Schutz vorvertraglicher Investitionen: Zur Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen [1 ed.] 9783428545322, 9783428145324

Die Arbeit untersucht die Problematik der Frustrierung vorvertraglicher Investitionen beim Scheitern von Vertragsverhand

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German Pages 234 Year 2015

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Schutz vorvertraglicher Investitionen: Zur Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen [1 ed.]
 9783428545322, 9783428145324

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 446

Schutz vorvertraglicher Investitionen Zur Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen

Von

Thomas Krawitz

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS KRAWITZ

Schutz vorvertraglicher Investitionen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 446

Schutz vorvertraglicher Investitionen Zur Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen

Von

Thomas Krawitz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-14532-4 (Print) ISBN 978-3-428-54532-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84532-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand Dezember 2014. Begonnen habe ich mit der Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Claus-Wilhelm Canaris, dem ich für prägende Jahre danke. Ich habe die Atmosphäre am Lehrstuhl, das akademische Umfeld und die Zusammenarbeit mit den Kollegen dort stets als große Bereicherung empfunden. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Hans Christoph Grigoleit. So war mir nicht nur sein fachlicher Rat stets eine große Hilfe; sein feinsinniger Humor machte die Zusammenarbeit mit ihm darüber hinaus zu einem außerordentlichen Vergnügen. Prof. Dr. Thomas Ackermann bin ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und zahlreiche wertvolle Anregungen sehr verbunden. Weiterhin danke ich herzlich Prof. Dr. Thomas Riehm und Prof. Dr. Frank Weiß, die beide einen Entwurf der Arbeit gelesen haben, sowie Dr. Matteo Fornasier und Dr. Tim Schlösser für ihre Kritik und den Gedankenaustausch mit ihnen. Großer Dank gilt zudem meinen zahlreichen Freunden und ehemaligen Kollegen am Lehrstuhl Canaris und nachfolgend am Lehrstuhl Grigoleit für ihre stete Gesprächsbereitschaft und ihre Aufmunterungen während mühsamer Phasen der Dissertation. Die Entstehung der Arbeit wurde durch ein Dissertationsstipendium der Hanns-Seidel-Stiftung gefördert, für dessen Bewilligung ich sehr dankbar bin. Schließlich möchte ich meinen Eltern für ihre fortwährende Unterstützung und ihre wohlmeinenden Nachfragen nach dem Fortgang der Arbeit ganz herzlich danken. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. London, Mai 2015

Thomas Krawitz

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen im Rahmen der c.i.c. . . . . . . . I. Vorüberlegungen zum Wesen der c.i.c. und zur Funktion vorvertraglicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die verschuldensabhängige Haftung aus culpa in contrahendo auf der Grundlage des „hybriden“ vorvertraglichen Schuldverhältnisses . . . . . . 2. Vorvertragliches Pflichtenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Haftungsgetriebene“ Entwicklung der Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Terminologie und dogmatischen Einordnung der vorvertraglichen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zu den Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zu den Verhandlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analyse der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herausbildung eines zweigliedrigen Haftungstatbestands . . . . . . . . . . . . a) Schuldhafte Vertrauenserweckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widersprüchliche Verwendung des Kriteriums des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abbruch ohne triftigen Grund als Chiffre in der Auseinandersetzung um die Reichweite der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfängliche Phase der Herausbildung eines eigenen Haftungstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anlehnung an verschuldensunabhängige Haftung aus § 122 BGB cc) Haftungsbegrenzende Tendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ablehnende Haltung gegenüber verschuldensunabhängiger Haftung – jedenfalls für formbedürftige Verträge . . . . . . . . . (2) „Druckerei“-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund als Chiffre für verschuldensunabhängige Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) (Potentiell) Haftungsausweitende Tendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unklare Positionierung anderer Senate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Verschuldensunabhängige Haftung beim Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Faktische Aufgabe des Tatbestands bei vordergründiger Aufrechterhaltung desselben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Veränderungen durch Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Kritik am bestehenden Haftungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Terminologie und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsökonomische Überlegungen zur Statuierung von Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen vertragsbezogenen und verhandlungsbezogenen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anderer Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschlussbereitschaft als ungewöhnliches Objekt von Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schwierigkeit der exakten Beschreibung der Abschlussbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unübertragbarkeit der zu den vertragsbezogenen Informationspflichten entwickelten Begründungen und Dogmatik . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung aufgrund des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund . . . . . . . 1. Technische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Belastbare Definition eines triftigen Grunds kaum möglich . . . . . . . b) Verhandlungsabbruch kein geeigneter Anknüpfungspunkt für Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Wahrer“ Abbruchsgrund schwierig zu bestimmen . . . . . . . . . . . . . . . d) Abbruchsentscheidung kaum justitiabel aufgrund ihres prospektiven Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prospektive, unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Business Judgement Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiel für Zweifelhaftigkeit der Beurteilung einer unternehmerischen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Widersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichtgemäßes Alternativverhalten nicht begründbar . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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b) Widerspruch zu verhandlungsbezogener Aufklärungspflicht . . . . . . c) Unvereinbarkeit mit negativer Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umgang mit besserem Angebot eines Dritten ungelöst . . . . . . . . . . . e) Ersatz des Vertrauensschadens inkonsequent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine „Hilfestellung“ durch Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Pflichtenbasierte, verschuldensabhängige Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die verhandlungsbezogenen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Integratives und distributives Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Widerspruch zu negativer Abschlussfreiheit und Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausprägungen der verhandlungsbezogenen Informationspflicht . . . a) Pflicht, bei der Gegenseite keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses zu erwecken oder aufrechtzuerhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angaben zur inneren Abschlussbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Angaben zu Wirksamkeitshindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abschlusshindernisse, die von den Parteien selbst beseitigt werden können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abschlusshindernisse, die nicht von den Parteien selbst beseitigt werden können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein opportunistisches Verhalten in der Form des sog. „hold up“ . . aa) Definition opportunistischen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründung der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schwierigkeiten bei der Begründung eines Haftungsanspruchs dd) Beispiel: Druckerei-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzliche Schwierigkeiten bei der Begründung eines Ersatzanspruchs im Rahmen einer verschuldensabhängigen Haftung . . . . . . . . . . a) Feststellung und Beweisbarkeit eines Auseinanderklaffens zwischen innerer und geäußerter Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine „Rückwirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsökonomische Vorüberlegungen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes kein schlagendes Argument gegen eine verschuldensunabhängige Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit der Konstruktion einer verschuldensunabhängigen Haftung außerhalb des Instituts der c.i.c. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Möglichkeit der Konstruktion einer verschuldensunabhängigen Haftung außerhalb des Instituts der c.i.c. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Deliktsrechtliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ansätze, die das Vertrauen in den Vertragsschluss betonen . . . . cc) Ansätze, die den Verkehrsschutz in den Mittelpunkt stellen . . . . b) Rechtsgeschäftliche bzw. quasivertragliche Lösungen . . . . . . . . . . . . aa) Selbstbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Konzepte einer Selbstbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorwirkung des (später gescheiterten) Vertrags . . . . . . . . . . . . . . c) Überwindung der Antinomie zwischen gesetzlicher und (quasi-) vertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Risikoprinzip und seine Anwendungsfelder . . . . . . . . . . (2) Die Vielschichtigkeit des Risikobegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Risikoprinzip in Bezug auf vorvertragliche Investitionen 6. Anknüpfungspunkte für eine Ausgleichshaftung im Gesetz . . . . . . . . . . . a) Analogie zu § 122 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anlehnung an §§ 1298 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anlehnung an §§ 722, 735 BGB und § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anknüpfung an §§ 722, 735 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anknüpfung an § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Position des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendbarkeit des Instituts der Störung der Geschäftsgrundlage im Rahmen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit der Argumentation auf die Situation des Verhandlungsabbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) § 313 BGB als Generalnorm zur Gewährleistung einer gerechten Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Voraussetzungen und Leitlinien einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konsentierte Investition als zentrales Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bezugnahme auf Verhandlungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Drei Szenarien des Scheiterns von Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Investierende Partei bricht Verhandlungen ab . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht investierende Partei weicht von Verhandlungszusage ab . . cc) Verhandlungen scheitern an noch offenen oder neuen offenen Punkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Risikoverteilung und Umfang des Schadensausgleichs – insbesondere unter Berücksichtigung des Typus der Investition . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Ersatzfähigkeit von verhandlungsspezifischen Investitionen bei exklusiven Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ersatzfähigkeit von verhandlungsspezifischen Investitionen bei Scheitern der Verhandlungen an noch offenen oder neuen offenen Punkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonderfall des besseren Angebots eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Indirekte (Selbst-)Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit . . aa) Kein Widerspruch zur Garantie der negativen Abschlussfreiheit bb) Keine andere Bewertung bei formbedürftigen Transaktionen geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Anwendung auf Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Investierende Partei rückt selbst von Verhandlungszusagen ab . . . . . b) Nicht investierende Partei rückt von Verhandlungszusagen ab . . . . . aa) Konsentierte Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Bergmannkappen“-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Traditionsgaststätte“-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „Druckerei“-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht konsentierte Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schweigen auf Ankündigung von Investitionsvornahme ist kein Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Zeitschriften“-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhandlungen scheitern an noch offenen Punkten oder dem Auftreten neuer Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhandlungsbezogene Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragsbezogene Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Behandlung der Problematik im Rahmen der c.i.c. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Wesen der c.i.c. und zum vorvertraglichen Pflichtenprogramm . . 2. Zur Analyse der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Kritik am bestehenden Haftungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung . . . . . . . . . . . 2. Zur Haftung aufgrund des Abbruchs der Verhandlungen ohne triftigen Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur pflichtenbasierten, verschuldensabhängigen Haftung . . . . . . . . . . . . 2. Zur verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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180 181 184 184 186 191 191 192 192 192 193 195 197 197 198 200 200 204 207 207 208 208 209 211 211 211 212 213 214

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

A. Einleitung I. Problemaufriss Parteien, die miteinander Verhandlungen über einen möglichen Vertragsschluss führen, müssen oder wollen unter Umständen bereits während der noch andauernden Verhandlungen – und damit vor Vertragsschluss – Investitionen tätigen. Die Motivationslagen hierfür sind vielfältig. So sind zum Beispiel im Vorfeld eines geplanten Unternehmenskaufs (kosten-)intensive juristische Beratung und die Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung üblich und erforderlich; oder die Verhandlungen über ein gemeinsames Projekt können die Erstellung umfangreicher Studien oder Pläne notwendig machen, um entscheiden zu können, ob das Projekt realisierbar ist. Des Weiteren ist daran zu denken, dass die Parteien den zu erwartenden Nutzen aus dem anvisierten Vertrag steigern wollen, indem sie Investitionen schon vor Vertragsschluss tätigen; sie könnten etwa die Beschaffung von Rohstoffen, die zur Vertragsdurchführung benötigt werden, vorziehen, um bei Vertragsschluss sofort mit der Vertragsdurchführung beginnen zu können. Schließlich ist denkbar, dass die Parteien die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Vertragsabschlusses einfach so hoch einschätzen, dass sie im Hinblick hierauf Investitionen vornehmen bzw. bereits mit der Vertragsdurchführung beginnen. Wenn diese Investitionen im Vorfeld eines wirksamen Vertragsschlusses transaktionsspezifisch sind, sich also derart auf die spezifischen Verhandlungen oder den in Aussicht genommenen Vertragsschluss beziehen, dass sie sich nur bei einem Vertragsschluss nutzbar machen lassen, so besteht die Gefahr, dass diese Aufwendungen frustriert werden, falls es in der Folge nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss kommt. Es droht also für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen der Eintritt eines Schadens. Natürlich steht es den Parteien frei (und ist ihnen üblicherweise auch anzuraten), eine Vereinbarung darüber zu schließen, wer welche Investitionen im Fall des Scheiterns der Verhandlungen zu tragen hat. Oftmals unterlassen die Parteien indes den Abschluss solcher separaten Kostenvereinbarungen, sei es weil sie die dadurch anfallenden zusätzlichen Transaktionskosten scheuen oder weil sie fürchten, dass die Thematisierung des Scheiterns der Verhandlungen die Verhandlungsatmosphäre belasten könnte, oder weil sie schlicht eine solche Regelung nicht für notwendig erachten. Es stellt sich dann die Frage, wie der Schaden in Form der frustrierten Investitionen zu verteilen ist. Im Gesetz findet sich zu dieser Fragestellung keine spezifische Regelung. Nach dem allgemeinen Grundsatz „casum sentit dominus“ trägt zunächst jede

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A. Einleitung

Partei selbst das Risiko, dass sich eigene Investitionen als nutzlos herausstellen. Es fällt allerdings nicht schwer, sich Konstellationen vorzustellen, in denen sich die Frage aufdrängt, ob nicht die Partei, die selbst keine Investitionen vorgenommen hat, den durch das Scheitern der Verhandlungen entstanden Schaden der Gegenseite teilweise oder gar ganz tragen sollte. Solche Konstellationen treten auch in der Praxis immer wieder auf und beschäftigen die Gerichte. Ein plastisches Beispiel:1 A ist Eigentümerin eines Hauses, in dessen Erdgeschoss B Räume gemietet hat und dort seit Jahren eine Druckerei betreibt. Als A zur besseren wirtschaftlichen Nutzung das Haus in Teileigentum aufteilen will, treten die beiden Parteien in Verhandlungen über den Verkauf der von B bereits gemieteten sowie weiterer, daran angrenzender Räume. Die Verhandlungen verlaufen glatt und die Parteien vereinbaren einen Kaufpreis von 750.000 Euro. Der Termin der notariellen Beurkundung soll aber auf Wunsch von A aus steuerlichen Gründen erst in einem halben Jahr erfolgen. B möchte bereits vor diesem Termin umfangreiche Umbauarbeiten in den gemieteten und angrenzenden Räumen vornehmen, was A billigt und gestattet. In der Folge scheitern die Verhandlungen jedoch, da A statt der ursprünglich vereinbarten 750.000 Euro nunmehr 1.000.000 Euro fordert. B verlangt Ersatz der von ihm nutzlos aufgewendeten Umbaukosten. In Fällen wie dem gerade beschriebenen Beispiel erscheint die Forderung, dass die Gegenseite den entstandenen Schaden teilweise oder gar vollständig zu tragen habe, durchaus nachvollziehbar und legitim; jedenfalls greift ein simpler Verweis auf den Grundsatz „casum sentit dominus“ zu kurz und ist wenig überzeugend. Ohnehin ist der Grundsatz des „casum sentit dominus“ nur eine wohlklingende Umschreibung der Absenz von Haftungsansprüchen, eine tiefere normative Begründungskraft kommt ihm nicht zu. Die Frage stellt sich also, wie das Haftungsregime beim Scheitern von Verhandlungen, in deren Verlauf eine oder beide Parteien transaktionsspezifische Investitionen vorgenommen haben, ausgestaltet ist bzw. sein sollte. Dieser Frage soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden.

II. Gang der Untersuchung Die Rechtsprechung diskutiert die Problematik der Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen im Rahmen des Instituts der culpa in contrahendo. Daher soll zunächst dieses Institut in den Blick genommen werden und die Entwicklung der Rechtsprechung nachgezeichnet und analysiert werden (dazu unter B.). Es wird untersucht, wie die Rechtsprechung eine Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen begründet und welche Fallgruppen sie gebildet hat.

1 Nach BGH NJW 1996, 1884; Sachverhalt an dieser Stelle vereinfacht und aktualisiert, ausführlich zu dieser Entscheidung siehe unten unter B.II.2.a)cc)(2).

II. Gang der Untersuchung

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Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob sich zwischen den BGH-Senaten unterschiedliche Entwicklungstendenzen aufspüren lassen.2 Im Folgenden soll dann das Haftungsregime der Rechtsprechung einer eingehenden Kritik unterzogen werden (dazu unter C.). Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und in welchem Umfang Verhaltensanforderungen in Form vorvertraglicher Pflichten gefunden bzw. formuliert werden können, die in Vertragsverhandlungen befindliche Parteien beachten müssen. Denn die Bejahung einer Haftung aus culpa in contrahendo ist aus dogmatischer Sicht überhaupt nur dann möglich, wenn einer Partei eine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Die Haftung aus culpa in contrahendo ist pflichtenbasiert und verschuldensabhängig ausgestaltet; dies ist unzweifelhaft, zumal nach der – wenn auch rudimentären – Kodifikation des Instituts. Allergrößten Bedenken muss es indes begegnen, will man in der bloßen Abstandnahme vom anvisierten Vertragsschluss eine Pflichtverletzung sehen. Die Verhandlungsphase dient gerade dazu, herauszufinden, ob ein Vertragsschluss im Sinne beider Parteien ist. Wie aber kann es pflichtwidrig sein, sich gegen einen Vertragsschluss zu entscheiden, solange man sich nicht vertraglich gebunden und seiner negativen Vertragsabschlussfreiheit begeben hat? Im Anschluss an die kritische Überprüfung des von der Rechtsprechung entwickelten und praktizierten Haftungsregimes soll dann ein alternatives Haftungs2 Nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist die Rechtsprechung zur Haftung bei öffentlichen Ausschreibungen. Einerseits bestehen zwar Parallelen zur vorliegenden Thematik. Insbesondere wird (auch) bei öffentlichen Ausschreibungen zwischen dem Ausschreibenden und dem interessierten Bieter ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet, bei dessen Verletzung durch den Ausschreibenden die Rechtsprechung mögliche Schadensersatzansprüche des Bieters auf eine Haftung aus culpa in contrahendo stützt, siehe hierzu die Leitentscheidungen BGHZ 120, 281; 139, 259; 139, 273; 139, 280. Andererseits unterscheidet sich die Situation einer öffentlichen Ausschreibung doch ganz erheblich von der in der vorliegenden Untersuchung in den Blick genommenen Verhandlungssituation. Erstens stellen öffentliche Ausschreibungen ein sehr standardisiertes und formalisiertes Verfahren dar, für das sich eigene Regelungen entwickelt haben (siehe insbesondere die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – VOB/A). Es handelt sich bei der Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung nicht um eine klassische Verhandlungssituation, die von der sich ständig fortentwickelnden Interaktion der Verhandlungsparteien und einem Ringen um den Vertragsinhalt geprägt ist. Zweitens sind öffentliche Ausschreibungen keine zweiseitigen Verhandlungen, sondern das vom Ausschreibenden an eine Vielzahl von Interessenten gerichtete Angebot, sich an der vorher in ihrem Umfang genau festgelegten Ausschreibung zu beteiligen. Drittens werden im Fall von öffentlichen Ausschreibungen vom Bieter üblicherweise nur verhandlungsspezifische Investitionen (i. e., Investitionen, die den Verhandlungen selbst und deren Fortschritt dienen) und nur in ungewöhnlichen Ausnahmesituationen vertragsspezifische Investitionen (i. e., Investitionen, die auf den späteren Vertragsschluss bezogen sind und sich nur dann rentieren, wenn ein wirksamer Vertragsschluss zustande kommt) getätigt, siehe hierzu auch unter D.II.7.d). Die Frage nach einer Ausgleichshaftung bei öffentlichen Ausschreibungen stellt sich damit unter deutlich verschiedenen Vorzeichen und Umständen als bei der „klassischen“ Verhandlungssituation, auf welche sich die vorliegende Untersuchung beschränken soll.

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A. Einleitung

konzept entwickelt werden, welches der eingangs geschilderten Problematik Rechnung trägt (dazu unter D.). Kernthese dieses Haftungskonzepts ist, dass eine befriedigende Lösung sich nicht – ausschließlich – innerhalb des Instituts der c.i.c. realisieren lässt. Neben einer pflichtenbasierten, verschuldensabhängigen Haftung, die auf illegitimem Verhandlungsverhalten beruht, sollte eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung anerkannt werden. Es wird zunächst dargestellt, in welchen Konstellationen eine pflichtenbasierte und verschuldensabhängige c.i.c.-Haftung zur Anwendung gebracht werden kann, aber auch welchen grundsätzlichen Schwierigkeiten eine solche Haftung gegenübersteht. Anschließend wird untersucht, ob und auf welcher Grundlage eine verschuldensunabhängige Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen begründet werden kann. Ausgangspunkt sind Überlegungen und Vorschläge, die in der Vergangenheit aus der Rechtsprechung und der Wissenschaft in diese Richtung erfolgten. Häufig wiederkehrend ist dort der Vertrauensgedanke. Demgegenüber wird hier vorgeschlagen, stärker das Bemühen um eine interessengerechte Risikoverteilung in den Mittelpunkt zu rücken. Es wird der Frage nachgegangen, ob das Prinzip der Zusammengehörigkeit von Chance und Risiko den Weg zu einer verschuldensunabhängigen Haftung aufzeigen, und an welchen Anknüpfungspunkten im Gesetz sich eine derartige Rechtsfortbildung orientieren könnte. Abschließend soll dargestellt werden, wie eine verschuldensunabhängige Haftung ausgestaltet sein könnte und wie sie konkret auf Beispielsfälle angewendet werden könnte.

B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen im Rahmen der c.i.c. Die Problematik einer Haftung beim Scheitern von Verhandlungen wird ganz überwiegend im Rahmen des Instituts der culpa in contrahendo diskutiert. Ausgehend von der Rechtsprechung ist inzwischen „Der Abbruch von Verhandlungen“ als eigene Fallgruppe der c.i.c. etabliert.3 Während eine Haftung ursprünglich nur darauf gestützt wurde, dass eine Partei bei der Gegenseite ein ungerechtfertigtes Vertrauen in den bevorstehenden Vertragsschluss erweckt hatte, ist zunehmend das Kriterium des „Abbruchs der Verhandlungen ohne triftigen Grund“ zur Haftungsbegründung herangezogen worden. Allerdings verwenden die verschiedenen Senate des BGH das letztere Kriterium mit unterschiedlichen Konnotationen und in widersprüchlicher Weise. So ist der Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund bislang keineswegs in sich schlüssig entwickelt und in das Institut der c.i.c. eingefügt worden. Bevor dies näher dargestellt wird, soll zunächst die Struktur der c.i.c. in Erinnerung gerufen werden.

I. Vorüberlegungen zum Wesen der c.i.c. und zur Funktion vorvertraglicher Pflichten 1. Die verschuldensabhängige Haftung aus culpa in contrahendo auf der Grundlage des „hybriden“ vorvertraglichen Schuldverhältnisses Bei der Haftung aus Verschulden bei Verhandlungen handelt es sich um eine Haftung für die schuldhafte Verletzung von vorvertraglichen Pflichten. Sie beruht auf dem Gedanken, dass bereits mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen ein Schuldverhältnis entsteht, das die Parteien zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. Die Annahme eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses und der Haftung bei Verletzung der sich daraus ergebenden Pflichten, kurz: das Institut der culpa in contrahendo, ist richterrechtlich entwickelt worden und hat durch die Schuldrechtsreform eine gesetzliche Anerkennung und rudimentäre Kodifizierung erfahren.4 Während die positiv-rechtliche Grundlage des vorvertrag3 Vgl. etwa den Titel der Monographie Küppers, Das Scheitern von Vertragsverhandlungen als Fallgruppe der culpa in contrahendo (1988). 4 Die Frage, ob die c.i.c. kodifiziert werden sollte, war Gegenstand lebhafter Diskussion. Siehe zum Gang der Gesetzgebung Staudinger-Löwisch, Bearbeitung 2001, Vorbem. 60 zu §§ 275–283 sowie zu den Argumenten für und wider Canaris, JZ 2001, 499, 519 f.; Köndgen, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

lichen Schuldverhältnisses ursprünglich im Gebot von Treu und Glauben gem. § 242 BGB gesehen wurde,5 ist sie nunmehr in § 311 Abs. 2 BGB zu finden. Das vorvertragliche Schuldverhältnis weist eine „hybride“ Struktur auf. Einerseits ist es gesetzlich, da es automatisch und unabhängig vom Willen der Parteien zustande kommt.6 Andererseits kann aber auch der vertragliche Bezug des Schuldverhältnisses nicht geleugnet werden, denn es kommt nur und gerade deshalb zustande, weil die Parteien gezielt miteinander in Verbindung treten, um zu eruieren, ob ein Vertragsschluss im beiderseitigen Interesse ist.7 Diesem Umstand trägt das Gesetz Rechnung, indem es in der amtlichen Überschrift von § 311 BGB das Schuldverhältnis als „rechtsgeschäftsähnlich“ bezeichnet.8 Die Sonderverbindung, in der sich die Parteien während der Vertragsverhandlungen befinden, geht mit einer erhöhten Schutzbedürftigkeit der Parteien einher. Denn sie öffnen ihre jeweiligen Rechtskreise der Einwirkungsmöglichkeit der Gegenseite. Dem Schutz der Parteien dienen die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 II BGB, zu deren Beachtung das vorvertragliche Schuldverhältnis verpflichtet. Die Frage, ob die aus einer Verletzung der vorvertraglichen Pflichten folgende c.i.c.-Haftung auf einem einheitlichen Haftungsgrund beruht oder ob sie lediglich ein Konglomerat verschiedener Fallgruppen mit jeweils unterschiedlicher Struktur darstellt, ist umstritten.9 Von großer Überzeugungskraft ist der Gedanke, der auf Ballerstedt10 und Canaris11 zurückgeht, dass die Inanspruchnahme und Gewährung eines besonderen Vertrauens die Haftung aus c.i.c. rechtfertigt.12 Letztlich ist die Frage aber nicht entscheidend und hier nicht zu vertiedem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, S. 231 ff.; Rieble, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 137 ff.; Heinrichs, FS Canaris II, 421, 423 ff. 5 Canaris, JZ 1965, 475, 476. 6 Vgl. BGHZ 6, 330, 333; Canaris, JZ 1965, 475, 476. 7 Siehe auch Busche, in: Staudinger/Eckpfeiler (2011), F. Rn 1, der darauf hinweist, dass die Zuordnung der rechtsgeschäftsähnlichen zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen außer Acht lässt, dass der Wille der Beteiligten durch die Kontaktaufnahme – zumindest potenziell – darauf gerichtet ist, eine rechtsgeschäftliche Beziehung herbeizuführen. 8 Zur Überwindung der Antinomie zwischen gesetzlicher und vertraglicher Haftung, siehe unten D.II.5.c). 9 Für einen Überblick über die vertretenen Meinungen siehe MüKo-Emmerich, § 311 Rn 39 ff. 10 Ballerstedt, AcP 151 (1950/1951), 501, 507. 11 Canaris, JZ 1965, 475, 476; ders., Vertrauenshaftung, S. 532; ders., FS Larenz 1983, 27, 105 ff.; ders., FG 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 129, 176, 191 ff.; ders., AcP 200 (2000), 273, 304 ff.; ders., FS Schimansky, S. 43, 49 ff. 12 Zustimmend Larenz, FS Ballerstedt 1975, 397 ff.; Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 103 mwN; BGHZ 60, 221, 226; 70, 337, 343 f.; 79, 337, 340 ff.; BGH ZIP 1998, 1434, 1435. A.A. z. B. Frotz, GS Gschnitzer, S. 163, 170 ff.; ders., Verkehrsschutz, 63 ff., der die vorvertraglichen Pflichten als Korrelat der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit begreift.

I. Vorüberlegungen zum Wesen der c.i.c.

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fen. Denn worin auch immer man die tiefere Begründung für die Haftung aus c.i.c. erblickt, eines ist unzweifelhaft: Die Haftung aus c.i.c. ist pflichtenbasiert und verschuldensabhängig konzipiert. Eine rein auf Vertrauensgesichtspunkten aufbauende, verschuldensunabhängige Haftung aus c.i.c. gibt es nicht. Dies folgt nicht nur bereits aus der Bezeichnung der Haftung, des Verschuldens beim Vertragsschluss, sondern auch aus der mittlerweile kodifizierten gesetzlichen Systematik. Ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. ergibt sich – ausschließlich – aus der schuldhaften Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht gem. §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB.13 Verschulden wiederum setzt ein vorwerfbares Verhalten voraus. Dieser Verhaltensvorwurf liegt in der Verletzung einer sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebenden Pflicht. Das Kriterium der Pflichtverletzung ist also das zentrale Tatbestandsmerkmal einer Haftung aus c.i.c. 2. Vorvertragliches Pflichtenprogramm a) „Haftungsgetriebene“ Entwicklung der Pflichten Die vorvertraglichen Pflichten, aus deren Verletzung sich gem. §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB eine Haftung aus culpa in contrahendo ergeben kann, sind in § 241 II BGB nicht näher spezifiziert. Dort ist nur die Rede davon, dass das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter sowie Interessen des anderen Teils verpflichten kann. Die einzelnen Pflichten sind vielmehr von der Rechtsprechung entwickelt worden und können bei Bedarf auch weiterhin entwickelt und verfeinert werden.14 Der Gesetzgeber wollte im Zuge der Schuldrechtsreform absichtlich nicht tiefer in das richterrechtlich entwickelte Institut der c.i.c. eingreifen und dessen weitere Ausgestaltung nicht behindern oder einschränken.15 Es ist festzustellen, dass die Entwicklung neuer Pflichten bzw. neuer Ausprägungen bereits anerkannter Pflichten zumeist einzelfallbezogen und aus der Überzeugung heraus erfolgt, dass im konkreten Sachverhalt eine Haftung gerechtfertigt ist.16 Zwar ist nicht zu leugnen, dass durch die Feststellung einer Pflichtverletzung bzw. der Statuierung einer entsprechenden Pflicht auch ein Signal an die Marktteilnehmer gesendet wird und durch die dro-

13 Deutlich auch Rieble, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 137, 139: „Die culpa in contrahendo ist Haftung für schuldhafte Pflichtverletzung und keine allgemeine Vertrauenshaftung.“ 14 Siehe auch Heinrichs, FS Canaris II, 421, 428, der zu Recht klarstellt, dass sich Inhalt und Grenzen der Rücksichtnahmepflichten nicht aus § 241 II BGB ergeben, sondern dass Inhalt und Umfang dieser Rücksichtnahmepflichten vor allem durch die Generalklausel des § 242 BGB bestimmt werden. 15 Siehe Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/6040, S. 162 f. 16 Ähnlich Wiegand, FS Gagnér, 547, 552, der konstatiert, dass die „Pflichten nicht ,aus Prinzipien deduziert‘, sondern primär anhand konkret zu lösender Fragestellungen entwickelt wurden.“

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

hende Ersatzpflicht eine Verhaltenssteuerung in Zukunft erreicht wird und werden soll. Aber vielfach ist die vorvertragliche Pflicht und deren Verletzung ein Vehikel, um eine Haftung begründen zu können, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Diese „haftungsgetriebene“ Entwicklung der Pflichten führt dazu, dass eine Inhaltsbeschreibung und Systematisierung der Pflichten auf einer höheren Abstraktionsebene schwierig ist. Die Pflichtverletzung ist also von größerer praktischer Relevanz als das pflichtgemäße Verhalten, da regelmäßig eben die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs und nicht etwa die Durchsetzung pflichtgemäßen Verhaltens im Raum steht. Für den Gläubiger wird der „Wert“ einer vorvertraglichen Pflicht üblicherweise nur in ihrer Verletzung durch die Gegenseite liegen, weil ihm dann wenigstens ein Schadensersatzanspruch zustehen kann. Diese Zweistufigkeit wurde schon früh erkannt. Bereits Kreß unterscheidet zwischen Primäransprüchen, die die Unterlassung von Eingriffen in das geschützte Gut oder die Vornahme besonderer Schutzhandlungen verlangen, und Sekundäransprüchen, die auf Schadensersatz als Ausgleich der Verletzung des geschützten Guts gerichtet sind.17 Die Primäransprüche bezeichnet Kreß als unentwickelte Schutzansprüche; ihre Funktion ist die Schadensprävention. Erst mit der Verletzung des geschützten Gutes gelangt der Schutzanspruch in Form der sekundären Pflicht zum Schadensersatz zur vollen Entwicklung.18 Die Einsicht, dass es dem Gläubiger einer vorvertraglichen Pflicht zumeist nur um die Geltendmachung von Schadensersatz im Falle einer Pflichtverletzung geht, bedeutet auch, dass die Frage, ob die vorvertraglichen Pflichten als solche einklagbar sind,19 eher ein Scheinproblem darstellt. Eine Leistungsklage würde zudem regelmäßig daran scheitern, dass die vorvertraglichen Pflichten inhaltlich nicht auf eine bestimmte Maßnahme konkretisiert sind20 bzw. dass der Gläubiger die Pflichtverletzung erst retrospektiv feststellen kann. Wenn sich hingegen das von der vorvertraglichen Pflicht verlangte Verhalten hinreichend konkretisieren lässt und ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, sind auch vorvertragliche Pflichten durchaus einklagbar.21

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Kreß, SchuldR, § 1, S. 5 ff. und § 23, S. 578 ff. Allerdings betont Kreß, SchuldR, § 1, S. 5 in seiner Darstellung insbesondere den Präventionsgedanken der unentwickelten Schutzansprüche. Die Drohung der Wiedergutmachung solle von der Verletzung der Güter abhalten, und diese Drohung beuge den Willen der betroffenen Person und gebe dem Inhaber des Gutes eine entsprechende Machtstellung. 19 Siehe hierzu etwa Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 311 Rn 98. 20 So auch Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 11 f., Lüsing, Pflichten, S. 39 f. 21 Ebenso Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 12, Lüsing, Pflichten, S. 40 mwN. A.A. Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 311 Rn 98, die annehmen, dass dem Schadensverhütungsinteresse der potentiellen Vertragsparteien dadurch genügt werde, dass sie die Verhandlungen jederzeit abbrechen könnten. 18

I. Vorüberlegungen zum Wesen der c.i.c.

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Dies möge anhand zweier Beispiele kurz gezeigt werden. Im klassischen Fall des Herumliegens einer Bananenschale in den Geschäftsräumen eines Supermarkts wäre der Inhaber des Supermarkts als Pflichtiger einer vorvertraglichen Schutzpflicht verpflichtet, diese Bananenschale zu beseitigen. Niemand käme indes auf die Idee, diese Pflicht gerichtlich einzuklagen; der umsichtige Kunde umgeht die Bananenschale (der höfliche hebt sie vielleicht gar selbst auf). Stürzt der Kunde indes und zieht sich einen Knochenbruch zu, so wird er sehr wohl und zu Recht die Frage stellen, ob der Supermarktinhaber eine ihm obliegende Schutzpflicht verletzt hat. Im Falle einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht wird der Gläubiger der Pflicht, der Informationsberechtigte, sich typischerweise seines Informationsdefizits gar nicht bewusst sein. Wüsste er davon, so würde er die Gegenseite gezielt fragen bzw. das Informationsdefizit auf andere Weise auszugleichen versuchen. Die Verletzung einer Aufklärungspflicht ist folglich meist nur retrospektiv feststellbar.22 Festzuhalten bleibt: Vorvertragliche Pflichten wurden und werden üblicherweise von der Rechtsprechung aus einem Haftungsbedürfnis im Einzelfall entwickelt. Zwar ist mit ihrer Statuierung auch eine Verhaltenssteuerung der betroffenen Verkehrskreise bei ähnlich gelagerten Fällen in der Zukunft bezweckt. Aber die praktische Relevanz vorvertraglicher Pflichten liegt in erster Linie in ihrer Verletzung und dem daraus potentiell folgenden Schadensersatzanspruch. Vorvertragliche Pflichten sind grundsätzlich durchaus einklagbar, allerdings hat der Gläubiger daran typischerweise gar kein Interesse oder er ist hierzu faktisch gar nicht in der Lage. Dies bedeutet indes nicht, dass die Systematisierung der Pflichten sowie die positive Ausformulierung des Pflichteninhalts von minderer Bedeutung wären. Im Gegenteil: beides ist unerlässlich, um die sich stellenden Wertungsfragen beantworten und der Begründungslast gerecht werden zu können, die die Postulierung bzw. Statuierung einer vorvertraglichen Pflicht mit sich bringt. b) Zur Terminologie und dogmatischen Einordnung der vorvertraglichen Pflichten Wie bereits angedeutet, ist die Entstehung der nunmehr in § 241 II BGB verankerten Pflichten „haftungsgetrieben“ und einzelfallbezogen erfolgt. Sie wurden von der Rechtsprechung im vorvertraglichen Bereich im Rahmen des Instituts der culpa in contrahendo und im vertraglichen (und auch nachvertraglichen) Bereich im Rahmen der Haftung aus positiver Vertragsverletzung entwickelt. So22 So auch Rehm, Aufklärungspflichten, S. 4 f. Die retrospektive Feststellung von Informationspflichtverletzungen bedeutet im übrigen nicht, dass die Frage des Bestehens einer Informationspflicht aus einer ex-post-Perspektive zu beurteilen ist. Vielmehr ist diese Frage aus einer ex-ante-Perspektive zu beantworten. Ebenso Breidenbach, Informationspflichten, S. 2 f., 13.

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

wohl in terminologischer als auch in systematischer Hinsicht herrscht in Bezug auf diese Pflichten große Uneinigkeit. Im vorliegenden Zusammenhang ist zwar nur die Frage von Belang, auf die Verletzung welcher Pflichten eine Haftung beim Scheitern von Verhandlungen gestützt werden könnte. Insofern ist hier nicht der Ort für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik der Pflichten gem. § 241 II BGB in ihrer Gesamtheit. Aber nachfolgend soll doch ein kurzer Überblick gegeben und ein Weg aufgezeigt werden, wie sich vorvertragliche Pflichten systematisieren lassen, um so die Verortung der Pflichten, die für diese Untersuchung von Interesse sind, darzustellen. Für die in § 241 II BGB angesprochenen Pflichten, die sich sowohl im vertraglichen als auch im vorvertraglichen Bereich ergeben können, kursiert eine Vielzahl von Oberbegriffen. So wird etwa von „sonstigen Nebenpflichten“ 23, „unselbständigen Nebenpflichten“, „weiteren Verhaltenspflichten“ 24 und „Sorgfaltspflichten“ 25 gesprochen;26 die am häufigsten verwendete Bezeichnung ist wohl die der „Schutzpflichten“. Die Bezeichnung „Schutzpflichten“ geht im Wesentlichen auf die Unterscheidung Heinrich Stolls zwischen vertraglichen „Leistungspflichten“ und „Schutzpflichten“ zurück.27 Während erstere dazu dienen sollen, das Leistungsinteresse zu erbringen und zu fördern und folglich den durch die Transaktion erstrebten status ad quem zu erreichen, dienen letztere dem Schutz der übrigen Rechtsgüter des anderen Teils, also dem Erhalt des status quo. Diese Unterscheidung nach dem Regelungszweck ist einleuchtend für die vertragliche Phase, aber nicht ohne weiteres auf den vorvertraglichen Bereich übertragbar, in dem noch gar keine vertraglich vereinbarte Leistung besteht. Im vorvertraglichen Stadium hingegen war zunächst eine Einteilung der Pflichten nach dem Zustandekommen des Schadens üblich. Wiederum Heinrich Stoll etwa nahm eine Dreiteilung vor.28 Er unterscheidet eine Haftung für die Nichtigkeit eines Vertrages, eine Haftung für das Verhalten beim Vertragsschluss, 23 Esser/Schmidt, SchR I/1, § 6 IV, S. 109 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 22 Rn 16 f. 24 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 10 [er unterteilt die weiteren Verhaltenspflichten in „Schutzpflichten“ und „Loyalitätspflichten“]; ihm folgend Gernhuber, Schuldverhältnis § 2 IV 2, S. 22 ff. [hierin bilden die Schutzpflichten eine abgeschlossene Gruppe]. 25 Lorenz, JZ 1960, 108, 111; Stürner, JZ 1976, 384 ff.; Schapp/Schur, Einführung, S. 148. 26 Für einen Überblick über die terminologische Vielfalt siehe Staudinger-Olzen, § 241 Rn 154 f. oder auch Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 68 mwN. Zur rechtshistorischen Entwicklung dieser Pflichten siehe Wiegand, FS Gagnér, 547, 551 ff. 27 Heinrich Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, S. 26 ff. Stoll seinerseits baut auf Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929, S. 578 f. auf. Terminologisch ebenso Canaris, JZ 1965, 475; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 4 f. und passim; Grigoleit, FS Canaris II, 275 ff.; Medicus, FS Canaris II, 834 ff. 28 Siehe Stoll, LZ 1923, S. 533. Eine ähnliche Einteilung findet sich bei Titze, in: Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, S. 517 f.

I. Vorüberlegungen zum Wesen der c.i.c.

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worunter er den Abschluss eines nicht erwartungsgerechten Vertrags versteht, und eine Haftung für das Verhalten vor Vertragsschluss, wobei der Schaden unabhängig vom Vertragsschluss eintreten soll. Die Haftung beim Abbruch von Vertragsverhandlungen, für deren Anerkennung er entgegen der damaligen Praxis des Reichsgerichts plädierte, ordnet er der letztgenannten Gruppe zu.29 Allerdings ergibt sich der Schaden hierbei daraus, dass der in Aussicht genommene Vertrag nicht zustande kommt, so dass durchaus ein Bezug zum Vertrag besteht. Insofern ist es zweckmäßiger die Fälle des Abbruchs von Verhandlungen einer eigenständigen Gruppe zuzuweisen.30 Zusammen mit den Fällen der Nichtigkeit eines Vertrages können sie unter einer Obergruppe der Haftung für das NichtZustandekommen eines Vertrages zusammengefasst werden, wobei jedoch zu beachten ist, dass sie sich von den Fällen der Nichtigkeit eines Vertrages dadurch unterscheiden, dass es bei jenen an einer vertraglichen Einigung fehlt, während bei diesen sehr wohl ein Vertragsschluss vorliegt, der indes von der Rechtsordnung nicht als wirksam angesehen wird.31 Neben der Einteilung der Pflichten unter dem Kriterium des Zustandekommens des Schadens haben sich Einteilungen etabliert, die auf den Inhalt der Pflicht bzw. die geschützten Rechtsgüter abstellen. So wird zwischen „Erhaltungspflichten“ einerseits und „Aufklärungspflichten“ andererseits unterschieden32 bzw. zwischen Pflichten zum Schutz der absoluten Rechtsgüter einerseits und Pflichten zum Schutz des Vermögens und der Entscheidungsfreiheit andererseits.33 Auf den ersten Blick könnte man die letztgenannten Einteilungen für weitgehend identisch erachten.34 In der Tat ist der Schutz absoluter Rechtsgüter (ausschließlich) mit dem Erhaltungsinteresse verbunden, während Aufklärungspflichten dem Schutz der Entscheidungsfreiheit dienen. Aber im Fall des Vermögensschutzes ist die Situation komplizierter. Ein Beispiel:35 Erfährt eine Partei im Rahmen von Vertragsverhandlungen ein Geschäftsgeheimnis der anderen Seite, so dient die Pflicht, dieses Geheimnis weder Dritten zu offenbaren noch

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Stoll, LZ 1923, S. 536 u. 547. So bereits Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310, 313; ders., FS Möhring I, S. 385, 395. 31 Diese Einteilung findet sich etwa bei Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, § 14 Rn 106 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 7 Rn 67 ff., Erman/Kindl, § 311 Rn 29 ff. Vgl. auch die Übersicht bei Lüsing, Pflichten, S. 228 f. mwN. 32 Dölle, ZgStW 103 (1943), S. 67 u. 86; Larenz, FS Ballerstedt, S. 400 u. 403, ders., Schuldrecht I, § 9 I. 2., S. 110 f.; Staudinger-Beckmann, § 433 Rn 93; Erman/ Westermann, § 241 Rn 10; Soergel-Wiedemann, vor § 275, Rn 121 ff. Siehe auch Lüsing, Pflichten, S. 228 mwN. 33 Canaris, FS Larenz, S. 27, 85 u. 90; Medicus/Lorenz, Schuldrecht, AT, § 14 Rn 104 f.; Medicus, Gutachten, S. 479, 487; Schapp/Schur, Einführung § 7 Rn 304 ff.; Soergel-Harke, § 311 Rn 46 ff. 34 So Lüsing, Pflichten, S. 229. 35 Dieses Beispiel verwendet Canaris, FS Larenz, S. 27, 90 f. zur Illustration der Schutzpflichten zum Schutze des Vermögens. 30

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

selbst auszunutzen, dem Erhaltungsinteresse der Gegenseite, und ist sicherlich nicht als Aufklärungspflicht zu klassifizieren. Überhaupt ist die Einordnung der Entscheidungsfreiheit in eine Gruppe von Pflichten zum Schutz von Vermögensinteressen insofern problematisch, als sich aus der Verletzung der Entscheidungsfreiheit und dem nachfolgenden Abschluss eines nicht erwartungsgerechten Vertrags ein Vermögensschaden ergeben kann – aber nicht muss.36 Zu konstatieren ist also sowohl eine große terminologische Vielfalt als auch eine damit korrespondierende Vielzahl systematischer Klassifizierungsversuche. Wenig diskutiert, im vorliegenden Zusammenhang aber von Relevanz, ist die Frage, ob die für den vertraglichen Bereich überzeugende Unterscheidung zwischen dem Leistungsinteresse dienenden Leistungspflichten und am Schutzinteresse orientierten Schutzpflichten nicht auch im vorvertraglichen Bereich fruchtbar gemacht werden kann.37 Zwar kann von einem Leistungsinteresse sinnvollerweise erst ab dem Zeitpunkt eines vertraglichen Konsenses gesprochen werden. Aber die Vertragsverhandlungen dienen doch gerade dem Zweck, herauszufinden, ob ein Vertragsschluss im beiderseitigen Interesse der Parteien ist, und – falls dies bejaht werden kann – einen vertraglichen Konsens zu ermöglichen. Bereits im Verhandlungsstadium sind also Interessen der Parteien vorhanden, die einen potentiellen Güteraustausch und damit den status ad quem betreffen. Dann aber ist es nur logisch, auch Pflichten anzunehmen, die dem Schutz dieser Interessen dienen. Betont sei hierbei, dass die Orientierung am Transaktionsinteresse und am status ad quem allerdings nicht bedeutet, dass die Pflichten zwangsläufig auf den Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtet wären; welche Rechtsfolgen eine Pflichtverletzung zeitigt, ist nicht determiniert von dem Interesse, dessen Schutz die Pflicht dient. Anders gewendet: wird eine dem Transaktionsinteresse dienende Pflicht verletzt, und kommt ein anvisierter Vertrag gar nicht oder nicht voraussetzungsgerecht zustande, ist die Frage noch nicht entschieden, ob die Pflichtverletzung einen Anspruch auf Schadensersatz – und, wenn ja – auf das positive oder auf das negative Interesse nach sich ziehen kann.38 Die bereits angesprochene Unterteilung zwischen „Erhaltungspflichten“ einerseits und „Auf36 Zu der hier nicht weiter zu vertiefenden Diskussion, ob die Rückgängigmachung eines Vertrags das Vorliegen eines Vermögensschadens voraussetzt, siehe etwa Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 108 ff. Er sieht die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit als eigenständiges Schutzgut der c.i.c. an. Ebenso Grigoleit, NJW 1999, 900, 902. 37 Auch Lüsing, Pflichten, S. 232, meint, dass sich „die Abgrenzung der außerdeliktischen Schutzpflichten gegenüber den Leistungspflichten (. . .) bisher immer auf das Stadium nach Vertragsschluss bezogen“ hat. 38 Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den Meinungsstreit, welche Rechtsfolgen sich aus der Verletzung einer Informationspflichtverletzung ergeben können; vgl. hierzu etwa MüKo-Emmerich, § 311 Rn 199 ff. mwN; Theisen, NJW 2006, 3102 ff. Siehe auch Canaris, AcP 200 (2000), 273, 314 ff.; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 147 f. Die Rspr. sieht sowohl die Möglichkeit des Ersatzes des negativen als auch des positiven Interesses als gegeben an, vgl. BGH NJW 2001, 2875; BGH NJW 2006, 3139.

I. Vorüberlegungen zum Wesen der c.i.c.

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klärungspflichten“ andererseits geht bereits in diese Richtung einer Unterscheidung von vorvertraglichen Pflichten, die dem Schutzinteresse dienen, und solchen, die dem Transaktionsinteresse dienen. Allerdings sind die der Willensfreiheit dienenden Aufklärungs- oder besser: Informationspflichten39 nicht die einzig denkbaren Pflichten zum Schutz bzw. zur Förderung des Verhandlungszwecks. Aus diesen Überlegungen heraus wird in dieser Studie folgende systematische Einteilung und Terminologie der vorvertraglichen Pflichten vorgeschlagen: Auch im vorvertraglichen Bereich sollten die Pflichten aus § 241 II BGB danach unterschieden werden, ob sie am status quo oder am status ad quem orientiert sind. Während erstere dem Schutz des Integritätsinteresses dienen, ist der Zweck von letzteren im Schutz des Transaktionsinteresses zu sehen.40 Der Begriff „Schutzpflichten“ sollte nur für erstere, also dem Integritäts- bzw. Erhaltungsinteresse dienende Pflichten verwendet werden, um eine Parallelität mit dem vertraglichen Stadium herzustellen. Sie schützen neben den absoluten Rechtsgütern auch das Vermögen und stehen in größerer Nähe zu den deliktischen Pflichten. Ihnen gegenüber stehen Pflichten, die dazu dienen, dass die Verhandlungsphase gerecht und effizient durchgeführt wird, so dass sie ihren Zweck erfüllen kann. Der Zweck der Verhandlungen besteht darin, dass die Parteien herausfinden, ob ein Vertragsschluss im beiderseitigen Interesse und möglich ist. Die Verhandlungen sollen also die Voraussetzungen für den Abschluss eines interessengerechten Vertrags schaffen oder aber die Erkenntnis zutage fördern, dass ein solcher interessengerechter Vertrag nicht realisierbar ist. Die Pflichten, die der Erreichung dieses Verhandlungszwecks und damit dem Transaktionsinteresse dienen, sollen als Verhandlungspflichten bezeichnet werden, da sie die Art und Weise der Verhandlungsführung im Blick haben. Als Oberbegriff für die Gesamtheit der in § 241 II BGB zusammengefassten Pflichten sollte in Anlehnung an den Wortlaut des § 241 II BGB der Begriff „Rücksichtnahmepflichten“ verwendet werden.41 39

Hierzu unten unter C.I.1. Diese Terminologie und Einteilung nimmt auch Lehmann, Vertragsanbahnung als Werbung, S. 308 ff. vor. Die Möglichkeit vorvertraglicher Pflichten, die dem Abschlussinteresse dienen, grundsätzlich bejahend auch Lüsing, Pflichten, S. 232 ff., der diese Pflichten aber unter § 241 I BGB verorten will. Außerdem sieht er – anders als hier vorgeschlagen – Informationspflichten zur Sicherung eines erwartungsgerechten Vertrags dem Schutzinteresse, und nicht dem Abschlussinteresse dienend, S. 309 f. Ähnlich auch Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 69 ff.; Willemsen, AcP 182, 515, 521. A.A. Grigoleit, FS Canaris II, 275, 276 ff., der davon ausgeht, dass die Leistungspflichten auf den Schutz des status ad quem und die Pflichten aus § 241 II BGB (von ihm allesamt Schutzpflichten genannt) ausschließlich auf den Schutz des status quo gerichtet sind. Ebenso Medicus, FS Canaris II, 835, 837, 853. 41 Den Terminus „Rücksichtnahmepflichten“ verwenden etwa auch Staudinger-Löwisch, § 311 Rz 107 ff., der auch das vorvertragliche Schuldverhältnis als Rücksichtnahmeschuldverhältnis bezeichnet, und Larenz/Wolf, AT, § 31 I, S. 592 ff. Ähnlich Rieble, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 137, 145: „Rücksicht“-Pflichten; ebenso Riehm, FS Canaris, S. 1079, 1091 f. und Weller, Die Vertragstreue, S. 240 ff. Siehe auch Staudinger-Olzen, § 241 Rn 155 und 40

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Die Rücksichtnahmepflichten haben einen ebensolchen „Hybridcharakter“ 42 wie das vorvertragliche Schuldverhältnis selbst, auf welchem sie basieren. Sie sind einerseits gesetzlicher Natur, da sie unabhängig vom Parteiwillen Geltung beanspruchen. Andererseits gelten sie aber nur relativ, d.h. zwischen den jeweiligen Verhandlungspartnern und nicht gegenüber Jedermann. Dementsprechend stehen die Rücksichtnahmepflichten zwischen den vertraglichen Leistungspflichten und den deliktsrechtlichen Pflichten, von denen sie jeweils abzugrenzen sind. Der Unterschied zu den deliktsrechtlichen Pflichten liegt zum einen darin, dass die Rücksichtnahmepflichten auch das Vermögen des Gegenübers schützen. Zum anderen gelten die Rücksichtnahmepflichten nur relativ, d. h. nur dem Verhandlungspartner gegenüber, nicht aber gegenüber Jedermann. Sie treffen den Pflichtigen nur aufgrund eines freiwilligen und zielgerichteten Kontakts mit der Gegenseite, um Vertragsverhandlungen zu führen. Der Unterschied zu den vertraglichen Leistungspflichten wiederum ist darin zu sehen, dass die Existenz und Geltung der Rücksichtnahmepflichten nicht auf einen dahingehenden übereinstimmenden Parteiwillen zurückführbar sind. Rücksichtnahmepflichten gelten unabhängig und losgelöst vom Willen der Parteien bzw. einem vertraglichen Konsens, aufgrund von übergeordneten Überlegungen, welche an einer gerechten und sicheren Durchführung des Verhandlungs- und Vertragsverhältnisses ausgerichtet sind.43 In diesem Sinne sind die Rücksichtnahmepflichten im Gegensatz zu vertraglichen Leistungspflichten eben gesetzliche Pflichten.44

Rn 424 ff., der von „Rücksichtspflichten“ spricht (aber davon ausgeht, dass diese sich nur auf die Bewahrung des status quo bezögen, Rn 156). Dort auch weitere Nachweise zur terminologischen Vielfalt. 42 Auch Lüsing, Pflichten, S. 68 f., 165 ff., spricht vom „hybriden Charakter“ der von ihm als „außerdeliktische Schutzpflichten“ bezeichneten Pflichten. Er sieht diese Pflichten ebenfalls zwischen Leistungspflichten einerseits und Deliktspflichten andererseits angesiedelt. Der Unterschied zu den Leistungspflichten soll nach Lüsings Ansicht aber in ihrem Regelungszweck liegen, nämlich dem Integritätsschutz, so dass er allein den hier als „Schutzpflichten“ bezeichneten Pflichten einen hybriden Charakter attestiert. Die hier als Verhandlungspflichten bezeichneten Pflichten, deren Existenz Lüsing zwar ebenfalls anerkennt, ordnet er hingegen § 241 I BGB zu, S. 252 f. 43 Rücksichtnahmepflichten gelten nur im Rahmen einer Sonderverbindung und nicht bei jeglicher Kontaktaufnahme, so aber Dölle, ZStW 103 (1943), 67, 73 ff. und ähnlich Thiele, JZ 1967, 649, 652 f. Auch bei Gefälligkeitsverhältnissen erhöhte Schutz- und Erhaltungspflichten anzunehmen, ist zumindest nach der Schuldrechtsreform wohl contra legem; § 311 Abs. 2 BGB spricht nur von Vertragsverhandlungen, Vertragsanbahnung und ähnlichen geschäftlichen Kontakten. Die daraus folgende Privilegierung von geschäftlichen Kontakten vor sozialen Kontakten lässt sich damit erklären, dass die Rechtsordnung (zumindest im Schuldrecht) Transaktionen regeln und fördern (Effizienzgedanke) will. Der Schutz des Einzelnen im sozialen Bereich ist dem Deliktsrecht überlassen (und kann ggfs durch die Herausbildung von Verkehrspflichten ausgebaut werden). 44 Dies bedeutet nicht automatisch, dass sich die Parteien nicht privatautonom über diese übergeordneten Überlegungen hinwegsetzen und konsensual andere Bestimmungen treffen könnten.

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aa) Zu den Schutzpflichten Die Schutzpflichten sind in der schon erwähnten Gegenüberstellung zu den vertraglichen Leistungspflichten entwickelt worden.45 Während die vertraglichen Leistungspflichten dazu dienen, den vertraglich angestrebten status ad quem zu erreichen, sind die Schutzpflichten auf den Erhalt des status quo gerichtet. Das Wesen der Schutzpflichten liegt also darin, die Parteien vor Begleitschäden jenseits des Leistungsinteresses zu bewahren.46 Die Parteien schulden einander Rücksicht auf diejenigen Rechtsgüter, welche die eine Seite bei Gelegenheit der Vertragsverhandlungen bzw. der Vertragserfüllung exponiert und so der Einwirkung der anderen Seite aussetzt, die aber nicht zielgerichtet zur Vertragsverhandlung bzw. zur Vertragserfüllung eingesetzt werden. Angesprochen sind hierbei Fälle wie die schon fast sprichwörtliche Bananenschale oder Teppichrolle,47 die einen potentiellen Kunden zu Fall bringen und ihn an der Gesundheit schädigen. Vielfach wird behauptet, diese Pflichten seien aus dem Bedürfnis entstanden, Unzulänglichkeiten des deutschen Deliktsrechts (Möglichkeit der Entlastung bei Tätigwerden einer Hilfsperson gem. § 831 BGB, kein Ersatzanspruch bei fahrlässiger Vermögensschädigung durch die Gegenseite) auszugleichen, und seien folglich funktional dem Deliktsrecht zuzuordnen.48 Dagegen ist einzuwenden, dass die Tatsache, dass ein Rechtsgut gegenüber jedermann geschützt wird, nicht zwingend den Schluss auf die deliktsrechtliche Natur der betreffenden Pflicht zulässt.49 Auch wenn der Schutz der Rechte und Rechtsgüter von § 823 I BGB, also etwa Leben, Gesundheit und Eigentum primär Aufgabe des Deliktsrechts ist, kann es durchaus gleichgerichtete vertragliche oder quasivertragliche Pflichten geben. Dies lässt sich etwa § 618 I BGB entnehmen, wonach es vertragliche Pflicht des Dienstberechtigten ist, den Dienstverpflichteten gegen Gefahr für Leben und Gesundheit zu schützen.50 Auch die Verortung der c.i.c. in § 311 Abs. 2 BGB (und damit im allgemeinen Schuldrecht) mit dem Verweis auf die vertrag-

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Siehe oben Fn 26. Vgl. Canaris, JZ 1965, 475, 477; Willemsen, AcP 182 (1982), 515, 521. Canaris freilich sieht die hier „Verhandlungspflichten“ (wie etwa Aufklärungspflichten) genannten Pflichten auch als Schutzpflichten an, während Willemsen ähnlich der hier verwendeten Systematisierung zwischen Schutzpflichten und Loyalitätspflichten unterscheidet. 47 RGZ 78, 239. 48 So etwa Köndgen, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, S. 231, 237, der von „Sonderdeliktsrecht“ spricht, und sich dagegen ausspricht, „solche Krypto-Deliktsfälle weiterhin als Untertatbestand der c.i.c. mitzuschleppen.“ Ähnlich von Bar, Verkehrspflichten, S. 312 ff.; von Caemmerer, FS zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Juristentags, Bd. 2, S. 49, 59 ff.; Larenz, FS Ballerstedt, S. 402 f.; Hans Stoll, AcP 176 (1976) 151 Fn 21; Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 311 Rn 99. Ähnlich auch schon Dölle, ZgStW 103 (1943), S. 67, 68. 49 Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 86. 50 Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 85. 46

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lichen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB spricht gegen eine deliktsrechtliche Einordnung dieser Pflichten.51 Die Begründung für die Existenz der Schutzpflichten ist vielmehr in der Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des anderen Teils zu sehen, welche sich im Rahmen der Sonderverbindung ergibt. Die Parteien treffen nicht zufällig aufeinander, wie dies paradigmatisch für das Deliktsrecht ist, sondern treten absichtlich und gezielt miteinander in Kontakt. Sie öffnen in einer Sonderverbindung ihre eigenen Rechtskreise, um gemeinsam ein Ziel zu verfolgen. Dieses Ziel ist während der Vertragsanbahnung bzw. während der Vertragsverhandlungen in der Prüfung zu sehen, ob ein Vertrag zu beiderseitigem Vorteil geschlossen werden kann; bei bereits geschlossenem Vertrag liegt es in der Erfüllung der beiderseitigen Leistungsbeiträge. Aus dieser Öffnung des eigenen Rechtskreises und der damit einhergehenden Exposition im Rahmen der Sonderverbindung ergibt sich eine erhöhte Schutzbedürftigkeit. Die Schutzwürdigkeit wiederum folgt aus der Notwendigkeit der Rechtskreiseröffnung zur Verfolgung des gemeinsamen, also von beiden Parteien erwünschten Ziels.52 Diese Einwirkungsmöglichkeit und die korrespondierende Schutzbedürftigkeit der Gegenseite entstehen typischerweise bereits mit Beginn der Vertragsanbahnung bzw. mit Beginn der Vertragsverhandlungen und dauern über die Erfüllungsphase des Vertrags, teilweise auch noch darüber hinaus. Sie sind sowohl von einem Vertragsschluss als solchem als auch von der Wirksamkeit des Vertrags unabhängig. Folglich sind auch die Schutzpflichten, deren Inhalt sich ausschließlich nach den tatsächlichen gegenseitigen Einwirkungsmöglichkeiten zwischen den Parteien richtet, ebenfalls unbeeinflusst von einem etwaigen Vertragsschluss und der Wirksamkeit des Vertrags.53 Ihrer Struktur nach bleiben die Schutzpflichten also über die ganze Dauer der vorvertraglichen, vertraglichen und nachvertraglichen Phase gleich. Damit ist entgegen einer weitverbreiteten Meinung, auch „Umschlagstheorie“ genannt, nicht einzusehen, dass die Schutzpflichten nach Vertragsschluss zu vertraglichen, also rechtsgeschäftlich begründeten Pflichten mutieren und ihren Geltungsgrund nun im ausgelegten bzw. ergänzten Parteiwillen haben sollten.54 Dogmatisch überzeugend können diese Pflichten vielmehr durch die Annahme eines „einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnisses“, das Schutzpflichten vor und nach Vertragsschluss gleichermaßen umfasst, erklärt werden.55

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MüKo-Emmerich, § 311 Rn 40. Ähnlich Frost, „Vorvertragliche“ und „vertragliche“ Schutzpflichten, S. 70. 53 Canaris, JZ 1965, 475, 479. 54 So aber der BGH, vgl. BGH NJW 1964, 2009; BGHZ 63, 382, 388; BGHZ 70, 337, 343; BGHZ 93, 23, 27 f. Aus der Lehre Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, § 17 III 1 b) a. E., S. 73; Ballerstedt, AcP 151 (1950/1951), S. 501, 529; Dahm, JZ 1992, 1167, 1171; Larenz, Schuldrecht I, § 9 I b, S. 117 ff., Weller, Die Vertragstreue, S. 211. 55 Grundlegend hierzu Canaris, JZ 1965, 475, 478 ff. und ders., FS Larenz, S. 27, 89, 102. Zustimmend u. a. Thiele, JZ 1967, 649; Müller, NJW 1969, 2169, 2173; Nirk, 52

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Im Zusammenhang mit dem Abbruch von Verhandlungen sind allerdings Schutzpflichten nicht von großem Interesse. Denn die Verletzung von Schutzpflichten kann keine Haftung für das Scheitern von Verhandlungen begründen. Wird ein Verhandlungspartner an seinen absoluten Rechtsgütern oder seinem Vermögen durch die Verletzung einer der Gegenseite obliegenden Schutzpflicht geschädigt, so kann er Ersatz und Wiederherstellung des status quo ante verlangen. Die Verhandlungssituation und der erreichte Stand der Verhandlungen werden hierdurch nicht berührt. Transaktionsspezifische Investitionen, um deren Ersatz bzw. Ausgleich es bei der Haftung für das Scheitern von Verhandlungen geht, können nicht direkt durch eine Schutzpflichtverletzung frustriert werden. Die Verletzung einer Schutzpflicht kann nicht Ursache für das Scheitern von Verhandlungen sein. Allenfalls kann die Schutzpflichtverletzung und die dadurch eingetretene Rechtsgutsverletzung Motiv für den Abbruch von Verhandlungen sein. Dann aber bricht der Geschädigte selbst die Verhandlungen ab, Grund für das Scheitern der Verhandlungen wäre in diesem Fall die Weigerung des Anspruchstellers selbst, die Verhandlungen fortzuführen. Ein Beispiel: Ein potentieller Unternehmenskäufer, der im Rahmen intensiver Verhandlungen mit dem potentiellen Unternehmensverkäufer bereits große Beträge in die rechtliche Beratung sowie in die Durchführung einer Due Diligence investiert hat, besichtigt eine Betriebsstätte des zum Verkauf stehenden Unternehmens. Dort wird er von einem nachlässig installierten Montageroboter so stark am Arm verletzt, dass dieser amputiert werden muss. Sollte er in der Folge vom beabsichtigten Kauf Abstand nehmen und die Verhandlungen abbrechen, so wäre dies zwar nachvollziehbar, aber er täte dies nicht wegen einer veränderten Verhandlungssituation, sondern weil er aus persönlichen Gründen mit diesem Verhandlungspartner und Unternehmen nichts mehr zu tun haben möchte. Nach dem Gesagten ist die Beschäftigung mit Schutzpflichten im Zusammenhang mit der Frage, ob sich eine pflichtenbasierte, verschuldensabhängige Haftung für das Scheitern von Verhandlungen konstruieren lässt, nicht weiterführend. Der Blick ist also auf die Verhandlungspflichten zu richten. bb) Zu den Verhandlungspflichten Der Begriff „Verhandlungspflichten“ wird hier – wie bereits geschildert – in Abgrenzung zum Begriff der Schutzpflichten für solche Rücksichtnahmepflichten verstanden, die am Transaktions- bzw. Leistungsinteresse orientiert sind und den status ad quem im Blick haben. Die Gesamtheit der Verhandlungspflichten

FS Möhring II, 1975, S. 73 ff., 78, 100; MüKo-Kramer (5. Aufl. 2007), Einl. vor § 241 Rn 83; Frost, „Vorvertragliche“ und „vertragliche“ Schutzpflichten, S. 221; Grigoleit, FS Canaris II, 275, 282 f.

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

kann als ein „Kodex des richtigen Verhaltens bei Vertragsverhandlungen“ 56 bezeichnet werden. Zu den Verhandlungspflichten zählen wesentlich die vorvertraglichen Informationspflichten, die in immer größerer Zahl herausgebildet werden. Es erscheint im Zusammenhang mit der hier in Frage stehenden Haftung beim Scheitern von Verhandlungen sinnvoll, zwischen vertragsbezogenen und verhandlungsbezogenen Informationspflichten zu unterscheiden. Dies wird noch zu begründen sein.57 Das verbindende Element der Verhandlungspflichten und der wesentliche Unterschied zu den Schutzpflichten ist ihre Bezugnahme auf den Verhandlungsbzw. potentiellen Vertragsinhalt. Die Verhandlungspflichten sollen sicherstellen, dass der Verhandlungsprozess fair und effizient abläuft und seine Funktion erfüllen kann, die darin besteht, den Verhandlungsparteien eine Grundlage für ihre Entscheidung zu offerieren, ob ein Vertragsschluss im beiderseitigen Interesse ist. Allerdings ist zu bedenken, dass es nicht nur legitim ist, sondern von einem freiheitlichen Marktverständnis, welches Grundlage unserer Vertragsrechtsordnung ist, geradezu gefordert wird, dass jede Partei ihre eigenen Interessen wahrnimmt und versucht, diese weitestgehend durchzusetzen. Pflichten, die geeignet sind, diese Freiheit einzuengen, müssen daher eine erhebliche Begründungslast überwinden. Auf die verschiedenen Begründungsansätze wird bei der näheren Untersuchung der Verhandlungspflichten noch näher einzugehen sein. Bei der folgenden Darstellung der von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Konstruktionen einer verschuldensabhängigen Haftung beim Scheitern von Verhandlungen wird also ein besonderes Augenmerk der Frage gelten, worin die erforderliche Pflichtverletzung zu sehen sein soll, und ob die zugrundeliegende Verhandlungspflicht überzeugend begründet werden kann.

II. Analyse der Rechtsprechung 1. Herausbildung eines zweigliedrigen Haftungstatbestands In der Rechtsprechung58 wird eine Haftung für das Scheitern von Verhandlungen auf zwei mögliche Tatbestände gestützt. Zum einen soll eine Haftung dann möglich sein, wenn eine Partei den Vertragsschluss als sicher hinstellt, obwohl sie von Anfang an oder ab einem gewissen späteren Zeitpunkt keine Abschlussbereitschaft mehr besaß. Zum anderen soll eine Haftung infrage kommen, wenn 56 So Medicus, BGB AT, Rn 445, der allerdings von dieser Umschreibung auch die hier als Schutzpflichten kategorisierten Pflichten mitumfasst sieht. Da die Schutzpflichten indes nicht auf das Verhandlungsstadium begrenzt sind, ist es treffender, nur die Verhandlungspflichten als „Kodex des richtigen Verhaltens bei Vertragsverhandlungen“ zu bezeichnen. 57 Siehe unten C.I.2. 58 Zum Umfang der analysierten Rechtsprechung siehe auch Fn 2.

II. Analyse der Rechtsprechung

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eine Partei den Vertragsschluss als sicher bezeichnet, dann aber die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Diese Zweiteilung wird inzwischen auch in der Literatur überwiegend gesehen.59 a) Schuldhafte Vertrauenserweckung Zunächst verfolgte der BGH ausschließlich den ersten Ansatz und stützte die Haftung auf die schuldhafte Erweckung des Vertrauens der Gegenseite auf einen baldigen Vertragsschluss.60 Das pflichtwidrige Verhalten ist demnach darin zu sehen, dass eine Seite bei der Gegenseite unberechtigte Erwartungen auf den Vertragsschluss hervorruft oder aufrechterhält. Gleichzusetzen mit dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Bereitschaft, einen Vertrag zu bestimmten Bedingungen abzuschließen, soll dabei nach Treu und Glauben der Fall sein, dass ein Verhandlungspartner zwar zunächst eine solche, von ihm geäußerte Verkaufsbereitschaft tatsächlich gehabt hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren.61 In einer solchen Fehlinformation über die innere Abschlussbereitschaft sieht die Rechtsprechung eine Aufklärungspflichtverletzung.62 Eine der ersten Entscheidungen, in denen der BGH einen Schadensersatzanspruch auf ein solches schuldhaftes Erwecken unzutreffender Abschlusserwartungen gestützt hat, eignet sich als Illustrationsfall.63 Dort ging es um einen fehlge59 Singer spricht gar davon, dass unstreitig zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden sei, FS Canaris I, S. 135, 139 mwN, ders., Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 271. Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, arbeitet die Zweiteilung in der Rechtsprechung des BGH heraus, S. 59 ff., und untersucht nachfolgend die beiden Haftungstatbestände getrennt, S. 173 ff. Auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 501 ff. spricht von einer zweispurigen Haftungsbegründung. Ebenso Lüsing, Pflichten, S. 246; Reinicke/Tiedtke, NJW 1989, 1093 ff.; Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 109 mwN. 60 BGH LM Nr. 3 zu § 276 (Fa) BGB = MDR 1954, 346. Vgl. auch BGH WM 1955, 728; BGH WM 1962, 936; BGHZ 71, 386; BGH WM 1996, 738. 61 Vgl. BGH NJW 1996, 1884, 1885 mwN. 62 Siehe etwa explizit BGH WM 1996, 738, 740 mwN und Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 173 ff. mwN. 63 BGH MDR 1954, 346 = LM Nr. 3 zu § 276 (Fa) BGB. Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 59 f., nennt diese Entscheidung „die erste Entscheidung, in der [vom BGH] Schadenersatz wegen des Fehlschlagens von Verhandlungen zuerkannt worden ist“. Die frühere Entscheidung BGHZ 6, 330, welche auch teilweise als erste Entscheidung in dieser Hinsicht bezeichnet wird (so etwa Ostheim, JBl 1980, 570) ordnet Küpper, aaO, in die von ihm sogenannte Fallgruppe des Verschuldens wegen des Abschlusses eines unwirksamen Vertrags ein, und nicht in diejenige des Abbruchs von Verhandlungen. Nach hier vertretener Auffassung ist diese Unterscheidung indes unsinnig. Schließen zwei Parteien (wie in BGHZ 6, 330 der Fall) einen wegen Formmangels unwirksamen Vertrag, wobei eine Partei die andere über das Formerfordernis täuscht, so ist gerade in der Täuschung der Gegenseite ein denkbar starkes Indiz dafür zu sehen, dass sie keine Abschlussbereitschaft besitzt.

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

schlagenen Auftrag zur Herstellung von Schutzkappen für Bergleute. Mitarbeiter der potentiellen Auftraggeberin und späteren Beklagten, die zwar selbst nicht zeichnungsberechtigt waren, aber mit Kenntnis der zeichnungsberechtigten Vertreter der Beklagten selbständig tätig geworden waren, sicherten der Herstellerin mündlich einen Großauftrag zur Herstellung von 20.000 Schutzkappen fest zu und drängten sie, unter Zurückstellung anderer Aufträge sofort mit der Herstellung zu beginnen. Ein wirksamer Vertrag war indes noch nicht zustande gekommen, da nach den Einkaufsbedingungen der Beklagten Bestellungen der Schriftform bedurften. Die Herstellerin bestellte daraufhin bei einer Zulieferfirma zur Herstellung der Schutzkappen erforderliche Stahleinlagen. Der zugesagte schriftliche Auftrag der Beklagten blieb in der Folge aus, und sie verweigerte die Abnahme der Kappen. Die Klägerin nahm sie daraufhin auf Befreiung der von ihr gegenüber der Zulieferfirma eingegangenen Verbindlichkeiten in Anspruch. Der BGH gab der Klage statt. Er sah ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen dadurch gegeben, dass das Vertrauen auf das baldige Zustandekommen eines längeren Vertragsverhältnisses erweckt und der andere Teil dadurch zu Aufwendungen veranlasst wurde. Das Verschulden sei darin zu sehen, dass die Mitarbeiter der Beklagten, deren Verhalten der Beklagten gem. § 278 BGB zuzurechnen sei, den Auftrag zugesichert hätten, ohne sich zu vergewissern, dass die Beklagte in der Tat entschlossen war, wenigstens einen ersten Lieferauftrag über 20.000 Kappen zu erteilen. Bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätten sie die Auswirkungen ihrer Erklärungen und Handlungen voraussehen können. Weder die Tatsache, dass die Bestellung der Schriftform bedürfe, noch die Tatsache, dass die Mitarbeiter keine Abschlussvollmacht hatten, könne die Beklagte von ihren Verpflichtungen entbinden, die ihr als Verhandlungspartner obliegen. Denn die Beklagte werde nicht auf Vertragserfüllung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch genommen, sondern sie hafte lediglich auf Ersatz des negativen Interesses. Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung des BGH überzeugend. Sie geht aber von einer Prämisse aus, welcher in der Entscheidung nur wenig Beachtung geschenkt wird und die (wohl) nicht bewiesen ist. Die Erweckung des Vertrauens des Verhandlungspartners auf den sicheren Vertragsschluss ist nur dann pflichtwidrig, wenn die geäußerte Absicht nicht mit der inneren Abschlussbereitschaft korrespondiert. Ob aber ein solches Auseinanderklaffen zwischen geäußerter und wahrer Einstellung wirklich vorlag, ist zumindest unklar. Der BGH stellt lediglich fest, dass die Mitarbeiter der Beklagten sich (bei den zeichnungsberechtigten Vertretern der Beklagten) hätten vergewissern müssen, ob die Beklagte wirklich zum Vertragsschluss entschlossen war, bevor sie die Zusicherungen hätten machen dürfen. Ob aber die Beklagte in dem Moment wirklich noch unentschlossen war, wird nicht geprüft, sondern einfach vorausgesetzt. Falls aber die Beklagte zur Zeit der mündlichen Bestellung auch zum formgerechten Vertragsabschluss entschlossen war, so wäre das Erwecken eines dahingehenden, der

II. Analyse der Rechtsprechung

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Wirklichkeit entsprechenden Eindrucks nicht pflichtwidrig und somit auch nicht verschuldet gewesen. Hiermit ist ein Problem angesprochen, das bei dieser Variante der Haftungsbegründung regelmäßig auftaucht: die schwierige Beweisbarkeit eines Auseinanderfallens von geäußerter und innerer Einstellung. So richtig die Überlegung ist, dass ein Verhandlungspartner der Gegenseite den Vertragsabschluss nicht zusichern darf, wenn er noch gar nicht fest entschlossen ist, so schwierig ist es festzustellen, ob wirklich eine Diskrepanz zwischen Gesagtem und Gedachtem vorlag.64 b) Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund Aus dieser misslichen Lage versuchte sich die Rechtsprechung in der Folge durch eine Akzentverschiebung zu befreien. So richtete sie den Blick nicht nur auf die Frage, ob eine Seite bei der Gegenseite unzutreffende Vorstellungen über die eigene Abschlussbereitschaft erweckt oder aufrechterhalten hat, sondern auch auf den weiteren Verhandlungsverlauf. So soll auch ein Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund eine Haftung begründen können. Die Formel, dass sich im vorvertraglichen Bereich die Verpflichtung ergeben kann, die Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen, findet sich seit den 1960er Jahren in Urteilen des BGH.65 Man kann allerdings nicht davon sprechen, dass sich die Formel vom Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund im Rahmen einer einheitlichen Entwicklung herausgebildet hätte. Vielmehr ist der Umgang der Rechtsprechung mit dem Kriterium des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund bis heute äußerst widersprüchlich. Darauf wird sogleich näher einzugehen sein. Die heute verwendete Standardformel lautet jedenfalls, dass eine Schadensersatzpflicht dann besteht, wenn ein Verhandlungspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, sodann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht.66

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Siehe zu dieser grundsätzlichen Schwierigkeit auch unten unter D.I.3.a). Vgl. BGH WM 1960, 1384, 1386; BGH WM 1965, 1115, 1116. Siehe auch die ausführliche, chronologische Darstellung bei Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 59 ff. Er will diese Akzentverschiebung zwar schon in früheren Urteilen, BGH WM 1956, 863 und BGH v. 23.6.1959 – VIII ZR 90/58 (unveröffentlicht), feststellen. Allerdings fehlt in diesen Entscheidungen jeweils eine klare Formulierung. 66 Siehe etwa BGH ZIP 1989, 514, 516; BGH NJW 1996, 1884, 1885; BGH NJWRR 2001, 381, 382. 65

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2. Widersprüchliche Verwendung des Kriteriums des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund Obwohl die Rechtsprechung die soeben zitierte Formel vom Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund häufig verwendet und als Haftungsgrundlage etabliert hat, ist der Umgang mit dem Kriterium des Abbruchs ohne triftigen Grund sehr widersprüchlich. Insbesondere ist unklar, worin die Rechtsprechung überhaupt das pflichtverletzende Verhalten erkennen will. So vermeidet sie es, den Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund an sich als pflichtwidrig zu bezeichnen. Vielmehr betont sie regelmäßig, dass auch in dem Fall, dass die Parteien sich schon in längeren und ernsthaft geführten Vertragsverhandlungen befinden, jede Seite vom Vertragsschluss Abstand nehmen kann, ohne sich allein deshalb bereits wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig zu machen.67 Allerdings kann nach der Konzeption des BGH der Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund der einzige Anknüpfungspunkt für eine Pflichtverletzung sein. Denn nach Ansicht des BGH ist beim vorherigen Erwecken eines berechtigten Vertrauens auf den sicheren Vertragsschluss die Frage nach einer Pflichtverletzung ja eigenständig zu stellen und zu beantworten. Falls eine Partei der Gegenseite gegenüber den Vertragsschluss als sicher hingestellt hat, ohne eine entsprechende innere Abschlussbereitschaft zu besitzen, oder die Gegenseite nicht über einen Rückgang der eigenen Abschlussbereitschaft aufgeklärt hat, nachdem sie den Vertragsschluss zuvor als sicher bezeichnet hatte, so stellt dies nach Ansicht des BGH bereits eine Aufklärungspflichtverletzung dar. Ob der spätere Abbruch der Verhandlungen dann ohne triftigen Grund erfolgt, kann keinen Unterschied machen und ist mithin irrelevant. Insofern sollte man es als Selbstverständlichkeit ansehen, wenn der VIII. Senat mehrfach und eindeutig feststellt, dass zur Bejahung eines Schadensersatzanspruches genügen soll, wenn die abbrechende Partei zuvor ihren festen Abschlusswillen deutlich erkennen hat lassen; auf ein Verschulden dabei komme es nicht an.68 Doch erstaunlicherweise ist der VIII. Senat vielmehr der einzige Senat, der sich in dieser Deutlichkeit äußert.69 67 St. Rspr., BGH WM 1962, 936, 937; BGH WM 1977, 618, 620; BGH ZIP 1989, 514, 516; BGH DStR 2001, 803. 68 So ausdrücklich der VIII. Senat, BGH v. 26.3./2.4.1974, WM 1974, 508, 509, und bestätigt in BGH v. 22.2.1989, ZIP 1989, 514, 516 sowie in BGH v. 10.1.1996, WM 1996, 738, 740. 69 Zwar trifft auch der III. Senat in BGH v. 8.6.1978, BGHZ 71, 386, 395 = NJW 1978, 1802, 1804 die Unterscheidung, dass das schließliche Scheitern eines Vertragsabschlusses im Hinblick auf den Vertrauensschutz in zweierlei Hinsicht zu einer Haftung wegen Verschuldens beim Vertragsschluss führen kann. Er führt weiter aus, dass zu der geforderten Rücksichtnahme auf die Belange der Gegenseite auch gehört, dass die Vertragsverhandlungen nicht grundlos (ohne triftigen Grund, aus sachfremden Erwägungen) abgebrochen werden, wenn zuvor das Vertrauen des anderen Teils, der Vertrag

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Einige Senate schließen eine Haftung beim Abbruch der Verhandlungen ohne vorheriges Verschulden sogar aus, sei es generell70 oder jedenfalls für formbedürftige Verträge.71 Damit ist der Widerspruch perfekt.72 Liegt bereits ein vorangegangenes Verschulden vor, so ist dieses nach der Konzeption des BGH auf eine Aufklärungspflichtverletzung bezogen. In solch einem Fall muss es dann aber unerheblich sein, ob die Verhandlungen später ohne triftigen Grund abgebrochen werden. a) Abbruch ohne triftigen Grund als Chiffre in der Auseinandersetzung um die Reichweite der Haftung Woraus erklärt sich dieser widersprüchliche und verwirrende Umgang mit dem Tatbestand des Abbruchs der Verhandlungen ohne triftigen Grund? Zum Verständnis dieses Phänomens hilft es, sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass die Ebene der Pflichtverletzung mit der Ebene des Verschuldens verbunden ist. Grundsätzlich ermöglicht es die Feststellung einer Pflichtverletzung, daran ein Verschulden zu knüpfen. Andersherum erfordert eine verschuldensabhängige Haftung das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Ein Erklärungsansatz für die widersprüchliche Verwendung des Kriteriums des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund könnte sein, dass die zunächst evolutionär fortschreitende Herausbildung eines Haftungstatbestands des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund ins Stocken geraten ist, und sich in zwei Richtungen aufgespalten hat. Dabei geht es indes nur vordergründig um den Haftungstatbestand des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund, die tiefer liegende und meist nicht offen angesprochene Dimension bildet die Diskussion um die Reichweite bzw. die Grenzen einer vorvertraglichen Haftung. In dieser Auseinandersetzung werde mit Sicherheit zustandekommen, erweckt worden ist. Ein schuldhafter Verstoß gegen diese Pflicht könne zu der Verpflichtung führen, dem Verhandlungspartner den dadurch verursachten Vertrauensschaden zu ersetzen. Das Verschuldenserfordernis, welches der Senat explizit aufrechterhält, bezieht er also wohl nur auf den Abbruch als solchen. Dies ist allerdings entgegen der Ansicht von Gunst, Anm. zu BGH v. 22.2.1989, JZ 1991, 202, 203, nicht eindeutig, zumal sich der Senat auf eine Entscheidung des V. Senats, BGH v. 14.7.67, NJW 1967, 2199 = WM 1967, 1010 bezieht, in welcher dieser einen Ersatzanspruch ausdrücklich nur für den Fall annimmt, dass der andere die Verhandlungen abbricht, obwohl er vorher schuldhaft das Vertrauen geweckt oder genährt hatte, der Vertrag werde mit Sicherheit zustandekommen. In einer späteren Entscheidung zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt wiederholt der III. Senat seine Formulierungen und stellt wohl erneut auf ein Verschulden beim Abbruch der Verhandlungen selbst ab, BGH v. 7.2.1980, BGHZ 76, 343, 349. 70 So etwa der V. Senat: BGH NJW 1967, 2199 = WM 1967, 1010. So auch der VII. Senat: BGH WM 1962, 936. 71 Wiederum der V. Senat: NJW 1975, 43, 44; WM 1982, 1436. Diesem folgend der I. Senat: NJW 1979, 915 = WM 1979, 458, 462. 72 Diesen Widerspruch sieht auch Lüsing, Pflichten, S. 246, der daraus den Schluss zieht, dass zwei verschiedene, jeweils verschuldensabhängige Haftungstatbestände vorliegen müssen.

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stehen sich nicht etwa zwei Lager mit jeweils dogmatisch klar begründeten Positionen gegenüber. Vielmehr lassen sich nur zwei gegensätzliche Tendenzen feststellen: eine Tendenz zur Haftungsausweitung und eine Tendenz zur Haftungsbegrenzung. Der Tatbestand des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund wird in dieser Auseinandersetzung von Anhängern beider Tendenzen als Chiffre verwendet und für ihre jeweiligen Zwecke ge- bzw. missbraucht. Von Gegnern einer Haftungsausweitung wird der Tatbestand des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund als Einfallstor oder gar Synonym für eine verschuldensunabhängige Haftung (miss)verstanden. Von Befürwortern einer Haftungsausweitung hingegen wird der Abbruch von Verhandlungen ohne triftigen Grund als zusätzliches Argument für die Begründung einer Haftung benutzt, wobei aber meist unklar bleibt, ob dies im Rahmen einer verschuldensabhängigen oder verschuldensunabhängigen Haftung geschieht. Beide Vorgehensweisen sind dogmatisch unsauber. Als Protagonisten in der Rechtsprechung haben sich der V. Senat für eine Haftungsbegrenzung und der VIII. Senat für eine Haftungsausweitung hervorgetan. Die übrigen Senate, so sie sich überhaupt mit dem Problem auseinandersetzen müssen,73 bleiben meist in der Beobachterrolle und vermeiden Festlegungen. aa) Anfängliche Phase der Herausbildung eines eigenen Haftungstatbestands Diese These muss näher begründet werden. Betrachten wir zunächst die Phase des vorsichtigen Suchens nach den Voraussetzungen eines Haftungstatbestands des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund. In diesen Entscheidungen werden meist allgemeine Überlegungen zu einer Pflicht, Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen, angestellt. Unisono sind der V. und VIII. Senat der Ansicht, dass Parteien die Verpflichtung hätten, ihr Verhalten so einzurichten, dass die Gegenseite nicht unbillig geschädigt werde, und deshalb Verhandlungen nicht ohne Grund abzubrechen.74 So gewährte der Senat dem Kläger in einem Fall Ersatz für seine nutzlosen Aufwendungen, die dieser in Erwartung eines Vertragsschlusses getätigt hatte.75 Die Beklagte war eine Brauerei, die den Kläger als neuen Pächter für eine Gaststätte ausgewählt hatte. Ein Gesellschafter der Beklagten hatte dem Kläger einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt und erklärt, er könne seine Anschaffungen für die bevorstehende Wiedereröffnung 73 Einige Senate müssen sich aufgrund ihrer Zuständigkeit in der Regel nicht mit der Haftung beim Abbruch von Verhandlungen auseinandersetzen. Dies trifft etwa für den IV. Senat (Erbrecht), den VI. Senat (Deliktsrecht), den IX. Senat (Insolvenzrecht), den X. Senat (Patentrecht), den XI. Senat (Bankrecht) und den XII. Senat (früher IV. b Senat; Familienrecht) zu. Nur vom X. Senat liegt eine in diesem Zusammenhang relevante Entscheidung vor, BGH NJW 1975, 1774 = GRUR 1975, 616. 74 BGH WM 1960, 1384, 1386; WM 1965, 1115, 1116; WM 1967, 798. 75 BGH WM 1967, 798.

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der Gaststätte tätigen und dem bisherigen Pächter dessen Inventar abkaufen. Kurz vor der Wiedereröffnung überlegte es sich die Beklagte jedoch anders und führte als Begründung an, dass sie habe feststellen müssen, dass der Kläger die Gaststätte nicht im traditionellen Stil fortführen wolle. Der BGH sah indes keinen ausreichenden Grund für einen Abbruch der Verhandlungen. Man habe von der Beklagten verlangen können, erst noch einmal den Versuch zu machen, den Kläger von seinen Vorhaben abzubringen. Erst wenn diese Aussprache misslungen oder dabei das Vertrauen der Beklagten in etwaige Zusagen des Klägers ernsthaft erschüttert worden wäre, hätte sie sich, ohne ersatzpflichtig zu werden, von ihren vorangegangenen Erklärungen lösen können. Insgesamt ist den Entscheidungen in dieser Phase gemein, dass die Pflicht, die Verhandlungen nicht grundlos abzubrechen, en passant erwähnt und nicht als eigenständiger Haftungstatbestand angesehen wird. Vielmehr wird die Pflicht regelmäßig im Rahmen vorvertraglicher Aufklärungspflichten erörtert und mit diesen vermengt.76 Als Haftungsgrund wird dabei mit Selbstverständlichkeit die culpa in contrahendo vorausgesetzt, Überlegungen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung finden sich nicht. Durch die Ausprägung einer zusätzlichen Pflichtenfacette wird das Potential, eine Haftung zu statuieren, vergrößert; die Tendenz zur Haftungserweiterung ist in dieser Phase unverkennbar. bb) Anlehnung an verschuldensunabhängige Haftung aus § 122 BGB Zu einem Wendepunkt kommt es durch eine Entscheidung im Jahre 1969.77 In dieser Entscheidung ist auch der Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage, wie die Formel vom Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund als Synonym für eine verschuldensunabhängige Haftung (miss)verstanden werden kann, zu sehen. Der II. Senat bringt in der Entscheidung nämlich eine Parallele zur Irrtumsanfechtung für den Fall des grundlosen Abbruchs von Verhandlungen ins Spiel. In der Entscheidung ging es um eine geplante Gesellschaftsbeteiligung, deren Details nach jahrelangen Verhandlungen zwischen den Parteien bereits ausgehandelt waren, die aber schließlich doch nicht zustande kam. Die Aufnahme der Klägerin als Kommanditistin hatte sich verzögert, da ein Alt-Gesellschafter der Umwandlung von einer oHG in eine KG nicht zustimmen wollte. Nachdem dieser Gesellschafter schließlich aus der Gesellschaft ausschied, verlangten die beklagten Gesellschafter eine Änderung der in den Verhandlungen zugesagten Beteiligungsverhältnisse. In der Folge scheiterten die Verhandlungen und die Klägerin

76 Vgl. auch Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn 131 (Entscheidungen „in der dogmatischen Begründung unsicher“). 77 BGH WM 1969, 595 = BGH LM § 276 (Fa) BGB Nr. 28.

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verlangte Ersatz der Verluste, die ihr durch die Ablehnung der Aufnahme in die Gesellschaft entstanden sind. Der II. Senat stimmte den Vorinstanzen, die die Klage abgewiesen hatten, dahingehend zu, dass eine vertragliche Bindung weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch einen Vorvertrag entstanden sei. Allerdings hält er einen Schadensersatzanspruch „aus anderem Grunde“ für möglich. Zwar ließe sich mit dem Verhandlungsabbruch als solchem in diesem Fall ein zum Schadensersatz verpflichtender schuldhafter Verstoß gegen „Sorgfaltspflichten“ nicht begründen. Da die Beklagten sich nicht gebunden hatten, wären sie nicht verpflichtet, weiter zu verhandeln und den Vertrag zu schließen. Dann postuliert der II. Senat aber folgendes: Ein Verhandlungspartner könne sich, wenn er sich mit der Gegenseite über das abzuschließende Vertragswerk ganz oder im wesentlichen einig geworden ist, auch dann schadensersatzpflichtig machen, wenn er sich hierbei rechtlich nicht gebunden, bei den Verhandlungen aber so verhalten hat, dass der andere Teil berechtigterweise auf das Zustandekommen des Vertrages mit dem ausgehandelten Inhalt vertrauen durfte und vertraut hat. Lehne er den Vertragsschluss am Ende dennoch ohne triftigen Grund ab und enttäusche damit das erweckte Vertrauen des anderen, so sei die Sach- und Rechtslage dem Falle ähnlich, in dem ein Vertrag zwar wirksam zustande gekommen ist, der eine Teil aber nachträglich seine Erklärungen wegen Irrtums anficht. Deshalb sei es in beiden Konstellationen sachgerecht, dass der in seinem Vertrauen auf die (entstandene oder erwartete) vertragliche Bindung enttäuschte Teil von dem anderen die wirtschaftlichen Nachteile ersetzt verlangen kann, die er infolge dieses Vertrauens auf sich genommen hat.78 Diese vom II. Senat ins Spiel gebrachte Parallele zur Irrtumsanfechtung und mögliche Analogie zu § 122 BGB ist sowohl von anderen Senaten des BGH79 als auch in der Literatur80 als Begründung einer verschuldensunabhängigen, reinen Vertrauenshaftung verstanden worden. Dabei ist unklar, ob der II. Senat überhaupt eine verschuldensunabhängige Haftung im Sinn hatte.81 Der II. Senat erscheint in seinen Formulierungen vorsichtig tastend. Zunächst leitet er seine Überlegungen damit ein, dass „sich nach dem gegenwärtigen Stand des Rechts-

78

BGH WM 1969, 595, 596. Siehe etwa die Entscheidung des 5. Senats (V ZR 17/73) BGH NJW 1975, 43 = WM 1974, 1223. Ausführlich hierzu sogleich unter B.II.2.a)cc)(1). Auch Nirk, FS Möhring II (1975), 71, 82 f. nimmt an, dass der V. Senat in seiner Entscheidung davon ausging, der II. Senat habe eine verschuldensunabhängige Haftung im Sinn gehabt. Ebenso Medicus, Gutachten, S. 479, 496. 80 So etwa Grunewald, JZ 1984, 708, 710; ebenso Gunst, JZ 1991, 202, 204; Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn 131; Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1526. Siehe auch Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 185 f. 81 Dies bezweifelnd der als Revisionsführer an dem Verfahren beteiligte Nirk, FS Möhring II (1975), 71, 82. Ebenso Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 185 f. 79

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streits nicht abschließend beurteilen [lässt], ob die Klägerin aus anderem Grunde Schadensersatz verlangen kann.“ 82 Hier vermeidet er bereits eine Festlegung auf den Haftungsgrund. Auch in seinen weiteren Ausführungen lässt er sich eine Hintertür offen, wenn er sagt, dass sich ein Verhandlungspartner „unter Umständen“ schadensersatzpflichtig machen könne, wenn er sich bei den Verhandlungen tatsächlich so verhalten hat, dass der andere Teil berechtigterweise auf das Zustandekommen des Vertrages vertrauen durfte. Die Reaktionen auf die Entscheidung waren überwiegend ablehnend.83 Auch der II. Senat selbst hat die Parallele zur Irrtumsanfechtung in der Folge nicht mehr gezogen.84 Die Revolution, so sie denn überhaupt als solche intendiert war, hatte keinen Erfolg. cc) Haftungsbegrenzende Tendenz Obwohl die in der Entscheidung in Betracht gezogene Analogie zu § 122 BGB keine Unterstützung und Nachahmung fand, grenzten sich nachfolgende Entscheidungen immer wieder von ihr ab. Die Kritik stammt insbesondere aus dem V. Senat, und fand Unterstützung im I. Senat. (1) Ablehnende Haltung gegenüber verschuldensunabhängiger Haftung – jedenfalls für formbedürftige Verträge Die erste Gelegenheit zur Stellungnahme erhält der V. Senat in der Entscheidung vom 18.10.1974.85 Es ging dort – wie praktisch immer bei Entscheidungen des V. Senats in diesem Zusammenhang – um einen (gescheiterten) Grundstückskaufvertrag. Zwar geht der V. Senat in seiner – einen Schadensersatzanspruch verneinenden – Entscheidung nicht so weit, den Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund generell abzulehnen; er will die Frage im allgemeinen offen lassen. Eine solche Haftung ohne vorangegangenes Verschulden ausschließlich wegen der Weigerung, einen Vertrag zu schließen, solle aber jedenfalls dann nicht in Betracht kommen, wenn das Gesetz für die vertragliche Einigung eine Form vorschreibt, wie bei der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags gem. § 311b BGB (§ 313 BGB a. F.), und diese Form nicht eingehalten ist.86 Für diesen Fall passe die Parallele zur Irrtumsanfechtung

82

BGH WM 1969, 595, 596. Siehe etwa Flume, AT, 2. Band, § 33 8, S. 617; Gunst, JZ 1991, 202, 204. 84 So geht der II. Senat etwa in seiner Entscheidung vom 13.4.1972, BGH WM 1972, 772, davon aus, dass es für einen Schadensersatzanspruch darauf ankäme, dass das Vertrauen des anderen Teils, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, schuldhaft geweckt werden müsse. 85 BGH NJW 1975, 43 = WM 1974, 1223. 86 BGH NJW 1975, 43 = WM 1974, 1223; ebenso BGH WM 1982, 1436; siehe auch Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 71 mwN. 83

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nicht. Denn der Schutzzweck der Formvorschrift sei darauf gerichtet, eine Bindung der Verhandlungspartner ohne Einhaltung der Form zu verhindern; im Irrtumsfall dagegen werde vom Gesetz dem Urheber einer an sich rechtswirksamen Willenserklärung aus Gründen, die einseitig in seiner Person liegen, die Loslösung um den Preis jener Haftung ermöglicht. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen sei aber grundsätzlich auch bei formbedürftigen Verträgen möglich. Der I. Senat hat sich dieser Aussage explizit angeschlossen,87 wobei er seine Ablehnung des Haftungstatbestands des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund wie der V. Senat auf Verhandlungen beschränkt, die auf Abschluss eines formbedürftigen Vertrags gerichtet sind. Dabei drängt sich in der Argumentation beider Senate der Eindruck auf, dass eine Haftung wegen Abbruchs der Verhandlungen ohne triftigen Grund nach Auffassung der Senate verschuldensunabhängig sei. Zwar werden diesbezügliche Aussagen unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo erörtert. Aber zum einen erfolgt jeweils der Hinweis auf die vom II. Senat ins Spiel gebrachte Anlehnung an den Fall der Irrtumsanfechtung mit der verschuldensunabhängigen Haftung aus § 122 BGB. Zum anderen wäre der Hinweis, dass eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen aber grundsätzlich auch bei formbedürftigen Verträgen möglich sei, anderenfalls nicht verständlich. In einer weiteren Entscheidung vom 8.10.198288 präzisiert der V. Senat seine Kritik am Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund etwas. Wiederum ging es um einen Grundstücksveräußerungsvertrag, der entgegen der Erwartung der Klägerin nicht zustande kam. Der Senat lehnt einen Ersatzanspruch aus c.i.c. ab. Jedenfalls in Bezug auf Verträge, die der Formvorschrift des § 311b I BGB unterfallen, sei eine Haftung allein wegen der endlichen Verweigerung des Vertragsschlusses ohne vorangegangenes Verschulden abzulehnen. Denn Ziel der Formvorschrift des § 311b I BGB sei es, wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstands jede Bindung des Verhandlungspartners ohne Einhaltung der Form zu verhindern. Eine Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens könne aber einen indirekten Zwang zur Erfüllung des Grundstücksgeschäfts ausüben. Dies würde dem Zweck des § 311b I BGB zuwiderlaufen und wäre jedenfalls für den Fall nicht gerechtfertigt, dass nicht schon das Vertrauen der Gegenseite in das Zustandekommen des Vertrages in schuldhafter Weise herbeigeführt oder unterhalten worden ist. Auf den Fall bezogen stellt der Senat dann fest, dass ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten in Bezug auf die Vertrauenserweckung nicht festzustellen sei.

87 88

BGH NJW 1979, 915 = WM 1979, 458, 462. BGH WM 1982, 1436, siehe hierzu auch unten unter D.II.8.b)bb)(1).

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(2) „Druckerei“-Entscheidung In einer Entscheidung vom 29.03.199689 bestätigt der V. Senat einerseits seine Ablehnung des Haftungstatbestands des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund bei Verhandlungen im Vorfeld formbedürftiger Verträge, bemüht sich aber andererseits darum, den Eindruck zu erwecken, es bestehe kein grundsätzlicher Konflikt mit der Rechtsprechung anderer Senate. Da der Sachverhalt, welcher der Entscheidung zugrunde liegt, stärker als in anderen Fällen eine Haftung nahelegt, versucht der Senat, zumindest einen teilweisen Ersatz des Vertrauenschadens mittels der Verletzung einer Aufklärungspflicht über den Wegfall der Abschlussbereitschaft zu begründen. Zum Fall: Der Kläger hatte im Erdgeschoss und Keller eines Hauses, dessen Eigentümer der Beklagte war, Räume zum Betrieb einer Druckerei gemietet. Als der Beklagte plante, das Gebäude umzubauen und in Teileigentum aufzuteilen, kam es im Frühjahr 1991 zwischen den Parteien zu Verhandlungen über den Verkauf der vom Kläger genutzten sowie weiterer Räume. Das Berufungsgericht sah es als erwiesen an, dass der Beklagte dabei den Abschluss eines Kaufvertrags zum Preis von 750.000 DM als sicher hingestellt hat. Dies gab dem Kläger Anlass, in besagten Räumen von Ende April 1991 bis Februar 1992 umfangreiche und kostenintensive Umbaumaßnahmen auszuführen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte mit diesen Baumaßnahmen des Klägers einverstanden gewesen und hatte ihm die über die bereits gemieteten Räume hinaus nach dem geplanten Verkauf geschuldeten Räume zum Ausbau überlassen. Im Oktober und Dezember 1991 kam es zu weiteren Gesprächen der Parteien wegen eines Termins zu Beurkundung des Verkaufs. Der Verkauf scheiterte jedoch schließlich daran, dass der Beklagte hierzu nur noch zu einem Preis von 1.000.000 DM bereit war. Nach Kündigung des Mietverhältnisses durch den Beklagten räumte der Kläger im Sommer 1992 das Anwesen. Der Kläger forderte daraufhin vom Beklagten Erstattung der Kosten seiner Baumaßnahmen. Der V. Senat stellt zunächst fest, dass im Rahmen der Vertragsfreiheit jeder Vertragspartner (der BGH meint wohl: Verhandlungspartner) bis zum Vertragsabschluss das Recht habe, von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluss Abstand zu nehmen. Aufwand, der in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht wird, erfolge daher grundsätzlich auf eigene Gefahr. Dann jedoch verwendet der Senat die Formel vom haftungsbegründenden Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund, und zwar so, als ob er diese im Grundsatz nicht für kritikwürdig erachtete. Entgegen seiner bisherigen Übung, verzichtet der Senat auf einen Hinweis, dass die Auffassung, ein grundloser Verhandlungsabbruch könne einen Schadensersatzanspruch begründen, von anderen Senaten vertreten werde, und unterlässt seine vielsagende, sonst verwendete Formulierung, dass es offen blei89

Vgl. BGH NJW 1996, 1884.

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ben könne, ob dieser Rechtsprechung im Allgemeinen zu folgen sei. Vielmehr formuliert er – als sei dies allgemein unumstritten –, dass wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, diese Aufwendungen vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu erstatten sein könnten, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt. Erst jetzt kommt der Senat zur Erklärung seiner Ablehnung einer derartigen Haftung im Rahmen gem. § 311b I BGB (§ 313 a. F. BGB) formbedürftiger Verträge. Denn eine so begründete Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens bedeute einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluss. Dieser Zwang laufe jedoch dem Zweck der Formvorschrift von § 311b I BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstands eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll. Daher löse im Bereich nach § 311b I BGB zu beurkundender Rechtsgeschäfte der Abbruch von Vertragsverhandlungen, deren Erfolg als sicher anzunehmen war, auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt. Daraufhin vollzieht der V. Senat eine überraschende und wenig einleuchtende Volte. Er begnügt sich nicht wie bisher mit der Feststellung, dass ein zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtendes Verschulden bei Vertragsverhandlungen auch dann in Betracht kommen kann, wenn es sich um Verhandlungen handelt, die der Formvorschrift des § 311b I BGB unterliegen – nämlich dann, wenn eine Seite bei der Gegenseite schuldhaft das Vertrauen auf ein sicheres Zustandekommen des Vertrags erweckt hat.90 Vielmehr solle nach Ansicht des Senats eine Verantwortlichkeit des Verhandlungspartners nur dann keinen Einschränkungen im Hinblick auf die Formbedürftigkeit des abzuschließenden Vertrags unterliegen, sofern auch eine Berufung auf den Formmangel nach Treu und Glauben zurückzuweisen wäre. Eine solche Berufung auf den Formmangel sei dann ausgeschlossen, wenn die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen die Formvorschrift von § 311b I BGB nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, etwa weil sie die Existenz des anderen Vertragsteils gefährdet oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung bedeutet. Diese Grundsätze seien auch auf die Frage zu übertragen, ob ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. im Vorfeld formbedürftiger Verträge in Betracht komme. Demnach könne ein Schadensersatzanspruch dann bestehen, wenn sich das Verhalten des in Anspruch Genommenen als besonders schwerwiegender Treueverstoß darstellt. Dies sei – in der Regel – nur dann der Fall, wenn eine vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt, wie sie im Vor90 So etwa die Senatsurteile in BGH WM 1974, 687, 688; BGH NJW 1975, 43 f.; BGH WM 1982, 1436.

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spiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft liege. Dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Bereitschaft, einen Vertrag zu bestimmten Bedingungen abzuschließen, sei nach Treu und Glauben der Fall gleichzustellen, dass ein Verhandlungspartner zwar zunächst eine solche, von ihm geäußerte Bereitschaft tatsächlich gehabt hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich der potentielle Verkäufer bereits mit Aus- und Umbaumaßnahmen des Kaufinteressenten einverstanden erklärt hatte. In solchen Fällen werde dem Verhandlungspartner der Eindruck einer besonderen Verhandlungslage vermittelt, der ihn der erhöhten Gefahr nachteiliger Vermögensdispositionen aussetzt. Diese besondere Gefährdungslage begründe eine gesteigerte Vertrauensbeziehung, die den Verhandelnden zu erhöhter Rücksichtnahme auf die Interessen seines Partners verpflichte. Aus ihr folge gleichermaßen die Verpflichtung, den Partner vor einem Irrtum über den (Fort-)Bestand einer geäußerten, tatsächlich aber nicht (mehr) vorhandenen endgültigen Abschlussbereitschaft zu bestimmten Bedingungen zu bewahren. Auf den Fall bezogen stellt der V. Senat dann fest, dass der Beklagte gegen eine derartige Aufklärungspflicht verstoßen haben könnte, als er im Spätjahr 1991 – wie er selbst in anderem Zusammenhang geltend gemacht hatte – merkte, dass er seine anfängliche Kalkulation zur Höhe der Umbaukosten nicht einhalten könne und somit seine Bereitschaft, den Vertrag zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen abzuschließen, entfallen war, ohne dass er den Kläger unverzüglich von der Änderung seiner Preisvorstellung unterrichtete. Da es insoweit aber an Vortrag bzw. festgestellten Einzelheiten fehlte, verwies der Senat zurück. (3) Kritik Die Angleichung der Voraussetzungen für die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. im Vorfeld formbedürftiger Verträge an die Grundsätze, nach denen es die Rechtsprechung einer Partei nach Treu und Glauben versagt, sich auf die Nichteinhaltung der Form zu berufen, kann nicht überzeugen. Zum einen werden damit die Leitlinien zur Beantwortung der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch gegeben sein kann, nicht klarer, sondern im Gegenteil komplizierter. Denn die Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit der Formnichtigkeit ist ihrerseits unübersichtlich und noch stärker an der Einzelfallgerechtigkeit orientiert.91 Zum anderen ist es nicht einleuchtend, dieselben Wertungen auf zwei grundverschiedene Situationen anzuwenden. Im Fall einer dem Anspruchsgegner versagten Berufung auf die Formnichtigkeit wird dem Anspruchssteller ausnahmsweise ermöglicht, die Erfüllung eines an sich unwirksamen Vertrags zu verlangen; er wird in seinem Vertrauen auf einen bereits geschlossenen Vertrag geschützt. Im 91 Hierauf weisen auch Kaiser, JZ 1997, 448, 451 und Ochsenfeld, ZIP 1996, 1176, 1177 hin.

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Fall der Bejahung eines Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. wird dem Anspruchssteller nur Ersatz seines negativen Interesses in Geld gewährt; er wird in seinem Vertrauen auf die redliche Verhandlungsführung des Verhandlungspartners geschützt.92 Wenn man der Parallele des V. Senats aber einmal folgt, so ist weiterhin die zusätzliche Beschränkung der c.i.c.-Haftung auf vorsätzliches Handeln zu kritisieren. Eine solche Beschränkung ergibt sich weder aus der Parallele zur unzulässigen Berufung auf die Formnichtigkeit93 noch ist sie sinnvoll. Eine solche Abstufung nach der Verschuldensintensität lässt sich im Rahmen des Instituts der c.i.c.-Haftung gesetzlich nicht verankern. Zudem stieße man gerade im Bereich der Aufklärungspflichten auf meist unüberwindbare Beweisbarkeitsprobleme. Um einem Verhandlungspartner die vorsätzliche Verletzung einer Aufklärungspflicht vorwerfen zu können, müsste diesem die Pflichtwidrigkeit seines Handelns bewußt gewesen sein; hielt er sich irrtümlich für nicht zur Aufklärung verpflichtet, handelte er nur fahrlässig.94 Der Senat scheint sich in seiner Argumentation selbst unsicher zu sein und darum bemüht zu sein, sich eine Hintertür offenzuhalten, da er davon spricht, dass als besonders schwerwiegender Treueverstoß „in der Regel“ nur eine vorsätzliche Treuepflichtverletzung in Betracht komme. (4) Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund als Chiffre für verschuldensunabhängige Haftung Die Argumentation des V. Senats – und des ihm folgenden I. Senats – zur Ablehnung einer c.i.c.-Haftung wegen des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund im Vorfeld gem. § 311b I BGB formbedürftiger Verträge ergibt nur dann Sinn, wenn man unterstellt, dass eine Haftung wegen des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund notwendigerweise verschuldensunabhängig ist.95 92 Nach Ansicht des BGH ist es dem Anspruchsgegner ja gerade nicht verwehrt, seine Abschlussbereitschaft (grundlos) zu ändern bzw. ganz aufzugeben; er muss die Gegenseite nur unverzüglich hierüber in Kenntnis setzen. Ähnlich auch Kaiser, JZ 1997, 448, 450, die meint, der getäuschte Verhandlungspartner werde nur mittelbar in seinem Vertrauen auf den Vertragsschluss geschützt. Eigentlicher Haftungsgrund sei sein Vertrauen auf die Redlichkeit des Verhandlungspartners. 93 So auch Kaiser, JZ 1997, 448, 451 mwN, die zu Recht auf Fälle verweist, in denen der BGH auch die fahrlässige Nichtaufklärung über das Formerfordernis hat genügen lassen, sofern der fahrlässige Täuschende dem anderen aufgrund eines besonderen Betreuungsverhältnisses zu gesteigerter Sorgfalt verpflichtet war. Ebenso Singer, FS Canaris I, S. 135, 149. 94 Vgl. auch zu weiteren Konstellationen Kaiser, JZ 1997, 448, 452. 95 So im Ergebnis auch Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 271. Er kritisiert die „schwankende Position der Rechtsprechung, die das beim grundlosen Abbruch normalerweise bejahte Verschulden bei formbedürftigen Rechtsgeschäften nicht gelten lässt, obwohl sich doch allein durch die Formbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts an der Pflichtwidrigkeit des Abbruchs nichts ändern kann (. . .)“.

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Denn es ist ja keineswegs so, dass der Senat eine Schadensersatzhaftung aus c.i.c. im Vorfeld formbedürftiger Verträge generell ablehnt. Vielmehr unterscheidet er zwischen dem Haftungstatbestand des Erweckens bzw. Aufrechterhaltens einer falschen Vorstellung über die eigene Abschlussbereitschaft, welchen er grundsätzlich auch bei formbedürftigen Verträgen zulassen möchte, und dem Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund, den er in diesem Zusammenhang für ausgeschlossen hält.96 Eine stichhaltige Begründung für diese Unterscheidung bleibt der Senat indes schuldig. Denn die indirekte Zwangswirkung zum Vertragsabschluss, auf die der Senat ausschließlich in Verbindung mit dem Haftungstatbestand des grundlosen Verhandlungsabbruchs hinweist, ergibt sich ja ebenso bei einem Schadensersatzanspruch aufgrund der Erweckung falscher Vorstellungen über die eigene Abschlussbereitschaft. Hieraus bzw. aus der Unvereinbarkeit der indirekten Zwangswirkung mit dem Schutzzweck der Formvorschrift des § 311b I BGB kann also kein brauchbares Argument für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Haftungstatbestände gewonnen werden. Es würde überdies zu einer nicht zu rechtfertigenden Überstrapazierung des Schutzzwecks des Formerfordernisses führen, wenn man argumentieren wollte, dass dieser Schutzzweck generell Schadensersatzansprüchen aus c.i.c. entgegenstehe. Die Formbedürftigkeit des Vertragsschlusses kann kein Freibrief für pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten sein. Die Anforderungen an eine korrekte und pflichtgemäße Verhandlungsführung sind unabhängig von Wirksamkeitserfordernissen an einen Vertragsschluss und können nicht variieren je nachdem, ob ein formbedürftiger Vertrag geschlossen werden soll oder nicht. Vielleicht hat diese nicht überzeugende Ungleichbehandlung der beiden Haftungstatbestände den V. Senat bewogen, hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. im Vorfeld formbedürftiger Verträge die soeben erwähnte Parallele zu den Grundsätzen, nach denen die Berufung auf den Formmangel ausgeschlossen sein soll, zu ziehen.97 Selbst wenn man aber dieser ihrerseits wenig einleuchtenden Argumentation folgen sollte, so könnte auch sie keinen validen Grund für die Ungleichbehandlung der Haftungstatbestände liefern. Denn eine vom V. Senat geforderte schwerwiegende Treuepflichtverletzung könnte man theoretisch auch im grundlosen Verhandlungsabbruch sehen. Daran ändert auch die – ebenfalls zu kritisierende98 – zusätzliche Hürde des Senats, dass ein schwerwiegender Treueverstoß „in der Regel“ nur in einer vorsätzlichen Treuepflichtverletzung liegen könne, nichts. Auch ein Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund kann vorsätzlich erfolgen.

96 Diesen Widerspruch monieren etwa auch Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 322 f. mwN und Ochsenfeld, ZIP 1996, 1176, 1177. 97 In diese Richtung auch Ochsenfeld, ZIP 1996, 1176, 1177 f. 98 Siehe oben unter B.II.2.a)cc)(3).

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Es bestätigt sich mithin der Eindruck, dass der V. Senat – sowie der ihm folgende I. Senat – implizit davon ausgehen, dass der Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund notwendigerweise verschuldensunabhängig ist. Dann wäre die Ablehnung einer solchen Haftung im Vorfeld formbedürftiger Verträge eher verständlich. Denn wenn den Parteien, die über den Abschluss eines formbedürftigen Vertrags verhandeln, beim Abbruch der Verhandlungen eine Haftung droht, ohne dass ihnen der Abbruch als pflichtverletzendes Verhalten vorgeworfen werden könnte, so müsste eine Erklärung gefunden werden, wie eine solche Haftung mit dem Schutzzweck des Formerfordernisses, nämlich die Parteien vor Übereilung zu schützen, zu vereinbaren ist.99 Damit ist der eine Teil der These, dass der Abbruch von Verhandlungen ohne triftigen Grund als Chiffre in der Auseinandersetzung um die Grenzen einer vorvertraglichen Haftung verwendet wird, näher beleuchtet: Gegner einer Haftungsausweitung setzen implizit den Tatbestand des Abbruchs der Verhandlungen ohne triftigen Grund mit einer verschuldensunabhängigen Haftung gleich. Grundlage für diese (Fehl-)Einschätzung ist die vom II. Senat gezogene Parallele zur verschuldensunabhängigen Vertrauenshaftung im Falle einer Irrtumsanfechtung. Diese Gleichsetzung ist indes weder logisch zwingend noch dogmatisch überzeugend. Denn es ist zumindest theoretisch vorstellbar, im grundlosen Abbruch von Verhandlungen nach vorheriger sicherer Inaussichtstellung eines Vertragsschlusses eine Pflichtverletzung zu sehen, welche Grundlage einer verschuldensabhängigen Haftung sein könnte.100 Dass dies nicht sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt und wird noch zu zeigen sein.101 dd) (Potentiell) Haftungsausweitende Tendenz Wenden wir uns nun dem anderen Teil der These zu, wonach das Kriterium des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund in der Diskussion über die Reichweite einer vorvertraglichen Haftung von Vertretern beider Richtungen jeweils für ihre eigenen Zwecke ge- bzw. missbraucht wird. Die Befürworter einer Haftungsausweitung benutzen den Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund als zusätzliche Möglichkeit, eine Haftung zu rechtfertigen. Sie bleiben allerdings meist im Vagen, was die Pflichtverletzung und damit den Anknüpfungspunkt für

99 Siehe zu den Begründungsansätzen für eine verschuldensunabhängige Haftung siehe unten unter D.II.5. Der Konflikt mit der durch das Formerfordernis besonders betonten negativen Abschlussfreiheit wird indes von keinem Ansatz zufriedenstellend gelöst. Nach dem hier vorgeschlagenen Haftungskonzept tritt der Konflikt hingegen nicht auf, und formbedürftige Verträge verdienen demnach keine gesonderte Behandlung; dazu siehe unten unter III.6.c)bb). 100 So auch die These von Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 202 ff. 101 Siehe unten unter C.II.

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einen Verschuldensvorwurf angeht.102 So ist meist letztlich gar nicht klar, ob überhaupt eine verschuldensbasierte Haftung statuiert werden soll. Der VIII. Senat hat sich als Protagonist einer Haftungsausweitung hervorgetan. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1974103 stellt er zunächst fest, dass zwar in der Rechtsprechung für die Annahme eines Verschuldens bei Vertragsschluss teilweise verlangt werde, dass bereits das Erwecken des Vertrauens, der beabsichtigte Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, schuldhaft sein müsse. Dann aber postuliert der Senat zum ersten Mal, dass ein Verstoß gegen vorvertragliche Pflichten auch dann gegeben sein kann, wenn derjenige, der den anderen ohne Verschulden zu der Auffassung bringt, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, grundlos oder jedenfalls ohne triftigen Grund zuletzt den Vertragsabschluss vereitelt und dadurch dem anderen Teil Schaden zufügt.104 Insgesamt schwebt dem Senat wohl schon die Statuierung einer verschuldensabhängigen Haftung vor, präzise Aussagen zur Pflichtverletzung und Verschuldensvorwurf sucht man indes vergebens. In späteren Entscheidungen bestätigt der VIII. Senat die (zumindest potentiell) haftungsausweitende Tendenz seiner Rechtsprechung.105 Er wiederholt, dass eine Schadensersatzpflicht dann bestehen kann, wenn die eine Seite bei der Gegenseite das Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, sodann aber die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Hat der Verhandlungspartner den Vertragsschluss als sicher hingestellt, komme es auf ein Verschulden dabei nicht an. Weitergehende Präzisierungen zum Haftungstatbestand nimmt der Senat jedoch nur spärlich vor. Zudem wird eher unklarer als deutlicher, ob er wirklich von einer verschuldensabhängigen Haftung ausgeht und, falls ja, worin die Pflichtverletzung zu sehen sein soll. In einer Entscheidung vom 22.2.1989106, bei der es um die gescheiterte Übernahme an den Rechten zweier Zeitschriften ging, betont der Senat, dass ein Schadensersatz nur in Betracht komme, wenn ein Verhandlungspartner den Vertragsschluss zunächst als sicher hingestellt hat, bevor er die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Dazu genüge es nicht, dass die andere Partei schlicht den Eindruck haben konnte, der Vertrag werde endgültig geschlossen werden. Allerdings sei auch keine dahingehende ausdrückliche Erklärung erforderlich, aber 102 Dies stellt auch Kaiser, JZ 1997, 448 fest, die jedoch die Rechtsprechung des BGH als homogen ansieht und nicht zwischen den abweichenden Argumentationssträngen der einzelnen Senate unterscheidet. 103 BGH WM 1974, 508. 104 Zwar zitiert der Senat an dieser Stelle drei Urteile. In den zitierten Urteilen ist die Aussage, dass vorangegangenes Verschulden nicht erforderlich ist, jedoch nicht enthalten; in einem war sogar explizit ein vorangegangenes Verschulden verlangt worden. 105 Vgl. BGH ZIP 1989, 514 = NJW-RR 1989, 627; BGH WM 1996, 738. 106 BGH ZIP 1989, 514 = NJW-RR 1989, 627.

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zumindest müsse der feste Abschlusswillen deutlich erkennbar geworden sein. Das könnte beispielsweise angenommen werden, wenn die zusichernde Partei die Gegenseite zu Maßnahmen ermuntert hätte, die nur bei einem zustande gekommenen Vertrag sinnvoll wären. Habe eine Partei den Vertragsabschluss als sicher hingestellt, so komme es auf ein Verschulden dabei nicht an. Dieser Auffassung stehe die Rechtsprechung des V. Senats, wonach ein Nichtzustandekommen eines notariellen Grundstückskaufvertrages eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen nur begründet, wenn der den Vertragsabschluss verweigernde Partner bereits vorher schuldhaft gehandelt hat, nicht entgegen, da der V. Senat seine Ansicht auf die Fälle formbedürftiger Grundstückskaufverträge beschränkt und die Frage im übrigen offen gelassen habe. Andererseits beantwortet der VIII. Senat aber auch nicht die Frage, die sich nach seiner etwas merkwürdig klingenden Formulierung, dass es auf ein Verschulden dabei nicht ankomme, geradezu aufdrängt: Worauf bezieht sich das Verschulden denn dann? Diesen entscheidenden Schritt weiter geht der Senat nicht.107 Vielmehr ist bei dieser Entscheidung noch unklarer als bei den vorigen, ob der Senat überhaupt von einer verschuldensabhängigen Haftung ausgeht. Zwar diskutiert er die mögliche Haftung wie selbstverständlich im Rahmen des Verschuldens bei Verhandlungen, aber er bleibt in seinen Aussagen vage und unpräzise. Zum etwaigen triftigen Abbruchsgrund finden sich gar keine Aussagen. Und mehrfach benutzt der Senat in seinen Ausführungen Formulierungen, die auf eine Vertrauenshaftung hinweisen; einmal verwendet er sogar explizit das Wort „Vertrauenstatbestand“.108 Diese Wortwahl allein bedeutet noch nichts, da auch die c.i.c.-Haftung dem Vertrauensprinzip entspringt.109 Aber sie trägt nicht gerade zur Klärung der Frage bei, ob der Senat wirklich eine verschuldensabhängige Haftung im Sinn hat.110 Des Weiteren erwähnt sei noch die Entscheidung vom 10.01.1996.111 Dabei ging es um Maschinen, die ein in der damaligen DDR befindlicher Betrieb zur Zeit der Wende über den Außenhandelsbetrieb der DDR, welcher die Finanzierung vornehmen sollte, von einer britischen Firma kaufen wollte. Der zunächst am Kauf der Maschinen interessierte DDR-Betrieb verlor aber aufgrund der sich rapide ändernden wirtschaftlichen Umstände im Zuge der Wende sein Interesse an den Maschinen, so dass dem Außenhandelsbetrieb, der sich auf den Vertragsschluss verlassen hatte und verbindliche Vorfinanzierungen vorgenommen hatte, ein Schaden durch nutzlose Aufwendungen entstand. Der Außenhandelsbetrieb 107 Auch Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1526 moniert, dass der BGH nicht erörtert, worin ein „nachfolgendes“ Verschulden liegen könne. 108 BGH ZIP 1989, 514, 516. 109 Siehe Canaris JZ 1965, 475, 476; ders., Vertrauenshaftung, S. 532; ders., FS Larenz 1983, 27, 105 ff.; sowie auch bereits oben unter B.I.1. 110 So geht denn auch etwa Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn 131 davon aus, dass hier eine verschuldensunabhängige, reine Rechtsscheinhaftung vorliegt. 111 BGH WM 1996, 738.

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verlangte nun Ersatz dieser Aufwendungen von dem produzierenden Betrieb. Im Urteil finden sich erneut die bereits bekannten Formulierungen, dass eine Schadensersatzpflicht auch dann in Betracht komme, wenn ein Vertragspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, sodann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Hat der Vertragspartner den Vertragsschluss als sicher hingestellt, so komme es auf ein Verschulden dabei nicht an. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geht der Senat aber davon aus, dass der beklagte Produktionsbetrieb nicht grundlos Abstand genommen habe, da wegen der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse keine Absatzchance für die mit der Maschine herzustellenden Produkte mehr bestanden habe. Sachfremde Erwägungen, die der Annahme eines triftigen Grundes entgegenstünden, seien darin nicht zu sehen. Die Parteien seien bis zum endgültigen Vertragsschluss in ihrer Entschließung frei und zwar auch dann, wenn der andere Teil bereits Aufwendungen getätigt hat. Daher seien an das Vorliegen eines triftigen Grundes keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Damit bestätigt der VIII. Senat zwar erneut seine Aussagen über den Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund und die – zumindest potentiell – haftungsausweitende Tendenz seiner Rechtsprechung. Er erhöht aber wiederum die Hürden für die Bejahung eines Schadensersatzanspruches. Während er dies in der vorhergehenden Entscheidung dadurch erreichte, dass er die Anforderungen an das sichere Inaussichtstellen des Vertragsabschlusses betonte und verschärfte, erzielt er in dieser Entscheidung den gleichen Effekt, indem er die Voraussetzungen für das Vorliegen eines triftigen Grundes absenkt. In der Konsequenz lehnt der Senat – wie in der vorhergehenden Entscheidung auch – einen Schadensersatzanspruch ab, obwohl das Berufungsgericht jeweils einen solchen bejaht hatte. ee) Unklare Positionierung anderer Senate Die Unsicherheit darüber, ob eine Haftung beim grundlosen Verhandlungsabbruch auf einer Pflichtverletzung und einem Verschuldensvorwurf gründen oder ob sie verschuldensunabhängig ausgestaltet sein soll, lässt sich gut an Entscheidungen derjenigen Senate erkennen, die aufgrund ihrer Zuständigkeit mit dieser Thematik eher selten befasst sind, und daher in der Debatte eher eine beobachtende als eine gestaltende Rolle einnehmen. So hat etwa der II. Senat in seiner – oben bereits erwähnten – Entscheidung vom 6.2.1969112 zum ersten (und einzigen!) Mal die Parallele zur Irrtumsanfechtung ins Spiel gebracht und eine verschuldensunabhängige Haftung in Erwägung 112

BGH WM 1969, 595.

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gezogen.113 In nachfolgenden Entscheidungen114 wiederholt er diese Überlegung jedoch nicht und tätigt einzig Aussagen über eine verschuldensabhängige Haftung beim Scheitern von Verhandlungen. In der Entscheidung vom 13.4.1972115 formuliert der Senat etwa, dass es anerkannt sei, dass jeder Verhandlungspartner dem anderen im Hinblick auf das durch die Verhandlungen begründete Vertrauensverhältnis zumutbare Rücksichtnahme auf dessen berechtigte Belange schuldet. Dazu gehöre auch, dass er die Verhandlungen nicht grundlos abbricht, wenn er zuvor schuldhaft das Vertrauen des anderen Teils, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, geweckt und genährt hatte. Warum es dann noch darauf ankommen soll, ob der Verhandlungspartner die Verhandlungen grundlos abbricht, wenn schon im Erwecken einer falschen Vorstellung der Gegenseite über die eigene Abschlussbereitschaft eine die Haftung begründende schuldhafte Pflichtverletzung zu sehen ist, bleibt indes das Geheimnis des Senats. Auch in den Entscheidungen des III. Senats spiegelt sich die Unsicherheit darüber wider, ob eine Haftung beim grundlosen Abbruch von Verhandlungen verschuldensabhängig zu konzipieren ist oder nicht. Die Entscheidungen, in denen der für Staatshaftungsrecht zuständige III. Senat einen möglichen Schadensersatzanspruch wegen des Scheiterns von Verhandlungen diskutiert, betreffen zumeist Verhandlungen zwischen einer Gemeinde und einem Bauwilligen über den Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung. In der Entscheidung vom 8.6.1978116 etwa verhandelten eine Gemeinde und eine Wohnungsbaugesellschaft über den Abschluss eines Vertrages zur Abwälzung von Folgelasten der Bebauung (einen sog. Folgelastenvertrag) auf die Gesellschaft. Der Senat stellt zunächst fest, dass die im Bereich des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze über eine Haftung wegen des Verschuldens beim Vertragsschluss grundsätzlich auch auf Verhandlungen anwendbar sind, die zum Abschluss einer öffentlichrechtlichen Vereinbarung zwischen Bürger und Staat führen sollen. Dann führt er aus, dass der Anspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss auf dem Erfordernis des Vertrauensschutzes beruht, und dass die Anwendung dieses Grundsatzes sich vorallem bei Verhandlungen über Verträge anbietet, die darauf abzielen, dass der private Vertragspartner sich vereinbarungsgemäß für eine gewisse Zeit auf eine Zusammenarbeit mit einem Träger staatlicher Gewalt einrichtet und den gemeinsam erstrebten Erfolg durch eigene Investitionen fördert. Auch wenn sich 113 Dies mag zwar auf den ersten Blick nach einer aktiven Beteiligung an der Debatte über die Haftung beim Abbruch der Verhandlungen aussehen. Angesichts der Tatsache, dass die Überlegung zur Parallele zur Irrtumsanfechtung jedoch vom II. Senat in nachfolgenden Entscheidungen nicht mehr angestellt wurde, relativiert sich diese Einschätzung. 114 Vgl. BGH WM 1972, 772; BGH WM 1981, 787; BGH WM 1983, 1385; BGH DStR 2001, 803. 115 BGH WM 1972, 772. 116 BGHZ 71, 386. Ähnliche Formulierungen des III. Senats finden sich auch in BGHZ 76, 343.

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die Gemeinde nicht wirksam binden kann, einen bestimmten Bebauungsplan zu erlassen, so könne sie doch durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand setzen, der sie zwar nicht verpflichtet, die Planung überhaupt oder in einer bestimmten Richtung zu betreiben, der aber bei Enttäuschung des dem anderen Teil gewährten und von ihm in Anspruch genommenen Vertrauens zu einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensinteresses führen kann. Der dem Verhandlungspartner gebührende Vertrauensschutz könne so stark werden, dass ein Abrücken des Planungsträgers von der als sicher hingestellten Planung nur um den Preis der Kompensation möglich ist. Diese Formulierungen deuten darauf hin, dass der Senat eine verschuldensunabhängige Haftung in Betracht zieht. Seine folgenden Äußerungen gehen indes wieder in die entgegengesetzte Richtung. So nimmt der Senat Bezug auf die anerkannten Grundsätze einer Haftung wegen Verschuldens beim Vertragsschluss im bürgerlichen Recht. Danach schulde jeder Verhandlungspartner schon während der Verhandlungen dem anderen Teil im Hinblick auf das durch die Verhandlungen begründete vertragsähnliche Vertrauensverhältnis zumutbare Rücksichtnahme auf dessen berechtigte Belange. Dazu gehöre, dass er die Vertragsverhandlungen nicht grundlos, d.h. ohne triftigen Grund oder aus sachfremden Erwägungen, abbricht, wenn er zuvor das Vertrauen des anderen Teils, der Vertrag werde mit Sicherheit zustandekommen, erweckt hat. Ein schuldhafter (!) Verstoß gegen diese Pflicht könne zu der Verpflichtung führen, dem Verhandlungspartner den dadurch verursachten Vertrauensschaden zu ersetzen. Damit macht der Senat zwar einerseits deutlich, dass er von einer verschuldensabhängigen Haftung ausgeht; andererseits lässt er jedoch im Dunkeln, ob sich der Verschuldensvorwurf auf die Vertrauenserweckung oder auf den grundlosen Abbruch der Verhandlungen beziehen soll.117 Auf den Fall bezogen stellt der Senat dann fest, dass angesichts der Planungsfreiheit des Ortsgesetzgebers sich hier die im bürgerlichen Recht zu prüfende Frage, ob der Verhandlungspartner den Vertragsschluss grundlos verweigert hat, sinnvoll nicht stellen könne. Ein Verschulden könne daher nur in einem Verhalten der Gemeinde gesehen werden, das außerhalb der eigentlichen Bauleitplanung liegt, namentlich in einem Verhalten, das dem Verhandlungspartner unrichtige, seine Vermögensdispositionen nachteilig beeinflussende Eindrücke über den Stand der Bauleitplanung vermittelt. In einer Entscheidung vom 20.9.1984118 wiederum findet sich eine deutliche Positionierung des III. Senats dafür, dass in der Tat im Verhandlungsabbruch das 117 Das ist nicht nur aufgrund der verwendeten Formulierung unklar, sondern auch deshalb, weil der III. Senat als Referenz Entscheidungen des V. Senats (BGH NJW 1967, 2199; BGH NJW 1970, 1840) und des II. Senats (BGH WM 1969, 595 = LM § 276 BGB [Fa] Nr. 23) zitiert, die sich just in diesem Punkt widersprechen. 118 BGHZ 92,164.

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pflichtwidrige und schuldhafte Verhalten zu sehen sein soll. Der Senat stimmt dem Berufungsgericht zu, dass in der Entscheidung einer der Fälle vorliege, in denen die Rechtsprechung Ersatz des Vertrauensschadens gewährt, weil ein an den Vertragsverhandlungen Beteiligter das berechtigte Vertrauen der Gegenseite auf das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts schuldhaft enttäuscht hat. Im konkreten Fall habe die Beklagte (eine Gemeinde) die von ihr geschaffene Vertrauensgrundlage schuldhaft zerstört; eine Änderung der Vergaberichtlinien für städtische Grundstücke habe insbesondere angesichts der jahrelangen Zusammenarbeit der Parteien und der dadurch begründeten Vertrauensbasis sowie der erheblichen Aufwendungen der Klägerin nicht den umgehenden Abbruch der weiteren Kooperation gerechtfertigt. Insgesamt sind die Äußerungen des Senats jedenfalls mehrdeutig und verwirren auch Kommentatoren. In einer Urteilsanmerkung zu einem Urteil des VIII. Senats, die aber auch auf die Rechtsprechung des III. Senats eingeht, schreibt Gunst an einer Stelle, dass der III. Senat dem Wortlaut nach ebenfalls kein dem Verhandlungsabbruch vorhergehendes Verschulden verlange, sondern ausdrücklich nur ein Verschulden beim Abbruch selbst.119 Etwas weiter unten dann ist er hingegen davon überzeugt, dass der III. Senat ebenso wie der II. und VIII. Senat eine verschuldensunabhängige Vertrauenshaftung propagiert.120 Schließlich sei noch eine Entscheidung des für Patentrecht zuständigen X. Senats erwähnt.121 In der Entscheidung ging es um die geplante Erteilung einer Lizenz zur Herstellung von Lebensmitteln. Die Lizenz sollte einer noch zu gründenden Firma im Iran erteilt werden. Zwischen den Parteien fanden diesbezüglich ausführliche und detailreiche Verhandlungen statt, die sich insgesamt über rund zwei Jahre hinzogen und in deren Verlauf die potentielle Lizenznehmerin mit Billigung der potentiellen Lizenzgeberin bereits beträchtliche transaktionsspezifische Investitionen vornahm. Die potentielle Lizenzgeberin brach die Verhandlungen schließlich ab. Die potentielle Lizenznehmerin verlangte Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie auf die Zusicherung des Vertragsschlusses durch die potentielle Lizenzgeberin vertraut hatte. Wie das Berufungsgericht bejahte auch der X. Senat einen Ersatz des Vertrauensschadens wegen Verschuldens beim Vertragsschluss. Die vom Senat verwendeten Formulierungen lassen jedoch offen, worauf sich ein Verschuldensvorwurf beziehen sollte, und lassen sich vielmehr im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung verstehen. So betont der Senat zunächst, dass Grundlage der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen enttäuschtes Vertrauen sei. Dann wiederholt er die leidlich bekannte Wendung, dass unter diesem Gesichtspunkt auch der grundlose Abbruch der Vertragsverhandlungen zum Ersatz des Vertrauensschadens ver119 120 121

Gunst, JZ 1991, 202, 203. Gunst, JZ 1991, 202, 204. BGH GRUR 1975, 616.

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pflichte, wenn derjenige, der die Vertragsverhandlungen abbricht, zuvor durch sein Verhalten das Vertrauen geweckt oder genährt hatte, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. Nun folgen indes Aussagen, die stark auf eine verschuldensunabhängige Haftungskonzeption hindeuten. Die Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens bestehe als Folge der Haftung für Auswirkungen eines Vertrauenstatbestandes gegenüber demjenigen, bei dem Vertrauen auf das Zustandekommen des in Aussicht genommenen Vertrags hervorgerufen worden ist. Bei einer Sachlage wie im konkreten Fall könne zwar die potentielle Lizenzgeberin ein Interesse daran haben, sich ihre Entschließungsfreiheit vollumfänglich zu bewahren, bis sie genauere Kenntnis über Art und Zusammensetzung der zu gründenden Gesellschaft erlangt hat. Sie könne aber auch, wenn es sich um eine von ihrem Verhandlungspartner zu gründende Gesellschaft handelt, diesem einen gewissen Gestaltungsspielraum zugestehen und insoweit, wenn er sich auf das Zustandekommen des Vertrags verlassen darf, ihre eigene Entschließungsfreiheit einschränken. Der Senat führt die Haftung also mit anderen Worten darauf zurück, dass die Beklagte durch ihre Zusicherung, man werde der noch zu gründenden Firma im Iran die Lizenz zur Herstellung von Lebensmitteln erteilen, ihre eigene Entscheidungsfreiheit soweit eingeschränkt habe, dass sie die Lizenzvergabe zumindest nicht mehr aus Gründen verweigern durfte, die mit Art und Zusammensetzung der neugegründeten Firma zu tun haben. Im weiteren Verlauf geht der Senat dann auch noch auf die Gründe ein, welche die Beklagte für den Abbruch der Verhandlungen vorgebracht hatte. Dabei stimmt er dem Berufungsgericht dahingehend zu, dass diese Gründe die Lösung aus den vorvertraglichen Beziehungen nach Treu und Glauben nicht als gerechtfertigt erscheinen ließen. Ohne dies in aller Deutlichkeit zu sagen, geht der Senat also davon aus, dass die Beklagte trotz fehlender vertraglicher Bindung nicht mehr die unbegrenzte negative Vertragsfreiheit besessen hat. Ein Verschuldensvorwurf ist nicht zu erkennen.122 b) Folgerungen Der aufgezeigte widersprüchliche Umgang mit dem Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund, nachdem der Vertragsschluss zuvor als sicher in Aussicht gestellt worden war, macht deutlich, dass es den Senaten bislang nicht gelungen ist, den Haftungstatbestand „mit Leben zu erfüllen“, indem sie ihn dogmatisch überzeugend begründen und mit belastbaren Definitionen versehen. Bezeichnend ist, dass es kaum Fälle gibt, in denen letztlich ein Ersatzanspruch wegen des grundlosen Verhandlungsabbruchs bejaht wird.123 Fest122 Auch v. Falck spricht in seiner Urteilsanmerkung davon, dass „das für eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo erforderliche Verschuldensmoment nicht ausreichend berücksichtigt“ werde, v. Falck, GRUR 1975, 619. 123 Dies konstatiert auch Wertenbruch, ZIP 2004, 1525. Ein Ersatzanspruch wird bejaht in BGH MDR 1954, 346; WM 1967, 798; GRUR 1975, 616; BGHZ 92, 164. Die

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zuhalten bleibt somit zweierlei. Zum einen herrscht Verwirrung und Unklarheit darüber, ob die Rechtsprechung beim Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund von einer verschuldensunabhängigen Haftung ausgeht oder nicht.124 Zum anderen ist zu konstatieren, dass besagter Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund zwar von allen Senaten vordergründig anerkannt wird, faktisch aber so ausgehöhlt ist, dass er kaum einmal bejaht wird und nur ein trauriges Dasein als „zahnloser Tiger“ fristet. aa) Verschuldensunabhängige Haftung beim Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund? Es ist unklar, ob die verschiedenen Senate bei der Konzeption einer Haftung für den Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund von einer verschuldensabhängigen Haftung ausgehen oder nicht. Die Senate sprechen zwar recht einmütig davon, dass eine Schadensersatzpflicht dann bestehen könne, wenn ein Verhandlungspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, sodann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht.125 Es findet sich indes keine eindeutige Aussage dazu, worin die für eine verschuldensbasierte Haftung erforderliche Pflichtverletzung zu sehen sein soll.126 Der VIII. Senat beschränkt sich darauf, anzumerken, dass es nicht auf ein Verschulden beim Inaussichtstellen des Vertragsschlusses als sicher ankomme.127 Genausowenig wie aber klare Stellungnahmen zum Bezugspunkt der Pflichtwidrigkeit bzw. des Verschuldensvorwurfs existieren, finden sich keine expliziten Äußerungen dazu, dass eine Haftung beim grundlosen Verhandlungsabbruch auf die Voraussetzungen der Pflichtwidrigkeit bzw. des Verschuldens verzichten kann. Einzig die Entscheidung des II. Senats vom 6.2.1969128 kann in dieser Richtung verstanden werden. Wie erwähnt sind die Aussagen des Senats zu einer Ähnlichkeit der Situation beim Verhandlungsabbruch mit derjenigen einer Irrtumsanfechtung (und der nachfolgenden Möglichkeit einer verschuldensunabhängigen Haftung aus § 122 BGB) aber vorsichtig formuliert und nur obiter dicta; die in Betracht gezogene Parallele zur Irrtumsanfechtung wurde in keiner einzigen späteren Entscheidung

beiden ersten Entscheidungen fallen indes noch in die Frühphase, als der Haftungstatbestand erst entwickelt wurde und noch nicht als eigenständiger diskutiert wurde. 124 Siehe etwa Erman/Kindl, § 311 Rn 34 und MüKo-Emmerich, § 311 Rn 181, die die Rechtsprechung als „uneinheitlich“ bezeichnen. 125 Siehe etwa BGH ZIP 1989, 514, 516; BGH WM 1996, 738; BGH NJW-RR 2001, 381, 382. 126 Ähnlich Kaiser, JZ 1997, 448, die feststellt, dass das Gericht „in den meisten Fällen“ darauf verzichte, den Pflichtverstoß näher zu umreißen. 127 Siehe BGH WM 1974, 508; BGH ZIP 1989, 514; BGH WM 1996, 738. 128 BGH WM 1969, 595.

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des BGH erneut bejaht.129 Sie gab aber dem V. Senat – sowie dem ihm folgenden I. Senat – Anlass, sich immer wieder von ihr abzugrenzen und die Anwendbarkeit des Haftungstatbestands des grundlosen Verhandlungsabbruchs im Vorfeld formbedürftiger Verträge zu verneinen. Die Ansicht des V. Senats, dass der Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund zwar ausgeschlossen, aber eine c.i.c.-Haftung grundsätzlich auch bei Verhandlungen über formbedürftige Verträge möglich sein soll, ergibt nur dann Sinn, wenn man annimmt, dass der Haftungstatbestand des grundlosen Verhandlungsabbruchs verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Eine eindeutige Äußerung des V. Senats in dieser Hinsicht sucht man indes vergebens. Festzuhalten bleibt demnach, dass die Rechtsprechung des BGH kein klares Urteil darüber erlaubt, ob die Haftung beim Abbruch von Verhandlungen ohne triftigen Grund verschuldensabhängig konzipiert ist oder nicht. Während die Argumentation einiger Senate darauf schließen lässt, dass sie implizit von einer verschuldensunabhängigen Haftung ausgehen, scheinen andere Senate eine verschuldensabhängige Haftung zu propagieren. Eklatant ist indes, dass sich für keine der beiden Versionen eindeutige Aussagen finden lassen. Auf der einen Seite gibt es keine Äußerungen eines Senats, dass bei einer Haftung wegen des grundlosen Abbruchs von Verhandlungen auf ein Verschuldenserfordernis verzichtet werden könnte, bzw. der Haftungstatbestand deshalb abzulehnen sei, weil er verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Auf der anderen Seite sucht man auch vergebens präzise Feststellungen eines Senats dazu, worauf sich der Verschuldensvorwurf beziehen soll. Dieses Herumlavieren der Senate lässt sich folgendermaßen erklären: eine verschuldensunabhängige Haftung kann dogmatisch nicht unter das Institut der culpa in contrahendo gefasst werden; eine konsequent durchdachte, verschuldensabhängige Haftung aber stößt auf kaum lösbare Probleme, wie im folgenden noch zu zeigen sein wird. Diesem Dilemma versuchen die Senate durch ihre vagen Formulierungen zu entgehen. bb) Faktische Aufgabe des Tatbestands bei vordergründiger Aufrechterhaltung desselben Das soeben dargestellte Dilemma und die Unentschiedenheit der Senate, ob eine Haftung beim Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund verschuldensunab129 Insofern ist auch die Aussage Kaisers (JZ 1997, 448) unzutreffend, dass der BGH „vereinzelt“ den grundlosen Abbruch der Vertragsverhandlungen „ausdrücklich“ genügen hat lassen und eine Schadensersatzpflicht bejaht hat, obwohl der Verhandlungspartner das Vertrauen des anderen in den Vertragsschluss nicht pflichtwidrig bzw. schuldhaft geweckt hatte. Die von ihr zitierten Entscheidungen enthalten allenfalls den Hinweis, dass es auf ein vorheriges Verschulden nicht ankomme, aber eben nicht die Aussage, dass ein Verschulden insgesamt entbehrlich wäre. Ebenso voreilig die Schlussfolgerung von Gunst, JZ 1991, 202, 204), der II., III. und VIII. Senat hätten sich zugunsten einer verschuldensunabhängigen Vertrauenshaftung entschieden.

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hängig ausgestaltet sein sollte oder nicht, führen indes nicht zu größeren Verwerfungen zwischen den Senaten, weil der Haftungstatbestand zwar vordergründig von allen Senaten anerkannt wird, aber praktisch kaum jemals zur Anwendung gebracht wird. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wird dem Anspruchsteller fast nie ein Ersatzanspruch zuerkannt, sei es weil der Haftungstatbestand im Vorfeld formbedürftiger Verträge generell abgelehnt wird oder weil die Voraussetzungen des Tatbestands, die immer höher geschraubt wurden, im konkreten Fall nicht gegeben waren. Die stete Bekräftigung und Wiederholung des Kriteriums des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund steht in paradoxem Kontrast zur faktischen Bedeutungslosigkeit des Tatbestands. Der V. Senat lehnt den Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund im Vorfeld formbedürftiger Verträge generell ab, entzieht sich aber einer grundsätzlichen Debatte mit dem Hinweis, dass offen bleiben könne, ob der diesbezüglichen Rechtsprechung im allgemeinen zu folgen sei. Er wählt also einen in der Sache wenig überzeugenden Weg des geringsten Widerstands. Der VIII. Senat, der die potentiell haftungsfreundlichste Linie vertritt und dem Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund an sich positiv gegenüber steht, ist indes „auf halber Strecke“ stehengeblieben. Der Senat hat seiner in sich stimmigen und logischen Aussage, dass es für eine Haftung wegen des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund auf ein vorheriges Verschulden beim sicheren Inaussichtstellen des Vertragsschlusses nicht ankomme, nicht etwa die Ausarbeitung eines präzisen Haftungskonzepts samt belastbarer Definition eines triftigen Grundes folgen lassen. Vielmehr scheint es so, als habe er Angst vor der eigenen Courage bekommen – oder als sei er insgeheim zur Einsicht gelangt, dass ein verschuldensabhängiger Haftungstatbestand des Abbruchs ohne triftigen Grund auf unüberwindbare dogmatische Hürden treffen muss; jedenfalls ruderte der VIII. Senat in der Folge zurück. Indem er die Anforderungen an ein sicheres Inaussichtstellen des Vertragsschlusses erhöht und die Voraussetzungen für das Vorliegen eines triftigen Grunds so weit erniedrigt, dass diesem Kriterium praktisch jede Kontur genommen ist, macht er die Bejahung der Haftungsvoraussetzungen nahezu utopisch. Der VIII. Senat vermeidet mit dieser Strategie zumindest vordergründig, sich von seiner eigenen Propagierung des Haftungstatbestands des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund zu verabschieden und mit der eigenen Rechtsprechung zu brechen. 3. Keine Veränderungen durch Schuldrechtsreform Aus neuerer Zeit gibt es keine nennenswerten Aussagen des BGH, die ein neues Licht auf die Problematik werfen könnten. Die letzten Äußerungen (allesamt noch zum alten Schuldrecht) wiederholen die bekannten Standardformulierungen.130 130 Siehe etwa BGH NJW-RR 2001, 381, 382; BGH DStR 2001, 803; BGH NJW 2001, 2713, 2714; BGH NJOZ 2004, 83, 84.

II. Analyse der Rechtsprechung

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Und auch Urteile von Instanzgerichten, die sich auf Basis des neuen Schuldrechts mit der Thematik befassen, lassen keine Veränderungen erkennen; sie verweisen alle auf „alte“ BGH-Leitentscheidungen, insbesondere auf die hier sog. „Druckerei“-Entscheidung131.132 Einerseits ist diese Kontinuität nachvollziehbar angesichts der Tatsache, dass das Institut der c.i.c. zwar nunmehr im BGB Anerkennung gefunden hat, dabei aber nur eine sehr rudimentäre Kodifizierung erfahren hat, die inhaltlich keine Änderung der bisherigen Rechtslage mit sich gebracht hat; der Gesetzgeber wollte ausdrücklich nicht in die Ausgestaltung der einzelnen Fallgruppen der Rechtsprechung eingreifen.133 Andererseits ist durch die Schuldrechtsreform das zentrale Merkmal der Pflichtverletzung betont worden; eine Haftung aus c.i.c. muss also zwangsläufig pflichtenbasiert und verschuldensabhängig konstruiert werden. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass es in den letzten 15 Jahren keine Entscheidung gegeben hat, die sich intensiv mit der Thematik oder gar kritisch mit der bisherigen Rechtsprechung auseinandersetzt. 4. Fazit Die Analyse der Rechtsprechung zur Haftung beim Scheitern von Verhandlungen ergibt folgenden Befund. Die Problematik eines Ersatzes von transaktionsspezifischen Aufwendungen, die durch ein Scheitern von Verhandlungen frustriert worden sind, wird vom BGH stets im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus culpa in contrahendo abgehandelt. Dabei sind im Laufe der Zeit zwei Haftungstatbestände herausgebildet worden. Zum einen soll eine Haftung darauf gestützt werden können, dass eine Seite durch ihr Verhalten bei der Gegenseite unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses erweckt oder aufrechterhält. Dies kann in erster Linie dadurch geschehen, dass eine Partei die eigene Bereitschaft zum Abschluss des Vertrags als sicher darstellt, während sie in Wirklichkeit noch unentschlossen ist, oder die Gegenseite nicht über eine Veränderung der Abschlussbereitschaft informiert, nachdem sie die Abschlussbereitschaft zunächst – zutreffenderweise – als sicher hingestellt hatte.134 Seltenere Fälle betreffen die Situation, dass eine Seite den Verhandlungspartner nicht oder falsch über objektive Wirksamkeitshindernisse unterrichtet.135 In all diesen Kon131

BGH NJW 1996, 1884. Siehe dazu oben unter B.II.2.a)cc)(2). Siehe etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2005, 10 U 179/04; OLG Stuttgart WM 2007, 1743; Hanseatisches OLG Bremen, Urt. v. 6.2.2008, 1 U 27/07; OLG Celle, Urt. v. 1.12.2011, 16 U 95/11. 133 Siehe Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/6040, S. 162 sowie oben unter B.I.1. 134 Vgl. BGHZ 71, 386, 395 f.; BGH WM 1996, 738, 740; BGH NJW 1996, 1884, 1885; BGH DStR 2001, 803. 135 Siehe hierzu etwa BGHZ 18, 248 (Devisenrechtliche Genehmigung); BGH WM 1956, 493 (Einkaufsermächtigung); siehe auch unten unter D.I.2.a)bb)(2). 132

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B. Haftung beim Scheitern von Verhandlungen

stellationen sieht die Rechtsprechung eine pflichtwidrige Aufklärungspflichtverletzung als Grundlage einer c.i.c.-Haftung. Ein Abweichen der geäußerten von der wahren subjektiven Abschlussbereitschaft ist nur schwer feststellbar bzw. beweisbar. Nicht zuletzt deshalb hat die Rechtsprechung zum anderen den Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund entwickelt. So soll eine Haftung aus Verschulden beim Vertragsschluss auch dann möglich sein, wenn eine Partei zurechenbar bei der Gegenseite das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, im folgenden aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht.136 Allerdings hat der BGH bislang kein stimmiges und dogmatisch überzeugendes Haftungskonzept für diesen zweiten Haftungstatbestand vorlegen können. Präzise Aussagen dazu, worin das pflichtwidrige Verhalten zu sehen sein soll, existieren ebensowenig wie eine belastbare Definition dessen, was ein triftiger Grund sein soll. Es ist unklar, ob die Haftung überhaupt verschuldensabhängig ausgestaltet sein soll oder nicht. Die diesbezüglichen Formulierungen der einzelnen Senate sind vage und widersprüchlich. Des Weiteren ist festzustellen, dass der Haftungstatbestand nur äußerst selten bejaht wird. Die stete Wiederholung und vordergründige Bekräftigung des Haftungstatbestands durch die Rechtsprechung steht im Widerspruch zur faktischen Bedeutungsarmut desselben. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass es sich bei Anwendung des zweiten Haftungstatbestands um eine einzelfallbezogene Billigkeitsrechtsprechung handelt.

136 Vgl. BGH ZIP 1989, 514, 516; BGH NJW 1996, 1884, 1885; BGH NJW-RR 2001, 381, 382.

C. Kritik am bestehenden Haftungsregime Die Analyse der Rechtsprechung hat ergeben, dass eine Haftung beim Scheitern von Verhandlungen nur im Rahmen der culpa in contrahendo diskutiert wird, wobei zwei Haftungstatbestände als Grundlage dienen. Zum einen soll eine Haftung dann möglich sein, wenn eine Seite durch ihr Verhalten während der Verhandlungen bei der Gegenseite unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses erweckt oder aufrechterhält. Die Rechtsprechung spricht in diesen Fällen typischerweise von einer Aufklärungspflichtverletzung. Zum anderen soll eine Haftung dann infrage kommen, wenn eine Seite bei der Gegenseite das Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, dann aber die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Worin die Rechtsprechung bei diesem Haftungstatbestand die vorwerfbare Pflichtwidrigkeit sehen will, und ob sie die Haftung überhaupt verschuldensabhängig konzipiert, ist indes unklar. Im folgenden soll untersucht werden, ob dieses Haftungsregime überzeugend und dogmatisch widerspruchsfrei begründet werden kann. Dabei wird sich zeigen, dass sich nur der erste Haftungstatbestand in das Institut der culpa in contrahendo einfügen lässt, wobei jedoch zu beachten ist, dass die dort bemühte Aufklärungspflicht mit „klassischen“, vertragsbezogenen Aufklärungspflichten nicht viel gemein hat, was auch terminologisch zum Ausdruck gebracht werden sollte. Der zweite Haftungstatbestand, der Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund, ist hingegen abzulehnen. Eine verschuldensabhängige Haftung lässt sich nicht auf den Abbruch von Verhandlungen stützen.

I. Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung Erweckt eine Partei bei der Gegenseite durch ihr Verhalten während der Verhandlungen unzutreffende Vorstellungen dahingehend, dass ein (wirksamer) Vertragsschluss mit Sicherheit zu erwarten sei, während er in Wahrheit noch unsicher ist, so verletzt sie dadurch die ihr obliegende Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der Gegenseite. Die typischen Fälle, in denen eine Seite beim Verhandlungspartner unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses hervorruft, liegen darin, dass eine Seite ihre innere Abschlussbereitschaft als sicher bezeichnet, während sie tatsächlich noch unentschlossen ist. Selten ist die Variante, dass eine Seite die Gegenseite hinsichtlich objektiver Wirksamkeitshindernisse täuscht. Auch das Aufrechterhalten unzutreffender Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses soll

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C. Kritik am bestehenden Haftungsregime

pflichtwidrig sein können. Nach Ansicht der Rechtsprechung soll dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Bereitschaft, einen Vertrag zu bestimmten Bedingungen abzuschließen, nach Treu und Glauben der Fall gleichzusetzen sein, dass ein Verhandlungspartner zwar zunächst eine solche, von ihm geäußerte Abschlussbereitschaft tatsächlich gehabt hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren.137 In all diesen Fällen des Erweckens bzw. Aufrechterhaltens einer Fehlvorstellung der Gegenseite über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses sieht die Rechtsprechung die Verletzung einer Aufklärungspflicht. Im folgenden sollen die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten vorvertraglichen Informations- bzw. Aufklärungspflichten näher beleuchtet werden, um die Frage zu beantworten, ob auch die soeben genannte Pflicht, bei der Gegenseite keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses eines wirksamen Vertrags hervorzurufen oder aufrechtzuerhalten, in die Kategorie der vorvertraglichen Informationspflichten passt. 1. Vorvertragliche Informationspflichten a) Terminologie und Systematik Hinsichtlich der vorvertraglichen Pflichten, welche den erfolgten oder unterbliebenen Informationsaustausch der Verhandlungspartner zum Gegenstand haben, herrscht eine große Begriffsvielfalt. Hier soll die Gesamtheit dieser Pflichten als Informationspflichten bezeichnet werden. Auch für die richterrechtlich entwickelten, vorvertraglichen Informationspflichten trifft zu, was oben bereits generell über das vorvertragliche Pflichtenprogramm gesagt wurde. Ihre Entwicklung ist „haftungs- bzw. sanktionsgetrieben“, d.h. von dem Bestreben der Rechtsprechung geleitet, im Einzelfall einer Partei eine Sanktionsmöglichkeit an die Hand zu geben. Der Zweck der Statuierung einer Informationspflicht liegt also regelmäßig darin, durch ihre Verletzung einen Vorwurf begründen und eine Sanktion rechtfertigen zu können. Der Informationsberechtigte wird demnach typischerweise nur bis zum Abschluss eines Vertrags ein Interesse an der Information haben, sich bis dahin aber gar nicht seines Informationsinteresses bewusst sein. Das Bestehen einer Informationspflicht wird mithin üblicherweise retrospektiv anhand der Verletzung derselben festgestellt.138

137

Vgl. BGH NJW 1996, 1884, 1885 mwN. Die retrospektive Feststellung von Informationspflichtverletzungen bedeutet allerdings nicht, dass die Frage des Bestehens einer Informationspflicht aus einer ex-postPerspektive zu beurteilen ist. Vielmehr ist diese Frage aus einer ex-ante-Perspektive zu beantworten. Ebenso Breidenbach, Informationspflichten, S. 2 f., 13. 138

I. Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung

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Innerhalb der Informationspflichten ist eine weitere Unterteilung angebracht, und zwar in die Wahrheitspflicht und die Aufklärungspflichten.139 Die Wahrheitspflicht bedeutet, dass keine Partei der Gegenseite eine positive Falschinformation geben darf und dass jede Partei auf Fragen der Gegenseite richtig und umfassend Auskunft geben oder die Auskunft verweigern muss. Die Aufklärungspflichten hingegen verpflichten eine Partei dazu, die Gegenseite über bestimmte Umstände unaufgefordert in Kenntnis zu setzen. Aufklärungspflichten stellen also Handlungspflichten dar, d.h. sie können nur durch ein Unterlassen verletzt werden. b) Wahrheitspflicht Nach der Rechtsprechung besteht im vorvertraglichen Schuldverhältnis eine nahezu140 unbeschränkte Wahrheitspflicht.141 Diese Ansicht wird auch im Schrifttum weitgehend geteilt.142 Dabei wird allerdings bedauerlicherweise nicht immer zwischen der Wahrheitspflicht und der Aufklärungspflicht unterschieden.143 Eine 139 Diese Unterscheidung nehmen auch Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 4 und Fleischer, Informationsasymmetrie, passim und S. 264 vor. Die Bedeutung der Unterscheidung betonen Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 160. 140 Einzige Ausnahme ist das sog. „Recht zur Lüge“ eines Bewerbers bei einer unzulässigen Frage des potentiellen Arbeitgebers, vgl. BAG AP BGB § 123 Nr. 15 mit Anm. Larenz; MüKo-Thüsing, AGG § 11 Rn 16, 20 ff. mwN zu einzelnen Fallgruppen. Auch Fragen, die Rückschlüsse auf den Reservationspreis der Gegenseite zulassen, also etwa Fragen nach der Verdienstspanne oder der Preiskalkulation sind unzulässig, vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 256 ff. Allerdings ergibt sich hieraus keine Ausnahme von der Wahrheitspflicht, da der unzulässigen Frage durch Verweigerung einer Antwort begegnet werden kann. Ein „Recht zur Lüge“ besteht in diesen Fällen nicht, vgl. BGH NJW 1964, 811; BGH NJW 1981, 2050. Zum „Recht zur Lüge“ aus rechtsökonomischer Sicht siehe Darby/Karni, 16 J.L. & Econ. 67 (1973) und Tietzel, Jahrb. f. Nationalök. und Stat. 1988, 17, 19 ff. 141 So schon RGZ 91, 80, 81; BGHZ 86, 324, 326; 111, 75, 79; BGH NJW 1969, 1625; BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2001, 768. 142 Vgl. nur Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 6, 10 und Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 254, beide mwN. 143 Hierauf weisen auch Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 6 Fn 2 und S. 10 Fn 22 und Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 411 hin. Unschärfen in dieser Hinsicht bemängeln auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 250 ff. mwN, Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 136 und Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 160. So verwendet der BGH teilweise im Zusammenhang mit positiven Falschinformationen, die eine Verletzung der Wahrheitspflicht bedeuten, seine Formel zur Bestimmung von Aufklärungspflichten, vgl. etwa BGH WM 1986, 1032, 1034; BGH WM 1987, 77, 78 f. Weitere Beispiele, in denen die Rspr unnötigerweise Aufklärungspflichten statuiert, siehe Lorenz, S. 411. Auch Palandt/Ellenberger, § 123 Rn 5a führt die Wahrheitspflicht als eine Fallgruppe der Aufklärungspflicht an. Exemplarisch für die mangelnde Konsequenz auch MüKo-Kramer (5. Aufl. 2007), § 241, der zunächst (Rn 115) betont, dass „von der Verletzung einer Aufklärungspflicht durch Vorenthalten der Information die positive Falschinformation zu unterscheiden“ sei, aber dann (Rn 117) erklärt, dass „im Einzelfall die Grenze zwischen unterlassener Information und Falschinformation häufig fließend und – sofern eine Aufklärungspflicht bejaht

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C. Kritik am bestehenden Haftungsregime

Unterscheidung ist aber geboten, da an das Vorliegen einer Aufklärungspflicht höhere Anforderungen gestellt werden müssen als an die Pflicht, den Verhandlungspartner nicht aktiv zu täuschen.144 Die Aufklärungspflicht ist für den Pflichtigen belastender als die Wahrheitspflicht, weil sie ein Tätigwerden von ihm verlangt, welches zudem oftmals den eigenen Interessen zuwiderläuft. Die Wahrheitspflicht hingegen erlegt dem Pflichtigen nur auf, dass die Informationen, die er aus eigenem Antrieb dem Verhandlungspartner übermittelt, richtig sein müssen. Sie stellt keine Handlungspflicht dar, bei Nachfragen bleibt dem Pflichtigen stets die Möglichkeit, eine Antwort zu verweigern. Die Unterscheidung zwischen der Wahrheitspflicht und der Aufklärungspflicht hat an der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen anzusetzen. Ein aktives Tun und damit eine Verletzung der Wahrheitspflicht kann nicht nur in der Übermittlung einer positiven Falschinformation gesehen werden, sondern auch in einem schlüssigen, in die Irre führenden Gesamtverhalten, welches nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung über eine Tatsache anzusehen ist.145 Dabei kommt es gem. § 157 BGB darauf an, wie der rechtsgeschäftliche Verkehr das Verhalten des Erklärenden verstanden hat und verstehen durfte.146 So können insbesondere Teilwahrheiten und unvollständige Angaben irreführend sein und sollten deshalb konsequent den aktiven Täuschungshandlungen zugeordnet werden.147 Gibt beispielsweise der Verkäufer bei Verhandlungen über einen Unternehmenskauf auf Frage des Kaufinteressenten nach anhängigen Rechtsstreitigkeiten eine Liste mit ebendiesen an den Kaufinteressenten, so erklärt er damit konkludent, dass keine weiteren Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Ist die Liste unvollständig, so hat er die ihm obliegende Wahrheitspflicht verletzt. Eine Erörterung einer Aufklärungspflicht ist dann überflüssig. Die Pflichtverletzung liegt in der Herausgabe falscher Informationen. Hieraus folgt auch, dass eine Partei unrichtige Angaben, die sie im Laufe der Verhandlungen gemacht hat, unverzüglich korrigieren muss, sobald sie deren Unrichtigkeit erkennt. Diese Berichtigungspflicht kann zum einen auf den Ingerenzge-

werden kann – auch irrelevant“ sei. Dagegen jetzt MüKo-Roth/Bachmann (6. Aufl. 2012), § 241 Rn 132, die klar zwischen positiver Falschinformation und Verletzung einer Aufklärungspflicht unterscheiden. 144 So auch Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 160. 145 Ein stärkere Beachtung des Gesamtverhaltens fordern auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 251 f. mwN; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 411. 146 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 252; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 410. 147 So auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 252, und Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 413. A.A. Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 174, der unvollständige Angaben grundsätzlich als Verletzung einer Aufklärungspflicht (welche er indes als Informationspflicht bezeichnet) ansieht.

I. Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung

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danken gestützt werden;148 auch wenn das Vorverhalten, die Falschinformation, schuldlos war, so war es doch rechtswidrig. Zum anderen wird die Berichtigungspflicht von der Überlegung gestützt, dass niemand aus seinen eigenen falschen Darstellungen Vorteile ziehen darf.149 Der Entstehungsgrund für diese Berichtigungsverpflichtung liegt also in der Verletzung der Wahrheitspflicht, so dass keine originäre Aufklärungspflicht vorliegt, die einer eigenständigen Begründung bedürfte.150 Anders ist es zu beurteilen, wenn eine Information, die im Moment der Weitergabe richtig war, im Laufe der Verhandlungen unrichtig wird.151 Hier liegt keine Verletzung der Wahrheitspflicht vor und aus dem Wahrheitsgebot folgt auch keine Pflicht zur fortwährenden Sicherstellung, dass die gegebenen Informationen laufend richtig sind. Eine Berichtigungsverpflichtung bezüglich unrichtig gewordener Informationen kann sich allenfalls aus einer Aufklärungspflicht ergeben.152 Aus der Erkenntnis, dass zwischen Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht zu unterscheiden ist, und dass an das Bestehen einer Aufklärungspflicht höhere Anforderungen zu stellen sind, folgt auch die Einschränkung bei der Definition der Wahrheitspflicht, dass dieser auch Genüge getan ist, wenn die befragte Partei eine Antwort verweigert.153 Die Wahrheitspflicht ist keine Antwortpflicht. Andernfalls wäre es den Parteien möglich, über sehr allgemein und breit formulierte Fragen, eine umfassende Auskunft über den Informationsstand der Gegenseite zu erhalten. Eine Partei könnte den Verhandlungspartner etwa fragen, ob er Informa148 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 431–433. A.A. Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 150, der einwendet, dass damit dem Schuldner der Wahrheitspflicht trotz tatsächlichen Fehlens einer schuldhaften Pflichtverletzung eine Haftung aus c.i.c. auferlegt werde. 149 So auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 338. Er weist auch zu recht auf die vergleichbare Rechtslage in England hin. Obwohl bzw. weil das englische Recht gegenüber der Statuierung von Aufklärungspflichten sehr skeptisch ist, kennt es eine sog. „innocent misrepresentation“, die dem Gegenüber die Lösung vom Vertrag ermöglicht. Vgl. den leading case Redgrave v. Hurd [1881] 20 Ch. D. 1, 13. 150 Ähnlich Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 309, der von einem „Korollar der Pflicht zur subjektiven Wahrhaftigkeit“ spricht. A.A. Völker, Vorvertragliche Pflichten, S. 150. 151 So auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 309 ff., der allerdings im Text die nicht nachvollziehbare Einschränkung trifft, dass die Dinge (nur) dann anders liegen, „wenn sich maßgebliche Umstände erst nach Abschluß der Vertragsverhandlungen ändern.“ Entscheidend ist hingegen, dass die Information im Moment der Weitergabe richtig war, und noch vor Vertragsschluss (bzw. vor dem Übergangsstichtag) unrichtig geworden ist. Der Abschluss der Vertragsverhandlungen ist, abgesehen davon, dass er regelmäßig nur schwierig feststellbar sein dürfte, keine Zäsur, die irgendeinen Wertungsgesichtspunkt mit sich bringt. 152 Zu Beispielen siehe Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 310 ff. 153 Dies wird nicht immer gesehen, hierauf macht auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 254 aufmerksam.

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C. Kritik am bestehenden Haftungsregime

tionen besäße, die den Wert des Verhandlungsgegenstands beeinflussen.154 Wäre die befragte Partei zur wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet, so könnte die Regel, dass keine umfassende Aufklärungspflicht besteht, ausgehebelt werden. c) Aufklärungspflichten Das Vertragsrecht hat sich zwar seit jeher mit der Frage beschäftigt, wie mit Wissensunterschieden zwischen zwei Verhandlungspartnern umzugehen ist, aber hierauf keine Antwort in Form eines kohärenten Systems von Aufklärungspflichten gegeben. Eine gesetzliche Regelung der Voraussetzungen und des Inhalts von Aufklärungspflichten fehlt. Die ursprünglichen Verfasser des BGB sahen sich nicht imstande, dies zu regeln.155 Und auch im Rahmen der Schuldrechtsreform konnte der Gesetzgeber sich nicht zu einer allgemeinen Regelung durchringen.156 Auch der Rechtsprechung ist es bislang nicht gelungen, eine operable und allgemeingültige Definition des Grundes und der Voraussetzungen von Aufklärungspflichten zu entwickeln. Die von der Rechtsprechung verwendeten Formulierungen sind sehr vage. Aufklärungspflichten sollen in Bezug auf solche Umstände bestehen, hinsichtlich derer „der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte“ 157, bzw. „die für die Entschließung des anderen Teils erkennbar von Bedeutung sein können“.158 Zu Recht werden diese Formulierungen als Leerformel und wenig praktikabel kritisiert.159 Verhandlungsparteien wird es kaum möglich sein, aus dieser Formel im konkreten Einzelfall abzuleiten, ob sie eine Aufklärungspflicht trifft oder nicht.

154 In dem im U.S.-amerikanischen Vertragsrecht bekannten Fall Laidlaw v. Organ, 15 U.S. (2 Wheat.) 178 fragt der Verkäufer den Kaufinteressenten etwa, „if there was any news which was calculated to enhance the price or value of the article to be purchased.“ Der Kaufinteressent hatte in der Tat Kunde von einem Friedensschluss, in dessen Folge die Seeblockade von New Orleans aufgehoben wurde und der somit großen Einfluss auf die Preisgestaltung hatte. Der Friedensschluss war zu dem Zeitpunkt weder der Öffentlichkeit noch dem Verkäufer bekannt. 155 Vgl. Mugdan, Bd. I, S. 467 zu § 123 BGB: „. . . inwieweit eine Rechtspflicht besteht, dem anderen Theile Umstände mitzuteilen, von denen vorauszusetzen ist, daß sie auf seine Entschließung von Einfluß sein würden, entzieht sich der gesetzlichen Lösung.“ 156 Kritisch hierzu Fleischer, in: Schulze/Schulte-Nölke, S. 243, 252; Zimmer, NJW 2002, 1 ff. 157 BGH NJW 1989, 763, 764; BGH LM Nr. 10 zu § 123 BGB; BGH NJW-RR 1991, 439, 440; BGH NJW 2000, 2497, 2498; BGH NJW 2006, 3139, 3141. 158 BGHZ 47, 207, 211 unter Verweis auf RGZ 120, 249, 251; BGHZ 117, 280, 283; BGH NJW 2001, 64. 159 Vgl. Rehm, Aufklärungspflichten, S. 8 f. mwN; Soergel-Teichmann, § 242 Rn 136, Breidenbach, Informationspflichten, S. 9.

I. Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung

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aa) Rechtsökonomische Überlegungen zur Statuierung von Aufklärungspflichten Zunächst möge ein Blick der ökonomischen Analyse des Rechts gelten. Die grundsätzliche Begrenztheit an Ressourcen, Gütern und Leistungen bedeutet, dass nicht die Wünsche aller befriedigt werden können. Das relativ beste und effizienteste Ergebnis wird bei dieser Ausgangslage dadurch erreicht, dass die knappen Güter und Leistungen durch Transaktionen in die Hände desjenigen gelangen, für den sie den relativ höchsten Wert haben – und der folglich bereit ist, die höchste Summe dafür zu zahlen. Dies wiederum setzt voraus, dass die Marktteilnehmer zutreffende und vollständige Informationen über die wertrelevanten Eigenschaften und Umstände besitzen. Aus dem Streben jeder Gesellschaft (und damit jeder Rechtsordnung), ihre knappen Ressourcen effizient zu verwenden, folgt also ein allgemeines Interesse, jedem Marktakteur so viele und so korrekte Informationen wie möglich bereitzustellen.160 Aus diesem Interesse wiederum folgen zwei Forderungen. Zum einen sind vorhandene Informationen möglichst schnell und umfassend zu verteilen, um eine effiziente Ressourcenverteilung zu gewährleisten. Zum anderen müssen möglichst viele Informationen geschaffen werden.161 Zur Verwirklichung dieser Forderungen stehen sich indes zwei widerstreitende Anreizstrukturen gegenüber. Die Forderung nach einer schnellen und umfassenden Verteilung von Informationen verlangt nach einem Anreiz für die Weitergabe von Informationen bzw. nach der Sanktionierung einer Nichtweitergabe. In dieser Hinsicht ist also eine Aufklärungspflicht über alle vertragswesentlichen Umstände erwünscht. Die Forderung nach Informationsproduktion162 hingegen sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass die Beschaffung von Informationen Kosten verursacht; um also die Informationsproduktion zu stimulieren, müssen Anreize gesetzt werden, die eine kostspielige Suche nach Informationen rentabel werden lassen. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass dem erfolgreichen Informationssammler ein exklusives Verwertungsrecht, ein sog. „property right“ eingeräumt wird.163 Paradigmatisch hierfür ist das Patentrecht. Aber nicht alle Informationen, an deren Beschaffung ein allgemeines Interesse 160 Vgl. Kötz, FS Drobnig, 563, 566 f.; Rehm, Aufklärungspflichten, S. 44; siehe auch Levmore, 68 Va. L. Rev. (1982), 117, 118. 161 Es ist zwar zuzugeben, dass nicht jede „Informationsproduktion“ per se effizient ist. Wenn eine Information etwa nur dazu dient, den Wohlstand umzuverteilen, ohne ein Wirtschaftsgut effizienter zu verwenden, so sind entsprechende Aufwendung zur Informationsproduktion ökonomisch nicht wünschenswert, vgl. Rehm, Aufklärungspflichten, S. 45 mwN. Diese Erkenntnis kann hier allerdings unberücksichtigt bleiben, da es sich um eine – unwesentliche – Einschränkung, aber nicht um einen Widerspruch zur Grundforderung nach Informationsproduktion handelt. 162 Unter Informationsproduktion ist sowohl die zielgerichtete Suche nach bestimmten Informationen, aber auch generell der Erwerb von Wissen zu verstehen. 163 Grundlegend hierzu Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 14 (1978). Siehe hierzu auch Adams, AcP 183 (1983), 453, 468 ff.

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C. Kritik am bestehenden Haftungsregime

besteht, können durch „property rights“ geschützt werden. Dies ist eben bei Informationen über wertrelevante Eigenschaften und bei überlegenem Marktwissen der Fall. Die Rechtsordnung kann indes eine den „property rights“ vergleichbare Wirkung – und somit den gebotenen Anreiz zur Informationsproduktion – dadurch erzielen, dass sie dem Informationsträger gestattet, aus seinem kostspielig erworbenem Wissen Kapital zu schlagen, indem er den Informationsvorsprung für einen vorteilhaften Vertragsschluss ausnutzt. Die Forderung nach einer möglichst starken Informationsproduktion verlangt also danach, möglichst wenig Aufklärungspflichten zu statuieren. Dieser Zielkonflikt, den die Forderungen nach Informationsverbreitung und Informationsproduktion heraufbeschwören, wird als Informationsdilemma bezeichnet.164 Auch wenn folglich das Problem von Aufklärungspflichten nicht allein anhand von ökonomischen Wertungsgesichtspunkten lösbar ist,165 so haben ökonomische Erwägungen doch einige hilfreiche Erkenntnisse zutage gefördert, die bei der Frage, ob eine Aufklärungspflicht statuiert werden sollte oder nicht, fruchtbar gemacht werden können. Zum einen sind die Informationskosten zu beachten. Um diese insgesamt möglichst niedrig zu halten, sollte die Informationsverantwortlichkeit derjenigen Partei zugewiesen werden, welche die jeweilige Information zu den geringsten Kosten beschaffen oder bereitstellen kann (sog. „cheapest-cost-avoider“).166 Dieser Gesichtspunkt spricht also tendenziell für eine Aufklärungspflicht, und zwar desjenigen, der über relevante Informationen bereits verfügt oder diese dank seines Wissens oder seiner Fähigkeiten günstiger beschaffen kann. Zum anderen müssen – wie gesehen – Anreize zur Informationsproduktion gesetzt werden. Diese Einsicht spricht folglich tendenziell gegen eine Aufklärungspflicht, da die Gestattung der Ausnutzung eines Wissensvorsprungs ein einfaches und wirksames Mittel darstellt, um die Suche nach Informationen und den Erwerb von Wissen im Allgemeininteresse zu stimulieren.167 Schließlich ist hinsichtlich der Art der Information zwischen sozial wertvollen168 bzw. „produktiven“ 169 Informationen und sozial wertlosem Vorauswissen 164 Vgl. hierzu Rehm, Aufklärungspflichten, S. 46 ff., weitergehende Hinweise zur grundlegenden wirtschaftswissenschaftlichen Literatur dort S. 47 Fn 201. 165 So auch Rehm, Aufklärungspflichten, S. 96. Ähnlich Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 150 f., der die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse des Rechts für den Umfang der Aufklärungspflichten als wenig konkret ansieht. 166 Siehe hierzu Posner, Economic Analysis of Law, § 4.6, S. 113; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 230 f. 167 Fleischer weist darauf hin, dass dieser makrojuristische Wertungsgesichtspunkt in der juristischen Interessenabwägung häufig übersehen wird, aber bei modernen Kodifikationen wie den PECL (dort in Art. 4:107 Abs. 3) zunehmend Berücksichtigung findet, vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 176. 168 So Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 176. 169 So Kötz, FS Drobnig, S. 563, 569.

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zu unterscheiden.170 Während erstere zur Mehrung des gesellschaftlichen Wohlstands beitragen, zeitigen letztere nur umverteilende Wirkungen. Dementsprechend sollte die Vertragsrechtsordnung die Ausnutzung sozial wertvoller Informationen gestatten (um deren Produktion zu stimulieren), hinsichtlich sozial wertlosem Vorauswissen jedoch eine Aufklärungspflicht statuieren.171 bb) Begründungsmodelle Nach einem Ansatz von Breidenbach sind die Voraussetzungen der Aufklärungspflichten als bewegliches System (im Sinne Wilburgs172) zu verstehen.173 Danach soll das Zusammenspiel einer bestimmten Anzahl von Kriterien in jeweils unterschiedlicher Gewichtung ausschlaggebend für die Antwort auf die Frage sein, ob eine Aufklärungspflicht vorliegt. Nach Breidenbach sind dies drei Einzelelemente: der Informationsbedarf, die Informationsmöglichkeit und der sog. Funktionskreis des Pflichtigen.174 Das Merkmal des Informationsbedarfs besagt, dass eine Aufklärungspflicht umso eher zu bejahen ist, je wichtiger und 170 Grundlegend hierzu Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971) und Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 356–357, die zwischen productive information und redistributive information unterscheiden. 171 Die Unterscheidung zwischen produktiven und redistributiven Informationen ist jedoch nicht immer trennscharf möglich. Als Beispielsfall für die (nicht zu gestattende) Ausnutzung sozial wertlosen Vorauswissens wird sowohl von Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 356 als auch von Kötz, FS Drobnig, S. 563, 570, die bereits erwähnte Leitentscheidung Laidlaw v Organ genannt. Hier war ein Tabakhändler früher als sein Gegenüber über preisrelevante Tatsachen, hier die Beendigung der Hafenblockade von New Orleans, unterrichtet. Natürlich hätte die Öffentlichkeit kurze Zeit später auch Kenntnis von der Information erhalten. Insofern führte die Ausnutzung des Wissensvorsprungs nur zu einer Umverteilung. Allerdings ist eine Information auch dann „produktiv“, wenn sie sich auf künftige Umstände, also z. B. darauf bezieht, dass sich die Verbrauchsgewohnheiten, die Produktionskosten, die Nachfrage und damit die Preise für bestimmte Güter und Leistungen in Zukunft in einer bestimmten Richtung verändern werden (so explizit Kötz, FS Drobnig, 563, 569). Genau diese Veränderung der Marktsituation hat indes der findige Tabakhändler vorausgesehen. Durch die Ausnutzung seines Wissensvorsprungs trug er dazu bei, dass sich der Marktpreis in die richtige Richtung entwickelt. Diese Signalfunktion der Marktpreise ist wiederum gesamtsozietär von Nutzen, so auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 166 mwN. Diese Problematik ähnelt damit derjenigen der Ausnutzung von Insiderwissen. 172 Wilburg zeigte in einer berühmt gewordenen Rektoratsrede an der Karl-FranzensUniversität Graz verschiedene Gesichtspunkte für die Gewährung von Schadensersatz auf und schlug vor, diese in eine überschaubare Ordnung zu bringen; Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht. Rede, gehalten bei der Inauguration als Rector magnificus der Karl-Franzens-Universität Graz am 22. November 1950. 173 In Ansätzen bereits Bydlinski, JBL 1980, 393, 397, für den es „gewiß“ ist, dass eine Problemlösung „zu einem beweglichen System im Sinne Walter Wilburgs führen müßte“; siehe auch bereits Schumacher, Vertragsaufhebung wegen fahrlässiger Irreführung unerfahrener Vertragspartner, S. 98 ff.; dann Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsschluß. 174 Breidenbach, Informationspflichten, S. 62.

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entscheidungserheblicher die betreffende Information ist. Das Element der Informationsmöglichkeit drückt aus, dass derjenige, der über präsentes Wissen verfügt, eher zur Aufklärung verpflichtet sein soll als derjenige, der sich Informationen erst mühsam und unter Kosten beschaffen muss. Der sog. Funktionskreis schließlich beschreibt Konstellationen, in denen sich aus der Behauptung besonderer Sachkunde, aus Werbeaussagen oder aus der vertraglichen Übernahme besonderer Vertrauenspositionen jeweils gesteigerte Aufklärungspflichten ergeben. Diese drei Elemente benennen zwar Gesichtspunkte, die in der Tat die Entscheidung über die Statuierung einer Aufklärungspflicht beeinflussen. Wie die Formel der Rechtsprechung, so sind aber auch sie zu vage und zu abstrakt, als dass sie einem Rechtsanwender im Einzelfall eine Richtschnur geben könnten.175 Insbesondere das erste Element des Informationsbedarfs, welches an der formelhaften Wendung der Rechtsprechung angelehnt ist, wonach allein über Umstände von wesentlicher Bedeutung für den Vertragsschluss aufzuklären sei, hilft im Einzelfall nicht weiter. In einigen Fällen wird der Pflichtige gar nicht wissen, ob eine bestimmte Information von wesentlicher Bedeutung für die Gegenpartei ist. Und in den vielen Fällen, in denen dem Pflichtigen die Wichtigkeit der Information wohl bewusst ist, statuiert das Element nur eine Selbstverständlichkeit – nämlich, dass nur über wesentliche Informationen aufzuklären ist –, ohne aber als Richtschnur zu dienen. Gerade bei Informationen von wesentlicher Bedeutung für die Gegenseite ist der Antagonismus zwischen den Parteien typischerweise besonders ausgeprägt, so dass der Informationsträger die Information nicht offenbaren, sondern die Uninformiertheit seines Gegenübers zum eigenen Vorteil ausnutzen möchte. In solchen Situationen will der Informationsträger also wissen, ob er die Information – typischerweise gegen seinen Willen – ungefragt offenbaren muss. Eine umfassende Untersuchung zu diesem Themenkomplex stammt von Fleischer.176 Er führt die Ausprägung der Aufklärungspflichten zum einen auf die Verfeinerung der Verkehrsmoral zurück. Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit werde heute auch im Individualvertrag stärker betont als der Gedanke des Wettbewerbs, wofür die Entfaltung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses ein Beleg sei.177 Hinzu trete das Aufkommen des Verbraucherschutzgedankens, welches den Gesetzgeber (oftmals in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben) zur Statuierung einer Vielzahl sondergesetzlicher Aufklärungspflichten bewogen habe. Zum anderen führt Fleischer die Funktionsfähigkeit des Geschäftsverkehrs als Begründung für Aufklärungspflichten an und betont, dass dieser Institutions175 Ähnlich Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 275, der betont, dass es den „Einzelelementen an prognostischer Kraft“ fehlt (Hervorhebung im Original). 176 Fleischer, Informationsasymmetrie. 177 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 568, mit Verweis auf die grundlegende Analyse von Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, S. 24–25.

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schutz (stärker als bisher) mit dem Individualschutz verzahnt werden müsse.178 Der moderne Geschäftsverkehr ist in hohem Maß auf eine Spezialisierung der Marktteilnehmer angewiesen, so dass Wissensunterschiede unvermeidlich und gesamtgesellschaftlich auch erwünscht sind; Aufklärungspflichten helfen, diese Unterschiede auszugleichen und Marktversagensprobleme zu vermeiden. Aus makrojuristischer Perspektive ist allerdings auch eine Anreizstruktur für die Informationsproduktion zu fordern; dementsprechend unterstreicht auch Fleischer, dass die Ausnutzung „verdienter“ Wissensvorsprünge zu gestatten sei, um Anreize für eine gesamtgesellschaftlich optimale Informationsproduktion zu setzen.179 Im Rahmen eines übergreifenden Systems empfiehlt er eine Vorstrukturierung der Aufklärungspflichten nach Art des angebahnten Vertrags. So schlägt Fleischer eine dreigeteilte Grundordnung vor, die zwischen Kooperationsverträgen (Paradigma: Gesellschaftsvertrag), Interessenwahrungsverträgen (Paradigma: Geschäftsbesorgung) und Austauschverträgen differenziert.180 Während bei Kooperations- und Interessenwahrungsverträgen gesteigerte Aufklärungspflichten gelten, herrscht bei Austauschverträgen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass es keine allgemeine Pflicht gibt, relevante Informationen mit der Gegenseite zu teilen, und Existenz sowie Ausmaß einer Aufklärungspflicht in jedem Einzelfall begründungsbedürftig sind. Nach dieser Abschichtung nach Art des Vertragstypus sieht die Theorie Fleischers eine dreigliedrige Grundstruktur vor, die sich aus dem (objektiven) Informationsgegenstand sowie den (subjektiven) Voraussetzungen sowohl in der Person des Informationspflichtigen wie des Informationsberechtigten zusammensetzt.181 Im vorliegenden Zusammenhang interessieren in erster Linie Gesichtspunkte zur Bestimmung des Informationsgegenstands, also die genauere Beschreibung der offenbarungspflichtigen Umstände.182 Zunächst sieht auch Fleischer ein qualitatives Erfordernis an die in Frage stehende Information vor: nur Umstände, die wesentlich für die Entscheidung der Gegenseite sind, können Gegenstand einer Aufklärungspflicht sein. Des Weiteren unterscheidet er bei der sachlichen Umschreibung der aufklärungspflichtigen Umstände zwischen Marktwissen und Insiderwissen.183 Während Marktwissen nicht zur 178 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 572, und ders., in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), S. 243, 254 ff. 179 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 573. 180 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 573 ff. 181 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 576 ff. 182 Unter den (subjektiven) Voraussetzungen in der Person des Informationspflichtigen (S. 583 ff.) und des Informationsberechtigten (S. 586 ff.) führt Fleischer im wesentlichen Verschuldenskriterien an. Die Frage des Vertretenmüssens ist aber auf der Ebene des Pflichteninhalts irrelevant. 183 Er nennt auch noch Situationswissen, Expertenwissen und Mangelwissen als Wissenskategorien, Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 579 ff.; eine Erörterung dieser weiteren Differenzierungen würde indes hier zu weit führen.

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Aufklärung verpflichtet, darf Insiderwissen, das eine Person aufgrund ihres Berufs oder ihrer Aufgabe erlangt hat und das nicht öffentlich bekannt ist, nicht zum eigenen Vorteil ausgenützt werden. Für die Abgrenzung zwischen Marktund Insiderwissen soll es entscheidend darauf ankommen, ob der gleiche Informationszugang gewährleistet ist oder nicht. Schließlich leitet Fleischer aus den legitimen Interessen des Informationsträgers noch einige Geheimhaltungsrechte ab.184 So sollen Informationen geschützt werden, die der Informationsträger durch kostspielige Suchanstrengungen erhalten hat. Diese Forderung steht im Zusammenhang mit der fehlenden Aufklärungspflicht bei frei zugänglichem Marktwissen. Des Weiteren darf eine Partei sowohl ihren eigenen Entscheidungswert und ihre Verdienstspanne als auch ihre zukünftigen Geschäftspläne geheim halten. Ein Händler muss ebensowenig mitteilen, welche Kalkulation seinen Preisen zugrunde liegt, wie eine Erschließungsgesellschaft, dass sie auf einem bestimmten Grundstück ein Einkaufszentrum errichten möchte. Andernfalls würde der Gegenseite die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens gegeben. cc) Fazit Sinnvoll ist eine erste Unterscheidung nach Art des Vertrags. In Kooperationsund Interessenwahrungsverträgen kann die Annahme von Aufklärungspflichten in weitem Umfang gestattet werden. Bei Austauschverträgen, die im vorliegenden Zusammenhang im Fokus stehen, trägt hingegen jede Seite ihr Informationsrisiko grundsätzlich selbst. Die Statuierung einer Aufklärungspflicht ist begründungsbedürftig. Bei der Abwägung, ob eine Aufklärung geschuldet ist oder nicht, sind die legitimen Interessen der Parteien ebenso wie das gesamtgesellschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Markt zu berücksichtigen. Für diese Abwägungsentscheidung liegen mittlerweile eine Reihe aussagekräftiger Anhaltspunkte und Testfragen vor. Hinsichtlich einiger Fallkategorien konnte so zwar größere Übereinstimmung hinsichtlich der Statuierung oder Verneinung einer Aufklärungspflicht erzielt werden. Bei den „hard cases“ hat der Erkenntnisfortschritts im Detail jedoch oft nur dazu geführt, dass die Argumente für das Für und Wider einer Aufklärungspflicht nun prononcierter vorgetragen werden können, die Abwägungsentscheidung dadurch aber nicht erleichtert wurde. Somit ist zweifelhaft, ob es je gelingen wird, abstrakt die Reichweite und Grenzen vorvertraglicher Aufklärungspflichten für den Einzelfall zu definieren.185 184 Diese führt Fleischer unter den Voraussetzungen in der Person des Informationspflichtigen an (Informationsasymmetrie, S. 585 f.), was aber nicht zwingend ist. Ebenso wie die Wissenskategorien, die Fleischer ja selbst als objektive Aspekte des Informationsgegenstands aufführt, sind die Geheimhaltungsrechte zwar mit der Person des Informationspflichtigen verknüpft und wahren dessen legitime Interessen; sie weisen aber einen stärkeren Bezug mit dem Informationsgegenstand auf, da bei den Geheimhaltungsrechten entscheidend ist, welche Art von Information infrage steht – und nicht, welche Person die Information besitzt.

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2. Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen vertragsbezogenen und verhandlungsbezogenen Informationspflichten Nach dem Überblick über die „klassischen“ Informationspflichten sowie die ihnen zugrundeliegenden Begründungsansätze ist nun auf die Frage zurückzukommen, ob diese Informationspflichten sinnvollerweise auch als Vehikel zur Statuierung einer Haftung aus c.i.c. beim Scheitern von Verhandlungen dienen können. a) Anderer Bezugspunkt Gemeinsames und kennzeichnendes Merkmal der soeben beschriebenen, „klassischen“ Informationspflichten ist, dass sie sich auf den Verhandlungsgegenstand bzw. den späteren Vertragsinhalt beziehen. Mithilfe der Informationspflichten soll sichergestellt werden, dass sich die Verhandlungspartner nur zutreffende Informationen über den Gegenstand ihrer Verhandlungen zukommen lassen sowie die Gegenseite über solche Umstände aufklären, „die für die Entschließung des anderen Teils erkennbar von Bedeutung sein können“ 186. Der Zeitpunkt, in dem die Information erteilt bzw. berichtigt wird, ist dabei nicht von übermäßiger Bedeutung; entscheidend ist, dass sie überhaupt und vor Vertragsschluss übermittelt wird. Die Verletzung einer Informationspflicht ist nur dann relevant, wenn es nachfolgend zu einem Vertragsschluss kommt. Bei den Pflichten hingegen, die im Zusammenhang mit dem Scheitern von Verhandlungen ins Feld geführt werden, geht es gar nicht oder jedenfalls nur mittelbar um den Inhalt der Verhandlungen bzw. des potentiellen Vertrags. Vielmehr sollen die Parteien vor unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses bewahrt werden. Keine Partei soll durch das Verhalten der Gegenseite verleitet werden, von einem sicheren Vertragsschluss auszugehen, während dieser in Wirklichkeit noch unsicher ist. Eine Verletzung dieser Pflicht ist – im Gegensatz zu den „klassischen“ Informationspflichten – nur dann von Bedeutung, wenn die Verhandlungen scheitern und es nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss kommt. Schon aus diesem Grund ist eine Unterscheidung zwischen den beiden Pflichtentypen angebracht. Terminologisch könnte man den Unterschied zum Ausdruck bringen, indem man von vertragsbezogenen und verhandlungsbezogenen Informationspflichten spricht. 185 Ähnlich Fleischer, der sich zwar noch auf S. 273 über „weniger ehrgeizige“ Schrifttumsauffassungen, die eine einigermaßen vollständige Erfassung der Aufklärungspflichten als fast ausgeschlossen erachten, mokiert, der dann aber bezeichnenderweise auf der letzten Seite seines Werks schreibt, dass es trotz allen Erkenntnisfortschritts „in Gegenwart und Zukunft kaum jemals gelingen [dürfte], Reichweite und Grenzen vertragsschlußbezogener Aufklärungspflichten endgültig zu fixieren“, vgl. S. 1013. 186 BGHZ 47, 207, 211; BGHZ 117, 280, 283.

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b) Andere Schutzrichtung Neben dem Bezugspunkt ist auch die Schutzrichtung der beiden Pflichtentypen verschieden. Ziel der „klassischen“, vertragsbezogenen Informationspflichten ist es, beiden Parteien eine wohlinformierte Entscheidung über einen Vertragsschluss zu ermöglichen und somit einen interessengerechten Vertragsinhalt sicherzustellen. Diese Informationspflichten dienen also dem Schutz der Willensentschließungsfreiheit sowie der Privatautonomie. Die hier in Rede stehenden, verhandlungsbezogenen Informationspflichten sollen die Parteien hingegen davor bewahren, aufgrund einer unzutreffenden Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses transaktionsspezifische Investitionen vorzunehmen, die sie bei einer realistischen Prognose nicht getätigt hätten. Sie dienen mithin dem Schutz des Vertrauens in die redliche Verhandlungsführung des jeweiligen Verhandlungspartners und – angesichts der Tatsache, dass die Vornahme transaktionsspezifischer Investitionen faktisch die eigene Bereitschaft bzw. Notwendigkeit, den Vertrag zu schließen, erhöht – dem Schutz der negativen Vertragsfreiheit. c) Abschlussbereitschaft als ungewöhnliches Objekt von Informationspflichten Eine Partei kann bei der Gegenseite unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses eines wirksamen Vertrags hervorrufen oder aufrechterhalten, indem sie die Gegenseite über objektive Wirksamkeitshindernisse oder aber – und dies ist von deutlich größerer praktischer Relevanz – über die eigene Abschlussbereitschaft täuscht. aa) Schwierigkeit der exakten Beschreibung der Abschlussbereitschaft Die Bereitschaft, einen Vertrag zu schließen, also die innere Abschlussbereitschaft, ist keine objektiv feststellbare Tatsache. Vielmehr ist sie eine schwierig zu quantifizierende und zu beschreibende Kategorie. Abgesehen von den Extremen der gänzlich fehlenden Abschlussbereitschaft und der festen Entschlossenheit ist eine präzise Beschreibung oder graduelle Einstufung der Abschlussbereitschaft nur eingeschränkt möglich. Redliche und rational handelnde Parteien werden Verhandlungen stets mit einer gewissen Abschlussbereitschaft betreiben. Solange aber noch nicht der Entschluss gereift ist, den Vertrag mit Sicherheit abschließen zu wollen, wird sich die Ausprägung der inneren Abschlussbereitschaft nur vage umschreiben lassen. Die Aussage etwa, man sei „zu 75 Prozent sicher“, dass man einen Vertrag schließen wolle, lässt sich schlechterdings nicht sinnvoll treffen. Auch der Nutzen einer solchen Aussage für die Gegenseite ist verschwindend gering. Verkomplizierend kommt hinzu, dass die Abschlussbereitschaft typischerweise dynamisch ist und sich mit Fortgang des Verhandlungsprozesses sowie in

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Korrelation zu diesem laufend ändert. Sinnvollerweise wird man die Abschlussbereitschaft also stets in Bezug zum inzwischen erreichten und jeweils aktuellen Verhandlungsstand setzen müssen. Um von einer Pflichtverletzung im Sinne einer Informationspflicht sprechen zu können, müsste eine gewisse Diskrepanz zwischen geäußerter und wahrer Abschlussbereitschaft bestehen. Es fällt indes schwer, hierfür präzisere Kriterien zu entwickeln. Die Frage, ab wann es vorwerfbar sein soll, den Vertragsschluss als sicher hinzustellen, während die eigene Entschlossenheit zum Vertragsschluss noch nicht oder nicht mehr ganz fest ist, lässt sich kaum allgemeingültig beantworten. Als Entscheidungshilfe kann am ehesten die Testfrage dienen, ob die Partei, die den Vertragsschluss als sicher hingestellt hat, insgeheim ihre Bereitschaft zum Vertragsschluss noch (bzw. mittlerweile) davon abhängig macht, ob einer bestimmten Forderung, über die noch gar nicht oder noch nicht abschließend verhandelt worden ist, in ihrem Sinne im Vertrag Rechnung getragen wird. bb) Unübertragbarkeit der zu den vertragsbezogenen Informationspflichten entwickelten Begründungen und Dogmatik Die für die „klassischen“, vertragsbezogenen Informationspflichten entwickelten Begründungsansätze und Argumentationsmuster passen nicht für verhandlungsbezogene Informationspflichten. So sind etwa die Testfragen, ob es sich bei der in Rede stehenden Information um Insider- oder Marktwissen handelt187 oder welche Seite die relevante Information am kostengünstigen zur Verfügung stellen könnte188, bezüglich der inneren Tatsache der Abschlussbereitschaft nicht weiterführend. Das Wissen um die wahre, subjektive Abschlussbereitschaft ist stets „Insiderwissen“ und kann von der Gegenseite überhaupt nicht beschafft werden. Eine allgemeine Aufklärungspflicht folgt hieraus aber gerade nicht. Generell ist es den Parteien unbenommen, über die eigene Abschlussbereitschaft zu schweigen. Auch die Überlegung, dass die Statuierung von Aufklärungspflichten Negativanreize für die Informationsproduktion setzt, läuft hier ins Leere. Rufen wir uns die Varianten des schuldhaften Erweckens bzw. Aufrechterhaltens unzutreffender Vorstellungen über die Abschlussbereitschaft in Erinnerung. Im ersten Fall stellt eine Partei durch ihr Verhalten den Vertragsschluss als sicherer hin als er aus ihrer Sicht ist. Sie äußert – explizit oder konkludent – eine größere Abschlussbereitschaft als es der Wirklichkeit entspricht, indem sie Bedingungen oder Vorbehalte verschweigt. Dies würde in der Systematik der Informationspflichten eine Verletzung der Wahrheitspflicht darstellen. Im zweiten Fall hat eine Partei zunächst – zutreffend – ihre feste Abschlussbereitschaft er187 So das Kriterium von Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 577 ff.; siehe oben unter C.I.1.c)bb). 188 So die Überlegung innerhalb der ökonomischen Theorie, siehe oben C.I.1.c)aa).

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klärt, diese dann aber wieder teilweise oder ganz verloren. Eine Pflicht, diese nachträglich eintretende Bedingtheit und Einschränkung der Abschlussbereitschaft der Gegenseite mitzuteilen, könnte sich nach „klassischer“ Dogmatik nur aus einer Aufklärungspflicht ergeben. Denn eine aus der Verletzung einer Wahrheitspflicht resultierende Berichtigungspflicht besteht nur in dem Fall, dass eine Partei im Nachhinein erkennt, eine anfänglich falsche Information übermittelt zu haben.189 Wenn hingegen eine im Zeitpunkt der Äußerung zutreffende Information im Nachhinein unrichtig wird, liegt an sich keine Verletzung der Wahrheitspflicht vor; das Schweigen ist nur bei Bestehen einer Aufklärungspflicht pflichtwidrig. Nach der „klassischen“ Dogmatik wäre die Wahrheitspflicht mit dem Inhalt, die eigene Abschlussbereitschaft gegenüber dem Verhandlungspartner durch aktives Tun nicht anders darzustellen als sie tatsächlich ist, ohne weiteres gegeben. Allerdings wäre die Aufklärungspflicht, die Gegenseite über eine nachträglich eintretende Einschränkung und Verminderung der Abschlussbereitschaft zu informieren, begründungsbedürftig.190 Die Rechtsprechung erachtet eine Unterscheidung diesbezüglich indes als nicht notwendig. Der BGH meint, dass „dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Bereitschaft, einen Vertrag zu bestimmten Bedingungen (. . .) abzuschließen, (. . .) nach Treu und Glauben der Fall gleichzustellen (ist), dass ein Verhandlungspartner zwar zunächst eine solche, von ihm geäußerte (Bereitschaft) tatsächlich gehabt hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren.“ 191 Während diese Gleichsetzung von Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht bei den vertragsbezogenen Informationspflichten zu kritisieren war,192 lässt sie sich im vorliegenden Zusammenhang rechtfertigen – und zwar unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der verhandlungsbezogenen Informationspflichten sowie der besonderen Eigenart der Abschlussbereitschaft als innerer Tatsache. Der Schutzzweck liegt – wie schon erwähnt – darin, den Verhandlungspartner davor zu bewahren, aufgrund seiner unzutreffenden Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Abschlusses eines Vertrags transaktionsspezifische Investitionen vorzu189

Siehe oben unter C.I.1.b). Diese besondere Begründungsbedürftigkeit wird meist nicht gesehen oder übergangen; Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 177 sieht zwar die Erheblichkeit der Unterscheidung, sieht es dann aber unverständlicherweise als sinnvoll an, „beide Arten als Ausformungen einer einheitlichen Pflicht zur richtigen Aufklärung aufzufassen“. Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1096 setzen die Existenz der Aufklärungspflicht ohne Begründung voraus. Und auch Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1529 formuliert lapidar, dass diese Aufklärungspflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis in Verbindung mit Treu und Glauben folge. 191 BGH NJW 1996, 1884, 1885. 192 Siehe oben unter C.I.1.b). 190

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nehmen, die er bei einer realistischen Einschätzung nicht getätigt hätte. Es geht hier nicht um die Übermittlung einer externen, von den Parteien unbeeinflussbaren Information, welche Auswirkung auf den potentiellen Vertragsinhalt hätte, sondern vielmehr darum, dass eine Partei nicht durch das Verhandlungsverhalten der anderen zu einer Selbstschädigung veranlasst wird. Das Eigentümliche der Abschlussbereitschaft besteht darin, dass sie vom Willen der jeweiligen Partei abhängig und jederzeit veränderlich ist. Wenn eine Partei von sich aus, (denn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht gerade nicht), Angaben zur eigenen Abschlussbereitschaft gemacht hat und den Vertragsschluss als sicher hingestellt hat, so stellt es keine besondere Belastung dar, von ihr zu verlangen, die Gegenseite auch über eine Abnahme bzw. Einschränkung der eigenen Abschlussbereitschaft auf dem Laufenden zu halten. Im Unterschied zum Fall einer „klassischen“ Aufklärungspflicht kann die mitteilungspflichtige Partei aus der fraglichen Information – dem Rückgang der Abschlussbereitschaft – gar keinen eigenen Vorteil in den Verhandlungen ziehen, so dass sich die nachfolgende Frage, ob ihr dann legitimerweise eine Offenbarung dieser Information aufgebürdet werden kann, gar nicht stellt. Mit anderen Worten: dem Nachteil einer Partei (unzutreffende Einschätzung der Abschlusswahrscheinlichkeit mit daraus folgender Selbstschädigungsgefahr) steht gar kein potentieller Vorteil der anderen Partei gegenüber. Es geht hier schlicht um redliches Verhandlungsverhalten. Insofern ist der oben zitierten Aussage des BGH, dass dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft das Nicht-Offenbaren einer nachträglichen Einschränkung der zuvor als sicher hingestellten Abschlussbereitschaft gleichsteht, durchaus zuzustimmen. Die Tatsache, dass die Abschlussbereitschaft vom eigenen Willen abhängig ist und keine zum eigenen Vorteil nutzbare Information darstellt, rechtfertigt es, die Situation hier anders zu behandeln als die bei den „klassischen“, vertragsbezogenen Informationspflichten bereits beschriebene Konstellation, dass eine zunächst korrekt übermittelte Information im Nachhinein unrichtig wird. d) Fazit Es hat sich gezeigt, dass die Pflicht, bei dem Verhandlungspartner keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses zu erwecken oder aufrechtzuerhalten, sich nicht nahtlos in das System der „klassischen“ vorvertraglichen Informationspflichten einfügen lässt. Diese sind auf den Verhandlungsgegenstand und den potentiellen Vertragsinhalt gerichtet und zielen darauf ab, den Parteien eine wohlinformierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu ermöglichen, während jene den Verhandlungsprozess betrifft und die Parteien vor voreiligen transaktionsspezifischen Investitionen bewahren soll. Insofern ist eine Unterscheidung zwischen den verhandlungsbezogenen Informationspflichten einerseits und den „klassischen“ vertragsbezogenen Informa-

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tionspflichten andererseits zu treffen. Auf die eigene Struktur der verhandlungsbezogenen Informationspflichten wird noch näher einzugehen sein.193

II. Haftung aufgrund des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund Neben dem Haftungstatbestand des schuldhaften Erweckens (bzw. Aufrechterhaltens) von Vertrauen in den sicheren Vertragsschluss wird von der Rechtsprechung194 und großen Teilen des Schrifttums195 eine Haftung aufgrund des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund propagiert. Eine Haftung soll dann möglich sein, wenn eine Seite zunächst den Vertragsabschluss als sicher hingestellt hat, dann aber die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass meist vage bleibt, worin dabei das pflichtverletzende Verhalten liegen soll. Dies ist zwar inkonsequent, aber verständlich. Denn will man den Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund als Pflichtverletzung und haftungsauslösendes Verhalten ansehen, so stößt man auf unüberwindbare technische und dogmatische Hindernisse. Dies wird im folgenden näher zu zeigen sein. 1. Technische Schwierigkeiten Zunächst seien grundsätzliche dogmatische Bedenken hintangestellt und auf die technischen Schwierigkeiten eingegangen, die entstehen, wenn man eine Haftung auf den Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund stützen möchte. a) Belastbare Definition eines triftigen Grunds kaum möglich Ein Abbruch soll nur dann zu einer Haftung führen, wenn er ohne triftigen Grund erfolgt. Es erhebt sich also die Frage, was ein triftiger Grund sein soll. In 193

Siehe unten unter D.I.1. Vgl. etwa BGH ZIP 1989, 514, 516; BGH NJW 1996, 1884, 1885; BGH NJWRR 2001, 381, 382. 195 Vgl. etwa Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 202 ff., 224 ff.; Larenz, FS Ballerstedt, 397, 416 f.; Lutter, Letter of Intent, S. 73 ff.; Hans Stoll, FS v. Caemmerer 1978, 435, 449 ff., ders., FS Flume, 741, 754 ff.; Gottwald, JuS 1982, 877, 879; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544; ders., FS Larenz, S. 27, 91; Singer, Verbot, S. 279 ff.; Soergel/Wiedemann, vor § 275 Rz 136. Die jeweiligen propagierten Haftungskonzepte divergieren freilich stark. So vertreten etwa Larenz, Canaris und Singer eine verschuldensunabhängige Vertrauenshaftung, siehe hierzu auch unten unter D.II. 6.a) und b). Die nachfolgenden Kritikpunkte an dem Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund treffen damit auf die Haftungskonzepte der letztgenannten nur eingeschränkt zu. Eine Haftung aus dem Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund gänzlich ablehnend Flume, AT, 2. Band, § 33 8, S. 617; Gunst, JZ 1991, 202, 204 f.; Medicus, Gutachten, S. 479, 497 ff.; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1097 ff.; Schmitz, Dritthaftung, S. 162 ff.; Tiedtke, JZ 1990, 75. Skeptisch auch v. Bar, JuS 1982, 637, 639. 194

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der Rechtsprechung sucht man eine fundierte Auseinandersetzung mit der Thematik oder eine belastbare Definition eines triftigen Grundes allerdings vergeblich. Dieses Manko steht in deutlichem Gegensatz zur Häufigkeit der Verwendung dieses Begriffs. Allein die Wortbedeutung wird kaum weiterhelfen bei der Suche danach, was ein triftiger Grund sein könnte. Denn jede rational denkende und handelnde Partei wird für den Abbruch von Verhandlungen einen aus ihrer Sicht triftigen Grund haben. Die Alternative, ein willkürlicher Abbruch, scheidet bei rational handelnden Parteien aus.196 Insofern müsste der Bedeutungsgehalt des Begriffes des triftigen Grundes unter Rückgriff auf ein Vorverständnis ermittelt werden. Zudem ist er in Relation zum jeweiligen Verlauf der Verhandlungen zu sehen, er ist abhängig von dem jeweils erreichten Verhandlungsstand. Dies sieht Küpper, der zumindest einen Versuch der Begriffsbestimmung unternimmt, ähnlich. Nach seiner Ansicht hängt der Inhalt des Begriffs des triftigen Grundes wesentlich von der geschaffenen Vertrauenslage ab, der gegenüber sich der Abbruch als treuwidriger Selbstwiderspruch im Sinne des die Haftung begründenden Verbots eines venire contra factum proprium darstelle.197 Es sei zunächst an die im Rahmen der Verhandlungen ausdrücklich oder schlüssig abgegebenen Erklärungen anzuknüpfen. Hat der Vertrauenspflichtige bestimmte Vertragskonditionen zugesagt, so sei er daran gebunden und dürfe diese Punkte nicht im Nachhinein erneut einseitig zur Disposition stellen. Fehle es hingegen an einer konkretisierten Zusicherung, so sei nach dem Maßstab des § 242 BGB entscheidend, ob der Berechtigte vernünftigerweise erwarten darf, dass der Partner an den Vertrauenstatbestand gebunden bleibt. Außerdem sei das objektive Gewicht des Grundes von wesentlicher Bedeutung. Der Grund müsse im Verhältnis zur Vertrauensbindung so erheblich sein, dass er den Abbruch der Verhandlungen als berechtigt, und nicht als unverhältnismäßig erscheinen lässt. Diese Überlegungen führen Küpper zu folgender Begriffsbestimmung: Triftig sei jedenfalls ein Grund, der nach Vertragsschluss eingetreten, zur sanktionslosen Entbindung vom Vertrag berechtigen würde, oder ein solcher, der nicht bereits ausgehandelte Vertragsgegenstände oder als unerheblich hingestellte Umstände betrifft und außerdem weder bei der Schaffung des Vertrauenstatbestandes voraussehbar noch später vermeidbar, zugleich aber objektiv von einem solchen Gewicht ist, dass er den Abbruch der Verhandlungen als nicht treuwidrig erscheinen lässt.198 Dieser Versuch einer Begriffsbestimmung kann nicht überzeugen und verstärkt den Eindruck, dass die Antwort auf die Frage, ob ein triftiger Grund vorliegt,

196 Auch Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 240 konzediert, dass die semantische Untersuchung des Wortsinns wenig fruchtbar ist. 197 Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 241. 198 Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 243.

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letztlich eine reine Billigkeitsentscheidung ist. Insbesondere die negative Definition dessen, was keinen triftigen Grund darstellt, führt nicht weiter. Küpper behauptet, dass bereits ausgehandelte Vertragskonditionen nicht mehr in Frage gestellt werden dürften. Dieses Postulat ist indes begründungsbedürftig, da bei Abwesenheit einer vertraglichen Einigung gerade keine Bindung an Verhandlungspositionen vorliegt. Als Begründung wäre das Verbot des venire contra factum proprium denkbar, auf das sich auch Küpper wesentlich stützt. Das Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens muss indes seinerseits begründet werden.199 Hierauf wird sogleich gesondert eingegangen.200 Selbst wenn man aber eine solche Selbstbindung bejaht, wäre doch die Frage, unter welchen Bedingungen man sich – ohne sich einer Pflichtverletzung schuldig zu machen – davon wieder lösen könnte. Dann kommt es erneut auf den triftigen Grund an.201 Hier beißt sich die Katze also in den Schwanz. Nach Küppers Definition scheint es hingegen so, als ob eine Loslösung von bereits ausgehandelten Vertragsgegenständen unter keinen Umständen möglich sei.202 Dies käme indes einer Garantiehaftung gleich, eine Pflichtverletzung und ein Verschuldensvorwurf wären dann nicht nur entbehrlich, sondern auch gar nicht mehr möglich. Eine ähnlich enge Begriffsdefinition nimmt Hans Stoll vor, nach dessen Dafürhalten ein triftiger Grund für die Ablehnung des Vertragsschlusses durch die kraft Vertrauenswerbung gebundene Partei nur dann anzuerkennen sei, wenn sich die Partei auf Umstände berufen kann, die auch im Falle eines Kontrahierungszwangs die Partei entlasten würden, oder wenn sich die gebundene Partei, wäre der beabsichtigte Vertrag bereits geschlossen, ohne Haftungsfolge von dem Vertrag lösen könnte.203 Woher allerdings eine so starke Bindung kommen soll, die einem Kontrahierungszwang bzw. einem bereits geschlossenen Vertrag gleichzustellen ist, bleibt unklar.204 Wendet man den Blick von den negativen Einschränkungen zu den positiven Merkmalen eines triftigen Grundes, so fällt auf, dass hier kaum noch griffige Kriterien auffindbar sind. Vielmehr werden vage allgemeine Billigkeitsformeln 199

Siehe hierzu Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 280 f. Siehe unten unter C.II.3. 201 So auch Lutter, Letter of Intent, S. 75 f. 202 Soweit Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 241 hinsichtlich seiner Aussage, dass eine Partei, die bestimmte Vertragskonditionen zugesagt hat, daran gebunden ist und sie nicht mehr einseitig zur Disposition stellen kann, Lutter zitiert, ist dies irreführend. Zwar vertritt Lutter eine solche Bindung im Grundsatz, aber eben mit der Einschränkung, dass im Nachhinein kein triftiger Grund eintritt, der einen sanktionslosen Abbruch rechtfertigen würde. 203 Hans Stoll, FS v. Caemmerer, S. 435, 450. 204 Stoll spricht von „Vertrauensbindung“, an anderer Stelle aber auch davon, dass ein Entlastungsgrund nur triftig sein könne, der eine obligatorische Bindung aufzuheben vermöge, FS v. Caemmerer, 435, 450. 200

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ins Feld geführt sowie die Bedeutung des Vertrauensschutzes betont. Fehle es etwa an konkretisierten Zusicherungen, so sei nach dem Maßstab des § 242 BGB entscheidend, ob der Berechtigte vernünftigerweise erwarten darf, dass der Partner an den Vertrauenstatbestand gebunden bleibt.205 Außerdem müsse das objektive Gewicht des Grundes im Verhältnis zur Vertrauensbindung so erheblich sein, dass es den Abbruch der Verhandlungen als berechtigt und nicht als unverhältnismäßig erscheinen lässt.206 Es fällt schwer, in solchen Formulierungen mehr als eine petitio principii zu sehen; die Ableitung von konkreten Merkmalen wird jedenfalls kaum gelingen. Wenn aber dem Begriff des triftigen Grundes die Kontur fehlt, so ist kaum voraussehbar, unter welchen Bedingungen ein Abbruch von Verhandlungen pflichtwidrig sein soll.207 Die Voraussehbarkeit eines Pflichtverstoßes ist indes zentral bei einer verschuldensabhängigen Haftung. Nur demjenigen kann ein Vorwurf gemacht werden, der die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens hätte erkennen und vermeiden können. b) Verhandlungsabbruch kein geeigneter Anknüpfungspunkt für Pflichtverletzung Es ist aber nicht nur schwierig bis aussichtslos, eine Definition eines triftigen Grundes zu entwickeln. Auch das Verhalten, an das der Vorwurf einer Pflichtverletzung geknüpft werden soll, ist hierfür denkbar ungeeignet. Jede (rationale) Partei schließt einen Vertrag nur dann ab, wenn sie daraus einen subjektiven Vorteil zieht. Der Nutzen einer vertraglichen Bindung muss also den damit verbundenen Aufwand übersteigen. Dies wird regelmäßig für eine Bandbreite von Vertragskonditionen zutreffen; hierin liegt der Verhandlungsspielraum der Verhandlungspartner. Parteien betreiben Verhandlungen, solange sie davon ausgehen, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine vertragliche Einigung zu Konditionen zustande kommt, die innerhalb dieser Bandbreite liegen. Wenn hingegen (mindestens) eine der Parteien keine Einigungswahrscheinlichkeit innerhalb ihres Verhandlungsspielraums mehr sieht, wird sie die Verhandlungen abbrechen. Der Abbruch kann somit zum einen aus Gründen erfolgen, die nichts mit dem Verhandlungspartner zu tun haben; hinsichtlich dieser Gründe kann man die Frage stellen, ob der Grund triftig war. Der Abbruch kann sich aber zum anderen auch als Reaktion auf das Verhandlungsverhalten der Gegenseite darstellen. Aus diesen Überlegungen folgt, dass der Abbruch als solcher bei der Frage nach der Ersatzfähigkeit von Aufwendungen, die durch das Scheitern von Ver205

Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 242. Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 242. 207 Bereits Nirk, FS Möhring II (1975), 71, 83 kritisiert, dass das Merkmal des triftigen Grunds bereits erhebliche Unsicherheiten in der Praxis gebracht habe. 206

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handlungen frustriert worden sind, wenig aussagekräftig ist. Es ist nämlich gut möglich, dass die den Anspruch stellende Partei selbst die Verhandlungen in Reaktion auf das Verhandlungsverhalten der Gegenseite abgebrochen hat. Ein Schaden in Gestalt frustrierter Aufwendungen kann sich eben nicht nur in der Konstellation ergeben, dass die Gegenseite die Verhandlungen plötzlich (und möglicherweise ohne triftigen Grund) abbricht, nachdem sie zuvor den Vertragsschluss als sicher hingestellt hatte. Er kann auch in der Situation entstehen, dass die Gegenseite unerwartet (und möglicherweise ohne triftigen Grund) neue oder von den bisher Verhandlungsergebnissen abweichende Forderungen aufstellt, so dass die mit diesen Forderungen konfrontierte Seite selbst die Verhandlungen abbricht. Ein gutes Beispiel für die letztere Konstellation ist die schon erwähnte BGHEntscheidung vom 29.3.1996,208 in der die Parteien über den Verkauf von Räumen verhandelten, die der spätere Kläger schon seit Jahren zum Betrieb einer Druckerei gemietet hatte. In den Verhandlungen hatte der Verkäufer den Abschluss des Kaufvertrags zum Preis von 750.000 DM für die Räume als sicher hingestellt. Daraufhin hatte der Mieter und Kaufinteressent mit Einverständnis des Verkäufers bereits umfangreiche Baumaßnahmen in den Räumen vorgenommen. Einzig die notarielle Beurkundung des Vertrags stand noch aus. Zur Überraschung des Kaufinteressenten war der Verkäufer, nachdem die Zusicherung bereits ein halbes Jahr zurücklag, plötzlich nur noch zu einem Preis von 1 Mio. DM zum Verkauf bereit. An dieser Preisvorstellung scheiterten die Verhandlungen in der Folge. Auch wenn der mitgeteilte Tatbestand zu diesem Punkt – bezeichnenderweise – nicht eindeutig ist, muss man annehmen, dass der spätere Kläger selbst die Verhandlungen über den Kauf der Räume abbrach. Die eigentlich relevante Frage ist daher, ob sich eine Partei von einmal getätigten, vertraglich nicht bindenden Zusagen während des Verhandlungsstadiums ohne triftigen Grund zurückziehen darf. Ob dieses Abweichen von Zusagen dazu führt, dass die abweichende Partei die Verhandlungen abbricht, oder dazu, dass sie stark veränderte Bedingungen in den Verhandlungen stellt, so dass die damit konfrontierte Partei die Verhandlungen abbricht, ist letztlich egal. Welche Seite die Verhandlungen abbricht, ist demnach irrelevant. Der Verhandlungsabbruch stellt keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine vorwerfbare Pflichtverletzung dar. c) „Wahrer“ Abbruchsgrund schwierig zu bestimmen Weitere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass der „wahre“ Grund für den Abbruch der Verhandlungen oft gar nicht feststellbar sein wird bzw. jedenfalls

208

BGH NJW 1996, 1884; siehe auch oben B.II.2.a)cc)(2).

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leicht zu verschleiern ist. Der Grund für den Verhandlungsabbruch muss nicht offengelegt werden – wie etwa bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder beim Verlangen nach Vertragsanpassung infolge des behaupteten Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Vielmehr ist der Abbruch ein Verhalten, das grundsätzlich eben nicht pflichtwidrig ist und dessen Beweggründe dementsprechend auch nicht begründet werden müssen. Selbst wenn die abbrechende Partei aber von sich aus einen Grund angibt bzw. man sie mittels der drohenden Haftung beim grundlosen Abbruch dazu bewegt, dies zu tun, kann man sich nicht sicher sein, ob dies der „wahre“ Grund für den Verhandlungsabbruch war. Der abbrechenden Partei steht eine große Bandbreite an Gründen zur Verfügung, die sie im Nachhinein als Motivation für den Abbruch angeben kann. Dabei lassen sich Gründe auch vorschieben oder kreieren, indem bestimmten Punkten im Verhandlungsprogramm von der abbrechenden Partei eine große Relevanz zugemessen wird. d) Abbruchsentscheidung kaum justitiabel aufgrund ihres prospektiven Charakters Schließlich ist die Entscheidung, Verhandlungen abzubrechen und einen bestimmten Vertrag nicht zu schließen, von dritter Seite durch ein Gericht sinnvollerweise kaum zu beurteilen und damit nicht justitiabel. aa) Prospektive, unternehmerische Entscheidung Die Gründe für einen Verhandlungsabbruch haben in den meisten Fällen einen überwiegend prospektiven Charakter. Eine der beiden Parteien wird zu der Überzeugung gelangen, dass die Erwartungen, die sie mit dem Vertrag verbindet, im Lichte neuer Entwicklungen oder Erkenntnisse nicht mehr realisierbar erscheinen. Die Entscheidung, die Verhandlungen abzubrechen, beruht damit auf einer Prognose, zumal die exakten Vertragsbedingungen noch gar nicht feststehen bzw. noch nicht konsentiert sind. Diese prognostischen Einschätzungen sind naturgemäß mit Unsicherheit behaftet. Den Parteien, die sich eben noch nicht vertraglich gebunden haben, muss hierbei ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden werden. Wenn Dritte – namentlich Gerichte – beurteilen sollen, ob eine Partei die Verhandlungen aufgrund eines triftigen Grunds abgebrochen hat, so können sie allenfalls untersuchen, ob der angegebene Grund der Partei im Zeitpunkt des Abbruchs auch wirklich bekannt war, und ob die Erkenntnis, dass deshalb ein ihren Erwartungen entsprechender Vertragsschluss nicht mehr möglich war, in direktem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abbruch reifen konnte. Darüberhinaus bleibt Dritten, die eine Entscheidung ebenfalls aus einer ex-anteSicht würdigen sollen, aber nur die Möglichkeit einer äußerst rudimentären Plausibilitätsprüfung. Die eigentliche prognostische Entscheidung, einen Vertrag nicht zu schließen, ist nicht justitiabel.

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bb) Business Judgement Rule Diese Überlegungen erinnern an die sog. Business Judgement Rule. Diese von der US-amerikanischen Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht entwickelte Formel räumt unternehmerischen Entscheidungen in einer Marktwirtschaft einen recht weiten, richterlich nicht zu kontrollierenden Ermessensspielraum ein. Sie hat mittlerweile auch im deutschen Recht Anerkennung gefunden, und ist jetzt etwa in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifiziert.209 Grob gesagt sind danach solche Entscheidungen von Gesellschaftsorganen der gerichtlichen Überprüfung entzogen, die in gutem Glauben auf der Grundlage ausreichender Informationen zum Wohle der Gesellschaft getroffen wurden. Allerdings muss betont werden, dass die Situation, in der die Business Judgement Rule zur Anwendung kommt, sowie die ihr zugrundeliegende ratio eine gänzlich verschiedene und auf die hier in Rede stehende Konstellation nicht übertragbar ist. Die Business Judgement Rule basiert auf der Überlegung, dass Geschäftsführer bzw. Vorstände von den Anteilseignern einer Gesellschaft eingesetzt werden und quasi als deren Stellvertreter die Gesellschaft führen sollen. Anteilseigentum und Unternehmensleitung fallen also auseinander, so dass die Interessen beider Gruppen nicht völlig kongruent sind. Dies ist in der Ökonomik als sog. Principal-Agent-Problem bekannt.210 Die Anteilseigner haben ein legitimes Interesse daran, die Geschäftsführer bzw. Vorstände für die Verschwendung von Gesellschaftsmitteln haftbar machen zu können. Die Haftung hat die verhaltenssteuernde Funktion, den Vorstand zur Einhaltung der ihm gesetzlich aufgetragenen Sorgfaltspflichten anzuhalten.211 Allerdings würden allzu strenge Sorgfaltspflichten dazu führen, dass Geschäftsleiter in Furcht vor Haftungsfolgen zu risikoavers agieren, was weder im Interesse der Volkswirtschaft noch im Interesse des einzelnen Unternehmens und deren Anteilseignern wäre. Das Damoklesschwert der persönlichen Haftung soll nicht die Entscheidungskraft und Risikobereitschaft der Geschäftsleitung lähmen. Deshalb, und das ist die Aussage der Business Judgement Rule, sollten strategische Entscheidungen des Vorstände, die diese aufgrund ausreichender Informationslage nach bestem Wissen im Sinne des Unternehmenswohls getroffen haben, nicht im Nachhinein in Frage gestellt und gerichtlich überprüft werden können. Geschäftsführern bzw. Vorständen soll insofern ein weiter Handlungs- und Einschätzungsspielraum zustehen. Diese Argumentation ist aber bei der Konstellation, dass ein außenstehender Dritter von der Entscheidung betroffen ist, nicht fruchtbar zu machen. Es geht hier nicht um die interne Organisation einer Gesellschaft und die Organhaftung 209 Vgl. hierzu MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn 36 ff. Siehe auch Fleischer, ZIP 2004, 685. 210 Grundlegend hierzu Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property (1932). 211 Fleischer, FS Wiedemann, 827, 829.

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von Geschäftsführern bzw. Vorständen, sondern um die Frage, ob die unternehmerische Entscheidung einer Partei, einen Vertrag nicht zu schließen und die Verhandlungen abzubrechen, eine Pflichtverletzung gegenüber dem Verhandlungspartner darstellt. Allerdings lassen sich einige, generelle Überlegungen zur mangelnden Justitiablität unternehmerischer Entscheidungen, die im Rahmen der Business Judgement Rule angestellt werden, auch auf den vorliegenden Zusammenhang übertragen. Unternehmerische Entscheidungen sind zumeist dadurch gekennzeichnet, dass die Entscheidungsträger unter Zeitdruck zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Ertragspotentialen und Risiken wählen müssen, wobei sich gar nicht alle Entscheidungsfaktoren präzise erfassen lassen.212 Außerdem verfügen Richter in der Regel weder über das erforderliche theoretische und praktische Wissen hinsichtlich der Unternehmensführung; auch durch Sachverständige kann das sich in der ex-ante-Perspektive darbietende Entscheidungsspektrum aufgrund der Vielzahl der Variablen und Unschärfen nur schwierig rekonstruiert und bewertet werden.213 Aus einer ex-ante-Perspektive lässt sich kaum beurteilen, welche Entscheidung die richtige im Sinne der Gewinnmaximierung ist. Dementsprechend könnten Anteilseigner die Entscheidung ihres Vorstands, Verhandlungen abzubrechen und einen bestimmten Vertrag nicht zu schließen, aufgrund der in diesem Fall zur Anwendung kommenden Business Judgement Rule nur äußerst eingeschränkt angreifen und gerichtlich nur daraufhin überprüfen lassen, ob sie auf ausreichender Informationsgrundlage und zum Wohle der Gesellschaft getroffen wurde.214 Auch wenn die Situation und die Perspektive des vom Verhandlungsabbruchs betroffenen Verhandlungspartners verschieden sind, und die Business Judgement Rule in diesem Verhältnis nicht zur Anwendung gebracht werden kann, so werden doch die Zweifel bestätigt und bestärkt, dass geeignete Kriterien dafür gefunden werden könnten, wie sich die Triftigkeit einer Abbruchsentscheidung beurteilen ließe. Festzuhalten bleibt, dass die Business Judgement Rule zwar keinesfalls im Wege der Analogie auf die hier in Rede stehende Situation übertragbar ist, da sie für die andersartige Situation der Organhaftung entwickelt worden ist und auf 212 Vgl. auch mit näheren Hinweisen zur betriebswirtschaftlichen Literatur Fleischer, FS Wiedemann, 827, 830 f. 213 Vgl. Fleischer, FS Wiedemann, 827, 831 f. mwN, auch zur Problematik der sog. hindsight bias. Vgl. auch Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 228 f. 214 Unternehmerische Entscheidungen können auch im Unterlassen einer Geschäftschance liegen (etwa weil sie als zu riskant eingestuft wird), vgl. MüKo-Spindler, AktG, § 93 Rn 43.

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einer nur dort geltenden ratio beruht. Aber allgemeine Überlegungen zur Business Judgement Rule bestätigen die Auffassung, dass prognostische, unternehmerische Entscheidungen nicht justitiabel sind. cc) Beispiel für Zweifelhaftigkeit der Beurteilung einer unternehmerischen Entscheidung Ein gutes Beispiel für die Argumentationsnot, in die man gerät, wenn man beurteilen möchte, ob ein Verhandlungsabbruch mit triftigem Grund erfolgte, ist die sog. Patrico-Entscheidung des X. Senats aus dem Jahr 1975.215 Sie ist eine der ganz wenigen Entscheidungen des BGH, in denen die Möglichkeit einer Haftung beim Abbruch von Verhandlungen nicht nur im Grundsatz bejaht wurde, sondern die Triftigkeit eines Abbruchs auch tatsächlich einmal verneint und dementsprechend ein Ersatzanspruch angenommen wurde. Gegenstand der Entscheidung waren Ansprüche, die die Klägerin darauf stützte, dass es entgegen einer früheren Zusicherung der Beklagten nicht zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen war. Die Parteien hatten über einen Zeitraum von fast zwei Jahren Verhandlungen über die Erteilung einer Lizenz an eine noch zu gründende Gesellschaft zur Herstellung von Lebensmitteln im Iran geführt. Die Beklagte hatte zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Klägerin einen als „endgültigen Vertragstext“ bezeichneten Vertragsvorschlag übersandt und zugesichert, diesen zu unterzeichnen, sobald die Gesellschaft gegründet ist. In der Folge korrespondierten die Parteien über Fragen der aufzunehmenden Fabrikation, insbesondere über den Maschinenbedarf und über Baupläne für das zu errichtende Fabrikgebäude. Rund eineinhalb Jahre nach Beginn der Verhandlungen teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zwischenzeitlich auch Verhandlungen mit einer anderen iranischen Gruppe aufgenommen habe. Nach einem weiteren halben Jahr brach die Beklagte die Verhandlungen dann ab. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz sprach der X. Senat der Klägerin Ersatz ihres Vertrauensschadens zu. Die Entscheidung offenbart in anschaulicher Weise, welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn man beurteilen will, ob der Grund für einen Verhandlungsabbruch triftig war. Die Beklagte führte im Wesentlichen zwei Gründe für ihre Abstandnahme von einem Vertragsschluss an. In Kombination stehen diese Gründe zwar im Widerspruch zueinander, aber einzeln für sich betrachtet sind sie durchaus als triftig zu bezeichnen. Zum einen brachte die Beklagte vor, dass der Lizenzvertrag Fabrikationsgeheimnisse, Rezepte und technisches know-how zum Gegenstand gehabt und ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordert habe. Die Beklagte habe deshalb die 215 BGH NJW 1975, 1774 = WM 1975, 923 = GRUR 1975, 616; siehe hierzu auch oben unter B.II.2.a)ee).

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Lizenz nur an eine Firma vergeben wollen, die der ihr persönlich bekannte Kaufmann K. maßgeblich beeinflusste. K. sei jedoch an der Klägerin nur mit 16 % beteiligt216 und habe somit nicht den von der Beklagten vorausgesetzten Einfluss gehabt. Der Senat räumt zwar ein, dass dem Geheimhaltungsinteresse bei Lizenzverträgen eine besondere Bedeutung zukommt. Es sei aber zu berücksichtigen, dass es sich nicht vermeiden lasse, dass neben einer Vertrauensperson auch andere Personen von Fabrikationsgeheimnissen Kenntnis erhalten, seien diese nun Anteilseigner oder Angestellte. Der Beklagten war aber – wie sich aus einer Notiz ergab – bekannt, dass an der zu gründenden Firma neben K. noch „zwei weitere Perser“ beteiligt sein sollten. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Fragen nach der Person oder nach dem Umfang der Beteiligung der in Aussicht genommenen Teilhaber gestellt hätte. Dies spreche für die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte sich darauf verließ, K. werde nur mit solchen Personen in Verbindung treten, die er selbst für vertrauenswürdig hielt und die demzufolge auch das Vertrauen der Beklagten verdienten. Sodann postuliert der Senat, dass die Vergrößerung der Zahl der Teilnehmer allein das Geheimhaltungsinteresse nicht in einem Maße berührte, dass die Beklagte sich deswegen hätte zurückziehen können, zumal sie auch nach der Mitteilung über die Gründung der klagenden Gesellschaft kein Interesse an der Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses gezeigt habe. Die Überlegungen des Senats, die zum Teil auf Mutmaßungen basieren, legen nahe, dass der Senat den Behauptungen der Beklagten keinen Glauben schenkte. Statt den vorgebrachten Grund fundamental zu entkräften, hält der Senat der Beklagten vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt – oder jedenfalls nicht früh genug – kritische Nachfragen gestellt oder Anmerkungen gemacht habe. Dies kommt indes einer Verschiebung der Darlegungslast nahe. Muss fehlendes Vertrauen gegenüber im einzelnen unbekannten, potentiellen Geschäftspartnern stichhaltig begründet werden? Weniger der Grund als solcher steht im Zentrum der Diskussion, sondern vielmehr die Frage, ob der Grund im Nachhinein vorgeschoben wird. Weitaus kritikwürdiger ist indes die Auseinandersetzung des Senats mit dem zweiten vorgebrachten Grund. Die Beklagte trug vor, dass sich bei einem Treffen mit K. kurz vor Abbruch der Verhandlungen ergeben habe, dass K. immer noch keine bestimmten Vorstellungen über die wichtigsten Marktdaten, über Absatzwege und Distributionskanäle gehabt habe. Die Klägerin habe sich damit als ungeeignete Vertragspartnerin erwiesen. Man kann sich kaum einen triftigeren Grund vorstellen als Zweifel an der fachlichen Kompetenz des potentiellen Lizenznehmers. Der Senat tut diesen Einwand indes mit dem lapidaren Hinweis ab, die Folgerung, dass die Klägerin eine ungeeignete Vertragspartnerin sei, wäre nur 216 Die genaue Höhe der Beteiligung am Grundkapital war umstritten. Die Beklagte behauptete, dass K. lediglich mit 16 % am Grundkapital der Klägerin beteiligt war; K. selbst hingegen erklärte, dass seine Beteiligung 33,33% betrage. Das Berufungsgericht unterstellte indes zugunsten der Beklagten eine Beteiligung von K. in Höhe von 16 %.

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dann schlüssig, wenn die kaufmännische Leitung der Klägerin dem K. allein übertragen gewesen wäre(!). Die Interessen der Beklagten wären im Übrigen auch durch die Festlegung von Mindestlizenzgebühren und von Mindestumsätzen in dem Lizenzvertragsentwurf gewahrt. Diese Aussagen des Senats können nicht überzeugen und müssen vielmehr Verwunderung hervorrufen. Die Argumentation des Senats bedeutet nichts anderes, als dass die Ungeeignetheit des K. in der kaufmännischen Leitung nicht ins Gewicht falle, solange dort auch noch andere (der Beklagten bislang völlig unbekannte!) Kaufleute aktiv wären. Und wie der Hinweis auf Mindestlizenzgebühren und Mindestumsätze zu verstehen und mit einem marktwirtschaftlichen und gewinnorientierten Verständnis zu vereinbaren sein soll, wird wohl ein Geheimnis des Senats bleiben. Warum, so scheint der Senat zu fragen, soll die Beklagte nach profitableren Geschäften streben, wenn ihre Interessen doch durch Mindesteinnahmen gewahrt sind? Es erscheint zudem schwer nachvollziehbar, wieso diese Mindesteinnahmen überhaupt als gesichert anzunehmen sein sollten; ein wirtschaftliches Scheitern des Projekts ist unter der Annahme der Inkompetenz des K. nicht unwahrscheinlich. Der Versuch des Senats, den Einwand der Beklagten zu widerlegen, kann nicht überzeugen und zeigt, dass wirtschaftliche Prognoseentscheidungen kaum zu beurteilen und zu falsifizieren sind. Solange nicht feststeht, dass die von den Akteuren geäußerten Einschätzungen nicht den internen Überlegungen entsprechen oder offensichtlich unzutreffend sind, ist den jeweiligen Akteuren insoweit eine Einschätzungsprärogative zuzugestehen. 2. Dogmatische Widersprüche Weitaus schwerwiegender als die technischen Schwierigkeiten, welche die Frage, ob ein Abbruchsgrund als triftig anzusehen ist, mit sich bringt, sind die sich aus einem solchen Haftungskonzept ergebenden dogmatischen Widersprüche. Der unüberwindbare Haupteinwand ist dabei, dass es nicht mit der negativen Vertragsfreiheit zu vereinbaren ist, den Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund als pflichtwidriges Verhalten anzusehen. a) Pflichtgemäßes Alternativverhalten nicht begründbar Es ist unklar, wie sich Akteure, denen ein Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund nach vorausgegangener Zusicherung des Vertragsschlusses als Pflichtverletzung vorgeworfen wird, denn pflichtgemäß zu verhalten hätten. Wenn man Verhandlungen nur mit triftigem Grund abbrechen darf, soll dann bei Nichtvorliegen eines triftigen Grundes eine Pflicht zum Weiterverhandeln bestehen? Eine solche Verhandlungspflicht wäre indessen nur dann sinnvoll, wenn sie von einer Abschlussbereitschaft begleitet wäre. Anderenfalls wäre das Weiterverhandeln reine Zeitverschwendung und die Nichtaufklärung über die fehlende Abschlussbereitschaft würde ihrerseits eine Pflichtverletzung darstellen. Dann aber ist es

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nicht mehr fernliegend und zumindest in den Fällen, in denen ein Großteil der vertraglichen Einzelheiten bereits ausverhandelt war, nur konsequent, auch gleich eine Pflicht zum Vertragsschluss zu statuieren. Eine Verhandlungspflicht begegnet zwei grundlegenden Bedenken. Zum einen ist sie unbestimmt und damit unkontrollierbar. Es lassen sich zwar negative Kriterien, also verbotene Verhaltensweisen, finden, die in Verhandlungen untersagt sind. Auf diese kann dann eine verschuldensabhängige Haftung gestützt werden. Aber eine Verhandlungspflicht positiv, also als Gebot, auszuformulieren, ist kaum möglich. Wie sollten denn positive Merkmale einer „richtigen“ Verhandlung aussehen? Bezeichnenderweise finden sich in dieser Hinsicht auch keine nennenswerten Äußerungen.217 Zum anderen setzt eine Verhandlungspflicht – wie erwähnt – parallel eine Abschlussbereitschaft voraus. Von der Annahme einer Verhandlungspflicht mit paralleler Abschlussbereitschaft ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Bejahung einer Pflicht zum Vertragsschluss.218 Woran sollten denn die Verhandlungen noch scheitern (dürfen), wenn kein triftiger Grund mehr auftritt? Und wer sich zutraut, beurteilen zu können, ob jemand seiner Verhandlungspflicht nachkommt, der wird sich auch zutrauen, feststellen zu können, ob noch ein triftiger Grund zum Verhandlungsabbruch eintritt, sei es in Form von Nichteinigung über noch offene Verhandlungsfragen zwischen den Parteien oder in Form eines zwischenzeitlich eintretenden, unerwarteten Ereignisses. Diesen Schritt will indes niemand gehen, was im Ergebnis allzu verständlich ist. Wie ein Kontrahierungszwang in Absenz eines Vorvertrags zu konstruieren sein soll, ist dogmatisch nicht zu begründen. Auch die Rechtsfolge des Ersatzes des Vertrauensschadens wäre dann nicht mehr verständlich, vielmehr wäre der Ersatz des Erfüllungsinteresses die logische Konsequenz. b) Widerspruch zu verhandlungsbezogener Aufklärungspflicht Des Weiteren entsteht bei Postulierung einer Pflicht, die Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen, ein Widerspruch zur bereits besprochenen Pflicht, die Gegenseite über einen Rückgang der Abschlussbereitschaft zu unterrichten, wenn zuvor der Vertragsschluss als sicher hingestellt worden ist. Letztere

217 Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 238 f. nimmt einen Haftungstatbestand des Scheiternlassens der Verhandlungen durch das Verweigern des Weiterverhandelns ohne triftigen Grund an und geht – zumindest konsequent – von einer Verhandlungspflicht aus. Sein einziger Satz in diesem Zusammenhang kann indes weder grammatikalisch noch inhaltlich überzeugen: „Da die Pflicht auf Mitwirkung an den Verhandlungen gerichtet ist, kann auch deren Unterlassen in Form passiven Verhaltens genügen.“ 218 So auch Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 271 u. 280, sowie Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1097 f. und v. Bar, JuS 1982, 637, 639.

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Pflicht untersagt es einer Partei bloß, die Gegenseite in dem Glauben zu lassen, dass der Vertragsschluss sicher sei, wenn sie zuvor diese Vorstellung selbst hervorgerufen hat, sich dann aber die eigene Abschlussbereitschaft eingeschränkt hat. Allein die Änderung der Abschlussbereitschaft stellt danach also keine Pflichtverletzung dar, solange die Gegenseite darüber in Kenntnis gesetzt wird. Der Grund für die Einschränkung und Verminderung der Abschlussbereitschaft ist dabei irrelevant. Denkt man diesen Ansatz konsequent weiter, so stellt es kein pflichtwidriges Verhalten dar, wenn eine Partei ihre Abschlussbereitschaft schrittweise aufgibt, solange sie den Verhandlungspartner hierüber stets auf dem Laufenden hält. Die Partei muss aber keine Begründung für den fortschreitenden Verlust der Abschlussbereitschaft angeben. Sollte dann irgendwann der Punkt erreicht sein, dass die Partei gar nicht mehr zum Abschluss des Vertrags bereit ist, so ist der Abbruch der Verhandlungen die einzig logische und auch gebotene Konsequenz. Es ist nicht einsichtig, warum eine Partei, die ihre Abschlussbereitschaft auf einen Schlag verliert und folglich die Verhandlungen abbricht, hierfür eines triftigen Grunds bedarf, während eine Partei, die ihre Abschlussbereitschaft schrittweise verliert, bevor sie schließlich die Verhandlungen abbricht, keinen Grund für ihr Verhalten benötigt, sondern nur zur steten Aufklärung der Gegenseite verpflichtet ist. Die verhandlungsbezogene Aufklärungspflicht setzt implizit voraus, dass die Änderung der Abschlussbereitschaft nicht pflichtwidrig, sondern nur mitteilungspflichtig ist. Auch ein Verlust der Abschlussbereitschaft als extreme Form der Änderung wäre demnach nur aufklärungspflichtig, und der sich daraus als Konsequenz ergebende Abbruch der Verhandlungen nicht pflichtwidrig. Damit widersprächen sich die Pflicht, die Gegenseite (nur) über eine Einschränkung der eigenen Abschlussbereitschaft aufzuklären, und die Pflicht, die Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen. Pflichtgemäßes Verhalten kann nicht zugleich pflichtwidriges Verhalten sein. c) Unvereinbarkeit mit negativer Vertragsfreiheit Die negative Vertragsfreiheit bzw. Abschlussfreiheit ist neben der positiven Abschlussfreiheit und der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit eines der drei Elemente der verfassungsrechtlich garantierten Vertragsfreiheit.219 Jedes Rechtssubjekt ist danach frei, einen bestimmten Vertrag nicht abzuschließen. Direkte Einschränkungen dieser Freiheit können sich nur durch einen gesetzlichen Abschlusszwang ergeben; Adressaten eines solchen sind meist Marktteilnehmer mit einer monopolartigen Stellung.220 Eine Schadensersatzpflicht, die den Abbruch 219 Vgl. nur BVerfGE 8, 274, 328; 12, 341, 347; 70, 115, 123; 117, 163, 181; MüKoBusche, vor § 145 Rn 3 mwN; MüKo-Emmerich, § 311 Rn 1. 220 Ob sich auch aus dem AGG ein Kontrahierungszwang ergibt, ist umstritten. Siehe zu dieser Diskussion MüKo-Thüsing, AGG § 21 Rn 17 ff. mwN, der einen Anspruch

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der Verhandlungen und die Entscheidung, einen Vertrag nicht zu schließen, sanktioniert, ist mit der negativen Abschlussfreiheit nicht in Einklang zu bringen – zumindest solange nicht, wie sie keine Erklärung für die Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit präsentieren kann. Solange eine Partei sich nicht vertraglich – und sei es durch einen Vorvertrag oder durch ein vom Rechtsbindungswillen getragenes Angebot – gebunden hat, ist sie in ihrer Entscheidung, die Verhandlungen doch noch abzubrechen frei.221 Zwar ergibt sich auch aus der Verpflichtung zum Schadensersatz in dem Fall, dass eine Partei bei der Gegenseite unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses hervorruft oder aufrechterhält, eine Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit. Aber diese Einschränkung ist nur eine indirekte. Der Vorwurf liegt ja nicht im Nichtabschluss des Vertrags, sondern in einem Verhandlungsverhalten, das die Gegenseite zu einer Selbstschädigung veranlasst hat. Anders gewendet: bei pflichtgemäßen Verhalten hätte die im Abbruch der Verhandlungen liegende Ausübung der negativen Vertragsfreiheit keine verschuldensabhängige Verpflichtung zum Schadensersatz zur Folge. d) Umgang mit besserem Angebot eines Dritten ungelöst Eine häufige Ursache für das Scheitern von Verhandlungen dürfte darin zu sehen sein, dass eine Partei vor dem Abschluss des Vertrags ein besseres Angebot von dritter Seite erhält. Dass eine Partei das bessere Angebot eines Dritten annehmen möchte, ist nicht nur völlig verständlich, sondern auch ökonomisch erwünscht. Wirtschaftsgüter sollten immer so alloziert werden, dass sie sich bei demjenigen befinden, für den sie den höchsten Wert haben und der bereit ist, den höchsten Preis dafür zu zahlen. Zwar steht diese ökonomische Maxime einer Haftung nicht von vornherein entgegen, denn sie besagt nichts über die Verteilung vorvertraglicher Investitionen. Aber sie liefert ein weiteres Argument dafür, dass in der Entscheidung, das bessere Angebot eines Dritten anzunehmen und die Verhandlungen mit dem ursprünglichen Verhandlungspartner abzubrechen, kein pflichtwidriges Verhalten gesehen werden kann, solange die Parteien sich nicht vertraglich gebunden haben. Folgerichtig erscheint demnach die in einem obiter dictum geäußerte Ansicht des BGH, wonach die Möglichkeit eines anderweitigen Abschlusses ein triftiger Grund für die Weigerung, den Vertrag abzuschließen, sein könne.222 Allerdings vergrößern sich dadurch nur die Probleme, dem Tatbestand eine Struktur zu geben; das Kriterium des triftigen Grundes wird noch konturenloser. Es ergeben auf Abschluss eines unter Verletzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots verweigerten Vertrags bejaht. 221 So auch Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 280. 222 BGH WM 1974, 508, 510.

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sich zusätzliche Definitionsschwierigkeiten, wenn man beschreiben möchte, was ein „besseres“ Angebot ausmacht und welche Anforderungen insofern zu erfüllen sind. In komplexen Verhandlungen wird es nicht nur darum gehen, wer bereit ist, für eine bestimmte Sache den höchsten Preis zu zahlen. Die Definition dessen, was „besser“ ist, kann sich oft nur aus der subjektiven Bewertung des Angebotsempfängers ergeben und nur einer Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. In weitere Kalamitäten führt die Frage, wie konkret das Angebot gewesen sein muss und ob es zu einem Vertragsschluss mit dem Dritten kommen muss. Der BGH ließ in seinem obiter dictum bereits die Möglichkeit eines anderweitigen Abschlusses genügen. Die Formel vom Abbruch ohne triftigen Grund droht allerdings vollends zur Leerformel zu werden, wenn allein die potentielle Möglichkeit eines anderweitigen Abschlusses als triftiger Grund angesehen wird. Das Abrücken von einem zugesicherten Vertragsschluss zu bestimmten Konditionen wird ohnehin meist in Zusammenhang mit einer Veränderung der Marktsituation stehen, so dass dann regelmäßig die theoretische Möglichkeit eines besseren, anderweitigen Abschlusses besteht. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es verständlich, aber auch bezeichnend, dass der BGH die Position nur in einem obiter dictum geäußert und – soweit ersichtlich – nicht wiederholt oder gar bekräftigt hat.223 Eine fundierte Auseinandersetzung mit der Thematik fehlt. e) Ersatz des Vertrauensschadens inkonsequent Schließlich ist auch zu kritisieren, dass die Rechtsfolge bei einer Verletzung der fraglichen Pflicht, die Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen, im Ersatz des Vertrauensschadens bestehen soll.224 Bei der Haftung aus c.i.c. ist der Geschädigte an sich gem. § 249 BGB so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden haben würde. Dieser hypothetische Kausalverlauf führt zwar dann zum Ersatz des Vertrauensschadens, wenn die Pflichtverletzung in einer unzutreffenden Information über die eigene Abschlussbereitschaft besteht. Hätte die eine Partei bei der Gegenseite nicht unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses hervorgerufen bzw. unterhalten, so wäre der Gegenseite eine realistische Einschätzung der Verhandlungs-

223 Unverständlich ist hingegen, warum Parteien, die Verhandlungen abgebrochen haben und sich Haftungsforderungen ausgesetzt sehen, diese Verteidigungsmöglichkeit nicht öfter nutzen und das besser Angebot eines Dritten als triftigen Grund für den Verhandlungsabbruch anführen; in den untersuchten Entscheidungen findet sich kein Hinweis in diese Richtung. Es kann nur vermutet werden, dass die Parteien den Grund gerade nicht als triftig ansehen und annehmen, gerade deswegen haften zu müssen. 224 So aber die herrschende Meinung, vgl. nur BGH ZIP 1989, 514, 516; BGH NJW 1996, 1884, 1885; MüKo-Emmerich, § 311 Rn 119 mwN; Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 311 Rn 158 mwN.

II. Haftung aufgrund des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund

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situation möglich gewesen, und sie hätte keine oder lediglich der Einigungswahrscheinlichkeit angemessene Aufwendungen im Vertrauen auf den Vertragsschluss gemacht. Anders aber, wenn man auf den Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund abstellt. Zu diesem Zeitpunkt sind alle Aufwendungen bereits getätigt. Wenn der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne Pflichtverletzung gestanden haben würde, so wäre die Verhandlungssituation vor dem Abbruch wiederherzustellen. In dieser Situation hätte die geschädigte Partei eine berechtigte Erwartung auf einen Vertragsschluss gehabt; ihr Schaden liegt also darin, dass ihr die Chance eines Vertragsschlusses genommen worden ist. Die Höhe des Schadensersatzes müsste sich nach dieser Überlegung nach der Wahrscheinlichkeit richten, mit der die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss gebracht worden wären. Im Endeffekt wäre also ein Anteil des Erfüllungsinteresses zu ersetzen. Geht man davon aus, dass der Vertrag im wesentlichen ausgehandelt war, könnte das gesamte Erfüllungsinteresse ersatzfähig sein.225 Beides, die Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses sowie die Höhe des Erfüllungsinteresses, welches ja abhängig von den hypothetischen Vertragskonditionen wäre, müsste geschätzt werden. Dass dies kaum praktikabel und sehr spekulativ ist, liegt auf der Hand. Im Extremfall könnte man sogar – parallel zur Annahme einer Pflicht zum Vertragsschluss – soweit gehen, einen Anspruch auf Vertragserfüllung zu bejahen.226 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der Abbruch von Verhandlungen kein geeigneter Anknüpfungspunkt für ein pflichtverletzendes Verhalten ist und damit nicht als Grundlage für eine verschuldensabhängige Haftung dienen sollte.227

225 Dies stellen etwa auch Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 423 f.; Medicus, Gutachten, S. 479, 498; ders., FS Lange, 539, 549; Schmitz, Dritthaftung, S. 163 fest, und begründen damit u. a. ihre Ablehnung einer Haftung beim Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund. Ebenso Lüsing, Pflichten, S. 253, der allerdings eine verschuldensabhängige Haftung beim Abbruch von Verhandlungen ohne triftigen Grund befürwortet. 226 So – zumindest folgerichtig – v. Craushaar, JuS 1971, 127, 129; Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 268 ff., die freilich im Ablehnen des Vertragsschlusses ohne triftigen Grund eine Pflichtverletzung sehen. Auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 507 moniert an der Konstruktion deren mangelnde Konsequenz und weist darauf hin, dass die Wiedergutmachung an sich im Abschluss des nicht zustande gekommenen Vertrags oder jedenfalls im positiven Interesse zu sehen wäre. 227 So auch Grunewald, JZ 1984, 708, 710; Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 423 f.; Medicus, Gutachten, S. 479, 497 ff.; ders., FS Lange, 539, 549; Reinicke/ Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1097 ff.; Rieble, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 150 f.; Schmitz, Dritthaftung, S. 162 f.; Singer, Verbot, S. 280 mwN; Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1529. Für restriktive Handhabung der Haftung auch Emmerich, Jura 1987, 561, 564 und ders., Das Recht der Leistungsstörungen, § 7 Rn 68 ff., S. 120 ff.

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C. Kritik am bestehenden Haftungsregime

3. Keine „Hilfestellung“ durch Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens Allein der Abbruch von Verhandlungen ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen kann keine Pflichtverletzung darstellen. Auch die Befürworter einer derartigen Haftung stellen weitere Anforderungen und nehmen das Vorverhalten in Bezug. Regelmäßig wird gefordert, der Vertragsschluss müsse zunächst als gesichert hingestellt worden sein; nur dann könne der spätere Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund pflichtwidrig sein.228 Auf die Schwachstellen dieser Argumentation ist soeben hingewiesen worden. Eine Facette verdient indes noch eine gesonderte Behandlung. Es handelt sich um das (vermeintliche) Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens. Insbesondere Küpper vertritt die Ansicht, dass dieses Rechtsprinzip, das sich als Ausprägung der Generalklausel des § 242 BGB einordnen lässt, zur Begründung einer Haftung für das pflichtwidrige Scheiternlassen von Verhandlungen herangezogen werden könne.229 Zwar sei der Selbstwiderspruch für sich betrachtet kein Tatbestand, den die Rechtsordnung verbietet; dies ändere sich aber, sobald durch den Selbstwiderspruch die Interessen eines anderen in einer treuwidrigen Weise verletzt würden. Dies sei dann der Fall, wenn bei dem anderen das Vertrauen auf ein bestimmtes Verhalten geschaffen worden ist, demgegenüber sich das erwartungswidrige Abweichen als ein den Grundsatz von Treu und Glauben verletzender Widerspruch darstellt, weil sich der andere auf das erwartete Vertrauen eingestellt hat. Diese Verbindung von Vertrauenserweckung auf der einen und Vertrauensbruch durch widersprüchliches Verhalten auf der anderen Seite sei in den Fällen des Verhandlungsabbruchs geradezu mustergültig verwirklicht. Aus diesen Überlegungen zieht Küpper dann die Folgerung, dass der Grundsatz des venire contra factum proprium haftungsbegründend wirke und innerhalb des vorvertraglichen Verhandlungsverhältnisses die besondere Pflicht entstehen lasse, an den Verhandlungen dem geschaffenen Vertrauen entsprechend mitzuwirken. Die Pflichtwidrigkeit liege nicht im Erwecken des Vertrauens, sondern in der nachfolgenden Abstandnahme vom Vertragsschluss. Auf letzteren Zeitpunkt müsse sich auch das erforderliche Verschulden beziehen. Diese Argumentation kann indes nicht überzeugen. Der Rechtssatz des venire contra factum proprium kann zwar auf eine lange Tradition zurückblicken, schon im römischen Recht war er bekannt. Zudem besitzt er eine große Suggestivwirkung, da er Ausdruck elementarster Gerechtigkeitsvorstellungen zu sein scheint.230 Aber wie Canaris zu Recht moniert, weist das Prinzip des venire con228 Vgl. BGHZ 76, 343; BGH ZIP 1989, 514; BGH WM 1996, 738; BGH NJW-RR 2001, 381, 382; Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 225 ff.; Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn 136. 229 Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 216 ff. Ähnlich auch SoergelWiedemann, vor § 275 Rn 136.

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tra factum proprium einen Mangel an tatbestandlicher Verfestigung auf. Der bloße Hinweis auf einen angeblichen Selbstwiderspruch sei für sich allein grundsätzlich keine brauchbare Begründung.231 Diese Skepsis wird von Singer geteilt, der sich in einer grundlegenden Arbeit eingehend mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens auseinandergesetzt hat. Er betont, dass es sich bei dem Rechtssatz des venire contra factum proprium um ein formales Prinzip handelt. Das bedeutet, dass zwei Akte im Gegensatz zueinander stehen, ohne dass es auf die materiale Qualität der betreffenden Verhaltensweisen ankommt.232 Die einzelnen Verhaltensweisen sind für sich betrachtet nicht missbilligenswert, die Frage nach einem Verschulden stellt sich also bei der Feststellung eines Widerspruchs gar nicht. Die formale Struktur des widersprüchlichen Verhaltens lässt es demnach nicht zu, dort einen Widerspruch anzunehmen, wo die angeblich widerstreitenden Akte verschiedenen Kategorien angehören. Dies wird häufig verkannt. Die formale Struktur des Prinzips birgt damit die Gefahr, dass bei der Feststellung eines Widerspruchs vorausgesetzt wird, was eigentlich begründet werden müsste. In diese Falle tappt Küpper mit seiner Argumentation. Denn ein Abbruch der Vertragsverhandlungen ist, wie Singer richtig bemerkt, nur dann widersprüchlich, wenn entweder eine Rechtspflicht zum Abschluss besteht oder wenn zumindest das Vertrauen auf das Zustandekommen des in Aussicht genommenen Vertrages schutzwürdig ist.233 Genau dies sind aber die entscheidenden Fragen, auf die das Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens keine Antwort gibt. Eine allein auf das Verbot des venire contra factum proprium gestützte Argumentation stellt folglich eine unzulässige petitio principii dar.234 Die Einwände gegen eine Rechtspflicht zum Weiterverhandeln oder gar zum Abschluss des Vertrages sind bereits geschildert worden.235 Bejaht man eine solche Weiterverhandlungspflicht, wie Küpper dies tut, wäre ein Rückgriff auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens indes ohnehin überflüssig, da diesem keine selbständige Bedeutung zukäme. Die Verletzung einer solchen Verhandlungspflicht würde nach allgemeinen Grundsätzen im Rahmen der c.i.c. zu einer Haftung führen. Begründen lässt sich eine solche Verhandlungspflicht jedoch mit dem Verbot des venire contra factum proprium gerade nicht, da die Beurteilung, ob ein Handeln „contra“ vorliegt, bereits das Bestehen der gerade begründungsbedürftigen Pflicht zum Weiterverhandeln voraussetzt.236 230

So Singer, Verbot, S. 1. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 287. 232 Singer, Verbot, S. 21 mwN. 233 Singer, Verbot, S. 280; ders., FS Canaris I, 135, 142. Ähnlich auch Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1529. 234 So auch Singer, Verbot, S. 281; ders., FS Canaris I, S. 135, 142. 235 Siehe oben unter C.II.2.a). 236 Singer, Verbot, S. 280 f. und 312; ähnlich auch Bydlinski, FS Klecatsky, 129, 140 u. 143; Gunst JZ 1991, 204 f. 231

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C. Kritik am bestehenden Haftungsregime

Der Rechtssatz des venire contra factum proprium kann damit allenfalls im Rahmen einer verschuldensunabhängigen Vertrauenshaftung fruchtbar gemacht werden.237 Allerdings kann das Verbot widersprüchlichen Verhaltens auch hier nicht die zentrale Frage beantworten, ob das Vertrauen einer Partei auf die Zusicherung des Vertragsschlusses durch die Gegenseite schutzwürdig ist. Allein in der Enttäuschung zuvor begründeten Vertrauens liegt kein venire contra factum proprium, da dem Selbstwiderspruch kein selbständiger Unwertgehalt zukommt, der über die dem Vertrauensprinzip immanente Forderung, zurechenbar hervorgerufenes und schutzwürdiges Vertrauen nicht zu enttäuschen, hinausginge.238 In diesen Fällen, in denen eine Partei auf die Beständigkeit einer von der Gegenseite eingenommenen Haltung, also auf ein künftiges Verhalten der Gegenseite vertraut, kann die Funktion des venire contra factum proprium darin liegen, einen Vertrauenstatbestand überhaupt erst zu begründen.239 Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass eine verschuldensabhängige Haftung beim Abbruch von Verhandlungen nicht auf das Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens gestützt werden kann. Dem Rechtssatz des venire contra factum proprium lässt sich keine Pflicht entnehmen, Verhandlungen nur mit triftigem Grund abzubrechen bzw. im Verhandlungsverlauf getätigte Zusicherungen auch einzuhalten. Vielmehr bestünde ein relevanter Widerspruch erst bei Bestehen einer Weiterverhandlungspflicht, die indes gerade begründungsbedürftig ist.

237 Singer, Verbot, S. 43 sieht gar die Hauptbedeutung des Verbotes, sich widersprüchlich zu verhalten, in der Verknüpfung der Maxime mit dem Vertrauensschutzprinzip. Auch Schwab, JuS 2002, 773, 776 f. sieht im Verbot widersprüchlichen Verhaltens den Ansatz zu einer verschuldensunabhängigen Haftung. 238 Singer, Verbot, S. 47. 239 Singer, Verbot, S. 48.

D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts Nachdem aufgezeigt worden ist, dass das bestehende Haftungsregime beim Scheitern von Verhandlungen nicht überzeugen kann, soll nun der Versuch unternommen werden, ein köharentes Haftungskonzept zu entwickeln, das den Parteiinteressen gerecht wird. Die zentrale Aussage dabei ist, dass eine verschuldensabhängige Haftung aus c.i.c. nur dann in Betracht kommt, wenn einer Partei eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine solche Pflichtverletzung kann insbesondere nicht im Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund gesehen werden. Folglich kann eine c.i.c.-Haftung in deutlich weniger Fällen angenommen werden als dies die Rechtsprechung bisher – zumindest potentiell – tut. Neben einer verschuldensabhängigen Haftung sollte aber auch eine verschuldensunabhängige Haftung anerkannt werden. Letztere muss außerhalb des Instituts der culpa in contrahendo verortet werden. Sie sollte flexibel ausgestaltet sein und weniger auf Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes aufbauen, als vielmehr an einer den Parteiinteressen Rechnung tragenden Risikoverteilung orientiert sein. Dazu bedarf es einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung; diese kann sich an Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage orientieren.

I. Pflichtenbasierte, verschuldensabhängige Haftung Zunächst soll präzisiert werden, in welchen Situationen eine verschuldensabhängige Haftung unter dem Konstrukt der culpa in contrahendo in Betracht kommen soll. Dafür muss eine Partei eine sich aus dem vorvertraglichen gesetzlichen Schuldverhältnis ergebende Rücksichtnahmepflicht verletzt haben. Hinsichtlich solcher Pflichten, die an einem redlichen Verhandlungsverhalten ausgerichtet sind, ist der Oberbegriff der Verhandlungspflichten vorgeschlagen worden.240 Darunter sollen insbesondere die Informationspflichten zu zählen sein. Bei den Informationspflichten ist zwischen den „klassischen“, vertragsbezogenen Informationspflichten und den verhandlungsbezogenen Informationspflichten zu unterscheiden.241 Ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, die durch das Scheitern von Verhandlungen frustriert worden sind, kann sich aus der Verletzung dieser verhandlungsbezogenen Informationspflichten ergeben.

240 241

Siehe oben B.I.b)bb). Siehe oben C.I.2.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

1. Die verhandlungsbezogenen Informationspflichten Die Notwendigkeit zwischen vertragsbezogenen und verhandlungsbezogenen Informationspflichten zu unterscheiden ist bereits erwähnt worden.242 Nachfolgend sollen die Grundlagen und Ausprägungen der verhandlungsbezogenen Informationspflichten näher beschrieben werden. a) Integratives und distributives Verhandeln In Verhandlungen – zumindest bei den hier in Rede stehenden – verfolgen die Parteien typischerweise zwei gegensätzliche Ziele. Auf der einen Seite möchten sie den gemeinsamen Nutzen, den sie beide aus einem erfolgreichen Vertragsschluss ziehen würden, maximieren. Bildlich gesprochen versuchen sie, den zu verteilenden Kuchen möglichst groß zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Parteien kooperieren. Auf der anderen Seite streben die Parteien danach, die eigenen Interessen möglichst weitgehend durchzusetzen. Sie wollen, um im Bild zu bleiben, sich ein möglichst großes Stück aus dem Kuchen herausschneiden. In dieser Hinsicht verfolgen die Parteien also antagonistische Ziele und konkurrieren miteinander. In ökonomischer Diktion handelt es sich beim ersten Ziel, der wertschöpfend-kooperativen Variante, um integratives Verhandeln.243 Beim zweiten Ziel, dem Verteilen des Kooperationsgewinns, geht es um distributives Verhandeln.244 Das hierin liegende Spannungsverhältnis wird gemeinhin als Verhandlungsdilemma bezeichnet.245 Die Rechtsordnung trägt diesen widerstreitenden Interessen Rechnung. Einerseits gilt der Grundsatz, dass jede Partei ihre eigenen Interessen wahren muss bzw. verfolgen darf. Die vertraglich festgelegte Leistung und Gegenleistung, der Vertragsinhalt, entzieht sich grundsätzlich der Beurteilung und findet staatlichen Schutz durch die gerichtliche Durchsetzbarkeit. Andererseits entsteht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen ein Schuldverhältnis, welches die Parteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet, §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB. Eine Verhandlungspartei hat also zum einen die Rechte und Rechtsgüter der Gegenseite zu beachten. Dem Schutz der Rechte und Rechtsgüter der Gegenseite, und damit dem Schutz des status quo und nur diesem Zweck, dienen die Schutzpflichten. Diese interessieren indes im vorliegenden Zusammenhang nicht. Eine Verhandlungspartei hat zum anderen aber auch

242 243

Siehe oben C.I.2. So Eidenmüller, in: Breidenbach/Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen, S. 31,

40 ff. 244

Eidenmüller, in: Breidenbach/Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen, S. 31,

45 ff. 245 Vgl. Eidenmüller, in: Breidenbach/Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen, S. 49 ff.

I. Pflichtenbasierte, verschuldensabhängige Haftung

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die Interessen der Gegenseite zu berücksichtigen und macht sich bei Missachtung möglicherweise schadensersatzpflichtig. Diese auf die Interessen der Gegenseite ausgerichteten Pflichten werden hier als Verhandlungspflichten bezeichnet. Sie stehen im eben beschriebenen Spannungsfeld zwischen integrativem und distributivem Verhandeln. Beides ist erwünscht: Konkurrenz und Kooperation. Verhandlungspflichten müssen also einen Ausgleich zwischen der legitimen Verfolgung eigener Interessen und der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Gegenseite schaffen. Ein Aspekt dabei sind die schon erwähnten Informationspflichten. Sie beziehen sich zum einen auf den Verhandlungsgegenstand bzw. den Vertragsinhalt betreffende Informationen. Das Verhandlungsverhalten lassen diese vertragsbezogenen Informationspflichten weitgehend 246 unberücksichtigt. Daneben stehen zum anderen die verhandlungsbezogenen Informationspflichten, die sicherstellen, dass eine Partei nicht durch das Verhandlungsverhalten der Gegenseite zu einer unzutreffenden Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses verleitet wird und aufgrund dessen voreilig transaktionsspezifische Investitionen vornimmt. b) Kein Widerspruch zu negativer Abschlussfreiheit und Formvorschriften Wie bereits gezeigt wurde, kann der Abbruch der Verhandlungen – egal, aus welchem Grund – nicht pflichtwidrig sein, solange keine rechtsgeschäftliche Bindung oder ein Kontrahierungszwang bestehen. Andernfalls ergäbe sich ein Widerspruch zur negativen Abschlussfreiheit. Das gilt insbesondere für formbedürftige Geschäfte – zumindest, soweit das Formerfordernis dem Übereilungsschutz dient –, da das Formerfordernis die Vertragsfreiheit insgesamt, und eben auch die negative Abschlussfreiheit speziell, besonders betont.247 Verzichtet man aber darauf, im Verhandlungsabbruch den Anknüpfungspunkt für eine Pflichtverletzung zu sehen, und beschränkt sich auf eine Pflicht zur red-

246 Zwar sei daran erinnert, dass im Rahmen der Wahrheitspflicht das Gesamtverhalten in den Blick zu nehmen ist und gefordert wurde, dass dies stärker als bisher geschehen zu habe, siehe oben C.I.1.b). Aber auch dieses Verhalten bezieht sich dann auf eine Fehlinformation über bestimmte, den Verhandlungsgegenstand betreffende Informationen. 247 A.A. Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 321 ff. und ders., DB 1990, 2460, der eine verschuldensabhängige Haftung aus c.i.c. beim grundlosen Abbruch von Verhandlungen auch bei formbedürftigen Geschäften propagiert. Zutreffend sieht Küpper indes, dass der Übereilungsschutz die „allgemeine, mit der negativen Vertragsautonomie verbundene Befugnis jedes Verhandlungspartners, frei über das Eingehen einer vertraglichen Bindung zu entscheiden“ verstärkt (S. 321). Auf die Tatsache, dass die erforderliche Form die Vertragsfreiheit zwar nicht verabsolutiert, aber doch besonders unterstreicht, weisen auch Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 426 f. und Medicus, Gutachten, S. 479, 498 f. hin.

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lichen Verhandlungsführung, so entsteht dieser Widerspruch nicht. Eine verhandlungsbezogene Informationspflicht ist ohne weiteres mit der negativen Abschlussfreiheit sowie etwaigen Formerfordernissen zu vereinbaren. Denn weder die negative Abschlussfreiheit noch der von Formvorschriften verfolgte Übereilungsschutz rechtfertigen ein rücksichtsloses Verhandlungsverhalten, welches dem Verhandlungspartner zu einem Nachteil gereichen kann, gleichzeitig aber nicht geeignet ist, eigenen legitimen Interessen zu dienen. Die negative Abschlussfreiheit und der durch Formerfordernisse gewährleistete Schutz vor Übereilung sollen den Parteien (nur) ermöglichen, Verhandlungen jederzeit abbrechen und auf den Abschluss eines in Aussicht genommenen Vertrags verzichten zu können, ohne dass ihnen gerade daraus ein Vorwurf gemacht werden bzw. deswegen eine Haftung drohen könnte. Die Pflicht, bei der Gegenseite keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses eines wirksamen Vertrags zu erwecken oder aufrechtzuerhalten, bedeutet keine Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit und widerspricht nicht dem Ziel des Formerfordernisses, die Parteien vor übereilten Entscheidungen abzuhalten. Im Gegenteil: bei einem vollständigen Verlust der Abschlussbereitschaft (also einer subjektiven Ausübung der negativen Abschlussfreiheit) verlangt die verhandlungsbezogene Informationspflicht nur, die Gegenseite hierüber aufzuklären – falls zuvor Angaben zur Abschlussbereitschaft gemacht wurden. 2. Die Ausprägungen der verhandlungsbezogenen Informationspflicht Die verhandlungsbezogene Informationspflicht ist auf redliches Verhandlungsverhalten gerichtet. Wie erwähnt befinden sich Parteien in Verhandlungen in einem Dilemma, da sie einerseits an Kooperation interessiert sind, um den gemeinsamen Nutzen eines in Aussicht genommenen Projekts zu vergrößern, andererseits aber legitimerweise auch ihre eigenen Interessen – auch zum Nachteil der Gegenseite (genauer: zum geringeren Vorteil gegenüber dem status quo aus Sicht der Gegenseite) – durchsetzen wollen. Auf dieses Zusammenspiel von integrativem und distributivem Verhandeln ist soeben hingewiesen worden.248 Die verhandlungsbezogene Informationspflicht trägt den Parteiinteressen sowie dem übergeordneten Interesse des Marktes Rechnung, indem sie redliches Verhandlungsverhalten einfordert und kooperatives Verhalten unterstützt. Allerdings muss sie das legitime Interesse der Parteien an einer eigennützigen Verhandlungsführung beachten. Nachfolgend seien die einzelnen Ausprägungen der verhandlungsbezogenen Informationspflicht näher beleuchtet.

248

Siehe oben D.I.1.a).

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a) Pflicht, bei der Gegenseite keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses zu erwecken oder aufrechtzuerhalten Die wichtigste Ausprägung der verhandlungsbezogenen Informationspflicht besteht darin, bei dem Verhandlungspartner durch das eigene Verhandlungsverhalten keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses zu erwecken oder aufrechtzuerhalten. So soll dem Verhandlungspartner eine zutreffende Einschätzung des Risikos, dass die Verhandlungen doch noch scheitern, ermöglicht werden, die ihm als Basis für Investitionsentscheidungen dient. Es geht also weniger bzw. nicht nur darum, ob dem Verhandlungspartner der Vertragsschluss zugesichert worden ist, obwohl noch Hindernisse bestanden, sondern vielmehr darum, die Entschließungsfreiheit der Gegenseite im Hinblick auf eine Risikoentscheidung zu sichern.249 aa) Angaben zur inneren Abschlussbereitschaft Im Wesentlichen geht es hierbei um die innere Abschlussbereitschaft der Parteien. In diesem Zusammenhang lässt sich gut aufzeigen, wie die verhandlungsbezogene Informationspflicht im Spannungsfeld zwischen distributiven und integrativem Verhandeln eine Balance finden kann, die sowohl dem legitimen Interesse an eigennützigem Verhandeln als auch dem Schutzbedürfnis der Gegenseite vor unredlichen Verhandlungspraktiken gerecht wird. Auf der einen Seite verlangt die verhandlungsbezogene Informationspflicht mitnichten, die Gegenseite ungefragt über die eigene Abschlussbereitschaft zu unterrichten, ja sie erlaubt sogar, die eigene Abschlussbereitschaft geringer darzustellen als sie ist. Möchte man die Termini der vertragsbezogenen Informationspflichten verwenden, so könnte man sagen, dass weder eine generelle Aufklärungspflicht über die Abschlussbereitschaft noch eine strikte Wahrheitspflicht besteht.250 Aus verhandlungstaktischer Sicht kann es klug sein, der Gegenseite den Eindruck zu vermitteln, die eigene Abschlussbereitschaft sei geringer als sie tatsächlich ist, um so den Verhandlungsdruck zu erhöhen. Eine Partei kann zum Beispiel angeben, dass sie nur bis zu einem bestimmten Preis zu einer Einigung bereit sei, während ihr wahrer Reservationspreis je nachdem, ob sie Anbieter oder Nachfrager ist, darunter oder darüber liegt; oder sie kann der Gegenseite ein Ultimatum setzen, bis zu dem eine Einigung erzielt werden müsse, obwohl sie in Wirklich249 Diesen Aspekt betont auch Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 274 u. 278. 250 Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die für die „klassischen“, vertragsbezogenen Informationspflichten entwickelte dogmatische Struktur nicht unverändert auf die verhandlungsbezogenen Informationspflichten übertragbar ist, siehe oben unter C.I.2.

102

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keit auch danach noch zu einer Einigung bereit wäre. Eine solche Untertreibung der eigenen Abschlussbereitschaft ist ein legitimes Druckmittel in Verhandlungen und durch die verhandlungsbezogene Informationspflicht nicht eingeschränkt. Mit diesem Druckmittel kann die Gegenseite zu Zugeständnissen veranlasst werden, die sie vielleicht nicht gemacht hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die andere Seite stärker an einem Vertragsschluss interessiert ist als sie es darstellt. Es ist aber nicht denkbar – und dies ist das entscheidende Argument dafür, dass eine Untertreibung der eigenen Abschlussbereitschaft nicht pflichtwidrig ist –, dass die Gegenseite aufgrund dieser Fehlinformation vorvertragliche Investitionen vornimmt, die sie bei korrekter Darstellung der Abschlussbereitschaft nicht tätigen würde. Hier geht es allein um das distributive Verhandlungselement, also die Frage, wer welchen Anteil „vom Kuchen“ erhält. Darum darf „mit harten Bandagen“ gerungen werden. Insofern steht die verhandlungsbezogene Informationspflicht also nicht generell der Erweckung bzw. Aufrechterhaltung unzutreffender Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses entgegen. Auf der anderen Seite untersagt die verhandlungsbezogene Informationspflicht aber, die eigene Abschlussbereitschaft größer darzustellen als sie tatsächlich ist und den Vertragsschluss als sicher hinzustellen, wenn die zusichernde Partei in Wirklichkeit noch erhebliche Vorbehalte hat. Zudem verlangt sie, die Gegenseite von einem deutlichen Abfall der eigenen Abschlussbereitschaft in dem Fall zu unterrichten, wenn eine Partei zuvor – zutreffenderweise – die eigene Abschlussbereitschaft als fest entschlossen und den Vertragsschluss als sicher bezeichnet hat. In dem Fall wird die Gegenseite aufgrund ihrer unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses möglicherweise Investitionen auf Grundlage einer fehlerhaften Rentabilitätsrechnung vornehmen. Mittels einer Verhandlungstaktik, welche die eigene Abschlussbereitschaft größer macht als sie eigentlich ist, lässt sich kein legitimer Verhandlungsvorteil erzielen. Eine solche Taktik kann etwa dadurch motiviert sein, die Gegenseite durch die Fortdauer der Verhandlungen wirtschaftlich zu schwächen. bb) Angaben zu Wirksamkeitshindernissen Münden Verhandlungen nicht in einen wirksamen Vertrag, so kann dies auch an Hindernissen, die der Wirksamkeit des Vertrags entgegenstehen, liegen. Bei der Frage, was die verhandlungsbezogene Informationspflicht in Bezug auf diese Wirksamkeitshindernisse verlangt, sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Es ist danach zu differenzieren, ob es in der Macht der Parteien steht, das Wirksamkeitshindernis zu beseitigen bzw. diesem Folge zu leisten oder nicht. Ist ersteres der Fall, scheitert ein wirksamer Vertrag im Endeffekt am Willen der Parteien, womit wieder die Abschlussbereitschaft im Fokus steht. Dies gilt vor allem für etwaige Formerfordernisse. Anders ist die Situation, wenn die Entschei-

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dung, ob ein Vertrag wirksam wird, dem Machtbereich der Parteien entzogen ist, diese es also nicht selbst in der Hand haben, ob ein wirksamer Vertrag zustande kommt oder nicht. Hier ist in erster Linie an Genehmigungserfordernisse von dritter Seite zu denken. (1) Abschlusshindernisse, die von den Parteien selbst beseitigt werden können Die Tatsache, dass ein in Aussicht genommener Vertrag nach Gesetz formbedürftig ist, hat keine Auswirkungen auf die verhandlungsbezogene Informationspflicht. Aus dem Umgang mit dem Formerfordernis können aber unter Umständen Rückschlüsse auf die Abschlussbereitschaft gezogen werden. Haben etwa zwei Parteien in Verhandlungen weitgehende Übereinkunft erzielt, so kann die Zusicherung der einen Seite, bei der noch erforderlichen notariellen Beurkundung handele es sich um eine „reine Formsache“ als Bekräftigung ihrer Abschlussbereitschaft und ihres festen Entschlusses zum Vertragsschluss aufgefasst werden. Ist die Partei dann zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einem formgerechten Vertragsschluss bereit, so verstößt sie dadurch nicht gegen die verhandlungsbezogene Informationspflicht – die negative Abschlussfreiheit ist durch das Formerfordernis ja gerade besonders unterstrichen –, aber die Frage stellt sich, ob sie im Moment der Zusicherung wirklich zum Abschluss bereit war bzw. ob sie nicht nach der Zusicherung aber vor dem Verhandlungsabbruch die Abschlussbereitschaft verloren hat, ohne dies unverzüglich der Gegenseite anzuzeigen. Ein Sonderfall ergibt sich in der Konstellation, dass die Parteien einen formunwirksamen, und damit gem. § 125 BGB nichtigen Vertrag geschlossen und mit dessen Durchführung begonnen haben. In besonders gelagerten Einzelfällen versagt die Rechtsprechung gem. § 242 BGB der betreffenden Partei, sich auf die Nichtigkeit des Vertrags zu berufen. Nach Ansicht des BGH habe die Nichtigkeitsfolge zurückzutreten, wenn sie nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, etwa weil sie die Existenz des anderen Vertragsteils gefährdet oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treupflichtverletzung bedeutet.251 Dieses Ergebnis wird allerdings nicht mittels eines Rückgriffs auf die c.i.c. erreicht. Vielmehr wird die Aufrechterhaltung formnichtiger Versprechen in diesen Fällen dogmatisch mit der anspruchsbegründenden Kraft von Treu und Glauben gerechtfertigt.252 Für Canaris sind es Anwendungsfälle einer Vertrauenshaftung kraft rechtsethischer Notwen-

251 BGHZ 12, 286; BGHZ 23, 249; BGHZ 29, 6, 10 f.; BGHZ 48, 396, 397 ff.; BGHZ 85, 315, 318; NJW 1996, 1884, 1885, siehe zum Ganzen, Armbrüster, NJW 2007, 3317. 252 Siehe hierzu Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, § 15, S. 376 ff.

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digkeit.253 Dieser Sonderfall unterscheidet sich indes dadurch von der hier diskutierten Problematik, dass ein – wenn auch unwirksamer – Vertragsschluss vorliegt, und beide Parteien oder zumindest eine der Parteien auf das Vorliegen eines wirksamen Vertrags vertrauen. Auf diese Konstellation ist daher nicht näher einzugehen. (2) Abschlusshindernisse, die nicht von den Parteien selbst beseitigt werden können Hinsichtlich solcher Wirksamkeitshindernisse, deren Beseitigung nicht in der Hand der Parteien selbst liegt, ist die verhandlungsbezogene Informationspflicht zum einen wiederum darauf gerichtet, bei der Gegenseite keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsabschlusses zu erwecken oder aufrechtzuerhalten. Dabei ist indes zu bedenken, dass es grundsätzlich Sache jeder Partei selbst ist, sich Kenntnis von objektiven Wirksamkeitshindernissen zu beschaffen sowie die Wahrscheinlichkeit der Beseitigung derselben zu beurteilen. Eine Verpflichtung, die Gegenseite ungefragt über den Bestand eines Wirksamkeitshindernisses zu unterrichten, wird man also nur in Ausnahmefällen annehmen können. Zu denken ist etwa an ungewöhnliche behördliche Genehmigungserfordernisse im grenzüberschreitenden Verkehr.254 Darüberhinaus wird sich immer, wenn eine Seite bei der Gegenseite durch ihr Verhalten die unzutreffende Vorstellung erweckt oder aufrechterhält, dass gar kein objektives Hindernis bestehe oder dieses zumindest unproblematisch beseitigt werden könnte, die Frage stellen, ob die Gegenseite nicht fahrlässig in ihrer Unkenntnis des Hindernisses oder in ihrem Glauben an Beschwichtigungen der anderen Seite war. Dies könnte im Rahmen eines anspruchsmindernden Mitverschuldens nach § 254 BGB berücksichtigt werden. b) Kein opportunistisches Verhalten in der Form des sog. „hold up“ Des Weiteren sei noch auf eine weitere Ausprägung der verhandlungsbezogenen Informationspflicht eingegangen, bei der es an sich auch um die Abschlussbereitschaft geht, deren gesonderte Beschreibung aber trotzdem sinnvoll erscheint. Es geht um das Verbot opportunistischen Verhandlungsverhaltens in Form des vorvertraglichen „hold up“.255 Bevor näher definiert wird, was darunter zu verstehen sein soll, sei vorausgeschickt, dass sich beim Verbot opportunis253

Canaris, Vertrauenshaftung, S. 266 ff. Beispiele finden sich etwa in BGHZ 18, 248 (Devisenrechtliche Genehmigung) und BGH WM 1956, 493 (Einkaufsermächtigung), deren Sachverhalte aber jeweils anachronistisch anmuten. 255 Der Begriff „hold up“ geht zurück auf Victor Goldberg, 7 Bell J. Econ. 426, 439 (1976). Im Deutschen könnte man von „Erpressung“ sprechen. Drastischer Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 100, die von „Raubüberfall“ sprechen. 254

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tischen Verhaltens besonders deutlich die grundsätzlichen Schwierigkeiten zeigen, die bei der Statuierung einer verschuldensabhängigen Haftung bestehen, nämlich die Beweisbarkeit und die Feststellung des Zeitpunkts der Pflichtverletzung. Insofern sind die folgenden Ausführungen auch bereits als Plädoyer für die Notwendigkeit der Anerkennung einer verschuldensunabhängigen Haftung zu verstehen. aa) Definition opportunistischen Verhaltens Der Begriff des opportunistischen Verhaltens stammt von Williamson und kann – ihm folgend – allgemein als „Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List“ beschrieben werden.256 Im vorliegenden Zusammenhang ist eine Variante opportunistischen Verhaltens von Interesse, die immer dann möglich wird, wenn vertragliche Leistungen oder transaktionsspezifische Investitionen ungleichzeitig vorgenommen werden. Diejenige Partei, die in Vorleistung tritt bzw. größere transaktionsspezifische Investitionen vornimmt, schwächt ihre Position gegenüber der anderen Partei und läuft Gefahr, dass die Gegenseite diese Selbstschwächung ausnutzt.257 Ein solches opportunistisches Verhalten wird als „hold up“ (Erpressung) bezeichnet.258 Die Problematik des „hold up“ wird insbesondere in den USA diskutiert und dort überwiegend für die Zeit nach einem erfolgten Vertragsschluss. Denn wenn ein Vertrag geschlossen ist, der die Vorleistung einer der Parteien vorsieht, ergibt sich die Gefahr opportunistischen Verhaltens in Form eines „hold up“ in dem Moment bzw. in dem Zeitraum, in dem eine der Parteien ihre vertraglich zugesicherte Leistung vollständig oder zumindest bereits weitgehend erbracht hat. Die Gegenseite kann nun versucht sein, diese für sie günstige Situation auszunutzen, indem sie ihre Gegenleistung zurückhält und die in Vorleistung getretene Partei zu Nachverhandlungen zwingt. Im US-amerikanischen Recht ist diese Gefahr deshalb akut, weil der von einem Vertragsbruch betroffenen Partei regelmäßig nur Schadensersatzansprüche, aber kein Erfüllungsanspruch gegen den Vertragspartner zustehen; zudem sind die Prozesskosten nach US-amerikanischem Recht grundsätzlich nicht ersatzfähig.259 Nach deutschem Recht ist diese Problematik 256

Oliver Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, S. 54. Es ist indes auch denkbar, dass die Partei, die in Vorleistung tritt, hierdurch in eine stärkere Position gegenüber der anderen Partei gelangt. Just ein solches, eher untypisches Beispiel hat ironischerweise Goldberg verwendet, als er den Begriff des „hold up“ einführte, 7 Bell J. Econ. 426, 439 (1976): er führt das Beispiel eines Automechanikers an, der sich verpflichtet, ein Auto zu reparieren, das Auto zu diesem Zweck auseinanderbaut, und dann das Dreifache des ursprünglich vereinbarten Preises fordert, bevor er das Auto wieder zusammenbaut. 258 Siehe Fußnote 255. 259 Der Schadensersatz in Form von Geldersatz („monetary damages“) bei einem „breach of contract“ orientiert sich zwar am Erfüllungsinteresse. Dieses ist indes bei Transaktionsgegenständen, die nicht ohne weiteres am Markt erhältlich sind, oder hin257

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im vertraglichen Bereich indes durch den grundsätzlich einklagbaren (und meist auch durchsetzbaren)260 Erfüllungsanspruch auf die Gegenleistung zwar nicht vollständig gegenstandslos, aber doch immerhin stark gemildert.261 Was indes die Situation vor einem Vertragsschluss betrifft, so ist diese bislang wenig thematisiert oder untersucht worden.262 Sie unterscheidet sich von einem nachvertraglichem Szenario wesentlich. Denn während in einem opportunistischen Verhalten nach Vertragsschluss ohne weiteres ein Verstoß gegen vertragliche Leistungspflichten zu sehen ist, stellt sich die Situation in der Verhandlungsphase ungleich komplizierter dar. Es ist ja keineswegs so, dass das Abrücken von einmal eingenommenen Verhandlungspositionen per se pflichtwidrig wäre. Im Gegenteil, das Verschieben und Abweichen von Verhandlungspositionen ist geradezu das kennzeichnende Merkmal von Vertragsverhandlungen. Zwar werden sich die Parteien bei gegensätzlichen Vorstellungen typischerweise einander Schritt für Schritt annähern. Aber auch eine Abweichung von einmal eingenommenen Standpunkten in die „falsche“ Richtung, also den Forderungen der Gegenseite nicht entgegenkommend, sondern sich von diesen entfernend, ist nicht pflichtwidrig und auch in erfolgreichen Verhandlungen durchaus denkbar. Ein Beispiel. Verhandeln zwei Parteien über den Kaufpreis einer Sache, so werden sie typischerweise von ihren ursprünglich geforderten bzw. gebotenen Extremvorstellungen dergestalt abweichen, dass sie sich auf die Position der anderen Partei zubewegen. Verlangt der Verkäufer zunächst 10 Euro, während der Käufer vorgibt, nur 5 Euro zahlen zu wollen, wird die nächste Forderung des Verkäufers unterhalb von 10 Euro liegen, sagen wir 9 Euro. Der Käufer wird dann vielleicht sichtlich derer ein besonderes Affektionsinteresse besteht, oft nur schwer zu ermitteln. Jedenfalls besteht immer die Gefahr der Unterkompensation. Hinzu kommt, dass die Prozesskosten im US-amerikanischem Recht nach der sog. „American Rule“ grds nicht ersatzfähig sind, vgl. Hay, Law of the United States, S. 74. 260 Ausnahmen können sich bei der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung gem. § 275 II BGB oder auch bei der fehlenden Erzwingbarkeit von Dienstleistungen gem. § 888 III ZPO ergeben. 261 Nicht ganz beseitigt ist sie deshalb, weil natürlich immer ein Prozessrisiko besteht. Zudem ist es realistischerweise schwierig, wenn nicht gar unmöglich, alle Schäden und Rechtsverfolgungskosten, die durch opportunistisches Verhalten der Gegenseite entstehen können, ersetzt zu bekommen. Dies sind Faktoren, deretwegen sich eine erpresste Partei zumindest zu kleineren Zugeständnissen in Nachverhandlungen bereit erklären könnte. 262 Zur deutschen Literatur, siehe Ackermann, Der Schutz negativen Interesses, S. 208; Schlösser, Druckausübung in Vertragsverhandlungen, S. 45 ff., 158 ff. Zur US-amerikanischen Literatur: Shell, 44 Vand. L. Rev. 221 (1991), der die Anerkennung einer Haftung beim opportunistischen Bruch einer Verhandlungsbeziehung propagiert. (Auf diese Publikation weisen immerhin auch Richter/Furubotn, S. 156 hin, die aber ansonsten auf das Problem, dass auch während der Verhandlungen getätigte Investitionen Anlass für opportunistisches Verhalten sein können, nicht näher eingehen und dieses nur mit einem Satz erwähnen.) Siehe außerdem Craswell, 48 Stan.L.Rev. (1996) 481, 492; Bebchuk/Ben-Shahar, 30 J.Legal Stud. 423, 431 f. (2001); Schwartz/ Scott, 120 Harv. Law Rev. (2007) 661.

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6 Euro bieten. Jede Veränderung in die „andere“ Richtung wäre ungewöhnlich. Verlangt der Verkäufer wieder 10 Euro, nachdem er zuvor bereit war, die Sache für 9 Euro zu verkaufen, wird er meist nicht mehr als ein Kopfschütteln der Gegenseite ernten und seinem Ziel eines Vertragsschlusses nicht näher kommen. Aber es könnte ja sein, dass ein „Wiederanstieg“ des Preises durch ein Entgegenkommen hinsichtlich eines anderen Vertragsbestandteils kompensiert wird. Der Verkäufer könnte sich etwa bereit finden, die Fälligkeit um ein halbes Jahr hinauszuschieben. Dann ergibt ein Wiederanstieg von 9 auf 10 Euro durchaus (auch ökonomischen) Sinn. Jedenfalls ist ein Abweichen von einmal eingenommenen Positionen – egal in welche Richtung – im Grundsatz nicht pflichtwidrig. Auch der Abbruch von Verhandlungen verstößt gerade nicht gegen eine vorvertragliche Pflicht, so dass auch die Drohung mit einem Abbruch der Verhandlungen ein grundsätzlich legitimes Mittel der Verhandlungsführung sein muss. Das entscheidende Merkmal, das opportunistisches Verhalten von einer zulässigen Änderung der eigenen Verhandlungsposition unterscheidet, ist die Zielrichtung, die zwischenzeitlich eingetretene Selbstschwächung der Gegenseite zum eigenen, unverdienten Vorteil auszunutzen. Opportunistisches Verhalten erfordert mithin in subjektiver Hinsicht den Vorsatz, bewusst und zielgerichtet die Selbstschwächung der Gegenseite auszunutzen. Pflichtwidriges, opportunistisches Verhalten liegt also dann vor, wenn eine Partei, nachdem die Gegenseite ungleich höhere transaktionsspezifische Investitionen getätigt und ihre Verhandlungsposition dadurch geschwächt hat, von bisherigen Verhandlungspositionen abweicht, und von der Gegenseite bessere Konditionen fordert, typischerweise indem sie mit einem Verhandlungsabbruch droht, und diese Forderung von dem zielgerichteten Willen getragen ist, die eingetretene Selbstschwächung der Gegenseite zum eigenen Vorteil auszunutzen.263 Dementsprechend soll opportunistisches Verhalten in der Form eines vorvertraglichen „hold up“ eine Verhandlungstaktik bezeichnen, die sich die Selbstschwächung der Gegenseite, welche durch die Vornahme transaktionsspezifischer Investitionen eintritt, zunutze macht und sich so durch List einen unverdienten Verhandlungsvorteil verschafft. Opportunistisches Verhalten soll also dann vorliegen, wenn eine Partei versucht, sich auf Kosten der Gegenseite Vorteile zu verschaffen, indem sie von einer zugesicherten Verhandlungsposition abweicht und bessere Vertragskonditionen fordert, sobald die Gegenseite deutlich höhere transaktionsspezifische Investitionen getätigt und sich somit exponiert hat. Nimmt die Gegenseite einseitig oder zumindest in deutlich höherem Maße transaktionsspezifische Investitionen vor, so ist – bei Absenz eines Ersatzanspruchs – ihr Verlustrisiko und damit ihr Interesse am Zustandekommen des in Aussicht genommenen Vertrags gewachsen, da sich die Investitionen nur dann 263 Siehe auch Schlösser, Druckausübung in Vertragsverhandlungen, S. 160 f., 163 ff. der jede Drohung mit einem grundlosen Verhandlungsabbruch als pflichtwidrig ansieht.

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rentieren, wenn der Vertrag geschlossen wird. Diese Schwächung der eigenen Verhandlungsposition kann eine opportunistisch handelnde Partei ausnutzen, indem sie von bereits zugesicherten bzw. erreichten Verhandlungspositionen abweicht und für sie vorteilhaftere Konditionen fordert. Eine solche Ausbeutung der Gegenseite kann insbesondere dadurch realisiert werden, dass der Gegenseite mit einem Verhandlungsabbruch gedroht wird, sollte sie nicht auf die Forderungen eingehen. Falls die Nachforderung nicht überzogen ist, wird sich eine rational handelnde Partei dem Druck beugen,264 da sich eben ihre Kalkulationsgrundlage geändert hat und sie andernfalls die bereits getätigten transaktionsspezifischen Investitionen abschreiben müsste. bb) Begründung der Pflichtwidrigkeit Das Verbot eines derart definierten Verhaltens lässt sich folgendermaßen begründen. Es entspricht grundlegenden Gerechtigkeitserwägungen, dass eine Partei nicht die Selbstschwächung der Gegenseite zum eigenen Vorteil ausnutzen darf, wenn diese Schwächung entweder Folge eines Verhaltens ist, das im Ansatz beiden Parteien zugute kommt, oder die eine Partei die Selbstschwächung der anderen Partei sehenden Auges hat geschehen lassen, einzig zu dem Zweck, diese später auszunutzen. Diese Gerechtigkeitserwägungen lassen sich auch mit ökonomischen Überlegungen untermauern. Ließe man die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens in dem Falle zu, dass die Selbstschwächung aus einem an sich beiden Parteien zugute kommenden Verhalten resultiert, so existiert durch das dann bestehende Risiko, Opfer eines solchen opportunistischen Verhaltens zu werden, ein Anreiz, möglichst geringe transaktionsspezifische Investitionen zu tätigen. Dann aber kommen einige Transaktionen gar nicht zustande und bei anderen fallen die Kooperationsgewinne niedriger als möglich aus. Ein laissez-faire hinsichtlich des opportunistischen Verhaltens führt also zu ineffizienten Anreizen und Ergebnissen. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Partei die Selbstschwächung der Gegenseite bewusst und nur zu dem Zweck zulässt, diese im Verlauf der Verhandlungen auszunutzen. Dann nämlich wird ein Anreiz gesetzt, weniger Vertrauen in einen redlichen Verhandlungsprozess zu setzen. Vertrauen als Koordinierungsmechanismus wird dann seltener bzw. weniger intensiv eingesetzt als es effizient wäre.265 264 Diese Annahme bezieht sich insbesondere auf eine einmalige Verhandlungssituation. Stehen Parteien in regelmäßigen geschäftlichen Verbindungen, so kann es sich (auch aus ökonomischer Sicht) lohnen, keinen Präzedenzfall zu schaffen, und dem Druck nicht nachzugeben, um ein Signal für künftige Verhandlungen zu geben. Auch (ökonomisch schwer zu fassende) Reputationseffekte und Signalwirkungen an den Markt als ganzen, bleiben außer Betracht. 265 Siehe zur effizienten und wohlfahrtsökonomisch anzustrebenden Koordinierung vorvertraglicher Investitionen Schlösser, Druckausübung in Vertragsverhandlungen, S. 47 ff.; siehe auch Schwartz/Scott, 120 Harv. Law Rev. (2007) 661, 677 ff.

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cc) Schwierigkeiten bei der Begründung eines Haftungsanspruchs Auch wenn das Verbot opportunistischen Verhaltens während der Verhandlungen in der Theorie zu überzeugen vermag, so ist doch ein darauf basierender Ersatzanspruch in der Praxis meist schwierig zu begründen. Hier treten die Schwierigkeiten, denen sich eine verschuldensabhängige Haftung grundsätzlich gegenüber sieht, und auf die sogleich noch näher einzugehen sein wird,266 besonders deutlich hervor. Zum einen bestehen generell Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der inneren Abschlussbereitschaft, die hier durch den erforderlichen Nachweis von Vorsatz intensiviert werden. Zum anderen muss der Zeitpunkt der Pflichtverletzung vor der Vornahme der transaktionsspezifischen Investitionen liegen, da nur dann die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Investitionen ohne die Pflichtverletzung nicht getätigt worden wären. Hier müsste also nachgewiesen werden, dass eine Partei den Vorsatz, die Selbstschwächung der Gegenseite auszunutzen, bereits in einem Zeitpunkt besaß, in dem die Investitionen noch nicht vorgenommen worden waren. Ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Ausbeutungsvorsatzes kann die Drohung mit dem Verhandlungsabbruch sein, wenn zusätzlich folgende Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss die Drohung erfolgen, nachdem ein deutliches Ungleichgewicht der transaktionsspezifischen Investitionen eingetreten ist. Nur dann liegt eine relevante Selbstschwächung der einen Seite gegenüber der drohenden Gegenseite vor, welche diese ausnutzen kann. Des Weiteren muss die opportunistisch handelnde Partei die Vornahme von transaktionsspezifischen Investitionen durch die Gegenseite gekannt und gebilligt bzw. sogar dazu ermuntert haben. Dieses Kriterium ist besonders wichtig und unentbehrlich, sofern die transaktionsspezifischen Investitionen der bedrohten Partei nur dieser selbst zugute kommen. Denn anderenfalls wäre es der investierenden Partei möglich, just durch die Vornahme von transaktionsspezifischen Investitionen das Haftungsrisiko der anderen Partei zu erhöhen und so mittelbar auf ihre negative Vertragsfreiheit einschränkend einzuwirken (sog. Lock-in Effekt). Schließlich muss noch eine Veränderung der Verhandlungsführung festzustellen sein, für die es keine plausible, andere Erklärung gibt außer derjenigen, dass die mit Verhandlungsabbruch drohende Partei die Schwächung der Gegenpartei opportunistisch ausnutzt. Dieses letzte Kriterium erinnert an den im Rahmen der Haftung beim Verhandlungsabbruch immer wieder angeführten, aber selten griffig definierten „triftigen Grund“.267 Um von einer Änderung der Verhandlungsführung sprechen zu können, muss eine feste Verhandlungsposition vorhanden sein, von der dann abgerückt wird. Diese frühere Verhandlungsposition muss mit einigem Gewicht und Nachdruck statuiert worden sein. 266

Siehe unten unter D.I.3. Das Vorliegen eines triftigen Grundes könnte man auch im Rahmen des Vertretenmüssens diskutieren. Dies hätte auch den Vorteil einer Beweislastumkehr. 267

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dd) Beispiel: Druckerei-Fall Ein plastisches Beispiel für – möglicherweise268 – opportunistisches Verhalten ist in folgendem Sachverhalt zu erkennen, welcher Gegenstand einer bereits erwähnten Entscheidung des BGH269 war: Der Beklagte war Eigentümer eines Hauses, in dem der Kläger seit Jahren Räume gemietet hatte, in welchen er eine Druckerei betrieb. Als der Beklagte plante, das Gebäude umzubauen und in Teileigentum aufzuteilen, kam es zwischen den Parteien zu Verhandlungen über den Verkauf der vom Kläger genutzten Räume. Im Verlauf der Verhandlungen stellte der Beklagte den Abschluss eines Kaufvertrags mit dem Kläger zum Preis von 750.000 DM als sicher hin.270 Dies gab dem Kläger Anlass, in besagten Räumen umfangreiche und kostenintensive Umbaumaßnahmen auszuführen. Nach Fertigstellung der Umbauten war der Beklagte allerdings zu einem Verkauf der Räume nur mehr zu einem Preis von 1 Mio. DM bereit und der Verkauf scheiterte. Der Kläger verlangte Schadensersatz aus c.i.c. für die frustrierten Aufwendungen für die Umbaumaßnahmen. Das geschilderte Verhalten des Beklagten erfüllt (wahrscheinlich) alle oben geschilderten Kriterien eines pflichtwidrigen opportunistischen Verhaltens. Die Drohung mit Verhandlungsabbruch erfolgte, nachdem ein deutliches Ungleichgewicht hinsichtlich der transaktionsspezifischen Investitionen eingetreten war. Diese Investitionen des Klägers in Umbaumaßnahmen waren mit Kenntnis und Einverständnis des Beklagten erfolgt. Und schließlich drohte der Beklagte mit einem Verhandlungsabbruch für den Fall, dass der Kläger nicht einen höheren Kaufpreis akzeptiert. Dabei rückte der Beklagte von einer Verhandlungsposition ab, die er vorher als sicher hingestellt und während der Dauer der Umbaumaßnahmen vorbehaltlos aufrechterhalten hatte, nämlich den Kaufpreis in Höhe von 750.000 DM. Um aber ein opportunistisches Verhalten zu bejahen zu können, müsste ein entsprechender Vorsatz, die Schwächung der Verhandlungsposition der Gegenseite ausnutzen zu wollen, schon vor der Vornahme der transaktionsspezifischen Investitionen vorgelegen haben – und dieser müsste beweisbar sein, was regelmäßig unmöglich sein dürfte. Da für die Annahme einer Informationspflichtverletzung bereits in dem Zeitpunkt, als der Verkäufer den Vertragsschluss zum Preis von 750.00 Euro als sicher hinstellte, keine Anhaltspunkte vorlagen, versucht der BGH, einen Schadensersatzanspruch über die spätere Verletzung einer Aufklärungspflicht zu konstruieren. Dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Bereitschaft, ei268 Die Nachweisprobleme hinsichtlich der subjektiven Seite sind bereits erwähnt worden. In den Ausführungen des BGH, der einen Schadensersatzanspruch aufgrund opportunistischen Verhaltens nicht kennt, finden sich hierzu dementsprechend keine Hinweise. 269 BGH NJW 1996, 1884; siehe hierzu auch oben unter B.II.2.a)cc)(2). 270 Dies sah das Berufungsgericht als erwiesen an.

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nen Vertrag zu bestimmten Bedingungen, insbesondere einem bestimmten Preis abzuschließen, sei nach Treu und Glauben der Fall gleichzustellen, dass ein Verhandlungspartner zwar zunächst eine solche, von ihm geäußerte Verkaufsbereitschaft tatsächlich gehabt hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren.271 Es ist bereits begründet worden, dass diese an sich systemwidrige Gleichsetzung von Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht im Rahmen der verhandlungsbezogenen Informationspflicht gerechtfertigt werden kann.272 Viel geholfen ist dem Käufer bzw. Kläger damit indes nicht; denn selbst wenn sich nachweisen ließe, dass der Verkäufer den Käufer nicht unverzüglich nach der Einschränkung der Abschlussbereitschaft hiervon unterrichtet hat, sind vor diesem Zeitpunkt getätigte Investitionen nicht ersatzfähig. Ein Verlust oder eine Verminderung der Abschlussbereitschaft an sich ist ja gerade nicht pflichtwidrig. Der Fall verdeutlicht damit zum einen die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die bei der Begründung einer verschuldensabhängigen Haftung bestehen; auf sie wird sogleich näher einzugehen sein. Zum anderen unterstreicht er die Notwendigkeit der Suche nach einer alternativen Haftung ohne das Erfordernis einer schuldhaften Pflichtverletzung. 3. Grundsätzliche Schwierigkeiten bei der Begründung eines Ersatzanspruchs im Rahmen einer verschuldensabhängigen Haftung a) Feststellung und Beweisbarkeit eines Auseinanderklaffens zwischen innerer und geäußerter Einstellung Wenn sich ein pflichtwidriges Verhandlungsverhalten, das zu einem Scheitern der Verhandlungen führt, nur aus der Verletzung einer verhandlungsbezogenen Informationspflicht ergeben kann, so muss zwangsläufig eine Inkongruenz zwischen der inneren und der nach außen dargestellten Abschlussbereitschaft bestehen. Die eine Partei muss bei der anderen einen unzutreffenden Eindruck über die eigene Einstellung zum Vertragsschluss erzeugt oder aufrechterhalten haben. Dieses Auseinanderklaffen zwischen innerer und geäußerter Einstellung ist indes schwierig festzustellen bzw. zu beweisen.273 Auch eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung in Form einer sog. sekundären Darlegungslast,274 an die hier 271

BGH NJW 1996, 1884, 1885. Siehe oben unter C.I.2.c)bb). 273 Hierauf weist auch Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1530 hin. 274 Bei einer sekundären Darlegungslast muss die nicht beweispflichtige Partei die Vorgänge aus ihrem eigenen Bereich offenlegen und so der anderen Partei die Möglichkeit einer Überprüfung geben. Allgemein bejaht der BGH eine sekundäre Darlegungslast dann, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben und es diesem zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen, vgl. BGHZ 86, 23, 29; 100, 190, 196; 140, 156, 160; 145, 170, 184; siehe auch Thomas/ 272

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zu denken ist, da sich die Pflichtverletzung im „inneren“, von der Gegenseite nicht einsehbaren Bereich des Verhandlungspartners ereignet, kann dieses Problem nicht zufriedenstellend lösen.275 Denn wie sollte eine Partei nachweisen bzw. darlegen, dass sie zum Zeitpunkt, als sie eine Zusicherung gemacht hat, auch entschlossen war, diese zu erfüllen? In den Fällen, in denen die Aussagen zur Abschlussbereitschaft zunächst von der inneren Einstellung gedeckt und somit zutreffend waren, die jeweilige Partei aber in der Folge innerlich von ihren Zusicherungen abgewichen ist, ohne dies der Gegenseite zu offenbaren, kommt als zusätzliches Problem bei der Beweisbarkeit hinzu, dass es schwierig ist, den exakten Zeitpunkt des inneren Abrückens von der Zusicherung festzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das Abrücken als schleichender Prozess darstellt. Man wird also in vielen Fällen, in denen eine Pflichtverletzung möglich erscheint, diese nicht beweisen können. Diese Beweisproblematik und die damit verbundene Gefahr, dass sich Parteien auf unerwünschte und pflichtwidrige Weise Vorteile verschaffen können, etwa durch opportunistisches Verhalten, erhöht die Notwendigkeit der Anerkennung einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung. Eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung würde zwar aufgrund ihrer andersartigen (Begründungs-)Struktur nicht subsidiär und automatisch in Fällen mangelnder Beweisbarkeit einer Pflichtverletzung greifen – und sollte dies auch gar nicht, aber sie könnte trotzdem die Verzerrung und die unerwünschten Anreize, die sich aus der schwierigen Beweisbarkeit pflichtverletzenden Verhaltens ergeben, abmildern. b) Keine „Rückwirkung“ Hinzu kommt die Problematik, dass Schäden nur dann ersatzfähig sind, wenn sie sich als kausale Folge der Pflichtverletzung darstellen. Wenn die transaktionsspezifische Investition, die sich bei einem Scheitern der Verhandlungen als Schaden darstellt, zeitlich vor dem pflichtverletzenden Verhalten der Gegenseite getätigt wird, kommt ein Ersatz daher grds nicht in Frage. Dies erweist sich insbesondere in den Fällen als Problem, in denen die Abschlussbereitschaft zunächst Putzo-Reichold, ZPO, Vor § 284 Rn 18; Zöller/Greger, ZPO, vor § 284 Rn. 34; Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1530. 275 A.A. Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1530, der den Haftungstatbestand des Abbruchs von Verhandlungen ohne triftigen Grund zu recht ablehnt, aber davon ausgeht, dass sich die problematischen Fälle durch eine sekundäre Darlegungslast widerspruchsfrei lösen ließen. Wolle der „Abbrechende“ einer Haftung entgehen, nachdem er den Vertragsschluss zunächst als sicher in Aussicht gestellt hatte, so müsse er darlegen, dass zum Zeitpunkt der Erklärung (1) eine Abschlussabsicht bestand, (2) keine Hinderungsgründe ersichtlich waren und (3) über eine Veränderung der Situation rechtzeitig aufgeklärt wurde. Bezeichnenderweise schweigt er indes dazu, wie ein solche Darlegung praktikabel gelingen sollte.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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wahrheitsgemäß zugesichert worden ist, in der Folge aber aufgegeben wurde, ohne dass dies offenbart wurde. Dieser Zeitpunkt – so er denn überhaupt feststellbar ist – wird oftmals nach der Vornahme der relevanten Investition liegen. Mangels „Rückwirkung“ der Pflichtverletzung ist dann aber ein Ersatzanspruch ausgeschlossen. Diese Überlegung deutet bereits an, dass eine Ausgleichshaftung sinnvollerweise am Verhalten der Parteien im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung bzw. -vornahme ansetzen sollte.276

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung Wenn sich also eine pflichtenbasierte und verschuldensabhängige Haftung beim Abbruch von Vertragsverhandlungen nur auf die Verletzung einer verhandlungsbezogenen Informationspflicht stützen lässt, und mithin nicht auf den Abbruch der Verhandlungen als solchen, und wenn man zudem die soeben erwähnten grundsätzlichen praktischen Schwierigkeiten bei der Begründung eines verschuldensabhängigen Ersatzanspruchs bedenkt, so folgt daraus eine deutliche Reduktion der (potentiellen) Haftungsfälle. Damit stellt sich die Frage, ob ein derart restriktives Haftungsregime sinnvoll ist. Es bliebe dann bei dem Grundsatz, dass jede Partei das Risiko, dass ihre vorvertraglichen Investitionen bei einem Scheitern der Verhandlungen nutzlos werden, selbst zu tragen hat. Will eine Partei dieses Risiko vermeiden, so müsste sie entweder bis zum Vertragsschluss warten oder aber mit der Gegenseite eine Kostenvereinbarung für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen schließen. Ein solch zurückhaltendes Haftungsregime hätte zwar den Vorteil einer einfach handhabbaren und klaren Struktur. Es sprechen aber rechtsökonomische Überlegungen dafür, dass eine solche Regel ineffizient wäre (dazu sogleich unter 1.). Auch der Verweis auf die privatautonome Möglichkeit, eine Kostenvereinbarung zu schließen, ist wenig weiterführend. Zum einen wird damit nur eine Selbstverständlichkeit ausgedrückt, ohne dass hieraus ein Argument gegen die Statuierung einer verschuldensunabhängigen Haftung folgte. Zum anderen ist der Abschluss einer Kostenvereinbarung oftmals nicht praktikabel (dazu unter 2.). Daher wird im Anschluss erörtert, wie eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung gerechtfertigt und ausgestaltet sein könnte. Zunächst werden einige Begründungsansätze vorgestellt, die bereits diskutiert werden (dazu unter 3.). Dann soll der Versuch unternommen werden, eine eigene Konzeption einer Ausgleichshaftung zu entwickeln. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, dass durch die Bejahung eines Ersatzanspruchs vom Grundsatz „casum sentit dominus“ abgewichen wird. Dieser Grundsatz wird in Bezug auf den vorvertraglichen Bereich so verstanden, dass jede Partei das Risiko der Frustrierung eigener, in Erwartung eines Vertragsschlusses getätigten 276

Siehe hierzu unten unter D.II.7.a).

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

Aufwendungen selbst zu tragen hat. Ihm kommt indes keine besondere normative Überzeugungskraft zu, d.h. wenn sich eine überzeugende Begründung für eine andersartige Risikoverteilung finden lässt, ist ein Abweichen vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ ohne weiteres möglich. Anknüpfungspunkt und zentrale Voraussetzung für eine Haftung, welche eine den Parteiinteressen gerecht werdende Risikoverteilung ermöglicht, sollte die Zustimmung der nicht selbst investierenden Partei zur Vornahme der vorvertraglichen Investition durch die andere Partei sein. Liegt eine solche Zustimmung – und nicht bloße Kenntnis – vor, so lässt sich daraus ein eigenes Interesse der zustimmenden Partei an der Investition der Gegenseite folgern. Die Zustimmung zur Investition vor dem Hintergrund des von den Parteien erreichten Verhandlungsstands kann als Übernahme des Risikos verstanden werden, dass eine Partei noch von im Verhandlungsverlauf erfolgten Zusicherungen abweicht (siehe unter 4.d) und 6.). Anschließend sollen mögliche Anknüpfungspunkte für eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung im Gesetz aufgezeigt werden. Vorgeschlagen wird, die Haftung an den §§ 735, 722 BGB oder § 313 anzulehnen (hierzu unter 5.). Schließlich wird die Anwendung der hier vorgeschlagenen Haftungskonzeption auf konkrete Beispielsfälle demonstriert (unter 7.). 1. Rechtsökonomische Vorüberlegungen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung Investitionen im Vorfeld eines Vertragsschluss zu tätigen, kann unvermeidbar oder auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Unvermeidbar (zumindest bis zu einem gewissen Grad) sind in erster Linie verhandlungsspezifische Investitionen, also alle Kosten, die durch die Verhandlungen verursacht werden, ohne dass sie sich in anderem Zusammenhang bezahlbar machen können. Dazu zählen etwa Reisekosten, Beraterhonorare oder Aufwendungen für eine Due-Diligence-Prüfung. Wirtschaftlich sinnvoll hingegen sind solche Aufwendungen, welche die antizipierte Vertragsdurchführung effizienter werden lassen. Diese Effizienzsteigerung kann potentiell beiden Parteien zugute kommen (abhängig vom jeweiligen Verhandlungsgeschick) und gesamtwirtschaftlich gesehen zu einem Mehr an Transaktionen führen. Ein Beispiel: Parteien, die über einen Produktionsauftrag verhandeln, können die Effizienz steigern, indem sie schon vor Vertragsunterzeichnung Rohstoffe und benötigte Materialien kaufen, so dass die Produktion früher (und damit günstiger) aufgenommen werden kann. Plastisch illustriert ist dies etwa in dem oben angeführten „Bergmannskappen“-Fall.277 Dieses Beispiel zeigt auch bereits den Weg für eine Haftung auf. Entscheidend ist, ob die Parteien sich hinsichtlich der Kosten (hier: der Materialbeschaffung) abgestimmt haben, ob diese also einvernehmlich getätigt wurden. Von eher untergeordneter Bedeutung 277 BGH MDR 1954, 346 = LM Nr. 3 zu § 276 (Fa) BGB, siehe hierzu oben unter B.II.1.a).

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ist hingegen die Intensität des Vertrauens in den Vertragsschluss. Hierauf wird zurückzukommen sein. Die rechtsökonomische Analyse von vorvertraglichen Investitionen und der sich daraus ergebenden Anreizprobleme ist relativ jung.278 Insbesondere folgende Problemstellung wird dabei diskutiert: Derjenige, der mit der Möglichkeit der Erfüllung eines bestimmten Versprechens rechnet,279 wird die Entscheidung über eine eigene Investition, die im Zusammenhang mit der versprochenen Leistung zu tätigen ist, so treffen, dass der Erwartungswert des Nettonutzens der in Aussicht gestellten Leistung maximiert wird.280 Der Erwartungswert des Nettonutzens ist die Differenz zwischen dem Erwartungswert des bei Erfüllung der versprochenen Leistung entstehenden Nutzens und dem Erwartungswert des bei Nichterfüllung eintretenden Schadens infolge dann nutzloser Aufwendungen. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Entscheidung über die Höhe der eigenen Investition, sondern auch die Entscheidung über den Zeitpunkt derselben relevant ist.281 Wie bereits das obige Beispiel gezeigt hat, kann die zeitliche Vorverlegung den (bei Erfüllung eintretenden) Nutzen erhöhen. Der optimale Zeitpunkt für eine Investition ist der Moment, in dem die marginalen (also die jeweils zusätzlichen) Kosten einer weiteren Verzögerung der Investition beginnen, den marginalen Nutzen des Abwartens zu übersteigen.282 Dieser Zeitpunkt kann auch vor Vertragsschluss liegen. Wenn die Rechtsordnung eine (verschuldensunabhängige) Haftung vor Vertragsschluss ablehnt, so setzt sie damit einen ineffizienten Anreiz. Denn diejenige Partei, für die der optimale Investitionszeitpunkt vor Vertragsschluss läge, steht vor einem Dilemma. Investiert sie, so gerät sie gegenüber der anderen Partei ins Hintertreffen. Denn sobald transaktionsspezifische Investitionen in größerem Umfang ungleichzeitig getätigt werden, tritt das Problem auf, dass sich die Gegenseite opportunistisch verhalten und das Ungleichgewicht zu ihrem Vorteil ausnutzen kann. Auf diese sog. „hold-up“-Problematik ist bereits hingewiesen worden.283 Derjenige, der zuerst transaktionsspezifische Investitionen tätigt, ist in größerem Maße auf das Zustandekommen des Vertrags angewiesen. Die Gegenseite kann diesen Verhandlungsnachteil ausnutzen und bessere Konditionen 278 Vgl. die Vorarbeiten von Goetz/Scott, 89 Yale L.J. 1261 (1980) und Katz, 105 Yale L.J. 1249 (1996) sowie zum Diskussionsstand Bebchuk/Ben-Shahar, 30 J.Legal Stud. 423 (2001); weitere Nachweise bei Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 205 Fn 15. 279 Was nicht gleichbedeutend mit „Vertrauen auf den Vertragsschluss“ ist! 280 Ähnlich Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 206. 281 So auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 206 mit Verweis auf Katz, 105 Yale L.J. 1249, 1267 ff. (1996) und Goetz/Scott, 89 Yale L.J. 1261, 1267 ff. (1980). 282 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 207. 283 Siehe oben unter D.I.2.b).

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

durchsetzen. Ein solches Verhalten kann zwar – wie oben beschrieben284 – opportunistisch sein und damit als pflichtwidrig angesehen werden. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die nicht selbst investierende Partei zielgerichtet vorgeht, ihr Verhandlungsverhalten also vorsätzlich so ausrichtet, dass die Gegenseite durch die Vornahme der Investitionen in den Verhandlungsnachteil gerät, um diesen dann auszunutzen. Fehlt diese Zielrichtung aber oder ist sie – was praktisch häufig der Fall sein wird – nicht nachweisbar, so wäre die investierende Partei bei der Absenz einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung regelmäßig gezwungen, ganz oder teilweise auf den Nutzen ihrer Investition zu verzichten, wenn sie ein Scheitern der Verhandlungen und damit die Nutzlosigkeit ihrer Aufwendungen verhindern will. Das Wissen um diese Gefahr verringert den Anreiz, zum optimalen Zeitpunkt eine Investition in optimaler Höhe vorzunehmen. Eine Partei, die beim Scheitern der Verhandlungen die fehlgeschlagenen Aufwendungen vollständig zu tragen hat, während sie damit rechnen muss, beim erfolgreichen Vertragsschluss nur einen Teil des durch die Investition generierten Nutzens zu erhalten, wird eine Investition tätigen, die von der Höhe unter dem Optimum liegt bzw. vom Zeitpunkt später als das Optimum erfolgt.285 Folglich setzt eine Rechtsordnung, die einen Abbruch der Verhandlungen bis zur Zäsur des Vertragsschlusses sanktionslos zulässt, sofern man darin kein pflichtwidriges Verhalten sehen kann, keine effizienten Rahmenbedingungen.286 Dem ließe sich entgegnen, dass die Rechtsordnung den Parteien die Möglichkeit bietet, sich privatautonom durch den Abschluss einer Kostenvereinbarung abzusichern.287 Dieses Argument kann auch ökonomisch „verpackt“ werden. Durch die Tatsache, dass das dispositive Recht eine ineffiziente Regelung zur Verfügung stellt, wird den Parteien ein Anreiz gegeben, eine privatautonome Lösung zu finden. Im rechtsökonomischen Schrifttum ist diese Regelungsstrategie unter dem Begriff einer „penalty default rule“ bekannt.288 Danach soll die Regel nicht versuchen, das abzubilden, was rationale Parteien hypothetisch vereinbart hätten. Vielmehr soll ein Anreiz gesetzt werden, dass die Parteien die ineffiziente „penalty default rule“ durch eine vertragliche Regelung ersetzen. Mangelnder haftungsrechtlicher Schutz würde also den Verhandlungspartner, der eine vorver-

284

Siehe oben unter D.I.2.b)aa). Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 208 sowie Bebchuk/ Ben-Shahar, 30 J.Legal Stud. 423, 431 f. (2001); Craswell, 48 Stan.L.Rev. (1996), 481, 492. 286 Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 208. 287 So etwa Medicus, Gutachten, S. 479, 500 sowie Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1099 f.; Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305, 318. 288 Siehe hierzu Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 209 und Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009) 37, 64 ff. beide mwN. Der Begriff geht zurück auf den einflussreichen Artikel von Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. (1989), 87, 91. 285

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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tragliche Investition tätigen möchte, dazu bewegen, die Gegenseite von seinem Vorhaben zu informieren und mit den Abschluss einer Kostenvereinbarung zu suchen.289 Allerdings ist sehr zweifelhaft, ob eine an sich ineffiziente „penalty default rule“ die erwünschte Anreizwirkung und so insgesamt wohlfahrtssteigernde Wirkung hat,290 zumal die Ausarbeitung und Verhandlung einer Kostenvereinbarung ihrerseits Transaktionskosten mit sich bringt. Hinzu kommt, dass das Anliegen einer „penalty default rule“, die investitionswillige Partei möge sich mit der Gegenseite über ihren Investitionswunsch in Verbindung setzen, auch im Rahmen einer Haftungsregelung berücksichtigt werden kann. Im hier vorgeschlagenen Haftungskonzept wird als Voraussetzung gerade gefordert, dass die Gegenseite der Investition zugestimmt haben muss.291 Die Aufrechterhaltung einer ineffizienten, aber einfach handhabbaren „penalty default rule“ wäre nur dann unterstützenswert, wenn sich eine Regel, die den hypothetischen Parteiinteressen näher kommt und ein effizientes Investitionsniveau ermöglicht, nicht handhabbar und praktikabel beschreiben ließe.292 Dass letzteres indes durchaus möglich ist, soll im Weiteren gezeigt werden. 2. Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes kein schlagendes Argument gegen eine verschuldensunabhängige Haftung Der Einwand, dass die Rechtsordnung den Parteien ausreichend Mittel zum Schutz ihrer Investitionen zur Verfügung stellt,293 kann generell nicht überzeugen. Zwar haben die Verhandlungspartner in der Tat die Möglichkeit, ihre vorvertraglichen Investitionen abzusichern, indem sie entweder bereits eine rechtsgeschäftliche Bindungswirkung in Bezug auf den in Aussicht genommenen Vertrag erzielen, sei es durch einen Vorvertrag oder durch einen Optionsvertrag, oder aber eine privatautonome Regelung bezüglich der entstehenden Kosten treffen, sei es durch eine Garantieübernahme oder eine Kostenvereinbarung. Die Tatsache, dass den Parteien die Möglichkeit offensteht, sich privatautonom gegen einen drohenden Schaden bei einem Scheitern der Verhandlungen zu schützen, ist zunächst eine Selbstverständlichkeit, die weder ein Argument für noch gegen eine verschuldensunabhängige Haftung liefert. Ein Argument gegen 289

Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 209. Skeptisch zur wohlfahrtssteigernden Wirkung von „penalty default rules“ auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 209 und Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009) 37, 64 ff. 291 Siehe hierzu unten unter D.II.7.a). 292 Ähnlich Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 210. 293 Vgl. etwa Medicus, Gutachten, S. 479, 500 sowie Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1099 f.; Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 305, 318. 290

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

eine Ausgleichshaftung ließe sich nur aus einem gezielten Verzicht auf den Schutz der Rechtsordnung ableiten; diese Konstellation ergibt sich zum Beispiel, wenn Parteien formbedürftige Rechtsgeschäfte ohne Beachtung der Form in Kenntnis der daraus resultierenden Formnichtigkeit abschließen, etwa um die Kosten der notariellen Beurkundung zu sparen. Wer sich bewusst gegen die Rechtsordnung auflehnt und „rechtsfeindlich“ handelt, dem ist in der Tat grundsätzlich der Schutz der Rechtsordnung zu versagen.294 Wenn aber die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes schlichtweg nicht wahrgenommen wird, ohne dass hierin ein zielgerichteter Verzicht zu sehen ist, lässt sich hieraus kein Argument gegen einen Schutz durch die Rechtsordnung in Form einer Ausgleichshaftung konstruieren.295 Von größerer Relevanz hingegen ist die Frage, ob die theoretische Möglichkeit des privatautonomen Selbstschutzes sich den Parteien auch praktisch immer eröffnet bzw. ihren Interessen gerecht wird. Klar ist, dass eine vertragliche Bindung im Hinblick auf den in Rede stehenden (Haupt-)Vertrag von den Parteien oft noch gar nicht erwünscht ist. Aber auch der Abschluss einer Kostenvereinbarung ist nicht immer unproblematisch bzw. im Interesse der Parteien. Erstens, kann einer Partei die Notwendigkeit einer Absicherung gar nicht bewusst sein. Gerade dann, wenn die Gegenseite weitgehende und glaubhafte Zusicherungen im Verhandlungsprozess gemacht und zudem der Investition zugestimmt hat, wird die investierende Partei geneigt sein, den zusätzlichen Abschluss einer Kostenvereinbarung für überflüssig zu halten.296 Zweitens, verursacht das Aushandeln einer Kostenvereinbarung zusätzliche Transaktionskosten und verzögert die eigentlichen Verhandlungen über den Hauptvertrag. Die Parteien werden diesen Aufwand oft scheuen, und dies erneut je eher, desto höher sie die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Vertragsabschlusses einschätzen. Drittens, schließlich, steht zu vermuten, dass der Abschluss einer Kostenvereinbarung auch aus verhandlungstaktischen bzw. verhandlungspsychologischen Gründen problematisch ist. Parteien sind an einer positiven Verhandlungsatmosphäre interessiert. Um diese zu schaffen oder zu stärken, können sie sich gegenseitig (wahrheitsgemäß und folglich ohne Pflichtwidrigkeit) ihrer Abschlussbereitschaft versichern, sei es durch verbale Äußerungen oder eben auch durch die Vornahme von transaktionsspezifischen Investitionen. Die Parteien werden eher über die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Verhandlungsabschlusses reden wollen als über Gründe für ein mögliches Scheitern. Drängt eine Partei trotz Verhandlungszusicherungen der Gegenseite auf den Abschluss einer Kostenvereinbarung, so kann dies leicht als Misstrauen und Skepsis an der Ernsthaftigkeit des Verhandlungs294 Vgl. zu dieser Konstellation etwa Gernhuber, FS Schmidt-Rimpler, 151, 172. Zu den Ausnahmefällen, wie des „Königlichen Kaufmanns“ (BGHZ 48, 396), siehe Canaris, Vertrauenshaftung, S. 354 ff. 295 Ähnlich Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 284. 296 In diese Richtung auch Singer, Verbot, S. 285; Weber, AcP 192 (1992), 390, 406.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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partners ausgelegt werden und die Verhandlungsatmosphäre belasten.297 Mit dem Verweis auf die Möglichkeit eines privatautonomen Selbstschutzes wird man den Schutzinteressen der Parteien mithin nicht ausreichend gerecht. Zudem ist zu bedenken, dass der grundsätzliche Vorrang der Privatautonomie durch die Statuierung einer verschuldensunabhängigen Haftung gar nicht in Zweifel gezogen wird. Wenn die Parteien eine Regelung zur Kostenverteilung im Falle des Scheiterns der Verhandlungen getroffen haben, so gilt diese privatautonome Regelung uneingeschränkt. So wenig wie die gesetzlichen Regelungen im vertraglichen Bereich den Vorrang der Privatautonomie beeinträchtigen, so wenig würde eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes schmälern. Einer verschuldensunabhängigen Haftung würde damit eine ähnliche Funktion zukommen, wie sie die dispositiven Vorschriften zu Leistungsstörungen im Bereich des Schuldrechts innehaben.298 Dispositives Recht steht nicht im Widerspruch zur Privatautonomie; es gewährleistet eine interessengerechte Verteilung der Rechte und Pflichten für den Fall, dass die Parteien selbst keine Regelung treffen. Das Haftungsregime käme also immer subsidiär zum Tragen, wenn die Parteien keine Kostenvereinbarung schließen. Anzumerken ist, dass die hier vorgeschlagene Haftungskonzeption die Parteien keinesfalls zwingt, sich von einer Haftung freizuzeichnen und eine „negative“ Kostenvereinbarung zu schließen, wenn sie im Falle des Scheiterns der Verhandlungen nicht für Investitionen der Gegenseite aufkommen möchte. Denn eine Haftung nach hier vertretener Ansicht setzt die – über bloße Kenntnis hinausgehende – Zustimmung zur vorvertraglichen Investition der Gegenseite voraus. Um einer Haftung zu entgehen, genügt es also, gegenüber Investitionswünschen der Gegenseite passiv und untätig zu bleiben. Es bliebe dann beim Grundsatz des „casum sentit dominus“, wenn die Gegenseite die Investitionen ohne Zustimmung der nicht investierenden Partei trotzdem tätigt. Somit wäre auch die Gefahr eines „lock-in“, also der Konstellation, dass eine Partei die Gegenseite ohne deren Zutun durch die Vornahme von vorvertraglichen Investitionen und ein damit verbundenes Haftungsrisiko in einen Vertragsschluss drängt, nicht gegeben. Ein solches Haftungsregime, das einerseits den Vorrang der Privatautonomie nicht in Frage stellt und andererseits vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ nur dann abweicht, wenn die nicht selbst investierende Partei die vorvertragliche Investition der Gegenseite gebilligt und mitgetragen hat, kann den Geschäftsverkehrs entlasten.299 Es könnte damit dieselbe Entlastungsfunktion erfüllen, wie

297

Ähnlich auch Singer, FS Canaris I, 135, 146. Ähnlich Singer, FS Canaris I, 135, 145 f.; ders., Verbot, S. 285, der für eine Vertrauenshaftung plädiert. 299 So auch Singer, FS Canaris I, 135, 146, wenn auch unter Zugrundelegung eines weitergefassten Systems der Vertrauenshaftung. 298

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

dies bei dispositivem Recht generell der Fall ist.300 Indem eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung den Parteien den zusätzlichen Verhandlungsaufwand für eine Kostenvereinbarung erspart, der nicht nur seinerseits Kosten verursacht, sondern sich auch negativ auf die Verhandlungsatmosphäre auswirken kann, dient sie einer leistungsfähigen und effizienten Rechtsordnung.301 3. Notwendigkeit der Konstruktion einer verschuldensunabhängigen Haftung außerhalb des Instituts der c.i.c. Im folgenden wird festgestellt und begründet, dass dem berechtigten Bedürfnis nach einer verschuldensunabhängigen Haftung durch eine Lösung außerhalb des Instituts der c.i.c. nachzukommen ist. Eine verschuldensunabhängige Haftung aus c.i.c. wäre nicht nur systemwidrig, sondern seit der Schuldrechtsreform auch contra legem. Das richterrechtlich entwickelte Institut der c.i.c. stützt eine Haftung auf die schuldhafte Verletzung von Pflichten im vorvertraglichen Raum. Die Rechtsprechung war immer recht frei bei der Herausbildung neuer Pflichten. Meist ist die Statuierung einer Pflicht das Mittel zum Zweck der Haftungsbegründung. Die weitschweifende Rechtsprechung zu den Informationspflichten ist hierfür beredtes Zeugnis. Auch nach der Schuldrechtsreform hat sich an diesem Befund nichts Grundlegendes geändert, da die c.i.c. nur eine sehr rudimentäre Kodifizierung erfahren hat. Zudem hat der Gesetzgeber festgestellt, dass eine „Änderung der bisherigen Rechtsprechung, etwa zum grundlosen Abbruch der Vertragsverhandlungen, [. . .] nicht beabsichtigt“ sei.302 Trotzdem hat die Kodifizierung die Einschätzung bekräftigt, dass die Haftung aus c.i.c. das Bestehen einer Pflicht sowie deren schuldhafte Verletzung voraussetzt. Anders lässt sich das Zusammenspiel der §§ 311 II, III, 241 II und 280 I BGB nicht auffassen. So fügt sich die c.i.c. bruchlos in die allgemeine Haftung für Pflichtverletzungen im Rahmen vertraglicher und gesetzlicher Schuldverhältnisse gem. § 280 I BGB ein.303 Damit steht die Rechtsprechung vor der Herausforderung erklären zu müssen, worin beim grundlosen Abbruch der Verhandlungen die Pflichtverletzung bestehen und worauf sich der Verschuldensvorwurf beziehen soll. Dies ist nicht mehr nur aus Gründen der dogmatischen Klarheit und Logik geboten, sondern ist jetzt auch gesetzliche Notwendigkeit. 300 Vgl. hierzu Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 40, 43; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 547; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 63 u. S. 107; des Weiteren Posner, Economic Analysis (1977), S. 67; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 426. 301 Ähnlich, wenn auch unter Zugrundelegung anderer, weitergefasster Haftungsmodelle: Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 221 ff., 235; Singer, FS Canaris I, 135, 146. 302 BT-Drucks. 14/6040, S. 163. 303 MüKo-Emmerich, § 311 Rn 59.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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Dass man aber auf unüberwindbare Hindernisse stößt, wenn man im grundlosen Abbruch von Verhandlungen eine Pflichtverletzung sehen will, ist bereits dargestellt worden.304 Zu deutlich sind der Widerspruch zur negativen Vertragsfreiheit als auch die sich ergebende Ungereimtheit, in diesem Fall nur einen Ersatz des negativen Interesses zu gewähren. Bezeichnend ist, dass die Rechtsprechung Festlegungen vermeidet, ob sie die Haftung für den grundlosen Abbruch der Verhandlungen verschuldensabhängig konzipiert. Insofern überrascht es nicht, dass sich die Stimmen in der Literatur mehren, die eine Subsumtion einer Haftung für den grundlosen Abbruch der Verhandlungen unter die Anspruchsgrundlage der §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB skeptisch beurteilen bzw. ablehnen.305 Richtungsweisende Aussagen oder gar eine Änderung der Rechtsprechung seit der Schuldrechtsreform sind indes bislang nicht zu verzeichnen. 4. Möglichkeit der Konstruktion einer verschuldensunabhängigen Haftung außerhalb des Instituts der c.i.c. Zu klären bleibt, ob und – wenn, ja – wie, eine verschuldensunabhängige Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen außerhalb des Instituts der c.i.c. zu konzipieren ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil in der Gesetzesbegründung zu § 311 BGB n. F., welche die Kodifikation der c.i.c. behandelt, ausdrücklich die Fallgruppe des Abbruchs der Vertragsverhandlungen als Beispiel genannt wird.306 Eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung, so die Gesetzesbegründung, sei nicht beabsichtigt. Nun ließe sich argumentieren, dass damit eine gesetzliche Regelung der Fallgruppe vorliegt, und eine Haftung beim Scheitern von Verhandlungen nur im Rahmen der c.i.c. und damit pflichtenbasiert und verschuldensabhängig vorgesehen ist. Dagegen ist allerdings zum einen einzuwenden, dass die rudimentäre Kodifikation der c.i.c. nur dazu dienen sollte, dem richterrechtlich entwickelten Institut der c.i.c. gesetzliche Anerkennung zu verschaffen; ein tiefergehender Eingriff in die Rechtsprechung und eine gesetzliche Ausgestaltung der Fallgruppen sollte gerade nicht erfolgen.307 Die Erwähnung der Fallgruppe des Abbruchs der Vertragsverhandlungen in der Gesetzesbegründung kann also auch lediglich als grundsätzliche Billigung einer Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen verstanden werden; daraus folgt nicht zwingend, dass eine solche Haftung ausschließlich im Rahmen der c.i.c. zu kon-

304

Siehe oben C.II. Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 7 und 506 mwN; Rieble, in: Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 137, 150; Schwab, JuS 2002, 773, 776 ff. A.A. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn 379 mit der gegenteiligen Einschätzung, dass sich alle bisher von Wissenschaft und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen „mühelos unter die Kodifizierung subsumieren“ ließen. 306 Siehe Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/6040, S. 163. 307 Siehe Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/6040, S. 162 f. 305

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

zipieren ist. Zum anderen ist eine Haftung, die am Abbruch der Vertragsverhandlungen anknüpft, ja gerade abzulehnen;308 eine verschuldensunabhängige Haftung muss anders aufgebaut und begründet werden. Wie nun lässt sich eine solche verschuldensunabhängige Haftung methodisch konstruieren? Wird das Fehlen einer Norm bemängelt bzw. das Vorliegen einer Gesetzeslücke309 postuliert, muss beantwortet werden, ob diesem Missstand entweder durch gesetzesimmanente oder durch gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung abgeholfen werden kann. Dazu bedarf es der Erörterung, ob eine Gesetzeslücke (im engeren Sinn)310 vorliegt oder ein rechtspolitischer Fehler des Gesetzes.311 Dabei handelt es sich nicht um eine logische Schlussfolgerung oder um ein Tatsachenurteil, sondern um eine Wertungsfrage.312 Im Fall der Gesetzeslücke im engeren Sinne ist das Gesetz – gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht und immanenten Teleologie – planwidrig unvollständig; im Fall des Fehler des Gesetzes ist das Gesetz aus rechtspolitischer Sicht kritikwürdig und es besteht eine Lücke de lege ferenda bzw. eine Lücke im weiteren Sinn.313 Innerhalb der Gesetzeslücken im engeren Sinn wird weiter zwischen „offenen“ und „verdeckten“ Lücken unterschieden.314 Erstere liegt vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallkonstellation keine Regel enthält, die es nach seiner eigenen Teleologie enthalten sollte; letztere besteht dann, wenn das Gesetz zwar eine auf die Fallkonstellation anwendbare Regel enthält, diese aber ihrem Sinn und Zweck nach hier nicht passt, sie also eine notwendige Einschränkung nicht enthält. Während „offene“ Lücken insbesondere durch eine Analogie geschlossen werden können,315 geschieht die Ausfüllung von „verdeckten“ Lücken durch die Hinzufügung der vermissten Einschränkung im Wege einer teleologischen Reduktion

308

Siehe oben unter C.II. Zum Begriff der Gesetzeslücke vgl. grundlegend Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 17 f., 21, 35 ff. und passim, sowie Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 189. Nachfolgend wird dem erweiterten Lückenbegriff Canaris’ gefolgt, der von einer Lücke im engeren Sinn im Zusammenhang mit der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung und von einer Lücke im weiteren Sinn im Zusammenhang mit der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung spricht, Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 35 ff., Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246. 310 Vgl. vorhergehende Fn. 311 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195. 312 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195. 313 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195, 246; Kramer, Methodenlehre, S. 193 ff. Canaris unterscheidet insofern zwischen Lücken im engeren und Lücken im weiteren Sinn, Kramer zwischen gesetzesimmanenten Lücken und rechtspolitischen Lücken. Anders dagegen Larenz in den von ihm verantworteten Auflagen, vgl. Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 368, 426 f. 314 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 198. Sachlich ebenso, aber terminologisch etwas anders Kramer, Methodenlehre, S. 196 ff., der zwischen offenen Lücken und Ausnahmelücken unterscheidet. 315 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202 ff. 309

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

123

der Norm.316 Bei einem rechtspolitischen Fehler des Gesetzes, einer Lücke im weiteren Sinn, kommt hingegen allenfalls eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung in Betracht.317 Was nun eine verschuldensunabhängige Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen betrifft, so kann diese nur rechtspolitisch de lege ferenda gefordert werden, und nicht de lege lata aus dem Regelungsplan des Gesetzes abgeleitet werden. Das Institut der culpa in contrahendo, seinerseits durch gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung entwickelt – zunächst durch die Wissenschaft, dann durch die Rechtsprechung –,318 ist zwar nun im Gesetz zu finden. Allerdings kann innerhalb dieses Instituts, dessen Ausgestaltung weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleibt und die nunmehr de lege lata erfolgt, nur eine pflichtenbasierte und verschuldensabhängige Haftung konstruiert werden. Insofern wird eine verschuldensunabhängige Haftung in gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung zu entwickeln sein. Dafür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.319 Erstens darf die Rechtsfortbildung nicht contra legem sein. Zweitens muss die Rechtsfortbildung durch spezifisch rechtliche Kriterien, insbesondere durch allgemeine Rechtsprinzipien legitimiert werden. Eine verschuldensunabhängige Haftung im vorvertraglichen Bereich ist nicht contra legem, das Bestehen der culpa in contrahendo fordert keinen Umkehrschluss dergestalt, dass andere Haftungskonstruktionen unzulässig wären. Die c.i.c. besitzt weder ein „Monopol“ auf jegliche vorvertragliche Haftung noch auf eine vertrauensschützende Haftung. Zwar ist die c.i.c. nach der h. M. im Vertrauensprinzip begründet.320 Dies bedeutet indes nicht, dass Vertrauensgesichtspunkte nur im Rahmen der c.i.c. Berücksichtigung finden könnten. Im Gegenteil: Der Begriff der „Vertrauenshaftung“ ist so vielschichtig und facettenreich, dass er nur als Oberbegriff für mehrere, einzelne Tatbestände dienen kann.321 Außerdem ist es auch nicht so, dass „Vertrauen“ das zentrale, haftungsbegründende Element einer verschuldensunabhängigen Haftung beim Scheitern von Verhandlungen sein muss. Vielmehr sollte im Zentrum einer Haftungskonzeption das Streben nach einer interessengerechten Risikoverteilung stehen. Dabei sollte das Hauptaugenmerk darauf gelegt werden, welche diesbezüglichen Anhalts316

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195, 232 ff. 318 Siehe die Übersicht bei Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 241 ff. 319 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246. 320 Vgl. Canaris JZ 1965, 475, 476; ders., Vertrauenshaftung, S. 532; ders., FS Larenz 1983, 27, 105 ff.; Larenz, FS Ballerstedt, 397 ff.; Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 103 mwN; BGHZ 60, 221, 226; 70, 337, 343 f.; 79, 337, 340 ff.; BGH ZIP 1998, 1434, 1435. 321 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 526 ff., unterscheidet etwa zwischen den Tatbeständen der Rechtsscheinhaftung, der Vertrauenshaftung kraft rechtsethischer Notwendigkeit, der Erklärungshaftung und der Anvertrauenshaftung. 317

124

D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

punkte sich dem Verhandlungsverhalten der Parteien entnehmen lassen, und insbesondere wie sie sich zu den vorvertraglichen Investitionen verhalten haben. Die Zustimmung der nicht selbst investierenden Partei zur Vornahme der vorvertraglichen Investition der Gegenseite kann dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung sein.322 Im folgenden soll näher untersucht werden, wie eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung begründet werden könnte und welche Anhaltspunkte im Gesetz eine solche Rechtsfortbildung wenn auch nicht als Plan des Gesetzgebers erscheinen lassen, so doch unterstützen können. 5. Begründungsansätze Was den theoretischen Hintergrund einer Ausgleichshaftung betrifft, so gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Will man diese kategorisieren – mit der bei Vergröberungen unausweichlichen Gefahr, den jeweiligen Details und Nuancen nicht gerecht zu werden –, so lassen sich zwei Tendenzen unterscheiden. Auf der einen Seite stehen Lösungen, die sich bei der Frage der Haftung eher auf die Partei, deren Aufwendungen frustriert worden sind, konzentrieren und deren Schutzwürdigkeit stärker aus übergeordneten Überlegungen ableiten. Sie fragen weniger danach, was die nicht selbst investierende Partei bezweckt und gewollt hat. Diese Ansätze betonen also stärker die willensunabhängige, gesetzliche Seite der Haftung. Auf der anderen Seite finden sich Ansätze, die stärker das aufeinander Bezug nehmende Verhandlungsverhalten der Parteien in den Fokus rücken und hieraus die Haftungsbegründung ziehen. Dabei gehen sie zwar nicht davon aus, dass eine rechtsgeschäftlich wirksame Bindung zustande gekommen ist bzw. ein hierauf gerichteter Wille vorlag; aber sie versuchen doch eher die Intentionen der Parteien zu berücksichtigen. Diese Lösungen gehen also stärker in die Richtung rechtsgeschäftsähnlicher oder quasi-vertraglicher Begründungen. Noch einmal betont sei jedoch, dass diese Einteilung nur Tendenzen wiedergeben soll. Die Zuordnung eines Begründungsansatzes zu einer Seite bedeutet nicht, dass in ihm nicht auch Elemente der anderen Seite enthalten sein können. Die Begriffe „gesetzlich“ und „quasi-vertraglich“ sind nicht als unvereinbar und sich gegenseitig ausschließend anzusehen. Zwischen gesetzlicher und quasivertraglicher Haftung besteht keine Antinomie (siehe unten unter c)). Die nachfolgende Darstellung soll vielmehr dazu dienen, denkbare Lösungen und deren Defizite aufzuzeigen und so den Weg zu einem eigenständigen Haftungskonzept zu weisen. 322

Siehe hierzu unten unter D.II.7.a).

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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a) Gesetzliche Haftung Zunächst sei ein Blick auf solche Begründungsansätze geworfen, die eine Haftung eher auf übergeordnete Gesichtspunkte stützen, welche abstrakt, also unabhängig vom konkreten Willen der Parteien, Geltung beanspruchen. aa) Deliktsrechtliche Ansätze Nur eine kurze Erwähnung verdienen deliktsrechtlich orientierte Ansätze. Sie legen den Fokus auf das Verhalten des „Schädigers“, aus welchem sich möglicherweise ein Vorwurf ableiten lässt, auf den wiederum eine Haftung gestützt werden könnte. Charakteristisch dabei ist, dass es sich um allgemein unerlaubte Handlungen handelt, die sich hieraus ergebenden Pflichten also „jedermann“ treffen. Dies führt im vorliegenden Zusammenhang zu einer sehr restriktiven Haftung; denkbar sind nur Ersatzpflichten für eine vorsätzliche Schädigung der Gegenseite. Wenn also eine Seite die Verhandlungen führt und vielleicht sogar einen Vertragsschluss als sicher bezeichnet, obwohl sie entschlossen ist, keinen Vertrag zu schließen, kommt eine Haftung aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 i.V. m. § 263 StGB in Betracht. Eine solch restriktive Haltung bezüglich einer vorvertraglichen Haftung ist kennzeichnend für frühe Reichsgerichtsurteile323 und die damalige Literatur.324 Durch die Anerkennung des Instituts der c.i.c. und der damit einhergehenden Etablierung besonderer Pflichten im vorvertraglichen Bereich, die über die deliktischen Jedermanns-Pflichten hinausreichen, sind rein deliktsrechtliche Begründungsansätze aber inzwischen überholt.325 Für die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Fallkonstellationen, in denen es zum Scheitern der Verhandlungen kommt, ohne dass eine Partei bei der Gegenseite falsche Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses geweckt oder aufrechterhalten hat, und die sich nicht überzeugend mittels eines Vorwurfs pflichtwidrigen Verhaltens lösen lassen, sind deliktsrechtlichorientierte Begründungsansätze überdies von vornherein nicht von Interesse. bb) Ansätze, die das Vertrauen in den Vertragsschluss betonen Demgegenüber verdienen Ansätze, die ohne Verhaltensvorwurf und ohne Verschuldenserfordernis auskommen und neben dem Schädiger stärker den Geschädigten in den Blick nehmen, eine nähere Betrachtung. Insbesondere Larenz und Canaris plädieren – wenn auch auf unterschiedlicher dogmatischer Grund-

323

Vgl. etwa RGZ 61, 209 und RGZ 88, 105. Siehe hierzu, auch mit einem rechtsvergleichenden Überblick, Weber, AcP 192 (1992), 390, 402 ff. mwN. 325 So auch Weber, AcP 192 (1992), 390, 403. 324

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

lage326 – für eine verschuldensunabhängige, reine Vertrauenshaftung. Dass auch der BGH in einer Entscheidung des II. Senats327 Überlegungen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung (mit dem Hinweis auf § 122 BGB) angestellt hat, ist bereits erwähnt worden. Diese Entscheidung ist indes singulär geblieben; in nachfolgenden Entscheidungen sind weder ein Rückgriff auf § 122 BGB noch Gedanken über eine verschuldensunabhängige Haftung außerhalb der c.i.c. zu finden.328 Das Vertrauen sei auf den zukünftigen Vertragsabschluss gerichtet und solle dann eine Haftung begründen, wenn es grundlos enttäuscht werde.329 Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ließe sich nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes verneinen; denn es sei dem Vertrauenden sowohl aus psychologischen als auch aus ökonomischen Gründen nicht zuzumuten, auf eine Absicherung etwa durch einen Vorvertrag oder eine Kostenvereinbarung zu bestehen, da er angesichts des von der Gegenseite als sicher in Aussicht gestellten Vertragsschlusses keinen hinreichenden Anlass zu dem Verlangen nach einem zusätzlichen vorherigen Vertrag hat.330 Obwohl die Vertrauen erweckende Partei rechtsgeschäftlich nicht gebunden ist, soll das Vertrauen der Gegenseite in den zukünftigen und freiwilligen Vertragsschluss durch eine auf den Ersatz des negativen Interesses begrenzte Haftung geschützt werden, wenn jene Partei grundlos den Vertragsschluss verweigert. Dass der Rechtsordnung eine Haftung für das Vertrauen auf die freiwillige Erfüllung unverbindlicher Versprechen nicht fremd ist, bestätige die Regelung der §§ 1298 ff. BGB. Die dort geregelte Haftung für Verlöbnisbruch schütze das durch das Heiratsversprechen entstandene Vertrauen des Partners auf den Eheschluss. Auch dort entfalle die Ersatzpflicht nach § 1298 III BGB nur dann, wenn ein „wichtiger Grund“ für die Lösung des Verlöbnisses vorläge.331

326 Während Larenz eine Analogie zu § 122 BGB favorisiert, vgl. Larenz, FS Ballerstedt, 397, 415 ff.; ders., Schuldrecht I, § 9 I a), S. 107 f., sieht Canaris einen positivrechtlichen Ansatz (aber keine echte Analogiebasis, wie er betont) für eine recht freie richterliche Rechtsfortbildung in der Regelung der §§ 1298 ff. BGB, vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544, ders., FS BGH (2000), 129, 182 f. 327 BGH LM § 276 (Fa) BGB Nr. 28 = WM 1969, 641. 328 Insofern geht Webers, AcP 192 (1992), 390, 408, Bemerkung, dass der BGH „bisweilen“ von einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht ausgehe, fehl. Auch die angeführte Entscheidung des VIII. Senats, BGH NJW-RR 1989, 627 = ZIP 1989, 514 kann kein anderes Urteil rechtfertigen, da dort lediglich auf ein Verschulden bei der vorherigen Vertrauenserweckung verzichtet wird. Dort findet sich hingegen kein eindeutiges Bekenntnis zu einer verschuldensunabhängigen Haftung – schon gar nicht für eine solche außerhalb der c.i.c. 329 Canaris, FS BGH (2000), 129, 181. 330 Canaris, FS BGH (2000), 129, 181, mit dem Hinweis auf Singer, Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 284 f. 331 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544; ders., FS BGH (2000), 129, 182.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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Diese Ansätze einer reinen Vertrauenshaftung betonen zu Recht, dass von einem Vorrang privatautonomen Schutzes keine Rede sein kann, und dass das Vertrauen, welches eine Seite der Gegenseite entgegengebracht hat, gerade deshalb schutzwürdig sein kann, weil es den Anreiz verringert, sich vertraglich gegen ein Scheitern der Verhandlungen abzusichern. Je sicherer der Vertragsschluss in Aussicht gestellt wird und je intensiver das hierauf gerichtete Vertrauen ausgeprägt ist, desto geringer wird die vertrauende Partei die Notwendigkeit einschätzen, auf privatautonomen Schutz zu bestehen. Allerdings wird bei einer reinen Vertrauenshaftung der Bezug auf den Vertragsschluss überbewertet. Eine Fixierung auf den in Aussicht gestellten Vertrag lenkt den Blick vom Wesentlichen ab. Denn entscheidend für die Anerkennung einer Ausgleichshaftung ist weniger, wie intensiv das Vertrauen in den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen und den antizipierten Vertragsschluss von der einen Seite erweckt und von der anderen Seite in Anspruch genommen worden ist, als vielmehr, dass einer an den Interessen und dem Verhalten der Parteien orientierten Risikoverteilung Rechnung getragen wird. Eine Haftung kann nämlich durchaus auch dann gerechtfertigt sein, wenn beide Parteien noch von einem unsicheren Vertragsschluss ausgingen. Bei verhandlungsspezifischen Investitionen etwa ist das erweckte und in Anspruch genommene Vertrauen in den sicheren Abschluss des Vertrags bei der Frage nach einer Ausgleichshaftung allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Im Hinblick auf verhandlungsspezifische Investitionen kommt eher eine Enttäuschung des Vertrauens in die Redlichkeit der Verhandlungsführung in Betracht. Aber selbst eine solche ist nicht notwendige Voraussetzung zur Bejahung einer Ausgleichshaftung. Viel wichtiger ist hier – und generell – die Frage, in wessen Interesse die getätigten Aufwendungen standen und ob dem Verhalten der Parteien eine Risikoverteilung zu entnehmen ist, die eine Abweichung vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ rechtfertigt. Bevor näher hierauf eingegangen wird,332 möge zunächst ein Beispiel genügen. Tätigt eine Partei eine verhandlungsspezifische Investition, die im Interesse beider Parteien ist (etwa eine geologische Studie zur Bebaubarkeit eines Grundstücks), so kann bei einem nachfolgenden Scheitern der Verhandlungen (etwa weil die Studie zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt hat) eine Ausgleichshaftung gerechtfertigt sein, ohne dass notwendigerweise Vertrauen enttäuscht worden ist. Ein weiterer Kritikpunkt, der einer reinen Vertrauenshaftung entgegenzuhalten ist, ist die unflexible Rechtsfolge – grundsätzlich der Ersatz des negativen Interesses. Kann man bei einer Verschuldenshaftung wenigstens noch über § 254 BGB ein Mitverschulden berücksichtigen und so zu einer anteiligen Haftung gelangen, ist dies bei einer Vertrauenshaftung ungleich schwerer. Entweder ist Vertrauen schutzwürdig, dann ist es bei Enttäuschung komplett zu ersetzen. Oder 332

Siehe unten unter D.II.7.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

dem Vertrauenden ist vorzuwerfen, dass er nicht hätte vertrauen dürfen, dann ist ihm ein Ersatzanspruch komplett zu versagen. Man wird schwerlich sagen können, der Vertrauende habe nur zur Hälfte vertrauen dürfen. Dieser Grundsatz des „Ganz oder gar nicht“ zieht sich durch die gesetzlich geregelten Tatbestände einer Haftung auf das negative Interesse und so stehen einer analogen Heranziehung des § 254 BGB im Rahmen einer reinen Vertrauenshaftung etwa die § 122 II oder § 179 III BGB entgegen. Dieses Schwarz-Weiß-Muster passt indes nicht für die Eigenarten der vorvertraglichen Haftung beim „einfachen“ Scheitern der Verhandlungen. So wenig wie einer der beiden Parteien ein verschuldeter Pflichtverstoß vorgeworfen werden kann, so wenig zutreffend ist es oftmals, (nur) einer Partei eine Vertrauensenttäuschung und die gesamte Verantwortung für den entstandenen Schaden anzulasten. Das starre und rigide Haftungsregime einer reinen Vertrauenshaftung hat zur Folge, dass derjenigen Partei, die Vertrauen enttäuscht, auch eine Entlastungsmöglichkeit zugestanden werden muss. Denn das Erwecken des Vertrauens ist per se weder pflichtwidrig noch missbilligenswert. Eine Enttäuschung des erweckten Vertrauens muss unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Anderenfalls würde man eine nicht zu begründende Garantiehaftung statuieren. Ein Ausweg aus einer Garantiehaftung lässt sich auf zwei Arten konstruieren. Entweder man billigt der Vertrauen in Anspruch nehmenden Partei zu, das Vertrauen dann sanktionslos zu enttäuschen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.333 Hierbei kommt man wieder – wie auch beim Kriterium des „triftigen Grundes“ – in die Bredouille, dass eine belastbare Definition des Merkmals eines wichtigen Grundes kaum gelingen kann. Oder man sucht nach einer Entlastungsmöglichkeit auf der Seite des Vertrauenden, und fragt danach, ob dieser überhaupt hätte vertrauen dürfen. Auch dieser Weg ist indes nicht sehr vielversprechend. Denn der prinzipielle Einwand, jeder Partei, die sich in Vertragsverhandlungen befindet, müsse bewusst sein, dass ein Vertragsschluss aus diversen Gründen noch scheitern kann, verfängt hier nicht; dieser wurde bereits im Rahmen des vermeintlichen Vorrangs der Privatautonomie behandelt, wo festgestellt wurde, dass er der Schutzwürdigkeit des Vertrauens nicht entgegensteht. Darüber hinausgehend wird man aber kaum Gründe finden, welche die Schutzwürdigkeit des Vertrauens infrage stellen können. Die innere Bereitschaft der Gegenseite zum Vertragsschluss, auf welche sich das Vertrauen richtet, reflektiert in dem Moment, in dem sie (zutreffend) geäußert wird, die aktuelle Verhandlungssituation. Das Vertrauen richtet sich darauf, dass die Bereitschaft auch zu dem zeitlich späteren Moment des beabsichtigten Vertragsschlusses noch besteht. Zwischenzeitlich auftretende Veränderungen sind von den Parteien indes nur sehr begrenzt vorauszusehen. Um also die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die fortbestehende Abschlussbereitschaft zu 333 So auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544, und ders., FS BGH (2000), 129, 182, jeweils mit dem Hinweis auf die vergleichbare Regelung des § 1299 BGB.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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verneinen, muss die vertrauende Partei entweder Gründe gekannt bzw. fahrlässig nicht gekannt haben oder Entwicklungen vorausgesehen haben bzw. fahrlässig nicht vorausgesehen haben, die einem Vertragsschluss entgegenstehen oder diesen unwahrscheinlich machen können und die die Gegenseite nicht gekannt bzw. vorausgesehen hat. Solches überlegenes Wissen wird aber nur in sehr seltenen Konstellationen anzunehmen sein. Die starre Rechtsfolge des „Ganz oder gar nicht“ führt damit erneut zu der unfruchtbaren Diskussion über die Gründe des Abbruchs und deren Triftigkeit. Geeigneter erscheint es, eine flexible Haftung anzustreben, die das Scheitern der Verhandlungen zunächst ohne Wertung als Faktum hinnimmt und danach fragt, ob dem Verhalten der Parteien im Moment der Vornahme der vorvertraglichen Investition eine Risikoverteilung zu entnehmen ist, die ein Abweichen vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ nahelegt. Eine solche Haftungskonzeption kann und muss neben enttäuschtem Vertrauen andere Gesichtspunkte berücksichtigen. cc) Ansätze, die den Verkehrsschutz in den Mittelpunkt stellen In eine ähnliche Richtung gehen Ansätze, die das Vertrauen stärker normativieren und Bedürfnisse des Verkehrsschutzes betonen.334 Wäre in vorvertraglichen Beziehungen Rücksichtslosigkeit oder zumindest Sorglosigkeit gegenüber dem Vermögen und den Interessen des Verhandlungspartners bis zur Grenze der deliktischen Haftung nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB gestattet, so würde der Geschäftsverkehr durch gegenseitiges Misstrauen und ängstliche Vorsicht bestimmt. Dies behindere einen reibungslosen Verkehr. Es liege daher im Interesse einer funktionstüchtigen Rechtsordnung, den Verhandlungspartnern eine gesteigerte Verantwortung aufzuerlegen.335 Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens wird damit von der konkreten Verhandlungssituation zweier Parteien abstrahiert und durch übergeordnete, institutionelle Überlegungen begründet. Diese Begründung kann auch mit ökonomischen Argumenten unterfüttert werden. Durch eine vorvertragliche Vertrauenshaftung könne der Verkehr von unnötigen Transaktionskosten entlastet werden. Werde das Vertrauen nicht geschützt, regiere Misstrauen und jede Partei müsste sich gegen ein Scheitern der Verhandlungen absichern. Die dadurch entstehenden Transaktionskosten seien aus volkswirtschaftlicher Sicht verschwendet.336 Eine am Vertrauen orien334 Dieser Gedanke klingt auch bei Larenz, FS Ballerstedt, S. 397, 414 an. Der Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes wird von vielen Autoren hervorgehoben, wobei ihre jeweiligen Haftungskonzepte dogmatisch stark differieren, vgl. Erman, AcP 139 (1934), 273, 321; Frotz, GS Gschnitzer, S. 163, 172 ff.; Jhering, JherJB 4 (1861), 1, 7, 42 und 44; Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 34 und 221 ff. mwN; Weber, AcP 192 (1992), 391, 414 ff. 335 Frotz, GS Gschnitzer, S. 163, 172. 336 Vgl. Lehmann, Vertragsanbahnung, S. 307 f.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

tierte Haftung ermögliche einen reibungslosen Geschäftsverkehr und sei damit im Sinne einer effizienten Rechtsgeschäftsordnung. Sicherlich muss eine angemessene Haftung nicht nur der konkreten Verhandlungssituation gerecht werden, sondern es muss auch berücksichtigt werden, welche Anreize und Signale durch eine solche Haftung gesetzt werden, kurz: wie sie in die Rechtsordnung eingebettet ist. Dabei ist der Verkehrsschutz ein zentraler Faktor. Allerdings ist mit dem Verweis auf den Verkehrsschutz wenig gewonnen, sofern durch diesen Pflichten begründet werden sollen. Zwar lassen sich die im vorvertraglichen Bereich geltenden Rücksichtnahmepflichten überzeugend durch Gesichtspunkte des Verkehrs- und Vertrauensschutzes begründen, aber eine Ausgleichshaftung kann – wie gesehen – nicht pflichtenbasiert statuiert werden. Was indes eine verschuldensunabhängige Haftung außerhalb der c.i.c. betrifft, so kann diese nicht allein durch den Gedanken des Verkehrsschutzes begründet werden. Die Ebene des Verkehrsschutzes ist hierfür zu „hoch“ und zu abstrakt. Der Verkehr darf Schutz vor unredlichem Verhandlungsverhalten erwarten, aber sobald sich kein vorwerfbares Verhalten finden lässt, ist eine Bewertung der konkreten Verhandlungssituation vonnöten. Auf dieser Ebene hilft der Gedanke des Verkehrsschutzes nicht mehr weiter. Auch die ökonomische Betrachtungsweise ist nicht so eindeutig und zwingend, als dass mit ihr eine Haftung begründet werden könnte. Der Gedanke, dass eine Haftung zur Senkung der Transaktionskosten beitragen und im Interesse einer effizienten Rechtsgeschäftsordnung sein sollte, ist zwar zutreffend. Aus ihm lässt sich aber nicht ohne weiteres die Folgerung ziehen, dass jede Investition, die im Vertrauen auf den erfolgreichen Abschluss des Vertrags getroffen wurde, ersatzfähig ist, noch dazu zur Gänze. Denn die Frage, ob das Vertrauen gerechtfertigt und schutzwürdig war, wird gerade nicht beantwortet. Außerdem besteht die Gefahr, dass Fehlanreize gesetzt werden, da vertrauende Parteien zu leichtfertig Investitionen tätigen könnten. Oder sie könnten gar versuchen, die Gegenseite über die drohenden Ersatzkosten, deren Höhe sie in der Hand haben, in den Vertrag zu drängen (sog. Lock-in-Effekt). Die Entlastung des Geschäftsverkehrs ist ein richtiges Ziel bei der Konzeption einer Ausgleichshaftung, aber nicht hinreichend zur Begründung derselben. Diesem Ziel kommt man näher, indem man die Haftung danach ausrichtet, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten. Dann erübrigen sich im Idealfall Transaktionskosten durch den Abschluss von Kostenvereinbarungen. Bei dieser Ausrichtung der Haftung sind die Interessen der Parteien sowie die Risikoverteilung die bestimmenden Faktoren. Insgesamt ist also das Vertrauen ein wichtiges, aber nicht das einzige Kriterium, das bei der Entscheidung über eine Ausgleichshaftung ausschlaggebend ist. Ansätze, die zur Begründung einer Haftung auf das enttäuschte Vertrauen rekurrieren, verdienen insoweit Zustimmung, als sie die Eigenständigkeit des Kriteriums des Vertrauens herausstellen und auf ein Verschuldenserfordernis verzichten. Zudem ist es richtig, den Blick nicht nur auf das Verhalten des „Schädigers“

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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bzw. Vertrauenswerbers zu richten, sondern auch auf den Vertrauenden sowie generell den Geschäftsverkehr. Eine reine Vertrauenshaftung greift aber insoweit zu kurz, als das Vertrauen auf den Vertragsschluss als einzig relevantes, haftungsbegründendes Kriterium gesehen wird. b) Rechtsgeschäftliche bzw. quasivertragliche Lösungen Demgegenüber stehen Ansätze, die stärker auf die Willensbetätigung der Parteien abstellen und eine Haftung über rechtsgeschäftsähnliche oder quasivertragliche Lösungen konstruieren. Dabei lassen sich zwei Gruppierungen unterscheiden. Erstens, kann man die Aussage einer Partei, der Vertragsschluss sei sicher, in den Vordergrund stellen und daran eine Art Selbstbindung knüpfen. Zweitens lässt sich überlegen, den Vertrag als Prozess zu sehen, welcher mit der Vertragsverhandlung seinen Anfang nimmt, so dass eine vorvertragliche Haftung als Vorwirkung des (später gescheiterten) Vertrags zu verstehen sein könnte. aa) Selbstbindung Zunächst sind verschiedene Konzepte einer Selbstbindung „unterhalb“ der Schwelle einer wirksamen rechtsgeschäftlichen bzw. vertraglichen Bindung zu erwähnen. Diese Ansätze versuchen allesamt eine Bindung und eine sich hieraus ergebende Haftung auf das negative Interesse daraus abzuleiten, dass eine Partei den Vertragsschluss als sicher hingestellt hat. (1) Konzepte einer Selbstbindung Stoll etwa propagiert eine Haftung kraft einseitigen Leistungsversprechens.337 Als Vorbild dient ihm die im anglo-amerikanischen Rechtskreis entwickelte Figur des „promissory estoppel“ in der US-amerikanischen Variante.338 Die Lehre vom 337

Hans Stoll, FS Flume, S. 741 ff. Stoll, FS Flume, S. 741, 742 ff.; „estoppel“ ist ein aus dem Billigkeitsrecht (equity) stammendes Institut. Im englischen Recht kann hierdurch eine bestimmte Rechtsausübung als unzulässig angesehen werden, der Gegenpartei also gleichsam eine Einrede gegen die Geltendmachung von Rechten zur Hand gegeben werden; eigene Ansprüche können nach klassischem englischem Verständnis hieraus nicht abgeleitet werden (estoppel provides a shield, not a sword; siehe etwa die Ausführungen von Birkett LJ in der Entscheidung Combe v Combe [1951] 2 KB 215). Es gibt aber auch neuere Tendenzen, nach denen „promissory estoppel“ auch Grundlage für eigene Ansprüche (cause of action) sein kann; siehe hierzu und generell zum englischen Recht: Beatson, Anson’s Law of Contract, S. 112 ff. und 119 f. (zu neueren Tendenzen) sowie Poole, Textbook on Contract Law, S. 162 ff. und 173 f. (zu neueren Tendenzen). Nach US-amerikanischem Verständnis können aus dem Prinzip des „promissory estoppel“ auch Ansprüche abgeleitet werden. Siehe hierzu Perillo, Calamari and Perillo on Contracts, § 6, S. 253 ff., insb. 268 f.; Dawson/Harvey/Henderson/Baird, Contracts, 338

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

„promissory estoppel“ diente zunächst als Gegengewicht zum restriktiven Prinzip, dass ein Leistungsversprechen nicht durch Angebot und Annahme verbindlich wird, sondern dadurch, dass die Gegenseite ihrerseits eine Gegenleistung – eine sog. „consideration“ – verspricht.339 Später wurde die Lehre vom „promissory estoppel“ zu einer gesetzlichen Haftung im vorvertraglichen Bereich weiterentwickelt.340 Danach soll das Versprechen einer Leistung bindend sein, wenn der Versprechende vernünftigerweise damit rechnen musste, dass er den Versprechensempfänger zu einer Handlung oder Unterlassung veranlassen könnte, der Versprechensempfänger auch tatsächlich veranlasst wurde und Unbilligkeit nur durch die Durchsetzung des Versprechens vermieden werden kann.341 Auf dieses Vorbild stützt Stoll eine von einem Verpflichtungswillen unabhängige Haftung für das „gegebene Wort“. Auf den Abbruch von Vertragsverhandlungen bezogen heißt dies, dass der Versprechende haftet, weil er sein Versprechen auf Abschluss des Vertrags nicht erfüllt und dadurch die Leistungserwartungen des Versprechensempfängers enttäuscht hat.342 Der Haftungsgrund sei im einseitigen, nicht ausgehandelten Leistungsversprechen, nämlich der Zusage des Vertragsschlusses zu sehen.343 Da eine rechtsgeschäftliche Bindung aber fehlt, soll nur das negative Interesse zu ersetzen sein.344 Auch Köndgen geht von der Möglichkeit einer „Selbstbindung ohne Vertrag“ aus.345 Er entwirft eine Theorie quasi-vertraglicher Verpflichtung durch eine Selbstbindung ohne Willenserklärung. Nach seinem Dafürhalten ist der Konsens als Verpflichtungselement unbrauchbar und keine entscheidende Zäsur in der Vertragsbegründung.346 Vertragsverhandlungen ließen sich als ein Prozess sich schrittweise verdichtender Selbst- und Fremdbindungen analysieren, in dem der Konsens lediglich einen Schlusspunkt setze und nicht die Vertragsverpflichtung S. 281 ff. Siehe auch Stoll, aaO, auch mwN; Kessler, FS Caemmerer, S. 873, 887; Lüsing, Pflichten, S. 345. Zu beiden Rechtskreisen siehe Kühne, RabelsZ 36 (1972), 261 ff., insb. 273 ff.; Zweigert/Kötz, S. 386 ff. Aus rechtsökonomischer Sicht Katz, 105 Yale L.J. (1996), 1249 ff. 339 Siehe hierzu Zweigert/Kötz, S. 386 ff.; Lüsing, Pflichten, S. 345 f. 340 Vgl. Stoll, FS Flume, S. 741, 746; Kessler, FS Caemmerer, 1978, S. 873, 887 ff. 341 So die in Restatement (Second) of Contracts § 90 (1981) festgehaltene Rechtsregel: „A promise which the promisor should reasonably expect to induce action or forbearance on the part of the promisee or a third person and which does induce such action or forbearance is binding if injustice can be avoided only by enforcement of the promise.“ Zwar sind die Restatements nur eine vom American Law Institute herausgegebene Übersicht über den Stand des Rechts ohne bindenden Charakter, aber sie sind aufgrund ihrer aufwändigen Zusammenstellung unter der Mitarbeit von Wissenschaftlern, Richtern und Anwälten von großer praktischer Bedeutung. 342 Stoll, FS Flume, S. 755. 343 Stoll, FS Flume, S. 754. 344 Stoll, FS Flume, S. 757. 345 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 7 und passim. 346 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 156 ff.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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hervorbringe.347 Köndgen beschreibt einige Verhaltensmuster mit Selbstbindungseffekt, den Fall des Abbruchs von Verhandlungen erwähnt er indes nicht.348 Durch die rechtliche Institutionalisierung dieser Verhaltensmuster will Köndgen dem Vertragsrecht einen Bereich zurückgeben, der bisher „unter dem Zwang eines übertriebenen Konsensualdogmas als gesetzliche ,Vertrauenshaftung‘ fehlsystematisiert“ worden sei.349 Die Bindungswirkung leitet Köndgen letztlich aus dem Hervorrufen bestimmter normativer Erwartungen beim Geschäftspartner ab.350 Ob damit aber wirklich – wie Köndgen postuliert – ein klarer Unterschied zur Vertrauenshaftung besteht, ist zweifelhaft; beide Konzepte erweisen sich als durchaus ähnlich.351 Denn die entscheidende Frage bleibt stets dieselbe: warum und unter welchen Umständen ist Vertrauen schützenswert bzw. warum und unter welchen Umständen sind bestimmte Erwartungen berechtigt? Auch Ackermann entwickelt ein Konzept der Selbstbindung. Er erkennt an, dass eine verschuldensunabhängige, allein an die grundlose Verweigerung des zuvor zugesagten Vertragsschlusses geknüpfte Ersatzpflicht sich unter dem Dach der c.i.c. nicht realisieren lässt und spätestens seit der rudimentären Kodifizierung der c.i.c. contra legem ist.352 Eine Ausgleichshaftung sei aber gerechtfertigt, da die Mittel des Vertragsrechts nicht ausreichten, um einen angemessenen (oder ökonomisch ausgedrückt: einen zur Aufrechterhaltung effizienter Vertrauensinvestitionen geeigneten) Erwartungsschutz zu gewährleisten.353 Als Ausweg propagiert Ackermann eine Haftung für vorvertragliche Selbstbindungstatbestände. Er definiert dabei den Begriff der Selbstbindung nicht über die Folge, sondern über ihren Tatbestand. Erforderlich sei also nicht, dass eine vorvertragliche Selbstbindung eine Erfüllungspflicht nach sich zieht; oder anders gewendet: es sei kein Widerspruch, von Selbstbindung der einen Partei zu sprechen, ohne der Gegenseite einen Erfüllungsanspruch zuzubilligen. Selbstbindung trete vielmehr immer dann ein, wenn eine Partei autonom (also nicht das Gesetz oder eine 347

Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 160 f. Bei den von Köndgen näher analysierten Fallgruppen handelt es sich um Fälle der Qualitätszusicherungen von Verkäufern und Herstellern, der Sachwalterhaftung sowie der Haftung verschiedener Berufsgruppen für unrichtige Auskünfte bzw. Gutachten. 349 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 420. 350 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 174 f., 186 ff. 351 So auch Lüsing, Pflichten, S. 355. Insofern ist auch Köndgens dezidierte Ablehnung des Konzepts der Vertrauenshaftung kaum verständlich. Sein Einwand, Vertrauen sei ein „ubiquitäres psychologisches, soziales und juristisches Phänomen, das [. . .] kaum fassbar ist“ (Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 98), und seine Kritik an Canaris’ System der Vertrauenshaftung, dass dieses „allzu Vieles und allzu Heterogenes“ umfasse (Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 102) erscheinen angesichts seines eigenen Versuchs, das seinerseits schwer konkretisierbare und von ihm selbst insbesondere soziologisch gesehene Phänomen der Selbstbindung zu analysieren, überzogen und kaum nachvollziehbar. 352 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 506 ff. 353 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 204 ff. und S. 509. 348

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

Gewohnheit des Verkehrs) eine normative Erwartung in zurechenbarer Weise hervorgerufen hat.354 Eine Abbruchshaftung solle demnach dann in Betracht kommen, wenn eine verhandelnde Partei einen Selbstbindungstatbestand gesetzt hat, dem sich durch Auslegung entnehmen lässt, dass er eine normative Erwartung begründet, die den Partner zu Vertrauensinvestitionen veranlasst.355 Das bedeutet indes nicht, dass die Haftung auf das Vorliegen einer Willenserklärung gegründet sei. Im Gegenteil: die vorvertragliche Beteuerung, einen Vertrag schließen zu wollen, ist gerade nicht so zu verstehen – und wird in der Regel vom Verhandlungspartner auch nicht so verstanden –, dass sie auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Das heißt aber nicht, dass die Parteien damit eine bewusste Entscheidung gegen eine vertragliche Absicherung für den Fall des Scheiterns getroffen hätten.356 Eine Haftung solle mithin immer dann in Betracht kommen, wenn die Äußerungen und überhaupt das Verhalten einer verhandelnden Partei der anderen Seite eine normative Erwartung vermittelt, die sich als Grundlage für eine Vertrauensinvestition eignet.357 Dies sei zweifellos dann der Fall, wenn der Vertragsschluss als sicher hingestellt worden sei. Aber auch Konstellationen, in denen ein Vertragsschluss zwar nicht als sicher bezeichnet worden war, aber die normative Erwartung vermittelt wird, dass der Vertrag unter bestimmten Bedingungen geschlossen oder darüber nach vorab festgelegten Regeln entschieden werde, könnten eine Haftung auslösen.358 Die schlichte Erklärung der Bereitschaft oder des Wunsches, über einen Vertragsgegenstand ins Geschäft zu kommen, und auch die während der Verhandlungen getätigten, Entgegenkommen signalisierenden Äußerungen einer Partei sollten hingegen nicht ausreichen, um als Selbstbindung gelten zu können. Die hierbei entstehenden normativen Erwartungen seien zu vage, um sie mit rechtlichen Sanktionen zu schützen. Ebenfalls keine Haftung solle Selbstbindung dann auslösen, wenn ein triftiger Grund zum Abbruch vorläge. Auch dieses Haftungskonzept erkennt folglich das Kriterium des „triftigen Grundes“ an.359 354

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 65 ff. und S. 508. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 510. 356 Wie etwa im sog. „Edelmann“-Fall, RGZ 117, 121, wo die Parteien bewusst auf eine wirksame vertragliche Vereinbarung verzichteten und sich die eine Partei auf das „Edelmannswort“ der anderen Partei verließ. Auf diesen Fall weist auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 510, in seinen Ausführungen hin. 357 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 511. 358 Als Musterbeispiel hierfür nennt Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 512, die öffentliche Ausschreibung. Aber auch Alltagsfälle wie die rechtliche Behandlung einer preisausgezeichneten Schaufensterauslage oder einer Tischreservierung in einem Restaurant könnten hierunter zu fassen sein. 359 Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 514 f. Ackermanns Ausführungen hierzu bleiben allerdings bezeichnenderweise recht oberflächlich. Zutreffend ist aber seine vorsichtig formulierte Einschätzung, die Möglichkeit eines günstigeren Abschlusses mit einem Dritten nicht als triftigen Entlastungsgrund genügen zu lassen. 355

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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Schließlich sei auch noch Lüsings Konzept einer Selbstbindung erwähnt.360 Er propagiert eine Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprechhandlung. Wie die anderen Verfechter einer Selbstbindung geht auch Lüsing von der Möglichkeit einer Selbstbindung ohne Rechtsgeschäft aus. Ein solcher Selbstbindungsmechanismus habe in Abgrenzung zu der Willenserklärung auf der einen Seite und zu bloßem rechtlich relevanten Verhalten auf der anderen Seite zwei Anforderungen zu erfüllen. Zum einen müsse das Verhalten frei von einem Verpflichtungswillen erfolgen, d.h. einem Willen, wonach das Gewollte als Gesolltes gewollt wird. Zum anderen dürfe das Verhalten als Tatbestand der eintretenden rechtlichen Bindung aber auch nicht ohne Bezug zu eben dieser eintretenden Bindung sein.361 Dem Rechtsgeschäft wohnen nach Ansicht Lüsings das Moment der Selbstgestaltung und das Moment der Selbstinstitutionalisierung inne. Das Moment der Selbstgestaltung bedeute, dass der Inhalt der Rechtsfolge selbst bestimmt wird. Das Moment der Selbstinstitutionalisierung bedeute, dass der Inhalt als Rechtsfolge, d.h. als rechtliche Bindung, gewollt wird.362 Sein Konzept der Selbstbindung – wie die anderen, zuvor erwähnten Konzepte der Selbstbindung auch – weise ebenfalls ein Moment der Selbstgestaltung auf, da der Inhalt der rechtlichen Bindung jeweils durch das Verhaltensmuster vorgegeben ist und eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen tatbestandlichem Verhalten und Rechtsfolge bestehe. Hierin sei ein deutlicher Unterschied zum rein rechtlich relevanten Verhalten zu sehen, welches nur als bloßes Faktum im Rahmen einer Tatbestandsvoraussetzung rechtliche Bedeutung hat, ohne dass zwischen dem Verhalten und dem Inhalt der Rechtsfolge ein inhaltlicher Zusammenhang besteht. Die Abgrenzung zum Rechtsgeschäft wiederum liege im fehlenden Verpflichtungswillen. Zu rechtlicher Institutionalisierung und Bindung komme es durch normative Setzung. Durch sprachliches Handeln zugezogene Festlegungen sollen aber nur dann rechtlich institutionalisiert werden, wenn dadurch Interessen geschützt werden, die bereits sozial institutionalisiert sind. Diese Anerkennung sozialer Normen als rechtliche Normen erfolge durch Rechtsentscheidung, indem sich in der Rechtsprechung für bestimmte soziale Institute Fallgruppen gefestigter Haftungstatbestände entwickeln.363 Folglich verkürze sich das Moment der Selbstinstitutionalisierung, wonach der selbst gestaltete Inhalt als rechtlich bindend gewollt werden muss, auf den Umstand der Teilnahme an einer sozialen Interaktion, in Bezug auf die die Rechtsordnung ein Schuldverhältnis begründet. Auf den Fall des Abbruchs von Vertragsverhandlungen bezogen bedeutet dieses Konzept folgendes. Die Rechtsprechung gewährt einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo, wenn der Vertragsschluss ohne triftigen Grund 360 361 362 363

Lüsing, Pflichten, S. Lüsing, Pflichten, S. Lüsing, Pflichten, S. Lüsing, Pflichten, S.

356 ff. 356. 358. 396.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

verweigert wird. Damit institutionalisiere die Rechtsprechung die im Verlauf der Vertragsverhandlungen durch sprachliches Handeln zugezogene Festlegung, den Vertragsschluss nur noch aus triftigen Gründen zu verweigern, rechtlich und mache die Festlegung so zum Pflichteninhalt einer vorvertraglichen Mitwirkungspflicht.364 Eine derartige Festlegung sei auf verschiedene Weise denkbar, etwa dadurch, dass man den Vertragsabschluss als sicher hinstellt, indem man ihn fest zusagt, oder indem man die Gegenseite zur Vornahme geschäftsbezogenen Dispositionen ermuntert, oder indem nach längeren Verhandlungen in allen Punkten Einigkeit erzielt wird.365 Nach Lüsings Konzept stellt sich das Lossagen von den sprachlich selbst geschaffenen Bindungen ohne triftigen Grund als schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten dar.366 Sein Konzept der Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprechhandlung deckt sich also insofern mit der Rechtsprechung zur Frage der Haftung beim Abbruch von Verhandlungen – und rekurriert gleichzeitig auf diese bei der Begründung des Moments der Selbstinstitutionalisierung. Allerdings soll es sich nach Lüsings Ansicht bei der verletzten Pflicht um eine vorvertragliche Mitwirkungspflicht als Leistungspflicht ohne Vertrag handeln. Diese sei § 242 BGB (bzw. § 241 I BGB), nicht jedoch § 241 II BGB zuzuordnen.367 Rechtssystematisch ergibt sich ein Ersatzanspruch dann aber nicht aus culpa in contrahendo, sondern wie allgemein bei Mitwirkungspflichten des Leistungsprogramms aus den §§ 280 I, III, 281 BGB.368 (2) Stellungnahme Überzeugend an den vorgestellten Konzepten einer Selbstbindung in Abwesenheit rechtsgeschäftlicher Bindung ist, dass der Begriff der Bindung von der Folge einer Erfüllungspflicht entkoppelt wird. Zwar ist – zumindest nach deutscher Dogmatik369 – vertragliche Bindung immer mit einer Erfüllungspflicht verbunden, die grundsätzlich klagbar und erzwingbar ist. Es gibt aber viele Formen außervertraglicher Bindung; Beispiele finden sich etwa im rein sozialen Bereich (Verabredungen, Termine, aber auch Liebesbeziehungen), in der Politik (Koalitionsverträge, Absprachen) und der Wirtschaft („verbindliche“ Selbstverpflichtungen der Industrie, Werbeaussagen). Teilweise finden diese nicht-vertraglichen Ausdrucksformen von Bindung auch Anerkennung in der Rechtsordnung, erwähnt seien nur die nichteheliche Lebensgemeinschaft oder der Einfluss von Werbeaussagen des Herstellers auf die Beschaffenheit bzw. Sachmängelfreiheit einer Kaufsache gem. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB (mit der Möglichkeit des Regres364 365 366 367 368 369

Lüsing, Pflichten, S. 251 f. und 386. Lüsing, Pflichten, S. 237 ff. und 386. Lüsing, Pflichten, S. 250 f. Lüsing, Pflichten, S. 252 f. So konsequenterweise auch Lüsing, Pflichten, S. 253. Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, passim.

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ses des Unternehmers gem. § 478 BGB). Bindung erweist sich damit als ein sehr vielschichtiger Begriff. Allgemein könnte man Bindung als eine Situation beschreiben, in welcher der „Gebundene“ von ihm explizit oder konkludent getätigte Zusagen einhalten muss oder bei einem Abweichen hiervon zumindest von ihm als negativ empfundene Konsequenzen befürchten muss. Nur die „erste Ebene“ wäre demnach notwendigerweise rechtlich ausgestaltet, da jemand nur vermittels des Rechts zu einem Verhalten verpflichtet werden kann. Auf der „zweiten Ebene“ hingegen können die drohenden Konsequenzen im Falle eines Verhaltens, das mit den eigenen Zusagen nicht konform ist, rechtlicher oder auch rein sozialer Art sein. Versäumt man eine Verabredung oder erscheint man trotz Zusage nicht zu einem Abendessen, so sind die zu erwartenden Konsequenzen rein sozialer Art; die soziale Beziehung zu dem versetzten Gegenüber wird belastet. Rechtliche Bindung wäre demnach dann gegeben, wenn entweder von einer Partei getätigte Zusagen als (grundsätzlich erzwingbare) Verpflichtung angesehen werden oder aber sich bei einem Abweichen von den Zusagen Verpflichtungen ergeben. Während die „erste Ebene“ unproblematisch mit der Begründung eines Vertrags gleichgesetzt werden kann, ist die „zweite Ebene“ komplizierter. Denn die rechtlichen Konsequenzen können, aber müssen nicht an einem Vertrag anknüpfen; zudem muss es gar nicht der Zweck der rechtlichen Konsequenzen sein, den Gebundenen zur Einhaltung seiner Zusage zu bewegen. Hierzu sei erneut das Beispiel der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bemüht. Sofern eine solche auf Dauer angelegte370 Beziehung zweier Personen als „Verantwortungsund Einstehensgemeinschaft“ charakterisiert werden kann, werden ihr (mittlerweile) verschiedene Rechtswirkungen zugebilligt.371 Eine Trennung und Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann in bestimmten Situationen (insbesondere bei größeren Zuwendungen während des Bestands der nichtehelichen Lebensgemeinschaft) zu Ausgleichsansprüchen führen.372 Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Parteien durch die Gewährung solcher Ausgleichsansprüche von einer Trennung abgehalten bzw. zu der Einhaltung der konkludenten Zusage, die nichteheliche Lebensgemeinschaft fortzuführen, bewegt werden sollten, auch wenn die Anerkennung solcher Ausgleichsansprüche die Bindung derjenigen Partei, die sich solchen Ausgleichsansprüchen ausgesetzt sieht, unter Umständen verstärkt. Die entscheidende Frage im vorliegenden Zusammenhang ist damit indes noch nicht ausreichend beantwortet. Warum sollte sich eine Partei, die sich noch nicht 370 Hierin liegt die zumindest konkludente Zusage der Fortführung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. 371 BVerfGE 87, 234, 264; MüKo-Wellenhofer, Anhang zu § 1302 Rn 3, 22 ff. 372 Vgl. hierzu MüKo-Wellenhofer, Anhang zu § 1302 Rn 65 ff. mwN sowie unten unter D.II.6.c)bb)(2).

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vertraglich gebunden hat, nicht jederzeit vom Verhandlungstisch zurückziehen können, ohne Konsequenzen in Form einer Haftung fürchten zu müssen? Woraus soll sich mit anderen Worten die indirekte Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit ergeben, die aus einer Haftung folgt? Hierbei nur auf das gegebene Wort und die Zusicherung eines Vertragsschlusses zu verweisen, greift zu kurz. Zusätzlich muss die Reaktion des Gegenübers betrachtet werden. Ansatzweise tun dies die genannten Konzepte auch, wenn etwa die geweckten normativen Erwartungen der Gegenseite erwähnt werden.373 Sie berücksichtigen jedoch zu wenig, dass sich dann – und nur dann – eine neuartige Situation ergibt, wenn die Gegenseite vor dem Hintergrund des erreichten Verhandlungsstands eine transaktionsspezifische Investition vornehmen will. Dadurch entsteht für die investierende Partei eine faktische Selbstbindung in Bezug auf den in Aussicht genommenen Vertragsschluss. Sie ist nach Vornahme der Investition stärker auf einen erfolgreichen Verhandlungsverlauf angewiesen als vorher. Erst eine solche Investitionsvornahme lässt die Frage einer Haftung, also einer Überwälzung der Investitionskosten, wenn diese sich bei einem Scheitern der Verhandlungen als Schaden erweisen, auf die nicht investierende Partei, akut werden. Dementsprechend sollte das Verhalten der Parteien im Moment der und in Bezug auf die Vornahme der transaktionsspezifischen Investition stärker in den Blick genommen werden. Dies jedoch tun die vorgestellten Konzepte einer Selbstbindung nicht oder nicht ausreichend. Sie konzentrieren sich in erster Linie auf die im Verhandlungsprozess gemachte feste Zusage eines Vertragsschlusses. Es ist zwar zu begrüßen, dass die Konzepte einer Selbstbindung damit das Verhalten der nicht selbst investierenden Partei stärker in den Blick nehmen als dies bei Konzepten, die in erster Linie auf das schützenswerte Vertrauen der Gegenseite abstellen, der Fall ist. Aber es erscheint kaum tragfähig, eine Haftung – noch dazu auf das gesamte negative Interesse – einzig auf Aussagen einer Seite zu stützen, nur weil die Aussagen bei der Gegenseite eine Erwartung begründen, welche Grundlage einer Entscheidung zur Tätigung von Investitionen sein kann. Eine solche Sichtweise misst einer – ohne Verpflichtungswillen getätigten – Aussage zuviel Bedeutung zu und ermöglicht der Gegenseite, die andere Partei über die Tätigung von Investitionen in den Vertrag zu drängen (Lock-in Effekt). Es überrascht und ist kaum verständlich, warum die Selbstbindungskonzepte, die doch eine autonome, also durchaus auf residuale, unterhalb eines Verpflichtungswillens liegende Willenselemente rekurrierende Haftung propagieren, nicht zumindest die Kenntnis von den Investitionen der Gegenseite fordern. Erst aus diesen Investitionen, welche unter Umständen zu ersetzen wären, könnte sich eine Bindungswirkung überhaupt ergeben. Ein weiterer Einwand gegen die Selbstbindungskonzepte, der durch die mangelnde Bezugnahme auf die konkrete Investitionsvornahme verstärkt wird, ist, 373

Siehe Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 510.

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dass die Abgrenzung zur unteren Grenze dessen, was als Selbstbindungstatbestand in Betracht kommen soll, schwierig zu ziehen ist. Soll etwa in der Äußerung, man habe ,die feste Absicht, einen Vertrag zu schließen‘, eher eine normative Erwartung, die zu Vertrauensinvestitionen berechtigt, oder nur eine Äußerung der Zuversicht, die unterhalb eines Selbstbindungstatbestands liegt, zu sehen sein? Diese Abgrenzung wird kaum zufriedenstellend zu erreichen sein. Unausgereift am Konzept der Selbstbindung ist schließlich auch der grundsätzliche Ersatz des gesamten negativen Interesses. Dies erscheint insbesondere dann unsinnig, wenn die vorvertragliche Investition in beiderseitigem Nutzen ist.374 Der vollständige Ersatz des negativen Interesses ist indes nicht notwendige Konsequenz einer wie auch immer gearteten und gesetzlich nicht fixierten Selbstbindung. Es spricht nichts dagegen, eine Bindung dergestalt anzunehmen, dass transaktionsspezifische Investitionen, die in beiderseitigem Nutzen sind, hälftig zu teilen sind. Zusammenfassend lässt sich zum Konzept der Selbstbindung als Haftungsbegründung für eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung375 folgendes sagen. Richtig ist die Entkoppelung des Begriffs der „Bindung“ von der Folge eines (vertraglichen) Erfüllungsanspruchs. Ebenso Zustimmung verdient die stärkere Berücksichtigung des Verhaltens der nicht selbst investierenden Partei während der Verhandlungen. Nicht überzeugen kann hingegen, dass noch nicht einmal die Kenntnis geschweige denn die Billigung der Vornahme der konkreten Investitionen durch die Gegenseite, welche ja erst die Bindungswirkung erzeugen können, als Voraussetzung für eine Haftung gefordert werden. Einer einseitigen Zusicherung im Verhandlungsprozess, die unzweifelhaft ohne rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen getroffen wurde, wird damit zuviel Bedeutung zugemessen, wird sie doch gleichsam zur Begründung einer Garantiehaftung auf das negative Interesse herangezogen. Diese potentiell folgenschwere Konsequenz versuchen die Konzepte einer Selbstbindung dann wieder durch die Anerkennung des Kriteriums des „triftigen Grunds“ abzumildern, zu dessen Konkretisierung sie indes auch nichts beitragen können.376 Schließlich ist – wie bei anderen Kon374 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 510, formuliert selbst, dass die Parteien „der rechtlichen Unterstützung bei der Bewältigung des rechtsgeschäftlich nicht adäquat zu lösenden Problems, vorvertragliche Vertrauensinvestitionen zu ermöglichen, deren Nutzen letztlich beiden Seiten zugute kommt“ bedürfen. Er zieht aber nicht die Konsequenz, dass dann auch die Haftungslast auf die Schultern beider Parteien verteilt werden müsste. 375 Nach Lüsings Konzept wäre eine solche Haftung indes pflichtenbasiert und verschuldensabhängig. 376 Lüsing etwa beschränkt sich auf die Anmerkung, dass es sich grundsätzlich um einen erheblichen Umstand handeln müsse, der zum Zeitpunkt der Schaffung der Bindungswirkung nicht berücksichtigt werden konnte. Darüberhinaus sei dann auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen; Lüsing, Pflichten, S. 248. Auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 515, meint, dass es schwierig zu bestimmen sei, welcher Maßstab insofern anzulegen ist.

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zepten der Haftungsbegründung auch – die „Entweder-Oder-Verteilung“ der Haftungslast zu kritisieren. Gerade wenn die infrage stehenden Investitionen in beiderseitigem Nutzen sind, ist durchaus an eine hälftige Teilung der Kosten zu denken. Der außervertragliche Bindungstatbestand sollte deshalb auf einem kooperativem Element aufbauen. Wenn die Feststellung, dass transaktionsspezifische Investitionen im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt sind, Haftungsvoraussetzung wäre, würde dies zwar die Anzahl der Fälle, in denen eine Haftung in Betracht kommt, verringern, dafür aber die Haftungsbegründung auf festeres Fundament stellen. Dann ließe sich auch mit größerer Überzeugungskraft von außervertraglicher Bindung sprechen. bb) Vorwirkung des (später gescheiterten) Vertrags Schließlich lässt sich daran denken, den Zusammenhang von Vertragsverhandlung und Vertragsschluss stärker zu betonen und eine Haftung aus dem institutionellen Schutz des Vertrags als Prozess heraus zu begründen. Diesen Standpunkt vertritt insbesondere Weber.377 Anstatt bei der Haftungsbegründung einseitig auf die Sicht entweder des Vertrauenden oder des Vertrauenserweckenden zu schauen, solle der Vetragsanbahnungsprozess als wechselseitig institutioneller begriffen werden. Der Vertrag sei als Prozess zu verstehen und die notwendige Phase der Vertragsanbahnung setze nicht nur die Anforderungen an vorvertragliche Rücksichtnahmepflichten, sondern sei auch entscheidend bei der Begründung einer verschuldensunabhängigen Abbruchshaftung. Der Vertragsbegriff könne erweitert werden, und neben dem wirksamen auch den unwirksamen, nichtigen Vertrag mit einschließen, aus dem zwar keine Erfüllungsansprüche, wohl aber Schadensersatzansprüche abgeleitet werden könnten. Dem Vertrag als Prozess käme somit eine eigenständige, von Erfüllungsverpflichtungen losgelöste Verbindlichkeit zu. Dieser Gedanke der Vertragserweiterung könne über unwirksame oder anfechtbare Verträge hinaus auch auf „gescheiterte“ Verträge erstreckt werden; darunter seien solche Verträge zu verstehen, die im Großen und Ganzen bereits absehbar waren. Der Vertrag als Prozess bilde einen allmählichen Übergang vom ungebundenen Verhandlungsstadium zur bindenden Übereinkunft auf der Grundlage gegenseitiger Willküreinschränkung.378 Die fortschreitende Übereinstimmung in den Verhandlungen, welche objektiv festzustellen sei, habe einen sukzessiven Bindungscharakter zur Folge – und das nicht aufgrund individueller Versprechen (hierin liegt der Unterschied zu Konzepten der Selbstbindung), sondern infolge institutioneller Vorstellungen vom Vertrag als Prozess. Je weiter also die Verhandlungen gediehen sind, desto bindender solle sich das bereits erzielte 377 378

Weber, AcP 192 (1992), 390, 414 ff. Weber, AcP 192 (1992), 390, 422.

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Verhandlungsergebnis auswirken, und desto geringer solle der den Parteien noch verbleibende Spielraum zum Ausstieg werden. Zu diesem Haftungskonzept ist folgendes anzumerken. Zunächst könnte man daran denken, dieses in der hier gewählten Aufteilung eher im Bereich der weniger auf Willenselemente abstellenden gesetzlichen Haftung einzuordnen. Denn das Vertragsanbahnungsverhältnis als entstehender Vertrag solle nicht kraft privatautonomer Willensentscheidung geschützt werden, sondern institutionellem Vertrauensschutz unterliegen.379 Allerdings soll es sich explizit um eine „quasivertragliche Ausgleichshaftung“ 380 handeln. Hier deutet sich an, dass die – scheinbare – Antinomie zwischen den beiden grundsätzlichen Haftungsstrukturen der gesetzlichen und (quasi-)vertraglichen Haftung überwunden werden muss, um eine Ausgleichshaftung überzeugend begründen zu können.381 Die Bezugnahme auf vertragliche Elemente einerseits und übergeordnete Schutzgedanken des Vertrags als institutionalisiertem Prozess andererseits verdient im Grundsatz also Zustimmung. Nicht überzeugen kann hingegen die untergeordnete Rolle, die dem Parteikonsens und dem Vertragsschluss zuerkannt wird. Die objektive Sichtweise bedingt, dass das „Kriterium der Abschlussreife“ weitgehend die Funktion des Vertragsschlusses übernimmt, und „dem Parteikonsens fast nur noch die Bedeutung eines Formalakts zukommt.“ 382 Dieses Verständnis lässt sich kaum mit der negativen Vertragsfreiheit, die grundsätzlich bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbeschränkt fortbesteht, vereinen.383 Zudem setzt es voraus, dass sich die fortschreitende Übereinstimmung objektiv feststellen lässt, was in der Praxis jedoch äußerst schwierig sein dürfte. Damit zusammen hängt auch der gewichtigste Kritikpunkt. Das eigentliche Problem wird nur vorverlagert. Auch wenn man den Vertrag als „allmählichen Übergang vom ungebundenen Verhandlungsstadium zur bindenden Übereinkunft auf der Grundlage gegenseitiger Willküreinschränkung“ 384 ansieht, so kommt man nicht umhin, einen Punkt des Übergangs vom einen ins andere Stadium zu definieren. Denn entweder besteht eine Bindung oder eben nicht. Wie ein solcher Punkt festgelegt werden könnte, dafür fehlt jeder Anhaltspunkt. Zudem geht die Definition eines gescheiterten Vertrags, also eines Vertrags, der im Wesentlichen schon ausgehandelt war und bei dem nur noch Nebenpunkte offen waren, von einer optimistischen, oft aber unzutreffenden Prämisse aus. Sie unterstellt nämlich, dass erstens zwischen den Parteien ein umfassendes Programm der zu verhandelnden 379

Weber, AcP 192 (1992), 390, 423. Weber, AcP 192 (1992), 390, 422 ff. 381 Eingehend hierzu siehe unten D.II.5.c). 382 Weber, AcP 192 (1992), 390, 425. 383 Weber, AcP 192 (1992), 390, 422 formuliert denn auch, dass „sich die im Verhandlungsverlauf sukzessiv einschränkende Willkürfreiheit der Parteien praktisch auf Null [. . .] reduziert“. 384 Weber, AcP 192 (1992), 390, 422. 380

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Punkte existierte, welches zweitens eine Unterscheidung in Haupt- und Nebenpunkte zulässt, und dass drittens dies alles für einen objektiven Beobachter erkenn- und überprüfbar ist. Problematisch ist dabei nicht nur, dass so ein umfassendes Verhandlungsprogramm oft gar nicht existieren wird, sondern auch, dass die objektive Betrachtungsweise des erreichten Verhandlungsstands die Parteieinschätzung – und damit § 154 I BGB – missachten könnte. Schließlich hat auch diese Haftungsbegründung den Nachteil, dass sie den Abbruch bewertet und eine Haftung ausschließen will, wenn ein triftiger Grund vorliegt. c) Überwindung der Antinomie zwischen gesetzlicher und (quasi-)vertraglicher Haftung Wie bereits angedeutet, muss die Antinomie zwischen gesetzlicher und (quasi-) vertraglicher Haftung überwunden werden, um eine Ausgleichshaftung im Verhandlungsstadium überzeugend zu begründen. Dazu bedarf es der Auflösung des Widerspruchs zwischen beiden Haftungsstrukturen. Rufen wir uns das Grunddilemma, dem eine vorvertragliche Ausgleichshaftung gerecht werden muss, in Erinnerung: Zwei Parteien verhandeln intensiv miteinander, nähern sich in ihren Verhandlungspositionen einander an und kommen einem Vertragsschluss näher. Sie nehmen dabei verschiedenartige transaktionsspezifische Investitionen vor, ohne aber eine Regelung zu treffen, wie diese Kosten im Falle des Scheiterns der Verhandlungen verteilt werden sollten. Dass der Abschluss einer Kostenvereinbarung unterbleibt, mag daran liegen, dass die Parteien den zusätzlichen Verhandlungs- und Kostenaufwand scheuen oder dass die investierende Partei eine Verschlechterung der Verhandlungsatmosphäre fürchtet, wenn sie trotz der Verhandlungszusicherungen der Gegenseite auf eine Kostenvereinbarung drängt, oder aufgrund der Zusicherungen der Gegenseite schlicht keine Notwendigkeit für eine Kostenvereinbarung sieht.385 Eine willensbasierte, vertragliche Haftung erscheint somit schwer realisierbar. Aber auch eine gesetzliche Haftung, die den Parteien willensunabhängig oktroyiert werden könnte, erscheint auf den ersten Blick kaum konstruierbar, wenn man davon ausgeht, dass keiner der Parteien eine Verletzung einer verhandlungsbezogenen Informationspflicht vorzuwerfen ist, so dass eine pflichtenbasierte, verschuldensabhängige Haftung ebenfalls ausscheidet. Setzte man nun voraus, dass für eine vertragliche Haftung ein in diese Richtung gehender Willenskonsens der Parteien vorliegen muss, und dass für eine ohne oder gegen den Willen der Parteien eintretende gesetzliche Haftung ein schuldhaftes Verhalten vorliegen muss, so wäre eine Ausgleichshaftung im vorvertraglichen Bereich in oben beschriebener Konstellation in der Tat ausgeschlossen. Beide Annahmen sind indes keinesfalls zwingend. 385

Siehe hierzu oben unter D.II.2.

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Kennzeichen der vertraglichen Haftung ist zwar üblicherweise das Vorliegen eines Vertrags, und damit ein Konsens. Dieser Konsens muss sich aber nicht notwendigerweise auf sekundäre Haftungsansprüche beziehen. Parteien schließen einen Vertrag, um einen Anspruch auf die jeweiligen Primäransprüche zu erhalten oder – anders gesagt – weil sie auf die Erfüllung der versprochenen Leistungen vertrauen, aber nicht, um Sekundäransprüche geltend zu machen. Hinsichtlich etwaiger dispositiver Haftungsansprüche können die Parteien also zumindest gleichgültig sein, und zwingende Haftungsansprüche könnten sogar gegen den Willen der Parteien sein (und natürlich trotzdem Geltung beanspruchen). Vertragliche Haftungsansprüche sind also nicht unbedingt vom Parteiwillen getragen. Hiergegen ließe sich zwar einwenden, dass zumindest das „Ob“ einer Haftung vom vertraglichen Konsens umfasst ist, dass also die Entscheidung, ob ein vertragliches Haftungsregime (potentiell) zur Anwendung kommt, allein vom Parteiwillen abhängt. Allerdings ändert dieser Einwand nichts daran, dass es gekünstelt – oder bei zwingenden Vorschriften sogar unter Umständen unzutreffend – ist, den Parteiwillen auch auf das Haftungsregime zu beziehen. Manch ein gewerblicher Verkäufer würde gegenüber einem Verbraucher nur zu gern die Gewährleistung ausschließen, und wird versuchen, einen solchen Haftungsausschluss explizit oder durch Umgehungskonstruktionen vertraglich zu verankern. Die Tatsache, dass der gewerbliche Verkäufer Verträge abschließt, obwohl er weiß, dass ihm § 475 I BGB verwehrt, sich auf einen Gewährleistungsausschluss zu berufen, lässt sich indes schwerlich dahingehend deuten, dass er der Gegenseite nunmehr Gewährleistungsansprüche einräumen will. Die Unschärfe des Einwands, dass bei vertraglicher Haftung zumindest das „Ob“ der Haftung auf einen übereinstimmenden Parteiwillen zurückzuführen ist, zeigt sich darüberhinaus daran, dass auch bei gesetzlichen Haftungsansprüchen konsensuales Parteiverhalten über das „Ob“ der Haftung entscheiden kann. Gerade die gesetzliche c.i.c-Haftung ist ein Beleg hierfür. Sie beruht auf einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis, welches durch die einvernehmliche Aufnahme von Vertragsverhandlungen zustande gekommen ist. Eine Haftung kann also nur entstehen, wenn die Parteien gezielt miteinander in Kontakt treten. Die Gleichsetzung von vertraglicher Haftung mit einem hierauf gerichteten Parteiwillen ist also einerseits in vielen Fällen gekünstelt, wenn nicht gar unzutreffend, und andererseits zur Abgrenzung der vertraglichen Haftung von der gesetzlichen Haftung nur bedingt geeignet. Was die Annahme betrifft, dass gesetzliche Haftungsansprüche, die dem Schuldner unabhängig von seinem Willen oktroyiert werden, ein Verschulden als Zurechnungskriterium voraussetzen, so ist auch diese nicht zutreffend. Gesetzliche, verschuldensunabhängige Ersatzpflichten ergeben sich etwa aus § 122 I BGB für den Anfechtenden, aus § 179 I BGB für den Vertreter ohne Vertretungsmacht oder auch aus GoA gem. § 683 i.V. m. § 670 BGB für den Geschäftsherrn. Als Zwischenergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Einteilung der Haftungskonzepte in gesetzliche und quasi-vertragliche Begründungsansätze zwar

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das Verständnis fördert und somit sinnvoll ist, aber (wie die meisten Kategorisierungen) auch Schwächen aufweist und keinesfalls exklusiv zu verstehen ist.386 Es ist durchaus möglich, eine vorvertragliche Ausgleichshaftung zu postulieren, die Elemente beider Kategorien aufweist bzw. keiner der beiden Kategorien eindeutig zuzuweisen ist. Schaut man sich die „vertragliche Seite“ einer solchen Ausgleichshaftung an, so fehlt es in der Tat an einer wirksam geschlossenen Kostenvereinbarung, auf die eine solche Haftung gestützt werden könnte. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass sich die Parteien in der Vorbereitung eines für sie ungleich bedeutenderen Vertrags befunden haben. Als quasivertragliches Element einer vorvertraglichen Ausgleichshaftung ließe sich mithin anführen, dass sie Vertragsverhandlungen voraussetzt, welche von einiger Dauer und für die Parteien von erheblicher Bedeutung sind. Der vertragsähnliche Charakter der Ausgleichshaftung wird umso stärker, je mehr Kooperation und Koordination der Parteien hinsichtlich der transaktionsspezifischen Investitionen besteht bzw. zur Statuierung einer Haftung verlangt wird. Nach der hier propagierten Haftungskonzeption wird für die Bejahung eines Ersatzanspruchs ohnehin verlangt, dass die nicht investierende Partei der Vornahme der fraglichen, vorvertraglichen Investition durch die Gegenseite zugestimmt hat.387 Der vertragsähnliche Charakter der Ausgleichshaftung ist also deutlich erkennbar. Was die „gesetzliche Seite“ einer Ausgleichshaftung angeht, so lässt sich anführen, dass die Haftung in dem Sinne willensunabhängig ist, dass ein Wille zum Ersatz oder zum Abschluss einer hierauf gerichteten Kostenvereinbarung nicht erforderlich ist. Allerdings ist eine Haftung gegen den Willen der Parteien kaum vorstellbar. Hat eine Partei ihren Willen, dass bestimmte transaktionsspezifische Investitionen nicht vorgenommen werden sollen bzw. dass sie keinesfalls zu einer Kostenübernahme bereit ist, der anderen Seite gegenüber ausgedrückt, und tätigt die Gegenseite die Investitionen trotzdem, so wird eine Haftung nicht in Betracht kommen. Die Oktroyierung einer Ausgleichshaftung gegen den verlautbarten Willen einer Partei scheidet mithin aus. Insgesamt finden sich bei einer Ausgleichshaftung also sowohl vertragliche als auch gesetzliche Elemente, die jedoch jeweils erheblichen Einschränkungen unterliegen. Eine eindeutige Zuordnung der Ausgleichshaftung in eine der beiden Kategorien ist demnach nicht möglich. Die hier gewählten Kategorien sollten aber auch nur der Verdeutlichung verschiedener Gedankengänge zur Begründung 386 In diese Richtung auch Canaris, VersR 2005, 577, 578, der die „Dichotomie von Vertrag und Delikt als den beiden einzigen Entstehungsgründen von Obligationen“ als „längst überholt“ bezeichnet. Siehe auch MüKo-Kramer (5. Aufl. 2007), Einl. zu §§ 241 ff. Rn 54 mwN, der „die traditionelle starre Dichotomie: Rechtsgeschäft (Vertrag) – Delikt“ als „nicht haltbar“ bezeichnet. Dagegen deutlich zurückhaltender und an einem Dualismus von Vertrag und Delikt festhaltend, MüKo-Ernst (6. Aufl. 2012), Einl. vor § 241 Rn 36 ff. 387 Siehe unten unter D.II.7.a).

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einer Haftung dienen, sind aber nicht als sich gegenseitig ausschließende Varianten zu verstehen. Interessanter und aufschlussreicher als die vorhandenen Elemente, sind indes die jeweils „fehlenden“ Elemente. Auf „vertraglicher Seite“ der Haftung mangelt es an einer rechtsgeschäftlichen Einigung und auf „gesetzlicher Seite“ wird die Oktroyierung einer Haftung durch den Verzicht auf ein Verschuldenserfordernis zumindest erschwert. Damit wird die Frage nach dem Haftungsgrund sowie dem Zurechnungsprinzip in den Blickpunkt gerückt. d) Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip Die Begriffe „Haftungsgrund“ und „Zurechnungsprinzip“ sollen hier in der Diktion von Canaris verwendet werden; abstrakt und vereinfachend lässt sich das Verhältnis beider Begriffe folgendermaßen beschreiben: der Haftungsgrund gibt an, warum und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung die eine Partei schützt, und das Zurechnungsprinzip entscheidet, warum und unter welchen Voraussetzungen sie die andere Partei mit einer entsprechenden Einstandspflicht belastet.388 Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen, die der Gesetzgeber (oder auch der Richter im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung) bei der Statuierung eines Anspruchs stets vornehmen muss, soll also der Haftungsgrund die Seite des Berechtigten und das Zurechnungsprinzip die des Verpflichteten betreffen.389 Als Haftungsgründe kommen nach Canaris etwa die Nichterfüllung einer rechtsgeschäftlichen Zusage, die Verletzung eines absoluten Rechts oder eines Schutzgesetzes, die Vertrauenshaftung, die Gefährdungshaftung oder der Aufopferungsgedanke in Betracht; als Zurechnungsprinzip führt er (nur) das Veranlassungsprinzip,390 das Verschuldensprinzip und das Risikoprinzip an. Zu beachten ist aber, dass weder die Begriffe „Haftungsgrund“ und „Zurechnungsprinzip“ einheitlich verwendet werden noch die Trennung zwischen Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip allgemein anerkannt ist.391 Vielmehr ist die Diskussion über Grundsätze des Haftungsrechts von einer stark variierenden Terminologie und unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen geprägt. Spricht man vom außervertraglichen Haftungsrecht, so wird meist der Verschuldensgrundsatz in den Mittelpunkt gestellt und als Ausgangspunkt genommen.392 Dessen ur388

Canaris, Vertrauenshaftung, S. 470. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 470. 390 Welches von Canaris allerdings abgelehnt wird; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 474 ff. 391 Vgl. auch die diesbezüglichen Hinweise bei Canaris selbst, Vertrauenshaftung, S. 469 Fn 7. 392 So etwa Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123 ff. und Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrundsatz, passim, und S. 190 ff. Siehe auch die ausführliche Darstellung in Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts. 389

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sprünglich dominante Stellung – klassisch ausgedrückt in Iherings Ausspruch: „Nicht die Zufügung des Schadens verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld“ 393 – ist zunehmend aufgeweicht worden. Zunächst wurde die verschuldensunabhängige Haftung noch als Ausnahme zur Regel der Verschuldenshaftung und in erster Linie in Gegenüberstellung zu dieser gesehen, so dass überwiegend von der „Zweispurigkeit“ des Haftungsrechts gesprochen wurde.394 Mittlerweile ist die Erkenntnis gereift, dass diese duale Charakterisierung des Schadensausgleichs der komplexen Rechtswirklichkeit nicht mehr gerecht wird, und das heutige Schadensausgleichsrecht durch ein Nebeneinander mehrerer eigenständiger Haftungsprinzipien bestimmt ist.395 Dementsprechend wird von einem „vielspurigen“ 396 oder „mehrspurigen“ 397 Schadensausgleichssystem gesprochen. Die Feststellung, dass sich Verschuldenshaftung einerseits und Gefährdungshaftung und Aufopferungshaftung andererseits teilweise so weit annähern, dass eine klare Grenze nicht mehr erkennbar ist und es zu fließenden Übergängen kommt,398 könnte sogar den Schluss rechtfertigen, dass eine Einteilung in mehrere distinkte „Spuren“ überhaupt als wenig hilfreich anzusehen ist.399 Die terminologische Verwirrung und systematische Unsicherheit in Bezug auf das Haftungssystem, die hier nur angedeutet werden können, sollen aber nicht dem Versuch im Wege stehen, nach Gründen für eine vorvertragliche Ausgleichshaftung beim Scheitern von Verhandlungen zu suchen. Es müssen Begründungen und Kriterien gefunden werden, die eine – zumindest teilweise – Überwälzung des Schadens, der durch die nutzlose Tätigung von transaktionsspezifischen Investitionen entstanden ist, auf den Verhandlungspartner rechtfertigen. Im Kern geht es also um die Frage, warum von dem Grundsatz des „casum sentit dominus“ abgewichen werden soll. Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ der Haftung soll mit den Begriffen Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip gearbeitet werden. Diese sollen demnach auf einer grundsätzlicheren Ebene zum Einsatz kommen, und nicht auf einer eher technischen Ebene, auf der Fragen der Zurechnung diskutiert werden im Fall, dass die Haftung als solche anerkannt ist. Haf393

Zitiert nach Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123, 124. Grundlegend Esser, JZ 1953, 129 ff. 395 So Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123, 141. 396 Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123, 141. 397 Kolb, S. 204. 398 Ausführlich Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S. 14 und S. 552 ff. jeweils mwN; siehe auch Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123, 126. 399 Diesen Schluss zieht Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S. 14. Dagegen allerdings Canaris, VersR 2005, 577, 578 ff., der die klare Unterscheidbarkeit zwischen Delikts- und Gefährdungshaftung in den Kernbereichen betont. Deliktshaftung sei Haftung für vorwerfbares Fehlverhalten, Gefährdungshaftung bedeute Einstandspflicht für eine besondere Gefahr. 394

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tungsgrund und insbesondere Zurechnungsprinzip sind also nicht alternativ zu, sondern losgelöst von Begriffen zu verstehen, die Modalitäten der Zurechnung betreffen, wie Kausalität, Adäquanz oder Zurechnungsfähigkeit. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der Haftungsgrund zwar die Seite des Berechtigten stärker in den Blick nimmt, dass aber dabei üblicherweise die Seite des Verpflichteten nicht ausgeblendet werden kann. So sind etwa die von Canaris genannten Haftungsgründe der Nichterfüllung einer rechtsgeschäftlichen Zusage oder der Vertrauensgedanke nur im Zusammenspiel von Berechtigtem und Verpflichtetem verständlich. Eine rechtsgeschäftliche Zusage baut auf einem konsensualen Vertrag auf und die Verletzung von Vertrauen setzt nicht nur die Gewährung von Vertrauen durch den Vertrauenden, sondern auch die Inanspruchnahme des Vertrauens durch den Verpflichteten voraus. Auch das Zurechnungsprinzip, welches die Seite des Verpflichteten betont, ist nicht notwendigerweise auf den Verpflichteten beschränkt, sondern stellt vielmehr nur die Art und Weise der Zurechnung dar. Haben etwa beide Seiten Mitschuld an einem eingetretenen Schaden, so verlangt bzw. erlaubt das Verschuldensprinzip eine Zurechnung an beide Seiten. In Anlehnung an das Konzept von Canaris, aber auch in leichter Abweichung von demselben, könnte man sagen, dass der Haftungsgrund bei der Frage relevant wird, warum eine Partei, die einen bestimmten Schaden erlitten hat, diesen nicht allein tragen soll, bzw. warum der Schaden von einer anderen Partei zumindest mitzuersetzen sein soll. Das Zurechnungsprinzip käme dann bei der nachgeordneten Frage, nach welchen Kriterien der Schaden auf die andere Partei überwälzt werden bzw. zwischen beiden Parteien verteilt werden sollte, zur Anwendung. aa) Zum Haftungsgrund Auf die vorvertragliche Ausgleichshaftung angewendet bedeutet dies folgendes. Bei der Suche nach einem Haftungsgrund kann man nicht auf die Nichterfüllung einer rechtsgeschäftlichen Zusage zurückgreifen, wie dies im Rahmen der vertraglichen Haftung möglich ist; eine solche scheidet – wie gesehen – aus. Der alternativ ins Spiel gebrachte Haftungsgrund, der Vertrauensgedanke, reicht allein ebenfalls nicht zur Begründung einer Haftung aus und verengt die Sichtweise zu stark auf einen vermeintlich sicheren Vertragsabschluss. Der Gedanke des Verkehrsschutzes öffnet den Blick in die richtige Richtung, ist aber allein auch zu unspezifisch und zu schwach, um als Haftungsgrund dienen zu können. Vielversprechender ist es hingegen, stärker auf die Interessen der Parteien sowie deren koordiniertes Verhalten im Verhandlungsprozess zu schauen. Wie bereits geschildert, haben beide Parteien in den Verhandlungen konträre aber auch kongruente Interessen. Einerseits möchte jede Seite einen anvisierten Vertrag zu möglichst vorteilhaften Konditionen abschließen, sich also einen möglichst „großes Stück vom Kuchen“ sichern. Andererseits haben beide Seiten ein Interesse daran, dass die Verhandlungen zielführend verlaufen und alle Möglichkei-

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ten ausgeschöpft werden, den gemeinsamen Nutzen des geplanten Vertrags für beide Seiten zu maximieren, sowie Investitionen vorzuziehen, wenn dies effizient ist. Mit anderen Worten, beide Parteien wollen, dass der „Kuchen“ möglichst groß wird. Die Verhandlungsstrategien, die diesen gegensätzlichen Interessen Rechnung tragen, wurden bereits beschrieben und als distributiv und integrativ bezeichnet.400 Nehmen Parteien nun transaktionsspezifische Investitionen im Hinblick auf die Verhandlungen oder bereits im Vorgriff auf den in Aussicht stehenden Vertrag vor, so bietet sich der Abschluss einer Kostenvereinbarung für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen an, wenn die Investitionen im beiderseitigen Interesse sind (oder gar im überwiegendem Interesse der jeweils anderen, nicht investierenden Partei). Wie gesehen,401 kann der Abschluss einer Kostenvereinbarung aber aus guten Gründen unterbleiben – sei es wegen der damit verbundenen Transaktionskosten oder weil die investierende Partei die Verhandlungsatmosphäre nicht belasten will, indem sie trotz der Verhandlungszusicherungen des Verhandlungspartners auf den Abschluss einer Kostenvereinbarung drängt oder weil die investierende Partei aufgrund der Zusicherungen der Gegenseite schlicht keine Veranlassung zum Abschluss einer Kostenvereinbarung sieht. Die Suche nach einem Haftungsgrund wird also sinnvollerweise an dem koordinierten Verhandlungsverhalten der Parteien ansetzen. Anstatt hauptsächlich auf Zusicherungen der nicht investierenden Partei oder auf das hierdurch bei der investierenden Partei erweckte Vertrauen zu schauen, sollte – und hier liegt ein wichtiger Unterschied zu den bisher diskutierten Haftungsbegründungen – das Augenmerk stärker darauf gelegt werden, wie sich die Parteien hinsichtlich der Vornahme der fraglichen vorvertraglichen Investition zueinander verhalten haben. Wenn die investierende Partei einseitig und eigenmächtig eine vorvertragliche Investition tätigt und sich in diesem Umfang faktisch selbst bindet, so reichen Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht aus, um bei einem Scheitern der Verhandlungen eine Haftung und Abweichung vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ zu begründen. Wenn aber die Vornahme der vorvertraglichen Investition in beiderseitigem Einvernehmen, also mit einer über bloße Kenntnis hinausgehenden Zustimmung der nicht selbst investierenden Gegenseite erfolgt, so ändert sich das Bild. Dann verschwindet nicht nur die Gefahr, dass die investierende Partei die Gegenseite mittels einer potentiellen Kostenüberwälzung im Haftungsfall in den Vertrag hineindrängt (lock-in-Effekt), sondern es lässt sich auch folgern, dass beide Parteien ein Interesse an der Vornahme der Investition haben. Das Interesse der nicht investierenden Seite an der vorvertraglichen Investition des Verhandlungspartners kann vielgestaltig sein. Zu denken ist etwa an einen durch verhandlungsspezifische Investitionen ermöglichten Verhandlungsfortschritt oder an eine effizientere Durchführung des erwarteten Vertrags durch 400 401

Siehe oben unter D.I.1.a). Siehe oben unter D.II.2.

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vorgezogene vertragsspezifische Investitionen.402 Hinzu kommt das regelmäßig vorhandene Interesse an der faktischen Selbstbindung der Gegenseite im Umfang der getätigten Investitionen. Die investierende Partei vertraut bei einer einvernehmlich getätigten vorvertraglichen Investition nicht nur in etwaige Verhandlungszusagen der anderen Partei, sondern wird in ihrer Investitionsentscheidung auch durch die Zustimmung der anderen Partei bestärkt. Bei einvernehmlich getätigten vorvertraglichen Investitionen sprechen diese Überlegungen für eine interessengerechte Verteilung der Kosten bei einem Scheitern der Verhandlungen, welche vom Grundsatz „casum sentit dominus“ abweichen kann. Falls eine interessengerechte Kostenverteilung im Fall des Scheiterns der Verhandlungen unterbleibt bzw. ein Ausgleichsanspruch der investierenden Partei nicht besteht, so wird die negative Abschlussfreiheit der nicht investierenden Partei über Gebühr privilegiert. Die nicht selbst investierende Partei würde von der Investition profitieren, ohne dafür einen Preis zahlen oder ein Risiko tragen zu müssen; sie könnte überdies die stärkere Exponiertheit der investierenden Partei zum eigenen Verhandlungsvorteil ausnutzen. Die negative Abschlussfreiheit der nicht investierenden Partei würde ungerechtfertigt zu Lasten der negativen Abschlussfreiheit der investierenden Partei bevorzugt. Der Haftungsgrund für eine vorvertragliche Ausgleichshaftung ist mithin im Schutz der Vertragsfreiheit in Form der negativen Abschlussfreiheit der investierenden Partei bzw. in der Wahrung einer interessengerechten Balance der jeweiligen negativen Abschlussfreiheit beider Parteien zu sehen. bb) Zum Zurechnungsprinzip Nachdem nun der Haftungsgrund gefunden worden ist, stellt sich die Frage nach dem Grund und den Kriterien, die eine – zumindest teilweise – Überwälzung des Schadens in Form von nutzlos aufgewendeten Kosten für transaktionsspezifische Investitionen erlauben. Hierbei kommt das Zurechnungsprinzip zum Tragen. Dies ist allerdings kein fest umschriebener Begriff, wie bereits erwähnt ist die Terminologie diesbezüglich nicht einheitlich.403 402

Zu praktischen Beispielsfällen siehe unten unter D.II.8. Gottwald, Kausalität und Zurechnung, Karlsruher Forum 1986, S. 3 ff., verwendet zwar den Begriff „Zurechnungsprinzip“, ohne damit aber einen spezifischen Bedeutungsgehalt zu verbinden. Vielmehr versteht er ihn synonym mit Haftungsvoraussetzungen. Dazu gehören für ihn etwa Verschulden, Gefährdung oder Aufopferung, aber auch Kausalität, Adäquanz und Normzweck. Auch Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123 ff. unterscheidet sich in Terminologie und Systematik von Canaris. Ähnlich wie dieser sieht er zwar der Gefährdungshaftung das „Zurechnungsprinzip“ der Risikohaftung zugrunde liegen (S. 133); anders als dieser geht er aber etwa bei der Aufopferungshaftung davon aus, dass der „Zurechnungsgrund“ die ausnahmsweise erlaubte Inanspruchnahme eines fremden Rechtsguts ist (S. 136). Canaris hingegen sieht im Aufopferungsgedanken einen Haftungsgrund, für den Zurechnungsgesichtspunkte keine Rolle spielen und der nicht durch ein Zurechnungsprinzip ergänzt werden könne (Vertrauenshaftung, S. 470). 403

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Canaris unterscheidet drei verschiedene Prinzipien, von denen er indes das erste als untauglich ablehnt. Es sind dies das Veranlassungs-, das Verschuldensund das Risikoprinzip.404 Das Veranlassungsprinzip ist zu Recht als inhaltsleer kritisiert worden und verliert zunehmend an Unterstützung.405 Bloße Veranlassung ist lediglich ein anderer Name für Kausalität. Kausalität aber ist kein Kriterium, welches die Überwälzung eines Schadens rechtfertigen könnte. Das Kriterium der Kausalität hat seine berechtigte und wichtige Rolle auf der eher „technischen“ Ebene der Zurechnung selbst,406 hilft aber nicht weiter auf der Ebene der grundsätzlichen Suche nach Kriterien, die eine Haftung tragen können. Die Berufung auf ein Veranlassungsprinzip kommt damit dem Verzicht auf ein wertendes Zurechnungserfordernis gleich, weil bloße Ursächlichkeit für ein differenziertes Rechtsempfinden nichts erklären kann.407 Das Veranlassungsprinzip kann also nicht als Zurechnungsprinzip dienen und sollte aufgegeben werden.408 Demgegenüber ist das Verschuldensprinzip ohne Zweifel ein taugliches Zurechnungskriterium. Um zur Anwendung zu gelangen, setzt das Verschuldensprinzip aber Vorwerfbarkeit und die Konstruktion einer Pflicht voraus. Dies ist hier nicht möglich, vielmehr geht es ja gerade um die Frage, wie eine verschuldensunabhängige Haftung konstruiert werden kann. Auch das Verschuldensprinzip scheidet also als Grundlage der Zurechnung aus. (1) Das Risikoprinzip und seine Anwendungsfelder Somit bleibt das Risikoprinzip. Dieses hat an Bedeutung als Zurechnungskriterium gewonnen und erfreut sich zunehmender Beachtung.409 Dem Prinzip mangelt es allerdings (immer noch) an festen Konturen. Der Begriff des Risikos ist zu vielschichtig und unbestimmt, als dass eine terminologische Betrachtung groß weiterführend wäre. Es erscheint zweckmäßig, die Begriffe Risiko und Gefahr 404

Canaris, Vertrauenshaftung, S. 473. Die Haftung gem. § 122 BGB etwa wird mit dem Veranlassungsprinzip begründet von RGZ 81, 395, 398; BGH NJW 1969, 1380; Palandt/Ellenberger, § 122 Rn 1; Jauernig/Jauernig, § 122 Rn 2. A.A.: Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479 ff., der überzeugend darlegt, dass § 122 auf der Überlegung beruht, dass der Mangel der Erklärung aus der Risikosphäre des Irrenden stammt. Zustimmend: Staudinger-Singer, § 122 Rn 2; MüKo-Armbrüster, § 122 Rn 3; Soergel-Hefermehl, § 122 Rn 1. 406 Kausalität ist zwar – entgegen Gottwald, Karlsruher Forum 1986, S. 3 – weder hinreichend noch notwendig für die Zurechnung einer Haftung, vgl. Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, S. 2 und passim; sie stellt aber im Rahmen der Zurechnung nichtsdestoweniger eines der zentralen Kriterien dar. 407 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 474. So auch Frotz, Verkehrsschutz, S. 474. 408 So auch Larenz, JuS 1965, 373, 379; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn 15 und 134; Singer, Selbstbestimmung, S. 188 f. 409 Grundlegend die Arbeiten von Rümelin, Der Zufall im Recht, 1896; ders., Die Gründe der Schadenszurechnung, 1896; ders., Schadensersatz ohne Verschulden, 1910. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Luhmann, Soziologie des Risikos, 1991. 405

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synonym zu verwenden.410 Allgemein lässt sich nur sagen, dass der Begriff des Risikos bzw. der Gefahr ein mit gewisser Wahrscheinlichkeit eintretendes Ereignis mit negativen Auswirkungen beschreibt. Doch hieraus kann man nichts für die Zurechnungsproblematik entnehmen. Denn der Grundsatz geht ja gerade dahin, dass jeder Verkehrsteilnehmer negative Auswirkungen selbst zu tragen hat, das „allgemeine Lebensrisiko“ ist nach der Regel des „casum sentit dominus“ jedem selbst zugeordnet.411 Das Risikoprinzip ist also mit Wertungsgesichtspunkten anzureichern. Es muss dargestellt werden, um welche Gefahr es sich im einzelnen handelt und welche Gesichtspunkte für ihre Verteilung maßgebend sind. Darin besteht die entscheidende Aufgabe einer jeden Lehre von der Risikozurechnung.412 Dazu sei zunächst ein Blick darauf geworfen, im Zusammenhang mit welchen Haftungsgründen das Risikoprinzip bislang zur Anwendung gebracht wurde. Daraufhin soll dann überlegt werden, wie das Risikoprinzip im vorliegenden Zusammenhang fruchtbar gemacht werden kann. Das wichtigste Anwendungsfeld des Risikoprinzips ist das der Gefährdungshaftung.413 Die diversen Tatbestände der Gefährdungshaftung, die im deutschen Recht nur enumerativ durch eng umschriebene Einzeltatbestände zugelassen sind,414 stehen meist im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer technologischer Möglichkeiten, die ein erhebliches Gefahrenpotential aufweisen.415 Allen Tatbeständen einer Gefährdungshaftung ist gemein, dass das Auftreten einer besonderen Gefahr für weitgehend unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit geregelt wird. Diese besondere Gefahr verlangt typischerweise deshalb die Statuierung einer Gefährdungshaftung, weil entweder die Wahrscheinlichkeit eines

410

Dies ist nach Meder, JZ 1993, 539, 543 im Sprachgebrauch des Privatrechts üblich. Siehe auch Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 1 und 12, der Risiko als Gefahr einer planwidrigen Entwicklung auffasst. A.A. Luhmann, Soziologie des Risikos, S. 30 f., der zwischen Risiko und Gefahr unterscheidet. Von Risiko könne dann gesprochen werden, wenn ein etwaiger Schaden auf eine Entscheidung zugerechnet, d.h. internalisiert werde; Gefahr liege dagegen vor, wenn der Schaden extern veranlasst, d.h. auf Umwelteinwirkungen zugerechnet werde. 411 Vgl. Meder, JZ 1993, 539, 541; siehe auch Mädrich, Das allgemeine Lebensrisiko, 29, 123 ff. Auch Esser/Schmidt, SchuldR I/2, § 25 IV 1b), S. 66 weisen darauf hin, dass es sich bei dem Begriff des „allgemeinen Lebensrisikos“ lediglich um einen gängigen Ausdruck dafür handelt, „daß keine Kriterien erfüllt sind, welche die Überwälzung des Schadens auf einen anderen zulassen“. 412 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 481. 413 Vgl. den Überblick bei Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn 634 ff. mwN. 414 Vgl. hierzu Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 84 I, S. 600 ff., auch dazu, dass eine Analogie nicht schlechthin ausgeschlossen ist, an den erforderlichen Ähnlichkeitsschluss aber strenge Anforderungen zu stellen sind, S. 601. Mit kurzen rechtsvergleichenden Anmerkungen Kreuzer, FS W. Lorenz, 123, 130 mwN. 415 Daneben sind der Schutz vor tierischen Gefahren und der Umweltschutz zu nennen.

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Schadenseintritts besonders hoch ist – paradigmatisch hier die Haftung für Kraftfahrzeuge gem. § 7 StVG – oder weil das Ausmaß des Schadens besonders groß sein kann – wie etwa bei Eisenbahnunfällen, Flugzeugabstürzen oder Atomreaktorunfällen.416 Charakteristisch für Gefährdungshaftungstatbestände sind also das Auftreten einer besonderen Gefahr und das Merkmal der Gefährdung unbeteiligter Dritter oder der Allgemeinheit. Beides spielt indes im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Beim Scheitern von Vertragsverhandlungen geht es nicht um „klassische“ Gefährdungshaftung. Betrachtet man aber, mit welchen Wertungen das Risikoprinzip im Rahmen der Gefährdungshaftung zur Anwendung gebracht wird, so ist zumindest ein Gedanke auch in Bezug auf die hier avisierte Ausgleichshaftung interessant. Zum einen wird die Gefährdungshaftung auf den Gedanken gestützt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, diese besser beherrschen kann.417 Dies ist eine Variation des Sphärengedankens, welcher besagt, dass man für Risiken einzustehen hat, die aus der eigenen Sphäre stammen. Zum anderen kommt der Gedanke zum Tragen, dass derjenige, der Vorteile aus einer Aktivität zieht, auch für die daraus entstehenden Schäden aufzukommen hat.418 Dieses allgemeine Prinzip der Gerechtigkeit419 kann auch mit dem lateinischen Rechtssprichwort „ubi emolumentum, ibi onus“ ausgedrückt werden.420 Diese Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko ist auch in Bezug auf die vorvertragliche Ausgleichshaftung von Relevanz. Das Risikoprinzip kommt auch bei Tatbeständen, die sich auf den Vertrauensgedanken als Haftungsgrund stützen, zur Anwendung.421 So basiert etwa die Haftung des Anfechtenden aus § 122 BGB auf einer Risikozurechnung. § 122 BGB beruht auf der Erwägung, dass der Erklärende für die Folgen eines aus seiner „Sphäre“ stammenden „Mangels“ – nämlich des Irrtums – einzustehen hat, und

416 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2b), S. 607. Überzeugend wendet er sich gegen die weitverbreitete Ansicht, dass die Gefährdungshaftung in Zusammenhang mit der Erlaubtheit des Risikos stünde und gleichsam der Preis für die Zulassung der betreffenden Gefahrenquelle sei (so aber etwa Esser, Gefährdungshaftung, S. 90 f., Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 365). Dadurch werde unzutreffend insinuiert, dass diese eigentlich von Rechts wegen verboten werden müsste, was hinsichtlich vieler Haftungstatbestände, etwa für Haustiere, Energieleitungen, Arzneimittel, Eisenbahnen, Kraft- und Luftfahrzeuge abwegig sei. 417 Vgl. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 84 I 2, S. 605; Esser, Grundlagen der Gefährdungshaftung, S. 94 f., 97 ff.; des Weiteren Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S. 65 f. Siehe auch Larenz, JuS 1965, 373, 374. Zum Unterschied zwischen konkreter und abstrakter Gefahrbeherrschung Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 78 ff. 418 Siehe hierzu auch Larenz, JuS 1965, 373, 374. 419 Vgl. auch F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, S. 292 f. 420 Zitiert nach Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 236. Ähnlich auch Paulus, Dig. 50, 17, 10: „Qui habet commoda, ferre debet onera“. 421 Dafür, dass die §§ 122 und 179 II BGB dogmatisch der Vertrauenshaftung angehören: Canaris, Vertrauenshaftung, S. 532 mwN.

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damit auf einem typischen Grundgedanken der Risikolehre.422 Ähnliche Überlegungen sind Grundlage der Haftung gem. § 179 II BGB des Vertreters, der keine Kenntnis seiner fehlenden Vertretungsmacht besitzt. Die strikte Haftung des Vertreters, dem kein Vorwurf gemacht werden kann, so dass das Verschuldensprinzip als Zurechnungsgrundlage ausscheidet, rechtfertigt sich daraus, dass die Belastung des Vertreters mit dem Geschäftsrisiko näher liegt, weil er typischerweise eher als der gutgläubige Dritte die Möglichkeit hat, den Mangel seiner Legitimation zu erkennen.423 Anhand dieser Haftungstatbestände wird (besonders) deutlich, dass die Zurechnung mittels des Risikoprinzips nicht davon abhängig ist, ob derjenige, auf den der Schaden abgewälzt werden soll, das Risiko, das sich realisiert und zum Schaden geführt hat, bewusst eingegangen ist. Die Zurechnung kann also mittels objektiver Überlegungen der adäquaten Risikoverteilung legitimiert werden, ein Risikobewusstsein ist nicht notwendig.424 Eine vergleichbare Situation ist im übrigen auch bei dem anderen Zurechnungsprinzip, dem Verschuldensprinzip, festzustellen. Auch dort wird ein objektivierter Fahrlässigkeitsbegriff verwendet, indem auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt abgestellt wird. Im Endeffekt wird dabei auf einen individuellen Vorwurf verzichtet.425 (2) Die Vielschichtigkeit des Risikobegriffs Während in den eben genannten Fällen ein Risikobewusstsein keine zwingende Voraussetzung der Zurechenbarkeit eines Schadens darstellt, lässt sich in anderen Fällen überhaupt nur dann sinnvoll von einem Risiko sprechen, wenn dieses bewusst eingegangen worden und als negativer Gegenpart zu einer bestimmten Chance zu sehen ist. Der Begriff des Risikos ist vielschichtig. Die allgemeine Definition, nach der ein Risiko als ein mit gewisser Wahrscheinlichkeit eintretendes Ereignis mit negativen Auswirkungen beschrieben werden kann, bedeutet, dass ein wertendes und oftmals zwingend subjektives Element ins Spiel kommt; was „negativ“ ist, lässt sich nicht immer objektiv beschreiben. „Schlimmer“ noch: was für den einen negativ, kann für den anderen gerade positiv sein. Oft genug lässt sich eine negative Auswirkung nur als solche erkennen, wenn man die subjektive Erwartungshaltung kennt. Ein Beispiel: Druckt ein Sport422 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 535 mit dem Hinweis auf Oertmann, BGB-Kommentar, 1927, § 122 Anm. 6. So auch MüKo-Armbrüster, § 122 Rn 3 und Singer, Selbstbestimmung, S. 189. 423 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 535; Staudinger-Schilken, § 179 Rn 17. 424 So auch Singer, Selbstbestimmung, S. 194. 425 Vgl. zu dem Komplex Larenz, Schuldrecht I, § 20 III, S. 282 ff., der insofern von „Elementen einer objektiven Verantwortung“ spricht (S. 286). Einen ähnlichen Effekt hat auch die Statuierung von übermäßigen Sorgfaltsstandards (die nach hier verwendeter Systematik indes auf der Ebene des Haftungsgrunds angesiedelt sind!), die zudem oft erst ex post aufgestellt werden. Zu beiden Problemen, siehe auch Kreuzer, FS W. Lorenz, S. 123, 126 mwN. In diesem Zusammenhang steht auch die bekannte Formulierung von Ehrenzweig der „negligence without fault“.

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artikelhersteller schon vor dem Finale der Fußball-WM 2010 Trikots mit dem Schriftzug „Nederland Wereldkampioen“ 426, um nach einem möglichen Sieg der Niederlande den Fans möglichst schnell passende Trikots anbieten zu können, so geht er damit das Risiko ein, dass Spanien das Finale gewinnt, und die Trikots unverkäuflich sind. Ein Sieg Spaniens ist also aus der Sicht des Trikotproduzenten ein Ereignis mit negativen Auswirkungen (während es natürlich für die meisten nicht-holländischen Fußballfans ein freudiges Ereignis und für Trikothersteller, die ihre Produkte mit „Campeones“ bedruckt haben, ein Ereignis mit positiven Auswirkungen, i. e. eine Chance, darstellt). Die Einbußen, die der Trikothersteller aufgrund seiner enttäuschten Hoffnungen auf einen Sieg der Niederlande erleidet, sind – sofern er sich nicht versichert hat427 – natürlich von niemandem zu ersetzen. Das Risiko, das der Sportartikelhersteller eingegangen ist, lässt sich nur aus seiner subjektiven Erwartungshaltung erkennen; es gibt also Risiken bzw. Ereignisse, die keinesfalls allgemein als Risiko oder Gefahr wahrgenommen werden, und die notwendigerweise mit einer Entscheidung zusammenhängen. Diese Risiken existieren gleichsam nur, weil sie mit einem Plan zusammenhängen, und es ist praktisch kaum vorstellbar, dass sie unbewusst eingegangen werden. Wirtschaftliche Investitionsentscheidungen verfolgen solch einen Plan und ein bestimmtes Ziel; sie basieren regelmäßig auf einer Abwägung von Chance und Risiko, wobei das Risiko der Nichterreichung des verfolgten Ziels als das Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit des negativen Ereignisses und dessen Konsequenz ausgedrückt werden kann. Wenn die Risikoabwägung in die Entscheidungsfindung einfließt, kann das Verhalten des Entscheiders als risikoavers oder als risikofreudig klassifiziert werden. In diesem Zusammenhang – aber eben auch nur hier – kann das Risiko als Gefahr einer planwidrigen Entwicklung beschrieben werden.428 Wodurch das negative Ereignis ausgelöst wird, wie sich also das Risiko realisiert, ist irrelevant, es kann auch Zufall sein.429 Andere Risiken hingegen können – wie gesehen – durchaus objektiv beschrieben werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die negativen Auswirkungen sich in Verletzungen von absoluten Rechtsgütern manifestieren. Diese werden allgemein, auch aus ökonomischer Sicht,430 als Schaden wahrgenommen.431 426 Was so viel heißt wie „Niederlande Weltmeister“. Ob das ein überzeugender bzw. beliebter Schriftzug wäre, ist unklar, aber aufgrund der Tatsache, dass die Niederlande noch nie Weltmeister geworden sind, auch eine hypothetische Frage. 427 Hier wäre also die Risikoübernahme der Vertragsgegenstand. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 14 nennt derartige Vertragstypen Risiko- oder Wagnisverträge. 428 So die Definition von Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 12. 429 Insofern ist der von Meder, JZ 1993, 539, 543 verwendete Gegenbegriff zu Risiko und Gefahr, nämlich der des Zufalls, etwas unglücklich und irreführend. Er benutzt den Begriff des Zufalls zur Kennzeichnung solcher Ereignisse, die das Privatrecht als extern veranlasst bewertet. 430 Werden Sachwerte zerstört oder die Gesundheit von Menschen beeinträchtigt, so stellt dies gegenüber dem status quo ante immer eine Einbuße dar; Investitionen hinge-

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Ein Autounfall oder ein Flugzeugabsturz, bei dem Dritte an absoluten Rechten geschädigt werden, ist sowohl aus der subjektiven Sicht der Beteiligten als auch aus objektiver Sicht ein Ereignis mit negativen Auswirkungen, also ein Risiko. (3) Das Risikoprinzip in Bezug auf vorvertragliche Investitionen Um das Risikoprinzip im hier interessierenden Zusammenhang vorvertraglicher Verhandlungen zur Anwendung zu bringen, gilt es, das Risiko, um das es sich handelt, sowie die Wertungen, die für dessen Verteilung maßgebend sind, zu beschreiben. Das Risiko besteht darin, dass die Verhandlungen nicht zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss führen und dadurch die transaktionsspezifischen Investitionen, seien sie verhandlungs- oder vertragsbezogen, zu nutzlosen Aufwendungen werden. Die Gründe für das Scheitern können sehr vielgestaltig sein; und nach hier vertretener Auffassung wird jeder Grund, der zum Abbruch der Verhandlungen führt, triftig sein. Die Aussage, dass der Grund für das Scheitern der Verhandlungen nicht danach bewertet werden sollte bzw. gar nicht bewertet werden kann, ob er triftig ist oder nicht, bedeutet indes nicht, dass er nicht einer Risikosphäre zugeordnet werden könnte. Die entscheidende Frage im Rahmen des Zurechnungsprinzips ist also nicht, ob die nicht investierende Partei die Verhandlungen abbrechen durfte – dies wäre die folgerichtige Frage bei Zugrundelegung des Verschuldensprinzips –, sondern, ob sie das Risiko (mit-)übernommen hat oder ihr dieses normativ zuzuschreiben ist, dass die Verhandlungen aus dem entsprechenden Grund scheitern.432 Eine volle Haftung hinsichtlich der fraglichen Investition (also auf das negative Interesse der investierenden Partei) ergibt sich dann, wenn der Grund für das Scheitern der Verhandlungen allein der Risikosphäre der nicht investierenden Partei, welche diese durch ihr Verhandlungsverhalten abgesteckt hat, zuzurechnen ist. Eine anteilige Haftung kommt dann in Betracht, wenn der Grund für das Scheitern keiner der beiden Risikosphären der Parteien allein zuzuordnen ist. Und keine Haftung droht der nicht investierenden Partei dann, wenn der Grund für das Scheitern der Risikosphäre gen, die mit dem Risiko verbunden sind, dass sie sich nicht rentieren, und so für den Investor zum Schaden werden können, sind aus ökonomischer Sicht durchaus erwünscht. 431 Zum Schadensbegriff allgemein vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 1, S. 26 ff. 432 Auch Grunewald, JZ 1984, 708, 710 propagiert eine verschuldensunabhängige Haftung, die auf einer Risikoübernahmeerklärung des Verhandlungspartners aufbaut. Ihre Überlegung, dass aus dem Verhalten der Parteien Rückschlüsse auf die intendierte Risikoverteilung zu ziehen seien, verdient Zustimmung. Unklar bleibt indes, wie sie die Haftung dogmatisch begründen will. Wenn sie – wie es scheint – nur dafür plädiert, genauer zu untersuchen, ob die Parteien nicht konkludent eine Kostenvereinbarung geschlossen hätten, so ist das zwar unterstützenswert, aber im vorliegenden Zusammenhang nicht hinreichend weiterführend. Denn die Frage ist ja gerade, ob und wie eine Haftung in Abwesenheit einer vertraglichen Regelung zwischen den Parteien begründet werden kann.

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der investierenden Partei zuzuordnen ist – wobei deren Risikosphäre nicht eigens definiert werden muss, sondern einfach als Menge aller Gründe, die nicht von der Gegenseite (mit-)übernommen wurden, zu sehen ist.433 Der Abbruch von Verhandlungen ist also nie vorwerfbares Fehlverhalten, aber er kann sich als Realisierung eines Risikos darstellen, das die nicht investierende Partei (mit-)übernommen hat, so dass die Haftung gleichsam die hierfür zu zahlende Risikoprämie ist. Dies sei an einem Beispiel veranschaulicht. Im „Druckerei-Fall“ 434 hatte die Verkäuferin dem kaufwilligen bisherigen Mieter einen Preis von 750.000 DM zugesichert, und dessen vertragsspezifischen Investitionen in Form von Umbauten zugestimmt. Die Verkäuferin wollte den Vertrag aus steuerlichen Gründen erst zu einem späteren Termin schließen. Die Zustimmung zur vorvertraglichen Investition der Kaufinteressentin war für die Verkäuferin also insofern vorteilhaft, als die Kaufinteressentin im Umfang der Investitionen ihre negative Abschlussfreiheit einschränkte und sich in diesem Umfang an den in Aussicht genommenen Vertrag band. Im Gegenzug übernahm die Verkäuferin durch ihre Zusicherung, die Immobilie für 750.000 DM zu verkaufen, das Preisrisiko, nämlich das – aus ihrer Sicht bestehende – Risiko, dass sich ihre Kalkulation – und ihre etwaige Gewinnspanne – nicht einhalten lässt. Scheitert der Vertrag in der Folge hingegen an einem Punkt, der weder ganz noch anteilig dem Risikobereich der Verkäuferin zuzuordnen ist, z. B. wenn das betreffende Haus infolge einer unvorhersehbaren Explosion zerstört wird, so bliebe es beim Grundsatz „casum sentit dominus“. Die Verkäuferin müsste dann nicht für Investitionen der Gegenseite einstehen. Die Risikoübernahme bedeutet indes nicht, dass die jeweilige Partei an ihre Zusage in dem Sinne gebunden wäre, dass sie nicht mehr davon abweichen könnte; aber die sie kann dies eben nur noch um den Preis der Haftung. Wenn also im Beispiel die Verkäuferin meint, aufgrund gestiegener Marktpreise oder einer Veränderung des Angebots (etwa durch einen anderen Zuschnitt der Einheiten) einen höheren Preis erzielen zu können, so bleibt es ihr unbenommen, von der Kaufinteressentin einen höheren Preis zu verlangen oder den Vertrag mit einem Dritten abzuschließen, aber eben nur um den Preis der Haftung in Höhe der konsentierten vorvertraglichen Investitionen.435 Das Auftreten eines besseren An433

Zu den drei Szenarien des Scheiterns von Verhandlungen, siehe unten unter III.6.d). Siehe oben unter B.II.2.a)cc)(2). Eingehend auch unten unter D.II.8.b)aa)(3). 435 Wenn aber angesichts der Marktsituation nicht erwartet werden kann, dass sich höhere Preise erzielen lassen, so wird eine rationale Partei ohnehin nicht von ihren Verhandlungszusagen abweichen, es sei denn, sie will gezielt durch opportunistisches Verhalten die Selbstschwächung der Gegenseite ausnutzen. Ein solches Verhalten wäre zwar pflichtwidrig, ist in der Praxis indes schwer zu beweisen. Die skizzierte verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung liefert daher einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens. 434

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gebots eines Dritten ist ohnehin geradezu paradigmatisches Beispiel für die Wirkungsweise des Risikoprinzips. Stellt eine Partei gegenüber der Gegenseite den Vertragsschluss als sicher hin und stimmt Aufwendungen zu, welche diese unter dem Eindruck dieser Zusicherung machen will, so erkauft sie sich geradezu die mit der Verzögerung des Vertragsschlusses entstehende Möglichkeit, noch auf Marktveränderungen und damit einhergehende mögliche bessere Angebote von Dritten eingehen zu können. Die Annahme des besseren Angebots eines Dritten ist dann nicht pflichtwidrig, entlastet aber nicht von der Haftung.436 Zentraler Gedanke bei der Zurechnung der Haftung durch das Risikoprinzip ist, sowohl generell wie auch speziell im vorliegenden Zusammenhang, die Zusammengehörigkeit von Vorteil und korrespondierendem Risiko. Wenn eine Partei von vorvertraglichen Investitionen der Gegenseite profitiert, und ihr Interesse an der Investition durch ihre Zustimmung hierzu ausdrückt, so verlangt die Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko, dass sie auch die Kosten – zumindest anteilig – zu tragen hat, wenn in der Folge ein Ereignis eintritt, das zum Scheitern der Verhandlungen führt und das nach dem Verhandlungsverlauf dem Risikospektrum der Partei zuzurechnen ist. Von einem eigenen Vorteil durch die vorvertragliche Investition der Gegenseite kann indes nur dann ausgegangen werden, wenn die Partei die Investition der Gegenseite gekannt und gebilligt hat. Auch aus Sicht des Zurechnungsprinzips ist damit die Zustimmung der nicht investierenden Partei zur fraglichen vorvertraglichen Investition Voraussetzung für die Statuierung einer Haftung. Um also zu einer Haftung zu gelangen, bedarf es auf Seiten der nicht investierenden Partei eines Mindestmaßes an Kooperation; sie muss der Investition aktiv zustimmen. Sie muss – anders gewendet – von sich aus nichts tun, um einer möglichen Haftung zu entgehen. Tätigt die Gegenseite ohne ihre Kenntnis vorvertragliche Investitionen, muss sie keine Haftung befürchten. Gleiches gilt, wenn die Gegenseite mit ihrem Investitionsvorstellungen an die nicht investierende Partei herantritt, diese aber dieses Vorhaben nur passiv zur Kenntnis nimmt. Bevor das hier vorgeschlagene Haftungskonzept näher dargestellt und mit Beispielsfällen unterlegt werden kann, soll zunächst darauf eingegangen werden, wie eine solche verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung dogmatisch umgesetzt und auf welche gesetzlichen Vorgaben sie gestützt werden könnte. 6. Anknüpfungspunkte für eine Ausgleichshaftung im Gesetz Nachdem nun die Grundlagen und Begründungsansätze einer verschuldensunabhängigen Haftung näher beleuchtet worden sind, bleibt die Frage, ob sich im Gesetz Anhaltspunkte finden lassen, die eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung in Form einer verschuldensunabhängigen Haftung unterstützen. Von Be436

Ausführlich zum besseren Angebot eines Dritten siehe unten unter D.II.7.e).

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fürwortern einer verschuldensunabhängigen Haftung sind einige Vorschläge gemacht worden, an welche Normen bei der Umsetzung einer Haftung angeknüpft werden könnte. Darauf ist im Folgenden einzugehen, bevor ein eigener Vorschlag unterbreitet wird. a) Analogie zu § 122 BGB Insbesondere Larenz hat vorgeschlagen, sich in Konstellationen, in denen es in Wahrheit nicht um eine Pflichtverletzung, sondern um eine verschuldensunabhängige Haftung geht, auf eine Analogie zu § 122 BGB zu stützen.437 Er hat dabei eine reine Vertrauenshaftung im Sinn gehabt und dementsprechende Voraussetzungen an eine Haftung formuliert. So müsse das Vertrauen des einen Partners, dass der andere den beabsichtigten Vertrag zu den besprochenen Bedingungen demnächst mit ihm abschließen werde, durch dessen Verhalten bei den Verhandlungen in solchem Maße gestärkt worden sein, dass er daran vernünftigerweise nicht mehr zweifeln kann. Dadurch müsse er zu Aufwendungen veranlasst worden sein, die nicht über das den Umständen nach vernünftige Maß hinausgehen. Und schließlich sei zu fordern, dass derjenige, der den Vertrauenstatbestand geschaffen hat, erkannt hat oder zumindest damit rechnen musste, dass die Gegenseite aus seinem Verhalten die Folgerung ziehen werde, der Abschluss des Vertrages sei sicher, und dass sie dieser Erwartung entsprechende Vermögensdispositionen treffen werde.438 Wer einen so starken Vertrauenstatbestand schaffe, solle zwar nicht zum Abschluss des Vertrages, wohl aber dazu verpflichtet sein, dem anderen seinen Vertrauensschaden zu ersetzen, wenn er hernach den Vertragsschluss ohne triftigen Grund439 ablehnt. Der Ersatz des Vertrauensschadens sei gleichsam der Preis, um den er sich aus der durch den Vertrauenstatbestand geschaffenen Bindung wieder lösen kann. Die Situation ähnele damit der des § 122 BGB.440 Die Möglichkeit einer Analogie zu § 122 BGB wurde auch vom BGH in der schon erwähnten „Schlauchbootfabrik“-Entscheidung in Betracht gezogen.441 437 Larenz, FS Ballerstedt, S. 397, 415 ff. Ebenfalls eine Analogie zu § 122 BGB favorisierend Erman/Kindl, § 311 Rn 34. 438 Larenz, FS Ballerstedt, S. 397, 418. 439 Die Bedeutung des Kriteriums des „triftigen Grundes“ an dieser Stelle ist etwas undurchsichtig. Da Larenz es offensichtlich nicht im Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung sieht, könnte man es wohl am ehesten als Haftungsausschlussgrund einordnen. Allerdings ist unklar, wie ein solcher Haftungsausschlussgrund mit der an gleicher Stelle getätigten Aussage, dass die Schaffung eines derartigen Vertrauenstatbestands für sich allein hinreichender Grund für die Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens sei, zu vereinbaren ist. Hierzu und dazu, was unter einem triftigen Grund zu verstehen sein soll, bleibt Larenz leider jegliche Erklärung schuldig. Auch bei den von ihm genannten Voraussetzungen der Haftung taucht der Hinweis auf den „triftigen Grund“ als Ausschlussgrund nicht auf. 440 Larenz, FS Ballerstedt, S. 397, 417. 441 BGH WM 1969, 595 = LM Nr. 28 § 276 (Fa.), siehe hierzu auch oben unter B.II.2.a)bb).

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Dort hatte der II. Senat ganz ähnliche Überlegungen wie Larenz angestellt und geäußert, dass sich ein Verhandlungspartner, wenn er sich mit der Gegenseite über das abzuschließende Vertragswerk im wesentlichen einig geworden ist, unter Umständen auch dann schadensersatzpflichtig machen könne, wenn er sich bei den Verhandlungen zwar noch nicht rechtlich gebunden, aber tatsächlich so verhalten habe, dass der andere Teil berechtigterweise auf das Zustandekommen des Vertrages mit dem ausgehandelten Inhalt vertrauen durfte und vertraut hat. Lehne er dann den Vertragsabschluss ohne triftigen Grund ab und enttäusche so das erweckte Vertrauen des anderen, so sei die Sach- und Rechtslage dem Falle ähnlich, in dem der Vertrag zwar wirksam zustande gekommen ist, der eine Teil aber nachträglich seine Erklärung wegen Irrtums anficht. Hier wie dort sei es sachgerecht, dass der in seinem Vertrauen auf die vertragliche Bindung enttäuschte Teil von dem anderen die wirtschaftlichen Nachteile ersetzt verlangen kann, die er infolge dieses Vertrauens auf sich genommen hat.442 Allerdings hat diese eher vage Überlegung des II. Senats – wie bereits gezeigt443 – in anderen Senaten keine Unterstützung gefunden und wurde auch vom II. Senat nicht wiederholt. Sie ist singulär geblieben. Keinesfalls lässt sich also sagen, dass der BGH eine Analogie zu § 122 BGB vertritt. Doch eine Reihe von Gründen spricht dagegen, eine Ausgleichshaftung auf eine Analogie zu § 122 BGB zu stützen. Zunächst entspringt § 122 BGB eindeutig dem Vertrauensgedanken, während dieser bei der vorvertraglichen Ausgleichshaftung nur eine subsidiäre Rolle spielt. Insbesondere greift es zu kurz, wenn man – wie Larenz es tut, und wie es auch der Ähnlichkeitsvergleich mit § 122 BGB gebietet – den Blick auf Konstellationen verengt, in denen der Vertragsinhalt praktisch vollständig ausgehandelt war und das Vertrauen der einen Seite in den bevorstehenden Vertragsabschluss durch das Verhalten der Gegenseite in einem solchen Maß gestärkt worden war, dass jene daran nicht mehr zweifeln konnte. Das ist zwar folgerichtig, denn nur dann lässt sich argumentieren, dass ein Vertrauen von vergleichbarer Intensität und Schutzwürdigkeit entstanden ist wie im Fall der direkten Anwendung von § 122 BGB, bei dem sich das Vertrauen auf eine bereits entstandene und nicht nur erwartete vertragliche Bindung richtet. Allerdings können dann nur wenige der Fälle erfasst werden, in denen eine Haftung angebracht wäre. Zudem wird der Vertrauensgedanke überstrapaziert. Zudem ist die für eine Analogiebildung erforderliche Vergleichbarkeit beider Fallkonstellationen nicht gegeben. Zum einen fehlt im vorvertraglichen Stadium eben die vertragliche Bindung, die bei der direkten Anwendung von § 122 BGB die Vertrauensgrundlage bildet. Diese Zäsur wird verwischt, egal, wie streng man

442 443

BGH WM 1969, 595, 596. Siehe oben unter B.II.2.a)bb).

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die Anforderungen an den Vertrauenstatbestand formuliert. Zum anderen geht § 122 BGB an sich davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erklärungsabgabe eine Diskrepanz zwischen Erklärung und innerem Willen besteht; sowohl beim Irrtum als auch bei der Scherzerklärung ist entweder die Willensbildung fehlerhaft oder der wirkliche Wille kommt in der Erklärung nicht zum Ausdruck. Auf nachträglich eintretende Gründe ist die Norm dem Wortlaut nach nicht anwendbar.444 Im Falle der Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen stimmen die abgegebenen Erklärungen bzw. das haftungsbegründende Verhalten jedoch mit dem inneren Willen überein (andernfalls wäre ja eine auch eine verschuldensabhängige c.i.c.-Haftung aufgrund einer Informationspflichtverletzung konstruierbar). Dieser Unterschied in den beiden Konstellationen führt zu einer weiteren Schwierigkeit. Denn es stellt sich die Frage, ob die Haftung dem Pflichtigen unabhängig von den Gründen, die zum Scheitern der Verhandlungen geführt haben, auferlegt werden soll oder ob dieser sich auf bestimmte Entlastungsgründe berufen können soll. Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der vertrauenden Gegenseite davon, dass der Vertrag noch nicht geschlossen ist und noch scheitern kann, wird man immer unterstellen können; dies kann also kein sinnvolles Kriterium sein. Somit wird man auch sagen müssen, dass § 122 II BGB keine analoge Anwendung finden kann, was im übrigen die Überzeugungskraft der Analogie zu § 122 I BGB nicht gerade stärkt. Damit tritt erneut das leidige Kriterium des „triftigen Grundes“ in die Diskussion. In der Tat erwähnen sowohl Larenz als auch der II. Senat des BGH ebendiesen „triftigen Grund“, bezeichnenderweise jedoch nur am Rande.445 Denn es ist unklar, wie das Kriterium dogmatisch eingeordnet werden sollte. Und es ist schwierig, es in Einklang mit dem postulierten starken Vertrauenstatbestand zu bringen. Am ehesten könnte man es wohl als Haftungsausschlussgrund bezeichnen, bei dessen Vorliegen das Vertrauen der Gegenseite nicht schutzwürdig ist. Die Schwierigkeit, das Kriterium des triftigen Grunds zu definieren und handhabbar zu machen, ist bereits geschildert worden.446 Es ist im Rahmen einer verschuldensunabhängigen Haftung ebenso untauglich wie im Rahmen einer verschuldensabhängigen.447 Ohnehin wäre es bei Hinzunahme des Kriteriums des triftigen Grundes kein großer Schritt mehr hin 444 So Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 205 mwN und Weber, AcP 192 (1992), 391, 409. 445 Larenz, FS Ballerstedt, S. 397, 417 setzt sich nicht näher mit dem Kriterium auseinander. Eher beiläufig formuliert er, dass „wer einen so starken Vertrauenstatbestand schafft [dazu verpflichtet sein sollte], dem anderen seinen Vertrauensschaden zu ersetzen, wenn er hernach den Vertragsschluss ohne einen triftigen Grund ablehnt“. Bei der Aufzählung der Haftungsvoraussetzungen fehlt das Kriterium dann. 446 Siehe oben C.II.1.a). 447 Auch Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 206 f. versucht erfolglos, dem Kriterium des triftigen Grundes im Rahmen einer analogen Anwendung des § 122 BGB Kontur zu verleihen, und kritisiert dementsprechend dessen Einsatz in ebendiesem Rahmen. Unverständlich ist, dass er keinerlei Bedenken hinsichtlich der Tauglichkeit des Kriteriums im Rahmen einer verschuldensbasierten Haftung hat, S. 239 ff.

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zur Konstruktion einer pflichtenbasierten, verschuldensabhängigen Haftung mit der bekannten (und abzulehnenden) Forderung, dass derjenige, der bei der Gegenseite Vertrauen auf den Abschluss des Vertrages erweckt, dieses nicht ohne triftigen Grund enttäuschen darf. Schließlich ist die Analogie zu § 122 BGB aufgrund der unflexiblen Rechtsfolge abzulehnen. § 122 BGB sieht eine Entweder-Oder-Lösung bei der Schadenstragung vor, die im vorliegenden Zusammenhang nicht adäquat ist. Bei der direkten Anwendung von § 122 BGB ist eine Überwälzung des kompletten Vertrauensschadens sachgerecht, da das Risiko einer Inkongruenz zwischen erklärtem und wahrem Willen der Sphäre des Erklärenden zuzurechnen ist, während der Vertrauende eben keine Möglichkeit hatte, die Inkongruenz zu bemerken (andernfalls erhielte er gem. § 122 II BGB keinen Ersatz). Beim Scheitern von Verhandlungen ist die Ausgangslage hingegen eine andere. Beide Parteien wissen oder müssen wissen, dass im vorvertraglichen Bereich eine rechtliche Bindung, die als Vertrauensgrundlage für Investitionen dienen kann, noch nicht existiert. Eine Partei, die dennoch Investitionen vornimmt, ist also grundsätzlich selbst verantwortlich und wenig schutzwürdig. Wie gesehen ergibt sich die Haftungsbegründung daher auch weniger aus dem Vertrauensgedanken als vielmehr aus der Überlegung, dass das Gleichgewicht der negativen Abschlussfreiheit zu wahren ist. Dabei gilt besonderes Augenmerk dem Zusammenwirken der Parteien und deren mit den Investitionen verfolgten Interessen. Dabei kann auch ein lediglich anteiliger Ausgleich angebracht sein. Dieser lässt sich indes über die starre Lösung des § 122 BGB nicht realisieren. Im übrigen ist auch die Deckelung des Vertrauensschadens durch das Erfüllungsinteresse, die man konsequenterweise fordern müsste,448 problematisch. Denn die Berechnung des Erfüllungsinteresses wird noch schwieriger und hypothetischer als sie ohnehin schon ist, wenn noch nicht mal ein vollständig konsentierter Vertrag vorliegt, der als Ausgangspunkt und Grundlage der Berechnung dienen könnte. Insgesamt ist also eine Analogie zu § 122 BGB als Anknüpfungspunkt für eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung generell und auch speziell für das hier propagierte Modell ungeeignet. b) Anlehnung an §§ 1298 ff. BGB In eine ähnliche Richtung wie die Analogie zu § 122 BGB weist ein interessanter Vorschlag, den Canaris in die Diskussion eingeführt hat. Er sieht in den Vorschriften über den Rücktritt vom Verlöbnis gem. §§ 1298 ff. BGB ein positivrechtliches Modell, an dem sich eine verschuldensunabhängige Haftung beim 448

Dies tut Larenz auch, FS Ballerstedt, 397, 419.

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Scheitern von Verhandlungen orientieren könnte.449 Auch beim Heiratsversprechen werde nämlich das Vertrauen des Partners auf einen zukünftigen Vertragsschluss, den Eheschluss, hervorgerufen. Der Partner habe vor dem Eheschluss keine Möglichkeit zum privatautonomen Selbstschutz, da das Gesetz eine vertragliche Bindung gemäß § 1297 BGB nicht zulässt. Und eine Ersatzpflicht entfiele nach § 1298 III BGB, wenn ein „wichtiger Grund“ für die Lösung des Verlöbnisses vorliegt. Befürwortern einer reinen Vertrauenshaftung bietet die gesetzliche Konstruktion der §§ 1298 f. BGB in der Tat eine starke Argumentationshilfe. Die Parallelen zur Situation des Scheiterns von Verhandlungen sind nicht von der Hand zu weisen. Zwar hält die überwiegende Meinung das Verlöbnis für einen Vertrag.450 Aber selbst wenn man dieser Meinung folgen sollte, könnte man die gem. § 1298 I BGB eintretende Rechtsfolge des Ersatzes des negativen Interesses im Fall des Rücktritts jedenfalls nicht ausschließlich rechtsgeschäftlich erklären.451 Denn gem. § 1297 BGB besteht keine klagbare Primärpflicht zur Eheschließung. Insofern ist es naheliegend und überzeugend, die Haftung mit der Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den versprochenen Eheschluss, also der Erwartung eines zukünftigen Vertragsschlusses, zu begründen.452 Die Haftung gem. §§ 1298 f. BGB ist damit auch ein Beispiel dafür, dass einige Ansprüche eine Hybridstruktur zwischen vertraglicher und gesetzlicher Haftung aufweisen.453 Einerseits steht die Haftung in direktem Zusammenhang mit einem Vertrag, entweder mit einem bereits geschlossenen Verlöbnisvertrag oder – wenn man das Verlöbnis nicht als Vertrag betrachtet – jedenfalls mit der bevorstehenden Eheschließung. Die Ver449 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544; ders., FS Larenz (1983), 27, 91; ansatzweise schon ders., AcP 165 (1965) 1, 13. Zustimmend Singer, Das Verbot widersprüchlichen Handelns, S. 286 ff. mwN; ders., FS Canaris I, S. 135, 147, 155. Anzumerken ist, dass weder Canaris noch Singer von einer Analogie sprechen. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544 sieht eine verschuldensunabhängige Haftung beim Abbruch von Verhandlungen als Fall der Vertrauenshaftung in der besonderen Ausprägung einer Erklärungshaftung kraft Risikozurechnung an und führt die §§ 1298 f. BGB als Beispiel dafür ins Feld, dass diese Wertung dem Gesetz nicht fremd sei. Singer, Verbot, S. 288 sieht so enge Parallelen zwischen der gesetzlichen Haftung für den grundlosen Rücktritt vom Verlöbnis und der praeter legem zu entwickelnden Vertrauenshaftung beim Abbruch von Verhandlungen, dass die §§ 1298 f. BGB zwar nicht analog, aber doch wenigstens in ihrem grundsätzlichen Wertgehalt zu berücksichtigen seien. 450 Vgl. nur Palandt/Brudermüller, Einf vor § 1297 Rn 1 mwN; MüKo-Roth, § 1297 Rn 5. A.A. insb. Canaris, AcP 165 (1965) 1 ff., welcher das Verlöbnis als gesetzliches Schuldverhältnis (vergleichbar mit der c.i.c.) auffasst. Zustimmend Pawlowski, Das Studium der Rechtswissenschaft, S. 301 ff. 451 So auch Canaris, AcP 165 (1965) 1, 4 und 8 und Singer, Verbot, S. 286. 452 Vgl. Canaris, AcP 165 (1965) 1, 4 ff.; Singer, Verbot, S. 286 f.; Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 209. 453 Siehe auch oben unter D.II.5.c). Kritisch zu Haftungskonstruktionen zwischen Vertrag und Delikt und mit eigentümlicher Konstruktion einer strikten Zweiteilung zwischen rechtsgeschäftlichen Leistungs- und gesetzlichen Wiedergutmachungspflichten Picker, AcP 183 (1983) 369, 393 ff.

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lobten treten also aus dem allgemeinen und durch eher zufällige und oberflächliche Begegnungen gekennzeichnetem „Verkehr“ heraus und begründen ein besonderes Rechtsverhältnis, welches die Grundlage für die Haftung bietet. In diesem Sinne ist die Haftung beim Rücktritt vom Verlöbnis also zumindest vertragsähnlich. Andererseits wollen sich die Parteien mit Eingehung des Verlöbnisses schlechterdings nicht zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichten, die Unterstellung eines dahingehenden (Eventual-)Willens wäre reine Fiktion.454 Die Haftung lässt sich also nicht auf einen entsprechenden Parteiwillen zurückführen und besteht unabhängig von einem solchen. Insofern ist die Haftung also als gesetzlich zu bezeichnen. Die Parallelen bestehen also. In beiden Konstellationen bereiten sich zwei Parteien auf einen in der Zukunft liegenden Vertragsschluss vor. Und in beiden Fällen haben die Parteien faktisch nur eine stark eingeschränkte Möglichkeit des privatautonomen Selbstschutzes.455 Im Falle des Verlöbnisses ist die faktische Möglichkeit des privatautonomen Selbstschutzes deshalb eingeschränkt, weil die Verlobten in ihrer Verliebtheit kaum daran denken und die Notwendigkeit einer Absicherung sehen werden und weil eine solche Absicherung schlicht und einfach dem Anstand und gesellschaftlicher Norm widerspräche; dies gilt umso mehr als das Verlöbnis ohnehin als nicht erforderliche Vorstufe zur Ehe in starkem Maße sittlichen und traditionellen Wertvorstellungen unterliegt. Man verlobt sich nicht und dringt in gleichem Moment auf eine Kostenvereinbarung für den Fall des Scheiterns des Verlöbnisses. Im Falle der Vertragsverhandlungen hingegen ist die faktische Möglichkeit des privatautonomen Selbstschutzes deshalb eingeschränkt, weil die Parteien durch das Fordern einer Kostenvereinbarung nicht die Verhandlungsatmosphäre belasten und ihre eigene Verhandlungsposition schwächen wollen oder weil sie aufgrund des Verhaltens der Gegenseite einfach keine Veranlassung zum Abschluss einer Kostenvereinbarung sehen. Allerdings sprechen gegen eine analoge Anwendung der §§ 1298 f. BGB die Argumente, die bereits gegen eine reine Vertrauenshaftung vorgebracht worden sind. So wird die Bedeutung des Vertrauens auf den zukünftigen Vertragsschluss 454 So auch Singer, Verbot, S. 286 f. mit dem Hinweis auf Picker, AcP 183 (1983) 369, 394, welcher feststellt, dass der Vertrag als materialer Rechtsgrund allein die vom Schuldner versprochene Leistung decke; hieraus folge, dass § 1298 BGB kein Tatbestand rechtsgeschäftlicher Art sein könne, sondern eine Ersatzpflicht „ex lege“ begründe. 455 Entgegen Canaris, Vertrauenshaftung, S. 544 ist die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes aber nicht deshalb nicht vorhanden, weil das Gesetz eine vertragliche Bindung gemäß § 1297 BGB nicht ermögliche. § 1297 BGB schreibt ja nur vor, dass der Abschluss eines zur Eingehung der Ehe verpflichtenden (Verlöbnis-)Vertrags nicht zulässig ist. Unberührt davon verbleibt den Parteien aber sehr wohl die Möglichkeit, die vermögensrechtlichen Folgen eines Scheiterns des Verlöbnisses privatautonom zu regeln. In der Hinsicht gilt die Vertragsfreiheit unbeschränkt. Die §§ 1298 f. BGB sind dispositiv und stellen nur eine Hilfestellung dar. Darauf weisen auch Singer, Verbot, S. 291 und Strätz, Jura 1984, 449, 455 zu Recht hin.

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überbewertet, und die Ausgleichshaftung auf solche (seltenen) Situationen beschränkt, in denen eine Partei den Vertragsschluss als völlig sicher bezeichnet hat. Denn nur dann ist eine vergleichbare Situation wie bei einem Verlöbnis vorhanden. Zudem muss wiederum auf den Abbruch der Verhandlungen abgestellt und mit dem schwierigen Kriterium des wichtigen bzw. triftigen Grundes operiert werden. Für die Frage, was unter einem triftigen Grund zu verstehen ist, kann der Vergleich mit dem Rücktritt vom Verlöbnis indes fast gar nichts beitragen. Der wichtige Grund im Sinne der §§ 1298 f. BGB ist ganz überwiegend dem sehr persönlichen Lebensbereich einer der Parteien zu entnehmen. Hiervon Rückschlüsse für die Bestimmung eines triftigen Grundes im Rahmen von Vertragsverhandlungen im Wirtschaftsverkehr zu ziehen, ist praktisch unmöglich. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich aus der Regelung des § 1299 BGB. Diesem ist zu entnehmen, dass immer die Partei, die den wichtigen Grund selbst „verschuldet“ hat, etwaige Ansprüche des Gegenübers zu tragen hat, unabhängig davon, welche Partei dann letztlich den Rücktritt erklärt.456 Zwar kann dieses Verschulden im Sinne des § 1299 BGB nicht so zu verstehen sein, dass damit der Rücktritt direkt sanktioniert würde, da dies nicht mit der Freiheit der Eheschließung zu vereinbaren wäre.457 Aber es lässt sich durchaus so verstehen, dass dem Verlobten ein Verhalten vorgeworfen wird, welches mit dem Vorhaben der Eheschließung nicht vereinbar ist.458 Dann aber handelt es sich um eine pflichtenbasierte und eben doch verschuldensabhängige Haftung. Als Parallele ließe sich eine Pflicht innerhalb der c.i.c. bilden, dass ab dem Bestehen eines hinreichenden Vertrauenstatbestands keine Partei vorwerfbar einen triftigen Grund zum Abbruch der Verhandlungen schaffen dürfe; welche Partei dann letztlich die Verhandlungen abbricht, wäre dann unerheblich. Damit erwiese sich jedenfalls die Heranziehung von § 1299 BGB aus Sicht von Befürwortern einer verschuldensunabhängigen Haftung als Bumerang, da sie als Stütze für eine pflichtenbasierte und verschuldensabhängige c.i.c. dienen könnte. Schließlich ist gegen eine Anlehnung an die §§ 1298 f. BGB einzuwenden, dass diese aufgrund der systematischen Stellung der §§ 1298 f. BGB im Familienrecht eher fernliegend ist und auch die Interessenlage ein Ähnlichkeitsdefizit aufweist. Die Konstellation des Verlöbnisses ist – abgesehen davon, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzes beim Rücktritt vom Verlöbnis heutzutage eine verschwindend geringe (rechts-)tatsächliche Bedeutung besitzt – doch stark 456

Vgl. MüKo-Roth, § 1299 Rn 4; Palandt/Brudermüller, § 1299 Rn 1. Nur insofern ist Singer, Verbot, S. 288 zuzustimmen, der das Verschulden untechnisch versteht, dessen vertrauenstheoretische Interpretation des Verschuldenskriteriums aber nicht recht überzeugen kann. Sie erklärt jedenfalls nicht, warum eine Haftung in diesem Fall nicht verschuldensabhängig sein sollte. Bei der Parallele der c.i.c. ist Haftungsgrund ja auch der Vertrauensgedanke, während die Haftung verschuldensabhängig ausgestaltet ist. 458 So auch Staudinger-Strätz, § 1299 Rn 38. 457

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different von der Konstellation der intensiven Verhandlungen zwischen zwei Parteien über eine finanziell bedeutende Transaktion. Zum einen ist die Interessenlage eine andere. Die Zeit des Verlöbnisses dient der Vorbereitung der beiderseits bereits fest zugesagten Hochzeit und ist durch einen Gleichklang der Interessen geprägt.459 Die Parteien verhandeln nicht etwa die Bedingungen der Hochzeit aus, sondern verfolgen zusammen das Ziel der Eheschließung. Bei Vertragsverhandlungen über finanziell bedeutende Projekte sind hingegen neben dem schon erwähnten und im vorliegenden Zusammenhang besonders wichtigen integrativen Charakter doch eher der Interessengegensatz und damit der distributive Charakter der Verhandlungen prägend. So lässt sich eine ausreichende Ähnlichkeit nur in den (wenigen) Fällen finden, in denen der Vertragsabschluss praktisch schon beschlossen ist und sich die Parteien vollständig dieser Zielerreichung zuwenden. Zum anderen ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens unterschiedlich ausgeprägt. Das Vertrauen, das sich verliebte Verlobte schenken, ist typischerweise von anderer Qualität und größerer Intensität als dasjenige, das sich potentielle Geschäftspartner entgegenbringen. Wie schon erwähnt ist es absolut unüblich, um nicht zu sagen geradezu anstößig, wenn Verlobte auf den Abschluss einer Kostenvereinbarung dringen, um sich gegen das Scheitern des Verlöbnisses abzusichern. Das Vertrauen, das sich Geschäftspartner entgegenbringen, ist im Grundsatz deutlich weniger schutzwürdig, da von ihnen die Verfolgung der eigenen Interessen (und folglich die Abfassung einer Kostenvereinbarung) erwartet werden kann. Die Begründung für eine Ausgleichshaftung liegt dementsprechend auch weniger im Vertrauen auf den Abschluss des Vertrags als vielmehr in Überlegungen des effizienten Verkehrsschutzes und der Aufrechterhaltung der Balance der beiderseitigen Vertragsfreiheit.460 Festzuhalten bleibt also, dass der Verweis auf die Haftung beim Rücktritt vom Verlöbnis gem. §§ 1298 f. BGB dann (und nur dann) eine gewisse Überzeugungskraft besitzt, wenn man eine verschuldensunabhängige Haftung beim Scheitern von Verhandlungen als reine Vertrauenshaftung konzipiert. Strebt man – wie vorliegend – aber eine breitere und flexiblere Haftung an, die zudem mit anderen Begründungselementen angereichert wird, so verliert die Parallele viel von ihrem Reiz. Immerhin zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber eine verschuldensunabhängige Haftung zulässt bzw. sogar vorsieht, obwohl dadurch mittelbar die höchstpersönliche Freiheit der Eheschließung, welche sogar höher einzuschätzen ist als die allgemeine Vertragsfreiheit (!), indirekt eingeschränkt werden kann. 459

So auch Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 210. Bezeichnenderweise spricht Singer, Verbot, S. 289 gerade bei dem Versuch, die Gleichwertigkeit des Schutzbedürfnisses bezüglich solcher Dispositionen, die in Erwartung des Vertragsschlusses getroffen werden zu begründen, davon, dass eine Haftung „den Bedürfnissen eines funktionstüchtigen Verkehrs und (. . .) insoweit der Privatautonomie“ dient. Diese ratio trifft doch wohl nur oder zumindest in weit stärkerem Maße auf die Situation des Scheiterns von Verhandlungen und nicht auf das Verlöbnis zu! 460

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

c) Anlehnung an §§ 722, 735 BGB und § 313 BGB Wenn das von einer Seite gewährte und von der Gegenseite in Anspruch genommene Vertrauen auf den sicheren Abschluss des anvisierten Vertrags aber nur ein – unterstützender, aber nicht zwingend erforderlicher – Haftungsgrund ist, und eher der Verkehrsschutz und vor allem die Aufrechterhaltung der Balance der beiderseitigen (negativen) Vertragsfreiheit bei der Begründung einer Ausgleichshaftung im Vordergrund stehen, so muss das Augenmerk stärker auf das Verhandlungsverhalten der Parteien, insbesondere in Bezug auf die von ihnen getätigten Investitionen gelegt werden. Für die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ist es hilfreich, Normen benennen zu können, die eine Berücksichtigung des kooperativen Elements in den Verhandlungen sowie der Risikoverteilung zulassen. In den Fokus rücken dementsprechend weniger Normen, die auf den beabsichtigten Vertragsschluss ausgerichtet sind, sondern vielmehr solche, die es zulassen, den Verhandlungsprozess stärker in den Blick zu nehmen und den Vorstellungen der Parteien, die diese mit den von ihnen getätigten Investitionen verbinden, Rechnung zu tragen. Ein wichtiges Element dabei ist, dass die Rechtsfolge des Schadensersatzes flexibel in dem Sinne ist, dass auch eine Schadensteilung möglich ist. Keinesfalls verkannt werden soll dabei, dass die Parteien hinsichtlich des Verhandlungsprozesses eben keinen Vertrag, etwa einen wie auch immer gearteten Verhandlungsvertrag (contract to bargain) geschlossen haben. aa) Anknüpfung an §§ 722, 735 BGB Zum einen ließe sich daran denken, die §§ 722, 735 BGB als Anknüpfungspunkt zu nehmen.461 Die integrative Komponente des Verhandelns ist durchaus vergleichbar mit einer gemeinsamen Zweckverfolgung, wie sie auch bei einer GbR kennzeichnend ist. Der gemeinsame Zweck würde je nach Art der transaktionsspezifischen Investition variieren: bei verhandlungsspezifischen Investitionen bestünde er darin, den Verhandlungsprozess effizient zu gestalten und herauszufinden, ob das ins Auge gefasste Projekt realisier- und durchführbar ist. Wenn zum Beispiel eine Partei den Bau einer Fabrik plant, für deren Betrieb die zweite Partei die Energieversorgung durch ein von ihr zu errichtendes Kraftwerk 461 Dieser Gedanke im Zusammenhang mit der Haftung beim Scheitern von Verhandlungen ist einmal in einer Entscheidung des OLG Hamm, NJW 2008, 764, 767 angeklungen. Ein auf §§ 735, 722 BGB gestützter Anspruch wurde dort aber mit wenigen Worten und dem Argument abgelehnt, dass die Parteien sich nicht zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen, sondern ausschließlich eigene Interessen verfolgen wollten. Der Sachverhalt, welcher der Entscheidung zugrunde lag, ist indes ein gutes Beispiel für Investitionen, die zwar im beiderseitigen Interesse standen, die aber nach der von den Parteien intendierten Risikoverteilung in der Tat allein von der investierenden Partei getragen werden sollten.

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übernehmen soll, so wäre es im beiderseitigen Interesse verhandlungsspezifische Investitionen zu tätigen, indem sie Gutachten über die Bodenbeschaffenheit von möglichen Grundstücken für Fabrik und Kraftwerk anfertigen lassen. Bei vertragsspezifischen Investitionen wäre der Zweck darin zu sehen, den Nutzen des anvisierten Vertrags durch Vorziehung von Investitionen zu steigern bzw. die Durchführbarkeit des Projekts zu sichern. Im ebengenannten Beispiel würden die Parteien vertragsspezifische Investitionen tätigen, indem sie noch während des Verhandlungsprozesses über den Energieversorgungsvertrag Vorkaufsrechte für die erforderlichen Grundstücke erwerben. Allerdings ist zuzugestehen, dass es in den allermeisten Fällen eine Fiktion wäre, wollte man den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags annehmen – selbst wenn man von einem konkludenten Vertragsschluss und einer reinen Innengesellschaft ausgeht. Üblicherweise wird ein dahingehender Rechtsbindungswille fehlen. Auch eine Verpflichtung zur Zweckförderung anzunehmen, die über die ohnehin bestehenden Informations- und Schutzpflichten hinausginge, ist weder angebracht noch erforderlich. Für eine Anknüpfung an die Normen zur GbR spräche im vorliegenden Zusammenhang die Grundausrichtung und Flexibilität ihrer Rechtsfolgen. Die §§ 722, 735 BGB sehen als Standardbestimmung eine hälftige Teilung der Gewinne und Verluste sowie eine diesem Verhältnis korrespondierende interne Nachschusspflicht vor. Von beiden Vorschriften können die Parteien indes – explizit oder konkludent – abweichen. Für das hier vorgeschlagene Haftungskonzept „übersetzt“ hieße das, dass im Zweifel solche Investitionen hälftig geteilt werden müssten, deren Vornahme im Interesse beider Parteien war. Sehen die Parteien eine andere Verteilung der mit den Investitionen verbundenen Verlustrisiken vor bzw. ist ihrem Verhalten eine andere Verteilung zu entnehmen, so hat diese Vorrang. Die Vorteile einer Bezugnahme auf die gesellschaftsrechtlichen Normen der §§ 722, 735 BGB wären also die Möglichkeit einer flexiblen Schadensteilung sowie die Berücksichtigung einer interessengerechten Risikoverteilung. bb) Anknüpfung an § 313 BGB Eine andere überlegenswerte gesetzliche Anknüpfung für eine Ausgleichshaftung wäre das nunmehr in § 313 BGB verankerte Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage. Die Idee hierbei ist, dass das Scheitern von Verhandlungen regelmäßig darauf zurückzuführen ist, dass sich die Umstände, die Grundlage der transaktionsspezifischen Investitionen waren, gegenüber den von einer der Parteien oder den von beiden Parteien gehegten Vorstellungen und Erwartungen grundlegend verändert haben, oder dass sich die Vorstellungen und Annahmen der Parteien als unzutreffend herausstellen. Ist dies der Fall, ohne dass einer der Parteien diesbezüglich ein Vorwurf gemacht werden könnte, so ist die Situation vergleichbar mit derjenigen der Störung der Geschäftsgrundlage. Allerdings ist erneut zuzugeben, dass eine vertragliche Bindung zwischen den Parteien eben

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noch nicht existiert. Insofern käme der Gedanke, dass durch das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage eine Ausnahme zum Grundsatz des „pacta sunt servanda“ geschaffen wird, hier nicht zum Tragen. Die fehlende vertragliche Bindung bedingt auch, dass die Veränderung der Umstände bzw. deren Abweichen von der Parteivorstellung nicht so schwerwiegend sein müssen wie von § 313 BGB gefordert. Will man nicht das Merkmal des „triftigen Grundes“ durch die Hintertür wieder einführen, wird man sogar noch einen Schritt weiter gehen und konsequenterweise das Ausmaß der Veränderung der Umstände bzw. der Fehlvorstellung als irrelevant bezeichnen müssen. Denn die Parteien sind in Absenz einer vertraglichen Bindung frei, vom Vertrag Abstand zu nehmen, und ihre Motive für diesen Schritt sind im Grundsatz unterhalb der Grenze der Pflichtverletzung unbeachtlich. Dass sich die Umstände grundlegend geändert haben bzw. sich Annahmen als falsch herausgestellt haben, ist also mehr eine typischerweise zutreffende Vermutung als eine Voraussetzung für die Bejahung einer Störung der Geschäftsgrundlage im vorvertraglichen Bereich. (1) Position des BGH Zumindest auf den ersten Blick erscheint es also verständlich, dass sich der BGH erst einmal zu dem Gedanken, das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage auch auf Vertragsverhandlungen anzuwenden, geäußert und diesen verworfen hat.462 Der BGH führt an, dass bei einem geschlossenen Vertrag eine feste Vertragsgrundlage bestehe, aus der sich bestimmte Rechte und Pflichten ergeben. Die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage diene dazu, Härten zu mildern, die sich daraus ergeben, dass eine der Vertragsparteien an diesem Vertrag festgehalten werden soll, obwohl die Vertragsgrundlage sich in einer Weise geändert hat, die nicht vorausgesehen werden konnte. Das Bezeichnende des Verhandlungsstadiums sei hingegen gerade die Unsicherheit, ob es zu einem Vertragsschluss kommt. Wenn nun vor Abschluss des Vertrags endgültige Entscheidungen getroffen werden müssten, wenn z. B. Kosten aufgewendet werden müssten ohne Rücksicht darauf, ob der Vertrag zustande kommt oder nicht, weil das Ergebnis, das mit diesen Kosten geschaffen werden soll, die Voraussetzung der Weiterführung der Verhandlungen ist, so könne von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht gesprochen werden; diese solle erst geschaffen werden. Es bedürfe in diesem Punkt vielmehr einer Kostenvereinbarung. Zudem reichten die Grundsätze über die culpa in contrahendo zum Schutz der Vertragsparteien aus. Der BGH stellt also zum einen auf die Funktion des Instituts der Störung der Geschäftsgrundlage ab, die darin bestehe, besondere Härten, die sich aus der Vertragsbindung ergeben, ausnahmsweise zu entschärfen; diese Funktion könne das Institut im vorvertraglichen Bereich nicht erfüllen, da eben noch keine vertragliche Bindung besteht. Zum anderen sieht der BGH kein Bedürfnis für eine Übertragung 462

Vgl. BGH NJW 1956, 1275 = WM 1956, 863.

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage, insbesondere da der Schutz durch die c.i.c. ausreiche. Dass dem BGH hinsichtlich des zweiten Punktes zu widersprechen ist, da es sehr wohl ein Bedürfnis für eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung gibt, ist bereits gezeigt worden.463 Hinsichtlich des ersten Kritikpunktes ist dem BGH zwar zuzugeben, dass das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage im vorvertraglichen Bereich in der Tat nicht die Funktion einer Ausnahme zum Grundsatz des „pacta sunt servanda“ erfüllen kann, da es an einer vertraglichen Bindung beider Parteien fehlt. Es ist aber auch gar nicht diese Funktion, die eine Bezugnahme auf das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage hier interessant macht; im Gegenteil soll die Ausgleichshaftung ja gerade dazu dienen, die Balance der (negativen) Vertragsfreiheit aufrechtzuerhalten. Vielmehr bietet sich eine Anlehnung an das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage deshalb an, weil eine Risikobetrachtung zentraler Bestandteil desselben ist. (2) Anwendbarkeit des Instituts der Störung der Geschäftsgrundlage im Rahmen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Im übrigen greift auch der BGH in anderen Konstellationen, in denen ebenfalls keine vertragliche Bindung besteht, auf das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage zurück. So hat der BGH erst jüngst entschieden, dass Ansprüche aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage auch im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegeben sein könnten.464 Genau dies hatte der BGH zuvor grundsätzlich verneint, und zwar mit dem Argument, dass eben kein Vertrag vorliege, dessen Geschäftsgrundlage wegfallen könne; regelten zwei Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ihre Beziehungen nicht besonders, so handele es sich um einen rein tatsächlichen Vorgang, der keine Rechtsgemeinschaft begründe.465 Diese Auffassung des BGH wurde aber heftig kritisiert.466 Zumindest hinsichtlich solcher Leistungen, die über Beiträge hinausgehen, welche das (all-)tägliche Zusammenleben erst ermöglichen, wird ein rechtlich schutzwürdiges Ausgleichsbedürfnis gesehen. Zunächst versuchte der BGH diesem Ausgleichsbedürfnis durch die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Grundsätze Rechnung zu tragen. Das Problem war allerdings, dass meist keine über die Aus463

Siehe oben D.II.3. BGH NJW 2008, 3277 sowie BGH NJW 2008, 3282 m. Anm. von Proff, NJW 2008, 3266 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. etwa BGH NJW 2004, 58; BGH NJW-RR 1996, 1473. Damit schließt sich der BGH der h. M. im Schrifttum an, vgl. MüKo-Wellenhofer, nach § 1302 Rn 72 mwN, Staudinger-Löhnig, Anhang zu §§ 1297 ff. Rn 129 ff. 465 Vgl. BGH NJW 1996, 2727; BGH NJW-RR 1996, 1473, 1474; BGH NJW 1997, 3371. 466 Vgl. MüKo-Wellenhofer, nach § 1302 Rn 72 ff. mwN; Soergel-Lange, Nehel LG Rn 95 f.; Staudinger-Löhnig, Anhang zu §§ 1297 ff. Rn 129 ff. 464

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gestaltung der Lebensgemeinschaft hinausgehenden Vorstellungen der Partner und somit kein Rechtsbindungswille hinsichtlich eines Gesellschaftsvertrags festzustellen sind. Als Ausweg nahm der BGH deshalb einen gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruch sogar dann an, wenn die Partner nicht ausdrücklich oder stillschweigend einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag geschlossen hatten.467 Allerdings hat der BGH in der Folge diese Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Haftung wieder aufgegeben und eine rein faktische Willensübereinstimmung nicht mehr als ausreichend erachtet.468 Da aber eine Verkürzung der Ausgleichsmöglichkeiten nicht gerechtfertigt ist und auch den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht würde, erkennt der BGH nunmehr Ansprüche nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (oder die ungerechtfertigte Bereicherung wegen Zweckverfehlung) zwischen den Partnern einer beendeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich an. Dies soll im Übrigen nicht nur für nichteheliche Lebensgemeinschaften, sondern auch bei anderen Formen des gemeinschaftlichen Lebens und Wirtschaftens gelten, wie sie etwa unter verwitweten Geschwistern, sonstigen Verwandten oder Freunden vorstellbar sind; auf einen sexuellen Bezug käme es insoweit jedenfalls nicht an.469 Ein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt nach Ansicht des BGH in Betracht, soweit der gemeinschaftsbezogenen Zuwendung die Vorstellung oder Erwartung zu Grunde lag, die Lebensgemeinschaft, deren Ausgestaltung sie gedient hat, werde Bestand haben, und soweit die Leistung über das hinausgeht, was das tägliche Zusammenleben erst ermöglicht.470 Zwar erwähnt der BGH die Rechtsprechung zum Scheitern einer Ehe, wenn die Ehegatten in Gütertrennung lebten. Dort wird von einem stillschweigend zu Stande gekommenen besonderen familienrechtlichen Vertrag, einem sog. Kooperationsvertrag, ausgegangen, dessen Geschäftsgrundlage durch das Scheitern der Ehe entfalle.471 Diese Beurteilung sei im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder sonstigen Partnerschaft ebenfalls heranzuziehen. Offen bleibt dabei aber, wie ein erforderlicher Rechtsbindungswille hier begründet werden soll, zumal der BGH die Annahme einer Innengesellschaft gerade wegen des fehlenden Rechtsbindungswillens ablehnt. Jedenfalls wird deutlich, dass der BGH im Ergebnis vom Erfordernis eines vorhandenen Vertrags absieht. Denn dass durch die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kein Vertragsverhältnis zwischen den Lebenspartnern zustande kommt und dass 467

So etwa BGHZ 77, 55; 84, 388. Siehe BGHZ 165, 1, 10 = NJW 2006, 1268. 469 BGH NJW 2008, 3277, 3280; siehe auch die Urteilsanmerkung von von Proff, NJW 2008, 3266, 3269, der auf die Gefahr hinweist, dass der Rechtsstreit in derartige rechtlich kaum konturierte Beziehungsgeflechte getragen wird. 470 BGH NJW 2008, 3277, 3281. 471 BGH NJW 2008, 3277, 3281 mit dem Hinweis auf BGHZ 84, 361, 367 ff. = NJW 1982, 2236. 468

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die nichteheliche Lebensgemeinschaft von jedem Partner jederzeit und ohne Gründe beendet werden kann, ist gerade Wesensmerkmal der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Wesentlich für den BGH ist nur, dass eine Zuwendung von beträchtlichem und nicht alltäglichem Umfang in der Vorstellung und Erwartung vorgenommen worden ist, dass die Lebensgemeinschaft Bestand haben werde. Diese Erwartungshaltung ist schutzwürdig, auch wenn die Partner wissen und wollen, dass die Lebensgemeinschaft jederzeit aufgelöst werden kann. Es handelt sich beim Ausgleich über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Endeffekt um eine Billigkeitskorrektur.472 (3) Übertragbarkeit der Argumentation auf die Situation des Verhandlungsabbruchs Die Parallelen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur vorvertraglichen Verhandlungssituation liegen auf der Hand. Hier wie dort besteht keine vertragliche Bindung, und die Möglichkeit der jederzeitigen Aufgabe des gemeinsamen „Projekts“ ist den Parteien bekannt und kennzeichnendes Merkmal. Während bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Geschäftsgrundlage der Weiterbestand derselben ist, richtet sich im Falle der Vertragsverhandlungen die Erwartung darauf, dass entweder die Verhandlungen weitergeführt werden oder dass ein Vertrag geschlossen wird. Auch wenn die Parteien in beiden Fällen wissen – und dies auch wünschen –, dass ein jederzeitiger Rückzug möglich ist, werden sie es oft unterlassen, eine Vereinbarung für den Fall zu schließen, dass ihre Vorstellungen nicht zutreffen – sei es aus Sorge, die (Verhandlungs-)Atmosphäre zu belasten, oder schlicht, weil sie es nicht für notwendig erachten. Die Anwendung des Instituts der Störung der Geschäftsgrundlage im Rahmen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zeigt auch, dass das grundsätzlich geforderte Tatbestandsmerkmal der mangelnden Vorhersehbarkeit der Veränderung der Umstände nicht zwingend vorliegen muss. (4) § 313 BGB als Generalnorm zur Gewährleistung einer gerechten Risikoverteilung Die Ablehnung der Übertragung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf den vorvertraglichen Bereich durch den BGH ist also weit weniger überzeugend und zwingend als es zunächst den Anschein hat. Die Tatsache, dass keine Vertragsbindung zwischen den Parteien besteht, ist jedenfalls kein unüberwindbares Hindernis. Die Ausnahmefunktion zum Grundsatz des „Pacta sunt servanda“ ist nur eine der Funktionen des Instituts der Störung der Geschäftsgrundlage. Der gleichsam überwölbende Ansatz des Instituts, das seinerseits eine Aus472

So auch von Proff, NJW 2008, 3266, 3268.

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formung des Gedankens von Treu und Glauben ist, liegt darin, eine gerechte Risikoverteilung sicherzustellen. Der korrigierende Eingriff beruht auf der Prämisse, dass die Parteien die Art und Weise, wie ein sich verwirklichendes Risiko die Parteien trifft, so nicht gewollt haben, dass also der vorhandene Regelungsrahmen (im vorliegendem Fall: casum sentit dominus) in Anwendung auf diese Entwicklung zu einer Fehlzuordnung der Vor- und Nachteile führt und daher korrekturbedürftig ist.473 Ein Rückgriff auf die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage ist also für eine Ausgleichshaftung im vorvertraglichen Bereich durchaus möglich und fruchtbar. 7. Voraussetzungen und Leitlinien einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung Nachdem in § 313 BGB eine Anknüpfung für eine Ausgleichshaftung im Gesetz gefunden worden ist, soll nachfolgend näher umrissen werden, wie eine solche Haftung aussehen könnte und an welche Voraussetzungen sie geknüpft werden müsste. a) Konsentierte Investition als zentrales Merkmal Um eine Ausgleichshaftung auf den Gedanken der Störung der Geschäftsgrundlage stützen zu können, muss zumindest eine vertragsähnliche Situation vorliegen. Ähnlich wie bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann davon nur gesprochen werden, wenn die Parteien eine Investition im gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen haben. Für die vollständige oder anteilige Überwälzung von Aufwendungen und dem damit verbundenen Abweichen vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ ist daher zu fordern, dass die Investition auf einer von beiden Parteien einverständlich getroffenen Entscheidung basiert. Bloße Kenntnis oder Voraussehbarkeit genügt nicht, vielmehr muss die nicht selbst (oder in geringerem Maße) investierende Partei die Vornahme der Investition gebilligt oder sogar forciert haben. Damit ist auch sichergestellt, dass die Gegenseite am Vorstellungsbild der investierenden Partei teilhat. Die konsentiert und koordiniert erfolgte Investition ist Ausdruck integrativen Verhandelns, also des Bestrebens beider Parteien durch Kooperation den gemeinsamen Nutzen der geplanten Transaktion zu vergrößern. Es wird postuliert, dass das Einverständnis einer Partei mit der Vornahme vorvertraglicher Investitionen durch die Gegenseite stets ausdrückt, dass auch die zustimmende Partei selbst ein Interesse an der Vornahme besagter Investition hat. Warum sollte eine Partei sonst vorvertragliche Investitionen der Gegenseite gutheißen, wenn sie nicht selbst ebenfalls davon profitiert?

473

Vgl. MüKo-Roth (5. Aufl. 2007), § 313 Rn 28.

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Die über eine bloße Kenntnis hinausgehende Zustimmung einer Partei zu vorvertraglichen Investitionen der Gegenseite wird in Verhandlungen die Ausnahme darstellen. Dabei kann das Interesse, das eine Partei an vorvertraglichen Investitionen der Gegenseite hat, indes sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Bei verhandlungsbezogenen Investitionen wird das Einverständnis am ehesten dann vorliegen, wenn die Investition dem Verhandlungsfortschritt insgesamt und damit beiden Parteien gleichermaßen dient. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Investitionen erforderlich und geeignet sind, herauszufinden, ob das gemeinsam anvisierte Projekt überhaupt realisierbar ist. Zu denken ist z. B. an die Erstellung eines geologischen Gutachtens über die Bodenbeschaffenheit und Bebaubarkeit eines Grundstücks, auf dem die Parteien eine Anlage bauen wollen. Aber auch die koordinierte Erstellung detaillierter Baupläne für ein gemeinsames Projekt kann hierunter fallen.474 Bei vertragsspezifischen Investitionen, also solchen Investitionen, die sich nur dann rentieren, wenn es zu einem erfolgreichen Vertragsschluss kommt, wird eine einvernehmliche Tätigung vorvertraglicher Investitionen dann wahrscheinlich, wenn sich dadurch Vorteile für beide Seiten erzielen lassen und sich der Nutzen der geplanten Transaktion steigern lässt. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass Anschaffungen bereits vor Vertragsschluss erfolgen, um nach erfolgtem Vertragsschluss sofort mit der Durchführung des Vertrags beginnen zu können.475 Das Einverständnis in die Investition der Gegenseite ist aber auch dann zu erwarten, wenn die nicht investierende Partei hieraus einen einseitigen Vorteil zieht. Dieser Vorteil kann darin liegen, dass sie durch die Zustimmung zur „verfrühten“ Vornahme von Investitionen durch die Gegenseite etwaigen eigenen Verhandlungszusagen Nachdruck und Glaubwürdigkeit verleihen kann. So lässt sich eine für die zustimmende Partei unter Umständen günstige Konstellation erreichen: der Zeitpunkt des Vertragsschlusses wird noch hinausgeschoben, während sich die investierende Gegenseite gleichzeitig durch die Investition (und im Umfang derselben) bereits selbst an die in Aussicht genommene Transaktion bindet. Das Hinausschieben des Vertragsschlusses kann für die nicht investierende Partei aus verschiedenen Gründen von Vorteil sein, im bereits besprochenen „Druckerei“Fall476 etwa hätte sich durch den späteren Abschluss wohl ein steuerlicher Vorteil ergeben. Der häufigste Beweggrund für ein Hinausschieben des Vertragsschlusses dürfte jedoch darin zu sehen sein, dass die Partei sich so die Möglichkeit erhält, auf ein besseres Angebot eines Dritten zu warten. Ein solches anzunehmen, 474

Siehe hierzu den Beispielsfall unten unter D.II.8.c)aa). Beispiele hierfür sind etwa die „Bergmannskappen“-Entscheidung (BGH MDR 1954, 346 = LM Nr. 3 zu § 276 (Fa) BGB, siehe hierzu unten unter D.II.8.b)aa)(1)) oder die „Traditionsgaststätte“-Entscheidung (BGH WM 1967, 798, siehe unten unter D.II.8.b)aa)(2)). 476 BGH NJW 1996, 1884, siehe oben unter B.II.2.a)cc)(2). Hierzu auch unten unter D.II.8.b)aa)(3). 475

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wäre sie ja in Absenz einer vertraglichen Bindung weiterhin frei. Der Eintritt dieser Eventualität stellt aus Sicht der nicht investierenden Partei eine Chance, aus Sicht der investierenden Partei dagegen ein Risiko dar. Durch die Ausgleichshaftung kann sichergestellt werden, dass hierfür auch eine Risikoprämie gezahlt wird und die nicht investierende Partei nicht einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt.477 Die Zustimmung zur Vornahme vorvertraglicher Investitionen durch die Gegenseite ist deshalb ein so zentrales und unabdingbares Kriterium bei der Begründung einer Ausgleichshaftung, weil aus ihrem Vorliegen zweierlei gefolgert werden kann: zum einen das Bewusstsein der nicht investierenden Partei, dass die investierende Gegenseite ihre negative Abschlussfreiheit indirekt beschränkt und sich dadurch in gewissem Umfang, nämlich ebenjenem der Investitionen, an die in Aussicht genommene Transaktion bindet; und zum anderen die – nicht notwendigerweise aktuell vorhandene, aber zumindest potentiell leicht einsichtige – Erkenntnis, dass diese Selbstbindung der Gegenseite in Zusammenhang mit der jeweils aktuellen, von beiden Parteien gemeinsam geschaffenen Verhandlungssituation und in Bezug auf diese erfolgt. Stellt man die Zustimmung zu einer Investition der Gegenseite in den Mittelpunkt, und zieht den Gesamtkontext, in den diese Zustimmung eingebettet ist, ergänzend heran, so ist es möglich, dem Verhalten der Parteien eine Aussage über die intendierte bzw. normativ geforderte Risikoverteilung zu entnehmen bzw. beizumessen.478 b) Bezugnahme auf Verhandlungssituation Die einvernehmliche Vornahme transaktionsspezifischer Investitionen vor Vertragsschluss hat einen verschiedenartigen Charakter je nachdem, wie sich die Verhandlungssituation im Zeitpunkt des diesbezüglichen Konsenses darstellt. Der Erklärungswert der Zustimmung zur Vornahme der Investition wird beeinflusst von dem Kontext, in dem die Zustimmung erfolgt. In einem frühen Stadium der Verhandlungen, in dem noch viele Punkte offen sind und die Einigungswahrscheinlichkeit noch gering bzw. noch schwierig einzuschätzen ist, wird einer Zustimmung zur Tätigung transaktionsspezifischer Aufwendungen typischerweise keine Aussage zu einer Risiko(mit)übernahme zu entnehmen bzw. beizumessen sein. In einem fortgeschrittenen Verhandlungsstadium wird dies aber in der Regel anders sein. Wenn sich die Parteien bereits hinsichtlich einer Vielzahl von Vertragsbedingungen geeinigt haben – freilich ohne dass dadurch schon eine (vor-)vertragliche Bindung zustande käme –, so bedeutet die Zustimmung zur 477

Siehe hierzu sogleich unter D.II.7.e). Hier wird der „Zwittercharakter“ der Haftung zwischen quasivertraglicher (im Sinne willensbasierter) und gesetzlicher (im Sinne willensunabhängiger) Begründung offenbar. Siehe hierzu oben unter D.II.5.c). 478

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Vornahme transaktionsspezifischer Aufwendungen durch die Gegenseite typischerweise, dass die zustimmende Partei das Risiko übernimmt, entgegen der von ihr gemachten Zusagen von ihrer negativen Abschlussfreiheit Gebrauch zu machen. Denn ihr ist bewusst bzw. ihr muss bewusst sein, dass sich die Gegenseite durch die Vornahme der transaktionsspezifischen Aufwendungen in ihrer eigenen negativen Abschlussfreiheit faktisch beschränkt und insoweit selbst bindet. Dies tut sie indes vor dem Hintergrund der sich ihr darbietenden Verhandlungssituation. Insoweit als die nicht selbst investierende Partei zu dieser Verhandlungssituation beigetragen hat und der Vornahme der Investition zustimmt, ist es in der Regel gerechtfertigt, sie „beim Wort zu nehmen“ und ihrem Verhalten eine Risiko(mit)übernahme zuzuschreiben. Die Kombination aus der einvernehmlichen Vornahme einer vorvertraglichen Investition und der Bezugnahme auf die von den Parteien geschaffene Verhandlungssituation, vor deren Hintergrund die Vornahme der fraglichen Investition zu sehen ist, kann sich also zu einer Geschäftsgrundlage dergestalt verdichten, dass sich das Scheitern der Verhandlungen als Störung derselben darstellt, und die aus dem Verhandlungsverhalten der Parteien abzuleitende Risikoverteilung eine Abweichung vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ verlangt. c) Drei Szenarien des Scheiterns von Verhandlungen Die Funktion und Voraussetzungen einer Ausgleichshaftung sind umrissen: sie soll gewährleisten, dass diejenigen vorvertraglichen Investitionen, welche die beiden Verhandlungspartner im gegenseitigen Einvernehmen und unter Bezugnahme auf eine bestimmte Verhandlungssituation vorgenommen haben, bei einem Scheitern der Verhandlungen so verteilt werden, wie es der von den Parteien intendierten bzw. einer den Parteiinteressen gerecht werdenden Risikoverteilung entspricht. Jede Partei trägt dadurch, dass sie entweder eine vorvertragliche Investition selbst vornimmt oder die Vornahme einer solchen Investition durch die Gegenseite billigt, das Risiko für ein gewisses Spektrum der potentiellen Verläufe, die zu einem Scheitern der Verhandlungen führen können. Damit ist der Blick auf die Gründe für ein mögliches Scheitern der Verhandlungen gerichtet. Die denkbaren Verläufe, die – ausgehend von der Verhandlungssituation, in der die vorvertraglichen Investitionen getätigt worden sind – zu einem Scheitern der Verhandlungen führen können, lassen sich in drei verschiedenen Szenarien kategorisieren. aa) Investierende Partei bricht Verhandlungen ab Erstens, kann diejenige Partei, die die Investition vorgenommen hat, ihre negative Abschlussfreiheit wahrnehmen und vom geplanten Vertragsschluss Abstand nehmen. Das Risiko, es sich anders zu überlegen und die getätigten Aufwendun-

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gen nutzlos werden zu lassen, trägt allein die investierende Partei selbst, es sei denn, es ist ausdrücklich etwas anderes zwischen den Parteien verabredet worden. In Abwesenheit einer anderslautenden Absprache kommt also in diesem Fall ein Ausgleichsanspruch nicht in Frage. Nicht hierunter sind indes Konstellationen zu fassen, in denen die investierende Partei die Verhandlungen nur deshalb abbricht, weil die Gegenseite von eigenen Verhandlungszusicherungen abweicht. Ein Beispiel wäre der „DruckereiFall“. Solche Fälle sind vielmehr dem nun zu beschreibenden zweiten Szenario zuzuordnen. bb) Nicht investierende Partei weicht von Verhandlungszusage ab Zweitens, kann – spiegelbildlich – die andere Partei, ihre negative Abschlussfreiheit ausüben, indem sie ihre Abschlussbereitschaft ganz aufgibt oder einschränkt. Dieses Szenario ist die „klassische“ Situation, in der eine Haftung wegen des Abbruchs der Verhandlungen diskutiert wird. Der Ansatz des hier vertretenen Haftungskonzepts ist, dass eine Partei, die sich von einer von ihr selbst gesetzten Verhandlungszusage entfernt, dann und deshalb der anderen Partei auf Ausgleich ihrer Investitionen haftet, wenn und weil sie das Risiko übernommen hat, ihre Zusage nicht einhalten zu können bzw. zu wollen. Ein solches Abrücken von Verhandlungszusagen ist dabei nicht pflichtwidrig, die – in Absenz einer vertraglichen Bindung formal unberührte und fortbestehende – negative Abschlussfreiheit steht einem diesbezüglichen Vorwurf entgegen. Die Haftung ergibt sich auch nicht aus enttäuschtem Vertrauen, zumindest nicht aus einem etwaigen Vertrauen der Gegenseite auf den Abschluss des Vertrages, sondern allenfalls aus einem Vertrauen auf die Einhaltung der Verhandlungszusagen. Das etwaige Vorliegen eines solchen Vertrauens sagt indes noch nichts über dessen Schutzwürdigkeit aus. Entscheidendes Kriterium für die Haftung ist vielmehr die in der Billigung der Investitionsvornahme durch die Gegenseite zum Ausdruck kommende Übernahme des Risikos, zu den eigenen, im Verhandlungsprozess gemachten Zusagen, vor deren Hintergrund die Investition erfolgte, stehen zu können bzw. zu wollen. cc) Verhandlungen scheitern an noch offenen oder neuen offenen Punkten Drittens, schließlich, können die Verhandlungen auch an noch offenen Punkten oder an bestimmten, sich neu ergebenden Erkenntnissen oder Fakten scheitern, die von Einfluss auf den Verhandlungsgegenstand sind, und somit „neue offene Punkte“ schaffen, ohne dass eine Partei das Risiko für den Eintritt dieser Eventualität allein übernommen hätte bzw. ihr dieses Risiko allein zuzuweisen wäre. Diese Fälle lassen sich in anderen Haftungsmodellen nur unbefriedigend nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip lösen. Nach der hier vorgeschlagenen Konzeption

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ist indes eine flexiblere Lösung möglich. So kann etwa eine hälftige Teilung der vorvertraglichen Investitionen angebracht sein. Dazu ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung vonnöten. In Bezug auf das dritte Szenario mag eingewendet werden, dass damit das oben geziehene Kriterium des triftigen Grundes unter einem Deckmantel wieder eingeführt wird. Es ist zwar richtig, dass im dritten Szenario ein andersartiger Abbruchsgrund vorliegen muss, um es vom ersten oder zweiten Szenario zu unterscheiden. Allerdings soll nicht entscheidend auf die Triftigkeit oder Schwere dieses Grundes abgestellt werden, sondern vielmehr, ob er von der Risikoübernahme einer Partei erfasst worden ist. Mit anderen Worten: die Abbruchsentscheidung mag objektiv noch so nachvollziehbar sein (subjektiv ist ohnehin jeder Abbruchsgrund triftig), d. h. auf einem triftigen Grund beruhen; einer Ausgleichshaftung steht dies nicht entgegen, wenn eine Partei durch eine Verhandlungszusage just dieses Risiko übernommen hat. Die Triftigkeit eines Grundes ist kein aussagekräftiger und handhabbarer Maßstab; die Frage hingegen, ob eine Partei ein bestimmtes Risiko übernommen hat bzw. ihr dieses aufgrund ihres Verhandlungsverhaltens zugewiesen werden kann, lässt sich überzeugender beantworten. d) Risikoverteilung und Umfang des Schadensausgleichs – insbesondere unter Berücksichtigung des Typus der Investition Die hier vorgeschlagene Ausgleichshaftung ist also an einer interessengerechten Risikoverteilung orientiert. Eine Partei muss Aufwendungen der Gegenseite dann anteilig oder vollständig ausgleichen, wenn sie das Risiko, dass die Aufwendungen nutzlos werden, (mit-)übernommen hat oder ihr dieses Risiko (mit-) zugerechnet werden kann. Wie gesehen sind die Anknüpfungspunkte für eine solche Risikozurechnung das Einverständnis zur Vornahme der Investitionen durch die Gegenseite und die durch eigene Zusagen und Aussagen geschaffene Verhandlungssituation, vor deren Hintergrund die Investitionen getätigt werden. Diese Zusagen im Verhandlungsprozess betreffen überwiegend den Inhalt des anvisierten Vertrages. Dementsprechend stellt sich die Frage einer Ausgleichshaftung meist nur bezüglich von vertragsspezifischen Investitionen, also solchen Investitionen, die auf den späteren Vertragsschluss bezogen sind und sich nur dann rentieren, wenn ein wirksamer Vertragsschluss zustande kommt. Demgegenüber sind verhandlungsspezifische Investitionen, also solche Investitionen, die den Verhandlungen selbst und deren Fortschritt dienen, typischerweise im Rahmen der Ausgleichshaftung nicht ersatzfähig. Dies steht im Einklang mit der Erkenntnis, dass verhandlungsspezifische Investitionen regelmäßig im überwiegenden oder ausschließlichen Interesse derjenigen Partei sind, die die Investition vornimmt; zu denken ist etwa an Aufwendungen für rechtliche oder wirtschaftliche Beratungsleistungen. Es gibt aber zwei Ausnahmen, in denen auch verhandlungsspezifische Investitionen ersatzfähig sein können.

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aa) Ersatzfähigkeit von verhandlungsspezifischen Investitionen bei exklusiven Verhandlungen Zum einen kommt ein Ersatz der verhandlungsspezifischen Investitionen dann in Betracht, wenn einer Partei von der Gegenseite exklusive Verhandlungen – unter Umständen für einen bestimmten Zeitraum – zugesichert worden sind, die Gegenseite aber von dieser Zusage abweicht und mit einem Dritten verhandelt und zum Vertragsschluss kommt, so dass die Verhandlungen mit dem ursprünglichen Verhandlungspartner scheitern und dessen verhandlungsspezifische Investitionen sich daher als nutzlos erweisen. Ein typisches Beispiel für eine solche Konstellation sind etwa geplante Unternehmenskäufe. In deren Vorfeld führen die Kaufinteressenten regelmäßig eine sog. Due Diligence-Prüfung durch, also eine eingehende Untersuchung und Bewertung der Stärken und Schwächen sowie Risiken des Zielobjekts. Da eine solche Untersuchung mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden ist, drängen Kaufinteressenten in der Regel auf die Zusicherung von exklusiven Verhandlungen. Wird die Exklusivität von der Gegenseite nicht nur einseitig zugesichert, sondern kommt es zum Abschluss einer bindenden Exklusivitätsvereinbarung, etwa im Rahmen eines Letter of Intent, so stellt sich bei einem Verstoß natürlich auch die Frage eines Schadensersatzanspruchs gem. §§ 280 I, 241 II BGB. Sowohl bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch, aber auch bei einem denkbaren Anspruch aus c.i.c. stehen der Bejahung eines Anspruchs indes Hürden entgegen, die oft schwierig zu überwinden sind. So ist zum einen der Nachweis der Kausalität der Pflichtverletzung für den Eintritt des Schadens meist schwierig. Denn es müsste bewiesen werden, dass der in der Kontaktaufnahme mit einem Dritten liegende Verstoß gegen die Exklusivitätsvereinbarung zumindest mitursächlich für die Nutzlosigkeit der verhandlungsspezifischen Aufwendungen des Kaufinteressenten war. Allerdings liegt die Ursache dafür, dass die verhandlungsspezifischen Investitionen nutzlos geworden sind, im Scheitern der Verhandlungen; will man den Verstoß gegen die Exklusivitätsvereinbarung als Grund für dieses Scheitern der Verhandlungen ansehen, so müsste man annehmen, dass die Verhandlungen ohne das Eingreifen eines Dritten zum erfolgreichen Vertragsschluss geführt hätten. Dieser Beweis wird umso schwieriger zu führen sein, je weniger weit fortgeschritten die Verhandlungen waren, und wird generell in Abwesenheit bindender Vorvereinbarungen auf Bedenken stoßen.479 Zum anderen ist die Schadenszurechnung schwierig, da sich der Schädiger auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen 479 Vgl. auch Kösters, NZG 1999, 623, 625. A.A. Tophoven, BB 2010, 2919, 2921, der den ex-post vorgebrachten Einwand, dass die Aufwendungen des Kaufinteressenten ausschließlich deshalb nutzlos geworden sind, weil keine Einigung mit dem Kaufinteressenten erzielt werden konnte, zumeist als widerlegbar ansieht. Er bezieht sich dabei auch auf die in einem Berufungsverfahren (Az.: 5 U 28/10) geäußerte Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a. M., wobei das Verfahren allerdings im Vergleichsweg beendet wurde.

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kann. Hätte er erst nach Auslaufen des Exklusivitätszeitraums mit dem Dritten Verhandlungen aufgenommen, was ihm zweifelsohne gestattet gewesen wäre, so wären die Aufwendungen des Kaufinteressenten ebenfalls nutzlos geworden.480 Diese Schwierigkeiten bei der Realisierung von Ersatzansprüchen bei Verletzungen der Exklusivitätsvereinbarungen veranlassen Kaufinteressenten oftmals dazu, auf die Vereinbarung sog. „break-up fees“ zu drängen, die den Verkäufer für den Fall des Abbruchs der Verhandlungen zur Zahlung eines pauschalierten Aufwendungsersatzes verpflichten.481 Im Rahmen der hier vorgeschlagenen Ausgleichshaftung ergeben sich die geschilderten Probleme bei der Bejahung eines Ersatzanspruchs nicht, da die Ausgleichshaftung nicht an eine Pflichtverletzung anknüpft, sondern von der Übernahme eines bestimmten Risikos bei der Zusage von exklusiven Verhandlungen ausgeht. Auch der Abschluss einer Exklusivitätsvereinbarung ist im Übrigen nicht erforderlich, es genügt die einseitige Zusicherung exklusiver Verhandlungen. Durch eine solche Zusicherung übernimmt die Verkäuferin das (aus der Sicht des Kaufinteressenten bestehende) Risiko, dass sich ein Konkurrent in die Verhandlungen einschaltet und früher oder zeitgleich ein besseres Angebot für die Zielgesellschaft unterbreitet, das die Verkäuferin annimmt.482 Weicht sie von dieser Zusage ab und einigt sich mit einem Dritten auf einen Vertragsschluss, so realisiert sich für den Kaufinteressenten just dieses Risiko und die Verkäuferin hat deshalb – und nicht etwa wegen des Abbruchs der Verhandlungen mit dem ursprünglichen Kaufinteressenten – dessen nutzlose Aufwendungen zu tragen. Wenn sie hingegen während des Exklusivitätszeitraums keine Verhandlungen mit Dritten führt und keinen Vertrag mit Dritten abschließt, so hat sie auch bei einem Abbruch der Verhandlungen keine Haftung zu gewärtigen. Die Frage der Ursächlichkeit einer Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden bzw. eines rechtmäßigen Alternativverhaltens stellt sich also gar nicht. Was schließlich das Einverständnis mit der Vornahme der verhandlungsspezifischen Investitionen durch die Gegenseite betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass die Zusicherung exklusiver 480 Allerdings steht der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens unter dem Vorbehalt des Schutzzwecks der verletzten Norm. Hierdurch rückt der Zweck der Exklusivitätsvereinbarung in den Blick, der gerade darin besteht, das Risiko auszuschalten, dass sich ein Dritter in die Verhandlungen einschaltet. Ähnlich auch Tophoven, BB 2010, 2919, 2922, der wiederum auf die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a. M. sowie hinsichtlich der Einschränkung durch den Schutzzweck auf das Grundsatzurteil BGHZ 96, 157 verweist. 481 Vgl. hierzu Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625 und Hilgard, BB 2008, 286. 482 Wie jede Risikoübernahme hat auch die Zusicherung exklusiver Verhandlungen einen Preis und stellt aus Sicht des Zusichernden einen Nachteil bzw. einen Verzicht auf einen Vorteil dar. Sie wird also von rational handelnden Parteien nur abgegeben, wenn sich daraus ein anderer Vorteil ziehen lässt. Exklusive Verhandlungen sichert ein Verkäufer also z. B. dann zu, falls sich ein besonders finanzkräftiger Investor nur dadurch zu einer für ihn selbst aufwendigen Prüfung und letztlich vielleicht zur Abgabe eines Kaufangebots bewegen lässt.

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Verhandlungen meist gerade vor dem Hintergrund der erheblichen Kosten, die dem Kaufinteressenten entstehen, erfolgt;483 die zusichernde Partei kennt und billigt also deren Vornahme, und zwar in einem deutlicheren Maße als dies in nicht exklusiven Verhandlungen der Fall ist. Zu ersetzen sind damit zumindest alle üblichen und erwartbaren und daher konsentierten, verhandlungsspezifischen Aufwendungen der Gegenseite, die sie seit der Zusicherung der Exklusivität vorgenommen hat. bb) Ersatzfähigkeit von verhandlungsspezifischen Investitionen bei Scheitern der Verhandlungen an noch offenen oder neuen offenen Punkten Die zweite Konstellation, in der verhandlungsspezifische Investitionen im Rahmen der Ausgleichshaftung ersatzfähig sein können, besteht in dem oben beschriebenen dritten Szenario. Scheitern die Verhandlungen, ohne dass eine Seite von im Verhandlungsverlauf gemachten Zusagen abweicht, so rückt als Anknüpfungspunkt für eine Ausgleichshaftung das geäußerte Einverständnis zur Vornahme der Investitionen in den Mittelpunkt. Werden Investitionen von einer Partei, aber aufgrund eines gemeinsamen Plans und einer gemeinsamen Erwartungshaltung beider Parteien (in diesem Zusammenhang sind die im Verhandlungsverlauf gemachten Zusagen natürlich von Bedeutung) getätigt, so kann ein anteiliger Ausgleich gerechtfertigt sein, wenn die Verhandlungen später aufgrund des Eintritts eines Risikos scheitern, das keine der Parteien allein übernommen hat bzw. das keiner Partei allein zugewiesen werden kann. Dies wird zwar hauptsächlich bei vertragsbezogenen Investitionen der Fall sein, von denen bei Zustandekommen des Vertrags beide Seiten profitieren können. Ein Beispiel wäre die vorzeitige Anschaffung von Rohmaterialen, die sicherstellen soll, dass beim erwarteten Zustandekommen eines Vertrages schneller mit dessen Durchführung begonnen werden kann. Verhandlungsbezogene Investitionen hingegen dienen zumeist ausschließlich dem eigenen Interesse der Partei, die sie vornimmt, so dass sie dementsprechend regelmäßig nicht aufgrund eines gemeinsamen Plans der Verhandlungspartner getätigt werden. Ausnahmsweise können aber auch verhandlungsbezogene Investitionen im Interesse beider Parteien sein, so dass ein anteiliger Ausgleich in Betracht kommt. Denkbar wäre etwa die Durchführung einer geologischen Bebaubarkeitsstudie, wenn zwei Parteien über den Bau einer Anlage verhandeln. Auch die Erstellung detaillierter Baupläne kann im Einzelfall auf einem gemeinsamen Plan basieren, wie zum Beispiel im „Kornhaus“-Fall.484 Als Ergebnis bleibt also folgendes festzuhalten. Vorvertragliche Investitionen, die von einer Seite getätigt wurden, sind dann von der Gegenseite komplett zu 483 Tophoven, BB 2010, 2919, 2922 weist darauf hin, dass diese Begründung für die Exklusivitätsvereinbarung meist im entsprechenden Letter of Intent niedergelegt wird. 484 BGH WM 1956, 863, siehe hierzu unten unter D.II.8.c)aa).

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tragen, wenn die Gegenseite mit der Vornahme der Investitionen einverstanden war, die Investition vor dem Hintergrund einer Zusicherung der Gegenseite im Verhandlungsprozess erfolgte und die Gegenseite in der Folge von dieser Zusicherung abweicht, so dass sich dadurch das von der Gegenseite übernommene Risiko bzw. das ihr zugewiesene Risiko realisiert. Ein anteiliger Ausgleich vorvertraglicher Investitionen kommt hingegen dann in Betracht, wenn die Investitionen aufgrund eines gemeinsamen Plans und im Interesse beider Parteien getätigt wurden, die Verhandlungen im weiteren Verlauf aber an einem noch offenen Punkt scheitern oder aufgrund neuer Fakten oder Erkenntnisse, die eine neuartige Verhandlungssituation schaffen, ohne dass eine Partei dieses Risiko allein übernommen hätte bzw. ihr dieses Risiko allein zuzuweisen wäre. e) Sonderfall des besseren Angebots eines Dritten Etwas näher beleuchtet sei der Sonderfall, dass eine Partei im Laufe der Verhandlungen ein Angebot von einem Dritten erhält und im Zuge dessen die Verhandlungen mit dem ursprünglichen Verhandlungspartner abbricht. Dieser Fall, der eine häufige Ursache für den Abbruch von Verhandlungen darstellen dürfte, ist in einem Haftungskonzept, das nach der Triftigkeit eines Abbruchsgrund fragt, völlig ungelöst.485 Er veranschaulicht besonders plastisch die Schwierigkeiten, in die sowohl Befürworter einer verschuldensabhängigen c.i.c.-Haftung als auch als Befürworter einer verschuldensunabhängigen Vertrauenshaftung geraten. Solange kein wirksamer Vertrag geschlossen ist, sind beide Verhandlungspartner frei, auf das bessere Angebot eines Dritten einzugehen. Trotzdem erscheint es in vielen Fällen gerecht, die investierende und vom Sinneswandel der Gegenseite überraschte Partei nicht auf ihren nun nutzlos gewordenen Aufwendungen sitzenzulassen. Will man eine Haftung aus c.i.c. bejahen, muss man ein pflichtwidriges Verhalten präsentieren. Bei der Konstruktion über den Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund dürfte man dann in einem besseren Angebot eines Dritten keinen triftigen Grund sehen. Das ist indes kaum erklärbar. Denkbar wäre es auch, ein pflichtwidriges Verhalten über den Bruch einer Exklusivitätsvereinbarung zu konstruieren. Der Vorwurf läge dann nicht darin, dass das Angebot eines Dritten angenommen wurde, sondern dass überhaupt mit dritter Seite verhandelt wurde. Dieser Weg führt aber zu Schwierigkeiten bei der Zurechnung des Schadens486 und bedingt oftmals die Notwendigkeit, eine Exklusivitätsvereinbarung fingieren zu müssen. Versucht man hingegen eine Haftung über Vertrauensgesichtspunkte zu konstruieren, tritt die Gefahr auf, dass der Blick zu einseitig auf die vertrauende Partei gerichtet wird, so dass auch von der

485

Siehe hierzu auch oben unter C.II.2.d). Der Zeitpunkt der Pflichtwidrigkeit liegt typischerweise nach der Vornahme der Investitionen; siehe hierzu auch oben unter D.I.3.b). 486

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Gegenseite unkonsentierte Investitionen ersatzfähig werden können. Außerdem hat auch diese Konstruktion Schwierigkeiten, die aus der Haftung folgende Beschränkung der negativen Abschlussfreiheit der abbrechenden Partei zu erklären. Das hier vertretene Haftungskonzept hingegen stellt zur Haftungsbegründung auf den Zeitpunkt der Investitionsvornahme ab und fragt, ob die nicht investierende Partei der Investition zugestimmt hat und ob sie mit dieser Zustimmung (auch) das Risiko übernehmen wollte, sich noch für das Angebot eines Dritten zu entscheiden. Wenn dies bejaht werden kann, so liegt darin eine indirekte wirtschaftliche Selbstbeschränkung der negativen Abschlussfreiheit, die aber formal unangetastet bleibt. Die Annahme des Angebots eines Dritten ist damit nicht pflichtwidrig; vielmehr ist darin gerade die Wahrnehmung der negativen Abschlussfreiheit zu sehen, für deren Fortbestand die abbrechende Partei durch die Risikoübernahme „gezahlt“ hat. Im Einzelnen: Die Situation, dass ein besseres Angebot eines Dritten auftaucht, kann theoretisch zu allen drei oben beschriebenen Szenarien des Scheiterns von Verhandlungen führen. Im ersten Szenario, in dem die investierende Partei selbst von Verhandlungszusagen abweicht und von ihrer negativen Abschlussfreiheit Gebrauch macht, stellt sich wie gesehen die Frage einer Haftung nicht. Die investierende Partei hat ihre nutzlosen Aufwendungen selbst zu tragen. Bei der Abwägung, welches Angebot aus ihrer Sicht besser und vorzugswürdig ist, muss sie also ihre eigenen, bei Annahme des Angebots nutzlos werdenden Aufwendungen vollständig in Anschlag bringen. Das zweite Szenario, in dem die Gegenseite im vollen Umfang für die nutzlos gewordenen Aufwendungen haftet, ist im Zusammenhang mit dem besseren Angebot eines Dritten dann gegeben, wenn die Gegenseite ebendieses Risiko des Auftretens eines besseren Angebots vollständig übernommen hat. Dies wiederum ist dann der Fall, wenn die Gegenseite der investierenden Partei explizit oder konkludent durch ihr Verhandlungsverhalten zugesichert hat, exklusiv zu verhandeln oder gar den Vertrag mit ihr zu bestimmten Konditionen zu schließen. Eine solche Zusicherung wird in den meisten Fällen bestehen, in denen eine Seite beträchtliche vorvertragliche Investitionen vornimmt: bei erheblichen verhandlungsbezogenen Aufwendungen wird die investierende Partei üblicherweise auf diese Zusicherung drängen, etwa durch eine Exklusivitätsvereinbarung in einem Letter of Intent vor Durchführung einer aufwendigen Due Diligence; bei vertragsbezogenen Investitionen liegt meist die Zusicherung der Gegenseite vor, den Vertrag zu bestimmten Konditionen schließen zu wollen. Sollte indes weder die Zusicherung exklusiver Verhandlungen noch die Zusicherung des Vertragsschlusses zu bestimmten Konditionen vorliegen, kann das Auftreten (und die Annahme) des besseren Angebots eines Dritten nicht in den alleinigen Risikobereich der Gegenseite fallen. Diese Konstellation ist dem Fall gleichzustellen, in dem die Verhandlungen an noch offenen Punkten scheitern.

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Hier wie dort ist in einer Nicht-Einigung kein Abweichen von Verhandlungszusagen zu sehen. Folglich kann also das bessere Angebot eines Dritten auch zum dritten Szenario des Scheiterns von Verhandlungen führen. Klargestellt sei, dass aber allein das Angebot eines Dritten in keinem Fall eine neuartige Verhandlungssituation im Sinne dieses dritten Szenarios entstehen lassen kann. Eine neuartige Verhandlungssituation nach hier verstandener Konzeption ergibt sich nur, wenn neue Erkenntnisse hinsichtlich des Verhandlungsgegenstands auftauchen, so dass neue „offene Punkte“ entstehen, an denen die Verhandlungen scheitern können. Demnach ergeben sich die oben genannten Schwierigkeiten, auf welche eine Haftung wegen des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund beim besseren Angebot eines Dritten stößt,487 nach der hier vorgeschlagenen Haftungskonzeption nicht. Der Grund für den Abbruch wird nicht bewertet; Verhandlungen abzubrechen, um ein anderes Angebot anzunehmen, egal ob besser oder schlechter, ist nicht pflichtwidrig, solange keine vertragliche Bindung vorliegt. Das heißt aber nicht, dass eine Haftung ausgeschlossen ist. Die Frage ist, ob die Partei das Risiko, sich noch für das Angebot eines Dritten zu entscheiden, durch die Zustimmung zu vorvertraglichen Investitionen der anderen Partei vor dem Hintergrund eigener Verhandlungszusicherungen übernommen hat oder nicht. Durch eine solche etwaige Risikoübernahme wird zwar die eigene negative Abschlussfreiheit indirekt und faktisch beschränkt, formal aber bleibt sie unbeeinträchtigt. Der Verhandlungsabbruch ist eben nicht pflichtwidrig. Diese Überlegungen lassen sich auch ökonomisch ausdrücken. Will ein Verhandlungspartner vor Vertragsschluss Investitionen vornehmen, so kann er diese eigenmächtig – und damit immer auf eigenes Risiko – vornehmen; alternativ stimmt er sich mit dem anderen Verhandlungspartner ab. Dieser steht dann vor der Wahl, ob er der Investitionsvornahme zustimmt oder nicht. Stimmt er zu, so ist dies Ausdruck eines eigenen Interesses an der Investition.488 Und dieses Interesse kann eben genau darin bestehen, eine vertragliche Bindung noch hinauszuzögern, um sich die Möglichkeit eines besseren Abschlusses mit einem Dritten zu erhalten, gleichzeitig aber den investierenden Verhandlungspartner zu einer Selbstbindung im Umfang der vorvertraglichen Investition zu bewegen, um diesen sozusagen „in der Hinterhand“ zu haben, falls sich ein besseres Angebot nicht realisiert. Von der Struktur her, ist dieses Interesse also vergleichbar mit einem Optionsrecht. Ergibt sich ein besseres Angebot eines Dritten, so ist die Haftung für die dann nutzlosen Aufwendungen des ursprünglichen Verhandlungspartners eben der Preis, den der nicht selbst investierende Verhandlungspartner für diese Entscheidung über den Wechsel der Verhandlungspartner bzw. für die Nicht-Ausübung des „Optionsrechts“ zu zahlen hat. 487 488

Siehe oben unter C.II.2.d). Zu diesem Postulat siehe auch oben unter D.II.7.a).

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Dieses Ergebnis steht auch nicht etwa im Widerspruch zum Bestreben einer Rechtsordnung zu gewährleisten, dass Transaktionen möglichst effizient durchgeführt werden können und dass Wirtschaftsgüter somit möglichst bei dem Marktteilnehmer alloziert werden, für den sie den höchsten Wert haben und der bereit ist, den höchsten Preis zu zahlen.489 Denn durch die Ausgleichshaftung wird nur sichergestellt, dass die bereits angefallenen Transaktionskosten auch berücksichtigt werden. Wenn der Kooperationsgewinn mit dem Dritten diese Transaktionskosten übersteigt, wird die Transaktion mit dem Dritten stattfinden. f) Indirekte (Selbst-)Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit Es ist richtig, dass eine solche Ausgleichshaftung, die der nicht investierenden Partei beim Scheitern der Verhandlungen unter Umständen eine (Mit-)Übernahme der Aufwendungen der Gegenseite aufbürdet, die Abschlussfreiheit indirekt einschränkt. Diese Einschränkung ist aber trotz der Absenz eines Vorwurfs pflichtwidrigen Verhaltens mit der Garantie der negativen Abschlussfreiheit vereinbar (dazu sogleich unter a)). Auch eine Unterscheidung zwischen formfreien und formbedürftigen Transaktionen ist nicht erforderlich, da sich insofern keine verschiedenen Wertungsgesichtspunkte ergeben (hierzu sogleich unter b)). aa) Kein Widerspruch zur Garantie der negativen Abschlussfreiheit Gegen eine Haftung beim Scheitern von Verhandlungen ließe sich anführen, dass sie eine Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit zur Folge hat. Diese Argumentation ist dann zutreffend, wenn die Haftung an den Abbruch der Verhandlungen anknüpft und diesen sanktioniert, ohne gleichzeitig eine Begründung dafür anzubieten, warum die negative Abschlussfreiheit eingeschränkt sein sollte. Bei der hier vorgeschlagenen Haftungskonzeption ergibt sich indes kein Widerspruch zur negativen Abschlussfreiheit. Zum einen ist es ein wesentlicher Unterschied, ob die Abschlussfreiheit direkt oder indirekt eingeschränkt wird. Eine direkte Einschränkung läge vor, wenn die betroffene Partei unter bestimmten Umständen zum Vertragsschluss verpflichtet wäre, also einem Kontrahierungszwang unterläge, und die Ausübung der negativen Abschlussfreiheit als pflichtwidriges Verhalten angesehen würde. Dies ist bei der Ausgleichshaftung indes gerade nicht der Fall. Die Ausübung der negativen Abschlussfreiheit ist kein pflichtwidriges Verhalten, sie wird nicht sanktioniert.

489 Entgegen der Prämisse im sog. Coase-Theorem können Transaktionen in der realen Welt nicht kostenlos durchgeführt werden. Eine Rechtsordnung wird daher daran orientiert sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die möglichst effiziente Transaktionen zulassen. Siehe hierzu grundlegend Coase, 3 J. of Law & Economics 1 ff. (1960). Vgl. auch Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 42 ff. mwN.

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Dass die Ausübung der Freiheit mit der Folge einer Haftung verbunden sein kann, liegt nicht an der Ausübung selbst, sondern an der vorgelagerten Übernahme ebendieses Risikos. Zum anderen ist zu bedenken, dass es ohne weiteres möglich ist, die eigene negative Abschlussfreiheit durch die Vornahme transaktionsspezifischer Aufwendungen indirekt einzuschränken. Diese Form der Selbstbindung wird zumeist gar nicht als Freiheitseinschränkung verstanden. Betrachtet man den spiegelbildlichen Fall der positiven Wahrnehmung einer grundrechtlich garantierten Freiheit, so fällt auf, dass auch dort die Kosten, die sich bei der Ausübung der Freiheit gezwungenermaßen ergeben,490 meist gar nicht als Beschränkung der Freiheit angesehen werden. Im Fall der Vertragsabschlussfreiheit ergibt sich die besondere Konstellation, dass – zumindest bei Transaktionen von einiger finanzieller Erheblichkeit und Komplexität – sich die Ausübung der positiven Abschlussfreiheit gar nicht ohne die Vornahme gewisser transaktionsspezifischer Aufwendungen vorstellen lässt. Das gilt vice versa auch für die negative Abschlussfreiheit. Bevor man sich für – oder eben gegen – eine bestimmte Transaktion entscheidet, ist ein Mindestmaß an Verhandlungen erforderlich. Diese Verhandlungen bringen notwendigerweise gewisse Kosten, nicht zuletzt in Form von Opportunitätskosten, mit sich. Es lässt sich also sagen, dass die tatsächliche 491 Ausübung der Abschlussfreiheit, sei es in positiver oder negativer Weise, immer mit Kosten verbunden ist. Mit anderen Worten: eine völlig uneingeschränkte negative Abschlussfreiheit ist gar nicht sinnvoll vorstellbar. Über die notwendigen Kosten hinaus bleibt es einer Partei unbenommen weitere transaktionsspezifische Investitionen zu tätigen, und so die negative Abschlussfreiheit indirekt noch weiter einzuschränken. Befindet sich beispielsweise ein Hauseigentümer in Verhandlungen mit einem potentiellen Käufer, und entschließt sich, bestimmte bauliche Veränderungen vorzunehmen mit dem Ziel, den Spezifikationen des Interessenten näherzukommen und diesem das Objekt „schmackhafter“ zu machen, so schränkt er eben seine negative Abschlussfreiheit indirekt ein. Lässt derselbe Hauseigentümer stattdessen den Interessenten die Veränderungen selbst vornehmen, wobei 490 Die Notwendigkeit der Kosten kann sich rein faktisch und aufgrund autonomer Entscheidungen ergeben (z. B. die erforderlichen Kosten des Betriebs einer Anwaltskanzlei bei der Ausübung der Berufsfreiheit); hierbei ist auch immer an Opportunitätskosten zu denken (z. B. bei der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit). Oder sie kann auf heteronom oktroyierten Gründen beruhen, etwa der erforderlichen Entrichtung staatlicher Gebühren oder der Entstehung von Kosten, die aus der Beachtung staatlicher Vorgaben und Auflagen resultieren. 491 „Tatsächlich“ ist im Sinne einer realen und nicht nur hypothetischen (und damit recht sinnentleerten) Wahrnehmung der Freiheit zu verstehen. Tatsächlich wird man sich gegen einen Vertragsschluss nur entschließen können, wenn man zumindest rudimentäre Überlegungen und Untersuchungen, die stets mit Kosten verbunden sind, angestellt hat. Ein potentieller Unternehmenskäufer etwa kann sich erst dann sinnvollerweise gegen einen Kauf eines Unternehmens entscheiden, wenn er grundlegende Informationen eingeholt hat. Dies ist aber bereits mit beträchtlichem Aufwand verbunden.

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er ihm bestimmte Konditionen zusichert, so dass der Verhandlungspartner seine eigene negative Abschlussfreiheit unter dem Eindruck dieser Zusicherungen einschränkt,492 so übernimmt er – nach hier vertretener Auffassung – typischerweise allein das Risiko, seine Zusicherungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht einhalten zu können oder zu wollen, und anteilig das Risiko, dass die Verhandlungen an noch offenen Punkten scheitern. Jedenfalls knüpft die Ausgleichshaftung an ein Verhalten an, dem eine gewillkürte Risikoverteilung zu entnehmen ist bzw. normativ zugeschrieben werden kann, und das – zwar nur potentiell für bestimmte Geschehensabläufe, aber im Grundsatz nicht anders als die unmittelbare Vornahme von transaktionsspezifischen Aufwendungen – eine indirekte Selbstbeschränkung der eigenen negativen Abschlussfreiheit zur Folge hat. Festzuhalten bleibt, dass die Ausgleichshaftung nicht in Widerspruch zur Garantie der negativen Abschlussfreiheit steht und durch diese auch nicht begrenzt wird, da sie nicht an die im Abbruch der Verhandlungen liegende Ausübung der negativen Abschlussfreiheit anknüpft, sondern an ein vorgelagertes Verhalten, und nur eine indirekte Selbstbeschränkung abbildet und nachvollzieht. bb) Keine andere Bewertung bei formbedürftigen Transaktionen geboten Diese Überlegungen lassen sich auch auf formbedürftige Transaktionen übertragen. In vorliegendem Zusammenhang von größter Bedeutung ist das Erfordernis notarieller Beurkundung bei Verträgen über die Übertragung oder den Erwerb eines Grundstücks gem. § 311b I BGB, welches sich auch auf an sich formfreie Unternehmenskaufverträge erstrecken kann.493 Der Normzweck des § 311b I BGB besteht (neben der Beweis- und Gültigkeitsgewährfunktion) bekanntlich darin, die Parteien davor zu schützen, Verpflichtungen übereilt oder zu unüberlegten Bedingungen einzugehen, sowie ihnen eine sachkundige Beratung und Be-

492

Wie im bereits besprochenen Druckerei-Fall, BGH NJW 1996, 1884. Des Weiteren ist an das Erfordernis notarieller Beurkundung einer Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung zur Abtretung eines GmbH-Anteils begründet wird, gem. § 15 IV GmbHG zu denken. Allerdings soll diese Formvorschrift nach h. M. nur den leichten und spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen ausschließen und erschweren, vgl. RGZ 82, 167, 169; BGHZ 13, 49, 51 f.; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 15 Rn 21; Sigle/Maurer, NJW 1984, 2657, 2658; a. A. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn 66, der den Formzweck auch in dem Schutz beider Erwerber sieht. Müller, DB 1997, 1905, 1908 will indes die Rechtsprechung zu § 311b I BGB auch auf Verhandlungen über gem. § 15 III, IV GmbHG formbedürftige Verträge übertragen. LG Heilbronn, DB 1989, 1227; OLG Stuttgart, DB 1989, 1817 und Kapp, DB 1989, 1224 bejahen eine Übertragung der Rechtsprechung des BGH, dass ein Abbruch ohne triftigen Grund im Vorfeld gem. § 311b I BGB formbedürftiger Verträge grds keine Haftung auslösen kann, auch auf gem. § 15 IV GmbHG formbedürftige Verträge. Zum Umfang des Formzwangs beim Unternehmenskauf: Beisel/Klump, Unternehmenskauf, Kapitel 1, Rn 85 ff., S. 28 ff.; Sigle/Maurer, NJW 1984, 2657, 2658. 493

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lehrung durch den Notar angedeihen zu lassen.494 Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf gem. § 311b I BGB formbedürftige Transaktionen. Sofern das Formerfordernis dem Schutz vor Übereilung dient, unterstreicht und betont es die negative Abschlussfreiheit. Es verleiht der negativen Abschlussfreiheit indes keine neu- und andersartige Qualität. Insofern begegnet auch die Statuierung einer Ausgleichshaftung bei formbedürftigen Transaktionen keinen Bedenken. Allerdings muss ein möglicher Einwand widerlegt werden. Zwar sind solche Vereinbarungen grundsätzlich nicht formbedürftig, welche nur der Vorbereitung eines formbedürftigen Vertrags dienen, auch wenn mit ihnen wirtschaftliche Belastungen verbunden sind, die nutzlos werden, wenn die beabsichtigte Transaktion nicht zustandekommt. Falls das Formerfordernis (auch) dem Schutz vor Übereilung dient, erfordert dieser Schutzzweck nicht automatisch, die Formvorschrift analog anzuwenden, wenn sich aus einem Vertrag, der im Hinblick auf ein formbedürftiges Geschäft geschlossen wird, ein wirtschaftlicher Druck ergeben kann, dieses Geschäft später auch tatsächlich einzugehen.495 Ausnahmsweise kann dies jedoch bei Vereinbarungen, die für den Fall der Ausübung der negativen Abschlussfreiheit einen empfindlichen wirtschaftlichen Nachteil vorsehen, anders sein. Wenn sie einen mittelbaren Abschlusszwang begründen und die Entschließungsfreiheit in vergleichbarer Weise beeinträchtigen wie unmittelbar auf die formbedürftige Transaktion gerichtete Verpflichtungen, unterfallen auch sie dem Formerfordernis.496 Dies ist etwa bei Maklerverträgen der Fall, die im Hinblick auf gem. § 311b BGB formbedürftige Grundstücksgeschäfte abgeschlossen wurden, und die eine erfolgsunabhängige Provisionszahlungspflicht vorsehen.497 Wenn nun aber – so der denkbare Einwand – die Eingehung einer die eigene negative Abschlussfreiheit einschränkenden Verpflichtung formbedürftig wäre, so kann eine Haftung sich nicht einfach über die Abwesenheit entsprechender formwirksamer Verträge hinwegsetzen und durch einen Haftungsausgleich wirtschaftlich ein Ergebnis herbeiführen, das die Parteien – zu ihrem

494 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 311b Rn 2 mwN; MüKo-Kanzleiter, § 311b Rn 1; Sigle/Maurer, NJW 1984, 2657. In den Motiven findet sich noch die amüsant klingende – aber nicht notwendig überholte – Überlegung, dass der Verkäufer vor unüberlegten Wirtshausgeschäften geschützt werden müsse: „Bis zur Auflassung wird der Bauer nüchtern, gewinnt Frist zur Überlegung und zur Rücksprache mit der Frau“ (Prot. I, S. 463). 495 Vgl. BGHZ 76, 43, 46; BGH NJW 1990, 390, 391. 496 Siehe für Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Grundstücks: Palandt/Grüneberg, § 311b Rn 13 mwN; BGH NJW 1990, 390, 391. Siehe hierzu auch Müller, DB 1997, 1905, 1907 f. 497 Siehe MüKo-Roth, § 652 Rn 60 mwN; BGH NJW 1971, 93, BGH NJW-RR 1994, 559, stRspr.

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eigenen Schutz – wirksam nur mit notarieller Beurkundung hätten vereinbaren können.498 Dieser Einwand geht jedoch fehl bzw. widerspricht der Ausgleichshaftung in der hier konzipierten Form nicht. Denn es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen einer Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Betrags, sei es an Dritte in Form erfolgsunabhängiger Provisionen oder an den Verhandlungspartner, für den Fall der Abstandnahme vom anvisierten Vertrag und der Verpflichtung zur (Mit-)Übernahme bestimmter real entstehender Kosten. Erstere sanktioniert und verteuert ein potentielles zukünftiges Verhalten, nämlich die Ausübung der negativen Abschlussfreiheit; diese Form der Selbsteinschränkung der eigenen negativen Abschlussfreiheit kann – zu Recht – dem Formerfordernis unterworfen werden, um so die Parteien vor unüberlegten und voreiligen Entscheidungen zu schützen. Letztere regelt hingegen die Verteilung von Aufwendungen für Tätigkeiten, deren Vornahme im Belieben der Parteien steht und stehen muss. Anders gewendet: nur weil das Motiv für die Durchführung einer bestimmten kostenverursachenden Tätigkeit die Erwägung des Abschlusses eines formbedürftigen Vertrags ist, heißt das nicht, dass auch Verträge, die im Hinblick auf diese Tätigkeit abgeschlossen werden, formbedürftig wären. Diese Unterscheidung wird von Rechtsprechung und Lehre – wenn auch zumeist ohne weitere Begründung – ebenso bei den erwähnten Maklerverträgen getroffen. Während erfolgsunabhängige Provisionen – egal, wie sie im einzelnen bezeichnet sein mögen – ohne notarielle Beurkundung ungültig sind, sollen formlos geschlossene Vereinbarungen, in denen sich der Makler für den Fall der endgültigen Verweigerung des Grundstücks(ver)kaufs durch den Kunden den Ersatz seiner ihm durch die Maklertätigkeit konkret entstandenen Aufwendungen versprechen lässt, grundsätzlich gültig sein.499 Dass die Unterscheidung allerdings nicht unstreitig ist bzw. nicht immer leicht zu treffen ist, zeigt eine Entscheidung des OLG Hamm.500 Die Parteien, die über den Kauf einer Eigentumswohnung verhandelten, bestätigten sich in einer privatschriftlichen Urkunde „verbindlich“, die Wohnung zu kaufen bzw. zu verkaufen. Der potentielle Käufer und spätere Kläger beauftragte den potentiellen Verkäufer und späteren Beklagten, die Wohnung mit bestimmten, in der Urkunde aufgeführten Arbeiten umzubauen, und zahlte hierfür an den Verkäufer 15.000 DM. Nach dem Willen der Parteien sollte diese Zahlung des Käufers auf den vorgesehenen Kaufpreis von 215.000 DM angerechnet werden. Der Käufer verweigerte später den Abschluss eines Kaufvertrags und verlangte die Rückzahlung der 498 Diesen Einwand erheben etwa Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1101 in Unterstützung der Rechtsprechung des V. und des ihm folgenden I. Senats des BGH, siehe zu dieser Rechtsprechung oben unter B.II.2.a)cc). 499 Vgl. BGH NJW 1980, 1622; MüKo-Roth, § 652 Rn 60 mwN. 500 OLG Hamm, DNotZ 1992, 423.

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15.000 DM, mit der Begründung, die Leistung sei rechtsgrundlos erfolgt, da die getroffene Vereinbarung notarieller Beurkundung bedurft hätte und somit nach § 125 BGB nichtig sei. Der Beklagte behauptete hingegen, mit der Urkunde hätten die Parteien übereinstimmend den Willen ausdrücken wollen, es solle der Kläger in Höhe von 15.000 DM das Risiko tragen, dass das Kaufobjekt zunächst entsprechend seinen Wünschen umgestaltet, dann jedoch der Abschluss eines Kaufvertrags vom Kläger selbst verweigert werde. Sowohl das LG als auch das OLG sahen die Klage nach § 812 I 2 2. Alternative BGB als begründet an. Mit der Leistung in Form der Zahlung von 15.000 DM an den Verkäufer sei der Erfolg bezweckt worden, die Schuld aus dem Vertrag vorauszutilgen, mit dessen Abschluss die Parteien rechneten. Die Ansicht des OLG Hamm, wonach die Zahlung der 15.000 DM nicht als Gegenleistung für die Umgestaltungsmaßnahmen, sondern als Vorausleistung auf den Kaufpreis anzusehen sei, kann nicht überzeugen. Die sich aus den Formulierungen des Gerichts ergebende Alternativität erschließt sich nicht; vielmehr muss man annehmen, dass die Parteien die Zahlung sowohl als Gegenleistung für die Umbaumaßnahmen als auch als Vorauszahlung ansahen.501 Entscheidend ist vielmehr, wie das Risiko, dass der Kaufvertrag nicht wirksam abgeschlossen und dadurch die für die Umbaumaßnahmen aufgewendeten Investitionen nutzlos werden könnten, verteilt werden sollte. Auch das OLG stellt offenbar auf die – von den Parteien intendierte – Risikoallokation ab. Es ist allerdings der Ansicht, dass die privatschriftlich niedergelegten Erklärungen der Parteien nicht – etwa nach § 139 BGB oder nach § 140 BGB – als mit dem Inhalt wirksam angesehen werden könnten, der Kläger habe das Risiko tragen sollen, dass aufgrund seiner Weigerung ein notariell beurkundeter Kaufvertrag nicht abgeschlossen werde und sich damit die von ihm gewünschten Umbaumaßnahmen als nutzlos erweisen sollten. Denn auch mit diesem Inhalt wären die Vereinbarungen der Parteien nach § 311b I BGB beurkundungsbedürftig gewesen. Nach dem Zweck, den der Gesetzgeber mit dem Beurkundungserfordernis verfolgt, sei die Vereinbarung einer solchen Leistung auch dann beurkundungsbedürftig, wenn mit ihr nach dem Willen der Beteiligten Aufwendungen des Verkäufers ganz oder teilweise abgegolten werden sollen, mit denen er das Kaufobjekt den Wünschen des Kaufinteressenten entsprechend umgestaltet. 501 Diese Konstruktion ist zwar etwas ungewöhnlich; dasselbe wirtschaftliche Ergebnis ließe sich erzielen, indem der Käufer die Wohnung für einen – um die für den Umbau veranschlagten Kosten geringeren – Betrag erwirbt, und sie dann selbst umbaut bzw. umbauen lässt. Was aber auch immer die Beweggründe der Parteien gewesen sein mögen, diese Konstruktion zu wählen, festzuhalten bleibt, dass ein bestimmter Betrag für die Umbauarbeiten aufgewendet werden muss, dieser Betrag im vereinbarten Kaufpreis „eingepreist“ ist, und die Parteien die Umbauarbeiten bereits vor einem wirksamen Vertragsschluss durchführen wollten.

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Diese Ansicht des Gerichts ist verfehlt. Sie übersieht, dass es den Parteien unbenommen ist, vorvertragliche Investitionen in beliebiger Höhe zu tätigen – und hierzu auch mit Dritten formlos wirksam zu kontrahieren. So hätte der Wohnungseigentümer selbst bzw. mit der Hilfe von Handwerkern die Wohnung nach den Vorstellungen des Kaufinteressenten umbauen können; er hätte aber auch dem Kaufinteressenten gestatten können, die Umbauten selbst auszuführen bzw. durch Dritte ausführen zu lassen. Mit der Vornahme vorvertraglicher Investitionen ist indes zwangsläufig eine indirekte Einschränkung der Entschließungsfreiheit und Bindung verbunden. Die vertragliche Verständigung der Parteien darüber, wie mit dieser bereits existenten Einschränkung umzugehen ist, muss formlos möglich sein.502 Vertragliche Verpflichtungen, die eine Zahlungspflicht für den Fall des Abbruchs der Verhandlungen und mithin eine Sanktion für die Ausübung der negativen Abschlussfreiheit vorsehen, sind in der Tat beurkundungsbedürftig – auch und gerade zwischen den Verhandlungspartnern. Eine Regelung über die Verteilung des Risikos, dass getätigte Aufwendungen durch ein Scheitern der Verhandlungen nutzlos werden, ist aber formlos möglich.503 Die entscheidende Abgrenzung liegt darin, ob die vorvertraglichen Investitionen tatsächlich getätigt worden sind oder nicht. In der vorliegenden Entscheidung bestand die Besonderheit darin, dass die vertragliche Vereinbarung der Parteien beides gleichzeitig sein konnte: Vereinbarung einer Vorauszahlung und damit „Strafzahlung“ für den Fall des Verhandlungsabbruchs, aber auch Verständigung über die Risikoallokation hinsichtlich nutzloser Aufwendungen. Beurkundungsbedürftig wäre nur die Vereinbarung der Vorauszahlung gewesen, so dass ein Bereicherungsanspruch aus § 812 I 2 2. Alternative BGB solange bzw. soweit besteht, als die 15.000 DM noch nicht tatsächlich für Umbaumaßnahmen verwendet worden sind. Der Betrag aber, der vereinbarungsgemäß in die Umbauarbeiten geflossen ist, wurde aufgrund einer formlos wirksamen Vereinbarung (bzw. mit einer wirksamen Zweckbestimmung) gezahlt und kann bereicherungsrechtlich nicht herausverlangt werden. Festzuhalten bleibt, dass zwar solche Verpflichtungen formbedürftig sind, die eine Sanktionierung der Abstandnahme vom avisierten Vertrag und damit der Ausübung der negativen Abschlussfreiheit vorsehen, wenn auch der angestrebte Vertrag einem Formerfordernis, das dem Übereilungsschutz dient, unterliegt. Vereinbarungen über die Verteilung des Risikos, dass bestimmte vorvertragliche 502

Ähnliche Überlegungen stellt Singer, Verbot, S. 293 ff., 298 an. Im Ergebnis so auch Kapp, DB 1989, 1224, 1226, der allerdings fälschlicherweise davon ausgeht, dass eine Kostenverteilungsvereinbarung keinen – auch nicht mittelbaren – Zwang zum Abschluss eines formbedürftigen Vertrags ausüben könnte. Diesen Fehlschluss bemängelt auch Küpper, DB 1990, 2460, 2462. In seiner Erwiderung sieht auch Kapp, DB 1991, 1265, 1266 richtig, dass der Verhandlungspartner durch den Abschluss einer Kostenvereinbarung seine Abschlussfreiheit hinsichtlich des Hauptvertrags autonom beschränkt, ohne freilich seinen früheren Fehlschluss einzuräumen. 503

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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Investitionen bei einem Scheitern der Verhandlungen nutzlos werden, sind jedoch in jedem Fall formlos wirksam. Eine Ausgleichshaftung hinsichtlich bereits getätigter transaktionsspezifischer Investitionen ist damit unbeeinflusst von einer etwaigen Formbedürftigkeit des in Aussicht genommenen Vertragsschlusses. 8. Anwendung auf Beispielsfälle Nachdem nun die Leitlinien einer Ausgleichshaftung skizziert worden sind, gilt es, das theoretische Konzept auf praktische Beispielsfälle zu übertragen. Dazu sollen insbesondere einige der im Verlauf der Untersuchung besprochenen Entscheidungen dienen. Bedauerlicherweise werden in den dort wiedergegebenen Sachverhalten oft keine exakten Feststellungen bezüglich der Voraussetzungen einer Ausgleichshaftung getroffen, insbesondere zu der Frage, ob eine vorvertragliche Investition mit Einverständnis der Gegenseite getätigt wurde. a) Investierende Partei rückt selbst von Verhandlungszusagen ab Zu dem ersten soeben beschriebenen Szenario, dass diejenige Partei, die die vorvertraglichen Investitionen getätigt hat, selbst das Interesse am Vertragsschluss verliert und von ihrer negativen Abschlussfreiheit Gebrauch macht, gibt es naturgemäß kaum Gerichtsentscheidungen. Denn in solchen Fällen kommt ein Anspruch aus c.i.c. ebensowenig in Frage wie bei einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung. In diesem Zusammenhang zu nennen ist allenfalls die Entscheidung des OLG Hamm,504 in welcher der Kaufinteressent einer Eigentumswohnung dem Verkäufer nach Abschluss einer privatschriftlichen Urkunde über den Kauf der Wohnung, aber vor Abschluss eines formgerechten Vertrags 15.000 DM zahlte, die der Verkäufer vereinbarungsgemäß für vom Kaufinteressenten gewünschte Umbauarbeiten aufwenden sollte. In der Folge verweigerte der Kaufinteressent aber selbst den Abschluss eines Vertrags zum vorgesehenen Preis von 215.000 DM mit der Begründung, dass gegen die Genehmigung zum Bau des Kaufobjekts wegen mehrerer Fenster in einer Grenzwand zu Nachbargrundstücken von deren Eigentümern Widerspruch eingelegt worden sei, wie er erst nach Unterzeichnung der privatschriftlichen Urkunde erfahren habe. Das Gericht, welches auf die Begründung des Kaufinteressenten für seine Verweigerung des Abschlusses nicht weiter eingeht, hielt einen Ersatzanspruch des Kaufinteressenten aus § 812 I S. 2 Alt. 2 BGB für begründet. Der Kaufinteressent habe die 15.000 DM als Vorausleistung auf den bei Abschluss eines formgerechten Vertrags geschuldeten Kaufpreis gezahlt, zum Abschluss eines notariell beurkundeten Kaufvertrags sei es aber nicht gekommen. Die privatschriftliche Vereinbarung der Verhandlungspart504

OLG Hamm, DNotZ 1992, 423, siehe oben unter D.II.7.f)bb).

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

ner könne auch nicht als mit dem Inhalt wirksam angesehen werden, dass der Kaufinteressent das Risiko tragen sollte, dass aufgrund seiner Weigerung ein notariell beurkundeter Kaufvertrag nicht abgeschlossen werde und sich damit die von ihm gewünschten Umbaumaßnahmen als nutzlos erweisen sollten; denn auch eine solche Vereinbarung wäre gem. § 313 BGB a. F. (bzw. § 311b I BGB n. F.) beurkundungsbedürftig gewesen. Dieser Argumentation des OLG ist bereits eingehend widersprochen worden.505 Während Vereinbarungen über Strafzahlungen im Falle des Abstandnehmens vom Vertragsschluss in der Tat formbedürftig sein können, sind Abreden über die Risikoverteilung hinsichtlich vorvertraglicher Investitionen stets formlos möglich. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, in welcher der Kaufinteressent dem Verkäufer „bestätigte“, dass er die Wohnung kaufen werde, kann also ohne weiteres so verstanden werden, dass er das Risiko tragen wolle, dass die Investition von 15.000 DM für die von ihm gewünschten Umbauarbeiten nutzlos wird, wenn er selbst doch noch vom Kaufvertrag Abstand nehme. Allerdings muss auch der vom Kaufinteressenten angegebene Grund für seine Weigerung des Vertragsabschlusses berücksichtigt werden. Aufgrund der für den Kaufinteressenten neuen Erkenntnis, dass – wie zwischen den Parteien unstreitig – Widersprüche gegen die Genehmigung zum Bau des Kaufobjekts vorlagen, könnte sich eine neuartige Verhandlungssituation ergeben haben. Leider finden sich in dem Urteil des OLG Hamm keine näheren Ausführungen zu diesem Aspekt. Sollte es sich aber um einen nicht ganz unbedeutenden, sondern um einen den Wert der Immobilie negativ beeinflussenden Umstand handeln, und dies scheint durchaus wahrscheinlich, so hätte sich in der Tat eine neuartige Verhandlungssituation und Eventualität ergeben, deren Eintrittsrisiko der Kaufinteressent nicht allein übernommen hat. Damit wäre dieser Beispielsfall indes in dem dritten beschriebenen Szenario einzuordnen, in dem eine flexible Verteilung der Investitionskosten in Betracht kommt.506 b) Nicht investierende Partei rückt von Verhandlungszusagen ab Das zweite Szenario, in dem die nicht investierende Partei von eigenen Verhandlungszusagen abweicht, stellt die „klassische“ Konstellation dar, in der eine Haftung aus dem Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund diskutiert wird. aa) Konsentierte Investitionen (1) „Bergmannkappen“-Fall In dem oben geschilderten Fall507 hatte die Beklagte durch einen Mitarbeiter bei der Klägerin telefonisch 20.000 Stück neu entwickelter Bergmannskappen 505 506 507

Siehe oben unter D.II.7.f)bb). Siehe hierzu unten unter D.II.8.c). BGH MDR 1954, 346 = LM Nr. 3 zu § 276 (Fa) BGB, siehe oben unter B.II.1.a).

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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bestellt, obwohl Bestellungen nach den Einkaufsbedingungen der Beklagten der Schriftform bedurften. In dem Telefonat wurde der Klägerin der baldige schriftliche Auftrag zugesagt; die Beklagte meinte, die telefonische Vorankündigung sei aufgrund der Dringlichkeit geboten, da die Herstellung der Formen längere Zeit in Anspruch nehme. Daraufhin tätigte die Klägerin eine vertragsbezogene, transaktionsspezifische Investition, indem sie bei einer Zulieferfirma die erforderlichen Stahleinlagen bestellte. Ein wirksamer Vertragsschluss kam in der Folge nicht zustande. Der BGH hatte einen Schadensersatzanspruch der Klägerin bejaht und auf ein schuldhaftes Erwecken unzutreffender Abschlusserwartungen gestützt. Er hatte indes gar nicht geprüft, ob überhaupt im Moment des Telefonats die geäußerte Absicht, einen Vertrag schließen zu wollen, nicht mit der inneren Abschlussbereitschaft korrespondierte – nur dann wäre das Verhalten der Beklagten pflichtwidrig gewesen. Es erscheint indes recht wahrscheinlich, dass ein solches Auseinanderklaffen zwischen geäußerter und tatsächlicher Abschlussbereitschaft entweder gar nicht vorlag oder zumindest nicht nachweisbar war. Eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung lässt sich in diesem Fall hingegen leicht begründen. Die Beklagte hatte die Entwicklung der Kappen mit den neuartigen Stahleinlagen durch die Klägerin begleitet und befürwortet. Sie wusste, dass die Stahleinlagen von einem dritten Zulieferer erst speziell gefertigt werden mussten, und drängte die Klägerin geradezu, diese vorvertragliche Investition vorzunehmen. Das Einvernehmen hinsichtlich der Tätigung der vorvertraglichen Investition durch die Klägerin lag somit unzweifelhaft vor. Der Beklagten war bewusst, dass die Klägerin diese vertragsspezifische Investition im Hinblick auf den zugesicherten schriftlichen Auftrag machte. In dem Verhalten der Beklagten ist also die Übernahme des Risikos, dass sie entgegen ihrer Zusicherung vom geplanten Vertragsschluss Abstand nimmt, zu sehen. Genau dieses Risiko hat sich in der Folge realisiert, so dass die Beklagte diejenigen Aufwendungen der Klägerin zu tragen hat, die dieser durch die vorzeitige Ausführung des Auftrags entstanden sind, insbesondere die Verbindlichkeit gegenüber dem Zulieferer der Stahlkappen. (2) „Traditionsgaststätte“-Fall Ähnlich eindeutig ist der Fall in der Entscheidung vom 19.4.1967, in der die beklagte Brauerei als Inhaberin einer Traditionsgaststätte einen Pächter suchte.508 Die Brauerei wählte nach reiflichen Überlegungen den – späteren – Kläger aus, stellte diesen der Belegschaft als neuen Pächter vor und schickte ihm einen unterschriftsreifen Pachtvertrag zu, der auf eine Dauer von 4,5 Jahren ausgelegt war. In dem Anschreiben gratulierte die Brauerei dem neuen Pächter, dass die Wahl auf ihn gefallen sei, und bat, den Vertrag zurückzusenden; man werde ihm 508

BGH WM 1967, 798.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

dann ein Exemplar mit Unterschrift der Beklagten für seine Akten zugehen lassen. Wenige Tage vor der geplanten Wiedereröffnung der Gaststätte übergab der Kläger dem persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten, mit dem die Verhandlungen geführt worden waren, die zwei unterschriebenen Vertragsexemplare, die dieser an sich nahm, aber nicht sogleich auch unterschrieb, weil er den Vertrag nochmals mit den anderen Gesellschaftern durchsprechen wollte; er bejahte aber die Frage des neuen Pächters, ob er nun seine geplanten Anschaffungen machen könne. Daraufhin kaufte der neue Pächter – in Gegenwart und mit Billigung des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten – dem alten Pächter dessen Klein-Inventar für 15.000 DM ab. Außerdem bestellte er neues Inventar sowie Spirituosen für fast 50.000 DM. Zwei Tage vor der geplanten Wiedereröffnung, entschloss sich der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten jedoch, die Gaststätte nicht an den Kläger zu verpachten. Man habe feststellen müssen, dass der Kläger „den wahren Geist unseres Hauses nicht erfasst“ habe und die Gaststätte nicht im traditionellen Stil fortführen wolle. Der BGH gewährte dem Kläger Ersatz für seine nutzlos gewordenen Aufwendungen. Die Beklagte habe den Vertragsschluss als sicher hingestellt und keinen ausreichenden Grund für einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen gehabt. Vielmehr habe man von ihr verlangen können, erst noch einmal den Versuch zu machen, den Kläger von seinem Vorhaben abzubringen, die Gaststätte in einem moderneren und gehobeneren Stil zu führen. Erst wenn diese Aussprache misslungen oder dabei das Vertrauen der Beklagten in etwaige Zusagen des Klägers ernsthaft erschüttert worden wäre, hätte sie sich, ohne ersatzpflichtig zu werden (!), von ihren vorangegangenen Erklärungen lösen können. Erneut ist dem BGH nur im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zuzustimmen. Der Fall exemplifiziert auf anschauliche Weise, in welche Begründungsnot man gerät, wenn man die Triftigkeit oder Sinnhaftigkeit eines Abbruchsgrunds beurteilen möchte. Man muss in der Konsequenz – da ein wirksamer Vertrag zweifelsfrei noch nicht vorliegt – eine Verhandlungspflicht statuieren. Und wie will man beurteilen, ob diese ernsthaft wahrgenommen wird und die geforderte Aussprache dann „wirklich“ misslungen ist? Dieses Problem ergibt sich innerhalb der hier vertretenen Ausgleichshaftung nicht. Es ist irrelevant, wie (wenig) triftig oder überzeugend ein Abbruchsgrund sein mag. Im vorliegenden Fall klingen die angeführten Gründe, warum der Kläger doch nicht der geeignete Pächter sei, zwar in der Tat hanebüchen;509 dies 509 Der Inhalt des Briefes, in dem die Beklagte dem Kläger ihren Sinneswandel mitteilt und diesen begründet, ist sehr amüsant. Der Kläger habe offenkundig den „wahren Geist“ des Hauses nicht erfasst. Sonst hätte er nicht den Vorschlag machen können, in dem alten, mit der Tradition der Stadt seit über dreihundert Jahren verbundenen Brauhaus Kellner im Frack bedienen zu lassen und damit den ganzen Nimbus zu zerstören. Ebensowenig habe er auf die Idee kommen können, eine Weinkarte aufzulegen, mit der Begründung, dass in jedem guten Hause eine gute Flasche Wein und eine gute Flasche

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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kann aber nur als bestätigendes Indiz dafür gewertet werden, dass die Beklagte von ihrer negativen Abschlussfreiheit Gebrauch gemacht hat, ohne dass eine neue und stark veränderte Verhandlungssituation eingetreten wäre. Solange aber keine vertragliche Bindung vorliegt, können beide Parteien es sich anders überlegen und in Ausübung ihrer negativen Abschlussfreiheit von einem Vertragsschluss absehen. Dies bedeutet aber eben noch nicht, dass sie sich nicht an den einvernehmlich getätigten vorvertraglichen Investitionen beteiligen bzw. diese ganz tragen müssen. Die Beklagte hatte sich vorbehaltlos auf den Kläger als neuen Pächter festgelegt und diesem einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt. Wenige Tage vor der Wiedereröffnung – und das ist der entscheidende Punkt – billigte sie die Vornahme vorvertraglicher Investitionen durch den Kläger. Damit übernahm sie das Risiko, dass sie sich kurzfristig doch noch gegen den Kläger als neuen Pächter entscheiden würde.510 (3) „Druckerei“-Fall Ein weiteres geeignetes Beispiel stellt die bereits ausführlich dargestellte und kritisierte Entscheidung des BGH vom 29.3.1996 dar.511 Der Kläger war Mieter von Räumen im Haus des Beklagten und betrieb in diesen eine Druckerei. Als der Beklagte plante, das Gebäude zur besseren wirtschaftlichen Nutzung umzubauen und in Teileigentum aufzuteilen, kam es im Frühjahr 1991 zwischen den Parteien zu Verhandlungen über den Verkauf der vom Kläger genutzten und weiterer Räume. In deren Verlauf stellte der Beklagte den Abschluss eines Kaufvertrags zum Preis von 750.000 DM als sicher hin. Dies gab dem Kläger Anlass, in besagten Räumen von Ende April 1991 bis Februar 1992 Umbaumaßnahmen durchzuführen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte mit diesen Umbauarbeiten des Klägers einverstanden gewesen und hatte ihm die über die gemieteten Räume hinaus nach dem beabsichtigten Verkauf geschuldeten Räume zum Ausbau überlassen. Der Verkauf scheiterte jedoch schließlich daran, dass der Beklagte hierzu nur noch zu einem Preis von 1 Mio. DM bereit war. Der BGH lehnte einen vollumfänglichen Ersatz der Kosten der Baumaßnahmen mit der Begründung ab, dass ein Ersatz des Vertrauensschadens einen indirekten Zwang zum Vertragsschluss bedeuten würde, was dem Zweck der Formvorschrift des § 311b I BGB zuwider laufe. Insofern löse ein VerhandlungsabSekt zu haben sein müsse; das sei in vergangener Zeit nicht gewesen und werde auch in Zukunft nicht sein. Ferner würden getrüffelte Gänseleber, Kaviar, Hummer und Weinbergschnecken auf der Speisekarte geradezu eine Faust auf dem Auge bedeuten, womit sich der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten zur lächerlichen Figur der Altstadt machen ließe. 510 Auch Grunewald, JZ 1984, 708, 710, und Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn 133, bejahen hier eine Risikoübernahme – wobei sie aber (wohl) von einem diesbezüglichen konkludenten Vertrag ausgehen. 511 BGH NJW 1996, 1884, siehe hierzu auch oben unter B.II.2.a)cc)(2).

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

bruch im Vorfeld eines gem. § 311b I BGB formbedürftigen Vertrags auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt. Allerdings sei eine Ausnahme davon zu machen, wenn sich das Verhalten des in Anspruch Genommenen als besonders schwerwiegender Treuverstoß darstellt, was etwa der Fall sei bei einer vorsätzlichen Treupflichtverletzung, wie sie im Vorspiegeln einer tatsächlich nicht oder nicht mehr vorhandenen Abschlussbereitschaft liegt. Wenn also der Beklagte schon früher, als er dies dem Kläger mitgeteilt hat, davon wußte, dass er statt 750.000 DM als Kaufpreis 1 Mio. DM verlangen will, dann hätte er nach Ansicht des BGH eine Aufklärungspflicht verletzt und wäre aus c.i.c. zum Schadensersatz verpflichtet. Diese Ansicht des BGH ist bereits kritisiert worden.512 Das Argument, dass der Formzweck des § 311b I BGB einem Schadensersatzanspruch entgegenstünde, ist als nicht stichhaltig enttarnt worden. Und so richtig es ist, die Täuschung über die eigene Abschlussbereitschaft als pflichtwidriges Verhalten anzusehen, so schwierig ist ein solches Vorspiegeln einer tatsächlich nicht oder nicht mehr vorhandenen Abschlussbereitschaft nachzuweisen. Hinzu kommt, dass dem Geschädigten wenig bzw. gar nicht geholfen ist, wenn der Zeitpunkt des Verlusts der Abschlussbereitschaft (oder besser: der früheste Zeitpunkt, ab dem der Verlust der Abschlussbereitschaft zu den zugesagten Konditionen nachweisbar ist) später als der Zeitpunkt der Vornahme der nutzlosen Aufwendung liegt. Denn dann scheitert ein Schadensersatzanspruch an der mangelnden Kausalität der Pflichtverletzung für den Eintritt des Schadens. Eine Ausgleichshaftung nach hier vorgeschlagener Konzeption wäre demgegenüber im vorliegenden Fall ohne weiteres möglich. Der Formzweck des § 311b I BGB hindert die Parteien weder daran, ihre negative Abschlussfreiheit durch die Vornahme vorvertraglicher Investitionen faktisch einzuschränken noch darüber eine Vereinbarung zu treffen. Die Parteien hatten in den Verhandlungen einen Preis von 750.000 DM vereinbart. Der Beklagte hat mit der Billigung der Vornahme der kostenintensiven Umbauarbeiten durch den Kläger das Preisrisiko übernommen, also das Risiko, dass sich (Markt-)Entwicklungen ergeben, die ihn zu einer Anhebung seiner Preisforderung animieren bzw. drängen. Der Beklagte brachte im vorliegenden Fall vor, dass sich gezeigt habe, dass die von ihm mit 1,5 Mio. DM kalkulierten Kosten seines Um- und Ausbauverhaltens nicht hinreichen, sondern tatsächlich etwa 3 Mio. DM betragen würden, so dass er seine anfängliche Kalkulation nicht habe einhalten können. Just dieses Risiko, unvorteilhaft kalkuliert zu haben, hat er jedoch mit seiner Zusage eines Fixpreises und (das ist wiederum entscheidend!) der Billigung der Vornahme transaktionsspezifischer Investitionen der Gegenseite vor diesem Verhandlungshintergrund übernommen. Das Hinausschieben des Beurkundungstermins des Verkaufs, dies sei noch angemerkt, war nach dem Vorbringen des Klägers übrigens auf Wunsch des 512

Siehe oben unter B.II.2.a)cc)(3).

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Beklagten erfolgt, der Steuernachteile fürchtete. Bejaht man eine solche verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung ist auch die Gefahr opportunistischen Verhaltens, das zwar auch pflichtwidrig wäre und Grundlage eines Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. sein könnte, regelmäßig aber kaum nachzuweisen ist, erheblich gemildert. bb) Nicht konsentierte Investitionen (1) Schweigen auf Ankündigung von Investitionsvornahme ist kein Einverständnis Einen anschaulichen Kontrapunkt zu den soeben genannten Beispielen stellt die Entscheidung des BGH vom 8.10.1982 dar.513 Die Parteien hatten sich – am 7.9.1979 – mündlich über einen Grundstückskaufvertrag zu einem bestimmten Preis geeinigt. Am 10.9.1979 bestätigte die Kaufinteressentin diese Vereinbarung in einem Schreiben an die Verkäuferin und kündigte zugleich an, dass sie ab sofort die Planungsarbeiten in Angriff nehmen werde, die mit erheblichem Aufwand verbunden seien. In einem Antwortschreiben vom 13.9.1979 bestätigte auch die Verkäuferin die getroffene mündliche Vereinbarung. Mit Schreiben ihrer Rechtsberater vom 19.9.1979 ließ die Verkäuferin indes ausführen, dass wegen der noch fehlenden Beurkundung bisher keine Bindung eingetreten sei und alle Aufwendungen der Kaufinteressentin ihr eigenes Risiko seien. In der Folge scheiterten die Verhandlungen, da die Verkäuferin das bessere Angebot eines Dritten annahm; die Kaufinteressentin begehrte Ersatz der Aufwendungen, die sie in der Erwartung gemacht hatte, der Kaufvertrag werde zustande kommen. Das Berufungsgericht hatte einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen dem Grunde nach für gegeben angesehen, und die Aufwendungen für ersatzfähig angesehen, die die Kaufinteressentin im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages gemacht habe. Eine solche Vertrauenslage habe in der Zeit zwischen dem 7.9.1979 und dem 20.9.1979 bestanden, also zwischen der mündlichen Vereinbarung und dem Zugang des zweiten Schreibens der Verkäuferin. Der BGH hingegen lehnte eine Haftung aus c.i.c. mit dem Argument ab, dass die Formvorschrift des § 311b I BGB wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstands jede Bindung des Verhandlungspartners ohne Einhaltung der Form verhindern wolle. Die Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens könne aber einen indirekten Zwang zur Erfüllung des Grundstücksgeschäfts ausüben. Es ist bereits dargetan worden, dass das vom BGH ins Feld geführte Argument nicht stichhaltig ist.514 Eine Bindung und faktische Einschränkung der negativen Abschlussfreiheit entsteht im Moment und infolge der Vornahme jeglicher trans513 514

BGH WM 1982, 1436; siehe hierzu auch oben unter B.II.2.a)cc)(1). Siehe oben unter D.II.7.f)bb).

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aktionsspezifischer vorvertraglicher Investitionen automatisch. Die Frage ist dann nur, wie das Risiko, dass diese Aufwendungen durch das Scheitern der Verhandlungen nutzlos werden, zu verteilen ist. Bei dieser Frage spielt es keine Rolle, ob die Investition im Hinblick auf einen formbedürftigen Vertragsschluss getätigt worden ist. Im Ergebnis ist dem BGH indes zuzustimmen, eine Ausgleichshaftung ist in dieser Konstellation nicht gerechtfertigt. Dies aber deshalb, weil zu keinem Zeitpunkt ein Einvernehmen bezüglich der Vornahme vorvertraglicher Investitionen zwischen den Parteien bestand. Allein die Ankündigung der Kaufinteressentin, die mit erheblichen Kosten verbundenen Planungsarbeiten beginnen zu wollen, und die Kenntnis der Verkäuferin hiervon genügen nicht. Auch das anfängliche Schweigen der Verkäuferin auf die Ankündigung der Kaufinteressentin hat keinen Erklärungswert, dem man eine Risiko(mit)übernahme zumessen könnte. Das klarstellende Schreiben der Verkäuferin, das darauf hinweist, dass alle vorvertraglichen Investitionen auf das Risiko der Kaufinteressentin gingen, wäre also zur Vermeidung einer Haftung gar nicht notwendig gewesen. Andernfalls wäre es derjenigen Partei, die im Vertrauen auf Verhandlungsaussagen der Gegenseite Investitionen vornimmt, möglich, die Gegenseite ohne deren Zutun faktisch zu binden (lock-in-Effekt). Dies liefe in der Tat auch der vom Formerfordernis betonten negativen Abschlussfreiheit zuwider. Hierin ist auch der Unterschied zu Haftungsmodellen zu sehen, die von einer reinen Vertrauenshaftung ausgehen und ihren Blick in erster Linie auf die vertrauende Partei und deren Schutzwürdigkeit richten. (2) „Zeitschriften“-Fall Ein weiteres gutes Beispiel für Verhandlungen, in deren Verlauf eine Partei vorvertragliche Investitionen nicht in Kooperation und mit dem Einverständnis der Gegenseite, sondern allein in Erwartung bzw. im Vertrauen auf den Abschluss eines Vertrags tätigt, ist die BGH-Entscheidung vom 22.2.1989.515 In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien über die Übernahme zweier Zeitschriften, welche die Beklagte herausgab, verhandelt. Die Verhandlungen liefen erfolgversprechend und wurden immer weiter intensiviert. Die Beklagte stellte allerdings klar, dass sie nicht exklusiv mit der Klägerin verhandele.516 Obwohl 515

BGH ZIP 1989, 514 = NJW-RR 1989, 627. In dem „Angebot“, das die Beklagte nach den Vereinbarungen der Parteien der Klägerin machen sollte, damit deren Muttergesellschaft eine grundsätzliche Entscheidung über die Transaktion fällen könnte, das aber nur den Stand der Verhandlungen wiedergeben sollte und von beiden Parteien gemeinsam ausgearbeitet wurde, strich die Beklagte aus dem von der Klägerin übersandten Formulierungsvorschlag („das voranstehende Angebot wird [der Klägerin] exclusiv gemacht“) das Wort „exclusiv“ und fügte stattdessen als Schlusssatz hinzu, dass sie die Klägerin rechtzeitig informieren wolle, wenn sich zwischenzeitlich für sie eine neue Situation ergeben sollte. 516

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die Parteien über die wichtigsten Punkte des geplanten Vertrags Einigkeit erzielen konnten, nahm die Beklagte schließlich vom Vertragsschluss Abstand. Die Klägerin verlangte Ersatz aller ihrer Aufwendungen, die sie im Vertrauen auf den Vertragsschluss gemacht hatte und die sich nun als nutzlos erwiesen. Der BGH stellt in seiner Entscheidung insbesondere auf Vertrauensgesichtspunkte ab und sieht als entscheidend an, ob und ab wann die Beklagte den Vertragsschluss als sicher hingestellt hat und einen festen Abschlusswillen hat erkennen lassen. Für den Großteil der geltend gemachten Aufwendungen, die zu einem Zeitpunkt getätigt wurden, in dem der Vertragsschluss noch nicht als sicher hingestellt worden war, sei ein Ersatzanspruch aus c.i.c. demnach ausgeschlossen. Lediglich in Bezug auf Kosten in Höhe von 2.000 DM (von eingeklagten Aufwendungen von über 105.000 DM), die als Gebühr für das von der Klägerin eingeleitete Anmeldeverfahren vor dem Bundeskartellamt anfielen, verwies der BGH die Sache zurück. Nach der hier vorgeschlagenen Haftungskonzeption ist hingegen weniger entscheidend, wie fest der Vertragsschluss zugesichert worden ist und wie weit die Einigung fortgeschritten war, da dies nicht nur schwierig bis unmöglich zu beurteilen und zu messen ist, sondern angesichts der fortbestehenden negativen Abschlussfreiheit auch nicht aussagekräftig ist. Viel relevanter ist, wie die Parteien sich zu den anfallenden Kosten verhalten haben. Hinsichtlich der eingeklagten Aufwendungen ist folgendes zu sagen. Der Großteil dieser Aufwendungen bestand aus verhandlungsbezogenen Investitionen, also solchen Aufwendungen, die sich direkt auf die Verhandlungen beziehen. Geltend gemacht wurden etwa Kosten für die wirtschaftliche Überprüfung der Beklagten, Vergütungen für einen Wirtschaftsprüfer und einen Rechtsanwalt für Beratungsleistungen und Mehrkosten für die Einstellung einer Sekretärin. Diese verhandlungsbezogenen Kosten sind regelmäßig nicht ersatzfähig, da sie zumeist weder einem gemeinsamen Plan der Verhandlungspartner entspringen noch im beiderseitigen Interesse stehen, sondern vielmehr der Verfolgung eigener Interessen in den Verhandlungen dienen, so dass eine diesbezügliche Risiko(mit)übernahme der Gegenseite meist ausscheidet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie im vorliegenden Sachverhalt – den Parteien bewusst ist, dass die Verhandlungen miteinander nicht exklusiv geführt werden. Demgegenüber stehen vertragsbezogene Kosten, also solche Kosten, die sich bereits auf den Abschluss des geplanten Vertrags beziehen. Im vorliegenden Fall machte die Klägerin rund 25.000 DM als Vergütung für ihren Rechtsanwalt für dessen Tätigkeit bei der Anmeldung des beabsichtigten Erwerbs beim Bundeskartellamt sowie besagte 2.000 DM als Gebühr für das Verfahren vor dem Bundeskartellamt geltend. In den Ausführungen des Gerichts finden sich leider keine definitiven Aussagen dazu, wie die Beklagte sich zur Einleitung des Anmeldeverfahrens beim Bundeskartellamt verhielt; das Gericht stellt wie gesagt darauf ab, ob der Vertrag zum Investitionszeitpunkt schon als sicher hingestellt worden war, was in Bezug auf die Kosten in Höhe von 25.000 DM verneint wurde und in Bezug auf die Kosten in Höhe von

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2.000 DM nicht entschieden werden konnte. Allerdings wird erwähnt, dass die Beklagte eine unter Beweis gestellte Behauptung vorgebracht habe (welcher das Berufungsgericht nicht nachgegangen ist), wonach die Beklagte darauf bestanden haben soll, dass das Anmeldeverfahren erst dann betrieben werden solle, wenn die Verträge zwischen den Parteien unterschrieben worden seien. Ein solches Verhalten der Beklagten wäre in Konformität mit ihrer Klarstellung, nicht exklusiv verhandeln zu wollen. Auch eine vorzeitige Anmeldung der geplanten Transaktion beim Bundeskartellamt ergäbe aus Sicht der Beklagten keinen Sinn. Unterstellt, dass die Behauptung zutrifft, wären also im vorliegenden Fall keine der geltend gemachten Kosten ersatzfähig. c) Verhandlungen scheitern an noch offenen Punkten oder dem Auftreten neuer Erkenntnisse Im dritten Szenario, schließlich, scheitern die Verhandlungen, ohne dass eine Partei dieses Risiko übernommen hätte bzw. ihr dieses aufgrund ihres Verhaltens während der Verhandlungen allein zuzuweisen wäre. Dies kann entweder daran liegen, dass die Parteien sich über noch offene Punkte im Verhandlungsprogramm nicht einigen können, oder aber daran, dass sich nach der – gegebenenfalls auch durch die – Vornahme von vorvertraglichen Investitionen eine neuartige Verhandlungssituation ergibt, deren Eintritt nicht in die alleinige Risikosphäre eines der Verhandlungspartner fällt. Die sich in diesem Szenario ergebenden Konstellationen sind natürlich sehr verschieden, und die Frage einer Ausgleichshaftung ist stark vom Einzelfall abhängig. Anhand der nachfolgenden Entscheidungen soll daher nur exemplarisch aufgezeigt werden, wie eine mögliche Ausgleichshaftung aussehen könnte. aa) Verhandlungsbezogene Investitionen Wie bereits geschildert, dienen verhandlungsbezogene Investitionen in der Regel ausschließlich oder ganz überwiegend dem eigennützigen Interesse dessen, der sie vornimmt. Dementsprechend wird das für einen Ersatzanspruch erforderliche Kriterium des Einverständnisses und der Billigung der nicht investierenden Partei hinsichtlich der Vornahme der verhandlungsbezogenen Investitionen, welches zugleich eigenes Interesse an der Tätigung der Investition ausdrückt, meist nicht vorliegen. Abgesehen von dem Fall des Abweichens von der Zusicherung exklusiver Verhandlungen, in dem ein voller Ersatz der verhandlungsbezogenen Investitionen gerechtfertigt sein kann,517 wird auch ein anteiliger Ersatz verhandlungsbezogener Investitionen daher nur im Ausnahmefall vorkommen. Zu denken ist etwa an verhandlungsbezogene Investitionen, die dem Verhandlungsfortschritt 517

Siehe oben unter D.II.7.d).

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beider Parteien gleichermaßen dienen, wie z. B. die Erstellung eines geologischen Bebaubarkeitsgutachtens in dem Fall, dass zwei Parteien über den Bau eines großen Anlageprojekts verhandeln. Es hängt stark vom Einzelfall und der Bewertung der Verhandlungssituation ab, vor deren Hintergrund die vorvertragliche Investition vorgenommen wurde, ob ein anteiliger Ersatz der verhandlungsbezogenen Investition in Betracht kommt. Die nachfolgend beschriebene Entscheidung eignet sich gut zur Illustration der Grenzziehung zwischen „Werbeausgaben“, also solchen verhandlungsbezogenen Investitionen, die eine Seite tätigt, um die Gegenseite von einem Vorhaben zu überzeugen und sie zu einem Vertragsschluss zu bewegen, und einvernehmlich getätigten Investitionen, die dem beiderseitigen Verhandlungsfortschritt dienen. Während bei ersteren ein Ersatzanspruch nicht in Betracht kommt, kann bei letzteren ein Abweichen vom Grundsatz des „casum sentit dominus“ geboten sein. In der Entscheidung des BGH vom 2.5.1956518 wollte der Kläger im „Kornhaus“, einem im Eigentum der beklagten Stadt R. stehendem historischen Gebäude, ein Kino einrichten und betreiben. Nachdem er dem Oberbürgermeister der Stadt diesen Vorschlag unterbreitet hatte, legte der Kläger auf Veranlassung des Oberbürgermeisters der Stadt am 30.5.1952 eine Schaubildskizze vor. Am 14.7.1952 kam ein Gemeinderatsbeschluss zustande, wonach die Stadtverwaltung mit den Interessenten Verhandlungen über die Finanzierung der Umgestaltung des Kornhauses und die Bedingungen zur Verpachtung desselben zur Einrichtung eines Lichtspieltheaters führen sollte. Der Kläger legte daraufhin bis zum 16.9. 1952 Baupläne über den beabsichtigten Umbau, einen Kostenvoranschlag, einen Kapitalnachweis, eine Rentabilitätsberechnung und den Entwurf eines Erbbauvertrags vor. Des Weiteren bat er die Beklagte um baldige Beratung über das Projekt unter Hinweis auf bereits ausgearbeitete Baupläne anderer Kinointeressenten. Am 26.9.1952 stimmte der Gemeinderat dem Projekt grundsätzlich zu, hielt aber eine Abänderung des vom Kläger eingereichten Vertragsentwurfs für erforderlich und wies die Stadtverwaltung an, die Verhandlungen beschleunigt zum Abschluss zu bringen. Am 10.11.1952 erging ein weiterer Beschluss des Gemeinderats, die Überlassung des Kornhauses zum Einbau eines Kinos solle aufgrund eines Mietvertrags für die Dauer von 30 Jahren erfolgen, die Stadt solle bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses als Entschädigung den tatsächlichen Einbauaufwand unter Abzug bestimmter Beträge für die bis dahin abgelaufene Vertragsdauer bezahlen und die Unterhaltung des Gebäudes solle den Mietern obliegen. In der Folge kam es zwischen dem Kläger und der beklagten Stadt zu weiteren Verhandlungen, und der Gemeinderat bildete am 5.12.1952 den sog. „Kornhausausschuss“ zur Prüfung der mit dem Projekt verbundenen Fragen. Während die Parteien über das Kornhaus-Projekt verhandelten, hatte ein Konkurrent des Klägers, der in der Stadt bereits ein Kino betrieb, im Oktober 1952 bei 518

BGH WM 1956, 863.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

der Stadt einen Antrag auf Genehmigung des Baus eines weiteren Kinos eingereicht. Im November 1952 begann er mit der Aushebung der Baugrube und erhielt am 27.1.1953 die gewünschte Baugenehmigung der Stadt. Am 12.12. 1952 fasste der Gemeinderat der beklagten Stadt den Beschluss, das Kornhaus doch nicht zum Einbau und Betrieb eines Lichtspieltheaters zu verwenden, und lehnte das Projekt des Klägers ab. Der Kläger verlangte Ersatz der ihm durch die Vertragsverhandlungen nach dem 14.7.1952 entstandenen Aufwendungen, insbesondere auch für Honorarforderungen seines Architekten. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Ein Ersatzanspruch wurde insbesondere deswegen abgelehnt, weil im Verhalten der beklagten Stadt kein Verschulden bei Vertragsverhandlungen liege. Dieser Aussage ist zwar uneingeschränkt zuzustimmen, es sind in der Tat keine Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der Stadt zu erkennen. Allerdings bedeutet dies eben nicht, dass eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung, die an einer interessengerechten Risikoverteilung orientiert ist, ausgeschlossen wäre. Bezeichnenderweise finden sich auch in den Ausführungen des BGH mehrere Passagen zur Risikotragung, die allerdings im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs aus c.i.c. deplatziert sind. Zudem kranken die Überlegungen des BGH daran, dass sie sich ausschließlich auf den möglichen Abschluss des Vertrags und die Frage, wie sicher dieser gewesen bzw. in Aussicht gestellt worden sei, beziehen. So teilt der BGH etwa die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Aufwendungen für die Pläne und Vorarbeiten zu dem Risiko gehörten, das der auf sich nehmen müsse, der einem anderen einen Vertragsabschluss vorschlage. So richtig diese Aussage im Grundsatz ist, im vorliegenden Zusammenhang greift sie zu kurz. Denn die Parteien sind aus der anfänglichen Phase des „Werbens“, in der sich eine Partei an die andere Seite mit der Idee eines möglichen Projekts wendet und diese überhaupt erst für Verhandlungen zu gewinnen versucht, herausgetreten und haben intensive Verhandlungen über die Realisierbarkeit des nunmehr von beiden Seiten grundsätzlich angestrebten Projekts geführt. Alle ergangenen Gemeinderatsbeschlüsse der beklagten Stadt waren auf das Ziel gerichtet und drückten das Interesse der Stadt aus, im Kornhaus ein Kino einzurichten. Das bedeutet zwar mitnichten, dass dem Kläger der erfolgreiche Abschluss des Vertrags mit Sicherheit in Aussicht gestellt worden war, aber darauf kommt es hier auch gar nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass beide Parteien – eben auch die beklagte Stadt – im Kornhaus ein Kino einrichten wollten und zielgerichtet verhandelten. Zu erfahren, ob und wie das Projekt realisierbar war, lag damit auch im Interesse der Stadt. Der BGH argumentiert hingegen, dass es zwar richtig sein möge, dass das Projekt beiden Teile Vorteile bringen und deswegen auch den Interessen beider Teile dienen sollte, aber doch erst, wenn die beklagte Stadt ihre Bedenken zurückstellen konnte und sich aufgrund der ihr vorzulegenden Pläne und sonstiger Vorarbeiten überzeugen konnte, dass der Abschluss eines Vertrags in ihrem Interesse

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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liege.519 Wenn aber beide Teile von vornherein an der Sache interessiert gewesen wären, hätte es nahe gelegen, dass beide Teile die Kosten der Vorarbeiten gemeinsam übernehmen sollten, was aber ausdrücklich hätte vereinbart werden müssen. Diese Argumentation, dass der Kläger die Beklagte erst habe überzeugen müssen – und die dafür notwendigen Aufwendungen tragen muss –, dass das Projekt auch in ihrem Interesse sei, und nur Ersatz der Aufwendungen verlangen kann, wenn eine Kostenvereinbarung abgeschlossen worden war, wird der von beiden Parteien geschaffenen Verhandlungssituation jedoch nicht gerecht. Im Gemeinderatsbeschluss vom 14.7.1952 wurde die Stadtverwaltung angewiesen, mit den Interessenten Verhandlungen über die Finanzierung der Umgestaltung des Kornhauses und die näheren Bedingungen einer Verpachtung des Kornhauses zur Einrichtung eines Kinos zu führen; und am 26.9.1952 stimmte der Gemeinderat dem Projekt grundsätzlich zu. Überzeugungsarbeit musste der Kläger also nicht leisten; beide Parteien wollten im Kornhaus ein Kino einrichten, wenn man sich denn in nähergehenden Verhandlungen einigen können würde. Entgegen der Ansicht des BGH war also bereits die Erstellung genauer Pläne und Machbarkeitsstudien im Interesse der Beklagten – zumindest potentiell. Damit rückt wieder die Frage in den Mittelpunkt, wie sich die Beklagte zu der Vornahme der Investitionen verhalten hat. Diesbezüglich sind die Angaben im mitgeteilten Sachverhalt bzw. in den Urteilsgründen leider sehr dürftig. Immerhin wird aber vermerkt, dass die Stadt den Kläger aufgefordert habe, genaue Pläne vorzulegen. Dies sei notwendig gewesen, um überhaupt weiter zu kommen – eine Aussage, die erneut unterstreicht, dass die Erstellung der Pläne auch im Interesse der Beklagten lag. Nach dem Gesagten ist also auch eine andere Sichtweise und Entscheidung als diejenige des BGH möglich. Beide Parteien verfolgten das Ziel, im Kornhaus ein Kino einzurichten, und versuchten in Verhandlungen herauszufinden, ob dieses Projekt so realisierbar ist, dass den Vorstellungen beider Parteien entsprochen wird. Dies ist ihren Aussagen im Verhandlungsprozess, auf Seiten der Beklagten insbesondere den Gemeinderatsbeschlüssen, zu entnehmen; weitergehende Zusagen in Bezug auf den Vertragsschluss hatten sie hingegen nicht gemacht. Um in den Verhandlungen „überhaupt weiter zu kommen“ (wie es der BGH formuliert), war die Ausarbeitung genauer Pläne erforderlich, und lag damit im Interesse beider Parteien. Unterstellt man nun (hier ist die Faktenlage, wie gesagt, etwas unklar), dass die Stadt sich bei der Aufforderung an den Kläger, genaue Pläne vorzulegen, bewusst war, dass dieser dadurch beträchtliche vorvertragliche Investitionen vornimmt und dies auch gebilligt hat, so liegt es nahe, darin eine Mitübernahme des Risikos zu sehen, dass die Verhandlungen in der Folge an den divergierenden Ansichten der Parteien scheitern werden. Der Einwand, dass eine solche Kostenbeteiligung ausdrücklich hätte vereinbart werden müssen, verfängt 519

BGH WM 1956, 863, 864.

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

nicht. Die hier vertretene Ausgleichshaftung basiert ja gerade auf der Überzeugung, dass eine Abweichung vom Grundsatz „casum sentit dominus“ möglich und gerechtfertigt ist, indem in der Aufforderung, genaue Baupläne vorzulegen, und der darin liegenden Billigung der Tätigung vorvertraglicher Investitionen durch die Gegenseite eine Mitübernahme des Risikos, dass die Verhandlungen in der Folge an noch offenen Punkten scheitern werden, gesehen wird. Von diesem Standpunkt aus wäre der mithaftenden Stadt also zu entgegnen, dass sie bei der Aufforderung, genaue Pläne zu erstellen und vorzulegen, klarstellen hätte müssen, dass eine Kostenbeteiligung nicht in Betracht kommen soll. bb) Vertragsbezogene Investitionen Vertragsbezogene Investitionen werden üblicherweise nur dann vorgenommen, wenn ein Vertrag im wesentlichen ausgehandelt ist und die nicht selbst investierende Partei weitgehende Zusagen hinsichtlich des Vertragsschlusses macht. Nur dann besteht für die investierende Partei eine sinnvolle Kalkulationsgrundlage. Insofern wird bei vertragsbezogenen Investitionen vergleichsweise selten das dritte Szenario des Scheiterns der Verhandlungen eintreten; insbesondere ist unwahrscheinlich, dass vertragsbezogene Investitionen getätigt werden, wenn noch offene Punkte bestehen, an denen die Verhandlungen in der Folge scheitern können. Allerdings ist es denkbar, dass eine neuartige Verhandlungssituation aufgrund neuer Erkenntnisse auftritt, ohne dass eine der Parteien hierfür das Risiko übernommen hätte bzw. ihr dieses allein zuzurechnen wäre. Zur Illustration des Auftretens einer neuartigen Verhandlungssituation kann der bereits eingehend behandelte Fall des OLG Hamm dienen, in dem sich zwei Parteien in einer privatschriftlichen Urkunde gegenseitig ihre Kauf- bzw. Verkaufsabsicht hinsichtlich einer Eigentumswohnung versichert hatten.520 Der Kaufinteressent wünschte Veränderungen an der Wohnung und der Verkäufer sagte zu, mit diesen Umbauarbeiten sofort, also vor einem wirksamen Vertragsschluss, zu beginnen. Für die von ihm gewünschten Umbauarbeiten zahlte der Kaufinteressent bereits vor Vertragsschluss 15.000 DM an den Verkäufer; diese Zahlung sollte dann später auf den vorgesehenen Kaufpreis von 215.000 DM angerechnet werden. Allerdings verweigerte der Kaufinteressent in der Folge den Abschluss eines Kaufvertrags mit der Begründung, dass – wie zwischen den Parteien unstreitig war – gegen die Genehmigung zum Bau des Kaufobjekts wegen mehrerer Fenster in einer Grenzwand zu Nachbargrundstücken von deren Eigentümern Widerspruch eingelegt worden sei; dies hatte der Kaufinteressent erst nach Unterzeichnung der privatschriftlichen Urkunde und der damit verbundenen Zahlung von 15.000 DM erfahren. Das OLG Hamm hatte einen Ersatzanspruch des Kaufinteressenten bejaht und diesen (allein) auf eine ungerechtfertigte Be520

OLG Hamm DNotZ, 1992, 423; siehe oben unter D.II.7.f)bb).

II. Verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung

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reicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB gestützt. Der mit der Leistung bezweckte Erfolg, nämlich die Voraustilgung einer Schuld aus einem späteren Vertrag, sei nicht eingetreten. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Parteien selbst mit der Möglichkeit rechneten, dass der Kaufinteressent noch vom Vertragsschluss Abstand nehmen könnte, und dementsprechend eine teilweise Übernahme des Risikos, dass sich die vorvertragliche Investition als nutzlos herausstellen könnte, vereinbaren wollten. Das OLG sieht auch eine Risikovereinbarung als formbedürftig an und untersuchte die Frage, wie die vom Kaufinteressenten gegebene Begründung für seine Weigerung des Abschlusses eines Vertrags angesichts der Risikoverteilung zu bewerten ist, gar nicht mehr. Dass die Ansicht des OLG, dass auch Vereinbarungen über die Risikoverteilung hinsichtlich vorvertraglicher Investitionen formbedürftig seien, nicht überzeugen kann, ist bereits dargelegt worden.521 Nach der hier vertretenen Konzeption stellt sich die Situation hingegen folgendermaßen dar. Die 15.000 DM sollten und wurden für eine vorvertragliche Investition, nämlich den vom Kaufinteressenten gewünschten Umbau der Eigentumswohnung verwendet. Weicht der Kaufinteressent von seiner Zusicherung, die Wohnung zu kaufen, ab und nimmt vom Vertragsschluss Abstand, so ist zunächst einmal davon auszugehen, dass sich das von ihm übernommene Risiko realisiert und er den in der Nutzlosigkeit der Aufwendungen liegenden Schaden zu tragen hat. Allerdings könnte die von ihm gegebene Begründung für den Abbruch der Verhandlungen eine andere Bewertung rechtfertigen. Gegen die Baugenehmigung war von den Eigentümern der Nachbargrundstücke Widerspruch eingelegt worden, ein Sachverhalt, der dem Kaufinteressenten bei Vornahme der vorvertraglichen Investition nicht bekannt war. Diese für ihn neue Erkenntnis könnte folglich zu einer neuartigen Verhandlungssituation führen. Bedauerlicherweise sind dem Urteil keine näheren Angaben zur Bedeutung dieses bestehenden Widerspruchs zu entnehmen. Es könnte sich aber durchaus um eine wertmindernde Tatsache handeln, hinsichtlich welcher den Verkäufer vielleicht sogar eine Aufklärungspflicht traf (welche er aber noch nicht verletzt gehabt hätte, da sich die Parteien ja noch im vorvertraglichen Stadium befanden). Wenn sich also eine neuartige Verhandlungssituation ergibt, deren Eintrittsrisiko keine der Parteien übernommen hat bzw. welches keiner der Parteien allein zuzurechnen ist, und die Verhandlungen in der Folge an den neuen Erkenntnissen scheitern, so bietet sich im Grundsatz eine hälftige Teilung der einvernehmlich getätigten vorvertraglichen Investition an. Zu bedenken ist allerdings, dass die wertmindernde Tatsache (so sie denn eine ist) aus der Sphäre des Verkäufers stammt, da sie dem Kaufobjekt gleichsam anhaftet. Insofern ist es gerechtfertigt, den hälftigen Anteil an den Umbaukosten, den der Kaufinteressent selbst zu tragen hätte, also die 7.500 DM um den Betrag der Wertminderung des Objekts zu kürzen, bzw. den Anteil des 521

Siehe oben unter D.II.7.f)bb).

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D. Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

Verkäufers um ebenjenen Minderungsbetrag zu erhöhen. Unterstellt man z. B. eine Wertminderung von 5.000 DM der Wohnung infolge des eingelegten Widerspruchs, so hätte der Kaufinteressent nur 2.500 DM der für die Umbaumaßnahmen aufgewendeten 15.000 DM selbst zu tragen, in Höhe von 12.500 DM stünde ihm ein Ersatzanspruch gegen den Verkäufer zu.

E. Zusammenfassung I. Übersicht Die Untersuchung beschäftigt sich mit der Problematik der Frustrierung vorvertraglicher Investitionen bei einem Scheitern von Vertragsverhandlungen. Sie hat gezeigt, dass die Frage, unter welchen Umständen die nicht selbst investierende Partei von ihrem investierenden Verhandlungspartner zur (Mit-)Haftung gezogen werden kann, nicht zufriedenstellend gelöst ist. Zwar ist nicht am Grundsatz zu rütteln, dass jeder das Risiko selbst zu tragen hat, dass sich eigene Investitionen, die in der Erwartung eines erfolgreichen Vertragsabschlusses getätigt wurden, bei einem Scheitern der Verhandlungen als nutzlos herausstellen. Ebensowenig ist zu bezweifeln, dass sich die Parteien gegen dieses Risiko durch den Abschluss einer Kostenvereinbarung mit der Gegenseite schützen können. Aber es treten immer wieder Situationen auf, in denen eine Haftung gerechtfertigt erscheint. Die Rechtsprechung versucht diese Problematik im Rahmen des Instituts der culpa in contrahendo zu lösen. Um eine Haftung aus c.i.c. begründen zu können, ist allerdings Voraussetzung, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt bzw. konstruiert werden kann. Die Konstruktion einer solchen Pflichtverletzung gelingt der Rechtsprechung jedoch nicht in allen Fällen. Insbesondere ihr Haftungstatbestand des „Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund“ kann nicht überzeugen; er stößt auf unüberwindbare technische und dogmatische Hindernisse. Zentrales Anliegen der Arbeit ist daher die Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts. Eine Haftung aus c.i.c. sollte auf Fälle beschränkt werden, in denen die eine Partei bei der Gegenseite eine unzutreffende Vorstellung über die Wahrscheinlichkeit des Vertragsschlusses hervorruft oder aufrecht erhält. Daneben sollte aber eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung anerkannt werden. Dazu bedarf es einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung. Die Rechtfertigung einer solchen Haftung, der Haftungsgrund, ist dabei weniger das Vertrauen der investierenden Partei in den Vertragsschluss, sondern vielmehr das koordinierte Verhandlungsverhalten beider Parteien in Bezug auf die infrage stehende Investition. Hat die nicht investierende Partei der vorvertraglichen Investition der Gegenseite zugestimmt, die Vornahme derselben also nicht nur gekannt, sondern ihrerseits unterstützt, so kann daraus ein eigenes Interesse der nicht selbst investierenden Partei an der Investition gefolgert werden. Um eine interessengerechte Verteilung zu gewährleisten, ist das Verhandlungsverhalten der Parteien in den Blick zu nehmen, um eruieren zu können, wer das Risiko zu tragen

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E. Zusammenfassung

hat, dass sich die Verhandlungen nicht wie von den Parteien erwartet entwickeln und die Investition infolgedessen nutzlos wird. Als Anknüpfungspunkte im Gesetz bieten sich für eine derartige Haftung sowohl ein Rückgriff auf die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der §§ 722, 735 BGB als auch insbesondere eine Anknüpfung an den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB an. Eine Haftung kommt demnach regelmäßig dann in Betracht, wenn die Investition vor dem Hintergrund einer Verhandlungszusage der nicht selbst investierenden Partei und mit deren Zustimmung getätigt wurde, und die Partei in der Folge von dieser Verhandlungszusage abrückt. Der Partei ist zwar kein Verhaltensvorwurf zu machen, das Abrücken von nicht bindenden Zusagen ist gerade nicht pflichtwidrig; die auferlegte Haftung ergibt sich aber aus der Übernahme bzw. Zuschreibung des Risikos, das sich im Abrücken von der Zusage realisiert. Abschließend demonstriert die Arbeit das vorgestellte Haftungskonzept anhand von Beispielsfällen.

II. Zur Behandlung der Problematik im Rahmen der c.i.c. 1. Zum Wesen der c.i.c. und zum vorvertraglichen Pflichtenprogramm a) Die Haftung aus culpa in contrahendo ist verschuldensabhängig ausgestaltet. Das ergibt sich bereits aus der Bezeichnung des Instituts und mittlerweile auch aus dem Gesetz. Sie beruht auf einem Verhaltensvorwurf; der Haftende muss eine sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebende Pflicht verletzt haben. b) Das vorvertragliche Pflichtenprogramm ist in § 241 II BGB nicht näher spezifiziert. Die Rechtsprechung hat diese Pflichten bislang einzelfallbezogen entwickelt und soll dies nach Vorstellung des Gesetzgebers auch weiterhin tun. Diese „haftungsgetriebene“ Entwicklung der Pflichten bedeutet, dass die praktische Relevanz vorvertraglicher Pflichten in erster Linie in ihrer Verletzung liegt. Der Gläubiger der Pflicht wird eine Verletzung typischerweise erst retrospektiv feststellen können bzw. eine Pflichtverletzung erst anlässlich eines Schadenseintritts behaupten. Allerdings sind vorvertragliche Pflichten auch als solche einklagbar, wenn sich das begehrte Verhalten hinreichend konkretisieren lässt und ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. c) Über die Terminologie und Systematisierung der in § 241 II BGB genannten Pflichten herrscht große Uneinigkeit. Im vertraglichen Stadium hat sich eine Unterscheidung zwischen Leistungspflichten und Schutzpflichten bewährt; erstere dienen dazu, das Leistungsinteresse zu erreichen und zu fördern, letztere dienen dem Schutz der übrigen Rechtsgüter der Gegenseite. Auch wenn das Leistungsinteresse erst durch den Vertragsschluss konkrete Gestalt annimmt, kann die Unterscheidung zwischen Leistungspflichten und Schutzpflichten leicht modifiziert auch für den vorvertraglichen Bereich fruchtbar gemacht werden. Denn in der Verhandlungsphase versuchen die Parteien zu erkennen, ob ein Vertrags-

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schluss im beiderseitigen Interesse und somit möglich ist. Es finden sich also bereits im vorvertraglichen Bereich Parteiinteressen, die auf das Transaktionsinteresse und den status ad quem gerichtet sind. Demgegenüber stehen auf den Schutz der Integrität und den Erhalt des status quo gerichtete Interessen der Parteien; die besondere Schutzbedürftigkeit letztgenannter Interessen ergibt sich aus der Überlegung, dass die Parteien einander während der Verhandlungsphase und der Vertragsdurchführung ihre Rechtskreise öffnen. Aus diesen Erwägungen wird folgende systematische Einteilung und Terminologie hinsichtlich der Pflichten gem. § 241 II BGB vorgeschlagen. Die Gesamtheit der in § 241 II genannten Pflichten sollte in Anlehnung an den Wortlaut des § 241 II BGB mit „Rücksichtnahmepflichten“ bezeichnet werden. Die Rücksichtnahmepflichten sollten dann danach unterteilt werden, ob sie am status quo oder am status ad quem orientiert sind. Solche Pflichten, die dem Erhalt des status quo und somit dem Schutz des Integritätsinteresses dienen, sollten „Schutzpflichten“ genannt werden. Sie sind unberührt von einem Vertragsschluss und beruhen auf einem einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnis. Solche Pflichten, die der Erreichung und Förderung des status ad quem und somit dem Transaktionsinteresse dienen, sollten „Verhandlungspflichten“ genannt werden. Sie bestehen nur im vorvertraglichen Bereich und haben die Art und Weise der Verhandlungsführung im Blick. Sie sollen sicherstellen, dass die Verhandlungen ihren Zweck erfüllen, nämlich den Parteien die Erkenntnis zu ermöglichen, ob ein interessengerechter Vertragsschluss möglich und realisierbar ist. 2. Zur Analyse der Rechtsprechung a) Die Rechtsprechung betrachtet den Abbruch von Verhandlungen als eigene Fallgruppe innerhalb des Instituts der culpa in contrahendo. Ursprünglich stützte sie eine Haftung nur auf die schuldhafte Erweckung eines ungerechtfertigten Vertrauens in den sicheren Vertragsschluss. Die Pflichtverletzung ist dabei darin zu sehen, dass eine Seite die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Vertragsabschlusses als zu hoch angibt, typischerweise indem sie ihre Abschlussbereitschaft als sicher hinstellt, während sie in Wahrheit noch Vorbehalte hat. Die Rechtsprechung sieht hierin eine Aufklärungspflichtverletzung. Eine Partei darf ihre eigene Abschlussbereitschaft also nicht größer darstellen als sie tatsächlich ist. Ein solches Auseinanderklaffen zwischen geäußerter und innerer Abschlussbereitschaft ist im Prozess indes schwierig feststellbar. Es besteht die Gefahr, dass einfach vorausgesetzt wird, was eigentlich geprüft bzw. bewiesen werden müsste. b) Im Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung indes einen weiteren Haftungstatbestand entwickelt. Nach der heute häufig verwendeten Standardformel soll eine Schadensersatzpflicht auch dann bestehen, wenn ein Verhandlungspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, sodann aber die Vertragsver-

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handlungen ohne triftigen Grund abbricht. Allerdings ist im Umgang mit diesem Haftungstatbestand vieles unklar und widersprüchlich. Insbesondere finden sich in den Entscheidungen des BGH keine eindeutigen Äußerungen dazu, worin das pflichtverletzende Verhalten zu sehen sein soll. Dies verwundert, da – folgt man der Haftungskonzeption des BGH – die Pflichtverletzung an sich nur im grundlosen Abbruch der Verhandlungen liegen kann. Denn falls die vorherige Vertrauenserweckung auf den sicheren Vertragsschluss ihrerseits schuldhaft gewesen sein sollte, läge bereits hierin eine Pflichtverletzung. Indes stellt nur der VIII. Senat fest, was eigentlich selbstverständlich sein müsste: zur Bejahung eines Schadensersatzanspruchs genüge, wenn die die Verhandlungen abbrechende Partei zuvor ihren festen Abschlusswillen deutlich hat erkennen lassen; auf ein Verschulden dabei komme es nicht an. Andere Senate hingegen, insbesondere der V. Senat, schließen eine Haftung beim Abbruch der Verhandlungen ohne vorheriges Verschulden aus, ohne jedoch dann konsequenterweise den Haftungstatbestand als solchen abzulehnen. c) Dieser widersprüchliche Umgang mit dem Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund lässt sich mittels folgender These erklären: der Tatbestand des grundlosen Abbruchs von Verhandlungen findet sich im Zentrum einer nicht offen geführten Auseinandersetzung um die Reichweite einer vorvertraglichen Haftung. Dabei wird er sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern einer Haftungsausweitung als Chiffre verwendet. Befürworter einer expansiveren Haftung führen einen grundlosen Abbruch der Verhandlungen als Argument für eine Haftung ins Feld, ohne aber dabei klarzustellen, ob sie von einer verschuldensabhängigen oder aber einer verschuldensunabhängigen Haftung ausgehen. Gegner einer Haftungsausweitung gehen implizit davon aus, dass es sich bei dem Tatbestand um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Anstatt, dass offen über die Reichweite einer vorvertraglichen Haftung aus c.i.c. und die Erforderlichkeit bzw. Möglichkeit einer verschuldensunabhängigen Haftung diskutiert wird (was den Senaten des BGH zugegebenermaßen nicht ohne weiteres möglich ist), wird die Auseinandersetzung stellvertretend anhand des Tatbestand des grundlosen Verhandlungsabbruchs geführt. So wird der Haftungstatbestand mit abweichendem Bedeutungsgehalt und Vorverständnis „aufgeladen“, woraus der widersprüchliche Umgang mit diesem resultiert. d) Aus der Analyse der Rechtsprechung zum Haftungstatbestand des Verhandlungsabbruchs ohne triftigen Grund ergeben sich zwei Ergebnisse. Zum einen ist nicht klar, ob die Haftung verschuldensabhängig ausgestaltet sein soll oder nicht. Zum anderen ist festzustellen, dass der Haftungstatbestand zwar von keinem Senat grundsätzlich infrage gestellt wird, aber doch nur in den seltensten Fällen auch zu einer Haftung führt. Dies liegt daran, dass er entweder bei formbedürftigen Geschäften ganz abgelehnt wird oder dass die Voraussetzungen des Tatbestands als nicht gegeben angesehen werden, meist indem das Vorliegen eines triftigen Grunds für den Abbruch der Verhandlungen bejaht wird.

III. Zur Kritik am bestehenden Haftungsregime

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III. Zur Kritik am bestehenden Haftungsregime 1. Zur Haftung aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung Der erste Haftungstatbestand, das schuldhafte Erwecken eines ungerechtfertigten Vertrauens in den sicher bevorstehenden Vertragsschluss, wird mit der Verletzung einer Aufklärungspflicht begründet. Wenn eine Partei dem Verhandlungspartner gegenüber ihre Abschlussbereitschaft als sicher bezeichnet, während sie in Wahrheit noch Vorbehalte hat, so soll hierin die Verletzung einer Aufklärungspflicht liegen. Dies kann in systematischer und terminologischer Hinsicht nicht überzeugen. Aufklärungspflichten sind von der Wahrheitspflicht zu unterscheiden. Letztere verpflichtet Parteien, der Gegenseite keine positiven Falschinformationen zu geben und auf Fragen der Gegenseite zutreffend und umfassend Auskunft zu geben oder die Auskunft zu verweigern. Aufklärungspflichten hingegen verlangen vom Pflichtigen, die Gegenseite unaufgefordert über bestimmte Umstände zu informieren. Beide Pflichttypen lassen sich unter dem Begriff der Informationspflichten zusammenfassen. Sie beziehen sich „klassischerweise“ auf den Verhandlungsgegenstand bzw. den potentiellen Vertragsinhalt und sollen sicherstellen, dass die Parteien eine wohlinformierte Entscheidung über einen Vertragsschluss treffen können. Solche vertragsbezogenen Informationspflichten haben mithin einen anderen Bezugspunkt sowie eine andere Schutzrichtung als die Pflicht, bei der Gegenseite keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses hervorzurufen oder aufrechtzuerhalten. Letztere Pflicht ist somit von den vertragsbezogenen Informationspflichten zu unterscheiden; sie kann als verhandlungsbezogene Informationspflicht bezeichnet werden. 2. Zur Haftung aufgrund des Abbruchs der Verhandlungen ohne triftigen Grund Dieser Haftungstatbestand ist in Gänze abzulehnen. Er sieht sich unüberwindbaren technischen und dogmatischen Hindernissen gegenüber. Es lässt sich bereits keine belastbare Definition eines triftigen Grunds finden. Das Kriterium ist konturenlos. Der Abbruch von Verhandlungen ist auch kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Haftung; statt selbst die Verhandlungen abzubrechen, kann eine Partei durch ihr Verhandlungsverhalten den Verhandlungsabbruch durch die Gegenseite provozieren. Die viel entscheidendere Frage ist, ob sich eine Partei von Zusagen, die sie im Verhandlungsverlauf gemacht hat, wieder distanzieren kann. Schließlich ist die unternehmerische Entscheidung, Verhandlungen abzubrechen, aufgrund ihres prognostischen und mit vielen Unwägbarkeiten verbundenen Charakters kaum justitiabel. Noch schwerer als diese technischen Schwierigkeiten wiegen die dogmatischen Argumente gegen einen derartigen Haftungstatbestand. Eine Pflichtverlet-

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E. Zusammenfassung

zung setzt voraus, dass es auch ein pflichtgemäßes Alternativverhalten gibt. Doch wenn der Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund das pflichtverletzende Verhalten sein soll, so muss man bei Abwesenheit eines triftigen Grundes eine Verhandlungspflicht mit korrespondierender Abschlussbereitschaft fordern. Eine solche Verhandlungspflicht ist aber zu unbestimmt und unkontrollierbar. Des Weiteren ergibt sich ein Widerspruch zu der verhandlungsbezogenen Aufklärungspflicht. Diese Pflicht verlangt von demjenigen, der den Vertragsschluss als sicher bezeichnet hat, der Gegenseite mitzuteilen, wenn die Abschlussbereitschaft sinkt. Damit geht diese Pflicht also davon aus, dass eine Verringerung der Abschlussbereitschaft – und die Aufgabe der Abschlussbereitschaft als Extremform der Verringerung – nur anzeigepflichtig, nicht aber pflichtwidrig ist. Ein pflichtgemäßes Verhalten kann aber nicht zugleich pflichtwidriges Verhalten darstellen. Außerdem stellt es eine direkte Einschränkung der negativen Vertragsfreiheit dar, wenn der Abbruch als solcher pflichtwidrig sein soll. Die negative Vertragsfreiheit garantiert gerade die Möglichkeit, sich jederzeit und auch willkürlich von Vertragsverhandlungen zurückziehen zu können, solange man sich nicht privatautonom gebunden hat, ohne deshalb eine Sanktion fürchten zu müssen. Eine Einschränkung der negativen Vertragsfreiheit bedarf einer Erklärung, welche der in Rede stehende Haftungstatbestand nicht liefern kann. Schließlich ist auch der Ersatz des Vertrauensschadens inkonsequent. Denn der Geschädigte ist gem. § 249 BGB so zu stellen, wie er ohne Pflichtverletzung gestanden hätte. Zum Zeitpunkt des Abbruchs der Verhandlungen sind aber alle fraglichen Aufwendungen bereits getätigt. Ohne die vermeintliche Pflichtverletzung wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Vertragsschluss gekommen; der Schadensersatz müsste sich also am Erfüllungsinteresse orientieren. Auch durch das Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens kann ein Haftungstatbestand des grundlosen Abbruchs von Vertragsverhandlungen nicht begründet werden. Denn es darf nicht vorausgesetzt werden, was erst begründet werden muss. Ein Abbruch von Vertragsverhandlungen ist demnach erst dann widersprüchlich, wenn entweder eine Rechtspflicht zum Abschluss des Vertrags besteht oder wenn das Vertrauen auf das Zustandekommen des in Aussicht genommenen Vertrags schutzwürdig ist. Ob dem so ist, lässt sich nicht durch einen Hinweis auf das Prinzip des venire contra factum proprium beantworten; eine anderslautende Argumentation läuft auf eine petitio principii hinaus.

IV. Zur Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts Zentrale Punkte eines kohärenten Haftungskonzepts sind die Betonung einer schuldhaften Pflichtverletzung als Voraussetzung einer Haftung aus c.i.c., womit einhergeht, dass im Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund kein Haftungstatbestand gesehen werden kann, sowie die gleichzeitige Anerkennung einer verschuldensunabhängigen Haftung. Letztere ist außerhalb des Instituts der c.i.c. zu

IV. Zur Entwicklung eines kohärenten Haftungskonzepts

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verorten und bedarf einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung; sie kann an Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angelehnt werden, und soll eine an den Parteiinteressen orientierte Risikoverteilung gewährleisten. 1. Zur pflichtenbasierten, verschuldensabhängigen Haftung Eine verschuldensabhängige Haftung beim Scheitern von Vertragsverhandlungen kann sich aus der Verletzung der verhandlungsbezogenen Informationspflicht ergeben. Diese ist den auf den status quem gerichteten Verhandlungspflichten zuzuordnen. Damit steht sie – wie die Verhandlungspflichten generell – im Spannungsfeld zwischen integrativem Verhandeln, also dem gemeinsamen Streben der Verhandlungspartner, den potentiellen Nutzen aus dem Vertrag zu maximieren, und distributivem Verhandeln, also dem antagonistischen Streben der Parteien, die eigenen Interessen auch zu Lasten des Gegenübers weitestgehend durchzusetzen. Die Verhandlungspflichten – und somit auch die verhandlungsbezogene Informationspflicht – sollen einen Ausgleich zwischen der legitimen Verfolgung eigener Interessen und der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Gegenseite erreichen. Die verhandlungsbezogene Informationspflicht hat dabei das Verhalten während der Verhandlungsphase im Blick. Ein Widerspruch zur negativen Abschlussfreiheit oder dem von Formvorschriften bezweckten Übereilungsschutz ergibt sich aus ihr nicht, da sie den Abbruch der Verhandlungen nicht als pflichtwidrig ansieht. Kernelement der verhandlungsbezogenen Informationspflicht ist das Verbot, beim Verhandlungspartner unzutreffende Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit eines wirksamen Vertragsschlusses zu erwecken oder aufrechtzuerhalten. Dies kann insbesondere dadurch geschehen, dass die eigene innere Abschlussbereitschaft größer dargestellt wird als sie tatsächlich ist. Ein Verstoß hiergegen führt dazu, dass der Verhandlungspartner das Risiko, dass die Verhandlungen doch noch scheitern und sich etwaige transaktionsspezifische Investitionen damit als nutzlos erweisen, als zu niedrig einschätzt. Eine weitere Ausprägung der verhandlungsbezogenen Informationspflicht liegt im Verbot opportunistischen Handelns. Dies liegt dann vor, wenn eine Partei, nachdem die Gegenseite ungleich höhere transaktionsspezifische Investitionen getätigt und hierdurch ihre Verhandlungsposition geschwächt hat, da sie nunmehr stärker auf einen erfolgreichen Vertragsschluss angewiesen ist, von bisher zugesagten Verhandlungspositionen abweicht und von der Gegenseite bessere Konditionen fordert, typischerweise indem sie mit einem Verhandlungsabbruch droht. Da indes sowohl der Verhandlungsabbruch als auch das Abweichen von unverbindlichen Zusagen im Verhandlungsprozess für sich genommen nicht pflichtwidrig sind, muss ein subjektives Element hinzukommen, nämlich der zielgerichtete Wille, die in der Vornahme der vorvertraglichen Investition liegende Selbstschwächung der Gegenseite zum eigenen unverdienten Vorteil auszunutzen. Dieser Ausbeutungsvorsatz, der zu-

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dem schon vor dem Zeitpunkt der Investitionsvornahme gefasst worden sein muss, wird freilich meist schwierig nachzuweisen sein. Neben dieser spezifischen Beweisproblematik hinsichtlich opportunistischen Verhaltens bestehen weitere grundsätzliche Schwierigkeiten bei der Begründung eines verschuldensabhängigen Haftungsanspruchs. Zum einen ist ein Auseinanderklaffen von der wahren inneren und der geäußerten Abschlussbereitschaft schwierig feststellbar bzw. beweisbar. Zum anderen sind nur solche Schäden ersatzfähig, die sich als kausale Folge der Pflichtverletzung darstellen. Folglich sind Investitionen, die vor einer Pflichtverletzung – etwa der mangelnden Benachrichtigung des Verhandlungspartners von einem Abfall der zuvor wahrheitsgemäß zugesicherten Abschlussbereitschaft – getätigt werden, nicht ersatzfähig. Diese Überlegungen stützen die Forderung nach der Anerkennung einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung, die sinnvollerweise das Verhandlungsverhalten beider Parteien insbesondere im Moment und in Bezug auf die Investitionsvornahme in den Blick nehmen sollte. 2. Zur verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung Eine pflichtenbasierte, verschuldensabhängige Haftung kommt beim Scheitern von Verhandlungen also nur in seltenen Fällen in Betracht, und wird insbesondere nicht durch den Abbruch der Verhandlungen ausgelöst. Damit bliebe der Grundsatz, dass jede Partei das Risiko, dass sich vor Vertragsschluss getätigte Investitionen bei einem Scheitern der Verhandlungen als nutzlos erweisen können, selbst zu tragen hat. Wollte eine Partei dieses Risiko nicht eingehen, so müsste sie die Investition entweder bis zum erfolgreichen Vertragsschluss aufschieben (falls dies möglich ist) oder aber mit der Gegenseite eine Kostenvereinbarung für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen schließen. Ein solch restriktives Haftungssystem wiese zwar eine einfach handhabbare Struktur auf, könnte aber in vielen Fällen nicht zu befriedigenden Lösungen führen. Im hier vorgeschlagenen Haftungskonzept wird daher die Anerkennung einer verschuldensunabhängigen Ausgleichshaftung außerhalb des Instituts der c.i.c. propagiert. Hierfür sprechen auch rechtsökonomische Überlegungen. Der optimale Zeitpunkt für eine vertragsspezifische Investition kann vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegen. Eine Partei wird diese Investition aber unterlassen, wenn sie fürchten muss, nur in den eng umgrenzten und schwierig nachweisbaren Fällen des Vorliegens eines verschuldensabhängigen Haftungstatbestands Ersatz zu erlangen, und wenn ihr der Abschluss einer separaten, mit weiteren Transaktionskosten verbundenen Kostenvereinbarung nicht praktikabel erscheint. Um effiziente Anreize zu setzen, sollte eine Haftung deshalb daran orientiert sein, welche Risikoverteilung die Parteien angesichts des Verhandlungsverlaufs selbst vorgenommen hätten. Das Argument, dass die Parteien die Risikoverteilung selbst vornehmen können und die Rechtsordnung ihnen hierfür ausreichend Mit-

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tel zur Verfügung stellt, verfängt nicht. Zum einen liegt es nicht immer im Interesse der Parteien, eine separate Kostenvereinbarung zu schließen, oder es ist ihnen praktisch gar nicht möglich. Zu bedenken ist, dass das Aushandeln einer Kostenvereinbarung seinerseits mit Transaktionskosten verbunden ist. Außerdem mögen die Parteien eine negative Auswirkung auf die Verhandlungsatmosphäre fürchten, wenn sie den Gegenüber drängen, statt über das Gelingen der avisierten Transaktion über deren Scheitern zu sprechen. Und schließlich mag sich eine Partei angesichts von Zusicherungen der Gegenseite gar nicht der Notwendigkeit einer Absicherung bewusst sein, und zwar je weniger, desto überzeugender und weitgehender diese Zusicherungen sind. Zum anderen bedeutet die Anerkennung einer verschuldensunabhängigen Haftung ja nicht, dass den Parteien die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes mittels einer Kostenvereinbarung genommen würde. Im Gegenteil: treffen die Parteien privatautonom eine Regelung zur Kostenverteilung, gilt diese uneingeschränkt. Der Ausgleichshaftung kommt dementsprechend eine ähnliche, den Geschäftsverkehr entlastende Funktion zu wie den dispositiven Vorschriften zu Leistungsstörungen im Bereich des Schuldrechts. a) Eine solche verschuldensunabhängige Haftung muss außerhalb des Instituts der c.i.c. gefunden werden. Bisherige Begründungsansätze lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen, die indes nicht als sich gegenseitig ausschließend, sondern nur als Tendenz zu verstehen sind. Auf der einen Seite stehen Ansätze, die eine Haftung eher auf übergeordnete Gesichtspunkte stützen, die unabhängig vom Willen der Parteien Geltung beanspruchen; diese Ansätze betonen folglich eher die gesetzliche Seite der Haftung. Auf der anderen Seite stehen Ansätze, die stärker auf das korrespondierende Verhandlungsverhalten der Parteien und deren Willensbetätigung abstellen; sie bieten eher rechtsgeschäftsähnliche bzw. quasivertragliche Lösungen. Zur ersten Kategorie sind Ansätze zu zählen, die das Vertrauen in den bevorstehenden Vertragsschluss in den Mittelpunkt stellen. Werde dieses grundlos enttäuscht, so sei eine Haftung gerechtfertigt. Diese Ansätze betonen zu Recht, dass Vertrauen auf den Vertragsschluss gerade deshalb schutzwürdig sein kann, weil die das Vertrauen in Anspruch nehmende Partei bei der vertrauenden Partei den Anreiz verringert, sich privatautonom gegen ein Scheitern der Verhandlungen abzusichern. Allerdings messen diese Ansätze dem Vertrauen in den bevorstehenden Vertragsschluss einen zu großen Stellenwert bei. Eine Haftung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn beiden Parteien die Unsicherheit des Vertragsschlusses sehr wohl bewusst war. Entscheidender als etwaiges allgemeines Vertrauen in den Vertragsschluss ist die dem Parteiverhalten zu entnehmende Risikoverteilung in Bezug auf die jeweilige infrage stehende Investition. Außerdem ist an diesen Ansätzen ihre unflexible Rechtsfolge auszusetzen. Zu ersetzen ist grundsätzlich der gesamte Vertrauensschaden, eine Abstufungsmöglichkeit gibt es nicht. Dies führt dann wieder zu der Frage, unter welchen Umständen das

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Vertrauen enttäuscht werden darf, und mithin erneut zu der Diskussion über die Gründe des Abbruchs der Verhandlungen und deren Triftigkeit. Ebenso zur ersten Kategorie gehören Ansätze, die den Verkehrsschutz betonen. Sie abstrahieren die Schutzwürdigkeit des Vertrauens von der konkreten Verhandlungssituation. Werde das Vertrauen nicht geschützt, so regiere Misstrauen im Geschäftsverkehr und die Parteien müssten sich privatautonom absichern, was zu weiteren Transaktionskosten führe. Der Gedanke des Verkehrsschutzes ist zutreffend, insgesamt aber zu unspezifisch, um eine detaillierte Haftung begründen zu können. Zur zweiten Kategorie der rechtsgeschäftsähnlichen bzw. quasivertraglichen Ansätze sind zum einen verschiedene Konzepte einer Selbstbindung ohne Rechtsgeschäft zu zählen. Unterstützenswert an den Konzepten einer Selbstbindung ist, dass der Begriff der Bindung von der Folge eines (vertraglichen) Erfüllungsanspruchs entkoppelt wird. Dass die Erfüllung einer Zusage nicht erzwingbar ist, bedeutet nicht, dass an die Nichteinhaltung der Zusage keine Konsequenzen rechtlicher Art geknüpft werden könnten, aus denen sich dann eine Bindungswirkung ergibt. Allerdings messen die Selbstbindungskonzepte einer einseitigen Zusicherung zuviel Bedeutung zu, wenn sie diese als Grundlage für eine Haftung auf den gesamten Vertrauensschaden heranziehen. Es überrascht und ist zu kritisieren, dass die Selbstbindungskonzepte keine Bezugnahme auf die Vornahme der konkreten Investition durch die Gegenseite fordern. Ein weiteres Konzept quasivertraglicher Haftung sieht im Vertrag einen Prozess und will den Vertragsbegriff neben dem wirksamen auch auf den unwirksamen und den „gescheiterten“ Vertrag ausweiten, aus dem zwar keine Erfüllungsansprüche, wohl aber Schadensersatzansprüche abgeleitet werden könnten. Die fortschreitende Übereinstimmung während der Verhandlungen habe einen sukzessiven Bindungscharakter zur Folge. So richtig es ist, das aufeinander bezogene Verhandlungsverhalten in den Blick zu nehmen, so wenig überzeugend ist es jedoch, dem Partiekonsens und dem Vertragsschluss nur eine untergeordnete Rolle zuzuweisen. Zudem wird das eigentliche Problem vorverlagert. Denn wer einem Vertrag ab einem bestimmten Punkt der „Abschlussreife“ Bindungswirkung zubilligen will, der muss einen Punkt des Übergangs definieren können. Die Kategorien der gesetzlichen und quasivertraglichen Haftung stehen sich indes nicht exklusiv gegenüber. Vielmehr kann eine verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung Elemente beider Kategorien aufweisen. Was die „quasivertragliche Seite“ betrifft, so wird man auf die erforderlichen Vertragsverhandlungen verweisen und als zusätzliche Voraussetzung ein koordiniertes und kooperatives Verhalten beider Parteien in Bezug auf die infrage stehende Investition fordern können. Die „gesetzliche Seite“ wird dadurch gekennzeichnet, dass die Haftung willensunabhängig, wenn auch nicht gegen den erklärten Willen eintreten kann.

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b) Zur Begründung einer verschuldensunabhängigen Haftung müssen ein Haftungsgrund und ein Zurechnungsprinzip gefunden werden. Der Haftungsgrund gibt an, warum und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung die eine Partei schützt, während das Zurechnungsprinzip beschreibt, warum und unter welchen Voraussetzungen sie die andere Partei mit einer entsprechenden Einstandspflicht belastet. Bei der Suche nach einem Haftungsgrund sollte das koordinierte Verhandlungsverhalten der Parteien in Bezug auf die in Frage stehende vorvertragliche Investition in den Blick genommen werden. Wenn die Vornahme der Investition mit einer über bloße Kenntnis hinausgehenden Zustimmung der nicht selbst investierenden Partei erfolgt, so wird hierdurch nicht nur die investierende Partei in ihrer Investitionsentscheidung bestärkt, sondern es lässt sich hieraus auch auf ein eigenes Interesse der nicht selbst investierenden Partei an der Investition der Gegenseite schließen. Dieses Interesse wird häufig darin liegen, dass sich die Gegenseite im Umfang der getätigten Investition faktisch selbst an einen erfolgreichen Vertragsschluss bindet. Die Verteilung der Kosten von einvernehmlich getätigten Investitionen bei einem Scheitern der Verhandlungen sollte diesen Interessen Rechnung tragen, was einen Ausgleich erforderlich machen kann. Anderenfalls würde die nicht selbst investierende Partei in ihrer negativen Abschlussfreiheit ungerechtfertigt privilegiert – sie müsste für ihr Interesse an der Investition der Gegenseite bei einem Scheitern der Verhandlungen nie „bezahlen“. Haftungsgrund für eine vorvertragliche Ausgleichshaftung ist mithin der Schutz der Vertragsfreiheit in Form der negativen Abschlussfreiheit der investierenden Partei bzw. die Wahrung einer interessengerechten Balance der jeweiligen negativen Abschlussfreiheit beider Parteien. Als Zurechnungsprinzip ist das Risikoprinzip geeignet. Der Risikobegriff ist vielschichtig. Allgemein lässt sich Risiko als ein mit gewisser Wahrscheinlichkeit eintretendes Ereignis mit negativen Auswirkungen definieren. In Bezug auf wirtschaftliche Investitionen muss allerdings eine subjektive Komponente hinzutreten; Risiko kann dann als Gefahr einer planwidrigen Entwicklung beschrieben werden. Im hier interessierenden Zusammenhang besteht das Risiko in einem Scheitern der Verhandlungen, so dass die vorvertraglichen Investitionen zu nutzlosen Aufwendungen werden. Auch wenn nach hier vertretener Auffassung die Triftigkeit eines Grundes für das Scheitern von Verhandlungen kein sinnvoller Maßstab ist, so ist es doch möglich, den Grund der Risikosphäre einer der beiden Parteien zuzuordnen. Die entscheidende Frage im Rahmen des Zurechnungsprinzips ist damit, ob die nicht selbst investierende Partei das Risiko anteilig oder ganz übernommen hat bzw. ihr dieses normativ zuzuschreiben ist, dass die Verhandlungen aus dem jeweiligen Grund scheitern. Die Risikosphären der Parteien ergeben sich aus dem Verhandlungsverhalten und insbesondere aus etwaigen Verhandlungszusagen. Der Abbruch von Verhandlungen kann also nie als pflichtwidriges Verhalten sein, aber er kann sich als Realisierung eines Risikos darstellen,

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das die nicht selbst investierende Partei (mit-)übernommen hat. Ein zentraler Gedanke bei der Haftungszurechnung mittels des Risikoprinzips ist die Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko. Dieser kann auch im vorliegenden Zusammenhang fruchtbar gemacht werden. Profitiert eine Partei von vorvertraglichen, von ihr selbst gebilligten Investitionen der Gegenseite, so hat sie die Kosten zu tragen, wenn in der Folge ein Ereignis eintritt, das zum Scheitern der Verhandlungen führt und das ihrem Risikospektrum zuzurechnen ist. c) Als Anknüpfungspunkte im Gesetz für eine solche verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung sind im wesentlichen die § 122 BGB und §§ 1298 f. BGB ins Spiel gebracht worden. Beide Vorschläge sind indes abzulehnen. Bei § 122 BGB scheitert ein Ähnlichkeitsvergleich daran, dass im vorliegenden Zusammenhang – anders als bei der direkten Anwendung von § 122 BGB – die geäußerte Erklärung nicht vom inneren Willen des Erklärenden abweicht. Auch ein Vertragsschluss, der als Vertrauensgrundlage dienen kann, ist gerade nicht geschlossen worden. Weitere Ungereimtheiten ergeben sich daraus, dass § 122 II sinnvollerweise keine analoge Anwendung finden kann, denn die investierende Partei weiß stets, dass der Vertrag noch scheitern kann. Unklar ist, ob und wie eine Haftung dann überhaupt abgewendet werden kann; es droht erneut ein Rückgriff auf das nicht handhabbare Kriterium des triftigen Grunds. Schließlich ist die starre Rechtsfolge des § 122 BGB, Ersatz des gesamten Vertrauensschadens, inadäquat. Auch ein Rückgriff auf die Vorschriften über den Verlöbnisbruch gem. §§ 1298 f. BGB kann nicht überzeugen. Zwar gibt es einige Parallelen; in beiden Konstellationen bereiten sich die Parteien auf einen Vertragsschluss vor und haben meist eine faktisch eingeschränkte Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes. Allerdings ist die Interessenlage der Parteien kaum vergleichbar. Verlobte bereiten sich gemeinsam auf die einander fest zugesagte Hochzeit vor, ihr Verhältnis ist von gleichgerichteten Interessen geprägt und ökonomische Überlegungen spielen gegenüber sittlichen und individuellen Motiven allenfalls eine untergeordnete Rolle. Bei Vertragsverhandlungen hingegen ist bei aller Kooperation und Koordination doch der Interessengegensatz zwischen den Parteien typisch. Zudem wird bei einem Rückgriff auf §§ 1298 f. BGB wieder mit dem Kriterium des triftigen Grundes gearbeitet, wobei der Vergleich mit dem Rücktritt vom Verlöbnis nichts Erhellendes zu dessen Definition beitragen kann. Stattdessen wird vorgeschlagen, auf Normen zurückzugreifen, die eine stärkere Berücksichtigung des kooperativen Elements in den Verhandlungen sowie der Risikoverteilung zulassen. Zum einen kann man daran denken, die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der §§ 722, 735 BGB als Anknüpfungspunkt zu nehmen. Die integrative Komponente des Verhandelns, wie sie sich in einer einvernehmlichen Tätigung vorvertraglicher Investitionen äußert, ist vergleichbar mit einer gemeinsamen Zweckverfolgung bei der GbR. Attraktiv an einem Rückgriff auf die §§ 722, 735 BGB ist, dass die Vorschriften grundsätzlich eine hälftige Schadensteilung vorsehen, wobei die Parteien hiervon explizit oder konkludent abwei-

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chen können. Es ergäbe sich also die Möglichkeit einer flexiblen Schadensteilung unter Berücksichtigung des spezifischen Parteiverhaltens. Allerdings wird es meist schwierig sein, den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags anzunehmen; der Rechtsbindungswille wird typischerweise fehlen. Vielversprechender ist es deshalb, mit einem Rückgriff auf das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB zu arbeiten. Auf den ersten Blick problematisch ist zwar, dass eine vertragliche Bindung gerade noch nicht existiert, so dass das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage seine Funktion als Ausnahme zum Grundsatz des „pacta sunt servanda“ nicht erfüllen kann. Dieser Einwand wird indes dadurch stark relativiert, dass das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch in anderen Konstellationen, in denen keine vertragliche Bindung besteht, namentlich im Rahmen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (vom BGH) zur Anwendung gebracht wird. Wesentliches Anliegen des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist es, eine gerechte Risikoverteilung sicherzustellen. Das ist auch zentraler Gedanke bei der Statuierung einer Ausgleichshaftung. Diese Risikoverteilung ist dem Verhandlungsverhalten der Parteien zu entnehmen. d) Die hier vorgeschlagene verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung stellt sich damit wie folgt dar. Zentrale Voraussetzung einer Haftung ist, dass die nicht selbst investierende Partei der Vornahme der Investition der Gegenseite zugestimmt hat; damit wird zumindest eine vertragsähnliche Situation vorliegen. Aus dieser über bloße Kenntnis hinausgehenden Billigung kann nicht nur ein eigenes Interesse an der Investition der Gegenseite gefolgert werden, sondern auch das Bewusstsein, dass sich die Gegenseite in dem Umfang der Investition an die Transaktion bindet – und dies vor dem Hintergrund der gemeinsam geschaffenen Verhandlungssituation. Wenn also eine Partei eine Verhandlungszusage macht – etwa eine Immobilie zu einem bestimmten Preis zu verkaufen – und einer vorvertraglichen Investition der Gegenseite, die sie vor diesem Hintergrund tätigt, zustimmt, so übernimmt sie damit das Risiko, doch noch von ihrer eigenen Zusage abzuweichen und von ihrer negativen Abschlussfreiheit Gebrauch zu machen. Durch diese Konstruktion einer Risikoübernahme bzw. die normative Zuschreibung derselben verschwindet der Widerspruch zur negativen Abschlussfreiheit, der gegen eine Haftung beim Scheitern von Verhandlungen ins Feld geführt wird. Denn die Haftung knüpft nicht an den Abbruch der Verhandlungen als solchen an und sanktioniert diesen, sondern sie trägt nur der zuvor erfolgten indirekten Selbsteinschränkung der negativen Abschlussfreiheit durch die Partei selbst Rechnung. So wie die negative Abschlussfreiheit ohne weiteres durch die eigene Vornahme von Investitionen indirekt eingeschränkt wird, so ist auch eine indirekte Einschränkung durch eine Risikoübernahme möglich. Hieraus ergibt sich auch, dass eine derart konzipierte Haftung von einer etwaigen Formbedürftigkeit des in Aussicht genommenen Vertragsschlusses unbeein-

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flusst ist. Zwar gebietet der Übereilungsschutz, dass auch solche Vereinbarungen formbedürftig sind, die eine Zahlung für den Fall vorsehen, dass es nicht zu einem Vertragsschluss kommt, die also einen mittelbaren Abschlusszwang begründen. Insofern drohte ein Widerspruch, wenn eine Haftung in Abwesenheit solcher formbedürftigen Vereinbarungen ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis herbeiführen und einen mittelbaren Abschlusszwang begründen würde. Aber so wie es den Parteien im Vorfeld formbedürftiger Verträge ohne weiteres möglich ist, ihre eigene Abschlussfreiheit durch die Tätigung von Investitionen – und dies auch mittels formlos gültiger Verträge – einzuschränken, so können sie auch formlos gültige Vereinbarungen über die Verteilung dieser real entstehenden Kosten schließen. Eine Haftung, die dieser Risikoverteilung bezüglich tatsächlich getätigter Investitionen Rechnung trägt, ist daher ebenfalls unabhängig von einer Formbedürftigkeit des avisierten Vertrags. Es lassen sich drei verschiedene Szenarien des Scheiterns von Verhandlungen unterscheiden. Erstens kann die Partei, welche die vorvertraglichen Investitionen getätigt hat, von ihrer negativen Abschlussfreiheit Gebrauch machen und die Verhandlungen abbrechen. Dann kommt kein Ausgleichsanspruch in Frage. Nicht hierunter sind allerdings solche Konstellationen zu zählen, in denen sich der Verhandlungsabbruch der investierenden Partei nur als Reaktion auf ein Abweichen der Gegenseite von eigenen Verhandlungszusagen darstellt. Zweitens kann die nicht investierende Partei von eigenen Verhandlungszusagen abweichen. Dies führt dann zu einer Haftung, wenn die nicht investierende Partei der Vornahme der fraglichen Investition durch die Gegenseite zugestimmt hat und dabei das Risiko übernommen hat (bzw. dieses Risiko ihr zuzuweisen ist), dass sie doch noch von eigenen Verhandlungszusagen abweicht. Drittens können die Verhandlungen daran scheitern, dass sich die Parteien nicht einigen können über Punkte, die noch offen waren oder die sich aufgrund neuer Erkenntnisse oder Fakten erst ergeben haben, ohne dass eine Partei das Risiko für den Eintritt dieser Eventualität übernommen hätte. In diesen Fällen ist eine flexible Lösung möglich, etwa eine hälftige Teilung des durch die frustrierten Investitionen entstandenen Schadens. Die Wirkweise des Haftungskonzepts wird gut veranschaulicht am Beispiel des Auftretens eines besseren Angebots eines Drittens, was einer der häufigsten Gründe für das Scheitern der Verhandlungen sein dürfte. Das bessere Angebot eines Dritten kann zu allen drei beschriebenen Szenarien des Scheiterns von Verhandlungen führen. Im ersten Fall, dass die Partei, die selbst vorvertragliche Investitionen vornimmt, ein besseres Angebot von dritter Seite erhält und infolgedessen die Verhandlungen abbricht, kommt keine Haftung der Gegenseite infrage. Die Partei, die auf ihren Aufwendungen „sitzen bleibt“, wird das Angebot eines Dritten also nur dann annehmen, wenn dieses auch nach Abzug dieser Aufwendungen aus ihrer Sicht besser ist. Im zweiten Szenario, dass die Gegenseite die Verhandlungen abbricht, weil sie ein besseres Angebot eines Dritten erhält,

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kommt es dann zu einer Haftung, wenn die Gegenseite ebendieses Risiko übernommen hat. Dies ist dann der Fall, wenn sie die Investition gebilligt und der investierenden Partei zugesichert hat, exklusiv mit ihr zu verhandeln oder gar den Vertrag mit ihr zu bestimmten Konditionen zu schließen. Hat die Gegenseite das Risiko nicht übernommen, kann auch das dritte Szenario eintreten; die Situation ist dann so zu behandeln, als hätten die beiden Parteien sich nicht über noch offene Punkte einigen können. Es kommt dann eine anteilige Haftung in Betracht. Dabei muss aber betont werden, dass das Auftreten eines besseren Angebots eines Dritten in keinem Fall zu einer neuartigen Verhandlungssituation führen kann. Entscheidend für eine Haftung ist stets, ob das Risiko des Auftretens eines besseren Angebots bei der Vornahme der Investition ganz oder anteilig übernommen wurde oder nicht. Durch diese „Vorverlagerung“ der Frage bei der hier vorgeschlagenen Haftungskonstruktion lassen sich die Schwierigkeiten vermeiden, die sich insbesondere bei einer verschuldensabhängigen Haftung im Rahmen der c.i.c. ergeben. Denn eine Haftung bleibt möglich, ohne dass der allzu verständliche – und auch ökonomisch erwünschte – Abbruch beim besseren Angebot eines Dritten pflichtwidrig sein müsste.

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Sachverzeichnis Abschlussbereitschaft 74 ff., 101 ff. Abschlussfreiheit, siehe negative Vertragsfreiheit Angebot eines Dritten 91 f., 181 ff. Aufklärungspflicht, siehe auch Rücksichtnahmepflichten 61 ff., 66 ff. – rechtsökonomische Überlegungen 67 ff. Business Judgement Rule 84 ff. Casum sentit dominus 15 f., 113 f., 146 ff. Culpa in contrahendo – Grundlagen 19 ff. – bei formbedürftigen Verträgen 45 ff. Due Diligence 178 Exklusivitätsvereinbarung 178 ff. Formbedürftige Transaktionen 41 ff., 99 ff., 186 ff. Haftung – gesetzliche vs. quasi-vertragliche Haftung 124 ff., 142 ff., 162 f. – verschuldensabhängige Haftung, pflichtenbasiert 97 ff. – verschuldensunabhängige Ausgleichshaftung 113 ff. Haftungsgrund 145 ff. Hold-up, siehe auch opportunistisches Verhandlungsverhalten 104 ff., 115 Informationspflichten, siehe auch Rücksichtnahmepflichten 62 ff.

– verhandlungsbezogene Informationspflichten 73 ff. – vertragsbezogene Informationspflichten 73 ff. Investitionen – konsentierte Investitionen 172 ff., 192 ff. – transaktionsspezifische Investitionen 74, 101 f., 105 ff., 114 ff., 147 ff., 172 ff. – verhandlungsspezifische Investitionen 166 f., 172 ff., 178 ff., 199 ff. – vertragsspezifische Investitionen 166 f., 172 ff., 204 ff. Kostenvereinbarung 116 ff. Letter of Intent 178 ff. Lock-in Effekt 109, 119, 130, 198 Nichteheliche Lebensgemeinschaft 169 ff. Opportunistisches Verhandlungsverhalten 104 ff. Penalty default rule 116 f. Rechtsfortbildung, gesetzesübersteigende 157 ff. Risiko – Begriff 151, 153 ff. – Risikoprinzip 150 ff. – Risikosphäre 155 ff., 174 ff. – Risikoverteilung 171 ff., 177 ff. Rücksichtnahmepflichten – Begriff 27

Sachverzeichnis – „Haftungsgetriebene“ Entwicklung 21 ff. – Hybridcharakter 28 Schutzpflichten, siehe auch Rücksichtnahmepflichten 29 ff. – Begriff 27 Selbstbindung 131 ff. Selbstschutz, privatautonomer 116, 117 ff., 163 ff. Selbstwidersprüchliches Verhalten 94 ff. Störung der Geschäftsgrundlage 167 ff. Triftiger Grund, siehe Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund Venire contra factum proprium, siehe selbstwidersprüchliches Verhalten Verhandlungsabbruch ohne triftigen Grund 35, 36 ff., 78 ff., 183 – Chiffre für verschuldensunabhängige Haftung 46 ff. – Definition des triftigen Grunds 78 ff. – pflichtgemäßes Alternativverhalten 88 f. Verhandlungsdilemma 98 f. Verhandlungspflichten, siehe auch Rücksichtnahmepflichten 31 f.

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– Begriff 27 Verhandlungsverhalten – integratives und distributives Verhandeln 98 f., 166 f. – opportunistisches Verhandeln 104 ff. Verlöbnis 161 ff. Verschuldensunabhängige Haftung 113 ff., 172 ff. Vertragsfreiheit – Balance der beiderseitigen Vertragsfreiheit 165 f. – negative Vertragsfreiheit 90 ff., 99 ff., 184 ff., 211 f. Vertrauen – in den Vertragsschluss 125 ff., 158 ff. – schuldhafte Vertrauenserweckung 33 ff. – Vertrauensschaden 92 f., 158 ff. – Vertrauenstatbestand 50, 53, 79 f., 158 ff. Vorvertragliche Pflichten, siehe Rücksichtnahmepflichten Wahrheitspflicht, siehe auch Rücksichtnahmepflichten 63 ff. Zurechnungsprinzip 145 ff.