklagten hat sich aber evtl. mit dem Kläger zusammengetan, um den Versicherer gemeinsam betrügerisch zu schädigen. Tatsächlich steht also nach dem Vortrag des Versicherers mindestens einer der übrigen Beklagten mit im gegnerischen Lager. Dabei richtet sich der Manipulationsvorwurf i. d. R. nur gegen den Versicherten, der am Unfall unmittelbar beteiligt gewesen ist, also z. B. nicht gegen den am Unfall nicht beteiligten Halter des eingesetzten Mietwagens. Dieser wird, falls mit verklagt, vom Versicherer bzw. von dessen Anwalt mitvertreten und teilt im Prozess das Schicksal des Versicherers. Er kann hier vernachlässigt werden.
186
Hier interessiert nur das Spannungsverhältnis zwischen dem Kläger, dem verklagten Haftpflichtversicherer und dem angeblich an der Manipulation beteiligten Mitverklagten (nachfolgend: Versicherten). Aus diesem Spannungsverhältnis ergeben sich einige prozessuale Besonderheiten, die bei der Prozessführung zu beachten sind.
187
Es geht dabei insbesondere um die Auswirkungen
188
– der Streitgenossenschaft zwischen den Beklagten (fi Rz. 189 ff.), – der Rechtskrafterstreckung gem. § 3 Nr. 8 PflVG a. F. bzw. jetzt § 124 Abs. 1 VVG n. F. (fi Rz. 193 ff.), – der Bindungswirkung der Ergebnisse des Haftpflichtprozesses für den nachfolgenden Deckungsprozess (fi Rz. 201 ff.), – der anwaltlichen Interessenkollision (fi Rz. 210 ff.) und – eines betrügerischen Geständnisses oder Anerkenntnisses des Versicherten (fi Rz. 230 ff.). Lemcke
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Teil 6
Rz. 189
Unfallmanipulation
1. Streitgenossenschaft 189
Versicherer, Halter und Fahrer sind nach der Rechtsprechung des BGH1 nur einfache Streitgenossen i. S. d. § 61 ZPO, nicht notwendige Streitgenossen i. S. d. § 62 ZPO. Das ist nicht unbedenklich, nicht nur im Hinblick auf die sog. negative Rechtskrafterstreckung gem. § 3 Nr. 8 PflVG a. F. bzw. jetzt § 124 Abs. 1 VVG n. F. (s. fi Rz. 193 ff.), sondern auch wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess, die ähnliche Rechtsfolgen wie die Rechtskraft auslöst (s. fi Rz. 201 ff.).
190
Weil die Beklagten aber jedenfalls nach der h. M. nur einfache Streitgenossen sind, sind die Klagen nur lose miteinander verbunden. Insbesondere können die Streitgenossen unterschiedlich vortragen. Deshalb kann der Versicherer sich gegen seine eigene Verurteilung auch dann mit dem Manipulationseinwand verteidigen und das Gericht so zu einer Beweisaufnahme zwingen, wenn der Versicherte (Fahrer und/oder Halter) das Vorbringen des Anspruchstellers einräumt. Ein Geständnis des Versicherten wirkt nicht gegenüber dem Versicherer. Handlungen und Unterlassungen des einen Streitgenossen wirken nur für und gegen ihn selbst.
191
Die Prozesse gegen die Streitgenossen können deshalb auch ein unterschiedliches Schicksal haben. Sie können evtl. gem. § 148 ZPO getrennt werden, es kann aber auch evtl. gem. § 301 ZPO ein Teilurteil gegen einen Streitgenossen ergehen (auch ein Versäumnis-Teilurteil2), während in dem Prozess gegen einen anderen Streitgenossen noch eine Beweisaufnahme erforderlich ist. Andererseits kann der Richter aber auch von beiden Möglichkeiten bis zur Entscheidungsreife des anderen Prozesses absehen (s. fi Rz. 252 f.).
192
Zu beachten ist, dass der eine Streitgenosse nicht Zeuge im Prozess gegen den anderen Streitgenossen sein kann. Anders ist es dann, wenn das Beweisthema nur den anderen Prozess betrifft3. Der angeblich an der Manipulation beteiligte Beklagte kann also im Prozess gegen den Versicherer nicht als Zeuge vernommen werden, wohl aber als Partei (§ 449 ZPO).
1 BGH v. 10. 7. 1974 – IV ZR 212/72, VersR 1974, 1117; v. 14. 7. 1981 – VI ZR 304/79, MDR 1982, 219 = r+s 1981, 249 = NJW 1982,996 = VersR 1981, 1158; Liebscher, NZV 1994, 215. 2 BGH v. 10. 7. 1974 – IV ZR 212/72, VersR 1974, 1117. 3 H. M., so z. B. BGH v. 27. 4. 1983 – VIII ZR 24/82, MDR 1984, 47; a. A. Lindacher, JuS 1986, 379, 381; weitergehend auch OLG Hamm v. 23. 10. 1985 – 20 U 138/85, NJW-RR 1986, 391.
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Lemcke
VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 196 Teil 6
2. Negative Rechtskrafterstreckung Nach § 124 Abs. 1 VVG n.F. (früher § 3 Nr. 8 PflVG) wirkt die rechtskräftige Abweisung der Klage (nur die Abweisung, nicht die Verurteilung) gegen den Versicherer auch zugunsten des Versicherten (Halter oder Fahrer1) und umgekehrt.
193
Voraussetzung für diese negative Rechtskrafterstreckung ist, dass die Abweisung wegen Fehlens des Haftpflichtanspruchs erfolgt und nicht aus anderen Gründen, z. B. aus versicherungsvertraglichen (z. B. wegen § 103 VVG n. F., früher § 152 VVG) oder aus prozessualen Gründen (z. B. wegen veränderten Sachverhalts) oder deshalb, weil die zweite Klage auf einen anderen Rechtsgrund, z. B. auf ein Schuldanerkenntnis, gestützt wird; nur dann, wenn die Klage gegen den einen wegen Nichtbestehens des Haftpflichtanspruchs abgewiesen worden ist, soll der Geschädigte nicht die gleiche Klage noch einmal gegen den anderen erheben können2. Eine Klageabweisung wegen Verjährung reicht aus3.
194
Ferner ist zu beachten, dass die Rechtskrafterstreckung nur im Verhältnis zwischen Versicherer und Versichertem gilt, nicht auch im Verhältnis zwischen dem versicherten Halter und dem mitversicherten Fahrer; daraus folgt, dass z. B. auch nach Abweisung der Klage gegen Halter und Versicherer (als Versicherer des Halters) weiterhin eine Klage gegen Fahrer und Versicherer (als Versicherer des Fahrers) möglich ist4.
195
Die Rechtskrafterstreckung gilt nicht nur dann, wenn Versicherer, Halter und/oder Fahrer in getrennten Prozessen verklagt werden, sondern auch dann, wenn sie vom Anspruchsteller gleichzeitig verklagt worden sind und die eine Klage durch Teilurteil rechtskräftig abgewiesen ist5. Sie
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1 OLG Brandenburg v. 30. 4. 2009 – 12 U 219/08, OLGR 2009, 646 = VersR 2009, 1352. 2 BGH v. 14. 7. 1981 – VI ZR 254/79, MDR 1982, 219 = r+s 1982, 8 = NJW 1992, 999 = VersR 1981, 1156; v. 14. 7. 1981 – VI ZR 304/79, MDR 1982, 219 = r+s 1981, 249 = NJW 1982, 996 = VersR 1981, 1158; KG v. 5. 6. 1989 – 12 U 4073/88, r+s 1989, 277 = VersR 1989, 1188 = NZV 1990, 30; Knappmann in Prölss/Martin, § 124 VVG, Rz. 8; Wussow in WI 1993, 62 und 195. 3 BGH v. 24. 6. 2003 – VI ZR 256/02, MDR 2003, 1231 = r+s 2003, 404 = VersR 2003, 1121. 4 BGH v. 24. 9. 1985 – VI ZR 4/84, MDR 1986, 135 = r+s 1986, 27+32 = NJW 1986, 1610 = VersR 1986, 153; OLG Stuttgart v. 6. 10. 1978 – 2 U 37/78, VersR 1979, 562; Knappmann in Prölss/Martin, § 124 VVG, Rz. 2; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 15, Rz. 25; vom BGH übersehen in der Entscheidung v. 10. 5. 2005 – VI ZR 366/03, r+s 2005, 397 (m. Anm. Lemcke) = NZV 2005, 456 = NJW 2005, 2309 = VersR 2005, 1087. 5 BGH v. 14. 7. 1981 – VI ZR 304/79, MDR 1982, 219 = r+s 1981, 249 = NJW 1982, 996 = VersR 1981, 1156; OLG Brandenburg v. 30. 4. 2009 – 12 U 219/08, OLGR 2009, 646 = VersR 2009, 1352.
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Teil 6
Rz. 197
Unfallmanipulation
gilt auch dann, wenn gleichzeitig entschieden wird und das abweisende Urteil sogleich rechtskräftig wird1. 197
Schon der BGH2 hat angedeutet, es sei zu erwägen, ob § 3 Nr. 8 PflVG „nach seinem gesetzgeberischen Anliegen die Haftungsfrage nicht auch in anderen Fällen gleichzeitiger Entscheidung einer unterschiedlichen Behandlung entziehe“.
198
Dem BGH folgend nimmt die heute wohl h. M. an, dass § 3 Nr. 8 PflVG (jetzt § 124 Abs. 1 VVG) nach Sinn und Zweck auch dann (analog) anzuwenden ist, wenn bei gleichzeitiger Entscheidung das abweisende Urteil gegen den Versicherer zwar nicht sogleich rechtskräftig, aber unanfechtbar ist; selbst ein Versäumnisurteil darf dann nicht mehr gegen die Versicherten ergehen3.
! Hinweis: Wenn das Gericht die Klage gegen den Versicherer abweisen will und wenn diese Entscheidung sogleich rechtskräftig oder jedenfalls unanfechtbar ist, muss es schon deshalb auch die Klage gegen den Versicherten abweisen. 199
Teilweise wird vertreten, dieses habe allgemein in Fällen gleichzeitiger Entscheidung zu gelten, § 3 Nr. 8 PflVG solle widersprechende Entscheidungen verhindern4. Der Gesetzgeber hat aber mit dieser Regelung nur einen zweiten Haftpflichtprozess des Geschädigten aus demselben Rechtsgrund verhindern wollen und die Möglichkeit widersprechender Entscheidungen in Kauf genommen5. Der Gefahr widersprechender Entscheidungen muss deshalb mit den Mitteln der ZPO begegnet werden (s. näher fi Rz. 251 f.).
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Die Konsequenzen aus § 3 Nr. 8 PflVG a. F., jetzt § 124 Abs. 1 VVG: – Der Kläger darf ein abweisendes (auch ein teilabweisendes) Urteil gegen den einen Streitgenossen nicht rechtskräftig werden lassen, wenn 1 BGH v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 233 = VersR 1978, 862; v. 13. 12. 1977 – VI ZR 36/768, r+s 1978, 235 = VersR 1978, 865; OLG Brandenburg v. 25. 9. 2008 – 12 U 202/07, Juris. 2 BGH v. 14. 7. 1981 – VI ZR 304/79, MDR 1982, 219 = r+s 1981, 249 = NJW 1982, 996 = VersR 1981, 1158. 3 OLG Hamm v. 24. 6. 1996 – 6 U 29/96, r+s 1996, 437; OLG Köln v. 6. 11. 1981 – 20 U 55/81, VersR 1982, 860; Köln v. 7. 2. 1992 – 19 U 163/91, VersR 1992, 1275 = r+s 1992, 290; OLG Karlsruhe v. 22. 6. 1989 – 9 U 340/87, MDR 1990, 729 = VersR 1991, 539 = NJW-RR 1990, 1369; v. 22. 06. 89 – 9 U 340/87, VersR 1991, 539; Birkner, zfs 1994, 113, 115; Freyberger, NZV 1992, 391; Reiff, VersR 1990, 113, 116; Lemcke, r+s 1993, 161; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, zu § 3 Nr. 8 PflVG, Anm. 1; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 15, Rz. 27. 4 LG Bielefeld, zfs 1988, 378; a. A. Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 120. 5 Reiff, VersR 1990, 113, 116 f.; Freyberger, NZV 1992, 391, 392.
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Lemcke
VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 203 Teil 6
er die Klage gegen den anderen weiterverfolgen will; die Klage gegen den anderen Streitgenossen wäre sonst schon wegen der Rechtskrafterstreckung abzuweisen, selbst bei einem (nicht schuldbegründenden) Schuldanerkenntnis1. – Andererseits dürfen Fahrer und/oder Halter als Beklagte ein sie verurteilendes Teilurteil nicht rechtskräftig werden lassen, solange die Möglichkeit besteht, dass die Klage gegen den Versicherer abgewiesen wird; unter Berufung auf die Rechtskrafterstreckung könnten sie dann ebenfalls die Klageabweisung erreichen. – Da die Rechtskrafterstreckung aber nur im Verhältnis zwischen Versicherer und Versichertem gilt, kann sie dann, wenn einer der Beteiligten (Fahrer oder Halter) zunächst nicht mitverklagt worden ist, durch eine neue Klage gegen diesen unterlaufen werden.
3. Bindungswirkung Wird der Versicherte im Haftpflichtprozess verurteilt, kann der Geschädigte dessen Deckungsanspruch gegen den Versicherer pfänden oder sich vom Versicherten (gem. § 108 Abs. 2 VVG n. F.) abtreten lassen2 und sodann (aus dem Recht des Versicherten) die Deckungsklage gegen den Versicherer erheben; inhaltlich geht der Deckungsanspruch jetzt nicht mehr auf Befreiung, sonder auf Zahlung3.
201
Diese Möglichkeit hat der Geschädigte auch dann noch, wenn seine Direktklage gegen den Versicherer aus § 115 VVG (früher § 3 Nr. 1 PflVG) bereits abgewiesen worden ist. Das die Direktklage abweisende Urteil entfaltet im Deckungsprozess keine Bindungswirkung4, auch die Rechtskrafterstreckung des § 3 Nr. 8 PflVG a. F. bzw. jetzt des § 124 Abs. 1 VVG gilt in diesem Falle nicht5.
202
Es gilt das Trennungsprinzip; die Haftpflichtfrage wird abschließend im Haftpflichtprozess entschieden, die Entscheidung hat Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess, soweit Voraussetzungsidentität
203
1 BGH v. 14. 7. 1981 – VI ZR 254/79, MDR 1982, 219 = r+s 1982, 8 = NJW 1982, 999 = VersR 1981, 1156; BGH v. 14. 7. 1981 – VI ZR 304/79, MDR 1982, 219 = r+s 1981, 249 = NJW 1982, 996 = VersR 1981, 1158. 2 OLG Saarbrücken v. 8. 4. 2003 – 3 U 159/02, OLGR 2003, 272. 3 Lange, r+s 2007, 401, 403. 4 OLG Saarbrücken v. 8. 4. 2003 – 3 U 159/02, OLGR 2003, 272; OLG Köln v. 29. 10. 1990 – 5 U 84/90, r+s 1990, 402 = VersR 1991, 654. 5 OLG Saarbrücken v. 8. 4. 2003 – 3 U 159/02, OLGR 2003, 272; OLG Köln v. 29. 10. 1990 – 5 U 84/90, r+s 1990, 402 = VersR 1990, 654; Reiff, VersR 1990, 113, 124; Knappmann in Prölss/Martin, § 124 VVG, Rz. 10; Wussow in WI 93, 62.
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Teil 6
Rz. 204
Unfallmanipulation
besteht1. Bindungswirkung hat auch ein Versäumnisurteil2. Ist der Versicherte z. B. auf den Vortrag des Anspruchstellers hin, dieser habe den Unfall durch einen Fahrfehler schuldhaft verursacht, durch Versäumnisurteil verurteilt worden, kann der Versicherer sich im Deckungsprozess nicht mehr darauf berufen, der Prozess sei falsch entschieden worden, der behauptete Unfall habe tatsächlich nicht stattgefunden; die fahrlässige Sachbeschädigung durch den Versicherten steht fest3. 204
Die – nicht aus der Rechtskraft folgende, sondern aus dem Wesen des Versicherungsvertrages abgeleitete – Bindungswirkung wird z. T. für den Fall in Frage gestellt, dass der Versicherte selbst dadurch seine Verurteilung herbeigeführt hat, dass er im Haftpflichtprozess den Vortrag des Klägers eingeräumt hat4. Die Rechtsprechung erkennt die Bindungswirkung aber ausnahmslos an5.
205
Andererseits erstreckt sich die Bindungswirkung nicht auf Fragen, die im Haftpflichtprozess offen geblieben sind6. Vor allem aber kann sich der Versicherer im Deckungsprozess noch darauf berufen, der Versicherte
1 BGH v. 18. 2. 2004 – IV ZR 126/02, MDR 2004, 808 = r+s 2004, 232 = NZV 2004, 566 = VersR 2004, 590; BGH v. 20. 6. 2001 – IV ZR 101/00, r+s 2001, 408 = BGHR 2001, 630; v. 30. 9. 1992 – IV ZR 314/91, MDR 1993, 30 = r+s 1992, 406 = VersR 1992, 1504 m. w. N.; v. 18. 3. 1992 – IV ZR 51/91, MDR 1992, 652 = r+s 1992, 201 = VersR 1992, 568; OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 1999, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414; die Bindungswirkung wird für den Fall der Unfallmanipulation teilweise in Frage gestellt, s. z. B. Prölss in Baumgärtel/Prölss, § 3 Nr. 1 PflVG, Rz. 13; Johannsen in Bruck/Möller/Johannsen, Band V, Anm. G 11b); immerhin spricht auch der BGH in seiner Entscheidung vom 30. 9. 1992 – IV ZR 314/91, r+s 1992, 406 = VersR 1992, 1504 zu 1. a. E., den „atypischen Fall des gestellten Unfalls“ an, er verweist insoweit auf Reiff, VersR 1990, 113, 119, der seinerseits (S. 123) die Bindungswirkung ablehnt, wenn der Versicherer den Haftpflichtprozess nach berechtigter Deckungsablehnung nicht geführt hat und wohl auch nicht mehr führen konnte und wenn der Versicherer im Deckungsprozess die Berechtigung seiner Deckungsablehnung nachweist. 2 BGH v. 19. 3. 2003 – IV ZR 233/01, MDR 2003, 839 = VersR 2003, 635; OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 1999, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414; v. 2. 10. 1985 – 20 U 78/85, VersR 1987, 88; Voit, VersR 1988, 901 (Urteilsanm.). 3 OLG Saarbrücken v. 8. 4. 2003 – 3 U 159/02, OLGR 2003, 272; OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 1999, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414; v. 2. 10. 1985 – 20 U 78/85, VersR 1987, 88; Voit, VersR 1988, 901 (Urteilsanm.); Freyberger, VersR 1991, 842, 844; a. A. wohl Prölss in Baumgärtel/Prölss, § 3 Nr. 1 PflVG, Rz. 13; Johannsen in Bruck/Möller/Johannsen, Band 5, Anm. G 11b); a. A. auch Reiff, VersR 1990, 113, für den Fall berechtigter Deckungsablehnung. 4 S. Lemcke, VersR 1995, 989, 992 m. w. H. 5 S. z. B. OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 2000, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414. 6 BGH v. 30. 9. 1992 – IV ZR 314/91, MDR 1993, 30 = r+s 1992, 406 = VersR 1992, 1504.
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 208 Teil 6
habe ihm gegenüber, u. a. in der Schadensanzeige, vorsätzlich falsche Angaben gemacht und daher eine Obliegenheitsverletzung begangen1. Außerdem kann der Versicherer im Deckungsprozess auch die Arglisteinrede erheben, und zwar aus folgendem Grund: Selbst nach einer Zahlung an den Geschädigten könnte der Versicherer sowohl diesen als auch den Versicherten aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB und aus § 826 BGB i. V. m. §§ 830, 840 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn er in der Lage ist, den Nachweis zu führen, dass der Geschädigte im Zusammenwirken mit dem Versicherten das Haftpflichturteil durch Prozessbetrug erschlichen hat; dann muss der Versicherer aber auch schon im Deckungsprozess den Manipulationseinwand als Arglisteinrede erheben können2.
206
Die Beweislast liegt allerdings jetzt in vollem Umfang beim Versicherer3; die teilweise wesentlich günstigere Beweissituation des Haftpflichtprozesses besteht für den Versicherer im nachfolgenden Deckungsprozess nicht mehr.
207
! Hinweis: Durch eine Verurteilung des Versicherten im Haftpflichtprozess kann die Stellung des Versicherers im Deckungsprozess verschlechtert werden. Dieser muss also daran interessiert sein, dass schon im Haftpflichtprozess möglichst auch die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten abgewiesen wird. Der Versicherer sollte deshalb dem Versicherten nicht schon vor Abschluss des Haftpflichtprozesses den Versicherungsschutz entziehen, weil er dadurch nicht nur sein Prozessführungsrecht verliert, sondern
1 OLG Saarbrücken v. 8. 4. 2003 – 3 U 159/02, OLGR 2003, 272; OLG Hamm v. 2. 10. 1985 – 20 U 78/85, VersR 1987, 88; nach Johannsen in Bruck/Möller/Johannsen, Band V, Anm. G 11b), kann V in diesen Fällen immer einwenden, es sei durch eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung zu dem Urteil gekommen, der Versicherte habe im Haftpflichtprozess bewusst unwahre Angaben gemacht, der Unfall habe gar nicht stattgefunden oder sei verabredet gewesen; nach Reiff, VersR 1990, 113, 122, kann sich der Versicherer trotz der Bindung an die im Haftpflichtprozess getroffene Feststellung, es liege ein nicht vorsätzlich herbeigeführter Versicherungsfall vor, im Deckungsprozess darauf berufen, zu dieser (bindenden) Feststellung sei es infolge einer Obliegenheitsverletzung gekommen; s. hierzu auch Gottwald/Adolphsen, NZV 1995, 129, 131. 2 Johannsen in Bruck/Möller/Johannsen, Band V, Anm. G 11b); nach Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 114 ff., kann V diese Arglisteinrede auch dem Versicherten gegenüber erheben, wenn dieser selbst den nachfolgenden Deckungsprozess führt; s. auch Gottwald/Adolphsen, NZV 1995, 129, 131. 3 OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 1999, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414; v. 2. 10. 1985 – 20 U 78/85, VersR 1987, 88; Reiff, VersR 1990, 113, 122.
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208
Teil 6
Rz. 209
Unfallmanipulation
weil dadurch insbesondere auch die Obliegenheitsgebundenheit des Versicherten endet1. 209
Diese Entziehung ist auch gar nicht nötig; statt der Deckungsablehnung gegenüber dem Versicherten reicht die Regulierungsablehnung gegenüber dem Anspruchsteller zunächst völlig aus.
4. Interessenkollision und Streithilfe 210
Der Versicherer kann gem. § 7 II Abs. 5 AKB die Prozessführung für den Halter als Versicherungsnehmer und ggf. auch für den Fahrer als Mitversicherten selbst in die Hand nehmen, d. h. auch für sie einen Anwalt beauftragen und diesen anweisen, auch für Fahrer und/oder Halter den Klageabweisungsantrag mit dem Manipulationseinwand zu begründen. a) Interessenkollision
211
Werden die Beklagten auf diese Weise im Prozess durch einen einzigen vom Versicherer bestellten Anwalt vertreten, sind sie zwar trotz der Interessenkollision prozessual ordnungsgemäß vertreten (§ 78 ZPO); das Gericht wird dieses also hinzunehmen haben2. Der Anwalt, der vom Versicherten anders informiert worden ist, würde sich aber – diese Auffassung hat sich inzwischen durchgesetzt – in grober Weise standeswidrig verhalten und sich evtl. sogar wegen Parteiverrats strafbar machen, wenn er im Prozess gegen den Willen des Versicherten auch für diesen als Prozessvertreter der Beklagten den Manipulationseinwand erhebt3.
212
Wegen der entstehenden Interessenkollision können deshalb im Prozess Versicherer und Versicherter nicht von demselben Anwalt vertreten werden; der Anwalt, der die Interessenkollision zu spät erkennt, kann nicht ein Mandat weiterführen, er muss gem. § 3 Abs. 4 BORA beide Mandate niederlegen4. Der Versicherte kann eine Vertretung durch den vom Versicherer bestellten Anwalt ablehnen und einen Anwalt eigener Wahl beauftragen, wenn der Versicherer den Manipulationseinwand und damit gegen ihn den Betrugsvorwurf erhebt5. Ob ihm insoweit aber Prozesskostenhilfe bewilligt werden muss, war umstritten; der BGH hat dieses be1 OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 1999, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414; Geyer, VersR 1989, 882, 889 f. m. w. H. 2 Birkner, zfs 1994, 113,115 unter Hinweis auf OLG Oldenburg v. 24. 6. 1992. 3 Birkner, zfs 1994, 113, 115; Freyberger, VersR 1991, 842; Kääb, NZV 1991, 169, 171; Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 146; a. A. Keilbar, NZV 1991, 335; Geyer, VersR 1989, 882, 888. 4 Born/Schneider in Berz/Burmann, Teil 5 D, Rz. 12. 5 OLG Frankfurt v. 11. 1. 1991 – 8 U 123/90, r+s 1991, 329; Liebscher, NZV 1994, 215, 216.
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 215 Teil 6
jaht1. Sie ist sicher nicht zu bewilligen, wenn der in Anspruch genommene Fahrer nur den Vorsatz bestreitet2. Beauftragt der Versicherte einen eigenen Anwalt, kann er im Falle der Verurteilung wohl nicht vom Versicherer die Übernahme der Kosten für den 2. Anwalt verlangen3. Wird die Klage abgewiesen, hat der Kläger auch die Kosten des 2. Anwalts zu tragen4. Selbst wenn der Versicherer dem Versicherten einen zweiten Anwalt bestellt und der Versicherte dieses hinnimmt, darf dieser aus standesrechtlichen Gründen nicht auf Weisung des Versicherers die Unfallabsprache behaupten, wenn der Versicherte ihn anders informiert hat; denn allein dieser ist im Prozess seine Partei, deren Interessen er wahrzunehmen hat5.
213
Selbst wenn der für den Versicherten bestellte Anwalt aber unter Verletzung seiner Standespflichten den Manipulationseinwand erheben würde, wäre dieser unbeachtlich, sobald der Versicherte in der Verhandlung, z. B. bei einer persönlichen Anhörung gem. §§ 137 Abs. 4, 141 ZPO, den Vortrag des Klägers einräumt. Denen bei offenen Widersprüchen zwischen den tatsächlichen Angaben der Partei und ihres Anwalts ist der von der Partei geschilderte Sachverhalt maßgeblich; wie sich aus § 85 Abs. 1 S. 2 ZPO ergibt, haben die tatsächlichen Angaben der Partei Vorrang6.
214
b) Streitbeitritt des Haftpflichtversicherers Der Versicherer kann aber – auch nach der Auffassung des BGH7 – dem Rechtsstreit des Geschädigten gegen den Versicherten auf Seiten des Ver1 BGH v. 6. 7. 2010 – VI ZB 31/08, MDR 2010, 1048 = r+s 2010, 411 = NZV 2010, 561 = VersR 2010, 1472; bejahend auch OLG Köln v. 8. 11. 1996 – 16 W 74/96, VersR 1997, 597; Hansens, zfs 2008, 528; verneinend OLG Hamm v. 6. 1. 2009 – 9 W 57/08, OLGR 2009, 461 = NZV 2009, 506 = VersR 2009, 947; KG v. 11. 6. 2008 – 12 U 115/08, KGR 2008, 783 = NZV 2008, 520 = VersR 2008, 1559; v. 17. 4. 2008 – 12 W 1/08, KGR 2008, 903 = NZV 2008, 519 = VersR 2008, 903; OLG Frankfurt v. 29. 12. 2004 – 1 W 96/04, VersR 2005, 1550. 2 OLG Hamm v. 10. 3. 2005 – 6 W 13/05, OLGR 2005, 467 = NZV 2005, 376 = VersR 2006, 717. 3 So jedenfalls AG Düsseldorf v. 18. 4. 1996 – 39 C 9998/95, VersR 1997, 52. 4 OLG Karlsruhe v. 16. 9. 1998 – 3 W 60/98, NZV 1998, 508 = VersR 1999, 465; s. dazu auch BGH v. 21. 1. 2004 – IV ZB 32/03, MDR 2004, 569 = r+s 2005, 89 = NZV 2004, 179 = VersR 2004, 622: Erstattungsanspruch, wenn ein besonderer sachlicher Grund für die Beauftragung eines 2. Anwalts bestand. 5 Freyberger, NZV 1992, 391, 394 unter Hinweis auf BGH v. 23. 10. 1990 – VI ZR 105/90, MDR 1991, 234 = r+s 1992, 110 = NZV 1991, 350 = VersR 1991, 236. 6 Lemcke, VersR 1995, 989, 991; Bayer, NVersZ 1998, 9, 10 f. 7 BGH v. 6. 7. 2010 – VI ZB 31/08, MDR 2010, 1048 = r+s 2010, 411 = NZV 2010, 561 = VersR 2010, 1472; BGH v. 9. 3. 1993 – VI ZR 249/92, DAR 1993, 225 = r+s 1994, 212 m. Anm. Lemcke.
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Teil 6
Rz. 216
Unfallmanipulation
sicherten gem. § 67 ZPO als Nebenintervenient (Streithelfer) beitreten1. Der Versicherer ist dann in einer Doppelfunktion am Prozess beteiligt: als Partei und als Streithelfer des mitverklagten Versicherten. 216
Der vom Versicherer bestellte Anwalt vertritt dann nur den Versicherer, diesen aber in dieser Doppelfunktion; das hat zur Folge, dass eine Interessenkollision nicht besteht2. Andererseits erfüllt der Versicherer die dem Versicherten gegenüber bestehende versicherungsvertragliche Pflicht zur Rechtsschutzgewährung hinreichend, wenn er diesen Weg beschreitet, statt für den Versicherten einen eigenen Anwalt zu bestellen.
! Hinweis: Die sich für den Anwalt aus der Interessenkollision ergebenden Probleme können elegant und kostengünstig durch den Streitbeitritt des Versicherers umgangen werden. 217
Das für die Zulässigkeit des Beitritts gem. § 66 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse des Versicherers am Obsiegen des Versicherten ergibt sich aus der Bindungswirkung; das Interesse besteht selbst dann noch, wenn zuvor bereits die Deckungsklage des Geschädigten gegen den Versicherer abgewiesen worden ist3. Es besteht auch dann, wenn der KH-Versicherer nicht mitverklagt ist. Es besteht selbst dann, wenn es um Ansprüche aus dem Bereich der Allgemeinen Haftpflicht geht; auch der AH-Versicherer kann dem verklagten Versicherten als Streithelfer beitreten4.
218
Der Beitritt erfolgt gem. § 70 ZPO durch Einreichung eines entsprechenden Schriftsatzes, der beiden Parteien zuzustellen ist. Der Beitritt kann gem. § 66 Abs. 2 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreits erfolgen, also auch noch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels (Einspruch gegen Versäumnisurteil oder Berufung). Der Versicherer kann also zunächst abwarten, wie sich der Prozess gegen den Versicherten entwickelt. Der Beitritt kann auch noch erfolgen, nachdem die Klage gegen den Versicherer bereits durch Teilurteil abgewiesen worden ist5. 1 Heute das allgemein übliche Verfahren, s. z. B. OLG Köln v. 7. 1. 1998 – 2 U 85/96, r+s 1998, 191 m. Anm. Lemcke m. w. H.; OLG Karlsruhe v. 10. 10. 1997 – 14 U 109/95, VersR 1998, 386; OLG Frankfurt v. 13. 10. 1993 – 23 U 212/92; OLG Köln v. 17. 5. 1991 – 6 U 60/90, r+s 1991, 220; LG Köln v. 19. 11. 1991 – 8 O 281/91, VersR 1993, 1095; s. hierzu auch Gottwald/Adolphsen, NZV 1995, 129, 131. 2 Freyberger, VersR 1991, 842, 843 f.; Freyberger, NZV 1992, 391, 393; Staab, VVW Karlsruhe, H.75 (1991), S. 132; OLG Köln v. 17. 5. 1991 – 6 U 60/90, r+s 1991, 220. 3 S. auch Wussow in WI 1993, 62f, m. w. N. 4 OLG Brandenburg v. 11. 3. 1997 – 6 U 18/96, OLGR 1997, 326; OLG Hamm v. 29. 4. 1996 – 6 U 187/95, MDR 1996, 962 = r+s 1997, 55 = zfs 1996, 287 = OLGR 1996, 143 = VersR 1997, 854 = NJW-RR 1997, 156; OLG Düsseldorf v. 27. 5. 1997 – 4 U 126/96, r+s 1998, 84 = zfs 1998, 59 = NJW-RR 1998, 606; LG Siegen v. 14. 12. 1993 – 3 T 51/93, VersR 1994, 1367; s. hierzu auch Freyberger, NZV 1992, 391, 393. 5 Wussow in WI 1993, 195 unter Hinweis auf OLG Frankfurt v. 13. 10. 1993.
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Lemcke
VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 222 Teil 6
Der Versicherer bleibt zwar auch nach dem Beitritt im Prozess des Geschädigten gegen den Versicherten Dritter. Er ist aber berechtigt, für den Versicherten Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle der unterstützten Partei selbst zustehenden Prozesshandlungen mit Wirkung für diese vorzunehmen, selbst dann, wenn die Klage gegen den Versicherten wegen unbekannten Aufenthalts nicht zugestellt werden konnte; der Zustellungsmangel wird durch das Verhandeln für den Versicherten geheilt1. Der Versicherer ist nicht nur berechtigt, für den Versicherten den Klageabweisungsantrag zu stellen, er kann auch ggf. für ihn Rechtsmittel einlegen2. Er darf den Klageabweisungsantrag auch für den Versicherten mit dem Manipulationseinwand begründen. Zwar darf der Streithelfer nicht zum Nachteil der unterstützten Partei handeln3; dieser Vortrag dient aber dem Ziel, die Abweisung der Klage gegen den Versicherten zu erreichen.
219
Zu beachten ist, dass für die Frage der Fristwahrung jeweils auf die Zustellung an die Partei – also hier auf die Zustellung an den Versicherten – abzustellen ist und nicht auf die Zustellung an den Versicherer als Streithelfer4; das wird in der Praxis oft übersehen5.
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! Hinweis: Im Falle des Streitbeitritts laufen die Rechtsmittelfristen jeweils ab Zustellung an die Partei, nicht ab Zustellung an den Streithelfer. c) Befreiung von den Beschränkungen des § 67 Halbs. 2 ZPO? Der Versicherer ist zwar, wie bereits gesagt, berechtigt, für den Versicherten den Klageabweisungsantrag zu stellen und ihn mit dem Manipulationseinwand zu begründen. Es stellt sich aber die Frage, was gilt, wenn der Versicherte – entweder durch einen eigenen Anwalt oder bei seiner persönlichen Anhörung gem. §§ 137 Abs. 4, 141 ZPO oder im Rahmen einer Vernehmung als Partei gem. § 445 ZPO – das Vorbringen des Klägers als richtig einräumt.
221
Ist der Versicherer nur sog. unselbständiger Streithelfer des Versicherten i. S. d. § 67 Halbs. 2 ZPO, wird sein entgegenstehender Sachvortrag, soweit für den Versicherten erhoben, unbeachtlich6. Denn die Erklärungen
222
1 OLG Brandenburg v. 17. 1. 2008 – 12 U 123/07, Juris. 2 OLG Brandenburg v. 18. 12. 2008 – 12 U 152//08, Juris; OLG Koblenz v. 4. 10. 2005 – 12 U 1114/04, OLGR 2006, 386 = NZV 2006, 262 = VersR 2006, 523; OLG Düsseldorf v. 29. 3. 2004 – 1 U 161/03, VersR 2004, 1020. 3 Kittner, JuS 1986, 131, 134. 4 BGH v. 15. 6. 1989 – VII ZR 227/88, NJW 1990, 190; Kittner, JuS 1986, 131, 133. 5 S. z. B. OLG Hamm v. 22. 3. 2000 – 13 U 144/99, VersR 2001, 1127. 6 OLG Hamm v. 29. 4. 1996 – 6 U 187/95, MDR 1996, 962 = r+s 1997, 55 = zfs 1996, 287 = OLGR 1996, 143 = VersR 1997, 853 = NJW-RR 1997, 156; v. 10. 11. 1997 –
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Teil 6
Rz. 223
Unfallmanipulation
und Handlungen des unselbständigen Streithelfers dürfen nicht mit denen der unterstützten Partei im Widerspruch stehen. Deshalb wird der Sachvortrag des Klägers im Prozess gegen den Versicherten unstreitig; evtl. liegt sogar ein Geständnis des Versicherten i. S. d. § 288 ZPO vor. Wäre der Versicherer aber sog. streitgenössischer Streithelfer i. S. d. §§ 69, 62 ZPO, hätte er die Stellung eines notwendigen Streitgenossen mit der Folge, dass der Manipulationseinwand beachtlich bliebe und das Gericht ihm auch im Prozess des Geschädigten gegen den Versicherten nachzugehen hätte. 223
Der BGH1 hat die Frage aufgeworfen, ob dem Versicherer als Streithelfer evtl. weitergehende Rechte gem. § 69 ZPO zustehen; er hat diese Frage allerdings nicht beantwortet. Es kann aber wohl nur derjenige streitgenössischer Streithelfer sein, der als Partei notwendiger Streitgenosse ist. Wenn man deshalb mit dem BGH annimmt, dass Versicherer und Versicherte nur einfache Streitgenossen sind (s. fi Rz. 189), kann der Versicherer auch nur unselbständiger Streithelfer sein2.
224
Ist der Versicherer selbst als Partei am Prozess beteiligt, bestehen auch dann, wenn er nur die Stellung eines unselbständigen Streithelfers hat, für ihn ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten, um eine unberechtigte Inanspruchnahme aufgrund dolosen Zusammenwirkens zwischen dem angeblich Geschädigten und dem Versicherten zu seinen Lasten zu verhindern (s. fi Rz. 235 ff.).
225
Ist der Versicherer aber – wie z. B. i. d. R. im Bereich der Allgemeinen Haftpflicht (wegen der jetzt möglichen direkten Inanspruchnahme s. fi Rz. 255 )– nicht als Partei am Prozess beteiligt, steckt der Versicherer in einem „schier unlösbaren Dilemma“3: Der Klagevortrag wird dadurch, dass der Versicherte ihn bei seiner persönlichen Anhörung einräumt, unstreitig, der Versicherte wird aufgrund des unstreitigen Sachverhalts ohne Beweisaufnahme verurteilt, und im anschließenden Deckungsprozess kann der Versicherer seine Verurteilung nur dann vermeiden, wenn 6 U 1/97, MDR 1998, 285 = r+s 1998, 65 = OLGR 1998, 44 = VersR 1998, 1274 m. Anm. Bayer, VersR 1999, 224 f.; Elsner, zfs 2005, 475, 476; s. hierzu ferner OLG Schleswig v. 20. 1. 1999 – 9 U 19/98, MDR 1999, 1152; OLG Düsseldorf v. 27. 5. 1997 – 4 U 126/96, r+s 1998, 84 = NJW-RR 1998, 606 = zfs 1998, 59; OLG Brandenburg v. 11. 3. 1997 – 6 U 18/97, OLGR 1997, 326; a. A. OLG Köln v. 12. 1. 1999 – 3 U 28/98, VersR 2000, 1302. 1 BGH, DAR 1993, 225 = r+s 94, 212 m. Anm. Lemcke; s. auch Wussow, WM 1993, 62 und 195 unter Hinweis auf OLG Frankfurt v. 13. 10. 93; OLG Köln v. 17. 5. 1991 – 6 U 60/90, r+s 1991, 220; LG Köln v. 19. 11. 1991 – 8 O 281/91, VersR 1993, 1095; s. hierzu auch Gottwald/Adolphsen, NZV 1995, 129, 131. 2 S. näher Lemcke, r+s 1994, 212 (Urteilsanm.); so auch Gottwald/Adolphsen, NZV 1995, 129, 132; Krämer, r+s 2001, 177, 182. 3 So Langheid/Müller/Frank, NJW 1993, 2652, 2659 f.
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 229 Teil 6
er nachweist, dass der Versicherte durch falsche Angaben zum Sachverhalt seine Obliegenheiten verletzt hat1. Die Versuche, dieses unbefriedigende Ergebnis im Haftpflichtprozess zu vermeiden, sind zumeist mit dem Verfahrensrecht nicht zu vereinbaren. So ist es z. B. verfahrensfehlerhaft, allein deshalb, weil gegen die Richtigkeit der übereinstimmenden Angaben der Parteien Bedenken bestehen, in eine Beweisaufnahme zu treten2. Anders ist es erst dann, wenn das Gericht – was in der Praxis nur selten der Fall sein wird – schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts von der Unrichtigkeit überzeugt ist (s. fi Rz. 231). Zwar ist es richtig, dass in den Angaben des Versicherten im Rahmen einer förmlichen Parteivernehmung kein Geständnis i. S. d. § 288 ZPO mit entsprechender Bindungswirkung liegt3; es ist aber verfahrensfehlerhaft, es überhaupt zu einer Beweisaufnahme kommen zu lassen.
226
Wegen dieses Dilemmas befürwortet Bayer4 eine analoge Anwendung der Regelungen über die streitgenössische Nebenintervention. Zwar sei der beitretende Haftpflichtversicherer nur einfacher Streithelfer i. S. d. § 67 ZPO. Denn es fehle die in § 69 ZPO für die streitgenössische Nebenintervention geforderte Rechtskrafterstreckung des Haftpflichturteils auf das Rechtsverhältnis zwischen Haftpflichtversicherer und dem Anspruchsteller. Die analoge Anwendung des § 69 ZPO sei aber gerechtfertigt, weil die versicherungsvertragliche Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsprozess ähnliche Wirkungen habe wie die in § 69 ZPO erwähnte Rechtskraft.
227
Dem ist jedoch das OLG Schleswig5 entgegengetreten. Auch Krämer6 sieht es als angemessenes Ergebnis an, wenn dem Versicherer nur die Möglichkeit bleibt, sich im nachfolgenden Deckungsprozess mit dem Einwand zur Wehr zu setzen, der Versicherte habe seine Aufklärungsobliegenheiten verletzt. Die Beweislast liegt jetzt aber beim Versicherer.
228
Im Ergebnis sind somit – auch wenn die Rechtsfragen noch nicht abschließend geklärt sind – die Einwirkungsmöglichkeiten des Versicherers als Streithelfer begrenzt. Er kann aber vor allem durch den Beitritt als Streithelfer verhindern, dass gegen den – oft nicht anwaltlich vertrete-
229
1 Krämer, r+s 2001, 177 ff, 179 f. 2 OLG Köln v. 12. 1. 1999 – 3 U 28/98, VersR 2000, 1302; OLG Düsseldorf v. 27. 5. 1997 – 4 U 126/96, r+s 1998, 84 = NJW-RR 1998, 606 = zfs 1998, 59; BGH v. 14. 3. 1995 – VI ZR 122/94, MDR 1995, 518 = r+s 1995, 318 = NJW 1995, 1432 = VersR 1995, 678 m. Anm. Lemcke, VersR 1995, 989, 990 f. 3 BGH v. 14. 3. 1995 – VI ZR 122/94, MDR 1995, 518 = r+s 1995, 318 = NJW 1995, 1432 = VersR 1995, 678 m. Anm. Lemcke, VersR 1995, 989, 990 f. 4 Bayer, NVersZ 1998, 9, 10 f.; s. auch Bayer, Urteilsanm., VersR 1999, 224 f. 5 OLG Schleswig v. 20. 1. 1999 – 9 U 19/98, MDR 1999, 1152. 6 Krämer, r+s 2001, 177, 179.
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Teil 6
Rz. 230
Unfallmanipulation
nen – Versicherten schon in einem frühen Stadium des Prozesses ein stattgebendes Versäumnis-Teilurteil ergeht (s. fi Rz. 219).
! Hinweis: Zwar sind im Falle des Streitbeitritts des Versicherers dessen Einwirkungsmöglichkeiten auf den Prozess gegen den Versicherten noch nicht abschließend geklärt; in jedem Falle kann dadurch aber ein Versäumnisurteil gegen diesen verhindert werden.
5. Geständnis und Anerkenntnis des Versicherten 230
Ein gerichtliches Geständnis nach § 288 ZPO ist grundsätzlich auch dann wirksam, wenn es bewusst unwahr ist; dasselbe gilt für ein Anerkenntnis nach § 307 ZPO1.
231
Das Geständnis ist aber – wie auch das Anerkenntnis – nicht zu beachten, wenn es auf einen Betrug zu Lasten eines Dritten hinzielt2. Steht fest, dass der Versicherte den Unfall mit dem Geschädigten verabredet hat, muss trotz eines Geständnisses oder Anerkenntnisses des Versicherten auch die Klage gegen diesen abgewiesen werden. Der Umstand, dass das versicherungsvertragliche Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot jetzt nicht mehr besteht (§ 105 VVG n. F.), ist insoweit ohne Bedeutung. Der Versicherte, der den Haftpflichtanspruch des Dritten anerkennt, geht auch weiterhin das Risiko ein, dem Dritten gegenüber aufgrund des Anerkenntnises ersatzpflichtig zu sein, ohne vom Haftpflichtversicherer Deckung zu erhalten. Steht fest, dass das Anerkenntnis auf einen Betrug zu Lasten einesDriten hinzielt, ist es auch weiterhin nicht zu beachten.
232
Die Geständnisfiktion des § 331 ZPO geht nicht weiter als ein wirkliches Geständnis; steht fest, dass der Versicherte den Unfall mit dem Geschädigten verabredet hat, muss die Klage gegen diesen auch im Falle seiner Säumnis abgewiesen werden3.
233
Die Konsequenz hieraus: Sobald das Gericht – z. B. aufgrund einer Beweisaufnahme im Prozess des Geschädigten gegen den Versicherer – davon überzeugt ist, dass der Versicherte den Unfall mit dem Geschädigten verabredet hat, ist (auch) die Klage gegen den Versicherten abzuweisen. Das gilt selbst bei einer Säumnis des Versicherten.
1 BGH v. 22. 5. 1970 – IV ZR 1084/68, VersR 1970, 826. 2 BGH v. 22. 5. 1970 – IV ZR 1084/68, VersR 1970, 826; v. 13. 12. 1977 – VI ZR 206/75, r+s 1978, 233 = VersR 1978, 862; v. 13. 12. 1977 – VI ZR 36/768, r+s 1978, 235 = VersR 1978, 865; Reiff, VersR 1990, 113, 115 f. 3 Reiff, VersR 1990, 113, 116; Stein/Jonas/Schumann, § 331 ZPO, Rz. 5; MüKo/ Prütting, § 331 ZPO, Rz. 20.
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 238 Teil 6
! Hinweis: Weil auch die Klage gegen den Versicherten abzuweisen ist, sobald das Gericht von der Unfallverabredung überzeugt ist, muss der Versicherer versuchen, eine Vorab-Entscheidung gegen den Versicherten durch Teilurteil zu verhindern.
6. Konsequenzen für die Prozessführung Aus diesen prozessualen Besonderheiten ergeben sich, wenn Manipulationsverdacht besteht, für die Parteien bzw. ihre Anwälte und für das Gericht folgende Konsequenzen für die Prozessführung:
234
a) Prozessführung durch den klagenden Geschädigten Der Geschädigte verklagt zweckmäßigerweise neben dem Versicherer auch den Versicherten. Zwar verliert er damit den – evtl. zu seinen Gunsten aussagebereiten – Versicherten als Zeugen. Er kann aber (auch) im Prozess gegen den Versicherer die Vernehmung des Versicherten als Partei beantragen (fi Rz. 192). Vor allem aber hat er bei einem obsiegenden Urteil gegen den Versicherten wegen der Bindungswirkung selbst im Falle der Abweisung der Direktklage gegen den Versicherer die Möglichkeit, erfolgreich die Deckungsklage gegen diesen (aus dem Recht des Versicherten) zu erheben (fi Rz. 201 f.).
235
Der Geschädigte darf ein abweisendes oder teilabweisendes Urteil gegen einen Streitgenossen im Hinblick auf § 3 Nr. 8 PflVG a. F. bzw. jetzt auf § 124 Abs. 1 VVG nicht rechtskräftig werden lassen, wenn er die Klage gegen den anderen Streitgenossen weiterverfolgen will (fi Rz. 200).
236
Er muss den äußeren Schadenshergang und die Schadensfolgen darlegen und beweisen. Die Einwilligung muss zwar der Versicherer darlegen und beweisen; insoweit kann der Geschädigte aber versuchen, entlastende Indizien vorzutragen und belastende Indizien durch entsprechenden Vortrag zu schwächen, um die Überzeugungsbildung des Gerichts zu verhindern. Insoweit ist er jedoch beweispflichtig (fi Rz. 58).
237
b) Prozessführung durch den verklagten Versicherer Dieser darf sich nicht damit begnügen, für sich die Klageabweisung anzustreben, er muss wegen der Bindungswirkung auch versuchen, eine Verurteilung des Versicherten zu verhindern; er muss vor allem versuchen zu verhindern, dass schon im Frühstadium des Prozesses ein zusprechendes Versäumnis-Teilurteil gegen den Versicherten ergeht (fi Rz. 208). Strategisches Ziel des Versicherers muss es sein, den Prozess gegen den Versicherten so lange in der Schwebe zu halten, bis die Klage gegen ihn, Lemcke
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238
Teil 6
Rz. 239
Unfallmanipulation
den Versicherer, entscheidungsreif ist1. Gelingt es ihm, für sich die Klageabweisung zu erreichen, ist trotz der Sachangaben des Versicherten i. d. R. auch die Klage gegen diesen abzuweisen. 239
Der Versicherer kann zwar gem. §§ 7 II Abs. 5, 10 Abs. 5 AKB die Prozessführung für den Versicherten selbst in die Hand nehmen, aber wegen der Interessenkollision nicht durch Beauftragung des eigenen Anwalts (fi Rz. 211 ff.). Er kann dieses Problem jedoch umgehen durch den Beitritt als Streithelfer (fi Rz. 215 ff.). Der Versicherer darf in dieser Funktion auch für den Versicherten zur Verteidigung gegen die Klage die Unfallverabredung vortragen.
240
Zwar wird dieser Vortrag unbeachtlich, wenn der Versicherte den Vortrag des Geschädigten unstreitig stellt oder sogar zugesteht. Jetzt muss der Versicherer – notfalls durch Rechtsmitteleinlegung – eine Vorab-Verurteilung des Versicherten durch Teilurteil verhindern, bis die Beweisaufnahme im Prozess des Geschädigten gegen den Versicherer erfolgt ist. Gelingt in der Beweisaufnahme der Nachweis der Verabredung, ist auch die Klage gegen den Versicherten abzuweisen (fi Rz. 231).
241
Die Rechtsverteidigung des Versicherers muss eindeutig sein; in der Praxis ist z. B. oft schon nicht hinreichend klar, ob er sich nur auf Einwilligung berufen will oder ob er auch schon den äußeren Schadenshergang bestreiten will. Er darf – was in der Praxis nicht selten geschieht – für den Fall, dass er mit dem Manipulationseinwand nicht durchdringt, auch die allgemeinen Verteidigungsmöglichkeiten zum Haftungsgrund und zur Schadenshöhe nicht vergessen. c) Prozessführung durch den verklagten Versicherten
242
Er kann selbst einen Anwalt beauftragen. Wenn er diesen dahin informiert, dass ein echter Unfall vorliegt und der Versicherer den Betrugsvorwurf zu Unrecht erhebt, hat er (wie auch der Geschädigte) Anspruch auf wirksame Vertretung unter Ausnutzung aller prozessualen Möglichkeiten.
243
Viele Anwälte tun sich schwer, den Versicherten in einem solchen Prozess angemessen zu vertreten. Zu beachten ist Folgendes:
244
Der Auftrag geht dahin, Schaden vom Versicherten abzuwenden. Dieses Ziel ist auf zweifache Weise zu erreichen: Entweder durch Klageabweisung oder durch gemeinsame Verurteilung. Bei gemeinsamer Verurteilung hat der Versicherer im Innenverhältnis Klageforderung und Prozesskosten zu tragen2, vorausgesetzt, der Versicherte hat seine Obliegenhei1 S. dazu insb. Elsner, zfs 2005, 475 ff. 2 Evtl. nicht die eigenen außergerichtlichen Kosten des Versicherten.
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 248 Teil 6
ten nicht verletzt. Ziel muss es also sein, eine isolierte Verurteilung zu verhindern. Der Versicherte wird den Unfallhergang und dessen Unfreiwilligkeit nicht bestreiten wollen; er darf aber nur unstreitig stellen, weder anerkennen noch zugestehen (Obliegenheitsverletzung). Das sollte, um Missverständnissen vorzubeugen, deutlich gemacht werden.
245
Der Anwalt kann wie in jedem „normalen“ Haftpflichtprozess den Mitverantwortungseinwand erheben (§ 17 StVG) und/oder die Unfallfolgen mit Nichtwissen bestreiten. Er kann aber auch rechtlich argumentieren, d. h. darauf hinweisen, dass auch die Klage gegen den Versicherten abgewiesen werden muss, wenn das Gericht die Überzeugung erlangt, dass der Sachvortrag entgegen den erteilten Informationen doch falsch, der Unfall tatsächlich doch verabredet oder nur vorgetäuscht gewesen ist. Er kann auf die rechtlichen Bedenken gegen eine Vorab-Entscheidung des Prozesses gegen den Versicherten durch Teilurteil hinweisen (s. fi Rz. 252 ff.) und anregen, diesen Prozess notfalls abzutrennen und nach § 148 ZPO auszusetzen1, unter Hinweis darauf, dass er als Anwalt des Versicherten gezwungen ist, eine Vorab-Entscheidung anzufechten, und dass dieses auch Erfolg haben wird, wenn die Klage gegen den Versicherer abgewiesen wird (fi Rz. 200). Wird der Versicherte dennoch vorab verurteilt, muss er diese Verurteilung anfechten und versuchen, die Entscheidung so lange in der Schwebe zu halten, bis der Prozess gegen den Versicherer entschieden ist (fi Rz. 200).
246
Falls der Versicherte nach § 141 ZPO angehört oder förmlich als Partei vernommen wird, ist er zur Wahrheit verpflichtet. In der Erfüllung der prozessualen Pflichten kann keine Obliegenheitsverletzung liegen. Im Deckungsprozess müsste der Versicherer die Unwahrheit nachweisen2.
247
d) Prozessführung durch das Gericht Aus den prozessualen Besonderheiten ergeben sich folgende Konsequenzen für die Prozessführung durch das Gericht3: In der Berufungsinstanz ist das abweisende Urteil gegen den Versicherer in fast allen Fällen sogleich unanfechtbar. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, auch die Klage gegen den angeblichen Schädiger abzuweisen, und
1 So jedenfalls OLG Celle v. 16. 6. 1988 – 5 U 199/87, VersR 1988, 1286; Dannert, r+s 1990, 1, 4 f.; Geyer, VersR 1989, 882, 889; a. A. Reiff, VersR 1990, 113, 117; Freyberger, NZV 1992, 391. 2 OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, r+s 1999, 142 = zfs 2000, 257 = NZV 2000, 414. 3 S. auch Lemcke, VersR 1995, 989, 990; Lemcke, r+s 1998, 191 (Urteilsanm.).
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Teil 6
Rz. 249
Unfallmanipulation
zwar wegen der negativen Rechtskrafterstreckung gem. § 3 Nr. 8 PflVG a. F. bzw. jetzt gem. § 124 Abs. 1 VVG (fi Rz. 193 ff.). 249
Ist das Berufungsurteil ausnahmsweise revisibel, gelangt das Gericht aber im Prozess gegen den Versicherer zu dem Ergebnis, dass der Unfall verabredet gewesen ist, ist die Klage gegen den Versicherten jedenfalls deshalb abzuweisen, weil ein Geständnis nicht zu beachten ist, wenn es auf einen Betrug zu Lasten eines Dritten hinzielt (fi Rz. 231).
250
In gleicher Weise ist in erster Instanz zu verfahren, sobald das Gericht davon überzeugt ist, dass ein verabredeter Unfall vorliegt.
251
Der Versicherer kann dem Versicherten als Streithelfer beitreten und für ihn den Klageabweisungsantrag stellen und mit dem Manipulationseinwand begründen. Dann darf kein Versäumnis-Teilurteil gegen den Versicherten ergehen (fi Rz. 219).
252
Zwar kann auch dann die Situation eintreten, dass der Prozess gegen den Versicherten aufgrund seines Geständnisses bereits entscheidungsreif ist, während im Prozess gegen den Versicherer aufgrund des Manipulationseinwandes noch Beweis erhoben werden muss. In diesem Falle ist es aber allein sachgerecht, von dem Erlass eines Teilurteils gegen den angeblichen Schädiger gem. § 301 Abs. 2 ZPO – die Bestimmung gilt auch bei subjektiver Klagehäufung – abzusehen. Denn wenn unter den Voraussetzungen der §§ 148, 149 ZPO sogar die Aussetzung bis zur Entscheidung eines anderen Verfahrens möglich ist, muss der Richter erst recht vom Erlass eines Teilurteils gegen den einen Streitgenossen absehen können, wenn er im Prozess gegen den anderen Streitgenossen der Frage nachgehen muss, ob sich dieser mit dem Kläger zum Betrug zu Lasten des Versicherers zusammengetan hat.
253
Man kann nicht als Richter, den möglichen Rechtsmissbrauch vor Augen, noch ein Teilurteil erlassen, das dann evtl. irreparable nachteilige Folgen für einen Dritten haben kann; wer als Richter anders verfährt, lässt sich evtl. ausnutzen als Werkzeug zum Prozessbetrug1.
254
In der Literatur wird diskutiert, ob sich im Bereich der Unfallmanipulation die Rechtslage aufgrund der Änderungen in dem neuen VVG – nach §§ 105, 108 Abs. 2 VVG n. F. sind Anerkennung und Abtretung nicht mehr versicherungsvertraglich verboten – für den Versicherer verschlechtert hat2. Das trifft nicht zu. Im Bereich der KH-Versicherung wird der Umstand, dass der Versicherte den versicherungsvertaglichen Deckungsanspruch jetzt an den Dritten abtreten kann, wegen des bestehenden Direktanspruchs des Dritten gegen den KH-Versicherer aus 1 S. näher Lemcke, r+s 1993, 163 f. 2 Lange, r+s 2007, 401 ff.; Langheid, VersR 2007, 865 ff.; Heß/Burmann, NJW-Spezial 2007, 399 ff.
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VII. Prozessuale Besonderheiten
Rz. 255 Teil 6
§ 115 Abs. 1 VVG n. F. ohne praktische Folgen bleiben. Denkbar ist aber, dass der Dritte den Deckungsanspruch aus abgetretenem Recht, gestützt auf ein Anerkenntnis des Versicherten, gegen den KH-Versicherer geltend macht. Zwar wird der Dritte dann auf Zahlung klagen können, der Freistellungsanpruch hat sich dann aufgrund des Anerkenntnisses in einen Zahlungsanspruch umgewandelt; anders als ein Haftpflichturteil hat das Anerkenntnis aber keine Bindungswirkung zu Lasten des Versicherers, die Zahlungsverpflichtug besteht nur, wenn er auch ohne das Anerkenntnis dem Versicherten gegenüber zur Freistellung verpflichtet wäre1. Der Versicherer kann also das Bestehen des Haftpflichtanspruchs weiterhin bestreiten, er kann sich im Ergebnis sowohl mit haftungsrechtlichen als auch mit versicheungsvertraglichen Einwendungen verteidigen. Im Bereich der AH-Versicherung ist zwar nach neuem Recht durch Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs und Abtretung des Deckunganspruchs eine Klage des Dritten gegen den AH-Versicherer grundsätzlich möglich. Hierdurch wird aber die Rechtsstellung des AH-Versicherers nicht beeinträchtigt, sondern sogar verbessert2. Denn die unmittelbare Inanspruchnahme ermöglicht es dem Versicherer, den Haftpflichtanspruch zu bestreiten; es besteht jetzt nicht wie bei einem Haftpflichtprozess des Dritten gegen den Versicherten (s. fi Rz. 225 ff.) die Möglichkeit, den Sachverhalt zur Haftpflicht unstreitig zu stellen. Zwar steht dem Dritten jetzt der Versicherte als Zeuge zur Verfügung. Sprechen aber gewichtige Indizien für eine Vortäuschung, wird der Richter dem Zeugen nicht glauben und die Klage abweisen. Der Versicherte dagegen läuft Gefahr, aus dem Anerkenntnis in Anspruch genommen zu werden, ohne vom Haftpflichtversicherer Deckung zu erhalten.
1 Lange, r+s 2007, 401, 402 m. w. H. 2 So auch Lange, r+s 2007, 401 ff., und Langheid, VersR 2007, 865 ff.
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Teil 7 Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung Rz. I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung 1. Überblick über Änderungen durch das neue VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Deckung a) Selbständiger Vertrag . . . . . . . . . b) Zustandekommen . . . . . . . . . . . c) Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . d) Beginn und Ende der vorläufigen Deckung . . . . . . . . . . . . . . . e) Rückwirkender Wegfall . . . . . . aa) Unveränderte Antragsannahme . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterlassene oder verspätete Zahlung . . . . . . . . . . . . cc) Belehrungserfordernis . . . . f) Beweislastverteilung . . . . . . . . . 3. Rückwärtsversicherung . . . . . . . . . 4. Der Kraftfahrt-Versicherungsvertrag a) Auslegung und Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Informationspflichten . . . . . . . . c) Das Widerrufsrecht . . . . . . . . . . aa) Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs . . . . . . . . d) Beratungspflichten . . . . . . . . . . . aa) Beratungspflicht des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beratungspflicht des Vermittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besonderheiten beim Fernabsatzvertrag . . . . . . . . . . . . e) Beginn des Vertrages und des Versicherungsschutzes . . . . . . . aa) Einbezug der AKB . . . . . . . . bb) Beginn des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „Auge-und-Ohr“ . . . . . . . . . dd) Vorvertragliche Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . f) Dauer und Ende des Vertrages aa) Vertragsdauer . . . . . . . . . . . bb) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . cc) Wegfall des Wagnisses . . . . dd) Veräußerung des Fahrzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 4 9 12 15 16 17 22 29 31
33 39 47 50 52 53 54 55 56 57 59 61 66 67 68 75 76
Rz. ee) Außerbetriebsetzung und Saisonkennzeichen . . . . . . 81 ff) Ruheversicherung . . . . . . . 82 g) Geltungsbereich aa) Örtlicher Geltungsbereich 83 bb) Versicherungssumme . . . . 86 h) Änderungen während der Vertragslaufzeit aa) Bedingungsanpassung . . . . 87 bb) Beitragsanpassung . . . . . . . 89 cc) Beitragsänderungen . . . . . . 90 5. Fehlende oder verspätete Prämienzahlung a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Erstprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Leistungsfreiheit . . . . . . . . . 97 dd) Belehrungspflicht . . . . . . . . 100 ee) Verschulden . . . . . . . . . . . . . 101 c) Folgeprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Zahlung der Prämie aa) Bewirken der Zahlung . . . . 105 bb) Teilzahlung . . . . . . . . . . . . . 107 e) Mahnung und Rechtsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6. Gefahrerhöhung a) Überblick aa) Störung des Äquivalenzverhältnisses . . . . . . . . . . . . 117 bb) Definition der Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Subjektive und objektive Gefahrerhöhung . . . . . . . . . 119 dd) Verhältnis zu den §§ 19 ff., 81 und 103 VVG . . . . . . . . . 120 ee) Spezialität der AKB-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Vornahme der Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Rechtsfolgen aa) Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers . . . . . . 124 bb) Kündigungsrecht des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung . . . . . . . . . 126
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Teil 7
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung Rz.
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dd) Leistungsfreiheit des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . 127 ee) Quotenbildung . . . . . . . . . . 129 d) Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 130 e) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7. Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Einzelne Obliegenheiten aa) Verwendungsklausel . . . . . 138 bb) Schwarzfahrtklausel . . . . . 140 cc) Führerscheinklausel . . . . . 147 dd) Rennveranstaltungen . . . . 150 ee) Trunkenheitsklausel . . . . . 151 8. Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Anzeigeobliegenheiten . . . . . . . 158 c) Aufklärungsobliegenheiten aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Inhalt und Umfang der Aufklärungsobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) Wegfall und Beendigung der Aufklärungsobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 d) Einzelne Aufklärungsobliegenheiten aa) Unfallflucht . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Nachtrunk . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Veränderung von Unfallspuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 dd) Wichtige und häufige Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 ee) Neuere Entscheidungen zu den Aufklärungsobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 9. Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung a) Aufgabe des „Alles-odernichts“-Prinzips . . . . . . . . . . . . . 198 b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Grobe Fahrlässigkeit . . . . . 208 c) Kausalität allgemein . . . . . . . . . 209 d) Kausalität bei Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall . . . . 211 e) Kausalität bei Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall . . . 215 aa) Arglist . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Belehrungserfordernis . . . . 217 f) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Der objektive Tatbestand . 225 bb) Vorsätzliche Obliegenheitsverletzung . . . . . . . . . . 231
cc) Grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung . . . . . . . . . . 235 dd) Der Kausalitätsgegenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 g) Quotenbildung . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Beweislast bei der Quotenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 h) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 i) Besonderheiten bei der KfzHaftpflichtversicherung aa) Begrenzung der Leistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Auswirkungen auf die Ansprüche Dritter . . . . . . . . . . 253 10. Zusammentreffen mehrerer Obliegenheitsverletzungen a) Quotenbildung . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Besonderheiten bei der KfzHaftpflichtversicherung . . . . . . 256 11. Risikoausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . 262 12. Tabellarische Darstellungen a) Ausschlüsse der AKB . . . . . . . . . 263 b) Die Obliegenheiten der AKB . . 264 c) Folge von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 265
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 1. Allgemeines a) Pflichtversicherung und Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . 266 b) Ausnahmen von der Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 c) Kfz-Haftpflichtversicherung mit Selbstbeteiligung . . . . . . . . 273 2. Deckungsumfang a) Befriedigung und Abwehr von Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Gebrauch eines Fahrzeugs . . . . 275 aa) Begriff des Gebrauchs . . . . 276 bb) Beispiele für Gebrauch . . . 277 cc) Beispiele für keinen Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Abgrenzung zur Benzinklausel 288 d) Anhängerklausel . . . . . . . . . . . . 294 3. Risikoausschlüsse der Kfz-Haftpflichtversicherung a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Gesetzlicher Ausschluss des § 103 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 c) Vertragliche Ausschlüsse . . . . . 301
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Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
d) Beweislastverteilung . . . . . . . . . 4. Mitversicherte Personen . . . . . . . . 5. Nachhaftung gem. § 117 Abs. 2 VVG a) Nachhaftungsfrist . . . . . . . . . . . b) Prämienanspruch . . . . . . . . . . . . 6. Wegfall des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbots . . . . . . . . . . . . 7. Regress bei krankem Versicherungsverhältnis a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . b) Regress gegen den Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regress beim Zusammentreffen mehrerer Gründe . . . . . . . . . d) Regress gegen Mitversicherte aa) Bei Umständen in der Person des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bei Umständen in der Person des Mitversicherten . . e) Tabellarische Darstellung: Regress des Versicherers . . . . . . . . 8. Verhältnis Versicherungsnehmer und Mitversicherte . . . . . . . . . . . . . 9. Prozessführungsbefugnis und Regulierungsvollmacht . . . . . . . . . . . . 10. Deckungssummenüberschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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h) Neuere Leistungsarten . . . . . . . 375 3. Vollkasko-Versicherung . . . . . . . . . 376 a) Unfallschäden . . . . . . . . . . . . . . . 377 b) Brems- und Betriebsschäden . . 380 c) Handlungen betriebsfremder Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 4. Tabelle der versicherten Ereignisse in der Kaskoversicherung . . . 386 5. Risikoausschlüsse der Kaskoversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 a) Rennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 b) Reifenschäden . . . . . . . . . . . . . . . 389 c) Erdbeben, Krieg, innere Unruhen, Maßnahmen der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 d) Schäden durch Kernenergie . . . 391 6. Leistungsfreiheit gemäß § 81 VVG a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 b) Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . 393 c) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 d) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 e) Kürzung der Leistung . . . . . . . . 397 f) Beweislastverteilung . . . . . . . . . 398 g) Fallgruppen zur groben Fahrlässigkeit aa) Fahrweise . . . . . . . . . . . . . . . 402 bb) Verhalten im Fahrzeug während der Fahrt . . . . . . . 407 cc) Bewusstseinsstörungen . . . 410 dd) Kfz-Diebstahl . . . . . . . . . . . 419 ee) Neuere Entscheidungen zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . 422 7. Einstehen für Dritte a) Repräsentant . . . . . . . . . . . . . . . . 424 b) Wissenserklärungsvertreter . . . 429 c) Wissensvertreter . . . . . . . . . . . . . 432 8. Ersatzleistungen a) Abgrenzung Reparatur-/Totalschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 b) Totalschaden . . . . . . . . . . . . . . . . 435 c) Neupreisentschädigung . . . . . . 436 d) Reparaturschaden . . . . . . . . . . . . 439 aa) Vollständige, fachgerechte Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . 440 bb) Unvollständige, nicht fachgerechte Reparatur . . . . . . . 441 cc) Glasbruch . . . . . . . . . . . . . . . 442 e) Höchstentschädigung . . . . . . . . 443 f) Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . 446 g) Nebenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . 451 h) Selbstbeteiligung . . . . . . . . . . . . 452
317 320 321 322 326 329
330 333 334 335 338 343
III. Kaskoversicherung 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilkasko-Versicherung a) Brand und Explosion . . . . . . . . . b) Entwendung des Kfz oder seiner mitversicherten Teile . . . . . aa) Äußeres Bild . . . . . . . . . . . . bb) Erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung cc) Beweiswürdigung . . . . . . . . dd) Diebstahlsversuch, Schäden durch Entwendung . . . c) Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . d) Unbefugter Gebrauch . . . . . . . . e) Elementarschäden . . . . . . . . . . . f) Wildschaden aa) Anspruch bei Zusammenstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruch ohne Zusammenstoß als Rettungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Glas- und Verkabelungsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346 347 350 351 353 354 358 360 363 364 367 369 373
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i) Wiederbeschaffung oder Eigentumsübergang . . . . . . . . . . . . . . . j) Rettungskosten . . . . . . . . . . . . . . k) Fälligkeit, Verzinsung, Abtretung, Aufrechnung . . . . . . . . . . . l) Leasingfahrzeuge . . . . . . . . . . . . 9. Sachverständigenverfahren . . . . . . 10. Forderungsübergang, Regress nach § 86 VVG a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückgriff gegenüber dem Fahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kongruenz der Forderung . . . . .
453 456 457 460 461
Rz. d) Befriedigungsvorrecht des Versicherungsnehmers (Quotenvorrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 e) Das „Familienprivileg“ des § 86 Abs. 3 VVG . . . . . . . . . . . . . 478 IV. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 V. Prozessuale Fragen
466 471 476
1. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 2. Klagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3. Zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung 1. Überblick über Änderungen durch das neue VVG 1
Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zum 1. 1. 2008 brachte einige Änderungen, die auch für die Kraftfahrtversicherung von Bedeutung sind. Nachdem zunächst die neuen gesetzlichen Regelungen nur für die Verträge galten, die nach dem 1. 1. 2008 abgeschlossen wurden, lief zum 1. 1. 2009 die Übergangsregelung für die Altverträge aus, so dass auch diese nunmehr unter die neue Gesetzeslage fallen. Nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG konnten die Versicherer ihre AGB für bestehende Verträge auf die neue Rechtslage anpassen. Hat der Versicherer das versäumt, sind die AKB-Regelungen, die nicht mit dem neuen Versicherungsvertragsrecht übereinstimmen, nichtig. Fraglich ist, welche Konsequenz die nicht erfolgte Umstellung hat. Das OLG Köln1 vertritt die Ansicht, in diesem Falle stünden dem Versicherer die Rechtsfolgeregelungen für Obliegenheitsverletzungen nicht zur Verfügung. Die andere, teilweise auch in der Literatur vertretene Meinung2 geht von einer geltungserhaltenden Reduktion aus mit der Folge einer ergänzenden Vertragsauslegung auf die Rechtsfolgen des neuen VVG. Die wesentlichen Neuregelungen für die Kraftfahrtversicherung finden sich zu folgenden Punkten: – Vorläufige Deckung (s. Rz. 2) – Informations- und Beratungspflichten (s. Rz. 39, 52) – Vollmacht des Versicherungsvertreters (s. Rz. 61) 1 OLG Köln v. 17. 8. 2010 – 9 U 41/10, r+s 2010, 406 = zfs 2010, 571 (im Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht rechtskräftig). 2 LG Göttingen v. 18. 11. 2009 – 5 O 118/09, VersR 2010, 1490; s. dazu ausführlich Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, Rz. 29 ff. zu Art. 1 EGVVG und Stiefel/Maier, AKB, Einl. Rz. 7 ff.
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– Vorvertragliche Anzeigepflichten (s. Rz. 66) – Widerrufsrecht (s. Rz. 47) – Rechtsfolgen bei nicht angezeigter Veräußerung (s. Rz. 80) – Prämien (s. Rz. 91) – Gefahrerhöhung (s. Rz. 117) – Obliegenheiten (s. Rz. 137) – Rechtsfolgen bei Gefahrerhöhung, Obliegenheitsverletzungen und grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls (s. Rz. 127, 198, 397) – Rettungskosten (s. Rz. 369) – Aufhebung des Anerkentnisverbots (s. Rz. 321) – Mitwirkung des Versicherungsnehmers beim Regress gegen Dritte (s. Rz. 466) – Regress gegen Haushaltsangehörige (s. Rz. 478) – Selbstbehalt in Kfz-Haftpflichtversicherung (s. Rz. 273) – Klagefrist und Verjährung (s. Rz. 480, 483) – Verzinsung der Versicherungsleistung (s. Rz. 458) – Gerichtsstand § 215 VVG (s. Rz. 482) Mit der Neufassung des VVG hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) seinen Mitgliedern auch eine Neufassung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2008) empfohlen. In diesen Text sind die durch die VVG-Novelle notwendigen Änderungen eingearbeitet worden. Ferner sind die AKB 2008 im Aufbau und den Formulierungen völlig neugefasst worden. Die AKB sind bemüht, sowohl durch die Struktur des Textes als auch durch die sprachliche Gestaltung die Verständnismöglichkeit des Bedingungstexts für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erhöhen. Inhaltliche Änderungen gegenüber den alten AKB – soweit nicht durch die VVG-Novelle veranlasst – finden sich in den AKB 2008 nur an wenigen Stellen. Im Folgenden werden nur noch die Regelungen der AKB 2008 herangezogen.
2. Vorläufige Deckung a) Selbständiger Vertrag Mit der Neufassung des VVG wurde erstmals auch die vorläufige Deckung gesetzlich geregelt (§§ 49 bis 52 VVG). Die vorläufige Deckung ist bei der Haftpflicht- wie bei der Fahrzeugversicherung ein selbständiger Vertrag1, 1 BGH v. 25. 1. 1995 – IV ZR 328/93 – unter 2a, VersR 1995, 409 = NJW-RR 1995, 537.
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was nunmehr § 49 Abs. 1 Satz 1 VVG klarstellt. Es handelt sich also nicht um eine – einseitige – Deckungszusage, sondern um einen selbständigen – beiderseitigen – Versicherungsvertrag. Dieser ist auch nicht vorläufig, sondern endgültig. Er ist nur dem beabsichtigten Hauptvertrag vorgeschaltet. Es wird nicht etwa der eigentliche Versicherungsvertrag in seinem materiellen Versicherungsbeginn vorverlegt. Vielmehr ist der Vertrag über die vorläufige Deckung ein völlig selbständiger Vertrag, der von einem späteren Versicherungsvertrag unabhängig ist. Dies wird in der Praxis manchmal nicht erkannt, weil die Unterlagen über den späteren Vertrag den über die vorläufige Deckung i. d. R. mit enthalten und auch die Prämie für beide Verträge nicht besonders ausgeworfen wird.
! Hinweis: Die Unterscheidung beider Verträge ist dann von praktischer Bedeutung, wenn der Hauptvertrag – möglicherweise zunächst unerkannt – nicht zustande gekommen ist. Dann kann sich aus dem selbständigen Vertrag über die vorläufige Deckung auch eine selbständige Anspruchsgrundlage ergeben.
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b) Zustandekommen 4
Der Vertrag über die vorläufige Deckung kommt – wie auch sonst – durch Angebot und Annahme zustande. In der Praxis geschieht dies in aller Regel durch konkludentes Verhalten. Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung ist dies problemlos. Denn durch Nennung der Elektronischen Versicherungsbestätigungs-Nummer (EVB) – früher durch Aushändigung der sog. Doppelkarte –, die als Versicherungsbestätigung für die Zulassungsstelle gilt, gibt der Versicherer zu erkennen, dass er den Vertrag über die vorläufige Deckung zu schließen bereit ist. Der Versicherungsnehmer, der die EVB-Nummer entgegennimmt, erklärt damit sein Einverständnis, wonach vorläufige Deckung (spätestens) ab Zulassung des Fahrzeugs besteht, vgl. § 9 S. 1 KfzPflVV. Die Parteien können auch einen früheren Beginn vereinbaren; wird kein ausdrücklicher Beginn vereinbart oder bestätigt, beginnt der Vertrag mit Vertragsschluss, also sofort.
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Schwieriger ist dieser Vorgang bei der Frage zu beurteilen, ob auch ein Vertrag zur vorläufigen Deckung in der Fahrzeugversicherung zustande gekommen ist. Nach st. Rspr. führt die Aushändigung der Versicherungsbestätigung an den Versicherungsnehmer zur vorläufigen Deckung auch in der Fahrzeugversicherung, wenn der Versicherungsnehmer einen einheitlichen Antrag auf Abschluss einer Kfz-Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung gestellt hat1. Das gilt auch bei Nennung der EVB-Nummer 1 Vgl. OLG Frankfurt a. M. v. 9. 8. 2000 – 7 U 50/00, NVersZ 2001, 130 = zfs 2001, 21 = r+s 2001, 103 = VersR 2002, 969 (nur LS); OLG Karlsruhe v. 20. 7. 2006 – 12 U 86/06, NJW-RR 2006, 1540 = r+s 2006, 414; OLG Saarbrücken v. 20. 4. 2006 – 5 U 575/05–87, r+s 2006, 274.
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durch einen Versicherungsmakler, den der Versicherer dazu ermächtigt hat1. Will der Versicherer dennoch keine vorläufige Deckung auch in der Fahrzeugversicherung gewähren, muss er darauf ausdrücklich aufmerksam machen2. Ein vorgedruckter Hinweis, die vorläufige Deckung erstrecke sich nicht auf die Kasko-Versicherung, hat mit Einführung der elektronischen Versicherungsbestätigung eine andere Bedeutung bekommen. Während vormals ein solcher Hinweis auf der Doppelkarte für den Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres als an ihn gerichtet aufgefasst werden konnte und deshalb die Wirkung zweifelhaft war, kann sich dies jetzt geändert haben: Die Nennung der EVB-Nummer – gleichgültig in welcher Form – ist jetzt nurmehr eine Erklärung gegenüber dem Versicherungsnehmer, die als Vertragserklärung zu verstehen ist und den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen soll, dass die Zulassungsstelle nach Nennung der Nummer die an die Behörde gerichtete Erklärung abrufen kann. Mit Ausgabe der EVB-Nummer wird nämlich gleichzeitig ein Datensatz erzeugt, der in eine Datenbank eingestellt wird. Diesen Datensatz kann die Zulassungsstelle mittels der EVB-Nummer abrufen und daran erkennen, dass der Versicherer (vorläufigen) Versicherungsschutz für das zuzulassende Fahrzeug gewährt.
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Wenn sich also aus dem Druckstück eindeutig ergibt, dass es sich an den Versicherungsnehmer und nicht an die Zulassungsbehörde wendet, könnte ein deutlicher einschränkender Hinweis den Anforderungen genügen, dass der Versicherungsnehmer eindeutig darüber belehrt wurde, der vorläufige Versicherungsschutz gelte nicht für die Kasko-Versicherung. Es bleibt aber festzustellen, dass an diese Eindeutigkeit hohe Anforderungen zu stellen sind. Da es für den Bestand eines Vertrages über die vorläufige Deckung nicht darauf ankommt, ob ein nachfolgender Hauptvertrag zustande gekommen ist oder mangels Antrag nicht geschlossen wurde, hat die Rechtsprechung auch dann einen Vertrag über die vorläufige Deckung angenommen, wenn bei der Aushändigung der Doppelkarte (heute Nennung der EVB-Nummer) noch kein verbindlicher schriftlicher Antrag gestellt worden war. Es genügt vielmehr, wenn der Versicherungsnehmer seinen Wunsch nach einer Kaskoversicherung telefonisch oder sonst mündlich mitgeteilt hat3. 1 OLG Köln v. 24. 10. 2000 – 9 U 34/00, NVersZ 2001, 274 = zfs 2001, 120 = VersR 2002, 970. 2 BGH v. 14. 7. 1999 – IV ZR 112/98 – unter II 1, MDR 1999, 1383 m. Anm. van Bühren = VersR 1999, 1274 = NVersZ 2000, 233; v. 19. 3. 1986 – IVa ZR 182/84 – unter II 2, MDR 1986, 739 = VersR 1986, 541; OLG Karlsruhe v. 20. 7. 2006 – 12 U 86/06, NJW-RR 2006, 1540 = r+s 2006, 414. 3 BGH v. 14. 7. 1999 – IV ZR 112/98 – unter II 1, MDR 1999, 1383 m. Anm. van Bühren = VersR 1999, 1274 = NVersZ 2000, 233.
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Beim Fahrzeugwechsel wird häufig bei Nennung der EVB-Nummer noch kein Antrag aufgenommen und über den Versicherungsumfang nicht detailliert gesprochen. Hier kann auch problematisch sein, ob vorläufige Deckung für Kasko vereinbart wurde. Insbesondere wenn für das derzeitig bei dem Versicherer versicherte Fahrzeug eine Kaskoversicherung besteht, wird anzunehmen sein, dass der Versicherungsnehmer auch für das Folgefahrzeug eine solche Versicherung abschließen will. Wille und Vorstellung des Versicherungsnehmers sind also darauf gerichtet, seinen bisherigen Versicherungsschutz zu erhalten und dafür auch vorläufige Deckung zu bekommen. Hier ist zumindest aus den Gesichtspunkten des Beratungsverschuldens bzw. des Verschuldens beim Vertragsschluss (§ 311 BGB) anzunehmen, dass vorläufige Deckung zu gewähren ist, jedenfalls dann, wenn es sich um ein Risiko handelt, für das der Versicherer üblicherweise vorläufige Deckung zugesagt hätte1. 8
Auf eine fehlende Vollmacht des Agenten kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn der Agent dem Versicherungsnehmer die EVB-Nummer vorbehaltlos genannt hat2. § 47 VVG n. F. hat den alten § 72 dahingehend geändert, dass der Versicherungsnehmer eine Vollmachtsbeschränkung nur gegen sich gelten lassen muss, wenn er sie kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. c) Vertragsinhalt
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Zur Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – in der Kraftfahrtversicherung die AKB – hat die VVG-Reform für die vorläufige Deckung durch § 49 Abs. 2 eine Spezialregelung gebracht, die sich von den allgemeinen Grundsätzen über die Einbeziehungen von AVB unterscheidet. Nach § 305 Abs. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen – und das sind auch die AKB – nur Vertragsinhalt, wenn der Verwender auf sie hinweist und dem Vertragspartner die Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschafft. § 5a Abs. 3 VVG a. F. schränkte diese Regelung für die vorläufige Deckung ein, indem die Parteien den Verzicht auf die Überlassung der Versicherungsbedingungen vereinbaren konnten. War ein solcher Verzicht vereinbart, wurde von der Geltung der AKB auch für den Vertrag über die vorläufige Deckung ausgegangen und zwar von den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses üblicherweise verwendeten. Die Neuregelung in § 49 Abs. 1 VVG beläßt es bei der Möglichkeit der Vereinbarung, die AVB später zu übermitteln. Absatz 2 schreibt nunmehr vor, welche Bedingungen dem Vertrag über die vorläufige Deckung zugrunde liegen. Werden dem VN bei Vertragsschluss über die vorläufige Deckung AKB übermittelt, gelten diese. Geschieht dies nicht, gelten die 1 Vgl. auch Prölss/Martin/Knappmann, VVG, zu AKB 2008 B.2, Rz. 6 ff. 2 OLG Koblenz v. 25. 7. 1997 – 10 U 737/96, VersR 1998, 311 = r+s 1997, 404 (noch für die alte Doppelkarte).
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zu diesem Zeitpunkt üblicherweise verwendeten. Im Zweifel gelten die für den Versicherungsnehmer günstigeren Bedingungen. Die Bestimmungen des § 49 Abs. 1 Satz 1 VVG gelten nicht für einen Fernabsatzvertrag i. S. d. § 312b Abs. 1 und 2 BGB. Hier ist eine Unterrichtung des Versicherungsnehmers nach Vertragsschluss gem. § 7 Abs. 1 S. 3 VVG zulässig, sofern eine Vorabinformation wegen des gewählten Kommunikationsmittels nicht möglich ist oder der Versicherungsnehmer eine formgerechte Verzichtserklärung abgegeben hat1.
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! Hinweis: Bei der vorläufigen Deckung hat der Versicherungsnehmer kein Widerrufsrecht, § 8 Abs. 3 Ziff. 2 VVG, es sei denn, es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag i. S. d. § 312b Abs. 1 und 2 BGB, wobei es allerdings nach § 8 Abs. 3 Ziff. 1 VVG entfallen kann, wenn die Laufzeit des Vertrages über vorläufige Deckung weniger als einen Monat beträgt.
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d) Beginn und Ende der vorläufigen Deckung Der materielle Versicherungsschutz beginnt i. d. R. mit dem formellen Versicherungsbeginn, also mit dem Zustandekommen des Vertrages über die vorläufige Deckung, in der Praxis meistens mit der Nennung der EVB-Nummer. Will der Versicherer den Versicherungsschutz erst später beginnen lassen, genügt es nicht, dies nur in dem für die Zulassungsbehörde bestimmten Datensatz zu vermerken, sondern es muss auch dem Versicherungsnehmer gegenüber eindeutig zum Ausdruck gebracht werden – i. d. R. auf einem Schriftstück zusammen mit der EVB-Nummer. Nach § 9 Kfz-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) ist aber bei der KH-Versicherung spätestens ab dem Zeitpunkt der Zulassung (vorläufiger) Versicherungsschutz zu gewähren.
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Beispiel: Wenn der Tag der Zulassung ausdrücklich genannt ist, wird im Wege der Auslegung von einem späteren Beginn, dem genannten Datum, auszugehen sein2. Wollte der Versicherer die vorläufige Deckung erst mit der Zulassung beginnen lassen und ist das Fahrzeug (mit der EVB dieses Versicherers) nicht zugelassen worden, so ist keine vorläufige Deckung zustande gekommen3.
Die AKB bedingen unter dem Abschnitt B.2 zugunsten des Versicherungsnehmers die Regelung des § 37 Abs. 2 VVG ab, wonach der Versicherer leistungsfrei ist, wenn die Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt war. Zu beachten ist dabei allerdings B.2.4 AKB, wo1 S. Amtliche Begründung zu § 49. 2 Vgl. Stiefel/Maier/Stadler, AKB B.2, Rz. 30 ff. 3 OLG Nürnberg v. 5. 11. 1992 – 8 U 3084/91, r+s 1993, 2.
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Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
nach rückwirkend der vorläufige Versicherungsschutz entfällt, wenn später die Prämie nicht rechtzeitig gezahlt wird (Einzelheiten s. fi Rz. 15). 14
Das Ende der vorläufigen Deckung kann durch verschiedene Umstände eintreten: – Übergang in den Hauptvertrag – Abschluss eines neuen Vertrages über vorläufige Deckung – Kündigung – Prämienverzug – Widerruf oder Widerspruch bzgl. des Hauptvertrages – Befristung Die vorläufige Deckung endet nach § 52 Abs. 1 VVG spätestens mit dem Beginn des Hauptvertrags oder eines neuen Vertrags über vorläufige Deckung. Dies präzisiert B.2.3 AKB dahingehend, dass der vorläufige in den endgültigen Versicherungschutz übergeht, wenn der Versicherungsnehmer die Erstprämie (des Hauptvertrages) gezahlt hat. Die vorläufige Deckung endet auch dann, wenn der Hauptvertrag oder ein weiterer Vertrag über vorläufige Deckung bei einem anderen Versicherer abgeschlossen wurde, § 52 Abs. 2 VVG. Schließlich endet die vorläufige Deckung auch durch wirksame Kündigung, § 52 Abs. 4 VVG; B.2.5 AKB. Zur Wirksamkeit bedarf es keines besonderen Kündigungsgrundes. Beide Vertragsparteien haben ein Kündigungsrecht, die Kündigung des Versicherers wird allerdings erst zwei Wochen nach Zugang wirksam. Nach § 52 Abs. 1 S. 2 VVG endet der Vertrag über vorläufige Deckung bei Prämienverzug spätestens zum Zeitpunkt des Verzugseintritts. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Beginn des Versicherungsschutzes des Hauptvertrags von der Prämienzahlung abhängig ist, was in der Kraftfahrtversicherung der Fall ist, B.1 AKB. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht hat. S. hierzu auch die Ausführungen zum rückwirkenden Wegfall, Rz. 15. Widerruft der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung zum Hauptvertrag nach § 8 VVG, endet der vorläufige Versicherungsschutz mit dem Zugang der Widerrufserklärung, § 52 Abs. 3 VVG; B.2.6 AKB.
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Rz. 15 Teil 7
Der Versicherungsnehmer kann den Vertrag über vorläufige Deckung nicht widerrufen, es sei denn, es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag, § 8 Abs. 3 Ziff. 2 VVG. Widerspricht der Versicherungsnehmer nach § 5 VVG einer Abweichung des Versicherungsscheins vom Antrag, endet die vorläufige Deckung ebenfalls mit dem Zugang des Widerspruchs, § 52 Abs. 3 VVG. Einer Kündigung bedarf es nicht, wenn die vorläufige Deckung befristet vereinbart wurde. Diese endet dann mit Ablauf der Frist. Z. T. wurde früher angenommen, dass die vorläufige Deckung auch ohne Kündigung mit dem Scheitern des endgültigen Versicherungsvertrages endet1. Diese Auffassung wurde allerdings überwiegend abgelehnt. § 52 VVG schafft hier auch Klarheit, indem dort Regelungen für die Beendigung der vorläufigen Deckung getroffen werden. Von diesen Vorschriften darf nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden (§ 52 Abs. 5 VVG), was der Fall wäre, würde man ein „automatisches“ Ende der vorläufigen Deckung bei Scheitern des Hauptvertrages annehmen. e) Rückwirkender Wegfall Nach B.2.4 AKB (§ 1 Abs. 4 S. 2 AKB a. F.) tritt die vorläufige Deckung rückwirkend außer Kraft, wenn der Antrag unverändert angenommen, der Versicherungsschein aber nicht unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang eingelöst wird und der Versicherungsnehmer die Verspätung zu vertreten hat (zum Prämienverzug s. Rz. 91). Als unverzüglich sehen die AKB einen Zeitraum von 14 Tagen an. Auf die Regelung nach B.2.4 kann sich der Versicherer nur dann mit Erfolg berufen, wenn die AKB auch für den Vertrag über die vorläufige Deckung vereinbart wurden (s. dazu fi Rz. 9 ff.). § 52 Abs. 1 VVG verbietet eine solche Regelung nicht, weil das Ende der vorläufigen Deckung „spätestens“ mit Eintritt des Prämienverzugs postuliert wird, also ein früheres Ende bzw. der rückwirkende Wegfall nicht ausgeschlossen ist. Auch § 9 S. 2 KfzPflVV gestattet eine solche Regelung, fügt aber hinzu, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer über sie schriftlich belehren muss. § 52 Abs. 1 VVG fordert eine gesonderte Mitteilung in Textform oder einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein. An die Voraussetzungen eines rückwirkenden Wegfalles der vorläufigen Deckung sind wegen der weit reichenden Folgen für den Versicherungsnehmer strenge Anforderungen zu stellen2. Tritt die vorläufige Deckung 1 Stiefel/Hofmann, § 1 AKB Rz. 85 (in der Neuauflage aufgegeben); Berliner Kommentar zum VVG a. F./Schwintowski, § 5a Rz. 109. 2 Vgl. OLG Hamm v. 6. 7. 1994 – 20 U 71/94, r+s 1994, 446 = VersR 1995, 1085 = NJW-RR 1995, 1115.
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Rz. 16
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rückwirkend außer Kraft, ist der Versicherer für Versicherungsfälle leistungsfrei, die während der vorläufigen Deckung eingetreten sind.
! Hinweis: In der Kfz-Haftpflichtversicherung bleibt der Versicherer aber gegenüber dem Geschädigten leistungspflichtig, § 117 VVG. aa) Unveränderte Antragsannahme 16
Der rückwirkende Wegfall der vorläufigen Deckung tritt nur ein, wenn der Antrag des Versicherungsnehmers unverändert angenommen wurde. Mit der Regelung in B.2.4 AKB (§ 1 Abs. 4 Satz 2 AKB a. F.) bezweckt der Versicherer, denjenigen Versicherungsnehmern die vorläufige Deckung zu entziehen, die von Anfang an nicht gewillt oder imstande sind, ihre Prämienzahlungspflicht pünktlich und gewissenhaft zu erfüllen1. Dieser Zweck kann bei der Auslegung der Regelung nicht mit herangezogen werden, weil ihn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht erkennt. Deshalb ist bei der Auslegung und der Beantwortung der Frage, wann eine Abweichung vom Vertrag vorliegt, auf eine streng formale Betrachtung abzustellen. Der Antrag des Versicherungsnehmers ist nur dann unverändert angenommen, wenn sich die Annahmeerklärung inhaltlich in allen wesentlichen Punkten mit einer vorangegangenen Erklärung des Versicherungsnehmers deckt. Danach liegt keine unveränderte Annahme vor, wenn der Vertrag durch die Billigungsklausel des § 5 VVG zustande kommt2; erst recht, wenn der Versicherer eine Erklärung abgegeben hat, die als erneutes Angebot seinerseits aufzufassen ist, § 150 Abs. 2 BGB3. Auf diese Weise kommen Versicherungsverträge häufiger zustande, als man glauben mag, etwa wenn die Bindungsfrist für den Antrag des Versicherungsnehmers abgelaufen und damit das Vertragsangebot nicht mehr annahmefähig ist, § 148 BGB, der Versicherer dennoch den Versicherungsschein zuschickt4. Nimmt der Versicherer mit einer vom Antrag abweichenden Prämie oder mit anderen Tarifmerkmalen an, ist der Antrag nicht unverändert angenommen5. Dies gilt allerdings nicht, wenn die abweichende Annahme auf falschen Angaben des Versicherungsnehmers beruht6, was gar nicht selten hin1 2 3 4 5
BGH v. 12. 6. 1985 – IVa ZR 108/83, VersR 1985, 877. OLG Frankfurt a. M. v. 27. 1. 1972 – 9 U 50/71, VersR 1972, 387. Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rz. 263. Vgl. BGH v. 9. 7. 1986 – IVa ZR 5/85, VersR 1986, 986. A. A. Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts Bd. 1 7 D Rz. 10, jedoch ohne Begründung; OLG Hamm v. 16. 1. 1987 – 20 U 203/86, r+s 1981, 182, stützt seine a. A. auf die damalige Genehmigungspflicht der Tarife, die heute aber weggefallen ist. 6 So auch Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 1 AKB Rz. 17 m. w. N.
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Rz. 19 Teil 7
sichtlich seiner Schadenfreiheitsklasse oder der Fahrzeugart der Fall ist. Der Versicherer nimmt die Prämieneinstufung nämlich in der Regel nach den Auskünften des Vorversicherers zum Schadenfreiheitsrabatt bzw. des Straßenverkehrsamts zur Fahrzeugart vor (s. I.1, J.2 und Anhang 6 AKB). Nur die Berichtigung einer nicht vom VN veranlassten falschen Einstufung ist keine unveränderte Annahme1. bb) Unterlassene oder verspätete Zahlung
! Hinweis: Nach § 37 Abs. 2 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt ist. Auf diese Vorschrift kann sich der Versicherer bei vorläufiger Deckung nicht berufen, denn sie gilt als abbedungen2.
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Hat der Versicherungsnehmer nicht oder verspätet gezahlt, schadet dies mit Blick auf einen rückwirkenden Wegfall der vorläufigen Deckung nur, wenn der Versicherer die Prämie wirksam fällig gestellt hat3. Der Versicherungsnehmer ist zur Zahlung der Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins verpflichtet, § 33 VVG. Er muss die Höhe der Prämie mitgeteilt bekommen, damit er sie zahlen kann (zur Beweislast s. Rz. 29). Die Prämie muss richtig berechnet sein. Eine wirksame Erstprämienanforderung, die den rückwirkenden Wegfall der vorläufigen Deckung auslösen kann, liegt nur vor, wenn mit ihr in zutreffender Bezifferung und mit richtiger Kennzeichnung derjenige Betrag ausgewiesen ist, den der Versicherungsnehmer zur Aufrechterhaltung der vorläufigen Deckung – und zur Tilgung seiner Prämienschuld aus dem Hauptvertrag – aufwenden muss4. Beinhaltet der Vertrag Haftpflicht- und Kaskoversicherung, muss der Betrag für jede Versicherung getrennt ausgeworfen sein5 (vgl. auch zur Belehrung fi Rz. 24). Der Versicherer ist nicht gehindert, die Erst- und Folgeprämie gleichzeitig anzufordern. Er muss diese aber deutlich trennen.
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Im Lastschriftverfahren braucht der Versicherungsnehmer erst nach Erhalt des Versicherungsscheines und bei Fälligkeit der Prämie für Deckung auf seinem Konto zu sorgen6. Hat der Versicherer den Einzug der Prämie vergeblich versucht, ohne dass diese Voraussetzungen vorlagen, ist ein Zeitraum von 14 Tagen zur Wiederholung des Einzugsversuchs
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1 Prölss/Martin/Knappmann, VVG § 1 AKB Rz. 17 mit Verweis auf Bruck/Möller/ J D 11. 2 Vgl. OLG Köln v. 13. 9. 1999 – 9 W 23/99, zfs 2000, 311 = r+s 1999, 444. 3 OLG Köln v. 13. 9. 1999 – 9 W 23/99, zfs 2000, 311 = r+s 1999, 444. 4 BGH v. 9. 7. 1986 – IVa ZR 5/85, VersR 1986, 986 (987). 5 OLG Hamm v. 6. 7. 1994 – 20 U 71/94, r+s 1994, 446 = VersR 1995, 1085 = NRW-RR 1995, 1115. 6 BGH v. 13. 12. 1995 – IV ZR 30/95, VersR 1996, 445 = r+s 1996, 87.
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Rz. 20
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
angemessen. § 33 Abs. 2 VVG enthält eine neue Regelung zum Einzugsverfahren, die vor allem bei Fahrzeugwechsel von Bedeutung ist: Ist die Prämie zuletzt vom Versicherer per Lastschrift eingezogen worden, ist er zur Selbstvornahme der Zahlung erst verpflichtet, wenn er vom Versicherer dazu in Textform aufgefordert worden ist. 20
Ist in der Kaskoversicherung der Versicherungsfall vor Zahlung der ersten Prämie eingetreten, kann sich der Versicherer auf die fehlende Zahlung und damit auf den rückwirkenden Wegfall der vorläufigen Deckung nicht berufen. Sein Interesse ist dadurch gewahrt, dass er seinen Prämienanspruch gegen den Anspruch des Versicherungsnehmers aufrechnen oder verrechnen kann. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer seinen Schaden dem Versicherer rechtzeitig, d. h. vor Ablauf der Zahlungsfrist, gemeldet hat1. S. auch Rz. 105 ff.
! Hinweis: In der Kfz-Haftpflichtversicherung besteht keine Aufrechnungsmöglichkeit, weil nicht der Versicherungsnehmer, sondern der Geschädigte Inhaber des Zahlungsanspruchs gegen den Versicherer ist. Betrifft der Versicherungsfall sowohl die Kfz-Haftpflicht- als auch die Kaskoversicherung, so hat der Versicherer die Möglichkeit, seinen Anspruch auf die Prämie für die Kasko- und die Haftpflichtversicherung gegen den Anspruch des Versicherungsnehmers aus dem KaskoSchadensfall zu verrechnen2. 21
Verspätet ist die Einlösung nach Ablauf der Frist von 14 Tagen. Die Frist beginnt mit dem Zugang des Versicherungsscheins. cc) Belehrungserfordernis
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§ 52 Abs. 1 VVG und § 9 S. 2 KfzPflVV bestimmen, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer darüber zu belehren hat, dass und unter welchen Voraussetzungen die vorläufige Deckung rückwirkend außer Kraft tritt. Das entspricht der durch die bisherige Rechtsprechung geschaffenen Rechtslage3. Deshalb ist die bisherige Rechtsprechung weiter heranzuziehen, die strenge Anforderungen an die Belehrung stellt. § 52 Abs. 1 VVG fordert eine gesonderte Mitteilung in Textform oder einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein über die Rechtsfolgen. 1 Vgl. insb. BGH v. 12. 6. 1985 – IVa ZR 108/83, VersR 1985, 877 m. Anm. Hofmann. 2 OLG Hamm v. 22. 11. 1995 – 20 U 186/95, r+s 1996, 164 = VersR 1996, 1408; OLG Koblenz v. 12. 11. 1993 – 10 U 297/93, VersR 1995, 527 = r+s 1994, 282 m. Anm. Langheid. 3 Grundlegend BGH v. 17. 4. 1967 – II ZR 228/64, BGHZ 47, 352 = NJW 1967, 1800 = VersR 1967, 569.
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Rz. 25 Teil 7
! Hinweis: Fehlt die Belehrung oder ist sie mangelhaft, fällt die vorläufige Deckung auch bei unterlassener oder verspäteter Prämienzahlung nicht rückwirkend weg.
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Die äußere Form der Belehrung muss so deutlich sein, dass sie dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ins Auge fällt1. Anderenfalls erfüllt sie ihre Warnfunktion nicht2. Wird die Belehrung vor dem Vertragsschluss erteilt, hat sie durch eine gesonderte Mitteilung in Textform zu erfolgen. Fraglich ist, ob dies auch eine körperlich gesonderte Mitteilung auf einem Extra-Blatt erfordert. Nicht ausreichend dürfte eine Belehrung auf der Rückseite eines Antrags sein, weil diese Mitteilung sich dem Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres aufdrängt und häufig gar nicht zur Kenntnis genommen wird. Eine optisch eindeutige Abgrenzung von anderen Texten – i. d. R. dem Antrag – verbunden mit einer auffälligen Gestaltung, so dass die Mitteilung dem Versicherungsnehmer sofort ins Auge springt, dürfte dem Erfordernis genügen. „Gesondert“ bedeutet nicht zwingend körperlich getrennt, sondern abgetrennt von anderen Texten3. Da der Gesetzgeber bei demselben Anlass, dem Vertragsschluss, mehrere „gesonderte“ Mitteilungen (§ 19 Abs. 5, § 51 Abs. 1, § 52 Abs. 1) und die Überlassung verschiedener Beratungs- und Informationsdokumente fordert, wäre dem Versicherungsnehmer neben den Informations- und Beratungsdokumenten ein ganzer Stapel „gesonderter“ Mitteilungsblätter zu überreichen, was die Wahrnehmung der einzelnen Mitteilungen und das Erkennen der Bedeutung der verschiedenen Belehrungen sehr erschwert, ja nachgerade unwahrscheinlich werden lässt. Ein deutlich hervorgehobener Hinweis der Belehrung über den Fortfall der vorläufigen Deckung auf dem Blatt, das er auf jeden Fall zur Kenntnis nimmt, nämlich dem Antrag oder dem EVB-Formular, erfüllt den vom Gesetzgeber gewollten Zweck der auffälligen Belehrung eindeutig am besten. Gerade die Belehrung nach § 52 VVG ist für den Versicherungsnehmer von so vitalem Interesse, dass deren Kenntnisnahme sicher gestellt sein muss. Der Versicherer ist aber gut beraten, wenn er die Belehrung über den rückwirkenden Fortfall der vorläufigen Deckung auf der Police wiederholt.
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Von den „gesonderten Mitteilungen“ die der Versicherer an den Versicherungsnehmer zu richten hat, sind die „gesonderten Erklärungen“, die der Versicherersnehmer dem Versicherer gegenüber abgeben kann, zu unterscheiden. Von „gesonderten Mitteilungen“ spricht das VVG in § 19 Abs. 5 (zur Anzeigepflichtverletzung), § 28 Abs. 4 (Obliegenheitsbeleh-
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1 Ebenso Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rz. 272. 2 Vgl. zur Tendenz der Rspr. BGH v. 6. 10. 1999 – IV ZR 118/98, NVersZ 2000, 72 = VersR 2000, 1525 = MDR 2000, 29. 3 So auch Leverenz, VersR 2008, 709 zu § 19 Abs. 5 VVG; a. A. Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Rüffer, § 6 VVV Rz. 31 f.
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Teil 7
Rz. 26
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
rung), § 37 (Erstprämie), § 51 Abs. 1 (Beginn der vorläufigen Deckung) und § 52 Abs. 1 (Beendigung der vorläufigen Deckung bei Nichtzahlung der Erstprämie). Es handelt sich dabei also um Warnhinweise, die dem Versicherungsnehmer wichtige und weitreichende Rechtsfolgen deutlich vot Augen führen sollen. Davon sind die Erklärungen des Versicherungsnehmers zu unterscheiden, mit denen er auf Informations- und Beratungsrechte verzichtet, nämlich in § 6 Abs. III (Beratungsverzicht), § 7 Abs. 1 (Information vor Vertragserklärung), § 60 Abs. 3 (Beratungsgrundlage des Vermittlers), § 61 Abs. 2 (Beratungs- und Dokumentationspflicht des Vermittlers). Hier soll verhindert werden, dass dem Versicherungsnehmer der Verzicht auf seine Rechte „untergejubelt“ wird, indem sich der Verzicht auf sonstigen Antrags- und Vertragsdokumente befindet. Ihm soll durch eine zusätzliche Unterschrift auf einer zusätzlichen Seite sein Verzicht deutlich gemacht werden. Also eine ganz andere Situation als bei den Warnhinweisen, bei denen es vor allem darauf ankommt, dass der (durchschnittliche) Versicherungsnehmer sie auf jeden Fall wahrnimmt. 26
Auf dem Versicherungsschein muss die Belehrung in auffälliger Form erteilt werden. Eine am unteren Rand des Versicherungsscheins in kleinem Druck erteilte Belehrung reicht deshalb nicht aus. Ebenfalls genügt eine Belehrung auf der Rückseite des Versicherungsscheins nicht, wenn der Versicherungsnehmer nicht auf der Vorderseite deutlich auf sie hingewiesen wird. Wegen der erheblichen Folgen, die den Versicherungsnehmer treffen können, sind an die Gestaltung besondere Anforderungen zu stellen.
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Der Inhalt der Belehrung muss rechtlich zutreffen und in einer Sprache übermittelt werden, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht. Deshalb erscheint es bedenklich, wenn der Versicherer ohne nähere Erklärung von der „Einlösung des Versicherungsscheins“ spricht. So etwas ist auch in Allgemeinen Versicherungsbedingungen überflüssig und ohne weiteres vermeidbar. Der Versicherungsnehmer darf über die wirkliche Rechtslage und die weit reichenden Folgen einer Säumnis nicht im Unklaren gelassen werden. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer darüber aufklären, dass die vorläufige Deckung rückwirkend wegfällt, wenn er die Prämie nicht unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen Tagen zahlt. Die Belehrung über den Wegfall der vorläufigen Deckung muss dahin lauten, dass die angeforderte Erstprämie binnen 14 Tagen nach Ablauf von zwei Wochen nach dem Zugang der Police (Widerrufsfrist) zu bewirken ist1, B.2.4 AKB. 1 OLG Hamm v. 29. 1. 1999 – 20 U 159/98, VersR 1999, 1229 = NVersZ 1999, 489 = zfs 1999, 474 = NJW-RR 1999, 1331 = r+s 1999, 357.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 30 Teil 7
In der Belehrung ist darauf hinzuweisen, dass bei unverschuldeter Versäumung der Frist auch eine nachträgliche Zahlung zum Erhalt des Versicherungsschutzes führt1. Die Belehrung ist unzureichend, wenn der Versicherer die Erstprämien für Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung als Gesamtbetrag anfordert und für den Versicherungsnehmer nicht deutlich wird, dass er bereits durch die Zahlung der Erstprämie für die Kfz-Haftpflichtversicherung den entsprechenden Versicherungsschutz erhalten kann2. Vor dem Hintergrund, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer i. d. R. den späteren Wegfall einer vorläufig erteilten Deckung nicht vorhersieht und diese Regelung für ihn außerordentlich belastend sein kann, stellt die Rechtsprechung manchmal Anforderungen, die auf den ersten Blick als ungewöhnlich streng erscheinen.
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Beispiel: Das OLG Oldenburg3 hat folgende Belehrung nicht gelten lassen: „Wenn Sie nicht spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 5a VVG a. F. (§ 8 VVG n. F.) den Versicherungsschein einlösen, d. h. den Erstbetrag zahlen, und die Nichtzahlung von Ihnen zu vertreten ist, geht der Versicherungsschutz rückwirkend verloren.“ Das OLG beanstandet, dass die gesetzliche Regelung des § 5a VVG a. F. (§ 8 VVG n. F.) äußerst kompliziert sei und deshalb ein Verweis auf die Vorschrift nicht genüge. Der Versicherungsnehmer müsse den Fristablauf aus der Belehrung selbst entnehmen können. Dem ist zuzustimmen.
f) Beweislastverteilung Dafür, dass überhaupt ein Vertrag über die vorläufige Deckung geschlossen wurde, trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast4. Macht der Versicherer geltend, der Vertrag sei unwirksam, so obliegt ihm der Beweis für die zur Nichtigkeit führenden tatbestandlichen Voraussetzungen, etwa Nichtigkeit wegen kollusiven Zusammenwirkens zwischen Agent und Versicherungsnehmer5.
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Der Versicherer muss auch die tatsächlichen Voraussetzungen für den rückwirkenden Wegfall der vorläufigen Deckung, der eine auflösende Bedingung ist, beweisen6.
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1 OLG Hamm v. 30. 1. 1991 – 20 U 263/90, r+s 1991, 183 = NJW-RR 1991, 1046; v. 22. 5. 1995 – 20 W 9/95, r+s 1995, 403 m. Hinw. der Red.; OLG Düsseldorf v. 3. 11. 1992 – 4 U 285/91, VersR 1993, 737 m. w. N.; OLG Köln v. 19. 8. 1997 – 9 U 222/96, r+s 1997, 406 = VersR 1998, 1104 (1106). 2 OLG Hamm v. 25. 11. 1997 – 20 W 24/97, r+s 1998, 99 = zfs 1998, 177. 3 OLG Oldenburg v. 2. 12. 1998 – 2 U 197/98, VersR 1999, 1486 = NVersZ 1999, 1486 = MDR 1999, 742 = r+s 1999, 187. 4 BGH v. 19. 3. 1986 – IVa ZR 182/84, VersR 1986, 541. 5 BGH v. 13. 11. 1985 – IVa ZR 24/85, VersR 1986, 131. 6 BGH v. 9. 7. 1986 – IVa ZR 5/85, VersR 1986, 986, 988; v. 13. 12. 1995 – IV ZR 30/95 – unter II 2b, VersR 1996, 445.
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Rz. 31
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
! Hinweis: Bestreitet der Versicherungsnehmer, den Versicherungsschein erhalten zu haben, muss der Versicherer den Zugang und ggf. dessen Zeitpunkt beweisen. Nach OLG Hamm ist der Versicherer auch dann für den Zeitpunkt des Zugangs beweisbelastet, wenn sich der Versicherungsnehmer an den Zeitpunkt nicht mehr erinnert1. Beweiserleichterungen oder Erfahrungssätze, etwa zu den Postlaufzeiten, zugunsten des Versicherers gebe es nicht2. Anders sieht dies allerdings das OLG Frankfurt3, wonach der Zeitpunkt des Zugangs analog § 270 S. 2 ZPO verrmutet wird, wenn der Zugang eines Schreibens des Versicherers unstreitig ist. Unerheblich ist, ob der Versicherer den Versicherungsschein alsbald abgeschickt hat. Denn auch bei bewiesener rechtzeitiger Absendung ist der Zugang, insb. sein Zeitpunkt innerhalb gewöhnlicher Postlaufzeit, dem Anscheinbeweis nicht zugänglich4. Lediglich bei einer Wohnungsänderung enthält § 13 Abs. 1 VVG eine Zugangsfiktion, wenn der Versicherer seine Erklärungen an die alte Anschrift abgesandt hat. Voraussetzung ist aber, dass dies durch Einschreiben geschah, was die Versicherer kaum praktizieren. Nach OLG Hamm soll bei Zusendung des Versicherungsscheins § 13 Abs. 1 VVG ohnehin nicht anwendbar sein, weil die Aushändigung des Versicherungsscheins keine Willenserklärung sei. Das ist unrichtig, denn in der Übersendung des Versicherungsscheins ist die Annahme des Antrags des Versicherungsnehmers zu sehen. Womit sonst sollte eine Annahmeerklärung, die für einen Vertragsschluss erforderlich ist, erfolgen?5. Schließlich genügt es, wenn der Vertragsschluß durch einen Antrag des VN angebahnt ist, so daß auch die Annahmeerklärung des Versicherers von § 13 erfasst wird6.
3. Rückwärtsversicherung 31
Trotz der möglichen und üblichen vorläufigen Deckung in der Kraftfahrtversicherung ist eine Rückwärtsversicherung, § 2 VVG, nicht ausgeschlossen. Sie ist gegeben, wenn der materielle Versicherungsschutz 1 OLG Hamm v. 22. 11. 1995 – 20 U 186/95, r+s 1996, 164 = VersR 1996, 1408. 2 OLG Hamm v. 11. 5. 2007 – 20 U 272/06, VersR 2007, 1397 = MDR 2008, 26 = zfs 2007, 512. 3 OLG Frankfurt/M v. 10. 7. 2009 – 7 U 257/08, VersR 2009, 1394. 4 BVerfG v. 15. 5. 1991 – 1 BvR 1441/90, NJW 1991, 2757; BGH v. 13. 12. 1995 – IV ZR 30/95 – unter II 2b, VersR 1996, 445 = NJW 1996, 729 = MDR 1996, 584; OLG Köln v. 19. 8. 1997 – 9 U 222/96, r+s 1997, 406 = VersR 1998, 1104, 1106. 5 Vgl. Römer/Langheid/Römer, VVG § 10 Rz. 4. 6 Prölss/Martin/Prölss, VVG § 13 Rz. 4.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 32 Teil 7
vor dem formellen, also vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegt. Zur Rückwärtsversicherung kommt es, wenn der künftige Versicherungsnehmer im Antrag ein Datum für den Versicherungsbeginn nennt, das vor der Annahme des Antrags liegt1. Diese Konstellation kommt häufig bei der Kaskoversicherung vor, wenn dafür vorläufige Deckung nicht gewährt wurde, beim späteren Antrag aber der Beginn der Kaskoversicherung auf das (zurückliegende) Datum der Zulassung gesetzt wird. Sie unterscheidet sich von der vorläufigen Deckung dadurch, dass es zur Rückwärtsversicherung nur kommt, wenn der Versicherer den Antrag des Versicherungsnehmers auf Abschluss eines Versicherungsvertrages annimmt. Bis zur Annahme bleibt der Versicherungsnehmer in der Ungewissheit, ob er einen schnellen, vor dem Zeitpunkt der Annahme liegenden Versicherungsschutz erhält. Lehnt der Versicherer den Antrag ab, hat der Antragsteller überhaupt keinen Versicherungsschutz. Demgegenüber gewährt die vorläufige Deckung in jedem Fall sofortigen Deckungsschutz, gleichgültig, ob der Antrag auf Abschluss des Hauptvertrages später angenommen wird. Liegt das im Antrag genannte Datum für den Beginn der Versicherung vor dem künftigen Vertragsschluss, so muss ausgelegt werden, ob vorläufige Deckung oder Rückwärtsversicherung gewollt ist, wenn sich nicht eindeutig eine vorläufige Deckung ergibt. So kann für die Fahrzeugversicherung Deckungsschutz aus der Rückwärtsversicherung in Betracht kommen, wenn vorläufige Deckung nur für die Haftpflichtversicherung gewährt war, im Versicherungsschein aber ein früheres Datum als Versicherungsbeginn genannt ist als der Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsschein ausgestellt wurde2. Für den Zeitraum der Rückwärtsversicherung gilt § 37 Abs. 2 VVG als abbedungen3, so dass unschädlich ist, wenn im Zeitpunkt des Versicherungsfalls die Prämie noch nicht gezahlt ist. Selbstverständlich ist auch eine Rückwärtsversicherung nicht möglich, wenn der Versicherungsnehmer weiß, dass der Versicherungsfall schon eingetreten ist, § 2 Abs. 2 VVG. Tritt der Versicherungsfall nach Abgabe des Antrags, aber vor dessen Annahme durch den Versicherer ein, besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherer den Antrag mit Rückwirkung annimmt4. Gerade dafür besteht die Rückwärtsversicherung.
1 BGH v. 21. 3. 1990 – IV ZR 40/89, BGHZ 111, 29 = VersR 1990, 618 = NJW 1990, 1851. 2 OLG Hamm v. 29. 1. 1993 – 20 U 218/92, NJW-RR 1993, 995; OLG Düsseldorf v. 11. 1. 1994 – 4 U 96/93, r+s 1994, 85. 3 Römer/Langheid/Römer, VVG § 2 Rz. 6 m. w. N. 4 BGH v. 21. 3. 1990 – IV ZR 40/89, BGHZ 111, 29 = VersR 1990, 618 = NJW 1990, 1851.
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Teil 7
Rz. 33
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
4. Der Kraftfahrt-Versicherungsvertrag a) Auslegung und Inhaltskontrolle 33
Allgemeine Versicherungsbedingungen, also auch die AKB, sind nicht wie Gesetze auszulegen. Vielmehr hat die Rechtsprechung eigene Kriterien entwickelt, anhand derer Allgemeine Versicherungsbedingungen auszulegen sind. Im Vordergrund steht die Überlegung, dass insbesondere im Massengeschäft Adressat der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der durchschnittliche Versicherungsnehmer ist. Er sollte die Bedingungen, soweit dies überhaupt möglich ist, verstehen. Deshalb sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach der st. Rspr. des BGH, dem die unteren Gerichte inzwischen gefolgt sind, grundsätzlich so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an1. Zu den so auszulegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen gehören auch Tarifbeschreibungen2, wie sie gerade auch in der Kraftfahrtversicherung üblich waren und sich nach der Deregulierung hier besonders herausgebildet haben. Mit Einführung der AKB 2008 werden diese nicht mehr in einem besonderen Bedingungswerk, sondern direkt in den AKB 2008 abgebildet. Damit wird ihr Charakter als mit dem Versicherungsnehmer vereinbarte Bedingungen unterstrichen.
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Mit Schaffung der AKB sind die Versicherer dem Erfordernis nachgekommen, die historisch gewachsenen Bedingungen an die heutige Zeit anzupassen. Die alten AKB entstammten der regulierten Zeit und waren im Laufe der Zeit durch verschiedenste Änderungen und Einfügungen recht unübersichtlich geworden, was deren Verständnis gerade beim durchschnittlichen Versicherungsnehmer schadete. Andererseits waren die alten AKB durch die Rechtsprechung weitgehend überprüft worden und die Auslegung gefestigt. Man erkennt bei den AKB das Bemühen, einerseits die Lesbarkeit und Verständnismöglichkeit für den Versicherungsnehmer zu erhöhen, andererseits aber auch die durch die Rechstsprechung gefestigten Begriffe zu erhalten. Ohne tiefgreifende sachliche Änderungen sollte die Rechtssicherheit, die die alten Bedingungen weitgehend aufwiesen, nicht aufgegeben werden. 1 BGH v. 23. 6. 1993 – IV ZR 135/92 – unter III 1b, BGHZ 123, 83 (85) = VersR 1993, 957 = NJW 1993, 2369 = MDR 1993, 841 m. w. N.; s. Römer/Langheid/Römer, VVG vor § 1 Rz. 16 m. w. N. zur Rspr. 2 BGH v. 10. 1. 1996 – IV ZR 125/95 – unter 2b, VersR 1996, 357 = zfs 1996, 144 = MDR 1996, 1130.
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Deshalb konnte auch nicht darauf verzichtet werden, in den AKB Begriffe der Rechtssprache zu verwenden. Denn hier ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen das meinen, was der Rechtsbegriff besagt1. Risikoausschlussklauseln sind grundsätzlich eng anzulegen. Sie dürfen nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordern2. Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist nicht so schnell anwendbar, wie es ihr Wortlaut vermuten lässt. Nach ihm gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Indessen ist diese Vorschrift nicht schon dann anzuwenden, wenn Streit über die Auslegung besteht. Voraussetzung einer Anwendung ist vielmehr, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsregeln ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen dann noch rechtlich vertretbar sind3. Meistens wird eine unklare Regelung eher als Verstoß gegen das Transparenzgebot (s. Rz. 37) gesehen4.
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Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Versicherungsbedingungen5 steht mit deren Auslegung in engem Zusammenhang. Der Inhalt einer Bedingung kann auf seine Wirksamkeit, etwa nach dem Maßstab einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers erst geprüft werden, wenn ihr Sinn durch Auslegung ermittelt ist. Deshalb geht Auslegung vor Kontrolle. Die Gefahr besteht darin, dass sich der Auslegende von dem Ziel leiten lässt, die Unwirksamkeit nicht feststellen zu müssen. Dies wäre unzulässig, wenn damit eine geltungserhaltende Reduktion bewirkt würde6.
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Die Kontrolle wird im Wesentlichen am Maßstab des § 307 BGB vorzunehmen sein, wenn die Kontrollschranke des § 307 Abs. 3 BGB7 genommen ist. Dabei unterliegen Vertragsbestimmungen, die zum Nach1 BGH v. 5. 7. 1995 – IV ZR 133/94 – unter 2b, VersR 1995, 951 = NJW-RR 1995, 1303, „nicht zulassungs- und nicht versicherungspflichtige Kfz“. 2 BGH v. 23. 11. 1994 – IV ZR 48/94 – unter 3b, VersR 1995, 162 = MDR 1995, 259 = zfs 1995, 59. 3 BGH v. 6. 3. 1996 – IV ZR 275/95 – unter 3a, VersR 1996, 622 = MDR 1996, 1240 = zfs 1996, 261; v. 11. 3. 1997 – X ZR 146/94, NJW 1997, 3434 (beide zu § 5 AGBG). 4 Vgl. BGH v. 24. 5. 2006 – IV ZR 263/03, NJW 2006, 2545 = VersR 2006, 1066 = r+s 2006, 366 zur MWSt-Klausel. 5 Vgl. dazu ausführlich Römer, NVersZ 1999, 97 m. w. N. 6 Grundlegend und seither ständig BGH v. 17. 5. 1982 – VII 316/81 – unter II 3b, BGHZ 84, 109 (114) = NJW 1982, 2309; zu Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, AGBG § 6 Rz. 14 m. w. N. 7 Dazu Römer, Festschrift für Egon Lorenz, 1994, 449 (zum AGBG).
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teil des VN von halbzwingenden Vorschriften des VVG abweichen, uneingeschränkt der Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB und sind an den halbzwingenden Normen zu messen1. 37
In jüngerer Zeit hat der BGH auch im Versicherungsrecht das Transparenzgebot angewandt und an ihm Klauseln scheitern lassen2. Dieses Gebot fordert im Wesentlichen, dass die Rechtsposition des Vertragspartners klar und durchschaubar geregelt sein muss. Der Vertragspartner soll durch Klarheit und Bestimmtheit der Regelung Gewissheit über den Umfang seiner Rechte und Pflichten haben3, eine Obliegenheitsklausel muss klar und deutlich erkennen lassen, was im Einzelnen verlangt wird4. Dennoch darf das Transparenzgebot als Instrument der Inhaltskontrolle nicht überschätzt werden. Bei seiner Anwendung ist schon wegen seines derzeit noch diffusen Inhalts Zurückhaltung geboten.
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Als Folge einer Unwirksamkeit von Regelungen bestimmt § 306 Abs. 2 BGB, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Im Versicherungsrecht läuft diese Regelung häufig leer, weil das Gesetz nur wenig regelt, vielmehr die Allgemeinen Versicherungsbedingungen den Inhalt des Vertrages ausmachen. Hält das Gesetz keine Regelung bereit, so bleibt nur die Lückenfüllung übrig. Grundsätzlich hat die Rechtsprechung auch im Versicherungsrecht eine solche ergänzende Vertragsauslegung gebilligt5. Sie wird häufig schwierig sein, weil der Richter versicherungstechnische Hintergründe, die eine Regelung oft mitbestimmen, nicht kennt. b) Informationspflichten
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Das alte VVG ließ mit § 5a grundsätzlich zwei Möglichkeiten zu, den Vertrag zu schließen. Bei dem sog. Antragsmodell händigt der Versicherer dem Versicherungsinteressenten schon bei dessen Antragstellung sämtliche Verbraucherinformationen aus, zu denen auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen gehören, §§ 10, 10a VAG i. V. m. Anlage D Abschn. I Nr. 1b. Bei dieser Verfahrensweise kommt der Versicherungsvertrag unmittelbar mit Zugang der Annahmeerklärung des Versicherers, i. d. R. der Versicherungsschein, zustande. 1 BGH v. 18. 3. 2009 – IV ZR 298/06, VersR 2009, 769 . 2 BGH v. 8. 10. 1997 – IV ZR 220/96 – unter 3b, BGHZ 136, 394, 401 = NVersZ 1998, 29 = NJW 1998, 454 = MDR 1998, 90; v. 17. 3. 1999 – IV ZR 218/97 – unter 3b, BGHZ 141, 153 = VersR 1999, 697 = NVersZ 1999, 396 = MDR 1999, 933; v. 24. 3. 1999 – IV ZR 90/98 – unter I 3b, BGHZ 141, 137 = VersR 1999, 710 = NVersZ 1999, 360 = MDR 1999, 867. 3 Näher Römer, NVersZ 1999, 97, 102 m. w. N. zur Rspr. 4 BGH v. 16. 9. 2009 – IV ZR 246/08, zfs 2010, 29. 5 BGH v. 22. 1. 1992 – IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92, 98 = NJW 1992, 1164 = MDR 1992, 454.
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Rz. 43 Teil 7
Bei dem Policenmodell, das insb. beim Abschluss der Kraftfahrtversicherung üblich war, erhielt der Antragsteller die Verbraucherinformation einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen erst mit der Aushändigung des Versicherungsscheins, der Police. Bei dieser Variante bestimmte § 5a VVG a. F., dass der Vertrag erst dann auf der Grundlage der Verbraucherinformationen als abgeschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen widersprach.
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Das VVG 2008 setzt dem Policenmodell ein Ende. Das Gesetz stellt auf das Antragsmodell ab. § 7 Abs. 1 VVG fordert, dass dem Versicherungsnehmer „rechtzeitig“ vor seiner Vertragserklärung, also dem Antrag i. d. R., die Vertragsbestimmungen einschließlich der Versicherungsbedingungen sowie weitere Informationen (Näheres s. Rz. 45 ff.) in Textform mitzuteilen sind.
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Diskutiert wurde auch das sogen. Invitatio-Modell, das aber in der Kraftfahrtversicherung offenbar nicht praktiziert wird. Danach stellt der Kunde keinen Antrag, sondern er fragt lediglich an. Die Übersendung der Police (einschließlich der gesetzlich erforderlichen Informationen) stellt ein Angebot an den Versicherungsnehmer dar, das dieser annimmt, wodurch erst der Vertragsschluss erfolgt. Die nach § 7 VVG geforderte Information muss rechtzeitig vor der Willenserklärung des Versicherungsnehmers erfolgen. Die Informationen sollen dem Versicherungsnehmer noch die Gelegenheit geben, seine Entscheidung zum Vertragsschluss zu überdenken. Was genau unter „rechtzeitig“ zu verstehen ist, lässt sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Maßstab dürfte dabei sein, ob es sich um eine typische, „alltägliche“ Versicherung mit mehr oder weniger standardisierten Bedingungen handelt oder um einen Vertrag mit weitreichenden Folgen beispielsweise für die Alterssicherung mit verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten und Produktvariationen. Die Kraftfahrtversicherung ist so weit verbreitet und deren Vertragsinhalt im Großen und Ganzen so bekannt, dass die geforderte Zeitspanne zwischen Informationserteilung und Willenserklärung des Versicherungsnehmers nicht groß sein muss. Die Zugänglichmachung unmittelbar vor der Willenserklärung dürfte hier ausreichen, wenn der Versicherungsnehmer noch Gelegenheit zur Kenntnisnahme und zur Entscheidung über die Antragstellung hat.
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Die Mitteilung muss in Textform erfolgen. Was darunter zu verstehen ist, bestimmt § 126b BGB. Danach muss die Erklärung in einer Urkunde oder in einer anderen zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werden. Zu den geeigneten Medien zählen Papier, Disketten, USB-Sticks, CD-ROMs, Festplatten, E-Mails, Computer-
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Faxe, Downloads1. Bei den elektronischen Medien muss der Empfänger allerdings zu erkennen geben, dass er mit der Übermittlung in dieser Form einverstanden ist bzw. sie lesbar machen kann2. Wichtig ist gerade bei den elektronischen Medien, dass es für den Empfänger leicht und eindeutig erkennbar sein muss, welche Informationen zu dem ins Auge gefassten Vertrag gehören. 44
Wird der Vertrag telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen, das eine Information in Textform vor der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nicht gestattet, muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden, § 7 Abs. 1 Satz 2 VVG. Gerade im Kraftfahrtbereich werden Vertragserklärungen häufig telefonisch aufgenommen – insbesondere bei einem Fahrzeugwechsel. Hier reicht es also aus, dem Versicherungsnehmer die Informationen zusammen mit dem Versicherungsschein – der Annahmeerklärung des Versicherers – zu übermitteln, wenn dies unverzüglich geschieht. Bei einem Antrag im Internet gilt diese Ausnahmeregelung grundsätzlich nicht, denn dabei kann dem Antragsteller vor seiner endgültigen Antragstellung Gelegenheit gegeben werden, direkt im Internet die Informationen einzusehen und herunterzuladen.
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Welche Informationen dem Versicherungsnehmer zu erteilen sind, regelt die VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV). Hier sind insbesondere diejenigen nach § 1 VVG-InfoV und nach § 4 VVG-InfoV von Bedeutung. Die Informationspflichten nach § 1 VVG-InfoV umfassen vor allem allgemeine Informationen über den Versicherer. Der Versicherer muss aber auch u. a. über Folgendes informieren: – Ziff. 6: die für den Vertrag geltenden AGB – Ziff. 7: den Preis der Versicherung – Ziff. 9: Einzelheiten der Zahlung, insbesondere zur Zahlungsweise Während grundsätzlich keine Formvorschriften bestehen, müssen einige Informationen in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form erfolgen: – Ziff. 3: die ladungsfähige Anschrift des Versicherers – Ziff. 13: das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts – Ziff. 15: Angaben zur Beendigung des Vertrages, insbesondere zu den vertraglichen Kündigungsbedingungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen; 1 Vgl. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 126b BGB Rz. 3. 2 S. auch Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 126b BGB Rz. 3, 6; Looschelders/Pohlmann, VVG, § 7 Rz. 19.
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Rz. 46 Teil 7
Der Versicherungsnehmer kann ausdrücklich durch gesonderte schriftliche Erklärung auf Information vor seinem Antrag verzichten, dann müssen die Informationen unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Ein „formularmässiger“ Verzicht, den ein Versicherer mehr oder weniger planmäßig jedem Antragsteller abverlangt, dürfte unzulässig sein. In § 4 VVG-InfoV wird das sog. Produktinformationsblatt normiert. Während § 1 es dem Versicherer weitgehend freistellt, an welchem Ort und in welcher Reihenfolge er die geforderten Informationen erteilt, fordert § 4 Abs. 5 VVG-InfoV die Informationserteilung in der Reihenfolge von Abs. 2 der Verordnung. Dabei ist das Produktinformationsblatt allen anderen Informationen voranzustellen. Folgende Informationen sind nach Abs. 2 zu erteilen: 1. Angaben zur Art des angebotenen Versicherungsvertrages; 2. eine Beschreibung des durch den Vertrag versicherten Risikos und der ausgeschlossenen Risiken; 3. Angaben zur Höhe der Prämie in Euro, zur Fälligkeit und zum Zeitraum, für den die Prämie zu entrichten ist, sowie zu den Folgen unterbliebener oder verspäteter Zahlung; 4. Hinweise auf im Vertrag enthaltene Leistungsausschlüsse; 5. Hinweise auf bei Vertragsschluss zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung; 6. Hinweise auf während der Laufzeit des Vertrages zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung; 7. Hinweise auf bei Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung; 8. Angabe von Beginn und Ende des Versicherungsschutzes; Nach der Vorstellung des Verordnungsgebers soll das Produktinformationsblatt in der vorgeschriebenen Form den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen, die Produkte verschiedener Anbieter leichter vergleichen zu können. Zumindest bei der Kraftfahrtversicherung dürfte dies ein sehr frommer Wunsch sein. Es steht vielmehr zu befürchten, dass die Vielzahl der dem Versicherungsnehmer nunmehr zu erteilenden Informationen – s. auch noch die Beratungspflichten und deren Dokumentation, Rz. 52 ff. – dazu führen wird, dass er gar nichts mehr zur Kenntnis nimmt, also genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was der Gesetzgeber sich vorstellte. Da zudem auch noch verschiedene Informationen deutlich hervorgehoben sein müssen, wird es dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer noch schwerer gemacht, das für ihn wirklich Wichtige zu erkennen. Man denke nur an das Zusammentreffen von ErMeinecke
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Rz. 47
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teilung der vorläufigen Deckung mit der Antragstellung für den Hauptvertrag. Leider gilt auch hier: Übereifer schadet der guten Sache. c) Das Widerrufsrecht 47
Von Bedeutung ist die richtige und vollständige Informationserteilung nach § 7 VVG i. V. m. der VVG-InfoV vor allem für den Beginn der Widerrufsfrist nach § 8 VVG. Nach Abs. 2 beginnt die Frist von vierzehn Tagen erst zu laufen, wenn dem Versicherungsnehmer folgende Unterlagen in Textform (s. Rz. 43) zugegangen sind: – Ziff. 1: die Vertragsbestimmungen einschließlich der AKB sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG (vgl. Rz. 45 f.) – Ziff. 2: eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen (vgl. Rz. 24). Nach § 8 Abs. 4 VVG beginnt die Widerrufsfrist im elektronischen Geschäftsverkehr nicht vor Erfüllung der Anforderungen von § 312e Abs. 1 S. 1 BGB.
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Nachdem zunächst geplant war, Inhalt und Gestaltung einer Widerrufsbelehrung in einer Verordnung festzulegen, hat der Gesetzgeber sich schließlich für eine Regelung im VVG entschlossen. Nach § 8 Abs. 5 VVG genügt eine Belehrung den Anforderungen, wenn das als Anlage zum Gesetz vorhandene Muster in Textform verwendet wird.
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Kein Widerrufsrecht besteht nach § 8 Abs. 3 VVG bei: – Ziff. 1: Verträgen mit einer kürzeren Laufzeit als einen Monat – Ziff. 2: Verträgen über vorläufige Deckung, es sei denn, es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag – Ziff. 4: Verträgen über ein Großrisiko i. S. d. Artikels 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG aa) Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs
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Der Versicherungsnehmer kann begründungslos in Textform widerrufen. Der Vertrag ist ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung beendet, er fällt nicht rückwirkend fort. Der Vertrag ist bis zum Ablauf der Widerrufsfrist „schwebend wirksam“1. Dem Versicherer steht deshalb Prämie (nur) für die Zeit ab Gewährung des Versicherungsschutzes bis zum Zugang des Widerrufs zu, § 9 Satz 1 VVG. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer einem Beginn 1 Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 9 Rz. 2.
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Rz. 53 Teil 7
des Versicherungsschutzes vor dem Ende der Widerrufsfrist zugestimmt hat, was bei einem Kraftfahrtversicherungsvertrag die Regel ist. Hat der Versicherer nicht über das Widerrufsrecht informiert, und übt der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht erst nach Ablauf eines Jahres aus, muss der Versicherer die Prämie für das ganze erste Jahr erstatten, wenn kein Schadenfall eingetreten ist, § 9 Satz 2 VVG.
! Hinweis: Der Versicherer muss beweisen, dass und ggf. wann dem Versicherungsnehmer sämtliche Informationen nach § 8 VVG zugegangen sind. Der Versicherer entgeht seiner Beweislast nicht dadurch, dass er sich den Empfang der Unterlagen durch folgende Klausel bestätigen lässt: „Hiermit bestätige ich, dass mir die für die folgenden beantragten Versicherungen maßgebenden Verbraucherinformationen einschließlich Versicherungsbedingungen vor Antragstellung ausgehändigt wurden“. Das OLG Köln hat diese Klausel für unwirksam erklärt, weil nicht genau bestimmt wurde, welche Unterlagen ausgehändigt wurden1.
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d) Beratungspflichten Das VVG normiert Beratungspflichten sowohl für den Versicherer (§ 6 VVG) als auch den Versicherungsvermittler (§§ 61 ff. VVG).
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aa) Beratungspflicht des Versicherers Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer über die angebotene Versicherung zu beraten, wobei der Umfang der Beratung von der Komplexität des Versicherungsvertrags, der Situation und der Person des Kunden abhängt. Bei einem Kraftfahrthaftpflichtvertrag als einem stark durch die Pflichtversicherungsvorschriften normierten Vertrag sind diese Pflichten in der Regel nicht so weitgehend. Das sieht aber ganz anders aus, wenn der Versicherer insbesondere bei der Kaskoversicherung mehrere Tarife vorhält, die ganz unterschiedliche Leistungsmerkmale aufweisen. Hier sei nur auf die so genannten Werkstatttarife hingewiesen, bei denen der Kunde sich verpflichtet, die Reparaturwerkstatt vom Versicherer aussuchen zu lassen. Auch besteht vermehrter Beratungsbedarf bei Verträgen, die reduzierte Leistungen aufweisen (häufig „Basistarife“ genannt). Die Beratung ist zu dokumentieren, § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG. Die Dokumentation ist dem Versicherungsnehmer vor der Antragstellung in Textform zu übermitteln, § 6 Abs. 2 Satz 1 VVG. Mündliche Übermittlung 1 OLG Köln v. 22. 10. 1999 – 6 U 35/99, VersR 2000, 169 = NVersZ 2000, 512 = r+s 2000, 137.
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ist auf Wunsch des Kunden und bei vorläufiger Deckung möglich. Dann muss die Übermittlung in Textform aber nach Vertragsschluss nachgeholt werden, außer bei vorläufiger Deckung bei Pflichtversicherungen, § 6 Abs. 2 Satz 3 VVG. Der Versicherungsnehmer kann auf Beratung und Dokumentation verzichten, § 6 Abs. 2 VVG. Die Beratungspflicht besteht bei erkennbarem Beratungsbedarf auch während der Laufzeit des Vertrages, § 6 Abs. 4 VVG. Ferner macht er sich schadenersatzpflichtig, wenn er gegen seine Beratungspflichten verstößt, § 6 Abs. 5 VVG. Keine Beratungspflichten nach § 6 VVG bestehen bei Großrisiken1 und bei Fernabsatzverträgen, § 6 Abs. 6 VVG. bb) Beratungspflicht des Vermittlers 54
Unabhängig davon, dass der Vermittler i. d. R. für den Versicherer die Beratung vor der Antragstellung vorzunehmen hat, treffen ihn auch eigene Beratungspflichten nach § 61 VVG. Diese entsprechen denen des Versicherers nach § 6 VVG, s. Rz. 53. Bei einer Pflichtverletzung besteht ein selbständiger Schadenersatzanspruch gegen den Vermittler, § 63 VVG. cc) Besonderheiten beim Fernabsatzvertrag
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Gerade in der Kraftfahrtversicherung sind in zunehmendem Maße Fernabsatzverträge zu verzeichnen, wobei in erster Linie der Vertrieb über das Internet zu nennen ist. Für diese Verträge sieht das Versicherungsvertragsrecht einige Besonderheiten vor. Grundsätzlich gelten für diese Verträge auch die Bestimmungen zum Fernabsatz im BGB, nämlich §§ 312b ff. BGB. Nach § 6 Abs. 4 VVG bestehen bei Fernabsatzverträgen die Beratungspflichten nach § 6 VVG nicht. Diese Regelung ist völlig unverständlich, denn ein Beratungsbedarf ist nicht von der Vertriebsform abhängig. Der Versicherungsnehmer, der im Internet oder per Telefon einen Antrag stellt, ist auch nicht aufgeklärter als derjenige, der einem Vermittler gegenüber steht. Ob trotz der lex specialis die Rechtsprechung mit Begründungen aus den allgemeinen Beratungspflichten dies nicht uneingeschränkt stehen lassen wird, bleibt abzuwarten. § 8 Abs. 4 VVG legt für den elektronischen Geschäftsverkehr – also insbesondere bei Internetverträgen – fest, dass die Widerrufsfrist erst be-
1 Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG.
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Rz. 58 Teil 7
ginnt, wenn die Informationen nach § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB erteilt sind. Bei einem Vertrag über vorläufige Deckung ist die Vereinbarung unzulässig, dass die AKB und die Informationen nach § 7 VVG erst mit dem Versicherungsschein übermittelt werden müssen, § 49 Abs. 1 Satz 2 VVG. e) Beginn des Vertrages und des Versicherungsschutzes In der Kfz-Haftpflichtversicherung besteht ein Kontrahierungszwang. Der Versicherer darf den Antrag nur unter den eng begrenzten Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 PflVG ablehnen. Abs. 3 dieser Vorschrift normiert eine Annahmefiktion für Zweiräder, Personen- und Kombinationskraftwagen bis zu 1 t Nutzlast; der Antrag gilt als angenommen, wenn der Versicherer nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags schriftlich ablehnt oder wegen einer höheren Gefahr ein abweichendes schriftliches Angebot unterbreitet.
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aa) Einbezug der AKB Nachdem Allgemeine Vertragsbedingungen vom Bundesaufsichtsamt nicht mehr zu genehmigen sind und § 23 Abs. 3 AGBG aufgehoben wurde, werden AKB nur dann in den Vertrag einbezogen, wenn die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB erfüllt sind. Dies geschieht in der Regel mit Aushändigung der AKB. Zu beachten ist, dass ein Fahrzeugwechsel, auch wenn er bei demselben Versicherer unter der Versicherungsscheinnummer des bisherigen Vertrages geführt wird, immer ein neuer Vertrag ist und dem Versicherungsnehmer die AKB, die zur Zeit des Fahrzeugwechsels gelten, auszuhändigen sind.
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Zweifelhaft ist, mit welchem Inhalt der Vertrag zustande kommt, wenn der Versicherungsnehmer die AKB nicht erhalten hat (oder dies unwiderlegt behauptet). Würde man annehmen, die AKB seien nicht wirksam vereinbart, träfen den Versicherungsnehmer zwar nicht die darin vereinbarten Pflichten, andererseits fehlten aber auch jegliche Leistungsbeschreibungen, was insgesamt zu einem untragbaren Zustand gerade für den Versicherungsnehmer führen würde. Eine Substitution durch gesetzliche Vorschriften wäre nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Es bietet sich an, hier den Gedanken aus § 49 Abs. 2 VVG zur Geltung der AVB bei der vorläufigen Deckung aufzugreifen, s. Rz. 9. Werden dem VN bei Vertragsschluss über die vorläufige Deckung AKB übermittelt, gelten diese. Geschieht dies nicht, gelten die zu diesem Zeitpunkt üblicherweise verwendeten. Im Zweifel gelten die für den Versicherungsnehmer günstigeren Bedingungen.
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bb) Beginn des Versicherungsschutzes 59
Nach B.1 AKB beginnt der Versicherungsschutz des Hauptvertrages mit Einlösung des Versicherungsscheins durch Zahlung des Beitrags und der Versicherungssteuer. Diese Regelung entspricht § 37 Abs. 2 VVG. Dies ist dem Versicherungsnehmer meist gar nicht bewußt, denn zumindest in der KH-Versicherung genießt er schon Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung (zum Beginn des Versicherungsschutzes durch vorläufige Deckung s. fi Rz. 2 ff., zur Rückwärtsversicherung fi Rz. 31 f. und zur fehlenden oder nicht rechtzeitigen Prämienzahlung fi Rz. 91 ff.).
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In H.3 AKB ist ausdrücklich geregelt, dass in der Kfz-Haftpflichtversicherung und dem Autoschutzbrief Versicherungsschutz auch für Fahrten mit ungestempeltem Kennzeichen besteht, wenn sie im Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren stehen, insb. Fahrten zur Abstempelung des Kennzeichens und Rückfahrten nach Entfernung des Stempels. Auch Fahrten zur Hauptuntersuchung, Sicherheitsprüfung oder Abgasuntersuchung innerhalb des Zulassungsbezirks und des angrenzenden Bezirks sind vom Versicherungsschutz gedeckt. Die genannte Präzisierung des Versicherungsbeginns ist unabhängig davon, ob vorläufige Deckung vereinbart wurde oder nicht. Diese Regelung hat Bedeutung, wenn als Versicherungsbeginn der Tag der Zulassung bestimmt ist und eine der vorbeschriebenen Fahrten schon vorher durchgeführt wurde. Diese Ausdehnung des Versicherungsschutzes soll dem Versicherungsnehmer der Notwendigkeit entheben, nur für diese Fahrten ein Kurzzeitkennzeichen erwerben zu müssen. Eine Teilnahme am Verkehr ist aber nur mit Kraftfahrthaftpflichtschutz zulässig. Aus dieser (freiwilligen) Ausdehnung des Versicherungsschutzes kann der Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres ableiten, dass diese Ausdehnung auch für andere Versicherungssparten – wie etwa Kasko – zu gelten habe. Bei einer „unterbrechungsfreien“ Versicherung im Rahmen eines Fahrzeugwechsels ist nicht auszuschließen, dass den Versicherer besondere Hinweispflichten treffen. cc) „Auge-und-Ohr“
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Bei Abschluss des Versicherungsvertrages ist häufig ein Agent des Versicherers eingeschaltet. Die Erfahrung zeigt, dass mündliche Absprachen zwischen Versicherungsnehmer und Agent später in den Vertragsunterlagen, insbesondere im Antrag, nicht immer schriftlich festgehalten sind. Probleme, die dadurch entstehen, dass bei einem persönlichen Gespräch zwischen Versicherungsnehmer und einem Agenten oder Angestellten des Versicherers etwas Abweichendes oder Ergänzendes zu dem im An910
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trag oder den Bedingungen Vorformulierten erklärt wird, hat die sog. Auge-und-Ohr-Rechtsprechung zu lösen versucht. Mit der VVG-Reform hat dieser Grundsatz direkt Eingang ins Gesetz gefunden. § 70 VVG n. F. bestimmt ausdrücklich und in Abänderung des alten § 44, dass die Kenntnis des Versicherungsvermittlers der Kenntnis des Versicherers gleich steht. Danach steht dem Antragsteller der empfangsbevollmächtigte Agent bei der Entgegennahme des Antrags – bildlich gesprochen – als Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt. Es kommt nicht darauf an, ob der Agent sein Wissen an den Versicherer weitergeleitet hat. Dem Versicherer wird das Wissen des Agenten in jedem Falle zugerechnet. Das gilt auch, wenn es sich um einen bevollmächtigten Angestellten des Versicherers handelt. Von der Zurechnung ist allerdings privates Wissen, das nicht bei Gelegenheit der Antragstellung erlangt wurde, ausgeschlossen1. Handeln Versicherungsnehmer und Agent arglistig oder kollusiv, findet § 70 VVG ebenfalls keine Anwendung2. Arglist oder kollusives Zusammenwirken kann aber nicht ohne weiteres schon dann angenommen werden, wenn der Agent ihm mündlich mitgeteilte Umstände nicht in das Antragsformular aufnimmt3. Die Zurechnung kann bewirken, dass eine bei Vertragsschluss zu erfüllende Obliegenheit, §§ 19 ff. VVG, nur scheinbar verletzt ist, während in Wahrheit der Versicherungsnehmer den erfragten Umstand dem Agenten offenbart hat; z. B. Vorschäden, Verwendungsart des Fahrzeugs usw.
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In § 69 Abs. 3 VVG hat der Gesetzgeber nunmehr auch die Beweislastverteilung geregelt. Danach muss der Versicherungsnehmer die Abgabe oder den Inhalt eines Antrags beweisen. Der Versicherer muss beweisen, dass der Versicherungsnehmer gegen die Anzeigepflichten verstoßen hat.
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Auch wenn der Antrag vom Agenten ausgefüllt wurde, muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass er mündlich etwas anderes beantragt habe. Umgekehrt verhält es sich bei den Anzeigepflichten. Insbesondere bei Ausfüllung des entsprechenden Formulars durch den Vermittler muss der Versicherer beweisen, dass er eine Angabe nicht oder fehlerhaft gemacht hat. Die alte Rechtsprechung zu diesem Komplex kann herangezogen werden, weil das Gesetz ihr im Wesentlichen gefolgt ist4. 1 BHG v. 29. 11. 1989 – IVa ZR 273/88, VersR 1990, 150 = NJW-RR 1990, 220. 2 So die Amtliche Begründung zu § 70; vgl. auch OLG Zweibrücken v. 31. 10. 2002 – 1 U 66/02, r+s 2004, 364 = VersR 2004, 630 nach zur alten Auge-und-Ohr-Rechtsprechung. 3 BGH v. 27. 2. 2008 – IV ZR 270/06, r+s 2008, 284 = VersR 2008, 765. 4 BGH v. 11. 7. 1990 – IV ZR 156/89, VersR 1990, 1002 = NJW-RR 1990, 1359; v. 3. 7. 2002 – IV ZR 145/01, VersR 2002, 1089.
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Teil 7
Rz. 64
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Diese Beweislastregelung besteht nicht, wenn der Versicherungsnehmer mit dem Agenten arglistig (kollusiv) zusammengearbeitet hat1. 64
Nachdem die alte „Auge-und-Ohr“-Rechtsprechung das Wissen des Agenten bisher nur in solchen Fällen dem Versicherer zugerechnet hat, in denen der Agent das Wissen bei Abschluss des Vertrages erlangt hat, ist durch die VVG-Reform klar gestellt worden, dass dies auch für Erklärungen des Versicherungsnehmers nach Vertragsschluss gilt, §§ 69 Abs. 1 Ziff. 2, 70 VVG. Betroffen sind vor allem Erklärungen im Schadenfall im Rahmen der Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten. Der BGH hatte entschieden, dass der Versicherer durch Allgemeine Versicherungsbedingungen eine Zurechnung ausschließen konnte. Dies ist wegen § 72 VVG nun nicht mehr möglich. Dass der Versicherer sich die Kenntnis des Vermittlers grundsätzlich zurechnen lassen muss, verbietet aber nicht, dass der Versicherer im Einzelfall weitergehende Anzeigepflichten formulieren kann. Dies ist bei den AKB 2008 lediglich im Entwendungsfall geschehen, denn E.3.1 fordert eine Anzeige der Entwendung in Schriftform. Auch die Gesetzesbegründung zu § 72 VVG schließt ausdrücklich Klauseln mit Textformerfordernis für bestimmte Erklärungen nicht aus. § 32 Satz 2 VVG erlaubt ausdrücklich die Vereinbarung von Schrift- oder Textform.
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Grundsätzlich betrifft die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung nur das Wissen des Agenten oder des Versicherungsangestellten. Hat ein vom Versicherungsnehmer beauftragter Makler den Vertrag vermittelt, wird das Wissen des Maklers, der im Lager des Versicherungsnehmers steht, dem Versicherer nicht zugerechnet2. Dennoch hat der BGH3 die Wissenszurechnung auch bei einem Makler grundsätzlich für möglich gehalten. Die Umstände des entschiedenen Falles reichten jedoch nicht aus. dd) Vorvertragliche Anzeigepflichten
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In diesem Zusammenhang ist die Neuregelung zu den vorvertraglichen Anzeigepflichten von Bedeutung. § 19 Abs. 1 VVG stellt nun nur noch auf die Gefahrumstände ab, die für seinen Entschluss, den Vertrag anzunehmen, erheblich sind. Außerdem muss der Versicherer die Fragen in Textform stellen. Hat der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflichten 1 BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 153/92 – unter II 3b, BGHZ 123, 224 (231) = VersR 1993, 1089 = NJW 1993, 2807; Übersicht und Kommentierung der BGH-Rspr. s. Römer, Versicherungsvertragsrecht, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung, Rz. 38 ff., 106 ff. 2 Vgl. BGH v. 19. 2. 1992 – IV ZR 106/91, BGHZ 117, 213 = VersR 1992, 484 = NJW 1992, 1505. 3 BGH v. 22. 9. 1999 – IV ZR 15/99, VersR 1999, 1481 = NVersZ 2000, 125 = MDR 1999, 1506.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 69 Teil 7
verletzt, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat, was dieser beweisen muss. § 19 Abs. 4 VVG schränkt das Rücktrittsrecht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit noch weiter ein. Das Rücktrittsrecht besteht auch nur dann, wenn der Versicherer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Rechtsfolge hingewiesen hat, § 19 Abs. 5 VVG. f) Dauer und Ende des Vertrages aa) Vertragsdauer Eine ausdrückliche Regelung zur Vertragslaufzeit wie in § 4a AKB a. F. gibt es in den AKB nicht, G.1.1 verweist lediglich auf den Versicherungsschein. Da aber nach § 5 Abs. 5 PflVG keine längere Vertragsdauer als ein Jahr für die Kraftfahrthaftpflichtversicherung erlaubt ist, binden die Versicherer auch die anderen Vertragsteile, obwohl es sich um rechtlich selbständige Verträge handelt, an diese Laufzeit. G.1.2 enthält die alte Verlängerungsklausel, nach der sich der Einjahresvertrag jeweils um ein weiteres Jahr verlängert, wenn er nicht spätestens einen Monat vor Ablauf gekündigt wird (so auch für die Kfz-Haftpflichtversicherung § 5 Abs. 5 Satz 2 PflVG).
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bb) Kündigung Will der Versicherungsnehmer oder der Versicherer das Vertragsverhältnis beenden, so muss nach G.2.1 AKB der Vertrag zum Ende der Versicherungsperiode mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden, wenn keine besonderen Kündigungsgründe vorliegen
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Ein besonderer Kündigungsgrund ist der Eintritt des Versicherungsfalls. Dann sind der Versicherungsnehmer gem. G.2.3 und der Versicher gem. G.3.3 AKB zur Kündigung berechtigt. Die einmonatige Kündigungsfrist beginnt mit
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– Beendigung der Verhandlungen über die Entschädigung (in der Kasko-, Insassenunfall-, Schutzbriefversicherung), also auch einer Leistungsablehung, – Anerkennung oder zu Unrecht erfolgter Ablehnung der Leistungspflicht in der Kfz-Haftpflichtversicherung (bei zu Recht erfolgter Ablehnung liegt gar kein Versicherungsfall vor, so dass schon aus diesem Grund kein Sonderkündigungsrecht besteht), – der Weisung des Versicherers an den Versicherungsnehmer, es über den Anspruch des Dritten zum Rechtsstreit kommen zu lassen (KfzHaftpflichtversicherung), Meinecke
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Teil 7
Rz. 70
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– der Rechtskraft eines Prozesses mit dem Dritten (Kfz-Haftpflichtversicherung). Wann die vom Versicherungsnehmer ausgesprochene Kündigung wirksam werden soll, kann er selbst bestimmen, G.2.4 AKB. Die Kündigung des Versicherers wird einen Monat nach Zugang wirksam, G.3.3 AKB. 70
Ein Sonderkündigungsrecht besteht auch bei Veräußerung des Fahrzeugs. S. im Einzelnen Rz. 76 ff.
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Weitere besondere Kündigungsgründe bestehen nach den AKB für Änderungen nach Vertragsschluss. Danach hat der Versicherungsnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Versicherer – aufgrund einer Tarifänderung die Prämie erhöht, G.2.7 AKB (vgl. § 40 VVG), oder wegen einer geänderten Verwendung des Fahrzeugs die Prämie um mehr als 10 % erhöht, G.2.8 (vgl. § 25 Abs. 2 VVG), – das Schadenfreiheitsrabattsystem bzw. die Tarifstruktur ändert (G.2.9 AKB), – die Allgemeinen Versicherungsbedingungen ändert, G.2.10 AKB. Der Versicherungsnehmer muss über sein Kündigungsrecht belehrt werden, § 40 Abs. 1 S. 2 VVG.
72
G.5 AKB bestimmt Form und Zugang der Kündigung. In den unverbindlichen „Musterbedingungen“ des GDV heißt es: „Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen und ist nur wirksam, wenn sie innerhalb der jeweiligen Frist zugeht. Die von Ihnen erklärte Kündigung muss unterschrieben sein“. Hier wird ausdrücklich Schriftform gefordert, Textform oder mündliche Kündigung reichen nicht (vgl. oben fi Rz. 64). Diese Klausel dürfte allerdings bei sog. Internetverträgen, die auf elektronischer Kommunikation beruhen, unwirksam sein. Die meisten Versicherer akzeptieren auch die Textform, wenn darin eindeutig der Versicherungsnehmer als Absender erkennbar ist. Letztlich dient dies Formerfordernis dem Schutz des Versicherungsnehmers, damit nicht ein übereifriger Vermittler eines anderen Versicherers vollmachtlos eine Kündigung auf den Weg bringt und damit den Versicherungsnehmer der Gefahr aussetzt, ohne Versicherungsschutz zu sein. Dies hätte für ihn bei der Kfz-Haftpflichtversicherung sogar strafrechtliche Konsequenzen. Den rechtzeitigen Zugang muss beweisen, wer sich darauf beruft.
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Eine unwirksame Kündigung des Versicherungsnehmers muss der Versicherer unverzüglich zurückweisen1. Anderenfalls gilt sie als wirksam2. 1 Vgl. näher Römer/Langheid/Römer, VVG § 8 Rz. 18 m. w. N.; ebenso Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 G.5 Rz. 1. 2 OLG Karlsruhe v. 18. 10. 2001 – 12 U 161/01, VersR 2002, 1497.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 75 Teil 7
Einer Zurückweisung bedarf es jedoch nicht, wenn der Versicherungsnehmer selbst davon ausgeht, zu diesem Zeitpunkt nicht kündigen zu können. Das kann in seiner Formulierung zum Ausdruck kommen, er gehe von einer stillschweigenden Annahme der Kündigung durch den Versicherer aus1. Erfolgt die Kündigung zu einem zu frühen Endtermin, ist streitig, ob der Versicherungsnehmer sie wiederholen muss, oder ob sie umzudeuten ist2. Richtig dürfte sein, dass bei einem nur wenige Wochen (zehn bis 12 Wochen etwa) späteren Endtermin die Kündigung nicht wiederholt werden muss. Die Parteien sind durch die Kündigungsregelungen in den AKB nicht gehindert, einverständlich einen Auflösungsvertrag zu schließen. Allerdings stellt die Formulierung des Versicherungsnehmers „… ich möchte zum nächstmöglichen Termin meine Kfz-Vollkaskoversicherung kündigen …“ keinen Antrag auf Aufhebung des Versicherungsvertrags zu einem vom Versicherer zu wählenden Zeitpunkt dar3. Es genügt also für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht, wenn der Versicherer einen Nachtragsversicherungsschein ausstellt, mit dem ein Beendigungszeitpunkt genannt wird, der vor dem möglichen Kündigungszeitpunkt liegt.
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cc) Wegfall des Wagnisses Der Versicherungsvertrag ist beendet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn das versicherte Risiko weggefallen ist. Zum Sonderfall der Veräußerung des Fahrzeugs s. fi Rz. 76. Der Tod des Versicherungsnehmers lässt das Risiko, das von der versicherten Sache ausgeht, nicht entfallen. Das Wagnis ist nicht schon dann weggefallen, wenn das Fahrzeug gestohlen wurde. Zum einen kann auch nach dem Diebstahl ein Versicherungsfall durch Beschädigung eintreten. Zum anderen kann das Fahrzeug wieder gefunden werden. Erst wenn keine Aussicht mehr besteht, das Fahrzeug wiederzubeschaffen, kann von einem Wegfall des Risikos ausgegangen werden4. Anhaltspunkt kann die Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens sein5. Im Übrigen muss die Frist von A.2.10.1 AKB von einem Monat abgelaufen sein.
1 Vgl. den Fall AG Berlin-Neukölln v. 28. 9. 1999 – 12 C 13/99, VersR 2000, 877. 2 Vgl. die umfassende Darstellung in Prölss/Martin/Prölss, VVG § 11 Rz. 22. 3 BGH v. 10. 2. 1999 – IV ZR 56/98, VersR 1999, 576 = zfs 1999, 245 = MDR 1999, 610. 4 BGH v. 24. 4. 1985 – IVa ZR 166/83, VersR 1985, 775; v. 23. 5. 1984 – IVa ZR 100/82, VersR 1984, 754. 5 OLG Celle v. 4. 10. 1989 – 8 U 10/90, r+s 1990, 262.
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Teil 7
Rz. 76
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Bei technischem Totalschaden ist das Wagnis endgültig weggefallen. Auch wenn das Fahrzeug verschrottet wurde, egal aus welchen Gründen, besteht das versicherte Interesse nicht mehr.
! Hinweis: Der wirtschaftliche Totalschaden lässt das versicherte Interesse nicht entfallen, weil die faktische Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass das Fahrzeug wiederhergestellt wird. Den Anspruch auf die Prämie bei Wegfall des versicherten Wagnisses regelt G.8 AKB. Danach besteht der Prämienanspruch bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer Kenntnis vom Wagniswegfall erlangt. Die Außerbetriebsetzung ist nicht ohne weiteres mit dem Wagniswegfall gleich zu setzen. Dies ist nur der Fall, wenn das Fahrzeug endgültig aus dem Verkehr gezogen und verschrottet wird. Sonst beendet die Außerbetriebsetzung nicht den Bestand des Vertrages. S. auch Rz. 81. dd) Veräußerung des Fahrzeugs 76
Die Veräußerung des Fahrzeugs beendet den Versicherungsvertrag nicht „automatisch“. Vielmehr geht der Vertrag mit dem Fahrzeug auf den Erwerber über; mit Ausnahme einer etwa abgeschlossenen Kfz-Unfallversicherung, G.7.1 AKB (vgl. §§ 95 ff VVG). Das hat den Vorteil, dass keine Versicherungslücke entsteht und der Erwerber mit einem Fahrzeug fährt, das versichert ist. Die Regelungen der §§ 95 ff. VVG gelten im übrigen nicht nur für die Kaskoversicherung, wie die Stellung der Vorschriften im Gesetz vermuten läßt, sondern auch für die Kfz-Haftpflichtversicherung, § 122 VVG. Auf den Erwerber gehen auch die mit dem Veräußerer vereinbarten AKB über, da sie Vertragsbestandteil sind. Dies gilt selbst dann, wenn der Erwerber die Bedingungen nicht kennt.
! Hinweis: 77
Die Veräußerung des Fahrzeugs ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Zum Versicherungsschutz bei unterbliebener Anzeige der Veräußerung s. Rz. 80.
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Für die Prämie haften Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner (vgl. § 97 VVG). Nach der Veräußerung kann der Vertrag gekündigt werden, – vom Versicherer innerhalb eines Monats nach Kenntnis von der Veräußerung mit einer Frist von einem Monat (G.3.7 AKB), – vom Erwerber innerhalb eines Monats nach dem Erwerb bzw. nach Kenntnis vom Bestehen der Versicherung mit sofortiger Wirkung, 916
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 80 Teil 7
zum Ende des laufenden Versicherungsjahres oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit, G.2.5 AKB. Legt der Erwerber bei der Zulassungsstelle eine neue Versicherungsbestätigung vor, so gilt dies als Kündigung zum Beginn der neuen Versicherung, G.2.6 AKB. – Der Veräußerer kann den Vertrag nicht kündigen. Er ist nach Übergang des Versicherungsverhältnisses nicht mehr Vertragspartner. Den Beitragsanspruch des Versicherers bei Veräußerung des Fahrzeugs regeln G.7.2 und G.7.5 AKB näher. Gem. G.7.6 AKB gelten die Regelungen der Veräußerung auch für die Zwangsversteigerung des Fahrzeugs.
! Hinweis: Nach § 3b PflVG gilt das bisherige Versicherungsverhältnis als gekündigt, wenn der Erwerber eines Fahrzeugs eine neue Kfz-Haftpflichtversicherung abschließt. Das gilt zwar nur für die Kfz-Haftpflichtversicherung, die Versicherer beenden aber dann auch die etwa bestehende und übergegangene Kaskoversicherung, G.2.6 AKB.
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Die Veräußerung ist dem Versicherer vom Veräußerer oder Erwerber unverzüglich anzuzeigen, § 97 Abs. 1 VVG. Geschieht dies nicht, ist der Versicherer leistungsfrei. Voraussetzung für die Leistungsfreiheit ist aber,
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– dass der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Veräußerung hätte angezeigt werden müssen, und – der Versicherer den mit dem Veräußerer geschlossenen Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. Die Leistungsverpflichtung bleibt bestehen, wenn dem Versicherer die Veräußerung bekannt war, oder der Versicherer die Kündigungsfrist hat verstreichen lassen, § 97 Abs. 2 VVG. § 97 VVG entspricht im Wesentlichen dem § 71 VVG a. F. Allerdings schränkt die Neufassung die Möglichkeit des Versicherers, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen, in einem ganz wesentlichen Punkt ein: Der Versicherer muss dar tun und beweisen, dass er den Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte. Dies wird in der Kraftfahrtversicherung auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.
! Hinweis: Verursacht der Erwerber einen Schaden, darf der Schadenfreiheitsrabatt des Veräußerers nicht zurückgestuft werden. Die Belastung des Rabatts erfolgt im Vertrag des Erwerbers, weil dieser jetzt Versicherungsnehmer des Vertrages für das veräußerte Kfz ist1. 1 S. auch GB BAV 1979, 74.
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Teil 7
Rz. 81
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
ee) Außerbetriebsetzung und Saisonkennzeichen 81
Die Fahrzeugzulassungsverordnung kennt das alte Institut der vorübergehenden Stilllegung nicht mehr, sondern spricht nur noch von der Außerbetriebsetzung, § 14 FZV. Damit werden die endgültige und die vorübergehende Außerbetriebsetzung gleichgesetzt. Allerdings kann der Halter das Kennzeichen befristet reservieren lassen, wenn er das Kfz wieder zulassen will. Die vorübergehende Stilllegung – eine Außerbetriebsetzung mit dem Willen späterer Wiederzulassung – beendet den Versicherungsvertrag nicht. Der Vertrag geht dann in eine beitragsfreie Ruheversicherung über, H.1.2 AKB; s. Rz. 82. Erst mit der Wiederzulassung lebt der volle Versicherungsschutz wieder auf, H.1.6 AKB. Wird das Fahrzeug mit der Versicherungsbestätigung eines anderen Versicherers wieder angemeldet, wird auch dadurch der Vertrag beim ursprünglichen Versicherer nicht beendet, H.1.8 AKB. Dann besteht eine Doppelversicherung und der erste Versicherer hat die älteren Rechte, denn der Vertrag wurde nicht ordnungsgemäß etwa durch Kündigung beendet. Eine Besonderheit besteht seit einigen Jahren durch Saisonkennzeichen. Um den Fahrzeughaltern das lästige Ab- und Wiederanmelden zu ersparen, wenn das Kfz nur zu bestimmten Zeiten genutzt werden soll, ist diese Form der Fahrzeugzulassung geschaffen worden. Die Versicherer haben dem Rechnung getragen und Versicherungsschutz für Saisonkennzeichen geschaffen, H.2 AKB. Das Fahrzeug darf nur während des zugelassenen Zeitraums im Strassenverkehr benutzt werden, deshalb ist der Versicherungsschutz auch nur darauf beschränkt. Prämie wird auch nur für diese Zeit erhoben. Allerdings besteht außerhalb der Saison Schutz im Rahmen der Ruheversicherung, H.2.2 AKB; s. Rz. 82. Außerdem besteht Versicherungsschutz für Zulassungsfahrten. ff) Ruheversicherung
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Es ist weitgehend unbekannt, dass die Versicherer beitragsfrei Versicherungsschutz gewähren bei Saisonkennzeichen außerhalb der Saison und bei vorübergehender Stillegung (Außerbetriebsetzung), s. Rz. 81. Den Umfang der Ruheversicherung regelt H.1.4 AKB. Der Versicherungsschutz ist eingeschränkt und umfasst die Kfz-Haftpflichtversicherung sowie die Teilkaskoversicherung, wenn im Zeitpunkt der Außerbetriebsetzung – bzw. beim Vertrag mit Saisonkennzeichen – eine Voll- oder Teilkaskoversicherung bestand. Bedeutung hat dieser Versicherungsschutz z. B. bei Arbeiten am Fahrzeug, die zu einem Brand führen und Fahrzeug und Garage dadurch beschädigt werden (Kfz-Haftpflicht- und Teilkaskoschutz). 918
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 84 Teil 7
Allerdings bestehen bei der Ruheversicherung besondere Obliegenheiten, H.1.5 AKB. Das Fahrzeug muss in einem Einstellraum oder auf einem umfriedeten Abstellplatz abgestellt sein und zwar dauerhaft, nicht nur vorübergehend. Das OLG Schleswig1 sah die Voraussetzung als erfüllt an, wenn ein Wohnmobil außerhalb der Saison auf einem Privatparkplatz in einer Art Bucht untergebracht ist, die auf drei Seiten durch halb-hohe bewachsene Mauern, Hecken und einen Trafo-Kasten gebildet wird und zur offenen Beifahrerseite durch eine Kette gesichert ist. Das Fahrzeug darf außerhalb dieser Räumlichkeiten nicht benutzt werden. Wird eine dieser Obliegenheiten verletzt, besteht Leistungsfreiheit, s. Rz. 198 ff. g) Geltungsbereich aa) Örtlicher Geltungsbereich Der örtliche Geltungsbereich des Versicherungsschutzes ist in den AKB für jede Versicherungssparte gesondert geregelt, s. A.1.4.1, A.2.5, A.3.4 und A.4.3 AKB.
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Danach besteht Versicherungsschutz für alle Sparten in den geographischen Grenzen Europas sowie den außereuropäischen Gebieten, die zum Geltungsbereich der Europäischen Union gehören. Dies entspricht § 1 Abs. 1 KfzPflVV. Unter „Europa“ ist der geographische Begriff zu verstehen2. Zu den außereuropäischen Gebieten der EU-Mitgliedstaaten gehören Madeira, die Azoren, die Kanarischen Inseln, Ceuta, Melilla, Guadeloupe, Martinique, Französisch-Guyana und Réunion3. Bei den Nicht-Mitgliedstaaten bereitet die Geltung für den asiatischen Teil der Türkei und Russlands gewisse Schwierigkeiten. Zwar ist die geographische Grenze klar (im Falle Russlands zumindest theoretisch), aber viele fahren in den asiatischen Teil, ohne sich der fehlenden Geltung bewusst zu sein. Wird eine Internationale Versicherungskarte (Grüne Karte) ausgegeben, auf der diese Länder nicht gestrichen sind, besteht in der Kfz-Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz auch im asiatischen Teil, A.1.4.2 AKB. Beispiel: Händigt der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Grüne Versicherungskarte aus, in der „TR“ für Türkei nicht gestrichen ist, erklärt er damit, den Versicherungsschutz auf die gesamte Türkei, also auch auf den asiatischen Teil, er-
1 OLG Schleswig v. 7. 5. 2009 – 16 U 143/08, NJW-RR 2009, 1332. 2 BGH v. 4. 7. 1989 – VI ZR 217/88 – unter II 1c, VersR 1989, 948 = NJW 1989, 3095. 3 Vgl. Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, § 2a AKB Rz. 2.
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Teil 7
Rz. 85
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
weitern zu wollen, es sei denn, der Versicherer erklärt ausdrücklich, dass nur der europäische Teil der Türkei erfasst ist1.
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Erkennt der Versicherer, dass der Versicherungsnehmer das Fahrzeug in einem ungedeckten außereuropäischen Gebiet benutzen will, ist der Versicherer unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. oder p.V.V. (vgl. jetzt § 280 Abs. 1 BGB) verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf die fehlende Deckung hinzuweisen. Verletzt er diese Pflicht, ist er zum Schadensersatz verpflichtet2. Nach der Verbandsempfehlung steht dem Versicherungsnehmer in der Kfz-Haftpflichtversicherung allerdings Versicherungsschutz mindestens mit den vertraglich vereinbarten Deckungssummen zu, wenn das betreffende Land auf der Grünen Karte nicht gestrichen ist. Eine Streichung von Russland und der Türkei dürfte aber unzulässig sein, weil dies den Versicherungsnehmer daran hindert, ohne Abschluss einer gesonderten Grenzpolice in den gedeckten europäischen Teil dieser Länder zu fahren. Faktisch wird so der vereinbarte Versicherungsschutz eingeschränkt, was auch ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 KfzPflVV ist. bb) Versicherungssumme
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In der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt die Deckungssumme, die in dem jeweiligen Land vorgeschrieben ist, mindestens aber die vertraglich vereinbarte Deckungssumme, A.1.4.2 AKB. Für den außereuropäischen Teil der Türkei und Russlands kann eine Beschränkung auf die im Besuchsland geltenden Mindestversicherungssummen vereinbart werden. Es gelten dann aber besondere Hinweispflichten, s. Rz. 85. h) Änderungen während der Vertragslaufzeit aa) Bedingungsanpassung
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Die unverbindlichen Musterbedingungen des GDV zur AKB haben einen Mustertext für eine einseitige Änderung der Bedingungen während der Laufzeit des Vertrages nicht vorgesehen. Gleichwohl können Versicherer von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine Bedingungsänderungsklausel zu vereinbaren. Damit erfährt zwar der Satz „pacta sunt servanda“ eine erhebliche Einschränkung. Diese ist aber erforderlich. Der Kraftfahrtversicherungsvertrag ist zwar formal nur für ein Jahr geschlossen (oben fi Rz. 67), tatsächlich aber auf längere Dauer angelegt, auch wenn er mit der Neuanschaffung eines Fahrzeugs regelmäßig neu abgeschlossen wird. Es können sich während der Vertragsdauer Umstände ergeben, 1 BGH v. 18. 10. 1992 – IV ZR 326/91, VersR 1993, 88 = zfs 1993, 55 = MDR 1993, 217. 2 BGH v. 4. 7. 1989 – VI ZR 217/88, VersR 1989, 948 = NJW 1989, 3095; v. 13. 4. 2005 – IV ZR 86/04, VersR 2005, 824 = r+s 2005, 455; OLG Koblenz v. 16. 6. 1995 – 10 U 31/95, VersR 1996, 1270; OLG Saarbrücken v. 8. 10. 2004 – 5 U 87/04–13, r+s 2005, 14; vgl. zu Kenntnisverschaffungspflichten des Versicherers und seines Vertreters allg. Römer, VersR 1998, 1313.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 88 Teil 7
die eine Vertragsanpassung notwendig machen1. Allerdings muss der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages in etwa absehen können, welchem Änderungsrisiko er ausgesetzt ist. Eine Bedingungsanpassungsklausel muss deshalb die Voraussetzungen nennen, unter denen der Versicherer eine Bedingungsänderung für gerechtfertigt hält. Sie dürfen nicht pauschal beschrieben werden. Sie sind so eng wie möglich zu halten. Der BGH hat in zwei Urteilen2 zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen eine Bedingungsanpassungsklausel unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 9 AGBG, seit 1. 1. 2002 § 307 BGB, wirksam ist. Das letzte Urteil vom 17. 3. 1999, das eine Bedingungsanpassungsklausel in der Rechsschutzversicherung betraf, ist von allgemeiner Bedeutung. Die Bedingungsanpassungsklausel in der Kraftfahrtversicherung war ähnlich konzipiert. Die Kraftfahrtversicherer haben in der richtigen Erkenntnis, dass ihre Klausel unwirksam ist, diese alte Regelung3 aufgegeben. Mit der neuen Klausel haben sie erkennbar versucht, die Richtlinien des BGH zu berücksichtigen. Ob der Versuch vollends gelungen ist, muss der Rechtsprechung zu beurteilen überlassen bleiben. Zunächst ist von der Wirksamkeit der Klausel – für die viel spricht4 – auszugehen. Die AKB 2008 haben einen Mustertext für eine Bedingungsanpassungsklausel (Abschnitt N) nicht empfohlen. In der letzten Fassung der AKB vor den AKB 2008 wurde die Bedingungsanpassung in § 9d AKB a. F. geregelt. Danach kann der Versicherer einzelne Regelungen der AKB und der Tarifbestimmungen mit Wirkung für bestehende Verträge ergänzen oder ersetzen, wenn sie durch – Änderung von Gesetzen, auf denen die Bestimmungen des Versicherungsvertrages beruhen – unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffende höchstrichterliche Rechtsprechung – den Versicherer bindende Änderungen der Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen oder der Kartellbehörden sowie – konkrete individuelle, den Versicherer bindende Weisungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen oder der Kartellbehörden unwirksam geworden sind. 1 Vgl. dazu schon Römer, VersR 1994, 125. 2 BGH v. 8. 10. 1997 – IV ZR 220/96, VersR 1997, 1517 = NVersZ 1998, 29 = MDR 1998, 90; v. 17. 3. 1999 – IV ZR 218/97, VersR 1999, 697 = NVersZ 1999, 396 = MDR 1999, 933. 3 Abgedruckt bei Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, unter § 9d AKB a. F. 4 Vgl. zu den Voraussetzungen einer wirksamen Bedingungsanpassungsklausel auch Römer, r+s 2000, 177, 184.
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Teil 7
Rz. 89
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Voraussetzung ist weiter, dass hierdurch eine Vertragslücke entstanden ist, die das bei Vertragsschluss vorhandene Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in nicht unbedeutendem Maße stört. Die geänderten Regelungen dürfen den Versicherungsnehmer insgesamt nicht schlechter stellen, als er bei Vertragsschluss stand. Schließlich muss – das ist selbstverständlich – der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Änderungen einen Monat vor Inkrafttreten mitteilen. Der Versicherungsnehmer kann kündigen, wenn er mit den Änderungen nicht einverstanden ist. Über das Kündigungsrecht muss er belehrt werden. bb) Beitragsanpassung 89
Durch das Urteil des BGH vom 31. 1. 2001 ist entschieden, dass die KfzHaftpflichtversicherer aufgrund einer Tarifänderungsklausel die Prämien an veränderte Verhältnisse bei laufenden Verträgen anpassen dürfen1. Die auf ihre Wirksamkeit geprüfte Klausel lautet: „(1) Der Versicherer ist berechtigt, in der Kraftfahrzeughaftpflicht- und der Fahrzeugversicherung die im Tarif vorgesehenen Gefahrenmerkmale durch andere zu ersetzen oder neue hinzuzufügen, wenn ein angemessenes Verhältnis von Versicherungsbeitrag und Versicherungsleistung gewährleistet ist und ein unabhängiger Treuhänder bestätigt, dass sie für die Art und Größe des Versicherungsrisikos bestimmend sind und den anerkannten Grundsätzen der Versicherungsmathematik und der Versicherungstechnik entsprechen. (2) Änderungen nach Abs. 1 finden vom Beginn der nächsten Versicherungsperiode an Anwendung, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Änderung einen Monat vor Inkrafttreten mitteilt und ihn schriftlich über sein Kündigungsrecht nach § 9b AKB belehrt.“ Der BGH hat diese Klausel – im Gegensatz zur Vorinstanz2 – für wirksam erklärt. Er hat damit eine lange bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Bei der Klausel, über die der BGH zu entscheiden hatte, handelt es sich nicht um eine schlichte Prämienanpassungsklausel. Mit der zu prüfenden Klausel behält sich der Versicherer vielmehr vor, die Grundlagen der Prämie, nämlich die einzelnen Gefahrenmerkmale, die zur Prämienermittlung heranzuziehen sind, zu ändern. Die Klausel enthält den Änderungsvorbehalt sowohl für die Kfz-Haftpflicht- als auch für die Fahrzeugversicherung. Die Prüfung des BGH erstreckte sich aber nur auf die Verwendung der Klausel in der Kfz-Haftpflichtversicherung, weil der kla1 BGH v. 31. 1. 2001 – IV ZR 185/99, VersR 2001, 493 m. Anm. Feyock u. Wandt. 2 OLG Celle v. 22. 7. 1999 – 8 U 82/98, VersR 2000, 47 = NVersZ 2000, 43.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 90 Teil 7
gende Verbraucherverein allein in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Verwendung der Klausel untersagt sehen wollte. Die Begründung des Urteils hebt ausschließlich auf die Besonderheiten in der Kfz-Haftpflichtversicherung ab. Es steht deshalb keineswegs fest, dass der BGH diese oder eine ähnliche für die Kaskoversicherung vorgesehene Klausel für wirksam gehalten hätte. Der BGH hat bei der Kontrolle nach § 9 AGBG – jetzt § 307 BGB – nicht die Frage gestellt – und schon gar nicht beantwortet –, ob die Gefahrenmerkmale sinnvoll sind (Garagen-, Kilometertarif usw.). Dies zu beurteilen gehört zur unternehmerischen Freiheit und Verantwortung des einzelnen Versicherungsunternehmens. Mit der Entscheidung, diese Klausel sei wirksam, ist über etwaige Tarifänderungen, die der Versicherer aufgrund der geprüften Klausel vornimmt, noch nichts gesagt. Diese sind einer erneuten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Die i. d. R. weniger weit gehenden Klauseln, die heute am Markt verwendet werden, befassen sich nur mit Tarifanhebungen und -absenkungen von bestehenden Verträgen. Angesichts der Kündigungsmöglichkeit und der Einfachheit des Wechsels der Kraftfahrtversicherung, besteht offenbar wenig Bedarf, über diese Klauseln zu streiten – anders als z. B. bei den Banken und Energieversorgern. In den AKB 2008 findet sich kein Mustertext einer Beitragsanpassungsklausel. cc) Beitragsänderungen Beitragsänderungen, die nicht auf einer Tariferhöhung, also einer Anhebung des Beitragsniveaus, beruhen, sind seit langem in der Kraftfahrtversicherung bekannt und üblich. Sie haben ihren Grund in der besonderen Struktur der Kraftfahrtversicherung. Dazu zählen Beitragsänderungen wegen Änderung – der Typklasse, J.1 AKB, – der Regionalklasse, J.2 AKB, – des Schadenfreiheitsrabatts, I.3 AKB, – von Merkmalen zur Beitragsberechnung, K.2 AKB. Da sie in der Sphäre des Versicherers liegen, verschaffen Beitragserhöhungen aufgrund von Änderung der Typ- und Regionalklasse dem Versicherungsnehmer ein Sonderkündigungsrecht, J.4 AKB. Wenn sich die Merkmale zur Beitragsberechnung ändern, die in der Sphäre des Versicherungsnehmers liegen und zu einer Beitragserhöhung führen, besteht kein Sonderkündigungsrecht. Neben dem Schadenfreiheitsrabatt, der Meinecke
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Teil 7
Rz. 91
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
vom Schadenverhalten des Versicherungsnehmers abhängig ist, zählen dazu vor allem die jährliche Fahrleistung, die Benutzer des Fahrzeugs sowie deren Alter und der Abstellort des Fahrzeugs.
5. Fehlende oder verspätete Prämienzahlung a) Allgemeines 91
Zum rückwirkenden Wegfall vorläufiger Deckung mangels Prämienzahlung s. fi Rz. 15 ff. Das Gesetz unterscheidet zwischen Erstprämie, § 37 VVG, und Folgeprämie, § 38 VVG. Die Unterscheidung ist bedeutsam, weil das Gesetz an die Nichtzahlung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Außerdem hat die Rechtsprechung weitere tatbestandliche Voraussetzungen entwickelt, die insbesondere bei der Erstprämie eingreifen. Im Gegensatz zur Erstprämie soll der Versicherungsnehmer bei Verzug mit einer Folgeprämie besser geschützt werden, weil er immerhin schon Versicherungsschutz hatte. Dennoch ist die harte Regelung der Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verzug mit einer Erstprämie durch die Rechtsprechung sehr gemildert worden. Kosten, Zinsen und Versicherungssteuer sind als Prämie zu behandeln, § 38 Abs. 2 VVG. Zinsen für ein sog. Policendarlehen sind nicht Bestandteil der Prämie i. S. d. § 38 VVG1. b) Erstprämie
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Gleich behandelt werden Erst- und Einmalprämie. Die Erstprämie setzt Folgeprämien voraus, während die Einmalprämie (Beispiel: Reisegepäckversicherung) keine weiteren Zahlungen vorsieht. aa) Fälligkeit
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§ 33 VVG regelt die Fälligkeit der Erstprämie in Abänderung zu § 35 VVG a. F. Während bisher die Prämie sofort nach Vertragsschluss, also i. d. R. dem Zugang der Police, zu zahlen war, muss der Versicherungsnehmer nach der neuen Vorschrift die Prämie erst unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zahlen. Die Fälligkeit ist also um zwei Wochen hinausgeschoben. Dies ist eine Folge des zweiwöchigen Widerrufsrechts nach § 8 VVG. Die AKB haben in C.1.1 die gesetzliche Regelung aufgenommen und als „unverzüglich“ einen Zeitraum von 14 Tagen definiert. Damit wird zugunsten des Versicherungsnehmers der Begriff in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung großzügig ausgelegt. 1 BGH v. 27. 1. 1999 – IV ZR 72/98, VersR 1999, 433 = NVersZ 1999, 212 = zfs 1999, 206.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 98 Teil 7
Die Prämienanforderung muss die richtige Höhe der Prämie bezeichnen. Bei Zuvielforderungen kann der Versicherer an die Nichtzahlung keine Rechtsfolgen knüpfen, seien es auch nur Pfennigbeträge1. Der Versicherer muss bei mehreren Versicherungen, z. B. Kfz-Haftpflicht oder Kaskoversicherung, die Beträge getrennt nennen, denn der Versicherungsnehmer muss sich entscheiden können, welchen Versicherungsschutz er mit der Zahlung erlangen oder erhalten will2.
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! Hinweis: Der Versicherer trägt die Beweislast dafür, dass er dem Versicherungsnehmer die Höhe der zu zahlenden Prämie mitgeteilt hat, also für den Zugang des entsprechenden Schriftstücks3. Es besteht keine Vermutung für den Zugang formlos aufgegebener Postsendungen, weil solche verloren gehen können4.
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bb) Rücktritt Nach § 37 Abs. 1 VVG ist der Versicherer berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, solange die erste oder einmalige Prämie nicht gezahlt ist. Das Rücktrittsrecht besteht nicht, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat, s. Rz. 101.
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Die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG a. F. ist weggefallen. Im Rücktrittsfall sind die jeweils erhaltenen Leistungen zurückzugewähren, § 346 BGB. Das bedeutet, dass eine eventuell vom getätigte Prämienzahlung an diesen wieder ausgekehrt wird. Andererseits hat der VN keinen Anspruch auf eine Versicherungsleistung, es besteht volle Leistungsfreiheit. cc) Leistungsfreiheit Das größte Gewicht für die Praxis liegt bei § 37 Abs. 2 VVG. Zwar besteht Versicherungsschutz ab Beginn des Vertrages, der Versicherer ist aber grundsätzlich leistungsfrei, wenn der Versicherungsfall zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Prämie noch nicht gezahlt ist. Diese Vorschrift kann jedoch stillschweigend abbedungen sein, s. fi Rz. 99.
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! Hinweis: § 37 VVG bezieht sich nur auf die Erst- und Einmalprämie. Fordert der Versicherer gleichzeitig die Erst- und Folgeprämie ohne 1 BGH v. 7. 10. 1992 – IV ZR 247/91, VersR 1992, 1501 = r+s 1992, 398 = MDR 1993, 127 = zfs 1993, 55. 2 BGH v. 28. 2. 1978 – II ZR 3/76, VersR 1978, 436; v. 30. 1. 1985 – IVa ZR 92/83, VersR 1985, 447, 448. 3 BGH v. 13. 12. 1995 – IV ZR 30/95, VersR 1996, 445 = NJW 1996, 729. 4 BVerfG v. 15. 5. 1991 – 1 BvR 1441/90, NJW 1991, 2757.
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Teil 7
Rz. 99
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Differenzierung an, kann er sich auf Leistungsfreiheit nicht berufen1. 99
Dass der Versicherungsschutz erst mit Zahlung der Erst- oder Einmalprämie beginnt, ist für den Versicherungsnehmer dann unschädlich, wenn der Versicherer vorläufige Deckung gewährt hat, eine erweiterte Einlösungsklausel oder Rückwärtsversicherung vereinbart ist. § 37 Abs. 2 VVG gilt in diesen Fällen als stillschweigend abbedungen. dd) Belehrungspflicht
100
Die Leistungsfreiheit nach § 37 Abs. 2 VVG besteht nur dann, wenn der Versicherer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht hat, § 37 Abs. 2 Satz 2 VVG. S. dazu auch Rz. 22 ff. Die Belehrung muss zusammen mit dem Versicherungsschein erfolgen. Wenn der Erstbeitrag für mehrere Sparten in einer Police eingezogen wird, muss der Versicherungsnehmer darauf hingewiesen werden, dass er durch Zahlung des Betrages für eine einzelne Sparte für diese Versicherungsschutz erhalten kann. ee) Verschulden
101
Die Folgen der nichtzeitigen Zahlung – Rücktritt nach Abs. 1 und Leistungsfreiheit nach Abs. 2 – treten nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. Dafür erlegt das Gesetz ihm die Beweislast auf. Als unverschuldet kann die nicht rechtzeitige Zahlung z. B. angesehen werden, wenn der Versicherungsnehmer erkrankt war. c) Folgeprämie
102
Jede Prämie, die nicht Erstprämie ist, ist eine Folgeprämie. Wird durch den Abschluss eines formell neuen Vertrages ein vorangegangener Vertrag nur geändert, ist die nach der Änderung zu zahlende Prämie nicht Erst-, sondern Folgeprämie. Die Abgrenzung kann manchmal schwierig sein2. Obwohl es sich um einen neuen Vertrag handelt, werden bei einem Fahrzeugwechsel beim selben Versicherer zugunsten des Versicherungsnehmers die Regelungen des Folgebeitrags angewendet, C.3 AKB.
103
Zahlt der Versicherungsnehmer eine Folgeprämie nicht oder nicht rechtzeitig, ist der Versicherer nach § 38 VVG leistungsfrei und er kann den Vertrag kündigen. Voraussetzung ist, dass der Versicherer vorher qualifi1 OLG Köln v. 9. 5. 2000 – 9 U 127/99 – unter I 3a, VersR 2000, 1266 = NVersZ 2001, 12 = r+s 2000, 314 = zfs 2000, 447 m. w. N. 2 Näher Römer/Langheid/Römer, VVG § 38 Rz. 6 f.; Prölss/Martin/Knappmann, VVG § 37 Rz. 5.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 105 Teil 7
ziert gemahnt hat, d. h. mit Rechtsfolgenbelehrung und einer Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen (zu den Anforderungen an die Mahnung im Einzelnen s. fi Rz. 108). Tritt der Versicherungsfall vor Ablauf der gesetzten Frist von zwei Wochen ein, bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, auch wenn die Prämie noch nicht gezahlt war1. Tritt der Versicherungsfall nach Ablauf der Frist ein, ohne dass die Prämie gezahlt wurde, ist der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit. Allerdings setzt die Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 VVG voraus, dass der Versicherungsnehmer mit der Zahlung „in Verzug“ war. Die Nichtzahlung muss also verschuldet gewesen sein. Ein fehlendes Verschulden hat der Versicherungsnehmer zu beweisen2. An diesen Beweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Versicherer kann die Kündigung gleichzeitig mit der Mahnung aussprechen, so dass nach Verstreichen der zweiwöchigen Frist der Vertrag ohne weitere Erklärung des Versicherers gekündigt ist. Jedoch kann der Versicherungsnehmer die Wirkung der Kündigung wieder beseitigen, wenn er innerhalb eines Monats nach der Kündigung zahlt. Im Gegensatz zur alten Rechtslage wird die Kündigung – und deren Rechtsfolge – auch dann unwirksam, wenn bereits ein Versicherungsfall eingetreten ist, § 38 Abs. 3 S. 3 VVG.
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d) Zahlung der Prämie aa) Bewirken der Zahlung § 36 VVG bestimmt, dass der Leistungsort für die Prämienzahlung der Wohnsitz des Versicherungsnehmers ist. Daraus folgt, dass es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung beim Versicherer ankommt, sondern darauf, dass der Versicherungsnehmer die Leistungshandlung rechtzeitig bewirkt hat. Dafür ist er beweispflichtig. Der Versicherungsnehmer muss also innerhalb der Frist alles getan haben, damit die Zahlung den Versicherer erreicht. Das bedeutet für die einzelnen Zahlungsarten: – Ein (gedeckter) Scheck muss rechtzeitig an einen Befugten übergeben oder auf den Postweg gebracht werden. – Bei der Überweisung ist auf jeden Fall der Zeitpunkt der Belastung des Kontos des Versicherungsnehmers ausreichend. Ob schon der rechtzeitige Auftrag an die Bank (bei ausreichendem Kontostand und tatsächlichem Zahlungseingang) als genügend anzusehen ist,
1 Vgl. den Fall AG Idar-Oberstein v. 4. 8. 1998 – 3 C 714/97, r+s 1999, 54. 2 OLG Hamm v. 12. 9. 1997 – 20 U 236/96, r+s 1998, 360 = zfs 1998, 177.
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Teil 7
Rz. 106
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
wurde noch nicht vom BGH entschieden, wird aber teilweise angenommen1. – Im Lastschriftverfahren hat der Versicherer die Prämie einzuziehen, aus der Bring- wird eine Holschuld. Der Versicherungsnehmer muss nur für ausreichende Deckung des Kontos zum Fälligkeitszeitpunkt sorgen. Späterer Widerruf bei korrekter Abbuchung bewirkt die Nichtrechtzeitigkeit der Zahlung. S. auch Rz. 106. 106
Ist das Lastschriftverfahren vereinbart, muss der Versicherer sich dieses Verfahrens bedienen. Er darf nicht die Prämie in Rechnung stellen und Zahlung fordern. Weicht er vom vereinbarten Lastschriftverfahren ab, kann er sich auf Zahlungsverzug nicht berufen. Erst wenn der Versicherer eine ordnungsgemäße Lastschrift angekündigt und den Versicherungsnehmer richtig über die Folgen einer verspäteten Zahlung belehrt hat, ist er auch bei Vereinbarung des Lastschriftverfahrens leistungsfrei, wenn das Konto keine genügende Deckung hatte2. Ohne gesonderte Ankündigung (auch Angabe der Prämienhöhe im Versicherungsschein) stellt die erste Lastschrift die Prämienanforderung dar3. Erst wenn der Versicherungsnehmer die Höhe der zu leistenden Prämie kennt, braucht er im Lastschriftverfahren für Deckung auf seinem Konto zu sorgen (vgl. fi Rz. 19). Selbstverständlich gehen Verzögerungen beim Einzug der Prämie durch ein vom Versicherer beauftragtes Inkassobüro nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers4. Der Versicherungsnehmer kann seine Schuld auch durch Aufrechnung tilgen, wenn ihm zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine aufrechenbare Forderung gegen den Versicherer zustand. Außerdem kann sich der Versicherer nach Treu und Glauben nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn zum Fälligkeitszeitpunkt eine Möglichkeit der Aufrechung und Verrechnung bestand5, auch wenn die Aufrechnung nicht erklärt wurde. S. auch § 35 VVG. bb) Teilzahlung
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Auch kleinere Rückstände bewirken grundsätzlich die Leistungsfreiheit des Versicherers. Ausnahmen kann es bei ganz geringfügigen Rückständen geben, die es dem Versicherer nach Treu und Glauben verwehren, 1 LG Darmstadt v. 4. 3. 1984 – 8 O 718/83, zfs 1984, 205; offen lassend OLG Köln v. 16. 7. 2002 – 9 U 48/01, VersR 2002, 1225 = r+s 2002, 358. 2 OLG Köln v. 9. 5. 2000 – 9 U 127/99 – unter I 3d, VersR 2000, 1266 = NVersZ 2001, 12 = r+s 2000, 314 = zfs 2000, 447. 3 BGH v. 30. 1. 1985 – IVa ZR 92/83 – unter II 3, VersR 1985, 447. 4 OLG Düsseldorf v. 8. 9. 1998 – 4 U 201/97, VersR 1999, 829 = NVersZ 1999, 163 = zfs 1999, 300 = r+s 1999, 52. 5 Prölss/Martin/Knappmann, VVG § 37 Rz. 23 f.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 111 Teil 7
sich auf seine Leistungsfreiheit zu berufen1. Wird die Prämie für mehrere Versicherungssparten (Kfz-Haftpflicht und Kasko etc.) zusammen erhoben, sind jeweils die Einzelbeiträge auszuweisen. Zahlt der Versicherungsnehmer ohne nähere Bestimmung nicht den Gesamtbeitrag, ist eine Verrechnung vorzunehmen, § 366 Abs. 2 BGB. Das erfolgt nach dem Prinzip: Zunächst wird auf die lästigere Forderung verrechnet (i. d. R. Kfz-Haftpflicht). Reicht dafür die Zahlung nicht aus, wird auf die Forderung verrechnet, die zur Deckung in einer anderen Sparte führt (also etwa in der Kaskoversicherung)2. e) Mahnung und Rechtsbelehrung Die Leistungsfreiheit nach § 37 Abs. 2 VVG tritt bei fehlender Zahlung der Erst- oder Einmalprämie grundsätzlich ohne Mahnung ein. Allerdings verlangt § 37 Abs. 2 S. 2 VVG, dass durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf die Rechtsfolge aufmerksam gemacht wird. Ist dieser Hinweis unterblieben oder genügt er nicht den Gestaltungsanforderungen, kann sich der Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen.
108
! Hinweis: Hat der Versicherer die Voraussetzungen nicht beachtet, die die Rechtsprechung an Mahnung und Belehrung stellt, ist die gesamte Mahnung unwirksam. Der Versicherer kann aus der fehlenden oder verspäteten Prämienzahlung keine Rechte für sich herleiten3.
109
Wenn der Versicherungsnehmer bereits Versicherungsschutz hatte, etwa durch vorläufige Deckung, ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer ebenso wie bei einer Folgeprämie, § 38 VVG, auch bei der Erstprämie über die Rechtsfolgen einer Nichtzahlung zu belehren, s. § 52 Abs. 1 S. 2 VVG. Die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 VVG und der rückwirkende Wegfall der vorläufigen Deckung nach C.1.2 AKB treten nicht ein, wenn der Versicherer in der Zahlungsanforderung auf die Rechtsfolgen verspäteter Zahlung der Erstprämie nicht hinweist4 (s. näher fi Rz. 21 ff.).
110
Mahnung und Rechtsfolgenbelehrung bei der Folgeprämie ergeben sich aus § 38 VVG. Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an die Mahnung und Rechtsfolgenbelehrung zum § 39 VVG a. F. im Einzelnen ausgestaltet. Sie dürfte nach wie vor Gültigkeit besitzen. Die Mahnung muss bei zwei Versicherungen, wie z. B. Kfz-Haftpflicht- und Kaskover-
111
1 U. a. BGH v. 9. 10. 1985 – IV a ZR 29/84 – NJW 1986, 1103 . 2 Vgl. BGH v. 28. 2. 1978 – II ZR 3/76, VersR 1978, 436. 3 BGH v. 6. 10. 1999 – IV ZR 118/98 – unter 2a, VersR 1999, 1525 = NVersZ 2000, 72 = MDR 2000, 29 = zfs 2000, 109 = NJW-RR 2000, 395. 4 BGH v. 5. 6. 1985 – IVa ZR 113/83 – unter II 3b, VersR 1985, 981.
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Teil 7
Rz. 112
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
sicherung, die rückständigen Prämien getrennt ausweisen1, damit sich der Versicherungsnehmer entscheiden kann, für welche der Versicherungen er auf jeden Fall Deckung haben will. Sie muss eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen enthalten. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Mahnung. Im Streitfall ist deshalb der Zugang und dessen Zeitpunkt genau festzustellen.
! Hinweis: 112
Beweisbelastet für den Zugang der Mahnung ist der Versicherer2, weil er aus einer wirksamen Mahnung Rechtsfolgen herleiten will. Der Beweis kann durch Indizien geführt werden3. Der Anscheinsbeweis steht ihm nicht zur Verfügung4. Der Prämienrückstand muss korrekt der Höhe nach genannt sein. Selbst eine Zuvielforderung von Pfennigbeträgen schadet5.
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Die Rechtsfolgenbelehrung muss vollständig und rechtlich zutreffend sein. Sie soll den Versicherungsnehmer in die Lage versetzen, ohne Zeitverlust, der bei Zweifeln über die Rechtslage entstehen kann, tätig zu werden, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten6. Die äußere Form der Belehrung muss so deutlich sein, dass sie dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ins Auge fällt7. Andernfalls erfüllt sie ihre Warnfunktion nicht8. Eine am unteren Rand des Versicherungsscheins in kleinem Druck erteilte Belehrung reicht deshalb nicht aus. Ebenfalls genügt eine Belehrung auf der Rückseite des Versicherungsscheins nicht, wenn der Versicherungsnehmer nicht auf der Vorderseite deutlich auf sie hingewiesen wird. Der Inhalt der Belehrung muss rechtlich zutreffen und in einer Sprache übermittelt werden, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer ver-
1 BGH v. 9. 10. 1985 – IVa ZR 29/84, VersR 1986, 54 = NJW 1986, 1103; OLG Frankfurt a. M. v. 26. 3. 1997, MDR 1997, 1029 m. w. N. = VersR 1998, 356 (nur LS); OLG Hamm v. 25. 11. 1997 – 20 W 24/97, r+s 1998, 99 = zfs 1998, 177. 2 OLG Frankfurt a. M. v. 3. 2. 1995 – 25 U 155/94, VersR 1996, 90 m. w. N.; OLG Hamm v. 22. 11. 1995 – 20 U 186/95, r+s 1996, 164 = VersR 1996, 1408. 3 OLG Köln v. 14. 10. 1998 – 13 U 98/98, VersR 1999, 1357 = NVersZ 1999, 143 = r+s 1999, 228. 4 OLG Frankfurt a. M. v. 3. 2. 1995 – 25 U 155/94, VersR 1996, 90 m. w. N. 5 BGH v. 7. 10. 1992 – IV ZR 247/91 – unter 1b, VersR 1992, 1501 = zfs 1993, 55 = MDR 1993, 127. 6 BGH v. 6. 10. 1999 – IV ZR 118/98 – unter 2, VersR 1999, 1525 m. w. N. = MDR 2000, 29 = NVersZ 2000, 72 = zfs 2000, 109 = NJW-RR 2000, 395. 7 Ebenso Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 272. 8 Vgl. zur Tendenz der Rspr. BGH v. 6. 10. 1999 – IV ZR 118/98, NVersZ 2000, 72 = VersR 2000, 1525 = MDR 2000, 29 = zfs 2000, 109 = NJW-RR 2000, 395.
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Meinecke
I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 115 Teil 7
steht1. Deshalb erscheint es bedenklich, wenn der Versicherer ohne nähere Erklärung von der „Einlösung des Versicherungsscheins“ spricht. Der Versicherungsnehmer darf über die wirkliche Rechtslage und die weitreichenden Folgen einer Säumnis nicht im Unklaren gelassen werden. In der Belehrung muss darauf hingewiesen werden, dass der Versicherungsnehmer sich auch durch nachträgliche Zahlung innerhalb eines Monats nach Ablauf der Frist von zwei Wochen Versicherungsschutz sichern kann. Ferner muss mitgeteilt werden, dass der Versicherungsnehmer nach Ablauf der zwei Wochen durch Zahlung dem Versicherer, solange dieser seine Kündigung nicht ausgesprochen hat, das Kündigungsrecht nehmen kann und selbst die Wirkung einer ausgesprochenen Kündigung wieder beseitigen kann, sofern er die Zahlung vor Eintritt eines Versicherungsfalls innerhalb eines Monats nach Kündigung oder nach Ablauf einer mit der Kündigung verbundenen Zahlungsfrist nachholt2. Die Belehrung darf nicht den Eindruck erwecken, dass jedwede Versäumung der Zweiwochenfrist zum Verlust des Versicherungsschutzes führt. Nach § 38 Abs. 2 VVG („Verzug“) schadet nur eine schuldhafte Versäumung. Ein Versicherungsnehmer ist nur dann zur Wahrung seiner Rechte ausreichend unterrichtet, wenn er auch weiß, dass er bei unverschuldeter Versäumung der Zahlungsfrist selbst durch nachträgliche Zahlung den Versicherungsschutz auch für die Vergangenheit erhalten kann3. Sollen rückständige Prämien von Kasko- und Kfz-Haftpflichtversicherung angemahnt werden, so darf die Belehrung nicht den Eindruck erwecken, der Versicherungsschutz bleibe nur bei Zahlung des Gesamtbetrages erhalten4. f) Rechtsfolgen Die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 37 Abs. 2 VVG bedeutet in der Kaskoversicherung, dass der Versicherungsnehmer keinen Anspruch gegen den Versicherer auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens hat.
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In der Kfz-Haftpflichtversicherung bleibt der Versicherer aufgrund des Direktanspruchs, § 117 Abs. 1 VVG, dem Geschädigten gegenüber zur Leistung verpflichtet. Der Versicherer kann das dem Geschädigten Ge-
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1 Vgl. den Fall OLG Düsseldorf v. 17. 6. 1997 – 4 U 86/96, VersR 1998, 230 = NJW-RR 1998, 28 = zfs 1997, 377 = r+s 1997, 442, das OLG beanstandet zu Recht die „abstrakte und verschachtelte Formulierung“ einer Belehrung. 2 BGH v. 9. 3. 1988 – IVa ZR 225/86, VersR 1988, 484. 3 OLG Hamm v. 22. 9. 1998 – 20 W 21/98, VersR 1999, 957 = NVersZ 1999, 335 = zfs 1999, 304 = r+s 1998, 480 = NJW-RR 1999, 535 = MDR 1999, 957. 4 OLG Frankfurt a. M. v. 26. 3. 1997, MDR 1997, 1029 m. w. N. = VersR 1998, 356 (nur LS).
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Teil 7
Rz. 116
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
leistete im Wege des Regresses aber von dem Versicherungsnehmer ersetzt verlangen. Hat der nach A.1.2 AKB mitversicherte Fahrer den Schaden verursacht, so kann der Versicherer bei Leistungsfreiheit wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers dem Fahrer gegenüber keinen Regress nehmen, es sei denn, diesem wäre der Verzug bekannt gewesen oder grob fahrlässig unbekannt geblieben, § 123 VVG. Diese Voraussetzung hat der Versicherer zu beweisen. 116
Hat der Versicherer den Vertrag gem. § 38 Abs. 3 VVG wirksam gekündigt, gebührt ihm die Prämie für den Zeitraum bis zur Beendigung des Vertrages, § 39 Abs. 1 VVG. Im Falle einer Kündigung nach § 37 Abs. 2 kann er eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen, vergl. C.1.3 AKB.
6. Gefahrerhöhung a) Überblick aa) Störung des Äquivalenzverhältnisses 117
Das mit dem Vertrag festgelegte Äquivalenzverhältnis soll nach Vertragsschluss nicht mehr zu Lasten der einen oder anderen Partei gestört werden. Deshalb normiert § 23 Abs. 1 VVG, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss keine Gefahrerhöhung mehr vornehmen oder durch einen Dritten gestatten darf. Tritt dennoch eine Gefahrerhöhung ein, geben die §§ 23 ff. VVG dem Versicherer die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, die Prämie zu erhöhen oder die Leistung zu verweigern bzw. zu kürzen. bb) Definition der Gefahrerhöhung
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Von einer Gefahrerhöhung kann begrifflich nur dann gesprochen werden, wenn die Gefahrenlage sich verändert hat1. Gefahrerhöhung ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluss tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens oder eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Versicherers wahrscheinlicher macht2. Ob eine Gefahrerhöhung vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die Veränderungen dem Versicherer vernünftigerweise hätten Anlass bieten können, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen3. Die Erhöhung der Gefahr darf nicht unerheblich i. S. d. § 27 VVG sein. 1 BGH v. 15. 11. 1978 – IV ZR 103/77, VersR 1979, 73. 2 OLG Düsseldorf v. 27. 6. 1995 – 4 U 211/94, VersR 1997, 231. 3 BGH v. 24. 11. 1982 – IVa ZR 53/81, VersR 1983, 284.
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Meinecke
I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 120 Teil 7
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Gefahrerhöhung voraus, dass der neue Zustand erhöhter Gefahr mindestens von der Dauer sein muss, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann1. Wie lang die Dauer zu bemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßstab kann die Überlegung sein, dass die Erhöhung einer Gefahr dann unberücksichtigt bleibt, wenn ihre Dauer nicht ausreicht, die von § 23 Abs. 2 und 3 VVG geforderte Anzeige wirksam zu erstatten. cc) Subjektive und objektive Gefahrerhöhung Das Gesetz unterscheidet zwischen Gefahrerhöhungen, die der Versicherungsnehmer selbst vornimmt oder deren Vornahme durch einen Dritten er gestattet (subjektive oder willentliche Gefahrerhöhung), § 23 VVG Abs. 1, und der Gefahrerhöhung, die unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintritt (objektive oder ungewollte Gefahrerhöhung), §§ 23 Abs. 3 VVG. Die objektive Gefahrerhöhung spielt im Verkehrsrecht eine nur untergeordnete Rolle (vgl. die wenigen Beispiele fi Rz. 131 ff.). § 23 Abs. 1 verbietet die willentliche Vornahme einer Gefahrerhöhung (oder deren Gestattung), während Abs. 2 die Pflicht zur Anzeige dieser Gefahrerhöhung normiert.
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dd) Verhältnis zu den §§ 19 ff., 81 und 103 VVG Die §§ 19 ff. VVG (vorvertragliche Anzeigepflicht) sind vor Abgabe der Willenserklärung des Versicherungsnehmers (Antrag) anwendbar. Demgegenüber greifen die §§ 23 ff. VVG danach ein. Sie gelten also nicht nur für Tatbestände nach Vertragsschluss, sondern schon für solche zwischen Antragsstellung und Antragsannahme. Die Vorschriften über die Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG und die Vorschriften über die Herbeiführung des Versicherungsfalls, §§ 81, 103 VVG schließen einander zwar nicht aus, regeln aber doch unterschiedliche Tatbestände. Eine Gefahrerhöhung schafft einen neuen Gefahrenzustand, der die Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls zwar vergrößert, diesen damit aber noch nicht notwendig herbeiführt. Umgekehrt braucht der Herbeiführung des Versicherungsfalls keine Gefahrerhöhung vorauszugehen2.
1 BGH v. 27. 1. 1999 – IV ZR 315/97, VersR 1999, 484 = NVersZ 1999, 276 = r+s 1999, 207 = NJW-RR 1999, 900; v. 14. 5. 1986 – IVa ZR 191/84, VersR 1986, 693 = NJW-RR 1986, 1081. 2 BGH v. 25. 9. 1968 – IV ZR 514/68 – unter II 1, NJW 1969, 42 = BGHZ 50, 385 = VersR 1968, 1153.
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Rz. 121
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
ee) Spezialität der AKB-Regelungen 121
Die Vorschriften der §§ 23 ff. VVG sind grundsätzlich auch auf die Kraftfahrtversicherung anwendbar. Ist allerdings in den AKB die Gefahrerhöhung speziell geregelt, können neben der entsprechenden Vorschrift – z. B. die Verwendungsklausel von D.1.1 AKB oder die Schwarzfahrtklausel D.1.2 AKB –, die Regelungen der §§ 23 ff. VVG nicht angewandt werden. b) Vornahme der Gefahrerhöhung
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Eine subjektive Gefahrerhöhung (s. fi Rz. 119) kann nach ständiger Rechtsprechung nur durch positives Tun und nicht durch ein Unterlassen vorgenommen werden. Deshalb nimmt ein Versicherungsnehmer, der es unterlässt, eine von dritter Seite gegen seinen Willen herbeigeführte Gefahrerhöhung zu beseitigen, keine Gefahrerhöhung vor1. Diese Rechtsprechung ist in der Kraftfahrtversicherung nicht besonders problematisch, weil häufig das Unterlassen bei nur etwas anderer Betrachtungsweise auch ein positives Tun bedeutet. Unterlässt z. B. der Versicherungsnehmer, seine abgefahrenen Reifen gegen neue auszutauschen, so liegt darin doch eine Gefahrerhöhung, wenn er – positives Tun – mit dem fahruntüchtigen Fahrzeug fährt. In der Kraftfahrtversicherung ist deshalb eine Gefahrerhöhung auch bei von vornherein – also schon vor Antragstellung – verkehrswidrigem Zustand des versicherten Fahrzeugs darin zu sehen, dass der Versicherungsnehmer es in Benutzung nimmt, obwohl er den Mangel positiv kennt2. Der Tatbestand der subjektiven Gefahrerhöhung ist nur erfüllt, wenn der Versicherungsnehmer Kenntnis von den gefahrändernden Umständen hat. Damit enthält schon der Tatbestand der Gefahrerhöhung ein subjektives Element. Die gefahrerhöhende Eigenschaft der vorgenommenen oder gestatteten Gefahrenänderung braucht er nicht zu kennen3. Führt z. B. der Versicherungsnehmer ein Fahrzeug mit abgefahrenen Reifen, so muss er von den abgefahrenen Reifen wissen, nicht erforderlich ist hingegen die Kenntnis von dem gefahrerhöhenden Charakter dieses Umstandes, dass etwa das Fahrzeug ins Schleudern geraten kann4. Der positi1 BGH v. 11. 12. 1980 – IVa ZR 18/80, VersR 1981, 245 = BGHZ 79, 156 = NJW 1981, 926; v. 21. 1. 1987 – IVa ZR 112/85, VersR 1987, 653; kritisch m. w. N. zur Gegenmeinung Römer/Langheid/Langheid, VVG § 25 Rz. 17 ff. 2 BGH v. 11. 2. 1987 – IVa ZR 144/85 – unter II 2, VersR 1987, 897 m. w. N. = NJW 1987, 1827. 3 BGH v. 25. 9. 1968 – IV ZR 514/68 – unter II 1, NJW 1969, 42 = BGHZ 50, 385 = VersR 1968, 1153; OLG Stuttgart v. 25. 4. 1996 – 7 U 37/96, VersR 1997, 1141 = zfs 1997, 257 = r+s 1997, 230. 4 OLG Köln v. 29. 3. 1990 – 5 U 161/89, VersR 1990, 1226 = r+s 1990, 192.
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Rz. 125 Teil 7
ven Kenntnis von den gefahrändernden Umständen steht es gleich, wenn sich der Versicherungsnehmer dieser Kenntnis arglistig entzieht1.
! Hinweis: Der Beweis für die Vornahme der Gefahrerhöhung einschließlich der Kenntnis des Versicherungsnehmers und der erforderlichen Dauer liegt beim Versicherer2.
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c) Rechtsfolgen aa) Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers Der Versicherungsnehmer muss dem Versicherer die Gefahrerhöhung unverzüglich anzeigen, §§ 23 Abs. 2 und 3 VVG. Allerdings kann der Versicherungsnehmer nur anzeigen, was er weiß. Unabhängig davon, dass die Kenntnis von den gefahrerhöhenden Umständen bei der subjektiven Gefahrerhöhung bereits Bestandteil des Begriffs der Vornahme einer Gefahrerhöhung ist (fi Rz. 122), bestimmen §§ 23 Abs. 2 und 3 VVG, dass Voraussetzung einer Anzeige Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Gefahrerhöhung ist.
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bb) Kündigungsrecht des Versicherers Hat der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung selbst vorgenommen oder sie durch einen Dritten gestattet (subjektive Gefahrerhöhung, fi Rz. 119), kann der Versicherer mit sofortiger Wirkung kündigen, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat weder grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt, § 24 Abs. 1 S. 1 VVG, wofür der Versicherungsnehmer die Beweislast trägt. Ist dem Versicherungsnehmer nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, braucht er die Kündigung erst mit dem Ablauf eines Monats gegen sich gelten zu lassen, § 24 Abs. 1 S. 2 VVG. Hat der Versicherungsnehmer schuldlos gehandelt, hat der Versicherer kein Kündigungsrecht, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat gegen seine Anzeigepflichten verstoßen oder es liegt eine objektive Gefahrerhöhung vor. Ist die Gefahrerhöhung ohne den Willen des Versicherungsnehmers eingetreten (objektive Gefahrerhöhung, fi Rz. 119), kann der Versicherer unabhängig von einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers mit einer Frist von einem Monat kündigen, § 24 Abs. 2 VVG. 1 BGH v. 26. 5. 1982 – IVa ZR 76/80, VersR 1982, 793 = NJW 1983, 121; OLG Köln v. 29. 3. 1990 – 5 U 161/89, VersR 1990, 1226 = r+s 1990, 192. 2 BGH v. 25. 9. 1968 – IV ZR 514/68 – unter II 5, NJW 1969, 42 = BGHZ 50, 385 = VersR 1968, 1153; OLG Nürnberg v. 22. 4. 1999 – 8 U 4173/98, NVersZ 1999, 437 = VersR 2000, 46 = r+s 2001, 52; OLG Köln v. 4. 2. 1997 – 9 U 45/96, r+s 1997, 321 = zfs 1997, 306.
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Rz. 126
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Das Kündigungsrecht des Versicherers erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ausgeübt wird. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt. Das Kündigungsrecht erlischt ebenfalls, wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestanden hat, § 24 Abs. 3 VVG. Auch wenn der Versicherer den Vertrag wirksam gekündigt hat, haftet er in der Kfz-Haftpflichtversicherung einem Geschädigten gegenüber noch einen Monat lang (sog. Nachhaftung, näher fi Rz. 317 ff.). cc) Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung 126
An Stelle einer Kündigung kann der Versicherer die Prämie erhöhen, § 25 Abs. 1 VVG. Die Höhe der Prämie richtet sich nach den Geschäftsgrundsätzen für die Absicherung der höheren Gefahr. In der Kfz-Versicherung wird von dieser Möglichkeit wohl kaum Gebrauch gemacht werden, weil der Versicherer nicht die Gefahr für ein verkehrsunsicheres Fahrzeug übernehmen will. Die Hauptanwendungsfälle der Gefahrerhöhung in der Kraftfahrtversicherung sind verkehrsunsichere Fahrzeuge, s. die Beispiele Rz. 131. Auch die zweite Alternative von § 25 Abs. 1 VVG – Ausschluss der höheren Gefahr – kommt namentlich in der Kfz-Haftpflichtversicherung wegen der Vorleistungspflicht dem geschädigten Dritten gegenüber (Rz. 253 f.) nicht zum Tragen. dd) Leistungsfreiheit des Versicherers
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Mit der VVG-Novelle ist das Alles-oder-Nichts-Prinzip gefallen. Der Versicherungsnehmer hatte nach altem Recht entweder vollen oder gar keinen Versicherungsschutz – mit Einschränkungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung, s. Rz. 243 ff. Jetzt entscheidet der Grad des Verschuldens über den Umfang des Versicherungschutzes. Für die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit bzw. –minderung als Rechtsfolge einer Gefahrerhöhung ergibt sich folgender Überblick: Leistungsfreiheit bei subjektiver (willentlicher) Gefahrerhöhung, § 26 Abs. 1 VVG – Der Versicherungsfall muss nach der Gefahrerhöhung eingetreten sein. – Bei vorsätzlicher Vornahme einer Gefahrerhöhung oder deren Gestattung besteht volle Leistungsfreiheit. – Bei grob fahrlässiger Vornahme einer Gefahrerhöhung oder deren Gestattung erfolgt eine Kürzung der Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens. 936
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 129 Teil 7
Leistungsfreiheit bei Verletzung der Anzeigepflicht bei ojektiver (ungewollter) und subjektiver Gefahrerhöhung, § 26 Abs. 2 VVG – Der Versicherungsfall muss später als einen Monat nach dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige beim Versicherer hätte eingehen müssen, eingetreten sein. Dem Versicherer darf die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sein. – Bei vorsätzlicher Nichtanzeige besteht volle Leistungsfreiheit. – Bei grob fahrlässiger Nichtanzeige erfolgt eine Kürzung der Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens. Der volle Versicherungsschutz bleibt bestehen: – Bei leichter Fahrlässigkeit in beiden Fallgruppen. – Soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt oder Umfang des Schadens war, § 26 Abs. 3 Ziff. 1 VVG. – Wenn dem Versicherer trotz Anzeigepflichtverletzung die Gefahrerhöhung in dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, § 26 Abs. 2 VVG. – Wenn der Versicherer die Kündigungsfrist, nachdem er Kenntnis von der Gefahrerhöhung hatte, verstreichen ließ, § 26 Abs. 3 Ziff. 2 VVG. Hat der Versicherer erst nach Eintritt des Versicherungsfalls von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt, bedarf es jedoch keiner Kündigung1. Zum Kausalitätsgegenbeweis s. Rz. 130. In der Kfz-Haftpflichtversicherung ist der Nachteil des Versicherungsnehmers darüber hinaus weiter begrenzt (s. näher auch fi Rz. 326). § 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV beschränkt die Leistungsfreiheit des Versicherers auf höchstens 5000 Euro. Dies gilt nach S. 2 der Vorschrift allerdings nicht gegenüber einem Fahrer, der das Fahrzeug durch eine strafbare Handlung erlangt hat. S. auch zum Zusammentreffen von Gefahrerhöhung und Obliegenheitsverletzung Rz. 261.
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ee) Quotenbildung Bei grob fahrlässiger Vornahme bzw. Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung wird gem. § 26 Abs. 2 VVG die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis ge-
1 BGH v. 16. 9. 1986 – VI ZR 159/85, VersR 1987, 37; v. 16. 9. 1986 – VI ZR 151/85 – unter II 2a bb, VersR 1986, 1231; OLG Celle v. 10. 10. 1990 – 8 U 11/90, r+s 1991, 114, 117.
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Rz. 130
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
kürzt. S. hierzu die Ausführungen zur Quotenbildung bei Obliegenheitsverletzungen, Rz. 237. d) Beweisfragen 130
S. zunächst fi Rz. 123. Das Vorliegen eines gefahrerhöhenden Umstands hat der Versicherer zu beweisen. Ebenfalls muss er beweisen, dass der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung vorgenommen hat bzw. davon Kenntnis hatte1. Der Versicherer muss auch beweisen, dass der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung vorsätzlich vorgenommen hat. Der Versicherungsnehmer hingegen trägt die Beweislast dafür, dass ihm kein Verschulden oder nur einfache Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist, denn diese wird gesetzlich vermutet, § 26 Abs. 2 S. 2 VVG. Im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG muss der Versicherer beweisen, wann ihm die Anzeige hätte zugegangen sein müssen, denn erst nach Ablauf eines Monats seit diesem Zeitpunkt beginnt seine Leistungsfreiheit. Der Versicherungsnehmer hat zu beweisen, dass der Versicherer die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt kannte. Letzteres kommt in der Praxis wohl kaum vor. § 26 Abs. 2 S. 2 VVG bürdet dem Versicherungsnehmer die Beweislast dafür auf, dass die verspätete oder unterbliebene Anzeige nicht vorsätzlich erfolgte. Auch muss er beweisen, dass ihm nicht grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Den Beweis, dass die Gefahrerhöhung keinen Einfluss auf den Versicherungsfall oder auf den Umfang der Leistung gehabt hat (Kausalitätsgegenbeweis), hat der Versicherungsnehmer zu führen2. Bei der Direktklage trägt der Geschädigte die Beweislast3. Der Versicherungsnehmer muss jede andere Ursache, die mitgewirkt haben könnte, ausschließen. Der Beweis kann aber z. B. bei abgefahrenen Reifen geführt sein, wenn der Wasserstand auf der Fahrbahn so hoch war, dass auch bei Reifen mit genügend Profil der Unfall nicht wesentlich anders verlaufen wäre4. Bei einem Unfall auf trockener Fahrbahn kann die Haftung der Reifen mit fehlender Profiltiefe günstiger sein5. Für den Kausalitätsgegenbeweis ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von persönlicher Gewissheit ausrei1 OLG Stuttgart v. 18. 11. 1993 – 7 U 223/93, r+s 1995, 90. 2 BGH v. 25. 2. 1965 – II ZR 14/63, VersR 1965, 430; v. 26. 10. 1967 – II ZR 6/65, VersR 1967, 1169. 3 BGH v. 16. 9. 1986 – VI ZR 159/85, VersR 1987, 37. 4 Vgl. den Fall BGH v. 23. 11. 1977 – IV ZR 162/67, NJW 1978, 1919 = VersR 1978, 146 = MDR 1978, 393. 5 OLG Karlsruhe v. 1. 3. 1984 – 12 U 49/82, VersR 1986, 882.
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Rz. 132 Teil 7
chend. Es braucht keine mathematische Sicherheit vorzuliegen, die jeden möglichen Zweifel und jede denkbare Möglichkeit des Gegenteils ausschließt1. Will der Versicherungsnehmer sich darauf berufen, dass vor Eintritt des Versicherungsfalls die Kündigungfrist bereits abgelaufen war, muss er dies – also den Zeitpunkt der Kenntnis des Versicherers – beweisen. Ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen, weil der Versicherer Vorsatz nicht beweisen und der Versicherungsnehmer sich von grober Fahrlässigkeit nicht entlasten konnte, tritt eine Leistungskürzung entsprechend der Schwere der Schuld ein. Da auch § 26 VVG wie auch § 28 VVG – anders als § 81 VVG – grobe Fahrlässigkeit vermutet, können die Erwägungen zur Beweislast bei § 28 VVG herangezogen werden, s. Rz. 241. e) Beispiele Das Fahrzeug war auf einem Parkplatz aufgebrochen worden und trotz Kenntnis des Versicherungsnehmers dort noch wochenlang stehen geblieben. Darin bestand für das Risiko eines Diebstahls eine objektive Gefahrerhöhung2. Auch der Verlust des Fahrzeugschlüssels und des Fahrzeugscheins stellen eine objektive Gefahrerhöhung3 dar, die sofort angezeigt werden muss, wenn der Versicherungsnehmer von ihr Kenntnis erlangt. Es ist aber am Einzelfall zu prüfen, ob die Gefahrerhöhung Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt hat, etwa für einen späteren Diebstahl des Fahrzeugs4. Die dauerhafte Aufbewahrung des KfzScheins im Fahrzeug kann eine (grob fahrlässige) Gefahrerhöhung darstellen, wobei der Versicherungsnehmer den Kausalitätsgegenbeweis zu führen hat5. Das OLG Oldenburg verneint eine erhebliche Gefahrerhöhung6.
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Die über eine einmalige Gefährdungshandlung hinausgehende mehrfache Benutzung eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs stellt eine subjektive Gefahrerhöhung dar7. Das wiederholte Fahren mit einem Fahrzeug, bei dem die Reifenprofile fast abgefahren sind, ist eine Gefahrerhöhung8.
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1 BGH v. 23. 11. 1977 – IV ZR 162/67, NJW 1978, 1919 = VersR 1978, 146 = MDR 1978, 303. 2 OLG Hamm v. 30. 3. 1995 – 6 U 150/94, VersR 1996, 448 = r+s 1995, 172. 3 BGH v. 21. 2. 1996 – IV ZR 351/94, VersR 1996, 703 = NJW-RR 1996, 983 = zfs 1996, 339 = r+s 1996, 476; OLG Stuttgart v. 18. 11. 1993 – 7 U 223/93, r+s 1995, 90. 4 BGH v. 21. 2. 1996 – IV ZR 351/94, VersR 1996, 703 = NJW-RR 1996, 983 = zfs 1996, 339 = r+s 1996, 476. 5 OLG Celle v. 9. 8. 2007 – 8 U 62/07, VersR 2008, 204 = r+s 2007, 449. 6 OLG Oldenburg v. 7. 7. 2010 – 5 U 153/09, r+s 2010, 367. 7 OLG Köln v. 29. 3. 1990 – 5 U 161/89, VersR 1990, 1226 = r+s 1990, 192. 8 BGH v. 23. 11. 1977 – IV ZR 162/76, NJW 1978, 1919; OLG Celle v. 10. 10. 1990 – 8 U 11/90, r+s 1991, 117.
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Rz. 133
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Bei einer Profiltiefe von 1,3 mm oder 1,5 mm bei zulässigen 1,6 mm braucht der Fahrer von der Gefahrerhöhung aber noch keine Kenntnis zu haben1. Der Kenntnis von Mängeln der Reifen hat sich ein Versicherungsnehmer nur dann arglistig entzogen, wenn er mit dem Vorhandensein eines Mangels rechnet und eine Nachprüfung unterlässt, um sich die Rechtsvorteile zu sichern, die ihm infolge seiner Nichtkenntnis zustehen2. Montiert ein Fahrer wegen einer Reifenpanne einen Reservereifen mit abgefahrenem Profil, so ist das noch keine Gefahrerhöhung, wenn er ihn nicht dauerhaft nutzt3. Es fehlt dann an der erforderlichen Dauer. 133
An dem Moment der Dauer fehlt es auch, wenn der Fahrer beim Parken auf einer Gefällstrecke die Handbremse nicht genügend anzieht4. Bei einer einmaligen verkehrswidrigen Fahrt, z. B. unter Alkoholeinfluss, fehlt ebenfalls das erforderliche Moment der Dauer5. Das Fahren mit mangelnder Bremsanlage ist bei dauernder Benutzung eine Gefahrerhöhung. Zweifelhaft kann aber sein, ob der Versicherungsnehmer den Mangel bemerkt hat. Aus einem langen Pedalweg braucht sich die Kenntnis nicht notwendig zu ergeben6. Muss der Versicherungsnehmer dagegen mehrfach „pumpen“, um die Bremswirkung zu erreichen, wird man von dessen Kenntnis ausgehen müssen7.
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Benutzt ein Versicherungsnehmer ein schon bei Abschluss des Versicherungsvertrages umgebautes Mofa, das die höchst zulässige Geschwindigkeit überschreitet, so liegt eine Gefahrerhöhung nicht in diesem Zustand, sondern darin, dass er es über eine einmalige Gefährdungshandlung hinaus benutzt8. Erhebliche Mängel und Änderungen an einem Mofa können so auffallend sein, dass eine Kenntnis des Fahrers von der Gefahrerhöhung nicht zu bezweifeln ist9.
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Hatte der Fahrer schon vor Abschluss des Versicherungsvertrags erhebliche epileptische Anfälle, so hat er doch eine Gefahrerhöhung nach Vertragsschluss dadurch „vorgenommen“, dass er das Fahrzeug als fahruntüchtiger Fahrer mehrfach benutzt. Dies ist zumindest fahrlässig10. Ob 1 OLG Hamm v. 24. 4. 1996 – 6 U 182/96; vgl. auch OLG Koblenz v. 12. 7. 1996 – 10 U 1518/95, VersR 1997, 303 = zfs 1997, 422. 2 BGH v. 26. 5. 1982 – IVa ZR 76/80, VersR 1982, 793 = NJW 1983, 121. 3 OLG Hamm v. 12. 2. 1988 – 20 U 221/87, VersR 1988, 1260. 4 OLG Hamm v. 25. 10. 1995, r+s 1996, 50. 5 OLG Nürnberg v. 22. 4. 1999 – 8 U 4173/98, NVersZ 1999, 347 = VersR 2000, 46 = r+s 2001, 52 m. w. N. zur Rspr. 6 BGH v. 15. 1. 1986 – IVa ZR 30/84, VersR 1986, 255. 7 Vgl. OLG Hamm v. 19. 3. 1976 – 20 U 73/75, VersR 1978, 284 (nur LS). 8 BGH v. 18. 10. 1989 – IVa ZR 29/88, VersR 1990, 80 = r+s 1990, 8 = NJW-RR 1990, 93. 9 OLG Saarbrücken v. 17. 3. 1989 – 3 U 164/84, VersR 1990, 779 = r+s 1990, 292. 10 OLG Stuttgart v. 25. 4. 1996 – 7 U 37/96, VersR 1997, 1141 = zfs 1997, 257 = r+s 1997, 230.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 137 Teil 7
grob fahrlässig, muss im Einzelfall geprüft werden. Zwei Fahrten bei einer exogenen Epilepsie, verursacht durch Alkoholkonsum oder Schlafstörungen, erfüllen das Dauermoment nicht1. Fahren unter Alkoholeinwirkung ist grundsätzlich keine Gefahrerhöhung, weil es an dem Moment der Dauer fehlt. Allenfalls kommt dann eine Gefahrerhöhung in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer ständig gewohnheitsmäßig alkoholisiert ein Fahrzeug führt. Das Problem hat sich aber in der Kfz-Haftpflichtversicherung entschärft, weil in den AKB die Alkoholfahrt und deren Ermöglichung als Obliegenheit geregelt ist, D.2.1 AKB. In der Kaskoversicherung kommt die Vorschrift des § 81 VVG zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls in Betracht. Häufiges Überschreiten von Lenkzeiten und Nichteinhaltung von Ruhezeiten kann eine Gefahrerhöhung darstellen2. Eine Gefahrerhöhung durch Überladen eines Fahrzeugs setzt voraus, dass das Fahrzeug wiederholt und regelmäßig überladen gefahren wurde3. Nach OLG Koblenz4 soll Leistungsfreiheit des Kasko-Versicherers eintreten, wenn der Versicherungsnehmer seit Beginn des Vertrages einen Ersatzschlüssel an versteckter Stelle hinter dem Armaturenbrett eines später entwendeten Fahrzeugs deponiert hat.
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Tuning des PKW durch Veränderung der Bereifung, Spurverbreiterung an der Vorderachse und an der Hinterachse, Leistungssteigerung von 66 KW auf 81 KW sowie Tieferlegung des Fahrwerks wurden vom OLG Koblenz5 als Gefahrerhöhung gewertet. Bei einer Geschwindigkeit von 100 bis 130 km/h wurde offenbar die Handbremse gezogen und damit waren aus technischer Sicht die Veränderungen am Kfz nicht unmittelbar kausal für das Unfallgeschehen. Gleichwohl hat das Gericht den Kausalitätsgegenbeweis nicht als geführt angesehen, da die unstreitig feststehenden Umstände des Unfalls ergaben, dass Fahrer und Beifahrer in geradezu typischer Weise den durch das Tuning geschaffenen Anreizen des Fahrzeugs erlegen waren.
7. Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall Das VVG 2008 unterscheidet nach wie vor zwischen Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall und denen nach dem Versicherungsfall. Aller1 OLG Nürnberg v. 22. 4. 1999 – 8 U 4173/98, NVersZ 1999, 437 = VersR 2000, 46 = r+s 2001, 52, die Revision hat der BGH durch Beschl. v. 10. 11. 1999 nicht angenommen. 2 OLG Köln v. 4. 2. 1997 – 9 U 45/96, r+s 1997, 321 = zfs 1997, 306, im konkreten Fall verneint. 3 OLG Hamm v. 29. 11. 1989 – 20 U 115/89, VersR 1991, 50 = NZV 1990, 315 = r+s 1990, 148. 4 OLG Koblenz v. 25. 4. 1997 – 10 U 1437/96, VersR 1998, 233. 5 OLG Koblenz v. 14. 7. 2007 – 10 U 56/06, r+s 2007, 235.
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Teil 7
Rz. 138
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
dings sind die Unterschiede in den Vorausetzungen für die Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen, die das alte Recht noch machte, weggefallen. In den AKB 2008 werden der besseren Übersichtlichkeit halber aber die Obliegenheiten vor und nach dem Versicherungsfall in getrennten Abschnitten dargestellt. Sie regeln die Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall im Abschnitt D unter der Überschrift „ Welche Pflichten haben Sie beim Gebrauch des Fahrzeugs?“. Den Begriff „Obliegenheiten“ verwenden die AKB nicht, sondern sprechen von „Pflichten“. Dies ist dem Anspruch geschuldet, die Bedingungen möglichst so zu formulieren, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer sie versteht. An der Rechtsnatur ändert die Bezeichnung aber nichts. Die Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall werden als „Pflichten im Schadenfall“ (Abschnitt E) bezeichnet, s. Rz. 156 ff. Probleme der Begriffsbestimmung und Abgrenzung zu anderen Tatbeständen der Leistungsfreiheit – wie z. B. Risikoausschlüssen1 – stellen sich in der Kraftfahrtversicherung selten2. Bei ihr sind durch die AKB auf der Grundlage der KfzPflVV die Obliegenheiten relativ genau umrissen. Die gesetzlichen Obliegenheiten, wie z. B. die Anzeigenobliegenheit des § 30 VVG, sind in die AKB integriert. a) Einzelne Obliegenheiten aa) Verwendungsklausel 138
Nach D.1.1 AKB darf der Versicherungsnehmer oder die mitversicherte Person, F.1 AKB, das Fahrzeug nicht zu einem anderen als dem im Antrag angegebenen Zweck verwenden. Diese Regelung ist Ausdruck des Gedankens, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss die Gefahr nicht zu Lasten des Versicherers erhöhen darf. Deshalb ist D.1.1 AKB eine Spezialregelung zu den §§ 23 ff. VVG, die neben der Verwendungsklausel nicht anwendbar sind3. Ob mit der anderen Verwendung eine Gefahrerhöhung einhergeht, lässt sich an den Tarifklassen der Versicherer feststellen. Fällt die Verwendung unter eine höhere Tarifklasse, liegt eine Gefahrerhöhung vor, denn die Versicherer legen entsprechend ihren statistischen Unterlagen die Tarifklassen nach Gefahrenklassen fest. Ein Verstoß gegen die Verwendungsklausel liegt deshalb nicht vor, wenn die Verwendung in die-
1 Vgl. dazu Prölss/Martin/Prölss, VVG § 28 Rz. 5 ff.; Römer/Langheid, VVG § 6 Rz. 4 ff. 2 Vgl. aber BGH v. 24. 5. 2000 – IV ZR 186/99, NVersZ 2000, 443 = VersR 2000, 969 = MDR 2000, 1130 = NJW-RR 2000, 1190 = r+s 2000, 480. 3 BGH v. 25. 9. 1968 – IV ZR 514/68 – unter II 1, NJW 1969, 42 = BGHZ 50, 385 = VersR 1968, 1153; v. 22. 1. 1997 – IV ZR 320/95 – unter III 1, r+s 1997, 184 = zfs 1997, 377 = NZV 1997, 266 = NJW-RR 1997, 598 m. w. N.
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selbe oder in eine niedrigere Tarifklasse einzuordnen ist1. Grundsätzlich wird eine Gefahrerhöhung aber unwiderlegbar vermutet, wenn der Tarif nicht für beide Verwendungszwecke identisch (oder für die tatsächliche Verwendung höher) ist2. Beispiele: Wer im Antrag ankreuzt „Pkw ohne Vermietung“, dann das Fahrzeug aber aufgrund eines Leasingvertrages einem Dritten zur uneingeschränkten Nutzung überlässt, verstößt gegen die Verwendungsklausel3. Anders liegt der Fall, wenn der Mieter das Mietfahrzeug, das er selbst benutzt, auch selbst versichert4. Die Verwendung eines Lkw statt – wie im Antrag angegeben – im Werkverkehr tatsächlich im Güterverkehr ist eine Gefahrerhöhung5. Umgekehrt aber i. d. R. nicht, da der Güter- die höhere Gefahr gegenüber dem Werkverkehr darstellt. Die Vermietung eines Fahrzeugs für einen Monat gegen Entgelt verstößt gegen die Verwendungsklausel, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zur Eigenverwendung versichert hat6.
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bb) Schwarzfahrtklausel Nach D.1.2 AKB ist der Versicherer leistungsfrei, wenn ein unberechtigter Fahrer das Fahrzeug gebraucht. Die Leistungsfreiheit besteht zunächst gegenüber dem unberechtigten Fahrer. Sie besteht nach S. 2 der Regelung aber auch gegenüber dem Versicherungsnehmer, dem Halter oder Eigentümer, wenn diese die Schwarzfahrt schuldhaft ermöglicht haben7.
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Beispiel: Hat der Versicherungsnehmer schuldhaft die Schwarzfahrt seines Sohnes ermöglicht, der einen Unfall verursachte, so hat der Geschädigte aus der Halterhaftung auch einen Anspruch gegen den Vater nach § 7 Abs. 3 S. 1 StVG sowie aus § 823 Abs. 1, 2 BGB. Gegen den Versicherer hat der Geschädigte einen Direktanspruch gem. § 115 VVG. Der Versicherer haftet aber gem. § 117 Abs. 3 VVG nur im Rahmen der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssumme8.
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An die Sorgfaltspflichten des Versicherungsnehmers, eine unberechtigte Fahrt zu verhindern, werden z. T. strenge Anforderungen gestellt. Von ihm wird verlangt, dass er bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alle zumutbaren Maßnahmen ergreift, damit eine unbefugte Benutzung
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1 BGH v. 1. 3. 1972 – IV ZR 107/70, NJW 1972, 822 = VersR 1972, 530; OLG Hamm v. 14. 6. 1991 – 20 U 196/90, r+s 1992, 152 = VersR 1992, 350 (nur LS). 2 OLG Hamm v. 1. 12. 1997 – 6 U 177/96, r+s 1998, 140 = zfs 1998, 296. 3 OLG Hamm v. 14. 6. 1991 – 20 U 196/90, r+s 1992, 152 = VersR 1992, 350 (nur LS). 4 OLG Karlsruhe v. 7. 7. 1994 – 12 U 12/94, VersR 1995, 568. 5 OLG Hamm v. 1. 12. 1997 – 6 U 177/96, r+s 1998, 140 = zfs 1998, 296. 6 OLG Hamm v. 11. 9. 1997 – 6 U 72/97, VersR 1998, 1498 = zfs 1998, 297 = r+s 1998, 181. 7 S. ausführlich Stiefel/Maier, AKB D Rz. 26 ff. 8 Vgl. OLG Stuttgart v. 15. 11. 2000 – 3 U 23/00, MDR 2001, 687.
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des Fahrzeugs unterbleibt1. Vor allem müssen die Fahrzeugschlüssel sicher aufbewahrt werden. Ob unter diesem Gesichtspunkt auch zu verlangen ist, dass eine verfügbare Garage zu benutzen ist, ist zu weit gehend. 143
Ebenso wie die Verwendungsklausel will auch die Schwarzfahrtklausel verhindern, dass sich die Gefahr nach Abschluss des Vertrages erhöht. Sie ist deshalb Spezialvorschrift gegenüber den §§ 23 ff. VVG, so dass diese gesetzlichen Vorschriften neben der AKB-Klausel nicht anwendbar sind2.
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Unberechtigter Fahrer ist, wer keine ausdrücklich oder stillschweigend erteilte Erlaubnis zum Fahren des Fahrzeugs vom Berechtigten hat3. Zur Beurteilung der Frage, ob der Fahrer des Kfz ein unberechtigter Fahrer war, sind in erster Linie die vom Verfügungsberechtigten abgegebenen ausdrücklichen Erklärungen maßgeblich. Fehlt es an solchen, ist auf den mutmaßlichen Willen des Verfügungsberechtigten abzustellen4. Auch derjenige gilt als berechtigter Fahrer, der mit dem Einverständnis dessen fährt, dem das Fahrzeug vom Berechtigten derart überlassen wurde, dass er selbständig über die Benutzung des Fahrzeugs verfügen kann. Wer an die Verfügungsbefugnis des Überlassenden irrtümlich glaubt, ist unberechtigter Fahrer5, sein Verschulden kann aber ausgeschlossen sein. Die Befugnis zur Privatnutzung eines Geschäftsfahrzeugs durch einen Angestellten ist regelmäßig auf dessen Person beschränkt6.
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Auch der unberechtigte Fahrer ist Fahrer i. S. v. A.1.2 lit. c AKB und damit in der Kfz-Haftpflichtversicherung mitversicherte Person; dies zum Schutze der Geschädigten. Die Leistungsfreiheit gegenüber dem unberechtigten Fahrer wirkt sich gegenüber dem Geschädigten nicht aus. Er behält seinen Direktanspruch7, §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1 VVG. Beispiele:
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Wer die Benutzungserlaubnis überschreitet, ist unberechtigter Fahrer, es sei denn, die Überschreitung ist nur geringfügig8. Der berechtigte Fahrer eines Firmenfahrzeugs wird nicht zum unberechtigten, wenn er einen ca. 400 m entfernten Schnellimbiss aufsucht, um für sich und seine Kollegen etwas zum Mittag1 Vgl. z. B. OLG Oldenburg v. 29. 4. 1998 – 2 U 264/97, VersR 1999, 482 = r+s 1999, 236. 2 BGH v. 14. 5. 1986 – IVa ZR 191/84, VersR 1986, 693 = NJW-RR 1986, 1081. 3 BGH v. 17. 2. 1955 – II ZR 241/53, BGHZ 16, 292 = NJW 1955, 669 = VersR 1955, 180; vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 D.1 Rz. 13 m. w. N. 4 BGH v. 1. 12. 1982 – IVa ZR 145/81, VersR 1983, 233. 5 BGH v. 3. 7. 1962 – VI ZR 88, 160/61, NJW 1962, 1678 = VersR 1962, 725. 6 BGH v. 13. 7. 1993 – VI ZR 278/92, VersR 1993, 1092. 7 Vgl. OLG Hamm v. 18. 9. 1995 – 13 U 48/95, VersR 1996, 1358 = r+s 1996, 43 m. w. N. 8 BGH v. 13. 6. 1984 – IVa ZR 139/82, VersR 1984, 834; vgl. auch Prölss/Martin/ Knappmann, VVG, AKB 2008 D.1 Rz. 17 m. w. N.
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Rz. 148 Teil 7
essen zu holen1. Eine erlaubte Fahrt wird nicht dadurch zur Schwarzfahrt, dass der Fahrer unterwegs Alkohol zu sich nimmt. Nur wenn er, um Alkohol zu sich zu nehmen, eine Sonderfahrt unternimmt, wird er zum unberechtigten Fahrer2.
Ein Gastgeber verstößt gegen die Obliegenheit, eine Schwarzfahrt nicht zu ermöglichen, wenn er nicht verhindert, dass ein alkoholisierter Gast den Fahrzeugschlüssel von einem Schlüsselbund des Gastgebers nimmt, dessen Schlüssel von innen im Haustürschloss steckte3. Schwierig sind die Fälle zu beurteilen, wenn ein Familienmitglied das Fahrzeug unberechtigt benutzt. Hier werden an die Sorgfalt, um eine Schwarzfahrt zu verhindern, unterschiedliche Anforderungen gestellt, je nach dem, ob es schon zu unberechtigten Fahrten gekommen ist oder nicht4. cc) Führerscheinklausel Mit D.1.3 AKB ist dem Benutzer eines Fahrzeugs die Obliegenheit auferlegt, das Fahrzeug nicht ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis zu fahren. Die Regelung betrifft nur das Fahren auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Die Verletzung der Obliegenheit befreit den Versicherer von seiner Leistungspflicht gemäß Satz 2 dieser Regelung gegenüber dem Versicherungsnehmer, dem Halter oder dem Eigentümer nur dann, wenn diese Personen die Obliegenheitsverletzung selbst begangen oder schuldhaft ermöglicht haben (s. dazu fi Rz. 140).
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Das Fahren ohne Fahrerlaubnis stellt grundsätzlich eine Gefahrerhöhung dar5. Deshalb ist die Führerscheinklausel gegenüber den §§ 23 ff. VVG eine Spezialregelung. Zum Zusammentreffen von Verletzung der Trunkenheits- und Führerscheinklausel s. fi Rz. 257. Beispiele: Entsprechend strafrechtlicher Beurteilung6, § 316 StGB, verletzt noch nicht seine Obliegenheit nach D.1.3 AKB, wer in der Absicht, alsbald wegzufahren, den Motor anlässt und das Abblendlicht einschaltet. „Fahrer“ ist er erst, wenn er das Fahrzeug in Bewegung setzt. Folgerichtig genießt er dann aber in der Kfz-Haftpflichtversicherung auch nicht den Mitversichertenstatus, wenn er ihn nicht aus anderen Gründen hat (s. Rz. 313 ff. zu den mitversicherten Personen).
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LG Köln v. 29. 9. 1999 – 19 S 50/99, r+s 2000, 186. BGH v. 13. 6. 1984 – IVa ZR 139/82, VersR 1984, 834. OLG Oldenburg v. 29. 4. 1998 – 2 U 264/97, VersR 1999, 482 = r+s 1999, 236. Vgl. OLG Celle v. 15. 11. 2007 – 8 U 75/07, SP 2009, 192 m. w. N. BGH v. 14. 5. 1986 – IVa ZR 191/84 – unter 2c, VersR 1986, 693 = NJW-RR 1986, 1081. 6 BGH v. 27. 10. 1988 – 4 StR 239/88, NJW 1989, 723 = NZV 1989, 32.
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Rz. 149
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Gegen die Führerscheinklausel wird nicht verstoßen, wenn dem Fahrer zur Zeit des Versicherungsfalls ein Fahrverbot erteilt worden war1. Dagegen hat der Fahrer, dessen Führerschein wegen eines Verkehrsverstoßes von der Polizei beschlagnahmt2 oder durch Gerichtsbeschluss vorläufig entzogen3 worden ist, keine Fahrerlaubnis. 149
Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Fahrzeughalter, der einem anderen die Führung eines Fahrzeugs überlässt, sich stets vergewissern, dass der andere die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hat. I. d. R. kann er sich nur dadurch vergewissern, dass er sich den Führerschein zeigen lässt. Der Halter darf der Erklärung des anderen, er besitze die Fahrerlaubnis, nicht vertrauen4. Lediglich dann, wenn der Halter weiß, dass der Fahrer die erforderliche Fahrerlaubnis tatsächlich bereits erworben hat, darf er auf den Fortbestand vertrauen, wenn keine Gründe zur gegenteiligen Annahme bestehen5. Solch ein Grund liegt vor, wenn der Halter weiß, dass dem Fahrer früher schon einmal die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit entzogen worden ist; erst recht, wenn die Neigung zum Trunk noch besteht6. Auch die Übergabe des Fahrzeugs und der Schlüssel an eine zuverlässige Werkstatt rechtfertigt das Vertrauen, die dort Tätigen, die das Fahrzeug eventuell fahren, seien im Besitz der Fahrerlaubnis7. Übergibt der Halter aber einem Parkwächter das Fahrzeug, der es in eine demnächst frei werdende Parklücke zu fahren verspricht, muss sich der Halter vergewissern, dass der Parkwächter eine Fahrerlaubnis hat. Anders als bei dem Werkstattpersonal, ist dies beim Parkwächter nicht selbstverständlich8. Eine Pflichtverletzung liegt aber nur vor, wenn der Parkplatz öffentlicher Verkehrsraum mit der Pflicht zum Führerscheinbesitz ist. Auch hier gilt, dass nach der VVG-Novellierung durch die Abstufung des Versicherungsschutzes entsprechend des Grads des Verschuldens eine differenziertere Beurteilung möglich ist.
1 BGH v. 20. 9. 1962 – II ZR 147/60, NJW 1962, 2104; v. 11. 2. 1987 – IVa ZR 144/85 – unter II 4, VersR 1987, 897 = NJW 1987, 1827 = MDR 1987, 746; kritisch Stiefel/Maier, AKB D.1 Rz. 113. 2 BGH v. 28. 10. 1981 – IVa ZR 202/80, VersR 1982, 84 = NJW 1982, 182; v. 11. 2. 1987 – IVa ZR 144/85 – unter II 4c, VersR 1987, 897 = NJW 1987, 1827 = MDR 1987, 746. 3 BGH v. 24. 9. 1962 – II ZR 84/62, NJW 1962, 2104 = VersR 1962, 1053. 4 BGH v. 19. 2. 1968 – II ZR 29/66, VersR 1968, 443; v. 6. 7. 1988 – IVa ZR 90/87, VersR 1988, 1017 = NJW-RR 1988, 1378 = NZV 1989, 20. 5 BGH v. 6. 7. 1988 – IVa ZR 90/87, VersR 1988, 1017 = NJW-RR 1988, 1378 = NZV 1989, 20. 6 OLG Köln v. 28. 2. 1991 – 5 U 99/90, VersR 1993, 45 = r+s 1991, 153. 7 BGH v. 22. 11. 1968 – IV ZR 516/68, NJW 1969, 466 = VersR 1969, 124. 8 BGH v. 22. 11. 1968 – IV ZR 516/68, NJW 1969, 466 = VersR 1969, 124.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 153 Teil 7
dd) Rennveranstaltungen Die Obliegenheit, nicht an behördlich ungenehmigten Fahrtveranstaltungen teilzunehmen, D.2.2 AKB, betrifft nur die Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese Regelung hat in der Praxis weniger Bedeutung. Sie betrifft vor allem die Fälle, bei denen sich zumeist jüngere Männer zu Wettrennen verabreden und unter Gefährdung der anderen Teilnehmer sowie Unbeteiligter über Autobahnen oder durch Städte rasen. Vgl. auch den Ausschluss in der Kfz-Haftpflichtversichtung nach A.1.5.2 AKB bei behördlich genehmigten Rennen, Rz. 302. In der Kaskoversicherung besteht ein Ausschluss nach A.2.16.2 AKB, s. Rz. 388.
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ee) Trunkenheitsklausel Der Versicherer behält sich Leistungsfreiheit vor, wenn der Fahrer infolge Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, D.2.1 AKB. Danach tritt Leistungsfreiheit auch gegenüber dem Versicherungsnehmer, dem Halter oder dem Eigentümer ein, jedoch nur dann, wenn diese die Obliegenheitsverletzung selbst begangen oder schuldhaft ermöglicht haben.
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Die Obliegenheit richtet sich also zunächst an den Fahrer. Sind der Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer nicht auch der Fahrer, so wird der Versicherer auch ihnen gegenüber leistungsfrei, wenn sie die Trunkenheitsfahrt des mitversicherten Fahrers schuldhaft ermöglicht haben. Die Trunkenheitsklausel gilt nur in der Kfz-Haftpflichtversicherung. In der Kaskoversicherung ist das Fahren in fahruntüchtigem Zustand nach § 81 VVG, also unter dem Gesichtspunkt der groben Fahrlässigkeit, zu beurteilen (fi Rz. 392, 410 ff.).
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Die Fahruntüchtigkeit hängt vom Grad der Alkoholisierung ab. Die zivilrechtliche Rechtsprechung hat sich der strafrechtlichen angeschlossen1. Absolute Fahruntüchtigkeit besteht ab 1,1 Promille BAK2. Liegt sie vor, steht der objektive Tatbestand der Obliegenheitsverletzung fest3. Bei einer geringeren BAK, ab 0,34 bis 1,1 Promille, also bei relativer Fahruntüchtigkeit, müssen weitere alkoholbedingte Umstände hinzukommen, die auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen lassen5.
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1 BGH v. 9. 10. 1991 – IV ZR 264/90, VersR 1991, 1367 = NJW 1992, 119 = NZV 1992, 27 = zfs 1992, 15 = MDR 1992, 133 = r+s 1991, 404. 2 BGH v. 28. 6. 1990 – 4 StR 297/90, VersR 1990, 1177 = NJW 1990, 2393; v. 9. 10. 1991 – IV ZR 264/90, VersR 1991, 1367 = NJW 1992, 119 = NZV 1992, 27 = zfs 1992, 15 = MDR 1992, 133 = r+s 1991, 404. 3 OLG Köln v. 18. 1. 2000 – 9 U 111/99, VersR 2000, 1217 = NVersZ 2000, 534 = zfs 2000, 344 = r+s 2000, 227. 4 OLG Hamm v. 21. 6. 1989 – 20 U 35/89, VersR 1990, 43. 5 OLG Hamm v. 2. 8. 1999 – 20 W 12/99, VersR 2000, 843 = r+s 1999, 493 = zfs 2000, 70 = NVersZ 2000, 299 = NJW-RR 2000, 172.
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Rz. 154
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Schwierig ist die Frage zu beantworten, wann der Fahrer aufgrund anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Absolute Grenzwerte gibt es bisher nicht. Allenfalls lässt sich von äußeren Umständen, wie Fahrweise, Verhalten des Fahrers, auf eine Fahruntüchtigkeit schließen. Zum Zusammentreffen von Verletzung der Trunkenheits- und Führerscheinklausel s. fi Rz. 257. Beispiele:
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Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit angenommen: – Bei 0,51 Promille BAK und Gewaltverlust über das Fahrzeug bei regennasser Fahrbahn und 80 bis 100 km/h1. – Gegen einen Baum fahren bei 0,9 Promille BAK nach Überfahren eines Stoppschildes und Streifen eines anderen Fahrzeugs2. – Einnahme von Arznei- und Suchtstoffen führte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit3.
Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht angenommen: Bei einer BAK von 0,75 Promille ist ein Glatteisunfall noch kein Hinweis auf alkoholtypische Fehler4.
8. Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall a) Überblick 156
Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls bezwecken i. d. R., den Schaden klein zu halten oder den Versicherer über die Tatsachen zu unterrichten, die er zur Behandlung des Versicherungsfalls benötigt, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen5. Solche Obliegenheiten finden sich sowohl im Gesetz, z. B. §§ 30, 31, 82, 104 VVG, als auch in den AKB im Abschnitt E. In der Praxis treten die Regelungen der gesetzlichen Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten nach §§ 30 und 31 VVG hinter die Regelung der AKB zurück, weil das Gesetz zwar die Obliegenheiten normiert, Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung aber nicht anordnet. Für Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls hat der Verordnungsgeber – anders als mit § 5 Abs. 1 KfzPflVV bei Obliegenheiten vor 1 OLG Celle v. 25. 3. 1999 – 8 U 107/98, zfs 1999, 384. 2 OLG Hamm v. 18. 2. 1999 – 6 U 213/98, r+s 1999, 268. 3 LG Landshut v. 30. 4. 1998 – 22 O 312/98, r+s 489 m. Anm. Münstermann, der zu Recht darauf hinweist, dass das LG bei der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht § 61 VVG, sondern die neue Trunkenheitsklausel hätte anwenden müssen. 4 OLG Hamm v. 2. 8. 1999 – 20 W 12/99, VersR 2000, 843 = r+s 1999, 493 = zfs 2000, 70 = NVersZ 2000, 299 = NJW-RR 2000, 172. 5 BGH v. 11. 7. 2007 – IV ZR 332/0, VersR 2007, 1267 = r+s 2007, 366.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 158 Teil 7
Eintritt des Versicherungsfalls – keinen abschließenden Katalog geschaffen, vgl. § 6 KfzPflVV. Gem. F.1 AKB sind zur Erfüllung der Obliegenheiten auch die mitversicherten Personen, A.1.2 AKB (vgl. auch fi Rz. 313 ff.), verpflichtet, ohne dass deshalb der Versicherungsnehmer selbst von der Erfüllung befreit wäre. Umstritten war bisher, ob der objektive Tatbestand auch dann erfüllt war, wenn der Versicherungsnehmer oder der Mitversicherte seine falschen Angaben später berichtigt. Hatten seine falschen Angaben noch nicht zur Störung des Versicherers bei seinen Ermittlungen geführt und berichtigt der Verpflichtete freiwillig und zeitnah, wurde eine Obliegenheitsverletzung nicht angenommen werden1. So auch der BGH2, wonach sich der Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen kann, wenn der Versicherungsnehmer den wahren Sachverhalt freiwillig vollständig und unmissverständlich offenbart, sofern dem Versicherer noch kein Nachteil entstanden ist. Bei arglistigem Verschweigen von Vorschäden besteht auch bei alsbaldiger Berichtigung Leistungsfreiheit3.
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Durch die VVG-Novelle stellt sich dieses Problem anders dar, denn jetzt besteht sowohl bei grob fahrlässiger wie vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheit für den Eintritt der Leistungsfreiheit ein Kausalitätserfordernis. Allerdings muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass die Pflichtverletzung für Feststellung und Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich war, § 28 Abs. 3 VVG; vgl. Rz. 209 ff. Hat der Versicherungsnehmer also seine Angaben rechtzeitig berichtigt, dürfte in vielen Fällen der Kausalitätsgegenbeweis gelingen. b) Anzeigeobliegenheiten Bei der Anzeigeobliegenheit muss der Versicherungsnehmer – anders als bei der Aufklärungsobliegenheit (fi Rz. 163 ff.) – von sich aus, unaufgefordert tätig werden. Die Grundregel für Kasko- und Kfz-Haftpflichtversicherung ergibt sich aus E.1.1 AKB mit folgendem Wortlaut: „Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadenereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche anzuzeigen.“
1 Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 22 f. 2 BGH v. 5. 12. 2001 – IV ZR 225/00, NVersZ 2002, 122 = VersR 2002, 173 = r+s 2002, 51 = zfs 2002, 138 m. Anm. Rixecker. 3 OLG Saarbrücken v. 30. 4. 2008 – 5 U 614/07, VersR 2008, 1643 = NJW-RR 2008, 1207 = r+s 2008, 465.
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Teil 7
Rz. 159
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Es liegt auf der Hand, dass bei einer über sechs Monate1 oder mehr als einen Monat2 verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit vorliegt, auch wenn zunächst nicht beabsichtigt war, die (Kasko-)Versicherung in Anspruch zu nehmen3. 159
Die Form der Anzeige wird nicht vorgeschrieben, es reicht also eine mündliche oder telefonische Anzeige. Diese kann auch beim Versicherungsagenten erfolgen, § 69 Abs. 1 Ziff. 2 VVG (s. Rz. 64). Eine Ausnahme verlangt E.3.1 AKB für die Anzeige eines Entwendungsfalls. Hier wird Schriftform gefordert und die Anzeige muss unterschrieben sein. Die Ermächtigung zu dem Formerfordernis ergibt sich aus § 32 S. 2 VVG. Außerdem wird „unverzügliche“ Anzeige verlangt. Im Entwendungsfall hat der Versicherungsnehmer also nicht wie sonst eine Woche Zeit zur Anzeige. Der Grund dieser Verschärfung liegt in der Natur des Ereignisses: Es müssen u. U. schnell Ermittlungen zum Verbleib des Fahrzeugs angestellt werden. Das Schriftformerfordernis beruht darauf, dass der Versicherer gerade im Entwendungsfall auf präzise Angaben angewiesen ist. Dabei spielt auch eine Rolle, dass bei Entwendungsfällen nicht selten der Verdacht der Manipulation besteht und die Aufklärung des Falls durch eine eindeutige Schilderung ermöglicht werden soll.
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Für die Kfz-Haftpflichtversicherung kommen folgende Obliegenheiten hinzu: Der Versicherungsnehmer muss anzeigen, – wenn der Geschädigte einen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend macht; die Frist beträgt eine Woche nach Erhebung des Anspruchs, E.2.1 AKB; – die Einleitung eines behördlichen Ermittlungsverfahrens, auch wenn der Schaden selbst bereits gemeldet ist, E.1.2 AKB; – wenn der Geschädigte gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch gerichtlich geltend macht, also Klage erhebt, einen Mahnbescheid oder Prozesskostenhilfe beantragt, den Streit verkündet, Arrest oder einstweilige Verfügung beantragt oder ein selbständiges Beweisverfahren einleitet. All dies ist dem Versicherer „unverzüglich“ anzuzeigen, E.2.3 AKB. Für die Kaskoversicherung gilt zusätzlich: – Vor der Verwertung oder der Instandsetzung des Fahrzeugs muss der Versicherungsnehmer die Weisung des Versicherers einholen, soweit ihm dies billigerweise zugemutet werden kann, E.3.2 AKB; 1 OLG Koblenz v. 4. 9. 2008 – 10 U 318/08, VersR 2009, 673. 2 OLG Köln v. 31. 3.2009 – 20 U 217/08, SP 2009, 405. 3 OLG Karlsruhe v. 18. 2. 2010 – 12 U 175/09, VersR 2010, 1307 (Anzeige 22 Monate nach Schaden).
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– ein Entwendungs- oder Brandschaden sowie ein Wildschaden ist auch bei der Polizeibehörde unverzüglich anzuzeigen, wenn er einen bestimmten Betrag (häufig 150 bis 500 Euro) übersteigt, E.3.3 AKB1; – die Entwendung ist unverzüglich in Schriftform anzuzeigen, E.3.1 AKB2.
! Hinweis: Der Anzeige bedarf es nicht, wenn der Versicherer bereits in anderer Weise rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, z. B. durch den Geschädigten3 oder einen Mitversicherten. Das ergibt sich aus § 30 Abs. 2 VVG.
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Bei Bagatellschäden ist eine Anzeige nicht erforderlich. Bagatellschäden sind in diesen Fällen Sachschäden, die der Versicherungsnehmer selbst geregelt hat oder regeln wollte, um die Einstufung in eine niedrigere Schadensfreiheitsklasse zu vermeiden, soweit sie einen bestimmten Betrag (i. d. R. 500 Euro) nicht übersteigen, E.2.2 AKB. Allerdings besteht auch bei Bagatellschäden eine Obliegenheit zu unverzüglicher Anzeige, wenn der Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt, dem Versicherungsnehmer gerichtlich der Streit verkündet, Arrest, eine einstweilige Verfügung beantragt oder ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet wird, E.2.3 AKB.
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Für die Kfz-Unfallversicherung (E.5) und den Autoschutzbrief (E.4 AKB) gelten gesonderte Anzeigeobliegenheiten. c) Aufklärungsobliegenheiten aa) Allgemeines Nach der gesetzlichen Konstruktion der §§ 30, 31 VGG unterscheiden sich die Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten dadurch, dass der Versicherungsnehmer von sich aus, d. h. ohne Aufforderung, den Versicherungsfall anzuzeigen hat, während Auskünfte erst nach Aufforderung durch den Versicherer zu erteilen sind. Dies entspricht und genügt auch dem Interesse des Versicherers. Denn durch die Anzeige hat er Kenntnis von dem Versicherungsfall, die ihn in die Lage versetzt, alles Weitere, was er zur Feststellung der Leistungspflicht und der Leistungshöhe benötigt, zu erfragen. Dies zu beurteilen, ist dem Versicherungsnehmer i. d. R. ohnehin nicht möglich. Aus E.1.3 AKB, wonach der Versicherungsneh1 KG v. 13. 6. 2006 – 6 U 62/06, r+s 2007, 52 = zfs 2006, 513 hält entspr. Klausel in den AKB a. F. für zulässig. 2 S. dazu auch AG Coburg v. 18. 6. 2009 – 15 C 378/09, r+s 2010, 60, das Leistungsfreiheit annahm, selbst wenn der Versicherungsnehmer auf die Übersendung eines zugesagten Formulars wartet. 3 Vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 7 AKB Rz. 4; so wohl auch 28. Aufl., AKB 2008 E.1 Rz. 4.
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Rz. 164
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mer verpflichtet ist, „alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann“, ergibt sich nichts anderes. Die Versicherer entsprechen dieser Aufteilung auch dadurch, dass sie nach Kenntnis vom Versicherungsfall dem Versicherungsnehmer Formulare mit den sie interessierenden Fragen zusenden oder gezielte Fragen stellen. Hat der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall angezeigt, darf er die Zusendung der Formulare erst einmal abwarten1, ohne eine Obliegenheitsverletzung zu begehen. 164
Die Aufklärungsobliegenheit trifft den Versicherungsnehmer auch dann, wenn ein Dritter das Fahrzeug gefahren hat2. Zwar hat der mitversicherte Fahrer selbst auch die Obliegenheit zu erfüllen, F.1 AKB. Dies hindert aber die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers nicht. Auch wenn der Tatbestand der Obliegenheitsverletzung nur erfüllt ist, wenn der Versicherungsnehmer Kenntnis von den mitzuteilenden Tatsachen hat, so trifft ihn im Rahmen der Aufklärungsobliegenheiten jedoch auch – soweit zumutbar – eine Erkundigungsobliegenheit. bb) Inhalt und Umfang der Aufklärungsobliegenheiten
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Nach E.1.3 AKB hat der Versicherungsnehmer zur Aufklärung des „Schadensereignisses“ beizutragen. Dies soll den Versicherer in die Lage versetzen, sachgemäße Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Diesem Zweck entsprechend muss der Versicherungsnehmer alles angeben, was den Sachverhalt des Versicherungfalls, insbesondere den Hergang eines Unfalls betrifft. Dass der Versicherungsnehmer damit auch die Tatsachen bekannt geben muss, die ihm zu seinem Nachteil gereichen, also zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen können, mindert seine Aufklärungsobliegenheit nicht. Deshalb werden von der Aufklärungsobliegenheit auch solche Tatsachen erfasst, die den Versicherer in die Lage versetzen, sich auf die Verletzung etwa gefahrmindernder Obliegenheiten zu berufen3.
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Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob der Versicherungsnehmer – oder der mitversicherte Fahrer – auch solche Angaben machen muss, die in einem späteren oder schon anhängigen Strafverfahren gegen ihn verwandt werden können. Die h. M. geht dahin, dass die Aufklärungsobliegenheit auch solche Tatsachen umfasst, durch deren Angaben sich der Betroffene der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. Auch wenn der Versicherungsnehmer mit der Angabe nahe Angehörige der Strafver1 Ebenso Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 E.1 Rz. 15. 2 Zutreffend AG Eschweiler v. 10. 7. 1998, r+s 1999, 141. 3 Vgl. schon BGH v. 3. 12. 1962 – II ZR 47/60 – unter I a, NJW 1963, 487 = VersR 1963, 134.
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folgung aussetzte, bestehe die Aufklärungsobliegenheit1. Wolle der Versicherungsnehmer solche Angaben nicht machen, liege darin eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. Als Korrelat zur Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Offenbarung auch solcher Tatsachen bestehe eine Schweigepflicht des Versicherers gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Der Versicherungsnehmer müsse daher wählen, ob ihm der Verzicht auf den Versicherungsschutz weniger wichtig sei als der Schutz vor einer Bestrafung und umgekehrt2. Dieses Ergebnis ist in hohem Maße unbefriedigend und stellt auch an den beratenden Anwalt kaum zu erfüllende Anforderungen. Die Schweigepflicht des Versicherers ist theoretisch. Praktisch kann die Staatsanwaltschaft die Akten beim Versicherer beschlagnahmen. Zumindest kann die Problematik teilweise dahin entschärft werden, dass der Versicherungsnehmer zunächst solche Angaben zurückhält und zurückhalten darf, die dem Versicherer in der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht sofort vorliegen müssen, um festzustellen, ob Ansprüche Dritter begründet sind oder nicht. Hier sollte eine entsprechende Vereinbarung mit dem Versicherer angestrebt werden, dass zunächst der Abschluss des Ermittlungsverfahrens abgewartet werden soll. Die Regulierung des Drittschadens in der Kfz-Haftpflichtversicherung ist i. d. R. problemlos möglich, ohne die Frage des Versicherungsschutzes schon geklärt zu haben. Dies kann später erfolgen. In der Kaskoversicherung liegt die Interessenlage ohnehin anders. Auch bei Beteiligung Dritter ist dem Versicherer zuzumuten, dass er mit den Angaben des Versicherungsnehmers erst einmal bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens abwartet. Allerdings kann der Versicherungsnehmer dann auch noch nicht seine Ansprüche geltend machen, weil der Versicherer seine Ermittlungen noch nicht hat abschließen können und die Ansprüche folglich nicht fällig sind, § 14 VVG. Der Versicherungsnehmer wird die spätere Geltendmachung aber in Kauf nehmen, wenn er sich damit nicht der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt und auch nicht auf den Deckungsschutz verzichten muss. Entscheidet sich der Versicherungsnehmer dazu, nicht sofort notwendige Angaben zunächst zurückzuhalten, darf er statt der richtigen keine falschen Angaben machen. Er muss vielmehr mitteilen, dass er wegen eines eingeleiteten oder bevorstehenden Ermittlungsverfahrens zu der einen oder anderen Frage erst später Stellung nehmen wird. Auch in der Kaskoversicherung empfiehlt sich eine Vereinbarung mit dem Versicherer. Grundsätzlich kann der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass der Versicherer in seinen Formularen das fragt, was für seine Entscheidung 1 OLG Oldenburg v. 7. 12. 1994 – 2 U 185/94, VersR 1995, 952; KG v. 7. 5. 2010 – 6 U 1417/09, r+s 2010, 460. 2 Stiefel/Maier, AKB E.1, Rz. 120 ff.; Berz/Burmann, Bd. 1 7 G Rz. 92 ff; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 549, je mit Hinweisen zur Rspr.
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von Bedeutung ist. Der Umfang der Aufklärungsobliegenheit wird deshalb primär durch die Formularfragen und etwaige Ergänzungsfragen bestimmt1. Ein Versicherungsnehmer kommt der ihm obliegenden Aufklärungspflicht i. d. R. dann ausreichend nach, wenn er die in dem Schadensanzeigeformular gestellten Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet2. Weist der Versicherungsnehmer bei seiner Beantwortung auf bestimmte, dem Versicherer ohne weiteres zugängliche Daten hin, z. B. zur Beantwortung eines Vorschadens, hat der Versicherer hinreichend Anlass, diese Daten hinzuzuziehen3. Die Frage ist dann nicht unvollständig beantwortet. 168
Im Zweifel sind die Fragen so zu verstehen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne Versicherungskenntnisse verstehen wird. Unklare Fragen gehen zu Lasten des Versicherers4.
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In seltenen Ausnahmefällen muss der Versicherungsnehmer allerdings über die im Formular gestellten Fragen hinaus Umstände mitteilen. Wenn der aufzuklärende Sachverhalt von den üblichen Umständen der Schadensfälle abweicht, die Grundlage standardisierter, formularmäßiger Fragen bilden und der Versicherungsnehmer dies erkennt, muss er seine Antworten auf die Formularfragen ergänzen oder unabhängig von den Fragen die für die Beurteilung des Falles notwendigen Umstände mitteilen5. Beispiel:
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Der Versicherungsnehmer war in Schlangenlinien gefahren und schließlich von der Fahrbahn abgekommen. An seinem Fahrzeug entstand ein Schaden, den er vom Fahrzeugversicherer erstattet verlangte. In dem Formular fragte der Versicherer nach Alkoholgenuss vor dem Unfall. Der Kläger gab wahrheitsgemäß eine nur kleine Menge an, die aber nicht zur Fahruntüchtigkeit hätte führen können. Er verschwieg, dass er zusätzlich eine beträchtliche Menge Tabletten zu sich genommen hatte in der Absicht, aus dem Leben zu scheiden. Der Versicherungsnehmer hätte von sich aus auch die Menge eingenommener Tabletten angeben müssen, auch wenn danach nicht ausdrücklich gefragt war. Er hätte bei der Frage nach dem Alkoholgenuss erkennen können und müssen, dass der Versicherer mit dieser Frage auf die Fahrtüchtigkeit abzielte. Dass die Tabletten aber seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt hatten, wusste der Versicherungsnehmer. Der Versicherer war wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit leistungsfrei6. 1 OLG Hamm v. 21. 7. 1993 – 20 U 82/93, VersR 1994, 590 = r+s 1994, 126. 2 Vgl. OLG Saarbrücken v. 7. 10. 1992 – 5 U 13/92, VersR 1993, 216 = r+s 1992, 403. 3 Vgl. BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 = VersR 1993, 1089 = NJW 1993, 2807 = zfs 1993, 341 = MDR 1993, 1062. 4 Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 E.1 Rz. 15. 5 Vgl. BGH v. 21. 4. 1993 – IV ZR 34/92 – unter 2b, VersR 1993, 828 = NJW 1993, 1862 = zfs 1993, 306 = r+s 1993, 321, insoweit in BGHZ 122, 250 nicht abgedruckt. 6 OLG Hamm v. 6. 7. 1984 – 20 U 55/84, VersR 1985, 1078.
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Rz. 173 Teil 7
Beantwortet ein Versicherungsnehmer die im Formular gestellten Fragen nicht, ist der objektive Tatbestand der Obliegenheit verletzt. Die Verletzung führt nicht schon ohne weiteres zur Leistungsfreiheit des Versicherers (dazu fi Rz. 198 ff.). Außerdem ist vom Versicherer zu erwarten, dass er beim Versicherungsnehmer nachfragt, wenn dieser Fragen offen gelassen hat1. Dann aber muss der Versicherungsnehmer wahrheitsgemäß antworten. Er darf die Antwort nicht zurückhalten, bis sein Anwalt die Ermittlungsakten eingesehen hat2.
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Falsche Angaben gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft sind grundsätzlich keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, die nur dem Versicherer gegenüber besteht. Anders liegt der Fall, wenn die Angaben gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zugleich das Aufklärungsinteresse des Versicherers unmittelbar berühren3. Das kann der Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer z. B. bei der Polizei falsche Angaben darüber macht, wer der Fahrer war. Damit werden die Ermittlungen der Polizei in eine falsche Richtung gelenkt. Dadurch ist das Aufklärungsinteresse des Versicherers unmittelbar berührt4.
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Schwierig ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Versicherungsnehmer eine zunächst falsche Angabe dem Versicherer gegenüber später berichtigt. Dabei kann die Fallgruppe als unproblematisch abgeschichtet werden, bei der die Berichtigung spätestens zu dem Zeitpunkt dem entscheidenden Sachbearbeiter vorliegt, zu dem er den Fall beginnt zu bearbeiten. Der Vorgang ist in diesen Fällen als insgesamt noch obliegenheitsgerecht anzusehen, so dass schon keine Verletzung des objektiven Tatbestands gegeben ist5. Erreicht die Berichtigung den Sachbearbeiter erst, nachdem er mit der Bearbeitung des Falles begonnen hat, ging die überwiegende Auffassung bisher dahin, dass die objektive Verletzung der Obliegenheit nicht mehr beseitigt werden kann6. Fraglich ist, ob dies nach der VVG-Novellierung noch genauso beurteilt werden kann, denn jetzt kann der Versicherungsnehmer den Kausalitätsgegenbeweis führen (vgl. Rz. 215, 236). Sofern der Versicherungsnehmer von sich aus und freiwillig Angaben berichtigt und noch keine ernsthafte Gefährdung der
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1 OLG Köln v. 21. 1. 1997 – 9 U 65/96, VersR 1997, 962 = r+s 1997, 354. 2 OLG Hamm v. 21. 7. 1993 – 20 U 82/93, VersR 1994, 590 = r+s 1994, 126; OLG Düsseldorf v. 26. 1. 1993 – 4 U 12/92, VersR 1994, 41 = r+s 1993, 208 = NJW-RR 1993, 738. 3 BGH v. 24. 5. 1995 – IV ZR 167/94, VersR 1995, 1043 = r+s 1995, 328 = NJW-RR 1995, 1236. 4 BGH v. 15. 2. 1982 – IVa ZR 33/81, VersR 1983, 258. 5 Vgl. den Fall OLG Hamm v. 19. 11. 1999 – 20 U 205/98, NVersZ 2000, 179 = VersR 2000, 577 = zfs 2000, 159 = NJW-RR 2000, 560 = MDR 2000, 139. 6 OLG Köln v. 7. 11. 1995 – 9 U 132/95, r+s 1996, 299; LG Hannover v. 15. 2. 1995 – 6 O 180/94, VersR 1996, 182; so wohl auch Prölss/Martin/Prölss, VVG § 31 Rz. 18; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 551.
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Interessen des Versicherers eingetreten ist, etwa weil er noch keine weiteren Maßnahmen veranlasst hat oder notwendige Ermittlungen verzögert oder verhindert wurden, dürfte eine Berichtigung rechtzeitig sein und eine Obliegenheitsverletzung nicht vorliegen bzw. deren Folge nicht eintreten. In diesen Fällen wird die Falscheingabe in der Regel auch keinen Einfluss auf die notwendigen Feststellungen gehabt haben, worauf es allerdings bei Arglist nicht ankommt, vgl. Rz. 216. cc) Wegfall und Beendigung der Aufklärungsobliegenheiten 174
Nach § 30 Abs. 2 VVG kann sich der Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn der Versicherer in anderer Weise rechtzeitig vom Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis erlangt hat. Diese Vorschrift ist auf die Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten des § 31 VVG (E.1.3 AKB) grundsätzlich nicht analog anwendbar. Bei vorsätzlich falschen Angaben kann sich der Versicherungsnehmer hinterher nicht darauf berufen, dass der Versicherer den wahren Sachverhalt von dritter Seite noch zeitig genug erfahren habe. Ebensowenig kann er geltend machen, dass sich der Versicherer die erforderlichen Informationen anderweitig hätte beschaffen können1. Andererseits ist es nicht Zweck der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten, die Wahrheitsliebe des Versicherungsnehmers zu erproben. Kennt der Versicherer die erfragten Umstände bereits positiv, besteht für den Versicherungsnehmer keine Aufklärungsobliegenheit mehr. Falsche Antworten können dementsprechend auch keine Aufklärungsobliegenheit mehr verletzen2. In einem vom BGH3 entschiedenen Fall hatte der Versicherer den vom Versicherungsnehmer verschwiegenen Vorschaden selbst reguliert. Die Kenntnis daraus muss er sich anrechnen lassen. Positiver (aktueller) Kenntnis hat das Kammergericht4 es gleichgestellt, wenn der Versicherer seine Schadensachbearbeiter angewiesen hat, bei der Schadenbearbeitung anhand von Datenbeständen, z. B. der Uni-Wagnis-Datei (heute HIS) zu prüfen, ob das Fahrzeug Vorschäden hatte. Falsche Angaben seien danach unschädlich. Der BGH5 hat sich dieser Rechtsprechung nicht angeschlossen. Er hat entschieden, dass Erkenntnismöglichkeiten des Versicherers durch die Uniwagnis-Datei die Aufklärungsobliegenheit unberührt lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Versicherer unmittelbar nach der Schadenmeldung eine Dateiabfrage ge1 BGH v. 24. 6. 1981 – IVa ZR 133/80, VersR 1982, 182, 183. 2 BGH v. 26. 1. 2005 – IV ZR 239/03, VersR 2005, 493 = r+s 2005, 143; vgl. OLG Hamm v. 21. 3. 1990 – 20 U 207/89, NJW-RR 1990, 1310 = NZV 1990, 434 = NJW 1991, 303 (nur LS); v. 12. 2. 1992 – 20 U 89/91, r+s 1993, 442. 3 BGH v. 11. 7. 2007 – IV ZR 332/05, VersR 2007, 1267 = r+s 2007, 366. 4 KG v. 8. 12. 2000 – 6 U 215/99, zfs 2001, 502 m. Anm. Hennig = VersR 2002, 703. 5 BGH v. 17. 1. 2007 – IV ZR 106/06, r+s 2007, 147 = VersR 2007, 629.
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Rz. 176 Teil 7
halten hat. Ebenso wenig darf der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass der Versicherer auf ihm zugängliche Daten zurückgreift, die zur Aufklärung beitragen könnten. I. d. R. wird der Versicherer dazu keinen Anlass haben1. Das gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer falsche Angaben über die Laufleistung des Fahrzeugs macht und der Versicherer aus einem Vorschaden die Falschangabe hätte erkennen können2. Hat der Versicherungsnehmer das Schadensformular erkennbar unrichtig, unklar oder widersprüchlich ausgefüllt, muss der Versicherer durch Rückfrage versuchen, den Sachverhalt aufzuklären. Anderenfalls kann er sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen3. Zur Berichtigung falscher Angaben s. fi Rz. 157. Nach herrschender und zutreffender Meinung endet die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers mit der endgültigen Ablehnung des Anspruchs durch den Versicherer4. Die Obliegenheit zur Auskunft und Aufklärung setzt einen prüfbereiten Versicherer voraus. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht bereits abgelehnt hat. Eine endgültige Leistungsablehnung, die Aufklärungsobliegenheiten entfallen lässt, kann auch während des gerichtlichen Verfahrens abgegeben werden. Sie liegt z. B. in einem uneingeschränkten Antrag auf Klageabweisung5, so dass unrichtige Angaben im Prozess nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers aufgrund verletzter Obliegenheiten führen. Selbst eine arglistige Täuschung hat lediglich die auch in anderen zivilrechtlichen Verfahren eintretenden Sanktionen zur Folge.
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Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten können aber dann wieder aufleben, wenn sich der Versicherer erkennbar bereit erklärt, erneut in eine Prüfung einzutreten6, sei es aufgrund neuer Tatsachen oder weil er durch ein Gericht grundsätzlich zur Leistung verpflichtet wurde. Problematisch ist in diesen Fällen, ob der Versicherungsnehmer davor falsch abgegebene Erklärungen berichtigen muss. Dies ist zu bejahen, denn er
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1 Vgl. BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224 = VersR 1993, 1089 = NJW 1993, 2807 = zfs 1993, 341 = MDR 1993, 1062. 2 KG Berlin v. 13. 2. 2009 – 6 U 203/08, r+s 2010, 60 = VersR 2010 380 = zfs 2010, 153. 3 OLG Hamm v. 18. 2. 2000 – 20 U 68/99, VersR 2001, 1419; OLG Brandenburg v. 27. 6. 2007 – 4 U 171/06, r+s 2008, 325. 4 St. Rspr., vgl. BGH v. 7. 6. 1989 – IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368 = VersR 1989, 842 = r+s 1989, 296 = NJW 1989, 2472; v. 18. 12. 1980 – IVa ZR 51/80 – unter III, VersR 1981, 328 = NJW 1981, 1098; OLG Düsseldorf v. 16. 8. 1994 – 4 U 151/93, VersR 1995, 1301 = r+s 1994, 404; Römer/Langheid/Langheid, VVG § 34 Rz. 3; Stiefel/Maier, AKB E.1 Rz. 60 ff. 5 BGH v. 7. 6. 1989 – IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368 = VersR 1989, 842 = NJW 1989, 2472. 6 Vgl. BGH v. 8. 7. 1991 – II ZR 65/90 – unter 2a, VersR 1991, 1129 = NJW-RR 1991, 1370 = r+s 1992, 1.
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Rz. 177
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
weiß, dass der Versicherer nun wieder prüfungsbereit ist und auf zutreffende Angaben angewiesen ist. d) Einzelne Aufklärungsobliegenheiten aa) Unfallflucht 177
Nach st. Rspr.1 und h. M.2 in der Literatur gehört zur Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers – und Fahrers –, dass er sich nicht unberechtigt vom Unfallort entfernt. Der Versicherungsnehmer muss durch seine Anwesenheit am Unfallort die Aufklärung über den Unfallhergang, die Beteiligten sowie über Art und Umfang des Schadens ermöglichen. Die AKB haben diesen Tatbestand ausdrücklich in die Formulierung der Aufklärungspflicht aufgenommen, E.1.3 AKB. Das gilt im Grundsatz sowohl für die Kfz-Haftpflicht- als auch für die Kaskoversicherung, wenn bei dieser ein Dritter am Unfallgeschehen beteiligt ist. Obwohl die AKB-Klausel dem Wortlaut nach das Verlassen des Unfallorts verbietet, auch wenn kein Fremdschaden entstanden ist, dürfte der durchschnittliche Versicherungsnehmer dies nur so verstehen, wie es von den Verfassern auch gemeint war: Es kommt auf die strafrechtliche Tatbestandsverwirklichung an, ein Fremdschaden muss also vorliegen. Eine andere Auslegung würde zu widersinnigen Ergebnissen führen. Insofern kann auch Knappmann nicht gefolgt werden, der in der Neuformulierung in E.1.3 AKB 2008 eine über die frühere Rechtslage hinausgehende Verpflichtung des Fahrers sieht3.
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Dagegen hat das OLG Saarbrücken4 mit durchaus überlegenswerten Gründen für die Fälle opponiert, in denen die Haftungslage eindeutig ist und eine Mitverursachung durch den Geschädigten unzweifelhaft nicht in Betracht kommt. Indessen ist der BGH dem nicht gefolgt. Er hat an der bisherigen Auffassung festgehalten5. Danach erschöpft sich die Aufklärungsobliegenheit nicht im Erteilen von Informationen, sondern erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Verhalten des Versicherungsnehmers am Unfallort. Das Verlassen des Unfallorts stelle stets 1 BGH v. 8. 5. 1958 – II ZR 1/57, NJW 1958, 993 = VersR 1958, 389; v. 15. 12. 1982 – IVa ZR 33/81, VersR 1983, 258; v. 15. 4. 1987 – IVa ZR 28/86, VersR 1987, 657; v. 1. 12. 1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000, 222 = NVersZ 2000, 134 = zfs 2000, 68 = NJW-RR 2000, 553 = MDR 2000, 265 m. Anm. van Bühren. 2 Stiefel/Maier, AKB E.1 Rz. 120 ff.; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 579 ff.; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 E.1 Rz. 20. 3 Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 E.1 Rz. 1 und 2.1. 4 OLG Saarbrücken v. 10. 3. 1999 – 5 U 767/98–66, NVersZ 1999, 382 = zfs 1999, 291. 5 BGH v. 1. 12. 1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000, 222 = NVersZ 2000, 134 = zfs 2000, 68 = NJW-RR 2000, 553 = MDR 2000, 265 m. Anm. van Bühren; vgl. auch gegen OLG Saarbrücken OLG Köln v. 24. 11. 1998 – 9 U 97/98, VersR 1999, 963 = NVersZ 1999, 170 = zfs 1999, 247; OLG Celle v. 19. 11. 2009 – 8 U 79/09, SP 2010, 118.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 181 Teil 7
eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kasko- und der KfzHaftpflichtversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt werde. Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung sei davon auszugehen, dass die vertragliche Aufklärungsobliegenheit die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht mitumfasse. Denn hierbei handele es sich um eine elementare und jedem Versicherungsnehmer und Kraftfahrer bekannte Pflicht. Ein Versicherungsnehmer wisse, dass sein Versicherer bei einem Schadensfall stets ein Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallhergangs und der Unfallursache habe. Dieses Interesse beeinträchtige der Versicherungsnehmer aber nachhaltig mit dem Verlassen des Unfallorts. Durch ausdrückliche Aufnahme in E.1.3 AKB hat diese Auffassung zudem jetzt noch den Charakter der vertraglichen Vereinbarung erhalten. Etwaige Bedenken wegen des Transparenzgebots, die bei den alten AKB bestanden haben mögen, sind durch die eindeutige Formulierung in den AKB 2008 gegenstandslos geworden. Die Klausel wird auch nicht als überraschend oder unangemessen anzusehen sein. Bei der Frage, ob ein Verstoß gegen § 142 StGB vorliegt und damit die Aufklärungsobliegenheit verletzt wurde, kommt es nicht darauf an, ob das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt wurde1.
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Die Aufklärungsobliegenheit und damit das Verbleiben am Unfallort trifft den Versicherungsnehmer auch dann, wenn er das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls nicht selbst gefahren hat, sondern nur Beifahrer war2. Denn auch dann ist es dem Versicherungsnehmer möglich, selbst zur Aufklärung des Unfallgeschehens beizutragen. Unrichtig OLG Bremen3, das verkennt, dass den Versicherungsnehmer eine allgemeine Aufklärungsobliegenheit trifft, er nicht selbst eine Unfallflucht im strafrechtlichen Sinn begangen haben muss. Das wird durch die Formulierung in den AKB 2008 „insbesondere … den Unfallort nicht zu verlassen“ unmissverständlich formuliert.
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Verlässt der VN den Unfallort unter Zurücklassung des Fahrzeugs und der Papiere, stellt dies gleichwohl eine Obliegenheitsverletzung dar, selbst wenn er von Zeugen erkannt wurde und einer von mehreren Geschädigten eingewilligt hat. Die Obliegenheitsverletzung ist auch nicht folgenlos, wenn dadurch sichere Feststellungen zu einer Alkoholisierung unmöglich gemacht werden4. Die Aufklärungspflicht ist bei Entfernen vom Unfallort nicht verletzt, wenn der Geschädigte damit einverstanden ist, dass der Unfallort verlas1 AG Hannover v. 24. 9. 1998 – 518 C 879/98, NVersZ 1999, 396. 2 OLG Oldenburg v. 9. 5. 1990 – 2 U 26/90, VersR 1990, 1005 m. w. N.; OLG Hamm v. 20. 5. 1986 – 20 W 66/85, VersR 1987, 1083 m. w. N. 3 OLG Bremen v. 2. 10. 2007 – 3 U 27/07, r+s 2008, 148. 4 OLG Saarbrücken v. 28. 1. 2009 – 5 U 424108–53, VersR 2009, 1355.
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Teil 7
Rz. 182
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
sen wird1. Anderenfalls wäre die Aufklärungsobliegenheit einer Pflicht zur Selbstanzeige gleichzusetzen. Beispiel: Das vom Versicherungsnehmer gesteuerte Fahrzeug wird aus der Kurve getragen und stößt mit dem entgegenkommenden und von F gesteuerten Fahrzeug zusammen. Beide Fahrzeuge werden beschädigt. Der Versicherungsnehmer und F beschließen, „die Polizei aus dem Spiel zu lassen“. Sie entfernen sich beide vom Unfallort. Der Versicherungsnehmer verletzt seine Aufklärungsobliegenheit nicht durch das Entfernen vom Unfallort, so weit er später den Versicherer wahrheitsgemäß unterrichtet2.
182
Der Tatbestand des § 142 StGB ist auch dann nicht erfüllt und damit auch die Aufklärungsobliegenheit nicht verletzt, wenn der Fahrer des Fahrzeugs oder der Unfallgegner dringend ärztlicher Behandlung bedarf und deshalb ein Entfernen vom Unfallort unvermeidlich ist3. Entfernt sich der Versicherungsnehmer in berechtigter oder entschuldigter Weise, muss er die notwendigen Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglichen4.
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Bei Bagatellschäden braucht der Fahrer nicht am Unfallort zu warten. Was Bagatellschäden sind, wird nicht einheitlich beurteilt. Die Spanne reicht von höchstens 50 DM5 (rd. 25 Euro) bis höchstens 200 DM (rd. 100 Euro)6. Für die Höhe sind wirtschaftliche Überlegungen nicht maßgebend. Vielmehr ist entscheidend, bis zu welcher Geringfügigkeitsgrenze bei Drittschäden mit Ansprüchen der Geschädigten gerechnet werden muss7. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Bagatellgrenze bei 25 Euro, aber keinesfalls bei mehr als 50 Euro8 gesehen werden.
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In der Kaskoversicherung ist das Entfernen vom Unfallort nur dann eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, wenn neben dem Eigenschaden gleichzeitig auch ein Fremdschaden entstanden ist9, s. auch oben Rz. 177. Ist der Fremdschaden nur gering und hat der Fahrer ca. 30 Minuten am Unfallort gewartet, so begeht er keine Aufklärungsobliegenheitsverletzung, wenn er sich entfernt und umgehend den Versiche1 2 3 4 5 6 7
OLG Hamm v. 30. 6. 1993 – 20 U 372/92, NJW-RR 1994, 417 = r+s 1994, 83. Vereinfacht nach BGH v. 15. 12. 1982 – IVa ZR 33/81, VersR 1983, 258. Vgl. Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 581 m. w. N. OLG Köln v. 30. 7. 1992 – 5 U 44/92, VersR 1993, 45 = r+s 1992, 329. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, § 7 AKB 2007 Rz. 6. Vgl. Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 583, Fn. 428. OLG Köln v. 24. 11. 1998 – 9 U 97/98, VersR 1999, 963 = NVersZ 1999, 170 = zfs 1999, 247. 8 Vgl. OLG Düsseldorf v. 30. 6. 1992 – 4 U 205/91, VersR 1993, 1141, bei Fremdschaden von 109,– DM (rd. 56 Euro) Bleibepflicht. 9 So lag der Fall bei BGH v. 1. 12. 1999 – IV ZR 71/99, VersR 2000, 222 = NVersZ 2000, 134 = zfs 2000, 68 = NJW-RR 2000, 553 = MDR 2000, 265 m. Anm. van Bühren; vgl. auch OLG Nürnberg v. 29. 6. 2000 – 8 U 1279/00, MDR 2001, 91 = r+s 2001, 15, Fremdschaden von 1050 DM (rd. 537 Euro).
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 186 Teil 7
rer verständigt1. Anders liegt der Fall, wenn der Versicherungsnehmer nur eigene Schäden verursacht hat und kein Dritter beteiligt ist. Im Allgemeinen kann ein Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass die Aufklärungsobliegenheit nach E.1.3 AKB, soweit es sich um die Ermöglichung polizeilicher Feststellungen handelt, nicht weiter geht als die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht. Geschütztes Rechtsgut in § 142 StGB ist ausschließlich das zivilrechtliche Beweissicherungsinteresse des Unfallbeteiligten. Ist daher ein Dritter weder am Unfall beteiligt noch dadurch geschädigt, so scheidet § 142 StGB aus. Bei verständiger Auslegung der AKB liegt auch keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vor. Der Versicherungsnehmer muss in diesem Fall auch nicht an der Unfallstelle bleiben, um eine Blutprobe zu ermöglichen2. An dieser Auffassung muss festgehalten werden, auch wenn E.1.3 apodiktisch verlangt, dass der Unfallort nicht verlassen werden dürfe, ohne die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Die Bestimmung zielt erkennbar auf Unfallflucht im strafrechtlichen Sinne ab. Bei anderer Auslegung ergäben sich absurde und unzumutbare Situationen. Zweifelhaft ist, ob unter dem Gesichtspunkt des § 142 StGB bei einem „Alleinunfall“ dann von einem Drittschaden gesprochen werden kann, wenn das Fahrzeug nicht dem Versicherungsnehmer, sondern einem anderen, z. B. einem Vermieter, Sicherungs- oder Leasinggeber gehört. Hier muss man unterscheiden: Grundsätzlich entsteht ein Fremdschaden am Fahrzeug, wenn dieses im Vorbehalts- oder Sicherungseigentum eines anderen steht. I. d. R. besteht dann auch ein Feststellungsinteresse des jeweiligen Eigentümers, so dass sich das Entfernen vom Unfallort als Verletzung der Aufklärungsobliegenheit darstellt3.
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Eine Ausnahme von der Regel ist aber dann gerechtfertigt und erforderlich, wenn es sich um ein Leasingfahrzeug handelt, bei dem nach dem Leasingvertrag der Leasingnehmer in jedem Falle, auch für Zufall, in vollem Umfang einstandspflichtig ist. In einem solchen Fall darf der Leasingnehmer berechtigt davon ausgehen, dass der Leasinggeber an Feststellungen am Unfallort nicht interessiert ist und deshalb auf ein Verbleiben des Leasingnehmers am Unfallort keinen Wert legt. Damit entfällt das Feststellungsinteresse des Geschädigten. Eine Wartepflicht besteht folglich nicht4.
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1 OLG Karlsruhe v. 7. 2. 2002 – 12 U 223/01, NVersZ 2002, 221 = MDR 2002, 818 = VersR 2002, 1021. 2 BGH v. 12. 11. 1975 – IV ZR 5/74, NJW 1976, 371 = VersR 1976, 84. 3 OLG Hamm v. 12. 12. 1986 – 20 U 299/85, VersR 1988, 509 mit der Bemerkung, dass Bedenken bestehen, aus der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes auf den Vorsatz zu schließen. 4 OLG Hamm v. 6. 12. 1991 – 20 U 228/91, VersR 1993, 90; v. 14. 5. 1997 – 20 U 10/97, VersR 1998, 311 = NJW-RR 1998, 29 = r+s 1997, 448 = zfs 1998, 221; OLG Frankfurt a. M. v. 30. 3. 1990 – 2 U 249/89, VersR 1990, 1005; a. A. OLG Karlsruhe
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Teil 7
Rz. 187
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
bb) Nachtrunk 187
In der Kfz-Haftpflichtversicherung verletzt der Versicherungsnehmer seine Aufklärungsobliegenheit, wenn er nach dem Unfall eine ins Gewicht fallende Menge Alkohol zu sich nimmt1. Auch wenn sich der Versicherungsnehmer berechtigt oder entschuldigt von der Unfallstelle entfernt, muss er einen Nachtrunk unterlassen, um von der Polizei beabsichtigte Feststellungen über die Alkoholisierung im Unfallzeitpunkt nicht unmöglich zu machen2. Behauptet der Versicherungsnehmer wahrheitswidrig, nach dem Unfall getrunken zu haben, so liegt auch darin eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, denn mit dieser Behauptung erschwert er die Aufklärung des Unfalls und seiner Ursachen3.
188
Trotz Nachtrunks liegt keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vor, wenn entweder die Menge des nachgetrunkenen Alkohols so gering ist, dass sie die Feststellung des Blutalkohols im Unfallzeitpunkt nicht beeinträchtigt oder der Blutalkohol im Unfallzeitpunkt so weit über dem kritischen Grenzbereich liegt, dass auch ein Nachtrunk keinen Zweifel an der Fahruntüchtigkeit aufkommen lassen kann4.
189
In der Kaskoversicherung ist, wenn kein Dritter geschädigt wurde oder am Unfall beteiligt war, der Nachtrunk grundsätzlich keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. In diesen Fällen schließt die Aufklärungsobliegenheit nicht ein, dass sich der Versicherungsnehmer für eine polizeilich angeordnete Blutprobe bereithält5.
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Anders liegt der Fall, wenn der Versicherungsnehmer in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes einen Nachtrunk zu sich nimmt, um den Sachverhalt zu verschleiern. Mit einem solchen Verhalten entzieht sich der Versicherungsnehmer planmäßig den auf ihn zukommenden Aufklärungsmaßnahmen. In diesen Fällen liegt auch bei einem Alleinunfall in der Kaskoversicherung im Nachtrunk eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit6.
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v. 5. 12. 1991 – 12 U 94/91, VersR 1992, 691 = r+s 1993, 6; OLG Oldenburg v. 9. 5. 1990 – 2 U 26/90, VersR 1990, 1005; wie hier Prölss/Martin/Knappmann, VVG, § 7 AKB 2007 Rz. 6; Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts Bd. 1 7 G Rz. 109 f.; Stiefel/Maier, AKB E.1 Rz. 122. BGH v. 12. 11. 1975 – IV ZR 5/74, NJW 1976, 371 = VersR 1976, 84 = MDR 1976, 211. OLG Köln v. 30. 7. 1992 – 5 U 44/92, VersR 1993, 45 = r+s 1992, 329. OLG Karlsruhe v. 19. 10. 1995 – 12 U 122/95, zfs 1997, 139. S. Stiefel/Maier, AKB E.1 Rz. 43. BGH v. 12. 11. 1975 – IV ZR 5/74, NJW 1976, 371 = VersR 1976, 84 = MDR 1976, 211; OLG Nürnberg v. 20. 7. 2000 – 8 U 4357/99, VersR 2001, 711. BGH v. 12. 11. 1975 – IV ZR 5/74, NJW 1976, 371 = VersR 1976, 84 = MDR 1976, 211; OLG Saarbrücken v. 22. 11. 2000 – 5 U 424/00–38, zfs 2001, 69; OLG Hamm v. 4. 9. 1991 – 20 U 112/91, NJW-RR 1992, 165 = VersR 1992, 691; LG Darmstadt v. 13. 8. 1998 – 10 O 69/98, VersR 1999, 1011.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 192 Teil 7
Beispiel: Der Versicherungsnehmer kam mit seinem Fahrzeug nachts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Das Fahrzeug wurde so stark beschädigt, dass sein Restwert nur noch rd. 500 Euro betrug. Der Versicherungsnehmer erlitt auch selbst beträchtliche Verletzungen. Er begab sich nach Hause und alsdann in ein Krankenhaus. Dort wurden ihm noch in derselben Nacht auf polizeiliche Anordnung Blutproben entnommen. Die Rückrechnung ergab eine BAK von 1,44 Prom. Nach seiner Behauptung hatte der Versicherungsnehmer vor dem Unfall nur ein Glas Sekt zu sich genommen. Nach dem Unfall hatte er zu Hause zur Beruhigung Cognac getrunken. War seine Behauptung zum Nachtrunk unrichtig, war von absoluter Fahruntüchtigkeit und damit von einem grob fahrlässigen Herbeiführen des Versicherungsfalls nach § 81 VVG auszugehen. Der Versicherer ist aber auch leistungsfrei, wenn man die Richtigkeit des Nachtrunks unterstellt. In ihm lag eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. Der Unfall hatte sich zur Nachtzeit innerörtlich ohne Fremdeinwirkung mit erheblichem Sachschaden ereignet. Der Versicherungsnehmer wusste, dass die Polizei sofort mit den Ermittlungen beginnen würde. Er hatte deshalb veranlasst, dass sich seine Ehefrau zur Unfallstelle begab. Unter diesen Umständen bewirkte der Nachtrunk eine Verschleierung des wahren Sachverhalts. Das OLG Düsseldorf1 hat deshalb die Klage des Versicherungsnehmers auf Ersatz des Fahrzeugschadens abgewiesen.
cc) Veränderung von Unfallspuren Zur Aufklärungsobliegenheit gehört auch, sich um die Sicherung und Feststellung der Unfallspuren zu bemühen. In der gewollten Veränderung dieser Spuren, um einen anderen als den tatsächlichen Hergang vorzutäuschen, liegt das gegenteilige Verhalten und damit eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. Das gilt selbst dann, wenn der Versicherungsnehmer mit seinen Maßnahmen bezweckt, in der KfzHaftpflichtversicherung sich und damit auch dem Versicherer eine günstigere Ausgangslage für die spätere rechtliche Auseinandersetzung zu verschaffen2.
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dd) Wichtige und häufige Angaben Der Versicherungsnehmer muss insbesondere auf Befragen zutreffende Angaben über die Menge des genossenen Alkohols sowohl vor als auch nach dem Unfall machen. Bei Kfz-Unfällen hängt die Beurteilung des Unfallgeschehens und der Haftungsfolgen fast immer davon ab, ob die Fahrtüchtigkeit durch Alkohol beeinflusst war3. Es ist auch anzugeben, wenn nur die Möglichkeit besteht, dass die Fahrtüchtigkeit durch Alkohol beeinträchtigt ist4. 1 OLG Düsseldorf v. 30. 6. 1992 – 4 U 205/91, VersR 1993, 1141. 2 BGH v. 18. 2. 1970 – IV ZR 1001/68, NJW 1970, 1080 = VersR 1970, 457. 3 BGH v. 20. 12. 1968 – IV ZR 510/68, NJW 1969, 607 = VersR 1969, 214; Stiefel/ Maier, AKB E.1 Rz. 90 ff. 4 OLG Nürnberg v. 20. 12. 1984 – 8 U 4268/83, VersR 1986, 80 (nur LS).
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Teil 7
Rz. 193
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
193
Zur Aufklärungsobliegenheit gehören auch zutreffende Angaben über die Unfallursache und den Unfallhergang1. Ist die Unfallschilderung nicht mit den vom Sachverständigen festgestellten Schäden in Einklang zu bringen, liegt es am Versicherungsnehmer, die Widersprüche zu erklären2.
194
Falsche oder keine Angaben über die Person des Fahrers stellen eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dar3. Anfragen des Versicherers nach dem Stand und Verlauf des Strafverfahrens muss der Versicherungsnehmer aufgrund seiner Aufklärungsobliegenheit richtig beantworten4.
195
Wird bei einem Kaskoschaden nach Vorschäden5 gefragt, so muss der Versicherungsnehmer die unreparierten, aber auch die reparierten angeben6. Nur bei ungewöhnlich missverständlicher Fragestellung wird sich der Versicherungsnehmer darauf berufen können, er habe die Frage so verstanden, dass nur unreparierte gemeint waren. Der Schaden muss auch angegeben werden, wenn der Versicherungsnehmer ihn nicht beim Kaskoversicherer gemeldet, sondern selbst ausgeglichen hat7. Es sind alle Vorschäden, nicht nur die letzten oder der letzte anzugeben8. Die Vorschäden sind bei Haftpflichtschäden nur dann von Interesse, wenn es etwa um die Zuordnung von Unfallspuren bei der Aufklärung des Unfallhergangs geht. Lediglich ganz geringfügige Schäden, sog. Macken, brauchen nicht angegeben zu werden9. Schätzt der Versicherungsnehmer die Schäden unzutreffend als geringfügig ein und gibt sie deshalb nicht an, geht dies zu seinen Lasten10. 1 BGH v. 8. 5. 1967 – II ZR 17/65, BGHZ 48, 7 = NJW 1967, 1756 = VersR 1967, 593. 2 OLG Karlsruhe v. 19. 5. 1994 – 12 U 299/93, VersR 1995, 696. 3 BGH v. 12. 3. 1976 – IV ZR 79/73, VersR 1976, 383; v. 15. 12. 1983 – IVa ZR 33/81 – unter II 2, VersR 1983, 258; vgl. auch OLG Nürnberg v. 22. 5. 1997 – 8 U 149/97, VersR 1997, 1481 = NJW-RR 1998, 819 = zfs 1997, 421, das die Falschangabe aber unzutreffend als Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalls ansieht, weil das Fahren ohne Fahrerlaubnis verdeckt werden sollte, vgl. Anm. Hofmann, zfs 1997, 422. 4 BGH v. 16. 1. 1970 – IV ZR 645/68, BGHZ 53, 160 = NJW 1970, 465 = VersR 1970, 241. 5 BGH v. 7. 12. 1983 – IVa ZR 231/81, VersR 1984, 228; OLG Köln v. 15. 2. 1990 – 5 U 245/89, r+s 1990, 112. 6 A. A. LG Duisburg v. 8. 6. 1998 – 4 O 69/98, zfs 1999, 385. 7 OLG, Karlsruhe v. 16. 7. 1998 – 12 U 11/98, NVersZ 1999, 275 = zfs 1999, 250 = r+s 1999, 57. 8 OLG Koblenz v. 15. 1. 1999 – 10 U 1574/97, NVersZ 1999, 272 = VersR 1999, 1536. 9 OLG Koblenz v. 12. 3. 1999 – 10 U 419/98, NVersZ 1999, 273 = VersR 2000, 273 = zfs 1999, 477. 10 OLG Hamm v. 2. 11. 1984 – 20 U 96/84, VersR 1985, 975, mehrere Schäden von je ca. 2000 DM (rd. 1023 Euro).
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 197 Teil 7
Erfragte Angaben über die Laufleistung des Fahrzeugs führen insb. in der Kaskoversicherung immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten. Vom Versicherungsnehmer werden möglichst genaue Angaben in Kilometern erwartet, während – etwa beim Kfz-Diebstahl – der Versicherungsnehmer ohne das Fahrzeug die Laufleistung nur schwer feststellen kann. Nicht jeder hat zu jeder Zeit im Kopf, welche Kilometerzahl der Tacho anzeigt. Es ist deshalb zu empfehlen, sich die letzten Rechnungen der KfzWerkstatt oder TÜV-Prüfungen anzusehen, auf denen die Kilometerzahl häufig festgehalten ist. Der Versicherer macht es bei Nachforschungen ebenso, wenn er den Verdacht hat, er soll betrogen werden. Schon relativ geringe Abweichungen können zu einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung führen. Die Angabe von Ca.-Werten bewahrt auch nur bei geringen Abweichungen vor Schwierigkeiten1. Es ist die Gesamtlaufleistung anzugeben; das muss nicht immer der auf dem Tachometer abzulesende Kilometerstand sein2. Sämtliche zur Wertbemessung des Fahrzeugs notwendigen Angaben müssen zutreffen. Dazu gehört auch der Kaufpreis des Fahrzeugs3.
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ee) Neuere Entscheidungen zu den Aufklärungsobliegenheiten Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegeben:
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– unrichtige Antwort auf Frage nach Vorschäden (OLG Hamm, OLG Köln4) – Unfallflucht: Einwilligung eines von mehreren Geschädigten rechtfertigt das Entfernen nicht (OLG Saarbrücken5) – Unfallflucht: Bei Erfüllung des Straftatbestands immer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. Er ist erfüllt, wenn mit nicht nur einer belanglosen Beschädigung zu rechnen ist und der Fahrer sich nicht vom Schaden überzeugt hat (OLG Brandenburg6). – Falsche Angaben zum Unfallort (OLG Brandenburg7) 1 OLG Hamm v. 2. 10. 1996 – 20 U 82/96, NJW-RR 1997, 862 = r+s 1997, 1: Angabe ca. 135 000 km, in Wahrheit mindestens 150 000 km; OLG Karlsruhe v. 2. 7. 1998 – 12 U 31/98, zfs 1999, 249 = NVersZ 1999, 233: Differenz von 10 000 km bei tatsächlicher Laufleistung von etwas mehr als 100 000 km. 2 OLG Hamm v. 1. 12. 1999 – 20 U 58/99, VersR 2000, 1135 = NVersZ 2000, 336 = zfs 2000, 211 = NJW-RR 2000, 765 = r+s 2000, 402. 3 Vgl. OLG Frankfurt a. M. v. 15. 6. 1993 – 7 U 87/92, VersR 1994, 927; OLG Karlsruhe v. 18. 2. 1993 – 12 U 155/91, VersR 1994, 1183. 4 OLG Hamm v. 23. 1. 2008 – 20 U 109/07, NZV 2009, 45; OLG Köln v. 26. 9. 2006 – 9 U 142/05, r+s 2007, 100; v. 5. 6. 2007 – 9 U 37/06, VersR 2008, 243 = r+s 2007, 316. 5 OLG Saarbrücken v. 28. 1. 2008 – 5 U 424/08–53, r+s 2009, 142. 6 OLG Brandenburg v. 24. 5. 2007 – 12 U 205/06, r+s 2008, 187. 7 OLG Brandenburg v. 29. 9. 2008 – 3 U 98/08, VersR 2009, 671.
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Teil 7
Rz. 198
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– Falsche Angaben zur Laufleistung, ca.-Angabe nur tolerabel, wenn die Abweichung bei etwa 10 % liegt (OLG Frankfurt/M., OLG Köln, OLG Saarbrücken1) – Falsche Angaben zur Vorsteuerabzugsberechtigung (OLG Karlsruhe, OLG Köln, OLG Koblenz, OLG Saarbrücken2) – Weigerung, die Kfz-Schlüssel vorzulegen (BGH3) – Einreichung eines nachträglich ausgefertigten und rückdatierten Kaufvertrags nach einer Entwendung (OLG Hamm4) – Vorlage einer manipulierten Reparaturrechnung (OLG Stuttgart5)
9. Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung a) Aufgabe des „Alles-oder-nichts“-Prinzips 198
Nach der alten Fassung des VVG entfiel der Versicherungsschutz bei Obliegenheitsverletzungen, Gefahrerhöhung und in Kasko bei grober Fahrlässigkeit immer in vollem Umfang – wenn auch mit gewissen Einschränkungen und Besonderheiten in der Kfz-Haftpflichtversicherung, Rz. 243. Dies Prinzip ist mit dem VVG 2008 aufgegeben worden: der Umfang des Versicherungsschutzes ist nunmehr abhängig vom Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers. Die gesetzlichen Regelungen finden sich in § 26 Abs. 1 zur Gefahrerhöhung, § 28 Abs. 2 zur Obliegenheitsverletzung und § 81 VVG zur vorsätzlichen und grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls. Die AKB haben diese gesetzlichen Regelungen aufgenommen und in D.3 und E.6 zur Obliegenheitsverletzung formuliert. Vertragsbestimmungen zur Gefahrerhöhung und zur grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls finden sich in den AKB nicht. Hier gelten die gesetzlichen Regelungen, ohne dass es vertraglicher Vereinbarungen bedarf.
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Bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung besteht keine Leistungsverpflichtung des Versicherers, der Versicherungsnehmer genießt also gar keinen Versicherungsschutz. Bei grober fahrlässiger Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere der Schuld entsprechenden 1 OLG Frankfurt/M. v. 14. 11. 2008 – 3 U 92/08, VersR 2009, 672; OLG Köln, v. 16. 10. 2007 – 9 U 244/06, r+s 2008; v. 8. 4. 2008 – 9 U 157/07, r+s 2008, 235; v. 5. 6. 2007 – 9 U 37/06, VersR 2008, 243 = r+s 2007, 316; OLG Saarbrücken v. 9. 1. 2008 – 5 U 281/07. 2 OLG Karlsruhe v. 18. 10. 2007 – 12 U 9/07, r+s 2008, 149; OLG Köln v. 8. 4. 2008 – 9 U 160/07; r+s 2008, 236; OLG Koblenz v. 4. 9. 2008 – 10 U 318/08, VersR 2009, 673; OLG Saarbrücken v. 4. 4. 2007 – 5 U 450/06–57, r+s 2007, 413. 3 BGH v. 7. 7. 2004 – IV ZR 265/03, r+s 2004, 368 = VersR 2004, 1117. 4 OLG Hamm v. 26. 7. 2006 – 20 U 139/06, r+s 2008, 64. 5 OLG Stuttgart v. 27. 4. 2010 – 7 U 46/10, Sp 2010, 370.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 203 Teil 7
Verhältnis zu kürzen. Dabei kann die Spanne des Versicherungsschutzes zwischen vollem und gar keinem Versicherungsschutz liegen; anders ausgedrückt zwischen 0 und 100 Prozent1. Bei einfacher Fahrlässigkeit – oder mangelndem Verschulden – tritt kein Verlust des Versicherungsschutzes ein, der Versicherer ist also zur vollen Leistung verpflichtet. Ist eine der vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, ist der Versicherer vertragsgemäß nicht oder nur eingeschränkt zur Leistung verpflichtet. Neben dem objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung ist grundsätzliche Voraussetzung, dass ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht2. Zwischen der durch die Verletzung der Obliegenheit geschaffenen Gefahrenlage und der eingetretenen Schadenfolge muss ein innerer Zusammenhang gegeben sein. Der eingetretene Schaden muss zu den Schäden gehören, denen die Obliegenheit gerade vorbeugen wollte. Die weiteren Voraussetzungen werden nachfolgend behandelt.
200
In der Kaskoversicherung entfällt bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers die Leistungsverpflichtung des Versicherers. Der Versicherungsnehmer genießt also keinen Versicherungsschutz. Bei grober Fahrlässigkeit ist die Schwere der Schuld festzustellen und dementsprechend der Versicherungsschutz zu kürzen. Einzelheiten zur Abwägung s. Rz. 237. Bei einfacher Fahrlässigkeit besteht voller Versicherungsschutz.
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In der Kfz-Haftpflichtversicherung bedeutet Leistungsfreiheit den ganzen oder teilweisen Verlust des Anspruchs auf Freistellung von Haftpflichtansprüchen des Geschädigten. Dennoch bleibt der Versicherer gem. § 117 Abs. 1 VVG dem Geschädigten gegenüber zur Leistung verpflichtet. Im Verhältnis Versicherter und Versicherer bleibt der Versicherte aber gem. § 116 Satz 2 VVG allein verpflichtet. Demnach stehen Halter und Fahrer, soweit sie dem Geschädigten Ersatz zu leisten haben, zusammen mit dem Versicherer in einem Gesamtschuldverhältnis. Leistet der Versicherer, geht die Forderung des Geschädigten auf ihn über, § 117 Abs. 5 VVG. Der Versicherer kann gem. § 426 Abs. 2 BGB gegen den Versicherten Rückgriff nehmen (s. zum Regress näher fi Rz. 322 ff.).
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! Hinweise: – Der Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer verliert nur dann den Versicherungsschutz, wenn er die Obliegenheitsverletzung selbst begangen hat, § 5 Abs. 2 S. 1 KfzPflVV. 1 So auch bestätigt von BGH v. 22. 6. 2011 – IV ZR 225/10, VersR 2011, 1037. 2 BGH v. 17. 4. 2002 – IV ZR 91/01, VersR 2002, 829 = r+s 2002, 292 = NVersZ 2002, 365.
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203
Teil 7
Rz. 204
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– Ist dieser Personenkreis als Insasse geschädigt worden, ohne das Fahrzeug selbst gelenkt zu haben, bleibt bei alkoholischer Beeinträchtigung des Fahrers der Versicherungsschutz des Versicherers gegenüber diesen Personen bestehen, § 5 Abs. 2 S. 2 KfzPflVV, D.3.1 S. 3 AKB. Die Leistungsfreiheit des Versicherers ist nicht von Amts wegen zu prüfen. Es handelt sich um ein Leistungsverweigerungsrecht, auf das sich der Versicherer berufen muss1, auf das er aber auch verzichten kann2. Der Versicherer kann sich auch noch im Prozess auf eine bis dahin nicht vorgebrachte Obliegenheitsverletzung berufen. Diese Fälle sind z. B. bei KfzDiebstählen nicht selten. Der Versicherer stellt erst im Prozess fest, dass er keine ausreichenden Tatsachen beweisen kann, aus denen auf die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Diebstahlsvortäuschung geschlossen werden kann. In diesen Fällen wird er, wenn er die Möglichkeit sieht, das Ergebnis einer Klageabweisung zu erreichen suchen, indem er Obliegenheitsverletzungen ins Feld führt. Dem stehen Rechtsgründe nicht entgegen und es ist deshalb bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zulässig3.
! Hinweis: Es besteht volle Leistungspflicht, wenn der Versicherungsnehmer erst nach Ablehnung des Versicherers seine Aufklärungsobliegenheiten verletzt hat, dazu fi Rz. 175. b) Verschulden 204
Leistungsfreiheit bei Erfüllung des objektiven Tatbestands einer Verletzung von Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, setzt Verschulden voraus und zwar mindestens grobe Fahrlässigkeit. Mit der VVG-Reform ist die Vorsatzvermutung bei der Verletzung von Obliegenheiten (§ 6 Abs. 3 VVG a. F.) entfallen. Jetzt wird hierbei nur noch ein grob fahrlässiges Verhalten gesetzlich vermutet, § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG. Der Versicherer muss jetzt Vorsatz beweisen, der Versicherungsnehmer sich also nicht mehr vom Vorsatz entlasten. Den Entlastungsbeweis hat der Versicherungsnehmer nunmehr bezüglich der vermuteten groben Fahrlässigkeit zu führen.
1 OLG Nürnberg v. 22. 5. 1997 – 8 U 149/97, VersR 1997, 1481 = NJW-RR 1998, 819 = zfs 1997, 42; ebenso Stiefel/Maier, AKB E.1 Rz. 63 mit zutreffender Begründung; der gegenteiligen Auffassung von Prölss/Martin/Prölss, VVG § 28 Rz. 108 ist nicht zu folgen. 2 Vgl. BGH v. 18. 12. 1989 – II ZR 34/89, VersR 1990, 384 = NJW-RR 1990, 405. 3 Vgl. OLG Hamm v. 2. 10. 1992 – 20 U 81/92, NJW-RR 1993, 537 = r+s 1993, 210 = VersR 1993, 601 (nur LS).
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 207 Teil 7
Die Obliegenheitsverletzung ist unverschuldet, wenn sich der Versicherte im Zeitpunkt der Verletzung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand. § 827 BGB ist anwendbar1. Beruht die Zurechnungsfähigkeit darauf, dass sich der Versicherte schuldhaft durch geistige oder ähnliche Mittel in diesen Zustand versetzt hat, so fällt ihm bezüglich der Obliegenheitsverletzung entspr. § 827 S. 2 BGB Fahrlässigkeit zur Last2.
205
Beispiele: Schwarzfahrtklausel. Das Verschulden ist ausgeschlossen, wenn der Fahrer aufgrund bis dahin geübter Praxis mit dem Einverständnis des Berechtigten rechnen durfte3. Glaubt der Fahrer irrtümlich an die Verfügungsbefugnis dessen, der ihm das Fahrzeug überlassen hat, kann das Verschulden ausgeschlossen sein4.
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Die Befugnis zur Privatnutzung eines Geschäftsfahrzeugs durch einen Angestellten ist regelmäßig auf dessen Person beschränkt. Glaubt ein Dritter, der Angestellte sei berechtigt, ihm das Fahrzeug zu überlassen, wird es am Verschulden des Dritten fehlen5. Führerscheinklausel. Wer ohne die erforderliche Fahrerlaubnis fährt, wird Entschuldigungstatbestände nur in seltenen Ausnahmefällen vorbringen können. Nimmt aber z. B. ein Fahrer an, er habe die Fahrerlaubnis schon mit bestandener Prüfung, die Aushändigung des Scheins sei nicht erforderlich, kann dieser Irrtum entschuldigt werden6. Der Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer muss sich den Führerschein des Fahrers vorlegen lassen (s. fi Rz. 129). Anderenfalls handelt er i. d. R. schuldhaft. Entschuldigt ist die Ermöglichung einer Fahrt ohne Fahrerlaubnis, wenn der Führerschein erschlichen oder so gefälscht ist, dass dies bei verkehrsüblicher Sorgfalt nicht erkennbar ist7.
aa) Vorsatz Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm8. Inwieweit Bewusstsein vom Vorhandensein der Norm gegeben ist, mag im konkreten Fall zweifelhaft sein. Wer liest heute noch die AVB, nachdem sie auch wegen der Verbraucherinformationen in ihrem Umfang so angeschwollen sind, dass ein natürlicher Widerwille gegen das Studium nachvollziehbar erscheint. 1 Vgl. den Fall LG Hildesheim v. 30. 3. 2000 – 1 S 26/99, zfs 2000, 449. 2 BGH v. 22. 2. 1989 – IVa ZR 274/87, NJW 1989, 1612 = VersR 1989, 469, zu § 61 VVG grobe Fahrlässigkeit bei Trunkenheitsfahrt bejaht. 3 OLG Hamm v. 5. 5. 1982 – 20 U 2/82, VersR 1983, 526. 4 Vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 D.1 Rz. 16. 5 BGH v. 13. 7. 1993 – VI ZR 278/92, VersR 1993, 1092. 6 BGH v. 7. 4. 1966 – II ZR 12/64, NJW 1966, 1216 = VersR 1966, 557, die Erlaubnis zur Klasse 3 sollte in den Schein über die Klasse 4 erst noch eingetragen werden. 7 Stiefel/Maier, AKB D.1 Rz. 120. 8 St. Rspr., vgl. BGH v. 21. 4. 1993 – IV ZR 33/92 – unter II 2, VersR 1993, 830 = NJW-RR 1993, 1049 = r+s 1993, 308; v. 9. 11. 2005 – IV ZR 146/04, VersR 2006, 108 = r+s 2006, 99; Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 76 m. w. N.
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Teil 7
Rz. 208
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Allerdings braucht der Versicherungsnehmer nicht den genauen Wortlaut der Obliegenheiten zu kennen. Bei der Anzeigeobliegenheit kann genauso wie bei der Unfallflucht bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer davon ausgegangen werden, dass er diese Obliegenheiten, auch ohne die AVB gelesen zu haben, kennt. In anderen Fällen kann es grob fahrlässig sein, wenn der Versicherungsnehmer, nachdem er den Versicherungsfall erlitten hat, nicht in die AVB sieht, um sich wenigstens ein Minimum an Überblick zu verschaffen1. Außerdem sind in den Informationen, die vor Vertragsschluss auszuhändigen sind, die bedeutsamsten Obliegenheiten darzustellen, s. Rz. 46, so dass schon deren Lektüre dem Versicherungsnehmer hinreichende Kenntnis der wichtigsten Obliegenheiten verschafft. Die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige eines Versicherungsfalls ergibt sich zudem aus dem Gesetz, § 30 Abs. 1 VVG. Über die Aufklärungspflichten hat der Versicherer zu belehren, Rz. 217. bb) Grobe Fahrlässigkeit 208
Das Gesetz vermutet, dass der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung grob fahrlässig begangen hat, § 28 Abs. 2 VVG. Vorsatz hat der Versicherer zu beweisen, leichte Fahrlässigkeit oder mangelndes Verschulden der Versicherungsnehmer, s. Rz. 222 ff. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen2. Nach der Rechtsprechung gilt für den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht ein ausschließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderung des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen. Allerdings kann vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf die innere, die subjektive Seite geschlossen werden3. c) Kausalität allgemein
209
Sowohl bei grob fahrlässiger Pflichtverletzung wie jetzt auch vorsätzlicher besteht ein Kausalitätserfordernis. Allerdings trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, dass die Obliegenheitsverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung 1 Vgl. OLG Hamm v. 19. 6. 1991 – 20 U 32/91, VersR 1992, 489 = r+s 1993, 385. 2 St. Rspr. vgl. BGH v. 10. 2. 1999 – IV ZR 60/98 – unter II 2, VersR 1999, 1004 m. w. N. = NVersZ 1999, 334 = NJW-RR 2000, 397; OLG Düsseldorf v. 16. 8. 1994 – 4 U 151/93, VersR 1995, 1301 m. w. N.; Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 84 m. w. N. 3 BGH v. 8. 7. 1992 – IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147, 149, 151 = NJW 1992, 2418 = VersR 1992, 1085 = NZV 1992, 402 = MDR 1992, 945.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 211 Teil 7
oder den Umfang der Leistungen ursächlich war, § 28 Abs. 3 VVG und E.6.2 AKB. Bei arglistiger Obliegenheitsverletzung besteht das Kausalitätserfordernis nicht, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG und E.6.2 S. 2 AKB. Bei den Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall kommt es darauf an, ob die Pflichtverletzung ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles war. Bei den Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall muss entweder die Feststellung des Versicherungsfalls, also die Frage der Eintrittspflicht des Versicherers, des Versicherungsschutzes oder die Feststellung der Schadenhöhe im Ergebnis beeinflusst werden. Das gilt sowohl für die Kasko- als auch die Kfz-Haftpflichtversicherung. Die Beweislast dafür, dass dem Versicherer kein Nachteil durch die Obliegenheitsverletzung entstanden ist, trägt der Versicherungsnehmer. Ihm wird dieser Negativbeweis – vor allem bei den Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall – nicht sehr häufig gelingen. Anders kann das aber bei den Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall sein. Nach § 28 Abs. 3 VVG kann sich der Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls gehabt hat. Die Obliegenheitsverletzung muss also kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls sein bzw. für die Feststellung und Aufklärung des Versicherungsfalls. Bei Arglist des Versicherungsnehmers entfällt allerdings das Kausalitätserfordernis, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG. Dies wird insbesondere bei den Aufklärungsund Anzeigeobliegenheiten nach dem Versicherungsfall zu beachten sein, s. Rz. 215.
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Ist die Kausalität streitig, obliegt es dem Versicherungsnehmer zu beweisen, dass die Obliegenheitsverletzung für den Versicherungsfall nicht ursächlich gewesen ist. Der Versicherungsnehmer hat den sog. Kausalitätsgegenbeweis zu führen1. d) Kausalität bei Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall Bei einem Verstoß gegen die Verwendungsklausel ist der Kausalitätsgegenbeweis vom Versicherungsnehmer nur schwer zu führen. Bei einer Verwendung des Fahrzeugs in einer höheren Tarifklasse wird eine Gefahrerhöhung unwiderlegbar vermutet (fi Rz. 138). Der Kausalitätsgegenbeweis kann nur dahin gehen, dass die auf antragswidriger Verwendung beruhende Gefahrerhöhung für das eingetretene Schadensereignis ohne jeden Belang gewesen ist. Es müsste feststehen, dass Eintritt und 1 H. M. z. B. BGH v. 22. 11. 1968 – IV ZR 775/68, NJW 1969, 371 = VersR 1969, 147; v. 4. 10. 1978 – IV ZR 67/77, VersR 1978, 1129; Prölss/Martin/Prölss, VVG § 28 Rz. 147; Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 115.
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Teil 7
Rz. 212
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Umfang des Versicherungsfalls nicht mit der in der Verwendungsklausel vorausgesetzten typischen Gefahrerhöhung zu tun haben. Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob der Verkehrsunfall nicht eingetreten wäre, wenn das Fahrzeug am Unfalltage nicht antragswidrig verwendet worden wäre. Der Nachweis mangelnder Kausalität ist praktisch nur anzunehmen, wenn der Unfall ein unabwendbares Ereignis war1. Er steht dann zu der durch die Verwendungsklausel vorausgesetzten Gefahrerhöhung in keinem Zusammenhang. Beispiel:
212
Der Versicherungsnehmer, ein Spediteur, hatte seinen Lkw für den Werkfernverkehr (heute Werkverkehr) versichert. Auf der Fahrt von Rotterdam nach Düsseldorf erlitt er einen Unfall. Der geladene Container wurde beschädigt. In ihm befanden sich Maschinen, deren Teile mit Öl gefüllt waren. Dieses lief aus und verunreinigte den Boden. Bei dieser Fahrt handelte es sich nicht um Werkfernverkehr, sondern um Güterfernverkehr (heute Güterverkehr), für den ein höherer Tarif galt. Das OLG Hamm2 sah darin eine Gefahrerhöhung und folglich eine für den Unfall kausale Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nach der Verwendungsklausel. Der Güterfernverkehr biete das größere Gefahrenpotential. Die darin liegende Gefahrerhöhung werde unwiderleglich vermutet. Der Versicherungsnehmer hat den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen können. Es handelte sich nicht um ein unabwendbares Ereignis.
213
Bei einem Verstoß gegen die Führerscheinklausel ist der Kausalitätsgegenbeweis ebenfalls nur zu führen, wenn der Unfall auf höherer Gewalt beruht3. Es ist nicht die Frage zu stellen, ob sich der Unfall auch ereignet hätte, wenn der Fahrer sich rechtmäßig verhalten und wegen der fehlenden Fahrerlaubnis die Fahrt unterlassen hätte4. Der Versicherungsfall muss in einem kausalen Zusammenhang mit der Gefahrerhöhung stehen, die in dem Fahren ohne Fahrerlaubnis liegt. An diesem Zusammenhang fehlt es bei höherer Gewalt. Hat der Fahrer eine ausländische Fahrerlaubnis und müsste ihm für das Inland im vereinfachten Verfahren die Fahrerlaubnis erteilt werden, kann der Verstoß gegen die Führerscheinklausel nicht ursächlich für den Unfall sein5.
214
Höhere Gewalt ist auch bei der Trunkenheitsklausel ein ausreichender Grund, die Kausalität zwischen der Trunkenheitsfahrt und dem Unfall zu verneinen6. 1 BGH v. 1. 3. 1972 – IV ZR 107/70 – unter V, NJW 1972, 822; OLG Hamm v. 11. 9. 1997 – 6 U 72/97, VersR 1998, 1498 = zfs 1998, 297 = r+s 1998, 181 m. w. N. 2 OLG Hamm v. 1. 12. 1997 – 6 U 177/96, r+s 1998, 140 = zfs 1998, 296. 3 BGH v. 4. 10. 1978 – IV ZR 67/77, VersR 1978, 1129; OLG Köln v. 17. 12. 1973 – 12 U 44/73, VersR 1975, 608 (hier noch unabwendbares Ereignis). 4 BGH v. 27. 2. 1976 – IV ZR 20/75 – unter I 1, VersR 1976, 531 m. w. N. 5 BGH v. 17. 3. 1982 – IVa ZR 234/80, VersR 1982, 589. 6 Stiefel/Maier, AKB D.3 Rz. 34 nimmt dies auch bei Unabwendbarkeit an.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 215 Teil 7
An dem erforderlichen Kausalzusammenhang kann es auch fehlen, wenn der Unfall auf einem Versagen der technischen Einrichtungen des Fahrzeugs beruht und auch von einem geübten Fahrer nicht hätte vermieden werden können1. e) Kausalität bei Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall Schwieriger ist die Kausalitätsfrage bei den Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten zu beantworten. Während bei der Verletzung einer Obliegenheit vor dem Versicherungsfall die Ursächlichkeit für den Eintritt des Versicherungsfalls oftmals auf der Hand liegt, ist die Lage bei den Pflichtverletzungen nach dem Schadenereignis anders gelagert. Kein Problem dürfte hinsichtlich der Kausalität bestehen, wenn aufgrund der Falschangabe zur Laufleistung des Kfz eine zu hohe Entschädigung berechnet und ausgezahlt wird. Wie sieht es aber aus, wenn der Versicherer die Falschangabe vor der Auszahlung entdeckt? Streitig ist hier, ob die Relevanzrechtsprechung des BGH2 weiterhin Gültigkeit hat. Danach konnte sich der Versicherer auf eine vereinbarte Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung, die aber folgenlos geblieben war, nur berufen, wenn der Verstoß generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und den Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden traf. Für die Interessengefährdung kam es nicht darauf an, ob eine tatsächliche Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers vorlag. Es genügte, dass die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Wird diese Rechtsprechung weiter angewandt, genügt demnach schon die Interessengefährdung, um Kausalität anzunehmen. Eine andere Konsequenz ergäbe sich aber, wenn die Relevanzrechtsprechung durch die Neufassung von § 28 VVG überholt wäre. Entdeckt der Versicherer dann die Falschangabe vor seiner Leistung, wäre die Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben, sie wäre also für den Umfang der Leistungspflicht nicht kausal gewesen. § 6 Abs. 3 S. 2 VVG a. F. stellte ein Kausalitätserfordernis bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung auf. Die Formulierung wurde insoweit von § 28 Abs. 3 VVG n. F. – jetzt auch bei Vorsatz ohne Arglist – übernommen. Vieles spricht also dafür, dass die Rechtsprechung zur alten 1 OLG Hamm v. 20. 10. 1989 – 20 U 83/89, VersR 1990, 846. 2 S. u. a. BGH v. 21. 4. 1993 – IV ZR 33/92, NJW-RR 1993, 1049 = VersR 1993, 830; v. 7. 7. 2004 – IV ZR 265/03, VersR 2004, 1117 = r+s 2004, 368; vgl. Prölss/Martin/ Prölss, VVG, 27. Aufl., § 6 Rz. 101; Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 51 ff., je mit zahlr. Hinw. auf die Rspr.; zuletzt noch OLG Karlsruhe v. 18. 2. 2010 – 12 U 175/09, zfs 2010, 211.
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Teil 7
Rz. 215
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Vorschrift auf die neue angewandt werden kann. Danach war erforderlich, dass durch die Obliegenheitsverletzung die Feststellungen selbst im Ergebnis zum Nachteil des Versicherers beeinflusst worden waren1. Selbst eine unter Vorbehalt erfolgte Zahlung wurde teilweise nicht als „im Ergebnis zum Nachteil“ des Versicherers angesehen2. Ob dieses strenge Kausalitätserfordernis dem Willen des Gesetzgebers entsprach, bleibt unklar. Mit der Formulierung „Feststellung … der Leistungspflicht“ sind die Ermittlungen zum Schadenhergang – und damit zum Versicherungsschutz – und zur Schadenhöhe gemeint. Ob mit „ursächlich“ nur auf das Ergebnis – ggf. nach Ermittlung der richtigen Umstände – oder aber schon auf die Feststellungstätigkeit an sich abzustellen ist, läßt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Allenfalls läßt die Gesetzesbegründung ahnen, was dem Gesetzgeber vorgeschwebt haben könnte. Dort3 heißt es u. a. (nachdem zuvor die Relevanzrechtsprechung angesprochen wurde): „Dies erscheint sachlich gerechtfertigt, da der Versicherer keinen Nachteil erleidet, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass seine Obliegenheitsverletzung irrelevant ist.“ Irrelevant wäre eine Falschangabe aber nur, wenn das Ergebnis bei richtiger und unrichtiger Schilderung dasselbe wäre. Andererseits genügte nach der – von der Gesetzesbegründung angesprochenen Relevanzrechtsprechung – schon die Interessengefährdung, somit wäre Relevanz in diesem Sinn mindestens dann schon gegeben, wenn durch die Falschangaben Ermittlungen veranlaßt wurden, die die richtigen Tatsachen zu Tage fördern und dadurch erst als Ergebnis eine „richtige“ Entscheidung des Versicherers ermöglichen. Bisher liegt noch keine Rechtsprechung zu dieser Frage vor. Auch der Gesetzesbegründung läßt sich – wie schon ausgeführt – nicht eindeutig der Wille des Gesetzgebers entnehmen. Hat er wirklich gewollt, dass der Versuch „straffrei“ bleiben sollte? Nach Abschluss des Falles und erfolgter Leistung besteht i. d. R. für den Versicherer weder Anlass noch Gelegenheit, von der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers Kenntnis zu erhalten. Das würde bedeuten, dass falsche Angaben gefahrlos gemacht werden können: deckt sie der Versicherer auf, wird dies im Normalfall vor seiner Leistung sein. Aber dann war sie nicht „ursächlich“ für seine berichtigte, korrekte Entscheidung, wenn man nur auf das Ergebnis abstellt. Hier könnte nur noch Arglist als Korrektiv eingreifen. Bei Arglist des Versicherungsnehmers besteht das Kausalitätserfordernis nicht, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG. Für das Vorliegen von Arglist ist aber der Versicherer 1 Vgl. OLG Saarbrücken v. 12. 7. 2006 – 5 U 6/06–1, r+s 2007, 298 m. w. N. 2 OLG Saarbrücken v. 12. 7. 2006 – 5 U 6/06–1, r+s 2007, 298. 3 Amtliche Begründung zu § 28 Abs. 3.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 216 Teil 7
beweispflichtig, der aber doch wohl oft beweisfällig bleiben wird. Es ist nicht auszuschließen, dass die Frage der Arglist ein ganz anderes Gewicht bekommen wird, wie Rixecker1 vermutet. aa) Arglist Handelt der Versicherungsnehmer arglistig, fällt das Kausalitätserfordernis weg, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG. Der Versicherungsnehmer ist also gehindert, durch den Beweis der fehlenden Kausalität seinen vollen Versicherungsschutz zu erhalten. Arglist erfordert Vorsatz, keine Absicht. Der Handelnde muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten. Arglist umfasst nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss2. Eine arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der VN muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Bereicherungsabsicht des VN ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann3. Arglistig kann aber auch derjenige handeln, der einem anderen versichert, eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat4. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Angaben gutgläubig gemacht werden. Zur Arglist ist nämlich nicht notwendigerweise das Wissen erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Arglistig kann auch derjenige täuschen, dem – wie er weiß – entgegen der offensichtlichen Erwartung des Erklärungsempfängers jegliche zur sachgemäßen Beurteilung des Erklärungsgegenstandes erforderliche Kenntnis fehlt und der dies verschweigt; der gute Glaube an die Richtigkeit des Erklärten schließt in einem solchen Fall Arglist nicht aus5. Das OLG Hamm hat 1 Rixecker, zfs 2009, 5. 2 BGH v. 11. 5. 2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326 = MDR 2001, 982 (Urteil zum arglistigen Verschweigen eines Sachmangels), m. w. N. 3 BGH v. 4. 5. 2009 – IV ZR 62/07, VersR 2009, 968. 4 BGH v. 11. 5. 2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326 = MDR 2001, 982. 5 OLG Frankfurt/M. v. 24. 7. 2008 – 3 U 68/08, zfs 2009, 269.
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Teil 7
Rz. 216
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
die Einreichung eines nachträglich ausgefertigten und rückdatierten Kaufvertrags nach einer Entwendung als arglistig eingestuft1. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewußt ist, daß sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann2. Laut BGH3 gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer vom Versicherer gestellten Frage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken. In subjektiver Hinsicht setze die Annahme von Arglist zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde. Er muss bewusst und gewollt Einfluss auf die Willensentschließung des Versicherungsnehmers. nehmen wollen4. Wenn man den letzten Satz aus der Entscheidung zur arglistigen Täuschung bei Antragstellung auf die Aufklärungsobliegenheiten sinngemäß anwendet, bedeutet dies: Der Versicherungsnehmer muss erkennen und billigen, dass durch seine falschen Angaben der Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflusst werden kann5. Die Angabe unrichtiger oder das Verschweigen von erheblichen Tatsachen geschieht i. d. R, um den Versicherer bei seiner Entscheidungsfindung zu beeinflussen, damit dieser entweder schneller oder positiver im Sinne des Versicherungsnehmers handelt. Das OLG Düsseldorf6 wertete die Bagatellisierung eines Vorschadens als arglistig, weil der Versicherungsnehmer bewusst einen irrigen Eindruck über den Umfang des Vorschadens hervorrufen und damit zu seinen Gunsten auf die Regulierungsentscheidung habe Einfluss nehmen wollen. Das Kammergericht7 sah falsche Angaben zur Laufleistung des Kfz als arglistiges Verhalten an. Die Vorlage eines gefälschten Kaufvertrages wertete das LG Dortmund als arglistig8, ebenso das OLG Köln9 die Übersendung eines unzutreffenden Schadensgutachtens. Es ist deshalb naheliegend – und dahin scheint die 1 OLG Hamm v. 26. 7. 2006 – 20 U 139/06, r+s 2008, 64. 2 BGH v. 18. 11. 1986 – IVa ZR 99/85, r+s 1987, 445 = VersR 1987, 149. 3 Zur Arglist beim Versicherungsantrag: BGH v. 4. 5. 2009 – IV ZR 62/07, VersR 2009, 968 mit Verweis auf BGH v. 28. 2. 2007 – IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 = r+s 2007, 234. 4 OLG Saarbrücken v. 9. 9. 2009 – 5 U 26/09–9, r+s 2009, 453. 5 OLG Saarbrücken v. 30. 4. 2008 – 5 U 614/07, r+s 2008, 465, 467; s. auch BGH v. 28.10. 2009 – IV ZR 140/08, VersR 2010, 97, ebenfalls zur Arglist bei Gesundheitsfragen im Antrag. 6 OLG Düsseldorf v. 23. 6. 2009 – 1-4 U 143/08, SP 2009, 371; v. 26. 6. 2009 – 1-4 U 53/08, SP 2009, 404. 7 KG, v. 13. 2. 2009 – 6 U 203/08, SP 2009, 405. 8 LG Dortmund v. 19. 8. 2009 – 22 0 124/08, SP 2010, 119. 9 OLG Köln, Urt. v. 17. 11. 2009 – 9 U 53/09, zfs 2010, 277, Urteil zur Hausratversicherung.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 218 Teil 7
Rechtsprechung zu tendieren –, dass bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung i. d. R. auch Arglist anzunehmen ist. Es ist dann im Grundsatz Sache des Versicherungsnehmers, substanziiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen falschen Angaben gekommen ist1. Aber selbst bei grob fahrlässigen Falschangaben ist sich der Versicherungsnehmer bewußt oder nimmt es wenigstens in Kauf, dass die Interessen des Versicherers beeinträchtigt werden. Auch dabei sind die Umstände, wie es zu den Falschangaben gekommen ist, näher zu beleuchten. Die ersten Entscheidungen zeigen schon, dass Rixeckers Vermutung über das steigende Gewicht der Arglist (s. Rz. 215) zutrifft: – Arglist bejaht bei Verletzung der Wartepflicht (LG Saarbrücken2), da Vorsatz auch volle Leistungsfreiheit – Arglist ebenfalls bejaht bei Verletzung der Wartepflicht (LG Düsseldorf3), da Vorsatz auch volle Leistungsfreiheit (s. auch die zustimmende Anmerkung von Nugel4) – Arglist bejaht bei Verschweigen einer Verurteilung wegen einer früheren vorgetäuschten Entwendung – Entscheidung zu § 6 VVG a. F. (LG Dortmund5) bb) Belehrungserfordernis Bei der Verletzung einer Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit kann sich der Versicherer nur dann auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er den Versicherungsnehmer in Textform durch gesonderte Mitteilung auf die Rechtsfolgen dieser Pflichtverletzung hingewiesen hat, § 28 Abs. 4 VVG. Verlangt der Versicherer vom mitversicherten Fahrer Auskünfte, so muss auch dieser belehrt werden.
217
„Gesondert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es nicht ausreicht, die Belehrung fern des Versicherungsfalls schon auf der Police oder nur in den AKB zu erteilen. Sie muss entweder nach Meldung des Versicherungsfalls durch ein besonderes Schreiben erfolgen, dies kann aber auch durch drucktechnisch hervorgehobene Weise auf einem Fragebogen geschehen6, wo der Versicherungsnehmer den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schadenfall am besten erkennen kann7. Dem
218
1 Vgl. OLG Saarbrücken v. 9. 9. 2009 – 5 U 26/09–9, r+s 2009, 453 zur Arglist bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen in der Krankenversicherung. 2 LG Saarbrücken v. 1. 10. 2010 – 13 S 75/10, SP 2010, 443 = zfs 2010, 630. 3 LG Düsseldorf v. 18. 6. 2010 – 20 S 7/10, SP 2010, 445. 4 Nugel, SP 2010, 446. 5 LG Dortmund v. 21. 4. 2010 – 2 O 252/09, SP 2010, 409. 6 S. auch OLG Köln v. 10. 6. 2008 – 9 U 226/07, VersR 2009, 251; v. 16. 10. 2007 – 9 U 244/06, r+ s 2008, 101. 7 So auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, VVG § 28 Rz. 197 ff.
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Teil 7
Rz. 219
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Formerfordernis genügt jedenfalls nicht eine Belehrung, die sich zwar am Ende des Fragebogens über der Unterschriftenzeile befindet, sich drucktechnisch aber nicht von dem übrigen Formulartext absetzt, weil sie in der gleichen Größe gedruckt und auch nicht durch Fettdruck oder eine sonstige auffällige graphische Gestaltung hervorgehoben ist1.
! Hinweis: 219
Ist die Belehrung des Versicherers missverständlich, unzulänglich oder unzutreffend, bleibt der Versicherer auch bei vorsätzlicher Verletzung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit zur Leistung verpflichtet. Bei Arglist des Versicherungsnehmers kommt es auf die Belehrung nicht an2.
220
Der Versicherungsnehmer muss ausdrücklich und unmissverständlich über den Verlust seines Leistungsanspruchs belehrt werden3. Beispiel: Eine Belehrung, wonach der Verlust des Versicherungsschutzes auch dann eintritt, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben „für die Entscheidung der Sache“ keine Bedeutung haben, ist missverständlich und damit nicht ausreichend4.
221
Die Belehrung braucht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden, wenn der Versicherer eine ergänzende Auskunft verlangt. Es ist aber im Einzelfall zu entscheiden, ob der Versicherungsnehmer erneut zu belehren ist. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer bei einer späteren Nachfrage den Bezug zu den Fragen der Schadensmeldung und seiner Aufklärungsobliegenheit wegen einer besonderen Fragestellung nicht ohne Weiteres erkennen kann, oder eine Nachfrage nach besonders langer Zeit erfolgt und deshalb die Sorge begründet ist, der Versicherungsnehmer könne die ursprüngliche Belehrung nicht mehr vor Augen haben5. Bei Ausländern reicht eine Belehrung in deutscher Sprache6. Die Belehrungspflicht besteht nur bei verbaler Aufklärungsobliegenheit. Vor einer Unfallflucht kann und braucht der Versicherungsnehmer nicht belehrt zu werden7. Bei Arglist kann sich der Versicherungsnehmer nicht auf das das Fehlen ordnungsgemäßer Belehrung berufen, denn die Belehrungspflicht soll nur 1 OLG Köln v. 10. 6. 2008 – 9 U 226/07, r+s 2008, 506 (noch zur alten Relevanzrechtsprechung). 2 Amtl. Begründung zu § 28 Abs. 4, BT-Drucks. 16/3945. 3 Vgl. OLG Hamm v. 25. 8. 2000 – 20 U 178/98, zfs 2001, 117 = r+s 2001, 140. 4 OLG Köln v. 29. 8. 2000 – 9 U 186/98, r+s 2001, 141 = VersR 2001, 619 LS. 5 BGH v. 28. 2. 2007 – IV ZR 152/05, VersR 2007, 683 = MDR 2007, 1133 = r+s 2007, 251; vgl. auch OLG Hamm v. 25. 8. 2000 – 20 U 178/98, zfs 2001, 117 = r+s 2001, 140. 6 Vgl. OLG Nürnberg v. 22. 12. 1994 – 8 U 259/94, NJW-RR 1995, 481 = VersR 1995, 1224. 7 Vgl. OLG Karlsruhe v. 17. 7. 1997 – 12 U 48/97, zfs 1998, 57 = r+s 1997, 408.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 225 Teil 7
einem schutzwürdigen Versicherungsnehmer zugute kommen. Das hatte die Rechtssprechung schon zur Rechtslage vor der VVG-Reform so entschieden1. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dies auch für § 28 VVG n. F. gelten2. f) Beweislast Die Verletzung des objektiven Tatbestands der Obliegenheit steht zur Beweislast des Versicherers3. Das ist bei den Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall (Abschnitt D AKB) im Allgemeinen unproblematisch. Der Versicherer muss auch beweisen, dass es gerade der Versicherungsnehmer war, der die Obliegenheit verletzt hat4. Bei den Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten gehört die Kenntnis der mitzuteilenden Umstände zum objektiven Tatbestand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, den der Versicherer zu beweisen hat. Diese Obliegenheit kann der VN bei Unkenntnis schon objektiv nicht verletzen, denn es gibt nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand den Versicherer aufklären könnte5.
222
Für das Vorliegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung, die Voraussetzung für die volle Leistungsfreiheit ist, trägt der Versicherer die Beweislast.
223
Der Versicherungsnehmer hingegen muss beweisen, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt hat, § 28 Abs. 2 S. 2, 2. Halbsatz VVG. Kann der Versicherer Vorsatz also nicht beweisen, besteht die gesetzliche Vermutung der groben Fahrlässigkeit, die der Versicherungsnehmer entkräften muss. Gelingt dies dem Versicherungsnehmer nicht, ist entsprechend der Schwere der Schuld des Versicherungsnehmers festzulegen, in welchem Umfang der Versicherer seine Leistung kürzen darf. Zur Beweislast dabei s. Rz. 241. Die Regeln der Beweislastverteilung gelten auch für mitversicherte Personen (fi Rz. 313 ff.), F.1 AKB.
224
aa) Der objektive Tatbestand Den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung muss der Versicherer, der Leistungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen will, bewei1 S. Prölss/Martin/Prölss, VVG, 27. Aufl., § 34 Rz. 22 m. Rspr. nachweisen; zuletzt noch OLG Düsseldorf v. 26. 6. 98 – I-4 U 53/09, SP 2009, 404. 2 Amtl. Begründung zu § 28 Abs. 4, BT-Drucks. 16/3945. 3 Vgl. BGH v. 19. 3. 1986 – IVa ZR 182/84, VersR 1986, 541 = NJW-RR 1986, 767, für die Verwendungsklausel; h. M. vgl. Prölss/Martin/Prölss, VVG § 28 Rz. 99; Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 108 je m. w. N. 4 BGH v. 24. 11. 1966 – II ZR 182/64, NJW 1967, 779 = VersR 1967, 50. 5 BGH v. 12. 12. 2007 – IV ZR 40/06, r+s 2008, 186.
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Teil 7
Rz. 226
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
sen1. Das gilt sowohl in der Kfz-Haftpflichtversicherung als auch in der Kaskoversicherung. Der Versicherer ist also bei den Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten beweisbelastet dafür, dass der Versicherungsnehmer – oder der mitversicherte Fahrer – Angaben gemacht hat, die den Tatsachen nicht entsprechen oder Angaben zu machen überhaupt unterlassen hat. Außerdem muss er beweisen, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von den mitzuteilenden Umständen hatte2. Die Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten bestehen darin, dem Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalls und die weiteren Umstände mitzuteilen. Der Versicherungsnehmer muss in praxi die Anzeige und das ausgefüllte Schadensformular an den Versicherer absenden. Die Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten verlangen vom Versicherungsnehmer nicht auch noch, dass er den Zugang der Mitteilungen beim Versicherer garantiert3. Der Versicherungsnehmer hat also seine Obliegenheiten mit der Entäußerung der Mitteilungen, bei Schriftlichkeit mit dem Absenden der formlosen Schreiben oder der Formulare erfüllt. Dies hat Auswirkungen für die Beweislastverteilung.
! Hinweis: Der Beweis des Versicherers, dass die Mitteilungen bei ihm nicht eingetroffen sind, reichen nicht. Der Versicherer muss vielmehr beweisen, dass der Versicherungsnehmer die Schreiben nicht abgesandt hat4. Das bedeutet zwar in der Praxis, dass die einfache Behauptung des Versicherungsnehmers, das Schreiben abgesandt zu haben, ausreicht, dass eine Obliegenheitsverletzung nicht bewiesen ist, denn das Gegenteil kann der Versicherer wohl schwerlich beweisen. Dieser Ansicht war des AG Düsseldorf5, das dem Versicherungsnehmer die Beweislast für das Absenden zusprach. Auch das OLG Celle hat in einer viel beachteten Entscheidung diese Auffassung vertreten und dem Versicherungsnehmer die Beweislast für den Zugang der Anzeige des Versicherungsfalls auferlegt6. Dem ist Rixecker in seiner Anmerkung7 allerdings entgegengetreten.
226
1 H. M., vgl. BGH v. 13. 12. 2006 – IV ZR 252/05, NJW 2007, 1126 = r+s 2007, 93; v. 14. 2. 1996 – IV ZR 334/94 – unter 2a, NJW-RR 1996, 981 = zfs 1996, 305; OLG Hamburg v. 27. 8. 1993 – 11 U 45/93, VersR 1994, 668 = zfs 1994, 303; OLG Köln v. 19. 11. 1992 – 5 U 103/91, VersR 1993, 310. 2 BGH v. 13. 12. 2006 – IV ZR 252/02, r+s 2007, 93. 3 Vgl. OLG Köln v. 19. 11. 1992 – 5 U 103/91, VersR 1993, 310. 4 Vgl. OLG Köln v. 16. 8. 1994 – 9 U 128/94, VersR 1995, 567; OLG Hamburg v. 27. 8. 1993 – 11 U 45/93, VersR 1994, 668 = zfs 1994, 303; OLG Hamm v. 3. 11. 1989 – 20 U 68/89, VersR 1991, 49; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 641; s. näher Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 109 f. 5 AG Düsseldorf v. 4. 2. 2009 – 43 C 4002/08, VersR 2009, 1102. 6 OLG Celle v. 10. 6. 2010 – 8 U 18/10, zfs 2010, 627. 7 Im Anschluss an die in zfs 2010, 627 abgedruckte Entscheidung.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 230 Teil 7
Bei einer telefonischen Schadensmeldung muss – wenn der Versicherungsnehmer die telefonische Unterrichtung behauptet – der Versicherer beweisen, dass das Telefonat nicht stattgefunden hat1 Dem Versicherer wird dieser negative Beweis i. d. R. nur schwer gelingen. Es muss deshalb vom Versicherungsnehmer verlangt werden, dass er die Absendung der Mitteilung substantiiert und nachvollziehbar darlegt bzw. den Zeitpunkt des Telefonats und evtl. den Gesprächspartner benennt. Sodann müsste der Versicherer diese Angaben widerlegen2.
227
Auch wenn der Versicherungsnehmer das Formular nicht selbst ausfüllt, dies aber unterschreibt, handelt es sich um seine eigene Erklärung. Ein Dritter bereitet mit dem Ausfüllen des Formulars lediglich eine Erklärung des VN vor, wenn der VN dieses unterschreibt. Der Dritte gibt die Erklärung nicht selber anstelle des VN ab. Aus Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom Versicherungsnehmer unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten. Für eine entsprechende Anwendung des § 166 BGB ist deshalb kein Raum3.
228
Überwiegend besteht auch Einigkeit darin, dass der Versicherer die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der anzuzeigenden oder aufzuklärenden Tatsache zu beweisen hat4.
229
Beispiel: Der Versicherungsnehmer fährt einen von drei Pfählen gehaltenen kleinen Straßenbaum um. Er fährt weiter. Streitig ist, ob er den Vorfall bemerkt hat. Der Versicherer, der sich auf eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit wegen Unfallflucht beruft, muss die Kenntnis des Versicherungsnehmers beweisen5.
Die Kenntnis gehört zum objektiven Tatbestand, den der Versicherer zu beweisen hat. Das ergibt sich aus dem Wesen der Anzeige- und Aufklärungsobliegenheit. Diese hat den Zweck, die Wissensasymetrie zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zu beseitigen. Deshalb muss der Versicherungsnehmer seine Kenntnisse dem Versicherer vermitteln, damit dieser seine Leistungspflicht ordnungsgemäß prüfen kann. Der objektive Tatbestand beinhaltet die Übertragung von Wissen über Tatsa1 OLG Köln v. 19. 11. 1992 – 5 U 103/91, VersR 1993, 310. 2 Vgl. OLG Köln v. 16. 8. 1994 – 9 U 128/94, VersR 1995, 567; OLG Hamburg v. 27. 8. 1993 – 11 U 45/93, VersR 1994, 668 = zfs 1994, 303. 3 OLG Saarbrücken v. 12. 7. 2006 – 5 U 6/06-1, r+s 2007, 298; BGH v. 14. 12. 1994 – IV ZR 304/93, r+s 1995, 81. 4 BGH v. 13. 12. 2006 – IV ZR 252/05, VersR 2007, 389; BGH v. 30. 4. 2008 – IV ZR 227/06, VersR 2008, 905; OLG Saarbrücken v. 22. 11. 2000 – 5 U 424/00 – 38, zfs 2001, 69; OLG Hamm v. 31. 3. 1990 – 20 U 207/89, NJW-RR 1990, 1310 = NZV 1990, 434 = VVGE § 7 AKB Nr. 15. 5 OLG Saarbrücken v. 22. 11. 2000 – 5 U 424/00 – 38, zfs 2001, 69.
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Rz. 231
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
chen und Umstände. Dies hat mit einer subjektiven Seite, etwa das vorsätzliche Unterlassen der Übertragung, nichts zu tun. bb) Vorsätzliche Obliegenheitsverletzung 231
Der Versicherer hat Vorsatz des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person zu beweisen1. Beispiele: Der Fahrer kommt von der Fahrbahn ab und bleibt in einem Garten liegen. Dort sind einige Pflanzen beschädigt. Außerdem hat er eine Hecke gestreift, die ebenfalls leicht beschädigt wurde. Der Gesamtschaden beträgt ca. 350 Euro. Der Fahrer entfernt sich vom Unfallort. Er trägt später vor, die Schäden an den Pflanzen und der Hecke nicht bemerkt zu haben. Das bestreitet der Versicherer. Dieser muss beweisen, dass der Fahrer den von seinem Fahrzeug angerichteten Schaden bemerkt hat. Ohne Kenntnis des Schadens ist § 142 StGB nicht erfüllt und damit auch die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers nicht verletzt2. Wenn ein Versicherungsnehmer nach einem Unfall einen Nachtrunk zu sich nimmt im Bewusstsein, dass eine Blutprobe durch die Polizei zu erwarten ist, kann er die Vermutung, vorsätzlich die Aufklärungsobliegenheit verletzt zu haben, nicht widerlegen3.
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Bei der Verletzung von Anzeigeobliegenheiten ist nicht ohne weiteres Vorsatz anzunehmen. Im Allgemeinen kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Versicherungsnehmer einen Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheiten gewollt, zumindest billigend in Kauf genommen hat, weil ein vernünftiger Versicherungsnehmer sich nach allgemeiner Erfahrung nicht durch vorsätzliche Nichterfüllung der Anzeigeobliegenheit Rechtsnachteile zuziehen oder gar den Versicherungsschutz verlieren will4. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn der Versicherungsnehmer bewusst die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit unterlässt, um Zeit zu gewinnen und dadurch eine für ihn möglicherweise mit Nachteilen verbundene schnelle und genaue Aufklärung des Schadensfalles zu verhindern (etwa beim möglicherweise vorgetäuschten Kfz-Diebstahl)5. Aber auch in der Kraftfahrthaftpflicht weigern sich hin und wieder Versicherungsnehmer den Schadenfall anzuzeigen, weil sie meinen, sie treffe keine Haftung. 1 H. M. vgl. BGH v. 3. 6. 1977 – IV ZR 71/75, VersR 1977, 733; Prölss/Martin/ Prölss, VVG § 28 Rz. 114; Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, § 7 AKB a. F. Rz. 21; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 644. 2 Nach OLG Hamm v. 6. 12. 1991 – 20 U 228/91, VersR 1993, 90. 3 OLG Köln v. 30. 7. 1992 – 5 U 44/91, VersR 1993, 45 = r+s 1992, 329. 4 Vgl. BGH v. 8. 1. 1981 – IVa ZR 60/80 – unter II, VersR 1981, 321; OLG Koblenz v. 6. 11. 1996 – 10 W 520/95, VersR 1996, 1356. Auch grobe Fahrlässigkeit verneinend OLG Düsseldorf v. 16. 8. 1994 – 4 U 151/93, VersR 1995, 1301 = r+s 1994, 404. 5 OLG Köln v. 21. 11. 1991 – 5 U 46/91, VersR 1992, 1460.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 235 Teil 7
Ist streitig, ob der Versicherungsnehmer im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit handelte, ist dieser dafür beweisbelastet1. Zurechnungsunfähigkeit liegt auch bei einem Unfallschock vor, so dass, wer im Schock die Unfallstelle verlässt, ohne Verschulden handelt.
233
! Hinweis: Ein Unfallschock bedarf der genauen Darlegung. Die Gerichte lassen sich nur schwer überzeugen. Nach ihrer Rechtsprechung kann ein Unfallschock nur unter außergewöhnlichen äußeren und inneren Bedingungen eintreten. Er erreicht nur selten eine solche Stärke, dass eine die Willensbildung ausschließende Bewusstseinsstörung vorliegt. Ein Schockzustand dauert auch nicht stundenlang an, so dass nach Abklingen der Versicherungsnehmer wieder an die Unfallstelle zurückzukehren hat2. Zweifelhaft ist, ob der Versicherungsnehmer auch dann die Beweislast für seine Zurechnungsunfähigkeit tragen soll, wenn der Versicherer erhöhte Leistungsfreiheit nach E.6.4 AKB geltend macht3. Bei alkoholbedingter Zurechnungsunfähigkeit ist gem. § 827 BGB grobe Fahrlässigkeit anzunehmen4. Jedenfalls ist grob fahrlässige actio libera in causa gegeben, wenn der Fahrer vor Beginn des Alkoholgenusses die spätere Benutzung des Fahrzeugs nicht hinreichend sicher ausschließt5.
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! Hinweis: Wenn der Versicherer es unterlassen hat, den VN auf die erkennbar unvollständige und in sich widersprüchliche Schadenanzeige hinzuweisen und auf eine Vervollständigung und Klärung hinzuwirken, kann er sich deswegen nicht ohne weiteres auf Leistungsfreiheit berufen6. cc) Grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung Gelingt es dem Versicherer nicht, dem Versicherungsnehmer eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, besteht die gesetzliche Vermutung, dass die Obliegenheit grob fahrlässig begangen wurde, § 28 Abs. 2 VVG. Der Gesetzgeber belastet den Versicherungsnehmer mit 1 Vgl. BGH v. 1. 7. 1986 – VI ZR 294/85, VersR 1986, 1241. 2 Vgl. z. B. OLG Frankfurt a. M. v. 24. 1. 2001 – 7 U 23/00, NVersZ 2001, 321 m. w. N. = VersR 2001, 1374 = zfs 2001, 551. 3 Vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 7 AKB Rz. 75: Beweislast beim Versicherungsnehmer nur für den Regelfall. 4 Vgl. BGH v. 23. 1. 1985 – IV ZR 128/83, VersR 1985, 440 zu § 61 VVG. 5 OLG Hamm v. 31. 5. 2000 – 20 U 231/99, NVersZ 2000, 524 = r+s 2001, 55 = zfs 2001, 119; OLG Frankfurt a. M. v. 14. 4. 1999 – 7 U 87/98, VersR 2000, 883 = NVersZ 1999, 573 = r+s 2000, 364; beide Urteile zu § 61 VVG. 6 OLG Düsseldorf v. 24. 6. 2008 – 4 U 226/07, r+s 2009, 368.
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Teil 7
Rz. 236
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
dem Beweis, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Das wird i. d. R darin bestehen, dass er vorträgt und beweist, dass sein Verhalten lediglich einfache Fahrlässigkeit darstelle. Beispiel: Lediglich leichte Fahrlässigkeit dürfte anzunehmen sein, wenn der Versicherungsnehmer vergisst, dem Versicherer einen entlastenden Zeugen zu benennen oder die Unfallschilderung unvollständig ist.
dd) Der Kausalitätsgegenbeweis 236
Die Beweislast für die mangelnde Kausalität der Obliegenheitsverletzung, E.6.2 AKB, trägt der Versicherungsnehmer. Er muss also den Negativbeweis führen, dass die Obliegenheitsverletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistung gehabt hat, s. fi Rz. 215. Wie schon dargelegt (Rz. 215), kommt es bei den Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten auch hinsichtlich des vom Versicherungsnehmer zu führenden Negativbeweises entscheidend darauf an, was unter einer „irrelevanten“ Falschangabe zu verstehen ist. Sofern einzig und allein darauf abzustellen ist, ob dadurch das Ergebnis der Feststellungen beeinflusst wird, ist der Negativbeweis schon dann geführt, wenn der Versicherer eine „richtige“ Entscheidung getroffen hat, gleichgültig wie er in den Besitz der richtigen Informationen gekommen ist. Wird aber in Anlehnung an die alte Relevanzrechtsprechung schon eine Gefährdung der Interessen des Versicherers als relevant angesehen, dann kann der Versicherungsnehmer diesen Negativbeweis jedoch praktisch nur in der Weise erbringen, dass er zunächst die sich aus dem Sachverhalt selbst ergebenden Möglichkeiten ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt. Diese muss er dann widerlegen1. Bei einer Unfallflucht hat der Versicherer keine Möglichkeit, eine etwaige alkoholische Beeinträchtigung des Fahrers in seine Überlegungen zur Feststellung des Versicherungsfalls einzubeziehen. Der Kausalitätsgegenbeweis dürfte dem Versicherungsnehmer in diesen Fällen schwer fallen. g) Quotenbildung
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Eine Judikatur zur Quotenbildung bei grob fahrlässiger Pflichtverletzung beginnt sich langsam herauszubilden, wobei auch die ersten obergericht1 OLG Düsseldorf v. 11. 4. 2000 – 4 U 67/99, zfs 2001, 77 = VersR 2001, 888 = r+s 2001, 16 mit Verweis auf BGH v. 4. 5. 1964 – II ZR 153/61, NJW 1964, 1899; KG v. 6. 7. 2010 – 6 W 6/10, VersR 2010, 1488 ausdrücklich für das neue VVG.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 239 Teil 7
liche Entscheidungen Tendenzen erkennen lassen1. In verschiedenen Aufsätzen wurde und wird versucht, sich diesem Thema zu nähern und Lösungsvorschläge bis hin zu tabellarischer Darstellung der Quoten zu machen2. Zu Recht weist Rixecker darauf hin, dass Quotentabellen die Besonderheiten des Einzelfalles nicht berücksichtigen. In der Praxis wird es vermutlich aber im Laufe der Zeit doch darauf hinauslaufen, dass sich mindestens Richtwerte herausbilden werden, justiert durch die konkreten Besonderheiten. Das Bedürfnis nach „Richtlinien“ zeigte sich schon beim 47. Verkehrsgerichtstag 2009, wo schon eine entsprechende Entschließung gefasst wurde. Die daraufhin durch einen Arbeitskreis gemachten Empfehlungen, die zum Teil sehr dem Einfluss der im Gremium vertretenen Verbraucherschützer geschuldet sind, haben in der Judikatur allerdings keinen nennenswerten Widerhall gefunden. An dieser Stelle sollen nicht die verschiedenen Theorien, wie man die Quotenbildung dogmatisch angeht, im Einzelnen dargestellt werden, denn es zeichnet sich doch langsam ab, dass für bestimmte typische Fallgestaltungen eine „Normalquote“ angenommen wird, die aber durch die Besonderheiten des Einzelfalles ihre individuelle Gewichtung nach oben oder unten erfährt. Ob es letztlich entscheidend ist, in welchen Schritten die Abstufungen vorgenommen werden – 10er- oder 25er-Schritte – mag bezweifelt werden, obwohl es auch hierzu Meinungsunterschiede gibt.
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Bisher sind folgende Entscheidungen zur groben Fahrlässigkeit (§ 81 VVG) bekannt geworden:
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Zur groben Fahrlässigkeit (§ 81 VVG): – Alkohol – Leistungskürzung um 100 %: Alkoholfahrt mit 2,7 % (OLG Dresden3) – Leistungskürzung um 50 %: Alkoholfahrt mit 0,59 %; ab 1,1 % Kürzung um 100 % (OLG Hamm4)
1 OLG Naumburg v. 3. 12. 2009 – 4 U 133/08, r+s 2010, 319; OLG Hamm v. 25. 8. 2010 – 20 U 74/10, r+s 2010, 506 = zfs 2010, 634; OLG Dresden v. 15. 9. 2010 – 7 U 466/10, zfs 2010, 633; jetzt auch BGH v. 22. 6. 2011 – IV ZR 225/10, VersR 2011, 1037. 2 Vgl. Felsch, r+s 2007, 485; Nugel, MDR 2008, 1320; Rixecker, zfs 2009, 5 m. w. N.; einen guten Überblick gibt auch der Aufsatz von Günther, r+s 2009, 492; zu Pauschalierungen auch Baumann, r+s 2010, 51. 3 OLG Dresden v. 15. 9. 2010 – 7 U 466/10, zfs 2010, 633 = DAR 2011, 24 (vom BGH mit Urteil v. 22. 6. 2011 – IV ZR 225/10 aufgehoben zur Prüfung der Unzurechnungsfähigkeit, VersR 2011, 1037). 4 OLG Hamm v. 25. 8. 2010 – 20 U 74/10, r+s 2010, 506 = zfs 2010, 634 = SP 2011, 23 = DAR 2011, 25.
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Teil 7
Rz. 239
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– Leistungskürzung um 100 %: Alkoholfahrt mit 2,13 % (AG BerlinMitte1) – Leistungskürzung um 100 %: Alkoholfahrt mit 1,67 % (LG Münster2) – Leistungskürzung um 100 %: Alkoholfahrt mit 1,29 % (LG Tübingen3) – Leistungskürzung um 100 %: Alkoholfahrt mit 1,5 % (LG Oldenburg4) – Leistungskürzung um 100 % bei Alkoholfahrt mit mehr als 1,1 % (AG Bühl5) – Leistungskürzung um 75 % bei Ermöglichen einer Alkoholfahrt (LG Bonn6). Wäre der Versicherungsnehmer selbst gefahren, hätte das Gericht offenkundig die Leistung vollständig verweigert. – Leistungskürzung um 80 % bei Alkoholfahrt von 1,05 % (KG7). Das KG spricht sich gegen eine pauschale Kürzung um 100 % ab 1,1 % aus, sondern will auch dann alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen8. – Ampel – Leistungskürzung um 50 %: Überfahren einer roten Ampel bei Blendung durch Sonne (LG Münster9) – Leistungskürzung um 50 %: Überfahren einer roten Ampel an vielbefahrener Hauptstraße mit unübersichtlichem Kreuzungsbereich bei „Mitzieheffekt“ (LG Essen10) – Leistungskürzung um 50 %: Überfahren einer roten Ampel trotz Sonnenblendung (AG Duisburg11) – Sonstige Tatbestände – Leistungskürzung um 50 % bei Missachtung der Durchfahrthöhe in ein Parkhaus (LG Konstanz12); Besonderheit: Prozess des Vermieters 1 2 3 4 5 6 7 8 9
AG Berlin-Mitte v. 17. 3. 2010 – 114 C 3271/09, zfs 2010, 576. LG Münster v. 24. 9. 2010 – 15 O 275/09, r+s 2010, 321 = DAR 2010, 473. LG Tübingen v. 26. 4. 2010 – 4 O 326/09, zfs 2010, 394. LG Oldenburg v. 24. 9. 2010, r+s 2010, 461. AG Bühl v. 14. 5. 2009 – 7 C 88/09, SVR 2009, 424. LG Bonn v. 31. 7. 2009 – 10 O 115/09, DAR 2010, 24. KG v. 28. 9. 2010 – 6 U 87/10, zfs 2011, 29. So auch BGH v. 22. 6. 2011 – IV ZR 225/10, VersR 2011, 1037. LG Münster v. 20. 8. 2009 – 15 O 141/09, NJW 2010, 240 = VersR 2009, 1615 = r+s 2009, 501. 10 LG Essen v. 5. 2. 2010 – 10 S 32/10, zfs 2010, 393. 11 AG Duisburg v. 24. 2. 2010 – 50 C 2567/09, SVR 2010, 307. 12 LG Konstanz v. 26. 11. 2009 – 3 O 119/09, zfs 2010, 214.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 241 Teil 7
eines Miet-LKW gegen den Mieter. Der Vermieter hatte den Mieter nicht hinreichend über die Fahrzeughöhe aufgeklärt. – Leistungskürzung um 1/3 bei Missachtung der Durchfahrthöhe einer Autobahnunterführung (LG Göttingen1) Deutlich scheint zu sein, dass die Rechtsprechung bei Alkoholfahrten recht streng vorgehen und die übrigen Sachverhalte eher nicht schematisch, sondern einzelfallbezogen beurteilen wird. Mit Interesse muss man noch die Judikatur zur Quotenbildung zur groben Fahrlässigkeit im Entwendungsfall abwarten. Die meisten Bedingungswerke sehen ja mittlerweile die Berufung auf grobe Fahrlässigkeit nur noch bei Trunkenheit oder sonstigen Rauschmitteln und im Entwendungsfall vor. Die Rechtsprechung hatte sich auch schon mit Obliegenheitsverletzungen nach neuem Recht zu beschäftigen. Zu einer Quotierung der Leistung kommt man nur, wenn der Versicherungsnehmer nicht den Kausalitätsgegenbeweis führen kann (vgl. Rz. 209 ff.) oder wenn er arglistig gehandelt hat (vgl. Rz. 216). Diese beiden Fragen standen deshalb bisher auch im Fokus der Rechtsprechung.
240
Das Kammergericht2 sah im Fall einer falschen Angabe zur Laufleistung des gestohlenen Kfz den Kausalitätsgegenbeweis als geführt an, weil dem Versicherer im Zeitpunkt seiner Entscheidung aus der Schlüsselauslesung die echte Laufleistung bekannt war und er sie zur Grundlage seiner Entscheidung machen konnte. Mit der Frage, ob der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat, setzte sich der Senat allerdings nicht auseinander. Dieser Fall illustriert recht deutlich, dass das neue Recht bei einer solchen Rechtsprechung missbraucht werden kann: Der Versuch ist nicht strafbar, wird man „erwischt“, kann ja nichts passieren. Allerdings kann auch einer Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth3 nicht gefolgt werden, das eine Kürzung um 20 % vornahm, weil der Versicherungsnehmer Vorschäden verschwiegen hatte. Obwohl es weder Arglist noch Kausalität als gegeben ansah, kam das Gericht zur Kürzung, was Knappmann4 (zu Recht) kritisiert. aa) Beweislast bei der Quotenbildung Problematisch ist, wie die Beweislastverteilung bei der Bemessung der Quote zu sehen ist. Nach derzeitigem Stand werden hauptsächlich drei unterschiedliche Ansatzpunkte vertreten: 1 2 3 4
LG Göttingen v. 18. 11. 2009 – 5 O 118/09, zfs 2010, 213. KG v. 9. 11. 2010 – 6 U 103/10, r+s 2010, 15. LG Nürnberg-Fürth v. 4. 8. 2010 – 8 O 744/10, VersR 2010, 1635. Knappmann, r+s 2010, 462.
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Teil 7
Rz. 241
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– Die von einer Einstiegsquote entlastenden Umstände hat der Versicherungsnehmer, belastende der Versicherer zu beweisen (vor allem vertreten von Felsch1) – Der Versicherer muss jeden Kürzungsgrad innerhalb der Bandbereite von 0–100 beweisen (vor allem vertreten von Rixecker, Marlow2) – Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für entlastende Umstände, kann er dafür nichts vortragen und beweisen, ist von voller Kürzung auszugehen (vertreten von Pohlmann3). Die von Rixecker vertretene Auffassung führt dazu, dass aus dem gesetzlich verankerten Negativbeweis, der dem Versicherungsnehmer obliegt, umgekehrt eine Beweislast für den Versicherer begründet wird, er also letztlich doch wieder die volle Beweislast hat, ansonsten würde eine Kürzung der Leistung nicht erfolgen, wie Pohlmann überzeugend dargelegt hat. Andererseits wäre es kaum mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar, wenn man der Pohlmannschen Lösung folgte und den Versicherungsschutz komplett entfallen ließe, wenn der Versicherungsnehmer entlastende Umstände nicht darlegen und beweisen könnte. Obwohl die rechtssystematischen Erwägungen Pohlmanns überzeugend sind, dürfte dem Willen des Gesetzgebers am ehesten der Lösungsansatz von Felsch entsprechen. Dabei wird von einer Einstiegsquote ausgegangen, die durch entlastende und belastende Umstände nach oben oder unten korrigiert wird, wobei jede Partei beweisbelastet ist für die von ihr vorgetragenen be- oder entlastenden Umstände. Teilweise wird dabei von einer Einstiegsquote von 50 % ausgegangen, die je nach bewiesenen entlastenden oder belastenden Umständen nach oben oder unten korrigiert wird4. Richtiger dürfte die Auffassung sein, dass nicht von einer generellen Einstiegsquote von 50 % auszugehen ist, sondern sich die Einstiegsquote schon aus der – unstreitigen oder bewiesenen – Art der Obliegenheitsverletzung ergibt. Dabei können die Quoten von 50 % abweichen und zusätzlich noch durch entlastende oder belastende Umstände korrigiert werden. Zu beachten ist, dass grundsätzlich die Beweislastverteilung bei den Obliegenheitsverletzungen und der Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 VVG) nicht gleich ist: Während bei den Obliegenheitsverletzungen die grobe Fahrlässigkeit gesetzlich vermutet wird, wenn leichte Fahrlässig oder Vorsatz jeweils nicht bewiesen sind, muss bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 1 2 3 4
Felsch, r+s 2007, 485. Rixecker, zfs 2007, 6; Marlow, VersR 2007, 43. Pohlmann, VersR 2008, 437; Looschelders/Pohlmann, VVG § 28 Rz. 150 f. Felsch, r+s 2007, 485.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 244 Teil 7
VVG) der Versicherer sowohl den Vorsatz als auch die grobe Fahrlässigkeit beweisen. Das bedeutet letztlich auch, dass ihm die Beweislast für die Schwere der Schuld und damit den Grad der Leistungskürzung obliegt1. h) Kündigung Hat der Versicherungsnehmer eine der Obliegenheiten schuldhaft verletzt, ist der Versicherer nach § 28 Abs. 1 VVG berechtigt, den Vertrag innerhalb eines Monats nach Kenntnis der Verletzung zu kündigen. Beweist der Versicherungsnehmer, dass die Pflichtverletzung weder auf Vorsatz noch grober Fahrlässigkeit beruht, entfällt allerdings das Kündigungsrecht.
242
§ 6 VVG a. F. sah bei Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall Leistungsfreiheit nur dann vor, wenn der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats kündigte. Dies wird mit VVG-Novelle nicht mehr verlangt. Die Ausübung des Kündigungsrechts ist jetzt nicht mehr Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers. i) Besonderheiten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung aa) Begrenzung der Leistungsfreiheit In der Kfz-Haftpflichtversicherung bedeutet Leistungsfreiheit den ganzen oder teilweisen Verlust des Anspruchs auf Freistellung von Haftpflichtansprüchen des Geschädigten. Dennoch bleibt der Versicherer gem. § 117 Abs. 1 VVG dem Geschädigten gegenüber zur Leistung verpflichtet. Im Verhältnis Versicherter und Versicherer bleibt der Versicherte aber gem. § 116 Satz 2 VVG allein verpflichtet. Demnach stehen Halter und Fahrer, soweit sie dem Geschädigten Ersatz zu leisten haben, zusammen mit dem Versicherer in einem Gesamtschuldverhältnis. Leistet der Versicherer, geht die Forderung des Geschädigten auf ihn über, § 117 Abs. 5 VVG. Der Versicherer kann gem. § 426 Abs. 2 BGB gegen den Versicherten Rückgriff nehmen (s. zum Regress näher fi Rz. 322 ff.).
243
! Hinweis: Der Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer verliert nur dann den Versicherungsschutz, wenn er die Obliegenheitsverletzung selbst begangen hat, § 5 Abs. 2 S. 1 PflVV. Ist dieser Personenkreis als Insasse geschädigt worden, ohne das Fahrzeug selbst gelenkt zu haben, bleibt die Leistungspflicht des Versicherers bei alkoholischer Beeinträchtigung des Fahrers bestehen, § 5 Abs. 2 S. 2 PflVV.
1 Günter, r+s 2009, 492.
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Teil 7 245
Rz. 245
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Gem. § 5 f. KfzPflVV ist die Leistungsfreiheit betraglich begrenzt, hinsichtlich des überschießenden Betrages genießt der Versicherungsnehmer also vollen Versicherungsschutz. Die Grenzen betragen: – Bei Verletzung einer Obliegenheit 5000 Euro (§ 5 Abs. 3 KfzPflVV)
vor
dem
Versicherungsfall
– Bei Verletzung einer Obliegenheit nach dem Versicherungsfall 2500 Euro (§ 6 Abs. 1 KfzPflVV) – Bei besonders schwerwiegender Verletzung einer Obliegenheit nach dem Versicherungsfall 5000 Euro (§ 6 Abs. 3 KfzPflVV) 246
Die Limitierung der Leistungsfreiheit bei der Verletzung einer Obliegenheit vor dem Versicherungsfall gilt nicht für den Fahrer, der das Fahrzeug durch eine strafbare Handlung erlangt hat, § 5 Abs. 3 S. 2 KfzPflVV.
247
Bei den Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall ist die Leistungsfreiheit gem. E.6.3 AKB (entsprechend § 6 Abs. 1 KfzPflVV) grundsätzlich auf 2500 Euro begrenzt. Bei besonders schwerwiegender vorsätzlich begangener Obliegenheitsverletzung erhöht sich die Grenze gem. E.6.4 AKB auf 5000 Euro (vgl. § 6 Abs. 3 KfzPflVV). Diese erweiterte Leistungsfreiheit gilt nur bei Verletzung der Aufklärungs- und Schadensminderungsobliegenheit, nicht dagegen bei der Anzeigeobliegenheit. Für den Fall, dass mehrere Obliegenheiten verletzt sind, s. fi Rz. 255 ff. Handelt der Versicherungsnehmer in betrügerischer Absicht1, ist die Leistungsfreiheit des Versicherers bis zur Höhe des erlangten rechtswidrigen Vorteils unbegrenzt, E.65 AKB (vgl. § 7 KfzPflVV). Der Betrug muss vollendet sein; ein Versuch genügt nicht.
248
Ein besonders schwerwiegendes Verschulden geht über das erhebliche Verschulden, wie es von der Relevanzrechtsprechung gefordert wurde, hinaus. Ein besonders schwerwiegendes Verschulden liegt nur vor, wenn sich das Verhalten des Versicherungsnehmers von dem „Normalfall“ einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung deutlich abhebt. Beispiel für kein besonders schwerwiegendes Verschulden: Der Versicherungsnehmer hat mit seinem Fahrzeug nachts einen fremden Pkw beschädigt. Personenschaden war nicht entstanden. Er entfernte sich mit seinem Pkw von der Unfallstelle. Gegenüber der Polizei gab er am nächsten Morgen sofort an, der Unfallfahrer gewesen zu sein. Seine starke Alkoholbeeinträchtigung hat er sofort zugegeben. Dem Agenten des Versicherers erstattete er ebenfalls am nächsten Morgen die Schadensmeldung. Dieses Gesamtverschulden geht nicht über die bei der Unfallflucht üblichen Pflichtverstöße hinaus. 1 Typische Beispiele sind die vorgetäuschten Unfallschäden.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 251 Teil 7
Beispiele für ein besonders schwerwiegendes Verschulden: Der Versicherungsnehmer war nachts in eine Schaufensterscheibe gefahren. Er verließ mit seinem beschädigten Fahrzeug den Unfallort. Er stellte das Fahrzeug verschlossen in einem Waldgebiet ab und ging zu Fuß nach Hause. Nachdem er in Verdacht geraten war, erklärte er der Polizei, sein Fahrzeug sei ihm in der Nacht gestohlen worden. Er hat damit die Polizei auf eine falsche Spur gelenkt. Ein besonders schwerwiegendes Verschulden ist auch anzunehmen, wenn sich der Versicherungsnehmer durch Unfallflucht einer Blutprobe zur Feststellung seiner Fahruntüchtigkeit entziehen will.
In den vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft herausgegebenen unverbindlichen Musterbedingungen sind keine festen Beträge genannt. Den Unternehmen steht es im Rahmen der KfzPflVV frei, welche Beträge sie in ihre AKB aufnehmen wollen. Bei den oben genannten Beträgen handelt es sich um die Höchstbeträge, die nach der KfzPflVV möglich sind und von denen die meisten Unternehmen auch Gebrauch gemacht haben.
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In der Kaskoversicherung und der Kfz-Unfallversicherung findet diese summenmäßige Beschränkung der Leistungsfreiheit keine Anwendung. Besteht nur eingeschränkter Versicherungsschutz, ist zunächst die Quote der Leistungskürzung zu bilden; der sich danach ergebende Betrag der Leistungsfreiheit wird dann noch zusätzlich auf 5000 Euro bzw. 2500 Euro begrenzt.
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Beispiele: – Die Schwere der Schuld bei grober Fahrlässigkeit wird mit 50 % angesetzt. Der Ersatzanspruch des Geschädigten beträgt 15 000 Euro. Leistungsfreiheit besteht also zunächst zu 50 % von 15 000 Euro = 7500 Euro. Gem. § 5 Abs. 3 KfzPflVV greift aber die Beschränkung auf 5000 Euro. – Die Quote der Leistungsfreiheit beträgt 50 %, der Ersatzanspruch des Geschädigten 8000 Euro: Leistungsfreiheit 50 % von 8000 Euro = 4000 Euro. Der sich durch die Kürzung des Versicherungsschutzes ergebende Betrag liegt unterhalb der Beschränkung von 5000 Euro, so dass es bei der Leistungsfreiheit von 4000 Euro bleibt.
Soweit diskutiert wird, die Quotelung des Versicherungsschutzes von der Beschränkungsgrenze von 5000 Euro aus vorzunehmen (bei den obigen Beispielsfällen also 50 % von 5000 Euro = 2500 Euro), kann dem nicht gefolgt werden. Zunächst ist der Grad des Verschuldens und die sich daraus ergebende Kürzung des Versicherungsschutzes festzustellen. Danach kommt erst die Begrenzung der Pflichtversicherungsverordnung zum Tragen. In der Verordnung wurde seinerzeit – als das „Alles-oder-nichts“-Prinzip galt – die Beschränkung aufgenommen, um den Versicherungsnehmer vor existenzgefährdenden Rückgriffsansprüchen zu schützen. Dieser Sinn Meinecke
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Teil 7
Rz. 252
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
und Zweck bleibt weiter bestehen. Die gesetzliche Regelung der Kürzung geht der in der Verordnung getroffenen Beschränkungsregelung vor.
! Hinweis: Aufwendungen des Versicherers – etwa im Zusammenhang mit der Prozessführung – sind keine Leistung an den Geschädigten und damit nicht Teil eines übergegangenen Anspruchs. Der Versicherer hat aber einen Anspruch auf Ersatz solcher Aufwendungen nach § 116 S. 3 VVG.
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bb) Auswirkungen auf die Ansprüche Dritter 253
In der Kfz-Haftpflichtversicherung kann der Versicherer dem Geschädigten gegenüber grundsätzlich nicht einwenden, er sei ganz oder teilweise leistungsfrei, § 117 Abs. 1 S. 1 VVG. Es besteht also dem Geschädigten gegenüber volle Leistungspflicht. Das betrifft die Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung und Obliegenheitsverletzungen. Allerdings gibt es davon eine Ausnahme: Kann der geschädigte Dritte Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder Sozialversicherungsträger erlangen, kann der Kfz-Haftpflichtversicherer ihn dahin verweisen, er kann sich insoweit auch dem Geschädigten gegenüber auf seine Leistungsfreiheit berufen, § 117 Abs. 3 S. 2 VVG. Beispiel: Der Kfz-Haftpflichtversicherer ist bis 5000 Euro leistungsfrei. Der Geschädigte hat folgenden Schadenersatzanspruch: Reparaturkosten 4000 Euro, Minderwert 200 Euro, Nutzungsausfall 240 Euro, zusammen 4440 Euro. Der Geschädigte hat eine Voll-Kaskoversicherung mit 300 Euro Selbstbehalt. Der Kfz-Haftpflichtversicherer weist den Geschädigten auf seine Leistungsfreiheit hin. Die Voll-Kaskoversicherung zahlt die Reparaturkosten abzgl. Selbstbehalt = 3700 Euro. Den Rest zahlt der Kfz-Haftpflichtversicherer an den Geschädigten: 4400 Euro abzgl. 3700 Euro = 700 Euro.
! Hinweise: 1. Der Kfz-Haftpflichtversicherer kann nur verweisen, soweit er gegenüber allen haftenden Personen leistungsfrei ist. Besteht Leistungsfreiheit nur gegenüber dem Fahrer aber nicht gegenüber dem Halter, kann wegen Ansprüchen aus der Halterhaftung nicht verwiesen werden.
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2. Leistet ein Kaskoversicherer, weil der Versicherungsnehmer aufgrund § 117 Abs. 3 S. 2 VVG an ihn verwiesen wurde, wird der 992
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 256 Teil 7
Schadenfreiheitsrabatt des Kaskovertrages nicht belastet, I.4.1.2 lit. e AKB. 3. Die Verweisung an den Sachversicherer bzw. Sozialversicherungsträger darf nicht über den Maximalbetrag der Leistungsfreiheit von 2500 Euro bzw. 5000 Euro hinausgehen. Die Leistungspflicht gegenüber dem Geschädigten besteht nicht, wenn nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses die Nachhaftungsfrist abgelaufen ist, § 117 Abs. 2 VVG, s. Rz. 317. Sie besteht auch nicht, wenn ein Risikoausschluss vorliegt, s. Rz. 295.
10. Zusammentreffen mehrerer Obliegenheitsverletzungen a) Quotenbildung Wie bereits ausgeführt, kommt bei grob fahrlässigem Fehlverhalten des Versicherungsnehmers eine Leistungskürzung entsprechend der Schwere seiner Schuld zum Tragen, Rz. 235. Dabei stellt sich die Frage, wie diese Quote zu bilden ist, wenn mehrere Pflichtverletzungen vorliegen. Dazu sind bereits verschiedene Lösungsmöglichkeiten angeboten worden: Addition der Einzelquoten, Quotenbildung nach einem mathematischen Modell, Konsumtion der Einzelquoten durch die höchste.
255
Der Entschließung des 47. Verkehrsgerichtstags ist hier der Vorzug zu geben. Danach soll allein eine wertende Gesamtbetrachtung nach der Schwere des Verschuldens erfolgen1, s. hierzu eingehender Rz. 237 ff. Dieser Ansicht folgte auch das LG Dortmund2 in einer Entscheidung zur Sachversicherung. Das LG Kassel3 allerdings addierte die Quoten aus grober Fahrlässigkeit und Obliegenheitsverletzung (Entscheidung zur Sachversicherung). b) Besonderheiten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung Die Leistungsfreiheit des Versicherers in der Kfz-Haftpflichtversicherung ist bei der Verletzung von Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, nach D.3.3 AKB auf höchstens 5000 Euro begrenzt (vgl. § 5 Abs. 3 KfzPflVV). Bei der Verletzung der Obliegenheiten, die bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, begrenzt E.6.3 AKB die Leistungsfreiheit des Versicherers auf 2500 Euro bzw. bei besonders schwerwiegender vorsätzlicher Verletzung auf 5000 Euro, E.6.4 (s. fi Rz. 246). Da in der Lebenswirklichkeit mehrere Obliegenheiten in demselben Zusammenhang verletzt werden können, 1 So auch Rixecker, zfs 2009, 5; im Ergebnis auch Nugel, MDR 2008, 1320. 2 LG Dortmund v. 15. 7. 2010 – 2 O 8/10, zfs 2010, 515. 3 LG Kassel v. 27. 5. 2010 – 8 O 2653/09, zfs 2011, 33.
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Teil 7
Rz. 257
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
stellt sich die Frage, in welcher Höhe der Versicherer beim Zusammentreffen mehrerer Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei ist. 257
Einigkeit besteht darin, dass die Beträge der Leistungsfreiheit nicht addiert werden, wenn eine Person mehrere Obliegenheiten verletzt, die vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind. Es bleibt bei einem Höchstbetrag von 5000 Euro1. Dasselbe gilt bei der Verletzung von mehreren Obliegenheiten, die bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind. Anders ist es aber, wenn bei einer Fahrt mehrere Unfälle verursacht werden und der Fahrer nach jedem Unfallflucht begeht. Es handelt sich dann um mehrere selbständige Versicherungsfälle, für die jeweils die Höchstbeträge nach § 6 Abs. 1 KfzPflVV zur Anwendung gelangen, also addiert werden2.
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Verletzen mehrere Personen Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, ist der Versicherer gegenüber jeder der mitversicherten Personen je in Höhe von 5000 Euro leistungsfrei. Die AKB wählen aus Gründen der Verständlichkeit bei den Pflichten immer die Anrede „Sie“. Im Abschnitt F werden die Rechte und Pflichten der mitversicherten Personen gesondert geregelt. F.1 bestimmt, dass die Regelungen zu den Pflichten des Versicherungsnehmers auch sinngemäß für mitversicherte Personen Anwendung finden. Daraus folgt auch, dass jede mitversicherte Person die vertraglichen Pflichten (Obliegenheiten) trifft und eben auch die Folgen der Verletzung einer Obliegenheit.
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Hat der Versicherungsnehmer oder eine mitversicherte Person sowohl eine vor als auch nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit verletzt (der Fahrer ist alkoholisiert und begeht Unfallflucht), stellt sich die Frage, ob die Höchstsummen der jeweiligen Obliegenheitsgruppe zu addieren sind, so dass der Versicherte einen erheblich höheren Teil seines Versicherungsschutzes verliert. Nachdem diese Frage lange strittig war, hat der BGH3 nunmehr entschieden, dass die jeweiligen Höchstbeträge addiert werden können. Er verweist darauf, dass die Regelungen zu den Obliegenheiten vor und denen nach dem Versicherungsfall selbständig nebeneinander stehen und unterschiedliche Sachverhalte erfassen, unterschiedliche Interessen wahren sollen. Die Sanktionen sollen dazu dienen, den Obliegenheiten auch nachzukommen. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn nach einer Obliegen1 Vgl. Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Bd. 1 7 G Rz. 21a; Knappmann, VersR 1996, 401 unter IV; vgl. auch OLG Hamm v. 15. 4. 1999 – 27 U 236/98, VersR 2000, 1139 = MDR 1999, 864 = NVersZ 1999, 490 = NJW-RR 1999, 1189. 2 BGH v. 9. 11. 2005 – IV ZR 146/04, VersR 2006, 108 = r+s 2006, 99. 3 BGH v. 14. 9. 2005 – IV ZR 216/04, VersR 2005, 1720 = r+s 2006, 100; OLG Düsseldorf v. 20. 4. 2004 – 4 U 132/03, r+s 2004, 492 = VersR 2004, 1406; v. 31. 10. 2003 – 4 U 71/03, r+s 2004, 275 = VersR 2004, 1129.
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I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rz. 261 Teil 7
heitsverletzung eine weitere praktisch sanktionslos bliebe. Der BGH wies auch den Gedanken zurück, eine Addition dürfe nicht erfolgen, um eine unverhältnismäßige Belastung vom Versicherungsnehmer abzuwenden. Dem werde schon durch die Begrenzung Rechnung getragen. Ohnehin sei eine besondere Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers, der zwei Obliegenheitsverletzungen begeht, nicht erkennbar. Richtig ist darauf abzustellen, dass Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls i. d. R. bezwecken, den Versicherungsfall möglichst nicht eintreten zu lassen. Demgegenüber sollen Aufklärungsobliegenheiten, die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, den Versicherer in die Lage versetzen, seine Leistungspflicht zu prüfen. Dieser unterschiedliche Schutzzweck rechtfertigt es, die Regress-Beträge zu addieren, soweit sie den unterschiedlichen Gruppen von vor und nach Eintritt zu erfüllenden Obliegenheiten zuzurechnen sind1. Der maximale Regress bei der Addition beider Höchstbeträge liegt danach bei 10 000 Euro.
260
Damit stellt sich auch die Frage, welche Grenzen beim Zusammentreffen von Gefahrerhöhung und Obliegenheitsverletzungen gelten. Folgt man dem Grundgedanken des BGH2, dass selbständig nebeneinander stehenden Pflichten jeweils auch selbständige Sanktionen zur Seite stehen, würde dies für die Addition sprechen. Allerdings verfolgen die Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall und die Vorschriften zur Gefahrerhöhung denselben Zweck, nämlich die Wahrscheinlichkei des Eintritts eines Versicherungsfalls nicht zu erhöhen. Außerdem sind Tatbestände, die eigentlich der Gefahrerhöhung zuzuordnen wären, in den AKB zu einer Obliegenheit umdefiniert worden, was deren Charakter noch unterstreicht. Ferner regelt die KfzPflVV die Sanktionsbegrenzung bei Obliegenheitsverletzung nach dem Versicherungsfall zwar in einem eigenen Paragraph (§ 6 Abs. 3), die bei Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall und bei Gefahrerhöhung aber einheitlich in § 5 Abs. 3.
261
Daraus folgt, dass zwar die Höchstbeträge beim Zusammentreffen von Gefahrerhöhung und Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall addiert werden können, nicht aber bei Gefahrerhöhung und Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall.
1 Vgl. ebenso LG Gießen v. 28. 2. 2001 – 1 S 479/00, VersR 2001, 1273 = NVersZ 2001, 332 = r+s 2001, 184 = MDR 2001, 565 = zfs 2001, 317; LG Aachen v. 2. 2. 1998 – 11 O 106/97, r+s 1998, 226. 2 BGH v. 14. 9. 2005 – IV ZR 216/04, VersR 2005, 1720 = r+s 2006, 100.
Meinecke
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Teil 7
Rz. 262
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
11. Risikoausschlüsse 262
S. dazu die tabellarische Übersicht unter Rz. 263 und die Ausführungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung, Rz. 295 ff. und die Kaskoversicherung, Rz. 387 ff.
12. Tabellarische Darstellungen a) Ausschlüsse der AKB 263
Klausel
AKB-Fundstelle
Sparte
Vorsatz
A.1.5.1, A.2.16.1
KH, Kasko
Genehmigte Rennen
A.1.5.2
KH
Schäden am versicherten Fahrzeug
A.1.5.3
KH
Schäden am Anhänger (mit Ausnahme)
A.1.5.4
KH
Beförderte Sachen (mit Ausnahme)
A.1.5.5
KH
Ansprüche gegen mitvers. Personen wegen Sach- oder Vermögensschäden
A.1.5.6
KH
Vertragliche Ansprüche, darunter auch Lieferfristen
A.1.5.7, A.1.5.8
KH
Kernernergie
A.1.5.9, A.2.16.5
KH, Kasko
Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls
A.2.16.1
Kasko
Rennen (auch ungenehmigte)
A.2.16.2
Kasko
Reifenschäden (mit Ausnahme)
A.2.16.3
Kasko
Erdbeben, Kriegsereignisse pp.
A.2.16.4
Kasko
b) Die Obliegenheiten der AKB 264
Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall Klausel
AKB-Fundstelle
Sparte
Verwendungsklausel
D.1.1
KH, Kasko
Schwarzfahrtklausel
D.1.2
KH, Kasko
Führerscheinklausel
D.1.3
KH, Kasko
Alkoholklausel
D.2.1
KH (Kasko => § 81 VVG)
Rennklausel
D.2.2
KH (Kasko => Ausschluss u. ggf. § 81 VVG)
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Meinecke
Rz. 265 Teil 7
I. Allgemeines zur Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall Klausel
AKB-Fundstelle
Sparte
Anzeigepflicht allgemein
E.1.1
KH, Kasko
Anzeigepflicht von Strafverfahren gegen VN
E.1.2
KH, Kasko
Aufklärungspflicht (darunter Verbot der Unfallflucht)
E.1.3
KH, Kasko
Schadenminderungspflicht allgemein
E.1.4
KH, Kasko
Anzeigepflicht bei Ansprüchen
E.2.1
KH
Anzeigepflicht bei gerichtl. Geltendmachung
E.2.3
KH
Überlassung der Prozessführung
E.2.4
KH
Wahrung prozessualer Fristen
E.2.5
KH
Besondere Anzeigepflichten bei Entwendung
E.3.1
Kasko
Einholung von Weisungen
E.3.2
Kasko
Anzeige bei der Polizei (Entwendung/ Brand/Wildschaden)
E.3.3
Kasko
c) Folge von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen Gefahrerhöhung
Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall
Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall
Herbeifühung des Versicherungsfalls
Vorsatz des VN
Kein Versicherungsschutz
Kein Versicherungsschutz
Kein Versicherungsschutz
Kein Versicherungsschutz
Grobe Fahrlässigkeit
Gekürzter Versicherungsschutz
Gekürzter Versicherungsschutz
Gekürzter Versicherungsschutz
Kasko: Gekürzter Versicherungsschutz KH: voller Versicherungsschutz
Einfache Fahrlässigkeit
Voller Versiche- Voller Versiche- Voller Versiche- Voller Versicherungsschutz rungsschutz rungsschutz rungsschutz
Meinecke
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265
Teil 7
Rz. 266
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Gefahrerhöhung
Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall
Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall
Herbeifühung des Versicherungsfalls
Kausalitätsgegenbeweis möglich
Ja
Ja (Nicht bei Arglist)
Ja (Nicht bei Arglist)
Entfällt (Versicherer muss Kausalität beweisen)
Belehrungserfordernis
Nein
Nein
Ja (nicht bei Arglist)
Nein
Besonderheiten KH
Beschränkung auf max. 5000 Euro
Beschränkung auf max. 5000 Euro (volle Leistungsfreiheit gegenüber Fahrer, der Kfz durch Straftat erlangt)
Entfällt Beschränkung auf max. 2500 bzw. 5000 Euro (volle Leistungsfreiheit bei Betrug)
Fristen
Nein Bei Anzeigepflichtverletzung Eintritt des Versicherungsfalls 1 Monat nach Zeitpunkt der Anzeigepflicht; bei subjektiver Gefahrerhöhung keine Frist
Nein
II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 1. Allgemeines a) Pflichtversicherung und Kontrahierungszwang 266
Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist bekanntlich eine Pflichtversicherung. Dies müsste nicht erwähnt werden, wenn nicht einige Folgerungen daraus des Hinweises bedürften. Nach § 1 PflVG ist der „Halter“ des Fahrzeugs verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, wer den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, sei auch der Halter.
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Meinecke
II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 270 Teil 7
! Hinweis: Nicht immer ist Halter, wer den Versicherungsvertrag geschlossen hat. Halter ist, wer das Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt1. Der Halter genügt seiner Versicherungspflicht auch dann, wenn er einen Dritten den Vertrag abschließen lässt. Davon wird in der Praxis dann Gebrauch gemacht, wenn der Dritte z. B. eine günstigere Prämie erlangen kann.
267
Wenn der Gesetzgeber dem einzelnen Kfz-Halter zur Pflicht macht, für das Fahrzeug eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, muss auch sichergestellt sein, dass der Halter einen Versicherer findet, der mit ihm einen Vertrag schließt. Daraus ergibt sich ein Kontrahierungszwang, § 5 Abs. 2 PflVG. Der Kontrahierungszwang gilt für alle Fahrzeugarten, auch für die gewerblichen Fahrzeuge. Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 PflVG lässt, ebenso wie der Sinn der Vorschrift, zugunsten etwaiger Geschädigter und der Versicherten einen lückenlosen Deckungsschutz zu schaffen, keine Ausnahme zu2. Der Versicherer muss den Antrag auf Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages also grundsätzlich annehmen. Dieser Annahmezwang entfällt nur, wenn die in § 5 Abs. 4 PflVG aufgeführten Gründe vorliegen. Das ist u. a. der Fall, wenn der Antragsteller bereits bei dem Unternehmen versichert war und das Unternehmen den Vertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Vertrag zurückgetreten ist wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten oder Nichtzahlung der Erstprämie oder den Vertrag gekündigt hat wegen Prämienverzugs oder nach Eintritt eines Versicherungsfalls.
268
Der Versicherer kann die Annahme aber von einer Vorschusszahlung oder der Zahlung der Erstprämie abhängig machen. Der Kontrahierungs- und Annahmezwang ist allerdings nur auf die Mindestversicherungssumme beschränkt. Einen darüber hinaus gehenden Teil dürfen die Versicherer ablehnen3, auch noch nach Ablauf der nachfolgend zitierten Zweiwochenfrist.
269
§ 5 Abs. 3 PflVG enthält eine Annahmefiktion. Danach gilt der Antrag auf Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages für Zweiräder, Personen- und Kombinationskraftwagen bis zu 1 t Nutzlast als angenommen, wenn der Versicherer ihn nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang schriftlich abgelehnt oder ein Gegenangebot gemacht hat. Der
270
1 St. Rspr. vgl. BGH v. 22. 3. 1983 – VI ZR 108/81, BGHZ 87, 133 (135) = NJW 1983, 1492; Römer/Langheid/Römer, VVG, § 1 PflVG Rz. 8 m. w. N. 2 Vgl. auch VerBAV 1996, 19. 3 BGH v. 9. 7. 1986 – IVa ZR 5/85, VersR 1986, 986.
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Teil 7
Rz. 271
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Versicherer kann nur aus den in § 5 Abs. 4 PflVG genannten Gründen oder einer nachweisbar höheren Gefahr ablehnen. Die Fiktion gilt nicht für Taxen, Personenmietwagen und Selbstfahrervermietfahrzeuge (wohl aber der Annahmezwang, s. fi Rz. 268). 271
§ 5 Abs. 1 bis 4 PflVG gilt auch für den selbständigen Vertrag (s. fi Rz. 2) der vorläufigen Deckung1. b) Ausnahmen von der Pflichtversicherung
272
§ 2 PflVG befreit den Bund, die Länder, Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern und Gemeinde- und Zweckverbände von der Versicherungspflicht. In diesen Fällen ist der Zweck der Pflichtversicherung gewahrt, nämlich hinreichendes Vermögen des Schuldners. Hat ein nach § 2 PflVG befreiter Halter dennoch eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen, so hat der Geschädigte gem. § 3 Nr. 1 PflVG wie auch sonst einen Direktanspruch gegen den Versicherer2. Außerdem gilt die Versicherungspflicht nicht für bestimmte Fahrzeuge wie Arbeitsmaschinen und nicht zulassungspflichtige Anhänger. c) Kfz-Haftpflichtversicherung mit Selbstbeteiligung
273
Eine Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers ist in der Kaskoversicherung üblich und gängig, s. Rz. 452. Auch in der Kfz-Haftpflichtversicherung hat sie sich nach der Tariffreigabe in der Mitte der Neunzigerjahre vor allem bei größeren Fahrzeugflotten eingebürgert. Hin und wieder kamen Zweifel an der Zulässigkeit solcher Vereinbarungen auf, weil es sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung um eine Pflichtversicherung handelt. Mit der VVG-Reform können diese Zweifel nicht mehr bestehen, weil der Gesetzgeber mit § 114 Abs. 2 VVG Selbstbehalte zugelassen hat. Allerdings legt § 114 Abs. 2 S. 2 VVG ausdrücklich im Interesse des Opferschutzes fest, dass ein etwaiger Selbstbehalt dem geschädigten Dritten nicht entgegen gehalten werden kann und er auch nicht für mitversicherte Personen gilt. In diesem Zusammenhang tritt aber im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer die Frage nach der Regulierungsvollmacht auf. Diese ist eigentlich uneingeschränkt, vgl. Rz. 340. Das LG Berlin3 hielt aber die Vereinbarung über eine Selbstbeteiligung bei uneingeschränkter Regulierungsvollmacht für unwirksam. Im Licht der neuen gesetzlichen Regelung stellt sich umgekehrt die Frage, ob bei Vereinbarung einer zulässigen Selbstbeteiligung die Regulierungsvollmacht des 1 Vgl. Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 744. 2 BGH v. 17. 2. 1987 – VI ZR 75/86 – unter II 3, VersR 1987, 1034. 3 LG Berlin v. 11. 8. 2005 – 17 S 62/04, r+s 2007, 10.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 274 Teil 7
Versicherers uneingeschränkt bestehen kann. Eine solche Vereinbarung in den Bedingungen wird man aber auch bei Verträgen mit Selbstbeteiligung für zulässig halten müssen. Die Regulierungsvollmacht dient nämlich auch dem Interesse des Verkehrsopfers, das nicht uneinsichtigen Schädigern ausgesetzt sein soll, die sich erst durch ein Gerichtsurteil belehren lassen müssen.
2. Deckungsumfang a) Befriedigung und Abwehr von Ansprüchen Wie bei jeder Haftpflichtversicherung geht der Anspruch des Versicherungsnehmers auch in der Kfz-Haftpflichtversicherung darauf, dass der Versicherer begründete Ansprüche des Geschädigten befriedigt, damit der Versicherungsnehmer also von solchen Ansprüchen befreit wird. Dazu gehört auch, dass der Versicherer unbegründete Ansprüche abwehrt, A.1.11 bis A.1.13 AKB. Grundsätzlich kann der Versicherungsnehmer nur Zahlung an den Geschädigten, nicht aber an sich selbst verlangen. Gerichtliche und außergerichtliche Kosten fallen dem Versicherer zur Last, Kosten für die Verteidigung in einem Strafverfahren allerdings nur, wenn sie auf Weisung des Versicherers aufgewendet wurden, § 101 Abs. 1 VVG. Dabei geht es nur um die Abwehr von Schadensersatzansprüchen, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erhoben werden. Dazu gehören nicht die Aufwendungsersatzansprüche, die einer Behörde im Rahmen der Gefahrenabwehr für Suchund Bergungskosten entstanden sind. Sie sind öffentlich-rechtlicher Natur1. Wenn allerdings eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehemrs sowohl aufgrund einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung privatrechtlichen Inhalts als auch auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs in Betracht kommt, ist dieser von der Kfz-Haftpflichtversicherung zu decken, gleich welcher Anspruch gegen den VN konkret erhoben wird2. Wenn ein Zivildienstleistender mit dem Fahrzeug seiner privatrechtlich organisierten Dienststelle einen Verkehrsunfall schuldhaft verursacht, so hat der Zivildienstleistende selbst als Fahrer des Fahrzeugs aufgrund Art. 34 GG für den eingetretenen Schaden nicht einzustehen. Dann aber ist die Voraussetzung eines Anspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger aufgrund gesetzlicher Haftungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts dem Wortlaut nach nicht gegeben. Indessen hat der BGH § 10 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) AKB a. F., der inhaltlich den oben zitierten neuen AKB-Bestimmungen entspricht, in einem solchen Fall erweiternd aus1 Vgl. z. B. VG Regensburg v. 16. 1. 2001 – RO 11 K 99.2286, VersR 2001, 1274 m. Anm. Troidl = NVersZ 2002, 189. 2 BGH v. 20. 12. 2006 – IV ZR 325/05, r+s 2007, 94 = VersR 2007, 200.
Meinecke
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1001
274
Teil 7
Rz. 275
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
gelegt mit der Folge, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer für den materiellen wie den immateriellen Schaden allein haftet und ihm deshalb der Rückgriff gegen die Bundesrepublik Deutschland verwehrt ist1. b) Gebrauch eines Fahrzeugs 275
Nach A.1.1.1 AKB hat der Versicherer nur für solche Schäden eines Dritten einzustehen, die „durch den Gebrauch“ des Fahrzeugs entstanden sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Fahrzeug auf öffentlichem oder privatem Gelände gebraucht wird2. aa) Begriff des Gebrauchs
276
Der Begriff des „Gebrauchs“ eines Fahrzeugs schließt den Betrieb i. S. von § 7 StVG ein und geht noch darüber hinaus. Er bestimmt sich nach dem Interesse, das der Versicherte daran hat, durch den Einsatz des Kraftfahrzeugs nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden, gleich ob diese auf den §§ 7 ff. StVG, den §§ 823 ff. BGB oder anderen Haftungsnormen beruhen3. Durch den Gebrauch des Fahrzeugs ist der Schaden nur eingetreten, wenn er mit dem versicherten Wagnis in adäquatem Ursachenzusammenhang steht. Ausgangspunkt für die Abgrenzung muss die Erwägung sein, dass die typische, vom Gebrauch des Fahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahr gedeckt sein soll. Eine wesentliche Ausweitung des Versicherungsschutzes nach A.1.1.1 AKB über die unmittelbar vom Fahrzeug körperlich ausgehende Gefahr hinaus würde den Zweck der Bestimmung überschreiten4. bb) Beispiele für Gebrauch
277
(S. auch die Fälle zur Benzinklausel, fi Rz. 288 ff.) Das Be- und Entladen gehört zum Gebrauch des Fahrzeugs5. So ist das Entladen von Öl aus einem Tanklastzug mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe noch Gebrauch des Fahrzeugs6. Entscheidend ist, ob der Beladevorgang begonnen bzw. der Entladevorgang beendet ist. Ein durch die 1 BGH v. 15. 2. 2001 – III ZR 120/00, BGHZ 146, 385 = VersR 2001, 578 = r+s 2001, 271 = DAR 2001, 271 = NZV 2001, 212. 2 Vgl. BGH v. 25. 10. 1995 – VI ZR 107/94, VersR 1995, 90 = r+s 1995, 44 = NJW-RR 1995, 215. 3 BGH v. 26. 6. 1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45 = NJW 1979, 2408; v. 23. 2. 1977 – IV ZR 56/76, VersR 1977, 418; v. 25. 10. 1995 – VI ZR 107/94, VersR 1995, 90 = r+s 1995, 44 = NJW-RR 1995, 215. 4 BGH v. 10. 7. 1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52 = VersR 1980, 1039 = NJW 1980, 2525. 5 Vgl. BGH v. 19. 9. 1989 – VI ZR 301/88, VersR 1989, 1187. 6 BGH v. 26. 6. 1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45 = NJW 1979, 2408 = VersR 1979, 956.
1002
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Meinecke
II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 280 Teil 7
Ladung selbst entstandener Schaden (Beisp.: Auslaufen von Fässern) ist nicht durch die Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt1. Um einen Beladevorgang handelt es sich im Allgemeinen auch, wenn der Einkaufswagen eines Supermarktes benutzt wird, um die Ware in den Pkw umzuladen. Solange der Umladevorgang nicht abgeschossen ist, aber schon begonnen hat, sind dadurch entstandene Personen- oder Sachschäden eines Dritten von der Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt2. Die motorgetriebene Verwendung des Spülschlauchs eines Reinigungsfahrzeuges gehört ebenfalls zum Gebrauch des Fahrzeuges3 Ein mit einem Anhänger transportiertes Schaf entspringt beim Abladen, gerät auf die Fahrbahn und bringt einen Radfahrer zu Fall, der sich dadurch verletzt. Der verursachte Schaden ist noch zum Gebrauch des Fahrzeugs zu zählen, weil der Entladevorgang nicht ordnungsgemäß beendet war4.
278
Die Versicherungsnehmerin wollte an einem Anhänger, der mit ihrem Mofa verbunden war, Ladung mit einem Spanngurt befestigen. Dabei wurde der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt hinter ihr hockte, beim Anziehen des Spanngurts entweder durch ein Abrutschen der bereits eingehängten Seite des Spanngurts oder durch eine ausladende Arm- und Handbewegung der Versicherungsnehmerin am Auge verletzt. Das Sichern der Ladung mittels eines Spanngurts ist als eine geradezu typische Handlung im Zusammenhang mit dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs anzusehen5.
279
Das Aus- und Einsteigen von Personen gehört noch zum Gebrauch. Auch Handlungen, die vor dem Einsteigen oder nach dem Aussteigen liegen, können noch zum Gebrauch des Fahrzeugs zu rechnen sein, so z. B. bei Reparaturarbeiten, etwa das Auswechseln eines defekten Rades. Auch wenn der Fahrer vollständig ausgestiegen ist und Passanten nach dem Weg für die Weiterfahrt fragt, besteht noch ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeugs6.
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Deckungsprobleme können entstehen, wenn ein Beifahrer beim Aussteigen einen Drittschaden verursacht. Der Beifahrer ist normalerweise nicht mitversicherte Person. Der Versicherer muss dem Halter und Fah1 Vgl. Stiefel/Maier, AKB A.1.1 Rz. 32 ff. u. Rz. 45 ff. 2 Vgl. den Fall LG Limburg v. 21. 7. 1993 – 3 S 263/92, NJW-RR 1994, 486 = zfs 1993, 377: Voller Einkaufswagen kam ins Rollen, während der Versicherungsnehmer noch erst den Schlüssel zum Pkw suchte, Beladen hatte noch nicht begonnen, kein Gebrauch des Kfz; ebenso AG Stuttgart v. 20. 6. 1997 – 2 C 698/97, r+s 1998, 105. 3 OLG Hamm v. 12. 12. 2003 – 20 U 140/03, r+s 2004, 98 = VersR 2004, 773. 4 OLG Stuttgart v. 20. 9. 1994, r+s 1995, 3. 5 OLG Frankfurt/M. v. 7. 5. 2009 – 1 U 264/08, SP 2009, 300. 6 BGH v. 10. 7. 1980 – IVa ZR 17/80 – unter 2d, BGHZ 78, 52 = VersR 1980, 1039 = NJW 1980, 2525.
Meinecke
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1003
Teil 7
Rz. 281
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
rer Deckung gewähren. Kommt als Haftungsnorm ein Verschulden des Fahrers in Betracht (etwa wegen nicht ausreichender Sicherung des Aussteigevorgangs) oder eine Haftung des Halters aus der Betriebsgefahr (was i. d. R. der Fall sein dürfte), muss der Kfz-Haftpflichtversicherer den Drittschaden ausgleichen. Hat der nicht mitversicherte Insasse schuldhaft gehandelt, kann ihn der Kfz-Haftpflichtversicherer aus dem Gesichtspunkt der gesamtschuldnerischen Haftung in Regress nehmen. Der Insasse hat allerdings Deckung für diesen Vorgang in seiner Privathaftpflichtversicherung, denn sie sog. Benzinklausel greift hier nicht, vgl. Rz. 288. Manche Unternehmen haben den Katalog der mitversicherten Personen um die berechtigten Insassen erweitert, häufig aber subsidiär zur Privathaftpflichtversicherung. 281
Der Versicherungsnehmer A kommt bei Glätte von der Fahrbahn ab. Sein Fahrzeug bleibt neben der Straße liegen. A verlässt sein Fahrzeug, geht zum Straßenrand und überquert die Fahrbahn. Die Zeugin B kommt mit ihrem Fahrzeug, erschrickt sich wegen der Gestalt im Dunkeln auf der Fahrbahn und kommt mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern. An ihrem Fahrzeug entstand erheblicher Schaden. Das OLG Hamm1 geht von den oben (fi Rz. 276) wiedergegebenen Grundsätzen des BGH aus. Es stellt fest, der Versicherungsnehmer A habe nicht etwa die Zeugin B anhalten wollen, um sie vor der Glätte zu warnen. Er habe vielmehr Hilfe gesucht, um auch alsbald die Polizei zu unterrichten. Das habe wegen des § 142 StGB nahe gelegen, denn er habe einen Fremdschaden verursacht, nämlich eine Schneise in die Weide gerissen. Die Polizei zu unterrichten, gehöre aber zu dem Pflichtenkreis eines Fahrers (zum Aussteigen des Fahrers s. auch fi Rz. 280). Der Schaden am Fahrzeug der B war also noch von der Kfz-Haftpflichtversicherung des A gedeckt, weil er noch durch den Gebrauch eines Fahrzeugs des A entstanden war. Auch bei einem ähnlich gelagerten Fall hat das OLG Hamm Gebrauch (und Betrieb) des Kraftfahrzeugs bejaht: Ein Lkw-Fahrer hatte den Lkw auf dem rechten Seitenstreifen der Autobahn abgestellt, um dann als Fußgänger vom Mittelstreifen aus verlorene Fahrzeug-Ladepapiere aufzusammeln, und veranlasste durch diese Tätigkeit eine Ausweichreaktion eines Pkw-Fahrers, die wiederum zur Kollision mit einem anderen Pkw führte, der wegen des rechts stehenden Lkw den Fahrstreifen gewechselt hatte2.
282
Ein Kläger verlangte Schadensersatz für sein Pferd. Dieses hatte sich planwidrig durch einen 12,8 m breiten Ausgang von einem Rennen verabschieden wollen. Ein bei dem Rennverein angestellter Fahrer hatte seinen Unimog in diesem Ausgang vorübergehend abgestellt. Das Pferd 1 OLG Hamm v. 16. 8. 1999 – 6 U 227/98, VersR 2000, 1270 = NVersZ 2000, 42 = r+s 1999, 494 = NJW-RR 2000, 32. 2 OLG Hamm v. 24. 11. 2008 – 6 U 105/08, DAR 2009, 201.
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Meinecke
II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 284 Teil 7
prallte so stark gegen den Unimog, dass es wegen seiner Verletzungen noch am selben Tag notgeschlachtet werden musste. Der BGH1 hat den Anspruch auf Ersatz bejaht. Einem „Gebrauch“ des Unimogs stehe hier nicht entgegen, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls vorübergehend abgestellt war. Hierdurch sei die von ihm ausgehende Betriebsgefahr nicht beendet gewesen. Gerade von einem stehenden Fahrzeug könnten – je nach seinem Standort – besondere Gefahren ausgehen. cc) Beispiele für keinen Gebrauch Ein Fahrer hatte seinen Schulbus gegenüber seinem Haus abgestellt. Er verließ das Fahrzeug und überquerte die Fahrbahn. Nach einem Meter wurde er von einem Pkw erfasst. Der Fahrer wurde getötet, der Pkw schwer beschädigt. Der Halter des Pkw nahm den Kfz-Haftpflichtversicherer, bei dem der Schulbus versichert war, auf Schadensersatz in Anspruch. Ohne Erfolg2. In Fällen, in denen ein Gebrauch des Fahrzeugs nur durch den Fahrer in Frage steht, ist auf die typische Tätigkeit und die vom Gesetz vorgeschriebenen Pflichten des Fahrers eines Kfz abzustellen. Nur der Fahrer kommt als Verursacher des in Frage stehenden Unfallrisikos in Betracht. Sollen die Risiken seiner Handlungen der von dem Gebrauch eines Fahrzeugs ausgehenden Gefahr hinzugerechnet werden, dann müssen dies typische Fahrerhandlungen sein. Eine typische Fahrerhandlung liegt aber nur vor, wenn sie in den gesetzlichen oder durch die Verkehrsauffassung bestimmten Aufgabenkreis eines Kraftfahrers fällt und in Zusammenhang mit einer bestimmten Fahrt geschieht. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Der Gang zu seinem Haus über die Fahrbahn ist keine typische Fahrerhandlung. Der Fahrer hatte das Fahrzeug bereits vollständig verlassen. Der Aussteigevorgang war beendet. Die geringe Entfernung vom Fahrzeug und der kurze Zeitraum zwischen Aussteigen und dem Unfall können für sich allein einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Gebrauch des Fahrzeugs und dem Unfall nicht begründen.
283
Ein Landwirt besprühte für einen Dritten mit seiner Kfz-haftpflichtversicherten Zugmaschine und an dieser angebrachten Anbauspritze Gurken auf dem Feld mit Dünger. Versehentlich waren in der Spritze Rückstände eines Krautabtötungsmittels verblieben. Die Gurken wurden verätzt. Der Schaden für den Ernteausfall betrug über 23 000 DM (rd. 11 761 Euro). Der Landwirt wurde auf Ersatz dieses Schadens von dem Dritten in Anspruch genommen. Der BGH3 hat die Schadensverursachung nicht mehr dem Gebrauch des Fahrzeugs zugerechnet. Es hatte sich keine Gefahr verwirklicht, die von dem Fahrzeug selbst ausgegangen war.
284
1 BGH v. 25. 10. 1995 – VI ZR 107/94, VersR 1995, 90 = r+s 1995, 44 = NJW-RR 1995, 215. 2 BGH v. 10. 7. 1980 – IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52 = VersR 1980, 1039 = NJW 1980, 2525. 3 BGH v. 27. 10. 1993 – IV ZR 243/92, VersR 1994, 83 = NJW-RR 1994, 218.
Meinecke
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1005
Teil 7
Rz. 285
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
An diesem Merkmal fehlt es auch, wenn es im Anschluss an einen Verkehrsunfall zu einer tätlichen Auseinandersetzung kommt1. 285
Wenn das Be- oder Entladen beendet ist, gehört ein weiterer Vorgang nicht mehr zum Gebrauch des Fahrzeugs. Das Entladen ist beendet, wenn die Ladung das Fahrzeug verlassen hat und erstmals abgestellt wird. Dementsprechend ist der Transport eines Möbelstücks beendet, wenn der Träger es nach dem ersten Abstellen wieder aufgenommen hat2. Beendet ist der Entladevorgang auch dann, wenn die Träger des Transportgutes sich mit diesem schon zwei oder drei Schritte entfernt hatten und dann erst das Transportgut entgleitet3.
286
Wenn anlässlich von Reparaturarbeiten am Fahrzeug Drittschäden entstehen, ist die Frage des Gebrauchs des Fahrzeugs häufig umstritten. Nicht gewerbsmäßige Reparaturarbeiten, bei denen sich die besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugs auswirken, werden dem Gebrauch zugeordnet4- hier Brand durch Schweißarbeiten am Fahrzeug. Hier muss aber geprüft werden, ob der Haftende mitversicherte Person der Kfz-Haftpflichtversicherung ist, also entweder Halter oder Eigentümer. Die Fahrereigenschaft besitzt er i. d. R. nicht5.
287
Eine Warenlieferung wurde aus dem Tank eines Lkw in ein falsches Silo gepumpt. Das LG Koblenz6 sah in der Befüllung des falschen Silos keinen unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gebrauch des Lkw, aus dem das Transportgut entladen wurde. Vielmehr sei der eingetretene Schaden lediglich bei Gelegenheit des Gebrauchs des Lkw entstanden. c) Abgrenzung zur Benzinklausel
288
In den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung (BBR) findet sich unter Nr. 3 die sog. kleine7 Benzinklausel. Sie lautet üblicherweise8: 1 OLG Saarbrücken v. 24. 7. 2001 – 5 W 223/01-66, VersR 2002, 1417. 2 Vgl. OLG Hamm v. 2. 11. 1990 – 20 U 78/90, VersR 1991, 652 = r+s 1991, 83. 3 OLG Köln v. 13. 9. 1994 – 9 U 97/94, r+s 1995, 250 = VersR 1996, 50: Transport einer Sonnenbank. 4 S. u. a. BGH v. 14. 12. 1988 – IVa ZR 161/87, NJW-RR 1989, 412 = r+s 1989, 44. 5 S. LG Koblenz v. 18. 11. 2003 – 1 O 284/02, r+s 2004, 97. 6 LG Koblenz v. 14. 5.2009 – 14 S 118/08, DAR 2009, 468. 7 Nach der sog. Großen Benzinklausel ist ausgeschlossen die Haftpflicht wegen Schäden, die der Versicherungsnehmer, ein Mitversicherter oder eine von ihnen bestellte oder beauftragte Person durch den Gebrauch eines Kfz oder Kfz-Anhängers verursachen; vgl. Stiefel/Maier, AKB A.1.1 Rz. 49; Hofmann, NVersZ 1998, 54. 8 Vgl. auch Nr. 4.2.1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für Industrie, Handel und Gewerbe (Betriebshaftpflichtversicherung), abgedruckt und kommentiert von Lücke in Prölss/Martin, VVG, S. 1584.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 290 Teil 7
„Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.“ Mit der Verwendung der Wörter „durch den Gebrauch des Fahrzeugs“ nimmt die Klausel die Formulierung der AKB auf. Damit wird bezweckt, dass ein Haftpflichtschaden, der unter die Kfz-Haftpflichtversicherung fällt, nicht auch von der allgemeinen – privaten – Haftpflichtversicherung gedeckt ist. So wird eine Doppelversicherung vermieden. Andererseits soll mit der Klausel auch erreicht werden, dass Schäden im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug, die die Kfz-Haftpflichtversicherung nicht deckt, jedenfalls von der allgemeinen Haftpflichtversicherung erfasst werden. So wird nicht nur eine Doppelversicherung, sondern auch eine Deckungslücke vermieden1. Bei der Auslegung des Begriffs „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ in A.1.1.1 AKB ist deshalb auch darauf zu achten, dass das Ergebnis der Auslegung einen nahtlosen Anschluss an die allgemeine Haftpflichtversicherung erreicht, also keine Deckungslücke entsteht. Allerdings darf die Forderung, eine Deckungslücke müsse vermieden werden, nicht dahin missverstanden werden, dass z. B. in der Kfz-Haftpflichtversicherung Deckungsschutz gewährt wird, obwohl das Risiko, das sich verwirklicht hat, nicht versicherbar ist. Beispiel: Der 16-jährige Sohn einer Versicherungsnehmerin hatte unbefugt einen noch nicht zugelassenen und nicht versicherten fabrikneuen Pkw gefahren und das Fahrzeug beschädigt. Er wurde auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Mutter begehrte als Versicherungsnehmerin für ihren mitversicherten Sohn vom Privathaftpflichtversicherer Deckungsschutz. Dieser lehnte unter Hinweis auf die Benzinklausel jede Leistung ab, obwohl der Schaden durch eine Kfz-Haftpflichtversicherung nicht gedeckt war, also eine Deckungslücke bestand. Wie der BGH2 ausführte, ist für den Deckungsschutz allein entscheidend, ob sich der Art nach ein Risiko der Privat- oder der Kfz-Haftpflichtversicherung verwirklicht hat. Der Sohn der Versicherungsnehmerin hatte hier ein Risiko verwirklicht, das im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Kfz stand. In der Kfz-Haftpflichtversicherung war dieses Risiko grundsätzlich nicht versicherbar. Der Versicherungsnehmerin musste der Versicherungsschutz trotz bestehender Versicherungslücke versagt bleiben. Das Fehlverhalten ihres Sohnes ist in keiner der beiden Versicherungsarten versicherbar.
289
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Fall eher der privaten oder der KfzHaftpflichtversicherung zuzuordnen ist, kommt es darauf an, inwieweit der Schaden mit der Gefahrgeneigtheit eines Kfz-Gebrauchs in Zusammenhang steht.
290
1 BGH v. 27. 6. 1984 – IVa ZR 7/83, VersR 1984, 854. 2 BGH v. 16. 10. 1991 – IV ZR 257/90, VersR 1992, 47 = NJW 1992, 315 = NZV 1992, 74 = zfs 1992, 90 = DAR 1992, 101.
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Teil 7
Rz. 291
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Beispiel: Ein Taxifahrer A hatte in der Neujahrsnacht eine tätliche Auseinandersetzung mit einem Passanten, der hierbei eine schwere Augenverletzung davontrug. A hatte in seinem stehenden Taxi gesessen und gesehen, wie der Passant einen gezündeten Knallkörper warf, und zwar nicht auf das Taxi oder in dessen Nähe, sondern in eine Hofeinfahrt, in der das Privatfahrzeug des A abgestellt war. A ging nicht deshalb gegen den Passanten vor, um ein Hindernis für den Gebrauch eines Pkw oder die Gefahr der Explosion eines weiteren Knallkörpers neben diesem Pkw oder dem Taxi zu beseitigen. Er wollte den Passanten wegen seines Tuns zur Rechenschaft ziehen.
Der BGH1 hat den Schaden (Verletzung des Passanten) nicht als durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht angesehen. In dem Verhalten des A habe sich nur eine besondere Charaktereigenschaft gezeigt, die unabhängig von dem Besitz eines Fahrzeugs gegeben sei. Auch wenn A durch Beschädigung oder Gefährdung seiner Fahrzeuge besonders leicht reizbar gewesen sein sollte, sei dies doch in seiner Persönlichkeitsstruktur begründet und habe nichts mit der Gefahrgeneigtheit eines Kfz-Gebrauchs zu tun. In der Kfz-Haftpflichtversicherung bestand also kein Versicherungsschutz. Recht eindeutig liegt Gebrauch des Kfz und damit die Zuordnung zum Deckungsumfang der Kfz-Versicherung und nicht der Allgemeinen Haftpflichtversicherung, bei der der Ausschluss der Kleinen Benzinklausel greift, vor, wenn der Motor angelassen und der Automatikwahlhebel unsachgemäß betätigt wird, auch wenn keine Absicht bestand, mit dem Kfz zu fahren2. Nach dem BGH3 setzt der Ausschluss einer Deckung von Haftpflichtansprüchen in der Privathaftpflichtversicherung wegen Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht sind, voraus, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist. 291
Besondere Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug – häufig verbunden mit Schweißarbeiten – repariert und dadurch ein Schaden eines Dritten entsteht, etwa weil das Gebäude abbrennt. Grundsätzlich ist die Fahrzeugreparatur als Gebrauch eines Fahrzeugs i. S. d. A.1.1.1 AKB anzusehen und damit von der Kfz-Haftpflichtversicherung abgedeckt. Der Privathaftpflichtversicherer braucht nicht einzustehen. 1 BGH v. 27. 6. 1984 – IVa ZR 7/83, VersR 1984, 854. 2 LG Dortmund v. 18. 3. 2010 – 2 S 51/09, r+s 2010, 466. 3 BGH v. 13. 12. 2006 – IV ZR 120/05, r+s 2007, 102 = DAR 2007, 207.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 294 Teil 7
Beispiele: Das Fahrzeug gerät bei Schweißarbeiten in Brand, der auf die Werkstatt übergreift und sie vernichtet1. Oder ein Fahrzeug wird in einer Scheune repariert, die abbrennt2. Es kommt nicht darauf an, ob das Fahrzeug – etwa zur Probefahrt – bewegt worden ist oder ob der Motor angelassen wurde.
292
Allerdings ist die Rechtsprechung des BGH zu diesen Reparaturfällen nicht ganz einheitlich3. In einem Falle war ein nicht mehr zugelassener Pkw bei Schweißarbeiten in Brand geraten und hatte einen Gebäudeschaden herbeigeführt. Der BGH4 stellte in dieser Entscheidung darauf ab, dass das Risiko in der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht versichert und auch nicht versicherbar war, weil die Voraussetzungen einer Ruheversicherung (H.1 AKB) nicht vorlagen. Obwohl sich das typische Kfz-Risiko verwirklicht hat, soll sich der Privathaftpflichtversicherer nicht auf die Benzinklausel berufen dürfen, weil anderweitiger Versicherungsschutz nicht zu erreichen gewesen sei. Auch das OLG Nürnberg5 hat in einem Fall den Schaden der Privathaftpflichtversicherung zugeordnet. Der Leitsatz lautet: „Wenn es bei Schweißarbeiten an einem Kfz, die der Schweißende aus Gefälligkeit für seine Verlobte durchführt, zu einem Brand kommt, dann sind diese Schweißarbeiten jedenfalls dann nicht dem Gebrauch des Kfz i. S. d. § 12 AKB6 zuzurechnen, wenn der Schweißende das Fahrzeug nur gelegentlich benutzt und nicht Mitbesitzer ist.“ Das Interesse des Verursachers, von welcher Versicherung der Schaden gedeckt wird, ist zwiespältig: Hat er sowohl eine Kfz- wie eine PrivatHaftpflichtversicherung, ist ihm in der Regel daran gelegen, eine Rückstufung des Schadenfreiheitsrabatts zu vermeiden, also den Schaden von der Privat-Haftpflicht-Versicherung regulieren zu lassen. Andererseits ist er an Deckung durch die Kfz-Haftpflichtversicherung interessiert, wenn er keine Privat-Haftpflicht-Versicherung abgeschlossen hat. Um Streitigkeiten über die Zuständigkeit nicht vor Gericht austragen zu müssen, haben die Versicherer die Institution der „Paritätischen Kommission“ geschaffen, die in den Streitfällen für die Versicherer – nicht den Versicherungsnehmer – verbindlich die Zuständigkeit regelt.
293
d) Anhängerklausel A.1.1.5 AKB dehnt den Versicherungsschutz des ziehenden Fahrzeugs auch auf den damit verbundenen Anhänger oder Auflieger aus. Das gilt 1 2 3 4
BGH v. 26. 10. 1988 – IVa ZR 73/87, VersR 1988, 1283 = DAR 1989, 142. BGH v. 21. 2. 1990 – IV ZR 271/88, VersR 1990, 482 = zfs 1990, 242. Ausführlich Hofmann, NVersZ 1998, 54. BGH v. 14. 12. 1988 – IVa ZR 161/87, VersR 1989, 243 = NJW-RR 1989, 412; vgl. auch BGH v. 21. 2. 1990 – IV ZR 271/88, VersR 1990, 482 = zfs 1990, 242. 5 OLG Nürnberg v. 2. 6. 1989 – 8 U 2161/88, VersR 1990, 79. 6 Es dürfte richtig heißen: § 10 AKB.
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294
Teil 7
Rz. 295
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
auch für abgeschleppte Fahrzeuge, für die kein Versicherungsschutz besteht. Deckung besteht auch, wenn sich der Anhänger oder das abgeschleppte Fahrzeug während des Gebrauchs, s. Rz. 276, löst und sich noch in Bewegung befindet. Ob für den Anhänger eigener Versicherungsschutz besteht, spielt keine Rolle. Die Regelung, die auf § 3 KfzPflVV beruht, hat vor allem praktische Gründe, denn im Schadenfall die Verantwortlichkeit zwischen ziehendem und gezogenem ausauseinanderzuhalten, kann sich als schwierig erweisen. Dies könnte zu Streitigkeiten über die Einstandspflicht der Versicherer des ziehenden und gezogenen Fahrzeugs führen – evtl. zu Lasten des Geschädigten. A.1.1.5 AKB stellt keine Einschränkung des eigenen Versicherungsschutzes des Anhängers dar, es handelt sich nur um eine Erweiterung. Der eigene Versicherungsschutz des Anhängers bleibt weiter bestehen. Der BGH hat in einer überraschenden Entscheidung1 den Innenausgleich zwischen dem Versicherer des ziehenden Kfz und dem des Anhängers nach den Regeln der Mehrfachversicherung (Doppelversicherung) gem. § 59 VVG a. F. (jetzt § 78 VVG 2008) vorgenommen, was i. d. R. hälftige Teilung zwischen beiden Versicherern bedeutet.
3. Risikoausschlüsse der Kfz-Haftpflichtversicherung a) Allgemeines 295
Der nach A.1 AKB vereinbarte Umfang der Deckung erfährt Einschränkungen durch Risikoausschlüsse. Diese bewirken nicht, dass der Geschädigte keinen Anspruch gegen den Halter oder Fahrer hat. Es besteht aber von vornherein der ansonsten nach § 3 Nr. 1 S. 1 PflVG gegebene Direktanspruch gegen den Haftplichtversicherer nicht2. Wenn man sagt, der Direktanspruch bestehe zunächst, entfalle aber, wenn die Voraussetzungen z. B. des § 103 VVG vorliegen, so ändert sich das Ergebnis nicht3. b) Gesetzlicher Ausschluss des § 103 VVG
296
Nach § 103 VVG (A.1.5 AKB) haftet der Haftpflichtversicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes gilt dieser subjektive Risikoausschluss nicht nur für den Versicherungsnehmer, sondern auch für den mitversicherten Fahrer4. Wird der Versicherungsnehmer, der nicht 1 BGH v. 27. 10. 2010 – IV ZR 279/08, VersR 2011, 105. 2 Vgl. BGH v. 20. 6. 1990 – IV ZR 298/89, VersR 1990, 888 = NJW 1990, 2387 = NZV 1990, 386 = r+s 1990, 291, zu § 152 VVG. 3 S. die Darstellung bei Maier/Biele, Die Kraftfahrthaftpflichtversicherung, Rz. 104. 4 BGH v. 15. 12. 1979 – VI ZR 97/69, NJW 1971, 459 = VersR 1971, 239.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 300 Teil 7
Fahrer ist, als Halter in Anspruch genommen, kann sich der Versicherer nicht auf den Leistungsausschluss berufen, es sei denn, der Halter war an der Vorsatztat des Fahrers beteiligt (z. B. an der Verabredung eines Unfalls)1. Das OLG Frankfurt2 hat in einer bisher allein gebliebenen Entscheidung3 den Direktanspruch in einem Fall zugelassen, in dem der mitversicherte Fahrer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hatte. Dieser Entscheidung ist nicht zu folgen. Sie beruht möglicherweise darauf, dass das OLG den Anspruch gegen die Verkehrsopferhilfe gem. §§ 12 ff. PflVG übersehen hat. Denn bei seinen Erwägungen zu einer „gerechtigkeitsorientierten Sanktion“ hätte man erwarten können, dass das Gericht die Möglichkeit, die Verkehrsopferhilfe in Anspruch zu nehmen, in die Erwägungen mit einbezieht und dies auch zum Ausdruck bringt.
297
Der Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers bleibt in der KfzHaftpflichtversicherung auch dann erhalten, wenn der vorsätzlich handelnde Fahrer Repräsentant des Versicherungsnehmers war4. Der Fahrer gehört in der Kfz-Haftpflichtversicherung gem. A.1.2 lit. c AKB (s. fi Rz. 313 ff.) zu den mitversicherten Personen. Der Versicherungsnehmer will sich in der Kfz-Haftpflichtversicherung gerade auch gegen solche Risiken versichern, die aus der Überlassung des Fahrzeugs an einen Dritten entstehen.
298
Durch die Neufassung des § 103 VVG hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass der Vorsatz sich nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf den Erfolg, die Schadensfolge, beziehen muss. Der Versicherer muss also Deckung gewähren, wenn der schädigende Versicherte die Schadensfolge nicht in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Das hatte die Rechtsprechung überwiegend auch schon zum § 152 VVG a. F. angenommen5.
299
Bedingter Vorsatz genügt; es reicht also, wenn der Versicherer in dem Bewusstsein handelt, durch sein Tun könne einem anderen ein Schaden erwachsen, und wenn er weiterhin den sich als möglich vorgestellten Er-
300
1 Vgl. OLG Schleswig v. 15. 11. 1994 – 9 U 85/93, VersR 1995, 827 = r+s 1995, 84. 2 OLG Frankfurt a. M. v. 23. 5. 1996 – 12 U 125/95, VersR 1997, 224 = r+s 1996, 472 = MDR 1996, 908, m. abl. Anmerkungen v. Lemcke, r+s 1996, 483, Langheid, VersR 1997, 348, Lorenz, VersR 1997, 349. 3 Vgl. OLG Oldenburg v. 29. 4. 1998 – 2 U 264/97, VersR 1999, 482 = r+s 1999, 236, ausdrücklich gegen OLG Frankfurt a. M. 4 Vgl. OLG Nürnberg v. 14. 9. 2000 – 8 U 1855/00, VersR 2001, 634 = NVersZ 2001, 44 = MDR 2001, 31 = r+s 2001, 100 = zfs 2000, 542 m. Anm. Rixecker; OLG Köln v. 30. 5. 2000 – 9 U 130/99, r+s 2000, 316 = VersR 2000, 1140 = NVersZ 2001, 44 = MDR 2000, 1429 = NJW-RR 2000, 1476. 5 OLG Hamm v. 25. 9. 1985 – 20 U 42/85, VersR 1987, 88; OLG Nürnberg v. 22. 4. 1999 – 8 U 4173/98, NVersZ 1999, 437 = VersR 2000, 46 = r+s 2001, 52; Stiefel/Hofmann, § 152 VVG Rz. 7.
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Teil 7
Rz. 301
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
folg für den Fall seines Eintretens bewusst in Kauf genommen hat1. Der Versicherte braucht die Folgen seiner Tat nicht in allen Einzelheiten vorausgesehen haben2. Das gilt auch idR bei einem in Suizidabsicht herbeigeführten Unfall3. c) Vertragliche Ausschlüsse 301
Die vertraglichen Risikoausschlüsse finden sich in A.1.5 AKB. In der KfzHaftpflichtversicherung können nur die Ausschlüsse vereinbart werden, die die Kfz-Pflichtversicherungsverordnung vorsieht. § 4 KfzPflVV schreibt vor, in welchen Grenzen sich die vertraglichen Ausschlüsse zu halten haben. Die AKB 2008 orientieren sich daran, was weitgehend auch für die Formulierungen gilt. Risikoausschlüsse unterliegen auch der richterlichen Auslegungskontrolle. Sie sind grundsätzlich eng4 und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks erfordert. Dabei sind die Grenzen zu berücksichtigen, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer nach der Wortwahl der Klausel erkennen kann. Allerdings ist bei dieser Inhaltskontrolle zu beachten, dass der Verordnungsgeber die Formulierungen durch die KfzPflichtversicherungsverordnung quasi vorgibt. Die in den AKB a. F. sich verstreut findenden Ausschlüsse sind aber immerhin in den AKB in A.1.5 gebündelt worden. Zudem schaffen die Zwischenüberschriften auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer gegliederte Klarheit.
302
Nach A.1.5.2 AKB ist Versicherungsschutz für Schäden ausgeschlossen, die bei behördlich genehmigten Rennveranstaltungen entstehen. Die Betonung liegt hier auf „behördlich genehmigt“. Dabei greift ein echter Risikoausschluss mit der Folge, dass ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer nicht besteht. Dabei handelt es sich um Fahrveranstaltungen, bei der es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt“, womit ein „Rennen“ i. S. v. § 29 StVO gemeint ist5. Es muss vor allem um die Erreichung einer möglichst hohen Geschwindigkeit gehen. Die Teilnahme an Gleichmäßigkeitsprüfungen fällt nicht unter die Rennklausel6. Das gilt auch für „Touristenfahrten“ auf einer Rennstrecke7. „Dazugehörige Übungsfahrten“ i. S. v. A.1.5.2 S. 2 AKB müssen sich unmittelbar auf ein konkretes Rennen beziehen, bei dem es auf Höchst1 BGH v. 15. 12. 1970 – VI ZR 97/69 – unter I 2c, NJW 1971, 459 = VersR 1971, 239. 2 Vgl. OLG Saarbrücken v. 11. 11. 1992 – 5 U 24/92, VersR 1993, 1004 = NJW-RR 1994, 353 = r+s 1993, 292; OLG Köln v. 16. 3. 1999 – 9 U 99/98, VersR 1999, 1270 = NVersZ 1999, 288 = r+s 1999, 233. 3 S. u. a. OLG Oldenburg v. 5. 8. 2009 – 6 U 143/09, SP 2010, 121. 4 Vgl. BGH v. 17. 12.2008 – IV ZR 9/08, zfs 2009, 212 = SP 2009, 161 m. w. N. 5 OLG Köln v. 21. 11. 2006 – 9 U 76/06, VersR 2007, 683 = r+s 2007, 12. 6 OLG Nürnberg v. 20. 6. 2007 – 8 U 158/07, r+s 2007, 370. 7 OLG Karlsruhe v. 6. 9. 2007 – 12 U 107/07, r+s 2008, 64.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 306 Teil 7
geschwindigkeit ankommt. Es muss eine vom Veranstalter organisierte Übungsfahrt zu einem bestimmten Rennen vorliegen. Von den genehmigten Rennen gem. A.1.5.2 sind die ungenehmigten Rennen zu unterscheiden. Dabei handelt es sich vor allem um die „wilden Rennen“, wie sie gelegentlich von Jugendlichen und gewissen Gruppierungen veranstaltet werden. Diese stellen „lediglich“ eine Obliegenheitsverletzung nach D.2.2 AKB dar. Hierbei besteht der Direktanspruch gegen den Versicherer, auch wenn dieser seinem Versicherungsnehmer gegenüber (eingeschränkt) leistungsfrei ist, s. Rz. 322. Nach A.1.5.3 AKB sind Haftpflichtansprüche ausgeschlossen wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens des Fahrzeugs, auf das sich die Versicherung bezieht. Diese Regelung steht in engem Zusammenhang mit A.1.5.6 AKB. Es soll vermieden werden, dass der Eigentümer oder Halter des versicherten Fahrzeugs Ansprüche gegen den Fahrer geltend machen kann. Damit würde die Kfz-Haftpflichtversicherung faktisch zu einer Kaskoversicherung.
303
Beispiel: Der Versicherungsnehmer unterhält zwei kfz-haftpflichtversicherte Pkw. Mit einem der beiden Pkw fährt die Freundin des Versicherungsnehmers hinter dem anderen Pkw her. Der Versicherungsnehmer hält mit dem von ihm gesteuerten Fahrzeug an, seine Freundin fährt mit dem von ihr gesteuerten Fahrzeug auf. An beiden Fahrzeugen entsteht Sachschaden. Der Versicherungsnehmer hat nach § 11 Nr. 2 AKB keine Ansprüche gegen den Versicherer der mitversicherten Fahrerin. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beiden Fahrzeuge bei demselben Unternehmen versichert sind oder bei verschiedenen1. Wäre der Versicherungsnehmer verletzt worden, hätte er wegen des Personenschadens Ansprüche gegen den Versicherer2.
304
Wenn auch gelegentlich dieser Ausschluss kritisiert wurde3, kann doch Sinn und Berechtigung der Regelung nicht verkannt werden. Ohne ihn wäre die Kfz-Haftpflichtversicherung geradezu eine Einladung an unredliche Versicherungsnehmer zum Betrug. Das hat offenbar auch die KfzPflVV so gesehen.
305
A.1.5.4 AKB als Ausschluss für Schäden an Anhängern und abgeschleppten Fahrzeugen korrespondiert mit A.1.5.3 AKB. Dem Anhängerausschluss liegt der Grundgedanke zugrunde, dass ziehendes und gezogenes Fahrzeug eine Einheit bilden4, der Kfz-Haftpflichtschutz des ziehenden
306
1 Vgl. LG Köln v. 5. 12. 1985 – 19 S 145/84, VersR 1985, 1030. 2 Vgl. BGH v. 10. 6. 1986 – VI ZR 113/85, VersR 1986, 1010 m. Anm. Bauer. 3 Lemcke, r+s 1997, 59, im Anschluss an OLG Hamm v. 25. 6. 1996 – 27 U 68/96, r+s 1997, 59 = VersR 1997, 303, Eheleute hatten ihre Fahrzeuge getauscht, die Ehefrau war mit dem Pkw ihres Ehemanns auf ihr eigenes vorausfahrendes Fahrzeug aufgefahren. 4 BGH v. 11. 7. 1978 – VI ZR 138/6 – unter II 1, VersR 1978, 1070 = NJW 1978, 2503.
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Teil 7
Rz. 307
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Fahrzeugs sich auch auf den Anhänger erstreckt, A.1.15 AKB, s. Rz. 294. Insofern schließt sich der Anhängerausschluss folgerichtig an den „Eigenschadenausschluss“ an. Er fußt letztlich auf § 4 Ziff. 2 KfzPflVV, der (stillschweigend) von diesem Grundsatz und Ausschluss ausgeht, indem er den Ausschluss für Schäden am eigenen Fahrzeug für das nicht gewerbsmäßige Abschleppen betriebsunfähiger Fahrzeuge verbietet. Diesem Verbot entsprechen die AKB in A.1.5.4 Satz 2. 307
A.1.5.5 AKB schließt Haftpflichtansprüche wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommen solcher Sachen aus, die mit dem versicherten Fahrzeug befördert werden. Beförderung im Sinne dieser Regelung ist als zweckgerichtetes Handeln zu verstehen, das gerade darauf abzielt, eine Ortsveränderung der Sache zu bewirken1. Satz 2 der AKB-Vorschrift stellt in Ausgestaltung von § 4 Ziff. 3 KfzPflVV klar, was nicht als beförderte Sache i. S. d. Ausschlusses zu verstehen ist. Es sind all die Gegenstände, die ein Insasse üblicherweise mit sich führt, vor allem also jene, die er am Leib trägt (Kleidung, Brille, Brieftasche werden beispielhaft erwähnt). Bei gewerblicher Personenbeförderung ergänzt sich dies noch um das üblicherweise mitgeführte Reisegepäck. Der „zufällig“ mitgeführte Flachbildschirm fällt also nicht darunter. Außerdem bleibt der Ausschluss auch bestehen bei Sachen unberechtigter Insassen, beispielsweise dem Komplizen des Fahrzeugdiebs. Nicht unter den Ausschluss fallen Kosten, die anlässlich eines Verkehrsunfalls dadurch entstehen, dass die beförderte Sache beseitigt werden muss., weil sie eine andere beeinträchtigt2.
308
Haftpflichtansprüche des Versicherungsnehmers, Halters oder Eigentümers gegen mitversicherte Personen wegen Sach- oder Vermögensschäden sind nach A.1.5.6 AKB ausgeschlossen, vgl. § 4 Ziff. 1 KfzPflVV. Ausgeschlossen sind also nicht Personenschäden, so dass Ansprüche wegen Schmerzensgeld, Heilbehandlung oder Verdienstausfall etc. unter den Versicherungsschutz fallen. Der VN einer Kfz-Haftpflichtvers. hat gegen den Versicherer keinen Anspruch auf Ersatz der an einem anderen, in seinem Eigentum stehenden Fahrzeug entstandenen Schäden, wenn eine mitversicherte Person diese Schäden durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeuges verursacht hat3.
309
A.1.5.7 und A.1.5.8 AKB bekräftigen noch einmal ausdrücklich den Ausschluss vertraglicher Ansprüche, indem Ansprüche wegen Nichteinhal1 BGH v. 29. 6. 1994 – IV ZR 229/93, VersR 1994, 1058 = NZV 1994, 355 = NJW-RR 1994, 1302. 2 BGH v. 6. 11. 2007 – VI ZR 220/06, r+s 2008, 36. 3 Vgl. BGH v. 25. 6. 2008 – IV ZR 313/06, VersR 2008, 1202 = r+s 2008, 372.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 313 Teil 7
tung von Lieferfristen und rein vertragliche Ansprüche, die über den Umfang der gesetzlichen Haftpflichtansprüche hinaus gehen, ausgeschlossen werden. Rein theoretischer Natur war glücklicherweise bisher der Ausschluss für Schäden durch Kernenergie, A.1.5.9 AKB.
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d) Beweislastverteilung Für die tatbestandlichen Voraussetzungen von Risikoausschlussklauseln ist grundsätzlich beweisbelastet, wer sich auf sie beruft, hier also der Versicherer1.
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Bei Anwendung des § 103 VVG liegt die Beweislast für die Voraussetzungen der Norm beim Versicherer2. Er muss vor allem den oben beschriebenen Vorsatz (fi Rz. 299) beweisen3. Im Allgemeinen kann der Beweis des Vorsatzes nicht durch einen Anscheinsbeweis geführt werden. Die höchstrichterliche Rspr. geht grundsätzlich davon aus, dass es keinen Anscheinsbeweis für individuelles Verhalten von Menschen gibt, weil es an einem typischen Geschehensablauf fehlt4. Wird Zurechnungsunfähigkeit geltend gemacht, so muss diese beweisen, wer sich auf sie beruft, also i. d. R. der Versicherungsnehmer5.
312
4. Mitversicherte Personen In der Kfz-Haftpflichtversicherung ist das Interesse des Halters versichert, eine Verminderung seines Vermögens durch die Inanspruchnahme Dritter zu verhindern. Bei dem Gebrauch eines Kfz kann der geschädigte Dritte aber auch andere Personen in Anspruch nehmen, z. B. den Fahrer, der nicht immer der Halter zu sein braucht. Deshalb bestimmt § 1 PflVG, dass der Halter nicht nur für sich, sondern auch zugunsten des Eigentümers und Fahrers eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen hat. A.1.2 AKB erweitert diesen Personenkreis. Es sind mitversichert: Der Halter, der Eigentümer, der Fahrer, der Beifahrer, der Omnibusschaffner und Arbeitgeber oder öffentlicher Dienstherr des Versicherungsnehmers.
1 2 3 4
Vgl. Stiefel/Maier, AKB A.1.5 Rz. 6. Berliner Kommentar zum VVG/Baumann, § 152 Rz. 28 und die dort angef. Rspr. OLG Hamm v. 18. 9. 1995 – 13 U 48/95, VersR 1996, 1358 = r+s 1996, 43. Vgl. BGH v. 4. 5. 1988 – IVa ZR 278/86, BGHZ 104, 256 = VersR 1988, 693 = NJW 1988, 2040; OLG Köln v. 16. 3. 1999 – 9 U 99/98, VersR 1999, 1270 = NVersZ 1999, 288 = r+s 1999, 233. 5 BGH v. 20. 6. 1990 – IV ZR 298/89, VersR 1990, 888 = NJW 1990, 2387 = NZV 1990, 386 = r+s 1990, 291.
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Teil 7 314
Rz. 314
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Zur Definition des Halters s. fi Rz. 266. Auch der Dieb kann Halter werden, wenn er polizeilichen Nachforschungen nicht mehr unmittelbar ausgesetzt ist und das Fahrzeug nunmehr als eigenes benutzt1. Der Begriff des Fahrers ist nicht ganz geklärt2. Überwiegend wird angenommen, dass der Begriff des Fahrers i. S. von A.1.2 lit. c AKB dem des Führers des Kraftfahrzeugs in § 18 Abs. 1 S. 1 StVG entspricht3.
! Hinweis: 315
Auch der unberechtigte Fahrer ist Fahrer i. S. v. A.1.2 lit. c AKB4. Der Versicherer ist diesem gegenüber aber nach D.1.2 AKB leistungsfrei.
! Hinweis: Das BAV5, Ausichtsbehörde für das Versicherungswesen (heute BAFin), vertrat die Auffassung, der Versicherer den Schadenfreiheitsrabatt nicht zurückstufen solle, wenn ein unberechtigte Fahrer auf einer Diebesfahrt den Schaden verursacht habe und zweifelsfrei festehe, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers in keiner Hinsicht für den entstandenen ursächlich gewesen sei. 316
A.1.2 AKB bestimmt, dass mitversicherte Personen ihre Ansprüche selbständig geltend machen können. Durch diese Vorschrift wird F.2 AKB abgeändert, wonach – wenn nichts anderes vereinbart ist – die Ausübung der Rechte nur dem Versicherungsnehmer zustehen. Die Regelung hat keine große praktische Bedeutung, ist aber notwendig, weil § 44 VVG in der Fremdversicherung einen sog. gespaltenen Anspruch normiert, wonach der Mitversicherte zwar Inhaber des Anspruchs ist, ihn aber nicht ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers geltend machen kann. Zu den gegenseitigen Auswirkungen der Obliegenheitsverletzungen der Mitversicherten und des Versicherungsnehmers und dem daraus folgenden Regress des Versicherers s. fi Rz. 330 ff., 335 ff.
5. Nachhaftung gem. § 117 Abs. 2 VVG a) Nachhaftungsfrist 317
Der Versicherer haftet dem Versicherungsnehmer gegenüber mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages nicht mehr. Das ist in der KfzHaftpflichtversicherung gegenüber dem geschädigten Dritten anders. Zu dessen Gunsten besteht Haftung noch einen Monat weiter fort, § 117 Abs. 2 VVG. Die Monatsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die 1 KG v. 9. 3. 1989 – 12 U 2502/88, VersR 1989, 905. 2 S. die Darstellung bei Stiefel/Maier, AKB A.1.2 Rz. 9 und die informative Entscheidung LG Hildesheim v. 21. 12. 1999 – 3 O 202/98, VersR 2002, 750. 3 Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 802. 4 Stiefel/Maier, AKB A.1.2 Rz. 9. 5 Geschäftsbericht des BAV 1975, 59.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 321 Teil 7
Mitteilung von der Beendigung des Vertrages (§ 25 Abs. 1 FZV) bei der Zulassungsstelle eingegangen ist. Während dieser Zeit hat die Zulassungsstelle Gelegenheit, das Kennzeichen zu entstempeln und die Zulassung zurückzunehmen. Verzögert der Versicherer die Mitteilung, bleibt seine Nachhaftung unabhängig vom Verschulden bestehen. Der Versicherer muss also darauf achten, dass seine Anzeige ordnungsgemäß ist, will er sich nicht einer längeren Nachhaftung aussetzen. Beispiel: Der Versicherer hatte den Bestand von einem anderen Versicherer übernommen, dies aber der Zulassungsstelle nicht mitgeteilt, so dass die Zulassungstelle noch den alten Versicherer führte. Als dann später der Versicherungsnehmer die Prämie nicht zahlte, schickte der neue Versicherer eine Anzeige über die Vertragsbeendigung an die Zulassungsstelle. Diese schickte die Anzeige aber zurück, weil bei ihr noch der alte Versicherer geführt war und bat um Aufklärung. Bis zur Klarstellung war keine ordnungsgemäße Anzeige erteilt, so dass die Monatsfrist zunächst nicht zu laufen begann1.
318
Verletzt die Zulassungsstelle ihre Pflichten nach § 25 Abs. 4 FZV, kann dies zu einem Anspruch des geschädigten Dritten aus Amtspflichtverletzung führen2.
319
! Hinweis: Die Nachhaftungsfrist beginnt nicht, bevor der Versicherungsvertrag wirksam beendet worden ist. Hat der Versicherer den Vertrag gekündigt, muss er den Zugang der Kündigung beweisen. Liegt bei der Zulassungsstelle im Unfallzeitpunkt eine Versicherungsbestätigung eines neuen Versicherers vor, so ist dieser eintrittspflichtig. b) Prämienanspruch Nach C.4 AKB gebührt dem Versicherer für die Zeit der Nachhaftung noch der Beitrag, denn er befindet sich noch solange im Risiko. Die Beitragspflicht besteht aber nur für die Kfz-Haftpflichtversicherung.
320
6. Wegfall des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbots Die VVG-Reform hat durch § 105 VVG das bisher in § 7 V Abs. 4 AKB a. F. verankerte Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot zu Fall gebracht; es findet sich deshalb in den AKB 2008 nicht wieder. § 105 VVG bestimmt, dass vertragliche Vereinbarungen, die bei einem Anerkenntnis 1 OLG Nürnberg v. 13. 8. 1998 – 2 U 787/98, NVersZ 1998, 491 = VersR 1999, 1273 = NJW-RR 1999, 1190. 2 BGH v. 2. 7. 1981 – III ZR 63/89, VersR 1981, 1154.
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Teil 7
Rz. 322
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
des Versicherungsnehmers Leistungsfreiheit vorsehen, nicht mehr zulässig sind. Das bedeutet aber nicht, dass der Versicherungsnehmer ein Anerkenntnis mit Bindungswirkung zu Lasten des Versicherers abgeben kann. Er kann mit einem Anerkenntnis weder einen Versicherungsfall, noch über den tatsächlichen Haftpflichtanspruch hinaus eine Ersatzpflicht des Versicherers begründen. „Verspricht der Versicherungsnehmer dem Dritten mehr als diesem zusteht, geht der Mehrbetrag immer zu Lasten des Versicherungsnehmers.“1 Bei einer Klage gegen den Versicherungsnehmer und den Versicherer als Gesamtschuldner, die sich auf das Anerkenntnis des Versicherungsnehmers stützt, kann es dazu kommen, dass der Versicherungsnehmer in vollem Umfang verurteilt wird, während die Klage gegen den Versicherer ganz oder teilweise abgewiesen wird.
! Hinweis: Auch einem bloßen Schuldbekenntnis kann – selbst wenn es kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist – im Schadensersatzprozess eine erhebliche Bedeutung zukommen. Es kann zur Folge haben, dass der Erklärungsempfänger der Beweisanforderungen, denen er ohne die Erklärung genügen müsste, wegen der Erklärung zunächst enthoben ist2.
7. Regress bei krankem Versicherungsverhältnis a) Grundsätzliches 322
Durch den Direktanspruch nach § 115 Abs. 1 VVG hat der Geschädigte zwei Schuldner, den Schädiger und den Versicherer. Beide haften nach § 115 Abs. 2 VVG als Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Schädiger haftet der Versicherer allein, wenn er dem Versicherungsnehmer gegenüber aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Insofern ist nach § 426 Abs. 1 BGB „ein anderes bestimmt“. Der Versicherer kann also gegen den Versicherungsnehmer keinen Regress nehmen, wenn er, der Versicherer, gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht leistungsfrei geworden ist, etwa wegen Prämienverzugs, Gefahrerhöhung oder Obliegenheitsverletzung.
323
Anders liegt der Fall, wenn der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei geworden ist, also bei einem sog. kranken Versicherungsverhältnis. Zwar ändert dies grundsätzlich nichts daran, dass der Geschädigte den Versicherer direkt in Anspruch nehmen kann. 1 Amtliche Begründung zu § 105 VVG. 2 BGH v. 10. 1. 1984 – VI ZR 64/82, VersR 1984, 383 m. w. N.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 326 Teil 7
Der Direktanspruch ist aber auf die Mindestversicherungssumme beschränkt, § 117 Abs. 3 VVG. Bei Leistungsfreiheit des Versicherers bestimmt § 116 S. 2 VVG, dass im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer letzterer allein verpflichtet ist. Damit ist die Möglichkeit des Regresses nach § 426 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB eröffnet. Wenn der leistungsfreie Versicherer aufgrund des Direktanspruchs den Geschädigten befriedigt, geht dessen Forderung gegen den Versicherungsnehmer und ggf. gegen die Mitversicherten auf den Versicherer nach § 426 Abs. 2 BGB über. Da der Versicherer seinen Anspruch nicht nach § 86 Abs. 1 VVG erwirbt, ist das Familienprivileg des § 86 Abs. 3 VVG in diesen Fällen des Regresses nicht anwendbar. Die Höhe, in der ein Versicherer Regress nehmen kann, ist unterschiedlich (dazu die nachfolgenden Ausführungen). Neben den Schadenersatzleistungen, die er dem Dritten erbracht hat, kann der Versicherer nach § 116 S. 3 VVG auch solche Aufwendungen geltend machen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Dazu zählen nicht die „normalen“ Personal- und Sachkosten, aber u. a. Gutachterkosten und Anwaltskosten1.
324
Bei der Rückforderung einer Kaskoleistung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung trägt der Versicherer die Beweislast für sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen. Dies hatte die Rechtsprechung schon zu der alten Rechtslage entschieden2. Die dabei entwickelten Grundsätze wird man auch auf die neuen Regelungen übertragen müssen. Die Beweisbelastung des Versicherers gilt also nicht nur für das Verschulden (hier auch für die grobe Fahrlässigkeit), sondern auch die Kausalität. Der Versicherungsnehmer muss also weder beweisen, dass ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, noch den Kausalitätsgegenbeweis führen.
325
b) Regress gegen den Versicherungsnehmer S. auch die Ausführungen zum Prämienverzug (Rz. 91 ff.), zur Gefahrerhöhung (Rz. 117 ff.) und den Obliegenheitsverletzungen (Rz. 137 ff.). Die Leistungsfreiheit und die Höhe des möglichen Regresses richten sich nach der KfzPflVV. Nach § 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV ist die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen der Verletzung von vor Eintritt des Versicherungsfalls zur erfüllenden Obliegenheiten und wegen Gefahrerhöhung auf 5000 Euro begrenzt. Dem entspricht die vertragliche Regelung von 1 S. näher Stiefel/Maier/Jahnke, VVG § 116 Rz. 80 f. 2 Vgl. OLG Köln v. 12. 5. 1998 – 9 U 191/97, VersR 1999, 704 = zfs 1998, 63 = r+s 1998, 399.
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Teil 7
Rz. 327
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
D.3.3 AKB. Damit ist in diesen Fällen ein über diesen Betrag hinausgehender Regress ausgeschlossen. Der Regressanspruch kann darunter liegen, wenn der Versicherer geringere Leistungen an den Geschädigten erbracht hat.
! Hinweis: Ein Regressanspruch des Versicherers in einem Kfz-Haftpflichtfall besteht nur gegenüber Personen, gegen die der Geschädigte einen Schadenersatzanspruch hatte. Es muss also eine Gesamtschuldnerschaft bestehen. Haftet der Versicherungsnehmer dem Dritten nicht, weil er weder Fahrer noch Halter war, besteht gegen ihn kein Anspruch. 327
Ist der Versicherer leistungsfrei, weil der Versicherungsnehmer eine bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit verletzt hat, so ist die Leistungsfreiheit gem. E.6.3 AKB (entspr. § 6 KfzPflVV) und damit der Regress gegen den Versicherungsnehmer auf 2500 Euro und bei besonders schwerwiegender vorsätzlich begangener Obliegenheitsverletzung auf 5000 Euro begrenzt (s. näher fi Rz. 256 f.). Liegt ein Fall von E.6.5 AKB vor, z. B. betrügerische oder Vorteilsabsicht, gelten diese Begrenzungen nicht, mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer dem vollen Regress ausgesetzt ist. Macht der Kfz-Haftpflichtversicherer von seinem Verweisungsprivileg nach § 117 Abs. 3 S. 2 VVG Gebrauch, kann der Sozialversicherungsträger oder der Sachversicherer dann beim Versicherungsnehmer Regress nehmen, s. Rz. 253 ff. Die Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung ist auf 5000 Euro begrenzt, § 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV. Bis zu diesem Betrag kann der Versicherer Regress nehmen. Die Beschränkung gilt nicht gegenüber einem Fahrer, der das Kfz durch eine strafbare Handlung erlangt hat.
! Hinweis: Die Verweisung an den Sachversicherer bzw. Sozialversicherungsträger darf nicht über den Maximalbetrag der Leistungsfreiheit von 2500 Euro bzw. 5000 Euro hinausgehen, s. auch Rz. 245 f. Beruht die Leistungsfreiheit des Versicherers darauf, dass der Versicherungsnehmer die Prämie nicht oder verspätet gezahlt hat, kann der Versicherer in voller Höhe Regress nehmen. Eine Begrenzung besteht in diesen Fällen nicht; § 116 S. 2 VVG ist uneingeschränkt anwendbar. 328
Folgt die Leistungsfreiheit des Versicherers aus Umständen, die allein in der Person des Mitversicherten liegen (z. B. Fahrerflucht des mit dem Versicherungsnehmer nicht identischen Fahrers), führt die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht zum Regress gegenüber dem Versicherungsnehmer1. Der Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag begründet für den Ver1 Vgl. Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 956.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 332 Teil 7
sicherungsnehmer und im Wege der Fremdversicherung für den Mitversicherten je eigene Ansprüche und Obliegenheiten, die getrennt zu sehen sind. c) Regress beim Zusammentreffen mehrerer Gründe S. dazu die Ausführungen unter Rz. 256.
329
d) Regress gegen Mitversicherte aa) Bei Umständen in der Person des Versicherungsnehmers Nach § 123 Abs. 1 VVG ist der Regress gegen mitversicherte Personen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers auf Umständen beruht, die allein in der Person des Versicherungsnehmers liegen. Diese gesetzliche Regelung erfasst alle Fälle der Leistungsfreiheit des Versicherers. Damit ist der Mitversicherte, insbes. der Fahrer, keinem Regress ausgesetzt, wenn der Versicherungsnehmer z. B. die Prämie nicht fristgerecht gezahlt oder eine Obliegenheitsverletzung begangen hat. § 123 Abs. 1 VVG betrifft den Mitversicherten, der „zur selbständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt“ ist. Das trifft auf Mitversicherte in der Kfz-Haftpflichtversicherung gem. A.1.2 AKB durchweg zu.
330
Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Mitversicherte die Umstände kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, wenn er also wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der Versicherungsnehmer z. B. die Prämie nicht gezahlt hat. Eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers schadet dem Mitversicherten dann, wenn er an der Obliegenheitsverletzung beteiligt war, weil es sich dann auch um eine eigene Obliegenheitsverletzung des Mitversicherten handelt.
331
§ 123 Abs. 1 VVG bewirkt auch, dass der Mitversicherte nicht einem Regress des Sozialversicherungsträgers oder eines Schadensversicherers ausgesetzt ist.
! Hinweis: In Abänderung zu § 158i VVG a. F.1 genießt der Mitversicherte gem. § 123 Abs. 4 VVG Versicherungsschutz auch in der Nachhaftungszeit (§ 117 Abs. 2 VVG, s. Rz. 317). Das gilt aber nicht, wenn ihm die Umstände bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt waren.
1 Noch zur alten Rechtslage BGH v. 14. 1. 2004 – IV ZR 127/03, r+ts 2004, 226 = VersR 2004, 369.
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Teil 7
Rz. 333
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
bb) Bei Umständen in der Person des Mitversicherten 333
Beruht die Leistungsfreiheit des Versicherers darauf, dass der Mitversicherte selbst z. B. eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder eine eigene Obliegenheit (F.1 AKB) verletzt hat, kann der Versicherer gegen ihn Regress nehmen (s. zur Konstruktion fi Rz. 322). Die sich aus den §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1 und 3 KfzPflVV ergebenden Grenzen der Leistungsfreiheit und damit der Regressmöglichkeiten (fi Rz. 326 ff.) gelten auch für mitversicherte Personen. e) Tabellarische Darstellung: Regress des Versicherers
334
Regress wegen/gegen
Gegen Versicherungsnehmer bzw. gegen Mitversicherte (aber nur, wenn Tatbestand in seiner Person erfüllt oder ihm Umstand bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt war)
Prämienverzug
In voller Höhe
Vorvertraglicher An- In voller Höhe nach Rücktritt vom Vertrag zeigepflichtverletzung Gefahrerhöhung
Bis 5000 Euro
Obliegenheiten vor Bis 5000 Euro dem Versicherungsfall Obliegenheiten nach Bis 2500 Euro (bis 5000 Euro bei besonders schwerdem Versicherungsfall wiegender vorsätzlicher Verletzung)
8. Verhältnis Versicherungsnehmer und Mitversicherte 335
Ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei geworden, weil sich dieser fehlverhalten hat – z. B. Gefahren erhöht, Obliegenheiten verletzt oder die Prämie nicht rechtzeitig gezahlt –, so ist der Versicherer gem. F.3 AKB grundsätzlich auch gegenüber allen mitversicherten und sonstigen Personen leistungsfrei, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen.
336
Allerdings greift hier § 123 Abs. 1 VVG ein (s. fi Rz. 330 ff.). Bei der Mitversicherung der in A.1.2 AKB genannten Personen handelt es sich um eine Fremdversicherung zu deren Gunsten. Die Mitversicherten können, abweichend von der gesetzlichen Regelung der §§ 44, 45 VVG, ihre Ansprüche selbst geltend machen, A.1.2 AKB. Danach liegen die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VVG vor, nämlich eine Fremdversicherung und die selbständige Geltendmachung der Rechte des Mitversicherten. Für diese Fälle bestimmt die Vorschrift des § 123 Abs. 1 VVG, dass der dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei gewordene Versicherer dies dem Mitversicherten nur dann entgegenhalten kann, wenn die der 1022
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 338 Teil 7
Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder grob fahrlässig unbekannt waren. Wusste also z. B. der mitversicherte Fahrer, dass der Versicherungsnehmer die Prämie nicht gezahlt oder gegen die Verwendungsklausel verstoßen hat, so ist der Versicherer auch dem Fahrer gegenüber leistungsfrei. Ist dagegen der Versicherer nur dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei, weil die zur Leistungsfreiheit führenden Umstände nicht (auch) in der Person des Mitversicherten vorliegen, beschränkt sich seine Haftung gegenüber dem Mitversicherten allerdings nur auf die gesetzliche Mindestversicherungssumme, § 117 Abs. 3 VVG. Der Versicherer kann dann beim Versicherungsnehmer gem. § 123 Abs. 3 VVG Rückgriff nehmen. Das zur Leistungsfreiheit führende Fehlverhalten einer mitversicherten Person wirkt sich nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers oder anderer mitversicherter Personen aus (s. fi Rz. 328).
337
9. Prozessführungsbefugnis und Regulierungsvollmacht Nach E.2.4 AKB hat der Versicherungsnehmer die Obliegenheit, die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen, dem vom Versicherer bestellten Anwalt Vollmacht zu erteilen und ihm jede verlangte Auskunft zu geben. Um diese Prozessführungsbefugnis ordnungsgemäß wahrnehmen zu können, muss der Versicherungsnehmer den Versicherer über einen Rechtsstreit unterrichten. Dazu dienten die in E.1 AKB normierten Obliegenheiten. Sind mitversicherte Personen (mit)verklagt, steht dem Versicherer auch für diese die Prozessführungsbefugnis zu, F.1 AKB. Die Prozessführungsbefugnis berechtigt den Versicherer, den Anwalt auszuwählen, dem der Versicherte Vollmacht zu erteilen und den er zu unterrichten hat. Bestellt der Versicherte einen eigenen Anwalt, hat er und nicht der Versicherer die Kosten zu tragen1. Ein Anwalt verstößt aber gegen seine Sorgfaltspflichten, wenn er trotz der Prozessführungsbefugnis des Haftpflichtversicherers ein Mandat annimmt2. Die Prozessführungsbefugnis des Versicherers besteht nicht, wenn er leistungsfrei ist und der Geschädigte allein den Versicherten in Anspruch nimmt3. 1 Vgl. OLG München v. 25. 4. 1983 – 11 WW 1152/83, VersR 1983, 1084; Feyock/ Jacobsen/Lemor/Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, § 7 AKB a. F. Rz. 122 m. w. N. 2 Vgl. BGH v. 30. 10. 1984 – IX ZR 6/84, VersR 1985, 83 zur Allgemeinen Haftpflichtversicherung. 3 Vgl. BGH v. 3. 6. 1987 – IVa ZR 292/85 – unter II 3b, VersR 1987, 924 zur Regulierungsvollmacht.
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338
Teil 7
Rz. 339
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Die Vollmacht ermächtigt den Kfz-Haftpflichtversicherer, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens jede beliebige Erklärung im Namen und ggf. auch gegen den Willen des VersNehmers abzugeben1. 339
Problematisch sind die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer oder der Mitversicherte in den Verdacht gerät, den Versicherungsfall – ggf. im Zusammenwirken mit Dritten – manipuliert zu haben. Bei gemeinsamer Vertretung gerät der Anwalt dann in eine Interessenkollision. Der Anwalt des Versicherers müsste Tatsachen vortragen, die die Angaben des Versicherten in Zweifel ziehen und eine Manipulation als wahrscheinlich, wenn nicht sicher erscheinen lassen. Dem stünde das Interesse des Versicherten entgegen, der i. d. R. einen anderen Sachvortrag als richtig bezeichnet. Um dieser Interessenkollision zu entgehen und dennoch Einfluss auf den Prozess gegen den Versicherungsnehmer bzw. den Mitversicherten zu nehmen, kann der Versicherer als Streithelfer beitreten2 (s. auch fi Rz. 486).
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Neben der Prozessvollmacht besteht zugunsten des Versicherers die Regulierungsvollmacht nach A.1.1.4 AKB. Danach gilt der Versicherer als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen Ansprüche zu befriedigen oder abzuwehren. Er ist befugt, alle dafür als zweckmäßig erscheinenden Erklärungen nach pflichtgemäßem Ermessen abzugeben. Über den Wortlaut hinaus umfasst die Regulierungsvollmacht auch die Befugnis zur Entgegennahme von Erklärungen Dritter, soweit sie im Zusammenhang mit der Regulierung stehen3. Die Regulierungsvollmacht reicht so weit wie die Regulierungspflicht des Versicherers. Deshalb endet sie nicht mit dem Ende des Vertrages, wenn der Versicherer nach diesem Zeitpunkt noch Regulierungspflichten hat. Ist der Versicherer im Innenverhältnis zum Versicherten leistungsfrei, gilt die Regulierungsvollmacht mangels Notwendigkeit nicht4. Aufgrund der Vollmacht ist der Versicherer nach der BGH-Rechtsprechung5 berechtigt, einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen.
341
Der Versicherer ist befugt, grundsätzlich nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob er freiwillig reguliert oder es auf einen Prozess ankommen lassen will. Diesem Ermessen sind aber da Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden. Auf diese Interessen hat der Versicherer Rücksicht zu nehmen. Das gilt z. B., wenn eine Rückstufung beim Schadensfreiheitsrabatt in Betracht kommt oder wenn der Versicherer beim Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen will. Dann 1 OLG Schleswig v. 23. 1. 2003 – 7 W 38/02, r+s 2004, 54. 2 Römer/Langheid/Langheid, VVG, § 3 PflVG Rz. 31; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 627 ff., je m. Hinweis auf die Rspr. 3 BGH v. 3. 4. 1973 – IV ZR 58/72, NJW 1973, 1369 = VersR 1973, 711. 4 BGH v. 3. 6. 1987 – IVa ZR 292/85, VersR 1987, 924. 5 BGH v. 23. 10. 1990 – VI ZR 105/90, VersR 1991, 236.
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II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Rz. 343 Teil 7
muss der Versicherer die Sach- und Rechtslage sorgfältig prüfen. Unterlässt der Versicherer eine solche Prüfung oder unterlaufen ihm dabei schuldhaft Fehler, dann braucht der Versicherungsnehmer daraus sich für ihn ergebende Nachteile nicht hinzunehmen. Allerdings liegt die Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung beim Versicherungsnehmer1. Klagen wegen einer solchen Pflichtverletzung haben selten Erfolg2.
! Hinweis: Werden die Obliegenheiten bei Rechtstreitigkeiten verletzt und führt dies zu einer rechtskräftigen Entscheidung, die über den Umfang der nach Sach- und Rechtslage geschuldeten Entschädigung erheblich hinausgeht, ist der Versicherer hinsichtlich des Mehrbetrags leistungsfrei, E.6.6 AKB. Schon die Bestellung eines eigenen Rechtsanwaltes begründet eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, wenn dieser damit die Prozessführung des Haftpflichtversicherers „durchkreuzt“3.
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10. Deckungssummenüberschreitung In der Kraftfahrthaftpflichtversicherung gibt es gemeinhin Versicherungssummen, also Höchstsummen, bis zu denen der Versicherer Deckung gewährt. Vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber wird der Mindestumfang des Versicherungsschutzes (die Mindestversicherungssummen) vorgeschrieben, § 4 PflVG. Ab dem 1. 1. 2008 betragen die Mindestdeckungssummen je Schadenfall für Personenschäden 7,5 Mio Euro, für Sachschäden 1 Mio Euro und für Vermögensschäden 50 000 Euro, Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG. Diese Summen erhöhen sich noch für Personenbeförderungsfahrzeuge mit mehr als 9 Plätzen. Im Markt üblich sind allerdings noch höhere Deckungssummen, nämlich z. B. pro verletzter bzw. getöteter Person 8 Mio. Euro, insgesamt 100 Mio Euro. Bei sehr schweren Verletzungen – insbesondere wenn bei einem Ereignis mehrere Personen schwer verletzt wurden – kommt es hin und wieder dazu, dass die Deckungssummen überschritten werden können. Wie dabei zu verfahren ist, regeln § 118 VVG und § 8 KfzPflVV. Ob und in welchem Ausmaß eine Deckungssummenüberschreitung vorliegt, ist sowohl für den Geschädigten als auch den Schädiger von größtem Interes1 BGH v. 20. 11. 1980 – IVa ZR 25/80 – unter II B 1, VersR 1981, 180. 2 S. statt vieler folgende Entscheidungen in letzter Zeit: AG Köln v. 28. 1. 2009 – 269 C 293/08, SP 2009, 225; AG Dresden v. 27. 1. 2008 – 111 C 6861/08, SP 2009, 225; AG Köln v. 3. 3. 2009 – 267 C 213/08, SP 2009, 302; LG Coburg v. 5. 6. 2009 – 32 S 15/09, DAR 2010, 94. 3 LG Dortmund v. 29. 1. 2009 – 2 S 33/08, zfs 2009, 453.
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343
Teil 7
Rz. 344
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
se. Für den Geschädigten fällt u. U. ein zahlungsfähiger Schuldner, nämlich der Versicherer, weg. Für den Schädiger bedeutet dies, dass er allein für den überschießenden Schaden aufzukommen hat. 344
Allerdings regelt § 118 VVG eine Rangfolge von Ansprüchen, also das Verteilungsverfahren bei Deckungssummenüberschreitung. Danach werden Personenschäden vorrangig vor Sach- und Vermögensschäden befriedigt. Dabei werden die persönlichen Ansprüche des Geschädigten auch noch bevorrechtigt vor denen auf andere Leistungsträger (private Versicherungen, Sozialversicherungsträger) übergegangenen.
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Wenn Rentenzahlungen zu erbringen sind, greift § 8 KfzPflVV ein und regelt das sog. Kürzungsverfahren. Unter Rentenzahlungen sind dabei alle regelmäßig wiederkehrenden Leistungen zu verstehen, also vor allem für Verdienstausfall, Unterhalt und Pflege. Dabei werden die Rentenzahlungen kapitalisiert und deren Bar- oder Kapitalwert ermittelt. Ob und in welchem Umfang eine Deckungssummenüberschreitung vorliegt, ergibt sich aus der Summe von Barwert und sonstiger nicht zu kapitalisierender Leistungen. Nach § 8 Abs. 1 KfzPflVV werden bei Überschreitung der Deckungssumme die Rentenzahlungen gekürzt. Die Kürzung erfolgt im Verhältnis der Deckungssumme (oder der noch zur Verfügung stehenden Restsumme) zum Rentenkapitalwert1.
III. Kaskoversicherung 1. Überblick 346
Zweck der Kaskoversicherung, landläufig auch Kaskoversicherung genannt, ist es, das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung des Fahrzeugs (Sacherhaltungsinteresse) zu schützen. Die Versicherer bieten eine Teil- und eine Vollkaskoversicherung an. Die Teilkaskoversicherung umfasst die Beschädigung, Zerstörung und den Verlust des Fahrzeugs durch folgende versicherte Ereignisse: – Brand und Explosion (A.2.2.1 AKB) – Entwendung (A.2.2.2 AKB) – Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung (A.2.2.3 AKB) – Zusammenstoß mit einem Haarwild (A.2.2.4 AKB) – Glasbruchschäden (A.2.2.5 AKB) – Kurzschlussschäden an der Verkabelung (A.2.2.6 AKB). Die Vollkaskoversicherung umfasst – Ereignisse der Teilkaskoversicherung (A.2.3.1 AKB) 1 Umfassend s. Stiefel/Maier/Jahnke, AKB, S. 1072 ff.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 348 Teil 7
– Unfall (A.2.3.2 AKB) – Mut- oder böswillige Handlungen (A.2.3.3 AKB). Eingeschlossen in die Versicherung sind auch Fahrzeugteile und Zubehör. Die Verbandsempfehlung der AKB unterscheidet zwischen beitragsfrei mitversicherten Teilen (A.2.1.2 AKB) und abhängig vom Gesamtwert mitversicherten Teilen (A.2.1.3 AKB). Gerade aber bei der Mitversicherung von Teilen und Zubehör haben sich im Markt sehr unterschiedliche Regelungen ergeben, die bei einzelnen Versicherern auch noch von der gewählten Produktvariante (z. B. Premium- oder Basistarif) abhängig sind. Teilweise werden diese Teile gegen eine zusätzliche Prämie versichert. Im Allgemeinen wird die Kaskoversicherung mit und ohne Selbstbeteiligung angeboten.
! Hinweis: Bei Festlegung der Klagesumme sollte darauf geachtet werden, dass die Selbstbeteiligung abgezogen ist.
2. Teilkasko-Versicherung a) Brand und Explosion Nach A.2.2.1 AKB gewährt der Versicherer Schutz bei Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs durch Brand und Explosion. Hier ist der Umfang des Deckungsschutzes umstritten. Fraglich ist z. B., ob das Fahrzeug selbst vom Feuer erfasst sein muss oder ob es ausreicht, wenn Schäden am Fahrzeug eintreten durch andere Teile, die wegen eines Feuers herumfliegen oder herabstürzen.
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Beispiele: Der Versicherungsnehmer stellte sein Fahrzeug auf der Straße ab. Nachts fängt das Haus, vor dem das Fahrzeug abgestellt ist, an zu brennen. Teile fallen auf das Fahrzeug, wodurch dieses in Brand gerät. Das OLG Düsseldorf1 hat den Versicherer zum Ersatz des Brandschadens verurteilt. Die AKB-Klausel enthält keine Einschränkung dahingehend, dass das Fahrzeug selbst brennen muss. A fuhr mit seinem teilkaskoversicherten Fahrzeug gegen eine Leitplanke. Das Fahrzeug wurde beschädigt. Anschließend geriet es in Brand. Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass der Schaden durch den Zusammenstoß mit der Leitplanke nicht von der Versicherung gedeckt ist. Ein solcher Unfallschaden wird nur von der Vollkaskoversicherung gedeckt. Damit ist fraglich, ob auch ein Brand versichert ist, der seine Ursache in einem nicht versicherten Unfall hat. Das OLG Nürnberg2 hat den richtigen Gedanken in dem Grundsatz von der Gesamtkausalität gefunden. Danach besteht bei mehreren adäquaten Ursachen auch dann Ver1 OLG Düsseldorf v. 6. 8. 1991 – 4 U 251/90, VersR 1992, 567 = r+s 1992, 364. 2 OLG Nürnberg v. 31. 3. 1994 – 8 U 3630/93, VersR 1995, 206 = r+s 1995, 9 = NJW-RR 1995, 862.
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Teil 7
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Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
sicherungsschutz, wenn nur eine Ursache zu der versicherten Gefahr gehört1. Deshalb bestand bei dem Brandschaden grundsätzlich Versicherungsschutz. Zu fragen ist weiter, ob der Betrag des Gesamtschadens in die Teile seiner Verursachung zerlegt werden kann. Dann hat der Versicherer nur den Teil zu leisten, der auf die versicherte Gefahr entfällt. Das bedeutet, dass zunächst der durch den nicht versicherten Zusammenstoß erlittene Schaden und dann der Schaden, den der versicherte Brand verursachte, zu ermitteln ist. Wenn bereits durch den Zusammenstoß Totalschaden eingetreten war, besteht kein Anspruch mehr aus dem Tatbestand des Brandes. War durch den nichtversicherten Unfallschaden kein Totalschaden eingetreten, ist aber bei der Schadenregulierung vom Wert des Fahrzeugs nach dem Unfall, aber vor Ausbruch des Brandes auszugehen2. Ein Versicherungsnehmer betankt sein Diesel-Kfz mit Otto-Kraftstoff statt Diesel. Wegen Überhitzung des Katalysators gerät das Fahrzeug in Brand. Es handelt sich um einen in der Teilkaskoversicherung gedeckten Brandschaden. Zwar ist das Falschbetanken grundsätzlich ein in der Vollkaskoversicherung nicht versicherter Bedienfehler, das spielt aber in der Teilkaskoversicherung beim versicherten Ereignis Brand keine Rolle. Allerdings wäre hier die Frage nach der groben Fahrlässigkeit zu stellen, die das OLG Düsseldorf3 im konkreten Fall als nicht bewiesen ansah, weil die Zapfpistolen an der Mehrfachzapfsäule noch nicht farblich gekennzeichnet war.
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Hat der Versicherungsnehmer ein Fahrzeug als gestohlen gemeldet, das später ausgebrannt aufgefunden wird, gerät er leicht in den Verdacht, sein Fahrzeug selbst in Brand gesteckt zu haben, weil ein Kfz-Dieb kaum Veranlassung zur Brandstiftung hat4. Da der Versicherungsfall Brand feststeht, hat der Versicherungsnehmer schon deswegen grundsätzlich einen Anspruch. Die Tatbestände des Verlustes durch Entwendung und des Verlustes durch Brand stehen selbständig nebeneinander. Den Diebstahl braucht der Versicherungsnehmer nicht zu beweisen, wenn der Brand feststeht. Hat der Versicherer den Verdacht, der Versicherungsnehmer habe das Fahrzeug selbst in Brand gesetzt oder durch Dritte in Brand setzen lassen, § 81 VVG, so ist es Sache des Versicherers, dies zu beweisen. Dazu gehört grundsätzlich die Darlegung und der Beweis, dass der rechtswidrige Erfolg von Wissen und Wollen des VN umfasst war5. Gelingt allerdings dem Versicherer der Beweis solcher Tatsachen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (s. fi Rz. 353), so hat dieser Umstand auch im Rahmen der Beweisführung zu § 81 VVG nicht unerhebliche Bedeutung6. 1 2 3 4 5 6
S. Römer/Langheid/Römer, VVG § 49 Rz. 4. OLG Celle v. 16. 3. 2006 – 8 U 155/05, r+s 2007, 53 = VersR 2007, 1510. OLG Düsseldorf v. 28. 10. 2008 – 4 U 12/08, NJW-RR 2009, 610 = r +s 2009, 273. Vgl. OLG Düsseldorf v. 10. 10. 1996 – 18 U 21/96, VersR 1998, 753. OLG Düsseldorf v. 23. 8. 2005 – 4 U 172/04, r+s 2007, 102 = VersR 2006, 402. BGH v. 31. 12. 1984 – IVa ZR 33/83, VersR 1985, 78: Beweis der Eigenbrandstiftung nicht angenommen; OLG Hamm v. 21. 10. 1998 – 20 U 87/98, VersR 1999, 1358 = NVersZ 1999, 431 = r+s 1999, 144 = zfs 1999, 157: Beweis der Eigenbrandstiftung angenommen.
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III. Kaskoversicherung
Der Beweis einer vorsätzlichen Herbeiführung des Brandes ist aber nicht schon deshalb erbracht, weil der Versicherungsnehmer den Diebstahl – auch unter den erleichterten Voraussetzungen – nicht bewiesen hat1. Die Versicherungsfälle „Brand“'und „Entwendung“ stehen auch hinsichtlich der Beweislast selbstständig nebeneinander2. Ist die Entwendung nicht bewiesen, steht aber der Brand des Fahrzeugs fest, ist damit das gedeckte Ereignis Brand verwirklicht. Der Versicherer müsste beweisen, dass der Versicherungsnehmer den Brand selbst gelegt hat, um auch hinsichtlich dieses Tatbestands leistungsfrei zu sein. b) Entwendung des Kfz oder seiner mitversicherten Teile In der Teilkaskoversicherung ist nach A.2.2.2 AKB der Verlust des Fahrzeugs versichert, der durch „Entwendung, insbes. Diebstahl und Raub“ eingetreten ist. Dies gilt nach A.2.1.1 S. 2 auch für die mitversicherten Fahrzeugteile sowie das mitversicherte Fahrzeugzubehör, s. Rz. 346. Werden aus einem Fahrzeug nicht versicherte Gegenstände entwendet und dabei das Fahrzeug beschädigt, liegt also keine Fahrzeugentwendung oder dessen Versuch vor, besteht kein Versicherungsschutz für die Beschädigungen aus der Teilkaskoversicherung3. Unter einem Diebstahl wird der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams verstanden. Ein Gewahrsamsbruch setzt allerdings immer voraus, dass die tatsächliche Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers gegen oder ohne den Willen ihres Inhabers aufgehoben oder beeinträchtigt wird. Ein Einverständnis mit dem von dem Täter erstrebten oder erlangten Gewahrsam schließt eine Wegnahme aus. Das gilt auch, wenn dieses Einverständnis durch Täuschung erlangt worden ist, etwa Übergabe eines nicht gedeckten bzw. gestohlenen Schecks4. Mit Einschränkungen sind aber auch Unterschlagung (s. Rz. 360) und unbefugter Gebrauch (s. Rz. 363) versichert. Im Überblick ergibt sich folgendes Bild: – Diebstahl und Raub sind uneingeschränkt versichert – Unterschlagung (s. Rz. 360 ff.) und unbefugter Gebrauch (s. Rz. 363) eines Fahrzeugs sind nur bei bestimmten Tätern versichert – Betrug und Erpressung sind nicht versichert 1 OLG Naumburg v. 17. 2. 2000 – 2 U 90/99, VersR 2001, 500. 2 BGH v. 11. 2. 2009 – IV ZR 156/08, VersR 2009, 540 = SP 2009, 189 = r+s 2009, 233 = NJW-RR 2009, 605. 3 Die sich gegen die h. M. wendenden anders lautende Entscheidung AG München v. 13. 8. 2009 – 223 C 6889/09, DAR 2010, 95 = NJW-RR 2010, 332, ist inhaltlich und von der Begründung falsch und eine Einzelmeinung. 4 OLG Saarbrücken v. 12. 7. 2006 – 5 U 650/05-100, r+s 2007, 314 (Übergabe von Kfz und Schlüssel nach Erhalt eines ungedeckten Schecks).
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Rz. 351
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
aa) Äußeres Bild 351
Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Anspruchsteller die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs beweisen. Danach müsste der Versicherungsnehmer den Diebstahl beweisen. Bekanntlich begeht Diebstahl, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig anzueignen. Der Beweis dieser einzelnen Tatbestandsmerkmale des Diebstahls scheitert i. d. R. notwendig schon daran, dass der Versicherungsnehmer den Wegnehmenden nicht näher benennen oder gar als Zeugen herbeischaffen kann, weil Diebe im Allgemeinen nicht die Neigung haben, am Tatort zu verharren oder sich wenigstens hinterher beim Bestohlenen zu melden. Damit liegt es in der Natur einer solchen Versicherung gegen Diebstahl, dass der Versicherungsnehmer fast nie in der Lage ist, den Diebstahl beweisen zu können. Dann bräuchte er aber auch keine Versicherung. Sinnvoll bleibt solch eine Versicherung nur, wenn man in dem Vertrag – wegen dieser Beweisproblematik – von vornherein eine Beweiserleichterung als mitvereinbart ansieht. Das ist auch der Standpunkt des BGH1, der ein System der Beweiserleichterung entwickelt hat, das materiell-rechtlich im Versicherungsvertrag verankert ist2. Diese Grundlage muss betont werden, denn so wird verständlich, warum der BGH die zur Diebstahlversicherung entwickelten Grundsätze auf andere Fallgruppen zu übertragen immer abgelehnt hat. Zu den Beweiserleichterungen im Einzelnen:
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Der Versicherungsnehmer braucht nur das sog. äußere Bild eines Diebstahls zu beweisen3. Dann kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass der Diebstahl tatsächlich stattgefunden hat. Damit wird die Antwort auf die Frage entscheidend, was zum äußeren Bild gehört. Es ist gegeben, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nicht wieder vorgefunden hat. Für diese Umstände muss der Versicherungsnehmer allerdings den Vollbeweis erbringen. Hierfür kommen ihm keine Beweiserleichterungen mehr zugute. bb) Erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung
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Ist es dem Versicherungsnehmer gelungen, das äußere Bild zu beweisen, dann kommen auch dem Versicherer Beweiserleichterungen zugute4. 1 BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 179/92, BGHZ 123, 217 = VersR 1993, 1007 = r+s 1993, 327 = MDR 1993, 1055 = zfs 1993, 345. 2 Zum System insgesamt Römer, NJW 1996, 2329, ergänzend NVersZ 1998, 63; Römer/Langheid/Römer, VVG § 49 Rz. 17 ff. 3 BGH v. 17. 5. 1995 – IV ZR 2979/94, BGHZ 130, 1 = VersR 1995, 909 = r+s 1995, 288 = NJW 1995, 2169 = MDR 1995, 1120 = zfs 1995, 340. 4 BGH v. 17. 5. 1995 – IV ZR 279/94, BGHZ 130, 1 (5) = VersR 1995, 909 = r+s 1995, 288 = NJW 1995, 2169 = MDR 1995, 1120 = zfs 1995, 340.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 353 Teil 7
Wenn er den Verdacht hat, der Diebstahl sei nur vorgetäuscht, genügt es, wenn der Versicherer Tatsachen vorträgt und beweist, aus denen sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit schließen lässt, dass der Diebstahl in Wahrheit nicht stattgefunden hat. Es ist nicht die ansonsten strengere Gewissheit des Richters erforderlich. Solche Indizien müssen aber ihrerseits unstreitig oder voll bewiesen sein. Auch hier ist die entscheidende Frage, welche Tatsachen ausreichen, damit aus ihrem Vorliegen auf ein Vortäuschen des Diebstahls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. Hierzu kann man Abschließendes nicht sagen, weil es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt und auch die Kombination verschiedener Umstände in ihrer Gesamtbetrachtung eine Rolle spielen kann. Beispielsweise reicht es nach der Rechtsprechung des BGH1 allein nicht aus, wenn durch Sachverständigengutachten feststeht, dass von einem der Schlüssel ein Nachschlüssel angefertigt worden ist. Ebenso wenig reicht der Verlust eines Schlüssels aus. Nun wird man aber feststellen dürfen, dass gerade bei einem vorgetäuschten Diebstahl oft ein Schlüssel fehlt oder eine Kopie gezogen wurde, weil der vortäuschende Versicherungsnehmer dem künftigen Besitzer einen Schlüssel verschaffen muss. Deshalb hat der BGH2 im fehlenden oder nachgemachten Schlüssel durchaus ein Vortäuschungs-Indiz gesehen, das zwar allein nicht ausreicht, aber im Zusammenhang mit anderen Verdachtsmomenten durchaus eine Rolle spielt. Solche anderen Tatsachen können vielfältig sein. So ist verdächtig, wenn sich der Versicherungsnehmer in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hat; ebenso wenn er ein wertvolles Fahrzeug vorher erfolglos zum Kauf angeboten hatte. Das lässt sich fortsetzen. Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung der Entwendung sah der BGH3 in einem Fall mit folgenden Umständen: Die Angaben zu den Diebstahlszeitpunkten waren widersprüchlich. Außerdem war angeblich wegen befürchteter Erschütterungen und damit Fehlalarmen der Abschleppschutz des geleasten Fahrzeugs deaktiviert worden, angeblich wegen einer Empfehlung in der Betriebsanleitung. Dort aber fanden sich ganz andere Hinweise. Die Angabe zur Laufleistung gegenüber der Polizei und dem Versicherer waren unterschiedlich. Der Beweis zur (niedrigeren) Laufleistung sollte mit einer offenkundig gefälschten 1 BGH v. 4. 11. 1998 – IV ZR 302/97 – unter 2, VersR 1999, 181 m. w. N. = NVersZ 1999, 76 = r+s 1999, 14 = NZV 1999, 163 = NJW-RR 1999, 246. 2 BGH v. 17. 5. 1995 – IV ZR 279/94, BGHZ 130, 1 = VersR 1995, 909 = r+s 1995, 288 = NJW 1995, 2169 = MDR 1995, 1120 = zfs 1995, 340; v. 24. 5. 1995 – IV ZR 167/94 – unter 2a, VersR 1995, 1043 = NJW-RR 1995, 1236 = r+s 1995, 328 = zfs 1995, 460. 3 BGH v. 10. 12. 2008 – IV ZR 107/08, zfs 2009, 207 = SP 2009, 190 = r+s 2009, 234.
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Teil 7
Rz. 354
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Rechnung geführt werden. Das Fahrzeug wurde in die Ukraine mit den Original-Fahrzeugpapieren eingeführt. Bei dieser Vielzahl von „Ungereimtheiten“ sah der BGH die Redlichkeitsvermutung als erschüttert an, der Beweis der Entwendung war nicht geführt. Gem. OLG Stuttgart spricht es in ganz erheblichem Maß für die Vortäuschung eines Fahrzeugdiebstahls, wenn der Originaltransponder durch einen Schlüsselteil ersetzt wird, der einem anderen Fahrzeug zuzuordnen ist1. Gem. OLG Düsseldorf2 ist der Nachweis des äußeren Bildes der Entwendung nicht geführt, wenn Falschangaben zur Laufleistung des Kfz gemacht werden, ein erheblicher Vorschaden verschwiegen wird, die Angaben zum Zeitpunkt der der Feststellung der Entwendung und der Personen, die diese entdeckt haben sollen, gegenüber Polizei und Gericht unterschiedliche Angaben gemacht wurden und das in Frage stehende Kfz innerhalb von sechs Monaten fünf angeblich fremd verschuldete Unfälle erlitten hat und die daraus resultierenden Schäden gegenüber den Unfallverursachern auf Gutachtenbasis geltend gemacht wurden. Das OLG Köln3 wiederum sah das äußere Bild einer Entwendung – mit der Folge der vollen Beweislast des Versicherungsnehmers – als nicht gegeben an, wenn eine naheliegende Möglichkeit besteht, dass das Fahrzeug mit einem Originalschlüssel weggefahren wurde. Der Kläger hatte zweimal einen nicht zum Fahrzeug gehörenden Schlüssel vorgelegt und später nur einen Originalschlüssel, der aber nach dem behaupteten Diebstahl noch benutzt wurde. Nach OLG Hamm4 sind Indizien, die für eine Vortäuschung des Diebstahls sprechen: Häufung dubioser Versicherungsfälle, widersprüchliche Angaben zur Laufleistung des Kfz, wechselnde und widersprüchliche Angaben zum Geschehen. cc) Beweiswürdigung 354
Der Versicherungsnehmer kann bei aller Beweiserleichterung doch in erhebliche Beweisschwierigkeiten kommen, wenn er für das Abstellen und nicht wieder Vorfinden des Fahrzeugs, also für die Tatsachen des äußeren Bildes, keine Zeugen hat. In diesen Fällen ist der Versicherungsnehmer nach § 141 ZPO persönlich anzuhören5. Der Richter hat sich dann aus der Gesamtheit der mündlichen Verhandlung ein Bild zu machen. Er kann dem Versicherungsnehmer die Darstellung glauben oder auch 1 2 3 4 5
OLG Stuttgart v. 15. 9. 2006 – 7 U 139/06, r+s 2007, 316 = VersR 2007, 686. OLG Düsseldorf v. 10. 4. 2008 – 4 U 123/07, r+s 2009, 460. OLG Köln v. 24. 11. 2009 – 9 U 77/09, NJW-RR 2010, 843. OLG Hamm v. 11. 6. 2010 – I-20 U 212/09, SP 2010, 441. BGH v. 25. 3. 1992 – IV ZR 54/91, VersR 1992, 867 = r+s 1992, 221 = NJW-RR 1992, 920.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 355 Teil 7
nicht. Eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO wird nur selten in Betracht kommen, weil es i. d. R. an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt. Hat der Versicherungsnehmer schon das äußere Bild eines Diebstahls nicht bewiesen, ist die Sache bereits entscheidungsreif. Die Klage muss abgewiesen werden. Die eigentlichen Probleme liegen heute bei der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers1. Die dargestellten Beweiserleichterungen gehen von einem glaubwürdigen Versicherungsnehmer aus (Redlichkeitsvermutung). Aber auch einem unglaubwürdigen Versicherungsnehmer kann das versicherte Fahrzeug gestohlen werden. Deshalb muss ihm jedenfalls Gelegenheit gegeben werden zu beweisen, dass er das Fahrzeug an einem bestimmten Ort abgestellt und es dort nicht wieder vorgefunden hat. Wenn Zeugen dies in der Weise bestätigen, dass der Richter ihnen glaubt, kommen auch dem unglaubwürdigen Versicherungsnehmer die Beweiserleichterungen zugute2. Anders liegt der Fall, wenn keine Zeugen zur Verfügung stehen und es allein auf die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers ankommt. Dann wird der Richter dem unglaubwürdigen Versicherungsnehmer im Allgemeinen seine Darstellung des äußeren Bildes nicht abnehmen können. Damit verschiebt sich die Frage der Beweismöglichkeit auf die, unter welchen Voraussetzungen ein Versicherungsnehmer als unglaubwürdig angesehen werden kann oder muss. Dabei kann es auf die Glaubwürdigkeit nicht nur beim Beweis des äußeren Bildes ankommen. Auch wenn dieses durch Zeugen bewiesen ist, kann der Erfolg daran scheitern, dass durch mangelnde Glaubwürdigkeit die vom Versicherer zu beweisenden Indizien für das Vortäuschen ein anderes Gewicht bekommen. Weder eine Vernehmung des Versicherungsnehmers als Partei nach § 448 ZPO noch eine persönliche Anhörung nach § 141 ZPO kommt dann in Betracht, wenn aufgrund zweifelsfreier Umstände feststeht, dass der Versicherungsnehmer unglaubwürdig ist. Bei der Entwicklung der Beweiserleichterungen ist der BGH vom Regelfall eines Kfz-Diebstahls ausgegangen. Von einem Regelfall kann aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen3. Deshalb geht es bei der Parteivernehmung nach § 448 ZPO darum, ob dem Versicherungsnehmer als einer redlichen Persönlichkeit die von ihm gegebene Sachdarstel-
1 BGH v. 21. 2. 1996 – IV ZR 300/94, BGHZ 132, 79 = NJW 1996, 1348 = MDR 1996, 471 = VersR 1996, 575 = NZV 1996, 275. 2 BGH v. 22. 9. 1999 – IV ZR 172/98, VersR 1999, 1535 = NVersZ 2000, 87 = MDR 1999, 1502 = zfs 2000, 18 = NZV 2000, 81; Anm. Knappmann, NVersZ 2000, 68. 3 BGH v. 21. 2. 1996 – IV ZR 300/94, VersR 1996, 575 = r+s 1996, 125 = zfs 1996, 220; OLG Karlsruhe v. 21. 1. 2002 – 12 W 33/01, MDR 2002, 882.
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Teil 7
Rz. 356
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
lung geglaubt werden kann1. Steht also fest, dass der Versicherungsnehmer unglaubwürdig ist, bedarf es auch keiner Parteivernehmung mehr. Erst recht ist dann kein Raum mehr für eine Anhörung nach § 141 ZPO, bei der – anders als bei der notwendigen Voraussetzung des § 448 ZPO – nicht einmal ein sog. Anfangsbeweis gegeben ist2. 356
Der Versicherungsnehmer kann das äußere Bild eines Pkw-Diebstahls durch eigene Angaben beweisen, wenn der Versicherer die für ihn sprechende Redlichkeitsvermutung nicht erschüttert. Wann ein Versicherungsnehmer als unglaubwürdig anzusehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Er ist aber nicht glaubwürdig, wenn er ohne nachvollziehbare Erklärung relevante Umstände verschweigt und falsch darstellt3. Besonders gravierend sind frühere Verurteilungen wegen Vermögensdelikten4. Auch unrichtige Angaben anlässlich eines früheren Kfz-Diebstahls können zur Unglaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers führen5, z. B. frühere falsche Versicherung an Eides statt zum Eigentum an dem Kfz6. Allerdings können solche vor langer Zeit begangenen nicht mehr ausreichen, um die Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Nach der Rechtsprechung des BGH7 sind Verurteilungen des Versicherungsnehmers bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit nicht mehr heranzuziehen, wenn sie im Strafregister getilgt sind. Auch sonstige unrichtige Angaben des Versicherungsnehmers bei der Meldung oder Aufklärung des Schadens sind geeignet, die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers anzuzweifeln8. Die Zweifel auslösenden Umstände sind im Zusammenhang mit Blick darauf würdigen, ob sie überhaupt und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles nahe legen9.
1 BGH v. 24. 4. 1991 – IV ZR 172/90, VersR 1991, 917 = NJW-RR 1991, 983 = r+s 1991, 221. 2 Ebenso: OLG Köln v. 4. 9. 2001 – 9 U 18/01, NVersZ 2002, 83 = VersR 2002, 478 = r+s 2001, 497 = zfs 2002, 186; OLG Hamm v. 2. 2. 2001 – 20 U 142/00, r+s 2001, 273; OLG Hamburg v. 7. 5. 1999 – 14 U 288/98, VersR 2000, 1272 = r+s 2000, 99; OLG Düsseldorf v. 30. 5. 1995 – 4 U 107/94, VersR 1996, 1138. 3 OLG Hamm v. 24. 4. 2009 – 20 U 195/08, r+s 2009, 366 = NZV 2009, 606. 4 OLG Hamm v. 29. 11. 2000 – 20 U 34/00, r+s 2001, 274; OLG München v. 29. 11. 1996 – 21 U 2676/96, r+s 1997, 323; OLG Köln v. 16. 12. 1993 – 5 U 66/93, r+s 1994, 208. 5 BGH v. 30. 1. 2002 – IV ZR 263/00, NVersZ 2002, 220 = VersR 2002, 431 = r+s 2002, 143 = zfs 2002, 344. 6 OLG Köln v. 10. 5. 2005 – 9 U 142/04, r+s 2006, 15. 7 BGH v. 11. 2. 1998 – IV ZR 306/96, VersR 1998, 488 = NVersZ 1998, 121 = MDR 1998, 531 = zfs 1998, 218 = NZV 1998, 245 = NJW-RR 1998, 744. 8 S. u. a. BGH v. 10. 12. 2008, IV ZR 107/08, zfs 2009, 207; OLG Hamm v. 2. 2. 2001 – 20 U 142/00, r+s 2001, 273. 9 BGH v. 30. 1. 2008 – IV ZR 18/07, r+s 2008, 324; vgl. auch OLG Köln v. 10. 6. 2008 – 9 U 226/07, r+s 2008, 506 zur Glaubwürdigkeit von Zeugen.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 360 Teil 7
! Hinweis: Hat der Versicherer aufgrund eines Kfz-Diebstahls geleistet und ergeben sich nachträglich Verdachtsmomente, der Diebstahl könne nur vorgetäuscht sein, so kommen dem Versicherer im Rückforderungsprozess die dargestellten Beweiserleichterungen nicht zugute1.
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dd) Diebstahlsversuch, Schäden durch Entwendung Bleibt es bei dem Versuch, das Fahrzeug oder mitversicherte Teile zu entwenden, entstehen häufig Schäden am Fahrzeug. Nicht immer ist eindeutig, ob es sich um Aufbruchspuren oder lediglich um Vandalismusschäden handelt. Letztere wären nur bei Bestehen einer Vollkaskoversicherung gedeckt und würden auch zu einer Belastung des Vollkasko-Schadenfreiheitsrabatts führen. In der Teilkaskoversicherung sind Schäden, die nach einem missglückten Entwendungsversuch mutwillig verursacht wurden, nicht mitversichert2.
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Um Versicherungsschutz aus der Teilkaskoversicherung zu erlangen, muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass eine versuchte Entwendung vorgelegen hat. Dies gelingt i. d. R. bei Beschädigungen am Schloss, aber schon beim Einschlagen einer Seitenscheibe ist dieser Beweis nicht ohne weiteres geführt, wenn nicht weitere Umstände einen Diebstahlsversuch nahe legen. Dabei muss sich die Diebstahlsabsicht auch auf das Fahrzeug oder seine mitversicherten Teile bezogen haben, nicht aber auf das nicht mitversicherte Mobiltelefon, das offen im Auto lag. Werden neben Einbruchsschäden noch weitere Schäden am Fahrzeug verursacht, sind sie nur zu ersetzen, wenn sie durch die Verwirklichung der Tat entstanden sind oder damit in adäquatem Zusammenhang stehen3.
358a
Wurde das Fahrzeug entwendet und mit Beschädigungen wiederaufgefunden, sind die vom Dieb verursachten Schäden dem Teilkaskoereignis Entwendung zuzuordnen. Das gilt nicht nur für Unfallschäden, sondern auch für Aggregate (Motor, Getriebe), die durch unsachgemäßen Gebrauch beschädigt wurden.
359
c) Unterschlagung Nach A.2.2.2 AKB ist die Unterschlagung grundsätzlich mitversichert. Aus der Deckung herausgenommen ist aber die Unterschlagung durch denjenigen, an den der Versicherungsnehmer das Fahrzeug unter Vorbehalt seines Eigentums veräußert hat, oder durch denjenigen, dem es 1 BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 179/92, BGHZ 123, 217 = VersR 1993, 1007 = r+s 1993, 327 = MDR 1993, 1055 = zfs 1993, 345; OLG Köln v. 23. 1. 2007 – 9 U 11/06, r+s 2007, 101. 2 BGH v. 24. 11. 2010 – IV ZR 248/08, VersR 2011, 107. 3 BGH v. 17. 5. 2006 – IV ZR 212/05, VersR 2006, 968 = r+s 2006, 325.
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360
Teil 7
Rz. 361
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
zum Gebrauch in dessen Interesse1 oder zur Veräußerung überlassen wurde. Nach OLG Saarbrücken2 allerdings setzt die Überlassung zum Gebrauch nicht voraus, dass sie im Interesse des Empfängers erfolgt. Es besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Mieter eines Kfz dieses nicht zurück gibt, sondern ins Ausland verbringt. Gibt der Dritte, dem das Fahrzeug zum Gebrauch überlassen wurde, dieses weiter und wird das Fahrzeug dann unterschlagen, so besteht nur dann kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer mit der Weitergabe einverstanden war3. Behauptet der Nutzungsberechtigte, ihm sei das Fahrzeug gestohlen worden, kann auch eine nichtversicherte Unterschlagung vorliegen. Es wird dann auf die Glaubwürdigkeit des Nutzungsberechtigten und sonstige Indizien ankommen4. 361
Bei der Überlassung des Fahrzeugs zur Probefahrt, von der der angebliche Kaufinteressent nicht zurückkehrt, ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Nach OLG Saarbrücken besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer das versicherte Fahrzeug und die Fahrzeugschlüssel einem vermeintlichen Kaufinteressenten übergeben hat, denn er habe jegliche Sachherrschaft an dem Fahrzeug aufgegeben, so dass der Tatbestand des Diebstahls nicht erfüllt sei, auch wenn er dazu durch eine Täuschung veranlasst wurde5. Anders sah dies das OLG Köln6. Ein angeblicher Kaufinterressent war mit einem zugelassenen Motorrad erschienen. Ihm wurde das zum Verkauf stehende Motorrad samt Schlüssel für eine zeitlich und räumlich begrenzte Probefahrt übergeben, von der er unter Hinterlassung des mitgebrachten Motorrads nicht zurückkehrte. Das OLG Köln ging lediglich von einer Gewahrsamslockerung aus, nahm also einen Diebstahl an. Es fügte noch hinzu, dass aber selbst bei einer Gewahrsamsübertragung zwar ein Betrug vorläge, aber mit nachfolgender Unterschlagung, die versichert sei. Anzumerken ist, dass unter die Ausschlußklausel der Unterschlagung, A.2.2.2, nur die Überlassung zum eigenen Gebrauch zählt, nicht dagegen eine kurzfristige Überlassung – jedenfalls nicht die Überlassung des versicherten Motorrades an einen unbekannten Dritten zu einer Probefahrt7. 1 OLG Hamm v. 31. 8. 1994 – 20 U 40/94, VersR 1995, 1477 = r+s 1995, 127; OLG Hamm v. 18. 1. 2006 – 20 U 145/05, zfs 2006, 275. 2 OLG Saarbrücken v. 11. 11. 2009 – 5 U 197/09, zfs 2010, 154. 3 OLG Hamm v. 31. 8. 1994 – 20 U 40/94, VersR 1995, 1477 = NJW-RR 1995, 347 = r+s 1995, 127. 4 Vgl. die Fälle OLG Hamm v. 1. 12. 2000 – 20 U 248/99, zfs 2001, 171; v. 25. 2. 2000 – 20 U 151/99, VersR 2001, 92 = NVersZ 2000, 576 = NJW-RR 2000, 1049 = r+s 2000, 228. 5 OLG Saarbrücken v. 12. 7. 2006 – 5 U 650/05–100, r+s 2007, 314. 6 OLG Köln v. 22. 7. 2008 – 9 U 188/07, NJW-RR 2008, 1717 = VersR 2008, 1640 = r+s 2008, 373. 7 OLG Düsseldorf v. 23. 2. 1999 – 4 U 77/98, NVersZ 2000, 336 = r+s 1999, 230 = zfs 1999, 297 = VersR 1999, 1142 (nur LS) m. w. N.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 363 Teil 7
Gerade bei der Überlassung zu einer Probefahrt kann eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls, § 81 VVG, in Betracht kommen1. Hat der Versicherungsnehmer das Fahrzeug einem Dritten überlassen, muss der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen, dass das Fahrzeug gestohlen oder durch eine andere Person als diesen Dritten unterschlagen wurde2.
362
d) Unbefugter Gebrauch A.2.2.2 regelt den unbefugten Gebrauch. Die Klausel erscheint kompliziert, weil mehrere Einschränkungen und Ausnahmen verkettet sind. Grundsätzlich ist unbefugter Gebrauch nicht versichert. Eine Ausnahme gilt, wenn der Täter in keiner Weise berechtigt ist, das Fahrzeug zu gebrauchen, Satz 1. Dazu gehören in erster Linie die Fälle der Gebrauchsentwendung, wenn der Täter das Kfz ohne Zueignungsabsicht nur benutzen will Satz 2 formuliert – allerdings nicht abschließend –, was nicht als unbefugter Gebrauch gelten soll. Danach stellt es keinen unbefugten Gebrauch dar, wenn der Täter vom Verfügungsberechtigten mit der Betreuung des Fahrzeugs beauftragt wird. Als Beispiele werden der Reparateur und Hotelangestellte genannt. Wenn dieser Personenkreis also das ihm anvertraute Fahrzeug zu einer Spritztour benutzt, genießt der Versicherungsnehmer dafür keinen Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung. Eine weitere Einschränkung wird durch Satz 3 der Bestimmung vorgenommen. Danach ist unbefugter Gebrauch durch Personen, die in einem besonderen Näheverhältnis zum Verfügungsberechtigten stehen, nicht versichert. Dessen Arbeitnehmer und Familien- und Haushaltsangehörige werden beispielhaft aufgeführt. Beispiel: Fährt der Hotelangestellte, der das Kfz nur einparken soll, einmal „um den Block“, um den Sportwagen einmal auszuprobieren und beschädigt er das Fahrzeug dabei, ist dies versichert. Kein Versicherungsschutz besteht aber, wenn diese Spritztour durch einen Familienangehörigen unternommen wird.
1 OLG Düsseldorf v. 23. 2. 1999 – 4 U 77/98, NVersZ 2000, 336 = r+s 1999, 230 = zfs 1999, 297 = VersR 1999, 1142 (nur LS); LG Coburg v. 29. 4. 2009 – 13 O 717/08, r+s 2009, 325; vgl. Auch den anders gelagerten Fall OLG Frankfurt v. 20. 2. 2002 – 7 U 54/01, VersR 2002, 1550 (L) = NVersZ 2002, 320 = zfs 2002, 240. 2 BGH v. 20. 1. 1993 – IV ZR 227/91, VersR 1993, 472 = NJW 1993, 1014 = zfs 1993, 126 = MDR 1993, 423 = NZV 1993, 186.
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363
Teil 7
Rz. 364
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
e) Elementarschäden 364
Schäden aufgrund der Naturereignisse Sturm, Hagel, Blitzschlag und Überschwemmung sind in der Teilkaskoversicherung mitversichert, A.2.2.3 AKB. Die Regelung definiert Sturm als eine „wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8“. Eine Überschwemmung liegt auch vor, wenn so starker Regen auf einen Berghang niedergeht, dass das Wasser nicht versickern kann und sturzbachartig den Hang hinunterfließt1. Ausdrücklich ausgenommen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind. Versichert ist der Kfz-Schaden nur, wenn die Naturereignisse unmittelbar eingewirkt haben. Unmittelbarkeit einer Einwirkung wird dann angenommen, wenn zwischen Kausalereignis und Erfolg keine weitere Ursache tritt. Beispiel:
365
Das auf einem Parkplatz abgestellte Fahrzeug war von einer Lawine erfasst und in ein tiefer gelegenes Bachbett geworfen worden. Der Versicherungsnehmer trug vor, die Lawine sei durch einen Sturm ausgelöst worden, der zumindest die Windstärke 8 gehabt habe. Der BGH2 hat einen Anspruch verneint und ausgeführt, weder die sturmbewirkte Anhäufung von Schneemassen auf den Berghängen noch der Lawinenabgang infolge einer Sturmböe ließen sich als unmittelbare Einwirkung des Sturms auf das Fahrzeug begreifen.
366
Der Versicherungsnehmer muss darlegen und beweisen, dass die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den eingetretenen Schaden gewesen ist. Beispiel: Der Versicherungsnehmer hat vorgetragen, sein Fahrzeug sei auf der Autobahn von einer Sturmböe erfasst, gedreht und über alle Fahrspuren hinweggeschleudert worden. Das reichte dem OLG Köln3 nicht. Es stand fest, dass es erheblich geregnet hatte. Das OLG vermisste Vortrag dazu, dass jede andere Ursache ausgeschlossen gewesen sei, insbesondere, dass der Fahrer nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, keinen Fahrfehler begangen habe und bei dem starken Regen auch nicht durch Aquaplaning beeinträchtigt worden sei.
Die meisten Elementarschadenfälle sind insoweit unproblematisch, da sie durch heruntergefallene Dachziegel, Äste und umgestürzte Bäume verursacht werden. Tritt der Schaden allerdings bei einem Unfall eines sich in Fahrt befindlichen Kfz auf, muss ein Fahrfehler ausgeschlossen sein. Eine unmittelbare Einwirkung durch Überschwemmung liegt demnach
1 BGH v. 26. 4. 2006 – IV ZR 154/05, SP 2006, 287. 2 BGH v. 19. 10. 1983 – IVa ZR 51/82, VersR 1984, 28. 3 OLG Köln v. 1. 12. 1998 – 9 U 103/98, NVersZ 1999, 485 = zfs 1999, 338 = NJW-RR 1999, 468 = r+s 1999, 451.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 368 Teil 7
nicht vor, wenn das Auto in eine bereits überschwemmte Straße hineingefahren wird1. f) Wildschaden aa) Anspruch bei Zusammenstoß Die Wildschadenklausel, A.2.2.4 AKB, deckt in der Teilkaskoversicherung Schäden ab, die durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesjagdgesetzes entsteht. Das sind z. B. Hasen, Füchse, Dachse, Marder, Wildschweine, Rehe, Hirsche. Mit der Definition des Haarwildes sind von vornherein Hunde und Katzen ausgeschlossen. Allerdings ist mittlerweile in manchen (Premium-) Bedingungen die Klausel ausgeweitet worden, indem z. B. Pferde und Rinder oder gar Wirbeltiere jeglicher Art in die Klausel aufgenommen wurden. Sie ist somit eine „Wirbeltierklausel“ geworden. Umstritten ist die Frage, ob auch der Schaden gedeckt ist, der durch den Zusammenstoß mit einem auf der Fahrbahn liegenden toten Wild entstanden ist2. Die Frage ist durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, wenngleich das LG Stuttgart unlängst einen versicherten Wildschaden bejahte3.
367
Für die Praxis ist die Differenzierung entscheidend, ob das Fahrzeug mit dem Wild zusammengestoßen ist oder ob der Fahrer noch ausweichen konnte, eine Berührung also nicht stattfand, der Fahrer aber wegen des Ausweichmanövers einen Schaden am Fahrzeug nicht vermeiden konnte – er etwa gegen einen Baum fuhr. Gab es einen Zusammenstoß mit dem Wild, greift die Wildschadenklausel ein. Gab es keinen Zusammenstoß, kommt ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Rettungskosten nach § 90 VVG in Betracht (zu den Rettungskosten anschließend fi Rz. 369). Beispiel: Der Kläger war mit seinem Porsche auf der Landstraße bei einer Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h ins Schleudern geraten und von der Fahrbahn abgekommen. Der Pkw prallte gegen einen betonierten Kanaldurchlass. Der Kläger behauptete, der Unfall sei auf einen Zusammenstoß mit einem Hasen und nicht etwa auf ein Ausweichmanöver zurückzuführen. Er verlangte aus der Teilkaskoversicherung die Reparaturkosten von 19 000 Euro. Die Wildschadenklausel setzt voraus, dass der Schaden „durch“ einen Zusammenstoß mit dem Wild entstanden sein muss. Demnach muss der Schaden am Fahrzeug ursächlich auf den Zusammenstoß mit dem Hasen zurückzuführen sein. Das ist auch der Fall, wenn der Fahrer wegen des Zusammenstoßes das Lenkrad verreißt4, es sei denn, diese Reaktion wäre 1 AG Krefeld v. 25. 6. 2010 – C 456/09, Sp 2010, 373. 2 Vgl. OLG Nürnberg v. 27. 1. 1994 – 8 U 2961/93, r+s 1994, 168 = NJW-RR 1994, 537; OLG München v. 31. 1. 1986 – 10 U 4630/85, VersR 1986, 863. 3 LG Stuttgart v. 7. 2. 2007 – 5 S 244/06, r+s 2008, 150 = NZV 2008, 580. 4 Vgl. OLG Hamm v. 12. 12. 1997, 46 = NJW-RR 1998, 821 = r+s 1998, 53 = zfs 1998, 181.
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368
Teil 7
Rz. 369
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
grob fahrlässig gewesen (dazu weiter unten). Eine Berührung mit dem Wild, die für den Unfall nicht kausal war, reicht jedoch nicht aus. Den Beweis für den Ursachenzusammenhang muss der Versicherungsnehmer führen. Ein Anscheinsbeweis ist in diesem Fall nicht möglich. Denn nach der Lebenserfahrung führt der Zusammenstoß eines schweren Pkw bei einer Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h mit einem Hasen nicht zu einem Unfall. Jedenfalls ist das kein typischer Geschehensablauf. Denkbar ist ein Ursachenzusammenhang in der Weise, dass der Kläger, als er den Aufprall vernahm, unsachgemäß gebremst hat und das Fahrzeug deshalb ausbrach. Eine solche Reaktion ist aber nur dann noch adäquat kausal, wenn sie nicht als grob fahrlässig einzustufen ist. Im vorliegenden Fall dürfte grobe Fahrlässigkeit gegeben sein, weil ein durchschnittlicher Fahrer weiß, dass ein Hase auf der Fahrbahn bei einem schweren Porsche kaum einen Schaden anrichten kann, der Fahrer deshalb die Spur halten muss1.
Die Beweislast für den Zusammenstoß mit einem Wild trifft den Versicherungsnehmer, wobei keine besonderen Beweiserleichterungen gelten2. Der VN hat nachzuweisen, dass es zu einer Berührung zwischen dem Kfz und dem Haarwild gekommen ist. Der Umstand muss auch für den eingetretenen Schaden ursächlich sein3. Kann dieser Beweis nicht geführt werden, kann aber dennoch Deckung aus der Vollkaskoversicherung bestehen, wenn unstreitig ein Unfall – aber kein Zusammenstoß mit Wild – vorgelegen hat4. bb) Anspruch ohne Zusammenstoß als Rettungskosten 369
Hier hat die VVG-Reform durch § 90 VVG, der für die Kaskoversicherung als Sachversicherung einschlägig ist, für Klarheit gesorgt und die Rechtsprechung zu den Rettungskosten kodifiziert. § 90 VVG wiederum verweist für Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer zur Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalls macht, auf § 83 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 VVG.
369a
Nach § 82 Abs. 1 VVG trifft den Versicherungsnehmer die Obliegenheit, „bei“ Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Obliegenheit nach und sind ihm dabei Aufwendungen entstanden, hat er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen den Versicherer, auch wenn die Bemühungen um die Abwendung des Versicherungsfalls erfolglos waren, § 83 Abs. 1 S. 1 VVG. 1 Vgl. BGH v. 18. 12. 1991 – IV ZR 204/90, VersR 1992, 349 = NJW-RR 1992, 469 = zfs 1992, 85 = NZV 1992, 109 = MDR 1992, 653, der aber nicht zu entscheiden brauchte, ob grobe Fahrlässigkeit vorlag. 2 OLG Hamm v. 5. 5. 2004 – 20 U 29/04, r+s 2004, 318 = VersR 2004, 1309. 3 OLG Hamm v. 20. 2. 2008 – 20 U 134/07, r+s 2010, 12 = VersR 2008, 1059 = zfs 2008, 335. 4 S. auch OLG Hamm v. 20. 2. 2008 – 20 U 134/07, r+s 2010, 12 = VersR 2008, 1059 = zfs 2008, 335.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 370 Teil 7
Diese Gesetzeslage trifft auf die Fallgruppe zu, bei der ein Versicherungsnehmer mit seinem Fahrzeug einem Haarwild ausweicht, mit dem Wild also nicht zusammengestoßen ist, und dabei einen Schaden an seinem Fahrzeug anrichtet. Durch das Ausweichen hat er den Eintritt des Versicherungsfalls nach der Wildschadenklausel vermieden. Diese bietet deshalb keine Anspruchsgrundlage. Andererseits hat er durch das Ausweichen Aufwendungen verursacht, die in der Reparatur des Fahrzeugs liegen. Eine gewissen Schwierigkeit, die §§ 82, 83 VVG auf diese Fallgruppe anzuwenden, ist der Wortlaut des § 82 Abs. 1 VVG, in dem es heißt „bei“ Eintritt des Versicherungsfalls. Soll darunter verstanden werden, dass der Ablauf schon begonnen haben muss, der den Versicherungsfall ausmacht, so gäbe es die praktische Schwierigkeit, dass der Versicherungsnehmer nicht erst ausweichen kann, wenn er schon begonnen hat, das Haarwild mit seinem Fahrzeug zu berühren. Um dieses Problem befriedigend zu lösen, hat sich der BGH1 der in der Literatur entwickelten sog. Vorerstreckungstheorie für die Sachversicherung angeschlossen. Danach setzt die in § 82 Abs. 1. VVG normierte Rettungspflicht des Versicherungsnehmers nicht voraus, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Es genügt vielmehr, dass er unmittelbar bevorsteht, siehe jetzt auch § 90 VVG n. F., der auch einen unmittelbar bevorstehenden Schaden in den Schutzbereich von § 83 VVG einbezieht. Diese gesetzliche Regelung ist durch die AKB nicht abbedungen worden. Dies wäre auch unzulässig, weil §§ 82, 83 VVG zwingend sind. Für die Erstattung von Rettungskosten zur Vermeidung eines Zusammenstoßes eines Kraftfahrzeugs mit Haarwild kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer selbst oder ein berechtigter Fahrer die Rettungstätigkeit ausgeübt hat. Nach dieser Rechtsprechung erhält also Ersatz, wer einem Haarwild ausweicht, d. h. nicht nach der Wildschadenklausel zusammengestoßen ist, und dabei sein Fahrzeug beschädigt. Allerdings ist das Ausweichen vor einem Hasen – wie bei der Wildschadenklausel – im Allgemeinen keine Rettungshandlung, die der Versicherungsnehmer den Umständen nach für geboten halten durfte (vgl. § 83 Abs. 1 S. 1 VVG). Denn bei der Fahrt mit einem mittelschweren Pkw (anders bei Motorrädern2) kann der Zusammenstoß mit einem Hasen keinen nennenswerten Schaden anrichten. Wer aus Tierliebe einem Hasen ausweicht, verdient Zustimmung. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass er den bei einem Ausweichen entstehenden Schaden vom Kfz-Versicherer ersetzt bekommt. Mit der Teilkaskoversicherung ist nicht das Leben des Hasen, sondern das Fahrzeug 1 BGH v. 20. 2. 1991 – IV ZR 202/90, BGHZ 113, 359 = VersR 1991, 459 = NJW 1991, 1609 = MDR 1991, 1042 = NZV 1991, 226 = zfs 1991, 135. 2 Vgl. OLG Hamm v. 3. 5. 2001 – 6 U 209/00, NVersZ 2001, 466 = VersR 2002, 478 (nur LS) = MDR 2001, 1051 = r+s 2001, 495 = zfs 2001, 461 m. Anm. Rixecker.
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Teil 7
Rz. 371
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
versichert1. Das sah das OLG Koblenz2 auch beim Ausweichen vor einem Fuchs so. Anders als bei einem Hasen hat der Fahrer bei einem Reh Anlass auszuweichen3. Bei der Beurteilung, ob der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht, sollte nicht kleinlich verfahren werden, weil der Fahrer in dieser Situation keine Zeit für schwierige Abwägungen hat. 371
Mit der Aufgabe des Alles-oder-nichts-Prinzips ist die Diskussion darüber entbrannt, wie sich dies auf den Rettungskostenersatz auswirkt. Dabei ist zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Zum einen sind die Fälle zu betrachten, bei denen die Rettung objektiv geboten ist, aber eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls, eine Gefahrerhöhung oder eine Obliegenheitsverletzung vorliegt: Hierbei wird ein eventueller Rettungskostenersatz nach den Regeln der Quotenbildung gekürzt, § 83 Abs. 2 VVG. Fraglich ist bei der zweiten Fallgruppe aber, wie die Antwort auszusehen hat, wenn der Versicherungsnehmer eine Rettungshandlung vornimmt, die objektiv nicht geboten ist (Ausweichen vor einem Hasen). Hierzu liegt ein Urteil des LG Trier4 vor, das bei Ausweichen vor einem Fuchs zwar die objektive Erforderlichkeit des Ausweichens verneinte, aber einen grob fahrlässigen Irrtum über die Notwendigkeit annahm. Das Gericht kürzte den Rettungskostenanspruch um 60 % auf 40 %. Ob allerdings die oberen Instanzen die Quotierungsregel auch auf die nicht gebotene Rettungshandlung ausdehnen werden, bleibt abzuwarten, denn nach der Gesetzessystematik findet sich dazu weder im Gesetzestext noch in der Begründung jeglicher Hinweis5. Angesichts der schon durch die Vorerstreckung erfolgten Ausdehnung des Versicherungsschutzes ist auch kein Bedürfnis erkennbar, Ansprüche nach § 83 Abs. 1 VVG weiter auszudehnen. Entweder war die Rettungshandlung geboten oder sie war es nicht.
372
Häufig wird der Fahrer eines Fahrzeugs nur schwer beweisen können, dass der Schaden an seinem Fahrzeug durch das Ausweichen vor einem Wild entstanden ist. Solche Beweisschwierigkeiten haben in der Rechtsprechung nicht dazu geführt, dem Fahrer irgendwelche Beweiserleichterungen zu gewähren. Selbst die Parteivernehmung nach § 448 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn der Fahrer behauptet, er habe einem Wildschwein ausweichen müssen, aber irgendwelche Anhaltspunkte für einen Anscheinsbeweis nicht vorbringen kann6. 1 Vgl. BGH v. 18. 12. 1996 – IV ZR 321/95, VersR 1997, 351 = NJW 1997, 1012 = MDR 1997, 348 = NZV 1997, 176 = zfs 1997, 219. 2 OLG Koblenz v. 31. 10. 2003 – 10 U 1442/02, r+s 2004, 11 = VersR 2004, 464. 3 OLG Köln v. 19. 9. 2000 – 9 U 48/99, NVersZ 2001, 322 = r+s 2000, 495. 4 LG Trier v. 3. 2. 2010 – 4 O 241/09, zfs 2010, 510 = r+s 2010, 509. 5 Siehe dazu auch die Begründung BGH v. 18. 12. 1996 – IV ZR 321/95, VersR 1997, 351 = NJW 1997, 1012 = MDR 1997, 348 = NZV 1997, 176 = zfs 1997, 219. 6 Vgl. OLG Jena v. 7. 3. 2001 – 4 U 893/00, VersR 2001, 855 = NVersZ 2001, 361 = zfs 2001, 319.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 374 Teil 7
Während zu Zeiten des alten VVG noch als unentschieden gelten konnte, ob die Vorerstreckung auch auf Haftpflichtschäden anzuwenden sei, hat der Gesetzgeber mit der VVG-Novelle Klarheit gebracht: „Eine Vorerstreckung auf den Zeitpunkt, in dem der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht, sieht der Entwurf nur für den Aufwendungsersatz bei der Sachversicherung nach § 90 VVG-E vor1.“ Der in der Begründung angesprochene Entwurf ist ja bekanntlich Gesetz geworden. g) Glas- und Verkabelungsschäden Gem. A.2.2.5 AKB ist in der Teilkaskoversicherung auch der Glasbruch versichert.
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Entsteht bei einem Fahrzeug ein Totalschaden und besteht kein Versicherungsschutz aus einer Vollkaskoversicherung, sondern nur aus der Teilkasko, ist der Wiederbeschaffungswert der Verglasung zu ersetzen. Nicht dazu gehören in diesem Fall die Einbaukosten, da im Totalschadensfall (hier der Verglasung) nur der Ersatz des Wiederbeschaffungswerts in Betracht kommt2. In einem vom BGH3 entschiedenen Fall verlangte der Versicherungsnehmer vollen Ersatz für sein totalgeschädigtes, nur teilkaskoversichertes Fahrzeug unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten nach § 83 VVG. Er war einem entgegenkommenden Fahrzeug ausgewichen und gegen einen Baum gefahren. Er argumentierte, durch das Ausweichen habe er den Versicherungsfall des Glasbruchs vermieden. Er verlangte ca. 8700 Euro; ohne Erfolg. Ein Anspruch auf Ersatz von Rettungskosten setzt voraus, dass die verlangte Summe zu dem Zweck aufgewandt wurde, das versicherte Risiko nicht eintreten zu lassen. Daran fehlte es. Der Versicherungsnehmer wird dem entgegenkommenden Fahrzeug ausgewichen sein, um Leib und Leben zu retten, vielleicht noch, um sein Fahrzeug in Sicherheit zu bringen. Dass er mit dem Ausweichen aber einen Glasbruch an seinem Fahrzeug zu vermeiden suchte, dürfte allerdings eine Reflexwirkung gewesen sein. Diese genügt aber nicht als Rettungshandlung. Zur Ersatzleistung bei Glasbruchschäden s. Rz. 442. Nach A.2.2.6 fallen auch Schäden an der Verkabelung durch Kurzschluss unter die Teilkaskoversicherung. Da Folgeschäden ausdrücklich aus1 Amtliche Begründung zu § 82. 2 AG Wetzlar v. 20. 9. 2001 – 35 C 1211/01, VersR 2002, 75; AG Saarbrücken v. 28. 11. 2005 – 42 C 305/05, VersR 2006, 789 = r+s 2006, 66; so wohl auch OLG Karlsruhe v. 6. 9. 2007 – 12 U 107/07, r+s 2008, 64. 3 BGH v. 13. 7. 1994 – IV ZR 250/93, VersR 1994, 1181 = NJW-RR 1994, 1366 = MDR 1995, 43 = zfs 1994, 370.
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Teil 7
Rz. 375
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
genommen sind, fallen die durch den Kurzschluss verursachten Schäden an der Elektronik nicht unter den Versicherungsschutz1. h) Neuere Leistungsarten 375
Neben den oben beschriebenen „klassischen“ Ereignissen, die unter den Versicherungsschutz der Teilkaskoversicherung fallen, haben sich nach der Tariffreigabe und unter dem Druck wachsenden Wettbewerbs verschiedene Zusatzleistungen etabliert – allerdings häufig auf PKW begrenzt. Sie sind nicht in den Verbandsempfehlungen des GDV enthalten, deshalb ist ein Blick in den Leistungskatalog des in Frage stehenden Vertrages unbedingt angezeigt. An dieser Stelle können nicht alle neuen Leistungen angesprochen werden, die am meisten verbreiteten müssen genügen. Allgemein durchgesetzt (jedenfalls in den Premiumtarifen) hat sich die Deckung der durch Marderbiss verursachten Schäden. Dabei werden üblicherweise nur die unmittelbar verursachten Schäden ersetzt, Folgeschäden sind ausgenommen. Das bedeutet, dass nur die vom Marder zerbissenen Kabel, Schläuche und Manschetten zu ersetzen sind, nicht z. B. der Motorschaden, der durch Überhitzung wegen eines defekten Kühlerschlauchs entstanden ist. Streitig ist, wie zu verfahren ist, wenn seitens des Herstellers nur der Ersatz der kompletten Baugruppe angeboten wird. Nach einer Entscheidung des Versicherungs-Ombudsmanns2 handelt es sich um einen nicht gedeckten Folgeschaden. Mittlerweile werden aber oft auch Folgeschäden bedingungsgemäß gedeckt, wenn auch mit einer Höchstentschädigungssumme. Werden die Fahrzeugschlüssel durch einen Einbruchdiebstahl oder einen Raub entwendet, besteht die Gefahr der Zuordnung der Schlüssel zum Fahrzeug und damit steigt das Diebstahlsrisiko. Der Versicherungsnehmer ist in diesen Fällen gehalten, die Schließanlage austauschen zu lassen, vgl. Rz. 131, 422. Einige Versicherer übernehmen in diesem Fall die Kosten des Austausches der Tür- und Lenkradschlösser. Allerdings fällt die Entwendung aus dem Fahrzeug nicht unter diesen Schutz.
3. Vollkasko-Versicherung 376
Die Vollkaskoversicherung unterscheidet sich von der Teilkaskoversicherung dadurch, dass sie über diese hinaus auch Unfallschäden am Fahrzeug umfasst, A.2.3.2 AKB. Brems-, Betriebs- und reine Bruchschä1 AG Berlin-Mitte v. 8. 1. 2009 – 10 C 271/08, SP 2009, 262. 2 Versicherungsombudsmann v. 25. 1. 2008 – 10321/2007-S, zfs 2008, 690; a. A. AG Zittau v. 28. 2. 2006 – 5 C 545/05, zfs 2008, 691; Versicherungsombudsmann v. 9. 6. 2009, SP 2009, 296.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 379 Teil 7
den sind jedoch ausgenommen. Eingeschlossen sind auch Beschädigungen durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen, A.2.3.3 AKB. a) Unfallschäden A.2.3.2 AKB definiert den Unfall als ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis. Dabei fallen Brems-, Betriebs- (s. fi Rz. 380) und reine Bruchschäden nicht darunter.
377
Beispiel: Ein Fahrer weicht mit seinem Fahrzeug einem entgegenkommenden aus. Durch das Ausweichmanöver stürzt das Fahrzeug um und wird beschädigt. Hier handelt es sich um einen Unfall. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Fahrer bei dem Ausweichen zu stark gebremst hat und dadurch das Umstürzen verursachte. Der vorangegangene Bremsvorgang hindert nicht die Annahme eines anschließenden Unfalls, der von der Versicherung gedeckt ist1.
Das Tatbestandsmerkmal „unmittelbar“ bezieht sich nur auf die Einwirkung auf das Fahrzeug. Der Schaden selbst muss nicht unmittelbar entstanden, sondern nur adäquat auf die unmittelbare Einwirkung zurückzuführen sein.
378
Beispiel: Durch einen Steinschlag wird die Ölwanne beschädigt. Allmählich verliert das Fahrzeug Öl, bis schließlich ein Motorschaden eintritt. Nach Auffassung des OLG Frankfurt2 handelt es sich bei dieser Art von Fällen nicht um einen Unfall, weil es an dem Merkmal der Unmittelbarkeit fehle. Demgegenüber sieht Knappmann3 und das AG Hamburg4 den Motorschaden als Unfall an. Dagegen fehlt es unstreitig an der Unmittelbarkeit, wenn der Fahrer eines Lkw einem anderen Fahrzeug ausweicht, dabei die Ladung verrutscht und dadurch die Innenseiten der Bordwand beschädigt werden5.
Zum Begriff des Unfalls i. S. v. A.2.3.2 AKB gehört nicht die Unfreiwilligkeit. Bestreitet der Versicherer, dass der Unfall unfreiwillig eingetreten ist, braucht dies nicht der Versicherungsnehmer zu beweisen. Vielmehr liegt die Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat, gem. § 81 VVG beim Versicherer6. Bei Zweifeln, ob sich der Unfall so und vor allem an dem Ort ereignet hat, wie es der Versicherungsnehmer vorgetragen hat, ist die vom Ver1 Vgl. OLG Hamm v. 26. 11. 1975 – 20 W 15/75, VersR 1976, 626. 2 Vgl. den ähnlichen Fall OLG Frankfurt a. M. v. 24. 6. 1992 – 23 U 172/91, NJW-RR 1993, 216 = r+s 1994, 165 dort weitere Beispiele mit Fundstellen. 3 Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 A.2.3 Rz. 4. 4 AG Hamburg v. 27. 2. 2009 – 54 AC 124/08, SP 2009, 372. 5 OLG Hamm v. 28. 10. 1988 – 20 U 369/87, VersR 1989, 907. 6 BGH v. 5. 2. 1981 – IVa ZR 58/80, VersR 1981, 450 = NJW 1981, 1315.
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Teil 7
Rz. 380
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
sicherer in Abrede gestellte Lage der UnfallsteIle eine für die Individualisierung des geltend gemachten Versicherungsfalles notwendige Angabe und gehört mithin zu den vom Versicherungsnehmer darzulegenden und nachzuweisenden Umständen1. Gelingt dies nicht, ist nicht einmal der Versicherungsfall bewiesen. Der Versicherungsfall ist auch dann nicht bewiesen, wenn zahlreiche Widersprüche zwischen dem Parteivortrag, Unterlagen ausländischer Behörden, seinen Angaben gegenüber dem Versicherungsagenten und den Bekundungen seiner Ehefrau als Zeugin dazu führen, dass die Darstellung des Unfalls nicht glaubhaft ist2. Wenn sich nicht feststellen lässt, welche der geltend gemachten Schäden bei der behaupteten Kollision entstanden sind und ob diese nicht Fahrzeugteile betrafen, die aufgrund eines früheren Unfallereignisses geschädigt waren und ohnehin hätten ausgetauscht oder fachgerecht instand gesetzt werden müssen, fehlt es für einen Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers an einer ausreichenden Grundlage für eine Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teil- oder Mindestschadens, da eine Abgrenzung von den unstreitig bei vorangegangenen Schadenereignissen an dem Kfz eingetretenen Schäden nicht möglich ist. Außerdem ist die auffällige Häufung von geltend gemachten Versicherungsfällen in Bezug auf ein älteres, ursprünglich hochpreisiges Kfz ein gewichtiges Indiz für ein manipuliertes Unfallgeschehen3. Ausführlich zu Momenten, die für einen manipulierten Unfall sprechen OLG Köln4. Per Beschluss hat das OLG Koblenz5 einen Unfallschaden angenommen, wenn ein Kfz mangels hinreichend betätigter Feststellbremse auf einem abschüssigen Weg in einen Weiher rollt, da es sich bei dem Eintauchen ins Wasser um eine plötzliche, unmittelbare mechanische Einwirkung auf die versicherte Sache von außen handele. b) Brems- und Betriebsschäden 380
Bremsschäden sind nur solche Schäden, die durch das Bremsen unmittelbar am Fahrzeug selbst entstehen, z. B. das Platzen eines Reifens6. Bremst der Fahrer und stößt er mit dem Fahrzeug anschließend an einen Baum, handelt es sich aber um einen gedeckten Schaden.
381
Bei den Betriebsschäden sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Diejenigen, die in jedem Fall nicht gedeckt sind (Rz. 382) und denen, die wegen der besonderen Verwendung des Fahrzeugs nicht gedeckt sind, obwohl sie Merkmale eines Unfalls ausfweisen (Rz. 383). 1 2 3 4 5 6
OLG Brandenburg v. 26. 5. 2009 – 12 U 215/08, zfs 2009, 450 = VersR 2009, 1653. OLG Düsseldorf v. 24. 6. 2008 – 4 U 226/07, r+s 2009, 368. OLG Düsseldorf v. 27. 10. 2009 – 4 U 63/08, r+s 2010, 107. OLG Köln v. 2. 3. 2010 – 9 U 122/09, r+s 2010, 192 = VersR 2010, 1361. OLG Koblenz v. 1. 12. 2008 – 10 U 622/08, VersR 2009, 1613. Vgl. OLG Hamm v. 26. 11. 1975 – 20 W 15/75, VersR 1976, 626.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 383 Teil 7
Nicht gedeckt sind alle Schäden, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen. Offenbar haben die AKB 2008 versucht, um Zweifel an der Transparenz der Klausel zu begegnen, durch Beispiele zu illustrieren, was unter Brems-, Betriebs- und Bruchschäden zu verstehen ist. Aufgezählt werden rutschende Ladung, Fahrzeugabnutzung und Verwindungsschäden. Ferner Schäden aufgrund von Bedienungsfehlern (und dadurch eintretende Motor- und Getriebeschäden). Ein Schaden aufgrund des Aufspringens der Motorhaube während der Fahrt, weil der Verschluss einer Ölflasche im Motorraum zurückgelassen wurde, stellt einen nicht versicherten Betriebsschaden dar1. Auch Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen gehören zu den ausgeschlossenen Brems-, Betriebs- und Bruchschäden2.
382
Schäden durch rutschende Ladung sind explizit ausgeschlossen3. Sie können aber unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten gedeckt sein. Das OLG Hamm4 hat folgenden Fall entschieden: Der Fahrer einer vollkaskoversicherten Zugmaschine nahm eine Vollbremsung vor, weil ein LKW plötzlich vom Parkplatz auf die Fahrbahn fuhr. Dabei rutschte die Ladung des Aufliegers gegen die Rückwand der Zugmaschine und beschädigte sie. Das Gericht sah die Vollbremsung, die das Verrutschen verursachte, als Rettungsmaßnahme zur Abwendung einer Kollision und eines Unfallschadens an der Zugmaschine an. Zu beachten ist, dass sich der Rettungskostenersatz nur auf die Kasko- nicht auf die Haftpflichtversicherung bezieht5. Ob ein Ereignis, das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist, hängt entscheidend von der konkreten Verwendung des Fahrzeugs ab. Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird, sind Betriebsschäden. Maßgeblich für die Annahme eines Betriebsschadens ist, ob es sich bezogen auf die beabsichtigte konkrete Verwendung des Fahrzeugs um ein vorhersehbares oder um ein außergewöhnliches Ereignis handelt, mit dem Versicherungsnehmer nicht rechnen musste6. Das Umkippen eines Lkw auf einer Müllkippe soll ei1 2 3 4 5 6
LG Ravensburg v. 1. 7. 2010 – 1 S 92/10, zfs 2010, 510 = r+s 2010, 463. OLG Stuttgart v. 10. 8. 2006 – 7 U 73/06, r+s 2007, 238 = NJW-RR 2007, 175. LG Duisburg v. 5. 1. 2010 – 1 O 160/09, SP 2010, 301 = NZV 2010, 576. OLG Hamm v. 7. 5. 2004 – 20 U 48/04, r+s 2004, 319 = VersR 2004, 1409. Amtl. Begründung zu § 82, BT-Drucks. 16/3945. OLG Stuttgart v. 22. 2. 2007 – 7 U 163/06, r+s 2007, 276 = VersR 2007, 1121; die anders lautende Entscheidung BGH v. 6. 3. 1996 – IV ZR 275/95, VersR 1996, 622 betraf noch AVB, die nicht ausdrücklich „Gespannschäden“ ausschloss.
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Teil 7
Rz. 384
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
nen versicherten Unfall darstellen, weil das Umkippen über das normale, mit den Unebenheiten eines Deponiegeländes verbundene Betriebsrisiko hinausgehe, auch wenn es auf einen Bedienungsfehler beim Abkippen zurückzuführen sei1. Das OLG Koblenz sah einen Schaden im Rahmen eines Kippvorgangs als nicht versichert an, wenn der Schaden durch unterbliebene Kontrolle eines Sicherheitsbolzens geschah2. c) Handlungen betriebsfremder Personen 384
In der Vollkaskoversicherung sind gem. A.2.3.3 AKB Schäden durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen eingeschlossen. Betriebsfremd ist eine Person, die keine berechtigte Beziehung zu dem Fahrzeug hat. Das sind z. B. Personen, die von dem Berechtigten weder ausdrücklich ermächtigt sind, das Fahrzeug zu benutzen oder irgendwelche Handlungen (Reparaturen) an ihm vorzunehmen, noch kraft ihrer Stellung annehmen können, eine solche Ermächtigung stillschweigend erhalten zu haben (Verwandte, leitende Angestellte)3. Nicht betriebsfremd ist, wer das Fahrzeug zwar nicht fahren darf, es aber berechtigt in Besitz hat4. In den AKB wird der Begriff „betriebsfremd“ nicht mehr verwendet. Es wird vielmehr von Personen gesprochen, die in keiner Weise berechtigt sind, das Fahrzeug zu gebrauchen. Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung wird direkt in den Bedingungen an Beispielen erläutert, wer als berechtigt anzusehen ist: der Reparateur, Hotelangestellte, Arbeitnehmer des Verfügungsberechtigten, Familien- oder Haushaltsangehörige.
385
Stehen entsprechende Schäden am Fahrzeug fest, war es nach den alten Bedingungen Sache des Versicherers zu beweisen, dass die Schäden nicht auf Handlungen betriebsfremder Personen beruhen5. Dem Versicherer kamen dafür keine Beweiserleichterungen zugute6. Diese Rechtsprechung dürfte trotz etwas anderer Formulierung der Klausel auch für die AKB 2008 gelten. Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG Köln und des LG Köln zu den alten AKB7.
1 2 3 4
OLG Jena v. 24. 3. 2004 – 4 U 812/03, r+s 2004, 185 = VersR 2004, 1261. OLG Koblenz v. 4. 3. 2010 – 10 U 412/09, VersR 2010, 1076 = NZV 2010, 621. OLG Schleswig v. 31. 10. 1984 – 9 U 208/83, VersR 1986, 30 m. w. N. OLG Köln v. 22. 4. 1993 – 5 U 222/92, VersR 1994, 593 = zfs 1993, 307 = r+s 1996, 14. 5 OLG Köln v. 3. 6. 2008 – 9 U 35/07, SP 2009, 224; OLG Köln v. 3. 6. 2008 – 9 U 35/07, r+s 2008, 464. 6 BGH v. 25. 6. 1997 – IV ZR 245/96, VersR 1997, 1095 = MDR 1997, 931 = NJW 1997, 3027 = zfs 1997, 420; OLG Oldenburg v. 10. 11. 1999 – 2 U 200/99, VersR 2000, 1535 = r+s 2000, 56. 7 LG Köln v. 8. 4. 2009 – 20 O 201/08, r+s 2010, 237; OLG Köln v. 20. 8. 2010 – 20 U 96/09, SP 2010, 440.
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Rz. 388 Teil 7
III. Kaskoversicherung
! Hinweis: Hat eine nicht betriebsfremde Person, z. B. der angestellte Fahrer, den Schaden mut- oder böswillig herbeigeführt, so kann je nach Sachlage der Schaden doch gedeckt sein, wenn ein Unfall i. S. v. A.2.3.2 AKB anzunehmen ist1.
4. Tabelle der versicherten Ereignisse in der Kaskoversicherung 386
Ereignis
AKB-Fundstelle
Sparte
Brand, Explosion
A.2.2.1
Teilkasko, Vollkasko
Entwendung
A.2.2.2
Teilkasko, Vollkasko
Elementarschäden
A.2.2.3
Teilkasko, Vollkasko
Wildschäden
A.2.2.4
Teilkasko, Vollkasko
Glasbruchschäden
A.2.2.5
Teilkasko, Vollkasko
Kurzschluss
A.2.2.6
Teilkasko, Vollkasko
Unfall
A.2.3.2
Vollkasko
Mut- u. böswillige Handlungen
A.2.3.3
Vollkasko
5. Risikoausschlüsse der Kaskoversicherung Es ist zwischen dem gesetzlichen Ausschluss nach § 81 VVG (s. Rz. 392 ff.) und den vertraglichen Ausschlüssen zu unterscheiden. Beweisbelastet für das Vorliegen eines Ausschlusses ist der Versicherer.
387
Die vertraglichen Ausschlüsse sind: a) Rennen Für den Ausschluss nach A.2.16.2 AKB ist der Zweck, eine Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, entscheidend. Darunter fallen auch sogenannte Geschicklichkeits- oder Zuverlässigkeitsfahrten, bei denen die Höchstgeschwindigkeit zumindest mitbestimmend ist2. Es kommt bei den Rennen nicht darauf an, wo sie ausgetragen werden oder ob sie genehmigt sind oder nicht. Dieser Ausschluss gilt nur für Veranstaltungen, nicht für private Wettfahrten, die aber unter dem Gesichtspunkt von § 81 VVG zu betrachten sind, vgl. Rz. 393 ff.
1 Vgl. BGH v. 5. 2. 1981 – IVa ZR 58/80, VersR 1981, 450 = NJW 1981, 1315. 2 Feyock/Jacobsen/Lemor, § 2b AKB, Rz. 45.
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388
Teil 7
Rz. 389
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
b) Reifenschäden 389
Grundsätzlich sind Schäden an der Bereifung ausgeschlossen, A.2.16.3 AKB. Eingeschlossen, wofür der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist, sind sie jedoch wieder, wenn gleichzeitig weitere Schäden an dem Fahrzeug durch ein versichertes Ereignis entstanden sind. Beispiel: – Das vollkaskoversicherte Fahrzeug erleidet einen Unfall, bei dem neben Karosserieschäden auch Reifenschäden entstanden sind: Reifenschäden versichert – Das Fahrzeug fährt in einen Nagel, es ist nur ein Reifenschaden entstanden: kein Versicherungsschutz
c) Erdbeben, Krieg, innere Unruhen, Maßnahmen der Staatsgewalt 390
Der Ausschluss nach A.2.16.4 AKB fasst einige unterschiedliche Ursachen zusammen. Schäden durch Erdbeben können auch durch infolge eines Erdbebens herunterfallende Gebäudeteile entstehen. Kriegsereignisse setzen einen bewaffneten Konflikt zwischen Staaten voraus, wenngleich aufgrund der jüngsten Vorkommnisse in Afghanistan diese Definition eventuell weiter gefasst werden muss. Innere Unruhen umfassen auch den in den alten AKB noch aufgeführten Tatbestand des Aufruhrs. Sie liegen vor, wenn eine zusammengerottete, größere Menschenmenge mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen verübt1. Dies wird man bei den berüchtigten Ausschreitungen in einigen Städten am 1. Mai annehmen müssen, nicht aber bei Handlungen einzelner Teilnehmer einer genehmigten Demonstration. Maßnahmen der Staatsgewalt, die zu einer Beschädigung des Fahrzeugs führen, sind ebenfalls ausgeschlossen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese rechtmäßig waren oder nicht. Sie müssen im Vergleich zur üblichen staatlichen Ordnung einen Ausnahmecharakter besitzen. d) Schäden durch Kernenergie
391
Dieser Ausschluss nach A.2.16.5 AKB hat bisher noch keine praktische Bedeutung gehabt. Schadensersatzregelungen befinden sich in §§ 25 ff. AtomG.
1 BGH v. 13. 11. 1974 – IV ZR 178/73, VersR 1975, 126 = NJW 1975, 308 = MDR 1975, 304.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 392 Teil 7
6. Leistungsfreiheit gemäß § 81 VVG a) Allgemeines Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer von der Leistungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt. Bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers ist die Leistung entsprechend der Schwere der Schuld zu kürzen, § 81 Abs. 2 VVG. Hier gilt also der gleiche Grundsatz wie schon bei der Gefahrerhöhung und den Obliegenheitsverletzungen, vgl. Rz. 198. Die Herbeiführung des Versicherungsfalls durch andere Personen, auch solche, die in der KfzHaftpflichtversicherung mitversichert sind, schadet dem Versicherungsnehmer nur, wenn der Dritte sein Repräsentant ist (dazu fi Rz. 424 ff.). § 81 VVG gilt nicht für die Kfz-Haftpflicht- und -Unfallversicherung. Diese Vorschrift begründet nach h. M. keine allgemeine Schadensverhütungspflicht des Versicherungsnehmers, sondern bildet einen subjektiven Risikoausschluss. Eine gesetzliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, besteht nach § 82 VVG erst bei Eintritt des Versicherungsfalls. Das bedeutet aber nicht, dass die Voraussetzungen des § 81 VVG nicht auch durch ein Unterlassen erfüllt sein können1. Das ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer das ursächliche Geschehen in der Weise beherrscht, dass er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zulässt, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz des versicherten Interesses in der Hand hat und zumutbar die Gefahr abwenden könnte, wie dies eine nicht versicherte Person täte2. Auch § 81 VVG will verhindern, dass das bei Vertragsschluss vorhandene Äquivalenzverhältnis zu Lasten des Versicherers nachträglich gestört wird, etwa dadurch, dass sich der Versicherungsnehmer besonders sorglos verhält. Der vertragsgemäß vorausgesetzte Sicherheitsstandard darf nicht nachträglich erheblich herabgesetzt werden3.
! Hinweis: In vielen Bedingungen – vor allem bei den sog. Premiumprodukten – wird heute darauf verzichtet, sich auf grobe Fahrlässigkeit zu berufen. Ausgenommen von diesem Verzicht sind in der Regel Trunkenheitsund Rauschmittelhandlungen und grobe Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit Entwendungen.
1 BGH v. 14. 4. 1976 – IV ZR 29/74, VersR 1976, 649 m. w. N.: Ein Kfz-Händler hatte seine Fahrzeuge trotz drohenden Hochwassers nicht weggeschafft. 2 BGH v. 14. 7. 1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986, 962 = NJW 1986, 2838. 3 BGH v. 12. 10. 1988 – IVa ZR 46/87 – unter 1, VersR 1989, 141.
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Teil 7
Rz. 393
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
b) Grobe Fahrlässigkeit 393
Nach st. Rspr. gilt für den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht ein ausschließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderungen des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen. Grobe Fahrlässigkeit hat also auch i. S. d. § 81 VVG eine objektive und subjektive Komponente1. Objektiv grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und dasjenige nicht beachtet hat, was in seiner Lage jedem hätte einleuchten müssen2. Liegt diese objektive Seite vor, kann im Allgemeinen auf das Vorhandensein auch der subjektiven Seite geschlossen werden, wenn keine entlastenden Umstände gegeben sind3. Es darf aber nicht automatisch auf die subjektive Unentschuldbarkeit geschlossen werden, der äußere Geschehensablauf und das Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes sind zu berücksichtigen4.
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Unter der Herrschaft des Alles-oder-nichts-Prinzips im VVG a. F. hatte der BGH5 zur Abmilderung der harten Rechtsfolge eines vollständigen Verlustes des Anspruchs bei grober Fahrlässigkeit das sog. Augenblicksversagen6 als Rechtsfigur eingeführt. Sie besagt, dass ein Verhalten, das zwar im Allgemeinen einen objektiv schweren Pflichtverstoß darstellt, dann nicht das Verdikt der groben Fahrlässigkeit verdient, wenn dem Handelnden aus einem Augenblicksversagen heraus ein „Ausrutscher“ unterlaufen ist, der auch einem nicht besonders sorglos Handelnden passieren kann. Diese Rechtsprechung des BGH hatte zur Folge, dass von den Gerichten nun alles und jedes – vor allem im Straßenverkehr – auf „normale“ Fahrlässigkeit heruntergestuft wurde. Das kann nicht verwundern, weil die meisten Pflichtverstöße im Straßenverkehr auf einem kurzen Versagen beruhen. Der BGH7 hat dann einen Fall, bei dem eine Versicherungsnehmerin bei klarer Sicht und gutem Wetter trotz roter Ampel (s. zu Rot1 BGH v. 8. 7. 1992 – IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147 = NJW 1992, 2418 = VersR 1992, 1085 = MDR 1992, 945 = zfs 1992, 378. 2 BGH v. 10. 2. 1999 – IV ZR 60/98, VersR 1999, 1004 m. w. N. = NVersZ 1999, 334 = NJW-RR 2000, 397. 3 BGH v. 8. 7. 1992 – IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147 = NJW 1992, 2418 = VersR 1992, 1085 = MDR 1992, 945 = zfs 1992, 378. 4 S. OLG Köln v. 3. 9. 2009 – 9 U 63/09, r+s 2010, 14 = NZV 2010, 200 = VersR 2010, 623. 5 BGH v. 14. 7. 1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986, 962 = NJW 1986, 2838; v. 8. 2. 1989 – IVa ZR 57/88, VersR 1989, 582 = NJW 1989, 1354; v. 5. 4. 1989 – IVa ZR 39/88, VersR 1989, 840 = NJW-RR 1989, 1187. 6 Vgl. Römer, VersR 1992, 1187. 7 BGH v. 8. 7. 1992 – IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147 = VersR 1992, 1085 = NJW 1992, 2418 = NZV 1992, 402 = MDR 1992, 945 = zfs 1992, 378.
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Meinecke
III. Kaskoversicherung
Rz. 396 Teil 7
lichtverstößen auch fi Rz. 402 ff.), die von weitem erkennbar war, in eine Kreuzung einfuhr und einen schweren Verkehrsunfall verursachte, zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung in den Auswirkungen zu reduzieren. Er hat ausgeführt, ein Augenblicksversagen sei allein noch kein Grund, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben seien. Vielmehr müssten weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen ließen. Im konkreten Fall hat der BGH das Überfahren der roten Ampel als grob fahrlässig angesehen. Die Rechtsprechung zum Augenblicksversagen dürfte nach der Neufassung des VVG obsolet geworden sein. Jetzt wird sich die Rechtsprechung damit zu beschäftigen haben, ob und inwieweit das (objektiv) grob fahrlässige Verhalten zu einer Kürzung der Versicherungsleistung führt. Dabei mögen die bisherigen Urteile zum Augenblicksversagen ein Anhaltspunkt dafür sein, wann von geringer Schuld und damit keiner oder nur geringer Kürzung auszugehen ist. Da aber viele Kraftfahrt-Bedingungen, wie ausgeführt, grobe Fahrlässigkeit nur noch bei Trunkenheit und Entwendungsfällen pönalisieren, dürften sich die Streitfälle in der Kaskoversicherung vor allem auf diese Fallgruppen konzentrieren. Augenblicksversagen ist aber allenfalls bei Entwendungsfällen denkbar. c) Vorsatz Der Vorsatz ist im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen1, also das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Es genügt der Eventualvorsatz. Der Vorsatz braucht sich nur auf das Schadensereignis zu beziehen (anders als bei § 103 VVG für Haftpflichtschäden, der auch die Schadensfolgen umfasst, s. Rz. 296 ff.).
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d) Kausalität Durch die Formulierung des § 81 VVG, wonach Leistungsfreiheit besteht, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall „herbeiführt“, ist gefordert, dass zwischen dem Verhalten des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Versicherungsfalls Kausalität bestehen muss. Dabei setzt § 81 VVG nicht voraus, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers die alleinige Ursache des Versicherungsfalls war. Es genügt, dass irgendein Verhalten des Versicherungsnehmers mitursächlich war2. 1 Im Einzelnen Römer/Langheid/Langheid, VVG § 61 Rz. 76; Stiefel/Maier/Halbach, VVG § 81 Rz. 8, jeweils m. w. N. 2 BGH v. 14. 7. 1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986, 962 = NJW 1986, 2838.
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1053
396
Teil 7
Rz. 397
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
e) Kürzung der Leistung 397
Wie auch bei der Gefahrerhöhung und den Obliegenheitsverletzungen wird bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungfalls nach § 81 Abs. 2 VVG eine Abwägung zur Schwere der Schuld vorgenommen. Dabei reicht die Spannweite vom vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes über teilweise Leistungskürzung bis zur vollen Ersatzleistung, s. auch Rz. 199. S. auch die eingehenderen Ausführungen unter Rz. 237 ff. Zur Beweislast bei der Bemessung der Schwere der Schuld s. Rz. 401. f) Beweislastverteilung
398
Der Versicherer, der sich auf Leistungsfreiheit nach § 81 VVG berufen will, muss sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm beweisen, also Handeln oder Unterlassen des Versicherungsnehmers, grobe Fahrlässigkeit einschließlich der subjektiven Seite oder Vorsatz sowie die Kausalität1. Ist bei der groben Fahrlässigkeit allerdings die objektive Seite bewiesen, so kann im Allgemeinen auch auf das Vorhandensein der subjektiven Seite geschlossen werden, wenn keine entlastenden Umstände gegeben sind2. Entlastende Umstände muss der Versicherungsnehmer substantiiert vortragen, wenn sie – wie i. d. R. – in seinen Bereich fallen. Es ist dann Sache des Versicherers, sie zu widerlegen3. Behauptet der Versicherungsnehmer z. B. unwiderlegt, er habe die Bremse seines Fahrzeugs betätigt und vom Armaturenbrett habe die entsprechende Kontrolllampe geleuchtet, so kann grobe Fahrlässigkeit nicht festgestellt werden, auch wenn sich das Fahrzeug in Bewegung gesetzt hat4.
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Bei Vorsatz sind die Regeln über den Anscheinsbeweis unanwendbar. Denn die vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungsfalls ist ein menschliches Verhalten, dem die beim Anscheinsbeweis erforderliche Typizität des Geschehens fehlt5. Der Indizienbeweis ist nicht ausgeschlossen, so dass der Vorsatz als innere Tatsache aus den feststehenden äußeren Umständen geschossen werden kann. Der Versicherer muss so z. B. bei dem Verdacht gestellter Unfälle beweisen, dass der Versicherungsnehmer in die Beschädigung des Fahrzeugs eingewilligt hat6. 1 Vgl. BGH v. 13. 4. 2005 – IV ZR 62/04, VersR 2005, 1387; OLG Koblenz v. 13. 3. 2009 – 10 U 1038/08, VersR 2009, 1526 = SP 2009, 443. 2 BGH v. 8. 7. 1992 – IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147 = NJW 1992, 2418 = VersR 1992, 1085 = MDR 1992, 945 = zfs 1992, 378. 3 Vgl. OLG Köln v. 20. 2. 2001 – 9 U 173/00, NVersZ 2001, 466 = r+s 2001, 235 = zfs 2001, 318. 4 Vgl. AG Potsdam v. 28. 4. 2000 – 34 C 117/99, VersR 2001, 1105. 5 Grundlegend BGH v. 18. 3. 1987 – IVa ZR 205/85, BGHZ 100, 214 = VersR 1987, 503 = NJW 1987, 1944; v. 4. 5. 1988 – IVa ZR 278/86, BGHZ 104, 256 = VersR 1988, 683 = NJW 1988, 2040. 6 Vgl. z. B. OLG Düsseldorf v. 11. 5. 1999 – 4 U 127/98, NVersZ 2000, 90 = zfs 2000, 211 = NJW-RR 2000, 247.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 402 Teil 7
Die Beweislast für einen hypothetischen Kausalverlauf trägt, wer sich auf ihn beruft. Meint z. B. der Versicherungsnehmer, der Versicherungsfall wäre auch ohne sein in Rede stehendes Tun oder Unterlassen eingetreten, so muss er zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit für diese These belegen1. Für den Kausalzusammenhang zwischen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit und einem Unfall spricht der Beweis des ersten Anscheins. Dieser Anscheinsbeweis kann allerdings erschüttert werden. Dies setzt den Nachweis von Umständen voraus, aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt, den auch ein nicht alkoholisierter Fahrer nicht gemeistert hätte. Die allgemeine Möglichkeit, dass auch einem Nüchternen der Unfall hätte unterlaufen können, reicht nicht aus2.
400
Zu den Beweiserleichterungen beim Kfz-Diebstahl s. fi Rz. 351 ff. Da es – anders als bei den Obliegenheitsverletzungen – keine vermutete grobe Fahrlässigkeit gibt, trifft den Versicherer nicht nur die Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls, sondern auch für die Schwere der Schuld, die Maßstab für die Leistungskürzung gem. § 81 Abs. 2 VVG ist3.
401
g) Fallgruppen zur groben Fahrlässigkeit aa) Fahrweise Aus dem Urteil des BGH4 zum Augenblicksversagen (fi Rz. 394) darf nicht der Schluss gezogen werden, dass jedes Überfahren einer roten Ampel objektiv grob fahrlässig ist5. Vielmehr sind die Umstände des einzelnen Falles maßgebend. In dem Überfahren einer roten Ampel liegt allerdings eine erhebliche Gefahr. Je größer die Gefahr, umso mehr muss von dem Verkehrsteilnehmer eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt werden. Das weiß auch jeder durchschnittliche Versicherungsnehmer. Wer diese geforderte erhöhte Aufmerksamkeit nicht aufbringt, handelt im Allgemeinen grob fahrlässig. Dieses Ergebnis kommt auch in den Entscheidungen der Gerichte aller Instanzen zum Ausdruck. Nachfolgend sind einige Fallbeispiele genannt:
1 BGH v. 14. 7. 1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986, 962 = NJW 1986, 2838; OLG Hamm v. 26. 1. 2000 – 20 U 166/99, NVersZ 2000, 386 = zfs 2000, 346 = r+s 2000, 232 = NJW-RR 2000, 1477. 2 Vgl. OLG Düsseldorf v. 13. 6. 2000 – 4 U 140/99, NVersZ 2001, 24 = r+s 2000, 445 mit Hinweisen auf die BGH-Rspr. 3 Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, VVG, § 81, Rz. 72. 4 BGH v. 8. 7. 1992 – IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147 = VersR 1992, 1085 = NJW 1992, 2418 = NZV 1992, 402 = MDR 1992, 945 = zfs 1992, 378. 5 Vgl. näher Römer, NVersZ 2001, 539.
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Teil 7 403
Rz. 403
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Beispiele, in denen das Überfahren einer roten Ampel als grob fahrlässig angesehen wurde: – Das OLG Köln1 geht davon aus, dass das Überfahren einer Rotlicht zeigenden Ampel grundsätzlich objektiv grob fahrlässig und subjektiv ein Indiz für grobe Fahrlässigkeit sei. Der Versicherungsnehmer habe, um sich von diesem Vorwurf zu entlasten, Umstände darzulegen, die den Verkehrsverstoß in milderem Licht erscheinen ließen. Es hat den Vortrag des Versicherungsnehmers nicht ausreichen lassen, er sei angefahren, weil der von links sich nähernde Querverkehr gleichfalls Rotlicht erhalten habe und die Fußgängerampel auf Grün umgesprungen sei. Auch eine altersbedingte Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche verhalf nicht zu einer milderen Beurteilung. – Der Fahrer hatte zunächst bei Rot angehalten, war dann trotz unveränderten Signals wieder angefahren. Er hatte behauptet, hinter ihm habe ein anderer Verkehrsteilnehmer gehupt, so dass er angenommen habe, die Ampel sei auf Grün umgesprungen. In der Beweisaufnahme wurde widerlegt, dass ein anderes Fahrzeug hinter ihm gestanden hat2. – Ein Versicherungsnehmer war mindestens 9 Sekunden lang auf eine Ampel zugefahren, die nicht mehr grünes Licht zeigte. Das ergab sich aus dem Phasenplan. Er hatte vorgebracht, verärgert und deshalb abgelenkt gewesen zu sein, weil er bei einem vorangegangenen Gespräch mit seinem Anwalt den Verlust von rd. 20 500 Euro erfahren habe. Dies hat das OLG nicht als Milderungsgrund gelten lassen3. – Eine Fahrerin hatte zunächst angehalten, war dann aber bei Rot wieder angefahren. Milderungsgründe sah das OLG nicht, weil die Fahrbahnstreifen eindeutig markiert und den Lichtzeichen genau zuzuordnen waren. Die Zuordnung war, auch wenn man sich der Anlage aus der Ferne näherte, klar erkennbar. Die Ablenkung der Fahrerin durch lärmende Kinder im Fahrzeug war kein entschuldigender Grund, denn sie hatte zunächst angehalten und so Gelegenheit gehabt, die Kinder zur Ordnung zu rufen4. – Der Repräsentant einer Versicherungsnehmerin missachtete die rote Ampel, nachdem er eine Unterführung durchfahren hatte. Die von dem Fahrer vorgebrachten Umstände hat das OLG nicht als Milderungsgründe angesehen. Tunnelbedingt wechselnde Lichtverhältnisse seien aufgrund der Lichtbilder wenig wahrscheinlich. Ortsunkundigkeit entschuldige nicht, denn der Ortsunkundige müsse sich besonders vorsichtig der Kreuzung nähern. Der Vortrag des Fahrers, er sei wegen eines überholenden Pkw, der beinahe aus der Kurve getragen worden sei, abgelenkt gewesen, reichte zur Milderung des Schuldvorwurfs nicht aus. Das Zivilgericht hat sich auch nicht davon beeinflussen lassen, dass der Fahrer einen Bußgeldbescheid wegen (nur) fahrlässiger Nichtbeachtung des Rotlichts erhalten hatte5.
1 OLG Köln v. 24. 4. 2001 – 9 U 207/00, NVersZ 2001, 420 = r+s 2001, 318 = zfs 2001, 505 m. Anm. Rixecker. 2 OLG Hamm v. 17. 1. 2001 – 20 U 28/00, r+s 2001, 317. 3 OLG Hamm v. 10. 1. 2001 – 20 U 134/00, r+s 2001, 275. 4 OLG Köln v. 20. 2. 2001 – 9 U 173/00, r+s 2001, 235 = zfs 2001, 318. 5 OLG Koblenz v. 23. 3. 2001 – 10 U 819/00, r+s 2001, 234 = NVersZ 2001, 419 = zfs 2001, 415.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 404 Teil 7
– Das LG Aachen tritt der Ansicht entgegen, ein Verkehrsteilnehmer, der zunächst wegen des roten Signals anhalte, habe grundsätzlich gezeigt, dass er an sich rechtstreu sei. Dies müsse ihm zugute kommen, wenn er trotz weiterhin rot zeigender Ampel wieder anfahre. Die Beachtung des Rotlichts gelte bei der Annäherung an die Ampel ebenso wie nach dem Stillstand des Fahrzeugs. Gerade bei der Anfahrt vor einer Ampel dürfe sich der Fahrer nicht ablenken lassen. Der Vortrag des 70-jährigen Fahrers, er habe das für Fußgänger geltende Lichtzeichen mit dem für Kfz-Fahrer verwechselt, gab dem Gericht keinen Anlass, von grober Fahrlässigkeit abzusehen1. – Auch das OLG Hamm betont, es könne in den Fällen, in denen der Fahrer zunächst anhalte, dann aber doch bei Rot in die Kreuzung einfahre, nicht generalisiert werden. Es komme darauf an, was ihn veranlasst habe, wieder anzufahren2. – Anhalten und wieder Anfahren in der irrigen Annahme, die grüne Ampel für Rechtsabbieger gelte auch für den Geradeausverkehr, bleibt grob fahrlässig, auch wenn der Fahrer Konzentrationsschwierigkeiten wegen bereits mehrstündiger nächtlicher Fahrt hat3. – Kann der Verkehrsteilnehmer wegen des von hinten einfallenden Sonnenlichts nicht sicher erkennen, ob die Ampel rot zeigt, so handelt er grob fahrlässig, wenn er die Fahrt fortsetzt, ohne sich vorher Klarheit darüber verschafft zu haben, ob die Fahrt für ihn frei ist4. In der Regel wird aber einfallendes Sonnenlicht auch nicht zu Irritationen führen. In einem vom OLG Hamm entschiedenen Fall war ein Sachverständiger eingeschaltet worden. Dieser stellte fest, dass bei Lichtzeichenanlagen sog. phantomfreie Optiken eingebaut sind. Dabei könne es zwar vorkommen, dass man den Eindruck habe, es herrsche konstant rotes Licht. Bei grünem Licht werde aber auftretendes Fremdlicht hinreichend absorbiert, so dass Grün bei der Ampel besser zu beurteilen sei. Das OLG hat deshalb einfallendes Sonnenlicht nicht als Milderungsgrund angesehen5. – Keinen Erfolg hatte eine Fahrerin mit ihrer Behauptung, sie sei im Dunkeln durch Leuchtreklame abgelenkt und irritiert worden6. Wer mindestens neun Sekunden auf eine Ampel zufährt, die nicht mehr grünes Licht zeigt, handelt grob fahrlässig7. Beispiele, in denen das Überfahren einer roten Ampel wegen besonderer Umstände als nicht grob fahrlässig angesehen wurde: – Der Fahrer hatte mit seinem Fahrzeug zunächst angehalten. In dem Fahrzeug links neben ihm auf der Linksabbiegespur hat er einen Kollegen erkannt und 1 LG Aachen v. 20. 10. 2000 – 9 O 201/00, NVersZ 2001, 131. 2 OLG Hamm v. 26. 1. 2000 – 20 U 166/99, NVersZ 2000, 386 = zfs 2000, 346 = r+s 2000, 232 = NJW-RR 2000, 1477. 3 OLG Stuttgart v. 29. 4. 1999 – 7 U 260/98, NVersZ 2000, 36 = MDR 1999, 1384 = VersR 2000, 177 (nur LS). 4 Vgl. OLG Frankfurt a. M. v. 17. 11. 1999 – 7 U 204/98, VersR 2000, 1272 für die Lichtzeichenanlage bei einem Bahnübergang (nur LS). 5 OLG Hamm v. 22. 1. 1999 – 20 U 156/98, VersR 1999, 1011 = NVersZ 1999, 525 = zfs 1999, 200 = r+s 1999, 361 = NJW-RR 1999, 1553. 6 OLG Hamm v. 28. 10. 1998 – 20 U 118/98, NVersZ 1999, 271 = r+s 1999, 145 = zfs 1999, 200. 7 OLG Hamm v. 4. 5. 2001 – 20 U 214/00, NVersZ 2002, 23 = r+s 2002, 5 = zfs 2002, 82.
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Teil 7
Rz. 405
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
gegrüßt. Alsdann fuhr er irrtümlich in die Kreuzung, weil er ein in seinem Blickfeld liegendes Lichtsignal missdeutet hatte. Das OLG Frankfurt a. M. hat objektive grobe Fahrlässigkeit bejaht, die subjektive Seite aber verneint1. Das Urteil kann im Ergebnis akzeptiert werden. Der mit großem theoretischen Aufwand versehenen Begründung kann aber nicht zugestimmt werden2. – Ein Fahrer war ortsunkundig. Der Verlauf der Kreuzung war bei Annäherung kaum erkennbar. Die Aufmerksamkeit des Fahrers war dadurch in Anspruch genommen, dass vor ihm ein großer Gelenkbus fuhr, der – um rechts abzubiegen – zwei Fahrspuren in Anspruch nahm. Der Fahrer blieb vorsichtig hinter dem Bus. Dadurch nahm er die von dem Bus verdeckte Ampel und den sich nähernden späteren Unfallgegner nicht wahr. Diese Umstände hat das OLG Hamm als mildernd angesehen3. – Ein Fahrer hatte wegen des roten Lichts der Ampel angehalten. In dieser Phase beobachtete er im Rückspiegel ein Fahrzeug hinter sich, das sehr dicht auffuhr. Als er seinen Blick wieder nach vorn richtete, sah er das Grünlicht der für die benachbarte Geradeausspur geltenden Ampelanlage. In der Annahme, er habe auf seiner Spur freigegebene Fahrt, fuhr er los und kollidierte mit einem anderen Fahrzeug. Das OLG Hamm bewertete das Geschehen dahin, dass der Fahrer das Rotlicht irrtümlich übersehen habe, weil er seiner Verpflichtung aus § 1 StVO, andere Verkehrsteilnehmer möglichst wenig zu behindern, mit überschießendem Eifer nachkommen wollte. Durch das dichte Auffahren des Fahrzeugs hinter ihm habe der Fahrer den Eindruck gewonnen, das Umspringen der Ampel auf Grün übersehen zu haben. Deshalb habe er sein Fahrzeug überhastet wieder in Gang gesetzt4.
405
Das Überfahren eines Stoppschildes ist nicht generell der Missachtung einer Rotlicht ausstrahlenden Verkehrsampel gleichzustellen. In der Rechtsprechung wird dann grobe Fahrlässigkeit angenommen, wenn der Versicherungsnehmer außer dem Stoppschild noch andere Warnhinweise nicht beachtet hat5.
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Geschwindigkeitsüberschreitungen führen i. d. R. dann zur Beurteilung einer groben Fahrlässigkeit, wenn weitere gefährdende Umstände hinzukommen, wie z. B. eine enge Fahrbahn bei abfallendem Gelände und feuchtem Wetter6, riskantes Überholen7 oder Überholen auf feuchter 1 OLG Frankfurt a. M. v. 11. 5. 2001 – 24 U 231/99, r+s 2001, 313 = NVersZ 2001, 417 = VersR 2001, 1276, das OLG hat die Revision zugelassen. 2 Vgl. im Einzelnen Römer, NVersZ 2001, 539. 3 OLG Hamm v. 25. 10. 2000 – 20 U 66/00, NVersZ 2001, 168 = zfs 2001, 215. 4 OLG Hamm v. 26. 1. 2000 – 20 U 166/99, NVersZ 2000, 386 = zfs 2000, 346 = r+s 2000, 232 = NJW-RR 2000, 1477. 5 KG v. 12. 12. 2000 – 6 U 2803/99, NVersZ 2001, 319 = zfs 2001, 216 = MDR 2001, 748 = VersR 2002, 477 mit zahlreichen Beispielsfällen; OLG Köln v. 22. 5. 2001 – 9 U 172/00, NVersZ 2001, 465 = r+s 2002, 57. 6 OLG Nürnberg v. 27. 1. 2000 = 8 U 3128/99, r+s 2000, 365 = VersR 2001, 365 (nur LS). 7 OLG Köln v. 30. 5. 2000 – 9 U 1/99, NVersZ 2001, 169 = MDR 2001, 87; OLG Düsseldorf v. 28. 9. 2000 – 4 U 198/99, NVersZ 2001 = r+s 2001, 101 = zfs 2001, 265 = VersR 2001, 1020 (nur LS).
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III. Kaskoversicherung
Rz. 407 Teil 7
Fahrbahn vor einer Fahrbahnverengung1. Auch wer sich zu einem Wettfahren provozieren lässt und dabei den vorausfahrenden Verkehr aus den Augen verliert, handelt grob fahrlässig2. Je höher die Geschwindigkeitsüberschreitung ist, desto weniger bedarf es begleitender Gefahrumstände, um grobe Fahrlässigkeit zu bejahen. Bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h bei allgemeiner Beschränkung auf 100 km/h auf außerörtlicher Landstraße liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Fahrer nachts von einer nur 6,60 m breiten unbeleuchteten Fahrbahn abkommt3. Auch ohne Geschwindigkeitsüberschreitungen können gefährliche Fahrweisen grob fahrlässig sein, wie z. B. ein riskantes Überholmanöver4 oder das Einfahren in eine Einbahnstraße in falscher Richtung5. Nicht grob fahrlässig handelt, wer bei regennasser Fahrbahn mit ca. 110 km/h unangepasst schnell fährt und durch Aquaplaning die Gewalt über das Fahrzeug verliert6. Ebensowenig handelt grob fahrlässig, wer seine Geschwindigkeit nach einem Überholvorgang nicht schnell genug reduziert, so dass er die nach einem Ortseingangsschild gebotenen 50 km/h nicht erreicht (fast 100 % Überschreitung)7. Auf grobe Fahrlässigkeit kann auch nicht geschlossen werden, wenn nur feststeht, dass das Fahrzeug von der Fahrbahn abgekommen ist und weitere Einzelheiten ungeklärt blieben8. bb) Verhalten im Fahrzeug während der Fahrt Das Suchen nach Gegenständen im Fahrzeug während der Fahrt lenkt den Fahrer i. d. R. so erheblich vom Verkehrsgeschehen ab, dass ein solches Verhalten, wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht unumgänglich ist, als grob fahrlässig angesehen werden muss. Das gilt z. B., wenn der Fahrer im Fußraum des Beifahrersitzes nach einem heruntergefallenen Handy sucht9, für das Suchen von Papieren im Handschuhfach10, für das Bücken nach einer Tasche im Bodenbereich bzw. das reflexartige Greifen nach ei1 OLG Hamburg v. 13. 2. 1998, VersR 1999, 1487 (nur LS). 2 OLG Köln v. 16. 5. 2000 – 9 U 121/99, NVersZ 2001, 82 = zfs 2000, 450 = MDR 2001, 29 = VersR 2001, 454 (nur LS). 3 OLG Koblenz v. 5. 3. 1999 – 10 U 155/98, VersR 2000, 720 = r+s 1999, 498. 4 Vgl. OLG Düsseldorf v. 15. 12. 1998 – 4 U 235/97, NVersZ 2000, 32 = r+s 1999, 311. 5 OLG Hamm v. 4. 12. 1998 – 20 U 127/98, r+s 1999, 188. 6 OLG Hamm v. 5. 4. 2000 – 20 U 229/99, zfs 2000, 496. 7 OLG Frankfurt a. M. v. 31. 10. 2001 – 7 U 83/01, VersR 2002, 703 = MDR 2002, 517 = zfs 2002, 242. 8 OLG Schleswig v. 31. 5. 1999 – 7 U 197/97, NVersZ 2000, 278 = MDR 1999, 1323. 9 OLG Frankfurt a. M. v. 21. 2. 2001 – 7 U 214/99, NVersZ 2001, 332 = VersR 2001, 1105 (nur LS). 10 OLG Stuttgart v. 22. 10. 1998 – 7 U 118/98, r+s 1999, 56 = VersR 1999, 1359.
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Teil 7
Rz. 408
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
ner herunterfallenden Tasche1. Das OLG Köln2 hat als grob fahrlässig bewertet, dass ein Lkw-Fahrer während der Fahrt mit der Hand in den Fußraum greift, um eine Kaffeekanne zu beseitigen, die sich hinter dem Bremspedal verfangen hatte und mit dem Fuß nicht wegzuschieben war. Das OLG hat dieses Verhalten missbilligt, weil sich vor dem Lkw kein Verkehr befand, der Fahrer also durch jeweils geringere Gänge oder durch die Feststellbremse das Fahrzeug hätte langsam abbremsen können. Das OLG Hamm3 hat es als grob fahrlässig angesehen, dass eine Fahrerin derart mit dem Suchen einer brennenden Zigarette beschäftigt war, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg nicht auf die Fahrbahn geachtet hat. 408
Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Fahrer den Blick nicht von der Fahrbahn abzuwenden braucht, etwa beim Auswechseln einer Musikkassette4 oder dem Bedienen des Autoradios oder eines CDWechslers, der lediglich durch Knopfdruck zu bedienen ist5. Wendet er aber dennoch den Blick ab, z. B. für 5 Sekunden auf einer Wegestrecke von 100 m6, so liegt darin ein grob fahrlässiges Verhalten.
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Das Telefonieren mit einem Handy ohne Freisprechanlage während der Fahrt lenkt die Aufmerksamkeit eines Fahrers vom Verkehrsgeschehen im Allgemeinen so sehr ab, dass die Unfallgefahr das nach dem Vertrag vorausgesetzte Risiko erheblich übersteigt. Wenn dann noch weitere gefahrerhöhende Umstände hinzutreten, kann von einer Beurteilung als grob fahrlässig nicht mehr abgesehen werden. So hat das OLG Köln7 als grob fahrlässig angesehen, wenn der Fahrer bei einer Fahrt mit 120 km/h auf der Autobahn bei Nebel das Handy von dem Beifahrersitz aufnimmt und telefoniert. Das Telefonieren mit einem Handy hat das OLG Koblenz8 als grob fahrlässig angesehen, wenn der Fahrer dabei eine Geschwindigkeit von mindestens 170 km/h hatte. cc) Bewusstseinsstörungen
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Trunkenheitsfahrten: Entscheidend ist die Blutalkoholkonzentration (BAK9) im Zeitpunkt des Unfalls. Eine Rückrechnung ist (wie im Straf1 2 3 4 5 6 7
OLG Jena v. 17. 12. 1997 – 4 U 805/97, VersR 1998, 838 m. weiteren Beispielen. OLG Köln v. 10. 5. 2000 – 26 U 49/99, NVersZ 2000, 578. OLG Hamm v. 26. 1. 2000 – 20 U 155/99, zfs 2000, 347 = r+s 2000, 220. OLG München v. 24. 1. 1992 – 1 U 4963/91, r+s 1993, 49 = NJW-RR 1992, 538. OLG Hamm v. 18. 10. 2000 – 13 U 118/00, VersR 2001, 893. OLG Nürnberg v. 25. 10. 1990 – 8 U 1458/90, NJW-RR 1992, 360. OLG Köln v. 19. 9. 2000 – 9 U 43/00, NVersZ 2001, 26 = r+s 2000, 494 = zfs 2000, 545 = VersR 2001, 580 (nur LS). 8 OLG Koblenz v. 14. 5. 1998 – 5 U 1639/97, MDR 1999, 481. 9 Zu den Messmethoden und ihren Ausnahmen s. BGH v. 25. 9. 2002 – IV ZR 212/01, VersR 2002, 1413.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 413 Teil 7
recht) nach h. M. erst vom Zeitpunkt des Endes der Resorptionsphase genau möglich, so dass eine Rückrechnung in den ersten zwei Stunden nach Trinkende unzulässig ist1. Ist das Trinkende nicht festzustellen, kann auch nicht rückgerechnet werden. Einer genauen Rückrechnung bedarf es dann nicht, wenn auf jeden Fall von einem BAK-Wert auszugehen ist, der in Verbindung mit alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zur relativen Fahruntüchtigkeit führt (s. fi Rz. 415 ff.). Eine das Verschulden ausschließende Zurechnungsunfähigkeit lässt sich noch nicht allein aus einem BAK-Wert von 3,0 bis 3,3 Promille schließen. Es müssen noch weitere Indizien im Verhalten und äußerlich wahrnehmbaren Zustand des Betroffenen hinzukommen2. Aber selbst bei Zurechnungsunfähigkeit kommt die Anwendung des § 827 BGB in Betracht (s. fi Rz. 413).
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Bei absoluter Fahruntüchtigkeit, also bei einer BAK von 1,1 Promille und mehr3, liegt objektive und i. d. R. auch subjektive grobe Fahrlässigkeit vor4. Das OLG Düsseldorf5 hat ausdrücklich auch die subjektive Seite der groben Fahrlässigkeit in einem Fall angenommen, bei dem der Fahrer nach Trinkende sechs Stunden geschlafen, gefrühstückt und sich subjektiv fahrtüchtig gefühlt hatte. Er war mit noch – rückgerechnet auf die Unfallzeit – 1,7 Promille und 230 km/h auf der Autobahn gefahren. Zur Unfallursächlichkeit (s. auch fi Rz. 400) hat das OLG ausgeführt, für die absolute Fahruntüchtigkeit spreche der Anscheinsbeweis. Auch wenn ein nicht alkoholisierter Fahrer den Geschehensablauf nicht gemeistert hätte, sei der Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Denn die gefährliche Situation, die erst zum Unfall geführt habe, sei nur deshalb entstanden, weil der Fahrer alkoholisiert aggressiv gefahren sei.
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Grundsätzlich ist auch im Rahmen des § 81 VVG die Vorschrift des § 827 BGB entsprechend anwendbar. Aber auch eine erheblich eingeschränkte Einsichts- und Hemmungsfähigkeit schließt die Annahme des für grobe Fahrlässigkeit erforderlichen gesteigerten Verschuldens nicht aus. Dies gilt, wenn ganz elementare Verhaltensregeln verletzt werden, deren Einhaltung auch in diesem Zustand unbedingt erwartet werden muss. So verhält es sich in der Regel bei der Trunkenheitsfahrt6. Eine grob fahrlässige actio libera in causa ist gegeben, wenn ein Fahrer vor Be-
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1 OLG Köln v. 1. 7. 1993 – 5 U 253/92, r+s 1993, 286 m. w. H. auf die Rspr. 2 OLG Frankfurt a. M. v. 14. 4. 1999 – 7 U 87/98, VersR 2000, 883 = NVersZ 1999, 573 = r+s 2000, 364. 3 BGH v. 9. 10. 1991 – IV ZR 264/90, VersR 1991, 1367 = NJW 1992, 119 = NZV 1992, 27 = MDR 1992, 133 = zfs 1992, 15 = r+s 1991, 404. 4 BGH v. 22. 2. 1989 – IVa ZR 274/87, VersR 1989, 469 noch zu 1,3 Promille; vgl. auch die bei Rz. 133 angeführte Rspr. 5 OLG Düsseldorf v. 13. 6. 2000 – 4 U 140/99, NVersZ 2001, 24 = r+s 2000, 445 = VersR 2001, 454 (nur LS). 6 BGH v. 22. 2. 1989 – IVa ZR 274/87, VersR 1989, 469.
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Teil 7
Rz. 414
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
ginn des Alkoholgenusses die spätere Benutzung des Fahrzeugs nicht hinreichend sicher ausschließt1. 414
Bei relativer Fahruntüchtigkeit unter 1,1 Promille BAK müssen weitere Umstände hinzutreten, wenn grobe Fahrlässigkeit angenommen werden soll.
! Hinweis: Relative Fahruntüchtigkeit kann schon von einer BAK von 0,3 Promille an vorliegen2. Es kann nicht im Wege des Anscheinsbeweises von relativer Fahruntüchtigkeit auf grobe Fahrlässigkeit geschlossen werden3. Fraglich ist im Einzelfall, welche hinzutretenden Umstände ausreichen, um den Schluss auf eine relative Fahruntüchtigkeit ziehen zu können. Grundsätzlich können sie sich aus alkoholbedingten Ausfallerscheinungen ergeben, die z. B. im Blutentnahmeprotokoll festgehalten sind und den Schluss zulassen, dass der Fahrer ernsthafte Anzeichen für seine Fahruntüchtigkeit missachtet hat. Sie können sich aber auch und insbesondere aus groben Fahrfehlern ergeben, die typischerweise auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind4. Wenn ein alkoholisierter Fahrer seine Geschwindigkeit nicht den Verkehrsverhältnissen anpasst, so ist das allein kein Fahrverhalten, das typischerweise auf den Genuss von Alkohol zurückzuführen ist5. Generell kann man sagen: Je geringer die BAK ist, um so schwerer müssen die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen sein, um relative Fahruntüchtigkeit anzunehmen – und umgekehrt. Beispiele für alkoholbedingt typisches Fehlverhalten:
415
Gerät ein Fahrer mit einer BAK von 0,97 Promille auf trockener Fahrbahn in einer leichten Linkskurve ins Schleudern und prallt gegen eine Leitplanke, so liegen hinreichende Beweisanzeichen für grobe Fahrlässigkeit vor6. Das schnelle Durchfahren einer Kurve und das anschließende Abkommen von der Fahrbahn reichen bei einer BAK von 1,04 Promille als Indizien aus7. Bei feuchter Fahrbahn kann schon das Durchfahren einer Kurve mit 65 km/h ausreichen, wenn eine BAK von 0,83 Promille vorliegt8. Bei einer BAK von 0,79 hat das OLG Hamm grobe Fahr1 OLG Hamm v. 31. 5. 2000 – 20 U 231/99, NVersZ 2000, 524 = r+s 2001, 55 = zfs 2001, 119. S. auch BGH v. 22. 6. 2011 – IV ZR 225/10 zu § 81 VVG n. F., VersR 2011, 1037. 2 Vgl. OLG Hamm v. 21. 6. 1989 – 20 U 35/89, VersR 1990, 43. 3 BGH v. 24. 2. 1988 – IVa ZR 193/86, VersR 1988, 733 = NJW 1988, 1846 = MDR 1988, 654. 4 OLG Nürnberg v. 11. 5. 2000 – 8 U 66/00, NVersZ 2001, 235 m. w. H. auf die Rspr. = VersR 2001, 1230 (nur LS). 5 BGH v. 3. 4. 1985 – IVa ZR 111/83, VersR 1985, 779. 6 OLG Saarbrücken v. 22. 11. 2000 – 5 U 563/00 – 46, zfs 2001, 214. 7 OLG Nürnberg v. 11. 5. 2000 – 8 U 66/00, NVersZ 2001, 235. 8 LG Meiningen v. 25. 1. 2000 – 2 O 1855/98, zfs 2000, 348.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 418 Teil 7
lässigkeit bei einem Fahrer verneint, der bei erlaubten 50 km/h mit 70 km/h bei schlechter Sicht und schlechter Straße in einer nicht voll zu übersehenden Kurve überholte und dabei von der Fahrbahn abkam1.
Auch bei relativer Fahruntüchtigkeit kann im Allgemeinen von objektiver grober Fahrlässigkeit auf ein subjektiv schlechthin unentschuldbares Verhalten geschlossen werden. Dieser Schluss ist indessen nicht möglich, wenn Umstände Zweifel am Vorliegen auch der subjektiven Seite aufkommen lassen. Das OLG Köln2 hat z. B. bei einer BAK von 0,9 Promille im Unfallzeitpunkt und einem Auffahren auf einen Lkw-Anhänger die subjektive Seite als nicht bewiesen angesehen, weil der Fahrer das Trinken am Vortage um 22 Uhr beendet und sich schlafen gelegt hatte. Er war am nächsten Morgen zur Arbeit gefahren. Bei dieser Sachlage fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Fahrer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht verborgen geblieben sein konnte.
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Eine in den Niederlanden durchgeführte Blutalkoholuntersuchung ist verwertbar, auch wenn sie in dem niederländischen Strafverfahren nicht verwertet werden durfte, weil eine notwendige Belehrung nicht erteilt worden war3. Die Einnahme von Medikamenten kann zu Beeinträchtigungen des Bewusstseins führen, bei denen sich das Fahren eines Fahrzeugs als grob fahrlässiges Verhalten darstellen kann. Die Beurteilung des Verschuldungsgrades ist schwierig und hängt von vielfältigen Faktoren ab. Von Bedeutung kann sein die Art der Medikamente und ihre Wirkung, welche Menge und wie lange Zeit vor dem Unfall sie eingenommen wurden, ob Hinweise auf dem Beipackzettel zur Teilnahme am Straßenverkehr deutlich genug sind. Für die subjektive Seite der Fahrlässigkeit kann es darauf ankommen, ob der Fahrer schon Erfahrungen mit den Medikamenten hatte, etwa auch die, dass er bisher nie beeinträchtigt war. Bei Gewöhnung kann sich das Gefühl von Beeinträchtigungen auch abschleifen4.
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Einschlafen oder Einnicken am Steuer: Der BGH5 hat ausgeführt, dass die Feststellung, ein Kraftfahrer habe durch „Einnicken“ am Steuer einen Unfall verursacht, für sich allein noch nicht das Urteil grober Fahrlässigkeit rechtfertige. Es bedürfe vielmehr weiterer Tatsachen. Es müsse z. B. festgestellt werden, der Fahrer habe sich über Umstände, die die Gefahr
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1 OLG Hamm v. 21. 6. 1989 – 20 U 35/89, VersR 1990, 43. 2 OLG Köln v. 9. 6. 1998 – 9 U 3/98, zfs 1999, 199 = r+s 1999, 269 = VersR 1999, 577 nur Leitsatz. 3 OLG Köln v. 19. 10. 1999 – 9 U 90/98, NVersZ 2000, 484 = zfs 2000, 111. 4 S. die instruktive Entscheidung OLG Düsseldorf v. 19. 9. 2000 – 4 U 156/99, r+s 2001, 54, das grobe Fahrlässigkeit verneint. 5 BGH v. 1. 3. 1977 – VI ZR 263/74, VersR 1977, 619.
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Teil 7
Rz. 419
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
eines Einnickens erkennbar machten, in einer Weise hinweggesetzt, die sein Verhalten als besonders vorwerfbar und damit als grob fahrlässig erscheinen ließen. Das OLG Hamm1 geht „aufgrund sachverständiger Beratung“ davon aus, dass dem Einnicken am Steuer „stets“ unübersehbare Anzeichen vorausgehen, deren Nichtbeachtung dem Fahrer i. d. R. zum groben Verschulden gereichen. Dem mochte sich das OLG Oldenburg2 auf Grund langjähriger Praxis und „sachverständiger Beratung“ nicht anschließen. Es müssten vielmehr Umstände festgestellt werden, die den Schluss zuließen, dass sich der Fahrer über von ihm erkannte deutliche Vorzeichen der Ermüdung bewusst hinweggesetzt habe. Nur dann könne das Verhalten des Fahrers als grobe Fahrlässigkeit eingeordnet werden. dd) Kfz-Diebstahl 419
Zum System fi Rz. 351 ff.
der
Beweiserleichterungen
beim
Kfz-Diebstahl
s.
Der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant kann den Diebstahl eines Fahrzeugs durch grob fahrlässiges Handeln oder Unterlassen ermöglicht haben. Beim Parken eines Fahrzeugs kann sich die Frage der groben Fahrlässigkeit durch die Wahl des Parkplatzes und die Dauer des Parkens stellen. Grundsätzlich ist mit der Annahme grober Fahrlässigkeit beim Parken Zurückhaltung geboten, denn der Gebrauch des Fahrzeugs darf nicht durch die Sanktion der Leistungsfreiheit wesentlich eingeschränkt werden. Nur bei dringender Gefahr des Diebstahls3 kann vom Versicherungsnehmer verlangt werden, dass er die Gefahr des Diebstahls verhindert. So ist das Parken eines Porsche 911 Turbo Coupé verschlossen und mit eingeschalteter Warnanlage nachts in einer belebten Straße in Mailand nicht grob fahrlässig4, ebenso wenig wie das Abstellen eines auffälligen Luxusfahrzeugs nachts in einer beleuchteten Hauptstraße von Warschau5. 420
Belässt der Versicherungsnehmer Fahrzeugpapiere im Handschuhfach, so mag zweifelhaft sein, ob diese Fahrlässigkeit schon als grob einzustu1 OLG Hamm v. 5. 11. 1997 – 20 U 99/97, zfs 1998, 182 = VersR 1998, 1276 = MDR 1998, 344 = r+s 1998, 55; vgl. auch schon ähnlich OLG Hamm v. 5. 6. 1996 – 20 U 288/95, VersR 1997, 961 = r+s 1998, 55. 2 OLG Oldenburg v. 16. 9. 1998 – 2 U 139/98, NVersZ 1999, 80 = VersR 1999, 1105 = NJW-RR 1999, 469. 3 BGH v. 5. 10. 1983 – IVa ZR 19/82 – unter II 2, VersR 1984, 29. 4 BGH v. 21. 2. 1996 – IV ZR 321/94, VersR 1996, 576 = NJW 1996, 1411 = MDR 1996, 470 = NZV 1996, 232 = zfs 1996, 262. 5 BGH v. 15. 10. 1997 – IV ZR 264/96, VersR 1998, 44 = NJW-RR 1998, 166 = r+s 1997, 489.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 421 Teil 7
fen ist. Jedenfalls ist das Belassen eines Kfz-Scheins im Handschuhfach für einen i. d. R. vorhergefassten Diebstahlsentschluss nicht ursächlich1. Für den Ausnahmefall, dass der Dieb sich zum Diebstahl erst entschlossen hat, als er aus anderen Gründen in das Fahrzeug stieg und den KfzSchein entdeckte, ist der Versicherer beweisbelastet. Inwiefern dies bei einem Kfz-Brief anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Zwar mag der Dieb mit dem Brief in die Lage versetzt werden, das Fahrzeug an einen gutgläubigen Dritten zu veräußern oder das Fahrzeug selbst in Besitz zu halten2. Dies ist aber keine tatbestandliche Voraussetzung des § 81 Abs. 2 VVG. Durch grobe Fahrlässigkeit muss der Diebstahl „herbeigeführt“ und nicht perpetuiert sein. Entscheidend ist, ob der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den Diebstahl erst ermöglicht oder veranlasst hat3. Anders liegt der Fall, wenn der Versicherungsnehmer Gegenstände, die einen Diebstahl erleichtern, wie z. B. Kfz-Papiere und Fahrzeugschlüssel, offen sichtbar im Fahrzeug zurücklässt. Dann ist dieses Verhalten als grob fahrlässig anzusehen. Außerdem ist es zumindest mitursächlich für einen Diebstahl des Fahrzeugs selbst oder für Gegenstände aus dem Fahrzeug4. Beispiele: Grob fahrlässig ist das auch nur kurzzeitige Verlassen des unverschlossenen Fahrzeugs bei steckendem Zündschlüssel5 oder das Verlassen des Fahrzeugs auf einem öffentlichem Parkplatz im Ausland mit im Kofferraumschloss steckendem Schlüssel6. Bloßes Offenlassen einer Fahrzeugtür (bei abgezogenem Fahrzeugschlüssel), um einen Gegenstand kurz abzuholen, ist nicht grob fahrlässig7. Ein Fahrzeughändler handelt grob fahrlässig, wenn er die zugehörigen Schlüssel und Papiere zu einem überführten Fahrzeug in einen Schlitz in der Glastür seines Betriebes einwerfen lässt, wenn Papiere und Schlüssel von außen herausgeangelt 1 BGH v. 6. 3. 1996 – IV ZR 383/94, VersR 1996, 621 = NJW-RR 1996, 734 = zfs 1996, 262 = r+s 1996, 168, der redaktionelle Leitsatz in VersR ist unzutreffend, der BGH hat die Frage der groben Fahrlässigkeit offen gelassen, außerdem kann grobe Fahrlässigkeit nicht verneint werden, „weil“ die Kausalität fehlt. OLG Oldenburg v. 7. 7. 2010 – 5 U 153/09, r+s 2010, 367 = zfs 2010, 574. 2 So z. B. Feyock/Jacobsen/Lemor/Jacobsen, Kraftfahrtversicherung, § 12 AKB a. F. Rz. 159 m. w. H. 3 BGH v. 17. 5. 1995 – IV ZR 279/94, VersR 1995, 909 = NJW 1995, 2169 = MDR 1995, 1120 = zfs 1995, 340, insoweit in BGHZ 130, 1 nicht abgedruckt. 4 Vgl. BGH v. 14. 7. 1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986, 962. 5 OLG Köln v. 20. 6. 2000 – 9 U 5/00, r+s 2000, 404 = NVersZ 2001, 23; OLG Koblenz v. 28. 4. 2000 – 10 U 1146/99, NVersZ 2001, 23 = r+s 2000, 494 = zfs 2001, 122 = VersR 2001, 1278. 6 OLG Hamm v. 27. 9. 1999 – 6 U 52/99, VersR 2000, 1233; vgl. den ähnlichen Fall OLG Braunschweig v. 12. 5. 1999 – 3 U 292/98, MDR 1999, 1193 = VersR 2000, 449 (nur LS). 7 OLG Köln v. 6. 2. 2001 – 9 U 151/00, r+s 2001, 278.
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Teil 7
Rz. 422
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
werden können1. Nach OLG Hamm2 ist ein solcher Einwurf für den Kunden einer Werkstatt nicht grob fahrlässig. Aber ein Versicherungsnehmer soll grob fahrlässig handeln, wenn er den Fahrzeugschlüssel seines zu reparierenden Fahrzeugs in einen ungesicherten Briefkasten der Werkstatt wirft3. Belässt der Versicherungsnehmer den Fahrzeugschlüssel in der Tasche einer Jacke, die sich für jedermann zugänglich in einer Umkleidekabine befindet, so ist das grob fahrlässig4. Dies gilt gem. LG Düsseldorf auch, wenn der Versicherungsnehmer seine Jacke mit den Kfz-Schlüsseln im Restaurant über einen Stuhl gehängt hat5. Nach dem Verlust der Geldbörse mit Visitenkarte und Kfz-Notschlüssel ist das Parken des Fahrzeugs vor der Wohnung grob fahrlässig6.
ee) Neuere Entscheidungen zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls 422
Grobe Fahrlässigkeit bejaht: – 0,7 Promille Alkohol, Einfahren in eine wenig übersichtliche bevorrechtigte Straße (OLG Saarbrücken7) – 1,14 Promille Alkohol, Abkommen von der Fahrbahn in langgezogener Rechtskurve eines Autobahnkreuzes bei Ausweichen vor einem Tier (OLG Düsseldorf8) – Abstellen auf abschüssigem Gelände (10 % Gefälle), nur Handbremse angezogen, aber nicht den ersten Gang eingelegt (OLG Karlsruhe9) – Abkommen von der Fahrbahn auf kurvenreicher Strecke bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h bei erlaubten 50 km/h (OLG Köln10) – Abkommen von der Fahrbahn durch Ausweichen vor Kleintier – hier Fuchs (OLG Koblenz11) 1 OLG Düsseldorf v. 2. 5. 2000 – 4 U 68/99, NVersZ 2001, 82 = zfs 2000, 543 = VersR 2001, 635 (nur LS). 2 OLG Hamm v. 2. 11. 1999 – 20 W 17/99, r+s 2000, 403 = VersR 2000, 1274 (nur LS). 3 OLG Köln v. 31. 10. 2000 – 9 U 65/00, NVersZ 2001, 276 = MDR 2001, 449 = r+s 2001, 189. 4 OLG Koblenz v. 19. 2. 1999 – 10 U 129/98, zfs 2000, 112 = NVersZ 1999, 429 = VersR 2000, 224 (nur LS). 5 LG Düsseldorf v. 22. 1. 2009 – 11 O 373/08, SP 2009, 337. 6 OLG Köln v. 19. 1. 1999 – 9 U 34/98, NVersZ 2001, 129 = r+s 1999, 189 = MDR 2000, 158 = VersR 2000, 49. 7 OLG Saarbrücken v. 28. 1. 2009 – 5 U 698/05–102, r+s 2009, 138 = VersR 2009, 1068. 8 OLG Düsseldorf v. 28. 11. 2006 – 4 U 193/05, r+s 2008, 9. 9 OLG Karlsruhe v. 8. 3. 2007 – 19 U 127/07, r+s 2007, 190. 10 OLG Köln v. 11. 3. 2003 – 9 U 45/02, r+s 2004, 11 = zfs 2003, 553. 11 OLG Koblenz v. 31. 10. 2003 – 10 U 1442/02, r+s 2004, 11 = VersR 2004, 464.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 422 Teil 7
– Rotlichtverstoß: Hauptverkehrsstraße einer Großstadt mit hohem Verkehrsaufkommen, Versicherungsnehmer wurde von Beifahrerin hektisch darauf aufmerksam gemacht, er müsse abbiegen (OLG Rostock1) – Rotlichtverstoß: Mangelnde Ortskenntnis und Irritation durch zahlreiche Verkehrs- und Hinweisschilder sowie Werbetafeln entlastet nicht (OLG Düsseldorf2) – Rotlichtverstoß: Versicherungsnehmer wartet auf Linksabbiegerspur mit eigener Linksabbiegerampel, biegt bei Grün aber nicht ab, sondern fährt gerade aus, obwohl die Ampel für diese Fahrtrichtung Rotlicht zeigt und stößt mit abbiegendem Gegenverkehr zusammen (OLG Köln3) – Rotlichtverstoß: Überfahren einer seit mehreren Sekunden roten Ampel, wobei unklar blieb, ob Blendung durch Sonneneinwirkung vorlag, 50 % Leistungskürzung (LG Münster4) – Anstoß eines Lkw an einer Brücke mit einem deutlich die Durchfahrtshöhe überragenden Lkw (OLG Karlsruhe5) – Anfahren mit weit überhöhter Geschwindigkeit und dadurch Anstoß an Leitplanke (OLG Hamm6) – Missachtung eines Stoppschildes (OLG Köln7) – Entwendung: Versicherungsnehmer stieg aus seinem Auto, um sich nach dem Weg zu erkundigen, ließ im unabgeschlossenen Fahrzeug den Zündschlüssel stecken (OLG Rostock8) – Entwendung: Kfz unverschlossen und mit eingestecktem Zündschlüssel und laufendem Motor in einer europäischen Großstadt abgestellt und unbeaufsichtigt zurückgelassen. Versicherungsnehmer hat sich ca. 100 m entfernt, ist dabei sogar um eine Ecke gegangen (OLG Koblenz9) – Entwendung: Grob fahrlässig, wenn das versicherte Fahrzeug nach dem Bemerken des Verlustes einer Keyless-Go-Karte und des Fahrzeugscheins nicht an einen sicheren Ort verbracht wird (OLG München10) 1 2 3 4 5 6 7
OLG Rostock v. 30. 4. 2003 – 6 U 249/01, r+s 2004, 58 = VersR 2003, 1528. OLG Düsseldorf v. 28. 10. 2008 – I-4 U 254/07, SP 2009, 260. OLG Köln v. 23. 12. 2003 – 9 U 169/02, r+ts 2004, 101. LG Münster v. 20. 8. 2009 – 15 O 141/09, zfs 2009, 641. OLG Karlsruhe v. 29. 7. 2004 – 19 U 94/04, VersR 2004, 1305 = r+s 2005, 55. OLG Hamm v. 10. 8. 2007 – 20 U 218/06, VersR 2008, 112 = r+s 2007, 453. OLG Köln v. 3. 9. 2009 – 9 U 63/09, r+s 2010, 14 = NZV 2010, 200 = VersR 2010, 623. 8 OLG Rostock v. 7. 11. 2008 – 5 U 153/08, SP 2009, 222. 9 OLG Koblenz v. 12. 3. 2004 – 10 U 550/0, r+s 2004, 279 = VersR 2004, 1410. 10 OLG München v. 11. 12. 2007 – 25 U 3770/07, VersR 2008, 1105.
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Teil 7
Rz. 423
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– Entwendung: Versicherungsnehmer hat Fahrzeug nachmittags unverschlossen mit Schlüssel sowie Kfz-Schein darin vor seinem Haus abgestellt. Entwendung in der Nacht (OLG Koblenz1) – Entwendung: Wohnwagen ohne Zugfahrzeug und ohne Diebstahlsicherung mehrere Tage an viel befahrener Straße abgestellt (OLG Schleswig2) 423
Grobe Fahrlässigkeit verneint: – Rotlichtverstoß: Ampel nach Rangiervorgang nur schwer zu erkennen (OLG Köln3) – Rotlichtverstoß: VN steht als erster vor der Ampel, wird durch Kleinkinder auf der Rückbank abgelenkt, hat dann das Hupen eines anderen Verkehrsteilnehmers auf sich bezogen und ist losgefahren (OLG Koblenz4) – Übermüdung: Selbst bei eingeräumtem Einschlafen und Abkommen von der Fahrbahn keine grobe Fahrlässigkeit, wenn nicht bewiesen ist, dass Ermüdung vorher erkennbar war (OLG Koblenz5) – Abkommen von der Fahrbahn allein noch nicht grob fahrlässig (OLG Hamm6) – Entwendung: Nach dem Verlust eines Kfz-Schlüssels ist eine Änderung der Codierung nur unabdingbar, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass dem Finder eine Zuordnung zum Kfz möglich ist (OLG Frankfurt/M.7) – Entwendung: Motorrad zum Verkauf angeboten, Interessent erschien mit einem anderen Motorrad. Der Interessent brachte das zum Verkauf anstehende Krad nach einer Probefahrt nicht zurück (OLG Köln8) – Entwendung: Aus einem Ferienhaus, bei dem die Tür für ca. eine Stunde geöffnet war, werden die Originalschlüssel entwendet und zum Diebstahl des Kfz benutzt. Das Grundstück war von einem Metallzaun umgeben, das Tor verschlossen (OLG Karlsruhe9)
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OLG Koblenz v. 26. 3. 2009 – 10 U 1243/08, VersR 2009, 1527. OLG Schleswig v. 26. 11. 2009 – 16 U 18/09, NJW-RR 2010, 845. OLG Köln v. 27. 2. 2007 – 9 U 1/06, r+s 2007, 149 = VersR 2007, 1268. OLG Koblenz v. 17. 10. 2003 – 10 U 275/02, r+s 2004, 55. OLG Koblenz v. 11. 1. 2007 – 10 U 949/06, r+s 2007, 151 = VersR 2007, 365. OLG Hamm v. 7. 2. 2007 – 20 U 134/06, r+s 2007, 188 = VersR 2007, 1553. OLG Frankfurt/M. v. 2. 4. 2003 – 7 U 123/01, r+s 2004, 279 = VersR 2004, 2321. OLG Köln v. 22. 7. 2008 – 9 U 188/07, NJW-RR 2008, 1717 = VersR 2008, 1640 = r+s 2008, 373. 9 OLG Karlsruhe v. 21. 11. 2006 – 12 U 150/06, r+s 2007, 54 = VersR 2007, 984.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 424 Teil 7
– Entwendung: Zurücklassen einer Jacke, in der sich der Zweitschlüssel befand, im Auto. Beweis der Kausalität nicht erbracht (OLG Koblenz1) – Entwendung: Unverschlossenes Fahrzeug im Entladevorgang, Fahrzeugschlüssel befand sich in der Jacke des Versicherungsnehmers, was ihm nicht bewußt war (OLG Celle2) – Entwendung: Dauernde Aufbewahrung des Kfz-Scheins im Handschuhfach nicht grob fahrlässig; auch keine erhebliche Gefahrerhöhung (OLG Oldenburg3)
7. Einstehen für Dritte a) Repräsentant Nach § 81 VVG ist der Versicherer von der Leistungspflicht befreit, wenn „der Versicherungsnehmer“ den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Grundsätzlich tritt also Leistungsfreiheit nicht ein, wenn ein Dritter den Versicherungsfall herbeigeführt hat. Da der Dritte i. d. R. kein Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe ist, §§ 278, 831 BGB, sind auch die im allgemeinen Zivilrecht hierzu entwickelten Regeln nicht anwendbar. Dennoch gibt es Fälle, in denen es als unbefriedigend angesehen wird, wenn der Versicherungsnehmer sich das Handeln eines Dritten nicht zurechnen lassen muss. Es sind die Fälle, in denen der Dritte versicherungsrechtlicher Repräsentant des Versicherungsnehmers ist. Trifft diese Eigenschaft auf den Dritten zu, dann hat der Versicherungsnehmer für den Dritten nicht gem. § 81, sondern in der Kaskoversicherung auch für Obliegenheitsverletzungen einzustehen4.
! Hinweis: In der Kfz-Haftpflichtversicherung ist die Repräsentantenrechtsprechung auf den Fahrer als Dritten unanwendbar, s. auch fi Rz. 298. Die entscheidende Frage ist also, wann der Dritte als Repräsentant angesehen wird. Die Rechtsprechung des BGH hat lange geschwankt, mal zur Definition etwas hinzugefügt, mal auch etwas weggelassen. Derzeit gilt folgende Beschreibung: Im Versicherungsrecht ist Repräsentant, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht 1 2 3 4
OLG Koblenz v. 13. 3. 2009 – 10 U 1038/08, VersR 2009, 1526. OLG Celle v. 18. 6. 2009 – 8 U 188/08, SP 2010, 19 = r+s 2010, 149. OLG Oldenburg v. 7. 7. 2010 – 5 U 153/09, r+s 2010, 367. Vgl. BGH v. 10. 7. 1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229 = MDR 1996, 1011 = NJW 1996, 2935 = NZV 1996, 447 = zfs 1996, 418.
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Teil 7
Rz. 425
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
hierbei nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen. Diese beiden zuletzt genannten Absätze sind die Leitsätze des grundlegenden Urteils des BGH vom 21. 4. 19931. Dieses Urteil unterscheidet sich von früheren des BGH dadurch, dass es den Gedanken mit aufgenommen hat, Repräsentant kann auch sein, wer nicht Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Die anders lautende frühere Rechtsprechung ist überholt. Verschiedene Rollenträger sind nicht schon wegen dieser Eigenschaft Repräsentanten. So ist der Fahrer eines Fahrzeugs nicht schon deshalb Repräsentant des Versicherungsnehmers, weil er ein Verwandter, Ehegatte oder Lebensgefährte ist. Auch dass der Fahrer in der Kfz-Haftpflichtversicherung mitversichert ist, macht ihn nicht zum Repräsentanten, so dass sein Verhalten dem Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht zuzurechnen ist. Immer muss geprüft werden, ob der Dritte an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist im Sinne des oben wiedergegebenen BGH-Leitsatzes. 425
Beweisbelastet für die Tatsachen, aus denen sich eine Repräsentantenstellung ergibt, ist der Versicherer2. Beispiele:
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Häufig sind die Fälle, in denen der Eigentümer des Fahrzeugs, der es auch ständig fährt, es auf den Namen eines anderen zulässt, weil dieser eine günstigere Prämie bzw. einen höheren Schadensfreiheitsrabatt erhält3. In diesen Fällen ist der ständige Benutzer des Fahrzeugs, der für dieses auch verantwortlich ist, Repräsentant4. 1 BGH v. 21. 4. 1993 – IV ZR 34/92, BGHZ 122, 250 = NJW 1993, 1862 = VersR 1993, 828 = zfs 1993, 306 = MDR 1993, 957. 2 Vgl. OLG Hamm v. 26. 10. 1994 – 20 U 48/94, r+s 1995, 41 = VersR 1995, 1086 = NJW-RR 1995, 602; OLG Koblenz v. 20. 11. 1998 – 10 U 1428/97, NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 = NJW-RR 1999, 536. 3 Vgl. OLG Oldenburg v. 26. 6. 1996 – 2 U 106/96, VersR 1997, 997 = NJW-RR 1996, 1310 = r+s 1996, 431 = zfs 1997, 423: „Aus versicherungstechnischen Gründen“ von der Mutter versichert; OLG Oldenburg v. 21. 6. 1995 – 2 U 105/95, VersR 1996, 746 = r+s 1996, 394 = zfs 1996, 342: Günstigere Prämie der Ehefrau, weil Angestellte im öffentlichen Dienst und höherer Schadensfreiheitsrabatt. 4 OLG Brandenburg v. 12. 6. 1997 – 2 U 123/96, r+s 1999, 59.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 427 Teil 7
Überlässt die Versicherungsnehmerin, die Halterin und Eigentümerin des Fahrzeugs ist, dieses nach Absprache hin und wieder ihrem Ehemann, ist dadurch noch keine Repräsentantenstellung des Ehemanns begründet1. Auch wenn der Ehemann Prokurist des Unternehmens der Ehefrau ist, reicht dies für eine Risikoverwaltung des Ehemanns nicht aus2. Ist der Ehemann Halter und Besitzer des Fahrzeugs, für das er sämtliche Kosten trägt, wie z. B. Steuer, Versicherung, Benzin, Reparaturen und Leasingraten, ist er Repräsentant3. Andererseits kann der Ehemann auch dann Repräsentant sein, wenn er das Fahrzeug nie gefahren ist, also das Risiko nicht verwaltet hat. So ist der Ehemann Repräsentant, wenn die Versicherungsnehmerin ihm sämtliche Versicherungsangelegenheiten im Zusammenhang mit dem Fahrzeug überträgt (Vertragsverwaltung) und der Ehemann die Schadensabwicklung allein betreibt. Macht in einem solchen Fall der Ehemann falsche Angaben, sind diese der Versicherungsnehmerin zuzurechnen4. Benutzen beide Eheleute das Fahrzeug abwechselnd wie auch gemeinsam zum geschäftlichen und privaten Gebrauch, so scheidet Repräsentanz sowohl des einen wie des anderen aus; keiner hat dem anderen das Fahrzeug zur vollen Obhut auf Dauer überlassen5. Die Überlassung eines Dienstwagens an einen Angestellten zu dessen dienstlichem wie privatem Gebrauch reicht alleine noch nicht aus für die Annahme, ihm sei die Risikoverwaltung übertragen worden, wenn der Arbeitgeber weiterhin über einen Schlüssel verfügt und auch die Reparaturkosten trägt6. Repräsentant ist er aber, wenn er auch für die Erhaltung des Fahrzeugs in einem verkehrs- und betriebsfähigen Zustand aufzukommen hat7. Wer die wirtschaftlichen Lasten des Fahrzeugs zu tragen hat, ist i. d. R. Repräsentant. So ist ein Handelsvertreter Repräsentant, wenn er das von dem vertretenen Unternehmen geleaste Fahrzeug zu eigenen Zwecken nutzen darf, es aber nach Ablauf der Leasingzeit auch auszulösen hat8. Es hängt also davon ab, ob er auch die wirtschaftlichen Lasten trägt9. Hat der Dritte die Anschaffung des Fahrzeugs selbst 1 OLG Bamberg v. 28. 1. 1999 – 1 U 98/98, NVersZ 1999, 573. 2 OLG Koblenz v. 20. 11. 1998 – 10 U 1428/97, NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 = NJW-RR 1999, 536. 3 OLG Hamm v. 8. 3. 1995 – 20 U 290/94, VersR 1996, 225 = r+s 1996, 170; vgl. auch OLG Koblenz v. 12. 3. 2004 – 10 U 550/0, r+s 2004, 279 = VersR 2004, 1410. 4 OLG Bremen v. 29. 7. 1997 – 3 U 160/96, VersR 1998, 1149. 5 OLG Hamm v. 21. 9. 1994 – 20 U 124/94, VersR 1995, 1086. 6 OLG Hamm v. 26. 10. 1994 – 20 U 48/95, r+s 1995, 41 = VersR 1995, 1086 = NJW-RR 1995, 602. 7 OLG Hamm v. 5. 4. 2000 – 20 U 229/99, zfs 2000, 496. 8 OLG Koblenz v. 22. 12. 2000 – 10 U 508/00, NVersZ 2001, 325 = zfs 2001, 364. 9 Vgl. OLG Frankfurt a. M. v. 27. 7. 1994 – 17 U 259/93, VersR 1996, 838 = zfs 1996, 341, der BGH hat die Revision mit Beschl. v. 13. 12. 1995 – IV ZR 276/94 – nicht angenommen; OLG Köln v. 19. 9. 1995 – 9 U 338/94, VersR 1996, 839 = zfs 1996, 20 = r+s 1995, 402, Vorentscheidung zu BGH v. 10. 7. 1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229 = MDR 1996, 1011 = NJW 1996, 2935 = NZV 1996, 447 = zfs 1996, 418.
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Teil 7
Rz. 428
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
finanziert, z. B. durch Kreditaufnahme und Sicherungsübereignung, und ist er alleiniger und selbstverantwortlicher Nutzer, so ist er Repräsentant1. Hat der Dritte einen von mehreren Fahrzeugschlüsseln zur gelegentlichen Benutzung des Fahrzeugs erhalten und ist er nicht allein befugt, über Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten zu entscheiden, reicht dies für eine Repräsentantenstellung nicht aus2.
! Hinweis: 428
Leasinggeber oder -nehmer sind bei der normalen Konstellation, dass der Leasingnehmer Versicherungsnehmer und der Leasinggeber Eigentümer ist, keine Repräsentanten. Es liegt i. d. R. eine Fremdversicherung vor, die der Leasingnehmer zugunsten des Leasinggebers (Eigentümers) abzuschließen verpflichtet ist, wobei der Leasinggeber in Höhe der Versicherungsleistungen auf Schadenersatzansprüche gegenüber dem Leasingnehmer verzichtet3. Dabei handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, §§ 43 ff. VVG, vgl. Rz. 460. Grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers (= Leasingnehmer) fällt originär unter § 81 VVG mit dessen Rechtsfolgen, die auch den Versicherten treffen4. Den Versicherungsnehmer als (seinen eigenen) Repräsentanten anzusehen, bedeutete einen Widerspruch in sich5. Grob fahrlässiges Verhalten gem. § 81 VVG des Leasinggebers ist i. d. R. nicht vorstellbar, ansonsten käme auch § 47 Abs. 1 VVG zur Anwendung6. Liegt allerdings der (seltene) Fall vor, dass der Leasinggeber auch die Versicherung abgeschlossen hat und Versicherungsnehmer ist, dürfte der Leasingnehmer als Repräsentant anzusehen sein. b) Wissenserklärungsvertreter
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Wen der Versicherungsnehmer mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten zur Abgabe von Erklärungen betraut, ist Wissenserklärungsvertreter des 1 OLG Köln v. 30. 5. 2000 – 9 U 130/99, VersR 2000 = r+s 2000, 316 = NVersZ 2001, 44 = NJW-RR 2000, 1476 = MDR 2000, 1429. 2 OLG Hamm v. 23. 11. 1994 – 20 U 57/94, VersR 1995, 1437. 3 Vgl. BGH v. 11. 12. 1991 – VIII ZR 31/91, BGHZ 116, 278; näher Stiefel/Maier/ Meinecke, AKB A.2.6 Rz. 61 ff.; Römer/Langheid/Römer, VVG § 74 Rz. 12 f., je m. w. N. 4 Vgl. Prölss/Martin/Klimke, VVG § 45 Rz. 5 m. w. N. 5 Unrichtig Stiefel/Maier, AKB, F Rz. 65 mit Verweis auf die im Ergebnis richtige, aber falsch begründete Entscheidung OLG Nürnberg v. 25. 10. 1990 – 8 U 1458/90, NJW-RR 1992, 360; der Hinweis auf OLG Hamm v. 8. 3. 1995 – 20 U 290/94, VersR 1996, 225, geht fehl, weil es dort um die Repräsentantenstellung des Ehemanns im Verhältnis zur Ehefrau ging, die Leasing- und Versicherungsnehmerin war. 6 Looschelders/Pohlmann/Koch, VVG § 47 Rz. 4, 6.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 432 Teil 7
Versicherungsnehmers. In diesem Falle werden dem Versicherungsnehmer die Erklärungen des Wissenserklärungsvertreters zugerechnet1. Die Zurechnung findet ihre Grundlage in einer Analogie zu § 166 BGB, Analogie deshalb, weil die Erklärungen zur Erfüllung von Aufklärungsobliegenheiten i. d. R. keine Willens-, sondern Wissenserklärungen sind. Die Zurechnung bewirkt, dass sich der Versicherungsnehmer nicht mit fehlendem eigenen Verschulden entlasten kann, wenn der Dritte schuldhaft handelte2. Auch eine arglistige Täuschung des Wissenserklärungsvertreters wird dem Versicherungsnehmer zugerechnet3. Der Versicherungsmakler handelt i. d. R. als Vertreter des Versicherungsnehmers, seine Erklärungen werden dem Versicherungsnehmer zugerechnet4. Beispiele: Ein Rechtsanwalt kann Wissenserklärungsvertreter sein, wenn der Versicherungsnehmer ihn mit der Abwicklung des Versicherungsfalls beauftragt5. Wer eine Schadensanzeige ausfüllt in Duldung faktischer Geschäftsführung, ist Wissenserklärungsvertreter6.
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! Hinweis: Ein Dritter, der ein Schadensformular aus eigenem Wissen ausfüllt, ist kein Wissenserklärungsvertreter, wenn der Versicherungsnehmer das Formular unterschreibt und sich damit die Angaben des Dritten zu Eigen macht7. Das gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer erst unterschreibt und das Formular dann nach seinen Informationen ausfüllen lässt8.
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c) Wissensvertreter Die Annahme, ein Dritter sei Wissensvertreter, setzt voraus, dass er zumindest nach seiner tatsächlichen Stellung vom Versicherungsnehmer damit betraut worden ist, Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit ist, anstelle des Versicherungsnehmers entgegenzunehmen9. In 1 BGH v. 2. 6. 1993 – IV ZR 72/92, BGHZ 122, 388 = NJW 1993, 2112 = VersR 1993, 960 = MDR 1993, 737; s. näher Römer/Langheid/Römer, VVG § 6 Rz. 159 f. 2 BGH v. 19. 1. 1967 – II ZR 37/64 – unter VI, VersR 1967, 343; OLG Stuttgart v. 7. 2. 1991 – 7 U 176/90, r+s 1992, 331. 3 OLG Düsseldorf v. 30. 9. 1997 – 4 U 97/96, VersR 1999, 1106 = NJW-RR 1999, 756. 4 Vgl. OLG Frankfurt/M. v. 24. 7. 2008 – 3 U 68/08, zfs 2009, 269. 5 Vgl. OLG Koblenz v. 6. 8. 1999 – 10 U 619/95, VersR 2000, 180 = NVersZ 2000, 104 = zfs 1999, 483. 6 OLG Hamm v. 6. 5. 1998 – 20 U 252/97, zfs 1999, 108 = r+s 1999, 146. 7 BGH v. 14. 12. 1994 – IV ZR 304/93, BGHZ 128, 167 = VersR 1995, 281 = NJW 1995, 662 = MDR 1995, 359 = zfs 1995, 136. 8 OLG Hamm v. 1. 12. 1999 – 20 U 58/99, VersR 2000, 1135 = NVersZ 2000, 336 = zfs 2000, 211 = NJW-RR 2000, 765 = r+s 2000, 402. 9 OLG Hamm v. 23. 11. 1994 – 20 U 57/94, VersR 1995, 1437 m. w. N.
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Teil 7
Rz. 433
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
diesen Fällen wird die Kenntnis des Wissensvertreters dem Versicherungsnehmer zugerechnet.
! Hinweis: Manchmal herrschen selbst bei den Oberlandesgerichten unklare Vorstellungen über die Begriffe des Wissenserklärungsvertreters, der Erklärungen abgibt, und des Wissensvertreters, der Erklärungen entgegennimmt. Begriffe und Argumentationen geraten deshalb manchmal durcheinander1. Es empfiehlt sich, anhand der Entscheidungsgründe genau zu prüfen, was gemeint ist.
8. Ersatzleistungen a) Abgrenzung Reparatur-/Totalschaden 433
Bei der Abrechnung des Kaskoschadens ist entscheidend, ob es sich um einen Total- oder einen Reparaturschaden handelt. Nach A.2.6.5 liegt ein Totalschaden vor, wenn die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert überschreiten. Daraus folgt, dass nach Reparaturschadengrundsätzen abzurechnen ist, wenn die Reparaturkosten niedriger als der Wiederbeschaffungswert sind. Bei dieser Vergleichsberechnung wird der Wiederbeschaffungswert nicht um den Restwert vermindert. Liegt nach dieser Definition ein Totalschaden vor, ist nach A.2.6 AKB abzurechnen, im Falle eines Reparaturschadens nach A.2.7.
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Die Abgrenzung zwischen Reparatur- und Totalschaden bei der KaskoErsatzleistung lässt sich wie folgt darstellen: – Sind die Reparaturkosten höher als der Wiederbeschaffungswert erfolgt eine Totalschadenabrechnung, d. h. Wiederbeschaffungswert minus Restwert (A.2.6.1) – Sind die Reparaturkosten niedriger als der Wiederbeschaffungswert erfolgt eine Reparaturkostenabrechnung – Wird eine vollständige, fachgerechte Reparatur nachgewiesen, werden die Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ersetzt (A.2.7.1a) – Wird eine vollständige, fachgerechte Reparatur nicht nachgewiesen, erfolgt Ersatz bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts minus Restwert (A.2.7.1b)
1 Beispiele sind: OLG Hamm v. 27. 4. 1995 – 6 U 177/94, r+s 1995, 447: Wissensvertreter statt Wissenserklärungsvertreter; OLG Dresden v. 13. 5. 1997 – 3 U 548/97, NZV 1997, 521 = zfs 1998, 101 m. zutr. Anm. Hofmann.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 437 Teil 7
b) Totalschaden Bei Totalschaden, Zerstörung und Verlust des Fahrzeugs wird nach A.2.6.1 der Wiederbeschaffungswert abzüglich eines etwa vorhandenen Restwerts gezahlt. Unter Wiederbeschaffungswert ist nach A.2.6.6 der Preis zu verstehen, den der Versicherungsnehmer aufwenden muss, um ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben. A.2.6.7 definiert Restwert als Veräußerungswert des beschädigten Fahrzeugs. Obwohl ein Totalschaden vorliegt, kann der Versicherungsnehmer gleichwohl reparieren lassen. Dann richtet sich die Kaskoersatzleistung nach A.2.7.1, Rz. 440.
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c) Neupreisentschädigung Nachdem einige Jahre die Neupreisentschädigung aus den Bedingungen der Versicherer verschwunden war, hat sie sich doch in den letzten Jahren marktweit – wenn auch teilweise in etwas unterschiedlicher Ausgestaltung – wieder etabliert. Deshalb hat der GDV mit den AKB auch wieder eine Verbandsempfehlung verfasst. Die Empfehlung umfasst zwei Varianten, es ist deshalb genau zu prüfen, welche Variante bzw. genaue Bedingung dem Vertrag des Versicherungsnehmers zu Grunde liegt.
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Folgende Bedingungen müssen für eine Neupreisentschädigung erfüllt sein: – Es muss sich um einen PKW handeln (nicht aber Taxi, Mietwagen oder Selbstfahrervermiet-PKW) – Der Schaden muss sich innerhalb von x Monaten (Bedingungen prüfen!) ereignet haben – Der PKW muss sich im Schadenzeitpunkt im Eigentum dessen befunden haben, der es als Neufahrzeug von einem Händler oder Hersteller erworben hat (Erstbesitz), Rz. 437 – Es muss Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eingetreten sein (1. Bedingungsalternative) – Oder: Die erforderlichen Reparaturkosten müssen mindestens x % (meistens 80 %) des Neupreises betragen (2. Bedingungsalternative) – Die Neupreisentschädigung muss innerhalb von zwei Jahren reinvestiert werden, Rz. 438 Der PKW muss sich im Erstbesitz befunden haben, wobei der Versicherungsnehmer nicht unbedingt Eigentümer sein muss („abweichender Halter“, Leasing). Es liegt ein sog. Zwischenerwerb vor, wenn der Eigentümer das Neufahrzeug nicht unmittelbar vom Händler oder Hersteller erworben hat. Grundsätzlich ist in diesen Fällen die Voraussetzung nicht erfüllt. Davon gibt es aber Ausnahmen: Meinecke
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437
Teil 7
Rz. 438
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
– Ein Familienangehöriger hat unter Ausnutzung eines Werksangehörigennachlasses den PKW vom Werk erworben, der Versicherungsnehmer hat dieses Fahrzeug aber sofort übernommen, versichert und ausschließlich benutzt1. – Ein Dritter ist als Käufer gegenüber dem Händler aufgetreten, das Fahrzeug wurde sogar zunächst auf den Dritten zugelassen, wobei der VN den PKW aber schon am Auslieferungstag in Besitz genommen und wenige Tage später auf sich zugelassen hat2. 438
Zu beachten ist auch die Wiederherstellungsklausel. Während der Versicherungsnehmer mit der „normalen“ Kaskoentschädigung machen kann, was er will, ist dies bei der überobligatorischen Neupreisentschädigung anders. Dabei wird mehr als der tatsächliche Schaden des Versicherungsnehmers ersetzt. Für diesen Fall sieht schon § 93 VVG vor, dass die über den Wiederbeschaffungswert hinaus gehende Entschädigung nur gewährt wird, wenn die Entschädigung auch reinvestiert wird. Dabei spielt es keine Rolle, auf welche Weise der Versicherungsnehmer die Reinvestition vornimmt. Er kann ein Ersatzfahrzeug – neu oder gebraucht – erwerben, das mindestens dem Neupreis seines beschädigten oder entwendeten Fahrzeugs entspricht. Er kann auch mehrere Ersatzfahrzeuge erwerben3 oder das beschädigte Kfz reparieren lassen. Auch das Leasing eines Ersatzfahrzeugs genügt4. Es kommt nur darauf an, dass die Reinvestition gesichert ist, z. B. in Form einer verbindlichen Bestellung5.
! Hinweis: Die Bedingungen der Versicherer unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des Alters des Fahrzeugs, bei dem ein Neuwagenersatz in Frage kommt. Hier wird teilweise auch bei den einzelnen Tarifen eines Versicherers differenziert. Auch bei Totalschaden und Zerstörung einerseits und Verlust (Entwendung) andererseits werden häufig unterschiedliche Fahrzeugalter privilegiert. d) Reparaturschaden 439
A.2.7 regelt die Fälle, bei denen die Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswerts liegen. Dabei wird in zwei Fallkonstellationen unterschieden zwischen der nachgewiesen vollständigen und fachgerechten 1 OLG Karlsruhe v. 30. 6. 1994 – 12 U 88/94, VersR 1995, 777; anders OLG Koblenz v. 14. 2. 1997 – 10 U 565/96, VersR 1998, 1801 = r+s 97, 147. 2 OLG Köln v. 31. 10. 1995 – 9 U 89/95, VersR 1996, 1231 = r+s 1996, 345. 3 OLG Hamm v. 9. 12. 1987 – 20 U 114/87, r+s 1988, 36. 4 OLG Hamburg v. 24. 4. 1998 – 14 U 217/95, MDR 1998, 964; OLG Frankfurt/M. v. 18. 1. 1996 – 12 U 71/95, VersR 1996, 1532. 5 OLG Hamm v. 25. 11. 2005 – 20 U 158/05, NJW-RR 2006, 531 = VersR 2006, 355 (verlangt auch gesicherte Finanzierung).
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III. Kaskoversicherung
Rz. 442 Teil 7
Reparatur und der nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht durchgeführten Reparatur bzw. dem fehlenden Nachweis darüber. aa) Vollständige, fachgerechte Reparatur Nach A.2.7.1 lit. a ist die vollständige und fachgerechte Reparatur durch eine Reparaturrechnung nachzuweisen. Geschieht dies, werden die Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ersetzt. Eine Anrechnung des Restwerts findet in diesem Fall nicht statt. Der nicht um den Restwert verminderte Wiederbeschaffungswert bildet die Obergrenze der Kaskoleistung. Not- und Billigreparaturen sind nicht fachgerecht. In diesem Fall erfolgt die Berechnung der Entschädigung nach A.2.7.1 lit. b. Das gilt auch, wenn ein Nachweis durch eine Rechnung nicht beigebracht wird.
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! Hinweis: Die Rechtsprechung im Schadenersatzrecht zur sog. 130 %-Grenze gilt nicht in Kasko1. Die Grundsätze zur Höhe der Entschädigung – etwa ob die Preise einer Markenwerkstatt anzusetzen sind – gelten nicht für die Kaskoversicherung, weil es sich um vertraglich vereinbarte Leistungen handelt, die nicht den Regelungen des gesetzlichen Schadensersatzrechts unterliegen und damit auch nicht der Dispositionsfreiheit eines Geschädigten. bb) Unvollständige, nicht fachgerechte Reparatur Nur dann, wenn keine vollständige und fachgerechte Reparatur durch eine Rechnung nachgewiesen werden kann, gilt der um den Restwert verminderte Wiederbeschaffungswert als Obergrenze der Kaskoentschädigung. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Fälle der fiktiven Abrechnung, die auch in Kasko möglich ist.
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cc) Glasbruch Der Zustand der Scheibe vor dem Schadenereignis entscheidet, ob beim Austausch einer Fahrzeugscheibe ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen ist. Er ist auch nur beim Austausch einer Frontscheibe, die nicht nur ganz leicht verkratzt ist, vorzunehmen2. OLG Karlsruhe3 hält einen Abzug „neu für alt“ nicht für gerechtfertigt.
1 OLG Koblenz v. 26. 11. 1999 – 10 U 246/99, VersR 2000, 1359. 2 LG Aachen v. 25. 11. 1988 – 5 S 343/88, VersR 1989, 358 = zfs 1989, 209; a. A. AG Karlsruhe v. 17. 6. 1992 – 10 C 99/92, SP 92, 319, das immer Abzug für gerechtfertigt hält. 3 OLG Karlsruhe v. 17. 12. 1992 – 12 U 116/92, VersR 1993, 1144.
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442
Teil 7
Rz. 443
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
e) Höchstentschädigung 443
Neben den beiden Obergrenzen der Entschädigung „Wiederbeschaffungswert“ und „Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert“ bestimmen die AKB in A.2.11 noch eine Höchstentschädigungsgrenze. Diese ist in allen Fällen der Neupreis. Dieser wird definiert als der Betrag, der am Schadentagfür den Kauf des Fahrzeugs in der versicherten Ausstattung zu zahlen ist. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um den vom Hersteller unverbindlich empfohlenen Preis, denn marktübliche Rabatte sind abzuziehen, auch solche Rabatte, die der Versicherungsnehmer in einer bestimmten Eigenschaft bekommt, z. B. als Werksangehöriger1 oder Großabnehmer2. Bei Leasingfahrzeugen ist nach der Rechtsprechung des BGH3 für die Berechnung der Entschädigung auf die Verhältnisse des Leasinggebers abzustellen; das gilt für die Mehrwertsteuer ebenso wie für die von ihm zu erzielenden Rabatte. Diese BGH-Rechtsprechung führt nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen4. Ihr sind aber die Oberlandesgerichte5 gefolgt.
! Hinweis: 444
Soweit die AKB einen Anspruch decken, kann sich der Versicherer nicht darauf berufen, dass der Versicherungsnehmer durch den Versicherungsfall besser gestellt werde als er ohne ihn stünde. Der Versicherer muss halten, was er mit seinen Bedingungen verspricht. Es gibt kein allgemein gültiges Bereicherungsverbot6.
445
Andererseits ist auch eine Entreicherung dann nicht auszugleichen, wenn die Vertragsbedingungen dafür keine Anspruchsgrundlage bieten. So ersetzt der Versicherer gem. A.2.13.1 AKB keine Wertminderung des Fahrzeugs. Dabei muss es auch dann bleiben, wenn ein Neufahrzeug beschädigt wurde, das erst 4 Tage zugelassen ist und 195 km gefahren wurde. Ansprüche aus der Kaskoversicherung sind von Schadensersatzansprüchen nach § 249 BGB zu unterscheiden, wie sie in der Kfz-Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden können7.
1 S. im Einzelnen Stiefel/Maier/Meinecke, AKB, A.2.6 Rz. 56 ff. 2 S. im Einzelnen Stiefel/Maier/Meinecke, AKB, A.2.6 Rz. 56 ff. 3 BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 181/92, VersR 1993, 1223 = MDR 1994, 42 = NJW 1993, 2870 = zfs 1993, 344. 4 Vgl. OLG Hamm v. 2. 11. 1994 – 20 U 165/95, VersR 1994, 1348 = r+s 1995, 87 = NJW-RR 1995, 1057. 5 Z. B. OLG Frankfurt/M. v. 19. 1. 2000 – 7 U 1/99, VersR 2000, 1232; OLG Hamm v. 2. 11. 1994 (20 U 165/94, NJW-RR 1995, 482 = VersR 1995, 1348. 6 Vgl. BGH v. 8. 11. 1995 – IV ZR 365/94, BGHZ 131, 157 = NJW 1996, 256 = VersR 1996, 91 = MDR 1996, 260 = zfs 1996, 104; v. 4. 4. 2001 – IV ZR 138/00, VersR 2001, 749 = VersR 2001, 304 = r+s 2001, 252. 7 Vgl. OLG Stuttgart v. 21. 9. 2000 – 7 U 136/2000, NVersZ 2001, 228.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 448 Teil 7
f) Mehrwertsteuer A.2.9 AKB regelt den Mehrwertsteuerersatz. Danach wird Mehrwertsteuer nur erstattet, wenn und soweit sie bei der gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist. Die im Grundsatz schon bei den AKB a. F. eingeführte Bestimmung war zunächst unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten umstritten. Dies ist aber mittlerweile durch eine Reihe von oberinstanzlichen Urteilen zugunsten der Klausel geklärt1. Im Prinzip hatte auch der BGH2 keine Einwände gegen die Klausel, obwohl er im konkret zu entscheidenden Fall die spezielle Klausel für intransparent hielt, weil nicht eindeutig war, für welche Fälle der Schadensbeseitigung sie galt. Bei der Klausel in den AKB 2008 besteht diese vom BGH bemängelte Unklarheit nicht. Sie findet Anwendung auf alle Arten der Schadensbeseitigung, die der Versicherungsnehmer wählt.
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Durch die Formulierung „wenn und soweit“ wird nicht nur auf das „ob“ der Mehrwertsteuererstattung abgestellt, sondern auch auf den Umfang, nämlich die tatsächlich vom VN gezahlte Mehrwertsteuer. Das hat Bedeutung insbesondere beim Kauf eines Ersatzfahrzeugs. Wird dies von einer Privatperson erworben, enthält der Kaufpreis gar keine Mehrwertsteuer. Der Kaufpreis eines gebrauchten Fahrzeugs, das von einem Händler erworben wird, kann sowohl Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz enthalten wie auch nur mit dem sog. Differenzsteuersatz nach § 25a UStG. Der umsatzsteuerpflichtige Händler, der ein von einem nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Privatmann angekauftes Fahrzeug mit einem Aufschlag weiter veräußert, muss Umsatzsteuer nur für die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis abführen. Der Differenzsteuersatz ist bei einem 19%igen Regelsatz mit 2,5 % anzusetzen.
447
Weist der Versicherungsnehmer konkret die von ihm vorgenommene Ersatzbeschaffung nach, steht ihm die von ihm aufgewandte Umsatzsteuer zu. Hat er nachweislich für das Ersatzfahrzeug mindestens den Preis des Wiederbeschaffungswerts gezahlt, hat er Anspruch auf den vollen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert.
448
Bei einer abstrakten Abrechnung – also ohne Nachweis der Schadensbeseitigung – kommt ein Ersatz der Umsatzsteuer nicht in Betracht, weil der tatsächliche Anfall von Umsatzsteuer nicht nachgewiesen ist. Hierbei ist wiederum zu unterscheiden, wie das beschädigte Fahrzeug üblicherweise auf dem Markt gehandelt wird. Wird es überwiegend regelbesteuert gehandelt, ist vom Brutto-Wiederbeschaffungswert der volle 1 U. a. OLG Düsseldorf v. 29. 4. 2008 – 1–4 U 145/07, zfs 2009, 156; OLG Saarbrücken v. 28. 1. 2009 – 5 U 278/08–36, r+s 2009, 185; OLG Celle v. 28. 3. 2008 – 8 W 19/08, NJW-RR 2008, 1559 = VersR 2008, 1204 = r+s 2008, 326. 2 BGH v. 24. 5. 2006 – IV ZR 263/03, NJW 2006, 2545 = VersR 2006, 1066 = r+s 2006, 366.
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Teil 7
Rz. 449
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Regelsteuersatz abzuziehen; bei differenzbesteuerten nur der geringere Differenzsteuersatz. Wird ein solches Fahrzeug aber ganz überwiegend nur auf dem Privatmarkt gehandelt, ist gar keine Umsatzsteuer abzuziehen. 449
Hat der Versicherungsnehmer eine sog. Eigenreparatur vorgenommen, fällt Mehrwertsteuer nicht an. Eine Ausnahme kann für Ersatzteile gelten, die für die Reparatur angeschafft und durch Rechnung belegt wurden. Diese Steuern sind zu setzen.
450
Bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Versicherungsnehmer wird die Umsatzsteuer nicht erstattet, weil ihm insoweit kein Schaden entstanden ist. Er kann sie beim Finanzamt verrechnen. Zur besonderen Problematik bei Leasingfahrzeugen s. Rz. 460. g) Nebenkosten
451
Für Kosten der Sicherstellung und Standkosten eines total zerstörten Fahrzeugs geben die AKB keine Anspruchsgrundlage1. Im Falle der Beschädigung des Fahrzeugs sind die notwendigen Fracht- und sonstigen Transportkosten zu ersetzen, denn sie gehören zu den notwendigen Reparaturkosten. Der Versicherer ersetzt Gutachterkosten nur, wenn die Beauftragung des Sachverständigen von ihm veranlasst oder mit ihm abgestimmt war2, A.2.8 AKB. Zu den Rettungskosten bei der Überführung eines wiedergefundenen Fahrzeugs s. fi Rz. 456.
! Hinweis: Rechtsanwaltskosten sind nur zu ersetzen, wenn sie nach Verzug des Kaskoversicherers entstanden sind3. Der Leistungsumfang ist positiv und abschließend beschrieben in A.2.6, A.2.7, A.2.8 und A.2.10.2. Deswegen bedürfte es A.2.13.1 eigentlich nicht, womit einige Schadenpositionen aufgelistet werden, die von der Kaskoversicherung nicht übernommen werden. Zur Klarstellung werden u. a. Nutzungsausfall, Wertminderung und Mietwagenkosten aufgeführt. h) Selbstbeteiligung 452
Gemäß A.2.12 AKB gilt eine Selbstbeteiligung für jedes versicherte Fahrzeug und für jeden Schadensfall besonders. Der Schaden wird in der Teilund der Vollversicherung abzüglich der Selbstbeteiligung ersetzt, wobei 1 Vgl. Stiefel/Maier/Meinecke, AKB, A.2.13 Rz. 11. 2 Dadurch ist überholt BGH v. 5. 11. 1997 – IV ZR 1/97, VersR 1998, 179 = NJW-RR 1998, 315 = NZV 1998, 111 = MDR 1998, 213. 3 Vgl. Stiefel/Maier/Meinecke, AKB, A.2.13 Rz. 5.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 454 Teil 7
in der Regel für Vollkaskoereignisse höhere Selbstbehalte als für Teilkaskoereignisse vereinbart werden. Jedes Unternehmen kann eigene Regelungen über die Selbstbeteiligung vereinbaren. Häufig wird in den heutigen Bedingungen auf die Selbstbeteiligung verzichtet, wenn bei einem Glasbruchschaden kein Austausch der Scheibe vorgenommen und diese nur repariert (Verharzungsmethode) wird. Beruht der eingetretene Schaden sowohl auf einem Vollals auch einem Teilkaskoereignis (etwa reiner Glasbruchschaden infolge Unfalls), ist die geringere Selbstbeteiligung in Abzug zu bringen, wenn nur Schäden aus dem Ereignis mit der geringeren Selbstbeteiligung eingetreten sind. Sind aber bei einem Kollisionsschaden sowohl Glasbruchschäden als auch Karosserieschäden eingetreten und verlangt der VN Ersatz für beides, kommt bei der Gesamtentschädigung die höhere Selbstbeteiligung in Abzug. Die Selbstbeteiligungen aus Teil- und Vollkasko werden nicht kumuliert abgezogen. i) Wiederbeschaffung oder Eigentumsübergang Bei einer Entwendung muss der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zurücknehmen, wenn es innerhalb eines Monats nach der Schadenanzeige wiederaufgefunden wird. Das gilt allerdings nur, wenn er es mit objektiv zumutbaren Anstrengungen wieder in Besitz nehmen kann, A.2.10.1. Dabei genügt die Mitteilung an den Versicherungsnehmer, dass er sich das Kfz an einem bestimmten Ort abholen kann und es ihm durch Selbstabholung oder Beauftragung eines Abschleppunternehmens möglich ist, das Kfz innerhalb der Monatsfrist in seine Verfügungsgewalt zurückzuerlangen1. Nach A.2.10.2 werden dem Versicherungsnehmer die Rückholungskosten vergütet in Höhe der Bahnfahrtkosten 2. Klasse bis 1500 km.
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Ist das wiederaufgefundene und vom Versicherungsnehmer wieder in Besitz genommene Fahrzeug infolge der Entwendung beschädigt worden, hat der Versicherer diese Schäden als Entwendungsfolgeschäden zu ersetzen. Hierbei gelten die Grundsätze des Total- bzw. Reparaturschadens, s. Rz. 433 ff. Wird das Fahrzeug erst nach der Monatsfrist wieder zur Stelle gebracht, wie es in der alten AKB-Fassung hieß, gehen die Gegenstände nach A.2.10.3 AKB in das Eigentum des Versicherers über. Es findet also keine Rückabwicklung statt, der Versicherungsnehmer behält seine Leistung, der Versicherer kann das wiederaufgefundene und in sein Eigentum übergegangene Fahrzeug verwerten. 1 OLG Köln v. 5. 12. 2000 – 9 U 56/00, VersR 2001, 976 = r+s 2001, 143; OLG Hamm v. 10. 7. 1991 – 20 U 71/91, VersR 1992, 566 = r+s 1991, 296.
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Teil 7
Rz. 455
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
Zweifelhaft ist der Eigentumsübergang, wenn der Versicherer seine Leistung gekürzt hat, etwa wegen grober Fahrlässigkeit oder einer Obliegenheitsverletzung. Während die erste Fassung der AKB auch für diesen Fall vom uneingeschränkten Eigentumsübergang auf den Versicherer ausging, hat die Verbandsempfehlung vom 4. 9. 2009 hier eine Modifikation vorgenommen. Dies erfolgte offenbar deshalb, weil erkannt wurde, dass in der alten Regelung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des AGB-Rechts nicht auszuschließen ist. Nach der jetzigen Fassung wird diese Benachteiligung dadurch behoben, dass der um die Rückführungskosten verminderte Erlös entsprechend der Kürzungsquote zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer geteilt wird. Beispiel: Der Wiederbeschaffungswert beträgt 12 000 Euro, die vereinbarte Selbstbeteilung 1000 Euro. Die Leistung ist um 1/3 zu kürzen, die Kaskoleistung beträgt also 8000 Euro abzgl. 1000 Euro = 7000 Euro. Das wiederaufgefundene Kfz wird für 6500 Euro veräußert; es sind Rückführungskosten von 500 Euro entstanden. Der Verwertungserlös wird wie folgt aufgeteilt: 6500 Euro Erlös abzgl. 500 Euro Rückführungskosten = 6000 Euro. Davon erhält der Versicherer 2/3 = 4000 Euro, der Versicherungsnehmer 1/3 = 2000 Euro.
455
Nimmt der Versicherungsnehmer nach Ablauf der Monatsfrist das Fahrzeug zurück – z. B. um es zu verwerten –, liegt darin nicht schon das Einverständnis, auf jede Leistung des Versicherers zu verzichten. Das Verhalten des Versicherungsnehmers und seine Erklärungen bedürfen der Auslegung. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass ein Verzicht auf Ansprüche nicht zu vermuten ist und an die Feststellung des Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen sind1. j) Rettungskosten
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Überwiegend wird angenommen, dass der Versicherer nach Wiederbeschaffung eines Fahrzeugs Rückführungskosten als Rettungskosten zu erstatten hat2. Nach OLG Saarbrücken3 hat der Versicherungsnehmer auch einen Anspruch gegen den Versicherer unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten, wenn er Lösegeld für die Rückgabe eines gestohlenen Pkw gezahlt hat. S. zu Rettungskosten auch fi Rz. 369 ff. 1 Vgl. BGH v. 16. 6. 1999 – IV ZR 22/98, VersR 1999, 1104 = NVersZ 1999, 479 = MDR 1999, 1135 = NJW-RR 1999, 1699. 2 Für Erstattung als Rettungskosten z. B. OLG Frankfurt a. M. v. 24. 11. 1977 – 1 U 50/77, VersR 1978, 612; OLG Köln v. 5. 12. 2000, 9 U 56/00, VersR 2001, 976 = r+s 2001, 143; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 A.2.6 ff. Rz. 33. 3 OLG Saarbrücken v. 5. 11. 1997 – 5 U 501/97, VersR 1998, 1499 = MDR 1998, 773 = zfs 1998, 341 = NJW-RR 1998, 463 = r+s 1999, 98.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 459 Teil 7
k) Fälligkeit, Verzinsung, Abtretung, Aufrechnung A.2.14 AKB enthält Regelungen zur Fälligkeit der Kaskoentschädigung. Nach Feststellung der Zahlungspflicht und der Höhe der Entschädigung wird diese innerhalb von zwei Wochen ausgezahlt. Der Anspruch auf die Entschädigung ist endgültig festgestellt, wenn sowohl der Anspruchsgrund als auch die Höhe des Anspruchs geklärt sind; die Eintrittspflicht des Versicherers für den geltendgemachten Anspruch muss ebenso feststehen wie die Höhe dieses Anspruchs. Dem Versicherer muss Gelegenheit gegeben sein, die vollständige Prüfung der Deckungs- und Einstandspflicht vorzunehmen. Bei Streit über die Höhe der Entschädigung ist ein Sachverständigenverfahren durchzuführen, s. Rz. 461. Vorher ist die Entschädigung noch nicht fällig.
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Für den Entwendungsfall greift A.2.14.2 auf die Monatsfrist zurück, innerhalb derer der Versicherungsnehmer das wiederaufgefundene Fahrzeug zurücknehmen muss. Deshalb wird die Entschädigung auch erst nach einem Monat gezahlt. Besonderheiten ergeben sich auch zur Fälligkeit der Neupreisentschädigung hinsichtlich des den Wiederbeschaffungswert überschießenden Teils, s. dazu Rz. 438. Die erhöhte Entschädigung wird erst fällig, wenn die Wiederanlage gesichert und dies nachgewiesen ist. Hier können also die Fälligkeiten für den Wiederbeschaffungswert und für die erhöhte Leistung auseinanderfallen. Die früher nur für die Feuerversicherung in § 94 VVG a. F. geltende Verzinsungpflicht wird jetzt in § 91 VVG n. F. geregelt und findet Anwendung auf alle Zweige der Sachversicherung, also auch auf die Kaskoversicherung. Danach ist die Entschädigungsleistung nach Ablauf eines Monats nach der Anzeige des Versicherungsfalls mit mindestens 4 % zu verzinsen. Von der Möglichkeit, diese Vorschrift abzubedingen, haben die AKB 2008 keinen Gebrauch gemacht
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Eine Abtretung des Kaskoanspruchs ist erst nach endgültiger Feststellung zulässig. wenn sowohl der Anspruchsgrund als auch die Höhe des Anspruchs geklärt sind. Der Versicherer kann allerdings die Abtretung genehmigen, A.2.14.4.
459
Steht einer fälligen Forderung des VN gegen den Versicherer auf Zahlung einer Kaskoentschädigung eine fällige Forderung des Versicherers wie z. B. eine Prämienforderung gegenüber, können beide Parteien die Aufrechnung erklären. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Forderung des Versicherers um eine KH-Prämie handelt1. § 35 VVG verschafft dem Versicherer auch eine Aufrechnungsmöglichkeit ge-genüber einem Dritten, also z. B. dem Versicherten bei einer Fremdversicherung, obwohl hier keine Gegenseitigkeit der Forderungen besteht. Bei dieser Ausdehnung 1 OLG Hamm v. 22. 11. 1995 – 20 U 186/95, VersR 1996, 1408 = r+s 1996, 164.
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Rz. 460
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
der Aufrechnungsmöglichkeit müssen allerdings die Forderung des Versicherten und des Versicherers auf demselben Vertrag basieren. Die Aufrechnungslagen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gegenüber dem Forderungsinhaber bleiben ansonsten unberührt. l) Leasingfahrzeuge 460
Bei einem Leasingfahrzeug ist der Leasinggeber Eigentümer des Fahrzeugs, der Leasingnehmer i. d. R. aber Versicherungsnehmer und Halter. Dabei handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, §§ 43 ff. VVG. Dem Eigentümer (Leasinggeber) stehen als Versichertem die Rechte und Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu. Bei Zweifeln an den Eigentumsverhältnissen hat der VN die Beweispflicht, dass er Eigentümer ist1. Grundsätzlich ist bei der Kasko-Entschädigung auf die Verhältnisse des Eigentümers, also des Leasinggebers, abzustellen2. Dies gilt insbesondere bei der Frage des Ersatzes der Umsatzsteuer, die bei dem vorsteuerabzugsberechtigten Leasinggeber nicht zu zahlen ist. Das gilt sowohl bei der Wiederbeschaffung als auch bei der Reparatur. Um die (erhöhte) Neupreisentschädigung zu erhalten, muss der Neupreis reinvestiert werden, Rz. 438. Diese Bedingung ist nur erfüllt, wenn der Leasinggeber die Wiederbeschaffung vornimmt. Dabei reicht es nicht, dass der Leasinggeber ein Fahrzeug anschafft und mit einem anderen Leasingnehmer einen Vertrag schließt. Entscheidend ist, dass die Ersatzbeschaffung eines vergleichbar teuren Fahrzeugs zur Fortführung des bestehenden Vertrages oder dem Abschluss eines Anschlussvertrages mit dem VN erfolgt3. Diese Rechtsprechung führt zu nicht immer befriedigenden Ergebnissen, so dass die Obergerichte dem BGH teilweise auch nur widerwillig gefolgt sind4, denn der Leasingnehmer wird quasi zur Vertragsfortsetzung gezwungen. Auch bei der Ersterwerbseigenschaft kommt es auf die Verhältnisse beim Leasinggeber an; dieser muss als Eigentümer im Schadenszeitpunkt das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben haben. Nach A.2.11 AKB stellt der Neupreis des Fahrzeugs die Obergrenze der Entschädigung dar. Auch hierbei ist auf die Verhältnisse des Leasing-
1 OLG Celle v. 4. 1. 2007 – 8 U 195/05, VersR 2007, 1217. 2 BGH v. 14. 7. 1993 – IV ZR 181/92, NJW 1993, 2870 = VersR 1993, 1223; v. 31. 10. 2007 – VIII ZR 278/05, DAR 2008, 145. 3 H. M.: u. a. OLG Hamm v. 2. 11. 1994 – 20 U 165/94, NJW-RR 1995, 482 = VersR 1995, 1348; OLG Karlsruhe v. 5. 11. 1997 – 13 U 214/95, VersR 1998, 1230; a. M. Lücke in NVersZ 1998, 108. 4 S. insbesondere auch die kritische Betrachtung von Lücke in NVersZ 1998, 108.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 462 Teil 7
gebers abzustellen. Es sind die Rabatte anzusetzen, die er gewöhnlich beim Erwerb eines neuen Fahrzeugs erzielen kann, s. Rz. 443. Nach vielen Leasingverträgen ist der Leasingnehmer verpflichtet, Reparaturen bis zu einem bestimmten Betrag selbst durchführen zu lassen. In diesem Fall ist der Leasingnehmer Auftraggeber der Reparatur, deren Kosten er zu begleichen hat. Ist er nicht vorsteuerabzugsberechtigt, kann er die in der Rechnung enthaltene Umsatzsteuer nicht mit dem Finanzamt verrechnen. In diesem Fall ist die Kaskoentschädigung einschließlich der Umsatzsteuer zu zahlen1.
9. Sachverständigenverfahren A.2.17 AKB regelt ein Sachverständigenverfahren, das auf § 84 VVG beruht. Bei Meinungsverschiedenheiten „über die Höhe des Schadens“ entscheidet ein Sachverständigenausschuss. Streitigkeiten über den Versicherungsschutz sind nicht sein Gegenstand2. Zwar sind in A.2.17.1 der Wiederbeschaffungswert und der Umfang der Reparaturarbeiten erwähnt, doch darin erschöpft sich der Umfang der im Sachverständigenverfahren zu klärenden Umstände nicht. Im Sachverständigenverfahren werden auch Streitigkeiten über die Höhe von Restwerten und die Abgrenzung zu Altschäden geklärt.
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Die Mitglieder eines Ausschusses dürfen nur Sachverständige für Kraftfahrzeuge sein. Die Zusammensetzung des Ausschusses und die Benennung seiner Mitglieder3 ist in A.2.17.2 und A.2.17.3 AKB geregelt. Die Verteilung der entstehenden Kosten folgt den §§ 91 ff. ZPO, A.2.17.4. Eine solche Kostenregelung ist zulässig4. Anwaltskosten, die durch Einschaltung eines Anwalts im Sachverständigenverfahren entstanden sind, sind auch dann nicht ersatzfähig, wenn das Verfahren zu einer höheren Entschädigung geführt hat5. Der Anspruch auf Leistung ist nicht fällig, solange das Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt ist6 und der Versicherer die Leistung nicht abgelehnt hat. Der Versicherer kann sich jederzeit, auch nach Klageer1 LG Hamburg v. 16. 5. 1997 – 306 S 12/97, VersR 1999, 90; LG Hannover v. 24. 4. 1997 – 3 S 375/96, NJW 1997, 2760; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, AKB 2008 A.2.6 ff. Rz. 39; a. M. u. a. Rischar in NZV 1998, 59. 2 s. AG Düsseldorf v. 24. 4. 2001 – 48 C 397/01, r+s 2002, 58. 3 Zu Benennungsfehlern s. KG v. 30. 10. 1998 – 6 U 7827/96, NVersZ 1999, 526. 4 Vgl. BGH v. 3. 3. 1982 – IVa ZR 256/80, VersR 1982, 482 am Ende = NJW 1982, 1391. 5 LG Bochum v. 30. 4. 2004 – 10 S 1/04, NJW-RR 2004, 1335 = VersR 2004, 1552; s. auch Stiefel/Maier/Meinecke, AKB, A.2.17 Rz. 38. 6 Vgl. OLG Nürnberg v. 28. 7. 1994 – 8 U 3805/93, VersR 1995, 412 = NJW-RR 1995, 544.
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Teil 7
Rz. 463
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
hebung, auf die Nichtdurchführung des Sachverständigenverfahrens berufen, es sei denn, der Versicherer hätte vorprozessual den Eindruck erweckt, an einem Sachverständigenverfahren nicht interessiert zu sein1.
! Hinweis: 463
Der Versicherungsnehmer kann Klage auf Feststellung erheben, dass der Versicherer Versicherungsschutz zu gewähren habe, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht dem Grunde nach verneint hat. Die Feststellungsklage ist zulässig, weil der Versicherungsnehmer nicht gezwungen sein darf, auf das Sachverständigenverfahren zu verzichten.
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Fraglich ist, ob der Versicherungsnehmer sofort auf Leistung klagen kann, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht schon dem Grunde nach verneint. Nach OLG Hamm gibt der Versicherer mit einer solchen Ablehnung zu erkennen, wenn er nicht ausdrücklich etwas anderes mitteilt, dass er sich mit der Anspruchshöhe nicht befassen will. Aus der Sicht des Versicherungsnehmers können deshalb Meinungsverschiedenheiten über die Höhe, wie dies A.2.17 AKB voraussetzt, nicht entstehen. Da mit der Deckungsablehnung der Anspruch auch fällig geworden sei, könne der Versicherungsnehmer nicht gehindert sein, sofort auf Leistung zu klagen2. Jedenfalls muss dem Versicherungsnehmer die Leistungsklage möglich sein, wenn der Versicherer die Leistung abgelehnt hat3. Dem Versicherer bleibt die Einrede des noch nicht durchgeführten Sachverständigenverfahrens jedoch dann erhalten, wenn er zwar den Anspruch dem Grunde nach abgelehnt hat, der Versicherungsnehmer aber erst im Prozess Tatsachen zur Höhe vorbringt4.
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Die Feststellungen des Sachverständigenausschusses sind bis zur Grenze des § 84 Abs. 1 VVG bindend.
10. Forderungsübergang, Regress nach § 86 VVG a) Allgemeines 466
§ 86 Abs. 1 VVG bestimmt einen gesetzlichen Forderungsübergang. Soweit der Versicherer an den Versicherungsnehmer geleistet hat, geht der Anspruch des Versicherungsnehmers gegenüber dem Dritten, dem Schä1 OLG Köln v. 4. 12. 2001 – 9 U 229/00, NVersZ 2002, 222 = r+s 2002, 188 = zfs 2002, 295; OLG Saarbrücken v. 21. 6. 1995 – 5 U 982/94-92, VersR 1996, 882 = r+s 1995, 329 = zfs 1996, 462 m. w. N. 2 OLG Hamm v. 26. 4. 1989 – 20 U 252/88, VersR 1990, 82, teilweise kritisch Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, Rz. 1209. 3 Vgl. Römer/Langheid/Römer, VVG § 64 Rz. 31; KG v. 30. 10. 1998 – 6 U 7827/96, NVersZ 1999, 526: Versicherer kann sich auf Sachverständigenverfahren berufen, wenn er keine Ablehnung nach § 12 Abs. 3 VVG erteilt hat. 4 Römer/Langheid/Römer, VVG § 64 Rz. 31 m. w. N.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 467 Teil 7
diger, auf den Versicherer über. Der Übergang erfolgt im Zeitpunkt der Leistung des Versicherers, also nicht schon bei Entstehung des Anspruchs. Nach § 67 Abs. 1 S. 3 VVG a. F. wurde der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer einen Regress des Versicherers dadurch verhinderte, indem er sein ihm bis zum Übergang zustehendes Recht aufgab. § 86 Abs. 2 VVG n. F. modifiziert und weitet dies aus. Danach darf der Versicherungsnehmer keine Verfügungen über den Anspruch vornehmen, die den Regressanspruch des Versicherers verhindern, er muss den auf den Versicherer übergegangenen Anspruch wahren. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber jetzt eine Mitwirkungsobliegenheit eingeführt. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, bei der Durchsetzung des Regressanspruchs mitzuwirken. Das bezieht sich z. B. auf Auskünfte und Vollmachtserteilung. Verzichtet oder erlässt der Versicherungsnehmer seinem Schuldner den Anspruch, tritt er den Anspruch an einen anderen ab oder vergleicht er sich mit dem Schuldner, so wird der Versicherer nach § 86 Abs. 2 VVG insoweit von seiner Leistungspflicht frei, als er aus dem Anspruch hätte Ersatz erlangen können. Der Versicherer wird auch dann von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer erst nach Erhalt der Versicherungsleistung über den Anspruch verfügt, so dass der Versicherer keinen Regress mehr nehmen kann1. Das kann bei dem Rückgriff gegen den Fahrer (s. fi Rz. 473 ff.) von Bedeutung sein, etwa wenn zur Lösung des Arbeitsverhältnisses bereinigende Vereinbarungen unter Einschluss des Versicherungsfalls getroffen werden. Dagegen kommt bei einer Vereinbarung über einen Haftungsausschluss schon vor Eintritt des Versicherungsfalls § 86 VVG nicht zum Zuge2. Denn dann ist bei Leistung des Versicherers von vornherein kein Anspruch gegen einen Dritten vorhanden gewesen, der hätte übergehen können. Ist der vereinbarte Haftungsausschluss allerdings seinem Inhalt nach ungewöhnlich und beeinträchtigt er die Interessen des Versicherers entgegen Treu und Glauben übermäßig, ist § 86 VVG entsprechend anwendbar3. Beispiel eines den Versicherer unzulässig beeinträchtigenden Haftungsausschlusses: Die Versicherungsnehmerin einer Kaskoversicherung, eine GmbH, hatte dem Sohn des Geschäftsführers ein Fahrzeug auch zum privaten Gebrauch überlassen. Sie vereinbarte mit dem Sohn, dass dieser der GmbH auf vollen Ersatz der Schäden hafte, die er vorsätzlich verursacht. Bei Fahrlässigkeit (also auch bei grober Fahrlässigkeit) sollte die Haftung auf 2500 Euro begrenzt sein. Bei einer privaten Trunkenheitsfahrt verursachte der Sohn grob fahrlässig Schäden am Fahrzeug von 10 000 Euro. Das OLG Saarbrücken hat die haftungs1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 14. 1. 1994 – 22 U 148/93, VersR 1995, 528. 2 OLG Frankfurt v. 9. 12. 1992 – 13 U 258/88, NJW-RR 1994, 29. 3 Vgl. BGH v. 29. 9. 1960 – II ZR 25/59, BGHZ 33, 216 = NJW 1961, 212 m. w. N.
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Teil 7
Rz. 468
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
beschränkende Vereinbarung als inhaltlich ungewöhnlich und die Interessen des Versicherers als übermäßig beeinträchtigend angesehen1.
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Die Folgen einer Verletzung der Pflichten aus § 86 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Gesetzgeber so wie auch bei den sonstigen Obliegenheitsverletzungen geregelt. Bei vorsätzlicher Verletzung besteht volle Leistungsfreiheit, bei grob fahrlässiger Leistungsfreiheit wird entsprechend der Schwere der Schuld quotiert. Auch hier gilt, dass der Versicherer den Vorsatz zu beweisen hat, der Versicherungsnehmer das Nichtvorliegen grober Fahrlässigkeit. Bei einfacher Fahrlässigkeit erfolgt keine Einschränkung des Versicherungsschutzes.
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Auf den Versicherer geht der Anspruch gegen einen Dritten über. Im Allgemeinen wird gesagt, Dritter sei jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter sei2. Das ist im Grundsatz auch richtig, weil es den Normalfall darstellt. Im Ausnahmefall kann Dritter aber auch der Versicherungsnehmer selbst sein, etwa bei der Fremdversicherung. So können Ansprüche des Leasinggebers, der Versicherter ist, gegen den Leasingnehmer, der Versicherungsnehmer ist, auf den Versicherer übergehen, wenn dieser entsprechend dem Sicherungsschein an den Leasinggeber aus der Kaskoversicherung leistet3. Denkbar ist ebenso, dass der Versicherte Dritter sein kann4. Ob auch Gewährleistungansprüche auf den Versicherer gem. § 86 VVG übergehen können oder aber abgetreten werden müssen, wird nicht einheitlich gesehen. Das OLG Koblenz bejaht den gesetzlichen Übergang5.
470
Ersetzt der Schädiger den von der Kaskoversicherung abgedeckten kongruenten Schaden noch vor der Leistung des Versicherers, ist der Versicherer leistungsfrei. Hat er dennoch gezahlt, kann er einen Bereicherungsanspruch gegenüber dem VN geltend machen6. Bei der Rückforderung einer Kaskoleistung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung trägt der Versicherer die Beweislast für sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen. Bei einer falschen Abrechnung des Kaskoversicherers ist eine Rückforderung auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit zu beurteilen7. 1 2 3 4
OLG Saarbrücken v. 17. 4. 2002 – 5 U 875/01-71, zfs 2002, 296. Vgl. z. B. Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, 5. Aufl. Rz. 1187. Vgl. OLG Hamm v. 20. 5. 1988 – 20 U 315/87, VersR 1989, 36. S. näher Römer/Langheid/Römer, VVG § 67 Rz. 22; Berliner Kommentar zum VVG/Baumann, § 67 Rz. 68 ff., 72. 5 OLG Koblenz v. 10. 2. 2009 – 2 U 428/08, VersR 2009, 1486 = r+s 2010, 59; vgl zur Abtretung auch OLG Oldenburg v. 31. 8. 2004 – 12 U 63/04, VersR 2005, 72. 6 OLG Dresden v. 23. 10. 2008 – 4 U 1135/08, r+s 2009, 458 = VersR 2009, 824. 7 S. hierzu auch den Fall OLG Frankfurt/M. v. 8. 8. 2008 – 3 U 270/07, NZV 2009, 608.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 474 Teil 7
b) Rückgriff gegenüber dem Fahrer Hat der Fahrer einen Schaden am Fahrzeug schuldhaft verursacht, kann der Eigentümer des Fahrzeugs i. d. R. vom Fahrer Schadensersatz verlangen. Auch dieser Schadensersatzanspruch geht im Allgemeinen auf den Versicherer nach § 86 Abs. 1 VVG über, wenn dieser aus der Kaskoversicherung geleistet hat. Denn anders als in der Haftpflichtversicherung ist der Fahrer in der Kaskoversicherung nicht mitversichert.
471
! Hinweis: A.2.15 AKB begrenzt den Rückgriff des Versicherers gegen den berechtigten Fahrer aber auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit: „Fährt eine andere Person berechtigterweise das Fahrzeug und kommt es zu einem Schadenereignis, fordern wir von dieser Person unsere Leistungen nicht zurück. Das gilt nicht, wenn der Fahrer das Schadenereignis grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt hat“. Ausdrücklich ausgeschlossen wird auch der Rückgriff gegen Personen, die mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben, außer bei Vorsatz.
472
Handelt es sich um einen beim Versicherungsnehmer angestellten Fahrer, ergeben sich Besonderheiten durch die Einwirkung des Arbeitsrechts. Auf den Versicherer übergegangene Ansprüche des Arbeitgebers gegen den angestellten Fahrer unterliegen auch nach dem Übergang dem Arbeitsrecht. So sind die Verjährungsfristen des Arbeitsrechts und die sonstigen arbeitsrechtlichen Grundsätze anzuwenden. Das betrifft z. B. auch die Höhe eines möglichen Rückgriffs, der idR auf drei Monatsgehälter beschränkt ist1. Ferner fallen die Rückgriffsansprüche des Versicherers in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.
473
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts finden die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten Anwendung, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden2. Einen grob fahrlässig verursachten Schaden beim Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer in aller Regel voll zu tragen3. Haftungserleichterungen werden dem Arbeitnehmer aber dann gewährt, wenn sein Verdienst in einem deutlichen Missverhältnis zu dem verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit steht4. Ein solches Missverhältnis liegt z. B. vor, wenn der Schaden größer ist als drei Brutto-Monatseinkommen des Arbeitnehmers5. Ansprüche des Arbeitgebers gegen
474
1 2 3 4
S. LG Potsdam v. 8. 2. 2008 – 6 0 170/07, zfs 2010, 97 m. w. N. BAG v. 27. 9. 1995 – GS 1/89 [A], BAGE 78, 56 = VersR 1995, 607 (nur LS). BAG v. 25. 8. 1997 – 8 AZR 288/96, VersR 1998, 895 = NJW 1998, 1810. BAG v. 12. 11. 1998 – 8 AZR 221/97, NVersZ 2000, 136 = VersR 1999, 518; v. 12. 10. 1989 – 8 AZR 276/88, BAGE 63, 127 = VersR 1989, 1321. 5 Vgl. BAG v. 12. 11. 1998 – 8 AZR 221/97, NVersZ 2000, 136 = VersR 1999, 518 unter II 3b.
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Teil 7
Rz. 475
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
seinen angestellten Fahrer, die also außerhalb dieses Missverhältnisses entstehen, gehen auf den Kasko-Versicherer über, wenn dieser an den Arbeitgeber und Versicherungsnehmer geleistet hat und der Fahrer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (§ 15 Abs. 2 AKB, s. fi Rz. 472). Beispiel:
475
Ein Lkw-Fahrer wird von einem Angestellten seines Arbeitgebers per Handy angerufen. Er nimmt den Anruf während der Fahrt an. Um die gewünschte Auskunft zu erteilen, blättert er in Unterlagen. Dabei übersieht er, dass bei der Einfahrt in eine Kreuzung die Ampel Rot zeigt. Er verursacht einen Unfall. Am Lkw des Arbeitgebers entsteht ein Schaden von 3900 Euro. Der Kaskoversicherer ersetzt dem Arbeitgeber diesen Schaden und verlangt Regress bei dem Fahrer. Mit Recht. Das Überfahren der roten Ampel war grob fahrlässig. Milderungsgründe sind nicht ersichtlich. Der Fahrer hätte den Angestellten darauf hinweisen müssen, dass er das Fahrzeug erst abstellen müsse, ehe er die Auskunft erteilt. Da der Fahrer den Unfall grob fahrlässig verursacht hat, greift die Haftungsbeschränkung von A.2.15 AKB nicht ein. Auch unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten bleibt es bei dem Ergebnis. Ein deutliches Missverhältnis zwischen Einkommen und Schadensrisiko besteht nicht. Der Fahrer hatte ein monatliches Bruttoeinkommen von ca. 2700 Euro1.
! Hinweis: Eine Besonderheit ergibt sich, wenn das vom Arbeitnehmer gefahrene Fahrzeug, das er grob fahrlässig beschädigt hat, nicht im Eigentum des Arbeitgebers steht, etwa weil es geleast ist, was gerade bei gewerblichen Fahrzeugen sehr häufig der Fall ist. Hier liegt der Regressanspruch nicht beim Arbeitgeber, sondern beim Leasinggeber, der Eigentümer des Fahrzeugs ist. Damit greift nicht das Arbeitsrecht ein, es besteht ein rein zivilrechtlicher Anspruch, bei dem die Beschränkungen des Arbeitsrechts nicht gelten. Auch sind die Zivil- und nicht die Arbeitsgerichte zuständig2. c) Kongruenz der Forderung 476
Der Anspruch geht nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG nur auf den Versicherer über, „soweit“ dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Dies bedeutet, dass nur solche Ansprüche übergehen, die der von der Kaskoversicherung erfassten Schadensart zugehören3; die Forderung gegenüber dem Dritten muss also mit den vertragsgemäßen Leistungen des Versicherers kongruent sein. In der Kaskoversicherung sind z. B. kongruent: Der unmittelbare Sachschaden (Reparaturkosten), merkantiler Minderwert, Abschleppkosten, Sachverständigenkosten4. Nicht dazu gehören 1 Vgl. den Fall BAG v. 12. 11. 1998 – 8 AZR 221/97, NVersZ 2000, 136 = VersR 1999, 518. 2 BAG v. 7. 7. 2009 – 5 AZB 8/09, VersR 2009, 1528. 3 Vgl. z. B. BGH v. 8. 12. 1981 – VI ZR 153/80, VersR 1982, 283 inter II 2a. 4 S. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67 a. F. Rz. 9 mit Rechtsprechungshinweisen.
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III. Kaskoversicherung
Rz. 477 Teil 7
Nutzungsausfallschäden und andere Sachfolgeschäden1, wie z. B. Verdienstausfallschäden2 und Prämiennachteile. d) Befriedigungsvorrecht des Versicherungsnehmers (Quotenvorrecht) § 86 Abs. 1 S. 2 VVG bestimmt, dass der Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden kann. Daraus folgt ein Befriedigungsvorrecht des Versicherungsnehmers, nämlich sein Rangvorbehalt und das sog. Quotenvorrecht. Reicht das Vermögen des Schuldners nicht zur Deckung des gesamten Schadens aus, darf der Versicherer seinen Regress erst durchführen, wenn der Schaden des Versicherungsnehmers vollständig ausgeglichen ist3, diesem steht also der Rangvorbehalt zur Seite. Das Quotenvorrecht greift ein, wenn der Schadenersatzspruch des Versicherungsnehmers nicht ausreicht, sowohl den Restanspruch des Versicherungsnehmers als auch den übergegangenen Anspruch zu decken. Das gilt insbesondere bei teilweiser Haftung des Dritten. Das Quotenvorrecht umfasst alle kongruenten Leistungen, s. Rz. 476. Beispiel: Schaden des Versicherungsnehmers: Reparaturkosten 5000 Euro, Wertminderung 400 Euro, Abschleppkosten 200 Euro, kongruenter Gesamtschaden also 5600 Euro. Selbstbehalt des Versicherungsnehmers 300 Euro. Kaskoentschädigung: Reparaturkosten 5000 Euro, Abschleppkosten 200 Euro, abzgl. Selbsthalt 300 Euro, Gesamtzahlung an den Versicherungsnehmer also 4900 Euro. Nicht von der Kaskoversicherung gedeckter Schaden: Wertminderung 400 Euro, Selbstbehalt 300 Euro, zusammen 700 Euro. Schadenersatzanspruch: Die Haftung des Dritten beträgt 50 %, Schadenersatzanspruch also 50 % von 5600 Euro = 2800 Euro. Die Kaskoentschädigung ist also höher als der Schadenersatzanspruch. Lösung: Zunächst erhält der Versicherungsnehmer seinen nicht durch die Kaskoversicherung ausgeglichen Schaden, also 700 Euro. Der Kaskoversicherer erhält nur noch den Rest vom Schadenersatzanspruch, mithin 2800 Euro abzgl. 700 Euro = 2100 Euro.
1 Vgl. zu allem BGH v. 12. 1. 1982 – VI ZR 265/80, VersR 1982, 383. 2 BGH v. 8. 12. 1981 – VI ZR 153/80, VersR 1982, 283 unter II 2b bb. 3 Vgl. Römer/Langheid, VVG § 67 a. F. Rz. 29.
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Teil 7
Rz. 478
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
e) Das „Familienprivileg“ des § 86 Abs. 3 VVG 478
Die Vorschrift bestimmt, dass der Übergang des Anspruchs ausgeschlossen ist, wenn er sich gegen eine mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft1 lebende Person richtet, es sei denn, diese habe den Schaden vorsätzlich verursacht. Zweck der Regelung ist zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer letztlich – wegen der häuslichen Gemeinschaft – doch den Schaden ganz oder teilweise zu tragen hätte, wenn der Haushaltsangehörige in Regress genommen werden könnte. Daneben will die Regelung im Interesse des Familienfriedens verhindern, dass Streitigkeiten über die Verantwortung unter Familienangehörigen ausgetragen werden2. Während § 67 Abs. 2 VVG a. F. den Wegfall des Forderungsübergangs noch auf Familienangehörige begrenzte, ist durch die Neufassung der Vorschrift in § 86 Abs. 3 VVG jetzt der Haushaltsangehörige privilegiert. Aus dem Familienprivileg ist quasi ein Haushaltsprivileg geworden.
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Es kommt nun nicht mehr auf die verwandschaftlichen Beziehungen an, entscheidend ist, ob Versicherungsnehmer und in Regress zu nehmende Person in häuslicher Gemeinschaft leben. Dazu zählen zunächst alle alle Personen, die miteinander verwandt, verschwägert oder verheiratet (auch die gesetzlich geregelte eingetragene Lebenspartnerschaft zählt dazu) sind. Es kommt nicht darauf an, ob gesetzliche Unterhaltspflichten bestehen3. Auch wenn erst nach Eintritt des Versicherungsfalls Schädiger(in) und Geschädigte(r) die Ehe geschlossen haben, ist § 86 Abs. 3 VVG anwendbar4. Der BGH hat in einer neueren Entscheidung das Familienprivileg auch auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft angewandt5. Die Partner lebten schon seit Jahren zusammen und hatten ein gemeinsames Kind, das sie gemeinsam aufzogen. Nach OLG Nürnberg liegt eine nichteheliche Lebensgemeinschaft vor, wenn beide Partner die Absicht eines dauerhaften Zusammenlebens haben und eine enge wirtschaftliche Gemeinschaft durch gemeinsame Haushaltsführung besteht6. Wenn solche familiären Bindungen nicht bestehen, kann die Feststellung einer häuslichen Gemeinschaft mitunter schwierig sein. Es müssen die typischen Merkmale einer häuslichen Gemeinschaft vorliegen, wie sie herkömmlich auch in Familien zu finden sind. Dazu zählen u. a. gemein1 Vgl. dazu BGH v. 12. 11. 1985 – VI ZR 223/84, VersR 1986, 333 unter II 2bbb. 2 BGH v. 12. 11. 1985 – VI ZR 223/84, VersR 1986, 333 unter II 2b aa. (noch zur alten Regelung § 67 Abs. 2 VVG a. F.) 3 BGH v. 15. 1. 1980 – VI ZR 270/78, VersR 1980, 644. 4 OLG Köln v. 17. 10. 1990 – 24 U 43/90, VersR 1991, 1237 = NZV 1991, 395 = NJW-RR 1991, 670. 5 BGH, Urt. v. 22. 4. 2009 – IV ZR 160/07, VersR 2009, 813 = r+s 2009, 230. 6 OLG Nürnberg v. 11. 3. 2009 – 4 U 1624/08, NZV 2009, 287.
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V. Prozessuale Fragen
Rz. 482 Teil 7
same Mahlzeiten, bei Erwerbstätigkeit die finanzielle Beteiligung an den Haushalts- und Mietkosten, ein gemeinsames Wohnzimmer, eine gewisse Dauer des gemeinsamen Wohnens. Nicht als häusliche Gemeinschaft gelten Wohngemeinschaften, die Untervermietung eines Zimmers, nur gelegentliches Aufhalten in der Wohnung. Kinder in der Ausbildung, die auswärts wohnen, aber ihr Zimmer beibehalten haben, zählen weiterhin zum Haushalt1. Indessen kommt eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 3 VVG nicht in Betracht bei dem Rückgriff des Haftpflichtversicherers gegen den führerscheinlosen Fahrer, der mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt2. Der Forderungsübergang ist hier nicht aufgrund § 86 VVG erfolgt, vgl. Rz. 330.
IV. Verjährung Nach § 12 Abs. 1 S. 1 VVG a. F. verjährten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag – und damit auch aus dem Vertrag über eine Kfz-Haftpflicht- oder Kaskoversicherung – in zwei Jahren.
480
Diese besondere Verjährungsregelung ist mit der VVG-Novelle gefallen. Jetzt gelten auch im Versicherungsrecht die Verjährungsvorschriften des BGB. Somit gilt auch bei Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Das betrifft sowohl die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer wie auch die Regressansprüche des Versicherers. Der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer unterliegt gem. § 115 Abs. 2 S. 1 VVG der gleichen Verjährung wie der Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer.
481
V. Prozessuale Fragen 1. Gerichtsstand Wegen der Unklarheiten, die § 48 VVG a. F. mit dem Gerichtsstand des Versicherungsvertreters mit sich brachte, hat § 215 VVG n. F. jetzt auch die örtliche Zuständigkeit des Wohnorts des Versicherungsnehmers eingeführt.
1 OLG Karlsruhe v. 16. 4. 1987 – 4 U 227/85, VersR 1988, 483. 2 BGH v. 13. 7. 1988 – IVa ZR 55/87, NJW 1988, 2734; OLG Celle v. 9. 9. 2004 – 5 U 67/04, VersR 2005, 681 = NJOZ 2005, 1124.
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Teil 7
Rz. 483
Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Kaskoversicherung
L.2.1 AKB weist den Versicherungsnehmer für seine Klagen auf diesen Gerichtsstand hin, ferner auch auf den Gerichtsstand des Geschäftssitzes des Versicherungsunternehmers und den der Niederlassung, die den Versicherungsnehmer betreut. Klagen des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer – und auch gegen mitversicherte bzw. sonstige Personen – sind nur an dem Wohnsitz dieser Personen möglich, § 215 Abs. 1 S. 2 VVG. Hat der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt oder ist sein Aufenthalt unbekannt, gilt nach L.2.3 AKB der Gerichtsstand des Geschäftssitzes des Versicherers, vgl. § 215 Abs. 3 VVG.
2. Klagefrist 483
Die Klagefrist (§§ 12 Abs. 3 VVG a. F., 8 Abs. 1 AKB a. F.) von sechs Monaten ist mit der Novellierung des VVG weggefallen und findet sich deshalb auch in den AKB 2008 nicht mehr.
3. Zum Verfahren 484
Verklagt der geschädigte Dritte den Versicherungsnehmer (oder Mitversicherten) und den Versicherer getrennt, so wirkt gem. § 124 VVG ein ganz oder teilweise klageabweisendes Urteil jeweils auch zugunsten des anderen Beklagten. Die Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn der Geschädigte den Versicherungsnehmer (Mitversicherten) und den Versicherer gleichzeitig verklagt und seine Klage gegen einen der Streitgenossen rechtskräftig abgewiesen wird. Die Regelung will erreichen, dass einheitlich entschieden wird1. Die Vorschrift greift nicht ein, wenn der Klage des Geschädigten stattgegeben wird.
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Allerdings tritt auch eine Bindungswirkung des Urteils aus dem Haftpflichtprozess des Geschädigten gegen den Schädiger ein für den Deckungsprozess des Schädigers (Versicherten) gegen den Versicherer. Beteiligt sich der Versicherer z. B. nicht an dem Verfahren des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer oder gegen den mitversicherten Schädiger, weil er, der Versicherer, Deckung abgelehnt hat, so haben die Feststellungen des Haftpflichturteils auch bindende Wirkung gegen den Versicherer im Deckungsprozess. Im Verfahren des Versicherungsnehmers gegen seinen Versicherer sind keine Fragen mehr zu entscheiden, die bereits im Haftpflichtprozess entschieden worden sind (Trennungsprinzip). Das gilt selbst für solche Umstände, die sowohl Voraussetzung für die Haftung des Versicherungsnehmers als auch für die Gewährung von Ver1 Vgl. BGH v. 14. 7. 1981 – VI ZR 254/79, VersR 1981, 1156.
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V. Prozessuale Fragen
Rz. 486 Teil 7
sicherungsschutz sind (Voraussetzungsidentität, z. B. Vorsatz)1. Der Versicherer kann im Deckungsprozess nicht mit Erfolg einwenden, der Haftpflichtprozess sei falsch entschieden worden. Da die Bindungswirkung selbst dann eintritt, wenn im summarischen Verfahren ein Säumnisurteil ergangen ist, liegt die Gefahr für den Versicherer offen zutage, der er bei Manipulationen zwischen (angeblich) Geschädigtem und Versicherungsnehmer ausgesetzt ist2. In solchen Fällen empfiehlt es sich, dass der Versicherer, auch wenn er meint, keine Deckung gewähren zu müssen, dem Versicherungsnehmer als Streithelfer beitritt (s. fi Rz. 339), um ein gegen ihn mit Bindung wirkendes Urteil im Haftungsprozess zu verhindern3. Dabei ist zu beachten, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer den Fahrer im Rahmen seiner Rechtsschutzverpflichtung von den Kosten für die Vertretung durch einen eigenen Rechtsanwalt freihalten muss, obwohl er ihm versuchten Betrug vorwirft und ihm als Streithelfer beigetreten ist und sein Prozessbevollmächtigter auf diesem Wege für beide Klageabweisung beantragt hat4. Bei Haftpflicht-Prozessen gegen den Kfz-Haftpflichtversicherten Versicherungsnehmer und die mitversicherten Personen ist die Prozessführungsvollmacht des Versicherers zu beachten. Sie ermächtigt den KfzHaftpflichtversicherer, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens jede beliebige Erklärung im Namen und ggf. auch gegen den Willen des VersNehmers abzugeben. Das bedeutet auch, dass eine Erklärung des Versicherers, bei Klagerücknahme keine Kostenanträge zu stellen, auch den mitverklagten Versicherungsnehmer bindet5. Verwiesen sei auf einen Aufsatz mit einer umfassenden Darstellung über das Berufungsverfahren in Versicherungssachen mit Besonderheiten und typischen Problemen6.
1 Vgl. zum Ganzen BGH v. 30. 9. 1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 = VersR 1992, 1504 = NJW 1993, 68 = MDR 1993, 30 = zfs 1993, 60, für die Privathaftpflichtversicherung. 2 Vgl. im Einzelnen Römer/Langheid/Römer, VVG, § 3 PflVG Rz. 31. 3 Vgl. zum Problem der Unfallmanipulationen auch Lemcke, Teil 6 und r+s 1993, 121. 4 BGH v. 15. 9. 2010 – IV ZR 107/09, VersR 2010, 1590 = zfs 2010, 628. 5 Vgl. OLG Schleswig v. 23. 1. 2003 – 7 W 38/02, r+s 2004, 54. 6 Richter am BGH Dr. Karczewski, r+s 2010, 489.
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Teil 8 Rechtsschutzversicherung Rz. I. Allgemeines und Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Einbeziehung von ARB in den Rechtsschutzversicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Auslegung von ARB . . . . . . . . . . . . . 11 3. Rechtsschutzversicherung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung . . . . . . . . . . . . 17 1. Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls . . . . 2. Die Definition des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die versicherten Personen . . . . . . . 4. Der Ort des Schadensereignisses . 5. Die Schadensmeldung . . . . . . . . . . . 6. Die zu vergütenden Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Erfolgsaussichten . . . . . . . . . . . 8. Auf Dritte übergegangene Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Kostendeckungszusage für den Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kostenerstattungsansprüche . . . . . a) Kostenerstattung beim Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Obliegenheit aus § 5 Abs. 3 lit. a) ARB 94/2000/2008/ 2009/2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Obliegenheit aus § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 94/2000/2008/ 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zahlungsverlangen des Rechtsanwaltes und Zahlungspflicht des Rechtsschutzversicherers . e) Inhaber der Erstattungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verrechnung zwischen Gläubiger und Schuldner und § 86 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Erstattung und Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Erstattung und Selbstbehalt . . .
23
Rz. i) Erstattung bei Rechtsschutzversicherer und KH-Versicherer . . . j) Regress gegen Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Gesetzliche Anwaltsgebühren und Abrechnung nach dem DAV-Regulierungsvorschlag/Regulierungsvorschläge einzelner Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers bei Klage und Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Sachverständigenkosten . . . . . . . . .
89 90
91 93 94
III. Rechtsschutz für Auseinandersetzungen mit anderen als dem Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
26 27 33 38
IV. Rechtsschutz in Verkehrsstrafsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
42 43
V. Rechtsschutz in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen . . . . . . . 101
55 59 66 67 72 74 76 77 81 82 88
VI. Rechtsschutz bei verwaltungsrechtlicher Entziehung oder verweigerter Wiedererteilung der Fahrerlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 VII. Rechtsschutz in Kfz-Steuer-Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen 1. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die angemessene Gebühr – Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausübung des Ermessens . c) Die Kriterien des § 14 RVG im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebühren in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordnungswidrigkeitenverfahren nach vorangegangenem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebührenabsprachen mit Rechtsschutzversicherern . . . . . . . . . . . . .
Brieske/Kindermann
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110 115 116 117 125
129 130
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Teil 8
Rz. 1
Rechtsschutzversicherung
I. Allgemeines und Vertragsabschluss 1
Rechtsschutzversicherungen haben ihren Ursprung im Verkehrsrechtsschutz1. Nachfolgend wird behandelt, wann und in welchem Umfang Rechtsschutzversicherer für anfallende Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in welchen Rechtsgebieten einzutreten haben, die mit dem Verkehrsrecht zusammenhängen. Es wird deshalb nur in diesem Rahmen erörtert, wie Versicherungsbedingungen oder deren Änderungen Vertragsbestandteil werden.
2
Grundlage der Versicherungsverträge sind in dem hier interessierenden Bereich des Verkehrsrechts die Versicherungsbedingungen des jeweiligen Rechtsschutzversicherers. Zwar geben die so genannten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (= ARB) 2010, 2009, 2008, 2000 oder die ARB 94 oder die ARB 75 einen orientierenden Überblick, was versichert sein könnte; doch weichen mittlerweile die Texte der ARB einzelner Versicherer so weit von einander ab, dass es nicht mehr beim Blick in die kommentierten „Muster-ARB“ verbleiben kann.
3
Der Mandant kann diese Unterlagen jederzeit beim Versicherer gem. § 3 Abs. 3 VVG anfordern.
4
Ansonsten sind Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen die vom GdV veröffentlichten, unverbindlichen Musterbedingungen der ARB 2010, 2009, 2008, 2000 oder 94 oder 75 nebst Zusatzklauseln zum Versicherungsrecht2 und zum Kfz-Steuerrecht3, spezielle ARB einzelner Versicherer, das VVG n.F.4, insbesondere dessen §§ 125 bis 128 VV und die EWG-Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie5. Wurde der Rechtsschutzversicherungsvertrag vor dem 1. 1. 2008 abgeschlossen und tritt der Versicherungsfall bis zum 31. 12. 2008 ein, gilt nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG6 das bis zum 31. 12. 2007 geltende Recht weiter, mithin die Regelungen nach § 158l bis o VVG a.F.
1 Wenn man nicht den Vereinen der Grundbesitzer in den Bergbaugebieten im Ruhrgebiet und in Schlesien mit ihren Rechtsschutzorganisationen gegen Bergschäden oder den Reedervereinen in Hamburg und anderen Hansestädten wegen der Havarieschäden den Vorrang lassen muss, begann es mit einem großen Verkehrsunfall bei einem Autorennen in Le Mans. 2 VerBAV 1983, 306. 3 VerBAV 1984, 173. 4 D.h. in der seit dem 1. 1. 2008 geltenden Fassung. 5 VerBAV 1987, 472 ff.; ABl. EG 1987 L 185. 6 BGBl. I 2007, 2666.
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Brieske/Kindermann
I. Allgemeines und Vertragsabschluss
Rz. 7
Teil 8
1. Einbeziehung von ARB in den Rechtsschutzversicherungsvertrag Soweit ein Versicherungsnehmer noch einen Vertrag vor dem 1. 4. 19771 abgeschlossen hat, mussten die ARB damaliger Fassung in den Vertrag nach allgemeinen Regeln einbezogen werden. Das kann heute noch eine Rolle spielen, wenn es um die Dauer- oder Spätfolgen eines Unfalls aus der Zeit vor dem 1. 4. 1977 geht oder wenn ein Ehegatte anlässlich der Scheidung meint, nunmehr bisher unverjährte Ansprüche gegen den anderen Ehegatten aus einem Unfall aus dem Jahre 1975 geltend machen zu müssen.
5
Ist der Versicherungsvertrag in der Zeit vom 1. 4. 1977 bis zum 31. 12. 19942 abgeschlossen worden, so wurden die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vom damaligen Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen3 genehmigten ARB jeweils Vertragsbestandteil, § 23 Abs. 3 AGBG. Änderungen der ARB nach diesem Zeitpunkt wurden nur dann Vertragsbestandteil, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden war oder wenn dies durch das BAV angeordnet worden war4 – etwa die Klausel zu Halte- und Parkverstößen, wenn der Fahrer nicht feststand5.
6
Ist der Vertrag ab dem 1. 1. 1995 abgeschlossen worden, wurden die ARB nicht mehr über § 23 Abs. 3 AGBG Vertragsbestandteil, selbst wenn sie vor dem 29. 7. 1994 genehmigt worden waren6. Denn § 5a VVG a.F. und § 10a VAG verlangten nunmehr die Übersendung der ARB, sei es vor oder nach Vertragsabschluss; damit war die Automatik des § 23 Abs. 3 AGBG nicht zu vereinbaren7. Änderungen der ARB nach diesem Zeitpunkt wurden nur dann Vertragsbestandteil, wenn dies vereinbart wurde8. Es bedarf also einer nicht fingierten Zustimmung9. Diese kann aus-
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1 2 3 4 5 6 7
8 9
Erst zu diesem Zeitpunkt ist das AGBG in Kraft getreten. Aufgrund der Übergangsregelung in Art. 10. Im Folgenden BAV. Aufgrund der VO über die Anwendung Allgemeiner Versicherungsbedingungen vom 29. 11. 1940 – RGBl. 1940 I 1543. BAV, NJW 1987, 1187 = zfs 1987, 213. Wolf/Horn/Lindacher/Horn, AGB-Gesetz, 4. Aufl. 1999, Rz. 452 zu § 23 AGBG. Es ist hier nicht der Ort, die sonstigen Probleme des § 5a VVG a.F. zu erörtern; vgl. dazu Prölss/Martin/Prölss, VVG, 27. Aufl. 2004, Rz. 1 ff. zu § 5a VVG; Wolf/ Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl. 1999, Rz. 453 ff. zu § 23 AGBG; Römer/ Langheid/Römer, Rz. 14 ff. zu § 5a VVG; Honsell/Schwintowski, Rz. 6 ff. zu § 5a VVG – jeweils mit weiteren Nachweisen. Der Sonderfall bei einer VVaG gem. § 41 Abs. 3 S. 2 VAG ist in diesem Versicherungsbereich nicht praktisch; vgl. zu diesem Fall im Übrigen Prölss/Martin/ Prölss, 27. Aufl. 2004, Rz. 32 Vorbem. I. Wolf/Horn/Lindacher/Horn, AGB-Gesetz, 4. Aufl. 1999, Rz. 457 ff. zu § 23 AGBG mit Rechtsprechungshinweisen.
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Teil 8
Rz. 8
Rechtsschutzversicherung
drücklich oder konkludent erfolgen1. Wird die aufgrund der Veränderungen veränderte Prämie bezahlt, so stimmt der Versicherungsnehmer damit der Änderung zu. Demgegenüber stellt die Zahlung einer unverändert hohen Prämie auch dann kein Einverständnis dar, wenn der Versicherer zuvor auf die geänderten Bedingungen hingewiesen hat2. Eine Besonderheit gilt für Änderungen der Bedingungen, die aus Anlass der Änderungen des VVG notwendig wurden. Art. 1 Abs. 3 EGVVG enthält insoweit eine Sonderregelung. Danach kann der Versicherer bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes abweichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilt. Diese Anpassungsmöglichkeit für den Versicherer erfasst aber bereits nach dem Wortlaut nur diejenigen Änderungen, die aus Anlass des Inkrafttretens der geänderten Fassung des VVG erforderlich wurden und nicht auch sonstige Änderungen der Bedingungen. 8
Ist der Vertrag ab dem 1. 1. 2002 geschlossen, so werden die Versicherungsbedingungen nach Maßgabe des § 305 BGB Vertragsbestandteil.
9
Pauschale Bedingungsanpassungsklauseln wie § 10 ARB 94 sind unwirksam3. Vor diesem Hintergrund ist im Einzelfall zu prüfen, welche Vertragsbedingungen für den konkreten Fall gelten.
10
Es ist zu betonen, dass es nicht mehr „die ARB“ gibt. Selbst für den Bereich des Verkehrsrechts unterscheiden sich die ARB verschiedener Rechtsschutzversicherer beachtlich4. Deshalb kann die Lektüre der jeweils relevanten ARB nicht erspart werden.
2. Auslegung von ARB 11
Geht es um ARB, so wird es auch immer darum gehen, wie diese auszulegen sind. Es steht außer Frage, dass sie seit dem 1. 4. 1977 nach den 1 Prölss/Martin/Prölss, 28. Aufl. 2010, Rz. 27 Vorbem. I; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, § 305 Rz. 105. 2 Prölss/Martin/Prölss, 28. Aufl. 2010, Rz. 27 Vorbem. I. 3 BGH v. 17. 3. 1999 – IV ZR 218/97, MDR 1999, 933; vgl. im Einzelnen Teil 7 Rz. 87 ff. 4 Etwa wegen des Eintritts im Verwaltungsverfahren vor dem Widerspruchsverfahren, wegen der Ausschlussklausel zu Vorsatz bei Ordnungswidrigkeiten oder bei Straftaten, die sich bei fahrlässiger Begehungsweise als Ordnungswidrigkeiten darstellen.
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I. Allgemeines und Vertragsabschluss
Rz. 14 Teil 8
Grundsätzen des AGBG, ab 1. 1. 2002 nach den Grundsätzen der §§ 305c ff. BGB auszulegen und zu handhaben sind1; sie sind insbesondere nicht wie Gesetze auszulegen. Das Privileg des § 23 Abs. 3 AGBG betraf immer nur die Frage, wie die ARB in den Vertrag einbezogen würden. Es gab kein AGBG-Privileg2 mit Ausnahme des § 23 Abs. 2 Nr. 6 AGBG, der sich auf § 11 Nr. 12 AGBG – Laufzeit und Verlängerung – bezog und durch § 8 VVG a.F. ohnehin relativiert worden war3. Es sollen hier nur einige Grundsätze genannt werden, die immer wieder anwendbar sind, aber auch ebenso häufig übersehen werden: Dazu gehört insbesondere, dass das AGBG bzw. § 305 ff. BGB anzuwenden und weiterhin richtlinienkonform auszulegen ist.
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Grundlage für die Auslegung der ARB ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH4 das Verständnis des durchschnittlichen Verbrauchers. Maßgebend ist, wie dieser die Versicherungsbedingungen „bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an.“ Versicherungsbedingungen sind daher nicht nach dem Sprachverständnis eines Juristen, insbesondere nicht wie Gesetze auszulegen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Wortlaut der Klausel. Ist diese klar und unmissverständlich, stellt sich nicht mehr die Frage nach einer Auslegung der Klausel.
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Dabei gilt des Weiteren: Es ist zunächst die Wirksamkeit der Regelung zu prüfen anhand der für den Versicherungsnehmer ungünstigsten Auslegung5 vor dem Hintergrund des Verständnisses eines durchschnittlichen Kunden. An dieser Stelle hat der den Versicherungsnehmer betreuende Rechtsanwalt zu bedenken, dass eine Lücke entstehen kann, wenn eine Klausel unwirksam ist; diese Lücke wird durch die bereitliegende gesetzliche Regelung geschlossen, wenn denn etwas bereitliegt. Ist
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1 Ab 1. 1. 2003 gelten die §§ 305 ff. BGB n.F. gem. Art. 229 § 5 EGBGB auch für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1. 1. 2002 begründet worden sind. 2 Wolf/Horn/Lindacher/Horn, Rz. 463 ff. zu § 23 AGBG. 3 In der jeweils geltenden Fassung für die Zeit bis zum 31. 12. 1990, vom 1. 1. 1991 bis zum 23. 6. 1994 und vom 24. 6. 1994 bis 29. 7. 1994 sowie ab dem 30. 7. 1994; vgl. die Zusammenstellung bei Honsell/Gruber, Rz. 6 zu § 8 VVG. 4 BGHZ 123, 83, 85; BGHZ 153, 182, 185 f.; BGH, Beschl. v. 24. 6. 2009 – IV ZR 110/07 (Rz. 7) jeweils m.w.N.; Wendt, r+s 2010, 221, 222 ff. 5 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Reiff, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, Anh. Zu § 310 BGB Klauseln „AVB“ V 143 m.w.N. und unter Hinweis auf andere Auffassungen in der Literatur; Prölss/Martin/Prölss, VVG, 28. Aufl. 2010, Vorbem. I Rz. 70 unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH 29. 4. 2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 ff., in der „nur“ keine Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu beurteilen waren.
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Teil 8
Rz. 14a
Rechtsschutzversicherung
dies nicht der Fall, kann die Lücke durch die Rechtsprechung geschlossen werden, dadurch kann im Ergebnis eine dem Unwirksamkeitsverdikt des § 305c BGB unterliegende Klausel wieder Vertragsinhalt werden. Deshalb kann es für den Versicherungsnehmer viel interessanter sein, wenn die Klausel zwar wirksam, aber versicherungsnehmerfreundlich auszulegen ist – ggf. auch in verschiedenen Situationen unterschiedlich1. 14a
Ausschlussklauseln sind grundsätzlich eng auszulegen2. ARB sind wie andere AGB klar und unmissverständlich zu formulieren, Art. 5 Richtlinie3, § 10a VAG a.F. Die ARB sind wie auch sonst AGB aus der Sicht des Versicherungsnehmers auszulegen4. Dabei stellt die Rechtsprechung auf einen vernünftigen Versicherungsnehmer ab. Der vom Rechtsschutzversicherer verfolgte Zweck ist bei der Auslegung nur heranzuziehen, wie dies für den Verbraucher im Wortlaut der ARB erkennbar geworden ist5.
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Seit dem 25. 7. 19966 ist § 24a AGBG (seit dem 1. 1. 2002 § 310 Abs. 3 BGB n.F.) zu beachten, der der Umsetzung der EG-Richtlinien über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen7 diente. In der Zeit vom 1. 1. 19958 bis zum 24. 7. 1996 war über eine richtlinienkonforme Auslegung das Defizit zu schließen9, das sich aus der verspäteten Umsetzung der Richtlinie ergab; dies lief praktisch auf eine Vorwegnahme des § 24a AGBG hinaus. Seit dem 1. 1. 2002 ist § 307 BGB n.F. zunächst für ab dem 1. 1. 2002 geschlossene Verträge zu beachten, wegen Art. 229 § 5 EGBGB ist er ab dem 1. 1. 2003 auf für Altverträge beachtlich; da er das Bemühen darstellt, die genannte Richtlinie umzusetzen, ist er praktisch bereits auch auf Altfälle im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung anzuwenden.
15a
Die Sicht des Verbrauchers könnte der Auslegung der ARB ebenso wie der anderer AGB noch eine pointiertere Fassung geben10. Die ARB wen1 Römer/Langheid/Römer, Rz. 11 vor § 1 VVG. 2 BGH, Beschl. v. 25. 6. 2009 – IV ZR 110/07 (Rz. 10); BGHZ 153, 182, 187 f.; jeweils m.w.N. 3 NJW 1993, 1838. 4 Aus der Sicht dessen, an den sich die AVB wenden, Wendt, r+s 2010, 221, 222; Römer/Langheid/Römer, Rz. 8 vor § 1 VVG; Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, AGB-Recht, 11. Aufl., Teil 4, Spez. AGB-Werke „Allgemeine Versicherungsbedingungen“ Rz. 4 m.w.N. 5 BGH v. 17. 5. 2000 – IV ZR 113/99, MDR 2000, 1248; Wendt, r+s 2010, 221 ff. 6 Datum der Verkündung war der 24. 7. 1996 und des Inkrafttretens der 25. 7. 1996. 7 ABl. EG Nr. L 95 vom 21. 4. 1993 – abgedruckt bei Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., 7. Teil. 8 Bis zum 31. 12. 1994 war die Richtlinie umzusetzen. 9 Vgl. dazu Heinrichs, NJW 1995, 153, 154. 10 Vgl. dazu Heinrichs, NJW 1996, 2190; Schlechtriem, FS für Heinrichs, S. 508, 509.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 17 Teil 8
den sich an einen juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher mit dessen Sprachverständnis und dessen Kenntnissen; der BGH1 spricht von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der die ARB ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges liest. Tatsächlich kann der Verbraucher nur den Text mit einer gewissen Offenheit lesen und versuchen, ihn zu verstehen – beschränkt auf das ihm mögliche Verständnis im allgemeinen Sprachgebrauch. Auf den Sprachgebrauch von Technikern oder anderen Spezialisten kommt es nicht an. Problematisch ist, ob es für die Klarheit auf die Grenze des sprachlich Machbaren ankommt, wie es der BGH für das Mietrecht entschieden hat2. Angesichts der Vorgabe der Richtlinie wird man den Rechtsschutzversicherern diese Vergünstigung nicht geben können3. Wir werden bei einzelnen Klauseln auf diese Frage zurückkommen.
3. Rechtsschutzversicherung und Insolvenz Gerät der Versicherungsnehmer in Insolvenz und hat der Rechtsanwalt seine Gebühren noch nicht erhalten, entsteht ein Problem. Der Schuldbefreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer gehört zur Insolvenzmasse und wird bei Fälligkeit vom Insolvenzverwalter für diese geltend gemacht. Der Rechtsanwalt meldet seine Forderung zur Insolvenztabelle an. Das für Ansprüche aus einer Haftpflichtversicherung bestehende Absonderungsrecht aus § 110 VVG (früher § 157 VVG a.F.) gilt nicht für die Rechtsschutzversicherung4. Hat der Versicherer in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits an den Rechtsanwalt gezahlt, steht dem Insolvenzverwalter diesem gegenüber ein Rückforderungsanspruch zu. Gegen diesen kann der Rechtsanwalt nicht mit einem eigenen Gebührenanspruch aufrechnen5.
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II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung Ereignet sich im Inland ein Unfall und hat der Versicherungsnehmer als Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, Insasse eines Autos, Flugzeugs, einer Eisenbahn, einer Seilbahn oder eines anderen Verkehrsmittels oder sonst wie Geschädigter6 zu diesem Zeitpunkt für dieses Risiko einen Rechts1 BGH v. 17. 3. 1999 – IV ZR 218/97, BGHR 2001, 377; BGH, Beschl. v. 24. 6. 2009 – IV ZR 110/07 (Rz. 7). 2 So BGH v. 3. 6. 1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = NJW 1998, 3114. 3 So auch Prölss/Martin/Prölss, Rz. 87 Vorbem. I. 4 Harbauer/Bauer, § 17 ARB 2000 Rz. 154 m.w.N. 5 OLG Köln, Urt. v. 10. 9. 1997 – VersR 1998, 1151f. 6 Der Eigentümer eines Hauses, gegen das ein LKW fährt.
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Teil 8
Rz. 18
Rechtsschutzversicherung
schutzversicherungsvertrag abgeschlossen, so muss der Rechtsschutzversicherer bestimmte Anwalts-, Gerichts- oder Sachverständigenkosten tragen, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen aus den ARB nicht dagegen stehen. 18
Der Unfall dieser Person kann Ansprüche dieser Person, seiner Erben, der Personen im Sinne der §§ 844, 845 BGB oder dritter Personen selbst (Stichwort Hinterbliebenenschmerzensgeld) auslösen. Die verunfallte Person und/oder der Erbe und/oder die andere Person können Versicherungsnehmer oder versicherte Person sein. Bezogen auf den jeweils geltend zu machenden Anspruch und dessen jeweils berechtigten Inhaber stellt sich die Frage nach dem Versicherungsschutz verschieden.
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Der Unfall kann vertragliche Ansprüche auslösen etwa aus dem Luftbeförderungsvertrag oder Reisevertrag. Dafür gelten andere Regeln des Rechtsschutzversicherungsvertragsrechts.
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Der Unfall selbst stellt den Versicherungsfall dar, soweit Ansprüche gegen den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden sollen. Das gilt für alle Fassungen der ARB. Entscheidend ist also, ob zu diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz bestanden hat.
21
Soweit aus Anlass des Unfalls Ansprüche gegen die Kaskoversicherung, die Kranken- oder Unfallversicherung, eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder den Arbeitgeber wegen Entgeltfortzahlung geltend gemacht werden sollen, ist der Zeitpunkt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, gesondert zu bestimmen. Dies werden wir unten behandeln.
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Werden im Verkehrsrecht vertragliche Ansprüche geltend gemacht, ist der Versicherungsfall ebenfalls gesondert zu bestimmen. Dies wird ebenfalls unten erörtert.
1. Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls 23
Zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls muss Versicherungsschutz bestehen. Der Versicherungsschutz beginnt bei einer vorläufigen Deckungszusage mit dem dort angegebenen Zeitpunkt. Jedoch sah nur § 6 ARB 75 im Bedingungswerk eine vorläufige Deckung vor. Alle Musterbedingungen seit den ARB 94 enthalten keine Regelungen mehr zur vorläufigen Deckung. Sofern eine solche vereinbart werden soll, ist dies nur über eine individuelle Vereinbarung nach § 49 VVG möglich1. In allen Fällen ohne eine vorläufige Deckungszusage beginnt der Versicherungsschutz i.d.R. zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, jedoch mit der Maßgabe, dass die Erstprämie gezahlt sein muss. Hinsichtlich der Einzelheiten weichen die Regelungen in § 5 ARB 75 (Beginn mit der 1 Harbauer/Bauer, § 7 ARB 2000 Rz. 23.
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II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 25 Teil 8
Zahlung des Erstbeitrages, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt vereinbart ist und bei einem Beginn vor Zahlung der Erstprämie nur bei rechtzeitiger Zahlung derselben) § 7 ARB 94 (im Versicherungsschein angegebener Zeitpunkt, sofern die Erstprämie innerhalb von 2 Wochen nach Aufforderung gezahlt wird); § 7 ARB 2000 (Zahlung der Erstprämie rechtzeitig), § 7 ARB 2008, 2009 und 2010 (Zahlung der Erstprämie unverzüglich nach Fälligkeit im Sinne der ARB)1 voneinander ab. Sodann ist zu prüfen, ob eine Wartefrist eingehalten werden muss. Die Regelungen der ARB weichen hierbei von einander ab. Sowohl nach § 14 Abs. 1 ARB 75, als auch nach § 4 Abs. 1 ARB 94, 2000, 2008, 2009 und 2010 gilt keine Wartefrist, wenn deliktische Ansprüche oder sonstige gesetzliche (nicht vertragliche) Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Eine Wartefrist gilt nach § 14 Abs. 1 ARB 75 auch nicht in den Fällen, in denen dem Versicherungsnehmer die Verletzung einer Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts vorgeworfen wird sowie in Verfahren wegen Einschränkung, Entzugs oder Wiedererlangung der Fahrerlaubnis, soweit die Fahrerlaubnis im Zusammenhang mit der Verletzung einer Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts eingeschränkt oder entzogen worden ist. Auch die Regelung in § 4 Abs. 1 ARB 94, 2000, 2008, 2009, 2010 sieht keine Wartefrist im Bereich des Straf-Rechtsschutzes und des Ordnungswidrigkeiten-Rechtsschutzes vor. Die in § 14 Abs. 2 S. 2 ARB 75 enthaltene Erweiterung auf die dort genannten Verfahren ist in den ARB 94 bis 2010 nicht mehr enthalten. Eine Wartefrist von drei Monaten gilt nach § 14 Abs. 3 ARB 75, § 4 Abs. 1 ARB 94, 2000, 2008, 2009 und 2010 in den übrigen Fällen, d.h. insbesondere im Bereich des Vertragsrechtsschutzes und in den in § 2g ARB 94, 2000, 2008, 2009 und 2010 erfassten Fällen des Verwaltungs-Rechtsschutzes in Verkehrssachen. Bereits die ARB 94 und ihnen folgend auch die ARB 2000, 2008, 2009 und 2010 erweitern den Vertragsrechtsschutz anders als noch die ARB 75 dahingehend, dass keine Wartezeit gilt, soweit es sich um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aufgrund eines Kauf- oder Leasingvertrages über ein fabrikneues Kraftfahrzeug handelt.
24
Der Versicherungsschutz muss noch bestehen, und zwar unter mehreren Aspekten:
25
– Der Vertrag darf zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch nicht durch Zeitablauf oder Kündigung beendet sein2.
1 Wenn es im Einzelfall darauf ankommt, wird man sorgfältig prüfen müssen, wann gezahlt worden ist, z.B. bei verzögerter Banküberweisung, bei nicht ausgeübter Einzugsermächtigung oder Lastschrift. 2 Die Beendigungsgründe werden wir unten behandeln.
Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 26
Rechtsschutzversicherung
– Unter den ARB 75: Der Versicherungsfall muss gemeldet werden binnen 2 Jahren nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betroffene Wagnis, § 4 Abs. 4 ARB 751. – Unter den ARB 94/2000/2008/2009/2010: Der Rechtsschutzanspruch muss binnen 3 Jahren nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung geltend gemacht werden, § 4 Abs. 3 lit. b) ARB 94/2000/2008/2009/20102. – Praktisch bedeutet dies, dass ein Fall, für den die Übernahme der Kosten gewünscht wird, sofort dem Rechtsschutzversicherer gemeldet wird, um nicht zu riskieren, an diesen Fristen zu scheitern.§ 17 Abs. 1 lit. a) ARB 2010 statuiert nunmehr ausdrücklich eine Obliegenheit, den Rechtsschutzfall unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen. Die Anzeige ist an keine Form gebunden. Sie kann auch mündlich oder telefonisch erfolgen. – Der Rechtsschutzversicherer darf nicht wegen Prämienrückstandes leistungsfrei sein; § 38 Abs. 2 VVG; § 9 Abs. 3 S. 2 und 3 ARB 94, § 9c Abs. 3 ARB 2000, § 9c Abs. 4 ARB 2008, 2009, 2010. Entsteht vor Ablauf der dort genannten 14-Tagesfrist ein Versicherungsfall, so hat der Versicherer seine Leistung mit der Prämie zu verrechnen3, so dass er nicht leistungsfrei wird.
2. Die Definition des Versicherungsfalles 26
Der Versicherungsfall ist in den verschiedenen ARB unterschiedlich beschrieben worden. Er ist auch je nach Rechtsgebiet unterschiedlich: – Im Deliktsrecht kommt es darauf an, welches Ereignis den Schaden verursacht hat oder verursacht haben soll; – im Übrigen kommt es darauf an, wann der Versicherungsnehmer oder ein anderer gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen haben soll oder verstoßen hat; – der Versicherungsfall muss nach Versicherungsbeginn liegen; bei mehreren den Rechtsschutzfall auslösenden Ereignissen bleiben Ereignisse, die mehr als ein Jahr vor Versicherungsbeginn lagen, außer Betracht. § 14 Abs. 3 S. 2 ARB 75 enthält diese Regelung für Versiche1 Es handelt sich um eine Obliegenheit, nicht eine Ausschlussfrist, BGH v. 15. 4. 1992 – IV ZR 198/91, MDR 1992, 1134 = NJW 1992, 2233. 2 Die neue Formulierung ermöglicht weitere Entschuldigungsgründe, wenn der Versicherungsnehmer nicht wusste, dass Rechtsschutz benötigt wird, Prölss/ Martin/Prölss, 27. Aufl., Rz. 16 zu § 4 ARB 94. 3 Trotz des Aufrechnungsverbotes ist der Rechtsschutzversicherer zur Verrechnung verpflichtet.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 28 Teil 8
rungfälle, die keine deliktische Haftung betreffen und nicht zum Strafoder Ordnungswidrigkeitenbereich gehören. § 4 Abs. 2 ARB 94/2000/ 2008/2009/2010 enthalten diese Regelung zum einen für alle Rechtsschutzfälle und enthalten eine ausdrückliche Regelung auch für Dauerverstöße. Danach bleiben Rechtsschutzfälle außer Betracht, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten oder – soweit sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum erstreckt – beendet sind.
3. Die versicherten Personen Der Mandant muss im Zeitpunkt des Versicherungsfalls zu den vom Versicherungsschutz umfassten Personen oder das betroffene Fahrzeug zu den vom Versicherungsschutz umfassten Fahrzeugen zählen. §§ 21 bis 26 ARB 75 und §§ 21 und 22 ARB 94/2000/2008/2009/2010 unterscheiden zwischen folgenden Formen des Versicherungsschutzes:
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– Versicherungsnehmer als Fahrer und seine auf ihn zugelassenen Fahrzeuge, § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 1 ARB 75 und § 21 Abs. 1 ARB 94/ 2000/2008/2009/2010; – Versicherungsnehmer als Fahrer anderer nicht auf ihn zugelassener Fahrzeuge (z.B. als Mieter eines Motorfahrzeugs nach Maßgabe der jeweiligen ARB), § 21 Abs. 2, § 23 ARB 75 und § 21 Abs. 7, § 22 Abs. 1 ARB 94/2000/2008/2009/2010; – Versicherungsnehmer als sonstiger Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Radfahrer, §§ 24 bis 26 ARB 75 und § 21 Abs. 7, § 22 Abs. 1 S. 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010;
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– Versicherungsnehmer als Fahrgast, und § 21 Abs. 7, § 22 Abs. 1 S. 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010. Das Schicksal des einzelnen Autos des Versicherungsnehmers kann für den Versicherungsvertrag unterschiedliche Folgen haben: – Im Rahmen des § 21 Abs. 1 oder 2 ARB 94/2000 keine Folgen beim Wechsel oder beim Zugang oder Abgang eines oder mehrerer Fahrzeuge, § 21 Abs. 10 ARB 94/2000/2008/2009/2010; Recht des Versicherungsnehmers, die Aufhebung des Vertrages zu verlangen, wenn seit mehr als 6 Monaten kein Fahrzeug auf ihn zugelassen oder mit einem Versicherungskennzeichen auf seinen Namen versehen ist, § 21 Abs. 9 ARB 94/2000/2008/2009/2010; ebenso § 21 Abs. 1 und 9 ARB 75; nach § 21 Abs. 7 ARB 75 beträgt die Anzeigefrist einen Monat, die Leistungsfreiheit setzt aber voraus, dass der Versicherungsnehmer trotz Aufforderung des Rechtsschutzversicherers das neue Fahrzeug nicht angezeigt hat. Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 29
Rechtsschutzversicherung
– Im Rahmen des § 22 ARB 75, § 21 Abs. 10 ARB 94/2000/2008/ 2009/2010: Fällt ein Fahrzeug weg, tritt an seine Stelle das Ersatzfahrzeug; ggf. besteht eine Anzeigepflicht binnen zwei Monaten, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit des Rechtsschutzversicherers führen kann; sofortige Anzeigepflicht gem. § 22 Abs. 7 Nr. 5 ARB 75. Die ARB 2008/2009/2010 enthalten auf Grund der Änderungen im Recht der Obliegenheitsverletzung durch das am 1. 1. 2008 in Kraft getretene VVG Ausführungen zu den Folgen einer Obliegenheitsverletzung. – Wird das Folgefahrzeug bereits vor Verkauf des Vorgängerfahrzeugs erworben, besteht ggf. für bis zu einem Monat prämienfreie Mitversicherung, § 22 Abs. 7 Nr. 2 ARB 75, § 21 Abs. 10 ARB 94/2000/2008/ 2009/2010. – Fallen alle Fahrzeuge im Rahmen der §§ 21, 22 ARB 75, § 21 Abs. 3 ARB 94/2000/2008/2009/2010 ohne Ersatz- oder Folgebeschaffung binnen der Fristen der §§ 21 Abs. 9, 22 Abs. 7 Nr. 6 ARB 75, § 21 Abs. 9 ARB 94/2000/2008/2009/2010 weg, endet der Versicherungsvertrag, § 9 Abs. 3, § 10 ARB 75, § 12 Abs. 1 ARB 94/2000 (mit ggf. unterschiedlichen Regelungen zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Versicherer die Prämie verlangen kann). Der Versicherungsnehmer kann in diesem Fall die Aufhebung des Versicherungsvertrages auch mit sofortiger Wirkung verlangen. 29
Soweit der Mandant nicht selbst Versicherungsnehmer ist, kann versicherte Person sein: – Der berechtigte Fahrer, §§ 21 Abs. 1, 26 bis 28 ARB 94/2000/2008/ 2009/2010; § 21 Abs. 6 ARB 94/2000/2008/2009/2010 schränken dies dahingehend ein, dass der Versicherer von der Leistung frei ist, wenn der Fahrer bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hatte, zum Führen des Fahrzeugs nicht berechtigt war oder wenn das Fahrzeug noch nicht zugelassen war. Die Folgen einer Obliegenheitsverletzung sind in den ARB 2008/2009/2010 an die Änderungen des VVG angepasst worden. – die Ehefrau des Versicherungsnehmers, §§ 21 Abs. 1, 26 bis 28 ARB 94/ 2000/2008/2009/2010; – seit den ARB 2000 der eingetragene Lebenspartner des Versicherungsnehmers; – die im Versicherungsschein angegebene Lebenspartnerin des Versicherungsnehmers1, §§ 21 Abs. 1, 26 bis 28 ARB 94/2000/2008/2009/2010;
1 Die nicht im Versicherungsschein angegebene Lebensgefährtin wäre ggf. als Fahrerin oder als Insassin mitversichert.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 32 Teil 8
– berechtigte Insassen des Fahrzeugs des Versicherungsnehmers, §§ 21 Abs. 1, 26 bis 28 ARB 94/2000/2008/2009/2010; – Angestellte des Versicherungsnehmers, § 22 Abs. 2 ARB 94/2000; für das Kraftfahrzeuggewerbe gelten in den unterschiedlichen Fassungen der ARB unterschiedliche Regelungen; – Personen, denen kraft Gesetzes aus der Tötung oder Verletzung des Versicherungsnehmers Schadensersatzansprüche zustehen, § 11 Abs. 1 ARB 75, § 15 Abs. 1 S. 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010. Soweit allerdings mehrere Versicherungsnehmer desselben Rechtsschutzversicherungsvertrages untereinander oder mitversicherte Personen gegeneinander oder gegen den Versicherungsnehmer Ansprüche verfolgen, besteht kein Versicherungsschutz, § 11 Abs. 2 S. 2 ARB 75, § 3 Abs. 4 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Dies gilt nicht für die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person1.
30
Wenn der Versicherungsnehmer einer mitversicherten Person gestattet, dass sie aus seinem Vertrag Versicherungsschutz für sich erhält, darf kein Zweifel daran bestehen, dass der Versicherungsnehmer unverändert bestimmen kann, wie weit dies geht, § 11 Abs. 2 ARB 75, § 15 Abs. 2 S. 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010. § 11 Abs. 2 S. 2 ARB 75 berechtigte den Rechtsschutzversicherer, gegenüber versicherten Personen Rechtsschutz zu gewähren, solange der Versicherungsnehmer nicht widersprach; § 15 ARB 94 ändert an dieser Rechtslage nichts, ebenso wenig § 15 ARB 2000 und die folgenden Regelungen, die sich ebenfalls jeweils in § 15 Abs. 2 ARB fanden. Nach § 15 Abs. 2 S. 2 ARB 94/2009 konnte der Versicherungsnehmer nicht widersprechen, wenn sein ehelicher Lebenspartner Versicherungsschutz verlangte. Die Regelungen in § 15 Abs. 2 S. 2 ARB 2008/2009/2010 erweitern dies auf den eingetragenen Lebenspartner. Diese Regelungen sind vor dem Hintergrund der §§ 44, 45 VVG zu sehen. Um nachträgliche Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, dass die mitversicherte Person das schriftliche, unwiderrufliche Einverständnis des Versicherungsnehmers einholt, dass der Rechtsschutzversicherer Rechtsschutz gewähren kann. Wenn während eines laufenden Verfahrens ein Versicherungsnehmer widerspricht, gibt es für den prozessierenden Mitversicherten nicht nur Ärger, sondern auch nicht berücksichtigte Risiken.
31
Zu differenzieren ist weiterhin danach, welche Ansprüche von wem verfolgt werden. In Betracht kommen üblicherweise:
32
1 Prölss/Martin/Armbrüster, § 3 ARB 2008 Rz. 80.
Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 33
Rechtsschutzversicherung
Anspruch
Versicherungsschutz bei wem?
Sachschaden
Vertrag des Eigentümers oder Halters, auch für Erben
Verdienstausfall des Geschädigten Rechtsschutzvertrag des Geschädigten Personenschäden des Geschädigten im Übrigen
Rechtsschutzvertrag des Geschädigten
Anspruch aus §§ 844,845 BGB
Rechtsschutzvertrag des Geschädigten §§ 11 Abs. 1 ARB 75, 15 Abs. 1 S. 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010
Beerdigungskosten
Rechtsschutzvertrag des Geschädigten §§ 11 Abs. 1 ARB 75, 15 Abs. 1 S. 2 ARB 94/2000/2002/2008/2009/2010
Hinterbliebenenschmerzensgeld
Rechtsschutzvertrag des Hinterbliebenen
4. Der Ort des Schadensereignisses 33
Nach § 3 ARB 75 musste der Ort des Versicherungsfalles in Europa oder den außereuropäischen Anliegerstaaten des Mittelmeeres liegen und in Europa oder den außereuropäischen Anliegerstaaten des Mittelmeeres ein Gerichtsstand gegeben sein
34
§ 6 ARB 94 und § 6 Abs. 1 ARB 2000/2008/2009/2010 umfassen die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Europa oder den Anliegerstaaten des Mittelmeeres, auf den Kanarischen Inseln oder Madeira vor einem Gericht, das in diesem Bereich gesetzlich zuständig ist.
35
Seit den ARB 2000 und damit nunmehr auch in den ARB 2008/2009/2010 ist dieser Bereich auf einen Aufenthalt im weiteren Ausland außerhalb des Anwendungsbereichs des Abs. 1 von längstens 6 Wochen erweitert; jedoch nur, wenn es sich nicht um einen beruflich bedingten Aufenthalt handelt. Für diese weitere Deckung kann ein Höchstbetrag vorgesehen sein.
36
Negativ ergibt sich zunächst, dass für eine Klage in den USA z.B. nach dem Absturz der Concorde oder nach anderen Großunfallereignissen kein Versicherungsschutz besteht; seit den ARB 94 besteht unabhängig vom Ort des Versicherungsfalls jedoch Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn der Anspruch in dem in § 6 ARB beschriebenen Bereich vor einem Gericht oder einer Behörde geltend gemacht wird, die in diesem Bereich zuständig ist oder für den Fall eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens zuständig wäre.
37
Nach § 3 ARB 75 war weiterhin erforderlich, dass der Versicherungsfall sich in diesem Gebiet ereignet hat. Der Absturz des Flugzeugs der Birgen1110
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 40 Teil 8
air führte z.B. zu Ansprüchen, die in dem Geltungsbereich geltend zu machen waren, aber aufgrund eines Ereignisses außerhalb1 Europas.
5. Die Schadensmeldung Zum Alltag der Praxis gehört die Schadensmeldung. Es handelt sich um eine Obliegenheit gem. § 15 Abs. 1 lit. a) ARB 75 und § 17 Abs. 3 ARB 94/2000/2008/2009/2010.
38
Die Schadensmeldung soll den Rechtsschutzversicherer in die Lage versetzen, seine Eintrittspflicht zu beurteilen, § 17 Abs. 3 ARB 94/2000/ 2008/2009, § 17 Abs. 1 lit. b) ARB 2010. Es gibt in den ARB 94/2000/2008/2009 keine Frist oder keinen Zeitpunkt, bis zu deren Ablauf der Rechtsschutzversicherer zu informieren ist2. Anders war es noch in § 15 Abs. 1 lit. a) ARB 75 geregelt, der verlangte, dass der Versicherungsnehmer den Rechtsschutzversicherer unverzüglich informierte, wenn er Versicherungsschutz begehrte3. Anders ist es nunmehr auch in § 17 Abs. 1 lit. a) ARB 2010, der die unverzügliche Anzeige des Rechtsschutzfalles an den Versicherer – sei dies ggf. auch mündlich oder telefonisch – verlangt.
39
Inhalt der Schadensmeldung sind Angaben über folgende Umstände:
40
– Warum kann die Anspruch stellende Person aus dem betroffenen Versicherungsvertrag Versicherungssschutz verlangen (ggf. Angabe des Versicherungsnehmers und des versicherten Fahrzeugs)? – Aus welchem Unfall werden Ansprüche geltend gemacht (Ort und Datum)? – Das Unfallgeschehen; – die Art der Schäden, soweit sie bereits feststehen; – Umfang des Schadens, soweit er bereits feststeht. Zu bedenken ist stets, dass diese Pflichten sich an den Versicherungsnehmer richten und nicht an einen Anwalt. Deshalb ist Maßstab dafür, was verlangt werden kann, was der Versicherungsnehmer kann. Der Versicherungsnehmer kann über Umstände unterrichten; er kann Beweismittel angeben; er kann ihm vorliegende Unterlagen (auf Verlangen) vorlegen. 1 Soweit man nicht Pflichtverletzungen im Geltungsbereich nachweisen konnte; im Übrigen betrifft dies nicht die Frage nach vertraglichen Ansprüchen, hier geht es nur um deliktische Ansprüche. 2 Prölss/Martin/Armbrüster, § 17 ARB 2008/II Rz. 5 m.w.N. 3 S. hierzu auch noch die Kommentierung zu dieser Frage in Prölss/Martin/Prölss/ Armbrüster, 27. Aufl., § 15 ARB 75 Rz. 1 m.w.N.
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Teil 8 41
Rz. 41
Rechtsschutzversicherung
Hat der Versicherungsnehmer die Schadensmeldung eingereicht, so hat der Rechtsschutzversicherer den Umfang des Rechtsschutzes zu bestätigen, § 17 Abs. 4 ARB 94/2000/2008/2009, § 17 Abs. 2 ARB 2010.
6. Die zu vergütenden Rechtsanwälte 42
Tritt der Versicherungsfall im Inland ein und ist hier ggf. ein Gerichtsstand gegeben, ist ein in Deutschland tätiger Anwalt zu vergüten, § 2 Abs. 1 lit. a) ARB 75, § 5 Abs. 1 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/ 2010.
42a
Gibt es nur einen Gerichtsstand im Ausland, ist unter Geltung der ARB 75 nur der dort zugelassene Rechtsanwalt zu bezahlen, § 2 Abs. 1 lit. b) ARB 75. Nach § 5 Abs. 1 lit. b) ARB 94/2000/2008/2009/2010 ist bei einem Versicherungsfall im Ausland der dort oder ein im Inland zugelassener Rechtsanwalt zu bezahlen, dieser bis zur Höhe der hypothetisch anfallenden Gebühren eines Gerichtsstandes im Inland.
42b
Auf Grund der 4. KH-Richtlinie wurde der Versicherungsschutz erweitert für Fälle, in denen ein Kraftfahrtunfall im Ausland eingetreten ist und eine zunächst betriebene Regulierung mit dem Schadenregulierungsbeauftragten bzw. der Entschädigungsstelle im Inland erfolglos geblieben ist. Die Erweiterung des Versicherungsschutzes greift ab den ARB 2008, mithin nach § 5 Abs. 1 lit. b) ARB 2008/2009/2010. Danach trägt der Versicherer zusätzlich die Kosten eines inländischen Rechtsanwalts bei der Regulierung mit dem Schadenregulierungsbeauftragten bzw. der Entschädigungsstelle im Inland für dessen Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Gebühren bis zu einer im Versicherungsvertrag bestimmten Höhe.
42c
Ggf. sind auch Kosten bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines Verkehrsanwalts zu zahlen. Voraussetzung hierfür ist nach § 2 Abs. 1 lit. a) ARB 75, dass der Versicherungsnehmer mehr als 100 km vom zuständigen Gericht entfernt wohnt und eine gerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen erfolgt. In § 5 Abs. 1 lit. a) ARB 94/2000/ 2008/2009/2010 ist eine Konkretisierung der Entfernung dahingehend erfolgt, dass es sich um 100 km Luftlinie handeln muss. Festzuhalten ist zur Höhe der vom Versicherungsschutz umfassten Rechtsanwaltsgebühren, dass nach dem Wortlaut aller Bedingungswerke nicht nur eine „Korrespondenzanwaltsgebühr“, mithin nach dem RVG eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3400 VV-RVG zu zahlen ist, sondern die gesetzliche Vergütung eines Verkehrsanwalts, so dass ggf. auch die Einigungsgebühr zu erstatten ist, wenn diese nach den Bestimmungen des VV-RVG in der Person des Verkehrsanwalts verwirklicht wird.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 44 Teil 8
7. Die Erfolgsaussichten Zu den Erfolgsaussichten hat sich der Versicherungsnehmer nicht zu äußern. Da er nicht rechtskundig ist, liegt dies auf der Hand. Demgegenüber kann der Rechtsschutzversicherer geltend machen, dass die Wahrnehmung rechtlicher Interessen bei den Leistungsarten nach § 2 lit. a) bis g) ARB 94/2000/2008/2009/2010 keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hat, § 17 Abs. 1 ARB 75, § 18 Abs. 1 lit. b) ARB 94/2000/ 2008/2009, § 3a Abs. 1 lit. a) ARB 2010.
43
Der Begriff der Erfolgsaussichten soll mit jenem aus § 114 ZPO gleich sein1. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen daher insbesondere auch dann vor, wenn es sich um eine schwierige Rechts- oder Tatfrage handelt2. Will der Rechtsschutzversicherer den Rechtsschutz deshalb ablehnen, hat er dies dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen, § 17 Abs. 1 ARB 75, § 18 Abs. 1 lit. b) ARB 94/ 2000/2008/2009, § 3a Abs. 1 lit. a) ARB 2010. Die Prüfungspflicht des Versicherers beginnt, sobald er vollständig und umfassend informiert wurde3. Für die Prüfung steht dem Versicherer eine Frist von rund zwei bis drei Wochen zur Verfügung, wobei sich der BGH bisher in zeitlicher Hinsicht nicht festgelegt hat4. Teilt der Rechtsschutzversicherer die Deckungsablehnung nicht unverzüglich mit oder begründet er die Ablehnung nicht, bleibt er zur Leistung verpflichtet5. Lehnt er nicht rechtzeitig ab, kann er sich das Recht zur Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht nicht dadurch vorbehalten, dass er die Leistung aus anderen Gründen heraus abgelehnt hat6. Der Rechtsschutzversicherer kann nicht nachträglich geltend machen, es habe keine Erfolgsaussichten gegeben, wenn er sich vorher nicht über diesen Aspekt fristgerecht und unter Angabe der Gründe geäußert hat7 und ihm der Sachverhalt vollständig bekannt gegeben wurde. Nach § 128 VVG n.F. muss der Versicherer für den Fall, dass er seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der 1 2 3 4
BGH v. 16. 9. 1987 – IVa ZR 76/86, MDR 1988, 209 = NJW 1988, 266. BGH VersR 2007, 966. BGH NJW 2003, 1936 = VersR 2003, 638. Harbauer/Bauer, Vor § 18 ARB 2000 Rz. 8. Ludovisy/Eggert/Burhoff/Brückner, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 5. Aufl., Kapitel 1. B. Rz. 482. 5 Harbauer/Bauer, Vor § 18 ARB 2000 Rz. 5 ff. m.w.N.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 18 ARB 2008/II R. 16; soweit früher vereinzelt vertreten wurde, dass es nicht zur Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers führe, wenn er nicht unverzüglich unter Angabe der Gründe die Erfolgsaussichten verneint habe (Bauer, VersR 1989, 362; Schirmer, DAR 1990, 442), ist dem der Wortlaut des § 18 Abs. 1 ARB 94/2000/2008/2009 und § 3a Abs. 1 ARB 2010 entgegenzuhalten. 6 BGH, Urt. v. 19. 3. 2003 – IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 f. 7 Ob und welche Bindungswirkung dies für weitere Schritte der Auseinandersetzung des Versicherungsnehmers mit dem Schädiger hat, ist später zu erörtern.
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Teil 8
Rz. 45
Rechtsschutzversicherung
rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorsehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungsfähigkeit hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt. Je nach der Fassung der ARB sind der Stichentscheid oder das Schiedsgutachten vorgesehen (s. hierzu die jeweiligen Regelungen in § 18 ARB 94/2000/2008/2009 bzw. § 3a ARB 2010). 45
Auch wenn der Rechtsschutzversicherer den Rechtsschutz bestätigt hat, sind nach bestimmten Regeln kostenauslösende Maßnahmen mit ihm abzustimmen, § 15 Abs. 1 lit. d) ARB 75, § 17 Abs. 5 lit. c) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Dies sind Verfahrenskosten; darunter fällt nicht der Auftrag an den Rechtsanwalt, denn dieser ist unverzüglich zu bevollmächtigen, § 15 Abs. 1 lit. b) ARB 75, § 17 Abs. 5 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Wir werden später im Zusammenhang mit Prozessen auf diese Regelung zurückkommen.
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Der Rechtsschutzversicherer kann den Rechtsschutz auch ablehnen, wenn zwischen Kosten und angestrebtem Erfolg unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft ein grobes Missverhältnis besteht, § 18 Abs. 1 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009, oder wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig erscheint, § 17 Abs. 1 ARB 75, § 3a Abs. 1 lit. b) ARB 2010. Wiederum gilt angesichts des gleichen Textes wie bei den Erfolgsaussichten, dass der Rechtsschutzversicherer dies nur unverzüglich und unter Angabe der Gründe schriftlich machen kann. Tut der Rechtsschutzversicherer dies nicht, bleibt er leistungsverpflichtet. Auch insoweit ist nach § 128 VVG ein Gutachterverfahren vorzusehen. Sieht der Versicherungsvertrag dieses nicht vor oder wird der Versicherungsnehmer bei der Ablehnung des Deckungsschutzes auf dieses nicht hingewiesen, gilt das Rechtsschutzbedürfnis als anerkannt. § 128 VVG spricht insoweit zwar nur von einer Deckungsablehnung wegen „Mutwilligkeit“. § 3a Abs. 1 lit. b) ARB 2010 führt jedoch als einen Fall der Mutwilligkeit das Missverhältnis der Kosten zum angestrebten Erfolg auf, mithin die in § 18 Abs. 1 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009 erwähnten Fälle. Als Gutachterverfahren kommen wiederum je nach der Ausgestaltung in den Versicherungsbedingungen der Stichtentscheid oder das Schiedsgutachten in Betracht.
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Der Betriff des Mutwillens ist nicht identisch mit jenem aus § 114 ZPO, weil in der Rechtsschutzversicherung der Versicherungsnehmer seine Prämie aufgrund eines Vertrages gezahlt hat, in dem der Rechtsschutz1114
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 49 Teil 8
versicherer das Kostenrisiko gerade übernommen hat1, während im Bereich der Prozesskostenhilfe es sich um eine Leistung des Staates aus rechtsstaatlichen Gründen handelt. Deshalb kann der Versicherungsnehmer anders als bei PKH zunächst beanspruchen, dass der Rechtsschutzversicherer Kosten übernimmt. Nachdem sowohl in § 15 Abs. 1 lit. d) ARB 75 als auch in § 17 Abs. 5 lit. c) ARB 94/2000/2008/2009, § 17 Abs. 1 lit. c) ARB 2010 gesondert geregelt ist, wann der Rechtsschutzversicherer Kosten zu übernehmen hat und wann der Versicherungsnehmer Rücksicht zu nehmen hat, fallen jedenfalls die dort genannten Fälle weder unter Mutwillen noch unter grobes Missverhältnis. Wenig hilfreich ist die Formel, ob eine nicht versicherte Partei eine Auseinandersetzung führen würde oder ob das Verhalten des Versicherungsnehmers mit dem Verhalten einer nicht versicherten Partei nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Denn gerade um sich dieser Frage zu entziehen (und sich nicht Gedanken wegen des Kostenrisikos machen zu müssen), wird der Vertrag abgeschlossen und die Prämie gezahlt. Nachdem durch eine Untersuchung des Bundesministeriums der Justiz bestätigt ist, dass rechtsschutzversicherte Parteien nicht prozessfreudiger sind als andere Bürger, hilft die Formel nicht weiter2.
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Misst man den Begriff des Mutwillens an den Regeln des Transparenzgebotes, ist dies ein eher unklarer Begriff. Deshalb wird auch immer wieder auf Einzelfälle abgestellt. In der ARB 94 wurde der Begriff nicht mehr übernommen. Erst in § 3a Abs. 1 lit. b) ARB 2010 wird er wieder verwendet.
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Betrachtet man die Klausel, dass der Rechtsschutzversicherer unter Angabe der Gründe unverzüglich den Rechtsschutz versagen kann, wenn zwischen Kosten und angestrebtem Erfolg unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versicherungswirtschaft ein grobes Missverhältnis besteht, wiederum aus der Sicht des Versicherungsnehmers, erscheint sie wenig transparent. Angesichts des vom Gesetzgeber vorgegebenen Verhältnisses zwischen Streitwert und Kosten bei Streitwerten bis 2 500 Euro und angesichts des Umstandes, dass in den ARB nicht von vornherein Prozesse mit geringem Streiwert vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, kann dieses Verhältnis nicht ausreichen, um ein Missverhältnis zu begründen.
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Wenn der Rechtsschutzversicherer nicht unverzüglich nach der vollständigen Schadensmeldung den Rechtsschutz aus diesen Gründen versagt,
49
1 Harbauer/Bauer, Vor § 18 ARB 2000 Rz. 22 ff. m.w.N. 2 S. zum fehlenden Zusammenhang zwischen dem Bestehen einer Rechtsschutzversicherung und der Klagefreudigkeit auch van Bühren, AnwBl 1993, 555 ff.
Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 50
Rechtsschutzversicherung
kann er sich jedenfalls für die außergerichtliche Vertretung des Versicherungsnehmers nicht mehr auf Leistungsfreiheit berufen. 50
Ausschlusstatbestände dürfen nicht eingreifen. Solche Ausschlusstatbestände oder das Risiko sonst begrenzende Regelungen in den ARB werden wir bei den verschiedenen Rechtsschutzbereichen erörtern, soweit sie nicht das Zivilrecht betreffen. Für den Bereich der zivilrechtlichen Unfallschadensregulierung sind dies nach dem Wortlaut der ARB 75, 94 und 2000/2008/2009/2010 jeweils verschiedene Fälle, die auch getrennt behandelt werden müssen: – ARB 75: Versicherungsfälle sind vom Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt worden, § 4 Abs. 2 lit. a) ARB 75; der Versicherer muss nachweisen, dass ein solcher Ausschlusstatbestand vorliegt. – ARB 94: Versicherungsfall steht in ursächlichem Zusammenhang damit, dass der Versicherungsnehmer eine Straftat vorsätzlich begangen hat oder ein anderer behauptet, der Versicherungsnehmer habe eine Straftat vorsätzlich begangen, es sei denn, dass der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens deutlich erkennbar unbegründet ist oder sich im Nachhinein als unbegründet erweist, § 3 Abs. 5 ARB 94. – ARB 2000/2008/2009/2010: Versicherungsfall steht in ursächlichem Zusammenhang damit, dass der Versicherungsnehmer eine Straftat vorsätzlich begangen hat; stellt sich dies im Nachhinein heraus, ist der Versicherungsnehmer zur Rückzahlung verpflichtet, § 3 Abs. 5 ARB 2000/2008/2009/2010.
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Unter § 4 Abs. 2 lit. a) ARB 75 fällt der gemeinsam mit dem Anspruchsgegner vorgetäuschte Verkehrsunfall oder der vom Versicherungsnehmer provozierte Unfall1. Der Vorsatz muss sich auf die Umstände beziehen, aus denen sich ergibt, dass ein Versicherungsfall vorliegt – also die den Versicherungsfall herbeiführenden Tatsachen2. Der Rechtsschutzversicherer hat zu beweisen, dass ein Sachverhalt vorliegt, der unter diesen Ausschluss fällt3. Praktisch bedeutsam ist, wann der Rechtsschutzversicherer sich abschließend erklären muss und wie lange er die Entscheidung zurückstellen kann, ob er eintreten will.
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§ 3 Abs. 5 ARB 94 scheint im ersten Teil mit der früheren Regelung gleich lautend zu sein. Tatsächlich besteht aber ein Unterschied. Während nach der alten Fassung der Versicherungsfall vorsätzlich und rechts1 Harbauer/Cornelius-Winkler, 8. Aufl., verweist insoweit auf die Ausführungen in der 7. Aufl. und damit auf Harbauer, Rz. 148 zu § 4 ARB 75. 2 Harbauer/Cornelius-Winkler, 8. Aufl., § 4 ARB 75 Rz. 53 m.w.N. 3 Harbauer/Cornelius-Winkler, 8. Aufl., § 4 ARB 75 Rz. 58 m.w.N.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 53a Teil 8
widrig herbeigeführt worden sein muss, muss er nun im ursächlichen Zusammenhang damit stehen, dass der Versicherungsnehmer eine Straftat vorsätzlich begangen hat. Nur wenn durch eine Straftat ein Versicherungsfall herbeigeführt worden ist, scheidet Versicherungsschutz aus. Andererseits kann eine nicht den Versicherungsfall bildende Straftat im ursächlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen stehen. Wird der Unfall mit einem nicht versicherten und ohne Betriebserlaubnis von einer Person ohne Fahrerlaubnis gesteuerten Fahrzeug erlitten – also nicht selbst verursacht –, ist also auch dieser Ausschluss zu prüfen. Nicht jeder Zusammenhang ist ausreichend. Nur wenn eine der genannten Straftaten dazu beigetragen hat, dass der Unfall sich ereignete, kann der Rechtsschutzversicherer sich auf den Ausschlusstatbestand berufen. Wenn auch im Regelfall ein solcher Zusammenhang eine Rolle spielt, wenn der Versicherungsnehmer den Unfall irgendwie verursacht hat, sind doch Fälle vorstellbar, in denen der Rechtsschutzversicherer einzutreten hat: Stand das betreffende Fahrzeug an einer Ampel und fährt ein anderes Fahrzeug auf, dann waren fehlender Versicherungsschutz, fehlende Betriebserlaubnis und fehlende Fahrerlaubnis nicht ursächlich. Gleiches gilt, wenn der Unfallgegner trotz Rotlicht in eine Kreuzung einfährt und einen Unfall verursacht.
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Im zweiten Teil des § 3 Abs. 5 ARB 94 wird der Versicherungsschutz auch für den Fall verweigert, dass ein anderer den Vorsatz behauptet und sich dieser Vorwurf nicht als deutlich erkennbar unbegründet oder im Nachhinein als unbegründet erweist. Diese Regelung verstößt gegen das Beweislastverbot des § 309 Nr. 12 BGB und ist nichtig1. Deshalb ist diese Regelung seit den ARB 2000 dahin geändert worden, dass der Rechtsschutzversicherer zunächst leisten muss und später ggf. Rückzahlung verlangen kann, § 3 Abs. 5 S. 2 ARB 2000/2008/2009/2010.
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Die Eintrittspflicht des Versicherers limitierende Regeln in Gestalt von Obliegenheiten waren und sind §§ 21 Abs. 6, 22 Abs. 5, 23 Abs. 6 Nr. 4 ARB 75, §§ 21 Abs. 8, 22 Abs. 5, 26 Abs. 5, 27 Abs. 5, 28 Abs. 6 ARB 94/2000/2008/2009/2010:
53a
– Fahren mit Fahrerlaubnis2, – Fahren mit Versicherungsschutz, – Fahren mit Betriebserlaubnis.
1 Brieske, AnwBl. 1995, Beilage Heft 3, S. 7; Harbauer/Maier, § 3 ARB 2000 Rz. 225, die sich mit den ARB 94 befasst. 2 Bei einem Fahrverbot bleibt die Fahrerlaubnis als solche erhalten.
Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 53b
Rechtsschutzversicherung
53b
Es ist in der Rechtsprechung und Literatur unbestritten, dass es sich um Obliegenheiten handelt1 und nicht um Ausschlusstatbestände. Wird der Unfall mit einem nicht versicherten und ohne Betriebserlaubnis von einer Person ohne Fahrerlaubnis gesteuerten Fahrzeug erlitten, sind also auch diese Sachverhalte zu prüfen.
53c
Die Folgen einer Obliegenheitsverletzung haben sich mit dem Inkrafttreten des VVG durch die Regelungen in § 28 VVG gegenüber den früher in § 6 VVG geltenden Regelungen grundlegend geändert. Die Abkehr vom „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ führt zu einer differenzierten Betrachtung, die ihren Niederschlag in der geänderten Fassung des § 21 Abs. 8 ARB sowie den weiteren Bestimmungen in den ARB, die derartige Obliegenheiten enthalten, seit den ARB 2008 findet.
53d
Der Versicherungsschutz bleibt für die Personen erhalten, die ohne Verschulden keine Kenntnis vom Fehlen der Fahrerlaubnis etc. hatten; s. z.B. §§ 21 Abs. 6, 22 Abs. 5 ARB 75, §§ 21 Abs. 8, 26 Abs. 5 ARB 94/2000. Er bleibt nach der Regelung in § 21 Abs. 8 ARB 2008/2009/ 2010 und öfter auch dann erhalten für diejenigen versicherten Personen, die leicht fahrlässig keine Kenntnis vom Fehlen der Fahrerlaubnis etc. hatten.
53e
Bei grob fahrlässiger Unkenntnis vom Fehlen der Fahrerlaubnis etc. ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens der versicherten Person entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weist die versicherte Person jedoch nach, dass ihre Unkenntnis nicht grob fahrlässig war, bleibt der Versicherungsschutz erhalten. Die Beweislast für das Fehlen der groben Fahrlässigkeit wird mithin der versicherten Person auferlegt. Dies entspricht der Regelung in § 28 Abs. 2 S. 2 VVG.
53f
Darüber hinaus bleibt der Versicherungsschutz auch erhalten, wenn die versicherte Person oder der Fahrer nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung ursächlich war.
54
Dies alles gilt zugunsten der mitversicherten Personen auch dann, wenn der Versicherungsnehmer selbst keinen Rechtsschutz erhält.
8. Auf Dritte übergegangene Ansprüche 55
Weitere Grenzen des Rechtsschutzes ergeben sich aus § 4 Abs. 2 lit. b), c) ARB 75, § 3 Abs. 4 lit. c), d) ARB 94/2000/2008/2009/2010 – 1 Statt aller Prölss/Martin/Armbrüster, § 21 ARB 2008/II Rz. 18 unter Hinweis auf die ausführliche Darstellung des früheren Streitstandes bei Prölss/Martin/Prölss/ Armbrüster, 27. Aufl., § 21 ARB 75 Rz. 6 m. zahlreichen w.N.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 58 Teil 8
Stichwort: Auf Dritte übergegangene Ansprüche und der Rechtsschutz in deren oder im Versicherungsvertrag des ursprünglichen Forderungsinhabers. Hier geht es praktisch um folgende Fälle:
56
– Forderungsübergang auf den Arbeitgeber nach EFZG. – Abtretung von Schadensersatzansprüchen an die Werkstatt oder den Sachverständigen erfüllungshalber. – Abtretung von Schadensersatzansprüchen an die Werkstatt oder den Sachverständigen sicherungshalber. – Kasko-Versicherung hat gezahlt. – Schaden bei Leasing-Auto. – Schaden bei Mietfahrzeug. – Der Erbe will die Schadensersatzansprüche des bei dem Unfall Verstorbenen geltend machen. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Regelung in § 4 Abs. 2 lit. b) ARB 75 von den nachfolgenden Regelungen hierzu seit den ARB 94 unterscheidet. § 4 Abs. 2 lit. b) ARB 75 spricht ausdrücklich nur von „übertragenen Forderungen“. Damit soll der Versicherer davor geschützt werden, dass der Rechtsschutzfall zu seinen Lasten durch eine vertraglich vereinbarte Übertragung herbeigeführt werden kann. In Rechtsprechung und Literatur wurde trotz des Wortlauts der Regelung der Ausschluss aus § 4 Abs. 2 lit. b) ARB 75 auf Fälle des gesetzlichen Forderungsübergangs erstreckt1. Das ist mit dem Verbot der analogen Anwendung des Ausschlusstatbestandes unvereinbar und nicht mit dem Wortlaut der Regelung in Einklang zu bringen.
57
Seit der Regelung in § 3 Abs. 4 lit. c) ARB 94 wird jedoch darauf abgestellt, dass die Forderung weder übertragen, noch übergegangen sein darf. Damit sind auch Fälle des gesetzlichen Forderungsübergangs nach dem Wortlaut erfasst. Auf dem Hintergrund dieser Regelungen gilt für die oben aufgeführten Fälle Folgendes:
1 Prölss/Martin/Armbrüster, Ausführungen zu § 4 ARB 75 bei 93 ARB 2008, Rz. 88.
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58
Teil 8
Rz. 58
Rechtsschutzversicherung
Sachverhalt
ARB 75 oder 94/2000/2008/2009/2010
Forderungsübergang auf den Arbeitgeber nach EFZG
Rechtsschutzversicherer des Arbeitgebers ist eintrittspflichtig1
Abtretung von Schadensersatzansprü- Kein Versicherungsschutz der Werkchen an die Werkstatt oder den Sach- statt oder des Sachverständigen aus deren Versicherungsvertrag; allenfalls verständigen erfüllungshalber für Geschädigten, wenn er noch ein rechtliches Interesse an einer Klage auf Zahlung an den Dritten hat Abtretung von Schadensersatzansprü- Wie vor chen an die Werkstatt oder den Sachverständigen sicherungshalber Kasko-Versicherung (= KV) hat gezahlt
Anspruch ist auf KV übergegangen, kann nicht mehr vom Halter geltend gemacht werden; anders, wenn er weiterhin ein rechtliches Interesse hat, Zahlung an KV zu verlangen
Schaden bei Leasing-Auto
Anspruch gegen den Schädiger umfasst von Rechtsschutz des Leasingnehmers2
Schaden bei Mietfahrzeug
Mieter kann eigene Ansprüche aus Delikt gegen Schädiger geltend machen; Vermieter kann seine deliktischen Ansprüche gegen Schädiger geltend machen
Der Erbe will die SchadensersatzHatte der Erblasser einen Vertrag, so ansprüche des bei dem Unfall Verstor- kann aus diesem Vertrag der Anbenen geltend machen spruch geltend gemacht werden; nur wenn Ansprüche erst nach Erbfall entstanden sind, kann Erbe diese im Rahmen eines Vertrages geltend machen
1 Plote, Rz. 156; Harbauer/Maier, § 3 ARB 2000 Rz. 192f. unter Hinweis auf die gegen diese Auffassung geäußerten Bedenken und Harbauer/Cornelius-Winkler, § 4 ARB 75 Rz. 61 f. 2 Harbauer/Maier, § 3 ARB 2000 Rz. 194: i.d.R. wird der Anspruch nicht erst nach Eintritt des Rechtsschutzfalles, sondern bereits bei Abschluss des Leasingvertrages abgetreten, so dass der Ausschlusstatbestand bereits aus tatsächlichen Gründen nicht eingreift; Prölss/Martin/Armbrüster, § 3 ARB 2008/II Rz. 90.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 60a Teil 8
9. Die Kostendeckungszusage für den Prozess Im weiteren Verlauf des Mandats droht nun eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Schädiger. Hier ist zu erörtern, welche weiteren versicherungsrechtlichen Fragen dadurch aufgeworfen werden können:
59
– Abstimmung kostenauslösender Maßnahmen; § 15 Abs. 1 lit. d) ARB 75 und wiederum in § 17 Abs. 1 lit. c) aa) ARB 2010; demgegenüber erwähnt § 17 Abs. 5 lit. c) aa) ARB 94/2000/2008/2009 die Obliegenheit, vor der Erhebung von Klagen und Einlegung von Rechtsmitteln die Zustimmung des Versicherers einzuholen – Kostenmindernde Maßnahmen, § 15 Abs. 1 lit. d) ARB 75, § 17 Abs. 5 lit. c) ARB 94/2000/2008/2009; eine ausführliche Regelung enthält § 17 Abs. 1 lit. c) bb) ARB 2010 – Vermeidung einer unnötigen Kostenerhöhung; § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 94/2000/2008/2009 – Erneute Prüfung der Erfolgsaussichten oder der Mutwilligkeit oder der Unverhältnismäßigkeit der Kosten. Beginnen wir mit der erneuten Prüfung der Erfolgsaussichten. In der Rechtsprechung1 und Literatur wird in der Tat angenommen, es werde für jede Instanz die Frage der Erfolgsaussichten neu geprüft2. Es erscheint aber zweifelhaft, dass diese Ansicht vom Wortlaut der heutigen ARB vor dem Hintergrund des heutigen AGB-Rechts getragen wird. Da nicht jede Instanz einen neuen Rechtsschutzfall darstellt und insbesondere die ARB 94 und 2000 in § 17 Abs. 4 nur eine einheitliche Bestätigung des Rechtsschutzfalls nennen, spricht der Wortlaut der ARB dafür, dass nur einmal die Erfolgsaussichten verneint werden können. Da es für den Verbraucher einheitlich darum geht, Ansprüche aus dem Unfall durchzusetzen, liest er auch die ARB nur vor dem Hintergrund seines entsprechenden, den Rechtsschutzversicherern bekannten Vorverständnisses.
60
Nun hat allerdings der Versicherungsnehmer in der Tat kostenauslösende Maßnahmen mit dem Rechtsschutzversicherer abzustimmen. Hierbei ist zum einen zu beachten, dass § 15 Abs. 1 lit. d) cc) ARB 75 und § 17 Abs. 1 lit. c) aa) ARB 2010 darauf abstellen, der Versicherungsnehmer habe kostenauslösende Maßnahmen mit dem Versicherer abzustimmen. § 17 Abs. 1 lit. c) aa) ARB 2010 nennt hierfür insbesondere die Erhebung und Abwehr von Klagen sowie die Einlegung von Rechtsmitteln. Die Zustimmung des Versicherers müsste der Versicherungsnehmer zuvor einholen, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden. Eine solche unbillige Beeinträchtigung der Interesse würde vor-
60a
1 BGH, r+s 1990, 275. 2 Prölss/Martin/Armbrüster, § 18 ARB 2008/II Rz. 6 m.w.N.
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Teil 8
Rz. 60b
Rechtsschutzversicherung
liegen, wenn im Falle des Zuwartens eine Frist versäumt würde. § 17 Abs. 5 lit. c) aa) ARB 94/2000/2008/2009 sprechen demgegenüber nicht allgemein von „Kostenauslösenden Maßnhmen“, sondern von der Erhebung von Klagen und Einlegung von Rechtsmitteln1. Es stellt sich daher die Frage, ob dem Versicherungsnehmer geläufig ist, welche Maßnahmen Kosten auslösen und welche nicht. Hinsichtlich der Erhebung einer Klage oder der Einlegung von Rechtsmitteln wird er dies auch in seiner unjuristischen Perspektive vermuten. Bei der Abwehr von Klagen ist dies bereits weniger selbstverständlich. Dies gilt um so mehr, als sich die Frage stellt, wann der Versicherungsnehmer von der Abwehr einer Klage Kenntnis erhält, ob ihm die Klage zugestellt worden sein muss, ob ein Antrag der Gegenseite auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausreicht oder ob gar eine außergerichtliche Aufforderung mit Fristsetzung und Androhung der gerichtlichen Geltendmachung ausreicht. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob mit dem Begriff der „Klage“ auch nur die Klage im Sinne der ZPO und nicht der Mahnbescheid gemeint ist. Im Sinne einer engen Auslegung wird zumindest diese Einschränkung gelten müssen, da der unbefangene Verbraucher mit dem Begriff der „Klage“ nicht jede Form der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs verbindet. 60b
Wann der Rechtsschutzversicherer seine Zustimmung verweigern darf, ist nicht ausdrücklich geregelt. Dass dies allenfalls nach billigem Ermessen geschehen und die Grenzen des § 315 BGB nicht überschreiten darf, liegt auf der Hand. Soweit der Rechtsschutzversicherer sich aber bereits selbst gebunden hat, bleibt er für diesen Rechtsschutzfall gebunden. Gebunden hat er sich wegen der Erfolgsaussichten, soweit er angesichts ihm bekannt gemachter Umstände die Erfolgsaussichten nicht unverzüglich unter Angabe von Gründen verneint hatte. Soweit neue Umstände bekannt geworden sind, kann er sich auf diese berufen. Der Rechtsschutzversicherer war nicht gezwungen, ARB dieser Art mit entsprechender eigener Bindung zu schaffen; er hat dies aber getan und ist deshalb daran gebunden. Entsprechendes gilt für das Kriterium der Mutwilligkeit.
61
Soweit es um die vorherige Zustimmung geht, ist diese nur erforderlich, soweit es die Interessen des Versicherungsnehmers nicht unbillig beeinträchtigt. Müssen also Fristen gewahrt werden, kann auch ohne vorangegangene Zustimmung geklagt werden und es kann nicht allein aus diesem Grund Leistung verweigert werden. 1 Wegen der Bedenken aus § 307 BGB gegen das eine Abstimmung überschreitende Zustimmungserfordernis bei gleichzeitiger Lückenfüllung durch Abstimmungserfordernis vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, § 17 ARB 2008/II Rz. 19; a.A. Looschelders, VersR 2000, 23, 28.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 63 Teil 8
Während § 15 Abs. 1 lit. d) aa) ARB 75 vorsah, dass der Versicherungsnehmer ggf. nur eine Teilklage einreichte, sahen die Regelungen in § 17 Abs. 5 lit. c) ARB 94/2000/2008 und 2009 dies nicht mehr vor. § 17 Abs. 1 lit. c) bb) ARB 2010 führt dies nunmehr erneut ausdrücklich als eine der Möglichkeiten, für eine Minderung des Schadens im Sinne des § 82 VVG zu sorgen, auf. Armbrüster will auch aus dem Abstimmungs-/ Zustimmungserfordernis des § 17 Abs. 5 lit. c) aa) ARB 94/2000/2008/ 2009 entnehmen, dass der Versicherungsnehmer ggf. zu einer Teilklage verpflichtet sei1. Maßgebend sei, ob auch über die Teilklage eine endgültige Klärung erreicht werden könne. Angesichts des Umstandes, dass der Versicherungsnehmer regelmäßig den Ersatz ihm tatsächlich bereits entstandener Schäden verlangt, kann es ihm kaum billigerweise zugemutet werden, dass er den Ausgleich des Gesamtschadens hinausschiebt. Häufig wird auch der Aspekt der ablaufenden Verjährungsfrist einer Teilklage entgegenstehen; es ist dem Versicherungsnehmer auch regelmäßig nicht zuzumuten, dass über den Anspruchsgrund nicht im Erstverfahren dem Grunde nach einheitlich entschieden wird. Deshalb wird diese Frage im Verkehrsrecht keine besondere Relevanz haben.
62
Praktische Bedeutung kann das Verlangen des Rechtsschutzversicherers gewinnen, den Ausgang des Strafverfahrens oder OrdnungswidrigkeitenVerfahrens abzuwarten, § 15 Abs. 1 lit. d) bb) ARB 75, § 17 Abs. 5 lit. c) bb) ARB 94/2000/2008/2009, § 17 Abs. 1 lit. c) bb) ARB 20102. Während § 15 Abs. 1 lit. d) bb) ARB 75 diese Warteobliegenheit nur vorsah, wenn es sich um denselben Versicherungsfall handelte, sehen die Fassungen der ARB ab den ARB 94 diese Einschränkung nicht mehr vor. Voraussetzung für die Warteobliegenheit ist in allen Fällen, dass das andere Verfahren bereits anhängig ist3. Rechtliche Bedeutung haben allerdings weder das Strafverfahren noch das Ordnungswidrigkeiten-Verfahren für das Zivilverfahren. Denn es gibt keinerlei präjudizielle Wirkung für den Ausgang des Zivilverfahrens. Auch tatsächliche Bedeutung kommt diesen Verfahren nicht zu; denn es gelten andere Beweisregeln. Schließlich führt auch die in § 411a ZPO für Verfahren, die nach dem 1. 9. 2004 anhängig gemacht werden, eingeführte Möglichkeit, ein in einem anderen Verfahren von Gericht oder Staatsanwaltschaft eingeholtes schriftliches Sachverständigengutachten verwerten zu können, nicht dazu, dass das Strafverfahren oder das Bußgeldverfahren präjudiziell wären, da die unterschiedlichen Beweislastregeln dieser Verfahren auch zu anderen tatsächlichen Beweisfragen führen. Wiederum fragt sich vorab, wann dem oder der Geschädigten das Zuwarten zuzumuten ist. Dass der Wortlaut der ARB 75 das Zuwarten bis zum Abschluss eines Strafverfahrens
63
1 § 17 ARB 2008/II Rz. 32.; Plote will dies aus § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 94 entnehmen, a.a.O. Rz. 216. 2 So Harbauer/Cornelius-Winkler, § 15 ARB 75 Rz. 7 ff., Plote, Rz. 361. 3 Harbauer/Cornelius-Winkler, § 15 ARB 75 Rz. 8.
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Teil 8
Rz. 64
Rechtsschutzversicherung
nicht erfasst, wird in der Literatur immer wieder angesprochen1. Die dort vorgenommenen Auslegungen sind mit den Regeln des Verständnisses des Verbrauchers nicht zu vereinbaren. Soweit das OLG Celle das Zuwarten aus dem Kriterium der Mutwilligkeit abgeleitet hat, steht stets die Frist des „Unverzüglich“ aus § 17 Abs. 1 ARB 75 und des § 18 ARB 94/2000 im Wege, innerhalb derer sich der Rechtsschutzversicherer darauf berufen haben muss. 64
Weitere kostenmindernde Maßnahmen können im Verkehrsrecht nur ergriffen werden, wenn es um unbestimmte Anträge zum Schmerzensgeld geht; auch hier sind allerdings Grenzen gesetzt, da der Geschädigte seine Vorstellungen zur Höhe angeben muss (nicht zuletzt wegen der Zuständigkeit des AG oder LG) und Mindestvorstellungen angeben muss, um sich die Möglichkeit des Rechtsmittels zu erhalten.
65
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass dem Versicherungsnehmer ständig Rechtskenntnisse unterstellt werden, die er nicht hat. Eine Vielzahl von Pflichten aus den ARB kann der rechtsunkundige Versicherungsnehmer nicht erfüllen, weil er die entsprechenden Kenntnisse nicht hat. Er ist auch nicht verpflichtet, für das Verhältnis zum Rechtsschutzversicherer einen Anwalt einzuschalten. Den Rechtsanwalt beauftragt der Versicherungsnehmer wegen der Hauptsache, deretwegen er Versicherungsschutz begehrt.
10. Kostenerstattungsansprüche 66
Gegen Ende des Verfahrens geht es um die letzten Pflichten. Sie betreffen die Kostenquote beim Vergleich, die Kostenerstattung und die Abrechnung oder Rückzahlung des Vorschusses oder der Zahlungen Dritter an den Versicherungsnehmer oder Rechtsschutzversicherer. a) Kostenerstattung beim Vergleich
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Damit der Versicherungsnehmer an dieser Stelle keine Fehler macht, muss er verschiedene Regeln der ARB erkennen und deren Sinn verstehen. Zu unterscheiden ist zwischen den Gebühren des Rechtsanwalts des Versicherungsnehmers, den Gebühren des Gegners, den Gerichtskosten und Sachverständigenkosten.
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Hinsichtlich der Gebühren des eigenen Rechtsanwalts und der verauslagten Gerichts- und Sachverständigenkosten kann es nur darum gehen, 1 Plote, Rz. 361; Prölss/Martin/Prölss, Rz. 6 zu § 15 ARB 75; Harbauer, Rz. 16 zu § 15 ARB 75.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 69 Teil 8
dass deren Erstattung nicht erschwert werden soll, § 15 Abs. 1 lit. d) cc) ARB 75, § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 94/2000/2008/2009. Nach dem Wortlaut der Regelung soll eine „unnötige“ Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite vermieden werden, soweit hierdurch die Interessen des Versicherungsnehmers nicht unbillig beeinträchtigt werden. Gegen diese Regelung sind grundlegende Bedenken im Hinblick auf die Transparenz für den Versicherungsnehmer angebracht1. Der Versicherungsnehmer müsste sich mit zahlreichen kostenrechtlichen Regelungen und kostenerstattungsrechtlichen Regelungen auseinandersetzen, die teilweise sogar „Fachleute“ überfordern. Auf der Grundlage der vom BGH in seinem Hinweisbeschluss im Verfahren IV ZR 352/07 geäußerten Auffassung, dass die Regelung im § 17 Abs. 5c/§ 17 Abs. 4 Satz 1 ARB 2000 gegen das Transparenzgebot verstoßen könne und deswegen nichtig sei, hat das LG München I2 entschieden, dass die Regelung im § 17 Abs. 5c ARB wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 BGB unwirksam sei. § 17 Abs. 1 lit. c) bb) ARB 2010 enthält daher auch nicht mehr die allgemeingehaltene Formulierung früherer Fassungen, sondern benennt einzelne Fallgestaltungen, die im Hinblick auf eine Minderung des Schadens i.S.d. § 82 VVG problematisch sein können. Auch die Formulierungen der ARB 2010 enthalten jedoch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, so dass sich auch weiterhin die Frage stellt, wie der Versicherungsnehmer diese versteht. Hinsichtlich der Gebühren des Gegners sowie der von diesem verauslagten Gerichtskosten und Sachverständigenkosten soll nicht unnötig etwas übernommen werden, § 2 Abs. 3 lit. a) ARB 75, § 5 Abs. 3 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Die Regelung in § 2 Abs. 3 lit. a) ARB 75 und dementsprechend auch die Folgeregelungen begegnet aus der Sicht des BGH keinen rechtlichen Bedenken3. Sie ist der Regelung in § 92 ZPO nachgebildet und soll verhindern, dass der Versicherungsnehmer Kosten übernimmt, die nicht seinem Erfolg in der Hauptsache entsprechen. Die Regelung betrifft sowohl gerichtliche als auch außergerichtliche Vergleiche4. Der Versicherungsnehmer verstößt hiergegen, wenn er bei einem außergerichtlichen Vergleich sämtliche Ansprüche aus den streitigen Rechtsverhältnissen erledigt und damit dem Versicherer die Möglichkeit nimmt, auf ihn übergegangene Kostenerstattungsansprüche gegen den Gegner geltend zu machen. Ein derartiger Verzicht auf weitere Ansprüche und damit auch auf materiell-rechtliche Schadenersatzansprüche 1 Wendt, r+s 2010, 221, 229. 2 LG München I, Urt. v. 25. 2. 2010 – 31 S 4788/09, JurBüro 2010, 490 f. 3 BGH, Urt. v. 25. 1. 2006 – IV ZR 207/04, AGS 2006, 571 ff. m. Anm. N. Schneider. 4 BGH, Urt. v. 25. 1. 2006 – IV ZR 207/04, AGS 2006, 571 ff. m. Anm. N. Schneider – hier Rz. 20 ff.
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Teil 8
Rz. 70
Rechtsschutzversicherung
wegen der Anwaltskosten kann bereits dann vorliegen, wenn der Vergleich keine ausdrückliche Regelung zu den Kosten enthält. Insoweit kommt die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 98 ZPO auch auf den vorprozessualen Bereich in Betracht. Von der Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren besteht oder ob ein Vergleich einen Verzicht auf einen derartigen Anspruch enthält, ist die Frage zu unterscheiden, ob ein Vergleich in einem Verfahren, in dem auch vorgerichtlich entstandene Anwaltsgebühren mit eingeklagt werden, den anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 VV-RVG mit umfasst oder ob dies nicht der Fall ist und ob die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens in einem Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe zur Festsetzung angemeldet werden kann. Der BGH1 hat diese auf der Grundlage des § 15a RVG in der Rechtsprechung der Instanzgerichte strittige Rechtsfrage zwischenzeitlich für das Kostenfestsetzungsverfahren dahingehend beantwortet, dass eine Regelung im Prozessvergleich die Geltendmachung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe nur dann hindert, wenn der anrechenbare Betrag der Geschäftsgebühr im Vergleich ausdrücklich genannt worden ist. Hintergrund sind jedoch die Besonderheiten des Kostenfestsetzungsverfahrens, dass als einfaches und schnelles Verfahren nicht mit materiellrechtlichen Einwendungen belastet werden soll2. Dies hindert jedoch nicht, dass gegen einen derart ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die Verfahrensgebühr entgegen einer ggf. dem Vergleich innewohnenden materiell-rechtlichen Regelungen in voller Höhe berücksichtigt worden ist, eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO erhoben werden könnte3. 70
Nicht unter die Regelungen in § 2 Abs. 3 lit. a) ARB 75, § 5 Abs. 3 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/2010 fallen Kostenentscheidungen; denn hier wird nicht etwas übernommen, sondern durch gerichtliche Entscheidung auferlegt. Dieses Ziel ist nur schwer in den ARB wiederzuerkennen. Gleichwohl wird die Klausel als zulässig angesehen4.
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§ 5 Abs. 1 lit. h) und § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 94/2000/2008/2009/2010 bestimmen, dass der Versicherer einerseits „die dem Gegner durch die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen entstandenen Kosten“ trägt, „soweit der Versicherungsnehmer zu deren Erstattung verpflichtet ist“ (§ 5 Abs. 1 lit. h), und andererseits, dass der Versicherer Kosten nicht trägt, „die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung 1 BGH, Beschl. v. 7. 12. 2010 – VI ZB 45/10. 2 BGH, Beschl. v. 7. 12. 2010 – VI ZB 45/10 (Rz. 9); OLG Celle, Beschl. v. 29. 9. 2010 – 2 W 266/10, jeweils m.w.N. 3 BGH, Beschl. v. 7. 12. 2010 – VI ZB 45/10 (Rz. 9). 4 Ludovisy/Eggert/Burhoff/Brückner, Teil 1 B Rz. 460 m.w.N.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 73b Teil 8
entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist“ (§ 5 Abs. 3 lit. b)). Demgegenüber sah § 2 Abs. 3 lit. a) ARB 75 vor, dass der Rechtsschutzversicherer nicht die Kosten trägt, „die aufgrund einer gütlichen Erledigung, insbesondere eines Vergleichs, nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen oder deren Übernahme durch den Versicherungsnehmer nach der Rechtslage nicht erforderlich ist“. Die erste Klausel verlangt auf den ersten Blick vom Verbraucher intime Kenntnisse des prozessualen und des materiellen Kostenerstattungsrechts. Wie also soll der Versicherungsnehmer die Klausel verstehen? Er kann sie so verstehen, dass es darauf ankommt, ob er (der Versicherungsnehmer) am Ende der Auseinandersetzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder einer Vereinbarung verpflichtet ist, die Kosten dem Gegner zu erstatten. Dass es sich um eine aus dem Gesetz abgeleitete Verpflichtung handeln soll, steht in dieser Klausel nicht. b) Obliegenheit aus § 5 Abs. 3 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/1010 In § 5 Abs. 3 lit. a) ARB 94/2000/2008/2009/2010 ist allerdings zu lesen, dass der Versicherer Kosten nicht trägt, die der Versicherungsnehmer ohne Rechtspflicht übernommen hat.
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Dieses Zwischenergebnis kontrastiert nun mit § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Denn danach erstattet der Versicherer nur an Kosten, was dem Verhältnis des angestrebten zum erzielten Ergebnis entspricht (nämlich „Kosten“ nicht trägt, „die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist“).
73
Der Rechtskundige weiß, dass der Halbsatz aus § 2 Abs. 3 lit. a) ARB 75 „oder deren Übernahme durch den Versicherungsnehmer nach der Rechtslage nicht erforderlich ist“ seit den ARB 94 durch „abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben“ ersetzt worden ist. Aber der Verbraucher weiß dies nicht.
73a
Liest man den Text des § 5 Abs. 3 lit. b) ARB 94/2000/2008/2009/2010 langsam, so entdeckt man, dass er an Kosten anknüpft, „die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind“. Im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung sind regelmäßig keine anderen als die Einigungsgebühren nach Nrn. 1000/1003/1004 VV-
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Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 74
Rechtsschutzversicherung
RVG entstanden. Zu denken wäre allenfalls noch an die Differenzverfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV-RVG, die entsteht, wenn in einem Rechtsstreit im Auftrag des Mandanten auch über in diesem Rechtsstreit nicht rechtshängige Ansprüche verhandelt wird mit dem Ziel, eine Einigung zu erzielen und an die Terminsgebühr, die sowohl für gerichtliche als auch für außergerichtliche Besprechungen anfällt, die mit dem Ziel geführt werden, ein Verfahren zu vermeiden oder zu erledigen (Vorbem. 3 Abs. 3 VV-RVG). Alle anderen Gebühren, d.h. insbesondere die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr nach dem Wert der anhängigen Ansprüche, sind bereits vorher entstanden (so die Sicht des Verbrauchers). Danach könnte sich diese Regelung nur auf die Einigungsgebühr sowie die weiteren, ausschließlich durch die Einigungsbemühungen entstandenen Gebühren, beziehen. Wo aber gibt es eine gesetzliche Regelung, derzufolge eine Partei die Kosten eines Vergleichs überhaupt der Gegenseite erstatten müsste? § 98 ZPO spricht gegen ein derartiges Vorurteil. Ergebnis: § 5 Abs. 2 lit. h) sowie § 5 Abs. 3 lit. a) und b) ARB 94/2000/2008/2009/2010 verfehlen ihr Ziel. Der Versicherungsnehmer kann dem Text nicht ein in sich schlüssiges System entnehmen, das ihn erkennen lässt, wann der Versicherer eintreten will und wann nicht. c) Obliegenheit aus § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 94/2000/2008/2009 74
Es sei nochmals gesondert § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 94/2000/2008/ 2009 erwähnt; und zwar in der Fallgruppe, nach der der Versicherungsnehmer alles zu vermeiden hat, was eine Erschwerung der Erstattung der Kosten durch die Gegenseite verursachen könnte. Nun weiß der Versicherungsnehmer mangels Kenntnis des materiellen und des prozessualen Erstattungsrechts nicht, was er darunter verstehen soll. Liest der Versicherungsnehmer auch noch § 17 Abs. 8 ARB 94/2000/2008/2009, § 17 Abs. 9 ARB 2010, muss er annehmen, dass die Erstattungsansprüche wegen der vom Versicherer getragenen Kosten mit ihrer Entstehung auf den Versicherer übergegangen sind. Feinheiten zu § 86 VVG sind dem Versicherungsnehmer gemeinhin unbekannt. Was für ein Verhalten meint denn der Versicherer, durch das die Erstattung erschwert werden könnte? Schaut man sich die in den Kommentaren aufgeführten Beispiele an, so handelt es sich um unterlassene Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse oder ähnliche Vorgänge, die Rechtskenntnisse voraussetzen. Alles Vorgänge, die der Versicherungsnehmer nicht beherrschen kann. Viel schlimmer: Dies kann der Versicherungsnehmer den ARB nicht entnehmen. Wie soll der Versicherungsnehmer Pflichten erkennen, die nur der ausgebildete Jurist – und häufig auch nicht einmal dieser – erkennen kann?
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 76a Teil 8
Es ist wirtschaftlich verständlich, dass die Rechtsschutzversicherer das Kostenrisiko einschränken wollen. Das führt aber nicht dazu, dass der Versicherungsnehmer erst einmal Kostenrecht studieren muss.
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Wollte man dem Versicherungsnehmer vorhalten, er müsse seinen Rechtsanwalt entsprechend den Regeln der ARB agieren lassen, dann kann ihm ein Fehler des Rechtsanwalts aber nicht angelastet werden1; vielmehr hat in diesen Fällen der Rechtsschutzversicherer erst die Kosten dem Gegner oder der Staatskasse zu erstatten; dann kann ggf. der Rechtsschutzversicherer sich bei dem Anwalt schadlos halten. Ebenso hätte der Rechtsschutzversicherer die Abwehr der Kosten des Anwalts des Versicherungsnehmers zu übernehmen.
75a
Dass die Grenze des sprachlich Machbaren2 hier erreicht sei, sehe ich noch nicht. Das Bedürfnis, übernommene Risiken zu limitieren, kann auch auf andere Weise erfüllt werden. Im Übrigen verlangt die bereits erwähnte Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in ihrem Art. 5: „müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein“. Sonst muss man sich der Regelung enthalten und es bei den gesetzlichen Regeln belassen.
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d) Zahlungsverlangen des Rechtsanwaltes und Zahlungspflicht des Rechtsschutzversicherers Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten ist davon zu unterscheiden, was der Versicherungsnehmer vom Rechtsschutzversicherer verlangen kann.
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Der Anspruch richtet sich danach, welche Forderungshöhe Gegenstand des Mandats ist. In Höhe der Forderung, für deren Durchsetzung der Rechtsschutzversicherer Kostendeckungszusage erteilt, kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass er vom Rechtsschutzversicherer davon freigehalten wird, Gebühren oder Kosten bezahlen zu müssen. Verlangt der Rechtsanwalt gem. § 9 RVG vom Mandanten einen Vorschuss, kann der Versicherungsnehmer vom Rechtsschutzversicherer verlangen, dass er von diesem Vorschussverlangen freigehalten wird. Mit dem Vorschussverlangen wird der Kostenbefreiungsanspruch gegenüber dem Rechtsschutzversicherer wegen dieser Forderung fällig3. Hat der Versicherungsnehmer einen Selbstbehalt zu tragen, muss er in dieser Höhe selbst an den Rechtsanwalt zahlen. Dieser Anspruch gegen den Rechtsschutzversicherer steht dem Versicherungsnehmer und nicht dem Rechtsanwalt zu. Hat der Rechtsschutzver1 Wendt, r+s 2010, 221, 230. 2 Zu diesem Terminus für das Transparenzgebot vgl. in einem mietrechtlichen Fall BGH, Urt. v. 3. 6. 1998 – VIII ZR 317/97, MDR 1998, 1155 = NJW 1998, 3114. 3 BGH, Urt. v. 25. 1. 2006 – IV ZR 207/04, AGS 2006, 571 ff.
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76a
Teil 8
Rz. 77
Rechtsschutzversicherung
sicherer gegenüber dem Rechtsanwalt erklärt, der Schuld des Versicherungsnehmers beizutreten1, kann der Rechtsanwalt den Rechtsschutzversicherer direkt in Anspruch nehmen. Die Kostendeckungszusage allein begründet keinen eigenen Anspruch des Rechtsanwalts gegen den Rechtsschutzversicherer2. e) Inhaber der Erstattungsansprüche 77
Soweit der Rechtsschutzversicherer gezahlt hat, geht der Anspruch seines Versicherungsnehmers auf Erstattung der gezahlten Beträge auf den Rechtsschutzversicherer über, § 86 VVG, § 20 Abs. 2 ARB 75, § 17 Abs. 8 ARB 94/2000/2008/2009, § 17 Abs. 9 ARB 2010. Der Übergang kann aber nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.(§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG) Hat der Versicherungsnehmer einen Selbstbehalt getragen, dann geht in dessen Höhe der Erstattungsanspruch eben nicht auf den Rechtsschutzversicherer über und der Versicherungsnehmer erhält zunächst diesen aus Zahlungen des Gegners erstattet3. Dem Versicherungsnehmer steht das sog. Quotenvorrecht zu4.
78
Hat der Rechtsschutzversicherer Vorschüsse gezahlt, handelt es sich rechtlich gesehen um die Gewährung von Versicherungsschutz an den Versicherungsnehmer und um die Erfüllung der Vorschusspflicht durch den Versicherungsnehmer gegenüber dem Rechtsanwalt. In diesem doppelten Leistungsverhältnis ist auch im Grundsatz über den Vorschuss abzurechnen. Abzurechnen ist gegenüber dem Mandanten; dieser hat entsprechend den Rechtsschutzversicherer zu informieren. Allein der Rückzahlungsanspruch ist abgetreten bzw. kraft § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen. Gem. §§ 412, 404 BGB kann der Rechtsanwalt dem Rechtsschutzversicherer alle Einwendungen entgegenhalten, die er seinem Mandanten zur Zeit des Forderungsübergangs entgegenhalten konnte. Erst später entstandene Einwendungen sind ausgeschlossen. Damit löst sich der wiederholt zu beobachtende Streit um die Rückzahlung von Vorschüssen, die Rechtsschutzversicherer direkt gegen Rechtsanwälte führen. Nur aufgrund der cessio legis und nur in deren Rahmen kann ein solcher Anspruch geltend gemacht werden5. Gleichwohl kommt auch ein Auskunftsanspruch des Versicherers gegen den Rechtsanwalt in Betracht, wenn der Versicherer Vorschüsse geleistet hat, die die Höhe der gesetzlichen Gebühren übersteigen und er weder 1 2 3 4
Z.B. in den ARB von Advocard. Harbauer/Bauer, § 17 ARB 2000 Rz. 9. Prölss/Martin/Prölss, § 86 VVG Rz. 25 m.w.N. S. hierzu auch AG Wetzlar, Urt. v. 27. 6. 2006 – 30 C 588/06 und die ausführliche Anmerkung mit Berechnungsbeispielen dazu von N. Schneider in AGS 2007, 115 ff. 5 OLG Düsseldorf, VersR 2008, 1347.
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II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 80 Teil 8
vom Versicherungsnehmer noch vom Rechtsanwalt über die kostenmäßige Abwicklung informiert worden ist1. Daraus ergibt sich zwanglos, dass – wenn der Rechtsschutzversicherer die Rechnung des Anwalts des Versicherungsnehmers bezahlt hat – der aus der Kostenentscheidung des Gerichts resultierende Erstattungsanspruch gegen den Gegner dem Rechtsschutzversicherer zusteht und nicht dem Mandanten. Deshalb macht die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss nur einen Sinn, wenn der Rechtsschutzversicherer den Auftrag erteilt hat.
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Darüber hinaus ist dem Rechtsübergang nach § 86 VVG auch bei der Formulierung der Klaganträge bzw. beim Vortrag in der Klage Rechnung zu tragen. Hat der Rechtsschutzversicherer die vorgerichtlichen Kosten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage bereits gezahlt, ist der Erstattungsanspruch zu diesem Zeitpunkt nach § 86 VVG auf den Versicherer übergegangen. Der Versicherungsnehmer ist dann aber nicht mehr aus eigenem Recht aktivlegitimiert, den Anspruch geltend zu machen. Weist der Versicherer den Versicherungsnehmer an, einen auf eine materiellrechtliche Anspruchsgrundlage gestützten Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten im Verfahren für ihn mit geltend zu machen, sollte der Rechtsanwalt mit dem Versicherer abstimmen, ob dies auf Grund einer Rückabtretung des Erstattungsanspruches geschehen soll, so dass der Versicherungsnehmer die Forderung aus übergegangenem Recht einklagt, oder ob der Versicherungsnehmer den Anspruch in gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen soll2.
78b
Zahlt der Gegner auf einen Kostenfestsetzungsbeschluss und ein Urteil einen einheitlichen, nicht für beides ausreichenden Betrag, mit oder ohne Verrechnungsanweisung, dann steht dieser Betrag zunächst dem Versicherungsnehmer wegen seines Privilegs aus § 86 VVG zu; im Verhältnis zum Schuldner wird die Verrechnungsfolge des § 367 BGB eingehalten. In beiden Rechtsverhältnissen wird also unterschiedlich verrechnet.
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Obsiegt der Mandant in einem Zivilprozess, so hat ihm der Gegner nach § 91 ZPO die Verfahrenskosten inkl. der gesetzlichen Rechtsanwalts-Gebühren zu erstatten. Darüber ergeht ein Kostenfestsetzungsbeschluss. Zeitgleich oder früher hat der Rechtsschutzversicherer an den Rechtsanwalt des obsiegenden Mandanten die Rechtsanwalts-Gebühren und – beim Kläger – zuvor die Gerichtskosten gezahlt. Gemäß § 86 VVG, § 20 Abs. 2 ARB 75, § 17 Abs. 8 ARB 94/2000/2008/2009, § 17 Abs. 9 ARB 2010 ist der Erstattungsanspruch gegen den Gegner auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen, steht also nicht mehr dem obsiegenden
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1 Harbauer/Bauer, § 17 ARB 2000 Rz. 14 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf VersR 1980, 231. 2 LG Bremen, Urt. v. 12. 5. 2005 – 6 O 2103/04, RVGreport 2005, 359.
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Teil 8
Rz. 81
Rechtsschutzversicherung
Mandanten/Versicherungsnehmer zu. Mittels des Kostenfestsetzungsbeschlusses soll vor diesem Hintergrund der festgesetzte Erstattungsbetrag beigetrieben werden. Ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen, so kann gem. § 727 ZPO eine Rechtsnachfolgeklausel erteilt werden, wenn die Rechtsnachfolge in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen ist oder die Rechtsnachfolge dem Gericht offenkundig ist. Das ist mit Kosten der Beglaubigung verbunden. Diese Kosten sollen häufig vermieden werden. Deshalb wird häufig aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss weiter von dem dort ausgewiesenen Gläubiger vollstreckt, obwohl er nicht mehr Forderungsinhaber ist. Um Kosten zu sparen, wird die Umschreibung nicht beantragt. Sicher ist, dass die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nicht im Interesse des Mandanten erfolgt, wenn dieser von dem Geld ohnehin nichts erhält; deshalb gilt nicht die 3-Versuche-Klausel aus § 2 Abs. 3 lit. b) ARB 75 oder § 5 Abs. 3 lit. d) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Wird tatsächlich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt, so bedarf es eines Auftrags des Rechtsschutzversicherers an den Rechtsanwalt – selbst wenn der Titel nicht umgeschrieben wird. Diskutiert wird ggf. die Frage der Vollstreckungsstandschaft. Zahlt der Gegner auf den Kostenfestsetzungsbeschluss an den Rechtsanwalt, so steht dieser Betrag dem Rechtsschutzversicherer zu, an den der Betrag weiterzuleiten ist (vorausgesetzt, dass der Versicherungsnehmer sein Geld vollständig erhalten hat). f) Verrechnung zwischen Gläubiger und Schuldner und § 86 VVG 81
Zahlt allerdings der Gegner freiwillig oder aufgrund der Zwangsvollstreckung einen Betrag auf den Kostenfestsetzungsbeschluss, bevor der Mandant die Hauptforderung erhalten hat, dann ist zu berücksichtigen, dass gem. § 86 VVG der Rechtsübergang nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden darf1. In diesem Fall steht das Geld bis zur Bezahlung der Hauptforderung dem Versicherungsnehmer zu. Das führt zu folgendem Splitting der Abrechnung zum Schuldner und in der Abrechnung zwischen Rechtsschutzversicherer und Versicherungsnehmer: – Hauptforderung 3 000 Euro – Kostenforderung 2 000 Euro – Zahlung des Schuldners 2 500 Euro.
81a
Im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger erfolgt eine Verrechnung gem. §§ 366, 367 BGB, also
1 Das gilt auch, wenn der Wortlaut der § 20 Abs. 2 ARB 75 und § 17 Abs. 8 ARB 94 dies nicht ausdrücklich erwähnt.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 83 Teil 8
– zunächst auf Kosten in Höhe von 2 000 Euro und – auf die Hauptforderung in Höhe von 500 Euro. Im Verhältnis zwischen Rechtsschutzversicherer und Versicherungsnehmer wird der Betrag zunächst dem Versicherungsnehmer – also zugunsten der Hauptforderung – verrechnet. Dementsprechend kann gegen den Schuldner nicht mehr aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt werden; der im Verhältnis zum Schuldner noch offene Hauptsachetitel erfordert eine weitere Zahlung von 2 500 Euro; diese steht in Höhe weiterer 500 Euro dem Versicherungsnehmer und im Übrigen dem Rechtsschutzversicherer zu.
81b
Das bedeutet, dass der Rechtsschutzversicherer manchmal aus dem Hauptsachetitel vollstrecken muss, um die von ihm vorgeschossenen Verfahrenskosten erstattet zu erhalten. Unter Umständen muss der Versicherungsnehmer also an den Rechtsschutzversicherer nicht die Rechte aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss übertragen, sondern die Rechte aus dem Hauptsachetitel. g) Erstattung und Rechtsnachfolge In der Praxis finden sich folgende Versuche, die Kosten des Rechtsnachfolgenachweises zu ersparen:
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– Abtretung – Erteilung einer Vollmacht an den Rechtsschutzversicherer, aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu vollstrecken. Beide Wege sind nicht geeignet, eine Rechtsnachfolgeklausel zu erlangen, wenn sie nicht die Formalien des § 727 ZPO einhalten. Als Vorgang, der gegenüber dem Schuldner und den Vollstreckungsorganen nicht publik wird, sind sie ungeeignet, ein dem Gesetz entsprechendes Verfahren zu verwirklichen. Problematisch für eine Rechtsnachfolgeklausel nach § 727 ZPO kann des Weiteren der Zeitpunkt des Rechtsübergangs werden. § 727 ZPO erfasst nur eine Rechtsnachfolge, die nach Rechtshängigkeit eintritt. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 727 Abs. 1 ZPO auf die Regelung in § 325 ZPO1. Zahlt der Rechtsschutzversicherer mithin – wovon auf Grund der praktischen Abläufe auszugehen ist – z.B. den Gerichtskostenvorschuss bereits vor der Rechtshängigkeit einer Klage, damit diese überhaupt zugestellt wird, scheidet die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel nach h.M. bereits auf Grund des Zeitablaufs aus. Während die Abtretung zur Klarstellung des Rechtsübergangs noch einen Sinn macht und in dem vorstehend geschilderten Fall der Vorabbefriedi1 Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 32. Aufl., § 727 ZPO Rz. 11 m.w.N.
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Teil 8
Rz. 84
Rechtsschutzversicherung
gung des Versicherungsnehmers sogar notwendig ist, verändert die Vollmacht nicht die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers, und zwar weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich. Der Versicherungsnehmer ist unverändert der in dem Kostenfestsetzungsbeschluss ausgewiesene Gläubiger. Der Rechtsschutzversicherer ist unverändert der materiell-rechtliche Inhaber der Forderung1. 84
Problematischer wird es noch, wenn im Rahmen des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht nur solche Auslagen berücksichtigt worden sind, die der Rechtsschutzversicherer getragen hat. War der Rechtsschutzversicherer nur teilweise eingetreten oder waren von dem Rechtsschutzversicherer nicht gezahlte Reisekosten der Partei festgesetzt worden, so steht insoweit der Erstattungsanspruch dem Mandanten/Versicherungsnehmer zu. Der Versicherungsnehmer hat insoweit jedenfalls auch das Vorrecht aus § 97 RVG; erste Zahlungen stehen ihm zu.
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Schwierig ist es hier, wegen verschiedener Beträge mehrere Ausfertigungen zu erlangen (Teilrechtsnachfolge). Zwar ist dies möglich; doch bedarf es hier besonderer Mühen, die Rechtsnachfolge nachzuweisen. Hier empfiehlt sich aus Gründen der Klarheit in der Tat die Abtretung.
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Erstattung durch Gegner: Hat der Versicherer einen Vorschuss geleistet, dann geht auch der Erstattungsanspruch gegen diesen auf den Rechtsschutzversicherer über und der beim Anwalt eingehende Betrag ist an den Rechtsschutzversicherer im Umfang des geleisteten Vorschusses und des Rechtsübergangs auf den Rechtsschutzversicherer an diesen weiterzuleiten.
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Einen Freihalteanspruch des Mandanten gegen den Schädiger und dessen Versicherung gibt es in Höhe der gesetzlichen Gebühren, berechnet nach der geschuldeten Zahlung. h) Erstattung und Selbstbehalt Es gibt natürlich auch teilweises Obsiegen und Kostenquoten nach § 92 ZPO.
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Soweit der Rechtsschutzversicherer sämtliche im Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigten Beträge gezahlt hat, gibt es kein Problem – soweit es nicht um den Nachweis der Rechtsnachfolge geht; insoweit gibt es die bereits geschilderten Probleme – wenn auch keine weiteren. Gibt es eine Kostenentscheidung nach § 92 ZPO in einem Fall, in dem der Versicherungsnehmer nur teilweise Rechtsschutz hatte, ist einerseits zu prüfen, in welchem Umfang der Erstattungsanspruch übergeht; ande1 Mit den oben genannten Vorbehalten.
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Brieske/Kindermann
II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 90 Teil 8
rerseits ist zu prüfen, wie weit das Privileg aus § 86 VVG zugunsten des Versicherungsnehmers geht. Soweit der Rechtsschutzversicherer nicht eingetreten ist, verbleibt der Erstattungsanspruch beim Versicherungsnehmer. Allerdings entsteht nur ein quotaler Erstattungsanspruch aufgrund der Kostengrundentscheidung. i) Erstattung bei Rechtsschutzversicherer und KH-Versicherer Haben in einer Verkehrsunfallsache der Rechtsschutzversicherer Rechtsschutz für die Klage und der Haftpflichtversicherer Rechtsschutz zur Abwehr der Widerklage gewährt, so ergibt sich folgende Konstellation:
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Bei einer Kostenentscheidung nach § 91 ZPO steht der Erstattungsanspruch dem Versicherer zu, den der Rechtsanwalt anstelle des Mandanten im Rahmen des § 97 RVG in Anspruch nimmt1. Besondere Probleme entstehen nicht, wenn man den Rechtsnachfolgeweg gem. § 727 ZPO geht und der Rechtsanwalt einen Vorschuss genommen hat oder bis zur Inanspruchnahme des Gegners die Versicherer gezahlt haben. Bei einer Kostenentscheidung nach § 92 ZPO ist wiederum entsprechend dem Anteil der beteiligten Versicherungen an den Zahlungen ein Rechtsübergang anzunehmen. Das Rangverhältnis zwischen den verschiedenen Versicherungen ist ggf. noch zu diskutieren.
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j) Regress gegen Versicherungsnehmer Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Rechtsschutzversicherer nicht eintrittspflichtig war, kann er von dem, an den er geleistet hat, den gezahlten Betrag zurückfordern. Solche Fälle treten ein, wenn sich im Nachhinein ein Ausschlusstatbestand herausstellt, z.B. § 2 lit. i) bb) ARB 94/2000/2008/2009/2010 oder § 4 Abs. 3 lit. b) ARB 75. Da der Rechtsschutzversicherer aufgrund des Versicherungsverhältnisses Versicherungsschutz gewährt hat und die vom Versicherungsnehmer seinem Anwalt geschuldeten Gebühren für diesen an den Anwalt gezahlt hat, erfolgt auch eine Rückabwicklung im Verhältnis von Versicherungsnehmer zu Rechtsschutzversicherer. Allerdings gehen etwaige Erstattungsansprüche des Mandanten/Versicherungsnehmers gegen den Anwalt auf den Versicherer über, § 86 VVG. Deshalb kann der Rechtsschutzversicherer aus übergegangenem Recht gegen den Rechtsanwalt klagen; der Rechtsanwalt kann Einwendungen aus dem Verhältnis zum Mandanten geltend machen.
1 Jeder schuldet, was er schulden würde, wenn nur er den Rechtsanwalt für den ihn betreffenden Forderungsteil beauftragt hätte.
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Teil 8
Rz. 91
Rechtsschutzversicherung
11. Gesetzliche Anwaltsgebühren und Abrechnung nach dem DAV-Regulierungsvorschlag/Regulierungsvorschläge einzelner Versicherer 91
Bis zum Inkrafttreten des RVG mit Wirkung zum 1. 7. 2004 wurde häufig nach dem DAV-Regulierungsvorschlag abgerechnet. Dieser ist seit dem Inkraftreten des RVG ersatzlos entfallen. Festzuhalten ist danach gleichwohl noch, dass der Regulierungsvorschlag eine Pauschalisierung der Anwaltsgebühren zwischen dem ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherer und dem beteiligten Rechtsanwalt vorsah. Das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten wurde demgegenüber durch den Vorschlag nicht geregelt und konnte dadurch auch nicht geregelt werden, da der Mandant an der Abrechnung nach dem Vorschlag weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt war. Er durfte daher auch durch die Abrechnung nach dem Vorschlag nicht schlechter gestellt werden, als er gestanden hätte, wenn der Rechtsanwalt nicht nach dem Vorschlag abgerechnet hätte. Inhalt des Regulierungsvorschlags war daher allein die Frage, wie der Rechtsanwalt mit dem gesetzlichen Erstattungsanspruch des Mandanten gegenüber dem Haftpflichtversicherer umgeht. – Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen den Mandanten wird dadurch nicht betroffen. – Realisiert der Rechtsanwalt aber nicht in vollem Umfang den Erstattungsanspruch des Mandanten gegen den Versicherer, so hat er dem Mandanten diese Nachteile auszugleichen und zwar dadurch, dass er gegenüber dem Mandanten die Gebühren berücksichtigt, die er bei einer Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren erhalten hätte.
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Nachdem der Abrechnungsvorschlag auf Grund des Inkrafttretens des RVG seine Grundlage verloren hatte, bieten einzelne Haftpflichtversicherer an, nach eigenen Regulierungsvorschlägen abzurechnen. Eine Übersicht hierzu findet sich auf der homepage der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein1. Dort findet sich auch das Schreiben des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft an die Anwälte vm 11. August 2004, dem die Abrechnungsgrundsätze der Allianz-Versicherung, der DEVK, der öffentlichen Landesbrankkasse und der VGH beigefügt waren. Auch diese sehen eine Pauschalierung hinsichtlich der Höhe der Gebührensätze und der Gebührentatbestände vor, die nach der Höhe des Erledigungswertes und der Art der zu erstattenden Schäden differiert. Insoweit ähnelt die Abrechnung nach diesen Abrechnungsgrundsätzen einer Abrechnung nach dem früheren Vorschlag, weswegen die Auffassung vertreten wird, die zu den früheren Regelungen vertretenen Auffassungen könnten nach wie vor entsprechend angewendet werden2. 1 www.verkehrsanwaelte.de. 2 S. auch Jahnke, Teil 5 Rz. 184 ff.
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II. Rechtsschutz bei der Unfallschadensregulierung
Rz. 92b Teil 8
Soweit früher in der Literatur1 und gelegentlich in der Rspr.2 behauptet wurde, wer nach den Empfehlungen abgerechnet habe, verzichte gegenüber dem Mandanten auf weiter gehende Gebühren, ist einer solchen Auffassung durch die Entscheidung des BGH v. 21. 11. 20063 die Grundlage entzogen. Aus einer Abrede auf der Erstattungsebene ergibt sich – jedenfalls nicht ohne Weiteres – ein Gebührenverzicht auf der Mandatsebene gegenüber dem Mandanten und auch kein Verzicht auf weitergehende Erstattungsansprüche gegenüber dem Gegner bzw. dessen Versicherer.
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Die Frage der Abrechnung von Differenzgebühren gegenüber dem Mandanten und demgemäß auch gegenüber dessen Rechtsschutzversicherer spielt nur eine Rolle, wenn der durchgesetzte Anspruch (z.B. 7 000 Euro) hinter dem geltendgemachten Anspruch (z.B. 10 000 Euro) zurückbleibt. Dann kann der Rechtsanwalt wie folgt abrechnen:
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Er hat von dem Mandanten einen Vorschuss nach einem Wert von 10 000 Euro erhalten. Der Versicherer zahlt eine 1,5 Gebühr nach 7 000 Euro. Der Rechtsanwalt berechnet den Betrag, der ihm verbleibt, über die Zahlung des Haftpflichtversicherers hinaus: 1,5 nach 10 000 Euro abzgl. 1,5 nach 7 000 Euro, 1,3 nach 10 000 Euro abzgl. 1,5 nach 7 000 Euro4. So ergibt sich der an den Mandanten zurückzuzahlende Betrag aus Vorschuss abzgl. des vorstehenden Ergebnisses. Hätte der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten nach den Kriterien des § 14 RVG eine 2,0 Geschäftsgebühr sowie eine 1,5 Einigungsgebühr, insgesamt also 3,5 Gebühren abrechnen können und erhält er vom gegnerischen Haftpflichtversicherer auf Grund der Abrechnung nach den Abrechnungsgrundsätzen nur eine 1,8 Gebühr, kann er die Differenz, die sich aus dem Gebührensatz von 1,8 bis 3,5 nach dem Erledigungsbetrag ergibt, nicht vom Mandanten und damit auch nicht von dessen Rechtsschutzversicherer verlangen. Es gibt keine Pflicht, nach einem Regulierungsvorschlag abzurechnen; es besteht nur die Möglichkeit, dies zu tun.
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Prölss/Martin/Prölss, 26. Aufl., § 2 ARB 75 Rz. 4 m.w.N. LG Köln r+s 1992, 128. BGH, VI ZR 76/06, VersR 2007, 71 m.w.N. Der Rechtsanwalt als Geschäftsführer berücksichtigt bei der Abrechnung mit dem Mandanten als Geschäftsherrn nach § 667 BGB dasjenige, was er aus der Geschäftsführung erlangt.
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Teil 8
Rz. 93
Rechtsschutzversicherung
12. Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers bei Klage und Widerklage 93
Der Rechtsschutzversicherer hat zu leisten, soweit ein Anspruch des Rechtsanwalts gegen den Mandanten (Geschädigten) besteht. Wird der Rechtsanwalt für den Mandanten sowohl im Rahmen eines rechtsschutzversicherten Mandats im Rahmen einer Klage zur Durchsetzung eigener Forderungen des Mandanten tätig als auch im Rahmen einer Widerklage zur Abwehr unberechtigter Forderungen, übernimmt der Haftpflichtversicherer des Mandanten im Rahmen des Versicherungsschutzes bei der Abwehr des Anspruches und damit in Bezug auf die Widerklage die Rechtsschutzfunktion. Es stellt sich daher die Frage, welcher der Versicherer in welchem Umfang den Versicherungsnehmer von den bei seinem Rechtsanwalt entstehenden Gebühren freistellen muss. Diese Frage hat der BGH im Urteil vom 4. 5. 20051 dergestalt geklärt, dass jeder der Versicherer nur quotal eintreten muss nach dem Verhältnis seines Anteils am Gesamtstreitwert, für den er eintrittspflichtig ist.
13. Sachverständigenkosten 94
Es sind zu tragen: – Nach § 2 Abs. 1 lit. c) ARB 75 und § 5 Abs. 1 lit. c) ARB 94/2000/ 2008/2009/2010 die Kosten eines Sachverständigen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens; – nach § 2 Abs. 1 lit. d) ARB 75, § 5 Abs. 1 lit. e) ARB 94/2000/ 2008/2009/2010 die Kosten eines Sachverständigen, der von der Verwaltungsbehörde herangezogen wird; umstritten ist, ob die Kosten eines beizubringenden Gutachtens des MPI davon erfasst sind2; – nach § 2 Abs. 1 lit. e) ARB 75, § 5 Abs. 1 lit. f) aa) ARB 94/2000/ 2008/2009/2010 in Verkehrsstrafverfahren und Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die Kosten eines öffentlich bestellten Sachverständigen; – nach § 5 Abs. 1 lit. f) aa) ARB 94/2000/2008/2009/2010 die Kosten eines öffentlich bestellten Sachverständigen bei Streitigkeiten aus Kaufoder Reparaturverträgen von Motorfahrzeugen zu Lande und Anhängern; – nach § 5 Abs. 1 lit. f) bb) ARB 94/2000/2008/2009/2010 die Kosten eines im Ausland ansässigen Sachverständigen, wenn Ersatzansprüche 1 BGH, Urt. v. 4. 5. 2005 – IV ZR 135/04, NJW 2005, 2228 = VersR 2005, 936 = VRR 2005, 226. 2 Ablehnend Harbauer/Bauer, § 5 ARB 2000 Rz. 128; Prölss/Martin/Armbrüster, § 5 ARB 2008 Rz. 34; AG Aichach r+s 1985, 98; AG Iserlohn r+s 1994, 425.
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Brieske/Kindermann
III. Rechtsschutz für Auseinandersetzungen mit Dritten
Rz. 95 Teil 8
wegen im Ausland eingetretener Beschädigung eines Motorfahrzeugs zu Lande oder Anhängers bestehen.
III. Rechtsschutz für Auseinandersetzungen mit anderen als dem Schädiger Kommt es anlässlich von Verkehrsunfällen zu Auseinandersetzungen mit anderen als dem Unfallgegner oder dessen Haftpflichtversicherer, so kann der Versicherungsnehmer nur Versicherungsschutz verlangen, wenn auch für diese Fälle das Risiko versichert ist. Zwar wird in § 4 ARB 94/2000/2008/2009/2010 formuliert „Anspruch auf Rechtsschutz besteht“, so dass man meinen könnte, der aus Anlass des Unfalls erforderliche Rechtsschutz werde geboten; jedoch ergibt sich aus § 2 ARB 94/ 2000/2008/2009/2010, dass jeweils nur in den einzelnen Rechtsschutzarten unter den dort angegebenen Voraussetzungen Rechtsschutz gewährt wird. – Diese Voraussetzungen sind eben andere, wenn der Arbeitgeber wegen der Arbeitsunfähigkeit kündigt und sich der Geschädigte dagegen wehren will; dann muss Arbeitsrechtsschutz versichert sein und die Wartefrist des § 4 Abs. 1 ARB 94/2000/2008/2009/2010 muss abgelaufen sein; Gleiches gilt, wenn es um die Entgeltfortzahlung geht. – Muss wegen der Unfallfolgen das Haus umgebaut werden und geht es um eine Baugenehmigung, dann müsste zunächst Verwaltungsrecht versichert sein; der in den ARB vorgesehene Verwaltungsrechtsschutz sieht aber nur einen in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten vor. – Kommt es mit dem Vermieter zum Streit, weil ein behindertengerechter Einbau eines Zugangs oder eines Aufzugs an der Treppe erforderlich wird, dann muss Wohnungs- und Grundstücks-Rechtsschutz versichert sein und die Wartefrist abgelaufen sein. – Läuft anlässlich des Unfalls Benzin in den Boden und wird der Mandant wegen der Umweltfolgen in Anspruch genommen, so ist die Abwehr nicht vom Versicherungsschutz der ARB erfasst; wird der Ausgleichsanspruch gegen den Unfallgegner geltend gemacht, so handelt es sich um einen Teil der Auseinandersetzung aus dem Unfall. – Wird das Fahrzeug abgeschleppt und macht die Polizei die Kosten durch öffentlich-rechtlichen Bescheid geltend, so handelt es sich um eine verkehrsrechtliche Angelegenheit vor einer Verwaltungsbehörde. Diese Kosten gegenüber dem Unfallgegner geltend zu machen, ist vom Versicherungsschutz für den Unfall abgedeckt. – Ist der Unfall auf einer Fahrt mit anderen Arbeitnehmern geschehen und werden deshalb gegen andere Arbeitnehmer Ansprüche geltend Brieske/Kindermann
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95
Teil 8
Rz. 95
Rechtsschutzversicherung
gemacht, so ist zu unterscheiden, ob diese Ansprüche sich aus Delikt ergeben oder aus dem Vertragsverhältnis. Für das Deliktrecht kommt es darauf an, ob Schadenersatz-Rechtsschutz versichert ist; für das Vertragsrecht kommt es darauf an, ob Arbeitsrecht versichert ist. – Verweigert der Rechtsschutzversicherer Leistungen, so besteht in diesem Vertrag kein Versicherungsschutz für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Rechtsschutzversicherer. – Die Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers bei Auseinandersetzung mit privaten1 Versicherungen, nämlich Kaskoversicherung, Unfallversicherung, Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Krankenversicherung besteht unter Geltung der ARB 75 nur, wenn das Risiko „Ansprüche aus Versicherungsverträgen“ abweichend von § 4 Abs. 1 lit. h) ARB 75 entsprechend den dazu üblichen Zusatzklauseln2 versichert ist; in den ARB seit den ARB 94 gibt es keinen Ausschluss. Eine Wartezeit von drei Monaten seit Beginn des Versicherungsschutzes ist hier zu beachten, § 14 Abs. 3 S. 3 ARB 75 und § 4 Abs. 1 S. 3 ARB 94/2000/2008/2009/2010. Der Versicherungsfall bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt, zu dem das Ereignis eintrat, dessentwegen von dem genannten und jetzt ablehnenden Versicherer Versicherungsschutz verlangt wurde, sondern nach dem Zeitpunkt der Ablehnung, nämlich dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer gegen Rechtspflichten verstoßen haben soll, § 14 Abs. 3 ARB 75 und § 4 Abs. 1 lit. c) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Eine Unfallversicherung kann die geschädigte Person abgeschlossen haben; es kann aber auch eine andere Person den Vertrag abgeschlossen haben. In letzerem Fall tritt der Rechtsschutzversicherer des Versicherungsnehmers ein3. – Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen Selbständiger wird um die Frage gestritten, ob es sich um ein Risiko aus der Tätigkeit als Selbständiger oder um ein Risiko aus dem Bereich des Privatlebens handelt; dementsprechend wäre das Risiko versichert oder nicht. Richtigerweise wird jedenfalls in den Fällen, in denen es sich nicht um eine Berufsunfähigkeit handelt, die sich aus einer Verletzung bei einer beruflichen Tätigkeit ergab, von einem Risiko außerhalb der selbständigen Tätigkeit die Rede sein4. 1 Auseinandersetzungen mit gesetzlichen Versicherungen unterliegen anderen Regeln je nachdem, vor welchem Gericht diese Ansprüche dann geltend zu machen sind. 2 VerBAV 1983, 306; 1991, 15. 3 BGH v. 29. 4. 1998 – IV ZR 21/94, MDR 1998, 839 = NVersZ 1998, 47 = VersR 1998, 887. 4 OLG Köln v. 25. 5. 1992 – 5 U 186/91, OLGR 1993, 194 = VersR 1992, 1220; OLG Stuttgart v. 15. 2. 1996 – 7 U 200/95, VersR 1997, 569; Harbauer/Stahl, § 25 ARB 75 Rz. 25 und § 23 ARB 2000 Rz. 31 ff.
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Brieske/Kindermann
Rz. 97 Teil 8
IV. Rechtsschutz in Verkehrsstrafsachen
– Auseinandersetzungen aus dem Bereich des Sozialrechts sind im Regelfall versichert ab dem Klagverfahren, soweit es sich um Verfahren handelt, die zum Sozialgericht gehen, §§ 24 Abs. 1 lit. d), 25 Abs. 1 lit. d) ARB 75, § 2 lit. f) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Verfahren wegen sozialer Sicherheit, etwa mit Versorgungswerken (etwa Berufsunfähigkeitsrente nach Unfall), finden vor den Verwaltungsgerichten statt; dafür besteht kein Versicherungsschutz, weil nicht Sozialrechtsschutz zugesagt ist, sondern Sozialgerichtsschutz. – Auseinandersetzungen aus Fahrzeug-Kaufverträgen oder Reparaturverträgen sind im Rahmen der §§ 21 Abs. 4 lit. b), 22 Abs. 3 lit. b), 26 Abs. 3 lit. b) bzw. 26 Abs. 5 lit. b) (Fassung 1988) ARB 75 sowie §§ 21 Abs. 4, 26 Abs. 3 und 4 ARB 94/2000/2008/2009/2010 versichert; Entsprechendes gilt für Mietverträge und Leasingverträge. Es sei noch einmal betont, dass gem. § 4 Abs. 1 ARB 94/2000/2008/2009/2010 bei Kauf- und Leasingverträgen über ein fabrikneues Fahrzeug keine Wartefrist gilt.
IV. Rechtsschutz in Verkehrsstrafsachen Vorab sei besonders hervorgehoben, dass auch in diesem Bereich die ARB nicht übereinstimmen.
96
§§ 21 Abs. 4 lit. c), 22 Abs. 3 lit. c), 23 Abs. 3 lit. b), 26 Abs. 3 lit. d) bzw. Abs. 5 lit. d) (Fassung 1988) ARB 75 sowie § 2 lit. i) aa) bzw. lit j) aa) ARB 94 sowie § 2 lit. i) aa) bzw. lit. j) 2000/2008/2009/2010 sehen Versicherungsschutz für die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines verkehrsrechtlichen Vergehens oder einer verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit vor. In § 4 Abs. 3 lit. b) ARB 75 war das verkehrsrechtliche Vergehen beschrieben worden als „eine mit Strafe bedrohte Handlung, die den Tatbestand der Verletzung einer verkehrsrechtlichen Vorschrift erfüllt“. In § 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010 wird der Begriff nicht mehr definiert. Es sind zunächst die an die Teilnahme im Straßenverkehr anknüpfenden Taten gemeint wie §§ 142, 315b ff. StGB, 21 ff. StVG. Demgegenüber wäre ein Vergehen nach § 240 StGB auch außerhalb des Straßenverkehrs begehbar; es wird dadurch zu einem verkehrsrechtlichen Vergehen, dass es (nach den ARB 75) jeweils gleichzeitig einen Verstoß gegen eine verkehrsrechtliche Vorschrift aus dem Bereich von StVG oder StVO oder StVZO enthält bzw. dass es sich um im Straßenverkehr begangene Taten handelt.
96a
Vorab muss berücksichtigt werden, dass bei Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahren mit einem nicht zugelassenen Fahrzeug oder Fahren mit einem Fahrzeug ohne Versicherungskennzeichen gem. §§ 21 ff. ARB 75/94/
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Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 98
Rechtsschutzversicherung
2000/2008/2009/2010 kein Versicherungsschutz besteht. Dies ist nach allgemeiner Meinung kein Ausschlusstatbestand, sondern ein Fall der Obliegenheit. Bereits früher ist auf die Diskussion hingewiesen worden, ob es sich um eine vor oder nach dem Versicherungsfall einzuhaltende Obliegenheit handelt. 98
Im Übrigen wird zunächst bei jeder Schuldform Versicherungsschutz geboten; der Versicherungsnehmer ist aber verpflichtet, von dem Rechtsschutzversicherer gezahlte Beträge zurückzuzahlen, wenn er wegen vorsätzlicher Begehungsweise rechtskräftig verurteilt worden ist, § 4 Abs. 3 lit. b) ARB 75, § 2 lit. i) aa) ARB 94/2000/2008/2009/2010. Ist der Mandant erstinstanzlich wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt worden, so hat der Rechtsschutzversicherer zunächst die Gebühren des Verteidigers in der Berufungsinstanz zu zahlen, denn bis dahin ist der Mandant nicht rechtskräftig wegen Vorsatz verurteilt. Damit bleibt der Rechtsschutz erhalten, wenn das Verfahren in anderer Weise als mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat endet.
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Wenn der Mandant wegen einer vorsätzlich begangenen und einer anderen fahrlässig begangenen verkehrsrechtlichen Straftat angeklagt wird, tritt der Rechtsschutzversicherer zunächst uneingeschränkt ein. Wenn der Mandant dann wegen beider Taten verurteilt wird, fragt sich, inwieweit der Mandant an den Rechtsschutzversicherer zurückzahlen muss, was dieser an den Verteidiger gezahlt hat. Die Frage wird auch gestellt, wenn der Mandant wegen einer vorsätzlich begangenen verkehrsrechtlichen Straftat verurteilt wird und im Übrigen das Verfahren gem. §§ 154 ff. StPO eingestellt wird. Ein gleiches Problem entsteht, wenn der Mandant wegen einer verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit und wegen einer vorsätzlich begangenen verkehrsrechtlichen Straftat verurteilt wird oder wenn der Mandant wegen einer Straftat aus dem Bereich außerhalb des Verkehrsrechts (etwa § 113 StGB) und wegen einer anderen verkehrsrechtlichen Straftat (etwa § 316 StGB) angeklagt bzw. später verurteilt wird. In allen Fällen ist zu klären, was der Rechtsschutzversicherer bezahlen muss, wenn ein Teil der Verteidigung vom Versicherungsschutz umfasst ist und ein Teil nicht. Die Vorfrage hierzu lautet, ob eine Tateinheit zwischen den nicht verkehrsrechtlichen und den verkehrsrechtlichen Delikten besteht. Voraussetzung dafür ist ein innerer Zusammenhang1. Besteht ein solcher, kommt Versicherungsschutz in Betracht2. In Rechtsprechung3 und Literatur4 wird auf „das Gewicht und 1 Harbauer/Stahl, § 2 ARB 2000 Rz. 254 m.w.N. 2 Harbauer/Stahl, § 2 ARB 2000 Rz. 254 m.w.N.; LG Karlsruhe VersR 1993, 1145; a.A. Prölss/Martin/Armbrüster, § 2 ARB 2008 Rz. 49. 3 LG Karlsruhe zfs 1993, 66. 4 Harbauer/Stahl, § 2 ARB 2000 Rz. 277 m.w.N.
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Brieske/Kindermann
V. Rechtsschutz in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen
Rz. 101a Teil 8
die Bedeutung der Vorwürfe im Gesamtzusammenhang“ abgestellt. Harbauer weist zu Recht darauf hin, dass bei einer Teildeckung der Zweck des Versicherungsvertrages darin besteht, dass jedenfalls bis zur Höhe des versicherten Anspruchs Deckung gewährt werde1. Er wendet diesen Aspekt aber nicht auf das Strafrecht an2. Diese Unterscheidung mag darauf beruhen, dass man anders als im Zivilrecht nicht die auf den gedeckten Teil entfallenden Gebühren anhand einer Tabelle ermitteln kann. Tatsächlich gibt es aber im Rahmen der StPO ein bekanntes Verfahren, ausscheidbare Auslagen zu ermitteln. Im Bereich der Rechtsschutzversicherung ist genau anders herum alles zu bezahlen, was angefallen wäre, wenn nur die versicherte Tat angeklagt worden wäre. Nur der Mehrbetrag ist nicht zu bezahlen. Der Rechtsschutzversicherer muss unabhängig von den Erfolgsaussichten in den Tatsacheninstanzen des Strafverfahrens eintreten, § 17 Abs. 1 S. 3 ARB 75, § 18 Abs. 1 lit. b) ARB 94/2000/2008/2009, § 3a Abs. 1 lit. a) ARB 2010. Dementsprechend muss die Schadensmeldung nur den Vorwurf nach Ort, Zeit und Inhalt enthalten.
100
In der Revisionsinstanz kann der Rechtsschutzversicherer die Leistung verweigern, wenn er unverzüglich nach Vorlage des anzufechtenden Urteils die Erfolgsaussichten verneint. Wird ihm das Urteil vorgelegt, so kann der Rechtsschutzversicherer nicht verlangen, dass ihm eine Revisionsbegründung vorgelegt wird, bevor er sich zu den Erfolgsaussichten äußert, denn zu solchen Leistungen ist der Versicherungsnehmer nicht in der Lage.
V. Rechtsschutz in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen Verkehrsordnungswidrigkeiten sind solche Ordnungswidrigkeiten, die im Straßenverkehr begangen werden.
101
Auf die Schuldform kommt es nicht an, § 4 Abs. 2 lit. a) ARB 75 und § 2j) aa) ARB 94/2000. Auf Vorsatz kommt es nur bei anderen Ordnungswidrigkeiten nach den ARB 94 an. Seit den ARB 2000, mithin auch in den ARB 2008/2009/2010 wird in 2 lit. j) nicht mehr hinsichtlich der Schuldform unterschieden. Der Versicherungsfall unterscheidet sich nicht vom Rechtsschutzfall im Strafrecht. Es gibt auch keine Wartefrist. Im Alltag geschieht es, dass jemand nach einem Verkehrsunfall zum Rechtsanwalt kommt und angibt, ihm seien bei einem Unfall Vorwürfe 1 Harbauer, Rz. 5 vor § 21 ARB 75. 2 6. Aufl., Rz. 179 zu § 4 ARB 75.
Brieske/Kindermann
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101a
Teil 8
Rz. 101b
Rechtsschutzversicherung
gemacht worden, etwa von der Polizei, ohne dass nachher ein Verfahren geführt wird. Dies sind die so genannten Phantomverfahren. Hat der Polizist tatsächlich einen Vorwurf erhoben, so hat ein Verfahren begonnen. Hat der Mandant einen Vorwurf nur befürchtet, ist ihm aber tatsächlich nichts vorgeworfen worden, gibt es auch keinen Rechtsschutzfall. Die Schadensmeldung hat wie in Strafsachen zu erfolgen; auf die Erfolgsaussichten kommt es in der Tatsacheninstanz nicht an. 101b
Ausgeschlossen sind Ordnungwidrigkeitenverfahren wegen des Vorwurfes eines Verstoßes gegen ein Halt- oder Parkverbot.(§ 3 Abs. 3 lit. e) ARB 94/2000/20082009/2010. Sofern der Auffassung gefolgt wird, dass das Parken ohne entsprechende Berechtigung in einer Umweltzone keinen Halte- oder Parkverstoß i.S.d. § 25a StVG darstelle, ist Versicherungsschutz zu gewähren1.
102
Durchsuchung beim Rechtsschutzversicherer: Es kommt vor, dass bei einem Rechtsschutzversicherer von der Staatsanwaltschaft nach der Schadensmeldung des Versicherungsnehmers durchsucht wird. Dies ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Ein besonderes Durchsuchungsprivileg des Rechtsschutzversicherers gibt es nicht.
VI. Rechtsschutz bei verwaltungsrechtlicher Entziehung oder verweigerter Wiedererteilung der Fahrerlaubnis 103
Nach § 21 Abs. 4 lit. d) ARB 75 (und öfter) sowie § 2g) ARB 94/2000/ 2008/2009/2010 gibt es in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten vor der Verwaltungsbehörde Versicherungsschutz. Im Einzelfall ist anhand der sehr unterschiedlichen ARB festzustellen, ob es sich um Versicherungsschutz erst im Widerspruchsverfahren oder bereits im Ausgangsverfahren handelt. Zeitpunkt und Definition des Versicherungsfalls sind in den ARB 75 und den ARB 94/2000/2008/2009/2010 unterschiedlich:
104
In § 14 Abs. 2 ARB 75 wurde formuliert: „Bei Verfahren wegen Einschränkung, Entzuges oder Wiedererlangung der Fahrerlaubnis gilt das Gleiche, soweit die Fahrerlaubnis im Zusammenhang mit der Verletzung einer Vorschrift des Strafrechts oder des Ordnungswidrigkeitenrechts eingeschränkt oder entzogen worden ist.“ Dieser Satz bezog sich auf den vorangegangenen Satz (Strafsachen). Damit entstand der Streit um die Frage, ob in diesen Fällen der Versicherungsfall die Straftat oder Ordnungswidrigkeit war2, anlässlich derer die Fahrerlaubnis eingezogen oder 1 AG Bremen DAR 2010, 33; a.A. AG Tiergarten DAR 2008, 409. 2 Harbauer/Cornelius-Winkler, § 14 ARB 75 Rz. 22 ff.
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Brieske/Kindermann
VI. Rechtsschutz bei Entziehung/verweigerter Wiedererteilung Rz. 108 Teil 8
eingeschränkt worden war, oder ob es sich wie bei Strafsachen1 (erster Satz) um den ersten Vorwurf handelt, der nun bei der Wiedererteilung eine Rolle spielt oder ob erst der letzte Verstoß maßgeblich sein soll2. Allein die Meinungsverschiedenheit belegt, dass es sich um eine unklare Regelung handelt, die jeweils in der für den Versicherungsnehmer günstigen Weise zu verstehen ist. ARB-Inhalt ist durch einfache Lektüre und nicht durch seitenlange Auslegung zu ermitteln; er richtet sich an den Verbraucher und nicht an den Juristen. Außerhalb des § 14 Abs. 2 ARB 75 gilt § 14 Abs. 3 ARB 75; das ist dann der Fall, wenn unabhängig von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten die Eignung zum Führen eines Fahrzeugs in Frage gestellt wird, etwa aus gesundheitlichen Gründen oder bei LKW-Fahrern aus weiteren Eignungsmängeln. Dann kommt es darauf an, wann erstmals ein solcher Mangel behauptet wird.
105
Nach § 4 Abs. 1 lit. c) und Abs. 2 ARB 94/2000/2008/2009/2010 ist bei jeder verwaltungsrechtlichen Angelegenheit im Verkehrsrecht zu prüfen, wann ein Verstoß gegen Rechtspflichten begangen worden ist. Dabei sind gem. Abs. 2 solche Verstöße nicht mehr zu berücksichtigen, die mehr als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes lagen. Geklärt ist mit dieser Änderung wenig. Denn immer noch fragt sich, welcher Verstoß eine Rolle spielen soll, der die Entziehung auslösende letzte Punkt oder der dem vorangegangene erste Punkt3.
106
Die ARB 75 kannten keine Wartefrist, soweit die Fahrerlaubnis im Zusammenhang mit einer Verletzung der Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts entzogen oder eingeschränkt worden war (diese gab es nur in den Fällen des § 14 Abs. 3 ARB 75). § 4 Abs. 1 ARB 94/ 2000/2008/2009/2010 sehen generell eine 3-monatige Wartefrist vor.
107
Im Bereich des verkehrsrechtlichen Verwaltungsverfahrens fragt sich, ob die Kosten der ggf. vorzulegenden Gutachten des MPI vom Rechtsschutzversicherer zu tragen sind. Voraussetzung ist immer, dass sie in einem Verfahrensabschnitt beigebracht werden, der vom Versicherungsschutz erfasst wird. Wenn dies in einem solchen Verfahrensabschnitt geschieht, kommt es darauf an, wie der Verbraucher es versteht, wenn von Sachverständigen die Rede ist, die von der Verwaltungsbehörde herangezogen werden, § 5 Abs. 1 lit. e) ARB 94/2000/2008/2009/2010 sowie § 2 Abs. 1 lit. d) ARB 75. Tatsächlich geben die Verwaltungsbehörden auf, ein Gutachten beizubringen; dagegen kann sich der Bürger kaum wehren. Das Gutachten wird dann von dem Gutachter häufig direkt an die Verwaltungsbehörde gesandt, gelegentlich aber auch erst an den Bür-
108
1 Nachweise bei Harbauer/Cornelius-Winkler, § 14 ARB 75 Rz. 22. 2 So Harbauer/Cornelius-Winkler, § 14 ARB 75 Rz. 23 f. 3 Harbauer/Maier, § 4 ARB 2000 Rz. 101 ff.
Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 109
Rechtsschutzversicherung
ger, der es dann weiterleitet. Nur wenn man aus dem faktischen Druck ein „Heranziehen“ ableiten kann, kann man über die Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers nachdenken1.
VII. Rechtsschutz in Kfz-Steuer-Angelegenheiten 109
Gem. einer Zusatzklausel2 zu den ARB 75 konnten gerichtliche Auseinandersetzungen um Steuern im Rahmen der jeweils versicherten Risiken – hier also im Rahmen des Verkehrsrechts – mitversichert werden. In § 2 lit. e) ARB 94/2000/2008/2009/2010 wird Versicherungsschutz angeboten für gerichtliche Auseinandersetzungen um Steuern und Abgaben im Rahmen der versicherten Risiken; wenn Versicherungsschutz nach § 21 Abs. 4 oder § 22 Abs. 3 ARB oder § 26 Abs. 3 94/2000/2008/ 2009/2010 versichert ist, besteht für Auseinandersetzungen vor den Finanzgerichten um die Kfz-Steuer Versicherungsschutz. Es gilt jeweils die Wartefrist des § 14 Abs. 3 ARB 75 bzw. des § 4 Abs. 4 ARB 94/2000/2008/2009/2010.
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen 1. Gebühren Zu den Gebühren in Verkehrszivilsachen und Anwaltskosten im Allgemeinen vgl. Teil 5. 110
Für die Verteidiger hat das RVG zu grundlegenden Änderungen in der Abrechnung geführt. Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses enthält die Gebührentatbestände für den Verteidiger. Abs. 1 der Vorbem. 4 VV-RVG ordnet darüber hinaus an, dass die Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit als Beistand, Vertreter eines Privatklägers, eines Nebenklägers, eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten eines Verletzten, eines Zeugen oder Sachverständigen ausübt.
110a
Die Gebührentatbestände im Einzelnen sehen in vielen Fällen vor, dass zunächst ein Gebührentatbestand „ohne Zuschlag“ und sodann der gleiche Gebührentatbestand aber „mit Zuschlag“ aufgeführt wird. Die Gebühr entsteht nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV-RVG mit Zuschlag, wenn sich der Auftraggeber nicht auf freiem Fuß befindet. Darunter fallen nicht nur 1 Ablehnend Harbauer/Bauer, § 5 ARB 2000 Rz. 128 m.w.N.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 5 ARB 2008 Rz. 35 m.w.N.; AG Aichach r+s 1985, 98; AG Iserlohn r+s 1994, 425. 2 VerBAV 1984, 173.
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Brieske/Kindermann
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 110c Teil 8
Fälle der Inhaftierung, sondern auch sonstige Fälle, in denen sich der Auftraggeber nicht „frei bewegen“ kann, etwa wegen der Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung. Die Gebühr mit Zuschlag gilt insoweit den dadurch beim Rechtsanwalt entstehenden zusätzlichen Aufwand, der dadurch entsteht, dass der Auftraggeber ihn nicht aufsuchen kann, mit ab. Für die Vergütung des Pflichtverteidigers sind eigene Gebührenbeträge ausgewiesen, die als Festgebühren geregelt wurden. Der Teil 4 gliedert sich in 3 Abschnitte, die zum einen die Gebühren für den Verteidiger enthalten, der mit der gesamten Verteidigung beauftragt ist (Abschnitt 1). Im Abschnitt 2 sind die Gebühren für die Tätigkeit in der Strafvollstreckung und im Abschnitt 3 solche für Einzeltätigkeiten enthalten. Der Abschnitt 1 gliedert die entstehenden Gebühren wiederum nach dem Lauf des Verfahrens. Vorangestellt sind im Unterabschnitt 1 zunächst die sog. „Allgemeinen Gebühren“, mithin Gebührentatbestände, die unabhängig davon verwirklicht werden können, in welchem Stadium des Verfahrens der Rechtsanwalt mit einer Tätigkeit beauftragt worden ist.
110b
Allen voran steht mit der Nummer 4100 VV-RVG die so genannte Grundgebühr. Mit dieser wird ausweislich des Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4100 VV die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten und zwar unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt der Rechtsanwalt erstmals beauftragt wird. Unter die „erstmalige Einarbeitung“ fallen das erste Gespräch mit dem Mandanten1 Von der Grundgebühr umfasst ist auch die erste Beschaffung der erforderlichen Information, mithin insbesondere die Anforderung der behördlichen/gerichtlichen Akte2. Die Grundgebühr fällt somit bei jedem Auftrag zu einer Verteidigung an. Sofern der Tätigkeit im Strafverfahren bereits eine Tätigkeit in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren wegen derselben Tat oder Handlung vorausgegangen ist, wird die im Bußgeldverfahren nach Nr. 5100 VV angefallene Grundgebühr angerechnet (Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4100 VV), da die Grundgebühr des Bußgeldverfahrens aus einem geringeren Rahmen entsteht als die Grundgebühr des Strafverfahrens. Folgerichtig entsteht die Grundgebühr im Bußgeldverfahren jedoch nicht mehr, wenn diese bereits für eine Tätigkeit wegen derselben Handlung in einem vorausgegangenen Strafverfahren angefallen ist (Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5100 VV). Zudem ist diese Regelung Ausfluss der Tatsache, dass es sich bei der Tätigkeit im Strafrecht und im Bußgeldrecht um verschiedene Angelegenheiten handelt. Dies gilt auch soweit sich an ein
110c
1 BT-Drucks. 15/1971 S. 222 zu Nr. 4100 VV; s. wegen der weiteren Einzelheiten Burhoff, RVG, 2. Aufl., Nr. 4100 VV Rz. 20 m.w.N. 2 Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rz. 21 m.w.N.
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Teil 8
Rz. 110d
Rechtsschutzversicherung
strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach dessen Einstellung ein Bußgeldverfahren anschließt (§ 17 Nr. 10 RVG). 110d
Neben der Grundgebühr kann als allgemeine Gebühr auch noch eine Terminsgebühr anfallen nach Nr. 4102 VV. Sie entsteht für die darin genannten Tätigkeiten außerhalb einer Hauptverhandlung. In verkehrsrechtlichen Sachverhalten ist insbesondere an die Entstehung einer Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 2 VV zu denken, wenn der Rechtsanwalt an einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft oder eine andere Strafverfolgungsbehörde teilnimmt. Andere Strafverfolgungsbehörde ist auch die Polizei1.
111
Im vorbereitenden Verfahren, d.h. vom Beginn des Ermittlungsverfahrens bis zum Eingang der Anklageschrift oder des Strafbefehlsantrags beim Gericht: oder im beschleunigten Verfahren bis zum Vortrag der Anklage, wenn diese nur mündlich erhoben wird, entsteht die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV (ggf. in Höhe der Gebühr mit Zuschlag nach Nr. 4105 VV). Der Eingang der Anklageschrift bzw. des Strafbefehlsantrags bei Gericht stellt mithin die Zäsur dar. Die Einlegung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl gehört daher bereits zum gerichtlichen Verfahren und nicht mehr zum vorbereitenden Verfahren. Dieser Einspruch wird daher nicht mehr mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV abgegolten, sondern mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV2.
112
Für das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug, d.h. ab dem Eingang der Anklageschrift oder des Strafbefehlsantrags beim Gericht entstehen die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV.
112a
Danach entsteht zum einen die Verfahrensgebühr. Die Höhe der Verfahrensgebühr hängt davon ab, vor welchem Gericht das Verfahren geführt wird. Im Verfahren vor dem Amtsgericht entsteht die Gebühr nach Nr. 4106 VV aus einem Gebührenrahmen von 30 bis 250 Euro, mithin als Mittelgebühr mit 140 Euro. Im Verfahren des ersten Rechtszugs vor der Strafkammer entsteht die Gebühr nach Nr. 4112 VV aus einem Rahmen von 40 bis 270 Euro, mithin in Höhe einer Mittelgebühr von 155 Euro. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4118 VV, die für Verfahren im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Schwurgericht oder der Strafkammer nach den §§ 74a und 74c GVG vorgesehen ist, enthält einen Gebührenrahmen von 80 bis 580 Euro.
112b
Daneben entstehen für die Tätigkeit in der Hauptverhandlung Terminsgebühren. Anders als noch unter der Geltung der BRAGO ist die Höhe der Terminsgebühr nicht mehr davon abhängig, ob es sich um den ersten 1 Burhoff, a.a.O., Nr. 4102 VV Rz. 19; Hartung/Schons/Enders/Hartung, RVG, Nr. 4102 VV Rz. 9. 2 Gerold/Schmidt/Burhoff, VV Nr. 4104, 4105 Rz. 5 m.w.N.
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Brieske/Kindermann
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 114 Teil 8
Tag der Hauptverhandlung oder einen Folgetermin handelt. Die Höhe der Terminsgebühr ist vielmehr nur davon abhängig, vor welchem Gericht das Verfahren stattfindet und welche Dauer der Termin hat. Insoweit ist für die Tätigkeit vor allen Gerichten eine zeitliche Staffelung bis zu 5 Stunden, von mehr als 5 und bis 8 Stunden und mehr als 8 Stunden vorgesehen. Es findet keine Kompensation statt. Wird an einem Tag nur kurz verhandelt und an einem anderen Tag länger, können die Zeiten nicht addiert und auf durchschnittliche Zeiten umgerechnet werden. Vielmehr wird jeder Tag der Hauptverhandlung für sich betrachtet. Neben diesen Gebühren können zusätzliche Gebühren anfallen. Diese sind in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 VV geregelt.
113
Große praktische Bedeutung hat die Befriedungsgebühr, die in Nr. 4141 VV geregelt ist. Diese fällt in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr ohne Zuschlag an, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Dies ist der Fall, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird oder das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen oder sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, der Berufung oder der Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten erledigt. Abs. 1 Nr. 3 der Anm. zu Nr. 4141 VV enthält allerdings für die zuletzt genannten Fälle der Erledigung durch Rücknahme der dort genannten Rechtsbehelfe eine zeitliche Vorgabe. Danach muss die Rücknahme früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen ist, erfolgen.
113a
Die Gebühr entsteht nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4141 VV nur dann nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Darüber hinaus entsteht in Fällen der Einziehung oder bei verwandten Maßnahmen nach Nr. 4142 VV eine wertabhängige Gebühr in Höhe einer 1,0.
113b
Schließlich können im Verfahren vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben geltend gemacht werden. In diesen Fällen entstehen nach Nrn. 4143 oder 4144 Verfahrensgebühren, die sich ebenfalls nach dem Wert richten und bei denen sich der Gebührensatz danach richtet, ob es sich um ein erstinstanzliches Verfahren oder ein Verfahren handelt, das im Berufungs- oder Revisionsrechtszug anhängig ist.
113c
Die Gebühren für die Tätigkeit in der Berufung finden sich in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV.
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Brieske/Kindermann
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Teil 8
Rz. 115
Rechtsschutzversicherung
a) Die angemessene Gebühr – Grundsätzliches 115
Maßstäbe ergeben sich aus § 14 RVG. Dieser ähnelt der früheren Regelung in § 12 BRAGO und enthält trotzdem für die Praxis bedeutsame Unterschiede. Diese ergeben sich zum einen daraus, dass die einzelnen aufgeführten Kriterien in einer anderen Reihenfolge genannt werden, die auch deren Stellung bei der Ausübung des Ermessen kennzeichnet. Sie ergeben sich des Weiteren daraus, dass bei den Gebühren im Strafrecht, die sich nicht nach einem Gegenstandswert richten, mithin nach der Mehrzahl aller abrechenbaren Gebührentatbestände, ein Haftungsrisiko zu berücksichtigen ist (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG). Hierbei kommt es nicht auf ein besonderes Haftungsrisiko an, da dieses in § 14 Abs. 1 S. 2 RVG nur für wertabhängige Gebühren genannt worden ist. § 14 Abs. 1 S. 3 RVG stellt demgegenüber bei Rahmengebühren nur auf ein „Haftungsrisiko“ ab. Dieses ist auch sachgerecht, da der bei Wertgebühren durch den höheren Wert zum Ausdruck kommende Aspekt eines Haftungsrisikos bei Betragsrahmengebühren anderenfalls nicht angemessen berücksichtigt werden könnte. Nach § 14 Abs. 1 RVG sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, vor allem. – Umfang der anwaltlichen Tätigkeit; – Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit; – Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber; – Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers. b) Die Ausübung des Ermessens
116
Der Rechtsanwalt – Gebührengläubiger – hat durch Erklärung gegenüber dem Mandanten – Gebührenschuldner – die Höhe der Betragsrahmengebühren im Einzelfall nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bestimmung durch den Rechtsanwalt kann nur beanstandet werden, wenn das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist.
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Der BGH1 unterscheidet insoweit hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zwischen der Regelung in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG, die das Abrechnungsverhältnis zwischen RA und Mandant betrifft und der Regelung in § 14 Abs. 1 S. 4 RVG, die die Erstattung der Gebühr durch einen Dritten betrifft. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Billigkeit der vom RA getroffenen Gebührenvereinbarung ein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs. Dementsprechend hat der RA darzulegen 1 BGH, Beschl. v. 20. 1. 2011 – V ZB 216/10 (Rz. 9 f.).
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Brieske/Kindermann
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 116e Teil 8
und zu beweisen, dass die von ihm getroffene Gebührenbestimmung der Billigkeit entspricht. Ist die Gebühr jedoch von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt festgelegte Gebühr nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). In diesem Fall trägt nicht der RA, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast, dass es an der Billigkeit fehlt.
116b
Nicht jede von der Vorstellung des Erstattungsverpflichteten abweichende Gebühr ist aber unbillig. Dem Rechtsanwalt wird vielmehr i.d.R. eine Toleranzgrenze zugebilligt. Dies bedeutet nicht, dass der Rechtsanwalt die von ihm für angemessen erachtete Gebühr 20 % überschreiten könnte1. Es bedeutet vielmehr nur, dass die vom Rechtsanwalt unter Beachtung der Kriterien des § 14 RVG getroffene Bestimmung dann verbindlich ist, wenn sich diese um bis zu 20 % von dem Betrag abweicht, den der Dritte für angemessen erachtet.
116c
Die wohl h.M. nimmt eine Toleranzgrenze an, wenn die vom RA für angemessen erachtete Gebühr um nicht mehr als 20 % von der für angemessen zu erachtenden Gebühr abweicht. Nur wenn eine größere Abweichung vorliegt, ist die Festsetzung unverbindlich2. Unter der Geltung des RVG wird diskutiert, ob eine Grenze von 20 % noch angemessen ist, da insbesondere mit der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV ein sehr weiter Rahmen geschaffen wurde, innerhalb dessen die angemessene Gebühr zu ermitteln ist. Bei der Festsetzung der Rahmengebühr ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt sein Ermessen durch die erstmalige Festsetzung ausübt. Er kann sich daher später nicht darauf berufen, er habe Gesichtspunkte übersehen. Anders als bei der Nachliquidation vergessener Gebührentatbestände kann der Gebührensatz daher nachträglich nicht mehr erhöht werden.
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Bei seiner Ermessensentscheidung hat der Rechtsanwalt alle Umstände zu berücksichtigen. Wer die angemessene Gebühr bestimmt, muss zunächst ein Missverständnis beseitigen und sodann die einzelnen Aspekte
116e
1 BVerwG, Urt. v. 17. 8. 2005 – 6 C 7/04, NJW 2006, 247, 249 Rz. 27; VG Berlin, Beschl. v. 5. 11. 2010 – 80 KE 2.10, RVGreport 2011, 144 f. 2 BGH, Urt. v. 31. 10. 2006 – VI ZR 261/05, m.w.N.; BGH, Urt. v. 13. 1. 2011 – IX ZR 110/10, AGS 2011, 120 ff. = RVGreport 2011, 136 ff.; OLG Hamm JurBüro 2007, 309 f.; BSG, Urt. v. 1. 7. 2009 – B 4 AS 21/09 (Rz. 22); BVerwG, Urt. v. 17. 8. 2005 – 6 C 7/04, NJW 2006, 247 ff. Rz. 24 [in durchschnittlichen Fällen entspreche allein die Mittelgebühr der Billigkeit, a.a.O. S. 249 Rz. 29 ff., wonach beim Überschreiten der Mittelgebühr auch dann bereits eine unbillige Bestimmung vorliegen könne, wenn die Mittelgebühr um weniger als 20 % überschritten werde]; a.A. BFH RVGreport 2006, 20f.; Hartmann, a. a. O. § 14 Rz. 24 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. zur BRAGO.
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Teil 8
Rz. 117
Rechtsschutzversicherung
in Geld ausdrücken. Das Missverständnis beruht auf der Annahme, der obere Gebührenrahmen sei eine Grenze, die man ohnehin nie erreiche. Tatsächlich beschränkt sich die Funktion des oberen Rahmens auf Kappung (mehr als den Höchstbetrag kann man nicht verlangen, auch wenn ein höherer Betrag angemessen ist). Da nach allgemeiner Meinung die Höchstgebühr nicht nur verlangt werden kann, wenn alle Kriterien des § 14 RVG im Höchstbereich liegen, sondern bereits ein besonders ausgeprägter Umstand die Höchstgebühr rechtfertigen kann, liegt dies auf der Hand (die umfangreiche, bereits die Höchstgebühr rechtfertigende Tätigkeit gegenüber einem Durchschnittsverdiener und eine gleich umfangreiche Tätigkeit gegenüber einem Einkommensmillionär). c) Die Kriterien des § 14 RVG im Einzelnen 117
Die einzelnen Kriterien des § 14 RVG sind in Geld umzusetzen: Kriterium gem. § 14 RVG
Einzelfälle zu den Kriterien
1. Bedeutung der Angelegenheit
Strafrechtliche Folgen
Folgen für den Beruf 1. Beendigung eines Qualifizierungslehrgangs, etwa bei Polizisten 2. Berufsverbot 3. Berufskraftfahrer und Trunkenheit oder andere Delikte mit Entziehung der Fahrerlaubnis oder Fahrverbot 4. Beamtenrechtliche Folgen 5. Folgen für Ärzte, Notare, Rechtsanwälte oder andere vergleichbare Berufe Folgen für die Existenz 1. Arbeitslosigkeit 2. Kreditkündigung Familiäre Folgen 1. Innerhalb der Familie 2. Für die Familie Folgen in der Öffentlichkeit/Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Stellung Präjudiz des Strafverfahrens für zivilrechtliche Ansprüche Folgen für andere Verfahren
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Brieske/Kindermann
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 117 Teil 8
Kriterium gem. § 14 RVG
Einzelfälle zu den Kriterien
2. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit
Dauer und Zahl der Mandantengespräche
Dauer und Zahl der Mandantentelefonate Dauer und Zahl der Gespräche mit Dritten Zeit des Aktenstudiums Zeit der Auswertung der Akten und der vom Mandanten oder Dritten erteilten Informationen Dauer und Zahl der Gerichtstermine und der Wartezeiten vor und während der HV-Termine Teilnahme an anderen Terminen zur Vernehmung von Zeugen oder Ähnliches Lektüre von Gutachten Auswertung von Rechtsprechung und/oder Literatur Schreiben und Schriftsätze Eigene Ermittlungen/Ortstermine Vorbereitung des Plädoyers Wartezeiten vor Beginn der Hauptverhandlung und längere Verhandlungspausen1 Nachbereitung von HV-Terminen und Vorbereitung weiterer HV-Termine Vorbereitung auf abgesetzte Termine Tätigkeit im Bereich der Durchsuchung Tätigkeit im Bereich der Beschlagnahme Beschwerden Prüfung der Besetzungsrüge Anträge und deren Vorbereitung Prüfung, ob Anträge gestellt werden, auch wenn diese dann nicht gestellt worden sind 3. Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit Aus der Kommunikation mit dem Mandanten 1. Blindheit 2. Taubheit 3. Sprachliche Probleme 4. Psychische Probleme des Mandanten 5. Sonstige Besonderheiten des Mandanten 6. Ängste des Mandanten, die beachtet werden müssen 1 OLG Hamm, AGS 1998, 136
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Teil 8
Rz. 118
Kriterium gem. § 14 RVG
Rechtsschutzversicherung
Einzelfälle zu den Kriterien
Aus tatsächlichen Gründen 1. Komplexes Gutachten im Verfahren 2. Fremdsprachenkenntnisse spielen gegenüber dem Mandanten oder Zeugen eine Rolle 3. Spezielle technische Kenntnisse werden nötig Aus rechtlichen Gründen 1. Neues Gesetz 2. Neue Rechtsfragen zu altem Gesetz 3. Komplexe Rechtsfragen aus verschiedenen Rechtsgebieten, die ineinander greifen 4. Entlegenes Rechtsgebiet 5. Eine besonders originelle Lösung 4. Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers Einkommensverhältnisse des Mandanten Eintrittspflicht einer Rechtsschutzversicherung Gezahlter oder gesicherter Prozesskostenvorschuss Vermögensverhältnisse des Mandanten
Aus der Liste der berücksichtigungsfähigen Merkmale muss ein Betrag entstehen. Dabei sollte das Bewertungsverfahren rationaler gestaltet werden als gemeinhin praktiziert. 118
Reicht die sich danach ergebende Gebühr nicht aus, um die Tätigkeit des Verteidigers angemessen zu vergüten, kommt die Festsetzung einer Pauschgebühr in Straf- und Bußgeldsachen nach § 51 RVG in Betracht.
119
Die unter dem Aspekt des Umfangs der Tätigkeit aufgeführten Aspekte können unschwer in Geld ausgedrückt werden: – Es wird die Zeit addiert, die aufgewendet worden ist; sodann wird für jede Stunde ein bestimmter Betrag angesetzt. – Die einzelnen Tätigkeiten werden mit den Beträgen aus Teil 4 Abschnitt 3 VV, mithin mit den Gebühren für Einzeltätigkeiten bewertet; wenn etwa für einen einfachen Antrag nach Nr. 4302 VV eine Verfahrensgebühr von 20 bis 250 Euro, d.h. mindestens ein Betrag von 20 Euro anfällt, dann kann auch für ein Telefonat dieser Betrag angesetzt werden; ebenso für einen Akteneinsichtsantrag; für ein ausführlicheres Schreiben können 50 Euro eingesetzt werden oder mehr.
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VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 122 Teil 8
Schwierigkeit und Spezialkenntnisse: In den Fällen der Spezialkenntnisse kann der sonst für einen Dolmetscher oder Gutachter anfallende Betrag angesetzt werden zu den Sätzen des JVEG:
120
– § 9 Abs. 1 und 2 JVEG sieht Stundensätze nach der Honorartabelle zu § 9 JVEG vor, die nach § 13 Abs. 1 JVEG erhöht werden können. – Für Dolmetscher sieht § 9 Abs. 3 JVEG eine Entschädigung je Stunde und § 11 JVEG ein Honorar von 1,25 Euro je angefangene 55 Anschläge eines schriftlichen Textes vor. Es handelt sich nur um Anhaltspunkte zur Bewertung der zusätzlichen, sonst von Dritten zu erbringenden Leistungen; der so gewonnene Betrag ist auf jenen Betrag aufzuschlagen, der vorab für die Tätigkeit ermittelt worden ist. Bedeutung der Angelegenheit lässt sich auch „kommerzialisieren“:
121
– Teilweise werden sich die unter dem Aspekt der „Bedeutung“ aufgeführten Einzelfälle in zusätzlichem Zeitaufwand niederschlagen; etwa zusätzliche Gespräche mit dem Mandanten oder Dritten. – Soweit es um wirtschaftliche Folgen geht (Berufsverbote, Kündigung des Arbeitsverhältnisses, berufliche Einschränkungen, Kreditkündigung), können diese in Geld ausgedrückt werden; daraus lässt sich ein Wert ermitteln, nach dem dann ein Vergleich mit einer Berechnung nach Wertgebühren angestellt werden kann. – Gleiches gilt für die Fälle der Rufschädigung, bei der man an Schmerzensgeldbeträge als Bewertungsgrundlage für Wertgebühren denken kann. Nachfolgend eine Aufstellung als Hilfsmittel:
122
Aspekt der Bedeutung
Bewertung
Folgen für den Beruf: 1. Beendigung eines Qualifizierungslehrgangs etwa bei Polizisten 2. Berufsverbot 3. Berufskraftfahrer und Trunkenheit oder andere Delikte mit Entziehung der Fahrerlaubnis oder Fahrverbot 4. Beamtenrechtliche Folgen 5. Folgen für Ärzte, Notare, Rechtsanwälte oder andere vergleichbare Berufe
1. Einkommensdifferenz analog § 42 Abs. 2 GKG für 36 Monate 2. Einkommensverlust für die Dauer des Berufsverbots, längstens 36 Monate analog § 42 Abs. 2 GKG 3. Einkommensdifferenz für die voraussichtliche Dauer bis zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis 4. Einkommenseinbußen 5. Wie vor
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Teil 8
Rz. 123
Rechtsschutzversicherung
Aspekt der Bedeutung
Bewertung
Folgen für die Existenz: 1. Arbeitslosigkeit 2. Kreditkündigung
1. Einkommensdifferenz wie vor 2. Bewertung der Sofortfälligkeit
Folgen in der Öffentlichkeit: Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Stellung
Schmerzensgeldbetrag als Ausgangswert
Präjudiz des Strafverfahrens für zivilrechtliche Ansprüche
Wert des Betrages
123
Voraussetzung jeder vernünftigen Abrechnung ist eine ordentliche Dokumentation der Tätigkeit in einer Form, die es ermöglicht, binnen kürzester Zeit eine Abrechnung zu erstellen. Denn sonst herrscht nach Beendigung des Verfahrens ein hohes Maß an Frust und immer Abwehr, auch noch zu begründen, was einem als angemessene Gebühr im Bauch herumschwirrt.
124
Dazu empfiehlt sich in der Akte ein Bogen, der etwa wie folgt aussieht: Tag
von … bis …
Tätigkeit
Gesprächspartner
________
________
Schriftsatz
Gespräch
Studium
Summe
________
________
Aus dieser Tabelle lassen sich unschwer Zeitaufwand und Anzahl der Schriftsätze ermitteln. Anhand dieser Tatsachen lässt sich dann die Gebühr ermitteln, die sich wie oben beschrieben für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ergibt.
2. Gebühren in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen a) Allgemeines 125
Die Gebührentatbestände für die Tätigkeit in Bußgeldsachen finden sich in Teil 5 VV.
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VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 129 Teil 8
Auch dieser enthält im Abschnitt 1 die Gebühren des Verteidigers und innerhalb dieser Bestimmungen in Unterabschnitt 1 als allgemeine Gebühr eine Grundgebühr, die für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall anfällt (Abs. 1 der Anm. zu Nr. 5100 VV). Der Gebührenrahmen beträgt nach Nr. 5100 VV 20 bis 150 Euro, mithin als Mittelgebühr 85 Euro. Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 VV enthält die Gebühren für eine Tätigkeit im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. In diesem Verfahrensstadium kann zum einen eine Verfahrensgebühr anfallen.
126
Darüber hinaus kann eine Terminsgebühr anfallen. Sie entsteht für die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde (Abs. 2 der Vorbem. 5.1.2.). Der Gebührentatbestand und damit der Rahmen für die Gebühr richtet sich in beiden Fällen nach der Höhe der Geldbuße. Maßgebend ist die Höhe der Geldbuße die zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzt worden ist. Ist eine Geldbuße nicht festgesetzt, richtet sich die Höhe der Gebühren im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nach dem mittleren Betrag der in der Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße. Sind in einer Rechtsvorschrift Regelsätze bestimmt, sind diese maßgebend. Mehrere Geldbußen sind zusammenzurechnen (Abs. 2 der Vorbem. 5.1. VV).
126a
Die Gebührentatbestände gliedern sich in die Bereiche von weniger als 40 Euro Geldbuße (Nr. 5101 und 5102 VV), von 40 bis 5 000 Euro (Nr. 5103 und 5104 VV) und mehr als 5 000 Euro (5105 und 5106 VV). Als zusätzliche Gebühren kann nach Nr. 5115 VV auch im Bußgeldverfahren eine Befriedungsgebühr anfallen. Sie entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt oder die Hauptverhandlung entbehrlich wird.
127
Wird der Rechtsanwalt bei der Einziehung oder verwandten Maßnahmen tätig, entsteht nach Nr. 5116 VV eine wertabhängige Verfahrensgebühr von 1,0.
128
b) Ordnungswidrigkeitenverfahren nach vorangegangenem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Das RVG hat die seit langem umstrittene Frage, ob das sich nach Einstellung des Strafverfahrens anschließende Bußgeldverfahren eine verschiedene Angelegenheit ist in § 17 Nr. 10 RVG beantwortet, und zwar dahingehend, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt.
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Teil 8
Rz. 130
Rechtsschutzversicherung
3. Gebührenabsprachen mit Rechtsschutzversicherern 130
Rechtsschutzversicherer bieten in unterschiedlicher Weise Rechtsanwälten an, mit diesen zu vereinbaren, wie regelmäßig Gebühren in OWioder Strafsachen abgerechnet werden (vgl. zu Gebührenabkommen zwischen KH-Versicherern und Rechtsanwälten in Zivilsachen fi Rz. 91 f. und Teil 5 fi Rz. 184 ff.). Das wäre an sich nicht zu beanstanden, wenn nicht regelmäßig oder gelegentlich verschiedene Umstände hinzukämen: – Auch in Strafsachen bewegen sich die Sätze unterhalb der Mittelgebühr; – es wird eine Übermittlung verschiedener Mandate ausdrücklich oder unausgesprochen angekündigt und erwartet; – es wird eine Bevorzugung bei der Empfehlung von Anwälten in Aussicht gestellt.
131
Diese Vereinbarungen sind keine Vergütungsvereinbarungen, die an den §§ 3a ff. RVG zu messen wären, denn: – Es fehlt, bezogen auf das einzelne Mandat und den einzelnen Mandanten, an einem Vertragsverhältnis, aus dem sich ein Gebührenanspruch dem Grunde nach ergäbe; die Vereinbarung zwischen Rechtsschutzversicherer und Rechtsanwalt begründet keinen vertraglichen Zahlungsanspruch des Rechtsanwalts; – Es kann sich um eine Abrechnungsabsprache handeln, aus der der Mandant ggf. begünstigt wäre, soweit der Rechtsanwalt sonst höhere gesetzliche Gebühren verlangen könnte; soweit der Rechtsanwalt aufgrund eines solchen Abkommens höhere als die gesetzlichen Gebühren verlangen will, ist der Anspruch nicht einklagbar; es fehlt bereits am Direktanspruch und im Übrigen an der Form des § 3a RVG.
132
Die Angebote von Rechtsschutzversicherern für den Bereich der von dem ARB abgedeckten Straftaten enthalten bestimmte generalisierend errechnete Beträge, die regelmäßig deutlich unter den Mittelgebühren der Gebührentatbestände des Vergütungsverzeichnisses liegen. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, das nach § 49b Abs. 1 BRAO zu berechnende Honorar nach den Kriterien des § 14 RVG im Einzelfall zu ermitteln. Wer für Verkehrsstrafsachen oder entsprechende Bußgeldsachen im Regelfall derartige unter den Mittelgebühren liegende Gebühren vereinbart, hält das Gebot des § 49b Abs. 1 BRAO nicht ein1. Durch den in derartigen Vereinbarungen enthaltenen Vorbehalt, im besonderen Einzelfall höhere 1 Vgl. dazu die Mitteilungen der RAK Hamm, abgedruckt in den Mitteilungen der RAK Bremen vom 19. 5. 1995.
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Brieske/Kindermann
VIII. Gebühren des Rechtsanwalts in Verkehrsstrafsachen
Rz. 133 Teil 8
Gebühren berechnen zu können, wird dieses Problem nicht gelöst. Die Vereinbarung enthält die Bereitschaft, geringere als die gesetzlichen Gebühren zu berechnen1. Nur wer die Vorgaben der § 49b Abs. 1 bis 3 BRAO sowie § 21 Abs. 1 BORA berücksichtigt, kann mit derartigen Vereinbarungen nicht Schiffbruch erleiden. § 21 Abs. 1 BORA betrifft genau den Fall der Gebührenvereinbarung mit Rechtsschutzversicherern2.
1 Was das Argument bedeutet, der Rechtsschutzversicherer bezahle im Ergebnis über die Vielzahl der Mandate das gesetzliche Honorar, ist auf dem Hintergrund von § 49b Abs. 3 BRAO nicht unproblematisch. 2 Deshalb ist der Satz von Plote, Anwalt und Rechtsschutzversicherung, Rz. 275, derartige Vereinbarungen seien unbedenklich, schlicht unzutreffend.
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133
Teil 9 Zivilgerichtliches Verfahren Rz.
Rz.
I. Haftpflichtprozess . . . . . . . . . . . . . .
2
II. Versicherungsprozess . . . . . . . . . . . 31
1. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beklagte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweis des Unfallhergangs . . . . b) Beweis der Schadenshöhe . . . . . 5. Selbständiges Beweisverfahren . . . 6. Isolierte Drittwiderklage . . . . . . . . 7. Muster: Klageschrift . . . . . . . . . . . . 8. Muster: Feststellungsklage/ unbezifferter Klageantrag . . . . . . . . 9. Muster: Klageerwiderung . . . . . . . . 10. Muster: Drittwiderklage . . . . . . . . . 11. Muster: isolierte Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 12 15 17 20 21 24 25 26 27 28 29 30
1. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrangiges Sachverständigenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Muster: Deckungsklage . . . . . . . . . 4. Muster: Klageerwiderung . . . . . . . .
34 36 38 39
III. Selbständiges Beweisverfahren . . . 40 1. Haftpflichtansprüche . . . . . . . . . . . 41 2. Versicherungsansprüche . . . . . . . . . 42 3. Muster: Beweissicherungsantrag . 43 IV. Unfallmanipulation . . . . . . . . . . . . . 44 1. Interessenkollision . . . . . . . . . . . . . 45 2. Muster: Streithilfe . . . . . . . . . . . . . . 47
Wenn die außergerichtlichen Regulierungsverhandlungen gescheitert sind, empfiehlt es sich, unverzüglich Klage zu erheben. Vielfach wird der Erlass eines Mahnbescheides beantragt, obgleich dieser Weg der gerichtlichen Geltendmachung nur dann sinnvoll ist, wenn damit zu rechnen ist, dass der Schuldner gegen den Mahnbescheid keinen Widerspruch einlegen wird.
1
Da Versicherer erfahrungsgemäß immer Widerspruch einlegen, auch wenn sie regulierungsbereit sind, ist die Beantragung eines Mahnbescheides wenig sinnvoll, insbesondere dient dieses Verfahren keineswegs der Beschleunigung, sondern allenfalls der Verzögerung.
I. Haftpflichtprozess Bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens muss dem Haftpflichtversicherer eine angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang seiner Eintrittspflicht zugebilligt werden. Die Länge dieser Frist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab1. In der Regel beläuft sich diese Prüfungsfrist auf 4 bis 6 Wochen2.
2
Wenn vor Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist Klage erhoben wird, kann der Haftpflichtversicherer die Klageforderung unter Verwahrung ge-
3
1 KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, VersR 2009, 1262. 2 Zöller/Herget, § 93 ZPO Rz. 6 „Haftpflichtversicherung“.
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Teil 9
Rz. 4
Zivilgerichtliches Verfahren
gen die Kostenlast anerkennen, so dass der Kläger die Verfahrenskosten gemäß § 93 ZPO zu tragen hat1. Macht der Haftpflichtversicherer die Schadensregulierung von der Vorlage aussagekräftiger Schadensbelege abhängig, gibt er keine Veranlassung zur Klageerhebung gemäß § 93 ZPO, so dass die Kosten der verfrühten Klage ebenfalls zu Lasten des Klägers gehen2. 4
Der Geschädigte braucht aber in der Regel nicht abzuwarten, bis der Versicherer Einsichtnahme in die polizeiliche Ermittlungsakte nehmen konnte3.
1. Gerichtsstand 5
Versicherer, Halter und Fahrer können gemeinsam am Gerichtsstand des Unfallortes direkt verklagt werden (§§ 32 ZPO, 20 StVG, 115 VVG).
6
Es besteht nur einfache, keine notwendige Streitgenossenschaft, so dass auch jeweils eine gesonderte Klage gegen Fahrer, Halter und Pflichthaftpflichtversicherer möglich ist.
7
Es kommen somit 5 Gerichtsstände in Betracht, – allgemeiner Gerichtsstand des Halters (§§ 12,13 ZPO), – allgemeiner Gerichtsstand des Fahrers (§§ 12, 13 ZPO), – allgemeiner Gerichtsstand des Pflichthaftpflichtversicherers (§§ 12, 17 ZPO), – Gerichtsstand der zuständigen Niederlassung des Pflichthaftpflichtversicherers (§ 21 ZPO), – Gerichtsstand des Unfallortes (§ 32 ZPO).
8
In der Regel bietet es sich an, den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zu wählen, da nur dieser Gerichtsstand der einzige gemeinsame Gerichtsstand der Anspruchsgegner ist. Wenn der Unfallhergang streitig ist, sollte die Klage bei dem gemäß § 32 ZPO zuständigen Gericht erhoben werden, da das Gericht im Zweifel über Ortskenntnisse, jedenfalls über die größere Nähe zum Unfallort verfügt und auch die Unfallzeugen durch das Prozessgericht vernommen werden können. 1 OLG Düsseldorf v. 27. 6. 2007 – 1 W 23/07, NJW-RR 2008, 114; KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, VersR 2009, 1262. 2 Vgl. Zöller/Herget, § 93 ZPO Rz. 6 „Haftpflichtversicherung“; KG v. 30. 3. 2009 – 22 W 12/09, VersR 2009, 1262; OLG Düsseldorf v. 27. 6. 2007 – 1 W 23/07, NJW-RR 2008, 114. 3 OLG Saarbrücken v. 16. 11. 1990 – 3 U 199/89, zfs 1991, 16; v. 27. 2. 2007 – 4 U 470/06, MDR 2007, 1190.
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Rz. 13 Teil 9
I. Haftpflichtprozess
Bei Streit über die Schadenshöhe kann einer der vorgenannten 5 Gerichtsstände unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und der Ortsnähe des Prozessanwalts ausgewählt werden. In allen Fällen ist es jedoch sinnvoll und erforderlich, den Haftpflichtversicherer zu informieren, damit dieser für eine ordnungsgemäße Prozessführung sorgt und im Falle einer Verurteilung des Halters oder des Fahrers den Urteilsbetrag zahlt.
9
Sind Grund und Höhe unstreitig, sollte der Fahrer in den Rechtsstreit als Beklagter einbezogen werden, damit er nicht als Zeuge „in eigener Sache“ in Betracht kommt. Bei Streit über die Schadenshöhe genügt es, lediglich den Pflichthaftpflichtversicherer zu verklagen, da dieser wie Fahrer und Halter für alle Ansprüche gemäß §§ 7 StVG, 823 BGB einzustehen hat.
10
Demgegenüber ist es sinnlos und sogar schädlich, den Halter in den Rechtsstreit einzubeziehen. Hierdurch wird die Möglichkeit der Drittwiderklage eröffnet, so dass dann der Fahrer, der dem Kläger als Unfallzeuge zur Verfügung steht, im Wege der Drittwiderklage in den Rechtsstreit einbezogen werden kann.
11
Eine Ausdehnung der Klage auf den Halter ist nur dann sinnvoll, – wenn dieser als Zeuge (Beifahrer) in Betracht kommt, – wenn die Deckungssumme des Haftpflichtversicherers überschritten wird (kommt praktisch kaum vor).
2. Kläger Aktivlegitimiert für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist in der Regel der Eigentümer des beschädigten Fahrzeuges. Handelt es sich bei dem Fahrzeug um ein geleastes Fahrzeug oder ist das Fahrzeug sicherungsübereignet worden, ändert sich die Aktivlegitimation meistens nicht, jedenfalls nicht bei Reparaturschäden. Die Leasingbedingungen und Bedingungen der Banken sehen in der Regel vor, dass der geschädigte Leasingnehmer nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, die Reparatur durchzuführen und die Entschädigungsleistung des Versicherers entsprechend zu verwenden.
12
Ganz anders verhält es sich beim Totalschaden: Die Leistung des Versicherers steht in der Regel ausschließlich dem Leasinggeber bzw. Sicherungsgeber zu. Zwar bleibt der Geschädigte regelmäßig zur Prozessführung berechtigt und verpflichtet, es handelt sich insoweit um einen Fall der gewillkürten Prozessstandschaft, da der Geschädigte ein eigenes rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Geltendmachung des fremden Rechts hat. Der Geschädigte bleibt aktivlegitimiert für die Klageerhebung, muss jedoch beantragen, dass die Entschädigungsleistung an den Leasinggeber bzw. Sicherungsnehmer ausgekehrt wird.
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Teil 9 14
Rz. 14
Zivilgerichtliches Verfahren
Wenn keine unbeteiligten Zeugen vorhanden sind, ist es denkbar und ratsam, dass der Geschädigte seine Ansprüche an einen Dritten abtritt, um dann „in eigener Sache“ als Zeuge aussagen zu können. Eine derartige Abtretung ist durchaus wirksam und zulässig; das Interesse des nunmehr als Zeugen auftretenden Geschädigten ist lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung angemessen zu berücksichtigen1. Hier besteht jedoch die Möglichkeit der isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten2 (näher hierzu bei Rz. 25).
3. Beklagte 15
Da der Pflichthaftpflichtversicherer wie Fahrer und Halter für Ansprüche aus Gefährdungshaftung und unerlaubter Handlung einzustehen hat, genügt es in der Regel, den Versicherer zu verklagen. Ist auch der Haftungsgrund streitig, sollte der Fahrer in den Rechtsstreit einbezogen werden, damit er nicht als Zeuge aussagen kann.
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Geht es nur um die Schadenshöhe, genügt es, die Klage ausschließlich gegen den Versicherer zu richten. Die durch die unnötige Ausdehnung der Klage auf Fahrer und Halter entstehenden Mehrkosten sind keine notwendigen Prozesskosten im Sinne von § 91 ZPO, so dass sie weder vom Prozessgegner noch von einem Rechtsschutzversicherer zu ersetzen sind. Etwas anderes mag dann gelten, wenn beispielsweise der Fahrzeugschaden als solcher streitig ist und der Fahrer als Zeuge zu Art und Umfang der Beschädigungen in Betracht kommt.
4. Beweisführung 17
Auch im Unfallprozess gilt die im ersten BGB-Entwurf von 1888 als § 193 BGB-E enthaltene, aber als selbstverständlich gestrichene Grundregel, dass jede Prozesspartei die für sie günstigen Umstände beweisen muss, der Kläger die rechtsbegründenden, der Beklagte die rechtshindernden Tatbestandsmerkmale3.
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Der Kläger ist somit für die haftungsbegründenden Tatsachen beweispflichtig, der Beklagte für ein eventuelles Mitverschulden des Klägers.
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Als Beweismittel stehen zur Verfügung, – Augenscheineinnahme (§§ 371 ff. ZPO), 1 BGH v. 15.11.1984 – III ZR 115/83, WM 1985, 613; OLG Karlsruhe v. 20.12.1989 – 1 U 103/89, NJW-RR 1990, 753/754. 2 BGH v. 13. 3. 2007 – 6 ZR 129/06, NJW 2007, 1753; v. 13. 6. 2007 – V ZR 114/07, MDR 2008, 1296 = NJW 2008, 2852. 3 Zöller/Greger, vor § 284 ZPO Rz. 17; BGH v. 14. 1. 1991 – II ZR 190/89, NJW 1991, 1052.
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I. Haftpflichtprozess
Rz. 23 Teil 9
– Zeugen (§§ 373 ff. ZPO), – Sachverständigengutachten (§§ 402 ff. ZPO), – Urkundenbeweis (§§ 415 ff. ZPO), – Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO). a) Beweis des Unfallhergangs Soweit der Beweis für die Haftung dem Grunde nach zu führen ist, gilt der Strengbeweis gemäß § 286 ZPO (haftungsbegründende Kausalität). Die Regeln des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweises) sind anwendbar.
20
Beispiel: Bei einem Auffahrunfall ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass der Auffahrende entweder unaufmerksam war oder keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat1.
b) Beweis der Schadenshöhe Für den Nachweis der Höhe des Schadens reicht der Freibeweis gemäß § 287 ZPO (haftungsausfüllende Kausalität).
21
Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über die Schadenshöhe „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung“ entscheiden. Der Kläger ist lediglich verpflichtet, für diese Schadensschätzung des Gerichts die notwendigen Anhaltspunkte zu liefern, an deren Darlegung nur gemäßigte Anforderungen zu stellen sind2. Im Rahmen dieses Freibeweises besteht auch die Möglichkeit, hinsichtlich der behaupteten Kausalität zwischen Haftungsgrund und Schadensfolge den Kläger als Partei gemäß § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO zu vernehmen.
22
Von dieser Möglichkeit der Parteivernehmung wird in der Praxis zu wenig Gebrauch gemacht, obgleich diese – eigene – Parteivernehmung nicht gegenüber den anderen Beweismitteln subsidiär ist, insbesondere nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Sachvortrages erfordert, wie dies ansonsten bei der Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO verlangt wird3.
23
1 OLG Düsseldorf v. 29. 9. 2005 – 10 U 203/07, NZV 2006, 200. 2 BGH v. 17. 6. 1992 – I ZR 107/90, NJW 1992, 2753; v. 26. 7. 2005 – X ZR 134/07, NJW 2005, 3348. 3 BGH v. 25. 3. 1992 – IV ZR 54/91, r+s 1992, 221 = VersR 1992, 867; Zöller/Greger, § 287 ZPO Rz. 6 m. w. N.
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Teil 9
Rz. 24
Zivilgerichtliches Verfahren
5. Selbständiges Beweisverfahren 24
Das selbständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO gibt dem Geschädigten die Möglichkeit, notwendige Beweise zu sichern; insbesondere bei schwerwiegenden Verletzungen kann es oft sinnvoll sein, ein zeitnahes Sachverständigengutachten zum Unfallhergang einzuholen, bevor der Straßenzustand, der Straßenverlauf, die Vegetation am Straßenrand sich verändern und bevor die Fahrzeugschäden repariert werden, so dass Art und Umfang der Schäden für ein Unfall-Rekonstruktions-Gutachten nicht mehr berücksichtigt werden können. Für ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 ZPO besteht auch Deckungsschutz bei einer eventuell vorhandenen Rechtsschutzversicherung, da es sich insoweit um die notwendige Vorbereitungsmaßnahme für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen handelt1.
6. Isolierte Drittwiderklage 25
Wenn einem Unfallgeschädigten keine Zeugen zur Verfügung stehen, kann er sich eine Zeugenstellung „in eigener Sache“ dadurch verschaffen, dass er seine Schadenersatzansprüche an Dritte, meistens an den Ehegatten, abgetritt. Im Regelfall besteht dann kein Deckungsanspruch gegenüber dem Rechtsschutzversicherer, im Übrigen können Versicherer durch die isolierte Drittwiderklage oder negative Feststellungsklage einen prozessualen Gleichstand erreichen: Die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten ist zulässig, auch wenn dieser versichert, dass er sich keiner weiteren Schadenersatzansprüche aus dem Unfallereignis berühmt2. Der BGH führt aus, es sei nicht auszuschließen, dass die Abtretung von vornherein nichtig war oder aufgrund einer späteren Anfechtung durch den Zedenten rückwirkend unwirksam wird. Es diene daher der Rechtssicherheit, wenn über einen einheitlichen Anspruch einheitlich entschieden werde3
1 Vgl. Harbauer/Bauer, § 2 ARB 75 Rz. 20 m. w. N. 2 BGH v. 13. 3. 2007 – VI ZR 129/09, NJW 2007, 1753. 3 BGH v. 13. 3. 2007 – VI ZR 129/09, NJW 2007, 1753; v. 13. 6. 2007 – V ZR 114/07, MDR 2008, 1296 = NJW 2008, 2852.
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Rz. 26 Teil 9
I. Haftpflichtprozess
7. Muster: Klageschrift An das Landgericht Köln
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50922 Köln Klage des Kaufmanns Heinz Müller, Kaiserstraße 12, 51143 Köln, – Klägers – Prozessbevollmächtigte: RAe Seegers & Partner, Köln gegen 1. den Angestellten Werner Schiffer, Heinrichstraße 14, 47051 Duisburg, 2. Argenta Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, Erich Wohlgemuth, Rheinstraße 12, 22 359 Hamburg, Schd.-Nr.: 99 KH 52 7812 – Beklagte – wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall. Streitwert: 19 330,– Euro Anträge: 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 19 330,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. 7. 2009 zu zahlen. 2. Im schriftlichen Vorverfahren ergeht Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 3 ZPO. Gründe: Gegenstand der Klage sind Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, den der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug allein verursacht und verschuldet hat. 1. Am 16. 4. 2010 befuhr der Kläger mit seinem PKW Golf in Köln die Luxemburger Straße stadtauswärts mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h. Es herrschte auf allen drei Fahrbahnen dichter Kolonnenverkehr. Als die vor ihm befindlichen Fahrzeuge abbremsten, musste der Kläger sein Fahrzeug bis zum Stillstand abbremsen. Nachdem das Fahrzeug des Klägers bereits mehrere Sekunden stand, fuhr der Beklagte zu 1) auf das stehende Fahrzeug des Klägers auf. Die Wucht des Aufpralls war so stark, dass das Fahrzeug des Klägers auf das vor ihm befindliche Fahrzeug des Zeugen Funke aufgeschoben wurde. van Bühren
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Teil 9
Rz. 26
Zivilgerichtliches Verfahren
Beweis für alles Vorstehende: 1. Beiziehung der Bußgeldakten der Bußgeldstelle Köln, Az.: U 397/ 10, 2. Zeugnis Peter Funke, Luxemburger Straße 114, 50922 Köln 2.
Die Beklagte zu 2) hat eine Schadensregulierung abgelehnt, weil der Beklagte zu 1) in seiner Schadensanzeige mitgeteilt hat, dass der Kläger unmittelbar vor dem Auffahrunfall einen Fahrspurwechsel vorgenommen habe. Für den Frontschaden bestehe ohnehin keine Ersatzpflicht, da der Kläger bereits auf das vor ihm befindliche Fahrzeug des Zeugen Funke aufgefahren sei, bevor der Heckanstoß erfolgte. Diese Schutzbehauptungen der Beklagten werden durch den Inhalt der Bußgeldakte, insbesondere die Aussage des Zeugen Funke widerlegt werden, da dieser nur einen Anstoß verspürt hat.
3.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) den Verkehrsunfall durch einen Verstoß gegen § 4 StVO allein verursacht und verschuldet hat, während das Unfallgeschehen für den Kläger ein unabwendbares Ereignis war.
3.1. Gemäß § 4 Abs. 1 StVO muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug „so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird“. Wenn der Beklagte zu 1) diesen erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten hätte, hätte er rechtzeitig hinter dem stehenden Fahrzeug des Klägers anhalten können. Bei einem Auffahrunfall ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass der Auffahrende entweder unaufmerksam oder mit einem nicht ausreichenden Sicherheitsabstand gefahren ist (Hentschel/König, § 4 StVO fi Rz. 17 m. w. N.; OLG Köln v. 23. 6. 1995 – 19 U 48/95, r+s 1996, 17). Der Beklagte zu 1) müsste daher einen atypischen Geschehensablauf nicht nur behaupten, sondern beweisen. 3.2. Demgegenüber war das Unfallgeschehen für den Kläger ein unabwendbares Ereignis, zumal er weder nach links noch nach rechts ausweichen konnte, da sämtliche Fahrspuren besetzt waren. Letztlich bedarf es ohnehin nicht des Nachweises der Unabwendbarkeit durch den Kläger: Wenn ein Unfallbeteiligter schuldhaft gehandelt hat, bleibt die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeuges in der Regel unberücksichtigt (OLG Karlsruhe v. 6. 2. 1991 – 1 U 269/90, VersR 1991, 1071).
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Rz. 27 Teil 9
I. Haftpflichtprozess
4. Die Klageforderung errechnet sich wie folgt: Reparaturkosten merkantiler Minderwert Sachverständigenkosten Nutzungsausfall 10 Tage Reparaturdauer Kostenpauschale insgesamt:
17 400,– Euro 600,– Euro 580,– Euro 720,– Euro 30,– Euro 19 330,– Euro.
Der Kläger hat den Sachverständigen Treuberger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat Reparaturkosten in Höhe von 17 400,– Euro ermittelt. Beweis: 1. Das in Fotokopie beigefügte Gutachten Treuberger – Anlage K 1 –, 2. Vorlage des Originalgutachtens durch die Beklagte zu 2) gemäß § 421 ZPO. Der Sachverständige hat auch eine Reparaturdauer von 10 Tagen und einen merkantilen Minderwert von 600 Euro ermittelt. Beweis: Wie vor. 5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist während des Verzuges eine Geldschuld mit 5 % Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Beklagte zu 2) ist mit Schreiben vom 20. 6. 2010 mit Fristsetzung bis zum 30. 7. 2010 zur Schadenregulierung aufgefordert worden. Sie befindet sich seit dem 1. 7. 2010 in Verzug. Rechtsanwalt
8. Muster: Feststellungsklage/unbezifferter Klageantrag An das Landgericht Köln
27
50922 Köln Klage der Schülerin Kristina Müller, gesetzlich vertreten durch die Eltern Heinz und Renate Müller, Kaiserstraße 12, 51143 Köln, – Klägerin – Prozessbevollmächtigte: RAe Meyer u. Partner, Köln gegen van Bühren
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Teil 9
Rz. 27
Zivilgerichtliches Verfahren
Retardo Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Egon Teuerkauf, Küstenstraße 20, 23546 Hamburg, Schd.-Nr.: 01 KH 37 896 – Beklagte – wegen Schmerzensgeld und Zukunftsschäden Streitwert: insgesamt 30 000,– Euro Anträge: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10 000,– Euro zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20. 8. 2010 resultieren. 3. Im schriftlichen Vorverfahren ergeht Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 3 ZPO. Gründe: Gegenstand der Klage sind Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem Verkehrsunfall vom 20. 8. 2010. Die Eintrittspflicht der Beklagten für das Unfallgeschehen ist unstreitig. 1. Am Unfalltag befuhr Peter Schneider, Versicherungsnehmer der Beklagten, mit einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug in Köln die Rheinuferstraße stadtauswärts. Durch alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit und überhöhte Geschwindigkeit verlor er die Gewalt über sein Fahrzeug, geriet ins Schleudern und erfasste auf dem Bürgersteig die Klägerin. Die Klägerin wurde schwer verletzt. Der Versicherungsnehmer der Beklagten ist gemäß § 315c StGB rechtskräftig verurteilt worden. Beweis: Beiziehung der Akten des Amtsgerichts Köln, Az.: 251 Ds 412/10. 2. Die Klägerin, die zum Unfallzeitpunkt 14 Jahre alt war, wurde erheblich verletzt: Sie erlitt eine Gehirnerschütterung, einen Wadenbeinbruch, diverse Prellungen und einen Ausriss der Kniescheibe. Die Klägerin wurde zwei Monate stationär behandelt, die ambulante Behandlung dauert noch an. Es besteht eine Beinverkürzung von 1 cm. Es verbleibt eine dauernde Bewegungseinschränkung im linken Knie und im Sprunggelenk. Beweis für alles Vorstehende: 1. Das anliegende Attest Dr. Bitter vom 5. 2. 2011 – Anlage K 1 –. 2. Sachverständigengutachten. 1170
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Rz. 28 Teil 9
I. Haftpflichtprozess
3. Angesichts des Umfangs der Verletzungen und des Dauerschadens ist ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10 000,– Euro gerechtfertigt. In der Tabelle Hacks/Ring/Böhm, 29. Auflage 2011, sind Entscheidungen abgedruckt, die für vergleichbare Verletzungen Schmerzensgeldbeträge zwischen 10 000,– und 30 000,– Euro zusprechen. 4. Die Klägerin wird täglich durch deutlich sichtbare Narben an den Beinen und durch Belastungsschmerz an das Unfallgeschehen erinnert. Sie ist gezwungen, ständig blickdichte Strümpfe zu tragen, sie hat Schwierigkeiten, am Tanzunterricht und Sport teilzunehmen. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, insbesondere der Belastungsfähigkeit des Knies ist zu befürchten. 5. Eine Erhöhung der Schmerzensgeldforderung ist schließlich deshalb geboten, weil die Beklagte bislang zu keiner Vorschusszahlung bereit war, sondern jede Zahlung eines Schmerzensgeldes von der Unterzeichnung einer Abfindungserklärung abhängig gemacht hat. In derartigen Fällen lässt die Rechtsprechung ein entsprechend höheres Schmerzensgeld zu (OLG Nürnberg, VersR 1997, 1108 = NJW-RR 1998, 44). 6. Das Ausmaß des Dauerschadens und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin, insbesondere bei der Berufsausbildung sind nicht absehbar. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin zeitlebens in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung behindert ist. Die Klägerin hat daher ein Rechtsschutzinteresse daran, dass die Eintrittspflicht der Beklagten auf Dauer festgestellt wird. 7. Streitwert für Klageantrag zu 1) 10 000,– Euro Streitwert für Klageantrag zu 2) 20 000,– Euro 30 000,– Euro. Rechtsanwalt
9. Muster: Klageerwiderung An das Landgericht Köln 15. Zivilkammer
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50922 Köln Aktenz.: 15 O 584/00 In Sachen Müller, Heinz ./. 1. Schiffer 2. Argenta Vers.-AG bestellen wir uns zu Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Antrag: Die Klage wird abgewiesen. van Bühren
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Teil 9
Rz. 28
Zivilgerichtliches Verfahren
Gründe: Die geltend gemachten Ansprüche werden dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Der Kläger hat den Verkehrsunfall vom 16. 5. 2009 durch einen unachtsamen Fahrspurwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO) allein verursacht und verschuldet. 1.
Am Unfalltag befuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW die mittlere Fahrspur der Luxemburger Straße stadtauswärts. Die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges betrug 30 bis 40 km/h. Der Kläger befuhr die linke Fahrspur in gleicher Fahrtrichtung mit erheblich höherer Geschwindigkeit und überholte das Fahrzeug des Beklagten zu 1). Während des Überholvorgangs wurden die auf der linken Fahrspur befindlichen Fahrzeuge plötzlich abgebremst. Der Kläger wurde durch dieses Abbremsmanöver überrascht und zog sein Fahrzeug auf die mittlere Fahrspur. Da dort das vor ihm befindliche Fahrzeug des Zeugen Funke ebenfalls abgebremst wurde, fuhr der Kläger auf dessen Fahrzeug auf. Durch diesen Auffahrunfall verkürzte sich der Sicherheitsabstand zwischen dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) und dem des Klägers, so dass der Beklagte zu 1) auf das Heck des klägerischen Fahrzeuges auffuhr. Beweis für alles Vorstehende: 1. Beiziehung der Bußgeldakten der Bußgeldstelle Köln, Az.: U 397/09, 2. Zeugnis Peter Funke, Luxemburger Straße 114, 50922 Köln.
2.
Die Darstellung in der Klageschrift ist somit in wesentlichen Punkten unrichtig und unvollständig, insbesondere trifft es nicht zu, dass der Kläger sein Fahrzeug bis zum Stillstand abgebremst hatte, ehe der Beklagte zu 1) auffuhr. Ebenso ist es unrichtig, dass der PKW des Klägers durch den Auffahrunfall auf das vor ihm befindliche Fahrzeug aufgeschoben wurde. Richtig ist vielmehr, dass der Kläger seinerseits auf das Fahrzeug des Zeugen Funke bereits aufgefahren war, ehe es zu dem Auffahrunfall durch den Beklagten zu 1) kam.
3.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Kläger diesen Verkehrsunfall durch einen Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO allein verursacht und verschuldet hat, während das Unfallgeschehen für den Beklagten zu 1) ein unabwendbares Ereignis war.
3.1. Gemäß § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, „wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist“. Durch diese Formulierung, die sich an mehreren Stellen in der StVO befindet, bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass derjenige, der diese Sorgfaltspflichten zu beobachten hat, im Falle eines Unfallgeschehens bereits nach den Regeln des Anscheinsbeweises allein für die Unfallfolgen haftet (Hentschel/König/Dauer, § 7 StVO Rz. 17). 1172
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I. Haftpflichtprozess
Rz. 28 Teil 9
3.2. Der für den Kläger sprechende Anscheinsbeweis wird dadurch ausgeräumt, dass er in einem zeitlich und örtlich nahen Zusammenhang mit dem Unfall einen Fahrspurwechsel vorgenommen hat. Bei dieser Sachlage spricht vielmehr der Anscheinsbeweis für eine unfallursächliche Missachtung der sich aus § 7 Abs. 5 StVO ergebenden gesteigerten Sorgfaltspflichten (OLG Köln v. 20. 3. 1996 – 11 U 236/95, SP 1996, 376; OLG Bremen v. 28. 11. 1995 – 3 U 31/95, VersR 1997, 253). 3.3. Für den Beklagten zu 1) war das Unfallgeschehen ein unabwendbares Ereignis, da er mit einem derartigen plötzlichen Fahrspurwechsel nicht zu rechnen brauchte und auch keine Ausweichmöglichkeit hatte. 4.
Obgleich somit die Klage bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt ist, wird rein vorsorglich die geltend gemachte Schadenshöhe bestritten.
4.1. In dem vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten werden zwar Reparaturkosten in Höhe von 17 400,– Euro ermittelt. In diesem Betrag ist jedoch die Mehrwertsteuer enthalten. Da der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann er lediglich den Nettobetrag in Höhe von 15 000,– Euro beanspruchen (BGH v. 6. 6. 1972 – VI ZR 49/71, NJW 1972, 1460). Der Kläger hat sein Fahrzeug unrepariert veräußert, so dass er nicht die fiktiven Reparaturkosten geltend machen kann, sondern lediglich die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert (BGH v. 21. 1. 1992 – VI ZR 142/91, VersR 1992, 457; OLG Köln v. 16. 7. 1993 – 19 U 243/92, VersR 1993, 1290; OLG Hamm v. 22. 1. 1992 – 13 U 209/91, OLGR 1992, 279; OLG Bamberg v. 27. 10. 1998 – 5 U 76/98, SP 1999, 14). Da der vom Kläger beauftragte Sachverständige einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von und einen Restwert in Höhe von ermittelt hat, beläuft sich der erstattungsfähige Fahrzeugschaden auf
18 000,– Euro 10 000,– Euro 8 000,– Euro.
4.2. Die Sachverständigenkosten werden als solche nicht beanstandet, auch hier kann der Kläger jedoch lediglich wegen seiner Vorsteuerabzugsberechtigung den Nettobetrag verlangen. 4.3. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung ist nicht schlüssig dargetan: Der Kläger hat keinen Reparaturnachweis erbracht; sein Fahrzeug hatte lediglich Blechschäden erlitten und war noch verkehrssicher. Der Kläger hat sein Fahrzeug auch im beschädigten Zustand weiter benutzt bis zu dessen Veräußerung. Rechtsanwalt
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Teil 9
Rz. 29
Zivilgerichtliches Verfahren
10. Muster: Drittwiderklage 29
An das Landgericht Köln 16. Zivilkammer 50922 Köln In dem Rechtsstreit des Kaufmanns Peter Brand, Hamburger Straße 2, 60486 Frankfurt a. M., – Klägers – Prozessbevollmächtigter: RA Dr. Hans-Joachim Scholz, 60322 Frankurt gegen 1. den Angestellten Michael Laube, Lübecker Straße 13, 50858 Köln, – Beklagten zu 1) – 2. Felicitas Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden, Peter Hartkopf, Waldhausstraße 38, 51069 Köln, Schd.-Nr.: KHS 00 98 5683 – Beklagte zu 2) – Aktenz.: 16 O 199/10 erheben wir Widerklage für den Beklagten zu 1) gegen den Kläger – als Widerbeklagten zu 1) – und dessen Ehefrau Monika Brand, Hamburger Straße 2, 60486 Frankfurt a. M. – als Widerbeklagte zu 2) – mit folgendem Antrag: Die Widerbeklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten zu 1) 2445,– Euro nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit dem 1. 7. 2010 zu zahlen. Gründe: Wir haben bereits in der Klageerwiderung vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Widerbeklagte zu 2) als Fahrerin des Fahrzeuges der Klägerin den Verkehrsunfall vom 3. 5. 2010 allein verursacht und verschuldet hat. Der Beklagte zu 1) hat vorsorglich seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen, so dass mit dieser Klage lediglich folgende Positionen nach Quotenvorrecht/Differenztheorie geltend gemacht werden: 1174
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Rz. 30 Teil 9
I. Haftpflichtprozess
1. Selbstbeteiligung 2. merkantiler Minderwert gemäß Sachverständigengutachten 3. Sachverständigenkosten 4. Abschleppkosten insgesamt: Von der Nutzungsentschädigung in Höhe von und der Kostenpauschale in Höhe von
1000,– Euro 500,– Euro 300,– Euro 200,– Euro 2000,– Euro 840,– Euro 50,– Euro 990,– Euro
wird lediglich eine Quote von 50 % mit insgesamt geltend gemacht.
445,– Euro
Die Haftpflichtversicherung der Widerbeklagten ist mit Schreiben vom 10. 6. 2001 unter Fristsetzung zum 1. 7. 2010 aufgefordert worden, den Schaden des Beklagten zu 1) zu regulieren. Da keine Zahlung erfolgt ist, besteht ein Anspruch auf Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB. Eine beglaubigte Ausfertigung dieses Schriftsatzes haben wir mit gleicher Post dem Herrn Prozessbevollmächtigten des Klägers anwaltlich zugestellt. Zwei weitere beglaubigte Abschriften zum Zwecke der Amtszustellung sind beigefügt. Rechtsanwalt
11. Muster: isolierte Drittwiderklage An das Landgericht Köln 16. Zivilkammer
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50922 Köln In dem Rechtsstreit der Hausfrau Petra Brand, Hamburger Straße 2, 60486 Frankfurt a. M., – Klägerin – Prozessbevollmächtigter: RA Dr. Hans-Joachim Scholz, 60322 Frankurt gegen 1. den Angestellten Michael Laube, Lübecker Straße 13, 50858 Köln, – Beklagten zu 1) – 2. Felicitas Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden, Peter Hartkopf, Waldhausstraße 38, 51069 Köln, Schd.-Nr.: KHS 00 98 5683 – Beklagte zu 2) – van Bühren
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Teil 9
Rz. 31
Zivilgerichtliches Verfahren
Aktenz.: 16 O 199/09 erheben wir Widerklage für den Beklagten zu 1) gegen den Kaufmann Peter Brand, Hamburger Straße 2, 60486 Frankfurt a. M. – als Widerbeklagten – mit folgendem Antrag: Es wird festgestellt, dass dem Widerbeklagten keinerlei Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 3. 5. 2010 zustehen. Gründe: In diesem Rechtsstreit macht die Klägerin Schadenersatzansprüche des Widerbeklagten geltend, der seine vermeintlichen Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat. Diese Abtretung erfolgte ersichtlich nur zu dem Zweck, dem eigentlich Geschädigten die Stellung eines Zeugen zu verschaffen. Die isolierte Drittwiderklage führt zu einem prozessualen Gleichstand bei der Beweisführung. Die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten ist auch dann zulässig, wenn dieser versichert, dass er sich keiner Schadenersatzansprüche aus dem Unfallereignis berühmt (BGH vom 13. 3. 2007 – VI ZR 129/09, NJW 2007, 1753). Der BGH führt aus, es sei nicht auszuschließen, dass die Abtretung von vornherein nichtig war oder aufgrund einer späteren Anfechtung durch den Zedenten rückwirkend unwirksam wird. Es diene daher der Rechtssicherheit, wenn über einen einheitlichen Anspruch einheitlich entschieden wird (BGH, a. a. O.; BGH vom 13. 6. 2007 – V ZR 114/07, MDR 2008, 1296 = NJW 2008, 2852). Rechtsanwalt
II. Versicherungsprozess 31
Wenn die eintrittspflichtige Fahrzeugversicherung (Vollkasko-/Teilkaskoversicherung) ihre Eintrittspflicht zu Unrecht verneint, sollte unverzüglich Klage erhoben werden.
32
Die Beantragung eines Mahnbescheides dient nicht der Beschleunigung, sondern allenfalls der Verzögerung, da erfahrungsgemäß Versicherer immer gegen Mahnbescheide Widerspruch einlegen, selbst wenn sie regulierungsbereit sind.
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II. Versicherungsprozess
Rz. 37 Teil 9
Neben der Leistungsklage ist auch eine Feststellungsklage zulässig, selbst wenn der Schaden beziffert werden könnte; dies gilt vor allem dann, wenn ein Sachverständigenverfahren zur Schadensöhe (A.2.17 AKB 2008) vorgesehen ist1.
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1. Gerichtsstand Für die Deckungsklage gegen den Fahrzeugversicherer stehen drei Gerichtsstände zur Auswahl:
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– Der allgemeine Gerichtsstand des Versicherers (§ 17 Abs. 1 ZPO), – der Gerichtsstand der Niederlassung des Versicherers (§ 21 Abs. 1 ZPO), – der Gerichtsstand des Versicherungsnehmers (§ 215 VVG; L.2.1 AKB 2008). Die Klage kann jedoch nicht gegen jede beliebige Niederlassung des Versicherers gerichtet werden, sondern nur gegen diejenige, bei der der in Rede stehende Versicherungsvertrag geschlossen oder verwaltet wurde.
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2. Vorrangiges Sachverständigenverfahren Bei Streit über die Schadenshöhe ist das Sachverständigenverfahren gemäß A.2.17 AKB 2008 zwingend vorgeschrieben.
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Wird vor Durchführung des Sachverständigenverfahrens Klage erhoben, ist die Klage als unbegründet abzuweisen, da der Klageanspruch (noch) nicht fällig ist2; dies gilt auch dann, wenn der Versicherer sich erst im Prozess auf die Vorrangigkeit des Sachverständigenverfahrens beruft3. Nach Auffassung des LG München I4 soll ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO zulässig sein.
1 OLG Karlsruhe v. 1. 4. 1999 – 12 U 284/98, r+s 1999, 447; OLG Hamm v. 15. 12. 1999 – 20 U 131/99, zfs 2000, 257; OLG Köln v. 28. 3. 2000 – 9 U 78/99, zfs 2000, 397. 2 OLG Frankfurt a. M. v. 12.5.1981 – 8 U 266/80, VersR 1982, 759; OLG Köln v. 11. 7. 1995 – 9 U 390/94, r+s 1996, 14. 3 OLG Saarbrücken v. 21. 6. 1995 – 5 U 982/94, r+s 1995, 329 = zfs 1996, 462 = VersR 1996, 882; OLG Köln v. 11. 7. 1995 – 9 U 390/94, r+s 1996, 14. 4 LG München v. 10. 12. 1993 – 13 T 2300/93, NJW-RR 1994, 355.
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Teil 9
Rz. 38
Zivilgerichtliches Verfahren
3. Muster: Deckungsklage 38
An das Landgericht Köln 50922 Köln Klage des Architekten Heinrich Laute, Humboldtstraße 50, 51149 Köln, – Klägers – Prozessbevollmächtigte: RAe Niedemeyer pp., Köln gegen die Refugio Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden Peter Müller, Kaiser-Wilhelm-Ring 30, 80331 München, – Beklagte – wegen Versicherungsleistung. Streitwert: 28 500,– Euro. Anträge: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28 500,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. 7. 2010 zu zahlen. 2. Im schriftlichen Vorverfahren ergeht Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 3 ZPO. Gründe: Gegenstand der Klage sind Leistungsansprüche aus einer Vollkaskoversicherung. Die Beklagte hat ihre Eintrittspflicht verneint wegen angeblicher grober Fahrlässigkeit des Klägers (Rotlichtverstoß). 1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergibt sich aus § 215 VVG; L.2.1 AKB 2008: Der Versicherungsvertrag, aus dem die Klageforderung resultiert, wurde von einem Versicherungsagenten der Beklagten vermittelt, der seinen Sitz im Bezirk des Landgerichts Köln hat. Beweis: Zeugnis des Versicherungsagenten Peter Bernhardt, Riehler Straße 26, 50668 Köln. 2. Für den PKW Porsche 911 des Klägers besteht bei der Beklagten seit dem 1. 2. 1998 eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 3000,– Euro. Beweis: Vorlage der Versicherungspolice, von der eine Fotokopie zu den Gerichtsakten gereicht wird – Anlage K 1 –. 3. Dem Vertrag liegen die AKB 2008 zugrunde. 1178
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II. Versicherungsprozess
Rz. 38 Teil 9
4. Am 3. 4. 2010 kam es in Köln auf der Kreuzung Aachener Straße/Bonner Straße zu einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Klägers einen Totalschaden erlitt. Der Kläger wollte die Aachener Straße überqueren und stieß mit einem PKW zusammen, der von der Bonner Straße kommend die Aachener Straße überqueren wollte. Der Kläger und der Fahrer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges behaupten beide, bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren zu sein. Beweis: Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln, Az.: 91 Js 412/10. Unbeteiligte Zeugen sind nicht vorhanden, so dass das Ermittlungsverfahren gegen beide Fahrer eingestellt worden ist. 5. Die Beklagte hat sich in der vorprozessualen Korrespondenz darauf berufen, sie sei wegen grober Fahrlässigkeit des Klägers partiell leistungsfrei, weil dieser die Kreuzung bei Rotlicht passiert habe. Diese Behauptung ist jedoch unzutreffend und lediglich eine Schutzbehauptung des anderen Unfallbeteiligten. 6. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Müller hat den Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeuges mit und den Restwert mit beziffert, so dass ein Fahrzeugschaden in Höhe von verbleibt. Nach Abzug der Selbstbeteiligung in Höhe von verbleibt der mit der Klage geltend gemachte Betrag in Höhe von
70 000,– Euro 10 000,– Euro 60 000,– Euro 3000,– Euro 57 000,– Euro.
7. Die Beklagte hat unter Hinweis auf § 81 Abs. 2 VVG lediglich die Hälfte des ersatzfähigen Schadens gezahlt, weil sie der Auffassung ist, der Kläger habe den Verkehrsunfall vom 3. 4. 2010 grob fahrlässig verursacht. 8. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB Nach dieser Vorschrift ist während des Verzuges eine Geldschuld mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen. Die Beklagte ist mit Schreiben vom 20. 6. 2010 mit Fristsetzung bis zum 30. 6. 2010 zur Zahlung aufgefordert worden. Sie befindet sich seit dem 1. 7. 2010 in Verzug. Rechtsanwalt
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Teil 9
Rz. 39
Zivilgerichtliches Verfahren
4. Muster: Klageerwiderung 39
An das Landgericht Köln 24. Zivilkammer 50922 Köln Aktenz.: 24 O 512/09 In Sachen Laute ./. Refugio Vers.-AG bestellen wir uns zu Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Antrag: Die Klage wird abgewiesen. Gründe: Die geltend gemachten Ansprüche werden dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Der Kläger hat den Verkehrsunfall vom 3. 4. 2010 durch einen Rotlichtverstoß (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 StVO) grob fahrlässig verschuldet, so dass die Beklagte gemäß § 81 Abs. 2 VVG zur Leistungskürzung berechtigt ist. 1. Die Angaben in der Klageschrift zum Vertragsverhältnis und zur Selbstbeteiligung sind zutreffend. 2. Am Unfalltag befuhr der nachbenannte Zeuge Heinrich Eberwein mit seinem PKW Mercedes die Bonner Straße stadtauswärts. Da die Verkehrssignalanlage Aachener Straße/Bonner Straße Grünlicht anzeigte, fuhr er mit mehreren Fahrzeugen in den Kreuzungsbereich hinein. Er befand sich bereits mitten auf der Kreuzung, als sich der Kläger mit seinem PKW Porsche mit hoher Geschwindigkeit näherte und in die Kreuzung einfuhr, obgleich die Verkehrssignalanlage für ihn Rotlicht anzeigte. Beweis: 1. Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln, Az.: 91 Js 412/10, 2. Zeugnis Heinrich Eberwein, Justinianstraße 3, 50679 Köln. Gegenüber der herbeigerufenen Polizei hat der Kläger ausgesagt, dass er durch die tief stehende Mittagssonne geblendet gewesen sei, so dass er nicht habe erkennen können, ob die Verkehrssignalanlage für ihn Rotlicht anzeigte. Beweis: 1. Wie vor, 2. Zeugnis des Polizeibeamten Hans Petermann, zu laden beim Polizeipräsidenten Köln.
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III. Selbständiges Beweisverfahren
Rz. 42 Teil 9
3. Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass ein Kraftfahrer, der eine Verkehrssignalanlage bei Rotlicht überfährt, in der Regel grob fahrlässig handelt, sodass eine Leistungskürzung um 50 % gerechtfertigt ist (LG Münster – 15 O 141/09, VersR 2009, 1615 = DAR 2009, 705). 4. Obgleich somit die Klage bereits dem Grunde nach keine Aussicht auf Erfolg hat, wird rein vorsorglich die geltend gemachte Schadenshöhe bestritten: Der Kläger hat das beschädigte Fahrzeug für 15 000,– Euro an das Abschleppunternehmen veräußert, das sein Fahrzeug an der Unfallstelle geborgen hat. Beweis: Zeugnis des Abschleppunternehmers Heinrich Peters, Gladbacher Straße 5, 50689 Köln. Diesen Mehrerlös von 5000,– Euro gegenüber dem Sachverständigengutachten muss der Kläger sich anrechnen lassen. Rechtsanwalt
III. Selbständiges Beweisverfahren Ein selbständiges Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO kann oft dazu dienen, ein umfassendes Klageverfahren mit entsprechend hohen Kosten zu vermeiden. Ein solches Verfahren ist zulässig und sinnvoll, um den Umfang eines Sach- oder Personenschadens festzustellen oder um die Schadensursache und den Unfallhergang zu ermitteln. Ein entscheidender Vorteil des selbständigen Beweisverfahrens liegt darin, dass eine eventuell vorhandene Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig ist.
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1. Haftpflichtansprüche Bei einer umfangreichen Unfallsache mit erheblichem Personen- und Sachschaden ist es oft sinnvoll, unmittelbar nach dem Unfallereignis die notwendigen Feststellungen über den Unfallhergang zu treffen, bevor der Straßenzustand verändert oder die beteiligten Fahrzeuge repariert bzw. verschrottet werden. Ein selbständiges Beweisverfahren kann daher die vorhandenen Beweise sichern und dazu beitragen, die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits einzuschätzen oder gegebenenfalls auch diesen Rechtsstreit zu vermeiden.
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2. Versicherungsansprüche Bei der Auseinandersetzung mit dem eintrittspflichtigen Fahrzeugversicherer kann auch der Schadenshergang von Bedeutung sein, so dass hier ein selbständiges Beweisverfahren sich aus den gleichen Gründen anbieten kann wie beim Haftpflichtschaden. van Bühren
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Teil 9
Rz. 43
Zivilgerichtliches Verfahren
In der Praxis findet das selbständige Beweisverfahren jedoch in der Regel nur bei Streit über die Schadenshöhe statt. Auf diese Weise kann das kostspielige und nicht von einer Rechtsschutzversicherung gedeckte Sachverständigenverfahren gemäß § 14 AKB a. F. (= A.2.17 AKB 2008) umgangen werden. Das Landgericht München I1 hat darauf hingewiesen, dass § 14 AKB a.F. nur Auswirkungen auf die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs hat, so dass eine gütliche Einigung außerhalb des Sachverständigenverfahrens durchaus möglich ist und durch die Feststellungen eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen erleichtert wird.
3. Muster: Beweissicherungsantrag 43
An das Landgericht Köln 50922 Köln Antrag im selbständigen Beweisverfahren des Herrn Heinrich Lehmann, Bismarckstraße 14, 50672 Köln, – Antragstellers – Verfahrensbevollmächtigte: RAe Heinemann & Partner, Köln gegen 1. den Kraftfahrer Hans Stockhausen, Bertramstraße 29, 40237 Düsseldorf, 2. Gratia Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden Peter Heinrich, Rolandstraße 5, 22765 Hamburg, – Antragsgegner –. Streitwert: 20 000,– Euro. Antrag: Im Wege der Beweissicherung wird ein verkehrsanalytisches Rekonstruktionsgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen über folgende Fragen eingeholt: 1. Wie kam es zu dem Verkehrsunfall, der sich am 3. 4. 2010 in Köln auf der Kreuzung Aachener Straße/Bonner Straße ereignet hat, an dem der PKW des Antragstellers mit dem amtlichen Kennzeichen K-DU 567 und der PKW des Antragsgegners zu 1) mit dem amtlichen Kennzeichen D-AX 412 beteiligt waren? 2. Wie hoch sind die voraussichtlichen Reparaturkosten am Fahrzeug des Antragstellers? 1 LG München v. 10. 12. 1993 – 13 T 2300/93, NJW-RR 1994, 355.
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Rz. 45 Teil 9
IV. Unfallmanipulation
Gründe: Am 3. 4. 2010 kam es zwischen den beiden im Antrag genannten Fahrzeugen zu einem Verkehrsunfall. Der Antragsteller befuhr mit seinem PKW die Aachener Straße stadtauswärts, der Antragsgegner zu 1) befuhr die Bonner Straße stadteinwärts. Die Fahrzeuge stießen im Kreuzungsbereich zusammen. Beide Fahrer behaupteten, bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren zu sein. Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Beweis: Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln, Az.: 91 Js 412/10. Der Antragsteller beabsichtigt, sein Fahrzeug möglichst umgehend reparieren zu lassen. Zur Klärung der Unfallverursachung sowie des eingetretenen Schadensumfangs ist die Erstellung eines Sachverständigengutachtens dringend geboten. Rechtsanwalt
IV. Unfallmanipulation In vielen Fällen wird ein Verkehrs-„Unfall“ vorgetäuscht in der Weise, dass die beiden beteiligten Fahrer sich verabreden und die Beschädigung der Kraftfahrzeuge vorsätzlich herbeiführen (vgl. im Einzelnen Teil 6). Oft dient ein gestellter Unfall auch dazu, einen bereits vorhandenen Schaden als Unfallschaden abzurechnen, möglicherweise wird derselbe Schaden innerhalb kürzester Frist bei mehreren Versicherern angemeldet. Kommt es zum Rechtsstreit, wird die Klage auch auf den „bösgläubigen“ (kollusiv mitwirkenden) Fahrer oder Halter ausgedehnt, um dem Verdacht entgegenzuwirken, es handele sich um einen untypischen Verkehrsunfall, bei dem der verantwortliche Fahrer als Zeuge auftritt.
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Der Haftpflichtversicherer steht dann vor der Frage, ob es ausreicht, einen Prozessanwalt für alle Beklagten zu beauftragen oder ob für Versicherer und bösgläubigen Fahrer bzw. Halter verschiedene Anwälte beauftragt werden müssen.
1. Interessenkollision Ein eklatanterer Fall der Interessenkollision als beim Vorwurf des gestellten Unfalls ist kaum denkbar; der Haftpflichtversicherer wendet gegen die Klageforderung ein, dass der Unfall gestellt sei, während der kollusiv mitwirkende Fahrer/Halter genau das Gegenteil behauptet, der Unfall sei „echt“. Ein Rechtsanwalt, der in einem Rechtsstreit der von ihm vertretenen Partei vorwirft, betrügerisch zu handeln, dürfte auch gegen § 56 StGB verstoßen, wenn er zwei Parteien vertritt, während der Sachvan Bühren
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Teil 9
Rz. 46
Zivilgerichtliches Verfahren
vortrag völlig gegensätzlich ist und das Ziel hat, die jeweils andere Partei zu belasten1. 46
Die Nebenintervention des Haftpflichtversicherers zugunsten des kollusiv handelnden Fahrers/Halters ist rechtlich zulässig, aber auch erforderlich, da eine gemeinschaftliche Vertretung wegen der offenkundigen Interessenkollusion nicht in Betracht kommt. Andererseits muss mit Rücksicht auf die Bindungswirkung eines Haftpflichturteils für das Deckungsverhältnis vermieden werden, dass unterschiedliche Entscheidungen gegen den mitversicherten Personenkreis ergehen. Aus diesem Grund wird die Streithilfe bei behaupteter Unfallmanipulation allgemein als rechtlich zulässig angesehen2. Der Haftpflichtversicherer kann dann durch seinen Prozessbevollmächtigten auch für den versicherten Fahrer/ Halter Klageabweisung beantragen und den Erlass eines Versäumnisurteils, das auch für den Haftpflichtversicherer bindend sein könnte, vermeiden. Trotz Streithilfe ist der mitverklagte Fahrer berechtigt, einen Rechtsanwalt seiner Wahl zu beauftragen; von den Kosten dieses Rechtsanwalts hat der Haftpflichtversicherer den versicherten Fahrer freizustellen3. Ein Versicherungsnehmer oder ein versicherter Fahrer handelt nicht mutwillig gemäß § 114 S. 1 ZPO, wenn er Prozesskostenhilfe begehrt, um sich gegen den Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetruges zu wehren, auch wenn der Versicherer ihm als Streithelfer beigetreten ist4.
2. Muster: Streithilfe 47
An das Landgericht Köln 50922 Köln In dem Rechtsstreit Müller ./. 1. Strohheim 2. Focus Versicherungs-AG bestellen wir uns zu Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2). Dem Beklagten zu 1) treten wir als Streithelfer bei. Antrag: Die Klage wird abgewiesen. 1 Vgl. Freyberger, VersR 1991, 842. 2 BGH v. 9. 3. 1993 – VI ZR 249/92, r+s 1994, 212; OLG Köln v. 17. 5. 1991 – 6 U 60/90, r+s 1991, 220; OLG Frankfurt a. M. v. 13. 10. 1993 – 23 U 212/92, zfs 1994, 43; OLG Düsseldorf v. 27. 5. 1997 – 4 U 126/96, zfs 1998, 59. 3 BGH, Urt. v. 15. 9. 2010 – IV ZR 107/09, r+s 2010, 504. 4 BGH, Beschl. v. 6. 7. 2010 – VI ZB 31/08, r+s 2010, 411.
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Rz. 47 Teil 9
IV. Unfallmanipulation
Gründe: Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche werden dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Es besteht der ebenso dringende wie begründete Verdacht, dass der Kläger in kollusivem Zusammenwirken mit dem Beklagten zu 1) Ansprüche aus einem fingierten Unfallereignis geltend macht. 1.
Wegen der rechtlichen und tatsächlichen Problematik fingierter Unfälle halten wir es nicht für zweckmäßig, die Sache dem Einzelrichter zu übertragen. Es ist möglicherweise eine eingehende Beweisaufnahme erforderlich, bei der es auf eine komplexe Prüfung der Glaubwürdigkeit aller Beteiligten ankommt. In derartigen Fällen erscheint die Übertragung auf den Einzelrichter nicht geboten (Baumbach/Lauterbach, § 348 ZPO Rz. 2; Zöller/Greger, § 348 ZPO Rz. 4 m. w. N.).
2.
Die Nebenintervention zugunsten des Beklagten zu 1) ist rechtlich zulässig, aber auch erforderlich, da eine gemeinschaftliche Vertretung der Beklagten wegen der darin liegenden Interessenkollision nicht in Betracht kommt. Andererseits muss mit Rücksicht auf die Bindungswirkung eines Haftpflichturteils für das Deckungsverhältnis vermieden werden, dass unterschiedliche Entscheidungen gegen den mitversicherten Personenkreis ergehen. Aus diesem Grund wird die Streithilfe bei behaupteter Unfallmanipulation allgemein als rechtlich zulässig angesehen (BGH v. 9. 3. 1993 – VI ZR 249/92, r+s 1994, 212; OLG Köln v. 17. 5. 1991 – 6 U 60/90, r+s 1991, 220; OLG Frankfurt a. M. v. 13. 10. 1993 – 23 U 212/92, zfs 1994, 43; OLG Düsseldorf v. 27. 5. 1997 – 4 U 126/96, zfs 1998, 59).
3.
Der Nachweis, dass ein Zusammenstoß von Fahrzeugen sich nicht ereignet hat oder vorsätzlich herbeigeführt wurde, kann in der Regel nicht mit den allgemeinen prozessualen Mitteln geführt werden. Die Beklagte zu 2) muss sich daher im Einklang mit der noch zu zitierenden Rechtsprechung darauf beschränken, die Verdachtsmomente vorzutragen, aus denen sich die sichere Überzeugung ergibt, dass ein „Unfall“ im Sinne eines unfreiwilligen Schadensereignisses stattgefunden hat. Diese Verdachtsmomente werden für das erkennende Gericht Veranlassung sein, strenge Anforderungen an die Beweisführung des Klägers zu stellen. Es genügt dann nicht mehr, wenn der Kläger übereinstimmend mit dem Beklagten zu 1) behauptet, ein unfreiwilliges Schadensereignis habe stattgefunden.
4.
Es wird ausdrücklich bestritten, dass eine Kollision zwischen den angeblich beteiligten Fahrzeugen in der geschilderten Art und Weise stattgefunden hat; wenn es überhaupt zu einem Kontakt gekommen ist, so wurde dieser Zusammenstoß von den Beteiligten vorsätzlich herbeigeführt, um eine Anspruchsgrundlage für vermeintliche Schadensersatzansprüche zu schaffen. Bereits das „äußere Bild“ der Unfallkonstellation spricht für ein gestelltes Schadensereignis: van Bühren
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Teil 9
Rz. 47
Zivilgerichtliches Verfahren
4.1. Das geschädigte Fahrzeug gehört der gehobenen bzw. der LuxusKlasse an (OLG Düsseldorf v. 23. 8. 1996 – 14 U 186/95, SP 1996, 404; OLG Köln v. 14. 2. 1996 – 11 U 226/95, SP 1996, 238). 4.2. Das schädigende Fahrzeug ist in der Regel wirtschaftlich wertlos und nahezu schrottreif (OLG Köln v. 14. 2. 1996 – 11 U 226/95, SP 1996, 237). 4.3. Fingierte Unfälle ereignen sich regelmäßig zu einer Zeit, da keine Zeugen zu befürchten sind, häufig nachts an einem abgelegenen Ort (OLG München v. 3. 10. 1989 – 5 U 1689/89, zfs 1990, 78; OLG Köln v. 25. 3. 1994 – 19 U 168/93, r+s 1994, 243). 4.4. Die Unfallbeteiligten sind miteinander bekannt, verschweigen jedoch ihre Bekanntschaft gegenüber Polizei und Haftpflichtversicherung (OLG München v. 3. 10. 1989 – 5 U 1689/89, zfs 1990, 78). 5.
Alle vorgenannten Kriterien treffen auch auf den hier behaupteten Unfall zu. Beweis: Beiziehung der Ermittlungsakten des StA Köln, Az.: 150 Js 508/10.
6.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Kläger in vollem Umfang für den Unfallhergang und dessen Unfreiwilligkeit beweispflichtig ist. Der Kläger muss darlegen und beweisen, dass durch einen konkreten Geschehensablauf der von ihm behauptete Schaden durch das bei der Beklagten zu 2) versicherte Fahrzeug verursacht worden ist. Es handelt sich insoweit um den Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität.
6.1. Beweiserleichterungen kommen dem Kläger dann nicht mehr zugute, wenn eine Vielzahl von Verdachtsmomenten bewiesen wird, wie sie üblicherweise bei fingierten Unfällen festzustellen sind (BGH v. 28.3.1989 – VI ZR 232/88, r+s 1989, 181; OLG Köln v. 14. 2. 1996 – 11 U 226/95, SP 1996, 237; OLG Düsseldorf v. 23. 8. 1996 – 14 U 186/95, SP 1996, 404). 6.2. Wie der BGH (BGH v. 5. 12. 1978 – VI ZR 185/77, VersR 1979, 281) in einer grundlegenden Entscheidung ausgeführt hat, sind die Regeln des Anscheinsbeweises heranzuziehen, wenn bereits aufgrund der äußeren Umstände das typische äußere Bild eines „Unfalles“ dafür spricht, dass dieser Schadensfall gestellt ist. 6.3. Zwar trägt grundsätzlich der Versicherer die Beweislast dafür, dass ein Unfall fingiert ist; die Überzeugungsbildung des Gerichts setzt jedoch keine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus; es genügt vielmehr eine Häufung von Beweisanzeichen, die auf eine Manipulation hindeuten. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind dann zugunsten des Versicherers heranzuziehen (BGH v. 5. 12. 1978 – VI ZR 185/77, VersR 1979, 281; OLG Köln v. 13. 2. 1994 – 12 U 206/93, r+s 1994, 212). 1186
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IV. Unfallmanipulation
Rz. 47 Teil 9
6.4. Wie das OLG Köln (OLG Köln, Urteil v. 14. 7. 1995 – 19 U 236/94, VersR 1997, 129.) zutreffend ausführt, ist eine Gesamtschau der einzelnen Umstände vorzunehmen. Beweisanzeichen für eine Verabredung können sich aus dem Unfallhergang, Art der Schäden, fehlender Kompatibilität und den persönlichen Beziehungen und Vermögensverhältnissen der Beteiligten ergeben. Es reicht dann aus, die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Manipulation durch Aufzeigen einer Vielzahl von Beweisanzeichen nachzuweisen, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Häufung für einen verabredeten Unfall sprechen. 7.
Obgleich somit die Klage bereits dem Grunde nach abweisungsreif ist, wird rein vorsorglich die geltend gemachte Schadenshöhe bestritten. Bestritten wird, dass die in der Klageschrift genannten Schäden auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen sind.
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Teil 10 Bußgeldverfahren
I. Ordnungswidrigkeitengesetz . . . . .
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V. Geldbuße/Verwarnung/ Fahrtenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
II. Verfahren 1. Das Vorverfahren a) Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bußgeldbescheid und Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verjährung aa) Verjährungsfristen . . . . . . . bb) Fristberechnung . . . . . . . . . cc) Unterbrechung der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . dd) Ruhen der Verjährung . . . . ee) Folgen der Verjährung . . . . d) Kostentragungspflicht des Halters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenverfahren . . . . . . . . . . . . . 3. Hauptverfahren a) Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptverhandlung aa) Persönliches Erscheinen des Betroffenen . . . . . . . . . . bb) Beweisaufnahme . . . . . . . . . cc) Einstellung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . dd) Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übergang zum Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsmittel: Die Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Bußgeldkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 IV. Einzelne Tatbestände . . . . . . . . . . . 86 1. Geschwindigkeitsüberschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Abstandsunterschreitung . . . . . . . . 94 3. Rotlichtverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Telefonbenutzung (§ 23 Abs. 1a StVO) . . . . . . . . . . . . .100a 5. Verstöße gegen § 24a StVG a) 0,5 %-Grenze . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Atemalkohol-Messung . . . . . . . 104 c) § 24a Abs. 2 StVG . . . . . . . . . . . 106 d) § 24c StVG . . . . . . . . . . . . . . . . . .106b
1. Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwarnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglichkeiten der Vermeidung a) Die nicht durch einen Regelfall indizierten Fälle . . . . . . . . . . b) Die Regelfälle nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 BKatV (die indizierten Fälle) . . c) Berufliche Nachteile . . . . . . . . . d) Beginn und Ende des Fahrverbotes aa) Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Verkehrszentralregister . . . . . . . . . 159 1. Eintragungen a) Verkehrsstraftaten . . . . . . . . . . . b) Verkehrsordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Führerschein- und Fahrerlaubnismaßnahmen . . . . . . . . 2. Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tilgungsfristen aa) Zweijährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StVG) . . . . . . . . . . . . . bb) Fünfjährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StVG) . . . . . . . . . . . . . cc) Zehnjährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVG) . . . . . . . . . . . . . b) Fristbeginn (§ 29 Abs. 4 StVG) c) Tilgungshemmung (§ 29 Abs. 6 StVG) . . . . . . . . . . . d) Überliegefrist (§ 29 Abs. 7 StVG) . . . . . . . . . . .
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Teil 10
Rz. 1
Bußgeldverfahren
I. Ordnungswidrigkeitengesetz 1
Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)1 ist seit dem 24. 5. 1968 in Kraft2. Frühere Übertretungs- und geringfügige Vergehenstatbestände wurden zu Ordnungswidrigkeiten; dadurch schuf der Gesetzgeber eine eindeutige Abgrenzung zu den Straftaten, die nicht nur härter geahndet werden, sondern auch einen Eintrag im Strafregister zur Folge haben.
2
Die Ahndung erfolgt durch die Verwaltungsbehörden; damit ist durch die Einführung des OWiG (im Vergleich zur früheren Rechtslage) zunächst eine erhebliche Entlastung der Gerichte eingetreten. Die gerichtliche Zuständigkeit ergibt sich erst in einem späteren Stadium, falls der Betroffene gegen den von der Verwaltungsbehörde erlassenen Bußgeldbescheid Einspruch einlegt.
3
Der weitaus größte Teil der Ordnungswidrigkeiten wird im Straßenverkehr begangen3. Hierbei spielen allerdings nicht nur Verstöße gegen die StVO bzw. das StVG eine gewichtige Rolle, sondern z.B. auch solche gegen das FPersG (Lenkzeitüberschreitung u.a.).
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Das OWiG selbst ist ein reines Verfahrensgesetz. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung, des JGG und des GVG entsprechend (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG).
II. Verfahren 1. Das Vorverfahren a) Anhörung 5
Die Einschaltung eines Verteidigers in Verkehrsordnungswidrigkeiten erfolgt häufig bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, nämlich dann, wenn dem Mandanten ein Anhörungsbogen zugeleitet wird, mit dem er aufgefordert wird, zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf Stellung zu nehmen sowie Angaben zur Person zu machen.
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Im Fall einer sog. Kennzeichenanzeige (Ermittlung des Halters über das Kfz-Kennzeichen) wird der Halter aufgefordert, anzugeben, wer – wenn nicht er – zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug geführt hat.
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Dem Mandanten ist zu raten, zunächst nur Angaben zur Person zu machen, keinesfalls jedoch schon zur Sache selbst, bevor durch den Verteidiger Akteneinsicht genommen werden konnte. Allenfalls in sehr einfach 1 Abgedruckt im Schönfelder unter Nr. 94. 2 BGBl. I, S. 481. 3 Laut Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 2, über 95 %!
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II. Verfahren
Rz. 11 Teil 10
gelagerten Fällen kann es geboten sein, zum Vorwurf Stellung zu nehmen, z.B. wenn das Fahrzeug, mit dem die Ordnungswidrigkeit begangen wurde, kurz zuvor veräußert, aber noch nicht umgemeldet worden war. b) Bußgeldbescheid und Einspruch Sind die Ermittlungen der Behörde abgeschlossen, wird ein Bußgeldbescheid erlassen1. Gegen diesen kann dann binnen zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden (schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat), vgl. § 67 OWiG. Die Einlegung des Einspruchs per Fax ist möglich und empfiehlt sich immer dann, wenn wegen großer Entfernung zwischen Wohnsitz des Betroffenen (bzw. Sitz des Anwalts) und Bußgeldbehörde und drohendem Fristablauf das Risiko der Postlaufzeit minimiert werden muss. Abweichend von der gesetzlichen Regelung (Schriftform) kann die Einlegung des Einspruchs auch telefonisch zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde erfolgen2.
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Für die Fristberechnung gelten über § 46 Abs. 1 OWiG die §§ 42, 43 StPO entsprechend. Der die Frist in Gang setzende Zustellungstag zählt mit.
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Beispiel: Zustellung an einem Montag bedeutet Fristablauf am übernächsten Montag 24.00 Uhr.
Ausnahme: Zustellung an einem Samstag (oder Sonn- und Feiertag) heißt Fristablauf um 24.00 Uhr des darauf folgenden Werktages, vgl. § 43 Abs. 2 StPO. Einspruchsberechtigt sind neben dem Betroffenen und seinem Verteidiger auch der gesetzliche Vertreter des Betroffenen sowie im Verfahren gegen Jugendliche der Erziehungsberechtigte. Selbstverständlich kann der Betroffene auch andere Personen bevollmächtigen, für ihn Einspruch einzulegen, z.B. einen Zustellungsbevollmächtigten. Die Bevollmächtigung kann auch nach Fristablauf nachgewiesen werden.
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Der Einspruch muss nicht begründet werden, in aller Regel empfiehlt sich jedoch eine Stellungnahme, mit der z.B. die Einstellung des Verfahrens oder aber eine Reduzierung der Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze angeregt wird. Auch wenn die Bußgeldbehörde zumeist derartigen Anregungen nicht folgt, sind jedenfalls die später mit der Angelegenheit befassten Richter über das Verteidigungsziel informiert, so dass sich
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1 Zu den formellen Voraussetzungen, insbesondere den Anforderungen an den Inhalt des Bescheides vgl. Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 35 f. 2 Vgl. BGH v. 20. 12. 1979 – 1 StR 164/79, BGHSt 29, 173.
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Teil 10
Rz. 12
Bußgeldverfahren
möglicherweise die Hauptverhandlung durch einen zuvor mit der Verteidigung abgestimmten Beschluss gem. § 72 OWiG vermeiden lässt. 12
Mit der seit dem 1. 3. 1998 geltenden Neuregelung des § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auch nicht nur auf einzelne Taten, sondern auch auf bestimmte Punkte beschränkt werden. Damit besteht die Möglichkeit, die Höhe der Geldbuße oder aber die Verhängung eines Fahrverbotes isoliert anzufechten1. Von einer derartigen Beschränkung des Einspruchs sollte jedoch nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, da sowohl bei der Bemessung der Geldbuße als auch bei der Verhängung des Fahrverbotes alle Umstände der Tat berücksichtigt werden müssen; durch die Aufsplittung mittels eines beschränkten Einspruchs mit der Folge einer teilweisen Rechtskraft des Bescheides kann dann häufig keine angemessene Ahndung mehr erfolgen. c) Verjährung aa) Verjährungsfristen
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Gemäß § 26 Abs. 3 StVG gilt bei Verkehrssachen eine Verjährung von drei Monaten, nach Erlass des Bußgeldbescheides oder Erhebung der öffentlichen Klage gilt eine Verjährung von sechs Monaten.
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Bei Verstößen gegen die 0,5 %-Grenze beträgt die Verjährung nach der Anhebung der Bußgeldsätze zum 1. 1. 2009 jetzt zwei Jahre (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG, da gemäß § 24a Abs. 4 StVG nun eine maximale Geldbußandrohung von 3000 Euro besteht). Hinsichtlich der Verjährungsunterbrechung ist hier zu beachten, dass diese auch durch Unterbrechungshandlungen erfolgt, die sich auf eine Straftat nach § 316 StGB beziehen2. bb) Fristberechnung
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Die Verjährung beginnt mit Beendigung der Handlung (vgl. § 31 Abs. 3 S. 1 OWiG), also bei Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale. Erfordert der Tatbestand den Eintritt eines Erfolges, beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (vgl. § 31 Abs. 3 S. 2 OWiG). Liegt ein sog. Dauerdelikt vor, z.B. unzulässiges Parken über einen längeren Zeitraum oder Überschreitung des Termins zur Abgassonderuntersuchung (ASU), beginnt die Verjährung erst mit der Beendigung des ordnungswidrigen Zustandes3. 1 Vgl. BayObLG v. 22. 9. 1998 – 2 ObOWi 450/98, NZV 1999, 51 = DAR 1999, 34; OLG Rostock v. 16. 8. 2001 – 2 Ss (OWi) 158/01 I 110/01, NZV 2002, 137, 138. 2 KG, Beschl. v. 6. 2. 2002 – (3) 1 Ss 392/01 (11/02); KG Beschl. v. 20. 2. 2002 – (3) 1 Ss 32/02 (20/02). 3 Vgl. OLG Stuttgart v. 5. 4. 1978 – 3 Ss (8) 1043/77, NJW 1978, 2209; OLG Düsseldorf v. 15. 10. 1987 – 5 Ss (OWi) 340/87 – 257/87 I, VRS 74, 204, 206.
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Rz. 21 Teil 10
II. Verfahren
Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Ordnungswidrigkeit beendet ist. Sie endet mit dem Tag, der im Kalender dem Tag des Fristablaufs vorangeht. Dies gilt auch dann, wenn der letzte Tag der Frist ein Sonn- oder Feiertag ist, § 43 Abs. 2 StPO gilt also nicht entsprechend.
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Beispiel:
Verkehrsordnungswidrigkeit begangen am
15. 6.
Verjährungsfristende (ohne Unterbrechung)
14. 9. 24.00 Uhr
Verjährung eingetreten
15. 9. 00.00 Uhr
cc) Unterbrechung der Verjährung In § 33 OWiG sind – abschließend – mehrere Unterbrechungstatbestände geregelt; nach jeder Unterbrechungshandlung beginnt die Verjährungsfrist erneut zu laufen (vgl. § 33 Abs. 3 S. 1 OWiG). Unterbrechungshandlungen können allerdings nicht beliebig oft erfolgen, denn gemäß § 33 Abs. 3 S. 2 OWiG ist spätestens dann Verfolgungsverjährung eingetreten, wenn seit dem in § 31 Abs. 3 OWiG bezeichneten Zeitpunkt (Beendigung der Handlung bzw. Eintritt des Erfolges) das Doppelte der Verjährungsfrist, mindestens jedoch zwei Jahre verstrichen sind.
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Wichtig daher: Bei länger zurückliegenden Ordnungswidrigkeiten sollte die Verteidigung immer sorgfältig prüfen, ob nicht zwischenzeitlich Verjährung eingetreten ist mit der Folge, dass die Tat nicht mehr verfolgt werden kann und das Verfahren einzustellen ist.
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(1) Die Verjährung kann (jedoch nur einmal!)1 durch eine Maßnahme gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen werden, und zwar durch
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– die erste Vernehmung des Betroffenen (z.B. durch Polizeibeamte unmittelbar vor Ort2 durch die Erklärung gegenüber dem Betroffenen, dass Anzeige erstattet wird und er Gelegenheit zur Äußerung hat);
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– die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist (z.B. durch Übersendung der Ermittlungsakte an den Verteidiger zur Einsichtnahme für den Betroffenen)3;
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1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 1. 2. 1999 – 2 Ss (Owi) 14/99 – (Owi) 4/99 II, DAR 1999, 175 = NZV 1999, 348; OLG Köln v. 7. 4. 1987 – Ss 14/87, VRS 73, 140f = NJW 1987, 2386; OLG Brandenburg v. 14. 2. 2007 – 2 Ss (OWi) 22 B/07, VA 2007, 86; OLG Frankfurt a.M. v. 3. 2. 1999 – 2 Ws (B) 20/99 OwiG, DAR 2000, 276: Maßgeblich ist die erste Unterbrechung! 2 Vgl. OLG Hamm v. 7. 9. 1983 – 3 Ss OWi 947/83, NJW 1984, 1471. 3 Vgl. OLG Hamm v. 16. 4. 2001 – 2 Ss OWi 196/01, DAR 2001, 375 = NStZ-RR 2001, 275; OLG Dresden v. 10. 5. 2005 – SS (OWi) 886/04, NStZ-RR 2005, 242; Burhoff, VRR 2005, 195.
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Teil 10 22
Rz. 22
Bußgeldverfahren
– die Anordnung bzw. Bekanntgabe der ersten Vernehmung des Betroffenen. Eine der häufigsten Unterbrechungshandlungen dieser Art ist die Versendung des Anhörungsbogens. Entscheidend für die Frage der Verjährungsunterbrechung ist dabei die Anordnung der Versendung durch den Beamten (in der Akte durch Unterschrift oder Handzeichen vermerkt)1; ob der Anhörungsbogen den Betroffenen auch tatsächlich erreicht, spielt keine Rolle.
! Hinweis: 23
Wird der Anhörungsbogen z.B. wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung an den Halter des Fahrzeuges übersandt, so unterbricht diese Handlung nicht die Verjährung gegenüber dem tatsächlichen Fahrer (§ 33 Abs. 4 S. 1 OWiG); denn die Unterbrechungshandlung muss sich, um die tatsächliche Unterbrechungswirkung zu entfalten, an einen nach den Akten individualisierbaren bestimmten Täter (Fahrzeugführer!) richten2. Dies gilt auch für den Fall, dass der mit dem Anhörungsbogen angeschriebene Halter gleichzeitig der Fahrer war. Die Verjährung wird durch Versendung des Anhörungsbogens nur dann unterbrochen, wenn sich aus dem Anschreiben eindeutig ergibt, dass die Verfolgungsbehörde gegen den Adressaten als Betroffenen ermittelt3. Hat jedoch bei Versendung des Anhörungsbogens noch kein Abgleich des bei der Messung gefertigten Lichtbildes vom Fahrzeugführer mit dem bei der Meldebehörde hinterlegten Lichtbild im Personalausweis des Betroffenen stattgefunden, ist der Halter als Fahrer noch nicht identifiziert, der Fahrer also noch nicht individualisierbar4. Eine bestimmte Form ist für die Bekanntgabe nicht erforderlich. Wird dem Betroffenen der Verkehrsverstoß vor Ort vorgehalten, so ist dies für die Bekanntgabe ausreichend mit der Folge, dass die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen wird5. Auf die Versendung des Anhörungsbogens kommt es dann nicht mehr an6. 1 Vgl. BayObLG v. 2. 9. 1981 – 1 ObOWi 163/81, DAR 1982, 261; OLG Köln v. 26. 6. 1992 – Ss 247/92, MDR 1992, 1177; AG Göttingen v. 28. 1. 1999 – 34 OWi 803/98, DAR 1999, 182; OLG Dresden v. 10. 5. 2005 – SS (OWi) 886/04, NStZ-RR 2005, 242; OLG Zweibrücken v. 4. 5. 2001 – 1 Ss 80/01, DAR 2002, 89; OLG Dresden v. 27. 4. 2004 - Ss (OWi) 128/04, DAR 2004, 534. 2 Vgl. OLG Hamm v. 2. 11. 1978 – 5 Ss OWi 2708/87, DAR 1979, 310; OLG Hamburg v. 22. 1. 1999 – 2 Ss 175/98 OWi, DAR 1999, 176 m.w.N. 3 Vgl. OLG Hamburg v. 9. 10. 1998 – 2 Ss 141/98 OWi, DAR 1999, 39; OLG Hamburg v. 22. 1. 1999 – 2 Ss 175/98 OWi, DAR 1999, 176; OLG Hamm v. 9. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1105/99, DAR 2000, 81; OLG Hamm v. 16. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1034/99, DAR 2000, 82; OLG Hamm v. 4. 2. 2000 – 2 Ss OWi 38/2000, DAR 2000, 324; AG Ahrensburg v. 26. 1. 2004 – 52 Owi 760 Js-Owi 22964/03, zfs 2004, 336; OLG Brandenburg v. 14. 2. 2007 – 2 Ss (Owi) 22 B/07, VA 2007, 86 = VRS 112 (2007), 278. 4 Vgl. OLG Hamburg v. 9. 10. 1998 – II – 148/98 = 2 Ss 141/98 OWi, NStZ-RR 1999, 20; OLG Hamburg v. 22. 1. 1999 – 2 Ss 175/98 OWi, DAR 1999, 176. 5 OLG Hamm v. 23. 12. 2004 – 2 Ss OWi 639/04, VRR 2005, 36, 37 mit Anm. Lange. 6 BGH v. 30. 6. 2004 – 1 StR 525/03, StraFo 2004, 359.
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II. Verfahren
Rz. 27 Teil 10
Da dies für den Mandanten günstig sein kann, hat die Verteidigung hierauf besonders zu achten. (2) Jede richterliche Vernehmung des Betroffenen oder eines Zeugen oder die Anordnung dieser Vernehmung unterbricht die Verjährung (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Die Unterbrechungsmöglichkeiten stehen alternativ nebeneinander, so dass die Verjährung entweder durch die Vernehmung oder durch die vorangegangene Anordnung unterbrochen wird.
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Des Weiteren sind in § 33 Abs. 1 OWiG folgende Unterbrechungshandlungen aufgeführt: (3) Jede Beauftragung eines Sachverständigen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter, wenn vorher der Betroffene vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG). Ein Sachverständiger gilt dann als beauftragt, wenn angeordnet wird, einen bestimmten Sachverständigen zu einem bestimmten Beweisthema heranzuziehen. Ob die Beauftragung tatsächlich erforderlich oder verfahrensfördernd ist, kann dahingestellt bleiben; diesem Umstand kommt keine Bedeutung zu, es sei denn, es wird nur eine förmliche Anordnung getroffen (zwecks Verjährungsunterbrechung) und sogleich wieder aufgehoben1.
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(4) Jede Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 OWiG). Unterbrechende Wirkung kommt nur der Anordnung zu, nicht jedoch der Durchführung der Beschlagnahme oder Durchsuchung2. Die Verjährung wird des Weiteren unterbrochen durch jede richterliche Bestätigung einer Beschlagnahmeoder Durchsuchungsanordnung, z.B. im Rechtsbehelfsverfahren.
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(5) Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter sowie jede Anordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Ermittlung des Aufenthaltes des Betroffenen (z.B. Anfrage beim Einwohnermeldeamt) oder zur Sicherung von Beweisen (z.B. Zeugenvernehmung durch die Polizei) ergeht. Vertagt das Gericht auf unbestimmte Zeit, so liegt hierin noch keine vorläufige Einstellung i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG3. Da ein verschuldeter Fehler der Verwaltungsbehörde dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereicht werden kann, unterbricht die vorläufige Einstellung des Verfahrens die Verjährung nicht, wenn beispielsweise die zutreffende Adresse des Betroffenen in der Akte übersehen wird4. Al-
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Vgl. Göhler, § 33 OWiG Rz. 25. Vgl. Göhler, § 33 OWiG Rz. 26. Vgl. OLG Köln v. 10. 4. 1979 – 1 Ss 267/79, VRS 57, 432. OLG Hamm v. 16. 12. 2004 – 2 Ss OWi 479/04, zfs 2005, 364.
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Teil 10
Rz. 28
Bußgeldverfahren
lerdings betrifft dies nur Fehler der Verwaltungsbehörde selbst. Daher sind etwa Fehler der die Adresse aufnehmenden Polizei der Verwaltungsbehörde nicht zurechenbar1. 28
(6) Jedes Ersuchen der Verfolgungsbehörde oder des Richters, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen (§ 33 Abs. 1 Nr. 6 OWiG), z.B. Rechts- oder Amtshilfeersuchen zur Vernehmung eines Zeugen oder des Betroffenen.
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(7) Die gesetzlich bestimmte Anhörung einer anderen Behörde durch die Verfolgungsbehörde vor Abschluss der Ermittlungen (§ 33 Abs. 1 Nr. 7 OWiG), z.B. Anhörung der Rechtsanwalts- oder Steuerberaterkammer nach § 411 AO.
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(8) Die Abgabe der Sache durch die Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde nach § 43 OWiG (§ 33 Abs. 1 Nr. 8 OWiG). Klassischer Fall für die Abgabe der Sache von der Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde ist die Einstellung des Strafverfahrens wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung bei gleichzeitigem Vorliegen von Anhaltspunkten, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, z.B. eine Vorfahrtsverletzung.
31
(9) Der Bußgeldbescheid2 (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die verjährungsunterbrechende Wirkung ist die Unterzeichnung (also der Erlass) des Bußgeldbescheides. Bei EDV-erstellten Bußgeldbescheiden kommt es auf das Datum des Ausdrucks an (Ausnahme: bei Dateneingabe durch den Sachbearbeiter selbst, also nicht durch eine Schreibkraft, gilt der Bußgeldbescheid bereits zu diesem Zeitpunkt als erlassen, nicht erst mit dem Ausdruck)3.
32
Der Erlass des Bußgeldbescheides wirkt jedoch nur dann verjährungsunterbrechend, wenn er binnen zwei Wochen ab Unterzeichnung zugestellt wird. Bei späterer Zustellung ist dieser Zeitpunkt dann maßgeblich für die Unterbrechungswirkung4.
! Hinweis: 33
Der Bußgeldbescheid hat nicht nur verjährungsunterbrechende Wirkung, gemäß § 26 Abs. 3 StVG wird die Verjährungsfrist auf 6 Monate verlängert5! 1 OLG Hamm, VA 2007, 185. 2 Vgl. Burhoff, VA 2001, 116. 3 Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 21. 1. 1991 – 2 Ws (B) 30/91 OWi, zfs 1991, 322; OLG Frankfurt a.M. v. 15. 4. 1981 – 1 Ws (B) 81/81 OWi, VRS 61, 370. 4 OLG Hamm v. 5. 6. 2003 - 3 Ss OWi 398/03, VA 2003, 169. 5 Vgl. BGH v. 28. 10. 1999 – 4 StR 453/99, DAR 2000, 74: Die Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate wird mit Erlass des Bußgeldbescheides wirksam, sofern dieser binnen zwei Wochen zugestellt wird, andernfalls ist der Zeitpunkt der Zustellung maßgeblich.
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II. Verfahren
Rz. 39 Teil 10
(10) Die Vorlage der Akten an den Richter (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Eingang der Akten bei Gericht, nicht die auf Vorlage gerichtete Verfügung durch die Staatsanwaltschaft1.
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(11) Jede Anberaumung einer Hauptverhandlung (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG). Wird in der Hauptverhandlung der Betroffene zur Sache oder ein Zeuge vernommen, so liegt hierin eine erneute Verjährungsunterbrechung, es sei denn, der Betroffene ist in der Hauptverhandlung nur informatorisch befragt worden. Erklärt das Gericht in der Hauptverhandlung, es werde einen neuen Termin von Amts wegen bestimmen, so kommt dem keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu2.
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(12) Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG der Hinweis auf die Möglichkeit, im Beschlussverfahren, also ohne Hauptverhandlung zu entscheiden (§ 72 Abs. 1 S. 1 OWiG). Hier besteht eine Parallele zu § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG, da dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt wird. Diese Unterbrechungsmöglichkeit besteht jedoch nur einmal. Hat allerdings die Verteidigung zuvor z.B. schriftsätzlich beantragt, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, kommt einer Terminsaufhebung und der Entscheidung, das schriftliche Verfahren durchzuführen, keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu3.
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(13) Die Erhebung der öffentlichen Klage (§ 33 Abs. 1 Nr. 13 OWiG). Relevant wird diese Form der Unterbrechungsmöglichkeit z.B. dann, wenn die Staatsanwaltschaft wegen einer Straftat Anklage erhoben oder den Erlass eines Strafbefehls beantragt hatte, im gerichtlichen Verfahren sich aber herausstellt, dass lediglich eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die verjährungsunterbrechende Wirkung ist der Eingang der Anklage bzw. des Strafbefehlsantrages bei Gericht4.
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(14) Die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 33 Abs. 1 Nr. 14 OWiG). Entscheidend ist die Unterzeichnung des wirksamen Eröffnungsbeschlusses.
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(15) Der Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung (§ 33 Abs. 1 Nr. 15 OWiG). Auch hier kommt es auf die Unterzeichnung an.
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1 Vgl. OLG Hamm v. 10. 11. 1978 – 2 Ss OWi 2528/78, VRS 57, 47; OLG Düsseldorf v. 13. 6. 1995 – 5 Ss (OWi) 207/95 – (OWi) 77/95, zfs 1995, 316 = MDR 1995, 1162. 2 Vgl. OLG Koblenz v. 27. 2. 1984 – 1 Ss 70/84, VRS 67, 52; OLG Jena v. 16. 4. 1998 – 1 Ss 52/98, zfs 1998, 277. 3 Vgl. BayObLG v. 15. 6. 1986 – 1 ObOWi 88/86, NStZ 1987, 58. 4 Vgl. OLG Karlsruhe v. 27. 12. 1978 – 1 Ss 334/78, VRS 57, 114; BayObLG v. 12. 1. 1984 RReg 1 St 179/83, VRS 66, 288; BayObLG v. 16. 12. 1970 – 2 Ws (B) 131/70, NJW 1971, 854.
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Teil 10
Rz. 40
Bußgeldverfahren
dd) Ruhen der Verjährung 40
Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 OWiG ruht die Verjährung, solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Der Ablauf der Verfolgungsverjährung wird zeitlich gehemmt, die Zeit während des Ruhens wird also bei der Berechnung der Verjährungsfrist nicht mitgerechnet. Nicht verfolgt werden kann die Tat z.B. beim Fehlen einer inländischen Zuständigkeit, bei der Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 GG oder bei dem Verbot einer nochmaligen Verfolgung (ne bis in idem, Art.103 Abs. 2 GG). ee) Folgen der Verjährung
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Es entsteht ein prozessuales Verfahrenshindernis1 mit der Folge, dass das Verfahren einzustellen ist. Die Einstellung erfolgt in der Regel auf Kosten der Staatskasse mit Ausnahme der notwendigen Auslagen des Betroffenen2, die dieser selbst tragen muss. d) Kostentragungspflicht des Halters
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Gemäß § 25a StVG können in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes dem Halter des Fahrzeuges die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn der Führer des Fahrzeuges, der den Verstoß begangen hat, vor Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht ermittelt werden kann oder aber seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.
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Sofern der Fahrzeugführer nicht an Ort und Stelle angetroffen wird, übersendet die Verwaltungsbehörde in der Regel einen Anhörungsbogen an den Halter mit der Aufforderung, den Fahrer zur Tatzeit zu benennen. Reagiert der Halter auf den Anhörungsbogen nicht, so sind nach der Rechtsprechung von der Verwaltungsbehörde keine weiteren Aktivitäten zur Ermittlung des Fahrers zu verlangen3. Ob den Halter auch der Anhörungsbogen erreicht, ist unerheblich; die Behörde ist nur dann verpflichtet, erneut einen Bogen zu übersenden, wenn die zunächst erfolgte Sendung als unzustellbar zurückkommt4. Macht der Halter dagegen Angaben, hängt es von deren Inhalt ab, inwieweit der Behörde weitere Ermittlungen zuzumuten sind. Wird z.B. eine im Ausland lebende Person als 1 2 3 4
Vgl. BGH v. 22. 4. 1952 – 1 StR 622/51, BGHSt 2, 300, 307. Hierzu zählt insbesondere auch das Verteidigerhonorar! Vgl. AG Lörrach v. 20. 12. 1989 – 34 OWi 231/89, NZV 1991, 285. Vgl. AG Friedberg v. 12. 7. 1999 – 44a OWi 14/99, Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV 2/1999, 106; Hess. VGH v. 22. 3. 2005 – 2 UE 582/04, VRR 2005, 237 f.
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II. Verfahren
Rz. 47 Teil 10
Fahrer benannt, muss die Verwaltungsbehörde zwar geeignete und zumutbare Möglichkeiten der Überprüfung nutzen, sie ist jedoch nicht verpflichtet, dem Hinweis des Halters unter Einschaltung internationaler Rechtshilfe nachzugehen1. Kann die Behörde innerhalb der Verjährungsfrist den tatsächlichen Fahrer nicht ermitteln, stellt sie das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Gleichzeitig mit dieser Entscheidung ergeht dann gemäß § 25a Abs. 1 S. 1 StVG die Kostenentscheidung zu Lasten des Halters. § 25a Abs. 2 2. HS StVG sieht zwar vor, dass der Halter vor dieser Entscheidung zu hören ist; dieses Erfordernis wird von vielen Behörden dadurch umgangen, dass ein entsprechender Hinweis auf die etwaige Kostentragungspflicht bereits im Bußgeldbescheid (hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit) bzw. im Anhörungsbogen aufgenommen wird2.
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Gegen die Kostenentscheidung nach § 25a StVG kann binnen zwei Wochen nach Zustellung Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (vgl. § 25a Abs. 3 S. 1 StVG). Über § 25a Abs. 3 S. 2 StVG ist § 62 Abs. 2 OWiG entsprechend anwendbar mit der Folge, dass für die gerichtliche Entscheidung dasjenige Gericht zuständig ist, das im Falle eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid wegen der Ordnungswidrigkeit zu entscheiden hätte (§ 68 OWiG). Gemäß § 25a Abs. 3 S. 3 StVG ist die Entscheidung des Gerichts nicht anfechtbar.
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2. Zwischenverfahren Sofern der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht fristgerecht, nicht in der vorgeschriebenen Form oder aus sonstigen Gründen nicht wirksam eingelegt worden ist, wird er von der Verwaltungsbehörde als unzulässig verworfen (vgl. § 69 Abs. 1 S. 1 OWiG). Gegen diesen Bescheid kann dann gemäß § 62 OWiG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (vgl. § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG).
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Bei zulässigem Einspruch prüft die Verwaltungsbehörde, ob sie den Bußgeldbescheid aufrecht erhält oder zurücknimmt (§ 69 Abs. 2 S. 1 OWiG). Sie kann weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen auffordern, binnen einer bestimmten Frist sich dazu zu äußern, ob er weitere Beweismittel oder Tatsachen zu seiner Entlastung vorbringen will (§ 69 Abs. 2 S. 2 und 3 OWiG).
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1 Vgl. BVerfG v. 1. 6. 1989 – 2 BvR 239/88, NZV 1989, 398, 399 = NJW 1989, 2679 = BVerfGE 80, 109. 2 Kritisch hierzu Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25a StVG Rz. 12.
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Teil 10 48
Rz. 48
Bußgeldverfahren
Wird der Bußgeldbescheid auch nach eventuellen weiteren Ermittlungen nicht zurückgenommen, so übersendet die Behörde die Akten an die Staatsanwaltschaft, § 69 Abs. 3 S. 1 OWiG. Vor Übersendung der Akten muss einem etwaigen Akteneinsichtsantrag durch die Verteidigung entsprochen werden, § 69 Abs. 3 S. 2 OWiG.
! Hinweis: 49
Bereits im Rahmen der Verteidigerbestellung (z.B. auf den Anhörungsbogen hin) sollte der Verteidiger daher einen entsprechenden Antrag stellen, der z.B. wie folgt lauten könnte: „Bereits jetzt bitte ich um nochmalige Akteneinsicht vor Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft (§ 69 Abs. 3 OWiG)“1.
Der Sinn dieser erneuten Akteneinsicht vor Übersendung liegt darin, dass die Verteidigung so auf dem neuesten Informationsstand bleibt. Möglicherweise hat die Behörde nach Einlegung des Einspruchs weitere Ermittlungen angestellt (§ 69 Abs. 2 S. 2 OWiG). Sehr unangenehm kann es dann werden, wenn die Verteidigung erst im Rahmen der Hauptverhandlung hiermit konfrontiert wird, ohne dass sie sich zuvor darauf einstellen konnte. 50
Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, an die die Akten übersandt werden, richtet sich nach der Zuständigkeit des Amtsgerichts (vgl. § 68 OWiG: „Bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat.“)
51
Mit der Änderung des § 69 OWiG ist die Staatsanwaltschaft weitgehend aus dem Zwischenverfahren herausgenommen worden. Musste sie nach alter Rechtslage noch prüfen, ob hinreichender Tatverdacht vorliegt oder aber weitere Ermittlungen anzustellen sind, obliegt diese Prüfung nunmehr dem Amtsgericht. Die bisherige Kontrollaufgabe der Staatsanwaltschaft ist damit entfallen.
3. Hauptverfahren a) Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) 52
Das Beschlussverfahren nach § 72 OWiG ist eine Besonderheit des Ordnungswidrigkeitenrechts. Es dient der Entlastung der Gerichte; denn der Richter kann im Beschlusswege, also im schriftlichen Verfahren entscheiden, wenn er eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält und sowohl Staatsanwaltschaft als auch der Betroffene nicht widersprechen (§ 72 Abs. 1 S. 1 OWiG).
1 So bei Himmelreich/Bücken, Musterschriftsätze Verkehrsrecht, Rz. 10.
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II. Verfahren
Rz. 56 Teil 10
Voraussetzung ist, dass ein hinreichend geklärter Sachverhalt vorliegt, z.B. der Beschuldigte den Vorwurf einräumt und aufgrund bestimmter Umstände eine Reduzierung der Geldbuße in Betracht kommt, oder wenn vom Gericht lediglich eine Rechtsfrage zu entscheiden ist1.
53
Aus Verteidigersicht kann es daher im Einzelfall durchaus angezeigt sein, eine Entscheidung im Beschlussverfahren anzustreben, ggf. sollte bereits in einem Einlassungsschriftsatz eine derartige Verfahrensweise angeregt werden.
54
Beispiel: Dem in München wohnenden Mandanten wird vorgeworfen, in Hamburg eine Vorfahrtverletzung begangen und einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben. Die Verwaltungsbehörde hat eine Geldbuße von 60 Euro festgesetzt, hierfür würden im Verkehrszentralregister drei Punkte eingetragen. Die Sachlage ist eindeutig, die hinter dem Mandanten stehende Haftpflichtversicherung hat den Schaden des Unfallgegners voll reguliert. Ein Mitverschulden des Unfallgegners kann nicht ausgeschlossen werden, z.B. wegen der Möglichkeit überhöhter Geschwindigkeit. Falls der Mandant bislang noch nicht verkehrsrechtlich negativ in Erscheinung getreten ist, bestehen gute Aussichten, dass das Gericht damit einverstanden sein könnte, die Geldbuße auf einen Betrag unterhalb der Eintragungsgrenze, also z.B. 35 Euro zu reduzieren oder sogar das Verfahren einzustellen. Viele Richter sind bereit, auf entsprechende Anregung der Verteidigung im Beschlusswege so zu verfahren, schließlich wird dadurch die aufwendige Vorbereitung des Termins sowie die Durchführung der Hauptverhandlung selbst vermieden. Dem Mandanten, dem es ohnehin oftmals nur darauf ankommt, die Eintragung von Punkten zu vermeiden, erspart man so einen zeitund kostenintensiven Hauptverhandlungstermin.
! Hinweis: Wenn die Verteidigung ein bestimmtes Ziel anstrebt, z.B. Reduzierung der Geldbuße oder Fortfall des Fahrverbotes, sollte bei der Anregung, im Beschlussverfahren zu entscheiden, gleichzeitig darauf hingewiesen werden, dass die Zustimmung zur Entscheidung per Beschluss nur für den Fall gilt, dass auch tatsächlich so entschieden wird, wie vom Verteidiger vorgeschlagen2. Will das Gericht dann anders entscheiden, darf es dies jedenfalls nicht im Beschlussverfahren (Ausnahme: Freispruch, vgl. § 72 Abs. 1 S. 3 OWiG).
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Nach § 72 Abs. 6 OWiG kann im Beschlussverfahren von einer Begründung der Entscheidung abgesehen werden, wenn die Verfahrensbeteiligten auf eine Begründung verzichten.
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1 Vgl. BGH v. 12. 11. 1970 – 1 StR 263/70, BGHSt 24, 15, 20. 2 Zum sog. bedingten Einverständnis vgl. OLG Düsseldorf v. 1. 12. 1994 – 5 Ss OWi 431/94 – OWi 197/94 I, NZV 1995, 204; Göhler, § 72 OWiG Rz. 22 m.w.N.
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Teil 10
Rz. 57
Bußgeldverfahren
b) Hauptverhandlung aa) Persönliches Erscheinen des Betroffenen 57
Seit der Neuregelung des § 73 OWiG zum 1. 3. 1998 ist der Betroffene – im Gegensatz zur vorherigen gesetzlichen Regelung – zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet (§ 73 Abs. 1 OWiG), auch wenn er anwaltlich vertreten wird. Auf Antrag kann der Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden; die Entbindung ist möglich, wenn sich der Betroffene zur Sache schon geäußert oder aber erklärt hat, dass er in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen wird und wenn nach Auffassung des Gerichts die Anwesenheit des Betroffenen im Termin zum Zwecke der Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist1.
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Bei großer räumlicher Entfernung zwischen Wohnort des Mandanten und Gerichtsort konnte vor der Neuregelung des § 73 OWiG beantragt werden, den Betroffenen durch einen ersuchten Richter, also den für den Wohnort des Betroffenen zuständigen Richter, vernehmen zu lassen. Dadurch wurden dem Mandanten die mit einer Anreise zur Hauptverhandlung oftmals verbundenen Unannehmlichkeiten erspart. Allerdings ist nach der Neuregelung des § 73 OWiG hierfür wohl kein Raum mehr2. Das OLG Celle hingegen ist der Auffassung, dass in Hinblick auf die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nach wie vor die Möglichkeit besteht, den Betroffenen vor dem ersuchten Richter vernehmen zu lassen3. Mit dem Beschluss des BGH vom 20. 1. 19994 dürfte dieser Streit obsolet sein: „Eine kommissarische Vernehmung des Betroffenen im gerichtlichen Bußgeldverfahren ist nach der Neufassung des Ordnungswidrigkeitengesetzes … vom 16. 1. 1998 … unzulässig“.
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Wird dem Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entsprochen, kann diese Entscheidung nicht isoliert angefochten werden, da es sich um eine prozessleitende Verfügung handelt5.
1 Vgl. zur Neuregelung Schneider, NZV 1999, 14; zu den Voraussetzungen für die Entbindung von der Anwesenheitspflicht vgl. auch OLG Zweibrücken v. 12. 10. 1999 – 1 Ss 195/99, DAR 2000, 86; OLG Hamm v. 5. 1. 2010 – (4) 6 SsOWi 958/09 (469), NZV 2010, 214. 2 So jedenfalls Katholnigg, NJW 1998, 568. 3 Vgl. OLG Celle v. 24. 9. 1998 – 1 ARs 42/98, NZV 1999, 97 = MDR 1999, 251 = zfs 1999, 83. 4 Vgl. BGH v. 20. 1. 1999 – 2 ARs 517/98, VRS 96, 287 = MDR 1999, 561 = DAR 1999, 321 = NJW 1999, 961. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 24. 2. 1995 – 1 Ws 149/95 und 5 Ss (OWi) 52/95 – (OWi) 27/95 I, DAR 1995, 259.
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II. Verfahren
Rz. 62 Teil 10
Die Überprüfung kann lediglich im Rahmen der Rechtsbeschwerde erreicht werden1. Ist der Betroffene entschuldigt dem Termin ferngeblieben, darf nicht verhandelt werden2, insbesondere dann nicht, wenn der anwesende Verteidiger erklärt, er werde ohne seinen Mandanten nicht verhandeln3.
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Bleibt der Betroffene trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung fern, muss das Gericht gemäß § 74 Abs. 1 und 2 OWiG den Einspruch durch Urteil verwerfen, auch wenn der Verteidiger anwesend ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Betroffene ordnungsgemäß geladen und eine entsprechende Belehrung über die Folgen des Ausbleibens erfolgt war. Gegen dieses Urteil kann dann für den Fall des unverschuldeten Versäumens des Hauptverhandlungstermins durch den Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, ggf. in Verbindung mit einer Rechtsbeschwerde bzw. einem entsprechenden Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Verteidigung kann allerdings auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung gemäß § 73 Abs. 2 OWiG beantragen, den Betrofffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden und dadurch versuchen, die Verwerfung des Einspruchs zu verhindern4.
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bb) Beweisaufnahme Ebenso wie im Strafverfahren gilt auch im OWi-Verfahren der Grundsatz der Amtsermittlung. Im Strafverfahren ist das Gericht verpflichtet, „zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“ (§ 244 Abs. 2 StPO). Dieser Grundsatz gilt im OWi-Verfahren allerdings nur sehr eingeschränkt und zwar mit der Maßgabe, dass das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme nach seinem pflichtgemäßen Ermessen bestimmen kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache (§ 77 Abs. 1 OWiG). Seit dem 1. 3. 1998 kann das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 OWiG nicht nur bei den geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, sondern generell jeden Beweisantrag als verspätet zurückweisen unter der Voraussetzung, dass es den Sachverhalt für geklärt erachtet und die Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptver1 Vgl. hierzu auch BayObLG v. 21. 10. 1998 – 1 Ob OWi 545/98, NStZ-RR 1999, 117 = NZV 1999, 139. 2 Vgl. OLG Düsseldorf v. 9. 11. 1981 – 5 Ss OWi 466/81–65/81V, VRS 62, 293; BayObLG v. 25. 6. 1987 – 1 ObOWi 110/87, NStZ 1988, 66; OLG Jena v. 1. 12. 2003 – 1 Ss 40/03, StraFo 2004, 176 = zfs 2004, 235; OLG Koblenz v. 2. 10. 2003 – 1 Ss 279/03, zfs 2004, 90. 3 Vgl. BayObLG v. 25. 6. 1975 – 1 ObOWi 136/75, VRS 50, 224. 4 Vgl. OLG Naumburg v. 17. 9. 2002 – 1 Ss (B) 251/01, zfs 2002, 595; OLG Brandenburg v. 28. 10. 2003 – 2 Ss OWi 148 Z/02. zfs 2004, 235.
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62
Teil 10
Rz. 63
Bußgeldverfahren
handlung (Unterbrechung länger als zehn Tage und damit Neubeginn der Hauptverhandlung) führen würde. Etwas anderes gilt dann, wenn lediglich eine Unterbrechung der Hauptverhandlung (d.h. Fortsetzung der Hauptverhandlung binnen zehn Tagen) in Betracht kommt; in derartigen Fällen darf der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. cc) Einstellung des Verfahrens 63
Als Parallele zur Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 StPO sieht das OWiG die Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach § 47 OWiG vor. Im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens kann die Verwaltungsbehörde das Verfahren gemäß § 47 Abs. 1 OWiG einstellen. Das Gericht stellt das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft durch Beschluss ein, wenn es eine Ahndung nicht für geboten hält1, § 47 Abs. 2 S. 1 OWiG; der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht bei Bußgeldern von bis zu 100 Euro und vorheriger Erklärung der Staatsanwaltschaft, sie werde an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen, vgl. § 47 Abs. 2 S. 2 OWiG.
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Da der Beschluss gemäß § 47 Abs. 2 S. 3 OWiG nicht anfechtbar ist, gibt es zur Frage der konkreten Anwendbarkeit dieser Vorschrift so gut wie keine Rechtsprechung2. In der Praxis erfolgt die Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG regelmäßig auf Kosten der Staatskasse, allerdings mit der Maßgabe, dass der Betroffene seine notwendigen Auslagen (und damit auch das Verteidigerhonorar) selbst trägt. Soweit eine Rechtsschutzversicherung für die Verteidigung Deckungszusage erteilt, verbleiben bei dem Mandanten in derartigen Fällen somit lediglich seine persönlichen Kosten (Fahrtkosten, Verdienstausfall etc.), da die Rechtsschutzversicherung das Verteidigerhonorar übernimmt. Besteht allerdings keine Rechtsschutzversicherung, lohnt es sich, für einen Freispruch oder aber jedenfalls dafür zu kämpfen, dass das Verfahren insgesamt (also einschließlich der Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen) auf Kosten der Staatskasse eingestellt wird. Die vom Gericht zu treffende Auslagenentscheidung richtet sich nach § 467 Abs. 1 und 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG, so dass die häufig vertretene Auffassung, eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG sei grundsätzlich mit einer Kostenbelastung des Betroffenen verbunden, so nicht richtig ist. Das Gegenteil ist der Fall: In § 467 Abs. 4 StPO ist geregelt, dass in den Fällen einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Einstellung das Gericht davon absehen kann, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen3. 1 Vgl. OLG Karlsruhe v. 29. 10. 2004 – 1 Ss 121/04, zfs 2005, 47, 48. 2 Es sei daher auf die ausführliche Kommentierung bei Göhler zu § 47 OWiG sowie den lesenswerten Aufsatz von Herde, DAR 1984, 134 verwiesen. 3 Weitere Einzelheiten zur Kostenentscheidung in den Fällen des § 47 Abs. 2 OWiG vgl. Herde, DAR 1984, 305.
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II. Verfahren
Rz. 68 Teil 10
dd) Urteil Grundsätzlich muss – wie im Strafverfahren – auch im OWi-Verfahren das Urteil schriftlich begründet werden. § 77b Abs. 1 OWiG sieht hiervon jedoch eine Ausnahme vor, wenn allseits auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder aber innerhalb der Frist ein Rechtsmittel nicht eingelegt wird. Seit dem 1. 3. 1998 gibt es einen weiteren Ausnahmetatbestand: Wenn der Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden und in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten war und die mit Urteil festgesetzte Geldbuße einen Betrag von 250 Euro nicht übersteigt, kann ebenfalls von der Begründung des Urteils abgesehen werden.
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c) Übergang zum Strafverfahren Das Gericht ist im Bußgeldverfahren nicht an die Beurteilung der Tat als Ordnungswidrigkeit gebunden, dies ergibt sich aus § 81 Abs. 1 S. 1 OWiG. Will es allerdings wegen einer Straftat verurteilen, muss der Betroffene zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen werden, des Weiteren hat ihm das Gericht Gelegenheit zur Verteidigung zu geben (§ 81 Abs. 1 S. 2 OWiG).
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Beispiel: Dem Betroffenen wird vorgeworfen, aufgrund einer Vorfahrtverletzung einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden verursacht zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte das zunächst eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) eingestellt, weil weder vom Verletzten ein Strafantrag gestellt worden war noch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht wurde. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass der als Zeuge geladene Verletzte zwar nach Einstellung des Strafverfahrens, aber noch innerhalb der Antragsfrist von 3 Monaten Strafantrag gestellt hatte. Das Gericht beabsichtigt daher, den Betroffenen wegen fahrlässiger Körperverletzung zu verurteilen.
! Hinweis: Nach ständiger Rechtsprechung soll nach Übergang in das Strafverfahren (der sich mit dem entsprechenden Hinweis des Gerichts vollzieht)1 keine Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid mehr möglich sein!2
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Auch hier zeigt sich die besondere Bedeutung einer erneuten Akteneinsicht. Kann – nach dem bisherigen Stand des Akteninhalts – nicht ausgeschlossen werden, dass innerhalb der dreimonatigen Frist noch Strafantrag gestellt worden ist, muss die Verteidigung spätestens unmittelbar
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1 Vgl. Göhler, § 81 OWiG Rz. 16. 2 Vgl. BGH v. 8. 7. 1980 – 5 StR 686/79, BGHSt 29, 305; BayObLG v. 23. 1. 1975 – RReg. 2 St 1/75, JR 1976, 209 m. Anm. Göhler; OLG Köln v. 15. 1. 2002 – Ss 456/01, NZV 2002, 419.
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Rz. 69
Bußgeldverfahren
vor der Hauptverhandlung um (formlose) Akteneinsicht bitten, um auch den Mandanten auf die Situation einstellen zu können. Andernfalls droht in der Hauptverhandlung eine „böse Überraschung“, wenn der Hinweis des Gerichts den Betroffenen und die Verteidigung unvorbereitet ereilt.
4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 69
Hauptanwendungsfall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist die Versäumung der Einspruchsfrist nach einem Bußgeldbescheid. Sie kann auch in Betracht kommen bei Versäumung der Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde sowie nach einem Urteil in einer Hauptverhandlung, in der der Betroffene nicht anwesend war, obwohl das Gericht das persönliche Erscheinen angeordnet hatte.
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gewährt, wenn jemand ohne eigenes Verschulden daran gehindert war, eine Frist einzuhalten (Legaldefinition des § 44 S. 1 StPO).
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Über § 52 Abs. 1 OWiG gelten die §§ 44 f. StPO entsprechend. Binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses, also z.B. Kenntniserlangung vom Bußgeldbescheid, ist der Antrag zu stellen und zwar bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat (§ 52 Abs. 2 OWiG).
! Hinweis: Innerhalb der gleichen Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO). Dies wird häufig vergessen! Es empfiehlt sich daher, sofort mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung im gleichen Schriftsatz auch das Rechtsmittel einzulegen.
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Formulierungsvorschlag:
An den Oberkreisdirektor … Az.: Betr.: Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen … Bußgeldbescheid vom … In obigem Ordnungswidrigkeitenverfahren bestelle ich mich als Verteidiger/-in für den Betroffenen. Auf mich lautende Vollmacht ist beigefügt. Mein Mandant war ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid vom … gehindert. Wegen Versäumung dieser Frist wird beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 1206
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II. Verfahren
Rz. 75 Teil 10
Gleichzeitig lege ich hiermit gegen den Bußgeldbescheid vom … Einspruch ein. Begründung: Zum Zeitpunkt der Niederlegung des Bußgeldbescheides befand sich mein Mandant auf einer dreiwöchigen Urlaubsreise, von der er erst vorgestern zurückkehrte. Als er gestern das niedergelegte Schriftstück abholte, war die Frist zur Einspruchseinlegung aber bereits abgelaufen. Mein Mandant war daher ohne eigenes Verschulden daran gehindert, innerhalb der Frist Einspruch einzulegen. Einen Anhörungsbogen hatte er zuvor nicht erhalten, so dass er auch nicht damit rechnen musste, dass ihm innerhalb des dreiwöchigen Urlaubs ein Bußgeldbescheid zugestellt würde. Zur Glaubhaftmachung ist das Flugticket beigefügt. Rechtsanwalt/Rechtsanwältin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nur dann gewährt, wenn der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass er ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Für die Frage des Verschuldens kommt es auf die dem Antragsteller zumutbare und mögliche Sorgfalt an1; schuldhaft handelt z.B., wer eine Frist vergisst oder seinen Verteidiger zu spät mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt2. Zur Glaubhaftmachung können Urkunden oder eidesstattliche Versicherungen Dritter vorgelegt werden; die eidesstattliche Versicherung des Betroffenen selbst ist kein geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages muss binnen der Frist erfolgen, Gründe können also nicht nachgeschoben werden. Lediglich die Glaubhaftmachung selbst, also Überreichen von Unterlagen, Urkunden etc. kann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
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5. Rechtsmittel: Die Rechtsbeschwerde Im Ordnungswidrigkeitenverfahren gibt es lediglich das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde (§ 79 OWiG). Sie ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig, diese sind abschließend in § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 OWiG aufgezählt. Die Hauptanwendungsfälle sind § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG (Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro und § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG (Anordnung einer Nebenfolge, i.d.R. Fahrverbot). Des Weiteren ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn sie auf den entsprechenden Antrag hin vom Beschwerdegericht zugelassen wird (vgl. § 80 OWiG). 1 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 44 StPO Rz. 11 f. 2 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 44 StPO Rz. 11 f. mit weiteren Beispielen.
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Teil 10 76
Rz. 76
Bußgeldverfahren
Formulierungsvorschlag:
Beschwerdeschrift An das Amtsgericht Betr.: Bußgeldsache gegen … Az.: … In obigem Bußgeldverfahren lege ich namens und in Vollmacht des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom … zum Aktenzeichen … Rechtsbeschwerde ein. Weitere Anträge und Begründung erfolgen mit gesondertem Schriftsatz nach Vorlage der schriftlichen Urteilsgründe. Rechtsanwalt/Rechtsanwältin 77
Formulierungsvorschlag:
Beschwerdebegründung An das Amtsgericht Betr.: Bußgeldsache gegen Az.: … In obigem Bußgeldverfahren begründe ich nunmehr die mit Schriftsatz vom … eingelegte Rechtsbeschwerde sowie den Antrag auf Zulassung. I. Zulassungsantrag1 … II. Rechtsbeschwerde: 1. Beschwerdeantrag Es wird beantragt, – das Urteil des AG … vom …, Az.: …, aufzuheben; – den Betroffenen freizusprechen, hilfsweise die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen; – das Verfahren einzustellen; – von der Verhängung des Fahrverbotes abzusehen, hilfsweise unter Erhöhung der Geldbuße; 1 Sehr ausführlicher Formulierungsvorschlag in: Himmelreich/Bücken, Musterschriftsätze Verkehrsrecht, Rz. 2760; Checkliste bei: Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 578.
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II. Verfahren
Rz. 81 Teil 10
– die Geldbuße auf einen Betrag unterhalb der Eintragungsgrenze zu ermäßigen. 2. Begründung Es wird die Verletzung sachlichen/formellen Rechts gerügt. … Rechtsanwalt/Rechtsanwältin Systematisch entspricht die Rechtsbeschwerde dem Rechtsmittel der Revision im Strafverfahren; gemäß § 79 Abs. 3 OWiG sind die Vorschriften der StPO und des GVG über die Revision anzuwenden, sofern nichts anderes bestimmt ist. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Woche nach Urteilsverkündung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll. Bei einem Beschluss gemäß § 72 OWiG oder einem Urteil, das in Abwesenheit des Betroffenen verkündet wurde, beginnt die Wochenfrist mit Zustellung (vgl. § 79 Abs. 4 OWiG).
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Wie im Revisionsverfahren sind die Beschwerdeanträge sowie deren Begründung binnen eines Monats nach Ablauf der Rechtsmittelfrist anzubringen. Sollte das Urteil bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellt sein, beginnt die Frist mit der Zustellung (§ 345 Abs. 1 StPO). Eine Begründung der Rechtsbeschwerde ist zwingend erforderlich, dies ergibt sich aus § 344 StPO. Die Rechtsbeschwerde kann sich auf die Sachrüge und/oder die Verfahrensrüge stützen (§ 344 Abs. 2 StPO). Im Falle der Verfahrensrüge hat die Begründung so umfangreich zu erfolgen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand des Begründungsschriftsatzes das Vorliegen eines Verfahrensfehlers prüfen kann, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft1.
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Gemäß § 80a OWiG ist die Entscheidung über Rechtsbeschwerden grundsätzlich dem Einzelrichter übertragen, wenn es um die Zulassung der Rechtsbeschwerde oder eine Geldbuße oder Nebenfolge vermögensrechtlicher Art von nicht mehr als 5000,– Euro geht. Die Sache kann vom Einzelrichter dem Senat (Besetzung mit drei Richtern) übertragen werden, wenn das amtsgerichtliche Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachgeprüft werden soll. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, mit dem ein Fahrverbot verhängt wurde, bleibt es bei der Zuständigkeit des mit drei Richtern besetzten Senates für die Entscheidung2.
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Die Verwerfung des Zulassungsantrages muss gemäß § 80 Abs. 4 S. 3 OWiG nicht begründet werden.
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1 Vgl. OLG Hamm v. 1. 6. 2004 – 2 Ss OWi 333/04, DAR 2004, 662, 663. 2 Vgl. BGH v. 28. 7. 1998 – 4 StR 166/98 (Hamm), NZV 1998, 382.
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Teil 10
Rz. 82
Bußgeldverfahren
III. Bußgeldkatalog 82
Im Jahr 1989 kam das Bundesverkehrsministerium dem 1982 vom Gesetzgeber erteilten Auftrag nach, einen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog zu schaffen. Am 1. 1. 1990 trat die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) in Kraft sowie am gleichen Tag auch die neugefasste Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Erteilung einer Verwarnung bei Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten (VerwarnVwV). Durch die „Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung-BKatV)“ vom 13. 11. 20011 wurden die bisherige BKatV und die bisherige VerwarnVwV aufgehoben. Mit dieser Neufassung wurden diese beiden Kataloge in einer einheitlichen Rechtsverordnung zusammengefasst. Zugleich erfolgte auch eine Anpassung der Regelsätze von DM in Euro. Die bisherigen DM-Beträge wurden im Verhältnis 1 : 2 umgestellt, die auf 75 DM lautenden Beträge wurden auf 35 Euro festgesetzt.
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Im Katalog sind die am häufigsten vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten in tabellarischer Form zusammengefasst. Er ist bundeseinheitlich verbindlich; damit sollte der früheren Praxis ländereigener Kataloge und damit zwangsläufig unterschiedlichen Ahndungen gleichartiger Verstöße entgegengewirkt werden. Aus übergeordnet erscheinenden Gerechtigkeitserwägungen soll bei massenhaft vorkommenden Zuwiderhandlungen eine möglichst gerechte Erledigung herbeigeführt werden, weil eine möglichst gleichmäßige Behandlung gleich gelagerter Sachverhalte angesichts der Häufigkeit der Verstöße ein Gebot der Gerechtigkeit sei2.
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Der Katalog bestimmt für alle aufgeführten Verkehrsordnungswidrigkeiten sog. Regelsätze über die Höhe der Geldbuße bzw. des Verwarngeldes sowie die etwaige Anordnung eines Fahrverbotes. Die Regelsätze stellen Richtlinien3 dar, ausgehend von fahrlässiger Begehungsweise, gewöhnlichen Tatumständen und fehlenden Voreintragungen im Verkehrszentralregister und Bundeszentralregister4.
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Schon die gewählte Formulierung „Regelsatz“ zeigt, dass Abweichungen nach oben oder unten möglich sind5. Eine Erhöhung der Geldbuße ist z.B. vorgesehen für vorsätzliche Begehungsweise, für Gefährdung oder Sachbeschädigung (soweit diese nicht schon im Grundtatbestand enthal1 BGBl. I, S. 3033, in Kraft getreten am 1. 1. 2002. 2 Vgl. Göhler, § 17 OWiG Rz. 27. 3 Der BGH nennt sie „Zumessungsrichtlinien“, vgl. BGH v. 28. 11. 1991 – 4 StR 366/91, NJW 1992, 446, 447. 4 Vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 BKatV. 5 Vgl. OLG Karlsruhe v. 13. 10. 2006 – 1 Ss 82/06, BeckRS 2006, 13399.
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IV. Einzelne Tatbestände
Rz. 88 Teil 10
ten sind) sowie bei außergewöhnlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen. Sind die wirtschaftlichen Verhältnisse dagegen außergewöhnlich schlecht, kann der Regelsatz auch reduziert werden. Will das Gericht aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vom Regelsatz abweichen, muss dies zwingend in der Urteilsformel dargestellt werden1. Der Grund hierfür liegt darin, dass für die Anzahl der einzutragenden Punkte in Flensburg nicht die tatsächlich ausgeurteilte Geldbuße maßgeblich ist, sondern die im Bußgeldkatalog für den Regelsatz vorgesehene Bepunktung2.
IV. Einzelne Tatbestände Im folgenden Kapitel sollen die in der Praxis häufigsten verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten dargestellt werden. Aus Platzgründen ist es leider nicht möglich, alle denkbaren Aspekte anzusprechen, an geeigneter Stelle wird daher jeweils auf weiterführende Literatur verwiesen.
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1. Geschwindigkeitsüberschreitung Geschwindigkeitsmessungen sind an sich Aufgabe der Länder. Es besteht die Möglichkeit, diese Aufgabe auf die Kommunen zu übertragen3; diese können die Messungen selbst durchführen oder aber Private beauftragen. Die Messung durch Private ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Messung ständig von einem sachkundigen Beamten der Behörde überwacht wird4.
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Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Geschwindigkeitsüberwachung durch Videoaufzeichnung5. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss klargestellt, dass es für eine verdachtsunabhängige, also ohne konkreten Anlass erfolgende Geschwindigkeitskontrolle mit Videoaufzeichnung derzeit keine hinreichende gesetzliche Grundlage gibt6.
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Die Art und Weise der durchzuführenden Geschwindigkeitsmessung ergibt sich in aller Regel aus den jeweiligen Polizeirichtlinien der Länder7. Wichtig sind vor allem die sog. Toleranzgrenzen: Messungen unmittel-
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1 2 3 4
Vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 28a StVG Rz. 2. Vgl. § 28a Abs. 2 StVG. Vgl. Janker, NJW 1992, 1365. Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 10. 5. 1995 – 2 Ws (B) 210/95 (OWiG), DAR 1995, 335; a.A. BayObLG v. 5. 3. 1997 – 1 Ob OWi 785/96, NZV 1997, 276. 5 Vgl. BVerfG v. 11. 8. 2009 – 2 BvR 941/08, DAR 2009, 577 ff. m. Anm. Brenner. 6 Vgl hierzu auch Niehaus, DAR 2009, 632 und Himmelreich/Halm, NStZ 2010, 492 f. 7 Vgl. Starken, DAR 1998, 85; Huppertz, DAR 1998, 368.
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Teil 10
Rz. 89
Bußgeldverfahren
bar hinter einer Geschwindigkeitsbeschränkung sind nicht zulässig, es sollte eine Entfernung von mindestens 200m eingehalten werden, es sei denn, es liegt eine stufenweise Geschwindigkeitsbeschränkung vor oder aber die Messung erfolgt an einem Unfallschwerpunkt1. Andererseits hat die Verletzung von Verwaltungsvorschriften hinsichtlich der Errichtung von Messstellen (z.B. an Gefahren- oder Unfallstellen) keine Auswirkung auf die Richtigkeit der Messung, ein etwaiges Beweisgewinnungsverbot führt damit nicht zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot2.
! Hinweis: In Fällen einer Messung direkt oder kurz nach einer Geschwindigkeitsbeschränkung, die nicht stufenweise erfolgte, kann der Verhängung eines Fahrverbots mit dem Argument des so genannten „Augenblicksversagen“ entgegengetreten werden. Die BKatVO knüpft bei der Ahndung des Geschwindigkeitsverstoßes primär an die Pflichtwidrigkeit an. Die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge sind Regelsätze, die gemäß § 1 Abs. 2 BKatVO von gewöhnlichen Tatumständen ausgehen. Gerade diese gewöhnlichen Tatumstände können fehlen, wenn ein Augenblicksversagen vorliegt, denn dann beruht die Pflichtwidrigkeit lediglich auf einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit3. Dies gilt insbesondere für die Anordnung eines Fahrverbots nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, bei der eine grobe oder beharrliche Pflichtverletzung gegeben sein muss4. Achtung: Wird aufgrund der Annahme eines Augenblicksversagens ein Fahrverbot nicht angeordnet, ist eine Erhöhung der Geldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV nicht möglich, da folgerichtig die tatbestandsbezogene Vermutungswirkung entfällt5! Dies wird in der Praxis oft nicht beachtet. Zu einer Verminderung der Regelbuße führt das Augenblicksversagen jedoch nicht, da auch in diesem Fall einfache Fahrlässigkeit vorliegt. 89
Erfolgte die Geschwindigkeitsmessung mittels eines standardisierten Messverfahrens, so darf der Richter grundsätzlich von der Zuverlässig1 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 294. 2 Lesenswert hierzu AG Bergisch-Gladbach v. 24. 11. 1998 – 49 OWi 501 Js OWi 1277/98, DAR 1999, 281 m. Anm. Huppertz. 3 Vgl. OLG Rostock v. 21. 6. 2004 – 2 Ss (OWi) 117/04 I 90/04, NJW 2004, 2320; Burhoff, VA 2003, 14; Krumm, VRR 2005, 126f; OLG Karlsruhe v. 30. 11. 2005 – 1 Ss 120/05, zfs 2006, 230; OLG Dresden v. 1. 11. 2005 – Ss (OWi) 353/05, DAR 2006, 30, 31; OLG Karlsruhe v. 30. 11. 2005 – 1 Ss 120/05, NZV 2006, 325 326 = VRR 2006, 111. 4 Vgl. BayObLG v. 27. 6. 2001 – 1 ObOwi 221/02, NStZ-RR 2002, 345. 5 Vgl. OLG Rostock v. 21. 6. 2004 – 2 Ss (OWi) 117/04 I 90/04, NJW 2004, 2320; a.A. AG Hanau v. 8. 6. 2006 – 2965 Js-OWi 5308/05 – 54 OWi, zfs 2006, 654 m. Anm. Bode.
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IV. Einzelne Tatbestände
Rz. 91 Teil 10
keit der angewandten Methode ausgehen, detaillierte Ausführungen im Urteil zur Messmethode sind dann entbehrlich1. Wenn jedoch der Verurteilung eine Schätzung der Geschwindigkeitsüberschreitung zugrundegelegt werden soll, muss sich diese auf eine konkrete Mindestgeschwindigkeit stützen, die der Betroffene gefahren sein soll und es müssen Angaben darüber im Urteil enthalten sein, wie diese Geschwindigkeit festgestellt wurde2. Werden von der Verteidigung Bedenken erhoben gegen die Messgenauigkeit trotz Verwendung eines standardisierten Messverfahrens, so müssen diese Bedenken in einem entsprechenden Beweisantrag in Hinblick auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens konkret bezeichnet und begründet werden, andernfalls kann das Gericht den Beweisantrag ablehnen3.
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Geschwindigkeitsmessungen können auf verschiedenste Art erfolgen, z.B. durch Radargeräte4, Laserpistolen5, Spiegelmessverfahren, Nachfahren6, Rückrechnung anhand von Brems- oder Blockierspuren usw.7. Auch wenn es sich bei den meisten Verfahren um zwischenzeitlich anerkannte Messverfahren handelt, lohnt es sich doch in jedem Einzelfall, die Korrektheit der Messung anhand der bekannten möglichen Fehlerquellen zu
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1 Vgl. BGH v. 19. 8. 1993 – 4 StR 627/92, NZV 1993, 485 = MDR 1993, 1107 = NJW 1993, 3081 = DAR 1993, 474; OLG Rostock v. 27.4.01 – 2 Ss (OWi) 23/01 I 58/01, DAR 2001, 421. 2 Vgl. BayObLG v. 16. 2. 2005 – 2 ObOWi 573/04, DAR 2005, 347 (Anm. Heinrich) = VD 2005, 214. 3 Vgl. hierzu OLG Oldenburg v. 8. 9. 1994 – Ss 355/94, NZV 1995, 37 = zfs 1994, 467; OLG Hamm v. 29. 8. 2006 – 2 Ss Owi 358/06, zfs 2006, 654, 655; OLG Hamm v. 11. 12. 2006 – 2 Ss OWi 598/06, zfs 2007, 111 = NZV 2007, 155. 4 Vgl. zu Messunsicherheiten bei diesem Verfahren OLG Koblenz v. 24. 2. 2003 – 1 Ss 243/02, DAR 2003, 474. 5 Vgl. OLG Oldenburg v. 8. 9. 1994 – Ss 355/94, NZV 1995, 37 = zfs 194, 467; vgl. hierzu auch Löhle, NZV 1995, 265; zum standardisierten Verfahren vgl. BGH v. 19. 8. 1993 – 4 StR 627/92, DAR 1993, 474 = MDR 1993, 1107 und OLG Hamm v. 12. 11. 1996 – 1 Ss OWi 1037/96, NZV 1997, 187; Löhle, DAR 2009, 422; Winninghoff, DAR 2009, 427. 6 Vgl. AG Bad Oldeslohe v. 29. 10. 1997 – 3 OWi 281/97, zfs 1998, 74; OLG Düsseldorf v. 10. 7. 1992 – 2 Ss (OWi) 130/92 – 53/92 II, NZV 1992, 496; OLG Hamm v. 6. 9. 2005 – 2 Ss OWi 512/05, DAR 2006, 31; die Rspr. zum Sicherheitsabschlag bei Messung durch Nachfahren mit einem nicht justierten Tachometer ist nach wie vor völlig uneinheitlich: teilweise werden pauschal 20 % abgezogen, OLG Celle v. 25. 10. 2004 – 222 Ss 81/04 (OWi), NZV 2005, 158, teilweise wird ein Stufenmodell angewandt, OLG Stuttgart v. 20. 12. 2004 – 4 Ss 490/04, VRS 108 (2005), 223; lesenswert hierzu auch die Rechtsprechungsüberblicke bei Krumm, NZV 2004, 377 und Hentschel, NJW 2006, 477. 7 Vgl. zu den Einzelheiten die ausführlichen Darstellungen bei Beck/Berr, OWiSachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 294 f. und Gebhardt, Band 1 § 18.
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Teil 10
Rz. 92
Bußgeldverfahren
hinterfragen und ggf. durch Einschalten eines Sachverständigen überprüfen zu lassen1. 92
Will das Gericht wegen vorsätzlicher Begehung verurteilen, muss es keine positive Kenntnis des Betroffenen von der exakten Geschwindigkeitsüberschreitung feststellen; es reicht, dass der Betroffene eine wesentliche Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit erkennen kann2. Diese Schlussfolgerung kann sich aus einer Gesamtschau einzelner Feststellungen ergeben, z.B. Geständnis, Örtlichkeiten, Abbremsen vor der Messstelle, Ortskunde, Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung3 etc4.
! Hinweis: 93
Wird gegen einen Fahrzeugführer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h rechtskräftig eine Geldbuße festgesetzt und begeht dieser Fahrzeugführer binnen eines Jahres ab Rechtskraft dieser Entscheidung eine erneute Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h, so ist ein Fahrverbot zu verhängen, auch wenn an sich bei dieser Geschwindigkeitsüberschreitung der Bußgeldkatalog noch kein Fahrverbot vorsehen würde5! Das Gesetz vermutet in solchen Fällen eine beharrliche Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV. Allerdings kann diese Regelvermutung im Einzelfall widerlegt werden6. Ein bloßes Augenblicksversagen bei der ersten oder der Wiederholungstat steht zum Beispiel der Annahme der Beharrlichkeit der Pflichtverletzung entgegen.
2. Abstandsunterschreitung 94
Die StVO enthält keine Regelung, welchen konkreten Abstand Verkehrsteilnehmer zu vorausfahrenden Fahrzeugen einhalten müssen (Aus1 Vgl. hierzu insbesondere Beck/Löhle, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, S. 11 f., 105 f.; Wietschorke, NZV 2007, 346 ff. 2 Vgl. OLG Koblenz v. 11. 2. 1999 2 Ss 4/99, DAR 1999, 227; OLG Hamm v. 4. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1449/98, DAR 1999, 178. 3 Hieraus auf vorsätzliche Begehung zu schließen, ist allerdings nur zulässig, wenn es sich um eine sehr erhebliche Überschreitung handelt. Eine solche wird von der Rspr. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von etwa 50 % angenommen; vgl. KG v. 21. 6. 2004 – 3 Ws (B) 186/04, NZV 2004, 598; KG v. 21. 6. 2004 – 3 Ws (B) 186/04, DAR 2004, 594; OLG Hamm v. 30. 3. 2005 – 4 Ss OWi 173/05, DAR 2005, 407. 4 Vgl. OLG Hamm v. 4. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1449/98, DAR 1999, 178 = NZV 1999, 301; OLG Hamm v. 4. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1449/98, DAR 1999, 178. 5 Vgl. hierzu OLG Koblenz v. 20. 9. 2004 – 1 Ss 227/04, DAR 2005, 47, 50; OLG Bamberg v. 23. 10. 2006 – 3 Ss OWi 1170/05, zfs 2007, 229 f. wonach auch bei wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen von unter 26 km/h die Verhängung eines Fahrverbots denkbar ist. 6 Vgl. OLG Bamberg v. 12. 12. 2007, 2 Ss Owi 1691/07.
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IV. Einzelne Tatbestände
Rz. 96 Teil 10
nahme in § 4 Abs. 3 StVO: für LKW mit einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h gilt auf Autobahnen ein Mindestabstand von 50 Metern). Im Bußgeldkatalog ist jedoch ein bestimmter Mindestabstand normiert, dessen Unterschreitung entsprechende Sanktionen auslöst. Bei einer Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h muss zumindest die Hälfte des Tachowertes als Abstand gehalten werden (vgl. Nr. 6 BKatV). Insbesondere auf Autobahnen erfolgen relativ häufig Abstandsmessungen, entweder von Autobahnbrücken herab mittels Videokameras oder aber durch Polizeifahrzeuge, die mit Videoanlagen ausgerüstet sind1. Nach allgemeiner Ansicht können geschulte Polizeibeamte grundsätzlich den Sicherheitsabstand in gerichtsverwertbarer Weise einschätzen, wenn sie mit nicht zu großem Abstand schräg versetzt hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug fahren2.
3. Rotlichtverstöße Bei den sog. Rotlichtverstößen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den einfachen und den qualifizierten Verstößen. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Dauer des Rotlichts zum Zeitpunkt des Verstoßes. Zeigt die maßgebliche Lichtzeichenanlage bereits länger als eine Sekunde Rotlicht, so wird dieser „qualifizierte“ Verstoß regelmäßig mit einem Fahrverbot geahndet.
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In der Rechtsprechung noch recht uneinheitlich wird die Frage behandelt, wann ein Rotlichtverstoß, erst recht ein qualifizierter, überhaupt vorliegen soll. Die Meinungen gehen dabei teilweise weit auseinander. Nach einer Auffassung soll gerechnet werden bis Vorbeifahrt an der Ampel3, nach anderen bis zum Erreichen der Haltelinie4, die strengste Auffassung rechnet bis zum Erreichen des geschützten Bereiches, in der Regel also bis zum Einfahren in den Kreuzungsbereich5.
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1 Vgl. zu weiteren Einzelheiten Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 450 f.; Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 1 § 19; Beck/Löhle, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, S. 73 f., 114f; Burhoff, Abstandsmessung – Worauf Verteidiger besonders achten müssen, VA 2003, 153. 2 Vgl. OLG Hamm v. 17. 2. 2006 – 2 Ss OWi 63/06, VA 2006, 84. 3 Vgl. OLG Köln vom 15. 3. 1994 – Ss 84/94 (B) – 49 B, NZV 1994, 330. 4 Nach Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, Rz. 448, die h.M.: vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 19. 10. 1994 – 2 Ws (B) 651/94 OWiG, zfs 1995, 34 = NJW 1995, 1229 = NZV 1995, 36; OLG Düsseldorf v. 9. 1. 1995 – 5 Ss (OWi) 466/94 – (OWi) 217/94 I, DAR 1995, 167 = NZV 1995, 197; BayObLG v. 17. 8. 1995 – 1 ObOWi 272/95, zfs 1995, 433 = NZV 1995, 497; OLG Hamm v. 19. 1. 1999 – 3 Ss OWi 1456/98, DAR 1999, 226; OLG Stuttgart v. 1. 8. 2003 – 4 Ss 343/2003, DAR 2003, 575; OLG Köln v. 7. 9. 2004 – 8 Ss-OWi 12/04 B, DAR 2005, 50 f. 5 Vgl. OLG Oldenburg v. 19. 8. 1993 – Ss 150/93, DAR 1993, 481 = NZV 1993, 446.
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Teil 10
Rz. 97
Bußgeldverfahren
97
Die Verteidigung sollte anhand der Ermittlungsakte immer genau prüfen, wie der angebliche Rotlichtverstoß festgestellt worden ist. Besondere Bedeutung kommt dabei den häufigen Fällen der Schätzung durch Polizeibeamte zu. Problematisch wird es immer dann, wenn der Beamte nur eine gefühlsmäßige Schätzung vorgenommen oder aber die Sekunden mitgezählt (21, 22 etc.) hat. Die Rechtsprechung steht inzwischen auf dem Standpunkt, dass im Falle einer gezielten Überwachung durch Polizeibeamte das im Zeitpunkt des Beginns des Rotlichts einsetzende Zählen: 21, 22 … „in der Regel ein geeignetes Mittel zur Erfassung der Dauer der bereits abgelaufenen Rotlichtphase“ ist1. Sowohl bei dieser „Messmethode“ als auch bei der rein gefühlsmäßigen Schätzung durch Polizeibeamte oder dem Messen mit Stoppuhren2 sind jedenfalls im Urteil nähere Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung erforderlich, um dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung zu ermöglichen3.
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Auch wenn grundsätzlich ein Rotlichtverstoß von mehr als einer Sekunde ein Fahrverbot nach sich zieht, so hat doch die Rechtsprechung einige Fallgruppen entwickelt, bei denen von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann. Es handelt sich dabei um sog. atypische Rotlichtverstöße oder „Augenblicksversagen“, bei denen sich das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der sonst vorkommenden Rotlichtverstöße so unterscheidet, dass die Verhängung eines Fahrverbotes unangemessen wäre4. 1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 18. 3. 1997 5 Ss (OWi) 30/97 – (OWi) 36/97 I, DAR 1997, 283 = NZV 1997, 450; OLG Brandenburg v. 3. 8. 1999 – Ss (OWi) 101 B/99, DAR 1999, 512; zur zufälligen Beobachtung vgl. BayObLG v. 17. 8. 1995 – 1 Ob OWi 272/95, zfs 1995, 433 = NZV 1995, 497; zur gefühlsmäßigen Schätzung vgl. OLG Düsseldorf v. 9. 1. 1995 – 5 Ss (OWi) 466/94 – 217/94 I, NZV 1995, 197; OLG Düsseldorf v. 4. 11. 2002 – 2b Ss (OWi) 216/02 – (OWi) 68/02 I, DAR 2003, 85, 86; OLG Düsseldorf v. 4. 10. 1999 – 2b Ss (OWi) 129/99 – (OWi) 65/99 I, NZV 2000, 134, 135; OLG Köln v. 12. 12. 2003 – Ss 527/03 B, VRS 106 (2004), 214 = zfs 2004, 432; a.A. Jena v. 10. 12. 1998 – 1 Ss 219/98, NZV 1999, 304; Hamm v. 9. 7. 1996 – 2 Ss OWi 786/96, DAR 1996, 415; AG Suhl v. 23. 11. 2004 – 310 Js 18846/04 2 OWi, DAR 2005, 169; OLG Hamm v. 12. 3. 2009 – 3 Ss OWi 55/09, NZV 2010, 44 f. 2 Vgl. hierzu OLG Düsseldorf v. 18. 7. 2000 – 2b Ss (OWi) 132/00 – (OWi) 67/00 I, DAR 2000, 579. 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 18. 12. 1996 – 5 Ss (OWi) 365/96 – (OWi) 173/96I, DAR 1997, 116 = MDR 1997, 383; OLG Düsseldorf v. 21. 8. 1996 – 2 Ss (OWi) 288/96 – (OWi) 81/96 III, NZV 1997, 191; OLG Düsseldorf v. 14. 8. 1998 – 2 Ss (OWi) 215/98 – (OWi) 66/98 II, NZV 1999, 94; OLG Jena v. 10. 12. 1998 – 1 Ss 219/98, NZV 1999, 304 = zfs 1999, 124; OLG Hamburg v. 29. 12. 2004 – 3 Ss 114/04 Owi, DAR 2005, 165. 4 Vgl. hierzu OLG Hamm v. 10. 6. 1999 – 2 Ss OWi 486/99, DAR 1999, 515; OLG Hamm v. 9. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1065/99, DAR 2000, 418 = MDR 2000, 519; OLG Köln v. 15. 3. 1994 – Ss 84/94 (B) – 49 B, NZV 1994, 330; BGH v. 11. 9. 1997 – 4 StR 638/96, NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 255; OLG Hamm v. 15. 12. 1997 – 2 Ss Owi 1365/97, DAR 1998, 150; OLG Hamm v. 7. 3. 2001 – 2 Ss Owi 127/01, NZV 2001, 355; OLG Hamm, 23. 5. 2005 – 2 Ss Owi 295/05, DAR 2005, 463.
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Rz. 99d Teil 10
IV. Einzelne Tatbestände
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1. Beispiel: Verwechslung der Lichtzeichenanlage
1
Konstellation: Gesonderte LZA für Rechts- oder Linksabbieger, unübersichtliche Verkehrsführung, mehrere unmittelbar hintereinander geschaltete LZA, ortsunkundiger Betroffener.
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2. Beispiel: „Mitzieheffekt“2 Konstellation: Betroffener steht an (Rotlicht zeigender) gesonderter LZA für Abbieger und wird durch den bei Grün in die Kreuzung einfahrenden GeradeausVerkehr dazu verleitet, ebenfalls loszufahren.
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3. Beispiel: Baustellenampel3 Konstellation: Betroffener fährt – ohne Gefährdung des Gegenverkehrs – hinter seinem Vordermann her bei Rotlicht in den Baustellenbereich ein. 4. Beispiel: „Frühstarter“4 – allerdings nach neuer Rechtsprechung nur noch beim Hinzutreten sonstiger entlastender Umstände5
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Konstellation: Betroffener steht vor Rotlicht zeigender LZA und fährt geradeaus in die Kreuzung, als der Abbieger-Verkehr Grünlicht erhält.
! Hinweis: Wer trotz Blendung durch Sonne ohne Vorsichtsmaßnahmen in die Kreuzung einfährt, ohne erkennen zu können, welches Lichtzeichen an der Ampel aufleuchtet, handelt grob verkehrswidrig und verantwortungslos, so dass ein Fahrverbot zu verhängen ist6! 1 Vgl. OLG Hamm v. 28. 12. 1994 – 4 Ss OWi 1262/94, zfs 1995, 152; OLG Stuttgart v. 25. 11. 1998 – 5 Ss 675/98, DAR 1999, 88; OLG Hamm v. 16. 10. 1995 – 2 Ss OWi 1200/95, DAR 1996, 69. 2 Vgl. OLG Hamm v. 5. 5. 1994 – 2 Ss OWi 414/94, NZV 1995, 82; OLG Hamm v. 11. 8. 1998 – 2 Ss OWi 727/98, NZV 1999, 176 = MDR 1999, 93; OLG Hamm v. 9. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1065/99, DAR 2000, 418, OLG Karlsruhe v. 21. 12. 2009 – 2 (6) SsBs 558/09 – AK 243/09, NZV 2010, 412 f., m. Anm. Sandherr; a.A. BayObLG v. 30. 11. 1998 – 2 ObOWi 625/98, NZV 1999, 216; BayObLG v. 27. 7. 2004 – 1 ObOWi 310/04, DAR 2005, 349 = NZV 2005, 433 = VD 2005, 135; OLG Jena v. 23. 8. 2005 – 1 Ss 227/05, VRS 110 (2006), 54, 56. 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 27. 9. 1994 – 5 Ss (OWi) 299/94 – (OWi) 161/94 I, DAR 1995, 30; OLG Oldenburg v. 23. 11. 1994 – Ss 380/94, zfs 1995, 75; OLG Köln v. 26. 8. 1993 – Ss 327/93 (B), DAR 1994, 249; OLG Hamm v. 24. 5. 1994 – 2 Ss OWi 524/94, NZV 1994, 369. 4 Vgl. OLG Hamm v. 16. 10. 1995 – 2 Ss OWi 1200/95, DAR 1996, 69; ähnliche Konstellation OLG Köln v. 15. 3. 1994 – Ss 84/94 (B) – 49 B, NZV 1994, 330 und OLG Karlsruhe v. 12. 2. 1996 – 2 Ss 4/96, zfs 1996, 153 = NZV 1996, 206; auch noch zum Frühstarter: OLG Köln v. 15. 3. 1994 – Ss 84/94 (B) – 49 B, NZV 1994, 330; a.A. BayObLG v. 30. 11. 1998 – 2 ObOWi 625/98, NZV 1999, 216 = NStZ-RR 1999, 220 = VRS 96, 464. 5 Vgl. OLG Bamberg v. 29. 6. 2009 – 2 Ss OWi 573/09, DAR 2009, 653. 6 Vgl. OLG Hamm v. 14. 3. 1996 – 2 Ss OWi 232/96, NZV 1996, 327; OLG Karlsruhe v. 1. 7. 1996 – 1 Ss 61/96, DAR 1997, 29; noch zur Sonnenblendung: OLG Hamm v. 17. 4. 1998 – 20 U 116/97, DAR 1998, 392 = NZV 1998, 467; OLG Hamm v. 11. 3. 1999 – 1 Ss OWi 203/99, DAR 1999, 326 = NZV 1999, 302.
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99d
Teil 10
Rz. 99e
Bußgeldverfahren
! Hinweis: 99e
Im Urteil sind Feststellungen erforderlich, wo sich der Betroffene beim Umspringen des Signals befand und ob er noch gefahrlos hätte anhalten können. Hierbei sind die zulässige Höchstgeschwindigkeit und die Dauer der Gelbphase zu berücksichtigen1. Letztere ist in den Verwaltungsvorschriften zu § 37 StVO geregelt2. Ist die Gelbphase zu kurz bemessen, kann ein Rotlichtversoß ausscheiden.
! Hinweis: 100
Wird ein Rotlichtverstoß vorgeworfen, ohne dass eine gezielte Überwachung stattgefunden hat, z.B. nach einem Unfall im Kreuzungsbereich (beide Unfallbeteiligten behaupten, jeweils bei Grün in die Kreuzung eingefahren zu sein, unbeteiligte Zeugen stehen nicht zur Verfügung), kann es angezeigt sein, ein Ampelphasendiagramm bei der zuständigen Verwaltung einzuholen, damit die jeweiligen Ampelschaltungen rekonstruiert werden können.
4. Telefonbenutzung (§ 23 Abs. 1a StVO) 100a
Durch die 33. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11. 12. 20003 wurde § 23 StVO um den Absatz 1a ergänzt. Dieser untersagt dem Fahrzeugführer (und auch dem Radfahrer!) die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons, wenn er hierfür den Hörer oder das Telefon aufnimmt oder hält. Das Verbot gilt nur dann nicht, wenn das Fahrzeug steht, bzw. bei Kraftfahrzeugen, wenn der Motor ausgeschaltet ist4. Nach Ansicht der Rechtsprechung kommt es sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach ihrem Sinn und Zweck, wonach der Fahrzeugführer beide Hände zur Bewältigung des Straßenverkehrs frei haben soll5, nicht darauf an, ob mit dem Gerät tatsächlich telefoniert wurde. Vielmehr ist jede Art von „Benutzung“ untersagt, wenn das Telefon in der Hand gehalten wird6. Dass es aber gerade auch auf die Benutzung als sol1 Vgl. KG v. 31. 3. 2004 – 3 Ws (B) 116/04, VRS 107 (2004), 214, 217; OLG Brandenburg v. 9. 2. 2004 – 1 Ss (OWi) 15 B/04, DAR 2004, 657 f.; OLG Braunschweig v. 21. 10. 2005 – Ss (OWi) 81/05, zfs 2006, 229 = NZV 2006, 220. 2 Vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht § 37 StVO, Rz. 28. 3 BGBl. I, 1690. 4 Aus dieser Differenzierung lässt sich herleiten, dass von dem Verbot auch Radfahrer betroffen sind. Vgl. auch Hufnagel, NJW 2006, 3665. 5 Vgl. die amtliche Begründung, VkBl. 2001, 8. 6 Vgl. OLG Hamm v. 25. 11. 2002 – 2 Ss OWi 1005/02, NJW 2003, 912 = NZV 2003, 98 = DAR 2003, 473; OLG Hamm v. 6. 7. 2005 – 2 Ss Owi 177/05, NJW 2005, 2469; OLG Hamm v. 12. 7. 2006 – 2 Ss OWi 402/06, NZV 2007, 51; OLG Karlsruhe v. 27. 11. 2006 – 3 Ss 219/05, NZV 2007, 48; OLG Jena v. 31. 5. 2006 – 1 Ss 82/06, NJW 2006, 3734; kritisch gegenüber einer derart weiten Auslegung des Wortlauts Hufnagel, NJW 2006, 3665, 3666; Scheffler, NZV 2006, 128, 129; Keerl, NZV 2006, 181, 182; Anm. Schäpe, DAR 2005, 696, 697; Seibel, NZV 2007, 176, 177.
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IV. Einzelne Tatbestände
Rz. 103 Teil 10
che ankommt, verdeutlicht der Beschluss des OLG Köln vom 23. 8. 2005, nach dem das bloße Weglegen des Mobiltelefons ohne dessen Benutzung den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO nicht erfüllt1. Gleiches gilt für das bloße Halten oder Aufnehmen der Freisprecheinrichtung2. Ebenso ist die Handy-Benutzung bei ausgeschaltetem Motor während der Wartephase an der Ampel erlaubt3. Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO erfolgt stets vorsätzlich. Daher ist es rechtsfehlerhaft, die Geldbuße wegen der vorsätzlichen Begehungsweise zu erhöhen4. Zuwiderhandlungen von Kraftfahrzeugführern werden regelmäßig mit einem Bußgeld in Höhe von 40 Euro und einem Punkt geahndet; bei Radfahrern beträgt die Geldbuße 25 Euro.
100b
5. Verstöße gegen § 24a StVG a) 0,5 %-Grenze § 24a StVG ist durch Gesetz vom 19. 3. 20015 mit Wirkung zum 1. 4. 2001 u.a. wie folgt geändert worden:
101
„(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt … (4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu eintausendfünfhundert Euro geahndet werden.“
§ 25 Abs. 1 S. 2 StVG ist u.a. wie folgt neu gefasst6:
102
„Wird gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.“
Die Vorschrift des § 24a StVG ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Allein maßgeblich ist die Höhe der Blutalkoholkonzentration (BAK) bzw. der Atemalkoholkonzentration (AAK), auf den Nachweis einer alkoholbedingten Fahrunsicherheit kommt es damit nicht an. Erfasst
1 Vgl. OLG Köln v. 23. 8. 2005 – 83 Ss-OWi 19/05, NZV 2005, 547 = NJW 2005, 3366 = DAR 2005, 695 = VRS 109 (2005), 287 = zfs 2005, 569; ebenso OLG Düsseldorf v. 5. 10. 2006 – IV-2 (OWi) 134 – (OWi) 70/06 III, NZV 2007, 95. 2 Vgl. OLG Bamberg v. 5. 11. 2007 – 3 Ss OWi 744/07, DAR 2008, 217 = NJW 2008, 599. 3 Vgl. OLG Bamberg v. 27. 9. 2006 – 3 Ss OWi 1050/06, NJW 2006, 3732, 3733= NZV 2007, 49, 50; weitere Beispiele bei Ternig, VD 2007, 31. 4 Vgl. KG v. 30. 11. 2005 – 2 Ss 272/05 – 3 Ws (B) 600/05, NZV 2006, 609; OLG Jena v. 6. 9. 2004 – 1 Ss 138/04, NStZ-RR 2005, 23. 5 BGBl. I S. 386 6 Gesetz vom 19. 3. 2001, BGBl. I, S. 386.
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103
Teil 10
Rz. 104
Bußgeldverfahren
werden Alkoholkonzentrationen bis zu 1,09 %, ab einer BAK von 1,1 % liegt eine Straftat nach § 316 StGB vor. Bei rechtskräftiger Entscheidung erfolgt ein Eintrag von vier Punkten im Verkehrszentralregister, die Löschungsfrist beträgt 10 Jahre (vgl. unter VII 2a cc). b) Atemalkohol-Messung 104
Seit dem 1. 5. 1998 sind durch Änderung des Straßenverkehrsgesetzes Atemalkohol-Grenzwerte eingeführt worden, gleichzeitig hat der Gesetzgeber auch die Atemalkohol-Messung als Beweismittel zugelassen – wenn auch bislang „nur“ für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten1. Überaus uneinheitlich wurde in der Rechtsprechung und Literatur die Frage diskutiert, ob es sich bei dem bundesweit von der Polizei seit der Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt eingesetzten Messgerät Dräger „Alcotest 7110 Evidenzial Mk III“ um ein standardisiertes Verfahren handelt und ob die ermittelten Werte zuverlässig und damit beweissicher sind. Das BayObLG hatte überhaupt keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit dieses Analysegerätes, es sah das Verfahren als standardisiertes Verfahren im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung an2. Das OLG Hamm hingegen hatte Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Messung und deshalb die Sache dem BGH gemäß § 121 Abs. 2 GVG zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob Sicherheitsabschläge erforderlich seien3. Mit Beschluss vom 3. 4. 2001 hat der BGH sich der Auffassung des BayObLG angeschlossen und das Erfordernis von Sicherheitsabschlägen verneint4.
104a
Nach wie vor uneinheitlich wird in der Rechtsprechung die Frage beurteilt, welche Konsequenzen aus der Nichteinhaltung einer zehnminütigen Wartezeit vor der Atemalkoholkontrolle zu ziehen sind5. So wird teilweise von einer generellen Unverwertbarkeit des Messergebnisses 1 Vgl. hierzu LG Dessau v. 21. 8. 2000, 6 Kls 16/00, DAR 2000, 538 = zfs 2000, 509; Hentschel, NJW 2001, 711, 718, 719; zur Beweissicherheit Wilske, DAR 2000, 16; ausdrücklich BGH v. 3. 4. 2001, 4 StR 507/00, VA 5/2001, 72; Blumenthal, zfs 2001, 441. 2 Vgl. BayObLG v. 12. 5. 2000 – 2 ObOWi 598/99, DAR 2000, 316 = zfs 2000, 313 m. Anm. Bode = NZV 2000, 295 m. Anm. König; zum gleichen Ergebnis (Anerkennung des Verfahrens, keine Sicherheitsabschläge erforderlich) kommt das OLG Stuttgart mit Beschl. v. 6. 7. 2000 – 2 Ss 295/2000, DAR 2000, 537. 3 Vgl. OLG Hamm v. 4. 7. 2000 – 3 Ss OWi 179/2000, NZV 2000, 426 = DAR 200, 534 = zfs 2000, 459 mit Anmerkung Bode; zum weiteren Diskussionsstand vgl. Hentschel, NJW 2001, 711, 717 sowie Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 24a StVG Rz. 16 f. 4 Vgl. BGH v. 3. 4. 2001 – 4 StR 507/00, VA 5/2001, 72; ausführlich hierzu Blumenthal, zfs 2001, 441. 5 Vgl. hierzu auch Iffland, Beuth, Wienandts, DAR 2008, 382; OLG Hamm v. 24. 1. 2008 – 2 Ss Owi 37/08.
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IV. Einzelne Tatbestände
Rz. 106 Teil 10
ausgegangen1. Andere halten eine Einhaltung der Wartezeit dann für entbehrlich, wenn gewährleistet ist, dass der Betroffene zehn Minuten vor Beginn der Messung keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat2. Die wohl herrschende Auffassung in der Rechtsprechung differenziert danach, ob der Messwert deutlich oder nur geringfügig über dem Grenzwert von 0,25 mg/l liegt. Nur in letzterem Fall soll das Einhalten der Wartezeit zwingende Voraussetzung für die Verwertbarkeit der Messung sein3. Die Mitwirkung des Betroffenen an der Atemalkohol-Kontrolle4 ist freiwillig5. Wird sie verweigert, muss nach wie vor eine Blutentnahme vorgenommen werden. Dasselbe gilt, wenn eine Promillezahl im strafrechtlich relevanten Bereich beim Test angezeigt wird oder der Verdacht von Medikamenten- oder Drogenmissbrauch (§ 24a Abs. 2 StVG) besteht. Ergeben sich nach freiwilliger Durchführung der Messung Zweifel am Ergebnis, kann der Betroffene die Blutentnahme verlangen.
105
c) § 24a Abs. 2 StVG Mit der seinerzeitigen Einführung der 0,5-%-Grenze ist zugleich auch das absolute Drogenverbot im Straßenverkehr geregelt worden, und zwar in § 24a Abs. 2 StVG6. Das Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr unter der Wirkung bestimmter, in einer Anlage zu § 24a StVG genannter Mittel und Substanzen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei nach bisheriger Rechtsprechung eine „Wirkung“ bereits dann gegeben sein sollte, wenn eines dieser Mittel oder Substanzen im Blut nachgewiesen wird7. Danach kam es also gerade nicht darauf an, ob auch eine konkrete rauschmittelbedingte Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vorliegt8.
1 Vgl. OLG Dresden v. 8. 2. 2005 – Ss OWi 32/05, VA 2005, 67 = DAR 2005, 226; BayObLG v. 2. 11. 2004 – 2 ObOWi 471/04, NJW 2005, 232 = NZV 2005, 53; OLG Jena v. 1. 9. 2005 – 1 Ss 211/05, VRS 111 (2006), 149. 2 Vgl. OLG Celle v. 18. 8. 2003 – 222 Ss 59/03 (Owi), NZV 2004, 318 = VA 2003, 178; OLG Hamm v. 23. 8. 2004 – 2 Ss 357/04, VD 2004, 335, 336; OLG Hamm v. 23. 8. 2004 – 2 Ss 357/04, NZV 2005, 109. 3 Vgl. OLG Köln v. 5. 1. 2001 – Ss 509/00 B, NZV 2001, 137; OLG Karlsruhe v. 5. 5. 2006 – 1 Ss 32/06, VA 2006, 140 = NJW 2006, 1988 = NZV 2006, 438; OLG Karlsruhe v. 19. 4. 2004 – 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426. 4 Zur Funktionsweise der Geräte und Durchführung der Messung vgl. Buschbell, Die Fahrerlaubnis in der anwaltlichen Praxis, § 3 Rz. 167 f. 5 § 81a StPO findet keine Anwendung. 6 Gesetz vom 28. 4. 1998, Begründung abgedruckt bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 24a StVG Rz. 3 ff. 7 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 24a StVG Rz. 21. 8 Vgl. Blumenthal, zfs 2001, 441, 442; Hentschel, NJW 1998, 2385, 2389.
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106
Teil 10 106a
Rz. 106a
Bußgeldverfahren
Diese Auffassung ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. 12. 20041 in einem wesentlichen Punkt modifiziert worden: Die Nachweisdauer für das Vorhandensein von Rauschmitteln aufgrund von Blutproben hat sich infolge technischen Fortschritts seit der Einfügung des § 24a Abs. 2 StVG wesentlich erhöht. Dadurch kann auch dann noch ein positiver Drogenbefund vorliegen, wenn der Rauschmittelkonsum so lange Zeit vor der Fahrt erfolgte, dass von einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann. Somit muss die Vorschrift verfassungskonform ausgelegt werden; es kann nicht mehr jeder Nachweis von Rauschmitteln im Blut des Fahrzeugführers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG ausreichen. Vielmehr muss eine Konzentration nachgewiesen werden, die – entsprechend dem Charakter der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt – eine konkrete Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen lässt2. Erst ab dem Erreichen des sog. analytischen Grenzwerts sei § 24a Abs. 2 StVG anwendbar. Dieser liege bei THC (Cannabis) bei 1 ng/ml3. Bei nahezu allen anderen Drogen genügen weiterhin geringste Spuren des Rauschmittels zur Verwirklichung des Tatbestandes4. Seit 1. 1. 2009 ist nach § 24a Abs. 4 StVG die Festsetzung eines Bußgeldes bis zu einer Höhe von dreitausend Euro möglich. d) § 24c StVG5
106b
Zum 1. August 2007 ist der neue § 24c StVG in Kraft getreten. Normiert wird damit ein absolutes Alkoholverbot für alle Verkehrsteilnehmer in der Probezeit nach § 2a StVG oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Erfasst sind zwei Tatbestandsalternativen: zum einen das Zusichnehmen alkoholischer Getränke beim Führen eines Kraftfahrzeugs und zum an1 Vgl. BVerfG v. 21. 12. 2004 – 1 BvR 2652/03, NJW 2005, 349, 351 = zfs 2005, 149. 2 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 24a StVG, Rz. 21a. 3 Vgl. BVerfG v. 21. 12. 2004 – 1 BvR 2652/03, NJW 2005, 349, 351; BayObLG v. 20. 1. 2003 – 4 St RR 133/02, NJW 2003, 1681, 1682; OVG Lüneburg v. 11. 7. 2003 – 12 ME 287/03, NVwZ-RR 2003, 899, 900; VGH Mannheim v. 10. 5. 2004 – 10 S 427/04, VRS 107 (2004), 234, 236; OLG Koblenz v. 13. 1. 2004 – 7 A 10206/03, DAR 2004, 413; OLG Bremen v. 17. 2. 2006 – Ss (B) 51/05, NZV 2006, 276; OLG Koblenz v. 14. 7. 2005 – 1 Ss 189/05, VA 2006, 32. 4 Grenzwert bei Amphetaminen bei 25 ng/ml, OLG München v. 13. 3. 2006 – 4St RR 199/05, NJW 2006, 1606 = NZV 2006, 277 und OLG Zweibrücken v. 13. 4. 2005 – 1 Ss 50/05, VA 2005, 124; zu Morphin: OLG Schleswig v. 18. 9. 2006 – 1 Ss OWi 119/06, VA 2006, 213; OLG Köln v. 18. 8. 2005 – 81 Ss-OWi 31/05, DAR 2005, 699; OLG Bamberg v. 27. 2. 2007 – 3 Ss OWi 688/05, zfs 2007, 287, 289 (mit Anm. Bode): Grenzwert von 10 mg/ml; Kokain: ab einem Benzoylecgonin-Wert von 75 ng/ml, OLG Bamberg v. 1. 12. 2006 – 2 Ss OWi 1623/05, VA 2007, 87; OLG Hamm v. 23. 5. 2007 – 2 Ss OWi 91/07, VD 2007, 185; vgl. zu dem jeweiligen analytischen Grenzwert auch Weibrecht, VD 2003, 39. 5 Vgl. Krell, VD 2007, 87.
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V. Geldbuße/Verwarnung/Fahrtenbuch
Rz. 109 Teil 10
deren das Antreten der Fahrt unter Wirkung derartiger Getränke. Von einer „Wirkung“ im Sinne der zweiten Handlungsalternative kann – um Messunsicherheiten und endogenen Alkohol auszuschließen – erst ab einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille bzw. 0,1 Promille Atemalkoholwert gesprochen werden. Damit bleibt die Einnahme von alkoholhaltigen Medikamenten bzw. der Genuss alkoholhaltiger Lebensmittel möglich, ohne den Tatbestand zu verwirklichen. Ein Verstoß gegen § 24c StVG wird mit einer Geldbuße in Höhe von mindestens 125 Euro und einer Eintragung von zwei Punkten geahndet. Es erfolgt ferner die Anordnung eines Aufbauseminars nach § 2a Abs. 2 Nr. 1 StVG; die Probezeit verlängert sich von zwei auf vier Jahre. Beträgt die Alkoholisierung 0,5 Promille oder mehr, gelten auch bei Fahrern in der Probezeit und unter 21 Jahren die allgemeinen Regeln.
V. Geldbuße/Verwarnung/Fahrtenbuch Nach Verkehrsordnungswidrigkeiten können dem Betroffenen je nach Art und Grad des Verstoßes eine Geldbuße, ein Verwarnungsgeld oder das Führen eines Fahrtenbuches auferlegt werden.
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1. Geldbuße Rechtsgrundlage für die Verhängung einer Geldbuße ist zunächst § 24 Abs. 2 StVG („Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden“). Der zur Verfügung stehende Bußgeldrahmen ergibt sich aus § 17 Abs. 1 OWiG1, wonach die Geldbuße mindestens 5 Euro und, falls nichts anderes bestimmt ist, höchstens 1000 Euro beträgt. Aus der Einschränkung des § 17 Abs. 2 OWiG folgt, dass für fahrlässige Verstöße das Höchstmaß von 500 Euro Geldbuße besteht.
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Die Höhe der für die einzelne Zuwiderhandlung anzusetzenden Geldbuße ergibt sich aus dem Bußgeldkatalog. Dieser enthält Regelsätze, die von fahrlässiger Begehungsweise und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen sowie davon, dass der Betroffene bislang nicht negativ in Erscheinung getreten ist (sprich: keine Eintragungen vorliegen). Daraus folgt, dass besondere Umstände sich mildernd oder erschwerend auf die Bemessung der Geldbuße auswirken2. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen können als Grundlage für die Zumessung der Geld-
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1 Geändert mit Wirkung zum 1. 3. 1998: Erhöhung des Bußgeldrahmens von 5 DM bis 1000 DM auf 10 DM bis 2000 DM, jetzt 5 Euro bis 1000 Euro. 2 Vgl. OLG Zweibrücken v. 5. 7. 1988 – 1 Ss 32/88, VRS 75, 302; OLG Düsseldorf v. 30. 9. 1999 – 2b Ss (OWi) 269/99 (OWi) 105/99 I, NZV 2000, 91; OLG Stuttgart v. 8. 2. 2000 – 3 Ss 6/2000, NStZ-RR 2000, 279.
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Teil 10
Rz. 110
Bußgeldverfahren
buße herangezogen werden1; rechtsfehlerhaft ist es allerdings, wenn lediglich aufgrund überdurchschnittlicher guter wirtschaftlicher Verhältnisse die Regelgeldbuße auf die Höchstgeldbuße erhöht wird2. Die im Bußgeldkatalog aufgeführten Regelsätze erhöhen sich zwingend beim Hinzutreten einer Gefährdung oder Sachbeschädigung, soweit diese Merkmale nicht schon im Grundtatbestand enthalten sind3. Entsprechendes gilt, wenn der Grundtatbestand bereits eine Gefährdung enthält, aber noch eine Sachbeschädigung hinzukommt. Beispiel:
Regelsatz für Grundtatbestand:
40 Euro
– Mit Gefährdung:
50 Euro
– Mit Sachbeschädigung:
60 Euro
Regelsatz für Grundtatbestand mit Gefährdung:
60 Euro
– Mit Sachbeschädigung:
75 Euro
2. Verwarnung 110
Gemäß § 56 OWiG kann die Verwaltungsbehörde (und über § 57 OWiG auch die hierzu ermächtigten Beamten des Polizeidienstes) wegen geringfügiger Ordnungswidrigkeiten eine Verwarnung aussprechen sowie ein Verwarnungsgeld verhängen. Die Spanne des zu verhängenden Verwarnungsgeldes reicht von 5 Euro4 bis zu 35 Euro (§ 56 Abs. 1 S. 1 OWiG). Die Verwarnung mit Verwarnungsgeld stellt einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt aus Anlass einer Ordnungswidrigkeit dar, mit der Folge, dass die Verwarnung nur wirksam wird mit dem Einverständnis des Betroffenen sowie der Zahlung des Verwarnungsgeldes, andernfalls fehlt es an der erforderlichen Mitwirkung des Betroffenen. Sinn und Zweck des Verwarnungsverfahrens besteht darin, die Durchführung eines förmlichen Bußgeldverfahrens „im äußersten Bagatellbereich“ zu vermeiden5. Weigert sich der Betroffene, die Verwarnung zu akzeptieren und das Verwarnungsgeld zu zahlen, geht dann das Verwarnungsverfahren in das Bußgeldverfahren über. 1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 31. 5. 2000 – 2a Ss (OWi) 68/00 – (OWi) 30/00 II, DAR 2000, 534 = VM 2000, Nr. 93: Bei der Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten dürfen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in der Regel unberücksichtigt bleiben, wenn eine Geldbuße von nicht mehr als 250 Euro verhängt wird; im Ergebnis ebenso OLG Zweibrücken v. 3. 2. 1999 – 1 Ss 21/99, DAR 1999, 181. 2 Vgl. BayObLG v. 21. 10. 1998 – 1 ObOWi 542/98, DAR 1999, 36. 3 Vgl. Tabelle 4 zum Bußgeldkatalog. 4 Geändert mit Wirkung zum 1. 3. 1998 von früher 5 DM auf 10 DM, jetzt 5 Euro. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 27. 1. 1984 – 2 Ss 639/83–384/83 II, NJW 1984, 1571.
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V. Geldbuße/Verwarnung/Fahrtenbuch
Rz. 114 Teil 10
! Hinweis: Eine Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister für Verwarnungen erfolgt nicht, da Verwarnungsgelder bis maximal 35 Euro erhoben werden dürfen, eine Eintragung aber erst ab einem Betrag von 40 Euro vorgesehen ist.
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3. Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) a) Allgemeines Kann die Verwaltungsbehörde nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften den verantwortlichen Fahrzeugführer nicht feststellen, so darf gemäß § 31a StVZO dem Fahrzeughalter das Führen eines Fahrtenbuches auferlegt werden. Die Unmöglichkeit einer Feststellung ist dann anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat1.
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Die Fahrtenbuchauflage kann sich auf eines oder mehrere auf den Halter zugelassene Fahrzeuge beziehen, sogar auf künftig zuzulassende Fahrzeuge (§ 31a Abs. 1 S. 1 StVZO).
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Dem Halter darf jedoch nur dann das Führen eines Fahrtenbuches auferlegt werden, wenn eine Verhältnismäßigkeit zwischen dem begangenen Verstoß und dieser Maßnahme besteht2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in aller Regel nur dann gewahrt, wenn ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden ist, ohne dass der verantwortliche Fahrer ermittelt werden konnte3. Erhebliche Verkehrsverstöße liegen dann vor, wenn für sie eine Eintragung im Verkehrszentralregister vorgesehen ist4. Auf eine besondere Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes im Einzelfall kommt es nicht an, es reicht auch schon eine einmalige Begehung eines zumindest mit einem Punkt bewerteten Verstoßes, z.B. Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit innerorts um 23 km/h5. Im Regelfall wird die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von
114
1 Vgl. hierzu auch BVerwG v. 25. 6. 1987 – 7 B 139. 87 (Berlin), DAR 1987, 393 und Hentschel, NJW 2005, 641, 643 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum Thema Fahrtenbuch. 2 Vgl. OVG Lüneburg v. 27. 9. 1978 – IV OVG A 111/77, NJW 1979, 669; OVG Münster v. 11. 4. 1988 – 13 A 1388/87, VRS 75, 384. 3 Vgl. VGH Kassel v. 10. 12. 1969 – II OE 112/68, DAR 1970, 221; BayVGH v. 6. 10. 1997 – 11 B 96.4036, MDR 1998, 153 = NZV 1998, 88; VG Lüneburg v. 21. 7. 2004 – 5 A 96/03, VD 2005, 17, 19. 4 Vgl. hierzu die ausführliche Kommentierung in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 31a StVZO Rz. 8. 5 Vgl. OVG Münster v. 29. 4. 1999 – 8 A 699/97, DAR 1999, 375.
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Teil 10
Rz. 115
Bußgeldverfahren
sechs Monaten angeordnet1, wobei es allerdings auch auf die Schwere des Verkehrsverstoßes ankommt2. 115
Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, zu gewährleisten, dass bei künftigen Verkehrsverstößen der Täter rechtzeitig innerhalb der Verjährungsfrist ermittelt werden kann3. Ein zugunsten des Halters bestehendes Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht hindert die Verwaltungsbehörde nicht an der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage4; die Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuches ist verfassungsrechtlich zulässig5. Ein bereits geführtes Fahrtenbuch unterliegt nicht dem Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 StPO6.
116
Die Fahrtenbuchauflage ist nicht davon abhängig, dass der Halter die Unmöglichkeit der Identifizierung des Fahrers zu vertreten hat, z.B. weil er den ihm bekannten Fahrer nicht benannt hat7; nach Auffassung des VGH Mannheim darf allerdings ein Fahrtenbuch nicht auferlegt werden, wenn der Halter das ihm Zumutbare und Mögliche zur Aufklärung des Sachverhaltes und Identifizierung des Fahrers unternommen hat8. In jedem Fall ist der Halter zuvor nicht nur als Betroffener, sondern auch als Zeuge anzuhören9.
! Hinweis: 117
Bei den sog. Kennzeichenanzeigen schreiben die Verwaltungsbehörden in der Regel per Anhörungsbogen den anhand des Kennzeichens ermittelten Halter an, mit der Aufforderung, den Anhörungsbogen selbst auszufüllen, falls Halter und Fahrer identisch sind, andernfalls den Bogen an den tatsächlichen Fahrer weiterzuleiten, damit dieser Angaben zur Person und zur Sache macht. Je länger der Zeitraum zwischen Tattag und Tag der Übersendung des Anhörungsbogens an den Halter, desto besser sind die Chancen, bei der Verwaltungsbehörde eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es nämlich einem Halter ab einem gewissen Zeit1 Vgl. VG Lüneburg v. 21. 7. 2004 – 5 A 96/03, VD 2005, 17, 19. 2 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 31a StVZO Rz. 9. 3 Vgl. BVerwG v. 23. 6. 1989 – 7 B 90/89, NJW 1989, 2704; KG v. 11. 10. 1985 – 3 Ws (B) 372/85, VRS 70, 59 f.; VGH Mannheim v. 18. 6. 1991 – 10 S 938/91, NZV 1991, 445 = NJW 1992, 132; VG Lüneburg v. 21. 7. 2004 – 5 A 96/03, VD 2005, 17, 18. 4 Vgl. BVerwG v. 4. 3. 1981 – 7 B 17/81, NJW 1981, 1852; VGH Mannheim v. 6. 11. 1998 – 10 S 2625/98, DAR 1999, 90; OVG Lüneburg v. 11. 5. 1999 – 12 L 2087/99, DAR 1999, 424; VG Lüneburg v. 21. 7. 2004 – 5 A 96/03, VD 2005, 17, 18. 5 Vgl. BVerfG v. 7. 12. 1981 – 2 BvR 1172/81, NJW 1982, 568. 6 Vgl. BVerwG v. 4. 3. 1981 – 7 B 17/81, NJW 1981, 1852; VGH München v. 30. 6. 1976 – Nr. 139 VII 76, DAR 1976, 278. 7 Vgl. Hentschel, NJW 1993, 1117. 8 Vgl. VGH Mannheim v. 17. 7. 1990 – 10 S 962/90, NZV 1992, 46; kritisch hierzu Stollenwerk, DAR 1997, 459. 9 Vgl. VGH Mannheim v. 4. 8. 2009 – 10 S 1499/09, NZV 2010, 53.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 120 Teil 10
raum (ab ca. zwei Wochen) nicht mehr zuzumuten, sich daran zu erinnern, wem ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden war1. Folglich darf ein Fahrtenbuch nur dann auferlegt werden, wenn der Fahrzeughalter seine fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung an einer Täterfeststellung dadurch zeigt, dass er in Kenntnis des Ermittlungsstandes der Behörde seine Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes verweigert2. b) Anfechtung Die von der Straßenverkehrsbehörde ergangene Anordnung der Fahrtenbuchauflage stellt einen Verwaltungsakt dar. Gegen ihn kann zunächst Widerspruch eingelegt und im Falle eines negativen Widerspruchsbescheides Anfechtungsklage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Regelmäßig wird die Behörde jedoch die sofortige Vollziehung anordnen, so dass weder dem Widerspruch noch der Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukommen. Erfahrungsgemäß bestehen allerdings leider kaum Erfolgsaussichten bei einer Anfechtung der Fahrtenbuchauflage.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG 1. Allgemeines Ein Fahrverbot gemäß § 25 StVG kann nur verhängt werden, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum einen muss der Betroffene ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG gehandelt haben, zum anderen muss gegen ihn deswegen eine Geldbuße verhängt worden sein. Da es sich bei dem Fahrverbot nach § 25 StVG um eine sog. Nebenfolge handelt, kommt eine isolierte Verhängung eines Fahrverbotes nicht in Betracht3.
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Damit ein Fahrverbot nach § 25 StVG überhaupt verhängt werden darf, muss es sich aus Gründen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers be-
120
1 Dies gilt allerdings nicht, wenn dem Halter ein Foto des Fahrers vorgezeigt wird, OVG Lüneburg v. 2. 11. 2004 – 12 ME 413/04, zfs 2005, 268; OVG Lüneburg v. 8. 11. 2004 – 12 LA 72/04, DAR 2005, 231;oder das Fahrzeug gewerblich genutzt wird; vgl. auch Himmelreich/Bücken, Musterschriftsätze Rz. 2520 mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen; lesenswert zur Problematik VGH Mannheim v. 16. 4. 1999 – 10 S 114/99, DAR 1999, 425; VG Lüneburg v. 21. 7. 2004 – 5 A 96/03, VD 2005, 17, 19. 2 Vgl. OVG Bremen v. 3. 8. 1993 – 1 BA 17/93, VRS 86, 159 = NZV 1994, 168; Niedersächsisches OVG v. 2. 22. 2006 – 12 LA 177/06, zfs 2007, 119. 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 10. 9. 1993 – 2 Ss (OWi) 268/93 – (OWi) 75/93 II, DAR 1994, 204 = VRS 86, 314 f.
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Teil 10
Rz. 121
Bußgeldverfahren
gangen worden ist1. Dem Halter, der das Fahrzeug nicht selbst geführt hat, darf kein Fahrverbot auferlegt werden2. Grobe Pflichtverletzungen sind gegeben, wenn es sich um solche Pflichtverletzungen handelt, die (objektiv) immer wieder die Ursache schwerer Unfälle bilden und subjektiv auf besonders grobem Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruhen3. Eine beharrliche Pflichtverletzung soll dann vorliegen, wenn der Kraftfahrer sich besonders verantwortungslos verhalten oder wiederholt hartnäckig Verkehrsvorschriften missachtet hat4. 121
Wiederum aus Gründen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf ein Fahrverbot nach § 25 StVG nur dann verhängt werden, wenn der angestrebte Ahndungserfolg mit der Geldbuße als dem nach dem OWiG vorgesehenen Ahndungsmittel allein nicht erzielt werden kann. Erst wenn feststeht, dass sich der Betroffene auch durch eine empfindliche und im Wiederholungsfall selbst durch eine verschärfte Geldbuße nicht auf seine Pflichten als Kraftfahrer besinnen würde, darf von der Möglichkeit der Anordnung eines Fahrverbotes Gebrauch gemacht werden5.
2. Im Einzelnen 122
Seit Inkrafttreten der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) am 1. 1. 1990 gilt die Einschränkung, dass bei Vorliegen eines der in § 4 Abs. 1 bis 3 BKatV genannten Regelfalles die Anordnung eines Fahrverbotes zwar nicht zwingend vorgesehen ist, sondern lediglich in Betracht kommt, allerdings im Urteil keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen werden müssen, warum nach Auffassung des Gerichts eine Geldbuße nicht ausreichte6. 1 Vgl. BVerfG v. 16. 7. 1969 – 2 BvL 11/69, NJW 1969, 1623 f. 2 Vgl. OLG Köln v. 5. 3. 1993 – Ss 46/93 (B), VRS 85, 209 f.; BayObLG v. 5. 1. 1971 – 1 Ws (B) 91/70, NJW 1971, 770; OLG Hamm v. 12. 7. 2007 – 4 Ss Owi 428/07, DAR 2008, 652. 3 Vgl. BayObLG v. 19. 5. 1988 – 2 ObOWi 101/88, DAR 1988, 350; OLG Düsseldorf v. 27. 10. 1998 – 5 Ss (OWi) 336/98 – (OWi) 133/98 I, DAR 1999, 82 f; BayObLG v. 8. 5. 2003 – 2 ObOWi 43/03, NJW 2003, 2253; OLG Celle v. 10. 3. 2003 – 222 Ss 38/03 (OWi), DAR 2003, 323. 4 Vgl. BVerfG v. 16. 7. 1969 – 2 BvL 11/69, NJW 1969, 1623 f.; KG v. 23. 11. 1993 – 2 Ss 207/93 – 3 Ws (B) 624/93, NZV 1994, 159; BayObLG v. 19. 5. 1988 – 2 ObOWi 101/88, DAR 1988, 350, 351; BayObLG v. 27. 11. 2003 – 1 ObOWi 429/2003, DAR 2004, 163; BayObLG v. 30. 1. 2003 – 1 ObOWi 487/2002, DAR 2003, 231; OLG Karlsruhe v. 18. 6. 2002 – 2 Ss 94/01, NJW 2003, 3719, 3720; KG v. 21. 6. 2004 – 3 Ws (B) 186/04, DAR 2004, 594. 5 Vgl. BVerfG v. 16. 7. 1969 – 2 BvL 11/69, NJW 1969, 1623 f. 6 Vgl. BGH v. 28. 11. 1991 – 4 StR 366/91, NJW 1992, 446; BGH v. 20. 12. 1991 – 3 StR 500/91 (LG Kleve), NZV 1992, 286; BGH v. 5. 11. 1991 – 4 StR 350/91, BGHSt 38, 106 f. = NJW 1992, 449; OLG Köln v. 21. 10. 2003 – Ss 410/03 (B) – 199 B, zfz 2004, 88, 90; OLG Jena v. 7. 6. 2004 – 1 Ss 27/04, DAR 2004, 663, 664; OLG Hamm v. 23. 10. 2003 – 2 Ss Owi 649/03, DAR 2004, 102, 103.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 123 Teil 10
Die Urteilsgründe müssen jedoch erkennen lassen, dass sich der Tatrichter des Umstandes bewusst war, dass grundsätzlich besondere Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht geeignet sind, ein Abweichen vom Regelfall zu begründen, derartige Anhaltspunkte aber nicht vorlagen1. Der Entscheidung des Tatrichters muss sich des Weiteren entnehmen lassen, dass dieser sich der Möglichkeit, von einem Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können, bewusst gewesen ist2. Diese Grundsätze gelten auch nach der Neuregelung im Jahr 20013 und der Umstellung des Bußgeldkatalogs auf Euro. Der bisherige Verwarnungsgeldkatalog, der Bußgeldkatalog sowie die Bestimmungen über Regelfahrverbote wurden in einem Regelwerk zusammengefasst. Der neue § 2 BKatV enthält die besonderen Regelungen für die Verhängung von Verwarnungen und entspricht somit im Wesentlichen dem bisherigen Verwarnungsgeldkatalog. Die Regelung des § 1 BKatV a.F. findet sich in modifizierter Form im aktuellen § 3 BKatV wieder. § 4 BKatV, der dem bisherigen § 2 BKatV entspricht, kennt drei Gruppen von Regelfällen: Grobe Pflichtverletzungen (§ 4 Abs. 1 BKatV), beharrliche Pflichtverletzungen (§ 4 Abs. 2 BKatV) und Verstöße gegen § 24a StVG (§ 4 Abs. 3 BKatV). Beispiele für Regelfälle des § 4 Abs. 1 BKatV (grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers) nach Tatbestandsnummern aus dem Bußgeldkatalog: Nr. 9.3: Geschwindigkeitsüberschreitung bei Sichtweite unter 50m durch Nebel, Schneefall oder Regen mit PKW um mehr als 25 km/h innerorts oder 30 km/h außerorts Nr. 11.3: Geschwindigkeitsüberschreitung mit PKW trotz 30er Zone (§ 41, Zeichen 274.1) oder trotz verkehrsberuhigten Bereichs (§ 42, Zeichen 325) Nr. 19.1.1: Überholen trotz Überholverbot (§ 41, Zeichen 276) mit Gefährdung oder Sachbeschädigung Nr. 83.3: Wenden, Rückwärtsfahren auf der durchgehenden Fahrbahn Nr. 132.1: Rotlichtverstoß mit Gefährdung oder Sachbeschädigung Nr. 132.2: Rotlicht länger als 1 Sekunde 1 Vgl. BGH v. 17. 3. 1992 – 4 StR 367/91, NZV 1992, 286, 288 = NJW 1992, 1397; BayObLG v. 16. 9. 2003 – 2 ObOWi 417/03, DAR 2003, 569; OLG Zweibrücken v. 12. 5. 2003 - 1 Ss 79/03, DAR 2003, 531, 532; OLG Düsseldorf v. 4. 11. 2002 – 2b Ss (Owi) 216/02 – (Owi) 68/02 I, DAR 2003, 85; OLG Hamm v. 23. 10. 2003 – 2 Ss Owi 649/03, DAR 2004, 102, 103; OLG Hamm v. 9. 2. 2004 – 2 Ss Owi 35/04, DAR 2004, 407. 2 Vgl. BGH v. 28. 11. 1991 – 4 StR 366/91, NJW 1992, 446; OLG Hamm v. 26. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1/99, NZV 1999, 215 = zfs 1999, 311; OLG Hamm v. 30. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1196/99, DAR 2000, 129 = MDR 2000, 269; OLG Hamm v. 6. 9. 2001 – 2 Ss Owi 787/01, DAR 2002, 324; OLG Düsseldorf v. 4. 11. 2002, 2b Ss (OWi) 216/02 – (OWi) 68/02 I, DAR 2003, 85; OLG Hamm v. 23. 10. 2003 – 2 Ss OWi 649/03, DAR 2004, 102 f.; OLG Hamm v. 3. 3. 2005 – 2 Ss OWi 817/04, DAR 2005, 460 f. 3 BGBl. I S. 3033.
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Teil 10 124
Rz. 124
Bußgeldverfahren
Beispiel für Regelfall § 4 Abs. 2 BKatV (beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers): Geschwindigkeitsüberschreitung von mind. 26 km/h innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft eines Bußgeldbescheides wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h (Achtung: kein Fahrverbot, wenn zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung über die zweite Geschwindigkeitsüberschreitung bereits Tilgungsreife hinsichtlich der eingetragenen ersten Entscheidung eingetreten ist!)1.
3. Möglichkeiten der Vermeidung a) Die nicht durch einen Regelfall indizierten Fälle 125
Das nicht durch einen Regelfall indizierte Fahrverbot nach § 25 StVG darf nur dann verhängt werden, wenn eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen wird, die unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen worden ist. Auch muss das Gericht davon überzeugt sein, dass die beabsichtigte Ahndung mit einer Geldbuße allein, also auch mit einer erhöhten Geldbuße2, nicht erzielt werden kann.
126
Hier bestehen vielfältige Ansatzpunkte für die Verteidigung, die Verhängung eines Fahrverbotes zu vermeiden, z.B. durch Ausführungen dazu, warum in der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit schon objektiv keine grobe Pflichtverletzung zu sehen ist.
127
Zu berücksichtigen ist ferner, dass aber auch bei objektiv grobem Verkehrsverstoß die Anordnung eines Fahrverbotes ein (subjektiv) besonders verantwortungsloses Verhalten des Fahrers voraussetzt, das bei einmaligem, mit nur einfacher Fahrlässigkeit begangenem Verstoß „in der Regel“ nicht gegeben sein wird3.
128
Ein Schwerpunkt der Verteidigung mit dem Ziel, das Fahrverbot zu vermeiden, kann insbesondere in den nicht indizierten Fällen darin bestehen, dem Gericht anschaulich vor Augen zu führen, warum die Geldbuße allein – ggf. unter angemessener Erhöhung – zur Ahndung des Verkehrsverstoßes ausreicht, auf die Verhängung des Fahrverbotes somit verzichtet werden kann. 1 Vgl. OLG Naumburg v. 11. 2. 1999 – 1 Ss (B) 21/99, DAR 1999, 228; OLG Karlsruhe v. 1. 6. 2005 – 3 Ss 65/05, zfs 2005, 411, 412. 2 Vgl. hierzu auch Deutscher, NZV 1999, 111, 113. 3 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Rz. 20; OLG Stuttgart v. 23. 5. 1984 – 4 Ss (14) 667/83, DAR 1985, 124; OLG Düsseldorf v. 17. 1. 1994 – 5 Ss (OWi) 403/93 – (OWi) 6/94 I, NZV 1994, 161 = zfs 1994, 148; OLG Celle v. 10. 3. 2003 – 222 Ss 38/03 (OWi), DAR 2003, 323; OLG Köln v. 28. 1. 2003 – Ss 14/03 (B), DAR 2003, 183.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 132 Teil 10
! Hinweis: Die Geldbuße kann – auch bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen – nicht unendlich erhöht werden! Der sich aus § 17 Abs. 2 OWiG ergebende Bußgeldrahmen bis 500 Euro für fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeiten darf auch zum Ausgleich für das Absehen vom Fahrverbot nicht überschritten werden1.
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Andererseits darf bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen (z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit) nicht schon deshalb das Absehen vom Fahrverbot abgelehnt werden, weil die Erhöhung der Geldbuße den wirtschaftlich schlechter gestellten Betroffenen wesentlich härter treffen würde als andere Betroffene2.
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Beharrlichkeit verlangt weder einen objektiv oder subjektiv groben Verstoß3, erst recht keinen Vorsatz4. Der Umstand, dass der Betroffene bereits mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten ist, führt noch nicht zwangsläufig zum beharrlichen Pflichtverstoß5; denn „Verkehrsverstöße kommen in den verschiedensten Verkehrslagen bei unterschiedlichster Motivation vor“6. Bei der Frage, ob ein beharrlicher Pflichtverstoß aufgrund einschlägiger Vorbelastungen vorliegt, „kommt es nicht allein auf die Tatzeit der früheren Zuwiderhandlung an, sondern grundsätzlich auf den Zeitpunkt ihrer rechtskräftig abgeschlossenen Ahndung. Denn der Vorwurf, beharrlich die Pflicht eines Kraftfahrzeugführers verletzt zu haben, besteht in aller Regel darin, dass der Betroffene durch die Missachtung der Warnfunktion bestehender Voreintragungen zeigt, dass ihm die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung und notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass ihm die Tat erst durch die Ahndungsmaßnahmen voll bewusst sind. Dieses Bewusstsein ist subjektive Voraussetzung für die Annahme einer beharrlichen Pflichtverletzung.“7.
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Das Bundesverfassungsgericht hat es jedoch als unbedenklich angesehen, dass in § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV bereits eine einmalige Wiederholung einer nicht unerheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb der Jah-
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1 Vgl. OLG Hamm v. 22. 7. 1993 – 4 Ss OWi 737/93, NZV 1994, 201; OLG Hamm v. 2. 7. 2001 – 2 Ss OWi 543/01, NZV 2001, 436. 2 Vgl. OLG Hamm v. 12. 09. 2000 – 2 Ss OWi 888/00, VA 2000, 80. 3 Vgl. KG v. 10. 12. 1990 – 2 Ss 270/90 – 3 Ws (B) 301/90, NZV 1991, 119; OLG Koblenz v. 15. 4. 1996 – 2 Ss 291/95, NZV 1996, 373. 4 Vgl. OLG Koblenz v. 15. 4. 1996 – 2 Ss 291/95, NZV 1996, 373. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 2. 1. 1989 – 2 Ss (OWi) 468/88 – 300/88 II, zfs 1989, 287; BayObLG v. 19. 5. 1988 – 2 ObOWi 101/88, DAR 1988, 350; BayObLG v. 2. 8. 1988 – 2 ObOWi 184/88, DAR 1988, 351. 6 Vgl. OLG Düsseldorf v. 2. 1. 1989 – 2 Ss (OWi) 468/88 – 300/88 II, zfs 1989, 287. 7 Vgl. OLG Düsseldorf v. 3. 5. 1999 – 2a Ss (OWi) 96/99 – (OWi) 29/99 II, DAR 1999, 324.
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Teil 10
Rz. 133
Bußgeldverfahren
resfrist als „beharrlicher Pflichtverstoß“ gewertet wird1. Zudem besteht keine Pflicht des Tatrichters, hinsichtlich der Voreintragungen besondere Feststellungen zu treffen2. Andererseits begründet der Umstand, dass der Betroffene unbelastet war, für sich allein keinen Ausnahmefall, der das Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigt. Denn die Regelahndung nach der Bußgeldkatalogverordnung geht gerade nicht davon aus, dass der Betroffene vorbelastet ist3. b) Die Regelfälle nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 BKatV (die indizierten Fälle) 133
Weitaus schwieriger wird die Verteidigung, wenn ein in § 4 BKatV genannter Regelfall vorliegt. § 4 BKatV schreibt zwar die Anordnung eines Fahrverbotes nicht zwingend vor, sondern spricht lediglich davon, dass ein Fahrverbot „in Betracht kommt“. Gleichwohl nehmen Gerichte häufig das Vorliegen eines Regelfalles zum Anlass, die Voraussetzungen des § 25 StVG quasi „unter den Tisch“ fallen zu lassen. Alleinige Rechtsgrundlage für die Verhängung eines Fahrverbotes ist und bleibt § 25 StVG, so dass nach wie vor zu prüfen bleibt, ob ein grober Pflichtverstoß oder die beharrliche Pflichtverletzung überhaupt vorliegt4. Die Einschränkung besteht lediglich darin, dass in den Regelfällen auch bei erstmaligen Verstößen ein grober bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert ist, der einer Ahndung durch ein Fahrverbot bedarf. Gleichwohl muss das Gericht bzw. die Verwaltungsbehörde auch bei Vorliegen eines indizierten Falles immer noch prüfen, ob nicht konkrete Umstände des Einzelfalles (sowohl objektiv als auch subjektiv) es rechtfertigen, von einer Verhängung eines Fahrverbotes Abstand zu nehmen5. Lediglich Ausführungen dazu, warum das Gericht nicht auch eine Geldbuße als ausreichende Ahndung erachtete, sind beim Vorliegen eines „Regelfalles“ ent-
1 Vgl. BVerfG v. 24. 3. 1996 – 2 BvR 616/91; 2 BvR 588/92; 2 BvR 1585/93; 2 BvR 1661/93, DAR 1996, 196 f. = NJW 1996, 1809 = NZV 1996, 284 = NStZ 1996, 391. 2 Vgl. BayObLG v. 27. 11. 2003 – 1 ObOWi 429/2003, DAR 2004, 163 = VRS 106 (2004) 216. 3 Vgl. OLG Hamm v. 29. 10. 2002 – 2 Ss OWi 789/02, NZV 2003, 103, 104. 4 Vgl. OLG Stuttgart v. 25. 11. 1998 – 5 Ss 675/98, DAR 1999, 88. 5 Vgl. BVerfG v. 24. 3. 1996 – 2 BvR 616/91, DAR 1996, 196 = NJW 1996, 1809 = NZV 1996, 284 = NStZ 1996, 391; BGH v. 28. 11. 1991 – 4 StR 366/91, NZV 1992, 117 = NJW 1992, 446; BayObLG v. 27. 4. 1994 – 2 ObOWi 119/94, NZV 1994, 370; BayObLG v. 17. 8. 1995 – 1 ObOWi 272/95, NZV 1995, 497; OLG Karlsruhe v. 7. 1. 1992 – 1 Ss 77/91, DAR 1992, 437, 438; BayObLG v. 31. 8. 1999 – 1 ObOWi 430/99, DAR 2000, 39; BayObLG v. 5. 11. 1999 – 1 ObOWi 515/99, DAR 2000, 78; OLG Düsseldorf v. 27. 3. 2000 – 2a Ss (OWi) 43/00 – (OWi) 25/00 III, DAR 2000, 416; weitere Nachweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Rz. 19 ff., 24.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 135 Teil 10
behrlich; allerdings muss sich der Tatrichter – ausweislich der Entscheidungsgründe – dessen bewusst gewesen sein1. Auch bei einem „Regelfall“ muss das Gericht prüfen, ob dem Betroffenen ein „in objektiver wie subjektiver Hinsicht besonders verantwortungsloses Verhalten“ vorzuwerfen ist2. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Betroffenen in subjektiver Hinsicht kein schwerer Vorwurf zu machen ist, muss das Gericht den Grad des Verschuldens genau prüfen. Stellt sich dann heraus, dass dem Betroffenen nur eine leichte Unaufmerksamkeit unterlaufen ist, er also nur leicht fahrlässig handelte und damit gerade nicht besonders verantwortungslos, darf kein Fahrverbot verhängt werden3.
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Beispiel: Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts bei Beschränkung auf 30 km/h Hierzu hat der BGH4 entschieden: „Die Anordnung eines Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StVG wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers kommt auch bei einer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV5 erfüllenden Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit darauf beruht, dass der Betroffene infolge einfacher Fahrlässigkeit ein die Geschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen übersehen hat und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste.“
! Hinweis: In derartigen Fällen sind die Gerichte allerdings nicht von Amts wegen verpflichtet, das Vorliegen dieser einfachen Fahrlässigkeit zu prüfen; Verwaltungsbehörden und Gerichte müssen der Frage, ob diese qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem lediglich
1 Vgl. BGH v. 28. 11. 1991 – 4 StR 366/91, NZV 1992, 117 = NJW 1992, 446; BGH v. 17. 3. 1992 – 4 StR 367/91, NZV 1992, 286 = NJW 1992, 1397. 2 Vgl. BVerfG v. 24. 3. 1996 – 2 BvR 616/91; 2 BvR 588/92; 2 BvR 1585/93; 2 BvR 1661/93, DAR 1996, 196 = NJW 1996, 1809 = NZV 1996, 284 = NStZ 1996, 391; Deutscher, NZV 1997, 18, 20; so auch die Empfehlung des Arbeitskreises V des 35. Deutschen Verkehrsgerichtstages 1997 in Goslar, nachzulesen bei Hentschel, DAR 1997, 101. 3 Vgl. OLG Zweibrücken v. 23. 7. 1998 – 1 Ss 173/98, DAR 1998, 402 = NZV 1998, 420 = NJW 1998, 3581; OLG Rostock v. 22. 12. 1998 – 2 Ss (OWi) 37/98 I 26/98, DAR 1999, 277; OLG Hamm v. 13. 8. 1998 – 1 Ss OWi 754/98, NVZ 1999, 92; OLG Naumburg v. 23. 11. 1999 – 1Ss (B) 250/99, zfs 2000, 318; OLG Rostock v. 21. 6. 2004 – 2 Ss (OWi) 117/04 I 90/09, NJW 2004, 2320, 2321; OLG Köln v. 28. 1. 2003 – Ss 14/03 (B), DAR 2003, 183; OLG Celle v. 10. 3. 2003 – 222 Ss 38/03 (OWi), DAR 2003, 323. 4 Vgl. BGH v. 11. 9. 1997 – 4 StR 638/96, MDR 1997, 1024 = NJW 1997, 3252 = DAR 1997, 450 = BGHSt 43, 241. 5 Jetzt: § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV.
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135
Teil 10
Rz. 136
Bußgeldverfahren
einfach fahrlässigen Übersehen des Schildes beruhte, nur dann nachgehen, wenn der Betroffene sich entsprechend einlässt1. 136
Grundsätzlich gilt Folgendes: Die Verhängung eines Fahrverbotes ist nicht schon dann unangemessen, wenn „Verkehrsbegebenheiten mit denkbar geringer Gefährlichkeit und minimalem Handlungsunwert“ vorliegen; allerdings können erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreichen, um eine Ausnahme zu begründen2. Eine unzumutbare Härte liegt nicht schon zwingend dann vor, wenn der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen auf sein Fahrzeug angewiesen ist, z.B. um regelmäßig Ärzte aufsuchen zu können3. Das OLG Hamm4 führt hierzu aus: „Zwar kann eine unzumutbare Härte vorliegen, wenn ein Betroffener wegen körperlicher Behinderungen in stärkerer Weise auf die Nutzung eines Fahrzeuges angewiesen ist als andere durchschnittliche Autofahrer … Der Senat hat aber bereits darauf hingewiesen, dass allein gesundheitliche Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, für ein Absehen vom Fahrverbot nicht genügen. Entscheidend ist vielmehr die Schwere der Behinderung und deren Auswirkung beim Betroffenen sowie der Grad der Abhängigkeit vom Fahrzeug und die Zumutbarkeit der anderweitigen Abwendbarkeit der Folgen des Fahrverbotes … Nach Auffassung des Senates ist es der Betroffenen nämlich zumutbar, für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einem Monat, in dem sie wegen des angeordneten Fahrverbotes ihr Kfz entbehren muss, für ihre Arztbesuche auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. Dies kann ihr ebenso zugemutet werden, wie dies von der Rspr. von Arbeitnehmern für Fahrten zur Arbeitsstätte verlangt wird. Hinzu kommt, dass andernfalls ein Fahrverbot gegen die Betroffene nie festgesetzt werden könnte.“
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Das Abweichen von der Regelahndung bedarf in jedem Fall einer eingehenden, auf Tatsachen gestützten Begründung5. 1 Vgl. BGH v. 11. 9. 1997 – 4 StR 638/96, MDR 1997, 1024 = NJW 1997, 3252 = DAR 1997, 450 = BGHSt 43, 241; zum Rotlichtverstoß vgl. OLG Hamm v. 14. 10. 1997 – 1 Ss OWi 1055/97, NStZ-RR 1998, 117. 2 Vgl. BGH v. 28. 11. 1991 – 4 StR 366/91, NZV 1992, 117 = NJW 1992, 446; OLG Hamm v. 12. 10. 1995 – 4 Ss OWi 874/95, NZV 1996, 118; OLG Zweibrücken v. 19. 11. 2002 – 1 Ss 184/02, DAR 2003, 134; OLG Zweibrücken v. 12. 5. 2003 – 1 Ss 79/03, DAR 2003, 531, 532. 3 Vgl. hierzu auch AG Gießen v. 29. 4. 1999 – 52/09 103 Js-OWi 5552/99, zfs 1999, 441. 4 Vgl. OLG Hamm v. 12. 4. 1999 – 2 Ss OWi 246/99, DAR 1999, 325. 5 Vgl. OLG Hamm v. 12. 10. 1995 – 4 Ss OWi 847/95, NZV 1996, 118; OLG Hamm v. 9. 1. 2001 – 2 Ss OWi 1127/00, NZV 2001, 437; OLG Zweibrücken v. 19. 11. 2002 – 1 Ss 184/02, DAR 2003, 134; OLG Hamm v. 29. 10. 2002 – 2 Ss OWi 789/02, NZV 2003, 103; OLG Hamm v. 8. 7. 2003 – 2 Ss OWi 482/03, DAR 2003, 571.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 141 Teil 10
Aber auch dann, wenn keine besonderen Härten gegeben sind, besteht für das Gericht noch die Möglichkeit, von der Verhängung eines Fahrverbotes Abstand zu nehmen, z.B. dann, wenn zwischen der Tat und der Hauptverhandlung ein längerer Zeitraum liegt und der Betroffene in der Zwischenzeit nicht mehr verkehrsrechtlich negativ in Erscheinung getreten ist1.
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Von der Verhängung eines Regel-Fahrverbotes kann – bei Vorliegen weiterer Umstände – z.B. auch dann abgesehen werden, wenn sich der Betroffene freiwillig einer verkehrspsychologischen Beratung gemäß § 4 Abs. 9 StVG unterzogen hat2.
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In den Fällen des § 24a StVG kann ein Regelfall mit der zwingenden Folge eines Fahrverbotes z.B. dann verneint werden, wenn von vornherein nur eine Fahrt nächtens auf einer abgelegen Straße beabsichtigt war, ohne dass eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer befürchtet werden musste3.
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c) Berufliche Nachteile Grundsätzlich führt nicht jeder berufliche Nachteil zur Ausnahme vom (Regel-)Fahrverbot, sondern grundsätzlich nur eine besondere Härte, die ggf. im Verlust der wirtschaftlichen Existenz zu sehen ist4. 1 Vgl. AG Ulm v. 24. 10. 1996 – 3 OWi 26 Js 3196/95, zfs 1997, 155 (2 Jahre zwischen Tat und Hauptverhandlung); so auch: AG Schlüchtern v. 16. 10. 1995 – 12 Js 19137/93 OWi, zfs 1996, 275; OLG Köln v. 16. 6. 2000 – Ss 241/00 B, DAR 2000, 484; OLG Celle v. 23. 12. 2004 – 211 Ss 145/04, VRS 108 (2005), 118; OLG Karlsruhe v. 18. 1. 2005 – 2 Ss 152/04, DAR 2005, 168; BayObLG v. 9. 10. 2003 – 1 ObOWi 270/03, NZV 2004, 100; OLG Köln v. 8. 6. 2004 – Ss 247/04 (B) – 132 B, NZV 2004, 422 (mehr als zwei Jahre zwischen Tat und Rechtsbeschwerde-Entscheidung); OLG Düsseldorf v. 15. 5. 2000 – 2a Ss (OWi) 128/00 – (OWi) 39/00 III, MDR 2000, 829 = NZV 2001, 435 (zwei Jahre zwischen Tat und Entscheidung); OLG Frankfurt a.M. v. 22. 10. 2003 – 2 Ss OWi 288/03 (23 Monate zwischen Tat und Entscheidung); OLG Hamm v. 2. 7. 2001 – 2 Ss OWi 543/01, NZV 2001, 436 (15 Monate zwischen Tat und Entscheidung); OLG Düsseldorf v. 4. 11. 2002 – 2b Ss (OWi) 216/02 – (OWi) 68/02 I, DAR 2003, 85 (abgelehnt bei 16 Monaten zwischen Tat und Entscheidung); OLG Hamm, 3. 7. 2003 – 2 Ss OWi 413/03, zfs 2003, 521 (abgelehnt bei 21 Monaten zwischen Tat und Entscheidung). 2 Vgl. AG Duderstadt v. 26. 1. 2001 – 3 OWi/91 Js 3332/00 – 40/00, zfs 2001, 519. 3 Vgl. OLG Hamm v. 17. 9. 1987 – 4 Ss OWi 1114/87, DAR 1988, 63; OLG, Celle v. 3. 1. 1990 – 1 Ss OWi 303/89, DAR 1990, 150; OLG Köln v. 26. 8. 1993 – Ss 193/93 (B), NZV 1994, 157. 4 Vgl. OLG Hamm v. 12. 10. 1995 – 4 Ss OWi 874/95, NZV 1996, 118; OLG Dresden v. 23. 6. 1998 – 2 Ss (OWi) 238/98, DAR 1998, 401; OLG Düsseldorf v. 2. 7. 1998 – 5 Ss (OWi) 192/98 – (OWi), DAR 1998, 402 = NZV 1998, 442; OLG Stuttgart v. 21. 10. 1996 – 2 Ss 572/96, DAR 1997, 31; OLG Düsseldorf v. 9. 11. 1998 – 5 Ss (OWi) 299/98 – (OWi) 131/98 I, DAR 1999, 224; OLG Karlsruhe v. 31. 8. 2005 – 1 Ss 84/05, NZV 2006, 326; Deutscher NZV 1999, 111, 113.
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141
Teil 10
Rz. 142
Bußgeldverfahren
! Hinweis: Die Verteidigung muss darauf bedacht sein, möglichst umfangreich hierzu vorzutragen1. Da das Gericht gehalten ist, entsprechendes Vorbringen kritisch zu würdigen2, sollte der Sachvortrag durch Benennung von Zeugen, Vorlage von Bestätigungen des Arbeitgebers/Vorgesetzten/Personalleiters oder des Arbeitsvertrages (falls entsprechende Klausel enthalten) möglichst schon vor der Hauptverhandlung untermauert werden. Das Gericht darf sich nämlich bei der Prüfung der Frage, ob bei der Verhängung des Fahrverbotes z.B. der Verlust des Arbeitsplatzes droht, nicht allein auf eine nicht näher belegte Einlassung des Betroffenen verlassen, sondern muss seine Entscheidung auf für das Rechtsmittelgericht nachprüfbare Tatsachen stützen3. 142
Will das Gericht wegen wirtschaftlich oder beruflich nachteiliger Auswirkungen für den Betroffenen von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen, muss es für die Rechtsbeschwerdeinstanz im Einzelnen nachprüfbar darlegen, welche Unbequemlichkeiten der Betroffene im Falle eines Fahrverbotes auf sich nehmen müsste und dass diese so erheblich sind, dass sie die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten4. Des Weiteren muss das Gericht nicht nur die Härte der Folgen eines zu verbüßenden Fahrverbotes darlegen, sondern diese auch dem Fehlverhalten des Betroffenen gegenüberstellen und insoweit eine entsprechende Abwägung vornehmen5.
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Grundsätzlich gilt, dass wirtschaftliche oder berufliche Nachteile als gewöhnliche Folge eines Fahrverbotes vom Betroffenen hingenommen werden müssen, da sie für den Einzelnen kalkulierbar seien und ihm Veranlassung geben, schon im eigenen Interesse grobe Pflichtverstöße zu vermeiden6. Dies soll nach Auffassung der Rechtsprechung vor allem deshalb gelten, weil in der Regel das Fahrverbot in eine Urlaubszeit verlegt werden könne7, erst recht seit Einführung des § 25 Abs. 2a StVG, zu1 Lesenswert hierzu Krumm, NJW 2007, 257. 2 Vgl. OLG Koblenz v. 30. 7. 1996 – 2 Ss 218/96, NStZ-RR 1997, 19 = MDR 1996, 1285 = NZV 1997, 48. 3 Vgl. OLG Koblenz v. 30. 7. 1996 – 2 Ss 218/96, NStZ-RR 1997, 19 = MDR 1996, 1285 = NZV 1997, 48; OLG Hamm v. 12. 10. 1995 – 4 Ss OWi 874/95, NZV 1996, 118 f. = NStZ-RR 1996, 151; OLG Celle v. 11. 7. 1995 – 1 Ss (OWi) 180/95, NZV 1996, 117; OLG Braunschweig v. 9. 11. 1995 – Ss (B) 125/95, zfs 1996, 194; OLG Stuttgart v. 18. 5. 1994 – 4 Ss 194/94, NZV 1994, 371. 4 Vgl. OLG Hamm v. 18. 7. 1995 – 2 Ss OWi 480/95, NZV 1995, 496 = MDR 1995, 1254 (zu § 24a StVG); OLG Bamberg v. 11. 4. 2006 – 3 Ss OWi 354/2006, DAR 2006, 515; OLG Hamm v. 3. 7. 2006 – 2 Ss OWi 324/06, NZV 2007, 100 f. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 4. 5. 1992 – 2 Ss (OWi) 122/92 – (OWi) 42/92 II, NZV 1992, 373. 6 Vgl. OLG Hamm v. 12. 10. 1995 – 4 Ss OWi 874/95, NZV 1996, 118 = NStZ-RR 1996, 151; OLG Karlsruhe v. 2. 3. 2004 – 1 Ss 18/04, NZV 2004, 316 = DAR 2004, 467 = VRS 106 (2004), 294; OLG Hamm v. 6. 2. 2006 – 2 Ss OWi 31/06, DAR 2006, 521; OLG Hamm v. 3. 7. 2006 – 2 Ss OWi 324/06, NZV 2007, 100 f. 7 Vgl. OLG Hamm v. 8. 7. 1994 – 4 Ss OWi 808/94, DAR 1996, 381, 387.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 145 Teil 10
mal diese Vorschrift vom Gesetzgeber gerade auch geschaffen worden sei, um Nachteile aufgrund der Verhängung eines Fahrverbotes abzumildern1. Vom Fahrverbot darf nicht nur deshalb abgesehen werden, weil der Betroffene eine deutliche Einschränkung des beruflichen Fortkommens befürchten muss2.
! Hinweis: Nach der Rechtsprechung des OLG Celle kann von der Verhängung eines Fahrverbots dann abgesehen werden, wenn der Tatrichter die tatsächliche Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes feststellt. Eine rechtliche Unzulässigkeit der angedrohten Kündigung soll der Bejahung eines Ausnahmefalles i.S.d. § 2 Abs. 4 BKatV nicht entgegenstehen3.
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! Hinweis: Will das Gericht trotz drohender unverhältnismäßiger beruflicher Härten von der Verhängung eines Fahrverbotes nicht absehen, sollte die Verteidigung immer prüfen, ob nicht eventuell das beruflich genutzte Fahrzeug vom Fahrverbot ausgenommen werden kann. Diese Möglichkeit sieht das Gesetz ausdrücklich in § 25 Abs. 1 S. 1 StVG vor: „… so kann ihm die Verwaltungsbehörde oder das Gericht … verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeglicher oder einer bestimmten Art zu führen.“ Unter dem Begriff „Kraftfahrzeuge einer bestimmten Art“ versteht man zunächst die Kraftfahrzeuggruppen, die der Einteilung der Führerscheinklassen zugrunde liegen; die Beschränkung kann dann auf eine (von möglicherweise mehreren) Kraftfahrzeugart einer Gruppe erfolgen4. Dienst- oder Betriebsfahrzeuge des Arbeitgebers in allgemeiner Form (z.B. „mit Ausnahme von Fahrzeugen der Deutschen Telekom“, Taxen) können nicht vom Fahrverbot ausgenommen werden, vielmehr muss sich die Ausnahme auf eine bestimmte Art von Kraftfahrzeugen beziehen, wobei es allein auf den Verwendungszweck, der sich auf die Bauart des Fahrzeuges ausgewirkt haben muss, ankommt5. 1 Vgl. OLG Hamm v. 3. 11. 1998 – 2 Ss OWi 1181/98, DAR 1999, 84; OLG Karlsruhe v. 31. 8. 2005 – 1 Ss 84/05, NZV 2006, 326, 327. 2 Vgl. OLG Hamm v. 8. 7. 1994 – 4 Ss OWi 808/94, DAR 1996, 381, 387. 3 Vgl. OLG Celle v. 29. 9. 1995 – 1 Ss (OWi) 181/95, NZV 1996, 291 = NJW 1996, 2173; anders im Fall einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung: OLG Brandenburg v. 13. 3. 2003 – 2 Ss (OWi) 126 B/02, NStZ-RR 2004, 93; vgl. zur konkreten Gefährdung des Arbeitsplatzes auch AG Papenburg v. 15. 9. 1998 – 17 OWi 25 Js 29559/98 (129/98), DAR 1999, 136. 4 Vgl. OLG Stuttgart v. 11. 6. 1975 – 3 Ss 126/75, VM 1975, 81; AG Rosenheim – Zweigstelle Bad Aibling v. 24. 1. 2000 – 7 OWi 410 Js 21355/99, zfs 2001, 42; OLG Karlsruhe v. 27. 10. 2004 – 1 Ss 178/04, NZV 2004, 653. 5 Vgl. OLG Hamm v. 14. 11. 1995 – 4 Ss OWi 1231/95, DAR 1996, 381, 386; Brandenburgisches OLG v. 19. 11. 1998 – 1 Ss (OWi) 66B/98, VRS 96, 233; OLG Naumburg v. 7. 5. 2003 – 1 Ss (B) 149/03, DAR 2003, 573.
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145
Teil 10
Rz. 146
Bußgeldverfahren
Unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes muss eine Beschränkung vorgenommen werden, wenn ein auf bestimmte Fahrzeugarten beschränktes Fahrverbot als Denkzettel ausreicht1. Beispiele:
146
Ausnahme für landwirtschaftliche Traktoren2; Geschwindigkeitsüberschreitung in Freizeit mit privatem PKW durch Berufs-LKW-Fahrer, deshalb Ausnahme für beruflich genutzten LKW3; Ausnahme für Kleinkrafträder oder Fahrräder mit Hilfsmotor4.
147
Wird das Fahrverbot auf bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen beschränkt, so ist von der zuständigen Behörde für die Dauer des Fahrverbotes ein Ersatzführerschein für die nicht betroffene Art zu erteilen, der nach Verbüßung des Fahrverbotes wieder zurückgegeben werden muss.
d) Beginn und Ende des Fahrverbotes aa) Beginn 148
Grundsätzlich wird das Fahrverbot mit Rechtskraft des Bußgeldbescheides bzw. des Urteils wirksam (vgl. § 25 Abs. 2 StVG) mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt keine Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr mehr geführt werden dürfen5.
! Hinweis: 149
Die Monatsfrist als solche beginnt jedoch erst zu laufen an dem Tag, an dem der Führerschein in amtliche Verwahrung (sprich: zu den Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten) gelangt (vgl. § 25 Abs. 5 S. 1 StVG). Etwaige Verzögerungen bei der Übersendung des Führerscheins gehen zu Lasten des Betroffenen! Bei tatsächlichem oder behauptetem Verlust des Führerscheins beginnt die Verbotsfrist jedoch erst mit dem Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu laufen6.
150
Mit Wirkung zum 1. 1. 1999 wurde § 25 Abs. 2 S. 2 StVG dahingehend geändert, dass für die Dauer des Fahrverbotes nicht nur ein von einer deutschen Behörde erteilter Führerschein amtlich zu verwahren ist (so die bisherige Regelung), sondern dass dies nunmehr auch für internationale 1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 17. 11. 1983 – 2 Ss (OWi) 573/83–346/83 II, DAR 1984, 122; OLG Düsseldorf v. 25. 1. 1996 – 5 Ss (OWi) 2/96 (OWi) 4/96 I, zfs 1996, 356 = NZV 1996, 247 = NStZ-RR 1996, 247. 2 Vgl. OLG Düsseldorf v. 6. 6. 1994 – 5 Ss (OWi) 187/94 (OWi) 103/94 I, NZV 1994, 407 (Landwirtschaftliche Zug- und Arbeitsgeräte). 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 25. 1. 1996 – 5 Ss (OWi) 2/96 (OWi) 4/96 I, zfs 1996, 356 = NZV 1996, 247 = NStZ-RR 1996, 247; AG Eisenach v. 5. 12. 1994 – 475 Js 6091/94 OWi, zfs 1995, 196. 4 Vgl. AG Lüdinghausen v. 22. 10. 1991 – Cs 18 Js 1683/91, DAR 1992, 231. 5 Der Betroffene ist über den Lauf der Fristen und die Wirksamkeit des Fahrverbotes ausdrücklich zu belehren, vgl. § 25 Abs. 8 StVG. 6 Vgl. OLG Düsseldorf v. 9. 8. 1999 – 5 Ss 45/99 – 14/99 IV, NZV 1999, 521.
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VI. Fahrverbot nach § 25 StVG
Rz. 152 Teil 10
Führerscheine gilt mit der Folge, dass die Verbotsfrist erst dann zu laufen beginnt, wenn alle Führerscheine sich in amtlicher Verwahrung befinden! Die gleiche Verpflichtung gilt übrigens auch für Inhaber eines Führerscheins eines EU-Mitgliedsstaates oder eines EWR-Vertragsstaates, sofern sie ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland haben (vgl. § 25 Abs. 2 S. 3 StVG). Lange Zeit musste ein Betroffener, gegen den ein Fahrverbot verhängt worden war, zunächst Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen, um die Rechtskraft des Bußgeldbescheides und damit die Abgabepflicht des Führerscheins bis zu einem Zeitpunkt hinauszuzögern, zu dem am ehesten auf den Führerschein verzichtet werden konnte, z.B. bis zum Urlaub. Dies führte zwangsläufig zu einer enormen Belastung der Gerichte, denn diese „Verzögerungstaktik“ setzte sich natürlich häufig auch im gerichtlichen Verfahren fort, z.B. durch Stellen von Beweisanträgen, Anträgen auf Verlegung des Hauptverhandlungstermines etc. Um dieser Belastung der Gerichte entgegenzuwirken, hat sich der Gesetzgeber zu folgender Gesetzesänderung entschlossen:
151
Mit Wirkung zum 1. 3. 1998 wurde in § 25 StVG ein neuer Absatz 2a eingefügt:
152
„Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen den Betroffenen nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 S. 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Werden gegen den Betroffenen weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen.“
Der Betroffene kann also in einem Zeitraum von vier Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung wählen, wann er ein Fahrverbot verbüßen will; dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass in den zwei Jahren vor dem Verkehrsdelikt (maßgeblich ist die Rechtskraft der Vorentscheidung1) sowie bis zur Bußgeldentscheidung gegen ihn kein Fahrverbot2 verhängt worden ist. Der Betroffene hat einen Anspruch auf diese Vergünstigung. Sie gilt jedoch nur dann, wenn sie auch ausdrücklich im Bußgeldbescheid bzw. im Urteil ausgesprochen worden ist. Andernfalls 1 Vgl. BayObLG v. 17. 7. 1998 – 2 ObOWi 242/98, NZV 1999, 50 f.; BGH v. 29. 6. 2000 – 4 StR 40/00, DAR 2000, 482 = NJW 2000, 2685 = VM 2000, Nr. 91; a.A. OLG Karlsruhe v. 28. 8. 1998 – 2 Ss 184/98, NZV 1999, 177: Maßgeblicher Zeitpunkt sei die letzte sachliche Entscheidung über das vormalige Fahrverbot; vgl. hierzu die Anmerkungen von Albrecht, NZV 1999, 177 und Schäpe, DAR 1999, 372. 2 Gleichgültig, ob Nebenstrafe (§ 44 StGB) oder Nebenfolge (§ 25 StVG), vgl. Hentschel, DAR 1998, 139.
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Teil 10
Rz. 153
Bußgeldverfahren
verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 25 Abs. 2 S. 1 StVG, wonach ein Fahrverbot sofort mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam wird.
! Hinweis: 153
Sind die Voraussetzungen für das „Wahlrecht“ binnen der vier Monate erfüllt, fehlt es jedoch an einem entsprechenden Vermerk im Bußgeldbescheid oder einer entsprechenden Bestimmung im Urteil1, muss Einspruch bzw. Rechtsbeschwerde eingelegt werden, damit eine Korrektur erfolgen kann. Nur so gelangt der Mandant in den Genuss des Wahlrechts!
154
§ 25 Abs. 2a S. 2 StVG gilt ausschließlich für die Fälle des § 25 Abs. 2a S. 1 StVG! Der Ersttäter kann also mehrere kurz hintereinander verhängte Fahrverbote nicht zeitlich günstig zusammenlegen, die Fahrverbotsfristen sind vielmehr zu addieren. Insoweit steht sich der Ersttäter schlechter als der Wiederholungstäter, denn für diesen gilt § 25 Abs. 2a StVG nicht, so dass ihm die Möglichkeit der Parallelverbüßung mehrerer Fahrverbote offen bleibt2.
155
Beispiel: Durch Urteil des Amtsgerichts wird der Betroffene wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 125 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Gegen dieses Urteil legt er Rechtsbeschwerde ein, die vom OLG verworfen wird. Die einmonatige Verbotsfrist beginnt gemäß § 44 Abs. 2 und 3 StGB und § 59a Abs. 1 StVollstrO mit Eingang des Führerscheins bei der Strafvollstreckungsbehörde3 zur dortigen amtlichen Verwahrung.
! Hinweis: 156
Es wäre daher fatal, würde der Mandant nach Zustellung des Beschlusses hinsichtlich der Verwerfung der Rechtsbeschwerde seinen Führerschein beim OLG zu den Gerichtsakten reichen zwecks Verbüßung des einmonatigen Fahrverbotes. Die Frist beginnt nämlich erst zu laufen mit Eingang des Führerscheins bei den Akten der Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde. Die Gefahr einer gravierenden zeitlichen Verzögerung ist daher immens! Der Mandant muss also von seinem Verteidiger darauf hingewiesen werden, dass der Führerschein direkt bei der Staatsanwaltschaft zum Js-Aktenzeichen des OWi-Verfahrens abzugeben ist und auch nicht etwa beim Amtsgericht zum Aktenzeichen der erstinstanzlichen Entscheidung!
1 Bloßer Hinweis in den Urteilsgründen reicht nicht, vgl. OLG Hamburg v. 2. 3. 1999 – 1 Ss 18/99 OWi, DAR 1999, 226. 2 Vgl. Hentschel, DAR 1998, 138, 139; Hentschel, Trunkenheit – Fahrerlaubnisentziehung – Fahrverbot, Rz. 1036 f. 3 Gemäß § 451 StPO ist dies die zuständige Staatsanwaltschaft.
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VII. Verkehrszentralregister
Rz. 160 Teil 10
bb) Ende Nach Verbüßung des Fahrverbotes wird der Führerschein unmittelbar per Post an den Betroffenen zurückgesandt, falls nicht etwas anderes vereinbart ist (z.B. Abholung durch den Betroffenen). In der Regel erfolgt die Zusendung so zeitig, dass der Betroffene den Führerschein bereits vor Ablauf der Frist wieder in den Händen hält. Mit dem Anschreiben wird der Betroffene allerdings darauf hingewiesen, dass er aber erst ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder fahren darf, der Fristablauf wird mit Datumsangabe benannt.
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Im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) wird man vergeblich nach einer Vorschrift suchen, die das Ende des Fahrverbotes, also den Ablauf der Frist, regelt. Über § 46 OWiG muss daher auf die Vorschriften der StPO zurückgegriffen werden. Gemäß § 43 Abs. 1 StPO endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit Ablauf des Tages des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Das Fahrverbot endet also am letzten Tage der Frist um 24.00 Uhr.
158
Zur anschaulichen Verdeutlichung dient folgendes Beispiel: Abgabe des Führerscheins bei der Behörde am
15. 10. 10.30 Uhr,
Ablauf des Fahrverbotes gem. § 43 Abs. 1 StPO am
15. 11. 24.00 Uhr
mit der Folge, dass der Betroffene am wieder fahren darf.
16. 11. 00.00 Uhr
VII. Verkehrszentralregister Das beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg geführte Verkehrszentralregister (VZR) erfasst Verurteilungen in Verkehrsstrafsachen und wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, rechtskräftige Bußgeldbescheide wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten sowie auch alle von den Verwaltungsbehörden angeordneten Führerschein- und Fahrerlaubnismaßnahmen. Die entsprechende gesetzliche Regelung findet sich in § 28 Abs. 3 StVG.
159
1. Eintragungen a) Verkehrsstraftaten Gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG werden im Verkehrszentralregister alle rechtskräftigen Verurteilungen (also auch Strafbefehle!) in Verkehrsstrafsachen eingetragen. Relevant für die Eintragung ist die Frage, ob die Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges bzw. der Teilnahme am Straßenverkehr steht. In der Regel handelt es sich bei derLessing
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160
Teil 10
Rz. 161
Bußgeldverfahren
artigen Straftaten um fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), fahrlässige Tötung (§ 222 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) und Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB), aber es kommen auch andere Straftaten in Betracht, z.B. die Teilnahme an einem Bankraub, indem Täter und das zum Aufschweißen eines Geldschrankes bestimmte Werkzeug mit einem Fahrzeug an den Tatort transportiert werden1. 161
Eine Eintragung erfolgt selbst dann, wenn das Gericht gemäß § 60 StGB von einer Strafe abgesehen hat und auch, wenn gemäß § 59 StGB eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erfolgte. Des Weiteren gelangen Entscheidungen zur Eintragung, die (auch eine vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis, isolierte Sperre oder ein Fahrverbot anordnen (§ 28 Abs. 3 Nr. 2 StVG). b) Verkehrsordnungswidrigkeiten
162
Die Eintragungsgrenze für Ordnungswidrigkeiten beträgt 40 Euro2, nicht eingetragen werden also Verurteilungen und Bußgeldbescheide bis zu 35 Euro Geldbuße (Achtung Ausnahme: Reduzierung der Geldbuße aufgrund schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, vgl. § 28a StVG3) und Verwarnungen. Des Weiteren werden Verurteilungen bzw. Bußgeldbescheide eingetragen, bei denen ein Fahrverbot gemäß § 25 StVG verhängt wurde4. c) Führerschein- und Fahrerlaubnismaßnahmen
163
Im VZR sind darüber hinaus einzutragen alle von Gerichten oder Verwaltungsbehörden getroffenen Maßnahmen hinsichtlich der Erteilung oder Wiedererteilung sowie des Entzuges oder der Versagung der Fahrerlaubnis5. Des Weiteren gelangen zur Eintragung die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung6.
2. Tilgung 164
Die Tilgung der im Verkehrszentralregister erfassten Entscheidungen erfolgt automatisch, d.h. ohne dass dies gesondert beantragt werden müss1 Insoweit Ungeeignetheit i.S.d. § 69 StGB, vgl. OLG Düsseldorf v. 16. 12. 1998 – 2 Ss 402/98 – 135/98 II, NZV 1999, 172 = DAR 1999, 223. 2 Vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG. 3 Lesenswert hierzu auch VG Göttingen v. 23. 3. 1999 – 1 B 1036/99, Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV 2/99, S. 54. 4 Vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG. 5 Vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 4 bis 11 StVG. 6 Vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 12, 13 StVG.
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VII. Verkehrszentralregister
Rz. 168 Teil 10
te, nach Ablauf einer bestimmten Frist. Die Dauer der Frist richtet sich zunächst nach der Art der eingetragenen Entscheidung, sie kann zwei, fünf oder sogar zehn Jahre betragen. a) Tilgungsfristen aa) Zweijährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StVG) Nach zwei Jahren werden alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Gerichte wegen Ordnungswidrigkeiten ohne Rücksicht auf die Höhe des Bußgeldes oder ein etwaiges Fahrverbot getilgt.
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bb) Fünfjährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StVG) Nach fünf Jahren sind folgende Entscheidungen zu tilgen:
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– Gerichtliche Entscheidungen in Strafsachen mit Ausnahme von Entscheidungen wegen Fahrens unter Alkohol- oder Drogeneinfluss (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316, 323a StGB) und von Entscheidungen, in denen die Entziehung der Fahrerlaubnis oder eine Sperre angeordnet worden ist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a StVG); – behördliche Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b StVG); – Teilnahme an einem Aufbauseminar oder an einer verkehrspsychologischen Beratung (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c StVG). cc) Zehnjährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVG) In allen anderen als den oben aufgeführten Fällen beträgt die Tilgungsfrist zehn Jahre, also insbesondere bei den Trunkenheitsdelikten (Straftaten und Verstöße gegen § 24a StVG!).
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b) Fristbeginn (§ 29 Abs. 4 StVG) Die jeweilige Tilgungsfrist beginnt
168
– bei Verkehrsordnungswidrigkeiten mit Rechtskraft des Bußgeldbescheides bzw. der gerichtlichen Entscheidung; – bei Verkehrsstrafsachen mit dem Tag des ersten Urteils bzw. der Unterzeichnung des Strafbefehls durch den Richter; – bei verwaltungsrechtlichen Entscheidungen mit der Rechtskraft des Bescheides; – bei der Teilnahme an Aufbauseminaren oder verkehrspsychologischen Beratungen mit dem Tag der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Lessing
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Teil 10
Rz. 169
Bußgeldverfahren
c) Tilgungshemmung (§ 29 Abs. 6 StVG) 169
Gelangt eine Verkehrsordnungswidrigkeit im Verkehrszentralregister zur Eintragung, bevor dort bereits eingetragene OWi-Entscheidungen löschungsreif sind, so hemmt die Eintragung der „neuen“ Entscheidung die Löschung der dort noch eingetragenen. Beispiel: Für den Betroffenen ist ein Bußgeldbescheid mit Rechtskraft vom 1. 7. 2002 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eingetragen. Tilgungsreife tritt für diese Eintragung am 1. 7. 2004 ein. Die Eintragung eines weiteren Bußgeldbescheides, rechtskräftig seit dem 2. 6. 2005 hemmt aber die Tilgung des ersten Bescheides, es beginnt am 2. 6. 2005 die zweijährige Tilgungsfrist für alle bis dato eingetragenen Entscheidungen; die Frist endet am 2. 6. 2007.
! Hinweis: 170
Die Eintragung einer Bußgeldentscheidung hemmt nicht die Tilgung einer eingetragenen Verkehrsstraftat! Aber: Die Eintragung einer Verkehrsstraftat hemmt die Tilgung aller noch im Register befindlichen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Entscheidungen!
171
Spätestens nach fünf Jahren jedoch werden alle Bußgeldentscheidungen gelöscht unabhängig davon, ob noch andere Entscheidungen eingetragen sind.
! Hinweis: 172
Entscheidungen wegen Verstoßes nach § 24a StVG werden von dieser fünfjährigen Tilgungsfrist nicht erfasst! Ferner werden gemäß § 29 Abs. 6 S. 5 StVG in der Probezeit keine Tilgungen vorgenommen.
! Hinweis: 173
Sofort bei Mandatsannahme sollte sich der Verteidiger bei dem Mandanten erkundigen, ob bereits Entscheidungen im VZR erfasst sind. Kann der Mandant dies nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen, empfiehlt es sich dringend, einen Auszug in Flensburg anzufordern. Hierfür reicht eine vom Mandanten unterzeichnete Vollmacht, im Antrag sollten neben dem vollen Namen des Mandanten und aktueller Adresse jedenfalls Geburtstag und -ort sowie der Geburtsname aufgeführt werden, um Verwechslungen zu vermeiden. Die Auskunft ist kostenfrei und kann angefordert werden unter folgender Adresse: Kraftfahrt-Bundesamt Fördestr. 16 24932 Flensburg oder per Fax 04 61-3 16 16 50.
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VII. Verkehrszentralregister
Rz. 175 Teil 10
Die Auskunft erfolgt in aller Regel recht kurzfristig, meist binnen vierzehn Tagen. Ergibt sich nun aus dem Auszug, dass bereits Eintragungen verzeichnet sind, sollte sofort die Tilgungsfrist berechnet werden. Dementsprechend muss das weitere Vorgehen ausgerichtet werden. In der Regel wird die Verteidigung versuchen, die Rechtskraft der in Rede stehenden Entscheidung durch Einspruch gegen den Bußgeldbescheid oder Strafbefehl hinauszuzögern, um eine Tilgung der Voreintragungen zu erreichen
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d) Überliegefrist (§ 29 Abs. 7 StVG) Seit der Änderung im Rahmen des Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. 8. 20041 hemmt zudem eine neue Tat, die vor Ablauf der Tilgungsfrist begangen wurde, allerdings erst nach der Tilgungsfrist Rechtskraft erlangt, die Tilgung, wenn sie noch innerhalb der Überliegefrist (von nunmehr einem Jahr) zu einer erneuten Eintragung führt, § 29 Abs. 7 StVG. Damit wurde ein neuer Ablaufhemmungstatbestand eingeführt. Mit diesen Neuregelungen soll u.a. vermieden werden, dass durch Hinauszögern des Verfahrens durch den Betroffenen ältere Einträge zur Löschung kommen2. Eine Übergangsregelung ist nicht aufgenommen worden3. Allerdings darf vor Eintragung einer neuen Tat die in der Überliegefrist befindliche Voreintragung nicht verwertet werden4.
1 BGBl. I, S. 2198 ff.; in Kraft seit dem 1. 2. 2005. 2 Vgl. Gübner, NZV 2005, 57. 3 Ein diesbezüglicher Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot wurde vom VG Schleswig abgelehnt, Urt. v. 3. 4. 2006 – 3 A 49/06, NZV 2006, 614 = NJW 2006, 2201. 4 Vgl. Böttger in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWiVerfahren, Rz. 2204; Gübner, NZV 2005, 57, 59; Gübner, VRR 2005, 212; OLG Karlsruhe v. 1. 6. 2005 – 3 Ss 65/05, zfs 2005, 411; OLG Hamm v. 3. 5. 2005 – 3 Ss 228/05, VRR 2005, 233.
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Teil 11 Verkehrsstrafsachen Rz. I. Verfahren 1. Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . a) Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einstellung nach § 153 StPO . . c) Einstellung nach § 153a StPO . d) Einstellung nach §§ 154, 154a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafbefehlsverfahren . . . . . . . . . . . 3. Zwischenverfahren . . . . . . . . . . . . . 4. Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsmittel a) Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 4 7 13 14 20 22 23 27 31 33
6. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) . . . . . . . . . . . 8. Nötigung (§ 240 StGB) . . . . . . . . . . 9. Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 57 71 74
III. Fahrverbot nach § 44 StGB . . . . . . 77 IV. Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 f. StGB 1. Voraussetzungen der Entziehung . 90 2. Arbeitsrechtliche Konsequenzen a) Berufskraftfahrer . . . . . . . . . . . . 98 b) Außendienstmitarbeiter . . . . . . 102 V. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO . . 105
II. Einzelne Straftatbestände 1. Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) . . 3. Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollrausch (§ 323a StGB) . . . . . . . . 5. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) . . . .
Rz.
36 39 41 49
VI. Entschädigung nach strafgerichtlicher Führerscheinmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 VII. Nebenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
51 VIII. Adhäsionsverfahren . . . . . . . . . . . . . 124
I. Verfahren 1. Ermittlungsverfahren Gerade in Verkehrsstrafsachen sollte sich – rechtzeitige Mandatierung vorausgesetzt – die Verteidigertätigkeit nicht erst auf die Hauptverhandlung konzentrieren, vielmehr empfiehlt sich eine frühzeitige Aktivität bereits im von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren. Nicht zuletzt wegen der bei vielen Verkehrsstraftaten drohenden Führerschein- und Fahrerlaubnismaßnahmen (Fahrverbot, vorläufige Entziehung und Entziehung der Fahrerlaubnis) muss die Verteidigung alles daran setzen, eine frühzeitige Einstellung des Verfahrens zu erreichen, damit es gar nicht erst zu Führerscheinmaßnahmen kommt. Ist die Fahrerlaubnis nämlich erst durch Beschluss nach § 111a StPO vorläufig entzogen, wird kaum noch ein Staatsanwalt bereit sein, überhaupt über eine Einstellung des Verfahrens nachzudenken, jedenfalls nicht außerhalb der HauptverLessing
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Teil 11
Rz. 2
Verkehrsstrafsachen
handlung. Gleiches gilt für das zuständige Gericht, nicht zuletzt auch deshalb, weil sonst der zuvor vom gleichen Gericht erlassene § 111a-Beschluss sofort in Frage gestellt würde. Damit vergeht wertvolle und für den Mandanten entbehrungsreiche Zeit bis zur Hauptverhandlung, in der eine Einstellung erfahrungsgemäß immer schwieriger zu erreichen ist als im Ermittlungsverfahren. Auch wenn eine Einstellung des Verfahrens aufgrund der Sachlage nicht in Betracht kommt, muss die Verteidigung alles daran setzen, alle für den Mandanten sprechenden Umstände zu sammeln und der Staatsanwaltschaft frühzeitig vorzutragen. a) Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO 2
Wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keinen genügenden Anlass zur Anklageerhebung geben, wird das Verfahren eingestellt (§ 170 Abs. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft stellt dabei eine eigene Prognose an, ob nach Sach- und Rechtslage am Ende der Hauptverhandlung ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verurteilung erfolgen würde. Die Einstellung kann dabei auf tatsächlichen Gründen (z.B. fehlendem hinreichenden Tatverdacht) oder auf rechtlichen Gründen (z.B. fehlender Strafantrag oder eingetretene Verjährung) beruhen.
! Hinweis: 3
Strafklageverbrauch tritt nicht ein, die Ermittlungen können also wieder aufgenommen werden, wenn die Staatsanwaltschaft neue Informationen erhält. b) Einstellung nach § 153 StPO
4
Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 153 Abs. 1 S. 1 StPO von der Verfolgung absehen, also das Verfahren einstellen, wenn „lediglich“ ein Vergehen (d.h. kein Verbrechen) vorliegt, die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben ist1. Bei der Frage des geringen Verschuldens ist keine Schuldfeststellung vorzunehmen („wäre“), sondern die Prognose einer gewissen Wahrscheinlichkeit, wobei eine Täterschuld dann als gering angesehen wird, wenn sie im Vergleich mit Delikten gleicher Art nicht unerheblich unter dem Durchschnitt liegt2. Bereits der Katalog des § 46 Abs. 2 StGB gibt verschiedene Anhaltspunkte für die Argumentation, z.B. das Maß der Pflichtwidrigkeit, Bemühen um Schadenswiedergutmachung usw. 1 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 153 StPO Rz. 7. 2 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 153 StPO Rz. 4.
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I. Verfahren
Rz. 10 Teil 11
Die Einstellung nach § 153 Abs. 1 S. 1 StPO führt zu einem beschränkten Strafklageverbrauch. So kann eine mit dem Vergehen zusammenfallende Ordnungswidrigkeit noch nach § 21 Abs. 2 OWiG verfolgt werden. Dies ist auch möglich, wenn sich – sei es durch neue Tatsachen oder eine andere rechtliche Bewertung – herausstellt, dass ein Verbrechen gegeben ist. Jedoch ist eine neue Verfolgung der Tat entgegen verbreiteter Ansicht nicht möglich, wenn neue Tatsachen nahelegen, dass die Schuld des Beschuldigten nicht mehr als gering anzusehen wäre und damit ein öffentliches Interesse an der Verfolgung begründet würde1.
5
Die Einstellung kann ohne Zustimmung durch das Gericht erfolgen, wenn das in Rede stehende Vergehen nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und die durch die Tat verursachten Folgen gering sind (vgl. § 153 Abs. 1 S. 2 StPO). Dadurch können insbesondere Fälle der fahrlässigen Körperverletzung und Nötigung im Bagatellbereich von der Staatsanwaltschaft auch ohne Zustimmung durch das Gericht eingestellt werden, es bedarf noch nicht einmal der Zustimmung durch den Beschuldigten!
6
c) Einstellung nach § 153a StPO Hauptanwendungsfall der Einstellung in Verkehrsstrafsachen ist die Einstellung nach § 153a StPO. Sie ist sowohl im Ermittlungsverfahren als auch noch nach Anklageerhebung und sogar noch in der Hauptverhandlung möglich.
7
Im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft – mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts2 und des Beschuldigten – das Verfahren wegen eines Vergehens einstellen, wenn die Erfüllung der in § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1–6 StPO genannten Auflagen und Weisungen3 geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.
8
! Hinweis: § 153a StPO ist ergänzt worden und zwar u.a. dahingehend, dass nach Abs. 1 S. 2 Nr. 6 auch die Teilnahme an einem amtlich anerkannten Aufbauseminar die Möglichkeit zur Verfahrenseinstellung bietet. Dies ist insbesondere interessant für Trunkenheitstäter mit Promillewerten im unteren Bereich! Nach Erhebung der Anklage erfolgt eine Einstellung durch das Gericht, sofern Staatsanwaltschaft und Angeklagter zustimmen. 1 Vgl. BGH v. 26. 8. 2003 – 5 StR 145/03, NJW 2004, 375, 376. 2 Vgl. § 153a Abs. 1 S. 7 StPO mit Verweisung auf § 153 Abs. 1 S. 2 StPO. 3 In der Regel § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO: Zahlung eines Geldbetrages (sprich: Geldbuße) an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse.
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Teil 11 11
Rz. 11
Verkehrsstrafsachen
Die Einstellung des Verfahrens ist solange vorläufig, bis die Auflagen/ Weisungen vom Beschuldigten erfüllt sind. Erst dann wird das Verfahren endgültig eingestellt. Das wiederum hat gemäß § 153a Abs. 1 S. 5 StPO zur Folge, dass die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann, also Strafklageverbrauch eintritt.
! Hinweis: 12
Sowohl bei einer Einstellung nach § 153 StPO als auch nach § 153a StPO erfolgt weder eine Eintragung im Verkehrszentralregister in Flensburg noch eine Eintragung im Bundeszentralregister. d) Einstellung nach §§ 154, 154a StPO
13
Die Vorschrift der §§ 154, 154a StPO gibt der Staatsanwaltschaft und dem Gericht die Möglichkeit, durch teilweisen Verzicht auf die Verfolgung einzelner Taten eine Verfahrensbeschleunigung herbeizuführen. Der Anwendungsbereich erstreckt sich nicht nur auf Großverfahren, sondern gerade auch im Bereich der Verkehrsdelikte auf Bagatelldelikte und Vorwürfe, bei denen sich Schwierigkeiten in der Beweisführung (insbesondere im subjektiven Bereich) ergeben.
2. Strafbefehlsverfahren 14
Das Strafbefehlsverfahren ist in den §§ 407 ff. StPO geregelt. Voraussetzung für den Erlass eines Strafbefehls auf Antrag der Staatsanwaltschaft ist die erstinstanzliche Zuständigkeit des Strafrichters bzw. des Schöffengerichts. Dies ist bei nahezu allen verkehrsrechtlichen Straftaten gegeben, sogar die fahrlässige Tötung wird in aller Regel „nur“ beim Strafrichter angeklagt. Hält die Staatsanwaltschaft nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so beantragt sie beim zuständigen Gericht den Erlass eines Strafbefehls mit der Wirkung, dass damit die öffentliche Klage erhoben wird. Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten, diese sind abschließend in § 407 Abs. 2 StPO aufgeführt. In Verkehrsstrafsachen kommt zumeist Geldstrafe und Fahrverbot bzw. Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht.
! Hinweis: 15
Die Dauer der Fahrerlaubnisentziehung wird im Strafbefehl genau bezeichnet, die Staatsanwaltschaft berücksichtigt bei ihrem Antrag bereits die Dauer einer eventuellen vorläufigen Entziehung. Die Dauer der Sperre berechnet sich nicht etwa ab Zustellung des Strafbefehls, sondern ab Erlass des Strafbefehls durch das Gericht; denn dieser Zeitpunkt entspricht der Verkündung eines Urteils in der Hauptverhandlung.
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I. Verfahren
Rz. 22 Teil 11
Auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens kann noch ein Strafbefehl erlassen werden. Dies geschieht zumeist dann, wenn der Angeklagte zum Hauptverhandlungstermin unentschuldigt nicht erscheint und sowohl der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als auch das Gericht eine Durchführung der Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachten. Die Staatsanwaltschaft beantragt dann in der Hauptverhandlung gemäß § 408a StPO den Erlass eines Strafbefehls, dem Antrag hat das Gericht zu entsprechen, sofern die Voraussetzung für den Erlass eines Strafbefehls vorliegen.
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Gemäß § 410 StPO kann gegen einen Strafbefehl binnen zwei Wochen ab Zustellung Einspruch eingelegt werden. Der Einspruch ist an das Gericht zu richten, das den Strafbefehl erlassen hat.
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! Hinweis: Diese Frist ist eine Notfrist, bei nicht rechtzeitigem Einspruch steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO); es sei denn, das Gericht gewährt auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Nach rechtzeitigem Einspruch wird der Strafbefehl behandelt wie eine Anklage, das Gericht bestimmt dann einen Termin zur Hauptverhandlung (§ 411 Abs. 1 S. 2 StPO). Bei verspätetem oder sonst unzulässigen Einspruch verwirft das Gericht den Einspruch durch Beschluss, der mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (§ 411 Abs. 1 S. 1 StPO).
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3. Zwischenverfahren Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, so prüft das in der Anklageschrift bezeichnete Gericht zunächst die Zuständigkeit sowie das Vorliegen etwaiger Verfahrenshindernisse und dann insbesondere die Voraussetzungen des § 203 StPO, also die Frage des hinreichenden Tatverdachtes.
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! Hinweis: Spätestens hier sollte die Verteidigung prüfen, ob mit Einwendungen oder entsprechenden Anträgen, z.B. Beweisanträgen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung, die Eröffnung des Hauptverfahrens verhindert werden kann. Geht das Gericht dem nach (meist durch Rückgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft mit der Aufforderung zur weiteren Ermittlung), steigen häufig die Chancen, doch noch eine Einstellung des Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung erreichen zu können!
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4. Hauptverfahren Mit Erlass des von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls bzw. Zulassung der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage beginnt Lessing
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22
Teil 11
Rz. 23
Verkehrsstrafsachen
das Hauptverfahren; das Gericht bestimmt einen Hauptverhandlungstermin und lädt Angeklagten, Verteidiger, Zeugen und Sachverständige1.
5. Rechtsmittel a) Berufung 23
Mit dem Rechtsmittel der Berufung können erstinstanzliche Urteile des Amtsgerichts (Strafrichter und Schöffengericht, Jugendrichter und Jugendschöffengericht) angefochten werden. Die Berufung ist binnen einer Woche ab Urteilsverkündung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen, und zwar bei dem erkennenden Gericht (judex a quo). Eine Begründung ist nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. § 317 StPO), manchmal aber empfehlenswert. Für die Hauptverhandlung bei dem Berufungsgericht (stets das Landgericht, in dessen Bezirk das erkennende Amtsgericht liegt) gelten im Wesentlichen die gleichen Verfahrensvorschriften wie für die erstinstanzliche Hauptverhandlung (vgl. § 332 StPO).
! Hinweis: 24
Findet die erstinstanzliche Hauptverhandlung ohne den Angeklagten statt (vgl. § 232 StPO), kann unter den in § 235 StPO genannten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. Höchst vorsorglich sollte man binnen der Wochenfrist auch Berufung einlegen für den Fall, dass keine Wiedereinsetzung gewährt wird, da die Berufungsfrist parallel mit der Wiedereinsetzungsfrist läuft, also nicht erst ab Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung!
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Besondere Beachtung erfordert die 1993 durch das Rechtspflege-Entlastungsgesetz vom 11. 1. 1993 (BGBl. I S. 50) eingeführte Annahme-Berufung (§§ 313, 322a StPO). Die Berufung bedarf der Annahme, wenn der Angeklagte zu einer Geldstrafe bis zu höchstens 15 Tagessätzen verurteilt wurde bzw. eine solche Geldstrafe bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt vorbehalten worden ist oder eine Verurteilung zu einer Geldbuße erfolgt ist. Gleiches gilt bei Freispruch oder Einstellung, wenn die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen beantragt hatte. Sie ist hingegen annahmefrei zulässig, wenn neben der Geldstrafe auch eine Maßregel der Besserung und Sicherung (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis) oder eine Nebenfolge (z.B. Fahrverbot) verhängt wurde2.
! Hinweis: 26
Gemäß § 69a Abs. 5 S. 1 StGB beginnt die Sperre mit Rechtskraft der Entscheidung; legt also der Angeklagte Berufung ein und wird die Be1 Lesenswerte Ausführungen bei Müller/Freyschmidt, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, Rz. 195–238. 2 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 313 StPO Rz. 6.
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I. Verfahren
Rz. 31 Teil 11
rufung verworfen, zählt die bis zur Entscheidung vergangene Zeit nicht mit! Nach wie vor unklar ist die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Frage, ob die Berufung auf die Erteilung des Fahrverbots beschränkt werden kann1.
26a
b) Revision Die Revision ist möglich gegen alle erstinstanzlichen Urteile des Amtsgerichts (dann Sprungrevision genannt) und des Landgerichts sowie gegen Berufungsurteile (vgl. §§ 333, 335 StPO).
27
! Hinweis: Die Einlegung der Sprungrevision muss wohl überlegt werden. Immerhin geht eine Tatsacheninstanz, die Berufungsinstanz, verloren. Führt die Sprungrevision dann nicht zum Erfolg, ist nichts mehr zu retten.
28
Die Revision ist einzulegen binnen einer Woche ab Verkündung des Urteils, entweder schriftlich oder zur Protokoll der Geschäftsstelle, jedenfalls bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird (judex a quo). Binnen eines Monats ab Einlegung der Revision bzw. ab Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe muss die Revision begründet werden, entweder mit der Sachrüge und/oder der Verfahrensrüge (§ 345 StPO).
29
! Hinweis: Bereits bei der Einlegung der Revision sollte der Revisionsantrag gestellt und die Sachrüge, die keiner näheren Begründung bedarf, erhoben werden2, um eventuelle spätere Versäumnisse zu vermeiden und damit die Revision auf jeden Fall auch dem Begründungserfordernis genügt.
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c) Beschwerde Gegen den Beschluss nach § 111a StPO (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis) ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben (vgl. §§ 304 Abs. 1, 305 S. 2 StPO). Eine weitere Beschwerde ist unzulässig (vgl. § 310 Abs. 2 StPO). Auch die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll. Hilft das Gericht der Beschwerde nicht ab, leitet es die Akten an die nächsthöhere Instanz zur Entscheidung über die Beschwerde weiter. 1 Verneinend OLG Hamm v. 25. 5. 2005 – 2 Ss 207/05 NZV 2006, 167; dagegen OLG Jena v. 25. 5. 2005 – 1 Ss 244/04, NZV 2006, 167. 2 „Gerügt wird die Verletzung sachlichen Rechts“.
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31
Teil 11
Rz. 32
Verkehrsstrafsachen
! Hinweis: 32
Durch diese Weiterleitung der Akten kann wertvolle Zeit vergehen, in der insbesondere eine Terminierung zur Hauptverhandlung nicht erfolgt. Die Einlegung der Beschwerde muss daher reiflich überlegt werden. Über den Zeitfaktor hinaus sollte der Verteidiger auch folgenden Aspekt bedenken: das für die Entscheidung über die Beschwerde zuständige Gericht ist gleichzeitig auch das zuständige Berufungsgericht. Wird also eine – in der Regel ablehnende, d.h. den Beschluss nach § 111a StPO bestätigende – Beschwerdeentscheidung getroffen, fühlt sich häufig das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht bereits für das noch zu fällende Urteil von seiner Berufungskammer bestätigt. Dem kann dadurch entgegengewirkt werden, dass die Beschwerde als „Abhilfeantrag“ bezeichnet wird, verbunden mit dem Antrag, vor Abgabe der Akten an das Beschwerdegericht nochmals Akteneinsicht zu gewähren. Dann kann ggf. durch Rücknahme dieses „Abhilfeantrages“ eine die Nichtabhilfe bestätigende Entscheidung verhindert werden. Außerdem wird hierdurch u.U. wieder wertvolle Zeit gewonnen.
6. Verjährung 33
Die Frage, wann eine Straftat nicht mehr verfolgt werden kann, also (Verfolgungs-) Verjährung eintritt, richtet sich nach der Strafandrohung des verwirklichten Grundtatbestandes (vgl. § 78 Abs. 4 StGB). Für Verkehrsstraftaten ist in der Regel von einer Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) auszugehen, beginnend mit Beendigung der Tat bzw. Erfolgseintritt (§ 78a StGB).
34
Die Verjährung kann mehrfach unterbrochen werden durch die in § 78c StGB genannten Maßnahmen, z.B.
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Vernehmung des Beschuldigten
(§ 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 1)
Anklageerhebung
(§ 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 6)
Eröffnung des Hauptverfahrens
(§ 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 7)
Terminierung einer Hauptverhandlung
(§ 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 8)
Erlass eines Strafbefehls
(§ 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 9).
Nach jeder Unterbrechungshandlung beginnt die Verjährung erneut (§ 78c Abs. 3 S. 1). Allerdings tritt die Verjährung spätestens dann – trotz Unterbrechungen – ein, wenn das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist nach § 78 verstrichen ist, in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 5 also nach sechs Jahren.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 38 Teil 11
II. Einzelne Straftatbestände 1. Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) Die fahrlässige Körperverletzung ist eines der häufigsten Delikte aus dem Bereich des Straßenverkehrsrechts. Denn selbst bei geringfügigen Blessuren eines Unfallbeteiligten ist bereits der Tatbestand des § 229 StGB gegeben und die Polizei muss den Unfall als sog. „Unfall mit Personenschaden“ aufnehmen, eine Anzeige fertigen und den Vorgang der Staatsanwaltschaft vorlegen. Zumeist sind die Verletzungen der Unfallbeteiligten glücklicherweise nicht gravierend, in der Regel wird in diesen Fällen dann auch von den Geschädigten auf das Stellen eines Strafantrages (§ 77 StGB) verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Möglichkeit, das Verfahren insgesamt einzustellen und den Verletzten auf den Privatklageweg zu verweisen, es sei denn, die Staatsanwaltschaft bejaht das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, wodurch gemäß § 230 Abs. 1 S. 1 StGB der fehlende Strafantrag ersetzt wird. In derartigen Fällen sollte die Verteidigung zur Vermeidung einer Anklageerhebung immer frühzeitig auf eine Einstellung des Verfahrens zumindest nach § 153a StPO hinwirken.
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Fehlen sowohl Strafantrag als auch öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, wird das Verfahren aber nicht insgesamt nach § 153a StPO eingestellt, wird die Staatsanwaltschaft zumeist die Akte an die zuständige Behörde abgeben zur Verfolgung einer dem Unfallereignis zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit, z.B. Vorfahrtsverletzung etc. Letztere Verfahrensweise ist zwar einerseits für den Mandanten wegen der relativ geringen Bußgelder (z.B. bei Vorfahrtsverletzung ca. 60 Euro zuzüglich Gebühren und Auslagen der Behörde) zumeist billiger als eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße, andererseits aber ist mit Bußgeldern ab 40 Euro zwingend die Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister verbunden. Dies muss bei der Festlegung des Verteidigungszieles unbedingt besprochen werden, um das für den Mandanten optimale Ergebnis erreichen zu können.
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! Hinweis: Wird durch ein Unfallereignis ein Insasse im Fahrzeug des Beschuldigten verletzt, muss immer geprüft werden, ob nicht eventuell eine konkludente Einwilligung in die Verletzung vorliegt (§ 228 StGB)1. Voraussetzung für eine anzunehmende Einwilligung ist, dass der Einwilligende Kenntnis vom Ausmaß der Gefährdung hat, er die Folgen überschauen kann, sich aber gleichwohl entschließt, das damit ver1 Vgl. dazu Schönke/Schröder, § 228, Nr. 21; BGH v. 20. 11. 2008 – 4 StR 328/08, DAR 2009, 152.
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Teil 11
Rz. 39
Verkehrsstrafsachen
bundene Risiko auf sich zu nehmen1. Diese Voraussetzungen könnten erfüllt sein bei einem Beifahrer, der sich im Wissen um die Alkoholisierung des Fahrers oder um den technisch mangelhaften Zustand des Fahrzeuges gleichwohl fahren lässt und dann verletzt wird2.
2. Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) 39
Kernfrage in der Verteidigung wegen fahrlässiger Tötung ist häufig die erforderliche Kausalität zwischen einem Verkehrsverstoß des Beschuldigten und dem Tod des Opfers. Nicht jeder Verkehrsverstoß (z.B. Alkoholisierung) bedeutet zwingend auch schuldhafte Verursachung des Unfallereignisses, vielmehr kann das alleinige (oder überwiegende) Verschulden auch beim Unfallgegner selbst liegen, weil er z.B. als Fußgänger unachtsam auf die Fahrbahn trat oder als entgegenkommender Radfahrer auf die Fahrbahn des Beschuldigten geriet. Kausalitätsfragen stellen sich auch dann, wenn zwischen dem Unfallereignis und dem Tod des Unfallopfers ein längerer Zeitraum liegt. Jedenfalls wird es dann in der Regel aber bei dem Vorwurf der – fahrlässigen – Körperverletzung verbleiben. Darüberhinaus kann die objektive Zurechenbarkeit ein Problem darstellen3. Denn über die kausale Verursachung hinaus ist erforderlich, dass sich gerade die durch die Pflichtwidrigkeit des Täters gesetzte Gefahr im eingetretenen Erfolg verwirklicht hat und der Erfolg in den Schutzbereich der verletzten Sorgfaltsnorm fällt4.
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Anders als bei der fahrlässigen Körperverletzung erkennt die Rechtsprechung eine Einwilligung des Fahrzeuginsassen in die Gefährdung (hier also die spätere Tötung) nicht als Rechtfertigungsgrund an, da die Einwilligung in die Lebensgefährdung (§ 228 StGB) sittenwidrig sei. Bei einer Körperverletzung ist die Grenze zur Sittenwidrigkeit nach ständiger Rechtsprechung daher jedenfalls dann überschritten, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverletzung in konkrete Todesgefahr gebracht wurde5.
3. Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) 41
§ 316 StGB sanktioniert das Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr in alkoholisiertem Zustand. Regelmäßig macht sich strafbar, wer die 1 Vgl. hierzu Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, §§ 222, 229 StGB, Rz. 25. 2 Hierzu und mit weiteren Beispielsfällen Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, §§ 222, 229 StGB, Rz. 26. 3 Vgl. hierzu die umfassende Darstellung bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, §§ 222, 229 StGB, Rz. 14 ff. 4 Vgl. hierzu OLG Karlsruhe v. 25. 1. 2006 – 3 Ss 160/05, DAR 2006, 340. 5 Vgl. hierzu BGH v. 20. 11. 2008 – 4 StR 328/08, DAR 2009, 151, 154 m.w.N.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 42 Teil 11
Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 % BAK überschreitet1. Eine Grenze von 1,6 % gilt für Radfahrer2 und Benutzer von elektrisch angetriebenen Rollstühlen3.
! Hinweis: Die Anordnung der Blutprobenentnahme ist gemäß § 81a Abs. 2 StPO grundsätzlich dem Richter vorbehalten. Nur bei Gefahr im Verzug darf sie auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen vornehmen. Diese Ausnahmeregelung wurde in der Praxis lange Zeit weit ausgelegt, so dass die Anordnung durch die Polizei dem Regelfall entsprach. Dem ist die Rechtsprechung in jüngster Vergangenheit durch zahlreiche Entscheidungen entgegengetreten. Die Strafverfolgungsbehörden müssen sich daher regelmäßig zunächst um die – zumindest mündliche – Einholung der richterlichen Anordnung bemühen4. Der schlichte Hinweis darauf, dass allein der Abbau des Alkohols im Körper Gefahr im Verzuge begründe, genügt nach neuer Rechtsprechung nicht5. Die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug hat die Unverwertbarkeit der Blutprobe zur Folge. Dringend zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten ist, wenn die Verwertbarkeit einer Blutprobe aufgrund eines eventuellen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO im Streit steht6. Von § 316 StGB wird allerdings nicht nur übermäßiger Alkoholgenuss umfasst, sondern auch die Einnahme „anderer berauschender Mittel“, insbesondere der in § 1 BtMG aufgeführten Stoffe, also auch CannabisProdukte wie Haschisch. Zwar ist wissenschaftlich erwiesen, dass z.B. Haschischkonsum die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, ab welcher Menge jedoch eine sanktionswürdige Beeinträchtigung im Sinne einer Fahruntüchtigkeit besteht, ist noch nicht festgestellt7. 1 2 3 4
Vgl. hierzu Fischer, § 316 StGB Rz. 27. Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 316 StGB, Rz. 18. Vgl. hierzu AG Löbau v. 7. 6. 2007 – 5 Ds 430 Js 17736/06, NJW 2008, 530. Vgl. nur OLG Bamberg v. 19. 3. 2009 – 2 Ss 15/09, NJW 2009, 2146; OLG Hamm v. 25. 8. 2008 – 3 Ss 318/08, NJW 2009, 242; s. zur Notwendigkeit der Einrichtung eines nächtlichen richterlichen Eildienstes OLG Bamberg v. 18. 12. 2009 – 2 Ss OWi 1423/09, NZV 2010, 310 f. 5 Vgl. OLG Celle v. 6. 8. 2009 – 32 Ss 94/09, NJW 2009, 3524; OLG Dresden v. 11. 5. 2009 – 1 Ss 90/09, NJW 2009, 2149 f. 6 Vgl. LG Koblenz v. 6. 2. 2009 – II Qs 12/09, NZV 2010, 103 f. 7 Vgl. hierzu Kauert, DAR 2000, 438; OLG Zweibrücken v. 27. 1. 2004 – 1 Ss 242/03, NStZ-RR 2004, 149, 150; OLG München v. 30. 1. 2006 – 4St RR 011/06, NZV2006, 274; zum Einfluss von Medikamenten vgl. Nehm, DAR 2000, 444; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 316 StGB, Rz. 58.
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Teil 11
Rz. 43
Verkehrsstrafsachen
Dies bedeutet, dass die Gerichte im Einzelfall unter Berücksichtigung etwaiger Ausfallerscheinungen prüfen müssen, ob eine sog. relative Fahruntüchtigkeit besteht1. Die Beeinträchtigung der Sehfähigkeit aufgrund einer drogenbedingten Pupillenstarre genügt hierfür nicht ohne weiteres2. Gleiches gilt für den Fall, dass bei der polizeilichen Kontrolle dem Angeklagten verzögertes Aufnahmevermögen oder zögerliche Reaktionen bescheinigt wurden3. Die Anforderungen an Art und Außmaß drogenbedingter konkreter Ausfallerscheinungen sind jedoch umso geringer, je höher die im Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration ist4. 43
Bei einer Promillegrenze von unter 1,1 % kann relative Fahruntüchtigkeit dann vorliegen, wenn der Kraftfahrer in seiner Fahrleistung so beeinträchtigt ist, dass er über längere Strecken auch schwierige Verkehrssituationen nicht sicher meistern kann5. Der BGH führt erklärend dazu aus: „Die relative Fahruntüchtigkeit unterscheidet sich dabei von der ‚absoluten‘ nicht in dem Grad der Trunkenheit oder der Qualität der alkoholbedingten Leistungsminderung, sondern allein hinsichtlich der Art und Weise, wie der Nachweis der Fahruntüchtigkeit als psychophysischer Zustand herabgesetzter Gesamtleistungsfähigkeit zu führen ist. Dabei stellt die Blutalkoholkonzentration das wichtigste Beweisanzeichen dar. Da sie den Grenzwert von 1,1 %, von dem an absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vorliegt, nicht erreicht, müssen weitere Tatsachen festgestellt werden, die als Beweisanzeichen geeignet sind, dem Tatrichter die Überzeugung von der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zu vermitteln. Von – wenn auch unterschiedlicher – Bedeutung sind dabei folgende tatsächliche Umstände: – zunächst in der Person des Angeklagten liegende Gegebenheiten wie Krankheit oder Ermüdung (innere Umstände), – sodann äußere Bedingungen der Fahrt wie Straßen- und Witterungsverhältnisse (äußere Umstände), – und schließlich das konkrete äußere Verhalten des Angeklagten (sog. Ausfallerscheinungen), das durch die Aufnahme alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel mindestens mitverursacht sein muss. 1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 8. 6. 1994 – 5 Ss 27/94 – 16/94 I, zfs 1994, 346; OLG Düsseldorf v. 4. 3. 1993 – 5 Ss 18/93 – 8/93 I, DAR 1993, 271 = NJW 1993, 2390 = zfs 1993, 175 =VRS 85, 201; OLG Düsseldorf v. 2. 5. 1994 – 5 Ss 358/93 – 105/93 I, DAR 1994, 331 = NJW 1994, 2428 = VRS 87, 339 = NZV 1994, 326; OLG Düsseldorf v. 24. 8. 1998 – 5 Ss 267/98, DAR 1999, 81 = NZV 1999, 174; BGH v. 25. 5. 2000 – 4 StR 171/00, DAR 2000, 481; OLG Zweibrücken v. 14. 2. 2003 – 1 Ss 117/02, StV 03, 624f; OLG Zweibrücken v. 10. 5. 2004 – 1 Ss 26/04, NJW 2005, 85; vgl. hierzu auch Nehm, DAR 1993, 375; Lutze/Seidl, NZV 1997, 421; Kannheiser/Maukisch, NZV 1995, 417; vgl. auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 316 StGB, Rz. 64. 2 Vgl. BGH v. 3. 11. 1998 – 4 StR 395/98, DAR 1999, 31; OLG Koblenz v. 28. 4. 2005 – 1 Ss 109/05, NStZ-RR 2005, 245. 3 OLG Koblenz v. 28. 4. 2005 – 1 Ss 109/05, NStZ-RR 2005, 245. 4 Vgl. OLG Zweibrücken v. 10. 5. 2004 – 1 Ss 26/04, NJW 2005, 85. 5 Vgl. BGH v. 22. 4. 1982 – 4 StR 43/82, NJW 1982, 2611 = BGHSt 31, 43.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 46 Teil 11
Bei der Beweisführung für die relative Fahruntüchtigkeit kommt diesen tatsächlichen Umständen unterschiedliche Bedeutung zu. Während relative Fahruntüchtigkeit auch dann vorliegen kann, wenn weder schwierige äußere Umstände noch neben der Beeinflussung des Angeklagten durch Alkohol oder andere berauschende Mittel weitere leistungsmindernde innere Umstände gegeben sind, ist eine – wenn auch nur geringe – Ausfallerscheinung, die durch die Aufnahme alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel zumindest mitverursacht sein muss, für die richterliche Überzeugungsbildung grundsätzlich unverzichtbar. Auch bei einer Blutalkoholkonzentration, die nahe an den Grenzwert von 1,1 % heranreicht, und beim gleichzeitigen Vorliegen besonders ungünstiger objektiver und subjektiver Umstände der genannten Art muss ein erkennbares äußeres Verhalten des Angeklagten festgestellt werden, das auf seine Fahruntüchtigkeit hindeutet. Dabei sind die an eine konkrete Ausfallerscheinung zu stellenden Anforderungen um so geringer, je höher die Blutalkoholkonzentration und je ungünstiger die objektiven und subjektiven Bedingungen der Fahrt des Angeklagten sind. Als solche Ausfallerscheinungen kommen insbesondere in Betracht: – eine auffällige, sei es regelwidrige1, sei es besonders sorglose und leichtsinnige2 Fahrweise, – ein unbesonnenes Benehmen bei Polizeikontrollen, – aber auch ein sonniges Verhalten, das alkoholbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lässt, – ferner z.B. ein Stolpern und Schwanken beim Gehen3“.
Maßgeblich ist die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Vorfalles, jedenfalls muss aber zu diesem Zeitpunkt im Körper so viel Alkohol enthalten sein, dass sich nach entsprechender Aufnahme eine Konzentration von 1,1 % ergäbe. Letzteres ist insbesondere relevant für die Fälle, in denen die Kontrolle zeitlich kurz nach dem Trinkende erfolgte, also noch nicht der gesamte konsumierte Alkohol vom Blut aufgenommen worden ist. Bei der Bestimmung der BAK sind folgende Phasen zu unterscheiden:
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– Der Zeitraum unmittelbar nach dem Trinkende wird Anflutungsphase genannt. Der konsumierte Alkohol entfaltet zwar bereits seine Wirkung im Körper (Anflutungswirkung), ist aber noch nicht vom Blut aufgenommen und lässt sich daher noch nicht aufgrund einer Blutentnahme bestimmen. Liegt bereits in der Anflutungsphase die BAK über 1,1 %, so reicht dies für den Nachweis der absoluten Fahruntüchtigkeit und damit für die Erfüllung des Tatbestandes des § 316 StGB4.
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– Die ersten zwei Stunden nach Trinkende werden Resorptionsphase genannt. In dieser Phase entfaltet der konsumierte Alkohol seine volle
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1 2 3 4
Vgl. BGH v. 20. 3. 1959 – 4 StR 306/58, BGHSt 13, 83, 89. Vgl. BGH v. 28. 4. 1967 – 4 StR 108/67, VRS 33, 118. Vgl. OLG Köln v. 12. 9. 1972 – Ss 148/72, DAR 1973, 21. Vgl. BGH v. 11. 12. 1973 – 4 StR 130/73, BGHSt 25, 246.
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Teil 11
Rz. 47
Verkehrsstrafsachen
Wirkung, er ist im Rahmen der Blutentnahme nachweisbar. Eine Rückrechnung erfolgt in der Regel nicht. 47
– Die letzte Phase ist die sog. Eliminationsphase, in der der Alkohol wieder abgebaut wird. Bei der Rückrechnung wird ein Wert von 0,1 % je Stunde zugrunde gelegt1.
! Hinweis: 48
Viele Gerichte neigen dazu, allein aufgrund hoher BAK wegen Vorsatzes zu verurteilen (mit der für Mandanten und Verteidiger negativen Folge, dass die Rechtsschutzversicherung nicht eintrittspflichtig ist), obwohl es keinen Erfahrungssatz gibt, wonach ein Kraftfahrer ab einer bestimmten BAK seine Fahruntüchtigkeit kennt2. Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte setzt eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Begehung einer Trunkenheitsfahrt jedoch voraus, „dass der Fahrzeugführer seine rauschbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, gleichwohl aber am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt. Die Feststellung der Kenntnis der Fahruntüchtigkeit als innerer Tatsache hat der Tatrichter auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung und unter Heranziehung und Würdigung aller Umstände zu treffen. Wenn der Angeklagte – wie hier – zu den insoweit erheblichen Tatsachen von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, kann der Schluss auf die innere Tatseite nur aus Beweiszeichen abgeleitet werden, wobei der Schuldbeweis und damit der Beweis der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nur erbracht ist, wenn auch alle gleich nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten für und gegen den Angeklagten geprüft worden sind3.“ Rückschlüsse können gezogen werden aus früheren Auffälligkeiten durch Trunkenheitsdelikte, Trinken in Fahrbereitschaft4 oder dem Täter bewussten Ausfallerscheinungen. Trinkmengenangaben gegenüber den Polizeibeamten sind insbesondere in Hinblick auf das Ergebnis der Blutprobe kritisch zu würdigen5.
4. Vollrausch (§ 323a StGB) 49
Hat der Kraftfahrer eine so große Menge alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel zu sich genommen, dass Schuldunfähigkeit 1 Vgl. Salger, DRiZ 1989, 174. 2 Vgl. OLG Köln v. 16. 10. 1998 – Ss 476/98, DAR 1999, 88; OLG Hamm v. 4. 2. 1999 – 4 Ss 7/99, zfs 1999, 217; OLG Hamm v. 21. 7. 2004 – 2 Ss 178/04, NZV 2005, 161, 162. 3 OLG Hamm v. 6. 10. 1998 – 4 Ss 1174/98, NZV 1999, 92 = zfs 1998, 482; vgl. hierzu auch OLG Naumburg v. 9. 6. 1999 – 2 Ss 169/99, DAR 1999, 420. 4 OLG Celle v. 21. 11. 1995 – 1 Ss 262/95, NZV 1996, 204, 205; OLG Koblenz v. 27. 2. 2008 – 2Ss 23/08, NZV 2008, 304, 306. 5 Vgl. OLG Köln v. 16. 10. 1998 – Ss 476/98, DAR 1999, 88.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 53 Teil 11
im Sinne des § 20 StGB anzunehmen ist, führt dies zur Anwendung des § 323a StGB mit der Folge, dass eine Bestrafung nicht wegen der im Rauschzustand begangenen rechtswidrigen Tat erfolgt, sondern wegen Vollrausches. Maßgeblich ist die BAK zum Tatzeitpunkt. Ab einer BAK von 3,0 % kommt in aller Regel Schuldunfähigkeit in Betracht, ab einer BAK von 2,0 % ist sie jedenfalls ernsthaft in Erwägung zu ziehen1. Zur tatrichterlichen Feststellung eines Vollrausches ist regelmäßig die Anhörung eines medizinischen Sachverständigen geboten2.
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Bezieht sich die Rauschtat auf die Tatbestände der §§ 142, 315c, 316 StGB, so wird in der Regel die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet.
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5. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) Nach § 315b StGB macht sich strafbar, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, Hindernisse bereitet oder einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.
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Geschütztes Rechtsgut ist der öffentliche3 Straßenverkehr; sanktioniert werden verkehrsfremde Eingriffe durch Einwirkung von außen auf den Verkehr.
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Beispiele: Spannen eines Drahtes über die Fahrbahn; Nichtbeseitigen einer hinterlassenen Öl- oder Benzinspur4; Liegenlassen von Gegenständen auf der Fahrbahn5; bewusst zweckwidriges Einsetzen des PKW6; Provozieren eines Auffahrunfalles durch scharfes Bremsen7; Durchtrennen des Bremsschlauches8; Zufahren auf einen Fußgänger9,
1 Vgl. Fischer, § 20 StGB Rz. 19 ff. 2 Vgl. OLG Düsseldorf v. 24. 9. 1998 – 5 Ss 269/98 – 61/98 I, NZV 1999, 213 = DAR 1999, 80 = zfs 1999, 170. 3 Vgl. BGH v. 4. 3. 2004 – 4 StR 377/03, NJW 2004, 1965; BGH v. 8. 6. 2004 – 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625 = NZV 2005, 50 = DAR 2004, 529. 4 Vgl. OLG Stuttgart v. 17. 10. 1958 – 1 Ss 650/58, NJW 1959, 254; BayObLG v. 5. 4. 1989 – RReg. 2 St 379/88, JZ 1989, 704. 5 Vgl. BayObLG v. 29. 4. 1969 – RReg. 2b St 418/68, NJW 1969, 2026; OLG Hamm v. 19. 3. 1976 – 1 Ss 875/75, VRS 51, 103. 6 Vgl. OLG Koblenz v. 4. 7. 1985 – 1 Ss 204/85, DAR 1985, 356; BGH v. 4. 3. 1997 – 4 StR 48/97, DAR 1997, 281 = NZV 1997, 276 = zfs 1997, 232. 7 Vgl. BGH v. 12. 12. 1991 – 4 StR 488/91, NStZ 1992, 182; LG Hamburg v. 22. 7. 1999 – 4 StR 90/99, NJW 99, 3132. 8 Vgl. BGH v. 4. 10. 1988 – 4 StR 461/88, DAR 1989, 30, 31 = NZV 1989, 119. 9 Vgl. BGH v. 10. 4. 1986 – 4 StR 691/85, zfs 1986, 220.
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Teil 11
Rz. 54
Verkehrsstrafsachen
Zu-Boden-Stoßen einer Person auf einer stark befahrenen Straße1, der Griff ins Lenkrad durch den Beifahrer2.
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Eine Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr kommt jedoch nicht in Betracht bei einvernehmlich absichtlich herbeigeführten Unfällen, also gestellten Unfällen, wenn sich die Gefährdung und der diesbezügliche Vorsatz auf die Beschädigung der beteiligten Fahrzeuge beschränkt3. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Täter ein äußerlich verkehrsgerechtes Fahrmanöver zu dem Zweck ausführt, die Unaufmerksamkeit oder eine Fehleinschätzung eines anderen Verkehrsteilnehmers auszunutzen und so einen Verkehrsunfall herbeizuführen, der die Möglichkeit einer vorteilhaften Schadensregulierung eröffnet4. Eine Strafbarkeit nach § 315b StGB ist wiederum nicht gegeben, wenn der Eingriff erfolgt, um den Fahrer zu einem verkehrsgerechten Verhalten anzuhalten5.
54a
Der Tatbestand erfordert schließlich eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert6. Eine konkrete Gefahr liegt immer dann vor, wenn der Schadenseintritt nur noch vom Zufall abhängig ist. Hinsichtlich des Sachschadens ist zu beachten, dass es nicht genügt, wenn einer Sache von bedeutendem Wert nur ein unbedeutender Schaden droht7.
6. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) 55
Dieser Vorschrift kommt in der Praxis eine große Bedeutung zu, und zwar in aller Regel in Zusammenhang mit Alkoholgenuss und/oder Drogenkonsum (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB). Zunehmende Bedeutung erlangen allerdings auch die Fälle der Fahrunsicherheit wegen (anderer) geistiger oder körperlicher Mängel8. Hier ist stets ein Sachverständiger hinzuzuziehen9. 1 Vgl. BGH v. 13. 6. 2006 – 4 StR 123/06, NStZ 2007, 34, 35. 2 Vgl. Grupp/Kinzig, Der Griff ins Lenkrad, NStZ 2007, 132; BGH v. 13. 6. 2006 – 4 StR 123/06, NStZ 2007, 34, 35, NStZ 2007, 34. 3 Vgl. BGH v. 15. 12. 1998 – 4 StR 576/98, DAR 1999, 174 = NZV 1999, 172 = zfs 1999, 262; BGH v. 29. 4. 2008 – 4 StR 617/07, DAR 2008, 487. 4 Vgl. BGH v. 22. 7. 1999 – 4 StR 90/99, DAR 1999, 511 = MDR 1999, 1382 = NJW 1999, 3132. 5 Vgl. OLG Hamm v. 21. 3. 2000 – 4 Ss 121/2000, DAR 2000, 417 = NJW 2000, 2686: Der Beifahrer hatte bei 140 km/h die Handbremse gezogen, um den alkoholisierten Fahrer zu veranlassen, nicht weiter mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren. 6 Vgl. Fischer, StGB § 315b Rz. 16: aktuell 1300 Euro. 7 Vgl. BGH v. 29. 4. 2008 – 4 StR 617/07, StraFo 2008, 343. 8 Vgl. zu den häufigen Fällen der Übermüdung BayObLG v. 18. 8. 2003 – 1 St RR 67/03, NJW 2003, 3499; König, SVR 2008, 121. 9 Vgl. AG Aachen v. 7. 3. 2007 – 41 Gs 785/07, SVR 2008, 145.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 58 Teil 11
§ 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, d.h. es reicht allein schon ein bestimmter Grad an Alkoholisierung zur Erfüllung des Tatbestandes aus. § 315c StGB hingegen ist ein konkretes Gefährdungsdelikt. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn die Sicherheit von Personen und fremder Sachen1 von bedeutendem Wert2 durch das Fahrverhalten des Täters derartig beeinträchtigt wird, dass eine Verletzung dieser Rechtsgüter nur noch vom Zufall abhängt3. Eine Realisierung dieser Gefahr z.B. durch Kollision zweier Fahrzeuge oder tatsächliche Verletzung einer Person ist also nicht erforderlich4, der Tatrichter ist jedoch gehalten, diese Gefahrenlage möglichst nachvollziehbar – und damit für das Revisionsgericht überprüfbar – darzulegen und zu beschreiben5.
56
Eine rechtfertigende Einwilligung scheidet hier aus, weil eine solche für diejenigen Tatbestände nicht denkbar ist, die zumindest auch dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs im Allgemeinen dienen6.
56a
7. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) Das zu schützende Rechtsgut des § 142 StGB liegt in der Feststellung und Sicherung der durch den Unfall entstandenen Ansprüche7; Zweck der Norm ist es, einem drohenden Beweisverlust entgegenzuwirken8.
57
§ 142 StGB ist nur relevant für Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr9, also plötzliche Ereignisse in diesem Verkehr, die mit dessen typischen Gefahren zusammenhängen und unmittelbar zu nicht bloß völlig belanglosen Personen- oder Sachschäden führen10. Ein belangloser Sachschaden
58
1 Vgl. BGH v. 13. 1. 2000 – 4 StR 598/99, DAR 2000, 222: Das vom Täter geführte, aber ihm nicht gehörende Fahrzeug ist nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst, vgl. hierzu auch BGH v. 19. 1. 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350. 2 vgl. BGH v. 4. 12. 2002 – 4 StR 103/02, NJW 2003, 836; BGH v. 29. 4. 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289: 750 Euro. 3 Vgl. hierzu OLG Koblenz v. 24. 6. 1993 – 1 Ss 68/93, NZV 1993, 403; BGH v. 25. 10. 1984 – 4 StR 567/84, NStZ 1985, 263; OLG Koblenz v. 10. 2. 2000 – 2 Ss 12/00, DAR 2000, 371, 372; OLG Hamm v. 9. 12. 2004 – 4 Ss 501/04, NStZ-RR 05, 245. 4 Vgl. Berz, NZV 1989, 409. 5 Vgl. OLG Koblenz v. 10. 2. 2000 – 2 Ss 12/00, DAR 2000, 371; vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf v. 14. 9. 1993 – 2 Ss 257/93 – 60/93 III, NZV 1994, 37. 6 Vgl. hierzu BGH v. 20. 11. 2008 – 4 StR 328/08, DAR 2008, 151, 154. 7 Vgl. BGH v. 27. 7. 1972 – 4 StR 287/72, NJW 1972, 1960; Fischer, § 142 StGB Rz. 2. 8 Vgl. Park, DAR 1993, 246. 9 Beispiele bei Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 146 f. 10 Vgl. BGH v. 26. 5. 1955 – g. S. 4 StR 148/55, BGHSt 8, 263; BGH v. 17. 9. 1958 – g. S. 4 StR 165/58, BGHSt 12, 253; Fischer, § 142 StGB Rz. 7; Himmelreich/ Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 151 f.
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Teil 11
Rz. 58a
Verkehrsstrafsachen
ist anzunehmen, wenn üblicherweise keine Entschädigungsansprüche gestellt werden1. Die Grenze der Belanglosigkeit beim Sachschaden wird nicht ganz einheitlich angesetzt, teilweise schon bei etwa 25 Euro2, teilweise erst bei 50 Euro3. 58a
Ein völlig belangloser Personenschaden liegt z.B. vor bei geringfügiger Hautabschürfung4 oder bei Beschmutzung des Körpers5,
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Unfallbeteiligter ist entsprechend der Legaldefinition des § 142 Abs. 5 StGB6 jeder, dessen Verhalten – ohne Rücksicht auf die Schuldfrage – zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann, die bloße Möglichkeit oder der nicht ganz unbegründete Verdacht reicht dabei aus7. Es kommt darauf an, ob nach dem äußeren Anschein eine Mitverursachung vorliegen kann, maßgeblich ist eine „ex ante gegebene Verdachtslage8“. In Betracht kommen als Unfallbeteiligte somit auch Fußgänger, Beifahrer, Radfahrer usw. Eine lediglich mittelbare und für die Haftung offensichtlich unerhebliche Kausalität reicht nicht9, ebenso wenig wie bloße Zeugenschaft10. Andererseits kann aber mittelbarer Unfallbeteiligter sein, wer einen Unfall dergestalt verursacht, dass als unmittelbare Folge andere Fahrzeuge kollidieren11. Ebenfalls genügt nach der Rechtsprechung eine mittelbare Verursachung im Falle des Überlassens des Fahrzeugs an eine nicht geeignete Person12.
60
Ein Entfernen vom Unfallort ist dann gegeben, wenn der Unfallbeteiligte den unmittelbaren Unfallbereich räumlich so weit verlässt, dass er ent1 Rspr. und h.M. setzen die Wertgrenze derzeit etwa 20–25 Euro an. Fischer, § 142 StGB Rz. 11; Hentschel, § 142 StGB Rz. 28; Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 152 mit weiteren Hinweisen. 2 Vgl. Fischer, StGB § 142, Rz. 11; OVG Münster v. 5. 9. 2005 – 8 A 1893/05, DAR 2005, 708. 3 Vgl. OLG Nürnberg v. 24. 1. 2007 – 2 St OLG Ss 300/06, DAR 2007, 530; 50 Euro auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 142 StGB, Rz. 28. 4 Vgl. OLG Hamm v. 25. 4. 1958 – 3 Ss 201/58, DAR 1958, 308. 5 Vgl. BayObLG v. 21. 8. 1957 – 1 St 339/57, VRS 15, 42. 6 Bisher § 142 Abs. 4 StGB. 7 Vgl. OLG Düsseldorf v. 8. 12. 1992 – 5 Ss 372/92 – 116/92 I, NZV 1993, 157; OLG Köln v. 19. 1. 1999 – Ss 526/98, NZV 1999, 173; BayObLG v. 4. 10. 1999 – 2 StRR 177/99, NZV 2000, 133; ausführlich hierzu auch: Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 153 f. 8 Vgl. BayObLG v. 4. 10. 1999 – 2 St RR 177/99, DAR 2000, 79: Unfallbeteiligter kann auch der Halter sein, selbst wenn nachträglich festgestellt wird, dass er nur Beifahrer war. 9 Vgl. OLG Koblenz v. 2. 2. 1988 – 2 Ss 24/88, NZV 1989, 200. 10 Vgl. OLG Koblenz v. 2. 2. 1988 – 2 Ss 24/88, NZV 1989, 200. 11 Vgl. OLG Koblenz v. 17. 12. 1987 – 4 Ss 192/87, zfs 1988, 405; Himmelreich/ Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 160. 12 BayObLG v. 1. 6. 1990 – 1 St 117/90 mit Anmerkung Bär, DAR 1991, 361, 365; OLG Frankfurt v. 27. 11. 1996 – 3 Ss 364/96, NZV 1997, 125.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 63 Teil 11
weder seiner Pflicht, einem Berechtigten seine Unfallbeteiligung zu offenbaren, nicht mehr nachkommen kann, oder aber er sich außerhalb des Bereiches befindet, in dem eine feststellungsbereite Person ihn vermuten oder durch Befragen ermitteln würde1. Zu beachten ist allerdings, dass die Wartepflicht nicht zwangsläufig schon mit der Feststellung der Personalien endet, sie kann so lange fortbestehen, bis die Polizei über eine eventuell erforderliche vorläufige Festnahme zum Zwecke der Blutentnahme entschieden hat2. Mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz3 ist mit Wirkung zum 1. 4. 1998 ein neuer Abs. 4 in die Vorschrift des § 142 StGB eingefügt worden4:
61
„Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).“
Wenn innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall im ruhenden Verkehr (also im Wesentlichen Unfälle beim Rangieren in oder aus Parklücken5) ohne bedeutenden Sachschaden (also kein Personenschaden!) der Unfallbeteiligte freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht, bleibt die Tat zwar grundsätzlich strafbar, das Gericht kann jedoch von Strafe absehen (§ 60 StGB), jedenfalls muss aber zwingend eine Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen werden6. Im Zusammenhang mit der Frage der Freiwilligkeit sind diejenigen Fälle problematisch, in denen die Polizei den Betroffenen an der ermittelten Halteranschrift antrifft, bevor dieser selbst aktiv geworden ist. Hier kommt es wohl darauf an, ob und in welchem Umfang bereits Feststellungen von der Polizei getroffen werden konnten bzw. in welchem Umfang der Betroffene „freiwillig“ zur weiteren Sachaufklärung beiträgt.
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Der Begriff „bedeutender Sachschaden“ ist als „bedeutender Fremdschaden“ zu verstehen und auszulegen, der Schaden am Tatfahrzeug bleibt
63
1 Vgl. BayObLG v. 3. 11. 1978 – RReg. 1 St 285/78, NJW 1979, 436; OLG Hamm v. 19. 1. 1978 – 2 Ss 789/77, VRS 54, 433; OLG Karlsruhe v. 17. 12. 1987 – 4 Ss 192/87, NStZ 1988, 409; OLG Stuttgart v. 31. 3. 1992 – 1 Ss 124/92, NStZ 1992, 384 f., Mitsch, NZV 2008, 217, 218. 2 Vgl. OLG Köln v. 19. 1. 1999 – Ss 526/98, NZV 1999, 173 = NStZ-RR 1999, 251: Im Interesse des Geschädigten gehöre zur Art der Beteiligung auch der körperliche Zustand eines Unfallbeteiligten, also auch die Frage einer Alkoholisierung. 3 BGBl. I, S. 164. 4 Vgl. aus rechtspolitischer und dogmatischer Sicht Schulz, NJW 1998, 1440. 5 So jedenfalls Hentschel, NJW 1999, 686, 688; ausführliche Darstellung des Meinungsstreites bei Himmelreich, Praxis Verkehrsrecht 6-7/2001, 170. 6 In derartigen Fällen erfolgt jetzt eine Eintragung von lediglich 5 Punkten im Verkehrszentralregister, bei allen übrigen Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort werden nach wie vor 7 Punkte eingetragen.
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Teil 11
Rz. 64
Verkehrsstrafsachen
also in der Regel unberücksichtigt1. Zum Fremdschaden gehört jedenfalls der reine Fahrzeugschaden in Form der Reparaturkosten, hinsichtlich der weiteren – zivilrechtlichen – Schadenpositionen ist die Rechtsprechung uneinheitlich2. 64
In der Regel ist die Höhe des Fremdschadens maßgeblich für die Frage, ob eine Führerscheinmaßnahme in Betracht kommt3, daher bietet es sich in vielen Fällen an, durch die Einschaltung eines Sachverständigen prüfen zu lassen, ob und in welcher Höhe Fremdschaden überhaupt eingetreten ist4.
65
Wichtig kann die Einschaltung eines Sachverständigen darüber hinaus sein für die Frage der Bemerkbarkeit des Unfallgeschehens5. Problematisch bei der Verteidigung wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist häufig der subjektive Tatbestand. Die Vorschrift des § 142 StGB ist als reines Vorsatz-Delikt ausgestaltet, bestraft werden kann also nur vorsätzliches, nicht dagegen fahrlässiges Verhalten (dies allenfalls als Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO).
66
Im subjektiven Tatbestand spielt die Frage der Bemerkbarkeit eine ganz zentrale Rolle: Denn nur dann, wenn der Beschuldigte überhaupt bemerkt hat, dass es zu einem Unfallgeschehen gekommen ist und er Beteiligter sein könnte, ist eine vorsätzliche oder bedingt vorsätzliche Tatbegehung überhaupt möglich. Eine der häufigsten Einlassungen beschuldigter Mandanten lautet daher, man habe von einer Kollision/einem Unfall nichts bemerkt und sei deshalb weitergefahren. Dabei wird seitens der Betroffenen und der Verteidiger verkannt, dass auch leichtere Kollisionen wenn schon nicht akustisch (z.B. wegen lauter Radio-Musik) oder optisch (weil im „toten Winkel“), dann doch zumeist taktil (also 1 Vgl. LG Köln v. 30. 6. 1988 – 105 Qs 477/88, zfs 1990, 104; Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 264: Der an einem unbefugt benutzten Fahrzeug entstandene Schaden sei hinzuzurechnen. 2 Vgl. LG Hamburg v. 7. 4. 1993 – 603 Qs 234/93, NZV 1993, 326: Keine Mietwagenkosten, keine Gutachterkosten, Anwaltsgebühren, Verdienstausfall, ebenso LG Hamburg v. 7. 12. 1988 – (33) Qs 1018/88, VRS 76, 282; LG Hamburg v. 8. 12. 1993 – 603 Qs 843/93, NZV 1994, 373 = NStZ 1995, 91: Keine Nutzungsausfallentschädigung; a.A. LG Hildesheim v. 5. 11. 1987 – 12 Qs 148/87, zfs 1988, 125: SV-Kosten sind zu berücksichtigen; OLG Stuttgart v. 16. 12. 1981 – 1 Ss 892/81, VRS 62, 123: SV- und RA-Kosten sind zu berücksichtigen. 3 Bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB derzeit wohl bei ca. 1300 Euro, vgl. LG Hamburg v. 13. 5. 2003 – 603 Qs 231/03, DAR 2003, 382; LG Kaiserslautern v. 9. 1. 2003 – 5 Qs 1/03, DAR 2003, 185, 186; AG Frankfurt a.M. v. 2. 10. 2002 – 919 B Gs – 16 Js 27384/02 – 1054, DAR 2003, 88; OLG Jena v. 14. 2. 2005 – 1 Ss 19/05, NStZ-RR 2005, 183; OLG Dresden v. 12. 5. 2005 – 2 Ss 278/05, NZV 2006, 104; LG Braunschweig v. 22. 11. 2004 – 8 Qs 392/04, zfs 05, 100; LG Gera v. 22. 9. 2005 – 1 Qs 359/05, NZV 2006, 105; vgl. auch Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 142 StGB, Rz. 69. 4 Vgl. hierzu auch Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 92 f. 5 Vgl. hierzu Himmelreich, DAR 2006, 1, 2.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 67 Teil 11
aufgrund der Erschütterungen) wahrnehmbar sein können. Gerade weil es sich bei der Bemerkbarkeit um ein subjektives Tatbestandsmerkmal handelt, könnte man meinen, dass sich die Einlassung des Betroffenen, er habe eine Kollision nicht wahrgenommen, nicht widerlegen ließe. Dies ist jedoch nur bedingt richtig. Viele Gerichte beauftragen in derartigen Konstellationen technische Sachverständige, die im Rahmen einer Rekonstruktion des Unfalles Feststellungen zur Kollisionsgeschwindigkeit, zum Aufprallwinkel und zu den Kollisionspunkten treffen. Aufgrund dieser Feststellungen können dann u.a. nach einem von Welther1 entwickelten System Aussagen zur Wahrnehmbarkeit getroffen werden. Gelangt der Sachverständige dann zu dem Ergebnis, die Kollision sei wahrnehmbar gewesen, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Betroffene weiterhin darauf beharrt, den Unfall nicht bemerkt zu haben. Die Verteidigung sollte jedoch ggf. ihr Augenmerk darauf richten, dass es sich zumeist nur um technische Sachverständige handelt, die Fragen der Wahrnehmbarkeit beurteilen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Bemerkbarkeit zwar vielleicht aus technischer Sicht gegeben, der Betroffene aber gleichwohl aus anderen Gründen daran gehindert war, die Kollision zu bemerken, z.B. weil er abgelenkt war2. Eine hierdurch beeinflusste, d.h. beeinträchtigte Wahrnehmung kann aber nicht von einem technischen Sachverständigen, sondern allenfalls von einem Psychologen oder Mediziner beurteilt werden. Ein entsprechender Beweisantrag kann daher in solchen Fällen angezeigt sein. Kann dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden, dass er den Unfall bemerkt hat, scheidet auch eine Verurteilung nach § 142 Abs. 2 Ziff. 2 StGB aus. Denn das unvorsätzliche Sichentfernen darf dem berechtigten oder entschuldigten wegen des Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht gleichgestellt werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19. 3. 20073 klargestellt und damit einen seit langem in Literatur und Rechtsprechung bestehenden Streit beendet.
66a
Die Art und Weise, wie Feststellungen nachträglich ermöglicht werden müssen, ergibt sich beispielsweise aus § 142 Abs. 3 StGB: Es sind also entweder der Berechtigte oder aber eine nahe gelegene Polizeidienststelle zu informieren. Diese gesetzliche Regelung ist allerdings nicht abschließend, es sind auch andere Möglichkeiten denkbar, z.B. Rückkehr zur Unfallstelle, falls dort noch feststellungsbereite Personen anwesend sind4. Letztlich kommt es aber nur darauf an, dass die Beteiligung an dem Unfallereignis offenbart wird, von untergeordneter Bedeutung ist der Weg
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1 Vgl. Welther, S. 159 f.; ausführliche Darstellung bei Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 98 f. 2 Vgl. hierzu Lessing, DAR 1997, 329 f.; Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 97e. 3 Vgl. BVerfG v. 19. 3. 2007 – 2 BvR 2273/06, NJW 2007, 1666 mit Anm. Simon. 4 Vgl. Fischer, § 142 StGB Rz. 42.
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Teil 11
Rz. 68
Verkehrsstrafsachen
der Offenbarung1. Der Umfang der zu offenbarenden Tatsachen ist ebenfalls in § 142 Abs. 3 StGB genannt: Der Täter muss Angaben machen zu seiner Person, seinem Aufenthaltsort, seinem Fahrzeug und dessen Standort, sowie zur Art seiner Unfallbeteiligung; darüber hinaus muss er sein Fahrzeug für eventuelle weitere Feststellungen eine angemessene Zeit zur Verfügung halten.
! Hinweis: 68
Sieht das Gericht aufgrund der nachträglichen Feststellungen innerhalb der Frist von 24 Stunden von einer Strafe ab (§ 60 StGB) oder erfolgt eine Strafmilderung über § 49 StGB, bedeutet dies lediglich, dass auf eine Sanktionierung durch Geld- oder Freiheitsstrafe sowie die Verhängung einer Führerscheinmaßnahme (Fahrverbot bzw. Entziehung der Fahrerlaubnis) verzichtet wird bzw. eine Milderung erfolgt. Es verbleibt jedoch bei einem Schuldspruch wegen der begangenen Straftat. Dies führt dazu, dass eine diesbezügliche rechtskräftige Verurteilung im Verkehrszentralregister zur Eintragung gelangt, allerdings werden bei einer Verurteilung unter Anwendung des § 142 Abs. 4 StGB nur 5 Punkte anstelle von sonst 7 Punkten eingetragen2. Um die Eintragung von Punkten zu vermeiden, bietet es sich an, in derartigen Fällen rechtzeitig mit der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht Kontakt aufzunehmen, damit noch vor der Hauptverhandlung eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden kann. In Betracht kommt dabei insbesondere eine Einstellung nach § 153b StPO durch die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Hauptverhandlung zuständigen Gerichts.
69
Die Neuregelung des § 142 Abs. 4 StGB findet nur Anwendung auf den explizit aufgeführten Fall; wenn also die nachträgliche Meldung zu spät erfolgte, bedeutender Sachschaden oder sogar Personenschaden entstand oder aber sich das Unfallgeschehen nicht im ruhenden, sondern im fließenden Verkehr ereignete, kommt dem Täter mangels analoger Anwendungsmöglichkeit des § 142 Abs. 4 StGB keine zwingende Strafmilderung zugute.
! Hinweis: 70
Gleichwohl kann unter Umständen doch eine gewisse Strafmilderung erreicht werden: Gemäß § 46 Abs. 2 StGB ist das Verhalten des Täters nach der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Eine „tätige Reue“ darf somit, auch wenn die Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 StGB nicht erfüllt sind, nicht völlig außer Betracht gelassen werden. Die gleiche Überlegung gilt auch für die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB sowie für das Fahr1 Vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, § 142 StGB Rz. 60–62; vgl. auch Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 217 f. 2 Vgl. hierzu Himmelreich/Bücken, Verkehrsunfallflucht, Rz. 227e.
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II. Einzelne Straftatbestände
Rz. 72 Teil 11
verbot nach § 44 StGB. Der Täter, der sich – auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 StGB – nachträglich seiner Verantwortung stellt und seine Beteiligung an dem Unfallereignis einräumt, ist nicht per se ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen iS. d. §§ 69, 69a StGB. Die Indizwirkung der §§ 69, 69a StGB könnte durch diese besonderen Umstände widerlegt werden.
8. Nötigung (§ 240 StGB) Nötigen bedeutet – verkürzt gesagt –, einem anderen ein bestimmtes Verhalten (Handeln, Dulden oder Unterlassen) aufzuzwingen. Der Tatbestand der Nötigung gewinnt im Straßenverkehr an Bedeutung, was wohl zum einen an der allgemein beklagten „Verrohung der Sitten“ liegen mag, zum anderen seinen wesentlichen Grund aber in der zunehmenden Anzeigenerstattung durch die – oft vermeintlich – genötigten anderen Verkehrsteilnehmer hat.
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Die Kasuistik ist immens, deshalb sei an dieser Stelle lediglich auf die „klassischen Fälle“ hingewiesen1:
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– Die Drohung eines Kraftfahrers „geht weg, oder ich fahr euch kaputt“, um das (unerlaubte) Entfernen von der Unfallstelle zu erzwingen2; – Das absichtliche „Ausbremsen“, um einen anderen Kraftfahrer aus verkehrsfremden Gründen zum Halten zu zwingen3; anders jedoch, wenn dem Ausbremsen z.B. durch Fahrstreifenwechsel ausgewichen werden kann4; – Das Schneiden eines anderen Fahrzeugführers beim Fahrstreifenwechsel5; – Das Erzwingen oder Verhindern des Überholens6, – Das dichte Auffahren mit erheblicher Zwangseinwirkung und Gefährdung7, gegebenenfalls auch im innerstädtischen Verkehr8. Von ent1 Vgl. auch Ternig, VD 2006, 321; Maatz, NZV 2006, 337. 2 Vgl. BGH v. 8. 7. 1954 – 4 StR 94/54, MDR 1955, 145. 3 Vgl. BGH v. 30. 3. 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 = MDR 1995, 789 = NZV 1995, 325 = NStZ 1996, 83 mit Anmerkung Berz. 4 Vgl. OLG Celle v. 3. 12. 2008 – 32 Ss 172/08, NZV 2009, 199 f. 5 Vgl. OLG Köln v. 4. 7. 1995 – Ss 249/95, NZV 1995, 405. 6 Vgl. BGH v. 19. 6. 1963 – 4 StR 132/63, BGHSt 18, 389; BGH v. 4. 3. 1964 – 4 StR 529/63, NJW 1964, 1426; OLG Düsseldorf v. 17. 2. 2000 – 2b Ss 1/00 – 10/00 I, DAR 2000, 367. 7 OLG Köln v. 9. 6. 1992 – Ss 187/92, NZV 1992, 371 f.; OLG Düsseldorf v. 18. 3. 1996 – 5 Ss 383/95 – 21/96 I, NZV 1996, 288 f.; OLG Karlsruhe v. 24. 4. 1997 – 3 Ss 53/07, VRS 94 (1998), 262. 8 OLG Köln v. 14. 3. 2006 – 83 Ss 6/06, NStZ-RR 2006, 280 = VD 2006, 302; BVerfG v. 29. 3. 2007 – 2 BvR 932/06, NJW 2007, 1669, 1670.
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Teil 11
Rz. 73
Verkehrsstrafsachen
scheidender Bedeutung ist hier die Dauer und Intensität der Zwangseinwirkung und der dadurch entstehenden Gefährdung des Vorausfahrenden1. – Die Grenze zur Nötigung ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Drohung mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 315 ff. einhergeht2. 73
Keine Nötigung i.S.d. § 240 StGB soll jedoch vorliegen: – Wenn lediglich gehupt wird, um den Fahrer eines stehen gebliebenen Fahrzeuges zum Weiterfahren zu veranlassen3; – Bei einmaligen kurzen Verkehrsvorgängen wie Vorfahrtverletzungen, das Erzwingen des Zurücksetzens eines nachfolgenden Fahrzeuges4 oder die Weigerung des Zurücksetzens5; – Bei kurzfristig nahem Auffahren6 unter Betätigung der Lichthupe7; – Bei Verhindern des Einscherens eines Überholers in einer Fahrzeugkolonne8; – Überholen mit anschließendem verkehrsbehindernden Rechtsabbiegen9; – Beim Einscheren in eine Fahrzeugkolonne im stockenden Verkehr10.
9. Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) 74
Gemäß § 21 StVG macht sich strafbar, wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StVG) oder ihm dies aufgrund des § 44 StGB oder des § 25 StVG verboten ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StVG). 1 OLG Frankfurt a.M. v. 16. 6. 2003 – 3 Ss 175/03, NZV 2004, 158; OLG Stuttgart v. 10. 12. 1997 – 1 Ss 647/97, DAR 1998, 153 f; BVerfG v. 29. 3. 2007 – 2 BvR 932/06, NJW 2007, 1669, 1670. 2 Vgl. Hentschel, § 240 Rz. 7. 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 18. 3. 1996 – 5 Ss 383/95, NJW 1996, 2245 = NZV 1996, 288. 4 Vgl. OLG Köln v. 23. 12. 1988 – Ss 687/88, NZV 1989, 157. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 10. 3. 1987 – 2 Ss 471/86 – 221/86 III, VRS 73, 283, 286. 6 Vgl. OLG Düsseldorf v. 16. 6. 1988 – 5 St 194/88 – 157/88 I, NJW 1989, 51 = NZV 1988, 187; BayObLG v. 8. 4. 1993 – 2 StR 21/93, NJW 1993, 2882; OLG Hamm v. 11. 8. 2005 – 4 Ss 308/05, NZV 2006, 388, 389. 7 Vgl. OLG Hamm v. 3. 4. 1990 – 3 Ss 347/90, DAR 1990, 392, 393; OLG Hamm v. 9. 1. 1976 – 2 Ss OWi 1196/75, n.v. 8 Vgl. OLG Celle v. 27. 2. 1990 – 3 Ss 45/90, NZV 1990, 239. 9 Vgl. BayObLG v. 20. 1. 1978 – 1 St 469/77, DAR 1979, 238. 10 Vgl. OLG Köln v. 24. 8. 1999 – Ss 368/99 – DAR 2000, 84.
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III. Fahrverbot nach § 44 StGB
Rz. 79 Teil 11
§ 21 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StVG umfasst die Fälle, in denen der Beschuldigte per se nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügt hat oder ihm aber eine – ursprünglich vorhandene – Fahrerlaubnis vorläufig (gemäß § 111a StPO) oder rechtskräftig (z.B. gemäß §§ 69, 69a StGB) entzogen wurde. § 21 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StVG hingegen betrifft Fahrverbote in Strafsachen (§ 44 StGB) und Ordnungswidrigkeiten (§ 25 StVG).
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! Hinweis: Nach § 21 StVG macht sich nicht nur derjenige strafbar, der ohne Fahrerlaubnis oder trotz Fahrverbot ein Kraftfahrzeug führt, sondern auch derjenige, der als Halter eines Kraftfahrzeuges ein derartiges strafbares Verhalten anordnet oder zulässt (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG)1 Über § 14 StGB kann die strafrechtliche Verantwortlichkeit neben dem eigentlichen Halter auch andere Personen treffen, also z.B. den Geschäftsführer einer GmbH, auf die das Fahrzeug zugelassen ist!
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III. Fahrverbot nach § 44 StGB Das Fahrverbot nach § 44 StGB ist eine Nebenstrafe und unterliegt den allgemeinen Strafzumessungsregeln2. Auf Fahrverbot darf nur erkannt werden, wenn gleichzeitig eine Verurteilung zu Geld- oder Freiheitsstrafe erfolgt, denn schon begrifflich setzt es als Nebenstrafe auch eine Hauptstrafe voraus, beides muss zusammen die Schuld des Täters zur Grundlage haben3.
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Gedacht hat sich der Gesetzgeber das Fahrverbot als spezialpräventive Maßnahme mit Warnungs- und Besinnungscharakter für nachlässige oder leichtsinnige Kraftfahrer4.
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Ein Fahrverbot darf jedoch nur verhängt werden, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der mit der Bestrafung bezweckte Erfolg mit der Geldstrafe allein nicht erreicht werden kann, sondern nur durch den zusätzlichen „Denkzettel“ des Fahrverbotes5. Es kommen also Fälle in Betracht, in denen dem Täter eine Pflichtverletzung von einigem Ge-
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1 Vgl. Hierzu Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 21 StVG, Rz. 12 f. 2 Vgl. OLG Köln v. 3. 12. 1991 – Ss 555/91, NZV 1992, 159; OLG Köln v. 5. 11. 1991 – Ss 495/91 – 257, DAR 1992, 152; OLG Köln v. 31. 8. 1990 – Ss 401/90, DAR 1991, 112, 113; OLG Köln v. 6. 11. 1998 – Ss 507/98, DAR 1999, 87 (zur Uneinsichtigkeit als nachteiliges Prozessverhalten). 3 Vgl. OLG Düsseldorf v. 8. 7. 1992 – 2 Ss 187/91 – 35/92 III, NZV 1993, 76; OLG Köln v. 15. 12. 1970 – Ss 224/70, MDR 1971, 415. 4 Vgl. BVerfG v. 16. 7. 1969 – 2 BvL 11/69, BVerfGE 27, 36, 41; OLG Koblenz v. 24. 10. 1968 – 1 Ss 357/68, NJW 1969, 282; BGH v. 26. 9. 2003 – 2 StR 161/03, NStZ 2004, 145; OLG Hamm v. 3. 6. 2004 – 2 Ss 112/04 f. 5 Vgl. OLG Köln v. 31. 8. 1990 – Ss 401/90, DAR 1991, 112, 113; OLG Hamm v. 3. 6. 2004 – 2 Ss 112/04, DAR 2004, 535 f.
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Teil 11
Rz. 80
Verkehrsstrafsachen
wicht anzulasten ist oder das Gericht den Eindruck gewinnt, der Täter sei ein leichtsinniger oder sonst pflichtvergessener Kraftfahrer1. Zwar hindern berufliche oder wirtschaftliche Nachteile durch das Fahrverbot grundsätzlich nicht dessen Verhängung. Droht aber beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes oder gar der Existenz, so kann dies im Einzelfall ein Absehen vom Fahrverbot begründen2. 80
Im Unterschied zum Fahrverbot nach § 25 StVG kann sich das Fahrverbot nach § 44 StGB auch gegen einen Täter richten, der das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht selbst geführt hat. § 44 Abs. 1 S. 1 StGB spricht von „Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers“; die Rechtsprechung lässt hierfür beispielsweise ausreichen, dass der Fahrerlaubnisinhaber seine führerscheinlose Frau oder einen angetrunkenen Mitfahrer lenken lässt3.
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Die Regelfälle des § 44 Abs. 1 S. 2 StGB indizieren die Erforderlichkeit des Fahrverbotes zur Erreichung des Strafzweckes neben der Hauptstrafe. Eine Begründung im Urteil, warum das Gericht nicht eine Geldstrafe für ausreichend hielt, muss nicht erfolgen4. Es genügt vielmehr die Feststellung, dass ein Regelfall gegeben ist. Einer besonderen Begründung bedarf allerdings das Absehen vom Fahrverbot5. Der Gesetzgeber hat in § 44 Abs. 1 S. 2 StGB folgende Regelfälle normiert: Ein Fahrverbot ist in der Regel zu verhängen, wenn bei Verurteilung nach – § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, – § 315c Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. Abs. 3 StGB oder – § 316 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB unterbleibt.
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Das Fahrverbot wird mit Rechtskraft des Urteils/Strafbefehls wirksam (§ 44 Abs. 2 S. 1 StGB), die Verbotsfrist läuft jedoch erst ab amtlicher Verwahrung des von einer deutschen Behörde ausgestellten nationalen und/oder internationalen Führerscheines (§ 44 Abs. 2 S. 2 StGB), Gleiches gilt für EU- und EWR-Führerscheine, wenn der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat (§ 44 Abs. 2 S. 3 StGB). In allen ande1 Vgl. OLG Koblenz v. 24. 10. 1968 – 1 Ss 357/68, NJW 1969, 282. 2 Vgl. LG Amberg v. 2. 2. 2006 – 3Ns 103 Js 7897/05, zfs 2006, 289; vgl. hierzu auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 44 StGB, Rz. 7c mit Hinweis auf die Rechtsprechung zu § 25 StVG. 3 Vgl. Fischer, § 44 StGB Rz. 11. 4 Vgl. OLG Köln v. 31. 8. 1990 – Ss 401/90, DAR 1991, 112, 113. 5 Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 29. 9. 1976 – 2 Ss 501/76, VM 1977, 31.
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III. Fahrverbot nach § 44 StGB
Rz. 85 Teil 11
ren Fällen wird das Fahrverbot im Führerschein eingetragen (§ 44 Abs. 2 S. 4 StGB, sog. Sichtvermerk). Die Verhängung eines Fahrverbotes nach § 44 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter sich besonders verantwortungslos verhalten oder Verkehrsvorschriften wiederholt und hartnäckig verletzt hat1. Andererseits kommt ein Fahrverbot wohl nicht in Betracht bei Straftaten von geringem Gewicht, etwa einer durch eine Verkehrsordnungswidrigkeit (z.B. Vorfahrtverletzung) leicht fahrlässig verursachten geringfügigen Körperverletzung2.
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Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Haupt- und Nebenstrafe ist eine Beschränkung der Revision auf ein in der Vorinstanz angeordnetes Fahrverbot nach § 44 StGB nicht möglich. Das OLG Düsseldorf3 hat hierzu ausgeführt:
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„… In der Regel beruhen die Entscheidungen über die Hauptstrafe und diejenigen über das Fahrverbot ganz oder teilweise auf denselben tatsächlichen Feststellungen oder Erwägungen, so dass die Nachprüfung der Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbotes ohne ein Eingehen auf die Tatsachen, die dem Ausspruch über die Hauptstrafe zugrunde liegen, nicht möglich ist. Wegen dieser engen inneren Verknüpfung der Zumessungserwägungen von Hauptstrafe und Fahrverbot ist eine isolierte Beschränkung der Revision auf das Fahrverbot nicht wirksam.“
! Hinweis: Wichtig ist ein Wohlverhalten nach der Tat Beispiel: Die Angeklagte war vom Jugendgericht wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt worden. In der Zeit zwischen Tattag und Berufungshauptverhandlung ist die Angeklagte nicht mehr negativ in Erscheinung getreten, gleichwohl hat das Landgericht nicht von der Verhängung des Fahrverbotes abgesehen. Auf die Revision der Angeklagten beschloss das OLG Düsseldorf4: „… Die Kammer hat das verkehrsrechtliche Wohlverhalten der Angeklagten seit der zur Aburteilung stehenden Tat als selbstverständlich angesehen und eine Anerkennung als Strafmilderungsgrund verneint. Damit hat das LG die Grenzen seines Strafzumessungsermessens in fehlerhafter Weise überschritten. Für die Anordnung eines Fahrverbotes gelten im Hinblick auf seinen Strafcharakter die allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB; damit ist gemäß § 46 Abs. 2 StGB u.a. auch das Verhalten des Täters nach der Tat von Bedeutung. Eine straflose Lebensführung ist demgemäß nicht allgemein als bloßes Fehlen eines Strafgrundes anzusehen, sondern insoweit ist dieser für einen Angeklagten sprechende Umstand in die anzustellenden Gesamterwägungen einzubeziehen und 1 2 3 4
Vgl. BGH v. 18. 5. 1972 – 4 StR 86/72, BGHSt 24, 348. Vgl. hierzu Stree in Schönke/Schröder, § 44 StGB Rz. 6. Vgl. OLG Düsseldorf v. 8. 7. 1992 – 2 Ss 187/91 – 35/92 III, NZV 1993, 76. Vgl. OLG Düsseldorf v. 8. 7. 1992 – 2 Ss 187/91 – 35/92 III, NZV 1993, 76.
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85
Teil 11
Rz. 86
Verkehrsstrafsachen
mit den gegen ihn sprechenden Gesichtspunkten abzuwägen. Das strafrechtliche Nachtatverhalten ist ein wesentlicher Faktor für die Frage nach einem gerechten Schuldausgleich, so dass die Urteilsgründe im Falle eines festgestellten Wohlverhaltens über einen solchen Strafmilderungsgrund nicht hinweggehen dürfen. Sie müssen vielmehr deutlich machen, dass dieser Umstand auch Eingang in die Bewertung gefunden hat. Erst recht ist es fehlerhaft, wenn der Tatrichter ein strafloses und gesetzeskonformes Nachtatverhalten als Normalfall ansieht und diesem keinerlei Bedeutung beimisst.“
! Hinweis: Zeitablauf 86
Im obigen Fall wies das OLG für die erneute Hauptverhandlung auf Folgendes hin: „… Die Kammer hat im Rahmen der Erwägungen zur Verhängung des Fahrverbotes auch den Gesichtspunkt des Zeitablaufes erörtert. Für den von der Kammer zu beurteilenden Zeitraum mag die Nichtberücksichtigung im Ergebnis nicht zu beanstanden sein. Da die neue Hauptverhandlung aber voraussichtlich erst im Herbst 1992 stattfinden wird, kommt einem Zeitablauf von dann nahezu zwei Jahren seit der Tat schon eine entscheidende Bedeutung zu. … Diese Warnungsund Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – aber nur dann erfüllen, wenn es sich in einem kurzen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Nach einem längeren Zeitablauf verliert der spezialpräventive Zweck eines Fahrverbotes seine eigentliche Bedeutung, so dass nur noch der Pönalisierunsgscharakter als Sanktionsinhalt übrig bleibt1“.
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Berufliche Nachteile/Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Ein Fahrverbot darf grundsätzlich nur verhängt werden, wenn der mit der Nebenstrafe verfolgte spezialpräventive Erfolg mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht werden kann2. Das Gericht entscheidet hierüber nach seinem Ermessen (vgl. § 44 Abs. 1 StGB: „… so kann ihm das Gericht …“). Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Haupt- und Nebenstrafe, die gemeinsam die Schuld des Täters ahnden sollen, ist daher immer auch zu prüfen, wie hart das Fahrverbot den Täter trifft3. Ein wesentlicher Aspekt bei der Ausübung des Ermessens liegt in der Frage, in welchem Umfange der Täter auf das Fahren angewiesen ist4. In Fäl1 Vgl. hierzu auch OLG Stuttgart v. 9. 12. 1998 – 1 Ss 718/98, DAR 1999, 180: Kein Fahrverbot drei Jahre nach der Tat; OLG Zweibrücken v. 11. 9. 2000 – 1 Ss 223/00, DAR 2000, 586: Mehr als zwei Jahre seit Tatbegehung; OLG Hamm v. 25. 5. 2005 – 2 Ss 207/05, NZV 2006, 167; OLG Hamm v. 3. 6. 2004 – 2 Ss 112/04, DAR 2004, 535: Kein Fahrverbot 22 Monate nach der Tat; vgl. hierzu auch Anm. Bode, zfs 2004, 429. 2 Vgl. OLG Bremen v. 15. 7. 1988 – Ss 4/88, DAR 1988, 389; OLG Köln v. 3. 12. 1991 – Ss 555/91, NZV 1992, 159. 3 Vgl. OLG Celle v. 12. 10. 1981 – 2 Ss 280/81, VRS 62, 38; OLG Stuttgart v. 1. 2. 1967 – 1 Ss 25/67, Justiz 1967, 174. 4 Vgl. OLG Celle v. 12. 10. 1981 – 2 Ss 280/81, VRS 62, 38, 39; LG München I v. 11. 2. 2004 – 26 Ns 497 Js 109 227/03, NZV 2005, 56.
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IV. Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 f. StGB
Rz. 90 Teil 11
len außergewöhnlicher Härte sollte das Gericht von der Verhängung eines Fahrverbotes Abstand nehmen1, insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie beim Absehen vom Fahrverbot im Ordnungswidrigkeitenrecht.
! Hinweis: Was viele Verteidiger oft übersehen ist der Umstand, dass gemäß § 44 Abs. 1 StGB die Möglichkeit besteht, das Fahrverbot auf Kraftfahrzeuge einer bestimmten Art zu beschränken2. Wird ein unbeschränktes Fahrverbot ausgesprochen, so dürfen überhaupt keine Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr geführt werden, also auch solche, für die es eines Führerscheines nicht bedarf3, z.B. Mofas! Für die Beschränkung des Fahrverbotes auf Kraftfahrzeuge einer bestimmten Art gelten die gleichen Grundsätze wie bei der entsprechenden Regelung in § 25 StVG.
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! Hinweis: Die Beschränkung auf „das Führen von Taxis“ ist rechtlich unzulässig, da es sich hierbei nicht um Kraftfahrzeuge einer bestimmten Art handelt, sondern lediglich um Kraftfahrzeuge eines bestimmten Verwendungszweckes, der sich wiederum nicht auf die Bauart auswirkt4. Eine vollstreckte ausländische Strafe wegen derselben Tat ist anzurechnen5, soweit nicht schon Strafklageverbrauch anzunehmen ist.
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IV. Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 f. StGB 1. Voraussetzungen der Entziehung Die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB stellt eine Maßregel der Besserung und Sicherung dar, also keine Strafe oder Nebenstrafe. Zweck der Maßregel ist es, Kraftfahrer, die durch eine rechtswidrige Tat ihre mangelnde Eignung bewiesen haben, von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschalten, die Maßnahme dient damit dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Gesetzesverletzungen durch den Täter6. Die fehlende Eignung kann auf körperlichen, geistigen oder charakterlichen 1 Vgl. OLG Celle v. 27. 9. 1985 – 2 Ss (OWi 266/85), DAR 1986, 152 zu §§ 24a, 25 StVG; BayObLG v. 8. 2. 1989 – 1 ObOWi 318/88, NJW 1989, 2004; OLG Karlsruhe v. 10. 11. 2004 – 1 Ss 94/04, NZV 2005, 54 f; OLG Bamberg v. 22. 1. 2009 – 2 Ss OWi 5/09, NVZ 2010, 46. 2 Vgl. LG Cottbus v. 3. 7. 2007 – 25 NS 67/07, DAR 2007, 716. 3 Vgl. OLG Hamm v. 8. 9. 1967 – 1 Ss 775/67, VRS 34, 367 (Mofa als Kraftfahrzeug); OLG Oldenburg v. 10. 9. 1968 – 4 Ss 225/68, VM 1969, 5. 4 Vgl. OLG Stuttgart v. 11. 6. 1975 – 3 Ss 126/75, VM 1975, 81. 5 Vgl. BVerfG v. 4. 12. 2007 – 2 BvR 38/06, DAR 2008, 586. 6 Vgl. Hentschel, Trunkenheit – Fahrerlaubnisentziehung – Fahrverbot, Rz. 567; BGH v. 26. 9. 2003 – 2 StR 161/03, StV 2004, 132.
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90
Teil 11
Rz. 91
Verkehrsstrafsachen
Mängeln1 beruhen, des Weiteren muss sich die Ungeeignetheit aus der Tat ergeben2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Eignungsmangel vorliegt, ist der Zeitpunkt der Entscheidung, d.h. des Urteils3; das Gericht muss daher auch prüfen, ob ein etwaiger Eignungsmangel inzwischen weggefallen ist4, z.B. aufgrund langer vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Teilnahme an einem Kursus zur Behandlung alkoholauffälliger Kraftfahrer5. In ständiger Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass für die Feststellung der Ungegeignetheit die Sachkunde des Gerichts genügt6. 91
Allein der bloße Zeitablauf während des Berufungsverfahrens führt nicht zur Aufhebung der Fahrerlaubnisentziehung; „… denn wer gegen ein amtsgerichtliches Urteil, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist für deren Neuerteilung angeordnet worden ist, Berufung einlegt, muss damit rechnen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis länger als die Sperrfrist dauert, die das AG festgesetzt hat7.“ Verwirft das Berufungsgericht dann auch noch die Berufung, so beginnt die im amtsgerichtlichen Urteil festgesetzte Sperrfrist erst mit Rechtskraft des Berufungsurteils zu laufen8! Die Durchführung des Berufungs- oder Revisionsverfahrens sollte daher wohl überlegt sein9! 1 Vgl. BGH v. 5. 11. 2002 – 4 StR 406/02, NZV 2003, 199; OLG Köln v. 11. 5. 2004 – Ss 158/04, DAR 2004, 540; OLG Hamm v. 22. 5. 2003 – 2 Ss 272/03, StV 2003, 624. 2 Vgl. BGH v. 26. 3. 1954 – 5 StR 28/54, MDR 1954, 398; BGH v. 9. 4. 1954 – 5 StR 727/53, MDR 1954, 398; BGH v. 27. 4. 2005 – GSSt 2/04, NJW 2005, 1957 = NZV 2005, 486 = NStZ 2005, 503; vgl. auch Bespr. Pießkalla/Leitgeb, NZV 2006, 185. 3 Vgl. OLG Köln v. 31. 3. 1981 – 1 Ss 1085/80, VRS 61, 118; BGH v. 26. 9. 2003 – 2 StR 161/03, NStZ 2004, 147; BGH v. 5. 11. 2002 – 4 StR 406/02, NZV 2003, 199, 200; OLG Karlsruhe v. 4. 8. 2004 – 1 Ss 79/04, NZV 2004, 537, 538. 4 Vgl. BayObLG v. 30. 9. 1970 – RReg. 1 St 79/70, NJW 1971, 206; OLG Köln v. 29. 6. 1999 – Ss 273/99, StV 2000, 261. 5 Vgl. LG Hamburg v. 11. 11. 1982 – (46) 190/82 Ns, DAR 1983, 60; LG Münster v. 22. 7. 2005 – 3 Qs 63/05, zfs 2005, 623; LG Potsdam v. 2. 11. 2004 – 23 Qs 151/04, zfs 2005, 100; LG Köln v. 4. 8. 2005 – 104 Qs 139/05, DAR 2005, 702; OLG Karlsruhe v. 4. 8. 2004 – 1 Ss 79/04, NZV 2004, 537, 539 = DAR 2004, 400 = StV 2004, 584; LG Potsdam v. 8. 12. 2003 – 27 Ns 188/03, zfs 2004, 183, 184; s. allerdings auch die Einschränkung des LG Flensburg für Verurteilte mit einer BAK von mehr als 1,6 %: LG Flensburg v. 8. 4. 2005 – II Qs 36/05, DAR 2005, 409; vgl. zu den verschiedenen Modellen von Nachschulungskursen, Aufbauseminaren und Kursen zur Wiederherstellung der Kraftfahrteignung Himmelreich, DAR 2004, 10. 6 Vgl. Fischer, § 69 StGB, Rz. 14. 7 Vgl. OLG Düsseldorf v. 18. 3. 1999 – 1 Ws 191/99, DAR 1999, 324. 8 Gleiches gilt übrigens selbstverständlich auch bei Durchführung des Revisionsverfahrens! 9 Es liegt kein Fall des Verschlechterungsverbotes nach § 331 StPO vor, wenn das Berufungsgericht dieselbe Sperrfrist festsetzt wie das erstinstanzliche Gericht, vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 331 Rz. 23.
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IV. Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 f. StGB
Rz. 95 Teil 11
In § 69 Abs. 2 StGB sind – ähnlich wie in § 44 Abs. 1 S. 2 StGB – Regelfälle aufgeführt: Hat der Betreffende eine rechtswidrige Tat nach den §§ 315c, 316, 142 StGB (mit bedeutendem Sachschaden1 oder erheblichen Verletzungen) oder § 323a StGB begangen, so ist er in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Auch bei Vorliegen eines derartigen Regelfalles kann jedoch ausnahmsweise die Entziehung der Fahrerlaubnis entfallen, wenn z.B. im Rahmen einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt der volltrunkene Fahrer sein Fahrzeug mit geringer Geschwindigkeit nur ein kurzes Stück bewegt2.
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! Hinweis: Bei rechtskräftiger Entziehung der Fahrerlaubnis sinkt der Punktestand im Verkehrszentralregister auf Null mit der Folge, dass zwar die der Entziehung der Fahrerlaubnis zugrundeliegende Straftat zur Eintragung gelangt, hierfür jedoch keinerlei Punkte vermerkt werden. Auch aus vorherigen Verstößen resultierende Punkte werden also gelöscht!
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! Hinweis: Auch ein Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis kann einer Maßregel der Besserung und Sicherung im Sinne der §§ 69, 69a StGB unterworfen werden. Zwar ist ein deutsches Gericht mangels entsprechender Hoheitsrechte nicht in der Lage, eine im Ausland erteilte Fahrerlaubnis zu entziehen, gleichwohl sollen die Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, die im Inland Fahrzeuge führen, nicht besser gestellt werden als inländische Fahrerlaubnisinhaber, bei denen die Voraussetzungen der §§ 69, 69a StGB vorliegen. Deshalb bestimmt § 69b Abs. 1 S. 1 StGB, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis bei außerdeutschen Kraftfahrzeugführern lediglich die Wirkung hat, dass ihnen das Recht aberkannt wird, im Inland von der ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Im Ergebnis kommt dies einem Fahrverbot (allerdings nur bezogen auf fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge!) gleich.
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Berufliche/wirtschaftliche Nachteile: Negative wirtschaftliche Auswirkungen der Fahrerlaubnisentziehung auf den Betroffenen haben bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eignungsmangel vorliegt, grundsätzlich au-
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1 Vgl. LG Kaiserslautern v. 9. 1. 2003 – 5 Qs 1/03, DAR 2003, 03, 185, 186; LG Hamburg v. 13. 5. 2003 – 603 Qs 231/03, DAR 2003, 382; OLG v. 14. 2. 2005 – 1 Ss 19/05, Jena NStZ-RR 2005, 183; OLG Dresden v. 12. 5. 2005 – 2 Ss 278/05, NZV 2006, 104; LG Braunschweig v. 22. 11. 2004 – 8 Qs 392/04, zfs 05, 100; LG Gera v. 22. 9. 2005 – 1 Qs 359/06, NZV 2006, 105; Himmelreich/Lessing, NStZ 2002, 302; Himmelreich/Halm, NStZ 2005, 319, (320); Himmelreich, DAR 2006, 1: derzeit etwa 1300 Euro. 2 Vgl. LG Gera v. 5. 7. 1999 – 650 Js 1551/98 – 4 Ns, DAR 1999, 420; OLG Stuttgart v. 15. 10. 1986 – 5 Ss 683/86, NJW 1987, 142; OLG Düsseldorf v. 7. 1. 1988 – 5 Ss 460/87 – 3/88 I, NZV 1988, 29.
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Teil 11
Rz. 96
Verkehrsstrafsachen
ßer Betracht zu bleiben1. Dies ergibt sich letztlich schon daraus, dass die Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung vornehmlich die Sicherheit der Allgemeinheit vor ungeeigneten Verkehrsteilnehmern bezweckt, spezialpräventive Aspekte daher gerade nicht im Vordergrund stehen. Insoweit muss daher auch ein etwaiges Interesse des Dienstherrn an einer weiteren Führung von Kraftfahrzeugen durch den Täter zurückstehen2.
! Hinweis: 96
Erhebliche negative wirtschaftliche Auswirkungen für den Täter können jedoch dann Berücksichtigung finden, wenn diese bereits aufgrund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis eingetreten sind und den Täter so nachhaltig beeindruckt haben, dass nunmehr davon ausgegangen werden kann, dass der Eignungsmangel beseitigt ist3.
! Hinweis: 97
Gemäß § 69a Abs. 2 StGB kann das Gericht von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird4. Insoweit gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie bei der entsprechenden Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 25 StVG) und beim strafrechtlichen Fahrverbot nach § 44 StGB.
2. Arbeitsrechtliche Konsequenzen a) Berufskraftfahrer 98
Die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Berufskraftfahrern kann grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 BGB darstellen5. Es ist dabei unerheblich, ob der Berufskraftfahrer im Dienst oder im privaten Bereich oder während des Urlaubs eine Trunkenheitsfahrt begangen hat und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Eine fristlose Kündigung ist auch gerechtfertigt, wenn die Fahrerlaubnis wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort entzogen wurde. 1 Vgl. BGH v. 25. 2. 1954 – 1 StR 633/53, MDR 1954, 398; OLG Düsseldorf v. 12. 11. 1991, NZV 1992, 331. 2 Vgl. OLG Köln v. 24. 2. 1967 – Ss 604/66, MDR 1967, 514. 3 Vgl. BGH v. 11. 9. 1991 – 3 StR 345/91 – LG Duisburg, VRS 82, 19; BayObLG v. 30. 9. 1970 – RReg. 1 St 79/70, NJW 1971, 206; BayObLG v. 3. 5. 1976 – RReg. 1 St 117/76, NJW 1977, 445; OLG Saarbrücken v. 21. 2. 1974 – Ss 1/74, NJW 1974, 1391 f.; OLG Hamm v. 10. 11. 1976 – 3 Ss 702/76, NJW 1977, 207. 4 Vgl. hierzu Jung/Albrecht, Die Verteidigung in Verkehrsstrafsachen und Verkehrsordnungswidrigkeiten, S. 194 f. mit Rechtsprechungsnachweisen. 5 Vgl. BAG v. 22. 8. 1963 – 2 AZR 114/63 (Kiel), NJW 1964, 74; BAG v. 30. 5. 1978 – 2 AZR 630/76 (Düsseldorf), NJW 1979, 332; LAG Schleswig-Holstein v. 16. 6. 1986 – 4 (5) Sa 684/85, NZA 1987, 669; LAG Rheinland-Pfalz v. 11. 8. 1989 – 6 Sa 297/89, NZA 1990, 28.
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IV. Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69 f. StGB
Rz. 102 Teil 11
! Hinweis: Kann der Arbeitnehmer auch ohne Fahrerlaubnis seine dem Dienstherrn geschuldete Leistung erbringen, ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt.
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Der o.g. Grundsatz (fristlose Kündigung bei Fahrerlaubnisentziehung) erfährt jedoch eine gewisse Einschränkung. Die außerordentliche Beendigungskündigung als unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) kommt erst dann in Betracht, wenn keine Möglichkeit für den Arbeitgeber besteht, den Mitarbeiter zu geänderten, u.U. auch schlechteren Arbeitsbedingungen auf einem freien Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Besteht eine derartige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, so muss der Arbeitgeber diese von sich aus dem Mitarbeiter anbieten. Im Streitfall hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass es ihm nicht möglich gewesen ist, zur Vermeidung der außerordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer auf einen anderen freien Arbeitsplatz zu setzen1. Lehnt der Arbeitnehmer die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz ab, steht es dem Arbeitgeber frei, die außerordentliche Beendigungskündigung auszusprechen2.
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Eine besondere Problematik stellt in diesem Zusammenhang die 14-Tages-Frist des § 626 Abs. 2 BGB dar. Danach ist der Arbeitgeber gehalten, ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Kündigungsgrundes binnen einer Frist von 14 Tagen den Zugang der fristlosen Kündigung an den Arbeitnehmer zu bewirken. Die Entziehung der Fahrerlaubnis stellt keinen „Dauergrund“ dar. Der Kündigungsgrund besteht daher nicht während der gesamten Geltungsdauer der Führerscheinmaßnahme, sondern verfristet unheilbar, wenn der Arbeitgeber nicht nach Kenntnis von der Anordnung und deren Geltungsdauer innerhalb von zwei Wochen die Kündigung erklärt3.
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b) Außendienstmitarbeiter Es gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie bei der Kündigung eines Berufskraftfahrers. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der fristlosen Kündigung prüfen, ob er den im Außendienst tätigen Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, bis zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis oder sogar auf Dauer auf einen anderen Arbeitsplatz versetzen kann. Die Versetzung in einen Bezirk, in dem der Außendienstmitarbeiter seine Tätigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit Fahrrad oder Mofa ausüben kann, ist zumutbar4. 1 2 3 4
Vgl. BAG v. 30. 5. 1978 – 2 AZR 630/76 (Düsseldorf), NJW 1979, 332. Vgl. BAG v. 30. 5. 1978 – 2 AZR 630/76 (Düsseldorf), NJW 1979, 332. Vgl. LAG Köln v. 22. 6. 1995 – 5 Sa 781/94, NZA-RR 1996, 170. Vgl. LAG Hamm v. 27. 6. 1986 – 16 Sa 112/86, LAGE § 626 BGB Nr. 26.
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Teil 11 103
Rz. 103
Verkehrsstrafsachen
Umstritten ist innerhalb der Rechtsprechung die Frage, ob ein Außendienstmitarbeiter, dem die Fahrerlaubnis entzogen wurde, die erforderliche Fahrleistung durch dritte Personen, z.B. die Ehefrau oder einen Chauffeur, erbringen darf. Teilweise wird diese Möglichkeit mit dem Hinweis auf haftungsrechtliche Erwägungen und den höchstpersönlichen Charakter des Arbeitsverhältnisses als Leistungsaustauschverhältnis abgelehnt1. Das LAG Rheinland-Pfalz hält demgegenüber den Einsatz eines privaten Chauffeurs für zulässig, wenn die Fahrtätigkeit innerhalb des Gesamtaufgabengebietes des Arbeitnehmers nur einen relativ unbedeutenden Platz einnimmt2.
! Hinweis: 104
Letztlich drohen dem Arbeitnehmer, dem wirksam wegen Entziehung der Fahrerlaubnis gekündigt wurde, erhebliche Nachteile bei dem Bezug von Arbeitslosengeld, da der Arbeitsplatzverlust wegen Entziehung der Fahrerlaubnis oder Verhängung eines Fahrverbotes in der Regel eine Sperrzeit gem. § 144 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III von drei Monaten nach sich zieht3.
V. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO 105
Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO stellt eine vorbeugende Maßnahme dar mit dem Ziel, die Allgemeinheit auch schon vor einem Urteil vor den Gefahren durch einen ungeeigneten Kraftfahrer zu schützen4. „Gerade bei einer vorläufigen Anordnung nach § 111a StPO, die nicht unerheblich in die Grundrechte des Einzelnen eingreift, müssen die notwendigen Ermittlungen schnellstmöglich durchgeführt bzw. vervollständigt und vorgelegt werden, die den Eingriff rechtfertigen sollen“; mit dieser Argumentation verneint das LG Dresden5 die Notwendigkeit einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis 10 Monate nach der Tat6. 1 Vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 16. 6. 1986 – 4 (5) Sa 684/85, NZA 1987, 669 = DAR 1987, 63; ArbG Hamburg v. 2. 3. 1971 – 4 Ca 260/70, BB 1971, 708. 2 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 11. 8. 1989 – 6 Sa 297/89, NZA 1990, 28 = DAR 1991, 226. 3 Vgl. BayLSozG v. 25. 9. 1984 – L 11/Al 298/83, NZA 1985, 608. 4 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 111a StPO Rz. 1; OLG München v. 27. 7. 1979 – 2 Ws 514/79, NJW 1980, 1860. 5 Vgl. OLG Dresden v. 30. 6. 1998 – 3 Qs 76/98, zfs 1999, 122. 6 Vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf v. 12. 10. 1999 – 1 Ws 846/99, DAR 2000, 127 (ungewöhnlich lange Dauer des Berufungsverfahrens); LG Nürnberg-Fürth v. 13. 4. 2000 – 5 Qs 57/2000, DAR 2000, 374: Keine vorläufige Entziehung 12 Monate nach der Tat; LG Darmstadt v. 24. 5. 1982 – 3 Qs 627/82, StV 1982, 415 = zfs 1982, 381: Keine vorläufige Entziehung, wenn mehr als vier Monate seit der Tat vergangen sind.
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V. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO Rz. 110 Teil 11
Es müssen dringende Gründe vorliegen für die Annahme, dass die Fahrerlaubnis endgültig entzogen wird. Dies wiederum setzt zum einen dringenden Tatverdacht (also die große Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist) voraus1, zum anderen einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen werde2.
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Berufliche Nachteile/Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Wegen des Charakters der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis als einer vorbeugenden Maßnahme zum Schutze der Allgemeinheit vor den Gefahren durch einen ungeeigneten Kraftfahrer schon vor dem Urteil bleibt für spezialpräventive Erwägungen bzw. die Frage nach beruflichen/existentiellen Auswirkungen für den Beschuldigten somit – ebenso wie bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB – kein Raum3.
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Allerdings können gemäß § 111a Abs. 1 S. 2 StPO von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßnahme hierdurch nicht gefährdet wird4.
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Hierin liegt die vornehmliche Aufgabe des Verteidigers: Bereits im Vorverfahren, d.h. noch vor Abgabe der Ermittlungsakte von der Staatsanwaltschaft an das für den § 111a-Beschluss zuständige Gericht, muss nach erfolgter Einsichtnahme in die amtliche Ermittlungsakte detailliert dazu vorgetragen werden, warum im konkreten Fall eine Ausnahme i.S.d. § 111a Abs. 1 S. 2 StPO vorliegt. Im Rahmen des Vortrages zum Tathergang, zum Persönlichkeitsbild und der Lebensführung des Beschuldigten sollte insbesondere darauf eingegangen werden, warum der Zweck der Maßregel, ungeeignete Kraftfahrer vom Straßenverkehr auszuschließen, durch die Ausnahmebewilligung nicht gefährdet wird5. Erfolgt eine derartige Beschränkung in dem nach § 111a StPO auszusprechenden Beschluss, so ist der Führerschein gleichwohl in amtliche Verwahrung zu nehmen, die Verwaltungsbehörde muss jedoch für die bestehen gebliebene Fahrerlaubnis einen Ersatzführerschein ausstellen6.
109
Gelingt es dem Verteidiger nicht, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf eine bestimmte Art von Kraftfahrzeugen beschränken zu
110
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Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 112 StPO Rz. 5. Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 111a StPO Rz. 2. Vgl. Mollenkott, DAR 1982, 217. Vgl. LG Dessau v. 29. 7. 1999 – 6 Qs 201/99, DAR 2000, 87; AG Bitterfeld v. 4. 5. 1999 – 6 Gs 751 Js 11184/99, DAR 2000, 227; vgl. die ausführliche Darstellung bei Müller/Freyschmidt, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, Rz. 125. 5 Vgl. hierzu auch Mollenkott, DAR 1982, 217. 6 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 111a StPO Rz. 4.
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Rz. 111
Verkehrsstrafsachen
lassen, so droht dem Arbeitnehmer, der beruflich auf seinen Führerschein angewiesen ist, die Kündigung. Die Entziehung der Fahrerlaubnis berechtigt den Arbeitgeber nicht nur zur außerordentlichen Kündigung, sondern auch zur ordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen. Ob der Entzug der Fahrerlaubnis dabei zu Recht erfolgte oder nicht, soll nach der Rechtsprechung unerheblich sein, denn der Arbeitnehmer ist jedenfalls – verschuldet oder unverschuldet – nach der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis für nicht absehbare Zeit außerstande, ein Kraftfahrzeug zu führen1. Will der Arbeitgeber ordentlich kündigen, muss wie folgt differenziert werden: Gerechtfertigt ist die ordentliche Kündigung immer dann, wenn z.B. die Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt im Dienst entzogen wurde. Geschah die Trunkenheitsfahrt jedoch im privaten Bereich, ist der Arbeitgeber nur dann zur ordentlichen Kündigung berechtigt, wenn die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit entfallen ist.
VI. Entschädigung nach strafgerichtlicher Führerscheinmaßnahme 111
Hat der Beschuldigte eines Strafverfahrens zu Unrecht eine – zumeist vorläufige – Führerscheinmaßnahme2 über sich ergehen lassen müssen, obwohl das Verfahren dann eingestellt oder er freigesprochen worden ist, können Entschädigungsansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG)3 geltend gemacht werden4.
! Hinweis: 112
Ausgleichsfähig sind gemäß § 7 StrEG lediglich die wirtschaftlichen Nachteile, die daraus resultieren, dass der Beschuldigte über den entsprechenden Zeitraum nicht am fahrerlaubnispflichtigen Verkehr teilnehmen konnte. Es wird also ausschließlich ein Vermögensschaden erstattet, nicht jedoch z.B. der zeitliche Mehraufwand durch Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel. Die durch die Nichtbenutzung des Kraftfahrzeuges ersparten Kosten muss sich der Beschuldigte anrechnen lassen5.
1 Vgl. LAG Hamm v. 13. 9. 1974 – 2 Sa 632/74, DB 1974, 2164. 2 Z.B. vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis oder Sicherstellung des Führerscheins. 3 Schönfelder Nr. 93. 4 Muster für Antrag bei Müller/Freyschmidt, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, Rz. 327. 5 Vgl. LG Flensburg v. 23. 2. 1999 – 2 O 451/98, DAR 2000, 279.
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VII. Nebenklage
Rz. 116 Teil 11
Beispiele für wirtschaftliche Nachteile: – Kosten für einen Chauffeur, der für diesen Zeitraum eingestellt wurde; – Kosten für öffentliche Verkehrsmittel1; – Auch: Verlust des Arbeitsplatzes nach vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn die Kündigung darauf beruhte, dass der Mitarbeiter mangels Fahrerlaubnis nicht einsatzfähig war2; – Auch: Ersatz des Verteidigerhonorars3.
Gemäß § 8 StrEG entscheidet das das Verfahren abschließende Gericht per Beschluss über die Entschädigung, bei einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft entscheidet die Staatsanwaltschaft (§ 9 StrEG), auf Antrag des Beschuldigten jedoch das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft. Die Entscheidung des Gerichts kann mit der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2 StrEG angefochten werden.
113
! Hinweis: Eine Entschädigung nach dem StrEG ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte die Maßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG. Dieser Ausschlusstatbestand ist insbesondere relevant für Trunkenheitsfahrten ab 0,8 %; ab einer BAK in dieser Höhe geht die Rechtsprechung von grober Fahrlässigkeit aus mit der Folge, dass keine Entschädigung zu gewähren ist4.
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Eine Entschädigung ist des Weiteren zu versagen, wenn die Maßnahme überwiegend von dem Beschuldigten selbst verursacht worden ist5.
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VII. Nebenklage Die Nebenklage im Verkehrsstrafrecht ist ein von Anwälten häufig vernachlässigter Tätigkeitsbereich. Durch die Nebenklage besteht eine nicht zu unterschätzende Gelegenheit, das Strafverfahren zu beeinflussen. Bedeutung gewinnt dies insbesondere in Hinblick auf eine etwaige sich dem Strafverfahren noch anschließende zivilrechtliche Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen. 1 Vgl. BGH v. 31. 10. 1974 – III ZR 85/73 (Hamm), NJW 1975, 347; Kleinknecht/ Meyer-Goßner, § 7 StrEG Rz. 4. 2 Vgl. BGH v. 21. 1. 1988 – III ZR 157/86, NJW 1988, 1141 = BGHZ 103, 113. 3 Vgl. Hentschel, Trunkenheit – Fahrerlaubnisentziehung – Fahrverbot, Rz. 1089; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 7 StrEG Rz. 5. 4 Vgl. AG Frankfurt a.M. v. 26. 11. 1998 – 915 Ds 2 Js 29 835.8/98 – 1050, Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV 1/99, S. 22; Hentschel, Trunkenheit – Fahrerlaubnisentziehung – Fahrverbot, Rz. 1070 f.; bei BAK von nur 0,56 % kein Verschulden, so AG Cottbus v. 26. 10. 1999 – 70 Gs 1421 Js 23873/99 (1033/99), DAR 2000, 88. 5 Vgl. Hentschel, Trunkenheit – Fahrerlaubnisentziehung – Fahrverbot, Rz. 1083.
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Teil 11
Rz. 117
Verkehrsstrafsachen
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Nebenklagebefugt sind im Falle einer fahrlässigen Tötung die Eltern, Kinder, Geschwister und der Ehegatte des Getöteten (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), im Falle einer fahrlässigen Körperverletzung der Geschädigte gemäß § 395 Abs. 3 StPO, wenn dies aus besonderen Gründen, namentlich wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint. Die Einschränkung des § 395 Abs. 3 StPO führt dazu, dass bei leichteren Verletzungen die Nebenklage nicht zugelassen wird; diese Entscheidung ist im Übrigen gemäß § 396 Abs. 2 S. 2 StPO unanfechtbar! Welchen Grad die Verletzung des Geschädigten erreichen muss, damit zwingend eine Zulassung zur Nebenklage zu erfolgen hat, ist noch nicht abschließend höchstrichterlich entschieden. Als Entscheidungskriterium und Argument des potentiellen Nebenklägers bietet sich z.B. der Aspekt der noch nicht abgeschlossenen zivilrechtlichen Schadensregulierung an, insbesondere bei unklarer Haftungslage.
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Über den Antrag auf Zulassung der Nebenklage1 entscheidet das Gericht, bei dem Anklage erhoben wurde, nach Anhörung der Staatsanwaltschaft (vgl. § 396 Abs. 2 StPO). Im Strafbefehlsverfahren gelten Besonderheiten gemäß § 396 Abs. 1 S. 3 StPO: Die Anschlusserklärung (sprich: der Antrag auf Zulassung der Nebenklage) wird nur dann wirksam, wenn entweder bereits der Termin zur Hauptverhandlung anberaumt oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt worden ist.
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Die Rechte des Nebenklägers in der Hauptverhandlung sind abschließend in § 397 StPO aufgeführt. Zu erwähnen sind insbesondere das Recht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung und zur Ablehnung des Gerichts oder eines Sachverständigen; es können Beweisanträge gestellt und Erklärungen abgeben werden.
! Hinweis: 120
Gemäß § 397a StPO kann unter bestimmten Voraussetzungen dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes auf Antrag Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Es gelten diesbezüglich dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten!
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Sofern das Gericht beabsichtigt, das Verfahren gemäß § 153 StPO oder § 153a StPO einzustellen, wird der Nebenkläger allenfalls angehört, seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung ist im Übrigen nicht erforderlich.
! Hinweis: 122
In geeigneten Fällen kann die Nebenklagevertretung jedoch anregen, dass bei einer Einstellung nach § 153a StPO zumindest ein Teil der Geldbuße an den Geschädigten (den Nebenkläger) geleistet wird; darüber hinaus kann der Angeklagte auch bei der Einstellung nach 1 Muster für Antrag bei Müller/Freyschmidt, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, Rz. 322.
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VIII. Adhäsionsverfahren
Rz. 124 Teil 11
§ 153a StGB, die grundsätzlich auf Kosten der Staatskasse erfolgt, verpflichtet werden, die Kosten des Nebenklagevertreters zu tragen!
! Hinweis: Unterlässt das Gericht eine Kostenentscheidung – zugunsten des Nebenklägers –, steht diesem nach § 464 Abs. 3 S. 1 1. Halbsatz StPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, auch wenn die Entscheidung wegen der Beschränkung des § 400 Abs. 1 StPO nicht angefochten werden kann1.
123
VIII. Adhäsionsverfahren Die Vorschriften der §§ 403 f. StPO geben dem Verletzten einer Straftat die – in der Praxis selten genutzte – Möglichkeit, Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (also Ansprüche vermögensrechtlicher Art) im Strafverfahren geltend zu machen. Bereits im Ermittlungsverfahren kann der Verletzte den Antrag2 stellen, den (späteren) Angeklagten zur Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld zu verurteilen sowie beantragen festzustellen, dass der Angeklagte verpflichtet ist, auch künftige Schäden aus dem in Rede stehenden Ereignis zu ersetzen. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, wenn und soweit er zur Leistung von Schadensersatz etc. verurteilt wird (§ 472a StPO). Sowohl der Angeklagte als auch der Verletzte können nach § 404 Abs. 5 StPO Prozesskostenhilfe beantragen3.
1 Vgl. OLG Düsseldorf v. 19. 10. 1998 – 3 Ws 464 – 466/98, VRS 96, 222. 2 Muster für Antrag bei Müller/Freyschmidt, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, Rz. 325. 3 Muster für Antrag bei Müller/Freyschmidt, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, Rz. 325.
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Teil 12 Verwaltungsrecht Rz. I. Verwaltungsbehördliches Verfahren 1. Entziehung der Fahrerlaubnis a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen aa) Abgrenzung zur strafrechtlichen Entziehung nach § 69 StGB . . . . . . . . . . bb) Schutzzweck des § 3 StVG cc) Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Körperliche Mängel . . (2) Geistige Mängel . . . . . (3) Altersbedingte Mängel (4) Charakterliche Mängel (5) Punktsystem des § 4 StVG (a) Allgemeines . . . . . . . . . (b) Maßnahmen . . . . . . . . . c) Folgen der Fahrerlaubnisentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2 5 6 7 9 10 11 15 16 22 27
Rz. 2. Bedingte Eignung . . . . . . . . . . . . . . . 3. BfF-Gutachten (früher: Medizinisch-Psychologische Untersuchung [„Idiotentest“] – MPU-Gutachten) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neuerteilung der Fahrerlaubnis . . 5. Fahrerlaubnis auf Probe . . . . . . . . . 6. Ausländische Fahrerlaubnisse . . . . a) Anerkennung von Fahrerlaubnissen nach § 28 FeV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Fahrerlaubnisse nach § 29 Abs. 1 Satz 3 FeV . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
34 44 46 56b 56c 56d
II. Verwaltungsgerichtliches Verfahren 1. Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . 3. Verpflichtungsklage . . . . . . . . . . . . . 4. Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 60 62 63
I. Verwaltungsbehördliches Verfahren 1. Entziehung der Fahrerlaubnis a) Zuständigkeit Zuständig für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 StVG ist „die Fahrerlaubnisbehörde“. Näheren Aufschluss darüber, welche Behörde dies im Einzelfall ist, gibt § 68 StVZO. Gemäß § 68 Abs. 1 StVZO sind es diejenigen Behörden, die nach Landesrecht die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden wahrnehmen1. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich über § 68 Abs. 2 StVZO nach dem Wohnort des Antragstellers bzw. Betroffenen; falls kein Wohnort besteht, ist der Aufenthaltsort maßgeblich. Sollte im Einzelfall zum Schutz der Verkehrssicherheit ein sofortiges Eingreifen der Behörde erforderlich sein, kann nicht nur die örtlich zuständige Behörde, sondern jede ihr gleichgeordnete Behörde entsprechende vorläufige Maßnahmen treffen (§ 68 Abs. 2 S. 4 StVZO).
1 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 68 StVZO Rz. 4.
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Teil 12
Rz. 2
Verwaltungsrecht
b) Voraussetzungen aa) Abgrenzung zur strafrechtlichen Entziehung nach § 69 StGB 2
Die strafrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB stellt keine Strafe, sondern eine Maßregel der Besserung und Sicherung dar und erfolgt somit unabhängig davon, ob den Betreffenden ein Verschulden trifft oder nicht. Maßgeblich ist allein die Frage, ob sich jemand aufgrund einer Straftat im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Die Feststellung der Ungeeignetheit erfolgt im Strafverfahren zum Zeitpunkt der Aburteilung.
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Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ist die Fahrerlaubnisbehörde „gebunden“; für die Dauer strafrechtlicher Ermittlungen besteht keine Zuständigkeit, auch nicht für eigene Sachverhaltsermittlungen. Dieser sog. Vorrang des Strafverfahrens soll verhindern, dass Gericht und Fahrerlaubnisbehörde widersprüchliche Entscheidungen treffen1. Gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 StVG gilt die Bindung für die Sachverhaltsfeststellung des Gerichts, die Beurteilung der Schuldfrage, die Entscheidung des Gerichts über die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen sowie für die Dauer der vom Gericht festgelegten Sperrfrist. Vor Ablauf dieser Sperrfrist darf die Behörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen, vgl. § 69a StGB. Die Behörde ist jedoch nicht gebunden an gerichtliche Einstellungen nach §§ 153 Abs. 2, 153a Abs. 2 StPO sowie an Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft nach §§ 153 Abs. 1, 153a Abs. 1 oder 170 StPO.
! Hinweis: 4
Im Verfahren auf (Wieder-)Erteilung der Fahrerlaubnis besteht die Bindungswirkung nicht mehr! Die Fahrerlaubnisbehörde kann nach Ablauf der vom Gericht festgesetzten Sperre die Eignung des Antragstellers in vollem Umfange nachprüfen, sie ist daran durch die strafgerichtliche Entscheidung, insbesondere die Dauer der Sperre, nicht gehindert2. bb) Schutzzweck des § 3 StVG
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Die Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 StVG verfolgt nicht nur spezialpräventive Zwecke, sondern dient insbesondere dem Schutz der Allgemeinheit vor Gefährdung durch ungeeignete Kraftfahrzeugführer3. 1 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 3 StVG Rz. 15 bis 17; OVG Koblenz v. 10. 5. 2006 – 10 B 10371/06, NZV 2006, 559; OVG Lüneburg v. 11. 12. 2007 – 12 ME 360/07, zfs 2008, 114. 2 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 177 f. 3 Vgl. BVerwG v. 27. 9. 1995 – 11 C 34.94 (Lüneburg), NZV 1996, 84; OVG Hamburg v. 30. 1. 2002 – 3 Bs 4/02, VRS 102 (2002), 393; BGH v. 27. 4. 2005 – GSSt 2/04, NJW 2005, 1957.
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cc) Eignung Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG darf eine Fahrerlaubnis – neben weiteren Voraussetzungen – nur erteilt werden, wenn „der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist“. Der Begriff der „Eignung“ ist in § 2 Abs. 4 S. 1 StVG definiert:
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„Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.“
(1) Körperliche Mängel Im Bereich der körperlichen Mängel können verschiedene Defizite1 zur Ungeeignetheit führen, z.B. wenn die geforderte Sehschärfe nicht erreicht wird oder aber die Dämmerungssehschärfe herabgesetzt ist2. Bei Mängeln im Hör- und Sprechvermögen kommt es sehr auf den Einzelfall an: Weder Gehörlosigkeit3 noch Schwerhörigkeit4 schließen die Eignung aus; dies gilt jedenfalls solange, „wie die Ausgleichsfunktionen vom Auge ausreichen“5; selbst Taubstumme sind damit nicht per se ungeeignet. Daher ist auch mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache kein Grund, eine Fahrerlaubnis zu versagen.
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Physiologische Defizite können oftmals entweder durch Prothesen und/ oder technische Hilfseinrichtungen im Fahrzeug kompensiert werden, z.B. Lenkhilfen6, mit der Folge, dass eine Fahrerlaubnis zwar erteilt wird, allerdings unter Beschränkung auf entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge7.
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(2) Geistige Mängel Unter den Begriff „Geistige Mängel“ sind nicht nur psychische Beeinträchtigungen zu subsumieren (z.B. schwere Depressionen oder erhebliche Aggressionen)8, sondern auch Nervenleiden, Psychosen, die das Realitätsurteil und die körperliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen9, 1 Vgl. VG. Mainz v. 27. 10. 2009 – 3 L 1058/09, NZV 2010, 219. 2 Vgl. OVG Berlin v. 18. 4. 1990 – OVG 1 B 222.88, VM 1991, 64; BGH v. 30. 9. 1952 – 1 StR 416/52, VRS 4, 597, 598; Lewrenz, VGT 85, 156, 160 f. 3 Vgl. OVG Münster v. 22. 6. 1954 – VII A 77/54, VRS 7, 235, 237; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rz. 5. 4 Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rz. 8. 5 Vgl. Müller-Limmroth, DAR 1977, 151 (153). 6 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 33 mit weiteren Beispielen und Nachweisen. 7 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 33. 8 Vgl. VGH Mannheim v. 3. 9. 1992 – 10 S 1884/92, NZV 1992, 502. 9 Vgl. Hess. VGH v. 25. 3. 1980 – II OE 106/79, VM 1980, 86 (zur endogenen Psychose); VGH München v. 30. 11. 1998 – 11 B 96.2648, NZV 1999, 183 = zfs 1999, 219 (zur paranoiden oder schizophrenen Psychose).
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paranoide, schubweise verlaufende Schizophrenie1 oder Schwachsinn erheblichen Grades. (3) Altersbedingte Mängel 10
Altersbedingte Mängel sind häufig eine Kombination aus körperlichen und geistigen Mängeln. Wegen der großen Relevanz sollte der Anwalt dem Thema „Ältere Kraftfahrer“ besondere Aufmerksamkeit schenken. Die häufige Sorge gerade älterer Mandanten, z.B. aufgrund der Verwicklung in ein Unfallgeschehen nun „Schwierigkeiten mit dem Führerschein“ zu bekommen, ist nicht so ganz unbegründet. Zwar bedeutet das Erreichen eines hohen Alters an sich nicht bereits eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen2, andererseits kann aber auch z.B. nach einem amtsärztlichen Hinweis die Anordnung einer MPU (MedizinischPsychologischen Untersuchung) erfolgen3. Wissenschaftliche Untersuchungen4 haben ergeben, dass ältere Kraftfahrer offenbar weniger in Unfälle verwickelt werden; zum einen wird dies auf größere Erfahrung bei der Teilnahme am Straßenverkehr zurückgeführt5, zum anderen darauf, dass ältere Verkehrsteilnehmer (vielleicht, weil sie um ihre Defizite wissen?) besonders vorsichtig und mit erhöhter Konzentration und damit höherem Verantwortungsbewusstsein fahren. Hohes Alter allein führt daher nicht zur Ungeeignetheit, „normaler“ Altersabbau ist zu tolerieren. Dies gilt allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem der Altersabbau so fortschreitet, dass greifbare Ausfallerscheinungen von erheblichem Gewicht festzustellen sind6, wobei die Ausfallerscheinung sich nicht zwingend in Verkehrsverstößen oder Unfallverursachung äußern muss7. (4) Charakterliche Mängel
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Die weitaus größte Bedeutung in der Praxis kommt jedoch der Ungeeignetheit aufgrund charakterlicher Mängel zu. Die erforderliche charakter1 Vgl. VGH Mannheim v. 18. 10. 1973 – V 261/73, Justiz 1974, 271. 2 Vgl. BVerwG v. 7. 3. 1966 – VII B 145/65, VM 1966, 89; Himmelreich, DAR 1985, 201, 204, 209; Beck, VGT 85, 145, 147; VGH Mannheim v. 13. 12. 1988 – 10 S 874/88, DAR 1989, 194; VG Saarland v. 13. 1. 1999 – 3 F 82/98, zfs 1999, 222. 3 Vgl. BVerwG v. 8. 3. 1966 – VII B 29/65, VM 1966, 90. 4 Vgl. Hinweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rz. 9. 5 Vgl. auch BVerwG v. 7. 3. 1966 – VII B 145/65, VRS 30, 386, 387; Händel, DAR 1985, 210 (211); Himmelreich, DAR 1990, 447, 448; Eisenmenger, VGT 2005, 274; Eisenmenger/Bouska, NZV 2001, 13, 15. 6 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 36 mit Rechtsprechungsnachweisen. 7 Vgl. BVerwG v. 7. 3. 1966 – VII B 145/65, VRS 30, 386, 387; VGH Mannheim v. 27. 7. 1990 – 10 S 1428/90, NJW 1991, 315.
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liche Eignung, die sich gerade im Umgang mit einem Kraftfahrzeug durch den Täter erweisen muss1, fehlt jedenfalls dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung gefährdet2. Als derartige Charaktermängel werden in der Rechtsprechung angesehen z.B. Trunksucht3, Abhängigkeit, aber auch schon die feststehende einmalige Einnahme bestimmter Drogen4, sogar regelmäßiger5 Haschischkonsum kann ausreichen6. Problematisch ist im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis, dass vom Gesetzgeber nicht festgelegt ist, wann ein regelmäßiger bzw. wann nur ein gelegentlicher Konsum vorliegt7. Von der Rechtsprechung wird regelmäßig zumeist im Sinne von 1 Vgl. BGH v. 27. 4. 2005 – GSSt 2/04, NJW 2005, 1957; vgl. aber auch OLG Karlsruhe v. 5. 9. 2005 – 1 Ws 169/05, NZV 2005, 590. 2 Vgl. OVG Kassel v. 19. 6. 1968 – II OE 24/68, VersR 1968, 958; BGH v. 26. 9. 2003 – 2 StR 161/03, NStZ 2004, 144, 145. 3 Vgl. VG Augsburg v. 9. 3. 2005 – Au 3 S 05/167, DAR 2005, 711, 712 = zfs 2005, 420; VGH Mannheim v. 24. 6. 2002 – 10 S 985/02, VRS 103 (2002), 225. 4 Vgl. VGH München v. 25. 7. 1994 – 11 B 94/316, NJW 1995, 72 = NZV 1994, 454; VGH München v. 29. 6. 1999 – 11 B 98/1093, DAR 2000, 228 mit Anmerkung Weigel, DAR 2000, 231; Kannheiser/Maukisch, NZV 1995, 417 f.; Lutze/Seidl, NZV 1997, 421; VGH Baden-Württemberg v. 24. 5. 2002 – 10 S 835/02, NZV 2002, 475; VGH München v. 9. 6. 2005 – 11 Cs 05 478, VRS 109 (2005), 141; VGH Mannheim v. 22. 11. 2004 – 10 S 2182/04, VRS 108 (2005), 123; OVG Lüneburg v. 8. 3. 2006 – 12 ME 53/06, BA 2006, 513, 514; OVG Koblenz v. 23. 5. 2000 – 7 A 12289/99. OVG, zfs 2000, 418, 419; OVG Koblenz v. 21. 11. 2000 – 7 B 11967/00. OVG, zfs 2001, 141; OVG Lüneburg v. 14. 8. 2002 – 12 ME 566/02, DAR 2002, 471; Niedersächsisches OVG v. 16. 6. 2003 – 12 ME 172/03, zfs 2003, 476; VGH Mannheim v. 24. 5. 2002 – 10 S 835/02, zfs 2002, 408; VGH Mannheim v. 28. 5. 2002 – 10 S 2213/01, zfs 2002, 410; VGH Mannheim v. 30. 9. 2003 – 10 S 1917/02, zfs 2004, 93; OVG Frankfurt/O. v. 22. 7. 2004 – 4 B 37/04, zfs 2005, 50; OVG NRW v. 6. 3. 2007 – 16 B 332/07, VRS 112 (2007), 371, OVG Hamburg v. 20. 11. 2007 – 3 So 147/06, NJW 2008, 1465. 5 Grds. nicht jedoch der gelegentliche Konsum, es sei denn, der Betroffene trennt nicht zwischen Fahren und Konsum, VGH Mannheim v. 4. 7. 2003 – 10 S 2270/02, zfs 2003, 620; OVG Saarlouis v. 22. 11. 2000 – 9 W 6/00, zfs 2001, 188; OVG Bremen v. 8. 3. 2000 – 1 B 61/00, DAR 2000, 425; BVerfG v. 20. 6. 2002 – 1 BvR 2062/96, zfs 2002, 454, 459. 6 Vgl. BVerfG v. 24. 6. 1993 – 1 BvR 689/92, DAR 1993, 427; VG Karlsruhe v. 18. 7. 1985 – 5 K 95/85, NJW 1986, 2901; VGH Mannheim v. 30. 8. 1993 – 10 S 1827/93, NZV 1994, 47; VGH Baden-Württemberg v. 29. 8. 1996 – 10 S 2099/96, VM 1997, 40; OVG Saarland v. 7. 1. 1999 – 9 V 28/98, zfs 1999, 127; OVG Nordrhein-Westfalen v. 21. 7. 1998 – 19 A 3204/98, zfs 1999, 176; VGH Mannheim v. 16. 6. 2003 – 10 S 430/03 - DAR 2004, 49, 50; OVG Saarlouis v. 30. 9. 2002 – 9 W 25/02, zfs 2003, 44, 45; VGH Mannheim v. 4. 7. 2003 - 10 S 2270/02, DAR 2004, 113 = zfs 2003, 474 (offengelassen); Geiger, NZV 2003, 272, 273; ausführliche Rechtsprechungshinweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rz. 17 d. 7 Vgl. Geiger, DAR 2003, 494, 495; Geiger, DAR 2004, 690, 692; vgl. auch die Übersicht bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG, Rz. 17 d.
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täglich oder fast täglich verstanden1. Ob ein derart häufiger Konsum vorliegt, lässt sich durch eine Blutuntersuchung feststellen. Werte des Abbauprodukts THC-COOH zwischen 5 und 75 ng/ml legen einen gelegentlichen Konsum nahe, Werte über 75 ng/ml sprechen hingegen für einen regelmäßigen Haschischkonsum2. Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen charakterlicher Mängel kann aber auch vorliegen bei besonders starker emotionaler Unausgeglichenheit, unbeherrschten Impulsen, egozentrischer Haltung ohne soziale Angepasstheit oder sogar festgestellter Unfähigkeit zur sozialen Anpassung3. 12
Charakterliche Mängel offenbaren sich in der Regel durch erhebliche Verkehrsverstöße, die die Befürchtung rechtfertigen, der Betreffende könnte erneut in schwerwiegender Weise Verkehrsvorschriften verletzen und damit die Allgemeinheit gefährden4. Zur Rechtfertigung dieser Annahme können auch schon beharrliche, schwerwiegende Halt- und Parkverstöße genügen5.
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Als klassische Beispiele für einen gravierenden Verkehrsverstoß gelten Trunkenheitsdelikte (§§ 315c, 316 StGB)6. Auch ein erstmaliger Verstoß kann die Ungeeignetheit offenbaren, z.B. wenn sich Anzeichen zeigen für eine Alkoholgewöhnung7. Erst recht ist Ungeeignetheit gegeben bei 1 Vgl. OVG Münster v. 7. 1. 2003 – 19 B 1249/02, zfs 2003, 427 = DAR 2003, 187; VGH Mannheim v. 30. 5. 2003 – 10 S 1907/02, zfs 2003, 474; VGH Mannheim v. 16. 6. 2003 – 10 S 430/03, zfs 2003, 524; VGH Mannheim, v. 4. 7. 2003 – 10 S 2270/02, zfs 2003, 620, 621; VGH Mannheim v. 26. 11. 2003 – 10 S 2048/03, zfs 2004, 189; VGH Mannheim v. 16. 6. 2003 – 10 S 430/03 - DAR 2004, 49, 50 = VRS 105 (2004) 377; VGH Mannheim v. 26. 11. 2003 – 10 S 2048/03, DAR 2004, 170; VGH Mannheim v. 27. 3. 2006 – 10 S 2519/05, NJW 2006, 2135; VG Kassel v. 24. 6. 2004 – 2 G 1389/04, BA 2006, 253, 254; VG Saarlouis v. 7. 6. 2006 – 3 F 26/06, zfs 2006, 538; VG München v. 4. 12. 2007 – M1K 07/2536, DAR 2008, 105; VGH BdWttb. v. 13. 12. 2007 – 10 S 1272/07, zfs 2008, 172. 2 Vgl. OVG Münster v. 7. 1. 2003 – 19 B 1249/02, zfs 2003, 427 = DAR 2003, 187; OVG Saarlouis v. 30. 9. 2002 – 9 W 25/02, zfs 2003, 44; VG Saarlouis v. 7. 6. 2006 – 3 F 26/06, zfs 2006 538; Mahlberg in Himmelreich/Halm (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kapitel 35, Rz. 140. 3 Vgl. OVG Münster v. 3. 6. 1975 – XIII B 903/73, DAR 1976, 221; allg. zum Thema Charaktermängel: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rz. 12 f. 4 Vgl. BVerwG v. 27. 9. 1995 – 11 C 34.94 (Lüneburg), NZV 1996, 84, 85; Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 53 f. 5 Vgl. VG Berlin v. 19. 1. 1990 – 4 A 438.89, NZV 1990, 328; OVG Münster v. 18. 1. 2006 – 16 B 2137/05, NZV 2006, 224. 6 Vgl. BVerwG v. 27. 9. 1995 – 11 C 34.94 (Lüneburg), NZV 1996, 84; OVG Lüneburg v. 15. 8. 1995 – 12 M 5004/95, zfs 1995, 438; VG München v. 2. 3. 2005 – M 6a K 02.5934, BA 2007, 65. 7 Vgl. OVG Lüneburg v. 28. 11. 1984 – 12 OVG A 150/84, DAR 1985, 95, 96; OVG Lüneburg v. 15. 8. 1995 – 12 M 5004/95, zfs 1995, 438; VG Augsburg v. 11. 5. 2004 – Au 3 K 04 458, BA 2005, 193; vgl. VG Oldenburg v. 4. 6. 2009 – 7 B 1528/09 zur Anordnung der MPU nach einmaliger Trunkenheitsfahrt.
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I. Verwaltungsbehördliches Verfahren
Rz. 14a Teil 12
mehrjähriger Alkoholkrankheit1. Dies gilt selbst dann, wenn noch keine Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss festgestellt wurde2.
! Hinweis: Gerade aufgrund der aktuellen Problematik der Verwertbarkeit von Blutproben, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt gewonnen wurden, ist wichtig zu wissen, dass für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts weder im StVG noch in der FeV ein ausdrückliches Verwertungsverbot für nicht richterlich angeordnete körperliche Untersuchungen bestimmt ist. Die Fahrerlaubnisbehörde darf daher im überwiegenden Interesse an dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern eine unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a StPO gewonnene Blutprobe berücksichtigen3.
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Auch Straftaten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen mit der Verletzung von Verkehrsvorschriften, können die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen offenbaren. In derartigen Fällen ist jedoch stets eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit sowie der Tatumstände erforderlich4 unter Berücksichtigung der Frage, ob sich die sittlichen Mängel, die sich in der Straftat offenbarten, im Straßenverkehr auswirken können und somit zu einer Gefährdung der Allgemeinheit führen5. Als Beispiel hierfür kann die sog. „Unfallflucht“ herangezogen werden; der Strafzweck des § 142 StGB liegt gerade darin, das private Interesse der Unfallbeteiligten und Geschädigten an möglichst umfassender Aufklärung des Unfallhergangs zum Zweck der Sicherung bzw. Abwehr eventueller Schadensersatzansprüche zu schützen6 und dient damit nicht primär der Einhaltung von Verkehrsvorschriften.
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Auch die Beschaffung von Betäubungsmitteln zum Zwecke des unerlaubten Handeltreibens unter Benutzung eines Kraftfahrzeugs rechtfer-
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1 Vgl. OVG Berlin v. 3. 12. 1976 – OVG I S 163/76, BA 77, 191; OVG Saarlouis v. 6. 3. 2002 – 9 Q 7/01, zfs 2003, 101. 2 Vgl. VG Mainz v. 2. 10. 2001 – 3 K 78/01. MZ, BA 2003, 80, 81. 3 Vgl. OVG Lüneburg v. 16. 12. 2009 – 12 ME 234/09, NZV 2010, 371. 4 Vgl. BVerwG v. 13. 1. 1961 – VII C 29/59, VRS 20, 392; BVerwG v. 17. 2. 1981 – 7 C 55.79, VM 1981, 50; Weigelt, DAR 1961, 136; Geiger, DAR 2001, 488, 491. 5 Vgl. BVerwG v. 17. 2. 1981 – 7 C 55.79, VM 1981, 50; BGH v. 17. 12. 2002 – 4 StR 480/02, DAR 2003, 180, 181; BGH v. 9. 1. 2003 – 4 StR 488/02, DAR 2003, 230, 231; BGH v. 5. 11. 2002 – 4 StR 406/02, NZV 2003, 199; BGH v. 27. 4. 2005 – GSSt 2/04, NJW 2005, 1957; BGH v. 26. 9. 2003 – 2 StR 161/03, NStZ 2004, 144, 145; OVG Koblenz v. 11. 4. 2000 – 7 A 11670/99. OVG, zfs 2000, 320; Geppert, NStZ 2003, 288, 289. 6 Vgl. Lackner, § 142 StGB Rz. 1.
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Teil 12
Rz. 15
Verwaltungsrecht
tigt nach aktueller Rechtsprechung1 nicht zwingend die Annahme der Ungeeignetheit. (5) Punktsystem des § 4 StVG (a) Allgemeines 15
„Mehrfachtäter“ ist jeder Fahrerlaubnisinhaber, der bereits mehrfach verkehrsrechtlich negativ in Erscheinung getreten ist dergestalt, dass für Verkehrsordnungswidrigkeiten oder Verkehrsstraftaten Eintragungen im Verkehrszentralregister in Flensburg erfolgt sind. Seit dem 1. 5. 1974 war zunächst die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 15b StVZO in Kraft, wonach unter Zugrundelegung eines abgestuften System von einem bis sieben Punkten je nach Bedeutung Verkehrsordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten geahndet wurden. Je nach Menge der angesammelten Punkte sah das System diverse Maßnahmen vor, z.B. Verwarnung, Überprüfung der Befähigung und der Eignung und zuletzt die Entziehung der Fahrerlaubnis. Sie war jedoch lediglich „eine verwaltungsinterne Weisung, die keine rechtliche Bedeutung für die Beurteilung der Eignung eines Kraftfahrers hat; sie kann lediglich Anhaltspunkte geben“2. Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet ist zum Führen von Kraftfahrzeugen, war damit § 4 StVG a.F. Der Gesetzgeber war allerdings der Auffassung, dass angesichts des Eingriffscharakters der drohenden Sanktionen sowie aus Gründen der Rechtssicherheit es erforderlich sei, den Punkterahmen sowie die zu ergreifenden Maßnahmen gesetzlich zu regeln. Diese Regelung ist mit der Neufassung des § 4 StVG durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24. 4. 1998 mit Wirkung zum 1. 1. 1999 erfolgt3. (b) Maßnahmen
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Hat ein Fahrerlaubnisinhaber acht, aber nicht mehr als 13 Punkte auf seinem Konto im Verkehrszentralregister in Flensburg angesammelt, so erfolgt durch die Fahrerlaubnisbehörde eine schriftliche Verwarnung unter Hinweis auf die bislang registrierten Zuwiderhandlungen nebst Ermahnung zu künftig verkehrsgerechtem Verhalten; des Weiteren erhält der Fahrerlaubnisinhaber einen Hinweis auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer (ASK), vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG. Der Hinweis auf den Punktestand, der im Rahmen der Maßnahme 1 Vgl. BGH v. 5. 11. 2002 – 4 StR 406/02, NZV 2003, 199, 200; BGH v. 3. 12. 2002 – 4 StR 458/02, DAR 2003, 128; BGH v. 9. 1. 2003 – 4 StR 488/02, DAR 2003, 230, 231; OLG Koblenz v. 24. 3. 2003 – 1 Ss 45/03, StV 2004, 320, 321; anders noch BGH 20. 9. 1999 – 2 StR 167/99, NStZ 2000, 26, 27. 2 Vgl. BVerwG v. 17. 12. 1976 – VII C 28/4 (OVG Bremen), DAR 1977, 161. 3 Vgl. hierzu ausführlich Janker, NZV 1999, 26, 36.
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I. Verwaltungsbehördliches Verfahren
Rz. 20 Teil 12
nach Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG erfolgt, erwächst nicht in Bestandskraft und hat daher keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen derselben oder einer anderen Fahrerlaubnisbehörde1. Mit der Teilnahme an Aufbauseminaren können Punkte in Flensburg dergestalt abgebaut werden, dass der Betreffende von der Fahrerlaubnisbehörde so behandelt wird, als wäre eine geringere Punktzahl eingetragen.
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Bei einem Kontostand von bis zu acht Punkten erfolgt ein Rabatt von 4 Punkten, bei einem Kontostand von neun bis 13 Punkten ein Rabatt von 2 Punkten. Eine solche freiwillige Seminarteilnahme zum Zwecke des Punkteabbaus ist nur einmal in fünf Jahren möglich (vgl. § 4 Abs. 4 S. 3 StVG). Das Aufbauseminar dauert 9 Stunden (4 Sitzungen á 135 min.), die Kosten belaufen sich auf ca. 200 bis 400 Euro. Die Teilnahmebescheinigung muss binnen 8 Wochen bei der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden. Liegt der Kontostand bei 14 bis 17 Punkten, ist die Teilnahme an einem Aufbauseminar obligatorisch, es erfolgt dann allerdings keinerlei Punkterabatt. Mit der Aufforderung zur Seminarteilnahme wird der Betroffene zugleich auf den drohenden Entzug der Fahrerlaubnis hingewiesen für den Fall, dass 18 Punkte erreicht werden, vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG. Darüber hinaus informiert die Behörde über die Möglichkeit einer verkehrspsychologischen Beratung (§ 4 Abs. 9 StVG)2. Die Teilnahme hieran hat den Vorteil, dass ein Rabatt von insgesamt zwei Punkten eingeräumt wird. Der Fahrerlaubnisinhaber wird allerdings lediglich verwarnt, wenn er in den vergangenen fünf Jahren bereits einmal an einem Aufbauseminar teilgenommen hatte.
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! Hinweis: Die Nichtteilnahme an einem obligatorischen Aufbauseminar wird teuer: Die Behörde entzieht automatisch die Fahrerlaubnis, verhängt eine Sperre von sechs Monaten und macht die Wiedererteilung abhängig von der erfolgreichen MPU!3 Hierauf muss der Mandant im Rahmen der Beratung unbedingt hingewiesen werden, die Aufforderung der Behörde zur Seminarteilnahme darf man also nicht auf die leichte Schulter nehmen!
19
Mit Erreichen des Kontostandes von 18 Punkten erfolgt zwingend die Entziehung der Fahrerlaubnis, ohne dass – wie nach der Rechtslage vor
20
1 Vgl. BVerwG v. 15. 12. 2006 – 3B 49/06, NJW 2007, 1299. 2 Zu weiteren Einzelheiten (Ablauf, Dauer etc.) vgl. Hesse, PVR 2001, 176. 3 Vgl. VG Schleswig v. 5. 3. 2001 – 3 A 289/99, NVwZ-RR 2001, 609; vgl. zur Teilnahme nach Fristablauf OVG Koblenz v. 28. 4. 2006 – 10 B 10275/06, NJW 2006, 2715.
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Rz. 21
Verwaltungsrecht
dem 1. 1. 1999 – die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung festgestellt werden müsste. Eine (neue) Fahrerlaubnis kann frühestens nach weiteren sechs Monaten erteilt werden unter der Voraussetzung, dass die charakterliche Eignung durch ein von der Behörde angeordnetes Gutachten bestätigt wird.
! Hinweis: 21
Erreicht oder überschreitet der Fahrerlaubnisinhaber 14 oder 18 Punkte, ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG ergriffen hat, wird er so gestellt, als ob er 13 Punkte hätte (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 StVG). Erreicht oder überschreitet er in der Folgezeit 18 Punkte, ohne dass Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG ergriffen worden sind, wird der Betroffene so gestellt, als ob er 17 Punkte hätte (vgl. § 4 Abs. 5 S. 2 StVG). Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen eines Kontostandes von 18 Punkten setzt daher voraus, dass zuvor Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 S. 1 StVG getroffen wurden1. c) Folgen der Fahrerlaubnisentziehung
22
Hat sich ein Kraftfahrer aufgrund körperlicher, geistiger oder charakterlicher Mängel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, so muss die Fahrerlaubnisbehörde ihm die Fahrerlaubnis entziehen (§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG); eine vorherige Verwarnung ist nicht erforderlich2. Ein Ermessensspielraum bleibt der Behörde nicht3. Die Fahrerlaubnisbehörde kann daher auch nicht von der Entziehung absehen, wenn z.B. den Betreffenden als Berufskraftfahrer die Fahrerlaubnisentziehung in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet4; auch das Ausmaß des Verschuldens bei dem Betroffenen findet keine Berücksichtigung5.
23
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist ein gestaltender Verwaltungsakt, sie bringt die Fahrerlaubnis zum Erlöschen6. Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung, das Erlöschen tritt daher erst mit Rechtskraft der Entziehungsverfügung ein. Dies gilt allerdings nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 aufgrund von 18 Punkten sowie nach § 4 Abs. 7 S. 1 StVG wegen Nichtteilnahme 1 Vgl. OVG Frankfurt/O. v. 16. 7. 2003 – 4 B 145/03, DAR 2004, 46. 2 Vgl. BVerwG v. 17. 4. 1964 – VII C 31.62, DVBl. 1964, 672, 673. 3 Vgl. VGH Mannheim v. 17. 12. 1991 – 10 S 2855/91, NZV 1992, 254; VGH Mannheim v. 7. 3. 2003 – 10 S 323/03, DAR 2003, 236. 4 Vgl. BVerwG v. 8. 8. 1956 – I B 24/55, VM 1956, 73; Krieger, DAR 1963, 7; OVG Bautzen v. 22. 1. 2001 – 3 BS 109/00, DAR 2001, 426. 5 Vgl. BayVGH v. 27. 11. 1990 – 11 Cs 90.3250, VRS 81, 70 f = DAR 1991, 273. 6 Vgl. BVerwG v. 17. 12. 1976 – VII C 28/74 (Bremen), NJW 1977, 1075 (betrifft Verwertungsverbot bei getilgter Eintragung).
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I. Verwaltungsbehördliches Verfahren
Rz. 28 Teil 12
am obligatorischen Aufbauseminar. In diesen Fällen entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 4 Abs. 7 S. 2 StVG keine aufschiebende Wirkung. Ist die Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen oder wurde die sofortige Vollziehung angeordnet, darf kein Kraftfahrzeug mehr geführt werden. Wer sich darüber hinwegsetzt, macht sich gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar. Der Halter eines Kraftfahrzeuges, der jemanden ans Steuer lässt, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt, macht sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG wegen des Gestattens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar.
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Bei rechtskräftiger Fahrerlaubnisentziehung muss der Betroffene gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 StVG seinen Führerschein abliefern, und zwar bei der Behörde, die die Entziehung angeordnet hat. Die Ablieferung muss unverzüglich erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern. Eine Verletzung dieser Pflicht wird zwar nicht strafrechtlich sanktioniert, die Behörde kann jedoch im Rahmen des Verwaltungszwanges die Herausgabe des Führerscheins erzwingen1.
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Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis sinkt der bisherige Kontostand im Verkehrszentralregister auf Null2.
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d) Rechtsmittel Gegen den die Fahrerlaubnis entziehenden Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde kann binnen einen Monats nach Zustellung Widerspruch eingelegt werden. Auf den Widerspruch hin muss die Fahrerlaubnisbehörde – sozusagen als Vorbereitung für den Verwaltungsrechtsstreit – den Verwaltungsakt einer genauen Prüfung in Bezug auf Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit unterziehen3. Sollte die Behörde dem Widerspruch nicht abhelfen, ergeht von der höheren Verwaltungsbehörde ein Widerspruchsbescheid, gegen den dann Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden kann.
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Sowohl Widerspruch als auch Anfechtungsklage haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung, es sei denn, die sofortige Vollziehung ist angeordnet worden wegen Gefährdung der Verkehrssicherheit4. Der sofortige Vollzug kommt dann jedoch nicht mehr in Betracht, wenn der Betref-
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1 Vgl. Fritz, MDR 1967, 723. 2 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 105 m.w.N. 3 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 185 m.w.N. 4 Vgl. OVG Bremen v. 15. 9. 1978 – II T 17/78, NJW 1979, 75; OVG Bremen v. 15. 1. 1980 – OVG 2 B 1/80, NJW 1980, 2371.
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Teil 12
Rz. 29
Verwaltungsrecht
fende über einen längeren Zeitraum vor Erlass der Entziehungsverfügung nicht verkehrsrechtlich negativ in Erscheinung getreten ist1. Allerdings haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG sowie gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 aufgrund von 18 Punkten sowie nach § 4 Abs. 7 S. 1 StVG wegen Nichtteilnahme am obligatorischen Aufbauseminar keine aufschiebende Wirkung.
2. Bedingte Eignung 29
In § 2 Abs. 4 S. 2 StVG ist die bedingte Eignung wie folgt definiert: „Ist der Bewerber auf Grund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, so erteilt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist.“
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In den Fällen der bedingten Eignung wird eine uneingeschränkte Fahrerlaubnis unter Auflagen oder eine eingeschränkte Fahrerlaubnis erteilt (§§ 2 Abs. 4 S. 2 StVG, 23 Abs. 2, 46 Abs. 2 FeV)2.
31
Sachliche Beschränkungen sind fahrzeugbezogen und beziehen sich auf den Ausgleich körperlicher Mängel (z.B. behindertengerecht ausgestattetes Fahrzeug); die sachliche Beschränkung wird im Führerschein eingetragen (§ 25 Abs. 3 FeV), bei Verstößen ist eine Strafbarkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegeben3. Auflagen hingegen sind personenbezogen und dienen dem Ausgleich körperlicher, geistiger und ggf. charakterlicher Mängel. Auch die Auflagen werden im Führerschein eingetragen; die Missachtung der Auflagen stellt zwar keine Straftat dar, kann jedoch bei hartnäckigem Nichtbefolgen zu einem Fahrverbot oder gar zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen4!
32
Beispiele für Beschränkungen: – Beschränkung auf bestimmte Fahrzeugart5, z.B. beruflich genutzter LKW6; – Beschränkung auf ein bestimmtes Fahrzeug mit besonderen Einrichtungen, z.B. zur Kompensation eines fehlenden Armes oder Beines7; – Beschränkung auf ein Fahrzeug mit einem kleineren Hubraum.
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. VG Berlin v. 26. 4. 1965 – IV A 108/65 – F, DAR 1965, 165. Vgl. Himmelreich/Janker, MPU-Begutachtung, Rz. 461 f. m.w.N. Vgl. Himmelreich/Janker, MPU-Begutachtung, Rz. 465 f. m.w.N. Vgl. Himmelreich/Janker, MPU-Begutachtung, Rz. 470 f. m.w.N. Vgl. Hentschel, Trunkenheit – Fahrerlaubnisentziehung – Fahrverbot, Rz. 762. Vgl. Mollenkott, DAR 1982, 217 f. Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 33 und 335 m.w.N.
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Rz. 36 Teil 12
I. Verwaltungsbehördliches Verfahren Beispiele für Auflagen:
33
– Anordnung einer Nachuntersuchung nach bestimmten Fristen1; – Tragen einer Brille beim Fahren sowie Nachtfahrverbot ; 2
– Beschränkung des Verkehrsbereichs oder der Verkehrszeit; – Begleitung durch eine Person mit ausreichendem Hörvermögen; – Beschränkung auf eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit3; – Anbringung eines zusätzlichen Außenspiegels4.
3. BfF-Gutachten (früher: Medizinisch-Psychologische Untersuchung [„Idioten-Test“] – MPU-Gutachten) Hat die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund von Tatsachen „im Sinne greifbarer und konkreter Anhaltspunkte“5 Zweifel an der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers bzw. Antragstellers, so kann sie zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Erteilung bzw. den Entzug einer Fahrerlaubnis unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens anordnen, dass der Betreffende ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF) beibringt (vgl. § 11 Abs. 2 S. 1 FeV). Diese Anordnung ist für sich genommen kein anfechtbarer Verwaltungsakt6, erst im Zusammenhang mit der Anfechtung einer ablehnenden oder beschränkten Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis kann eine gerichtliche Überprüfung der Anordnung herbeigeführt werden.
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Auch wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Gutachtens anordnet, so ist doch der Betroffene der alleinige Auftraggeber und Empfänger des Gutachtens7; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 S. 5 FeV: „Die Untersuchung erfolgt auf Grund eines Auftrages durch den Betroffenen.“
35
Es handelt sich also um ein reines Parteigutachten, das ohne Einwilligung des Betroffenen von der Gutachtenstelle nicht unmittelbar an die Fahrerlaubnisbehörde weitergeleitet werden darf. Letztlich entscheidet
36
1 Vgl. VGH Mannheim v. 4. 7. 1996 – 10 S 975/95, zfs 1996, 400 = NZV 1997, 136. 2 Vgl. VG Frankfurt a.M. v. 21. 3. 1986 – III/V-H 469/86, NJW 1987, 796; VGH Kassel v. 25. 9. 1986 – 2 TH 2233/86, NJW 1987, 797. 3 Vgl. VG Regensburg v. 31. 1. 1958 – Nr. N 133 I 57, NJW 1958, 685. 4 Vgl. BGH v. 13. 7. 1978 – 4 StR 82/78, DAR 1979, 76, 77. 5 Vgl. OVG Koblenz v. 23. 5. 2002 – 7 B 10765/02, NJW 2002, 2581; VGH Mannheim v. 28. 10. 2004 – 10 S 475/04, VRS 108, 127, 136; Himmelreich/Janker, MPU-Begutachtung, Rz. 18; Hentschel, § 11 FeV, Rz. 2. 6 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 137; VGH München v. 25. 1. 2006 – 11 Cs 05/1453, DAR 2006, 349. 7 Vgl. Himmelreich/Janker, MPU-Begutachtung, Rz. 40 f.
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Rz. 37
Verwaltungsrecht
allein der Betroffene, ob das erstellte Gutachten vorlegt wird oder er ein weiteres Gutachten, evtl. zu einem späteren Zeitpunkt, erstellen lässt. 37
Die früher sowohl für die Fahrerlaubnisbehörden als auch für die Gutachter maßgeblichen Eignungsrichtlinien sind nunmehr in die Regelungen der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) einbezogen worden, so dass jetzt alles Wesentliche detailliert aufgeführt und vor allem auf eine einheitliche und damit auch übersichtliche gesetzliche Grundlage gestellt ist1.
38
Eine rechtliche Beziehung zwischen der Fahrerlaubnisbehörde und der Gutachtenstelle besteht nicht; die Behörde darf sich nur nach Zustimmung des zu Untersuchenden mit der Gutachtenstelle in Verbindung setzen. Hat der Gutachter z.B. Rückfragen, muss er diese über den Betroffenen als seinem Auftraggeber an die Behörde richten, er darf sich nicht unmittelbar an die Behörde wenden. Dies resultiert im Wesentlichen daraus, dass der Gutachter von seiner Stellung her neutral ist, er soll daher nicht bei dem Betroffenen den Eindruck erwecken, er arbeite für die Behörde oder mit dieser zusammen2.
39
! Hinweis: Auftraggeber und Empfänger des erstellten Gutachtens ist ausschließlich der Betroffene. Nur mit seiner Zustimmung darf das Gutachten unmittelbar an die Behörde weitergeleitet werden3. Es empfiehlt sich allerdings dringend, eine derartige Zustimmung nicht zu erteilen, sondern zunächst abzuwarten, ob das Gutachten positiv ausfällt oder negativ. Ein negatives Gutachten sollte dann selbstverständlich nicht an die Behörde weitergeleitet werden, damit es nicht in die Führerscheinakte der Behörde gelangt. Der Betroffene sollte dann vielmehr seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zurückziehen und zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach erfolgter verkehrspsychologischer Nachschulung oder Verkehrstherapie, einen neuen Antrag stellen. In diesem neuen Verwaltungsverfahren wird die Behörde erneut ein positives Gutachten anfordern, das dann innerhalb der gesetzten Frist beizubringen ist4. Hat sich der Betroffene in einer Vereinbarung mit der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung des Gutachtens verpflichtet, und erfüllt er diese Verpflichtung nicht, darf die Behörde bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung schließen, wenn der Betroffene hierauf bei der Vereinbarung hingewiesen wurde5. 1 Vgl. hierzu auch Janker, NZV 1999, 26, 30. 2 Vgl. hierzu Himmelreich/Janker, MPU-Begutachtung, Rz. 22. 3 Vgl. VG Neustadt v. 27. 7. 2005 – 5 A 51/05, SVR 2006, 273; BVerwG v. 11. 6. 2008 – 3 B 99.07, DAR 2008, 712. 4 Vgl. zu dieser Problematik Himmelreich/Janker, MPU-Gutachten, Rz. 66 f. 5 Vgl. BVerwG v. 11. 6. 2008 – 3 B 99.07, DAR 2008, 712.
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I. Verwaltungsbehördliches Verfahren
Rz. 43 Teil 12
! Hinweis: Ist das Gutachten mangelhaft, z.B. weil der Gutachter sich nicht mit der Probandenpersönlichkeit auseinander gesetzt oder die Strafakten nicht beigezogen hat, kann der Betroffene als Auftraggeber gemäß § 633 BGB zunächst Nachbesserung verlangen, bei Ablehnung der Nachbesserung hat er Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Kosten für eine erneute ordnungsgemäße Begutachtung1.
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! Hinweis: Wird das Gutachten von der Behörde angefordert, weil z.B. das Verkehrszentralregister aufgrund diverser Ordnungswidrigkeiten (Geschwindigkeitsüberschreitungen, Vorfahrtverletzungen etc.) 18 oder mehr Punkte aufweist, besteht in der Regel keinerlei Veranlassung zu einer – auch – medizinischen Begutachtung, sondern allenfalls zu einer psychologischen Untersuchung (aufgrund charakterlicher Mängel). Verlangt die Behörde gleichwohl eine sog. Mehrfachbegutachtung (medizinisch und psychologisch), so liegt hierin ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz2. Der Betroffene kann sich weigern, einer entsprechenden Aufforderung der Behörde nachzukommen, negativ darf ihm diese Weigerung nicht ausgelegt werden3.
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! Hinweis: Die Anordnung der Behörde zur Beibringung eines Gutachtens ist kein Verwaltungsakt und kann deshalb nicht selbständig angefochten werden4!
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Mit der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und den Änderungen im StVG hat der Gesetzgeber im Gegensatz zur früheren Rechtslage detailliert geregelt, wann von der Fahrerlaubnisbehörde zwingend ein Gutachten angefordert werden muss und wann die Anforderung im Ermessen der Behörde steht. Die Anforderung des Gutachtens ist u.a. obligatorisch bei wiederholten Zuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss (§ 13 Nr. 2b FeV), beim Führen eines Kfz im Straßenverkehr mit einer BAK ab 1,6 % oder einer AAK ab 0,8 mg/l (§ 13 Nr. 2c FeV) sowie bei weiteren Zuwiderhandlungen durch einen Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe nach Neuerteilung einer zuvor entzogenen Fahrerlaubnis (§ 2a Abs. 5 S. 5 StVG). Die Anfor-
43
1 Vgl. AG Köln v. 26. 10. 1988 – 137 C 628/87, DAR 1989, 72; VG Neustadt v. 27. 7. 2005 – 5 A 51/05, SVR 2006, 273; AG Bautzen v. 25. 8. 2005 – 22 C 1402/04, NZV 2006, 391. 2 Vgl. BVerfG v. 24. 6. 1993 – 1 BvR 689/92, NZV 1993, 413; Gleiches gilt für den umgekehrten Fall: VGH München v. 9. 5. 2005 – 11 Cs 04.2526, VRS 109 (2005), 75. 3 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 133 m.w.N. 4 Vgl. BVerwG v. 17. 5. 1994 – BVerwG 11 B 157.93, VRS 88, 156 = DAR 1994, 372; VGH München v. 25. 1. 2006 – 11 Cs 05/1453, DAR 2006, 349.
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Rz. 44
Verwaltungsrecht
derung ist hingegen fakultativ z.B. bei verkehrsbezogenen Straftaten, die auf ein hohes Aggressionspotential des Täters hinweisen (§ 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV) und in den Fällen, in denen ein Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe innerhalb der ersten Probezeit Verkehrsverstöße begeht, die Zweifel an seiner Eignung aufkommen lassen (§ 2a Abs. 4 StVG).
4. Neuerteilung der Fahrerlaubnis 44
Mit der (rechtskräftigen) Entziehung der Fahrerlaubnis ist diese erloschen. Die Neuerteilung kann daher nur über § 20 FeV im Wege einer Neuerteilung unter den Voraussetzungen des § 2 StVG für die Ersterteilung erfolgen. § 20 Abs. 2 FeV gewährt eine gewisse Erleichterung gegenüber der erstmaligen Fahrerlaubniserteilung: Wenn keine Bedenken bestehen, kann die Behörde auf die Ablegung der praktischen Befähigkeitsprüfung verzichten. Dies gilt jedoch nicht, wenn seit der Entziehung, der vorläufigen Entziehung, der Beschlagnahme des Führerscheins oder einer sonstigen Maßnahme nach § 94 StPO oder dem Verzicht auf die Fahrerlaubnis mehr als zwei Jahre verstrichen sind, vgl. § 20 Abs. 2 S. 2 FeV.
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Nach Ablauf der Sperre ist auf Antrag des Betroffenen hin von der Behörde eine Fahrerlaubnis zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (entsprechende Kenntnisse, Fähigkeiten und Eignung) vorliegen. Ein Ermessen der Behörde besteht nicht1. Unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 FeV kann die Behörde jedoch eine medizinischpsychologische Begutachtung anordnen, § 20 Abs. 3 FeV.
! Hinweis: Der Antrag auf Wiedererteilung sollte rechtzeitig vor Ablauf der Sperre gestellt werden (ca. 10 Wochen), damit wegen der zwangsläufigen Bearbeitungszeiten bei der Behörde keine unnötige Verzögerung eintritt2. Dem Antrag sind beizufügen eine aktuelle Bescheinigung über einen Sehtest, ein neues Passfoto, Kopie des Strafurteils oder Strafbefehls, mit dem die Fahrerlaubnis entzogen wurde, eine aktuelle Bescheinigung über den absolvierten Erste-Hilfe-Kurs sowie ein neues Führungszeugnis.
5. Fahrerlaubnis auf Probe 46
Gemäß § 2a StVG wird bei dem erstmaligen Erwerb der Fahrerlaubnis diese auf Probe erteilt; die Dauer der Probezeit beträgt zwei Jahre. Das 1 Vgl. OVG Berlin v. 28. 11. 1962 – I B 22/62, VRS 24, 149, 158; OVG Münster v. 14. 12. 1954 – VII A 969/54, VRS 9, 382, 383. 2 Formulierungsvorschlag für einen Antrag bei Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 248.
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I. Verwaltungsbehördliches Verfahren
Rz. 52 Teil 12
Fristende wird im Führerschein vermerkt, nach beanstandungsfreiem Ablauf der Frist geht die auf Probe erteilte Fahrerlaubnis automatisch in eine unbeschränkte Fahrerlaubnis über.
! Hinweis: Der Ablauf der Probezeit wird allerdings gehemmt durch z.B. die Beschlagnahme, die Sicherstellung oder die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO (vgl. § 2a Abs. 1 S. 5 StVG). Bei Entzug der Fahrerlaubnis oder Verzicht endet die Probezeit vorzeitig; bei Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis beginnt eine neue Probezeit, auf deren Dauer die frühere Probezeit angerechnet wird (vgl. § 2a Abs. 1 S. 6 StVG).
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Begeht der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe innerhalb dieser zweijährigen Probezeit Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG im Verkehrszentralregister einzutragen sind, so ordnet die Fahrerlaubnisbehörde unter Fristsetzung die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Die Behörde hat dabei kein Ermessen. Sie wird tätig, nachdem eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt und damit feststeht, ob und in welchem Umfang eine Eintragung im Verkehrszentralregister erfolgt (vgl. hierzu § 59 FeV).
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! Hinweis: Seit dem 1. 1. 19991 hat sich die Probezeit für Fahranfänger gemäß § 2a Abs. 2a StVG um zwei auf insgesamt vier Jahre verlängert, wenn die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet worden ist.
49
Das Aufbauseminar2 wird angeordnet bei einer schwerwiegenden Zuwiderhandlung (bestimmte Straftaten nach dem StGB, dem StVG und Pflichtversicherungsgesetz sowie Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24, 24a StVG) oder zwei weniger schwerwiegenden Zuwiderhandlungen (weniger gewichtige Straftaten nach dem StGB – z.B. fahrlässige Körperverletzung – und StVG sowie Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, soweit sie nicht als schwerwiegend eingestuft sind), vgl. § 2a Abs. 2 Nr. 1 StVG.
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Wenn der Fahrerlaubnisinhaber nach Teilnahme an einem Aufbauseminar eine weitere schwerwiegende Zuwiderhandlung begeht oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen, so hat ihn die Fahrerlaubnisbehörde zu verwarnen und ihm nahe zu legen, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung3 teilzunehmen (vgl. § 2a Abs. 2 Nr. 2 StVG).
51
Sofern der Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der in § 2a Abs. 2 Nr. 2 StVG genannten Frist und innerhalb der Probezeit eine weitere schwer-
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1 Gesetz zur Änderung des StVG und anderer Gesetze, BGBl. I, S. 747. 2 Vgl. auch §§ 2b, 4 Abs. 8 StVG. 3 Vgl. auch § 4 Abs. 9 StVG.
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Teil 12
Rz. 53
Verwaltungsrecht
wiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat, ist ihm von der Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (vgl. § 2a Abs. 2 Nr. 3 StVG).
! Hinweis: 53
Anders als zum Beispiel bei der Berechnung der Tilgungsfrist für die Punkte im VZR kommt es im Rahmen des § 2a StVG allein darauf an, ob die Zuwiderhandlung innerhalb der Probezeit begangen wurde.
54
Die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe ist zwingend anzuordnen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis auf Probe nicht innerhalb der von der Behörde bestimmten Frist der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nachkommt, vgl. § 2a Abs. 3 StVG.
! Hinweis: 55
Unerheblich ist, ob der Betroffene die Fristversäumnis zu vertreten hat1!
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Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung des Aufbauseminars sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis haben keine aufschiebende Wirkung, vgl. § 2a Abs. 6 StVG.
! Hinweis: 56a
Die Probezeit konnte bisher für Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B durch Teilnahme an einem Fortbildungsseminar um ein Jahr verkürzt werden. Diese Möglichkeit ist zum 31. 12. 2009 ausgelaufen, da die FreiwFortbV zum Jahresende 2009 außer Kraft getreten ist.
6. Ausländische Fahrerlaubnisse 56b
Dem Kampf gegen den sog. „Führerscheintourismus“ dient u.a. die 3. EU-Führerscheinrichtlinie2. Damit steht nicht mehr die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen im Vordergrund, sondern die Sicherheit des Straßenverkehrs vor Verkehrsteilnehmern, die unter Umgehung der Regelungen im Heimatstaat versucht haben, in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder des EWR eine Fahrerlaubnis zu erlangen. a) Anerkennung von Fahrerlaubnissen nach § 28 FeV
56c
§ 28 FeV regelt die Anerkennung von EU- oder EWR-Fahrerlaubnissen, soweit deren Inhaber ihren ordentlichen Wohnsitz nun in der Bundesrepublik Deutschland haben, zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahr1 Vgl. VGH Kassel v. 26. 8. 1992 – 2 TH 760/92, NZV 1993, 87. 2 Richtlinie 2006/126/EG, seit dem 19. 1. 2007 in Kraft.
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II. Verwaltungsgerichtliches Verfahren
Rz. 59 Teil 12
erlaubnis der Wohnsitz aber im Ausland bestand1. Auf die Staatsangehörigkeit des Inhabers kommt es nicht an2. Die wichtigsten Ausnahmen von der Anerkennung regelt § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2–5 FeV, nämlich den Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2)3, die Entziehung oder Versagung der Fahrerlaubnis im Inland (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3)4, die gerichtlich verhängte isolierte Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 Satz 3 (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4)5 oder ein Fahrverbot bzw. Maßnahme nach § 94 StPO (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5)6. b) Ausländische Fahrerlaubnis nach § 29 Abs. 1 Satz 3 FeV Wenn ein Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 3 (also nicht aus einem EU- oder EWG-Staat) einen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet, kann er von dieser Fahrerlaubnis für sechs Monate Gebrauch machen (nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 Satz 4 kann diese Frist um weitere sechs Monate verlängert werden). Auch für die Berechtigung nach § 29 FeV gelten ähnliche Ausnahmen wie in § 28 FeV: Wohnsitzverstoß (§ 29 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 2a), entzogene oder versagte Fahrerlaubnis im Inland (§ 29 Abs. 3 Nr. 3), isolierte Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB (§ 28 Abs. 3 Nr. 4) und Fahrverbot oder Maßnahme nach § 94 StPO (§ 28 Abs. 3 Nr. 5).
56d
II. Verwaltungsgerichtliches Verfahren 1. Anfechtungsklage Binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides der höheren Verwaltungsbehörde, mit dem dem Widerspruch nicht stattgegeben wird, kann gemäß § 42 VwGO Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht erhoben werden7.
57
Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung besteht vorläufiger Rechtsschutz über § 80 VwGO.
58
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, also der Zeitpunkt, an dem der Widerspruch erlassen und das Verwaltungsverfahren
59
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV, Rz. 17. Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV, Rz. 18. Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV, Rz. 19 f. Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV, Rz. 25 f. Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV, Rz. 5, 34. Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 28 FeV, Rz. 35. Vgl. hierzu im Einzelnen Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 188 f. und Himmelreich/Bücken, Musterschriftsätze, Rz. 3220 f.
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Teil 12
Rz. 60
Verwaltungsrecht
damit beendet worden ist. Völlig unerheblich ist daher, ob der Betreffende sich während des gerichtlichen Verfahrens nichts zu Schulden kommen lässt1. Späteres Wohlverhalten ist lediglich unter dem Gesichtspunkt zu berücksichtigen, ob – rückwirkend betrachtet – die Fahreignung des Betroffenen im Entziehungsverfahren richtig beurteilt worden ist2.
2. Feststellungsklage 60
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Entziehung der Fahrerlaubnis nur androht, muss der Betreffende überlegen, ob er sich schon hiergegen wendet oder ob er den entziehenden Bescheid abwartet und Anfechtungsklage erhebt. Im ersten Fall kommt die Erhebung einer (vorbeugenden) Feststellungsklage in Betracht im Rahmen des vorbeugenden Rechtsschutzes. Ein Rechtsschutzinteresse ist jedoch nur dann gegeben, wenn dem Kläger ein Zuwarten auf den von der Behörde angedrohten Verwaltungsakt nicht zugemutet werden kann3.
61
Gegen die Androhung selbst kann nicht mit der Feststellungsklage vorgegangen werden; denn die Androhung als solche hat keine selbständige rechtliche Bedeutung4.
3. Verpflichtungsklage 62
Hat die Fahrerlaubnisbehörde den Antrag des Betroffenen auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt, so kann hiergegen beim Verwaltungsgericht Verpflichtungsklage gemäß § 42 VwGO erhoben werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörde bei der Versagung der Fahrerlaubnis rechtmäßig handelte, ist – anders als bei der Anfechtungsklage – der „Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts“5.
4. Streitwert 63
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Entziehung der Fahrerlaubnis oder Versagung der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beträgt der Streitwert in der Regel 5000 Euro; der Streitwert kann sich erhöhen,
1 Vgl. BVerwG v. 13. 1. 1961 – VII C 233.59, BVerwGE 11, 334, 335. 2 Vgl. BVerwG v. 11. 3. 1988 – 7 B 38/88 (Lüneburg), NVwZ 1990, 654; OVG Saarlouis v. 30. 9. 1977 – II R 77/77, VM 1978, 39 f.; a.A. Klein, NVwZ 1990, 633. 3 Vgl. VG Ansbach v. 16. 10. 1975 – Nr. AN 9997 – V/75, DAR 1976, 52, 53. 4 Vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot – Führerscheinentzug, Band II, Rz. 212 m.w.N. 5 Vgl. BVerwG v. 10. 8. 1988 – 7 C 83/87, VM 1988, 75, 76.
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II. Verwaltungsgerichtliches Verfahren
Rz. 63 Teil 12
wenn der Betreffende beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist1. Bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beträgt der Streitwert in der Regel die Hälfte des Streitwertes für das Hauptverfahren2. Wird das Führen eines Fahrtenbuches auferlegt, ist von einem Streitwert von 400 Euro pro Monat auszugehen, bei der Anordnung an einen Fahrerlaubnisinhaber, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, gilt wiederum der Regelstreitwert von 5000 Euro.
1 Vgl. Bethäuser, DAR 1998, 408 f. 2 Vgl. VGH Mannheim v. 7. 12. 1990 – 10 S 2466/90, zfs 1992, 71, 72 = NVwZ 1991, 1195.
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Teil 13 Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung Rz. I. Grundlagen der Regulierung 1. Inlandsunfälle mit Ausländern . . . 2. Auslandsunfälle mit Inländern . . . 3. Auslandsunfälle mit Ausländern a) Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regulierung nach der 4./5. Kraftfahrzeughaftpflicht (KH)Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auskunftsstelle, § 8a PflVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schadenregulierungsbeauftragte, § 7b VAG . . . . cc) Entschädigungsstelle, § 12a PflVG . . . . . . . . . . . . .
1 9 13 26 35 39 45
II. Außergerichtliche Regulierung . . . 53 1. Anspruchsgegner a) Haftpflichtversicherungen . . . . 54 b) Deutsches Büro Grüne Karte . . 55 c) Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 56 III. Klageverfahren 1. Prozessuale Grundlagen . . . . . . . . . 2. Ermittlung des anwendbaren materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung materielles/Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kosten und Gebühren . . . . . . . . . . . 6. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vollstreckung von Titeln in Mitgliedsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . .
62 74 75 85 88 91 93
IV. Materielles Schadenersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern . . . . 97 1. Schadenregulierung nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schadenersatzansprüche des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vermögensschäden . . . . . . (1) Reparaturkosten . . . . . (2) Totalschaden . . . . . . . . (3) Wertminderung . . . . . . (4) Abschleppkosten . . . . (5) Mietwagenkosten . . . . (6) Nutzungsausfall . . . . .
98 107 108 109 112 113 114 115 116
Rz. (7) Gutachterkosten . . . . . 118 (8) Selbstbeteiligung bei Vollkasko . . . . . . . . . . . 120 (9) Pauschalunkosten . . . 121 (10) Schadensfinanzierungskosten . . . . . . . . . 122 (11) Erstattung von Vermögensschäden durch Arbeitsunfähigkeit . . . 123 (12) Ausgleich für Chancenverlust . . . . . . . . . . . 124 bb) Nichtvermögensschaden . 128 (1) Körperschaden (danno biologico) . . . . . . . . . . . 131 (2) Immaterieller Schaden (danno morale) . . . . . . . 136 cc) Die Rechte von Hinterbliebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 dd) Verjährung von Schadenersatzansprüchen . . . . . . . . 140 ee) Kosten der Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 ff) Mindestdeckungssummen in der KH-Versicherung (Personenkraftwagen – Stand 12/2010) . . . . . . . . . . . 145 2. Schadenregulierung nach österreichischem Recht a) Schadenspositionen aa) Reparaturkosten . . . . . . . . . 146 bb) Totalschaden . . . . . . . . . . . . 150 cc) Abschleppkosten . . . . . . . . 151 dd) Wertminderung . . . . . . . . . . 152 ee) Mietwagenkosten . . . . . . . . 153 ff) Nutzungsausfall . . . . . . . . . 155 gg) Übernachtungs- und Verpflegungskosten . . . . . . . . .155a hh) Unkostenpauschale . . . . . . 156 ii) Arzt- und Heilungskosten 157 jj) Schmerzensgeld . . . . . . . . . 158 kk) Verdienstausfall . . . . . . . . . 163 b) Adhäsionsverfahren . . . . . . . . . . 165 c) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 d) Anwaltskosten . . . . . . . . . . . . . . 168 e) Mindestdeckungssummen in der KH-Versicherung (Personenkraftwagen – Stand 12/2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
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Teil 13
Rz. 1
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung Rz.
V. Exkurs: Vollstreckung von verkehrsrechtlichen Geldstrafen und Geldbußen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten in Deutschland . . . . 170
Rz. VI. Verordnungen und Richtlinien 1. Materielles Recht (Haftpflichtversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Vollstreckung und Zustellung . . . 187
I. Grundlagen der Regulierung 1. Inlandsunfälle mit Ausländern 1
Das Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger vom 24. 7. 1956 (AuslPflVG) ordnet eine Versicherungspflicht für ausländische Fahrzeuge an, die im Inland auf öffentlichen Straßen oder Plätzen benutzt werden.
2
Diese Versicherungspflicht gewährleistet noch keine Regulierung von Unfallschäden, wenn diese bei einem ausländischen Versicherer geltend gemacht werden müssen. § 6 Abs. 1 AuslPflVG bestimmt daher, dass § 3 Nr. 1 und 6 bis 11 PflVG auch auf Schäden mit ausländischen Fahrzeugen anzuwenden ist, wenn der Pflichtversicherer dieses Fahrzeuges dem „Grüne-Karte-System“ angeschlossen ist.
3
Zunächst hatte in Deutschland bis 1993 der HUK-Verband die Aufgaben des Grüne Karten Büros wahrgenommen. Ziel dieses Systems ist die Verbesserung des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch Kraftfahrzeuge außerhalb ihres Zulassungslandes verursacht worden sind. Ab 1. 7. 2003 wurde das Grüne Karte System ersetzt durch die so genannten Internal Regulations. Diese Regeln lösten mit dem Stichtag 1. 7. 2003 sowohl das Londoner Musterabkommen sowie das Multilaterale Garantieabkommen ab. Die Vorschriften der Internal Regulations gelten grundsätzlich für die regulierenden Büros, nicht aber für Geschädigte eines Verkehrsunfalls. Diese können aus den Regeln selbst keinerlei Ansprüche ableiten. Allerdings ergeben sich Konsequenzen für die Versicherungskorrespondenten. Hervorzuheben ist, dass nach den Internal Regulations das selbstregulierende Büro bei der Schadenabwicklung völlig unabhängig handelt und uneingeschränkten Ermessenspielraum hat. Es ist daher nicht richtig, wenn, wie so häufig, in der Korrespondenz mit dem Geschädigten bzw. dessen Anwalt eingewandt wird, das Büro habe keine eigene Kompetenz, es müsse bei der Versicherung, für die es reguliere, nachfragen. Es hat somit die ausschließliche Kompetenz für die Anwendung und Regulierung nach seinem nationalen Recht1. In Deutschland wird die Regulierung der Schadensfälle im Auftrag des Büros des Unfall1 Feyock/Jacobsen/Lemor, AuslUnf, Rz. 28.
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I. Grundlagen der Regulierung
Rz. 9 Teil 13
landes von Schadensregulieren, so genannten Korrespondenten durchgeführt. Die Grüne Versicherungskarte ist im Inland als Versicherungsbescheinigung im Sinne von § 1 Abs. 2 AuslPflVG anzusehen1. Bei folgenden Staaten muss die internationale grüne Versicherungskarte vorgelegt werden2: Marokko, Mazedonien, Moldawien, Polen, Rumänien, Tunesien, Türkei, Ukraine, Zypern.
4
Bei folgenden Ländern genügt das vorgeschriebene amtliche Kennzeichen des beteiligten Fahrzeuges3: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vatikanstaat.
5
Aktivlegitimiert sind nicht nur deutsche Geschädigte, sondern auch Ausländer, die im Geltungsbereich des Pflichtversicherungsgesetzes geschädigt wurden4.
6
Passivlegitimiert ist das Deutsche Büro Grüne Karte e.V., das satzungsgemäß durch seinen Vorstand vertreten wird:
7
Deutsches Büro Grüne Karte e.V. Wilhelmstr. 43/43 G 10117 Berlin Telefon: 030/20205858 oder 40/3 34 40, Telefax: 040/3 34 40-4 0. [email protected] www.gruenekarte.de Da das Deutsche Büro Grüne Karte „neben“ dem Pflichtversicherer haftet, verbleibt es bei dem Direktanspruch auch gegen den ausländischen Versicherer5.
8
2. Auslandsunfälle mit Inländern Hierunter fallen Unfallereignisse, die sich im Ausland zwischen Unfallbeteiligten mit gleichem gewöhnlichem Aufenthalt ereignen, z.B. zwischen zwei Deutschen in Italien. 1 2 3 4 5
Stiefel/Hofmann, § 2a AKB Rz. 15. Stand 1. 5. 2011. Stand 1. 5. 2011. Feyock/Jacobsen/Lemor, § 6 AuslPflVG Rz. 7 m.w.N. Feyock/Jacobsen/Lemor, § 6 AuslPflVG Rz. 5 m.w.N.
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Teil 13
Rz. 10
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
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Hierfür sieht das EGBGB für Unfälle, die sich bis einschließlich 10. 1. 2000 ereignet haben, in Art. 40 Abs. 2 eine Sonderregelung vor, die den Sachverhalt dem Recht des gemeinsamen Aufenthaltsortes unterstellt.
11
Für schadensbegründende Ereignisse, die ab dem 11. 1. 2009 eingetreten sind, gilt statt dem EGBGB die Rom-II-Verordnung, die mit Art. 4 Abs. 2 allerdings eine entsprechende Regelung enthält1.
12
Die Staatsangehörigkeit oder das Zulassungsland der betroffenen Fahrzeuge haben für die Bestimmung des anwendbaren Rechts keine Bedeutung.
3. Auslandsunfälle mit Ausländern a) Bestimmung des anwendbaren Rechts 13
Das anwendbare Recht bestimmt sich für schadensbegründende Ereignisse, die nach dem 11. 1. 2009 eingetreten sind, nicht mehr nach Art. 40 ff. EGBGB. Es gilt nun vorrangig die Rom-II-Verordnung, vgl. deren Art. 31, 32.
14
Ähnlich wie beim EGBGB gilt ein Stufensystem. Nach Art. 14 Rom-IIVerordnung kann das anwendbare Recht gewählt werden. Das heißt, dass die Rechtswahl erst nach dem Eintritt des Schadenfalles getroffen werden kann, so z.B. während der Regulierungsverhandlungen. Wird, wie es jedoch auch oft der Fall ist, keine Rechtswahl getroffen, so sieht Art. 4 Rom-II-Verordnung folgendes vor: Soweit die Parteien über keinen gewöhnlichen Aufenthalt verfügen, so gilt das Tatortprinzip.
15
Weist der Fall jedoch eine wesentlich engere Beziehung zu einer Rechtsordnung auf, so ist die Möglichkeit der Korrektur gegeben. So kann ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, welches mit der unerlaubten Handlung in enger Beziehung steht, zur Anwendung einer anderen Rechtsordnung führen.
16
Nach Art. 3 Rom-II-Verordnung gilt die Verordnung auch dann, wenn keine Verweisung auf einen EU-Mitgliedstaat erfolgt.
17
Grund und Umfang der Haftung richten sich nach Art. 15 der Rom-IIVerordnung. Hervorzuheben ist der Ordre-Public-Vorbehalt. Dieser hat 1 Anders eine Entscheidung des High Count of Justice, EWHC 38 (QB) 1 AII ER 1116/2009, das die ROM-II-VO ab 11. 1. 2009 bereits auf schadenbegründende Ereignisse ab dem 21. 8. 2007 anwendet, da die Veröffentlichung der Verordnung am 31. 7. 2007 erfolgte und nach Art. 254 I EG 20 Tage später anzuwenden sei.
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I. Grundlagen der Regulierung
Rz. 25 Teil 13
zur Folge, dass die Anwendung einer Norm des anzuwendenden Rechts abgelehnt werden kann, wenn diese Regelung zu einem unangemessen, über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehenden Schadenersatzes führen würde. Soweit die Rom-II-Verordnung keine ausdrücklichen Verweise auf nationale verfassungsrechtlich verbotene Rechte enthält, sind diese als wesentliche Grundsätze eines Staates zu beachten. Ein Inlandsbezug ist zwar nicht ausdrücklich als Korrektiv vorgesehen, ist jedoch im Hinterkopf zu beachten. Insbesondere findet sich dabei eine Bedeutung der Schmerzensgelder, die in anderen Ländern als in Deutschland oft wesentlich höher ausfallen. Auch betroffen davon sind Ansprüche, die in Deutschland gar nicht existieren, wie z.B. das Angehörigenschmerzensgeld.
18
Art. 17 Rom-II-Verordnung hält fest, dass sich die zu beachtenden Verkehrsregeln und die Schuldfrage stets nach dem jeweiligen Aufenthaltsstaat richten. In Art. 18 Rom-II-Verordnung ist aufgenommen, dass eine Direktklage gegen den Versicherer zulässig ist, soweit dies nach dem maßgeblichen Schadensrecht oder dem Versicherungsvertragsrecht vorgesehen ist.
19
Gemäß Art. 19 Rom-II-Verordnung richtet sich der gesetzliche Forderungsübergang aus außervertraglichen Schuldverhältnissen nach dem Recht des Staates, das die Verpflichtung des leistenden Dritten vorsieht.
20
Art. 22 Abs. 1 Rom-II-Verordnung erstreckt die Reichweite des anzuwendenden Rechts auch auf gesetzliche Vermutungen und Beweislastregeln. Er bestimmt weiterhin, dass sich die Durchführung der Beweisaufnahme nach wie vor nach dem Verfahrensrecht des angerufenen Gerichtes richtet.
21
Art. 28 Rom-II-Verordnung regelt den Vorrang internationaler Übereinkommen. Deutschland hat internationale Verträge, die eingreifen könnten, aber nicht abgeschlossen. Insbesondere ist Deutschland nicht dem Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht beigetreten1.
22
Bisher bestehende Staatsverträge gelten nach wie vor, es sei denn, sie gelten ausschließlich zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten, die nicht gezwungen werden sollen, wegen der Verordnung Staatsverträge zu verletzen.
24
Demnach ist also nach wie vor das Haager Straßenverkehrsübereinkommen beispielsweise vor Österreichischen Gerichten anzuwenden. Neben der Rom-II-Verordnung und dem Haager-Straßenverkehrsübereinkom-
25
1 Ausführungen zum Haager Übereinkommen werden daher nicht gemacht.
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Teil 13
Rz. 26
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
men ist daneben noch das Dänische Internationale Deliktsrecht zu beachten, so dass derzeit von einer dreifachen Spaltung des Internationalen Deliktsrechts gesprochen wird1. b) Regulierung nach der 4./5. Kraftfahrzeughaftpflicht (KH)-Richtlinie 26
Durch die 4./5. KH-Richtlinien wurde das System der Regulierungsbeauftragten geschaffen. Jede in einem Mitgliedsstaat tätige Versicherung muss in den übrigen Mitgliedsstaaten einen solchen benennen. Dem Geschädigten wird dadurch ein Ansprechpartner im eigenen Land zur Verfügung gestellt.
27
Die Schadenfälle, die sich im Ausland mit Ausländern ereignet haben, können also auch von Deutschland aus reguliert werden.
28
Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen im Ausland wurde seit dem 1. 1. 2003 erheblich erleichtert:
29
Im deutschen Recht sind die maßgeblichen Regelungen in den §§ 3a, 8a sowie 12 bis 13a PflVG enthalten.
30
Nach § 3 PflVG wurde folgender § 3a eingefügt: „§ 3a Macht der Dritte den Anspruch nach § 3 Nr. 1 geltend, gelten darüber hinaus die folgenden Vorschriften: 1. Der Versicherer oder der Schadenregulierungsbeauftragte haben dem Dritten unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten, ein mit Gründen versehenes Schadenersatzangebot vorzulegen, wenn die Eintrittspflicht unstreitig ist und der Schaden beziffert wurde, oder eine mit Gründen versehene Antwort auf die in dem Antrag enthaltenen Darlegungen zu erteilen, sofern die Eintrittspflicht bestritten wird oder nicht eindeutig feststeht oder der Schaden nicht vollständig beziffert worden ist. Die Frist beginnt mit Zugang des Antrags bei dem Versicherer oder dem Schadenregulierungsbeauftragten. 2. Wird das Angebot nicht binnen drei Monaten vorgelegt, ist der Anspruch des Dritten mit dem sich nach § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergebenden Zinssatz zu verzinsen. Weitergehende Ansprüche des Dritten bleiben unberührt.“
1 Vgl. A. Staudinger, DAR Extra 2009, 738.
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I. Grundlagen der Regulierung
Rz. 36 Teil 13
Das System der 4./5. KH-Richtlinie hat drei wesentliche Vorteile:
31
Zum einen ist es wesentlich leichter geworden, den Halter und zuständigen Versicherer eines gegnerischen Fahrzeuges herauszufinden.
32
Zum anderen können nunmehr Ansprüche des Geschädigten in seinem Wohnsitzland in eigener Sprache geltend gemacht werden und drittens ist die Schadensregulierung durch die gesetzlichen Bestimmungen beschleunigt worden, da der Schadenregulierungsbeauftragte innerhalb von einer Frist von drei Monaten ein Schadenersatzangebot oder zumindest eine mit Gründen versehene Antwort dem Anspruchssteller vorzulegen hat.
33
Die Regelung bezweckt hauptsächlich die Schadenregulierung zu beschleunigen. Gemäß § 7b Abs. 3 VAG gilt § 3a Pflichtversicherungsgesetz entsprechend, wenn sich der Unfall in einem Drittland, das Mitglied des Grüne-Karte-Systems ist, ereignet hat, dabei ist jedoch Voraussetzung, dass der Geschädigte seinen Wohnsitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedsland hat und dass das Fahrzeug, das den Unfall verursacht hat, seinen gewöhnlichen Standort in eben diesem Mitgliedsland hat und dort versichert ist.
34
aa) Auskunftsstelle, § 8a PflVG Damit ein Geschädigter in einem EU- bzw. EWR-Ausland die Verfolgung seiner Ansprüche von seinem Wohnsitz aus bequem durchführen kann, wurde § 8a PflVG mit den Vorschriften über die Schaffung einer Auskunftsstelle eingeführt.
35
Nach § 8 PflVG wurde § 8a PflVG wie folgt eingefügt:
36
„§ 8a (1) Es wird eine Auskunftsstelle eingerichtet, die Geschädigten unter den Voraussetzungen des Satzes 2 auf Anforderung folgende Angaben übermittelt, soweit dies zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr erforderlich ist: 1. Namen und Anschrift des Versicherers des schädigenden Fahrzeugs sowie dessen in der Bundesrepublik Deutschland benannten Schadenregulierungsbeauftragten, 2. die Nummer der Versicherungspolice und das Datum der Beendigung des Versicherungsschutzes, sofern dieser abgelaufen ist, 3. bei Fahrzeugen, die nach Art. 4 Buchstabe a der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der KraftFeller
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Teil 13
Rz. 36
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
fahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. EG Nr. L 103 S. 1) von der Versicherungspflicht befreit sind, den Namen der Stelle oder Einrichtung, die dem Geschädigten nach geltendem Recht ersatzpflichtig ist, 4. bei Fahrzeugen im Sinne von Art. 4 Buchstabe b der Richtlinie 72/166/EWG die Nummer der Grünen Karte oder der Grenzversicherungspolice, soweit das Fahrzeug durch eines dieser Dokumente gedeckt ist, 5. Namen und Anschrift des eingetragenen Fahrzeughalters oder, soweit die Auskunftsstelle diese Informationen nach Absatz 2 erlangen kann, des Fahrzeugeigentümers oder des gewöhnlichen Fahrers; § 39 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes gilt entsprechend. Geschädigte sind berechtigt, sich an die Auskunftsstelle zu wenden, wenn sie ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, wenn das Fahrzeug, das den Unfall verursacht haben soll, seinen gewöhnlichen Standort in der Bundesrepublik Deutschland hat oder wenn sich der Unfall in der Bundesrepublik Deutschland ereignet hat. (2) Die Auskunftsstelle ersucht die Zulassungsbehörden oder das Kraftfahrt-Bundesamt sowie die in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2000/26/EG errichteten oder anerkannten Auskunftsstellen im Einzelfall um Übermittlung der Informationen nach Absatz 1 Satz 1. Sie übermittelt den in diesen Staaten nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2000/26/EG errichteten oder anerkannten Auskunftsstellen auf Ersuchen die Informationen nach Absatz 1 Satz 1, soweit dies zur Erteilung von Auskünften an Geschädigte erforderlich ist. (3) Die Aufgaben und Befugnisse der Auskunftsstelle nach den Absätzen 1 und 2 werden von der GDV Dienstleistungs-GmbH & Co. KG – „Zentralruf der Autoversicherer“ – in Hamburg wahrgenommen, sobald und soweit diese schriftlich gegenüber dem Bundesministerium der Justiz ihre Bereitschaft dazu erklärt hat. Das Bundesministerium der Justiz gibt die Erklärung und den Zeitpunkt, ab dem die betroffenen Aufgaben von dem Zentralruf der Autoversicherer wahrgenommen werden, im Bundesanzeiger bekannt. Der Zentralruf der Autoversicherer untersteht, soweit er die übertragenen Aufgaben wahrnimmt, der Aufsicht des Bundesministeriums der Justiz. Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Aufgaben und Befugnisse der Auskunftsstelle nach den Absätzen 1 und 2 der in § 13 genannten Anstalt zu übertragen, soweit die Wahrnehmung der Auf1316
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I. Grundlagen der Regulierung
Rz. 38 Teil 13
gaben durch den Zentralruf der Autoversicherer nicht gewährleistet ist oder dieser nicht mehr zur Wahrnehmung der Aufgaben bereit ist. (4) Versicherungsunternehmen, denen im Inland die Erlaubnis zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge und Anhänger erteilt ist, haben der Auskunftsstelle nach Absatz 3 sowie den in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2000/26/EG errichteten oder anerkannten Auskunftsstellen die Namen und Anschriften der nach § 7b des Versicherungsaufsichtsgesetzes bestellten Schadenregulierungsbeauftragten sowie jede Änderung dieser Angaben mitzuteilen.“ Die Vereinfachung der Informationsbeschaffung für den Geschädigten war ein wesentliches Anliegen der 4./5. KH-Richtlinie1. Früher war es oft mühsam, die gegnerische Versicherung ausfindig zu machen. Nun ist es relativ leicht für den Geschädigten geworden, von zu Hause den KfzHaftpflichtversicherer sowie dessen inländischen Schadenregulierungsbeauftragten ausfindig zu machen. Jeder Staat wurde zur Einrichtung einer nationalen Auskunftsstelle verpflichtet, welche alle wesentlichen Daten zu allen Kraftfahrzeugen besitzt, die in diesem Staat ihren gewöhnlichen Standort haben, bzw. dort zugelassen sind2. In Deutschland ist die Auskunftsstelle der Zentralruf der Versicherer in Hamburg. Dort können alle erforderlichen Daten über ein Kraftfahrzeug per Brief, Fax oder Email abgerufen werden. Nach § 8a Pflichtversicherungsgesetz werden Namen und Anschrift des ausländischen Versicherungsunternehmens, die Nummer der Versicherungspolice, deren Ablauf, Namen und Anschrift des Schadenregulierungsbeauftragten sowie Name und Anschrift des Fahrzeughalters gespeichert.
37
Wenn der Zentralruf binnen eines Zeitraumes von zwei Monaten ab Anfrage die Kfz-Versicherung des unfallverursachenden Fahrzeuges nicht ermittelt, kann gem. § 12a Abs. 1 Nr. 3 Pflichtversicherungsgesetz die Verkehrsopferhilfe als Entschädigungsstelle angerufen werden. Als Nichtermittlung gilt im Übrigen auch der Fall, dass der Zentralruf zwar ein Versicherungsunternehmen ausfindig macht, dieses sich aber mit der Regulierung mit der Begründung widersetzt, dass das gegnerische Fahrzeug nicht mehr versichert sei3.
38
1 Vgl. Erwägungen 21, 22 der Richtlinie 2000/26/EG. 2 Vgl. Art. 5 der Richtlinie 2000/26/EG. 3 Vgl. Riedmeyer, zfs 2006, 122 (133).
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Rz. 39
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
bb) Schadenregulierungsbeauftragte, § 7b VAG 39
§ 7b VAG lautet: „§ 7b Schadenregulierungsbeauftragte in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (1) Für die Erlaubnis zur Deckung der in Anlage Teil A Nr. 10 Buchstabe a genannten Risiken hat das Versicherungsunternehmen in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einen Schadenregulierungsbeauftragten zu benennen. Dieser hat im Auftrag des Versicherungsunternehmens Ansprüche auf Ersatz von Personen- und Sachschäden zu bearbeiten und zu regulieren, die wegen eines Unfalls entstanden sind, welcher sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten ereignet hat und der durch die Nutzung eines Fahrzeugs verursacht wurde, das in einem Mitgliedstaat versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat. (2) Der Schadenregulierungsbeauftragte muss in dem Staat ansässig oder niedergelassen sein, für den er benannt ist. Er kann auf Rechnung eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen handeln. Er muss über ausreichende Befugnisse verfügen, um das Versicherungsunternehmen gegenüber Geschädigten zu vertreten und um deren Schadenersatzansprüche in vollem Umfang zu befriedigen. Er muss in der Lage sein, den Fall in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Staates zu bearbeiten, für den er benannt ist. (3) Der Schadenregulierungsbeauftragte trägt im Zusammenhang mit Ansprüchen, die durch ein bei diesem Unternehmen versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, alle zu deren Regulierung erforderlichen Informationen zusammen. Hat sich der Unfall in einem anderen Staat als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ereignet, gilt dies nur, sofern der Geschädigte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, das Fahrzeug, das den Unfall verursacht hat, seinen gewöhnlichen Standort in einem dieser Staaten hat und das nationale Versicherungsbüro im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. EG Nr. L 103 S. 1) des Staates, in dem sich der Unfall er1318
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I. Grundlagen der Regulierung
Rz. 45 Teil 13
eignet hat, dem System der Grünen Karte beigetreten ist. In diesem Fall gilt § 3a Nr. 1 und 2 des Pflichtversicherungsgesetzes entsprechend. Die Bestellung eines Schadenregulierungsbeauftragten durch ein ausländisches Versicherungsunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland stellt für sich allein keine Errichtung einer Zweigniederlassung dar; der Schadenregulierungsbeauftragte gilt nicht als Niederlassung.“ Wesentliches Element des Systems der 4./5. KH-Richtlinie ist die Einführung von Schadenregulierungsbeauftragten im Wohnsitzstaat des Geschädigten. Jedes Versicherungsunternehmern, welches in einem EU oder EWA-Staat eine Kfz-Haftpflichtversicherung anbietet, muss dort auch einen Schadenregulierungsbeauftragten aufweisen, an den sich die Geschädigten ohne Sprachbarrieren wenden können.
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Dieser muss „unverzüglich, spätestens innerhalb von 3 Monaten“ (§ 3a Nr. 1 PflVG) den Schaden regulieren oder dem Geschädigten zumindestens eine mit Gründen versehene Antwort geben. Geschieht dies nicht, so ist der Anspruch nach § 228 Abs. 1 S. 2 BGB zu verzinsen.
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Geht entweder überhaupt keine oder keine inhaltlich begründete Antwort ein, kann die Entschädigungsstelle eingeschaltet werden.
42
Schadenregulierungsbeauftragte korrespondieren in der Heimatsprache des Geschädigten. Wichtig ist, dass sie über ausreichende Befugnisse verfügen müssen, um die begründeten Ansprüche des Geschädigten in vollem Umfang befriedigen zu können1. Es ist also ein Verweis auf die Entscheidungskompetenz des ausländischen Versicherers unzulässig.
42
Wie sich aus den vorgenannten Gesetzesänderungen ergibt, müssen alle Mitgliedstaaten der EU eine zentrale Auskunftsstelle einrichten, die dem in Deutschland bereits vorhandenen Zentralruf entspricht, der auch im Inland diese Aufgaben für Auslandsschäden wahrnimmt.
44
cc) Entschädigungsstelle, § 12a PflVG Auch der Verkehrsopferschutz gemäß § 12 PflVG ist durch § 12a PflVG auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgedehnt worden: „§ 12a (1) Wird durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers im Ausland nach dem 31. Dezember 2002 ein Personen- oder Sachschaden verursacht, so kann derjenige, der seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und dem wegen dieser Schäden Ersatzansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahr1 Vgl. Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2000/26/EG.
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Rz. 45
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
zeugs zustehen, diese vorbehaltlich des Absatzes 4 gegen die „Entschädigungsstelle für Schäden aus Auslandsunfällen“ (Entschädigungsstelle) geltend machen, 1. wenn das Versicherungsunternehmen oder sein Schadenregulierungsbeauftragter binnen drei Monaten nach der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs beim Versicherungsunternehmen das Fahrzeugs, durch dessen Nutzung der Unfall verursacht wurde, oder beim Schadenregulierungsbeauftragten keine mit Gründen versehene Antwort auf die im Schadenersatzantrag enthaltenen Darlegungen erteilt hat oder 2. wenn das Versicherungsunternehmen entgegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/26/EG in der Bundesrepublik Deutschland keinen Schadenregulierungsbeauftragten bestellt hat, es sei denn, dass der Geschädigte einen Antrag auf Erstattung direkt beim Versicherungsunternehmen eingereicht hat und von diesem innerhalb von drei Monaten eine mit Gründen versehene Antwort auf das Schadenersatzbegehren erteilt oder ein begründetes Angebot vorgelegt worden ist oder 3. wenn das Fahrzeug nicht oder das Versicherungsunternehmen nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Unfall ermittelt werden kann. Ein Antrag auf Erstattung ist nicht zulässig, wenn der Geschädigte unmittelbar gegen das Versicherungsunternehmen gerichtliche Schritte eingeleitet hat. (2) Die Entschädigungsstelle unterrichtet unverzüglich 1. das Versicherungsunternehmen des Fahrzeugs, das den Unfall verursacht haben soll, oder dessen in der Bundesrepublik Deutschland bestellten Schadenregulierungsbeauftragten, 2. die Entschädigungsstelle in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder dem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, in dem die Niederlassung des Versicherungsunternehmens ihren Sitz hat, die die Versicherungspolice ausgestellt hat, 3. die Person, die den Unfall verursacht haben soll, sofern sie bekannt ist, 4. das deutsche Büro des Systems der Grünen Internationalen Versicherungskarte und das Grüne-Karte-Büro des Landes, in dem sich der Unfall ereignet hat, wenn das schadenstiftende Fahrzeug seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht in diesem Land hat,
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I. Grundlagen der Regulierung
Rz. 47 Teil 13
5. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 den Garantiefonds im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. EG 1984 Nr. L 8 S. 17) des Staates, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat, sofern das Versicherungsunternehmen nicht ermittelt werden kann, oder, wenn das Fahrzeug nicht ermittelt werden kann, den Garantiefonds des Staates, in dem sich der Unfall ereignet hat, darüber, dass ein Antrag auf Entschädigung bei ihr eingegangen ist und dass sie binnen zwei Monaten auf diesen Antrag eingehen wird. (3) Die Entschädigungsstelle wird binnen zwei Monaten nach Eingang eines Schadenersatzantrages des Geschädigten tätig, schließt den Vorgang jedoch ab, wenn das Versicherungsunternehmen oder dessen Schadenregulierungsbeauftragter in dieser Zeit eine mit Gründen versehene Antwort auf das Schadenersatzbegehren erteilt oder ein begründetes Angebot vorlegt. Geschieht dies nicht, reguliert sie den geltend gemachten Anspruch unter Berücksichtigung des Sachverhalts nach Maßgabe des anzuwendenden Rechts. Sie kann sich hierzu anderer Personen oder Einrichtungen, insbesondere eines zur Übernahme der Regulierung bereiten Versicherungsunternehmens oder Schadenabwicklungsunternehmens, bedienen. Im Übrigen bestimmt sich das Verfahren nach dem Abkommen der Entschädigungsstellen nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2000/26/EG. (4) Hat sich der Unfall in einem Staat ereignet, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, so kann der Geschädigte unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 einen Antrag auf Erstattung an die Entschädigungsstelle richten, wenn der Unfall durch die Nutzung eines Fahrzeugs verursacht wurde, das in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat und wenn das nationale Versicherungsbüro (Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 72/166/EWG) des Staates, in dem sich der Unfall ereignet hat, dem System der Grünen Karte beigetreten ist.“ § 12a Pflichtversicherungsgesetz hat die Aufgaben der Verkehrsopferhilfe erweitert und ihr auch für Auslandshilfe die Funktion der Entschädigungsstelle übertragen.
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Der Geschädigte kann sich bei Auslandunfällen mit Ausländern des Weiteren ebenfalls an den Entschädigungsfonds (s. zum Fonds im Einzelnen Rz. 57 ff.) wenden (§ 12 PflVG).
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Teil 13
Rz. 48
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
Verein Verkehrsopferhilfe e.V. Wilhelmstr. 43/43 G 10117 Berlin Tel.: 030/20205858 Fax: 030/20205722 [email protected] www.verkehrsopferhilfe.de 48
Die Entschädigungsstelle tritt ein,
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– wenn der Versicherer oder sein Schadenregulierungsbeauftragter binnen 3 Monaten auf die geltend gemachten Ansprüche nicht reagiert hat (§ 12a Nr. 1 PflVG),
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– wenn der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer einen inländischen Schadenregulierungsbeauftragten nicht bestellt hat (§ 12a Abs. 1 Nr. 2 PflVG),
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– wenn das unfallbeteiligte Fahrzeug innerhalb von zwei Monaten nach dem Unfall nicht ermittelt werden kann (§ 12a Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 2. Alternative Pflichtversicherungsgesetz).
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Der Kaskoversicherer bzw. der Regress nehmende Sozialversicherungsträger können sich nicht an die Verkehrsopferhilfe wenden. Dies ergibt sich aus der amtlichen Begründung der 4./5. KH-Richtlinie, vgl. Erwägung 27 der Richtlinie 2000/26/EG. Nunmehr ist auch ein Urteil des EuGH ergangen, das besagt, dass auf Sozialversicherungsträger die Regeln der 4./5. KH-Richtlinie nicht anwendbar sind1. Folglich fehlt es bei einem Regress auch an einem inländischen Gerichtsstand gemäß Erwägung 16a der Richtlinie 2005/14/EG.
II. Außergerichtliche Regulierung 53
In den meisten Unfallsachen richten sich die Ansprüche gegen den Pflichthaftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeuges. Neben dem bereits oben genannten Deutschen Büro Grüne Karte e.V. kommen als weitere Anspruchsgegner in Betracht der Verein Verkehrsopferhilfe e.V. und das Amt für Verteidigungslasten.
1 Vgl. EuGH v. 17. 9. 2009 – Rs C-347/08, VersR 2009, 1512 ff. = DAR 2009, 638 ff.
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II. Außergerichtliche Regulierung
Rz. 57 Teil 13
1. Anspruchsgegner a) Haftpflichtversicherungen Name und Anschrift des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers erfährt man in der Regel durch eine Anfrage beim Zentralruf (s. Rz. 37). Liegt der Unfall länger als drei Monate zurück, wird der Zentralruf aufgrund der fehlenden Datenaktualität häufig nicht mehr tätig. In diesen Fällen bleibt nur die gebührenpflichtige und etwas länger dauernde Anfrage beim zuständigen Straßenverkehrsamt bzw. der Zulassungsstelle des beteiligten Fahrzeuges.
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b) Deutsches Büro Grüne Karte Das Deutsche Büro Grüne Karte ermittelt die mit der Regulierung zu befassende deutsche Versicherung. Käme es später zu einer Klage, so wäre nicht die benannte Versicherung, sondern das Deutsche Büro Grüne Karte passiv legimitiert. Diese Passivlegimitation bleibt auch dann bestehen, wenn die Unfallregulierung einem inländischen Versicherer oder Regulierungsbüro übertragen wird.
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c) Verein Verkehrsopferhilfe e.V. Die Verkehrsopferhilfe hat in Deutschland eine Doppelrolle. Sie fungiert zum einen bei Unfällen im Ausland als Entschädigungsstelle, zum anderen hat sie bei Unfällen im Inland die Aufgabe eines Garantie- bzw. Entschädigungsfonds. In vielen Fällen können der Verursacher eines Verkehrsunfalls und seine Haftpflichtversicherung nicht ermittelt werden (Unfallflucht). Versicherungsschutz besteht auch dann nicht, wenn ein Fahrzeugführer einen Unfall vorsätzlich herbeiführt (§ 152 VVG), beispielsweise in Selbsttötungsabsicht. Schließlich gibt es Unfälle, die durch ein nicht versichertes Fahrzeug verursacht werden. In all diesen Fällen besteht kein Versicherungsschutz, es sei denn, dass bei einem nicht mehr versicherten Fahrzeug noch die einmonatige Nachhaftung gemäß § 3 Nr. 5 PflVG besteht.
56
In all diesen Fällen würde der Geschädigte schutzlos sein und hätte keinen Anspruchsgegner. Damit ein möglichst lückenloser Schutz für Verkehrsunfallopfer besteht, ist gemäß § 12 PflVG ein Entschädigungsfonds gebildet worden (vgl. auch Teil 1 Rz. 60 ff., Teil 2 Rz. 52 ff.), der dann eintritt, – wenn das schädigende Fahrzeug nicht ermittelt werden kann, – eine Haftpflichtversicherung überhaupt nicht besteht, – die Haftpflichtversicherung wegen Vorsatz (§ 103 VVG) nicht einzutreten braucht, Feller
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Teil 13
Rz. 58
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
– wenn Zahlungsunfähigkeit des leistungspflichtigen Versicherers eingetreten ist (Insolvenz). Zu Ansprüchen gegenüber dem Entschädigungsfonds bei Auslandsunfällen mit Ausländern vgl. Rz. 46 ff. 58
Die Leistungen dieses Entschädigungsfonds sind jedoch im Vergleich zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Entschädigungsstelle stark eingeschränkt, vgl. § 12 II PflVG, so dass stets zu prüfen ist, ob der Vorversicherer sich nicht doch noch in der Nachhaftung gemäß § 3 Nr. 5 PflVG befindet.
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Der Anspruch gegen den Entschädigungsfonds besteht nur subsidiär, wenn weder gegen den Halter, den Eigentümer oder den Fahrer noch aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (Straßenverkehrsamt) Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden können. Bestehen Ansprüche gegen einen Schadensversicherer (z.B. Kaskoversicherung, Rechtsschutzversicherung, private Krankenversicherung), sind diese vorrangig geltend zu machen.
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Bei Unfallflucht des Schädigers ist der Leistungsanspruch nochmals eingeschränkt: Schmerzensgeld wird nur bei besonderer Schwere der Verletzungen zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit gezahlt, Sachschäden am Fahrzeug werden überhaupt nicht ersetzt, während für weitere Schäden (Ladung, Gepäck, Kleider usw.) ein Selbstbehalt von 500 Euro gilt.
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Der Entschädigungsfonds wird gespeist von Beiträgen aller Kraftfahrzeugversicherer entsprechend ihrem Anteil am Gesamtbestand der Fahrzeuge (§ 13 Abs. 1 PflVG, vgl. hierzu schon Rz. 47 ff.).
III. Klageverfahren 1. Prozessuale Grundlagen 62
Mit Urteil vom 13. 12. 2007 hat der EuGH entschieden, dass ein Gerichtsstand am Wohnsitz des Geschädigten gegeben ist1.
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Ob eine aktiv legitimierte juristische Person als Geschädigte an ihrem Sitz klagen kann, ist strittig. So wurde eine GmbH nicht als schwächere Partei im Sinne des Art. 11 Abs. 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO angesehen2. 1 EuGH vom 13. 12. 2007 – Rs C-463/06, EuGHE 2007 I, 1132, zfs 2008, 13 („Odenbreit-Urteil“). 2 AG Bückeburg, Urt. v. 2. 6. 2010 – 31 C 181/09, VRR 2011, 150.
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III. Klageverfahren
Rz. 74 Teil 13
Abweichend hierzu hat das OLG Celle bejaht, dass für juristische Personen die Möglichkeit bestünde, an ihrem Sitz zu klagen, allein die Rechtsform mache einen Geschädigten nicht weniger schutzwürdig1. Auch die Verordnung Nr. 44/2001 differenziert nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen. Die Sozialversicherungsträger und Kaskoversicherungen sind gegenüber einem ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherungsunternehmen nicht in einer schutzwürdigen Stellung, es besteht keine Klagemöglichkeit im Inland gem. Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2b EuGVO bzw. Erwägungsgrund 16a der RL 2005. Der 47. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar empfahl die Möglichkeit einer Zustellung im Inland.
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Ein Versicherer, auf den nach § 116 SGB X der Anspruch des Versicherten übergangen ist, wird nicht als Geschädigter im Sinne von Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b EuGVVO angesehen2.
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Bislang werden nicht als zustellungsbevollmächtigt angesehen inländische Schadenregulierungsbeauftragte von im EU-Ausland geschäftsansässigen Kfz-Haftpflichtversicherern für Klagen von Unfallgeschädigten, die einen Direktanspruch geltend machen.
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Nach Art. 1 Satz 1 EuGVVO ist diese insbesondere auf Unfälle anzuwenden, da es sich dabei um Zivilsachen handelt. Die EuGVVO findet unmittelbare Anwendung, ohne dass es hierfür einer Umsetzung in das nationale Recht bedarf, vgl. Hüsstege in Thomas/Putzo, 32. Aufl. 2011, Vorb. Art. 1, Rz. 1. Der grenzüberschreitende Bezug, der Voraussetzung für die Anwendung der internationalen Vorschriften ist, ist z. B. gegeben, wenn ein deutscher Staatsbürger mit einem italienischen Staatsbürger in einen Verkehrsunfall in Italien verwickelt war. Gerichtsstand ist laut Art. 11 II i.V.m. Art. 9 I b) EuGVVO der Wohnsitz des Klägers3.
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einstweilen freibleibend
68–73
2. Ermittlung des anwendbaren materiellen Rechts Anstatt sogleich ein kostspieliges Sachverständigengutachten zum ausländischen Recht einzuholen, sollte das Gericht vorrangig ein Auskunftsersuchen nach dem europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7. 6. 1968 (AURAG) an die zukünftige Empfangsstelle im Ausland richten4. 1 OLG Celle, Urt. v. 27. 2. 2008 – 14 U 211/06, VersR 2009, 62; m. Anm. Tomson, NJW 2009, 86 ff. 2 OLG Celle, 5. Zivilsenat, Urt. v. 27. 11. 2008 – 5 U 106/08. 3 OLG Wien, Urt. v. 28. 7. 2006 – 15 R 117/06w. 4 OLG München v. 18. 1. 2008 – 10 U 4502/07.
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Teil 13
Rz. 75
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
3. Abgrenzung materielles/Prozessrecht 75
Dies betrifft Fragen, wie Zeugen vernommen werden, welche Rechte die Verfahrensbeteiligten haben, welche Ermittlungen das Gericht von Amts wegen erheben muss und wie Kostenentscheidungen aussehen. Ein deutscher Richter darf nicht ein nach dem deutschen Prozessrecht nicht vorgesehenes Verfahren durchführen. Die Grenzen vom Verfahrensrecht zum materiellen Recht sind aber teilweise fließend. Daher ist eine sorgfältige Abgrenzung vorzunehmen bei Verfahrensregelungen, die Auswirkungen auf das materielle Recht haben.
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Wer z.B. als Zeuge vernommen werden darf, ist eine Frage des Verfahrensrechts. In vielen Rechtsordnungen sind Beifahrer nach dortigem Verfahrensrecht keine zulässigen Zeugen für den Unfallhergang. Unter Anwendung deutschen Prozessrechts ist dagegen deren Einvernahme zulässig und verwertbar.
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Es kommt vor, dass ein Sachverständigengutachten des deutschen Gerichts darüber einzuholen ist, ob es sich um ein Problem des materiellen oder des prozessualen Rechts handelt.
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Beispiel: Auch wenn ausländisches materielles Recht z.B. für die Schadensposition Mietwagenkosten nach Grund und Höhe gilt, so sind nach Rechtsprechung des BGH gemäß Art. 15 Rom-II-Verordnung dennoch für die Schätzung deren Höhe gleichwohl die §§ 286, 287 ZPO anwendbar1.
79–80
einstweilen freibleibend
81
Auch wenn bei der Direktklage das deutsche Gericht international zuständig ist, so richten sich die Verjährungsregeln dieses Direktanspruches gegen den zuständigen Haftpflichtversicherer doch nach dem jeweiligen Verjährungsrecht im Heimatland. So richtet sich beispielsweise die Verjährung eines Unfallgeschädigten gegen den zuständigen Haftpflichtversicherer eines spanischen Kraftfahrzeuges nach einem Unfall in Spanien nach Art. 1969 CC mit der Folge, dass die maßgebliche Verjährungsfrist von einem Jahr entscheidend ist. Diese beginnt von dem Tag an zu laufen, an dem der Geschädigte tatsächlich in der Lage war seinen Anspruch gerade gegenüber dem zuständigen Haftpflichtversicherer geltend zu machen2.
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Es ist zu beachten, dass die eine oder andere ausländische Rechtsordnung vorsieht, dass zur Einhaltung einer Friedenspflicht Ansprüche zwingend 1 BGH, Urt. v. 2. 2. 2010 – VI ZR 7/09 (LG Gera), VersR 2010, 683 ff. 2 LG München II, Beschl. v. 25. 5. 2010 – 1 O 2429/08; vgl. auch OLG Düsseldorf Urt. v. 22. 7. 2009 – 1 U 190/08.
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III. Klageverfahren
Rz. 89 Teil 13
außergerichtlich geltend zu machen sind, so ist beispielsweise in Italien ab dem 21. 3. 2011 die umgesetzte Mediationsrichtlinie 52/2008 zu beachten. Diese sieht vor, dass ab dem 20. 3. 2012 vor Erhebung einer Klage auf Schadenersatz aus Verkehrsunfällen zunächst ein außergerichtliches Schiedsverfahren durchzuführen ist. einstweilen freibleibend
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Für andere Rechtsgebiete ist die Rechtslinie bereits ein Jahr früher zwingend zu befolgen, also ab dem 20. 3. 2011.
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4. Rechtsschutz Ist der Mandant rechtsschutzversichert, gelten folgende Besonderheiten (vgl. im Einzelnen Teil 8 Rz. 42a ff.):
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Nach § 2 Abs. 1 lit. a) ARB 1975 trägt der Rechtsschutzversicherer lediglich die Kosten des (im Ausland) ortsansässigen Rechtsanwalts, nicht die Kosten eines inländischen Korrespondenzanwalts (Teil 8 Rz. 42a ff.).
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Demgegenüber enthält § 5 Abs. 1 lit. b) S. 3 ARB 1994 eine Besserstellung dahin gehend, dass eine Korrespondenzgebühr dann erstattet wird, wenn der Versicherungsnehmer mehr als 100 km Luftlinie vom zuständigen (ausländischen) Gericht entfernt wohnt (Teil 8 Rz. 42a ff.).
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5. Kosten und Gebühren Die Höhe der zu erstattenden Kosten für einen ausländischen Rechtsanwalt, Verkehrs- oder Einvernehmensanwalt, der vor deutschen Gerichten auftritt, richtet sich nach dem RVG1.
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Wird in einem Prozess vor einem deutschen Gericht ein ausländisches Versicherungsunternehmen verklagt, so kann dieses nicht mit dem Argument, es habe ausländisches Recht Anwendung gefunden, Kostenerstattung für die Korrespondenzanwaltskosten verlangen. Einem ausländischen Versicherungsunternehmen ist zuzumuten, die Rechtsvorschriften in seinem Heimatland zu kennen. Daran ändert auch nichts, dass die ausländischen Rechtsvorschriften vom deutschen Gericht erst durch Nachfrage beim italienischen Justizministerium ermittelt werden mussten. Dies macht nicht das Einschalten eines italienischen Korrespondenzanwaltes erforderlich. Eine Selbstverständlichkeit, dass ein solcher eingeschaltet wird, sei nicht gegeben, weil dies nicht einmal einer Privatperson zugebilligt wird2.
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1 EuGH, BRAK-Mitteilungen 2004, 28; Zöller, ZPO, 27. Auflage § 91 ZPO, Rz. 91 Begriff „ausländischer Anwalt“. 2 LG München II, Beschluss v. 25. 5. 2010 – 1 O 2429/08.
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Teil 13 90
Rz. 90
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
Klagt die Partei nach einem Verkehrsunfall am eigenen Gerichtsstand in Deutschland und kommt es auf Spezialkenntnisse im ausländischen Recht an, können Kosten, die durch die Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten entstanden sind, erstattungsfähig sein. Anderes gilt jedoch dann, wenn ein Anwalt mit Spezialkenntnissen erforderlich war und am Gerichtsort nicht zur Verfügung stand. So sind Mehrkosten, die durch die Beauftragung eines spezialisierten Vertrauensanwalts der Rechtschutzversicherung der gewinnenden Partei zu erstatten1.
6. Rechtsmittel 91
Im Hinblick auf den Instanzenzug war bei der Rechtsverfolgung in Deutschland § 119 Abs. 1 Nr. 1b, GVG a.F. zu beachten. Danach war für die Berufung bei Angelegenheit mit Auslandsbezug stets das OLG zuständig. Durch das am 27. 6. 2008 beschlossene Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden die früheren Ausnahmetatbestände gestrichen.
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Seit 1. 9. 2009 ist daher bei Berufungen gegen Urteile eines Amtsgerichts nun wieder das Landgericht zuständig. Nach Ansicht der Verfasserin ist dies bedauerlich, da die Befassung von Angelegenheiten mit Auslandsbezug in der Berufung bei den Oberlandesgerichten zu einer einheitlicheren Rechtsprechung geführt hatte.
7. Vollstreckung von Titeln in Mitgliedsstaaten 93
Zur Vollstreckung des Titels bedarf es grundsätzlich einer Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung. Dafür steht gemäß Art. 38 ff. der VO Nr. 44/2001 ein Exequaturverfahren zur Verfügung.
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Erging allerdings ein Versäumnisurteil, kann der Geschädigte aber auch einen Antrag an das Ausgangsgericht richten, um sich die Entscheidung als Europäischer Vollstreckung nach der Verordnung EG Nr. 805/2004 (EuVTVO) bestätigen zu lassen. Diese kann dann unmittelbar vollstreckt werden.
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Nach Art. 5 wird das Verfahren regelmäßig schriftlich durchgeführt, das Gericht kann jedoch, wenn es dies für erforderlich hält, oder wenn eine der Parteien einen Antrag stellt, eine mündliche Verhandlung anordnen. Nach Art. 6 dieser Verordnung sind das Klagformblatt, die Antwort und etwaige Beweisunterlagen in der Sprache des Gerichts vorzulegen.
1 LG Freiburg, Az.: 1 O 135/07.
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IV. Schadenersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern
Rz. 101 Teil 13
Nach Art. 10 ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht zwingend. Das Klagformblatt (Formblatt A für das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen) kann im Internet heruntergeladen werden1.
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IV. Materielles Schadenersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern Um einen Überblick bezüglich der Verschiedenheit materiellen Rechtes zu geben, werden nachfolgend zu zwei beispielhaften EU-Ländern häufig geltend gemachte ausgewählte Schadenspositionen behandelt. Diese Aufstellung ist nicht vollständig. Sie dient einer ersten Orientierung eines nicht ständig mit ausländischem Verkehrsrecht vertrauten Anwalts. Außerdem ist zu beachten, dass sich die Rechtsprechung ständig fortentwickelt. So wird z.B. nach neuester Rechtsprechung in Italien nun wieder fiktiv die Mehrwertsteuer auch ohne Nachweis einer tatsächlich erfolgten Reparatur erstattet2.
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1. Schadenregulierung nach italienischem Recht Bei der Regulierung von Schäden, die aus dem Betrieb eines Kfz herrühren, ist Art. 2054 des Codice Civile (ital. Zivilgesetzbuch; CC) die Anspruchsgrundlage. Für solche Schäden wird gehaftet, soweit nicht der Nachweis gelingt, alles zur Verhinderung des Schadens Mögliche getan zu haben. Bei der Kollision zwischen zwei Fahrzeugen gilt die widerlegliche Vermutung hälftiger Mithaftung.
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Häufig stellt sich in der Praxis das Problem, abzugrenzen, ob es sich bei bestimmten italienischen Regelungen um solche des unanwendbaren italienischen Prozessrechts oder aber um materielles Recht handelt.
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Art. 145 Abs. 1 Dlgs 209/05 lässt die Klage erst nach Ablauf con 60 Tagen bei Sachschaden bzw. 90 Tagen bei Körperschäden zu, nachdem bei der Haftpflichtversicherung durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein der Schaden geltend gemacht wurde.
100
Ob der Kläger eine Streitverkündung nach Art. 11 IV EuGVVO vorzunehmen hat, richtet sich nach dem für die Klage maßgeblichen Recht. Materiell ist nach Art. 3 Nr. 1a EGBGB i.V.m. Art. 4 I Rom-II-Verordnung italienischen Recht anzuwenden, da der Schaden in Italien eingetreten ist. Prozessual wird hingegen deutsches Recht angewandt3, Art. 3 I EGZPO.
101
1 http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil. 2 Kassationsgericht Entscheidung Nr. 1688 v. 27. 1. 2010. 3 Art. 3 I EGZPO.
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Rz. 102
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
102
Nach § 62 ZPO können im Fall einer notwendigen Streitgenossenschaft nur alle Beteiligten gemeinsam klagen bzw. verklagt werden. Wann eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, bestimmt sich im Falle einer prozessual notwendigen Streitgenossenschaft daher nach deutschem Prozessrecht und im Falle einer materiellrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft kommt hier nach den Normen der ZPO nicht in Betracht, jedoch ist dann wiederum an das materielle ausländische Recht zu denken. Wie beispielsweise das materielle italienische Recht in Art. 144 III Codice delle Assicurazioni vor, dass in einem Rechtsstreit gegen das Versicherungsunternehmen auch der Schädiger zu verklagen ist. Insoweit handelt es sich nach italienischem Recht um eine materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft. Insofern ist dann eine Klagerweiterung gegenüber den Versicherungsnehmer zu denken1.
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Für Überraschungen sorgen können dabei insbesondere die Art. 144 Abs. 3 und 145 Abs. 1 des Gesetzes 209/05 (italienisches VVG). Art. 144 Abs. 3 Dlgs 209/05 sieht vor, dass bei klagweiser Geltendmachung des Direktanspruchs neben der Haftpflichtversicherung auch der Schädiger verklagt werden muss.
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Das AG München, Az. 344 C 9577/06, hat in einem Vermerk zur Rechtslage entschieden, dass beide Normen dem italienischen Prozessrecht zuzuordnen sind und auf das in Deutschland anhängige Verfahren keine Anwendung finden. Dem ist zuzustimmen, zumal die Regelung des Art. 144 Abs. 3 Dlgs 209/05 sonst in Deutschland nicht realisiert werden könnte, da sich aus den Art. 11 Abs. 2 und 9 Abs. 1b EuGVVO allein ein Gerichtsstand für den Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung, nicht aber für die Klage gegen den Schädiger ergibt. Zur Sicherheit empfiehlt es sich jedoch, zumindest die leicht zu erfüllenden Voraussetzungen des Art. 144 Abs. 3 Dlgs 209/05 einzuhalten und die italienische Versicherung gleich zu Beginn der Mandatsbearbeitung per Einschreiben mit Rückschein zur Regulierung aufzufordern. Dieses Vorgehen erspart umfangreiche Schriftsätze und Verfahrensverzögerungen durch Rechtsgutachten. Gleichzeitig wird die Verjährung unterbrochen.
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Wer zu Beginn der Schadensregulierung an die Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren denkt, sei auf die Entscheidung des Kassationsgerichts Nr. 11605/05 hingewiesen. Die Gebühren sind danach zu erstatten, und zwar sogar dann, wenn die Versicherung des Schädigers den Schaden innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von 60 Tagen reguliert (die entsprechende Fristregelung findet sich in Art. 148 Dlgs 209/05).
106
Spezialregelungen finden sich im Versicherungsrecht, z.B. in der Verordnung des Präsidenten der Italienischen Republik (S.p.r.) 254/2006 mit festgelegten Haftungsquoten bei bestimmten Unfallkonstellationen. 1 AG München v. 22. 2. 2011 – 333 C 21800/10.
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Rz. 112 Teil 13
a) Schadenersatzansprüche des Geschädigten Anspruchsgrundlage für Schadenersatzansprüche des Geschädigten sind Art. 1223 Abs. 1 und 2056 Abs. 2 CC. Trägt der Geschädigte ein Mitverschulden, so ist nach Art. 1227 CC sein gesamter Anspruch um den Mitverschuldensanteil zu kürzen.
107
aa) Vermögensschäden Der Geschädigte ist in Bezug auf Sachschäden so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde – und zwar durch Wiederherstellung oder Geldleistung.
108
(1) Reparaturkosten Die Reparaturkosten können durch Reparaturrechnung oder Kostenvoranschlag belegt werden. Der Beweiswert der Unterlagen steht im Ermessen des Gerichts1. Nur die objektiv nötigen Reparaturkosten sind erstattungsfähig. Sind höhere Kosten angefallen, hat der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen2. Anders nur, wenn sie wegen besonderer Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt waren3.
109
Erfolgt die Abrechnung auf Kostenvoranschlags- oder Gutachtenbasis, wird die Mehrwertsteuer nach neuester Rechtsprechung wieder erstattet4.
110
In der italienischen Rechtsprechung zeichnet sich derzeit eine Tendenz ab, dem Geschädigten auch bei einem wirtschaftlichen Totalschaden die Erstattung seiner Reparaturkosten zuzusprechen. Grundlage hierfür ist Art. 2058 CC, wonach der Geschädigte Wiederherstellung verlangen kann, solange diese möglich ist. Eine Grenze zieht allerdings Art. 2058 Abs. 2 CC, wenn die Widerherstellung für den Schuldner mit einer übermäßigen Belastung verbunden ist.
111
(2) Totalschaden Bei einem Totalschaden kann der Geschädigte nach Art. 2058 CC die Kosten eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges oder den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes verlangen.
1 Cass. Civ., n. 2402/98, in Foro it., 1998, I, 1438; Cass. Civ., n. 591/98; Cass. Civ., n. 970/96; in Giust. Civ., 1996, I, 1309; Cass. Civ., n. 5565/91. 2 Rossello, Il danno evitabile, Padova 1990, 173 ss. 3 Cass. Civ., n. 970/1996 e Cass. Civ., n. 2402/1998. 4 Cass. Civ., n. 1688/2010.
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Teil 13
Rz. 113
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
(3) Wertminderung 113
Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch ist, dass die vollständige Wiederherstellung des Fahrzeugs in technischer Hinsicht unmöglich geworden ist oder wegen des Unfallschadens bei der Weiterveräußerung ein geringerer Erlös erzielt wird. Angesichts moderner Reparaturmöglichkeiten kann der Fahrzeugwert nach der Reparatur allerdings höher sein als vorher, dann ist kein Raum für eine Wertminderung1. (4) Abschleppkosten
114
Abschleppkosten für den Transport des unfallbeschädigten Fahrzeugs von der Unfallstelle bis zu nächstgelegenen Werkstatt sind erstattungsfähig. (5) Mietwagenkosten
115
Diese Kosten werden erstattet, wenn das beschädigte Fahrzeug für berufliche Zwecke des Geschädigten benötigt wird. Bei Privatleuten werden die Kosten erstattet, wenn sie nachweisen, dass sie zwingend waren, z.B. weil sie körperlich behindert sind. In jedem Fall ist der Geschädigte gehalten, die Kosten gering zu halten. (6) Nutzungsausfall
116
Die prinzipielle Erstattungsfähigkeit des Nutzungsausfalls beruht auf der Entscheidung des Obersten Gerichts v. 3. 3. 1958, Nr. 70898 betreffend ein Nutzfahrzeug. Ausgehend von dieser Entscheidung hat die Rechtsprechung die Erstattungsfähigkeit des Nutzungsausfalls auch auf Privatfahrzeuge ausgedehnt:2 Der zeitliche Umfang ist beschränkt auf die normale Reparaturdauer. Gezahlt werden pro Tag Sätze zwischen 5,00 und 30,00 Euro; je nach Fahrzeugtyp und -größe. Manchmal gelingt es aber auch, weitaus höhere Sätze auszuhandeln.
117
Nach einem aktuellen Urteil ist ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs der Nutzungsausfall während der erforderlichen Reparaturdauer stets zu entschädigen. Der Nachweis eines Ausfallschadens sei nicht erforderlich, weil der Fahrzeughalter auch während der Fahrzeugreparatur Kosten trägt (z.B. Versicherung, Kraftfahrzeugsteuer, usw.)3. 1 Franzoni, Dei fatti illeciti, in Comm. del cod. civ. a cura di Scialoja e Branca, Bologna-Roma, 1993, 771 ss. 2 App. Milano, 20 febbraio 1959. 3 Kassationsgerichts Nr. 1688 v. 27. 1. 2010.
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Rz. 123 Teil 13
(7) Gutachterkosten Wird bei einem Verkehrsunfall ein Kfz beschädigt, so steht der gegnerischen Haftpflichtversicherung das Recht zu, den Schaden durch einen eigenen Sachverständigen untersuchen zu lassen. Es empfiehlt sich daher, den Schaden per Einschreiben zu melden und eine Frist zur Begutachtung zu setzen, nach deren Ablauf ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben wird. Italienische Versicherungen weigern sich allerdings regelmäßig, außergerichtlich die Kosten des Sachverständigen zu übernehmen.
118
Bei leicht zu bewertenden Blechschäden kann eine reibungslose Regulierung durch die Einreichung eines Kostenvoranschlages mit Fotografien erreicht werden.
119
(8) Selbstbeteiligung bei Vollkasko Bei Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung stellt die Selbstbeteiligung eine erstattungsfähige Schadensposition dar.
120
(9) Pauschalunkosten Das italienische Schadenersatzrecht kennt keine Erstattung von Pauschalunkosten. Allerdings werden häufig „kulanzhalber“ ca. 20–25 Euro der gegnerischen Versicherung übernommen. Werden Belege für unfallbedingte Nebenkosten wie Telefon-, Faxkosten oder dergleichen vorgelegt, so erfolgt eine Erstattung.
121
(10) Schadensfinanzierungskosten Nimmt der Geschädigte einen Kredit in Anspruch, um sein Fahrzeug reparieren zu lassen, sind die hierfür anfallenden Kosten nicht erstattungsfähig. Der Geschädigte kann üblicherweise nur die gesetzlichen Zinsen ab dem Zeitpunkt des Verzugseintritts verlangen.
122
(11) Erstattung von Vermögensschäden durch Arbeitsunfähigkeit Eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führt zu Gehalts- oder Gewinneinbußen, die nach rein juristischen Parametern zu erstatten sind und für die es keine feste Sätze oder rechtsmedizinischen Barémes gibt1. Der Geschädigte hat Anspruch, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. 1 Cass. Civ., n. 8599/01; Cass. Civ., n. 1512/01 Cass Civ., n. 12022/2000; Cass. Civ., n. 4231/99.
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Teil 13
Rz. 124
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
Der Vermögensschaden kann sich aus vorübergehender oder endgültiger Arbeitsunfähigkeit ergeben. Die Beweislast obliegt dem Geschädigten, der über das Gutachten eines Rechtsmediziners (Medico legale) den Nachweis einer dauernden oder vorübergehenden Invalidität erbringen kann. (12) Ausgleich für Chancenverlust 124
Die unfallbedingte Verletzung kann zur Folge haben, dass der Geschädigte in seinem beruflichen Fortkommen gehindert ist. Ihm können Nachteile entstehen, obwohl er seiner Arbeit wie gewohnt nachgeht, denn Gegenstand des Ersatzanspruches ist ein Karrieresprung1.
125
Die Höhe des Schadens kann dadurch ermittelt werden, dass z.B. die nicht realisierten Einkünfte errechnet oder das derzeitige Gehalt in der aktuellen Berufsgruppe verglichen wird mit demjenigen, das der Geschädigte nach einer Beförderung verdient hätte.
126
Führt die Verletzung zu einer zeitlichen Verzögerung in der Ausbildung, muss ermittelt werden, wann der Geschädigte ohne den Unfall seine Ausbildung beendet hätte und ins Erwerbsleben eingetreten wäre2. Die Schadensermittlung muss im Rahmen einer Prognose erfolgen.
127
Nach Art. 2697 CC trägt der Geschädigte die Beweislast. Er muss plausibel darlegen, dass und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein normaler Geschehensablauf zu dem für ihn günstigen Ergebnis geführt hätte. Der Vortrag reiner Mutmaßungen genügt nicht. Dagegen trägt der Schädiger die Beweislast für Umstände, die den Eintritt der Entwicklung eingeschränkt hätten oder dass sich wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten 3 anders entwickelt hätten. bb) Nichtvermögensschaden
128
Italienische Rechtsprechung und Lehre haben mühevoll die nichtvermögensrechtliche Natur des Körperschadens herausgearbeitet, die im Gesetz 5 v. März 2001, Nr. 57 eine Kodifikation erfahren hat. Der Vermögensschaden muss getrennt von den Folgen der Gesundheitsverletzung betrachtet werden4.
1 2 3 4
Cass., sez. lav. n. 6506/85; Cass. Civ., n. 8468/00; Cass. Civ., n. 11522/97. Cass. Civ., n. 682/01. Cass. Civ., n. 15759/01. Die Unterscheidung zwischen den Körperschäden und den finanziellen Schadensfolgen lässt sich bereits der historischen Entscheidung v. 14. 7. 1986, Nr. 184 der Corte Costituzionale entnehmen.
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Rz. 135 Teil 13
Der Nichtvermögensschaden umfasst diejenigen Schäden, die aus einer Verletzung oder einem Verlust von immateriellen Gütern herrühren. Darunter fällt jegliche Verletzung in der Entfaltung der Person und ihrem Handeln, soweit dies nicht erwerbsgerichtet ist1.
129
Innerhalb dieses Schadens wird in der italienischen Lehre unterschieden zwischen dem Körperschaden (danno biologico), dem immateriellen Schaden (danno morale) und der Entschädigung für entgangene Lebensfreude (danno esistenziale2), wobei letzterer seit der Grundsatzentscheidung des Kassationsgerichtshofs vom 11. 11. 2008, Nr. 26972/2008 nicht mehr als eigenständige Position behandelt wird, allerdings in den immateriellen Schaden einfließt.
130
(1) Körperschaden (danno biologico) Der Körperschaden muss nach italienischem Recht durch einen Rechtsmediziner festgestellt werden. Dieser bewertet die Verletzungen, seien sie rein körperlicher oder auch psychischer Natur, mit Invaliditätspunkten, soweit es sich um einen Dauerschaden handelt.
131
Kommt der Sachverständige dabei z.B. zum Schluss, dass der Geschädigte zu 14 % dauerhaft invalide worden ist, weist er ihm 14 Invaliditätspunkte zu. Pro Invaliditätspunkt wird dem Geschädigten ein bestimmter Schadenersatzbetrag zugesprochen. Hierbei haben die Gerichte Tabellen erstellt und dadurch dazu beigetragen, die Berechnung des Schadenersatzes zu vereinfachen, da es noch viele weitere Tabellen gibt.
132
Die bedeutendste ist die Tabelle des Mailänder Gerichtes. Sie wird auch von vielen anderen Gerichten herangezogen und hat dadurch eine Vereinheitlichung der Rechtsanwendung bewirkt. Die Festsetzung des Schadenersatzes ist sehr schematisch.
133
Nach Art. 138 des neuen italienischen Versicherungsgesetzes kann der Richter zudem den Maximalbetrag bis zu 30 % erhöhen, um im Einzelfall der besonderen Situation des Geschädigten Rechnung zu tragen3.
134
Bei vorübergehender Invalidität ermittelt der Sachverständige, in welchem zeitlichen Rahmen und in welchem jeweiligen Umfang diese besteht. Der Geschädigte erwirbt pro Tag einen zusätzlichen Schadenersatzanspruch.
135
1 Porrce, La matrice esistenziale del danno biologico, in La nuova giur. Civ. comm. 2006, 710. 2 Cfr. Cendon – Gaudino – Ziviz, Responsabilità Civile, in Riv. Trim. dir. E proc. Civ., 1991, 1005. 3 Cfr. Domenico Chindemi, Il nuovo danno non patrimoniale, in La nuova giur. Civ. comm., 2006, 2, 137.
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Rz. 136
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
(2) Immaterieller Schaden (danno morale) 136
Mit dieser Schadensposition soll ein Ausgleich für einen nicht wirtschaftlich messbaren Verlust geschaffen werden, der aus den (vorübergehenden) Schmerzen und Unannehmlichkeiten herrührt. In der Praxis wird sich der Richter bei der Bemessung an dem Schadensbetrag für den Körperschaden orientieren und diesen um eine Quote von 1/4 bis 1/ 2 erhöhen.
137
Er ist gehalten, den errechneten Betrag nach den Vorgaben des Kassationsgerichts und des Verfassungsgerichts an die Umstände des Einzelfalles anzupassen und nach Art. 2059, 2056 und 1226 CC eine Entscheidung unter Ausübung billigen Ermessens zu treffen. cc) Die Rechte von Hinterbliebenen
138
Im Falle der Tötung eines Menschen spricht das italienische Recht auch den Hinterbliebenen eigene Schadenersatzansprüche auf Ersatz von Vermögensschaden und Nichtvermögensschaden zu. Anspruchsberechtigte sind dabei die Ehegatten und Nachkommen des Getöteten. Weiterhin können auch Nichten und Neffen, Großeltern und Geschwister, Onkel und Tanten, etc. einen Anspruch haben, aber nur, wenn zum Verstorbenen nachweislich ein besonders enges, vertrauensvolles zwischenmenschliches Verhältnis bestanden hat1.
139
Als Vermögensschaden der Hinterbliebenen kommt ein Anspruch auf Zahlung von Unterstützungs- oder Unterhaltsleistungen in Frage, an Nichtvermögensschaden der Körperschaden (danno biologico) und der immaterielle Schaden (danno morale). dd) Verjährung von Schadenersatzansprüchen
140
Nach Art. 2947 Abs. 2 CC verjähren Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall in zwei Jahren. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die zugrunde liegende Handlung zugleich eine Straftat darstellt und für die Straftat eine längere Verjährungsfrist läuft. Dann gilt diese auch für die Verjährung der zivilrechtlichen Ansprüche, wenn sie länger als zwei Jahre ist. Die Verjährung beginnt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, sobald der Schaden erkennbar ist, also nicht automatisch mit dem Unfalltag.
141
Sie kann durch Klageerhebung, aber auch durch eine unmissverständliche Zahlungsaufforderung unterbrochen werden, die aus Beweisgründen per Einschreiben mit Rückschein versendet werden sollte. 1 Cass. Civ., n. 11007/03.
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IV. Schadenersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern
Rz. 147 Teil 13
ee) Kosten der Rechtsverfolgung Bei der Erstattung von Kosten für die Rechtsverfolgung muss zwischen den Kosten eines Gerichtsverfahrens und außergerichtlichen Kosten unterschieden werden.
142
Hinsichtlich der Gerichtskosten sieht Art. 91 der Prozessordnung vor, dass der Richter im Endurteil die unterlegene Partei dazu verurteilt, die Kosten zu tragen und die Verfahrenskosten sowie die außergerichtlichen Kosten festsetzt. Bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen erfolgt eine Kostenquotelung.
143
Hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten bei außergerichtlicher Beilegung enthält das italienische Recht keine festgeschriebene Rechtsgrundlage, die Erstattungsfähigkeit ist aber höchstrichterlich bestätigt worden1.
144
ff) Mindestdeckungssummen in der KH-Versicherung (Personenkraftwagen – Stand 12/2010) Körperschaden pro Ereignis: 2 500 000,00 Euro
145
Sachschaden pro Ereignis: 500 000,00 Euro Ab 1. 1. 2012 Körperschaden pro Ereignis: 5 000 000,00 Euro Sachschaden pro Ereignis: 1 000 000,00 Euro
2. Schadenregulierung nach österreichischem Recht a) Schadenspositionen aa) Reparaturkosten Reparaturkosten werden bei Vorlage einer Reparaturkostenrechnung, eines Kostenvoranschlages oder eines Sachverständigengutachtens erstattet. Handelt es sich um einen kleinen Schaden, so werden häufig Reparaturkostenübernahmeerklärungen ausgestellt. Soweit die Belege aus dem Ausland stammen, ist jedoch nachzuweisen, dass die Reparatur tatsächlich stattgefunden hat.
146
Es empfiehlt sich, der gegnerischen Versicherung vor Vornahme der Reparatur eine Besichtigung des beschädigten Fahrzeuges einzuräumen, so-
147
1 Entscheidungen des Kassationshofes Nr. 11605/05 sowie Nr. 997/10 vom 21. 1. 2010.
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Teil 13
Rz. 148
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
weit die Reparatur nicht in einer österreichischen Werkstätte erfolgen soll. 148
Fahrten von der Werkstatt an die Wohnanschrift und sodann zur Abholung des reparierten Fahrzeuges werden nach Absprache mit der Versicherung erstattet. Gegebenenfalls werden auch Kosten für die Unterkunft in einem Hotel für die Zeit der Reparatur des Fahrzeuges übernommen.
149
Im Gegensatz zum deutschen Recht wird in Österreich nach wie vor die Mehrwertsteuer erstattet, ist diese in einem österreichischen oder deutschen Sachverständigengutachten aufgeführt, unabhängig davon, ob eine Reparatur stattgefunden hat oder nicht. Nur einige Versicherungen wenden ein, bei nicht erfolgter Reparatur sei die Mehrwertsteuer wegen vermuteter Bereicherung des Fahrzeughalters in Abzug zu bringen. bb) Totalschaden
150
Es wird von einem wirtschaftlichen Totalschaden ausgegangen, soweit die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges um 15 % übersteigen. Liegt ein solcher Schaden vor, werden pauschal meist Euro 100,00 für Abmeldung des alten und Anmeldung eines Ersatzfahrzeuges übernommen. Gutachterkosten werden regelmäßig problemlos erstattet. cc) Abschleppkosten
151
Abschleppkosten werden bei einem unfallbedingt nicht fahrbereiten Fahrzeug bei Vorlage der Originalrechnung bis zur nächstgelegenen Werkstatt erstattet. Handelt es sich um eine nicht nur unerhebliche Beschädigung, so erstattet die Versicherung Abschleppkosten bis zu einer Vertrags- oder Vertrauenswerkstätte des Geschädigten. Rückführungskosten werden unter Berücksichtigung von Abholungs-, Reise- und Rückfahrkosten des Geschädigten übernommen. dd) Wertminderung
152
Wertminderung wird bei Fahrzeugen, die nicht älter als zwei Jahre sind, anerkannt, soweit kein Vorschaden gegeben ist. Die Höhe der Wertminderung bemisst sich meist nach der so genannten Sacher-Wielke Methode. Üblicherweise werden jedoch nicht mehr als 10 % des Zeitwertes erstattet. ee) Mietwagenkosten
153
Mietwagenkosten werden für die Zeit geleistet, in der sich das Fahrzeug zur Reparatur in der Werkstätte befindet (dies gilt auch für das Wochen1338
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IV. Schadenersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern
Rz. 157 Teil 13
ende und Feiertage), wobei zusätzlich eine Bedenkfrist eingeräumt wird, handelt es sich nicht um einen Bagatellschaden. Ob das Fahrzeug beruflich benötigt wird, spielt nach österreichischem Recht keine Rolle. Wird ein neues Fahrzeug angeschafft, kam es zu einem Totalschaden, werden Mietwagenkosten bis zur Lieferung des Neufahrzeuges übernommen, sofern das neue Fahrzeug innerhalb kurzer Überlegungsfrist bestellt wurde. Nutzungsausfall wird generell bei Privatfahrzeugen nicht gezahlt, so dass es sich empfiehlt, ein Mietfahrzeug in Anspruch zu nehmen. Benötigt man ein solches nicht, so hat man aus Sicht österreichischer Versicherer auch keinen Schaden. Zu erstatten sind hingegen die weiterlaufenden Fixkosten wie Versicherungsprämie, die Kosten für die Fahrzeugsteuer sowie etwaige Abstellkosten.
154
ff) Nutzungsausfall Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen wird Nutzungsausfall bei Nachweis erstattet.
155
gg) Übernachtungs- und Verpflegungskosten Übernachtungs- und Verpflegungskosten werden gegen Nachweis von Originalquittungen erstattet, wenn es sich um unfallbedingte Mehrkosten handelt. Ersparte Sowieso-Kosten werden in Abzug gebracht.
155a
hh) Unkostenpauschale Eine Unkostenpauschale ist gesetzlich nicht vorgesehen, wird jedoch häufig kulanzhalber übernommen. Soweit höhere Kosten durch Telefonate oder Faxe etc. entstanden sind, sollten entsprechende Belege bei der Versicherung eingereicht werden.
156
ii) Arzt- und Heilungskosten Arzt- und Heilkosten werden erstattet, wobei zu beachten ist, dass nach österreichischem Recht dazu neben Heilbehandlungskosten Auslagen für Medikamente, Prothesen, Rollstühle, Kuren und kosmetische Operationen gehören. Diese Positionen wurden bislang sogar fiktiv übernommen. Der Trend der Versicherungen geht aber dahin, nur noch bei tatsächlichem Anfall eine Kostenerstattung vorzunehmen. Des Weiteren werden Kosten für Pflegekräfte und auch für andere Hilfspersonen (auch Verwandte, die den Geschädigten unterstützen), geleistet.
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Teil 13
Rz. 158
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
jj) Schmerzensgeld 158
Schmerzensgeld wird in Österreich in weitaus höheren Summen als nach deutschen Grundsätzen gezahlt. Grundsätzlich wird ein einmaliger Betrag ausgekehrt, es sei denn, die erlittenen Verletzungen und der Heilverlauf sind auf unabsehbare Zeit nicht feststellbar. Für die Höhe des Schmerzensgeldes ist weniger das Verschulden des Verursachers als vielmehr die Art und Schwere und Dauer der Schmerzen entscheidend.
159
Generell werden vier Schmerzstufen unterschieden: Leichte, mittlere, starke und unerträgliche Schmerzen. Je nach Abstufung erhält man Tagessätze von ca. 60,00 bis 400,00 Euro, wobei diese, wird der Schadenersatzanspruch gerichtlich geltend gemacht, je nach Landgerichtsbezirk unterschiedlich ausfällt.
160
Schon seit langem hat nach österreichischem Recht der Geschädigte nicht nur bei schuldhaftem Verhalten einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Dieses wird vielmehr auch dann gezahlt, liegt eine vom Verschulden unabhängige Gefährdungshaftung vor.
161
Stirbt der Verletzte, so hat er einen Anspruch auf Schmerzensgeld erlangt, der unmittelbar vererblich ist, wenn eine Gefahrdungshaftung zugrunde liegt. Handelt es sich hingegen um Verschuldenshaftung, so muss ein solcher Schmerzensgeldanspruch gerichtlich geltend gemacht werden, solange der Geschädigte lebt, es sei denn, die Versicherung erkennt den Anspruch außergerichtlich an.
162
Hat sich der Geschädigte in Österreich von einem Arzt untersuchen zu lassen, so werden die Reisekosten erstattet. kk) Verdienstausfall
163
Verdienstausfall wird anerkannt. Die Versicherungen zahlen entgangenen Nettoverdienst unter Berücksichtigung eines möglicherweise gezahlten Krankengeldes. Der Geschädigte hat entweder eine aktuelle Gehaltsabrechnung oder aber seinen letzten Einkommenssteuerbescheid vorzulegen.
164
Hausfrauen oder auch Hausmänner haben Anspruch auf eine Rente, soweit sie aufgrund des Unfalles die Haushaltsführung oder Kindererziehung nicht übernehmen können. Die Höhe bemisst sich nach dem jeweiligen Beitrag zum Familienunterhalt sowie den Kosten für eine Ersatzkraft. Wird diese nicht eingestellt, so werden die fiktiven Kosten erstattet. Handelt es sich nicht um eine dauerhafte Einschränkung, so wird ein einmaliger Betrag geleistet.
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V. Exkurs: Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen
Rz. 171 Teil 13
b) Adhäsionsverfahren In Österreich anhängige Zivilverfahren werden oft wegen eines anhängigen Strafverfahrens ausgesetzt. Im Gegensatz zu Deutschland spielt das Adhäsionsverfahren tatsächlich eine Rolle. Auf Antrag des Geschädigten werden dessen Ansprüche regelmäßig im Strafverfahren bereits vollständig mitgeregelt, so dass keine Verzögerung bei der Schadensregulierung eintritt.
165
c) Verjährung Schadenersatzansprüche verjähren gemäß § 1489 ABGB nach 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens sowie des Schädigers. Bei Unkenntnis von Schaden und Geschädigten besteht eine 30jährige Verjährungsfrist.
166
Die Verjährung ist gehemmt bis zur Zustellung eines Schreibens der gegnerischen Versicherung mit dem Inhalte, dass der Schadenersatzanspruch abgelehnt werde. Die Verjährung kann unterbrochen werden durch (auch teilweise) Zahlung des Schadens und durch Anschluss des Geschädigten als Privatbeteiligter in einem Strafverfahren gegen den Geschädigten. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, mit der Versicherung eine Vereinbarung zu schließen, wonach auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird, solange Vergleichsverhandlungen geführt werden.
167
d) Anwaltskosten Anwaltskosten werden meist mit 10 % der Entschädigungssumme zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer übernommen.
168
e) Mindestdeckungssummen in der KH-Versicherung (Personenkraftwagen – Stand 12/2010) Körper- und Sachschaden pro Ereignis: 6 000 000,00 Euro.
169
V. Exkurs: Vollstreckung von verkehrsrechtlichen Geldstrafen und Geldbußen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten in Deutschland Mit Unfällen gehen regelmäßig Ordnungswidrigkeiten, die Geldstrafen und Geldbuße zur Folge haben einher. Aus diesem Grund sei allgemein zur Vollstreckung von verkehrsrechtlichen Geldstrafen und Geldbußen folgendes angemerkt:
170
Seit dem 28. 10. 2010 ist das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Vollstreckung von Ordnungswidrigkeiten in Kraft getre-
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Rz. 172
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ten. Die einzelnen Bestimmungen finden sich in den §§ 86–87t im internationalen Rechtshilfegesetz in Strafsachen, IRG. In diesem Gesetz ist geregelt, wie eine Vollstreckung und das Verfahren erster und zweiter Instanz abläuft. 172
Dabei gilt es zu bedenken, dass Betroffene sich zunächst nach den jeweiligen nationalen Regelungen im dort anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren verteidigen sollten. Zudem bleibt die Geldbuße im jeweiligen Mitgliedstaat weiterhin vollstreckbar.
173
Liegt eine rechtskräftige Entscheidung vor, so ist für die Vollstreckung in Deutschland das Bundesamt für Justiz (BfJ) zuständig. Bei diesem ist auch, sollte das BfJ eine Entscheidung getroffen haben, Einspruch einzulegen. Über den Einspruch entscheidet das Amtsgericht, bei dem der Wohnsitz des Betroffenen ist.
174
Das Gesetz betrifft lediglich Entscheidungen, die nach dem 27. 10. 2010 rechtskräftig wurden. An die Voraussetzungen der Bewilligung zur Vollstreckung werden hohe Anforderungen gestellt. Die meisten Kriterien sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Ein Augenmerk ist insbesondere darauf zu werfen, ob tatsächlich eine Geldsanktion vorliegt. Entscheidend ist, ob die Tathandlung in Deutschland tatsächlich strafbar ist.
175
Der Gesamtwert der Geldsanktion muss 70 Euro überschreiten und der Betroffene muss Gelegenheit gehabt haben, sich zur Sache zu äußern.
176
Nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG muss der Betroffenen über sein Anfechtungsrecht wie auch über die geltenden Fristen belehrt worden sein.
177
Die Geldsanktion darf nicht auf einer verschuldensunabhängigen Halterhaftung beruhen. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegenüber der EU-Kommission eine Erklärung abgegeben mit dem Hinweis, dass es in Deutschland darauf ankommt, wer tatsächlich das Fahrzeug, mit dem eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, zum Tatzeitpunkt führte.
178
Eine Vollstreckung in Deutschland ist nur bei solchen Entscheidungen möglich, die von Strafgerichten erfolgten oder, sollten Behörden diese Entscheidung getroffen haben, zumindest die Kontrolle durch ein Strafgericht gegeben war. Soweit eine Entscheidung einer Behörde ohne Kontrollmöglichkeit durch ein Gericht ergangen ist, ist eine Vollstreckung nicht möglich.
179
Soweit ein Einspruch beim Bundesamt für Justiz eingelegt wird, ist darauf zu achten, dass immer auch das Original oder zumindest eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung mit dem Einspruch vorgelegt wird. Nach § 87b Abs. 1 S. 2 IRG kann eine Vollstreckung in Deutschland nur erfolgen, wenn die der Vollstreckung zugrundeliegende Tat auch im Inland einer Sanktion unterworfen wäre. 1342
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VI. Verordnungen und Richtlinien
Rz. 186 Teil 13
Der Einspruch muss nicht zwingend begründet werden, jedoch empfiehlt dies sich, da in den allermeisten Fällen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, ohne dass die rechtliche Argumentation des Einspruchsstellers Berücksichtigung findet. Nach § 87b Abs. 2 IRG ist nach Zahlung der zugrundeliegenden Geldstrafe keine Vollstreckung mehr möglich.
180
Verwirft das Gericht den Einspruch als unzulässig, so ist dieser Beschluss nach § 87h Abs. 2 IRG unanfechtbar.
181
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts aufgrund eines Einspruchs kann die Rechtsbeschwerde eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde wird nur dann zugelassen, wenn dies der Nachprüfung des Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung dient.
182
Das Verfahren vor dem Bundesamt für Justiz (BfJ) selbst, ist gerichtskostenfrei. Für das Einspruchsverfahren fallen allerdings 50,00 Euro an, soweit dieser verworfen oder zurückgewiesen wird.
183
Für den Fall einer Rechtsbeschwerde werden 75,00 Euro fällig; sofern diese zugelassen, jedoch zurückgewiesen wird. Wird die Rechtsbeschwerde schon gar nicht zugelassen, so ist das Verfahren kostenfrei.
184
VI. Verordnungen und Richtlinien1 1. Materielles Recht (Haftpflichtversicherung) – Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der Richtlinien 72/166/EWG, 84/5/EWG, 88/357/EWG und 90/232/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
185
2. Verfahrensrecht – Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (EG-BewVO), in Kraft seit dem 1. Juli 2001
1 Die Verordnungen und Richtlinien sind stets aktuell zu finden unter www.eurlex.europa.eu.
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Teil 13
Rz. 187
Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung
3. Vollstreckung und Zustellung 187
– Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und – Handelssachen (Brüssel I VO), in Kraft seit dem 1. März 2002
188
– Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, in Kraft seit dem 21. Januar 2005 (geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1869/2005 der Kommission vom 16. November 2005 zur Ersetzung der Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen)
189
– Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EG-MahnVO).
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Feller
Stichwortverzeichnis Die fett gedruckten Zahlen verweisen auf die Teile, die darauffolgenden Zahlen auf die Randnummern innerhalb der Teile. Abdrängungsunfall 6 162 f. Abfindung – Arbeitgeber und Verdienstausfallschaden 4 949 – und § 120 SGB X 4 1045 ff. – Vorbehaltsabfindung 4 1050 ff. Abfindungsvereinbarung; s. Abfindungsvergleich Abfindungsvergleich 5 220 f. – Abfindungsbetrag und Anwaltskosten 5 70 – Abfindungsvorbehalt 5 280 – außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten neben Abfindungsbetrag 5 221 – außergerichtlicher, Kostenerstattung 5 72 – Auswirkung auf unterhaltsberechtigte Hinterbliebene 4 1332 – Definition 5 216 – Kapitalisierung wiederkehrender Leistungen 5 273 ff. – außergerichtliche Regulierung 5 273 ff. – Gerichtsverfahren 5 276 ff. Abrechnung Fahrzeugschaden; s. Fahrzeugschaden, Abrechnung Abschleppen – von Fahrzeugen, Risikoausschluss 7 306 Abschleppkosten, Ersatz 3 284 ff. – italienisches Recht 13 114 – österreichisches Recht 13 151 Abstand – Abstandsunterschreitung 10 94 – Abstandsunterschreitung, Ordnungswidrigkeit 10 94 – Mindestabstand Kfz 10 94 – Seitenabstand Fußgänger 2 322 – Seitenabstand Radfahrer 2 310 – Sicherheitsabstand Kfz zu Radfahrer 2 310 – Sicherheitsabstand Schienenbahn 2 485 – Sicherheitsabstand zu anderem Radfahrer 2 506 Abtretung – Anwaltsgebührenforderung 5 67 – Anwaltskostenerstattung außerhalb Verzugs 5 135
– Deckungsanspruch gegen den Versicherer 6 201 ff. – formularmäßig in Prozessvollmacht 5 66 – Kaskoleistungen 7 459 – Schädiger, Anspruch des 1 41 – sicherungs- oder erfüllungshalber an Werkstatt/Sachverständigen – Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung 8 55 ff. – sicherungshalber 1 51 – zwecks Zeugenaussage 9 14 Adhäsionsverfahren 5 177, 11 124 – österreichisches Recht 13 165 Affektionsinteresse – Schmerzensgeldbemessung 4 696 AKB; s. auch Allgemeine Versicherungsbedingungen (AKB) Aktenauszug, Kosten – Honorarvereinbarung DAV und HUKRVerband 5 28 ff. – Abrechnungsmodalität 5 30 ff. – Ermittlungsaktenauszug 5 28 f. – übliche Vergütung 5 29 Akteneinsicht 5 19 – Bußgeldverfahren 10 48, 68 Aktenführung 1 7 f. Aktivlegitimation – Forderungswechsel 4 196 Akupunkturbehandlung 4 497 Alkohol – alkoholisierter Fußgänger 2 304 – Alkoholverbot, absolutes – in der Probezeit, vor Vollendung 21. Lebensjahr 10 106b – Anflutungsphase 11 45 – Atemalkohol-Messung 10 104 – Mitwirkung des Betroffenen 10 105 – Blutalkoholkonzentration, maßgeblicher Zeitpunkt 11 44 – Drittleistungsbeschränkung bei Missbrauch 4 952 – Eliminationsphase 11 47 – Fahruntüchtigkeit 2 701, 7 153; s. auch Fahruntüchtigkeit, alkoholbedingte – Gefahrerhöhungsfaktor 7 135 – Mengenangabe, Aufklärungsobliegenheit 7 192 – Nachtrunk 7 187 ff.
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Stichwortverzeichnis [Alkohol] – Resorptionsphase 11 46 – Trunkenheitsfahrt 7 410; s. auch Trunkenheit im Verkehr – Trunkenheitsklausel 7 151 ff. – Vollrausch 11 49 ff. – Werte alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit 7 155 Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 8 2 ff. – Auslegung 8 11 ff. – Bedingungsanpassungsklauseln, pauschale 8 9 – Einbeziehung 8 5 ff. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AKB) 7 33 ff.; s. auch Kraftfahrt-Versicherungsvertrag – Änderung, Sonderkündigungsrecht 7 71 – Begriffe der Rechtssprache 7 34 – Einbezug in Kraftfahrt-Versicherungsvertrag 7 57 f. – Geltung, Zeitpunkt der Kenntnisnahme 7 9 ff. – Inhaltskontrolle 7 36 – Risikoausschlussklauseln, Auslegung 7 34 – Spezialität ggü. §§ 23 ff. VVG 7 121 – Transparenzgebot 7 37 – Unklarheitenregelung 7 35 – Unwirksamkeit, Folgen 7 38 – Vertragsauslegung, ergänzende 7 38 Allgemeines Lebensrisiko – Zuschauer am Unfallort 4 452 f. Alternativtäterschaft 2 608 ff. Altersteilzeit – Blockmodell 4 958 – Teilzeitmodell 4 959 – Verdienstausfallschaden 4 957 ff. Altersversorgung, betriebliche; s. auch betriebliche Altersversorgung Ampel, rote; s. auch Rotlichtverstoß Amt für Verteidigungslasten 1 66 ff. Amtshaftung – Bahnfahrzeuge 2 145 – Dienstfahrt 2 143 ff. – Dienstfahrt mit Privat-Pkw 2 140 – Dienstfahrzeug 2 140 – Einsatzfahrt 2 143 ff.; s. auch dort – Feuerwehr 2 143 – Polizei 2 143 – Postfahrzeuge 2 145 – Rettungsdienst 2 144 – Subsidiaritätsprinzip 2 147 – Verweisungsprivileg 2 147 – Einschränkung 2 148
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– Zivildienstleistende 2 144 ff. – Zulassungsstelle, unterlassene Außerbetriebsetzung 7 319 Anerkenntnis – Anerkenntnisverbot, Aufhebung 7 321 – Betrug zu Lasten Dritter 6 230 ff. – Verjährung, Neubeginn 1 87 Anfechtungsklage 12 57 ff. Anfrageverfahren – Scheinselbständigkeit 4 878 Angehörigenprivileg 2 407, 4 213 ff. – Inhalt 4 213 ff. – nach § 116 VI SGB X, Mitverschulden des Rentenversicherten 4 1033 – Personenkreis 4 219 ff. – Familienangehörige 4 219 – Mitbewohner 4 221 – Nichteheliche Lebensgemeinschaft 4 220 – Scheidungskinder 4 222 Angehörigenschmerzensgeld 4 750 f.; s. auch Schockschaden – Schmerzensgeld, Bemessungskriterium 4 700 Anhänger – Anhängerklausel 7 294 – Gefährdungshaftung 2 38 f., 64 – haftungsrechtliche Gleichstellung mit Kfz 2 38 f. – verbundene und getrennte 2 64 – verbundener, Teil des Kfz 2 238 – Versicherungspflicht 2 64 – von Versicherungspflicht befreiter 2 64 Annahmeberufung 11 25 Anscheinsbeweis 2 679 ff. – für Einwilligung des Geschädigten 6 52 ff. – HWS-Verletzung, Auffahrunfall 4 42 – bei Vorsatz 7 399 Anscheinsverschulden 2 708 Anschnallpflicht 2 713 Anspruchsausschluss 4 394 ff. – Einwilligung in Schädigung 4 394 ff. – bewusste Selbstgefährdung 4 395 – sportliche Kampfspiele 4 397 – Haftungsverzicht 4 398 ff.; s. auch dort Anspruchsgegner – Amt für Verteidigungslasten 1 66 ff. – Deutsches Büro Grüne Karte e.V. 1 58 – Haftpflichtversicherungen 1 57 – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 1 59 ff. – Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung 13 54 ff.
Stichwortverzeichnis Anspruchskonkurrenz – Anspruchsnormen bei Schmerzensgeld 4 673 Anspruchskürzung, Mitverantwortung 2 194 ff.; s. auch Mitverantwortung, Anspruchskürzung Anspruchsschreiben 1 17 Anspruchsteller, Fragebogen 1 3 Antragsmodell 7 39 ff. Anwalt – Beratungsfehler, Schmerzensgeldanspruch 4 738 – Interessenkollision bei Unfallmanipulation 7 339 – Stapelvollmachten 1 52 Anwaltliche Tätigkeit 1 9 ff. – Akteneinsicht 1 9, 16 – Anforderungen an 4 149 ff. – Anspruchsschreiben 1 17 – anwaltliche Verantwortung 4 151 f. – Auslandberührung, Verkehrsunfall mit 1 57 ff.; s. auch dort – Beratungspflichten 1 21 ff. – Beweissicherung 1 10 – Kostenvoranschlag 1 10 – Reparaturkostenermittlung 1 10 – Ermittlungen Haftung und Schadenshöhe 4 153 ff. – Gutachtereinschaltung 4 – Interessenkollision Versicherer/Versicherter 6 210 ff. – Klagerücknahme 5 42 f. – Kontakt Partei zu Partei 5 40 f. – Korrespondenz 5 39 – Sachverhaltsaufklärung 5 3 ff. – Aktenauszug 5 26 ff.; s. auch Aktenauszug – Akteneinsicht 5 19 f. – Drittleistungsträger, Zuständigkeit 57 – eigenverantwortlicher Vortrag 5 18 – Einholung von Privatgutachten 5 16 ff. – Ermittlungen 5 21 ff. – Feststellung der Beeinträchtigung 5 3 ff. – Hinweispflichten 5 8 – Honorarvereinbarung DAV/HUKRVerband 5 28 ff.; s. auch dort – Nachforschungs- und Erkundigungspflichten 5 9 – Rechtstatsachenbehauptungen des Mandanten 5 14 – substantiierter Vortrag 5 5
– Tatsachenbehauptungen des Mandanten 5 12 ff. – Schadensanzeige 1 18 ff., 53 ff. – Schadensminderungspflicht 1 25 ff.; s. auch dort – Schadensregulierung 5 3 ff. – Tatsachen- und Rechtsvortrag 4 162 ff. – Überprüfung sozialversicherungsrechtlicher Umstände 4 159 – Unfallhelferringe 1 50 ff.; s. auch dort – Zentralruf 1 11 ff. Anwaltskosten 5 1 ff.; s. auch Anwaltskosten, Erstattung – neben Abfindungsbetrag 5 70 – Aktivlegitimation 5 64 – anderweitige Verfahren 5 171 ff. – Sozial- bzw. Arbeitsrechtsstreit 5 171 – Vormundschaftsgericht 5 172 – Anfall und Erstattung 5 101 ff. – Aufrechnung mit Anspruch auf 5 69 – außergerichtliches Gebührenverfahren 5 73 ff. – Abgleich 5 89 – allgemein 5 73 ff. – Einleitung 5 76 ff. – Mandatsverhältnis 5 85 f. – Schadensersatzverhältnis 5 87 f. – Einzelaspekte 5 292 ff. – anwaltliche Honorarvereinbarung 5 299 ff. – Auslandsberührung 5 306 ff. – Mehrheit von Haftpflichtigen/Versicherern (Gesamtschuld) 5 304 f. – Versicherungsnehmer, AKB 5 292 ff. – Versicherungsnehmer, gestellter Unfall 5 294 ff. – Ersatz bei Verzug des Kaskoversicherers 7 451 – fiktive Erstattung 5 2 – Freistellung des Mandanten 5 68 – Gebührenabkommen 5 184 ff. – DAV-Abkommen 5 187 – RVG-Abkommen 5 187 – Gebührenstreitwert 5 247 ff.; s. auch Streitwert – anderweitige Forderungen 5 283 ff. – dieselbe Angelegenheit 5 258 ff. – differierende verschiedener Gebührentatbestände 5 289 ff. – Gegenstandswert 5 255 ff. – Mandatsverhältnis 5 248 – mehrere Verhandlungen und Abrechnungsschritte 5 262 ff. – Schadensersatzverhältnis 5 249 ff. – Teilerledigung 5 279 ff.
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Stichwortverzeichnis [Anwaltskosten] – Gebührentatbestände 5 188 ff.; s. auch dort – gerichtliches Verfahren 5 90 ff. – Prozesskosten 5 90 – zivilgerichtlicher Vergleich 5 91 ff. – Strafverfahren 5 173 ff. – Adhäsionsverfahren 5 177 – Nebenklage 5 173 ff. – Tätigkeiten außerhalb zivilrechtlicher Schadensregulierung 15 158 ff. – Verhältnis zum Versicherer des Mandanten 5 158 ff. – Abwicklung des Haftpflichtgeschehens 5 168 ff. – Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung 5 162 – Kostentragung des Versicherers 5 158 – Schadensersatzanspruch gegen Dritte 5 160 – Verfolgung eigener Versicherungsansprüche 5 158 ff. – Verteidigung ggü. öffentlich-rechtlichen Maßnahmen 5 182 f. – Zwangsvollstreckung 5 96 ff. Anwaltskosten, Erstattung 5 101 ff. – Anwaltskosten als Schadensersatz 5 101 ff. – Anspruchsgrund 5 102 ff. – Anspruchshöhe 5 140 ff. – Grundsatz 5 102 – Anwaltswechsel 5 146 ff. – Aufwendungsersatz 5 118 – erforderliche Rechtsverfolgungskosten 5 140 – Haftpflichtschadenregulierung 5 119 – Anwalt in eigener Angelegenheit 5 130 ff. – Ausnahmetatbestand 5 119 f. – einfach gelagerter Sachverhalt 5 127 f. – fehlender Versicherungsschutz 5 138 f. – nicht haftpflichtversicherter Schädiger 5 124 – Rechtsnachfolger 5 134 ff. – Rückkehr zum Grundsatz 5 125 – Schutzbedürftigkeit 5 121 ff. – Waffengleichheit 5 123 – Haftung, vertragliche Beziehungen 5 104 – Nebenkosten 5 21 ff.; s. auch Nebenkosten, Anwalt – ortansässiger Anwalt 5 144 f.
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österreichisches Recht 13 168 positive Vertragsverletzung 5 115 f. Schadensminderungspflicht 5 141 f. überzogene Ansprüche 5 117 Umsatzsteuer bei Selbstvertretung 5 133 – Umsatzsteuererstattung 5 148 ff. – Abtretung 5 153 – Auslandsberührung 5 150 – mehrere Mandanten 5 155 – umsatzsteuerpflichtige Schadenspositionen 5 154 – Vorsteuerabzugsberechtigung des Anspruchsberechtigten 5 149 – Verschulden bei Vertragsabschluss 5 115 f. – Verzug 5 105 ff. Anzeigeobliegenheiten 7 158 ff. – beim Autoschutzbrief 7 162 – Bagatellschäden 7 161 – besondere in der Kfz-Unfallversicherung 7 162 – Form 7 159 – Kaskoversicherung 7 160 – Kfz-Haftpflichtversicherung 7 160 Aquaplaning 7 406 ARB s. auch Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung; Rechtsschutzversicherung Arbeitgeber 4 943 ff. – Abtretung der Schadensersatzansprüche 4 557 – Drittleistung 4 556 f. – Drittleistungen und Verdienstausfallschaden – Arbeitgeberabfindung 4 949 – Forderungsübergang 4 947 – Leistungsbeschränkung 4 951 ff. – Lohnfortzahlung 4 943 ff. – Quotenvorrecht 4 946 – Sonderleistungen 4 948 – Vorruhestandsgelder 4 950 – Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers bei Forderungsübergang 8 55 ff. Arbeitnehmer 4 861 f. – außerordentliche Kündigung – wegen Entziehung der Fahrerlaubnis 11 98 ff. – wegen Fahrverbot 11 87 – Unfallverursacher 2 233 ff., 245 Arbeitslose – Verdienstausfallschaden 4 969 ff., 1061 ff.
Stichwortverzeichnis Arbeitslosengeld II – Schmerzensgeld Schonvermögen 4 815 f. Arbeitsmaschine 2 67 – „Betrieb“ Kfz 2 86 Arbeitsstättenweg 4 278 ff. Arbeitsunfähigkeit – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 4 170 – Erstattung von Vermögensschäden, italienisches Recht 13 123 Arbeitsunfall 4 263 ff. – Arbeitsstättenweg 4 279 – ausländische Sozialversicherungsträger, Leistungen 4 – Auslandsberührung 4 308 ff. – Betriebsbezogenheit 4 271 ff. – Betriebsweg 4 280 – Betriebswegeunfall 4 268 – Geltungsbereich SGB VII – RVO 4 264 f. – gestörte Gesamtschuld 2 598 ff. – Grenzen Schadensersatz 4 660 f. – bei Nebentätigkeit 4 294 – Rückforderung 4 266 – Schmerzensgeld 4 660 f. – Schockschaden naher Angehöriger 4 1255 – Schockschaden, Haftungsausschluss 4 660 – Verlust zivilrechtlicher Ansprüche 4 138 – Wegeunfall 4 267 ff.; s. auch dort Arbeitsverwaltung – Drittleistungsträger 4 969 ff.; s. auch dort – Rückforderungsanspruch ggü. gesetzlicher Unfallversicherung 4 135 ff. Arglist – Obliegenheitsverletzung 7 216 – Versicherer im Deckungsprozess, Unfallmanipulation 6 206 Arzt – Arztkosten, Erstattung nach österreichischem Recht 13 157 – Atteste, ärztliche Berichte 4 178 ff. – Falschbehandlung 4 483 – fehlerhafte Beratung 4 479 Atemalkohol-Messung 10 104 f. Attest 4 178 ff. – Halswirbelsäulenverletzung 4 48 Aufbauseminar, Teilnahme 12 17 ff., 48 ff. – Verfahrenseinstellung als mögliche Folge 11 9
Auffahrunfall – Einwilligung, Beweis 6 73 – provozierter Unfall 6 157 – Schadenshergang, Beweis 6 32 – Schienenbahnbeteiligung 2 484 Aufklärung, Unfallhergang s. auch Unfallhergang, Aufklärung Aufklärungsobliegenheiten – Allgemeines 7 163 – Ausnahmefälle 7 169 ff. – einzelne 7 177 ff. – Falschangaben 7 172 f. – Formularfragen 7 167 – Inhalt und Umfang 7 165 ff. – nachteilige Tatsachen 7 165 – neuere Entscheidungen 7 197 – Obliegenheitsverletzung 7 171 – strafrechtlich relevante Tatsachen 7 166 – Unfallflucht 7 177 – Wegfall und Beendigung 7 174 ff. – wichtige und häufige Angaben 7 192 ff. – Alkoholmenge 7 192 – Kaufpreis des Fahrzeugs 7 196 – Laufleistung des Fahrzeugs 7 196 – Person des Fahrers 7 194 – Stand und Verlauf des Strafverfahrens 7 194 – Unfallschilderung 7 193 – Vorschäden 7 195 – Wiederaufleben 7 176 Auflösungsvertrag – Kraftfahrt-Versicherungsvertrag 7 74 Aufrechnung – gegen Kaskoleistung 7 459 – gegen Schmerzensgeldanspruch 4 821 f. Aufsichtspflicht – gegenüber Jugendlichen 2 401 ff. – gegenüber Kind, Anspruchskürzung wegen Mitverschulden 2 376 ff. – gesetzliche Vermutung 2 403 – Umfang und Inhalt 2 402 – Verletzung 4 89 ff. – Verletzung, Ansprüche des Kindes 2 406 f. – Verletzung, Haftungseinheit mit Kind 4 390 – Verletzung, Verschuldensmaßstab 2 407 Aufwendungsersatz – Nothelfer, Anspruch des 4 443 ff. Augenblicksversagen 7 394 – Geschwindigkeitsüberschreitung 10 88 Ausbildung – Mehrbedarf, Kosten 4 571 ff.
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Stichwortverzeichnis Ausgangsgeschwindigkeit, Ermittlung 2 633 ff. Ausgenutzter Unfall 6 21 ff., 169 ff.; s. auch Unfallmanipulation – Eckdaten der Schadensschätzung, Manipulation 6 175 – Kompatibilitätsanalyse 6 172 – Mitwirkende 6 22 – Schadensvergrößerung, nachträgliche 6 181 ff. – Vorschäden, Einbringung in Abrechnung 6 170 ff. – Weiterbenutzungswille, Vortäuschung 6 177 ff. – Schaden im 100%-Bereich 6 178 – Schaden im 130%-Bereich 6 179 Auskunftsstelle, zentrale – Haftpflichtversicherungen 1 13 ff. Ausland; s. auch Auslandsberührung, Verkehrsunfall – Anreise aus, Besucherkosten 4 513 – Arbeitsunfall im 4 313 ff. – Arbeitsunfall mit Ausländerbeteiligung 4 308 ff. – ausländische Fahrerlaubnisse 12 56b ff. – ausländische Fahrzeuge, Versicherungspflicht 13 1 ff. – ausländischer Verletzter, Schmerzensgeldkriterien 4 703 f. – ausländisches Kfz in Deutschland 4 257 – Auslandsschäden, Abfindungsbetrag und Anwaltskosten 5 71 – Auslandsunfall, Schmerzensgeld 4 702 – Auslandtitel gegen haftungsfreigestellte Schädiger 4 659 – medizinische Behandlung im 4 498 – Regress nach § 119 SGB X bei Auslandsberührung 4 1028 f. – Schaden im 4 258 Auslandsberührung, Verkehrsunfall 13 1 ff. – Anwaltskosten 5 306 ff. – Auskunftsstelle nach § 8a PflVG 13 35 ff. – ausländische Fahrzeuge, Versicherungspflicht 13 1 – ausländische Rechtsanwälte, ARB 8 44 f. – ausländische Rechtsanwälte, Einschaltung 5 308 – Auslandsunfälle mit Ausländern 13 13 ff. – 4./5.Kraftfahrzeughaftpflicht (KH)Richtlinie 13 26 ff.
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Anwendbares Recht 13 13 ff. Auskunftsstelle 13 35 ff. Entschädigungsstelle 13 45 ff. Rom-II-Verordnung 13 13 ff. Schadensregulierungsbeauftragte 13 39 ff. – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 13 47 – Auslandsunfälle mit Inländern 13 9 ff. – Deutsches Büro Grüne Karte e.V. 1 58; 13 7 f. – Grüne-Karte-System 13 2 – Inlandsunfälle mit Ausländern 13 1 ff. – Internal Regulations 13 3 – italienisches Recht, Schadensregulierung 13 98 ff.; s. auch dort – Klageverfahren 13 62 ff. – Gebühren 13 88 ff. – Kosten 13 88 ff. – materielles Recht, Ermittlung des anwendbaren 13 74 – materielles/Prozessrecht, Abgrenzung 13 75 ff. – prozessuale Grundlagen 13 62 ff. – Rechtsmittel 13 91 f. – Rechtsschutz 13 85 ff. – Vollstreckung Titel in Mitgliedsstaaten 13 93 ff. – materielles Schadensersatzrecht in ausgewählten EU-Ländern 13 97 ff. – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 146 ff.; s. auch dort – Regulierung, außergerichtliche 13 53 ff. – Anspruchsgegner 13 54 ff. – Deutsches Büro Grüne Karte 13 55 – Haftpflichtversicherungen 13 54 – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 13 56 ff. – Regulierung, Grundlagen 13 1 ff. – Umsatzsteuer auf Anwaltskosten, Wegfall der Erstattung 5 150 – Umsatzsteuerpflicht Anwaltsleistungen 5 309 – Verordnungen und Richtlinien – materielles Recht, Haftpflichtversicherung 13 185 – Verfahrensrecht 13 186 – Vollstreckung und Zustellung 13 187 – Vollstreckung verkehrsrechtlicher Geldstrafen und Geldbußen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten 13 170 ff. Aussageverweigerungsrecht – und Fahrtenbuchauflage 10 115 Ausschlussfrist – Ansprüche gegen Amt für Verteidigungslasten 1 67
Stichwortverzeichnis [Ausschlussfrist] – Ansprüche aus Gefährdungshaftung 1 90 ff. Außenverhältnis – Gesamtschuldnerische Haftung s. auch dort Außerbetriebsetzung 7 81 Auswahlverschulden – bzgl. Werkstatt, Gutachter, Mietwagenunternehmen 1 40 f. – Geschädigter – Sachverständiger 1 24 – Werkstatt, qualifizierte 1 24 Auszubildende – Verdienstausfallschaden 4 1108 ff. Babysitterkosten 4 518 Bagatellschaden 3 18, 4 27 ff. – Bagatellgrenze 3 304 – Sachverständigengutachten, Erforderlichkeit 3 303 ff. – unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 183 – verborgene Schäden, Ermittlung 3 306 Bagatellverletzung – Schmerzensgeld 2 34, 4 705 ff. Bahnfahrzeuge 2 145 – Unabwendbarkeitsnachweis 2 100 Bamberger Gutachten – zur Eigenersparnis bei Mietwagenanmietung 3 253 Barunterhalt; s. auch Unterhaltsschaden Baufahrzeuge 2 66 Beamte – Amtshaftung, Unfall mit Dienstfahrzeug 2 72 – Beerdigungskosten 4 1324 – Beihilfe, Anspruch auf 4 558 – Dienstfahrt mit Privat-Pkw 2 72, 140 – Dienstfahrzeug 2 140 – Dienstherrenregress 4 926 – Dienstunfall, Ansprüche 4 340 ff. – freie Heilfürsorge, Anspruch auf 4 558 – Quotenvorrecht 4 926 – Verdienstausfallschaden 4 918 ff. – Schadensminderung 4 925 Beamtenversorgung – Drittleistungsträger 4 560; s. auch dort – Forderungsübergang 4 560 – Leistungen 4 500 f. – Leistungen, medizinische Außenseitermethoden 4 559 Bedingte Eignung 12 29 ff. Bedingungsanpassungsklausel – Tarifänderungsklausel 7 89
Beerdigungskosten 4 1297 ff. – Drittleistungen, Forderungsübergang 4 1317 ff. – Erstattungsfähige Positionen 4 1304 ff. – Forderungsberechtigung 4 1297 ff. – nicht erstattungsfähige Positionen 4 1311 ff. – Steuer 4 1316 – Übersicht 4 1315 – Umfang 4 1301 Beförderte Sachen – Gefährdungshaftung 2 111 Befriedungsgebühr – Verkehrsstrafsachen 8 113a Begehrensneurose 4 147 Begleitetes Fahren mit 17 2 158 Begleitpersonen – Mehrbedarf, Kosten 4 575 Behindertengerechtes Wohnen 4 609 ff. – Anmietung, Mietzuschuss 4 613 – Mehrbedarf, Kosten 4 573 – Umbaukosten 4 612 – Umzugskosten 4 610 – Vorteilsausgleich 4 609 Behindertenwerkstatt 4 605 ff. Beifahrer – berufsmäßige, Haftungsprivilegierung 4 291 – Versicherungsnehmer als Geschädigter 2 174 Belege, notwendige 1 17 Belehrung – Belehrungserfordernis, rückwirkender Wegfall vorläufiger Deckung 7 22 ff. – Rechtsmittelbelehrung, Obliegenheitsverletzung 7 217 ff. – Rechtsmittelbelehrung, Prämienrückstand 7 102 ff. Beleidigung – im Straßenverkehr, Schmerzensgeld 4 709 Benzinklausel 7 288 ff. Beratung, verkehrspsychologische – Teilnahme während Probezeit 12 51 – Verkehrszentralregister, Eintragung in 10 163 Beratungspflichten – Fernabsatzvertrag, Besonderheiten 7 55 – Rechtsanwalt 1 21 ff. – Rechtsanwalt, Falschberatung 5 61 – Schadensanzeige, Hinweis auf 1 53 ff. – Schadensminderungspflicht 1 25 ff.; s. auch dort – Unfallhelferringe 1 50 ff. – Vermittler des Versicherers 7 54
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Stichwortverzeichnis [Beratungspflichten] – Versicherer 7 53 Berechtigter Besitzer – Anspruchsberechtigter 2 81 ff. – Haftungsschaden, Ersatz ohne Abtretung 2 82 – Repräsentant, Wissensvertreter 6 120 f. – Verletzter 2 81 – versicherte Person, ARB 8 29 Bereicherungsverbot 3 14 Bereifung, verkehrsunsichere – Musterquote 7 238 Bergungskosten, Ersatz 3 284 ff. Berliner Modell 6 133 ff. – Beschädigung eines weiteren Kfz 6 144 f. – Haftungsausschluss bei Verabredung/ Einwilligung 6 136 ff. – Indizien 6 136 ff. – Haftungsausschluss ohne Verabredungsnachweis 6 140 – Unfallmanipulation 2 169 Berufskraftfahrer – Entziehung der Fahrerlaubnis 11 98 ff. Berufsständische Versorgung 4 989 ff.; s. auch Versorgung, berufsständische Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1005 Berufung 11 23 ff. – Annahmeberufung 11 25 Beschlagnahmeanordnung – Verjährungsunterbrechung, Bußgeldverfahren 10 26 Beschlagnahmeverbot – und Fahrtenbuchauflage 10 116 Beschwerde – als „Abhilfeantrag“ 11 32 – Rechtsbeschwerde, Bußgeldverfahren 10 50 – Rechtsbeschwerde, Muster 10 76 – sofortige, Nebenklage 11 123 – Strafverfahren 11 31 f. – gg. vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 11 31 f. Besitzentziehungsschaden – Mietfahrzeug 2 227 Besuchskosten 4 502 ff. – Ausland, Anreise 4 513 – auswärtige Verpflegung der Besucher 4 514 – Babysitterkosten 4 518 – Beförderungsart 4 512 – Besuchshäufigkeit, Schweregrad der Verletzung 4 507 ff.
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– Betreuung hilfloser Familienangehöriger 4 518 – Ersatzkraft für Haushaltsführung 4 517 – bei Heimunterbringung 4 603 – nächste Angehörige 4 506 – nutzlose Aufwendungen 4 519 – Rooming-In 4 515 – Übernachtungskosten 4 514 – Verdienstausfall des Besuchers 4 516 Betreuungskosten – Betreuungsaufwand, Ermittlung 4 577 – Hilfemaßnahmen 4 577 – hilflose Familienangehörige, Besuchskosten 4 518 – Mehrbedarf, Kosten 4 576 ff. – vermehrte Bedürfnisse 4 576 ff. Betreuungsschaden 4 1376 ff.; s. auch Unterhaltsschaden – Gehalt als Schadensersatz 4 1376 – Tod der betreuenden Person 4 1376 ff. – Unterbringung in Kinderheim 4 1378 – vergleichbare Kraft 4 1377 Betrieb eines Kfz – psychische Kausalität 2 90 ff. – Schadensereignis, Kausalzusammenhang 2 87 ff. – mit Berührung 2 88 – sonstige Verkehrsbeeinflussung 2 89 Betriebliche Altersversorgung – Verdienstausfallschaden, Anrechnung 4 991 f. Betriebsgefahr 2 13, 85 f. – Anspruchskürzung 2 200 ff. – erhöhte durch Verschulden 2 694 ff. – Kinderunfall, Auswirkungen bei 2 353 f. – Leasinggeber, Einstehen für 2 214 ff. – mitwirkende 2 693 – mitwirkende bei Geschädigtem 4 665 ff. – mitwirkende bei Jugendlichen 2 400 – mitwirkende bei Unfall mit Radfahrer/ Fußgänger 2 339 ff. – mitwirkende, Schmerzensgeldansprüche des Halters 2 341 – Sicherungseigentümer, Einstehen für 2 214 ff. – und Tiergefahr 2 458 – Unfall ohne Fremdbeteiligung 2 247 – Zurücktreten bei schwerwiegendem Verkehrsverstoß 2 708 Betriebskosten – gesteigerte bei Mehrbedarf 4 598 Betriebswegeunfall 4 268
Stichwortverzeichnis Beweislast 1 44 ff. – Abschluss und Inhalt des Versicherungsvertrags 7 61 ff. – Anzeigepflichtverletzung 7 232 – Beweiserleichterung bei gestohlenem Kfz 7 351 ff. – Beweislastregeln nach Rom-II-Verordnung 13 21 – Beweislastverteilung bei der Quotenbemessung 7 241 – Beweislastverteilung Fahrzeugschaden 3 28 ff. – Beweislastverteilung, gesetzliche 2 24 ff. – Gefährdungs- und Verschuldenshaftung 2 25 ff. – Gefahrerhöhung, Beweislastfragen 7 130 – Gefahrerhöhung, Kausalitätsgegenbeweis 7 130 – gestellter Unfall – äußerer Schadenshergang 6 29 ff. – Einwilligung 6 24 – Schadensumfang 6 24 – haftungsausfüllende Kausalität 4 184 – haftungsbegründende Kausalität 4 173 ff. – Haftungsgrundlagen 2 655 ff. – Höhe der Prämie, Mitteilung des Versicherers 7 95 – Mietwagenanmietung, überhöhter Tarif 3 236 – Obliegenheitsverletzung 7 209 f., 222 ff. – Obliegenheitsverletzung, Kausalitätsgegenbeweis 7 210 – Personenschaden, Schadensersatz 4 171 – Primärschaden 4 175 ff. – Repräsentantenstellung 7 425 – Risikoausschlussklauseln 7 311 f. – Rückforderung Kaskoleistung 7 470 – Rückforderung/Regress des Haftpflichtversicherers 7 325 – Schadensminderungspflicht 1 44 ff., 4 171 – Schuldfähigkeit, fehlende des Kindes 2 390 – Schwere der Schuld, Bemessung 7 401 – Unfallmanipulation 6 5 – Verdienstausfallschaden 4 852, 892 – Verschulden des Kindes 2 390 – Versicherer, Gefahrerhöhung und Kenntnis von 7 123 – vorläufige Deckung 7 29 ff. – Vorteilsausgleich 4 171, 194 – Wildschaden 7 368
– Zugang der Mahnung bei Prämienrückstand 7 112 – Zurechnungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers 7 233 Beweismaß 2 658 ff., 698 – Haftungsgrundlagen 2 658 ff. Beweismittel 2 663 ff. – gestellter Unfall 6 34 – Haftungsgrundlagen 2 663 ff. – Parteianhörung 2 668 ff. – Unfallrekonstruktion durch Sachverständigen 2 664 – Zeugenaussagen, Bewertung 2 665 ff. Beweissicherung – Kostenvoranschlag, Reparaturkostenermittlung 1 10 – Sachverhaltsaufklärung 5 6 – Sachverständigengutachten 1 10; s. auch dort Beweissicherungsantrag – Muster 9 43 Beweisverfahren, selbständiges 9 40 ff. – Beweissicherungsantrag – Muster 9 43 – Haftpflichtansprüche 9 41 – Rechtsschutzversicherung 9 40 – Versicherungsansprüche 9 42 Beweiswürdigung 2 663 ff. – Anscheinsbeweis 2 679 ff. – Beweismittel 2 663 ff. – Haftpflichtprozess 9 17 ff. – Parteianhörung 2 668 ff. – Plausibilitätserwägungen 2 676 ff. – Wahrscheinlichkeitsbetrachtung 2 671 ff. – Zeugenaussagen, Bewertung 2 665 Bewusstseinsstörungen – Einnicken am Steuer 7 418 – Fallgruppen, grobe Fahrlässigkeit 7 410 ff. – Medikamenteneinnahme 7 417 – Trunkenheitsfahrten 7 410 BfF-Gutachten 12 34 ff. – Auftraggeber/Empfänger 12 39 – Eignungsrichtlinien 12 37 – Einwilligung 12 36 ff. – Mehrfachbegutachtung 12 41 – Nachbesserung 12 40 – Schadensersatz 12 40 Billigkeitshaftung 2 375, 395 Blindengeld 4 632 Blitzschlag – Teilkasko-Versicherung 7 364 ff. Blutalkoholkonzentration – Anflutungsphase 11 45
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Stichwortverzeichnis [Blutalkoholkonzentration] – Eliminationsphase 11 47 – maßgelblicher Zeitpunkt 11 44 – Resorptionsphase 11 46 – Rückrechnung nach Trunkenheitsfahrt 7 410 – Vollrausch 11 49 ff. Brand und Explosion – Teilkasko-Versicherung 7 347 ff. Brutto-Ersatzbeschaffungsbasis – Schadensstufe: Reparaturkostenaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 106 Brutto-Netto-Berechnung – Verdienstausfallschaden 4 881 ff. Bußgeldbescheid 10 8 ff. – Einspruch gg. 10 8 ff. – Erlass, Verjährungsunterbrechung 10 31 ff. – Fristberechnung 10 9 – Verjährungsfristverlängerung 10 33 Bußgeldkatalog 10 82 ff. – Abweichungen 10 85 – Geldbuße, Regelsätze 10 84, 109 – Verkehrsordnungswidrigkeiten 10 86 ff.; s. auch Ordnungswidrigkeiten Bußgeldverfahren 10 5 ff. – Akteneinsichtsantrag der Verteidigung 10 48 f. – Beschlussverfahren 10 52 ff. – Bußgeldkatalog 10 82 ff. – Fahrtenbuchauflage 10 112 ff. – Fahrverbot 10 119 ff.; s. auch dort – Geldbuße 10 108 f. – Hauptverfahren 10 52 ff. – Hauptverhandlung 10 57 ff. – Beweisaufnahme 10 62 – Einstellung des Verfahrens 10 63 f. – persönliches Erscheinen des Betroffenen 10 57 ff. – Urteil 10 65 – Ordnungswidrigkeitengesetz 10 1 ff. – örtliche Zuständigkeit Staatsanwaltschaft 10 50 – Rechtsbeschwerde 10 75 – Beschwerdebegründung, Muster 10 77 – Beschwerdeschrift, Muster 10 76 – Fristen 10 78 f. – Rechtsmittel 10 75 – und Rechtsschutzversicherung 8 96 ff. – Strafverfahren, Übergang zum 10 66 ff. – Verjährung 10 13 ff.; s. auch Bußgeldverfahren, Verjährung – Folgen 10 41
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– Fristberechnung 10 15 f. – Ruhen 10 40 – Unterbrechung 10 17 ff. – Verjährungsfristen 10 13 ff. – Verkehrsordnungswidrigkeiten, einzelne 10 86 ff.; s. auch Ordnungswidrigkeiten – Verkehrszentralregister 10 159 ff.; s. auch dort – Verwarnung 10 110 f. – Vorverfahren 10 5 ff. – Anhörung 10 5 ff. – Bußgeldbescheid 10 8 ff. – Einspruch 10 8 ff. – Kostentragungspflicht Halter 10 42 ff. – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 10 69 ff. – Musterantrag 10 73 – Zwischenverfahren 10 46 ff. Bußgeldverfahren, Verjährung 10 13 ff. – Folgen 10 – Fristberechnung 10 15 – Fristverlängerung – Bußgeldbescheid 10 33 – Ruhen 10 40 – Unterbrechung 10 18 ff. – Abgabe an die Verwaltungsbehörde 10 30 – Aktenvorlage an Richter 10 34 – Anberaumung Hauptverhandlung 10 35 – Anhörung einer anderen Behörde 10 29 – Anordnung richterliche Vernehmung 10 24 – Anordnung/Bekanntgabe der ersten Vernehmung 10 22 f. – Beauftragung Sachverständiger 10 25 – Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens 10 21 – Beschlagnahme-/Durchsuchungsanordnung 10 26 – Bußgeldbescheid 10 31 ff. – Eröffnung Hauptverfahren 10 38 – erste Vernehmung 10 20 – Klageerhebung 10 37 – Rechts-/Amtshilfeersuchen im Ausland 10 28 – richterliche Vernehmung 10 24 – Strafbefehl 10 39 – vorläufige Einstellung 10 27 – Verjährungsfristen 10 13 ff. BVSK-Honorarbefragung 3 334
Stichwortverzeichnis Chancenverlust – Ausgleich, italienisches Recht 13 124 Checkliste – Feststellung der Einwilligung beim gestellten Unfall 6 97 Dänisches Internationales Deliktsrecht 13 25 Danno biologico 13 131 ff. Danno morale 13 136 f. DAT-Listen 3 68 DAV-Gebührenabkommen 5 187 DAV-Regulierungsvorschlag 8 91 ff. Deckung, vorläufige; s. Vorläufige Deckung Deckungsklage – gegen den Versicherer auf Zahlung 6 201 ff. – Versicherungsprozess, Muster 9 38 Deckungssumme – Deckungssummenüberschreitung 7 343 ff. Deutsches Büro Grüne Karte e.V. – Kontaktdaten 1 58; 13 7 f. Diebstahl, Kfz – Beispiele 7 421 – Berliner Modell, gestellter Unfall 6 133 ff. – Diebstahlsversuch, Schäden durch Entwendung 7 358 ff. – grobe Fahrlässigkeit – Fahrzeugpapiere im Handschuhfach 7 420 – Fahrzeugpapiere offen sichtbar 7 420 – Wahl des Parkplatzes 7 419 – grobe Fahrlässigkeit, neuere Entscheidungen 7 422 f. – Halterhaftung 2 74 – Kaskoversicherung – Wiederbeschaffung oder Eigentumsübergang 7 453 ff. – Mietwagen 2 186 – Musterquote bei grober Obliegenheitsverletzung 7 238 – System der Beweiserleichterungen 7 351 ff. – teilkaskoversichertes 7 350 ff. – teilkaskoversichertes, Beweiswürdigung 7 351 ff. – Zurücknahme des Kfz, Monatsfrist 7 453 ff. Dienste, entgangene; s. Entgangene Dienste Dienstfahrt – Amtshaftung 2 143 ff.
– mit Dienstfahrzeug 2 72 – Dienstfahrzeug, Halterhaftung 2 72 – Postfahrzeug 2 145 – mit Privat-Pkw 2 72, 140 Dienstherr – Drittleistung 4 – Verdienstausfallschaden 4 960 ff. Dienstunfall 4 337 ff. – Ansprüche, Übersicht 4 350 ff. – Dienstherr, Ansprüche des 4 348 – Direktgeschädigter, Ansprüche des 4 344 ff. – Personenkreis 4 337 ff. – Regulierungsgrundsätze 4 431 – Schockschaden naher Angehöriger 4 1256 – Schockschaden, Haftungsausschluss 4 661 – Vorsatztaten 4 346 – Wehrdienstbeschädigung 4 339 – weiterer Drittleistungsträger, Regress 4 359 f. – Zivildienstbeschädigung 4 339 – Zweitschädiger 4 357 f. Direktklage 2 44 – Haftpflichtversicherung 2 163 ff., 4 240 ff. Dokumentation – Unfallkalender 1 5 f. Doppelmandat 1 4 Drittleistungsträger; s. auch Verdienstausfallschaden, Drittleistungen – Anwaltskostenerstattung außerhalb Verzugs 5 136 – Arbeitgeber 4 943 ff. – Arbeitsverwaltung 4 969 ff. – Beerdigungskosten, Ersatz 4 1317 ff. – Berufsständische Versorgung 4 989 ff. – Dienstherr 4 960 ff. – Krankenversicherer, gesetzlicher 4 974 – Rentenversicherer 4 975 ff. – Sozialhilfeträger 4 993 ff. – Summenversicherer 4 1002 ff. – und entgangene Dienste 4 1289 – Unfallversicherung, gesetzliche 4 978 ff. Drittleistungträger – Anspruchsminderung 4 229 ff. – Arbeitgeber 4 556 f. – ausländischer Sozialversicherungsträger 4 243 – Dienstherr 4 558 ff. – Fehlverhalten, eigenes – Falschbearbeitung 4 229 – falsche Maßnahmen 4 230 f.
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Stichwortverzeichnis [Drittleistungträger] – unrichtige Leistung 4 232 – Forderungsübergang 4 198 ff. – Forderungsübergang von Schmerzensgeld 4 825 f. – Forderungsübergang und kongruente Leistungen – Schaubild 4 235 – Krankenversicherer, privater 4 554 f. – Regress eines weiteren – Dienstunfall 4 359 ff. – Rentenversicherer, Kinderheilbehandlungsträger 4 552 – Sozialhilfe, Asylbewerber 4 561 f. – Sozialversicherer 4 550 ff. – Wechsel der Trägerschaft 4 562 ff. – Rechtsnachfolge 4 562 ff. – Unfallversicherung, spätere Zuständigkeit 4 565 Drittwiderklage – isolierte 9 25 – Muster 9 29 Drittwirkung – Haftungsverzicht 4 400 Drogen – drogenbedingte Fahruntüchtigkeit 10 106 f. – Musterquoten 7 238 – Drogennachweis, verfassungskonforme Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG 10 106a – Gefährdung des Straßenverkehrs 11 55 – relative Fahruntüchtigkeit 11 42 – Trunkenheitsfahrt 11 42 Durchschnittsfahrer – Abstellen auf 2 106, 119 ff. Durchsuchungsanordnung – Verjährungsunterbrechung, Bußgeldverfahren 10 26 Ehegatte – als Repräsentant des Versicherungsnehmers 7 426 – als Fahrer, Haftung im Innenverhältnis 2 244 – Haftung zwischen 2 244 – Haushaltsführungsschaden 4 1167 f.; s. auch dort – mitversicherte Person, Rechtsschutzversicherung 8 29 – Sorgfaltsmaßstab in eigenen Angelegenheiten 2 244 – Unterhaltsschaden 4 1167 f. Eigenleistungen am Bau – Verdienstausfallschaden 4 842 ff.
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Eigentumsvermutung – Besitzer des Kfz 2 83 Einbahnstraße – Benutzung in falscher Richtung 2 314 Eingetragene Lebensgemeinschaft – Haushaltsführungsschaden 4 1169 f. – mitversicherte Person, Rechtsschutzversicherung 8 29 – Unterhaltsschaden 4 1354 Einigung – Einigungsgebühr 5 208 ff., 217 ff. Einigungsgebühr 5 208 ff., 217 ff. – Abfindungsvereinbarung 5 220 f. – Streitwert 5 222 – zeitlicher Anwendungsbereich 5 209 ff. Einsatzfahrt – Amtshaftung 2 143 ff. – Insassen, Haftungsprivilegierung 4 291 – Wegerecht 2 151 Einstellung Ermittlungsverfahren 11 1 ff. – geringe Schuld/kein öffentliches Interesse 11 7 ff. – unter Auflagen und Weisungen 11 13 – kein genügender Anlass zur Anklageerhebung 11 4 – Verzicht auf Verfolgung einzelner Taten 11 9 Einstellung, vorläufige – des Bußgeldverfahrens, Verjährungsunterbrechung 10 27 Einstweiliger Rechtsschutz – Schadensersatzrenten 4 259 Einwilligung 6 49 ff., 52 ff.; s. auch Berliner Modell; s. auch Gestellter Unfall – Anscheinsbeweis 6 52 ff. – bewusste Selbstgefährdung 4 395 – Checkliste 6 97 ff. – Indizienbeweis 6 55 ff.; s. auch Indizienbeweis, Einwilligung – in Schädigung 4 394 ff. – sportliche Kampfspiele 4 397 Einwilligung, Indizienbeweis 6 55 ff.; s. auch Gestellter Unfall – allgemeine Erfahrungsgrundsätze 6 78 ff. – Beweiswert von Indizien 6 67 ff. – fallbezogene Würdigung 6 61 ff. – Gesamtschau 6 64 ff. – Indizienkombination 6 81 – nicht in das Gesamtbild passende Indizien 6 83 ff. – allgemeine Plausibilität 6 92 ff. – angeblich fehlende Kompatibilität der Schäden 6 84
Stichwortverzeichnis [Einwilligung, Indizienbeweis] – technische Kompatibilitätprüfung 6 88 f. – technische Plausibilitätsanalyse 6 91 ff. – vorgetäuschte Angeben über Unfallbeteiligte 6 85 – Vortäuschung von Verletzungen 6 86 f. – nur feststehende Indizien 6 57 ff. – Unabhängigkeit der Indizien 6 82 – Wahrscheinlichkeitsbetrachtung 6 68 ff. – beteiligte Fahrzeuge 6 76 ff. – Motiv 6 69 ff. – Unfallhergang 6 73 ff. Einzelabwägung 2 563 ff. Eisenbahn 2 461 ff., 464; s. auch Unfall Kfz – Schienenbahn Elektronische VersicherungsbestätigungsNummer (EVB) 7 4 ff. – Fahrzeugwechsel 7 7 – vorläufige Deckung durch Nennung 7 4 Elementarschäden – Teilkasko-Versicherung 7 364 ff. Eltern; s. auch Unterhaltsschaden – Aufsichtspflicht 4 90 – familiäre Haftungsminderung 4 90 Elterngeld – Verdienstausfallschaden, Anrechnung 4 1001 Entgangene Dienste – Drittleistungen 4 1289 – Ehegatte 4 1278 – Forderungsberechtigung 4 1274 ff. – Höhe/Dauer des Anspruchs 4 1287 – Kinder 4 1279 ff. – Steuer 4 1274 ff. – Subsidiarität 4 1288 Entlastungsbeweis – Bahnunternehmer nach HPflG 2 464, 474 ff. – Beamter als Fahrer 2 156 – Fahrer 2 156 – Halter 2 64 ff., 100 ff., 135 f. – Halter gegenüber Fahrradfahrer/Fußgänger, höhere Gewalt 2 295 – Höhere Gewalt 2 102 ff. – Höhere Gewalt bei Kinderunfällen 2 355 ff. – Nur-Fahrer gegenüber Radfahrer 2 296 f. – Tierhalter 2 424 – Tierhüter 2 430
– Unabwendbarkeitsnachweis 2 100, 105 ff. – Unfall mit Jugendlichen 2 381 ff. – zweistufiger 2 101 Entschädigung – nach strafgerichtlicher Führerscheinmaßnahme 11 111 ff. Entschädigungsfonds – Versichererinsolvenz 4 242 ff. Entwendung Kfz s. Diebstahl, Kfz Entziehung der Fahrerlaubnis; s. Entziehung der Fahrerlaubnis, Strafverfahren; s. Entziehung der Fahrerlaubnis, Verwaltungsverfahren Entziehung der Fahrerlaubnis, Strafverfahren 11 90 ff. – arbeitsrechtliche Konsequenzen 11 98 ff. – Außendienstmitarbeiter 11 102 ff. – Berufskraftfahrer 11 98 ff. – ausländische Fahrerlaubnis 11 94 – berufliche/wirtschaftliche Nachteile 11 95 – Entschädigung 11 111 ff. – Herausnahme bestimmter Arten von Kfz 11 97 – Regelfälle 11 92 – Verkehrszentralregister, Einfluss auf Punktestand 11 93 – Voraussetzungen 11 90 ff. – Zeitablauf 11 91 – Zeitpunkt, maßgeblicher für Eignungsmangel 11 90 Entziehung der Fahrerlaubnis, Verwaltungsverfahren 12 1 ff.; s. auch Verwaltungsbehördliches Verfahren – Abgrenzung zur strafrechtlichen Entziehung 12 2 ff. – altersbedingte Mängel 12 10 – charakterliche Mängel 12 11 ff. – Eignung 12 6 ff. – Folgen 12 22 ff. – geistige Mängel 12 9 – Klage 12 28 – körperliche Mängel 12 7 f. – Punktsystem Verkehrszentralregister 12 15 ff.; s. auch dort – Rechtsmittel 12 27 ff. – Rechtsschutzversicherung, Eintrittspflicht 8 103 ff. – Schutzzweck 12 5 – Voraussetzungen 12 2 ff. – „Vorrang des Strafverfahrens“ 12 3 – Widerspruch 12 27
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Stichwortverzeichnis Entziehung der Fahrerlaubnis, vorläufige 11 105 ff. – berufliche Nachteile/arbeitsrechtliche Konsequenzen 11 107 ff. – dringende Gründe 11 106 – Herausnahme bestimmter Arten von Kfz 11 108 Epileptische Anfälle – Gefahrerhöhung 7 135 Erbschaft – Schmerzensgeldanspruch 4 718 ff. Erdbeben – Kaskoversicherung 7 390 Erfolgshonorar 5 302 Erfüllungsgehilfe – beauftragte Werkstatt 1 39 – Sachverständiger 1 39 Erhöhungsgebühr 5 223 ff. – Einzelfälle 5 231 ff. – gemeinsames Mandat 5 226 ff. – getrennte Mandate 5 224 f. Erlaubtes Risiko – Haftungsbeschränkung 4 408 ff. Erledigung – Teilerledigung 7 347 ff. – Abfindungsvorbehalt 5 280 – vor Auftrag 5 281 f. – Zwischenvergleich 5 279, 6 270 ff. Ermittlungsverfahren 11 1 ff. – Einstellung, kein genügender Anlass zur Anklageerhebung 11 4, 13 – Einstellung, Verzicht auf Verfolgung einzelner Taten 11 9 Ernährung – Mehrbedarf, Kosten 4 588 Ersatzbeschaffung – Ersatzteilbeschaffung 1 30 – nach Fahrzeugschaden 3 103 ff., 111 – Kosten, Ersatz 3 293 ff. – Kosten, Höhe 2 82 Ersatztaxi 3 213 Ersetzungsbefugnis 1 38 Erstprämie 7 92 ff. Erwerbsminderungsrente – Wechsel des Verletzten in die Selbständigkeit 4 1041 Erziehungsgeld – Verdienstausfallschaden, Anrechnung 4 1001 EurotaxSchwacke – Tabelle zur Nutzungsausfallentschädigung Kfz 3 278 EWG-Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie 8 4 Explosion 7 347 ff.
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Fahrbahn, unübersichtliche – Wohngebiet 2 362 Fahren ohne Fahrerlaubnis 11 74 ff. Fahrer – Angaben, Aufklärungsobliegenheit 7 194 – Ansprüche gegen Radfahrer/Fußgänger 2 338 ff. – Begriff 7 314 f. – Quotenhaftung bei Kinderunfall 2 379 Fahrer, unberechtigter; s. auch Unberechtigter Fahrer Fahrerflucht; s. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort Fahrerkasko, Fahrerplus 4 467 ff. Fahrerlaubnis auf Probe 12 46 ff. Fahrerlaubnis, ausländische 12 56b ff. – nach § 28 FeV, Anerkennung 12 56c – nach § 29 Abs. 1 S. 3 FeV 12 56d Fahrerlaubnis, bedingte 12 29 ff. Fahrerlaubnis, Entziehung; s. auch Entziehung der Fahrerlaubnis, Strafverfahren; s. auch Entziehung der Fahrerlaubnis, Verwaltungsverfahren – Anordnung der sofortigen Vollziehung, vorläufiger Rechtsschutz 12 58 – im Strafverfahren 11 90 ff. – Streitwert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 12 63 – im Verwaltungsverfahren 12 1 ff. Fahrerlaubnis, Neuerteilung 12 44 ff. Fahrerschutzversicherung 4 467 ff. Fahrgemeinschaften – Wegeunfall 4 287 – Wegeunfall, direkter Weg 4 122 Fahrlässige Körperverletzung 11 36 ff. Fahrlässige Tötung 11 39 f. Fahrlässigkeit – Jugendliche, Gruppenfahrlässigkeit 2 389 Fahrrad – Elektrofahrrad 2 496 Fahrradanhänger für Kinder 2 287 Fahrradfahrer – Helm, Mitverschulden bei Nichttragen 4 385 Fahrradnovelle 2 287 Fahrschule 2 158 – Anspruch gegen eigene Haftpflichtversicherung 2 174 – Fahrschüler, Anspruch gegen Halter 2 255 Fahrtenbuchauflage 10 112 ff. – und Beschlagnahmeverbot 10 116 – bei Kennzeichenanzeige 10 117
Stichwortverzeichnis [Fahrtenbuchauflage] – Streitwert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 12 63 – und Zeugnis-/Aussageverweigerungsrecht 10 115 Fahrtkosten – zur ambulanten Behandlung 4 536 ff. – Heilbehandlungskosten 4 536 ff. Fahruntüchtigkeit, alkoholbedingte 2 701, 7 412 ff. – grobe Fahrlässigkeit, neuere Entscheidungen 7 422 – absolute 7 412 ff., 11 41 – Beispiele 7 415 f. – Blutalkoholkonzentration, maßgeblicher Zeitpunkt 11 44 – Blutalkoholkonzentration, Rückrechnung 7 410 – Kausalzusammenhang alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit/Unfall 7 400 – relative 7 414, 11 43 – Vollrausch 11 49 ff. Fahrverbot 10 119 ff., 11 77 ff.; s. auch Fahrverbot, Bußgeldverfahren; s. auch Fahrverbot, Strafverfahren Fahrverbot, Bußgeldverfahren – Allgemeines 10 119 ff. – Beginn 10 148 ff. – berufliche Nachteile 10 141 ff. – Einspruch/Rechtsbeschwerde – fehlender Vermerk des Wahlrechts 10 153 – Ende 10 157 f. – Ersttäter, Wiederholungstäter 10 154 – internationale Führerscheine 10 150 – Nebenfolge 10 119 – nicht durch Regelfall indizierte Fälle 10 125 ff. – Regelfälle 10 133 ff. – Verhältnismäßigkeit 10 121 – Vermeidung, Möglichkeiten 10 125 ff. – Wahlrecht des Betroffenen 10 152 ff. Fahrverbot, Strafverfahren 11 77 ff. – ausländische Strafe wg. derselben Sache 11 89a – außergewöhnliche Härte 11 87 – Beginn 11 82 – berufliche Nachteile, arbeitsrechtliche Konsequenzen 11 87 – Beschränkung auf Kfz einer bestimmten Art 11 88 – Regelfälle 11 81 – Revision, Beschränkung 11 84 – Sichtvermerk 11 82 – Wohlverhalten nach der Tat 11 85
– Zeitablauf 11 86 Fahrzeugfolgeschaden 3 36 Fahrzeugschaden – Abrechnung 3 8 ff.; s. auch Fahrzeugschaden, Abrechnung – Bagatellschaden 3 18 – Bedarfsprognose 3 18 – Besichtigung durch Schädiger 3 34 – Beweisanforderungen 3 28 ff. – Entschädigung in Geld (Kompensation) 3 21 ff. – Ersetzungsbefugnis 3 10 – Naturalrestitution 3 9 ff. – Schadensbeseitigung, Überprüfung 3 34 – Schätzgutachten, Einholung 3 18 – technischer Totalschaden 3 21 – Unverhältnismäßigkeitsgrenze 3 24 – vier Eckdaten, Ermittlung und Abrechnung 3 35 ff. – Minderwert 3 63 ff. – Reparaturkosten 3 42 ff.; s. auch Reparaturkosten, Abrechnung – Restwert 3 71 ff.; s. auch dort – Wiederbeschaffungswert 3 68 ff. – Werkstattrisiko 3 18 – Wertersatz 3 25 – wirtschaftlicher Totalschaden 3 19 Fahrzeugschaden, Abrechnung 3 8 ff. – allgemeine Grundsätze 3 9 ff. – Kompensation gem. § 251 BGB 3 21 ff. – Naturalrestitution 3 9 ff. – Mehrwertsteuerprobleme 3 149 ff. – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis 3 150 ff.; s. auch Reparaturkostenbasis, Abrechnung auf – Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis 3 162 ff.; s. auch Wiederbeschaffungsbasis, Abrechnung auf – Mehrwertsteuerabzugsberechtigung 3 155 ff. – Sicherungsabtretung 3 158 ff. – Veräußerung des unreparierten Unfallfahrzeugs 3 158 ff. – Wechsel der Abrechnungsart 3 153 f. – auf Neuwagenbasis 3 172 ff.; s. auch Neuwagenbasis, Abrechnung auf – Anschaffung Neufahrzeug 3 188 ff. – erhebliche Beschädigung 3 182 ff. – neuwertiges Kfz 3 178 ff. – Vier-Stufen-Modell des BGH 3 90 ff. – Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 107 ff.; s. auch Schadensstufe Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert
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Stichwortverzeichnis [Fahrzeugschaden, Abrechnung] – Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 119 ff.; s. auch Schadensstufe Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % – Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 93 ff.; s. auch Schadensstufe Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand – Reparaturaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 134 ff.; s. auch Schadensstufe Reparaturaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % Fahrzeugschein – Verlust, Gefahrerhöhung 7 131 Fahrzeugschlüssel – Verlust, Gefahrerhöhung 7 131 Fahrzeugversicherung; s. Haftpflicht- und Kaskoversicherung; Kaskoversicherung; Teil-Kaskoversicherung; Voll-Kaskoversicherung Falschbehandlung, ärztliche 4 483 Familienangehöriger – Angehörigenprivileg 4 219 – Haftungsbeschränkung 4 90 ff., 407 Familienfahrzeug – Eigentumsfrage 2 84 Familienpflege – Mehrbedarf, Kosten 4 582 Familienprivileg 7 478; s. auch Angehörigenprivileg Fernabsatzvertrag – Beratungspflichten 7 55 – vorläufige Deckung 7 55 – Widerrufsfrist, Beginn 7 55 Fernwirkungsschaden 4 34, 751 f. – mittelbar Geschädigte 4 1240 ff. Feststellungsklage – immaterielle Unfallfolgen 4 793 ff. – auf künftigen Rückstufungsschaden 3 352 – unbezifferter Klageantrag, Muster 9 27 – verwaltungsgerichtliche 12 60 f. – auf zeitlich befristete Rente 4 187 Feststellungsurteil – Rechtskraft 4 186 Feuerwehr – Einsatzfahrt 2 143 Fiktive Abrechnung – fiktive Abrechnung in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 96 – fiktive Abrechnung in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 112 ff.
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– Heilbehandlungskosten 4 568 – Vermehrte Bedürfnisse 4 568 Fiktiver Unfall 6 17 ff., 162 ff.; s. auch Unfallmanipulation – Abdrängungsunfall 6 162 f. – Drittbeteiligung 6 167 f. – Schadenshergang, Beweis 6 164 ff. Finanzierungskosten, Ersatz 3 287 ff. Flucht; s. auch Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – Unfallflucht, Schaden des Verfolgers 4 420 ff. Folgeprämie 7 102 ff. Folgeschaden 2 613 – körperlicher und psychischer 4 35 ff. Forderungsübergang 4 197 ff.; s. auch Drittleistungsträger – Aktivlegitimation 4 196 – Angehörigenprivileg 4 213 ff.; s. auch dort – auf Arbeitgeber bei Verdienstausfallschaden 4 947 – auf Drittleistungsträger 4 198 ff. – Kongruenz Ansprüche – Leistungen, Übersicht 4 235 – ausländischer Sozialversicherungsträger 4 234 – Beerdigungskosten, Drittleistungsträger 4 1317 ff. – Drittleistungen 4 195 f. – Drittleistungsträger 4 198 ff.; s. auch dort – Fehlverhalten, Anspruchsminderung 4 228 ff. – Drittleistungsträger 4 229 ff.; s. auch dort – unmittelbar Verletzter 4 228 – Gebührenstreitwert, Einfluss auf 5 283 ff. – gesetzlich 4 204 ff. – gesetzlich neben Abtretung 4 211 – auf gesetzliche Unfallversicherung 4 986 ff. – gesetzlicher nach Rom-II-Verordnung 13 20 – gesetzlicher und Rechtsschutzversicherung 8 55 ff. – Gewährleistungsansprüche auf den Versicherer 7 470 – Haftungsverzicht, Drittwirkung 4 400 – kirchlicher Dienstherr 4 928 – und kongruente Leistung – Schaubild 4 235 – Kongruenz 4 223 ff. – Nachweis 4 226 f.
Stichwortverzeichnis [Forderungsübergang] – privatrechtlich 4 210 – Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers 7 477 – Rechtsbeziehungen – Schaubild 4 200 – Rechtsgeltung, Unfallzeitpunkt 4 201 – Regress des Kaskoversicherers 7 466 ff. – auf Rentenversicherer 4 1013 ff. – Schmerzensgeldanspruch auf Drittleistungsträger 4 825 f. – auf Sozialhilfeträger 4 999 – auf Sozialversicherer – freiwillig Sozialversicherte 4 1103 – Teilungsabkommen 4 212 – zugunsten berufsständische Versorgung, Abtretung 4 990 Frachtkosten – Ersatzleistung, Kaskoversicherung 7 451 Fragebogen für Anspruchsteller 1 3 Fraunhofer Mietpreisspiegel 3 240 ff. Freistellungsanspruch 1 41 Fristen – Ausschlussfrist 1 90 ff. – Klagefrist, versicherungsrechtliche Ansprüche 1 95 – Schadensanzeige 1 53 – Schadensersatzansprüche 1 69 ff.; s. auch Schadensersatzansprüche, Verjährung – versicherungsrechtliche Ansprüche, Verjährung 1 95 f. Führerscheinklausel 7 147 ff. – ausländische Fahrerlaubnis 7 213 – und Fahrverbot 7 148 – grob fahrlässiger Verstoß gegen – Musterquoten 7 238 – Kausalitätsgegenbeweis 7 213 – und Trunkenheitsfahrt 7 257 – Übergabe an Werkstatt 7 149 – Verstoß gegen, Beschlagnahme des Führerscheins 7 148 – Verstoß gegen, vorläufige Entziehung des Führerscheins 7 148 Führerscheinmaßnahme – strafgerichtliche, Entschädigung 11 111 ff. – Verkehrszentralregister, Eintragung 10 163 Fußgänger – alkoholisierter 2 304 – Fahrbahnbenutzung 2 322 – Mitverschulden 2 324 ff., 333 ff. – Skateboard-Fahrer 2 497
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Skateboard-Fahrer 2 520 ff. Skater 2 520 ff., 2 494 ff. Überqueren der Fahrbahn 2 317 f. Unfall mit Kfz 2 284 ff.; s. auch Unfall Kfz – Radfahrer/Fußgänger, Haftungsgrundlagen – Unfall mit Radfahrer 2 294 ff., 513 ff., 519 ff. – Unfall zwischen 2 494 ff., 520 ff.; s. auch Unfall zwischen Fußgängern, Haftungsgrundlagen – Vertrauensgrundsatz 2 319 Fußgängerüberweg 2 318 – Benutzung mit Fahrrad 2 516 f. Fußgängerzone 2 523 Gabelstapler 2 66 Gebrauchsentwendung – teilkaskoversichertes Kfz 7 363 Gebrauchsüberlassung – Halterhaftung 2 70 Gebühren, Verkehrsordnungswidrigkeitensachen 8 125 ff. – Allgemeines 8 125 ff. – Gebührenabsprachen mit Rechtsschutzversicherern 8 130 ff. – nach vorangegangenem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft 8 129 Gebühren, Verkehrsstrafsachen 8 110 ff. – angemessene Gebühr 8 115 ff. – Bedeutung der Angelegenheit 8 121 – Befriedungsgebühr 8 113a – Dokumentation 8 123 – Ermessensausübung 8 116 ff. – Gebührenabsprachen mit Rechtsschutzversicherern 8 130 ff. – Grundgebühr 8 110c – Kriterien des § 14 8 117 – Schwierigkeitsgrad 8 120 – Spezialkenntnisse 8 120 – Terminsgebühr 8 112b – Umfang der Tätigkeit 8 119 – Verfahrensgebühr 8 111 ff. Gebührenabkommen 5 184 ff. – DAV-Abkommen 5 187 – mit Rechtsschutzversicherern 8 130 ff. – RVG-Abkommen 5 187 Gebührenstreitwert 5 196 f. – Anwaltskosten 5 248 – Leasing 5 288 – Sicherungseigentum 5 288 Gebührentatbestände 5 188 ff.; s. auch Anwaltskosten; s. auch Anwaltskosten, Erstattung – Anwaltskosten 5 1 ff.
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Stichwortverzeichnis [Gebührentatbestände] – Einigungsgebühr/Vergleichsgebühr 5 208 ff. – Abfindungsvereinbarung 5 220 f. – Abrechnung und Vergleich 5 215 f. – Einigung 5 217 ff. – Einigungsbeführ, zeitlicher Anwendungsbereich 5 209 ff. – Streitwert 5 222 – Vergleichsgebühr, zeitlicher Anwendungsbereich 5 212 ff. – Erhöhungsgebühr 5 223 ff. – Einzelfälle 5 231 ff. – gemeinsames Mandat 5 226 ff. – getrennte Mandate 5 224 f. – Geschäftsgebühr 5 190 ff. – einfache Tätigkeiten 5 200 – Erstattung 5 198 f. – ggü Versicherer 5 29 – Mandatsverhältnis 5 191 f. – Prozess 5 201 f. – Rahmengebühr 5 193 ff. – Streitwert 5 196 f. – Hebegebühr 5 236 ff. – Gebührenabkommen 5 239 – Nebenkosten 5 241 ff.; s. auch Nebenkosten, Anwalt – Auslagen 5 241 ff. – Ermittlungsakte 5 245 – Reisekosten 5 246 – Rahmengebühren 5 189 – Terminsgebühr 5 203 ff. – in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen 8 125 ff.; s. auch Gebühren, Verkehrsordnungswidrigkeitensachen – in Verkehrsstrafsachen 8 110 ff.; s. auch Gebühren, Verkehrsstrafsachen – Verkehrszivilsachen 5 73 ff. Gefährdung des Straßenverkehrs 11 55 ff. – alkohol-/drogenbedingt, konkrete Gefährdung 11 55 ff. – körperliche/geistige Mängel 11 55 Gefährdungshaftung 2 8 ff., 650 ff.; s. auch Gefährdungshaftung, Fahrer; s. auch Gefährdungshaftung, Halter – Anhänger 2 38 f., 64 – Anhänger, von Versicherungspflicht befreit 2 64 – Ausnahmeregelung – nicht der Gefährdungshaftung unterliegende Kfz 2 65 ff. – Bahnunternehmer, Haftpflichtgesetz 2 461 ff. – beförderte Sachen 2 111 – Beweislast 2 25
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bis 20 Km/h fahrende Kfz 2 44 Haftungsbeschränkung 2 45 Kinderunfall 2 353 ff. Personenbeförderung, unentgeltliche 2 40 – Schmerzensgeld 2 32 ff., 110, 345 – Stichtage für Altfälle 2 10 Gefährdungshaftung, Fahrer 2 155 ff. – Anspruchsvoraussetzungen 2 64 ff., 156 – Entlastungsbeweis 2 159 f. Gefährdungshaftung, Halter 2 63 ff. – Anhänger 2 64 – Anspruchsberechtigte 2 79 ff. – berechtigter Besitzer als Verletzter 2 81 f. – Eigentumsvermutung 2 83 – Familienfahrzeug 2 84 – Verletzter 2 80 ff. – Anspruchsumfang und -höhe 2 110 ff. – Haftungshöchstbeträge 2 113 – Personenschäden 2 110 – Sachschäden 2 111 f. – Anspruchsverpflichtete 2 68 ff. – bei „Betrieb“ Kfz 2 85 ff. – Arbeitsmaschine, Einsatz als 2 86 – geparkte Fahrzeuge 2 85 ff. – haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang 2 93 f. – Kausalzusammenhang Betrieb/Schadensereignis 2 87 ff. – psychische Kausalität 2 90 ff. – Dienstfahrt mit Dienstfahrzeug 2 72 – Dienstfahrt mit Privat-Pkw 2 72 – Ende 2 73 ff. – Entwendung Kfz 2 74 – Schwarzfahrt 2 76 – Unterschlagung 2 75 – Veräußerung Kfz 2 73 – Entlastung gegenüber Radfahrer/Fußgänger, höhere Gewalt 2 295 – Entlastungsbeweis 2 64, 100 ff. – Fahrschüler, Anspruch gegen Halter 2 255 – Höhere Gewalt 2 102 ff. – Leasing 2 70, 249 ff. – Leihe 2 71 – Miete 2 71 – nicht der Gefährdungshaftung unterliegende Kfz und Anhänger 2 65 ff. – Rechtfertigungsgrund 2 98 – Rechtswidrigkeit 2 97 f. – Schaden durch „Unfall“ 2 95 f. – Sicherungseigentum 2 70, 249 ff. – Sicherungspflicht 2 77
Stichwortverzeichnis [Gefährdungshaftung, Halter] – Unabwendbarkeitsnachweis 2 100 ff., 105 ff. – Vorsatz 2 99 – Werkvertrag 2 71 Gefahrenaddition – Unfall mit mehreren Kfz 2 561 Gefahrengemeinschaft – Haftungsbeschränkung 4 408 ff. Gefahrerhöhung 7 117 ff. – Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers 7 124 – Beispiele 7 131 ff. – Beweisfragen 7 130 – Definition 7 118 – Folgen von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen – tabellarische Übersicht 7 264 – Kausalitätsgegenbeweis 7 130 – Kenntnisentziehung, arglistige 7 122 – Kündigungsrecht des Versicherers 7 125 – Leistungsfreiheit 7 127 – graduelle, Überblick 7 127 – Leistungskürzung nach Verschuldensgrad 7 130 – objektive 7 119 – Obliegenheitsverletzung, Zusammentreffen mit 7 261 – Prämienerhöhung 7 126 – durch Provokation 4 413 – Quotenbildung 7 129 – Rechtsfolgen 7 124 ff. – Spezialität AKB-Regelungen 7 121 – Störung Äquivalenzverhältnis 7 117 – subjektive 7 119 – Überblick 7 117 ff. – Verhältnis zu den §§ 19 ff., 81, 103 VVG 7 120 – Vornahme 7 122 Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr 11 51 ff. – provozierter Unfall 6 15 f., 146 ff., 11 54 Gefahrzeichen „Kinder“ 2 362 Gefälligkeitsfahrt 2 241 – Schmerzensgeldreduktion 4 728 Gehweg 2 515 – Benutzung durch Radfahrer 2 314 – Kind auf Fahrrad 2 511 – unerlaubte Benutzung 2 509 Geldbuße 10 108 f. – Bußgeldkatalog 10 109 – Bußgeldrahmen 10 108
– Vollstreckung verkehrsrechtlicher aus anderen EU-Mitgliedsstaaten 13 170 ff. Geldstrafe – Vollstreckung verkehrsrechtlicher aus anderen EU-Mitgliedsstaaten 13 170 ff. Gerichtsstand – Haftpflichtprozess 9 5 ff. – Versicherungsprozess 9 34 f. Geringfügige Beschäftigung 4 863 ff. Gesamtabwägung 2 563 ff. Gesamtschuld, gestörte; s. auch Gestörte Gesamtschuld Gesamtschuldner-Innenausgleich 2 574 ff. – 2. SchadÄndG 2 529 – Drittschädigung durch mehrere Kfz 2 199 – eigene Schäden, Haftungsverhältnis 2 200 f. – Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe 2 578 – gestörter 2 563 ff., 598 ff.; 4 427 ff.; s. auch Gestörte Gesamtschuld – Haftpflichtversicherer mit Versicherten 7 322 ff. – Haftpflichtversicherung und Versicherter 2 596 f. – Haftungsabwägung 2 584 ff. – Haftungseinheit, Berücksichtigung 2 586 ff. – bei Kinderunfall 2 378 – Leasing-Kfz, Beteiligung 2 218 ff. – mehrere Halter eines Kraftfahrzeugs 2 69 – nachweisliches und vermutetes Verschulden 2 577 f. – zweistufiger 2 586 Gesamtschuldnerische Haftung 2 534 ff. – aller an Unfallmanipulation beteiligten Personen 6 109 – Alles-oder-Nichts-Prinzip 2 534 ff. – Ausnahmen 2 536 – bei ärztlicher Falschbehandlung 2 536 – Außenverhältnis 2 50 – Drittschädigung durch mehrere Kfz 2 199 – Ehegatten als Halter 2 69 – Einzelabwägung und Gesamtschau 2 563 ff. – Erstattung von Anwaltsgebühren 5 304 f. – bei Gefährdungshaftung 2 58 – gestörter Gesamtschuldnerausgleich 2 540, 598 ff.; s. auch Gestörte Gesamtschuld
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Stichwortverzeichnis [Gesamtschuldnerische Haftung] – Innenausgleich 2 50 – Kfz-Unfall ohne Fremdbeteiligung 2 235 ff. – Nebentäterschaft, fahrlässige – geringste hypothetische Haftungsquote 2 612 – zweiter Unfall 2 536 Geschädigter – Aufklärungs- und Hinweispflichten 5 8 – Auswahlverschulden – Mietwagen 1 40 – Sachverständiger 1 24 – Werkstatt, qualifizierte 1 24 – fiktive Erstattung 5 15 – Kontrollpflicht – Mitteilung an Haftpflichtversicherer 1 43 – Überwachung der Reparatur 1 42 – Nachforschungs- und Erkundigungspflichten 5 9 – Schweigepflichtentbindungserklärungen, Beibringung 5 3 – substantiierter Vortrag 5 5 – Vernehmung als Partei 1 45 – Vortrag sozialversicherungsrechtlicher Umstände 5 7 Geschäftsführung ohne Auftrag – Aufwendungsersatz des Nothelfers 4 443 ff. Geschäftsgebühr 5 190 ff. – einfache Tätigkeiten 5 200 – Erstattung 5 198 f. – Mandatsverhältnis 5 191 f. – Prozess 5 201 f. – Rahmengebühr 5 193 ff. – Streitwert 5 196 f. Geschäftsherr – Haftungs- und Zurechnungseinheit mit Verrichtungsgehilfen 2 548 – Kfz-Halterhaftung 2 53 ff. Geschwindigkeit – Kinder, Gefahrzeichen 2 364 – verkehrsberuhigter Bereich 2 363 – Wohnstraße 2 365 Geschwindigkeitsmessung 10 89 ff. Geschwindigkeitsüberschreitung 2 700, 7 406 ff. – „Augenblicksversagen“ 10 88 – Fahrverbot 10 93 – Geschwindigkeitsmessung, Toleranzgrenzen 10 88 – Geschwindigkeitsüberwachung durch Video 10 87a
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– haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang 2 305 f. – standardisiertes Messverfahren 10 90 Gesellschafter; s. auch Verdienstausfallschaden, Selbständige – Verdienstausfallschaden 4 1069 ff. Gesetzliche Unfallversicherung 4 96 ff. – anspruchsberechtigter Personenkreis 4 104 ff. – Antrag 4 102 ff. – Arbeitsunfall 4 138; s. auch dort – Lebensabschnitte, Übersichtstabelle 4 114 – Leistungen 4 133 f. – Nasciturus, Verletzung 4 65 ff. – Relevanz 4 96 ff. – Wegeunfall 4 115 ff.; s. auch dort – Zuständigkeit, später erkannte 4 135 ff. – Zwangsversicherung 4 100 f. Geständnis – betrügerisches zu Lasten e. Dritten 6 231 – Geständnisfiktion 6 232 – des Versicherten 6 230 ff. Gestellter Unfall 5 294 ff., 6 7 ff., 23 ff.; s. auch Unfallmanipulation – abgestelltes Fahrzeug, vorsätzliche Beschädigung 6 125 ff. – mit eigenem Fahrzeug 6 130 ff. – mit fremdem Fahrzeug 6 132 – Berliner Modell 6 13, 133 ff. – Beschädigung eines weiteren Kfz 6 144 f. – Haftungsausschluss bei Verabredung/ Einwilligung 6 136 ff. – Haftungsausschluss ohne Verabredungsnachweis 6 140 ff. – Beweislast 6 23 ff. – Einwilligung des Geschädigten 6 49 ff. – Anscheinsbeweis 6 52 ff. – Checkliste 6 97, 97 ff. – Indizienbeweis 6 55 ff.; s. auch Indizienbeweis, Einwilligung – mit Leasingfahrzeug 6 124 – mit Mietwagen 6 124 – ohne Mitwirkung des Anspruchstellers 6 110 ff. – Dritter als Wissensvertreter 6 120 f. – Einwilligung bewiesen 6 114 f. – Einwilligung nicht bewiesen 6 116 ff. – und Rechtsschutzversicherung 8 51 ff. – Schadenshergang, Beweis 6 28 ff. – Abgrenzung zur dritten Stufe 6 46 ff. – Beweismittel 6 34 ff.
Stichwortverzeichnis [Gestellter Unfall] – Gegenbeweis durch Haftpflichtversicherer 6 37 ff. – durch den Geschädigten 6 32 ff. – Kompatibilitätsprüfung 6 42 – Plausibilitätsprüfung 6 43 – Schadensumfang, Beweis 6 98 ff. – Beweiserleichterung de § 287 ZPO 6 99 f. – Manipulationsfolgen, sonstige 6 105 ff. – Schätzungsgrundlage, fehlende 6 103 ff. – Schmerzensgeld 4 729 – Streitgenossenschaft, einfache 6 25 – Versicherer als Nebenintervenient 5 295 Gestörte Gesamtschuld 2 563 ff., 598 ff., 4 427 ff. – Kinderunfall 2 378 – Rechtsnachfolger, Geltung für 4 432 – Schmerzensgeld, Auswirkungen auf 4 658 f. – Schmerzensgeldkürzung bei Mitverantwortlichkeit 4 669 – Zweitschädiger neben privilegiertem Schädiger 4 357 f. Gewährleistungsansprüche – gegen Werkstatt 1 42 Glas- und Verkabelungsschäden – Teilkasko-Versicherung 7 373 f. Glasbruch – Kaskoversicherung, Reparaturschaden 7 442 Glaubensangehörigkeit – Schmerzensgeld, Bemessungskriterium 4 699 Grenzbetrachtung, doppelte 2 7, 634 Grenzbetrachtung, einfache 2 635 Grobe Fahrlässigkeit 7 208 – alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit 7 410 ff. – Begriff 7 393 – Fallgruppen 7 402 ff. – Bewusstseinsstörungen 7 410 ff. – Fahrweise 7 402 ff. – Geschwindigkeitsüberschreitung 7 406 ff. – Kfz-Diebstahl 7 419 ff. – neuere Entscheidungen 7 422 f. – Rotlichtverstoß 7 402 ff. – Überfahren eines Stoppschildes 7 405 – Verhalten im Fahrzeug während der Fahrt 7 407 ff.
– Folgen bei Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen – tabellarische Übersicht 7 264 – gesetzliche Vermutung bei Obliegenheitsverletzung 7 204 – Kaskoversicherung, Leistungsfreiheit 7 393 f. – Obliegenheitsverletzung, Quotenbildung bei 7 237 ff. – Richtlinien des 47. Verkehrsgerichtstags 2009 7 237 – Quotenbildung – Musterquoten 7 238 Grundgebühr – Verkehrsstrafsachen 8 110c Grundsicherung 4 993 ff. Grüne-Karte-System 1 57 ff., 13 4 ff. Gutachten; s. auch Sachverständigengutachten – doppelte Grenzbetrachtung 2 7, 634 – einfache Grenzbetrachtung 2 635 – Ermittlungsverfahren 2 7 Gutachtenbasis, Abrechnung auf – Netto-Gutachtenbasis in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 97 Gutachter; s. Sachverständiger Gutachterkosten – Ersatzleistung, Kaskoversicherung 7 451 Gütergemeinschaft – Schmerzensgeld, Gesamtgut 4 814 Haager Straßenverkehrsübereinkommen 13 25 Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines 7 1 ff. – Änderungen durch das neue VVG, Überblick 7 1 – Aufklärungsobliegenheiten – einzelne 7 177 ff. – Inhalt und Umfang 7 163 ff. – neuere Entscheidungen 7 197 – Wegfall und Beendigung 7 174 ff. – Aufwendungen des Versicherers 7 252 – Folgen von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen – tabellarische Übersicht 7 264 – Gefahrerhöhung 7 117 ff.; s. auch dort – AKB-Regelungen, Spezialität 7 121 – Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers 7 124 – Beispiele 7 131
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Stichwortverzeichnis [Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines] – Beweisfragen 7 130 – Definition 7 118 – Kündigungsrecht des Versicherers 7 125 – Leistungsfreiheit des Versicherers 7 127 f. – objektive 7 119 – Prämienerhöhung wegen 7 126 – Quotenbildung 7 129 – Rechtfolgen bei Verletzung 7 124 ff. – Störung des Äquivalenzverhältnisses 7 117 – subjektive 7 119 – Verhältnis zu §§ 19 ff., 81, 103 VVG 7 120 – Vornahme 7 122 f. – Kraftfahrt-Versicherungsvertrag 7 33 ff.; s. auch dort – Änderungen während Vertragslaufzeit 7 87 ff. – Auslegung und Inhaltskontrolle 7 33 ff. – Beginn 7 56 ff. – Beratungspflichten 7 52 ff. – Dauer und Ende 7 67 ff. – Geltungsbereich 7 83 ff. – Informationspflichten 7 39 ff. – Widerrufsrecht 7 47 ff. – Obliegenheiten – tabellarische Übersicht 7 264 – Obliegenheiten nach Versicherungsfall 7 156 ff. – Anzeigeobliegenheiten 7 158 ff. – Aufklärungsobliegenheiten 7 163 ff.; s. auch Aufklärungsobliegenheiten – Aufklärungsobliegenheiten, einzelne 7 177 ff. – Aufklärungsobliegenheiten, neuere Entscheidungen 7 197 – Nachtrunkverbot 7 187 ff. – Sicherung und Feststellung von Unfallspuren 7 191 – Überblick 7 156 ff. – Verbleiben am Unfallort 7 177 ff. – wichtige und häufige Angaben 7 192 ff. – Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall 7 137 ff.; s. auch Obliegenheiten – Obliegenheiten vor Versicherungsfall 7 137 ff. – Führerscheinklausel 7 147 ff. – Rennveranstaltungen 7 150 – Schwarzfahrtklausel 7 140 ff.
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– Trunkenheitsklausel 7 151 – Verwendungsklausel 7 138 f. – Obliegenheitsverletzung – Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips 7 198 ff. – Besonderheiten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung 7 243 ff. – Beweislast 7 222 ff. – Kausalität 7 209 ff. – Kündigung 7 242 – Leistungsfreiheit 7 198 ff.; s. auch Obliegenheitsverletzung, Leistungsfreiheit – mehrere, Zusammentreffen 7 255 ff. – Quotenbildung 7 237 ff. – Schwere des Verschuldens 7 204 ff. – Prämienzahlung, fehlende oder verspätete 7 91 ff.; s. auch Prämienrückstand – Allgemeines 7 91 – Erstprämie 7 92 ff. – Folgeprämie 7 102 ff. – Mahnung und Rechtsbelehrung 7 108 ff. – Rechtsfolgen 7 114 ff. – Zahlung der Prämie 7 105 ff. – prozessuale Fragen – Gerichtsstand 7 482 – Klagefrist 7 483 – Verfahren 7 484 ff. – Risikoausschlüsse 7 295 ff., 387 ff. – tabellarische Übersicht 7 262 f. – Rückwärtsversicherung 7 31 f. – Abgrenzung zu vorläufiger Deckung 7 31 – Verjährung 7 480 f. – vorläufige Deckung 7 2 ff.; s. auch dort – Beginn und Ende 7 12 ff. – Beweislastverteilung 7 29 ff. – rückwirkender Wegfall 7 15 ff. – selbständiger Vertrag 7 2 ff. – Vertragsinhalt 7 9 ff. – VVG, wesentliche Neuregelungen für die Kraftfahrtversicherung 7 1 Haftpflichtgesetz – Bahnunternehmer, Gefährdungshaftung 2 463 – Schienenbahn 2 461 f. – Schwebebahn 2 462 Haftpflichtprozess 9 2 ff. – Aktivlegitimation, Unfall mit Familienfahrzeug 2 84 – Beklagte 9 15 f. – Beweisführung 9 17 ff. – Schadenshöhe 9 21 ff. – Unfallhergang 9 20
Stichwortverzeichnis [Haftpflichtprozess] – Beweismittel 9 19 – Beweisverfahren, selbständiges 9 24, 41 – Drittwiderklage, isolierte 9 25 – Gerichtsstand 9 5 ff. – Haftpflichturteil, Bindungswirkung 6 26 – Kläger 9 12 ff. – Muster – Drittwiderklage 9 29 – Feststellungsklage/unbezifferter Klageantrag 9 27 – Klageerwiderung 9 28 – Klageschrift 9 26 – Prüfungsfrist der Versicherung 9 2 f. – Unfall-Rekonstruktionsgutachten 9 24 Haftpflichtschadenregulierung; s. auch Anwaltskosten, Erstattung – Anwaltskosten 5 119 ff. Haftpflichtversicherung 7 266 ff. – Allgemeines 7 266 ff. – Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot, Wegfall 7 321 – Angehörigenprivileg 2 407 – Anhängerklausel 7 294 – Deckungssummenüberschreitung 7 343 – Kürzungsverfahren bei Rentenzahlungen 7 345 – Verteilungsverfahren 7 344 – Deckungsumfang 7 274 ff.; s. auch Haftpflichtversicherung, Deckungsumfang – Direktklage 4 240 ff. – Entschädigungsfonds bei Versichererinsolvenz 4 242 ff. – Regress 4 243 – Gesamtschuldner-Innenausgleich mit Versicherten 7 322 ff. – gestörtes Versicherungsverhältnis 2 170 – Haftungsbegrenzung, Versicherungsnehmer gegen mitversicherte Personen 2 176 ff. – Haftungsbeschränkung auf vereinbarte Versicherungssumme 2 58 – Kontrahierungszwang 7 266 ff. – Kraftfahrzeuge, von Versicherungspflicht befreit 2 67 – Leistungsfreiheit ggü. Dritten – Verweisungsprivileg 7 253 f. – mitversicherte Personen 7 313 – nicht berechtigter Fahrer 2 78 – Nachhaftung 7 317 ff. – Nachhaftungsfrist 7 317 ff.
– Prämienanspruch 7 320 – Obliegenheitsverletzung – Besonderheiten 7 243 ff. – Freistellungsanspruch, betragliche Begrenzung 7 245 ff. – Leistungsfreiheit bei besonders schwerwiegendem Verschulden 7 248 – Leistungsfreiheit bei betrügerischer Absicht 7 247 – Leistungsfreiheit nach Verschuldensgrad 7 198 ff. – Verweisung an Sachversicherer/Sozialversicherungsträger 7 253 f. – Zusammentreffen mehrerer 7 256 ff. – Opferentschädigungsrecht 4 245 ff. – Opferschutz 4 245 ff. – Pflichtversicherung 7 266 ff. – Annahmefiktion 7 270 – Ausnahmen 7 272 – Mindestsumme 7 269 – Privathaftpflicht, Abgrenzung – Benzinklausel 7 288 ff. – Gefahrgeneigtheit Kfz-Gebrauch 7 290 – Prozessführungsbefugnis 7 338 ff. – Regress bei krankem Versicherungsverhältnis – Grundsätzliches 7 322 ff. – Regress beim Zusammentreffen mehrerer Gründe 7 329 – Regress des Versicherers – tabellarische Übersicht 7 334 – Regress gg. Mitversicherte 7 330 ff. – Umstände in der Person des Mitversicherten 7 333 – Umstände in der Person des Versicherungsnehmers 7 333 ff. – Regress gg. Versicherungsnehmer 7 326 – Regulierungsvollmacht 7 273, 340 ff. – Richtlinie (EG) vom 11. 5. 2005 13 185 – Risikoausschlüsse 2 171 f.; 7 295 ff.; s. auch Haftpflichtversicherung, Risikoausschlüsse – Rückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung – verschwiegene Vorschäden 6 108 – mit Selbstbeteiligung 7 273 – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 4 250 ff. – Verhältnis Versicherungsnehmer/Mitversicherte 7 355 ff. – Verjährung 7 480 f. – Verweisungsprivileg 7 253 f. – Vorleistungspflicht des Versicherers 4 20
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Stichwortverzeichnis Haftpflichtversicherung, Deckungsumfang 7 274 ff. – Auslagen, Einleitung des Strafverfahrens 5 174 – Befriedigung/Abwehr von Ansprüchen 7 274 – Benzinklausel, Abgrenzung 7 277 – Gebrauch eines Fahrzeugs 7 275 ff. – Begriff 7 276 – Beispiele für Gebrauch 7 277 ff. – Beispiele für keinen Gebrauch 7 283 ff. – Mindestversicherungssumme, italienisches Recht 13 142 ff. – Mindestversicherungssummer, österreichisches Recht 13 169 – Nebenklagekosten 5 176 – Verteidigerkosten 5 182 – Verteidigung ggü. ordnungsrechtlichen Verfügungen 5 183 – Verteidigung im Straf- oder Bußgeldverfahren 5 170 Haftpflichtversicherung, Ersatzanspruch gegen 2 163 ff. – Anspruchsberechtigter Dritter 2 173 ff. – Deckungsverhältnis 4 19 ff. – Eigenbeschädigung 2 179 – Fahrlehrer gegen eigene Haftpflichtversicherung 2 174 – Gebrauch des Kfz 2 181 ff. – gestörtes Versicherungsverhältnis 2 190 – Haftungsbegrenzung auf die Mindestsumme 2 193 – Haftungsbegrenzung, Aufnahme ins Urteil 2 190 ff. – Haftungsverhältnis 4 16 ff. – Konfusion 2 180 – mehrere Versicherungsverhältnisse 2 184 ff. – Mitversicherter 2 167 ff. – Mitversicherter als geschädigter „Dritter“ 2 278 – nichtberechtigter Fahrer 2 167 ff. – „Nur“-Insasse 2 283 – Unfall ohne Fremdverschulden 2 276 ff. – versicherter Schädiger 2 166 – Versicherungsnehmer als anspruchsberechtigter Dritter 2 174 Haftpflichtversicherung, Risikoausschlüsse 2 171 f., 7 295 ff. – Abschleppen von Fahrzeugen 7 306 – Allgemeines 7 295 – Anhänger, Schäden an 7 306 – beförderte Sachen, Schäden an 7 307
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– wegen Beschädigung, Zerstörung, Abhandenkommen des Kfz – Halter/Eigentümer gg. Fahrer 7 303 ff. – Beweislastverteilung 7 311 f. – gesetzlicher Risikoausschluss, § 103 VVG 7 296 ff. – Fahrer Repräsentant 7 298 – Vorsatz 7 296 ff. – Rennveranstaltungen, behördlich genehmigte 7 302 – Risikoausschluss, subjektiver des § 103 VVG 6 122, 130 – Sach-/Vermögensschäden mitversicherter Personen 7 308 – vertragliche Ansprüche 7 309 – vertragliche Risikoausschlüsse 7 301 ff. – Vorsatz 2 171 Haftungs- und Zurechnungseinheit 2 541 ff. – Fahrer und Halter 2 542 – Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe 2 548 ff. – gesetzlich begründete 2 548 ff. – Haftungsquote, Ermittlung 2 692 – Halter und Fahrer 2 162 – identische Gefahrenquelle 2 553 – im wesentlichen identische Tatbeiträge 2 554 – Schädiger und Geschädigter 2 552 – tatsächlich begründete 2 553 ff. – Tierhalter und Tierhüter 2 548 ff. – Unfall mit mehreren Kfz 2 559 ff. – zwischen Schädiger und Geschädigtem 2 556 Haftungsabwägung 2 686 ff. – Beweislast 2 27 – Quotenermittlung bei Gesamtschuldner-Innenausgleich 2 584 ff. Haftungsausschluss; s. auch Haftungsbeschränkungen – Amtspflichtverletzung 4 343 – Arbeits-, Dienstunfall 4 654 – bei Beamten 4 340 ff., 655 – Beifahrer, berufsmäßige 4 291 – Berliner Modell, Schädigung ohne Verabredungsnachweis 6 140 ff. – Berliner Modell, Verabredung/Einwilligung der Schädigung 6 136 ff. – bei Betriebswegeunfall 4 268 ff. – bei Einsatzfahrt, Insassen 4 291 – bei Soldaten 4 340 ff. – wegen Unfallversicherungsschutz 2 47 – Vorsatz 2 44
Stichwortverzeichnis [Haftungsausschluss] – Wegeunfall, gesetzlicher Unfallversicherungsschutz 4 116 Haftungsbefreiung – Rechtfertigungsgrund 2 98 Haftungsbeschränkungen 4 405 ff.; s. auch Haftungsausschluss – ggü Beamten 2 44 – ggü Betriebstätigen 2 44 – Direktklage ggü anderen Haftpflichtversicherern 2 44 – für Eigentümer 2 44 – Eisen- und Straßenbahnen 2 44 – bei Entwendung 2 44 – erlaubtes Risiko 4 408 ff. – familiäre 4 90 ff., 407 – Gefährdungshaftung 2 45 – Gefahrengemeinschaft 4 408 ff. – gefährliche Sportarten 4 412 – Haftungsersetzung 2 46; s. auch dort – haftungsprivilegierte Schädiger 2 46 f. – Handeln auf eigene Gefahr 4 409 – Kfz, nicht schneller als 20 km/h 2 44 – ggü Leasinggeber 2 44 – Provokation 4 413 ff. – bei Schwarzfahrt 2 44 – ggü Sicherungseigentümer 2 44 – Verletzung bei Verfolgung 4 420 ff. – Versicherungssumme, auf vereinbarte 2 58 – Vorsatz 2 44 Haftungseinheit – Gesamtschuldner-Innenausgleich, Berücksichtigung bei 2 586 ff. – Kind – Eltern 4 389 f. – mehrere Schädiger 2 539 – mit nicht deliktfähigem Kind 4 671 – mit schuldfähigem Kind 4 670 Haftungsersetzung 2 46 f., 234 Haftungserweiterungen – Ansprüche gegen eigene KH-Versicherung 2 50 – gesetzliche Verschuldensvermutung 2 49, 53 ff. – Kfz-Halter als Geschäftsherr 2 53 – mehrere Schädiger 2 50 – volle Haftung 2 50 – Tierhalterhaftung, verschuldensunabhängige 2 49 – Verkehrsopferhilfe, Ansprüche gegen – Subsidiarität 2 52 – Umfang 2 52 Haftungsfreistellung – im Ausland erwirkter Titel 4 659 – Mieter eines Kfz bei Unfall 2 243
Haftungsgrund 2 3 ff. – Beweislast 2 23 ff. – Gefährdungs- und Verschuldenshaftung 2 8 ff.; Gefährdungshaftung; Verschuldenshaftung – Mitverantwortung, Haftungsquotenbildung 2 12 ff. – Unfallhergang 2 4 ff.; s. auch dort Haftungsgrundlagen 2 43 ff.; s. auch Haftungsausschluss – Außenverhältnis 2 57 ff. – Beweislast und Beweiswürdigung 2 655 ff. – Haftungsausschluss; s. dort – Haftungsbeschränkungen 2 43 ff.; s. dort – Haftungserweiterungen 2 43, 48 ff.; s. dort – Haftungsquote, Ermittlung 2 686 ff. – Innenverhältnis 2 232 ff.; s. auch Unfall Kfz, Innenverhältnis – mehrere Schädiger 2 528 ff. – Tierunfall 2 412 ff.; s. auch dort – Unfall eines Kfz ohne weiteres Kfz 2 232 ff.; s. auch Unfall Kfz, Innenverhältnis – Unfall Kfz – Kfz 2 57 ff.; s. auch Unfall Kfz – Kfz, Haftungsgrundlagen – Unfall Kfz – Radfahrer/Fußgänger 2 284 ff.; s. auch Unfall – Radfahrer/ Fußgänger, Haftungsgrundlagen – Unfall Kfz – Schienenbahn 2 461 ff.; s. auch Unfall Kfz – Schienenbahn, Haftungsgrundlagen – Unfall Radfahrer – Fußgänger 2 495 ff., 513 ff., 519 ff. – Unfall zwischen Fußgängern 2 495 ff. – Unfall zwischen Radfahrern 2 495 ff. – Unfallhergang, Aufklärung 2 616 ff. Haftungshöchstsumme 4 361 ff. – Anhebung 2 41 – Kürzungs- und Verteilungsverfahren 4 369 ff. – Überschreitung 4 368 ff. – Überschreitung, Restschuldbefreiung 4 238 Haftungsquote 2 12 ff.; s. auch Quotenhaftung – Ermittlung 2 27 ff.; s. auch Haftungsquote, Ermittlung – geringste hypothetische bei fahrlässiger Nebentäterschaft 2 612 – hälftige Haftung gesetzlicher Regelfall 2 717 – Halter und Fahrer 2 543
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Stichwortverzeichnis Haftungsquote, Ermittlung 2 686 ff. – Abwägung 2 702 ff. – Anscheinsbeweis 2 699 – Betriebsgefahr, erhöhte 2 694 ff. – Betriebsgefahr, mitwirkende 2 693 – Tabellen 2 715 – Umstände, berücksichtigungsfähige 2 697 ff. – Verantwortungsbeitrag, Ermittlung 2 690 ff. – Verschuldensvermutung 2 699 Haftungssystem Täter – Opfer 4 73 ff. Haftungsverzicht 4 398 ff. – Drittwirkung 4 400 – formularmäßiger 4 399 – bei Gefälligkeitshandlungen 4 403 – konkludenter 4 404 – für Minderjährige 4 399 – stillschweigender 4 402 – stillschweigender, Gefälligkeitsfahrt 2 241 – Teilungsabkommen 4 400 – vertraglich im Voraus 4 399 – bei Vorsatz 4 399 Haftungsvoraussetzungen 2 1 ff. Hagel – Teilkasko-Versicherung 7 364 ff. Halswirbelsäule, Verletzung 4 38 ff. – Attest als Nachweis 4 48 – Auffahrunfall, Anscheinsbeweis 4 42 – biomechanische Einwirkung 4 45 – Insassenbelastung, Geschwindigkeitsveränderung 4 46 ff. – Out-of-Position-Haltung 4 50 – Vollbremsung 4 51 Halter – Ansprüche gegen Radfahrer/Fußgänger 2 338 ff. – als Beifahrer 4 381 – Dienstfahrzeug 2 72 – Drittwiderklage gegen weitere Beteiligte 2 56 – Entlastungsbeweis, höhere Gewalt 2 36 f. – Ersatzanspruch ggü eigener KH-Versicherung, Personenschäden 2 51 – Familienfahrzeug 2 84 – als Geschäftsherr bei Verrichtungsgehilfen – Haftungserweiterung 2 53 ff. – Halterbegriff 2 69, 7 266 – Halterstellung, Verlust 2 73 ff. – Insasse, Unfall ohne Fremdbeteiligung 2 280
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– langsam fahrendes Kfz, Mitverantwortung 2 223 ff. – Quotenhaftung bei Kinderunfall 2 379 – Rücksichtnahme, gesteigerte gegenüber Kindern 2 363 ff. – Sicherungspflicht 2 77 f. – Widerklage wg. eigener Schäden 2 56 Halterhaftung – Gefährdungshaftung 2 63 ff.; s. auch Gefährdungshaftung, Halter – als Geschäftsherr bei Verrichtungsgehilfen 2 53 ff. – Verschuldenshaftung 2 114 ff.; s. auch Verschuldenshaftung, Halter Handeln auf eigene Gefahr – Haftungsbeschränkung 4 409 Haschisch; s. auch Cannabis – Drogennachweis, verfassungskonforme Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG 11 42 – Trunkenheit im Verkehr 11 55 Hausfrau, Personenschaden – Hausfrauentarifvertrag 4 1215 f. – Haushaltsführungsschaden 4 1164 ff.; s. auch dort – Tabellenwerte 4 1217 ff. Hausfrauentarifvertrag 4 1215 f. Haushaltsführungsschaden 4 1162 ff., 1192 ff.; s. auch Unterhaltsschaden – Allgemeines 4 1162 ff. – Anspruchsvolumen 4 1187 ff. – Beeinträchtigung 4 1175 ff. – stationäre Behandlung 4 1177 f. – Verletzung 4 1175 – Brutto-Netto-Vergleich/wöchentliche Stundenzahl 4 1219 – Darlegung, Anforderungen an 4 1200 ff. – Dauer 4 1195 f. – Drittleistungen, Anrechnung von 4 1226 ff. – Haushaltshilfe 4 1230 f. – Kongruenzhinweise 4 1232 f. – Lohnersatzleistungen 4 1227 f. – Verletztenrente 4 1229 – vermehrte Bedürfnisse 4 1234 – Eigenversorgung 4 1179 – Ermittlungs- und Rechenschritte 4 1187 ff. – Ersatzkraft 4 1192 ff. – Fremdversorgung 4 1180 ff. – familienrechtliche Unterhaltspflicht 4 1181 ff. – tatsächliche Leistung 4 1185 f. – getrennte Eheleute 4 1357 – Gutachten für 4 1220 – Haushaltsversorgung 4 1179 ff.
Stichwortverzeichnis [Haushaltsführungsschaden] – Personenkreise 4 1164 ff. – Berufstätige 4 1165 f. – Ehegatten 4 1167 f. – eingetragene Lebenspartner 4 1169 f. – Hausfrau 4 1164 – Hausmann 4 1164 – Kinder 4 1174 – nichteheliche Lebensgemeinschaft 4 1171 – Schadensminderung 4 1222 ff. – Steuern 4 1225 – Stundensatz 4 1212 ff. – nach Gerichtsbezirk 4 1213 f. – Hausfrauentarifvertrag 4 1215 f. – Tabellenwerte 4 1217 ff. – Tabellenwerke 4 1204 ff. – Hohenheimer Verfahren 4 1210 f. – Schulz-Borck-Hofmann 4 1206 ff. – Schulz-Borck-Pardey 4 1209 – Tod 4 1235 – Zeitbedarf 4 1197 ff. Haushaltshilfe – Besuchskosten, Erstattung 4 517 – bei Haushaltsführungsschaden 4 1230 – Mehrbedarf, Kosten 4 589 Haustier 2 425 ff. Hebegebühr 5 236 ff. Heilbehandlungskosten 4 473 ff. – Akupunkturbehandlungen 4 497 – ambulante Behandlung 4 536 ff. – Fahrtkosten/Zeitaufwand 4 536 ff. – Kostenbeteiligung des privat versicherten Verletzten 4 544 f. – Kostenbeteiligung des sozialversicherten Verletzten 4 541 ff. – anderes Krankenhaus, Verlegung in 4 482 – angemessene Kosten 4 478 ff. – Außenseitermethoden 4 500 f. – auswärtige Behandlung, Mehraufwendungen 4 482 – Behandlung im Ausland 4 498 – Behandlungsplan, Kosten 4 486 – Besuchskosten 4 502 ff.; s. auch dort – Drittleistungsträger 4 548 ff.; s. auch dort – Arbeitgeber 4 556 f. – Dienstherr 4 558 ff. – Private Krankenversicherung 4 554 f. – Rechtsnachfolge 4 562 ff. – Sozialhilfe, Asylbewerber 4 561 f. – Sozialversicherung 4 550 ff. – Unfallversicherung, spätere Zuständigkeit 4 565
– Wechsel der Trägerschaft 4 562 ff. erfolgversprechende Behandlung 4 477 erforderliche Kosten 4 478 ff. Falschbehandlung 4 483 fehlender Heilerfolg 4 480 Festbeträge 4 496 fiktive Abrechnung 4 484 ff. häusliche Ersparnis 4 530 ff. Heilpraktikerkosten 4 497 kosmetische Operation 4 487 f. Kosten außerhalb gesetzlicher Versorgung 4 489 ff. – Krankengymnastik 4 497 – Kur 4 528 – nachgewiesene Verletzung 4 475 – privatärztliche Behandlung 4 490 ff. – privatversicherter Verletzter 4 493 – Schadensminderung 4 459 ff., 546 – Spezialklinik, Behandlung in 4 481 – stationäre Behandlung 4 502 ff. – Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens, Kosten 4 523 – Besuchskosten 4 502 ff.; s. auch dort – Geschenke/Trinkgelder an Krankenhauspersonal 4 525 – Telefonkosten 4 521 – TV-Leihgebühren 4 522 – weiterlaufende Miete 4 526 – zusätzliche Verpflegung 4 524 – Steuern 4 547 – Telefonkosten 4 521 – Transportkosten 4 527 – zahnmedizinische Maßnahmen 4 499 – Zuzahlung Sozialversicherte 4 532 f. Heilpraktikerkosten 4 497 Heimunterbringung – Heim-/Hauspflege, kombinierte 4 604 – Mehrbedarf, Kosten 4 600 ff. Helmpflicht 2 327, 713 Hilfsmittel – Mehrbedarf, Kosten 4 590 ff. Hinterbliebenenvorrecht 4 1349 ff. Hinweispflicht – Geschädigter 5 8 ff. – auf Leistungen Dritter 4 859 – auf Leistungsanträge 4 859 Höchstentschädigungsgrenze 7 443 ff. Höhere Gewalt 2 102 ff. – Entlastungsbeweis des Halters 2 36 f. Honorarvereinbarung DAV/HUKR-Verband 5 28 ff. – Aktenversendungspauschale 5 35 – außergewöhnliche Kosten des Auftraggebers 5 33
– – – – – – – – – –
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Stichwortverzeichnis [Honorarvereinbarung DAV/HUKR-Verband] – Erstellung eines Ermittlungsaktenauszugs 5 28 f. – Gerichtskosten 5 33 – Halteranfrage 5 36 – Kopierkosten 5 34 Honorarvereinbarung, anwaltliche 5 299 ff. – Erfolgshonorare 5 302 – Ersatz 5 303 – ohne Textform 5 301 – Zulässigkeit 5 299 ff. Hund 2 426, 439 HWS-Verletzung 4 38 ff.; s. auch Halswirbelsäule, Verletzung – Vortäuschung bei gestelltem Unfall 6 86 Idealfahrer – Abstellen auf 2 106, 121 Idiotentest; s. auch BfF-Gutachten Informationspflichten – Kraftfahrt-Versicherungsvertrag 7 39 ff.; s. auch dort Informationspflichtenverordnung (VVGInfoV) 7 45 ff. – Informationspflichten nach § 1 VVGInfoV 7 45 – Produktinformationsblatt 7 46 Inline-Skater – Gleichstellung mit Fußgänger 2 287 Insasse – ältere Person 2 272 – Anschnallpflicht 2 271 – Ansprüche gegen Halter/Fahrer 2 261 ff. – Betrunkener 2 272 – Busfahrgast 2 274 – Haftungsbeschränkung gegenüber 2 44 – Halter als 2 280 – Kind als 2 272 – Mitfahrt mit fahruntüchtigem Fahrer 2 273 – Mitverantwortung 2 206 – Mitverantwortung, Anspruchskürzung 2 270 ff. – mitversicherte Person, Rechtsschutzversicherung 8 29 – „Nur“-Insasse, Anspruch gegen Haftpflichtversicherung 2 283 Insassenunfallversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1004
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Insolvenz – Insolvenzquote für Schmerzensgeldgläubiger 4 820 – Schutz des Schmerzensgeldes bei 4 733 Interessenkollision 5 50 ff. – Auswirkungen auf Anwaltsvollmacht 5 55 – Doppelmandat 1 4, 6 210 ff. – gleiche Rechtssache 5 51 f. – Rechtsanwalt bei Unfallmanipulation 7 339 – Unfallmanipulation 9 44 ff. – Verzicht auf Verbot der 5 54 Interimsfahrzeug – bei Nutzungsausfall, Kfz 3 274 – als Mietwagen 3 211 Internal Regulations – Regeln zur Schadensregulierung bei Auslandsberührung 13 3 Invitatio-Modell 7 41 Italienisches Recht, Schadensregulierung 13 98 ff. – Abschleppkosten 13 114 – Ausgleichsverlust für Chancenverlust 13 124 ff. – Gutachterkosten 13 118 – Hinterbliebene, Rechte 13 138 ff. – immaterieller Schaden (danno morale) 13 136 f. – Körperschaden (danno biologico) 13 131 ff. – Mietwagenkosten 13 115 – Mindestdeckungssummen, Kh-Versicherung 13 145 – Nichtvermögensschaden 13 128 ff. – Nutzungsausfall 13 116 f. – Rechtsverfolgung, Kosten 13 142 ff. – Reparaturkosten 13 109 ff. – Schadensersatzansprüche des Geschädigten 13 107 ff. – Schadensersatzansprüche, Verjährung 13 140 f. – Schadensfinanzierungskosten 13 122 – Selbstbeteiligung bei Vollkasko 13 120 – Totalschaden 13 112 – Unkostenpauschale 13 212 – Vermögensschäden 13 108 ff. – Vermögensschäden durch Arbeitsunfähigkeit 13 123 – Wertminderung 13 113 Kapitalabfindung – für vermehrte Bedürfnisse 4 569, 621 ff.
Stichwortverzeichnis Kaskoversicherung 7 346 ff.; s. auch Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines; s. auch Kraftfahrt-Versicherungsvertrag – Einstehen für Dritte 7 424 ff. – Repräsentant 7 424 ff. – Wissenserklärungsvertreter 7 429 ff. – Wissensvertreter 7 432 – Ersatzleistungen 7 433 ff. – Abgrenzung Reparatur-/Totalschaden 7 433 f. – Abtretung 7 459 – Aufrechnung 7 459 – bei Leasingfahrzeugen 7 460 – Fälligkeit 7 457 – Höchstentschädigung 7 443 ff. – Mehrwertsteuer 7 446 ff. – Nebenkosten 7 451 – Neupreisentschädigung 7 436 ff. – Reparaturschaden 7 439 ff.; s. auch dort – Rettungskosten 7 456 – Selbstbeteiligung 7 452 – Totalschaden 7 435 – Verzinsung 7 458 – Wertminderung 7 445 – Wiederbeschaffung oder Eigentumsübergang 7 453 ff. – Forderungsübergang, Regress 7 466 ff. – Allgemeines 7 466 ff. – Familienprivileg des § 86 Abs. 3 VVG 7 478 – Kongruenz der Forderungen 7 476 – Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers 7 477 – Rückgriff ggü. Fahrer 7 471 ff. – Leistungsfreiheit 7 392 ff.; s. auch Kaskoversicherung, Leistungsfreiheit – Mitwirkungsobliegenheit des Versicherungsnehmers bei Regress 7 466 – Obliegenheitsverletzung – Leistungsfreiheit nach Verschuldensgrad 7 201 – Leistungsfreiheit, summenmäßige Beschränkung 7 250 – Risikoausschlüsse 7 387 ff. – Erdbeben 7 390 – gesetzlicher 7 392 ff. – innere Unruhen 7 390 – Krieg 7 390 – Maßnahmen der Staatsanwaltschaft 7 390 – Reifenschäden 7 389 – Rennveranstaltungen 7 388 – Schäden durch Kernenergie 7 391
– vertragliche 7 387 ff. – Sachverständigenverfahren 7 461 ff. – Tabelle versicherter Ereignisse in der Kaskoversicherung 7 386 – Teilkasko-Versicherung 7 347 ff.; s. auch dort – Verjährung 7 480 f. – versicherte Ereignisse, Überblick 7 346 – Vollkasko-Versicherung 7 376 ff.; s. auch dort – vorläufige Deckung 7 5 – Fahrzeugwechsel 7 7 – fehlende Vollmacht des Versicherungsmaklers 7 8 – vorgedruckter Hinweis auf Ausschluss 7 6 Kaskoversicherung, Leistungsfreiheit 7 392 ff.; s. auch Diebstahl, Kfz – Allgemeines 7 392 – Aquaplaning 7 406 – Beweislastverteilung 7 398 ff. – Bewusstseinsstörungen 7 410 ff. – Einnicken am Steuer 7 418 – Fahrweise 7 402 ff. – Geschwindigkeitsüberschreitung 7 406 – grobe Fahrlässigkeit 7 393 f. – grobe Fahrlässigkeit, Fallgruppen 7 402 ff. – hypothetischer Kausalverlauf 7 400 – Kausalität 7 396 – Kfz-Diebstahl 7 419 ff. – Leistungskürzung nach Verschuldensgrad 7 397 – Medikamenteneinnahme 7 417 – neuere Entscheidungen 7 422 f. – Rotlichtverstoß 7 402 ff. – Schwere der Schuld 7 401 – Stoppschild, Missachtung 7 405 – Telefonieren mit Handy 7 409 – Trunkenheitsfahrten 7 410 ff. – Überholmanöver, riskante 7 406 – Verhalten im Fahrzeug während der Fahrt 7 407 ff. – Vorsatz 7 395, 399 – Wettrennen 7 406 Kausalität – Beweislast 4 171 ff.; s. auch Kausalität, Beweislast – haftungsausfüllende 4 184 – haftungsbegründende 4 173 ff. – Obliegenheitsverletzung 7 209 ff. – psychische 2 10 ff. – überholende 4 141 Kausalität, Beweislast 4 171 ff. – haftungsausfüllende 4 184
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Stichwortverzeichnis [Kausalität, Beweislast] – haftungsbegründende 4 173 ff. – Primärschaden 4 175 ff. – vorheriges Regulierungsverhalten 4 183 Kausalität, psychische 2 90 ff. Kausalitätsgegenbeweis – Führerscheinklausel 7 213 – Gefahrerhöhung 7 130 – Obliegenheitsverletzung 7 236 – Verwendungsklausel 7 211 ff. Kausalitätsvermutung – Haftung für Verrichtungsgehilfen 2 135 f. Kennzeichenanzeige 10 6 – und Fahrtenbuchauflage 10 117 Kernenergie – Schäden durch, Vollkasko-Versicherung 7 391 Kfz-Entwendung; s. Diebstahl, Kfz Kfz-Halter; s. Halter Kfz-Schaden – Mehrwertsteuer, kein Ersatz fiktiver 2 35 Kfz-Unfallversicherung – Obliegenheitsverletzung – Leistungsfreiheit, summenmäßige Beschränkung 7 250 Kind – entgangene Dienste 4 1279 ff. – Gefahrzeichen 2 364 – als Insasse 2 281 f. – Kinderunfall 2 343 ff.; s. auch dort – Nasciturus 4 58 ff.; s. auch dort – Sorgfaltsanforderungen, erhöhte ggü. 2 361 – Verantwortlichkeit, eingeschränkte 2 346 f. – Verdienstausfallschaden 4 1108 ff. Kindergarten 2 366, 4 114 Kinderheilbehandlung – Rentenversicherung für 4 552 Kinderunfall 2 343 ff., 712 – 2. SchadÄndG 2 345 ff.; 4 77 ff. – Aufsichtspflicht – Eltern 4 89 ff. – Sonderrechtsbeziehung 4 92 – Entlastungsbeweis des Bahnunternehmers 2 477 – Gesamtschuldner-Innenausgleich, gestörter 2 378 – Geschwindigkeit, erlaubte 2 362 – Halter/Fahrer, Ansprüche, 2 394 ff. – gegen Aufsichtspflichtigen 2 401 f. – Billigkeitshaftung 2 395
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– Geschäftsführung ohne Auftrag 2 398 – gegen Jugendliche unter 18 Jahren 2 399 ff. – gegen Kind bis 10 Jahre 2 394 – Jugendliche, Ansprüche 2 380 ff. – Gefährdungshaftung 2 380 ff. – Haftungsabwägung 2 393 – Mitverantwortung Aufsichtspflichtiger 2 391 ff. – Mitverantwortung Jugendlicher 2 386 ff. – Verschuldenshaftung 2 383 ff. – Zurechnungseinheit 2 392 – Kind am Straßenrand 2 364 – Kind, Ansprüche des 2 350 ff. – gegen Aufsichtspflichtigen 2 406 – Kinder bis 10 Jahre 4 73 ff. – Kinder unter 10 Jahre 2 353 ff. – Gefährdungshaftung 2 353 ff. – Mitverantwortung Aufsichtspflichtiger 2 376 ff. – Mitverantwortung Kind 2 370 ff. – Quotenhaftung 2 379 – Verschuldenshaftung 2 358 ff. – Zurechnungseinheit 2 377 – Kinderheilbehandlung 4 552 – Mehrschäden 2 367 – Nasciturus 4 58 ff.; s. auch dort – Personenschaden, Schadensersatz 4 58 ff.; s. auch dort – Statistik 2 343 – Täter-Opfer-Haftungssystem 4 73 ff. – Verantwortlichkeit Zivil-/Strafrecht, Übersichtstabelle 4 72 – Verantwortlichkeit, Übersichtstabelle 4 79 – Verantwortlichkeitsgrenze 4 72 ff. – Verantwortlichkeitsgrenze, Anhebung 2 31 – Verdienstausfallschaden – Verletztenrentenansprüche, Übersicht 4 1114 – Verhalten bei sichtbaren Kindern 2 363 ff. – Verkehrsunfälle mit Kraftfahrzeugen und Bahnen 2 31 Klage, Drittwiderklage – Halter gegen weitere Beteiligte 2 56 Klage, Widerklage – Halter wegen eigener Schäden 2 56 Klageantrag, unbezifferter – Schmerzensgeldbemessung 4 785 ff.
Stichwortverzeichnis Klageerweiterung – keine bei nachträglicher Einbeziehung des Halters als Geschäftsherr 2 53 ff. Klageerwiderung – Haftpflichtprozess, Muster 9 28 – Versicherungsprozess, Muster 9 39 Klagefrist – Amt für Verteidigungslasten Klage gg. 1 68 Kläger – Haftpflichtprozess 9 12 ff. – Vernehmung als Partei 9 22 Klageschrift – Haftpflichtprozess, Muster 9 26 Klageverfahren – bei Verkehrsunfällen mit Auslandsberührung 13 62 ff. Kleidermehrverschleiß – Mehrbedarf, Kosten 4 590 ff. Kollisionsgeschwindigkeit, Ermittlung 2 631 Kollisionspunkt, Ermittlung 2 631 Kollusion – Zusammenwirken zwischen Schätzgutachter und Werkstatt 6 176 Kompatibilitätsprüfung – ausgenutzter Unfall 6 172 f. – technische, Schadenshergang 6 88 ff. Kontrahierungszwang – Annahmefiktion 7 270 – Kfz-Haftpflichtversicherung 7 266 ff. – Ausnahmen 7 268 – Mindestsumme 7 269 Kontrollpflicht – Mitteilung an Haftpflichtversicherer 1 43 – Überwachung der Reparatur 1 42 Konversionsneurose 4 148 Körperverletzung, fahrlässige 11 36 ff. – Einwilligung, konkludente in Gefährdung 11 38 Korrespondenzanwalt – Kostentragung durch Rechtsschutzversicherung 1 68 Kosmetische Operation 4 487 f. Kosten, Heilbehandlung; s. auch Heilbehandlungskosten Kostenbeteiligung privat versicherter Verletzter 4 544 ff. – Beitragsrückerstattung 4 545 – Selbstbeteiligung 4 544 Kostenbeteiligung sozialversicherter Verletzter 4 541 ff. Kostenvoranschlag – voraussichtliche Reparaturkosten 1 10
Kraftfahrer, Verhalten gegenüber Radfahrer 2 305 ff. – falsche Reaktion auf Fehlverhalten 2 307 f. – Nichtbeachtung der Vorfahrt des Radfahrers 2 311 – Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes 2 310 – überhöhte Geschwindigkeit 2 305 f. – Überholen, Übersehen 2 309 Kraftfahrt-Versicherungsvertrag 7 33 ff. – Allgemeine Versicherungsbedingungen (AKB) 7 33 ff. – Einbezug 7 57 f. – Änderungen während Vertragslaufzeit 7 87 ff. – Annahmefiktion 7 56 – Antragsmodell 7 39 – Auflösungsvertrag 7 74 – Auslegung 7 33 – Außerbetriebsetzung 7 81 – Bedingungsanspassung 7 87 ff. – Beginn 7 56 ff. – Beiträgsänderungen 7 90 – Beitragsanpassung 7 89 – Beratungspflichten 7 52 ff. – Fernabsatzvertrag, Besonderheiten 7 55 – Vermittler 7 54 – Versicherer 7 53 – Geltungsbereich – Deckungssumme 7 86 – örtlicher 7 83 ff. – Informationspflichten 7 39 ff. – nach § 1 VVG-InfoV 7 45 – Abschluss per Internet 7 44 – Abschluss per Telefon 7 44 – Rechtzeitigkeit 7 42 – Textform 7 43 f. – VVG-Informationspflichtenverordnung 7 45 – Inhaltskontrolle 7 33 – Invitatio-Midell 7 41 – Kontrahierungszwang 7 56 – Kündigung 7 68 ff. – Policenmodell 7 40 – Produktinformationsblatt 7 46 – Risikoausschlussklauseln 7 34 – Ruheversicherung 7 82 – Saisonkennzeichen 7 81 – Sonderkündigungsrechte 7 70 f. – Tarifbeschreibungen 7 33 – Transparenzgebot 7 37 – Unklarheitenregelung 7 35
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Stichwortverzeichnis [Kraftfahrt-Versicherungsvertrag] – Veräußerung des Fahrzeugs 7 76 ff. – Beitragsanspruch 7 78 – Kündigungsrechte 7 78 – Verlängerungsklausel 7 67 – Versicherungsschutz, Beginn 7 59 ff. – Versicherungssumme 7 86 – Vertragsauslegung, ergänzende 7 38 – Vertragsdauer 7 67 – vorvertragliche Anzeigepflichten 7 66 – Wegfall des Wagnisses 7 75 – Außerbetriebsetzung 7 75 – wirtschaftlicher Totalschaden 7 75 – Widerrufsrecht 7 47 ff. – Ausübung und Rechtsfolgen 7 50 f. – Fristbeginn 7 47 ff. – Wissensvertretung – „Auge-und-Ohr“ 7 61 ff. – Versicherungsmakler 7 65 – Zwangsversteigerung des Fahrzeugs 7 78 Kraftfahrzeug, von Versicherungspflicht befreit 2 65 ff. – Kriterien 2 66 Kraftfahrzeughaftpflicht (KH)-Richtlinie (4./5.) 13 26 ff. – Auskunftsstelle nach § 8a PflVG 13 35 ff. – Entschädigungsstelle 13 45 ff. – Schadensregulierungsbeauftragte 13 39 ff. – System der Regulierungsbeauftragten 13 26 ff. – Vorteile 13 31 ff. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 7 266 ff.; s. auch Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines; Haftpflichtversicherung Krankengymnastik 4 497 Krankenhaustagegeldversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1006 Krankenkasse – Offenbarung personenbezogener Daten 4 170 – Rückforderungsanspruch ggü. gesetzlicher Unfallversicherung 4 135 ff. Krankentagegeldversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1006 f. Krankenversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 974 Kreuzungsunfall – provozierter Unfall 6 158
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Kunstfehler 4 145 Kur 4 528 – Mehrbedarf, Kosten 4 593 Kürzungsverfahren – Rentenzahlungen bei Deckungssummenüberschreitung 7 345 Landwirte – Verdienstausfallschaden 4 1066 ff.; s. auch Verdienstausfallschaden, Selbständige Landwirtschaftliche Fahrzeuge 2 66 Langsam fahrende Fahrzeuge – Mitverantwortung 2 223 ff. Leasing – Gebührenstreitwert 5 288 – Halterhaftung 2 70 – Kaskoleistung, Ersatz der Umsatzsteuer 7 460 – Leasinggeber – Ansprüche gegen Halter/Fahrer 2 249 ff. – Haftungsbeschränkung 2 44, 70 – Mitverantwortung 2 214 ff., 219 ff. – Mehrwertsteuerersatz, Abrechnung auf Reparaturkostenbasis 3 152 – und Rechtsschutzversicherung 8 55 ff. – Verletzter – Besitzrecht 2 81 – Substanzschaden 2 81 Leasingfahrzeug – Abrechnung auf Neuwagenbasis 3 187 – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis – 130%-Grenze 3 133 – gestellter Unfall mit 6 124 – Höchstentschädigungsgrenze 7 443 – Neupreisentschädigung, Reinvestierung 7 460 – provozierter Unfall mit 6 151 – unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 185 f. Lebenspartnerschaft, eingetragene; s. eingetragene Lebenspartnerschaft Lebensversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1005 Leibesfrucht; s. auch Nasciturus – Tod der 4 726 f. Leihe – Halterhaftung 2 71 Leistungsverweigerungsrecht – Versicherer bei Obliegenheitsverletzung 7 198 ff. Linienbus 2 262, 267 f., 368 – Busfahrgast, Mitverschulden 2 274
Stichwortverzeichnis Literatur – Mehrbedarf, Kosten 4 594 Lkw 2 368 Luxustier 2 416 – Halterhaftung, verschuldensunabhängige 2 49 Mailänder Tabelle – Tabelle zur Invaliditätsfeststellung 13 133 Mandat, verkehrsrechtliches 1 1 ff. – Aktenführung 1 7 f. – Formalien 1 2 – Fragebogen für Anspruchsteller 1 3 – Informationserfassung 1 2 – Interessenkollision, Doppelmandat 1 4 – Mandatsverhältnis 5 44 ff.; s. auch dort – Marketing 1 1 – Vollmacht 1 2 Mandatsverhältnis 5 44 ff. – Abfindung, Erledigung 5 70 ff. – Abschluss Abfindungsvergleich 5 59 – Aktivlegitimation – Honorarforderung 5 64 ff. – Beratungspflicht Abfindungsvergleich 5 56 ff. – Bevollmächtigung 5 44 ff. – durch Dritte 5 46 – Erlöschen 5 47 – Erteilen 5 44 ff. – Nachweis durch Vollmachtsurkunde 5 45 – Gebührenstreitwert Anwaltskosten 5 248 – Hinweispflicht, Kostenhöhe 5 62 f. – Parteiverrat 5 50 ff. – Schmerzensgeld, Falschberatung 5 61 Manipulation; s. auch Unfallmanipulation; s. auch Unfallmanipulation, Haftpflichtprozess, Besonderheiten Marderbiss – Teilkasko-Versicherung 7 375 Marketing – Erstkontakt durch verkehrsrechtliches Mandat 1 1 Medikamente – Fahruntüchtigkeit nach Einnahme 7 417 Medizinisch-Psychologische Untersuchung; s. BfF-Gutachten – Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen 12 10 – Streitwert bei Anordnung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 12 63
Mehrbedarf 4 570 ff.; s. auch Vermehrte Bedürfnisse, Mehrbedarf Mehrere Schädiger 2 528 ff., 714 – Alternativtäterschaft 2 608 ff. – Auswahl des Geschädigten 1 34 – differierende Schmerzensgeldhöhe 4 672 – Gesamtschuldner-Innenausgleich 2 574 ff.; s. auch dort – Gesamtschuldnerische Haftung 2 534 ff.; s. auch dort – Haftungs- und Zurechnungseinheit 2 541 ff. – gesetzlich begründete 2 548 ff. – tatsächlich begründete 2 553 ff. – Unfall mit mehreren Kfz 2 559 ff. – Mittäterschaft 2 531, 2 610 – Nebentäterschaft, fahrlässige 2 532 f., 2 611 – Nebentäterschaft, vorsätzliche 2 610 – Zweitschädiger 2 536 f. Mehrschäden – Kind, Ersatzansprüche wegen 2 367 Mehrwertsteuer – Ärzte für Atteste und Gutachten 5 157 – auf Anwaltskosten entfallende, Erstattung 5 148 ff. – Auslandsberührung, Verkehrsunfälle mit – Anwaltsleistungen 5 309 – bei Ersatzbeschaffung 2 82 – Ersatzleistung, Kaskoversicherung 7 446 ff. Mehrwertsteuerersatz 3 150 ff. – bei Abrechnung auf Reparaturkostenbasis 3 150 ff. – Land/Bund als Ersatzberechtigte 3 151 – Leasingnehmer 3 152 – Mehrwertsteuerabzugsberechtigung 3 155 ff. – Wechsel der Abrechnungsart 3 153 f. – bei Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis 3 , 162 ff. – Differenzbesteuerung 3 163 ff. – Ersatzbeschaffung als günstigere Alternative 3 162 ff. – Ersatzbeschaffung als ungünstigere Alternative 3 170 f. – geschätzter Brutto-Wiederbeschaffungswert 3 162 – MWSt-Anfall bei Teilreparatur 3 169 – Netto-Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert 3 164
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Stichwortverzeichnis [Mehrwertsteuerersatz] – Wechsel der Abrechnungsarten 3 167 ff. – Ersatz neben Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis 3 98 ff. – Erwerb des Unfall-Kfz von nicht vorsteuerabzugsberechtigtem Geschädigten 3 161 – fiktive, kein Ersatz bei Sachbeschädigung 2 35 Mietfahrzeug – berechtigter Besitzer als Verletzter 2 81 ff. – gestellter Unfall mit 6 124 – Haftungsfreistellung des Mieters bei Unfall 2 243 – Halterhaftung 2 71 – Innenverhältnis 2 243 – Mieter gg. Vermieter, Ansprüche 2 258 ff. – Mitverantwortung, Anspruchskürzung 2 225 ff. – und Rechtsschutzversicherung 8 55 ff. – unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 185 – Unfall, Innenverhältnis 2 243 – Unterschlagung/Entwendung 2 186 Mietwagenkosten 3 202 ff. – Abtretung Ersatzanspruch an Vermieter 3 257 ff. – Abtretung sicherungshalber 1 51 – Aufklärungspflicht des Vermieters 3 250 f. – Aufschlag auf Normaltarif 3 246 ff. – Dauer der Mietzeit 3 214 ff. – Einholung Vergleichsangebote 3 230 ff. – Erforderlichkeit des Mietwagens 3 206 ff. – erhöhter Fahrbedarf 3 219 – Erkundigungspflicht des Geschädigten 3 230 ff. – Ersatz, Kaskoversicherung 7 451 – Ersatztaxi 3 213 – Erwerb eines Ersatzfahrzeugs 3 210 – freizeitgenutztes Kfz 3 209, 218 – Gebrauchsverluste, Ersatz 3 202 – Gutachten zur Eigenersparnis – Bamberger Gutachten 3 253 – Wallentowitz und Diekamp 3 254 – Interimsfahrzeug 3 211 – italienisches Recht, Schadensregulierung 13 115 – Kasko-Mehrkosten 3 249 – klassetieferes Kfz 3 208, 256
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– Kürzung wg. falscher Tarifauswahl 3 233 – Mietpreis-Erhebungen – Fraunhofer-Mietpreisspiegel 3 240 ff. – Schwacke-Mietpreisspiegel 3 240 ff. – Mitbenutzung durch Angehörige 3 212 – Normaltarif als Abrechnungsgrundlage 3 238 ff. – Nutzungsentschädigung 1 23 – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 153 f. – Pflichten des Geschädigten bei Anmietung 3 229 ff. – Rechtslage ab Herbst 2004 3 226 ff. – Rechtslage bis Herbst 2004 3 220 ff. – bei Reparatur in eigener Regie 3 216 – subjektbezogene Schadensbetrachtung 3 203 – Taxi als Mietwagenersatz 3 207 – Umfang der Benutzung 3 217 ff. – Unfallersatztarife 3 220 ff. – unverzüglicher Reparaturauftrag 3 214 – Verzögerungsrisiko 3 216 – Vorteilsausgleichung 3 252 ff. – wirtschaftliches Interesse 3 207 ff. – zugänglicher Tarif als Abrechnungsgrundlage 3 235 ff. Mietwagenunternehmen – Auswahlverschulden 1 40 f. – Unfallhelferringe 1 50 ff.; s. auch dort Militärfahrzeuge – Anspruchsgegner Amt für Verteidigungslasten 1 66 ff. Minderung – Neufahrzeug 3 186 Minderwert, Kfz – Ermittlung und Abrechnung 3 63 ff. – Methode Ruhkopf/Sahm 3 65 Mindestabstand 10 94 Mindestversicherungssumme – Haftpflichtversicherung, italienisches Recht 13 142 ff. – Haftpflichtversicherung, Kontrahierungszwang 7 269 – Haftpflichtversicherung, österreichisches Recht 13 169 – Überblick 4 366 f. Minijob 4 863 ff. Mitbewohner – Angehörigenprivileg 4 221 Mittäterschaft 2 531, 610 Mitursächlichkeit 4 185 Mitverantwortung 2 12, 26 – Anspruchsfortfall bei überwiegender 4 664
Stichwortverzeichnis [Mitverantwortung] – Anspruchskürzung 2 194 ff. – quotenmäßige Anspruchskürzung 2 13 ff. Mitverantwortung, Anspruchskürzung 2 12, 194 ff.; s. auch Quotenhaftung; s. auch Schadensminderungspflicht – § 17 StVG, Anwendungsbereich 2 196 ff. – Alkoholmitwirkung 2 210 – Allgemeines 4 372 ff. – Anschnallpflicht 2 210, 271 – Anspruchshöhe 4 391 ff. – Aufsichtspflichtiger des Kindes 2 370 ff. – Betriebsgefahr, mitwirkende 2 200 ff.; 4 378 ff. – Billigkeits-Mitverantwortung 2 375 – Busfahrgast 2 273 – einer von mehreren Schädigern 2 539 – Fußgänger 2 324 ff. – Geschädigter bei Tierunfall 2 432 ff. – Geschädigter, Unfall ohne Fremdbeteiligung 2 246 ff. – gestörte Gesamtschuld 4 669 – Haftungsabwägung 2 205; s. auch dort – Haftungseinheit 4 388 ff., 670 f. – Haftungsverhältnis der Halter 2 200 ff. – Halter als Beifahrer 4 381 – Halter eines langsam fahrenden Kfz 2 223 ff. – Insasse, Unfall ohne Fremdbeteiligung 2 270 ff. – Insassen 2 206 ff. – Kind 2 370 ff. – Leasinggeber 2 212 ff. – bei Mehrheit von Anspruchsnormen 4 673 – Mietfahrzeug 2 225 ff. – Mitfahrt mit fahruntüchtigem Fahrer 2 273 – Mitverschulden 4 382 f. – Mutter des Nasciturus 4 68 ff. – Radfahrer 2 324 ff. – Schmerzensgeld, Betriebsgefahr 4 665 ff. – Sicherungseigentümer 2 212 ff. – Sicherungsmechanismen, unterlassene 4 384 ff. Mitverantwortungsteile, selbständige 2 539 Mitverschulden 4 362 ff. Mitversicherter – als geschädigter „Dritter“ 2 287
Mitverursachung – Fahrer, falsche Reaktion auf Fehlverhalten 2 307 – Fahrer, überhöhte Geschwindigkeit 2 305 f. – Fahrer, Überholen, Übersehen eines Radfahrers 2 309 – Nichteinhalten Sicherheitsabstand 2 310 Mitwirkungsobliegenheit – Versicherungsnehmer bei Regress des Versicherers 7 466 Mobiltelefon – Benutzung während der Fahrt 10 100a Mofa – umgebautes, Gefahrerhöhung 7 134 MPU-Gutachten 12 34 ff.; s. auch BfFGutachten Muster – Beweissicherungsantrag 9 43 – Deckungsklage, Versicherungsprozess 9 38 – Drittwiderklage 9 29 – Feststellungsklage/unbezifferter Klageantrag 9 27 – Klageerwiderung, Haftpflichtprozess 9 28 – Klageerwiderung, Versicherungsprozess 9 39 – Klageschrift Haftpflichtprozess 9 26 – Rechtsbeschwerde, Begründung 10 77 – Rechtsbeschwerde, Beschwerdeschrift 10 76 – Schadensabrechnung bei Quotenhaftung nach Inanspruchnahme des Kaskoversicherers 3 365 – Streithilfe, Unfallmanipulation 9 47 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag auf – Bußgeldverfahren 10 73 Nachhaftung 7 317 ff. Nachhilfekosten 4 571 Nachtrunk – Obliegenheitsverletzung 7 187 Nasciturus 4 3, 26, 58 ff. – Abfindungsvergleich der Mutter 4 71 – gesetzliche Unfallversicherung 4 65 ff., 109 – Mitverantwortung der Mutter 4 68 ff. – Schmerzensgeldanspruch 4 726 f. – Tod, 4 58 ff. – Verletzung 4 60 ff.
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Stichwortverzeichnis Nato-Truppenfahrzeuge – Anspruchsgegner Amt für Verteidigungslasten 1 66 ff. Naturalrestitution 1 37, 3 9 ff. – Ersatzbeschaffung 3 9 – Ersetzungsbefugnis 3 10 – Reparatur 3 9 – Vergleichsbetrachtung Reparatur-/Wiederbeschaffungsaufwand 3 16 ff. – Wirtschaftlichkeitsgebot 3 14 ff. Naturalunterhalt; s. auch Unterhaltsschaden Nebeninterveniention – Haftpflichtversicherer 6 215 ff. – bei Unfallmanipulation 9 46 Nebenklage 11 116 ff. – Kosten 11 122 – Nebenklagebefugnis 11 117 – Nebenklagekosten, Strafverfahren 5 173 ff. – Nebenkläger, Rechte 11 119 ff. – sofortige Beschwerde 11 123 – Strafbefehlsverfahren, Besonderheiten 11 118 Nebenkosten, Anwalt – Aktenauszug 5 26 ff.; s. auch dort – Anschaffung spezieller Literatur 5 21 – Auskunftsdienste 5 23 – Auslagen, bare 5 241 – Auslagenpauschale 5 37 f. – Belohnungen 5 24 – Detektivkosten 5 25 – Ermittlungsakte 5 245 – Honorarvereinbarung DAV/HUKR-Verband 5 28 ff.; s. auch dort – Kopierkosten 5 243 f. – Portokosten 5 242 – Recherchen 5 21 f. – Reisekosten 5 246 – spezielle Aus- und Fortbildung 5 21 – Telefonkosten 5 242 Nebentäterschaft, fahrlässige 2 532 f., 611 f. Netto-Restwert 3 84 Neuerteilung Fahrerlaubnis; s. Fahrerlaubnis, Neuerteilung Neupreisentschädigung 7 436 ff. – PKW im Erstbesitz 7 437 – Wiederherstellungsklausel/Reinvestition 7 438 Neurose 4 737 – Begehrensneurose 4 147 – Konversionsneurose 4 148 Neuwagenbasis, Abrechnung auf 3 172 ff. – Anschaffung Neufahrzeug 3 188 ff.
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– erhebliche Beschädigung 3 182 ff. – bei Leasingfahrzeug 3 187 – Nebenkostenersatz 3 194 – Neuwagenzuschlag 3 189 – neuwertiges Kfz 3 178 ff. – Preisnachlass, Anrechnung 3 191 – Restwertabrechnung 3 193 Nichtberechtigter Fahrer 7 315 – Halterhaftung, Versicherungsschutz 2 167 ff. – mitversicherte Person 2 78 – Schwarzfahrtklausel 7 144 ff. Nichteheliche Lebensgemeinschaft – Angehörigenprivileg 4 220 – Haushaltsführungsschaden 4 1171 ff. – Opferentschädigung 4 248 Nießbrauch – Schmerzensgeldanspruch 4 821 f. Nothilfe, Hilfeleistung 4 433 ff. – Aufwendungsersatz 4 443 ff. – Ausweichmanöver 4 440 ff. – Haftungsausschluss 4 449 ff. – Mitverantwortlichkeit 4 447 f. – Nothelfer (Amateur) 4 438 ff. – Personen am Unfallort 4 435 ff. – Schadensvergrößerung – nicht professionell Helfer 4 434 – professionelle Helfer 4 433 – Sozialversicherung, Ansprüche gegen 4 454 ff.; s. auch Sozialversicherung Nötigung 11 71 ff. Nur- Eigentümer 2 60 Nutztier 2 417 – Begriffsbestimmung 2 424 ff. – Entlastungsbeweis des Halters 2 424 Nutzungsausfall, Kfz 3 260 ff. – Dispositionszeitraum 3 271 – Entschädigungsdauer 3 271 ff. – Entschädigungshöhe 3 278 ff. – Kfz älter als 10 Jahre 3 280 – Kfz älter als 5 Jahre 3 279 – Ersatz, Kaskoversicherung 7 451 – Ersatzbeschaffung, sofortige 3 264 – Ersatzbeschaffung/Reparatur, Verzicht 3 264 – Ersatzfahrzeug, kleineres 3 266 – Fahrzeug nur zur Freizeitgestaltung 3 269 – Hinweisobliegenheit bei nicht möglicher Vorfinanzierung 3 275 f. – Interimsfahrzeug 3 274 – italienisches Recht, Schadensregulierung 13 116 f. – bei Krankenhausaufenthalt 3 263
Stichwortverzeichnis [Nutzungsausfall, Kfz] – Mietwagen zum Freundschaftspreis 3 268 – Mitbenutzung durch Angehörige 3 267 – Neufahrzeug mit längerer Lieferzeit 3 273 – Nutzfahrzeuge 3 270 – Nutzungsmöglichkeit 3 262 ff. – Nutzungswille 3 262 ff. – bei Ortsabwesenheit 3 263 – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 155 – Reparatur in Eigenregie 3 272 – Schadensermittlungszeitraum 3 271 – Tabellen – EurotaxSchwacke 3 278 – Sanden und Danner 3 278 – Überlegungszeitraum 3 271 – unentgeltliches Ersatzfahrzeug 3 268 – werkstattbedingte Verzögerungen 3 272 – Zweitwagen, vorhandener 3 265 f. Nutzungsentschädigung – Mietwagenkosten 1 23 Obliegenheiten – Aufklärungsobliegenheiten 7 163 ff.; s. auch dort – Folgen von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen – tabellarische Übersicht 7 264 – Mitwirkungsobliegenheit 7 466 – Obliegenheitsverletzung – Leistungsfreiheit 7 198 ff.; s. auch Obliegenheitsverletzung, Leistungsfreiheit – Zusammentreffen mehrerer 7 255 ff. – Rechtsmittelbelehrung 7 217 ff. – in der Rechtsschutzversicherung 8 53a ff. – tabellarische Übersicht 7 264 – nach dem Versicherungsfall 7 156 ff. – Anzeigeobliegenheiten 7 158 ff.; s. auch dort – Aufklärungsobliegenheiten 7 163 ff. – Aufklärungsobliegenheiten, neuere Entscheidungen 7 197 – Aufklärungsobliegenheiten, wichtige und häufige Angaben 7 192 ff. – Falschangaben, spätere Berichtigung 7 157 – Nachtrunkverbot 7 187 ff. – Sicherung und Feststellung von Unfallspuren 7 191
– Überblick 7 156 – Verbleiben am Unfallort 7 177 ff. – vor dem Versicherungsfall 7 137 ff. – Führerscheinklausel 7 147 ff. – Rennveranstaltungen 7 150 – Schwarzfahrtklausel 7 140 ff. – Trunkenheitsklausel 7 151 ff. – Verwendungsklausel 7 138 f. Obliegenheitsverletzung, Leistungsfreiheit 7 198 ff. – Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips 7 198 ff. – Beispiele 7 240 – Beweislast 7 222 ff. – grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung 7 235 – objektiver Tatbestand 7 225 – Verletzung von Anzeigepflichten 7 232 – vorsätzliche Obliegenheitsverletzung 7 231 ff. – eigene Obliegenheitsverletzung 7 203 – einfache Fahrlässigkeit 7 199 – Folgen von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen – tabellarische Übersicht 7 264 – Führerscheinklausel, Verschulden 7 206 – grobe Fahrlässigkeit 7 199, 208 – gesetzliche Vermutung 7 204, 208 – Kaskoversicherung 7 201 – Kausalität – bei Arglist 7 216 – bei Belehrungsdefiziten 7 217 ff. – Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall 7 215 ff. – Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall 7 211 ff. – Kausalität allgemein 7 209 f. – Kausalitätsgegenbeweis 7 , 236 – Führerscheinklausel 7 213 – Trunkenheitsklausel 7 – Verwendungsklausel 7 211 ff. – Kfz-Haftpflichtversicherung, Besonderheiten 7 243 ff. – Ansprüche Dritter, Auswirkungen 7 253 f. – ausnahmsweise Leistungsfreiheit ggü. Geschädigtem 7 253 f. – besonders schwerwiegendes Verschulden 7 248 – in betrügerischer Absicht 7 247 – Freistellungsanspruch,betragliche Begrenzung 7 245 ff.
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Stichwortverzeichnis [Obliegenheitsverletzung, Leistungsfreiheit] – Kündigung des Versicherers 7 242 – Quotenbildung 7 237 – Rechtswidrigkeitszusammenhang Gefahrenlage/Schadensfolge 7 200 – Schwarzfahrtklausel, Verschulden 7 206 – tabellarische Übersicht 7 264 – Verschulden 7 204 ff. – Vorsatz 7 199, 207 – Vorsatzvermutung 7 204 – Zusammentreffen Gefahrerhöhung und Obliegenheitsverletzung 7 261 – Zusammentreffen mehrere – vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls 7 259 f. – Zusammentreffen mehrerer 7 255 ff. – durch eine Person 7 257 – durch mehrere Personen 7 258 – Kfz-Haftpflichtversicherung, Besonderheiten 7 256 ff. – Quotenbildung 7 255 Operative Maßnahmen – Schadensminderung bei Verdienstausfallschaden 4 1133 Opfergrenze – des § 251 Abs. 2 BGB 3 24 Opferschutz – Hinterbliebene 4 248 – Opfer von Gewalttaten 4 245 ff. – psychische Schädigung 4 247 – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 4 250 ff. Ordnungswidrigkeiten 10 86 ff. – Abstandsunterschreitung 10 94 – Alkoholkonsum, Fahren nach 10 101 – Alkoholverbot, absolutes – Probezeit/Vollendung 21. Lebensjahr 10 106b – Drogenkonsum, Fahren nach 10 106 – Geschwindigkeitsüberschreitung 10 87 ff. – Rotlichtverstöße 10 95 ff. – Telefonbenutzung 10 100a – Verkehrszentralregister, Eintragung 10 162 Ordnungswidrigkeitengesetz 10 1 ff. Ordre-Public-Vorbehalt – Rom-II-Verordnung, Auslandsunfälle 13 17 Österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 146 ff. – Abschleppkosten 13 151 – Adhäsionsverfahren 13 165 – Anwaltskosten 13 168
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– Arzt- und Heilungskosten 13 157 – Mietwagenkosten 13 153 – Mindestdeckungssummen, Kh-Versicherung 13 169 – Nutzungsausfall 13 155 – Reparaturkosten 13 146 ff. – Schadensersatzansprüche, Verjährung 13 166 f. – Schadenspositionen 13 146 ff. – Schmerzensgeld 13 158 ff. – Totalschaden 13 150 – Übernachtungskosten 13 155a – Unkostenpauschale 13 156 – Verdienstausfall 13 163 f. – Verpflegungskosten 13 155a – Wertminderung 13 152 Pannenhilfe – Abgrenzung zur Nothilfe 4 451 Parkende Fahrzeuge – bei „Betrieb“ Kfz 2 85 ff. Parteianhörung 2 668 ff. Parteivernahme – Versicherter – Prozessführung durch klagenden Geschädigten 6 235 – Prozessführung durch verklagten Versicherten 6 247 Parteiverrat 5 50 ff., 6 211 Passivprozess 1 20 Personenbeförderung, unentgeltliche – Ansprüche Insassen gg. Halter/Fahrer 2 263 ff. – Gefährdungshaftung 2 40 Personenschaden – Anspruchsgegner 4 236 ff. – Drittleistungsträger 4 198 ff., 236; s. auch dort – Haftpflichtversicherer 4 240 ff.; s. auch Haftpflichtversicherung – Schadensersatzpflichtiger 4 237 ff. – Arbeitsunfall 4 138 – Ausfall im Haushalt 4 1162 ff.; s. auch Haushaltsführungsschden – Auslandsbezug – ausländisches Kfz in Deutschland 4 257 – Schaden im Ausland 4 258 – Beeinträchtigung der Person 4 21 ff. – Bagatellverletzungen 4 27 ff. – Fehlverarbeitung 4 53 f. – Folgeschaden, körperlicher und psychischer 4 35 ff. – HWS-Verletzung 4 38 ff.
Stichwortverzeichnis [Personenschaden] – psychische Beeinträchtigung, Befindlichkeitsstörungen 4 30 ff. – Schock, Fernwirkung 4 34 – Tinnitus 4 55 ff. – Verletzungsverdacht 4 21 ff. – Begehrensneurose 4 147 – einstweiliger Rechtsschutz 4 259 – Erforderlichkeit 4 189 – Ersatzanspruch des Halters ggü eigener KH-Versicherung 2 51 – Fahrerschutzversicherung 4 467 ff. – fiktive Abrechnung von Heilbehandlungskosten 4 484 ff. – Forderungswechsel 4 197 ff.; s. auch dort; s. auch Drittleistungsträger – gesetzliche Unfallversicherung 4 96 ff.; s. auch dort – anspruchsberechtigter Personenkreis 4 104 ff. – Antrag 4 102 ff. – Leistungen 4 133 f. – später erkannte Zuständigkeit 4 135 ff. – Grenzen 4 261 ff. – Haftpflichtversicherungsschutz 4 14 ff.; s. auch Haftpflichtversicherung, Deckungsumfang; s. auch Haftpflichtversicherung, Ersatzanspruch gegen – Heilbehandlungskosten 4 473 ff.; s. auch dort – Informationsbeschaffung 4 169 f. – ärztliche Unterlagen 4 169 – Schweigepflichtsentbindungserklärungen 4 169 – Kausalität und Begleitumstände 4 171 ff.; s. auch Kausalität, Beweislast – haftungsausfüllende 4 184 – haftungsbegründende 4 173 ff. – Primärschaden 4 175 ff. – vorheriges Regulierungsverhalten 4 183 – Kinderunfall 4 58 ff.; s. auch dort – Abfindungsvergleich der Mutter 4 71 – Aufsichtspflicht 4 89 ff. – gesetzliche Unfallversicherung 4 65 ff. – Mitverantwortung der Mutter 4 68 ff. – Nasciturus 4 58 ff.; s. auch dort – Verantwortlichkeit 4 72 ff. – Konversionsneurose 4 148 – Kosten – erforderliche 4 189 – nicht unverhältnismäßige 4 189
– mittelbar Geschädigte 4 1236 ff.; s. auch Personenschaden, mittelbar Geschädigte – Nachweis 4 149 ff. – Attest, ärztliche Berichte 4 178 ff. – Feststellungsurteil 4 186 ff. – vorheriges Regulierungsverhalten 4 183 – zeitliche Nähe 4 182 – Nachweispflicht 4 149 ff. – Rechtsgutverletzung – Allgemeines Persönlichkeitsrecht 49 – Aufwendungen, nutzlose oder vergebliche 4 13 – Eingriff in den eingerichteten Gewerbebetrieb 4 7 f. – Gesundheitsverletzung 4 4 – Körperverletzung 4 3 – Tier 4 10 ff. – Tod 4 6, 1256 ff. – Schadensersatz 4 1 ff. – Schadensersatz, Grenzen 4 261 ff.; s. auch Personenschaden, Schadensersatz, Grenzen – Schadensminderung 4 460 ff. – Schmerzensgeld 4 634 ff.; s. auch dort – Substantiierung 4 169 ff. – Einholung von Sachverständigengutachten 4 164 – Einvernahme des Steuerberaters 4 164 – Verdienstausfallschaden 4 827 ff.; s. auch dort – vermehrte Bedürfnisse 4 566 ff.; s. auch dort – Vorteilsausgleich 4 190 ff.; s. auch dort – Wegeunfall 4 115 ff.; s. auch dort – Zurechnung 4 139 ff. – überholende Aspekte 4 140 ff. – unfallfremde Schadensanfälligkeit 4 142 – Zivil- und Sozialrecht 4 139 – Zurechnungszusammenhang 4 143 ff.; s. auch dort Personenschaden, mittelbar Geschädigte 4 1236 ff. – Anspruchsberechtigung, allgemein 4 1236 ff. – Arbeitgeber 4 556 f. – Beerdigungskosten 4 1297 ff. – Dienstherr 4 558 ff. – entgangene Dienste 4 1274 ff. – Drittleistungen 4 1288 – Ehegatte 4 1278
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Stichwortverzeichnis [Personenschaden, mittelbar Geschädigte] – Forderungsberechtigung 4 1274 ff. – Höhe/Dauer des Anspruchs 4 1284 ff. – Kinder 4 1279 ff. – Steuer 4 1289 – Subsidiarität 4 1287 – Entwertungsschaden 4 1263 – Fernwirkungsschaden 4 1240 ff. – Hinterbliebene/Erben, Anspruch 4 1258 ff. – eigener/ererbter Anspruch 4 1259 ff. – Haftung 4 1265 ff. – zeitgleicher Tod, Konfusion 4 1270 ff. – mittelbar Geschädigte 4 – mittelbare gesundheitliche Einwirkung 4 1238 f. – mittelbare Schädigung 4 1236 ff. – psychische Beeinträchtigungen naher Angehöriger 4 1241 ff. – Schmerzensgeld 4 1290 ff. – Schock-/Fernwirkungsschaden – Haftung 4 1251 ff. – Mitverantwortung des mittelbar Geschädigten 4 1257 – Voraussetzungen 4 1240 ff. – Schockschaden 4 1240 ff. – Unfalltod 4 1290 ff.; s. auch dort – Unterhaltsschaden 4 1330 ff.; s. auch dort Personenschaden, Schadensersatz, Grenzen 4 261 ff. – Anspruchsbeeinträchtigung 4 372 ff. – Anspruchsausschluss 4 394 ff.; s. auch dort – gestörte Gesamtschuld 4 427 ff. – Haftungsbeschränkung 4 405 ff.; s. auch dort – Mitverantwortlichkeit 4 372 ff.; s. auch Mitverantwortung, Anspruchskürzung – Arbeitsunfall 4 263 ff.; s. auch dort – Auslandsberührung 4 308 ff. – Deckungssumme 4 361 ff. – Dienstunfall 4 337 ff.; s. auch dort – Haftungshöchstsumme 4 361 ff. – Überblick Alt-,Neufälle 4 363 – Überschreitung 4 361, 368 ff. – Kürzungs- und Verteilungsverfahren 4 369 ff. – Mindestversicherungssumme 4 365 – Nothilfe, Hilfeleistung 4 433 ff.; s. auch dort – Helfer, Schadensvergrößerung 4 433 ff. – Personen am Unfallort 4 435 ff.
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– Sozialversicherung 4 454 ff. – Schadensminderung 4 460 ff. – Heilverlauf, vorwerfbarer Eingriff in 4 463 ff. – medizinische Eingriffe 4 460 – Operationen 4 461 f. – Schulunfall 4 319 ff.; s. auch dort – Wegeunfall 4 267 ff. Persönlichkeitsverletzung 4 647 Pfändung – Deckungsanspruch gegen den Versicherer 6 201 ff. Pferd 2 426, 457 Pflege – Mehrbedarf, Kosten 4 579 ff. – Grenzen 4 581 Pflegeversicherung; s. auch Drittleistungsträger – Rückforderungsanspruch ggü. gesetzlicher Unfallversicherung 4 135 ff. Pflichtversicherung – Kfz-Haftpflichtversicherung 7 266 ff. Pkw und Pkw-Einrichtungen – Betriebskosten, gesteigerte 4 598 – Mehrbedarf, Kosten 4 595 ff. – Anschaffungskosten 4 596 – Fahrzeugänderungen 4 597 Plausibilitätsanalyse – Schadenshergang 6 91 ff. Policenmodell 7 40 Polizei – Einsatzfahrt 2 143 – Polizeifahrzeug 2 98 Postfahrzeug 2 145 Postfahrzeuge 2 145 – Dienstfahrt 2 145 Prämienrückstand 7 17 ff., 91 ff. – Allgemeines 7 91 – Bewirken der Zahlung 7 105 – Lastschriftverfahren 7 106 – Überweisung 7 105 – Einmalprämie 7 92 ff. – Erstprämie 7 92 ff. – Belehrungspflicht 7 100 – Fälligkeit 7 93 ff. – Leistungsfreiheit 7 97 ff. – Rücktritt 7 96 – Verschulden 7 101 – Folgeprämie 7 102 ff. – qualifizierte Mahnung 7 103 – Kaskoversicherung 7 20 – bei Lastschriftverfahren 7 19 – Mahnung 7 108 ff. – Rechtsbelehrung 7 108 ff., 113 ff.
Stichwortverzeichnis [Prämienrückstand] – Rechtsfolgen – Haftpflichtversicherung 7 115 f. – Kaskoversicherung 7 114 – Teilzahlung 7 107 – Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung 7 105 Prämienzahlung, fehlende, verspätete; s. auch Prämienrückstand Primärschaden – Beweislast 4 175 ff. Privatärztliche Behandlung 4 492 ff. Privatgutachten 5 16 ff.; s. auch Sachverständigenkosten Privatunterricht – Mehrbedarf, Kosten 4 571 Probefahrt 2 242 – teilkaskoversichertes Kfz, Unterschlagung 7 361 Prostitution – Verdienstausfallschaden 4 839 Provokation – Gefahrsteigerung 4 413 – Nothelfer, Schadensersatzanspruch 4 438 – Verlust des Versicherungsschutzes 4 417 Provozierter Unfall 6 14 ff., 146 ff.; s. auch Unfallmanipulation – absichtliches Anfahren 6 160 f. – durch äußerlich verkehrsgerechtes Verhalten 6 156 ff. – Auffahrunfall 6 157 – Kreuzungsunfall 6 158 – weitere Auffälligkeiten 6 159 – gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr 6 15 f., 150 – und Rechtsschutzversicherung 8 51 ff. Prozessbetrug – Kollusion zwischen Geschädigtem und Versicherten 6 206 Prozessführung – Versicherer für Versicherten 6 210 Prozessführungsbefugnis – und Regulierungsvollmacht des Haftpflichtversicherers 7 338 ff. Prozesskostenhilfe – Schmerzensgeld für Prozesskosten 4 810 ff. – Verjährungshemmung durch Antragstellung 1 83 Prozessvergleich – Kostenregelung 5 91 ff.
Prozessvollmacht – Abtretung Kostenerstattungsansprüche gg. Schädiger 5 66 Psychische Beeinträchtigungen – Beifahrer ohne Körperverletzung 4 33 – nahe Angehörige 4 1241 ff. – Personenschaden 4 30 ff. – primäre oder sekundäre Unfallfolge 4 36 f. – psychisch vermittelte Kausalität 4 31 – psychische Fehlverarbeitung 4 30 – Unfallbeteiligter 4 32 Psychische Kausalität 2 90 ff. Punktsystem, Verkehrszentralregister 12 15 ff. – Allgemeines 12 15 ff. – Aufbauseminar, Teilnahme 12 17 ff. – Entziehung der Fahrerlaubnis 12 20 – Maßnahmen 12 16 ff. – Mehrfachtäter 12 15 – schriftliche Verwarnung 12 16 Quotenbildung – Beweislastverteilung 7 241 – bei Obliegenheitsverletzung, grob fahrlässiger 7 237 ff. – Musterquoten 7 238 – Richtlinien des 47. Verkehrsgerichtstags 2009 7 237 – Obliegenheitsverletzung, Zusammentreffen mehrerer 7 255 Quotenhaftung – Beweislast 2 27 – dieselbe Quote bei Halter und Fahrer 2 162 – Haftungsabwägung, Grundsätze 2 19 ff. – hälftige Haftung gesetzlicher Regelfall 2 13 – bei Kinderunfall 2 379 – Quotenbildung 2 16 ff. – Quotenermittlung durch Haftungsabwägung 2 584 ff. – Quotentabelle 2 20 ff. Quotentabelle 2 20 ff. Quotenvorrecht 3 353 ff., 4 249, 926 – Arbeitnehmer ggü Arbeitgeber 4 946 – zugunsten Arbeitsverwaltung 4 972 – zugunsten berufsständische Versorgung 4 990 – häufige Fehler in der Praxis 3 361 ff. – vor Inanspruchnahme des Geschädigten 3 366 ff. – nach Inanspruchnahme des Kaskoversicherers 3 353 ff. – des Rentenversicherungsträgers 4 1030
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Stichwortverzeichnis [Quotenvorrecht] – Schadensabrechnung, Muster 3 365 – Versicherungsnehmer 7 477 Radfahrer 2 284 ff. – alkoholisierter Fußgänger 2 508 – Benutzung fremden Fahrrads 2 332 – Einbahnstraße in falsche Richtung 2 314 – Fahrbahnbenutzung 2 334 – Gewegbenutzung 2 314, 330 – Mitverschulden 2 328 ff. – Radwegnutzung 2 314, 328 ff. – Sicherheitsabstand zu 2 310 – Sonderregeln 2 287 f. – Unfall mit 2 284 ff., 312 ff.; s. auch Unfall Kfz – Radfahrer/Fußgänger, Haftungsgrundlagen – Unfall mit Fußgänger 2 494 ff., 513 ff., 519 ff.; s. auch Unfall Radfahrer – Fußgänger, Haftungsgrundlagen – Unfall zwischen 2 502 ff.; s. auch Unfall zwischen Radfahrern, Haftungsgrundlagen – verkehrswidriges Verhalten als Unfallauslöser 2 300 – Verletzung durch Nur-Insassen 2 291 – Vorfahrt 2 311, 311 ff. Radfahrer, Unfall mit; s. auch Unfall Kfz – Radfahrer/Fußgänger, Haftungsgrundlagen; Unfall Radfahrer – Fußgänger, Haftungsgrundlagen; Unfall zwischen Radfahrern, Haftungsgrundlagen Radweg 2 508 ff. – Benutzung in falscher Richtung 2 314 – kombinierter mit Gehweg 2 507 – unerlaubte Benutzung 2 509 Rauschfahrt; s. Alkohol; s. Drogen; s. Trunkenheit im Verkehr; s. Trunkenheitsfahrt Reaktion, falsche 2 307 f. Recherchekosten – Mehrbedarf 4 594 Rechtsanwalt; s. Anwalt – zu vergütender nach Rechtsschutzversicherung 8 43 f. Rechtsanwaltsberatungsgesetz – Umgehung durch Stapelvollmachten 1 52 Rechtsanwaltsgebühren; s. Anwaltskosten; s. Gebührentatbestände Rechtsanwaltskosten; s. Anwaltskosten Rechtsanwaltsmandat 5 44 ff.; s. auch Mandatsverhältnis
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Rechtsbeschwerde – Fahrverbot, fehlender Vermerk des Wahlrechts 10 153 Rechtsdienstleistungsgesetz – Schadensregulierung durch Mietwagenunternehmer 1 51 ff. – Schadensregulierung durch Werkstatt 1 51 ff. Rechtskraft – Feststellungsurteil 4 186 – künftige Beeinträchtigungen bei Schmerzensgeld 4 802 ff. Rechtskrafterstreckung, negative 2 719 ff. – Haftpflichtprozess, Unfallmanipulation 6 193 ff. Rechtsmittelfrist – bei Streitbeitritt 6 220 Rechtsnachfolge – Drittleistungsträger 4 562 ff. Rechtsschutzversicherung 8 1 ff.; s. auch Rechtsschutzversicherung, Unfallschadensregulierung – Allgemeines 8 1 ff. – ARB, Auslegung 8 11 ff. – ARB, Einbeziehung 8 5 ff. – Auseinandersetzung mit anderen als dem Schädiger 8 95 f. – Deckungszusage, Anwaltskosten 5 162 ff. – Durchsuchung beim Rechtsschutzversicherer 8 102 – Gebührenabsprachen mit Rechtsschutzversicherern 8 130 ff. – Insolvenz des Versicherungsnehmers 8 16 – Kfz-Steuer-Angelegenheiten 8 109 – Neuzugang Fahrzeug 8 28 – Rechtsanwaltsgebühren in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen 8 125 ff.; s. auch Gebühren, Verkehrsordnungswidrigkeitensachen – Rechtsanwaltsgebühren in Verkehrsstrafsachen 8 110 ff.; s. auch Gebühren, Verkehrsstrafsachen – Rückzahlung wegen verschwiegener Vorschäden 6 107 – Unfallschadensregulierung 8 17 ff. – Verkehrsordnungswidrigkeitensachen 8 101 ff. – Verkehrsstrafsachen 8 96 ff. – versicherte Personen 8 27 ff. – Versicherungsfall, Definition 8 26 – Vertragsabschluss 8 1 ff.
Stichwortverzeichnis [Rechtsschutzversicherung] – verwaltungsrechtliche Entziehung/verweigerte Wiedererteilung der Fahrerlaubnis 8 103 ff. – Wechsel des Fahrzeugs 8 28 – Wegfall des Fahrzeugs und Ersatzfahrzeug 8 28 Rechtsschutzversicherung, Unfallschadensregulierung 8 17 ff. – Ablehnung Rechtsschutz 8 44 ff. – auf Dritte übergegangene Ansprüche 8 55 ff. – Ausschlusstatbestände 8 50 ff. – Erfolgsaussichten 8 43 ff. – gesetzliche Anwaltsgebühren/Abrechnung nach DAV-Regulierungsvorschlag 8 91 ff. – gestellter Unfall 8 51 ff. – grobes Missverhältnis Kosten/Erfolg 8 48 f. – Klage/Widerklage 8 93 – Kostendeckungszusage für Prozess 8 59 ff. – Erfolgsaussicht, Prüfung 8 60 – kostenauslösende Maßnahmen, Abstimmung 8 60a ff. – kostenmindernde Maßnahmen 8 64 – Straf- oder Owi-Verfahren, Abwarten des Ausgangs 8 63 – Teilklage 8 62 – vorherige Zustimmung 8 61 – Kostenerstattungsansprüche 8 66 ff. – Abtretung 8 82 ff. – Erschwerung Kostenerstattung durch Gegenseite 8 74 ff. – Erstattung bei Rechtsschutzversicherer und KH-Versicherer 8 89 f. – Erstattung und Rechtsnachfolge 8 82 ff. – Erstattung und Selbstbehalt 8 88 – Freihalteanspruch 8 87 – Inhaber der Erstattungsansprüche 8 77 ff. – Kostenübernahme ohne Rechtspflicht 8 72 ff. – Regress gg. Versicherungsnehmer 8 90 – Teilrechtsnachfolge 8 85 – Vergleich 8 67 ff. – Verrechnung zw. Gläubiger/Schuldner 8 81 ff. – Zahlungsverlangen/Zahlungspflicht 8 76 – mitversicherte Personen gegeneinander/ untereinander 8 30
– mutwillige Inanspruchnahme 8 47 ff. – Obliegenheiten des Versicherungsnehmers 8 53a ff. – Obliegenheitsverletzung, Rechtsfolgen 8 53c ff. – Ort des Schadensereignisses 8 33 ff. – provozierter Unfall 8 51 ff. – Rechtsanwälte, zu vergütende 8 42 f. – Regulierungsvorschläge einzelner Versicherer 8 91a – Sachverständigenkosten 8 94 – Schadensmeldung 8 38 ff. – versicherte Personen 8 27 f. – Versicherungsfall, Definition 8 26 – Versicherungsschutz zum Unfallzeitpunkt 8 23 ff. – Versicherungsschutz, Beendigung 8 25 – Versicherungsschutz, Beginn 8 23 ff. – Wartefrist 8 24 Regress – Dienstherr gegen andere öffentliche Verwaltung 4 354 ff. – Entschädigungsfonds ggü. Versicherungsnehmer 4 243 – Haftpflichtversicherer – Aufwendungsersatz 7 324 – bei krankem Versicherungsverhältnis 7 322 ff. – Beweislast bei Rückforderung 7 325 – gg. Mitversicherte 7 330 ff. – gg. Versicherungsnehmer 7 326, 326 ff. – tabellarische Übersicht 7 334 – Zusammentreffen mehrerer Gründe 7 256, 329 – Kaskoversicherer 7 466 ff. – Kaskoversicherer ggü. angestelltem Fahrer 7 473 f. – Mitwirkungsobliegenheit des Versicherungsnehmers 7 466 – Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers 7 477 – Rentenversicherer 4 1013 ff. – Sozialversicherungsträger 4 457 – weiterer Drittleistungsträgers 4 359 f. Regulierungskosten, Ersatz 3 293 ff. Regulierungsvollmacht – und Prozessführungsbefugnis des Haftpflichtversicherers 7 338 ff. – Versicherer bei Selbstbeteiligung 7 273 Reha-Management 4 1137 ff. Reifenschäden – Vollkasko-Versicherung 7 389
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Stichwortverzeichnis Rennveranstaltungen 7 150 – behördlich genehmigt – Risikoausschluss, vertraglicher (AKB) 7 302 – Vollkasko-Versicherung 7 388 Rente – einstweiliger Rechtsschutz 4 259 – wegen vermehrter Bedürfnisse 4 569 Rentenminderung; s. Rentenminderungsschaden – bei Deckungsummenüberschreitung, Kürzungsverfahren 7 345 Rentenminderungsschaden 4 1008 ff. – § 119 SGB X – Anwendbarkeit 4 1008 ff. – Auffüllung des Beitragskontos 4 1036 ff. – Auslandsberührung 4 1028 f. – Forderungsberechtigung des Versicherers 4 1017 ff. – Konkurrenz § 119 SGB X – § 179 Abs. 1a SGB VI 4 1043 ff. – Leistungsbeschränkungen 4 1030 – Leistungsumfang 4 1024 – Abfindung und § 120 SGB X 4 , 1045 ff. – Abfindung des Unfallbeteiligten 4 1048 – abgeschlossener Sachverhalt 4 1053 ff. – Personen außerhalb von § 119 SGB X 4 1058 ff. – Schadensfall nach dem 30. 6. 1983 4 1047 – Schadensfall vor dem 1. 7. 1983 4 1046 – Vorbehaltsabfindung 4 1050 ff. Rentenversicherung; s. auch Drittleistungsträger – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 975 ff. – Drittleistungsträger 4 1008 ff. – Leistungsumfang 4 1024 ff. – Rentenminderungsschaden – fehlerhafte Regressierung 4 1022 f. – Forderungsberechtigung 4 1017 ff. – Rückforderungsanspruch ggü. gesetzlicher Unfallversicherung 4 135 ff. Reparaturauftrag – unverzüglicher 1 29 Reparaturbestätigungs-Gutachten 3 302 Reparaturkosten – Ermittlung 3 42 ff. – Fachwerkstatt, markengebundene 3 51 – fiktive Abrechnung 3 53 – konkrete Abrechnung 3 50 ff.
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– – – – –
Schadensgeringhaltungspflicht 3 57 Toleranzgrenze 3 135 UPE-Zuschläge 3 61 Verbringungskosten 3 61 Verweis auf günstigere Reparaturmöglichkeit 3 54 Reparaturkostenbasis, Abrechnung auf – Brutto-Reparaturkosten in Schadensstufe: Reparaturkostanaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 95, 109 – in Eigenregie 3 102 – fiktive Abrechnung in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 96 – fiktive Abrechnung in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 112 f. – in Fremdwerkstatt 3 95 – Mehrwertsteuerersatz 3 150 ff. – bei Sicherungsabtretung 3 158 ff. – bei Veräußerung des Unfall-Kfzs 3 158 ff. – Wechsel der Abrechnungsart 3 153 f. – Schadensstufe: Reparaturkostenaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 121 ff. – in Eigenregie – Toleranzgrenze 3 135 – unterhalb der Wiederbeschaffungswertgrenze bei Schadensstufe: Reparaturkostenaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 144 ff. Reparaturschaden – Abgrenzung zu Totalschaden 7 433 f. – Haftpflichtversicherung – im 100%-Bereich 6 178 – im 130%-Bereich 6 179 – italienisches Recht, Schadensregulierung 13 108 – Kaskoversicherung 7 439 ff. – Glasbruch 7 442 – unvollständige, nicht fachgerechte Reparatur 7 441 – vollständige, fachgerechte Reparatur 7 440 – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 146 Reparaturwerkstatt; s. Werkstatt Repräsentant – Angestellter als 7 428 – Begriff im Versicherungsrecht 7 424 – Ehegatte als 7 426 – Fahrer, Auswirkung auf Versicherungsschutz in Haftpflichtversicherung – Leasinggeber/-nehmer als 7 428
Stichwortverzeichnis [Repräsentant] – des Versicherungsnehmers 7 392, 424 ff. Restschuldbefreiung – Haftungshöchstsumme, Überschreitung 4 238 Restwert, Kfz 3 71 ff. Restwertabrechnung, Kfz 3 79 ff. – Ermittlung 3 72 ff. – Netto-Restwert 3 84 – Restwertnennung brutto und netto 3 78 – und Teilreparatur in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 115 – und Teilreparatur in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 129 ff. – und Teilreparatur in Schadensstufe: Reparaturkostenaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 148 – versteckter Rabatt 3 83 – Verwertung nach Zugang höheren Restwertangebots 3 85 ff. – Verwertung vor Zugang höheren Restwertangebots 3 80 ff. Rettungsdienst – und Amtshaftung 2 144 – Einsatzfahrt 2 144 Rettungskosten – Rückführungskosten des Kfz 7 456 – Teilkasko-Versicherung 7 369 ff. Revision 11 27 ff. – Sprungrevision 11 28 Richtlinien (EG) – materielles Recht (Haftpflichtversicherung) 13 185 Risikoausschlüsse, Haftpflichtversicherung; s. auch Haftpflichtversicherung, Risikoausschlüsse Risikoausschlussklauseln – AKB, Auslegung 7 34 – Beweislastverteilung 7 311 ff. – gesetzliche bei Vorsatz 7 296 ff. – Kaskoversicherung 7 387 ff.; s. auch dort – Kfz-Haftpflichtversicherung 7 295 ff.; s. auch Haftpflichtversicherung, Risikoausschlüsse – tabellarische Übersicht 7 263 – vertragliche (AKB) 7 301 ff. Rom-II-Verordnung – Auslandsunfälle, anwendbares Recht 13 13 ff. – Beweislastregeln 13 21
– Geltung bestehender Staatsverträge 13 24 – gesetzliche Vermutungen 13 21 – gesetzlicher Forderungsübergang 13 20 – Ordre-Publick-Vorbehalt 13 17 – Rechtswahl oder Tatortprinzip 13 14 – Regeln des Aufenthaltsstaats, Anwendbarkeit 13 19 – Schmerzensgeld, Auswirkungen 13 18 Rooming-In – Begleitpersonen kleiner Kinder 4 515 Rotlichtverstoß – Ampelphasendiagramm 10 100 – einfache/qualifizierte 10 95 ff. – Fallgruppen 7 402 ff., 10 98 ff. – grobe Fahrlässigkeit, neuere Entscheidungen 7 422 f. – Musterquote 7 238 Rückführungskosten – Ersatz, Kaskoversicherung 7 456 Rückstufungsschaden, Ersatz 3 292, 343 ff. – Fahrzeugversicherung 3 345 ff. – Haftpflichtversicherung 3 344 – künftiger 3 352 – Schadensausweitung, Hinweispflicht 3 348 ff. Rückwärtsversicherung 7 31 f. Ruheversicherung 7 82 – besondere Obliegenheiten 7 82 RVG-Gebührenabkommen 5 187 Sachschaden, Ersatz 3 1 ff. – Abschleppkosten 3 284 ff. – Anspruchsberechtigter – Berechtigter Besitzer 2 60 – Kfz-Eigentümer 2 60 – Leasinggeber 2 60 – Sicherungseigentümer 2 60 – Anwaltskosten 3 338 ff. – Einführung 3 1 ff. – Ersatzbeschaffung 3 9 ff. – Ersatzbeschaffungskosten 3 293 ff. – Fahrzeugschaden 3 33 ff.; s. auch Fahrzeugschaden, Abrechnung – Finanzierungskosten 3 287 ff. – Folgeschäden des Fahrzeugschadens 3 196 ff. – freiwillige unentgeltliche Leistungen Dritter 3 199 f. – Gutachterkosten 3 194 – konkludenter Haftungsverzicht 4 404 – Kosten der Ab- und Anmeldung 3 194 – Mehrwertsteuersatz 3 149 ff. – Mietwagenkosten 3 202 ff.; s. auch dort
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Stichwortverzeichnis [Sachschaden, Ersatz] – Minderwert, Entschädigung in Geld 3 22 – Naturalrestitution 3 9 ff. – Nebenkostenpauschale 3 194 – Nutzungsausfall, Kfz 3 260 ff.; s. auch dort – Quotenvorrecht des Geschädigten 3 353 ff. – Regulierungskosten 3 293 ff. – Reparaturkostenersatz 3 9 ff. – Rückstufungsschaden 3 292, 343 ff. – Fahrzeugversicherung 3 345 ff. – Haftpflichtversicherung 3 344 – künftiger 3 352 – Sachverständigenkosten 3 299 ff. – Schadensabrechnung bei Quotenhaftung nach Inanspruchnahme des Kaskoversicherers, Muster 3 365 – schadensausweitende Dispositionen 3 50 – sonstige Schadenspositionen 3 196 ff. – Unkostenpauschale, allgemeine 3 298 – Verbringungskosten 3 47 – Vorhaltekosten Kfz 3 270, 281 ff. – Wirtschaftlichkeitsgebot 3 201 – Zinsschäden 3 287 ff. Sachverständigengutachten 2 684 f., 5 3 ff. – „Abzüge Neu für Alt“ 3 46; s. auch Sachverständigenkosten – Ausgangsgeschwindigkeit, Ermittlung 2 631 ff. – Bagatellschaden 3 303 ff. – Brutto-/Nettopreise, Ermittlung 3 40 – doppelte Grenzbetrachtung 2 634 – einseitige Grenzbetrachtung 2 635 – Fahrzeugschaden, Abrechnung 3 33 ff. – Fahrzeugschaden, Ermittlung der vier Eckdaten 3 36 ff. – fehlerhaftes Gutachten, Ansprüche des Versicherers 3 323 ff. – fehlerhaftes, Ansprüche des Geschädigten 3 311 ff. – fehlerhaftes, Schadensersatzansprüche 3 311 ff. – Geschwindigkeitsmessung, Messgenauigkeit 10 90 ff. – Gewinnausfallschäden 4 1085 – Kollisionsgeschwindigkeit, Ermittlung 2 632 – Kollisionspunkt, Ermittlung 2 631 – Kompatibilitätsanalyse, fehlerhafte bei ausgenutztem Unfall 6 172 f. – medizinisches bei HWS-Verletzung 4 49
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– Minderwert, Ermittlung 3 63 ff. – Personenschäden, Erstattung 5 17 – regional übliche Vertragswerkstattpreise 3 48 – Reparaturkosten, Ermittlung 3 42 ff. – Restwert, Ermittlung 3 71 ff. – Sachverständiger, Auswahl 1 24, 40 – Schadenshergang – Kompatibilitätsprüfung 6 42, 88 ff. – Plausibilitätsprüfung 6 43, 91 ff. – Signalposition, Ermittlung 2 631 ff. – subjektive Schadensbetrachtung 3 38 – Unfallaufklärung, Aufgaben 2 622, 628 ff. – Unfallhelferringe 1 50 ff.; s. auch dort – UPE-Zuschläge 3 47 – Verdienstausfallschaden 4 856 – Vermeidbarkeitsbetrachtung 2 636 ff. – räumliche Vermeidbarkeit 2 642 f. – Teilvermeidbarkeit 2 647 ff. – zeitliche Vermeidbarkeit 2 644 ff. – Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 3 324 f. – Vorschäden, Ermittlung 3 39 – Werkvertrag 3 311 ff. – Wiederbeschaffungswert, Ermittlung von 3 68 ff. – Zusammenwirken zwischen Schätzgutachter und Werkstatt 6 176 Sachverständigenkosten 3 299 ff., 5 16 ff.; s. auch Sachverständigengutachten – Bagatellschaden 3 303 ff. – BVSK-Honorarbefragung 2008/2009 3 334 – Erstattungsfähigkeit bei verschwiegenen Vorschäden 6 106 ff. – fehlerhaftes Gutachten, Bezahlung 3 308 ff. – fehlerhaftes Gutachten, Schadensersatzansprüche – des Geschädigten 3 311 ff. – des Versicherers 3 323 ff. – Höhe 3 330 ff. – italienisches Recht 13 118 f. – Privatgutachten 5 16 – Privatgutachten zum Unfallhergang 3 300 – Privatgutachterkosten, verschwiegene Vorschäden 6 107 – Rechtsschutzversicherung, Kostentragung 8 94 – Reparaturbestätigungs-Gutachten 3 302 – überhöhte 1 25
Stichwortverzeichnis [Sachverständigenkosten] – Unfallrekonstruktions-Gutachten 3 300 – Vergütungsvereinbarung, ortsübliche 3 331 ff. Sachverständigenverfahren 7 461 ff. – vorrangiges bei Streit über Schadenshöhe 9 36 f. Sachverständiger – Beauftragung, Verjährungsunterbrechung im Bußgeldverfahren 10 25 Saisonkennzeichen 7 81 Sammeltransporte 4 290 – Schüler 4 321 Schadensanfälligkeit – unfallfremde 4 142 Schadensanlage – und Schmerzensgeldbemessung 4 770 ff. Schadensanzeige 1 18 ff. – Anzeigepflicht 1 53 – entbehrliche 1 19 – Hinweispflicht des Anwalts 1 53 – vorsorgliche 1 19 Schadensersatz 1 37 ff. – erforderlicher Geldbetrag 1 37 – Ersetzungsbefugnis 1 38 – Naturalrestitution 1 37 – Verjährung 1 69 ff., 90 ff.; s. auch Schadensersatzansprüche, Verjährung Schadensersatzansprüche, Verjährung 1 69 ff., 90 ff. – Ausschlussfrist 1 90 ff. – Beginn 1 76 ff. – grob fahrlässige Unkenntnis 1 77 ff. – Hemmung 1 82 ff. – italienisches Recht 13 140 f. – Neubeginn 1 86 f. – österreichisches Recht 13 166 f. – versicherungsrechtliche Ansprüche 1 95 ff. – Verzicht auf Einrede der Verjährung 1 88 f., 88 ff. Schadensfälle 2009, tabellarische Darstellung 2 1 Schadensfinanzierungskosten – italienisches Recht 13 122 Schadensminderungspflicht 1 25 ff. – Auswahlverschulden 1 24 – Mietwagen 1 40 – Sachverständiger 1 24, 40 – Werkstatt, qualifizierte 1 24, 40 – beauftragte Werkstatt 1 39 – berechtigtes Interesse an baldiger Schadensbehebung 1 33
– Beweiserleichterungen 1 45 – Beweislast 1 44 ff. – Einsatz und Verwertung noch vorhandener Arbeitskraft 4 1117 ff. – Erhaltung des Arbeitsplatzes 4 1117 ff. – Ersatzteilbeschaffung 1 30 – Fehlverhalten eigener Anwälte 5 143 – Freistellungsanspruch des Geschädigten 1 41 – Haushaltsführung 4 1130 f. – Heilbehandlungskosten 4 459 ff., 546 – Heilverlauf, vorwerfbarer Eingriff in 4 463 ff. – Kontrollpflicht 1 42 – mangelnde Sicherung des Unfallfahrzeugs 1 27 – medizinische Maßnahmen 4 1132 ff. – Operationen 4 460 ff. – Reparaturauftrag, unverzüglicher 1 29 – Sachverständiger 1 39 – Schadensbeseitigung, verzögerte 1 29 ff. – Schmerzensgeld 4 782 f. – Selbständige, Maßnahmen zur 4 1098 ff. – Tarifauswahl bei Mietwagen 3 237 – Umfang 1 32 ff. – Umschulung 4 1123 ff. – Verdienstausfall vorzeitig pensionierter Beamter 4 925 – vermehrte Bedürfnisse 4 617 ff. – Verweigerung aus religiöser Überzeugung 4 466 – Warnhinweis des Verletzten 4 1134 ff. – Wirtschaftlichkeitspostulat 1 35 – Zumutbarkeit 1 32 2. Schadensrechtsänderungsgesetz – Änderungen 2002 2 31 ff. – Entlastungsbeweis Halter bei höherer Gewalt 2 36 – Erheblichkeitsschwelle bei Schmerzensgeld 2 33 – Gefährdungshaftung, Halter 2 38 – Haftungshöchstbeträge, Anhebung 2 41 ff. – Halter, höhere Gewalt 2 36 f. – Kinder bis 10 2 31 ff., 4 77 ff. – Kinder unter 10 2 31 – Kinderunfall 4 31, 77 ff. – Mehrwertsteuer, kein Ersatz fiktiver 2 35 – Personenbeförderung, Gefährdungshaftung bei unentgeltlicher 2 40 – Schmerzensgeld bei Gefährdungs- und Vertragshaftung 2 32 ff. – StVG, Änderungen 2 36 ff.
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Stichwortverzeichnis Schadensregulierung – Anspruchsschreiben 1 17 – außergerichtliche, Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung 13 43 ff. – Belege, notwendige 1 17 – italienisches Recht 13 98 ff.; s. auch Italienisches Recht, Schadensregulierung – durch Mietwagenunternehmer 1 51 ff. – „ohne Einschaltung der Versicherung“ 1 11 – österreichisches Recht 13 146 ff.; s. auch Österreichisches Recht, Schadensregulierung – durch Werkstatt 1 51 Schadensstufe Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 93 ff. – Abrechnung auf Brutto-Ersatzbeschaffungsbasis 3 106 – Abrechnung auf Brutto-Reparaturkostenbasis – Reparatur in Eigenregie 3 95 – Reparatur in Fremdwerkstatt 3 95 – Abrechnung fiktiv auf Netto-Gutachtenbasis 3 97 – Abrechnung fiktiv auf Reparaturkostenbasis 3 96 – Abrechnung, Aufspaltung – fiktiv und konkret 3 102 – Abrechnungsart, Wechsel 3 97 f. – Abrechnungsarten, Vermischung – MWSt-Ersatz 3 98 ff. – Bereicherungsverbot 3 99 – Ersatzbeschaffung und Ersatz der MWSt 3 103 ff. – Teilreparatur 3 101 – Zahlenbeispiel 3 93 Schadensstufe Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 107 ff. – Abrechnung auf Brutto-Reparaturkostenbasis 3 109 – Abrechnung auf Brutto-Wiederbeschaffungsbasis 3 116 – Abrechnung fiktiv auf Reparaturkostenbasis 3 112 f. – Abrechnung fiktiv auf Wiederbeschaffungsbasis 3 114 ff. – Abrechnungsarten, Wechsel 3 118 – Ersatzbeschaffung 3 111 – Minderwert, Einbeziehung 3 108 – Restwertveräußerung 3 117 – Teilreparatur und Restwertabrechnung 3 115 – Weiterbenutzungswille 3 110 – Zahlenbeispiel 3 107
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Schadensstufe Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 119 ff. – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis 3 121 ff. – Abrechnung bei Reparatur in Eigenregie 3 124 ff. – Abrechnung bei Teilreparatur 3 127 – Abrechnung fiktiv auf Wiederbeschaffungsbasis 3 128 – Abrechnungsarten, Vermischung – brutto und netto 3 132 – Abrechnungsarten, Wechsel 3 131 – bei Nutz- und Leasingfahrzeugen 3 133 – Minderwert, Einbeziehung 3 120 – Teilreparatur und Restwertabrechnung 3 129 ff. – Zahlenbeispiel 3 119 Schadensstufe Reparaturaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 134 ff. – Abrechnung auf Reparaturkostenbasis unterhalb der Wiederbeschaffungswertgrenze 3 144 ff. – Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis 3 136 ff. – Abrechnung bei Teilreparatur 3 141 – Abrechnung bei überhöhter Kostenschätzung des Gutachters 3 142 f. – anteiliger Ersatz bei durchgeführter Reparatur 3 139 f. – Teilreparatur und Restwertabrechnung 3 148 – Toleranzgrenze 3 135 – wirtschaftlicher Totalschaden 3 135 – Zahlenbeispiel 3 134 Schädiger – Haftung für Erfüllungsgehilfen – beauftragte Werkstatt 1 39 – Sachverständiger 1 39 Schädiger, mehrere; s. Mehrere Schädiger Schätzgutachten 6 171 Schaubild; s. auch Tabellarische Darstellungen Scheidungskinder – Angehörigenprivileg 4 222 Scheinselbständigkeit 4 868 ff. – Anfrageverfahren 4 878 – Novellierungen 4 872 ff. Schienenbahn – Unfall Kfz – Schienenbahn, Haftungsgrundlagen, s. dort 2 – Unfall mit Jugendlichen 2 461 ff. Schmerzensgeld 4 634 ff. – Abtretbarkeit 4 821 f. – Alkoholisierung des Schädigers 4 678
Stichwortverzeichnis [Schmerzensgeld] – Anspruchsgrundlage 4 634 ff. – Arzthaftung 4 644 – Erfüllungsgehilfenhaftung 4 643 – bei Gefährdungshaftung 4 642 – Persönlichkeitsrecht 4 647 – Spezialvorschriften 4 645 f. – Stichtagsregelung 4 636 f. – Unfall nach dem 31. 7. 2002 4 642 ff. – Unfall vor dem 1. 8. 2002 4 638 ff. – bei Vertragshaftung 4 642 – Anspruchshöhe 4 648 ff. – Erheblichkeitsschwelle 4 648 ff. – Genugtuungsfunktion 4 651 f. – für Asylbewerber 4 818 f. – Aufrechnung gegen 4 821 f. – Bagatellverletzung 2 34 – bei Auslandsunfällen 13 18 – Bemessungskriterien 4 696 ff.; s. auch Schmerzensgeld, Bemessungskriterien – Besonderheiten 4 813 ff. – Drittleistungen, § 110 SGB VII 4 823 f. – Drittleistungen, Forderungsübergang 4 825 f. – Erhöhung wegen Vorsatz 2 172 – Falschberatung durch Anwalt 5 61 – Forderungswechsel 4 821 f. – Fortfall bei überwiegendem Mitverschulden 4 664 – Gefährdungshaftung 2 32 ff., 110, 345 – Gesamtgut bei Gütergemeinschaft 4 814 – gestörter Gesamtschuldnerausgleich 4 430, 658 f. – Auslandstitel 4 659 – grob fahrlässiges Verhalten 4 677 – Haftung 4 634 ff. – Haftung aus Billigkeitsgrundsätzen 4 680 – Haftungsausschluss 4 653 ff. – Arbeits-/Dienstunfall 4 654 – Beamter, Dienstunfall 4 655 – Haftungsverzicht 4 657 – Schockschaden 4 660 – Haftungseinheit 4 670 f. – Insolvenzgegenstand 4 820 ff. – statt kosmetischer Operation 4 488 – mehrere Schädiger 2 538 – Mehrfachfunktion – Ausgleichsfunktion 4 684 ff. – Genugtuungsfunktion 4 692 – Präventionsaspekt bei Persönlichkeitsverletzungen 4 693 – Mehrheit von Schädigern 4 672
– Mitverantwortlichkeit 4 662 ff. – Betriebsgefahr 4 665 ff. – gestörte Gesamtschuld 4 669 – Haftungseinheit 4 670 f. – Mehrheit von Anspruchsnormen 4 673 – Mehrheit von Schädigern 4 672 – Schuldfähigkeit 4 674 – „mitwirkende Betriebsgefahr“ 2 341 – Nießbrauchsgegenstand 4 821 f. – nach österreichischem Recht 13 158 – Pfändbarkeit 4 821 f. – Prozessuales – Aufteilung Kapital-/Rentenbeträge 4 787 – Feststellungsklage, immaterielle 4 793 ff. – Grundurteil 4 799 f. – Klageantrag, unbezifferter 4 785 ff. – ne ultra petita 4 786 – Prozesskostenhilfe 4 810 ff. – Rechtskraft 4 802 ff. – Rechtsmittelinstanz 4 805 f. – Teilklage 4 789 ff. – Zinsen 4 788 – Reduzierung, schuldunfähiges Kind 4 86 – Schadensminderungspflicht 4 782 f. – Schienenbahnunfall 2 466 – Schonvermögen iSd Sozialhilferechts/ ALG II 4 815 f. – Steuerpflicht 4 784 – Unfallflucht 1 63 – Unfalltod – Drittbeteiligte 4 1296 – Hinterbliebene 4 1293 ff.; s. auch Angehörigenschmerzensgeld – Unfallopfer 4 1290 ff. – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 4 253 – Vererblichkeit 4 821 f. – Verkehrsopferhilfe, Ansprüche gegen 2 52 – Verpfändbarkeit 4 821 f. – Verschuldensgrad 4 677 ff. – Vertragshaftung 2 32 ff. – Vorsätzliches Verhalten 4 679 – Zugewinn 4 813 Schmerzensgeld, Bemessungskriterien 4 696 ff. – Affektionsinteresse 4 696 – Alkoholisierung des Schädigers 4 678 – Angehörigenschmerzensgeld 4 701 – anwaltliche Beratungsfehler 4 738 – apallisches Syndrom 4 715 ff. – Auslandsberührung 4 702 f.
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Stichwortverzeichnis [Schmerzensgeld, Bemessungskriterien] – Bagatellverletzung 4 705 ff. – Beleidigung 4 709 – Dauerfolgen 4 710 – Ehe 4 711 ff. – Einzelaspekte 4 696 ff. – Familie 4 711 ff. – Fernwirkungsschaden 4 751 – Gefälligkeitsfahrt 4 728 – Gestellter Unfall 4 729 – grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers 4 677 – Haftpflichtversicherungsschutz, bestehender 4 731 f. – Haftungsaspekte 4 730 – Insolvenz 4 733 – kurze Überlebenszeit 4 722 ff. – Leibesfrucht, Tod der 4 726 f. – Leidensdauer 4 734 ff. – Mitverantwortlichkeit 4 662 ff. – Neurose 4 737 – Orientierung 4 694 f. – persönliche Umstände – Alter des Verletzten 4 697 – Geschlecht 4 698 – Glaubensangehörigkeit 4 699 – wirtschaftliche Verhältnisse 4 700 – Prozessverhalten 4 739 ff. – Schadensanlage 4 770 ff. – Schmerzensgeldrente 4 773 ff. – Schmerzensgeldtabellen, Bedeutung von 4 695 – Schockschaden 4 749 f. – soziale Belastungen 4 753 – Spätschäden 4 754 ff. – strafrechtliche Wertung 4 758 ff. – Straßenverkehrsteilnahme 4 762 ff. – Teilschmerzensgeld 4 765 ff. – Tod 4 721 ff. – Unfallrente 4 767 – Unfalltod 4 722 ff. – Urlaubs- und Freizeitbeeinträchtigung 4 768 f. – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 4 745 ff. – Vererbung 4 718 ff. – Verschuldensgrad 4 677 ff. – Vorsatz des Schädigers 4 679 – Vorschädigung 4 770 ff. – zögerliche Regulierung 4 742 ff. Schmerzensgeldrente 4 773 ff. – Erhöhung 4 781 – und Kapitalabfindung 4 778, 787 Schockschaden 4 34, 749 ff. – Arbeitsunfall 4 660 – Dienstunfall eines Beamten 4 661
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– mittelbar Geschädigte 4 1240 ff. – Mutter bei Tod des Nasciturus 4 727 – Unfälle von Soldaten 4 661 – Zuschauer am Unfallort 4 452 f. Schulbus 2 366 – Schulbushaltestelle, Unfall 4 329 Schuldbekenntnis – Schadensersatzprozess 7 321 Schuldfähigkeit – Aufsichtspflichtversagen Eltern 4 676 – deliktsfähiges Kind 4 674 – Jugendlicher 2 388 – schuldunfähige Personen 4 675 Schule 2 366 – Grundschule 4 114 – weiterführende 4 114 Schüler – Verdienstausfallschaden 4 1108 ff. Schulunfall 4 319 ff. – auf Exkursionen 4 334 ff. – Fremdpersonen 4 334 ff. – Schubserei unter Schülern 4 322 – an Schulbushaltestelle 4 329 Schwacke-Listen 3 68 Schwacke-Mietpreisspiegel 3 240 ff. Schwarzarbeit – Verdienstausfallschaden 4 838, 912 Schwarzfahrt – Halterhaftung 2 76 Schwarzfahrtklausel 7 140 ff. – Sorgfaltspflichten des Versicherungsnehmers 7 142 – unberechtigter Fahrer 7 144 ff. Schweigepflichtsentbindung – Arzt bei Verdienstausfallschaden 4 855 Seitenabstand – Fußgänger 2 322 – Radfahrer 2 310 Selbständige, Verdienstausfallschaden 4 1065 ff.; s. auch Verdienstausfallschaden, Selbständige Selbständiges Beweisverfahren; s. Beweisverfahren, selbständiges Selbstbeteiligung 7 452 – Vollkaskoversicherung, italienisches Recht 13 120 Selbstgefährdung – bewusste, Anspruchsausschluss 4 395 – Geschädigter durch Betrieb des Schädiger-Kfz 2 90 ff. Selbsthilfegruppe – Mehrbedarf, Kosten 4 614 Sicherheitsabstand 2 310 – Fußgänger 2 322 – Radfahrer 2 310
Stichwortverzeichnis [Sicherheitsabstand] – Schienenbahn 2 485 Sicherungsabtretung – Fahrzeugschaden, Abrechnung mit Mehrwertsteuerersatz 3 158 f. Sicherungseigentum – Gebührenstreitwert 5 288 – Halterhaftung 2 70 – Sicherungseigentümer, Ansprüche gegen Halter/Fahrer 2 249 ff. – Sicherungseigentümer, Mitverantwortung 2 214 ff. – sicherungsübereignetes Kfz, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 185 – Verletzter – Besitzrecht 2 81 – Substanzschaden 2 81 Sicherungsmaßnahmen – Mitverschulden bei Unterlassen 4 384 ff. – Schadensminderungspflicht, Sicherung des Unfallfahrzeugs 1 27 Skateboarder 2 497, 520 ff. Skater 2 497, 520 ff. Sonderzahlungen – und Verdienstausfallschaden 4 907, 948 So-Nicht-Unfall 6 38, 45 Sorgfaltsanforderungen – alte Personen 2 302 f. – äußere und innere Sorgfalt 2 121 f. – Fußgänger, alkoholisierter 2 304 – Hilfsbedürftige 2 302 ff. – Insassen einer Schienenbahn 2 487 – Kind, erhöhte 2 361 Sozialer Schutz 4 112 Sozialgericht – unfallversicherungsrechtliche Verfahren – Bindungswirkung 4 295 ff. Sozialhilfe 4 627 – Schmerzensgeld Schonvermögen 4 815 f. – Verdienstausfallschaden, Anrechnung 4 997 ff. Sozialversicherung, gesetzliche – Allgemeines 4 969 ff. – Antragsverfahren 4 455 f. – Arbeitsverwaltung 4 969 ff. – Drittleistung 4 626 – Drittleistungen und Verdienstausfallschaden 4 964 ff. – Forderungsübergang 4 972 – Schmerzensgeld 4 825 f. – Krankenversicherung 4 974 – Leistungen 4 458 f.
– medizinische Außenseitermethoden 4 500 f. – Nothelfer, Ansprüche des 4 454 ff. – Regress 4 457 – Rentenversicherung 4 975 ff. – Unfallversicherung – Barleistungen 4 978 ff. – Forderungsberechtigung 4 986 ff. – Jahresarbeitsverdienst 4 982 ff. Sozialversicherungträger; s. auch Drittleistungsträger Spätschäden – Schmerzensgeldbemessung 4 754 ff. Spezialklinik, Behandlung in 4 481 Spielplatz 2 366, 371 Sport – Einwilligung in Schädigung 4 397 – gefährliche Sportarten – Haftungsbeschränkung 4 412 Spurensicherung 2 6 Stationäre Behandlung – Haushaltsführungsschaden 4 1177 f. Stationäre Behandlung, Besuchskostenersatz 4 502 ff. – Ausland, Anreise 4 513 – auswärtige Verpflegung der Besucher 4 514 – Babysitterkosten 4 518 – Beförderungsart 4 512 – Besuchshäufigkeit, Schweregrad der Verletzung 4 507 ff. – Betreuung hilfloser Familienangehöriger 4 518 – Ersatzkraft für Haushaltsführung 4 517 – bei Heimunterbringung 4 603 – nächste Angehörige 4 506 – nutzlose Aufwendungen 4 519 – Rooming-In 4 515 – Übernachtungskosten 4 514 – Verdienstausfall des Besuchers 4 516 Sterbegeld – beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung 4 1324 – berufsständische Versorgung 4 1323 – gesetzliche Unfallversicherung 4 1321 ff. Steuern – Abzug bei Verdienstausfallschaden 4 891 ff. – Anspruch des Hinterbliebenen und Erben 4 1289 – Beerdigungskosten, Schadensersatzleistungen 4 1316 – Differenzbesteuerung – Wiederbeschaffung Kfz 3 137
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Stichwortverzeichnis [Steuern] – Haushaltsführungsschaden 4 1225 – Heilbehandlungskosten 4 547 – Kfz-Steuer-Angelegenheiten, Rechtsschutzversicherung 8 109 – Regelbesteuerung – Wiederbeschaffung Kfz 3 137 – Schadensersatzrenten 4 1428 – Schmerzensgeld 4 784 – Steuerersparnis – Einstellung Ersatzkraft 4 1090 – Steuergeheimnis – Verdienstausfallschaden, Feststellung 4 856 – Umsatzsteuer 3 150 ff.; s. auch Mehrwertsteuerersatz – Verdienstausfallschaden – Abrechnung 4 1148 f. – Einzelaspekte 4 1150 ff. – Kirchensteuer, Ersatz von 4 1146 – Mehrwertsteuer, Ersatz von 4 1145, 1154 – Selbständiger 4 1152 f. – Solidaritätszuschlag, Ersatz von 4 1146 – steuerfreie Einnahmen 4 1150 ff. – Steuervorteile beim Schädiger 4 1158 f. – Steuervorteile beim Verletzten 4 1160 f. – Versteuerung 4 1144 ff. – Vorteilsausgleich 4 1156 f. – Zahlungen auf vermehrte Bedürfnisse 4 620 Stichtagsregelung 4 636 f. Stichtagsschmerzensgeld 4 792 Stoppschild – Missachtung – grobe Fahrlässigkeit, Fallgruppen 7 405 – Musterquote 7 238 – neuere Entscheidungen 7 422 f. Strafbefehl – Strafbefehlsverfahren 11 14 ff. – Verjährungsunterbrechung 10 39 Strafsachen; s. Straftatbestände Straftatbestände 11 36 ff. – Gefährdung des Straßenverkehrs 11 55 ff. – Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr 11 51 ff. – Körperverletzung, fahrlässige 11 36 ff. – Tötung, fahrlässige 11 39 f. – Trunkenheit im Verkehr 11 41 ff.; s. auch dort
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– Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 11 57 ff.; s. auch dort – Vollrausch 11 49 ff. Strafverfahren 11 1 ff. – Ermittlungsverfahren 11 1 ff. – Einstellung, Auflagen und Weisungen 11 7 ff. – Einstellung, geringe Schuld/kein öffentliches Interesse 11 4 – Einstellung, kein genügender Anlass zur Anklageerhebung 11 2 f. – Einstellung, Verzicht auf Verfolgung einzelner Taten 11 13 – Hauptverfahren 11 22 – Rechtsmittel 11 23 ff. – Berufung 11 23 ff. – Beschwerde 11 31 f. – Revision 11 27 ff. – Schmerzensgeldbemessung 4 758 ff. – Strafbefehlsverfahren 11 14 ff. – Verjährung 11 33 ff. – Unterbrechung 11 34 f. – Zwischenverfahren 11 20 f. Straßenbahn 2 464 Straßenverkehrsdelikte; s. Straftatbestände Streitbeitritt – des Haftpflichtversicherers 6 215 ff. – Rechtsmittelfristen 6 220 Streitgenossenschaft – einfache, Streitgenosse als Zeuge im Prozess des anderen 6 192 – einfache, Versicherter und Versicherer 6 25, 189 ff. – Versicherer streitgenössischer Streithelfer 6 222 – Versicherer unselbständiger Streithelfer nach § 67 Hs.2 ZPO 6 221 ff. Streithilfe – Unfallmanipulation 9 46 – Unfallmanipulation, Muster 9 47 Streitwert 5 247 ff. – anderweitige Forderungen – Abtretung 5 285 – Forderungsübergang 5 283 ff. – Inanspruchnahme eigener Kaskoversicherung 5 286 f. – Leasing 5 288 – Sicherungseigentum 5 288 – dieselbe Angelegenheit 5 258 ff. – differierende verschiedener Gebührentatbestände 5 289 ff. – Gebührenstreitwert 5 196 f. – Gegenstandswert 5 255 ff. – Mandatsverhältnis 5 248
Stichwortverzeichnis [Streitwert] – mehrere Verhandlungen und Abrechnungsschritte 5 262 ff. – Kapitalisierung von wiederkehrenden Leistungen 5 273 ff. – sukzessives Geltendmachen 5 264 f. – Vereinzelung 5 263 – wiederkehrende Leistungen 5 266 ff. – Zwischenvergleich 5 270 ff. – Schadensersatzverhältnis 5 249 ff. – Teilerledigung 5 279 ff. – Vergleich, Einigung 5 222 – verwaltungsgerichtliches Verfahren 12 63 Student – Verdienstausfallschaden 4 1108 ff. Sturm – Teilkasko-Versicherung 7 364 ff. Subjektbezogene Schadensbetrachtung 3 38, 203 Summenversicherung – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1002 ff. Tabellarische Darstellungen – Ausschlüsse der AKB 7 263 – Bedeutung der Angelegenheit in Verkehrsstrafsachen 8 122 – Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers 8 58 ff. – Ermittlung der Haftungsquote 2 715 – Folgen von Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen 7 264, 265 – Forderungswechsel und kongruente Leistung 4 235 – gesetzliche Unfallversicherung und Lebensabschnitte 4 114 – Hausfrau, Personenschaden 4 1217 ff. – Haushaltsführung – Hohenheimer Verfahren 4 1210 f. – Schulz-Borck-Hofmann 4 1206 ff. – Schulz-Borck-Pardey 4 1209 – Kriterien des § 14 8 117 – Leistungsfreiheit, graduelle 7 127 – Obliegenheiten der AKB nach dem Versicherungsfall 7 264 – Obliegenheiten der AKB vor dem Versicherungsfall 7 264 – Quotentabelle 2 20 ff. – Rechtsbeziehungen bei Forderungswechsel 4 200 – Regress des Haftpflichtversicherers 7 334
– Verantwortlichkeit Kind bei Unfällen 4 479 – Verantwortlichkeit Kind im Zivil- und Strafrecht 4 72 – versicherte Ereignisse in der Kaskoversicherung 7 386 Tageseinrichtung 4 114 Tarifänderungsklauseln – Tarifänderungsklauseln 7 89 Tarifbeschreibungen – zu AKB 7 33 Täter-Opfer, Haftungssystem 4 73 ff. Taxi – Ansprüche Insassen gg. Halter/Fahrer 2 263 ff. – Beschränkung Fahrverbot auf 11 89 – entgeltliche geschäftsmäßige Beförderung, Haftungsumfang 2 262 – statt Mietwagen bei Sachschadensausgleich 3 207 Teilerledigung 5 279 ff. – Abfindungsvorbehalt 5 280 – vor Auftrag 5 281 f. – Zwischenvergleich 5 279, 6 270 ff. Teilkasko-Versicherung 7 347 ff.; s. auch Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines; s. auch Kaskoversicherung – Brand und Explosion 7 347 ff. – Beweislast 7 349 – Elementarschäden 7 364 ff. – Entwendung des Kfz/mitversicherte Teile 7 350 ff. – äußeres Bild, Beweiserleichterung 7 351 f. – Beweiswürdigung 7 354 ff. – Diebstahlsversuch, Schäden durch Entwendung 7 358 f. – erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung, Beweiserleichterung 7 353 – Glas- und Verkabelungsschäden 7 373 f. – Marderbiss 7 375 – neuere Leistungsarten 7 375 ff. – Tabelle versicherter Ereignisse in der Kaskoversicherung 7 386 – unbefugter Gebrauch des Kfz 7 350, 363 – Unterschlagung des Kfz 7 350, 360 ff. – Probefahrt 7 361 – Wildschaden 7 367 ff. – Beweislast 7 368 – Vorerstreckungstheorie 7 370 – ohne Zusammenstoß als Rettungskosten 7 369 – Zusammenstoß mit Haarwild 7 367
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Stichwortverzeichnis Teilklage – Stichtagsschmerzensgeld 4 792 – Teilbetrag bei Schmerzensgeld 4 791 f. Teilreparatur 3 115, 127, 141 Teilschmerzensgeld 4 765 ff. Teilungsabkommen 4 212 – Haftungsverzicht 4 400 Telefon – Telefonbenutzung im Kfz 10 100a – Telefonmehrkosten, Heilbehandlungskosten 4 521 Terminsgebühr 5 203 ff. – Verkehrsstrafsachen 8 112b Tierhalter 2 49, 412 – Begriffsbestimmung 2 420 – Entlastungsbeweis 2 424 – Haftungs- und Zurechnungseinheit mit Tierhüter 2 548 Tierhüter 2 429 f. – Haftungs- und Zurechnungseinheit mit Tierhalter 2 548 Tierunfall 2 412 ff., 711 – Gesamtschuldner-Innenausgleich 2 580 ff. – Geschädigter Tierhalter/-hüter eines anderen Tiers 2 437 ff. – Mitverantwortung, Geschädigter 2 432 ff. – Tierhalter gegen Kraftfahrer 2 457 ff. – Tierhalter gegen Tierhüter, Ansprüche 2 452 ff. – Tierhalter, Ansprüche gegen 2 420 ff. – Tierhüter gegen Tierhalter, Ansprüche 2 446 ff. – Tierhüter, Ansprüche gegen 2 429 ff. – Tierverhalten, selbsttätiges 2 421 – Unabwendbarkeitsnachweis 2 100 Tinnitus 4 55 ff. Tod; s. auch Unfalltod – Ausfall im Haushalt 4 1235 – zeitgleicher zwischen Erbe und Erblasser, Konfusion 4 1274 ff. Toleranzbereich, Abrechnung im – anteiliger Ersatz bei durchgeführter Reparatur 3 139 – Ersatz bei Teilreparatur 3 141 – MWSt bei durchgeführter Reparatur 3 140 – nachträgliche Verteuerung über die 130 %-Grenze 3 147 – Reparaturkosten bei Kostenreduktion unter die 100 %-Grenze 3 144 ff. – Reparaturkosten bei Kostenreduktion unter die 130 %-Grenze 3 143
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– Reparaturkosten bei Überschreiten der 130 %-Grenze 3 142 – bei Reparaturkosten oberhalb 130%-Grenze 3 135 Toleranzgrenze – 130%-Grenze 3 24 Totalschaden – Abgrenzung zu Reparaturschaden 7 433 f. – italienisches Recht 13 112 – Kaskoversicherung 7 435 – österreichisches Recht 13 150 – technischer 3 21 – wirtschaftlicher 3 135 ff. Tötung, fahrlässige 11 39 f. – Einwilligung, konkludente in Gefährdung 11 40 Traktor 2 66 Transportkosten 4 527 – Ersatzleistung, Kaskoversicherung 7 451 Trinkgelder; s. Heilbehandlungskosten – Verdienstausfallschaden 4 917 Trunkenheit im Verkehr 11 41 ff. – absolute Fahruntüchtigkeit 11 41 – andere berauschende Mittel 11 42 – relative Fahruntüchtigkeit 11 43 – Vorsatz 11 48 – Zeitpunkt, maßgeblicher 11 Trunkenheitsfahrt; s. auch Trunkenheit im Verkehr, Alkohol, Drogen, Cannabis, Haschisch – Bewusstseinsstörung 7 410 – unter Drogen 11 42 – Gefährdung des Straßenverkehrs 11 55 – Kaskoversicherung, Leistungsfreiheit 7 410 ff. – Rückrechnung nach 7 410 – Verstoß gg. Führerscheinklausel und 7 257 Trunkenheitsklausel 7 151 ff. – Kausalität 7 214 – Werte alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit 7 155 Tuning – Pkw, Gefahrerhöhung 7 136 Überführungskosten – Unfalltod, Erstattung 4 1322 Übergangsgeld – Unfallversicherung 4 980 Überholmanöver, riskante 7 406 Überlebenszeit, kurze – Schmerzensgeldanspruch 4 722 ff.
Stichwortverzeichnis Übernachtungskosten 4 514 – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 155a Überschwemmung – Teilkasko-Versicherung 7 364 ff. Übersichtstabelle; s. auch Tabellarische Darstellungen Überstunden – Verdienstausfallschaden 4 908 Umsatzsteuer; s. auch Mehrwertsteuerersatz Umschulung – Schadensminderung bei Verdienstausfallschaden 4 1123 ff. Umzug – Schadensminderungsmaßnahme bei Verdienstausfallschaden 4 1119, 1123 Umzugskosten – Mehrbedarf 4 610 Unabwendbarkeitsnachweis 2 100 ff. Unbefugter Gebrauch, Kfz – teilkaskoversichertes Kfz 7 363 Unberechtigter Fahrer; s. auch Nichtberechtigter Fahrer Unerlaubte Benutzung; s. auch Nichtberechtigter Fahrer – Halterhaftung 2 76 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 177 ff., 11 57 ff. – Bagatellschäden 7 183 – bedeutender Sachschaden 11 63 – Bemerkbarkeit 11 65 f. – Blutprobe, Ermöglichung 7 184 – bei dringender ärztlicher Behandlung 7 182 – bei eingestelltem Verfahren 7 179 – Entfernen vom Unfallort 11 60 – freiwillige nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen 11 67 ff. – Führerscheinmaßnahme 11 64 – gemietetes, geleastes oder sicherungsübereignetes Fahrzeug 7 185 f. – Kaskoversicherung 7 184 – tätige Reue 11 70 – Unfallbeteiligte 11 59 – Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 1 59, 63; s. auch dort – Versicherungsnehmer als Beifahrer 7 180 Unfall – ausgenutzter 6 21 ff., 169 ff.; s. auch dort – Definition nach AKB 7 377 ff. – fiktiver 6 17 ff., 162 ff.; s. auch dort
– im fließenden Verkehr – Kind, erhöhte Altersgrenze 2 372 – gestellter 6 11 ff., 23 ff.; s. auch dort – Manipulation 6 1 ff.; s. auch Unfallmanipulation – provozierter 6 14 ff., 146 ff.; s. auch dort – im ruhenden Verkehr – Kind, erhöhte Altersgrenze 2 372 – Unfall-Rekonstruktionsgutachten 9 24 – Voraussetzungen 2 85 ff., 95 ff. – vorsätzlich herbeigeführt, Schmerzensgeld 2 172 Unfall Kfz – Kfz, Haftungsgrundlagen 2 57 ff. – Anspruchsberechtigter 2 60, 79 ff. – Anspruchskürzung, Mitverantwortung 2 194 ff.; s. auch Mitverantwortung, Anspruchskürzung – Anspruchsumfang und -höhe 2 110 ff. – Anspruchsverpflichtete 2 61 – Fahrer, Ansprüche gegen 2 114 ff., 154 ff., 161 ff.; s. auch Gefährdungshaftung, Fahrer; Verschuldenshaftung, Fahrer – Haftungshöchstbeträge 2 113 – Halter, Ansprüche gegen 2 63 ff.; s. auch Gefährdungshaftung, Halter; Verschuldenshaftung, Halter – nicht der Gefährdungshaftung unterliegende Kfz 2 65 ff. – Verletzter 2 80 f. – Verschuldenshaftung, Ansprüche aus 2 114 ff. – Versicherung, Ansprüche gegen gegnerische 2 163 ff.; s. auch Haftpflichtversicherung, Ersatzansprüche gegen Unfall Kfz – Radfahrer/Fußgänger, Haftungsgrundlagen 2 284 ff.; s. auch Fußgänger; Radfahrer – Ansprüche Halter/Fahrer 2 338 ff. – „mitwirkende Betriebsgefahr“ 2 339 ff. – Ansprüche Radfahrer/Fußgänger 2 290 ff. – Gefährdungshaftung 2 292 ff. – Haftungsabwägung 2 336 f. – Verschuldenshaftung 2 299 ff. – Kinderunfall 2 343 ff., 344 ff.; s. auch dort Unfall Kfz – Schienenbahn, Haftungsgrundlagen 2 461 ff. – Bahnunternehmer, Ansprüche des 2 493
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Stichwortverzeichnis [Unfall Kfz – Schienenbahn, Haftungsgrundlagen] – Bahnunternehmer/Bahnführer, Ansprüche gegen 2 469 ff. – Anspruchsumfang 2 492 – Entlastungsbeweis 2 473 ff. – Gefährdungshaftung 2 469 ff. – Kinderunfall 2 477 – Mitverantwortung Geschädigter 2 490 ff. – Schaden beim Betrieb 2 471 f. – Verschuldenshaftung 2 482 ff. Unfall Kfz, Innenverhältnis 2 232 ff.; s. auch Gesamtschuldner-Innenausgleich – Arbeitnehmer als Fahrer 2 233 ff., 245 – Ehegatte als Fahrer 2 244 – Eigentümer/Halter gegen Fahrer 2 237 ff. – Fahrer gegen Halter 2 254 ff. – Gefälligkeitsfahrt 2 241 – Geschädigte gegen KH-Versicherung 2 276 ff. – Insassen gegen Halter/Fahrer 2 261 ff. – Leasinggeber gegen Halter/Fahrer 2 249 ff. – Mieter gegen Vermieter 2 258 ff. – Mietfahrzeug 2 243 – Mietfahrzeug, Dritter 2 259 – Mitverantwortung, Anspruchskürzung 2 246 f. – Probefahrt 2 242 – Sicherungseigentümer gegen Halter/ Fahrer 2 249 ff. Unfall mit Ausländern – Deutsches Büro Grüne Karte e.V. 1 58 Unfall Radfahrer – Fußgänger, Haftungsgrundlagen 2 494 ff. – Mitverschulden 2 524 ff. – verletzter Fußgänger – Fahrbahnüberschreitung 2 514 f. – Gehwegbenutzung 2 516 ff. – gemeinsamer Rad- und Fußweg 2 518 – verletzter Radfahrer 2 519 Unfall unter Beteiligung eines Tieres, Haftungsgrundlagen 2 412 ff.; s. auch Tierunfall Unfall zwischen Fußgängern, Haftungsgrundlagen 2 495 ff.; s. auch Fußgänger – Inline-Skater und Skateboard-Fahrer 2 520 ff. – Mitverschulden 2 524 ff. – Sicherheitsabstand zu anderem Radfahrer 2 506
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Unfall zwischen Radfahrern, Haftungsgrundlagen 2 494 ff.; s. auch Radfahrer – Fahrbahn- oder Radwegbenutzung 2 502 ff. – Mitverschulden 2 524 – Unfall im Begegnungsverkehr 2 508 ff. – Unfall im gleichgerichteten Verkehr 2 505 ff. – verletzter Radfahrer 2 501 Unfall, fiktiver; s. auch Fiktiver Unfall Unfall, gestellter; s. auch Gestellter Unfall Unfall, provozierter; s. auch Provozierter Unfall Unfall, zweiter 2 536, 613 Unfallersatztarif – Mietwagenkosten 3 220 ff. Unfallfahrzeug – mangelnde Sicherung, Schadensminderungspflicht 1 27 Unfallflucht 7 177 ff.; s. auch Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – Schaden des Verfolgers 4 420 ff. – unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 177 ff.; 11 57 ff.; s. auch dort Unfallfolgen, sekundäre 4 35 ff. Unfallhelferringe 1 50 ff. – Nichtigkeit von Verträgen 1 51 – Stapelvollmachten von Rechtsanwälten 1 52 – Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz 1 51 Unfallhergang, Aufklärung 2 616 ff. – Aufgaben des Sachverständigen 2 622, 628 ff. – Aufklärungsobliegenheiten 7 193 – Ausgangsgeschwindigkeit, Ermittlung 2 631 ff. – Beteiligten-, Zeugenwahrnehmung 2 4 – Beweislast 2 23 ff. – doppelte Grenzbetrachtung 2 634 – einseitige Grenzbetrachtung 2 635 – Fußgänger, Verhalten 2 619 f. – Gefährdungshaftung, Ergänzungsfragen 2 650 ff. – Gutachten, Ermittlungsverfahren 2 7 – Kollisionsgeschwindigkeit, Ermittlung 2 632 – Kollisionspunkt, Ermittlung 2 631 – Kraftfahrer, Verhalten 2 621 – Reaktionszeit, Reaktionsart 2 639 ff. – rechtliche Vorfragen 2 616 ff. – Signalposition, Ermittlung 2 631 ff. – Spurensicherung 2 6 – Unfallrekonstruktion 2 5
Stichwortverzeichnis [Unfallhergang, Aufklärung] – Unfallrekonstruktion, maßgeblicher Zeitpunkt 2 624 ff. – Vermeidbarkeitsbetrachtung 2 636 ff.; s. auch dort Unfallkalender 1 6 Unfallmanipulation 2 169, 6 1 ff. – Änderungen im neuen VVG, Rechtsfolgen 6 254 ff. – ausgenutzter Verkehrsunfall 6 21 ff., 169 ff.; s. auch dort – Berliner Modell 2 169 – Beweislast 6 5 – Bindungswirkung des Haftpflichturteils 9 46 – fiktiver Verkehrsunfall 6 17 ff., 162 ff.; s. auch dort – gestellter Unfall 6 11 ff., 23 ff.; s. auch dort – Interessenkollision 9 45 – Manipulationsvarianten, häufigste 6 7 ff. – Muster – Streithilfe 9 47 – Nebenintervention 9 46 – Plausibilitätserwägungen 2 678 – provozierter Unfall 6 14 ff., 146 ff.; s. auch dort – Streithilfe 9 46 – Versicherungsprozess 9 44 ff. Unfallmanipulation, Haftpflichtprozess, Besonderheiten 6 183 ff. – Änderungen im neuen VVG, Rechtsfolgen 6 254 ff. – Anerkenntnis des Versicherten 6 230 ff. – Befreiung von Beschränkungen des § 67 Hs. 2 ZPO 6 221 ff. – Bindungswirkung 6 201 ff. – Deckungsklage gegen den Versicherer 6 201 ff. – Geständnis des Versicherten 6 230 ff.; s. auch Geständnis – Interessenkollision Anwalt 6 210 ff. – Kollusion zwischen Geschädigtem und Versicherten 6 206 – negative Rechtskrafterstreckung 6 193 ff. – Konsequenzen 6 200 – Prozessführung – durch das Gericht 6 248 ff. – durch klagenden Geschädigten 6 235 ff. – durch verklagten Versicherer 6 238 ff. – durch verklagten Versicherten 6 242 ff.
– Prozessführung, Konsequenzen 6 234 ff. – Streitbeitritt des Haftpflichtversicherers 6 215 ff. – Streitgenossenschaft, einfache 6 189 ff. – Trennungsprinzip 6 203 – Versicherer, Arglisteinrede 6 206 Unfallregulierung 1 1 ff., 5 3 ff.; s. auch Anwaltliche Tätigkeit – Anspruchsgegner 1 57 ff. – anwaltliche Tätigkeit 1 9 ff.; s. auch dort – Auslandsberührung, Verkehrsunfälle mit 1 57 ff.; s. auch dort – Ausschlussfrist 1 90 ff. – außergerichtliche, Verkehrsunfälle mit Auslandsberührung 13 53 ff. – Beratungspflichten 1 21 ff.; s. auch dort – Klagerücknahme 5 42 f. – Korrespondenz 5 39 ff. – Mandat, verkehrsrechtliches 1 1 ff.; s. auch dort – Rechtsschutzversicherung 8 17 ff.; s. auch Rechtsschutzversicherung, Unfallschadensregulierung – Sachverhaltsaufklärung 5 3 ff. – Schadensersatzansprüche, Verjährung 1 69 ff.; s. auch dort – versicherungsrechtliche Ansprüche, Verjährung 1 95 f. Unfallrekonstruktion 2 664 – Anscheinsbeweis 2 679 ff. – Plausibilitätserwägungen 2 676 ff. – Wahrscheinlichkeitsbetrachtung 2 671 ff. Unfallrekonstruktions-Gutachten – Ersatz im Kostenfestsetzungsverfahren 3 300 Unfallrente – und Schmerzensgeldbemessung 4 767 Unfallspuren – Veränderung, Obliegenheitsverletzung 7 191 Unfalltod – Beerdigungskosten 4 1297 ff. – Drittleistungen, Forderungsübergang 4 1317 ff. – Erstattungsfähige Positionen 4 1304 ff. – Forderungsberechtigung 4 1297 ff. – nicht erstattungsfähige Positionen 4 1311 ff. – Steuer 4 1316 – Übersicht 4 1315 – Umfang 4 1301
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Stichwortverzeichnis [Unfalltod] – psychische Beeinträchtigung naher Angehöriger, Ersatz von 4 1241 ff. – Schmerzensgeld 4 721 ff., 1290 ff. – Drittbeteiligte 4 1296 – Hinterbliebene 4 1293 ff. – Unfallopfer 4 1290 ff. Unfallversicherung; s. auch Unfallversicherung, gesetzliche; s. auch Unfallversicherung, private – Beerdigungskosten 4 1317 ff. – Drittleistungsträger s. dort – gesetzliche und private – Übersicht 4 292 Unfallversicherung, gesetzliche – Drittleistung und Verdienstausfallschaden – Barleistungen 4 978 ff. – Jahresarbeitsentgelt 4 982 ff. – Forderungsübergang 4 986 ff. – Haftungsfreistellung des Mieters bei Unfall 2 599 – Leistungen 4 630 – Übergangsgeld 4 980 – Verletztengeld 4 979 – Verletztenrente 4 981 Unfallversicherung, private – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 1003 – Fahrerschutzversicherung 4 467 ff. Ungerechtfertigte Bereicherung – verschwiegene Vorschäden, Anspruch des Versicherers auf Rückzahlung 6 108 Unkostenpauschale 3 298 – Erstattung, italienisches Recht 13 121 – Erstattung, österreichisches Recht 13 156 Unterbringung, Kosten – Heimunterbringung, Besuchskosten 4 603 – Heimunterbringung, vermehrte Bedürfnisse 4 600 ff. – Kinderheim, Betreuungsschaden 4 1378 Unterhaltsschaden 4 1330 ff. – Anrechnung 4 1400 ff. – Drittleistungsträger 4 1400 ff. – eigenes Einkommen 4 1403 ff. – ererbtes Vermögen 4 1406 ff. – Privatvorsorge 4 1402 – Schadensminderung 4 1410 f. – Vorteilsausgleich 4 1412 f. – Anspruchsdauer 4 1414 ff. – Beendigungsgründe in der Person des Berechtigten 4 1420 ff.
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– Beendigungsgründe in der Person des Verpflichteten 4 1417 ff. – Veränderungen im weiteren Verlauf der hypothetischen Unterhaltsberechtigung 4 1427 – Zeitraum der Unterhaltsverpflichtung 4 1414 ff. – Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten 4 1379 ff. – Berechnung 4 1382 ff. – Anteil am verteilbaren Nettoeinkommen 4 1393 ff. – fixe Kosten 4 1386 ff. – Prinzip 4 1383 ff. – Drittleistungen 4 1432 ff. – eingetragene Lebenspartner 4 1354 – Einkünfte 4 1359 ff. – Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten 4 1367 ff. – Nettoeinkommen 4 1360 ff. – Forderungsberechtigung 4 1336 ff. – Haftung 4 1333 – Haushaltsführungsschaden 4 1162; s. auch dort – Hinterbliebenenvorrecht 4 1349 ff. – Naturalunterhalt – Betreuungsschaden 4 1376 ff. – Haushaltsführungsschaden 4 1372 ff. – nichtberechtigter Personenkreis 4 1343 ff. – Steuer 4 1428 ff. – Teilgläubigerschaft 4 1347 f. – Trennung von Ehegatten 4 1355 – Umfang der Ersatzverpflichtung 4 1352 ff. – allgemein 4 1352 ff. – Barunterhalt 4 1353 – Einkünfte 4 1359 ff. – Naturalunterhalt 4 1353 – überobligationsmäßige Unterhaltsleistungen 4 1352 – unterhaltsberechtigter Personenkreis 4 1336 ff. – Zahlungen auf Unterhaltsschäden 4 1430 – Zeitpunkt der Unterhaltsverpflichtung 4 1346 Unterschlagung, Kfz 2 186 – Halterhaftung 2 75 – Teilkasko-Versicherung 7 350, 360 ff. – Probefahrt 7 361 Urlaubsbeeinträchtigung – und Schmerzensgeldbemessung 4 768 f. – Verdienstausfallschaden 4 847 ff.
Stichwortverzeichnis Veräußerung, Kfz – Anzeigepflicht des Veräußerers 7 80 – Halterhaftung 2 73 Verbringungskosten 3 47 Verdienstausfallschaden 4 827 ff. – abhängig Beschäftigte 4 860 ff. – Arbeitnehmer 4 861 f. – Beamter, Dienstunfall 4 918 ff. – geringfügig Beschäftigte 4 863 ff. – keine Arbeitnehmer 4 879 – Kirchenbedienstete 4 927 f. – Scheinselbständige 4 868 ff. – Arbeitslose 4 1061 ff. – Auszubildende 4 1108 ff. – Besuchskosten 4 516 – Drittleistungen 4 942 ff.; s. auch Verdienstausfallschaden, Drittleistungen – Einkommensausfall 4 827 ff. – Ausfall von Bußgeldern 4 837 – Eigenleistungen am eigenen Heim 4 842 ff. – rechts- und sittenwidrige Einkünfte 4 838 ff. – Urlaubsbeeinträchtigung 4 847 ff. – Vermögenseinbuße 4 833 – Wegfall der Arbeitskraft 4 829 ff. – Zeitverlust 4 851 – Einkommensteuererklärungen, Vorlage 4 856 – Erwerbsschaden – Beweiserleichterungen 4 832 – entgelt-orientiert 4 829 ff. – geschätzter Mindestschaden 4 832 – Kinder 4 1108 ff. – längerfristiger Ausfall 4 929 ff. – Ausscheiden aus Erwerbsleben, Altersgrenze 4 932 ff. – fiktive familiäre Entwicklungen 4 931 – Wehr-/Zivildienst 4 930 – Minderung der Erwerbsfähigkeit 4 831 – Minderverdienst 4 858 – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 163 – Reha-Management 4 1137 ff. – Rentenminderung 4 1008 ff.; s. auch Rentenminderungsschaden – Sachverständigengutachten, vorprozessuale Einholung 3 300 – Schadensberechnung 4 881 ff. – Brutto-Netto-Berechnung 4 881 ff. – Schadensfeststellung 4 852 ff. – ärztliche Unterlagen 4 855 – Beweislast 4 852
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– gerichtliches Beweissicherungsverfahren 4 854 – Hinweispflicht 4 857 ff. – Nachweis 4 852 ff. – Sachverständigengutachten 4 856 – Schweigepflichtsentbindungserklärungen, Arzt 4 855 Schadensminderung 4 1116 ff. – Einsatz und Verwertung noch vorhandener Arbeitskraft 4 1117 ff. – Erhaltung des Arbeitsplatzes 4 1117 ff. – Haushaltsführung 4 1130 f. – medizinische Maßnahmen 4 1132 ff. – Umschulung 4 1123 ff. – Warnhinweis 4 1134 ff. Schüler 4 1108 ff. Selbständige 4 1065 ff.; s. auch Verdienstausfallschaden, Selbständige Steuern 4 , 1144 ff. – Abrechnung 4 1148 f. – Einzelaspekte 4 1150 ff. – Mehrwertsteuer 4 1154 f. – Schadensersatz, Versteuerung 4 1144 ff. – Selbständiger 4 1152 f. – steuerfreie Einnahmen 4 1150 ff. – Steuervorteile beim Schädiger 4 1158 f. – Steuervorteile beim Verletzten 4 1160 f. – Vorteilsausgleich 4 1156 f. Studenten 4 1108 ff. Verdienstausfall 4 880 ff. – Arbeitslohn/Gehalt 4 907 – Auslöse 4 913 ff. – Drittleistungen 4 896 f. – Einkommen 4 906 ff. – Einkünfte 4 905 – Kurzarbeit 4 908 – Nebeneinkünfte 4 910 ff. – aus verbotener Beschäftigung 4 912 – Schadensberechnung 4 881 ff. – Schwarzarbeit 4 912 – Sonderzahlungen 4 907 – Spesen 4 913 ff. – Steuern 4 891 ff. – Trennungsentschädigungen 4 914 – Trinkgelder 4 917 – Überstunden 4 908 – vermögenswirksame Leistungen 4 909 – Vorteilsausgleich 4 898 ff.; s. auch dort
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Stichwortverzeichnis [Verdienstausfallschaden] – Zulagen 4 916 Verdienstausfallschaden, Drittleistungen 4 942 ff. – Altersteilzeit 4 957 ff. – Blockmodell 4 958 – Teilzeitmodell 4 959 – Arbeitgeber – Abtretung der Schadensersatzansprüche 4 947 – Arbeitgeberabfindung 4 949 – Forderungsübergang 4 947 – Leistungsbeschränkung 4 951 ff. – Lohnfortzahlung 4 943 ff. – Quotenvorrecht 4 946 – Sonderleistungen 4 948 – Vorruhestandsgelder 4 950 – Berufsständische Versorgung 4 989 ff. – Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, private 4 1005 – Betriebliche Altersversorgung 4 991 f. – Dienstherr 4 960 ff. – Dienst- oder Dienstwegeunfall 4 962 – Eltern-/Erziehungsgeld 4 1001 – Grundsicherung 4 993 ff. – Insassenunfallversicherung 4 1004 – Krankenhaustagegeldversicherung 4 1006 – Krankentagegeldversicherung 4 1006 f. – Lebensversicherung 4 1005 – Sozialhilfe 4 997 ff. – Sozialversicherung, gesetzliche 4 , 946 ff. – Allgemeines 4 964 ff. – Arbeitsverwaltung 4 969 ff. – Krankenversicherung, gesetzliche 4 974 – Rentenversicherer 4 975 ff. – Unfallversicherung, gesetzliche, Barleistungen 4 978 ff. – Unfallversicherung, gesetzliche, Forderungsberechtigung 4 986 ff. – Unfallversicherung, gesetzliche, Jahresarbeitsverdienst 4 982 ff. – Summenversicherung 4 1002 ff. – Unfallversicherung, private 4 1003 Verdienstausfallschaden, Selbständige 4 1065 ff.; s. auch Verdienstausfallschaden – Arbeitgeberregress 4 1104 ff. – Drittleistungen 4 1102 ff. – Gesellschafter 4 1069 ff. – Landwirte 4 1066 ff. – Neugründung 4 1073
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– Schadensersatz 4 1074 ff. – Einstellung einer Ersatzkraft 4 1089 ff. – Gewinn aus konkret entgangenen Geschäften 4 1087 f. – konkrete Vermögenseinbuße 4 1074 ff. – Schadensermittlung 4 1077 ff. – Schadensminderung 4 1098 ff. – verletzte Mitarbeiter des Unternehmens 4 1104 ff. – Vorteilsausgleich 4 1097 – Zeitraum – Ermittlung des Lebensarbeitszeitendes 4 1094 ff. Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 1 59, 4 250 ff., 13 56 ff. – Anspruch bei Ausschluss Direktanspruch 2 187 – Haftungserweiterungen 2 52 – Kontaktdaten 4 250, 13 47 – Regress des Rentenversicherers gegenüber 4 1035 – Schmerzensgeldleistungen, Stichtagsregelung 4 745 ff. – Schmerzensgeldzumessung 1 63; 4 253 – subsidiäre Haftung 1 62 – Unfallflucht 1 59, 63 – Verjährungsfrist 1 72 – vorsätzliche Herbeiführung eines Unfalls 1 59 f. Vereinsbeitrag – Mehrbedarf, Kosten 4 614 Verfahren – Beweisverfahren, selbständiges 9 40 ff.; s. auch dort – Bußgeldverfahren 10 1 ff.; s. auch dort – Strafverfahren 11 1 ff.; s. auch dort – verwaltungsbehördliches 12 1 ff.; s. auch Verwaltungsbehördliches Verfahren – verwaltungsgerichtliches 12 57 ff.; s. auch Verwaltungsgerichtliches Verfahren – zivilgerichtliches 9 1 ff.; s. auch Zivilgerichtliches Verfahren – Haftpflichtprozess 9 2 ff.; s. auch Haftpflichtprozess – Versicherungsprozess 9 31; s. auch dort Verfahrensgebühr – Verkehrsstrafsachen 8 111 ff. Verfahrensrecht – Verordnung (EG) über die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten auf dem Ge-
Stichwortverzeichnis biet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen vom 28. 5. 2001 13 186 Verfolgung – Verletzung bei 4 420 ff. Vergleich 5 216 – Vorbehalt bei Schmerzensgeldklage 4 793 – Zwischenvergleich, Streitwert 5 270 ff. Vergleichsgebühr 5 208 ff. – Abfindungsvereinbarung 5 220 f. – Abrechnung und Vergleich 5 215 f. – Streitwert 5 222 – zeitlicher Anwendungsbereich 5 212 ff. Verjährung; s. auch Schadensersatzansprüche, Verjährung – Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag 7 480 f. – Beginn 1 76 – Bußgeldverfahren 10 13 ff.; s. auch Bußgeldverfahren, Verjährung – Einrede der Verjährung, Verzicht 1 88 f. – Altfälle 1 89 – Hemmung 1 82 ff. – Neubeginn 1 86 f. – Schadensersatzansprüche 1 69 ff. – Verjährungsfrist 1 70 ff. – Verkehrsstrafsachen 11 34 f. – versicherungsrechtliche Ansprüche 1 95 f. Verkehrsberuhigter Bereich 2 362 Verkehrsordnungswidrigkeiten 10 86 ff.; s. auch Ordnungswidrigkeiten Verkehrsrechtliches Mandat – Mandat, verkehrsrechtliches, s. dort Verkehrsstrafsachen 11 1 ff. – Adhäsionsverfahren 11 124 – Entschädigung nach Führerscheinmaßnahme 11 111 ff. – Entziehung der Fahrerlaubnis 11 90 ff.; s. auch Entziehung der Fahrerlaubnis, Strafverfahren – Entziehung der Fahrerlaubnis, vorläufige 11 105 ff. – Fahren ohne Fahrerlaubnis 11 74 ff. – Fahrverbot 11 77; s. auch Fahrverbot, Strafverfahren – Nebenklage 11 116 ff. – Nötigung 11 71 ff. – und Rechtsschutzversicherung 8 96 ff. – Straftatbestände, einzelne 11 36 ff. – Gefährdung des Straßenverkehrs 11 55 ff. – Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr 11 51 ff. – Körperverletzung, fahrlässige 11 36 ff.
– Tötung, fahrlässige 11 39 f. – Trunkenheit im Verkehr 11 41 ff.; s. auch dort – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 11 57 ff.; s. auch dort – Vollrausch 11 49 ff. – Verfahren 11 1 ff.; s. auch Strafverfahren – Verkehrszentralregister, Eintragung 10 160 f. Verkehrszentralregister 10 159 ff. – Adresse 10 173 – Eintragungen – Führerschein- und Fahrerlaubnismaßnahmen 10 163 – Verkehrsordnungswidrigkeiten 10 162 – Verkehrsstraftaten 10 160 f. – Punktsystem 12 15 ff.; s. auch Punktsystem, Verkehrszentralregister – Tilgung 10 164 – Fristbeginn 10 168 – Fristen 10 165 ff. – Hemmung 10 169 f. – Überlegefrist 10 175 – verkehrspsychologische Beratung 10 163 – Verwarnung, Eintragung von Punkten 10 111 Verlängerungsklausel – Kraftfahrt-Versicherungsvertrag 7 67 Verletztengeld – Unfallversicherung 4 979 Verletztenrente – neben Regress nach § 119 GBG X 4 1027 – Unfallversicherung 4 981 Vermehrte Bedürfnisse 4 566 ff. – Ausbildung 4 571 ff. – Begleitpersonen 4 575 – behindertengerechte Umgestaltung 4 573 – des Arbeitsplatzes 4 1128 – behindertengerechtes Wohnen 4 609 ff. – Behindertenwerkstatt 4 574, 605 ff. – Betreuung 4 576 ff. – Dauer 4 615 f. – Drittleistungen von Sozialversicherungsträgern 4 626 ff. – einmalige Anschaffungen 4 569 – Ernährung 4 588 – Familienpflege 4 582 ff. – fiktive Abrechnung 4 568 – Haushaltsführungsschaden 4 1234 – Haushaltshilfe 4 589 – Heim-/Hauspflege, kombinierte 4 604
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Stichwortverzeichnis [Vermehrte Bedürfnisse] – Heimunterbringung 4 600 ff. – Hilfsmittel 4 590 ff. – Kapitalabfindung 4 569, 621 ff. – Kleidermehrverschleiß 4 590 ff. – Kur 4 593 – Literatur 4 594 – Mehrbedarf 4 570 ff. – Nachhilfe 4 571 – Pflegekraft 4 579 ff. – Pkw und Pkw-Einrichtungen 4 595 ff. – Privatunterricht 4 571 – Recherche 4 594 – Rente 4 569 – Schadensminderung 4 617 ff. – Selbsthilfegruppe 4 614 – Steuern 4 620 – Vereinsbeitrag 4 614 – Verlängerung der Schulzeit, Lebenshaltungskosten 4 572 Vermeidbarkeitsbetrachtung 2 125 ff., 636 ff. – räumliche 2 642 f. – Teilvermeidbarkeit 2 647 ff. – zeitliche 2 644 ff. Verordnungen (EG) – Verfahrensrecht 13 186 – Vollstreckung und Zustellung 13 187 ff. Verpflegungsmehraufwand 4 513 – österreichisches Recht, Schadensregulierung 13 155a Verpflichtungsklage 12 62 Verrichtungsgehilfe – angestellter Kraftfahrer 2 368 – Haftung für 2 130 ff. – Haftungs- und Zurechnungseinheit mit Halter 2 548 – Halterhaftung 2 53 ff. Versäumnis-Teilurteil – gegen den Versicherten, Verhinderung bei Manipulationsverdacht 6 229, 238 Verschuldenshaftung 2 8 ff., 58, 161 ff. – Beweislast 2 25 – Fußgänger, Unfall mit 2 316 ff., 2 299 ff. – Fahrbahnbenutzung 2 322 – Haftungsabwägung 2 336 f. – Mitverschulden 2 324 ff., 333 ff. – Überqueren der Fahrbahn 2 317 f. – Vertrauensgrundsatz 2 319 – Haftungsquote 2 10 – Kinderunfall 2 358 ff. – Mitverantwortung Leasinggeber 2 214 ff. – Mitverantwortung Sicherungseigentümer 2 214 ff.
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– Radfahrer, Unfall mit 2 299 ff. – Mitverschulden 2 324 ff., 328 ff. – Vertrauensgrundsatz 2 315 – Vermeidbarkeitsbetrachtung 2 125 ff. Verschuldenshaftung, Fahrer – Ansprüche Halter/Eigentümer 2 239 ff. – Fahrschüler gegen Fahrlehrer 2 269 – Gefälligkeitsfahrt 2 241 – Insasse, Unfall ohne Fremdbeteiligung 2 265 ff. – Probefahrt 2 242 – Radfahrer/Fußgänger, Ansprüche 2 299 ff. – Voraussetzungen 2 161 Verschuldenshaftung, Halter – Ansprüche aus 2 114 – Baufahrzeug 2 66 f. – Fahrer wegen technischen Versagens 2 257 – Gabelstapler 2 66 f. – Insasse, Unfall ohne Fremdbeteiligung – Fahrer als Verrichtungsgehilfe 2 265 ff. – als Kfz-Fahrer 2 115 ff. – als Kfz-Halter 2 128 ff. – landwirtschaftliches Fahrzeug 2 66 – Verrichtungsgehilfe, Zurechnung 2 301 – für Verrichtungsgehilfen 2 130 ff. Verschuldensvermutung – Haftung für Verrichtungsgehilfen 2 135 f. Versichererinsolvenz – Entschädigungsfonds 4 242 ff. Versicherung; s. Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines; Haftpflichtversicherung; Kaskoversicherung; Kraftfahrt-Versicherungsvertrag; Teil-Kaskoversicherung; Voll-Kaskoversicherung Versicherungsfall – Anzeigepflicht 1 55 – Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers 1 56 f. – Definition, ARB 8 26 Versicherungskarte, grüne 1 57 ff. Versicherungsleistungen 2009 – Umfang 2 1 Versicherungsmakler – fehlende Vollmacht zu vorläufiger Deckung 7 8 – Wissenserklärungsvertreter 7 429 – Wissensvertreter 6 61 ff. – Wissenszurechnung 7 65 Versicherungsprozess 9 31 ff. – Beweisverfahren, selbständiges 9 42 – Feststellungsklage, Zulässigkeit 9 33 – Gerichtstand 9 34 f.
Stichwortverzeichnis [Versicherungsprozess] – Muster – Deckungsklage 9 38 – Klageerwiderung 9 39 – Sachverständigenverfahren, vorrangiges 9 36 f. Versicherungsrechtliche Ansprüche, Verjährung 1 95 f. Versicherungsvertragsgesetz, Änderungen 7 1 – Anerkenntnisverbot, Aufhebung 7 321 – Gefahrerhöhung 7 117 ff. – Rechtsfolgen 7 127 ff. – Gerichtsstand § 215 VVG 7 482 – Informations- und Beratungspflichten 7 39 ff., 52 ff. – Klagefrist 7 480 ff. – Obliegenheiten 7 137 ff. – Rechtfolgen bei Verletzung 7 198 ff. – Prämienzahlung, fehlende oder verspätete 7 91 ff. – Regress gegen Dritte, Mitwirkung des Versicherungsnehmers 7 466 ff. – Regress gegen Haushaltsangehörige 7 478 f. – Rettungskosten 7 369 – Selbstbehalt in Kfz-Versicherung 7 273 – Veräußerung, Rechtsfolgen bei nicht angezeigter 7 80 – Verjährung 7 483 – Versicherungsfall, Herbeiführung – Rechtsfolgen bei grober Fahrlässigkeit 7 397 – Verzinsung der Versicherungsleistung 7 458 – Vollmacht des Versicherungsvertreters 7 61 ff. – vorläufige Deckung – AKB 7 9 ff. – selbständiger Vertrag 7 2 ff. – vorvertragliche Anzeigepflichten 7 66 – Widerrufsrecht 7 47 ff. Versorgung, berufsständische – Drittleistung und Verdienstausfallschaden 4 989 ff. – Sterbegeld 4 1323 Verteidigungslasten, Amt für 1 87 ff. Verteilungsverfahren – Schadensregulierung bei Deckungssummenüberschreitung 7 344 Vertragshaftung – Schmerzensgeld 2 32 ff. Vertragswerkstatt; s. Werkstatt
Verwaltungsbehördliches Verfahren 12 1 ff. – ausländische Fahrerlaubnisse 12 56b ff. – nach § 28 FeV, Anerkennung 12 56c – nach§ 29 Abs. 1 S. 3 FeV 12 56d – bedingte Eignung 12 29 ff. – BfF-Gutachten 12 34 ff. – Entziehung der Fahrerlaubnis 12 1 ff.; s. auch Entziehung der Fahrerlaubnis, Verwaltungsverfahren – Fahrerlaubnis auf Probe 12 46 ff. – Neuerteilung der Fahrerlaubnis 12 44 ff. Verwaltungsgerichtliches Verfahren 12 57 ff. – Anfechtungsklage 12 57 ff. – Feststellungsklage 12 60 f. – Streitwert 12 63 – Verpflichtungsklage 12 62 – vorläufiger Rechtsschutz 12 58 Verwaltungsrecht 12 1 ff. Verwandtenprivileg; s. auch Angehörigenprivileg; Familienprivileg Verwarnung, schriftliche 10 110, 12 16 – Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister 10 111 Verweisungsprivileg – Haftpflichtversicherer an Sachversicherer/Sozialversicherungsträger 7 253 f., 327 Verwendungsklausel 7 138 f. – Kausalitätsgegenbeweis 7 211 ff. Verzögerungsschaden – Rechtsanwalt zur Anspruchsdurchsetzung – Kostenerstattung 5 114 Verzug – Anwaltskostenerstattung 5 105 ff. – Anwaltskostenerstattung außerhalb 5 134 ff. – Kaskoversicherung, Ersatz von Rechtsanwaltsleistungen 7 451 Vier-Stufen-Modell des BGH – Abrechnung des Fahrzeugschadens 3 90 ff. – Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 107 ff. – Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 119 ff. – Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungsaufwand 3 93 ff. – Reparaturaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 134 ff. Vollbeweis 2 658
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Stichwortverzeichnis Vollkasko-Versicherung 7 376 ff.; s. auch Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Allgemeines; Kaskoversicherung – Betriebsschäden 7 380 ff. – Bremsschäden 7 380 ff. – Handlungen betriebsfremder Personen 7 384 f. – Selbstbeteiligung, italienisches Recht 13 120 – Tabelle versicherter Ereignisse in der Kaskoversicherung 7 386 – Unfall, Definition 7 377 ff. – Unfallschäden 7 377 ff. Vollmacht – Stapelvollmachten von Rechtsanwälten 1 52 Vollrausch 11 49 ff. Vollstreckungsgebühr 5 96 Vollstreckungsmaßnahmen – Neubeginn der Verjährung 1 87 Vorerstreckungstheorie 7 370 Vorhaltekosten, Ersatz 3 281 ff. Vorläufige Deckung 7 2 ff. – AKB – Zeitpunkt der Kenntnisnahme 7 9 ff. – Beginn 7 12 f. – Beweislastverteilung 7 29 ff. – Ende 7 14 – bei Kasko-Versicherung 7 5 ff. – selbständiger Vertrag 7 2 – Vertragsinhalt 7 9 ff. – Vollmacht, fehlende des Versicherungsmaklers 7 8 – Wegfall, rückwirkender 7 15 ff. – Belehrungserfordernis 7 22 ff. – unterlassene oder verspätete Zahlung 7 17 ff. – unveränderte Antragsannahme 7 16 – Zustandekommen 7 4 ff. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 11 105 ff. Vorläufiger Rechtsschutz 12 58 Vorrecht des Schienenverkehrs 2 467 Vorruhestandsgelder – und Verdienstausfallschaden 4 950 Vorsatz – bei Dienstunfall 4 346 – Folgen bei Gefahrerhöhung, Herbeiführung des Versicherungsfalls und Obliegenheitsverletzungen – tabellarische Übersicht 7 264 – gesetzlicher Risikoausschlussgrund 7 296 ff. – Kaskoversicherung, Leistungsfreiheit 7 395
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– Obliegenheitsverletzung, Beweislast 7 231 ff. – Obliegenheitsverletzung, Leistungsfreiheit 7 199, 207 Vorschäden – Angabe, Aufklärungsobliegenheit 7 195 – unrichtige Antwort auf 7 197 Vorschädigung – und Schmerzensgeldbemessung 4 770 ff. Vorteilsausgleich 4 190 ff. – Aufwendungen im Zusammenhang mit Berufsausübung 4 899 ff. – Bamberger Gutachten 3 253 – Beweislast 4 194 – Drittleistungen (Forderungswechsel) 4 195 f. – Eigenkosten, ersparte bei Mietwagenanmietung 3 252 ff. – Einkommensverbesserung durch Umschulung 4 1127 – Fahrkostenersparnis 4 902 – freiwillige Leistungen Dritter 4 191 – Mehrbedarf, Hilfs- und Pflegemittel 4 592 – steuerliche Möglichkeiten 4 903 – Verdienstausfallschaden – Berücksichtigung bei 4 898 ff. – von Amts wegen 4 192 – Werterhöhungen, behindertengerechtes Wohnen 4 609 Wegerechtsfahrzeug 2 152 Wegeunfall 4 115 ff., 267 ff. – Arbeitsstättenweg – Betriebsweg 4 278 ff. – auswärtige Arbeitsstelle 4 290 – Beifahrer 4 291 – Betriebsbezogenheit 4 271 ff. – Dienstreise, Seminarteilnahme 4 288 – direkter Weg 4 117 f. – dritter Ort 4 121 ff. – Grenzpunkt 4 119 f. – Einzelaspekte 4 285 ff. – Fahrgemeinschaften 4 122, 131 f., 287 – gesetzliche und private Unfallversicherung – Übersicht 4 292 – und gesetzlicher Unfallversichererungsschutz 4 115 ff. – Haftungsausschluss 4 116 – Heimfahrt, auf der 4 286 – innerbetrieblicher Verkehr 4 289 – innerer Zusammenhang mit 4 124 ff. – Sammeltransport 4 290
Stichwortverzeichnis [Wegeunfall] – Schulweg 4 320 – Umweg 4 127 ff. – Unterbrechungen 4 130 Werkstatt – Auswahl 1 24, 40 – Kosten, überhöhte 1 25 – nachträgliche Schadensvergrößerung 6 182 – Unfallhelferringe 1 50 ff.; s. auch dort Werkstattrisiko 3 18, 123 Wertminderung, Kfz – italienisches Recht 13 113 – österreichisches Recht 13 152 Wettfahren 7 406 Widerspruch – gg. Anordnung des Aufbauseminars 12 56 – gg. Entziehung der Fahrerlaubnis 12 27 Wiederbeschaffungsaufwand – Bemessungsgrenze für Reparaturkostenaufwand 3 93 ff. Wiederbeschaffungsbasis, Abrechnung auf – Abrechnung fiktiv in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert 3 114 ff. – Abrechnung fiktiv in Schadensstufe: Reparaturaufwand < Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 128 – Brutto-Abrechnung 3 116 – Mehrwertsteuerersatz 3 162 ff. – Ersatzbeschaffung als günstigere Alternative 3 162 ff. – Ersatzbeschaffung als ungünstigere Alternative 3 170 f. – Schadensstufe: Reparaturaufwand > Wiederbeschaffungswert plus 30 % 3 136 ff. Wiederbeschaffungswert – Bemessungsgrenze für Reparaturkostenaufwand 3 107 ff. – DAT-Listen 3 68 – Ermittlung und Abrechnung 3 68 ff. – Schwacke-Listen 3 68 – Vergleich mit Reparaturkosten 7 433 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Bußgeldverfahren 10 69 ff. Wiedererteilung Fahrerlaubnis – Verweigerung, Rechtsschutzversicherung 8 103 ff. Wiederherstellungsklausel – bei Neupreisentschädigung 7 438 Wildschaden 7 367 ff. – ohne Zusammenstoß als Rettungskosten – Teilkasko 7 369
– Zusammenstoß mit Haarwild – Teilkasko 7 367 Wirtschaftlichkeitspostulat 3 14 – Schadensminderungspflicht 1 35 Wissenserklärungsvertreter 7 429 ff. Wissensvertreter 7 432 – Versicherungsagent, „Auge-und-Ohr“ 7 61 ff. – Versicherungsmakler 7 65 Wohnstraße 2 362 Zahnmedizinische Maßnahmen 4 499 Zeitverlust – Verdienstausfallschaden 4 851 Zentralruf 1 13 ff., 57 – Unfälle mit Auslandsberührung 13 35 ff., 54 Zeuge – Zeugenaussagen, Bewertung 2 665 ff. Zeugnisverweigerungsrecht – und Fahrtenbuchauflage 10 115 Zinsen – auf Leistungen der Sachversicherungen 7 458 – aus Schmerzensgeld 4 817 – Zinsschaden, Ersatz 3 287 ff. Zivildienstleistende 2 144 f. Zivilgericht – Bindungswirkung sozialgerichtlicher Entscheidungen 4 295 ff. Zivilgerichtliches Verfahren 9 1 ff. – Haftpflichtprozess 9 2 ff.; s. auch dort – selbständiges Beweisverfahren 9 40 ff.; s. auch Beweisverfahren, selbständiges – Unfallmanipulation 9 44 ff.; s. auch dort – Versicherungsprozess 9 31 ff.; s. auch dort Zugewinn – Schmerzensgeld 4 813 Zulassungsstelle – Außerbetriebsetzung, unterlassene – Amtshaftungsanspruch Dritter 7 319 Zurechnungseinheit – Jugendlicher und Aufsichtspflichtiger 2 392 – Kind und Aufsichtspflichtiger 2 377 – mehrere Schädiger 2 539 Zurechnungszusammenhang 2 93 f. – allgemeines Lebensrisiko 4 146 – ärztliche Kunstfehler 4 145 – Begehrensneurose 4 147 – Erst- und Zweitunfall 2 93 – Fehlverhalten des Verletzten 4 144 – Fehlverhalten Dritter 4 143
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Stichwortverzeichnis [Zurechnungszusammenhang] – haftungsrechtlicher bei überhöhter Geschwindigkeit 2 305 f. – haftungsrechtlicher, Zweitschädiger 2 536 f. – Konversionsneurose 4 148 Zurücknahme, Kfz – innerhalb Monatsfrist 7 453 ff. Zuschauer – am Unfallort, Ansprüche des 4 452 f. Zuständigkeit – spätere der Unfallversicherung 4 565
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Zuzahlung – Sozialversicherte, Heilbehandlungskosten 4 532 ff. Zwangsvollstreckung – EG-Verordnungen 13 187 ff. – Gegenstandswert 5 99 – Kfz 7 78 – Kosten der 5 98 – Kosten der, mehrere Schuldner 5 100 – Titel in EU-Mitgliedsstaaten 13 93 ff. – Vollstreckungsgebühr 5 96 Zwischenvergleich, Streitwert 5 270 ff.