Schwarzfigurige Vasen aus Athen e. Handbuch 9783805302333, 3805302339


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German Pages [282] Year 1977

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Schwarzfigurige Vasen aus Athen e. Handbuch
 9783805302333, 3805302339

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SCHWARZFIGURIGE VASEN AUS ATHEN

lauchamphom (Typ A), signiert von Exekias. Heimkehr der Dioskuren. H. 6l

JOHN BOARDMAN

SCHWARZFIGURIGE VASEN AUS ATHEN Ein Handbuch

Übersetzt von FLORENS FELTEN

VERLAG PHILIPP VON ZABERN, MAINZ

Umschlagbild vorn: Attische Halsamphora. Letztes Viertel 6 Jh. v.Chr. Tarquinia, Museo Nazionale. Foto Hirmer, München Umschlagbild hinten: Attische Trinkschale. Mitte 6. Jh. v. Chr. Tarquinia, Musco Nazionale. Foto Hirmer, München

© für die englische Originalausgabc 1974 Thames and Hudson, London © für die deutsche Ausgabe 1977 Verlag Philipp von Zabcrn ISBN 3-8053-0233-9 Satz: Otto Gutfreund & Sohn, Darmstadt Gesamtherstellung Philipp von Zabern, Mainz Printed in W. Germany • Imprime en Allemagne

INHALT

Vorwort

7

1

EINFÜHRUNG

9

2

DIE ANFÄNGE DER SCHWARZFIGURIGEN VASENMALEREI IN ATHEN Die Pioniere; vom Gorgo-Maler bis Sophilos; andere Gruppen

15

3

KLEITIAS, MALER VON SIANASCHALEN UND ANDERE Sianaschalen-Maler; Kleitias; andere Vasenmaler; tyrrhenische Amphoren

34

4

DIE JAHRHUNDERTMITTE UND DIE ZEIT DANACH Lydos; der Amasis-Maler; Exekias und die Gruppe E; Kleinmeister und andere Schalenmaler; andere Vasenmaler und Nikosthenes

57

5

DIE ZEIT DER ROTFIGURIGEN VASENMALEREI Bilinguen-Maler I; Schalenmaler; der Antimenes-Maler und die Leagros-Gruppe; andere Vasenmaler; Bilinguen-Maler II; Lekythen

112

6

DIE SPÄTESTE SCHWARZFIGURIGE MALEREI Die Lekythenmaler; andere späte Arbeiten

158

7

PANATHENÄISCHE AMPHOREN

180

8

VERSCHIEDENES Sixsche Technik; polychrome Malerei; Miniaturgefäße; »Schwarzfimis«-Keramik; Athen oder Attika?; Auswanderer und Nachahmer

192

9

FORMEN, NAMEN UND FUNKTIONEN Amphoren; Hydrien; Oinochoen; Gefäße zum Weinmischen und -kühlen; Schalen; Schüsseln; Ölfläschchen; rituelle Formen; andere Formen

199

RELATIVE UND ABSOLUTE CHRONOLOGIE

210

10

ii

DIE VERZIERUNG Konventionen; Inschriften; Pflanzenornamente; Tiere und Fabel-

213

12

BILDER AUS DEM LEBEN Alltagsleben; Kampf; Wein, Weib, Knaben und Gesang; Sport; Handel und Gewerbe; religiöse Anlässe

224

13

MYTHOLOGISCHE BILDER Die Götter; Herakles; Theseus und andere Helden; der trojanische Sagenkreis; andere mythologische Gestalten

235

Chronologische Tabelle

257

Abkürzungen

258

Anmerkungen und Bibliographie

258

Abbildungsverzeichnis

266

Index der Künstler und Gruppen

273

Index der mythologischen Themen

275

Gesamtindex

277

VORWORT

An die 20000 in Athen hergestellte schwarzfigurige Vasen sind erhalten, und Jahr für Jahr kommen immer noch mehr ans Tageslicht, sei es durch offizielle oder illegale Ausgrabungen, aus dem Kunsthandel oder aus den Beständen alter Privatsammlungen. Von vergleichbaren Zeugnissen der Antike, die auf uns gekommen sind, sind nur die rotfigurigen Vasen aus Athen noch zahlreicher und, was Formen und Themen angeht, noch mannigfaltiger. Die schwarzfigurigen Vasen bieten das früheste reichhaltige Corpus mythologischer Szenen in der griechischen Kunst und sie bilden die früheste Werkgruppe, die so eingehend und gründlich untersucht wurde, daß einzelne Künstlerpersönlichkeiten und Werkstätten und deren Beziehungen zueinander herausgearbeitet werden konnten. Bei jeder Abhandlung über Kunst oder Mythos der Griechen haben sie deshalb eine bedeutende Rolle gespielt, und sie bilden einen Blickfang in jedem Museum oder jeder Sammlung antiker Kunst. Dennoch haben die Publikationen der wichtigsten Sammlungen nie eine umfassende Darstellung der Geschichte ihres Gegenstandes gegeben, während die Monographien über die griechische Vasenmalerei nie so reich illustriert wurden, daß dem, der sich mit diesem Gebiet beschäftigt, ein mühsames Aufsuchen der Abbildungen in zahlreichen Einzelpublikationen erspart bliebe; überdies gibt es bisher noch keinen systematischen Abriß der Bildthemen, die auf diesen Vasen dargestellt wurden. Vorliegendes Handbuch sucht diese Lücken zu schließen — es will die Geschichte dieser Kunstgattung darlegen, so ausführlich und detailliert, daß sie Kenner wie Studierende befriedigt, und so reich illustriert, daß sie ein Bild vermitteln kann sowohl von der Qualität des Werkes der besten Künstler, wie auch von den Arbeiten weniger begabter Maler; hinzukommen soll ein Abriß der untergeordneten Schmuckglieder und der Figurenszenen, da diese dem Museumsbesucher oder dem Fachmann oft mehr vermitteln können als bloße Betrachtung von Stil, Form und Datum. Wenn dies dazu geführt hat, daß Teile dieses Buches mehr »archäologisch« als »kunsthistorisch« ausgefallen sind, so hoffe ich doch, daß es im ganzen gesehen dem Buch zum Vorteil ausgeschlagen ist; es schien geraten, hier auf alle detaillierten Betrachtungen über Töpfer- und Maltechniken zu verzichten, soweit diese nicht die Stilgeschichte beeinflussen. Die Darstellung des Stilablaufs der athenischen schwarzfigurigen Malerei beruht auf den glänzenden Leistungen Sir John Beazleys bei der Unterscheidung einzelner Maler oder Gruppen, wie er sie in Aufsätzen und Büchern dargelegt hat. In seinem Buch Development ofAttic Black Figure (1951) bietet er eine Behandlung dieses Themas, die sicherlich tiefer geht als die vorliegende Arbeit, die aber weniger vollständig und spärlicher illustriert ist und sich andere Ziele gesteckt hat, da sie aus einer Vortragsreihe entstanden ist. Andere Kapitel stützen sich in unter-

schiedlichem Maße auf Aufsätze und Bücher anderer Forscher, aber aufs Ganze gesehen hat mich die Notwendigkeit, alle Aspekte der hier behandelten Werke einzubeziehen- ihren Stil, ihre zeitliche Einordnung, ihre Form, ihre Thematik-, dazu gezwungen, eigene Lösungen zu einer Reihe von Problemen zu bringen. Es geht hier also nicht nur um die Zusammenfassung der Arbeiten anderer; es ist vielleicht an der Zeit, ein solches Thema, das heute mit Vorliebe nur in Teilaspekten behandelt oder nur sehr kurz und konventionell in den großen Kunstgeschichten skizziert wird, in neuer, detaillierterer Zusammenschau darzustellen. Und selbst so wird es unvollständig sein, Verallgemeinerungen in Hülle und Fülle bringen, und der Leser muß meinen Gebrauch der Begriffe »nie« oder »immer« mit Nachsicht aufnehmen. Und noch etwas muß hier zur Thematik dieses Buches gesagt werden. Von etwa 530 v. Chr. an ist die Haupttechnik der Vasenmalerei in Athen die rotfigurige und nicht mehr die schwarzfigurige, und manche Maler malten in beiden Techniken. Es mag merkwürdig erscheinen, wenn hier auf die Betrachtung der rotfigurigen Vasen verzichtet wird. Aber diese Einteilung erweist sich nicht nur als einfacher, sie wird auch durch das Material bestätigt; die wenigsten Maler arbeiten in beiden Techniken, und die schwarzfigurige Malerei kann durchaus auch in der Folgezeit eine eigene Behandlung verlangen, nicht nur ihrer gelegentlichen Qualität, ihrer Unabhängigkeit und ihrer zahlenmäßigen Menge wegen, sondern weil sie auch in ihrer Ikonographie keineswegs alle Z üge mit der rotfigurigen Malerei teilt. Ich habe mich bemüht, auf die Auswirkungen der rotfigurigen Malerei, wo immer sie im Schwarzfigurigen auftreten, hinzuweisen und den Leser an die Bedeutung der neuen Maltechnik zu erinnern, aber eine ähnlich detaillierte Arbeit über ihre Entwicklung muß an anderer Stelle erscheinen. Die Auswahl der Abbildungen in diesem Buch erfolgte unter verschiedenen Gesichtspunkten: so soll nicht nur die gesamte Entwicklung des Malstiles dargelegt werden, sondern es soll auch die Vielfalt der Formen und Figurenszenen in möglichst breitem Spektrum dokumentiert werden. Da es überaus wichtig erschien, die Werke der gleichen Gruppe oder des gleichen Künstlers beieinanderzuhalten, begleiten die Abbildungen die Abschnitte über den Stil, und ich hoffe, die Geduld des Lesers wird nicht überbeansprucht, wenn er sich in den übrigen Kapiteln auf die betreffenden Abbildungen zurückbeziehen muß. Manchmal hat es sich als günstig erwiesen, Zeichnungen abzubilden, um die gesamte Spannweite einer Figurenszene wiederzugeben oder ein Dekorationselement, das auf einer schlecht erhaltenen Oberfläche nur noch schwer zu erkennen ist. Es wäre natürlich schön gewesen, noch mehr und noch größere Bilder zu bringen, aber dann wäre es ein ganz anderes Buch zu einem ganz anderen Preis geworden. Am meisten verdanke ich den Veröffentlichungen von Sir John Beazley; darüber hinaus bin ich aber auch den Arbeiten von mehr Forschern, als ich hier aufzählen könnte, sowie den Museen, Sammlern und Photographen, die mir erlaubt haben, ihre Vasen und ihre Aufnahmen zu verwenden, zu Dank verpflichtet. Die Bestände der Ashmolean Museum Library und des Beazley-Photo-Archivs haben meine Aufgabe wesentlich erleichtert.

i. Kapitel EINFÜHRUNG

Die schwarzfigurige Technik der Vasenmalerei wurde um 700 v. Chr. in Korinth erfunden. Dabei werden die Figuren als schwarze Silhouetten aufgemalt und sämtliche linearen Details eingeritzt, so daß der helle Tongrund unter der schwarzen Farbe zutage tritt; wenn gewünscht, können dann noch geringfügige Differenzierungen in roter oder weißer Deckfarbe aufgetragen werden; all dies geschieht, bevor die Vase gebrannt wird. Es war eine revolutionäre Methode, die hier für die Dekoration von Gefäßen angewendet wurde. Das Griechenland der Eisenzeit hatte bisher nur den geometrischen Stil gekannt mit seinen eckigen Silhouettenfiguren von Menschen und Tieren, die nur selten irgendeine Detailangabe in Umrißzeichnung zuließen. Es handelte sich dabei um einen Stil, der in Athen in höchster Vollendung ausgeübt wurde, wenn er auch andernorts keineswegs unbekannt war, und es ist durchaus möglich, daß gerade die Tatsache, daß dieser Figurenstil in Korinth nie angewendet wurde, es dem korinthischen Künstler erleichterte, eine neue Technik zu entwickeln, die wahrscheinlich unter dem Einfluß importierter östlicher Elfenbein- und Metallarbeiten mit geritzten Dekorationen entstand, und gleichzeitig damit neue Regeln der Figurenzeichnung und einen neuen, östlich orientierten Themenschatz aufzunehmen. Korinther also entwickelten diese Technik während des 7. Jhs., und zwar auf Vasen, die sie in jener präzisen und miniaturistischen Art des protokorinthischen Stils in erster Linie mit Tierfriesen und nur gelegentlich mit mythologischen Bildern bemalten. Die attischen Maler dekorierten mittlerweile die Vasen, die wir als die protoattischen bezeichnen; sie bemalten die oft großformatigen Gefäße mit Figuren in Silhouetten- und Umrißtechnik, wobei manchmal zusätzlich Deckweiß, ganz selten aber nur Detailritzung verwendet wird [i]. Gegen 630 aber begannen dann auch die Künstler in Athen, für alle figürlichen Darstellungen auf ihren Gefäßen die schwarzfigurige Technik zu verwenden und in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts zogen sie sie dann auch für alle Füllornamente heran. Die »schwarzfigurige Malerei Athens « hatte damit ihren Anfang genommen, und im Lauf der nächsten 150 Jahre gelang es ihr, die Märkte der griechischen Welt zu erobern. Unsere heutigen Kenntnisse und unser Verständnis der Vasen aus Athen beruhen auf einer Vielzahl von Arbeiten, die im großen und ganzen den drei Themenkreisen gelten, die auch die Überschriften für die Hauptabschnitte dieses Buches abgegeben haben - Stil, Dekoration und Form; doch die Bearbeitung dieser drei Gebiete ist nicht in gleicher Weise vorangetrieben worden. Griechische Vasen wurden vor dem 18. Jh. nicht in größerer Anzahl gesammelt, und im allgemeinen

stammten sie aus Italien, wo die gebauten Grabkammern oft unversehrte Beispiele lieferten. Griechenland war schwerer erreichbar und vor allem waren die dortigen Grabgebräuche einer intakten Erhaltung der Vasen nicht günstig, so daß Italien auch weiterhin der Hauptlieferant bleibt. Das bedeutete erstens, daß es eine ganze Weile dauerte, bis man diese Vasen überhaupt als griechisch - und nicht als etruskisch - erkannte, und zweitens, daß die staatlichen und privaten Sammlungen Westeuropas besseres Studienmaterial bieten als Griechenland selbst, obwohl dort in den letzten fünfzig Jahren die wissenschaftlichen Ausgrabungen und Aufnahmen beträchtlich zugenommen haben. Von Anfang an galt bei Wissenschaftlern wie bei Dilettanten das Hauptinteresse an den Vasen dem mythologischen Inhalt der auf ihnen dargestellten Figurenszenen. Dieses Interesse ist weiterhin stark geblieben und die Forschung hat wichtige Erkenntnisse erbracht bezüglich der Entwicklung des Mythos, der Details und Variationen verschiedener Sagen, für die wir sonst nur schriftliche Belege haben, die oft aus viel späterer Zeit stammen; außerdem hat sie den Boden bereitet, auf dem sich die Theorien über ikonographische und erzählerische Gepflogenheiten kontrollieren lassen. In diesem Buch, das ausschließlich den schwarzfigurigen Vasen gewidmet ist und die Kunstproduktion in anderen Materialien oder anderen Zeiten nicht miteinbezieht, war es nur möglich, die der schwarzfigurigen Technik eigenen ikonographischen Regeln zu umreißen und einen Leitfaden zu geben, der das Erkennen von Figuren und Szenen erleichtern soll. Anfangs war es vor allem die Form, die den Geschmack des Klassizismus ansprach. Den modernen Forschern geht es dagegen mehr um die Funktion und um die Untersuchung der Formgebung und Proportionierung, soweit diese die Identität einzelner Töpfer und Werkstätten verrät oder Kriterien für eine Datierung abgeben kann, die unabhängig von der Dekoration der Vasen bleibt. Diese Untersuchungen beschreiben einen neuen, grundsätzlich »archäologischen« Weg, der sich an den seltenen Töpfersignaturen orientiert, auf die wir zurückkommen werden. Das Studium des Stils, vor allem des Stils individueller Maler, hat sich nur langsam entwickelt, obwohl man die Malersignaturen registrierte und sammelte. Seit Ende des letzten Jahrhunderts begann die Zuweisung unsignierter Vasen die Gelehrten zu beschäftigen, aber es blieb Sir John Beazley vorbehalten (der 1970 als Knight und Companion of Honour starb), sich der ganzen Fülle der erhaltenen Vasen zu stellen und das Studium ihrer Maler in geordnete Bahnen zu lenken. Seine Leistung auf dem Gebiet der schwarzfigurigen Vasenmalerei, in dem er weit über ein Dreiviertel der ihm bekannten Werke bestimmten Malern zuwies oder klar umrissenen Gruppen zuschrieb, wird nur durch seine vergleichbare Arbeit zur rotfigurigen Vasenmalerei übertroffen. Sie drückt sich in seinem Listenwerk Attic Black Figure VasePainters aus, das 1956 erschien und durch die 1971 posthum veröffentlichtenPara/ipomertfl ergänzt wird. Die Prinzipien der Zuweisung, die auf der Verbindung der Gesamtbeurteilung des Stils und der Komposition mit der vergleichenden Untersuchung von Details wie Wiedergabe von Gewand oder Anatomie beruhen, wurden in dem 1927 erschienenen frühen Aufsatz über einen schwarzfigurigen Maler - den Antimenes-Maler - klar dargelegt. Die gleichen 10

Prinzipien haben auch die Arbeiten vieler anderer Gelehrter, die zu diesem Forschungsgebiet beigetragen haben, bestimmt. Auch war Beazley keineswegs ein Snob auf dem Gebiet der Kunstgeschichte; er widmete dem Zuweisen und Sammeln der Arbeiten mittelmäßiger oder unbedeutender Künstler ebensoviel Sorgfalt wie den Werken der Meister. Daraus ergab sich, daß für ihn- und auch für uns - die volle Breite des Materials überschauber wurde, und damit war die Möglichkeit gegeben, hier eine Grundlage für die absolute und relative Chronologie des archaischen Griechenlands zu konstituieren. Die historische Bedeutung seines Werkes kann hier nicht im einzelnen dargelegt werden, doch wir werden noch einmal darauf zurückkommen, wenn die Grundlagen der Chronologie besprochen werden. Mit Sicherheit kennen wir die Namen etwa eines Dutzends athenischer schwarzfiguriger Vasenmaler, aber Beazley hat über 400 Künstler oder Gruppen zusammengestellt. Die Namen, die er ihnen gibt, können etwa vom Namen eines Töpfers, der einige Vasen signiert hat, abgeleitet werden (wie etwa im Falle des Amasis-Malers), sie können von kalos-Namen (Erklärung auf Seite 219), wie sie auf manchen Vasen auftauchen, her bezogen werden (wie etwa im Falle des Antimenes-Malers), aber auch von sogenannten Schlüsselvasen (wie im Falle des Malers von Berlin 1686), oder von den Namen der Besitzer von Schlüsselvasen (wie der Oakeshott-Maler), oder auch von stilistischen Eigenarten (wie im Falle des Elbows Out- [158] oder des Long Nose-Malers). Glücklicherweise hat die Erforschung des Stils mit der Erforschung der Maler begonnen, so daß uns eine so artifizielle Einteilung wie Früh-, Mittel-, Spät- oder I, II, III erspart geblieben ist, wie sie bei den anonymen Erzeugnissen der Vorgeschichte oder bei weniger gut belegten Werken des archaischen Griechenlands in Anwendung kam. Schließlich handelt es sich ja um Werke von Menschen, die vor allem in einem bestimmten Viertel der Stadt Athen tätig waren, und wir verstehen sie erst dann, wenn wir ihre Beziehungen zueinander, die Beziehung zwischen Töpfer und Maler, zwischen Meister und Schüler verstehen, und wenn wir sie gleichzeitig vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Geschichte ihrer Zeit sehen. Wer waren diese Männer, diese Maler und Töpfer? Wir müssen von ihren Signaturen ausgehen. Ein Maler, der ausführlich sein will, signiert » . . . egrapsen« » . . . hat (dies) gemalt«. Aber den wenigen Namen, die uns in dieser Form vorgestellt werden, stehen 60 gegenüber, die in der Form « . . . epoiesen« - » ... hat (dies) gemacht« auftreten. Das Wort für »gemacht« ist genau dasselbe, das spätere Künstler benützen, wenn sie beispielsweise Skulpturen, Gemmen oder Mosaiken signieren; demzufolge könnte es sich auch bei Vasen auf den Maler beziehen. Gelegentlich jedoch treffen wir eine »epoiesen«- und eine »egrapsen«-Signatur auf einer Vase an, entweder in Verbindung mit zwei Namen (wie im Falle des Kleitias und Ergotimos, die an der Francois-Vase [46] zusammengearbeitet haben), oder in Verbindung mit einem Namen, der für beide Funktionen gilt (wie es für Exekias zweimal belegt ist). Darüber hinaus sind einige Vasen, die dieselben »epoiesen« Signaturen tragen (etwa solche des Nikosthenes), ganz offensichtlich von verschiedenen Künstlern bemalt worden. Hier haben wir es ganz offenkundig entweder mit dem Töpfer oder mit dem Besitzer der Werkstatt zu tun, und in vielen ii

Fällen liegt es auf der Hand, daß der gemeinsame Faktor die Töpferarbeit ist. In den Fällen, in denen Exekias nicht mit der Doppelformel signiert, schreibt er einfach »epoiesen«, und dennoch ist es sicher, daß seine Hand den Pinsel führte und nur möglicherweise die Töpferscheibe drehte. Es kann also »epoiesen« oft »getöpfert« heißen, es kann aber auch »gemalt«, und es mag sogar »gemalt und getöpfert« bedeuten, wie es sicher oft und in vielen Werkstätten der Fall gewesen ist. Wir können dann vielleicht auf einen »Besitzer-Töpfer« schließen. Es wurde vorgeschlagen, daß »epoiesen« gewöhnlich »Besitzer« bedeute: wir müßten dann deutlich unterschiedliche Töpferarbeiten unter ein und derselben Besitzersignatur erwarten. Die zahlreichen Signaturen des Nikosthenes scheinen einen solchen Schluß zu unterstützen, doch sind die von ihm signierten Vasen fast alle von einer augenfälligen Originalität der Form, und möglicherweise vermittelt uns hier seine Reklamesucht und seine Vorliebe für den Exporthandel, der seinen Gefäßen bessere Überlebenschancen gewährleistete, ein falsches Bild. Es fällt schwer, in all den »epoiesen«-Signaturen der Kleinmeister Besitzer eigener Werkstätten und nicht eher einfache Töpfer zu erblicken. Aus den seltenen Doppel-»epoiesen«-Signaturen (wie die des Archikles und Glaukytes [116] oder des Anakles und Nikosthenes) müssen wir schließen, daß Zusammenarbeit vorkam; aber doch sicherlich nicht beim Töpfern, vielmehr wird auch hier ein Besitzer oder ein Maler mitgenannt sein. Wir werden auch auf Beispiele stoßen, wo wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen dürfen, daß Töpfersignaturen auch Malernamen wiedergeben (wie bei Amasis). Die meisten erhaltenen Signaturen aber scheinen sich auf Töpfer oder Besitzer zu beziehen, wobei die Tatsache, daß sie von Malern aufgetragen wurden, die freiwillig oder gezwungenermaßen anonym blieben, ein bezeichnendes Licht auf die Bedeutung des Töpfers in dieser Industrie wirft - eine Bedeutung, die wir, deren Interesse sich hauptsächlich auf die Dekoration richtet, oft allzu leicht vergessen. Zu Beginn des 6. Jhs. heißt es vom athenischen Gesetzgeber Solon, er habe die Einwanderung nicht-athenischer Handwerker gefördert. Abgesehen von einigen korinthisch beeinflußten Töpferarbeiten finden wir unter den Vasen keine eindeutigen Beispiele dafür, daß außerhalb Attikas ausgebildete Töpfer tätig geworden wären, dennoch wirft diese Überlieferung ein bezeichnendes Licht auf die Rolle, die Metöken ohne Bürgerrecht bei der Ausübung der Künste in Athen spielten. Und wir können hier noch die Belege für die Anwesenheit ionischer und von den Inseln stammender Bildhauer im Athen des späteren 6. Jhs. anfügen. Eine Spur davon fassen wir vielleicht in den Namen der Töpfer und Maler: Lydos, der einfach als »der Lyder« signiert; Amasis, der die gräzisierte Form eines Namens führt, der in Ägypten sowohl im einfachen Volk wie unter den Königen gebräuchlich war; Sikelos, ein Name, der die Nationalität eines gebürtigen Sizilianers nennt; Thrax aus Thrakien; Kolchos aus Kolchis. Hier lassen sich noch die Namen einiger Töpfer und Maler frührotfiguriger Vasen anfügen: Sikanos, ein weiterer nach Sizilien weisender Name; Mys aus Mysien; Skythes aus Skythien; Brygos aus Thrakien. Mit Ausnahme vielleicht vom »Lyder« zwingt uns jedoch nichts, bei diesen Männern unbedingt nicht-athenische oder gar eine Sklavenherkunft anzunehmen, wie es denn auch in ihrem Werk keine Züge gibt, die auf eine 12

äußer-attische Schulung hinweisen. Wir werden sehen, daß gerade Amasis ein gutes Beispiel dafür abgibt, und wenn das Ergebnis auch nicht letztlich schlüssig ist, so ist es doch zumindest recht einleuchtend. Wir kennen keine Signaturen auf athenischen schwarzfigurigen Vasen bis hin zum Maler Sophilos in den Jahren um 570 v. Chr., dann aber treten sie gleich in Mengen auf. Trotzdem gibt es manchen guten Maler, dessen Hand über 100 Vasen zugeschrieben werden können, der aber nie signiert zu haben scheint. Die Signaturen bedeuten also eher die Demonstration persönlichen Stolzes oder einer individuellen Vorliebe, als bewußte Reklame. Hier macht nur der Töpfer oder Besitzer Nikosthenes eine Ausnahme, der daraufsah, daß die meisten seiner Arbeiten signiert waren. Den Status der Künstler können wir kaum beurteilen. Daß sie die zeitgenössischen eleganten jungen Männer durch kalos-Namen (s. S. 219) priesen, braucht nichts zu besagen. Drei Töpfer - Nearchos, Andokides und der frührotfigurige Töpfer/Maler Euphronios - konnten sich kostspielige Skulpturen als Weihgeschenke auf der Akropolis in Athen leisten; sie nennen ihr Handwerk in den Weihinschriften. Wir können nicht genau bestimmen, was bemalte Vasen zu dieser Z eit kosteten, wir können aber vielleicht doch aus späterem Beweismaterial schließen, daß der Preis für eine verhältnismäßig große Vase einen Tageslohn betrug. Gerade die athenischen schwarzfigurigen Vasen - und insbesondere die des späteren 6. Jhs. - bieten uns die Gelegenheit, die Handelsmethoden zu studieren; viele von ihnen tragen nämlich auf ihren Standflächen eingeritzte Marken, gewöhnlich in Gestalt von Buchstabengruppen oder Monogrammen, die voller Zuversicht als Händlermarken bezeichnet werden. Da die Marken auf den Vasen eines einzelnen Malers oder Ateliers oft ziemlich genau übereinstimmen, scheint es, als seien sie recht bald nach der Herstellung aufgetragen worden. Man wird von ihnen also wohl kaum mehr als die Aufhellung lokaler Einzelhandelsbedingungen erwarten können. Ganz offensichtlich aber war mit der Töpferei Geld zu machen, und es zeigt sich deutlich, daß attische Werkstätten sorgfältig den Markt studierten und ihre Produktion darauf abstellten, diesen zu befriedigen - hier sind vor allem die tyrrhenischen Amphoren und die Nachahmungen etruskischer Vasenformen aus der Werkstatt des Nikosthenes und Pamphaios zu nennen, die für den etruskischen Markt hergestellt worden waren. Der Status einiger erfolgreicher Töpfer mag also durch Reichtum erworben worden sein. Wir haben keinerlei Grund anzunehmen, daß archaische Vasenmaler Hochschätzung als Künstler genossen, wie es vielleicht bei den Bildhauern oder Architekten der Fall gewesen sein mag; wir können jedoch vermuten, daß einige unserer Vasenmaler auch in anderen und bedeutenderen Kunstzweigen tätig waren. Das alles sind Themen, auf die wir an gegebener Stelle im Verlauf unserer Ausführungen zurückkommen werden. Was das Töpferviertel in Athen selbst betrifft, so müssen wir noch die Grabungsergebnisse abwarten, und diese Ergebnisse werden vielleicht spärlich sein. Es lag in dem heute überbauten Gebiet zwischen dem Grabungsgelände der Amerikaner in der Agora und dem der Deutschen am Dipylon. Es mag allzu einfach, ja sogar unwissenschaftlich erscheinen, wenn wir hier einmal der Phantasie freien Lauf lassen, aber es entgeht uns viel an Verständnis für die Antike, wenn wir zu13

lassen, daß Listen und Formeln und vorgebliche Parallelerscheinungen die Forschung beherrschen. Schließlich waren es Exekias und Amasis - Männer, und keine Typenbezeichnungen -, die damals sicherlich nicht weit voneinander entfernt auf ihren Werkbänken saßen und täglich aneinander vorbei gingen; die eleganten jungen Männer, die Politiker, die Dichter und Soldaten Athens schlenderten an ihren Verkaufsständell vorüber, nickten beifällig den leuchtenden Vasen zu, die frisch aus dem Töpferofen kamen, lobten ein Motto, das eine gerade allgemein beliebte Schönheit pries, lächelten über viele Anspielungen auf das tägliche Leben und aktuelles politisches Geschehen, die wir heute nicht verstehen, und erfreuten sich an der ersten wirklich populären figürlichen Kunst des Altertums.

i Frühattische Amphora aus Eleusis. Odysseus und Polyphem

U

2 Protokorinthische Olpe. H. 32

2. Kapitel DIE ANFÄNGE DER SCHWARZFIGURIGEN VASENMALEREI IN ATHEN

Den Vasenmalern Athens gelang es um die Mitte des 7. Jhs., Bilder von einer nicht nur durch den Maßstab, sondern auch durch die Komposition bewirkten Monumentalität zu schaffen, mit denen sich die miniaturhaften Darstellungen der Korinther, auch wenn sie mit disziplinierterer und präziserer Technik gemalt sind, nicht messen konnten. Der athenische Maler kannte die neue Technik sehr wohl, denn im Gegensatz zu seinen eigenen Produkten, die nie über Ägina oder die Inseln hinaus exportiert wurden, fanden die korinthischen Vasen eine weite Verbreitung und waren selbst in Athen erhältlich. Er hatte auch durchaus nichts dagegen, die Technik der Ritzung bei der Darstellung von Details, wie etwa Haaroder Anatomieangaben, anzuwenden; so etwa in dem berühmten Bild von Odysseus und Polyphem auf der Amphora aus Eleusis, das unmittelbar vor der Jahrhundertmitte entstanden ist [i ]. Auf späteren Vasen wird die Ritzung noch reichlicher angewendet, und zusätzlich zu der weißen Deckfarbe, die gelegentlich für Detailangabcn benützt wird, tritt nun auch rote Deckfarbe auf, wie sie die Korinther verwenden; in den joerJahren des 7.Jhs. lassen sich dann die ersten athenischen Maler feststellen, die für alle ihre figürlichen Darstellungen die schwarzfigurige Technik heranziehen. Das herrschende Dekorationssystem der korinthischen Vasen war das des Tierfrieses [2], und wie es scheint, brachte die Übernahme der schwarzfigurigen Technik auch die korinthische Vorliebe für dieses Schema in gewissem Maße mit nach Athen. Viele der frühen schwarzfigurigen Vasen aus Athen zeigen die Darstellung eindrucksvoller, großformatiger Tierfiguren in heraldischer Anordnung, die erkennen lassen, daß man dieses Thema und die Präzision der Zeichnung hier mindestens ebenso beherrschte wie in Korinth; in zunehmendem Maße jedoch greift man während der ersten beiden Generationen, in denen die schwarzfigurige Technik in Athen angewendet wurde, zum Tierfries, um kleinere Vasen oder ausgedehnte Flächen auf großformatigen Vasen zu verzieren. Einige wenige Maler konnten sich dieser Beschränkung des Repertoires entziehen und gut komponierte erzählende Darstellungen bringen; die Qualität der Töpferarbeit dagegen bleibt immer auf gleich hohem Stand. Vielleicht war es wieder Korinth, das diesmal einen heilsamen Einfluß ausübte, einmal durch die Einführung neuer Formen (des Kolonettenkraters, der Schale), und zum anderen durch eine Reihe erzählender figürlicher Szenen, die vielleicht von den erzählenden Darstellungen der Peloponnes in anderen Kunstgattungen abhängig waren. Diese Vorbilder mögen die athenischen Maler ermutigt haben, sich wieder in stärkerem Maße den Möglich15

keiten des monumentalen Erzählungsbildes zuzuwenden, das ja im Grunde nie ganz verloren gegangen war. Gegen Ende der in diesem Kapitel geschilderten Phase fand die Vorherrschaft des Tierfrieses ihr Ende. Die Pioniere (etwa 635-600) Es gibt einen Maler, in dessen uns erhaltenen Bildern der Übergang von der Sprache der orientalisierenden, protoattischen Bilder zur voll ausgeprägten schwarzfigurigen Technik ganz deutlich wird. Es ist der MALER VON BERLIN A 34 (früher unter dem Namen Frauen-Maler bekannt). Zwei seiner Vasen stammen aus einem Fundkomplex aus Ägina (die meisten dieser Vasen kamen nach Berlin und sind heute zerstört oder verschollen), der uns einen tiefen Einblick in die beste protoattische Vasenmalerei gestattet. Auf diesen Bildern \y} sind die menschlichen Gesichter — darunter auch das Gesicht eines inschriftlich benannten Helden nach alter Manier in Umrißzeichnung wiedergegeben, die Gewänder sind mit roter und weißer Deckfarbe und Rosetten bedeckt, die den Hintergrund füllenden Ornamente bestehen aus orientalisierenden Zickzackmustern und Punktrosetten, und immer noch tritt das alte schwarz-weiße Strahlenmuster auf. Der Rest jedoch ist in schwarzfiguriger Technik unter reichlicher Zugabe von Rot und Weiß gemalt. Andere Bilder von seiner Hand aus Athen zeigen, wie er die Umrißzeichnung dadurch ersetzte, daß er Weiß auf Schwarz aufmalte, wie es dann bei der ausgeprägten schwarzfigurigen Zeichenweise der Fall ist - etwa bei den Gesichtern seiner Sphingen [4] -, und während die Füllornamente die gleichen bleiben, nähern sich die begleitenden Ornamentbänder stärker jenen der spätprotokorinthischen Vasen aus den Jahren um 630 an. Wahrscheinlich arbeitete er in den Jahren um 630, um 620 allerdings war er wohl nicht mehr tätig, da keine Anzeichen für einen Einfluß des voll entwickelten korinthischen schwarzfigurigen Stils festzustellen sind. Seine Menschendarstellungen stehen noch ganz in der athenischen Tradition, seine Tierbilder jedoch erweisen sich in ihrer neuen Technik und Monumentalität als etwas Neuartiges. Schon allein in ihrer Größe und ihrer Unmittelbarkeit können sie sich mit jedem Erzeugnis Korinths aus dieser Zeit messen, obwohl eine gewisse Steifheit und Strenge des Konturs - etwa in der Wiedergabe von Flügelfedern - noch spürbar bleibt. Der Maler von Berlin A 34 war fraglos ein Pionier und als solcher kann er eine wichtige Stellung in der Geschichte der Vasenmalerei Athens beanspruchen, aber es waren doch seine Nachfolger, die die neuen Ausdrucksmittel in Athen durchsetzten und einem neuen Stil die Richtung wiesen. Die erste »Persönlichkeit« in der Geschichte der schwarzfigurigen Vasenmalerei Athens, die von der modernen Forschung erkannt werden konnte, ist der NESSOS-MALEH, so bezeichnet nach seiner Amphora in Athen, die auf dem Bauch Gorgonen und auf dem Hals Herakles im Kampf mit Nessos zeigt (der Maler schreibt »Netos«; Beazley wählte die vollständige attische Form des Namens: Nettos. Ich ziehe die geläufige griechische Form vor). Ein früherer Meister des Tierstils ließ sich anhand von Funden aus Athen und Ägina identifizieren; er 16

wurde auf Grund des Themas zweier seiner Darstellungen [7] Chimaira-Maler genannt. Weitere Funde in Athen und vor allem im ländlichen attischen Friedhof von Vari haben erwiesen, daß es sich dabei um ein und denselben Künstler handelt, und erst so kann seine Bedeutung nun richtig eingeschätzt werden. Beazley nannte ihn nach dieser Entdeckung den Chimaira und Nettos-Maler, doch ich führe ihn nur unter dem ersten Namen, der ihm gegeben wurde, als Nessos-Maler. Seine frühesten Vasen ähneln mitihren »protokorinthischen« Füllornamenten denen des Malers von Berlin A 34. Auf der Schulter der Vase jedoch, die ihm den Namen gab [5], finden wir jenes pflanzliche Ornamentband, das der protokorinthische Maler normalerweise in Umrißzeichnung wiedergab, in neuartiger, schwarzfiguriger Darstellungsweise aufgetragen. Bei späteren Werken übernimmt er dann gelegentlich die durch Ritzung gegliederten Rosetten, wie sie im entwickelten schwarzfigurigen Stil Korinths üblich sind, und schließlich werden diese sogar die Regel, so daß wir annehmen dürfen, daß die Zeit seines Schaffens das letzte Viertel des 7. Jhs. umspannte, und er demnach den Übergang vom protokorinthischen zum vollentwickelten frühkorinthischen Stil miterlebte. Ebenso wie seine Figuren sind auch seine Vasen großformatig; zu nennen sind hier die Prachtstücke aus dem Fundkomplex von Vari - die gewaltigen Skyphos-Kratere (von i, 10 m Höhe), die oft mit einem gewölbten Deckel und hohen konischen Ständern versehen sind, seine Namensvase- eine große Halsamphora, und eine neue Erfindung aus dem Töpferviertel in Athen - die »Bauchamphora« mit einheitlich durchlaufendem Profil, die eine größere Bildfläche für figürliche Darstellung bietet, obwohl viele frühe Beispiele ein eigenes Bildfeld auf dem Hals beibehalten [8]. Die einzigen kleinformatigen Vasen, die er bemalte, weisen ebenfalls eine neue Form auf; es handelt sich um flache Schüsseln, die als Lekanen bezeichnet werden und deren Dekorationsschema ausschließlich aus Tierfriesen und Rundbildern im Gefäßinneren bestehen, die Gorgoneia oder Tierdarstellungen zeigen. Wenn er auch nicht vollständig auf die alte Umrißzeichnung verzichtete gelegentlich etwa bei der Darstellung von Frauengesichtern, von Löwenzähnen oder von Gorgoneia (überhaupt dauerte es lange, bis diese Technik gänzlich überwunden war) -, so entwickelte er doch differenzierte neue Darstellungsregeln für die schwarzfigurige Malerei, indem er etwa die doppelte oder dreifache Ritzlinie zur Hervorhebung wichtiger Details einführte, wo die kleineren korinthischen Tierfiguren immer nur einzelne Ritzlinien aufweisen. Die doppelte Schulterlinie wird bald, ebenso wie die ausführlichere Detailzeichnung bei Tierköpfen und gliedern, zum Kennzeichen der attischen Malerei. Vor allem aber beherrscht der Nessos-Maler die Technik, massive Körper durch eingeritzte Oberflächenmuster wie Locken, Schuppen, Federn oder K reise aufzulockern. Nur selten verwendet er weiße Deckfarbe - allenfalls zur Angabe jener Punktlinien, wie sie die Korinther lieben, oder zur Charakterisierung des weiblichen Inkarnats -, dafür aber liebt er die großflächige Anwendung der roten Farbe, oder er verwendet sie alternierend mit Schwarz für die Zeichnung von Flügelfedern, aber auch bei Gesichtern von Männern und gelegentlich bei Ungeheuern. Hier mag jene in der ägyptischen Kunst verankerte Konvention »männlich = rot, weiblich = weiß« unmittelbaren Einfluß ausgeübt haben, denn diese Farbgebung stellt den einzigen realistischen i?

Zug in der sonst vom Farblichen her so unrealistischen schwarzfigurigcn Technik dar. Was der Nessos-Maler in bezug auf seine Füllornamente Korinth verdankte, wurde oben bereits angedeutet, daneben treten aber auch schwarzfigurige Versionen jener zierlichen Palmettenranken auf, wie wir sie von frühattischen und insclgriechischen Vasen her kennen. Die heraldisch angeordneten Tiere auf seinen großen Vasen gebärden sich höchst würdevoll und eignen sich hervorragend für die ausladenden Gefäßkörper oder sich wölbenden Deckel, die sie schmücken. Für kleinere Friese lassen sie sich ohne Schwierigkeiten reduzieren, und wir treffen unter ihnen auch jene Darstellungen grasender Pferde an, die auf athenischen Vasen seit geometrischer Zeit beliebt, in Korinth aber immer selten geblieben sind. Seine mythologischen Szenen besitzen die ganze Monumentalität der frühattischen Bilder, doch hat er von Korinth gelernt, seine Figuren sich mit einer neuen, kunstvollen Selbstverständlichkeit bewegen zu lassen; er kann größere Flächen seiner Gefäße mythologischen Darstellungen widmen, auch indem er nur Auszüge aus geläufigen Szenen bringt wie im Falle seiner Namensvase, wo die Gorgo-Schwestern ihren Gegenspieler vermissen lassen. Es ist dem Nessos-Maler gelungen, die besten Züge der athenischen Maltradition mit den neuen Themen und Maltechnikcn Korinths zu verbinden. Von seinen Zeitgenossen ist der PIRÄUS-MALER zu nennen; seine Namensvase [9] ist früh entstanden und zeigt noch steife, recht unbeholfene Figuren, von denen nur die Tiere ein sicheres Gefühl für Proportion und Anlage erkennen lassen. Man beachte, wie die Lefzen des Löwen zu einer Volute und Schnecke stilisiert sind. Andere, etwa der BELLEROPHON-MALER, stopfen die Bildflächen ihrer großen Gefäße mit Figuren und Füllornamenten voll, die sich nur noch schwer voneinander unterscheiden lassen, während der LÖWEN-MALER mit seinen kahlköpfigen, sorgenvollen Löwen \io] eine Qualität zeigt, die uns bedauern läßt, daß nur so wenige Werke von seiner Hand auf uns gekommen sind. Im ganzen gesehen jedoch war die Herstellung figürlich bemalter Vasen im Athen jener Jahre alles andere als lebhaft, und mit Ausnahme einer Vase von der Hand des Nessos-Malers, die in Etrurien gefunden wurde, kennen wir kein einziges Beispiel, das über Athen oder das nahegelegene Ägina hinausgelangt wäre. Eine athenische Schüssel aus der Zeit um 620 wurde offenbar von einem eingewanderten oder durchreisenden Korinther bemalt; sie ruft uns ins Gedächtnis zurück, wo auch zu jener Zeit noch immer das leitende Zentrum auf dem Gebiet der Vasenmalerei lag.

Vom Gorgo-Maler bis Sophilos (etwa 600-570) Die Anfangsjahre des 6. Jhs. sahen manchen Wandel im Leben des Athener Töpfervicrtels. Nicht nur wird eine Reihe neuer Vasenformen und Dekorationsschemata eingeführt, sondern die leitende und vorbildhafte Rolle Korinths läßt sich nun nicht mehr nur an der Tatsache ablesen, daß die Tierfriesdekoration allgemein als verbindlich anerkannt wird, sondern auch daran, daß nun die athenischen Vasen zum erstenmal auf den Märkten der griechischen Welt in eine Konkurrenz mit den Erzeugnissen Korinths eintreten; Vasen aus Athen finden sich nun vom Schwarzen Meer bis nach Libyen, von Spanien bis nach Syrien. 18

Der GORGO-MALER (etwa von 600 bis 580) war der produktivste Nachfolger des Nessos-Malers. Nur selten bringt er mythologische Szenen und menschliche Figuren [ii], und wenn solche auftreten, werden sie immer von Tieren oder Tierfriesen begleitet. Andere Vasen zeigen nur Tierfriese oder einzelne Tiere [12-14], doch sind sie vielfach weitaus kleiner als die des späten 7. Jhs. Die Zeichnung ist immer noch präzise; besonders charakteristisch sind seine Löwen durch ihre eckigen Schnauzen, ihr zähnebleckendcs Grinsen, durch ihre schraffierten Stirnlocken und die sich häufig überdeckenden Endzotteln der Rückenmähne. Vogelschwingen werden mit sorgfältig wiedergcgebenen Reihen kleiner Federn ausgestattet. Einige der alten Punktrosetten fristen noch ihr Dasein auf den Bildfeldern und auch die alten Rosettenbändcr sind noch nicht in Vergessenheit geraten; daneben aber entwickelt sich eine neue Art pflanzlicher Schmuckbänder mit eckigen Lotosblüten, deren Kelchblätter - zumindest in Friesen - nur noch selten weit ausschwingen, und sorgsam in die Zwischenräumc eingefügten Palmetten, in ausgewogener Weise mit den Blüten verflochten, die häufig durch Wellenlinien verziert werden. Seine seltenen Menschendarstellungen sind steif und manieriert, doch zeigt seine Namensvase den ersten ausführlichen Figurenfries [n]: eine Kampfszene und die Gorgonen bei der Verfolgung des Perseus, den der Nessos-Maler ja bei der Schilderung desselben Themas auf seiner Namensvase fortgelassen hatte. Das große Dinosbecken, das auf einem gesondert gearbeiteten Ständer ruht, bringt neben dem Figurenfries neun Tierfriese und fünf reine Pflanzenfriese. Weitere neue Formen, die hier erwähnt werden müssen, bilden die Lekythen der »Deianeira-Gruppe mit länglich-eiförmigen Körpern, die oft von Malern aus der Werkstatt des Gorgo-Malers verziert wurden [15, 16]; ihr Stil ist flüchtiger als der ihres Meisters, doch bereichern ihre phantasievoll zusammengestellten Figurenszenen das eher nüchterne Repertoire des Gorgo-Malers. Der Meister selbst bemalte eine Frühform der Lekythos mit kugeligem Körper [14], die - nur in ihrer Form - an die korinthischen Aryballen (Ölfläschchen) erinnert. Hinzu kommen Oinochoen mit verschiedenartig ausgebildeten Lippen (unter ihnen vor allem die Olpen [ij]), die zu dieser Zeit offenbar besonders beliebt waren, und außerdem Teller, Kothone und Miniaturamphoren (Amphoriskoi), die ihre Herkunft vom korinthischen Formenschatz deutlicher erkennen lassen. Obwohl der Gorgo-Maler ein Mann von ausgeprägter Eigenart war, wird doch deutlich, daß er sich in stärkerem Maße der Vorherrschaft der korinthischen Malweisen unterworfen hat; das Überwiegen der Tierfriesdekoration läßt für die schwarzfigurige Vasenmalerei Athens nichts Gutes ahnen. Ein älterer Zeitgenosse des Gorgo-Malers war der weniger produktive K ERAMEIKOS-MALER, der zwar einfacher, dafür aber flüssiger malte als jener. An seiner Olpe läßt sich die Bedeutung des Tierfrieses besonders gut demonstrieren, denn selbst diese kleine Vase wird nun in verschiedene Zonen aufgeteilt, und die vereinzelte mythologische Figur im oberen Fries wird von Löwen flankiert [17]. Aus demselben Umkreis stammt die Reihe der PFERDEKOPF-AMPHOREN, Gefäße in der neuen bauchigen Form, die auf beiden Seiten Pferdeprotomen zeigen [18]; ein vereinzeltes Beispiel bringt auf der einen Seite einen Frauenkopf in Umrißzeichnung. Diese Vasen verzichten auf den getrennten Halsfries der frühen 19

Bauchamphoren und spannen die Dekoration in ausgesparte rechteckige Bildfelder ein, während der Rest des Gefäßkörpers schwarz gedeckt wird - eine Schmuckform, die für diese Vasenform die gebräuchlichste werden sollte. Eine Reihe von Künstlern, und unter ihnen auch untalentierte, bemalten solche Pferdekopf-Amphoren (wir kennen mehr als 100), deren Bilder eine spezifische Bedeutung gehabt haben müssen; wahrscheinlich handelt es sich eher um Siegespreise als um Grabvasen, da eine ganze Anzahl von ihnen exportiert wurde. Eine von ihnen fand sich zusammen mit der namengebenden Vase des Nessos-Malers, doch in keinem einzigen Fall läßt sich mit Sicherheit nachweisen, daß eine solche Vase als Grabmal gedient hätte. Beazley war der Meinung, diese Gruppe reiche kaum über die Jahrhundertmitte hinab - möglicherweise aber war ihre Lebensdauer sogar noch kürzer, da sich kaum eine stilistische Entwicklung erkennen läßt; es ist verlockend, die panathenäischen Amphoren (Kapitel 7) in mancher Hinsicht als ihre Nachfolger zu betrachten. Die Künstler derKoMASTEN-GRUPPE (etwa 585-570) folgen auf den Gorgo-Maler. Sie gruppieren sich um zwei führende Meister, die von Beazley KX- und KY-Maler benannt wurden. Sie bemalen Vasenformen, die für Athen neu sind, und neben den Lekanen und Kothonen bevorzugen sie kleine Gefäße. Die für sie tätigen Töpfer kopierten die in Korinth heimische Komastenschale [21, 22] und jenen tieferen Schalentypus, der als Kotyle bezeichnet wird (die aus dieser Zeit stammenden Beispiele heißen in der Archäologensprache allerdings gewöhnlich Skyphoi); zusätzlich führte der KY-Maler - der jüngere und weniger talentierte von den beiden - den Kolonettenkrater ein, der das beliebteste Mischgefäß für Wasser und Wein werden sollte. Noch ein weiterer Schalentyp mit senkrechten Henkeln (der Kantharos) wird nun beliebt; dabei handelt es sich um eine ältere attische Form, die in Korinth nicht vertreten ist. Aus Korinth aber stammen die Komasten -jene munteren Tänzer mit sonnenverbrannten Gesichtern und Oberkörpern, die sich auf die Hinterteile klatschen und nackt oder in roten Leibchen auftreten; gelegentlich können sich ihnen auch Frauen anschließen [21-23]. Sie finden sich auf vielen korinthischen Vasen, unter denen allerdings Schalen weniger häufig sind als in Athen. Am häufigsten begegnen wir ihnen auf Schalen des KY-Malers oder schwächerer Künstler, die seiner Gruppe angehören, aber auch der KX-Maler stellt sie einige Male auf anderen Vasenformen - besonders auf Skyphoi - dar. Er bringt auch ein paar mythologische Szenen [20], doch auf der Mehrzahl seiner Vasen treten Tiere auf, die sich als sorgfältige und kräftige Versionen der Tiere des Gorgo-Malers erweisen, wobei sich vor allem die Löwen durch ihre großen Ohrlocken unterscheiden lassen [ig\. Seine Pflanzenornamentik erinnert an die frühere Art, wird aber schon etwa dünner. Die Schalen mit den Komastendarstellungen bilden die erste Gefäßgruppe aus Athen, die sich durchaus mit der stereotypen Produktion vieler korinthischer Werkstätten vergleichen läßt; sie hat sich weit über die griechische Welt verbreitet. SOPHILOS (etwa 580-570), der letzte aus dieser Generation von Vasenmalern, liefert uns den ersten »wirklichen« Namen. Er hat vier Vasen signiert; drei als Maler und eine als Töpfer, und er ist mit seinen Beischriften im allgemeinen großzügiger, als es seine Orthographie zu rechtfertigen scheint. Eine ganze Anzahl 20

großer Gefäße, besonders Dinoi und Amphoren, stammt von seiner Hand. Sein Malstil ist anspruchsvoll und lebendig, aber nur selten präzis [24-28]. Die meisten seiner Vasen zeigen Tierfriese, die allerdings schon recht degeneriert wirken, und seine Pflanzenornamente sprechen noch in der Sprache des Gorgo-Malers, wenn auch bereits auf sehr verflachte Weise. Mehr als seinen Vorgängern liegt ihm der Mythos am Herzen; hier zeigt er beträchtlichen Erfindungsgeist, etwa mit der Darstellung eines Wagenrennens vor einer lebhaften Zuschauermenge, die er etwas unbeholfen als »Leichenspiele für Patroklos« auszuzeichnen versucht [26]. Aber diese Szenen werden von den üblichen, qualitätlosen Tierfriesen begleitet, und das Dekorationsschema unterscheidet sich im Grunde nicht von dem des Gorgo-Malers. Wir haben bereits auf früheren athenischen Vasenbildern Gesichter in Umrißzeichnung gesehen, im Falle des Sophilos aber müssen wir es vielleicht doch korinthischem Einfluß zuschreiben, daß er gewöhnlich unbekleidete Teile des Frauenkörpers und manche Gewänder in Umrißzeichnung wiedergibt. Entgegen dem Brauch zeichnet er dabei mit roter Farbe und füllt dann mit Weiß [25}. Gleichzeitig läßt Sophilos erkennen, daß seine Ambitionen weiter reichten: auf zwei Dinoi (den einen davon hat vor kurzem das British Museum, London, erworben [24], den anderen kennen wir von Fragmenten, die auf der Akropolis in Athen gefunden wurden [23]) schildert er die Hochzeit des Peleus und der Thetis, die auf der fast gleichzeitigen Francois-Vase ihre neuartige und perfekte Formulierung erfuhr [46.3]. Zum erstenmal erleben wir damit, daß auf einer großen Vase ein langer, vielfiguriger Fries einem einzigen Thema gewidmet wird und nicht einer episodenhaften Mischung aus Mythos, Menschen- und Tierdarstellung, wie es auf der Namensvase des Gorgo-Malers der Fall war. Weiterhin kennen wir von der Hand des Sophilos einen Kelch (Kalyx), eine Gefäßform, die sehr selten auftritt [28], und das erste Beispiel jener Serien von Grabtafeln (Pinakes) mit Darstellungen trauernder Frauen. Einer seiner Nachfolger (nach Bcazley Sophilos selbst) bemalte die erste uns erhaltene Lebes Gamikos (eine Hochzeitsvase) mit dem für solche Vasen üblichen Bild eines Hochzeitszuges, wobei in diesem Fall, der ohne Parallelen bleibt, Helena und Menelaos zusammen mit den Brüdern der Braut auf Wagen fahrend dargestellt sind.

Andere Gruppen Der Friedhof von Vari bot reiche Funde aus dem Werk des Nessos-Malers, nicht so jedoch aus dem der eben behandelten Künstler. Es gibt aber noch einige weitere Künstler, deren Werk nur aus Funden im attischen Binnenland bekannt ist und die vielleicht nicht in Athen selbst gearbeitet haben. Jene Maler, die Vari belieferten, schmückten vor allem Lekanen mit Tierfriesen. Ich nenne hier nur den PANTHER-MALER [2p], der besonders Flechtbänder liebte (wie sie gelegentlich auch der Nessos-Maler verwendete) und den ANAGYRUS (= Vari)-MALER \jo], der andere Gefaßformen bemalte. Eleusis wurde von einem temperamentvolleren, wenn auch etwas altmodischen Maler beliefert (durch den MALER VON ELEUSIS 767), den man wohl zu recht als provinziell bezeichnen kann. Unter seinen Arbeiten finden 21

3 Kraterständer des Malers von Berlin A 34 (Namensvase) 4 Skyphoskrater des Malers von Berlin A 34. Sphinx

sich langhalsige Amphoren [jj ], eine Form, die vielleicht durch den Ritus bedingt war. Die Tiere und Sirenen des MALERS DER DRESDNER LEKANIS [52] wirken wie Karikaturen der Figuren des KX-Malers. Eine Reihe seiner Vasen ist aus hellerem Ton gefertigt, als er normalerweise in Attika verwendet wird, doch die meisten seiner Arbeiten stammen aus Athen selbst. Offenbar wanderte er von dort nach Böotien aus, wo sich sein Malstil dann etwas vergröberte und für uns auf verschiedenen Gefäßformen faßbar wird (»Pferdekopf-Gruppe«). Ein weiterer Maler mit ausgeprägter Handschrift ist der POLOS-MALER (etwa 575-565), der sich allerdings nie über das Mittelmaß erhebt. Er produzierte Unmengen von Vasen, die mit ganz entarteten Tierfriesen bemalt sind, und erhielt seinen Namen von den »Polos«-Kronen, wie sie mit Kreuzschraffur versehen seine Frauen, Sirenen und Sphingen auf dem Kopf tragen [53]. Wir kennen über 100 Vasen von seiner Hand, und unter den anspruchsloseren Käufern der griechischen Welt waren sie weit verbreitet, außer im Westen, wo sie offenbar nicht recht Fuß fassen konnten. Er bevorzugte Lekanen und Teller, bemalte aber auch alle übrigen geläufigen Gefäßformen und zwar mit Vorliebe in der Gestalt von Miniaturgefäßen. Ein früherer Vertreter dieses recht flüchtigen korinthisierenden Stils ist die RAGUSA-GRUPPE. 22

Sehen wir von den Arbeiten der Künstler ab, die nicht in der Hauptstadt tätig waren, sondern in lokalen Werkstätten, wie wir sie m Vari und Eleusis fassen konnten, so erlangten die Vasen des Gorgo-Malers und seiner Nachfolger bald einen beträchtlichen Anteil am Keramikhandel der griechischen Welt, wobei sie sich vor allem der K onkurrenz der korinthischen Vasen stellen mußten. Naukratis in Ägypten, Rhodos und Mittelitalien bildeten die frühcsten bedeutenden Handelsumschlagplätze, aber Arbeiten aus der Komasten-Gruppe sind selbst in Korinth und in der spartanischen Kolonie Tarent vertreten, Vasen des Sophilos gelangten bis zum Schwarzen Meer und bis nach Syrien und Werke des Polos-Malers fanden sich in reicher Anzahl in den Kolonien der Kyrenaika (Libyen). Die athenischen Malstile beginnen nun auch andere Schulen zu beeinflussen, und wir kennen Imitationen von Bildern des Gorgo- und KX-Malers aus Böotien; von jenem Maler, der nach Böotien emigrierte, haben wir bereits oben gesprochen. Das Töpferviertel Athens beginnt erfolgreich zu exportieren und wird nun, nachdem es sich endgültig von der Dekorationsweise des Tierfrieses freigemacht hat, bald allenthalben in Griechenland und seinen Kolonien die Märkte überschwemmen und die Malweisen bestimmen.

3 Halsamphora des Nessos-Malers (Namensvase). 5.1: Hals: Herakles kämpft mit Nessos, 5.2: Körper: Die Gorgonen

6 Skyphoskrater des Nessos-Malers. H. 110. 6.1: Gesamtansicht, 6.2: Körper: Herakles befreit Prometheus 7 Skyphoskrater des Nessos-Malers. Bellerophon und die Chimaim

8 Bauchamphora des Nessos-Malers. Löwen und Greifen. H. jg

p Halsamphora (Namensvase)

(Körper)

des Piräus-Malers

10 Fragment des Löwen-Malers

11 Dinos und Ständer des Gorgo-Malers (Namensvase) . H. 93. n.i: Gesamtansicht. 11.2: Schulter: Die Gorgonen und Perseus

12 Bauchamphora des Gorgo-Malers

ij Olpe des Gorgo-Malers. H. 26,3 14 Kugelige Lekythos des Gorgo-Malers. H. 17 15 Deianeira-Lekytho s in der Art des Gorgo-Malers. Satyr auf einem Maultier und Frau

16 Deianeira-Lekythos in der Art des Gorgo-Malers. 16.1: Gesamtansicht 16.2: Schulter: Herakles kämpft mit Nereus

liliifv»1-' ,»•»•'« » t r 4

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Olpe des Kerame i kos-Malers. Aristaios

18 Pferdekopfamphora.

H. 3

ig Lekane vom KX-Maler

20 Lekane des KX-Malers. Achüleus erhält die von Thetis 21 Schale in der Art des KX-Malers.

Waffen

Komasten. H.

22 Schale der Komasten-Gruppe. Komast und Frau 23 Skyphos des KY-Malers. Komasten

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24 Dinos und Ständer, signiert von Sophilos. Hochzeit von Peleus und Thetis. kl.

25. L, 2 Fragmente eines Dinos, signiert von Sophilos. Hochzeit von Peleus und Thetis

z6 Fragment eines Dinos, signiert von Sophilos. Leichenspiele zu Ehren des Patroklos 2j Halsamphora des Sophilos. H. 39 28 Kelch des Sophilos. H. 15 29 Lekane des Panther-Malers. Br. 39,3

30 Kelch des Anagyrus-Malers

31 Halsamphora des Malers von Eleusis 767 (Namcnsvase)

32 Halsamphora des Malers der Dresdner Lekanis

33 Dreifußkothon 10,6

des Polos-Malers. H.

3. Kapitel KLEITIAS, MALER VON SIANASCHALEN UND ANDERE

Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo sich das Hauptinteresse der besseren Maler in Athen deutlich der Schilderung mythologischer oder anderer Figurenszenen zuwendet. Tierfriese werden auf untergeordnete Stellen der Gefäße verdrängt, und nur sehr wenige von den Malern, denen wir in den folgenden Kapiteln begegnen (etwa Lydos und einige Schalen-Maler) sind noch willens, Vasen mit Tierfriesverzierung Überlegung und Sorgfalt zu widmen. Diese Ablehnung des Tierfriesstiles fuhrt uns das Meisterwerk des Kleitias, die Francois-Vase, vor Augen [46]', da diese fast unbeschädigt erhalten blieb, ist sie in unseren Augen zu einem wesentlichen Denkmal der athenischen Vasenmalerei geworden, zu seiner Zeit ebenso stilbildend, wie es heute lehrreich ist. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Bedeutung dessen zu übertreiben, was uns erhalten geblieben ist. In der Tat führt uns die Francois-Vase den neuen Malstil in voller Ausprägung vor Augen, doch darf dabei die doppelte Wurzel, aus der sie entsprang, nicht übersehen werden: erstens jene Maler von Dinoi vom Gorgo-Maler bis zu Sophilos, die die Tradition eines ausführlichen, die Vase umlaufenden Figurenfrieses entwickelt hatten; zweitens aber in vielleicht nicht geringerem Maße die Schalenmaler, die die Neuerungen der Komasten-Maler weiterführten und anfingen, die Tierfiguren regelmäßig durch Menschendarstellungen zu ersetzen und manchmal den Mythos heranzuziehen. Die Friese der Francois-Vase ähneln in Format und Komposition eher den Friesen auf Schalen als den großformatigen Bildern auf den Kratcren aus Korinth oder Athen, und auch die übrigen Werke der beiden Männer, die diese Vasen schufen, zeigen meistens eine miniaturistische Handschrift. Die Schalenmaler dürfen also eine wichtige Stellung in der Geschichte der Vasenmalerei beanspruchen, und zwar weniger ihrer Qualität als vielmehr der Tatsache wegen, daß sich für diese Zeitspanne an ihrem Werk Kontinuität und Wandel in der Vasenmalerei Athens am deutlichsten verfolgen lassen. Sianaschalen-Maler (etwa 575-555) Die Reihe der bemalten schwarzfigurigen Schalen aus Athen läßt sich nicht ohne Rückblick auf die unverzierten Beispiele verstehen; diese waren innen und außen schwarz gedeckt mit Ausnahme der Lippe und der Henkelzone, wo knapp unterhalb der Lippe ein umlaufender Streifen angebracht war und tiefer am Körper ein Streifen ausgespart blieb. Es handelt sich um sorgfältig gearbeitete Vasen, die viel exportiert wurden und die mit unverzierten Beispielen der korinthisierenden 34

Komasten-Schalen ihren Anfang nehmen [21, 22]. Diese einfachen »schwarzgefirnißten« Schalen (wie sie immer noch oft fälschlich genannt werden) sind jedoch auch in vielen anderen griechischen Fabrikationszentren, einschließlich Korinth und Ostgriechenland gebräuchlich. Wir können sehen, daß die athenischen Töpfer die Vorbilder für ihre unverzierten Schalen mit höheren Lippen und Füßen, als sie die Komastenschalen aufzuweisen haben, und den im Inneren aufgetragenen Gruppen feiner konzentrischer Ringe anfangs aus Korinth und dann aus Ostgriechenland bezogen. Die figürlich verzierten Beispiele dieser Gruppe nennen wir (nach einem Friedhof auf Rhodos) »Siana«-Schalen. Das eine oder andere Exemplar dieser neuen Form wurde noch von den letzten Malern der Komasten-Gruppe verziert, und es läßt sich ein Künstler identifizieren, der die Form der entwickelten Komastenschale mit Merkmalen der ostgriechischen Schalen verbindet (feine Linien, die im Inneren des hohlen Fußes aufgemalt werden). Sein Zeichenstil aber schließt sich der Reihe der Sianaschalen an, und entsprechend der neuen Dekorationsweise verziert er das Innere seiner Schalen und läßt die Außenseite manchmal unbemalt. Es handelt sich dabei um den MALER VON ATHEN 533, dessen Namensvase [34] die Perfektion der alten Komastenschalenform mit dem figürlich gestalteten Rundbild im Schaleninneren verbindet, dem wir bisher in Athen nur bei Lekanen begegnet sind. Die Einfassung des Bildes durch feine Reifen ist wahrscheinlich von den unverzierten Schalen übernommen. Was seine Tierdarstellungen angeht, so wirken seine Löwen wie Kreuzungen aus korinthischen und solchen des KX-Malers, seine Henkelpalmetten jedoch weisen bereits auf manche Siana- und Kleinmeisterschalen voraus. (Schalen dieser Gattung werden manchmal als ST-Schalen bezeichnet.) Es gibt zwei Dekorationssysteme für Sianaschalen: das der »Doppeldekker« [35, 40, 42] - hier sind auf der Lippe meist Pflanzenmuster, bestehend aus Efeu- oder Lorbeerzweigen wie auf vielen ostgriechischen Schalen, seltener dagegen Tierdarstellungen angebracht, und in der Henkelzone treten Figurendarstellungen auf, die manchmal durch Henkelpalmetten flankiert werden - und das der »Knickfries«-Schalen (»overlap«) [36, 39, 44-5] -hier reichen die Figuren sowohl über Henkelzone wie Lippe hinweg, werden jedoch immer noch durch die unvermeidliche schwarze Linie zerschnitten, die knapp unterhalb der Lippe umläuft. Der Unterteil des Schalenkörpers kann einen ausgesparten Streifen aufweisen, der durch dünne Linien gefüllt wird - wieder ein ostgriechischer Zug - oder auch Schmuckbänder mit Zungen-, Strahlen- oder Pflanzenmustern, wobei man im letzteren Fall manchmal lieber plumpe Knospen und Blüten als ein Lotos-Palmettengeschlinge anbringt. Bis zu einem Dreiviertel des Schaleninneren kann durch ein Rundbild mit Tier- oder Menschendarstellung ausgefüllt werden, das gewöhnlich durch Zungenmuster eingefaßt wird [41-2, 45]. In dieser Art hatten die Korinther ihre Schalen geschmückt, der C-Maler aber fügt nun noch Punkte und anders gemusterte Reifen hinzu, um so mehr von der Schaleninnenfläche zu füllen. Die Unterseite des Fußes wird sorgfältig ausgearbeitet und manchmal mit aufgemalten Streifen versehen. Es sind anmutige Gefäße, die sich nur allmählich von ihren korinthischen Vorbildern entfernen, indem sie Fuß und Lippe erhöhen und den figürlich verzierten Fries verbreitern. 35

Der maßgebliche Sianaschalen-Maler war der C-MALER jjj—j#] (wobei C für »Corinthianising« = korinthisierend steht). Er bemalte noch einige alte Gefäßformen, wie sie in der Komasten-Gruppe verwendet wurden - Lekanen, Dreifußkothone [j5], Skyphoi -, seine Lekythen jedoch weisen eine ausgeprägte Schulter auf und gehören nicht mehr dem alten, ovalen »Deianeira«-Typan, der in anderen Werkstätten noch fortlebte, und wir kennen von seiner Hand bemalte Beispiele der ersten athenischen Schale ohne abgesetzte Lippe- der »Knopfhenkel«-Schale -, die sich aus einem fast halbkugeligen Körper, aus mit Knöpfen versehenen, gabelbeinformigen Henkeln und gewöhnlich einem hohen Fuß zusammensetzt [37]. Diese Form kann Paare dünner roter Streifen auf ihrem Fuß und in ihrem Inneren tragen, wie wir sie von ostgriechischen Schalen und anderen athenischen schwarzgedeckten Gefäßen her kennen, und es scheint sich bei ihr um eine verfeinerte Nachahmung eines ländlichen, hölzernen Trinkgefäßes zu handeln. Es sind nur sehr wenige Beispiele dieser Vasenform erhalten, von denen eines - eine fußlose Variante - vom Maler von Athen 533 bemalt wurde; vielleicht war er (oder Ergotimos, siehe unten) der Erfinder dieser Form. Der C-Maler bezieht die meisten seiner Darstellungsthemen aus Korinth - Krieger im Zweikampf, Reiter, Symposien, und auch die Komasten sind nicht in Vergessenheit geraten; er wendet die Farben wie ein Korinther an, legt aber das Deckweiß nach attischer Art auf den schwarzen Untergrund auf, während der Korinther das weibliche Inkarnat in Umrißzeichnung wiedergibt. Seine mythologischen Szenen jedoch haben mit den korinthischen kaum etwas oder gar nichts zu tun, und er entwickelt sie gleich gekonnt sowohl in langen Friesen, die an den Gorgo-Maler oder den viel differenzierteren Kleitias erinnern, als auch in Bildfeldern, wie auf dem breiten Fuß eines Dreifußkothons, auf dem er ein Parisurteil darstellt. Seine Figuren sind sorgfältig angelegt und zeichnen sich durch große Köpfe und eine gewisse geballte Kraft aus. Besonders charakteristisch sind seine aus Tierköpfen bestehenden Schildzeichen [57]. Wohl gegen Ende seiner Laufbahn bringt seine Werkstatt Schalen hervor, die der Form nach stark den Randschalen der Kleinmeister ähneln, die aber nach Siana-Art verziert sind. Auf einem dieser Stücke läßt unser Künstler Satyrn gemeinsam mit den Gorgonen den Perseus verfolgen, der eine Tasche davon trägt, die nur ein Miniatur-Medusenhaupt enthalten kann. Aus diesen Bildern atmet ein neuer Geist, den Künstler wie der Amasis-Maler um die Jahrhundertmitte deutlicher zum Ausdruck brachten. Der HEIDELBERG-MALER [59-4)] ist ein weitaus höher entwickelter Künstler, dessen detailreichere Figurenzeichnungen, die einen breiteren Raum auf seinen Schalen einnehmen, von einem beträchtlichen Anspruch zeugen. Dafür war jedoch seine Variationsbreite geringer; er bleibt stärker auf die Schalenmalerei beschränkt und zeichnet häufig recht flüchtig. Auch er kommt, was seinen Stil betrifft, von den letzten Vertretern der Komastengruppe her, doch arbeitet er später in einer Art, die sich nur schwer von der der anspruchsloseren Frühwerke des Amasis-Malcrs unterscheiden läßt (s.S.6i): man achte auf die kühnen Gesichter, die großen Augen, die komplizierten Gcwandmuster und die fransenverzierten Säume. Von den übrigen Malern, die Sianaschalen verzierten, zeigt nur noch der MALER 36

VON BOSTON CA (CA steht für Circe und Acheloos, die auf seiner Namensvase auftreten) nennenswerte Qualität. Sein Stil weist einige Ähnlichkeit mit dem des C-Malers [42] auf; manche seiner Sianaschalen haben schwarz gedeckte Lippen wie die späteren Bandschalen, und das Pflanzenornament auf einer von ihnen zeigt noch Form und Proportionen jener Arbeiten aus der Komasten-Gruppe. Der SANDALEN-MALER und der CIVICO-MALER [44] sind flüchtig arbeitende Nachläufer; ihre Figuren haben winzige Augen und kleine Köpfe und ihrer Zeichnung fehlt jede Feinheit. Der erstere hat auch Schul terlekythen bemalt [43}, eine Gefäßform, die auch vom C-Maler nicht unbemerkt geblieben ist. Der GREIFENVOGEL-MALER (Griffm-Bird Painter) begnügt sich meist mit recht flüchtig gemalten Tieren und Pflanzenornamenten, und auch seine Innenbilder verzichten auf jedes einfallsreiche Einfassungsmuster. Er war jedoch sehr produktiv, und das Ungeheuer, das ihm zu seinem Namen verhelfen hat [45], kennzeichnet auch eine gleichzeitige umfangreiche Gruppe anspruchloser korinthischer Schalen. Die Sianaschalen fanden weite Verbreitung in der griechischen Welt, und es ist aufschlußreich, wie gut sie selbst in Korinth und besonders im griechischen Westen - hier vor allem in Tarent - ankamen. Das gilt selbst für Sianaschalen, die von Malern großer Gefäße wie Lydos (s. nächstes Kapitel) bemalt worden waren, deren übrige Arbeiten sich offenbar nicht in der gleichen Weise verkaufen ließen. Es ergeben sich hier Anzeichen für eine gewisse Spezialisierung in Produktion und Handel. Kleitias Die Francois-Vase [46] wurde 1845 von Alessandro Francois in Chiusi in Etrurien gefunden; ihr Entdecker verbrachte noch mehrere Jahre nach ihrer Auffindung damit, nach fehlenden Fragmenten zu suchen. Im Jahre 1900 zerschlug sie ein unzufriedener Museumsangestellter in Florenz in 638 Fragmente, doch wurde sie sorgfältig wiederhergestellt. Sie hat auch die erst kürzlich erfolgte Überschwemmung überlebt, die anderen Ausstellungsstücken des Museums so übel mitspielte, wird aber gegenwärtig wieder restauriert. Es handelt sich um einen Volutenkrater, der hier zum erstenmal in Ton gebildet und von seinem Töpfer Ergotimos wie auch von seinem Maler Kleitias jeweils zweimal stolz signiert wurde. Einige wichtige Angaben: der Krater ist 66 cm hoch, trägt 270 Menschen- und Tierdarstellungen und I2i Inschriften, von denen einige-selbstbewußt und ganz unnötig - unbelebten Gegenständen wie dem Altar oder dem Brunnenhaus gelten. Nur ein Fries bringt Tiere und Pflanzenornamente, er befindet sich oberhalb des Fußes und zeigt heraldisch angeordnete Sphingen und Greifen [46.6] und Löwengruppen, die andere Tiere angreifen - ein Motiv, das in dieser Form zum erstenmal auf einer athenischen Vase auftritt und das die Tierfriese lange überleben sollte. Alle anderen Friese sind der Mythenerzählung gewidmet. Auf der einen Seite des Halses sehen wir die kalydonische Eberjagd [46.3], darüber die Leichspiele für Patroklos; auf der anderen Seite den Siegestanz des Theseus (den Geranos) mit den Jünglingen und Mädchen aus Athen, die er vor dem Minotauros gerettet hatte [46.4] und 37

darunter die Schlacht zwischen den Lapithen und Kentauren. Der Hauptfries, der die Schulter der ganzen Vase umspannt [46.5] und unter den Henkeln durchläuft, zeigt den Zug der Götter, die den jung verheirateten Peleus ehren; dieser steht vor seinem Haus, und in der geöffneten Tür können wir Thetis erkennen. Darunter folgt die Darstellung von der Verfolgung des Troilos durch Achilleus [46.5], die vor den Mauern Trojas stattfindet und Priamos zum Augenzeugen hat, und auf der Rückseite sehen wir eine bewegte Rückführung des Hephaistos [46.7] in die Gemeinschaft der olympischen Götter. Auf den Henkeln finden sich Darstellungen der Gorgo, der Artemis mit Tieren und des Ajas, der den toten Achilleus davonträgt [46.2], und der Fuß schließlich liefert zur Abwechslung eine komische Szene: den Kampf der Pygmäen mit den Kranichen [46.8]. Kleitias hat manches mit dem C-Maler in dessen besten Werken gemeinsam, doch ist er viel anspruchsvoller und ein Meister der Farbe und des Details, die er jedoch nicht um ihrer selbst willen schätzt. Vielmehr will er mit ihrer Hilfe unterschiedliche Oberflächenstrukturen (etwa bei den Tieren) kennzeichnen, einer prunkvollen Szene Pracht verleihen oder lebhafte Gemütsbewegung ausdrücken wie bei den jubelnden Athenern im Schiff [46.4] oder bei den gespannten Satyrn [46.7]. An seinen Pflanzenornamenten jedoch und an seiner Verwendung der Umrißzeichnung, die weiß gefüllt wird, wenn sie Frauenhaut angeben soll, und die manchmal auch bei Gewanddarstellungen auftritt, läßt sich erkennen, daß er aus der Tradition des Gorgo-Malers und Sophilos herkommt, und in der Tat hatte ja Sophilos - wohl einige Jahre früher- zwei ähnliche Darstellungen der großen Hochzeitsprozession gemalt. Aber während Sophilos die Oberfläche seiner Vasen mit Tierfriesen füllte, bedeckte Kleitias seinen Krater mit mythologischen Darstellungen in einer Glanzleistung, bei der es ihn Tage gekostet haben muß, die sorgfaltig angelegten Entwürfe auszuführen. Wir kennen keine andere Vase aus dieser Zeit, die sich an Reichtum und Erzählfreudigkeit mit ihr messen könnte, und das übrige Werk des Kleitias ist, wie schon angemerkt wurde, in erster Linie kleinformatig und erfolgte häufig in Zusammenarbeit mit dem Töpfer Ergotimos. Eine neue Form, die durch sie eingeführt wird, zeigt sich in der frühesten Gruppe der Kleinmeisterschalen. Diese »Gordion«-Schalen [108] (s. S. 65) lassen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit von den Werkstätten der Sianaschalen erkennen und könnten daraufhinweisen, daß man mit einem Datum um 570 das Meisterwerk des Kleitias und Ergotimos etwas zu früh ansetzt.

Andere Vasenmaler Um großformatige Bilder auf großformatigen Vasen kennenzulernen, wenden wir uns anderen Malern zu. Manche von ihnen sind dem Kleitias durchaus ebenbürtig, doch da sie mit jenen älteren Schulen, denen, wie wir sahen, sowohl Kleitias wie auch die Sianaschalen-Maler verpflichtet sind, weniger eng verbunden waren, konnten sie den zeitgenössischen Strömungen in der Vasendekoration klarer zum Ausdruck verhelfen. Auch sie bemalen noch einige der gewohnten Gefäßformen— Dinoi und Kolonettenkratere-, aber allmählich setzt sich die eiförmige 38

Halsamphora durch, die nur selten wie die Bauchamphora durch ein Bildfeld verziert wird, und gemeinsam mit ihr die Hydria in ihrer kugeligen Frühform. Bei der Namensvase des MALERS VON AKROPOLIS 606 (etwa 570-60) handelt es sich um einen schönen Dinos [47] mit der Darstellung einer lebhaften Kampfszene zwischen Kriegern und Streitwagen im Hauptfries, mit Tiergruppen, Reiterkämpfen und Pflanzenmustern in den Nebenfriesen und einem aus Tieren zusammengesetzten Wirbelmuster auf der Unterseite. Er hat genau wie Kleitias ein Auge für Details und Farben und übertrifft ihn in der geschickten Komposition dicht gedrängter, einander überschneidender Figuren. Er liebt die Details der Rüstungen, der Waffen und Helmbüsche und bemüht sich besonders um die Körperhaltungen seiner Gestalten, auch wenn ihm hier nicht immer alles vollständig gelingt (siehe etwa den gefallenen Krieger). Ernster und noch monumentaler wirken seine Reiter-Amphoren [48], die dem gewöhnlichen bauchigen Typus angehören, dabei aber die Bildfelddekoration der Pferdekopf-Amphoren aufweisen. Dieses Dekorationsschema erlaubt dem Künstler, einzelne Figuren oder in sich abgeschlossene Gruppen darzustellen, die nicht nur Bestandteil einer sich weiter entwickelnden Handlungsszene sind. Aber selbst hier müssen wir wohl den laufenden Hasen unter den Pferden als Andeutung der Schnelligkeit, und den eine Schlange tragenden Adler als Omen verstehen. NEARCHOS (etwa 570-555), der als Töpfer und als Maler signiert, ist dem eben besprochenen Künstler an Feinheit der Zeichnung ebenbürtig. Zusätzlich gelingt es ihm bei seinem Bild des die Pferde anschirrenden Achilleus [49], etwas von jener Würde spürbar werden zu lassen, die die Bilder eines Exekias auszeichnet. Dieses Bild schmückt einen großen Kantharos - eine Vasenform, die dieser Maler liebt —, und als Töpfer und Maler in einer Person demonstrierte Nearchos an ihm einige Neuerungen, die allerdings nicht alle als gelungen bezeichnet werden können: den weißen Grund unter dem Zungcnmuster auf der Lippe, und die weiße Deckung der Pferdekörper, die nicht ganz bis an die Konturen heranreicht, damit so der Eindruck eines schwarzen Umrisses erweckt wird. In einem anderen Fall kopiert er die Form eines korinthischen Aryballos, um dieses Gefäß dann mit einem winzigen Fries von Pygmäen und Kranichen und den Darstellungen von munteren Satyrn und anderen Figuren zu schmücken [50] (die ganze Vase ist nicht einmal 8 cm hoch). Wie Ergotimos stellte auch er Kleinmeisterschalen her und war also wohl auch nach 560 noch tätig. Die anderen Maler, die hier genannt werden müssen, bevorzugten die ovalen Halsamphoren und die kugeligen Hydrien. Der PTOON-MALER bemalt auch Sianaschalen; besonders liebt er Friese aus gegenständigen Palmetten und kräftige Schwarz-Rot-Muster auf Vogelflügeln. Er ist noch ein Maler des Tierfrieses - und hierin kaum besser als Sophilos - und setzt noch Klecksrosetten in den Hintergrund seiner Bilder; seine Pflanzenornamente jedoch mit Ösen- statt Knüpfverbindung und seine bekleideten Figuren, die so stark an Lydos erinnern, zeigen, daß er vielleicht etwas später anzusetzen ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag (etwa 565-555). Die Hearst-Hydria [51], wohl sein charakteristischstes Stück, befindet sich heute in New York. Der CAMTAR-MALER [32-3] (so benannt nach Vasen in Cambridge und Tarquinia) ist ein bescheidenerer und gleichfalls nur 39

scheinbar altertümlicher Maler. Auch er bringt Tierfriese und Pflanzenornamente, die noch durch Ranken verknüpft sind; Bauchamphoren schmückt er nach alter Art mit durchlaufenden Friesen statt mit Bildfeldern und sogar noch mit einer Rosettenreihe auf der Lippe [52]. Seine stämmigen, hölzernen Gestalten wirken derb-dekorativ. Zu seinen Eigenheiten gehört der Gebrauch von roter statt schwarzer Farbe für Inschriften (wie es auch oft bei Sophilos der Fall gewesen war) und die Gewohnheit, anstelle der bisher quer über die Lotosblüten geführten Wellenlinien nun Kreisreihen zu verwenden. Die meisten seiner Zeitgenossen hatten diese Schmuckbänder aufgegeben. Auch die BURGON-GRUPPE, die uns die erste vollständig erhaltene Panathenäische Amphora liefert [zg6] (auf die wir später zurückkommen werden), gehört hierher, und ein naher Verwandter ist der MALER VON LONDON B 76 [54, 55]. Auch er verwendet rote Buchstaben und bringt die gewohnten Tiere und Pflanzenmuster, gibt aber seinen Figurendarstellungen, die eher denen des Kreises um Lydos nahestehen, etwas mehr Farbe. Seine Fixierung auf den schmalen Themenbereich des trojanischen Sagenkreises führt uns vor Augen, daß das Repertoire der Vasenmaler mittlerweile einigermaßen festgelegt ist, und daß neben dem technischen Können jetzt vor allem auch das Streben nach Neuerungen und die Erfindungskraft den wahren Meister in seinem Handwerk kennzeichnen wird. Der Maler von London B 76 beispielsweise erklärt die konventionelle, frontal gesehene Wagendarstellung auf seiner Namens vase lediglich dadurch zur heroischen Szene, daß er Namen von Trojanern beischreibt [54]. Gekennzeichnet wird diese Periode durch ihre Vorliebe für farbige Blüten- und Knospenfriese, die an die älteren, gleichsam wie exotische Blumen von den Grundflächen der figürlichen Szenen aufwachsenden Füllornamente erinnern, und die in der Folgezeit nur noch in schwarzer Farbe und abgezehrter Form auftreten werden.

Tyrrhenische Amphoren (etwa 565-550) Die eiförmige Halsamphora -war für eine Reihe von Malern des 2. Viertels des 6. Jhs. die charakteristische Gefäßform. Die umfangreichste Einzelgruppe solcher Vasen, die in diesenjahren hergestellt wurde und an die 200 erhaltene Stücke zählt, scheint für die westlichen Märkte bestimmt gewesen zu sein; von daher hat sie auch ihren Namen [56-63]. Nur ein oder zwei Exemplare stammen aus Fundstätten im Bereich der Ägäis. Wir haben bereits auf die Bedeutung der westlichen Märkte und vor allem Süditaliens für die Maler der Sianaschalen hingewiesen. Auch die etruskischen Städte, an ihrer Spitze Caere und Vulci, waren gute Kunden gewesen, doch hatten sie im allgemeinen korinthische Erzeugnisse vorgezogen. Nun tritt Athen ernsthaft in diese Konkurrenz ein, und zwar mit einem Programm, das eigens auf einen Markt hin abgestimmt war, der einerseits auf die Farbigkeit und die Tierfriese Korinths eingestellt war, sich aber andererseits für das reiche Repertoire der athenischen Mythen- und Genreszenen zu interessieren begann. Die hierfür gewählte Vasenform war vielfach verwendbar und im korinthischen Formenschatz nur spärlich vertreten; es ist nicht ausgeschlossen, daß diese 40

Gefäße gefüllt mit bestem attischen Öl auf den Markt kamen. Das Dekorationsschema erinnert an das der korinthischen Vasen, obwohl auch diese im Falle der Amphoren um die Jahrhundertmitte gewöhnlich auf die untergeordneten Tierfriese verzichteten, stilistisch aber hängen sie eher mit den gleichzeitigen athenischen Vasen von besserer Qualität zusammen (dazu gehören auch die Vasen aus dem Kreis um Lydos, die wir noch betrachten werden). Farbe wird, besonders in Figurenszenen, freizügig verwendet. Einige tragen lesbare Inschriften, mehrere jedoch sind mit Scheininschriften versehen, die ihren Wert für eitle Vornehmtuer erhöhen sollten. Der Reichtum an zum festen Bestand gehörigen mythologischen Szenen ist bemerkenswert; das Hauptinteresse gilt Herakles und der Amazonomachie, aber es treten auch noch einige Komasten und deren Nachfolger, die Satyrn, auf, und wir treffen hier auf unsere erste Gruppe athenischer Liebesdarstellungen, die ein frühes und spezialisiertes Interesse am Alltagsleben bezeugen. Die Vasenhälse tragen gewöhnlich ein Lotos-Palmetten-Kreuz oder -Geschlinge, und unterhalb der Hauptszene auf der Schulter folgen zwei oder drei Tierfriese, von denen einer durch einen Pflanzenornament-Fries ersetzt werden kann. Selten sind sie unterhalb eines breiteren Schulterfrieses schwarz gedeckt [59]. Die spätesten Amphoren sind schlanker geformt und ihre Lotosblüten verlieren das spitze Mittelblatt. Man hat einige Künstler identifizieren können; eine Auswahl sei hier angeführt: der Castellani-Maler, der sich auf Grund seiner lustigen, großköpfigen Figuren und seiner Vorliebe für einen Pflanzenfries oberhalb von zwei Tierfriesen am deutlichsten aus der ganzen Gruppe herauslösen läßt [59, 60]; der Goltyr-Maler, erkennbar an seinen knolligen Tierköpfen [55]; der weniger talentierte, erotische Guglielmi-Maler [61 ] und der Tirniades-Maler [56-7], der ein paar interessante Hahnungeheuer erfindet; der Kyllenios-Maler [62], der beträchtliche Fertigkeit und auch Witz erkennen läßt, wenn sich in seiner Szene von der Geburt der Athena Hermes mit den Worten »ich bin Hermes von Kyllene« (seine arkadische Heimat) in den Vordergrund spielt; und die OLL-Gruppe (Oxford-LeipzigLouvre), die sich aus früheren und qualitätvolleren Vasen zusammensetzt, die nicht ausschließlich für den Export gearbeitet wurden. Noch immer finden wir Tiere und Tierfriese auf athenischen Vasen, aber-mittlerweile hat sich ein Figurenstil entwickelt, der genügend Beweglichkeit und Vitalität besitzt, um ein wachsendes Repertoire an mythischen Standardszenen bildlich wiedergeben zu können und den phantasievolleren Künstlern zu erlauben, neue Geschichten zu erzählen und Alltagszenen darzustellen. Welche Wandlungen hat es in der Sprache der Figurenmalerei gegeben? Im Grunde nur sehr wenige; die Regel »Männer-schwarz, Frauen-weiß« hat sich durchgesetzt, auch wenn immer noch gelegentlich rote Männergesichter und -Oberkörper anzutreffen sind. Wenn manche tyrrhenische Maler die Komasten und bisweilen auch Helden mit schwarzen Gesichtern, aber roten Oberkörpern darstellen, so liegt die Vermutung nahe, daß sie den Sinn dieser Regel gar nicht verstehen. Frauengewänder zeigen Gittermuster, die weder auf Faltenangaben noch auf Kontur Rücksicht nehmen, doch läßt sich manchmal bei der Wiedergabe von Details der Peplosärmel und Mäntel (Himatia) genauere Beobachtung feststellen. Es treten nun die »Banda41

gen«-Muster aus schrägen Linien auf, die die Falten in Männerhimatien darstellen sollen, und gelegentlich sehen wir eine eckige Falte, wo ein Mantelende frei herabhängt. Bei der Wiedergabe von anatomischen Details wie Knien, Ellenbogen und Ohren bei menschlichen Gestalten macht sich vielleicht sorgfältigere Naturbeobachtung bemerkbar, doch bedeutet das nur einen geringen Fortschritt gegenüber dem 7. Jh. Die Verbindung von Brust in Frontalansicht und Hüfte in Profilansicht bedeutet noch kein Problem, da kein Versuch gemacht wird, die Bauchmuskulatur darzustellen; es gibt aber bereits einige ganz gelungene Seitenansichten des Rumpfes, die dann manchmal recht merkwürdig mit einer halben frontalen Brust kombiniert werden. Das männliche Auge starrt rund und frontal aus den Profilgesichtern, das weibliche Auge wird halb geschlossen dargestellt, wobei manchmal ein schwarzer oder roter Punkt die Pupille angibt. Innerhalb dieser Konventionen, die keine Wiedergabe der Tiefe, perspektivische Verkürzung der Glieder oder Angabe eines Gesichtsausdrucks zulassen - mit Ausnahme eines offenen Mundes oder der atemlosen Begierde eines Satyrs —, erreichten die Künstler eine breite Palette an Möglichkeiten, um menschliche Gestalten in Bewegung und Ruhe darzustellen. Es blieb jedoch der nächsten Generation vorbehalten, diese Möglichkeiten durch den Versuch der Wiedergabe von Gefühlen zu bereichern.

42

Schale des C-Adalers. Symposion Schale des C-Malers. H, 14

37 Knopflienkelschale des C-Malers. H. 14,9 l

38 Dreifußkothon (Bein) des C-Makrs. Parisurteil 39 Schale des Heidelberg-Malers. Bellerophon und Chimaim. H. 14

40 Schale des Heidelberg-Malers. Der kleine Achilleus wird zu Chiron gebracht. H.

41 Schale des Heidelberg-Malers

42.2 Innenbild: Satyr und Mänade

42.1 Schale des Malers von Boston CA. H. 14

44 Schale des Civico-Malers. H. 12,3

45-1, 2 Schale des Greifenvogel-Malers. H.

43 Lekythos des Sandalen-Adalers (Namensvase). Ein Knabe wird mit einer Sandale geschlagen. H. .17,5

46 Die Francois-Vase. Volutenkrater, signiert von Kleiüas und Ergotimos. H. 66 46. i Gesamtansicht

46.3 Hals: Die kalydonische Eberjagd; Leichenspiele zu Ehren des Patroklos 46.4 Hals: Das Schiff der Athener nimmt Theseus wieder auf 46.5 Körper: Hochzeit des Peleus und der Thetis; Achilleus verfolgt Troilos

Körper: Greif

46.2 Henkel: Artemis; Ajas trägt den toten Achilleus

46.8 Fuß: Pygmäen im Kampf mit Kranichen

46.7 Körper: Rückführung des Hephaistos

47 Dinos des Malers von Akropolis 606 (Namensvase) 48 Bauchamphora des Malers von Akropolis 606

49 Kantharosfmgtnent, signiert von Nearchos. Achilleus mit seinen Pferden

50 Kugeliger Aryballos, signiert von Nearchos. H. 8

50., Pygmäen im Kampf mit Kranichen; Hermes. 50.2 Sa.'tyrn

52 Bauchamphora des Camtar-Ma1m

51.1,2 Hydria des Ptoon-Malers (die Hearst Hydria). H. 40,8

:

l•

53 Halsamphora des Camtar-Malers. Achilleus, sich rüstend

54 Hydria des Malers von London B j6 (Namensvase). Hektors Wagen

55 Halsamphora des Malers von London B 76. Achilleus belauert Troilos und Polyxena

56 Tyrrhenische Amphora des Timiades-Malers. Herakles kämpft milden Amazonen. H. 39,4

59 Tyrrhenischc Amphora des Castellani-Malers. Apollon und Artemis erschießen Tityos. H. 28,5

6o Tyrrhenische Amphora des Castellani-Malers. Apollon und Artemis erschießen die Niobiden

61 Tyrrhenische Amphora der Guglielmi-Gruppe

62 Tyrrhenische Amphora des Kyllenios-Malers (Namensvase). Geburt der Athena

63.2 Tod der Eriphyle

63.1 Tyrrhenische Amphora. H. 45

4. Kapitel DIE J A H R H U N D E R T M I T T E UND DIE ZEIT D A N A C H

Lydos, Amasis und Exekias Drei Künstler, deren Werke in die Jahre von etwa 560 bis 525 fallen, und die so bis an die Schwelle der rotfigurigen Malerei reichen oder sie sogar überschreiten, verkörpern die schwarzfigurige Malerei Athens auf ihrem Höhepunkt. Sie schöpfen alle Möglichkeiten aus, die diese Technik bieten konnte. Lydos [64-71] erreicht in seinen besten Werken die Qualität seiner Vorgänger Nearchos oder des Malers von Akropolis 606. Er kommt von der traditionellen schwarzfigurigen Malerei Athens her und vcrhirft selbst dem Tierfriesstil noch einmal kurz zu neuem Leben, doch war seine Wirkungszeit lang und sein späteres Werk belegt die neuen Malweisen seiner fortschrittlicheren Zeitgenossen, auch wenn sein Pinsel immer befangen und etwas manieriert bleibt. Er verkörpert jedoch in besonderem Maße die Strömungen der Jahre vor der Jahrhundertmitte und der Begriff »Art des Lydos« bezeichnet einen ausgeprägten, wenn auch nicht immer qualitätvollen Stil. Der Amasis-Maler [77-1)1] war ebenfalls lange Zeit tätig; er war ein Individualist in der Geschichte der athenischen Vasenmalerei, und sein Pinsel war ebenso ausdrucksstark wie sein Gravierstichel. Selbst seine einfachsten Arbeiten können den Betrachter durch ihre Gewandtheit oder ihren Humor erfreuen. Exekias schließlich [97-206] war ein wahrhaft großer Künstler; seine wenigen erhaltenen Werke zeigen, wie sich ein Maler über die Zwänge einer Technik zu erheben vermochte, die so wenig für die Dekoration von Vasen geeignet war. Ihm gelang es, eine Stimmung und Würde zum Ausdruck zu bringen, wie sie nach den Berichten der antiken Schriftsteller aus den Werken der großen klassischen Wandmaler des 5. Jhs. v. Chr. sprachen.

LYDOS (etwa 560-540) Zwei uns erhaltene Vasen hat »ho Lydos« - »der Lyder« als Maler signiert [64] ein ausreichender Beweis dafür, daß es sich bei dem Künstler oder seiner Familie um Einwanderer aus dem Reich des Kroisos handelte, auch wenn er bereits in Athen geboren sein kann, wo er mit Sicherheit sein Handwerk erlernte. Es hat sich als schwierig herausgestellt, Lydos als individuellen Künstler herauszuschälen, da seine signierten Vasen und deren nächste Verwandten einer sehr umfangreichen 57

Vasengruppe angehören, die zwar im Stil ziemlich homogen ist, in der Qualität jedoch beträchtliche Unterschiede aufweist. Offenbar haben wir es mit einem produktiven Atelier zu tun, in dem der Lyder den Ton angab. Außerdem scheinen er und seine Werkstatt über lange Zeit hinweg tätig gewesen zu sein. Sein Stil ist fest in der Tradition jener Maler verwurzelt, die wir im letzten Kapitel besprochen haben; er hat viele Sianaschalen (vom Knickfries-Typus) bemalt, und von seiner Hand stammen die letzten großen Vasen, die zur Gänze durch sorgfältig gemalte und reich gefärbte große Tierdarstellungen gefüllt werden. In dieser Hinsicht bleibt sein Stil eng dem der Korinther verbunden, während uns seine Figurenzeichnungen von jenen wie umwickelt wirkenden Gestalten der Vasenbilder unmittelbar nach Kleitias über die getupften Gewänder des Amasis bis in die Nähe der würdevollen Gestalten des Exekias fuhren. Innerhalb seiner Gruppe finden wir auch gute Miniaturarbeiten auf Kleinmeister- und Augenschalen, und Lydos selbst bemalte eine Bandschale für den Töpfer Nikosthenes [70], dessen Blütezeit bereits in die Phase der rotfigurigen Vasenmalerei fällt. Bilder von seiner Hand finden sich auf sämtlichen Gefäßformen, die zu jener Zeit im Töpferviertel zu erhalten waren, einschließlich eines Vexiergefäßes [68], eines Kühlgefäßes [66], mehrerer Loutrophoren und einer Serie von Grabpinakes [7;]. Zu den signierten Stücken gehört ein hervorragender, nur fragmentarisch erhaltener Dinos von der Akropolis in Athen [64] - eine Gefäßform und ein Fundort also, die uns die besten Arbeiten einiger Vorgänger des Lydos geliefert haben. Was die Pflanzenornamente, die Detailwiedergabe an Gewändern und Gesichtern und die kühnen Gruppierungen in der Schlacht zwischen Göttern und Giganten angeht, so sind wir nicht weit von den Bildern des Malers von Akropolis 606 und des Nearchos entfernt. Der Hauptfries zeigt die Gigantomachie, darunter folgen eine Prozession und einejagdszene und wiederum darunter Tierdarstellungen. Wir erleben hier eine Anwendung von Detail- und Farbangaben, die fast etwas Verwirrendes hat- ein Eindruck, der durch den Schwung der kämpfenden Gruppen und die überaus eingehende Wiedergabe der Tiere gemildert wird, angefangen von der Wespe als Schildzeichen bis hin zu den Opfertieren, deren Begleiter bedrohliche Messer in einem Behälter mit sich führt. EinKolonettenkrater in New York [65] ist fast ebenso groß wie die Francois-Vase, da er jedoch nur mit einem einzigen Fries geschmückt ist, erreichen die dargestellten Figuren eine Höhe von fast 25 cm. Die Rückführung des Hephaistos wird hier mit dem unerläßlichen Minimum an Aufmerksamkeit für den Mythos geschildert - Dionysos erscheint auf der einen Seite des Gefäßes, Hephaistos auf der anderen-, zeigt dafür aber ein Maximum an Interesse für Gestik und Verhalten der begleitenden Satyrn und Mänaden, wobei jedoch auf jedes nebensächliche Detailwerk, wie es Kleitias liebte, verzichtet wird. Man achte auf den Satyrn mit der Schlange in der Hand; aus einem Weinschlauch wird Wein gestohlen und man zieht sich an den Schwänzen. Die Satyrn des Lydos sind Herren, mögen sie auch manchmal haarig oder runzelig aussehen; niemals lassen sie sich zu dem sexuellen Exhibitionismus hinreißen, den die Satyrn des Amasis, jene rauheren Tierwesen, oder auch manche Männer des Lydos, wenn ihnen hübsche Jungen begegnen, zur Schau stellen. Vielleicht sagt uns das einiges über Lydos und Amasis. 58

Die mythologischen Szenen führen Standardthemen ein und gestalten sie aus, allerdings nicht immer mit jener Sorgfalt, die die bereits besprochenen Vasen erkennen ließen. Als Zuschauer treten nun häufiger »Pinguin«-Frauen auf, deren Mäntel vor der Brust zusammengehalten werden (wahrscheinlich sind sie um die Brust gewickelt) und hinten in »Schwänzen« auslaufen, oder Männer in Himatien, deren Falten durch Schrägstreifen angegeben werden, so daß sie wie Bandagen wirken. Ein Vexiergefäß, das vom Töpfer Kolchos hergestellt wurde {68} (ein Luftloch im hohlen Henkel läßt, wenn es aufgedeckt wird, aus einem eigenen Hohlraum im Inneren Flüssigkeit durch den Fuß der Vase austreten), bringt eine Darstellung mit stärker manieriert wirkende Figuren; der Körper der Athena, die Herakles im Kampf gegen Kyknos unterstützt, ist in Umrißzeichnung gegeben, wie wir es von Amasis her kennen, während die Falten im Gewand des Ares und des (einschreitenden) Zeus den Versuch zeigen, die in den Jahren um 540 neuentdeckten Möglichkeiten der Dreidimensionalität anzuwenden. Die Palmetten auf Hals und Henkeln erweisen sich ebenfalls als spät; sie sind bereits auf dem Weg zu den Ornamenten der rotfigurigen Zeit. (Zu dieser Vase s. auch S. 68.) Zu den besten Arbeiten des Lydos gehören außerdem laufende oder fliegende Gestalten auf Tellern, und einmal darf ein Gorgoneion die gesamte Innenseite eines Tellers füllen [69]. Seine Tierdarstellungen zeigen besonders auf den früheren Vasen, deren Friese noch durch Klecksrosetten bereichert werden können, viel Liebe für Farbigkeit und interessantes Detail, so etwa die haarigen Hinterteile mancher Katzentiere, die von der Francois-Vase herzuleiten sind. Es sind steifbeinige Tiere mit schlanken Körpern, die leicht hölzern, dafür aber recht dekorativ wirken und die von all den in Athen gemalten Tierfiguren jenen allerletzten von korinthischen Vasenmalern gemalten Tieren am nächsten kommen (vgl. [72]). Beazley unterscheidet zwei maßgebliche Mitarbeiter des Lydos, die sich jedoch nur in ihren Menschendarstellungen fassen lassen, da die Tiere ganz allgemein in der »Art des Lydos« bleiben. Von jenen Menschendarstellungen erreichen die keckblickenden Gestalten des MALERS VON VATIKAN 309 nur selten die Qualität, die Lydos selbst in seinen flüchtigsten Werken beibehält [73-4], während der MALER VON LOUVRE F 6 kaum je etwas anderes zeigt als abgedroschene Durchschnittsarbeiten [75-6]. Der erstereist der altmodischere; er arbeitete nur kürzere Zeit und bemalte hauptsächlich Halsamphoren. Der zweite beschäftigt sich mit den neuen, mit Schulter versehenen Hydrien, mit Krateren und vielen Bauchamphoren, die in der Form sehr stark den letzten korinthischen Beispielen dieser Gefäßgattung ähneln. Über die Bilder setzt er oft jene breiten Zungenmuster, die in Korinth so geläufig sind, oder auch Reihen klecksiger Efeublätter. Die Kolonettenkratere sind ebenfalls den letzten korinthischen Beispielen nahe verwandt. Mit Lydos verbindet diese Maler der Stil der auf ihren Vasen dargestellten Tierbilder und die Tatsache, daß sie diese überhaupt noch so spät zur Dekoration großer Vasen in Athen heranziehen. Der Figurenstil des Malerkreises um Lydos hält sich trügerischerweise noch bis in die 20er Jahre des 6. Jhs. oder sogar noch länger (beim Ready-Maler); vielleicht sprach er ältere Kunden mit bescheidenen Mitteln an. 59

DER AMASIS-MALER (etwa 560-525) Die Delikatesse und der Witz des Amasis-Malers setzen sich deutlich von den eher handwerklichen Eigenschaften des Lydos einerseits und der mehr statuenhaften Würde des Exekias andererseits ab. Obwohl einige Züge seiner Malweise in dem breiten Strom der schwarzfigurigen Malerei Athens fast fremdartig anmuten, ist es doch sicher, daß er seine Lehrzeit in Athen verbracht hat, und zwar in den Werkstätten der Sianaschalen-Malerund unter diesen vor allem in der des Heidelberg-Malers [39-41]. Amasis signiert acht schwarzfigurige Vasen, die alle von ein und demselben Künstler bemalt wurden. Seine übrigen Töpferarbeiten sind unbedeutend; sie umfassen zwei Vasen für Lydos und eine (ebenfalls von ihm signierte) Schale, die er gegen Ende seiner Laufbahn für einen rotfigurigen Maler anfertigte. Es besteht kein Zweifel, daß es sich bei dem schwarzfigurigen Maler und dem Töpfer um ein und denselben Mann handelt. »Amasis« ist die gräzisierte Form des geläufigen ägyptischen Namens Ahmosis. Ein Pharao Ahmosis regierte in Ägypten vom Jahre 570 v. Chr. an, doch ist dies Datum wahrscheinlich schon zu spät, als daß der Grieche bei seiner Geburt nach ihm hätte benannt werden können. Die frühesten Vasen dieses Maler-Töpfers sind nicht signiert; er könnte also diesen Namen erst später in seinem Leben angenommen haben. Allerdings gibt es einige Hinweise, die an eine halb-ägyptische Herkunft und eine Kindheit etwa in Naukratis denken lassen könnten: er führte die ägyptische Form des Alabastron in Tonnachbildung in Athen ein [79], und Exekias benennt auf zwei seiner Vasen einen Neger mit »Amasis« [pp] bzw. » Amasos«, was vermuten läßt, daß man sich unter »Amasis« gewöhnlich einen Schwarzen vorstellte. Die Eigenarten seines Stils sind jedoch nicht spezifisch ionische. Amasis töpfert und bemalt ein breites Spektrum von Formen (allerdings keine Hydrien oder Kratere). Von den großen Gefäßen bevorzugt er die Bauchamphoren, darunter ein oder zwei Exemplare des neuen Typus A [57-5] mit den sorgfältig ausgearbeiteten Füßen und Henkeln, doch hat er, obwohl in geringerer Zahl, auch immer wieder Halsamphoren geschaffen, angefangen von den frühen eiförmigen Stücken bis hin zu den schönen späten Beispielen der gedrungenen »Spezialform« [85-86]. Seine Signaturen finden sich auf drei Halsamphoren, einer Schale und vier Oinochoen - eine weitere Form, die er besonders liebt. Die frühesten Arbeiten von seiner Hand kennen wir von Schulterlekythen [77-78], doch bemalte er auch noch einige Beispiele vom älteren »Deianeira«-Typus. Unter seinen Schalen finden sich gewöhnliche Bandschalen, ein paar Experimente mit den lippenlosen Schalen vom Typus A - darunter ein Stück [82], das mit seiner Augensirene und den erotischen Fingerspielen wie eine Parodie auf die Augenschale des Exekias wirkt - und einige Beispiele mit schmucklosem Stiel und durchlaufendem Profil von der Lippe bis zum Fuß [84], die die Schalen vom Typus B vorwegnehmen. Sein Töpferwerk ist durchgehend von höchster Qualität und spielt, ebenso wie seine Malerei, eine Sonderrolle in der geläufigen Produktion der athenischen Keramik. Die allgemeine Entwicklung des Künstlers läßt sich ebenso wie am Stil seiner 60

Figuren- und Ornamentzeichnung auch an den Formen der Vasen beobachten, die er bemalte - so etwa an der Reihe seiner Halsamphoren. Die Bilder der frühen Schulterlekythen [77-5] sind den Werken der Sianaschalen-Maler nahe verwandt. Auf seine Beziehung zum Heidelberg-Maler wurde hingewiesen; sie bedeutet, daß Amasis bereits um 560 tätig war. Bei seinen Amphoren können wir Änderungen in der Ornamentzeichnung feststellen - so verlieren die Lotosblüten ihr Mittelblatt [55/59, gi\ Die frühen bekleideten Figuren zeigen faltenlose Gewänder [77], dann treten flache, eckige Falten auf (nach Art des Lydos [57]) und schließlich kommt es zu geschmeidigen Gewandformationen, so daß sich dieser wichtige stilistische Wandel an dem Werk des Amasis ablesen läßt. Diese letzte Phase muß mit den Anfangsjahren der rotfigurigen Vasenmalerei zusammenfallen, doch erlag Amasis nirgends der Versuchung, die jenes für seine schwächeren Zeitgenossen so faszinierende neue Interesse an anatomischen Details und an der flüssigeren Zeichnung der Gewänder mit sich brachte. Auf einer Reihe seiner späteren Vasen gab er die Frauenhaut durch Umrißzeichnung wieder [85, 87, 8g} und nicht durch Auflegen von weißer Deckfarbe auf schwarzem Grund. Zwar hat sich dieser Brauch bereits bei früheren athenischen Vasenmalern feststellen lassen, doch muß dies hier wohl eher so gedeutet werden, daß Amasis in dieser- und nur in dieser - Beziehung die neue Maltechnik anerkannte oder sogar vorwegnahm. Ein weiteres Charakteristikum seines Spätwerks auf den gedrungenen Amphoren und Schalen ist der gelegentliche Verzicht auf eine Grundlinie für seine Figuren [84, 86]. Er liebt fein gemusterte Gewänder, spielt mit zarten Wellenlinien [85, 86] und ist ein Spezialist für Fransensäume. Oft kennzeichnet er die haarigen Körper seiner Satyrn, aber auch Haupthaar und Barte durch Punktierung [, x stehen für r, ji, K (das Gegenteil ist seltener). Weiheinschriften, die die Gottheit nennen, kommen auf Votivtafeln vor, Bestellungsinschriften dagegen, die den Weihenden, den Käufer oder den Verstorbenen nennen, sind ungewöhnlich. Ausnahmen finden sich auf ein oder zwei Serien von Grabtafeln. Einige spezifische Inschriftengattungen, wie sie auf Vasen aufgemalt wurden, werden an anderer Stelle besprochen: Künstlersignaturen (S. n), Panathenäische Preisamphoren (S. 180). Eingeritzte Inschriften, die nach dem Brand der Vase aufgetragen wurden, beziehen sich gewöhnlich nicht auf die Bildszene, sondern bezeichnen persönliche Weihungen oder Geschenke. Exekias brachte auf einer seiner Vasen eine eingeritzte Signatur im attischen, und ein Geschenkmotto für den Käufer im sikyonischen Alphabet an. Auf anderen Vasen wurden keische und samische Buchstabenformen festgestellt. Graffiti auf der Standfläche können Preise bezeichnen, bei vielen aber handelt es sich um Monogramme oder um Symbole, die mit dem Verkauf der Vase oder anderer zu einem Satz gehöriger Vasen zu tun haben; sie scheinen eher kurz nach der Herstellung der Vase als von einem Einzelhändler aufgetragen worden zu sein. In der zweiten Hälfte des 6. Jhs. treten sie sehr häufig auf. Rot aufgemalte Markierungen an der 220

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gleichen Stelle mögen demselben Zweck gedient haben; zum Teil sind sie früher als die geritzten »Händlermarken«. Pflanzenornamente Einige späte Schalen zeigen Bänder mit Pflanzenornamenten als einzigen Schmuck; sonst füllen Pflanzenmuster untergeordnete Friese oder dienen als Dekoration des Gefaßhalses. Die am häufigsten auftretende Form besteht aus einer Kombination von Lotosblüten und Palmetten - ein Typus, der schon von korinthischen Malern entwickelt wurde. In der frühen schwarzfigurigen Malerei Athens zeigt die Lotosblüte eine breit ausladende Form mit spitzem Mittelblatt, das vor die winzige Palmette tritt, die die griechischen Maler des 7. Jhs. an dieser Stelle hatten herauswachsen lassen. Dieser Typus der Lotosblüte wird zunehmend schmaler gebildet, und die so entstehende Abfolge bildet ein nützliches Kriterium für die Datierung [5.2, 11.2, 12, 24, 25.2, 42.1, 47, 52, 56]. Vor der Mitte des 6. Jhs. kann das Mittelblatt wegfallen [51. i ], und auf die beigefügten Wellenlinien, die die Kelche oder Palmettenherzen kreuzten, hatte man gegen 560 verzichtet. Der Körper der Lotosblüten dient fast nur noch als Träger der ausladenden äußeren Blätter, die die eingefügten Palmetten rahmen. Palmetten und Lotos wechseln gewöhnlich ab und stehen einander oft gegenüber, reine Lotosbänder dagegen treten nicht auf und reine Palmcttenbänder nur sehr selten (z.B. auf einem Henkel der Francois-Vase und im Werk des Ptoon-Malers [5;.;]). Die Verbindung der einzelnen Elemente erfolgt durch Ranken, doch werden diese von 560 an zunehmend durch runde Kettenglieder ersetzt [51 ], die dann ab etwa 540 das Übliche werden; die Elemente stehen einander nun gewöhnlich gegenüber [92] und treten nicht mehr alternierend auf. Der Gebrauch zusätzlicher Deckfarbe fällt weg, die Palmetten werden mit der Zeit eckiger, und schließlich trennen sich ihre Blätter [103]; die Lotosblüten werden zunehmend dünner [188, 201)]. Die Palmetten gewinnen dann noch einmal in der Zeit der rotfigurigen Vasenmalerei neue Lebenskraft: sie werden nun säuberlich kreisförmig in Schlingen eingesetzt [199, 202}. Die Lotos-Palmetten-Ornamente sind formelhaft und keineswegs naturalistisch. Friese aus birnenförmigen Knospen wirken in ihrer einfachen Formensprache naturgetreuer; dabei kann jeweils jede zweite Knospe sich einrollende Außenblätter wie bei einer sich öffnenden Blüte erhalten [vgl. 142]. Diese sich öffnenden Blätter werden durch oberhalb der Knospen verlaufende Bogen Verbindungen angedeutet, und diese Bögen werden wiederum als Verbindungsglieder regelmäßig unterhalb der Knospen wiederholt wie bei Abb. [146]. Solche Knospen- und Blütenfriese treten manchmal — beispielsweise auf Sianaschalen - im 2. Viertel des 6. Jhs. auf; sie sind dann häufig bunt gefärbt. Die mechanischer ausgeführten Friese treten später auf und sind von langer Lebensdauer. Die Strahlenkränze auf dem Unterteil der Gefäße waren einst pflanzliche Ornamente gewesen; manchmal werden sie eher wie Blätter und nicht wie ein geometrisches Muster behandelt. Die einzigen einleuchtenden Pflanzenfriese sind die Lorbeer- und Myrtenfriese, die wie Kränze auf den Lippen mancher Sianaschalen sitzen; an der gleichen Stelle 221

kann auch Efeu auftreten [35, 40], der aber auch oft Bildfelder aus späterer schwarzfiguriger Zeit rahmt. Die Efeublätter werden bald zu reinen Klecksen, und in Figurenszenen wird zwischen Efeu- und Weinblättern nur selten unterschieden. Im allgemeinen beobachtet der schwarzfigurige Maler die botanische Form nicht sehr aufmerksam, und selbst da, wo ein Baum oder ein Weinstock von Bedeutung für die Szene ist, wird er gewöhnlich unerbittlich den Figurendarstellungen untergeordnet [88] und kommt nur selten zu seinem eigenen Recht [186].

Tiere und Fabelwesen Die Tierwelt der frühen Tierfriese war aus Korinth übernommen, und korinthische Typen werden bis zur Jahrhundertmitte hin beibehalten. Eher zu Hause in athenischen Friesen ist vielleicht das grasende Pferd, das schon lange ein beliebtes Motiv auf den Vasen Athens abgegeben hatte, und ab der Mitte des Jahrhunderts kann jener merkwürdige Eber mit in der Mitte »unterbrochener« Rückenborste auftreten, der in Ostgriechenland geläufig ist. Ein charakteristisches Merkmal der frühen athenischen Tiere, das in Korinth nicht auftritt, ist die Schulterlinie, die besonders bei Katzentieren - gewöhnlich doppelt geritzt wird. Tiere können in Figurenszenen als Attribute auftreten (die Eule der Athena oder die Ziege des Hermes), als Hauptdarsteller (prächtige Pferde wie die des Exekias, oder jagende Hunde), oder als untergeordnetes Detail (fliegende Vögel, laufende Hunde, besonders in Gemeinschaft mit Reitern). Kleine fliegende Vögel in Schlachtszenen sind - wenn sie überhaupt eine Bedeutung haben — kaum als Seelen, sondern eher als Vorzeichen zu deuten (vgl. [75, 271 ]). An Meerestieren treten gewöhnlich nur Delphine auf, die in Schaleninnenbildern [108] oder in Friesen springen. Als Schildzeichen sehen wir ganze Tierfiguren, Köpfe oder Vorderteile. Ungewöhnlich unter den Schildzeichen ist ein wolfsähnlicher Tierkopf, aus dem Flügel herauswachsen [pj] - er wirkt wie eine Art von skythischer Metallapplik; häufig tritt der fliegende Adler auf, der eine Schlange trägt - ein eindeutiges Omen, das auch in Kampfszenen auftreten kann (vgl. [48]). Schlangen sind bärtig [238] - das gilt für die gesamte griechische Kunst. Tiere in Aktion können das Bildfeld für sich allein beanspruchen. Wir denken besonders an die herrlichen Gruppen von Löwen, die Stiere, Hirsche oder Eber [68, 120] — manchmal auch Widder und Ziegenböcke - anfallen. Es handelt sich dabei um ein altes, orientalisierendes Motiv, das jedoch gegen 570 in neuen, gedrängten Gruppierungen mit einander überkreuzenden oder eng miteinander verschlungenen Körpern an Beliebtheit gewinnt und auch in der Großplastik auftritt. Dafür möchte man neuerliche Anregungen aus östlichen Quellen annehmen, wo solche Gruppen symbolische Bedeutung hatten, die vielleicht auch in der griechischen Kunst nie ganz verloren gegangen ist. Auf vielen Kleinmeisterschalen kämpfen Hähne [tot)], und auf anderen Vasen können wir sehen, wie Jugendliche sich dieser »Sportart« widmen. Unter den Fabelwesen sind die Sirenen und Sphingen die geläufigsten, Greifen 222

sind selten [8, 46.6]; daneben treten all jene Wesen auf, die im Mythos eine Rolle spielen - Chimaira, Pegasos, Kerberos, und außerdem Kentauren und Satyrn, die halbtierischen Unsterblichen. Die Arimaspen, die wie Skythen gekleidet sind, und die mit den Greifen um das Gold kämpfen, das jene bewachen, treten auf zwei Schalen aus der Jahrhundertmitte auf. Aus späterer Zeit stammen ein paar namenlose Mischwesen, mit denen gewöhnlich Herakles fertig werden muß [253]. Auf tyrrhenischen Amphoren drängen sich einige Ungeheuer, die aus verschiedenen Tiervorderteilen und Hahnenkörpern zusammengesetzt sind, in den Tierfries hinein; von diesen gewinnt aber nur der Pferdehahn (Hippalektryon) einige Bedeutung, und wir können ihm begegnen, wie er von einem Knaben oder Krieger geritten wird [150].

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12. Kapitel BILDER AUS DEM LEBEN

Der Mythos war keineswegs die einzige Quelle, die in der schwarzfigurigen Malerei Athens zu figürlichen Darstellungen anregen konnte. Die einzigen Schilderungen des zeitgenössischen Lebens, die wir auf früheren Vasen zu sehen bekommen, waren entweder-wie etwa die Begräbnisszenen-mit dem Kult verbunden, oder sie werden in einer Weise dargestellt, daß es - wie bei den Kampfszenen nicht immer leicht fällt zu entscheiden, ob nicht dem Maler irgendeine Begebenheit aus dem Epos vorschwebte. Das gilt auch weiterhin für die schwarzfigurige Malerei Athens. Bei einigen Szenen, in denen Krieger mit Knappen oder ausziehende Krieger- vorzugsweise zu Wagen- auftreten, scheint es sich um höfische Versionen alltäglicher Ereignisse zu handeln, die ihre nächsten Parallelen eher in der Welt Homers finden als in den realen Kriegsgebräuchen des 6. Jhs. Es fehlen nur die Inschriften, die die Namen von Heroen nennen, um diese Darstellungen in die Welt des Mythos zu übertragen. So erklärt sich wohl auch, warum sehr selten Sklaven abgebildet oder in ihrer Darstellungsweise von den freien Männern unterschieden werden, obwohl sie doch ein ganz vertrautes und notwendiges Element im Ablauf des Alltagslebens und seiner Arbeit bildeten. Doch wie auch immer die Stimmung eines solchen Bildes sein mag - es ereignet sich alles »im zeitgenössischen Gewand«, und eine Reihe von Bildern sind rein weltlichen Verhaltensweisen gewidmet. Sie bieten ein wertvolles Bild vom Leben in Athen und auf dem Lande, und in ihren Details erzählen sie viel antiquarisch Interessantes, daß dem Ausgräber infolge des lückenhaften Fundmaterials unbekannt blieb.

Alltagsleben Wenn Männer auf schwarzfigurigen Vasen überhaupt Kleider tragen, dann vor allem das obligate Himation — ein Rechteck aus Stoff, das um den Körper gewickelt wird und dessen eines Ende über die Schulter herabhängt [71 ]. Darunter kann ein Chiton getragen werden- ein bis zum Boden reichendes gegürtetes Gewand mit kurzen Ärmeln. Der kurze Chiton, der nur bis zu den Schenkeln reicht, wird von Arbeitern und Kriegern oder ganz allgemein von »Tätigen« bevorzugt, zu denen auch viele Heroen gehören. Ein kürzerer Mantel, der am Hals befestigt ist oder über den Oberarm gelegt wird, wird gewöhnlich als Chlamys bezeichnet - ein Name, der besser dem kurzen, aber schweren Mantel, wie ihn die Reiter tragen, vorbehalten bleiben sollte. Dieser Mantel kann nach thrakischer oder nordgriechi224

scher Art bunt gemustert sein [196], und wir dürfen vermuten, daß er aus einem Wollstoff gefertigt ist. Manche spätschwarzfigurige Bilder zeigen detaillierte Darstellungen von Frauenchitonen, die auf den Oberarmen zusammengehalten und mit langen Ärmeln und lockerem Faltenwurf über dem Gürtel versehen sind [igt ]. Enger anliegende, kurzärmelige Gewänder, wie sie auf früheren Darstellungen auftreten, werden wenn auch vielleicht zu unrecht- ebenfalls im allgemeinen als Chitone bezeichnet. Bei den griechischen Gewändern bedurfte es keiner großen Schneiderkünste; man begnügte sich grundsätzlich mit rechteckigen Stoffstücken, die zusammengeheftet oder -gesteckt wurden. Das zweite Frauengewand, das auch über einem Chiton getragen werden konnte, war der Peplos (der manchmal irreführend dorischer Chiton genannt wird). Dieser hat einen weiteren Rock, und ein faltenloser Überfall reicht vom Hals bis zur Taille herab, wo er in gerader Kante endet [46]. Auf der Schulter wird er durch Nadeln oder Broschen gehalten, die auf den Vasenbildern nur selten erscheinen. Dadurch bleiben die Arme frei, was immer ein Kriterium für die Identifizierung dieses Gewandes abgibt; ein zweites Merkmal bildet die kastenartige Wiedergabe des Überfalls. Eine Seite des Peplos kann, abgesehen von der Gürtung, offen bleiben, und das erklärt, warum manche laufenden Figuren auf schwarzfigurigen Bildern aller Phasen mit Ausnahme der spätschwarzfigurigen ein völlig nacktes Bein zeigen [iig]. Wie die Männer können auch die Frauen ein Himation über Peplos und Chiton tragen, doch ziehen sie es oft über den Hinterkopfhoch und halten manchmal einen Zipfel des Gewandes vor das Gesicht, das dann als Silhouette (weiß auf schwarz) vor diesem Hintergrund dargestellt wird [67, go]. Manchmal teilen sich zwei oder drei Frauen (selten noch mehr) in ein Himation [147}. Bei manchen mag es sich um Gruppen von Göttinnen handeln, aber das gilt nicht unbedingt für alle. Auf Bildern des zweiten Jahrhundertviertels ziehen die Frauen die Himationkanten oft vor den Oberkörper, wobei die Säume zipfelig herabhängen- dies sind Beazleys »Pinguin-Frauen« [73]. Männer und Frauen können ihr Haar durch eine Kopfbinde zusammenhalten. Der breitkrempige Reisehut der Männer heißt Petasos [210]. Details der Gewandung, des Schmuckes und der Haatracht lassen sich am besten auf rotfigurigen Bildern beobachten, doch finden wir Spiralarmbänder und — oft dreiteilige - Ohrgehänge [§7]. Jäger tragen Schnürstiefel mit hervorstehenden Zungen, die das Anziehen erleichtern sollen; sie können bei beliebten mythologischen Gestalten zu Flügeln umstilisiert werden (Hermes, Perseus, Gorgonen, Ikaros). Es gibt ein paar Szenen aus dem häuslichen Leben der Frau, von denen jedoch keine lange vor der Jahrhundertmitte entstanden ist. Amasis zeigt Frauen beim Weben [78], und unter den spätesten schwarzfigurigen Bildern finden sich mehrere, die sie ganz ungezwungen bei verschiedenen Verrichtungen zeigen: spinnend im Gynaikeion, wobei die charakteristischen Wollkörbe mit ausschwingenden Seiten (Kalathoi) neben ihnen stehen, oder im Obstgarten, sitzend oder Obst pflückend, wobei man sie für Nymphen halten könnte. Die Namensvase des Schaukelmalers [142] zeigt einen anderen Zeitvertreib — es wird sich eher darum handeln als um eine rituelle Szene. Ab etwa 530 finden sich — gewöhnlich auf Hydrien- viele Szenen von Frauen, die zum Brunnenhaus gehen, um Wasser zu ho225

len, oder neben dem Brunnenhaus warten und sich die Zeit mit einem Schwätzchen vertreiben. Ein paar dieser Bilder bringen zusätzlich noch junge Leute, die sich waschen. Die Architekturangaben dabei sind sorgfältig, wenn auch nicht gerade folgerichtig, und es ist gut möglich, daß diese Darstellungen durch die Peisistratidischen Arbeiten an der Wasserversorgung Athens - der Enneakrounos angeregt wurden: es handelt sich dabei um ein System, zu dem die Anlage einer Reihe von neuen Brunnen mit Säulenfronten, wie sie auf den Vasen zu sehen sind, zu gehören scheint. Auf zweien lesen wir »Kallirhoe« - den Namen einer verehrten Quelle in Athen; überhaupt liefern uns diese Bilder Belege für die geläufigen Namen athenischer Mädchen. Es wird sonst auf schwarzfigurigen Vasen nur wenig Architektur dargestellt. Hier sind die Mauern von Troja auf der Francois-Vase zu nennen, deren Zinnen auf einigen späten Bildern mit der Schleifung des Leichnams Hektors, dem Tod des Troilos [201 ], und der Zerstörung Trojas; außerdem das Haus des Peleus, wieder auf der Francois-Vase, und die Brunnenhäuser in Troilos-Szenen [46.5]; ähnliches findet sich, wenn die Heimkehr Sterblicher gezeigt wird [77]. Gewöhnlich genügt eine Säule mit oder ohne Gebälk, um die Vorhalle eines Hauses (etwa bei der Aufbahrung eines Toten [265]), die Nachbarschaft eines Tempels (auf [225] sind es drei Säulen), oder den Palast des Hades [162-3] zu bezeichnen. Der Kapitelltypus, der hier bisweilen auftritt und bei dem die Voluten unmittelbar dem Säulenschaft entspringen, ist in der Steinarchitektur Athens nicht üblich; vielleicht belegt er eine Form, die in bemaltem Holz gebildet wurde. Bei den meisten handelt es sich jedoch deutlich um »dorische« Kapitelle. Die Männer beschäftigen sich, sehen wir von Krieg, Sport, Handel, Päderastie und Gelagen ab, im allgemeinen mit Pferden: man reitet sie, fuhrt sie, spannt sie an, oder fährt auf dem Wagen, häufiger bei Prozessionen als bei Rennen. Eine beliebte symmetrische Komposition bildet ein stehender Wagen in Frontalansicht [54, 92, igo\. Ein paar Bilder zeigen Szenen, bei denen es sich um rege Gespräche zu handeln scheint - ihnen liegt weniger die Freude der Athener an der Unterhaltung zugrunde als vielmehr die Phantasielosigkeit des Malers. Dasselbe gilt, wenn männliche und weibliche Zuschauer ein mythologisches Mittelstück rahmen. Nur bei rotfigurigen Bildern bringt der Künstler echtes Interesse für handlungslose Genreszenen auf, in denen keine spezifische Handlung durchgeführt oder vorbereitet wird. Es fällt auf, wie selten im Schwarzfigurigen direkte Bezüge auf Zeitgenossen auftreten. Die Lieblingsnamen sind zwar augenfällige Beispiele dafür, sie beziehen sich aber nicht auf die Bilder. Manche Frauen, deren Namen wir in Begräbnisoder Brunnenhausszenen erfahren, mögen vielleicht identifizierbare Athenerinnen gewesen sein. Sappho wurde posthum genannt \}ii], Kampf Die Vasenbilder bringen uns wertvolle Informationen über Rüstung und Bewaffnung. Die üblichen Angriffswaffen sind Stoßlanze oder Schwert. Das Schwert ist manchmal gebogen und nur auf einer Seite zur Schneide geschliffen: die »Machaira« oder »Kopis«. Wurfspeere werden gewöhnlich in Paaren getra226

gen, und beim Werfen - auch vom Pferderücken herab - läßt sich bisweilen ein am Schaft befestigter Wurfriemen erkennen [121.1 ]. Bei den Schilden gibt es den runden Hoplitenschild, der mit Schildzeichen versehen ist; Innenansichten zeigen den »Porpax« in der Mitte, durch den der Unterarm gesteckt wird, und den Handgriff - die »Antilabe« -, an der manchmal ebenso wie an der Innenseite des Randes Schnüre befestigt sind, mit denen vielleicht eine Schutzhülle befestigt werden konnte [56, 141 ]. Selten sieht man ein Stück Stoff, das vom Schild herabhängt, um die Beine des Trägers vor Pfeilen zu schützen. Der »böotische« Schild ist wie die runde Spielart ausgerüstet, doch zeigt er ovale Form mit runden Ausschnitten an der Stelle der größten Breite; er kann auch einen Schulterriemen aufweisen. Manche halten ihn für ein nicht funktionell bedingtes, heroisches Ausrüstungsstück, und es läßt sich nicht leugnen, daß er bei Heroen (etwa bei der Übergabe der Waffen an Achilleus), bei Göttern, oder als Paradewappnung beliebt war [y, 73, 87}. Schildzeichen werden gewöhnlich weiß aufgemalt, manchmal sind sie geritzt. Sie stellen Tiere, Köpfe, Glieder, Blitzbündel und Gorgoneia dar, um nur die interessantesten zu nennen. Am häufigsten sind einfache Tupfen, Dreifüße oder Stierköpfe. Einige wenige, etwa ein Löwenkopf oder eine Schlange, sind erhaben gearbeitet [64.3, 121]. Nur selten - wenn überhaupt je - sagen die Schildzeichen etwas über Identität oder Loyalitätsverhältnis des jeweiligen Trägers aus. Es gibt mehrere Grundformen von Helmen. Der attische Helm kann in einfacher Kappenform vorkommen, wie wir ihn - mit hohem Helmbusch versehen bei Athena [121.2] und einigen Amazonen [204] sehen können; praktischer jedoch ist die Ausführung mit Nackenschutz und Wangenklappen ([162, 188, 236]; bei Amazonen [56, pS]), die manchmal über die Schläfen hochgeklappt sind. Der korinthische Helm [16.1, 52 rechts, 86, 100, 121.1] mit hohem oder niedrigem Helmbusch bedeckt das Gesicht und läßt nur die Augen und einen Schlitz vor dem Mund frei, doch wird er häufig selbst im Kampf »bequem« — d. h. auf den Hinterkopf hinaufgeschoben - getragen (zumindest in der Kunst). Der »chalkidische« Helm (eine ungenaue Bezeichnung) ist ähnlich gebildet, läßt aber Platz für die Ohren frei und zeigt häufig kurvig geformte Wangenklappen [52 links]. Die hochgestelzten Helmbüsche können auf Halterungen in Form von Tierköpfen oder Rädern sitzen [47, 86], doch die niedrigen Helmbüsche laufen ihnen den Rang ab; eine besondere Variante ist quer und nicht längs über den Helm geführt - sie wird bei Vorder- oder Rückansichten bevorzugt. Bisweilen treten auch zwei halbe Helmbüsche auf [201 oben, 206, 217], die gelegentlich an Geweihen befestigt sind [47], und zur Erhöhung der Wirkung können auch Federn und Stierhörner auf dem Scheitel angebracht werden [47]. Der ganz aus Metall bestehende glockenförmige Panzer schützt Brust und Rükken; oft wird seine Front durch Spiralen oder Brustkorbzeichnung geschmückt [49, 67, 98]. Gegen 550 tritt dann ein Lederpanzer auf, der zu Beginn des 5. Jhs. den Metallpanzer an Beliebtheit überholt hat [86, 141]. Seine Schulterklappen werden über der Brust befestigt, und unterhalb des Gürtels hängen rechteckige Laschen herab. Unter beiden Panzertypen wird ein kurzer ärmelloser Chiton getragen. Beinschienen schützen die Unterschenkel, und manchmal sehen wir auch verzierte Oberschenkel- [64.3, 68, 100, 217} und Armschienen [100]. 227

Für Bogenschützen bildet sich eine eigene Tracht nach Art der skythischen heraus, mit spitzer Lederkappe (wie bei [144]), enganliegendem Wams mit langen Ärmeln und Beinkleidern, die häufig bunt gemustert sind. Die spitze Kappe findet sich bereits auf der Francois-Vase [46.3; vgl. 83 links], und einer von denen, die sie tragen, heißt »Kimmerios«, der »Kimmerier« - Verwandte der Skythen, denen die Griechen an den Schwarzmeerküsten begegneten. Nach etwa 540 hat diese Ausrüstung ihre endgültige Ausprägung gefunden; auch Amazonen tragen sie nun gelegentlich. Bei den Köchern kann die Öffnung durch eine Klappe verschlossen werden, damit die Pfeilfedern trocken bleiben; sie ist jedoch gewöhnlich zurückgeschlagen. Gelegentlich finden sich auch Pfeil- und Bogenbehälter von skythischern Typ. Man nimmt an, daß sowohl die Skythen wie auch jene Reiter mit ihren gemusterten Mänteln durch den Tyrannen Peisistratos nach Athen gebracht wurden. Es gab auch leichtere Waffengattungen - etwa Schleuderer (vgl. [95]); und auch leichtere Schilde aus Weidengeflecht und Leder treten auf, die entweder die »böotische« Form haben können- sie werden dann, im Profil gesehen, von Wagenlenkern auf dem Rücken getragen [126] -, oder als halbmondförmige Pelta gebildet sind, wie sie die Amazonen und andere benützen. Trompetern werden meist eigene Bilder gewidmet [i 6g] - sie stehen beim Blasen und stützen die linke Hand in die Hüfte. Manchmal werden viele von den Rüstungsstücken weggelassen, und wenn wir fast nackte Kämpfer antreffen, dann ist schwer zu sagen, wie weit das am Interesse des griechischen Künstlers an der »heroischen Nacktheit« liegt, oder wie weit das tatsächlich dem damaligen Brauch entsprach, der dem heißen Klima oder dem hohen Preis einer Bronzerüstung Rechnung trug. Kampfschemata sind klischeehaft festgelegt, und wenn keine Beischriften vorhanden sind, kann man unmöglich entscheiden, ob ein Kampf zwischen Heroen wiedergegeben wird. Werden wir aber durch solche Inschriften informiert, so finden wir, daß die siegbringende Aktion im allgemeinen von links nach rechts verläuft, und daß Gefallene gewöhnlich mit ihren Köpfen den Freunden zugewandt liegen. Kampfgeschehen mit Wagen kommen vor, während sie mit Reitern selten sind. Darstellungen von zusammenbrechenden und gestürzten Männern und Pferden gelingen unterschiedlich gut Beliebt sind die miteinander verwandten Szenen von Kriegers Rüstung — als charakteristische Haltung wird dabei gerne der Moment gewählt, wo sich der Krieger niederbeugt, um die Beinschiene anzulegen [237] - und Kriegers Auszug [196]. Beim zweiten Thema kann ein Wagen hinzutreten, und Weib und Kind sind auch dabei. Gegen Ende des Jahrhunderts wird die Szene dann gewöhnlich realistischer dargestellt; die Frau gießt ihrem ausziehenden Mann ein, damit dieser ein Trankopfer darbringt, oder sie steht einfach mit ihrem Vater oder Bruder dabei, während er aufbricht. Zu diesen späteren Gruppen gehört gewöhnlich auch ein Bogenschütze in voller Ausrüstung, wie er auch bei Abb. [187] auftritt, wo durch die Eingeweideschau die Vorzeichen bestimmt werden. Auf manchen Vasen aus der Jahrhundertmitte sehen wir einen Knappen hoch zu Roß, der das Pferd seines Herrn führt oder seinen voll gerüsteten Herrn beglei228

tet [48] — wohl ein Hinweis darauf, wie zu jener Zeit Training und Dienst vor sich gingen. Gelegentlich wird der Krieger selbst dargestellt, wie er die zum Kriegswesen gehörige Übung des »Anabates« - den Sprung vorn laufenden Pferd - ausführt. Wagen, für den Kampf wie auch für Rennen, sind zweispännig, manchmal mit ein oder zwei Pferden am Zugriemen und seit Exekias gibt es Beispiele hervorragender Anschirrszenen [82, 225].

Wein, Weib, Knaben und Gesang Auf korinthischen Vasen treten »Komasten«-Tänzer bereits vor 600 auf; in Athen wurden sie durch die Künstler der Komasten-Gruppe eingeführt, und sie bleiben dort bis über die Jahrhundertmitte hinweg beliebt. Sie tragen enge, kurze, ausgepolsterte Chitone [23] und fuhren Tänze vor, bei denen sie sich auf die Hinterteile klatschen, mit den Füßen stampfen, und häufig Trinkhörner oder Schalen in den Händen halten. Manche können auch nackt auftreten (mit voranschreitender Zeit werden es immer mehr), oder mit einem Ring an der Schulter, der wie der Rand eines Chitonärmels wirkt, der aber wohl einen Kranz oder eine Binde meint [21], wie wir sie bei tanzenden Männern in der späteren schwarzfigurigen Vasenmalerei sehen (auf den Bildern des Affektierten Malers). Komasten sind Sterbliche und tanzen manchmal mit nackten Frauen; nur selten tragen diese das charakteristische Gewand [22]. In Korinth werden die Komasten vor der Jahrhundertmitte den Satyrn angeglichen - sie können nun auch in dionysische Szenen eindringen. In Athen ist der Übergang weniger klar, und vielleicht war es einfach so, daß die sterblichen Tänzer das spezifische Tanzkostüm aufgaben; doch spätere athenische Komasten tragen in ihrer Rolle als Satyrn zur Frühgeschichte des griechischen Theaters bei, und wir finden das ausgepolsterte Kostüm im 5. Jh. bei Schauspielern der Komödie wieder. Einige wenige Vasen aus der Zeit um 500 zeigen Männer, die als Reiter tragende Pferde [137] oder auch als Vögel verkleidet sind und in Tänzen auftreten, die die Chöre der Alten Komödie vorwegzunehmen scheinen; ein anderer, der als Satyr verkleidet ist und für Dionysos tanzt, könnte unser erster wirklicher Schauspieler sein [289]. Andere späte Vasen zeigen Männer, die auf Delphinen und auf Straußen reiten, oder Tänze von »Minotauren«. Da einmal ein Flötenspieler dabei ist, könnte es sich auch bei diesen Bildern um »live« übertragene Darstellungen von Kostümszenen handeln. Ähnlich mag es sich bei Bildern mit Huckepackdarstellungen (Ephedrismos) oder Männern auf Stelzen [144] verhalten, und es gibt späte Vasen, auf denen Waffentänzer - Pyrrichisten - auftreten (vgl. [JÄ^]). Schon gegen 600 ließen sich die Griechen bei Festlichkeiten auf Liegebetten Klinen - nieder, während die Frauen zu ihren Füßen oder abseits auf Stühlen Platz nahmen, sofern nicht intimere Dienstleistungen von ihnen verlangt wurden. Die Klinen auf den Vasen aus Athen zeigen gewöhnlich vierkantige Beine mit Ausnehmungen im unteren Teil und aufgemalten Palmetten [161, 265]', einige wenige haben gedrechselte Beine, die wohl von östlichen Vorbildern herkommen dürften. Unter ihnen (d. h. neben ihnen) steht gewöhnlich ein dreibeiniger Tisch mit 229

Kuchen oder Fleischstreifen darauf [56]; in späteren Szenen, wo es vor allem um das Trinken und Singen geht, wird er häufig weggelassen. Die Männer stützen sich auf den linken Ellenbogen und werden von Kissen gehalten [l 77, 2/9]. All die zum Symposion gehörigen Utensilien lassen sich am besten auf rotfigurigen Vasenbildern studieren —im Schwarzfigurigen treten solche Szenen, abgesehen von einigen Sianaschalen und von späteren Bildern aus der Zeit der rotfigurigen Malerei, relativ selten auf, doch seien die Musikinstrumente erwähnt, die hier und in anderen Szenen verwendet werden: die Doppelflöte wird mit Hilfe eines Mundbandes gespielt, das nicht immer eigens gezeigt wird [137, 182, 220, 222}. Der Flötenbehälter mit einer Seitentasche für das Mundstück kann frei im Bildfeld hängen, jemandem vom Arm herunterbaumeln oder anderswo befestigt sein [233.;]; bei frühen Stücken jedoch besteht er aus der vollständigen Haut eines kleinen Tieres. Die Flöte kann von Männern oder Frauen gespielt werden; Klappern dagegen finden sich nur in den Händen von Frauen, Mänaden oder Nymphen [218, 221], und diese begleiten damit natürlich Tanz und nicht Gesang. An Saiteninstrumenten gibt es die gewöhnliche Lyra mit hornförmigen Armen und einem Resonanzkörper aus einem Schildkrötenpanzer \j6 links, 77 oben], oder das Barbiton, das eher herzförmig ist und lange Arme hat. Bei der Kithara handelt es sich um ein schweres Instrument mit eckigem Resonanzkörper und kunstvoll ausgearbeiteten Armen; oft ist zu sehen, wie die Schutzhülle aus Stoff vom Instrument herabhängt [140.1, 165, 193, 214, 222\. Sie ist ein Instrument für anspruchsvollere Musik und wird oft von Apollon getragen, oder von einem Solospieler, der ein Podium (Bema) besteigt, um vor Preisrichtern aufzuspielen (vgl. Herakles [165]). Solche Wettbewerbe finden sich auf einigen Panathenäischen Amphoren und verwandten Gefäßen - für Flötenspieler im 6. Jh. und für einen Kitharoden im 5. Jh. Liebe unter Sterblichen wird gewöhnlich als Gruppenbetätigung vorgeführt; entweder sind es Paare, die sich wie bei Gelagen auf Klinen betätigen, oder- was häufiger der Fall ist- sich stehend in verschiedenen Stellungen produzieren [3;]. Der Zugang erfolgt dabei am liebsten von hinten. Gelegentlich wird Masturbation bei Männern gezeigt [82.2], Fellatio dagegen wird selten vorgeführt. Am häufigsten treten diese Szenen auf Kleinmeisterschalen (wie beim Elbows Out) und auf tyrrhenischen Amphoren auf. Auf den letzteren sind die Körper der Männer bisweilen rot gedeckt, wie das bei den Komasten der Fall ist, und manche Forscher halten sie - auch wenn sie schwanzlos sind - für Satyrn. Doch während die Frühgeschichte der Komasten eine Entwicklung hin zu einem solch ausschweifenden Verhalten durchaus möglich erscheinen läßt, findet sich im späteren Auftreten und Erscheinungsbild der Satyrn und Mänaden in der schwarzfigurigen Vasenmalerei (sie sind immer bekleidet) nichts, was darauf schließen ließe, daß sie es je so toll getrieben hätten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Komasten mit ihren gelegentlichen Attributen wie Efeuzweigen, Weinranken oder großen Kantharoi, die ja dionysische Attribute sind, allmählich den Rang von Satyrn anstreben, doch haben diese mit ihren sexuellen Turnübungen nichts zu tun. Homosexuelle Betätigung unter Männern wird so häufig dargestellt, daß sich hier eigene ikonographische Regeln herausgebildet haben; das Thema gilt so viel, daß es auf großen, qualitätvollen Vasen als Hauptszene erscheint- ein Status, den 230

heterosexuelle Begegnungen im Schwarzfigurigen selten erreichen, sehen wir von den Ausnahmen Satyr-Mänade oder einer manierlichen Umarmung zwischen Mann und Frau ab [211 ]. Der werbende Liebhaber nähert sich dem Knaben, die eine Hand zu dessen Kinn erhoben, die andere zur Lende hin gesenkt [i 24,183 ], oder er bringt als Liebesgabe einen Hahn [136] oder einen toten Hasen. Der Akt selbst wird stehend vollzogen, und zwar von vorne zwischen den Schenkeln [136}', selten erfolgt er unter dem Schutz eines Mantels, und gewöhnlich sind männliche Zuschauer anwesend. Solche Szenen treten seit etwa 560 regelmäßig auf Sport Die meisten Darstellungen von spordichen Betätigungen auf schwarzfigurigen Vasen gehören einer von drei Gruppen an. Auf Vasen aus den beiden mittleren Jahrhundertvierteln begegnen wir einigen wenigen Grundthemen-Boxerpaaren, die einander gegenübertreten, wobei ihre Handgelenke und Hände mit Lederriemen eingebunden sind; ein Ringerpaar, das sich umklammert hält; ein Wettrennen, Weitspringer mit ihren Sprunggewichten (Halteres) [151]. Sie werden einfach als Genreszenen wiedergegeben, ohne irgendwelche spezifische Anspielungen. Wo Wagenrennen dargestellt werden, ist es immer möglich, das ein heroisches Ereignis damit gemeint ist, wie die Leichenspiele für Patroklos auf der Francois-Vase und auf einem Dinos des Sophilos [26]. Über die frühe, groteske Darstellungsweise für Läufer haben wir bereits gesprochen (S. 216). Die zweite Gruppe entsteht mit der rotfigurigen Malerei und dem wachsenden Interesse an den Regeln der Anatomie. Auf schwarzfigurigen Bildern treffen wir seltener auf Versuche, die Körperhaltung eines Athleten wiederzugeben, der mit dem Diskus antritt, der überprüft, ob der Speer gerade oder die Spitze in Ordnung ist, der Ringergriffe übt — und meistens gelingen diese Versuche auch nicht vollständig; aber es existieren doch einige derartige Darstellungen, und die Beliebtheit der athletischen Szenen, wie sie in der neuen Technik die Vasen schmückten, brachte es doch mit sich, daß ein vergleichbares Repertoire ähnlicher Szenen auch auf in der alten Technik bemalten Vasen zu finden ist. Die dritte Gruppe umfaßt die Szenen, die auf den Rückseiten der Panathenäischen Amphoren oder auf Vasen dieser Form dargestellt werden und die von den Ereignissen bei den Spielen in Athen berichten. Die frühesten Beispiele zeigen den Wettlauf [295, 298], Pferderennen [300], einen Wagen [299] oder Boxer. Im letzten Viertel des 6. Jhs. wird uns dann die vollständige Spielbreite des Pentathlon vorgeführt - Diskus- und Speerwurf, Weitsprung, Wettlauf, Ringen. Als Spezialdisziplinen kommen auf diesen und anderen Vasen der Waffenlauf hinzu, wobei »Hoplitodromoi« gewöhnlich nur Helm, Schild und Speer tragen [306], und seit etwa 400 der Speerwurf vom Pferderücken herab [304.2]. Panathenäische Amphoren aus den Jahren um 330 und danach zeigen, wie beim Boxen nun neue, schwere Boxhandschuhe verwendet werden. Die Athleten sind gewöhnlich nackt; die merkwürdigen weißen Lendenschurze, wie sie von den Figuren der Perizoma-Gruppe getragen werden, stellen eine 231

Ausnahme dar \2ig\. Toilettenzubehör wie Strigilis (Schaber), Ölfläschchen und Schwamm werden im Schwarzfigurigen selten gezeigt, treten aber auf rotfigurigen Bildern häufig auf. Trainer schauen zu oder intervenieren mit ihren langen Stöcken [yoi .1], und es können bewundernde Zuschauer hinzutreten- niemals jedoch Frauen. Als wertvollster Preis erscheint ein bronzener Dreifuß, und ein Sieger kann gezeigt werden, wie er neben diesem steht oder ihn davonträgt [145.2; vgl. 139}; oft aber bezeichnen nur Kränze oder Binden, die um Kopf, Arme oder Beine geschlungen sein können, den Erfolg.

Handel und Gewerbe Dem Auge des Schwarzfigurigen Vasenmalers bot sich eine bunte Fülle an einfachen Handarbeiten, doch stellte er diese selten dar - vielleicht sogar nur auf Wunsch eines Kunden aus dem betreffenden Berufszweig. Auf dem Bild des Amasis, auf dem Frauen eifrig am Webstuhl beschäftigt sind, wird Wolle abgewogen, und etwas später zeigt Taleides Männer, die Bündel abwiegen, in denen sich vielleicht ebenfalls Wolle befindet. Eine Generation früher hatte ein lakonischer Vasenmaler Arkesilas, den König von Kyrene, dargestellt, wie er eine ähnliche Tätigkeit überwacht. Wie es zu dieser Zeit üblich war, wird dabei Gleiches gegen Gleiches und nicht ein Gegenstand gegen Gewichte abgewogen. Sonst treffen wir bis hin zum letzten Viertel des 6. Jhs. und zum Beginn des 5. Jhs. nur wenige Händlerszenen; zu dieser Zeit wird uns dann vorgeführt, wie für männliche oder weibliche Kunden mit Hilfe eines Trichters Öl aus Peliken in Alabastra umgefüllt wird [212]. Aber solche Szenen waren nie sehr beliebt, und späte Darstellungen eines Fischhändlers (vgl. [216]), eines Metzgers {287] oder von Köchen bleiben Ausnahmen. Handwerkliche Tätigkeiten mußte dem Interesse des Töpfers/Malers näherliegen, da er ja gerade am rechten Ort tätig war, um diese zu beobachten. Bald nach 550 entstehen Bilder von Schmieden bei der Arbeit an Dreifüßen, und später treffen wir auf ein paar Darstellungen von Schmiedewerkstätten, in denen eine reiche Auswahl der Werkzeuge gezeigt wird, die hier hergestellt werden sollen [285]. Auch Schreiner werden vorgeführt, und Schuster, deren Kunden auf dem Arbeitstisch stehen, damit das Leder um ihre Füße herum ausgeschnitten oder angezeichnet werden kann; unter dem Tisch steht eine Wasserschüssel, in der das Leder so weit erweicht wird, daß es geschnitten werden kann [229]. Auch diese Szenen sind selten, doch gibt es ein paar mehr, die die Arbeit in einem Töpfereibetrieb zeigen: beginnend mit einer Kleinmeisterschale, die die Handhabung der von einem kauernden Knaben angetriebenen Töpferscheibe zeigt, bis hin zu einer späten Szene, in der die Tätigkeit eines ganzen Ateliers - Arbeit an der Scheibe, Überprüfen, ein Töpferofen, der gerade ausgeräumt wird — geschildert wird. Von den landwirtschaftlichen Tätigkeiten wird am häufigsten das Pflügen und das Säen dargestellt; das erste Beispiel findet sich auf einer Sianaschale (BurgonGruppe), doch mag hier ein religiöser Sinn dahinterstecken. Sonst sehen wir die Olivenernte [186], die Olivenpresse und verschiedene Szenen im Weinberg - die 232

Traubenlese (auf einer Tafel von der Akropolis) oder häufiger das Stampfen der Trauben. Mögen die Arbeiter auch Satyrn sein, so gehört die Ausrüstung doch in das Athen des 6. Jhs. Amasis liefert die früheste und beste solcher Darstellungen

M-

Seit der Zeit des Exekias greifen die Maler manchmal zu Darstellungen von Kriegsschiffen mit Rammsporn - gelegentlich in Form einer Tierschnauze - und erhöhtem Heck, um damit die Innenseiten der Ränder von Dinoi [102] oderKrateren zu schmücken. Auf den Hecks sehen wir die Steuerruder und die Laufplanken, und die Segel sind so längsschiffs gedreht, daß sie auch in der Profilansicht deutlich werden. Manche der Ruderschiffe zeigen zwei Ruderbänke, und auf einer Vase sehen wir vielleicht den Angriff von Piraten auf einen schwereren, plumper gebauten Kauffahrer [180]. Religiöse Anlässe Von Tempeln sehen wir in der schwarzfigurigen Vasenmalerei wenig - höchstens tritt eine Säule als Kürzel auf; Altäre dagegen erscheinen recht häufig, manchmal im Zusammenhang mythologischer Szenen [67, 135, 143] wie beim Tod des Priamos und Troilos, oder jener als solcher etikettierte Altar vor dem Haus des Peleus auf der Francois-Vase [46.5]. Gewöhnlich sind sie blockartig, und manchmal wird die eine Seite als Windschutz für das auf der Altaroberfläche brennende Opfer höher gezogen [67, 135, 143]; gelegentlich treten Voluten als Architekturschmuck hinzu. In Opferszenen werden die Opfergaben in Körben herangetragen, und Tiere werden - oft in Musikbegleitung - zum Altar geführt. Knochen und Fett werden auf dem Altar selbst verbrannt, und bisweilen können wir sehen, wie sich der Schwanz des Opfertieres im Feuer kringelt. Die angerufene Gottheit nimmt daran - sei es nun »inpersona«, oder sei es als Statue-nur selten teil. Gewöhnlich handelt es sich dabei um Athena [i35 ], doch gibt es ein paar späte Darstellungen, in denen ein Dionysoskultbild von tanzenden Frauen verehrt wird, die selten als Mänaden charakterisiert und von Satyrn begleitet werden. Früher wurde nur die Maske des Dionysos gezeigt, so wie sie an einem Pfeiler als Kultmal angebracht werden mochte. Eine Reihe untergeordneter religiöser Szenen findet sich auf Vasen ausschließlich späten Datums - ein Stier, der ohne Begleitung vor einem Altar oder einem Becken steht, genügt, um eine Opferszene anzudeuten; wir sehen Heiligtümer am Wegesrand, in denen eine Herme und manchmal auch ein Altar stehen, denen Männer und Frauen ihre Verehrung erweisen. Die Herme ist ein Pfeiler, der vom bärtigen Haupt des Hermes gekrönt wird und dessen Vorderseite plastisch herausgearbeitete oder angestückte männliche Genitalien - gewöhnlich in erigierter Form - trägt [243]. Ein Trankopfer wird in der Regel beim Auszug eines Kriegers oder ähnlichen Gelegenheiten dargebracht - und zwar selbst von Göttern [246]. Die Ehefrau oder Mutter hält den Krug, der Mann eine Phiale. Oder der Krieger nimmt bei einem geopferten Tier die Eingeweideschau vor, um so zu beurteilen, ob die Vorzeichen für die Unternehmung gut sind [187}. 233

Es gibt nicht viele Hinweise auf spezielle Feste. Der Riesenphallus, der auf einer Randschale getragen wird, illustriert sicher eine ländliche Feier für Dionysos. Außerdem wird die Verkörperung des Dionysos durch den Archon Basileus, und seine Fahrt durch die Straßen Athens im Schiffskarren während des Anthesterienfestes gezeigt [247]. Der Grund dafür, daß sich das Interesse der Maler auf die farbigeren Szenen seiner Verehrung statt der der Stadtgöttin konzentrierte, mag darin zu sehen sein, daß die meisten verzierten Vasen schon von ihrer Form her eine Verbindung zu Dionysos haben. Die Griechen kannten keine Hochzeitsfeierlichkeiten. Amasis zeigt uns den Hochzeitszug hin zum Haus des Bräutigams, den die Brautmutter — eine Fackel tragend - begleitet, während die Mutter des Bräutigams - ebenfalls mit Fackel vor dem neuen Haus wartet [77]. Am nächsten Morgen erscheinen die Gäste mit Geschenken. Der große Fries auf der Francois-Vase sieht alle Olympier - zu Wagen oder zu Fuß - zu Peleus und Thetis ziehen [46.5; vgl. 24-5]. Anspruchslosere Szenen zeigen den zuerst genannten Zug mit Braut und B räutigam im Wagen, begleitet von Göttern und Geschenken - Schachteln (die wohl Leinen enthalten) und Kesseln [267]. Manche sind mythologisch bezogen: Peleus und Thetis, Kadmos und Harmonia, und als frühestes Beispiel Menelaos und Helena (sophileisch); wo jedoch keine Inschriften oder Attribute beigegeben werden, dürfen wir getrost ein weltliches Ereignis vermuten. Die Aufbahrung eines Toten (Prothesis) wird auf Grabtafeln [265] und einigen Loutrophoren und Phormiskoi gezeigt. Der Tote liegt auf der Bahre, wobei sein Kopf sorgfältig auf Kissen gebettet ist und gelegentlich auch die Kinnbinde gezeigt wird, die seinen Mund geschlossen hält. Die Frauen beschäftigen sich an der Bahre selbst oder klagen dort gemäß dem vorgeschriebenen Ritual, die Männer dagegen treten heran, eine Hand im rituellen Gestus erhoben. Eine Säule mag die Lokalisierung in der Vorhalle des Hauses andeuten. Innerhalb der Serie der Tafeln des Exekias werden uns zusätzlich der Z ug der Gäste einschließlich der Wagen, die Trauerfeierlichkeiten im Hause und die Vorbereitungen im Hof [105] zur »Ekphora« - des Hinaustragens zum Begräbnis - vorgeführt. Lydos und ein paar spätere Maler zeigen einen Z ug trauernder Männer [71 ] zu Fuß oder zu Pferd, die die Hände erheben. Der Sappho-Maler liebt Begräbnisszenen und, abgesehen von seinen »Prothesis«-Tafeln, zeigt er uns die Vorbereitungen im Haus für die »Ekphora« [266], die Bestattung [264], und die Trauer am Grabe. Ein paar frühere Bilder bringen die »Ekphora« selbst, die mit Hilfe von Karren oder Trägern vonstatten geht [220]. Es werden runde oder rechteckige Grabmäler gezeigt, die gewöhnlich weiß bemalt und mit Tierszenen geschmückt sind. Sie entsprechen den ausgegrabenen Monumenten der gleichen Zeit. Einige sehr späte Bilder zeigen solche blockförmigen Monumente, die von einer Sphinx oder Sirene bekrönt werden und bei denen sich Männer einfmden — vielleicht handelt es sich um Grabmäler.

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13- Kapitel MYTHOLOGISCHE BILDER

Die Konventionen, die die Darstellungsweise mythologischer Szenen auf schwarzfigurigen Vasen aus Athen bestimmen, wurden bereits in einem früheren Kapitel besprochen. Hier müssen wir als Einführung zur Beschreibung der Szenen selbst nur noch ein paar Warnungen anbringen. Die schwarzfigurige Malerei Athens liefert uns den weitaus größten Bestand an mythologischen Bildern der archaischen griechischen Kunst; doch dieser Bestand hat, wollen wir ihn als repräsentativ für die archaische griechische Ikonographie insgesamt setzen, nur begrenzten Wert. Obwohl diese Grenzen nicht allzu eng gezogen sind, müssen sie doch bedacht und erklärt werden. Zu allererst liefern uns andere Quellen aus Athen-vor allem die Architekturplastik- den klaren Beweis, daß ein Athener Künstler eine Szene ganz anders und mit ganz anderen erzählerischen Details vortragen konnte. Zweitens ist Athen nicht Griechenland. So gibt es zum Beispiel in der peloponnesischen Kunst auf Bronzereliefs und korinthischen Vasen, vielfältige und frühere Gruppen mythologischer Bilder. Manchmal können wir feststellen, daß Athen aus dieser Tradition schöpfte, manchmal aber auch, daß es ganz unbeeinflußt davon blieb. Der Einfluß ostgriechischer Künstler im Athen des 6. Jhs. liegt, was Stil und Technik angeht, klar auf der Hand und wir können vermuten, daß sie auch die Ikonographie beeinflußt haben. Obwohl Ionien bisher nur wenig erbracht hat, anhand dessen sich das kontrollieren ließe, ist es doch sicher, daß es in Griechenland kein richtiggehendes »Commonwealth« der Ikonographie gegeben hat, und daß ionische Künstler ihre eigene Einstellung zu den Dingen hatten. Wir können hier also, auch wenn wir den Hauptanteil des erhaltenen einschlägigen Materials danach befragen, das Verständnis des archaischen griechischen Künstlers vom Mythos nur unvollständig nachvollziehen. Bei diesem Kapitel hat es sich als günstig erwiesen, die Szenen nach ihren Protagonisten oder nach thematischen Zusammenhängen auf Grund einer Dichtungwie im Falle des trojanischen epischen Zyklus - zusammenzustellen. Man sollte jedoch nicht glauben, daß die Maler ihre Quellen ähnlich auffaßten. Vielleicht läßt sich nachweisen, daß sich bestimmte Künstler für bestimmte Geschichten interessierten, jedoch sicherlich nicht etwa für die Ilias als Quelle; die ziemlich disparaten und seltenen Illustrationen zu den homerischen Gedichten zeigen, daß das Interesse des Künstlers nicht an der Dichtung als solcher hing, sondern an den Möglichkeiten, die bestimmte Episoden boten- etwa der Verwandlung der Genossen des Odysseus durch Kirke, oder dem beliebten Thema der Blendung des Polyphem. Die Situation wird gegen Ende des 6. Jhs. und im Bereich der rotfigurigen 235

Malerei etwas besser, doch kommt es niemals soweit, daß wir glauben könnten, eine Dichtung allein habe einen Zyklus von Darstellungen hervorrufen können. Die Theseus-Abenteuer, die wir auf späten Vasen sehen, mögen durchaus in einem zeitgenössischen Gedicht besungen worden sein, ihre große Popularität aber — und auch die des Gedichtes - läßt sich wohl durch die neue politische Bedeutung des Theseus in Athen erklären. Ich habe an anderer Stelle nachzuweisen versucht, daß Herakles - der Schützling der Athena - vielleicht deswegen im peisistratidischen Athen (der Jahre um 560 bis 510) so ungeheuer beliebt war, weil der Tyrann Peisistratos - unter dem Schutz der Stadtgöttin stehend - sich und sein Schicksal mit dem des Helden identifizierte. Wenn uns also auch die Bilder nicht immer zu einer besseren Einschätzung der zeitgenössischen Literatur (die ja zum größten Teil verloren ist) verhelfen können, so haben sie vielleicht doch um so mehr auf einer allgemeinen sozialen oder politischen Ebene zu bieten. Dabei handelt es sich um einen Gegenstand, der nur schwer zu untersuchen und durch nicht schlüssige Argumente befrachtet ist. Schließlich ist da die Tatsache anzuführen, daß ab 530 die rotfigurige Technik zur wichtigsten Technik der Vasenmalerei in Athen wurde, daß wir jedoch die Szenen auf rotfigurigen Vasen nicht in die Betrachtung miteinbeziehen. Doch während dies auf der einen Seite bedeutet, daß unsere Darstellung vom Mythos auf den Athener Vasen seit 530 schwerwiegende Lücken aufweisen muß, verhilft es ihr auf der anderen Seite zu einer bezeichnenden Einheit und Unabhängigkeit, denn die Ikonographie der schwarzfigurigen Vasenmalerei unterscheidet sich generell von der der rotfigurigen Malerei, da sie sowohl alte Traditionen weiterführt wie auch neue Interessen entwickelt.

Die Götter Die olympischen Götter sind auf schwarzfigurigen Vasen sehr häufig zu sehen zwar treten sie nicht oft als Protagonisten im Mythos auf, aber sie unterstützen die Heroen oder treten für sich auf, ohne in eine Aktion verwickelt zu sein. Als individuelle Schutzgottheiten einzelner Städte spielten sie eine bedeutendere Rolle in der lebendigen Religion Griechenlands als etwa Heroen wie Herakles und Theseus, und die epischen Dichter und ihre Nachfolger mußten weit mehr Erfindungsgabe aufbringen, um sie in die Schemata der Mythengeschichte einzugliedern. Doch ihre Attribute und die unterschiedlichen Funktionen, die sie als »gleichwertige« Glieder einer Familie und nicht als individuelle lokale Gottheiten ausübten, waren bereits in den Gesängen und der Literatur des 8. Jhs. festgelegt worden; das ist auch der Geist, der sich aus den Vasenbildern äußert - sie bleiben in ziemlicher Entfernung von zeitgenössischer religiöser Praxis und schildern eher die Rolle der Götter in der Mythengeschichte. Wir wollen die Götter nun zuerst getrennt betrachten, im Zusammenhang mit einigen Mythen, in denen sie die führende Rolle spielen; anschließend dann als Familie, zu Hause und in der Schlacht. Sie werden jedoch häufig in Szenen wiederkehren, denen spätere Abschnitte dieses Kapitels gelten sollen. 236

ZEUS wird, ebenso wie die übrigen älteren männlichen Götter, im Schwarzfigurigen gewöhnlich bekleidet dargestellt, obwohl er später in der Regel nackt oder fast nackt auftritt. Sein Hauptattribut und seine Waffe ist das Blitzbündel, ein stilisiertes Objekt, das wie bei [62, 206] aus Spitzen, Flügeln und floralen Elementen zusammengesetzt ist, doch kann er auch wie ein König ein prächtiges Szepter halten, und sein Thron ist häufig ein sehr reich gearbeitetes Prunkmöbel. Sein Adler tritt nicht häufig auf. Bei der Geburt derAthena, die voll gerüstet seinem Haupt entspringt, sitzt er; auf mehreren Vasenbildern aus der Zeit nach 565 wird Athena so seinem Haupt entspringend dargestellt [62, 123.1], von etwa 550 an steht sie dann auf seinem Schoß [175]. Er kann bei ihrem Erscheinen Überraschung oder Schmerz erkennen lassen, und oft sehen wir, wie Hephaistos mit geschulterter Axt, mit der er seiner göttlichen Schwester eben Geburtshilfe geleistet hat, erschreckt zurückfährt. Eine oder zwei Frauen können dem Zeus beistehen [62] — es sind die Göttinnen der Kindsgeburt, die Eileithyiai [.z75]. Ein sitzender Zeus, dem zwei Frauen aufwarten (auf [i38] sind sie geflügelt), macht sich wohl - auch wenn Hephaistos nicht anwesend ist - zur Geburt bereit. Die »zweite Geburt« des Dionysos aus dem Schenkel des Zeus - dort hatte ihn Zeus eingenäht, damit er nach der Frühgeburt durch Semele voll ausreifen sollte - ist vielleicht auf der Namensvase des Diosphos-Malers dargestellt [272]. Hier steht der junge Gott mit Fackeln in den Händen auf dem Schoß des Zeus und wird als »Licht des Zeus« - Diosphos - begrüßt; manche sehen in ihm jedoch den jungen Hephaistos. Die Liebesabenteuer des Zeus erleben wir erst zur Zeit der rotfigurigen Bilder - so erklärt sich eine spätschwarzfigurige Verfolgungsszene des Ganymed (ein Knabe mit einem Hahn) -, dochEuropa tritt, den Zeus-Stier reitend, auf mehreren späten Vasenbildern auf [244] — sie darf jedoch nicht mit der Mänade verwechselt werden, die ähnlich beritten dargestellt wird. APOLLON ist gewöhnlich unbärtig [193, 214; jedoch 140] und bekleidet; in den Händen hält er meist einen Bogen, einen Lorbeerzweig oder eine Kithara. Sein Heiligtum kann durch einen Dreifuß (Delphi) angedeutet werden - einmal wird er gezeigt, wie er auf einem Dreifuß übers Meer reist -, oder durch die Palme (Delos), die Leto stützte, als sie ihn und seine Schwester Artemis zur Welt brachte. Auf zwei späten Vasen spannt er seinen Bogen gegen die Schlange Pytho. Bei Familienangelegenheiten tritt er oft zusammen mit Artemis in Aktion. Auf tyrrhenischen Amphoren erleben wir, wie sie die zahlreichen Kinder der Niobe niederschießen [60], da diese sich ihrer Überlegenheit gegenüber einer Mutter, die nur Zwillinge zur Welt gebracht hatte, gerühmt hatte; oder wir sehen, wie sie dem Giganten Tityos, der versucht hatte, Leto zu entführen, dasselbe Schicksal zuteil werden lassen. Tityos wird in den Rücken geschossen, und einmal wird er sogar haarig wie ein Satyr dargestellt, um damit seine abscheuliche Natur anzudeuten. Leto steht zwischen Angreifer und Rettern [59]. Das Schicksal des Tityos ist auf wenigen späteren schwarzfigurigen Vasen zu sehen. Auf die Streitigkeiten zwischen Apollon und Herakles in Delphi werden wir noch zurückkommen. HERMES ist bärtig und wegen seiner Rolle als Bote und Herold gewöhnlich für die Reise gekleidet - d. h. er trägt einen kurzen Chiton und Chlamys wie auf [l 03, ]' worüber er gelegentlich noch ein Tierfell anziehen kann; doch in ein paar 237

Szenen aus der Zeit vor der Jahrhundertmitte trägt er einen langen Chiton ([62], wo er sich selbst als aus Kyllene stammend bezeichnet). Sein Sonnenhut (Petasos) hat eine breite Krempe und bisweilen ein hohes konisches Kopfstück; im Nacken ist dabei die Krempe - wie bei Robin Hood - nach oben geschlagen [107, 154.l, 226}. Er trägt Stiefel und hält einen Heroldstab (Kerykeion, Caduceus) mit einer oben offenen 8-förmigen Bekrönung, die erst später zu verknoteten Schlangen umstilisiert wird. Sein Hut und seine Stiefelzungen können geflügelt sein, und einoder zweimal ist er selbst geflügelt [140]. Manchmal wird er von einem Hund begleitet, einem Widder oder einer Ziege, und auf den beiden letzten Tieren reitet er sogar gelegentlich. Seine einzige reguläre Begleitung besteht aus einer Gruppe von Nymphen [218]. Im allgemeinen besteht seine Aufgabe darin, bei göttlichen und heroischen Szenen anwesend zu sein, und so kommt es, daß er wohl ebenso oft dargestellt wird wie jede wichtigere Göttergestalt auch, mit Ausnahme von Athena und Dionysos. Aktiv wird er jedoch, als Herakles das Ungeheuer Kerberos aus der Unterwelt heraufbringen mußte [163], und manchmal muß er den Paris zu seinem Urteil zwingen. Als Säugling stahl er die Rinder des Apollon, und auf einer tyrrhenischen Amphora und auf späten Vasen tritt er als Erwachsener mit einer Rinderherde auf [282]. Die Ermordung des Argos, der als Wache über die durch Hera in eine Kuh verwandelte lo eingesetzt war, durch Hermes stellt eine weitere Seltenheit im schwarzfigurigen Repertoire dar. Argos wird als doppelgesichtiger Mann dargestellt, und auch lo und Hera fehlen im Bilde nicht [107]. DIONYSOS, der Gott des Weines, ist bärtig, voll bekleidet und gewöhnlich mit Wein- oder Efeulaub reich bekränzt; er hält eine Schale (in der Regel einen Kantharos oder ein Trinkhorn) und manchmal eine Weinranke. Sein Schiff mit dem weinumrankten Mast auf der berühmten Schale des Exekias [104.3] bezieht sich wahrscheinlich auf sein Abenteuer mit den Seeräubern, die er in Delphine verwandelte. Sonst reitet er auf einem Esel oder reist zu Wagen [242, 256], wobei ihn oft eine Frau, seine Braut (Ariadne) oder seine Mutter (Semele), begleiten; da er im Vergleich zu anderen Göttern ein Neuankömmling im Olymp war, mögen sich diese Szenen, die um die Jahrhundertmitte beginnen, auf seine Ankunft dort beziehen. Am geläufigsten sind die Bilder, auf denen er - oft zusammen mit einer Gefährtin [8l, 171] — steht, sitzt oder ruht [255] (spät), während seine Begleitschar von Satyrn und Mänaden ihn umtanzt oder umspielt; auf den Vasen des Amasismalers schaut er seinen Satyrn bei der Weinlese zu [8g}. Die wichtigste Prozession im dionysischen Bereich ist die, mit der der betrunkene Hephaistos zurück in den Olymp geleitet wird. Die Francois-Vase liefert den frühesten und ausführlichsten Bericht über die Rückführung des Hephaistos [46.7]; die Götter sind anwesend, und auch die an ihren Thron gefesselte Hera wird gezeigt, wie sie daraufwartet, von Hephaistos befreit zu werden; er hatte diese Falle für sie vorbereitet, bevor ihn Zeus aus dem Olymp geschleudert hatte. Von rechts begleiten Dionysos und sein Gefolge den Gott, dessen Widerstreben durch Wein überwunden wurde. Das ist das Vorbild für viele spätere, weniger ausführlich geschilderte Prozessionen, bei denen die Götter im Olymp fortgelassen werden [65]. Der Kopf oder die Maske des Dionysos en face bildet den Mitteldekor auf einer Reihe von Vasen [178], und er und Athena sind die einzigen Olympier, deren Kult häufig in der schwarzfigu238

rigen Malerei gezeigt wurde: Athena wohl wegen ihrer Rolle als Stadtgöttin, und Dionysos wohl wegen der Bestimmung so vieler der einschlägigen Gefäße. HEPHAISTOS ist auf der Francois-Vase bärtig und voll bekleidet; seine Lahmheit wird durch einen verdrehten Fuß deutlich gemacht [46.7}. Als Handwerkergott trägt er vor allem bei Handlungsbildern wie bei der Athenageburt [62, 123.1] als Attribut gewöhnlich eine Doppelaxt von der Form einer Holzaxt. Auf den späteren Vasen wird er dann mit kürzerer Arbeitskleidung und einer Zange versehen, die unmittelbarer auf seine Rolle als Schmied hinweisen. POSEIDON, der Gott des Meeres, tritt nur selten auf; er sieht aus wie Zeus, doch hält er einen Dreizack [lojlinks, 112, 140], einen Fisch oder einen Delphin. DieGestalt mit Dreizack auf einem Pferdefisch (es ist kein wirkliches Seeroß), wie sie auf späten Vasen auftritt [250], mag Poseidon, Nereus, oder eine andere Meeresmacht darstellen. ARES tritt im Kyknos-Abenteuer (siehe bei Herakles) oder im Kampf gegen die Giganten einfach als Hoplitenkrieger auf. Im Olymp war er eher ein Außenseiter, und seine Position in der Szene der Rückführung des Hephaistos auf der Francois-Vase [46.7 links] deutet daraufhin, daß ihm der Versuch mißlungen ist, das durch Gewalt zu erreichen, was Dionysos mit Hilfe des Weines bewirkt hat. Unter den Göttinnen ist natürlich ATHENA die beliebteste. Vor dem zweiten Viertel des 6. Jhs. muß sie nicht unbedingt immer bewaffnet sein - nur mit Speer erscheint sie bei [94] und im Parisurteil [38]. Ihr Helm zeigt den attischen Typus, jedoch oft in allgemeinster Form - eine einfache Kappe, die einen hohen Helmbusch trägt [135]. Sie trägt einen Peplos und - vor allem auf Panathenäischen Amphoren [J45-i] - ein bis zu den Knien oder den Waden reichendes Übergewand [135, 139, 162, 223] (Ependytes), das manchmal an den Seiten offen ist. Die Ägis, ein schuppiges, magisches Ziegenfell, das Zeus ihr gegeben hat, wird wie ein Brustlatz getragen; die geringelten Ränder sind zu Schlangen umstilisiert [297, 301.2], es muß jedoch nicht unbedingt das Gorgoneion tragen, das später in der Regel gezeigt wird [227]. Ihre Eule erscheint selten, und Athena kann auf ein paar späten Vasen geflügelt auftreten [?207] - ein Zug, der aus Ostgriechenland übernommen ist. Abgesehen von den Szenen ihrer Geburt, die schon besprochen wurden, tritt sie im Schwarzfigurigen gewöhnlich in ihrer Rolle als Schutzherrin von Heroen auf- besonders von Herakles und in geringerem Maße von Perseus. Um die Jahrhundertmitte mag durch die Darstellungen von der Einführung des Herakles in den Olymp (s. unten) ihr Auftreten in Verbindung mit einem Wagen festgelegt worden sein; dieser Zug wird dann später wieder bei der Darstellung von Gigantomachien benützt [284]. Bemerkenswert ist, wie der Amasis-Maler anscheinend eine freundschaftliche Beziehung der Athena zu Poseidon betonen will, während die klassische Kunst - etwa im Giebel des Parthenon - ihren Streit mit Poseidon um Athen in den Vordergrund stellt. HERA erhält in der Schwarzfigurigen Malerei Athens keine spezifischen Attribute, abgesehen davon, daß sie gelegentlich mit einer besonders prächtigen Krone oder einem Szepter ausgestattet sein kann. Auf einer Vase aus den Jahren um 540 wird sie von Satyrn angegriffen- ein Ereignis, das in der rotfigurigen Technik der Brygos-Maler wiederaufgreift. 239

APHRODITE, die dritte Göttin beim Urteil des Paris, wird kaum besser behandelt. Bereits um 570 wird sie mit Eros in ihren Armen gezeigt, aber Eros wird dann zum Liebling der rotfigurigen und nicht der schwarzfigurigen Maler. ARTEMIS ist für den Ikonographien interessanter. Im 7. Jh. war sie als Herrin der Tiere dargestellt worden, mit Flügeln versehen und ein oder zwei Tiere - gewöhnlich Löwen - haltend. So tritt sie auf den Henkeln der Francois-Vase auf [46.2] und auf ein paar weiteren Vasen aus Athen, doch setzt sich dieses Schema kaum über die Jahrhundertmitte fort— das letzte Beispiel liefert der Amasis-Maler auf einer Lekythos. In mythologischen Darstellungen wird sie durch ihren Bogen oder ihre Hirschkuh gekennzeichnet und oft tritt sie als Helferin ihres Bruders Apollon auf [59, 60]. Sie bewirkte, daß der Jäger Aktaion von seinen Hunden zerrissen wurde; dies war die Strafe für eine Verfehlung, die im Altertum unterschiedlich aufgefaßt wurde (Prahlerei, Lüsternheit oder heimliches Beobachten, als sie nackt war), und wir sehen ihn gelegentlich auf Vasen ab 560 allein dieses Schicksal erleiden [258]. IRIS trägt einen Heroldstab wie Hermes. Auf der Francois-Vase hat sie keine Flügel, später jedoch wird sie gewöhnlich geflügelt dargestellt; auf einigen späten Vasen wohnt sie der Schleifung Hektors um die Mauern von Troja bei. Der Diosphos-Maler zeigt sie, wie sie einen Brief trägt, und auf einer späten Schale tritt sie zusammen mit Satyrn auf und erinnert so an jenen Angriff auf Hera (siehe oben). DEMETER und ihre Tochter PERSEPHONE tragen Fackeln oder Kornähren, aber sie erscheinen nicht häufig auf athenischen schwarzfigurigen Vasen. Gelegentlich jedoch stoßen wir auf Darstellungen des Triptolemos, ihres männlichen Gefährten in Eleusis, wie er auf seinem mit Rädern versehenen Thron sitzt [146] (der in der griechischen Kunst bald zum Flügelwagen werden sollte) und Kornähren hält; so zieht er aus, den Segen des Ackerbaus auf die Erde zu bringen. Die Götter als Familie - gemeinsam handelnd oder kämpfend - liefern das Thema für viele bedeutende schwarzfigurige Bilder. Die meisten Götter, unter ihnen sogar Demeter, können auf einem Wagen fahrend auftreten (wie Leto auf [226]), und in Analogie zu den Athena- und Dionysosszenen ist auch hier anzunehmen, daß sie auf dem Weg zu einer olympischen Ratsversammlung sind oder sich zu jener anderen großen Götterschau bereitmachen, die bei der Hochzeit von Peleus und Thetis stattfindet. Auf der Francois-Vase sitzen die Götter beisammen, um den zurückkehrenden Hephaist zu begrüßen [46.7], und auch später treten oft solche Versammlungen auf, ohne daß der Anlaß genauer umrissen würde. Noch häufiger stehen sie, unterhalten sich oder begleiten gegenseitig ihre Wagen [103, 112, 140, i jy, 193]- Außerdem gibt es einige beliebte Zweierszenen, die leicht zu erklären sind: Artemis und Apollo, Zeus und sein Oberhofmeister Hermes [155], Athena und der eben erhobene Herakles. Die Schlacht der Götter und Giganten tritt zum erstenmal auf athenischen Vasen aus denjahren um 560 auf; die besten Darstellungen dieser Massenszenen gehören zu den frühesten - sie finden sich auf fragmentarisch erhaltenen Vasen von der Akropolis von der Hand des Nearchos, des Lydos [64] und anderer. Auf späteren Vasen werden vor allem das Geschehen um den Wagen des Zeus oder einzelne Handgemenge, gelegentlich aus Zweier- oder Dreiergruppen bestehend, gezeigt. 240

Es sind jene frühen Szenen, die dem Geist des herrlichen, marmornen Relieffrieses vom Siphnier-Schatzhaus in Delphi am nächsten kommen, auch wenn dieser beträchtlich später entstanden ist [um 525]; und nur auf diesen Bildern ist Ge, die Mutter Erde, zu sehen, wie sie Zeus für ihre Kinder, die Giganten, anfleht. Die Giganten sind wie Hopliten gekleidet und kämpfen auch wie solche, einige können aber auch einmal Schuppenpanzer tragen und Steine werfen. Das Mittelstück der Schlacht bildet gewöhnlich der Wagen des Zeus; neben dem Wagen kämpft Athena und auf dem Wagen - ein Fuß auf der Wagendeichsel - steht Herakles, den Bogen spannend, den er bei diesem Kampf als einzige Waffe benützt [206]. Das Eingreifen des Herakles aufseilen der Götter war ausschlaggebend, und Athena hält sich natürlich neben ihrem Schützling. Auf vielen nach 530 entstandenen Vasen ist sie zu sehen, wie sie selbst einen fahrenden Wagen lenkt und damit einen Giganten niederfährt. Es handelt sich dabei um isolierte Szenen, doch einmal steht Herakles neben ihr [284]. Ihr spezifischer Gegner ist Enkelados [121]. Zeus wird selten in Waffen gezeigt. Er schwingt beim Besteigen seines Wagens das Blitzbündel, oder er kämpft - auf späteren Bildern - zu Fuß. Hermes ist manchmal bewaffnet, nur selten tritt er in isoliertem Zweikampf auf; Ares tritt als gewöhnlicher Krieger auf. Poseidon ist nur in den frühen Darstellungen bewaffnet, häufiger ist er nackt oder nur leicht bekleidet. Er kämpft mit seinem Dreizack, selten mit einem Speer; sein eigentlicher Beitrag zu dem Geschehen ist, daß er den Giganten Polybotes mit einem gewaltigen Felsblock zerschmettert - einem Felsblock, den er von der Insel Kos abgebrochen hat und der, als er niedergefallen ist, zur Insel Nisyros wird. Apollon und Artemis treten selten im Kampf auf, bewaffnet sind sie mit Bogen. Dionysos, bekränzt und in ein Tierfell gehüllt, kämpft mit Speer und Schild, und Löwen helfen ihm. Hephaistos betätigt auf einer Vase von der Akropolis ebenso wie auf dem Fries des Siphnierschatzhauses seinen Blasebalg, um die Kohlen anzufachen, die er gegen die Giganten schleudern will; auf den späteren Darstellungen jedoch tritt er nicht mehr auf. Hera trägt Helm und Schild und kämpft gewaltig zu selten ihres Gemahls. Ein gutes Beispiel für solche Darstellungen bringt der Psykter [154], auf dem ein Großteil der Szenen dargestellt ist: unsere Abbildung zeigt Hermes, Hera und Dionysos, der ein Tierfell trägt und von Löwen unterstützt wird, in Aktion; es folgen ein Gott auf einem Wagen und eine Göttin (hier nicht zu sehen); und schließlich Poseidon, eine andere Göttin und Athena auf ihrem Wagen. Der Geist dieser Szenen, die die Olympier als Familie zeigen, ist neuartig in der bildenden Kunst Griechenlands, obwohl er uns aus den homerischen Gedichten längst vertraut ist. Solche Bilder treten zum erstenmal etwa zur Zeit der Neuorganisation des Panathenäenfestes um 566 auf. Dazu gehörten möglicherweise auch homerische Rezitationen oder Wettbewerbe; auch der Peplos, der bei den großen Panathenäen der Athena auf der Akropolis dargebracht wurde, war mit Szenen aus dem Kampf mit den Giganten bestickt. Auf ihn beziehen sich mit Sicherheit die Vasenbilder, die aus den ersten Jahren des neugeordneten Festes stammen und von denen viele auf der Akropolis geweiht wurden.

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Herakles Herakles - ein gebürtiger Thebaner und was seine Taten angeht vor allem ein peloponnesischer Heros — wurde zur populärsten mythologischen Gestalt auf den schwarzfigurigen Vasen aus Athen; das mag daran liegen, daß Athena - die Stadtgöttin Athens — seine Beschützerin war und regelmäßig zusammen mit ihm auftritt. Diese Verbindung mag auch politisch ausgenützt worden sein; so kehrte Peisistratos nach seinem zweiten Exil in einem Aufzug zurück, der an die Einführung des Herakles auf einem Wagen in den Olymp durch Athena erinnern sollte. Auch die Tatsache, daß seine Beliebtheit in derKunst Athens schließlich durch Theseus in Frage gestellt wurde, hat ihre politischen Bezüge. Auf den Vasen wird er bärtig dargestellt und häufig trägt er sein Löwenfell, wobei die Tatzen auf der Brust verknotet sind und ihm das Löwenhaupt als Kopfbedeckung dient. Das Fell kann durch einen Gürtel zusammengehalten werden oder - in späterer Zeit — wie ein Umhang frei im Winde flattern [228]. Darunter kann er ein kurzes Hemd oder einen Chiton tragen. Oft ist er ganz nackt, selten ist er als Hoplit gekleidet und nie trägt er einen Helm. Bewaffnet ist er gewöhnlich mit Keule (nicht vor 570 auf Vasen aus Athen), Bogen oder Schwert, nicht aber mit Speer (eine Ausnahme bildet [68]). Als Bogenschütze mag er im skythischen Gewand auftreten, doch trägt er keine skythische Mütze. Nach 520 finden sich dann einige wenige Beispiele, wo er keinen Bart hat - eine Darstellungsweise, die dann im 5. Jh. geläufiger wird. Sehr häufig sehen wir Athena, wie sie ihm hilft oder ihn ermutigt. Die einzige andere Figur, die ihn regelmäßig begleitet, ist Iolaos, sein Wagenlenker, der entweder mit dem Wagen wartet und die nutzlosen Waffen hält, während Herakles mit dem Löwen ringt, oder einfach zuschaut [192, 194]. Aktive Hilfe leistet er nur beim Kampf gegen die Hydra. Die meisten Darstellungen zeigen bewegte Handlung und beziehen sich auf die Aufgaben, die Herakles für den König Eurystheus von Mykene ableisten mußte. In der schwarzfigurigen Malerei Athens treten sie zum erstenmal im 2. Viertel des 6. Jhs. auf, aber die kanonischen 12 Taten, die für die klassische und spätere Zeit gültig waren, waren in jener Frühzeit nicht alle gleich beliebt. Auch die meisten der übrigen Heraklesabenteuer treten nicht vor dem 2. Viertel des 6. Jhs. auf, mit Ausnahme einiger Darstellungen, bei denen es um Nessos, andere Kentauren, Nereus und Prometheus geht. Betrachten wir zuerst die Aufgaben. Der Nemeische Löwe war durch gewöhnliche Waffen nicht zu verwunden. Seit der Jahrhundertmitte benützt Herakles für diesen Kampf bisweilen ein Schwert, mit dem er ihm jedoch manchmal nur eine Fleisch wunde beibringt - einmal ist es ein gebogenes Schwert - und oft sind seine nutzlosen Waffen aufgehängt, beiseite gelegt, oder sie werden von Iolaos gehalten, der meistens mit anwesend ist. Der Kampf wird gewöhnlich in folgenden Grundschemata dargestellt: a) der Löwe bäumt sich gegen Herakles auf, der ihn bedroht, eine Tatze packt, oder ihn auch gar nicht zu berühren braucht [i8g}\ b) ein Kampf im Stehen, wobei sich die Körper überkreuzen, Herakles den Hals des Löwen umklammert und die242

ser ihm manchmal das Bein zerkratzt [97]; c) wie letzteres, wobei jedoch der Löwe den Kopf wegdreht; d) beide Körper nach rechts gewandt, wobei sich der Löwe hinter Herakles befindet [94]; e) ringend auf dem Boden, Herakles kniend und den Hals des Löwen umklammernd, wobei der eine von links, der andere von rechts agiert, oder f) beide in derselben Richtung agieren; g) Herakles kniet und wirft den Löwen nach vorne über die Schulter (sehr selten). Die letzten zwei Versionen treten erst nach 530 auf und Schema e) scheint eine Erfindung des Exekias zu sein. Alle Gruppen ähneln den normalen Ringkampfszenen. Die Maler zeigen den Helden manchmal mit einem Löwenfell bekleidet, wobei sie vergessen, daß er sich dieses erst in diesem Kampf erwarb. Einmal wird er dargestellt, wie er den Löwen ausweidet. Dies ist die beliebteste von allen Aufgaben, und wir kennen weit über 500 Darstellungen davon - vielleicht mehr als von allen anderen Taten zusammengenommen. Die Hydra besitzt zwei bis neun Schlangenköpfe (gewöhnlich sind es neun), die aus einem massigen, sich ringelnden Körper herauswachsen, der manchmal in einem gegabelten Schwanz endigt; sie wirkt wie eine gewaltige Schnecke ohne Gehäuse. Herakles greift gewöhnlich mit einem Schwert an, manchmal mit einer Sichel (Harpe), und oft hilft ihm Iolaos. Selten zeigen die Maler aus Athen den Taschenkrebs, den Hera geschickt hat, damit er Herakles behindert; selten bringen sie auch die Fackel des Iolaos, mit der dieser die abgeschnittenen Hälse ausbrennt, oder den wartenden Wagen — lauter Details, die in nicht-athenischen Bildern häufig gezeigt werden; auch ist das Ungeheuer normalerweise unverletzt. Abb. [270] ist ungewöhnlich ausführlich. Den Erymanthischen Eber fängt Herakles mit bloßen Händen; wir können sehen, wie er mit ihm ringt, ihn in die Höhe hebt, ihn auf der Schulter trägt oder ihn wie einen Schubkarren vor sich herschiebt [166]. Eurystheus verbirgt sich bei seiner Rückkehr in einem halb in den Boden eingegrabenen Vorratsgefäß, und oft sehen wir, wie Herakles drauf und dran ist, den Eber kopfüber auf ihn niederfallen zu lassen [392] - die einzige Aufgabe, die ein Element des Humors eindringen läßt. Die Gefangennahme des Ebers wird kaum vor der Jahrhundertmitte dargestellt, und die Begegnung mit Eurystheus kaum vor dem letzten Viertel des Jahrhunderts. Die Kerynitische Hirschkuh war das Tier der Artemis und hatte ein Gehörn aus Gold. Herakles fangt sie lebendig [209], und einmal sehen wir, wie er ihr das Hörn abbricht. Sowohl Artemis wie Athena können anwesend sein (s. auch unten bei Apollon). Von den übrigen Tierabenteuern des Herakles wird das mit den Stymphalischen Vögeln, die er mit Schwert, Bogen oder Schleuder angreift [95], und auch das mit den Thrakischen Pferden des Diomedes [170.1], die einmal geflügelt sind und mit der Keule angegriffen werden [257], nur selten gezeigt. Der Kretische Stier, der lebend zurückgebracht werden mußte, wird von der Jahrhundertmitte an wesentlich häufiger dargestellt. Sehen wir von Szenen der Gefangennahme ab, so zeigt das charakteristischste Schema der Spätzeit, wie der Stier, in die Knie gezwungen [194, 274], an Schnauze, Beinen und manchmal an den Genitalien gefesselt wird. 243

Herakles' Kampf mit Geryoneus und der Raub der Rinder gehört zu den häufiger dargestellten Szenen. Geryoneus tritt als Krieger mit drei Leibern auf, die an der Hüfte zusammengewachsen sind; Herakles geht mit Bogen oder Keule gegen ihn vor, nachdem er mit einem Pfeil bereits einen der drei Körper erschossen hat, der nun zusammensinkt [pd]. Hinzutreten können bei dieser Szene der eine Fellmütze tragende Hirte Eurytion, der bereits niedergestreckt ist, der Hund Orthos, ein Ungeheuer, das zwei Köpfe haben kann, und die Rinder. Der Bruder des Orthos, der Hund Kerberos, mußte vom Hades heraufgebracht werden [162—3]. Dieses Ungeheuer wird im allgemeinen mit zwei Köpfen dargestellt, aus denen manchmal Schlangen herauswachsen. Herakles zerrt ihn gewöhnlich davon, wobei er seine Keule schwingt, doch von etwa 530 an bringt er ihn dazu, sich kampflos zu ergeben — diese nur auf Bildern aus Athen auftretende Version geht wahrscheinlich auf das neue Verhältnis von Herakles und Athen zu Eleusis und den dort heimischen Göttern zurück; er braucht den Kerberos nur noch davonzuführen, doch hält er seine Keule und die Kette bereit. Hermes kann gezeigt werden, wie er das Untier überredet, und Persephone, wie sie zuschaut. Wenige späte Darstellungen zeigen, wie Herakles die Äpfel der Hesperiden erringt, entweder indem er - wie auf der berühmten Metope von Olympia - das Himmelsgewölbe trägt, während Atlas die Früchte holt [252], oder indem er selbst die Schlange angreift, die sich um den Baum windet [233]. Auf seinem Weg nach Westen traf ei Helios (die Sonne), und ein paar späte Vasen zeigen diese Begegnungen, wobei Helios auf seinem geflügelten Wagen oft frontal dargestellt wird [260]; auf zwei Bildern sehen wir, wie Herakles in dem goldenen Becher, den er von Helios erhalten hat, dahinsegelt [232]. Wir kennen keine Darstellung von der Reinigung des Augiasstalles. Der Kampf des Herakles gegen die Amazonen spielt sich gewöhnlich im Rahmen einer regelrechten Schlacht ab, wobei dem Heros Kampfgefährten zur Seite stehen, denen es oft wesentlich weniger gut ergeht als ihm. Die Gegnerin des Herakles, die häufig auf der Flucht vor ihm gezeigt wird, wird manchmal mit Namen versehen - Andromache [56]. Dieser Kampf ist nur dem Löwenabenteuer an Beliebtheit unterlegen und er ist während des zweiten Viertels des 6. Jhs. besser vertreten als die meisten übrigen Aufgaben. Soviel zu den Aufgaben; neben ihnen gibt es noch zusätzliche Episoden. Um den Weg zu den Hesperiden in Erfahrung zu bringen, kämpft Herakles mit Nereus, dem Alten des Meeres. Dabei handelt es sich um ein Thema, das bereits im ersten Jahrhundertviertel geläufig ist. Nereus zeigt einen menschlichen Oberkörper und einen langen Fischschwanz, aus dem die Zeugnisse seiner Verwandlungskünste in Schlange, Löwe oder Feuer herausbrechen. Herakles wendet seinen Kopf, um sie zu beobachten [i 6]. Vor der Jahrhundertmitte verschwinden diese Beweise für die Verwandlungskünste und Herakles schaut nach vorne; das Ungeheuer scheint seine Identität gewechselt zu haben und es wird später Triton genannt [213]. Der Anlaß für diesen Wandel mag vielleicht eher in einem symbolischen politischen Bezug als in der Mythologie zu suchen sein. Auf ein paar späten Vasen erscheint dann wieder Nereus, der nun jedoch vollkommen menschlich gebildet ist [202] und aus dessen Körper Feuer herausbricht; um ihn herum finden sich Tiere wie 244

bei seiner Tochter Thetis, als diese versucht, Peleus abzuwehren (siehe unten). Eine weitere Episode, die mit einer Aufgabe verbunden war, ist der Kampf mit den Kentauren. Auf seinem Weg zur Eberjagd überredet er den Kentauren Pholos, den allen Kentauren gemeinsam gehörenden Weinbehälter zu öffnen und ihn trinken zu lassen. Der Behälter wird als eingegrabener Pithos wiedergegeben, dessen Deckel entfernt ist, während Herakles und Pholos daneben stehen oder der Kampf beginnt [197]. Der Duft lockte die anderen Kentauren herbei, die nun angreifen und von Herakles in die Flucht geschlagen werden; deswegen finden sich viele Bilder, auf denen schlicht Herakles mit Kentauren kämpft [122]. Die einfache Kentaurenschlacht tritt bereits vor 600 auf, doch in manchen späteren Kentauromachien können der Kontext oder selbst die Identität des Herakles fraglich sein [94, 117]. Die gesicherten Pholosepisoden finden sich seit den zwanziger Jahren des 6. Jhs. Es gibt noch andere Abenteuer, die seltener vorgeführt werden: einmal jenes mit Geras, dem Greisenalter, der als verhutzelter Zwerg dargestellt wird; dann sein Ringkampf mit dem Giganten Antaios [igg]\ jenes mit dem riesenhaften Hirten Alkyoneus, der gewöhnlich liegend oder schlafend und mit einer gewaltigen Keule versehen gezeigt wird [205]; die kleine geflügelte Gestalt des Hypnos (Schlaf) hat sich auf ihm niedergelassen und die Rinder, die er der Sonne gestohlen hat, sind dicht dabei; dann jenes mit den Räuberzwillingen, den Kerkopen, die er verfolgt oder - häufiger - kopfüber wie eine Jagdbeute an einer Stange hängend auf der Schulter davonträgt [234]; in dieser Haltung verspotten sie ihn wegen seiner Haarigkeit, bis er sie freiläßt; und jenes, wie er die Familie des Eurytos wegen dessen Falschheit niederschießt. Bei seinem Kampf mit Kyknos, der häufiger dargestellt wird, kann Herakles Waffen tragen, die er von den Göttern erhalten hat (jedoch keinen Helm), und oft unterstützt ihn Athena, während dem Kyknos Ares hilft [223 ]. Selten kämpft unser Held gegen Ares selbst (wie auf der Kanne des Kolchos [68]), während Kyknos bereits tot auf dem Boden liegt. Athena oder Zeus können auftreten, um die Kämpfer zu trennen, und später wird allein das Blitzbündel des Zeus gezeigt, das zwischen ihnen schwebt. Busiris, ein ägyptischerKönig, brachte alle ausländischen Besucher als Opfer dar, doch Herakles dreht für ihn und seine afrikanische Dienerschaft den Spieß um. Diese Szene tritt in der schwarzfigurigen Malerei Athens selten (einmal?) auf [143]. Herakles muß nicht nur darum kämpfen, Deianeira zur Braut zu gewinnen, sondern auch sie zu behalten. Er kämpft mit dem Flußgott Acheloos, der ähnlich einem Kentauren, jedoch mit Stierkörper, oder seltener als menschenköpfiger Stier gebildet ist. Oft sehen wir, wie er das Hörn des Mischwesens packt [208], doch im Schwarzfigurigen bricht er es nicht ab, wie es der Sage nach sein müßte. Der Kentaur Nessos versucht, Deianeira zu entführen, nachdem er sie über einen Fluß getragen hat, und Herakles tötet ihn mit dem Schwert, mit einem Pfeil oder mit der Keule. Bei der Schilderung dieser Episoden kann Deianeira als Zuschauerin danebenstehen, sie kann sich in den Armen des Nessos oder auf seinem Rücken befinden oder auch ganz fortgelassen werden. In der schwarzfigurigen Malerei treten Herakles und Nessos bereits vor 600 auf der Namens vase des Nessos-Malers auf [5. i ]. Auch das Mädchen Hesione muß Herakles retten, indem er ein See245

ungeheuer tötet, und auf späten Darstellungen sehen wir, wie er dessen klaffenden Rachen betritt, um ihm die Zunge abzuschneiden [179]. Zweimal trifft er mit Apollon zusammen: das einemal geht es um den Besitz vonApollons Dreifuß, das anderemal um eine Hirschkuh, die wir für das Tier Apollons oder seiner Schwester Artemis halten dürfen. Sowohl Artemis wie auch Athena treten gewöhnlich als Helferinnen auf, und die Protagonisten stehen sich entweder gegenüber, das Streitobjekt in der Mitte, oder Herakles trägt es unter dem Arm davon und Apollon folgt ihm, um es ihm zu entreißen [188, 228, 320; 191 ]. Die Dreifußszene ist die geläufigere und sie mag in symbolischer Beziehung zu Delphi nach dem ersten heiligen Krieg stehen. Prometheus, der an einen Pfahl gefesselt ist, wird von Herakles befreit, indem er den Adler des Zeus abschießt, der täglich angeflogen kommt, um die Leber des Gefesselten zu fressen. Diese Szene erscheint bereits um 600 und dann wieder auf einigen tyrrhenischen Amphoren. Ruhe findet Herakles im Schwarzfigurigen nur zusammen mit seiner Schutzherrin oder bei seiner Apotheose. Seine Einführung in den Olymp wird durch Athena bewerkstelligt, die ihn vor Zeus führt. Andere Götter mögen anwesend sein, vor allem Hermes, der den Zug als Geleiter anführen kann [123.2]. Auf ein paar frühen Darstellungen nähert er sich zu Wagen, doch Athena selbst übernimmt die Zügel erst seit etwa 550, und jede der beiden Figuren kann entweder aufsteigend oder absteigend gezeigt werden [168]. Manchmal ist unerwarteterweise auch Iolaos dabei — gewöhnlich als Wagenlenker. Andere Götter können sich dem Zug anschließen, der von der Rückkehr des Peisistratos nach Athen und auf die Akropolis in den frühen 5Oer Jahren angeregt oder eine Kopie dieses Vorgangs sein mag (Herodot I,6o). Manchmal wird das Anspannen vorgeführt; es erfolgt vor einer Säulenszenerie, die die Akropolis nahelegt [225 ]. Im Olymp spielt Herakles den Intellektuellen, der die Götter mit der Leier oder Kithara unterhält, und gelegentlich können wir sehen, wie er ein Podium (Bema) besteigt, um vorzuspielen [165]; einmal jedoch befindet sich daneben ein brennender Altar, so daß diese Szene vielleicht nicht immer im Olymp lokalisiert werden muß. Er hat dort eine gute Partie gemacht, und tritt zusammen mit der Göttin Hebe auf einem Wagen auf. Im letzten Viertel des Jahrhunderts sehen wir ihn allein in Gemeinschaft mit anderen Göttern, vor allem mit Athena [246], die ihm Glück wünschen, während er zum Fest gelagert ist [161], oder bisweilen mit Dionysos, wobei Satyrn bedienen und er selbst gelegentlich zu den lauten Lustbarkeiten mit der Flöte beiträgt. Sonst tritt er in der schwarzfigurigen Malerei auf zwei späten Vasen in Verbindung mit Satyrn auf: er wird von ihnen beraubt und führt sie als Gefangene davon. Szenen, in denen er opfert (bei Sonnenaufgang [260], als Sieger [139]) oder einen Stier zum Opfer führt, wobei er ein Bündel von Bratspießen trägt [164], beziehen sich wahrscheinlich auf sein irdisches Leben.

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Theseus und andere Helden In der schwarzfigurigen Malerei Athens spielt nur das kretische Abenteuer des Theseus eine bedeutende Rolle; dazu gehören das Erschlagen des Minotauros und der Siegestanz. Letzteren fuhrt uns einmal Klitias auf der Francois-Vase vor, wo auch das Schiff zu sehen ist, das die Jünglinge und Mädchen aufnehmen soll, die Theseus gerettet hat [46.4]. Theseus fuhrt hier auf der Leier den Reigen an und tritt als bärtige, stattliche Erscheinung auf. So wird er (auf einem Fragment) auch von Exekias dargestellt, der in einer anderen, ruhevollen Szene seine Söhne mit ihren Pferden zeigt. Beim Tanz auf der Francois-Vase steht neben Theseus Ariadne, die einen Zweig und den Wollstrang hält, der ihn durch das Labyrinth geführt hat; hinter ihr folgt ihre Amme. Ariadne und die Amme sind auch bei der Tötung des Minotauros auf der von Archikles und Glaukytes signierten Bandschale dabei [116.2], wo zusätzlich Athena mit der Leier wartet und junge Athener den Kampf beobachten, der eigentlich ihrer Sicht entzogen in den abgelegenen Winkeln des Labyrinths stattfinden sollte. Diese oder ihre Vertreter finden sich auch in anderen Darstellungen des Kampfes, der ab 560 sehr beliebt wurde. Das Ungeheuer hat einen menschlichen Körper, der manchmal behaart ist, und den Kopf und Schwanz eines Stieres; es kann einen Stein schwingen. Theseus, unbärtig, greift mit dem Schwert an, wobei er das Hörn des Tieres, die Handgelenke oder den Hals gepackt hält. Am geläufigsten sind die Schemata, bei denen der Minotauros vor ihm davonläuft oder mit ihm ringt, wobei er ihm den Kopf zuwenden oder ihn wegdrehen kann. Auf sehr späten Vasen liegt das Ungeheuer auf dem Boden, oder es wird - nach Art der rotfigurigen Bilder - aus dem Labyrinth geschleppt. Theseus trägt gewöhnlich einen kurzen Chiton und auf der eben genannten Schale ein Tierfell darüber; auf Vasen jedoch aus der Zeit um 540 von Lydos [66.2] und einem Genossen trägt er ein Kleidungsstück, das sicher als kretischer Lendenschurz aufgefaßt wurde. Bei manchen dieser Darstellungen liegt sein Mantel zusammengefaltet über einem Stein. Was seine Liebesabenteuer angeht, so hat man in Szenen, in denen sich zwei Jünglinge an eine Frau heranmachen (Amasis-Maler) oder sie zu einem Wagen führen (Leagros-Gruppe), die Entführung der Helena vermutet; die Amazonenkönigin Antiope dagegen läßt sich durch ihre Tracht und einmal durch eine Inschrift identifizieren. Auch sie wird zum Wagen getragen, wobei auf Vasen aus der Leagros-Gruppe zweimal Poseidon helfend eingreift [200]. In der Kentauromachie auf der Francois-Vase, wo Theseus dem Peirithoos und den Lapithen hilft, wird er inschriftlich benannt; das ist jedoch sonst nicht der Fall. Im 6. Jh. ist Athena nicht besonders interessiert an dem Helden, der zum Heros par excellence ihrer Stadt werden sollte. Diesen Status erlangt er kaum vor 510, dem Jahr, das das Ende der Peisistratidenherrschaft in Athen brachte. Seit dieser Zeit werden die Abenteuer des Theseus auf seinem Weg von Troizen nach Athen immer häufiger auf Vasen dargestellt; das gilt besonders für die rotfigurigen Bilder, aber auch der Theseus-Maler zeigt ihn mit Prokrustes [245] (wie er ihn kürzer macht), mit Sinis (wie er sich daran macht, ihn am Fichtenbaum zu strecken) und mit Skiron (wie er ihn hinunterstürzt). Man kann ihn nun auch sehen, wie er den 247

Marathonischen Stier fesselt [249], ganz so, wie Herakles mit dem Kretischen Stier verfuhr; es gibt jedoch eine Vase aus der Jahrhundertmitte, auf der ein nackter Jüngling einen Stier mit dem Schwert (?) angreift, und dabei könnte es sich ebenfalls um Theseus handeln. Die Werbung des PELEUS und seine Hochzeit mit Thetis bildeten die Vorgeschichte zum trojanischen Krieg; sie wurden im troischen Epenzyklus besungen (siehe unten). Eines seiner früheren Mißgeschicke, in dem er von einem Löwen und einem Eber auf einen Baum getrieben wurde, wird auf zwei späten Vasen geschildert [230]; auf der einen von ihnen tritt auch sein Retter, der Kentaur Chiron, auf. Auf einer Vase aus der Zeit um 560 und auf einigen späteren Vasen kämpft er mit der sportlichen Atalante. PERSEUS enthauptete die Gorgo Medusa und flüchtete mit ihrem Kopf, während ihn ihre beiden Schwestern verfolgten. Diese Verfolgung reizte die schwarzfigurigen Maler mehr als der eigentliche Angriff, da die laufenden Gorgonen so dekorativ waren; tatsächlich zeigt uns der Nessos-Maler im späten 7. Jh. auf seiner Namensvase nur die Verfolgerinnen und ihre tote Schwester, wobei die unter ihnen dargestellten Delphine andeuten, daß die Verfolgung über das Meer führte [3.2]. Auf einer fragmentierten Schüssel sehen wir Perseus und seine Beschützerin Athena; der Gorgo-Maler dagegen bringt auf seiner Namensvase die ganze Szene und fügt noch Hermes hinzu [Ji.2]. Dies ist das geläufige Schema, doch verliert das Thema während des 3. Viertels des 6. Jhs. an Beliebtheit. Perseus ist mit einem kurzen Chiton bekleidet, damit er schnell vorankommt, seine Tarnkappe ist als Petasos dargestellt und seine Zauberstiefel sind manchmal geflügelt. Er benützt ein Schwert oder eine Sichel, die »Harpe«. Das Gorgonenhaupt wird in einer Tasche (Kibisis) getragen, die er sich um den Hals gehängt hat [170.2]. Auch die Gorgonen tragen kurze Chitone und Stiefel, die manchmal geflügelt sind, und sie sind selbst auch geflügelt. Ihre grotesken Köpfe in Frontalansicht folgen dem korinthischen Muster: sie sind als Löwenmasken mit grimmigen Hauern, gebleckter Zunge, platter Nase, aber menschlichen Ohren und Augen gegeben. Häufig tragen sie Schlangen im Haar, manchmal auch in den Händen oder als Gürtel. Der Amasis-Maler zeigt den Vorgang der Enthauptung [80], wobei Perseus wohlweislich den Kopf abwendet; aus der späteren schwarzfigurigen Malerei gibt es noch einige wenige Beispiele dafür. Die sterbende Medusa gebar aus ihrem durchgetrennten Hals Pegasos und den menschengestaltigen Chrysaor; ganz gelegentlich können wir sehen, wie diese beiden Figuren oder nur die erstere davon ihrem Körper entsteigen oder schon aus ihm entsprungen sind [269]. Das isolierte Gorgonenhaupt bildet eine beliebte Rundbildkomposition, angefangen von den Lekanen des Nessos-Malers bis hin zu späten Schalen [290.2], wo oft Punkte auf der Stirn angebracht sind, die von den haarigen Warzen herstammen mögen, die sich bei orientalisierenden Löwenmasken an dieser Stelle befinden. Gorgoneia treten auch als Hauptdekoration bei einer Gruppe von Skyphoi aus den 2oer Jahren des 6. Jhs. und als Schildzeichen auf. BELLEROPHON greift, hoch zu Roß auf dem Flügelpferd Pegasos, die Chimaira mit einem Speer an. Dieses Ungeheuer wird gewöhnlich als Löwe dargestellt, aus dessen Rücken ein Ziegenhals und -köpf herauswächst, der gelegentlich Feuer 248

speien kann; der Schwanz ist als Schlange gebildet [39, 152]. Auch diese Geschichte wurde von den frühesten schwarzfigurigen Vasenmalern dargestellt, der Nessos-Maler jedoch hält sich in seinem Früh werk (das früher mit dem Namen des Chimaira-Malers bezeichnet wurde) enger an die homerische Formel und gestaltet das ganze Hinterteil des Tieres als Schlange [7]. Dieses Thema hält sich nicht bis in die Zeit der spätschwarzfigurigen Malerei, doch Pegasos allein wird als isoliertes Motiv (besonders als das Schildzeichen auf den Panathenäischen Amphoren des Kleophrades-Malers [301.2]) weiterhin dargestellt, ebenso wie Bellerophon oder Chimaira vorher isoliert auftreten können, oder sogar Pegasos allein zusammen mit der Chimaira. ADMET mußte einen Löwen und einen Eber vor einen Wagen spannen, um sich seine Braut zu gewinnen, und Apollon, der ihm eine Zeitlang dienen mußte, erfüllte diese Aufgabe für ihn. Es gibt ein paar späte Darstellungen dieses Gespanns mit Apollon [240]. Bei einem Helden, der mit einer Schlange kämpft, mag es sich um KADMOS mit dem Drachen handeln, den er tötete und dessen Zähne er aussäte. Diese meist späten Szenen sindjedoch nicht eindeutig, und es könnte sein, daß hier der Kampf des Herakles mit der Schlange, die die Äpfel der Hesperiden bewachte, oder mit einer verkümmerten Hydra hereinspielt. Auf der Fran^ois-Vase wird die KALYDONISCHE EBERJAGD auf einem eigenen Fries vorgeführt. Der Eber befindet sich in der Mitte und hat bereits einen Hund und einen Jäger niedergemacht [46.3], ihm stehen Peleus und Meleager, Melanion und Atalante gegenüber; unter den übrigen Jägern sehen wir auch die Dioskuren. Das ist das geläufige Darstellungsschema für diese Jagd, die - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nur im zweiten Viertel des 6. Jhs. abgebildet wird[ji6.j]. Gewöhnlich werden die Jäger nicht benannt, und die schöne Atalante kann sogar weggelassen werden, doch das Schema der den Eber angreifenden Hunde wird verbindlich. Manchmal wird der dreizackige Eberspieß gegen die Bestie eingesetzt. Einige Eberjagden, an denen Reiter beteiligt sind, lassen sich nicht mit Sicherheit auf die kalydonische Jagd beziehen. Das Thema der SIEBEN GEGEN THEBEN wird nur gelegentlich aufgenommen; zuerst auf tyrrhenischen Vasen mit dem Auszug der Helden Adrastos und Amphiaraos zu Wagen. Auf einer späteren Vase sehen wir Hippomedon mit seiner Frau vor einem Altar, und andere Darstellungen von »Kriegers Auszug «-Szenen zu Wagen mögen sich auf diese Geschichte beziehen - zumal wenn Frauen und Kinder anwesend sind, da diese eine wichtige Rolle dabei spielen. Eriphyle, die Frau des Amphiaraos, war durch eine Bernsteinkette bestochen worden, ihren Mann in den Tod zu schicken (mindestens einmal können wir sehen, wie sie die Kette festhält). Weiterhin tritt häufig ein sitzender und trauernder Mann vor den Pferden auf, bei dem es sich wohl um einen Seher handelt, und Trauer und Furcht können auch noch auf andere Weise ausgedrückt sein. Ähnlich benahm sich Eriphyle ihrem Sohn Alkmeon gegenüber bei der zweiten Expedition; auf einer anderen tyrrhenischen Amphora sehen wir, wie er an ihr Rache nimmt und sie am Grab ihres Mannes tötet [63.2]. Eine Furie in Gestalt einer Schlange erhebt sich gegen den Muttermörder. Anonyme Szenen mit kämpfenden Kriegern, die von einem Mann getrennt werden (im Schema des Herakles, Kyknos und Zeus) 249

werden unter Vorbehalt auf die Schlacht vor Theben bezogen (etwa Ein Bild des C-Malers und mehrere andere von späteren Malern zeigen, wie die THEBANISCHE SPHINX einen Jüngling davonträgt, der unter ihrem Leib hängt. Der thebanische Prinz Haimon war ein solches Opfer der Sphinx und er gibt einem späten Lekythenmaler, der diese Szene liebt, seinen Namen [27^]. Das Zusammentreffen mit Oidipous ist nur auf wenigen späten Vasen zu sehen, die mit ihrer Darstellung der Sphinx auf einem Felsen oder einer Säule den Schemata der rotfigurigen Malerei folgen. MEDEA führte den Töchtern des Pelias vor, wie sie ihren Vater verjüngen könnten, indem sie einen Widder in Stücke schnitt und ihn kochte. Auf einigen sehr späten Vasen sehen wir die Frauen und - in einem Topf über dem Feuer - den unversehrten Widder [278]. Pelias ging daran zugrunde, und die Leichenspiele, die auf einigen wenigen Vasen um 575 dargestellt werden, gelten laut ihrer Beschriftung ihm.

Der trojanische Sagenkreis Szenen aus dem trojanischen Sagenkreis werden hier in der Reihenfolge behandelt, in der sie sich abgespielt haben. Die Ilias und die Odyssee mögen die ältesten epischen Dichtungen sein, und sie sind vollständig erhalten geblieben; sie sind jedoch nicht die ersten, was den Ablauf der Handlung angeht, und sie sind auch nicht die beliebtesten bei den schwarzfigurigen Malern. Andere nachhomerische Epen ergänzten die Geschichte von Troja, indem sie mit den weiter zurückliegenden Ereignissen begannen - dazu gehörte auch die Geschichte, wie die Eltern des Achilleus zusammenkamen — und mit der Heimkehr der Griechen nach dem Krieg endeten. Unter diesen Gedichten handeln die KYPRIEN von der Herkunft des Achilleus und seiner frühenjugend und stellen so den Helden der Ilias vor; sie berichten vom Urteil des Paris und der Entführung der Helena, dem unmittelbaren Anlaß für den Krieg; und sie erzählen von den ersten Schüssen, die auf der Ebene vor Troja fielen. Eine Reihe von Episoden wurde seit 575 von schwarzfigurigen Malern gerne dargestellt. Des Peleus Ringkampf mit Thetis tritt zum erstenmal um 570 auf, und zwar erscheint er im korinthischen Schema, wie der Heros sie überrascht und sie mitsamt ihren Nereidenbegleiterinnen in die Flucht jagt. Um die Jahrhundertmitte ringt er zum erstenmal mit ihr, und spätere Bilder zeigen ihre Fähigkeit, sich in verschiedene Gestalten zu verwandeln, indem entweder Löwen- und Schlangenfiguren beigegeben werden oder Flammen aus ihrem Körper entspringen [jp^, 293]. Auch der Kentaur Chiron, der ihn beraten hatte, und eine Gruppe fliehender Nereiden oder die Strandszenerie mit Palmbäumen können gezeigt werden. Das Widerstreben der Thetis wird durch Gewalt überwunden, und die Hochzeit wird gefeiert. Auf der Hochzeit von Peleus und Thetis kam es zu der Herausforderung, die zum Parisurteil und zum trojanischen Krieg führte. Die schwarzfigurigen Maler zeigen uns jedoch nur die prächtige Prozession der Götter zu Wagen und zu Fuß, die das Paar am Morgen nach Thetis erster Nacht im Haus 250

des Peleus besuchen. Sophilos [24-5] (zweimal) und Kleitias [46.5] (auf der Francois-Vase) •wählen dieses Thema für die Hauptszene auf ihren großen und kostbaren Vasen, die vielleicht die Hochzeiten von Sterblichen feierten. Peleus begrüßt die Gäste vor seinem Haus, in dem Theos bescheiden wartet. Bei Darstellungen eines Ehepaars zu Wagen und in Begleitung von Göttern, wie sie seit der Jahrhundertmitte auftreten, mag es sich ebenfalls um Peleus und Thetis handeln, die sich zum erstenmal in ihr neues Heim begeben. Ihr Kind Achilleus wird zum Kentauren Chiron gebracht, der ihm den ersten Unterricht erteilen soll. Der Heidelberg-Maler zeigt gegen 560 zweimal diese Szene, wobei Peleus seinen kleinen Sohn hält [40], und wir kennen eine Reihe späterer Versionen dieses Themas. Chiron spielte eine wichtige Rolle in dieser ganzen Geschichte, und Kleitias weist ihm auf der Franfois-Vase seinen Platz an der Spitze des Zuges der göttlichen Gäste an. Das Urteil des Paris erscheint gegen 575 auf athenischen Vasen. Das Grundschema zeigt, wie die drei Göttinnen von Hermes zu Alexandros (Paris) geführt werden. Anfangs werden die drei Göttinnen nicht unterschieden, doch nach der Jahrhundertmitte wird Athena durch ihre Waffen bezeichnet, und Hera, die gewöhnlich das Trio anführt, kann ein Szepter halten. Auch Aphrodite kann mit einem Szepter versehen werden. Paris ist bärtig und hält manchmal das Szepter eines Prinzen oder eine Lanze. Erschreckt durch die göttliche Erscheinung will er weglaufen [38] und muß manchmal von Hermes zurückgehalten werden, doch kann er auch vom ersten Auftreten dieser Bilder an ruhig seine Besucher grüßend dargestellt sein. Auch Ausschnitte aus dieser Szene kommen vor, bei denen Paris oder eine oder zwei der Göttinnen wegfallen. Die erste Episode in Troja, die besungen und dargestellt wird, ist die Belauerung des Troilos, die in verschiedenen Stadien dargestellt wird. Achilleus kauert hinter dem Brunnen, an dem Polyxena ihre Hydria füllt, während ihr Bruder Troilos beritten oder zu Fuß - mit zwei Pferden wartet [55]. Oder Achilleus springt hervor und verfolgt den berittenen Troilos, der immer noch ein zweites Pferd bei sich hat, während Polyxenafliehtund ihre - manchmal zerbrochene - Hydria zurückläßt [46.5]. Beide Versionen treten in der schwarzfigurigen Malerei Athens vor 560 auf. Der Brunnen oder Polyxena oder auch beide können fortgelassen werden (bei [262] tritt Achilleus zweifach auf), und gegen Ende des Jahrhunderts wird oft die erste Phase ohne Polyxena vorgeführt. Troilos wurde in einem Heiligtum des Apollon getötet [201]; rotfigurige und einige schwarzfigurige Darstellungen lassen erkennen, daß diese Episode den Malern Athens in der Fassung bekannt war, daß Achilleus ihn an den Haaren vom Pferd herabriß und ihm am Altar den Kopf abschlug. Bereits auf tyrrhenischen Vasen kämpft Achilleus mit Hektor über dem kopflosen Leichnam des jungen Prinzen. (S. auch unten zum Tod des Priamos und Astyanax). Die ILIAS ist im Repertoire der schwarzfigurigen Maler Athens nur schwach vertreten, und alle Szenen stammen aus dem letzten Teil des Gedichtes, nachdem Achilleus aufs Schlachtfeld zurückgekehrt ist; besser vertreten ist sie in der gleichzeitigen rotfigurigen Malerei. Zu den dargestellten Themen gehören die Gesandtschaft der Griechen zu Achilleus, die Gefangennahme des Dolon, verschiedene Zweikämpfe oder Auszüge von Kriegern, die sich nur durch Beischriften iden251

tifizieren lassen. Die Schleifung von Hektars Leichnam hinter dem Wagen des Achilleus gibt in der Spätzeit eine weitere beliebte Szene ab [205], bei der auch Iris auftreten kann und ein winziger Geist des Patroklos (manchmal geflügelt) neben seinem Grab. Zwei geflügelte Dämonen - Schlaf und Tod -, die einen Gefallenen davontragen, erscheinen auf einigen Vasen des 5. Jhs., und es mag sich dabei um Memnon oder Sarpedon handeln, den sie vom Schlachtfeld tragen [251 ]. Aus der Zeit um 570 gibt es zwei Schilderungen des Wagenrennens bei den Leichenspielen ßir Patroklos (von Sophilos [26] und auf der Francois-Vase [46.3]). Achilleus, der seine Waffen erhält, wird häufiger dargestellt, doch mag sich das früheste Beispiel (aus der Zeit um 570) auf seine Wappnung zu Hause vor der Einschiffung nach Troja beziehen; es stehen ihm Gestalten zur Seite, in denen wir vielleicht Peleus, Thetis, Patroklos und helfende Myrmidonen erkennen dürfen (wie beim Camtar-Maler [y] und dem Maler von London B 76). Die Bilder aus der Zeit nach 550, auf denen Thetis die Waffen übergibt, müssen vor Troja spielen und es muß sich um die Waffen handeln, die die mit Patroklos verlorene Rüstung ersetzen sollten [86]. Das Hauptstück der Bewaffnung ist gewöhnlich ein mit prächtigem Schildzeichen versehener böotischer Schild. Hier ist auch an den seine Pferde anschirrenden Achilleus des Nearchos zu erinnern, und an den frontal wiedergegebenen Wagen des Malers von London B 76 - eine Szene, die inschriftlich als Ausfahrt des Hektor bezeichnet wird [54]. Zwei andere frontale Wagen aus der gleichen und aus früherer Zeit gehören Achilleus und Diomedes. Ebenfalls vor der Jahrhundertmitte treten die ersten seltenen Darstellungen der Auslösung des Leichnams Hektars auf, auf denen sich Priamos der Kline des Achilleus nähert, unter der die Leiche liegt; und in den 4Oer Jahren des 6. Jhs. begegnen wir dem Kampf um die Leiche des Patroklos. Auf [241 ] bezeichnen die Schalen, die der Knabe hinter Priamos trägt, das Lösegeld. Demnach scheint man sich früh für Szenen interessiert zu haben, die den Tod Hektors betreffen. Das neue Interesse, das die Ilias im späteren 6. Jh. fand, mag durch die Aufnahme homerischer Rezitationen in die Großen Panathenäen durch Hipparchos hervorgerufen worden sein, doch bringen die eigentliche Ernte dieses Vorganges die rotfigurigen Maler ein. Die Aithiopis folgte auf die Ilias. Sie - oder zumindest Achilleus - scheint bei Exekias und seinem Umkreis Anklang gefunden zu haben. Zweimal zeigt der Meister, wie Achilleus die Amazonenkönigin Penthesilea tötet [0,8] (eine Episode, die nicht mit Sicherheit diesem Epos zuzuweisen ist), und auf einer Vase aus der Leagros-Gruppe trägt er sie vom Schlachtfeld [204]. Exekias zeigt Memnon mit seinem Negergefolge [