Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch: Eine Untersuchung zum Status der Schrift in der und für die Dogmatik 9783161616532, 9783161616549, 3161616537

Der besondere Status der Bibel als Heilige Schrift und Regel, Richter und Maßstab der Lehre in der evangelischen Theolog

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
1. Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch – Linien des Themenfeldes
1.1. Die „Krise des Schriftprinzips“ und die Krise der enzyklopädischen Frage nach der Auslegung der Schrift
1.2. Die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik
1.3. Die Schrift als auszulegende Schrift in der gegenwärtigen Forschungsdebatte
2. Ziele und Gegenstand der Studie
2.1. Leitfrage und Ziel
2.2. Zur Auswahl der untersuchten Positionen
2.3. Aufbau der Studie
3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik
3.1. „Schriftgebrauch“ – Zum Begriff und Forschungsstand
3.2. Begriffsbestimmung und Grenzen der Analyse des Schriftgebrauchs
3.3. Gegenstand und Fragestellung der Untersuchung des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Literatur
3.3.1. Gegenstand der Analysen des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Literatur
3.3.2. Leitfragen zur Untersuchung des Schriftgebrauchs
3.3.3. Biblischer Horizont zu den untersuchten Themenfeldern
B. Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen im 20. Jh
1. Edmund Schlink
1.1. Schlinks Schriftverständnis
1.1.1. Das Evangelium als Grundlage der Theologie und das „Wort Gottes“
1.1.2. Die Schrift als Thema der Ekklesiologie – Kanon, Dogma und Kirchenordnung als Formen der apostolischen Botschaft
1.1.3. Die Heilige Schrift als kirchliche Schriftensammlung und Kanon der Kirche
1.1.4. Die Autorität und Inspiration der Schrift als Gotteswort
1.1.5. Die apostolische Überlieferung in der Heiligen Schrift, die Traditionen der Christenheit und die Suffizienz der Schrift
1.1.6. Die Heilige Schrift als Grundlage der Ökumene
1.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik
1.2.1. Theologie und theologische Wissenschaft zwischen Glauben und Erkennen
1.2.2. Die theologischen Disziplinen und die theologische Hermeneutik der Schriftauslegung
1.2.3. Die Verbindung von Schrift und Dogmatik im Rahmen der ökumenischen Hermeneutik
1.3. Zwischenfazit
1.4. Schriftgebrauch bei Schlink
1.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl
1.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod
1.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs
1.5. Diskussion
2. Wolfhart Pannenberg
2.1. Pannenbergs Schriftverständnis
2.1.1. Das Schriftprinzip als Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung
2.1.2. Die Schrift als Zeugnis der Offenbarung und das „Wort Gottes“
2.1.3. Die Autorität der Schrift aus dem Evangelium
2.1.4. Die Bedeutung der Schrift in ihren Rezeptionsund Auslegungskontexten
2.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik
2.2.1. Evangelische Theologie als Schrifttheologie und die Krise der Theologie
2.2.2. Die Prüfung der Theologie an der Schrift als Aufgabe historisch-exegetischer Forschung
2.2.3. Die Schrift als Ausgangspunkt und Maßstab für die Dogmatik
2.2.4. Schriftauslegung im Licht einer theologischen Hermeneutik
2.3. Zwischenfazit
2.4. Schriftgebrauch bei Pannenberg
2.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl
2.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod
2.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs
2.5. Diskussion
3. Friedrich Mildenberger
3.1. Mildenbergers Schriftverständnis
3.1.1. Einfache Gottesrede als Ausgangspunkt von Schriftverständnis und kirchlicher Schriftauslegung
3.1.2. Die Geltung und Autorität der Schrift
3.1.3. Die Einheit der Schrift
3.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik
3.2.1. Die Schrift als Gegenstand und Aufgabe der Theologie
3.2.2. Die Einheit der Theologie und die Aufgabe der Schriftauslegung
3.2.3. Schriftauslegung in den Bibelwissenschaften – Geistliche und historische Schriftauslegung als Teile einer pneumatischen Exegese
3.2.4. Schriftauslegung in der Dogmatik – Die Vermittlung zwischen Schrift, Kirche, Glaube und Erfahrung
3.2.5. Biblische Dogmatik – Mildenbergers theologisches Programm zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik
3.3. Zwischenfazit
3.4. Schriftgebrauch bei Mildenberger
3.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl
3.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod
3.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs
3.5. Diskussion
4. Ulrich H. J. Körtner
4.1. Körtners Schriftverständnis
4.1.1. Bibel, Schrift und die Krise des Schriftbegriffs
4.1.2. Die Schrift als Kanon und die Einheit der Schrift in ihrer Rezeption
4.1.3. Wort Gottes, Offenbarung und Schrift
4.1.4. Die Inspiration und Autorität der Schrift
4.1.5. Die Schrift in der Auslegungsgemeinschaft der Gläubigen
4.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik
4.2.1. Theologie als Arbeit am Kanon
4.2.2. Aufgabe und Methoden der Schriftauslegung in der Exegese
4.2.3. Dogmatik als Schriftauslegung zwischen Schriftgemäßheit und Wirklichkeitsgemäßheit
4.3. Zwischenfazit
4.4. Analyse des Schriftgebrauchs
4.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl
4.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod
4.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs
4.5. Diskussion
5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen
5.1. Schriftverständnis
5.1.1. Die Schrift in soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Dimension
5.1.2. Die Autorität der Schrift – Begründungslinien, Ebenen und Autoritätsbegriff
5.1.3. Exklusivität und Einbettung der Bedeutung der Schrift – Kirche und Tradition
5.1.4. Pluralität, Einheit und Klarheit der Schrift
5.2. Schriftauslegung
5.2.1. Zum Verhältnis von Schriftverständnis und Schriftauslegung
5.2.2. Die Bedeutung der Schrift für die Dogmatik – Grundlage, Gegenstand und Argument
5.2.3. Zum Selbstverständnis der Dogmatik im Umgang mit der und im Gegenüber zur Schrift
5.2.4. Dogmatische Schriftauslegung zwischen Glauben und Wissenschaft
5.2.5. Theologische Schriftauslegung zwischen Exegese und Dogmatik
5.3. Schriftgebrauch
5.3.1. Schriftgebrauch in Themenexposition und Argumentation
5.3.2. working canon
5.3.3. Funktionen von Schriftgebrauch
5.3.4. Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur
5.4. Zum Verhältnis von Schriftlehre, Schriftverständnis und Schriftgebrauch
C. Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik – Systematische Perspektiven
1. Zwischen der Leerstelle in der Fundamentaltheologie und der argumentativen Inanspruchnahme der Schrift – Versuch einer Standortbestimmung
1.1. Die fehlende Explikation des fundamentaltheologischen Status der Schrift
1.2. Die performative Imponierung der Schrift in ihrer Auslegung
1.3. Zum Ziel der systematischen Perspektiven auf den Status der Schrift in der und für die Dogmatik
2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs
2.1. Die deutende Inanspruchnahme biblischer Texte als Glaubenszeugnis
2.2. Dogmatischer Schriftgebrauch als pluriformes „Sich-Ausweisen“ mit und gegenüber der Schrift
2.3. Pluralität und Einheit der Schrift im Kontext dogmatischer Schriftauslegung
2.3.1. Der working canon und auslegungsleitende biblische Traditionslinien
2.3.2. Die Einheit der Schrift in der dogmatischen Auslegung
2.3.3. Schriftauslegung und Textbindung – Oder: Mit dem Text gegen die Schrift
2.4. Ausblick – Die offene Frage nach einer Epistemologie und Methodik wissenschaftlich-dogmatischer Schriftauslegung
3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen
3.1. Theologische Schriftauslegung
3.2. Die Bedeutung exegetischer Schriftauslegung aus der Perspektive der Dogmatik
3.3. Ausblick – Komplementäre Fragerichtungen theologischer Schriftauslegung in und zwischen Dogmatik und Exegese – und der praktischen Theologie
4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre
4.1. Schriftlehre und Schriftverständnis – Zur doppelten Verortung der Schrift im Kontext der Dogmatik
4.2. Die Rede von der Autorität der Schrift und ihr fundamentaltheologischer Status
4.2.1. Der fundamentaltheologische Status der Schrift als referentielle Bestimmung zur Autorität der Schrift
4.2.2. Die relationale Struktur der Schriftautorität und der Status der Schrift in der und für die Dogmatik
4.3. Schriftgemäß? Die Schrift als Kriterium dogmatischer Reflexion im Kontext pluraler Bezugsgrößen
4.4. Ausblick – Die Schrift als primärer Intertext und die Schriftbindung der Dogmatik
5. Die Schrift als prozedurales und diskursives „Streitprinzip“ in der und für die Dogmatik
Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch
I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink
A. Abendmahl
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
B. Tod
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg
A. Abendmahl
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf)
B. Tod
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf)
III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Friedrich Mildenberger
A. Abendmahl
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf)
B. Tod
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf)
IV. Ad B 4.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Ulrich H. J. Körtner
A. Abendmahl
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
B. Tod
1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf
2. Darstellung nach den Funktionen
3. Darstellung nach den Bibelstellen
Literaturverzeichnis
I. Primärliteratur der untersuchten Autoren
II. Von den Autoren verwendete exegetische Sekundärliteratur
III. Sekundärliteratur
IV. Hilfsmittel
Personenregister
Sachregister
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 9783161616532, 9783161616549, 3161616537

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Dogmatik in der Moderne herausgegeben von

Christian Danz, Jörg Dierken, Hans-Peter Großhans und Friederike Nüssel

40

Frederike van Oorschot

Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch Eine Untersuchung zum Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Mohr Siebeck

Frederike van Oorschot, geboren 1984; Studium der Regionalwissenschaften Lateinamerika und Ev. Theologie; 2013 Promotion; seit 2019 Leiterin des Arbeitsbereichs „Religion, Recht und Kultur“ an der FEST Heidelberg; 2021 Habilitation; seit 2021 Privatdozentin für Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. orcid.org/0000-0003-4359-8949

Die Publikation wurde gefördert durch die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands und die Evangelische Landeskirche in Baden. ISBN 978-3-16-161653-2 / eISBN 978-3-16-161654-9 DOI 10.1628/978-3-16-161654-9 ISSN 1869-3962 / eISSN 2569-3913 (Dogmatik in der Moderne) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. ©  2022 Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Minion gesetzt, von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Für Philipp

Vorwort Die diesem Buch zu Grunde liegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/21 von der Theologischen Fakultät in Heidelberg als Habilitationsschrift angenommen. Wie alle wissenschaftlichen Arbeiten verdankt sich auch diese Studie in hohem Maß der Unterstützung und Förderung Anderer. Ihnen sei zum Ende der Habilitationszeit und zu Beginn der vorliegenden Studie gedankt. Prof. Dr. Friederike Nüssel danke ich herzlich für die konstruktive Begleitung der Studie. Die von ihr ermutigten Freiräume im Denken haben einen ungewöhnlichen Zugang zu einem intensiv beackerten Feld der Dogmatik ermöglicht und mir nicht nur neue Wege erschlossen, sondern auch viel Konstruktives wachsen lassen. Für die Erstellung des Zweitgutachtens und seine anregenden Hinweise im Licht der Medientheologie gilt mein Dank Prof. Dr. Philipp Stoellger. Prof. Dr. Christian Danz, Prof. Dr. Jörg Dierken, Prof. Dr. Hans-Peter Großhans und Prof. Dr. Friederike Nüssel danke ich für die Aufnahme des Buches in die Reihe „Dogmatik in der Moderne“, in der meine Überlegungen zur Debatte um die Dogmatik in der Gegenwart beitragen können. Die Druckkostenzuschüsse der VELKD und der Evangelischen Landeskirche in Baden ermöglichen die Publikation auf andere Weise. Dr. Katharina Gutekunst, Markus Kirchner und Bettina Gade vom Verlag Mohr Siebeck danke ich für die kompetente Betreuung der Veröffentlichung. Auch dem Team des Dekanats der Theologischen Fakultät Heidelberg, insbesondere Frau Franziska Röthig und Dr. Stefan Karcher, gebührt an dieser Stelle Dank für die freundliche und unkomplizierte Begleitung des formalen Abschlusses dieses Projekts. Kritische Fragen aus dem kollegialen und kirchlichen Umfeld, was denn über die Schrift (noch?) zu sagen sei, ob die Schrift überhaupt (noch?) eine Bedeutung für die wissenschaftliche Dogmatik hat oder ob sie nicht den Exeget*innen zur Auslegung zu überlassen sei, waren Anlässe und ständige Begleiter dieser Studie. Eine konstruktiv-kritische Diskussion dieser Fragen ermöglichte das von mir initiierte und parallel zur Entstehung der Studie geleitete Netzwerk „Schriftbindung evangelischer Theologie“: Die fünf Jahre, die ich mit den anderen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Exegese und Systematischen Theologie über die Schriftbindung evangelischer Theologie diskutieren und streiten durfte, haben diese Studie geprägt und meinem Arbeiten einen interdisziplinär weiten Horizont gegeben. Daneben

VIII

Vorwort

danke ich PD Dr. Andrea Hofmann für den andauernden intensiven Austausch und ihre wertvollen Hinweise. Auch während eines Habilitationsprojektes geht das Leben weiter und ich danke all denen, die dieses Leben bereichern, die wissenschaftliche Arbeit in die richtige Perspektive rücken, für Ablenkung und die nötige Bodenhaftung sorgen. In ihrer eigenen Art haben meine Kinder dies nahezu perfekt übernommen. Meinem Mann verdanke ich, dass eine Balance zwischen all diesen Lebensbereichen keine unmögliche Möglichkeit geblieben ist. Diese Studie verdankt sich in weiten Teilen diesem Freiraum und unserem Miteinander. Sie ist daher ihm gewidmet. Heidelberg, September 2022

Frederike van Oorschot

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

A Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch – Linien des Themenfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1. Die „Krise des Schriftprinzips“ und die Krise der enzyklopädischen Frage nach der Auslegung der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2. Die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik 8 1.3. Die Schrift als auszulegende Schrift in der gegenwärtigen Forschungsdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Ziele und Gegenstand der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1. Leitfrage und Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2. Zur Auswahl der untersuchten Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.3. Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik . . . . . 21 3.1. „Schriftgebrauch“ – Zum Begriff und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . 22 3.2. Begriffsbestimmung und Grenzen der Analyse des Schriftgebrauchs 25 3.3. Gegenstand und Fragestellung der Untersuchung des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Literatur . . . . . . . . 26 3.3.1. Gegenstand der Analysen des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.3.2. Leitfragen zur Untersuchung des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . 31 3.3.3. Biblischer Horizont zu den untersuchten Themenfeldern . . . . 34

B Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionenim 20. Jh. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Edmund Schlink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.1. Schlinks Schriftverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.1.1. Das Evangelium als Grundlage der Theologie und das „Wort Gottes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

X

Inhaltsverzeichnis

1.1.2. Die Schrift als Thema der Ekklesiologie – Kanon, Dogma und Kirchenordnung als Formen der apostolischen Botschaft 50 1.1.3. Die Heilige Schrift als kirchliche Schriftensammlung und Kanon der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.1.4. Die Autorität und Inspiration der Schrift als Gotteswort . . . . . 53 1.1.5. Die apostolische Überlieferung in der Heiligen Schrift, die Traditionen der Christenheit und die Suffizienz der Schrift . . . 55 1.1.6. Die Heilige Schrift als Grundlage der Ökumene . . . . . . . . . . . . . 57 1.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1.2.1. Theologie und theologische Wissenschaft zwischen Glauben und Erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1.2.2. Die theologischen Disziplinen und die theologische Hermeneutik der Schriftauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.2.3. Die Verbindung von Schrift und Dogmatik im Rahmen der ökumenischen Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1.4. Schriftgebrauch bei Schlink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . . . . 94 1.5. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Wolfhart Pannenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2.1. Pannenbergs Schriftverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.1.1. Das Schriftprinzip als Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.1.2. Die Schrift als Zeugnis der Offenbarung und das „Wort Gottes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2.1.3. Die Autorität der Schrift aus dem Evangelium . . . . . . . . . . . . . . . 116 2.1.4. Die Bedeutung der Schrift in ihren Rezeptionsund Auslegungskontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2.2.1. Evangelische Theologie als Schrifttheologie und die Krise der Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2.2.2. Die Prüfung der Theologie an der Schrift als Aufgabe historisch-exegetischer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2.2.3. Die Schrift als Ausgangspunkt und Maßstab für die Dogmatik 133 2.2.4. Schriftauslegung im Licht einer theologischen Hermeneutik . 138 2.3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2.4. Schriftgebrauch bei Pannenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

XI

2.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . . . . 159 2.5. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Friedrich Mildenberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.1. Mildenbergers Schriftverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.1.1. Einfache Gottesrede als Ausgangspunkt von Schriftverständnis und kirchlicher Schriftauslegung . . . . . . . . . 170 3.1.2. Die Geltung und Autorität der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.1.3. Die Einheit der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3.2.1. Die Schrift als Gegenstand und Aufgabe der Theologie . . . . . . 185 3.2.2. Die Einheit der Theologie und die Aufgabe der Schriftauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3.2.3. Schriftauslegung in den Bibelwissenschaften – Geistliche und historische Schriftauslegung als Teile einer pneumatischen Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.2.4. Schriftauslegung in der Dogmatik – Die Vermittlung zwischen Schrift, Kirche, Glaube und Erfahrung . . . . . . . . . . . . 199 3.2.5. Biblische Dogmatik – Mildenbergers theologisches Programm zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik . . . . . . . 201 3.3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.4. Schriftgebrauch bei Mildenberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . . . . 224 3.5. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Ulrich H. J. Körtner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4.1. Körtners Schriftverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4.1.1. Bibel, Schrift und die Krise des Schriftbegriffs . . . . . . . . . . . . . . 235 4.1.2. Die Schrift als Kanon und die Einheit der Schrift in ihrer Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.1.3. Wort Gottes, Offenbarung und Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.1.4. Die Inspiration und Autorität der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.1.5. Die Schrift in der Auslegungsgemeinschaft der Gläubigen . . . . 253 4.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.2.1. Theologie als Arbeit am Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

XII

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4.2.2. Aufgabe und Methoden der Schriftauslegung in der Exegese . 263 4.2.3. Dogmatik als Schriftauslegung zwischen Schriftgemäßheit und Wirklichkeitsgemäßheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4.3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 4.4. Analyse des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . . . . 291 4.5. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen 300 5.1. Schriftverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 5.1.1. Die Schrift in soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 5.1.2. Die Autorität der Schrift – Begründungslinien, Ebenen und Autoritätsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 5.1.3. Exklusivität und Einbettung der Bedeutung der Schrift – Kirche und Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 5.1.4. Pluralität, Einheit und Klarheit der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5.2. Schriftauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5.2.1. Zum Verhältnis von Schriftverständnis und Schriftauslegung . 308 5.2.2. Die Bedeutung der Schrift für die Dogmatik – Grundlage, Gegenstand und Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5.2.3. Zum Selbstverständnis der Dogmatik im Umgang mit der und im Gegenüber zur Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.2.4. Dogmatische Schriftauslegung zwischen Glauben und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 5.2.5. Theologische Schriftauslegung zwischen Exegese und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 5.3. Schriftgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 5.3.1. Schriftgebrauch in Themenexposition und Argumentation . . . 315 5.3.2. working canon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5.3.3. Funktionen von Schriftgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.3.4. Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.4. Zum Verhältnis von Schriftlehre, Schriftverständnis und Schriftgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

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XIII

C Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik – Systematische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Zwischen der Leerstelle in der Fundamentaltheologieund der argumentativen Inanspruchnahme der Schrift – Versuch einer Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1.1. Die fehlende Explikation des fundamentaltheologischen Status der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1.2. Die performative Imponierung der Schrift in ihrer Auslegung . . . . . 323 1.3. Zum Ziel der systematischen Perspektiven auf den Status der Schrift in der und für die Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 2.1. Die deutende Inanspruchnahme biblischer Texte als Glaubenszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 2.2. Dogmatischer Schriftgebrauch als pluriformes „Sich-Ausweisen“ mit und gegenüber der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2.3. Pluralität und Einheit der Schrift im Kontext dogmatischer Schriftauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 2.3.1. Der working canon und auslegungsleitende biblische Traditionslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2.3.2. Die Einheit der Schrift in der dogmatischen Auslegung . . . . . . 333 2.3.3. Schriftauslegung und Textbindung – Oder: Mit dem Text gegen die Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2.4. Ausblick – Die offene Frage nach einer Epistemologie und Methodik wissenschaftlich-dogmatischer Schriftauslegung . . . . 343 3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 3.1. Theologische Schriftauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 3.2. Die Bedeutung exegetischer Schriftauslegung aus der Perspektive der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 3.3. Ausblick – Komplementäre Fragerichtungen theologischer Schriftauslegung in und zwischen Dogmatik und Exegese – und der praktischen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4.1. Schriftlehre und Schriftverständnis – Zur doppelten Verortung der Schrift im Kontext der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4.2. Die Rede von der Autorität der Schrift und ihr fundamentaltheologischer Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

XIV

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4.2.1. Der fundamentaltheologische Status der Schrift als referentielle Bestimmung zur Autorität der Schrift . . . . . . . . . . . 362 4.2.2. Die relationale Struktur der Schriftautorität und der Status der Schrift in der und für die Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 4.3. Schriftgemäß? Die Schrift als Kriterium dogmatischer Reflexion im Kontext pluraler Bezugsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 4.4. Ausblick – Die Schrift als primärer Intertext und die Schriftbindung der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 5. Die Schrift als prozedurales und diskursives „Streitprinzip“ in der und für die Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch . . . . . . . . . 381 I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 A. Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 B. Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 A. Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentations­ verlauf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 B. Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentations­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­ verlauf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

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XV

III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Friedrich Mildenberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 A. Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentations­ verlauf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 B. Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentations­ verlauf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 IV. Ad B 4.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Ulrich H. J. Körtner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 A. Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 B. Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2. Darstellung nach den Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 3. Darstellung nach den Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Primärliteratur der untersuchten Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 II. Von den Autoren verwendete exegetische Sekundärliteratur . . . . . . . . . . 425 III. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 IV. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

A Einführung 1. Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch – Linien des Themenfeldes Der Streit um die Schrift begleitet die Theologie seit ihren Anfängen und hat in der evangelischen Kirche und Theologie eine zentrale Bedeutung. Eindrucksvoll wurde der Status der Schrift in der und für die Dogmatik als principium1 der Theologie in der Reformationszeit fixiert und etwa in der Beschreibung der Schrift als „einige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilet werden sollen“2 in der Konkordienformel ausgeführt. Die Diskussionen um diese und ähnliche Beschreibungen des Status der Schrift und ihrer Implikationen in protestantischen Schriftlehren sind Legion. Doch was bedeutet diese Beschreibung des besonderen Status der Schrift in der modernen Dogmatik und für deren Reflexion? Was folgt daraus für die Aus­ rbeit? legung und den Gebrauch der biblischen Texte in der dogmatischen A Wie lassen sich diese Formulierungen im Horizont moderner Schriftlehren und Schriftauslegungen verstehen? Diesen Fragen geht die vorliegende Studie nach. Der Zusammenhang von Schriftlehre und Schriftauslegung besteht auf zweifache Weise, wie der Titel formuliert. Zum einen lässt sich die Beschreibung der Schrift 1  Dass Martin Luthers Rede vom sola scriptura nicht mit den in Folge ausgearbeiteten Überlegungen zu einem formalen Schriftprinzip gleichgesetzt werden können, führte zuletzt Albrecht Beutel überzeugend aus. Vgl. Beutel, Scriptura. Weiterführend zur Entwicklung der Rede vom Schriftprinzip vgl. z. B. Sparn, Subtilitas. Wolfhart Pannenberg zeigt auf, dass die Rede von zwei Prinzipien der Reformation sich zuerst bei Claus Harms findet und sich gegen Martin Luthers Beschreibung eines Prinzips der Theologie wendet. Pannenberg, Prinzipien, 79 f. Vgl. zur Unterscheidung von Material- und Formalprinzip Beutel, Scriptura, 52 f. An dieser Stelle ein Hinweis zur gendersensiblen Sprache in der vorliegenden Studie: In den darstellenden Abschnitten folgt die Formulierung der beschreibungssprachlichen – meist allein maskulinen – Form, in allen anderen Abschnitten wird inklusiv formuliert. 2  In der Einleitung der Konkordienformel wird ein qualitativer Unterschied zwischen der Schrift und anderen Texten formuliert, die der Schrift „unterworffen und anders oder weiter nicht angenommen werden, dann als zeugen“ (Dingel, Bekenntnisschriften, 1216, Z. 17–18). Die Schrift ist demgegenüber „Richter, Regel [norma] und Richtschnur [regula], nach welcher als dem einigen Probirstein sollen und müssen alle Leren erkant und geurteilet werden, ob sie gut oder bös, recht oder unrecht sein.“ (a. a. O., 1218, Z. 13–16). An anderer Stelle benutzt die Konkordienformel auch die Metapher der Bibel als „reinen, lautern Brunnen Israelis“ (a. a. O., 1310, Z. 7).

2

A Einführung

in der Schriftlehre mit den Überlegungen zur Schriftauslegung in Verbindung setzen. Zum anderen prägt, schärft und spiegelt der faktische Schriftgebrauch in der dogmatischen Urteilsbildung das dogmatische Verständnis der Schrift. Der Zusammenhang von Schriftlehre und Schriftauslegung lässt sich somit sowohl auf der Ebene der Reflexion als auch auf der Ebene der Praktiken von Schriftauslegung in der Theologie bedenken: Der besondere Status der Schrift in der Dogmatik und für ihre Arbeit, so die Ausgangsthese der Studie, erschöpft sich somit nicht in der Rede über die Schrift, sondern prägt die Schriftauslegung und den Schriftgebrauch und wird seinerseits aus diesen gespeist. Diese Zusammenhänge nimmt die vorliegende Studie in den Blick, um den Status der Schrift in der und für die Dogmatik zu präzisieren.3 Analytisch zu unterscheiden ist somit zwischen Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch. Schriftlehre bezeichnet die systematische Entfaltung der dogmatischen Beschreibungen der Schrift als einem Locus der Dogmatik. Unter Schriftauslegung wird die theoretische Reflexion zur Auslegung der Schrift gefasst. Mit dem Begriff Schriftgebrauch werden die faktischen Bezüge auf die Schrift und ihre Einbindung in die dogmatischen Urteilsbildung beschrieben.4 Der Begriff Schriftverständnis wird als Oberbegriff der im Zusammenspiel von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch erkennbaren Auffassung der Schrift verwendet. Dieser Terminologie folgend untersucht die Studie den Status der Schrift in der und für die wissenschaftliche Dogmatik ausgehend in der Zusammenschau von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch.

1.1. Die „Krise des Schriftprinzips“ und die Krise der enzyklopädischen Frage nach der Auslegung der Schrift Ist von der Schrift in der evangelischen Dogmatik die Rede, so kommt diese im Modus der Krisenbeschreibung in den Blick: Die Debatte um die sog. „Krise des Schriftprinzips“ ist ein Grundmoment gegenwärtiger theologischer Reflexion auf die Schrift und daher von Jörg Lauster zutreffend als „fundamentaltheologische Dauerkrise“ beschrieben.5 Zur Prägung des Begriffs trug wesentlich ein Aufsatz Wolfhart Pannenbergs bei, der 1962 unter dem Titel Die Krise des Schrift3 Die Frage nach dem Verhältnis von Schrift und Tradition tritt damit mitnichten in den Hintergrund, sondern steht in einer ebensolchen Wechselwirkung mit dem Verständnis der Schrift wie die hier untersuchte Frage nach dem Verhältnis vo zn Schriftlehre und Schriftauslegung. Dieses nimmt Elisabeth Maikranz in ihrer Dissertation in den Blick, die parallel zu der vorliegenden Studie am Ökumenischen Institut der Theologischen Fakultät Heidelberg entstand und ebenfalls in dieser Reihe publiziert wurde. Für den konstruktiven Austausch danke ich ihr an dieser Stelle herzlich. 4  Zum Begriff des Schriftgebrauchs und dem hier gewählten methodischen Zugang vgl. Abschnitt A 3. 5  Lauster, Schriftauslegung, 180.

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prinzips eine „Grundlagenkrise der modernen Theologie“ durch die „Auflösung des Schriftprinzips“ beschrieb.6 Pannenberg gründet seine These auf die Beobachtung, dass der Schriftpositivismus des Spätmittelalters zu einer Vernachlässigung der Universalität des Themas der Theologie, i. e. Gott, und folglich zu einer unzulässigen Selbstbeschränkung der Theologie geführt hat.7 Theologie und profane Wissenschaften haben sich daher voneinander entfernt, sodass die Frage der Wahrheit zwischen beiden sich gegen die Glaubwürdigkeit der Theologie und der Schrift selbst gekehrt hat. Aus diesem Antagonismus heraus ist die Schrift nach Pannenberg selbst von der Kritik erfasst worden: „In der Auflösung des Schriftprinzips wirkte sich aus, was durch die Konzentration auf die Schrift in Abkehr von den Weltwissenschaften schon angelegt war.“8 Ausgehend von Luthers These von der Klarheit der Schrift, nach welcher die Sache der Schrift im exegetisch erkennbaren Wortsinn erkennbar ist, wuchs der Exegese eine hohe Bedeutung für die protestantische Theologie zu.9 Theologische Sätze lutherischer Theologie haben daher den Anspruch, durch Exegese begründet zu sein. Doch führte die Entwicklung der historischen Schriftforschung nach Pannenberg eben zur Auflösung des von Luther geforderten Schriftprinzips.10 Im Unterschied zu Luther steht die lutherische Theologie heute vor der Herausforderung, den aufgezeigten Abstand zwischen dem Wortsinn und dem bezeugten Geschehen, also den Abstand zur historischen Situation und die unhintergehbare Pluralität und Widersprüchlichkeit der Schriften des Kanons theologisch verantwortet aufzunehmen.11 Die Frage, wie die Kluft zwischen Faktum und Bedeutung, zwischen seiner und der neutestamentlichen Gedankenwelt überbrückt werden kann, ist für Pannenberg das hermeneutische Problem der Gegenwart, das eine „Horizontverschmelzung“  6 Pannenberg,

Krise, 13. a. a. O., 12.  8   A. a. O., 13.  9  Vgl. a. a. O., 14. 10 Vgl. Pannenberg, Prinzipien, 80. Diese lineare Beschreibung des Zusammenhangs von Luthers Aussagen zum Wortsinn der Schrift, historischer Schriftforschung und der Krise des Schriftprinzips ist durchaus umstritten. Rochus Leonhardt und Martin Rösel halten treffend fest, dass Luthers Schriftlehre in ihrer Verbindung von zwei unterschiedlichen Anliegen einen zentralen Ausgangspunkt der Kritik bildet: „Dass Luther einerseits die Christusbezogenheit der gesamten Schrift lehrte und andererseits Wert auf eine am Literalsinn orientierte philologische Exegese legte, führte […] zu einem unverbundenen Nebeneinander von philologischgrammatischer Methodik zur Behandlung der Bibel als literarischem Dokument und der dogmatischen oder erbaulichen Lehre von der Bibel als Wort Gottes.“ (Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip, 300). Während daher festzuhalten ist, dass sich die Entwicklung der exegetischen Forschung sinnvoll und legitim aus den schrifttheologischen Voraussetzungen der Reformation ergibt (vgl. Pannenberg, Krise, 14; sowie Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip, 301; Weder, Art. Bibelwissenschaft II, 1532), kann keine direkte Linie von Luthers Formulierung des Schriftprinzips zur Entwicklung der Exegese gezogen werden (vgl. Reventlow, Wurzeln). Vgl. zum Hintergrund z. B. Ebeling, Bedeutung. 11  Vgl. Pannenberg, Krise, 15.  7 Vgl.

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erfordert.12 Pannenbergs Ansatz für eine solche Horizontverschmelzung verwundert angesichts seiner Verortung des Problems nicht: Er möchte eine „beide verbindende[] Geschichte“ entwerfen, welche die Universalgeschichte und den christlichen Gottesgedanken ins Gespräch miteinander bringt.13 Nur so kann nach Pannenberg die doppelte Krise des Schriftprinzips – nach Seiten der historischen Kritik und des hermeneutischen Problems – überwunden werden: „Der Durchbruch zu solcher Universalität ist heute vom offenbarungstheologischen Ansatz der Schrifttheologie selbst her dringend, weil die Problemgeschichte des Schriftprinzips in die Frage nach der Universalgeschichte mündet.“14 Unter der von Pannenberg geprägten Überschrift findet sich seither eine breite Diskussion in der Dogmatik.15 Sie kreist um die Spannung zwischen der Pluralität des biblischen Zeugnisses und ihrer normativen Inanspruchnahme im Sinne des sola scriptura,16 die Rede von der Autorität der Schrift,17 die reformatorische Beschreibung einer Mitte der Schrift sowie die damit verbundene Rede von der Klarheit und Suffizienz der Schrift.18 Aber auch die Medialität und Materialität der Schrift,19 sowie die Leistungskraft der Rede von der Schrift als Prinzip kommen in den Blick.20 Auch von exegetischer Seite wird die Debatte um die theologische Bedeutung der biblischen Texte engagiert geführt.21 Die Debatte um das Schriftverständnis innerhalb der evangelischen Theologie zeugt in ihrer Breite und Divergenz von der konstitutiven Bedeutung des Themas auf der einen Seite und von ihrer – durch positionelle Unterschiede ebenso wie durch hermeneutische Umbrüche bedingten – Komplexität auf der 12 A. a. O.,

18. Vgl. Pannenberg, Hermeneutik und Universalgeschichte, 107–110. Krise, 19. 14   A. a. O., 21. 15 Dies spiegeln z. B. die folgenden Sammelbände allein aus den letzten 20 Jahren: Baumann/ Hartlieb, Fundament; Bayer u. a., Autorität; Ebner, Theologie; Fischer /Leppin, Streit; Hamilton, Scriptura; Landmesser /Klein, Erinnerung; Dies, Text; Landmesser /Popkes, Verbindlichkeit; Landmesser /Zweigle, Schrift; Luther Akademie R atzeburg, Luther; Meyer-Blanck, Säkularität; Petzoldt, Autorität. 16  Vgl. z. B. Baumann, Pluralität; Bernhardt, Scriptura; Hamilton/Hamilton/Wiesinger, Scriptura; Landmesser, Schrift; Welker, Gewicht; Ziegert, Zukunft. 17  Vgl. z. B. Bayer /Ringleben/Slenzka, Autorität; Coors, Lesen; Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip; Meyer-Blanck, Säkularität; Petzoldt, Autorität; Welker, Scriptura. Vgl. aus katholischer Perspektive Rothenbusch/Ruhstorfer, Gott. Zur ökumenischen Debatte vgl. einführend die Beiträge in MdKI 5 (2015). Interdisziplinär befassen sich mit dieser Frage die Beiträge in Alkier, Scriptura; Burger, Scriptura. 18 Vgl. z. B. die Beiträge in Landmesser /Eckstein/Lichtenberger, Jesus; Leonhardt, Schriftprinzip; Rothen, Klarheit. 19  Vgl. z. B. Stoellger, Wo; Dalferth, Wort, 427–447; Körtner, Exegese, 123–133; Ders., Theologie, 246–251. 320–327. Vgl. weiterführend Abschnitt C 2.3.3. 20  Vgl. z. B. Chapman/Beutel, Text; Lauster, Prinzip, 12; Schulz, Schrift. Im Anschluss an Lauster Schwöbel, Scriptura, 8 f. Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.4. 21  Vgl. z. B. Alkier, Scriptura; Alkier /Reinmuth/ Vogel, Scriptura; Hartenstein, Bedeutung; Luz, Hermeneutik; Oeming, Hermeneutik; Konradt, Scriptura; Theiẞen, Texttranszendenz; Ders., Verstehen; Wick/Cramer, Schrift. 13 Pannenberg,

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anderen Seite. Insgesamt stellt die Spannung zwischen der normativen und konfessionell-konstitutiven Bedeutung der Schrift, die in der Rede vom „Schriftprinzip“ zum Ausdruck kommt, und der genannten Probleme bei der Einlösung dieser Bedeutung in der dogmatischen Reflexion auf die Schrift und mit der Schrift eine anhaltende Herausforderung dar. Pannenbergs Problembeschreibung stellt dabei einen Zusammenhang in den Vordergrund, der in der Debatte bislang nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat: Nach Pannenberg sind es die veränderten wissenschaftlichen Zugangs- und Auslegungswege zur Schrift, die das Verständnis der Schrift derart verschieben, dass es zur Auflösung des Schriftprinzips kommt.22 Für das Verständnis der Schrift ist ihre Auslegung zentral – die Frage nach dem Status der Schrift muss daher die Schrift als ausgelegte und auszulegende Schrift in den Blick nehmen. Die Frage nach der Schriftauslegung kommt in den schrifthermeneutischen Debatten v. a. im Blick auf die auch von Pannenberg herausgestellte historische Schriftkritik in den Blick. Ausführlich widmet sich Lauster dieser Frage: In seiner historisch ausgerichteten Studie untersucht er die Verhältnisbestimmungen der Rede von der Schrift als Prinzip und dem methodischen Zugriff darauf in dogmatischen Konzeptionen der Neuzeit. Seine Studie bietet daher nicht nur eine erhellende Darstellung der Transformationen des Schriftprinzips, sondern – in der Terminologie der vorliegenden Untersuchung  – auch eine Darstellung unterschiedlicher Verhältnisbestimmungen von Schriftverständnis und Schriftauslegung. So hält Lauster abschließend fest: Das letztlich entscheidende Problem in der Verhältnisbestimmung von Prinzip und Methode ist die Spannung zwischen der unverfügbaren Selbsterschließung Gottes durch die biblischen Schriften und dem durch einen methodischen Zugriff ermöglichten Verstehen der Texte.23

Lauster nimmt dabei explizit exegetische Methoden der Schriftauslegung in den Blick und kommt zu dem Schluss, dass diese für die Rede vom Schriftprinzip überwiegend folgenlos bleibt und somit die „historische Kritik […] theologisch in der Luft [hängt]“.24 Die in der vorliegenden Untersuchung im Zentrum stehende dogmatische Schriftauslegung nimmt Lauster nicht in den Blick. Schriftauslegung wird in der Debatte daher weniger im Zusammenhang mit der Schriftlehre als vielmehr im Kontext der Reflexion auf die exegetischen Disziplinen und ihres Zusammenhangs mit der Dogmatik beschrieben. Wiederholt kommt in der Debatte die Schriftauslegung als eine Aufgabe der theologischen Disziplinen in den Blick – ohne dass diese Überlegungen auf die Schriftlehre zurückbezogen sein müssen.25 Demgegenüber fällt z. B. ins Auge, dass in der 22 Vgl. Pannenberg, Krise, 14 f.; Ders., Aussage, 166 f. 169 f. Für die Diskussionen zu diesem Punkt der Pannenbergexegese danke ich Elisabeth Maikranz. 23  Lauster, Prinzip, 467. Vgl. a. a. O., 2 f. 24  Vgl. a. a. O., 403. 25  Vgl. Coors, Scriptura, 27–80; Körtner, Dogmatik, 73–102; Ders., Theologie, 304 f. Vgl.

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Reihe „Themen der Theologie“ die Frage nach der Schrift explizit unter dem Titel „Schriftauslegung“ verhandelt wird. Einführend wird hier die grundlegende Bedeutung der Schriftauslegung für die Theologie im Zusammenspiel ihrer Disziplinen und Methoden vor Augen gestellt und die Auslegung der Schrift als „elementares Thema theologischer Selbstreflexion“ im Zusammenspiel der Disziplinen beschrieben.26 Von dieser Beschreibung aus wird das das Verständnis der Schrift anhand, mit und durch das Umgehen mit der Schrift in den Disziplinen entfaltet. Hier zeigt sich die konstitutive Verbindung der Krise des Schriftprinzips mit der Frage nach der theologischen Enzyklopädie. Diese lässt sich zum einen als historischer Zusammenhang beschreiben, da viele der heute in der Fundamentaltheologie verhandelten Problemkreise und ihre Lösungsversuche zur Ausdifferenzierung der theologischen Methoden und folglich der Disziplinen Dogmatik und Exegese geführt haben: Programmatisch formuliert von Johann Philipp Gabler in seiner Altdorfer Antrittsrede De iusto discrimine theologiae biblicae et dogmaticae regundisque recte utriusque finibus emanzipierte sich die historisch-kritische Analyse der biblischen Texte von dogmatischen Vorgaben und entwickelte eine Vielzahl exegetischer Zugänge zu den biblischen Texten mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den einzelnen Jahrhunderten.27 Durch ihren Ursprung als Emanzipationsbewegung von der Dogmatik verfolgt die Exegese seither einen „methodischen Atheismus“ etsi Deus non daretur.28 Zugleich spiegelt die exegetische Debatte ein hohes Bewusstsein für die Bedeutung der Texte in der glaubenden Rezeption.29 Zum anderen besteht ein sachlicher Konnex, da die Schrift bleibend ein gemeinsamer Gegenstand dieser Disziplinen ist.30 Dies spiegeln Ansätze zu Verbindung der exegetischen und systematischtheologischen Debatten um die Schrifthermeneutik31 ebenso wie Reflexionen zum Zusammenhang von Schriftauslegung und Schriftverständnis aus exegetischer Perspektive z. B. Frevel, Sache. Vgl. Fußnote 30, 31 und 32 in diesem Kapitel zur interdisziplinären Diskussion. 26 Nüssel, Einführung, 4. 27  Vgl. Gabler, Discrimine. Vgl. zur Entwicklung der exegetischen Disziplinen einführend Reventlow, Epochen (IV ), insb. 79–86. 126–365; sowie die wirkmächtigen Beschreibungen von Ebeling, Bedeutung; Troeltsch, Methode. 28 Oeming, Hermeneutik, 42. Vgl. a. a. O., 42–46. 29 Inwiefern dieses Fach selbst in seiner Ausrichtung und Methodenvielfalt in eine Krise geraten ist, beschreiben z. B. Alkier, Konzepte, 431–438; Backhaus, Kritik; Reinmuth, Historik; Strecker, Gewesene; Vollenweider, Methode. Vgl. weiterführend Abschnitt C 3. 30  Vgl. z. B. Nüssel, Einführung, 4; Dies., Schriftauslegung als Projekt; Lauster, Schriftauslegung; Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip. Vgl. für Körtners Überlegungen Abschnitt B 4.2. In der Zuspitzung der Frage nach der Wahrheitsfrage nähern sich die Beiträge in dem Band „Theologie als gegenwärtige Schriftauslegung“ dem Verhältnis von Schrift und Theologie. Vgl. Jüngel, Theologie. Vgl. zu einem aktuellen Versuch einer schriftauslegenden Dogmatik Ohly, Dogmatik. 31  So das unter der Leitung der Autorin bestehende Forschungsnetzwerk zur „Schriftbindung evangelischer Theologie“ (vgl. den folgenden Absatz und Abschnitt C 4.4., sowie

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auf das Verhältnis von Exegese und Dogmatik.32 Trotz dieser Verbindungen bestehen die Disziplinen häufig „in gegenseitiger Wertschätzung bei gleichzeitig praktizierter reziproker Irrelevanz“.33 Deutlich wird, dass die Krise des Schriftprinzips zugleich ein Problem theologischer Enzyklopädie markiert.34 In der Differenzierung der theologischen Fächer und ihrer Zugriffsweisen auf biblische Texte, insbesondere der exegetischen Fächer und der Systematischen Theologie, konkretisiert sich daher die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik im Zusammenspiel von Schriftauslegung und Schriftlehre. Ihre Reflexion in der vorliegenden Studie nimmt diese Präzisierung auf indem sie danach fragt, wie die Dogmatik selbst ihren Zugang zu den biblischen Texten beschreibt und wie sie ihr Verhältnis zu den Formen der Schriftauslegung insbesondere in der Exegese bestimmt. Im Zuge des eingangs skizzierten Zusammenhangs von Schriftlehre und Schriftauslegung wird damit impliziert, dass das Verständnis wissenschaftlicher Exegese ebenso Rückwirkungen auf die Schriftlehre selbst hat wie auf das Verständnis von Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik. Mit den Leitbegriffen der Studie formuliert: Schriftauslegung und Schriftgebrauch sind nicht nur durch die Schriftlehre geprägt, sondern wirken auf diese zurück. Somit sind sie selbst Teil des Verständnisses der Schrift in der Verbindung von Reflexion und Praxis. Diese Fragen stellen sich nicht nur innerhalb der Dogmatik, sondern bedürfen auch der interdisziplinären Reflexion zwischen Exegese und Dogmatik. Einen Versuch dazu bildet das Netzwerk „Schriftbindung evangelischer Theologie“, das 2015 von der Verfasserin initiiert und parallel zur Entstehung dieser Studie geleitet wurde. Die Ergebnisse der fünfFocken/van Oorschot, Schriftbindung). Vgl. z. B. Landmesser /Klein, Text; Nüssel, Schriftauslegung; Wischmeyer, Handbuch. Dem Fokus nach und in einer spezifischen Perspektive steht auch das Jahrbuch für Biblische Theologie für dieses Anliegen, insb. die Beiträge in Baldermann, Hermeneutik; Ebner, Theologie. Daneben finden sich interdisziplinäre Forschungen zu einzelnen Themen (vgl. z. B. Danz/Murrmann-Kahl, Jesus) sowie Versuche, eine Verbindung im Genre des Bibelkommentars zu schaffen (vgl. z. B. Luz, Bibelkommentare). Zur Frage des Bezugs der theologischen Disziplinen auf die Bibel vgl. z. B. die Beiträge aus Ebner, Theologie. 32 Vgl. zur Debatte um das Verhältnis von Exegese und Dogmatik z. B. Clauẞen/Öhler, Exegese; Klinger, Status; Plasger, Wort; Schmid, Dogmatik. Aus katholischer Perspektive vgl. z. B. Busse, Bedeutung; Hossfeld, Systematik. Vgl. zur enzyklopädischen Diskussion z. B. Becker /Hiller, Handbuch; Buntfuẞ/Fritz, Fremde; Dalferth, Wissenschaft; Ders., Theologie; Nüssel, Aufgabe; Stock, Art. Theologie; Welker /Schweitzer, Boundaries. 33 Lauster, Entzauberung, 94. 34 Lauster deutet diesen Gedanken an, wenn er einführend schreibt, dass die Krise des Schriftprinzips sich als „institutionalisierte Dauerkrise“ zwischen Exegese und Dogmatik manifestiert, ohne diesen Gedanken in seiner Studie aufzugreifen (Lauster, Prinzip, 2). Explizit findet sich dieser Gedanke bei Leonhardt: „Weil aufgrund dieses Gegeneinanders von Exegese und Dogmatik die Theologie insgesamt nicht mehr als eine einheitliche Wissenschaft bestimmt werden kann, spiegeln auch die gegenwärtigen Bemühungen um eine theologische Enzyklopädie eher ‚das Problembewusstsein als den gelungenen Versuch, die einzelnen Disziplinen aus dem Wesen der Theologie syst. zu entwickeln‘; die Krise des Schriftprinzips hat also letztlich zu einer Krise der theologischen Enzyklopädie geführt.“ Leonhardt, Skeptizismus, 232.

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jährigen Arbeit bündelt der Band Schriftbindung evangelischer Theologie.35 Sie werden im Fazit der Arbeit stellenweise mit den Beobachtungen dieser Studie ins Gespräch gebracht.36

1.2. Die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik Fragt man nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik, so kommt nicht nur die in der Debatte um die sog. „Krise des Schriftprinzips“ breit verhandelte Frage nach der Autorität oder Normativität der biblischen Texte in den Blick. Zugleich steht die Verhältnisbestimmung der Schrift zur Dogmatik – ihr Status für die Dogmatik – und ihr Ort in der dogmatischen Reflexion – ihr Status in der Dogmatik – im Fokus. Deutlich wird dies in der Stellung der Schriftlehre innerhalb der Dogmatik: Auf der einen Seite ist die Schrift (und ihre Auslegung) Gegenstand theologischer Reflexion i. S. eines dogmatischen Locus, etwa in den Ausführungen zur Schriftlehre. Auf der anderen Seite – und hier unterscheidet sie sich von anderen dogmatischen Loci – ist die Schrift im Gefolge der Bekenntnisschriften Norm theologischer Lehre.37 Beide Ebenen sind eng miteinander verwoben, da die Frage nach der Schrift als Norm zugleich ein Thema der Reflexion über die Schrift darstellt – etwa als die Frage, ob und/oder inwiefern die Schrift als kanonische Textsammlung auch für die theologische Lehrbildung und Reflexion Autorität hat. Fragt man vor diesem Hintergrund nach dem Status der Schrift in der Dogmatik, so scheint dieser unstrittig: Dass die Schrift bleibender Gegenstand der Dogmatik ist – wenn auch im Modus der permanenten Krise –, macht die skizzierte Debatte deutlich. Im Blick auf die Frage nach dem Status der Schrift für die Dogmatik ist eine deutliche Ambivalenz erkennbar: Auf der einen Seite dienen die in der Reformationszeit formulierten Beschreibungen bis heute als bleibender Referenzpunkt schrifthermeneutischer Debatten. Auf der anderen Seite führt das Unbehagen mit dem Status der Schrift als Norm für die Dogmatik zwar selten zu explizitem Widerspruch38, aber äußert sich implizit z. T. sehr deutlich. Davon zeugt insbesondere die Frage nach der Verortung der Schriftlehre in der Dogmatik. Christoph Schwöbel verweist auf die konstitutive Doppelstellung der Schrift innerhalb der Dogmatik als Thema der Fundamentaltheologie und der materialen Dogmatik.39 Andere fordern hingegen die Verschiebung der Schriftlehre aus der Fundamentaltheologie heraus. So begründet Christian Danz – und in ähnlicher Linie Michael Moxter: 35 Vgl.

Focken/van Oorschot, Schriftbindung.  Vgl. insb. die Abschnitte C 4.2. und C 4.4. 37  Der Verweis auf die Bekenntnisschriften findet sich in den Debatten sehr häufig. Welche Texte und Passagen jeweils vor Augen stehen, wird nicht immer deutlich. Vgl. Fußnote 2 in diesem Kapitel. 38  Explizit findet sich Widerspruch insbesondere bei Falk Wagner, vgl. Abschnitt A 1.3. 39  Schwöbel, Botschaft, 166. Vgl. R atschow, Art. Schrift, 423 f. 36

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Die Dogmatik im modernen Protestantismus hat im Interesse an der Geschichtlichkeit des Glaubens und der Notwendigkeit der historisch-kritischen Bibelauslegung die Lehre von der Heiligen Schrift in die Pneumatologie verschoben. Nur so kann die Bibel von einer Begründungslast zenbefreit werden, die sie unter den Bedingungen eines historisch-kritischen Umgangs mit ihr nicht mehr zu tragen vermochte. Die Schriftlehre ist folglich als Bestandteil des Glaubensbegriffs zu explizieren.40

Ähnlich fordert auch Elisabeth Hartlieb eine Verschiebung der Schriftlehre in Ekklesiologie und Pneumatologie.41 Blickt man in die Theologiegeschichte, so wird fraglich, ob in diesem Zusammenhang zutreffend von einer „Verschiebung“ gesprochen werden kann.42 Denn eine solche Verschiebung setzt einen Konsens über einen für ursprünglich gehaltenen systematischen Ort der Lehre von der Schrift voraus. Dieser ist jedoch bereits für Luthers Beschäftigung mit der Schrift umstritten: Auf der einen Seite ist unzweifelhaft die Soteriologie Ausgangspunkt der Rede vom sola scriptura.43 Zugleich finden sich bei Luther Hinweise auf die Schrift als Prinzip – sowohl im Vorwort der Assertio44 als auch in De servo arbitrio.45 Somit ist bei Luther auf der anderen Seite eine unlösbare Verschränkung von kirchlicher Lehre und Theologie zu erkennen, für die der Schrift eine kriteriologische Funk40  Danz, Einführung, 197. Ähnlich konstatiert Moxter eine „Verlagerung der Schriftlehre aus den Prolegomena in die Pneumatologie“. Moxter, Grund, 165. Interessanterweise verhandelt Danz in seinem Lehrbuch die Schrift als Teil des vierten Kapitels über die Religion, wo er sich unter der Überschrift „Religiöse Formen“ mit Symbol, Schrift und Kultus auseinandersetzt (vgl. Danz, Theologie, 129–133). Hier führt er in den Kanonbegriff sowie die Debatten um das Schriftprinzip ein. Die Auseinandersetzung mit der Schrift ist insofern der materialen Dogmatik vorgelagert, im Kapitel zum Glauben wird auf die Schrift nicht explizit eingegangen. Zugleich setzt sich Danz in seiner Systematischen Theologie für Entfaltung der Themen immer wieder mit dem biblischen Zeugnis auseinander. Zu dieser Differenz zwischen Schriftlehre und der performativen Imponierung der Schrift vgl. Abschnitt C 1. 41 Vgl. Hartlieb, Regel, 77 f. 42 Ausführlich untersucht Lauster die theologiegeschichtlichen Transformationen, allerdings mit einer etwas anders gelagerten Fragestellung. Vgl. Abschnitt A 1.1. und Lauster, Prinzip. Zur Entwicklung des Schriftprinzips von Luthers Beschreibungen bis in die lutherischen Orthodoxien vgl. a. a. O., 11–18. 43 Kupsch, Gebrauch, 374.379. Vgl. Schwöbel, Scriptura, 21 f. 44 „Hic clare spiritus tribuit illuminationem et intellectum dari docet per sola verba dei, tanquam per ostium et apertum seu principium (quod dicunt) primum, a quo incipi oporteat ingressurum ad lucem et intellectum.“ (WA 7,97, 26–29; „Hier verleiht der Geist ganz klar Erleuchtung und lehrt, dass Erkenntnis allein durch die Worte Gottes verliehen wird gleichwie durch eine Tür oder eine Öffnung oder ein erstes Prinzip (wie man sagt), von dem aus der anfangen muss, der zum Licht und zur Erkenntnis gelangen will.“ Übersetzung LDStA 1, 81,7–11). Deutlich wird, dass Luther nicht explizit an der Formulierung der Schrift als Prinzip gelegen sein scheint, sondern dass er auf diese Beschreibung explizit als Redeweise Anderer zurückgreift. 45 „cogimur primum probare illud ipsum primum principium nostrum“ (WA 18, 653, 33 f; „unser oberstes Prinzip zu beweisen, durch das alles andere zu beweisen ist“, Übersetzung LDStA 1, 327,17 f ).

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tion zukommt.46 Festzuhalten ist, dass für Luther die soteriologische Verortung nicht abtrennbar von der fundamentaltheologischen Bedeutung zu verstehen ist. Ob der fundamentaltheologische Schwerpunkt in den lutherischen Orthodoxien mit Schwöbel als „theologische Relativierung“47 beschrieben werden kann oder als Fortschreibung einer bei Luther geprägten Ambivalenz von Philologie und Pneumatologie48 ist daher nicht eindeutig. Im Blick auf heutige Rekurse auf lutherisches Theologieverständnis ist auf die neuzeitliche Brechung der Fragerichtung nicht nur durch die historische Kritik hinzuweisen.49 Ein kursorischer Blick in moderne Entwürfe Systematischer Theologie macht die bleibende Ambivalenz dieser Zuschreibungen deutlich: Friedrich D. E. Schleiermacher befasst sich in Der christliche Glaube mit der Schrift als Thema der Ekklesiologie.50 Ernst Troeltsch wiederum verhandelt die Schrift in der Glaubenslehre sowohl in den Prolegomena (§ 2 Quellen und Autoritäten und § 3 Offenbarung und Glaube) als auch in der Ekklesiologie (§ 31 Das Gnadenmittel des Wortes).51 Für Paul Tillich ist die Schrift Thema der Prolegomena (§ 14 Satz der Autorität der Schrift und § 15 Normativität der kirchlichen Tradition).52 Auch Karl Barth verhandelt die Frage nach dem Wort Gottes und der Schrift in den Prolegomena (§ 3–7 Das Wort Gottes als Kriterium der Dogmatik).53 Ein eindeutiger ursprünglicher Ort der Reflexion auf die Schrift ist damit ebenso wenig erkennbar wie eine leitende Traditionslinie in dieser Frage.

Diese Ambivalenz spiegelt nicht nur die explizite Debatte um den dogmatischen Ort der Schrift, sondern auch ein Blick in Dogmatiken und dogmatische Einführungswerke neuerer Zeit: So wird die Schrift von Einigen als fundamentaltheologisches Thema verhandelt,54 von Anderen wird sie als Thema der Christologie und Soteriologie55 oder der Ekklesiologie56 eingeführt. Wieder andere Autoren verweisen auf die Doppelstellung der Schrift in unterschiedlichen Zusammenhängen57 oder verzichten insgesamt auf die Darstellung einer 46  Vgl. z. B. Hartlieb, Regel, 62 f.; Leppin, Luther, insb. 96–102; Zeller, Schriftverständnis, 140 f.145 f.149 f. 47 Schwöbel, Scriptura, 21 f. 48 Vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 202.223. 49 Inwiefern Luther an diesen Stellen als Wissenschaftler seiner Zeit spricht, führt Kinga Zeller aus (Zeller, Schriftverständnis, 64.96.149 f ). Zu den Inkonsistenzen vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 145–175, insb. 168–175. 50  Vgl. insb. § 128, sowie § 27. Vgl. Schleiermacher, Glaube, 316–340. Lauster beschreibt diese Verortung als Verbannung und markiert damit sprachlich den peorativen Zug dieser Verortung (vgl. Lauster, Prinzip, 50). Der Impetus dieser Verschiebung ist zumindest bei Schleiermacher vor seinem dogmen- und zeitgeschichtlichen Hintergrund deutlich erkennbar, wie Lauster herausarbeitet (vgl. a. a. O., 49–65). 51 Vgl. Troeltsch, Glaubenslehre, 19–55.371–374. Vgl. Lauster, Prinzip, 239–249. 52 Vgl. Tillich, Dogmatik, 61–82. Vgl. Lauster, Prinzip, 322–330. 53  Vgl. Barth, Dogmatik (I/1), 47–310. Vgl. Lauster, Prinzip, 258–276. 54  Vgl. z. B. Joest/von Lüpke, Dogmatik (I), 48–79; Korsch, Antworten, 35–48. 55  Vgl. z. B. Härle, Dogmatik, 111–139. 56  Vgl. z. B. Schlink, Dogmatik, 631–645. 57   Vgl. z. B. Körtner, Dogmatik, 43 f. 145–177.522–544; Mildenberger, Dogmatik (1), 94.

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Lehre von der Schrift, ohne dass damit der Status der Schrift in der und für die Dogmatik abgelehnt würde58. Interessanterweise wird in vielen Studienbüchern oder Einführungen in die Dogmatik oder Systematische Theologie die Schrift als ein Thema der Fundamentaltheologie vorgestellt, ohne auf die Ambivalenz dieser Zuordnung zu verweisen.59 Die Ambivalenz der Verortung der Schrift in der Dogmatik und mithin ihr Status für die Dogmatik kann auf der einen Seite als Ausdruck eines Unbehagens gelesen werden, das auf die breite Debatte um die Krise des Schriftprinzips reagiert. In diesem Sinn kann sie als implizite Kritik an der These einer fundamentaltheologischen Bedeutung der Schrift gedeutet werden. Auf der anderen Seite kann die Verschiebung der Schriftlehre auch als Konsequenz der bei Luther erkennbaren Verortung der Rede von der Schrift und die daraus folgende Zuspitzung auf ihre soteriologisch-pneumatologische Funktion verstanden werden. Dann könnten die systematische Verschiebung der Schriftlehre parallel zur historischen Kritik am Schriftprinzip als Wirkungen der reformatorischen Neudeutung des Status der Schrift gelesen werden.60 Beide Interpretationen zeigen gleichermaßen, dass die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Theologie i. S. einer fundamentaltheologischen Beschreibung derzeit strittig ist. Entsprechung häufig wird die Verhältnisbestimmung der Dogmatik zur Schrift als offene Frage markiert, die begrüßt oder beklagt wird – und bislang nicht mit der Reflexion des faktischen Umgehens mit der Schrift in der Dogmatik verbunden wurde.61

1.3. Die Schrift als auszulegende Schrift in der gegenwärtigen Forschungsdebatte Das faktische Umgehen mit der Schrift kommt derzeit allenfalls als Frage in der Debatte auf: Verschiedentlich wird in der Debatte darauf hingewiesen, dass der faktische Umgang mit der Schrift entscheidend sei für den Status der Schrift. Schriftbezüge scheinen einen besonderen Status auszuweisen, umgekehrt wird der Mangel faktischen Schriftgebrauchs mit der Beschreibung ihrer schwindenden Bedeutung verbunden. So kommt der Zusammenhang von 58 So

z. B. Pannenberg wie in Abschnitt B 2.1. dargestellt. z. B. Kleffmann, Grundriß, 65–82; Leonhardt, Grundinformation, 179–199; Pöhlmann, Abriss, 62–86; Schneider-Flume, Grundkurs, 69–89. 60  Diese Frage steht ihrerseits im Kontext der unklaren Verortung der Fundamentaltheologie und ihrer Bezüge auf die theologischen Disziplinen selbst, auf die im Zusammenhang mit der dargestellten enzyklopädischen Dimension der Krise des Schriftprinzips über diese Studie hinaus zu reflektieren wäre. Vgl. Abschnitt C 3.3. und einführend z. B. Petzoldt, Fundamentaltheologie. 61   Vgl. z. B. Dalferth, Wort, insb. 3–41.166–250; Ebner, Theologie; Sattler, Einführung, 203; Lauster, Schriftauslegung, 207. Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.1. 59  Vgl.

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A Einführung

Schriftlehre und Schriftauslegung bislang vor allem thetisch, bzw. implizit in den Blick. Der Verweis auf den Mangel faktischen Umgehens mit der Schrift findet sich z. B. bei Schwöbel, der die „Krise des Schriftprinzips als Krise des Schriftgebrauchs“ beschreibt.62 Auch Hartlieb begründet ihre Neuformulierung des Schriftprinzips auf einem beobachteten faktischen Schwund der Plausibilität und Anerkennung der Schriftautorität.63 Lauster wiederum spricht von einer „theologisch folgenlose[n] Hochschätzung der Bibel“.64 Am pointiertesten äußert Falk Wagner diese Kritik. Er diagnostiziert ein Auseinandertreten des normativen Anspruchs auf Schriftgemäßheit und der faktischen theologischen Verfahrensweisen und kommt daher zu dem Schluss, dass die normative Forderung der Schriftgemäßheit faktisch nicht durchführbar sei: Diese Kluft ist darin begründet, daß die biblischen Schriften unbeschadet der in ihnen enthaltenen vielfältigen Themen und Inhalte unvollständig sind. Diese Unvollkommenheit besteht sowohl für dogmatisch-lehrhafte Inhalte als auch für ethisch-sozialethische Themen wie für Gesichtspunkte, die sich auf die soziokulturellen Verhältnisse beziehen.65 Das Auseinandertreten von Schrift und Offenbarung und das historische Bewusstsein fordern nach Wagner, den Geltungsanspruch der Texte systematisch zu begründen. Da dies unterlassen werde, beobachtet er eine „Spannung zwischen dem normativ geforderten und dem faktisch praktizierten Schriftgebrauch“.66

Dieser Argumentation folgend wird die Frage nach dem Schriftgebrauch in der dogmatischen Debatte häufig mit der Rede von der Autorität der Schrift verbunden: Konstitutiv wird  – zumeist thetisch  – die in den Bekenntnissen beschriebene Autorität der Schrift an einen bestimmten Umgang mit den Texten gebunden.67 Ähnliche Beschreibungen des Autoritätsbegriffs finden sich auch  Schwöbel, Scriptura, 3.

62

63 Vgl. Hartlieb, Regel, 61. Hartlieb verweist auf Ziegert, Schriftprinzip, 8. Weder Hartlieb

noch Ziegert verbinden ihre Aussage zur faktisch schwindenden Bedeutung der Schrift mit empirischen Beobachtungen oder Studien. Vgl. ähnlich in ökumenischer Perspektive Lessing, Anspruch. 64 Vgl. Lauster, Entzauberung, 71. Lauster spricht zudem von der fehlenden Orientierungskraft der Schrift. Vgl. Ders., Krise, 171. Die faktische Bedeutungslosigkeit des Alten Testament in der Frömmigkeitspraxis führt auch Slenczka an. Vgl. Slenczka, Kirche, 119. Vgl. ähnlich Beiẞer, Gebrauch. Diese Beschreibungen werden jedoch nicht begründet oder empirisch unterlegt. 65 Wagner, Teufel, 244. Vgl. a. a. O., 245. 66 Wagner, Lage, 77. Vgl. a. a. O., 79. Wagners Position stieß auf viel Widerspruch. Leonhardt kritisiert bei Wagner eine überzogene Frontstellung, welche die „Fiktion eines Substanz-Evangeliums“ auf alle Theologien übertrage (Leonhardt, Skeptizismus, 246). Manfred Oeming vergleicht Wagners Programm mit einer „Einladung zu einem Fußballspiel, bei dem kein Ball mehr benutzt werden darf “ (Oeming, Hermeneutik, 141 [Fußnote 4]). Im Anschluss an Oeming halten Leonhardt und Rösel fest, dass das aus Wagners Position folgende Gegeneinander von Exegese und Dogmatik sich in die Bibelwissenschaften verlagere (Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip, 309). 67 Dass auch Luthers Rede von der Autorität der Schrift eng mit ihrem gottesdienstlichen Gebrauch verbunden ist, zeigt Kupsch auf. Vgl. Kupsch, Gebrauch, 214–217.360 f.386. Zu seinen programmatischen Weiterführungen Vgl. a. a. O., 392–407.

1. Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch – Linien des Themenfeldes

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in anderen theologischen Disziplinen.68 Auf den Punkt gebracht, lautet die These: „Nur die ausgelegte, rezipierte Bibel bleibt ‚Bibel‘ im Sinne einer ‚Heiligen Schrift‘.“69 Ähnlich markiert Schwöbel das Spezifikum der Schrift als „Bibel im Gebrauch“, verwandte Argumentationen finden sich bei Ulrich H. J. Körtner.70 Auch Wolfgang Schoberth verankert die Autorität der Schrift in ihrem Gebrauch, den er als „Wirksamkeit, d. h. in ihrer Auslegung“ präzisiert.71 Philipp Stoellger betont die Bedeutung des Gebrauches der Schrift in Parallelisierung mit dem Abendmahl.72 Bei anderen Autoren wird dieser Zusammenhang dynamisiert: Elisabeth Gräb-Schmidt beschreibt einen hermeneutischen Zirkel zwischen dem Autoritätsanspruch der Schrift und der Glaubenserfahrung, der in der Kanonizität zum Ausdruck kommt.73 Auch Christiane Tietz ist überzeugt, dass das Schriftprinzip nur in einem hermeneutischen Zirkel zu erhalten sei: „Nur aus dem 68 Vgl. an der Schnittstelle von systematischer Theologie und Exegese die Überlegungen von van Oorschot/Ziethe, Geltungsanspruch; Zeller et al., Autorität. In der neutestamentlichen Exegese wird stellenweise über eine solche Zuspitzung des Autoritätsbegriffs nachgedacht (vgl. Alkier, Konzept, 454–464; Benka, Polyphonie, 25; Clivaz, Bibel, 43; Metzger, Sie über sich, 25. Vgl. in historischer Perspektive Karpp, Schriftauslegung, 2 f.) In der Praktischen Theologie wird dieser Zusammenhang wiederholt betont  – Thomas Schlag spricht von einem „biblical turn“ in der Praktischen Theologie, im Zuge dessen die Frage nach dem Verhältnis des Schriftverständnisses zum faktischen Umgang mit der Schrift in den Blick komme. Bei Schlag finden sich sowohl zahlreiche Literaturhinweise für diese Debatte als auch Schlaglichter in empirische Untersuchungen (Schlag, Anknüpfung, 120–125). Ähnlich beschreibt Michael Meyer-Blanck „einen von Autorität gekennzeichneten Gebrauchsmodus“ (Meyer-Blanck, Vorwort, 8). Wilfried Engemann wiederum beschreibt Schriftautorität als Kommunikationsbegriff: „Wo sich Autorität nicht im Kommunikationsgeschehen bildet (auch der Überlieferungsprozess ist als Kommunikationsprozess beschreibbar), wird Autorität umso mehr proklamiert, gefordert oder versuchsweise erzwungen – wobei freilich nicht Autorität erzwungen wird, sondern nur eine Geste scheinbaren Gehorsams. Außerdem verliert Autorität unter Zwang oder Druck ihren eigentlichen Charakter: das allgemein anerkannte Ergebnis ihrer Wirkung zu sein.“ (Engemann, Schriftautorität, 123 [Hervorhebungen im Original]). Wilhelm Gräb wiederum verweist auf den Gebrauch der Schrift als Zugangspunkt zu den biblischen Textwelten, die einem dogmatischen Zugang entgegen stehen. Vgl. Gräb, Pluralisierung 197; Ders.: Bibel, 120 f. 69  Fischer /Winter, Schrift, 44. Vgl. Kupsch, Gebrauch, 392–407. 70 Schwöbel, Scriptura, 4. Zu Körtners Position vgl. Abschnitt B 4.1 und Körtner, Theologie, 311. 71 Schoberth, Regel, 100. Vgl. zur Kategorie der Wirksamkeit im Verhältnis zum Schriftgebrauch Abschnitt C 4.2.1. 72 „Die „heilige Schrift“ ist nur deswegen heilig zu nennen, sofern sie zum Leib des Geistes wird. Und der Geist kann uns in ihr nur begegnen, sofern er als ihre bedeutungsgebende Kraft gegenwärtig ist. Mit der Schrift verhält es sich so wie mit Brot und Wein. Außerhalb ihres konkreten Gebrauchs, den der Glaube von ihnen macht, ist auch die Schrift nur eine unter vielen. Daher verehren wir die Elemente des Abendmahls so wenig wie die Bibel. Ohne den belebenden Gebrauch wäre der leibhaftige Geist wie die Schrift tot.“ Stoellger, Verkörperung, 315 [Hervorhebungen im Original]. 73 Kanonizität ist nach Gräb-Schmidt „die systematische Versicherung des Anhalts der eigenen Glaubenserfahrung am Realitätsbezug der je für einen selbst erschlossenen Wahrheit“. Gräb-Schmidt, Scriptura, 67.

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A Einführung

Umgang mit der Bibel ergibt sich ihre Autorität.“ 74 Leonhardt plädiert für eine „skeptische assertio“ 75, wobei sich das Schriftprinzip als „protestantisches Bedeutsamkeitsprinzip“ im Lebensbezug der Glaubenden konstituiert.76 Am ausführlichsten reflektiert Ingolf U. Dalferth den Zusammenhang von Schriftautorität und Schriftauslegung. Er drängt auf eine Unterscheidung zwischen der „Hermeneutik der Bibel, der Hermeneutik der Schrift und der Theologischen Hermeneutik“, wobei sich die Hermeneutik der Schrift mit einem „bestimmten Gebrauch dieser Texte“ befasse.77 Mit dem Begriff „Schriftgebrauch“ markiert Dalferth pointiert die Unterscheidung zwischen der Bibel und ihrem Gebrauch als Schrift.78 Dalferth spricht in Folge von einer „PraxisHermeneutik der Schrift“, die danach fragt, wie die biblischen Texte in der Kirche und im christlichen Leben gebraucht werden: zur Kommunikation des Evangeliums, als Schlüssel zum Verständnis des Wortes Gottes und als Regel und Richtschnur christlichen Lebens (Kanon). Die Hermeneutik der Schrift ist keine literarische Hermeneutik, sondern eine Hermeneutik des christlichen Schriftgebrauchs.79 Dalferth setzt sich dabei v. a. mit dem kirchlichen Schriftgebrauch im engen Zusammenhang von solus christus und sola scriptura auseinander und nimmt damit den glaubenden Schriftgebrauch in den Fokus.80 Demgegenüber untersucht der US-amerikanische Theologe David H. Kelsey pro­gram­ matisch den Schriftgebrauch in der Dogmatik mit sehr weitreichenden dogmatischen Reflexionen im Blick auf die Schrifttheologie. Unter dem Titel „The Uses of Scripture in Recent Theologies“ legte er 1975 einen Versuch vor, die Rede von der Autorität der Schrift ausgehend von der Schriftauslegung neu zu bestimmen. Ausgehend von der These, dass die Autorität der Schrift sich weniger in der Schriftlehre als im Gebrauch der Schrift darstellt, bietet er unter Rekurs auf ausgewählte theologische Entwürfe vor allen eine Auseinandersetzung mit den aus diesem Ansatz erwachsenden Autoritätskonzepten. Nach Kelsey beschreibt die Rede von Schriftautorität keine Eigenschaft der Schrift, sondern verortet diese auf eine spezifische Weise im Kontext des eigenen Theologisierens.81 Er spricht daher von einem funktionalem Verständnis von Autorität: „authority […] always means that the texts ought to be used in a certain way“.82 Ein solches beschreibt Kelsey als „acknowledgment of  Tietz, Ringen, 301. Skeptizismus, 312 [Hervorhebung im Original]. 76  A. a. O., 320. 77 Dalferth, Wort, 421 [das erste Zitat im Original kursiv]. Vgl. Ders., Mitte, 178–182. 78  Dalferth, Wort, 394.396. Vgl. zur Abgrenzung eines solchen programmatischen Verständnisses von Schriftgebrauch zum hier verwendeten deskriptiven Begriff „Schriftgebrauch“ Abschnitt A 3.1. 79  A. a. O., 423 f. 80 Vgl. a. a. O., 397–421. Auch Coors betont den konstitutiven Zusammenhang theologischer Schriftlehre mit den „grundlegenden Praktiken“, in denen die Bibel als Heilige Schrift gelesen wird (Coors, Lesen, 344. Vgl. Ders., Scriptura, 343–345). Die Glaubenspraxis muss daher nach Coors stärkeres Gewicht in der dogmatischen Reflexion auf die Schrift finden. Vgl. Coors, Lesen, 358. 81  Vgl. Kelsey, Uses, 109. 82 A. a. O., 152 [Hervorhebung im Original]. Vgl. a. a. O., 92. Kelsey beschreibt die Autorität der Schrift ähnlich im Blick auf die Kirche mit dem Ziel „[to] understand ‚authority‘ functionally, i. e. as a function of the role played by biblical writings in the life of the church when it serves as the means by which we are related to revelation“. A. a. O., 30 [Hervorhebung im Original]. Vgl. a. a. O., 91.97 f. 74

75 Leonhardt,

1. Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch – Linien des Themenfeldes

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scripture’s normative status vis a vis theological proposals“.83 Die Rede von der Autorität der Schrift ist nach Kelsey zugleich eine performative Identitätsaussage eines Theologen in der Zuordnung zu einer Auslegungsgemeinschaft.84 Zentral sind dabei nach Kelsey implizite „patterns of normativity“, mit Hilfe derer der Theologe die Schrift als Ganze erkennt und welche für ihn autoritativ wirken: „patterns characteristically exhibited by the aspect of scripture he takes to be authoritative“.85 Die Rede von der Autorität der Schrift bedeutet folglich, dass diese ausreichende „pattern“ bereitstellt, um als Grundlage zur Beurteilung der „Christian aptness“ einer Aussage in Kirche und Theologie zu dienen.86 Kelsey folgert: „‚Scripture‘ is not something objective that different theologians simply use different. In actual practice it is concretely construed in irreducibly different ways.“87 Kelseys Beschreibung des Zusammenhangs von Schriftverständnis und Schriftauslegung hat in den deutschen Debatten bisher wenig Resonanz gefunden, wie Andreas Mauz treffend festhält.88 Mauz selbst greift in seiner Studie zur Poetik heiliger Texte nur beschreibend auf Kelsey zurück: Er entfaltet vielmehr ein Konzept der „Erzählgrammatik der Offenbarung“ und verbindet diese mit exemplarischen Studien biblischer und anderer Texte, wobei er eine Untersuchung des Schriftgebrauchs nur anregt.89 Er zielt demgegenüber darauf ab, die „dogmatische[] Fremdbeschreibungen“ mit den „Selbstbeschreibungen der Schriften in der Schrift“ ins Verhältnis zu setzen.90 83 A. a. O.,

154 [Hervorhebung im Original].  Vgl. a. a. O., 109.152. Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.2. An dieser Stelle in Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache in dieser Studie: Die Verwendung der maskulinen oder femininen Form folgt in den Rekonstruktionen der Beschreibungssprache der jeweiligen Autoren. In der Weiterführung und Diskussion wird eine inklusive Schreibweise gewählt. 85 Kelsey führt weiter: „The pattern of relationships among biblical concepts constitutes authoritative scripture a whole […].“ A. a. O., 101 [Hervorhebung im Original]. Vgl. a. a. O., 102 f.193. 86  A. a. O., 194. 87   A. a. O., 2. 88 Mauz hält fest: „Kelseys vorzügliche Untersuchung wurde und wird in der deutschsprachigen Theologie wenig zur Kenntnis genommen, obwohl die Ergebnisse, bzw. das Potential seines Zugriffs auf das Schriftproblem – die Ausrichtung am faktischen dogmatischen Schriftgebrauch – in keiner Weise ausgeschöpft ist.“ (Mauz, Machtworte, 115). Im Ansatz und in den Folgerungen im Blick auf den Autoritätsbegriff zeigen sich Schnittmengen von Kelseys Überlegungen mit der vorliegenden Studie, die in Abschnitt C 4.2. im Einzelnen diskutiert werden. Zugleich bestehen im Verständnis von Schriftgebrauch ebenso wie in der Analyse desselben erhebliche Differenzen, wie in Abschnitt A 3. dargestellt. Mauz greift in seiner Studie zur Poetik heiliger Texte nur beschreibend auf Kelsey zurück: Er entfaltet vielmehr ein Konzept der „Erzählgrammatik der Offenbarung“ und verbindet diese mit exemplarischen Studien biblischer und anderer Texte (a. a. O., 5 f ). Als eine Stoßrichtung der Arbeit markiert Mauz dabei die Perspektive auf den Schriftgebrauch unter Anschluss an Kelsey: Mauz zielt darauf ab, die „dogmatische[] Fremdbeschreibungen“ mit den „Selbstbeschreibungen der Schriften in der Schrift“ ins Verhältnis zu setzen (a. a. O., 114 f [Hervorhebungen im Original]). Mauz setzt somit einen anderen Fokus auf das Verhältnis von Schriftauslegung und Schriftverständnis als die vorliegende Studie. 89 „Die Poetik regt – mit Kelsey gesprochen – an zu Untersuchungen spezifischer Uses of Scripture: zum Umgang mit den vielfältigen Selbstbeschreibungen der biblischen Schriften bei Klärungen der theologischen Wertigkeit der einen Schrift.“ Mauz, Machtworte, 6 (Hervorhebungen im Original). Vgl. a. a. O., 115. 90  A. a. O., 114 f (Hervorhebungen im Original). Mauz setzt somit einen anderen Fokus auf das Verhältnis von Schriftauslegung und Schriftverständnis als die vorliegende Studie. 84

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A Einführung

Angesichts dieser konstitutiven Bedeutung, die der Schriftauslegung für die Konstituierung des ihr in der Schriftlehre zugeschriebenen besonderen Status, überrascht es, dass weder der Frage nach der Schriftauslegung in der Dogmatik noch dem faktischen dogmatischen Schriftgebrauch bislang wenig Aufmerksamkeit zukommt. Zur Reflexion auf den Status der Schrift in der und für die Dogmatik wäre nach dem Zusammenhang von Schriftverständnis, der Auslegung der Schrift in der Dogmatik und dem faktischen Schriftgebrauch zu fragen. Mit Lauster formuliert: Es wäre eine lohnende, und – wenn ich recht sehe – noch nicht in Angriff genommene Aufgabe, systematisch-theologische Entwürfe des 19. und 20. Jahrhunderts auf ihren Schriftgebrauch und ihren tatsächlichen Umgang mit den Einsichten der Exegese in der Entfaltung biblischer Lehrstücke zu untersuchen.91

2. Ziele und Gegenstand der Studie 2.1. Leitfrage und Ziel Vor dem Hintergrund des skizzierten Problemhorizonts befasst sich die vorliegende Studie mit der Frage nach dem Status der Schrift in der und für die wissenschaftliche Dogmatik: Insofern die Schrift in der evangelischen Tradition als ausgelegte und auszulegende Schrift bestimmt und in dieser Bestimmtheit als Gegenstand und Norm dogmatischer Reflexion in Anschlag gebracht wird, wird die Frage nach dem Status der Schrift im Geflecht von Schriftlehre, den Reflexionen zur Schriftauslegung und dem faktischen Schriftgebrauch bearbeitet. Die Schriftlehre, der Schriftauslegung und der Schriftgebrauch werden als Facetten des – formulierten und praktisch in Vollzug gebrachten – Schriftverständnisses verstanden, in dem sich der Status der biblischen Texte in der und für die wissenschaftliche Dogmatik beschreiben lässt. Die Studie verfolgt damit ein doppeltes Interesse. Im Vordergrund steht ein rekonstruierendes Ziel: Exemplarisch werden in Teil B Schriftlehre und das Verständnis von Schriftauslegung bei ausgewählten Autoren rekonstruiert und diskutiert.92 Verbunden damit wird der faktische Umgang mit den biblischen Texten und exegetischen Fragestellungen in ausgewählten Argumentationsgängen in der Praxis dogmatischer Urteilsbildung bei den jeweiligen Autoren analysiert.93 Der 91 Lauster,

Entzauberung, 94.  Interessant wäre diese Frage vor dem Hintergrund der o.g. Differenzierung der theologischen Fächer auch für die gesamte Theologie. Da diese nicht in der nötigen Breite bearbeitet werden kann, kommt allein die wissenschaftliche Dogmatik in den Blick. Zur Auswahl der untersuchten Autoren vgl. Abschnitt A 2.2. 93  Vgl. zu Methode und Vorgehen in der Analyse des Schriftgebrauchs die Abschnitte A 3.2. und A 3.3. 92

2. Ziele und Gegenstand der Studie

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Gegenstandsbereich der Dogmatik kommt in der exemplarischen Analyse von vier dogmatischen Entwürfen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Blick. Abschließend wird beschrieben, wie sich der Status der Schrift im Gefüge von Schriftlehre, Überlegungen zur Schriftauslegung und Schriftgebrauch darstellt. Das von Mauz formulierte schrifthermeneutische Potential der Zusammenschau von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch zu erkunden wird so mit dem von Lauster formulierten Desiderat einer Untersuchung des faktischen Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Forschung in der Dogmatik verbunden.94 Aufbauend auf diese Rekonstruktionen verfolgt die Studie im Teil C ein systematisches Interesse: So lotet die vorliegende Studie nicht nur, die Potentiale der engen Verhältnisbestimmung von Schriftlehre und Schriftverständnis aus, sondern erweitert diese im Blick auf die Reflexion zur Schriftauslegung in ihrer disziplintheoretischen und enzyklopädischen Dimension. Flächigen Beschreibungen eines fehlenden Schriftgebrauchs oder der faktischen Unbedeutsamkeit der Schrift in der Dogmatik wird somit eine differenzierte Beschreibung des Zusammenhangs von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch entgegengesetzt. Aus der Zusammenschau der Analysen werden die verbindenden Linien im Blick auf die Frage nach dem Status der Schrift in und für die Dogmatik im Blick auf das Selbstverständnis dogmatischer Schriftauslegung, die interdisziplinäre Aufgabe der Schriftauslegung sowie das Schriftverständnis aufgezeigt sowie offene Fragen markiert.

2.2. Zur Auswahl der untersuchten Positionen In der vorliegenden Studie kommt das Verhältnis von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch exemplarisch in den Blick. Damit bewegt sich die Studie an der Schnittstelle unterschiedlicher, zumeist unverbundener Forschungsdiskussionen. Auf der einen Seite erwächst sie aus dem Kontext der pluralen und strittigen Problembeschreibungen und Strukturierungen der Debatte, die zumeist unter die Überschrift „Krise des Schriftprinzips“ gefasst wird. Auf der anderen Seite berührt sie Debatten um die Auslegung der Schrift, die zumeist im Kontext enzyklopädischer Debatten verortet sind.95 Zur Strukturierung dieser Schnittstelle dient die Differenzierung unterschiedlicher Ansatzpunkte des fundamentaltheologischen Status der Schrift und ihre möglichen Implikationen im Blick auf das Verständnis von Schriftauslegung.96 Als Leitdifferenz dient  – in modifizierendem Anschluss an Leonhardt97  – die  Vgl. Abschnitt A 1.3.  Vgl. zu diesen Problemhorizonten Abschnitt A 1. 96  Vgl. zum Folgenden ausführlich van Oorschot, Krise, 388–396. 97  Vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 145–171.233–276. Vgl. van Oorschot, Krise, 388. 94 95

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A Einführung

unterschiedliche Gewichtung von claritas interna und claritas externa: Bei einigen Begründungslinien kommt die Bedeutung des äußeren Wortes i. S. des historischen Zeugnisses oder des externen Textes zum Tragen. Die Klarheit der Schrift wird dann entweder in den biblischen Texten selbst erkannt, wobei die enge Textbindung oft mit einer Neuformulierung der Einheit der Schrift verbunden ist.98 Diese erste Begründungslinie und die enge Bindung an den biblischen Text ist häufig mit der Tendenz zur Harmonisierung der Disziplinen verbunden, die z. B. Mildenberger durch eine stärkere Ausrichtung der Systematischen Theologie an biblischen Sprach- und Denkformen zu erreichen sucht.99 Oder – so die zweite Begründunglinie, die mit der claritas externa verbunden ist – die Schrift wird konstitutiv auf weitere Formen der Offenbarung bezogen, die durch einen hermeneutischen Schlüssel erschlossen werden.100 Der Bezug der claritas interna auf die Schrift im Verbund mit anderen Formen der Offenbarung scheint in der Frage der Schriftauslegung mit Versuchen der „Brückenbauten“101 zwischen den Disziplinen verbunden zu sein, deren Verbindung im gemeinsamen Rekurs der Schriftauslegung auf den Offenbarungsinhalt verortet wird. Andere Autoren widersprechen dieser Fokussierung auf die claritas externa und verorten die Autorität der Texte in der erfahrenen Wirksamkeit der Schrift im Prozess der Rezeption oder in der Erfahrung des „In-Geltungsetzens“ durch den Geist. Somit wird die claritas interna zum entscheidenden Bezugspunkt auf die Schrift. Hier kommen in einer dritten Begründunglinie rezeptionsorientierte Lesarten des Schriftprinzips in den Blick.102 Bei rezeptionsorientierten Begründungslinien zeigte sich eine große Bedeutung des Glaubens auch für die Überlegungen zur Schriftauslegung. Die vierte Begründungslinie beschreibt die gemeinsam erfahrbare und bezeugte „Wirklichkeit“ des Glaubens zum Bezugspunkt einer historisch orientierten claritas interna.103 Stehen interpersonale Bezüge auf den Glauben in der Schriftlehre im Vordergrund, so kommt der Auslegungsgemeinschaft auch für die Schriftauslegung eine zentrale Bedeutung zu. Die in dieser Studie ausgewählten Autoren stehen exemplarisch für das hier aufgezeigte Spektrum. Ausgehend von dieser Differenzierung unterschiedlicher Begründungsstrategien in der Frage nach dem Status der Schrift und den aufgezeigten Implika 98   Vgl. z. B. Mildenberger, Dogmatik; Ders., Gegenläufigkeit; Schneider-Flume, Dogmatik.  99 Vgl. Mildenberger, Dogmatik, 48.53.227.230 f. 100  Vgl. z. B. Härle, Dogmatik, 111–139; Ders., Scriptura; Wenz, Scriptura, 540–576; Pannenberg, Theologie (1), 38–58.251–281. 101 Den Terminus führt Johannes von Lüpke ein. Vgl. von Lüpke, Erleuchtung, 59 f. 102   Vgl. z. B. Lauster, Prinzip, 422–439. Vgl. insb. Körtner, Leser; Ders., Theologie; Leonhardt, Skeptizismus; Ders., Unklarheit. 103  Vgl. z. B. Herms, Bibel; Ders., Klarheit; Schlink, Dogmatik, 27–41.631–646; Ders., Struktur.

2. Ziele und Gegenstand der Studie

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tionen für die Auslegung der Schrift im Kontext wissenschaftlicher Dogmatik kommen vier deutschsprachige Autoren aus dem späten 20. Jahrhunderts in den Blick.104 Diese decken das skizzierte Spektrum dogmatischer Positionen in der Frage nach der Bedeutung der Schrift und ihrer Auslegung ab. 1. Edmund Schlink (1903–1984) befasst sich mit der Schrift und ihrer Auslegung aus ekklesiologischer Perspektive: Die Schrift ist allen Kirchen gemeinsam vorgegeben und somit zugleich Grundlage ihrer ökumenischen Verbindung. Er setzt in seinem Hauptwerk Ökumenische Dogmatik (1983) bei der hermeneutischen Unterscheidung der Strukturen theologischer Aussagen an, um die Pluralität des biblischen Zeugnisses in der dogmatischen Entfaltung zu berücksichtigen.105 Für Schlink wird die Klarheit der Schrift nur im Glauben der Gemeinschaft aller Christen deutlich.106 Schlinks Position kommt somit exemplarisch für die vierte der skizzierten Begründungslinien in den Blick. Schlink setzt sich explizit mit Formen kirchlicher und wissenschaftlicher Schriftauslegung auseinander und erkennt darin, insbesondere in der historischen Forschung, einen wichtigen Ansatzpunkt für die ökumenische Einigung in dogmatischen Fragen. 2. Das Schriftverständnis Wolfhart Pannenbergs (1928–2014) ist – ebenso wie seine Systematische Theologie (1988–1993) – geprägt von seinem Anspruch, den christlichen Gottesgedanken als geschichtliche Größe zu entfalten.107 Die biblischen Texte sind für Pannenberg die ersten und wichtigsten Zeugnisse von der proleptischen Offenbarung, die für die Erschließung der geschichtlichen Offenbarung von konstitutiver Bedeutung sind. Das Schriftprinzip wird dabei als „Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung als bleibendem Maßstab seiner Identität“ reformuliert.108 Die Schrift dient Pannenberg daher als Bewährungsraum und Maßstab für die Offenbarung Gottes als Geschichte, weswegen Pannenberg exemplarisch für die zweite der genannten Begründungslinien in den Blick kommt. Pannenberg formuliert in der Systematischen Theologie keine explizite Schriftlehre, vielmehr muss sich die Autorität der Schrift in der systematisch-theologischen Reflexion auf 104 Gewählt wurden Autoren mit einem ähnlichen Kontext, sowohl geographisch als auch zeitlich. Eine Ausweitung der Untersuchung explizit auf unterschiedliche theologische Debattenlagen wäre wünschenswert, ist jedoch angesichts der komplexen und sehr spezifischen Debattenlage in der deutschsprachigen Theologie im Rahmen dieser Studie nicht leistbar. Dass somit nur männliche Autoren in den Blick kommen, sei als Monitum der schrifttheologischen Debatte und der in diesen Zusammenhängen publizierten Hauptwerke in der Dogmatik der 1980er und 19990er Jahre explizit genannt. 105  Vgl. Schlink, Dogmatik, 42–47. Vgl. Ders., Grundbeziehungen; Ders., Struktur; Ders., Sprachanalytik. 106  Vgl. Schlink, Dogmatik, 633. 107  Vgl. Pannenberg, Krise, 15. 108  Pannenberg, Prinzipien, 80.

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A Einführung

die Lehre des Glaubens erweisen. Die Auseinandersetzung mit der Schrift durchdringt daher sein systematisches Nachdenken über die Offenbarung und kommt in dieser Auslegung zur Entfaltung: Was Schrift ist und welchen Status sie in der und für die Dogmatik hat, kommt nach Pannenberg in ihrer Auslegung zum Ausdruck, in der sich die Schriftautorität bewährt. 3. Für Friedrich Mildenberger (1929–2012) ist die Frage nach der Schrift und ihrer Auslegung weniger ein Topos seiner Dogmatik als konstitutiver Ausgangs- und Zielpunkt seiner theologischen Programmatik: Er entfaltet sein dogmatisches Programm in der Biblischen Dogmatik (1991–1993) explizit als eine Form der Schriftauslegung. Theologie ist für ihn als Schriftauslegung beschrieben und muss sich inhaltlich und formal an der Schrift orientieren – Schriftauslegung und Dogmatik sind bei Mildenberger weder programmatisch noch im Vollzug zu trennen. Die Schrift ist für Mildenberger Zeugnis des Evangeliums und damit sowohl Grundlage und Ausgangspunkt der Dogmatik in den Prolegomena als auch konstitutiv mit der Christologie, Soteriologie, Pneumatologie und Ekklesiologie verbunden. Mildenberger steht damit exemplarisch für die erste skizzierte Begründungslinie. Er setzt sich intensiv mit dem Verhältnis von historischer und dogmatischer Schriftauslegung auseinander, um Ansätze einer bloßen Korrelation von Dogmatik und Exegese zu überwinden und zur „Aktualisierung der gesamtbiblischen Zusammenhänge für die gegenwärtige kirchliche Situation“ beizutragen.109 4. Ulrich H. J. Körtner (*1957) begründet seine Schriftlehre im Gespräch mit modernen Lesetheorien und rezeptionsästhetischen Einsichten. Körtner beschreibt die Schrift als den Ort, an dem die Selbsterschließung des Menschen vor Gott durch den Geist ermöglicht wird. Im Zentrum steht bei Körtner eine Reformulierung der Inspirationslehre im Verhältnis von Text, Autor und Leser. In einer Reinterpretation der Theopneustie betont Körtner den Akt des Lesens als Ort der „Wortwerdung der Schrift“, der texttheoretisch durch die Autonomie des Textes und der produktiven Funktion des Lesers bestimmt wird.110 Schriftauslegung kommt daher bei Körtner primär als ein pneumatisches Geschehen in den Blick. Zugleich bestimmt Körtner Theologie im weiten Sinn als Schriftauslegung und bindet diese somit eng an die pneumatischen Vollzüge. Im Blick auf die Schriftauslegung in der Dogmatik setzt er sich daher intensiv mit dem Verhältnis von historischer und dogmatischer Schriftauslegung auseinander. Somit ist auch für Körtner die Schriftlehre Thema sowohl der Fundamentaltheologie als auch der Soteriologie und Pneumatologie. Körtner kommt exemplarisch für die dritte der skizzierten Begründungslinien in den Blick. 109  Mildenberger, Dogmatik (1), 11. Zum Begriff der Korrelationstheologie vgl. a. a. O., 48– 53. Vgl. Ders., Gegenläufigkeit; Ders., Verhältnis; Ders., Theorie. 110  Körtner, Theologie, 330. Vgl. Ders., Rezeption, 34–37.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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2.3. Aufbau der Studie Aus der Leitfrage und den Forschungsinteressen ergibt sich folgender Aufbau der Studie: In Teil B werden die vier ausgewählten Autoren in jeweils drei Perspektiven untersucht, die durch ein Zwischenfazit und eine Abschlussdiskussion ergänzt werden. Dargestellt wird in einem ersten Schritt die von den Autoren entwickelte Schriftlehre mit besonderem Fokus auf die Beschreibung des Status der Schrift. Im zweiten Abschnitt wird das Verständnis von wissenschaftlicher Schriftauslegung rekonstruiert: Das Verständnis von Dogmatik, von exegetischer und dogmatischer Schriftauslegung und die Aufgabenbeschreibung der Fächer ist dazu ebenso zu klären wie die Verhältnisbestimmung der Fächer zueinander – sofern dies von den Autoren expliziert wird. Diese Rekonstruktionen werden in einem Zwischenfazit gebündelt und diskutiert. Im Zwischenfazit werden zudem mögliche Implikationen des Dargestellten für den Schriftgebrauch sowie den Umgang mit exegetischen Forschungsfragen und exegetischer Literatur formuliert. Die anschließende Analyse des Schriftgebrauchs entfaltet als dritte Perspektive den Schriftgebrauch: Untersucht werden je zwei Argumentationsgänge der Autoren unter der Frage, wie diese auf biblische Texte und exegetische Forschung innerhalb ihrer Argumentation Bezug nehmen. Das Vorgehen und die Methodik werden in Abschnitt A 4 ausführlich dargestellt. Die abschließende Diskussion verbindet die Beobachtungen der einzelnen Analysen. Die Positionen kommen geordnet nach dem Zeitpunkt des Erscheinens ihrer dogmatischen Hauptwerke in den Blick, um gegenseitige Bezüge und Verweise nachvollziehen zu können. Die erkennbaren gemeinsamen Linien und offenen Fragen werden aufbauend auf diesen Analysen in Teil C entfaltet. Aus der Zusammenschau der Beobachtungen aus der Rekonstruktion der Schriftlehren und der Schriftauslegung, sowie den Analysen des Schriftgebrauchs werden Perspektiven für das Verständnis dogmatischer Schriftauslegung und ihres enzyklopädischen Zusammenhangs auf der einen Seite und der Präzisierungen der Rede von der Autorität der Schrift als ausgelegte und auszulegende Schrift formuliert.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik Da der faktische Schriftgebrauch, wie bereits dargestellt, bislang in dogmatischen Arbeiten zur Schrift nicht reflektiert wird, sind einführende Hinweise sowohl im Blick auf den Gegenstand als auch auf die Methode zu dessen Analyse nötig.

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A Einführung

3.1. „Schriftgebrauch“ – Zum Begriff und Forschungsstand Der Begriff „Schriftgebrauch“ ist in der Theologie kaum geläufig. Gelegentlich findet er sich als deskriptive Kategorie zur Beschreibung des Rückgriffs auf die biblischen Texte in der Praktischen Theologie,111 in historischen Arbeiten,112 in den exegetischen Fächern113 oder in der theologischen Ethik114. In einem ähnlichen Verständnis wird er in der Dogmatik stellenweise herangezogen. So nutzt z. B. Wilfried Härle den Begriff deskriptiv zum Verweis auf den Umgang mit biblischen Texten in der Geschichte der Christenheit.115 Ähnlich verwendet ihn Lauster in seiner bereits zitierten Beschreibung des Desiderats einer Untersuchung des Schriftgebrauchs in der Dogmatik, bzw. Peter Dabrock in seiner Frage nach dem Gebrauch der Bibel in der Ethik.116 Auch bei den in dieser Studie untersuchten Autoren findet sich der Begriff in einer solchen deskriptiven Verwendung, hier jeweils in Verbindung mit einem 111 So

z. B. in Schlags Untersuchung zur Schriftgemäßheit: Darin stellt er empirische Daten zum gegenwärtigen Schriftgebrauch im kirchlichen Kontext vor, die er dann mit dem Schriftverständnis und der Frage nach dem Kriterium der Schriftgemäßheit in Verbindung bringt. Schlag, Anknüpfung, 121 f. Vgl. weiterführend Bennett, Using; Menzel, Diener; Kurschus, Wort; Schweitzer, Bibel. Moldenhauer untersucht in ihrer Dissertation exemplarisch den Schriftgebrauch in gottesdienstlichen Lesungen und Bibelkursen ausgehend von einer praktisch-theologischen Reflexion auf Bibeltheologie und -spiritualität. Vgl. Moldenhauer, Bibeltheologie. Vgl. Schneider, Scriptura. Vgl. in historischer Perspektive R aatz, Schriftprinzip. Hermeneutische Reflexionen auf den Schriftgebrauch – mit vielfältigen Hinweisen auf ältere Studien zum Thema – entfaltet z. B. Schröer, Scriptura. 112   Vgl. z. B. Fiedrowicz, Theologie, insb. 106–113; Fuchs, Schrift; Hötzinger, Schriftgebrauch; Kuther, Tradition; Mehlhausen, Schriftgebrauch; Melville, Ordine; Reinhardt, Schriftgebrauch; Strauss, Schriftgebrauch. Vgl. zum Begriff Salzmann, Testament, insb. 9–15. Zum Schriftgebrauch bei Luther vgl. Heckel, Luther; Kupsch, Gebrauch; Ders., Schriftgebrauch. Vgl. zu Kupschs Studie ausführlich den folgenden Abschnitt. 113 Herangezogen wird der Begriff insbesondere, aber nicht nur, in Studien zur Intertextualität. Vgl. z. B. Koch, Beobachtungen; Moyise, Intertextualität; Theobald, Schriftzitate; Öhler, Schriftrezeption. Auch in Arbeiten zur innerbiblischen Schriftauslegung wird stellenweise der Begriff genutzt, vgl. z. B. Wilk, Schriftgebrauch. Vgl. zum Schriftgebrauch in der Exegese z. B. Niebuhr, Exegese; Ders., Rechtfertigungslehre. Interdisziplinär und interreligiös kommt der Zusammenhang von Heiligen Schriften und Schriftgebrauch z. B. in Bultmann, Schriften. 114 Zum Schriftgebrauch in der Ethik im Allgemeinen vgl. Dabrock, Gebrauch. Eine Dissertation zum Schriftgebrauch evangelischer Ethiker wird derzeit von Torben Stamer erarbeitet. Erste Ergebnisse bietet Stamer, Bibel. In Reflexionen auf die Bedeutung der Schrift für die Ethik kommt diese Dimension kaum zum Tragen. Aus exegetischer Perspektive nähert sich Richard Hays dem Umgang mit der Schrift in der Ethik und unterscheidet zwischen dem Schriftbezug als „rules“, „principles“, „paradigms“ und „symbolic worlds“ (Hays, Vision, 209). Diese untersucht er exemplarisch in fünf Positionen (a. a. O., 215–290) und entfaltet abschließend zehn „guidelines for New Testament Ethics“ (a. a. O., 309 f ). In der deutschsprachigen evangelischen Ethik finden sich überwiegend Aufsätze, die sich mit der Bedeutung der Bibel für die Ethik allgemein befassen. Vgl. z. B. Dabrock, Antworten; Fischer, Bedeutung; Ders., Ethik; Hofheinz/Mathwig/Zeindler, Bibel; R abens, Bible. Zur Diskussion um das Verhältnis von Bibel und Ethik in der katholischen Theologie vgl. zuletzt einführend Breitsamer / Goertz, Bibel. 115  Härle, Dogmatik, 36. 116  Vgl. Dabrock, Gebrauch; Lauster, Entzauberung, 94.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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dogmatischen Beschreibungsmoment: Mildenberger sucht nach der Einheit der Schrift „in its contemporary use“.117 Körtner unterscheidet exegetische Schriftauslegung von „dogmatische[m] Schriftgebrauch“, der nach der „Geltung biblischer Texte und ihrer Aussagen“ fragt,118 und auf „Schriftauslegung im Sinne des gegenwartsbezogenen Schriftgebrauchs unter der Voraussetzung ihrer heutigen Geltung“119 abzielt. Davon wiederum unterscheidet er „‚einfache[n]‘ Schriftgebrauch“ i. S. der außer-, bzw. vorwissenschaftlichen Bibellektüre.120 Ein programmatisches Verständnis von Schriftgebrauch findet sich z. B. bei Dalferth, der mit dem Terminus zwischen der Bibel und ihrem spezifischen Gebrauch als Schrift unterscheidet.121 Seine programmatische Beschreibung eines spezifischen Schriftgebrauchs setzt folglich einen bestimmten Status der Schrift voraus, der im Gebrauch erwiesen und bestätigt wird.

In der vorliegenden Studie wird der Begriff deskriptiv verwendet. Somit wird Dalferths Desiderat einer „Praxis-Hermeneutik der Schrift“ von einer Schlussfolgerung im Blick auf den kirchlichen Schriftgebrauch und seiner Bedeutung für die Schriftlehre zu einer Frage nach dem Schriftgebrauch in der wissenschaftlichen Theologie – genauer: der Dogmatik – gewendet: Der dogmatische Schriftgebrauch kommt als zu untersuchendes Feld im Geflecht von Schriftlehre und Schriftauslegung in den Blick, dessen Prägung seinerseits zum Verständnis des zugeschriebenen Status der Schrift beiträgt. Damit verändert sich zugleich die Zuspitzung des Begriffs: Während er bei Dalferth allein für den Gebrauch als Schrift im kirchlichen Kontext verwendet wird, kommt hier der Gebrauch der Schrift im weiteren Sinne wissenschaftlich-theologischer Arbeit in den Blick. Dass diese Fragestellung jedoch nicht von der bei Dalferth herausgestellten besonderen Bedeutung der Texte als Schrift im Gebrauch der Glaubenden absehen kann und will, legt die Terminologie nah: Gefragt wird  – auch in den deskriptiven Verwendungen  – nach dem Schriftgebrauch und nicht  – Dalferths Unterscheidung aufgreifend  – nach dem Bibelgebrauch oder Textgebrauch.122 Die vorliegende Studie folgt diesem Begriff, um anzuzeigen, dass die untersuchten Autoren – in der Linie Dalferths – eine besondere Bedeutung der biblischen Texte als Schrift in der Schriftlehre und ihren Überlegungen zur Schriftauslegung festhalten, wie die Analysen zeigen. Die Analyse des Schriftgebrauchs steht im Horizont und unter der Frage nach diesem besonderen Status der biblischen Texte.

117 Mildenberger,

Unity, 397 [im Original kursiv]. Vgl. Abschnitt B 3.1.3. Einführung, 77. Vgl. Abschnitt B 4.2.1. 119 Körtner, Art. Schriftauslegung, 489. 120 Körtner, Einführung, 77. 121  Vgl. Dalferth, Wort, 394.396.397–421. Vgl. Schwöbel, Scriptura, 5. Schwöbel definiert sein Verständnis von Schriftgebrauch nicht explizit, seine Überlegungen zu Luthers Schriftgebrauch lassen jedoch erkennen, dass es ihm um den Gebrauch der biblischen Texte als Schrift geht. Ähnlich verbindet Schoberth den Begriff „Schriftgebrauch“ mit der Wirksamkeit der Schrift im Sinne ihres Autoritätserweises (vgl. Schoberth, Regel, 100). Vgl. zur Verbindung von Schriftgebrauch und Autorität der Schrift Abschnitt A 1.3. 122  Vgl. etwa Gräb, Bibelgebrauch. 118 Körtner,

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A Einführung

Welche Folgerungen aus dieser Untersuchung für die von Dalferth geforderte „Praxis-Hermeneutik der Schrift“ erkennbar werden, ist diesem Vorgehen nach jedoch nicht Ausgangspunkt eines programmatisch durch die Schriftlehre festgelegten Schriftgebrauchs, sondern Ergebnis der Zusammenschau von Schriftlehre, Überlegungen zur Schriftauslegung und dem faktischen Schriftgebrauch. Die Analyse steht somit im weiten Kontext der Frage nach der Bedeutung von Praktiken in und für Dogmatik: In der exemplarischen Auseinandersetzung mit dem Schriftgebrauch kommt die Frage nach der dogmatischen Valenz von Schriftpraktiken in den Blick, die einen der Horizonte der Studie bildet.123 Der Forschungsstand zu Analysen des Schriftgebrauchs in der Dogmatik ist schnell skizziert: In der evangelischen Dogmatik in Deutschland gibt es bislang eine Untersuchung des Schriftgebrauchs dogmatischer Werke, die auf Luthers Schriftgebrauch fokussiert. Alexander Kupschs Studie Luthers Gebrauch der Heiligen Schrift widmet sich Luthers Schriftgebrauch im Gottesdienst, differenziert in Lesung, Predigt, Abendmahl und Gebet, sowie in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, unterschieden in katechetische Ethosbildung, problemorientierte Argumentation und weisheitliche Beratung. In der Darstellung rekonstruiert Kupsch dabei sowohl Luthers Reflexion auf die Schriftauslegung als auch konkrete Beispiele des Schriftgebrauchs in ausgewählten Texten. Den Rahmen bildet eine funktionale Beschreibung der Schrift, die einführend im Anschluss an George Lindbeck, Ludwig Wittgenstein, Clifford Geertz und David Kelsey skizziert wird.124 Den Abschluss bildet eine systematische Auswertung der Beobachtungen im Blick auf gegenwärtige Schrifttheorien, sowie eigene Thesen zum Verständnis der Schrift im Gebrauch.125 In der Problembeschreibung steht die Arbeit der vorliegenden Studie nahe, in der Differenzierung zwischen Schriftgebrauch und der Reflexion auf die Schriftauslegung auf der einen Seite sowie im Gegenstandbereich auf der anderen Seite liegen zentrale Unterschiede: Kupsch unterscheidet analytisch nicht zwischen der Reflexion auf die Schriftauslegung und dem faktischen Schriftgebrauch. Auch ist die für diese Studie zentrale Abgrenzung der Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift in der Dogmatik und der pneumatologisch-soteriologischen Bedeutung der Schrift bei Luther so nicht formulierbar.126 Die bereits genannte Studie von Kelsey setzt sich ebenfalls mit dem Schriftgebrauch auseinander.127 Wie Kupsch unterscheidet auch Kelsey nicht zwischen der Reflexion auf die Schriftauslegung und dem faktischen Schriftgebrauch. Kelsey stellt ausgehend von seinem Verständnis von Schriftautorität in Auseinandersetzung mit der Argumentationstheorie Stephen Toulmins dar, welche unterschiedlichen Bezüge auf die Schrift der „anatomy of arguments“128 folgend möglich sind: So kommt er zur Unterscheidung unterschiedlicher Rollen („roles“) der Schrift in einer Argumentation als „data“, „warrant“, „ba-

123 Vgl.

Abschnitt C 3.3. Gebrauch, 5–18. 125  Vgl. a. a. O., 351–407. 126  Vgl. Abschnitt A 1.2. 127 Vgl. Abschnitt A 1.3. 128  Kelsey, Uses, 125. 124 Kupsch,

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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cking of a warrant“ oder „conditions for rebuttal“.129 Diese werden von Kelsey punktuell mit Beispielen aus den dogmatischen Texten der Autoren verbunden, eine breite Darstellung des Schriftgebrauchs der Autoren findet sich bei ihm nicht. Dabei unterscheidet er zwischen argumentativen und illustrierenden Funktionen.130 Ausgangspunkt ist bei Kelsey also weniger der Argumentationsgang der Autoren, sondern die durch die Argumentationsanalyse ermöglichte Differenzierung unterschiedlicher Bezugnahmen auf biblische Texte. Kelsey untersucht in Folge die Struktur ihrer – von Kelsey herausgearbeiteten – dogmatischen Grundentscheidungen, wobei er nur exemplarisch auf die Texte der Autoren zurückgreift. Die vorliegende Studie greift in der Zusammenschau von Schriftlehren und Schriftgebrauch das Anliegen Kelseys auf, analysiert jedoch den am Text der Autoren nachvollziehbaren Schriftgebrauch.

3.2. Begriffsbestimmung und Grenzen der Analyse des Schriftgebrauchs Die Studie folgt der skizzierten deskriptiven Begriffsverwendung und fragt nach dem faktischen Schriftgebrauch wissenschaftlicher Dogmatik. Unter Schriftgebrauch werden alle Bezüge auf biblische Texte und Begriffe gefasst, die auf der Textebene erkennbar sind. Die Rede vom Schriftgebrauch umfasst im Kontext der Studie sowohl Schriftauslegungen als auch Schriftbezüge: Auslegung beschreibt in dieser Studie eine Auseinandersetzung mit dem Text, der von einem Bezug auf die Schrift, etwa in Form eines Zitates oder der Nennung einer Belegstelle, zu unterscheiden ist.131 Diese Definition impliziert eine Beschränkung auf expliziten Schriftgebrauch i. S. von Schriftbezügen in Form von Zitaten, Paraphrasen, Nennungen von Bibelstellen oder Verweisen. Punktuell kommt eine ergänzende quantitative Analyse der Register der untersuchten Dogmatiken in den Blick.132 Dieser Begriff von Schriftgebrauch markiert zugleich die Grenzen der in dieser Studie vorgenommenen Analysen des Schriftgebrauchs. Eine erste Grenze be129 A.  a. O., 142–147. Kelsey unterscheidet zwischen „Macro-Arguments“, also der Konstituierung gesamter Entwürfe (a. a. O., 129–134), und „Micro-Arguments“, also einzelnen dogmatischen Aussagen (a. a. O., 139–147). 130 A. a. O., 123. Vgl. zur Differenzierung der Funktionen des Schriftgebrauchs im Anschluss an Kelsey und Marianne Heimbach-Steins Abschnitt A 3.3.2. 131 Zum Begriff Schriftauslegung in der vorliegenden Studie ist anzumerken, dass dieser der von Schlink vorgeschlagenen Begriffsbestimmung nicht folgt: Unter Schriftauslegung werden sowohl historische als auch systematisierende Zugänge zur Schrift gefasst. Das Moment der Aktualisierung im Bekenntnis steht dabei nicht im Vordergrund. Vgl. zu Schlinks Verständnis von Schriftauslegung Abschnitt B 1.2. 132  Grundlage ist eine Analyse des Bibelstellenregisters der Dogmatiken. Dies bildet zugleich eine wesentliche Einschränkung der Reichweite der Analyse: Erstens liegen die Kriterien der Verschlagwortung nicht offen – wann und warum eine Bibelstelle in das Register aufgenommen wurde, ist folglich nicht rekonstruierbar. Zweitens sind Register fehleranfällig. Eine eigene korpusanalytische Untersuchung wurde im Rahmen dieser Studie nicht vorgenommen. Dieses Vorgehen schließt zudem eine vergleichbare Analyse des Gebrauchs exegetischer Literatur aus, da diese von den Autoren nicht analog in Registern geführt wird.

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A Einführung

trifft die Fokussierung auf den expliziten Schriftgebrauch, die Formen impliziten Schriftgebrauchs wie Anspielungen oder Echos nicht erfasst.133 Die Analyse umfasst daher nicht alle Aspekte des Schriftgebrauchs, sondern beschränkt sich auf die expliziten Indizien und Hinweise, von denen ausgehend auf das Schriftverständnis der Autoren reflektiert wird.134 Eine zweite Grenze ist durch den Fokus auf die argumentative Struktur der Textanalyse einzelner Argumentationsgänge markiert. Denkbar  – und sinnvoll  – wären weitere Analyseebenen wie z. B. eine rhetorische Analyse oder eine korpusanalytische Untersuchung. Da im Rahmen dieser Studie der Zusammenhang des Schriftgebrauchs mit den Beschreibungen der Schriftauslegung und der Schriftlehre mehrerer Autoren exemplarisch untersucht wird, beschränkt sich die Studie auf das dargestellte Vorgehen. Die dritte Grenze bildet die Beschränkung auf Bezüge auf die Schrift und auf exegetische Fragestellungen und Literatur. Nicht untersucht werden die Bezüge auf dogmatische Texte der jeweiligen Gegenwart oder Tradition, sowie auf philosophische Debatten oder andere Diskurse. Diese nicht nur theoretisch in ihrer Verhältnisbestimmung zur Schrift, sondern auch im Blick auf die faktische Praxis dogmatischer Reflexion im Verhältnis zur Tradition und weiteren Referenzdiskursen zu erhellen, ist in dieser Studie nicht möglich und zugleich eine zentrale weiterführende Forschungsfrage.

3.3. Gegenstand und Fragestellung der Untersuchung des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Literatur Die Analyse des Schriftgebrauchs erfolgt durch den exemplarischen Nachvollzug der Argumentationsgänge. Dieser fokussiert auf diejenigen Textpassagen, die biblische Bezüge erkennen lassen. Die Ergebnisse werden sodann ausgewertet 133 Angesprochen ist hier eine breite Debatten in der Intertextualitätsforschung, die in den exegetischen Disziplinen viel Beachtung gefunden haben. Diese führen vor Augen, dass die impliziten Formen des Schriftgebrauchs auf der einen Seite von entscheidender Bedeutung sind – insbesondere für die im Vordergrund der literaturwissenschaftlichen und exegetischen Debatte stehenden Textgenera. Auf der anderen Seite sind damit erhebliche methodische und definitorische Schwierigkeiten verbunden (vgl. einführend in die Problematik im Blick auf die neutestamentliche Intertextualitätsforschung Ziethe, Namen, 22 f; für die alttestamentliche Forschung zu innerbiblischen Schriftauslegungsprozess vgl. einführend Schmid, Traditionsliteratur, 5–34). Die Analysen der in dieser Studie untersuchten wissenschaftlichen Literatur lässt an vielen Stellen erkennen, dass es den Autoren um den expliziten Ausweis ihrer Argumentation vor dem Hintergrund und in Auseinandersetzung mit den biblischen Texten gelegen ist. Die hier vorgenommene Beschränkung deckt damit zwar nicht alle Aspekte des Schriftgebrauchs in den untersuchten Texten ab, aber erfasst die überwiegenden Formen des Schriftgebrauchs im vorliegenden Textgenus wissenschaftlicher Dogmatik. 134 Hingewiesen sei explizit auf die von Carolin Ziethe herausgestellte Beobachtung, dass alle Auswahlkriterien auch für explizite Verweise einer subjektiven Auswahl unterliegen. Vgl. Ziethe, Namen, 22.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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und vor dem Hintergrund der Rekonstruktionen der Schriftlehre und Schriftauslegung diskutiert. 3.3.1. Gegenstand der Analysen des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Literatur Die Analyse des Schriftgebrauchs geht exemplarisch vor. In zwei ausgewählten Themenfeldern wird untersucht, wie die Bezüge auf biblische Texte in den jeweiligen Argumentationsgang eingebunden werden. Als Themenfelder wurden „Abendmahl“ und „Tod“ gewählt. Mit dem Thema Abendmahl kommt ein genuin biblisches Thema in den Blick, dessen Bearbeitung von biblischen Bezügen folglich schwer absehen kann. Dabei ist der biblische Textbestand möglicher Referenztexte einerseits begrenzt. Die Ausführungen finden sich im Neuen Testament, dort aber unter Bezugnahme auf einzelne alttestamentliche Referenztexte, wie im bibelkundlichen Horizont deutlich wird.135 Andererseits ist das Mahl Jesu und seine Einsetzung durchaus differenziert und stellenweise widersprüchlich bezeugt. Zudem schließen sich viele exegetische Fragestellungen daran an, die für die dogmatische Interpretation von Bedeutung sind. Das Thema und seine breite exegetische Bearbeitung bietet daher Anknüpfungsmöglichkeiten an exegetische Fragen mit z. T. erheblichen dogmatischen Implikationen. Für die Untersuchung des Schriftgebrauchs stellt das Thema „Tod“ andere Ausgangsbedingungen: Das Thema ist in beiden Testamenten sehr breit bezeugt, sowohl in anthropologischer als auch in soteriologischer und eschatologischer Perspektive. Diese möglichen Perspektivierungen finden sich auch in der dogmatischen Tradition. Ob und wie das Thema mit biblischen Bezügen bearbeitet wird, ist daher offen und entsprechend reizvoll für eine Untersuchung möglicher Schriftbezüge. Um das breite Themenfeld einzuschränken, fokussieren die Analysen auf die Auseinandersetzung der Autoren mit dem Tod in anthropologischer Perspektive.136 Diese thematische Orientierung muss in der Analyse des Schriftgebrauchs angesichts der unterschiedlichen Strukturen der untersuchten dogmatischen Entwürfe unterschiedlich aufgegriffen werden. Während Schlink und Pannenberg die Themen in abgegrenzten Kapiteln in der Ökumenischen Dogmatik, bzw. Systematischen Theologie verhandeln, folgen die Überlegungen Mildenbergers und Körtners jeweils anderen Systematisierungen.

135 Vgl.

Abschnitt A 3.3.3.  Vgl. zu dieser Abgrenzung Volp, Tod, 7 f.

136

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A Einführung

Mildenbergers Biblische Dogmatik ist weniger an dogmatischen Loci orientiert, sondern an der Verwebung von Theologie und Ökonomie  – i. S. d. Handelns Gottes  – im Zusammenhang einer biblisch fundierten Geschichte Gottes interessiert.137 So reflektiert Mildenberger die Themen Abendmahl und Tod nicht an einer Stelle, sondern in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen, z. T. angeregt von den jeweils ausgelegten biblischen Texten. Ausgewählt wurden für die Analyse des Schriftgebrauchs zwei Argumentationsgänge, die jeweils nur Teile seiner Auseinandersetzung mit den Themen darstellen.138 Mildenberger stellt sein Abendmahlsverständnis an zwei Stellen dar: Im ersten Band führt er in § 9 („Die Zeit und das Wort Gottes“) unter der Überschrift „Überlegungen zur ‚Realpräsenz‘ Christi im Abendmahl als Verstehensmodell“ das Abendmahl als Modell für sein Zeitverständnis an.139 Die Erörterung des Abendmahlsverständnisses verbleibt entsprechend kurz und dient der Erhellung seines Zeitbegriffs. Aufgegriffen wird das Abendmahl im zweiten Band im dritten Kapitel unter der Überschrift „Von der Zuwendung Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott“. Hier wird in § 19 („Zeiten und Orte der Zuwendung“) im dritten Abschnitt der Gottesdienst („Der christliche Gottesdienst als Zeit und Ort der Zuwendung“), wobei auch das Abendmahl in den Blick kommt.140 Analysiert wird Mildenbergers Schriftgebrauch in diesem Abschnitt, da er hier sein Abendmahlsverständnis expliziert. Das Thema Tod ist an fünf Stellen der Dogmatik verortet und entsprechend unterschiedlich kontextualisiert: Zur Natürlichkeit des Todes äußert sich Mildenberger in einer Auslegung von Röm 5 in Band 2,141 in Band 3 kommt die Endlichkeit des Menschen mit Überlegungen zur Zeitlichkeit in den Blick,142 die Frage nach der Natürlichkeit des Todes im Kontext der Christologie in den Überlegungen zur Schöpfungsmittlerschaft und Auferstehung Jesu Christi,143 sowie der soteriologische Zusammenhang von Tod und 137 Vgl.

zum Theologiebegriff Mildenbergers die Abschnitte B 3.2.1 und B 3.2.5. die Studie auf die Reflexion des Geflechts der Überlegungen zur Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch bei den jeweiligen Autoren abzielt und nicht auf die Rekonstruktion dogmatischer Loci abzielt, ist diese Einschränkung im Blick auf das Ziel der Studie unproblematisch. Für die Diskussion der Leitfrage nach dem working canon ist dieses Spezifikum jedoch zu beachten. Vgl. die Abschnitte B 3.4.3. und B 4.4.3. 139  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 205–212. 140 § 19 bildet den ersten Abschnitt des 3. Kapitels („Von der Zuwendung Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott“) im zweiten Band („Ökonomie als Theologie“). Vorangestellt ist in Kapitel 2 die Reflexion auf das „Leben des sündigen Menschen vor dem heiligen Gott“. Gerahmt wird der Paragraph zum anderen durch die Entfaltung des Gott zugewandten Lebens. § 19 beschreibt die besondere Zeit für Gott, Ort der Nähe Gottes sowie den christlichen Gottesdienst als Zeit und Ort der Zuwendung. Dazu gehören für Mildenberger insbesondere Feste und Festzeiten, sowie Gottesdienst und Abendmahl. Bezüge auf § 19 werden in der Auswertung ausgeführt, insofern sie zur Kontextualisierung bedeutsam sind. Vgl. Mildenberger, Dogmatik (2), 210–248. 141  Vgl. § 21 Die Zeit zum Glauben, Kap. 3.2 Die Gnade als widerfahrende Zukunft, Vgl. a. a. O., 334–335. 142  Vgl. § 32 Die Zeit des Menschen, Kap. 1: Gott in der vergehenden Menschenzeit, vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 324–331. 143  Dies ist Gegenstand von Band 3: § 35 Die Schöpfungsmittlerschaft Jesu Christi, Kap 1: Der von den Toten auferweckte Gekreuzigte als der Mittler der Schöpfung, Vgl. a. a. O., 427–438. 138 Da

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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Sünde unter dem Titel „Was der Mensch ist“.144 Als anthropologische Kategorie wird der Tod am ausführlichsten in § 32 unter der Überschrift „Die Zeit des Menschen“ und dort insbesondere im ersten Absatz „Gott in der vergehenden Menschenzeit“ verhandelt. Da der Schriftgebrauch zum Thema Tod in anthropologischer Perspektive untersucht werden soll, wird dieser gewählt.

Körtner entwickelt seine Dogmatik nicht in einem geschlossenen Werk, sondern hat bisher einzelne kurze Monographien zu verschiedenen Themen vorgelegt. Nach Körtner können diese als „Teile einer Dogmatik in nuce“ gelesen werden.145 Entsprechend wird auf diese Monographien für die Analyse von Körtners Schriftgebrauch zurückgegriffen. Körtners Monographien sind zudem z. T. für ein sehr breites Publikum angelegt, wodurch sich das Textgenus von den anderen Autoren unterscheidet.146 Zum Themenfeld „Abendmahl“ wurde ein Abschnitt aus seinem Lehrbuch Dogmatik ausgewählt.147 In diesem Kapitel setzt sich Körtner am ausführlichsten mit diesem Thema auseinander. Er befasst sich mit dem Abendmahl daneben lediglich in zwei kurzen Zeitschriftenartikeln, die jedoch keine vertiefte theologische Auseinandersetzung bieten.148  So in § 36, Vgl. a. a. O., 462–472. schreibt im Vorwort zu „Gottes Wort in Person“ unter Verweis auf sieben seiner Bände: „Mit den vorliegenden Untersuchungen zur Christologie setze ich die Reihe meiner […] systematisch-theologischen Studien fort, die ich 1998 mit dem Band ‚Wie lange noch, wie lange? Über das Böse, Leid und Tod‘ begonnen habe. 1999 folgte ‚Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Zur Lehre vom Heiligen Geist und der Kirche‘, 2000 der Band ‚Der verborgene Gott. Zur Gotteslehre‘ und 2008 ‚Hermeneutische Theologie. Zugänge zur Interpretation des christlichen Glaubens und seiner Lebenspraxis‘. Wie leicht zu sehen, lassen sich alle nun vorliegenden Bände als fünf Teile einer Dogmatik in nuce lesen, wobei ihre systematische Anordnung von ihrer zeitlichen Abfolge abweicht. Teil I: Fundamentaltheologie und Hermeneutik (‚Hermeneutische Theologie‘), Teil II Gotteslehre (‚Der verborgene Gott‘), Teil III Christologie und Soteriologie („Gottes Wort in Person‘), Teil IV Pneumatologie und Ekklesiologie (‚Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes‘), Teil V Eschatologie (‚Wie lange noch, wie lange?‘). Schöpfungslehre und Anthropologie werden in weiteren Bänden entfaltet […].“ Körtner, Gottes Wort, VI. Ergänzt werden diese Beiträge inzwischen durch eine Einführung in die Dogmatik, vgl. Ders., Dogmatik. Vgl. zu Körtners Dogmatik Fußnote 147 in diesem Kapitel. 146 Dies gilt nicht nur für die hier in den Blick kommenden Themenfelder, sondern für viele der zahlreichen Veröffentlichungen Körtners. Da die Studie nicht auf den Vergleich der Analysen, sondern auf das Geflecht der Überlegungen zur Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch bei den jeweiligen Autoren abzielt, ist diese Besonderheit für die Reflexion zu bedenken, stellt aber kein Problem in der Textauswahl dar. Eine kurze Diskussion dieser Beobachtung vor dem Hintergrund von Körtners Theologieverständnis findet sich in Abschnitt B 4.5. 147  Vgl. Körtner, Dogmatik, 557–561. Das Lehrbuch ist Teil der Reihe „Lehrwerk Evangelische Theologie“, was zu einem spezifischen Fokus und einem besonderen Genus des Textes führt. Dies ist mit einem Vorteil und einem Nachteil für die Analyse verbunden: Auf der einen Seite erlaubt der lehrbuchhafte Charakter einen paradigmatischen Einblick in Körtners Gliederung und Gewichtung der dogmatischen Topoi. Auf der anderen Seite sind die z. T. flächigen Darstellungen dem Genre geschuldet, was sich auch auf die Auseinandersetzung mit biblischen Texten auswirkt. Dies wird in der Analyse zu berücksichtigen sein. 148 Vgl. Körtner, Zeitgespräch; Ders., Sinn. 144

145 Körtner

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A Einführung

Körtners Ausführungen zur Sakramentstheologie sind an einer ähnlichen Stelle verortet wie die Schriftlehre: Sie finden sich im Kapitel zu den Heilsmitteln (Kap. 5.4) im fünften Abschnitt der Dogmatik zur „Wirklichkeit der Erlösung“.149 Für das Themenfeld Abendmahl wurden folgende Abschnitte untersucht: 5.4.12 „Leibliches Wort und Sakrament“, 5.4.13 „Wort und symbolische Handlung“ und 5.4.15 „Abendmahl“.150 Zum Themenfeld Tod wurde das Kapitel zum Thema Tod aus dem Band Bedenken, daß wir sterben müssen. Sterben und Tod in Theologie und medizinischer Ethik analysiert.151 Ähnliche Argumentationen zum Thema Tod finden sich in den Bänden Die letzten Dinge, Wie lange noch und im Aufsatz Der verwilderte Tod.152 In dem ausgewählten Band sammelt 149 Nach einführenden Überlegungen zu Grundfragen (5.4.1) und Dogmengeschichte (5.4.2– 5.4.3) verhandelt Körtner das Medienproblem des Monotheismus (5.4.4) und die doppelte Vermittlung des Wortes Gottes (5.4.5), um dann die Schriftlehre zu entfalten (5.4.6–5.4.10). Es folgt ein Abschnitt zur Predigt (5.4.11), bevor Körtner auf die Sakramente zu sprechen kommt. Zu den Sakramenten führt Körtner erst das Verhältnis von leiblichem Wort und Sakrament (5.4.12), sowie von Wort und symbolischer Handlung (5.4.13) aus. Es folgen Überlegungen zu Taufe (5.4.14), Abendmahl (5.4.15), Absolution (5.4.16) und Segen (5.4.17). Abschließend reflektiert Körtner das Verhältnis von Wort und Bild (5.4.18), sowie Wort und Musik (5.4.19). Vgl. Körtner, Dogmatik, 507–573. 150 Vgl. a. a. O., 547–551.551–553.557–562. 151  Vgl. Körtner, Bedenken, 11–31. Das untersuchte Kapitel entspricht dem 1994 erschienenen Aufsatz „Der verwilderte Tod, der in unveränderter Form 1995 unter dem gleichen Titel erneut erschienen ist. 152  In seinem Lehrbuch „Dogmatik“ setzt sich Körtner an drei Stellen mit dem Thema Tod auseinander: Im Kontext der Beschreibung des Menschen als Geschöpf Gottes (Abschnitt 3.2.7 „Endlichkeit und Sterblichkeit“ als Teil des dritten Hauptteils „Die von Gott geschaffene Wirklichkeit“), im Rahmen seiner Reflexion der Sündenlehre (Abschnitt 4.1.9 „Sünde und Tod“ im vierten Hauptteil „Die erlösungsbedürftige Wirklichkeit“) und im Kontext der Eschatologie (Abschnitt 5.6.7 „Fragmentarisches Leben“ im fünften Hauptteil „Die Wirklichkeit der Erlösung“). Zur Untersuchung eines Argumentationsganges zum Thema ist daher die Dogmatik an dieser Stelle ungeeignet. Körtner setzt sich in mehreren Monographien in ethischer, anthropologischer, soteriologischer und eschatologischer Perspektive mit dem Thema Tod und Sterben auseinander (Körtner, Bedenken; Ders., Dinge; Ders., Leib; Ders., Menschen; Ders., Unverfügbarkeit; Ders., Wie lange). Die Überlegungen in den Bänden „Die letzten Dinge“ und „Wie lange noch“, sowie im Aufsatz „Der unbewältigte Tod“ überschneiden sich stellenweise mit dem untersuchten Textabschnitt. Diese Überschneidungen werden in der Darstellung markiert. In den anderen Monographien zum Themenfeld setzt sich Körtner wie folgt mit dem Thema auseinander: In der Monographie „‚Lasset uns Menschen machen‘. Christliche Anthropologie im biotechnischen Zeitalter“ greift Körtner das Thema Tod nicht explizit auf, es findet sich nur ein Aufsatz zu ethischen Fragen am Lebensanfang (Ders., Menschen, 104–118). Dieser Band hat einige thematische Überschneidungen mit dem Band „Unverfügbarkeit des Lebens“: Hier findet sich zusätzlich ein kurzer Abschnitt zur Frage nach menschenwürdigem Sterben (Ders., Unverfügbarkeit, 133–138), jedoch keine explizite Auseinandersetzung mit dem Thema Tod. Im Band „Leib und Leben“ setzt sich Körtner im Kapitel „Leib und Leichnam“ mit Aspekten des Themas Tod auseinander: Neben dem Thema Tod und Tabu (Ders., Leib: 183–184) führt Körtner seine Kritik der Idee des natürlichen Todes weiter, die er auch im untersuchten Textabschnitt einführt (a. a. O., 197–203). Im Fokus steht jedoch die Frage nach der Körperlichkeit des Menschen, sodass dieser Abschnitt nicht gewählt wurde. In insgesamt 14 Aufsätzen setzt sich Körtner mit unterschiedlichen Aspekten des Themas Tod auseinander. Diese sind z.T für eine wissenschaftliche und z. T. für eine breitere Leserschaft angelegt. Stellenweise doppeln sich Kapitel der Monographien mit den Gedankengängen der

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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Körtner Aufsätze zu medizinethischen und theologischen Fragen mit dem Ziel, eine „Theologie des Todes“ zu entfalten.153 Es ist damit in der Vielzahl seiner Publikationen zum Thema Tod der Band, in dem er sein Verständnis am deutlichsten in einer theologischen Perspektive darlegen möchte. Es handelt sich dabei um ein Sachbuch, das in seinem Genus und seiner Zuspitzung dabei exemplarisch für viele Texte Körtners zu diesem Thema steht.154

Für die Analyse des Schriftgebrauchs in der hier angestrebten Weise ist die Orientierung an den vom Autor angebotenen Argumentationslinien unter Wahrung der Eigenarten der dogmatischen Reflexion in all ihren Facetten entscheidend. Für die Analyse ist es daher weniger entscheidend, dass alle Perspektiven der Autoren auf die Themenfelder in den Blick kommen. Daher wurden bei Mildenberger und Körtner diejenigen Textpassagen ausgewählt, an denen das Thema expliziert wird und dort der Schriftgebrauch analysiert. 3.3.2. Leitfragen zur Untersuchung des Schriftgebrauchs Auf den deskriptiven Nachvollzug der Argumentationsgänge folgt die Auswertung der Analysen anhand von vier Leitfragen.155 1. In welchen Teilen der Argumentation wird auf biblische Texte zurückgegriffen? 2. Auf welche biblischen Texte greift der Autor zurück (working canon)? Welche biblischen Deutehorizonte kommen dabei in den Blick? 3. Welche Funktion kommt den Bezugnahmen zu? 4. Wo und wie werden exegetische Fragen bzw. exegetische Literatur aufgegriffen? Zu Leitfrage 1: Untersucht wird die Verteilung der Schriftbezüge in der Argumentation. Dabei wird der Form nach zwischen Nennungen von Bibelstellen, Aufsätze. Es handelt sich um sieben Aufsätze zu ethischen Fragen zum Lebensende in wissenschaftlichen Publikationen (Ders., Frage; Ders., Ganztod; Ders., Guter Tod; Ders., Hirntod; Ders., Organspende; Ders., Recht; Ders., Unbezähmbare Tod). Sieben Texte zu dogmatischen Perspektiven, z. T. mit gemeinde- oder kasualorientierten Zuspitzungen, ergänzen Körtners schriftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Tod (Ders., Gute Tod; Ders., Lebenden; Ders., Leibhaftig; Ders., Totensegnung; Ders., Verwilderte Tod; Ders., Überlegungen; Ders., Trost). Daneben hat Körtner einige Artikel in Zeitungen u. ä. zum Thema publiziert. 153 Körtner, Bedenken, 8. 154  Vgl. Abschnitt B 4.5. 155  Die wenigen vorliegenden Untersuchungen zum Schriftgebrauch fokussieren auf die Funktionen, die der Schrift in der Argumentation zukommen (vgl. Kelsey: Uses, 123. Ähnliche Ansätze finden sich vereinzelt in der Ethik, insbesondere aus der katholischen Ethik. Vgl. Heimbach-Steins, Bibel; Dies., Ornament; Dies., Sozialethik). Die dort vorgenommenen Differenzierungen werden in den Leitfragen zur Untersuchung des Schriftgebrauchs aufgenommen, jedoch mit anderen Fragestellungen verbunden, wie im Folgenden dargestellt.

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A Einführung

Paraphrasen und Zitaten unterschieden. Da fast jedes Zitat und fast jede Paraphrase auch eine Nennung der Bibelstelle als Belegstelle umfassen, werden diese nicht gesondert als Nennungen gezählt. Aufgeführt werden zudem Verweise auf biblische Texte, die ohne Bibelstelle angeführt werden. Zu Leitfrage 2: Untersucht wird zudem, welche biblischen Textstellen in den Blick kommen (working canon). Der Begriff working canon ist von Kelsey übernommen, der damit den von einer Theologin oder einem Theologen faktisch genutzten Kanon biblischer Texte vom christlichen Kanon abgrenzt.156 Damit verbunden wird nach den biblischen Deutehorizonten gefragt auf die sich der Autor bezieht. Die Vielfalt der biblischen Perspektiven auf die untersuchten Themen werden im folgenden Abschnitt zusammengetragen.157 Dieser Horizont der – aus bibelkundlicher Sicht – möglichen Bezugstexte und Deutehorizonte einer dogmatischen Reflexion auf die untersuchten Topoi ermöglicht eine differenzierte Beschreibung und Einordnung der bei den Autoren erkennbaren Auswahl und Gewichtung biblischer Perspektiven für und in ihren Argumentationen. Zu Leitfrage 3: Für die Frage nach dem Status der biblischen Texte und ihrer Auslegungsform ist die Funktion der Schriftbezüge von besonderem Interesse. Daher werden die identifizierten Verweise, Bezüge und eigenen Schriftauslegungen im Blick auf ihre Funktion im Argumentationszusammenhang untersucht. Die Frage nach Funktionen von Schriftgebrauch kommt bei Kelsey und Heimbach-Steins in den Blick. Kelsey unterscheidet zwischen argumentativen und illustrierenden Funktionen,158 Heimbach-Steins differenziert vier Funktionen: Erstens die heuristische Funktion zur Grundorientierung, zweitens die sensibilisierende Funktion für die ethische Wahrnehmung, drittens die begründende Funktion für ethische Einsichten und viertens die kulturgeschichtlich-rezeptionsorientierte Funktion zur Darstellung von Wirkungszusammenhängen.159 Aufgegriffen wird in dieser Studie die Unterscheidung von argumentativen und illustrierenden Funktionen von Kelsey, wobei die Beschreibung der 156 Kelsey, Uses, 104. Während Kelsey diese Abgrenzung auf der Textebene direkt mit den skizzierten „patterns of normativity“ verbindet, wird diese Verbindung auf der Grundlage der Analysen des Schriftgebrauchs in dieser Studie im Fazit erweitert und differenziert, wie im Folgenden ausgeführt. Vgl. Abschnitt C 2.3. 157 Vgl. Abschnitt A 3.3.3. 158 Kelsey, Uses, 123. Daneben beobachtet er bei den von ihm untersuchten Autoren die Konstruktion der in Anspruch genommenen Texte mit unterschiedlichen Zielen, z. B. „asserting some eternal truths“, „proposing a set of concepts“, „‚interpret‘ events“, „having the expressivebut-non-informative force“ oder „having a self-involving force. Diese Kategorisierung ist jedoch wenig trennscharf und daher für weitergehende Analysen wenig geeignet. A. a. O., 100 [Hervorhebungen im Original]. 159 Vgl. Heimbach-Steins, Ornament, 97. An anderer Stelle reflektiert sie auf unterschiedliche Modi biblischen Bezuges ohne Funktionen dieser Bezüge zu differenzieren. Vgl. Dies., Sozialethik, 14–19.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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begründenden Funktion bei Heimbach-Steins mit Kelseys nahezu deckungsgleicher Beschreibung der argumentativen Funktion verbunden wird. Berücksichtigt wird zudem die von Heimbach-Steins beschriebene heuristische Funktion. Die belegende und beschreibende Funktion, sowie der Bezug auf die biblischen Texte als Gegenstand der Auslegung haben sich als differenzierende Kategorien in der eigenen Analyse bewährt.160

In Auseinandersetzungen mit den vorgeschlagenen Systematisierungen bei Kelsey und Heimbach-Steins wird zwischen folgenden Funktionen unterschieden: a) Gegenstand der Auslegung: Zunächst können biblische Texte selbst Gegenstand der Auslegung im Kontext dogmatischer Erwägungen werden. b) Heuristische Funktion: Wird die dogmatische Argumentation durch den Bezug auf die Schrift angestoßen, bzw. begründet der Schriftbezug das Thema der Argumentation, liegt heuristischer Schriftgebrauch vor. Hier ist der biblische Text selbst Gegenstand der Auslegung oder eröffnet den Raum einer dogmatischen Argumentation. c) Begründende Funktion: Dient der Bezug auf den biblischen Text als ein Argument für einen entfalteten Argumentationszusammenhang, handelt es sich um begründenden Schriftgebrauch. d) Beschreibende Funktion: Wird in das Thema oder die Aussage eines biblischen Textes eingeführt, kommt dem Schriftgebrauch eine beschreibende Funktion zu. e) Belegende Funktion: Zum Teil werden Schriftverweise in belegender Funktion verwendet, meist in Ergänzung oder Zuordnung zu einem anderen Zitat. f ) Illustrierende Funktion: Zudem finden sich Schriftbelege mit illustrierender Funktion zur Veranschaulichung eines Gedankens. Zu Leitfrage 4: Zuletzt werden die Bezugnahmen auf exegetische Literatur erhoben, sowie Passagen mit eigenen exegetischen Überlegungen bzw. dem Rückgriff auf exegetische Methoden der Autoren markiert.161 Dabei wird zum einen gefragt, welche exegetischen Methoden aufgegriffen werden und zum anderen die Einbindung der exegetischen Fragestellungen oder der exegetischen Literatur im Blick auf ihre Funktionen in den Argumentationsgang beschrieben.

160 Über diese Funktionen auf der Textebene hinaus kann dem Schriftgebrauch auf anderen Ebenen auch weitere Funktionen zukommen: So betonen z. B. Kelsey und Heimbach-Steins die autorisierende Funktion. Da die Autorisierung jedoch auf eine (angenommene) Wirkung auf der Rezeptionsebene zielt, kann er auf der Textebene nicht erhoben werden und wird daher in der Analyse nicht berücksichtigt. Vgl. zu den Grenzen der Analyse Abschnitt A 3.2. und ausblickend die Abschnitte C 2.2. und C 4.4. 161 Ein dem bibelkundlichen Horizont vergleichbarer Horizont der jeweiligen zeitgenössischen exegetischen Forschungsdebatte zu den Texten, auf die verwiesen wird, hat sich für die Analyse als nicht notwendig erwiesen, da sich die Autoren kaum explizit auf exegetische Forschungsdebatten beziehen. In der Analyse wird daher punktuell auf die exegetische Literatur verwiesen.

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A Einführung

Um die Auswertung anhand der Analysen besser nachvollziehen zu können, sind die Ergebnisse der Analysen des Argumentationsganges im Anhang tabellarisch dokumentiert.162 Die von den Autoren angeführten Verweise auf biblische Texte werden jeweils dreimal geordnet nach den Leitfragen dargestellt: In der Reihenfolge des Argumentationsverlaufs, gruppiert nach den Funktionen, sowie nach den angegebenen Bibelstellen. 3.3.3. Biblischer Horizont zu den untersuchten Themenfeldern Das folgende Kapitel bietet eine synchrone Erhebung der Vielfalt der biblischen Perspektiven auf die untersuchten Themenfelder Abendmahl und Tod. Dargestellt werden alt- und neutestamentliche Textstellen und Deutehorizonte, wie sie aus der Exegese zusammenfassend und systematisierend geboten werden.163 Dieser Horizont skizziert die Vielfalt der biblischen Perspektiven auf die Themen, von der aus die markierte Frage nach den bei den Autoren erkennbaren Gewichtungen und Priorisierungen sowohl im Blick auf den working canon als auch im Blick auf biblische Deutehorizonte in den Blick kommen. a) Abendmahl Im Blick auf das dogmatische Thema „Abendmahl“ muss vom neutestamentlichen Textbefund her zwischen dem letzten Mahl Jesu und der Entstehung einer regelmäßigen gemeindlichen Mahlpraxis unterschieden werden.164 Terminologisch finden sich im NT zur Bezeichnung des von Luther als Abendmahl übersetzten Geschehens die Bezeichnungen „Brechen des Brotes“ (κλάσις τοῦ ἄρτου) oder „Herrenmahl“ (κυριακὸν δεῖπνον).165 Erhalten sind vier Versionen der Erinnerung an Jesu letztes Mahl, die einige Kernbestandteile variieren (Mk 14,22–24; Mt 26,26–29; Lk 22,19 f und 1 Kor

162 Vgl.

im Anhang Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch. Überblick spiegelt den heutigen Forschungsstand. Für die untersuchten Themenfelder ist ein breiter Konsens bibelkundlicher Überblicke feststellbar, sodass zwischen der Zeit der Abfassung der untersuchten Texte und dem gegenwärtigen Forschungsstand keine signifikanten Verschiebungen erkennbar sind. Zum Thema Tod werden nur diejenigen Deutehorizonte dargestellt, die für die anthropologische Fokussierung des Themas, das die Autoren in den analysierten Textabschnitten wählen, von Bedeutung sind. Es entfallen z. B. die biblischen Vorstellungen der Totenwelt, Hinweise auf Bestattungs- und Begräbniskultur, aber auch die Auseinandersetzung mit dem Tod Jesu. Vgl. zu dieser Abgrenzung Volp, Tod, 7 f. Für die konstruktive kollegiale Beratung zu dieser Darstellung danke ich Friedrich-Emanuel Focken und Carolin Ziethe sehr herzlich. 164  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 1. Daneben gibt es noch zahlreiche Berichte von Mahlfeiern Jesu, wie Mk 2,15–17par; 14,3–8par; Mt 11,19 par; Lk 15,2–32 u. a. Vgl. Delling, Art. Abendmahl, 49. 165  Vgl. Kratz, Art. Abendmahl/Eucharistie, 77. 163 Der

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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11,23–25).166 Eine Traditionslinie stellt die – vermutlich älteste Überlieferung – in 1 Kor 11,23–25 dar, die mit Lk 22,19–20 verbunden ist.167 Eine zweite Traditionslinie bilden Mt 26,20–29 und Mk 14,18–25.168 In allen Berichten sind Rede- und Erzählanteile enthalten, die bei Paulus und bei den Synoptikern in den Passionsverlauf eingebettet werden. Alle Texte sind vermutlich eng mit dem liturgischen Gebrauch verbunden, die synoptischen Texte ordnen den Bericht zudem in die Pessachtradition ein (Mk 14,12; Mt 26,17; Lk 22,7). Alle Texte enthalten einen eschatologischen Ausblick.169 Folgende Unterschiede zwischen den Überlieferungslinien sind erkennbar: Bei Lk und Paulus findet das Sättigungsmahl zwischen Brot- und Weinhandlung statt, bei Mk und Mt geht es ihnen voraus. In Mt/Mk wird zum Empfangen des Brotes aufgefordert und es fehlt die Wendung „für euch“, das sich in Lk 22,19 (τὸ ὑπὲρ ὑμῶν διδόμενον) und 1 Kor 11,24 (τὸ ὑπὲρ ὑμῶν) beim Brotwort findet. Beim Kelchwort ist bei Mk/Mt die Wendung „für viele“ (ὑπὲρ πολλῶν, Mk 14,24; τὸ περὶ πολλῶν, Mt 26,28) zu lesen. In 1 Kor 11,25 hat die Wendung τὸ ὑπὲρ ὑμῶν keine Entsprechung beim Kelchwort. Das Becherwort ist auf unterschiedliche Weise mit dem Bundesgedanken verbunden: Mk schreibt τὸ αἷμά μου τῆς διαθήκης (Mk 14,24) während Paulus beschreibt: τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐστὶν ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι (1 Kor 11,25). In Mt steht der Sündenerlass im Vordergrund: εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν (Mt 26,28). Paulus ergänzt zu Brot und Wein die Anordnung zur regelmäßigen Feier des Abendmahls zum Gedenken in der Verkündigung des Todes Christi (τοῦτο ποιεῖτε, ὁσάκις ἐὰν πίνητε, εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν, 1 Kor 11,25). Die Aufforderung zur regelmäßigen Feier ist bei Lk nur mit dem Brot verbunden (τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν, Lk 22,19).

Im Johannesevangelium steht in der Erzählung des letzten Abends Jesu mit seinen Jüngern nicht das Mahl im Vordergrund, vielmehr wird in Joh 13–17 die Feier des letzten Mahles Jesu als Rahmen der Erzählung von der Fußwaschung verwendet (Joh 13,4–10). Die Mannarede in Joh 6,26–51b ist nicht auf den Tod Jesu, sondern auf sein Leben bezogen.170 Der „eucharistische Abschnitt“ in Joh 6,51–58 bietet eine innerbiblische Deutungsperspektive der Abendmahlstradition, da er auf die synoptischen Traditionen verweist.171 Im Vordergrund steht die Gemeinschaft der Glaubenden mit Christus, sowie die eschatologische

166 Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 1. Vgl. Hahn, Art. Abendmahl, 11; Kratz, Art. Abendmahl/Eucharistie, 77. 167  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 1. Vgl. Kratz, Art. Abendmahl/Eucharistie, 77. 168 Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 1. 169 ἀμὴν λέγω ὑμῖν ὅτι οὐκέτι οὐ μὴ πίω ἐκ τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως τῆς ἡμέρας ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ (Mk 14,25); λέγω δὲ ὑμῖν, οὐ μὴ πίω ἀπ’ ἄρτι ἐκ τούτου τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως τῆς ἡμέρας ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω μεθ’ ὑμῶν καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ πατρός μου (Mt 26,29); λέγω γὰρ ὑμῖν, [ὅτι] οὐ μὴ πίω ἀπὸ τοῦ νῦν ἀπὸ τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως οὗ ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ (Lk 22,18); ὁσάκις γὰρ ἐὰν ἐσθίητε τὸν ἄρτον τοῦτον καὶ τὸ ποτήριον πίνητε, τὸν θάνατον τοῦ κυρίου καταγγέλλετε ἄχρι οὗ ἔλθῃ (1 Kor 11,26). 170 Vgl. Hahn, Art. Abendmahl, 13. 171  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 10.

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A Einführung

Ausrichtung.172 In 1 Joh 5,7 f steht diese Perspektive möglicherweise im Hintergrund.173 Von der Mahlpraxis der ersten Gemeinden berichtet Lukas in Apg 2,42.46; 20,7–12 unter einer eschatologischen Perspektive. Das Brotbrechen (κλάσις τοῦ ἄρτου) ist ein fester Bestandteil des Gemeindelebens und eine Verbindung der Gemeinde zum letzten Mahl Jesu.174 Auch Paulus’ Beschreibung in 1 Kor 11,17–34 erlaubt Rückschlüsse auf die gemeindliche Mahlpraxis: Hier stehen Probleme des Gemeinschaftsmahles im Vordergrund, das er hier als Herrenmahl (κυριακὸν δεῖπνον) bezeichnet. Die Spaltungen hervorrufende Art und Weise, wie das Mahl in Korinth begangen wird, verhindert nach Paulus, dass es sich um ein Herrenmahl im eigentlich Sinn handeln kann. Paulus bezieht sich hier auf das letzte Mahl Jesu zurück (1 Kor 11,23–26): Das Mahl dient der „vergegenwärtigenden Erinnerung“175, ist auf Christus und seinen Tod bezogen und hat eschatologische Bedeutung im Blick auf die Wiederkunft Christi. Auch in 1 Kor 10,14–22 steht für Paulus die Mahlpraxis in der korinthischen Gemeinde im Zentrum, jedoch ohne dass diese auf das letzte Mahl Jesu bezogen wird. Im Vordergrund steht der gemeinschaftsstiftende Charakter des Mahles, das Paulus mit der Teilnahme von Gemeindemitgliedern an Kultmählern ins Verhältnis setzt. Das Mahl verbindet zu einem Leib und macht damit die Teilnahme an konkurrierenden Mahl-Gemeinschaften unmöglich.176 Das Mahlfeiern findet im NT auch an anderen Stellen Beachtung: Zum einen in den Mahlfeiern Jesu, die als Aufnahme in die Gemeinschaft mit Jesus gedeutet werden (vgl. z. B. Lk 15,2; Mk 2,16 f ).177 Zum anderen in dem Verweis auf eine eschatologische Mahlgemeinschaft (vgl. z. B. Mt 8,11par; 22,1–14; Lk 14,15–17; 22,30).178 In Hebr 13,10 und Offb 22,17 steht möglicherweise ein Bezug auf die gemeindliche Mahlpraxis im Hintergrund.179 Diese Beschreibungen lassen sich folgende Linien erkennen, die sich als Deutungshorizonte des Abendmahls im Neuen Testament beschreiben lassen:

 Vgl. ebd. Texte, die auf das Abendmahl bezogen wurden, sind z. B. Joh 2,1–10; 15,1–7 u. a. Vgl. Delling, Art. Abendmahl, 57. 174 Der Begriff des Brotbrechens finden sich sowohl zur Beschreibung der Mahlzeiten Jesu (Mk 6,41) als auch zur Beschreibung des Mahls der Gemeinde bei Paulus (1 Kor 10,16). Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 6. Vgl. Delling, Art. Abendmahl, 56; Hahn, Art. Abendmahl, 13. 175 Lehmeier, Art. Abendmahl, 6. 176  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 1.5. Vgl. Delling, Art. Abendmahl, 55. 177  Vgl. Delling: Art. Abendmahl, 49. 178  Vgl. ebd. 179  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 1. Entschiedener äußert sich Hahn zur Verbindung dieser Textstellen mit dem Abendmahl. Vgl. Hahn, Art. Abendmahl, 14. 172

173 Andere

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

37

Erstens bilden das Element des Brotes und die Handlungen („Nehmen, Danken/Segnen, Brechen und Geben“) zusammen eine Einheit von Nahrungsmittel und Symbolhandlung.180 Zweitens steht die Verbindung mit dem Tod Jesu im Zentrum, wodurch der Gedanke der Stellvertretung und Sündenvergebung in den Vordergrund rückt.181 Nach Hahn steht das Motiv der Sühne hierbei im Vordergrund, der Opfergedanke spielt jedoch keine Rolle.182 Vorstellbar ist eine Verbindung dieser Deutung mit Jes 53,10–12.183 Drittens zeugt der Anamnesisbefehl (τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν, Lk 22,19; τοῦτο ποιεῖτε, ὁσάκις ἐὰν πίνητε, εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν, 1 Kor 11,25) in der lukanisch-paulinischen Tradition von der Funktion der Erinnerung „in der Vergegenwärtigung eines Vergangenen, das die Gegenwart und die Zukunft deutet und die zum Mahl versammelte Gemeinschaft begründet“.184 Nach Hahn steht hier die „Inauguration“ des Abendmahls im Vordergrund, das bei jeder Feier die „aktuelle Teilhabe an dem heilstiftenden Tod Jesu“ bedeute.185 Viertens stellt die paulinisch-lukanische Traditionslinie ebenso wie Mt den Kelch in die Deutungstradition eines neuen Bundes wie in Jer 31,31 bezeugt, wodurch der Kelch zu einem eschatologischen Symbol wird.186 Fünftens ist die Erzählung bei Mk und Mt geleitet von dem eschatologischen Fluchtpunkt des Verzichtworts (Mk 14,25; Mt 26,29), wodurch das Mahl zu einem endzeitlichen Geschehen wird.187 Auch bei Paulus und in Lk zeigt sich der eschatologische Charakter des Abendmahls (Lk 22,18; 1 Kor 11,26).188 Ähnliche Vorstellungen finden sich in Lk 13,29 und Mt 8,11.189 Sechstens verweist die Einordnung des Mahles in die Pessachtradition auf seine Deutung als „Befreiung aus der Bedrängnis durch Gott“.190 Die besonders

180 Lehmeier:

Art. Abendmahl, 8. ebd. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieses Deutungsmusters vgl. McGowan, Eucharist. 182 Vgl. Hahn, Art. Abendmahl, 11.14 f. 183  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 8. 184 Ebd. 185  Hahn, Art. Abendmahl, 12. 186 Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 9; Vgl. Hahn, Art. Abendmahl, 11. 14. Weiterführend zur Deutung von Mt 26 vgl. Klinghardt, Bund. Zur Deutung von Jer 31 im Zusammenhang des Abendmahls vgl. Schenker, Neue, 73–77. 187  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 9. Kratz verweist zudem auf den Bezug von 1 Kor 11,26 auf 1 Kor 16,22 und Offb 22,17.20. Vgl. Kratz, Art. Abendmahl/Eucharistie, 77. 188  Vgl. Fußnote 169 in diesem Kapitel. 189  Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 9. 190  Ebd. Ob diese Einordnung historisch zutreffend ist, ist umstritten. Vgl. Kratz, Art. Abendmahl/Eucharistie, 78. 181  Vgl.

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A Einführung

in Lk im Vordergrund stehende Vorstellung eines eschatologischen Pessachmahls ist bereits in Jer 38,8 LXX belegt.191 Siebtens interpretiert die paulinische Deutung das Abendmahl als Teilhabe am Leib des Herrn und wendet sich gegen die Sitten beim Sättigungsmahl und die Teilhabe an anderen Kulten.192 Diese Deutungen des Mahles auf den Tod Jesu sind nach dem Tod Jesu in den ersten Gemeinden entstanden.193 Die Bezeichnung dieser Verbindung als „Einsetzungsworte“ stellt folglich eine Interpretation „aus der Perspektive einer fortgeschrittenen christlich-liturgischen Entwicklung des Abendmahles“ dar.194 Umstritten ist, ob von einem sakramentalen Charakter der Gemeinschaftsmähler gesprochen werden kann.195 b) Tod Der Tod kommt in den biblischen Texten so häufig und in so unterschiedlichen Zusammenhängen in den Blick, dass eine konkordanzähnliche Listung aller Belegstellen weder orientierend noch aussagekräftig ist.196 Noch mehr als zum Abendmahl kommen daher im Folgenden die unterschiedlichen Perspektivierungen und Deutehorizonte in den Blick, in dem die biblischen Texte das Thema Tod verhandeln. Der folgende Horizont ist daher nach diesen Perspektiven und Deutehorizonten gegliedert und schließt dazu an die Darstellungen bei Frevel und Fischer mit Modifikationen an.197 Die Darstellung 191 Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 10. Weitere Deutungshorizonte der neutestamentlichen Beschreibungen bilden z. B. die Texte zum Pessach aus Ex 12; Dtn 16 u. a. 192  Vgl. Kratz, Art. Abendmahl/Eucharistie, 78. Nach Hahn bedeutet die „Teilnahme am Abschiedsmahl […] Partizipation an der Selbsthingabe Jesu und Verheißung der gemeinsamen Mahlgemeinschaft in der Vollendung“. Hahn, Art. Abendmahl, 11. Vgl. a. a. O., 14. Vgl. zum Zusammenhang von Mahl und religiöser Identität die Beiträge in Klinghardt/Taussig, Mahl, insb. Alikin, Eating; Kotrosits, Εκκλησία. 193 Vgl. Lehmeier, Art. Abendmahl, 2. 194 Ebd. Zur frühchristlichen Mahlpraxis vgl. Stein, Mahlfeiern. Eine Einsetzung des Mahls durch Jesus i. S. einer Kultstiftung ist nicht belegbar. Vgl. Lehmeier Art. Abendmahl, 3. 195 Lehmeier führt aus: „Wenn der sakramentale Charakter darin besteht, dass ‚irdischer und himmlischer Bereich miteinander in Beziehung treten‘ […], dann trifft dies auf alle antiken Mähler zu […]. Der neutestamentliche Begriff des mysterion kann nicht mit dem sacramentum der Alten Kirche gleichgesetzt werden und kommt im Kontext der neutestamentlichen MahlTexte nicht vor. Nach einer enger gefassten Definition kann von einem Sakrament erst gesprochen werden, wenn natürliche Mittel mit einem bestimmten Ritus eine übernatürliche Potenz erhalten […]. Dieser Aspekt klingt sowohl in 1 Kor 10,16 als auch in 1 Kor 11,27 an, wird aber nicht weiterentwickelt (vgl. 1 Kor 10,19.23).“ Lehmeier, Art. Abendmahl, 7 [Hervorhebungen im Original]. 196  Für das AT hält Fischer fest, dass der Tod an keiner Stelle Gegenstand einer längeren systematischen Erörterung ist, jedoch in seiner gesamten Breite in den Blick kommt. Vgl. Fischer, Art. Tod, 7. 197 Frevel unterscheidet zwischen dem physischen Tod und der Perspektive auf den Tod als „Wahrnehmungs- und Bindungsverlust“ (Frevel, Art. Tod, 421). Im AT unterscheidet Fischer zwischen Beschreibungen des natürlichen Todes, dem unzeitigen Tod und dem sozialen Tod

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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folgt dem Fokus auf die anthropologische Dimension des Todes, die in den analysierten Textpassagen der Autoren gewählt wurde.198 Der Tod als Bestimmung des Menschen Das AT beschreibt an vielen Stellen den Tod als Teil der Bestimmung des Menschen als Geschöpf: Der Mensch wird wieder zu Staub (vgl. z. B. Ps 104,29; 146,4; Hi 34,14–15; Koh 12,7).199 Insofern gilt der Tod als Grenze des Lebens (vgl. z. B. Jes 40,6 f; Ps 39,5 f; 90,5 f; 103,15 f; Hi 14,1 f; Koh 3,2).200 Im Alten Testament kann der Tod kann auch als Vollendung des Lebens betrachtet werden, wenn es heißt, Abraham, Isaak und Hiob sterben „alt und lebenssatt“ (Gen 25,8; 35,29; Hi 42,17; vgl. Dtn 34,7) oder Abraham, Gideon und David sterben „in gutem Alter“ (Gen 25,8; Ri 8,32; 1 Chr 29,28).201 Die Vollendung der Lebenstage obliegt Gott (Ex 23,26). Eine erfüllte Lebenszeit umfasst siebzig oder achtzig (Ps 90,10), einhundert Jahre (Sir 18,9–10) oder sogar 120 Jahre (vgl. z. B. Gen 6,3; Dtn 31,2; 34,7). Im Neuen Testament lässt sich diese Differenzierung nicht durchhalten: Neutestamentlich steht der Tod dem Leben diametral gegenüber, wobei der physische Tod einerseits neutral als Lebensende beschrieben werden kann (z. B. Mt 8,21 fpar; 1 Thess 4).202 Der Tod ist dabei die Trennung des Menschen von anderen Menschen und von Gott.203 Auch im Neuen Testament gilt das Leben als kurze Gabe Gottes (vgl. 1 Kor 15,32 f ).204 Andererseits beschreibt die Rede vom Tod metaphorisch „den Zustand […], der sich aus sündigem Verhalten ergibt“ (vgl. z. B. Joh 6,50; 1 Joh 3,14. 5,16; Röm 7,10; 8,6; 10,13; Eph 2,1.5; Kol 2,13; Jak 1,15; 5,20; Jud 1,12; Offb 3,1 f; vgl. den Abschnitt zum Zusammenhang von Tod, Sünde und Schuld in diesem Kapitel).205 Zudem kann der Tod die ewige Verdammnis beschreiben (vgl. z. B. Joh 6,50; 8,51 f; 11,4–26; Röm 6,16.21.23; 2 Kor und nimmt den Zusammenhang von Tod und Sünde in den Blick. Zudem nennt er als vierte Kategorie den verschuldeten Tod (vgl. Fischer, Art. Tod, 1–7). Diese Kategorie doppelt sich jedoch stark mit den drei anderen Kategorien und beschreibt stärker eine theologische Deutung des Todes als die anderen Kategorien. Der Zusammenhang von Tod und Sünde kommt daher hier im Abschnitt b.6) in den Blick. 198  Vgl. zu dieser Abgrenzung Volp, Tod, 7 f. Die Themenfelder der Bestattungs- und Begräbniskultur kommen im folgenden Überblick nicht in den Blick, da sie – obschon sie zur anthropologischen Dimension des Themas gehören – in den untersuchten Kapiteln der Dogmatiker nicht aufgegriffen werden. 199  Vgl. Fischer, Art. Tod, 1. Vgl. Liess, Art. Tod, 430. Vgl. zum natürlichen Tod Fischer, Tod, 36–39. 200 Vgl. Dietrich, Art. Tod, 582. 201 Fischer, Art. Tod, 2. Vgl. Dietrich, Art. Tod, 582; Liess, Art. Tod, 430; NeumannGorsolke, Alt. 202  Vgl. Boer, Art. Tod, 433 f.; Frevel, Art. Tod, 423. 203  Vgl. Boer, Art. Tod, 434. 204 Vgl. Dietrich, Art. Tod, 583. 205  Boer, Art. Tod, 434.

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A Einführung

7,10; 1 Joh 5,16 f ).206 In diesen Zusammenhängen hier der Tod als Strafe verstanden (vgl. z. B. Mk 7,10par; Röm 1,32; 5,12–21; 6,16.21.23; 7,5.10.13; 1 Kor 15,21 f; Jak 1,15; Offb 2,23).207 Der unzeitige Tod Verbunden damit lässt sich der unzeitige Tod beschreiben: Dieser meint nach Fischer den Tod durch Krankheit, Unfall, Katastrophe u. a. (z. B. 2 Kön 20,5 f ).208 Selbsttötungen kommen nur selten in den Blick (1 Sam 31,4 f; 2 Sam 17,23; Mt 27,5).209 Der soziale Tod wiederum kann als eine Form des unzeitigen Todes im Leben verstanden werden und beschreibt eine Berührung mit der Unterwelt zu Lebzeiten (vgl. z. B. Ps 18,5 f; 30,4; 40,3; 69,15 f; 71,20; 86,13; 88,4 f; 116,3).210 Propheten können Menschen im Vorgriff auf Gottes Handeln für tot erklären (vgl. z. B. Jes 1,21–23; Am 5,1 f. 16 f ).211 Das Verhältnis von Gott zum Tod212 In einigen alttestamentlichen Texten kommt Gott als Urheber des Todes in den Blick: Er wird als derjenige beschrieben, der mit dem Tod schlägt und den Menschen tötet (vgl. z. B. Gen 19,24 f; Ex 12,29; 1 Sam 2,6; 25,38; 2 Sam 6,7; 12,15; 24,15; Ps 104,29) und dessen Nähe „eine Aura des Todes [verströmt]“ (vgl. z. B. Ex 19,16–25; 33,5.20–23; Lev 16,1 f; Jes 6,5).213 Zugleich steht Gottes Macht gegen die Macht des Todes (vgl. z. B. 1 Sam 2,6; Ps 116,3.8 f.; 139,7 f; Spr 15,11; Am 9,2). Sehr deutlich kommt die Macht Gottes über den Tod in der Spitzenaussage von Jes 25,8 über die Vernichtung des Todes zum Ausdruck, die ähnlich in 1 Kor 15 und Offb 20–21 entfaltet wird.214 Das Motiv des Sieges Gottes über den Tod ist biblisch an unterschiedlichen Stellen bezeugt: So findet sich in Jes 52,13–53,12 das Motiv des „Pyrrhussieg[es] des Todes“, in das

206 Vgl.

ebd. ebd. 208  Vgl. Fischer, Art. Tod, 3. Vgl. zum folgenden Ders., Tod, 39–41. Dietrich, Liess und Leuenberger sprechen in diesem Zusammenhang vom vorzeitigen Tod (vgl. Dietrich, Art. Tod, 582; Liess, Art. Tod, 430; Leuenberger, Problem). Dietrich führt aus, dass auch alle anderen Gefährdungen des Lebens wie Krankheit, Schmerzen, Verfolgung oder Not als Wirken oder Anzeichen des Todes beschrieben werden können (vgl. z. B. 1 Sam 3,2; 1 Kön 1,1; Hi 17,1; Ps 6,5–9; 22,12–22; 30,2–4; 60,3–5; 71,9; 79,1–5; 1 Kor 11,30; Gal 4,13; vgl. Dietrich, Art. Tod, 583; Fischer, Tod, 27; Frevel, Art. Tod, 421). Diese Zuordnung ist aus den Versen jedoch nicht eindeutig ableitbar. 209 Vgl. Dietrich, Tod. 210 Vgl. Fischer, Art. Tod, 3 f; vgl. Ders., Tod, 41–42. 211  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 583. 212  Vgl. einführend Fischer, Jenseits, 145–149; Janowski, Welt, 266–304. Die historische Entwicklung entfaltet Janowski, JHWH. 213 Dietrich, Art. Tod, 582. 214  Vgl. a. a. O., 594. 207 Vgl.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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auch der Tod Jesu eingeordnet werden kann (vgl. z. B. Lk 22,37; Apg 1,18; 2,23 f; 4,10; 8,32 f; 1 Kor 15,26; 1 Petr 2,22–25; 2 Tim 1,10; Hebr 2,14 f ).215 Auch Auferstehungsvorstellungen, die zum Teil mit dem Gedanken des Sieges Gottes über den Tod verbunden sind, sind in den biblischen Texten bezeugt: Während sich diese Vorstellung im AT nur andeutet (vgl. z. B. Ez 37; Hi 19,25; Jes 26,19; Dan 12,1–4), werden diese bei Paulus (vgl. z. B. 1 Kor 15,14–16.20– 22.29.42–44; 1 Thess 4,13–18), in der synoptischen Tradition (vgl. z. B. Mk 12,18– 27par; Lk 16,23; Mt 8,11 f ) und in den johanneischen Texten (vgl. z. B. Joh 11,21– 27; vgl. 5,24; 6,50 f; 14,19; 1 Joh 3,14) explizit.216 Neutestamentlich kommt in der Auferweckung Jesu die Konfrontation zwischen Gott und dem Tod zu ihrem Höhepunkt (vgl. z. B. 1 Kor 15,25 f ).217 Dabei wird der Tod quasi personal (vgl. z. B. 1 Kor 15,26; Offb 6,8; 20,14) oder als feindliche Macht (vgl. z. B. Apg 2,24; Röm 5,12–21; 1 Kor 15,26; Hebr 2,14; Offb 21,4)218 beschrieben und auch mit dem Teufel verbunden (vgl. z. B. Hebr 2,14).219 Die Erlösung durch Gott zielt auf die Aufhebung des Todesschattens (vgl. z. B. Mt 4,16; Lk 1,79).220 Gerade Paulus versteht den Tod als „entmachtete, universale und transpersonale Macht“, was er insbesondere in der Adam-Christus-Typologie entfaltet (vgl. z. B. Röm 5 f ).221 Die Überwindung des Todes erfolgt durch Jesu Tod und Auferstehung (vgl. z. B. Röm 5,21; 6,9; 1 Kor 15,55; 2 Tim 1,10; Phil 3,10; Hebr 2,14), an der die Christinnen und Christen durch die Taufe teilhaben (vgl. z. B. Röm 6,3).222 Der darin begründeten Gemeinschaft des Lebens kann der Tod nichts anhaben (vgl. Joh 5,24; 6,50; 11,25 f ).223 Gottes Macht über den Tod kommt auch in Berichten über Entrückungen und Erweckungen zur Geltung: Im AT finden sich Berichte über Entrückungen (Gen 5,22–24) und eine Himmelfahrt (2 Kön 2,1–18)  – Vorstellungen, die in der Aufnahme der Seele zu Gott (Weish 4,10–5,5) und der eschatologischen Gemeinschaft mit Christus (vgl. z. B. 1 Thess 4,16 f ) weitergeführt werden.224 Totenauferweckungen werden im AT an zwei Stellen berichtet (1 Kön 17,17–24; 2 Kön 4,18–37) und neutestamentlich aufgegriffen (vgl. Mk 5,21–43 par; Lk 7,11– 17).225 215 A. a. O., 592 f. Zu den Deutungen des Todes Jesu im NT Vgl. a. a. O., 593; Vogel, Tod, 70– 93. Vgl. für das AT weiterführend Janowski, Welt, 291–300. 216 Vgl. Dietrich, Art. Tod, 593. Vgl. Fischer, Tod, 51 f.; Liess, Art. Tod, 431. 217 Vgl. Dietrich, Art. Tod, 590 f. Vgl. Boer, Art. Tod, 434; Frevel, Art. Tod, 423; Bultmann, Art. θἁνατος, 18 f. 218 Vgl. Boer, Art. Tod, 434. 219 Vgl. Frevel, Art. Tod, 423. 220 Vgl. ebd. 221  Ebd. 222  Vgl. a. a. O., 424. 223  Vgl. ebd. 224  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 591. 225  Vgl. a. a. O., 592.

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A Einführung

Der Tod als absolutes Ende oder Übergang Der Tod als „absolutes Ende“ des Lebens rückt bei Kohelet in den Vordergrund (vgl. z. B. Koh 1,2 f.11; 2,11.16; 3,9; 5,15; 8,10; 9,4–6.10; vgl. auch Weish 2,4).226 Gegen diese Perspektive beschreibt Weish den Tod als Übergang in ein neues Sein in Gottes Hand (Weish 3,1.3.14; 4,7; 5,5).227 Auch neutestamentlich kommt der Tod als Übergang in den Blick, die Vorstellungen von der Art des Übergangs und seiner Weiterführung (Gericht [vgl. z. B. Heb 9,27], Hölle, Auferstehung [vgl. z. B. 1 Kor 15,22–24; 1 Thess 4,15 ff; Röm 2,5–13.16; 2 Kor 5,10]) in den neutestamentlichen Texten sind dabei vielfältig.228 Tod und zweiter Tod: Das christliche Leben mit dem Tod Im Neuen Testament zeigt sich eine Differenzierung zwischen Tod und Tod: So warnt Offb vor dem zweiten Tod (vgl. z. B. Offb 2,11; 20,6.14; 21,8) und an anderen Stellen wird der ewige Tod – im Gegensatz zum ewigen Leben – beschrieben (vgl. z. B. Mt 7,13; Joh 3,15 f; Röm 9,22; 1 Kor 3,17; 15,18; Phil 1,28; Hebr 10,39).229 Dietrich beschreibt im Blick auf das Neue Testament eine Gegenläufigkeit der christlichen Botschaft zur Todesverfallenheit des menschlichen Lebens: Die „christliche Verkündigung präsentiert eine Alternative zu dem vom allgegenwärtigen Tod überschatteten Leben“ (vgl. z. B. Mt 4,16 und Lk 1,79 nach Jes 9,1; Lk 9,60; Joh 5,24 f; Röm 7,10–8,2; 1 Kor 15,17–19; 1 Thess 4,13 f; 1 Joh 3,14; Hebr 2,14 f ).230 In der Perspektive der Auferstehung Jesu reflektieren viele Texte auf das Leben mit dem Tod, v. a. im Blick auf die Kreuzesnachfolge (vgl. z. B. Mk 8,27–10,52; Mt 10,28par; Lk 14,27par; 17,33par; Joh 12,23–26; 16,33; Röm 6,3 f; Eph 5,14; Kol 2.11–13.20; 2 Tim 2,11).231 Insbesondere Paulus entwickelt eine differenzierte Beschreibung des Lebens mit dem Tod: Der Tod mit Christus markiert die Befreiung von der Vergangenheit (vgl. z. B. Röm 6,6.11; 8,3.10; Gal 3,13), der die Glaubenden immer wieder neu Raum geben müssen (vgl. z. B. Röm 6,12–23; 8,4–13; Gal 5,16–6,10).232 Die Gegenwart ist weiterhin vom Tod überschattet (vgl. z. B. Röm 8,35 f; 1 Kor 4,11 f; 15,31; 2 Kor 4,8 f.10–12.16; 6,4–10; 11,23–19; 12,20; 13,4; Gal 6,17; Phil 3,10 f ), in der Zukunft werden die Glaubenden in die Herrlichkeit verwandelt (vgl. z. B. Röm 8,17–25.28–30; 1 Kor 14; Phil 3,20 f ).233 Dietrich folgert: „An die Stelle der Verhältnislosigkeit, die den Tod bisher gekennzeichnet hat, treten nun Relationen (zu Gott, Christus und 226  Vgl. Fischer, Art. Tod, 10 f. An anderer Stelle beschreibt Fischer dieses als „radikale[n] Tod“. Ders., Tod, 47–48. 227 Vgl. Fischer, Art. Tod, 12. Dieses beschreibt Fischer auch als „illusionäre[n] Tod“. Ders., Tod, 48–50. 228 Vgl. Bultmann, Art. θἁνατος, 17. 229  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 588. Vgl. Vogel, Tod, 62 f. 230  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 583. Vgl. Vogel, Tod, 104–108. 231  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 595. 232  Vgl. a. a. O., 596. Vgl. Vogel, Tod, 104–108. 233  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 596. Vgl. Vogel, Tod, 104 f.

3. Schriftgebrauch – Anmerkungen zur Terminologie und Methodik

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dem Nächsten), die Leben wie Sterben übergreifen“ (vgl. z. B. Lk 20,38b; Röm 14,7–9; 2 Kor 5,14 f; Phil 1,21; vgl. weiterhin Hi 1,21; Ps 22; 23).234 Tod, Sünde und Schuld Der Zusammenhang von Tod und Schuld steht im Alten Testament oft verbunden mit dem unzeitigen Tod (vgl. z. B. Koh 7,17; Spr 10,27; 13,14; 15,24; 21,16; 23,14; vgl. Jer 17,11; Ez 18,26; 33,18).235 Umgekehrt lässt sich daher auch nach verborgener Schuld fragen, die zum Tod führt (vgl. z. B. Hi 4,7; 9,29), und Schuldeingeständnisse angesichts von Todesnot (vgl. z. B. Ps 38,4–5; 41,5; 69,6; Jes 38,17) werden notwendig.236 Gesteigert findet sich diese Überlegung in der These, die Vergänglichkeit des Menschen sei Ausdruck des Zornes Gottes (vgl. z. B. Ps 90,7–11; 130,3).237 Als ein zentraler Text für diesen Zusammenhang kommt in der theologischen Tradition die Urgeschichte in den Blick (insb. Gen 3,15.19, vgl. z. B. Röm 5,12– 21; 8,18–22; sowie Röm 6,23; 1 Kor 5,5; 11,30; Jak 1,15).238 Die Sterblichkeit des Menschen ist in diesem Text jedoch vorausgesetzt und nicht durch den sog. Sündenfall bedingt (Gen 2,7; 3,19; vgl. z. B. Ps 104,29; Hi 10,9; Koh 12,7).239 Paulus entfaltet diesen Zusammenhang in der Adam-Christus-Typologie und betont den Zusammenhang von Tod und Sünde (Röm 6,23), wobei Gen 3 als entscheidender Referenztext dient.240 Die Entmachtung des Todes erfolgt durch Christus (Röm 5,21).241 Eng mit dem Tod verbunden ist das Gesetz (vgl. z. B. 2 Kor 3,6 f.9; Röm 5,12 f; 7,5.10.13), wobei Vogel Paulus’ Differenzierung von Tod und Gesetz hervorhebt.242 Wird der Tod in diesem Sinne beschrieben, kommt er nicht als Naturvorgang, sondern als Schicksal des Menschen in den Blick, das zu fürchten ist.243 Dabei kann der Tod als mythische Figur beschrieben werden (vgl. z. B. 1 Kor 15,26; Offb 6,8; 20,13 f ).244 Der nichtige Tod kann bereits das Leben bestimmen (vgl. z. B. Mt 4,16; Lk 1,79; Röm 8,6; Hebr 2,15; 9,14).245

234 Dietrich, Art. Tod, 596. Vgl. weiterführend Vogels Rekonstruktion der paulinischen Auseinandersetzung mit der Frage, warum Christusgläubige sterben. Vgl. Vogel, Tod, 108–110. 235 Vgl. Fischer, Art. Tod, 4; Ders., Tod, 42 f. Vgl. zu diesem Zusammenhang die Beiträge in Ego, Evil. 236  Vgl. Fischer, Art. Tod, 4 f. Vgl. Dietrich, Art. Tod, 588. 237 Vgl. Dietrich, Art. Tod, 588. 238  Vgl. a. a. O., 588 f. Vgl. Fischer, Tod, 43–45. 239  Vgl. Fischer, Art. Tod, 7 f. 240 Vgl. Frevel, Art. Tod, 423. Vgl. Bultmann, Art. θἁνατος, 15; Vogel, Tod, 103 f. 241 Vgl. Frevel, Art. Tod, 424. Vgl. den Abschnitt zur Überwindung des Todes in diesem Kapitel. 242  Vgl. Bultmann, Art. θἁνατος, 16. Vgl. Vogel, Tod, 105 f. 243  Vgl. Bultmann: Art. θἁνατος, 14. 244  Vgl. ebd. 245  Vgl. Bultmann: Art. θἁνατος, 18. Vgl. Vogels Ausführungen zur paulinischen Beschreibung der Taufe als Tod in Röm 6,1–11. Vogel, Tod, 104 f.

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A Einführung

Tod als Gleichmacher Das Alte Testament beschreibt den Tod als den „Gleichmacher“ aller Menschen, was den Zusammenhang von Tod und Schuld bestreitet (vgl. z. B. Hi 3,13–19; Koh 3,19–21; 9,1–3).246 Diese Gleichheit wird zugleich als Ungerechtigkeit verstanden (vgl. z. B. Koh 9,4–7; Jes 22,13; Weish 2,1–9; Lk 12,19; 1 Kor 15,32).247 Gerade im Hiobbuch rückt der Zusammenhang von Tod und Gerechtigkeit Gottes i. S. d. Theodizeefrage in den Horizont. Der Tod erscheint hier als „Gleichmacher“ zwischen den Menschen (Hi 3,17–19; 9,22; 21,23–26; vgl. Koh 2,15–16; 3,19–20; 9,2).248 Zugleich kommt die Begrenztheit menschlichen Lebens in den Blick (vgl. z. B. Hi 21,32 f; vgl. Koh 8,10; Ps 78,38 f; 89,48–50; 103,13 f ).249

246 Dietrich, Art. Tod, 589. Fischer ordnet diese Beschreibung ein unter die Frage nach dem Verhältnis von Tod und Gerechtigkeit. Vgl. Fischer, Tod, 45–46. Die Folgerungen aus dieser Beschreibung sind sehr unterschiedlich, wie Dietrich hervorhebt: Sie kann trösten, mahnen oder auch Verbitterung auslösen. Vgl. Liess, Art. Tod, 430. 247  Vgl. Dietrich, Art. Tod, 589. Vgl. zum Verhältnis von Tod und Gerechtigkeit in der Weisheitsliteratur Fischer, Jenseits: 150–176; Lux, Tod. 248  Vgl. Fischer, Art. Tod, 9 f. 249  Ebd.

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionenim 20. Jh. 1. Edmund Schlink Edmund Schlink entfaltet in seinem Hauptwerk Ökumenische Dogmatik die Schriftlehre im Rahmen der Ekklesiologie.1 Dies entspricht der Anlage seines dogmatischen Entwurfs, der unter der Leitperspektive der „Einheit ihres [des Christentums] Glaubens und ihrer Glaubensbekenntnisse“ entfaltet wird.2 Schlink setzt daher ein „bei dem, was allen Teilen der Christenheit vorgegeben ist und der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten zugrunde liegt“.3 Dies ist nach Schlink das Evangelium, das in den biblischen Texten entfaltet wird. In seiner Dogmatik finden sich wenig Aussagen zur Schrift selbst, vielmehr beschreibt er ihre ökumenische Bedeutung ausgehend vom Evangelium als der verbindenden Grundlage der Schrift. Mit der Schrift assoziierten ökumenische Streitpunkte, wie das Verhältnis von Schrift und Tradition, werden breiter ausgeführt.4 Um Schlinks Verständnis der Schrift nachzuzeichnen, ist es daher notwendig, seinen Denkweg ausgehend von der Bestimmung des Evangeliums hin zur ökumenischen Bedeutung der Schrift nachzuvollziehen. Schlink versteht das Evangelium als Botschaft vom Sterben und von der Auferstehung Jesu Christi und deren rettender Kraft für uns (1.1.1.). Das Evangelium wird in den apostolischen Überlieferungen bezeugt, die in der Heiligen Schrift von der Kirche gesammelt wurden (1.1.2.). Die Autorität der Schrift gründet jedoch nicht in der Kirche, sondern in der Bezeugung des Evangeliums in den apostolischen Schriften (1.1.3. und 1.1.4.). Insofern kommt der Schrift im Zusammenspiel 1 So im dritten Teil der Dogmatik (Die Lehre von der Neuschöpfung) im Kapitel XXI unter dem Titel „Die Erhaltung der Kirche“ in Abschnitt A: Die Heilige Schrift. Es folgen Abschnitte zum Bekenntnis (B) und der Ordnung der Kirche (C). Schlink, Dogmatik, 626–646. Zur Verortung der Schriftlehre vgl. die Abschnitte A 1.2. und C 4.1. 2 Schlink, Dogmatik, 1. 3   A. a. O., 2. 4  Schlinks Schriftlehre und sein Verständnis von Schriftauslegung sind in der Forschung bisher nicht bearbeitet. Die wenigen Einführungen in seine Theologie fokussieren auf sein ökumenisches Anliegen, wobei der Frage nach der Schrift eine untergeordnete Rolle zukommt (vgl. Brosseder, Schlink; Skibbe, Schlink; Ders., Reformer). In einem Aufsatz zu Schlinks Hermeneutik berührt Smit die Frage nach Schlinks Schriftverständnis, führt diese jedoch nicht aus (vgl. Smit, Confessional).

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

der Traditionen eine herausgehobene Bedeutung zu (1.1.5.). Die gemeinsame Berufung auf das Evangelium, die faktische Bedeutung der Schrift in allen christlichen Kirchen und die Übereinstimmungen bei der Erforschung ihres literalen Sinns machen die Schrift für Schlink zu einer entscheidenden Grundlage der ökumenischen Verständigung (1.1.6.). Mit der Auslegung der Schrift befasst sich Schlink im Kontext der theologischen Enzyklopädie. Dazu differenziert er zunächst zwischen unterschiedlichen Erkenntniswegen und bestimmt daraus das Verhältnis von Theologie und theologischer Wissenschaft (1.2.1.). Daraus ergibt sich für Schlink die Notwendigkeit, sich mit den Strukturen theologischer Aussagen auseinander zu setzen (1.2.2.). Sodann kommen seine Erwägungen zur biblischen und dogmatischen Hermeneutik (1.2.3.–1.2.5.) und deren Verbindung in der ökumenischen Hermeneutik (1.2.6.) in den Blick. Im Zwischenfazit werden diese Überlegungen gebündelt, im Blick auf die Leitfrage der Studie nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik diskutiert und auf Implikationen für die Analyse des Schriftgebrauchs befragt (1.3.). Die Analyse des Schriftgebrauchs in Schlinks Ausführungen zum Abendmahl und zum Tod folgt im nächsten Abschnitt (1.4.). Abschließend werden die Beobachtungen im Blick auf die Leitfrage nach dem Verhältnis von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch diskutiert (1.5.).

1.1. Schlinks Schriftverständnis 1.1.1. Das Evangelium als Grundlage der Theologie und das „Wort Gottes“ Schlink entfaltet seine Dogmatik dezidiert als ökumenische Dogmatik. Als solche fragt sie nach der „Einheit ihres [der Christen] Glaubens und ihrer Glaubensbekenntnisse“ und setzt daher ein „bei dem, was allen Teilen der Christenheit vorgegeben ist und der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten zugrunde liegt“.5 Dies ist nach Schlink das Evangelium, verstanden als Botschaft vom Sterben und Auferstehung Jesu Christi und deren rettender Kraft für die Menschen. Dieses Evangelium ist eng mit den biblischen Texten verbunden: Es wird nach Schlink im Neuen Testament auf besondere Art und Weise bezeugt, weil den Zeugen des Wortes, i. e. den Aposteln, eine entscheidende Bedeutung zukommt. Denn nur durch die Augenzeugen der Auferstehung ist der Kreuzestod als Heilstat erkennbar.6 Das erst mündlich und später schriftlich weitergegebene apostolische Zeugnis ist daher für alle Zeiten grundlegend und kann nicht überholt werden.7 Die Bedeutung der biblischen Texte liegt für Schlink jedoch nicht  Schlink, Dogmatik, 1 f.  Vgl. a. a. O., 4. 7  Vgl. ebd. Zur apostolischen Überlieferung und ihrer Sammlung vgl. Abschnitt B 1.1.2. 5 6

1. Edmund Schlink

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nur in diesem Zusammenhang, sondern auch in der faktischen Verbreitung und Anerkennung des Kanons: „Alle Kirchen anerkennen die alttestamentlichen und die neutestamentlichen Schriften der Bibel als normative Grundlage für ihr Reden und Tun an [sic].“8 Zum Verständnis des Evangeliums äußert sich Schlink an verschiedenen Stellen. Er bestimmt das Evangelium als „Wort Gottes“ und verwendet beide Begriffe synonym: So ist die Bezeichnung „Wort Gottes“ neben anderen Bezeichnungen wie „Wort Christi“ oder „Wort vom Kreuz“ eine im Neuen Testament mögliche Bezeichnung für das, was er als Evangelium bezeichnet.9 Auch wenn im Neuen Testament nicht nur eine Bezeichnung zu finden ist, erkennt Schlink die früheste Zusammenfassung des Evangeliums im ersten Korintherbrief: „‚Christus ist gestorben um unserer Sünden willen nach den Schriften und begraben, er ist auferweckt am dritten Tage nach den Schriften und erschienen dem Kephas, dann den Zwölfen …‘ (1. Kor 15,3 ff )“.10 Die Bezeichnung als „Evangelium Christi“ besagt nach Schlink, „daß das Evangelium Jesus Christus verkündigt und in ihm seinen Ursprung hat“ und daher sowohl historisch als auch jetzt von ihm ausgeht.11 Somit enthält das Evangelium nicht nur die Verheißung, sondern auch die Erfüllung des Heils und ist vorwärts gerichtet auf das endgültige Kommen Christi.12 Die zahlreichen Entfaltungen der Heilsbedeutung Jesu in der dogmatischen Lehre der Kirchen zeigen nach Schlink die Unerschöpflichkeit der Gnade, welche nicht durch einseitige Fixierungen eingeschränkt werden dürfen.13 Schlink formuliert drei Charakteristika des Evangeliums: Das Evangelium als Wort Gottes steht erstens im Zusammenhang mit vielen Worten Gottes, die Gott in seinem Bund mit Israel gesprochen hat. Den Zusammenhang dieser Worte stellt Schlink mehrfach heraus14 und betont zugleich die Überordnung dieses endgültigen Wortes Gottes im Evangelium: „Demgegenüber verkündigt das Evangelium Jesus Christus als die letzte Anrede Gottes, als den, der nicht  8  A. a. O.,

518. 418. 10  A. a. O., 3. Weitere Bezeichnungen dessen, was er als Evangelium bezeichnet, sind beispielsweise Wort Gottes, Wort Christi, Wort vom Kreuz, et al. Vgl. a. a. O., 418. Schlink selbst bietet verschiedene Beschreibungen des Inhalts des Evangeliums. Grundlegend hält er fest: „So ist das Evangelium die Botschaft von Jesu Tod und Auferweckung […].“ Das Evangelium verkündet „die in Christus geschehene Zuwendung Gottes zu den Sündern, denen er seine Gerechtigkeit und Liebe schenkt und Anteil an seiner Kraft, Weisheit und Herrlichkeit gibt“ als „Gottes endgültige Heilstat“ und ruft Menschen zum Glauben an ihn. A. a. O., 421. 11  A. a. O., 424. 12 Vgl. a. a. O., 422. 13  Vgl. seine Ausführungen zu den konfessionellen Ausprägungen a. a. O., 422–444. Dasselbe gilt für die vielfältigen Formulierungen der evangeliumsgemäßen Mahnung. Vgl. a. a. O., 444– 470. 14  „Aber die Worte, die Gott vor Jesu Kommen gesprochen hat, gingen nicht zusammenhanglos seiner Anrede durch Jesus Christus voraus, sondern die bereiteten verheißend, fordernd und züchtigend das Volk Israel auf den Kommenden zu und hatten in diesem Sinn den kommenden Christus bereits zum Inhalt.“ A. a. O., 3.  9  A. a. O.,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

nur Gottes Wort spricht, sondern der Gottes Wort ist.“15 Dabei unterliegt es einer doppelten Struktur von Zuspruch und Anspruch. Eine zweite Ebene eröffnet Schlink mit seiner Verhältnisbestimmung von Zeugnis und lebendigem Wort. Zwar ist das apostolische Zeugnis für alle Zeiten grundlegend und nicht überholbar,16 doch das Evangelium erschöpft sich nicht in der Bezeugung vergangener Heilstaten. Vielmehr ist es zugleich Botschaft von einem geschichtlichen Menschen und seinem Geschick und seinen Taten an denen, die diese Botschaft hören, also „tätiges Wort“.17 Da der erhöhte Herr auch heute noch durch das Evangelium das Heil schenkt, kann Schlink das Evangelium als „lebendige[n] Geist“ bezeichnen und das Neue Testament kann formulieren, dass das „Evangelium rettet“.18 Das Evangelium zeichnet sich drittens sowohl in Jesu Auftreten als auch in seiner apostolischen Bezeugung durch die Spannung von Verborgenheit und Offenbarung aus: Es ist „verborgen in der Unscheinbarkeit und Fragwürdigkeit menschlicher Worte“ und tritt ohne irdische Macht und sichtbaren Glanz in die Welt.19 Zugleich ist es die Offenbarung des Geheimnisses Gottes, das sich in Jesus Christus erschließt: „Denn in beiden geht es um das Zu-uns-Kommen Gottes, der in Jesus unsere Gottesferne auf sich genommen hat und der uns durch seine Forderung und den Zuspruch seiner Gnade an sich zieht. Gerade so ist uns das Geheimnis Gottes offenbart.“20 Schlink entfaltet sein Verständnis des Evangeliums im Gegenüber zum Begriff des Gesetzes: Trotz ihrer Einheit handelt es sich um eine doppelte Anrede Gottes, um „verschiedene Worte Gottes“, die bis zum Eschaton auseinandertreten.21 Diese Verhältnisbestimmung steht im Kontext der Auseinandersetzung Schlinks mit dem Verhältnis von Altem und Neuem Testament und „konzentriert sich in der Frage nach der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, wobei sowohl eine Einheit wie auch eine Verschiedenheit von Gesetz und Evangelium vorausgesetzt ist“.22 Das ehemals als spezielles Thema reformatorischer Theologie geltende Verhältnis von Gesetz und Evangelium hat nicht nur in der katholischen Theologie Bedeutung erlangt, sondern ist zudem faktisch bei jeder alttestamentlichen Schriftauslegung als unbewusstes hermeneutisches Prinzip präsent.23 Evangelium und Gesetz sind nach Schlink zum einen grundlegend zu unterscheiden: 15  A. a. O.,

4.  Vgl. ebd. Vgl. zur apostolischen Überlieferung und ihrer Sammlung Abschnitt B 1.1.2. 17  A. a. O., 3 [Hervorhebung im Original]. 18 A. a. O., 424 f. Vgl. seine Ausführungen zur „aktiven Inspiration“ in Abschnitt B 1.1.4., sowie die Folgen dieser Beschreibung für die Schriftauslegung in Abschnitt B 1.2.1. Zum Verhältnis des fortschreitenden Heilshandelns zur einmaligen Heilstat Gottes vgl. a. a. O., 425 f. 19  A. a. O., 5. 20   A. a. O., 7. 21   A. a. O., 522. 22  A. a. O., 518. 23  Vgl. a. a. O., 519. Vgl. Abschnitt B 1.2.3. 16

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‚Gesetz‘ ist nach Paulus der Inbegriff der von Gott durch Mose und seit Mose dem alttestamentlichen Bundesvolk geoffenbarten Worte. ‚Evangelium‘ ist die Botschaft von Jesus Christus, im Entscheidenden das Wort vom Kreuz, das immer zugleich das Wort von dem auferstandenen Gekreuzigten ist.24

Nach Schlink sind zum anderen jedoch sowohl Altes als auch Neues Testament von einer doppelten Struktur durchzogen: Im Alten Testament werden sowohl Verheißungen als auch Gesetzesforderungen formuliert, das Neue Testament wendet sich mit Zuspruch (Evangelium) und Anspruch (Mahnung) an die Gläubigen. Weder können Gesetz und Evangelium daher mit dem Altem und Neuem Testament identifiziert werden, noch darf die alttestamentliche Verheißung mit dem Evangelium oder die Gesetzesforderung mit der neutestamentlichen Mahnung in eins gesetzt werden.25 Schlink folgert: „So begegnet uns im alttestamentlichen Gesetz zugleich das Evangelium und im neutestamentlichen Evangelium zugleich das Gesetz.“26 Jesus Christus ist nach Schlink die Erfüllung aller alttestamentlichen Verheißungen und Forderungen des Gesetzes. Zugleich ist er Grundlage des neutestamentlichen Heilszuspruchs und dem daraus erwachsenen Anspruch in der Ankündigung des Gerichts. Die Unterscheidung geht mitten durch das alt- und neutestamentliche Gotteswort hindurch und zeigt die doppelte Anrede des Menschen durch Gott als ein „gleichzeitiges Miteinander des Handelns Gottes an jedem Menschen“.27 Diese sind als existentielle Frage immer neu von Gott selbst zu unterscheiden, wobei der Dogmatik nur verweisende Funktion zukommen kann.28 Dennoch gelten diese beiden Formen der Anrede nach Schlink nicht mit gleichem Gewicht: Aufgabe der Dogmatik ist es, das Evangelium als „Gottes eigentliches Wort“ herauszustellen, um auf diese Weise einer zeitlosen Dialektik gleichbedeutender Aussagen zu wehren und „die immer neu in die verschiedensten geschichtlichen Situationen vordringende Verkündigung der dem Gesetz überlegenen Herrlichkeit des Evangeliums“ herauszustellen.29 Der Be24 Ebd.

25  Schlink begründet, dass das neutestamentliche Evangelium den im Alten Testament Verheißenen als den Gekommenen verkünde und die neutestamentliche Paraklese daher strukturell anders zu fassen sei: Die Werke führen nicht zum Leben, sondern „weil dir das neue Leben geschenkt ist, wandle in einem neuen Leben“. Zugleich wirken die Mahnungen des Evangeliums drohend, da das Evangelium auch das kommende Gericht ankündigt, welches als doppeltes Urteil zum Leben und zum Verderben bestimmt ist. Diese Spannungen in Schlinks Soteriologie können hier nicht verfolgt werden. A. a. O., 520 f. Vgl. a. a. O., 417. 26  A. a. O., 521. 27 Ebd. 28  Vgl. a. a. O., 522 f. Schlink führt nur sehr knapp aus, wie diese existentielle Frage beantwortet werden kann. Unter der Überschrift „Die Bewährung in der Anfechtung“ formuliert er: „Indem der Christ sich in Buße unter das Wort des richtenden Gottes beugt und im Glauben anklammert an das Wort vom Kreuz, unterscheidet er Gesetz und Evangelium.“ A. a. O., 524. Vgl. a. a. O., 420. 29   A. a. O., 523.

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griff Evangelium bezeichnet bei Schlink somit die Heilstat in Jesus Christus, die das hermeneutische Prinzip zum Verständnis der alt- und neutestamentlichen Schriften darstellt. 1.1.2. Die Schrift als Thema der Ekklesiologie – Kanon, Dogma und Kirchenordnung als Formen der apostolischen Botschaft Wie einführend dargestellt, entfaltet Schlink die Lehre von der Schrift als Teil der Ekklesiologie, genauer als Teil des Abschnitts zur Erhaltung der Kirche. Der Grund der Kirche liegt für Schlink allein in Christus selbst. Dass diese Aussage sowohl historisch als auch theologisch zu verstehen ist, zeigen die folgenden Gedanken. Die Erhaltung der Kirche muss nach Schlink durch die enge Bindung an diesen geschichtlichen Grund vollzogen werden: Die Kirche bleibt nur dann in Christus, wenn sie bei dem geschichtlichen Jesus bleibt, der verkündigend und heilend dem Kreuz entgegenging und als der Gekreuzigte und Auferstandene ihr Grund ist. Er ist geschichtlicher Grund und gegenwärtiger Herr der Kirche in einer Person.30

Diese enge Bindung an Christus bedeutet für Schlink zugleich eine enge Bindung an die Apostel  – nicht nur in historischer, sondern auch in aktualisierender Perspektive: Die Bewahrung der apostolischen Botschaft erfolgt nicht durch Wiederholung der apostolischen Worte, sondern durch die Aufgabe „dasselbe zu tun, was die Apostel grundlegend getan haben“.31 Je größer der zeitliche Abstand und je breiter der Strom der Zeugnisse wurde, desto schwerer war diese Aufgabe nach Schlink zu erfüllen. In Auseinandersetzung mit Anfragen zu ihrer Identität und Botschaft und in Abgrenzung zur Welt hat die Alte Kirche daher die apostolische Botschaft gesammelt, das Christusbekenntnis entfaltet und die Ordnung der Kirche festgelegt.32 Dies begründet die konstitutive Bedeutung von Bibelkanon, Dogma und Kirchenrecht für die Erhaltung der Kirche.33 Dabei wird die wörtliche Festlegung nach Schlink immer bedeutender: Denn inmitten der Gegensätzlichkeit der Angriffe der Welt erhielt das im Wortlaut Festgelegte zunehmend die Bedeutung eines Schutzes und Haltes der Kirche für ihr Bleiben auf ihrem geschichtlichen Grund. Durch die Festlegung von Kanon, Dogma 30  A. a. O.,

628. historischen Perspektive wurde bereits dargestellt, dass die Bezeugung des Evangeliums durch die Apostel für die Ausbreitung des Evangeliums von entscheidender Bedeutung war. Diese apostolische Überlieferung war Gegenstand der kirchlichen Schriftensammlung, die in der Zusammenstellung eines verbindlichen Kanons ihren Abschluss fand. Vgl. Abschnitt B 1.1.5. Diese doppelte Beschreibung gründet für Schlink im Charakter des Evangeliums selbst: „Ist doch das Evangelium nicht Buchstabe, sondern lebendige Stimme und geschichtlich wirkende Gotteskraft.“ A. a. O., 628. 32  Vgl. ebd. 33   A. a. O., 629. 31 Zur

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und Kirchen­recht wahrte die Kirche die Identität ihrer gottesdienstlichen Versammlung und ihres Vorstoßes in die Welt.34

Ausgangspunkt ist für Schlink dabei der Begriff des „Apostolischen“, um nach dem geschichtlichen Ursprung der Sammlung der Schrift, sowie der Entwicklung des Dogmas und Kirchenrechts zu fragen.35 Kanon, Dogma und Kirchenordnung sind daher nicht trennbar, sondern gleichzeitig gewachsen in gegenseitiger Durchdringung.36 Trotzdem besteht für Schlink ein Unterschied zwischen dem Kanon und dem Dogma, bzw. der Kirchenordnung: Während im Kanon vorgegebene Schriften gesammelt und die Grenzen der Sammlung fixiert wurden, bestand bei der Formulierung der Dogmen und der Etablierung des Kirchenrechts größerer Entscheidungsspielraum.37 Zudem wurden die Bekenntnisse (und auch das Kirchenrecht) von der Kirche in den Begriffen ihrer Zeit formuliert und anders als der Kanon nicht nur rezitierend auf- oder übernommen.38 Darüber hinaus ist der Bibelkanon abgeschlossen und „enthält die historischen Urkunden der prophetischen und der apostolischen Botschaft“, welche nicht von der Kirche weitergeschrieben werden, sondern höchstens durch weitere „authentische Urkunden dieser Botschaft“ ergänzt werden können.39 Die Bekenntnisgeschichte jedoch dauert an.40 Diese Unterschiede sind für Schlink nicht nur im Rückblick, sondern auch im Blick auf die Zukunft wichtig: Kanon, Dogma und Kirchenrecht sind Konstanten in der Mannigfaltigkeit der Kirche und begegnen den Gliedern der Kirche mit Autoritätsanspruch, sie sind aber nicht „in gleicher Weise invariant“.41 In diesem Zusammenspiel beschreibt Schlink die Bedeutung der Schrift, die er im Blick auf den kanonischen Status weiter entfaltet. 1.1.3. Die Heilige Schrift als kirchliche Schriftensammlung und Kanon der Kirche Die Notwendigkeit einer kirchlichen Schriftensammlung gründet nach Schlink wie dargestellt im wachsenden zeitlichen und räumlichen Abstand des Urchristentums zum Wirken Jesu Christi, sowie im Aufkommen differenter Über Ebd.

34

35 „Dabei

wurde der Begriff des Apostolischen nicht auf die authentischen Zeugnisse der Augenzeugen Jesu beschränkt, sondern auch für den ältesten Widerhall ihrer Botschaft verwendet, der ebenfalls in den neutestamentlichen Schriften überliefert ist.“ A. a. O., 672. 36 Vgl. a. a. O., 630. 37 Ebd. 38  Vgl. a. a. O., 652. 39  Schlink lässt an dieser Stelle offen, auf welche Urkunden er sich bezieht. Im Kontext der Argumentation ist anzunehmen, dass Dokumentationen von Dogmen und Kirchenordnungen gemeint sind. Vgl. a. a. O., 630. 40   A. a. O., 652. 41   A. a. O., 630.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

lieferungen und „enthusiastische[r] Entartungen“ apostolischer Überlieferung.42 Die bereits vor Jesu Auftreten verbreiteten Schriftensammlungen der Juden wurden von Jesus, den Jüngern und der urchristlichen Gemeinde anerkannt und weder Jesus noch die Apostel drängten zur schriftlichen Überlieferung oder zur Sammlung der im Umlauf befindlichen Texte.43 Durch den von Jesus formulierten Überbietungsanspruch in Bezug auf das jüdische Gesetz kam der „Überlieferung seiner Worten und Taten, seines Todes und seiner Auferstehung“ jedoch entscheidende Bedeutung für die ersten Gemeinden zu.44 Während sich diese Überlieferung im Hinblick auf die jeweilig aktuelle Situation vollzog, änderte sich dies mit dem wachsenden räumlichen und zeitlichen Abstand und der zunehmenden Diversität mündlicher Überlieferungen: Nach Schlink führte dies zur „schriftliche[n] Sicherung der Überlieferung“ durch die Sammlung und Ausscheidung von Texten.45 Die Kriterien der Textauswahl waren nach Schlink sowohl historischer als auch sachlicher Art: „Bei der Abgrenzung der neutestamentlichen Schriften war das entscheidende Kriterium die Zuverlässigkeit der Jesusüberlieferung und der Christusbotschaft.“46 Das historische Kriterium fordert eine größtmögliche zeitliche Nähe der Textabfassung zu den bezeugten Ereignissen.47 Als Verfasser kommen daher nur Apostel als Augenzeugen oder deren Schüler und Mitarbeiter in Frage.48 Als sachliches Kriterium galt nach Schlink die Übereinstimmung der Schriften miteinander und mit dem Glauben der Kirche, welcher sich in der regula fidei und vermutlich auch in den verbreiteten Bekenntnissen niederschlug.49 Schlink betont, dass in diesem Prozess die Widersprüche zwischen den Texten wahrgenommen, aber im „Wissen um die Einheit von Kirchengebieten mit verschiedenen gottesdienstlichen Texten“ in Kauf genommen wurden.50 Auch Widersprüche der altkirchlichen Entscheidungen zu den Ergebnissen heutiger historischer Forschung, z. B. in Bezug auf das Alter der Texte, die apostolische Autorschaft, den Begriff der Apostolizität o.ä., stellen für Schlink diese Entscheidungen nicht grundsätzlich in Frage, sondern sie bestätigen vielmehr, dass der neutestamentliche Kanon die „die zeitlich ursprünglichsten Jesusüber-

42  A. a. O.,

632. a. a. O., 631. 44  Ebd. 45  A. a. O., 632. 46  A. a. O., 633. 47 Vgl. ebd. 48  Um den apostolischen Ursprung zu gewährleisten wurden Aussagen über den Verfasser aus diesem und anderen Texten zu Rate gezogen, sowie Informationen über den Ort, die Zeit und die Umstände der Entstehung eingeholt. Auch die Verbreitung der Schrift in der Gesamtkirche spielte eine Rolle. Vgl. ebd. 49 Vgl. ebd. 50   A. a. O., 634. 43 Vgl.

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lieferungen und Christuszeugnisse“ enthalte.51 Schlink kommt daher zu dem Schluss: Der neutestamentliche Kanon ist somit das Ergebnis kirchlichen Bewahrens, Prüfens, Annehmens, Sammelns und Ausscheidens. Er ist in einem sehr umfassenden Sinn das Ergebnis kirchlicher Entscheidungen, die im Prozeß des Zusammenwachsens der lokalen und territorialen Kirchen gefällt worden sind.52

Er folgert: „In diesem Sinn steht die Bibel als ‚Kanon der Wahrheit‘, ‚Kanon des Glaubens‘, als Inbegriff der ursprünglichen Zeugnisse von Gottes Offenbarung in Geltung.“53 1.1.4. Die Autorität und Inspiration der Schrift als Gotteswort Obschon die Entstehung der Heiligen Schrift von Schlink als Ergebnis kirchlichen Handelns beschrieben wird, gründet die Autorität der apostolischen Überlieferung in der Heiligen Schrift für Schlink nicht in der Kirche. Vielmehr gilt: „Die von ihr gesammelten Schriften begegnen der Kirche zusammen mit der alttestamentlichen Schrift als einzigartige Autorität für ihr gesamtes Reden und Tun.“54 Als Kanon ist die Heilige Schrift zugleich Verzeichnis der Schriften und „verpflichtende Norm für die Kirche als ganze“.55 Diese wird nach Schlink bis heute von allen Kirchen anerkannt.56 Schlink hält fest: Die Kirche hat diese Autorität nicht erschaffen, sondern die vorgegebene Autorität der Schriften anerkannt und durch die Verbindung mit den alttestamentlichen Schriften die Identität der Voraussagen mit Christus verkündet.57 Es handelt sich daher – parallel zur mündlichen Überlieferung – bei der Sammlung der kanonischen Texte um einen „rezeptive[n] Akt der Kirche, nämlich die Anerkennung der von Gott angekündigten und vollzogenen Sendung, Dahingabe und Erhöhung Jesu Christi“.58 Der Kanon wurde von der Kirche abgegrenzt, aber nicht von ihr erschaffen  – vielmehr ist er durch das „von ihm bezeugte und durch ihn geschehende Gotteswort“ für die Kirche verbindlich geworden.59 Im Anschluss an diese Überlegungen unterscheidet Schlink

51  A. a. O.,

633.  Ebd. 53   A. a. O., 634. 54 Ebd. 55 Ebd. 56  „Wir können nur den Tatbestand voraussetzen, daß sich alle Kirchen […] für die Begründung ihrer dogmatischen Aussagen auf die Heilige Schrift und zum mindesten auf die Widerspruchsfreiheit zwischen ihren Dogmen und der Heiligen Schrift berufen.“ A. a. O., 54. 57  Vgl. a. a. O., 634. 58 Ebd. 59  Ebd. 52

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zwischen der Begründung der Autorität der Schrift auf einen Seite und ihrer Bestätigung auf der anderen Seite.60 Die Autorität der Schrift gründet nach Schlink in der Heilstat Gottes in Jesus Christus, welche die Apostel als „Zeugen, Organe, ja ‚Sklaven‘ Jesu Christi“ bekannt machen.61 Diese Begründung umfasst zugleich die Anerkennung der Inspiration der Schrift in einem doppelten Sinn: Sie erkennt zum einen Jesu Handeln in der Vollmacht des Heiligen Geistes, zum anderen die Inspiration der Apostel durch die Geistausgießung an Pfingsten an.62 Zwar finden sich im Neuen Testament naturgemäß nur Aussagen über die Inspiration der alttestamentlichen Schriften, aber der Glaube an Jesus Christus und dessen Bezeugung und Bekenntnis sind nach dem Neuen Testament nicht ohne den Geist möglich und daher den apostolischen Überlieferungen eindeutig zuzuschreiben.63 Schlink folgert: Man wird also die Inspiration der Verfasser der neutestamentlichen Schriften nicht beschränken können auf die Entstehung ihres Glaubens und auf ihre mündliche Bezeugung dessen, was sie glaubten. Vielmehr ergibt sich aus diesen Voraussetzungen auch die Inspiration ihrer Schriften. Es ist nicht möglich, mündliche und schriftliche Zeugnisse auseinanderzureißen.64

Dabei darf die Inspiration nicht im Widerspruch zur Freiheit des menschlichen Bezeugens verstanden werden, vielmehr umfasst das inspirierte Gotteswort zugleich das persönliche Zeugnis des inspirierten Zeugen.65 Diese im Evangelium gründende Autorität der Schrift wird bestätigt durch das immer wieder neue „‚gegenwärtige Heilshandeln Gottes“ an denen, die mit Schrift umgehen.66 Denn Gott redet und handelt durch die biblischen Zeugnisse und die Kraft Gottes erschöpft sich nicht in der Botschaft, sondern liegt auch in der Gegenwart Christi in der Schrift als viva vox des Evangeliums.67 Daher sind die Schriften nicht nur ein Ergebnis des Heiligen Geistes, sondern dieser teilt sich heute in Verkündigung und Sakramenten mit. Schlink folgert daraus in Bezug auf die Inspiration: „Das Problem der Schriftinspiration ist ein doppeltes, nämlich das ihrer Entstehung durch den Heiligen Geist und das des Geistwirkens durch ihr Zeugnis.“68 Schlink spricht daher von der Inspiration der Schrift als einer „zu

 Vgl. a. a. O., 635.  Ebd. 62 Vgl. ebd. 63 Vgl. ebd. 64 Ebd. 65  Vgl. a. a. O., 636. 66  Ebd. [Hervorhebung im Original]. 67 Vgl. ebd. 68  Ebd. 60 61

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allen Zeiten erfolgende[n] aktive[n] Inspiration“.69 Diese habe auch während der Sammlung der Schriften in Geltung gestanden.70 In diesem Miteinander von geschichtlicher Begründung und gegenwärtiger Bestätigung unterscheidet sich die Bibel von allen anderen Schriften.71 Die Schrift ist daher nicht nur eine Sammlung von Gottes grundlegenden geschichtlichen Worten, sondern „Werkzeug von Gottes Reden heute“72: „Weil aber beides zusammengehört: Ursprung in Gottes geschichtlichem Wort und das diesen Ursprung vergegenwärtigende göttliche Reden wird die Bibel mit Recht als Gotteswort bezeichnet.“73 Die Klarheit der Zeugnisse führt zur Öffnung des Geistes der Menschen für die Erkenntnis der Wahrheit. Diese wird auch durch Widersprüche zu späteren Erkenntnissen nicht getrübt, da die Verfasser einen keinem Weltbild entsprechenden Gott bezeugt haben: „Die Heilige Schrift ist vollkommen, indem sie in unerschöpflichem Reichtum alles bezeugt, was von Gott zu wissen für unser Heil notwendig ist.“74 Insofern bezeugt die Anerkennung, dass ihr Zeugnis wahr ist, die Treue Gottes.75 1.1.5. Die apostolische Überlieferung in der Heiligen Schrift, die Traditionen der Christenheit und die Suffizienz der Schrift Bereits die Bezeichnung als „apostolische Überlieferung“ macht deutlich, dass Schlink die Heilige Schrift zuerst als Teil der Traditionen der Christenheit begreift. Apostolische Überlieferung ist ein Teil des „Stroms der Traditionen“ innerhalb der Kirche.76 Wie dargestellt, gründet für Schlink die besondere Autorität der apostolischen Überlieferung in der historischen und sachlichen Nähe zum Heilsereignis in Jesus Christus, i. e. im „autentischen [sic] Wortlaut der Schriften oder ihrer Schüler und anderer ihnen zeitlich nahestehenden Zeugen in der Heiligen Schrift“.77 In der Sammlung und Prüfung der Überlieferungen durch die Kirche kam es nach Schlink zur Anerkennung und verbindlichen Zusammenstellung derjenigen Texte, die diesen Kriterien in besonderer Weise genügen. Die in der Heiligen Schrift gesammelte apostolische Überlieferung unterliegt nach Schlink im Unterschied zu allen anderen Traditionen keinerlei Ver-

 Ebd. [Hervorhebung im Original].  Vgl. ebd. 71 Vgl. a. a. O., 637. 72  A. a. O., 636. 73 A. a. O., 637 [Hervorhebung im Original]. 74  Ebd. 75  Vgl. ebd. 76  A. a. O., 688. 77  Ebd. 69 70

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änderungen durch die Zeit.78 Sie steht daher in einem besonderen Verhältnis zur Vielfalt kirchlicher Traditionen: Denn als die beauftragten Augenzeugen sind die Apostel für alle Zeiten maßgebend für das Christuszeugnis der Kirche. Ihre Zeugnisse sind das bleibende Kriterium für die Erkenntnis der Weisungen des Heiligen Geistes inmitten der vielerlei Stimmen dieser Welt. Die Frage nach der Kirche wird nicht bereits durch das Selbstverständnis der verschiedenen Teile der Christenheit beantwortet, vielmehr müssen sie alle an der apostolischen Überlieferung kritisch geprüft werden.79

In diesem Sinne enthält die Schrift alles für die Erkenntnis des Glaubens Notwendige. Diese Suffizienz der Schrift erübrigt nach Schlink bis weit ins Mittelalter hinein eine Diskussion um das Verhältnis der Schrift zur Tradition.80 In der Reformationszeit ist allein die Schärfe der Abgrenzung gegen „Traditionen“ ein Novum: Grundsätzlich neu war an der reformatorischen Stellungnahme zum Problem der apostolischen Überlieferung weniger die Lehre von der Suffizienz der apostolischen Überlieferung in der Heiligen Schrift, als die Konzentration auf das Evangelium, das aufgrund der Schrift als gegenwärtige lebendige Stimme laut wird und durch das die einmalige Heilstat Gottes gegenwärtig wirksam ist.81

Ein Blick auf den Charakter des göttlichen Wortes zeigt für Schlink jedoch, dass diese Gegenüberstellung nicht haltbar ist: Die apostolischen Überlieferungen sind nicht nur geschichtliche Überlieferung, sondern zugleich lebendige Worte (viva vox) oder „überlieferte Lehre“.82 Weder das sola scriptura noch das sola traditio bringt diesen Charakter des göttlichen Wortes nach Schlink ausreichend zum Ausdruck: Ersteres missachtet die lebendige Kraft des göttlichen Wortes, während letzteres den Unterschied zwischen der apostolischen Überlieferung und späteren Überlieferungen missachte.83 Beides darf daher nach Schlink nicht gegeneinander ausgespielt werden. 78 „Diese direkten und indirekten apostolischen Zeugnisse unterscheiden sich von allen anderen Bestandteilen der Tradition dadurch, daß sie seit ihrer Sammlung und vollends seit der Abgrenzung des neutestamentlichen Kanons keine Veränderung mehr erfahren haben, sondern (abgesehen von Textvarianten) im selben Wortlaut durch die Jahrhunderte hindurch überliefert worden sind.“ Ebd. 79 Ebd. Diese Funktion sieht Schlink bereits in der Alten Kirche: Die Sammlung schriftlicher Überlieferung war schon zur Zeit der Kanonentstehung in einen breiten Strom mündlicher Überlieferungen eingebettet, der in den „Strom kirchlicher Verkündigung“ einfloss. Bereits die Lehre der altkirchlichen Väter wurde mit der Heiligen Schrift begründet und die regula fidei und das Credo wurden als „mit der Schrift übereinstimmend oder gar direkt als zusammenfassende Schriftauslegung“ verstanden. A. a. O., 689. 80  Vgl. ebd. 81 A. a. O., 690. Dieser einseitige Traditionsbegriff verschärfte sich nach Schlink im Lauf der konfessionellen Entwicklungen. 82  A. a. O., 688. Vgl. zu Schlinks Verständnis von Evangelium und Wort Gottes Abschnitt B 1.1.1. 83  Vgl. a. a. O., 688 f. So zeigen sich im 20. Jahrhundert Annäherungen im Verständnis der

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1.1.6. Die Heilige Schrift als Grundlage der Ökumene Die faktische Geltung der Schriften des Alten und Neuen Testaments ist für Schlink wesentlicher Ausgangspunkt für die ökumenische Bedeutung der Schrift.84 Alle Kirchen teilen die „authentische Überlieferung der apostolischen Lehre und Botschaft in der Heiligen Schrift“, welcher eine einzigartige Stellung für die Kirche zukommt.85 Inhaltlich besteht der gemeinsame Bezug durch die Bezeugung des Evangeliums in den Schriften. Schlink folgert: „Insofern bleibt die Heilige Schrift – wenn auch in verschiedener normativer Bedeutung – eine gemeinsame Grundlage für das ökumenische Gespräch.“86 Schlink beobachtet eine faktische Zunahme der Autorität der Bibel in vielen kirchlichen Traditionen, auch wenn diese nicht mit der Formulierung eines Schriftprinzips verwechselt werden dürfe: Als Grundlage ökumenischer Gespräche sei ein zunehmendes „faktisches Interesse […], die Übereinstimmungen der eigenen Tradition mit der Schrift, zumindest aber die Widerspruchsfreiheit zwischen der eigenen Tradition und ihr, nicht nur zu behaupten, sondern auch zu beweisen und von der Heiligen Schrift her einsichtig zu machen“, zu beobachten.87 Diese Entwicklung beobachtet Schlink nicht nur im Blick auf die Bedeutung der Schrift, sondern auch in der Frage nach der sachgerechten Schriftauslegung: Verbunden sei die wachsende Bedeutung der Heiligen Schrift mit einem geteilten Interesse am Literalsinn, sowie weitreichenden Übereinstimmungen in dessen Erforschung.88 Diese Grundlagen einer ökumenischen Hermeneutik zwischen Schrift und Dogma werden im Folgenden skizziert.

1.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik Schlinks Erwägungen zur Schriftauslegung stehen im Kontext seiner theologischen Enzyklopädie und dem dort eingeführten Verständnis theologischer Forschung in der Verhältnisbestimmung von Glauben und Erkennen. Für die Frage nach Schlinks Auffassung von Schriftauslegung kommt zudem der differenzierten Analyse der Strukturen theologischer und dogmatischer Aussagen besondere Bedeutung zu. Daher werden diese Überlegungen Schlinks zunächst dargestellt, bevor seine Überlegungen zur Schriftauslegung im Zusammenspiel theologischer Hermeneutiken in den Blick kommen. Tradition als lebendigem Vollzug der Überlieferung, die bislang nicht zu ökumenischer Übereinstimmung geführt haben. Vgl. a. a. O., 691. 84 Vgl. a. a. O., 518. 85  A. a. O., 692. 86  Schlink, Hermeneutik, 16. 87  Schlink, Dogmatik, 692. Der zeitgeschichtliche Hintergrund dieser Beschreibung und ihrer Valenz kann im Rahmen dieser Arbeit nicht entfaltet werden. 88  Vgl. ebd. Vgl. Abschnitt B 1.2.2.a).

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1.2.1. Theologie und theologische Wissenschaft zwischen Glauben und Erkennen Unter theologischer Aussage wird dann nicht nur eine wissenschaftliche reflektierende Aussage im Unterschied zur elementaren Glaubensaussage, sondern bereits diese elementare Glaubensaussage selbst verstanden, und es ist entscheidend wichtig, den Ansatz aller wahren theologischen Aussagen in den elementaren Aussagen des Glaubens selbst im Auge zu behalten. Dann wird aber zugleich deutlich, daß die theologische Aussage als solche nicht ohne Weiteres Aussage ‚über‘ Gott, sondern vor allem Anrede Gottes, Anbetung Gottes ist und nur mit all diesen Aussagen zusammen ‚Lehre von Gott‘.89

Diese Beschreibung zeugt von Schlinks weitem Verständnis von Theologie und theologischen Aussagen: Insofern die Theologie konstitutiv auf das Evangelium bezogen ist, ist sie für Schlink eine Angelegenheit des Glaubens. Denn die Erkenntnis der Offenbarung in Jesus Christus und das antwortende „Ja“ des Menschen sind Akte des Glaubens.90 Folglich bestimmt Schlink im Kontext der Differenzierung der Strukturen theologischer Aussagen Theologie als Doxologie.91 Nur in der Doxologie kann Gott nach Schlink selbst Gegenstand der Theologie werden: Hier gibt der Mensch sich vollständig hin und es werden keine Aussagen über Gott getroffen, sondern „Gott ist in der Anbetung vielmehr das Subjekt schlechthin, dessen Herrlichkeit in den Worten der Menschen nur einen Widerhall findet“.92 In dieser Ansprache gründet nach Schlink die Welt- und 89 A. a. O.,

40 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Struktur, 263. Dogmatik, 8. Schlink beschreibt die Erkenntnis Gottes als „vorwärtseilende Bewegung, nämlich in der Bewegung von der Gott verbergenden Sichtbarkeit hin zu der aus dieser Verborgenheit nach uns greifenden göttlichen Offenbarung“ (Vgl. a. a. O., 11.20). Zugleich wird die Erkenntnis Gottes von Schlink passiv bestimmt als „Erkanntwerden durch den dreieinigen Gott“ durch das „Wort von außen“ und das „Wort von innen“ (a. a. O., 9). Die folgenden Erläuterungen zur Welt- und Selbsterkenntnis des Menschen lassen jedoch darauf schließen, dass auch hier „Wort Gottes“ und „Evangelium“ synonym verwendet werden. Diese „Worte“ werden von Schlink jedoch nicht beschrieben oder ins Verhältnis zu den Ausführungen zum Evangelium als dem Wort Gottes gesetzt. Schlink differenziert jedoch: „In demselben Akt redet er uns an durch sein Wort von außen und schließt uns für sein Wort auf von innen durch den Heiligen Geist.“ (Ebd.) Obschon Schlink dies nicht weiter ausführt, steht vermutlich Luthers Unterscheidung des inneren und äußeren Wortes im Hintergrund. 91 Schlink fasst zusammen: „Ist das doxologische Moment im Bekenntnis eine der wichtigsten Wurzeln des Dogmas, so ist das in besonderer Weise bei dem dogmatischen Reden von Gott selbst zu beobachten. Es kommt von der Doxologie her. So gewiß die Dogmatik selbst nicht Doxologie ist, so gewiß kann sie als Lehre von Gott sich nicht von der Doxologie lösen und verselbständigen, ohne Schaden zu nehmen. Die Lehre von Gott ist zwar nicht Doxologie, aber sie hat zur Doxologie hinzuführen und hat ihr zu dienen. Sie sollte darum in der Nähe der Struktur doxologischer Aussagen bleiben. […] Ohne Wiedergewinnung der Grundform der Doxologie ist keine gemeinsame Gotteslehre in der Christenheit möglich.“ (A. a. O., 65) Hinzuweisen ist hier auf den Wechsel im Sprachgebrauch, der Dogmatik und Theologie in eins zu setzen scheint. Vgl. Abschnitt B.1.3. 92  So wird nach Schlink eine Verobjektivierung Gottes verhindert. Schlink, Dogmatik, 65. 90 Schlink,

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Selbsterkenntnis des Menschen: Menschliche Erkenntnisversuche, z. B. in den Wissenschaften, werden durch das Evangelium als partielle Erkenntnisse erkennbar.93 Schlink beschreibt das Spannungsfeld zwischen Glauben und Erkennen in der Theologie in dreifacher Hinsicht: Glaube ist zugleich als Erkennen, Durchbrechung des Erkennens und Befreiung des Erkennens bestimmt.94 Erstens ist der Glaube ein Erkennen „eigener Art“, wie der Charakter des Evangeliums deutlich macht: „Das Evangelium ist Menschenwort, und zugleich erhebt es den Anspruch, Gottes Wort zu sein. Es verkündigt die Geschichte des Menschen Jesus von Nazareth, und zugleich erhebt es den Anspruch, daß diese Geschichte die schlechthin entscheidende Heilstat Gottes ist.“95 Das Hören des Gotteswortes im Menschenwort zeigt, dass „das im Glauben sich vollziehende Erkennen […] im eigentlichen Sinne paradox“ sei.96 Zweitens bewirkt der Glaube eine Durchbrechung des Erkennens, indem er vermeintliches Verstehen überwindet und die Vernunft in ihre Grenzen zurückweist.97 Drittens bestimmt Schlink den Glauben als Befreiung des Erkennens, indem er zum „empirischrationalen Erkennen der Wirklichkeit“ und der „Befreiung der Vernunft“, i. e. „zur Offenheit und Folgerichtigkeit des ihr gemäßen Fragens und Erkennens“ führt.98 Der Glaube bewirkt das „Philosophieren der befreiten Vernunft“, weil diese nicht auf eigenmächtig abschließende Antworten angewiesen ist.99 Schlink bündelt daher: „Glaube ist Erkennen, indem es zugleich Erkennen durchbricht und zum Erkennen befreit.“100 Diesen Überlegungen zur Theologie im Ganzen folgen Schlinks Aussagen zur theologischen Wissenschaft sehr weit. Auch die theologische Forschung ist für Schlink von einer doppelten Bewegung gekennzeichnet: Zum einen drängt der Glaube an das Evangelium nach dessen „erkennende[r] Entfaltung“, zum anderen schließt er die „Aufgabe der Prüfung der Gotteserkenntnis selbst“ mit ein.101 Im Anschluss an diese Überlegungen kommt Schlink zu folgender Definition theologischer Wissenschaft: Wenn solche Prüfung und Klärung der Glaubenserkenntnis in methodischer Strenge sowohl in der Bindung des Denkens an das Evangelium und damit an die Heilige  93 Vgl. a. a. O., 11.20. Der Mensch antwortet auf diese Ansprache Gottes im lobpreisenden Bekenntnis (Vgl. a. a. O., 10). Zum Zusammenhang von Bekenntnis und Dogmatik vgl. die Abschnitte B 1.2.1. und B 1.2.2.b).  94  Vgl. ausführlich Schlink, Grundbeziehungen.  95  Schlink, Dogmatik, 21. Vgl. Ders., Grundbeziehungen, 173 f.  96 Er führt weiter: „Der Glaube klammert sich an das von Menschen verkündigte Wort als an Gottes Wort, – an den Menschen Jesus als an den zu uns gekommenen Gott.“ Schlink, Dogmatik, 22.  97 Vgl. a. a. O., 23; Ders., Grundbeziehungen, 175 f.  98  Schlink, Dogmatik, 24. Vgl. Ders., Grundbeziehungen, 177 f.  99  Schlink, Dogmatik, 26. Vgl. Ders., Grundbeziehungen, 179–181. 100 Schlink, Dogmatik, 27. 101   A. a. O., 28; Ders., Grundbeziehungen, 184.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Schrift als auch in der Inanspruchnahme aller jeweils zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten geschieht, bezeichnen wir diese Erkenntnisbemühung als theologische Wissenschaft.102

Zugleich steht die wissenschaftliche Theologie für Schlink im Dienst des ökumenischen Anliegens: Im Aufweis der Apostolizität in der geschichtlich einmaligen apostolischen Grundlage liegt für Schlink das Ziel ökumenischer Gespräche. Zu dieser Erforschung der Mannigfaltigkeit im Rahmen der Einheit ist der „besondere[] Dienst der wissenschaftlichen Forschung“ von Nöten.103 In dieser Spannung zwischen Vernunft und Glaube sieht Schlink ein notwendiges „Nichtzur-Ruhe-kommen“ wissenschaftlicher Theologie.104 In diesem Zusammenhang warnt Schlink vor der falschen Inanspruchnahme biblischer Texte: Sei es, daß die Heilige Schrift für die Beantwortung solcher Fragen in Anspruch genommen wurde, die dem empirisch-wissenschaftlichen Forschen aufgegeben sind, und daß so die Bibel als Lexikon aller möglicher natur- oder geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse mißbraucht wurde, während sie doch die Sammlung der maßgeblichen Zeugnisse von Gottes Wirken in Natur und Geschichte ist.105

1.2.2. Die theologischen Disziplinen und die theologische Hermeneutik der Schriftauslegung Schlinks Überlegungen zur Schriftauslegung sind in doppelter Weise mit seiner Reflexion auf die theologischen Disziplinen verbunden: So unterscheidet Schlink auf der einen Seite zwischen den theologischen Disziplinen im Kontext seiner Überlegungen zum Theologiebegriff. Auf der anderen Seite entfaltet er ausgehend von unterschiedlichen Reflexionsgegenständen der Theologie unterschiedliche Hermeneutiken im Zusammenhang der Ekklesiologie.

102 Schlink, Dogmatik, 30 [Hervorhebung im Original]. Etwas später bringt er das Verhältnis von Wissenschaft und theologischer Wissenschaft noch einmal auf den Begriff: „Weil die theologische Wissenschaft den Glauben an das Evangelium zur Voraussetzung hat, und weil die wissenschaftliche Prüfung, Klärung und Entfaltung der Glaubenserkenntnis den Glauben nicht einen Augenblick überflüssig macht, sei hier in Übereinstimmung mit einem weit verbreiteten Sprachgebrauch nicht nur die wissenschaftlich-theologische Erkenntnis, sondern bereits die elementare Glaubenserkenntnis als theologische Erkenntnis und seien im Folgenden in diesem weiteren Sinn auch solche elementaren Glaubensaussagen, wie z. B. das Gebet und die Anbetung als theologische Aussagen bezeichnet.“ A. a. O., 32 [Hervorhebungen im Original]. 103 Schlink, Dogmatik, 672. 104  „Wo aber die Glaubenserkenntnis in der die Vernunfterkenntnis aufbrechenden und befreienden Wirkung erlahmt und sich den Rückfragen der befreiten Vernunft entzieht, da begibt sie sich entweder in das Ghetto einer biblizistischen und dogmatischen Ungeschichtlichkeit oder in die Gefangenschaft eines philosophischen Systems. In beiden Fällen bleibt sie der Welt die Ausrichtung des Evangeliums schuldig.“ Schlink, Grundbeziehungen, 187. 105  A. a. O., 32. Vgl. Ders., Grundbeziehungen, 182.

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Im Kontext seiner Überlegungen zum Theologiebegriff entfaltet Schlink die Differenzierung der theologischen Disziplinen und ihrer Aufgaben. Die theologischen Disziplinen wurzeln nach Schlink in vier wesensnotwendigen Fragen des Glaubens zu seinem reflexiven Verstehen: Der Glaube fragt erstens nach seinem geschichtlichen Grund, i. e. dem einmaligen Ereignis des Evangeliums und dessen ursprünglichen Zeugen und ankündigenden Verheißungen.106 Zweitens fragt der Glaube nach dem geschichtlichen Weg der Vermittlung des Ursprünglichen, i. e. nach der Geschichte der Kirche.107 Der Glaube fragt drittens nach der Einheit des Christuszeugnisses und der heutigen Bedeutung des gemeinsamen Zeugnisses, sowie viertens nach dem Wort, mit dem wir heute Gott antworten und den Mitmenschen Zeugnis geben können.108 Anhand dieser Grundfragen wird die Glaubenserkenntnis überprüft, indem die vernommene Botschaft an der „geschichtlich-ursprüngliche[n] biblische[n] Botschaft“ gemessen wird (Exegese), die „Auslegungsmöglichkeiten biblischer Zeugnisse sichtbar“ gemacht werden (Kirchengeschichte) und die Glaubenserkenntnis auf die Einheit des Zeugnisses hin befragt wird (Dogmatik).109 Dazu können und müssen nach Schlink alle Erkenntnismöglichkeiten außertheologischer Wissenschaft in Anspruch genommen werden, die zur Beantwortung nützlich sind, der innere Zusammenhang der Fragerichtungen ist jedoch unbedingt zu wahren.110 Weiterführende Überlegungen zur Enzyklopädie, die für sein Verständnis von Schriftauslegung von Bedeutung sind, entfaltet Schlink im Kontext der Aufgabe und Beziehung der theologischen Denk- und Forschungsfelder zueinander im Kapitel zur Erhaltung der Kirche.111 Hier liegt sein Fokus weniger auf den theologischen Disziplinen als vielmehr auf der Differenzierung der unterschiedlichen Hermeneutiken hinsichtlich des Gegenstands der Theologie. Schlink entfaltet seine Überlegungen daher in Verbindung und Durchdringung der Disziplinen, um die Begründung der Autorität von Schrift, Dogma und Kirchenrecht in Jesus Christus und dem Heiligen Geist aufzuzeigen.112 Schlinks Auseinandersetzung mit biblischer und dogmatischer Hermeneutik sind daher auf der Grundlage des oben umrissenen Zusammenhangs von Kanon, Dogma und Kirchen106 Vgl.

a. a. O., 28. ebd. 108 Vgl. ebd. 109   A. a. O., 29. 110 Welche Erkenntnismöglichkeiten Schlink hier vor Augen hat, wird nicht deutlich. Vgl. ebd. 111  Die Überlegungen zur Schrift finden sich in Kapitel XXI „Die Erhaltung der Kirche“ im dritten Teil der Ökumenischen Dogmatik zur „Lehre von der Neuschöpfung“. Kapitel XXI untergliedert sich in die Abschnitte A: Die Heilige Schrift, B: Das Bekenntnis und C: Die Ordnung der Kirche. 112  „Um die gegenseitige Durchdringung von Bibelwissenschaft, Dogmatik und Kanonistik deutlich zu machen, wurde der Anschein eines Schematismus im Aufbau der biblischen, der dogmatischen und der kirchenrechtlichen Hermeneutik nicht gescheut.“ Schlink, Dogmatik, 672. Vgl. zum Zusammenhang von Kanon, Kirchenordnung und Dogma Abschnitt B 1.1.2. 107 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

ordnung zur Erhaltung der Kirche zu verstehen. Dieser ist nach Schlink gerade für den ökumenischen Dialog von zentraler Bedeutung. Die Loslösung der theologischen Disziplinen voneinander verunklart diesen Zusammenhang, obschon die Autorität dieser drei Größen nur in ihrem Ineinander erfasst werden kann.113 Leitend sind dabei die unterschiedlichen Gegenstandbereiche der Theologie, insbesondere im Blick auf Schrift und Dogma. a) Biblische Hermeneutik – Erforschung und Auslegung der Heiligen Schrift in den theologischen Disziplinen Schlinks Überlegungen zur biblischen Hermeneutik bedenken die Geltung des einst Geredeten und in der Heiligen Schrift Überlieferten für heute.114 Unter Hermeneutik versteht Schlink die „wissenschaftliche Klärung des Vorgangs des Verstehens“, wobei die biblische Hermeneutik im Unterschied zur dogmatischen Hermeneutik s. E. noch nicht weit voran geschritten ist.115 Die spezifische Herausforderung biblischer Hermeneutik ergibt sich aus dem Charakter der Heiligen Schrift: Die in der Bibel überlieferten göttlichen Offenbarungsworte an einzelne Menschen in einer bestimmten geschichtlichen Situation geben Zeugnis vom Heil und Gericht Gottes und beanspruchen dabei über diese geschichtliche Situation hinausgehend Geltung.116 Eine biblische Hermeneutik muss daher unterscheiden zwischen der Klärung der Rede damals (Erforschung) und dem Verstehen der Worte als Anrede Gottes heute (Auslegung).117 Im Begriffspaar „erforschen“ und „auslegen“ konkretisiert sich die Unterscheidung von „erkennen“ und „glauben“, die im Theologiebegriff angelegt wurde.118 Die Erforschung der Heiligen Schrift erfolgt für Schlink mit historischphilologischen Methoden.119 Die dabei vorgenommene Differenzierung hilft durch unterschiedliche methodische Fragen zur Erkenntnis der ursprünglichen Aussage des Textes.120 Ebenso wichtig ist für Schlink die methodische Klärung der subjektiven Voraussetzungen der philologisch-historischen Forschung: 113 „Diese Loslösung der sogenannten theologischen Disziplinen voneinander hat die Neigung zu einem dogmatischen und kirchenrechtlichen Positivismus verstärkt, der biblische und kirchenhistorische Aussagen zwar zur Rechtfertigung, nicht aber zur kritischen Überprüfung des geltenden Dogmas und Kirchenrechts heranzieht. Diese Verselbständigung zumal gegenüber der Bibelwissenschaft ist einer der Gründe, warum Dogma und Kirchenrecht heute von vielen Christen nicht als Hilfe, sondern als Erschwerung für das Zusammenleben im Glauben empfunden werden.“ Ebd. 114  Vgl. a. a. O., 638. 115 Schlink, Hermeneutik, 15. 116 Vgl. Schlink, Dogmatik, 638. 117  Vgl. ebd. 118  Vgl. Abschnitt B 1.2.1. 119  Vgl. Schlink, Dogmatik, 638. 120 Schlink erläutert die folgenden methodischen Fragen: ursprüngliche Textform, Textinhalt, Textvergleich, historische Situation, Verfasser, religionsgeschichtliche Umwelt, geschichtliche Ereignisse, Verwendung und Wirkung und Zusammenhang der Taten Gottes. Vgl. a. a. O., 638 f.

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Denn die methodische Strenge darf nach Schlink nicht darüber hinweg täuschen, dass auch das empirische Forschen weltanschauliche, philosophische oder religiöse Überzeugungen an die Stelle des Dogmas setzt und die philologisch-historische Methode daher keine rein formale Methode darstellt, sondern von bestimmten „Prinzipien“ mit faktisch dogmatischer Stellung geleitet wird.121 Wenn ein Text auf diese Weise mit historisch-philologischen Methoden erschlossen wurde und die subjektiven Voraussetzungen bewusst gemacht werden, können einigermaßen zuverlässige Aussagen über den Text getroffen werden.122 Das entscheidende hermeneutische Problem liegt für Schlink jedoch in der Frage nach der Wahrheit der Aussagen über Gott, das davon noch nicht berührt wurde.123 Diese zu ergründen ist jedoch nicht Aufgabe der philologisch-historischen Erforschung der Schrift, sondern sie kann nur im Rahmen des Verstehens und Auslegens der Schrift verfolgt werden. Die Auslegung zielt darauf ab, den Text als Anrede Gottes heute zu verstehen.124 Die Auslegung der Schrift befasst sich daher mit dem „theologischen Verstehen“, welches die Schrift von ihrer Sache her erschließt.125 So hält Schlink im Anschluss an Karl Barth und Rudolf Bultmann fest: „Diese ‚Sache‘ aber ist Gott und sein in der Geschichte ergehendes Wort. Die biblischen Texte sind Zeugnisse von Gottes geschichtlicher Offenbarung, durch die sich Gott heute offenbart.“126 Dieses „theologische Verstehen“ tritt nach Schlink nicht zu anderen Arten des Verstehens hinzu, sondern erst von der „Sache“ her erschließt sich das grammatische, psychologische, soziologische und historische Verstehen. Die anderen Formen des Verstehens schaffen zwar – stellenweise auch gegen das theologische Verstehen  – wichtige Erkenntnisse, aber Sprache, Erleben, Sitz im Leben und Faktizität werden erst von der Sache her bestimmt.127 Dabei traut Schlink der exegetischen Forschung durchaus eine kriteriologische Funktion zu: „Ein Verständnis von biblischen Aussagen, das sich philologisch als unhaltbar erweist, ist fallen zu lassen, auch wenn es vertraut ist und wichtig gewordene Lehraussagen darauf begründet wurden.“128 Aber erst von der Sache her kann die Wahrheit der biblischen Aussagen erschlossen werden – nicht als menschliche Tat, sondern als Tat Gottes: Das Verstehen der Schrift als Anrede Gottes ist nach Schlink eine Wirkung des Heiligen Geistes 121  Schlink betont, dass Forschen sich immer in bestimmten „Denkformen“ vollzieht, die in der „psychophysische[n] Konstitution“ verankert sind und sich aus den „Vorstellungen“ der Welt speisen, die das Denken des Menschen umgreifen. Gerade religiöse „Vorurteile“, seien sie atheistisch, dogmatisch oder biblizistisch, sind als potentielle Fehlerquellen zu Gunsten einer „radikale[n] Offenheit“ zur Relativierung zu überwinden. A. a. O., 640 f. 122 Vgl. a. a. O., 644. 123 Vgl. a. a. O., 642.644. 124  Vgl. a. a. O., 642. 125   A. a. O., 643. 126  Ebd. 127  Vgl. ebd. 128   A. a. O., 30.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

durch die Schrift.129 Die Erkenntnis dieser göttlichen Anrede wiederum drängt den Angeredeten zur laut werdenden Auslegung vor den Menschen.130 Wie die Erforschung der Schrift die Klärung der eigenen subjektiven Voraussetzungen fordert, nötigt die Auslegung vor Anderen zur Klärung der Voraussetzungen bei denen, denen die Schrift ausgelegt werden soll, und somit zur „Selbstentäußerung“ des Auslegers.131 Diese beiden Formen biblischer Hermeneutik gehören für Schlink konstitutiv zusammen, ohne dass sie in eins gesetzt werden dürfen. Schlink unterscheidet daher die „Hermeneutik als Lehre von den Methoden der Schriftauslegung“ und „Hermeneutik als Lehre vom Verstehen der biblischen Zeugnisse als Wort Gottes“.132 Erstere ist menschliches Tun, letzte göttliche Tat der Gnade und damit „Ereignis der Auslegung“.133 Im menschlichen Tun liegt zwar die Entwicklung philologisch-historischer und erkenntniskritischer Methoden, nicht jedoch die Etablierung einer pneumatischen Methode der Schriftauslegung. Hier bleibt allein die Bitte um den Heiligen Geist.134 Eine Zuordnung der Zugänge im Kontext der biblischen Hermeneutik zu den theologischen Disziplinen findet sich bei Schlink nicht. Vielmehr betont er die Verbindung dieser als wichtige ökumenische Aufgabe, bei der die biblische Hermeneutik zur kritischen Begleitung der dogmatischen Aussagen dient: Es brechen hier einmal die ganzen Probleme einer biblischen Hermeneutik auf, da die dogmatischen Aussagen unter jedem der angegebenen Gesichtspunkte von der apostolischen Botschaft her interpretiert und gemessen werden müssen. Sie ist der bleibende Grund allen kirchlichen Redens, und zwar sowohl als bleibend grundlegende inhaltliche Aussage als auch als bleibend vorbildlicher und verpflichtender Akt des Aussagens im Vorstoß in die Welt.135

b) Dogmatische Hermeneutik – Erforschung und Auslegung des Dogmas in den theologischen Disziplinen Dogmatische Hermeneutik bestimmt Schlink parallel zu seinen Überlegungen zur biblischen Hermeneutik als Erforschung und Auslegung des Dogmas. Sie ist bei Schlink explizit der theologischen Disziplin der Dogmatik zugeordnet. Insofern die Dogmatik in Erforschung und Auslegung des Dogmas besteht und das Dogma wiederum seinen Grund im Bekenntnis hat, finden sich Schlinks Überlegungen zur dogmatischen Hermeneutik im Rahmen der Ausführungen zur Erhaltung der Kirche im Abschnitt zum Bekenntnis.136 129 Vgl.

a. a. O., 644. a. a. O., 645. 131 Ebd. 132   A. a. O., 646. 133  Ebd. 134  Vgl. ebd. 135  Schlink, Struktur, 305. 136  Vgl. Schlink, Dogmatik, 42–51.59. 130 Vgl.

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Im Hintergrund dieser Zuordnung stehen Schlinks Überlegungen zur Struktur theologischer, insbesondere dogmatischer Aussagen. Anders als andere Aussagen müssen diese als Antwort auf Gottes Offenbarung verstanden werden, welche durch die besondere Struktur dieser Offenbarung eine umwandelnde Wirkung auf Denken und Aussagen ausüben.137 Schlink unterscheidet fünf Grundformen theologischer Aussagen: Gebet, Doxologie, Zeugnis, Lehre, Bekenntnis. Diese antworten auf die göttliche Anrede des Evangeliums „als die Botschaft von Jesu Tod und Auferstehung“138 in der Anrede Gottes und des Nächsten.139 Das Gebet beschreibt Schlink als direkte Anrede des göttlichen Du, welches zugleich Aussagen des menschlichen Ichs einschließt und untrennbar mit dem Wir der Gemeinde verbunden ist.140 Die Doxologie ist für Schlink eine Form des Gebets, jedoch in Form der Anbetung.141 Das Zeugnis antwortet auf das Evangelium in der Anrede eines Gegenübers durch die Verkündigung der Heilstat als die Gegenwart bestimmendes Ereignis.142 Bei der Lehre handelt es sich um eine Form der bezeugenden Rede, die nicht nur auf die Bewahrung, sondern auf die Erweckung und Ausbreitung des Glaubens zielt: Im Anschluss an den neutestamentlichen Wortgebrauch beobachtet Schlink einen engen Zusammenhang von Lehre, Verkündigung und Überlieferung und bezeichnet die Lehre als „Weitergabe des geformten Traditionsstoffes der Gemeinde“.143 Als Form des Zeugnisses geschieht jedoch auch die Lehre durch die – möglicherweise implizit bleibende geschichtliche Person des Lehrenden – in Hinwendung zur Umwelt durch Akzentuierungen, Auslassungen und Interpretamente zur Explikation der in den Antworten des Glaubens zum Ausdruck kommenden Heilstat Jesu Christi.144„Im Bekenntnis fallen Gebet und 137  Daher müssen nach Schlink die erkenntnistheoretischen, logischen, sprachwissenschaftlichen, historischen, psychologischen, soziologischen und anthropologischen Probleme bearbeitet werden, die jede Aussage aufwirft. Das Aussageproblem muss nach Schlink daher vom Evangelium her bedacht und nicht das Evangelium als Teil des allgemeinen Aussageproblems verhandelt werden. Vgl. Schlink, Struktur, 291–299. Zum Sprachgebrauch ist dabei zu beachten, dass die Bezeichnungen „theologische Aussage“ und „dogmatische Aussage“ in den Überlegungen zu den Strukturen theologischer Aussagen vielfach äquivalent verwendet werden. 138  A. a. O., 251. 139 Vgl. Schlink, Dogmatik, 33. 140  Vgl. a. a. O., 33 f. 141  Schlink beschreibt die besondere personale Struktur der Doxologie wie folgt: Erstens bittet der Mensch nicht für sich oder andere, sondern betet Gott an in „lobpreisende[r] Anerkennung der göttlichen Wirklichkeit“ und „Widerspiegelung der ewigen göttlichen Herrlichkeit im Lobe des Menschen“ (Schlink, Dogmatik, 34). Ausgehend von Gottes Heilstat stellt der Beter Gott selbst in den Mittelpunkt: „So stellen sich in der doxologischen Entfaltung Seins-, Wesens- und Eigenschaftsaussagen ein, mit denen Gottes ewige, alle Geschichte umfassende Selbigkeit gepriesen wird.“ (A. a. O., 35) Auf diese Weise tritt zweitens der Mensch selbst nahezu vollständig in den Hintergrund und bringt somit sein Ich als „Lobopfer“ dar (Ebd). Schlink begründet: „Die Anbetung lebt von der Anerkennung von Gottes geschichtlicher Tat. Sie ist die im eigentlichen Sinn theo-logische Entfaltung des Dankes für Gottes Tat, indem der Dank übergeht in den Lobpreis des ewigen Gottes.“ (Ders., Struktur, 254). 142 Vgl. Schlink, Dogmatik, 35 f. 143  A. a. O., 36. Vgl. a. a. O., 37. Ähnlich zur Doxologie erweckt die Lehre einen „objektiven“ Charakter, da die Rede von Gott in der dritten Person erfolgt und das „Ich“ des Lehrenden, aber auch das „Du“ und die Situation zurücktreten. A. a. O., 38. 144  Vgl. a. a. O., 38; Ders., Struktur, 259. Die Überlieferung der Lehre muss daher von „historischer Berichterstattung in unserem Sinn“ unterschieden und in ihrem Charakter als Glaubensaussage ernst genommen werden. Ders., Struktur, 259.

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Zeugnis, Doxologie und Lehre in eigentümlicher Weise zusammen.“145 Es handelt sich um das konzentrierte Zusammenspiel aller Antworten des Glaubens: Der Glaubende unterstellt sich Christus, das „Du“ tritt zurück und doch wird das Bekenntnis vor allen Menschen abgelegt und von der Kirche anerkannt.146 Durch den Wechsel von einer Aussagestruktur in eine andere können nach Schlink Strukturverschiebungen entstehen. Dies gilt in besonderer Weise für den Zusammenhang von Dogma und Dogmatik im Kontext der dogmatischen Hermeneutik: Schlink unterscheidet zwischen einem Dogma  – „eine von der Kirche formulierte oder doch rezipierte und für ihr gesamtes Reden und Handeln verpflichtend anerkannte Aussage“ – und der Dogmatik – „sei es, daß sie das geltende Dogma begründet und interpretiert, sei es, daß sie darüber hinaus Aussagen macht, die von der Kirche unter Umständen als Vorarbeit für die Fixierung weiterer Dogmen aufgenommen und verwendet wird“.147 Das Dogma hat nach Schlink seinen morphologischen Ansatz im Bekenntnis, während die Dogmatik ihren Grund in der Lehre hat.148 In ihrer Entwicklung bleibt die Lehre nicht Überlieferung, sondern wird zur Lehre von der Überlieferung, wobei sich zugleich ihr Inhalt erweitert: Bezog sie sich ursprünglich auf die Lehre der Apostel, soll sie sich bald auf die ganze Überlieferung gründen; stand sie ursprünglich im Kontext ihres eigenen geschichtlichen Ortes, soll sie bald in der gesamten Kirche im Zusammenhang ihrer Geschichte entfaltet werden; bezog sie sich zunächst auf die Schriften, soll sie bald auf die gesamte theologische Tradition verweisen.149 Zugleich ändert sich nach Schlink die Struktur durch die Überführung der Bekenntnisaussagen in Lehraussagen in dreifacher Weise: Erstens hat die Dogmatik andere Formen theologischer Aussagen zu ihrem Gegenstand gemacht, sie in die spezifische Struktur der Lehre überführt und auf diese Weise aus ihrem Akt des Aussagens heraus genommen und in Form der Lehre vergegenständlicht.150 Dies gilt aufgrund ihrer scheinbaren „Objektivität“ insbesondere für doxologische Aussagen, die zu „metaphysischen Lehraussagen“ verwandelt werden.151 Zweitens steht der Lehrende in der Gefahr, „aus der Situation also des Betroffenseins durch den ihm im Wort begegnenden Gott“ herauszutreten.152 Drittens 145 Schlink, 146 Ebd.

147  A. a. O.,

Dogmatik, 39.

42. morphologische Ansatz für das Dogma ist nach Schlink das Bekenntnis, genauer gesagt das Christusbekenntnis. Dieses bildet den als Antwort der Kirche formulierten Konsens der Gläubigen auf Gottes Handeln im Evangelium ab (Vgl. a. a. O., 646 f ). Indem Christen die Bekenntnisaussagen als „schriftgemäße Antwort auf die umstrittene Frage anerkennen und wiederholen“, werden diese zum Dogma und somit zu einer „von Gott geoffenbarte[n] und von der Kirche definierte[n] und als verpflichtend verkündete[n] Wahrheit“ (a. a. O., 652). Der morphologische Ansatz für die Dogmatik ist die Lehre, ursprünglich erwachsen aus der Unterweisung der Katechumenen (a. a. O., 43). 149 Vgl. a. a. O., 44. Diese Ausweitung ist nach Schlink keineswegs zufällig, sondern aus innerer Notwendigkeit entstanden: „Denn es geht in der dogmatischen Lehre um die ein für allemal geschehene Heilstat Gottes als die identisch gültige und gegenwärtige Wirklichkeit im Wechsel der Zeiten und Orte. […] Die Dogmatik hat sich um die Antwort zu bemühen, die nicht nur ein einzelner Glaubender, sondern die Gemeinschaft der Glaubenden Gott zu geben hat.“ (A. a. O., 45). 150  Vgl. a. a. O., 45. 151  Schlink, Struktur, 271. Vgl. Ders., Dogmatik, 46. 152  Schlink, Dogmatik, 45. Vgl. Ders., Struktur, 271. 148 Der

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kommt es unvermeidlich zu Spannungen zwischen der Lehre und den faktischen Antworten des Glaubens.153 Schlink kommt zu dem Schluss: „Je mehr aber die Struktur des Dogmas sich von der ursprünglichen Struktur der theologischen Aussage über das betreffende Thema entfernt, desto mehr entstehen neue Probleme, die ein Sondergewicht bekommen, das ihnen ursprünglich nicht zukam.“154 Nach Schlink darf keine Grundform einen Totalitätsanspruch formulieren, da es sonst zu einer „Systemverhärtung“ kommt.155 Umso wichtiger ist für Schlink die Verbindung der unterschiedlichen Grundformen theologischer Aussagen: „Darum ist die Klärung der Grundformen der theologischen Aussage nicht nur von phänomenologischem Interesse, sondern sie ist von normativer Bedeutung, und da nicht in jeder einzelnen Grundform dasselbe, sondern nur in allen Grundformen zusammen das Ganze ausgesagt werden kann, ist sie von inhaltlicher Tragweite.“156 Die Grundformen können nicht aufeinander reduziert oder ineinander aufgelöst werden, da sonst eine „morphologische Verarmung“ und „inhaltliche Verkümmerung“ der Theologie droht, die der „Verweigerung der vollen Anerkennung seiner Heilstat und der in ihr geoffenbarten ewigen göttlichen Fülle“ gleichkommt.157 Entsprechend kennt auch das Neue Testament nach Schlink trotz der gemeinsamen Bezeugung der einmaligen Heilstat in Jesus Christus keine gemeinsame Formel.158 Einheit besteht für Schlink auch in ökumenischer Hinsicht nicht in der Übereinstimmung von Formulierungen, sondern verlangt nach einer wechselseitigen Anerkennung verschiedener dogmatischer Formulierungen.159 Im Kontext seiner ökumenischen Zielsetzung sieht Schlink in den beschriebenen Strukturveränderungen Grundlage und Nährboden vieler ökumenischer Probleme.160 Dies darf jedoch nicht zur Missachtung dogmatischer Streitfragen zu Gunsten anderer gemeinsamer theologischer Sprachformen führen, da die Einheit der Kirche nicht ohne ein gemeinsames Bekenntnis denkbar ist.161

Die hermeneutische Aufgabe im Blick auf die Dogmen besteht nach Schlink darin, in dem heute oft unverständlichen Wortlaut der Dogmen die Identität des Christusbekenntnisses aufzudecken.162 In dieser Aufgabe ist die Dogmatik nach Schlink zugleich eng auf die Schrift bezogen: Ausgehend von ihrer ursprünglichen Funktion zur „Überlieferung der Heilstaten“ bezeichnet Schlink die Dogmatik auch als Lehre von den Taten Gottes.163 Sie ist jedoch nicht nur an den Taten Gottes selbst, sondern auch an deren geschichtlicher Folge orientiert. Einsatzpunkt einer Dogmatik in ökumenischer Perspektive ist daher das Evan-

153 Vgl.

Schlink, Dogmatik, 46.  A. a. O., 477. Vgl. a. a. O., 47. 155 Schlink, Struktur, 273. 156  A. a. O., 263 [Hervorhebungen im Original]. 157  Schlink, Dogmatik, 40. 158 Vgl. a. a. O., 41; Ders., Struktur, 264. 159 Vgl. Schlink, Struktur, 303. 160  Vgl. a. a. O., 251. 161  Vgl. a. a. O., 302. 162  Schlink moniert: „Es gibt einen dogmatischen Positivismus, der die Unterschiede nicht sieht, die zwischen der ursprünglichen Bedeutung einer dogmatischen Aussage und ihrer Bedeutung in einer veränderten späteren Situation bestehen.“ Schlink, Dogmatik, 655. 163  A. a. O., 59. Zum Verständnis der „Tat Gottes“ Vgl. a. a. O., 59–63. 154

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gelium „von dem der Christusglaube überall auf der Erde lebt“.164 Wie in der Schriftlehre ausgeführt, ist dieses für Schlink v. a. in den biblischen Texten bezeugt.165 Parallel zu seinen Überlegungen zur biblischen Hermeneutik formuliert Schlink die Unterscheidung zwischen Erforschung (Methode) und Auslegung (Ereignis) des Dogmas als Wege einer dogmatischen Hermeneutik:166 So beschreibt er auf der einen Seite eine „Methode der Forschung“, welche in der Hand der Menschen liegt. Dem gegenüber ist das „Ereignis der Auslegung“ der Gnade Gottes geschuldet, für die allein der Glaube an das apostolische Christuszeugnis ein angemessenes Vorverständnis darstellt. Die Erforschung des Dogmas erfolgt mit historisch-philologischen Methoden und zielt auf das Verständnis der Aussageabsicht der Dogmen. Sie stellt sich somit den unterschiedlichen Traditionen der Dogmenauslegung in den Kirchen, ohne bislang eine differenzierte Methodologie entwickelt zu haben.167 Die Erforschung des Dogmas ist für Schlink Antwort auf die apostolische Christusbotschaft: Alle Kirchen begründen ihre Bekenntnisse in der apostolischen Verkündigung und Lehre, sodass sich die Aufgabe stellt, den Bezug der Bekenntnisse zueinander und ihre Widerspruchsfreiheit zur Schrift zu erweisen.168 Um dies zu prüfen, benennt Schlink folgende Kernfragen: Sind biblische Begriffe aufgenommen? Welche werden als Oberbegriffe verwendet? Werden biblische Aussagen zitiert? Welche Begriffe und Aussagen werden übergangen? Gibt es bevorzugte Textgruppen? Wie wird das Verhältnis von Altem und Neuem Testament bestimmt? Werden außerbiblische Aussagen berücksichtigt? In welchem Verhältnis steht das Dogma zur christologischen Mitte der apostolischen Botschaft? Zudem stellt sich die Aufgabe, Inhalte, Akt und Struktur der Aussagen zu vergleichen. Daneben müssen nach Schlink die subjektiven Voraussetzungen für die Erforschung des Dogmas aufgedeckt werden, insbesondere das dogmatische und philosophische Vorverständnis.169 164 A. a. O., 71. Dies ist Schlinks Antwort auf das Grundproblem der Dogmatik, dass ihre Inhalte nicht mit der noetischen Folge ihrer Erkenntnis übereinstimmen und es folglich verschiedene wählbare Möglichkeiten zum Aufbau der Dogmatik gibt. Schlink orientiert sich in seiner ökumenischen Dogmatik an der geschichtlichen Folge der Taten Gottes in Schöpfung, Erlösung und Neuschöpfung im Spannungsfeld von Heilstat (Evangelium) und Anspruch (Gesetz) Gottes. Vgl. a. a. O., 69–71. 165 Vgl. Abschnitt B 1.1.1. 166 Schlink, Dogmatik, 659. 167 Schlink formuliert daher nur Fragestellungen einer solchen Methodik. Er nennt die Frage nach dem ursprünglichen Text, dem Textinhalt, der Situation und den Voraussetzungen der Abfassung, enthaltenen Abgrenzungen, der Durchsetzung und Rezeption des Dogmas, der Auslegungsgeschichte, einem ökumenischen Vergleich, sowie dem Gewicht im Ganzen der Bekenntnisaussagen. Vgl. a. a. O., 656. 168   Vgl. a. a. O., 656 f. 169  Vgl. a. a. O., 657.

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Die Auslegung des Dogmas zielt auf das Verstehen des Dogmas und fragt nach der Wahrheit des Bekenntnisses. Wie die Schrift „wird auch das Dogma im eigentlichen Sinn erst dann verstanden, wenn es als die heute verpflichtende wahre Antwort der Kirche auf Gottes geschehene und geschehende Anrede und Tat verstanden wird“.170 Das in der Erforschung des Dogmas gewonnene grammatische, soziologische und historisches Verständnis führe zwar zu wahren Erkenntnissen – entscheidend ist jedoch das „Verstehen der ‚Sache‘“.171 Schlink definiert: „Die ‚Sache‘, um die es in den Dogmen geht, ist Gottes Heilshandeln in Jesus Christus und somit keine andere als die der Heiligen Schrift.“172 Die Antwort auf diese Sache bildet das Bekenntnis.173 Die Gewissheit, dass die Kirche in ihren Dogmen dieselbe Heilstat bekennt, welche die apostolische Botschaft verkündet, kann nach Schlink nicht allein durch historisch-philologische Erforschung gewonnen werden: Der Vergleich legt zwar Übereinstimmungen, Einseitigkeiten und exegetische Irrtümer, nicht aber die „verpflichtende Wahrheit des Dogmas“ offen.174 Diese Gewissheit der Identität der Dogmen mit der apostolischen Botschaft stelle sich nur dann ein, „wenn wir uns im Glauben hineinnehmen lassen in die geschichtliche Dynamik der Christusherrschaft“.175 Schlink folgert: Das bedeutet, daß die Lehre nicht nur nachträgliche Explikation der durch die Botschaft geschehenen Heilstat ist, vielmehr wird von Paulus umgekehrt die Botschaft immer wieder durch Aussagen der Lehrtradition begründet, so daß sie in entscheidender Hinsicht als Explikation von Lehre im konkreten Zuspruch dem geschichtlichen Menschen in seiner jeweiligen Situation begegnet.176

Auf diese Weise dient das Dogma durch den Akt des Bekennens der Stärkung des Glaubens. Es kann daher nicht stumm bleiben und die Auslegung des Dogmas kann sich nicht in lehrhafter Interpretation des Dogmas erschöpfen, vielmehr findet das Dogma Auslegung in allen Worten der Glaubenden.177 Parallel zur Auslegung der Schrift muss der Auslegende auch hier an den Ort der Mitmenschen treten und die Fremdheit zum Dogma auf sich nehmen.178 170 Ebd.

171  A. a. O., 172 Ebd. 173 Vgl.

658.

ebd.

174 Ebd.

175  A. a. O.,

659.

176  A. a. O., 37; Ders.,

Struktur, 258. Der Unterschied zur Predigt besteht nach Schlink darin, dass die Lehre den Menschen nur indirekt anspricht und nicht auf eine konkrete Situation zugespitzt ist (vgl. Ders., Dogmatik, 37). Darin besteht für Schlink das hermeneutische Problem der Auslegung des Dogmas: „Wie gelangen wir zur Erkenntnis dessen, was wir heute in Übereinstimmung mit den Vätern, die vor uns bekannt haben, und in Übereinstimmung mit den Brüdern, die gleichzeitig mit uns im Kampf des Glaubens stehen, vor Gott und der Welt zu bekennen haben?“ (a. a. O., 655). 177  Vgl. Schlink, Dogmatik, 659. 178  Vgl. ebd.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

1.2.3. Die Verbindung von Schrift und Dogmatik im Rahmen der ökumenischen Hermeneutik Neben der biblischen und dogmatischen Hermeneutik beschreibt Schlink eine ökumenische Hermeneutik, in der er die Zuordnung der beiden skizzierten hermeneutischen Perspektiven vornimmt. Diese bildet die Programmatik für seinen eigenen Entwurf der ökumenischen Dogmatik. Der Schrift und ihrer Auslegung kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da sich nach Schlink alle Kirchen auf die Schrift berufen und die Widerspruchsfreiheit ihrer Dogmen mit der Schrift für sich in Anspruch nehmen.179 Grundlage ist seine Bestimmung des Themas und Anliegens der ökumenischen Dogmatik: Diese thematisiert den Glauben des Gottesvolks auf Erden und muss sich daher mit der Mannigfaltigkeit biblischer und dogmatischer Aussagen auseinandersetzen. Ökumenische Dogmatik ist ihrem Wesen nach Lehre von den Taten Gottes und gliedert sich nach diesen. Ökumenisch – und zugleich evangelisch, katholisch und orthodox im Wortsinn – ist diese Dogmatik, da sie auf „den Glauben des einen und ganzen Gottesvolkes auf Erden“ reflektiert.180 Angesichts der bestehenden kirchlichen Trennungen braucht es dazu eine „besondere wissenschaftliche Bemühung“.181 Hier beobachtet Schlink einen interessanten – und für die folgenden Überlegungen zur Schriftauslegung in der Dogmatik folgenreichen – Hiatus: Wir stehen also heute vor einem eigentümlichen Mißverhältnis zwischen einem weitgehenden biblisch-theologischen Konsensus und einem trotz bedeutsamer Auflockerungen nach wie vor bestehenden dogmatischen Dissensus. Oder mit anderen Worten: Wir stehen vor dem Anschein einer relativen Bedeutungslosigkeit eines biblisch-exegetischen Konsensus für das Verhältnis der beiderseitigen dogmatischen Aussagen und damit für das Verhältnis der beiden Kirchen zueinander.182

Im Blick auf die Schriftauslegung konkretisiert sich diese Spannung für Schlink im Verhältnis exegetischer und dogmatischer Zugriffsweisen auf die Schrift: Auch wenn kein prinzipieller Konsens über eine Hermeneutik der Schriftauslegung und die Frage nach dem „‚volleren‘ Schriftsinn“ bestehe, führe die Verwendung von historisch-philologischen Methoden zu präzisen Übereinstimmungen und zu einem wachsenden Zutrauen in die „Klarheit und Durchsichtigkeit der Heiligen Schrift“.183 Zudem weist nach Schlink die in der historisch-philologischen Forschung zunehmend herausgestellte, nicht harmonisierbare Vielfalt bib179 Vgl.

a. a. O., 54. Vgl. Abschnitt B 1.1.6.  A. a. O., 51. Vgl. zur Abgrenzung von Theologie und theologischer Wissenschaft Abschnitt B 1.2.1. 181  Ebd. [Hervorhebung im Original]. 182 Schlink, Hermeneutik, 15. Vgl. Ders., Dogmatik, 692. 183  Schlink, Dogmatik, 692. 180

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lischer Aussagen auf die „Fülle des göttlichen Heilshandelns“ hin.184 Die Heilstat Gottes in Jesus Christus wird in verschiedenen „Begrifflichkeiten und Deutungszusammenhänge[n]“ bezeugt, aus welchen mehr Ansätze für dogmatische Entwicklungen als bisher gesehen und entfaltet werden können.185 Dogmatische Formulierungen müssen daher als Entscheidungen verstanden werden, welche bestimmte Begriffe hervorheben, Bedeutungen ausweiten und Akzente verschieben.186 Dies zeigt die grundlegende Pluralität und Wahlfreiheit zwischen theologischen Grundbegriffen.187 Dabei schreibt Schlink der exegetischen Forschung wie dargestellt eine kriteriologische Funktion zu.188 Dieses Spannungsfeld begründet nach Schlink die Notwendigkeit einer dogmatischen Hermeneutik auf der Grundlage der biblischen Hermeneutik.189 Eine solche möchte Schlink mit seinem Programm der ökumenischen Hermeneutik entwickelt. Diese zeichnet sich durch fünf Charakteristika aus. Erstens muss die Mannigfaltigkeit sowohl der biblischen als auch der dogmatischen Aussagen anerkannt werden.190 Schlink geht es dabei nicht um ein additives oder vergleichendes Verfahren, sondern zum einen um das Ernstnehmen der vielfältigen Bezeugungen der Taten Gottes in der Schrift und zum anderen um die pluralen Antworten auf diese Taten, die in den Bekenntnissen erinnert und entfaltet werden. Angesichts der historisch gewachsenen Pluralität und im Blick auf die gegenwärtige Situation der Christenheit kann diese Multiperspektivität nach Schlink nicht reduziert oder vereinheitlicht werden. Dies gilt nicht nur im Blick auf die vergangene und gegenwärtige Christenheit, sondern auch im Blick auf die Zukunft, denn in „prinzipielle[r] Offenheit und Bereitschaft“ müssen alle möglichen Aussagen beachtet werden, die noch nicht verwirklicht sind.191 Im Dogma findet sich daher immer eine Konzentration biblischer Aussagen mit einem Moment der freien Wahl:192 Jede Dogmatik steht angesichts der Mannigfaltigkeit der Begrifflichkeiten und Theologien, mit denen die biblischen Schriften die Taten Gottes bezeugen, vor der Auf184  A. a. O.,

693. Hermeneutik, 16. 186 Vgl. ebd. 187 „Aber aus der Mannigfaltigkeit der biblischen Zeugnisse und der Lehren der Kirchenväter, sowie aus der geschichtlichen Lebendigkeit der Überlieferung ergibt sich die Möglichkeit einer großen Mannigfaltigkeit kirchlicher Traditionen in der Einheit der apostolischen Überlieferung  – und zwar auch in einer Mannigfaltigkeit dogmatischer Definitionen.“ Schlink, Dogmatik, 693. 188 Vgl. Abschnitt B 1.2.2.a). 189 Ein Grund ist zum einen darin zu vermuten, dass in der römisch-katholischen Tradition die Begründung der Dogmen nicht nur aus der Schrift, sondern auch aus der außerbiblischen Tradition erfolgt. Zum anderen sind dogmatische Aussagen endgültig festgelegt, auch wenn sie exegetisch nicht (mehr) begründbar sind. Vgl. Schlink, Hermeneutik, 15. 190  Vgl. Schlink, Dogmatik, 54. 191  A. a. O., 56. 192  Vgl. ebd. Vgl. a. a. O., 659. 185 Schlink,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

gabe, die Mannigfaltigkeit zusammenzufassen. Sie kann dies nur, indem sie aus der Fülle einzelne Begriffe hervorhebt und als dogmatische Grundbegriffe benützt, denen benachbarte andere biblische Begriffe untergeordnet werden.193

Um dieses Moment methodisch einzugrenzen, muss zweitens der Weg von einer biblischen zu einer dogmatischen Aussage geprüft werden: In ihrem neutestamentlichen Miteinander bezeugen diese verschiedenen Begriffe ein und dasselbe Heilshandeln Gottes, aber in der dogmatischen Bevorzugung eines von ihnen und in seiner Verwendung als übergeordneter Begriff entsteht die Gefahr, daß eine Verengung eintritt und daß die Unterschiede zwischen den dogmatischen Aussagen schließlich als Unterschiede und Gegensätze im Glauben verstanden werden.194

Um dies zu verhindern, muss nach Schlink das Moment der Wahl und die Begrenztheit jeder Formulierung herausgestellt werden.195 Insofern die Dogmen eine Konzentration der Fülle der biblischen Aussagen bieten, sind sie dann „auf die biblische Fülle hin“ zu entfalten.196 Dafür ist entscheidend, dass  – drittens  – nicht nur die biblischen Texte, sondern auch die Dogmen als geschichtliche Aussagen verstanden und verhandelt werden. Auf diese Weise kann die Anbindung an die Schrift überprüft, sowie die Einbindung philosophischer Gedanken in die Dogmen freigelegt werden. Im Blick auf die biblischen Aussagen betont Schlink, dass die Einsicht der historisch-exegetischen Forschung auch dogmatisch Beachtung finden muss.197 Dabei müssen die geschichtlichen Situationen und Fronten ernstgenommen werden, um nicht nur dem Inhalt, sondern auch dem „Akt der Aussage“ mit ihrem konkretem Gegenüber gerecht zu werden und somit in rechter Weise nach der Schriftgemäßheit dogmatischer Aussagen zu fragen.198 Ähnliches gilt auch für die Dogmen und ihren Hintergrund in den Bekenntnissen: Auch diese sind nach Schlink als geschichtliche Aussagen in geschichtlichen Situationen und Konstellationen zu verstehen, weswegen auch hier der Akt des Aussagens neben dem Inhalt wahrgenommen werden muss.199 Dabei ist die Untersuchung der religiösen und philosophischen Umwelt, der anthropologischen Überzeugungen 193 Ebd.

194 Schlink, Hermeneutik, 16 f. An anderer Stelle folgert Schlink, „Es brechen hier einmal die ganzen Probleme einer biblischen Hermeneutik auf, da die dogmatischen Aussagen unter jedem der angegebenen Gesichtspunkte von der apostolischen Botschaft her interpretiert und gemessen werden müssen. Sie ist der bleibende Grund allen kirchlichen Redens, und zwar sowohl als bleibend grundlegende inhaltliche Aussage als auch als bleibend vorbildlicher und verpflichtender Akt des Aussagens im Vorstoß in die Welt.“ Ders., Struktur, 305. 195 Vgl. Schlink, Hermeneutik, 17. 196  Schlink, Dogmatik, 658. 197 „Die biblischen Aussagen dürfen nicht als zeitlose Aussagen dogmatisch verwendet werden.“ Schlink, Hermeneutik, 17. 198  Ebd. Vgl. Ders., Struktur, 304 f. 199  Vgl. Schlink, Hermeneutik, 17. Schlink folgert: „Nur im Wissen um die geschichtlichen Voraussetzungen und Fronten, in denen die Dogmen entstanden sind, und im Rückbezug auf

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und der faktischen Geltung der Dogmenentstehung von ebenso großem Interesse wie in der biblischen Forschung.200 Hier liegt für Schlink der Grund für die Bedeutung des wissenschaftlichen Charakters der ökumenischen Theologie.201 Um die Einheit der dogmatischen Aussagen ökumenisch zu erörtern, ist für Schlink ein vierter hermeneutischer Schritt notwendig: Vor dem Hintergrund der Ausführungen zur Struktur theologischer Aussagen müssen die Strukturverschiebungen und die unterschiedlichen Denkformen als Grundkategorien einer neuen ökumenischen Hermeneutik etabliert und die Frage der Übersetzbarkeit zwischen diesen diskutiert werden. Im Gespräch über die unterschiedlichen Dogmen der Kirche ist daher nicht nur der Rückbezug auf die gemeinsame neutestamentliche Grundlage von Bedeutung, sondern auch die Berücksichtigung der nicht unmittelbar zu vergleichenden Strukturen der dogmatischen Aussagen: Notwendig ist die „gemeinsame Rückbeziehung auf diejenige Struktur […], die für das zur Diskussion stehende dogmatische Thema jeweils als elementar zu bezeichnen ist“, um die durch Strukturverschiebungen entstandenen inhaltlichen Verschiebungen zu identifizieren.202 Auch die im Hintergrund der jeweiligen Begriffe und Strukturen stehenden Denkformen müssen dabei Beachtung finden.203 Schlink möchte jedoch nicht bei dieser analytischen Arbeit stehenbleiben, sondern fragt vielmehr weiter nach den konstruktiven Möglichkeiten zur Verbindung der unterschiedlichen Strukturen. Dazu bedient er sich der Metapher der Übersetzung, durch welche die Strukturformen verbunden und die Einheit der dogmatischen Aussagen ökumenisch bedacht werden kann. Die ökumenisch zentrale Frage ist daher die „Übersetzung der theologischen Aussagen aus einer Aussagestruktur in eine andere“.204 Da die Einheit der Lehre nicht in der Gleichheit von Formulierungen, sondern im Herausarbeiten des bleibend Gültigen aus der Relativität gründet, stellt sich für Schlink die „Aufgabe einer nicht nur sprachlichen Übersetzung“ durch die Rückbesinnung auf „die elementaren Strukturen“.205 Schlink ist überzeugt, dass der Blick auf die Grundstrukturen, z. B. der Dialog nicht über die Lehre von der Sünde, sondern über das Bekenntnis der Sünde, ökumenische Verständigungsmöglichkeiten über eine bloß begriffliche Übersetzung hinaus eröffnet.206 die urchristlichen Bekenntnisaussagen kann die Frage nach der Einheit der dogmatischen Aussagen richtig erörtert werden.“ A. a. O., 18. 200 Vgl. Schlink, Struktur, 304 f.; Ders., Hermeneutik, 18. 201 Vgl. Schlink, Struktur, 305. 202 Schlink, Hermeneutik, 20. 203  Vgl. a. a. O., 21. 204  Schlink, Sprachanalytik, 70. Schlink verweist auf Dalferths Überlegungen zur „Sprachlogik des Glaubens“, ohne dies auszuführen. A. a. O., 72. 205  Schlink, Dogmatik, 57 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Struktur, 303. 206  Vgl. Schlink, Dogmatik, 58 f.; Ders., Struktur, 306.

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Ein fünfter Aspekt wird von Schlink nur angerissen: Die ökumenische Diskussion um die Einheit der dogmatischen Aussagen ist nach Schlink kein abschließbares Geschehen und liegt nicht vollständig in der Hand des Menschen.207 Sie ist vielmehr in den Bereich des Wirken Christi gestellt: Nur in der Anerkennung der geschichtlichen Dynamik, in der Jesus Christus als der erhöhte Herr durch die Botschaft seiner berufenen Zeugen hineingestoßen ist in immer weitere Räume, Vorstellungsbereiche und Begrifflichkeiten dieser Welt, kann sich die Einheit theologischer Aussagen erschließen.208 Wie diese Charakteristika Schlinks theologisches Programm prägen, wird in der Gliederung der von Schlink vorgelegten Dogmatik deutlich: Diese spiegelt in den ersten drei Hauptteilen Schöpfung, Erlösung, Neuschöpfung das Apostolikum, wie aus den Zusammenfassungen jeweils am Ende hervorgeht. Diese Orientierung entspricht dem doxologischen Anliegen und ermöglicht zugleich, sein ökumenisches Interesse i. S. d. Orientierung am Gemeinsamem zu verfolgen.209 Es folgt ein vierter Hauptteil zur Gotteslehre. Gerahmt werden die Hauptteile durch zwei weitere Abschnitte: einem Kapitel zum Evangelium zu Beginn und einem Abschlusskapitel zum „Liebesratschluss Gottes“. Einführend führt Schlink in drei Kapiteln aus, inwiefern das Evangelium Voraussetzung der kirchlichen Lehre ist (Erkenntnis Gottes, Erkenntnis der Welt, Gotteserkenntnis und die Lehre von Gott). Den ersten Hauptteil kann man in den Teilen IV–VII als Nachvollzug der Erzählung von Gen 1–3 lesen: Schlink beginnt mit der Erschaffung der Welt, und führt dann Bestimmung, Verfehlung und Erhaltung des Menschen aus. Es folgen Kapitel zur Erhaltung und Regierung der Welt. Der Hauptteil schließt mit einem zusammenfassenden Kapitel unter der Überschrift „Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer“, das den ersten Teil des Apostolikums aufnimmt. Der zweite Hauptteil zur Lehre von der Erlösung befasst sich zunächst mit dem alttestamentlichen Gesetz (mit den Themen alter Bund und Gesetz). Einleitend zum Folgenden führt Schlink aus, inwiefern die Erhöhung Jesu als Voraussetzung der Erniedrigung des Sohnes Gottes zu verstehen ist, um dann in mehreren Kapiteln die Erniedrigung des Sohnes Gottes (Menschwerdung, Botschaft, Tod am Kreuz) und die Erhöhung Jesu (Auferstehung, Herrschaft, Wiederkunft) zu verhandeln, die er in einem Kapitel zum dreifachen Amt Jesu Christi zusammenfasst. Es folgen Kapitel zum neutestamentlichen Evangelium (neuer Bund, Mahnung), zu Taufe und Herrenmahl, sowie zur Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Zusammenfassend führt Schlink wiederum in Aufnahme des Apostolikums das Bekenntnis zu Gott dem Erlöser aus (Jesus der Erlöser, ewiger Sohn, wahrer Mensch und wahrer Gott). Die Zusammenstellung der Topoi in diesem Hauptteil zeugt von der ökumenischen Breite der Erörterung, die an vielen Stellen Rückgriffe auf genuin biblische Topoi leistet. Deutlich zeigt sich der Rückgriff auf biblische Topoi im dritten Hauptteil zur Lehre von der Neuschöpfung. Schlink verhandelt hier zunächst die Ausgießung des Heiligen 207  Dies wurde bereits aus seinen Überlegungen zum „Ereignis der Auslegung“ deutlich. Vgl. Abschnitt B 1.2.1. 208  Schlink, Hermeneutik, 17. 209 Vgl. dazu auch den allerersten Satz Schlinks in seiner Dogmatik: „Eine ökumenische Dogmatik ist ausgerichtet auf das Ganze der Christenheit auf Erden mit der Frage nach der Einheit ihres Glaubens und ihrer Glaubensbekenntnisse.“ Schlink, Dogmatik, 1.

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Geistes ausgehend vom Pfingstereignis, um dann über die Kirche, Charisma und Amt, die Erhaltung der Kirche, die Einheit der Kirche und uneinige Christenheit, sowie die Vollendung der neuen Schöpfung zu sprechen. Der Hauptteil schließt mit einem Bekenntnis zu Gott dem Neuschöpfer im Rückgriff auf das Apostolikum. In diesem Teil zeigt sich deutlich, dass Schlink die Themen ausgehend vom biblischen Befund verhandelt: So setzt beispielsweise die Reflexion über den Geist nicht bei der Trinität ein, sondern beim Pfingstereignis. Auch die Erörterungen zur Kirche gehen aus von biblischen Beschreibungen des Gottesvolks und greifen im Kapitel zu Charisma und Amt ausführlich auf biblische Beschreibungen des Apostolats zurück. Hier zeigt sich deutlich, wie Schlinks ökumenisches Anliegen durch den Rückgriff auf biblische Traditionen Verbindendes herausstellen und von dort aus strittige Fragen perspektivieren möchte. Das Interesse an biblischen Topoi spiegelt sich auch im vierten Hauptteil zur Lehre von Gott. Er beginnt mit einem Kapitel zum Lobpreis Gottes, es folgen Ausführungen zur Trinität. Nach einer Einleitung zu den göttlichen Eigenschaften führt Schlink unter der Überschrift „Der Herr“ (Allmacht, Allgegenwart, Ewigkeit, Herrlichkeit), „Der verzehrende Gott“ (unentrinnbarer Gott, zürnender Gott) und „Der sich schenkende Gott“ (Liebe, Gerechtigkeit, Weisheit, Beständigkeit) sehr unterschiedliche Topoi aus: Während das erste Kapitel „Der Herr“ klassische Attribute der Gotteslehre verhandelt, kommen in den beiden anderen Kapiteln Motive, Themen und Fragen in den Blick, die sich stark aus der biblischen Tradition speisen. Die unterschiedlichen Beschreibungen werden nebeneinander ausgeführt. Den Abschluss bildet ein Kapitel zum Liebesratschluss Gottes (allein aus Gnade, ewiger Ratschluss, doppelte Prädestination, Erwählung, Verwerfung, Ungleichheit von Erwählen und Verwerfen, Warnung an Kirche und Einladung an die Welt).

1.3. Zwischenfazit Fragt man nach dem Status der Schrift als auszulegende Schrift in der und für die Dogmatik, so zeigt sich bei Schlink ein komplexes Wechselspiel zwischen Schriftlehre und Schriftauslegung. Schlink macht schon durch die Verortung der Schriftlehre in seiner Dogmatik deutlich, dass diese für ihn vor allem im Blick auf ihre Funktionen und Rezeptionskontexte von Interesse ist: Die Rezeption der Schrift in, durch und für die Kirche rahmt seinen Zugang zu den biblischen Texten. Von hier aus kommen dann insbesondere die Fragen in den Blick, worin die Bedeutung der biblischen Texte gründet und wie sich diese zu anderen die Kirche prägenden Größen verhält. Zur Begründung des besonderen Status der Schrift werden bei Schlink in der Schriftlehre drei unterschiedliche Linien erkennbar. Diese liegen sowohl auf historischer als auch auf einer soteriologisch-pneumatologischen Ebene. Auf der historischen Ebene liegt zunächst Schlinks Hinweis auf die besondere Bedeutung der biblischen Texte als Quellen: Demnach sind nach Schlink in den biblischen Texten Person und Werk Jesu Christi historisch besonders zutreffend greifbar, was den besonderen Wert dieser Texte als Quelle begründet.210 Dieser  Vgl. die Abschnitte B 1.1.1 und B 1.1.5.

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herausgehobene historische Wert der biblischen Zeugnisse ist nach Schlink exegetisch unstrittig.211 Dass Person und Werk Jesu Christi auch mit dem Begriff „Evangelium“ zusammengefasst werden können, zeugt von Schlinks doppeltem Evangeliumsbegriff: Dieser kann sowohl eine theologische als auch eine historische Größe beschreiben, wie im Blick auf die unten ausgeführte dritte Begründungslinie zur Schriftautorität ausgeführt wird. Zweitens ist es nach Schlink eine gewachsene historische Tatsache, dass sich alle Kirchen auf die biblischen Texte beziehen, weswegen diese von besonderem Interesse für eine ökumenische Hermeneutik sind.212 Schlink beobachtet seinerzeit eine faktische Zunahme der Autorität der Bibel in vielen kirchlichen Traditionen und einen weitreichenden Konsens in der Erforschung ihres Literalsinns. Schlink folgend kann hier von der ökumenischen Dimension der enzyklopädischen Problematik gesprochen.213 Drittens verweist Schlink auf das Evangelium, das in den biblischen Texten bezeugt wird.214 Der Begriff des Evangeliums ist bei Schlink sowohl inhaltlich als auch soteriologisch-pneumatologisch konnotiert: Inhaltlich bezeichnet es das Evangelium von Jesus Christus, soteriologisch-pneumatologisch die Aneignung desselben im Geist. Der Rekurs auf das Evangelium als zentralem Inhalt der biblischen Texte  – der Beschreibung von Leben und Werk Jesu  – findet sich bei Schlink in einer doppelten Zuspitzung: Zum einen ist es das alle Kirchen miteinander verbindende Thema und somit die Grundlage der ökumenischen Dogmatik.215 Zum anderen beschreibt Schlink es als das hermeneutische Prinzip zum Verständnis der alt- und neutestamentlichen Schriften. Diese Argumentation erinnert – in klassischer Terminologie – an Beschreibungen einer Mitte der Schrift, auch wenn Schlink diesen Terminus kaum verwendet. Als soteriologisch-pneumatologische Kategorie bezeichnet Schlink mit dem Begriff des Evangeliums das in der Schrift bezeugte im Geist tätige Wort in der Gegenwart.216 Die unterschiedlichen Begründungslinien spiegeln sich in Schlinks Beschreibung der Autorität der Schrift: Diese ist auf der einen Seite auf die Kanonisierungsprozesse bezogen, in denen die die biblischen Texte der Kirche als Autorität begegnen und von dieser anerkannt werden. Entsprechend beschreibt Schlink auch die Kanongeschichte als sowohl von historischen als auch von sachlichen Gründen geleitet. Mit der Kanonisierung ist für Schlink der Prozess der Autoritätskonstitution der Schrift jedoch nicht abgeschlossen: Konstitutiv 211 Vgl.

Schlink, Dogmatik, 633. Abschnitt B 1.1.6. 213 Vgl. dazu im Folgenden die Anmerkungen zur ökumenischen Hermeneutik. 214  Vgl. die Abschnitte B 1.1.1. und B 1.1.4. 215  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.1.1. und B 1.1.6. 216 Dieser Zusammenhang wird insbesondere in seiner Verhältnisbestimmung von Auslegung und Verstehen deutlich. Vgl. dazu den folgenden Abschnitt zur theologischen Enzyklopädie. 212 Vgl.

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ist ebenso die Bestätigung der Autorität durch das gegenwärtige Heilshandeln Gottes durch die Schrift heute. Diese Doppelstruktur setzt sich in Schlinks Verständnis von der Schriftinspiration fort, welche in der Anerkennung der Schriftautorität enthalten ist: Die Begründung der Inspiration der Schrift liegt nicht nur im geistgewirkten Handeln Jesu, sondern auch in der Inspiration der Apostel an Pfingsten und der darin gründenden Inspiration ihres Schreibens. Über diese klassischen Aussagen zur Autoreninspiration hinaus führt Schlink nun aus, dass auch diese Begründung nach einer Bestätigung durch das gegenwärtige Handeln des Geistes verlangt: Erst wenn die Schrift als viva vox evangelii erfahren wird, ist von einer aktiven Inspiration der Schrift zu sprechen. Schlink scheint an dieser Stelle eine Form der Leserinspiration anzunehmen, welche direkte Auswirkungen auf die Autoritätskonstitution der Schrift hat.217 Nur wenn und insofern diese beiden Aspekte zusammen kommen, ist nach Schlink zutreffend vom Gotteswort die Rede. Diese Begründungslinien sind mit einigen Schwierigkeiten verbunden, die an Schlinks Abgrenzung von Schrift und Tradition besonders deutlich werden. Zur historischen Begründung ist ausgehend von der von Schlink in Anschlag gebrachten Kanondebatte zu fragen, wie sich diese Bestimmung zu den (gerade ökumenisch) divergierenden Kanonlisten und darüber hinaus zur prinzipiellen Unabgeschlossenheit des Kanons verhält. Überdies ist der Status nichtkanonischer Texte, die jedoch älter und somit dem Leben und Wirken Jesu Christi historisch näher als andere kanonische Texte sind, unklar.218 Das Kriterium der Ursprungsnähe zur Begründung der herausgehobenen Stellung der biblischen Texte als Quelle ist daher zumindest umstritten. In Abgrenzung von Schrift und Tradition hebt Schlink weiterhin hervor, dass die Schrift Teil der kirchlichen Tradition ist, im Unterschied zur restlichen kirchlichen Tradition jedoch gesammelt und fixiert wurde und daher keinen Veränderungen durch die Zeit ausgesetzt ist. So bildet sie einen maßgeblichen und suffizienten Prüfstein für spätere Traditionen.219 Im Verweis auf die schriftliche Fixierung der Schrift im Unterschied zur Tradition scheint ein Hinweis auf die Medialität der Schrift auf. Diese führt Schlink jedoch nicht weiter, vielmehr 217 Seine Ausführungen lassen vermuten, dass diese Form der Bestätigung bei der Kanonbildung am Werk war, sodass von einer dreifachen Inspiration von Schreiber, Leser und Kanon gesprochen werden kann. 218 Schlinks hält demgegenüber fest: „Die moderne historische Forschung stimmt mit den Urteilen der alten Kirche darin überein, daß der neutestamentliche Kanon die zeitlich ursprünglichsten Jesusüberlieferungen und Christuszeugnisse enthält.“ (Schlink, Dogmatik, 633). Eine exegetische Debatte dieses durchaus strittigen Urteils ist im Rahmen dieser Studie nicht möglich. 219  Vgl. Abschnitt B 1.1.5. Zur Terminologie ist anzumerken, dass Schlink zwischen Schrift und Tradition, sowie analog zwischen „apostolischen“ und „späteren Überlieferungen“ unterscheidet. Auf die Unterschiede zwischen schriftlichen und mündlichen Überlieferungsprozessen geht er nicht ein.

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beschreibt er parallele Prozesse der schriftlichen Fixierung im Dogma und in den Kirchenordnungen. Im Zusammenhang mit der Inspiration spricht Schlink sogar davon, dass Schriftliches und Mündliches nicht voneinander zu trennen sind.220 Die schriftliche Fixierung der biblischen Texte spielt für Schlink folglich eine untergeordnete Rolle für die Abgrenzung von Schrift und Tradition. In Verbindung mit der gerade ausgeführten Kritik am Kriterium der Ursprungsnähe ist daher zu fragen, ob die Abgrenzung von Schrift und Tradition nicht stärker auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene gedacht wird – oder als historische Gegebenheit mit der Kanonisierung als abgeschlossen verstanden wird, wie es Schlinks Rekurs auf die faktische Verbreitung des Kanons als Begründung seiner Geltung nahezulegen scheint. Im Blick auf die kanonischen Texte selbst ist die Pluralität und Widersprüchlichkeit zwischen diesen authentischen Textzeugen gegenüber Schlinks Darstellung stärker zu betonen. Dies gilt insbesondere auf die inhaltliche Fokussierung des Evangeliums, die sich im Blick auf den Theologiebegriff aus der Verbindung zum Evangeliumsbegriff ergibt: Wird in den wissenschaftstheoretischen Absätzen das Evangelium als Gegenstand der Theologie bestimmt, führt dies zu der Frage, ob der dreieine Gott – als Gegenstand der Theologie und Ursprung der Doxologie – in der Zuspitzung auf die Heilstat in Jesus Christus umfassend erkannt wird oder ob nicht gerade durch diese Identifizierung Differenzierungspotential vergeben wird. Reicht es aus, die Pluralität der biblischen Zeugnisse – wie Schlink im Blick auf die altkirchliche Situation festhält – im „Wissen um die Einheit von Kirchengebieten mit verschiedenen gottesdienstlichen Texten“ in Kauf zu nehmen?221 Oder ist – wie es in Schlinks Überlegungen zur Struktur theologischer Aussagen und zum Verhältnis dogmatischer Wahlentscheidungen zur biblischen Pluralität durchscheint – die Pluralität der biblischen Texte und ihrer Aussagestrukturen für seine ökumenische Ausrichtung nicht eben eine wichtige Gewährsgröße? Dies gilt in gleicher Weise für die in Anschlag gebrachten Überlegungen zum Evangeliumsbegriff im Sinne der Aktualisierung, wie im folgenden Abschnitt deutlich wird. Ausgehend von der gottesdienstlichen Verortung müsste vielmehr ein kontextsensibler und damit jeweils begrenzter und folglich pluraler Begriff von Authentizität und Autorität der Schrift entfaltet werden. Dies implizieren auch Schlinks Hinweise auf die Lebendigkeit dieser überlieferten Worte, welche sich weder im sola scriptura noch im sola traditio erschöpfe. Ein solcher Begriff wird von Schlink jedoch nicht entfaltet.222 220 „Man wird also die Inspiration der Verfasser der neutestamentlichen Schriften nicht beschränken können auf die Entstehung ihres Glaubens und auf ihre mündliche Bezeugung dessen, was sie glaubten. Vielmehr ergibt sich aus diesen Voraussetzungen auch die Inspiration ihrer Schriften. Es ist nicht möglich, mündliche und schriftliche Zeugnisse auseinanderzureißen.“ Schlink, Dogmatik, 635. 221  A. a. O., 634. 222  Vgl. Abschnitt C 4.

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Der von Schlink eingeführte doppelte Autoritäts- und Inspirationsbegriff ausgehend von den unterschiedlichen Facetten in der Beschreibung des Evangeliums bietet eine hilfreiche Differenzierung der Schriftlehre, die sich sowohl historisierenden als auch pneumatologischen Engführungen verweigert. Verbindet man diese Begründungslinien jedoch mit den Ausführungen zur Schriftauslegung, so stellt sich die Frage, ob und wie die von Schlink in Anschlag gebrachten Begründungen eines besonderen Status der Schrift auch für die Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift geltend gemacht werden. Deutlich wird auf hier die notwendige Differenzierung in der Rekonstruktion zwischen der Beschreibung des Status der Schrift in soteriologisch-pneumatologischer Dimension – wie er von Schlink im Zusammenhang seiner Schriftlehre entwickelt wird – und der Frage nach dem Status in fundamentaltheologischer Dimension – die in dieser Studie bearbeitet wird. Diese Differenzierung scheint hier auf und wird im Zuge der Analysen weiter entwickelt und im Fazit der Studie weiterführend reflektiert. Für die Frage nach der Begründung und Entfaltung des Status der Schrift ist diese Differenzierung von besonderer Bedeutung. Im Blick auf die diskutierten Begründungslinien ergibt sich daraus: Die Bedeutung der biblischen Texte als Quelle i. S. der Ursprungsnähe ist aus o.g. Gründen strittig. Ist es die faktische Geltung des Kanons in den Kirchen, die den besonderen Status der biblischen Texte begründet? Dabei löst Schlinks Verweis auf die unterschiedlichen gottesdienstlichen Verortungen und Praktiken biblischer Texte (der ebenso für die Gegenwart gilt) nicht die Frage nach einem dogmatischen Schriftprinzip, von dem Schlink spricht. Ob und wie die Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift mit der Doppelstruktur des Evangeliumbegriffs verbunden werden kann, muss im Blick auf die von Schlink unterschiedenen Erkenntniswege Glauben und Erkennen, sowie der Unterscheidung von Erforschen und Auslegen der Schrift nach der Analyse des Schriftgebrauchs im Fazit des Kapitels diskutiert werden. In seinen Erläuterungen zum Theologiebegriff eröffnet Schlink ein komplexes Feld unterschiedlicher Erkenntnisquellen und Erkenntniswege. Hinsichtlich der Erkenntniswege der Theologie unterscheidet Schlink zwischen Glauben und Erkennen. Die Bedeutung des Glaubens resultiert für Schlink durch den konstitutiven Bezug der Theologie auf das Evangelium und schließt somit das Erkanntwerden durch Gott mit ein. Glaube ist zugleich als Erkennen, Durchbrechung des Erkennens und Befreiung des Erkennens bestimmt. Implizit sichtbar ist hier eine Vorordnung des Glaubens – wird doch allein die Bedeutung des Glaubens für das Erkennen und nicht die Bedeutung des Erkennens für den Glauben von Schlink thematisiert. Offen bleibt, ob die von Schlink getroffenen Bestimmungen auch umgekehrt werden können: Kann Erkenntnis mit dem Glauben gleichgesetzt werden, den Glauben durchbrechen oder befreien?

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Für die hier verhandelte Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik ist diese implizite Vorordnung des Glaubens von entscheidender Bedeutung. Zu fragen ist, wie sich diese Vorordnung in der – von der Theologie im weiten Sinn – nur unzureichend abgegrenzten wissenschaftlichen Theologie niederschlägt. Schlink verweist zur Abgrenzung der wissenschaftlichen Theologie lediglich auf deren „methodische Strenge“ und die „Bindung des Denkens an das Evangelium“.223 Im Blick auf die Differenzierung von Glauben und Erkennen bleibt somit erstens offen, wie die theologische Wissenschaft auf die dreifache Relation der Erkenntniswege von Glauben und Erkennen bezogen ist: Ist die „Bindung des Denkens an das Evangelium“224 mit dem Glauben gleichzusetzen? Was bedeutet diese Bindung für die Erkenntnis- und Auslegungswege der Schrift, in der das Evangelium bezeugt ist? Wie ist dies konkret und vor allem in der geforderten methodischen Strenge einzuholen? Zweitens stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Erkenntnisquellen: Hat die Schrift, bzw. das Evangelium leitende Funktion – nicht nur für die soteriologisch-pneumatologische Erkenntnis, sondern auch in fundamentaltheologischer Perspektive? Und wenn ja, gilt dies für die Theologie im Ganzen und damit auch für die theologische Wissenschaft? Parallel zu der oben skizzierten Verhältnisbestimmung von Glaube und Erkennen ist auch hier entscheidend, ob es sich um eine Wechselwirkung oder eine Vorordnung handelt.225 Drittens ist unklar, wie sich diese Beschreibung der Erkenntniswege und Erkenntnisquellen konkret in der Arbeit, i. e. in der Hermeneutik und Methodologie der theologischen Disziplinen niederschlägt. Diese Fragen bleiben in Schlinks Überlegungen offen. Sehr deutlich wird, dass Schlink seine Überlegungen im Blick auf den von ihm skizzierten weiten Theologiebegriff entfaltet und die Reichweite dieser Beschreibung für die Frage nach der theologischen Wissenschaft nicht bedacht wird. Auch hier ist die Analyse des Schriftgebrauchs für die abschließende Diskussion entscheidend. Diese Offenheit spiegelt sich auch in den Überlegungen zur Schriftauslegung, die Schlink als Frage nach der biblischen Hermeneutik und in der Unterscheidung 223  A. a. O., 224 Ebd.

30.

225 Am Rande hingewiesen sei nur auf ein weiteres Kennzeichen wissenschaftlicher Theologie, das Schlink jedoch nur umreißt: Er nennt die „Grundfragen des Glaubens“ als Kriterien zur Prüfung der Glaubensaussagen mit Hilfe der theologischen Disziplinen (a. a. O., 29). Dieser Verweis wirft jedoch mehr Fragen auf als er zu lösen vermag: Sind diese analog zu den Bestimmungen des Evangeliums als „Mitte der Theologie“ zu verstehen? Wer ist Subjekt dieser Grundfragen und inwiefern unterscheidet sich dieses vom Subjekt der Glaubensaussagen? Worin gründet die Autorität dieser Grundfragen? Nach welcher Methodologie erfolgt diese Überprüfung? In welchem Verhältnis steht sie zur Schrift? Da Schlink diese Überlegungen zu den Grundfragen des Glaubens nicht weiter verfolgt, können sie an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

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von historischer Erforschung und aktualisierender Auslegung der Schrift entfaltet. Mit dieser Zuordnung der biblischen und dogmatischen Hermeneutik zu den Erkenntniswegen sind einige Probleme verbunden. Auffallend ist zunächst, dass der Überschritt zwischen Erforschung und Aktualisierung von Schlink nicht näher spezifiziert wird und in diesem Konnex jedoch eine entscheidende Frage im Blick auf die Schriftauslegung liegt: Welche Bedeutung kommt historischen Fragen für die Aktualisierung biblischer Texte und kirchlicher Bekenntnisse zu – und anders herum: Inwieweit darf das Anliegen der Auslegung im Blick auf die Gegenwart die historische Erforschung leiten? Wenn Schlink betont, dass die Verwendung von historisch-philologischen Methoden zu präzisen Übereinstimmungen und zu einem wachsenden Zutrauen in die „Klarheit und Durchsichtigkeit der Heiligen Schrift“226 sowie der Bekenntnisse führt  – wie ist dieser Überschritt zu denken? Wie ist das von Schlink betonte Moment der Wahl in der dogmatischen Urteilsbildung hier zu verorten? Schlink führt dazu die Metapher der Übersetzung ein, die jedoch in ihrer Kürze mehr Fragen aufwirft als sie löst: In welchem Verhältnis steht diese zu den hermeneutischen Schritten der Erforschung und Auslegung? Stellen die genannten Elementarstrukturen eine gemeinsame Sprache dar oder bilden sie die gemeinsame „Grammatik“ der angestrebten Übersetzung? Worin bestehen diese Grundstrukturen und wie werden sie gewonnen? Wie verhält sich der damit verbundene Impuls zur Reduktion zur von Schlink betonten Pluralität der biblischen Texte und kirchlichen Dogmen? Was genau ist der Gewinn der Besinnung auf die Grundstrukturen? Und zuletzt: Was ist das Ziel der Übersetzung – eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Aussagen oder das Verstehbarmachen des Eigenen? Da Schlink sich nur sehr knapp mit dieser Metapher beschäftigt, lässt sich hier keine differenzierte Antwort erkennen. Fragen ergeben sich in diesem Feld auch im Blick auf das Kriterium der Schriftgemäßheit, die Schlink für dogmatische Aussagen einfordert. In Bezug auf welchen hermeneutischen Schritt wird diese eingefordert? Geht es Schlink um die Übereinstimmung der Aktualisierung der Bekenntnisse in den Dogmen mit den Ergebnissen der historischen Erforschung der biblischen Texte? Die von Schlink selbst formulierten Leitfragen zur Überprüfung der Schriftgemäßheit legen dies nahe.227 Diese gelten nach Schlink jedoch im Rahmen der Erforschung des Dogmas und nicht für deren Aktualisierung: Im Blick auf die Aktualisierung geht es Schlink um die Überprüfung der Wahrheit des Dogmas und diese ist im Blick auf die Sache der Theologie zu prüfen. Zu fragen ist also, ob das Bekenntnis als Antwort auf die Sache gelten kann. Inwiefern und auf welche Weise diese auch schriftgemäß sein sollen, wird von Schlink nicht expliziert. Seine Aussagen zum gemeinsamen Bezug auf die Sache des Dogmas im Glauben legen 226  A. a. O.,

692.  Vgl. a. a. O., 657.

227

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

jedoch nahe, dass Schlink die Verbindung dieser mit der Aktualisierung der biblischen Texte anstrebt.228 Schriftgemäßheit wäre dann kein statisches, sondern ein dynamisches Geschehen im Dialog von Schriftauslegung und Bekenntnisauslegung.229 Verbunden damit ist nach der Aufgabe und Leistungskraft historischexegetischer Arbeit in Schlinks Darstellung zu fragen: Während in der ökumenischen Diskussion um die Dogmen keine Einheit erreichbar ist, sieht Schlink eine große Übereinstimmung in der exegetischen Arbeit.230 Daraus scheint er Verständigungspotential für die Auslegung der Schrift und in Folge für die Auslegung der Dogmen zu erwarten. Angesichts der Breite exegetischer Forschung und ihrer mitnichten eindeutigen Ergebnisse verwundert diese Einschätzung zunächst in ihrer Allgemeinheit. Zudem irritiert die enge Verbindung – analog zu seinen Begründungen der Bedeutung der Schrift  – mit einem Verweis auf den theologischen Grund dieser gemeinsamen Arbeit in der Sache des Evangeliums. Offen bleibt somit die Frage, in welchem Verhältnis die postulierten exegetischen Übereinstimmungen zum gemeinsamen theologischen Grund stehen. An welchen Stellen es – für das von Schlink verfolgte ökumenische Anliegen – Wirkung entfaltet, wird in der Analyse des Schriftgebrauchs nur punktuell deutlich und wäre in weiteren Untersuchungen zu präzisieren.231 Zuletzt noch zwei Anmerkungen, die über Schlinks Darstellung hinaus gehen, jedoch für die Fragestellung dieser Studie jedoch interessante Perspektiven bieten. Zum einen sollen noch einmal die enzyklopädischen Implikationen von Schlinks Unterscheidung biblischer und dogmatischer Hermeneutik in den Blick kommen: Wie skizziert, kennzeichnen diese bei Schlink nicht eine Unterscheidung zwischen den theologischen Disziplinen, sondern beschreiben Erkenntniswege in den Disziplinen, die sowohl auf die Schrift als auch auf die Dogmen anzuwenden sind. Schrift und Dogmen sind beide gleichermaßen sowohl historisch zu erforschen als auch aktualisierend auszulegen. Deswegen sind die biblischen Fächer und Dogmatik nach Schlink nur in ihrem Gegenstand unterschieden auf den sie – als biblische und dogmatische Hermeneutik – jeweils durch Erforschung und Auslegung verwiesen sind. Zugleich ist der jeweilige Gegenstand 228  Vgl.

a. a. O., 658 f. weiterführend Abschnitt C 4. 230  „Wir stehen vor dem Anschein einer relativen Bedeutungslosigkeit eines biblischexegetischen Konsensus für das Verhältnis der beiderseitigen dogmatischen Aussagen und damit für das Verhältnis der beiden Kirchen zueinander.“ Schlink, Hermeneutik, 15. Vgl. Ders., Dogmatik, 692. 231 Die Bezugnahmen auf exegetische Literatur lassen vermuten: Schlink geht es hier weniger um exegetische Detailfragen als vielmehr um die Eröffnung neuer Perspektiven auf festgefahrene ökumenische Streitfragen. Vgl. die Abschnitte B 1.1.6. und B 1.4.3. 229 Vgl.

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der Disziplinen eng auf die gemeinsame Sache der Theologie bezogen, wodurch die Disziplinen auch inhaltlich nicht auseinanderfallen können.232 Diese Zuordnung kann interessante Implikationen für eine theologische Enzyklopädie entfalten: Was heißt es für die theologische Enzyklopädie, dass Exegese und Dogmatik letztlich dieselben Fragen stellen müssen an ihre jeweiligen Gegenstände und denselben Beschränkungen unterliegen, was ihr Erforschen und Auslegen angeht? Wird diese Grundlinie ernst genommen, so besteht in beiden Fachrichtungen erheblicher methodischer Klärungsbedarf. Für die dogmatische Hermeneutik stellt sich dieser v. a. im Blick auf die Erforschung der Dogmen: Welche Bekenntnisse und welche daraus abgeleiteten Dogmen sind überhaupt Gegenstand der Dogmatik? Gibt es – analog zur biblischen Hermeneutik – einen Kanon der Bekenntnisse? Nach welcher Methodik kann eine historisierende dogmatische Forschung arbeiten? Im Blick auf die aktualisierende Auslegung stellt sich für beide Disziplinen gleichermaßen die Frage, ob es methodisch gesicherte wissenschaftliche Formen der Auslegung überhaupt geben kann. Diesen Fragen kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht nachgegangen werden, erste Implikationen dieser Überlegungen für die Beschreibung interdisziplinärer theologischer Schriftauslegung als einem kombinatorischen Geschehen werden im Fazit der Studie entfaltet.233 Zum anderen kann nach der Leistungskraft der von Schlink eingebrachten Unterscheidung der Grundstrukturen theologischer Aussagen im Blick auf die Schriftauslegung gefragt werden. Schlink verbindet in seinen Überlegungen die Pluralität der theologischen Aussagestrukturen stellenweise mit der in den biblischen Zeugnissen erkennbaren Pluralität der Aussageformen. Zu fragen wäre, ob und wie seine Überlegungen zu Strukturverschiebungen und der konstitutiven Zusammengehörigkeit der unterschiedlichen Sprachstrukturen auch für die Frage nach der Schriftauslegung fruchtbar gemacht werden kann. Daraus ergibt sich zum einen, die Auslegung der Schrift auch als eine Form der Strukturverschiebung wahrzunehmen: Dabei ist sowohl auf die erkennbaren Parallelen in den Aussagestrukturen hinzuweisen, z. B. im Blick auf lehrhafte Aussagen in den biblischen Texten und ihrer dogmatischen Rezeption, als auch Aufmerksamkeit im Blick auf die Verschiebungen in der Aussagestruktur zu lenken, die sich z. B. in der Aneignung erzählender Texte oder Gebete in die dogmatische Reflexion ergibt.234 Zum anderen wäre zu überlegen, ob die von Schlink herausgestellte konstitutive Bezogenheit der Aussagestrukturen aufeinander zur angemessenen Beschreibung ihres Gegenstands nicht auch für das Zusammenspiel 232  „Die ‚Sache‘, um die es in den Dogmen geht, ist Gottes Heilshandeln in Jesus Christus und somit keine andere als die der Heiligen Schrift.“ Schlink, Dogmatik, 658. 233  Vgl. weiterführend Abschnitt C 3. 234 Inwiefern diese Verschiebungen auch für die exegetische Auslegung biblischer Texte zu beschreiben sind und welche Implikationen sich daraus ergeben, ist an anderer Stelle zu diskutieren.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

biblischer, exegetischer und dogmatischer Aussagen gelten kann. Zu fragen ist folglich, ob die Theologie in ihrer gegenwärtigen Form nicht vielmehr eine Kombination unterschiedlicher Aussagestrukturen bildet denn eine Weiterführung einer theologischen Aussagestruktur. In Folge wäre zu klären, welche Strukturverschiebungen und kombinatorischen Methodiken und Regeln eine wissenschaftliche Theologie erfordert. Diese Fragen werden in Teil C dieser Untersuchung erneut aufgegriffen.235 Fragt man vor diesem Hintergrund nach den Implikationen der Schriftlehre und der Überlegungen zur theologischen Schriftauslegung für Schlinks Schriftgebrauch, sind folgende Spezifika von Interesse: Erstens lässt sich fragen, ob der gemeinsamen „Sache“ der biblischen Texte erkenntnisleitende Funktion in der Auslegung der biblischen Texte im Kontext der dogmatischen Argumentation zukommt. Damit verbunden ist zweitens zu klären, wie sich die hermeneutischen Unterscheidungen der Erkenntniswege Glaube und Erkennen, der Erkenntnisquellen Glaube und Vernunft, sowie der Unterscheidung von Schrifterforschung und Schriftauslegung im Schriftgebrauchs Schlinks niederschlagen. Drittens ist auch die enge Verbindung von Kanon, Dogma und Kirchenordnung insofern interessant, als sie das Verhältnis von Schrift und Tradition in besonderer Weise in den Vordergrund stellt. Eine Besonderheit für die Fragestellung der vorliegenden Studie stellt die Tatsache dar, dass Schlink selbst Leitfragen zur Prüfung der Schriftgemäßheit der Bekenntnisse im Rahmen ihrer dogmatischen Erforschung nennt. Er fragt damit nicht nach Leitlinien für dogmatischen Schriftgebrauch o.ä., jedoch kommt in sehr konkreten Fragen die Verbindung der dogmatischen Forschung zur Schrift in den Blick. Schlink formuliert zehn analytische Fragen: (2,1) Welche biblischen Begriffe sind in den zu erforschenden Dogmen aufgenommen? (2,2) Welche haben hier den Rang von zusammenfassenden dogmatischen Oberbegriffen erhalten, denen andere biblische Begriffe zum selben Thema untergeordnet sind? (2,3) Welche biblischen Aussagen sind ausdrücklich zitiert? (2,4) Welche zum Thema wichtigen biblischen Begriffe und Aussagen sind im Dogma übergangen? (2,5) Welche biblischen Textgruppen (z. B. paulinische oder johanneische) sind bevorzugt? (2,6) Welche Sicht des Verhältnisses von Altem und Neuem Testament ist im Dogma erkennbar? (2,7) Nicht nur der Inhalt der entsprechenden dogmatischen und neutestamentlichen Aussagen, sondern auch der Akt und die Struktur dieser Aussagen sind miteinander zu vergleichen. (2,8) Welche außerbiblischen, insbesondere philosophischen Begriffe und Aussagen sind im Dogma aufgenommen? Inwieweit sind sie in den Dienst der zu bekennenden apostolischen Botschaft gestellt und von den biblischen Zeugnissen her verändert? (2,9) Inwieweit sind dogmatische Aussagen durch Syllogismen aus biblischen, dogmatischen und philosophischen Aussagen abgeleitet?

 Vgl. weiterführend Abschnitt C 3.

235

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(2,10) In welcher Nähe befindet sich das zu untersuchende Dogma zur christologischen Mitte der apostolischen Botschaft und zu den urchristlichen Bekenntnissen?236

Auch wenn Schlink mit diesen Fragen nicht auf eine Untersuchung des Schriftgebrauchs abzielt, ist es ob der Nähe zur Fragestellung dieser Studie interessant, diese Fragen mit den Analysen des Schriftgebrauchs ins Verhältnis zu setzen.

1.4. Schriftgebrauch bei Schlink In der Analyse des Schriftgebrauchs wird anhand von zwei ausgewählten Themenfeldern untersucht, wie die Bezüge auf biblische Texte in den jeweiligen Argumentationsgang eingebunden werden. Die Beobachtungen werden abschließend im Blick auf die in der Einführung genannten Leitfragen ausgewertet.237 1.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl Schlink entfaltet die Abendmahlslehre in Kapitel XVI seiner Dogmatik, verbunden mit Überlegungen zum neuen Bund und der Taufe, die der Auseinandersetzung mit dem Abendmahl vorausgehen.238 Die Ausführungen zum Abendmahl gliedern sich in fünf Abschnitte.239 Schlink beginnt seine Überlegungen im ersten Teilkapitel zur Begründung des Abendmahls mit dem Hinweis, dass der Bericht von Jesu Mahl die Mitte des Herrenmahls in allen Kirchen bilde.240 Die neutestamentlichen Mahlberichte werden im ersten Teilkapitel ausgelegt. 236 Schlink, Dogmatik, 657. Kurz vorher differenziert Schlink elf Fragen zur philologischhistorischen Erforschung des Dogmas (1,1–1,11), die hier nicht vertieft werden können. A. a. O., 656. 237 Vgl. zur Auswahl der Themenfelder, methodischen Eingrenzung und den Leitfragen Abschnitt A 3. 238 Die Kapitel zum neuen Bund (XIV ) und zur Taufe (XV ) stehen in der Gliederungsebene nebeneinander. Ihre Verbindung zeigt sich darin, dass Schlink diese drei Kapitel im Anschluss an die Ausführungen zum Abendmahl unter der Überschrift „Der Reichtum des Gnadenwirkens Gottes und die Zahl der Sakramente“ zusammenfasst. Solche zusammenfassenden Zwischenabschnitte führen in der gesamten Ökumenischen Dogmatik zur Bildung von thematischen Clustern ohne explizite Gliederungsebene. 239  Es handelt sich um folgende Teilkapitel: 1. Die Begründung des Herrenmahls (Schlink, Dogmatik, 490–494), 2. Die Gabe von Jesu Leib und Bundesblut (a. a. O., 494–497), 3. Die Verheißung des Mahles im Reiche Gottes (a. a. O., 497–499), 4. Die eucharistisch-anamnetische Anerkennung des gegenwärtigen Christus (a. a. O., 499–509), 5. Die Auferbauung der Kirche (a. a. O., 509–513). 240 Vgl. a. a. O., 490.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Der Abendmahlsbericht wird in seiner Rezitation erstens als Stiftung des Mahls gedeutet, so Schlink. In einem Exkurs verweist er auf die unterschiedlichen Überlieferungen der Einsetzungsworte – ohne diese zu zitieren oder zu explizieren – unter Rekurs auf liturgiegeschichtliche Sekundärliteratur.241 Zweitens müsse das Abendmahl „im Ganzen seiner Geschichte“ verstanden werden, weshalb Schlink Bezüge auf alttestamentliche Gottestaten und -worte, Jesu Mahlgemeinschaft, den auf Jesu Tod rückblickenden Charakter des Abendmahls und den Zusammenhang zur Geistausgießung herausarbeitet.242 Die im Abendmahl anklingenden alttestamentlichen Gottestaten erläutert Schlink durch Nennung der Topoi: die Herausführung aus Ägypten, das Passamahl, den Bundesschluss am Sinai und die Aussagen über den Gottesknecht in Jes 53. Die Verheißung des neuen Bundes beschreibt Schlink unter Verweis auf Jer 31,31–34, Jes 25,6 Jes 53 und Jes 65,13 und die Weiterführungen dieser Tradition in Hen 62,14 f und ApcBar 9,3 ff.243 Die biblischen Texte werden als Gegenstand der Auslegung eingebracht. Zur Mahlgemeinschaft verweist Schlink allgemein auf Evangelienberichte und zitiert Mk 2,19 in heuristischer Funktion zum Zusammenhang von Mahl und Heil.244 Zur Beschreibung des auf den Tod Jesu rückblickenden Charakters des Abendmahls bezieht sich Schlink nicht auf biblische Texte, ebenso wenig wie bei der Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Abendmahl und Geistausgießung. Der nächste Abschnitt befasst sich mit dem Befehl des irdischen Jesus zum Abendmahl.245 Schlink entfaltet hier in einem längeren Exkurs die historischen Fragen nach dem Bezug zum Passamahl, der Spendeworte und des Wiederholungsbefehls, die sich aus der differierenden Bezeugung in den neutestamentlichen Texten ergeben.246 Zum Verhältnis von Passamahl und Abendmahl bezieht sich Schlink einmal auf die Beschreibung als „Passalamm“ in 1 Kor 5,7, die Gegenstand der folgenden Erörterungen ist.247 Zur Frage nach der ältesten neutestamentlichen Überlieferung der Spendeworte stellt Schlink historische Eckdaten zur Entstehung von 1 Kor 11,23–25 vor und vergleicht die Formulierungen mit den synoptischen Berichten.248 Schlink zitiert hier die Wendungen der Berichte, ohne Belegstellen zu nennen. Zitiert wird allein die paulinische Beifügung von 1 Kor 11,26, an die sich wiederum eine literargeschichtliche Erörterung anschließt. Die biblischen Texte sind hier Gegenstand der Auslegung. In der an Vgl. ebd.  A. a. O., 490 f. [Hervorhebung im Original]. 243 Vgl. a. a. O., 490. 244 Vgl. a. a. O., 491. 245  Vgl. ebd. 246  Vgl. a. a. O., 491–493. 247   A. a. O., 492. 248 Schlink hält fest, dass der Brief im Jahr 54 oder 55 entstanden ist und somit mindestens 15 Jahre älter ist als das erste Evangelium. Eine Begründung oder einen Beleg für diese Einordnung führt er nicht an. 241 242

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schließenden Diskussion des historischen Problems des Wiederholungsbefehls zitiert Schlink diesen einmal, ohne Belegstellen zu nennen.249 Am Rande dieses Exkurses zu den mit dem Abendmahl verbundenen exegetischen und historischen Fragen finden sich interessante Bemerkungen, die das Verhältnis von historischer Forschung und dogmatischer Urteilsbildung betreffen. So schreibt Schlink, bevor er den Exkurs beginnt: „So wichtig alle diese Fragen für die historische Erkenntnis des letzten Mahles sind, so sind sie es doch nicht in gleicher Weise für das Verständnis des Herrenmahls.“250 Im Exkurs kommt Schlink stellenweise auf diese Gewichtung zurück: Er führt die Frage nach der ältesten neutestamentlichen Überlieferung der Spendeworte ein mit der Formulierung, dass diese „unvergleichlich wichtiger für das Verständnis des Herrenmahls“ sei als die zuvor traktierte Frage nach dem Verhältnis von Passamahl und Abendmahl.251 Die dritte und letzte Frage nach dem Wiederholungsbefehl ist wiederum nicht auf diese Weise in ihrer Bedeutung für das Verständnis des Herrenmahls hervorgehoben. Nach Abschluss des Exkurses zu den historischen Fragen findet sich eine Schlussfolgerung, die dem vorangestellten Satz sehr ähnelt: So wichtig auch diese historischen Rückfragen sind, so gründet doch das Herrenmahl der Kirche nicht auf einem der vielen mehr oder weniger wahrscheinlichen historischen Rekonstruktionsversuche [sic], sondern auf den neutestamentlichen Abendmahlsberichten.252

Hier unterscheidet Schlink nicht nur zwischen historischen Fragen und (dogmatischem) Verstehen wie in dem vorangestellten Satz, sondern auch zwischen den Texten selbst und ihrer historischen Rekonstruktion: Dem Text selbst scheint dabei Bedeutung für das Verstehen zugetraut zu werden, das neben dem Erforschen erfolgt. Während die erste Unterscheidung Schlinks Unterscheidung von Erforschen und Verstehen spiegelt, zieht die Unterscheidung zwischen Text und Rekonstruktion eine neue Ebene ein. Zu fragen wäre, ob diese scharfe Unterscheidung nicht deren enge Verbindung übersieht: Denn die forschende (historisch-exegetische) Frage z. B. nach der ursprünglichsten Abendmahlsüberlieferung – oder auch die von Schlink nicht thematisierte Frage nach der Verbreitung und Rezeption der unterschiedlichen Abendmahlsüberlieferungen – versucht ja eben zu klären, welche Berichte wann und wo genutzt wurden und fragt damit zugleich nach dem urchristlichen Verstehen des Abend249 Vgl.

ebd. 491. 251   A. a. O., 492. 252 A. a. O., 493. Schlink wehrt sich einige Sätze später gegen die Vorstellung, dass eine historische Rekonstruktion der urchristlichen Abendmahlspraxis die heutigen Fragen an das Abendmahl beantworten würde. Hier wird die Intention seiner Abgrenzung – gerade im Kontext seiner ökumenischen Dogmatik – sehr deutlich. Schlink geht es, gerade im Kontext des ökumenischen Dialogs, vielmehr um die Pluralität des biblischen Zeugnisses selbst. 250  A. a. O.,

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mahls und liegt dadurch auf der gleichen Ebene wie Verstehensbemühungen heute. Dieser Beobachtung wird im Fazit dieses Kapitels vor dem Hintergrund der Analysen des Schriftgebrauchs weiter nachgegangen.253 Im vierten Abschnitt wendet sich Schlink der Selbsthingabe Jesu im Abendmahl zu, die in den von ihm zitierten Brot- und Kelchworten zum Ausdruck kommt.254 Wie in den vorangegangenen Abschnitten sind auch hier diese – ohne Belegstellen – zitierten Textstellen Gegenstand der Auslegung. Im zweiten Teilkapitel mit dem Titel „Die Gabe von Jesu Leib und Bundesblut“ wendet sich Schlink der Struktur der Spendeworte zu, die er zunächst mit der Struktur der Spendeworte des Passamahls und der Struktur von Jesu Gleichnissen vergleicht. Er zitiert zu Beginn eine Gleichniseinleitung „Das Himmelreich ist gleich wie …“.255 Verbunden mit einer kurzen Einordnung in die jüdische Umwelt, einer Wortfeldanalyse, sowie eines Vergleichs der aramäischen und griechischen Varianten erwägt Schlink mögliche Übersetzungen der Spendeworte in einem knappen Exkurs und schlägt als Übersetzung des Gabecharakters der Spendeworte „Da – mein Leib“ und vergleichbar vor.256 Schlink zeigt sodann detailliert die Differenzen zwischen den Überlieferungen der Spendeworte auf. Durchgehend sind die zahlreichen Bezüge auf biblische Textstellen Gegenstand der Auslegung: Zur paulinischen Überlieferung stellt er v. a. etymologische Überlegungen zum Ausdruck Leib im Aramäischen, Griechischen und Hebräischen an.257 Sodann zitiert er das Kelchwort aus 1 Kor 11,25 und deutet dieses im Licht des neuen Bundes aus Jer 31,31–34 und dem Opferblut in Ex 24,5–11.258 Den beiden alttestamentlichen Textstellen kommt dabei eine heuristische Funktion für die Deutung des Kelchworts zu. Zur mt und mk Überlieferung diskutiert Schlink insbesondere die Abweichung des Kelchwortes und betont die engere Verbindung von Brot und Kelch unter Zitat des ersten Teils des Spendeworts.259 Diese begünstigt nach Schlink die in der Kirchengeschichte beobachtbare „Verschiebung von Jesu Person und Geschichte weg zur Stofflichkeit seines Leibes und Blutes“ mit den entsprechenden ökumenischen Differenzierungen.260 Die Selbsthingabe Christi hingegen tritt am deutlichsten bei Paulus zu Tage, wie er in einem abschließenden Exkurs, begründet auf Zitaten von 1 Kor 10,16 und 1 Kor 11,27, festhält.261 Auch in der Aus253 Vgl.

die Abschnitte B. 1.5. und C 3.  Vgl. ebd. 255 Schlink gibt hier keine Belegstelle an, bezieht sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Mt 13,24.33.44; 20,1; 22,2. A. a. O., 494. 256 Ebd. Literatur für diese Einordnungen führt Schlink nicht an. 257 Vgl. a. a. O., 495. 258  Vgl. ebd. 259  Vgl. ebd. 260 Ebd. 261  Vgl. a. a. O., 496. 254

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einandersetzung mit der johanneischen Überlieferung fokussiert Schlink auf den Parallelismus der Spendeworte in Joh 6,53–56. Die folgenden Zitate und Nennungen haben beschreibende und zum Teil sich gegenseitig interpretierende und damit heuristische Funktion: So dient das Zitat von Joh 6,63 als Argument gegen eine stoffliche Interpretation von v51.58, bzw. v48.262 In einem weiteren Exkurs schließt Schlink eine Betrachtung der mit den Spendeworten verbundenen interpretierenden Zusprüche an: Schlink betont den Anklang der Formulierung „für viele“ an das Sühnopfer in Jes 52,14 f und Jes 53,11 f, sowie Ex 24.263 Erneut kommt hier den alttestamentlichen Textstellen eine heuristische Funktion für die Auslegung der Spendeworte zu. Die mt Ergänzung „zur Vergebung der Sünden“ interpretiert Schlink durch Jes 53 und Jer 31, sowie Joh 6,46–63.264 Abschließend verweist Schlink auf die ekklesiologische Bedeutung des Plurals in den interpretierenden Zusätzen zu den Spendeworten.265 Diese Interpretamente führen ihn zu einer „dynamischen, in die Menschheit vordringenden Entfaltung des Zuspruchs des Todes Jesu“.266 Das dritte Teilkapitel unter der Überschrift „Die Verheißung des Mahles im Reiche Gottes“ wendet sich der eschatologischen Verheißung des Abendmahls zu. Diese gründet für Schlink in den Verheißungen, die sich in allen synoptischen Überlieferungen und in 1 Kor 11,26 finden.267 Diese Bezüge haben somit eine heuristische Funktion. In einem kurzen Exkurs zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund in den „alttestamentlich-prophetischen und jüdisch-apokalyptischen Erwartungen des zukünftigen Freudenmahls“ zeigt Schlink auf, dass diese deutlich weniger umstritten sind als die Spendeworte.268 Er betont die Bedeutung der unterschiedlichen Überlieferungen, die er in einem Exkurs darstellt, der als eigene exegetische Untersuchung beschrieben werden kann. Die zitierten und genannten Textstellen (Mk 14,25b; Mt 26,29b; Lk 22,15.18) sind dabei Gegenstand der Auslegung. Im Vergleich der synoptischen Überlieferungen hebt Schlink die Unterschiede in der zweiten Satzhälfte hervor. In der lk Fassung erkennt Schlink unter Verweis auf Lk 22,30 eine Erwartung Jesu für sich und eine Verheißung an die Jünger. Der Struktur nach liegt hier nach Schlink ein „Abschieds-, Erwartungs- und Verheißungswort“ vor.269 Für die paulinische Überlieferung verweist Schlink nur auf die Zufügung von 1 Kor

262 Vgl.

ebd. ebd. 264  A. a. O., 496 f. 265  Vgl. a. a. O., 497. 266  Ebd. 267  Vgl. ebd. 268  Ebd. 269  Ebd. 263 Vgl.

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11,26, die er auch zitiert.270 Im Folgenden führt er, u. a. Joh 16,20 in belegender Funktion zitierend, aus, wie die Verheißung an die Jünger sich durch die Auferstehung und den Heiligen Geist erfüllt hat und deutet sie für die Gemeinde.271 Das vierte Teilkapitel „Die eucharistisch-anamnetische Anerkennung des gegenwärtigen Christus“ befasst sich mit der ökumenisch zentralen Frage nach der Gegenwart Christi im Abendmahl. Biblische Bezüge finden sich in Schlinks Überlegungen zur Gegenwart des erhöhen Christus, die er durch Hebr 5,6 und Offb 5,6 beschreibt.272 Im Zusammenhang des gekreuzigten Christus verweist Schlink allgemein auf die Hervorhebung der Spendeworte in „allen neutestamentlichen Abendmahlsberichten“, zitiert das Kelchwort nach paulinischer Überlieferung und verweist auf die Bedeutung des Abendmahls als Verkündigung des Todes Christi in 1 Kor 11,26.273 Allen Bezugnahmen kommt eine heuristische Funktion für die Reflexion zu. Dies gilt auch für das Zitat von 2 Kor 3,17, das Schlink im Folgenden zur Begründung der Gegenwart des Geistes im Abendmahl anführt.274 In der folgenden Reflexion auf die Vorstellung der Realpräsenz bezieht sich Schlink nur einmal explizit auf einen biblischen Text, wenn er mit Paulus in 1 Kor 15,44 ff zwischen geistlichem und psychischem Leib sowie himmlischem und irdischem Menschen unterscheidet.275 Dieser Differenzierung kommt jedoch in der folgenden Diskussion um das räumliche Problem der Gegenwart Christi große Bedeutung zu, da sie als eine der Grundlagen für Schlinks argumentative Lösung zur ökumenischen Verständigung in dieser Frage dient. Nach einer längeren Darstellung der kirchengeschichtlichen und ökumenischen Entwicklungen verbindet Schlink diese mit den vorangegangenen Überlegungen zur Struktur der Spendeworte als „Darreichung und Anspruch“ und begründet so, dass der Empfang des Abendmahls den Blick „nicht mehr auf das Verhältnis von Zeichen und Sache, sondern ganz auf die Sache, nämlich auf den im Mahl sich schenkenden Christus gerichtet“ hält.276 Die ökumenischen Implikationen führt Schlink noch etwas weiter aus. Im Blick auf den Schriftgebrauch lässt sich festhalten, dass in diesem Kapitel – auch wenn kaum explizite Schriftverweise vorliegen – den biblischen Texten und ihren Auslegungen in den vorangestellten Abschnitten an einer zentralen Stelle der Argumentation eine große heuristische Kraft zukommt: Denn gerade die Pluralität der Überlieferungen ist für Schlink der Schlüssel für den ökumenischen Umgang mit Differenzen in den Abendmahlsfeiern. 270 Vgl.

a. a. O., 498. ebd. 272 Vgl. a. a. O., 499. 273  Schlink nennt bei den ersten beiden Bezugnahmen jeweils keine Belegstellen. A. a. O., 500. 274  Vgl. a. a. O., 501. 275  Vgl. a. a. O., 503. 276   A. a. O., 507. 271 Vgl.

1. Edmund Schlink

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Das fünfte Teilkapitel zur Auferbauung der Kirche leitet Schlink mit dem Befehl Jesu „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ ein und folgert daraus, dass das Abendmahl ein Tun des Menschen ist.277 Zugleich ist das Abendmahl auch ein Handeln Gottes, wie Schlink 2 Kor 5,20 und Gal 2,20 zitierend ausführt.278 Es schließen sich Überlegungen zur Messopfertheologie an. Dieser gegenüber hält Schlink u. a. fest, dass diese durch „Röm 12,1 und durch andere neutestamentliche Aussagen“ nicht nahegelegt werde.279 Er verweist im Verlauf der Argumentation daneben zweimal auf alttestamentliche Opfervorstellungen, denen ebenfalls eine heuristische bzw. begründende Funktion zukommt.280 1.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod Schlink ordnet seine Überlegungen zum Tod in das Kapitel VI seiner Ökumenischen Dogmatik ein, das den Titel „Die Verfehlung des Menschen“ trägt.281 Das hier untersuchte fünfte Teilkapitel zum Thema Tod ist mit etwa vier Seiten sehr knapp gehalten. Schlink beginnt seine Argumentation mit der These: „Aus der Abkehr von Gott folgt der Zerfall des menschlichen Lebens.“282 Seine folgende Beschreibung des Wesens des Todes enthält keine Bezugnahmen auf biblische Texte, sondern bezieht sich auf die Ausführungen der vorangegangenen Kapitel: Schlink führt aus, dass der Mensch sein Leben verliert, weil der Mensch selbst darüber verfügen will. Dieses Auseinanderfallen und Gegeneinanderwirken führt zur Entfremdung und kommt im Tod zum Abschluss.283 Der Tod beendet daher nicht nur das körperliche Leben, sondern das „Leben in der Ganzheit menschlicher Wirkungsmöglichkeiten“.284 Dabei enthüllt der Tod die „Wirklichkeit des Sünders“ – nicht, weil der Mensch vor der Sünde unsterblich war, sondern weil er auf Unsterblichkeit hin geschaffen und ihm das ewige Leben verheißen war, das er nun im Tod verfehlt.285 Der Tod ist damit zugleich Folge des Menschen und Gottes Tat.286 Im Tod ergeht Gottes Gericht über den Sünder, führt Schlink Ps 90, 8.11 zitierend aus.287 277 Schlink nennt hier keine Belegstelle. A. a. O., 509. Denselben Vers zitiert Schlink, ebenfalls ohne Belegstelle, gegen Ende dieses Teilkapitels. Vgl. a. a. O., 513. 278  Vgl. a. a. O., 510. 279  A. a. O., 511. 280  Vgl. a. a. O., 511.513. 281  Schlink führt insgesamt sechs Themenfelder aus: 1. Die Abkehr von Gott; 2. Die Gefangenschaft in der Schuld, 3. Der Drang zur Sünde; 4. Die Herrschaft der Sünde; 5. Die Gerichtsverfallenheit des Menschen: Der Tod; 6. Ursprung und Verfehlung. 282  A. a. O., 136. 283 Vgl. ebd. 284  Ebd. 285  Ebd. 286  Vgl. ebd. 287  Vgl. a. a. O., 137.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Das Lebensende bedeutet dabei aber nicht den Zerfall ins Nichts, sondern nach Schlink wird der „Sünder […] in Nichtigkeit verschlossen und darin aufbewahrt“ und bleibt derjenige, der er irdisch geworden ist.288 Schlink sieht diese Aussage in einer breiten Bezeugung im Alten und Neuen Testament begründet, die er im Folgenden anführt: Er nennt Num 23,10, Ri 16,30 und Hi 36,14 als Belegstellen für die Überzeugung der Sterblichkeit der Seele, führt jedoch weiter aus, dass näphäsch sowohl Seele als auch Leben bedeute.289 Diese semantische Beobachtung bleibt ohne biblische Beleg, ebenso wie die weitere Argumentation. Nach Schlink bestreitet die Vorstellung von der Sterblichkeit der Seele nicht das Bleiben im Totenreich, sondern beschreibt vielmehr den Zusammenhang des leib-seelischen Mensch im Tod.290 Gleichermaßen ist nach Schlink auch im Neuen Testament nicht von der Unsterblichkeit der Seele zu lesen.291 Neutestamentliche Überlegungen zum Verhältnis von Leib und Seele führt er an dieser Stelle nicht aus. Schlink wendet sich vielmehr der Frage nach der Kontinuität zwischen irdischem Leben und dem Dasein im Tod zu.292 Er führt im Folgenden Justin und Tertullian an und verweist auf die seit Origenes bestehende Lehre der Unsterblichkeit der Seele.293 Demgegenüber möchte Schlink von der Unzerstörbarkeit der Seele sprechen, da diese Beschreibung seiner Meinung nach nicht zu einer hellenistischen Überfremdung des „biblischen Todesverständnisses“ führt.294 Eine Konkretion dieses biblischen Todesverständnisses, bzw. eine Abgrenzung gegenüber hellenistischen Todesverständnissen bietet Schlink nicht. Eine intensive Auseinandersetzung mit biblischen Texten entfaltet hingegen der folgende Abschnitt zur Unentrinnbarkeit des Todes. Ausgehend von der These, dass die Wirklichkeit des Todes wie die Sünde offenbar wird durch die Anrede Gottes, begründet Schlink diese ausführlich mit Interpretationen alt- und neutestamentlicher Texte.295 Den biblischen Texten kommt dabei nahezu durchgehend begründende Funktion zu. Zunächst wendet Schlink sich dem Alten Testament zu und hält fest, dass Israels Verständnis von Leben und Tod sich durch Gottes Heilstat in Ägypten erschloss: Während Vertrauen und Gehorsam das Leben zugesagt war, werden die Toten ohne Kraft zum Genießen und ohne  Ebd.

288

289 Einen

Verweis auf Lexika oder exegetische Sekundärtexte gibt Schlink nicht. Vgl. ebd.  Vgl. ebd. 291 Vgl. ebd. 292 „Während in der Christenheit von Anfang an mit großer Eindrücklichkeit Gottes kommendes Gericht und die bleibende Verantwortlichkeit der Verstorbenen für alles, was sie in ihrem irdischen Leben getan haben, verkündigt wurde, war man an einer genaueren Bestimmung dessen, was vom Menschen nach dem Zerfall des Leibes im Tode bleibt, zunächst wenig interessiert.“ Was Schlink als „Christenheit von Anfang an“ im Blick hat, bleibt offen. Ebd. 293  Vgl. ebd. 294  Ebd. 295  Vgl. a. a. O., 138. 290

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Zugang zu Gott beschrieben.296 Begründend zitiert Schlink hierzu Ps 6,6 und Jes 38,18 und verweist zudem auf Ps 88,1–13 und Ps 115,17.297 Ps 73,23–26 nennend führt Schlink weiter aus, dass nur vereinzelt im Alten Testament von der Gewissheit der Gemeinschaft mit Gott nach dem Tod zu lesen ist.298 Der Gedanke von der Auferstehung hat sich nach Schlink erst spät in Israel verbreitet, vielmehr wird die Scheol als Ort der Gottesferne verstanden und der Totenkult ist streng untersagt gewesen, wie Schlink ohne Verweise auf alttestamentliche Textstellen oder Texte aus der Umwelt des Alten Testaments ausführt.299 Selbstverständlich ist dem Alten Testament vielmehr das Sterben im hohen Alter, „alt und lebenssatt“.300 Zuletzt weist er darauf hin, dass „früher“ der Tod als Gericht Gottes verstanden worden sei, ohne den zeitlichen oder textlichen Bezugspunkt dieser Zuschreibung zu explizieren.301 Nun kommt Schlink zu den neutestamentlichen Texten: Diese beschreiben das irdische Leben vom Tod umgriffen und können auch Lebende als Tote bezeichnen.302 Ausgehend von einer Paraphrase Lk 9,60 und Zitaten von Eph 5,14 und 1 Tim 5,6 führt Schlink aus, dass die Sünder das Leben bereits verloren haben, da sie von Gott getrennt sind.303 Röm 5,12 und Röm 6,23 zitierend führt Schlink weiter, dass alle Lebenden als Tote gelten und der Tod daher so allumfassend herrscht wie die Sünde.304 Dass der Tod als Gottes Gericht gilt, macht Schlink unter Bezug auf die Beschreibung als „ewiges Feuer“ (Mk 9,43 u. a.), „ewige Pein“ (Mt 25,46) und „zweiter Tod“ (Offb 20,14; 21,8) deutlich.305 Zusammenfassend hält Schlink fest, dass das Evangelium die Illusionen der Menschen über ihre Todesverfallenheit zerschlägt, indem es eine „unvergängliche Lebensgemeinschaft mit Gott“ ermöglicht.306 Abschließend führt Schlink in einem kurzen Exkurs aus, dass in der Kirchengeschichte phasenweise stärker die Herrschaft des Todes und in anderen Zeiten stärker seine „Entmächtigung durch Christus“ betont worden ist.307 Er verweist darauf, dass die neutestamentlichen Texte im Blick auf den Zwischenzustand

296 Vgl.

ebd. ebd. 298 Vgl. ebd. 299 Vgl. ebd. 300  Ebd. Diese Formulierung ist vermutlich in Anspielung auf die Formulierung der Lutherübersetzung in Gen 25,8, Gen 35,29, 1 Chr 23,1, 1 Chr 24,15 oder Hi 42,17 zu lesen. Schlink macht diesen – bereits sprichwörtlich gewordenen – Bezug jedoch nicht durch einen Beleg explizit. 301 Ebd. 302 Vgl. ebd. 303 Vgl. ebd. 304  Vgl. a. a. O., 139. 305  Ebd. Schlink betont, dass er in diesen Beschreibungen keine jüdisch-apokalyptische Überformung erkennt. 306  Ebd. 307 Ebd. 297 Vgl.

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des Menschen sehr zurückhaltend sind.308 Schlink schließt das Kapitel mit dem Zusammenhang zwischen dem Todesgericht und der Zuwendung zu Christus: Die Entscheidung über Leben und Tod fällt mit Annahme oder Ablehnung der Christusbotschaft, wie er Joh 5,24 zitierend betont.309 1.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs Die im Nachvollzug der Argumentation gewonnenen Beobachtungen werden im Folgenden im Blick auf die in der Einleitung genannten Leitfragen ausgewertet.310 Um diese nachvollziehen zu können, sind die Ergebnisse der Analysen des Argumentationsganges im Anhang tabellarisch dokumentiert.311 Fragt man nach der Bedeutung der biblischen Bezüge für die Themenexposition und Argumentation so wird deutlich, dass Schlinks Argumentation in den beiden untersuchten Kapiteln der „Ökumenischen Dogmatik“ in unterschiedlichem Maß und in unterschiedlicher Weise durch den Bezug auf biblische Texte geprägt ist. Während das Kapitel zum Abendmahl – den Wurzeln und der theologischen Verortung des Themas folgend – bei den neutestamentlichen Berichten einsetzt und diese und ihre Auslegung nahezu durchgehend Gegenstand der Erörterung sind und zur gegenseitigen Interpretation heuristische und begründende Funktionen entfalten, ist das Thema Tod zwar durch seine Einbettung in die Sündenlehre theologisch und biblisch verortet, auf biblische Texte wird jedoch nur in einem Abschnitt explizit verwiesen. Während die biblischen Texte in den Überlegungen zum Abendmahl explizit im untersuchten Kapitel entfaltet werden, ist das Kapitel zum Tod stärker von der vorher entfalteten Sündenlehre geprägt, die sich in den im Text rezipierten biblischen Texten spiegelt. In beiden Kapiteln werden biblische Texte in Form von Zitaten, Nennungen und Verweisen eingebunden, wobei sich bei Schlink auffallend viele Zitate und Verweise ohne Angabe der Bibelstelle finden.312 So lässt sich in Schlinks Darstellung zum Abendmahl oft nur schwer zwischen Bezügen auf biblische Traditionen und auf liturgisch gewordene Formulierungen313 unterscheiden und der Hintergrund 308 Vgl.

ebd.  Vgl. ebd. 310 Erstens die Bedeutung der biblischen Bezüge in der Themenexposition und Argumentation, zweitens der genutzte working canon, drittens die Funktionen der einzelnen Schriftbezüge im Argumentationsgang, sowie viertens der Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur. Vgl. Abschnitt A 3.3. 311  Vgl. im Anhang Abschnitt I. Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink. 312  Vgl. Anhang Abschnitt I. Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink. 313 Schlink verweist ganz zu Beginn auf die Tatsache, dass die liturgischen Formen nicht mit den neutestamentlichen Texten übereinstimmen (Vgl. Schlink, Dogmatik, 490). Mehrfach 309

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der (auch) biblisch bezeugten Begriffe wie „Opfer“ und „Bund“314 ist oft nicht zu klären. Daneben verweist Schlink neun Mal allgemein auf biblische Texte oder Aussagen.315 Im Kapitel zum Abendmahl fällt eine Besonderheit bei der Verteilung der Schriftbezüge ins Auge: So finden sich in der Schilderung der biblischen Grundlagen des Abendmahls deutlich mehr explizite Schriftverweise als in der folgenden dogmatischen Diskussion, die überwiegend historische Perspektiven berücksichtigt. Auffallend ist jedoch, dass der Argumentationsgang im vierten Unterkapitel mit einem Rückbezug auf die exegetischen Überlegungen zur Struktur der Spendeworte unterbrochen wird mit dem Ziel, die dogmatische Fragestellung mit Hilfe dieses Bezugs argumentativ zu lösen.316 Trotz der quantitativ ungleichen Verteilung lässt sich daher eine heuristische Funktion biblischer Bezüge und ihrer Auslegungen in der Anlage des gesamten Kapitels erkennen. Der Blick auf den working canon führt eine große Breite der angeführten biblischen Texte vor Augen, sowohl in Schlinks Auseinandersetzung mit dem Abendmahl als auch in seinen Überlegungen zum Tod. An einigen Stellen verweist er zudem auf außerkanonische Literatur.317

zitiert er biblische – und liturgisch gewordene – Textstellen ohne biblischen Beleg: „dies tut zu meinem Gedächtnis“ (a. a. O., 513), bzw. in Variation auch „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ (a. a. O., 492.509), „zur Vergebung der Sünden“ (a. a. O., 496), „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut“ (a. a. O., 500 mit Verweis darauf, dass dies die paulinische Fassung des Kelchworts ist); „das ist mein Blut des Bundes“ (a. a. O., 495), „für euch“ (a. a. O., 501), sowie die Spendeworte (a. a. O., 492.493.494.495) oder die Gleichniseinleitung (a. a. O., 494). 314  Zum einen verweist Schlink auf den neuen Bund (vgl. a. a. O., 495), wiederum ohne Explikation zum biblischen Hintergrund oder Verweis auf das entsprechende andere Kapitel seiner Dogmatik. Zum anderen finden sich zwei Verweise auf die biblische Rede vom „Opfer“: Diese finde sich im Alten und Neuen Testament, jedoch nicht in den Abendmahlstexten selbst (vgl. a. a. O., 511 f ). Die Rede vom „Opfer Christi“ findet sich an vielen Stellen des Kapitels, jedoch ohne auf biblische Hintergründe zu verweisen. 315  Er führt dann die Herausführung aus Ägypten, das Passamahl, den Bundesschluss, das Bundesopfer und den Gottesknecht als Hintergründe für das Abendmahlsverständnis an (vgl. a. a. O., 490). Wenig später verortet er das Geschehen des Abendmahls in den Evangelien (Rückblick auf Tod Jesu, Ausgießung des Geistes) und benennt diese als Voraussetzungen des Herrenmahls (vgl. a. a. O., 491). Schlink nennt sodann den Abendmahlsbefehl als Anlass für historische Rückfragen und verweist auf Berichte der Evangelien über Mahlgemeinschaft (vgl. ebd.). Im weiteren Verlauf der Darstellung verweist Schlink noch einmal auf die Hervorhebung der Spendeworte in den neutestamentlichen Berichten (vgl. a. a. O., 500), bzw. auf deren spezifische Struktur (vgl. a. a. O., 507). Zum Ende des Kapitels nennt Schlink zweimal alttestamentliche Opfervorstellungen (vgl. a. a. O., 511.513), ohne diese zu beschreiben. Im Kapitel zum Tod finden sich drei solcher Verweise: Schlink verweist auf das „biblische Todesverständnis“ (a. a. O., 137), sowie auf das neutestamentliche Verständnis von der Unsterblichkeit der Seele (vgl. ebd.) und vom Zwischenzustand der Menschen (vgl. a. a. O., 139). 316   Vgl. a. a. O., 507 f. 317 Schlink nennt die Weiterführungen des Themas in der apokalyptischen Tradition mit Verweis auf Hen 62,14 f und ApcBar 29,3 ff (vgl. a. a. O., 490). Das ist insofern erwähnenswert, als die Analyse des Registers zeigt, dass Schlink in seiner ökumenischen Dogmatik insgesamt

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Zum Thema Abendmahl zeigt sich ein besonderes Gewicht der paulinischen Abendmahlsbeschreibung, die synoptischen Abendmahlsberichte kommen kaum in den Blick und die in Joh überlieferte Brotrede wird siebenmal zur Deutung herangezogen.318 Terminologisch greift Schlink die paulinische Beschreibung als Herrenmahl auf. Auffallend ist, dass eine Vielzahl biblischer Texte zur Reflexion des Abendmahls einbezogen wird, die in den biblischen Texten nicht explizit mit dem Abendmahl verbunden sind. Dies gilt auch im Blick auf das Verhältnis von alttestamentlichen und neutestamentlichen Textverweisen: Gerade im Abendmahlskapitel sind angesichts des eindeutig neutestamentlich grundierten Themas die Bezüge auf alttestamentliche Texte hervorzuheben, die für Schlink das „Ganze seiner [des Abendmahls] Geschichte“ ausmachen.319 Die Deutungslinien des neuen Bundes, der Sühne und die Sündenvergebung stehen dabei im Zentrum. In der Einbettung in weitere neutestamentliche Deutungshorizonte kommt die eschatologische Ausrichtung der synoptischen Abendmahlsberichte in den Blick, aber auch Textstellen zum Opfer Christi (Röm 12,1), zur Freiheit im Geist (2 Kor 3,17), zum Leben in Christus (Gal 2,20), dem Priester Melchisedek (Hebr 5,6) und zum Lamm aus der Thronvision der Offenbarung (Offb 5,6). Schlink zieht zudem an einer Stelle zwei außerkanonische Textstellen (Hen 62,14 f; ApcBar 9,3 ff ) in beschreibender Funktion heran.320 Zum Thema Tod zieht Schlink alttestamentliche und neutestamentliche Textstellen heran, wobei ein leichter Schwerpunkt in den Bezügen auf den Psalter zu erkennen ist.321 Dabei greift er viele der biblischen Deutehorizonte auf: Seine Verortung des Themas im Kapitel „Die Verfehlung des Menschen“ ordnet seine nur viermal auf außerkanonische Texte (2 Makk, Bar, Hen und 4 Esr) und viermal auf Texte der apostolischen Väter (2 Clem, HermVis, IgnSmyr und Did) verweist. 318 Von den insgesamt 402 expliziten Bezügen auf biblische Texte entfallen zwölf Verweise auf 1 Kor. Zehn der Zitate ohne Textbeleg vermutlich ebenfalls dem 1 Kor entnommen, bzw. Abwandlungen der paulinischen Formulierungen. Dem folgen die Texte der Evangelien: Es finden sich sieben Bezüge auf Joh, jeweils zwei Bezugnahmen auf Mt und Lk und ein Bezug auf Mt. Röm, 2 Kor, Gal, Hebr und Offb werden jeweils einmal erwähnt. Schlink bezieht sich sechs Mal auf Jes, drei Mal auf Jer 31 und zweimal auf Ex 24. Vgl. Anhang Abschnitt I. 319 Schlink, Dogmatik, 490 f. Im Abendmahlskapitel entfallen von 40 Textbezügen 29 auf neutestamentliche Texte und elf auf alttestamentliche Texte. Vgl. Anhang Abschnitt I. Von den elf alttestamentlichen Bezügen entfallen vier auf Schlinks einführende Hinweise zu den alttestamentlichen Rückbezügen in den Abendmahlsberichten, die anderen sind in den argumentativen Verlauf eingebunden. Schlink greift insbesondere auf Texte zum Bund Gottes zurück, wie den Bericht des Bundesschlusses am Sinai in Ex 24, die Verheißung des neuen Bundes in Jer 31. Aber auch das Gottesknechtslied in Jes 53 kommt mehrfach in den Blick. Vgl. Anhang Abschnitt I. 320  Vgl. Schlink, Dogmatik, 490 f. 321 Im Kapitel zum Tod entfallen von 19 Textbezügen neun auf das Alte Testament und zehn auf das Neue Testament. Davon entfallen fünf Bezüge auf den Psalter, zwei auf Röm und Offb, sowie je ein Bezug auf Num, Ri, Jes, Hi, Mk, Mt, Lk, Joh, Eph und 1 Tim. Vgl. Anhang Abschnitt I. Vgl. zur Bedeutung des Psalters für das Thema Tod bei Schlink und Mildenberger Fußnote 364 in Kapitel B 3.

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Überlegungen in den Deutungshorizont des Zusammenhangs von Sünde und Tod ein. Explizit wird der biblische Befund v. a. zur Frage nach der Sterblichkeit der Seele aufgegriffen. Der Tod kommt durchgehend in seiner Gottesrelation in den Blick, als natürliches Phänomen wird er kaum bedacht. Implizit ist die Unterscheidung zwischen natürlichem Tod und einem zweiten Tod vorausgesetzt.322 Zentral ist die Spannung zwischen Gottes Macht und dem Tod, die Schlink nicht unter Verweis auf den biblischen Befund, sondern auf die Kirchengeschichte ausführt. So zeigt sich, dass Schlink zwar wenige biblische Textstellen explizit einbringt, jedoch weite Teile der biblischen Deutehorizonte zum Thema Tod in den Blick nimmt. Dies deckt sich mit den Beobachtungen in den Registern der „Ökumenische[n] Dogmatik“. Im Register von Schlinks „Ökumenische[r] Dogmatik“ sind insgesamt 2421 Verweise auf 1779 biblische Textstellen ausgewiesen. Erkennbar ist ein deutliches Gewicht auf der Rezeption neutestamentlicher Texte: Von den insgesamt 2421 aufgeführten Verweisen entfallen 491 Verweise auf 409 alttestamentliche Textstellen und 1930 Verweise auf 1370 neutestamentliche Textstellen. Dabei nimmt Schlink auf 29 Bücher des AT und 25 Bücher des NT Bezug. Nicht verwiesen wird auf Ruth, 1 Chr, 2 Chr, Esra, Esth, HohL, Ob, Jon, Nah, Hab, Zeph, Phlm und 3 Joh. Quantitativ lassen sich Gewichtungen erkennen: Am häufigsten wird aus dem Alten Testament auf Jes verwiesen (96 Verweise auf 81 Textstellen). Es folgen Verweise auf Gen (75 Verweise auf 48 Textstellen) und Ps (62 Verweise auf 55 Textstellen). Von den neutestamentlichen Texten steht Röm deutlich im Vordergrund (318 Verweise auf 197 Textstellen), gefolgt von 1 Kor (251 Verweise auf 154 Textstellen), Joh (221 Verweise auf 157 Textstellen) und Mt (195 Verweise auf 148 Textstellen). Dass innerhalb dieser breiten Rezeption einige Textstücke vermehrt aufgegriffen werden, zeigt sich deutlich. Bei den alttestamentlichen Bezügen sind diese Häufungen ausgeprägter, am deutlichsten in Gen: Dort entfallen von den 75 Verweisen auf Gen 50 Verweise auf Gen 1–3. Auch in den neutestamentlichen Texten lassen sich solche Häufungen erkennen, auch wenn diese in der Tendenz breiter, d. h. mit mehr Textstellen, rezipiert werden. So häufen sich in den am häufigsten rezipierten Texten z. B. Verweise auf Röm 8 (69 von 318 Verweisen) oder auf 1 Kor 15 (68 Verweise von 251). Auch in den Verweisen auf die Evangelien lässt sich eine Gewichtung erkennen: Am häufigsten verweist Schlink auf Joh (221 Verweise auf 157 Textstellen), gefolgt von Mt (195 Verweise auf 148 Textstellen), Mk (136 Verweise auf 107 Textstellen) und Lk (95 Verweise auf 85 Textstellen). Hinzuweisen ist hier darauf, dass das Register vermutlich Verweise auf Parallelstellen nicht erfasst. Die Überschneidungen im Textgut von Mt und Lk könnten so die sehr unterschiedliche Quantität der Bezüge auf Mt und Lk erklären – referiert wird die mt Textvariante, während die lk Variante nicht erwähnt, bzw. im Register nicht erfasst wird. Dabei greift Schlink nicht auf wenige zentrale Textstellen innerhalb der biblischen Bücher zurück, sondern nimmt ein sehr breites Spektrum in den Blick. So ist z. B. 2 Kor 5,21 mit acht Verweisen die am häufigsten genannte Bibelstelle.

322 Vgl. insbesondere Schlinks Überlegungen, dass das Leben vom Tod umgriffen sei und seine Interpretation ausgehend von Lk 9,60; Eph 5,14; 1 Tim 5,6; Röm 5,12; 6,23. Vgl. Abschnitt B 1.4.2.

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Im Blick auf die Textgattung ist ein leichter Vorzug bei der Rezeption von Lehrtexten im Vergleich zu Erzähltexten, insbesondere im Blick auf neutestamentliche Texte, erkennbar.

Fragt man nach den Funktionen der Bezugnahmen auf biblische Texte, zeigt sich ein recht eindeutiges Bild: In beiden untersuchten Kapiteln werden die biblischen Texte überwiegend mit heuristischer oder begründender Funktion herangezogen. Sie dienen somit entweder der Exposition des Themas oder der Begründung des Argumentationsganges.323 Im Abendmahlskapitel wird dies besonders deutlich: Bei thematischen Neueinsätzen findet sich v. a. ein heuristischer Schriftgebrauch, der dann von beschreibenden Textverweisen abgelöst wird. Wie bereits dargestellt, kommt Schlink an einigen entscheidenden Stellen seiner Argumentation wieder auf seine vorherigen Schriftauslegungen zurück, wodurch diesen häufig argumentative Bedeutung zukommt. In seinen Überlegungen zum Tod ist dieser Zusammenhang nicht so deutlich erkennbar.324 Da die biblischen Texte bei Schlink über weite Teile beider Kapitel mit dogmatischem Interesse selbst ausgelegt werden, verschwimmen hier die Abgrenzungen sehr stark. Dies gilt insbesondere, wenn man nach den eigenen exegetischen Überlegungen Schlinks fragt. Im Abendmahlskapitel lassen sich vier Abschnitte von Schlinks Argumentation als eigene exegetische Untersuchungen beschreiben. Diese finden sich alle im ersten Teil des Kapitels zu den biblischen Grundlagen des Abendmahls. Hervorzuheben ist, dass diese z. T. eine zentrale Rolle in der Argumentation einnehmen. Die erste und ausführlichste Auslegung findet sich zur Frage nach der Einsetzung des Abendmahls durch Jesus.325 Schlink rahmt seine Ausführungen mit der bereits dargestellten Verhältnisbestimmung von historischem und verstehendem Forschen.326 Zugleich dient seine historische Untersuchung wie oben bereits skizziert als Ausgangspunkt für mögliche Ver-

323 So finden sich im Kapitel zum Abendmahl von 40 Verweisen auf biblische Texte 11 Verweise mit begründender Funktion und 18 Verweise mit heuristischer Funktion. Die 21 Verweise ohne Belegstellen – Zitate der liturgisch gewordenen neutestamentlichen Textstellen, sowie allgemeine Verweise – haben dreimal begründende und achtmal heuristische Funktion. Den Verweisen ohne Belegstellen kommt neunmal beschreibende Funktion zu. Vgl. Anhang Abschnitt I. 324 Im Kapitel zum Tod finden sich von 20 Verweisen auf biblische Texte acht Verweise mit begründender Funktion, sowie vier Verweise mit heuristischer Funktion. Vier Verweise haben beschreibende Funktion, zwei belegende Funktion. Den vier Verweisen ohne Belegstellen kommt dreimal beschreibende und einmal belegende Funktion zu. Vgl. Anhang Abschnitt I. 325  Vgl. Schlink, Dogmatik, 492–493. 326  „So wichtig auch diese historischen Rückfragen sind, so gründet doch das Herrenmahl der Kirche nicht auf einem der vielen mehr oder weniger wahrscheinlichen historischen Rekonstruktionsversuchen, sondern auf den neutestamentlichen Abendmahlsberichten. […] Selbst wenn es gelänge, den Vorgang des letzten Mahles bis in jede Einzelheit exakt historisch zu rekonstruieren, so wäre es ein Anachronismus, wenn die Kirche das Herrenmahl ausschließlich unter Berufung auf Jesu letztes Mahl und nicht zugleich in der Bezeugung seines Todes und der Gegenwart des erhöhten Herrn in ihrer Mitte feiern würde.“ A. a. O., 493.

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mittlungen im ökumenischen Dialog – wie Schlink selbst herausstellt327 und im weiteren Verlauf seiner Überlegungen auch argumentativ einholt: So möchte er zeigen, dass die ökumenische Differenz über die zeitliche Präsenz Christi beim Abendmahl durch die exegetisch herausgearbeitete Struktur der Spendeworte gelöst werden kann, da diese eine Unterscheidung von Zeichen und Sache ermöglicht.328 Auch dem zweiten und deutlich kürzeren Exkurs zur Struktur der Spendeworte329 kommt wie dargestellt zum Ende des Kapitels heuristische Funktion zu. Der dritte und vierte exegetische Exkurs  – zu den interpretierenden Zusprüchen der Spendeworte330 und dem synoptischen Vergleich des eschatologischen Wortes331 – haben keine erkennbare heuristische Bedeutung. Im Kapitel zum Tod finden sich keine zusammenhängenden exegetischen Überlegungen, sondern nur stellenweise lexikalische, bibelkundliche und traditionsgeschichtliche Anmerkungen.332 In den untersuchten Abschnitten kommen unterschiedliche synchrone und diachrone Fragestellungen in den Blick: Überlieferungsgeschichte333, Datierungsfragen334, Umwelt der Texte335, Traditionsgeschichte336, Etymologie337, innerbiblische Vergleiche338, Wortfeldanalysen339, lexikalische und Übersetzungsfragen340 oder Fragen der Stilistik341. Im Blick auf exegetische Literatur fällt auf, dass Schlink trotz seines hohen Interesses an historisch-exegetischen Fragen nicht auf exegetische Literatur verweist. Bestehende Debatten werden stattdessen in vagen Formulierungen angedeutet.342 Mehrfach finden sich hingegen – auch in den exegetischen Überlegungen – Bezüge auf Sekundärtexte aus anderen Feldern, sowie vier Verweise auf ökumenische Texte.343

327 Vgl.

ebd. a. a. O., 494 f.507 f. 329 Vgl. a. a. O., 494. 330   Vgl. a. a. O., 496 f. 331  Vgl. a. a. O., 497 f. 332 Vgl. a. a. O., 137.138. 333 Vgl. a. a. O., 492. 334 Vgl. ebd. 335 Vgl. a. a. O., 138.494. 336 Vgl. a. a. O., 491–493.497. 337  Vgl. a. a. O., 495. 338 Vgl. a. a. O., 138.490.492.494.496.497. 339 Vgl. a. a. O., 493. 340 Vgl. a. a. O., 137.494. 341  Vgl. a. a. O., 494.496.497. 342 Die Formulierungen lauten z. B.: „Frage […] ist umstritten“; „es mehren sich die Stimmen, die diesen Befehl für ursprünglich halten“; „Lesart der religionsgeschichtlichen Schule“. Alle Belege stammen aus dem exegetischen Exkurs (a. a. O., 492), sind jedoch in ähnlichen Formen im gesamten Kapitel zu finden. 343  So finden sich Verweise auf liturgiegeschichtliche Arbeiten (vgl. a. a. O., 490), auf 328  Vgl.

100

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

1.5. Diskussion Im Zwischenfazit zur Schriftlehre und dem Verständnis von Schriftauslegung wurde deutlich, dass die Beschreibung der Schrift und ihrer Bedeutung für Schlink zwischen unterschiedlichen Ebenen changiert: Auf der einen Seite gründet die Bedeutung der Schrift auf historischen Argumenten  – der Ursprungsnähe zum Bezeugten einerseits und der historischen Verbreitung und Anerkennung der Schrift durch die Kirchen andererseits. Auf der anderen Seite gründet die Autorität der Schrift für Schlink auf ihrem aktualisierenden Potential, für Schlink: dem Wort Gottes oder dem Evangelium.344 Die Autorität der Schrift wird daher sowohl historisch bezeugt als auch aktual geschehend immer wieder neu konstituiert, weswegen man bei Schlink in mehrfacher Hinsicht von der Inspiration der Schrift sprechen kann. Diese Beschreibung der Autorität der Schrift und ihrer Konstitution ist auf der Ebene der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift und ihrer Bedeutung für den Glauben einsichtig. Fragt man auf der Linie der vorliegenden Studie nach dem Zusammenhang von Schriftverständnis und Schriftauslegung, wird dieser Zusammenhang komplexer. Bei Schlink findet sich diese Doppelbewegung auch in der Beschreibung der Auslegung der Schrift: Theologische Auseinandersetzung mit der Schrift bewegt sich zwischen Glaube und Erkennen, zwischen Erforschen und Auslegen, zwischen historischem und „theologischem“345 Verstehen. Beide Zugänge sind Teil sowohl der Exegese als auch der Dogmatik und finden für Schlink ihre Verbindung in einer ökumenischen Hermeneutik. Diese Differenzierungen scheinen im Schriftgebrauch bei Schlink auf unterschiedliche Weise durch und führen zu einer Ausdifferenzierung des Paradigmas des Erforschens. Schlinks Erwägungen zum Verständnis theologischer Wissenschaft klären nicht vollständig, wie wissenschaftliche Theologie sich zu diesen Erkenntniswegen verhält. Diese Ambivalenz wird auch aus dem Schriftgebrauch Schlinks deutlich: Während die Beschreibung des dogmatischen Zugangs zur Schrift vor allem auf den Erkenntnisweg der Auslegung und Aktualisierung abzielt, zeigt der Nachvollzug der Argumentationsgänge, dass auch die dogmatische Schriftauslegung stärker im Modus des Erforschens geschieht reformatorische Texte (vgl. a. a. O., 508.510), sowie auf dogmatische Debatten (vgl. a. a. O., 501). Zu den Verweise auf ökumenische Texte vgl. a. a. O., 499.506.511.513. 344 Wobei gerade letzter Begriff bereits in sich diesen doppelten Charakter trägt: Evangelium kann sowohl das historische Leben Jesu Christi meinen als auch die aktuale Vergegenwärtigung dieses Lebens als Heilsgeschehen im Geist. Vgl. die Abschnitte B 1.1.1., B 1.1.4. und B 1.3. 345 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Schlink den Theologiebegriff nicht immer trennscharf gebraucht und ihn stellenweise synonym für „Dogmatik“ verwendet. Dies ist hier jedoch nicht der Fall – sind doch „theologisches“ Verstehen, also das Auslegen der Schrift oder der Dogmen, und historisches Verstehen, also das Erforschen der Schrift oder der Dogmen, beides Teile sowohl der exegetischen als auch der dogmatischen Disziplin.

1. Edmund Schlink

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als es Schlinks Überlegungen zur theologischen Enzyklopädie nahelegen. Insgesamt haben die Verweise und die Auslegung biblischer Texte in der Abendmahlslehre bei Schlink eine starke argumentative Funktion und an vielen Stellen zeigt Schlink großes Interesse an historischen Fragestellungen. So entwickelt Schlink z. B. seine ökumenische Abendmahlstheologie vom neutestamentlichen Befund her hin zu den ökumenischen Problemen und versucht, diese zum Teil mit Ergebnissen des neutestamentlichen Befunds zu lösen. Schrifterforschung ist folglich für Schlink auch im Vollzug wesentlicher Teil dogmatischer Arbeit. Schlink bietet keine evangeliumszentrierte Auslegung der biblischen Texte mit aktualisierendem Anspruch, wie es der Erkenntnisweg des Glaubens  – innerhalb der Theologie – nahelegen könnte: Weder dient die gemeinsame „Sache“ der biblischen Texte und der Dogmatik durchgehend als Interpretament der biblischen Texte (auch und gerade nicht im Blick auf das Alte Testament) noch fokussiert Schlink durchgehend auf neutestamentliche Texte oder Zeugnisse vom Leben und Werk Jesu Christi.346 Dies zeigt sich gerade im Kapitel zum Tod, in dem Schlink den Topos stark von einer alttestamentlich orientierten Anthropologie her entfaltet. Demgegenüber geht seine Argumentation im Kapitel zum Tod insofern deutlich über historische oder andere erforschende Fragen hinaus, als die Verortung des Kapitels und die enge Verbindung von Tod und Sünde auf eine christologische Befreiung hin entwickelt werden. Im Kapitel zum Abendmahl zeigen sich durchgehend Ansätze einer sachlich begründeten christozentrischen Auslegung der Schrift: Die neutestamentlichen Aussagen zum Abendmahl werden im Blick auf das Heil der Menschen gedeutet und machen so das Evangelium – wie Schlink es beschreibt – zum Interpretament der Texte. In seinen exegetischen Ausführungen bleibt Schlink dann auch nicht bei der Diskussion exegetischer Fragen stehen, sondern nimmt diese für die Argumentation dogmatisch in Anspruch. Schlink ist hier folglich an der theologischen Interpretation der Texte gelegen. Statt der Differenzierung zwischen vernunftgeleiteten Zugängen (Erforschen) und geistgeleiteten Zugängen (Erkennen) in der Dogmatik, wie in den Überlegungen zur Schriftauslegung skizziert,347 machen die Analysen des Schriftgebrauchs eine Differenzierung in346 Dies stützt auch die Analyse der Register: Schlink bezieht sich in seiner Dogmatik auf nahezu alle Teile des biblischen Kanons. Quantitativ kommt den neutestamentlichen Texten dabei ein deutlicher Vorrang zu. Im Blick auf den Umgang mit alttestamentlichen Texten lässt sich nicht zeigen, dass Schlink diese nur mit einem christologischen Interesse rezipiert: Die Breite der verhandelten biblischen  – auch alttestamentlichen  – Topoi und die Auswahl der rezipierten Texte zeigt sein hohes Interesse auch an einer eigenständigen Berücksichtigung alttestamentlicher Zeugnisse: So stellen beispielsweise Gen 1–3 die mit Abstand am häufigsten rezipierten Kapitel des Alten Testaments dar. Auch die häufige Rezeption von Jes beschränkt sich keinesfalls auf traditionell christozentrisch ausdeutbare Textstellen  – vielmehr stellt die Berufung Jesajas (Jes 6) die am häufigsten rezipierte Textstelle dar, während z. B. Jes 40 und 53 nur je sechs Mal in den Blick kommen. 347  Vgl. Abschnitt B 1.2.1.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

nerhalb des erforschenden Paradigmas erkennbar: Schlink führt implizit eine Unterscheidung zwischen historischer Forschung und dem dogmatischen „Verstehen“ ein, wie z. B. in den schon erwähnten Bemerkungen am Rande eines historischen Exkurses zum Abendmahl348: „So wichtig alle diese Fragen für die historische Erkenntnis des letzten Mahles sind, so sind sie es doch nicht in gleicher Weise für das Verständnis des Herrenmahls.“349 Der weitere Verlauf der Argumentation macht deutlich, dass mit dem „Verständnis des Herrenmahls“ keine aktualisierende geistgeleitete Aneignung im Vollzug des Abendmahls i. S. d. „Ereignis[ses] der Auslegung“350 gemeint ist, sondern eine gegenwartsorientierte Deutung und Aneignung der biblischen Texte mit einem dogmatischen, bzw. ökumenischen Interesse. Die wiederholt zum Ausdruck kommende heuristische und begründende Funktion des Schriftgebrauchs zur Überwindung ökumenischer Differenzen spiegelt das Gesamtanliegen seiner Dogmatik: Die Schrifterforschung hat eine vermittelnde und gemeinschaftsstiftende Funktion für die „uneinige Christenheit“.351 Es ist daher bei Schlink im engen Wortsinn von Schrift-„gebrauch“ zu sprechen – Schlink gebraucht die Schrift im Kontext seiner Argumentation mit einem dogmatischen Interesse ohne dabei auf die Ebene einer geistgeleiteten Auslegung zu wechseln. Trotz der breit ausgeführten hermeneutischen Unterscheidungen in den Überlegungen zur Schriftauslegung und zum Theologiebegriff liegt Schlinks Schriftgebrauch damit eine Differenzierung zwischen historischen und systematisierenden Zugriffen auf biblische Texte zu Grunde. Die Aussagen zur Leistungskraft historischer Forschung präzisiert Schlink am Ende eines Exkurses im Abendmahlskapitel und wirft damit eine zweite Frage auf: „So wichtig auch diese historischen Rückfragen sind, so gründet doch das Herrenmahl der Kirche nicht auf einem der vielen mehr oder weniger wahrscheinlichen historischen Rekonstruktionsversuche, sondern auf den neutestamentlichen Abendmahlsberichten.“352 Hier unterscheidet Schlink nicht nur zwischen historischen und dogmatischem Erforschen wie in dem vorangestellten Satz, sondern auch zwischen den Texten und ihrer historischen Rekonstruktion. Während die erste Unterscheidung Schlinks Unterscheidung von Erforschen und Verstehen spiegelt, zieht die Differenzierung zwischen Text und Rekonstruktion eine neue Ebene ein: Dem Text selbst scheint dabei Bedeutung für das Verstehen zugetraut zu werden, das neben dem Erforschen 348 Vgl.

Abschnitt B 1.4.1. Dogmatik, 491. Auffallend ist hier, dass Schlink von „historischer Erkenntnis“ spricht – eine Zusammenstellung, die seiner Unterscheidung von Erforschen und Erkennen folgend nicht möglich sein kann. Insgesamt scheinen bei Schlink wiederholt Unschärfen in der Verwendung der von ihrem eingeführten begrifflichen Differenzierung durch. 350  Vgl. Abschnitt B. 1.2.3. 351 Schlink, Dogmatik, 688. 352   A. a. O., 493. 349 Schlink,

1. Edmund Schlink

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erfolgt. Zu fragen wäre zum einen, ob diese scharfe Unterscheidung nicht die unauflösbare Verbindung zwischen dem Text und seiner Rekonstruktion übersieht: Denn die forschende (historisch-exegetische) Frage z. B. nach der ursprünglichsten Abendmahlsüberlieferung  – oder auch die von Schlink nicht thematisierte Frage nach der Verbreitung und Rezeption der unterschiedlichen Abendmahlsüberlieferungen – versucht ja eben zu klären, welche Berichte wann und wo genutzt wurden und fragt damit zugleich nach dem urchristlichen Verstehen des Abendmahls und folgt damit einem ähnlichen Anliegen wie Verstehensbemühungen heute. Zum anderen ist zu fragen, was diese Aussagen von Schlinks Verständnis von Exegese erkennen lassen: Wenn Schlink sich einige Sätze später gegen die Vorstellung wehrt, dass eine historische Rekonstruktion der urchristlichen Abendmahlspraxis die heutigen Fragen an das Abendmahl beantworten würde,353 steht damit eine bestimmte Zuspitzung möglicher Aufgaben und Ziele historischer Forschung im Blick – und weniger die in der Schriftlehre formulierte Differenz von Erforschen und Erkennen. Im Zusammenhang mit den Beobachtungen zum Schriftgebrauch Schlinks wird deutlich, dass die von Schlink beschriebene Doppelbewegung zur Reflexion auf die Schrift und der Begründung ihrer Bedeutung im Blick auf die Schriftauslegung weiterer Klärung bedarf, die in Teil C expliziert wird. Ein weiteres Spezifikum Schlinks ist die unlösbare Verbindung von Kanon, Dogma und Kirchenordnung in der Schriftlehre, die ihre Entsprechungen in den enzyklopädischen Folgerungen zur ökumenischen Hermeneutik findet.354 Dieser Zusammenhang gründet für Schlink in der Tatsache, dass die Bezeugung des Evangeliums durch die Apostel für dessen Ausbreitung von entscheidender Bedeutung war. Diese apostolische Überlieferung war Gegenstand der kirchlichen Schriftensammlung, die in der Zusammenstellung eines verbindlichen Kanons ihren Abschluss fand. Am deutlichsten ist hier die Verortung der Schriftlehre. Diese entfaltet Schlink als Teil der Ekklesiologie, genauer im Abschnitt zur Erhaltung der Kirche. Weitere Aussagen zur Schrift sind dem Kapitel „Die apostolische Überlieferung und die Traditionen der Christenheit“ im Abschnitt „Die Einheit der Kirche und die uneinige Christenheit“ zu entnehmen.355 Diese Verortung spiegelt die inhaltliche Verbindung von Kanon, Dogma und Kirchenordnung. Einen weiteren Hinweis gibt auch die Auswahl der Sekundärliteratur: Es findet sich kein Bezug auf exegetische Literatur, sondern drei Verweise auf Werke zur katholischen Liturgiegeschichte. Dies legt nahe, dass die Abendmahlslehre für Schlink v. a. ein Thema der kirchlichen Ordnung im ökumenischen Kontext darstellt. Auch der Schriftgebrauch selbst spiegelt diese enge Verbindung: Wie bereits dargestellt, ist bei Schlink oft nur schwer zwischen  So der gerade zitierte Satz ebd.  Vgl. die Abschnitte B 1.2.2. und B 1.2.5. 355  Schlink, Dogmatik, 688–693. 353 354

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Bezügen auf biblische Traditionen und auf liturgisch gewordene Formulierungen zu unterscheiden.356 Deutlich wird hier zum einen, dass Schlink mit den biblischen Vorstellungswelten sehr vertraut ist und diese selbstverständlich den gedanklichen Raum seiner Überlegungen prägen. Zum anderen zeigt sich gerade beim Thema Abendmahl ein fließender Übergang zwischen Schrift und – in der Schrift bezeugter und aus der Schrift erwachsener – (liturgischer) Tradition. Zuletzt soll auf die von Schlink selbst formulierten Leitfragen zur Prüfung der Schriftgemäßheit der Bekenntnisse im Rahmen ihrer dogmatischen Erforschung eingegangen werden. Die Leitfragen lauten: (2,1) Welche biblischen Begriffe sind in den zu erforschenden Dogmen aufgenommen? (2,2) Welche haben hier den Rang von zusammenfassenden dogmatischen Oberbegriffen erhalten, denen andere biblische Begriffe zum selben Thema untergeordnet sind? (2,3) Welche biblischen Aussagen sind ausdrücklich zitiert? (2,4) Welche zum Thema wichtigen biblischen Begriffe und Aussagen sind im Dogma übergangen? (2,5) Welche biblischen Textgruppen (z. B. paulinische oder johanneische) sind bevorzugt? (2,6) Welche Sicht des Verhältnisses von Altem und Neuem Testament ist im Dogma erkennbar? (2,7) Nicht nur der Inhalt der entsprechenden dogmatischen und neutestamentlichen Aussagen, sondern auch der Akt und die Struktur dieser Aussagen sind miteinander zu vergleichen. (2,8) Welche außerbiblischen, insbesondere philosophischen Begriffe und Aussagen sind im Dogma aufgenommen? Inwieweit sind sie in den Dienst der zu bekennenden apostolischen Botschaft gestellt und von den biblischen Zeugnissen her verändert? (2,9) Inwieweit sind dogmatische Aussagen durch Syllogismen aus biblischen, dogmatischen und philosophischen Aussagen abgeleitet? (2,10) In welcher Nähe befindet sich das zu untersuchende Dogma zur christologischen Mitte der apostolischen Botschaft und zu den urchristlichen Bekenntnissen?357

Vergleicht man die von Schlink formulierten Fragen mit dem in dieser Studie formulierten Anliegen einer Analyse des Schriftgebrauchs, so wird deutlich, dass sich diese stellenweise entsprechen: Schlink fragt, welche biblischen Begriffe und Oberbegriffe, Zitate und Auslassungen aus dem biblischen Befund sich feststellen lassen, sowie welche Gewichtung von Textgruppen, bzw. der Kanonteile erkennbar ist. Insofern lässt sich festhalten, dass sich die vorgenommene Untersuchung von Schlinks Schriftgebrauch in Teilen an den von Schlink selbst formulierten Maßstäben misst. Andere von Schlink formulierte Fragen reichen über das hier Untersuchte hinaus und markieren mögliche Folgefragen für weitere Untersuchungen, wie etwa ein Strukturvergleich zwischen den Aussagen, das Verhältnis zu außerkanonischen Begriffen und Aussagen oder die Analyse der syllogistischen Struktur der Ableitung dogmatischer Aussagen.358  Vgl. Abschnitt B 1.4.3. Dogmatik, 657. 358  Zum Teil erwachsen diese Fragen aus Schlinks spezifischem Interesse an der Struktur dogmatischer Aussagen, das jedoch wenig Konkretion erfährt: Weder wird deutlich, wie ein Strukturvergleich vorgenommen werden kann, noch führt Schlink sein Verständnis einer syllogistischen Struktur ausreichend aus, um diese zu überprüfen. 356

357 Schlink,

2. Wolfhart Pannenberg

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Versucht man vor dem Hintergrund dieser Fragen eine Zusammenfassung, so lässt sich festhalten: Insgesamt zeigt sich bei Schlink eine deutliche Kohärenz der in der Schriftlehre formulierten Aussagen zur Schrift und seinem im Vollzug der dogmatischen Urteilsbildung beobachtbaren Schriftgebrauch. Offen bleibt die Verhältnisbestimmung zwischen den beschriebenen Aufgaben im Rahmen der biblischen Hermeneutik und der enzyklopädischen Zuordnung dieser: Die für Schlink zentrale Aufgabe der Erforschung der biblischen Texte schreibt er auf der einen Seite durch seine Beschreibung als historisch-philologischer Forschung implizit den exegetischen Fächern zu, möchte diese jedoch auf der anderen Seite in der Ökumenischen Dogmatik mit dogmatischen Reflexionen verbinden. In der Durchführung in den untersuchten Kapiteln zeigt sich, dass Schlink die Verbindung von biblischer und dogmatischer Hermeneutik umsetzt, Rekurse auf die Erforschung der biblischen Texte – und vor allem auf die im Fächerkanon dafür von ihm benannten Vertreter – jedoch ausbleiben. Schlink scheint die Aufgabe der biblischen Hermeneutik daher in der Ökumenischen Dogmatik umgriffen und recht unabhängig von exegetischer Forschung zu verstehen. Vor dem Hintergrund der oben eröffneten Unterscheidung von soteriologisch-pneumatologischer und hermeneutischer, bzw. fundamentaltheologischer Ebene der Rede von der Schrift und ihrer Auslegung ist dieses Verhältnis in Teil C der Studie zu diskutieren.

2. Wolfhart Pannenberg Wolfhart Pannenbergs grundlegender Aufsatz zur „Krise des Schriftprinzips“ prägte weite Teile der Debatte um die evangelische Schrifthermeneutik seiner Zeit und verlieh dem Terminus eine spezifische Zuspitzung, die für Pannenbergs Auseinandersetzung mit der Schrift und ihrer Auslegung grundlegend ist.1 Ausgangspunkt ist für Pannenberg ein doppelter Unterschied zu Luthers Schriftverständnis: Erstens die Betonung des Abstandes zwischen dem Wortsinn und dem Geschehen, bzw. dem Abstand zur historischen Situation und zweitens die in der Exegese herausgearbeitete Pluralität der Schriften und in Folge die Widersprüchlichkeit des Kanons.2 Aus dieser Zuspitzung folgt eine doppelte Krise des Schriftprinzips, sowohl nach Seiten der historischen Kritik als auch nach Seiten des hermeneutischen Problems: Seitdem [der Reformationszeit] jedoch hat sich einerseits zwischen dem Literalsinn der biblischen Schriften und dem historischen Hergang der Ereignisse, auf die sie sich beziehen, eine Kluft aufgetan; und ebenso ist andererseits der Abstand unserer Gegen1  Vgl. zu seiner Analyse der Krise des Schriftprinzips Abschnitt A 1.1. und Pannenberg, Krise. 2 Vgl. a. a. O., 15.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

wart und jeder heute möglichen Theologie von der Zeit des Urchristentums und den verschiedenen theologischen Konzeptionen der neutestamentlichen Zeugen unübersehbar geworden.3

Pannenberg folgert, dass die Theologie nicht „als Spezialwissenschaft von der göttlichen Offenbarung auf Grund der Heiligen Schrift bestehen“ kann, sondern eine Erneuerung der Universalität der Theologie erfordert.4 Diese Forderung bestimmt sowohl Pannenbergs Schriftverständnis als auch seine Überlegungen zur Auslegung der Schrift.5 Um diese zu erhellen, wird zunächst Pannenbergs Schriftverständnis rekonstruiert (2.1.): Pannenberg entfaltet keine zusammenhängende Lehre von der Schrift und wendet sich gegen ein formales Verständnis des Schriftprinzips (2.1.1.). Dabei steht das Verhältnis von Schrift, Offenbarung, Evangelium und Wort Gottes im Zentrum (2.1.2.). Die Bedeutung der Schrift gründet für Pannenberg in diesem Zusammenhang, der nicht nur die Klarheit, Einheit und Inspiration der Schrift konkretisiert, sondern auch das Verhältnis von Altem und Neuem Testament betrifft (2.1.3.). Aus der herausgehobenen Bedeutung der Schrift leitet Pannenberg unterschiedliche Aufgaben und Funktionen der Schrift ab, die zur Frage nach der Auslegung der Schrift überleiten (2.1.4.). Diese Überlegungen zur Schrift stehen in enger Verbindung mit Pannenbergs Gedanken zur Auslegung der Schrift im Kontext wissenschaftlicher Theologie (2.2.): Diese sind eingebettet in seine Analyse der Krise des Schriftprinzips, die sich nach Pannenberg mit einer Krise der Theologie als solcher verbindet (2.2.1.). 3 Pannenberg, Hermeneutik und Universalgeschichte, 91 [Hervorhebungen im Original]. Vgl. Ders., Krise, 20. 4 Pannenberg, Krise, 20. 5 Trotz Pannenbergs Einfluss für die Beschreibung des von ihm geprägten Begriffs der „Krise des Schriftprinzips“ ist Pannenbergs Schriftverständnis bislang selten Gegenstand theologischer Diskussion gewesen. Zugleich gilt anderen, insbesondere in Kreisen der sog. „evangelical theology“ in den USA, gerade sein Schriftverständnis wegen seiner konstitutiven Verwobenheit mit dem Offenbarungsbegriff als Kernstück der Auseinandersetzung mit Pannenbergs geschichtstheologischen Entwurf (vgl. Grenz, Pannenberg, 276). Die bislang einzige Monographie stammt aus den USA und umfasst eine vergleichende Untersuchung der Schriftlehren Pannenbergs und Bloeschs (vgl. Hasel, Scripture). Auch in Aufsätzen oder vergleichenden Studien wurde das Thema bislang kaum bearbeitet (vgl. Dorman: Scripture; Grytten, Speil; Ip, Pannenberg). In einführenden Werken wird Pannenbergs Schriftlehre nicht explizit traktiert, es finden sich nur einzelne Hinweise auf die Bedeutung der Schrift oder Pannenbergs Analyse der Krise des Schriftprinzips (vgl. Berten, Geschichte, 56; Greiner, Theologie, 25–27; Grenz, Reason, 12–14.16 f; 34.41–53; Wenz, Pannenberg, 53 f.63–70). Knappe Rekonstruktionen seiner Schriftlehre finden sich in den jüngsten Untersuchungen zur Bedeutung der Schrift (Vgl. z. B. Lauster, Prinzip, 330–345; Leonhardt, Skeptizismus, 236–240). Parallel zur vorliegenden Studie entstand am Ökumenischen Institut Heidelberg eine Dissertation zum Traditionsverständnis, die sich ebenfalls mit dem Schriftverständnis Pannenbergs auseinandersetzt. Für die instruktiven Diskussionen, insbesondere um das Verhältnis von Schriftverständnis und Schriftauslegung, sowie den Zusammenhang von Schriftverständnis und Geschichtsbegriff danke ich Elisabeth Maikranz an dieser Stelle sehr herzlich.

2. Wolfhart Pannenberg

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Für Exegese und Dogmatik eröffnet Pannenberg zwei unterschiedliche Perspektiven: Während er der Exegese die Aufgabe der Prüfung theologischer Aussagen an der Schrift zuweist (2.2.2.), beschreibt er für die Dogmatik umgekehrt die Schrift als Ausgangspunkt und Maßstab der dogmatischen Urteilsbildung (2.2.3.). Diese Perspektiven lassen sich in der Beschreibung einer theologischen Hermeneutik zur Schriftauslegung einander zu ordnen (2.2.4.). Diese Rekonstruktionen dogmatischer Theorie werden anschließend diskutiert und auf ihre möglichen Implikationen für den Schriftgebrauch befragt (2.3.) Anschließend wird Pannenberg Schriftgebrauch exemplarisch analysiert (2.4.) und abschließend im Zusammenspiel von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch diskutiert (2.5.).

2.1. Pannenbergs Schriftverständnis Pannenberg verortet seine Überlegungen zur Schrift in der Christologie, in Verbindung mit der Versöhnungslehre und in unmittelbarer Nähe und inhaltlicher Verbundenheit mit der Ekklesiologie.6 Die Schrift ist für Pannenberg nur in Abgrenzung Gegenstand theologischer Prolegomena,7 da die Schriftautorität nicht formal vor der Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt gewährleistet werden kann. Vielmehr ist die Frage nach der Schrift eng mit ihrem Inhalt verbunden, dem Evangelium von Jesus Christus.8 Erkennbar ist dabei ein enger Zusammenhang von Schriftverständnis und ihrer Auslegung: In seinem Aufsatz zur Krise des Schriftprinzips führt Pannenberg aus, wie die Veränderung wissenschaftlicher Auslegungsweisen der Schrift 6 Vgl. insb. Pannenberg, Theologie (2), 502–511 (Kap. 11.5. „Das Evangelium“); Ders., Theologie (3), 142–144.165–176 (Kap. 13.I.3. „Die Unmittelbarkeit des einzelnen zu Jesu Christus im heiligen Geist und die Vermittlung des Evangeliums durch die Kirche“; 13.II.1. „Der Glaube“). 7 Es handelt sich um den vierten Abschnitt des ersten Kapitels zur Wahrheit der christlichen Lehre, in dem Pannenberg die Prolegomena Schrift und Religion diskutiert. Pannenberg, Theologie (1), 38–58. Insb. 38–48. Der Aufbau der theologischen Prolegomena setzt ein mit einem Kapitel zur Wahrheit der christlichen Lehre. Es folgt das zweite Kapitel zum Gottesgedanken und seiner Wahrheit und das dritte Kapitel zur Wirklichkeit Gottes. Abschluss der Prolegomena bildet das vierte Kapitel mit dem Titel „Die Offenbarung Gottes“. Diese Gliederung entspricht Pannenbergs Anliegen, die gesamte Theologie als Entfaltung des Gottesgedankens zu begreifen, und zwar als historisches Gebilde unter der Frage nach dessen Wahrheitsgehalt. Vgl. a. a. O., 7.12–14.17 f. Zur Problematisierung der „sog. ‚Prolegomena‘“ vgl. a. a. O., 38–58. Zur Kritik an Pannenbergs eigenem selektiven Umgang mit der Schrift gerade in Bezug auf sein Offenbarungsverständnis vgl. einführend Hasel, Scripture, 118. 8  Pannenberg, Begründung, 157 f. Vgl. Ders., Inspiration, 214. Vgl. Abschnitt B 2.1.3. Maikranz führt in ihrer derzeit entstehenden Dissertation überzeugend aus, dass die Bedeutung der Christologie für das Verständnis der Fundamentaltheologie Pannenbergs noch weitreichender ist: Ihr zufolge beschreibt Pannenberg in seiner Christologie seine dogmatische Methode, die von dorther nicht nur sein Schriftverständnis, sondern seine dogmatische Argumentationsstruktur im Ganzen prägt.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

zu einem anderen Verständnis der Schrift führen.9 Deswegen muss die Krise des Schriftprinzips Pannenberg zufolge durch neue Auslegungsweisen der Schrift hermeneutisch überwunden werden.10 Im Kontext und ausgehend von diesen Anliegen erhält Pannenbergs Auseinandersetzung mit dem Wesen und der Bedeutung der Schrift ihre spezifische Prägung. Es liegt daher nahe, bei Pannenberg weniger von einer differenzierten „Lehre“ von der Schrift zu sprechen als von einem je in den unterschiedlichen Bezugskontexten entfalteten Schriftverständnis. Dieses wird im Folgenden im Blick auf die Leitfrage dieser Studie nach dem Verständnis der Schrift und ihrer Auslegung rekonstruiert.11 2.1.1. Das Schriftprinzip als Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung Pannenberg wendet sich explizit gegen ein „formal concept of scriptural authority“12 und nimmt zugleich die Rede von der Schrift als „Prinzip der [protestantischen] Theologie“ auf.13 Die Rede von der Schrift als „Prinzip“ des Protestantismus geht nach Pannenberg auf Luther zurück, der in seiner Auseinandersetzung mit Erasmus von Rotterdam in De servo arbitrio die Schrift als primum principium nostrum bezeichnet.14 Mit Luther und gegen die im 19. Jahrhundert geprägte Rede von Formal- und Materialprinzip protestantischer Theologie hält Pannenberg fest, dass die Schrift das eine und einzige Prinzip der Theologie sei – und zwar nicht nur der reformatorischen Theologie, sondern ein  Vgl. Pannenberg, Krise, 14 f. Vgl. Ders., Aussage, 166 f.169 f. Pannenberg, Krise 17 f. 11 Zur Abgrenzung der Begrifflichkeit vgl. Abschnitt A.1. Pannenberg beschäftigt sich nicht nur in der „Systematische[n] Theologie“, sondern auch in einer Vielzahl weiterer Publikationen mit unterschiedlichen Aspekten seines Schriftverständnisses. Diese zeugen von der breiten und unterschiedlichen Kontextualisierung seiner Überlegungen zur Schrift und werden für die Rekonstruktion ebenfalls herangezogen. Nach Frank Hasel nannte Pannenberg als zentrale Textpassagen zu seinem Schriftverständnis neben Ders., Krise; Ders., Theologie (2), 509– 511; Ders., Theologie (3) 167–169.176 f. Ders., Wissenschaftstheorie. Hasel nennt ergänzend mehrere Aufsätze Pannenbergs als Grundlage seiner Rekonstruktion, namentlich Pannenberg, Prinzipien; Ders., Hermeneutik und Universalgeschichte; Ders., Hermeneutik; Ders., Aussage; Ders., Schriftautorität. Vgl. Hasel, Scripture, 105 (Fußnote 1).104.154. Vgl. Grenz/ Olson, Theology, 196. Von einer ähnlichen Aussage Mildenbergers in einem persönlichen Gespräch berichtet Hasel (Hasel, Scripture, 104 [Fußnote 4]). Lauster spricht dagegen von einer Schriftlehre bei Pannenberg, ohne jedoch die Frage nach ihrer Geschlossenheit und Abgrenzung zu thematisieren (Lauster, Prinzip, 345). 12 Pannenberg formuliert diese Ablehnung in Auseinandersetzung mit der Inspirationslehre. Da diese jedoch grundlegend für seine Reformulierung des Schriftprinzips ist, kann diese Kritik auf die Rede von einem formalen Schriftprinzip als solches übertragen werden. Pannenberg, Inspiration, 214. Vgl. Ders., Begründung, 157 f. 13  Pannenberg, Theologie (1), 38. Zur Entwicklung der Bedeutung der Schrift seit der Reformation vgl. Ders., Bibel. 14  Pannenberg, Prinzipien, 79.  9

10 Vgl.

2. Wolfhart Pannenberg

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der Reformation vorgegebenes identitätsstiftendes Fundament aller christlichen Theologie, dessen Wiederentdeckung Pannenberg seinerzeit in der ökumenischen Bewegung beobachtet.15 Durch das Auseinandertreten von Schriftautorität und Kirchenlehre im Mittelalter wurden in Abgrenzung zum Traditionsprinzip Merkmale (affectiones) der Schrift formuliert: Autorität, Suffizienz, Klarheit und Wirksamkeit zum Heil.16 Die Klarheit der Schrift begründet nach Pannenberg zudem das Primat des Literalsinns, da die Schrift selbst als Maß ihrer Auslegung gilt.17 Suffizienz und Klarheit der Schrift beruhen auf der Autorität durch göttliche Inspiration, wobei der Objektivismus der Inspirationslehre durch subjektive Vergewisserung durch den Heiligen Geist (testimonium spiritus sancti internum), d. h. die Wirksamkeit der Schrift im Herzen der Menschen, und Theorien der Akkomodation des Geistes ergänzt wurde, wie Pannenberg darstellt.18 Diese Entwicklung der Schriftlehre zeigt nach Pannenberg deutlich, dass die Auseinandersetzung mit der Schrift auf das Heil und nicht auf naturwissenschaftliche und historische Aussagen ausgerichtet ist.19 Dies verhindert jedoch nicht die Einsichten in die historische Bedingtheit und Relativität der biblischen Schriften durch die beginnende Text- und Literarkritik.20 Wie diese Entwicklung in die von Pannenberg diagnostizierte Krise des Schriftprinzips mündet, wurde bereits dargelegt.21 Diese Krise des Schriftprinzips und der folgende Paradigmenwechsel in der Theologie führt nach Pannenberg jedoch nicht zur Ablehnung der Schrift selbst, sondern zur Ablehnung der Verbalinspiration als Voraussetzung des Zugriffs auf die Schrift.22 Im Zuge der historischen Schriftkritik veränderte sich für Pannenberg das Verständnis des Schriftprinzips: „Die Schrift ist dabei aus einem Prinzip unmittelbarer Autorität zum Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung als bleibendem Maßstab seiner Identität geworden.“23 15  Vgl. a. a. O., 79–81.83. Eine ähnliche Beschreibung der ökumenischen Bedeutung der Schrift findet sich auch bei Schlink. Vgl. die Abschnitte B 1.1.1. und B 1.1.2. 16 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 38. 17 Vgl. a. a. O., 40. 18 Vgl. a. a. O., 41–44. 19 Vgl. a. a. O., 44. 20 Diese fand für Pannenberg im Werk Semlers ihren vorläufigen Höhepunkt: Semler beschrieb die Schrift als „totum historicum“ und löste auf diese Weise die Forderung einer „Geschichte der Schrift“ ein. A. a. O., 45 [Hervorhebung im Original]. 21 Vgl. Abschnitt A 1.1. 22 Diese Entwicklung gründet nach Pannenberg in der „Auflösung der Glaubwürdigkeit des in der Inspirationslehre formulierten altprotestantischen Schriftprinzips. Dabei wurde, sieht man genau zu, nicht die Begründung der christlichen Theologie auf die Schrift als Norm ihres Inhalts unhaltbar, wohl aber der Versuch, durch die Vorstellung der Verbalinspiration die göttliche Wahrheit der Schrift in allen ihren Teilen als Voraussetzung zu etablieren, die im Gang der theologischen (bzw. der dogmatischen) Diskussion dann nicht mehr zur Debatte stehen durfte.“ A. a. O., 56. Zur Weiterführung des Schriftprinzips als Maßstab der Theologie vgl. Abschnitt B.2.2.3. 23  Pannenberg, Prinzipien, 80.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Als solches hat das Schriftprinzip für Pannenberg bleibende Bedeutung für die gesamte christliche Theologie und dient als „Kriterium der Übereinstimmung mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus und seinem Evangelium“.24 Diese geschichtliche Bindung des christlichen Glaubens und der Theologie verweist auf den konstitutiven Zusammenhang der Schriftautorität mit dem geschichtlichen Ausgangspunkt von Glauben und Theologie in der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Hier berührt die Frage nach der Schrift einen Kern des geschichtstheologischen Programms Pannenbergs: Zu beachten ist dabei, dass Pannenbergs Begriff des „Geschichtlichen“ bereits eine Bedeutungsebene eines historischen Ereignisses impliziert. Der Bezug auf den geschichtlichen Ursprung ist daher nicht mit dem Verweis auf einen historischen Beginn allein zu verstehen, sondern umfasst zugleich die Bedeutung der proleptischen Offenbarung, die in den biblischen Texten bezeugt ist.25 Diese Neuformulierung des Schriftprinzips wirft zudem die Frage nach dem Verhältnis des geschichtlichen Ursprungs als „Offenbarung“ und der Schrift auf. 2.1.2. Die Schrift als Zeugnis der Offenbarung und das „Wort Gottes“ Die „Begründung der christlichen Theologie auf die Schrift als Norm ihre Inhalts“26 steht mit dieser Reformulierung für Pannenberg nicht grundsätzlich in Frage, muss jedoch neu und im Kontext theologischer Prolegomena ausgehend von der Wahrheitsfrage christlicher Theologie als Frage nach der Bindung an ihren geschichtlichen Ursprung, i. e. die Offenbarung in Jesus Christus, diskutiert werden. Diese Neubestimmung speist sich im Wesentlichen aus Pannenbergs Verständnis der Offenbarung und des Evangeliums. Das Anliegen seines Offenbarungsbegriffs wird in der ersten These seines programmatischen Aufsatzes von 1961 deutlich: „Die Selbstoffenbarung Gottes hat sich nach den biblischen Zeugnissen nicht direkt, etwa in der Weise einer Theophanie, sondern indirekt, durch Gottes Geschichtstaten, vollzogen.“27 Folglich hat sich die Offenbarung Gottes nach Pannenberg in vielen geschichtlichen Taten erwiesen, wie in dem vielfältigen biblischen Offenbarungsbegriff zu er-

24  A. a. O.,

85. z. B. Pannenberg, Hermeneutik und Universalgeschichte, 63. Diese Beschreibung führt Hasel und Leonhardt zu der These, bei Pannenberg sei eine Ablösung des Schriftprinzips durch ein Geschichtsprinzip zu beobachten. Vgl. Hasel, Scripture, 117.121.157.223; Leonhardt, Skeptizismus, 236–240. Vgl. zur Diskussion dieser These Abschnitt B 2.3. Eine differenzierte Ausarbeitung dieser Bestimmungen bei Pannenberg im Blick auf sein Verständnis von Schrift und Tradition entfaltet Elisabeth Maikranz in ihrer derzeit entstehenden Dissertation. 26  Pannenberg, Theologie (1), 56. 27  Pannenberg, Thesen, 91. Vgl. zum Folgenden Ders., Theologie (1), 207–281. 25  Vgl.

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kennen ist.28 Diese geschichtliche Offenbarung ist daher im Lauf der Geschichte nie abgeschlossen, sondern ihrem Wesen nach eschatologisch: Die vollständige Offenbarung Gottes vollzieht sich nicht am Anfang, sondern am Ende der Geschichte.29 Trotzdem ist die menschliche Kenntnis dieser Offenbarung schon jetzt möglich, da in Jesus Christus das Ende der Geschichte proleptisch antizipiert worden ist.30 Diese in Jesus Christus proleptisch geschehene Offenbarung findet für Pannenberg in den Schriften der Bibel zeugnishaft ihren Ausdruck.31 Er definiert die Schrift als „Zeugnis der Offenbarung Gottes in Jesus Christus“32 und die neutestamentlichen Schriften als „Niederschlag und Dokument der apostolischen Verkündigung“33. Selbstverständlich findet die Offenbarung in Jesus Christus auch an anderen Stellen Niederschlag und doch ist die im Kanon vorfindliche Sammlung apostolischer Zeugnisse von besonderer Bedeutung. Diese ergibt sich nicht aus einer besonderen Dignität der Texte im Sinne der klassischen Inspiration, sondern aus der besonderen Nähe der in ihr niedergeschriebenen apostolischen Verkündigung zur Offenbarung in Jesus Christus, dem Evangelium. Diese Nähe ist nach Pannenberg zum einen von historischem Charakter – dass sie als solche zum anderen eine inhaltliche Nähe bedingt, scheint für Pannenberg zwingend.34 So kommt die angestrebte „Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“35 zum Tragen. Nur wenn und insofern die biblischen Texte das Evangelium bezeugen, kommt ihnen Anteil an der Dignität und Autorität der Offenbarung zu.36 Durchgängig wird der Inhalt der in der Schrift bezeugten Offenbarung von Pannenberg als „Evangelium“ bezeichnet. Stellenweise wird dieses mit der „Sache“ der Schrift identifiziert. Da diesen Beschreibungen für die Schriftauslegung zentrale Bedeutung zu Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 218–226.249. Offenbarung findet nicht am Anfang, sondern am Ende der offenbarenden Geschichte statt.“ Pannenberg, Thesen, 95. 30 „Die universale Offenbarung der Gottheit Gottes ist noch nicht in der Geschichte Israels, sondern erst im Geschick Jesu von Nazareth verwirklicht, insofern darin das Ende alles Geschehens vorweg ereignet ist.“ Pannenberg, Thesen, 103. Die Offenbarung Gottes muss daher angesichts der theologisch zu bearbeitenden Wahrheitsfrage als Ziel, statt als Voraussetzung der Untersuchung bestimmt werden, auch wenn die Theologie zu lange an der „vorgängige[n] Sicherstellung ihres Wahrheitsbewußtseins“ festhielt. Ders., Theologie (1), 57. Vgl. a. a. O., 45. 31  „Das Reden von der Selbstoffenbarung Gottes muß in irgendeiner Weise an den biblischen Zeugnissen zu bewähren sein, wenn es theologisch zu Recht bestehen will. Nicht nur deshalb, weil evangelische Theologie nun einmal Schrifttheologie sein will. Sondern deshalb, weil die biblischen Schriften die grundlegenden Zeugnisse von den Geschehnissen sind, auf die die Theologie sich bezieht, wenn sie von der Offenbarung redet“. Pannenberg, Einführung, 12. 32 Pannenberg, Prinzipien, 86. 33  Pannenberg, Theologie (2), 510. 34  Vgl. Abschnitt B 2.1.2. Vgl. dagegen Hasel, Scripture, 232. 35 Pannenberg, Prinzipien, 80. 36  Pannenberg, Theologie (2), 510. Vgl. Abschnitt B 2.1.3. 28

29 „Die

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

kommt, muss zur Grundlegung der Schriftlehre der Zusammenhang von Heil und apostolischer Botschaft, von Evangelium Jesu und apostolischem Evangelium, sowie der Sache der Schrift beleuchtet werden. Nach Pannenberg zielt im Anschluss an Joh 3,17 die Sendung des Sohnes durch den Vater und seine Inkarnation auf das Heil der ganzen Welt, indem Jesus „der Gottesherrschaft unter den Menschen Raum“ schafft.37 Die von Jesu Verkündigung und seinem Leben, Sterben und Auferstehen ausgehende apostolische Botschaft rückt die Gemeinschaft mit Jesus in den Mittelpunkt, welche die „Hoffnung auf Teilhabe an dem in seiner Auferstehung erschienenen neuen Leben“ begründet.38 Der apostolische Begriff der soteria ist nach Pannenberg daher konstitutiv eschatologisch bestimmt und verweist zugleich auf die Ganzheit des Lebens.39 Paulus versteht das Heil als „Rettung aus der gegenwärtigen Verfassung des Daseins“, welches von der Rettung aus dem zukünftigen Gericht jedoch nicht zu trennen ist.40 Nachpaulinisch verlagerte sich der Akzent auf den Ursprung des Heils in der Geschichte Jesu, d. h. auf die „bereits geschichtliches Ereignis gewordene Errettung aus dem Leben der Sünde zu einem neuen Leben aus dem Geist (Tit 3,4 ff.)“.41 Diese im neutestamentlichen Begriff des Heils angelegte Bedeutungsvielfalt prägt die Spannung des Begriffs des Evangeliums. Mit dem Begriff Evangelium bezeichnet Pannenberg die Entfaltung und Verbreitung des Heils unter den Menschen, i. e. die Missionsbotschaft der Kirche.42 Diese ist inhaltlich durch das Heil in Jesus Christus bestimmt.43 Dabei muss nach Pannenberg zwischen zwei neutestamentlichen Begriffen des Evangeliums unterschieden werden: So bezeichnet das Evangelium bei Paulus in Verbindung mit der Kategorie der Gerechtigkeit Gottes 37 Pannenberg, Theologie (2), 441. Er präzisiert: „Das durch Jesus vermittelte Heil besteht seiner Botschaft zufolge in der Gemeinschaft mit Gott und dem darin begründeten Leben, das auch die Erneuerung der Gemeinschaft der Menschen untereinander umfaßt. Der Gottesherrschaft teilhaftig zu werden (Mt 5,3 par. u. 10; 19,14; Lk 6,20), Eingang in sie zu finden (Mk 9,47; 10,14 f. und 23 ff., vgl. Mt 25,10; Joh 3,3), ist daher der Inbegriff des Heils.“ A. a. O., 442. 38   A. a. O., 442. 39 Vgl. ebd. Pannenberg führt weiter: „Der Begriff soteria bezeichnet nicht nur den Vorgang der Rettung, sondern auch sein Ergebnis, das gerettete und neu gewonnene Leben.“ A. a. O., 443 [Hervorhebung im Original]. 40  Die gegenwärtige Heilsgegenwart bezeichnet Paulus als „Frieden mit Gott“ oder „Rechtfertigung“ (Röm 5,9; vgl. 8,3 f. u. ö.), welche im „Ereignis der Versöhnung mit Gott durch den Tod seines Sohnes (Röm 5,10; vgl. 5,18)“ gründet. Versöhnung, Rechtfertigung und Rettung im kommenden Gericht bilden für Paulus – und ihm folgend für Pannenberg – ein nicht zu trennendes Ganzes. A. a. O., 444 [Hervorhebung im Original]. 41  A. a. O., 446. 42 Vgl. a. a. O., 501. 43 „Der apostolische ‚Dienst der Versöhnung‘ (2. Kor 5,18) besteht in der Verkündigung des Evangeliums. Denn das Evangelium ist die Botschaft von Christus, in der Jesus Christus selbst zur Sprache kommt (2. Kor 2,12; 9,13; 10,14). Und weil in Christus Gott gehandelt hat, konnte Paulus auch vom ‚Evangelium Gottes‘ sprechen, das er verkünde (1.Thess 2,2 u. 8; 2. Kor 11,7; Röm 1,1 u. ö.). Inhalt dieser frohen Botschaft ist das ‚Wort der Versöhnung‘ (2. Kor 5,19).“ Hintergrund dieses neutestamentlichen Wortgebrauchs ist nach Pannenberg  – mit Verweis auf Nah 2,1 und Jes 52,7 – die Gestalt der eschatologischen Freudenboten in der alttestamentlichen Prophetie. Zentraler Inhalt der Freudenbotschaft bei Deuterojesaja sei die „Kunde vom Anbruch der Königsherrschaft Gottes, und zwar in dem Sinne, daß Gott seine Herrschaft schon angetreten hat“ und in diesem Sinne seien die neutestamentlichen Texte auf den Begriff bezogen. A. a. O., 501 f.

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die „apostolische Missionsbotschaft von Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, in dessen Tod Gott die Welt mit sich versöhnt hat“, während Markus mit diesem Begriff die Botschaft Jesu selbst beschreibt.44 Für Pannenberg besteht jedoch kein Gegensatz zwischen diesen Deutungen: Nachösterlich ist Jesus als Inhalt dieses Evangeliums bestimmt worden, „weil in ihm die Gottesherrschaft schon Gegenwart und ihr Heil durch ihn zugänglich ist. Das Evangelium Jesu wurde so zum Evangelium von Jesus Christus.“45 Somit wird die spezifische Dynamik des Evangeliums Jesu, nach welchem durch das Wort der Verkündigung die Gottesherrschaft Gegenwart wird, im apostolischen Evangelium aufgegriffen: Dieses spricht von dem schon eingetroffenem Ereignis in Jesus Christus, dessen Gegenwartsrelevanz jedoch durch den Anbruch der eschatologischen Zukunft Gottes in diesem Ereignis selbst begründet ist.46 Das Evangelium darf daher weder allein auf einen allgemeinen Begriff des Wortes Gottes zurück geführt werden, noch als Korrelat des Gesetzes missverstanden werden: Die Gegenwart der Gottesherrschaft in Jesus Christus überwindet jegliche Trennung von Gott und ist nicht auf die Sündenvergebung in einem konstitutiven Gegenüber zum Gesetz beschränkt.47 Pannenberg fordert daher die „kritische Revision eines reformatorischen Schlüsselbegriffs“ ausgehend von den vorgenommenen alt- und neutestamentlichen Bestimmungen.48 Das Verständnis des apostolischen Evangeliums als Missionsbotschaft setzt dieses zum einen in einen unlösbaren Zusammenhang mit der Ekklesiologie: Wenn das Reich Gottes in der „Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander“ konkret wird, muss die Predigt dieses Evangeliums zur Gründung von Gemeinden und Verbindung dieser Gemeinden führen.49 Insofern beschreibt Pannenberg die Gemeinschaft der Kirche als „Zeichen und vorläufige Darstellungsform der im Reiche Gottes versöhnten Menschheit“.50 Zum anderen gilt das Evangelium als Grundlage der „Autorität der Bibel in der Kirche und im Gegenüber zur Kirche“.51 Den Begriff der „Sache der Schrift“ bringt Pannenberg im Kontext der Schriftauslegung im Blick auf die rezipierende Aneignung des Evangeliums ein. Dabei identifiziert er die Sache der Schrift mit der „Geschichte und Person Jesu“52, bzw. als „Gottes Offenbarung in Christus“53. Entscheidend ist für Pannenberg die Faktizität dieser Sache, sodass die Kenntnis der historischen Gestalt für das Verständnis ihrer Bedeutung notwendig ist.54 Zugleich 44  Im Anschluss an den markinischen Gebrauch etablierte sich nach Pannenberg die Bezeichnung Evangelium für zusammenfassende Darstellung der Jesusüberlieferung. A. a. O., 502 f. 45 A. a. O., 503. Pannenberg führt weiter: „In diesem Sinn läßt sich der paulinische Begriff des Evangeliums, die Heilsbotschaft von der Versöhnung Gottes mit der Welt durch den Tod Jesu Christi, als sachgemäße Interpretation des ursprünglichen Sinnes dieses Begriffs, der Heilsgegenwart der eschatologischen Gottesherrschaft, in seinem Zusammenhang mit der Person und Geschichte Jesu verstehen.“ A. a. O., 504. 46 Vgl. a. a. O., 505. 47  Vgl. a. a. O., 506–508. 48  A. a. O., 507. 49  A. a. O., 509. 50 Dabei bleibt das Evangelium der Kirche immer vorgeordnet und repräsentiert die Autorität Jesu Christi. Ebd. 51  A. a. O., 510. Zur Autorität der Schrift aus dem Evangelium vgl. Abschnitt B 2.1.3. 52  Pannenberg, Hermeneutik, 134. 53   A. a. O., 127. 54  Vgl. a. a. O., 125. 135.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

ist die Einheit der Sache nach Pannenberg nur im Medium der Auslegung zugänglich und realisiert sich im Geist des Interpreten.55 Sie ist jedoch nicht willkürlich bestimmt, vielmehr hat jede Interpretation Anteil an der Wahrheit der Sache, über die im Fortgang der Diskussion über seine Interpretation entschieden wird.56 Dabei muss die Sache der Schrift Maßstab ihrer Auslegung bleiben:57 Pannenberg spricht von der „Vorordnung“ der Sache als Kontrollfunktion für die Auslegungen der Gegenwart58 und folgert: „Sofern die Einheit der Sache als Maß ihrer Auslegung ein einheitliches Sachverständnis fordert, ist die Vielheit gegeneinander verfestigter hermeneutischer Prinzipien im Vorgang des Verstehens von der Einheit der Sache her gerade zu überwinden.“59 Zugleich hält Pannenberg fest, dass sich die Einheit der Sache nur im Geist des Interpreten realisieren kann.60

Aus diesen Überlegungen zum Evangeliumsbegriff ergibt sich für die vorliegende Studie zweierlei. Zum einen ist der zentrale Inhalt der Schrift, die Offenbarung in Person und Werk Jesu Christi, von Pannenberg soteriologisch perspektiviert und als Heil für die Menschen beschrieben. Dieses Heil setzt sich im Anbruch der Gottesherrschaft in Leben und Person Jesu Christi durch, welche neue Gemeinschaft mit Gott und untereinander stiftet. Die Gottesherrschaft ist somit nach Pannenberg eschatologisch ausgerichtet und zugleich aktuell wirksam. Die Rede von diesem Heil bestimmt Pannenberg als Evangelium, das zugleich Evangelium von Jesus Christus als auch Evangelium Jesu Christi selbst ist. Daraus ergibt sich zum anderen die konstitutive Verbindung dieses Evangeliums mit der Schrift auf der einen und der Kirche auf der anderen Seite: Das Evangelium wird in der Schrift bezeugt und durch die Kirche verbreitet, geht jedoch nicht vollständig in diesen auf. Vielmehr ist das Evangelium beiden Größen gegenüber gestellt. Für die Frage nach dem Status der Schrift ist zu klären, wie sich diese Verbindung von Evangelium und Schrift ausdifferenziert und sich zu ihren Rezeptions- und Auslegungsgemeinschaften ins Verhältnis setzen lässt. Zur Präzisierung von Pannenbergs Rede vom Evangelium wird jedoch zuvor dem Verhältnis von Evangelium und Wort Gottes im Blick auf die Schrift nachgegangen. Der Zusammenhang zwischen Offenbarung und Schrift steht im Zentrum der breiten Auseinandersetzung Pannenbergs mit der Wort-GottesTheologie. Es fällt auf, dass Pannenberg das Verhältnis von Wort Gottes zu den biblischen Texten auffällig unbestimmt lässt  – abgesehen von dem Hinweis, dass die Identifikation der Bibel als Wort Gottes zu einer hohen Plausibilität der  Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 24 f. a. a. O., 25. 57 Vgl. Pannenberg, Hermeneutik, 127. Vgl. Ders., Theologie (1), 25. 58 Pannenberg, Hermeneutik, 128. 59   A. a. O., 134. 60 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 25. In der Zusammenschau von Pannenbergs Schriftverständnis und seinem Theologiebegriff fällt auf, dass Pannenberg in seinen Ausführungen zur Theologie Gott als Gegenstand einführt und diesem eine ähnliche einheitsstiftende Funktion als „Sache“ der Theologie zuschreibt (vgl. z. B. Ders., Wissenschaftstheorie, 279; weiterführend Abschnitt B 2.2.4.). 55

56 Vgl.

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Wort-Gottes-Theologie beigetragen hat, gegen die sich Pannenberg vehement abgrenzt.61 Keinesfalls ist nach Pannenberg das Wort Gottes mit dem Evangelium zu identifizieren. Ausgehend von seiner Bestimmung eines pluralen Begriffs der Offenbarung spricht sich Pannenberg vielmehr für ein plurales Verständnis des Wortes Gottes aus: Weder gibt es nur eine bestimmte Offenbarung noch gibt es nach dem biblischen Zeugnis nur ein Wort Gottes, wie er ausgehend vom alttestamentlichen Verständnis des dabar ausführt: Der hebräische dabar bedeutet ebenso das Wort wie die dadurch bezeichnete Sache und um diesen Inhalt geht es beim Wortempfang. Der dem Propheten eröffnete und von ihm mitgeteilte dabar ist das künftige Gotteshandeln selbst, das der Prophet in seinem Ergebnis, seinen Wirkungen vor Augen hat.62

Noch in der Alten Kirche ist diese Vielschichtigkeit bewusst und wird mit griechischen Vorstellungen des Logos verbunden.63 Zugleich sind diese immer wieder sehr eng an die Schrift gebunden.64 Die Offenbarung war nach Pannenberg durch den Bezug auf die Logosvorstellung streng christologisch bestimmt.65 Offenbarung und Inspiration waren somit argumentativ vertauscht: „Der Offenbarungsgedanke war also weniger Argumentationsbasis als vielmehr Argumentationsziel, und der Glaube an die Schriftinspiration ergab sich erst als Konsequenz daraus.“66 Erst im Mittelalter und sehr deutlich in der altprotestantischen Orthodoxie erkennt Pannenberg die folgenreiche Engführung des Offenbarungsbegriffs, der ihn mit dem Autoritätsgedanken verband und im Gedanken der „Selbstoffenbarung“ Gott letztlich als alleinigen Inhalt der Offenbarung bestimmt.67 In der Wort-Gottes-Theologie des 20. Jahrhunderts kommt diese Engführung für Pannenberg dann zu ihrem Höhepunkt.68

61 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 263 f. Vgl. zur kritischen Diskussion z. B. Klein, Theologie, insb. 12–37. 62 Pannenberg, Theologie (1), 221 [Hervorhebungen im Original]. Dies wird nach Pannenberg auch in der Vorstellung einer worthaften Schöpfung deutlich. Vgl. Ders., Theologie (2), 47.49. 63 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 236. 64 So beruht beispielsweise für Justin der Wahrheitsbeweis des Christentums auf der Erfüllung der prophetischen Weissagung. Auch Origenes hält diese Formen der Offenbarung Gottes eng zusammen, wenn er die vom Geist erfüllten Schriften als „Vermittlung der im Sohn geschehen Offenbarung“ versteht und somit die prophetischen Schriften in das Offenbarungsgeschehen einbezieht. A. a. O., 237. 65 Pannenberg folgert: „Bei Origenes bahnt sich also bereits eine Auffassung von Offenbarung an, die die Inspiration der biblischen Schriften als Offenbarung versteht. Aber Origenes war andererseits weit davon entfernt, den Offenbarungsbegriff auf die Schriftinspiration einzuschränken.“ A. a. O., 238 f. 66   A. a. O., 239. 67   A. a. O., 238.240.243. 68  Zur Auseinandersetzung mit der Wort-Gottes-Theologie vgl. insbesondere a. a. O., 251–281.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Nach Pannenberg wird diese Reduktion der Pluralität biblischer Offenbarungszeugnisse nicht gerecht, da sie die biblischen Beschreibungen „als prophetisches Wort, das ein göttliches Handeln ansagt, als Thora, die menschliches Handeln gebietet, als unvermittelt schöpferisches Gotteswort, als Bezeichnung der Missionsbotschaft und schließlich als Logos, der in der Person Jesu erschienen ist“ vergesse.69 Pannenberg ist überzeugt, dass gerade die Verschiedenheit ein einheitliches Offenbarungsgeschehen ermöglicht, das der Vielheit Raum lässt.70 Die Schrift enthält folglich die vielen Worte Gottes, die in einem dreifachen Verhältnis zum Offenbarungsgeschehen stehen, wie im folgenden Abschnitt ausgeführt wird. 2.1.3. Die Autorität der Schrift aus dem Evangelium Dass die Schrift ihre Dignität und Autorität aus dem in ihr bezeugten Evangelium erhält, wurde bereits skizziert. Die Grundlage der Autorität der Bibel liegt in der Nähe zum Evangelium und damit zu Jesus selbst, sowohl historisch als auch inhaltlich i. S. der aktualisierenden Bezeugung Jesu: Die Schrift repräsentiert der Kirche gegenüber ihren Ursprung im Evangelium und damit in Jesus Christus selbst. Die Autorität der Schrift gründet daher in der des Evangeliums und auf der den Inhalt des Evangeliums ausmachenden Heilsgegenwart Gottes in Person und Geschichte Jesu. Nur insofern, als sie diesen Inhalt bezeugen, haben die Worte und Sätze der Schrift in der Kirche Autorität. […] Die Autorität der Schriften ist daran gebunden, daß und wie sie sich als Zeugnisse für diesen Inhalt erweisen. […] Sie [die Autorität] eignet der Bibel nur um des Evangeliums willen, und sie eignet dem Evangelium um der Versöhnung der Welt durch Gott im Tode Jesu Christi willen, den Gott durch seine Auferweckung von den Toten zum Herrn und Messias einer erneuerten Menschheit eingesetzt hat.71

Diese enge Bindung an die Autorität des Evangeliums selbst führt dazu, dass keinem biblischen Text und keiner Einzelaussage per se Autorität zukommen kann.72 Wenn die Autorität der biblischen Texte von ihrer Verbindung zur Ge69 A. a. O., 265. An anderer Stelle schreibt er: „Die Reduktion der Offenbarung Gottes auf den Gesichtspunkt des göttlichen Redens wurde jedoch der komplexen Vielschichtigkeit des biblischen Offenbarungszeugnisses nicht gerecht […].“ A. a. O., 249. Hasel verbindet diese Aufweitung des Offenbarungsbegriffs mit Pannenbergs Gottesbegriff. Vgl. Hasel, Scripture, 135– 144. 70 „Die These von der Indirektheit der Selbstoffenbarung Gottes hat also die systematische Funktion der Integration der verschiedenartigen Offenbarungserlebnisse, von denen die biblischen Schriften Zeugnis geben.“ Pannenberg, Theologie (1), 266. 71 Pannenberg, Theologie (2), 510. Vgl. Ders., Schriftautorität, 8. Gegen Hasel ist festzuhalten, dass die Schrift für Pannenberg keineswegs ihre Autorität durch die Kirche begründen kann. Hasel, Scripture, 114. 72  „Die Autorität der Bibel im Verhältnis zur Kirche enthält also keine Wahrheitsgarantie für die Einzelaussagen der biblischen Schriften.“ Pannenberg, Theologie (2), 510.

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schichte Jesu abhängt, muss diese nach Pannenberg für die Schriften und alle Einzelaussagen geprüft werden.73 Die Überzeugungskraft der Botschaft liegt folglich in der „Wirklichkeit des geschichtlichen Ereignisses Jesus von Nazareth“.74 Die Schwierigkeit, wie der Maßstab des Evangeliums aus denselben Texten erhoben werden soll, welche an diesem Maßstab zu messen sind, diskutiert Pannenberg nicht. Er postuliert lediglich: „Auch die Schriftaussagen sind an dem durch sie bezeugten Inhalt des Evangeliums zu messen, der durch sie zugänglich, aber dadurch auch von ihnen unterscheidbar wird.“75 Grundlegend für diese Funktion der Schrift sind für Pannenberg die Notae der Schrift: Klarheit, Einheit und Inspiration.76 Aus dem dergestalt formulierten Inhalt der Schrift ergibt sich für Pannenberg der hermeneutische Kernpunkt der Schriftlehre, die Klarheit der Schrift.77 Im Anschluss an Luther bestimmt er die claritas als Klarheit über den hauptsächlichen Inhalt der Schrift, welche als claritas interna die Heilsgewissheit durch den Heiligen Geist wirkt und als claritas externa die vom ministerium verbi zu entfaltende und zu verteidigende Eindeutigkeit und Unwidersprechlichkeit der Schrift umgreift.78 Um diese zu erkennen und kritisch zu unterscheiden, verweist Pannenberg wiederum mit Luther auf den Inhalt der Schrift, die res scripturae: Diese besteht in Christus, insbesondere in seiner Inkarnation, seinem stellvertretenden Leiden und dem himmlischen Regiment Christi, das in seiner Auferweckung enthüllt wird.79 Maßstab der Schriften ist daher, ob sie Christum treiben.80 Hier steht deutlich eine pneumatologische Bestimmung der Klarheit der Schrift im Vordergrund. Die Frage nach der Klarheit des verbum externum wird von Pannenberg nicht aufgegriffen. Aus dieser Bestimmung erwächst das Problem der Einheit der Schrift. Denn die Klarheit der Schrift kann nach Pannenberg nicht von ihrer Einheit getrennt 73 „An diesem Inhalt muss die Form seiner Verkündigung immer wieder gemessen werden. An ihm kann sie auch gemessen werden, wiewohl der Zugang zu jenem Inhalt erst durch die Verkündigung des Evangeliums und durch den schriftlichen Niederschlag seiner apostolischen Grundform ermöglicht wird.“ A. a. O., 511 [Hervorhebung im Original]. 74  Berten, Geschichte, 58. 75  Pannenberg, Theologie (2), 511. Hasel formuliert Pannenbergs Anliegen treffend: „Scripture needs to be judged by the gospel which is to be distinguished from the Bible“. Hasel, Scripture, 120. 76 Auffallend ist, dass Pannenberg sich zu diesen zwar z. T. recht ausführlich in Aufsätzen äußert, sie in der „Systematischen Theologie“ jedoch nicht prominent aufgreift. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass Pannenberg dort keine geschlossene Schriftlehre entwickelt, zeigt jedoch zugleich an, dass Pannenbergs Interesse weniger in der Beschreibung der Schrift und ihrer Eigenschaften liegt als in der Darstellung der Bedeutung der Schrift in der und für ihre Auslegung in den jeweiligen Reflexionsfeldern. Zum Zusammenhang von Schriftverständnis und Schriftauslegung bei Pannenberg vgl. die Einführung in Abschnitt B 2.1. 77  Vgl. Pannenberg, Aussage, 163. 78  Vgl. a. a. O., 164. 79  Vgl. a. a. O., 165. Vgl. den Exkurs in Abschnitt B 2.1.2. 80  Vgl. ebd.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

werden, da nur aus der Klarheit der Schrift der Blick auf ihren einheitlichen Inhalt eröffnet werden kann.81 Doch ist es gerade die Einheit der Schrift, die durch den Aufweis der uneinheitlichen theologischen Konzeptionen innerhalb der Schrift in der exegetischen Forschung problematisiert und letztlich aufgelöst wurde.82 Die Vielfalt der Auslegungen ist nach Pannenberg jedoch wegen der „Endgültigkeit der Wahrheit“ als abschließende Beschreibung nicht ausreichend.83 Dem in Reaktion laut gewordenen Ruf nach einem „Kanon im Kanon“ als Sachzentrum der Schrift lässt sich nach Pannenberg in zwei Arten begegnen84: Entweder gründet die Einheit der Schrift in einem hermeneutischen Prinzip, wie der Rechtfertigung. Dann wird sie nach Pannenberg jedoch nicht mehr als eine „in sich selbst bestehende Einheit“ deutlich, weswegen diese Lösung in die Nähe des katholischen Verständnisses des Lehramts rückt.85 Alternativ kann die Einheit der Schrift nach Pannenberg in der „Einheit des in den verschiedenen Zeugnissen bezeugten Christusgeschehens“ gefunden werden:86 Nur weil und insofern das Christusgeschehen, i. e. das „Geschehen der Auferweckung Jesu und von daher auch seine Kreuzigung seine Bedeutung in sich selbst“ trägt, empfängt die Überlieferungsgeschichte und das Neue Testament von dort her seine Einheit.87 Die Sache der Schrift ist nach Pannenberg in den Schriften unterschiedlich bezeugt, doch die Zusammenstellung der Zeugnisse wird nur von Jesus und seiner Auferstehung her verständlich.88 Dazu muss laut Pannenberg zum einen vorausgesetzt werden, dass das Christusgeschehen von seiner Bezeugung unterscheidbar ist: Die Geschichte Jesu muss in ihrem historischen Zusammengang verstanden werden und ihre Bedeutung in sich selbst haben, um als res der Schrift einen dem Kerygma übergeordneten Maßstab zu bilden.89 Zum anderen müssen – analog zur Auslegung jeder historischen Begebenheit – Faktizität und Bedeutung in der auszulegenden Sache enthalten sein, damit „die Faktizität der Sache irgendwie das Maß für die Vielfalt ihrer Auslegung bleiben“ kann und muss.90 Dies sieht Pannenberg für die „Sache“ der Theologie gegeben: „Denn im faktischen Ursprung christlicher Überlieferung, im Auftreten und Geschick Jesu von Nazareth, ist universal entscheidende Bedeutung in Anspruch genommen worden.“91 81 Vgl.

a. a. O., 167. a. a. O., 166 f. 83 „Das Mühsame dieser Einsicht liegt darin, daß die Einheit und Selbigkeit der Botschaft unter solchen Umständen kaum noch aufweisbar ist.“ Pannenberg, Hermeneutik, 124. 84 Pannenberg, Aussage, 168. 85  A. a. O., 169. 86 Ebd. 87   A. a. O., 171. 88  Vgl. Pannenberg, Krise, 16. 89  Vgl. Pannenberg, Aussage, 170. 90  Pannenberg, Hermeneutik, 125. 91   A. a. O., 126. 82  Vgl.

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Weitergeführt werden diese Erwägungen in der Frage nach der Inspiration der Schrift: Diese entfaltet Pannenberg nur explizit für das Neue Testament im Rahmen zweier Aufsätze, in der Systematischen Theologie kommt der Frage nach der Inspiration nur untergeordnete Bedeutung zu.92 Ausgehend von der Beobachtung, dass die nachreformatorisch formulierten Formen der Inspirationslehre, insbesondere die Lehre von der Verbalinspiration, durch exegetische Kritik an der widerspruchslosen Einheit der Schrift zerbrochen ist, formuliert Pannenberg ein christozentrisches Inspirationsverständnis.93 Nach Pannenberg ist die göttliche Inspiration des Neuen Testaments nicht im Sinne einer wörtlichen Inspiration zu verstehen, sondern kann allein durch die Verbindung von Geist, Evangelium und Schrift begründet werden.94 Pannenberg warnt jedoch vor einer Gleichsetzung der Geisterfülltheit des Evangeliums mit der Inspiration des Neuen Testaments und beschreibt stattdessen, dass die Schriften des Neuen Testaments an der göttlichen Inspiration des Evangeliums partizipieren.95 92  Pannenberg spricht in dem sehr knappen populärwissenschaftlichen Interview „On the Inspiration of Scripture“ sowie dem darauf aufbauenden kurzen Aufsatz „Zur Begründung von der Lehre von der Schriftinspiration“ explizit von der Inspiration des Neuen Testaments. In der Systematischen Theologie nimmt die Frage nach der Inspiration keinen breiten Raum ein, wenige Hinweise finden sich u. a. in der theologiegeschichtlichen Darstellung der Lehre von der Schrift (Pannenberg, Theologie [1], 41–45), sowie in seinen Überlegungen zum Offenbarungsbegriff (a. a. O., 236–249), zum Evangeliumsbegriff (Ders., Theologie [2], 510 f ) und zum Glaubensverständnis (Ders., Theologie [3], 169 f ). An diesen Stellen spricht Pannenberg explizit von der Inspiration der Schrift im Ganzen, ohne diese Überlegungen zu den Ausführungen zur Inspiration des Neuen Testaments ins Verhältnis zu setzen. Aus dieser Beobachtung jedoch auf die Differenzierung der Inspiration im Blick auf alt- und neutestamentliche Schriften zu schließen, verfehlt m. E. den Fokus von Pannenbergs Auseinandersetzung mit der Frage im Ganzen: Über die beiden knappen Aufsätze hinaus kommt den Überlegungen zur Inspiration bei Pannenberg eine untergeordnete Bedeutung in seinem Schriftverständnis zu, ausschlaggebend für die Frage nach der Autorität der Texte ist vielmehr seine Verhältnisbestimmung zum Evangelium, bzw. Wort Gottes. Zu den Implikationen im Blick auf das Verhältnis von Altem und Neuem Testament vgl. Abschnitt B 2.1.3. 93  Vgl. Pannenberg, Inspiration, 212; Ders., Begründung, 156. 94 So wird die Verkündigung des Evangeliums von Paulus als „Dienst des Geistes“ (2 Kor 3,8) bezeichnet und daher unzweifelhaft vom Geist Gottes erfüllt. Pannenberg, Inspiration, 213; Ders., Begründung, 156 f. 95  Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern unter folgender Bedingung: „But this conclusion is valid only insofar as those writings witness to the Pauline gospel of God’s saving activity in Jesus’ death on the cross and his resurrection. […] Rather, in the light of Paul’s affirmations, the gospel, impregnated as it is by the divine Spirit, has to be considered the criterion of scriptural authority and thus the basis of a doctrine affirming the inspiration of Scripture. Thus there is indeed a biblical basis for the doctrine of scriptural inspiration, and this basis is the gospel of Jesus Christ.“ Pannenberg, Inspiration, 213. Vgl. Ders., Begründung, 156 f. Hasel ist daher insofern zuzustimmen, dass das Wort Gottes nach Pannenberg nicht mit der Bibel identifiziert werden darf. Seine Folgerung, die Bibel sei daher allein als „human speech“ zu betrachten, missachtet jedoch das dargelegte Verständnis der Schriftinspiration bei Pannenberg. Hasel, Scripture, 107.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Insofern das Wort die „‚Bedeutung‘ der Dinge und Ereignisse richtig nennt, sie also zur Wahrheit bringt“, kann das Wort als inspiriert gelten.96 Hier liegt der Grund für die eingangs skizzierte Ablehnung eines formalen Verständnisses der Inspiration wie der Verbalinspiration, das die Autorität der Bibel vor der Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt zu sichern versucht.97 Er spricht sich stattdessen für die „geistliche Autorität”98 der Bibel aus: Das Evangelium von Jesus Christus dient als „Zentrum der Schrift“ und „‚Mitte‘ der Schrift‘“ als Maßstab der Schriftinspiration.99 Ebenso wie eine formale Schriftinspiration ohne Bezug auf den Inhalt der Schrift für Pannenberg nicht denkbar ist, bietet die Inspirationslehre im Umkehrschluss auch weder eine Garantie für die Wahrheit jeder einzelnen Bibelstelle noch relativiert sie deren historische Bedingtheit.100 Die Schrift kann nur insofern als inspiriert gelten, wie sie an der Autorität der Schrift aus dem Evangelium teil hat. Deshalb muss das Verhältnis von Inspiration und Schriftautorität gewissermaßen umgekehrt werden: Die Inspirationslehre folgt somit aus dem Evangelium und dessen Autorität und nicht umgekehrt.101 Pannenberg wäre jedoch falsch verstanden, wenn seine Ablehnung einer formalen Inspirationslehre als Geringschätzung der literalen Ebene der Schrift verstanden würde. Vielmehr folgt aus der Notwendigkeit der Entdeckung des  Pannenberg, Theologie (1), 278. Pannenberg, Inspiration, 214; Ders., Begründung, 157.  98  Pannenberg, Begründung, 159; Vgl. Ders., Inspiration, 215.  99 Pannenberg, Begründung, 158. Pannenberg führt aus: „Rather, the affirmation of the divine inspiration of the apostolic writings of the New Testament has to be examined and established on the basis of the content of the apostolic gospel proclaiming Jesus Christ.“ Pannenberg, Inspiration, 214; Ders., Begründung, 157. Hasel folgert, die Schrift sei nach Pannenberg „neither divinely revealed nor divinely inspired“ (Hasel, Scripture, 106) und kommt zu dem Schluss: „By rejecting any claim to a supernatural origin of Scripture’s cognitive contents, Pannenberg also dismisses its divine authority.“ (a. a. O., 114). Dieser Schlussfolgerung ist insofern nicht zuzustimmen als für Pannenberg die Autorität der Schrift nicht im übernatürlichen Ursprung ihrer gedanklichen Inhalte liegen kann, sondern in der göttlichen Offenbarung der in den Texten bezeugten geschichtlichen Offenbarungsgeschehen. Göttliche Autorität kommt nur diesem bezeugten Offenbarungsereignis zu und nicht den bezeugenden Texten. Während Hasel diese Abgrenzung der göttlichen Autorität der Schrift bei Pannenberg richtig beschreibt, verfehlt er doch die im Hintergrund stehende Differenzierung zwischen dem Zeugnis und dem Bezeugten. Gegen Hasel kann die Autorität für Pannenberg folglich ebensowenig in der Autorität der Kirche begründet sein (Ebd.). Vgl. Lauster, Prinzip, 343 (Fußnote 319).345 (Fußnote 324). 100 Vgl. Pannenberg, Begründung, 158. Vgl. Ders., Inspiration, 214 f.; Ders., Theologie (2), 145.510. 101  „Im Gegenteil, die Behauptung der Inspiration der Schrift setzt die Überzeugung von der Wahrheit der Offenbarung Gottes in Person und Geschichte Jesu, von der Gottheit Jesu und dem Handeln des dreieinigen Gottes im Versöhnungsgeschehen des Todes Jesu Christi, seiner Auferweckung von den Toten und um apostolischen Dienst der Versöhnung bereits als anderweitig begründet voraus.“ Aus diesem Grund verhandelt Pannenberg die Lehre von der Inspiration auch nicht als Teil der theologischen Prolegomena oder im Rahmen der Ekklesiologie, sondern am Ende der Versöhnungslehre. Pannenberg, Theologie (2), 511.  96

 97 Vgl.

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Evangeliums in der Schrift die Notwendigkeit des Studiums des Buchstabens der Schrift, denn: „It is only by literal interpretation that the gospel they [the apostolic writings] contain can be discerned.“102 Es handelt sich dabei um eine hermeneutische Aufgabe, deren Notwendigkeit zur auslegenden Aktualisierung für Pannenberg die Besonderheit theologischer Hermeneutik markiert. Pannenberg spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit „lebendiger Autorität“, die Einzelnen oder Institutionen in dem Maße zukommt „als andere durch sie die Weite und Tiefe ihres Lebens erschlossen finden und sofern sich diese Erfahrung immer wieder bestätigt“.103 Diese wird in den folgenden Abschnitten erläutert und in den Überlegungen zur Schriftauslegung aufgegriffen. Bevor weiter auf die Rezeption und Auslegung der Schrift eingegangen wird, kommt Pannenbergs Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament im Licht seiner Überlegungen zur Autorität der Schrift aus dem Evangelium in den Blick. Denn für Pannenberg folgt aus der eben skizzierten Beschreibung eine Differenzierung zwischen dem Alten und Neuen Testament: Das Alte Testament hat an dieser Autorität teil, „insofern sie als Vorbereitung und Weissagung auf die Offenbarung des Gottes Israels in Jesus Christus hin zu lesen sind“, während die Schriften des Neuen Testaments daran partizipieren „insofern sie das Geschehen dieser Offenbarung und seinen Bedeutungsgehalt bezeugen“.104 Für Pannenberg wurde das grundsätzliche Festhalten der Kirche an der Bedeutung des Alten Testaments erst seit dessen historisch-kritischer Interpretation in der Neuzeit erschüttert. Trotz aller Aufweise, dass den Weissagungen und Prophetien ursprünglich eine andere Bedeutung zukam, als ihnen in der christlichen Tradition zugeschrieben wurde, hält Pannenberg aus zwei Gründen an der konstitutiven Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben fest.105 Der erste Grund liegt im geschichtlichen Hintergrund der Person Jesu von Nazareth selbst: Rede und Handeln Jesu von Nazareth ist Pannenberg folgend ohne seinen Hintergrund im jüdischen Monotheismus nicht verständlich, denn der Gott Jesu ist der Gott des Alten Testaments und Jesu Rede von diesem Gott braucht daher die Erläuterung durch das Alte Testament.106 Der zweite Grund ist in der Interpretation Jesu durch die ersten Christen zu finden. Denn ohne den Bezug zum Alte Testament ist der christliche Glaube nach Pannenberg nicht nur unvollständig, sondern verfälscht: „Der Glaube an 102 Pannenberg,

Inspiration, 215. Vgl. Ders., Begründung, 158. Schriftautorität, 5. 104  Pannenberg, Theologie (2), 510. Dass diese Differenzierung m. E. nicht mit der ungleichen Gewichtung von Altem und Neuem Testament in seinen Überlegungen zur Inspiration der Schrift verbunden werden kann, wurde bereits dargelegt. Vgl. Abschnitt B 2.1.3. (Insb. Fußnote 92). 105 Vgl. Pannenberg, Bedeutung, 181. 106  Vgl. a. a. O., 182. 103 Pannenberg,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Jesus wird dann zur Mythologie oder zur Vergötzung eines Menschen, und der christliche Glaube an Gott wird dann von seinen geschichtlichen Wurzeln abgeschnitten, so daß die Zusammengehörigkeit von Monotheismus und Trinitätslehre im christlichen Gottesverständnis nicht mehr erkennbar ist.“107 Die bleibende Bedeutung des Alten Testaments liegt für Pannenberg folglich zum einen darin, was es von dem Gott Israels als dem Gott Jesu und als Horizont der Erschließung seiner Botschaft zu sagen hat.108 Zum anderen ist das Alte Testament für Pannenberg Dokument der Geschichte Gottes mit seinem erwählten Volk, da es von den Offenbarungen Gottes in der Geschichte Israels berichtet.109 Dabei wird die Geschichte selbst zum Thema der Texte als Beschreibung dessen, was Gott getan hat. Beide Aspekte sind eng miteinander verbunden, da der Gott Israels die Geschichte des Volkes bestimmt und zugleich das Gottesverständnis Israels erst im „Prozeß geschichtlicher Erfahrung“ ausgebildet wurde und daher eng mit dem Offenbarungsbegriff verbunden ist.110 Zentrales Motiv der alttestamentlichen Texte ist für Pannenberg „Yahweh’s universal dominion“, welches zunächst implizit und in späteren Texten explizit zur Geltung kommt und schließlich in Jesu Verkündigung des Königreiches Gottes kulminiert.111 Ein weiteres zentrales Thema mit bleibender Bedeutung für den christlichen Glauben ist der Rechtswille Gottes und der darin zum Ausdruck kommende Zusammenhang von Erwählung und Rechtsverpflichtung.112 In Bezug auf die Sachmitte der Schrift, die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, bestimmt Pannenberg die Bedeutung des Alten Testaments nach dem Muster von Verheißung und Erfüllung. Für Pannenberg handelt es sich dabei um eine geschichtliche Kategorie: Es ist die gemeinsame Geschichte, die den theologischen Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament begründet: „Nur das Bewußtsein der einen, die eschatologische Gemeinde Jesu Christi mit dem alten Israel durch die Klammer von Verheißung und Erfüllung verbindende Geschichte macht den Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament verständlich.“113 Dessen Relevanz gründet im o.g. zweiten Grund der Bedeutung des Alten Testaments: Den frühen Christen sei Jesus nur im Licht des Alten Testaments als „Erfüllung göttlicher Bekundungen in der Geschichte Israels“

107 Ebd. Für Pannenberg stehen Trinität und der Monotheismus Israels nicht im Widerspruch: Auch im Alten Testament seien verschiedene Formen der Gegenwart Gottes bezeugt, weswegen die Trinität als „konkreter Monotheismus, der die Offenbarungsgestalt der Gegenwart Gottes in der Welt in eins mit seiner jenseitigen Wirklichkeit bekennt“ bestimmt werden könne. A. a. O., 183. 108 Vgl. a. a. O., 184. 109 Vgl. a. a. O., 187. Vgl. Ders., Thesen, 91–95. 103–107. 110  Pannenberg, Bedeutung, 189. Vgl. Ders., Problems, 279 f. 111  Pannenberg, Problems, 278 f. 112  Vgl. Pannenberg, Bedeutung, 191. 113  Pannenberg, Heilsgeschehen, 30.

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verständlich geworden.114 Folglich haben die Texte des Alten Testaments an der Autorität des Evangeliums teil, „insofern sie als Vorbereitung und Weissagung auf die Offenbarung des Gottes Israels in Jesus Christus hin zu lesen sind“.115 2.1.4. Die Bedeutung der Schrift in ihren Rezeptions- und Auslegungskontexten Aus diesen Bestimmungen zur Schrift und ihrer Autorität leitet Pannenberg unterschiedliche Rollen der Schrift ab. Diese können im Blick auf ihre Rezeptions- und Auslegungskontexte differenziert werden. Die Bedeutung für die Entdeckung der Offenbarung und für den Glauben kommen in diesem Abschnitt in den Blick, die Bedeutung der Schrift in der und für die Schriftauslegung im Kontext dogmatischer Theologie wird im folgenden Kapitel ausgeführt.116 Ausgangspunkt für die Frage nach der Bedeutung der Schrift für die Entdeckung der Offenbarung im Glauben ist Pannenbergs Offenbarungsverständnis. Pannenberg bestimmt die Offenbarung Gottes in der Geschichte als „indirekte Selbstoffenbarung Gottes durch die Geschichte“.117 Er beschreibt diese im Unterschied zu einer direkten Mitteilung wie folgt: „Indirekte Mitteilung hingegen hat zunächst etwas anderes zum Inhalt als dasjenige, das eigentlich mitgeteilt werden soll.“118 Folglich verlangt das Handeln Gottes, in dem Gott sich offenbart, nach einer „Reflexion auf das zunächst wahrgenommene Ereignis […] und der Anstoß dazu geht von dem Ereignis selbst aus“.119 Für diese Reflexion ist die Schrift als Zeugnis von der Offenbarung Gottes für Pannenberg von zentraler Bedeutung. Da die Schrift von dem Offenbarungsereignis selbst ausgeht, handelt es sich jedoch nicht um eine ergänzende zweite Offenbarung. Vielmehr wird an der Schrift als Zeugnis der einen proleptischen Offenbarung in Jesus Christus die indirekte Offenbarung als Offenbarung erkennbar.120 Die Schrift dient daher als „Kriterium der Übereinstimmung mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus und seinem Evangelium“.121 Diese Funktion übt die Schrift sowohl in Bezug auf die schriftinterne Reflexion auf den Offenbarungsgehalt der in der Schrift bezeugten Werke Gottes als auch in Bezug auf die schriftexternen Offenbarungswerke Gottes in der fortlaufenden Geschichte aus. Dazu fragt Pannenberg nach der Beteiligung der in der Schrift bezeugten 114 Pannenberg,

Bedeutung, 186; Ders., Heilsgeschehen, 31. Theologie (2), 510. 116 Vgl. Abschnitt B 2.2.3. 117  Pannenberg, Einführung, 16. 118  Ebd. 119   A. a. O., 17. 120  Vgl. Pannenberg, Einführung, 17. 20. 121  Pannenberg, Prinzipien, 85. 115 Pannenberg,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

vielfältigen Worte Gottes am Vollzug der Offenbarungsgeschichte.122 Pannenberg spezifiziert die in der Schrift enthaltenen kriteriologischen Reflexionskategorien auf dreifache Weise. Die in der Schrift enthaltenen Worte Gottes können im Sinne eines „durch Gott autorisierten Wortes im Zusammenhang des Offenbarungsgeschehens“ die Funktion von Vorhersage/Verheißung, Weissagung/Weisung und Bericht/Kerygma der Offenbarung bieten.123 Erstens dient das Wort als Verheißung der Offenbarung, wie besonders aus den alttestamentlichen Texten deutlich wird.124 Nicht die prophetischen Visionen und Auditionen sind die Selbstenthüllung Gottes, vielmehr ist die Gottheit Gottes erst in der Erfüllung der Verheißung zu erkennen. Erst die Erfüllung lässt ein Geschehen als Tat Gottes erkennbar werden.125 Das Wort Gottes dient zweitens als Weisung: So folgen Gesetz und Gebot aus dem Selbsterweis Gottes und haben nicht selbst Offenbarungscharakter.126 Der dritte Aspekt findet sich nach Pannenberg nur im Neuen Testament und beschreibt das „von der eschatologischen Offenbarung Gottes herkommende Wort“ als Kerygma, i. e. als Verkündigung der Apostel.127 Diese versteht Pannenberg als „Bericht von dem Geschehen, in welchem Gott offenbar ist, als Bericht vom Geschick Jesu“.128 Dieser Bericht ist für Pannenberg zugleich Verkündigung, auch wenn das Kerygma selbst nicht Offenbarung ist, sondern nur von seinem Inhalt her verstanden werden kann.129 So dient das berichtende Wort zur antizipatorischen Vergegenwärtigung des Verborgenen in der Sprache und macht als „benennendes Wort“ verborgene Sinnzusammenhänge deutlich.130 Die Präzisierung der Offenbarung kann jedoch nicht durch das Wort selbst erfolgen, sondern durch den Selbsterweis Gottes im Inerscheinungtreten der vorhergesagten Zukunft.131

122 Vgl.

Pannenberg, Thesen, 112.  Pannenberg verwendet die unterschiedliche Terminologie in verschiedenen Texten  – die Beschreibung legt nahe, dass er diese Begriffe synonym verwendet. Die Benennungen finden sich in den zitierten Textstellen, wobei die erste Bezeichnung aus dem ersten Band der „Systematischen Theologie“ (1988) und die zweite Bezeichnung aus den „Dogmatischen Thesen“ (1961) stammt. Pannenberg, Theologie (1), 274. Vgl. Ders., Thesen, 112–114. 124  „Israel hat den Selbsterweis Jahwes in den Begebenheiten seiner Geschichte zumeist als Bestätigung vorausgegangener Verheißungs- oder Drohworte empfangen.“ Pannenberg, Thesen, 112. 125  Vgl. ebd. 126  Vgl. a. a. O., 113. 127 Ebd. 128 Ebd. 129 Pannenberg argumentiert: „Von diesem Geschehen des eschatologischen Selbsterweises Gottes kann man allerdings nur so sachgemäß ‚berichten‘, daß man es in jeder Sprache und Vorstellungswelt und in jede Situation hinein als die entscheidende Heilstat Gottes verkündigt. Als distanzierte Chronik wäre der ‚Bericht‘ von diesem Geschehen gerade nicht sachgemäß. Eben als Bericht ist das apostolische Wort wesentlich Verkündigung.“ Ebd. 130  Pannenberg, Theologie (1), 276 f. 131  Vgl. a. a. O., 280. 123

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Diese Konkretionen des Zusammenhangs von Schrift und Offenbarung machen deutlich, dass die Bedeutung der Schrift von Pannenberg vor allem im Blick auf den Glauben bestimmt wird. Denn nach Pannenberg meint die Offenbarung als Evangelium nichts anders als das Heil des Menschen und hat keinen davon abzutrennenden abstrakten Inhalt.132 Die Kenntnis von Jesus Christus und der daraus erwachsende Glaube sind nach Pannenberg vermittelt „durch die christliche Überlieferung von Botschaft und Wirken Jesu, von seiner Geschichte und ihrer alle Menschen angehenden Bedeutung“.133 Die im Evangeliumsbegriff erkennbare Doppelstruktur der Bezogenheit auf die Schrift zeigt setzt sich in Pannenbergs Verhältnisbestimmung von Glaube und Schrift fort: Der Glaube ist zum einen konstitutiv auf den historischen Inhalt der Schrift bezogen – auch und gerade seit der Autoritätskrise der Schrift in der Aufklärung.134 Denn dass „der christliche Glaube seine Grundlage und Voraussetzung in der geschichtlichen Offenbarung Gottes hat“ ist für Pannenberg die logische Bedingung für eine sachliche Begründung des Glaubens.135 Zum anderen ist der Glaube in der offenbarenden Erschließung durch den Geist auf die Schrift bezogen: Die Einsicht in das Wort Gottes steht nach Pannenberg jedem offen, da der Geist zum Wort gehöre und von der Wirklichkeit des Auferstandenen ausstrahle.136 Diese Klarheit der Schrift gründet für Pannenberg in ihrem Skopus, i. e. dem Heil für die Menschen.137 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch Pannenbergs Verhältnisbestimmung von Schrift und Kirche darstellen. Die Kirche erwächst für Pannenberg direkt aus der vom Evangelium evozierten Missionstätigkeit und ist daher als „vorläufige Darstellungsform der im Reiche Gottes versöhnten Menschheit“ zu beschreiben.138 Als Grund und Quelle der Kirche ist das Evangelium der Kirche bleibend vorgeordnet und repräsentiert die Autorität Jesu Christi der Kirche gegenüber.139 Die Kirche ist daher creatura verbi, weil „das apostolische Evan132 „Offenbarung Gottes bedeutet für den Menschen, der ja zur Offenheit auf Gott hin bestimmt ist, zutiefst Heil, Erfüllung seiner Bestimmung und so seines Wesens.“ Pannenberg, Thesen, 101 (Fußnote 14). 133 Im Kontext seiner Erwägungen zum Kirchenbegriff führt er fort: „Der Prozeß der Überlieferung der christlichen Lehre durch die Verkündigung des Evangeliums läßt sich aber nicht losgelöst von der Institutionalisierung solcher Überlieferung in der Kirche von der zu diesem Zweck erfolgten Ausbildung institutionell verfestigter Formen der Mitteilung, wie Predigt, Katechese und anderer Formen der Lehre vorstellen.“ Pannenberg, Theologie (3), 142. 134 Vgl. a. a. O., 167. 135 A. a. O., 171. Pannenberg führt weiter: „Der Glaube ist als Akt des Vertrauens letztlich allein auf Gott bezogen. Doch dieses personale Verhältnis des Glaubens zu Gott ist vermittelt durch die geschichtliche Selbstoffenbarung Gottes und durch die Kenntnisnahme von ihr. Erst darin hat es seine volle Bestimmung.“ A. a. O., 174. 136  Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 273. 137  Vgl. a. a. O., 44. Vgl. Abschnitt B 2.1.3. 138  Pannenberg, Theologie (2), 509. 139  Vgl. ebd.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

gelium seinen Ursprung in der frohen Botschaft Jesu selbst von der Nähe und dem Anbruch des Heils der Gottesherrschaft hat“.140 Die von der Kirche getroffenen Kanonentscheidungen ändern dieses Verhältnis nicht, sondern zeigen lediglich, in welchen Schriften die Kirche das Zeugnis des Evangeliums erkannt hat.141 Für die hier verhandelte Frage nach dem Status der Schrift in und für die Dogmatik ist die Bedeutung der Schrift für die Kirche von daher von untergeordnetem Interesse.

2.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik 2.2.1. Evangelische Theologie als Schrifttheologie und die Krise der Theologie Das Reden von der Selbstoffenbarung Gottes muß in irgendeiner Weise an den biblischen Zeugnissen zu bewähren sein, wenn es theologisch zu Recht bestehen will. Nicht nur deshalb, weil evangelische Theologie nun einmal Schrifttheologie sein will. Sondern deshalb, weil die biblischen Schriften die grundlegenden Zeugnisse von den Geschehnissen sind, auf die die Theologie sich bezieht, wenn sie von der Offenbarung redet.142

Die Beschreibung des Status der Schrift in der und für die Dogmatik findet bei Pannenberg die explizite Grundlegung, dass evangelische Theologie konstitutiv auf die Schrift bezogen ist. In dieser Bezogenheit zeigt sich für Pannenberg der unlösbare Zusammenhang von historischer und systematischer Aufgabe der Theologie. Dieser Zusammenhang wird durch die in der Aufklärung aufkommende historische Forschung massiv in Frage gestellt, was nach Pannenberg – wie eingangs skizziert – zur Krise des Schriftprinzips in der Theologie führte.143 Die in der Fundamentaltheologie beschriebene Krise des Schriftprinzip wird für Pannenberg somit zu einem Ausdruck der Grundlagenkrise der Theologie selbst.144 140  A. a. O., 510. Auch wenn dies in Hasels Beschreibung der Schrift als Identitätsnorm der Christen treffend zum Ausdruck kommt, gründet doch die Autorität dieser Norm eben nicht in der Kirche selbst, sondern in der in der Schrift enthaltenen Offenbarung. Vgl. Hasel, Scripture, 114.221. Vgl. Abschnitt B 2.1.4. 141 Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 510. 142 Pannenberg, Einführung, 12. Auf diese Weise wird die „Geschichtlichkeit der Gotteserfahrung selbst thematisch […] und zwar hier in der spezifischen Form, daß ein geschichtliches Geschehen als endgültiges, eschatologisches Gotteshandeln den Bezugspunkt für alles spätere christliche Bewußtsein bildet“. Ders., Wissenschaftstheorie, 349. 143  „Für die historisch-kritische Schriftauslegung der Neuzeit jedoch sind die biblischen Schriften grundsätzlich Dokumente eines vergangenen Zeitalters. Die gegenwärtige Relevanz ihres Inhalts ist daher im Rahmen der historischen Schriftauslegung prinzipiell nicht entscheidbar. Damit hat sich das Gewicht der Frage nach der Wahrheit des Redens von Gott ganz auf die Dogmatik verlagert.“ Pannenberg, Theologie (1), 18. 144  „In der Auflösung des Schriftprinzips wirkte sich aus, was durch die Konzentration auf die Schrift in Abkehr von den Weltwissenschaften schon angelegt war.“ Pannenberg, Krise, 13.

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Pannenberg entfaltet seinen Theologiebegriff von dieser Krisenbeschreibung her: Die Krise des Schriftprinzips macht nach Pannenberg deutlich, dass die Theologie nicht „als Spezialwissenschaft von der göttlichen Offenbarung auf Grund der Heiligen Schrift“ bestehen kann und Pannenberg drängt daher auf die Erneuerung der Universalität der Theologie.145 Er definiert Theologie als „Wissenschaft von Gott“146 und bestimmt die gesamte christliche Theologie als Entfaltung des Gottesgedankens.147 Sie gründet in der Offenbarung Gottes, denn nur durch eine von Gott gewährte Schau ist dem Menschen die Theologie zugänglich.148 Wird Gott als Gegenstand der Theologie bestimmt, so ist es nach Pannenberg erforderlich auch von der Welt zu reden, der Gott ihr Daseinsrecht verliehen hat.149 Daher muss die Theologie Spuren Gottes als „alles bestimmende Wirklichkeit“ beschreiben.150 Theologische Rede ist für Pannenberg nur dann theologisch, wenn sie sich mit der Wahrheit Gottes beschäftigt; theologische Disziplinen sind nur insofern Theologie, als sie sich mit der Wahrheit Gottes beschäftigen.151 Aufgabe der Theologie ist daher die „Prüfung der religiösen Überlieferungen überhaupt auf ihre spezifisch religiösen Ansprüche“152 und Formulierung von „Hypothesen über Wahrheit“ nach den Maßgaben des Kohärenz-, Satz- und Kontrollierbarkeitspostulats.153 145  A. a. O., 20. Die Abkehr von den Weltwissenschaften markiert für Pannenberg nicht weniger als die Verfehlung des eigenen Themas der Theologie, i. e. Gott als „alles bestimmende Macht“ (a. a. O., 11). Statt diesen universalen Aspekt der Theologie wahrzunehmen, habt sich die Theologie auf Sonderbereiche beschränkt, was zu einer Entfremdung zwischen Theologie und profanen Wissenschaften führte, die Glaubwürdigkeit der Theologie und der Schrift in Frage stellte und letztlich in der Krise des Schriftprinzips gipfelte (a. a. O., 12 f ). Mit Leonhardt und Huizing kann Pannenbergs Geschichtstheologie daher als „Reaktion auf den kritischen Zustand des Schriftprinzips in der Moderne“ beschrieben werden. Huizing, Homo, 81. Vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 236 f. 146 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 299–348. 147 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 7. 148 Vgl. a. a. O., 12. 149 Vgl. a. a. O., 16. Gott muss angesichts der Offenheit und Unabgeschlossenheit der Gottesfrage als „Problembegriff “ verstanden werden, der in der Endlichkeit hypothetisch bleibt. Ders., Wissenschaftstheorie, 300.302. 150 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 304. Pannenberg begründet diese Beschreibung damit, dass die Wirklichkeit Gottes in „subjektiven Antizipationen der Totalität der Wirklichkeit […], die ihrerseits geschichtlich sind, d. h. der Bestätigung oder Erschütterung durch den Fortgang der Erfahrung ausgesetzt bleiben“ mitgegeben sei (a. a. O., 312). Die Theologie als Wissenschaft von Gott kann sich ihrem Inhalt daher nur indirekt durch Studium der Religionen annähern – die göttliche Wirklichkeit ist jeweils nur in ihrer geschichtlich bestimmten Gestalt zugänglich (vgl. a. a. O., 349). 151 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 17; Ders., Wissenschaftstheorie, 300.350. 152  Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 324. 153 A. a. O., 329–336. Diese Definition bietet nach Pannenberg zum einen eine Lösung des seit dem Niedergang der Dialektischen Theologie virulenten hermeneutischen Problems der Theologie und erschließt zum anderen die Einheit der Theologie von Gott als ihrem Gegenstand her. A. a. O., 279.299. Zur Abgrenzung anderer Begründungsformen theologischer Enzyklopädie vgl. a. a. O., 226–298, insb. 249–254.

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Theologie in diesem Sinn findet Pannenberg seinerzeit in den theologischen Disziplinen kaum vor, weswegen er die theologische Aufgabe in die Hände der Systematischen Theologie legt.154 Diese übernimmt die Aufgabe der systematischen Durchdringung des historischen Stoffes von den historischen Disziplinen.155 Die Systematische Theologie bezieht sich auf die historischen Kenntnisse dabei nicht als Selbstzweck, sondern fragt, „inwiefern sich in den jeweils untersuchten historischen Gegebenheiten die alles bestimmende göttliche Wirklichkeit bekundet“.156 Aufgabe der ist daher der systematische Aspekt der Theologie überhaupt, was Pannenberg als eine „Notlösung“ beschreibt.157 Vor diesem Hintergrund entfaltet Pannenberg seine Überlegungen zur Schriftauslegung in den theologischen Disziplinen. 2.2.2. Die Prüfung der Theologie an der Schrift als Aufgabe historisch-exegetischer Forschung Pannenberg beschäftigt sich ausführlich mit der von ihm diagnostizierten Krise der Theologie im Kontext der exegetischen Fächer. In diesen zeigt sich nach Pannenberg die Problematik in besonderer Schärfe, da diese seit der Aufklärung ihren theologischen Charakter zunehmend verloren haben.158 Pannenberg führt diese Entwicklung wiederholt aus. In Luthers Formulierung des Schriftprinzips kam der Exegese – in der damaligen Form der schulmäßigen Schriftauslegung – durch den Fokus auf den Literalsinn Pannenberg zufolge eine genuin theologische Aufgabe zu: „Die Verbindung der These von der Klarheit der Schrift mit dem Primat des Literalsinns bei ihrer Auslegung hatte zur Folge, daß der schul154 So

ist nach Pannenberg bislang in Deutschland keine theologische Religionswissenschaft als Theologie der Religion ausgebildet worden, welche ausgehend von der Anthropologie als Basiswissenschaft über Religionsphänomenologie und Religionsgeschichte hinaus nach dem theologischen Gehalt erfahrener Wirklichkeit fragt (vgl. a. a. O., 362–370). Auch die Kirchengeschichte fragt nicht nach Gott und seinem Handeln und widerspricht nach Pannenberg somit der Wirklichkeit des biblischen Gottes. Pannenberg bestimmt die Kirchengeschichte „in gewisser Weise […] als die den gesamten Prozess christlicher Überlieferungsgeschichte in sich begreifende theologische Disziplin“ (a. a. O., 394; Vgl. a. a. O., 394–399). Einzig die Praktische Theologie kommt ihrer Aufgabe Pannenberg zufolge nach (vgl. a. a. O., 426–439). 155 Vgl. a. a. O., 421. 156  A. a. O., 351. 157 Vgl. a. a. O., 424. Dies entspricht nach Pannenberg jedoch zugleich dem systematischen Anspruch der Wahrheitsfrage, die ihrer Natur nach systematisch ist: Sie fragt nach der „Zusammenstimmung der verschiedenen Inhalte der Überlieferung untereinander und mit der jeweiligen gegenwärtigen Wirklichkeitserfahrung“ (a. a. O., 350). Pannenberg folgert: „In diesem Sinne läßt sich behaupten, daß Theologie schlechthin gleichbedeutend ist mit systematischer Theologie. […] Doch gilt ebenso umgekehrt, daß systematische Theologie gerade im Christentum stets nur als Interpretation historisch vermittelter Stoffe entwickelt worden ist, als Deutung eines geschichtlich Gegebenen.“ (Ebd.). Zur These, dass die Systematische Theologie diese Aufgabe stellvertretend übernommen hat, vgl. a. a. O., 372.399.421. 158 Vgl. a. a. O., 354–359.

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mäßigen Schriftauslegung die entscheidende Funktion für die Feststellung des Sinnes der Schriftaussagen zufällt.“159 Die Exegese hatte daher bis in die Neuzeit die Aufgabe, „den verbindlichen Inhalt christlicher Lehre als Offenbarung Gottes zu erheben“ und bis in die nachreformatorische Zeit verstanden sich die dogmatischen Theologien als Zusammenfassungen des Lehrgehaltes der Schrift, während die Feststellung dieses Lehrgehalts der Exegese oblag.160 In Folge der sich ausbildenden konfessionellen Gegensätze kommt der Autorität der Schrift eine immer zentralere Bedeutung zu.161 Die in der Aufklärung aufkommende historische Forschung führt nun zu einem tiefen Einschnitt: Betrachtet wird nicht nur die Menschlichkeit der Texte und die Zuverlässigkeit der Tradenten, sondern die Historizität der Texte als solche wird beurteilt.162 Die Autorität der Überlieferung wird nach Pannenberg durch historische Rekonstruktion ersetzt, wodurch den gewonnenen Einsichten nur der Status einer wissenschaftlichen Einsicht „in Gestalt von Wahrscheinlichkeitsurteilen“ zukommt, statt als Grundlage des Glaubens zu dienen.163 In Folge konnten weder Schriftautorität noch die Berufung auf Kirche oder Tradition überzeugen.164 Dieser Einschnitt schlägt sich nach Pannenberg in einem veränderten Schrift- und Selbstverständnis der Exegese nieder: Für die historisch-kritische Schriftauslegung der Neuzeit jedoch sind die biblischen Schriften grundsätzlich Dokumente eines vergangenen Zeitalters. Die gegenwärtige Relevanz ihres Inhalts ist daher im Rahmen der historischen Schriftauslegung prinzipiell nicht entscheidbar. Damit hat sich das Gewicht der Frage nach der Wahrheit des Redens von Gott ganz auf die Dogmatik verlagert.165

159 Mit Blick auf die ökumenische Gesprächslage führt Pannenberg weiter: „Das ist die Kern-

frage des konfessionellen Gegensatzes, weil eben diese für die Schriftauslegung entscheidende Funktion auf katholischer Seite dem kirchlichen Lehramt zugeschrieben wird.“ Pannenberg, Theologie (1), 40. 160 A. a. O., 18. Pannenberg führt weiter, dass für die wissenschaftstheoretische Beschreibung der Theologie daher der praktische Charakter der Theologie im Sinne einer „ontologische[n] Finalstruktur der geschöpflichen Existenz des Menschen auf Gott hin“ (Ders., Wissenschaftstheorie, 237) auch nicht strittig, da die Entsprechung des Heilsstrebens des Menschen zum Wesen und Willen Gottes auf der Grundlage der göttlichen Autorität der Schrift erkannt und überprüft werden konnte (vgl. a. a. O., 240). Die Infragestellung der Autorität der Schrift stellt dann jedoch das Woraufhin der Theologie als praktischer Wissenschaft insgesamt in Frage. 161 „Die autoritative Vermittlung der Kenntnis von den für die christliche Lehre grundlegenden historischen Begebenheiten war auch für die Reformation noch selbstverständlich. Allerdings konzentrierte sich für die Reformation wie schon für das Spätmittelalter das Autoritätsproblem auf den Begriff der von Gott eingegebenen Schrift, in welcher man es nicht mit einer menschlichen Autorität, sondern unmittelbar mit der Autorität des inspirierenden Gottes zu tun haben glaubte.“ Pannenberg, Theologie (3), 167. 162  Vgl. ebd. 163   A. a. O., 168. 164  Vgl. ebd. 165  Pannenberg, Theologie (1), 18.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Aus dem Niedergang der Schriftautorität durch die Entwicklung der historischen Exegese leitet Pannenberg eine neue theologische Aufgabe der Exegese ab – die er bislang jedoch nicht verwirklicht sieht: Ausgangspunkt ist die oben genannte These Luthers von der Klarheit der Schrift, nach der die Sache der Schrift in exegetisch eindeutigem Wortsinn erkennbar ist.166 Hieraus erwächst für Pannenberg die Bedeutung der Exegese für die protestantische Theologie: „Denn das, was wir heute historisch-kritische Exegese nennen, ist ja in seiner Zielsetzung nichts anderes als das Bemühen, die biblischen Schriften, die Absicht und den Inhalt ihrer Aussagen, aus ihnen selbst zu verstehen.“167 Diese theologische Aufgabe der Exegese ist Pannenberg zufolge aus zwei Gründen unverzichtbar. Zum einen kann die Theologie nicht auf die Bindung an ihren geschichtlichen Ursprung, i. e. die Offenbarung in Jesus Christus, verzichten, die in den biblischen Texten ihren Niederschlag gefunden hat. Denn der Grund der christlichen Theologie ist ein geschichtlicher und folglich kann die Theologie nicht von der historischen Erforschung desselben abgelöst sein.168 Ein Auseinandertreten von historischer Forschung und der „von den biblischen Schriften bezeugte[n] Verheißungsgeschichte Gottes“ ist für Pannenberg daher weder theologisch noch historisch hinnehmbar.169 Obschon die Exegese den historischen Fächern zuzuordnen ist, darf diese also nicht in falscher Alternative zu ihrer Gegenwartsbedeutung verstanden werden, vielmehr ist sie für Pannenberg „maßgebend“ für das Verhältnis des Christentums zu seinen Anfängen.170 Es ist die Herausforderung der Exegese, auch durch ihre Einsicht in die Zeitgebundenheit

166 Vgl. Pannenberg, Krise, 14. Vorsichtiger formuliert Pannenberg an anderer Stelle: „Daß die Geschichte Jesu, auf das Fragen des Historikers zielt, die Offenbarung Gottes in sich schließt und gerade als Historie in ihrer Eigenart nur erfaßt wird, wenn sie in dieser ihrer Besonderheit gesehen ist, scheint mir in der Richtung von Luthers Begriff einer ‚äußeren Klarheit‘ der Schrift zu liegen.“ Ders., Heilsgeschehen, 63. 167 Pannenberg, Krise, 14. Vgl. Ders., Schriftautorität, 9. Jedoch führte gerade der Anspruch, theologische Sätze durch und aus der Exegese zu begründen, in der Weiterentwicklung der historischen Schriftforschung zur Auflösung des Schriftprinzips angesichts des historischen Abstandes zwischen biblischen Texten und Gegenwart, sowie der Pluralität und Widersprüchlichkeit der biblischen Aussagen. Diese Entwicklung bedeutet für Pannenberg jedoch nicht das Ende der theologischen Aufgabe der Exegese, sondern verlangt die Besinnung und die Zuspitzung dieser Aufgabe. Vgl. Ders., Krise, 15; Ders., Inspiration, 212; Ders., Begründung, 156. 168 „Mit der Geschichtsbezogenheit des christlichen Glaubens ist es nun einmal unvermeidlich gegeben, daß der Glaubende sich gegenüber kritischem historischem Fragen nicht auf ein ‚sturmfreies Gebiet‘ retten kann – bei Strafe des Verlustes seines geschichtlichen Grundes. […] Der Glaubende kann nur vertrauen, daß die Tatsächlichkeit des Geschehens, auf das er sich gegründet weiß, sich im Fortgang historischen Erkennens immer wieder durchsetzen wird.“ Pannenberg, Heilsgeschehen, 59. Zum Verhältnis von historischer Forschung und Glaube vgl. den Exkurs in diesem Kapitel. 169  A. a. O., 44. Zum Verhältnis der Disziplinen Vgl. a. a. O., 44–78. 170 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 378.

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und Eigentümlichkeit der Texte ihre theologische Aufgabe nicht zu verlieren.171 Pannenberg ist überzeugt: Das Dilemma zwischen historisierender Entleerung des theologischen Gehaltes und historisch gewaltsamer ‚theologischer‘ Deutung läßt sich nur dann überwinden, wenn die historische Methodik der Schriftexegese sich von vornherein im Rahmen einer theologisch orientierten Religionsgeschichte im Sinne einer Theologie der Religionen bewegt.172

Ziel einer solchen biblischen Theologie wäre dann die „zusammenhängende[] Darstellung der Überlieferungsgeschichte Israels und des Urchristentums, bei der politisch-institutionelle Geschichte und Darstellung der Glaubensanschauung integriert sind“.173 Hier wird der konstitutive Zusammenhang der von Pannenberg vorgenommenen Neuformulierung des Schriftprinzips als Prinzip der „Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“174 zur Aufgabe der Exegese – und damit zur theologischen Enzyklopädie – deutlich. Zum anderen kann der Exeget als Theologe – der Pannenbergs Verständnis nach mit der Entfaltung des Gottesgedankens und seines Wahrheitsanspruchs befasst ist – nicht bei der Analyse der Vielfältigkeit der Auslegungen der biblischen Texte stehenbleiben, sondern muss sich um der „Endgültigkeit der Wahrheit“ Willen um den Aufweis der „Einheit und Selbigkeit der Botschaft“ bemühen.175 Gerade weil die Ergebnisse der modernen Exegese zeigen, dass die Sachmitte der Schrift im Zeugnis der biblischen Texte nicht offen zu Tage liegt, muss die Exegese nach Pannenberg um den Aufweis dieser Sache der Schrift durch den Rückgang auf „den Gesamtcharakter des Auftretens Jesu und seiner Geschichte“ bemüht sein.176 Um die „Einheit der Sache“ zu erkennen, muss das „Ganze der Gestalt Jesu“ in den Blick genommen und Kenntnisse der historischen Gestalt erworben werden.177 Zur Wahrung des Schriftprinzips als „Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“178 hat die Exegese daher eine zentrale Funktion: „Der dogmatische Inhalt der Schrift muß sich durch historische Argumentation auf171 Vgl.

ebd.

172 A. a. O., 381 [Hervorhebung im Original]. Einer unsachgemäßen Trennung von Theologie

und Religionsgeschichte ist damit Pannenberg zufolge vorgebeugt: „Dagegen käme es darauf an, den Beitrag der politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen für die Erfahrung der Wirklichkeit im ganzen und damit für die religiöse Thematik herauszuarbeiten, um somit die Art und Weise ihrer Bewältigung aus dem religiösen Überlieferungszusammenhang heraus, in dem die biblischen Traditionsträger verwurzelt sind, zu verstehen.“ A. a. O., 391 [Hervorhebung im Original]. 173  A. a. O., 392. 174  Pannenberg, Prinzipien, 80. 175  Pannenberg, Hermeneutik, 124. 176  Pannenberg, Theologie (2), 318. 177  Pannenberg, Hermeneutik, 134 f. 178  Pannenberg, Prinzipien, 80.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

weisen lassen. Das ist die wahre ‚Bedeutung der historisch-kritischen Methode für die protestantische Theologie und Kirche‘.“179 Die Aufgabe der Exegese, so fasst Pannenberg zusammen, besteht darin, „die theologische Dimension eines historischen Phänomens an diesem selbst aufzudecken“.180 Diese theologische Aufgabe der Exegese hat für Pannenberg jedoch nicht nur theoretisch-schulischen Charakter, sondern betrifft ebenso die Grundlegung des Glaubens der einzelnen Christen. Denn dass „der christliche Glaube seine Grundlage und Voraussetzung in der geschichtlichen Offenbarung Gottes hat“ ist für Pannenberg die logische Bedingung für eine sachliche Begründung des Glaubens.181 Ebenso wie eine Ablösung der Theologie von ihrem geschichtlichen Ursprung für Pannenberg nicht denkbar ist, hält er auch eine Ablösung des Glaubens von seinen geschichtlichen Inhalten für unmöglich.182 Diese Kenntnisnahme der Offenbarung in der Schrift ist für Pannenberg Gegenstand theologischer Forschung, insbesondere historisch-exegetischer Arbeit, während die Einsicht in die Schrift und ihre glaubenserweckende Kraft eng mit dem Wirken des Heiligen Geistes verbunden ist. Angesichts der Entwicklung der Exegese kann Pannenberg einen theologischen Rückzugsreflex auf den Glauben als fiducia und das Aufgeben des historischen Denkens aus den oben umrissenen Grundlinien seines Theologieverständnisses nicht billigen.183 Da „der christliche Glaube seine Grundlage und Voraussetzung in der geschichtlichen Offenbarung Gottes hat“, muss an historischer Argumentation festgehalten und allen Einwänden „auf dem Felde der Argumentation“ begegnet werden, sonst beraubt sich der Glaube seines ihm vorgegebenen geschichtlichen Grundes.184 Hier liegt für Pannenberg die Aufgabe der exegetischen Forschung für das Glaubensbewusstsein der Christen und er ist überzeugt, dass diese den Glauben stärken kann,

179 Pannenberg, Aussage, 166. Gegen Ebeling hält Pannenberg fest, dass die Exegese die positive Begründung der Theologie aus der Auslegung der Schrift zur Aufgabe hat (vgl. ebd.). An anderer Stelle nennt Pannenberg den Aufweis, dass diese „als Hypothesen über die Tragweite israelitisch-christlichen Glaubens gemeint sind, aber sich nicht als Formulierung von Implikationen biblischer Überlieferungen (sei es auch im Lichte veränderter Erfahrung) ausweisen lassen“. Ders., Wissenschaftstheorie, 348. 180 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 352 [Hervorhebung im Original]. 181  Pannenberg, Theologie (3), 171. Er führt den Gedanken an anderer Stelle weiter: „Der Glaube ist als Akt des Vertrauens letztlich allein auf Gott bezogen. Doch dieses personale Verhältnis des Glaubens zu Gott ist vermittelt durch die geschichtliche Selbstoffenbarung Gottes und durch die Kenntnisnahme von ihr. Erst darin hat es seine volle Bestimmung.“ A. a. O., 174. 182 „Durch den Gedanken der äußeren Klarheit der Schrift ist keineswegs die Eigenart des Glaubens gegenüber einem bloßen Tatsachenwissen gefährdet. Glaube ist ja nicht so etwas wie die Ersetzung mangelnden Wissens durch subjektive Überzeugtheit. […] Aber nun ist Glaube Vertrauen auf Gottes Verheißung, und dieses Vertrauen wird durch kein Wissen von dieser Verheißung überflüssig, sondern so überhaupt erst möglich.“ Pannenberg, Heilsgeschehen, 65. 183  Pannenberg, Theologie (3), 174. Vgl. a. a. O., 169. 184   A. a. O., 176.

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statt ihn zu destruieren.185 Diese kritische Funktion zur Prüfung des Glaubensinhalts nimmt die Exegese auch gegenüber kirchlich formulierten Glaubensinhalten wahr.186 2.2.3. Die Schrift als Ausgangspunkt und Maßstab für die Dogmatik Während Pannenberg im Blick auf die exegetischen Fächer vor allem die Frage in den Blick nimmt, welche Funktion diesen Disziplinen für die Auslegung der Schrift im Kontext der gesamten Theologie zukommt, dreht sich die Perspektive im Blick auf die Dogmatik um: Hier fragt Pannenberg nach den Funktionen der Schrift für die Dogmatik und nicht nach der Funktion der Dogmatik im Kontext der gesamttheologischen Aufgabe der Schriftauslegung. Vor dem Hintergrund seiner Überzeugung, dass die Dogmatik zur Zeit der Abfassung seiner Dogmatik die theologische Aufgabe für die gesamte Theologie übernimmt, ist anzunehmen, dass diese Frage für Pannenberg nicht zu trennen ist: Denn de facto liegt nach Pannenberg die theologische Schriftauslegung seinerzeit vollständig in den Händen der Dogmatik, sodass sich die Frage nicht stellt, welchen Beitrag dogmatische Schriftauslegung zu einer gesamttheologischen Schriftauslegung leisten kann. Vor dem Hintergrund dieser Verschränkung von Theologie, Systematischer Theologie und Dogmatik ist zunächst terminologisch zu unterscheiden, was nach Pannenbergs Verständnis vor Augen steht, wenn die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik gestellt wird. Zu klären ist folglich die Abgrenzung von Systematischer Theologie, Dogma und Dogmatik. Systematische Theologie bestimmt Pannenberg auf der einen Seite als Beschreibung einer wahrheitsorientierten Theologie im Ganzen, wie aus der Darstellung des Theologiebegriffs deutlich wurde.187 Systematische Theologie im Sinne einer theologischen Subdisziplin auf der anderen Seite umfasst die Bereiche der Polemik, Apologetik und die 185  „Seit dem Ende des Zeitalters der Vermittlung allen geschichtlichen Wissens durch Autorität kann man nun einmal das Bewußtsein eines geschichtlichen Glaubensgrundes nur noch haben, indem man die damit verbundene Relativität historisch-exegetischen Wissens auf sich nimmt samt der Bereitschaft, die geschichtlichen Grundlagen des Glaubens immer wieder zu prüfen und ihre vorhandenen Darstellungen wo nötig zu revidieren. […] Und was den Gegenstand des Glaubens selbst betrifft, so sollte das Gottvertrauen der Christen die ruhige Zuversicht begründen, daß keine historische Kritik die Wahrheit der Offenbarung Gottes zerstören kann, daß vielmehr gerade auch aus den Ergebnissen kritischer Exegese und Rekonstruktion der Geschichte Jesu die Wahrheit der Offenbarung Gottes immer wieder hervortreten muß, wenn sie denn wirklich in der Geschichte Jesu Ereignis geworden ist.“ Ebd. Vgl. Ders., Heilsgeschehen, 59. 186 Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 137. 187  Vgl. Abschnitt B 2.2.1. Vgl. Pannenbergs Begründung zur Benennung seiner „Dogmatik“ als „Systematische Theologie“: Seine Darstellung der christlichen Lehre hat er als systematisch tituliert, weil sie genau das – und somit nachvollziehbar – sein soll. Pannenberg, Theologie (1), 7. Vgl. a. a. O., 28–33.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Grundlegung der christlichen Theologie in einer allgemeinen Theologie der Religionen (solange und insofern diese nicht durch eine im oben beschrieben Sinne verstandene Religionswissenschaft geleistet wird).188 Davon unterscheidet Pannenberg die Begriffe Dogma und Dogmatik. Der Begriff Dogma wird nach Pannenberg seinerzeit vielfach synonym zum Begriff Bekenntnis verwendet und bezeichnet somit die Antwort der Kirche auf die Offenbarung Gottes.189 Das Dogma ist für Pannenberg im Anschluss an Barth ein eschatologischer Begriff, da die endgültige Erkenntnis über Inhalt und Wahrheit des Handeln Gottes erst am Ende der Geschichte durch Gott eröffnet wird.190 Der Wahrheitsanspruch des Dogmas ist dabei nicht extern, sondern nur durch den Sachgehalt selbst zu gewährleisten, der sich in dem irdisch nicht abschließbaren Prozess seiner Prüfung erschließt.191 Die vorausgesetzte Wahrheit kann dabei nur im Medium ihrer Erkenntnis als Wahrheit erfasst werden, da die göttliche Wahrheit aller menschlichen Erkenntnis vorgängig ist.192 Inwiefern der Sachgehalt des Dogmas Gottes, i. e. der Offenbarung, seinen Niederschlag in der Schrift findet, wurde bereits dargelegt. Das Gegenüber von Kirche und Dogma findet in der Schriftbindung der Dogmatik ihren Ausdruck: Das Dogma – verstanden als Zusammenfassung der Schrift – muss von der Schrift her überprüfbar und modifizierbar sein.193 Hier liegt der innere Zusammenhang zwischen Dogmatik und Exegese. Dieses Gegenüber von Dogma und Offenbarung ist für Pannenberg konstitutiv für die Aufgabe der Dogmatik: Die Dogmatik soll die Übereinstimmung des Dogmas, bzw. der Dogmen der Kirche mit der Offenbarung, bzw. dem Dogma Gottes methodisch untersuchen.194 Die Besonderheit der theologischen Dogmatik gründet für Pannenberg in ihrem Inhalt und der damit verbundenen universalen Wahrheit: Im Unterschied zu historischen Aussagen zielen dogmatische Aussagen nicht auf historische Individualität, sondern setzen das historisch Besondere voraus und suchen dessen universale Bedeutung für das Ganze der Wirklichkeit und das menschliche Wahrheitsbewusstsein.195 Wenn die Dogmatik also nach der Wahrheit des Dogmas fragt, fragt sie, ob die Dogmen der Kirche Ausdruck der Offenbarung Gottes und also Dogmen Gottes selbst sind, und sie verfolgt diese Frage, indem sie das Dogma auslegt.196 Pannenberg bestimmt die Dogmatik daher  Vgl. Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 413–420.424. Pannenberg, Aussage, 159. 190 Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 26. 191 Vgl. ebd. 192  Vgl. a. a. O., 34. 193 Vgl. Pannenberg, Aussage, 162. 194 Vgl. a. a. O., 160. 195 Vgl. a. a. O., 171. Pannenberg definiert: „Die Universalität der dogmatischen Aussage bedeutet konkret vor allem, daß sie den irdischen Weg Jesu samt seiner Auferweckung von den Toten als Handeln Gottes in den Blick nimmt.“ (a. a. O., 174) Diese Universalität begründet erstens den systematischen Charakter der Dogmatik, da die Dogmatik ausgehend vom Besonderen das Ganze der Wirklichkeit in den Blick nimmt. Zweitens bedingt sie das Wesen der Dogmatik als kommunikative Aussage, da die Wahrheit immer gemeinsam sein möchte. Drittens begründet die Universalität die Zeitbedingtheit aller dogmatischen Aussagen, da diese jeweils nur approximativen Charakter haben. Die Wahrheit ihres Inhalts kann die systematische Theologie jedoch nicht vorgängig sicherstellen, sondern hat ihn aufgrund des eschatologischen Charakters des Dogmas zum ständigen Thema (vgl. Ders., Theologie [1], 58). Die Wahrheitssuche der Dogmatik hat ihren Ort in der Geschichtlichkeit, weshalb alles Reden von Gott vorläufig und damit hypothetisch verbleibt (vgl. a. a. O., 66. Vgl. Pannenberg, Aussage, 180). 196  Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 26. 188

189 Vgl.

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als Wissenschaft vom Dogma.197 Dies geschieht in systematischer Form durch den Aufweis des Zusammenhangs zwischen den christlichen Lehraussagen und darüber hinaus des Zusammenhangs zwischen ihnen und allem, was sonst als wahr gilt.198 Denn wenn Gott als das Thema der Theologie als alles bestimmende Macht verstanden wird, ist es nach Pannenberg Not und Würde der Theologie, alle Wahrheit mit einzubeziehen und deren Kohärenz zu erweisen.199 Von diesem Wahrheitsbegriff aus kann Pannenberg „Dogmatik als Systematische Theologie“ bestimmen.200 Dieses Anliegen spiegelt der Aufbau von Pannenbergs Hauptwerk „Systematische Theologie2. Sie gliedert sich in drei Bände mit insgesamt 15 Kapiteln. Die ersten drei Kapitel verhandeln die Wahrheit der christlichen Lehre als Thema der Systematischen Theologie, den Gottesgedanken und seine Wahrheit, sowie die Wirklichkeit Gottes und der Götter in der Erfahrung der Religionen. Das vierte Kapitel zur Offenbarung Gottes stellt Pannenbergs Programm der „Offenbarung als Geschichte“ vor und leitet zugleich zu den zwei folgenden Kapiteln zur Gotteslehre über. Der zweite Band entfaltet zunächst Schöpfungslehre und Anthropologie, um dann mit dem neunten Kapitel „Anthropologie und Christologie“ in die Themen Christologie und Versöhnungslehre überzuleiten. Im dritten Band führt Pannenberg zunächst in den Zusammenhang von Geistausgießung, Reich Gottes und Kirche ein und reflektiert dann auf die Gemeinde des Messias und den Einzelnen. In den Kapiteln zu Erwählung und Geschichte und zur Vollendung der Schöpfung im Reich Gottes folgen dann Topoi der Eschatologie. Die Gliederung der „Systematische[n] Theologie“ Pannenbergs orientiert sich an dem im ersten Kapitel geäußerten Anspruch, die Wahrheit der christlichen Lehre entfalten zu wollen: Es geht Pannenberg um die Entfaltung des christlichen Gottesgedankens201, insofern Gott den „einheitsgebenden Bezugspunkt aller Gegenstände und Themen“202 bildet. Dieser Entfaltung der Wahrheit dient auch der Rekurs auf die Schrift und die Auslegung derselben auf der Suche nach der „Sache der Schrift“ in den biblischen Texten, wie sie dort als „Handeln Gottes in Jesus von Nazareth“ bezeugt wird.203 Pannenbergs Theologie ist daher dem Aufbau nach nicht von biblischen Erzähllinien oder Topoi geprägt. Im Vordergrund steht vielmehr die philosophisch geschulte Entfaltung der Lehre, deren Wahrheit an und in den Zeugnissen von Schrift und Tradition entfaltet wird.

Pannenberg hält grundlegend fest, dass alle Dogmatik an die Schrift gebunden ist: Das Dogma als Zusammenfassung der Schrift muss von der Schrift her

197  Vgl.

a. a. O., 17 f. a. a. O., 28. 199 Vgl. Pannenberg, Krise, 11; Ders., Theologie (1), 31. 200  So der Titel des entsprechenden Abschnittes in der Systematischen Theologie (vgl. Pannenberg, Theologie [1], 27). Diese Ausführungen zum Begriff der Dogmatik zeigen, dass diese deckungsgleich sind zu Pannenbergs Ausführungen zum Begriff der Systematischen Theologie in „Wissenschaftstheorie und Theologie“. Insofern beziehen sich die Begriffe der Systematischen Theologie und der Dogmatik auf dasselbe Unterfangen, wobei die Bezeichnung der „Systematischen Theologie“ auf die Art und Weise der Darstellung und Begründung verweist und die Bezeichnung „Dogmatik“ die zu traktierenden Überlieferungsinhalte in den Vordergrund stellt. 201  Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 7.14. 202   A. a. O., 15. 203   A. a. O., 25. 198 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

überprüfbar und modifizierbar sein.204 Für die dogmatische Theologie leitet Pannenberg daraus eine plurale Funktionsbestimmung ab: Ausgehend von der geschichtlichen Vorgegebenheit der Schrift ist sie dem historischen und sachlichen Anspruch nach Ausgangspunkt aller Theologie und folglich als deren Maßstab zu bestimmen. Pannenberg beschreibt die Schrift erstens als eine der historischen Voraussetzungen der Dogmatik neben der „Tatsache christlicher Lehre“ und der daraus erwachsenden „vielschichtige[n] Realität des Christentums in seiner Geschichte“: „Vorausgesetzt ist die in der Geschichte des Christentums schon früh der Bibel zugewachsene Funktion als Bezugsgröße und Kriterium der christlichen Identität kirchlicher und theologischer Lehre.“205 Die historisch gewachsene Autorität der Schrift, die Kirche und Theologie vorgegeben zu sein scheint, zielt auf die Aneignung dieser Texte und damit auf das eigentliche Ziel der Überlieferung.206 Die Theologie steht nach Pannenberg in einem kritischen Verhältnis zu dieser ihrer eigenen Voraussetzung: Ausgehend von der Unmittelbarkeit der Offenbarung in Jesus Christus ist Theologie institutionalisierte kritische Reflexion auf die Vermittlungsprozesse der Schrift – nicht gegen die Sache der Tradition, sondern vielmehr davon ausgehend.207 Aus dieser geschichtlichen Vorgegebenheit erwächst für Pannenberg zweitens die sachliche Vorgegebenheit der Schrift als Ausgangspunkt der Theologie, wie bereits aus seiner Formulierung des Schriftprinzips deutlich wurde: Alle Dogmatik ist an die Schrift gebunden, denn das Dogma dient als Zusammenfassung der Schrift und muss von der Schrift her überprüfbar und modifizierbar sein, da diese die grundlegenden Zeugnisse von der Offenbarung enthält.208 Der Bezug von Schrift und geschichtlicher Offenbarung legt nach Pannenberg einen genuin biblischen Offenbarungsbegriff frei.209 Dies schlägt sich auch in 204 Vgl.

Pannenberg, Aussage, 162. Theologie (1), 59 f. Vgl. a. a. O., 58–72. Aus der historisch erwachsenden Autorität der biblischen Texte folgert er im Verhältnis von Schrift und Kirche: „Im Vollzug der Überlieferung nun setzt die Kirche die Wahrheit des Überlieferten schon voraus, tritt aber auch argumentierend für sie ein.“ Ders., Theologie (3), 143. 206 Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 143. 207 Vgl. a. a. O., 144. 208 Vgl. Pannenberg, Aussage, 162. Vgl. Abschnitt B 2.2.1. 209 So prüft er bereits in diesem frühen Text die Kategorien „Selbstoffenbarung“ und „Wort Gottes“ am biblischen Befund und entwickelt daraus seine Vorstellung einer indirekten Offenbarung Gottes in der Geschichte: Demzufolge verlangt die biblisch bezeugte Prolepse des Eschatons in der Geschichte Jesu Christi als Zentralstück seines Programmes eine andauernde Orientierung am biblischen Zeugnis, verbunden mit einem wachen exegetischen Interesse an der Annäherung an die überlieferte „Geschichte Jesu Christi“. Dass die Pluralität der biblisch überlieferten „Geschichten Jesu Christi“ dabei jedoch so wenig in den Blick kommt wie die von ihm entworfene Interpretation des proleptischen Geschehens exegetisch abgesichert ist, kann an dieser Stelle nur kritisch erwähnt werden (Pannenberg, Einführung, 12–15.16 f ). Dies spiegelt auch seine Formulierung und Begründung der ersten seiner dogmatischen Thesen: „Die Selbstoffenbarung Gottes hat sich nach den biblischen Zeugnissen nicht direkt, etwa in der 205 Pannenberg,

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Pannenbergs Argumentationsstrategie nieder: Schriftzeugnis und (theologie-) geschichtliche Erörterung bildet immer zwei Zugänge zu dem verhandelten Gegenstand.210 Aus dieser doppelten Vorgegebenheit der Schrift folgert Pannenberg, dass diese als Maßstab der Theologie gilt. Er schließt an dieser Stelle explizit an Luthers Bestimmung des einen Prinzips der Theologie an:211 Alle Theologie muss sich an der Schrift messen lassen, wie er selbst für unterschiedliche Loci seiner Dogmatik wiederholt betont.212 Auf diese Weise schließt Pannenberg an Luthers Bestimmung der Schrift als primum principium nostrum und die im Anschluss formulierte Bestimmung der Konkordienformel (unica regula et norma omnium dogmatum) an.213

Weise einer Theophanie, sondern indirekt, durch Gottes Geschichtstaten, vollzogen.“ (Ders., Thesen, 91). Grundlage dieser Funktion der Schrift ist seine Überzeugung ihrer vernünftigen Einsichtigkeit. Berten spricht daher von einer „‚Entpositivierung‘ der biblischen Botschaft“, welche durch die vernünftige Einsichtigkeit in die Offenbarung begründet wird. Berten, Geschichte, 56. 210 Hasel sieht in diesem Vorgehen einen Widerspruch zum sola scriptura und die Ablösung des Schriftprinzips durch ein „Geschichtsprinzip“. Naheliegender ist aus den Aussagen Pannenbergs m. E. der Schluss, dass er die Erkenntnisse aus der Geschichte an dem in der Schrift bezeugten Evangelium messen möchte. Daher ergibt sich keine Nachordnung, sondern vielmehr eine Bestärkung der kriteriologischen Funktion der Schrift aus seiner Argumentationsstrategie. Vgl. Hasel, Scripture, 123 f.224. Vgl. zur Diskussion Abschnitt B.2.3. Zu Pannenbergs Argumentationsweg vgl. die Abschnitte B 2.4. und B 2.5. 211 „Die Reformation hat nur nachdrücklich daran erinnert, daß es keine kirchliche Lehre oder Praxis der Kirche geben kann, die nicht unter dem Kriterium der Übereinstimmung mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus und seinem Evangelium stünde und daran zu messen wäre.“ Pannenberg, Prinzipien, 85. 212  In seiner Einleitung zur Begründung der Schriftinspiration heißt es beispielsweise: „Die Lehre von der Inspiration der Schrift muß selber am Maßstab der Schriftautorität gemessen werden.“ Pannenberg, Begründung, 156. Vgl. Ders., Inspiration, 212. Ähnlich gründet Pannenberg seinen Offenbarungsbegriff – eine These, die ihrem eigenen Anspruch nach fundamental auf der Interpretation eines biblischen Offenbarungsbegriffs aufbaut – auf die Schrift: „Wenn der Offenbarungsgedanke als grundlegend für den Anspruch gerade des biblischen Gottes, der allein wahre Gott zu sein, behauptet wird, dann muß dieser Sachverhalt auch in den biblischen Zeugnissen begründet sein.“ (Ders., Theologie [1], 213) Ob und inwiefern diese Interpretation biblischer Offenbarungsberichte zutreffend ist, ob überhaupt von dem biblischen Offenbarungsbegriff gesprochen werden kann oder welche anderen Kategorien diese Interpretation speisen, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Ähnliches gilt für seinen Anspruch, u. a. die Christologie aus der Schriftauslegung zu entwickeln (vgl. Ders., Theologie [2], 343). 213 Vgl. Pannenberg, Inspiration, 212; Ders., Begründung, 156. Wie Hasel angesichts dieser Aussagen zu seiner These kommt, die Schrift sei für Pannenberg ein „historical resource book for theological ideas that need to be tested for their universal validity“, ist nicht nachvollziehbar. Eindeutig ist nicht die Universalität, sondern der Christusbezug Maßstab aller theologischen Aussagen. Hasel, Scripture, 154.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

2.2.4. Schriftauslegung im Licht einer theologischen Hermeneutik In der Verbindung eines dogmatischen Zugangs zur Schrift  – nach Pannenberg gekennzeichnet durch die Suche nach der das Historische übersteigenden Universalität und Wahrheit – und eines historischen Zugangs liegt für Pannenberg das zentrale hermeneutische Problem der Theologie. Eine theologische Hermeneutik zielt nach Pannenberg darauf ab, „aus der Vergangenheit Überliefertes in Bezug auf Zukunft, sofern diese den Horizont gegenwärtigen Verstehens bildet, auszulegen, so daß die Bedeutsamkeit des Vergangenen für die Gegenwart angesichts ihrer Zukunft verstehbar wird“.214 Dieses Problem verlangt für Pannenberg nach einem „Akt der Interpretation“ zur Verschmelzung der Verstehenshorizonte von Autor und Ausleger.215 Eine solche kann nach Pannenberg im Sinne einer „Horizontverschmelzung“ zum Verstehen des Textes „im Zusammenhang der Gesamtgeschichte“, i. e. im Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, führen.216 Grundlage dafür ist nach Pannenberg die Fokussierung auf die Sache der Schrift in – und nicht hinter – der Schrift, i. e. in der Gestalt Jesu von Nazareth.217 Hier zeigt sich für Pannenberg die Besonderheit der theologischen Hermeneutik: Sie besteht durch die Besonderheit der „Sache“ der Theologie und ihrer bis heute fortgesetzten Überlieferung als „Norm gegenwärtiger Verkündigung“.218 In der Sache selbst ist ein „Vorgriff auf Sinn, auf Bedeutung“ zu finden – jedoch nur in der Form der Antizipation.219 So folgert Pannenberg: 214 Pannenberg,

Wissenschaftstheorie, 283.

215 A. a. O., 279. Vgl. a. a. O., 286. Die hermeneutische Aufgabe verlangt für Pannenberg daher

nach einer Konvergenz von hermeneutischer und universalgeschichtlicher Methode, welche die Verbindung zwischen Damals und Heute durch die Deutung innerhalb „universaler Geschehens- und Bedeutungszusammenhänge“ begreift (Ders., Hermeneutik und Universalgeschichte, 92 f.). Mit jeder historischen Hermeneutik teilt sie dabei die Voraussetzung, dass der auszulegenden Sache ein „Vorgriff auf Sinn, auf Bedeutung“ innewohnt (Ders., Hermeneutik, 125). Unscharf ist bei Pannenberg die Beschreibung dieses Vorganges als „Applikation“: Während er diese an einer Stelle zur Präzisierung einbringt (a. a. O., 123.125 f ), widerspricht er dieser an anderer Stelle und deutet den Prozess als „Selbstbekundung der göttlichen Macht“ (Ders., Wissenschaftstheorie, 382). 216 Pannenberg, Hermeneutik und Universalgeschichte, 116. Vgl. a. a. O., 107–110; Ders., Krise, 17. 217 Vgl. Pannenberg, Krise, 16. Möglich ist dies nach Pannenberg durch den „Sinnüberschuss“ der Sache der Theologie. Ders., Hermeneutik, 136. Zum Begriff der „Sache“ bei Pannenberg vgl. den Exkurs in Abschnitt B 2.1.2. 218 Pannenberg, Hermeneutik, 123. 125. Auffallend ist hier, dass Pannenberg den Begriff des Geschichtlichen nicht einführt, den er an anderen Stellen für Beschreibung einen mit Bedeutung versehenen Zugang zum Historischen verwendet (vgl. Abschnitt B 2.1.1.). Es wäre in Verbindung seiner schrifttheologischen und geschichtstheologischen Überlegungen über diese Studie hinaus zu diskutieren, ob Pannenberg nicht – präziser gefasst – von einer Abgrenzung zwischen historischer und (theologisch-)geschichtlicher Hermeneutik spricht. 219 A. a. O., 125. Pannenberg betont daher: „Sofern die Einheit der Sache als Maß ihrer Auslegung ein einheitliches Sachverständnis fordert, ist die Vielheit gegeneinander verfestigter

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Für die Lösung dieser hermeneutischen Aufgabe kann der Gottesgedanke insofern entscheidende Funktion haben, als er die Vergangenheit des Auftretens Jesu mit der Gegenwart vermittelt, das Identische im Prozeß der Übertragung seiner Botschaft bezeichnet und vor allem ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit begründet und so dasjenige, was zur Interpretation, zur Vermittlung an die jeweilige Gegenwart zuallererst nötigt.220

Diese hermeneutische Aufgabe der Theologie kulminiert in der Aufgabe einer biblisch orientierten systematischen Theologie, mithin in der Forderung des Schriftprinzips. Um die Zukunft Gottes als unsere Zukunft zu begreifen ist nach Pannenberg der Entwurf einer sie „beide verbindenden Geschichte“ notwendig, welcher den Zusammenhang zwischen Universalgeschichte und christlichem Gottesgedanken thematisiert.221 Pannenberg kommt zu dem Schluss: Die hermeneutische Problematik der Übersetzung des Damaligen ins Heute stellt sich mithin als eine der biblischen Glaubensüberlieferung nicht äußerliche, sondern vom biblischen Gottesverständnis schon umgriffene Thematik dar, die einbezogen ist in den Weg der Geschichte auf den eschatologischen Selbsterweis des biblischen Gottes hin.222

Die theologische Aufgabe der Schriftauslegung ist für Pannenberg eine nur vorläufig zu erfüllende Aufgabe. Da die Offenbarung Gottes als der „Inhalt der der Geschichte Jesu zugeschriebenen Bedeutung“223 nur antizipierend in Christus erkennbar ist, sind sowohl die Offenbarungsinhalte als auch die Kriterien für die Auslegung der Sache nicht ein für alle Mal festzulegen, sondern stehen im Vollzug der Auslegung zur Diskussion.224 Die Auslegung der Schrift steht im eschatologischen Horizont der Botschaft und Geschichte Jesu und muss daher immer wieder von Neuem gelesen und interpretiert werden.225 Diese Sache der Schrift ist nach Pannenberg nie abstrakt bestimmbar. Daher sind die „Konturen

hermeneutischer Prinzipien im Vorgang des Verstehens von der Einheit der Sache her gerade zu überwinden.“ A. a. O., 134. 220 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 279. Hier sieht Pannenberg die Nähe zur Hermeneutik allgemein, deren Aufgabe er wie folgt beschreibt: „aus der Vergangenheit Überliefertes in Bezug auf Zukunft, sofern diese den Horizont gegenwärtigen Verstehens bildet, auszulegen, so daß die Bedeutsamkeit des Vergangenen für die Gegenwart angesichts ihrer Zukunft verstehbar wird“ (a. a. O., 283). Diese Aufgabe der Hermeneutik steht in enger Verbindung zur Aufgabe der Schriftauslegung, sodass diese als eine für die Theologie entscheidende Zuspitzung der hermeneutischen Aufgabe verstanden werden kann. Vgl. Abschnitt B 2.2.4. 221 Pannenberg, Krise, 18 f. 222 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 287. 223 Pannenberg, Hermeneutik, 137. 224  Vgl. a. a. O., 125. 225 „Die Zeugnisse der Bibel müssen immer wieder im Lichte neuer Erfahrung und veränderter Auffassungen von der Wirklichkeit der Welt und des Menschen gelesen werden, aber nur von ihrem Inhalt her.“ Von dieser Schriftauslegung her müssen wiederum Leben und Lehre der Kirche und Auslegung der Bekenntnisse immer wieder neu belehrt werden. Pannenberg, Theologie (3), 137. Vgl. a. a. O., 141.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

der Sache noch nicht abschließend bestimmt“ und ihre Erkenntnis ist immer im Fluss.226 In dieser Aufgabe ist die Theologie an die oben skizzierte Aufgabe der Exegese verwiesen und somit der historischen Hermeneutik eng verbunden: Auf der Textebene muss exegetisch nach der Sache der Schrift geforscht werden, die nur im Medium der Auslegung zugänglich ist.227 Da die Einheit der Schrift nicht aus der Zusammenschau der biblischen Texte, sondern nur aus deren Sachmitte gewonnen werden kann, hält Pannenberg fest: Von einer Einheit der Schrift kann im Lichte der Ergebnisse historisch-kritischer Forschung allenfalls hinsichtlich eines solchen zentralen Sachverhalts gesprochen werden, nicht im Sinne widerspruchsloser Übereinstimmung aller Einzelaussagen.228

Die Auslegungen der Schrift müssen im Licht der „Geschichte und Person Jesu“ das „Ganze der Gestalt Jesu“ im Blick haben.229 Die Schriften des Neuen Testaments müssen daher als Ergebnis eines Traditionsprozess verstanden werden, deren Tiefendimension statt der Fläche des vorliegenden Resultats bearbeitet werden muss.230 Daher ist die Kenntnis der historischen Gestalt für Verständnis ihrer Bedeutung notwendig, insbesondere da Person und Botschaft Jesu in besonderer Weise verbunden sind.231 Für die entstehende Frage, „wie nämlich […] die zu überliefernde Sache, Gottes Offenbarung in Christus, das Maß für die Kette ihrer Auslegung bleiben [sollte]“, spricht Pannenberg dem Kanon eine besondere Bedeutung zu, die er leider nicht ausführt.232 Wiederholt weist er hingegen auf die Sache des Textes als Maß der Auslegung hin, weshalb er die historische Exegese im engeren Sinn als „Herausarbeitung der Sachinterpretation des Autors“ beschreibt.233 Diese ist für Pannenberg konstitutiv an das Sachverständnis des Interpreten gebunden.234 Diese darf zwar aufgrund der historischen Differenz nicht mit der herauszuarbeitenden Sachintention des Autors in eins gesetzt werden, jedoch muss vorausgesetzt werden, dass es sich bei allen Unterschieden im Text um eine „dem Interpreten erkennbare und auf sein Weltverständnis beziehbare Sache“ handelt.235 Die Einheit der Sache kann sich daher nur im Geist des Interpreten realisieren.236 Diese ist jedoch keineswegs willkürlich, verfügt doch jede Auslegung, die private 226 Pannenberg,

Theologie (1), 25. a. a. O., 40. 228  A. a. O., 24 (Fußnote 23). 229 Pannenberg, Hermeneutik, 134. 230 Vgl. Pannenberg, Aussage, 170. 231 Vgl. Pannenberg, Hermeneutik, 135. 232   A. a. O., 127. 233  Pannenberg, Theologie (1), 25. Vgl. Ders., Hermeneutik, 128. 234  Vgl. Pannenberg, Theologie (1), 25. 235  Ebd. 236  Vgl. ebd. 227 Vgl.

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ebenso wie die amtliche, über ihr Maß an der Wahrheit an der Sache – wobei die Wahrheit der Sache wie oben skizziert im Fortgang der Diskussion über seine Interpretation entschieden wird und bis dahin nur vorläufig im Handeln Gottes in Jesus von Nazareth erkennbar ist.237

2.3. Zwischenfazit Pannenbergs Reformulierung des Schriftprinzips als „Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“238 bildet eine Neubestimmung des Schriftprinzips: Für die Frage nach dem Status der Schrift ist nicht die Bindung an den biblischen Textbestand zentral, sondern die Bindung an den darin bezeugten geschichtlichen Ursprung des Christentums. Im Begriff des Geschichtlichen verbindet sich dabei die historische Ebene konstitutiv mit der damit verbundenen Bedeutung. Zugleich bewahren die biblischen Texte als Zeugnis der Offenbarung und durch ihre besondere geschichtliche Nähe zum Evangelium ihre Stellung als Ausgangspunkt, Maßstab und Argument der Theologie. Sie dienen der Erschließung der indirekten Offenbarung Gottes durch die Geschichte mit Hilfe der in ihr enthaltenen Worte Gottes, welche die Offenbarung als Offenbarung durch Vorhersage, Weissagung und Bericht erkennen lassen. Sein Ansatz wurde daher als Schriftverständnis „from below“239 beschrieben, deren vernunft-orientierter Zugang zur Offenbarung zur „‚Entpositivierung‘ der biblischen Botschaft“240 führt. Zugespitzt lautet die Frage, ob Pannenbergs Formulierung letztlich eine Auflösung des Schriftprinzips darstellt, wie Hasel oder Leonhardt festhalten.241 Nach 237 Vgl.

ebd.

238 Pannenberg,

Prinzipien, 80.

239 Hasel, Scripture, 28.69–93. Nach Hasel führt der von Pannenberg entwickelte Ansatz der

Schriftlehre ausgehend von den menschlichen Elementen der Schrift und der Vernunft als Leitkategorie zum Verständnis der Offenbarung zu einem prima-scriptura-Prinzip – im Unterschied zum sola-scriptura-Prinzip, das den göttlichen Ursprung und die göttliche Autorität der Schrift voraussetzt (vgl. a. a. O., 93). 240 Berten, Geschichte, 56. 241  Dies führt letztlich zur Auflösung der Theologie in die Geschichtswissenschaft, wie Hasel ausführt (vgl. Hasel, Scripture, 115. 117 f. 157. 223. Vgl. Gunneweg, Scriptura, 185). Ähnliches formulierte Mildenberger in einem persönlichen Gespräch mit Hasel: Pannenberg entwickle keine Schriftlehre, weil er die biblischen Texte ausschließlich als historische Quellen verwende (vgl. Hasel, Scripture, 104 [Fußnote 4]). Leonhardt beschreibt drei Lösungsstrategien für die Krise des Schriftprinzips und ordnet Pannenberg zusammen mit Falk Wagner der Überzeugung zu, dass die Wahrheit des Glaubens „nicht mehr in direktem und unmittelbaren Rekurs auf die biblischen Texte erwiesen werden kann“ und daher im offenen Diskurs durch den Bezug auf historische Ereignisse (Pannenberg) oder das religiöse Bewusstsein (Wagner) plausibilisiert werden muss. Leonhardt, Skeptizismus, 260. Vgl. Leonhardts abweichende Kategorisierung – in welcher Pannenberg jedoch nicht explizit genannt ist  – in Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip, 305–317.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Leonhardt verschiebt Pannenberg das „Postulat der Einsinnigkeit“242 auf die Geschichte und bestimmt das „Richteramt der geschichtlichen Tatsachen“243 als iusticium externum der Theologie. Auf diese Weise wird die claritas scripturae durch eine claritas historiae ersetzt.244 Leonhardts These gründet sich in Pannenbergs Vergleich dieser Verbindung von historischem Geschehen und Heilsbedeutung mit der äußeren Klarheit der Schrift: „Daß die Geschichte Jesu, auf die das Fragen des Historikers zielt, die Offenbarung Gottes in sich schließt und gerade als Historie in ihrer Eigenart nur erfaßt wird, wenn sie in dieser ihrer Besonderheit gesehen ist, scheint mir in der Richtung von Luthers Begriff einer ‚äußeren Klarheit‘ der Schrift zu liegen.“245 Die Formulierung Pannenbergs „in der Richtung“ und seine folgende Einschränkung, dass dieser Vergleich nur eingeschränkt gilt, da bei Luther Historie, Schriftzeugnis und doctrina noch zusammen fielen, zeigen an, dass Pannenbergs intendierter Vergleich wesentlich weniger weit trägt, als Leonhardts Interpretation vermuten lässt.246 Pannenberg führt in Folge aus, dass Luther die äußere Klarheit der Schrift als Erkennbarkeit des wesentlichen Sachgehalts der Schrift, i. e. Jesus Christus, bestimmt, um die Notwendigkeit weiterer Instanzen zur Bestimmung des Inhalts der Schrift zu bestreiten.247 Gerade aus dieser Fokussierung der Aussagen zur äußeren Klarheit der Schrift geht m. E. hervor, dass Pannenberg nicht an der Etablierung eines „Geschichtsprinzips“ neben dem Schriftprinzip gelegen ist, wie Leonhardt vermutet: Die claritas historiae (externa, wäre zu ergänzen) ersetzt das Schriftprinzip nicht, sondern ist – neben den in der Schrift bezeugten Offenbarungen – Kennzeichen der geschichtlichen Offenbarung Gottes und deren universaler Einsichtigkeit.248 Sachlich treffender als Leonhardts Beschreibung ist daher m. E. die Rede von einem in der Schrift bezeugten „Christusprinzip“, das zur Entdeckung der Offenbarung in der Geschichte anleitet.

Aus dieser Reformulierung ergeben sich zentrale Folgerungen für die Beschreibung der Autorität der Schrift, die Pannenberg deutlich benennt. Die Autorität der Schrift ist erstens eine abgeleitete Autorität: Die Schrift partizipiert an der Autorität des Evangeliums und steht nicht als selbständige Offenbarungsquelle neben den geschichtlichen Offenbarungen Gottes. Nicht die Schrift ist das Kriterium der Offenbarung, sondern allein die Sachmitte der Schrift, i. e. das Evangelium von Jesus Christus. Nicht die Schrift ergänzt die Offenbarung in der Geschichte, sondern das Evangelium dient als Maßstab und 242 Leonhardt,

Skeptizismus, 281. 239. Vgl. Hasel, Scripture, 121.157.223. 244 Vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 237. 245  Pannenberg, Heilsgeschehen, 63. Vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 237. 246 Pannenberg, Heilsgeschehen, 63. 247 Vgl. a. a. O., 65. 248 Leonhardts Hinweis, Pannenberg würde mit Luther die faktisch nicht eingelöste Einsicht vieler Menschen in den Offenbarungscharakter der Geschichte durch Verblendung durch den Teufel erklären, greift ebenfalls zu kurz. Pannenberg weist auf diese Deutung Luthers in seiner Darstellung der claritas externa hin, greift diese jedoch für seine Argumentation nicht auf (vgl. Pannenberg, Heilsgeschehen, 65). Vielmehr bemerkt Pannenberg an anderer Stelle, dass im Rahmen der historischen Forschung der Offenbarungscharakter prinzipiell erforschbar sein muss und es eine andere Frage sei, ob dieses faktisch gelinge (a. a. O., 63). Vgl. Leonhardt, Skeptizismus, 238. 243 A. a. O.,

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kriteriologische Reflexionskategorie aller Offenbarungen in der Geschichte  – auch der in der Schrift bezeugten. Die Sache der Schrift ist nicht als Sache der Schrift Auslegungsnorm der Schrift selbst, sondern durch ihren Bezug und Verweis auf den geschichtlichen Grund des Glaubens und der Theologie im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi, i. e. im Evangelium. Wenn das Schriftprinzip als „Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“249 gefasst wird, liegt in dieser Bindung an die historische Person und ihrer geschichtlichen Bedeutung das eigentliche primum principium der Theologie. Die Autorität der Schrift ist daraus nur abgeleitet, weil und insofern sie in besonderer Nähe zu diesem Evangelium steht. Daraus folgt eine Umdeutung der res scripturae: Da erstens die Sache der Schrift nicht das biblisch bezeugte Reden und Handeln Christi ist, sondern das daraus erkennbare geschichtliche Reden und Handeln Jesu von Nazareth als dem historischen und sachlichen Grund des Evangeliums wird zweitens Christus selbst zum Subjekt des Prinzips der Theologie. Zur Beschreibung der res scripturae ist eine Frage aufzugreifen, die sich aus der Zusammenschau von Pannenbergs Schriftverständnis und seinem Theologiebegriff ergeben hat: Deutlich wurde, dass Pannenberg in seinen Ausführungen zur Theologie Gott als Gegenstand einführt und diesem eine ähnliche einheitsstiftende Funktion als „Sache“ der Theologie zuschreibt wie der Sache der Schrift i. e. dem Evangelium oder der Offenbarung in Christus in den Überlegungen zur Schriftautorität und -auslegung zukommt.250 Während Pannenberg im Zusammenhang mit der Schrift nahezu durchgehend diese als „Sache“ der Schrift beschreibt, impliziert die Einführung von „Gott“ als Sache der Theologie eine trinitarische Aufweitung der „Sache“. Dass im Blick auf die Schrift das Evangelium im Sinne der Offenbarung in Christus im Vordergrund steht, kann zum einen auf den proleptischen Charakter dieser Offenbarung verweisen: In der Offenbarung in Christus ist nach Pannenberg Gottes Offenbarung vollständig enthalten. Zum anderen kann diese Zuspitzung aber auch mit der etwa im Zusammenhang mit der Inspirationslehre und der Bestimmung der Autorität der Schrift aus dem Evangelium erkennbaren Fokussierung auf das Neue Testament in der Reflexion auf die Schrift erwachsen: So rückt im Zusammenhang mit der Schrift die Bezeugung des Evangeliums in den Vordergrund und weniger die Bezeugung der gesamten Gottesgeschichte. Verbindet man diese Denkwege, so wäre zu fragen, ob die engere Verzahnung der Rede von der „Sache“ der Schrift mit dem Gottesbegriff auch für die Verhältnisbestimmung von Altem und Neuen Testament konstruktive Perspektiven eröffnet, die über das von Pannenberg vorgestellte Modell hinaus gehen.

249 Pannenberg,

Prinzipien, 80.  Vgl. Abschnitt B 2.1.2.

250

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Im Blick auf die Autorität der Schrift ist zweitens weiterzuführen, dass diese selbst der am Evangelium geleiteten Sachkritik ausgesetzt werden muss. Deutlich wird dabei, dass Pannenberg ein prozedurales Verständnis einer andauernden Reflexion der geschichtlichen Offenbarung im Licht der Schrift anstrebt. Der Schriftauslegung kommt daher eine große Bedeutung zu. Während Pannenberg eine solche Sachkritik der Schrift im Sinne der Schriftkritik251 nur auf der Ebene der historischen Forschung beschreibt, wäre vor dem Hintergrund der Figur der abgeleiteten Autorität der Schrift zu fragen, ob diese nicht auch für die dogmatische Beschreibung des Status der Schrift deutlicher in Anschlag gebracht werden kann: Spuren Gottes als „alles bestimmende Wirklichkeit“252 sucht die Theologie nicht nur in der Welt, sondern auch in der Schrift.253 Pannenbergs Rede von der Sache der Schrift muss sich auch in dieser Umdeutung die Frage stellen lassen, auf welcher Ebene und wie diese Sache greifbar ist und warum sie – als Teil einer geschichtlichen Offenbarung – nicht selbst Teil der Sachkritik werden muss. Hier stellt sich – parallel zu Schlink – die Frage, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Argumentationsebenen zueinander stehen: Während in den Überlegungen zur Offenbarung die historische Nähe als Grund für die Bedeutung der Schrift herausgestellt wird und Pannenberg die „geschichtliche Vorgegebenheit“ der Schrift betont, leitet er die Autorität der Schrift in den Überlegungen zur Klarheit, Einheit und Inspiration der Schrift allein aus dem Evangelium, also aus der Ebene der Soteriologie und Pneumatologie her.254 Historische Begründungslinien für die Autorität der Schrift und inhaltliche Begründungslinien stehen nebeneinander. Angesichts von Pannenbergs Aussagen zur historischen Vorgegebenheit der Schrift und ihrer daraus folgenden historischen Auslegung wäre zu fragen, ob sein Ansatz nicht doch mehr Anteile zur Beschreibung der Schrift als Formalprinzip der Theologie hat als Pannenberg explizit macht. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man Pannenbergs Überlegungen zur Schrift in den Rahmen seiner Überlegungen zur 251 Pannenbergs zahlreiche Verweise auf diese Bedeutung der Schriftkritik widerlegen Hasels Folgerung, Pannenberg ignoriere die noetischen Auswirkungen des Sündenfalls im Sinne eines „epistemological Pelagianism“. Hasel, Scripture, 153. 252 Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 304. 253 Der oben skizzierten Beschreibung Leonhardts ist daher insofern zuzustimmen, dass diese Formulierung einen Bedeutungsverlust der Schrift im Unterschied zu klassischen Inspirationstheorien zur Folge hat, da diese selbst als Teil der geschichtlichen Bezeugung des Evangeliums verstanden wird und keine Dignität oder Autorität aus sich selbst heraus besitzt. Hasels Folgerung wiederum ist zu weitreichend: Nach Hasel hat die Schrift bei Pannenberg keinerlei Autorität im Sinne eines göttlichen Offenbarungszeugnisses: „Consequently, for Pannenberg, the nature of Scripture has changed from a principle of immediate divine authority to a principle of attaching Christianity to its historical origin as a permanent norm of its identity.” Hasel, Scripture, 114. 254 Dass letzteres der Gliederung seiner Systematischen Theologie entspricht, soll noch einmal unterstrichen werden. Gerade für Pannenbergs explizit als „systematische“ Theologie entfaltete Dogmatik kommt der Frage der Systematisierung der Loci inhaltliches Gewicht zu.

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Überlieferungsgeschichte einbettet: Die Schrift wird als Deutungsmoment der im Geschichtlichen erkennbaren Bedeutung des Historischen in Anschlag gebracht. Diese Spannung spiegeln sich in Pannenbergs Evangeliumsbegriff, den er in Weiterführung der neutestamentlichen Begriffsdimensionen expliziert.255 Für die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik bleibt dabei offen, ob und wie diese Begründungslinien der Autorität der Schrift mit der Beschreibung der fundamentaltheologischen Bedeutung im Kontext der Schriftauslegung verbunden sind. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das Kriterium der Ursprungsnähe in der Formulierung des „Prinzips der Bindung des Christentums an geschichtlichen Ursprung“256: Diese „Nähe“ scheint sowohl inhaltlich als auch chronologisch bestimmt zu werden. Wenn Ursprungsnähe das entscheidende Kriterium für die Bedeutung der biblischen Texte ist, warum werden dann nicht (auch und verstärkt) außerkanonische Texte zu Rate gezogen? Werden sie nicht beachtet, weil sie keine „inhaltliche Nähe“ zum Offenbarungsgeschehen bezeugen? Sie sind jedoch ursprungsnah im chronologischen Sinn  – sollte dann nicht auch aus ihnen der inhaltliche Bezugspunkt, i. e. die Christusoffenbarung, erschlossen werden? Das Postulat inhaltlicher Nähe setzt daher einen hermeneutischen Zirkel voraus, der mit den spärlichen Verweisen auf den Prozess der Kanonentstehung nur unzureichend bedacht wird. Diese Fragen kondensieren an dem von Pannenberg unzureichend bestimmten Begriff des „Zeugnisses“.257 Wie dieser Inhalt jedoch vorgängig zu den kanonischen und außerkanonischen Zeugnissen bestimmt werden kann, bleibt dann offen. Verbunden ist mit diesen Begründungsstrukturen auch die Frage nach dem Verhältnis von Altem und Neuem Testament. Aufbauend auf seinem Offenbarungsbegriff wird das Alte Testament von Pannenberg als Vorläufer des Neuen Testaments beschrieben, deren Kontinuität im gemeinsamen Fokus auf der Herrschaft Gottes zu finden ist.258 Grundlegend wäre zu fragen, wie die Unterscheidung zwischen offenbarungsnahen und offenbarungsfernen Texten zu vollziehen ist und wie außerkanonische Texte in diesem Kontext eingeordnet sind. Zudem scheinen die von Pannenberg eingeführten Beschreibungen auf eine unzureichende Vereinheitlichung einer „Theologie des Alten Testaments“ hinauszulaufen, die aus einer harmonisierenden Lektüre des Neuen Testaments gespeist wird. Pannenbergs Verständnis des Alten Testaments wäre daher gesondert zu untersuchen, zumal weitreichende Bestimmungen des Offenbarungsbegriffs auf Argumenten beruhen, die der Exegese des Alten Testaments entnommen wurden. Ausgehend von dieser inhaltlichen Fokussierung ergibt sich der  Vgl. den Exkurs in Abschnitt B 2.1.2.  Pannenberg, Prinzipien, 80. 257  Vgl. weiterführend Pui, Pannenberg. 258  Vgl. Abschnitt B 2.1.3. 255 256

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Eindruck, dass Pannenbergs Zuspitzung des Schriftprinzips auf die in Christus geschehene – und nur von ihm her zu deutende – Offenbarung de facto zum Postulat eines „Prinzips des Neuen Testaments“ statt eines Schriftprinzips führt. Für die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik ist dabei entscheidend, wie sich diese Aussagen über die Autorität der Schrift, die in der Soteriologie und Pneumatologie gründen, zu Pannenbergs Überlegungen zur Schrift als hermeneutischer und fundamentaltheologischer Kategorie verhalten. Dieser Frage wird im Folgenden im Abschnitt nachgegangen. Zur Bedeutung der Schriftauslegung schreibt Pannenberg im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur schriftorientierten Theologie. Zur theologischen Disziplin der Exegese, ihrer Bedeutung und dem Zusammenhang der anderen theologischen Disziplinen macht er nur wenige Aussagen. Meist kommt die Bedeutung der Disziplinen im Fächerkanon der Theologie, insbesondere der Exegese, für die Aufgabe der Systematischen Theologie in den Blick. Diese Zuspitzung hängt im Wesentlichen an Pannenbergs Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Theologie: Insofern er die Theologie als Entfaltung des Gottesgedankens und seines Wahrheitsanspruches bestimmt, kann eine rein historisch arbeitende Exegese (oder eine Kirchengeschichte, die sich der Verbindung von Offenbarung und Geschichte nicht bewusst ist) nicht unter diesen Begriff gefasst werden. Diese These führt letztlich zur Gleichsetzung von systematischer Theologie mit der Theologie als Ganzer – von Pannenberg wird dieser Zustand als „Notlösung“259 beschrieben, terminologisch differenziert er aber insgesamt kaum zwischen der Theologie als Disziplinverbund und seiner Konzeption Systematischer Theologie. Eine theologische Enzyklopädie im eigentlichen Sinne ist dann nicht mehr von Nöten, gefragt wird allein nach dem Dienst der anderen theologischen Disziplinen für die Aufgabe der Systematischen Theologie. Dies wird im Zusammenhang mit der Schriftlehre zum Beispiel daran deutlich, dass Pannenberg die historische Auslegung der Schrift unter der Frage nach ihrer Leistungskraft für die Theologie – im Sinne der Systematischen Theologie – verhandelt, in den Überlegungen zur dogmatischen Schriftauslegung jedoch auf die Bedeutung der Schrift für die Dogmatik reflektiert und die interdisziplinäre Verortung nicht aufgreift. Diese sehr einseitige und vereinnahmende Darstellung der theologischen Enzyklopädie wirft zahlreiche Fragen im Blick auf Pannenbergs Wahrheitsbegriff, den Wissenschaftsbegriff, der binären hermeneutischen Beschreibung u. a. auf, die weit über den Horizont der vorliegenden Studie hinaus führen. Vor dem Hintergrund dieser Zuspitzung setzt sich Pannenberg mit der Schriftauslegung auseinander. Dabei schließt Pannenbergs Beschreibung der theo Pannenberg, Wissenschaftstheorie, 424.

259

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logischen Aufgabe der Exegese widerspruchslos an sein Schriftverständnis an: Ihr obliegt die Feststellung und historisch-wissenschaftliche Absicherung der Sachmitte der Schrift durch den Aufweis und die Analyse des „Gesamtcharakter[s] des Auftretens Jesu und seiner Geschichte“.260 Im Medium der Auslegung und gespeist aus dem Sachverständnis des Interpreten dient sie damit nicht nur dem Aufweis der Einheit der Schrift in ihrer Pluralität durch den Bezug auf ihre Sachmitte, sondern auch der Rekonstruktion des geschichtlichen Grundes des Glaubens und der Theologie. Dass es sich dabei um einen nie abgeschlossenen Prozess mit immer nur vorläufigen Ergebnissen handelt, liegt auf der Hand. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Situation der Theologie, genauer dem Fehlen einer solchen theologischen Exegese, stellt sich nun in der Rekonstruktion von Pannenbergs Schriftverständnis erstens die Frage, wer diese doppelte Aufgabe theologischer Exegese nach Pannenberg übernehmen soll: Obliegt der Aufweis der Einheit und Sachmitte der Schrift, sowie die historisch-wissenschaftliche Rekonstruktion des Glaubensgrundes gegenwärtig ebenfalls der systematischen Theologie? Oder wird diese Aufgabe von keiner theologischen Disziplin wahrgenommen? Zweitens scheint die geforderte historische Rekonstruktion des Grundes des Glaubens und der Theologie von Pannenberg ungebrochen mit dem geschichtlichen Geschehen identifiziert zu werden. An dieser Stelle fehlt eine Differenzierung zwischen dem Geschehenden und dem historisch Rekonstruierbaren, die nicht folgenlos ist:261 Diese Fragen verschärfen die im Anschluss an sein Schriftverständnis aufgeworfene Frage, wie genau die Schriftmitte festgestellt und als Angelpunkt schriftinterner und schriftexterner Sachkritik in Anschlag gebracht werden kann. Durch die von Pannenberg postulierte Bedeutung der Exegese für den Glauben wird die Dringlichkeit dieser Frage zusätzlich erhöht, wie im übernächsten Abschnitt deutlich wird. Die Dogmatik hat ihren Bezug zur Schrift insbesondere in der Festlegung ihres Grundes und Maßstabes. Insofern die Dogmatik auf die Schrift bezogen ist, ist sie konstitutiv auf die historische Exegese bezogen. Während die Exegese die Aufgabe hat, mit historischen Mitteln nach der Sache der Theologie zu fragen, obliegt der Dogmatik die Auslegung der Schrift und ist in dieser der Schrift selbst als Ausgangspunkt und Maßstab unterstellt. Pannenberg beschreibt diese Aufgabe als theologische Hermeneutik.262 Wie in der Diskussion zum Autoritätsbegriff schon angesprochen, bleibt die Begründungsstruktur dieser Beschreibung bei Pannenberg offen: Die Begründung der Autorität aus dem Evangelium  – in seiner doppelten Bedeutung als Zeugnis von Leben und Wirken  Pannenberg, Theologie (2), 318. zu dieser Kritik Körner, Bibel, 223 f. 262  Auch in diesem Begriff wird die Konvergenz zwischen Pannenbergs Beschreibung Systematischer Theologie und der Theologie als Ganzer deutlich, die aus der unklaren Abgrenzung zwischen der Beschreibung der Theologie als Disziplinverbund und seiner Konzeption erwächst. 260

261 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Jesu und geistgewirkte Offenbarung des Heils – ist zur Begründung einer fundamentaltheologischen Bedeutung der Schrift nur in Teilen tragfähig: Während sich die Bedeutung der neutestamentlichen Texte als Zeugnis von Jesu Leben und Wirken durchaus auch im Blick auf die fundamentaltheologische Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik in Anschlag bringen lässt, bewegt sich die Begründung der Autorität der Schrift durch den Geist auf einer soteriologisch-pneumatologischen Ebene, die keine unmittelbare Verbindung mit der fundamentaltheologischen Frage hat. Denn die besondere Bedeutung einer Textsammlung als Erkenntnisprinzip kann vor dem Hintergrund von Pannenbergs Überlegungen zur wissenschaftlichen Dogmatik und ihrer Formen der Schriftauslegung nicht auf einer übernatürlichen, methodisch nicht sicherbaren Offenbarung gründen, wenn der von Pannenberg postulierte enge Zusammenhang von Schriftverständnis und Schriftauslegung nicht aufgelöst werden soll. Die Probleme, die mit der historischen Begründung der Schrift im Sinne der Ursprungsnähe verbunden sind, wurden ebenfalls schon dargelegt. Erkennbar wird – ähnlich wie bei Schlink – eine Begründungslücke in der Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift.263 Offen bleibt in der Beschreibung des Verhältnisses von theologischer und historischer Hermeneutik zudem das Wechselspiel zwischen beiden: Deutlich wird eine klare Vorordnung theologischer Auslegung – also einer sachlich orientierten Auslegung. Diese soll zugleich an die historische Prüfung der „Sache“ gebunden bleiben. In eben dieser Bindung zeigt sich eine Schwierigkeit, die auch bei Schlink schon zu beobachten war264: Während die sachlich orientierte  – mit Pannenberg gesprochen: die wahrheitsorientierte – Auslegung der Schrift durch den Geist ermöglicht ist und damit auf einer soteriologisch-pneumatologischen Beschreibungsebene liegt ist, erfolgt die historische Arbeit auf einer anderen Ebene und auch ihre Funktion der Prüfung liegt auf einer fundamentaltheologischen Ebene. Zu fragen ist also: Kann eine historische Auslegung ein sachliches Kriterium für die Dogmatik sein? Die Zuordnung dieser Ebenen bleibt unklar, in der Frage der Schriftauslegung ebenso wie in der Frage nach der Begründung der Schriftautorität. Hingewiesen wurde bereits auf die damit verbundene terminologische Frage: Auffallend ist hier, dass Pannenberg den Begriff des Geschichtlichen nicht einführt, den er an anderen Stellen für Beschreibung einen mit Bedeutung versehenen Zugang zum Historischen verwendet. Es wäre in Verbindung seiner schrifttheologischen und geschichtstheologischen Überlegungen über diese Studie hinaus zu diskutieren, ob Pannenberg nicht – präziser gefasst – von einer Abgrenzung zwischen historischer und (theologisch-)geschichtlicher Hermeneutik spricht.

263 Vgl.

Abschnitt B 1.3.  Vgl. Abschnitt B 1.3.

264

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Diese Frage spiegelt sich, wenn man auf die  – in der Schriftlehre parallel zur Schriftauslegung konstruierten  – Aufgabe der „Geschichtsauslegung“ blickt: Schrift- und Geschichtsauslegung sind miteinander verwoben und beide gleichermaßen auf das Evangelium als ihrem Kriterium bezogen. Dies schlägt sich auch in Pannenbergs Argumentationsstrategie nieder: Schriftzeugnis und (theologie-)geschichtliche Erörterung bildet immer zwei Zugänge zu dem verhandelten Gegenstand.265 Wenn die Theologie dem Aufweis der Taten Gottes in der Geschichte verpflichtet ist, stellt sich nicht nur in der Schrift die Frage, wie diese an „Jesus Christus“ gemessen werden können. Fragt man vor dem Hintergrund des entfalteten Schriftverständnisses und Pannenbergs Überlegungen zur Schriftauslegung nach möglichen Implikationen dieser für den Schriftgebrauch, sind folgende Punkte von besonderem Interesse. Da Pannenberg die Schrift als geschichtlichen und sachlichen Ausgangspunkt aller Theologie benennt, ist zu fragen, ob und inwiefern die systematische Durchdringung der Dogmen aus den Aussagen der Schrift gespeist ist und diese als ihre Grundlage in Anspruch nimmt. Die Reformulierung des Schriftprinzips als Prinzip der „Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“266 lässt eine intensive historische Auseinandersetzung mit verwendeten Schriftstellen erwarten. Dabei wäre auch zu fragen, ob und inwiefern die Schrift als Zeugnis von der geschichtlichen Offenbarung Jesu Christi, d. h. von ihrer Mitte, her interpretiert und ausgelegt wird. Anders gefragt: (Wie) wird das Schriftprinzip als „Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“267 in Geltung gesetzt? Daneben ist vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Beschreibung der Schrift als Maßstab der Theologie zu fragen, inwiefern sich die Diskussion der Dogmen an der Schrift messen lässt und wie im Falle widersprüchlicher Ergebnisse mit den Hinweisen aus der Schrift umgegangen wird. Auch dass Pannenberg die Schrift als Argument theologischer Erörterungen versteht, ergibt sich aus den vorangegangenen Aussagen. Zu fragen ist also, ob und inwiefern der Bezug auf die Schrift als Ausgangspunkt, Maßstab und Argument systematischer Reflexion im Schriftgebrauch Niederschlag findet. Im Blick auf die von Pannenberg formulierte Aufgabe einer theologischen Exegese ist zuletzt von Interesse, wie er selbst diese Aufgabe umsetzt: Leistet Pannenberg diese theologisch-exegetische Begründung der von ihm in Anspruch genommenen Sachmitte und Rekonstruktion des Glaubensgrundes oder nimmt er auf Ergebnisse einer theologischen Exegese Anderer Bezug? Anders

 Vgl. Abschnitt B 2.2.4.  Pannenberg, Prinzipien, 80. 267  Ebd. 265 266

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

gefragt: Wie verbindet Pannenberg selbst exegetische Fragestellungen mit seiner dogmatischen Reflexion?

2.4. Schriftgebrauch bei Pannenberg Wie in der Einführung dargestellt und begründet, wird der Schriftgebrauch Pannenbergs exemplarisch in zwei Argumentationsgängen aus den Kapiteln zum Abendmahl und zum Tod aus der Systematischen Theologie nachvollzogen und ausgewertet.268 2.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl Pannenberg entfaltet seine Abendmahlslehre auf über fünfzig Seiten im dritten Band der „Systematische[n] Theologie“.269 Das erste Teilkapitel „a) Ursprung und Bedeutung des Herrenmahls“ hat über weite Strecken bibelkundlichen und exegetischen Charakter: Pannenberg nimmt einen synoptischen Vergleich der Einsetzungsberichte270, sowie der Mahlberichte in der Jesustradition271 vor. Zudem stellt er die Deutung des Abendmahls als Opfer- oder Bundesmahl272 vor, wobei er viele exegetische Fragestellungen aufgreift. Diesen Darstellungen kommt eine heuristische Funktion für die weitere Argumentation zu: Pannenberg beginnt mit dem Hinweis auf den konstitutiven Charakter des Abendmahls im Urchristentum, den er mit einem Verweis auf exegetische Sekundärliteratur begründet.273 Unter Verweis auf Apg 2,42.46 hält er fest, dass das Brotbrechen die Mahlgemeinschaft mit Jesus fortsetzt und sowohl in der lukanischen Tradition (Lk 24,30 f.41; Apg 10,41) als auch in Joh 21,13

268 Vgl.

Abschnitt A 3.3.  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 314–369. Das Kapitel zum Abendmahl trägt den Titel „Die zeichenhafte Gestalt der Heilsgegenwart Christi im Leben der Kirche. 2. Das Herrenmahl und der christliche Gottesdienst“ und ist Teil des Kapitels „Die Gemeinschaft des Messias und der einzelne“. Die Darstellung gliedert sich in fünf Teilkapitel: a) Ursprung und Bedeutung des Herrenmahls, b) Einsetzungsworte und Gegenwart Christi im Herrenmahl, c) Die Vermittlung der Gegenwart Christi in der eucharistischen Liturgie der Kirche, d) Herrenmahl und Kirchengemeinschaft, e) Das Herrenmahl und die Verkündigung des Evangeliums im Gottesdienst der Kirche. Pannenberg legt damit im Vergleich der untersuchten Autoren die ausführlichste Auseinandersetzung mit dem Abendmahl vor – was auch der Tatsache geschuldet ist, dass seine „Systematische Theologie“ die umfangsreichste der untersuchten Dogmatiken bildet. 270 Vgl. a. a. O., 315. 271   Vgl. a. a. O., 316 f. 272  Vgl. a. a. O., 318–321. 273 Es handelt sich um einen Verweis auf Kretschmar, Art. Abendmahlsfeier (1977). Vgl. a. a. O., 314. 269

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Jesus beim Halten der Mahlgemeinschaft erscheint.274 Den biblischen Bezügen kommt an dieser Stelle heuristische Funktion zu. Pannenberg schließt einen Vergleich der neutestamentlichen Berichte von der Einsetzung des Abendmahls durch Jesus an, wobei er auf den Wortlaut, sowie den fehlenden Wiederholungsbefehl bei Mt fokussiert. Gegenstand der Diskussion sind dabei 1 Kor 11,24 f; Lk 22,19; Mk 14,22–24 und Mt 26,26–28.275 Aus den differierenden Beschreibungen folgt für Pannenberg, dass die dogmatische Reflexion das „Ganze der Jesusüberlieferung“ in den Blick nehmen und in den Kontext seines Wirkens stellen muss.276 Daher schließt er eine ausführliche Auseinandersetzung mit den neutestamentlichen Berichten von Mahlfeiern an: Gegenstand der Auslegung sind Mk 2,15par–17; 6,30–44; 8,1–10; 14,3; Lk 5,29 f; 5,33; 7,34.36 ff; 15,2.22 die im Gespräch miteinander und mit Hilfe mehrere exegetischer Sekundärtexte ausgelegt werden.277 Pannenberg skizziert dann den eschatologischen Horizont der Mahlgemeinschaft sowohl in der jüdischen Tradition (mit Bezug auf Jes 25,6 und Hen 62,14 unter Verweis auf exegetische Literatur, sowie in Verbindung mit der Völkerwallfahrt mit Bezug auf Jes 2,2 und Mi 4,1 ff ) als auch in den neutestamentlichen Zeugnissen.278 Pannenberg erläutert dies unter Bezug auf Mt 22,1–10; 25,10; Lk 12,35 ff; 13,29; 14,15.16–24; 22,30 und folgert, dass in der Darstellung des Heils der Gottesherrschaft in erster Linie die Gemeinschaft mit Gott und untereinander im Zentrum steht.279 Zur Begründung verweist er auf eine exegetische Studie.280 In der folgenden Diskussion des Verhältnisses von Bundesvolk zur eschatologischen Gemeinschaft argumentiert Pannenberg mit einem Zitat aus Mt 8,12 und Verweisen auf Jer 31,31 f; Mk 14,24parr und 1 Kor 11,25 für eine inklusive Interpretation der eschatologischen Gemeinschaft als „neue[m] und eschatologisch endgültige[m] Bund“.281 Den Schriftbezügen kommt hier überwiegend begründende Funktion zu. Es schließt sich ein dreiseitiger Exkurs zu den Deuteworten an. Ex 24,11 zitierend geht Pannenberg zunächst auf die Parallelität des gereichten Weines zum Bundesmahl ein und entscheidet sich nach Abwägung der traditionsgeschichtlichen Bezüge für die Deutung des Mahles in der Passahtradition und  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 314. a. a. O., 314 f. 276  Vgl. a. a. O., 315. 277 Vgl. a. a. O., 316. Pannenberg verweist auf Patsch, Abendmahl (1972) und Delling, Art. Abendmahl (1977). Er ordnet daneben diese Debatte auch in die ökumenische Diskussion ein. 278 Pannenberg verweist auf Strack/Billerbeck, Kommentar (1924). Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 317. 279  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 317. 280  Ebd. Pannenberg verweist als Beleg für die Aussage, dass auch Jesus selbst das Bild von der Tischgemeinschaft eschatologisch deutete, auf den schon genannten Patsch, Abendmahl (1972). 281  Pannenberg, Theologie (3), 318. 274

275  Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

der in den neutestamentlichen Texten geschilderten Mahlpraxis Jesu.282 In Folge führt Pannenberg das traditionsgeschichtliche Verhältnis der neutestamentlichen Abendmahlsüberlieferungen aus. Becher- und Brotwort sind dabei durchgehend Gegenstand der Erläuterung, werden jedoch nicht (mehr) zitiert oder belegt.283 Pannenberg bezieht sich auch in diesem Gedankengang wiederholt mit begründender Funktion auf exegetische Literatur.284 Zur Einordnung der Beschreibung des „neuen Bundes“ verweist Pannenberg in beschreibender Funktion auf Jer 31,31 ff und Ex 24,8 und hält dann – mit Begründung auf 1 Kor 10,16; 11,25.27; Lk 22,20; 2 Kor 3,6; Gal 4,24; Röm 3,25; 5,9 – fest, dass die enge Verbindung von neuem Bund und Blut für die neutestamentlichen Autoren vereinbar war, wodurch eine Analogie zu Ex 24,8.11 deutlich wird.285 Pannenberg begründet diesen Zusammenhang unter Bezug auf Hahn weiterhin mit einer Auslegung von einem Zitat aus Lk 22,28–30, in dem Bund und Kelch ebenfalls eng verbunden werden.286 Die Sühneaussagen aus Lk 22,20 und Mk 14,24 hält er für sekundäre Ergänzungen, wie er unter Verweis auf Patsch und Hahn festhält.287 Hier wird für Pannenberg unter Bezug auf Hahn die Kontinuität mit der Mahlpraxis Jesu deutlich, in der die Gegenwart Jesu zugesprochen und die Gemeinschaft dauerhaft konstituiert wird.288 Er schließt den Exkurs mit einer Interpretation der Wendung „für euch gegeben“ aus 1 Kor 11,24 und Lk 22,19: Diese muss keinen Sühnegedanken implizieren, sondern zeigt – wie Mk 14,22 – die Solidarität Jesu mit den Jüngern.289 Im folgenden Abschnitt interpretiert Pannenberg den eschatologischen Ausblick in Mk 14,24par in Auseinandersetzung mit exegetischer Literatur ebenfalls in der Linie dieser Kontinuität:290 Die Zusage der Gegenwart Christi erhält – insbesondere im Licht von Lk 22,18–30 ‑über das geschilderte Mahl hinaus den Charakter einer testamentarischen Verfügung.291 Damit ist die Gemeinschaft der Jünger über den Tod Jesu hinaus – und somit die Kirche, wie er unter Verweis auf dogmatische Literatur anfügt292 – begründet: Die Gemeinschaft der Jünger gründet nicht in der Berufung der Zwölf 282 Vgl.

ebd. a. a. O., 319. 284 Pannenberg verweist auf Aalen, Abendmahl (1963); Goppelt, Theologie (1975); Grundmann, Evangelium (1961); Patsch, Abendmahl (1972); Hahn, Stand (1975); Ders., Motive (1967); Schweitzer, Art. Abendmahl (1957); Wagner Bedeutungswandel (1975). 285  Pannenberg, Theologie (3), 319 f. 286  Vgl. a. a. O., 320. 287 Vgl. ebd. 288 Vgl. ebd. 289   A. a. O., 321. 290  Ebd. Pannenberg verweist auf die abweichende Zuordnung in Lk 20,18 unter Verweis auf Hahn, Stand (1975). 291  Vgl. a. a. O., 322. 292  Ebd. Zu diesem Zusammenhang führt Pannenberg Kümmel, Kirchenbegriff (1943); Bornkamm, Enderwartung (1954) und Cullmann, Petrus (1952) an. 283 Vgl.

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in Mk 3,13 ff oder im „Felsenwort“ in Mt 16,18 f, sondern im Gedanken des neuen Bundes.293 Dieser konstitutiven Bedeutung der Mahlfeier misst Pannenberg grundlegende Folgen für das Verständnis des Seins der Kirche und ihrer Einheit zu, wie er mit Zitaten von 1 Kor 10,16 f; 12,13 f, sowie mit Verweis auf 1 Kor 12,14–27 betont.294 Den Schriftbezügen kommt heuristische Funktion für das Argument zur konstitutiven Bedeutung der Mahlfeier zu, das allerdings nicht ausgeführt wird. Das zweite Teilkapitel „b) Einsetzungsworte und Gegenwart Christi im Herrenmahl“ stellt die ökumenische Kontroverse in den Vordergrund und es finden sich nur vereinzelt Bezüge auf biblische Texte. Im Zusammenhang mit der Frage nach der ontologischen Identität der Elemente nennt Pannenberg als Ausgangspunkt der Debatte das „ist“ in 1 Kor 11,24par und erläutert in einer Fußnote die Differenzen zwischen 1 Kor 11,25; Lk 22,20; Mk 14,24 und Mt 26,28.295 Diese Bezüge haben beschreibende Funktion. Im Verlauf der Argumentation zitiert Pannenberg die Formel „dies ist mein Leib“ als Gegenstand der Auslegung ohne Belegstellen anzugeben.296 Zudem verweist er zum Beleg der Aussage, dass Jesus nach den neutestamentlichen Berichten als Auferstandener am Mahl seiner Jünger teilhatte, auf Lk 24,30.297 Zu diesem Zusammenhang bezieht sich Pannenberg erneut auf die exegetischen Arbeiten von Oscar Cullmann, Leonhard Goppelt und Ferdinand Hahn.298 Diese Berichte begründen die Gewissheit der Jünger, dass Jesus die Macht hat, beim Mahl gegenwärtig zu sein, und sind daher von entscheidender Bedeutung für die Argumentation zur Frage der Präsenz Christi im Abendmahl. Im dritten Teilkapitel zur „c) Vermittlung der Gegenwart Jesu Christi in der eucharistischen Liturgie der Kirche“ setzt sich Pannenberg intensiv mit biblischen Texten auseinander. Zur Frage der Anamnese und des Opfers Jesu findet sich ein ausführlicher Vergleich der biblischen Belegstellen, der sich als eigene Exegese mit begründender Funktion für die weitere Argumentation beschreiben lässt. Innerhalb der exegetischen Erwägungen haben die biblischen Bezüge heuristische Funktion oder sind Gegenstand der Auslegung: Pannenberg beginnt mit dem Verweis auf den kultischen Charakter des Abendmahls, der im zitierten Wiederholungsbefehl in 1 Kor 11,24 und Lk 22,19, sowie in der Weiterführung in 1 Kor

293 Ebd. 294 Vgl.

a. a. O., 324. 327. 296   A. a. O., 327.331. 297  Vgl. a. a. O., 336. 298 Ebd. Pannenberg verweist auf Cullmann, Petrus (1952); Goppelt, Theologie (1975); Hahn, Stand (1975). 295  A. a. O.,

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11,25 und der Deutung in 1 Kor 11,26 zum Ausdruck kommt.299 Für Pannenberg steht hier – begründet unter Bezug auf 1 Kor 5,14 und im Zusammenhang mit dem paulinischen Taufverständnis in Röm 6,3 ff – die Sühnetodvorstellung im Vordergrund. Den Hintergrund sieht er im Passahgedächtnis, wie er mit Bezug auf Ex 12,14; 13,3 ausführt.300 In einem Exkurs setzt sich Pannenberg mit Brunners Vorstellung der Aktualpräsenz Christi im Abendmahl auseinander und verweist – Brunner darstellend – auf Joh 14,26 und Joh 16,13 f, wobei den Bezügen heuristische Funktion zukommt.301 Nach einer Auseinandersetzung mit den liturgischen Formen verweist Pannenberg auf den Bezug der Auslegung als Dankopfer auf Röm 12,1 mit beschreibender Funktion.302 Pannenberg setzt gedanklich neu an zur Frage der leiblichen Gegenwart des Erhöhten im Abendmahl: Dass die Anamnese sich auf den geschichtlichen Jesus bezieht, begründet er aus 1 Kor 11,25 und Lk 22,19.303 Es folgen Ausführungen zu den ökumenischen Differenzen. Im folgenden Teilabschnitt zum Verhältnis von Opfer und Gegenwart Christi kommt Pannenberg auf biblische Texte im Rahmen der Darstellung konfessioneller Kontroversen zu sprechen. So verweist er auf Luthers Kritik am Messopfer ausgehend von Röm 8,34.304 Zur eigenen Deutung des Todes Jesus betont Pannenberg den Zusammenhang von Opfer und Gehorsam, begründet aus Röm 5,19; Hebr 5,8 und Lk 22,27 f, und den Charakter als Sündenvergebung, angelegt im „für euch“ des Brotworts.305 Im folgenden Abschnitt setzt sich Pannenberg mit der Gegenwart Christi und dem Heiligen Geist auseinander: Die Gegenwart Gottes geschieht nicht allein im Gedenken, sondern auch in der Bitte um das Kommen Gottes, wie Pannenberg mit Verweis auf die in 1 Kor 16,22 und Offb 22,20 bezeugte urchristliche Gottesdienstpraxis ausführt.306 Pannenberg verweist zur Deutung des Rufes „Maranatha“ auf den gleichnamigen Lexikonartikel von Kuhn und stellt den neutestamentlichen Belegstellen weitere Belege aus der Umwelt des Neuen Testaments zur Seite, wie Did 10; Justin Apol I,66.2 u. a.307 Nachdem Pannenberg in Folge die Bedeutung der Epiklese in unterschiedlichen Traditionen beleuchtet hat, wendet er sich kritisch gegen die These der Konkurrenz zwischen den Worten Jesu und dem Geist, die er 1 Kor 10,3 f; 12,13 auslegend ablehnt.308 Dass der Geist nicht erst durch die Epiklese wirkt, führt Pannenberg unter 299 Vgl.

a. a. O., 338.  Vgl. ebd. Zur Passahdeutung verweist Pannenberg auf Schottroff, Gedenken (1967). 301 Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 339. 302 Vgl. a. a. O., 343. 303 Vgl. a. a. O., 344. 304 Vgl. a. a. O., 349. 305  Für das Zitat aus dem Brotwort ist keine Belegstelle angegeben. A. a. O., 351. 306  Vgl. a. a. O., 352. 307  Vgl. ebd. Pannenberg verweist auf Kuhn, Maranatha (1942). 308  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 355. 300

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Rekurs auf Mt 18,20 aus und ergänzt, begründet auf Röm 8,15, dass der Geist den Menschen zum Gebet befähigt.309 Die Teilhabe am Opfer Jesu vollzieht sich für Pannenberg im Modus des Dankes, wodurch der Mensch selbst sein Leben zu einem Gott wohlgefälligen Leben hingibt. Dies führt Pannenberg Röm 12,1–2 zitierend und unter Verweis auf Röm 8,11 und 1 Kor 15,51 ff abschließend aus.310 Den Bibelstellen kommt begründende Funktion zu. Im vierten Teilkapitel „Herrenmahl und Kirchengemeinschaft“ zitiert Pannenberg ausführlich die paulinische Beschreibung des Zusammenhangs von Leib Christi und Brot in 1 Kor 10,16 f; 12,25, sowie die Frage nach der Unteilbarkeit des Leibes Christi in 1 Kor 1,13.311 Ebenfalls in begründender Funktion beschreibt Pannenberg dann die Warnungen vor dem Missbrauch des Mahls verbunden mit dem Zitat von 1 Kor 11,27.29.31.312 Nach einem historischen Exkurs zu Deutungen dieser Warnung deutet Pannenberg die geforderte Würdigkeit nicht als moralische Kategorie, sondern als Forderung der gegenseitigen Rücksichtnahme.313 Er begründet diese Deutung mit einem Verweis auf Bornkamms Auslegung von 1 Kor 11,29, bezieht diese auch auf 1 Kor 11,28 und deutet sie im Licht von 1 Kor 16,22; 5,11; 11,29.314 In der weiteren Argumentation zitiert Pannenberg 1 Kor 11,29 in beschreibender Funktion mit Verweis darauf, dass aus der Forderung nach der Unterscheidung der Speisen manchmal übertriebene Konsequenzen gezogen wurden.315 Im fünften Teilkapitel „Das Herrenmahl und die Verkündigung des Evangeliums im Gottesdienst der Kirche“ führt Pannenberg unter Verweis auf Hahn ein, dass das Abendmahl Herzstück des urchristlichen Gottesdienstes und eng mit der Verkündigung verbunden war.316 Diesen Zusammenhang sieht er auch in 1 Kor 11,25 f angelegt, den er im Folgenden zitiert.317 Unter Verweis auf 1 Tim 4,13 weist Pannenberg darauf hin, dass die Lesung alttestamentlicher Texte für die Verkündigung im urchristlichen Gottesdienst von großer Bedeutung gewesen ist.318 Zuletzt beschreibt Pannenberg mit begründendem Verweis auf 1 Thess 2,13, wie das Hören des Evangeliums den Hörern zum Wort Gottes werden kann und so Vgl. a. a. O., 356. a. a. O., 357. 311  Vgl. a. a. O., 358. 312  Vgl. a. a. O., 359. 313 Vgl. a. a. O., 360. 314 Vgl. a. a. O., 360 f. Pannenberg verweist auf Bornkamm, Herrenmahl (1959). 315  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 364. 316 Vgl. a. a. O., 365. Pannenberg verweist auf Hahn, Art. Gottesdienst (1985). Auf diesen Artikel verweist Pannenberg auch auf der folgenden Seite und führt aus, dass es in den urchristlichen Gottesdiensten v. a. um die christologische Auslegung alttestamentlicher Textstellen ging. 317  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 365. 318  Vgl. ebd. 309

310 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

mit zur Proklamation des Anbruchs der Zukunft Gottes wird, in die auch das Herrenmahl den Menschen hineinzieht.319 2.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod Pannenberg setzt sich im zweiten Band der „Systematische[n] Theologie“ im achten Kapitel mit dem Thema Tod unter dem Titel „Würde und Elend des Menschen“ auseinander.320 Nachdem er die personale Einheit von Gott und Mensch, die Bestimmung des Menschen, sowie über Sünde und Erbsünde reflektiert hat, wendet er sich im vierten Teilkapitel unter der Überschrift „Sünde, Tod und Leben“ dem Thema Tod zu. Pannenberg beginnt seine Argumentation mit der These, dass die Macht der Sünde darauf beruht Leben zu versprechen.321 In seiner Erläuterung kommt biblischen Bezügen nahezu durchgehend heuristische oder begründende Funktion zu: Pannenberg begründet die These mit einem Verweis auf Röm 7,11, dem er weitere Belegstellen (Eph 4,22; 2 Thess 2,10; Hebr 3,13), sowie den Verweis auf zwei exegetische Studien zum Thema an die Seite stellt.322 In einer längeren Paraphrase paulinischer Aussagen zur Sünde beschreibt Pannenberg, wie die Sünde das Gebot Gottes zum „Vorwand“323 nimmt, um sich des Menschen zu bemächtigen, und so das Gesetz zum Instrument der Sünde macht.324 Er führt in diesem Gedankengang Dtn 32,47; Lev 18,5 und Gen 3,4 ff zur Beschreibung des Gebotes an.325 Mit 4 Esr 7,62–72 hält Pannenberg fest, dass der Mensch nicht nur das Gesetz, sondern auch das „Gebot der Vernunft“ in seinem blinden Drang der Lebenserfüllung gegen die eigene Vernunft zur Seite schiebt.326 Dies führt er auf Röm 7,22 begründend aus.327 Diese Gier führt zum Tod, wie Pannenberg Röm 6,23 zitierend und unter Verweis auf Röm 7,11 folgert.328 In einer langen Fußnote setzt sich Pannenberg unter Rekurs auf exegetische Literatur mit außerkanonischen Belegstellen für diesen Zusammenhang von Sünde und Tod auseinander und verweist auf ähnliche Vorstellungen in Gen 2,17; 3,3.329 319 Vgl.

a. a. O., 368. Pannenberg, Theologie (2), 203–314. 321 Vgl. a. a. O., 303. 322 Ebd. Pannenberg verweist auf Bornkamm, Ende (1952) und Wilkens, Brief (1980). 323  Diesen Begriff setzt Pannenberg in Anführungszeichen, ohne ihn als Zitat zu belegen. Möglicherweise steht die Formulierung aus Röm 7,11 im Hintergrund: ἡ γὰρ ἁμαρτία ἀφορμὴν λαβοῦσα διὰ τῆς ἐντολῆς ἐξηπάτησέν με καὶ δι’ αὐτῆς ἀπέκτεινεν. Pannenberg, Theologie (2), 303. 324 Vgl. ebd. 325  Vgl. ebd. 326   A. a. O., 304. 327  Vgl. ebd. 328  Vgl. ebd. 329  Ebd. Pannenberg nennt hier als Belegstellen Sap 2,24; Sir 25,24; 4 Esr 3,7; 7,22 f. 118 ff sowie 320 Vgl.

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Unter Verweis auf Paulus führt Pannenberg die Frage nach dem leiblichen und geistlichen Tod ein: Paulus – dessen Aussagen Pannenberg hier ohne Belegstelle anführt – versteht den leiblichen Tod als schärfste Trennung von Gott, wie Pannenberg selbst es auch im Alten Testament mit Verweis auf Ps 88,6; 6,6; 115,17 und Jes 38,18 beobachtet.330 Pannenberg grenzt sich explizit gegen Bultmann ab.331 In der Trennung von Gott liegt daher das tiefere Wesen des Todes, das aber schon im Wesen der Sünde angelegt ist – weswegen die biblischen Texte auch davon sprechen, dass der Sünder schon zu Lebzeiten tot ist, wie Pannenberg gründend auf 1 Tim 5,6; 1 Joh 3,14; Lk 9,60 und Mt 8,22 ausführt.332 Nur daher kann Paulus in Röm 5,12 das allgemeine Todesgeschick als allgemeine Sünde verstehen.333 Dieser Auslegung paulinischen Todesverständnisses folgt ein Exkurs zur Unterscheidung von leiblichem Tod und geistlichem Tod der Seele einerseits und zwischen zeitlichem Tod und ewigem Tod andererseits in der späteren Theologie. Pannenberg weist zu Beginn darauf hin, dass die zweite Unterscheidung in der Wendung „zweiter Tod“ bereits in Offb 2,11 (mit Verweis auf Offb 20,14; 21,8) begegnet und setzt sich im Folgenden mit Tertullian, Klemens von Alexandrien, Origenes und Augustin auseinander.334 Die anschließende These, dass seit dem 18. Jahrhundert der Tod zur Endlichkeit der Natur gehörend vorgestellt wurde, führt Pannenberg in einem weiteren Exkurs aus. Er setzt sich vor allem mit Karl Bretschneider auseinander, wobei auffällt, dass die von Bretschneider ins Feld geführten Verweise auf 1 Kor 15,35– 38 und Röm 5,12 den argumentativen Ausgangspunkt für die Darstellung anderer Positionen bilden.335 Für Pannenberg liegt der Preis für die Psychologisierung des Übels und des Todes darin, dass die Gottesbeziehung auf die moralische Lebensgestaltung konzentriert wurde.336 Dies führt er in einem weiteren Exkurs zur Unterscheidung von natürlichem Tod und Gerichtstod in der Theologie des 20. Jahrhunderts aus. Anschließend setzt er sich mit den Schriftbezügen in der Beschreibung eines nur psychologischen Zusammenhangs von Sünde und Tod bei Albrecht Ritschl auseinander: Dieser verweist zum einen auf das lebenssatte Sterben der Erzväter (Gen 25,8; 35,29; vgl. 46,30) und zum anderen auf Paulus’ Beschreibung des

2 Bar 23,4; 54,15. 56,6. Dazu verweist er auf Brandenburger, Adam (1962). Zur Bedeutung außerkanonischer Textbezüge bei Pannenberg vgl. die Abschnitte B 2.4.3. und B 2.5. 330 Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 304 f. 331 Vgl. ebd. Pannenberg nennt Bultmann, Art. Thanatos (1938). 332  Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 305. 333  Vgl. ebd. 334  Ebd. 335  Vgl. a. a. O., 306. 336  Vgl. a. a. O., 307.

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Todes als Befreiung (Phil 1,21; Röm 14,8).337 Pannenberg greift die paulinische Argumentationslinie auf und deutet diese um: Die Umwertung des Todes gründet in der Auferstehung. Daher ist der Tod zugleich als Folge der Sünde denkbar, wie er ausgehend von Röm 5,12; 6,23 ausführt.338 Gründend auf Röm 7,1–6 betont Pannenberg, dass dies auch für den Weg der Christen gilt: Denn aus Röm 6,5 f; 7,6 wird deutlich, dass die Auferstehung Jesu die Bedeutung des Todes verändert hat.339 Auf dieser Linie interpretiert er anschließend 1 Kor 15,44–49 gegen Bultmann und hält fest, dass Paulus keinen Urstand kannte und daher Adam als Anfänger der Sünde und des Todes versteht.340 Für den Schriftgebrauch ist in diesem Argumentationsgang interessant, dass die biblischen Texte die Grundlage sowohl zur Darstellung der Position A. Ritschls als auch der von Pannenberg vorgebrachten Argumente genutzt werden. Die Schriftbezüge und ihre Auslegung dienen hier als Argument und zugleich ist die Auslegung der Schrift selbst Feld der inhaltlichen Auseinandersetzung. An der Lehre von den Sündenfolgen ist nach Pannenberg am ehesten die Bezeichnung „Strafe“ zu beanstanden, da diese ein Verständnis als Sanktion impliziert und den Blick auf den Zusammenhang von Tat und Tatfolge verstellt, wie Pannenberg unter Verweis auf exegetische und dogmatische Literatur festhält.341 Pannenberg begründet dies mit Bezug auf Paulus: Auch Paulus versteht die Sünde als Abbruch der Beziehung zu Gott, der Quelle des Lebens, wodurch der Mensch in Gegensatz zu Schöpfer und Mitgeschöpfen kommt.342 Textbelege führt Pannenberg nicht an. Dieser Zusammenhang ist auch in Gen 3,14–19 erkennbar und ebenso stellt die Todesfolge in der Paradiesgeschichte in Gen 2,17 eine Warnung vor den Folgen der Sünde dar.343 Auch dient das Eingreifen Gottes der Einschränkung der Unheilsfolgen der Sünde, wie Pannenberg in Auslegung von Gen 3,19; 2,17 ausführt.344 Wie im vorangegangenen Abschnitt dienen die Bezüge auf die biblischen Texte hier als Gegenstand der Auslegung mit heuristischer oder begründender Funktion für den Fortgang der Argumentation. Pannenberg wendet sich nun dem Einwand zu, dass der Tod als Folge der Endlichkeit und nicht der Sünde zu verstehen ist.345 Diesen entkräftet Pannenberg ausgehend von 1 Kor 15,52 ff, wo Paulus die Hoffnung auf eine neue Welt 337 Vgl. a. a. O., 308. Zu Paulus Beschreibung des Todes als Befreiung führt Pannenberg nicht nur Belege bei Ritschl, sondern auch bei Barth an. 338  Vgl. ebd. 339  Vgl. ebd. 340 Vgl. a. a. O., 309. Pannenberg zitiert hier Bultmann, Art. Thanatos (1938). 341 Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 309. Pannenberg verweist hier zum einen auf weitere Dogmatiker des 19. und 20. Jahrhunderts und zum anderen auf Koch, Vergeltungsdogma (1955). 342  Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 309. 343  Vgl. ebd. 344 Vgl. a. a. O., 310. 345  Vgl. ebd.

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ohne Tod zum Ausdruck bringt.346 Hier sieht Pannenberg die Differenzierung von Endlichkeit und Sterblichkeit begründet, da die Endlichkeit durch Teilhabe am ewigen Leben Gottes nicht beseitigt wird.347 Die Ganzheit des Lebens ist wegen der Zeitlichkeit des Menschen nicht erreichbar.348 Daher lebt der Mensch im Schatten des Todes, führt Pannenberg ausgehend von Lk 1,79 und Mt 4,16 aus.349 Mit 1 Kor 15,26 folgert er, dass dieser sich als Feind des Lebendigen zeigt.350 Der Tod ist daher nur in Verbindung mit der Sünde Teil der Schöpfung, führt er Weish 1,13 zitierend weiter.351 Dass der Mensch, wie Paulus in Röm 8,20– 22 ausführt, unter der Last der Vergänglichkeit stöhnt, ist daher nach Pannenberg kein Strafakt Gottes, sondern Folge der Sünde.352 Die Aufforderung an Kain, die Sünde nicht herrschen zu lassen (Gen 4,7), gilt daher der ganzen unerlösten Welt.353 Auch in diesem Abschnitt kommen den zitierten Textstellen wiederholt begründende Funktion für die Argumentation zu. 2.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs Fasst man nun die untersuchten Argumentationsgänge im Blick auf die in der Einführung genannten Leitfragen354 zusammen, so zeigt sich folgendes Bild, das im Anhang tabellarisch dokumentiert ist.355 Auffallend an Pannenbergs Schriftgebrauch ist quantitativ und auch im Blick auf Argumentationsgänge und Exposition ein sehr hohes Interesse an der Schrift und ihrer Auslegung. Im Abendmahlskapitel finden sich insgesamt 120 Verweise auf biblische Texte, die nach den eingangs genannten Kriterien als expliziter Schriftgebrauch beschrieben werden können, dazu acht Hinweise auf die Schrift sowie fünf Abschnitte mit eigenen exegetischen Überlegungen. Die intensivste Beschäftigung mit biblischen Texten findet im ersten Abschnitt zu „Ursprung und Bedeutung des Herrenmahls“ statt.356 Auch im untersuchten Kapitel zum 346 Vgl.

ebd. a. a. O., 311. 348 Vgl. ebd. 349  Vgl. ebd. 350 Vgl. ebd. 351  Vgl. a. a. O., 313. 352 Vgl. ebd. 353 Vgl. a. a. O., 314. 354 Erstens die Bedeutung der biblischen Bezüge in der Themenexposition und Argumentation, zweitens der genutzte working canon, drittens die Funktionen der einzelnen Schriftbezüge im Argumentationsgang, sowie viertens der Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur. Vgl. Abschnitt A 3.3.2. 355  Vgl. im Anhang Abschnitt II Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg. 356  Hier findet sich gut die Hälfte aller Bezugnahmen auf biblische Texte (65 von 120 Ver347 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Thema Tod ist die Mehrzahl der insgesamt 51 Bezüge auf biblische Texte in den ersten Teilabschnitten zu finden.357 Ähnlich wie im untersuchten Kapitel zum Abendmahl scheint eine biblische Grundlegung Ausgangspunkt der Überlegungen zu sein. Pannenberg bringt die biblischen Texte in Form von Zitaten und Nennungen ein, Paraphrasen oder allgemeine Verweise finden sich nicht.358 Pannenbergs Interesse an den biblischen Texten spiegelt sich auch in der Breite der von ihm in den Blick genommenen Texte (working canon). Dabei ist in beiden untersuchten Kapiteln ein Übergewicht neutestamentlicher Bezugstexte erkennbar. Im Kapitel zum Abendmahl steht bei Pannenberg die paulinisch-lukanische Traditionslinie durch Bezüge auf 1 Kor 10–11 und Lk 22 im Vordergrund, aber auch der markinische Abendmahlsbericht kommt in den Blick.359 Die innerbiblische Pluralität wird nicht nur dargestellt, sondern zum Teil ausführlich aus exegetischen, dogmenhistorischen, dogmatischen und ökumenischen Perspektiven diskutiert. Terminologisch steht die paulinische Beschreibung als Herrenmahl im Vordergrund. Auch Pannenberg bezieht sich zur dogmatischen Reflexion auf das Abendmahl nicht allein auf die Abendmahlsberichte und weisen), die von einer intensiven Auseinandersetzung mit exegetischer Literatur (29 der insgesamt 38 Bezüge auf exegetische Literatur), sowie von vier der fünf eigenen Exegesen begleitet werden. Vielfach kommt den Bezügen hier heuristische Funktion zu. Der zweite Abschnitt, der sich mit dem Thema „Einsetzungsworte und Gegenwart Christi im Herrenmahl“ (Pannenberg, Theologie [3], 325–337) befasst, stellt Bezüge zu den Reformatoren, Konzilstexten und ökumenischen Texte in den Vordergrund und bietet zudem eine ausführliche dogmengeschichtliche Herleitung. Daneben finden sich zehn Verweise auf biblische Texte, sowie eine etwas längere Diskussion um 1 Kor 11,24par zur Deutung des „ist" (a. a. O., 327). Im dritten Abschnitt zur Frage der „Vermittlung der Gegenwart Jesu Christi in der eucharistischen Liturgie der Kirche“ (a. a. O., 337–357) finden sich vermehrt biblische Bezüge (30 Bezüge) sowie fünf Bezüge auf exegetische Literatur und eine eigene Exegese. Insbesondere der Abschnitt zu „Anamnese und Opfer Christi“ (a. a. O., 338–344) ist von einer intensiven Auseinandersetzung mit Sekundärliteratur gekennzeichnet. Im vierten und fünften Abschnitt („Herrenmahl und Kirchengemeinschaft“; „Das Herrenmahl und die Verkündigung des Evangeliums im Gottesdienst der Kirche“) finden sich insgesamt 17 Bezugnahmen auf biblische Texte und vier Bezüge auf exegetische Literatur. Vgl. Anhang Abschnitt II. 357 So entfällt die Hälfte davon auf die ersten Seiten (Pannenberg, Theologie [2], 303–305), 13 Bezüge finden sich auf die folgenden Seiten (a. a. O., 308–309) und die restlichen Bezüge verteilen sich in der weiteren Diskussion. Vgl. Anhang Abschnitt II. 358 Vgl. Anhang Abschnitt II. 359 Im Kapitel zum Abendmahl entfallen 109 Bezüge auf Textstellen des Neuen Testaments und elf Bezüge auf alttestamentliche Texte. Von den alttestamentlichen Bezügen entfallen sechs auf Ex, je zwei auf Jes und Jer und ein Bezug auf Mi. Auch innerhalb der neutestamentlichen Texte ist eine deutliche Gewichtung zu erkennen: So entfallen 36 Bezüge auf 1 Kor (davon 22 auf 1 Kor 11), 25 Bezüge auf Lk (davon zwölf auf Lk 22) und 14 Bezüge auf Mk (davon sieben auf Mk 14). Pannenberg bezieht sich daneben zehnmal auf Röm, sechsmal auf Mt, viermal auf Joh, dreimal auf Apg, zweimal auf 2 Kor und je einmal auf Gal, 1 Thess, 1 Tim, Hebr. Vgl. Anhang Abschnitt II.

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Berichte von Mahlfeiern, sondern zieht weitere Texte für seine dogmatische Deutung heran.360 Auch beim Thema Tod stehen bei Pannenberg neutestamentliche Textstellen im Vordergrund.361 Durch die Verortung des Themas in der Gliederung der „Systematische[n] Theologie“ ist der Zusammenhang von Tod und Sünde für die Reflexion leitend. Zentral ist dabei für Pannenberg die Frage nach der Macht des Todes, die er unter Verweis auf eine Vielzahl biblischer Texte bespricht. Explizit im Rückgriff auf Paulus greift er die Unterscheidung des geistlichen und leiblichen Todes auf und verbindet diese mit der Diskussion um zeitlichen und ewigen Tod, bzw. natürlichem Tod und Gerichtstod und dem Verhältnis von Endlichkeit, Sünde und Sterblichkeit. Auch die paulinische Interpretationslinie zur Umwertung des Todes greift Pannenberg dabei wiederholt auf. Die Bedeutung der paulinischen Tradition für Pannenbergs Reflexion wird in diesem Textabschnitt besonders deutlich. Diese Gewichtung spiegelt sich in den Ergebnissen der Registeranalyse auch im Blick auf die „Systematische Theologie“ im Ganzen. Innerhalb der Bezüge auf das Neue Testament zeigt sich ein hohes Gewicht der paulinischen Tradition. Vergleicht man die Evangelientraditionen, so zeigt sich eine deutliche Präferenz für Joh. Eine große Bandbreite ist auch im Blick auf die Textgattungen erkennbar. Zudem bestätigt die Registeranalyse Pannenbergs bereits beobachtete Auseinandersetzung mit außerkanonischen Texten.362 360 In den alttestamentlichen Textbezügen kommt wie bei Schlink v. a. die Bundestradition in den Blick durch mehrfache Bezüge auf den Bundesschluss in Ex 24 und die Verheißung des neuen Bundes in Jer 31. Daneben bezieht sich Pannenberg auf Ex 12; 13; Jes 2; 25 sowie Mi 4. Auch in den Bezügen auf neutestamentliche Textstellen kommen weniger andere Mahlberichte oder Mahlfeiern in den Blick als vielmehr die in der Analyse dargestellten Bezüge auf unterschiedliche Interpretamente des Abendmahls. Vgl. Anhang Abschnitt II. 361  Im Kapitel zum Tod entfallen 18 Bezüge auf alttestamentliche Textstellen und 33 Bezüge auf das Neue Testament. Im Alten Testament liegt der Schwerpunkt auf dem Pentateuch (elf Bezüge auf Gen, sowie je ein Verweis auf Lev und Dtn). Daneben entfallen drei Verweise auf Ps und je einer auf Jes und Weish. Bei den neutestamentlichen Bezügen ist ein deutlicher Schwerpunkt auf paulinischen Texten erkennbar (13 Verweise auf Röm, fünf Verweise auf 1 Kor, sowie ein Verweis auf Phil). Daneben finden sich drei Verweise auf Paulus ohne Textbelege, a. a. O., 303. 304. 309). Weiterhin verweist Pannenberg viermal auf Evangelientexte (je zwei Verweise auf Lk und Mt), dreimal auf Offb, sowie je einmal auf Eph, 1 Tim, 2 Thess und Hebr. Vgl. Anhang Abschnitt II. 362 Im Kapitel zum Abendmahl verweist Pannenberg dreimal auf außerkanonische Texte: Parallel zum Verweis auf Jes 25,6 verweist Pannenberg auf Hen 62,14 – interessanterweise ohne diese Bezugnahmen voneinander zu unterscheiden (Pannenberg, Theologie [3], 317). An zwei Stellen verweist er zudem auf Did (Did 10,6 auf 353 und Did 9,5; a. a. O., 363), einmal ebenfalls in einer Reihung mit biblischen Texten (Apg 22,20 und 1 Kor 16,22), ohne die Bezugnahmen zu differenzieren (a. a. O., 353). Im Kapitel zum Tod finden sich neun Verweise auf außerkanonische Texte in der Frage nach dem Zusammenhang von Sünde und Tod in Umwelt des AT (4 Esr 7,62–72; vgl. Sap 2,24; Sir 25,24; 4 Esr 3,7; 7,22 f. 118 ff sowie 2 Bar 23,4; 54,15. 56,6). Pannenberg, Theologie (2), 304.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

In den Bibelstellenregistern der „Systematische[n] Theologie“ werden insgesamt 3844 Bezüge auf 2844 Textstellen ausgewiesen, einschließlich der Verweise in den Fußnoten. Es entfallen 1110 Verweise auf 868 Textstellen im Alten Testament und 2735 Verweise auf 1977 Textstellen im Neuen Testament. Die Register zeugen zudem von einer sehr breiten Rezeption der biblischen Texte: Verwiesen wird auf 34 Bücher des Alten Testaments – nicht indexiert sind Ruth, Esther, Hohelied, Obadja und Haggai. Von den neutestamentlichen Texten sind allein 3. Joh und Phlm nicht aufgeführt. Auch die Gewichtung des Corpus Paulinum ist in der Registeranalyse erkennbar: Es entfallen insgesamt 1510 Verweise auf 973 Textstellen der paulinischen Tradition – davon 1259 Verweise auf 811 Textstellen der Protopaulinen (Röm, 1 Kor, 2 Kor, Gal, 1 Thess, Phil) und 251 Verweise auf 162 Textstellen aus den Deuteropaulinen (Eph, Kol, 2 Thess, 1 Tim, 2 Tim, Tit). Vergleicht man die im Register indexierten Verweise auf die Evangelien, zeigt sich eine deutliche Präferenz für Joh (334 Verweise auf 231 Textstellen), gefolgt von Mt (238 Verweise auf 176 Textstellen), Mk (218 Verweise auf 170 Textstellen) und Lk (124 Verweise auf 173 Textstellen). An einigen Stellen verweist Pannenberg zusammen mit dem Evangeliumstext auch auf Parallelstellen, wodurch die genannten Zahlen uneindeutig werden. Dies ist bei Mt zehn Mal der Fall, bei Mk 36 Mal und bei Lk 14 Mal. In der Rezeption der alttestamentlichen Texte ist keine derartige Gewichtung erkennbar. Pannenberg verweist am häufigsten auf die Propheten (379 Verweise auf 317 Textstellen, davon entfallen 198 Verweise auf 147 Textstellen aus Jes). Ähnlich häufig finden sich Verweise auf den Pentateuch (360 Verweise auf 248 Textstellen, davon entfallen 139 Verweise auf 83 Textstellen der Gen – auf Gen wird also häufig verwiesen, jedoch auf vergleichsweise wenige Textstellen konzentriert). Auch auf die Schriften nimmt Pannenberg häufig Bezug, wobei der Psalter mit großem Abstand am häufigsten indexiert ist (295 Verweise auf 230 Textstellen, davon 229 Verweise auf 187 Textstellen in Ps). Deutlich seltener verweist Pannenberg auf die Geschichtsbücher (76 Verweise auf 73 Textstellen). Im Neuen Testament zeigt sich ein leichter Vorzug bei der Rezeption von Lehrtexten im Vergleich zu Erzähltexten: In der Rezeption der neutestamentlichen Texte stehen 1659 Verweise auf 1092 Textstellen aus der Briefliteratur 1018 Verweisen auf 837 Textstellen aus den Evangelien und Apg gegenüber. Auf Offb finden sich 57 Verweise auf 47 Textstellen. Im Register der „Systematische[n] Theologie“ werden  – ebenfalls unter der Überschrift „Register der Bibelstellen“ – zudem Verweise auf spätisraelische Schriften, Apokryphen, die Schriften Qumrans, sowie auf „Christliche Literatur“, bzw. „Apostolische Väter“ aufgeführt. Unter diesen Überschriften sind insgesamt 156 Verweise auf 135 Textstellen indexiert.363 363 Der Ausweis der Belege und die Abgrenzung der gewählten Rubriken unter der Überschrift „Register der Bibelstellen“ ist in den Bänden dabei nicht eindeutig: In Band 1 wird unter der Überschrift „Spätisraelisches Schrifttum“ Sap, Sir, 2 Bar, 4 Esr, 1 Hen und 1 QHab aufgeführt. Neben den Verweisen auf alttestamentliche und neutestamentliche Texte sind keine weiteren Verweise indexiert. In Band 2 finden sich – neben dem Index der biblischen Bücher – die Rubriken „Spätisraelisches Schrifttum“ (Weish, Sir, 4 Esr, 2 Bar, 1 Hen, 2.Makk, Ass.Mosis), „Qumran“ (IQH Frag 3, IQH 18,14), „Apokryphen“ (Protev.Jak) und „Christliche Literatur“ (Barn, 1.Klem, 2.Klem). Band 3 wiederum unterscheidet zwischen AT, NT, „Apokryphen“ (1 Hen, 4 Esr, 2 Bar und „Apostolischen Vätern“ (Did, Barn, 1 Klem, 2 Klem, Trall, Polyk). Dies führt eine grundlegende Schwierigkeit der Kanonproblematik konkret vor Augen: Interessant ist an dieser Stelle, was unter der Überschrift „Register der Bibelstellen“ überhaupt aufgeführt wird. Hier zeigt sich die Schwierigkeit der Kanonabgrenzung  – zum einen gegenüber der Tradition und zum anderen im Blick auf die Quellen und Überlieferungsstränge – konkret.

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Interessant ist eine explizite Anmerkung zur Pluralität der biblischen Texte und dem Umgang damit: Im Blick auf das Abendmahl betont Pannenberg, dass wegen der differierenden Beschreibungen das „Ganze der Jesusüberlieferung“ in der dogmatischen Reflexion in den Blick genommen werden muss.364 Hier zeigt sich, dass die spannungsvolle Pluralität der biblischen Texte für Pannenberg die Notwendigkeit mit sich bringt, diese miteinander ins Gespräch zu bringen und gegeneinander abzuwägen. Diese Überlegung steht jedoch nicht spannungslos neben dem beobachteten Übergewicht von Bezugnahmen auf paulinische Texte, die als interpretierende Tradition sehr häufig in Anspruch genommen werden. Blickt man auf die Funktionen der Bezugnahmen in der Argumentationslogik der Kapitel, zeigt sich, dass in beiden untersuchten Kapiteln der Argumentationsgang an vielen Stellen durch Bezüge auf biblische Texte begründet wird oder diese in heuristischer Funktion angeführt werden.365 Im Kapitel zum Abendmahl dienen die biblischen Bezüge oft selbst als Gegenstand der Auslegung, in den Ausführungen zum Tod ist dies kaum der Fall.366 Hinzuweisen ist auf eine Besonderheit bei der Nennung der Bibelstellen und den zugeordneten Funktionen: Diese dient meist als Beleg für die Paraphrase einer biblischen Aussage. Pannenberg macht sie sich auf diese Weise für die und in der Argumentation zu eigen und belegt dann noch einmal. Auch zieht er häufig weitere Bibelstellen zur Beschreibung des an einer Textstelle verdeutlichten Anliegens heran.367 Die Häufung der Nennung von Bibelstellen resultiert also zum Teil daraus, dass Pannenberg fast alle biblischen Texte, die er referiert oder diskutiert, auch belegt. Seltener dienen die Bezüge dem Beleg eines Arguments oder der Illustration.368 Exegetische Fragestellungen und Erwägungen spielen für Pannenberg eine große Rolle. Sie finden sich zumeist zu Beginn der untersuchten Kapitel und dienen zum einen der bereits erwähnten Abwägung in der Pluralität der biblischen Zeugnisse und zum anderen der historischen Einordnung.369 Es finden 364 Pannenberg,

Theologie (3), 315. finden sich im Kapitel zum Abendmahl 52 Schriftbezüge mit begründender und 20 Bezüge mit heuristischer Funktion. Im Kapitel zum Tod finden sich 20 Bezüge mit begründender Funktion und vier Verweise mit heuristischer Funktion. Vgl. Anhang Abschnitt II. 366  Dies ist im Kapitel zum Abendmahl an 25 Stellen der Fall und im Kapitel zum Tod jedoch nur an drei Stellen. Vgl. Anhang Abschnitt II. 367 So findet sich im Kapitel zum Abendmahl an 27 Stellen beschreibender Schriftgebrauch, im Kapitel zum Tod an 13 Textstellen. Vgl. Anhang Abschnitt II. 368  Belegender Schriftgebrauch findet sich im Kapitel zum Abendmahl an vier Stellen, im Kapitel zum Tod achtmal. Illustrierend werden die Schriftbezüge in keinem der untersuchten herangezogen. Vgl. Anhang Abschnitt II. 369  Im Kapitel zum Abendmahl finden sich die von Pannenberg angestellten exegetischen Überlegungen überwiegend im ersten Teil des Kapitels. Dort entfaltet Pannenberg zunächst einen sehr kurzen synoptischen Vergleich der Einsetzung des Abendmahls ohne weitere Verweise auf exegetische Literatur (vgl. Pannenberg, Theologie [3], 315). Es folgt eine Darstellung 365 So

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sich exegetische Fragestellungen auf synchroner Ebene wie (synoptische oder innerbiblische) Textvergleiche370 oder begriffliche Bestimmungen371. Von Bedeutung sind darüber hinaus diachrone Fragen der Literarkritik und Literargeschichte372, der Überlieferungsgeschichte373, der Traditionsgeschichte374 und des Sitzes im Leben375. Breit führt Pannenberg auch die Zeugnisse der Umwelt, insbesondere der jüdischen Tradition ein.376 Pannenberg arbeitet dabei häufig und stellenweise intensiv mit exegetischen Sekundärtexten. Diese Auseinandersetzung ist nicht nur quantitativ messbar, sondern begleitet nahezu durchgängig die Auslegung der biblischen Texte.377 Erkennbar ist, dass im Kapitel zum Abendmahl die exegetische Debatte um die dogmatisch zentralen Fragen breiten Raum einnimmt. Der Bezug auf die exegetischen Texte unterschiedet sich in seinen argumentativen Funktionen nicht von den Bezügen auf die biblischen Texte: Auch ihnen kommt häufig begründende Funktion zu, wiederholt werden sie zudem eigenen Argumenten in belegender Funktion zugeordnet.378 Pannenberg bezieht sich in den unterund Diskussion der Mahlberichte in der Jesustradition in Auseinandersetzung mit Patschs Band zu „Abendmahl und historischer Jesus“ (a. a. O., 316). An diesen schließt sich kurz darauf ein breiter literarischer Vergleich der Mahlberichte an, der eng an und mit biblischen Texten geführt wird und sich mit dem Verhältnis von Gemeinschaft und Gottesgemeinschaft befasst (vgl. a. a. O., 317). Die längste Auseinandersetzung mit exegetischen Fragen findet sich zur Deutung des Abendmahls als Opfer- oder Bundesmahl (vgl. a.a.O, 318–321). Diese speist sich breit aus exegetischer Forschung, insbesondere der Arbeiten von Patsch, Hahn und Wagner. Daneben finden sich Verweise auf Aalen, Schweizer, Goppelt und Grundmann. Eine fünfte exegetische Überlegung stellt Pannenberg im dritten Unterabschnitt zur Frage von Anamnese und Opfer Christi an (vgl. a. a. O., 338). Hier vergleicht er die biblischen Belege zum Thema ohne breite Einordnung in die exegetische Forschung. Auch im Kapitel zum Thema Tod finden sich vier der sechs exegetischen Überlegungen in den ersten Teilabschnitten. Pannenberg, Theologie (2), 303. 304. 305. 370  Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 305. 308; Ders., Theologie (3), 315. 319. 320. 338 371 Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 305; Ders., Theologie (3), 321. 372 Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 319. 373 Vgl. a. a. O., 315. 374  Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 305. 306; Ders., Theologie (3), 316. 317. 353 375 Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 321. 376 Vgl. Pannenberg, Theologie (2), 304. 305; Ders., Theologie (3), 317. 318. 377 Pannenberg verweist an 38 Stellen auf exegetische Forschungsliteratur und nennt insgesamt 19 Titel. Vgl. Anhang Abschnitt II. Außergewöhnlich ist diese Auseinandersetzung auch in formaler Hinsicht: Denn nicht nur die genannten oder zitierten biblischen Texte werden von Pannenberg fast immer mit Belegstelle angegeben, sondern auch die exegetische oder dogmatische Literatur, mit der er sich auseinandersetzt. Generalisierende Hinweise („die neutestamentliche Tradition“, „bei Paulus“, „Luther zufolge“ o.ä.), die sich bei anderen Autoren recht häufig finden, sind bei Pannenberg selten. Auch wenn dies nur eine Randbeobachtung der Analysen darstellt, wäre im Blick auf die weiterführende Frage nach einer Methodik dogmatischer Schriftauslegung, bzw. dogmatischer Reflexion im Ganzen, zu überlegen, welche Implikationen dies für die dogmatische Schriftauslegung zeigt. Vgl. weiterführend Abschnitt C 2. 378 In den Bezügen auf exegetische Texte im Abschnitt zum Abendmahl finden sich 18 Verweise mit begründender Funktion, zehn Verweise mit belegender Funktion, neun Verweise mit

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suchten Kapiteln auf exegetische Literatur, die zwischen 1938 und 1985 publiziert wurde, mit einem Schwerpunkt in der Literatur der späten 1960er und 1970er Jahre. Insgesamt zeigt er sich an der Einordnung in und dem Ausweis seiner Überlegungen gegenüber exegetischen Arbeiten sehr interessiert. Damit verbunden ist zuletzt auf eine Auffälligkeit hinzuweisen: Die Bezugnahmen auf die Schrift stehen bei Pannenberg oft in engem Zusammenhang mit Bezugnahmen auf die theologische Tradition, sei es auf patristische Texte, zeitgenössische Dogmatiken oder andere Texte. Begleitet werden die Bezüge auf die biblischen Texte also von ausführlichen Auseinandersetzungen mit dogmengeschichtlichen und ökumenischen Debatten. Der Vergleich des Schriftgebrauches und „Traditionsgebrauches“ vor dem Hintergrund von Pannenbergs geschichtstheologischem Programm und zur Präzisierung seiner Abgrenzung von Schrift, Tradition und Dogmatik stellt sich daher als fruchtbares anschließendes Forschungsfeld ausgehend von der vorliegenden Studie dar.

2.5. Diskussion Um der Leitfrage der vorliegenden Studie nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik nachzugehen, werden im Folgenden die Beobachtungen aus Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch verbunden und diskutiert. Vor dem Hintergrund des rekonstruierten Schriftverständnisses und Pannenbergs Aussagen zur Schriftauslegung im Kontext wissenschaftlicher Theologie wurde im Zwischenfazit gefragt, ob Pannenbergs Beschreibung der Schrift als geschichtlichem und sachlichem Ausgangspunkt, Maßstab und Argument systematischer Reflexion aller Theologie in seinem Schriftgebrauch erkennbar wird. Dies legt nicht nur die quantitative Dichte der Bezugnahmen auf biblische Texte in den untersuchten Kapiteln nahe. Deutlich wurde in der Zusammenfassung der Analysen des Schriftgebrauchs, dass Pannenberg biblische Texte häufig zum Gegenstand seiner dogmatischen Erörterungen macht und sie vielfach mit begründender oder heuristischer Funktion in seine Überlegungen einbezieht.379 Dass Pannenberg sich dabei der historischen Abständigbeschreibender Funktion und ein Verweis mit illustrierender Funktion. Im Kapitel zum Tod verweist Pannenberg dreimal mit belegender Funktion, zweimal mit beschreibender Funktion und einmal mit begründender Funktion auf exegetische Literatur. Vgl. Anhang Abschnitt II. 379  Ähnliches lässt sich bereits in der Rekonstruktion der Schriftlehre und Pannenbergs Verständnis von Schriftauslegung beobachten  – auch hier dient die Schrift stellenweise als Argument theologischer Erörterung. So bezieht er sich beispielsweise in seiner Verteidigung seines geschichtstheologischen Ansatzes auf die Schrift: Die Wahrheit der christlichen Lehre als Thema der Dogmatik und die daraus folgende Definition der Dogmatik als „Nachvollzug und Vorentwurf der Offenbarung“ stützt Pannenberg auf die biblische Rede von Gott als demjenigen, der erst am Ende aller Zeit und Geschichte endgültig und unzweifelhaft offenbar sein wird (Pannenberg, Theologie [1], 63 f ). Pannenberg fundiert gerade seinen Offen-

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keit der Texte bewusst ist, zeigt seine Auseinandersetzung mit exegetischen Fragestellungen und Debatten.380 Auch das bei Schlink beobachtbare Vorgehen, dogmengeschichtliche Spannungen durch den Rückbezug auf biblische Texte und ihre Auslegung zu lösen, findet sich bei Pannenberg und impliziert einen Gebrauch der Schrift im Sinne eines Maßstabs auch für dogmatische Fragen: So dient ihm z. B. im Kapitel zum Abendmahl die Darstellung einer exegetischen Einsicht zur Überwindung der innerreformatorischen Differenzen zu den Deuteworten.381 An einer anderen Stelle verweist er auf 1 Kor 10,3 f zur Lösung einer Debatte.382 Pannenbergs Anliegen, die Schrift als Argument und Kriterium theologischer Erörterungen zu verstehen, ist daher in seinem Schriftgebrauch erkennbar. Dass die Schrift – zumindest der Gliederung nach – einen Ausgangspunkt seiner Überlegungen darstellt, wird auch im Aufbau seiner Argumentationen erkennbar: Die Argumentation in den untersuchten Kapiteln ist jeweils stark von biblischen Bezügen geprägt, gerade in den ersten Teilkapiteln. Diese Beobachtung legt nahe, dass Pannenberg eine biblische Grundlegung der untersuchten Themen bieten möchte und diese als Ausgangspunkt seiner Überlegungen – zumindest der Gliederung nach – versteht. Dies gilt nicht nur für die Ausführungen zum Abendmahl – deren biblische Grundlegung und Einsetzung diesen Zugang nahelegt –, sondern auch für die Überlegungen zum Thema Tod. Deutlich wird jedoch zugleich, dass die Schrift nicht der einzige Ausgangspunkt und Maßstab der dogmatischen Reflexion Pannenbergs ist: Zwar kommt den Verweisen auf die Schrift eine hohe argumentative Funktion zu, auch und gerade in der Diskussion der Dogmen. An anderen Stellen jedoch führt Pannenberg den Streit um die Auslegung der Schrift eben mit den Dogmen. So ist etwa im Abendmahlskapitel im Abschnitt zu „Gegenwart Christi und Heiliger Geist“ auffallend, dass nach Pannenberg die eschatologische Aussicht sich im Maranatha, also in der Bitte um Wiederkunft zeigt.383 Diese zu erhellen ist dann jedoch insbesondere durch die Wiederentdeckung der Epiklese, wie er sie ausführlich in der Theologie der Alten Kirche dargestellt hat, möglich. Hier zeigt sich eine ähnliche argumentative Struktur unter Rückgriff auf die dogmatische Tradition, wie es oben unter Rückgriff auf die Schrift beschrieben wurde. In seiner Verschränkung lässt sich dieses Vorgehen eher als ein wechselseitiges Bezugnehmen von Schrift und Dogma beschreiben denn als eine klare Vorordnung der Schrift. Hier zeigt sich ein deutliches Ineinander der geschichtlichen Ebenen mit hohem epistemischem Stellenwert, dessen Verhältnis zur Schrift barungsbegriff und seine Abgrenzung gegen Worttheologien ausführlich in der biblischen Tradition. Vgl. a. a. O., 218–234.249–281. 380  Vgl. für eine ähnliche Beobachtung  – ohne intensive Analyse des Schriftgebrauchs bei Pannenberg – Kupsch, Gebrauch, 404. 381  Vgl. Pannenberg, Theologie (3), 346. Vgl. die Abschnitte B 1.4. und B 1.5. 382 Vgl. a. a. O., 355. 383  Vgl. zum Folgenden a. a. O., 352–357.

2. Wolfhart Pannenberg

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im Zwischenfazit im Sinne einer Verflechtung von Schriftauslegung und „Geschichtsauslegung“ gedeutet wurde. Weiterführend wäre daher eine ausführliche Untersuchung des Zusammenhangs von Schriftgebrauch und „Traditionsgebrauch“ vor dem Hintergrund des geschichtstheologischen Gesamtkonzepts Pannenbergs. Im Zwischenfazit wurde eine intensive historische Auseinandersetzung mit verwendeten Schriftstellen als mögliche Folge von Pannenbergs Überlegungen zur Schriftauslegung vermutet. Diese Vermutung lässt sich durch die Analyse nicht bestätigen: In Pannenbergs exegetischen Überlegungen steht die Auseinandersetzung auf der synchronen Ebene im Vordergrund  – ausführliche historisch-kritische Diskussionen wie bei Schlink finden sich bei Pannenberg in den untersuchten Kapiteln kaum. Daran zeigt sich dreierlei: Erstens: Die von Pannenberg beschriebene Aufgabe der Exegese ist in den untersuchten Kapiteln nicht Teil seiner eigenen Ausführungen, wird aber in diesen zumindest stellenweise berücksichtigt. Zugleich widersetzt sich Pannenberg der von ihm monierten untheologischen Weise des Zugriffs auf historische Forschungen der Exegese, indem er sie explizit für dogmatische Argumentationen in Anspruch nimmt. Zweitens wird der Begriff der Exegese, sowie der Schriftauslegung facettenreicher: Während Pannenberg in seinen Überlegungen zur Schriftauslegung die Exegese der historischen Hermeneutik zuordnet, zeigt sein eigener Umgang mit biblischen Texten vor allem Interesse an synchronen Zugangsweisen, die sich in der dualen Beschreibung zwischen theologischer und historischer Hermeneutik nicht einfach zuordnen lassen. Ob in diesen Zugriffen Potentiale für die Vermittlung zwischen diesen zu finden sind, wird in Teil C zu diskutieren sein. Denn deutlich wird drittens: Auch auf der Ebene des Schriftgebrauchs bleibt die im Zwischenfazit formulierte Frage nach der Verhältnisbestimmung von theologischer und historischer Hermeneutik offen. Die gerade skizzierten Beobachtungen zur Schrift als Maßstab der Dogmatik zeigen, dass der Schrift selbst eine solche argumentative Funktion zugeschrieben wird – ob dies auch für Ergebnisse historischer Forschung gilt, wie im Zwischenfazit gefragt, kann auf der Grundlage der Analysen nicht beantwortet werden.384 Unscharf bleibt die Frage nach dem Umgang mit der Sachmitte der Schrift und dem Bezug der dogmatischen Reflexion auf die historische und theologische Dimension des Bezugs auf Christus, die im Zwischenfazit angerissen wurde. Drei Beobachtung sprechen dafür, dass diese Perspektiven für Pannenbergs Argumentation von Bedeutung sind. Erstens lässt das Kapitel zum Abendmahl eine solche Konzentration auf den geschichtlichen Ursprung durchaus erkennen. Ob 384 Verwiesen sei noch einmal auf den schon genannten Argumentationsgang, in dem Pannenberg eine exegetische Einsicht zur Überwindung der innerreformatorischen Differenzen zu den Deuteworten einbringt. Aufgrund der wenigen historisch-exegetischen Überlegungen Pannenbergs kann aus dieser Passage jedoch keine allgemeine Einschätzung abgeleitet werden kann.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

dies jedoch dem Thema und seiner biblischen Grundlegung geschuldet ist oder nicht – und wenn ja, ob es Pannenberg hier um die historische oder inhaltliche Nähe zum Evangelium geht –, kann auf der Grundlage der Analyse nicht beantwortet werden. Zweitens ist auf der Textebene in beiden untersuchten Kapiteln eine deutliche Gewichtung neutestamentlicher Texte zu erkennen, welche die im Zwischenfazit formulierte Zuordnung von Altem und Neuem Testament auf der Ebene des Schriftgebrauchs untermauert.385 Drittens könnte auch die Auswahl der im Vordergrund stehenden neutestamentlichen Texte ein Indiz dafür sein, dass die mutmaßliche historische Nähe der biblischen Zeugnisse entscheidend für ihre Relevanz wirkt – bedeutet der erkennbare Schwerpunkt auf der paulinischen Tradition literargeschichtlich doch die Orientierung an den älteren Quellen im Sinne des Arguments der Ursprungsnähe.386 Diese Frage verschärft sich vor dem Hintergrund von Pannenbergs Aussagen über den Charakter biblischer Geschichten im Abendmahlskapitel: In ihnen liege ein Kern von Allgemeingültigkeit, denn es geht um die „Zukunft der Vollendung der Welt und des Menschen von Gott her“.387 Hier scheint weniger eine geschichtliche Ebene als die Ebene der aktualen Aneignung Kennzeichen und Kriterium der Offenbarung zu sein. Offen bleibt damit nicht weniger als die im Zwischenfazit bereits formulierte Frage, inwiefern  – auf der Ebene der Textauslegung  – den biblischen Texten Bedeutung zukommt: Weiterhin stehen historische Begründungslinien und sachliche Begründungslinien nebeneinander. So spiegelt sich im Schriftgebrauch die bereits im Zwischenfazit beschriebene Spannung zwischen der Reformulierung des Schriftprinzips als „Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“388 – verstanden als eine Bindung an den in den biblischen Texten bezeugten historischen Ursprung des Christentums anstatt einer Bindung an den biblischen Textbestand selbst  – und der Interpretation von Pannenbergs Überlegungen als „Christusprinzip“ zur Ent-deckung der Offenbarung in der Geschichte, wie es im Zwischenfazit vorgeschlagen wurde. Diese Spannung zwischen historischer Rückbindung und aktualer Aneignung wird Teil C dieser Studie weiterführend in den Blick kommen.

385 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Pannenberg – im Vergleich zu den anderen untersuchten Positionen – außergewöhnlich viel zwischentestamentarische und apokryphe Literatur berücksichtigt. Dies wirft die Frage auf, welche Bedeutung der kanonische Status im Verhältnis zur historischen Nähe außerkanonischer Zeugnisse einnimmt. Auf der Grundlage der wenigen Beobachtungen, die sich v. a. aus der Registeranalyse speisen, kann diese Frage hier jedoch nicht beantwortet werden. 386  Ob diese paulinische Fokussierung nicht aber vielmehr (oder zumindest auch) aus traditionsgeschichtlichen Gründen erwächst und damit Teil einer breiten evangelische Tradition der Paulusrezeption (und -fokussierung) weiterführt, muss offenbleiben. Vgl. Abschnitt B 5.3.2. 387  Pannenberg, Theologie (3), 367. Vgl. a. a. O., 368. 388  Pannenberg, Prinzipien, 80.

3. Friedrich Mildenberger

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3. Friedrich Mildenberger Die Frage nach der Schrift und ihrer Auslegung ist für Friedrich Mildenberger weniger ein Topos seiner Dogmatik als konstitutiver Ausgangs- und Zielpunkt seiner theologischen Programmatik: Ziel seines Hauptwerks Biblische Dogmatik, so formuliert Mildenberger in seinen Ausführungen zur theologischen Methode, sei es, „eine Schriftauslegung zu entwickeln, die dem gerecht wird, was die biblischen Schriften selbst sein und sagen wollen.“1 Entsprechend eng ist der Zusammenhang von Schriftlehre und Schriftauslegung: Mildenberger geht es um den Gebrauch der Schrift, um ihre faktischen Auslegungsvollzüge und das Verhältnis dieser zu seinem Verständnis der Schrift. So widmen sich die ersten beiden Kapitel seiner Biblischen Dogmatik der Schrift und ihrer Auslegung2 und das Thema durchzieht viele weitere Überlegungen Mildenbergers sowohl innerhalb der „Biblischen Dogmatik“ als auch darüber hinaus. Für das Verständnis der Schrift ist nach Mildenberger v. a. die Opposition zwischen historischer und kirchlicher Schriftauslegung entscheidend, die er zuweilen als Opposition von historischer und theologischer Schriftauslegung beschreibt. Daher ist die Frage nach der theologischen Enzyklopädie und dem Theologiebegriff für das Schriftverständnis von großer Bedeutung. Auch Mildenberger entfaltet daher sein Schriftverständnis nicht nur im Kontext der Schriftlehre, sondern aus unterschiedlichen dogmatischen Perspektiven. Um dieses Verhältnis nachzuvollziehen, wird im Folgenden zunächst der Fokus auf die Schriftlehre Mildenbergers gelegt, wobei die Rekonstruktion aufgrund der engen Verbindung von Schriftlehre und Schriftauslegung stellenweise auf die Überlegungen zur Schriftauslegung vorausgreifen muss. So kommt zur Schriftlehre zunächst die Vorgegebenheit der Schrift für die Kirche und der daraus folgende kirchliche Schriftgebrauch in den Blick (3.1.1.). Daran anschließend 1 Mildenberger, Dogmatik (1), 227. Zu Mildenbergers Schriftverständnis liegt bislang kaum Sekundärliteratur vor. Einige Aufsätze aus der Festschrift für Mildenberger zum 65. Geburtstag widmen sich dem Thema Schrift. So erarbeitet Roloff eine exegetisch informierte Methodik zur Predigtvorbereitung im Anschluss an Mildenbergers Verbindung von Exegese und einfacher Gottesrede aus (Roloff, Exegese). Schmitt schreibt in losem Anschluss an Mildenberger zur Einheit der Schrift und Mitte des Alten Testaments (Schmitt, Einheit) und Stuhlmacher setzt sich ebenfalls in losem Anschluss an Mildenberger mit den Möglichkeiten und Formen geistlicher Schriftauslegung auseinander (Stuhlmacher, Schriftauslegung). Die Festschrift zum 75. Geburtstag „Beim Wort nehmen. Die Schrift als Zentrum für kirchliches Reden und Gestalten“ ist in ihrer Gänze auf die Schrift und ihre Auslegung fokussiert, die Beiträge setzen sich jedoch nicht mit Mildenbergers Schriftverständnis auseinander. Vgl. Krug/ Lödel/Rehm, Wort. 2 Die ersten beiden Kapitel befassen sich mit „Schriftauslegung zwischen historischer Wissenschaft und kirchlicher Anwendung“ und „Wort Gottes als Grund und Licht der Theologie“. Auch im dritten und vierten Kapitel – „Biblisches Sprechen als die Zeit auf Gott hin erschließende Sprache“ und „Methodische Entscheidungen“  – klingen Fragen der Schriftauslegung durch.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

werden Mildenbergers Überlegungen zur Geltung und Autorität der Schrift in den unterschiedlichen Auslegungsräumen dargestellt (3.1.2.). Diese laufen auf seine Aussagen zur Einheit und Mitte der Schrift hinaus (3.1.3.). Mildenbergers Überlegungen zur Schriftauslegung beginnen mit der Beschreibung der Schrift als Gegenstand und Aufgabe der Theologie in der Spannung zwischen Kirche und Wissenschaft und den unterschiedlichen methodischen Zugängen zur Schrift in den theologischen Disziplinen (3.2.1.). Es folgt eine Darstellung der von Mildenberger eingeführten Stufen theologischer Reflexion, die die Einheit der Theologie und insbesondere der Schriftauslegung ermöglichen sollen (3.2.2.). Auf dieser Grundlage wird sein Verständnis von Schriftauslegung in der Bibelwissenschaft (3.2.3.) und in der Dogmatik (3.2.4.), sowie sein eigener programmatischer Ansatz der biblischen Dogmatik (3.2.5.) nachgezeichnet. Das Zwischenfazit bündelt diese Überlegungen, diskutiert diese im Blick auf die Leitfrage der Studie nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik und markiert zentrale Aspekte für die Analyse des Schriftgebrauchs (3.3.). Es folgt die Analyse des Schriftgebrauchs in Mildenbergers Ausführungen zum Abendmahl und zum Tod (3.4.). Abschließend werden die Beobachtungen im Blick auf die Leitfrage nach dem Verhältnis von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch diskutiert (3.5.).

3.1. Mildenbergers Schriftverständnis 3.1.1. Einfache Gottesrede als Ausgangspunkt von Schriftverständnis und kirchlicher Schriftauslegung Ausgangspunkt der Schriftlehre ist für Mildenberger die Rede Gottes, die in der Schrift ihren Niederschlag findet. Um diese näher zu bestimmen, führt Mildenberger den Begriff der „einfachen Gottesrede“ ein: Diese bringt durch die biblischen Texte Anstehendes auf Gott hin zur Sprache.3 Zur Beschreibung setzt Mildenberger nicht bei Formen, Inhalten oder Elementen dieser einfachen Gottesrede an, vielmehr bestimmt er zunächst die Orte einfacher Gottesrede: Diese geschieht in der Kirche, welche von der Gottesrede bestimmt ist und zugleich durch diese geschaffen wird.4 Der kirchliche Schriftgebrauch ist nach Mildenberger bestimmt von der efficatia der Schrift im „Gebrauch der Schrift als Gnadenmittel“, i. e. das als Gesetz und Evangelium verstandene Wort Gottes zur Vermittlung des Heils.5 Da die einfache Gottesrede aus den biblischen Texten erwächst, verdankt die Kirche diesen Texten die Möglichkeit zur einfachen Gottes Mildenberger, Dogmatik (1), 28.  Vgl. a. a. O., 16. 5   A. a. O., 271 f. 3 4

3. Friedrich Mildenberger

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rede. Die konstitutive Anbindung der Gottesrede an die Kirche bildet ein grundlegendes Charakteristikum von Mildenbergers Erwägungen. Zugleich bindet die einfache Gottesrede die Schrift unabdingbar an die Erfahrungen in der Welt.6 Eben darauf verweist nach Mildenberger die Lehre von der Inspiration der Schrift, welche die Schrift als Kommunikationsgeschehen in den Lebenszusammenhang der Kirche einwebt: Ebenso wie die einfache Gottesrede in den allgemeinen Kommunikationszusammenhang verortet wird, muss die Erfahrung der Betroffenheit als Innenseite dieser Rede berücksichtigt werden.7 Die Aufgabe der Kirche – ausgehend von den biblischen Texten und in Bezug auf das heute Anstehende – liegt für Mildenberger darin, „daß der Text zur Zeit und die Zeit zum Text gefunden werden muß“.8 Dieser Verflechtung von Schrift und Erfahrung folgend, ist es nach Mildenberger Aufgabe kirchlicher Schriftauslegung, in der Schrift die einfache Gottesrede aufzudecken und dieser zu dienen.9 Als problematisch beurteilt er sowohl die faktische Vernachlässigung der Schrift in der kirchlichen Wirklichkeit trotz ihrer Wertschätzung in den Bekenntnissen, als auch die fragwürdige Methodik ihres Gebrauchs.10 Für Mildenberger ergibt sich daraus eine doppelte Problemlage: Zum einen ist der kirchliche Bibelgebrauch durch ein „weites Auseinanderklaffen kontextgebundener wissenschaftlicher Bibelauslegung und kontextfremder Anwendung“ gekennzeichnet, wodurch kirchlicher Schriftgebrauch und historische Exegese in einen Widerspruch geraten.11 Zum anderen folgt durch die unkritische Bibellektüre eine dogmatische Engführung.12 Zudem wird  6 Der konstitutive Bezug auf das Anstehende im Jetzt führt dazu, dass die Betroffenheit der Einzelnen nicht ausgeklammert werden kann: „Mit diesen Schriften bringt die einfache Gottesrede Anstehendes auf Gott hin zur Sprache. Von vornherein muß dabei klar sein: Die biblischen Schriften einerseits und das, was ansteht, andererseits können nicht je für sich verstanden und in solchem Verstehen dann auch zur Sprache gebracht werden, worauf dann sozusagen in einem zweiten Schritt des Verstehens das Anstehende und die Schrift erst miteinander in Beziehung gebracht werden. Soll solches Anstehendes auf Gott hin zur Sprache kommen, dann eben so, daß es durch die biblischen Schriften zur Sprache kommt.“ Mildenberger bezieht sich hier auf Ebelings Bestimmung des Verhältnisses von Schrift und Erfahrung. A. a. O., 18.  7 Vgl. a. a. O., 26. Zu Mildenbergers Inspirationsverständnis vgl. Abschnitt B 3.1.2.  8 Mildenberger, Dogmatik (1), 20.  9 So fragt Mildenberger im zweiten Paragraphen seiner „Biblischen Dogmatik“ danach, inwieweit die faktische Kirche durch ihren Schriftgebrauch „willens und fähig ist, der einfachen Gottesrede zu dienen“. A. a. O., 54. 10 Mildenberger führt als Beispiel für den kirchlichen Gebrauch der Schrift die Verwendung einzelner Bibelsprüche und die gottesdienstlichen Inanspruchnahme der biblischen Texte an. Vgl. a. a. O., 54–61. 64. 67–69. 11   A. a. O., 65. 12  „Die affirmative Selbstwahrnehmung der amtskirchlichen Organisation mit Hilfe korrelationstheologischer Modelle gewinnt so ihr individuelles Gegenstück in einer religiös affirmativen Selbstwahrnehmung mit Hilfe einer christologischen Dogmatik, die zwar in Extremsituationen hilfreich sein kann, die aber andererseits mögliche Erfahrungen einer durch Gott bestimmten Zeit, die durch diese Dogmatik nicht unmittelbar abgedeckt sind, abblockt.“ A. a. O., 67.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

dadurch die für das reformatorische Schriftprinzip grundlegende Annahme einer mündigen Gemeinde konterkariert und die Kompetenz zur einfachen Gottesrede durch die Macht der Amts- und Funktionsträger unterdrückt.13 Diese Problemlagen machen für Mildenberger eine kritische Begleitung der einfachen Gottesrede in der Kirche durch die Theologie notwendig mit dem Ziel, die „Schriftlehre als Hermeneutik der einfachen Gottesrede“ zu entfalten.14 3.1.2. Die Geltung und Autorität der Schrift Die Frage nach der Geltung der Schrift stellt für Mildenberger den „empfindlichste[n] Punkt“ in der Auseinandersetzung um eine moderne Theologie dar und betrifft zugleich den Kern des Glaubens: „Mit der Geltung der Bibel steht und fällt der christliche Glaube.“15 Die Geltung der Schrift ist nach Mildenberger in der theologischen Tradition eng mit der Rede von der Schriftinspiration verbunden, deren dogmatische Intention Mildenberger weiterführen möchte: „Sie sucht zu begründen, daß die Glaubensgewißheit ihren Grund nicht in dem glaubenden Menschen, sondern in dem wirksamen Wort Gottes hat.“16 Für Mildenberger muss diese in Bezug auf das in der Schrift zum Ausdruck kommende Kommunikationsgeschehen, i. e. die einfache Gottesrede, expliziert werden.17 Die durch den konstitutiven Bezug auf etwas Anstehendes entstehende Betroffenheit der Redenden begründet die Rede von der Inspiration, die dann problematisch wird, wenn sie auf eine der Komponenten beschränkt wird (Redender, Text) und somit die Lebendigkeit in Unverfügbarkeit bindet.18 Hier 13  Vgl. a. a. O., 27 f. Eine ähnliche Beobachtung macht Mildenberger auch in Bezug auf die theologische Wissenschaft und folgert: „Soll also in der gegenwärtigen Situation das reformatorische Schriftprinzip festgehalten werden, dann kann das nur im Widerspruch gegen die Entmündigung der Glaubenden durch Amtskirche und theologische Wissenschaft geschehen.“ Ebd. Der Kontext dieser Thesen und ihre Entstehungshintergründe können im Rahmen dieser Studie nicht aufgearbeitet werden. 14  A. a. O., 92. Vgl. zum Anliegen der biblischen Dogmatik Abschnitt B 3.2.5. 15 Mildenberger, Wahrheit, 7. Deutlich wird hier zugleich die enge Verbindung von Theologie und Glaube, die Mildenberger parallel beschreibt. Vgl. die Abschnitte B 3.2.1. und B 2.4. Mildenberger verwendet sowohl den Begriff der Geltung als auch den Begriff der Autorität, um den Status der Schrift in unterschiedlichen Kontexten zu entfalten. Beide werden von Mildenberger synonym verwendet (vgl. Abschnitt B 3.1.2.). Die folgende Darstellung orientiert sich in der Rekonstruktion an der jeweils von Mildenberger gewählten Terminologie. 16 Mildenberger, Dogmatik (1), 93. 17 „Inspiration ist nicht nur eine theologische Bestimmung dessen, der redet. Sie gilt für das ganze Geschehen der einfachen Gottesrede als Kommunikationsgeschehen, bei dem gerade auch die biblischen Texte konstitutiv mitbeteiligt sind.“ A. a. O., 21. 18 Vgl. ebd. Mildenberger äußert an dieser Stelle zugleich Bedenken, die Bedeutung des Hörers zu hoch zu achten: „Eine Fixierung auf den eher passiv beteiligten Hörer legt sich hier weniger nahe. Sicher weiß unsere Tradition auch davon zu reden, daß durch das Hören der Geist gegeben werde (vgl. CA V ). Aber dabei beläßt man es dann auch.“ Ebd. (Fußnote 42). Vgl. Fußnote 110 in diesem Kapitel.

3. Friedrich Mildenberger

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gründet für Mildenberger das Problem der klassischen Rede von der Schriftinspiration: Mit der Betonung der Schriftinspiration wird die Schriftlehre aus dem soteriologischen Zusammenhang gelöst und dogmatisch in den Prolegomena als Erkenntnisprinzip behandelt. Sicher bleibt auch dann die Bestimmung als Gnadenmittel […]. Doch nicht sie ist für die orthodoxe Schriftlehre leitend, sondern das Bedürfnis nach einem absolut gewinnen Erkenntnisprinzip.19

Folglich wird ein dem Heilsglauben vorauslaufender Schriftglaube gefordert und die Schrift aus dem Geschehen der einfachen Gottesrede und damit aus dem „Lebenszusammenhang“ genommen, aus dem sie kommt und „unmittelbar zu Gott selbst“ gestellt.20 Somit präjudiziert die Gotteslehre die Schriftauslegung, wie z. B. die Ableitung der Vollkommenheit der Schrift aus dem Begriff der Vollkommenheit Gottes oder in ähnlicher Weise die behauptete Irrtumslosigkeit der Schrift.21 Trotz dieser Fehlentwicklung möchte Mildenberger an der Rede von der Inspiration festhalten und ihre Engführung durch den Bezug auf den Geist überwinden: Als „Macht des Geistes“ beschreibt er die Betroffenheit durch die Texte, die dem Text „Aktivität und Lebendigkeit“ zuschreiben.22 Auf diese Weise bleibt die „Schriftlehre, obwohl in den Prolegomena unter dem Stichwort des principium cognoscendi verhandelt, […] in den pneumatologischsoteriologischen Zusammenhang eingebunden.“23 Dieser Zusammenhang trägt der Tatsache Rechnung, dass der eigentliche Grund für die Erkenntnis des göttlichen Ursprungs der Schrift im inneren Zeugnis des Geistes liege, i. e. in der „Erfahrung, daß durch die Schrift der Heilsglaube gewirkt wird“.24 Als Voraussetzung gelte daher: „Die Schrift hat Macht, Glauben zu wirken“ – und dieser Glaube ist ein verstehender Glaube.25 Dieses aus dem Glauben erwachsende Vertrauen in die Geltung der Schrift bestimmt nach Mildenberger auch die Geltung der Schrift in der Kirche, die auf dem „Selbsterweis des biblischen Wortes als 19 Ebd. Hier wird die Differenzierung zwischen der soteriologisch-pneumatologischen und fundamentaltheologischen Beschreibung der Schrift explizit, die bei Schlink und Pannenberg implizit angelegt ist und in der Rekonstruktion herausgearbeitet wurde (Vgl. die Abschnitte A 1.3. und A 2.3.). Zu den Implikationen dieser Unterscheidung vgl. die Abschnitte C 1 und C 4.1. 20  A. a. O., 22. 21  Vgl. a. a. O., 22. 93. 22 Mildenberger, Schriftauslegung, 159. Vgl. Ders., Dogmatik (1), 23. 23 Mildenberger, Dogmatik (1), 94 [Hervorhebung im Original]. Mildenberger entwickelt keine umfassende Pneumatologie, sodass die Hinweise auf die pneumatologische Weiterführung fragmentarisch bleiben. Im Hintergrund der Pneumatologie steht Mildenbergers Zeitkonzept: So bestimmt er den Geist als „Lebenszusammenhang“, i. e. „jenes Geschehen, welches durch die Verkündigung unsere Zeit in die Einheit der Gottesgeschichte hineinzieht, in ihr festmacht, begründet, in eins setzt, so, daß wir unsere Zeit als Gottes Zeit verstehen können“ (a. a. O., 114). Zu Mildenbergers Konzept von Zeit vgl. Fußnote 80 in diesem Kapitel. 24   A. a. O., 94. 25  Mildenberger, Tat, 63.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Gottes Wort“ lebt.26 In der Schrift ist die vermittelte Gegenwart Jesu Christi fassbar: Schrift ist nicht einfach historische Quelle, in welcher jenes als theologisches Kriterium dienende Historische überliefert und aus welcher es mittels kritischer Operationen zu erheben wäre. Vielmehr ist Schrift authentische Vermittlung jenes Offenbarungsgeschehens, sofern es sich in ihr gleichfalls um Offenbarung handelt, um autoritative Vermittlung des grundlegenden Geschehens.27

Nach Mildenberger gründet folglich die Autorität der Schrift in ihrem Bezug auf das Wort Gottes: „Nur von dem her, was sie bezeugt, läßt sich die Autorität der Schrift begründen.“28 Dieses Bezeugte beschreibt Mildenberger als Wort Gottes, Jesus Christus, bzw. Evangelium.29 Die Rede vom Selbsterweis der Schrift ist bei Mildenberger eng mit seinen Überlegungen zur Selbstauslegung der Schrift verbunden: Für Mildenberger autorisiert die Schrift sich selbst, wenn sie in konkreten Situationen Glaubensfragen beantwortet.30 Die Möglichkeit zur Selbstauslegung der Schrift ist daher für Mildenberger an die Identifikation des „principal point in Scripture“31 i. S.e. Mitte der Schrift gebunden: Denn die Selbstauslegung der Schrift beschreibt nach Mildenberger einen „coherent use of scripture in ever new situations“, i. e. nach immer neuen Formulierungen des Evangeliums.32 Daher besteht ein andauerndes dialektisches Verhältnis zwischen dem Kanon und dem Evangelium: Die theologische Frage nach dem Evangelium im Kanon ist letztlich die Frage nach dem, was für Kirche heute relevant ist.33 Die Normativität der Schrift in ihrer Geltung ist dem Selbsterweis als Wort Gottes daher nachgeordnet: Das Schriftprinzip bezeichnet den Bezug auf das Wort, dem die Kirche ihre Existenz verdankt und institutionalisiert somit den Bezug auf die vermittelte Gegenwart Christi.34 Die Autorität dieser Vermittlung 26 „Als dieses Wort Gottes aber, von dem die Kirche lebt, erweist sich das Wort der Bibel.“ Mildenberger, Wahrheit, 24. Auch wenn die Schrift historisch erst nach der Kirche greifbar war, bildet dies die Voraussetzung der Kirche – was unter Berücksichtigung der Unterscheidung von Offenbarung und Bibel für Mildenberger widerspruchsfrei zu denken ist (vgl. a. a. O., 25). Allgemein merkt Mildenberger zur Kanonentstehung an, dass die dogmatische Vorordnung der Bibel die historische Frage ohnehin nicht beantworte. Der Historiker seinerseits stoße immer nur auf die Tradition, die den Glauben und die Kirche voraussetzt. Diese Voraussetzung wiederum sei folglich nur theologisch fassbar. Vgl. a. a. O., 23 f. 27. 27  Mildenberger, Theorie, 51. 28  Mildenberger, Dogmatik (1), 116. 29 Vgl. Abschnitt B 3.1.3. 30 Vgl. Mildenberger, Unity, 400. 31  A. a. O., 399. Vgl. Abschnitt B 3.1.3. 32  A. a. O., 401. 33  Vgl. a. a. O., 402. 34 Vgl. Mildenberger, Theorie, 52; Ders., Wahrheit, 30. Den Begriff der Normativität führt Mildenberger ein, ohne ihn zu definieren oder gegenüber den Beschreibungen der Autorität oder Geltung abzugrenzen.

3. Friedrich Mildenberger

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ist weder in der Kirche noch in der Theologie begründet. Diese können den Vorgang nur nachzeichnen, in dem „sich Schrift als autoritative Offenbarungsurkunde selbst begründet“.35 Dieser nachgeordnet kommt der kirchlichen Autorität vorlaufende und bestätigende Funktion zu.36 Für Mildenberger ist die Autorität der Schrift somit ein Geistgeschehen und damit unverfügbar: Der inhaltlich bestimmte Kanon im Kanon darf nicht in Konkurrenz treten zum „unverfügbaren Geschehen der Autorisation der Schrift durch den Geist“.37 Zugleich ist die gegenwärtige Auslegung der Schrift bleibend auf historische Fragen verwiesen.38 Daher muss die Frage nach der Kanonizität der Schrift in der Konvergenz von historischen und theologischen Fragen verhandelt werden.39 Entscheidend ist für Mildenberger dabei jedoch der theologische Aspekt, i. e. die aktuelle Relevanz des Evangeliums.40 Vor diesem Hintergrund ist die Auslegung der Schrift von entscheidender Bedeutung für Mildenberger. Denn die Schrift, die sich so als Autorität erweist, ist für Mildenberger immer „die gelesene Schrift, die ausgelegte und so wirksame Schrift.“41 So entwickelt er seine Überlegungen zur Geltung der Schrift im Spannungsfeld der möglichen Zugänge zur Schrift, deren drängendste Opponenten s.E. im Bibelglauben und der historischen Kritik zu finden sind. Da auf der einen Seite die Kirche von der ausgelegten Schrift lebt, soll die Schrift die Norm der Kirche sein – wobei ihre Identität durch die Wirksamkeit der Schrift begründet ist und ihr nur als „lebendig wirksame[r] Kraft“ diese Autorität zukommt.42 Auf der anderen Seite konstatiert Mildenberger in der theologischen Wissenschaft die weitgehende Übereinstimmung zur historisch-kritischen Methode.43 Die Grenze dieser Methodik liegt darin, historische Fakten nicht in gegenwärtige Geltung verwandeln zu können und somit keine Aussage über die richtige Bibelauslegung für die kirchliche Praxis zu bieten.44 Trotzdem sei 35 Mildenberger,

Theorie, 52. ebd.; Ders., Wahrheit, 25 f. 37 Mildenberger, Scriptura, 21. Nach Mildenberger kommt es hier zu einem Zusammentreffen von theologischen und historischen Fragen: Denn der Bezug auf Jesus Christus meint immer auch die historische Person. Da aber die entscheidende Botschaft der Schrift nicht in den in ihr fixierten Aussagen liege, sei kein historischer Zugang möglich. Ders., Unity, 400 f. 38 „Because faith is dependent upon the historical event of Jesus Christ, it requires documents of this history to which it can refer over and over again, thereby being assured of its own historical foundation.“ Mildenberger, Unity, 403. 39 Vgl. ebd. 40 Vgl. ebd. In der Auslegung der Kirche kommen dabei nach Mildenberger aktuelle Relevanz und überliefertes Vertrauen zusammen. A. a. O., 405. 41  Mildenberger, Theorie, 53; Ders., Wahrheit, 7. 42 Mildenberger, Theorie, 53. 43  Vgl. Mildenberger, Wahrheit, 8. 44 Ein solcher Anspruch verwehre zudem allen Laien (zu denen auch die Kollegen aus den anderen theologischen Disziplinen zählen würden) den Zugang zur Bibel und laufe letztlich darauf hinaus, „dem Glauben seine Unmittelbarkeit zur Bibel zu bestreiten“. Ebd. 36 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

die Verbindung von wissenschaftlicher Auslegung und kirchlicher Praxis unbedingt zu wahren, denn: „Eine von der Kirche isolierte Bibelwissenschaft wird das Wesentliche der Texte, mit denen sie es zu tun hat, verfehlen, wie umgekehrt eine nur-kirchliche, nur-erbauliche Bibelauslegung nicht imstande sein wird, den weiten Horizont der Bibel abzuschreiten.“45 Daher darf nicht bei der historischen Auslegung begonnen werden, um dann deren Konsequenzen für die Kirche zu bedenken, sondern der kirchliche Standpunkt muss in die Voraussetzungen der Auslegung aufgenommen werden, weil die Kirche den Anspruch der Schrift anerkennt und vertritt.46 Dieser Spannung im Auslegen und Verstehen der Schrift wird im Kapitel zur Schriftauslegung weiter nachgegangen. 3.1.3. Die Einheit der Schrift Für die Beschreibung der Autorität und Geltung der Schrift ist die Mitte der Schrift der zentrale Bezugspunkt sowohl für den geistgewirkten Glauben als auch für die Kirche und ihre gegenwärtige Botschaft. Mildenberger beschäftigt sich mit der Frage nach der Mitte der Schrift in mehreren Anwegen und Kontexten. Entscheidend ist ihm der Verweis auf die einfache Gottesrede, die den Blick auf den gegenwärtigen Gebrauch und die Auslegung der Schrift lenkt. Von dort aus kommt die Einheit der Geschichte Gottes als kontinuierlich erzählbare Geschichte in Altem und Neuem Testament in den Blick. Betrachtet wird zudem das Verhältnis von Schrift und Tradition. a) Die Einheit der Schrift als historische und theologische Frage Mildenberger verhandelt die Frage nach der Einheit der Schrift nicht unter einem inhaltlichen Gesichtspunkt, sondern fragt nach der Einheit der Sammlung der biblischen Schriften als Voraussetzung des kirchlichen Schriftgebrauchs.47 Ähnlich wie Schlink und Pannenberg nutzt Mildenberger unterschiedliche Terminologien in der Beschreibung der Einheit der Schrift. So spricht er in engem Zusammenhang von der Mitte und Einheit der Schrift. Die Mitte der Schrift beschreibt er als „gnädige Zuwendung Gottes in Jesus Christus“.48 Auch spricht er von der „Sache“ der Schrift, die durch das solus Christus ausgedrückt wird und seinen Inhalt im Evangelium von der Rechtfertigung hat.49 An anderer Stelle beschreibt er die Sache der Schrift als „‚die Biblische Geschichte in ihrer 45 A.a.O,

9. a. a. O., 13. 47  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 92. 48  A. a. O., 116. Mildenberger folgert: „Darum wird sich der Text der Schrift – je dieser bestimmte Text als die ganze Schrift – dort erweisen, wo Gottes Geist in diesem Text es wirkt, daß der über uns die Oberhand gewinnt, indem er uns in das Geschehen hineinzieht, von dem er zeugt.“ Ders., Scriptura, 22. Zum Verständnis von Wort Gottes vgl. Abschnitt B 3.1.3. 49  Mildenberger, Wahrheit, 41. Vgl. Ders., Theorie, 54. 46 Vgl.

3. Friedrich Mildenberger

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Gegenwartsmächtigkeit‘“.50 Im Zusammenhang mit der Beschreibung des Kanons spricht Mildenberger von einem „principal concern of the Bible“, den er in Jesus Christus, bzw. dem Evangelium identifiziert.51 Diesen setzt er mit einem „Kanon im Kanon“ gleich und beschreibt in Folge ein dialektisches Verhältnis zwischen dem Kanon und dem Evangelium auf der Suche nach dem, was für Kirche heute relevant ist.52 In der Verhältnisbestimmung von Schrift und Tradition wird zudem die gemeinsame Sache von Schrift und Bekenntnis erkennbar.53 Deutlich wird in diesen Beschreibungen, dass die Rede von der Mitte der Schrift eng mit den geistgewirkten offenbarenden Vollzügen verbunden ist, die Mildenberger zur Frage nach der Autorität und Geltung der Schrift beschreibt. Auch die Rede von einem Kanon im Kanon ist weniger auf der Textebene verortet als in der Frage nach der sich aktualisierenden Sache der Schrift in der Kirche. Dies verweist auf die bislang offene Frage nach der Füllung dieser Mitte, die Mildenberger in den Überlegungen zur Autorität und Geltung der Schrift sowohl mit der Person Jesus Christus als auch mit einem aktualisierenden Evangeliumsbegriff verbinden konnte. Im Blick auf die Einheit der Schrift unterscheidet Mildenberger zwischen theologischen und historischen Antworten.54 Der historische Zugang untersucht die einzelnen Bücher und ihren spezifischen historischen Kontext, folglich muss die Diversität der historischen Kontexte zusammengebracht werden, um eine historische Einheit zu beschreiben.55 Für das Neue Testament ist dies nach Milden50 Mildenberger, Verhältnis, 433. In zwei weiteren Thesen formuliert er weiter: Die Biblische Theologie sucht nach der Einheit der biblischen Geschichte in historischer Kontinuität (These 8), während die Dogmatik nach der Einheit der biblischen Geschichte in ihrer „gegenwärtigen Macht […], in der sie Menschen betrifft und zur Erfahrung Gottes anleitet“ fragt (These 9, a. a. O., 434). An anderer Stelle beschreibt er die Perspektiven der Dogmatik und Bibelwissenschaft wie folgt: „Beschreiben wir die Aufgabe der Theologie insgesamt so, daß hier zu einem zeitgemäßen Verständnis der Schrift und zu einem schriftgemäßen Verständnis der Zeit angeleitet werden soll, dann läßt sich die unterschiedliche Vorgehensweise der Biblischen Theologie, bzw. der Exegese und der Dogmatik etwa so charakterisieren: Die Dogmatik geht von der immer schon verstandenen Schrift auf die neu zu verstehende Schrift zu. Die Biblische Theologie dagegen setzt bei der immer neu zu verstehenden Schrift an und sucht diese mit der immer schon verstandenen Schrift in eins zu sehen.“ Ders., Dogmatik (1), 12. 51 Mildenberger, Unity, 400. 52  A. a. O., 399. 402. 53 Vgl. Abschnitt c) in diesem Kapitel. 54 Vgl. Mildenberger, Unity, 394. 55  „The unity of scripture is then be found in the unified development of the biblical tradition into which the individual books can be arranged.“ (a. a. O., 395). Die Schrifteinheit ist für Mildenberger daher nur nicht die sachliche, sondern lange auch die historische Voraussetzung der Theologie, bis die Einordnung der Exegese in die historischen Wissenschaften und ihre damit verbundene Ablösung von der kirchlichen Erfahrung zur Infragestellung der „Einheit der Schrift“ führte. Da diese in der Inspirationslehre begründet wurde, führte die Bestreitung der Schriftinspiration bald auch zum Fall der Einheit der Schrift. Mildenberger, Dogmatik (1), 93.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

berger relativ unproblematisch lösbar, da das Christusgeschehen in „vielfacher Bezeugung“ alle neutestamentlichen Schriften verbindet.56 Problematisch ist aber zum einen, was genau unter dem Christusgeschehen zu verstehen ist, und zum anderen kommt dieses Vorgehen spätestens beim Einbeziehen der alttestamentlichen Schriften an seine Grenze.57 Die historischen Lösungsansätze hält Mildenberger theologisch für unbefriedigend, da sie exegetisch nicht eindeutig nachweisbar sind, die distinkten Charakteristika der biblischen Texte nicht berücksichtigen, die Erfahrungen der Kirche ausschließen und nur unter der höchst spekulativen Annahme eines heute abgeschlossenen Offenbarungsprozesses mit einer zentralen inhaltlichen Idee begründet werden können.58 Der theologische Zugang hingegen fragt nach Mildenberger nicht nach dem Entstehungsprozess der Bibel, sondern nach „the unity of scripture in its contemporary use“.59 Entscheidend ist für Mildenberger, dass die religiöse Erfahrung, i. e. die Betroffenheit durch die Texte in die Frage nach der Einheit und Kanonizität der Texte mit einbezogen wird: „Diese Mitte lässt sich am ehesten dort erfassen, wo gegenwärtig die Verbindlichkeit stiftende Macht der biblischen Texte erfahren wird.“60 Mildenberger sieht in der kirchlichen Praxis durch die Textauswahl im kirchlichen Gebrauch de facto ein einheitliches Bild der biblischen Texte gegeben.61 Einheit und kirchlicher Schriftgebrauch stehen dabei in einem Wechselverhältnis: „Der kirchliche Schriftgebrauch setzt die Einheit der Schrift voraus, und diese Einheit wird wieder damit begründet, daß sich die Schrift in diesem kirchlichen Gebrauch als Einheit erweist.“62 Die Frage der Mitte der Schrift ist folglich nicht von der Frage ihrer gegenwärtigen Verbindlichkeit zu trennen.63 Mildenberger folgert, dass die Frage nach der Einheit der Schrift weniger ein historisches Problem, denn vielmehr eine Notwendigkeit für ihre praktische Relevanz darstellt, da es ansonsten zu einem widersprüchlichen Glaube unter den Christen kommt: „Weil eine einheitliche Anwendung der Bibel eine in sich zusammenstimmende Wahrheit fordert, muß von der Anwendung her die Einheit

 Mildenberger, Schriftauslegung, 157. a. a. O., 158. 58  Vgl. Mildenberger, Unity, 396. Vgl. Ders., Schriftauslegung, 158. 59 Mildenberger, Unity, 397 [im Original kursiv]. 60 Mildenberger, Schriftauslegung, 159. Mildenberger folgert auf der Grundlage der o.g. Überlegungen zur Schriftinspiration: „Wird aber die Bibel aus dem Erfahrungszusammenhang herausgelöst, den ich hier als die einfache Gottesrede bezeichnet habe, wird also ihre Wirksamkeit als inspirierendes Wort Gottes entweder überhaupt bestritten oder wird diese Wirksamkeit als für ihre Auslegung unerheblich behauptet, dann kann natürlich von einer Einheit der Schrift nicht mehr die Rede sein.“ Ders., Dogmatik (1), 95. 61  Vgl. Mildenberger, Unity, 398 f. 62  Mildenberger, Dogmatik (1), 108. 63  Vgl. Mildenberger, Schriftauslegung, 158. 56

57 Vgl.

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der Schrift postuliert werden.“64 Zugleich ist für Mildenberger die Einheit der Schrift die Voraussetzung ihrer Anwendbarkeit und damit Voraussetzung des kirchlichen Schriftgebrauchs.65 Methodisch ist für ihn daher deutlich, dass alle Lösungswege unumgänglich auf die Kirchlichkeit der Theologie verweisen.66 Theologische Rede hat folglich die Aufgabe zur kritischen Begleitung der einfachen Gottesrede unter Berücksichtigung der kirchlichen Bindung der Theologie.67 Die Möglichkeit eines einheitlichen Schriftgebrauchs wird somit für Mildenberger zu einer zentralen hermeneutischen Frage.68 b) Die Kontinuität der Gottesgeschichte und das Verhältnis von Altem und Neuem Testament Die Frage nach der Einheit der Schrift beleuchtet Mildenberger aus einer weiteren Perspektive: Theologisch ist die Geschichte Gottes und ihr Niederschlag auf der Textebene der biblischen Zeugnisse ein leitendes Paradigma, was angesichts der Pluralität der Texte die Frage aufwirft, was diese zur der einen Schrift zusammenbindet.69 Dazu verweist Mildenberger auf die „Einheit des von dieser Schrift bezeugten Geschehens“, die er als Gottesgeschichte beschreibt.70 Mildenberger definiert die Gottesgeschichte als „Geschehen, das uns gilt“, in das der biblische Text als „Urkunde dieses Verkündigens“ in die Gottesgeschichte mit einbezogen ist.71 Die Gottesgeschichte kann immer nur im Zusammenhang verstanden werden: Sie bildet den Bezugspunkt, auf den die einzelnen Texte auslegt werden und nur im Zusammenhang gewinnt das, was sie bezeugen, seine Wirklichkeit.72 Entscheidend ist für Mildenberger daher die erzählte Geschichte, welche nicht nur einen Geschehensablauf, sondern zugleich einen „erzählbare[n] Verlauf “ und damit eine Sinneinheit abbildet.73 Da die Schrift nicht 64 Mildenberger, Gegenläufigkeit, 58. Vgl. Ders., Unity, 397. Mildenberger führt fort: „Indem wir die Schrift in der Kirche so gebrauchen, wie das von Anfang an geschehen ist, setzen wir also die Einheit der Schrift voraus.“ Ders., Gegenläufigkeit, 59. 65 Vgl. Mildenberger, Gegenläufigkeit, 57 f. 66 So verweist die Entstehung der Schrift immer auf deren kirchlichen Gebrauch, hinter den die historische Fragestellung nicht zurückgreifen kann. Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 103. 67 Vgl. a. a. O., 114. 68 „Thus, hermeneutical theories have the function of supplying a unifying principle for the use of biblical texts.“ (Mildenberger, Unity, 398). Mildenberger stellt dazu eine Typologie möglicher Begründungsstrategien zur Einheit der Schrift vor: Erstens die Einheit ausgehend von der Entstehung der Schrift im Sinne der Theopneustie, zweitens der einheitliche Inhalt der Schrift im Rahmen der Christologie, bzw. Soteriologie und drittens eine einheitliche Wirksamkeit der Schrift als Thema der Soteriologie (vgl. Ders., Dogmatik [1], 98–109). Nach Abwägung der Argumente kommt Mildenberger zu dem Schluss, dass keine einheitliche Lösung möglich ist, da das Verstehen nie vom Wirklichkeitsverständnis ablösbar ist (vgl. a. a. O., 112). 69 Vgl. Mildenberger, Texte, 203. 70   A. a. O., 205 f. 71  Mildenberger, Tat, 106. Vgl. Ders., Wahrheit, 22. 72  Vgl. Mildenberger, Tat, 107. 73  Mildenberger, Randbemerkungen, 30.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Teil des Überlieferungsprozesses, sondern Quelle und Norm kirchlichen Verstehens ist, begründet für Mildenberger die Einheit des Geschehens die Einheit der Schrift – und vice versa.74 Der Text gewinnt daher Macht „durch den Kontext, in der Einheit, die zwingt, in diesem Kontext und gemäß diesem Kontext zu verstehen“.75 Die Bibel als „eine Einheit organisierende Geschichte“ stellt ihrerseits biblische Überlieferungen in einen Sinnzusammenhang und spiegelt zugleich die Betroffenheit des Erzählers und Lesers wider: Es ist „unsere Geschichte“, der tröstliche Zuspruch des Evangeliums soll zugleich unsere Erfahrung werden.76 Dazu ist es nötig, die biblische Geschichte so zu hören, „daß wir sie für uns selbst nacherzählen“ in einer „zutreffende[n] und zeitgemäße[n] Nacherzählung“.77 Die Verbindung dieser Wirklichkeiten liegt für Mildenberger weder im Gottesbegriff noch in einem allgemeinen Begriff des Menschseins, sondern besteht in der „Einheit als Beziehung“.78 Diese wird in der Schrift deutlich: „Hier trifft das Christuszeugnis der Schrift mit einem Verstehen zusammen, in dem menschliches Leben zu sich selbst kommt. Genau dieses Zusammentreffen ist die Zeit, die wir als Zeit des heiligen [sic] Geistes beschreiben müssen.“79 Diese doxologische Struktur lässt sich nicht in Denken übersetzen, sondern realisiert sich in der „Erfahrung des Glaubens von Zeit zu Zeit“ und ist in der Konkretion des geschehenen Wortes verankert.80

74 Vgl.

Mildenberger, Texte, 204 f.  Ebd. 76 Mildenberger, Randbemerkungen, 30 f. 77 Mildenberger, Wahrheit, 79. 78 Ebd. 79  Mildenberger, Dogmatik (1), 127. Dieses Zusammentreffen wird als testimonium Spiritus Sanctus internum beschrieben und begründet eine zirkuläre Struktur des Verstehens. Vgl. a. a. O., 129; Ders., Theorie, 52. 80 Mildenberger, Dogmatik (1), 135. Mildenbergers Beschreibung der theologischen Kontinuität innerhalb und zwischen den biblischen Texten gründet in seinen Ausführungen zur besonderen Zeitlichkeit Gottes: Ziel der einfachen Gottesrede ist es, die Wirklichkeit in Bezug zu Gott zu bringen und ihr damit eine neue Qualität zu verleihen (vgl. Ders., Wahrheit, 61; Ders., Tat, 106). Der enge Bezug der einfachen Gottesrede – und damit der Schrift – auf Jesus Christus bindet diese an ein bestimmtes geschichtlich feststehendes Geschehen. Das Geschehen der einfachen Gottesrede ist somit ein „Geschehen, in dem sich der Glaube heilsam auf dieses Christusgeschehen bezieht“ (Ders., Dogmatik [1], 116). Mildenberger bestimmt diese als „Gegenwart“ im Zusammentreffen von Zeit und Wort, in welcher „christologische Zeitbestimmung“ und „pneumatologische Zeitbestimmung“ zusammenkommen (a. a. O., 117). Da die Gottesgeschichte die Einheit der biblischen Zeugnisse konstituiert und insofern diese auf unsere Wirklichkeit zugreift, formt diese die heutige „Verkündigungsgeschichte“, i. e. die „Geschichte von Jesus Christus, der sich selbst verkündigt“ (Ders., Tat, 108). Auch diese Verkündigungsgeschichte weist Kontinuität auf, welche sich nicht hinter, sondern durch die Vergegenwärtigung im Verkündigungsgeschehen in der Historie vollziehe (vgl. a. a. O., 110). Zur Bedeutung der Kategorie Zeit in Mildenbergers Dogmatik vgl. Ders., Dogmatik (1), 116–226; Ders., Wahrheit, 64–97. 75

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Entscheidend ist für Mildenberger folglich der Aufweis der – durchaus spannungsvollen – Verbindung von biblischem Text und Gottesgeschichte.81 Kontext des Verstehens der Schrift ist die Schrift selbst, was in der Betonung der Selbstauslegung der Schrift zum Ausdruck kommt.82 Entscheidend ist dabei nicht die Frage nach dem historischen Ablauf, sondern vielmehr der Bezug der vielfältigen Bezeugungen auf das eine Handeln Gottes: „Nur dann ist ein biblischer Text richtig verstanden, wenn er in seiner Beziehung auf dieses Handeln Gottes verstanden ist.“83 Für die Auslegung ist die Einheit der Schrift somit Voraussetzung ihrer Anwendung.84 Diese muss sich dann in der Anwendung bewähren, um nicht selbst zur Manipulation der Schrift zu werden.85 Die Geschichte Gottes versteht Mildenberger nicht als einen historischen Ablauf, sondern als Sinnganzes, dessen Kontinuität durch das alt- und neutestamentlich bezeugte traditum begründet wird.86 Die Textsammlung stellt vor die Aufgabe des Verstehens und muss durch und mit einander interpretiert werden.87 Der Blick auf den kirchlichen Schriftgebrauch zeigt nach Mildenberger jedoch, dass diese Einheit zwar postuliert, jedoch de facto zu Gunsten einer Bevorzugung des Neuen Testaments oft aufgegeben wird.88 Die entscheidende Frage zur Zuordnung der beiden Testamente fokussiert nach Mildenberger auch hier auf den Schriftgebrauch: Ist das Neue Testament richtig verstanden, wenn es mit oder ohne das Alte Testament gelesen wird?89 Mildenberger bestimmt an einer Stelle das Verhältnis von Altem und Neuem Testament konkreter als Einheit in Kontinuität, in Analogie und im Gegensatz: Die Kontinuität beschreibt Mildenberger als Verheißung und Erfüllung, wobei das Alte Testament das Anfangshandeln Gottes über das Gericht hin zur Erwartung neuen Handelns bezeugt.90  Mildenberger führt aus: „Wir können nicht den biblischen Text und die Gottesgeschichte so miteinander verbinden, daß in der Schrift als einer sicheren und authentischen Mitteilung diese Gottesgeschichte jederzeit so faßbar ist, daß die vorausgesetzte Wahrheit der Schrift die Wirklichkeit der Gottesgeschichte verbürgt. […] Wir können aber auch nicht Text und Gottesgeschichte so voneinander trennen, daß dieser Text uns nur als Quelle dient, um jene Gottesgeschichte daraus historisch zu erheben, sie wir dann auch, abgesehen vom Text, uns vorstellig machen können.“ Mildenberger, Tat, 105. 82 Vgl. Mildenberger, Wahrheit, 20. 83  A. a. O., 22. Vgl. Ders., Texte, 206. 84 „Diesem buchstäblichen Verstehen erschließt sich die Schrift in ihrer einheitlichen Anwendbarkeit auf die Predigt von der Rechtfertigung des Gottlosen.“ Mildenberger, Gegenläufigkeit, 60. 85 Vgl. ebd. 86 Vgl. Mildenberger, Texte, 207 f. 209. Vgl. Ders., Tat, 69. Mildenberger folgert: „Diese geschehene Gottesgeschichte als die Sache, von der die ganze Schrift zeigt, wird unsere Frage an die einzelnen Texte bestimmen müssen.“ Ders., Scriptura, 22. 87 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 253.263. 88  Vgl. Mildenberger, Wahrheit, 13–16. 89  Vgl. a. a. O., 15. Die Gegenfrage, ob das Alte Testament richtig gelesen wird, wenn es mit dem Neuen Testament zusammen gelesen wird, stellt Mildenberger nicht. 90  Vgl. Mildenberger, Tat, 69–90. Insb. 75. 81

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Die Analogie zwischen den Testamenten liegt für Mildenberger im „eigentümlichen geschichtlichen Geschehen“ in den Texten, die als „Verkündigungsgeschichte“ miteinander verbunden sind.91 Der Gegensatz zwischen den Testamenten gründet für Mildenberger darin, dass in Christus das menschliche Versagen grundsätzlich überholt ist.92 Mildenberger verbindet diese Überlegungen jedoch nicht mit den Beschreibungen der Gottesgeschichte und führt diese Differenzierung der Einheit der Testamente nicht weiter.

Für Mildenberger kann es daher keine voraussetzungslose Schriftauslegung geben, sondern die gegebene Voraussetzung in der „Einheit der Gottesgeschichte, wie sie in der Einheit des Kanons des Alten und Neuen Testaments bezeichnet ist“ muss als sachgemäß erwiesen werden.93 Unter Verweis auf das im Alten und Neuen Testament bezeugte Gotteshandeln ist für Mildenberger die Einheit der Bibel auch in dieser Frage Voraussetzung des rechten Schriftgebrauchs: Die Einheit ist also weder historisch noch dogmatisch herstellbar, sondern an den dreieinigen Gott als Kontext des Verstehens zurückgebunden. Mit diesem Kontext läßt sich aber gerade dogmatisch umgehen, so daß unbeschadet der Unverfügbarkeit gelingender Gottesrede hier methodisch vorgegangen werden kann.94

c) Die Mitte der Schrift zwischen Schrift, Bekenntnis und Tradition Die Bestimmung einer Mitte der Schrift ist für Mildenberger nicht nur im Blick auf die Autorität der Schrift von Bedeutung, sondern konstitutiv für die Verhältnisbestimmung von Schrift und Tradition. Ausgangspunkt dazu ist wiederum die Auslegung der Schrift und die Frage nach dem richtigen Verstehen der Schrift. Er spricht in diesem Zusammenhang von der „Sache“ der Schrift: Die „Anleitung zum Verstehen“ der Schrift und damit das Kriterium ihres Verstehens liegt in der „Sache der Bibel“, die im Rekurs auf die Bekenntnisse präzisiert werden.95 Diese Sache wird nach Mildenberger nicht nur aus der Schrift, sondern auch aus den Bekenntnissen erkannt: Das Bekenntnis darf daher nicht verselbständigt und von der Schrift abgelöst werden, sondern verweist auf das Wort Gottes und wird immer wieder an der Schrift überprüft.96 Es handelt sich dabei um ein wechselseitiges Verhältnis: „Das Bekenntnis ist schriftgemäß zu verstehen, wie andererseits die Schrift bekenntnisgemäß auszulegen ist.“97 Denn das Bekennt-

91  A. a. O.,

82.  Vgl. a. a. O., 90. 93 Mildenberger, Tat, 115. 94 Mildenberger, Dogmatik (1), 263. 95 Mildenberger, Wahrheit, 35 f. 96  Vgl. Mildenberger, Theorie, 54; Ders., Wahrheit, 39. 97 Mildenberger, Theologie (1), 269. Mildenberger präzisiert: Zwischen Schrift und Bekenntnis herrscht keine Hierarchie, sondern ein zirkuläres „hochkomplexe[s] Verhältnis“: „Schrift ist ja immer bloß greifbar als verstandene Schrift, die in der einfachen Gottesrede gebraucht und also selbst wieder an der doppelten Norm von Schrift und Dogma bzw. Bekenntnis zu messen ist.“ A. a. O., 266. 92

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nis präzisiert nach Mildenberger den Verweis der Kirche auf die Bibel und stellt somit das sola scriptura nicht in Frage.98 In den Bekenntnissen werden die Aussagen der Schrift nach Mildenberger zu drei verdichtete Grundentscheidungen ausformuliert: Die Einheit von Schöpfergott und Erlösergott, die Rechtfertigung aus Glauben sowie die Abgrenzung gegen jede Form von natürlicher Theologie.99 An anderer Stelle hebt er die „Trinitätslehre der Alten Kirche, Rechtfertigungslehre der Reformation, Lehre von der Suffizienz und alleinigen Geltung der Christusoffenbarung in Barmen 1934“ als „kirchliche Grundentscheidungen zur Sache der Schrift“ hervor.100 Das Bekenntnis bildet daher die „Glaubenszeugnisse[n], die vorsprechen, was als Einheit und Mitte der Schrift erfaßt worden ist“.101 Wenn die Schrift als ausgelegte Schrift in den Blick kommt, so ist diese für Mildenberger immer nur vorläufig verstandene Schrift, die im kirchlichen Bekenntnis zusammengefasst wird.102 Das Bekenntnis ist also eine die Auslegung leitende Instanz, damit Schrift nicht atomistisch gelesen wird.103 Es ist der Schrift jedoch nicht vorgeordnet – vielmehr ist das Selbstverständnis als Erstleser eine historische Fiktion –, sondern es bringt das Einverständnis mit dem Gehörten antwortend zum Ausdruck.104 Vielmehr weist das Bekenntnis an, was wir als Sache der Bibel zu hören haben: Das Evangelium von der Rechtfertigung, welche die Mitte der Schrift bildet.105

Dies hat seinen Ort in der kirchlichen Gemeinschaft, genauer in der Verkündigung.106 Im Konsens der verkündigenden Kirche und auf diesen Konsens hin muss das Evangelium als Mitte und Einheit der Schrift ausgewiesen werden – nicht als Lehrstück, sondern als Gottestat muss es „in der gegenwärtigen Macht  Vgl. Mildenberger, Theorie, 54; Ders., Wahrheit, 36. Vgl. Ders., Tat, 63. Mildenberger, Dogmatik (1), 269 f. Im Rückgriff auf Ritschl spricht Mildenberger von „regulative[n] Sätze[n]“ und „implizite[n] Axiome[n]“ im Denken und Handeln der Gläubigen im Sinne eines „kirchliche[n] sensus communis“ (a. a. O., 267). Es handelt sich dabei nicht um affirmative Thesen, da ihre letztgültige Koinzidenz nur als Ziel erhofft werden kann (vgl. a. a. O., 268). In welchem Verhältnis diese „Grundentscheidungen“ zum solus Christus stehen und inwiefern diese das Evangelium explizieren, lässt Mildenberger offen. 100 Mildenberger, Verhältnis, 431 f. Wieso gerade diese drei als Grundentscheidungen gelten, ob und wie diese tatsächlich als Verdichtungen der Sache der Schrift gelten können und was die Nuancen dieser unterschiedlichen Formulierungen besagen, führt Mildenberger nicht aus. Ebenso wenig legt er offen, welche Bekenntnistexte er im Blick auf die Alte Kirche und Reformation vor Augen hat. 101 Mildenberger, Tat, 63. 102 „Ausgelegte Schrift – das heißt nun nicht, daß diese oder jene Schriftstelle aufgegriffen und angezogen wird, um dies oder jenes kritisch zu beurteilen. Es heißt vielmehr, daß Schrift bezogen ist auf den solus Christus – ausgelegt auf ihn hin als ihr Einheit und Mitte.“ Mildenberger, Theorie, 54. 103 Vgl. ebd. 104 Vgl. ebd.; Ders., Wahrheit, 36 f. Das Bekenntnis stellt daher kein „kirchliches Glaubensgesetz“ dar, sondern das Einverständnis des Bekenntnisses hat seinen Gegenstand in der Schrift, weswegen nicht das Bekenntnis zum Maßstab der Bibelauslegung werden kann. A. a. O., 40. 105  Vgl. Mildenberger, Wahrheit, 41. 106 Mildenberger begründet: „Denn hier, in dem als Rechtfertigungsgeschehen verstandenen Vorgang der Verkündigung allein läßt sich theologisch die Geltung des Kanons begründen.“ Mildenberger, Scriptura, 50.  98

 99 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

dieses Geschehens zu erfragen sein“.107 Mildenberger folgert im Blick auf die Auslegung der Schrift im Kontext der Tradition: Die Frage nach einer regulativen Instanz, die das Verstehen der Bibel in dem Zirkel von Schrift, Bekenntnis und der gegenwärtig geschehenden Gottesrede festhält, läßt sich also nicht so beantworten, daß hier nun der heilige [sic] Geist ekklesiologisch festgemacht werden könnte. Theologie, die die gegenwärtige Gottesrede kritisch begleitet, kann nur auf die Erfahrungen verweisen, die sich in den Grundentscheidungen des Bekenntnisses niedergeschlagen haben.108

Diese Mitte darf nach Mildenberger daher nicht zum Meister der Schrift werden und der Schrift vorgreifen: „So wenig uns diese eine Sache der Bibel uns endgültig faßbar und verfügbar ist, so wenig ist sie ein Maßstab, nach welchem wir uns einen neuen, kritisch gereinigten Kanon zurechtmachen können […].“109 Es gilt vielmehr, das spannungsvolle Verhältnis von Schrift und Bekenntnis auszuhalten und in diesem anzuerkennen, dass die Mitte der Schrift nur immer wieder neu im Hören auf die Schrift erkannt werden kann.110 Dieses Hören ist für Mildenberger ein Geschehen von Gott her und zugleich ein Hören auf den Vollzug der „Ereignung Gottes“ hin.111 Folglich kann die Mitte der Schrift nicht fixiert sein, sondern stellt eine „aktuelle Anrede“ dar.112 Diese Beschreibung legt nahe, dass Mildenberger mit der Mitte der Schrift einen aktualisierenden Evangeliumsbegriff verbindet und weniger die Person Jesus Christus.113 Im Blick auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Normen und die herausgehobene Stellung der Schrift folgert Mildenberger aus diesen Überlegungen, dass die Frage nach der Schrift als einziger Norm nicht zu beantworten ist: Der Kanon selbst ist Teil der Tradition und verschüttet die Quelle, um eine Norm zu

107  A. a. O.,

21 f.

108 Mildenberger,

Dogmatik (1), 271. Wahrheit, 71. Vgl. a. a. O., 41. 110 „Die Spannung zwischen Schrift und Bekenntnis, zwischen der ausgesprochenen Mitte der Schrift und ihrer Ganzheit weist darauf, daß wir die Sache der Bibel nur im Vollzug des Hörens haben.“ A. a. O., 43. Vgl. a. a. O., 41. An dieser Stelle scheint dem Hörer doch eine bedeutendere Rolle zuzukommen, als es an anderer Stelle den Anschein erweckt (vgl. Fußnote 18 in diesem Kapitel). Vgl. Abschnitt B 3.3. 111  A. a. O., 43. 112 „Sie [die Schriftauslegung] läßt sich vielmehr selbst vorgeben, wie die Schrift in bestimmten Lebenszusammenhängen gegenwärtig gehört und verstanden wird, um solches Verstehen an den Texten methodisch nachzuprüfen. Das heißt dann auch, daß die Mitte der Schrift nicht ein für allemal festliegt. Sie ist vielmehr als die in eine bestimmte Situation hinein ergehende aktuelle Anrede zu bestimmen.“ (Mildenberger, Schriftauslegung, 159). In dieser Spannung zwischen der sachlichen Bestimmung der Mitte der Schrift und dem Ereignis des Hörens der Schrift wird sowohl ein atomistischer Schriftgebrauch als auch eine pauschale Identifikation der Bibel mit dem Wort Gottes verhindert, weder eine statische Mitte noch die Bibel als statische Quantität des Gottesworts verstanden. Vgl. Ders., Wahrheit, 42. 113  Vgl. die Abschnitte B 3.1.3. und B 3.3. 109 Mildenberger,

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finden.114 Theologisch ausreichend ist daher ein begründetes Vertrauen auf den Selbsterweis Gottes statt historischer Suche nach dem Anfang.115

3.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik 3.2.1. Die Schrift als Gegenstand und Aufgabe der Theologie Aufgabe der Theologie ist nach Mildenberger die wechselseitige Beziehung von Schrift und Gegenwart „so, daß hier zu einem zeitgemäßen Verständnis der Schrift und zu einem schriftgemäßen Verständnis der Zeit angeleitet werden soll“.116 Theologie ist demnach konstitutiv auf gegenwärtige Glaubenserfahrung und damit auch auf die Kirche bezogen.117 Diese ist wiederum konstitutiv auf die Schrift bezogen, sodass die theologische Untersuchung der kirchlichen Lehre bei „[the] church’s commitment to the Bible“ beginnt, i. e. beim Gebrauch der Bibel in der Kirche.118 Gegenstand der Theologie ist folglich der Zusammenhang von Schrift, Glaube und Kirche in der Gegenwart. Den tieferen Grund dieses Zusammenhangs sieht Mildenberger im Wort und im Handeln Gottes selbst: Theologie ist die Wissenschaft vom Wort Gottes. Einmal so, daß sie im Wort Gottes ihren Gegenstand hat, daß sie jenem Handeln Gottes selbst nachdenkt, durch welches Kirche Gestalt gewinnt. Zum anderen so, daß sie die Fertigkeiten vermittelt, durch die jene Institutionen in Gang gehalten werden, deren sich Gott selbst erklärtermaßen bedienen will zu dieser Gestaltwerdung.119

Dieses Wort Gottes ist also eben nicht auf die Schrift beschränkt, sondern vollzieht sich im Handeln Gottes in Jesus Christus. Zugleich vollzieht es sich mit und unter der Vermittlung dieses heilsamen Wortes in und durch die Kirche.120 Die Theologie hat ihren intendierten Gegenstand daher immer nur indirekt und gebrochen – die Vermittlungen dieses Gegenstands sind unmittelbarer Gegenstand der Theologie.121 Hier gründet für Mildenberger die kirchliche Bindung der Theologie.122 Die Glaubenserfahrung findet nach Mildenberger Ausdruck in 114  Vgl.

a. a. O., 30 f.  Vgl. a. a. O., 34. 116  Mildenberger, Dogmatik (1), 12. 117  Vgl. ebd. 118 Mildenberger, Unity, 392. So kann Mildenberger ausführen: „Theology has as its subject matter the current beliefs of the church.“ A. a. O., 391. 119 Mildenberger, Theorie, 19. 120  „Was wir also als theologischen Gegenstand intendieren, das ist dieses Handeln Gottes. Was wir als Gegenstand haben, das sind die kirchlichen Vollzüge, deren sich das Handeln Gottes bedient.“ Mildenberger, Theorie, 21. Im Raum der Kirche ereignet es sich im Gottesdienst als Wort und Sakrament. A. a. O., 19. 121 Vgl. a. a. O., 21. 122  Vgl. Abschnitt B 3.2.1.a). 115

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

der einfachen Gottesrede, die für ihn „Voraussetzung und Ziel wissenschaftlicher Theologie“ bildet.123 Einfache Gottesrede und wissenschaftliche Theologie sind für Mildenberger zwei verschiedene Sprachebenen, die z. B. der Unterscheidung von Kerygma und Theologie oder Evangelium und theologischer Reflexion entspricht.124 Durch diese Unterscheidung wird auf der einen Seite die Theologie von uneinlösbaren Ansprüchen entlastet, auf der anderen Seite muss sich die Theologie auf eine „gegenwärtige[] Realität“ einlassen, über die sie nicht verfügt.125 Mildenberger präzisiert diese Beschreibung zu einer dreifachen Aufgabe: Theologie soll nach der inneren Kohärenz von Schrift, Glaube und Kirche in der Gegenwart fragen, ihre Verständlichkeit im Kontext des gegenwärtigen Denkens reflektieren und ihre Übereinstimmung mit der Grundlage des christlichen Glaubens, i. e. „Jesus Christ as the authoritative and final revelation of God“, prüfen.126 Diese Aufgabe verfolgt die Theologie in kohärenter, einsichtiger und vernünftige Weise.127 Die Kriterien zur normativen Beurteilung gewinnt die Theologie dabei aus der Bibel.128 Aus dieser Bestimmung des Gegenstandes und der Aufgabe der Theologie ergibt sich für Mildenberger ein doppeltes Spannungsfeld theologischer Schriftauslegung: Erstens steht die Theologie in der Spannung zwischen Kirche und Wissenschaft und zweitens besteht innerhalb der Theologie eine Spannung zwischen unterschiedlichen Auslegungswegen. a) Spannungsfeld 1: Schriftauslegung zwischen Kirche und Wissenschaft Institutionell betont Mildenberger die Zusammengehörigkeit von Kirche und Theologie.129 Diese gründet für Mildenberger in Gott selbst, der sich in seinem Handeln als Gegenstand der Theologie gibt.130 Mildenberger folgert: „Theologie ist also auf Kirche angewiesen – sonst hat sie nichts zu tun, ist ohne Ein-

123 So

der Titel des einführenden Kapitels in Mildenberger, Dogmatik (1), 14–30.  Vgl. a. a. O., 14. 125 Ebd. 126 Mildenberger, Unity, 391. 127 „What the church believes is not simply accepted and then described as accurately as possible; rather, theology attempts to present belief in a coherent, intelligible, and reasoned fashion.“ A. a. O., 392. Zur Abgrenzung von historischer und theologischer Methodik vgl. Abschnitt B 3.2.2. 128 „The theological, and therefore normative, approach derive its criteria from the Bible.“ A. a. O., 393. 129  Dieser geschichtlich gewachsene Sachverhalt ist für Mildenberger aus sachlichen Gründen nicht zu lösen oder durch Begründungen der Theologie aus der Gesellschaft heraus zu ersetzen. Vgl. Mildenberger, Theorie, 13. 130 „Gott ist der Theologie nicht anders gegeben als in seinem Handeln in der Kirche und durch die Kirche. Dabei ist Kirche wieder verstanden von der Wirklichkeit Jesu Christi her.“ A. a. O., 20. Vgl. a. a. O., 22 und Abschnitt B 3.2.1. 124

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heit und Gegenstand.“131 Dabei handelt es sich nach Mildenberger nicht um eine affirmative, sondern um eine kritische Verbindung.132 Als Fach im Kontext der Universitäten steht die Theologie zugleich unter dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit.133 Dieser zeigt sich für Mildenberger in der Schriftauslegung insbesondere durch die „Ablösung des methodisch reflektierten Verstehens der biblischen Schriften von ihrem traditionellen Ort in der Kirche“ und ihre Anbindung an den neuen Ort in der Wissenschaft, der methodisch auf normative Ansprüche verzichtet und stattdessen einen historisch-deskriptiven Zugang wählt.134 Der Anspruch nach Wissenschaftlichkeit wird nicht nur von außen  – durch ihre Verortung an der Universität  – an die Theologie herangetragen, sondern ist ihr auch inhärent durch die Aufgabe, „dieses Evangelium vor der Welt zu verantworten“.135 Mildenberger nennt drei Kennzeichen wissenschaftlicher Vollzüge und Methodiken: Erstens die „Allgemeinheit theologischer Denkvollzüge“, i. e. die Nachvollziehbarkeit der Denkvollzüge und die Trennung von Reflexion und Glaubensvollzug.136 Das zweite Kennzeichen ist ihre „Voraussetzungslosigkeit“, die jedoch nicht im Widerspruch zur Besonderheit der kirchlichen Wahrheit, i. e. der Offenbarung, verstanden werden darf.137 Mildenberger betont drittens die Freiheit der Theologie, die jedoch nicht in Opposition zur kirchlichen Bindung steht – die Theologie muss die Voraussetzung des Glaubens in ihre Reflexion aufnehmen, ohne dadurch selbst „gläubige Theologie“ zu sein.138 131 Mildenberger,

Theorie, 22. ist erstens durch Erfahrungen von Distanz und Misstrauen auf beiden Seiten geprägt (Vgl. a. a. O., 22–24). Zweitens gründet die Kritik in der Spannung zwischen dem im Bekenntnis formulierten Anspruch der Kirche und der Realität der einzelnen Kirchentümern, i. e. in der „Differenz von Kirche und Kirche“ (a. a. O., 25; vgl. a. a. O. 25–27). Drittens ist theologisch „[d]ie kritische Frage nach der Identität in der notwendigen Veränderung“ zu stellen, i. e. die Frage, wie die Aufgabe der Kirchwerdung zeitgemäß verwirklicht werden kann, damit die Kirche ihre Identität im Gegebenen wahrt (a. a. O., 27; vgl. a. a. O., 27–29). 133 Vgl. Mildenberger, Gegenläufigkeit, 57; Ders., Theorie, 30. Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Theologie ist für Mildenberger untrennbar mit der Frage der Einheit der theologischen Fächer, i. e. der Frage der Enzyklopädie, verbunden: Ziel der gesamten Theologie muss nach Mildenberger die wissenschaftliche Begleitung der einfachen Gottesrede sein, folglich sind der Wissenschaftstheorie und Enzyklopädie Aspekte desselben Problems der „Wissenschaftlichkeit der Schriftauslegung“. Mildenberger, Dogmatik (1), 32. Vgl. zur theologischen Enzyklopädie Abschnitt B 3.2.2. 134 Mildenberger, Theologie, 273. Zur Gegenläufigkeit der theologischen Methoden vgl. Abschnitt B 3.2.1.b). 135 Mildenberger, Theorie, 31. 136  A. a. O., 32 f. 137  A. a. O., 36. Beiden ist nach Mildenberger derselbe Anspruch auf Allgemeinheit zu Eigen, der zueinander ins Verhältnis gesetzt werden und durch Werte und Wertverwirklichung miteinander vermittelt werden muss. An dieser allgemeinen menschlichen normativen Intention kann und muss die Kirche gemessen werden (a. a. O., 39). Zugleich darf die Theologie diese normative Frage nicht verabschieden, wenn sie ihren Gegenstand nicht verfehlen will (vgl. Ders., Randbemerkungen, 25). 138  Mildenberger, Theorie, 40 f. 132 Diese

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

In der Schriftauslegung müssen diese institutionellen Orte der Schriftauslegung und ihre Eigenlogiken aufeinander bezogen werden und dürfen nicht alleine stehen: Auf der einen Seite führt der rein historische Zugang zu den Texten – wie Mildenberger ihn zu seiner Zeit in der Wissenschaft beobachtet – zu einer der Sache der Schrift unangemessenen Auslegung der Schrift, da er die Wirklichkeit und Methode vom rekonstruierenden Subjekt aus bestimmt, sodass auch die Sache des Textes unter der Verfügung der Methode steht.139 Zugleich wird Menschlich-Allgemeines gegen die biblische Autorität ins Feld geführt, obschon die Besonderheit des Individuellen immer vom „Ganzen des geschichtlichen Prozesses“ umfangen ist.140 Die „Nötigung zur Anwendung“ in der kirchlichen Praxis auf der anderen Seite führt nach Mildenberger „einerseits zu willkürlicher Auswahl der anwendbaren Texte, andererseits zu willkürlicher Deutung um der Anwendung willen“.141 Zudem wird die Kompetenz zur einfachen Gottesrede durch die Macht der Amts- und Funktionsträger unterdrückt.142 Die Spannung dieser doppelten Bindung der Theologie kulminiert in der Person des Theologen, genauer gesagt in der von Mildenberger beschriebenen doppelten Verpflichtung des Theologen gegenüber seinem Glauben und der Wissenschaftlichkeit.143 Für Mildenberger ist eine Interpretation der biblischen Texte ohne ein Interesse an der „Sache der Texte“ nicht denkbar, obschon diese in Spannung zur wissenschaftlichen Allgemeinheit steht.144 Diese Sache des Textes 139 Diese Auffassung setzt nach Mildenberger ein Verständnis von Geschichte als „raumzeitliche[s] Kontinuum“ voraus und wiederspricht somit der Ontologie und dem Zeitverständnis der biblischen Texte. Mildenberger, Theologie, 279 f. Zu Mildenbergers Identifikation von historischer Schriftauslegung und wissenschaftlicher Schriftauslegung vgl. die Abschnitte B 3.2.1.b). und B 3.2.3. 140 Mildenberger, Theorie, 60. Das Ganze ist folglich als „Gestalt prinzipieller Gleichartigkeit“ im Blick. A. a. O., 62. 141 Mildenberger, Gegenläufigkeit, 62. Daher soll die wissenschaftliche Schriftauslegung, insbesondere durch die Aufarbeitung des historischen und buchstäblichen Sinnes der Texte, der Eigenmächtigkeit und Manipulation kirchlicher Auslegung vorbeugen: „Soll die Schrift in der Kirche als oberste Autorität gelten, darf sie nicht durch eine auf Anwendbarkeit bedachte kirchliche Auslegung manipuliert werden.“ Ders., Theologie, 275 f. Vgl. Ders., Gegenläufigkeit, 59. 142 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 27 f. Eine ähnliche Beobachtung macht Mildenberger auch in Bezug auf die theologische Wissenschaft und folgert: „Soll also in der gegenwärtigen Situation das reformatorische Schriftprinzip festgehalten werden, dann kann das nur im Widerspruch gegen die Entmündigung der Glaubenden durch Amtskirche und theologische Wissenschaft geschehen.“ Ebd. Vgl. Abschnitt B 3.1.1. 143 Vgl. Mildenberger, Randbemerkungen, 16. Vgl. weiterführend Ders., Glaube. 144  Mildenberger, Randbemerkungen, 17. Er folgert: „Was als wissenschaftliches Verstehen ausgewiesen wird, das ist zugleich an die kirchliche Erfahrung mit der Schrift gebunden. Umgekehrt wird es keine solche Erfahrung geben können, die ganz und gar im Raum des biblischen Sprechens bleibt. Denn dieses Sprechen muß ja nachgesprochen werden. Und zu solchem Nachsprechen bedient sich nun einmal jeder seiner eigenen Sprache.“ (Ders., Dogmatik [1], 113). Der Blick auf den durch die Schrift gewirkten Glauben verweist für Mildenberger am deutlichsten auf die kirchliche Bindung theologischen Denkens (vgl. a. a. O., 108). An anderer Stelle führt

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herauszustellen, verlangt den persönlichen Einsatz des Interpreten  – insofern steht der Glaube des Interpreten zugleich für den Anspruch der Texte ein.145 Daraus folgt für Mildenberger im Blick auf die Ausleger: Weder darf die Kirche in die theologische Arbeit eingreifen, noch darf eine „Expertenherrschaft der Exegeten“ in der Kirche bestehen.146 Diese Problemlagen machen für Mildenberger eine kritische Begleitung der einfachen Gottesrede in der Kirche durch die Theologie notwendig: Sein Ziel ist es, die „Schriftlehre als Hermeneutik der einfachen Gottesrede“ zu entfalten.147 Mildenberger fordert daher eine neue Hermeneutik der Theologie, welche sich an Wissenschaft und Kirche orientiert: Wissenschaftlich-theologische Schriftauslegung reflektiert diese geschehende Glau­ bens­überlieferung, und zwar speziell in Hinsicht auf ihre Bestimmtheit durch die biblischen Texte, wie systematische Theologie sie in Hinsicht auf die gegenwärtige Erfahrung reflektiert. Dabei bringt die Schriftauslegung ebenso selbstverständlich gegenwärtige Erfahrung in ihre Frage nach den Texten mit ein, wie umgekehrt die Dogmatik nach der Schriftgemäßheit gegenwärtiger Glaubensüberlieferung und also nach den biblischen Texten fragt.148

Dass es sich bei dieser Zuordnung nicht um eine symmetrische wechselseitige Bezogenheit handelt, wird in Mildenbergers Forderung deutlich, die „wissenschaftliche Arbeit an der Bibel sollte dem kirchlichen Schriftgebrauch dienen“: Leitend ist für die Auslegung der Schrift in Kirche und Wissenschaft nach Mildenberger der kirchliche Auftrag zum Gegenwartsbezug und zur Anwendung der Schrift.149 Wie diese Hermeneutik methodisch verwirklicht werden kann, führt er in seinem Programm der biblischen Dogmatik vor.150

Mildenberger aus, dass derselbe Anspruch auf Allgemeinheit für die Offenbarung und die Wissenschaft formuliert werden könne (vgl. Ders., Theorie, 31–42, insb. 42). Dieses Argument führt er jedoch im Blick auf die Schriftauslegung an keiner Stelle weiter. 145  Mildenberger, Randbemerkungen, 21. 26. Zugleich darf beides nicht miteinander identifiziert werden: Der Glaube ist unverfügbar und nicht mit dem Denken identisch, sondern er ist die „ganzheitliche Bestimmung der Person“. Ders., Schriftauslegung, 162. 146  Mildenberger, Theologie, 274. 147 Mildenberger, Dogmatik (1), 92. Vgl. zum Anliegen der biblischen Dogmatik Abschnitt B 3.2.5. 148 Mildenberger, Randbemerkungen, 26. Vgl. a. a. O., 22. 149  Mildenberger, Gegenläufigkeit, 57. Vgl. Ders., Wahrheit, 65 f. Zur Begründung führt Mildenberger an, die Orientierung wissenschaftlicher Schriftauslegung am historischen Paradigma wahre nur scheinbar das reformatorische sola scriptura und führe die biblische Theologie faktisch in eine „verhängnisvolle Distanz zur Wirksamkeit der Schrift in ihrem kirchlichen Gebrauch“. Ders., Theologie, 271. Vgl. die Überlegungen zur Gegenläufigkeit theologischer Methoden in Abschnitt B 3.2.1.b). 150  Vgl. Abschnitt B 3.2.5.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

b) Spannungsfeld 2: Historische und theologische Schriftauslegung Während das erste Spannungsfeld aus der doppelten Verortung der Theologie in Wissenschaft und Kirche folgt, handelt es sich beim zweiten um ein der Theologie inhärentes Spannungsfeld differierender disziplinärer Methoden der Schriftauslegung, die Mildenberger als „Gegenläufigkeit“ beschreibt.151 Mildenberger unterscheidet zwischen theologischen und historischen Fragen über die Bibel – die jedoch nicht mit der Unterscheidung von Dogmatik und Exegese in eins zu setzen sei, sondern in beiden Fächern miteinander verwoben sind.152 Historische Fragen nach der Schrift haben nach Mildenberger die Vergangenheit zum Gegenstand und fragen nach dem Verhältnis der Texte in ihrem historischen Kontext und ihrer kohärenten Entwicklung.153 Obschon auch ein Historiker nicht ohne gegenwärtige Interessen fragen kann, hat sein Fragen für Mildenberger keine normative Intention.154 Die an den historischen Disziplinen orientierte Exegese beschränkt sich daher auf deskriptive Fragen, wobei Fragen der Anwendung und Normativität in den Hintergrund treten.155 Mildenberger kommt zu dem Schluss: „In der Folge zerfällt die Einheit der Schrift in einem Prozeß immer weiterführender historischer Differenzierung.“156 Theologische Fragen kennzeichnen sich hingegen durch eine Interpretation der biblischen Texte verbunden mit dem Interesse an der „Sache der Texte“.157 Gerade hier liegt für Mildenberger ein Spezifikum der biblischen Texte: Es geht nicht darum, die Besonderheit der biblischen Texte im Blick auf die Allgemeinheit zu interpretieren, sondern vielmehr soll die Besonderheit der biblischen Anschauung in ihrer geschichtlichen Einmaligkeit herausgestellt werden.158 Dies 151 So im Titel eines Aufsatzes „Die Gegenläufigkeit von historischer Methode und kirchlicher Anwendung als Problem der Bibelauslegung“ von 1972. Zum historischen Hintergrund vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 34 f; Ders., Theologie, 271–273. Dass dieses Spannungsfeld in einer engen Verbindung zur Spannung zwischen kirchlicher und wissenschaftlicher Verortung der Theologie steht, wird im Folgenden deutlich. 152 Vgl. Mildenberger, Unity, 391. 153 Vgl. a. a. O., 392. 154  Vgl. ebd. 155 „Indem die historische Methode das buchstäbliche Verstehen der Schrift für sich beansprucht, wird die Frage der Anwendung aus dem Auslegungsprozeß ausgeklammert.“ (Mildenberger, Gegenläufigkeit, 61) Auffallend ist, dass Mildenberger explizit die Fragen der Anwendung den Kirchen zuordnet, während er normative Fragen als „theologische Fragen“ klassifiziert. Mildenberger sieht hier einen Bruch mit der bisherigen Auslegungstradition: Die historische Methode zielt auf die Distanz der Texte, indem sie das Bibelwort in Kontext seiner Zeit versetzt und es nur dort für verständlich erachtet. Ebd. Vgl. Ders., Theologie, 278. 156 Mildenberger, Gegenläufigkeit, 61. Hier zeigen sich die Grenzen der rein historischen Arbeit für Mildenberger erneut sehr deutlich: „Die historisch-kritische Schriftauslegung nötigt dazu, nicht nur die behauptete inhaltliche Einheit der ganzen Bibel und die entsprechende Auslegung aufzugeben. Sie nötigt auch dazu, die literarischen Zusammenhänge der kanonischen Schriftensammlungen aufzulösen und andere Zusammenhänge herauszuarbeiten.“ Ders., Dogmatik (1), 249. 157  Mildenberger, Randbemerkungen, 17. 158  Vgl. a. a. O., 20 f. Vgl. Abschnitt a) in diesem Kapitel.

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bedeutet um der größeren Nähe zu den biblischen Texten willen zugleich einen Verzicht auf anthropologische Verallgemeinerungen – wobei den bezeugten Erfahrungen gleichwohl exemplarische Bedeutung zukommen kann. In der Schriftauslegung wird diese grundlegende Spannung am deutlichsten: Innerhalb der Theologie entsteht das Problem, dass der Exeget den Text nur noch historisch versteht, während der Dogmatiker die Wirklichkeit unter Absehung vom Text interpretiert.159 Mildenberger sieht dabei nur eine kleine Wegstrecke „zwischen der Scylla einer letztlich unverbindlichen Diskussion historischer Wahrscheinlichkeiten und der Charybdis dogmatistischer Behauptungen, welche die Eigenart der biblischen Texte vergewaltigen“.160 Während dieses Dilemma in den biblischen und historischen Fächern mit dem Rückzug auf die historische Methodik umgangen werden kann, stellt sie sich für die Systematische Theologie in aller Schärfe.161 Mildenberger entwickelt daher ein Modell unterschiedlicher theologischer Reflexionsstufen, die aufeinander zu beziehen sind.162 3.2.2. Die Einheit der Theologie und die Aufgabe der Schriftauslegung Angesichts der Bedeutung der enzyklopädischen Frage für die Aufgabe der Theologie ist die Auseinandersetzung mit diesen Spannungsfeldern für Mildenberger nicht eine marginale, sondern die zentrale Herausforderung der Theologie.163

159  Nach Mildenberger hat sich die wissenschaftliche Schriftauslegung auf die historische Beschreibung zurückgezogen und überlässt gegenwärtige Anwendung der Schrift Anderen. Hier liegt ein entscheidender Grund für die Spannung zwischen wissenschaftlicher und kirchlicher Schriftauslegung, die in Abschnitt B 3.2.1.a). beschrieben wurde. Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 48. Hier wird zudem deutlich, dass Mildenberger die Fragerichtungen entgegen seiner eigenen Beschreibung auf die theologischen Disziplinen zuordnet. Vgl. Abschnitt B 3.3. 160  Mildenberger, Tat, 14. 161  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 43 f. Das übliche Verfahren einer „Korrelationstheologie“, die Botschaft und Situation unabhängig voneinander erheben und ins Verhältnis setzen will, ist nach Mildenberger aus zwei Gründen unzulässig: Erstens widerspricht die Suche nach anthropologischen Bezügen dem doppelten Weg der Gotteserkenntnis und zweitens arbeitet dieses Verfahren mit einem empirisch-reduktionistischen Wirklichkeitsverständnis, welches die „Wirklichkeit mit dem identifiziert [wird], was in diesen Wissenschaften erarbeitet wird“ (a. a. O., 49 f ). Mildenberger sieht hier die methodische Entsprechung zu einer rein historischen Schriftauslegung, die sich methodisch verweigert, „zur theologischen Wahrnehmung des gegenwärtig Anstehenden anzuleiten“ (a. a. O., 51). Er folgert: „Theologische Wissenschaft, die sich so als Korrelationstheologie versteht, will leisten, was die einfache Gottesrede von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes erwartet. Sowohl das Verstehen der Bibel wie die gegenwärtige Wirklichkeit wird so theologisch verfehlt.“ (a. a. O., 53). 162 Vgl. Abschnitt 3.2.2. Vgl. Mildenberger, Theologie, 275 f. 163  Vgl. dazu die Vielzahl der Publikationen inkl. „Theorie der Theologie. Enzyklopädie als Methodenlehre“ sowie insb. Mildenberger, Dogmatik (1), 31–90; Ders., Theologie; Ders., Gegenläufigkeit; Ders., Verhältnis. Zur Bedeutung der theologischen Enzyklopädie vgl. Ders., Dogmatik (1), 32. 44.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Diese Einschätzung gründet zum einen aus der Orientierungsproblematik in Kirche, Gesellschaft und Wissenschaft und dem Bedeutungsverlust der Theologie: Der durch die Trennung der Disziplinen entstandene „hochproblematische[] Methodendualismus“ nötigt nach Mildenberger zu komplexen Rechtfertigungs- und Begründungsstrategien und führt zum Bedeutungsverlust der Theologie.164 Die innere Abgrenzung der theologischen Disziplinen verunmöglicht nach Mildenberger die Orientierung der Kirche an der Wissenschaft, die damit ihrerseits das Orientierungspotential für die Gesellschaft verliert. Dies wird zum anderen durch die aus der fortschreitenden Spezialisierung erwachsende Arbeitsteilung verschärft: Diese gründet nach Mildenberger auf der Vorstellung eines abstrakten und voraussetzungslosen Subjekts, was zwar zu einer erfolgreichen Methode der Weltbewältigung verhilft, aber Wertungen und damit intersubjektive Orientierung unmöglich macht.165 Hier liegt das Dilemma der neuzeitlichen Wissenschaft, an der die Theologie in besonderer Schärfe partizipiert.

Mildenberger möchte aufzeigen, dass die der fachlichen Differenzierung zu Grunde liegende Annahme der vollständigen Separierung der Disziplinen weder sachlich angemessen noch durchführbar ist.166 Zudem führt es zu methodischen und inhaltlichen Konfusionen um die Schriftauslegung gerade im kirchlichen Bereich.167 Vielmehr muss die Differenzierung der Theologie in verschiedene Fächer als ein rein pragmatisches Unterfangen verstanden werden, das Mildenberger durch die Unterscheidung unterschiedlicher  – aber miteinander verbundener – theologischer Reflexionsstufen einzulösen versucht.168 Mildenberger unterscheidet drei Reflexionsstufen, die sich nicht mit einzelnen theologischen Disziplinen identifizieren lassen, sondern sich in allen Disziplinen finden.169

164 Mildenberger,

Dogmatik (1), 33 f. a. a. O., 39. 41 f. 166  Falsch ist nach Mildenberger insbesondere die Grundeinsicht: „Das reformatorische Schriftprinzip ist dann am besten gewahrt, wenn sich die Biblische Theologie von jedem Einfluß der Dogmatik freihält und ihrerseits der Dogmatik jene biblische Wahrheit weitergibt, die die Dogmatik dann in das gegenwärtige religiöse (bzw. kirchliche) Leben hinein zu übersetzen hat.“ (Mildenberger, Theologie, 269) Das von Gabler aufgestellte Programm zur Trennung der Disziplinen hält Mildenberger im Anschluss an Kähler und Ebeling für undurchführbar (vgl. Ders., Verhältnis, 428). Gegen diese Trennung entwickelt er die Programmatik der Biblischen Dogmatik. Vgl. Abschnitt B 3.2.5. 167 Insbesondere das Missverständnis, dass jede Interpretation eine normative Bedeutung hat, auch historische Interpretationen, führt nach Mildenberger gerade im Raum der kirchlichen Frage nach der Anwendung der biblischen Texte zu Irritationen (vgl. Mildenberger, Unity, 393). Diese Konfusion verweist auf eine allgemeine Konfusion der theologischen Methodik: Das methodische Vorgehen der Theologie ist nur schwer zu erfassen, da zwar ein gewisser faktischer Konsens herrscht, aber sich über die Zeit vielfältige Reflexionsstufen ineinander geschoben haben (vgl. Ders., Theorie, 44). 168  Vgl. Mildenberger, Theorie, 77. 169 Vgl. a. a. O., 45. Vgl. zur Problematik der Zuordnung spezifischer Reflexionsstufen zu den theologischen Disziplinen die Fußnoten 159 und 211 in diesem Kapitel, sowie Abschnitt B 3.3. 165 Vgl.

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Er nennt erstens die dogmatisch-normative Reflexion, welche die Grundlage und das Charakteristikum jeder theologischen Reflexion ist.170 Ihr Gegenstand ist das Werk Gottes, das ihr vorausgeht und konstitutiv auf die Kirche in der Wechselwirkung von menschlicher und göttlicher Wirksamkeit bezogen ist.171 Gegenstand der dogmatisch-theologischen Reflexion ist daher die „Kirche […] in dieser spezifischen Dialektik von menschlicher Veranstaltung und göttlicher Wirkung“, welche auf die Identität in der Differenz und Differenz in der Identität hin befragt werden muss.172 Die Schrift hat dabei eine besondere Bedeutung, da in ihr die vermittelte Gegenwart Jesu Christi fassbar ist: Schrift ist nicht einfach historische Quelle, in welcher jenes als theologisches Kriterium dienende Historische überliefert und aus welcher es mittels kritischer Operationen zu erheben wäre. Vielmehr ist Schrift authentische Vermittlung jenes Offenbarungsgeschehens, sofern es sich in ihr gleichfalls um Offenbarung handelt, um autoritative Vermittlung des grundlegenden Geschehens.173

Die Theologie zeichnet diesen Vorgang nach und hat ihn im Schriftprinzip institutionalisiert.174 Die zweite Reflexionsstufe bezeichnet Mildenberger als historisch-kritische Reflexion.175 Sie zielt auf die „Verfremdung des Historischen“ durch den Blick aus der Distanz.176 Zwar verliert die Theologie damit ihre Unmittelbarkeit zur Bibel, im Gegenzug gewinnt sie einen schärferen Blick aus der Distanz: Die Eigenarten und Besonderheiten der Texte, ihre Vielfalt und Differenzierungen sind nach Mildenberger nur in der Verfremdung wahrnehmbar.177 Trotz dieser emanzipatorischen Wirkung historischer Betrachtung mahnt Mildenberger vor den entstehenden Bindungen durch die hermeneutischen Vorannahmen dieses Werkzeugs.178 Als dritte Reflexionsstufe nennt Mildenberger die empirisch-kritische Reflexion, die seinerzeit eine Neuerung in der Theologie darstellt: Diese berücksichtigt, dass das heutige plurale und subjektive Verständnis von Mensch und Welt neue Gesprächsformen mit den Humanwissenschaften zur Erfassung an-

170 Vgl.

a. a. O., 46. 55.   Vgl. a. a. O., 46 f. 172  A. a. O., 48. Als Kriterien für diese Reflexion nennt Mildenberger die Erfahrung, das ethische Kriterium und das historische Kriterium. Diese führt er jedoch nicht aus. Vgl. a. a. O., 49 f. 173  A. a. O., 51. 174 Vgl. a. a. O., 52. 175  Vgl. a. a. O., 56. 176  A. a. O., 58. 177  Eine Abkehr von der historisch-kritischen Methode kann nach Mildenberger daher zu „Geistlosigkeit“ führen. Diesen interessanten Zusammenhang von historischer Methodik und Geist erläutert Mildenberger weder hier noch an anderen Stellen. A. a. O., 59. 178  Vgl. Abschnitt B 3.2.3. 171

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

thropologischer Fragen braucht.179 Für die Schriftauslegung präzisiert Mildenberger diese Überlegungen nicht.180 Angesichts dieser die theologischen Disziplinen verbindenden Reflexionsstufen plädiert Mildenberger für eine methodische „Koexistenz im Kompromiss“: Die Einheit der Theologie ist für Mildenberger nicht in der theologischen Methodik begründet, sondern findet sich in ihrem konstitutiven Bezug auf die Kirche und die Schrift, genauer: in der in Kirche und Schrift bezeugten Sache der Theologie.181 Wenn die Spannungen, insbesondere zwischen der dogmatischnormativen und der historisch-kritischen Reflexion, aufgegeben werden, wird die Sache der Theologie aufgegeben.182 Theologische Urteile müssen folglich um der Sache willen historische und dogmatisch-normative Elemente miteinander verbinden.183 In der Sache der Schrift und dem methodischen Kriterium der Sachgemäßheit liegt für Mildenberger dann auch der entscheidende Konnex der theologischen Disziplinen Exegese und Dogmatik im Blick auf die Schriftauslegung. Denn die Biblische Theologie des Alten und Neuen Testaments orientiert sich nicht nur an wissenschaftlichen „Programmen und Methoden“, sondern „zuerst an den biblischen Texten und der Sache, die in diesen Texten zur Sprache kommt“ – da sie durch die „Sache der Bibel bestimmt“ sind, spricht Mildenberger von dem Kriterium der „Sachhaltigkeit“.184 Dieses relativiert die Unterscheidung zwischen Dogmatik und Biblischer Theologie, da beide Disziplinen die „grundlegende Geltung der Bibel für alle theologische Arbeit“ voraussetzen und trotz der unterschiedlichen Akzente in der Arbeitsweise keine grundsätzlich andere Methodik verfolgen, sondern jeweils historisch-deskriptive und normative Fragestellungen verbinden.185 Biblische Theologie und Dogmatik treffen sich folg179 Vgl. a.  a. O., 66 f. Mildenberger verweist auf die diesen Methoden vorausliegenden Annahmen: So verfolgen die Humanwissenschaften ebenfalls ein emanzipatorisches Interesse gegenüber ideellen Annahmen und konfrontieren die Kirche mit den ihr eigenen normativen Setzungen über das Wesen der Menschlichkeit (vgl. a. a. O., 71. 73). Demgegenüber muss die dogmatische Voraussetzung betont werden, dass das Handeln Gottes auch die Menschlichkeit betrifft, welche in der Menschlichkeit Jesu beschrieben wird (vgl. a. a. O., 74). 180  Für eine Einbindung der noch sehr neuen empirisch-kritischen Reflexion ist nach Mildenberger eine Prüfung im Einzelfall notwendig (vgl. a. a. O., 71). Ansätze dazu finden sich in seiner Wahrnehmung des faktischen Schriftgebrauchs in der Kirche, ohne diese jedoch methodisch zu reflektieren oder für die Schriftlehre fruchtbar zu machen. Vgl. z. B. Ders., Dogmatik (1), 54–71. Vgl. weiterführend Abschnitt C 3.3. 181 Den Bezug auf die Kirche stellt Mildenberger in der „Biblischen Dogmatik“ heraus (Mildenberger, Dogmatik [1], 36 f ), während der den Bezug auf die Schrift und den Gegenstand der Theologie an anderer Stelle ausführt (vgl. Ders., Verhältnis, 428–434). Die Verbindung zeigt sich in der in Abschnitt B 3.2.1. aufgezeigten Verhältnisbestimmungen von Schrift, Kirche und Sache der Theologie. Zum Begriff der „Sache der Bibel“ vgl. Abschnitt B 3.1.2. 182  Vgl. Mildenberger, Theorie, 63. 183  Vgl. a. a. O., 64. 184  Mildenberger, Verhältnis, 428 f. 185  Vgl. a. a. O., 430 f. Vgl. zur Problematik der Zuordnung spezifischer Fragerichtungen zu

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lich in der „Anerkennung der durch die Schrift bezeugten Sache“ und sind im Bemühen um das Erfassen der Sache aufeinander angewiesen.186 Dieser gemeinsamen Sache nähern sich die Disziplinen mit unterschiedlichen Akzenten: Die Dogmatik wird von der Präsenz der Erfahrung mit dieser Sache her […] darauf verweisen, daß in dieser Geschichte der Dreieinige Gott zum Heil der Menschen durch und mit seinen erwählten Mittlern handelt. […] Die Biblische Theologie wird von ihrer historischen Methode her die Verflechtung der in den Texten bezeugten Biblischen Geschichte mit der Weltgeschichte betonen und ihre Bedingtheit durch diese Verflechtung herausstellen.187

Diese unterschiedlichen Akzente verbinden sich für Mildenberger zu einer gemeinsamen Aufgabe von Dogmatik und Exegese um eine an dem Kriterium der „Sachhaltigkeit“ orientierte Schriftauslegung: „1. Die Dogmatik fragt danach, wie sich die Sache der Schrift gegenwärtig Gehör verschafft. […] 2. Die Biblische Theologie fragt danach, wie sich die vielgestaltigen Zeugnisse der biblischen Texte zueinander verhalten.“188

den theologischen Disziplinen die Fußnoten 159 und 211 in diesem Kapitel, sowie Abschnitt B 3.3. Zur Terminologie zwischen Biblischer Theologie und Exegese vgl. Abschnitt B 3.2.3. 186 A. a. O., 432 f. Dass diese konstitutiv mit der Anwendung der Schrift, also ihrer Auslegung im kirchlichen Kontext verbunden ist, wurde bereits deutlich. Für Mildenberger ist die Anwendbarkeit das vorgeordnete Kriterium des Verstehens der Bibel: „Verstanden ist die Schrift dann, wenn diese Anwendung entdeckt ist.“ (Ders., Theorie, 78). Der in der Reformation formulierte Interpretationsgrundsatz der Selbstauslegung sollte diese Anwendbarkeit sichern und willkürlichen Anwendungen der Schrift wehren. Die Geschlossenheit der Auslegung ergab sich dabei durch den Bezug auf das, was Christum treibet. Durch die historische Verfremdung gerät dieser reformatorische Grundsatz in Kritik, insbesondere die Anwendung und die Einheit der Schrift (vgl. a. a. O., 80 f ). 187 Mildenberger, Verhältnis, 433. In zwei weiteren Thesen formuliert er weiter: Die Biblische Theologie sucht nach der Einheit der biblischen Geschichte in historischer Kontinuität (These 8), während die Dogmatik nach der Einheit der biblischen Geschichte in ihrer „gegenwärtigen Macht […], in der sie Menschen betrifft und zur Erfahrung Gottes anleitet“ fragt (These 9, a. a. O., 434). An anderer Stelle beschreibt er die Perspektiven der Dogmatik und Bibelwissenschaft wie folgt: „Beschreiben wir die Aufgabe der Theologie insgesamt so, daß hier zu einem zeitgemäßen Verständnis der Schrift und zu einem schriftgemäßen Verständnis der Zeit angeleitet werden soll, dann läßt sich die unterschiedliche Vorgehensweise der Biblischen Theologie, bzw. der Exegese und der Dogmatik etwa so charakterisieren: Die Dogmatik geht von der immer schon verstandenen Schrift auf die neu zu verstehende Schrift zu. Die Biblische Theologie dagegen setzt bei der immer neu zu verstehenden Schrift an und sucht diese mit der immer schon verstandenen Schrift in eins zu sehen.“ Ders., Dogmatik (1), 12. 188 Mildenberger, Verhältnis, 430. In dieser Doppelheit verwirklicht sich der komplexe Geschehenszusammenhang der Glaubensüberlieferung: „Wissenschaftlich-theologische Schriftauslegung reflektiert diese geschehende Glaubensüberlieferung, und zwar speziell in Hinsicht auf ihre Bestimmtheit durch die biblischen Texte, wie systematische Theologie sie in Hinsicht auf die gegenwärtige Erfahrung reflektiert. Dabei bringt die Schriftauslegung ebenso selbstverständlich gegenwärtige Erfahrung in ihre Frage nach den Texten mit ein, wie umgekehrt die Dogmatik nach der Schriftgemäßheit gegenwärtiger Glaubensüberlieferung und also nach den biblischen Texten fragt.“ Ders., Randbemerkungen, 26.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Mildenberger setzt sich folglich für einen intensiven Austausch der Disziplinen miteinander ein, der in methodischer Koexistenz die „Zusammenarbeit der Disziplinen in der Auslegung der Bibel“ zu einer zentralen Aufgabe macht.189 Wie die Aufgabe der exegetischen Fächer und der Dogmatik bestimmt werden und wie Mildenberger seinen eigenen Ansatz einer Biblischen Dogmatik in diesem Geflecht verortet, ist Gegenstand der folgenden Kapitel. 3.2.3. Schriftauslegung in den Bibelwissenschaften – Geistliche und historische Schriftauslegung als Teile einer pneumatischen Exegese Es wurde bereits deutlich, dass für Mildenberger der Bezug der Bibelwissenschaften auf die kirchliche Schriftauslegung konstitutiv ist, um die Bibelwissenschaften – oder in seiner Terminologie auch die „Biblische Theologie“ – als theologisches Unterfangen zu bestimmen.190 Für die Bibelwissenschaften besteht nach Mildenberger eine besondere Herausforderung, da sie am stärksten an der historischen Methode ausgerichtet sind und hier somit die oben umrissenen Spannungen und einige grundsätzliche Fragen der Theologie kulminieren.191 Nach Mildenberger zeigt sich in den Bibelwissenschaften eine spezifische Ausformung der Gegenläufigkeit der theologischen Methoden in Form der „Gegenläufigkeit von Intention und Methode in der Bibelwissenschaft“.192 Diese konstituiert sich in der Spannung zwischen der Anwendbarkeit oder dem glaubenden Bezug und der historischen Auslegung der Schrift: Auf der einen Seite steht die Autonomie der Vernunft in der historischen Kritik und auf der anderen Seite das „Einverständnis des Glaubens durch die Zeiten hindurch“ in der kirchlichen Tradition.193 Hier konstituiert sich nach Mildenberger das spezifische Dilemma der Bibelwissenschaften: 189 „Nicht Isolierung der Disziplinen oder ein Herrschaftsanspruch einer der Disziplinen dient der Sache, sondern allein ihre Zusammenarbeit.“ Mildenberger, Theologie, 281. 190 A. a. O., 77. Vgl. Abschnitt B 3.2.1. Zur Terminologie ist anzumerken, dass Mildenberger mit dem Begriff „Bibelwissenschaften“ die theologischen Disziplinen des Alten und Neuen Testaments bezeichnet. In äquivalenter Bedeutung verwendet er auch den Begriff „Biblische Theologie“. Mildenberger bringt damit zum einen die Zusammenhörigkeit der beiden Fächer und zum anderen den theologischen Charakter ihrer Arbeit zum Ausdruck. Mildenberger bezeichnet seinen eigenen biblisch-theologischen Ansatz folglich als „Biblische Dogmatik“. Die Bezeichnung „Exegese“, bzw. „historische Forschung“, „historische Auslegung“ oder „historische Methodik“ finden sich vor allem in der Abgrenzung zur theologischen Methodik und sind damit in der Tendenz – aber nicht durchgehend – negativ konnotiert. 191 Vgl. Mildenberger, Randbemerkungen, 11. 192  Mildenberger, Theorie, 78. Vgl. Ders., Wahrheit, 66. 193 Mildenberger, Wahrheit, 57. An anderer Stelle führt er aus: „Auf der einen Seite steht also eine Methode, die gerade in ihrer ständigen Differenzierung immer weiter abführt von Anwendbarkeit, die eine einheitliche Aussage fordert. Auf der anderen Seite bleibt die Nötigung, gerade auch in der Exegese bis hin zur Anwendbarkeit fortzuschreiten.“ Ders., Theorie, 82. Vgl. Ders., Wahrheit, 55.

3. Friedrich Mildenberger

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Eine ‚Biblische Theologie‘, die sich von der Dogmatik methodisch und inhaltlich löst […], gerät in ein charakteristisches Dilemma: Entweder sie führt ihren historischen Ansatz konsequent durch; dann verliert sie ihren Gegenstand, eben die Biblische Theologie, und tauscht sich stattdessen ein Stück Vergangenheit ein […]. Oder sie revidiert ihren emanzipatorischen Ansatz und bestimmt ihr Verhältnis zur Dogmatik nicht nur negativ; dann wird freilich ihr Selbstverständnis […] problematisch werden.194

Als Antwort plädiert Mildenberger für einen methodisch kontrollierten Kompromiss, der aus einer Verbindung von historischer und geistlicher Schriftauslegung besteht.195 Mildenbergers konstruktive Ausführungen zur historischen Schriftauslegung sind sehr kurz – sie bauen im Wesentlichen auf seiner Kritik an der ausschließlichen Orientierung gegenwärtiger Wissenschaft am historischen Paradigma auf.196 Wie schon skizziert dient der historisch-kritische Zugang vor allem der Prüfung des kirchlichen Schriftverständnisses auf seine Sachgemäßheit und damit der Steigerung der kritischen Wahrnehmungsfähigkeit der Kirche.197 Kriterium dafür ist der wissenschaftliche Wahrheitsanspruch, der durch die historisch-kritische Methode gewährleistet wird.198 Zu einer ähnlichen Funktion im Blick auf die Dogmatik äußert sich Mildenberger nicht. Ausführlich beschreibt Mildenberger hingegen sein Verständnis geistlicher Schriftauslegung, das in seinen Überlegungen zum Kriterium der Sachhaltigkeit vorbereitet wurde: Auch in den Bibelwissenschaften ist nach Mildenberger um der Sache der biblischen Texte willen die Überschreitung der Grenze zwischen historisch-deskriptiver und dogmatisch-normativer Frage notwendig.199 Denn 194  Mildenberger, Schriftauslegung, 151. Das Dilemma zwischen Methode und Gegenstand ist für Mildenberger eng mit der Spannung zwischen Methode und Intention verbunden: Die Intention der Anwendung der Schrift ist selbst Folge des Gegenstands der Theologie, da der Bezug auf das Handeln Gottes auf sein Handeln auch in der Gegenwart abzielt. Vgl. a. a. O., 151–154. 195 Dabei grenzt er sich gegen zahlreiche Versuche ab, die Spannung zwischen wissenschaftlicher Methode und Anwendbarkeit zu überwinden: Mildenberger nennt die Bestreitung der Anwendbarkeit, Rekurs auf eine zeitlose allgemeine Wahrheit in den Texten oder die in den Texten erschlossene Existenzmöglichkeit sowie die Erschließung der geschichtlichen Wirkung als Gegenwart des Bewirkten (Mildenberger, Theorie, 83–90). Ausführlich diskutiert er wirkungsgeschichtliche Modelle, da seine eigene Position mit Modifikationen daran anschließt (vgl. Ders., Randbemerkungen, 12–16). Vgl. zur weiteren Abgrenzung Ders., Schriftauslegung, 154. 196 Vgl. Abschnitt B 3.2.1.b). 197 Vgl. Mildenberger, Schriftauslegung, 160; Ders., Wahrheit, 16. 198 Vgl. Mildenberger, Wahrheit, 17. 199  Vgl. Mildenberger, Randbemerkungen, 16. Mildenberger betont auch hier wieder die zentrale Bedeutung, der dabei den Erfahrungen des Glaubens zukommt (vgl. Ders., Theologie, 281). Auffallend ist hier eine Verschiebung in der Terminologie im Vergleich zu seiner Beschreibung der theologischen Fragerichtungen: Die Beschreibung der historischen Forschung wurde dort als „historisch-kritisch“ und hier als „historisch-deskriptive“ Fragerichtung präzisiert (vgl. Abschnitt B 3.2.2.). Diese Beobachtung wird im Zwischenfazit (Abschnitt B 3.3.) aufgegriffen.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

nur wenn die Betroffenheit durch die Texte erfahren wird, die dem Text „Aktivität und Lebendigkeit“ zuschreiben, wird nach Mildenberger verhindert, dass der Text als Quelle zum Objekt des Interpreten wird und somit die Besonderheit als kanonischer Text nicht gewahrt bleibt.200 Aus der Erfahrung mit den Texten und der so erschlossenen Mitte der Schrift muss sodann die Breite und Tiefe der Schriftwahrheit erschlossen werden.201 Anwendbarkeit und buchstäbliches Verstehen sind daher eng aufeinander bezogen.202 Der Bezug auf die Anwendung impliziert für Mildenberger zugleich die angenommene Einheit der Schrift in der Auslegung: Insofern der Auslegung die Schrift als immer schon ausgelegte Schrift vorgegeben ist, ist zugleich die Mitte und Einheit der Schrift Voraussetzung der Auslegung – denn: „Die angewandte Schrift leitet dazu an, die anzuwendende Schrift in ihrer Einheit zu verstehen.“203 Mit der Beschreibung des geistgewirkten Verstehens verbindet Mildenberger die Forderung einer pneumatischen oder geistlichen Schriftauslegung.204 Diese pneumatische Exegese soll nach Mildenberger eng mit der historischen Forschung verbunden sein: Aufgabe der Bibelwissenschaft ist es, die Eigenart und Besonderheit der Texte zu erfassen und die Beziehungen aufeinander und auf die Tradition herauszustellen.205 Die historisch-kritische Erschließung dient dem „Kennenlernen des Redenden“, aber nur als Voraussetzung zur Ver-

200 Diese

Erfahrung beschreibt Mildenberger als „Macht des Geistes“. Mildenberger, Schriftauslegung, 159. Vgl. Abschnitt B 3.2.1.a). Zur Abgrenzung von wissenschaftlicher Schriftauslegung und pneumatischer Erfahrung vgl. Abschnitt B 3.3. 201 Mildenberger, Theologie, 159. Zur Mitte der Schrift vgl. Abschnitt B 3.1.3. 202 „Verstanden ist die Schrift erst, wenn sie in ihrer Anwendbarkeit verstanden ist! […] Buchstäbliches Verstehen der Schrift darf also die Frage nach der Anwendung nicht ausklammern.“ Mildenberger, Gegenläufigkeit, 63. 203 A. a. O., 64. Dies gilt für Mildenberger auch diachron: „Darum sehen wir im Zeugnis derer, die vor uns glaubten, den Hinweis auf das, was sie als Einheit und Mitte der Schrift verstanden haben.“ A. a. O., 63 f. Vgl. zur Einheit der Schrift und dem Zusammenhang zum Bekenntnis Abschnitt B 3.1.3. 204 Das geistliche Verstehen der Schrift wird als Wirkung Gottes bestimmt: Auch wenn der Glaube Wirkung des Geistes ist, kann die subjektive Erleuchtung nicht der vernünftigen Allgemeinheit gegenübergestellt werden, sondern muss vielmehr als „Verstehensanweisung“ vorausgesetzt werden (Mildenberger, Theorie, 91 f ). So kommt es zu gemeinsamen Aussagen im Sinne von „schriftgemäße[n] Formulierungen der Glaubenswahrheit“, sodass sich ein Zirkel des Verstehens ergibt (a. a. O., 93). In der alten Kirche wird für Mildenberger sehr deutlich, wie die Rezeption den Schriftgebrauch bestimmt und zu einer „pneumatische[n] Schriftauslegung“ führt, „sofern unter Pneuma der Lebenszusammenhang verstanden wird, in welchem die durch das Christusgeschehen begründete Gemeinde das Alte Testament verstehen kann als das Wort, in dem sie ihre eigene Gegenwart zur Sprache zu bringen vermag“ (Ders., Tat, 96). Heute hingegen wird diese Auslegung durch die Betonung des Literalsinns in Frage gestellt. Diese Opposition ist für Mildenberger gegenstandslos, da die pneumatische Exegese nach dem Literalsinn fragt und nicht nach etwas, das hinter den Worten liegt (vgl. a. a. O., 98). 205 „Die Biblische Theologie fragt danach, wie sich die vielgestaltigen Zeugnisse der biblischen Texte zueinander verhalten.“ Mildenberger, Verhältnis, 430. Vgl. a. a. O., 432.

3. Friedrich Mildenberger

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ständigung über die Sache auf dem Weg zu „einer Gemeinschaft in der Sache“.206 Das geistliche Verstehen ist daher auf besondere Weise an das buchstäbliche Verstehen gebunden.207 Auf diese Weise bewährt sie die normative Festlegung, dass die Schrift „ihren Grund in der Macht der durch die Schrift bezeugten Sache hat“.208 Diese Erschließung ist für Mildenberger konstitutiv mit dem Leben der Kirche verbunden, aber nicht mit einer Glaubenserfahrung identisch.209 Sein Ansatz widerspricht daher nach Mildenberger nicht der geforderten Objektivität, sondern bindet den Exegeten in ein umfassenderes und tieferes Verständnis der „religiöse[n] Lebendigkeit“ der Texte ein, indem die in den biblischen Texten tradierte Glaubenserfahrung erfasst und in der Auslegung nachvollziehbar gemacht wird.210 3.2.4. Schriftauslegung in der Dogmatik – Die Vermittlung zwischen Schrift, Kirche, Glaube und Erfahrung Mildenbergers Beschreibung der Aufgabe der Dogmatik deckt sich in weiten Teilen mit dem, was er als Aufgabe der gesamten Theologie beschreibt.211 Mildenberger bestimmt die Aufgabe der Dogmatik als ein Vermittlungs206 Mildenberger, Tat, 104. Er begründet: „Es gibt keine von der Interpretationsabsicht unabhängige historisch-beschreibende Rekonstruktion der biblischen Texte, die deren Literalsinn trifft; denn diese Texte werden nur dann zureichend verstanden, wenn sie im Geist Gottes verstanden werden. […] Die dabei vollzogene Interpretation der biblischen Texte kann gerade darum, weil sie das unverfügbare Wirken des Geistes einschließt, nicht abgesehen von der Erfahrung der Kirche mit der Schrift geschehen, deshalb sind hier Biblische Theologie und Dogmatik unbedingt aufeinander angewiesen.“ Ders., Theologie, 278. Vgl. Ders., Tat, 91–115. 207 Daraus ergibt nicht für Mildenberger die Bedeutung wirkungsgeschichtlicher Modelle: „Halten wir beides zusammen  – Wirksamkeit Gottes in der biblisch bezeugten Geschichte, und Wirksamkeit Gottes im Verstehen der Schrift, dann ist die Folgerung nicht schwer, daß das, was die biblischen Texte meinen, sich solchem Verstehen erschließt – und nur solchem Verstehen! –, da sich durch das Zeugnis derer anleiten läßt, die vor uns auf die Schrift gehört haben.“ Mildenberger, Theorie, 94. Vgl. Ders., Randbemerkungen, 16. 208 Mildenberger, Verhältnis, 432. 209 Die wissenschaftliche Schriftauslegung muss die „Kontinuität eines Verstehens achten, das sich als Leben der Kirche im Bekenntnis ihres Glaubens darstellt“. Diese Einbindung in den kirchlichen Lebenszusammenhang dürfe jedoch nicht mit einer Glaubenserfahrung gleichgesetzt werden: Diese ist unverfügbar und nicht mit dem Denken identisch. Mildenberger, Schriftauslegung, 160 f. 210 Ebd. 211  Vgl. Abschnitt B 3.2.1. Dies klingt bereits in Mildenbergers Beschreibung der Gegenläufigkeit von historischer und theologischer Methode an (vgl. Abschnitt B 3.2.1.) und wird auch in der Bezeichnung der Reflexionsstufen als „theologisch-dogmatisch“ und „historisch-kritisch“ (vgl. Abschnitt B 3.2.2.) deutlich. Ob Mildenberger aber die Theologie mit der Dogmatik identifiziert oder ob s.E. die Dogmatik stellvertretend (und damit gewissermaßen provisorisch) für andere Disziplinen die theologische Aufgabe übernimmt, wie es Pannenberg beschreibt, wird nicht explizit deutlich. Vgl. Abschnitt B 3.3.

200 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen geschehen: Gegenstand ist „Gottes Handeln in Jesus Christus […], wie es sich selbst in der Kirche vermittelt“.212 Dieses ist zwischen der Schrift, der Kirche und ihren Grundentscheidungen, dem Glauben sowie der religiösen Erfahrung der Gegenwart verortet. Diese Felder sind eng miteinander verflochten: Der Glaube ist durch das in der Schrift bezeugte Wort Gottes gewirkt.213 Verbunden mit ihrem kirchlichen Bezug vermittelt die Dogmatik zugleich zwischen dem historischen Verstehen der Bibel und der religiösen Erfahrung.214 Konstitutiv ist die Dogmatik dabei auf Kirche und Wissenschaft bezogen: „Eine Dogmatik, die sich dieser Kirche verpflichtet weiß, muß dann vermitteln zwischen einem aufgeklärten Denken in der Gesellschaft, das sich vor allem in der Wissenschaft manifestiert, und dem Kirchenglauben.“215 Mildenberger formuliert die Aufgabe der Dogmatik in Bezug auf die Schrift in thetischer Form: 1. Die Dogmatik fragt danach, wie sich die Sache der Schrift gegenwärtig Gehör verschafft. 1.1. Sie setzt dabei voraus, daß diese Sache als die eine Sache der ganzen Schrift von dieser einmütig bezeugt wird. 1.2. Diese Voraussetzung muß im Vollzug des dogmatischen Schriftgebrauchs so bewährt werden, daß die Dogmatik mit diesem einmütigen Zeugnis der ganzen Schrift argumentiert. 1.3. In solcher Argumentation bewährt sie ihren Gehorsam gegen die Schrift, der dieser zusteht, daß sie sich klar vernehmen läßt.216

Als Kriterien systematisch-theologischen Denkens nennt Mildenberger Schrift und Tradition, sowie rationale Allgemeinheit und die Wendung zur Zukunft.217 Der Gehorsam der Dogmatik gegenüber der Schrift gründet nach Mildenberger in deren Bewährung in der Geschichte der Kirche.218 Diese ist in „kirchlichen Grundentscheidungen“ präsent, die Mildenberger in der Trinitätslehre, der Rechtfertigungslehre und der Suffizienz und Alleingeltung der Christusoffenbarung identifiziert.219 Insofern ist die Dogmatik auf das Lehrganze der Kirche bezogen.220 Die dogmatische Reflexion entfaltet die Kohärenz dieser Bewährung bezogen auf die geschichtliche Wirksamkeit.221 Über diese hinaus macht Mildenberger angesichts der Vermittlungsaufgabe der systematischen Theologie die 212 Mildenberger,

Theorie, 110. kann Mildenberger die Dogmatik auch als „Frage nach dem Glauben“ bestimmen, da die Objektivität des Wortes Gottes und Subjektivität des Glaubens nicht trennbar sind (a. a. O., 112). Hier liegt für Mildenberger die normative Aufgabe der Dogmatik: „Wie läßt sich der durch die Zeiten hindurch identisch bleibende Glaube in gemeinsamen Objektivationen so fassen, daß er die jeweilige Zeit nicht verfehlt, sondern vor ihr verantwortet und bezeugt werden kann?“ (a. a. O., 120). 214 Vgl. Mildenberger, Theologie, 277. 215 A. a. O., 276. Zur Zuordnung der theologischen Disziplinen vgl. Abschnitt B 3.2.2. 216 Mildenberger, Verhältnis, 430. 217 Vgl. Mildenberger, Theorie, 127–129. 218  Vgl. Mildenberger, Verhältnis, 431. 219  Ebd. Vgl. zum Verhältnis von Schrift und Tradition Abschnitt B 3.1.3.c). 220  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 109. 221  Vgl. Mildenberger, Verhältnis, 432. 213 So

3. Friedrich Mildenberger

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„Kommunikation des spezifisch-christlichen“ in der Gegenwart zum Kriterium gelingender theologischer Arbeit.222 Zusammenfassend formuliert Mildenberger als Aufgabe der Dogmatik, „gegenwärtiges Verstehen auf seine Übereinstimmung mit den kirchlichen Grundentscheidungen hin zu prüfen und im Zusammenhang dieser Grundentscheidungen zu begründen“.223 Die übergreifenden Kriterien der Dogmatik lassen sich daher als „Schriftgemäßheit“ und „Anwendbarkeit“ beschreiben.224 3.2.5. Biblische Dogmatik – Mildenbergers theologisches Programm zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik Mildenberger spezifiziert seinen dogmatischen Ansatz in seiner Programmatik der „Biblische[n] Dogmatik“ und verortet ihn zwischen den Bibelwissenschaften und der Dogmatik.225 Diese zielt in der Verbindung der Disziplinen auf die „Aktualisierung der gesamtbiblischen Zusammenhänge für die gegenwärtige kirchliche Situation“.226 Entsprechend beschreibt er sein Anliegen als „Schriftlehre als Hermeneutik der einfachen Gottesrede entfaltet“.227 Gegenstand der biblischen Dogmatik ist folglich die einfache Gottesrede, genauer: die kritische Begleitung der einfachen Gottesrede.228 Er zielt darauf ab, „eine Schriftauslegung zu entwickeln, die dem gerecht wird, was die biblischen Schriften selbst sein und sagen wollen“.229 Diese Schriftauslegung ist nach Mildenberger wirksam darin, dass sie Gottes Nähe aussagt und Glauben wirkt.230 In dieser Aufgabe ist sie mit der Exegese verbunden: „[W]eil alles Reden des Glaubens von Gott, das als christlich gelten will, aus der Bibel lebt, verlangt solcher Umgang mit der Bibel auch die methodische Zucht der Auslegung.“231 Da die Gottesrede aber immer situationsbezogen und dogmatische Reflexion ihrem Wesen nach abstrakt ist, sind in der Dogmatik nur allgemeine Hinweise möglich, welche die einfache Gottesrede an ihre Begründung und ihren Zusammenhang erinnern sollen.232 Die kritische Begleitung der Bibelwissenschaft soll nach Mildenberger überprüfen, inwieweit diese in der Wahrheit bleibt: Dazu muss sie die „Einheit und Konkretion der jeweiligen Zeit des Sprechers und des 222 Mildenberger,

Theorie, 130. Dogmatik (1), 276. 224  Mildenberger, Randbemerkungen, 26; Ders., Theorie, 78. 225 Mildenberger, Dogmatik (1), 11. 226 Ebd. 227  A. a. O., 92. 228  Vgl. a. a. O., 271. 229   A. a. O., 227. 230  Vgl. ebd. 231  A. a. O., 129. Vgl. a. a. O., 227. 232  Vgl. a. a. O., 274. 223 Mildenberger,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Sprechens“ erfassen und fragen, ob Gott als Schöpfer und Erlöser in der Verbindung von Theologie und Ökonomie zur Sprache komme.233 Im Zusammenhang dieser Aufgaben in der Biblischen Dogmatik unterscheidet Mildenberger folglich mehrere Reflexionsebenen: erstens situative einfache Gottesrede, zweitens die abstrakte auf Allgemeinheit abzielende Denkweise der Dogmatik, drittens die kritische Auseinandersetzung mit der Dogmatik und viertens das „zusammenschließende[] Verstehen“ in der Verbindung von biblischer Sprache und dem Anstehenden.234 Diese sind verbunden durch den Begründungszusammenhang der „kirchliche[n] Grundentscheidungen zum Verstehen der Bibel“, welche die einheitliche Gegenständlichkeit der Biblischen Dogmatik konstituieren.235 Die biblischen Texte werden im Kontext der Biblischen Dogmatik als Sprache in Anspruch genommen, die ermöglichen, Anstehendes auf Gott hin zur Sprache zu bringen.236 Mildenberger folgert: Ich kann Dogmatik […] nur so weiterführen, daß sie als Diskurs über das Sprechen des Glaubens in seinen verschiedenen Formen verstanden wird. Dogmatik kann aber nicht selbst als eine bestimmte Form solchen Sprechens genommen werden. Ich unterscheide also zwischen dem Sprechen des Glaubens, das ich als ‚einfache Gottesrede‘ benenne, und der Dogmatik als einem Teilbereich der theologischen Wissenschaft.237

In diesem Sprachzusammenhang ist die Biblische Dogmatik jedoch nicht nur auf die Schrift bezogen, sondern durch ihre kirchliche Bindung auch auf die Tradition.238 Ausgehend von der Einheit der Gottesgeschichte müssen dabei der Kontext des Auslegers und der Kontext des auszulegenden Textes in den Prozess der Auslegung mit einfließen und zugleich den kirchlichen Erfahrungszusammenhang berücksichtigen.239 Auf diese Weise finden sich die Kontexte zusammen in dem einen Kontext von „Gottes Nähe, im Anstehenden ansprechbar durch das biblische Zeugnis von der Gottesgeschichte“.240 Folglich ist die Aufgabe des Verstehens der biblischen Texte prinzipiell nicht abschließbar, da immer wieder neu der Kontext des Entstehens, der Kontext des Auslegers und seine kirchliche Bindung zusammenkommen.241 233 Mildenberger, Ökumenische Dogmatik, 130 f. Zu Mildenbergers Programm der Verschränkung von Theologie und Ökonomie (i. S. d. „Heilsveranstaltung Gottes“) vgl. Ders., Dogmatik (1), 230–248. 234  Mildenberger, Dogmatik (1), 274 f. 235   A. a. O., 277. 236 „Sie [die biblischen Texte] sollen vielmehr im dogmatischen Denkzusammenhang auf die aktuellen Fragen, wie sie durch die Dogmatik erarbeitet werden, ihre Sache sagen und so zur erfragten Antwort beitragen.“ A. a. O., 248. 237 Mildenberger, Ökumenische Dogmatik, 128. 238  Vgl. Abschnitt B 3.1.3.c). 239  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (1), 260. 240  A. a. O., 262. 241  Vgl. a. a. O., 263.

3. Friedrich Mildenberger

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Die Aufgabe der Biblischen Dogmatik ist für Mildenberger durch ihre Verortung in der Schnittmenge von Theologie und Ökonomie bestimmt.242 In seiner „Biblischen Dogmatik“ stellt er daher die Ökonomie als Theologie (Teil II) und die Theologie als Ökonomie (Teil III) dar.243 Durch dieser Verschränkung kommt er seiner eigenen Forderung nach: Vielmehr sollen die biblischen Texte selbst als Antwort auf die dogmatischen Fragen nachgesprochen werden. […] Die grundlegenden Fragen der dogmatischen Theologie sollen also ihre Beantwortung in der biblischen Ökonomie finden, wie umgekehrt die Fragen der dogmatischen Ökonomie in der biblischen Theologie ihre Beantwortung finden müssen.244 Dieses Anliegen spiegelt sich deutlich im Aufbau und den Topoi seiner dreibändigen Dogmatik. So setzt der erste Band unter dem Untertitel „Prolegomena: Verstehen und Geltung der Bibel“ nach einem grundlegenden Rekurs auf den Begriff der „einfachen Gottesrede“ ein mit der Diskussion um Ort und Ziel von Schriftauslegung, um im Anschluss das Wort Gottes und das biblische Sprechen zu entfalten. Den Abschluss des Bandes bilden „methodische Entscheidungen“ zur Verhältnisbestimmung von Theologie und Ökonomie, die Aufbau und Ziel der folgenden zwei Bände bestimmen. In den Prolegomena nimmt die hermeneutische Reflexion auf die Zeitlichkeit der Welt und die Geschichte, sowie auf Sprechen und Sprache als Erschließungsformen der (biblischen) Welt breiten Raum ein. Immer wieder kommt zudem die Bedeutung der biblischen Texte in den Blick (§ 1,2,4,8, 9, 11 und 12). Im zweiten Band entfaltet Mildenberger unter der Überschrift „Ökonomie als Theologie“ den Gottesbegriff, Anthropologie, die Zuwendung Gottes und den Gottesnamen. Der dritte Band reflektiert unter der Überschrift „Theologie als Ökonomie“ auf Eschatologie, Soteriologie, den Menschen Gottes, die Welt des Menschen und „Gott mit dem Menschen“.

3.3. Zwischenfazit Mildenbergers Überlegungen zur Schriftlehre und der Auslegung der Schrift sind gekennzeichnet durch den Versuch zu vermitteln und zu verbinden: Eng ist nicht nur die Verhältnisbestimmung der soteriologisch-pneumatologischen zur fundamentaltheologischen Beschreibung der Schrift  – sowohl im Blick auf die Frage nach dem Status als auch im Blick auf die Einheit der Schrift –, sondern auch das Verhältnis von Schrift, Tradition und Bekenntnis. Dieses verbindende Interesse setzt sich in der Bestimmung der Schriftauslegung zwischen Kirche und Wissenschaft, sowie in der Verhältnis- und Aufgabenbeschreibung der theologischen Disziplinen fort. Expliziter als die anderen untersuchten Po242 Theologie definiert er als „Konstitution der Wirklichkeit in Gott“, die Ökonomie als die „Restitution der Wirklichkeit durch Gott“ (a. a. O., 231). Während diese Verbindung in der Aufklärung auseinander gebrochen ist, findet sich in vielen modernen Dogmatiken der Versuch zur Verbindung (vgl. a. a. O., 231–240). Aus dieser Verbindung ergeben sich für ihn zwei „Nötigungen“: Erstens muss „dogmatische Reflexion selbst vielmehr […] in der Auslegung eines solchen Textzusammenhangs entfaltet werden“ und zweitens nötigen die biblischen Texte dazu, auch dogmatisch in der Ökonomie anzusetzen (a. a. O., 244 f ). 243   A. a. O., 245. 244   A. a. O., 247.

204 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen sitionen betont Mildenberger die Verbindung der fundamentaltheologischen und soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift: Beide sind sowohl in der Schriftlehre als auch in der Reflexion der Schriftauslegung eng aufeinander bezogen. Diese Zuordnung hat vielfältige Implikationen für die hier verhandelte Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik. Erstens kann die Schrift nach Mildenberger nur in einem wechselseitigen Bedingungs- und Begründungszusammenhang mit dem Glauben angemessen verstanden werden. Aus der Beschreibung der Schrift als Gnadenmittel im Zusammenhang von Soteriologie und Pneumatologie folgt seine Beschreibung der Schrift als Erkenntnisprinzip der Theologie, welche bis in die Verbindung von Glauben und wissenschaftlicher Theologie Konsequenzen zeigt, wie im Folgenden deutlich wird. Daraus folgt für Mildenberger zweitens, dass die Schrift nur dann sachgerecht verstanden wird, wenn sie den Kontext der Glaubenden, also die Kirche, mit bedenkt. Theologie kann deshalb für Mildenberger nur als kirchlich angebundene Theologie ihrer Sache angemessen betrieben werden. Dies wird besonders deutlich in Mildenbergers Beschreibung der einfachen Gottesrede: Diese zu ermöglichen ist für Mildenberger Ziel der theologischen Schriftauslegung auch in der Wissenschaft. Zugleich legt die Beschreibung der einfachen Gottesrede nahe, diese als ein pneumatisches Geschehen der Aktualisierung der Rede Gottes zu verstehen. Wie das pneumatische Geschehen im Kontext der Wissenschaft eingebunden sein soll, lässt Mildenberger offen. Methodisch folgt drittens, dass die an die Schrift gebundene Glaubenserfahrung als ein konstitutives Merkmal auch für die fundamentaltheologische Reflexion auf die Schrift beschrieben wird: So fordert Mildenberger, die religiöse Erfahrung in die Reflexion der fundamentaltheologischen Bedeutung der Schrift mit einzubeziehen. Auch hier lässt Mildenberger offen, wie diese Verbindung konkretisiert werden kann. Im Blick auf den zu untersuchenden Schriftgebrauch Mildenbergers ist zu fragen, inwieweit der Rekurs auf die glaubensschaffende Macht der Schrift in der Frage nach den Kriterien einer anwendungsbezogenen Schriftauslegung zur Geltung kommt. Diese enge Verbindung von soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Beschreibung der Schrift bildet für Mildenberger eine schrifttheologische Begründung des kirchlichen Bezugs der Theologie: Gerade weil die Schrift in all ihren Dimensionen nur im pneumatologisch-soteriologischen Zusammenhang sachgerecht  – nach Mildenberger folglich dem Evangelium gemäß – verstanden wird, gibt es keine theologische Auslegung der Schrift und somit keine Theologie außerhalb dieses Zusammenhangs und folglich außerhalb des Glaubens und der Kirche. Daneben begründet Mildenberger die Verbindung von Theologie und Kirche historisch über den Bezug auf die Schrift und die wechselseitig verflochtene Auslegungsgeschichte.

3. Friedrich Mildenberger

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Zum Kirchenbegriff ist zunächst anzumerken, dass dieser kaum spezifiziert wird. Das verwundert gerade angesichts der postulierten Einheit der Schrift durch die faktische kirchliche Auslegung und Schriftpraxis.245 Der Ansatzpunkt bei der faktischen kirchlichen Schriftpraxis wird von Mildenberger nicht entfaltet, sodass weder der empirische Grund der entfalteten Beobachtungen zum Schriftgebrauch noch der theologische und argumentative Nutzen der empirischen Beobachtungen präzisiert werden kann. Zum Tragen kommt der Bezug auf die Kirche in der Schriftlehre vor allem in Mildenbergers Verhältnisbestimmung von Schrift, Bekenntnis und Tradition. Mildenberger bestimmt Tradition als eine verdichtete Form der Glaubenserfahrung eines kirchlichen sensus communis, die im Bekenntnis in Form von regulativen Sätzen ihren Niederschlag gefunden hat.246 Durch die parallele Beschreibung der Aufgabe und des Gegenstands der Theologie lässt sich sogar sagen, dass für Mildenberger die „immer schon verstandene Schrift“247 mit der Tradition nahezu in eins zu fallen scheint. Insofern die Schrift immer nur als Teil der Tradition greifbar ist – in Mildenbergers Worten als „immer schon verstandene Schrift“  – nivelliert sich der hermeneutische Unterschied zwischen beiden und beide werden als Formen des Handeln Gottes verstanden.248 Durch ihren gemeinsamen Bezug auf die „Sache der Schrift“ stehen die Bekenntnisse als Konkretion der Tradition und die Schrift in einem hermeneutischen Zirkel: Beide sind vom Geist inspiriert und Niederschlag religiöser Erfahrungen. Die Bekenntnisse können somit als auslegungsleitende Instanz der Schrift gelten, da und insofern sie selbst dem Maßstab des Evangeliums als Mitte und Sache der Schrift entsprechen. Aus diesen Bestimmungen ergeben sich nun für die Fragestellung dieser Studie zwei Folgerungen. Wenn Schrift und Tradition vom Christusgeschehen her als zwei Modi des Bezeugens verstanden werden, die sich gegenseitig auslegen, kann erstens auf der Ebene der Fundamentaltheologie nicht mehr vom sola scriptura gesprochen werden. Vielmehr muss – ausgehend vom solus Christus, bzw. vom Evangeliumsbegriff, wie im folgenden Abschnitt erläutert wird – Schrift, Tradition und Bekenntnis in gleichem Maß hermeneutische Funktion zugewiesen werden. Zweitens stellt sich die Frage nach dem Gegenstand der Dogmatik: Nach Mildenberger ist „das ‚Lehrganze‘ durch das ‚Schriftganze‘ zu bewähren“.249 Demzufolge wäre die Tradition selbst Gegenstand der Dogmatik  – was seiner Beschreibung und dem Anliegen der Biblischen Dogmatik widerspricht: Denn diese zielt ja eben darauf ab, Gegenwarts-

245 Vgl.

Abschnitt B 3.1.1.  Vgl. die Abschnitte B 3.1.3.c) und B 3.2.1. 247  Mildenberger, Dogmatik (1), 12. 248 Vgl. Abschnitt B 3.2.1. 249  Mildenberger, Dogmatik (1), 109. 246

206 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen deutung aus der Schrift zu entwickeln.250 Auch hier scheint Mildenberger einen hermeneutischen Zirkel vor Augen zu haben, in dem Tradition und Schrift in ihrem geteilten und zugleich dialektischen Bezug auf ihre Sache und ihrer Aneignung in der einfachen Gottesrede sich gegenseitig zum Maßstab werden, um so der dogmatischen Gegenwartsdeutung zu dienen. Im Blick auf die von Mildenberger festgehaltene Rede vom Schriftprinzip muss daher festgehalten werden, dass Mildenberger weniger ein Schriftprinzip als vielmehr ein „Sachprinzip“, verstanden als ein Prinzip der einfachen Gottesrede oder Evangeliumsprinzip, im Gegenüber zu Schriftganzem, Tradition und Bekenntnis vertritt. Diese Beschreibung wird in den folgenden Abschnitten zur Einheit der Schrift und ihrer Autorität erläutert. Die Identifikation der Sache der Schrift ist ebenso spannungsvoll wie zentral für Mildenberger. Die Bedeutung dieser Sache ergibt sich zum einen aus der Stellung im Gegenüber zum Schriftganzen, der Tradition und den Bekenntnissen: Gegenüber der Tradition und den Bekenntnissen ist nicht die Schrift als Ganze, sondern eben die „Sache“ der Schrift. Zum anderen ist die Sache der Schrift entscheidend für die theologische Schriftauslegung in den wissenschaftlichen Disziplinen, da die Valenz theologischer Schriftauslegung nach dem Kriterium der „Sachhaltigkeit“ entschieden werden soll.251 Stellt man die Beschreibungen dieser Sache nebeneinander, wird deutlich, dass diese durchaus facettenreich, wenn nicht widersprüchlich bestimmt wird: Die Sache der Schrift wird auf der einen Seite mit dem Evangelium von Jesus identifiziert – und somit äquivalent zur Mitte der Schrift bestimmt – und auf der anderen Seite als „Biblische Geschichte in ihrer Gegenwartsmächtigkeit“ beschrieben – und damit auf die Frage nach der Einheit der Schrift bezogen.252 Beide können nur aus der Perspektive des glaubenden Rezipienten der biblischen Texte erkannt werden. Als Evangelium wiederum wird die Sache der Schrift nach Mildenberger in den Bekenntnissen in den genannten drei Grundentscheidungen differenziert, die als „Verdichtungen“ des Evangeliums zu verstehen sind.253 Das Verhältnis des Evangeliums zur „biblischen Geschichte“ hingegen ist nicht so eindeutig zu bestimmen: Für Mildenberger liegt die Kontinuität der Bibel in der darin bekannten Geschichte Gottes und seines Gemeinschaftswillens. In diesem Verständnis der biblischen Geschichte als Bekenntnis findet Mildenbergers Forderung nach einer gläubigen Schriftauslegung ihren theologischen

250 So formuliert Mildenberger dann auch einige Seiten später als Aufgabe der Dogmatik, „gegenwärtiges Verstehen auf seine Übereinstimmung mit den kirchlichen Grundentscheidungen hin zu prüfen und im Zusammenhang dieser Grundentscheidungen zu begründen“. A. a. O., 276. 251  Vgl. Abschnitt B 3.2.2. und den folgenden Abschnitt zur theologischen Enzyklopädie. 252  Mildenberger, Verhältnis, 433. Vgl. die Abschnitte B 3.1.3. und B 3.2.3. 253  Mildenberger, Dogmatik (1), 269. Vgl. Abschnitt B 3.1.3.c).

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Grund: Denn nur als Bekenntnis wird die in der Schrift bezeugte Geschichte sachlich richtig verstanden.254 Versucht man, die Bestimmungen der Sache der Schrift zusammen zu lesen, zeigt sich ein spannungsvoller Zusammenhang zwischen der Sache der Schrift im Evangelium und seinen Verdichtungen in den Bekenntnissen und der kontinuitätsstiftenden und dennoch pluralen Geschichte Gottes, die in der Bibel bezeugt wird. Mildenberger selbst expliziert diese Spannung nicht. Angesichts der Weite der möglichen Verdichtungen des Evangeliums in den Bekenntnissen scheint Mildenberger das Evangelium nicht als Kern der biblisch bekannten Gottesgeschichte herauszuheben, sondern davon auszugehen, dass alle Elemente der in der Schrift bekannten Geschichte Gottes als Evangelium zu verstehen sind. Mildenbergers Ansatz lässt sich dann als eine an der Gottesgeschichte orientierte Neuinterpretation der evangeliumszentrierten Mitte der Schrift beschreiben. Der Begriff des Evangeliums wäre folglich als auslegungsleitende Instanz sehr weit gefasst  – was bereits in Mildenbergers Ausführungen zum Zusammenhang von Altem und Neuem Testament deutlich wird.255 Dann ist angesichts der Diversität der biblischen Geschichten jedoch zu fragen, wie diese als Kriterium im Sinne der „Sachhaltigkeit“ der Schriftauslegung zum Tragen kommen kann. Diese Frage wird auch in der Untersuchung des Schriftgebrauchs zu berücksichtigen sein. Spannungsvoll ist auch die Beschreibung der Mitte der Schrift. Auf der einen Seite wird diese von Mildenberger explizit mit Jesus Christus in eins gesetzt, den Mildenberger „as the authoritative and final revelation of God“ als Grundlage des christlichen Glaubens beschreibt.256 Zugleich betont Mildenberger, dass die Mitte der Schrift nicht fixiert ist, sondern sich im Hören der Schrift als aktuelle Anrede in der Gegenwart ereignet.257 Zu fragen ist hier nach dem Zusammenhang dieser Erfahrung – im Anschluss an Mildenberger terminologisch als „Evangelium“ gefasst – und Jesus Christus, sowohl dem auf der Textebene bezeugten Christus als auch der Person Jesus von Nazareth. Die Mitte der Schrift als Evangelium ist in den Ausführungen Mildenbergers nur selten auf die Person Jesu Christi bezogen und noch seltener zeigt sich ein Interesse an der historisch bezeugten Person. Im Vordergrund steht vielmehr der Erfahrungsbezug, den Mildenberger bereits im Blick auf die Bekenntnisse festgehalten hat. Die Mitte der Schrift ist nach Mildenberger nicht primär ein Ankerpunkt der Schriftauslegung, sondern Gegenstand religiöser Erfahrung, der in der ein254 Vgl. Abschnitt B 3.1.3.b). Nicht vertieft werden kann hier der unscharfe Begriff der Geschichte bei Mildenberger, die die Unterscheidung zwischen story und history weder expliziert noch beachtet. Seine Abgrenzungen gegenüber geschichtstheologischen Ansätzen zeigen eine Tendenz seines impliziten story-Konzepts, sind aber nicht ausgearbeitet. 255  Vgl. Abschnitt B 3.1.3.b). 256  Mildenberger, Unity, 391. 257  Vgl. Abschnitt B 3.1.3.

208 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen fachen Gottesrede Ausdruck findet. Als Inhalt der einfachen Gottesrede liegt die Einheit und Mitte der Schrift dann auf der Ebene des Rezipienten. Dadurch verschärft sich zum einen die Anfrage an die kriteriologische Leistungskraft der Mitte der Schrift, soll diese nicht allein auf der Erfahrungsebene verbleiben, sondern – wie Mildenberger fordert – als interdisziplinäres Kriterium theologischer Enzyklopädie zur Geltung gebracht werden. Zum anderen wird deutlich, dass eine solche Beschreibung des Evangeliums außerhalb oder zumindest neben den biblischen Zeugnissen liegt und damit nicht nur ihrer textlichen Verankerung entzogen, sondern auch enthistorisiert wird.258 Durch diesen Fokus auf die Schriftrezeption ist die Frage nach der Einheit und Mitte der Schrift eng mit dem kirchlichen Gebrauch der Schrift als Ort der einfachen Gottesrede verbunden. Denn die Einheit der Schrift ist für Mildenberger nicht aus der Mitte der Schrift zu rekonstruieren, sondern gründet in deren gegenwärtigem Gebrauch als dem Ort, wo die Mitte der Schrift erfahren wird.259 Zugleich ist die Einheit der Schrift Notwendigkeit und Voraussetzung des praktischen Gebrauchs und durch die liturgische Textauswahl de facto Grundlage der Anwendung der Schrift. Um diese Einheit zum Ereignis werden zu lassen, ist auch hier das Hören der Schrift von entscheidender Bedeutung, welches in Form einer Nacherzählung der biblisch bezeugten Geschichte Gottes für und auf uns hin geschehen soll. Die Einheit der Schrift ist zugleich an den dreieinen Gott als „Kontext des Verstehens“ zurückgebunden und durch die „Einheit des Geschehens“ der Schrift begründet, welche für Mildenberger in der Geschichte Gottes besteht. Hier lässt sich eine parallele Spannung zur Beschreibung der Mitte der Schrift beobachten: Die Einheit der Geschichte Gottes liegt auf der einen Seite explizit auf der Ebene der sich in diese Geschichte einhörenden Rezipienten und wird auf der anderen Seite auch auf der Textebene zwischen Altem und Neuem Testament angedeutet. Hier identifiziert Mildenberger eine Kernaufgabe und Voraussetzung der biblischen Theologie, welche durch die Verhältnisbestimmung der pluralen Texte zueinander die normative Festlegung bewahrt, dass die Schrift ihren Grund in der bezeugten Sache hat.260 Diese doppelte Perspektiven auf die Einheit der Schrift  – ausgehend vom einheitlichen Schriftgebrauch und vom sachlichen Grund der Einheit in der Gottesgeschichte  – werden von Mildenberger gleichermaßen beschrieben, ohne dass eine Gewichtung erkennbar wäre. Einheitlicher Schriftgebrauch und Schrifteinheit bilden zwei Seiten der gleichen Medaille, ohne dass Mildenberger den unterschiedlichen hermeneutischen Status als theologische oder empirische Aussage thematisiert. In seiner Argumentation

 Vgl. weiterführend die Abschnitte B 5.1.2. und C 1.1., sowie C 4.2.  Vgl. Abschnitt B 3.1.3. 260  Vgl. Abschnitt B 3.2.4.2. 258 259

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kommt dem empirischen Argument dann jedoch erhöhte Bedeutung zu, welches jedoch die Einheit der Schrift nur postulieren kann.261 Deutlich wird aus dieser Reflexion auf Mildenbergers Überlegungen zur Sache, Einheit und Mitte der Schrift, dass die unterschiedlichen Beschreibungsebenen nicht scharf voneinander getrennt sind: Auffallend ist, dass die Ebene des Bezeugten und des Zeugenden bei Mildenberger nicht immer trennscharf voneinander abgrenzbar sind. Auch Textebene und Inhaltsebene, sowie biblischer Text und Kanon sind oft ineinander verwoben. Auf welcher Ebene eine Mitte oder Sache der Texte beschrieben wird, bleibt unklar. Erkennbar ist ein deutlicher Vorrang der Ebene der rezipierenden pneumatischen Aneignung der Texte. Aus der Verhältnisbestimmung von Schrift, Tradition und Bekenntnis ergab sich der Schluss, dass von Mildenberger vielmehr ein „Sachprinzip“, verstanden als ein Prinzip der einfachen Gottesrede oder Evangeliumsprinzip, denn ein Schriftprinzip beschreibt. Folgt man der vorgeschlagenen Lesart einer an der Gottesgeschichte orientierten Ausweitung der christozentrischen Sache der Schrift zeigt sich, dass dieses als Evangeliumsprinzip präzisiert werden muss, in das der sich der Glaubende einschreibt und das als einfache Gottesrede angeeignet werden kann. Dieses Evangeliumsprinzip soll die Weite des biblischen Zeugnisses wahren und zugleich die Einheit der Schrift verteidigen. Diese gründet in der Mitte der Schrift, welche sich im Hören der Schrift als Evangelium ereignet. Diese Umformung ist für die Leitfrage der vorliegenden Studie insofern von besonderer Bedeutung, als Mildenberger die Konstitution der Autorität und Geltung der Schrift im Evangelium begründet. Die Autorität der Schrift ist nach Mildenberger nur im konkreten Hören erfassbar und somit ein unverfügbares Werk des Heiligen Geistes und inhaltlich durch das Evangelium bestimmt. Die Autorität der Schrift ist somit ebenso ein Geschehen der Gegenwart als Zusammentreffen von christologischer und pneumatologischer Zeitbestimmung wie das Evangelium selbst. Folglich bestimmt Mildenberger die Schriftinspiration selbst als ein Kommunikationsgeschehen, welches der lebendige Geist als Teil des pneumatologisch-soteriologischen Zusammenhangs wirkt. Die Schrift als Heilige Schrift ist nicht nur historischer Text, sondern „autoritative Vermittlung des grundlegenden Geschehens“ in Jesus Christus.262 Mildenberger betont an dieser Stelle die Bedeutung der historischen Person Jesus Christus, da die Autorität der Schrift an dem hängt, den sie bezeugt. Offen bleibt jedoch, wie diese Verbindung gedacht wird, wie im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt. Auch hier ist das Verhältnis des Bezeugten zum Zeugen von Mildenberger nicht klar

261  So argumentiert er z. B.: „Die angewandte Schrift leitet dazu an, die anzuwendende Schrift in ihrer Einheit zu verstehen.“ Mildenberger, Gegenläufigkeit, 63 f. 262  Mildenberger, Theorie, 51. Vgl. Abschnitt B 3.2.3.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

zueinander bestimmt. Zwei Anschlussfragen ergeben sich aus Mildenbergers Überlegungen zur Schriftautorität. Mildenbergers Beschreibung der Autoritätskonstitution im Hören der Schrift wirft erstens die Frage nach der Bedeutung des Hörenden auf. Mildenberger ist an dieser Stelle zurückhaltend: Zwar betont er wiederholt, dass die Sache der Schrift nur im Hören erfassbar ist und somit Schriftautorität nur im Hören konstituiert werden kann, jedoch warnt er zugleich davor, die Bedeutung des Hörers zu stark herauszustellen.263 Er betont vielmehr die Notwendigkeit der Aneignung des Evangeliums durch die Nacherzählung der biblischen Geschichte. Zugleich schreibt er, dass im gegenwärtigen Gebrauch in der Kirche die „Verbindlichkeit stiftende Macht der biblischen Texte“ erfahrbar wird.264 Erkennbar und wirksam wird die Autorität der Schrift daher nur in der gegenwärtigen Bezeugung des autoritätsstiftenden Grundes. Auch hier fallen in der Darstellung die Ebenen des Bezeugten und des Zeugnisses stellenweise ineinander. Es handelt sich daher nicht explizit um eine rezeptionsorientierte Schrifthermeneutik. Zugleich ist die Bedeutung der Aneignung der Texte in der einfachen Gottesrede für Mildenberger kaum zu überschätzen. Mildenbergers Autoritätsbegriff hat zweitens im Blick auf die zu Beginn aufgezeigte enge Verbindung der fundamentaltheologischen und soteriologischpneumatologischen Dimension der Schrift wesentliche Konsequenzen für die Schrifthermeneutik: Die Autorität der Schrift für den Glauben – unbestreitbar eine Wirkung des Geistes – lässt sich nicht von der Autorität der Schrift für die Theologie trennen. Die Schrift ist für Mildenberger nicht per se ein absolutes Erkenntnisprinzip, kein principium cognoscendi, sondern immer Teil des pneumatologisch-soteriologischen Zusammenhangs und gründet somit im geistgewirkten Kommunikationsgeschehen.265 Für die Theologie folgt daraus, dass diese nur in enger Verbindung zum Glauben heraus betrieben werden kann, da die Schrift nur im Geist angemessen ausgelegt werden kann.266 Was dies für die Überlegungen zur Schriftauslegung im Kontext wissenschaftlicher Theologie bedeutet, kommt in den folgenden Abschnitten in den Blick. Nach Mildenberger setzt die Theologie Gegenwart und Schrift zueinander ins Verhältnis, indem sie die innere Kohärenz der Theologie, ihre Verständlichkeit für heute und ihre Übereinstimmung mit ihrer Grundlage, dem Evangelium, prüft.267 Kriterien der Theologie sind folglich ihre Schriftgemäßheit und ihre Anwendbarkeit.268 Aus dieser Aufgabenbeschreibung und der damit verbundenen

263 Vgl.

die Abschnitte B 3.1.2. und B 3.1.3. Schriftauslegung, 159. 265  Vgl. weiterführend die Abschnitte C 1 und C 4.2. 266  Vgl. die Abschnitte B 3.2.1., B 3.2.3. und B 3.2.4. 267 Vgl. Abschnitt B 3.2.1. 268  Vgl. Abschnitt B 3.2.4. und Mildenberger, Randbemerkungen, 26; Ders., Theorie, 78. 264 Mildenberger,

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Differenzierung der theologischen Disziplinen ergeben sich drei Anfragen im Blick auf die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik. Spannungsvoll ist erstens Mildenbergers Bestimmung des Gegenstands der Theologie: Zwar nennt Mildenberger die Schrift als primäre Quelle der Theologie, dies wird jedoch durch den oben umrissenen engen Zusammenhang von Schrift, Tradition und Bekenntnis verunklart. Auf der Grundlage der Überlegungen zur Sache der Schrift (und analog der Tradition und des Bekenntnisses), müsste der Gegenstand der Theologie eben in dieser Sache, also dem Evangelium und seiner Aneignung in der einfachen Gottesrede, bestehen. Tradition und Bekenntnis wären dann ebenso Gegenstand der Theologie, wie Traditionsgemäßheit und Entsprechung zu den Bekenntnissen Kriterien theologischer Redlichkeit bilden müssten. Dies wird von Mildenberger jedoch nicht gefordert. Diese Spannung verschärft sich durch den Blick auf die Kriterien theologischer Arbeit: Neben den schon genannten Kriterien der Schriftgemäßheit und Anwendbarkeit betont Mildenberger das Kriterium der „Sachhaltigkeit“ – ohne das Verhältnis zur Schriftgemäßheit explizit zu klären.269 Bereits angesprochen ist zweitens die spannungsvolle Verbindung von Theologie und Glauben: Weil die Schrift nur im pneumatologisch-soteriologischen Zusammenhang sachgerecht  – das bedeutet: dem Evangelium gemäß  – verstanden wird, gibt es nach Mildenberger keine theologische Auslegung der Schrift und somit keine Theologie außerhalb dieses Zusammenhangs und folglich außerhalb des Glaubens. Eine rein historische Schriftauslegung, die diesen Zusammenhang nicht wahrt und die Sache der Schrift nicht anerkennt, ist  – so folgert Mildenberger explizit  – daher keine Theologie. Abgesehen von der terminologischen Unschärfe des Theologiebegriffs270 ist dazu folgendes anzumerken: Zunächst bleibt in erkenntnistheoretischer Hinsicht unklar, was genau unter Glauben verstanden werden kann: Wenn Mildenberger diesen als Interesse an der Sache und Hermeneutik des Einverständnisses beschreibt, impliziert dies sogleich eine soteriologisch-pneumatologische Ergreifung des Theologen oder der Theologin? Seine Erörterungen des Verhältnisses von Glauben, Denken und Verstehen legen zudem nahe, dass diese für Mildenberger in eins fallen.271 Mildenberger selbst verweist auf die Schwierigkeit dieser Forderung, da diese im Widerspruch zur Unverfügbarkeit des Glaubens steht:272 Das geistgewirkte Kommunikationsgeschehen ist ein unverfügbares Geschehen und daher nur schwer mit der Forderung einer methodisch kontrollierten wissenschaftlichen Theologie zu verbinden. Die Folgen dieses Widerspruchs lässt er hingegen offen.  Vgl. Abschnitt B 3.2.2.  Vgl. den folgenden Absatz. 271  Vgl. Abschnitt B 3.2.4. Eine differenzierte Unterscheidung dieser Zugänge findet sich beispielsweise bei Schlink, vgl. Abschnitt B 1.2.1. 272  Vgl. Abschnitt B 3.2.4. 269 270

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Verbunden ist damit drittens die Frage nach der konstruktiven Bedeutung pneumatischer Schriftinterpretation in der theologischen Schriftauslegung anzuschließen: Was genau diesen pneumatischen Leseprozess von anderen Lesarten unterscheiden, ob hier von einer inspiratio lectoris gesprochen werden kann und wie mit divergenten pneumatisch geleiteten Schriftinterpretationen umgegangen werden soll, bleibt offen.273 Daran schließt sich eine vierte Frage an, die mit den beschriebenen Kriterien der Schriftauslegung verbunden ist: Wenn die Mitte oder Sache der Schrift Kriterium der Schriftauslegung ist, diese aber nur im Glauben erkennbar ist, also auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene besteht und von der Beschreibung der Schrift als Heilsmittel ausgeht, wie schlägt sich dieses Kriterium auf der fundamentaltheologischen Ebene für die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik nieder? Und in welchem Verhältnis steht dieses Kriterium zur Vorordnung der kirchlichen Schriftauslegung, die Mildenberger beschreibt? Anschließend an die Differenzierungen zwischen der fundamentaltheologischen und der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift, die bei Schlink und Pannenberg heraus gearbeitet wurden, ist in Mildenbergers Argumentation ein nicht reflektierter Ebenenwechsel zu beobachten: Die Beschreibungen der Schrift werden allein im Blick auf die Schrift als Heilsmittel entfaltet – ihre Leistungskraft für die von Mildenberger eingeforderte Bedeutung als fundamentaltheologisches Erkenntnisprinzip wird jedoch nicht diskutiert. Im Anschluss ist fünftens zu präzisieren, wo und durch wen die Verbindung zwischen diesen Ebenen nach Mildenberger geleistet werden soll. Dargestellt wurde, dass Mildenberger dazu wiederholt auf die Kirche verweist. Die Spannung scheint dann, und so legt es auch die Beschreibung des ersten Spannungsfeldes der Theologie nahe, zwischen den unterschiedlichen Anbindungen der Theologie zu bestehen: Auf der einen Seite steht die anwendungsbezogene, geistgewirkte und normative Lesart der Schrift in der Kirche und auf der anderen Seite eine wissenschaftliche Lesart in der universitären Theologie. Mildenbergers Überlegungen gerade zur Aufgabe der Dogmatik machen jedoch deutlich, dass er diese ebenfalls als Teil eines normativen und anwendungsbezogenen Geschehens macht, wie es die Beschreibung des zweiten Spannungsfeldes deutlich macht. Insofern scheint die Spannung innerhalb der Theologie zu liegen und somit in der Person des Theologen oder der Theologin zu kulminieren, wie dargestellt wurde. Mildenbergers Zurückhaltung hinsichtlich der Bedeutung des Schriftrezipierenden im Blick auf die Autoritätskonstitution der Schrift selbst lässt vermuten, dass diese Zurückhaltung auch im Blick auf die Theologie gelten soll. Andernfalls droht eine argumentative Figur, die an die Diskussionen um die Würde des Sakramentsspenders in der Alten Kirche erinnert. Anders gesagt: Ob 273  Vgl. die Diskussion um die Bedeutung der Erfahrung für die Schriftinspiration in diesem Abschnitt.

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eine theologische Aussage im o.g. Sinn theologisch ist, kann nicht am Schriftrezipienten hängen, sondern sie muss denselben pneumatologischen Kommunikationszusammenhängen unterliegen, die für das Hören auf die Schrift im Allgemeinen gelten.274 Sie unterliegt dabei derselben Offenheit und Unverfügbarkeit – sowohl auf Seiten des Glaubenden als auch auf Seiten eines möglichen Betrachters. Damit ist zudem ein enzyklopädisches Problem angesprochen: Unklar bleibt, wie sich die Forderung einer pneumatischen Schriftauslegung zu der von ihm vorgenommenen Differenzierung theologischer Fragerichtungen verhält. Handelt es sich um eine weitere Fragerichtung oder die Grundlage aller anderen Fragestellungen? Wie wäre diese dann enzyklopädisch zu verorten? Der uneinheitliche Gebrauch des Adjektivs „theologisch“ verunklart diese Frage weiterhin. Damit ist eine weitere terminologische – und sachliche – Unschärfe angesprochen: Die Beschreibung und Abgrenzung der Theologie und ihrer Disziplinen.275 Mildenberger verwendet den Begriff „theologisch/Theologie“ sowohl deskriptiv – zur Beschreibung der de facto bestehenden theologischen Disziplinen, inkl. der historischen und exegetischen Fächer  – als auch programmatisch  – äquivalent zur Forderung einer „gläubigen Theologie“ als Schriftauslegung im Geist. So wird einerseits die Theologie in der Differenzierung ihrer Fächer und Fragestellungen als solche beschrieben, andererseits dient die Charakterisierung als „theologische Frage“ der Abgrenzung von „historischen Fragen“. Mildenberger ist insgesamt mehr an der programmatischen Beschreibung der Theologie gelegen, denn an der deskriptiven Zuordnung – auch wenn diese Perspektiven stellenweise verschränkt sind. In seiner programmatischen Beschreibung unterscheidet Mildenberger historische und theologische Fragerichtungen. Er setzt die theologischen Fragen mit dogmatischen Fragen gleich und qualifiziert diese als normative Fragestellungen verbunden mit dem kirchlichen Schriftgebrauch. In diesem Sinne beschreibt er dogmatische Fragen als theologische Fragen im Sinn seiner Programmatik. Verbindet man diese Beschreibung mit seinen deskriptiven Beschreibungen, so tritt eine Unschärfe in Mildenbergers Wissenschaftsbegriff zu Tage: Während er einerseits Kriterien wissenschaftlicher Theologie beschreibt, nutzt er den Begriff wissenschaftlicher Schriftauslegung in der Beschreibung der exegetischen 274 Dies müsste dann jedoch in derselben Weise auch für die anderen theologischen Disziplinen gelten: Wenn z. B. die empirisch-kritische Reflexion für Mildenberger Teil der Theologie ist, so muss sich diese auch im pneumatologisch-soteriologischen Zusammenhang konstituieren. Bliebe diese – im Unterschied zu den auf die Schrift bezogenen Disziplinen – allein dem Kriterium der Anwendung und nicht den Kriterien der Sachhaltigkeit und Schriftgemäßheit verpflichtet, kann auch diese nur schwer im o.g. Sinn als Theologie begriffen werden. Vgl. weiterführend zum Zusammenhang der Disziplinen Abschnitt C 3.3. 275  Vgl. die Abschnitte B 3.2.1. und B 3.2.3.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Disziplinen äquivalent zu historischer Schriftauslegung.276 Zu fragen ist zum einen, ob damit impliziert ist, dass die Dogmatik mit ihren normativen Fragestellungen für Mildenberger nicht als wissenschaftliche Theologie zu verstehen ist. Zum anderen ergibt sich dieselbe Frage für die biblischen Fächer, die sich nicht allein auf historische Fragestellungen fokussieren. Mildenbergers thetische und apologetische Formulierungen sowie seine Forderung, die persönliche Betroffenheit durch den Text sei mit den Erfordernissen wissenschaftlicher Standards vereinbar, überzeugen ebenso wenig wie sein knapper Hinweis auf die nötige Verschränkung pneumatischer und historischer Exegese. An dieser Stelle ist eine erhebliche Schwäche von Mildenbergers Beschreibung erkennbar, die vor allem den impliziten Ebenenwechseln zwischen soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Beschreibung der Schrift geschuldet ist. Zwei Probleme des normativen Theologiebegriffs wurden im Zusammenhang der gläubigen Schriftauslegung bereits entfaltet, auf ein drittes Problem muss nun hingewiesen werden: Ist die Theologie mit der Verhältnisbestimmung von Gegenwart und Schrift  – und zu ergänzen: Tradition und Bekenntnis  – befasst, so ist die Analyse und Interpretation beider Pole als theologische Aufgabe zu begreifen. Mildenberger deutet dies an, wenn er davon spricht, dass die Fragerichtungen und Reflexionsstufen nicht einzelnen Disziplinen zuzuordnen seien, führt diese Andeutung jedoch in seiner stellenweise karikaturesken Darstellung der Disziplinen nicht durch. Daraus folgt entweder, dass auch die Gegenwartsanalyse im soteriologisch-pneumatologischen Zusammenhang zu geschehen hat, oder, dass beide Pole sowohl im o.g. Sinn theologisch als auch mit anderen Methoden untersucht und interpretiert werden können. Mildenbergers Anmerkungen zur empirisch-kritischen Reflexion zeigen eine deutliche Tendenz für die zweite Option. Diese These ist am Schriftgebrauch Mildenbergers zu überprüfen und wird dann noch einmal aufgegriffen.277 Für diese Deutung spricht der Eindruck, dass Mildenbergers eigenes Programm einer biblischen Dogmatik mehr Gemeinsamkeiten mit der eben skizzierten Weiterführung aufweist als mit seiner eigenen enzyklopädischen Programmatik. In diesem Programm kulminieren viele der skizzierten Probleme, wie im Folgenden dargestellt wird. Seine Forderung eines „geistlichen Verstehens“ der Schrift, das sich selbst im „Einverständnis des Glaubens“ in die Geschichte Gottes eingebettet weiß, äußert Mildenberger wiederholt und besonders vehement in seiner Abgrenzung gegen rein historisch arbeitende biblische Theologie.278 Mildenberger bezeichnet sein Vorhaben als „pneumatische Schriftauslegung“, bei welcher die historischkritische Untersuchung als Voraussetzung zur Verständigung über die „Sache“  Vgl. Abschnitt B 3.2.1.b). und z. B. Mildenberger, Theologie, 279.  Vgl. Abschnitt B 3.5. 278  Vgl. Abschnitt B 3.2.3. 276 277

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dient und Anwendbarkeit und wörtliches Verstehen auf diese Weise verbunden werden. Mögliche Einwände gegen diese Form der Exegese werden zwar genannt, jedoch kaum diskutiert.279 Diese Forderung lässt jedoch jegliche Konkretion vermissen: Die methodischen Folgen werden ebenso wenig beleuchtet wie eine Definition des „geistlichen“ Verstehens oder einer dogmatisch-normativen Frage geboten wird.280 Die Vereinbarkeit dieses Zugangs mit dem wissenschaftlichen Standard wird postuliert, aber ebenso wenig argumentativ eingeholt. Stattdessen fordert Mildenberger eine biblische Theologie als kirchliche Schriftauslegung, welche sich in eine Kontinuität des Verstehens eingebunden weiß.281 Die oben genannten Kritikpunkte hinsichtlich der nötigen Konkretion, der Anbindung an den wissenschaftlichen Standard und der Definitionen lassen sich hier nur wiederholen. Auch die Dogmatik ist nach Mildenberger konstitutiv auf den Glauben bezogen: In der Reflexion auf den Glauben vermittelt sie zwischen Schrift, Kirche und den religiösen Erfahrungen der Gegenwart.282 Insbesondere die Tradition hebt Mildenberger hervor: Denn die Dogmatik prüft, wie sich Lehrganzes der Kirche und Schriftganzes zueinander verhalten und aneinander ihre Einheit und Kohärenz erweisen. Auch diese Hinweise bleiben sehr unscharf, insbesondere zum Verhältnis von Schrift und Tradition zueinander und zu den genannten anderen Kriterien der Theologie. Seine Überlegungen führt Mildenberger in seinem Programm der Biblischen Dogmatik zusammen.283 Diese soll die biblische Theologie und die Dogmatik verbinden und von beiden Disziplinen verantwortet werden – auch wenn Mildenberger diesen Anspruch mit seiner Entfaltung in der „Biblische[n] Dogmatik“ selbst nicht einlöst. Insgesamt bleibt in seinen Überlegungen zu den Bibelwissenschaften offen, worin deren konstruktiver Beitrag für die gemeinsame Aufgabe besteht, die er beschreibt. Die vier von ihm genannten Denkschritte der biblischen Dogmatik zur Verbindung der Disziplinen lassen zudem einen Bezug zu den in der Enzyklopädie ausgeführten Reflexionsstufen vermissen. Gemäß der bereits skizzierten Aufgabe der Theologie, soll diese die Schriftauslegung als Aktualisierung im Blick auf die Gegenwart betreiben und somit zugleich dem entsprechen, was Schrift selbst sein will. Offen bleibt hier der an anderen Stellen wiederholt hervorgehobene Konnex von Schrift, Tradition und Bekenntnis. Auch der Begriff der Aktualisierung ist unscharf: Weder problematisiert er, ob dies tatsächlich das genuine Anliegen aller biblischen 279 Vgl.

Abschnitt B 3.2.1.  Vgl. zu dieser auffälligen Fehlstelle auch Roloff, Exegese, 34. Roloff entwickelt aus dieser Beobachtung eine an Mildenberger anschließende exegetisch grundierte Methode zur Predigtvorbereitung. Vgl. a. a. O., 46–48. 281  Vgl. die Abschnitte B 3.2.1. und B 2.4. 282 Vgl. Abschnitt B 3.2.4. 283  Vgl. Abschnitt B 3.2.5. 280

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Texte ist, noch wird klar, was genau aktualisiert werden soll. Zugleich steht der Begriff in gewisser Spannung zu der geforderten Nacherzählung der biblischen Texte und der Beschreibung, sich in die Geschichte Gottes einzubetten: Diese impliziert ein fortlaufendes Geschehen und Handeln Gottes, in das sich der Glaubende einschreiben kann, während der Begriff der Aktualisierung die Reaktivierung von etwas bereits Abgeschlossenem suggeriert. Mildenbergers Überlegungen zur Wirkungsgeschichte implizieren, dass er in dieser Spuren der Geschichte Gottes zu entdecken meint und auf diese Weise historische und geistliche Exegese verbinden kann, ohne dass diese Überlegung weiter ausgeführt werden. Als Gegenstand der biblischen Dogmatik nennt Mildenberger die einfache Gottesrede, womit ein weiterer Grundbegriff seiner Theologie zur Sprache kommt.284 Wie bereits dargelegt, definiert Mildenberger die einfache Gottesrede als Bezug des Anstehenden auf Gott hin und verortet sie in der Kirche. An anderer Stelle wird die einfache Gottesrede selbst als „Erfahrungszusammenhang“ bezeichnet und mit dem Hören auf das Wort Gottes verbunden.285 Die einfache Gottesrede wird wie das verstehende Hören des Wortes Gottes als Überschneidung von Gegenwart und Gotteszeit verstanden. Insgesamt bleibt der Begriff jedoch unscharf: Weder Subjekt noch Adressat dieser Rede werden benannt, das Verhältnis dieser Gottesrede zu den genannten Bezeugungen des Wortes Gottes in Schrift, Tradition und Bekenntnis bleibt offen und der konkrete Ort dieser Rede in der Kirche ist ebenfalls unklar. Fragt man vor dem Hintergrund der Schriftlehre nach den Spezifika, die sich aus der Rekonstruktion von Mildenbergers Schriftlehre und seinen Überlegungen zur Schriftauslegung für den Schriftgebrauch ergeben könnten, sind folgende Punkte von Interesse. Erstens ist zu fragen, wie sich dabei das Kriterium der Sachhaltigkeit im Sinne einer „evangeliumsorientierten“ Deutung, die Einheit der Gottesgeschichte als Voraussetzung aller Schriftauslegung und das Kriterium der Anwendbarkeit auf den Schriftgebrauch auswirken. Verbunden damit legt die differenzierte Darstellung verschiedener theologischer Fragerichtungen nahe, dass diese für den eigenen Schriftgebrauch fruchtbar gemacht werden und der Schriftbezug auf den Ebenen der dogmatisch-normativen, historisch-kritischen und empirisch-kritischen Ebene zur Geltung gebracht wird. Im Blick auf Mildenbergers Überlegungen zur Autorität der Schrift ist zweitens interessant, ob und inwiefern sich dieser im Schriftgebrauch niederschlägt: Wie stellt sich in der dogmatischen Reflexion die Geltung der Schrift dar und wie findet sie Niederschlag? Drittens lenkt die geforderte programmatische Verbindung der biblischen Theologie und Dogmatik in der Biblischen Dogmatik den Blick auf eine interdis284 Vgl.

Abschnitt B 3.1.1.  Mildenberger, Dogmatik (1), 95.

285

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ziplinäre Arbeitsweise im Ansatz selbst, dessen Konkretion in der Untersuchung des Schriftgebrauchs und des Gebrauchs exegetischer Forschungsliteratur, sowie eigener exegetischer Auslegungen in den Fokus kommt. Blickt man auf die von Mildenberger in Anschlag gebrachten pluralen Quellen der Theologie und ihrer Interpretamente, so wäre darüber hinaus interessant, wie die Nebenordnung von Schrift, Tradition und Bekenntnis sich auch in Bezugnahmen auf der Textebene niederschlägt. Dieses Verhältnis zu analysieren, überschreitet jedoch Gegenstand und Ziel der vorliegenden Untersuchung.

3.4. Schriftgebrauch bei Mildenberger Die folgende Untersuchung zeichnet den Schriftgebrauch Mildenbergers in zwei ausgewählten Kapiteln der „Biblische[n] Dogmatik“ nach und wertet die Beobachtungen unter den in der Einführung genannten Perspektiven aus.286 3.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl Zum Themenfeld Abendmahl wird Mildenbergers Argumentationsgang im dritten Abschnitt von § 19 der Biblischen Dogmatik untersucht, in dem er sich mit dem Gottesdienst und dem Abendmahl auseinandersetzt. Mildenberger beginnt den Abschnitt mit zwei Vorbemerkungen. Erstens erinnert er an den pneumatologischen Gesamtzusammenhang des Themas und zweitens an „die Bestimmtheit des ganzen leibhaftigen Menschen durch das Glaubensgeschehen“.287 Dann wendet er sich dem Abendmahl und seiner Einbindung in den Gottesdienst zu.288 Im Abendmahl wird nach Mildenberger die  Vgl. zur Auswahl der Kapitel und den Leitfragen Abschnitt A 3.3. Dogmatik (2), 236. 288 Mildenberger verweist hier auf seine Überlegungen zum Abendmahl in § 9 „Die Zeit und das Wort Gottes“ der Biblischen Dogmatik. Hier führt Mildenberger im ersten Abschnitt unter der Überschrift „Überlegungen zur ‚Realpräsenz‘ Christi im Abendmahl als Verstehensmodell“ in die Debatte um die Realpräsenz und Vergegenwärtigung Christi ein und kommt zu dem Schluss, dass „die sakramentale Gegenwart Christi dazu nötigt, das übliche Wirklichkeitsverständnis zu durchbrechen“ (Mildenberger, Theologie [1], 207). Das Abendmahl hat für Mildenberger „Modellcharakter“, die Regeln der Ontologie außer Kraft zu setzen (a. a. O., 208). Nach einem kurzen Vergleich der liturgischen zu den neutestamentlichen Einsetzungsworten beschreibt Mildenberger die Hingabe Jesu im Abendmahl als „Gegenwart des heilsamen Geschehens“ (a. a. O., 209). In dieser werden „die Zeiten versammelt“ (a. a. O., 210): Die Vergangenheit wird zur Gegenwart der Feier der Nähe Gottes, die an den äußeren Akt des Essens und Trinkens gebunden ist (vgl. a. a. O., 211). Die Einsetzungsworte sind für Mildenberger daher eine Verkürzung des Geschehens, das auf seine Konkretion im „Außen“ angewiesen ist (a. a. O., 212). Mildenberger wendet sich dann im folgenden Abschnitt dem „biblische[n] Sprechen als Sprache“ zu und überträgt den skizzierten Modellcharakter des Abendmahls auf das Evan286

287 Mildenberger,

218

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

theologische Zeitbestimmung hergestellt, indem das „Jetzt der Feier“ und Jesu Mahl „zusammengeschlossen“ werden.289 Für den gottesdienstlichen Vollzug ist dabei das Moment der Unterbrechung von besonderer Bedeutung: Der „heilige Ort“ und die „heilige Zeit“ unterbrechen die räumliche und zeitliche Kontinuität durch den Verweis auf die Nähe Gottes.290 Ausgehend von dieser Überlegung geht Mildenberger im Folgenden der Konkretion dieser Nähe im Licht der paulinischen Aussagen zum Abendmahl in 1 Kor nach. Voraussetzung ist für Mildenberger die „Ausgrenzung der Feiernden“, die als Tempel und somit als Ort der Nähe Gottes, sowie – zur Beschreibung 1 Kor 1,2 zitierend – als „Geheiligte“ bezeichnet werden.291 Mildenberger zitiert zur Begründung der Tempelmetapher 1 Kor 3,16 und 2 Kor 6,16 f in einer Fußnote. 2 Kor 6,4–7,1 bestimmt Mildenberger im Anschluss an Lang als „unpaulinische[n] Einschub“, ohne diesen in der weiteren Argumentation aufzugreifen.292 Mildenberger begründet seine Beschreibung zudem mit Verweis auf 1 Kor 6,19, wo Paulus auch einzelne Christen als Tempel bezeichnet, und stellt fest, dass die Beschreibung als Tempel ausschließlich in paränetischen Zusammenhängen steht.293 Er nennt die Parallelität zum alttestamentlichen Gottesvolk und Paulus’ Betonung der ethischen Implikationen der Gottesnähe, ohne diese Verweise mit Textstellen zu verbinden.294 Mildenberger rekonstruiert sodann die paulinische Argumentation. Ausgangspunkt ist die These, dass die Gemeinschaft mit Gott im Gottesdienst keinen „Freibrief für das Heil“ darstellt, worin Mildenberger die Parallelität zum Wüstenzug Israels erkennt, wie in 1 Kor 10,1–13 anklingt – diese Verse sind im Folgenden Gegenstand der Auslegung.295 1 Kor 10,11 zitierend und auslegend führt Mildenberger aus, dass die allgemeine Mahnung von Paulus als Mahnung vor dem Götzendienst konkretisiert wird, da Gottesdienst Teilhabe an Christus bedeutet.296 In einer Fußnote merkt Mildenberger an, dass damit die Gefährdung des sündigen Volkes durch Gott, welche alttestamentliche Texte wie Ex 33 beschreiben, von Paulus paränetisch aufgenommen wird.297 Zur Begründung der gottesdienstlichen Teilhabe und Gemeinschaft mit Gott zitiert Mildenberger gelium und die Gottesrede (a. a. O., 212–218), bevor er sich im letzten Abschnitt von § 9 dem „Zusammensprechen von Zeit und Gott in der Auslegung der Bibel“ zuwendet (a. a. O., 218–224). 289 Mildenberger, Dogmatik (2), 237. 290  Ebd. 291  Ebd. 292 Ebd. Mildenberger verweist auf Lang, Korinther (1986). 293 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (2), 237. 294  Vgl. ebd. 295  A. a. O., 238. 296  Vgl. ebd. 297 Vgl. ebd. Mildenberger verwendet zur Bezeichnung der Bücher des Pentateuch die deutschen Namen 1.–5. Mose. In der Darstellung wird die Bezeichnung der Terminologie der vorliegenden Studie angepasst.

3. Friedrich Mildenberger

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1 Kor 10,16–17 und betont noch einmal die Analogie zu Israel durch ein Zitat von 1 Kor 10,18.298 Zur Interpretation der Sühnopfer zieht Mildenberger Lev 6,17–7,7 heran, die er auslegt um das Abendmahl als das Hochheilige zu beschreiben.299 Zur ergänzenden Beschreibung werden zudem Lev 6,18.22; 7,1.6.11 f genannt. Mildenberger erinnert an die Grundlegung dieser Aussonderung in der Taufe und begründet diese Beschreibung mit Zitaten von Röm 6 und 1 Petr 2,9 f.300 Diese Abgrenzung muss nach Mildenberger „tätig anerkannt“ werden.301 Das Moment der Abgrenzung bildet für Mildenberger auch den Hintergrund für Paulus’ Anweisungen zur Feier des Herrenmahls: Weil die rituelle Unterbrechung – die Mildenberger mit einem Zitat von 1 Kor 11,26 begründet – nicht erkennbar ist, darf das Herrenmahl nach 1 Kor 11,20–21 nicht in der Versammlung der Gemeinde gefeiert werden.302 Paulus’ Anweisungen zielen nach Mildenberger darauf, diese „Ausgrenzung“ wahrzunehmen und zu realisieren, um die Nähe Gottes heilsam und nicht als das Unheil zu erfahren, das im Zitat von 1 Kor 11,27–29 beschrieben wird.303 Entscheidend ist das diakrinein, das bedeutet nach Mildenberger: „die Unterbrechung wahrzunehmen“.304 Diese Unterscheidung ist für Mildenberger in einer doppelten Weise zu verstehen: Zum einen kann es 1 Kor 11,27 folgend auf die Abendmahlselemente und das Essen und Trinken bezogen werden, sodass die Besonderheit in der sinnfälligen Nähe Gottes besteht.305 Zum anderen verweist es auf den metaphorischen Gebrauch des Leibes Christi: Gottes Nähe ist so im Abendmahl verortet und verleiblicht.306 Die Trennung und Ritualisierung des Mahles ist daher für Mildenberger im Sinne dieser Unterbrechung folgerichtig.307 Es folgt ein zweiseitiger Exkurs zum Amtsverständnis in der lutherischen Tradition, an dessen Ende Mildenberger die Verlagerung der Ausgrenzung auf das Amt als unausweichlich und bereits in neutestamentlicher Zeit angelegt beschreibt.308 Trotzdem muss die Bedeutung des Geistes betont werden, wie er 1 Kor 12,2–3 auslegend ausführt: Hier wird auf die „Grenze der Geistwirksamkeit“ verwiesen und es ist das Christusgeschehen, das die uneindeutigen Geisterfahrungen identifiziert und die Gemeinschaft konstituiert.309 Einzelheiten der 298 Vgl.

ebd. ebd. 300  Vgl. ebd. 301 Ebd. 302  Vgl. a. a. O., 239. 303  Ebd. 304 Ebd. 305 Vgl. ebd. 306  Vgl. ebd. Mildenberger verweist zur Begründung auf Lang, Briefe (1986). 307  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (2), 240. 308  A. a. O., 243. Zum Hintergrund im Neuen Testament verweist Mildenberger auf Roloff, Amt (1978), ohne diesen in der Argumentation aufzugreifen. 309  Mildenberger, Dogmatik (2), 243. In einer Fußnote geht Mildenberger auf die strittige Frage ein, worauf sich die Verfluchung Jesu bezieht, und verweist dabei auf Conzelmann, Ko299 Vgl.

220 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Gottesdienst- und Gemeindeordnung bei Paulus möchte Mildenberger nicht ausführen – er nennt in einer Fußnote lediglich die Charismen in 1 Kor 12,28 ff und Röm 12,3–8, sowie die Liebesorientierung aus 1 Kor 13.310 Die Schriftbezüge haben dabei beschreibende Funktion. Abschließend finden sich wiederum zwei Anmerkungen: Erstens betont Mildenberger das Wirken des Geistes in allen Gliedern des Leibes Christi und zitiert begründend 1 Kor 12,26–27.311 Zweites verweist Mildenberger auf die in 1 Kor 14 erkennbare Wertung der Charismen: Da die Liebe und die Erbauung das Kriterium für ihren Einsatz sind, steht für Mildenberger der kommunikative Aspekt des Gottesdienstes im Vordergrund.312 Ausgehend von einem Zitat von 1 Kor 14,2–4 betont er, dass die Zuwendung Gottes sich in der gegenseitigen Zuwendung realisiert.313 Dabei kommen bei Paulus auch die Unmündigen und Ungläubigen in den Blick, zeigt Mildenberger gründend auf einem Zitat von 1 Kor 14,24–25.314 Mildenberger folgert daraus, dass das Gelingen der Kommunikation ein entscheidendes Kriterium für den Gottesdienst darstellt.315 3.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod Als anthropologische Kategorie wird der Tod am ausführlichsten in § 32 unter der Überschrift „Die Zeit des Menschen“ und dort insbesondere in Absatz 1 „Gott in der vergehenden Menschenzeit“ verhandelt. Das Thema Tod ist bei Mildenberger an vier weiteren Stellen seiner „Biblischen Dogmatik“ verortet und entsprechend unterschiedlich kontextualisiert: Zur Natürlichkeit des Todes äußert sich Mildenberger in einer Auslegung von Röm 5 im zweiten Band.316 Im dritten Band kommt die Endlichkeit des Menschen im Zusammenhang mit Überlegungen zur Zeitlichkeit in den Blick, die Frage nach der Natürlichkeit des Todes im Kontext der Christologie in den Überlegungen zur Schöpfungsmittlerschaft und Auferstehung Jesu Christi, sowie der soteriologische Zusammenhang von Tod und Sünde.317 rinther (1981). Mildenberger positioniert sich jedoch zu dieser Frage nicht und greift sie in der weiteren Argumentation nicht auf. 310  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (2), 244. 311  Vgl. ebd. 312  Vgl. ebd. 313 Vgl. a. a. O., 245. 314 Vgl. ebd. 315 Vgl. ebd. 316  Die Ausführungen finden sich in § 21 „Die Zeit zum Glauben“ in Kapitel 3.2 „Die Gnade als widerfahrende Zukunft“. Vgl. a. a. O., 334–335. 317  Sie finden sich in § 32 „Die Zeit des Menschen“ in Kapitel 1 „Gott in der vergehenden Menschenzeit“ (Mildenberger, Dogmatik [3], 324–331), § 35 „Die Schöpfungsmittlerschaft Jesu Christi“ in Kapitel 1 „Der von den Toten auferweckte Gekreuzigte als der Mittler der Schöpfung“ (a. a. O., 427–438) und in § 36 „Was der Mensch ist“ (a. a. O., 462–472).

3. Friedrich Mildenberger

221

In der Einführung zu § 32 verweist Mildenberger auf den konstitutiven Zusammenhang von Endlichkeit und Leiblichkeit.318 Ausgangspunkt ist die Gegenüberstellung einer beobachteten „subjektivistische[n] Tendenz zur Erhebung über die Zeit“ zu einer in der einfachen Gottesrede gründenden Verortung der Überlegungen in die Zeit.319 Diese Opposition spiegelt sich in seinem Zugang zum Thema Tod, das er als Thema der Erwählung und Zeitlichkeit aus Ps 90 und Koh, aber auch mit Bezug auf Eph entfalten möchte.320 Mildenberger beginnt mit der These: „Leibhaftiges Menschsein geht auf den Tod zu.“321 So beschreibt er die Grenze, die den Menschen von Gott trennt, weswegen das Nachdenken über den Tod zur Reflexion auf die Bezogenheit des Menschen auf Gott führt.322 Mildenberger wendet sich dazu zunächst dem Alten Testament zu. Die angeführten Zitate und Nennungen der biblischen Texte haben zumeist beschreibende Funktion. In den meisten Teilen des Alten Testaments wird nach Mildenberger die Fülle des Lebens von Gott erwartet und erbeten.323 Denn es ist nicht selbstverständlich, dass der Mensch „alt und lebenssatt“ stirbt, wie er Gen 25,8 und Hi 42,17 zitierend begründet.324 Eine solche Bitte um eine angemessene Zeit findet sich nach Mildenberger in der Gattung des Klagelieds, wie er mit einem exemplarischen Zitat aus Ps 102,24 verdeutlicht.325 Mildenberger unterstreicht die Parallelität der Dauer Gottes und der Dauer der menschlichen Geschlechterfolge ausgehend von einem Zitat von Ps 102,26–28.326 Nach einer kurzen Überlegung zur Übersetzung von „Dauer“ deutet Mildenberger die hymnischen Verse als Verbindung von göttlichem Handeln und menschlichem, in der

 Vgl. a. a. O., 323.

318

319 Mildenberger formuliert: „Wir tun also gut daran, in unsere Überlegungen zum Verstehen

der Bibel in der einfachen Gottesrede zumindest latent den Widerspruch gegen eine solche Erhebung über die Zeit einzubeziehen.“ Gegen ein solchermaßen „ortlos gewordenes Sprechen“ wendet Mildenberger ein: „Was hier vorzubringen ist, das muß sich erst recht eng an die biblischen Texte anschmiegen, um sowohl im Widerspruch wie in der Andeutung einer möglichen Position nicht ganz haltlos zu werden.“ Ebd. 320 Vgl. a. a. O., 324. 321  Ebd. Diese ist nach Mildenberger verbunden mit der Frage nach der Natürlichkeit des Todes. Vgl. Ders., Dogmatik (2), 334 f; Ders., Dogmatik (3), 258–263.427–438. 322 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 324. 323 Vgl. ebd. 324 Ebd. 325  Vgl. ebd. Es fällt auf, dass Mildenberger die Gattung des Psalms explizit erwähnt. In der Fußnote weist er auf die ungewöhnliche Verheißung für Zion im voranstehenden Vers hin und verweist auf Kraus, Psalmen (1961). Mildenberger gibt nur einen Kurztitel an, ohne auf den Langtitel zu verweisen. Ob Mildenberger daher die erste Auflage von 1961 vorlag oder eine der überarbeiteten späteren Auflagen, lässt sich nicht feststellen. 326  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 324.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

die Identität Gottes in der Veränderung der Welt deutlich wird.327 Ausgehend von Ps 102,29 macht er deutlich, dass die Menschen zu Gott gehören.328 Mildenberger wendet sich nun dem Gegensatz zu, in dem der sterbliche und sterbende Mensch Gott gegenüber steht.329 Dieser kann zu einer Klage über die Sterblichkeit werden, wie er im Folgenden – Ps 90 auslegend – ausführt.330 Mildenberger beginnt seine Auslegung mit Anmerkungen zu exegetischen Fragen zur Gattung, literarischen Integrität und dem Sitz im Leben: Der Psalm ist der Gattung nach ein Volksklagelied, dessen Einheit in der Forschung strittig ist.331 Nach Mildenberger kann Ps 90 jedoch nur in seiner Einheit mit v13–17 „adäquat interpretiert“ werden, weshalb er sich für die literarische Integrität von Ps 90 ausspricht ohne aus dieser Entscheidung explizite Folgerungen für die Argumentation zu formulieren.332 Zum Sitz im Leben merkt Mildenberger an, dass die Dichtung schon beim Entstehen ihren kultischen Sitz im Leben der Gattung verlassen hat, die Form des Formulars sich jedoch durchhält und die Texte häufig mit der Aufnahme in den Kanon im Gebrauch beweglicher werden – wie die Psalmen als Formen der Meditation und Reflexion zeigen.333 Mildenberger wendet sich dann einer traditionsgeschichtlichen Einordnung zu: Der Psalm ist in seiner Stellung zum Tod von israelischem Denken geprägt, das den Tod und die Toten getrennt von Gott vorstellt, weswegen Israel die Grenze zu den Toten respektieren soll.334 Begründend verweist Mildenberger für diese Aussage auf Jes 8,19–21, den er in einer Fußnote auslegt.335 Im Anschluss an diese Einordnung entfaltet Mildenberger eine versweise Auslegung von Ps 90. Die Auslegung des Psalmtextes beginnt mit einer formgeschichtlichen Einordnung der Überschrift, die er ohne Beleg zitiert: Diese ist nach Mildenberger einzigartig und der Bezug auf Mose betont das Gewicht des Psalms.336 Mildenberger verweist zur Einordnung auf die Beschreibung Moses als Verfasser, bzw. Sänger von Liedern in Ex 15,1 und Dtn 31,30.

327 Ebd. 328 Vgl.

a. a. O., 325.  Vgl. ebd. 330 Vgl. ebd. 331 Vgl. ebd. Mildenberger verweist hier in beschreibender Funktion auf Müller, Psalm (1984). 332 Mildenberger, Dogmatik (3), 325. Hier verweist Mildenberger beschreibend auf Müller, Psalm (1984) und in begründender Funktion auf Schreiner, Erwägungen (1978); Westermann, Psalm (1964). 333 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 325. Begründend zitiert Mildenberger hier von R ad, Wirken (1974). 334 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 325. Die Begriffe „Israel“ und „israelisch“, ebenso wie „jüdisch“ werden im Folgenden beschreibungssprachlich – und damit der Verwendung bei Mildenberger folgend – verwendet. 335  Vgl. ebd. 336  Vgl. a. a. O., 326. 329

3. Friedrich Mildenberger

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Zum Zitat von Ps 90,1 merkt Mildenberger an, dass diese Anrede in der Form der Gattung bleibt.337 Der folgende Vers bezieht sich nach Mildenberger nicht auf Heilstaten Gottes, sondern auf Gottes Dauer.338 Die Klage über das Menschsein ist für Mildenberger vergleichbar mit Hiob: Gott wird in seinem Tun angeredet, wie Mildenberger Ps 90,3 zitierend beschreibt.339 Zu Ps 90,3 findet sich in einer Fußnote ein Hinweis auf die Stilistik des Verses als synonymer Parallelismus. Diese Beschreibung wird nicht explizit in die Argumentation eingebunden, bereitet aber den Vergleich des menschlichen Lebens und der Dauer Gottes im folgenden v4 vor, den Mildenberger sodann zitiert.340 In den Zitaten von Ps 90,5–6 hebt Mildenberger das Gras als Metapher für die Vergänglichkeit hervor: Der Mensch vergeht und kommt wieder, worin der Psalmbeter Gottes Handeln erkennt.341 Diese Beschreibung ergänzt Mildenberger in der Fußnote mit Hinweisen zur literarkritischen Rekonstruktion mit einem Hinweis in illustrierender Funktion auf ähnliche Aussagen in 1 Kor 15,26.342 Dazu gehört auch das negative Handeln Gottes, also sein Zorn, wie Mildenberger Ps 90,7 zitierend darstellt.343 Dieser hat seinen Grund in der Sünde, führt Mildenberger Ps 90,8 zitierend weiter aus.344 Die Vergänglichkeit wird daher nicht nur beklagt, sondern ihr Grund wird genannt und anerkannt – so Mildenbergers Interpretation des Zitats von Ps 90,9.345 Die Metapher für die Vergänglichkeit des Lebens wird im Psalm durch einen Verweis auf die Dauer des Lebens ergänzt, führt Mildenberger Ps 90,10 zitierend weiter.346 Ps 90,11 beschreibt nach Mildenberger das Gegenüber zu Gott an und

337 Vgl.

ebd. ebd. In der Fußnote führt Mildenberger dazu eine alternative Übersetzung von Rads an und verweist – mit von Rad – auf die Ähnlichkeit zu Ps 74,11–17. Eine Belegstelle für von Rads Übersetzung gibt er nicht an, vermutlich steht der eine Seite vorher genannte Titel vor Augen, von R ad, Wirken (1974). 339 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 326. 340 Vgl. ebd. 341 Vgl. a. a. O., 327. 342 Vgl. ebd. Mildenberger verweist auf die Rekonstruktionen von v5a bei Kraus, Psalmen (1961); Strauss, Gott (1988). Mildenberger folgt Kraus’ Lesart ohne diese Wahl zu begründen. Diese Einordnung wird im Argumentationsgang nicht weitergeführt. 343  Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 327. 344 Vgl. ebd. In einer Fußnote verweist Mildenberger auf Müllers Interpretation der Nähe zu Hi (Müller, Psalm [1964]), die er jedoch als Überinterpretation zurückweist. 345 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 327. In einer Fußnote geht Mildenberger auf die Frage der Übersetzung des Verses bei Luther (ohne Beleg) und von Rad (von R ad, Wirken [1974]) ein. 346 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 327 f. Auch hier findet sich in einer Fußnote eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Übersetzung des Verses – Luthers Übersetzung klänge dabei für heutige Ohren zu positiv, „wenn wir dabei das protestantische Arbeitsethos eintragen“. Dieser Verweis – in der Formulierung vermutlich auf Max Webers Arbeiten bezogen – wird weder ausgeführt noch weiter in die Argumentation eingebracht. 338 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

drückt eine Einsamkeit aus, die nicht zur Gattung zu passen scheint.347 Mildenberger folgert aus diesem Vers, dass das über Gott Gesagte nicht allgemein akzeptiert wird, weswegen in Ps 90,12 eine Bitte  – gekleidet in eine weisheitliche Mahnung  – folgt: Die erbetene Weisheit liegt nach Mildenberger darin, den Zusammenhang zwischen der menschlichen Sünde und Schuld und dem Zorn Gottes zu erkennen.348 Da der Psalm mit dieser Bitte nicht endet, zielt dieser nach Mildenberger nicht auf die Beschreibung der Vergänglichkeit des Menschen ab.349 Vielmehr folgt in Ps 90,13 eine Bitte aus der Form des Volksklagelieds, die den Ausdruck aus v3 wieder aufnimmt und Mildenbergers Auslegung zufolge Abkehr und Zuwendung verknüpft. Mildenberger verweist hier auf die Anrede des Gottesnamens und eine ähnliche Struktur in Ps 46,6.350 In Ps 90,14–15 erkennt er eine Bitte um die Ermöglichung des Lebens, die er mit v2 verbindet.351 Das Ende von Psalm 90 in v16–17 beschreibt Mildenberger als Bitte um das heilsame Handeln Gottes.352 Mildenberger fasst abschließend seine Auslegung zusammen und fragt, ob die Abkehr und Zuwendung Gottes als Bruch oder als Wandel der Weisheit des Beters zu verstehen ist.353 Die in Ps 90,13 erbetene Umkehr des Menschenherzens wird nach Mildenberger in der positiven Wendung als Zuwendung Gottes im Zusammenhang mit Ps 90,11–12 erfahren.354 Sie beschreibt daher nicht die Überwindung eines Dualismus, wie er unter Verweis auf seine Auslegung von Röm 8,10–13 an anderer Stelle festhält, vielmehr ist Ps 90,16 als Aufforderung an Gott zu lesen, der nur scheinbar aus der Welt verschwunden ist.355 Aufgabe einfacher Gottesrede im Sinne Mildenbergers ist es daher, in diesem Sinne auf Werke Gottes hinzuweisen.356 3.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs Die exemplarischen Analysen von Mildenbergers Schriftgebrauch werden im Folgenden im Blick auf die eingangs genannten Leitfragen für die Untersuchung 347 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 328. Mildenberger verweist auf von R ad, Wirken (1974). 348 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 328. 349 Vgl. ebd. Seine Interpretation formuliert er explizit gegen Müllers Deutung des Psalms. Mildenberger bezieht sich auf Müller, den er in einer Fußnote mehrfach zitiert. Der Titel des zitierten Werkes wird jedoch nicht genannt. Vermutlich handelt es sich um den auf der vorherigen Seite genannten Titel Müller, Psalm (1964). 350 Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 329. 351 Vgl. ebd. In einer Fußnote setzt sich Mildenberger mit Luthers Übersetzung auseinander. 352 Vgl. ebd. 353  Vgl. ebd. 354  Vgl. a. a. O., 330. 355  Vgl. ebd. 356  Vgl. a. a. O., 331.

3. Friedrich Mildenberger

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des Schriftgebrauchs ausgewertet.357 Um diese nachvollziehen zu können, sind die Ergebnisse der Analysen des Argumentationsganges im Anhang tabellarisch dokumentiert.358 Die Analysen zeigen, dass Mildenberger sowohl in der Exposition und Verortung der untersuchten Themen als auch in den Argumentationen sehr ausführlich auf biblische Texte eingeht. Deutlich ist zum einen, dass die Einbindung der ausgewählten Themen Abendmahl und Tod innerhalb der Dogmatik durch die Auslegung einzelner Textpassagen oder -zusammenhänge geleitet wird. Beide Themen werden nicht – wie bei Schlink oder Pannenberg – in jeweils einem zusammenhängenden Kapitel verhandelt, sondern in unterschiedlichen Kontexten ausgehend von biblischen Texten in den Blick genommen.359 Zum anderen ist der Aufbau der Argumentation in den untersuchten Kapiteln von der Auslegung biblischer Texte geleitet. Sehr deutlich wird dies im untersuchten Abschnitt zum Tod: Ausgehend von einer theologischen Interpretation der anthropologischen Beschreibung, dass das Leben auf den Tod zu geht, entfaltet Mildenberger nach Überlegungen zur Dauer des menschlichen Lebens eine Auslegung von Ps 90. Der Abschnitt zum Abendmahl ist in seiner Denkbewegung stärker von einem systematisierenden Interesse an der Figur der Unterbrechung ausgehend von Überlegungen zur Zeit geprägt. 1 Kor 11 kommt in diesem Licht in den Blick, eingeführt durch eine Auslegung auch der ersten Kapitel des 1 Kor und im Kontext der Beschäftigung mit anderen biblischen Texten. In beiden untersuchten Textabschnitten ist somit eine enge Verflechtung von Schriftauslegung und dogmatischer Reflexion im Argumentationsgang erkennbar. Die argumentative Funktion der biblischen Texte prägt seine Argumentation so weit, dass zwischen der Auslegung der biblischen Texte und der dogmatischen Argumentation oft kaum unterschieden werden kann, wie später ausgeführt wird. Inwiefern dieses Vorgehen als Folge von Mildenbergers konzeptionellen Überlegungen zur Biblischen Dogmatik verstanden werden kann, wird im folgenden Fazit des Kapitels diskutiert. Formal ist dabei interessant, dass Mildenberger insbesondere im Kapitel zum Abendmahl sehr viele Bibelstellen zitiert.360 So bekommen die biblischen Verse auf der Textebene sehr viel Raum und zugleich wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Texten erleichtert. Allgemeine Verweise finden sich keine. 357 Erstens die Bedeutung der biblischen Bezüge in der Themenexposition und Argumentation, zweitens der genutzte working canon, drittens die Funktionen der einzelnen Schriftbezüge im Argumentationsgang, sowie viertens der Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur. Vgl. Abschnitt A 3.3.2. 358  Vgl. im Anhang Abschnitt III Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Friedrich Mildenberger. 359  Um die Argumentationsgänge in den Blick zu nehmen, war daher eine Abweichung von den thematischen Fokussierungen notwendig, um die Denkbewegung Mildenbergers nachzuzeichnen. Vgl. Abschnitt A 3.3.1. 360  Vgl. Anhang Abschnitt III.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Fragt man nach Mildenbergers working canon, so ergibt sich aus den untersuchten Abschnitten ein unterschiedliches Bild. Zum Thema Abendmahl nimmt Mildenberger mehrheitlich auf 1 Kor Bezug: 19 der insgesamt 29 biblischen Bezüge entfallen auf 1 Kor, dort bezieht er sich jedoch nur viermal auf die Ausführungen zum Abendmahl in 1 Kor 11. Daneben nimmt Mildenberger Texte in den Blick, die das Leben der Gemeinde oder die Frage nach der Heiligkeit der Gemeinde beschreiben.361 Viele andere Deutehorizonte des Abendmahls, die im bibelkundlichen Horizont skizziert wurden, kommen in der untersuchte Passage nicht in den Blick.362 Im Blick auf den working canon aus alt- und neutestamentlichen Texten zeigt sich im untersuchten Abschnitt zum Tod ein umgekehrtes Bild: Von den 35 Bezügen auf biblische Texte entfallen 33 auf alttestamentliche Texte und zwei Bezüge auf das Neue Testament. Letztere sind jeweils Verweise auf Parallelen der alttestamentlichen Beschreibung zum Neuen Testament und für die Argumentation nicht von herausgehobener Bedeutung. Hier schlägt sich numerisch die Tatsache nieder, dass der Abschnitt insgesamt eine Auslegung von Ps 90 bietet.363 Im untersuchten Textabschnitt steht thematisch der Zusammenhang von Leiblichkeit, Endlichkeit und Tod im Vordergrund, der aus dem Oberthema „Zeitlichkeit“ des Abschnitts resultiert. So kommt insbesondere die Deutungslinie des Todes als Grenze des Lebens in den Blick, der zugleich mit einer Gegenüberstellung von Mensch und Gott verbunden wird. Aus dieser Perspektive kommt auch der Zusammenhang von Tod und Sünde in den Blick. Auffallend ist der Fokus auf die Psalmen in dieser Frage.364 Von den vielfältigen biblischen Bildern greift Mildenberger die Metapher des Grases auf. 361  19 der 24 Verweise auf das Neue Testament beziehen sich auf 1 Kor, daneben finden sich je zwei Verweise auf Röm und 2 Kor, sowie ein Verweis auf 1 Petr. Die fünf Rekurse auf das AT beziehen sich auf den Heiligkeitsbegriff und verweisen einmal auf Ex 33 und viermal auf Lev 6–7. Vgl. Anhang Abschnitt III. 362 Diese Beobachtung gründet u. a. darin, dass Mildenberger sich an unterschiedlichen Stellen mit dem Abendmahl auseinandersetzt, jedoch nur eine Passage im Blick auf den Schriftgebrauch analysiert wurde. Aussagen über Mildenbergers Abendmahlsverständnis im Ganzen vor dem Hintergrund der biblischen Deutungshorizonte können daher aus dieser Beobachtung nicht abgeleitet werden. Vgl. zur Auswahl Abschnitt A 3.3.1. und zum bibelkundlichen Horizont Abschnitt A 3.3.3. 363 22 der alttestamentlichen Textstellen stammen aus Ps 90, der Gegenstand der Auslegung ist. Daneben finden sich sechs Bezüge auf Ps, drei Bezüge auf den Pentateuch und je ein Bezug auf Jes und Hi. Die neutestamentlichen Bezüge entfallen auf Röm und 1 Kor. Vgl. Anhang Abschnitt III. Weitet man den Blick auf die insgesamt fünf Abschnitte, in denen Mildenberger sich in der Biblischen Dogmatik mit dem Thema Tod auseinandersetzt, so zeigt sich, dass er fast alle biblischen Deutehorizonte einspielt. Vgl. dazu die einleitenden Zusammenfassungen in Abschnitt B 3.4.2. 364  Auch bei Schlink fiel die Bedeutung des Psalters für die dogmatische Reflexion auf das Thema Tod ins Auge. Die Bedeutung, die Pss für Schlink und Mildenberger für die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod hat, kann darauf hindeuten, dass das Thema Tod nicht als ein Abstraktum, sondern in seiner anthropologischen Grundbedeutung als Betroffener und daher in Auseinandersetzung mit Formen des Gebets in den Blick kommt. Dies kommt in den oft zitierten Klageliedern deutlich zum Ausdruck. Die Grundhaltung gegenüber dem Thema

3. Friedrich Mildenberger

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Eine durchgehende Gewichtung eines Kanonteils lässt sich bei Mildenberger in den untersuchten Abschnitten daher nicht feststellen. Diesen Eindruck bestätigt ein Blick in das Register von Mildenbergers „Biblische Dogmatik“: Hier sind insgesamt 2308 Verweise auf 1935 Bibelstellen ausgewiesen. Davon entfallen 1084 Verweise auf 913 Textstellen des Alten Testaments und 1224 Verweise auf 1022 Textstellen des Neuen Testaments. Auch innerhalb der Kanonteile zeigt sich eine breite Wahrnehmung der biblischen Texte: Mildenberger verweist auf 34 Bücher des Alten Testaments (auf Est, Obd, Zeph, Hag und Ruth finden sich keine Verweise) und auf 24 Bücher des Neuen Testaments (nicht verwiesen wird auf Tit, Jud und Phlm). Numerisch lassen sich deutliche Gewichtungen erkennen: Bei den alttestamentlichen Texten wird mit Abstand am häufigsten auf den Psalter verwiesen (195 Verweise auf 140 Textstellen), gefolgt von Gen (103 Verweise auf 82 Textstellen), Ex (88 Verweise auf 73 Textstellen) und Dtn (70 Verweise auf 63 Textstellen). Von den neutestamentlichen Texten wird am häufigsten Röm indexiert (329 Verweise auf 232 Textstellen). Mit großem Abstand folgen Mt (159 Verweise auf 138 Textstellen), Joh (109 Verweise auf 105 Textstellen) und Eph (99 Verweise auf 72 Textstellen). Vergleicht man die Rezeption der Evangelientexte zeigt sich eine Präferenz für Mt (159 Verweise auf 138 Textstellen) und Joh (109 Verweise auf 195 Textstellen), gefolgt von Lk (85 Verweise auf 81 Textstellen) und Mk (64 Verweise auf 61 Textstellen). Auch bei Mildenberger ist in der Rezeption der neutestamentlichen Texte ein deutliches Gewicht auf dem Corpus Paulinum erkennbar: Insgesamt finden sich 622 Verweise auf 479 Textstellen aus der paulinischen Tradition. Davon entfallen 490 Verweise auf 378 Textstellen aus den Protopaulinen (Röm, 1 Kor, 2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess) und 132 Verweise auf 101 Textstellen aus den Deuteropaulinen (Eph, Kol, 2 Thess, 1 Tim, 2 Tim, Tit). Die Bezugnahmen auf die unterschiedlichen Textgattungen und Kanonteile des Alten Testaments sind bei Mildenberger recht ausgewogen. Im Blick auf das Neue Testament ist ein Schwerpunkt bei den lehrhaften Texten der Briefliteratur erkennbar (716 Bezüge auf 557 Textstellen aus den Briefen, 441 Bezüge auf 407 Textstellen aus den Evangelien und der Apostelgeschichte und 67 Verweise auf 58 Textstellen aus Offb).

Auch im Blick auf die Funktionen der Schriftbezüge zeigt sich eine unterschiedliche Anlage der untersuchten Kapitel. Im Kapitel zum Abendmahl werden die biblischen Texte überwiegend in begründender Funktion angeführt oder beschreibend zur Ausführung der Argumente heran gezogen.365 Im Abschnitt zum Thema Tod ist die Mehrzahl der biblischen Bezüge Gegenstand der Auslegung.366 Die Auslegungen der biblischen Texte haben bei Mildenberger häufig zugleich heuristische oder begründende Funktion, da die dogmatische Argumentation so eng mit der Auslegung eines biblischen Textes verwoben ist, dass sie fast darin aufgeht: Als Gegenstand der Auslegung ist Ps 90 zugleich erkenntnisleitend, Tod, die von Seiten der biblischen Texte eingebracht werden soll, ist somit weniger abstrakt reflektierend als vielmehr klagend und mitleidend. Diese Vermutung bedarf weiterer Untersuchung. Vgl. weiterführend Abschnitt C 2.3.1. 365  So finden sich zehn Bezüge mit begründender, zehn Bezüge mit beschreibender und vier Bezüge mit heuristischer Funktion. Fünf Bezüge sind Gegenstand der folgenden Auslegung. Vgl. Anhang Abschnitt III. 366  22 Verweise sind Gegenstand der Auslegung. Vgl. Anhang Abschnitt III.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

bzw. -begründend, sodass die Bezüge zugleich beschreibende, begründende oder heuristische Funktion haben.367 Die anderen Bezüge werden zumeist zur Erläuterung von Ps 90 herangezogen, überwiegend in beschreibender Funktion, oft als Vergleichstexte oder weiterführende Belegstellen.368 Mit der engen Verschränkung von Schriftauslegung und dogmatischer Argumentation ist ein Spezifikum für die vierte Leitfrage nach den Bezügen auf exegetische Literatur und eigenen exegetischen Erwägungen verbunden. Dies wird besonders deutlich im untersuchten Abschnitt zum Tod: In der einführend beschriebenen Form lässt sich diese Leitfrage schwer anwenden, denn die Darstellung und Diskussion der dogmatischen Inhalte entfaltet diese aus den biblischen Texten heraus unter häufigem und engem Bezug auf exegetische Fragestellungen (z. B. Datierung der Texte, Gewichtung unterschiedlicher Überlieferungsstränge und Textzeugen, religionsgeschichtliche Zusammenhänge und -einordnungen etc).369 Exegetische Erwägung und dogmatische Argumentation lassen sich daher oft nur schwer voneinander trennen – in diesem Sinn können weite Teile der Biblischen Dogmatik als eine Form eigener Exegese betrachtet werden. Mildenberger zeigt in beiden untersuchten Textabschnitten ein breites Interesse an unterschiedlichen diachronen und synchronen Forschungsfragen: Form- und Gattungsgeschichte kommen wiederholt in den Blick, ebenso literarkritische Anmerkungen, traditionsgeschichtliche Fragen, Fragen der Übersetzung und Stilistik, dem Sitz im Leben oder der Einordnungen in die biblischen Corpora.370 Unklar bleibt jedoch oft, woraufhin diese Anmerkungen

367 Dies gilt sowohl für die 22 Bezüge auf Ps 90 als auch für die drei Bezüge auf Ps 102, der zu Beginn des Abschnitts ausgelegt wird. Vgl. Anhang Abschnitt III. 368 Mildenberger bezieht sich neunmal mit beschreibender Funktion, zweimal mit begründender Funktion und je einmal mit heuristischer und illustrierender Funktion auf biblische Texte. Vgl. Anhang Abschnitt III. 369 Dass dies auch für andere Teile der Dogmatik gilt, zeigte sich in der Rekonstruktion der Schriftlehre, des Dogmatik- und Exegeseverständnisses sowie des Theologiebegriffs Mildenbergers. Diese sind in ihrer Struktur angelegt wie das untersuchte Kapitel zum Thema Tod: Sie entfalten die dogmatische Argumentation in und durch die Auslegung eines biblischen Textes unter Einbeziehung exegetischer Fragestellungen und Literatur. Dies scheint in der Darstellung in Teil B 1 und B 2 stellenweise durch, wurde jedoch nicht im Blick auf die Argumentationsstruktur analysiert. Auch wenn keine detaillierten Analysen vorliegen kann zumindest festgehalten werden, dass Mildenbergers Vorgehen im untersuchten Kapitel zum Thema Tod kein Einzelfall ist, sondern durchaus einer verbreiteten Arbeitsweise in seiner Biblischen Dogmatik entspricht. 370  Im Einzelnen fragt Mildenberger nach Form- und Gattungsgeschichte (vgl. Mildenberger, Dogmatik [3], 324. 325. 326. 329; Ders., Dogmatik [2], 238); Literarkritik (vgl. Ders., Dogmatik [3], 325. 327; Ders., Dogmatik [2], 237); Traditionsgeschichte (vgl. Ders., Dogmatik [3], 325); Übersetzung und Stilistik (vgl. Ders., Dogmatik [3], 324. 326; Ders., Dogmatik [2], 243); Sitz im Leben (vgl. Ders., Dogmatik [3], 325); Einordnung ins Corpus Paulinum (vgl. Ders., Dogmatik [2], 237).

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oder Überlegungen angestellt werden – was also jeweils ihre Funktion ist. Eine argumentative Funktion ist auf der Textebene oft nicht zu erkennen.371 Begleitet werden diese exegetischen Erwägungen von Verweisen auf und der Auseinandersetzung mit exegetischer Literatur. In den Überlegungen zum Abendmahl finden sich vier Verweise auf drei Werke, die zweimal in beschreibender und jeweils einmal in begründender und belegender Funktion angeführt werden. Die Bezüge unterscheiden sich also im Blick auf ihre Funktion deutlich von den Bezugnahmen auf biblische Texte, da nur sehr wenigen Bezügen eine argumentative Funktion zukommt.372 Im untersuchten Abschnitt zum Tod finden sich zwölf Verweise auf fünf exegetische Titel. Diesen kommt an drei Stellen begründende Funktion im Kontext der Auslegung von Ps 90 und an neun Stellen beschreibende Funktion zu. Die exegetischen Titel entstammen den Jahren zwischen 1964–1988.373 Auffallend oft nimmt Mildenberger exegetische Debatten in den Fußnoten auf, ohne diese im weiteren Gang der Argumentation aufzugreifen. Die Funktion dieser Bezugnahmen bleibt daher ähnlich wie seine eigenen exegetischen Erwägungen unscharf.

371 Zu vermuten ist, dass eine Funktion jenseits der auf der Textebene erhobenen Bezüge und Funktionen – etwa der Ausweis vor dem wissenschaftlichen Fachpublikum oder das Ernstnehmen der historischen Dimension der Texte und ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung – im Hintergrund steht. Dass das keinesfalls die Regel in Mildenbergers Dogmatik sein muss, zeigt z. B. die Argumentation aus § 19, wo die exegetischen Erwägungen eine erkennbare heuristische oder begründende Funktion haben. Vgl. Fußnote 376 in diesem Kapitel. Zu den unterschiedlichen Dimensionen von Schriftbezügen in dogmatischen Texten vgl. C. 2.2. 372  Dieser Eindruck bestätigt sich, nimmt man § 19 insgesamt in den Blick: Mildenberger verweist auf insgesamt 31 exegetische Untersuchungen. Im ersten Unterkapitel verweist Mildenberger zwölfmal auf exegetische Literatur, im zweiten Unterkapitel finden sich hingegen 30 Verweise auf exegetische Forschungen. Im untersuchten dritten Unterabschnitt sind es lediglich vier Bezugnahmen auf exegetische Literatur. Die Mehrzahl ist in den 1960er bis 1980er Jahren entstanden. Die zu beobachtende Mehrheit von Untersuchungen zu alttestamentlichen Texten – es finden sich nur drei Untersuchungen, die ausschließlich zum Neuen Testament handeln – spiegelt das Verhältnis der Schriftverweise auf alt- und neutestamentliche Texte in § 19. Blickt man auf die Funktionen der Bezüge auf exegetische Literatur in § 19 insgesamt, wird deutlich, dass nur sechs der Bezügen eine argumentative Funktion zukommt. Davon haben drei Verweise eine heuristische Funktion und drei Verweise eine begründende Funktion. Die Verweise mit semantischer Funktion gliedern sich in 25 Verweise mit beschreibender Funktion, neun Verweise mit belegender Funktion und drei Verweise mit illustrierender Funktion. 373 Auch wenn die Analyse des dogmengeschichtlichen Hintergrunds nicht Thema dieser Studie ist, fällt ein Spezifikum bei Mildenberger ins Auge: Mildenberger bindet seine Argumentation auffallend oft und ausführlich an Denker der lutherischen Orthodoxie wie Hafenreffer oder Hollaz zurück. Die Linien seiner dogmatischen Bezüge zu analysieren, wäre eine weiterführende Forschungsaufgabe.

230 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

3.5. Diskussion Fragt man ausgehend von der Untersuchung des Schriftgebrauchs nach Mildenbergers Schriftlehre und seinem Verständnis von Schriftauslegung als Programm der Hauptschrift „Biblische Dogmatik“ zurück, so lassen sich folgende Verbindungslinien und Spezifika im Blick auf die Leitfrage der Studie nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik erkennen. In der Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs wurde deutlich, dass Mildenbergers Orientierung an den biblischen Texten sowohl die thematische Exposition und Verortung der Themen, als auch den Aufbau der Kapitel und die Struktur seiner Argumentation prägt: Die Verortung der avisierten Themen zeigt, dass sein Ansatz schon in der Gliederung und Darstellung der Dogmatik von einer an theologischen Themen oder Loci orientierten Gliederung differiert.374 Die in der Programmatik der biblischen Dogmatik geforderte Orientierung an biblischen Topoi und die Verzahnung von Schriftauslegung und dogmatischer Lehrbildung spiegelt sich auch im Schriftgebrauch: Die argumentative Funktion der biblischen Texte prägt seine Argumentation so weit, dass zwischen der Auslegung der biblischen Texte und der dogmatischen Argumentation oft kaum unterschieden werden kann. Die einführend differenzierten Funktionen des Bezugs auf die Schrift als Gegenstand der Auslegung und zur heuristischen oder begründenden Funktion im Blick auf die dogmatische Argumentation fallen daher bei Mildenberger weitestgehend ineinander. Insofern lässt sich festhalten, dass die Programmatik einer biblischen Dogmatik im Schriftgebrauch deutliche Spuren hinterlässt. Diese hermeneutische Grundlegung des Schriftgebrauchs zur Geltung zu bringen, liegt zugleich auf der Linie von Mildenbergers Gesamtkonzeption der „Biblische[n] Dogmatik“ in der Verschränkung von Theologie und Ökonomie. Anschließend an diese Beobachtung können auch Mildenbergers Beschreibung der Einbindung in die Geschichte Gottes: Die enge Verbindung von Schriftauslegung und dogmatischem  – und in diesem Sinn die Bekenntnisse reflektierendem – Sprechen lässt sich als Versuch beschreiben, die gegenwärtigen dogmatischen Fragen in die biblischen Texte einzuweben. Indem die Texte ausführlich zitiert werden und somit in die dogmatischen Überlegungen eingewoben werden, bilden sie einen zentralen Deutungshorizont der verhandelten Themen und ermöglichen dadurch, die eigenen Themen in diesem Rahmen zu lesen und zu reflektieren.375 Zu bedenken ist jedoch, dass Mildenberger dieses Konzept im Kontext des gläubigen Selbstverstehens und nicht für den Kon Vgl. Abschnitt A 3.3.1. hier die – bei Mildenberger stellenweise thetisch beschriebenen – sprachphilosophischen Überlegungen zur Dogmatik im Anschluss an Lindbeck durchklingen, wäre über diese Studie hinaus zu diskutieren. 374

375 Inwiefern

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text wissenschaftlicher dogmatischer Reflexion einführt. Ob dies angesichts der engen Verschränkung von soteriologisch-pneumatologischer und fundamental-theologischer Beschreibung der Schrift bei Mildenberger bedeuten kann, dass diese Figur auch auf die Dogmatik übertragen werden soll, bleibt offen. Da Mildenberger die Frage nach der hermeneutischen Grundierung seines Schriftgebrauchs selbst nicht aufwirft, lässt sie sich über diese Spurensuche hinaus nicht abschließend beantworten. Hier schließt sich die Frage nach dem Kriterium der Sachhaltigkeit im Sinne einer „evangeliumsorientierten“ Deutung der Einheit der Gottesgeschichte in der Schriftauslegung an, die im Zwischenfazit aufgeworfen wurde. Aus der Analyse des Schriftgebrauchs der Kapitel zum Abendmahl und zum Tod lässt sich eine evangeliumszentrierte Auslegung der biblischen Texte nicht erkennen. Im Gegenteil fällt vielmehr der unvermittelte Anschluss an alttestamentliche Aussagen ins Auge. Eine Erklärung hierfür könnte die Annahme der Einheit der Gottesgeschichte bilden, die implizit an einigen Textstellen zur Geltung kommt.376 In Folge lässt sich im Blick auf die im Zwischenfazit beschriebene Spannung zwischen dem Kriterium der Sachhaltigkeit und den Überlegungen zur Gottesgeschichte festhalten, dass aus dem Schriftgebrauch in den untersuchten Kapiteln eine stärkere Orientierung am Konzept der Gottesgeschichte erkennbar wird. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Mildenbergers Aussagen zum Evangelium und der Sache der Schrift auf der Ebene der Soteriologie und Pneumatologie verbleiben und  – in Spannung zu seinen Ausführungen zur geistgeleiteten Schriftauslegung  – keine kriteriologische Valenz für die Schriftauslegung entfalten. Dies schwächt die im Zwischenfazit herausgearbeitete Spannung zur hermeneutischen Bedeutung der – pneumatologisch begründeten  – Rede von der Mitte der Schrift ab und stellt zugleich die Frage nach dem von Mildenberger offen gelassenen konstruktiven Beitrag geistlicher Schriftauslegung für die theologische Schriftauslegung auf neue Weise: Wenn diese vor dem Hintergrund der untersuchten Kapitel nicht als eine an der Sache der Schrift orientierte Auslegung zu beobachten ist, ist weiterhin offen, welchen 376 Beispielhaft sei dies am thematischen Verlauf von § 19 insgesamt illustriert: Mildenberger nimmt die alttestamentlich bezeugten jüdischen Feste zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zu „Zeiten und Orte der Zuwendung Gottes“. Im ersten Abschnitt „Die besondere Zeit mit Gott“ (Mildenberger, Dogmatik [2], 210–220) beschreibt Mildenberger Feste und Festzeiten der jüdischen Gemeinde. Es folgt eine Reflexion auf den Ort der Nähe Gottes (a. a. O., 221–235): So legt Mildenberger gegen ein metaphysisches Gottesverständnis zunächst Joh 4,20–26 aus und kommt in Folge zu dem Schluss, dass Jesus selbst Ort der eschatologischen Zuwendung Gottes ist. Trotzdem hebt Mildenberger Jerusalem als Ort der Gegenwart Gottes hervor und begründet dies in einer Auslegung von Ps 42.43.87. Dabei kommt die Form und der Zusammenhang von Ps 42.43 ebenso in den Blick wie die geographische Verortung der Berge Misar und die Datierung, zu der Mildenberger auch die exegetische Kontroverse darstellt. Es folgt eine Auslegung von Ps 87, bevor er die Deutung des Ortes Gottes diskutiert. Dieser Zugang zeigt deutlich das Gewicht der gesamtbiblischen Überlieferung bei der Wahl der Ansatzpunkte und dem dogmatischen Denkweg von Mildenberger.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Bezug geistliche Schriftauslegung auf die Schriftauslegung in dogmatischen Reflexionen nehmen kann. Diese Lesart wird gestützt durch die Beobachtungen zur kirchlichen Orientierung der dogmatischen Ausführungen, die Mildenberger in der Frage nach der Anwendung eng mit der Sachhaltigkeit der Schriftauslegung verbindet. Obschon die kirchliche Orientierung der Schriftauslegung für Mildenberger das konstitutive Merkmal theologischer Schriftauslegung darstellt, ist die Orientierung an oder für die kirchliche Praxis hingegen in den untersuchten Kapiteln der Biblischen Dogmatik erstaunlich ambivalent.377 Eine Orientierung an der kirchlichen Anwendbarkeit seiner dogmatischen Erwägungen ist nicht unmittelbar feststellbar. Dies korrespondiert mit der Beobachtung aus dem Zwischenfazit, dass sowohl der Kirchenbegriff als auch der geforderte Ansatzpunkt bei der faktischen kirchlichen Schriftpraxis bei Mildenberger erstaunlich unbestimmt bleiben. Insofern liegt die nicht durchgehende kirchliche Orientierung in den untersuchten Kapiteln der Biblischen Dogmatik implizit durchaus auf der Linie seiner konzeptionellen Überlegungen. Die Frage nach der Sachhaltigkeit und (kirchlichen) Anwendung der Schriftauslegung ist verbunden mit der im Zwischenfazit markierten Grundfrage nach dem Verhältnis von soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Ebene im Blick auf die Autorität der Schrift: Soteriologisch-pneumatologische und fundamentaltheologische Beschreibung der Schrift müssen für Mildenberger zusammen gedacht werden. Dieser Zusammenhang lässt sich – wie in den Analysen der anderen Autoren – im Schriftgebrauch auf der Textebene weder abbilden noch methodisch einholen. Der bei Mildenberger beobachtbare enge und häufige Bezug auf biblische Texte kann daher nicht als Beleg oder Indikator für die von ihm geforderte geistliche Schriftauslegung angesehen werden – liegt diese Qualität doch auf einer anderen Ebene als die untersuchten Parameter des Schriftgebrauchs auf der Textebene. Wohl aber zeigt sie, dass die Autorität und Bedeutsamkeit dieser Texte für die dogmatische Reflexion vorausgesetzt ist: Während Mildenberger in der Schriftlehre die Schrift nicht per se als ein Erkenntnisprinzip versteht, sondern die Autorität der biblischen Texte nur im pneumatologisch-soteriologischen Zusammenhang verstanden werden kann, impliziert Mildenbergers Schriftgebrauch einen besonderen Status der biblischen Texte für den dogmatischen Erkenntnisgewinn – auch ohne explizite Rekurse auf die Wirkungen der Texte, den Glaubenden oder die Auslegungs377  Für das untersuchte Abendmahlskapitel wird dies besonders deutlich, nimmt man den Gesamtzusammenhang von § 19 in den Blick: Im ersten Abschnitt zu den Zeiten der Nähe Gottes bringt Mildenberger biblisch orientiert Überlegungen zum jüdischen Festkalender, Sabbatgebot und der Sabbatjahrbestimmung mit Überlegungen zu christlichen Festen und der Sonntagsruhe zusammen. Im zweiten Abschnitt wird ausführlich auf Jerusalem als Ort der Nähe Gottes reflektiert ohne gegenwärtiges kirchliches Leben zu bedenken. Der letzte Abschnitt zum Gottesdienst ist wiederum nah am kirchlichen Leben orientiert.

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gemeinschaft der Kirche. Die untersuchten Textabschnitte zeigen deutlich, dass der Schrift in den untersuchten Kapiteln ein Primat im Vergleich zu Tradition und Bekenntnis zukommt. Hingewiesen sei auf eine Lesebeobachtung, die explizit nicht Gegenstand dieser Studie ist: Feststellbar sind bei Mildenberger enge Bezugnahmen auf Tradition und Bekenntnis, die als Niederschlag der in der Schriftlehre ausgeführten Nebenordnung von Schrift, Tradition und Bekenntnis gedeutet werden können. Im Lesen wird deutlich, dass den biblischen Texten dabei quantitativ deutlich höheres Gewicht zukommt als den Bekenntnistexten und in den untersuchten Kapiteln die von Mildenberger herausgearbeiteten regulativen Sätze der Bekenntnisse für die Schriftauslegung leitend waren. Die im Zwischenfazit formulierte These eines hermeneutischen Zirkels zwischen Schrift und Bekenntnis im Blick auf Schrift- und Bekenntnisgebrauch quantitativ und im Blick auf ihre Funktionen zu analysieren, ist ein offenes Forschungsdesiderat nicht nur für Mildenbergers dogmatische Arbeit. Mildenberger scheint seine dogmatische Reflexion in diesen Raum des Glaubens und der Kirche dergestalt eingeordnet zu wissen, dass den Texten durch diese Verortung Autorität zukommt, die im Schriftgebrauch nicht expliziert werden muss. Offen bleibt damit zweierlei: Zum einen, an welcher Stelle diese Verortung anzusiedeln ist – ob institutionell durch die theologischen Fakultäten, in der Person der Theologin oder des Theologen oder an anderen Orten. Zum anderen sind die Implikationen des Rekurses auf die glaubensschaffende Macht der Schrift im Sinne der Wirksamkeit der Schrift für die Kriteriologie einer anwendungsbezogenen Schriftauslegung zu bedenken. Diesem Zusammenhang wird in Teil C der Arbeit weiter nachgegangen. Im Blick auf Mildenbergers Beschreibungen der theologischen Disziplinen und der von ihm differenzierten theologischen Fragerichtungen wurde im Zwischenfazit festgehalten, dass Mildenberger trotz – oder wegen – seiner Kritik an historischen Fragestellungen und der fehlenden konstruktiven Beschreibung der Exegese für die Dogmatik diese in der Zuordnung der Fragerichtungen miteinander verbindet. Dies spiegelt auch der Schriftgebrauch: Mildenberger bringt in den untersuchten Kapiteln Aussagen aus allen drei theologischen Fragerichtungen – dogmatisch-normativ, historisch-kritisch und empirisch-kritisch – ein, wenn auch in sehr unterschiedlichem Umfang.378 Erkennbar ist ein deutliches Interesse an exegetischen Fragestellungen auch historischer Art. Festhalten lässt sich also zweierlei: Auf der einen Seite steht die im Zwischenfazit vermutete disziplinübergreifende Arbeitsweise außer Frage, die sich vom Programm der biblischen Dogmatik her nahelegt. Zugleich überrascht diese angesichts 378  In geringerem Umfang lassen sich auch Ausführungen auf der empirisch-kritische Ebene finden. Anklänge darauf finden sich allein im ersten Abschnitt des Kapitels zum Abendmahl, wenn auf die gegenwärtige christliche Festpraxis eingegangen wird. Vgl. Mildenberger, Dogmatik (2), 214 f.

234 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Mildenbergers deutlicher Kritik an historischen Ansätzen und den fehlenden Überlegungen zum konstruktiven Potential historischer Fragerichtungen für die Dogmatik. Damit verbunden ist auf der anderen Seite die Beobachtung, dass nicht nur in den Überlegungen zur Schriftauslegung, sondern auch im Schriftgebrauch keine explizite oder implizite Methodik zur Verbindung der Fragerichtungen erkennbar wird: Biblische Texte und ihre Auslegung werden unterschiedslos in die Argumentation eingebaut. Zugleich stehen die Ergebnisse der historischen Diskussionen oft unverbunden neben der Argumentation, sodass die Konkretion der Verbindung von historischen Perspektiven und dogmatischer Urteilsbildung letztlich ausbleibt.379 Diese Frage wird ebenfalls in Kapitel C erneut aufgegriffen.

4. Ulrich H. J. Körtner Ulrich H. J. Körtner entwickelt ausgehend von seiner Wahrnehmung der Krise des (altprotestantischen) Schriftprinzips eine leserorientierte Reformulierung desselben.1 Im Rahmen dieser Neuformulierung bettet er seine Schriftlehre in Pneumatologie und Ekklesiologie ein und expliziert Folgerungen für die theologische Arbeit der Schriftauslegung. Diese ist für Körtner ein Grundvollzug der Theologie, die als hermeneutisches Unterfangen das (Selbst-) Verstehen in und mit der Schrift befördern soll. Dazu beschreibt er zum einen eine notwendige methodische Vielfalt innerhalb der Exegese und zum anderen einen engen Zusammenhang der systematisch-theologischen und exegetischen Fächer. Das Schriftverständnis Körtners konstituiert sich somit in enger Verflechtung von Schriftlehre und den Überlegungen zur Schriftauslegung: Denn das Verständnis der Schrift konstituiert sich im Akt des Lesens, also im Prozess der Interpretation und Auslegung der Schrift. Die im ersten Kapitel dargestellte Schriftlehre (4.1.) umfasst daher in Teilen eine Beschreibung seines Verständnisses von Schriftauslegung: Auf der Grundlage seiner Begriffsbestimmungen wird zunächst Körtners Perspektive auf das Schriftprinzip und seine Krise dargelegt 379  Hier zeigt sich ein Unterschied zu Schlink und Pannenberg, die stellenweise den historischen Erwägungen dogmatisches Gewicht einräumen. Mildenberger scheint einen umgekehrten Weg zu gehen, wenn er z. B. aus Gründen der interpretativen Logik für die Einheit von Ps 90 votiert. Vgl. Mildenberger, Dogmatik (3), 325. 1  Zu Körtners Schriftlehre und seinem Schriftverständnis gibt es – auch angesichts ihrer Aktualität – bislang wenig Sekundärliteratur. Seine Position wird in den zahlreichen Überblicken über die Debatte zur Schrifthermeneutik als Ansatz rezeptionsästhetischer Bibelhermeneutik vorgestellt (vgl. z. B. Hartlieb, Regel, 80; Lauster, Schriftauslegung, 196; Leonhardt, Skeptizismus, 267–277; Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip, 321 f ). Intensiv setzt sich Kinga Zeller in ihrer jüngst erschienenen Dissertation zu „Luthers Schriftverständnis in rezeptionsästhetischer Perspektive“ mit Körtners Ansatz auseinander. Vgl. Zeller, Schriftverständnis, insb. 177–196.218–224.

4. Ulrich H. J. Körtner

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(4.1.1.). In der begrifflichen Differenzierung von Bibel und Schrift hebt Körtner die Kanonizität und Einheit der Schrift als wesentliche Merkmale der biblischen Texte als Schrift hervor (4.1.2.). Die in der Rezeption der Schrift erkennbare Einheit ist für Körtner eng mit der Verhältnisbestimmung von Offenbarung, Wort Gottes und Schrift verbunden, die er als medientheologisches Problem spezifiziert (4.1.3.). Darauf folgt die Rekonstruktion von Körtners Begründung der Autorität der Schrift in seiner rezeptionsästhetischen Relecture der Wort-GottesTheologie (4.1.4.). Abschließend kommt die Auslegungsgemeinschaft der Kirche als primärer Ort der Schriftauslegung in den Blick (4.1.5.). Im zweiten Teil (4.2.) werden die spezifischen Aufgaben der theologischen Fächer im Blick auf diese Schriftauslegung skizziert: Ausgehend von Körtners Theologiebegriff und seinem Bezug zum Kanon (4.2.1.) wird das Verhältnis von Dogmatik und Exegese unter der Frage nach der Schriftauslegung beschrieben (4.2.2.). Dargestellt wird dann die Aufgabe der Dogmatik (4.2.3.) und der Exegese (4.2.4.). Abschließend kommt der Kanon als regulatives Prinzip der Schriftauslegung in den Blick (4.2.5.). Im Zwischenfazit werden diese Überlegungen zusammengeführt und diskutiert, sowie auf Implikationen für die Analyse des Schriftgebrauchs hin befragt (4.3.). Es folgt die Analyse des Schriftgebrauchs in Körtners Überlegungen zu Abendmahl und Tod (4.4.). Abschließend werden die Beobachtungen im Blick auf die Leitfrage nach dem Verhältnis von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch diskutiert (4.5.).

4.1. Körtners Schriftverständnis 4.1.1. Bibel, Schrift und die Krise des Schriftbegriffs Grundlegend für Körtners Schriftverständnis ist die Unterscheidung von Schrift und Bibel: Er differenziert zwischen „‚Bibel‘ als deskriptivem Begriff für die Sammlung der kanonischen, heiligen Texte des Christentums […] und ‚Heiliger Schrift‘ als normativem Begriff für die religiöse Geltung und den religiösen Gebrauch dieser Texte im Christentum“.2 Der Begriff der Schrift ist daher für Körtner konstitutiv mit der religiösen Applikation der Texte verbunden.3 Dieser dogmatisch-normative Schriftbegriff wurde in der Aufklärung und durch die historische Kritik in Frage gestellt.4 Dies führte nach Körtner zur „Krise des  Körtner, Arbeit, 104. Vgl. Ders., Schriftwerdung, 120; Ders., Glossa, 12. Körtner, Art. Schrift/Schriftprinzip IV, 525; Ders., Relevanz, 78. 4  Körtner begründet: „Anders als der deskriptiv-literaturgeschichtliche Begriff ‚Bibel‘ impliziert derjenige der S. Singularität, Normativität, Autorität und Kohärenz, welche nicht etwa in historischen Entwicklungen und kirchlichen Entscheidungen, sondern in Gott als dem eigentlichen Autor ihren Grund haben. Per definitionem aber kann die nachaufklärerische Ge2

3 Vgl.

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reformatorischen  – besser gesagt: des altprotestantischen!  – Schriftprinzips“.5 Der Kern von Luthers Schriftverständnis liegt erstens in der doppelten Struktur von claritas interna und claritas externa der Schrift als principium der Theologie, zweitens in der Einbettung der Schrift in das Geviert der solus-Formeln und drittens in der Zuspitzung der Theologie als Schriftauslegung, wodurch die Schrift nicht ein fundamentaltheologisches Thema unter anderen bildet, sondern sich als grundlegend für das Selbstverständnis der Dogmatik erweist.6 Eine Verkürzung von Luthers Schriftlehre bildet nach Körtner bereits die Formulierung der Konkordienformel, welche die Schrift auf ihre kriteriologische Funktion beschränkt.7 Weitergeführt wird diese in der Zuspitzung des Schriftprinzips zu einem Formalprinzip unter Trennung des Materialprinzips.8 Die fundamentale Bedeutung der Schrift und ihrer Auslegung wurde durch die historische Kritik in Frage gestellt, wobei die Inspirationslehre besonders im Fokus steht.9 Die Rede von einem Schriftprinzip führte zu weiteren Aporien.10 Neben dieser breit aufgearbeiteten Kritik nennt Körtner die Kritik an der Dominanz des Mediums Schrift, die vor allem von Seiten der Befreiungstheologien laut wird.11 Nötig sei zudem eine Neubewertung der Tradition unter Berücksichtigung der Einbindung der Schrift in einen umfassenden Überlieferungsprozess.12 Diese Problemkonstellation führt zu einer Krise des Schriftbegriffs im o.g. Sinn. Aus der begrifflichen Differenzierung ergibt sich für Körtner: „Eine systematische Schriftlehre hat die Aufgabe, eine Lektüre der Bibel als heiliger Schrift zu ihrer Lektüre als Literatur ins rechte Verhältnis zu setzen.“13 Dazu entwickelt er eine kritische Reinterpretation der Schriftlehre ausgehend von schichtswissenschaft nicht Gott selbst, sondern lediglich das sich sprachlich äußernde Gottesbewusstsein, nicht das Reden Gottes, sondern lediglich die Rede von Gott und den Gottesbegriff zum Gegenstand der Untersuchung machen. Eine der historischen Methode verpflichtete Theologie gerät freilich in die Aporie, dass sich der von der biblischen S. intendierte Gegenstand als solcher – d. h. so, wie er beschrieben wird bzw. vorgeblich sich selbst beschreibt – der historischen Kenntnis grundsätzlich entzieht.“ Körtner, Art. Schrift/Schriftprinzip IV, 525 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Einführung, 95; Ders., Schriftwerdung, 110; Ders., Theologie, 306.  5 Vgl. Körtner, Arbeit, 19.  6  Vgl. Körtner, Art. Schrift/Schriftprinzip, 524; Ders., Einführung, 91; Ders., Rezeption, 27; Ders., Schriftwerdung, 109; Ders., Theologie, 303.305.  7  Vgl. Körtner, Theologie, 303.305. Vgl. Ders., Rezeption, 28; Ders., Art. Schrift/Schriftprinzip, 525.  8 Vgl. Körtner, Art. Schrift/Schriftprinzip, 524; Ders., Einführung, 91; Ders., Schriftwerdung, 109; Ders., Theologie, 305.  9 Vgl. Körtner, Einführung, 96; Ders., Schriftwerdung, 110; Ders., Rezeption, 29 f.; Ders., Theologie, 302.305.306. 10  Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 109. 11  Vgl. Körtner, Theologie, 305. Vgl. zur Leiblichkeit der Schrift a. a. O., 347–362. 12  Vgl. a. a. O., 17. Vgl. Abschnitt B 4.1.5. 13  Körtner, Einführung, 87; Ders., Theologie, 311.

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rezeptionsorientierten Texttheorien.14 Die Inspirationslehre steht dabei im Fokus, da diese für Körtner die entscheidende Frage nach der Identität der in der Bibel bezeugten Offenbarung mit der Schrift verhandelt.15 Die zu entwickelnde Schriftlehre soll zudem selbst aus der Schrift gespeist werden: Ziel ist für Körtner eine „systematisch-theologische Schriftlehre, die den biblischen Texten nicht eine sachfremde Theorie überstülpen will, sondern ihren Begriff des Kanons und der Schrift aus diesen selbst gewinnt“.16 Diese impliziert zugleich eine Auseinandersetzung um die methodische Ausrichtung der Schriftauslegung in den theologischen Disziplinen Exegese und Dogmatik.17 Diese Aufgabe ist für Körtner nicht eine Aufgabe neben anderen, sondern konstitutiv für das Selbstverständnis der Dogmatik.18 Nach Körtners Beschreibung kommen in diesen Überlegungen zwei Denkwege zusammen. Prägend ist zum einen seine Auseinandersetzung mit der Wort-Gottes-Theologie, die er neu interpretieren und aktualisieren möchte.19 Diese Tradition möchte Körtner mit Hilfe von rezeptionsästhetischen und lesetheoretischen Theorien aktualisieren.20 Zum anderen entfaltet Körtner seine Schriftlehre im Kontext einer „Medientheologie“: Demnach ist die Kommunikation des Evangeliums auf Kommunikationsmittel, d. h. auf Medien angewiesen, die in der Dogmatik im Kontext der Lehre von den Heilsmitteln verhandelt werden.21 Unter dieser Frage nach den sinnlichen Medien der Kommunikation des Evangeliums verhandelt Körtner auch die Schriftlehre.22 Insgesamt muss nach Körtner die Lehre von Heilsmitteln „in Richtung auf eine Theologie der Medien im umfassenden Sinne des Wortes hin“ erweitert werden.23 14 Vgl. Körtner, Art. Schrift/Schriftprinzip, 525; Ders., Schriftwerdung, 108. 112; Ders., Theologie, 304. Vgl. Abschnitt B 4.1.4. 15 Vgl. Körtner, Theologie, 307. 16  Körtner, Arbeit, 146. 17 Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 109. Vgl. zur Schriftauslegung Abschnitt B 4.2.2. 18 Vgl. a. a. O., 108. Vgl. Abschnitt B 4.2.3. 19 Diese ist sowohl von Barths Überlegungen zum Wort Gottes als auch von Bultmanns Grundlegungen zur theologischen Hermeneutik geprägt. Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 489 f; Ders., Schriftwerdung, 112–120; Ders., Theologie, 13–16.19–24. 20 Auch die grundlegende Orientierung der Theologie an der Schrift ist für Körtner mit Hilfe von rezeptionsästhetischen Modellen zu plausibilisieren: „Rezeptionsorientierte Texttheorien können außerdem helfen, den für den christlichen Glauben konstitutiven Schriftbezug verständlich zu machen.“ Körtner, Theologie, 327. 21 Körtner, Dogmatik, 509. 22 Die Schriftlehre wird von Körtner im Kapitel zu den Heilsmitteln eingeführt nach einem Abschnitt zu Grundfragen der Lehre von den Heilsmitteln (5.4.1.) und ihrer Dogmengeschichte (5.4.2.–5.4.3), sowie Ausführungen zum Medienproblem des Monotheismus (5.4.4.) und zur doppelten Vermittlung des Wortes Gottes (5.4.5.). Es folgen Ausführungen zur Fleischwerdung und Schriftwerdung des Wortes (5.4.6.), zur Dekonstruktion des Schriftprinzips und der Inspirationslehre (5.4.7.), zu Kirche und Kanon (5.4.8.), zu Altem und Neuem Testament (5.4.9.), sowie zur bleibenden Bedeutung des sola scriptura (5.4.10). Es folgen Kapitel zu Predigt, Sakramenten, Absolution und Segen. Das Kapitel zu den Heilsmittel schließt mit Überlegungen zum Verhältnis von Wort, Bild und Musik. Vgl. Körtner, Dogmatik, 507–572. 23 A. a. O., 509 [im Original kursiv]. Ansätze dazu finden sich in früheren Überlegungen Körtners. Dort verweist er auf den hermeneutischen Gewinn des schriftlichen vor dem münd-

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

4.1.2. Die Schrift als Kanon und die Einheit der Schrift in ihrer Rezeption In seiner terminologischen Abgrenzung spricht Körtner der Schrift zwei konstitutive Merkmale zu: Erstens setzt der Terminus Schrift die Kanonisierung der Texte voraus.24 Damit verbunden ist für Körtner eine innere Kohärenz der als kanonisch gelesenen Texte.25 Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Körtner ausführlich mit dem Kanonbegriff. Der Kanon ist für Körtner zugleich „Lesefrucht und Leseanleitung“ und die Buchwerdung der Schriften im Sinne der „livre“ ist als „Vorgang gläubiger Aneignung“ zu beschreiben.26 Im Hintergrund stehen nach Körtner Veränderungen des Kanonbegriffs: Bezeichnete Kanon ursprünglich eine Liste von Schriften für den gottesdienstlichen Gebrauch, ist später ein Buch mit theologisch bedeutsamen Umfang und Aufbau gemeint.27 Besonders deutlich wird dies in der Bezeichnung: Der griechische Plural wurde nach der Erfindung des Codex zu dem lateinischen Singular-Eigenname Biblia.28 Bedeutsam ist dies im Blick auf den im Hintergrund stehenden Prozess gläubiger Applikation biblischer Texte in einer Auslegungsgemeinschaft.29 Die Idee des Kanons als einem Gesamtwerk muss daher nach Körtner als Ergebnis gläubiger Rezeption und Applikation gewertet werden, womit zwei Implikationen verbunden sind.30 Zum einen ist der reformatorische Umgang mit dem Kanon nicht nur rezeptiv, sondern produktiv-konstruierend: Die Reformatoren schufen ein „kanongeschichtliches Hybrid“.31 Der „aus hebräischem Umfang und griechischer Struktur gemischter, jedoch in einer dritten Sprache […] dargebotene[r] Kanon“ ist selbst ein „Produkt der Reformation“.32 Es besteht daher ein enger Zusammenhang zwischen Kanonbildung und konfessioneller Identität.33 Für die Schriftauslegung folgt, dass sowohl der biblische Text als Übersetzung als auch der kanonische Makrotext erst durch Rezeption in den Auslegungsgemeinschaften zustande kommt.34 Körtner sieht daher konstruktive

lichen Wort, das den „sekundären Verweisungsbezug“ des Wortes Gottes freizulegen vermag (Ders., Theologie, 327). Über die Konzentration auf die Literalität des Wortes hinaus sieht Körtner in diesem Ansatz auch Perspektiven für eine theologische Ästhetik. Vgl. a. a. O., 347– 362; Ders., Hermeneutik. Vgl. Abschnitt C 2.3.3. 24 Vgl. Körtner, Einführung, 86; Ders., Rezeption, 29. 25 Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 109; Ders., Theologie, 304.310 f. Vgl. Ders., Art. Schriftauslegung, 490. 26  Körtner, Art. Schriftauslegung, 492. 27 Vgl. Körtner, Arbeit, 26; Ders., Rezeption, 30. 28 Vgl. Körtner, Arbeit, 26. 138; Ders., Rezeption, 30. 29 Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 491. Vgl. Ders., Dogmatik, 534. 30  Vgl. Körtner, Einführung, 86; Ders., Rezeption, 33; Ders., Theologie, 312. 31  Körtner, Rezeption, 30. Vgl. Ders., Dogmatik, 531. 32  Körtner, Arbeit, 29. Vgl. a. a. O., 21; Ders., Dogmatik, 532; Ders., Rezeption, 30 f. 33  Vgl. Körtner, Arbeit, 96. 34 Vgl. Körtner, Arbeit, 52 f. 96; Ders., Rezeption, 32.38.

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Anschlussmöglichkeiten für rezeptionsästhetische Auslegungsmodelle.35 Zum anderen verschärft der reformatorische Zugang die Frage nach der Einheit der kanonischen Texte: Das eigentliche Problem der altprotestantischen Inspirationslehre ist nicht die Vorstellung eines übernatürlichen Ursprungs der biblischen Texte als solche, sondern die Vorstellung von der Bibel als einem abgeschlossenen Buch, auf welcher die Parole des sola scriptura bzw. die altprotestantische Bestimmung der Bibel als norma normans und den Bekenntnisschriften als durch die Bibel begründete norma normata beruht.36

In Folge des Zusammenhang zur Kanonizität muss für Körtner auch die Frage nach der Einheit der Schrift aus dieser Perspektive der Rezeption bearbeitet werden: Die Einheit der Schrift lässt sich jedenfalls weder formal im Sinn einer Kanonliste – von denen es bis heute mehrere gibt – noch durch die lehramtliche Dogmatisierung eines Sinnbestandes bestimmen. Sie entsteht vielmehr immer wieder neu durch fortgesetzte Lektüre.37

Die unterschiedlichen Gewichtungen und Selektionen kanonischer Texte setzten nach Körtner ein Gesamtverständnis des Kanons und seiner Botschaft voraus und sind Ausdruck differierender Gesamtinterpretationen des Kanons und der zu Grunde liegenden hermeneutischen Grunddifferenzen.38 Daher ist nach Körtner zu klären, ob es eine innere Einheit des Kanons gibt und wenn ja, ob diese sich nur im Akt der Lektüre konstituiert oder ob sie einer inhaltlichen Anweisung der Texte selbst folgt.39 Zur Frage nach der Einheit der Schrift lassen sich in Körtners Ausführungen zwei verbundene, aber doch zu unterscheidende Interpretationslinien erkennen. Eine erste Linie bildet eine trinitarische Beschreibung der inneren Einheit der Schrift. Nach Körtner ist es die gemeinsame Überzeugung der neutestamentlichen Autoren – gerade, wenn sie sich auf alttestamentliche Texte beziehen – dass Christus der Rede von Gott einen spezifischen Sinn gibt: Das Wort Gott erhält seine letztgültige Bestimmung erst durch die Beziehung zum Namen Jesu.40 Somit ist Gott als Gott Israels und Vater Jesu der einheitsstiftende Bezugspunkt der biblischen Texte und zugleich Maß und Grund für die Unvollkommenheit der

35  Wie weit diese im Blick auf Luthers Schriftverständnis reichen, hat Zeller – auch unter Bezug auf Körtner – ausführlich dargestellt. Vgl. Zeller, Schriftverständnis, 154–224. 36 Körtner, Rezeption, 29 f [Hervorhebungen im Original]. Vgl. Ders., Arbeit, 20. 37 Körtner, Arbeit, 55. Vgl. Ders., Dogmatik 534; Ders., Leser, 85; Ders., Rezeption, 38; Ders., Theologie, 313. 38 Vgl. Körtner, Arbeit, 83 f.; Ders., Dogmatik, 51. 39  Vgl. Körtner, Arbeit, 97; Ders., Einführung, 87; Ders., Leser, 106; Ders., Theologie, 313. 40 Vgl. Körtner, Arbeit, 97; Ders., Einführung, 88; Ders., Leser, 106; Ders., Theologie, 313.

240 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Gottesrede in der Bibel.41 In dieser Beziehung interpretieren sich das Wort Gott und der Name Jesu gegenseitig, wodurch ein hermeneutischer Zirkel zwischen Altem und Neuem Testament entsteht.42 Folglich ist „die innere Einheit des Kanons über die wechselseitige Interpretation der sprachlichen Zeichen ‚Gott‘ und ‚Christus‘ zu erschließen“.43 Da der Sinn des Wortes Gottes, i. e. die Identität des Gottes Israels mit dem Vater Jesu Christi, im Geist präsent wird, zeigt sich nach Körtner eine implizite „trinitarische Struktur“ des Kanons.44 Folglich besteht die innere Kohärenz des Kanons nicht als objektive Lehrnorm, sondern muss in ihrer Rezeption zum Ereignis werden, „weil jede Bestimmung eines Kanons im Kanon und jede theologische Sachkritik an biblischen Texten an den hermeneutischen Zirkel fortgesetzter Schriftinterpretation zurückgebunden bleibt und offen für Selbstkorrektur bleiben muss“.45 Die zweite Linie ist eine Zuspitzung der ersten Interpretation, in der Körtner die Einheit der Schrift auf Leben und Werk Jesu Christi fokussiert: „Diese [innere Einheit] aber liege in der Person Jesu Christi, bzw. in dem ihn bezeugenden Evangelium begründet, das einerseits in der Schrift zu finden sei und andererseits doch nicht mit dieser identisch sei.“46 Körtner beschreibt in Folge das „Wort vom Kreuz“ als eine „Kurzformel“ der soteriologischen Interpretation von Wirklichkeit und damit leitend für die Schriftauslegung.47 Ähnlich wie die anderen Autoren sind auch bei Körtner die inhaltlichen Bestimmungen dieser Kurzformel uneindeutig: Auf der einen Seite betont Körtner die Offenheit der Leseereignisse, auf der anderen Seite führen diese nicht in die Offenheit, sondern folgen einem „Richtungspfeil“ und bilden eine kohärente Pluralität.48 An drei Stellen äußert sich Körtner zur inhaltlichen Einheit der Schrift: Erstens identifiziert er die Klarheit der Sache der Schrift mit der Klarheit 41 Vgl. Körtner, Arbeit, 97; Ders., Einführung, 87; Ders., Rezeption, 38; Ders., Theologie, 313. 42 Vgl. Körtner, Arbeit, 97; Ders., Dogmatik, 538; Ders., Einführung, 88; Ders., Rezeption, 39; Ders., Theologie, 314. Zum Verhältnis von Altem und Neuem Testament vgl. Ders., Einführung, 88–90; Ders., Theologie, 315–320. 43 Körtner, Arbeit, 99. 44 A. a. O., 98. Vgl. Ders., Rezeption, 39. 45 Körtner, Arbeit, 98 f. 46 Körtner, Dogmatik, 53. 47 Vgl. a. a. O., 21–24. Dieses wird nach Körtner in der Tradition als „Mitte der Schrift“ bezeichnet (a. a. O., 53). Abgesehen von einem Lexikonartikel zum Thema setzt sich Körtner nicht ausführlich mit diesem Terminus auseinander: Im Lexikonartikel führt er aus, dass Voraussetzung für die Konzeption einer Mitte der Schrift zum einen der Kanonbegriff und zum anderen die Unterscheidung von Text und Sache ist. In der Darstellung der Forschungslage kommt Körtner zu folgendem Schluss: „Wenn heute von einer M.d.S. gesprochen wird, wird diese in der Regel nicht mit einem Kernbestand biblischer Aussagen, sondern mit Person und Werk Jesu Christi gleichgesetzt.“ Körtner hält dazu fest, dass es sich nicht um eine literaturwissenschaftlich-deskriptive, sondern um eine „dogmatisch-normative Kategorie“ handelt. Körtner, Art. Mitte, 394. 48  Körtner, Arbeit, 12 f. Vgl. Abschnitt B 4.1.4.a). zur intentio operis.

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des Evangeliums und bestimmt diese durch die paulinische Rechtfertigungslehre.49 Zweitens beschreibt er die Kreuzestheologie als „Kern und Kriterium aller Theologie“50 und hermeneutischen Leitbegriff für die Auslegung der Schrift.51 Drittens beschreibt er  – im Kontext einer Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium, die nach Körtner den Inhalt der Offenbarung bestimmen  – Forderung und Zuspruch als funktionale Gestalten des Redens Gottes in der Einheit seines Willens als Liebe und Gerechtigkeit.52 Wie diese drei ähnlichen, aber doch unterschiedlich akzentuierten Beschreibungen der inneren Einheit der Schrift zusammenhängen, führt Körtner nicht aus. 4.1.3. Wort Gottes, Offenbarung und Schrift Der Rekurs auf Christus in der Frage nach der Einheit der Schrift führt zu Körtners Überlegungen zum Wort Gottes im Verhältnis von Offenbarung und Schrift. Nach Körtner ist der Begriff der Offenbarung die entscheidende fundamentaltheologische Kategorie des 20. Jahrhunderts, konkret gefasst als die Selbstoffenbarung Gottes.53 Diese soll die Unabhängigkeit des Gegenstandes der Theologie vom religiösen Bewusstsein sichern und zugleich die Theologie gegen subjektivitätsphilosophische Religionskritik der Moderne verteidigen.54 Ort der Lehre vom Wort Gottes ist in dieser Zuspitzung die Fundamentaltheologie, sodass die Lehre vom Wort Gottes an die Stelle der Schriftlehre in den Prolegomena trat.55 Dieser Ansatz sieht sich heute fundamentalen Anfragen ausgesetzt, insbesondere in der Frage nach der Subjektivität und Relativität jeder Aussage.56 Die Rede vom Wort Gottes steht somit in der Gefahr in autoritative Aussagen umzuschlagen und die Strittigkeit religiöser Erfahrung und ihre Pluralität zu hintergehen.57 Körtner zielt daher auf eine Neubegründung der Wort-Gottes-Theologie mit Hilfe rezeptionsästhetischer Theorien.58 Aus dem gesuchten Anschluss an die Wort-Gottes-Theologie und den Anfragen an die Schriftlehre ergibt sich die Verhältnisbestimmung von Schrift, 49 Vgl.

Körtner, Arbeit, 83. 98. 175. 51  Vgl. a. a. O., 210. Vgl. Abschnitt B 4.2.1.b). 52  Vgl. Körtner, Theologie, 194–234. Insb. 194. 230 f. Diese sind nach Körtner konkret zu unterscheiden, interpretieren sich jedoch gegenseitig: „Die Singularität des fleischgewordenen Logos muß zur Vielfalt der Gottesworte in Beziehung gesetzt werden.“ (a. a. O., 231). Hier liegt die Basis für Körtners Forderung einer zwischen Singularisierung und Pluralisierung sich dialektisch verhaltenden Exegese. Vgl. Abschnitt B 4.2.2. 53 Vgl. Körtner, Dogmatik, 147.149; Ders., Theologie, 11.150. 54 Vgl. Körtner, Theologie, 150 f. 55  Vgl. Körtner, Dogmatik, 148; Ders., Theologie, 15. 56  Vgl. Körtner, Dogmatik, 159; Ders., Theologie, 19. 57  Vgl. Körtner, Dogmatik, 159. 58  Vgl. ebd.; Ders., Körtner, Theologie, 13.20 f.22.24. 50  A. a. O.,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Wort Gottes und Offenbarung für Körtner als zentrale Aufgabe.59 Die in der dialektischen Theologie gefasste Funktionsbestimmung des Wortes Gottes als fundamentaltheologischer Kategorie weiterführend, sucht Körtner mit Hilfe von gegenwärtigen Ansätzen nach möglichen Aktualisierungen, um das Wort Gottes als Gegenstand der Theologie zu beschreiben.60 Für die Fragestellung der vorliegenden Studie ist erstens zu klären, was unter dem „Wort Gottes“ in Bezug auf die Offenbarung zu verstehen ist, wie dieses sich zweitens zur Schrift verhält, in welcher Relation diese drittens zur Inkarnation Christi steht und wie Körtner viertens die medientheoretische Dimension dieser Bestimmungen beschreibt. a) Offenbarung und Wort Gottes Im biblischen Sprachgebrauch bezeichnet Offenbarung nach Körtner eine „Enthüllung der Wirklichkeit“ und somit nur indirekt eine Enthüllung Gottes.61 Inhalt der Offenbarung ist vielmehr die „Situation der Welt und des Menschen“ in ihrer Gottesrelation.62 Im Wortfeld Offenbarung kommen dabei visuelle und auditive Beschreibungen zusammen, wobei Körtner in seiner Beschreibung der „Offenbarung als Anrede des Menschen“ einen Schwerpunkt auf die sprachliche Vermittlung der Offenbarung legt.63 Inhalt der Offenbarung ist das Wort Gottes in Jesus Christus. Dabei steht für Körtner die existentiale Dimension im Vordergrund: In einer existentialen Interpretation wird das Geschick Jesu nachösterlich als Handeln Gottes erkennbar, da die Konfrontation mit dem Geschick Christi unsere eigene Existenz durchsichtig macht.64 In diesem Sinn ereignet sich die Offenbarung je und je neu. Im Geschehen dieser existentialen Interpretation liegt für Körtner der Zusammenhang von Offenbarung und Wort Gottes: „Wird das Geschick Jesu in beiden Hinsichten als Offenbarungsgeschehen gedeutet, so ist das Geschick Jesu im metaphorischen Sinne als Wort Gottes, nämlich als Aussage über unsere Existenz und als Anrede des Menschen durch Gott zu verstehen.“65 Jesus als Wort Gottes ist heute präsent im Kerygma und somit „gleichermaßen die Verkündigung, deren Inhalt Jesus Christus ist, wie die Verkündigung, deren Urheber und Subjekt Christus ist“.66  Vgl. Körtner, Dogmatik, 145 f.150–157; Ders., Theologie, 72–93. Körtner, Theologie, 12 f. 61  A. a. O., 152 [im Original kursiv]. 62 Ebd. [im Original kursiv]. 63 A. a. O., 154 [im Original teilweise kursiv]. 64  Vgl. a. a. O., 154.155 f. 65  A. a. O., 154 [Hervorhebungen im Original]. Vgl. Ders., Dogmatik, 149. 66 Körtner, Theologie, 235 [Hervorhebung im Original]. In einer Verhältnisbestimmung der Offenbarung in Christus als revelatio specialis wird deutlich, dass Körtner von anderen Offenbarungen neben Christus ausgeht, diese jedoch spezifisch bestimmt. Die revelatio specialis wird zum Kriterium für die Erkennbarkeit anderer Offenbarungen außerhalb der biblischen Offenbarungsgeschichte: Die „letztgültige Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist Kriterium 59

60 Vgl.

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In der Botschaft, durch die Gott bekannt wird, kommt somit Gott selbst zur Sprache: „Gott ist also diejenige Größe, welche die Botschaft des christlichen Glaubens als vermittels ihrer selbst Glauben provozierenden und als solche in Erscheinung tretende zur Sprache bringt.“67 Das Wort Gottes ist dabei nicht nur wirklichkeitsbildend innerhalb der Systeme sprachlicher Zeichen, sondern vielmehr performativ und schöpferisch zu verstehen, wie Körtner im Blick auf das neutestamentliche Zeugnis über die Vollmacht der Worte Christi ausführt.68 Wort und Tat Gottes sind daher nicht voneinander zu trennen: Das Handeln Gottes ist als Wortgeschehen zu bestimmen, denn sein Tätigsein ist ein Wortgeschehen, wodurch sich eine unlösbare Einheit von Sein, Wort Gottes und Gottes Handeln ergibt.69 Das Wort Gottes tritt dabei zugleich mächtig und ohnmächtig auf – in schwacher Gestalt und doch von der Verheißung lebend, wie Körtner am Beispiel der Prophetie aufzeigt.70 Im Anschluss an Jüngel spricht Körtner daher von der schöpferischen Selbstbegrenzung des Wortes Gottes.71 b) Schrift und Wort Gottes: Inkarnation in Fleisch und Buch Körtners Verhältnisbestimmung von Wort Gottes und Schrift nimmt ihren Ausgang in der Dialektischen Theologie.72 Zentral ist für ihn Barths Unterscheidung von Wort Gottes und Schrift: Dem Wort Gottes kommt Ereignischarakter zu und sein Zeugnis bestimmt die Gegenwartsfunktion der Schrift, weswegen die Wortwerdung der Schrift stets aufs Neue Ereignis wird.73 Körtner spricht daher von der „Schriftwerdung des Wortes und Wortwerdung der Schrift“ und expliziert diese in doppelter Hinsicht.74 Erstens handelt es sich nicht um eine ontische Bestimmung, sondern eine im Gebrauch der Schrift sich ereignende Bestimmung: Zur Heiligen Schrift, d. h. nun aber auch zum Medium des Wortes Gottes, wird die Bibel allerdings erst durch ihren aktuellen Gebrauch. Nicht als solche, sondern als gottesdienstlich rezitierter beziehungsweise als Anrede Gottes ausgelegter Text wird

und inneres Ziel aller denkbaren Offenbarungen Gottes“ (a. a. O., 157). Die in der der Schrift bezeugte Offenbarung beschreibt Körtner als revelatio specialis, wie im Folgenden deutlich wird. 67   A. a. O., 235. 68  Vgl. a. a. O., 165 f.235. 69  Diese Einheit ist nach Körtner pneumatologisch bestimmt, bezeichnet doch die Ruach zugleich den Wind und eine hörbare Stimme: „Wenn Gott Geist ist, ist es unbedingt sachgemäß, sein Wirken oder Handeln als Wort zu beschreiben.“ A. a. O., 167. 70  Vgl. a. a. O., 168.173 f. 71 Vgl. a. a. O., 171. 72  Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 117–120; Ders., Theologie, 32–60.331–338. Zu Körtners Verhältnisbestimmung dieser Beschreibung zum reformatorischen Schriftverständnis vgl. Ders., Dogmatik, 150–157; Ders., Theologie, 75–94. 73  Vgl. Körtner, Arbeit, 215 f. Vgl. Ders., Theologie, 328 f. 74 So der Untertitel eines Kapitels der „Theologie Gottes“ (Körtner, Theologie, 328 ff ) und der Titel eines 1999 publizierten Aufsatzes.

244 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen die Bibel zur Heiligen Schrift bzw. zum Wort Gottes. Das Wort Gottes ist primär eine präsentische Größe.75

Dieses Ereignis deutet Körtner als Theopneustie, welche als Akt der Offenbarung dem Leser die Schrift im Sinne der Selbsterschließung des Wortes Gottes erschließt und dem Leser zum Ereignis wird.76 Zweitens ist dieses Ereignis eingebunden in die menschliche Sprache und Kommunikation: Die Menschwerdung bedeutet, dass Gottes Wort nicht neben menschlichen Worten steht, sondern „dass dieses Wort Gottes, d. h. sein Reden, durch das er sich verständlich und verstehbar macht, in, mit und unter menschlichen Worten – oder sagen wir allgemeiner: in, mit, und unter menschlicher Kommunikation  – vernehmbar und erfahrbar wird“.77 Da „Gott“ ein Wort menschlicher Sprache ist, muss eine Theorie des Wortes Gottes als Theologie der Sprache ausgearbeitet werden.78 Daraus folgert Körtner die konstitutive Aporie jeder Theorie religiöser Sprache: Denn sie muss voraussetzen, was sie erst untersuchen soll, sodass sich deskriptive und normative Gesichtspunkte schwer trennen lassen und sie sich beständig in einem hermeneutischen Zirkel bewegt.79 Im Blick auf die Textgattung hebt Körtner die Geschichtlichkeit und somit die Bedeutung narrativer Theologie hervor, da der Gottesspruch in der biblischen Tradition auf die Geschichte des Volkes Gottes bezogen ist.80 Diese muss zudem die Materialität biblischer Texte sowie ihren ästhetischen Charakter ernstnehmen. Der konstitutive Zusammenhang zwischen Wort Gottes und Schrift ist die Grundlage eines theologischen Verständnisses der biblischen Texte als Schrift, das Körtner wie folgt spezifiziert: „[D]ie biblischen Texte gelten doch nach christlicher Auffassung als ein ausgezeichnetes Medium möglicher Gottesbegegnung, durch die im Akt des Lesens und des verstehenden Interpretierens Gott selbst erfahren, gehört und verstanden werden kann“.81 Die Offenbarung in Christus ist dabei als Uroffenbarung zu verstehen, die zwar historisch sekundär, aber logisch Ursprung aller Offenbarung und der Rede von Gott ist.82 „Wort Gottes“ wird dadurch zu einem „uneigentlichen Ausdruck“ und damit 75  Körtner, Theologie, 311. Inwiefern diese Beschreibung der Charakterisierung des Christentums als „Buchreligion“ entgegensteht und eine Differenzierung von kanonischen Schriften und heiliger Schrift erfordert, führt Körtner aus in a. a. O., 307–310. Vgl. Ders., Exegese, 125. 76  Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 123. Vgl. zu diesem Ereignis Abschnitt B 4.1.4., der auch klärt, inwieweit in diesem Prozess die Autonomie des Textes gewahrt bleibt. 77 Körtner, Arbeit, 222. 78 Vgl. Körtner, Theologie, 94. 79  Vgl. a. a. O., 104.106. 80  „Wer von Gott reden will – vom Gott der biblischen Überlieferung und des christlichen Glaubens –, muß von ihm erzählen.“ A. a. O., 120 [Hervorhebung im Original]. 81  Körtner, Arbeit, 223. 82  Vgl. Körtner, Theologie, 181.

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zu einer absoluten Metapher.83 Daher muss sorgfältig zwischen den biblischen Texten auf der einen Seite und Jesus Christus als dem Wort Gottes und eigentlichem Medium der Präsenz Gottes bei den Menschen auf der anderen Seite unterschieden werden.84 Da der Mensch Jesus Christus das eigentliche Medium der Präsenz Gottes ist, gilt die Schrift als Zeugnis der Offenbarung und nicht selbst als Offenbarung.85 Körtner beschreibt das Verhältnis der Offenbarung in Christus und der Schrift auch als Inkarnation in Fleisch und Buch. Mit Barth hält Körtner fest, dass das Wort Gottes kein Buch ist, sondern der fleischgewordene Logos Christus.86 Gottes Wort ist daher als eine und in einer Person zu fassen, wodurch die Inkarnation zu einem Grundthema der Theologie wird.87 In der Schrifttheologie ist folglich das Verhältnis von „Fleischwerdung und Schriftwerdung des Wortes“ zu bestimmen, das Körtner in zwei Richtungen expliziert.88 Erstens handelt es sich um ein leibliches Wort, Jesus Christus ist „Gottes Wort in Person“.89 Daher dürfen dass Person und Werk nicht getrennt werden, vielmehr muss die Person durch das Werk interpretiert werden.90 Körtner folgert aus Jesu „Für-uns-Sein und Mit-uns-Sein“: Das Angesprochensein des Menschen durch das Wort Gottes ist daher die Offenbarung, im Sinne des „Durchsichtigwerden[s] der Existenz“.91 Aus der Geschichtlichkeit des Wortes Gottes ergibt sich zweitens: „Da eine geschichtliche Person Gottes Wort ist, ist dieses Wort nicht mehr unmittelbar präsent. Folglich gibt es kein unmittelbares Gottesverhältnis und kein unmittelbares religiöses Bewußtsein.“92 Daher ist das Wort Gottes auf mediale Vermittlung angewiesen, z. B. in Rede, Verkündigung oder Schrift.93 Diese mediale Vermittlung ist zum einen in allen ihren Formen leiblich konstituiert und daher sinnliches Geschehen.94 Zum anderen ist die Wortwerdung der Schrift 83 Körtner,

Dogmatik, 176; Ders., Theologie, 180 f.  Vgl. Körtner, Arbeit, 223; Ders., Exegese, 125. 85 Vgl. Körtner, Exegese, 123–125. 86 Vgl. Körtner, Theologie, 310. Vgl. Ders., Dogmatik, 173; Ders., Exegese, 125. 87 Vgl. Körtner, Dogmatik, 174; Ders., Theologie, 176. 88 Körtner, Dogmatik, 526. 89 Körtner, Theologie, 177 [im Original kursiv]. 90 „‚Persona‘ heißt: Durch dieses Medium ertönt ein Wort. Wird Jesus als der Christus Gottes bekannt, so ist die Person das Wort Gottes selbst.“ A. a. O., 178 [Hervorhebungen im Original]. Körtner führt diese Beschreibung im Rückgriff auf semiotische Theorien weiter aus: In der Person Jesu Christi kann nicht zwischen Wort und Sache unterschieden werden, viel mehr ist „das Zeichen die Sache selbst.“ (Ders., Dogmatik, 175 [im Original kursiv]. Vgl. Ders., Theologie, 178). Das Zeichen entspricht dabei der Person Jesu Christi, seinem Leben, Reden und Handeln, Sterben und Auferstehen (Ders., Dogmatik, 175; Ders., Theologie, 178). 91  Körtner, Theologie, 179 [im Original kursiv]. Vgl. Ders., Dogmatik, 178. 92  Körtner, Theologie, 181 [im Original teilweise kursiv]. 93  Vgl. Körtner, Exegese, 124. 94  Vgl. Körtner, Theologie, 181. Dies schließt nach Körtner auch die Beurteilung der mündlichen Vermittlung als unmittelbarer im Unterschied zu sekundärer schriftlicher Ver84

246 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen konstitutiv durch den Geist gewirkt, der jedoch an das geschichtliche Wort gebunden ist.95 Im Zusammentreffen von menschlichen Worten und dem Wort Gottes kann menschliche Rede zur Kommunikation des göttlichen Geistes werden.96 Diese potentielle Verschränkung beider hat für Körtner gleichzeitig auch wissenschaftstheoretische Konsequenzen: „Die Auflösung der Theologie in Historie oder auch in Literaturwissenschaft kann nur dann verhindert werden, wenn sich die Bibel, gelesen als Heilige Schrift, als Medium göttlicher Präsenz denken läßt.“97 c) Schrift und Wort Gottes als medientheologisches Thema Aus der Verhältnisbestimmung von Inkarnation, Schrift und Wort Gottes ergibt sich ein doppelt vermitteltes Verhältnis zwischen Schrift und Wort Gottes. In diesem Spannungsfeld verortet Körtner das „Medienproblem des Monotheismus“, i. e. die nahezu zwangsläufige Konkurrenz zwischen Gott und dem Medium seiner Vermittlung.98 Dem oben Gesagten folgend, beschreibt Körtner die Inkarnation als den „finale[n] Medienwechsel des Monotheismus“, welcher den Monotheismus revolutioniert und eine harte Bibelkritik ermöglicht.99 Die doppelte Vermittlung des Gottesverhältnisses im Christentum konstituiert sich auf dieser Grundlage wie folgt: Vermittelt wird es durch Jesus Christus, der seinerseits geschichtlich vermittelt werden muß. Nur dadurch, daß der abwesende Christus immer wieder neu präsent gemacht wird, tritt der in ihm präsente Gott immer wieder neu in Erscheinung. Indem der abwesende Christus anwesend wird, wird auch der abwesende Gott anwesend.100

Diesem Verhältnis entspricht nach Körtner das Medium Schrift, das die Dialektik von An- und Abwesenheit repräsentieren kann und somit in relativer Verbindung zu Christus tritt: Im Christentum tritt nun aber die Schrift nicht etwa an die Stelle Christi als des eigentlichen Offenbarungsmediums, sondern sie ist ein relatives Medium im Prozeß der doppelten Vermittlung des christlichen Gottesverhältnisses. Darum ist sie auch nicht das einzige Medium der Christus- und Evangeliumsvermittlung, sondern eines – in mittlung aus. Dass für Körtner die schriftliche Vermittlung dem christlichen Glauben sogar angemessener ist, wird im folgenden Abschnitt deutlich. Ders., Exegese, 127–129.  95 „Der Ausdruck ‚Wort Gottes‘ meint demnach Gottes Geist in seiner Wirksamkeit.“ Körtner, Theologie, 187 [im Original kursiv]. Vgl. a. a. O., 189 f.  96 Luthers und Calvins differierende Verhältnisbestimmungen von Wort und Geist hält Körtner daher nicht für Alternativen, sondern für Teilaspekte des Verhältnisses von Gotteswort und Menschenwort. Vgl. a. a. O., 191.  97  Körtner, Schriftwerdung, 120. Vgl. Ders., Theologie, 328. Wie sich diese These in Körtners Verständnis der Schriftauslegung niederschlägt, ist Gegenstand der Abschnitte B 4.2.2. und B 4.2.3.  98  Körtner, Exegese, 123. Vgl. Ders., Dogmatik, 522 f.527.  99  Körtner, Exegese, 125. 129. Vgl. Ders., Dogmatik, 523. 100  Körtner, Exegese, 132. Vgl. Ders., Dogmatik, 523 f.

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seiner Besonderheit freilich unaufgebbares – neben anderen in einem Medienverbund. Als Medium der Differenz ist die Schrift ihrerseits auf Vermittlung, d. h. auf Auslegung und Aneignung angewiesen. Nur so werden die Texte der Bibel, also Dokumente der antiken Religionsgeschichte, zuallererst zur Heiligen Schrift, durch die hier und jetzt Gottes Präsenz in der Welt und in der menschlichen Existenz vermittelt wird.101

Dabei ist das Medium Schrift dem Inhalt des christlichen Glaubens insofern angemessen als es als Medium der Differenz nicht nur die Abwesenheit des Autors, sondern auch die der Sache, bzw. des Referenten abzubilden vermag.102 Glauben ist demnach das „christliche Wort für das doppelt vermittelte Gottesverhältnis“ im Sinne des „Verstehen[s] der Existenz in ihrer Gottesrelation“.103 Diese doppelte Differenz wird durch die materiale Differenz verstärkt: Denn die Schrift bleibt als materiales Artefakt eine externe Instanz.104 Körtners Überlegungen zur Schriftlichkeit werden ergänzt durch eine skizzenhafte Beschreibung des Verhältnisses von Oralität und Literalität. So betont er, dass der christliche Glaube in der Zwiesprache von Gott und Mensch konstitutiv dialogisch ausgerichtet ist und den Menschen als Hörenden begreift.105 Schrift, Hören und Glauben sind im christlichen Verständnis eng verwoben, kommt doch der Glauben aus dem Hören und wird von Körtner in Folge als „ein Hören der Schrift, d. h. der im Akt des Lesens applizierten biblischen Texte“ definiert.106 Körtner folgt auf dieser Grundlage neueren texttheoretischen Debatten zur Komplementarität von Oralität und Literalität.107 Körtner wendet sich daher gegen eine Herabsetzung des Schriftlichen als vermittelter Kommunikation im Unterschied zur vermeintlichen Unmittelbarkeit mündlicher Kommunikation.108 Für Körtner folgt aus diesen Überlegungen, dass eine theologische Hermeneutik der Schrift als universale Hermeneutik angelegt sein muss, um der Komplementarität von Oralität und Literalität gerecht zu werden.109

Das Christentum ist für Körtner daher mit sachlichen Gründen eine Religion des Wortes: Der Bezug allein auf das mündliche Evangelium oder die viva vox evangelii ist nicht ausreichend, wie bereits die Verschriftung des christlichen Zeugnisses und die (zunehmend schriftlich fixierte) altkirchliche Interpretationspraxis zeigt.110 Dieses medientheologische Problem vergrößert sich durch die Kanonbildung: Medientheologisch bedeutet diese einen Rückfall hinter den Inkarnationsgedanken und zugleich lässt sich die Textualität der Schrift im 101 Körtner,

Exegese, 132 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Dogmatik, 525.530. greift an dieser Stelle auf Derrida zurück. Vgl. Körtner, Exegese, 132. 103   A. a. O., 133. 104 Vgl. ebd. 105 Vgl. Körtner, Einführung, 79; Ders., Theologie, 296. 106 Körtner, Einführung, 80 [Hervorhebung im Original]; Ders., Theologie, 297. 107 Vgl. Körtner, Einführung, 84; Ders., Schriftwerdung, 112; Ders., Theologie, 299 f. 108  Vgl. Körtner, Dogmatik, 529; Ders., Schriftwerdung, 114. Zur Kritik an der Dominanz des Mediums Schrift insbesondere in der Befreiungstheologie vgl. Ders., Dogmatik, 533. 109  Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 114. 110  Vgl. Körtner, Exegese, 127 f.; Ders., Dogmatik, 527. 102 Körtner

248 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen o.g. Sinn inkarnationstheologisch begründen und  – wie im Abschnitt zur Inspirationslehre zu zeigen ist – kreuzestheologisch füllen.111 4.1.4. Die Inspiration und Autorität der Schrift Wiederholt kam in der Darstellung der Zusammenhang von Rezeption und Status der Schrift in den Blick: Die Rezeption der biblischen Texte als Kanon ist für Körtner die Grundlage für das Verständnis dieser Texte als Schrift. Die Kanonisierung selbst folgt aus der gläubigen Applikation der Texte.112 Der Grund der Rezeption biblischer Texte als Schrift und mithin der Grund ihrer Autorität ist somit im Prozess der andauernden gläubigen Applikation zu suchen. Um diesen zu präzisieren, entfaltet Körtner eine „literarhermeneutische, leserorientierte Konzeption der Schriftlehre“, in der die Inspiration von der Textproduktion in die Textrezeption verlagert werden wird.113 Inspiration versteht Körtner daher als „Erfahrung des Anredecharakters der biblischen Texte im Hier und Heute“.114 Die rezeptionsorientierte Inspirationslehre bildet nach Körtner keine Gefahr oder gar einen Widerspruch zum sola scriptura, sondern eine überfällige Umformulierung der Inspirationslehre als Lehre vom inspirierten Leser.115 Der Ausgangspunkt der biblischen Hermeneutik liegt somit in der Pneumatologie, in welcher der inspirierte Leser als causa instrumentalis dient.116 Das Problem der Inspiration verlagert sich von der Ebene des Textes oder Autors auf die Ebene des Lesers und somit auf beschreibbare Verstehensbedingungen, eines „auf Struktur der biblischen Texte begründetes heiligendes Verstehen, einen intellectus bzw. eine applicatio sanctificans“.117 Diesen Gedanken hat Körtner an vielen Stellen ausführlich entfaltet und nimmt dabei drei Themenfelder in den Blick: Gott als Schriftsteller und die Autonomie des Textes, Tod und Auferstehung biblischer Texte im Akt des Lesens, sowie die These vom inspirierten Leser.118

111 Vgl.

Körtner, Dogmatik, 528. Vgl. zum Kanon Abschnitt B 4.1.2. Anschluss an Overbeck deutet Körtner die Kanonisierung vielmehr als Eingeständnis des Unverständnisses, der nur die Auslegung der Texte folgen kann. Vgl. Körtner, Leser, 52 f. 113  Körtner, Theologie, 343. Vgl. Ders., Dogmatik, 537; Ders., Rezeption, 41. 114 Körtner, Art. Schriftauslegung, 492. Dieser Zugang hat nach Körtner Anhalt im biblischen Zeugnis selbst: „Diese Erfahrung wird bereits in den biblischen Texten selbst und in der in ihnen stattfindenden Schriftauslegung bezeugt.“ Ders., Theologie, 340. 115 Vgl. Körtner, Leser, 16; Ders., Theologie, 345 f. 116  Vgl. Körtner, Leser, 112; Ders., Rezeption, 45. 117 Körtner, Leser, 16. 118  In dieser und ähnlicher Reihung hat Körtner sein Programm vielfach entfaltet. Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 490–492; Ders., Einführung, 79–81; Ders., Exegese, 133– 138; Ders., Rezeption, 41–48; Ders., Schriftwerdung, 112–116; Ders., Theologie, 296–302.339– 341. Die folgende Darstellung stützt sich überwiegend auf diese älteren Texte Körtners, in denen 112 Im

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a) Gott als Schriftsteller, der Tod des Autors und die Autonomie der Texte Körtners Reformulierung der Inspirationslehre setzt ein mit einer Neubestimmung des Verhältnisses der Texte zu Gott als ihrem Urheber. Dazu greift er Hamanns These von Gott als Schriftsteller auf, da diese Reformulierung der göttlichen Urheberschaft der biblischen Texte nach Körtner die Behauptung der Autorschaft Gottes bei gleichzeitiger Autonomie seines Werkes ermöglicht.119 Wird Gott als Schriftsteller verstanden, folgt daraus das Zurücktreten des Autors hinter seinen Text: Die literaturwissenschaftliche These vom Tod des Autos lässt sich nach Körtner kreuzestheologisch und inkarnationstheologisch rekonstruieren. Der „Tod Gottes als Gestalt seiner Verborgenheit, d. h. aber sub contrario als Weise seiner Anwesenheit“ ist für Körtner kreuzestheologisch die letzte Konsequenz aus der Inkarnation: „Die Schriftwerdung des göttlichen Wortes ist […] der Endpunkt seiner Erniedrigung und Entäußerung.“120 Durch die „Entäußerung in die Schriftlichkeit“121 gibt sich das Wort Gottes – analog zur Inkarnation  – freiwillig in die Hand der Widersacher: Es wird äußerlich schwach, ein – „widerstehliches Wort“122 – und liefert sich dem Leser und dem Konflikt der Interpretationen aus.123 So kommt die Vielfalt und Pluralität nicht nur der biblischen Texte, sondern auch ihrer Interpretationen in den Blick. Aufgrund der „Polysemie des Wortes Gottes“ entsteht durch die Texte ein Gesicht der Schrift: So wird im Neuen Testament ein expressionistisches Portrait Christi vor Augen gemalt.124 Die Verschriftung führt nach Körtner zudem zur Autonomie des Textes sowohl im Verhältnis zu seinem Autor als auch gegenüber dem empirischen Leser, insofern die Bedeutung des Textes nicht festlegbar ist.125 Zu unterscheiden ist daher nach Körtner mit Umberto Eco zwischen intentio auctoris, intentio lectoris und intentio operis.126 Diese Autonomie ist nach Körtner jedoch nicht grenzenlos: Körtner definiert die intentio operis als „regulative Idee der Interpretation“ zum Schutz des Textes vor dem Leser: „Texte sind eben nicht bloßes Material, das der er sein Modell ausführlich expliziert. In gleicher Weise hat Körtner sie jedoch in jüngster Zeit bekräftigend wiederholt, z. B. in Körtner, Lesen. 119  Körtner parallelisiert diese Beschreibung mit der Eigenständigkeit der Schöpfung gegenüber dem Schöpfer. Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 492; Ders., Exegese, 134; Ders., Theologie, 339–341. 120  Körtner, Exegese, 135; Ders., Rezeption, 46. Vgl. Ders., Art. Schriftauslegung, 490.492. 121  Körtner, Theologie, 340. 122  A. a. O., 341. 123 Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 494; Ders., Schriftwerdung, 117; Ders., Exegese, 136.138; Ders., Rezeption, 47; Ders., Theologie, 341. Im Schutz der Texte vor der Subjektivität der Leser liegt für Körtner im Anschluss an Franz Overbeck eine wesentliche Aufgabe der Exegese. Vgl. Abschnitt B 4.2.2. 124  Körtner, Exegese, 134. Vgl. a. a. O., 135 f; Ders., Theologie, 340. 125  Vgl. Körtner, Einführung, 83; Ders., Leser, 57; Ders., Rezeption, 42; Ders., Schriftwerdung, 115.123–127; Ders., Theologie, 322 f. 126  Vgl. Körtner, Theologie, 323.

250 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Rezipient beliebig verformt […], sondern als strukturiertes Material üben sie auf ihre Rezipienten eine von diesen selbst nicht intendierte Wirkung aus. Diesen Umstand bringt die Kategorie der intentio operis zum Ausdruck.“127 Die intentio operis steht nach Körtner in einer dialektischen Beziehung zur intentio lectoris, da die intentio operis eines exemplarischen Autors nur als Unterstellung des Lesers greifbar ist.128 Insofern modifiziert sie den hermeneutischen Zirkel und schützt den Text vor der Vereinnahmung durch den Leser.129 Auch aus diesem Grund bleibt die Mehrdeutigkeit konstitutiv: Denn Lesen ist immer ein „Auslesen, d. h. ein Akt der Selektion aus der Fülle möglicher Sinnbezüge“.130 Diese können sich jedoch auch intertextuell miteinander verweben, kommt es doch nach Körtner „bei wiederholter Lektüre und im Verlauf der Auslegungs- bzw. Wirkungsgeschichte zu intertextuellen Sinnanreicherungen“.131 Die Beschreibung der intentio operis verbindet Körtner mit der Rede von der Klarheit der Schrift zur Unterscheidung zwischen „sachgemäßen und unsachgemäßen Formen geistlicher Schriftauslegung“132 und hält fest: In diesem Sinne ist auch am reformatorischen Grundsatz der äußeren Klarheit der Schrift festzuhalten. Theologisch verbindet sich mit der Kategorie der intentio operis außerdem die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Geist und Buchstabe, Gesetz und Evangelium sowie zwischen Verheißung und Erfüllung (Sauter), wobei Unterscheidung eine zuordnende Differenzierung, nicht aber spiritualistische Trennung bedeutet.133

b) Tod und Auferstehung biblischer Texte im Akt des Lesens Vor diesem Hintergrund bezeichnet Körtner die biblischen Texte als eine Gestalt des Todes: „Als Gestalt der Inkarnation tragen auch die biblischen Texte das Sterben Christi an ihrem Leibe.“134 Als solche sind auch sie von völliger Entäußerung gekennzeichnet und eine „tote Sinnspur“.135 Im Anschluss an Paul Ricoeur wertet Körtner diese Entäußerung nicht nur negativ: Denn der Tod des Textes ist nicht definitiv, sondern bedingt – in der verschrifteten Verfremdung – 127 Körtner, Einführung, 84 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Schriftwerdung, 116; Ders., Theologie, 323. 128  Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 115. 129 Vgl. Körtner, Theologie, 323. 130 Ebd. [Hervorhebung im Original]. Vgl. a. a. O., 324; Ders., Schriftwerdung, 116. Diese muss jedoch von der Auslegungstradition und dem intertextuellen Kontext unterschieden werden, die sich ebenfalls leitend auf die Interpretation auswirken. Vgl. Ders., Einführung, 84; Ders., Schriftwerdung, 116. 131 Körtner, Art. Schriftauslegung, 491. 132 „Evangelische Schriftauslegung hat freilich die von Luther formulierte regulative Idee der äußeren und inneren Klarheit der Schrift zum Kriterium, um zwischen sachgemäßen und unsachgemäßen Formen geistlicher Schriftauslegung zu unterscheiden.“ Ebd. [Hervorhebung im Original]. 133  Ebd. 134 Körtner, Exegese, 138. 135   A. a. O., 139; Ders., Rezeption, 47.

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das Verstehen.136 Diese Prozesse beschreiben damit keineswegs eine Verfallserscheinung, sondern ermöglichen vielmehr produktives Verstehen, da das Unverständnis nicht das Ende des Verstehens markiert.137 Ausgangspunkt für die Auslegung der Schrift ist daher eine hamartiologisch begründete Hermeneutik des Unverständnisses.138 Der Tod des Autors ist dabei vorausgesetzt, um das Eigenleben der Texte zu ermöglichen: Wird dieser nicht akzeptiert, kommt es zum Tod des Textes, mithin zu rein historisierenden Interpretationen, die an vermeintlichen Intentionen des Autors ausgerichtet bleiben.139 Aus der oben skizzierten Verhältnisbestimmung von Schrift und Inkarnation folgert Körtner eine Strukturanalogie zwischen Schrift und Christologie, die jedoch nicht nur das Sterben, sondern auch die Möglichkeit der Auferstehung umfasst: So wie Christus von den Toten auferweckt wurde, kann der Geist auch tote Buchstaben erwecken und als Wort Gottes Ereignis werden lassen.140 Die Texte sind zwar stumm, aber sie könne im Akt des Lesens erneut zu sprechen beginnen.141 Es kommt zu einer geistgewirkten kraftvollen Selbstauslegung in partikularen Interpretationen der Leser, dem damit eine Bedeutung für die Sinnkonstitution der Texte zugesprochen wird.142 Dieses Verstehen wertet Körtner als „Auferweckung des Textes“ und Auferstehung, folglich als Handeln Gottes im Akt des Lesens.143 Diese Inspiration ist als ein Akt der Rezeption und Interpretation ein geistgewirktes Geschehen.144 In dieser konstitutiven Angewiesenheit der Schriftlehre auf die Pneumatologie liegt für Körtner das Wahrheitsmoment der Inspirationslehre: Indem die Inspirationslehre auf den Akt des Lesens übertragen wird, wird diese als pneumatologische Erfahrung des impliziten Lesers im Akt des Lesens gedeutet.145 c) Der inspirierte Leser Diesen Akt des inspirierten Lesens weiterführend greift Körtner Wolfgang Isers Terminus des impliziten Lesers auf, den er als inspirierten Leser qualifiziert: Der implizite Leser der biblischen Texte ist ein vom göttlichen Geist inspirierter Leser. Der Geist manifestiert sich im Akt des Lesens, so daß das Verstehen des Textes nicht die Leistung des Lesers, sondern ein sich zwischen Text und Leser abspielendes Ge136 Vgl.

Körtner, Exegese, 140; Ders., Rezeption, 47. Körtner, Leser, 58 f. 138  Vgl. Körtner, Exegese, 138. Vgl. Ders., Leser, 44–61. Vgl. Abschnitt B 4.2.1. 139 Vgl. Körtner, Exegese, 139. 140 Vgl. Körtner, Theologie, 192. Vgl. Ders., Exegese, 138–141. 141 Vgl. Körtner, Exegese, 138. 142 Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 494; Ders., Exegese, 136; Ders., Rezeption, 47; Ders., Schriftwerdung, 115. 117; Ders., Theologie, 341. 143  Körtner, Rezeption, 47 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Exegese, 140. 144  Vgl. Körtner, Rezeption, 46. 145  Vgl. Körtner, Exegese, 138.140. 137 Vgl.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

schehen ist, in welchem die tote Sinnspur des Geistes zu neuem Leben erweckt wird und den Leser erfaßt, der seinerseits zu einem neuen Leben und einem neuen Verständnis seiner Existenz gelangt.146

Dies führt Körtner in drei Richtungen aus. Körtner greift erstens die Frage auf, ob die Beteiligung der Leser an der Sinnkonstitution der biblischen Texte eine synergistische Vorstellung fördert, die das extra nos des Glaubens gefährdet und in Spannung zur Rede von perfectio, sufficentia und efficatia der Schrift steht.147 Nach Körtner ist dieser Widerspruch jedoch nicht zwingend, wenn man zwischen dem Zeugnis und der Aufnahme des Zeugnisses differenziert: Insofern der Glaubende die aufnehmende Seite des Ereignisses repräsentiert, ist der Leser Bestandteil des bezeugten Ereignisses, aber nicht sein alleiniger Grund.148 Im Blick auf die Suffizienz der Schrift hält Körtner fest: Zwar sind die Texte nach Körtner in gewissem Sinn unvollständig, aber sie schaffen „sich selbst den Leser […], dessen sie zu ihrer Vervollständigung bedürfen“.149 Dabei handelt es sich um ein Geschehen zwischen Text und Leser in der Wechselwirkung von Leseakt und Sache des Textes der intentio operis: „Wo sich im Akt des Lesens gläubige Rezeption ereignet, vervollständigt sich der Text im Sinne der ihm innewohnenden intentio operis.“150 Körtner folgert: „Suffizient sind die biblischen Texte in dem Sinne, daß sie hinreichend sind als alleiniges Stimulans gläubiger Rezeption, welche sich selbst wiederum nicht als autonome Leseleistung, sondern als Gabe, nämlich als Frucht des Lesens begreift.“151 Daran anschließend hält Körtner zweitens fest: Da der Glaube passiv als Widerfahrnis und Gabe bestimmt ist, muss auch der geistgewirkte Akt des Lesens passivisch im Sinne der „Aneignung der Schrift als deren Zueignung“ verstanden werden.152 Daher hält er fest, dass nicht das Ansehen der Schrift den Glauben begründet, sondern vielmehr der Glaube die besondere Stellung und

146  A. a. O.,

140; Ders., Rezeption, 48. Vgl. Ders., Leser, 16. Körtner, Dogmatik, 541 f; Ders., Einführung, 103 f; Ders., Leser, 109; Ders., Rezeption, 44 f; Ders., Theologie, 343. 148 Vgl. Körtner, Einführung, 104; Ders., Leser, 110; Ders., Rezeption, 43 f; Ders., Theologie, 343 f. Körtner unterscheidet hier zwischen Aufnahme und Rezeption: Aufnahme ist als eine qualifizierte Rezeption zu bestimmen, d. h. als Glauben. Vgl. Ders., Einführung, 104; Ders., Leser, 111; Ders., Theologie, 344. 149 Körtner, Leser, 111. Vgl. Ders., Einführung, 105; Ders., Theologie, 345. 150 Körtner, Einführung, 105 [Hervorhebung im Original]. „Das Verstehen des biblischen Textes ist nicht die Leistung des Lesers, sondern ein sich zwischen Text und Leser abspielendes Geschehen, in welchem der Text als tote Sinnspur des Geistes zu neuem Leben erweckt wird und zugleich den Leser erfasst, der seinerseits zu einem neuen Leben und einem neuen Verständnis seiner Existenz gelangt.“ Ders., Dogmatik, 544 [im Original kursiv]. Vgl. Ders., Leser, 111. 151  Körtner, Leser, 111. Vgl. Ders., Einführung, 105; Ders., Rezeption, 45; Ders., Theologie, 345. 152  Körtner, Theologie, 344. Vgl. Ders., Einführung, 104. 147 Vgl.

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Autorität der Schrift.153 Da sowohl die Sünde im Verstehen als auch die gläubige Aufnahme des Textes durch den Text provoziert werden, fordert Körtner eine Hermeneutik des Verdachts.154 Drittens wird deutlich, dass die Erfahrung der Auferweckung von Texten im Akt des Lesens nicht auf den Text, sondern auf die Teilhabe der Leser am Auferstehungsleben Christi abzielen.155 Ziel ist nicht die Rekonstruktion des Textes, sondern die Rekonstruktion des Subjekts: „Der ‚implizite Leser‘ biblischer Texte ist ein solcher, der vom Geist Gottes im Akt des Lesens inspiriert wird und zu einem neuen Verständnis seiner selbst gelangt.“156 Im Akt des Lesens geschieht nach Körtner beides zugleich: Die Auferweckung des Textes und die Neuschöpfung des Lesers.157 Dieses Verstehen qualifiziert Körtner als Glaube.158 Dabei kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Leser und der Sache des Textes: Ist das Verstehen im Sinne Ricoeurs ein Sich-Verstehen vor dem Text, dann konstituiert gegen den ersten Augenschein nicht das Subjekt das Verstehen, sondern dieses wird umgekehrt durch die ‚Sache‘ des Textes konstituiert. Der Leser findet sich daher nur, indem er sich im Akt des Lesens verliert und so eine neue Freiheit gewinnt, welche theologisch gesprochen die Freiheit des Glaubens ist.159

4.1.5. Die Schrift in der Auslegungsgemeinschaft der Gläubigen Körtners Überlegungen zur Rezeption der Schrift rückt die Rezeptions- und Auslegungsgemeinschaften der Schrift in den Blick. Primärer Ort der Schriftauslegung ist dabei die Kirche, wie Körtner aus der doppelten Beziehung von Kanon und Kirche begründet. Erstens ist die Schrift als Kanon „Frucht einer gemeinschaftlichen Lesetradition“ und daher nur in und aus der Auslegungsgemeinschaft verständlich.160 Die Kirche ist dabei jedoch nicht Subjekt der Kanonbildung, vielmehr hat sich der Kanon der Kirche als solcher imponiert.161 153 Vgl. Körtner, Arbeit, 86. Dieser Prozess lässt sich nach Körtner am deutlichsten in der gottesdienstlichen Gemeinde, also am primären Ort der Schriftlesung und -auslegung, beobachten: Denn die Gemeinde ist nicht Subjekt, sondern Objekt der Auslegung und in diesem Sinn creatura verbi. Vgl. Ders., Rezeption, 41. 154  Vgl. Körtner, Leser, 111; Ders., Rezeption, 44; Ders., Theologie, 345. 155  Vgl. Körtner, Exegese, 141. 156  Körtner, Rezeption, 41. Vgl. a. a. O., 45; Vgl. Ders., Dogmatik, 543; Ders., Einführung, 105; Ders., Theologie, 345. 157 Vgl. Körtner, Exegese, 141; Ders., Rezeption, 48. Vgl. Abschnitt B 4.1.5. 158 „Der Glaube aber ist ein Verstehen biblischer Texte, durch welches der Leser nicht nur in den Text gerät, um ihn zu vervollständigen, sondern durch welches er seinerseits verwandelt wird, indem er sich neu verstehen lernt.“ Körtner, Leser, 111. Vgl. Ders., Einführung, 104. 159  Körtner, Theologie, 345. Vgl. Ders., Leser, 16. 160  Körtner, Arbeit, 54. Vgl. Ders., Leser, 85; Ders., Einführung, 90. 161 Vgl. Körtner, Arbeit, 33.57 f. Dies wird für Körtner konkret in der gottesdienstlichen Gemeinschaft: Hier erfährt sich die Kirche nicht als Subjekt, sondern als Objekt der Schrift-

254 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Die Pluralität des Kanons und die Pluralität der Kirchen sind für Körtner eng verbunden: So kommt nicht nur im Kanon die Pluralität des frühen Christentums zum Ausdruck, sondern auch heute sind die verschiedenen Kanongestalten eng mit konfessionellen Identitäten verbunden.162 Ihr Zusammenhang lässt sich nach Körtner im Sinne moderner Intertextualitätskonzepte erklären, wobei der Kanon als hermeneutisches Prinzip dient: Jeder Kanon ist in Respekt für die gegenseitige Begrenzung und Ergänzung „eine partikulare Realisierung der Idee der Heiligen Schrift, die auf den Austausch mit anderen Gestalten ihrer Realisierung angewiesen ist“.163 Der Kanon im Konflikt seiner Interpretationen und Kirche in der Vielfalt der Konfessionen sind daher parallel und bleibend plural strukturiert.164 Den zweiten Zusammenhang von Kirche und Kanon reißt Körtner nur an: Da der ursprüngliche Ort des applikativen Schriftgebrauchs im Gottesdienst zu finden ist, ist nach Körtner die Idee des Kanons nur vom Gottesdienst her verständlich.165 Der Aufbau des Kanons selbst wird hier zu Leseanleitung und -strategie, sodass die Einheit im Prozess der gemeinsamen Lektüre im liturgischen Jahr immer wieder neu hergestellt wird.166 Schriftauslegung erfolgt daher nach Körtner primär in den Kirchen.167 Körtner setzt sich daher intensiv mit der Frage nach einer kirchlichen Schrifthermeneutik auseinander.168 Diese grenzt er gegen drei Fehldeutungen ab: Erstens darf sie nicht mit einer Hermeneutik des Einverständnisses verwechselt werden, da das Einverständnis nicht Voraussetzung sondern bestenfalls Ergebnis des Verstehens sein kann.169 Zweitens folgt aus dieser Beschreibung kein kirchliches Auslegungsprimat, da die Kirche nach reformatorischem Verständnis nicht Subjekt, sondern Objekt der Auslegung ist.170 Drittens kann eine kirchliche Hermeneutik das Pluralitätsproblem nicht still stellen, da auch die Kirche in der Vielfalt der konfessionellen Auslegungsgemeinschaften bleibend plural strukturiert ist und die

auslegung, wenn das menschliche Bemühen um Schriftauslegung in die pneumatologische Erfahrung umschlägt, vom Text der Schrift ausgelegt zu werden. Vgl. Ders., Art. Schrift/Schriftauslegung, 493; Ders., Einführung, 105; Ders., Rezeption, 41. 162 Vgl. Körtner, Arbeit, 101.55 f.96; Ders., Art. Konfessionelle Bibelhermeneutiken, 337; Ders., Dogmatik, 535; Ders., Einführung, 90; Ders., Exegese, 136; Ders., Rezeption, 39 f. 163  Körtner, Arbeit, 57. Vgl. Ders., Dogmatik, 535 f.; Ders., Einführung, 92; Ders., Rezeption, 40. Vgl. Abschnitt B 4.2.1.b). 164  Vgl. Körtner, Art. Schrift/Schriftauslegung, 492; Ders., Theologie, 341. 165  Vgl. Körtner, Arbeit, 53; Ders., Art. Schrift/Schriftauslegung, 493; Ders., Dogmatik, 534; Ders., Exegese, 138; Ders., Rezeption, 33; Ders., Theologie, 342. 166 Vgl. Körtner, Rezeption, 33. Im Sakrament wird zudem das Wort Gottes als leibliches Wort erfahrbar. Vgl. Ders., Theologie, 347–362. 167  Vgl. Körtner, Arbeit, 57. Vgl. Ders., Art. Bibelhermeneutiken, 337; Ders., Dogmatik, 536; Ders., Exegese, 137. 168  Vgl. Körtner, Arbeit, 57 f.; Ders., Art. Schrift/Schriftauslegung, 492. Vgl. Ders., Einführung, 91; Ders., Rezeption, 40; Ders., Theologie, 341. 169  Vgl. Körtner, Art. Bibelhermeneutiken, 337; Ders., Exegese, 137. 170  Vgl. Körtner, Exegese, 138.

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Auslegungsgemeinschaften je nur „endliche Realisierung des biblischen Sinnpotentials“ anbieten.171

Die gläubige Rezeption ist für Körtner als eine spezifische Weise des Verstehens bestimmt: Glauben beschreibt er als das „christliche Wort für das doppelt vermittelte Gottesverhältnis“ i. S. d. „Verstehen[s] der Existenz in ihrer Gottesrelation“.172 Dieser Prozess ist pneumatologisch bestimmt und konstitutiv auf die Schrift bezogen.173 Körtner präzisiert: „Christlicher Glaube vollzieht seine Selbstauslegung in der Form der Schriftauslegung, indem er darlegt, wie die menschliche Existenz ihrerseits von den Texten der Schrift her ausgelegt und verstehbar wird. Die biblischen Schriften dienen der Theologie also nicht nur als Gegenstand von Verstehensprozessen, sondern auch als deren Medium.“174 Hier kommen das „äußerliche[] Verstehen im Sinne einer sachgerechten Interpretation der Glaubensbotschaft“ und das „innerliche[] Verstehen im Sinne der Applikation oder Aneignung“ in der Aneignung der Glaubensbotschaft zusammen.175 Körtner betont die anthropologische Ambivalenz des Verstehens: Es ist zum einen als gläubige Annahme der Glaubensbotschaft, zum anderen jedoch als „Sünde im Verstehen“ zu bestimmen, deren Voraussetzung nicht ein bestimmtes Vorverständnis, sondern das im sachlichem Widerspruch des Menschen gegen den Inhalt der Verkündigung gründende Unverständnis des Menschen ist.176 Das gläubige Verstehen ist nach Körtner konstitutiv in die Gemeinschaft der Glaubenden eingebunden: Lesen und Interpretieren der Schrift sind im Wechselspiel von Lesen, Auslegen und Hören zu verstehen, bei denen die Gemeinde als Lese- und Interpretationsgemeinschaft die Regeln der Interpretation gemeinschaftlich festlegt.177 Dabei gilt es, auch die Bedeutung des Hörens und des Gebets in der Spannung von Reden und Schweigen zu reflektieren.178

171 Körtner, Art. Bibelhermeneutiken, 337. Vgl. Ders., Art. Schrift/Schriftauslegung, 493; Ders., Theologie, 342. Vgl. zur Schrift als Thema ökumenischer Hermeneutik; Ders., Exegese, 137 f; Ders., Theologie, 16–19. 172 Körtner, Exegese, 133. Wie in den Ausführungen zum Inspirationsbegriff bereits dargestellt, beschreibt Körtner dieses „passivisch als ein von Gott Erkannt und Verstandenwerden“ (Ders., Theologie, 236 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Dogmatik, 13). Diese Erfahrung des Sich-selbst-neu-Verstehens resultiert aus dem Verstandenwerden und Verstandensein durch Gott (vgl. Ders., Einführung, 80). Im Gebet wird das äußere Wort dann zu einem inneren Wort, wodurch das Angeredetsein durch Gott als relationales Geschehen zwischen Innen und Außen beschrieben werden muss (vgl. Ders., Theologie, 264). 173 Vgl. Körtner, Leser, 59 f.; Ders., Glossa, 14. Vgl. Abschnitt B 4.1.3. 174 Körtner, Einführung, 75 [Hervorhebungen im Original]. 175  Körtner, Theologie, 237 [Hervorhebungen im Original]. Vgl. a. a. O., 302; Ders., Einführung, 81. 176  Körtner, Theologie, 236 f. 177   A. a. O., 300. 178  Vgl. a. a. O., 259–262.

256 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Im Spannungsfeld von Glaube, Schrift und Wissenschaftlichkeit der Theologie verhandelt Körtner die Frage nach der Wahrheit des Glaubens und der Wahrheit der Schrift.179 Er diskutiert im Blick auf die Wahrheit des Glaubens kohärenz-, korrelations- und korrespondenztheoretische Ansätze und betont im Anschluss das Satz-, Kohärenz-, und Kontrollierbarkeitspostulat als Mindestkriterien von Wissenschaftlichkeit.180 Probleme bereitet nach Körtner in der Theologie letzteres, da im Blick auf die Wahrheit des Glaubens auch assertorische Sätze nötig sind, weswegen Körtner für eine Unterscheidung von propositionalem und existentialem Wahrheitsbegriff plädiert.181 Diese führt er im Blick auf die Wahrheit der Schrift aus, die Körtner als existentielle und existentiale Wahrheit beschreibt.182 Die poetische Qualität der Wahrheit der Schrift darf nach Körtner nicht als Fiktion im Sinne des NichtWirklichen verstanden werden, sondern diese Fiktion sagt als De- und Rekonstruktion der Wirklichkeit etwas anders nicht Sagbares über die Wirklichkeit aus.183 So steht die christliche Verkündigung zu ihrer Behauptung, auf einem historischen Ereignis zu beruhen, „aber relevant ist dieses nur in seiner heilgeschichtlichen bzw. existentiellen Bedeutsamkeit, die als solche gar nicht historisch verifizierbar, sondern offenbar nur in einer quasi-mythischen Form aussagbar ist“.184 Diese „erfundene Wahrheit“ ist Ausdruck von Widerfahrnissen mit Gott und hat nur dort ihren Grund.185 Vor dem Hintergrund seiner Ausführungen zur Inspiration fasst Körtner zusammen: Die Wahrheit der Schrift besteht darin, daß durch sie Gott, Welt und Mensch neu erschlossen werden, wo immer sie als Wort Gottes vernommen wird. Im Sinne der früheren Ausführungen zum Offenbarungsbegriff können wir auch sagen: wo sich im Akt des Bibellesens aktuelle Offenbarung ereignet.186

Diese Wahrheit ist auf die Verheißung bezogen und somit assertorisch und konfessorisch aus dem Gebet erwachsen.187 Im Blick auf die Theologie als Wissenschaft verweist Körtner auf die Unterscheidung von Wahrheit und Wahrhaftig179 Körtner unterscheidet erstens zwischen der Wahrheit des Wortes Gottes und der Wahrheit religiöser Sätze. Angesichts der Aussage, dass Jesus Christus selbst die Wahrheit ist, differenziert Körtner zweitens zwischen der Wahrheit als Thema der Wissenschaftstheorie und personal gefasster Wahrheit. Drittens muss zwischen objektsprachlichen und metasprachlichen Aussagen unterschieden werden. Vgl. a. a. O., 364 f. 180  Vgl. a. a. O., 366–368. Zur wissenschaftlichen Schriftauslegung vgl. die Abschnitte B 4.2.2 und B 4.2.3. 181  Vgl. a. a. O., 369 f. 182 Vgl. a. a. O., 371. 183  Vgl. a. a. O., 371 f. 184   A. a. O., 372. 185  „Der Glaube kann die Wahrheit des Evangeliums nur deshalb erfinden, weil er sich selbst von Gott gefunden und neu erfunden weiß.“ A. a. O., 373. Vgl. a. a. O., 372. 186  A. a. O., 373. 187   Vgl. a. a. O., 374 f.

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keit bezogen auf Glaube und Wissen: Der Glaube vertraut zwar nicht grundlos, in der Theologie besteht jedoch eine Sprachnot in dieser Frage.188

4.2. Schriftauslegung im Kontext der Dogmatik 4.2.1. Theologie als Arbeit am Kanon Die Auslegung der Schrift ist für Körtner die grundlegende und konstitutive Aufgabe der Theologie: „Alle Theologie ist Arbeit am Kanon, so gewiss christliche Theologie ganz wesentlich als Schriftauslegung zu begreifen ist.“189 Diese Bestimmung ergibt sich aus Körtners Theologiebegriff selbst: Körtner definiert Theologie als „Wissenschaft von der Gottesrelation der Wirklichkeit, des Menschen und der Welt.“190 Gegenstand der Theologie ist Gott und die gesamte von ihm abhängige Wirklichkeit.191 Theologie spricht daher nicht neutral, sondern bietet eine „soteriologische Interpretation der Wirklichkeit“ aus der Perspektive des Glaubens.192 Will sie sich nicht im Mythischen auflösen, muss sie sich nach Körtner als Lehre vom Wort Gottes begreifen:193 Die Lehre vom Wort Gottes – im oben skizzierten Sinn als Offenbarung verstanden – ist daher für Körtner nicht ein Teilgebiet der Theologie, sondern Theologie ist ihrem Wesen nach Lehre vom Wort Gottes.194 Dabei ist sie konstitutiv auf die Schrift bezogen und im Verhältnis zu dieser als Grammatik zur Sprache der ausgelegten Bibel zu bestimmen.195  Vgl. a. a. O., 375. 377. Arbeit, 5. Diese Aufgabe ist nach Körtner Konsens aller Konfessionen. Vgl. Ders., Sola Scriptura, 143. 190 Körtner, Dogmatik, 6. 191 Vgl. a. a. O., 7. Körtner präzisiert im Anschluss an Mildenberger: „Theologie ist die metasprachliche Reflexion ‚einfacher Gottesrede‘.“ Theologie kommt von der Gottesrede her und geht auf sie zu, da sie nicht nur über die Rede von Gott, sondern auch über Gott selbst redet. Ders., Theologie, 147. Vgl. a. a. O., 262. 192 Körtner, Dogmatik, 8 [im Original kursiv]. 193 Körtner begründet: „‚Wort Gottes‘ ist genau jene theologisch zentrale absolute Metapher, die zwischen Mythos und Metaphysik steht. Der λόγος θεοῦ ist nämlich einerseits die Erzählung vom letztgültigen Offenbarungsgeschehen, andererseits der begrifflich zu explizierende Inhalt dieser Offenbarung.“ Körtner, Theologie, 149. Vgl. weiterführend zum Begriff des Wortes Gottes Abschnitt B 4.1.3. 194  Vgl. Körtner, Dogmatik, 149. 195  Vgl. Körtner, Theologie, 147. Körtner führt an anderer Stelle aus: „Theologie als Grammatik religiöser Sprachspiele ist daher  – zumindest nach reformatorischem Verständnis – immer auch und zuerst Grammatik der Heiligen Schrift.“ (Ders., Glossa, 14). Auch ist diese Grammatik selbst biblisch verankert: „Die Grammatik der christlichen Religion ist in den Texten der biblischen Überlieferung vorgezeichnet. Die Grammatik der Schrift ist aber eine generative Grammatik […].“ (Ders., Aufgabe, 179). Sie bewegt sich daher spannungsvoll zwischen Mythos und Metaphysik und fragt in dieser Spannung nach der Wahrheit der story 188

189 Körtner,

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

In Weiterführung seiner Überlegungen zur Schriftlehre bedeutet Schriftauslegung für Körtner „den interpretatorischen Nachvollzug des in den biblischen Texten ausgesprochenen Selbstverständnisses“.196 Ziel ist dabei die Verkehrung von Hintersinn und Vordersinn: Nicht der Text, sondern die Welt wird im Vollzug der Auslegung verfremdet und neu interpretiert.197 In diesem Sinn beschreibt Körtner sein Programm als eine Form hermeneutischer Theologie: Das Selbstverstehen des Glaubenden in und durch die Schrift und der Sprachverlust der Theologie in der Gegenwart können nach Körtner nur im Rückgriff auf die Urkunden seines Sprechens in den biblischen Texten thematisiert werden.198 Körtner folgert: „Theologie als umfassende Interpretation von Wirklichkeit [wird] ganz wesentlich als Schriftauslegung vollzogen“.199 In der Bezogenheit auf Schrift und Glaube muss eine hermeneutische Theologie als Hermeneutik des Unverständnisses gefasst werden.200 Deutlich wird in dieser Beschreibung ein weiter und umfassender Begriff von Theologie, wie er auch bei den anderen untersuchten Positionen erkennbar war. Körtner differenziert in seinen Überlegungen nicht durchgehend zwischen einem umfassenden Verständnis von Theologie und der Theologie als Wissenschaft. Dies gilt auch und gerade für die Überlegungen zur Schriftauslegung. Deutlicher kommt die Frage nach dem Status der Schrift in der wissenschaftlichen Dogmatik daher in seinen Überlegungen zu den wissenschaftlichen Disziplinen zum Tragen, die mit der Schriftauslegung befasst sind. a) Biblische Hermeneutik zwischen Exegese und Dogmatik Die biblische Hermeneutik verortet Körtner an der Schnittstelle von Exegese und Dogmatik. Das Verhältnis dieser Disziplinen bestimmt Körtner als spannungsvoll, wie er im Blick auf die enzyklopädische Zuordnung der biblischen Hermeneutik ausführt: Historisch steht diese Spannung im Kontext der neuzeitlichen Problemgeschichte der Unterscheidung zwischen der „Exegese im Sinne der historisch-kritischen Rekonstruktion der biblischen Texte und ihrer ursprünglichen Aussage“ und der „Schriftauslegung im Sinne des gegenwartsder Theologie (Ders., Theologie, 147 f.260). Zu Körtners Verständnis narrativer Theologie vgl. Ders., Theologie, 120–125. 196  Körtner, Art. Schriftauslegung, 493. 197 Vgl. Körtner, Leser, 103. 198 Diese Argumentation verbindet sich bei Körtner mit einer Beschreibung des Schweigens Gottes in der Gegenwart, das nur im Rekurs auf die Schrift überwunden werden kann (Vgl. Körtner, Aufgabe, 177 f. Vgl. Ders., Leser, 38–41. Zum Schweigen Gottes vgl. Ders., Theologie, 61–68. 378). Körtner begründet sehr ausführlich und an verschiedenen Stellen die Notwendigkeit einer hermeneutischen Theologie. Vgl. Körtner, Arbeit, 239; Ders., Leser, 20– 28.34; Ders., Relevanz, 75 f.; Ders., Theologie, 60.237. Vgl. zu Körtners Zeitdiagnostik Ders., Essay. 199 Körtner, Einführung, 75. 200  Vgl. Körtner, Arbeit, 220–229.234–240; Ders., Leser, 47–49.51–56.

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bezogenen Schriftgebrauchs unter der Voraussetzung ihrer heutigen Geltung“.201 Grundlegend ist dafür die eingangs skizzierte Unterscheidung zwischen Schrift und Bibel: „Der Unterschied liegt in der Haltung gegenüber dem Geltungsanspruch ihrer Texte bzw. in der Erwartungshaltung, die die Lektüre bestimmt.“202 Als Heilige Schrift sind die Texte „Medium möglicher gegenwärtiger und künftiger Gotteserfahrung“, als Werk menschlicher Autoren werden sie mit literatur- und kulturwissenschaftlichen Methoden gelesen.203 Die erste Erwartungshaltung darf nach Körtner in einer theologischen Schriftlehre nicht aufgeben werden, soll die Wahrheitsfrage der Theologie und die Lektüre der Schrift als Schrift nicht preisgegeben werden.204 Als theologische Schriftauslegung muss sie dazu die Kanonizität und Einheit der Schrift beachten, um die Korrespondenz von Erkenntnisgegenstand und Methode zu wahren.205 Eine biblische Hermeneutik verfolgt für Körtner diese doppelte Auslegungsrichtung: Biblisch ist eine Hermeneutik, die nicht nur in Grundlegung und Methodenlehre auf ihren besonderen Gegenstand, nämlich den [sic] Schriften des Alten und Neuen Testaments, zugeschnitten ist, sondern die darüber hinaus nach dem hermeneutischen Potential dieser Texte fragt und für das Verstehen heutiger Lebenswelten fruchtbar zu machen versucht. […] In diesem Sinne ist eine biblische Hermeneutik immer auch eine theologische Hermeneutik.206 Die Zuordnung der biblischen Hermeneutik zu den theologischen Disziplinen ist nach Körtner umstritten und auch ihr systematischer Ort ist unklar: Sie kann entweder innerhalb der Disziplinen oder als Metatheorie oder in der Fundamentaltheologie (und damit als Teil der Systematischen Theologie) entfaltet werden.207 Verortet man sie in einer Disziplin, bleibt nach Körtner die Alternative zwischen der Beschreibung der Dogmatik als konsequenter Exegese oder der Exegese – im Gebiet der biblischen Hermeneutik – als konsequenter Dogmatik.208 In diesem Spannungsfeld wird das Verhältnis der Disziplinen von Körtner durchaus unterschiedlich bestimmt. Während er Jüngels Beschreibung der Dogmatik als konsequenter Exegese häufig zustimmend aufgreift,209 spricht er sich an einer Stelle gegen die Einseitigkeit dieser Beschreibung aus, zum einen, weil nicht die Dogmatik, sondern die Predigt die primäre Gestalt konsequenter (theologischer) Exegese ist, zum anderen weil zwischen dem Dogmatischen

201 Körtner, Schriftwerdung, 109. Vgl. Ders., Art. Schrift/Schriftprinzip IV, 525; Ders., Art. Schriftauslegung, 489; Ders., Theologie, 304 f. 202  Körtner, Einführung, 87. 203  Körtner, Schriftwerdung, 109. Vgl. Ders., Art. Schriftauslegung, 489. 204 Vgl. Körtner, Art. Schrift/Schriftprinzip IV, 525; Ders., Einführung, 87; Ders., Schriftwerdung, 109; Ders., Theologie, 304 f. Vgl. zur Wahrheit der Schrift Abschnitt B 4.1.5. 205 Vgl. Körtner, Einführung, 87; Ders., Schriftwerdung, 129. 206 Körtner, Einführung, 75 [Hervorhebung im Original]. 207  Vgl. a. a. O., 77. 208  Vgl. a. a. O., 78. 209 Vgl. Körtner, Arbeit, 137. 211; Ders., Art. Schriftauslegung, 489; Ders., Relevanz; Ders., Einführung, 78; Ders., Schriftwerdung, 108; Ders., Theologie, 303.

260 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen im elementaren Sinne der normativen Funktion jeder theologischen Schriftauslegung und Dogmatik als ausgebauter Lehre zu unterscheiden ist.210 Da die Exegese wie die Dogmatik vom Lebensverhältnis des Auslegers zur Sache der biblischen Texte bestimmt ist, lassen sich die Aufgaben nicht eindeutig unterscheiden.211 Daher spricht sich Körtner für einen hermeneutischen Zirkel zwischen Exegese und Dogmatik aus.212 Insofern verhandelt Körtner die Frage nach der biblischen Hermeneutik selbst als Frage einer disziplinübergreifenden theologischen Hermeneutik.

Gegen das Auseinanderfallen von historischer Explikation und theologischer Applikation zielt Körtner auf eine Verhältnisbestimmung der Disziplinen im Blick auf die skizzierte Aufgabe der Theologie, „das aus dem Glauben erwachsende Verständnis von Gott und damit von Welt und Mensch zu entwickeln“.213 An dieser Aufgabe partizipieren Exegese wie Dogmatik gleichermaßen und sind eng aufeinander bezogen. In der Zusammenarbeit der Disziplinen unterscheidet Körtner unterschiedliche Methoden und Wegen des Theologen, zwischen denen es keine Arbeitsteilung, sondern eine Arbeitsgemeinschaft gibt.214 Die Impulse dieser Relecture der Schriftlehre für die Dogmatik wurden bereits genannt: Die Schriftlehre muss die Schriftlichkeit der Texte und ihre Materialität berücksichtigen, sowie die Autonomie der Texte dem Autor gegenüber und die Bedeutung des Lesers und der Interpretationsgemeinschaft für die Sinnerschaffung im Akt des Lesens.215 Impulse für die Exegese sieht Körtner insbesondere in der Reflexion des Standorts des Auslegers, der Unterscheidung von historischer Erklärung und Verstehen, der Unterscheidung von Literalsinn und Autorenintention in Verbindung mit Theorien des mehrfachen Schriftsinns, sowie in der Vorordnung der Synchronie vor der Diachronie.216 Hier liegen nach Körtner neue Verständigungsmöglichkeiten zwischen dogmatischer und 210 Körtner,

Relevanz, 94. a. a. O., 100. 212 Vgl. a. a. O., 94. 213  A. a. O., 76. 214  „Der Theologe kann versuchen, beide Wege zu beschreiten. Er kann, was sinnvoll ist und die Regel sein dürfte, einen dieser Wege wählen und den anderen kontrollierend zu Rate ziehen. Er mag sich auch ganz in den Grenzen sei es der doktrinalen, sei es der historischen Methode bewegen. Er sollte aber nicht versuchen, beide Wege als Teile eines Weges aufzufassen und derart zu kombinieren, daß man von einem vorläufigen historischen Verstehen zu einem vollständigen dogmatischen Verstehen fortschreitet. Zwischen beiden Methoden kann es keine Arbeitsteilung, sondern bestenfalls eine Arbeitsgemeinschaft geben. Historisch verstehende biblische Theologie, und doktrinal verfahrende Dogmatik ist als solche lebendige biblische Theologie. Man gehe diesen oder jenen Weg oder auch beide miteinander. Wer jeden zur Hälfte gehen will, wird dagegen nicht zum Ziel kommen.“ Schmitthals, Schriftauslegung, 52, zitiert nach Körtner, Schriftwerdung, 129 [Hervorhebungen im Original]. Wie sich dies gestalten kann, zeigt Körtner in einer beispielhaften Verschränkung der Disziplinen in einem Aufsatz zur Kreuzestheologie. Körtner, Arbeit, 175–213. Vgl. Abschnitt B 4.2.1.b). 215  Vgl. Körtner, Art. Schriftauslegung, 493; Ders., Einführung, 82 f; Ders., Leser, 14 f.99. Vgl. Abschnitt B 4.1.4. 216  Vgl. Körtner, Theologie, 326 f. 211 Vgl.

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exegetischer Schriftauslegung, die sich metakritisch nicht nur zur historischen Kritik, sondern auch zur „nachkritischen Ästhetisierung des Wortes Gottes“ verhalten.217 b) Der Kanon als regulatives Prinzip der Schriftauslegung Für die Auslegung der biblischen Schriften hat der Kanon nach Körtner eine entscheidende Bedeutung. Zum einen ist seine Existenz die Voraussetzung jeder biblischen Hermeneutik.218 Zum anderen fordert seine Existenz dazu heraus, die besonderen Verstehensbedingungen kanonisierter Texte zu berücksichtigen.219 Im Anschluss an sein rezeptionsorientiertes Schriftverständnis beschreibt Körtner den Kanon als eine Collage- oder Montagetechnik, der nicht als Textabgrenzungsprinzip, sondern als hermeneutisches Prinzip zur Geltung gebracht werden soll: Kanonische Schriftauslegung bedeutet die Lektüre der Bibeltexte als Teil eines „vielschichtigen Makrotextes“.220 Dabei muss der Kanon in seiner Pluralität, Offenheit und Flexibilität erstgenommen werden und nicht eine Einsinnigkeit suggerieren.221 Der Kanon selbst ist somit als Einladung zum Lesen zu begreifen, deren Einheit durch die fortgesetzte Lektüre immer wieder neu entsteht.222 Die kanonische Lesart ist dabei jedoch kein völlig offener Prozess. Nach Körtner besteht vielmehr ein hermeneutischer Zirkel zwischen dem „Prinzip des Kanons“ und der Interpretation von Einzeltexten: Dieser kann kein geschlossener Kreis sein, da die Texte die geschichtliche Selbstoffenbarung Gottes bezeugen und somit jeweils als „Richtungspfeil, der über sich hinaus weist“ fungieren.223 Dabei müssen insbesondere die Leerstellen in den Texten beachtet werden.224 Im Rückgriff auf seine Überlegungen zur Einheit der Schrift be217 Körtner,

Schriftwerdung, 130. Faktum des Kanons ist gewissermaßen die textlich-materielle Voraussetzung einer Spezialhermeneutik der biblischen Literatur.“ Körtner, Leser, 16. 219 Vgl. ebd. 220  Körtner, Arbeit, 12. Vgl. Ders., Glossa, 16; Ders., Theologie, 338. 221 Vgl. Körtner, Arbeit, 12. 222 „‚Die Schrift‘ ist jedoch nicht etwa nur das Resultat individueller Leseakte, sondern die Frucht einer gemeinschaftlichen Lesetradition frühchristlicher und altkirchlicher Gemeinden. Zugleich ist die Schrift eine Anleitung zu fortgesetzter gemeinschaftlicher, synchroner Lektüre der in ihr zusammengestellten Texte. Die Einheit der Schrift lässt sich freilich weder formal im Sinn einer Kanonliste noch durch die Dogmatisierung eines fixen Sinnbestandes bestimmen. Sie entsteht vielmehr immer wieder neu durch fortgesetzte Lektüre.“ Körtner, Leser, 85. Vgl. a. a. O., 15 f; Ders., Arbeit, 54 f. 223  Körtner, Arbeit, 12 f. So hat eine Wendung hin zu einem nichtabsolutem Text und nichtabsolutem Leser durch literarische, d. h. pluralisierende Hermeneutik stattgefunden, der die singularisierende Suche nach der einzig richtigen Lesart der Texte entgegen steht. Diese Dialektik gründet nach Körtner im Verhältnis von Gesetz und Evangelium. Vgl. Ders., Leser, 90; Theologie, 314. 224  „Wichtig an einem Text ist nicht allein das Gesagte oder Geschriebene, sondern nicht minder das Ungesagte und Ungeschriebene, die Leerstellen zwischen den Wörtern und Zeilen. 218 „Das

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

stimmt Körtner: „Insofern abgekürzt das Wort ‚Christus‘ der Einheit stiftende Bezugspunkt des christlichen Kanons ist, können seine Schriften letztlich nur in einer Dialektik von pluralisierender und singularisierender Exegese interpretiert werden.“225 Beachtet werden muss dabei die narrative Struktur des Christusereignisses: „Weil der Inhalt des Logos die Geschichte Jesu ist, die Lebensgeschichte dieses Menschen, ist das Erzählen dieses Lebens die ausgezeichnete Form des λόγος τοῦ θεοῦ.“226 Was die singularisierende Einheit der Schrift in diesem hermeneutischen Zirkel ist, konkretisiert Körtner an einer Stelle als „Wort vom Kreuz“: „Der biblische Kanon und die Schriftwerdung des Wortes Gottes sind letztlich inkarnationstheologisch zu begreifen. Wie Christus selbst ist auch das ihn bezeugende Wort in Schrift, Verkündigung und Sakrament ‚leibliches Wort‘, wie die Confessio Augustana in Artikel 5 sagt. […] Als hermeneutisches Prinzip erschließt sich der Kanon vom Begriff des Evangeliums her. Inbegriff des Evangeliums ist nach Paulus das Wort vom Kreuz. Zumindest nach allgemeinem evangelischem Verständnis ist die Theologie des Kreuzes Kern und Kriterium aller Theologie, auch in kanontheologischen Fragen.“227 Körtner möchte die Kreuzestheologie als „Kern und Kriterium aller Theologie“228 aus exegetischer und systematisch-theologischer Perspektive bearbeiten und beschreibt diese Aufgabe wie folgt: „Wir fragen also einerseits, inwiefern ein systematischer Begriff von Kreuzestheologie auf die Paulusexegese einwirkt und ihr Vorverständnis prägt; andererseits, in welchem Ausmaß die exegetische Fachdiskussion von systematisch-theologischen Interpretationen des paulinischen Wortes vom Kreuz zur Kenntnis genommen wird. Allgemein betrachtet ist das in erstaunlich geringem Maße der Fall.“229 Es folgt eine eigene Exegese der paulinischen Formel des Wortes vom Kreuz, sowie eine Darstellung systematisch-theologischer Interpretationen des Wortes vom Kreuz.230 In seiner Auswertung hebt Körtner insbesondere Günter Baders Interpretation als Dogmatik, die sich selbst als konsequente Exegese versteht, und damit als eine „gelungene Befruchtung von Exegese und Dogmatik“ hervor und konkretisiert: „Voraussetzung ist freilich, dass theologische und hermeneutische Leitbegriffe im interdisziplinären Dialog immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden, soll nicht unter der Hand die Exegese zur

Das gilt auch für die biblischen Schriften, insbesondere für die Texte des Neuen Testaments. All ihre Aussagen über Christus weisen über sich selbst hinaus. Was in den Texten geschrieben steht, ist das Wort ‚Christus‘ in unterschiedlichen sprachlichen Verbindungen. Die mit ihm benannte Wirklichkeit aber, das Vonwoher gläubiger Existenz in der Gemeinschaft der Glaubenden, steht nicht in den Texten selbst, sondern ist zwischen den Zeilen je und je neu im Ereignis des Lesens und Verstehens zu entdecken.“ (Körtner, Leser, 108). Ähnlich schreibt er an anderen Stellen: „Die Wirklichkeit, die mit dem Wort „Christus“ im Neuen Testament in ganz unterschiedlichen Wortverbindungen bezeichnet wird, nämlich das Vonwoher gläubiger Existenz in der Gemeinschaft der Glaubenden, findet sich nicht in den Texten selbst, sondern ist zwischen den Zeilen je und je neu, im Ereignis des Lesens und Verstehens, zu entdecken.“ Ders., Arbeit, 99. Vgl. Ders., Einführung, 88; Ders., Rezeption, 39; Ders., Theologie, 314. 225 Körtner, Theologie, 314. 226  A. a. O., 124. 227  Körtner, Arbeit, 15. 228   A. a. O., 175. 229   A. a. O., 179. 230  Vgl. a. a. O., 179–211.

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konsequenten Dogmatik werden.“231 Leider führt Körtner weder aus, welche Leitbegriffe er vor Augen hat, noch wie diese Überprüfung Gestalt gewinnt. So erlaubt der Aufsatz wenig konkrete Folgerungen für die auch in der Theorie vage bleibende enzyklopädische Zuordnung: Die Beschreibung einer Arbeitsgemeinschaft, bzw. eines gegenseitigen Zu- und Mitarbeitens lässt sich an diesem Beispiel nicht präzisieren, vielmehr steht die dogmatische Reflexion auf eigene exegetische Überlegungen im Vordergrund. Diese Vereindeutigung der Schrift im Sinne einer christozentrisch fixierbaren Mitte der Schrift im Wort vom Kreuz scheint Körtners balancierend-dialektische Beschreibung zu unterlaufen, auch wenn sich an anderen Stellen offenere theozentrische Beschreibungen des einheitsstiftenden Bezugspunktes des Kanons finden.232 Vor dem Hintergrund seiner umfassenden Reflexion der pluralen Auslegungs- und Rezeptionswege scheint diese jedoch stärker der Konkretion seiner Christologie als einer Fixierung einer inhaltlichen Mitte der Schrift zu dienen.

Eine von rezeptionsorientierten Modellen geleitete Lesart der Einheit der Schrift öffnet nach Körtner auf der einen Seite den Blick für die unendliche Zahl von Applikationsmöglichkeiten der biblischen Texte, lenkt jedoch zugleich auf die Einheit der Texte, im Sinn der Singularität und „Kohärenz des Pluriformen“ zurück.233 Im Blick auf die Schriftauslegung betont Körtner das fruchtbare intertextuelle Spannungsverhältnis von Kanonizität, Pluralität und Einheit, das die „Schrift [als] eine Anleitung zu fortgesetzter gemeinschaftlicher, synchroner Lektüre“ versteht.234 So stehen Texte nicht isoliert, sondern immer in einem interkontextuellem Kontext, weswegen die „soziale Zugehörigkeit zu einer Interpretationsgemeinschaft und ihrer Auslegungsgeschichte“ ebenso bewusst gemacht werden soll wie die Komplementarität von Oralität und Literalität.235 4.2.2. Aufgabe und Methoden der Schriftauslegung in der Exegese In Körtners Überlegungen zur Schriftauslegung findet sich die Bezeichnung „Exegese“ in unterschiedlichen Zuspitzungen und Abgrenzungen. Grundlegend beschreibt Körtner als Aufgabe der Exegese die „sachgemäße Interpretation der kanonischen Texte des Christentums“.236 Insofern Körtner auch die Exegese als Schriftauslegung begreift, spricht er sich für eine theologische Exegese aus, 231  A. a. O.,

212. ist dies der lebendige und menschgewordene Gott, dessen Zukunft den Horizont aller endlichen, nämlich partikularen und fragmentarischen Verstehensbemühungen bildet.“ A. a. O., 16. 233 Körtner, Leser, 104. 234  Körtner, Arbeit, 54. Vgl. Ders., Einführung, 90; Ders., Leser, 85. 235 „Nicht Texte, sondern Leser, die einer Interpretationsgemeinschaft angehören und zu Autoren werden, produzieren neue Texte. Intertextualität wird durch lebende, sprechende und hörende Subjekte hergestellt. Sie sind das missing link zwischen Texten.“ Körtner, Theologie, 325 [Hervorhebung im Original]. Vgl. a. a. O., 324; Ders., Art. Bibelhermeneutiken, 337. 236  Körtner, Dogmatik, 88. 232 „Es

264 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen die sich als „Schriftinterpretation des Glaubens“ versteht.237 Gegen Versuche, die wissenschaftliche Schriftauslegung von applikativer theologischer Schriftauslegung zu entflechten, hält Körtner fest, dass jedes Lesen applikativ sei und das Spezifikum einer theologischen Hermeneutik verunklart wird, wenn diese weder applikativ noch normativ ist.238 Denn Schriftauslegung bedeutet immer Selbstauslegung.239 Dem biblischen Text gegenüber gibt es nach Körtner keine Neutralität – Exegese und Spiritualität sind folglich nicht zu trennen.240 Dieser Zirkel gründet für Körtner in der Inspirationslehre und wird durch Luthers Unterscheidung von claritas interna und claritas externa erhellt: So kann das äußere Wort zum Medium des Geistes werden, der Glaubensgewissheit bewirkt, zugleich ist das testimonium spiritus sancti internum immer auf das äußere Wort, mithin die „äußere, philologisch-grammatische Klarheit des Wortlauts der biblischen Texte“, bezogen.241 Körtner folgert: „Eine Exegese ohne Spiritualität ist darum ebenso abzulehnen wie eine Spiritualität ohne Exegese.“242 Eine solche existentiale Interpretation macht Verstehen zu einer theologischen Kategorie in spannungsvoller Einheit zum Glauben.243 Diese Verbindung hat Auswirkungen auf die Methoden der Exegese, insbesondere im Blick auf die allegorische Schriftauslegung. In dieser Zuordnung beschreibt Körtner die wissenschaftliche Exegese als „wissenschaftlich fundierte Theorie und Methodenlehre des Verstehens biblischer Texte und ihrer für heutige Welt- und Daseinserschließung relevanten Verstehenspotentiale“.244 Die Exegese arbeitet deskriptiv interpretierend an der „wissenschaftliche[n] Darstellung eines sachgemäßen Verstehens der Bibel, ihrer Schriften und ihrer einzelnen Texte“.245 Die bleibende Aufgabe der Exegese liegt

237  Körtner, Relevanz, 79 [Hervorhebungen im Original]. Körtner spricht von der „Interpretation als Heilige Schrift“. A. a. O., 77 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Ders., Glossa, 16. 238 Vgl. Körtner, Relevanz, 97–100. 239 Körtner begründet: „Der Glaube ist eine Weise des Verstehens bei welcher sich der Mensch nicht als Subjekt, sondern als Objekt des Verstehens erfährt.“ A. a. O., 82. 240  Vgl. a. a. O., 80; Ders., Glossa, 17. Diese steht der Exegese nach reformatorischer Überzeugung nicht entgegen, vielmehr ist die Auslegung der Schrift der primäre Ort der Geisterfahrung. Ders., Glossa, 14. 241 Körtner, Glossa, 14. Vgl. Ders., Einführung, 96 f. 242  Körtner, Glossa, 14. 243 Vgl. Körtner, Relevanz, 81. 244 Von dieser theoretisch-reflektierten Hermeneutik unterscheidet Körtner die in den biblischen Texten auffindbare Hermeneutik, die sich als implizit-praktisches Bemühen in Fortschreibungen, Neuinterpretationen u. ä. aufweisen lässt. Weiterhin grenzt er die wissenschaftliche Exegese von außer-, bzw. vorwissenschaftlicher Bibellektüre ab: Letzterer – von Körtner auch der „‚einfache‘ Schriftgebrauch“ genannt – bezeichnet die existentielle Auseinandersetzung mit biblischen Texten. Auch Wissenschaftler können im Sinne der zweiten Naivität „zum Bibelleser […] werden, der sich von den Texten selbst betreffen lässt“. Körtner, Einführung, 76 f. 245   A. a. O., 77.

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für Körtner darin, die Texte gegen die Subjektivität ihrer Ausleger zu schützen.246 Sie hat eine kritische Funktion, indem sie wissenschaftlich kontrolliert zwischen sinnvollen Interpretationen und Fehl- oder Überinterpretationen unterscheiden kann: Indem sie zu intersubjektiver und argumentativer Rechenschaft nötigt, übt die wissenschaftliche Exegese eine kommunikative Funktion innerhalb der Wissenschaft, der Kirche als Interpretationsgemeinschaft und der Gesellschaft aus.247 Die Frage nach den Formen und Methoden exegetischer Schriftauslegung stellt Körtner im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der krisenhaften Situation der Theologie im Ganzen und konstatiert eine Krise der historischkritischen Bibelauslegung für das Verstehen der Schrift.248 Das einstige Monopol der historischen-kritischen Methoden wird daher von vielen in Frage gestellt.249 Der historisch-kritischen Exegese bescheinigt Körtner ein ambivalentes Verhältnis zum reformatorischen Schriftprinzip: Einerseits entspricht es dem neuprotestantischen Selbstverständnis, in der historischkritischen Exegese seit der Aufklärung die konsequente Weiterentwicklung des reformatorischen Schriftprinzips zu sehen. Andererseits führt gerade die konsequente Historisierung der Exegese zur Infragestellung des ‚sola scriptura‘.250

Dies gilt bereits für den Kanon: Er kann unter historisch-kritischen Prämissen als geschichtliches Faktum wahrgenommen werden, hat jedoch keine normative Bedeutung für die Erforschung des Christentums und die Textinterpretation. Körtner folgert: „Mit gutem Grund lässt sich sagen, dass die historisch-kritische Exegese eher das katholische Traditionsprinzip als das reformatorische Schriftprinzip stützt.“251 Vor diesem Hintergrund hat die Debatte um neue exegetische Methoden ihr Recht, wie Körtner unter Verweis auf die Bedeutung nachkritischer Ansätze und der existentiellen Berührung mit dem Text festhält.252 Körtner spricht sich daher für die Pluralisierung der Methoden in der Exegese aus, die mit der Pluralisierung des Textsinns, der Entobjektivierung der Exegese, der Relativierung der Wahrheitsfrage und der Aufwertung der Subjektivität des Auslegers verbunden ist.253  Vgl. Körtner, Exegese, 138. Körtner, Einführung, 77. 248  Vgl. Körtner, Leser, 44 f. 249 Vgl. Körtner, Einführung, 78; Ders., Exegese, 121 f.; Ders., Leser, 62–64. 250 Körtner, Glossa, 12. 251 Ebd. Wissenschaftshistorisch hält Körtner fest, dass die historisch-kritische Forschung z. T. mit dem Anliegen verbunden ist, gegen die reformatorische Abtrennung des Kanons von der Traditionsbildung ein katholisches Traditionsprinzip zu stärken. Vgl. ausführlich und mit entsprechenden Verweisen in die Literatur Ders., Leser, 79. 252  Vgl. Körtner, Leser, 64; Ders., Einführung, 97 f.103; Ders., Exegese, 122 f. 253  Dabei betont er den Rückgriff auf sprach- und literaturtheoretische Modelle. Vgl. Körtner, Einführung, 78. 246

247 Vgl.

266 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Die Berücksichtigung der produktiven Rolle des Lesers macht nach Körtner Theorien des mehrfachen Schriftsinns und Formen kanonischer Schriftauslegung plausibel, ohne diese gegen eine historisch-kritische Exegese auszuspielen.254 Die Lehren vom mehrfachen Schriftsinn und die Tradition der allegorischen Schriftauslegung verweisen darauf, die Pluralität der Auslegungsebenen zu beachten, sowie Sinn und Gebrauch der Texte zu unterscheiden.255 Die produktive Leistung des Lesers stellt Sinnbezüge zu seiner eigenen Lebenswelt her und beschreibt damit ähnliche Vorgänge wie die Lehre vom vierfachen Schriftsinn – gilt doch der „Text als ästhetisches Faktum, das einzig kraft seiner Buchstäblichkeit eine Sinnfülle erzeugt“.256 Ziel ist für Körtner die Veränderung von produktions- zu rezeptionsästhetischer Frage in der Schriftauslegung, wodurch die Intention des Autors als Literalsinn zur Disposition steht.257 Denn wenn der Text autonom verstanden wird, fallen Literalsinn und Intention des Autors auseinander und der mögliche Literalsinn konstituiert sich im Akt des Lesens.258 Es handelt sich nach Körtner dabei nicht um eine „Pluralität verschiedener, sondern [um] […] eine Vielfalt innerhalb des sensus litteralis“.259 Die Tradition allegorischer Schriftauslegung wird damit an entscheidender Stelle aus der Perspektive moderner Literaturwissenschaft korrigiert: Die Sinnfülle stellt „keine weiteren Bedeutungsmöglichkeiten [dar], die dem Text innewohnen, sondern Auslegungsebenen, die der Leser wählt, um den Text auf sich und seine Lebenswelt zu beziehen“.260 Dieser Kategorienfehler lässt den Methodenstreit in der Exegese für Körtner als einen Streit um falsche Alternativen erscheinen: Verstehen ist immer eine Form der Aneignung und der buchstäbliche Sinn ist nicht feststehend, wird die Autonomie des Textes und die Produktivität des Lesers ernst genommen.261 Die unzulässige Trennung von der Anwendung der Texte, die Verwechslung von „Erklärung der historischen Genese eines Textes mit seinem Verstehen“ und die unzutreffende Gleichsetzung von Literalsinn mit der Intention eines historischen Autors durch die historisch-kritischen Exegese wird somit überwunden.262 Auf diese Weise wird Interpretation als Einheit von Verstehen, Auslegen und Anwenden ernstgenommen.263 254 Vgl.

Körtner, Art. Schriftauslegung, 492; Ders., Theologie, 339. Körtner, Glossa, 15. 256  Körtner, Theologie, 337. Vgl. Ders., Glossa, 15 f; Ders., Leser, 84.91; Ders., Schriftwerdung, 116. 257  Vgl. Körtner, Leser, 88 f. 258 Vgl. a. a. O., 95. 259 Ebd. 260 Körtner, Theologie, 338 [Hervorhebungen im Original]. Vgl. Ders., Art. Schriftauslegung, 491; Ders., Einführung, 102; Ders., Leser, 80. 261 Vgl. Körtner, Einführung, 102; Ders., Leser, 82 f.; Ders., Glossa, 15. Die Allegorese als Methode der Textauslegung wird somit zu einer Montage-, bzw. Collagetechnik. Vgl. Ders., Einführung, 98; Ders., Leser, 85. 262  Körtner, Schriftwerdung, 116. Vgl. Ders., Glossa, 15. 263  Vgl. Körtner, Glossa, 15. 255 Vgl.

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Dabei muss der Akt des Bibellesens als doppelter Auslegungsvorgang zwischen Text und Leser verstanden werden, um weder die Autonomie des Textes zu missachten, wie in der historisch-kritischen Exegese, noch die Autonomie des Lesers zu missachten, wie in einer einseitigen Allegorese.264 Während die historischkritische Exegese in der Gefahr steht, die Selbigkeit des Geistes zu leugnen, der aus den Texten vernommen wurde und noch vernommen werden kann, erinnern die allegorischen Methoden an die Polyphonie der biblischen Texte.265 In diesem Zusammenspiel liegen für Körtner zugleich die Grenzen und Regeln der Auslegung.266 Auch die kanonische Bibellektüre kommt nach Körtner auf diese Weise zu ihrem Recht.267 Körtner spricht sich daher für eine Ergänzung von synchronen und diachronen Methoden aus, die den Standort des Auslegers reflektiert und dem synchronen Zugang zu den Texten Vorrang einräumt.268 4.2.3. Dogmatik als Schriftauslegung zwischen Schriftgemäßheit und Wirklichkeitsgemäßheit Körtner definiert Dogmatik als „zusammenhängende Darstellung christlicher Lehre“, die sowohl der Rechenschaft als auch der permanenten Selbstkritik dient.269 Die Dogmatik stellt somit die Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens, die Körtner als eine existentielle und tröstliche Wahrheit beschreibt.270 Daher übernimmt die Dogmatik eine normative Funktion: „Das theologische Orientierungswissen gibt eine Antwort auf die Frage, worauf wir im Leben und Sterben vertrauen und hoffen dürfen.“271 Aufgabe der Dogmatik ist es nach Körtner, die „Geltung der christlichen Glaubens- und Verkündigungs-

264 Vgl.

a. a. O., 16; Ders., Theologie, 338. Körtner, Leser, 86; Ders., Einführung, 102. 266 „Folgt man U. Eco, so lassen sich Auslegung und Interpretation in der Weise unterscheiden, daß sich letztere anders als die freie Applikation durch den Text selbst, und zwar durch seine grammatische und semantische Struktur begrenzen läßt. Diese Struktur gilt der Interpretation als maßgebliche Regel im hermeneutischen Spiel mit dem Text.“ Körtner, Leser, 102. 267 Vgl. Körtner, Schriftwerdung, 117. 268 Vgl. Körtner, Einführung, 102. 269 Körtner, Dogmatik, 3. 270 Vgl. a. a. O., 1. 271  A. a. O., 2. Vgl. a. a. O., 6. Hintergrund ist ein mit Gadamer entwickelter Begriff des Dogmatischen: „Verstanden als begrifflich ausgearbeitete Lehre ist alle Dogmatik sekundär und muss es bleiben, soll nicht der Vorrang der Schrift im reformatorischen Sinn in Abrede gestellt werden. Der davon unterschiedene elementare Begriff des Dogmatischen meint demgegenüber die normative Funktion jeder theologischen Auslegung biblischer Texte, die diese mit der juristischen Auslegung von Gesetzestexten teilt. Die normative Funktion theologischer Schriftauslegung zielt auf die Verkündigung, die nach Gadamer ihren primären Ort nicht in der Dogmatik, sondern in der Predigt hat.“ Ders., Relevanz, 92 f. 265 Vgl.

268 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen inhalte in der Spannung zwischen […] Schriftgemäßheit und Wirklichkeits- oder Situationsgemäßheit“ zu reflektieren.272 Inhaltlich wird der Körtner vor Augen stehende Zusammenhang aus der Gliederung seines Lehrbuchs „Dogmatik“ deutlich: Der erste Teil zur „Christlichen Dogmatik als soteriologische Interpretation der Wirklichkeit“ verhandelt Aufgabe und Geschichte der Dogmatik, sowie eine Verortung der Dogmatik innerhalb der theologischen Disziplinen. Im zweiten Teil wird unter dem Titel „Die Erschließung der Wirklichkeit“ in einem Dreischritt sein Verständnis von Glaube (Unterkapitel: Mensch), Wort Gottes als Botschaft vom Glauben (Unterkapitel: Gott) und Offenbarung als Enthüllung der Wirklichkeit (Unterkapitel: Welt) entfaltet. Der dritte Teil „Die von Gott geschaffene Wirklichkeit“ folgt diesem Dreischritt von Mensch, Gott und Welt – allerdings in einer anderen Reihung: Beginnend wird das trinitarische Gottesverständnis entfaltet, es folgt ein Kapitel zur Anthropologie und ein Kapitel zur Welt als Schöpfung Gottes. Auch der vierte Teil („Die erlösungsbedingte Wirklichkeit“) entfaltet Körtner in diesem Dreischritt: Zunächst wird unter der Überschrift „Mensch“ die Sündenlehre entfaltet, dann zum Thema „Welt“ die Frage nach dem Übel und dem Bösen und zuletzt kommt die Gerechtigkeit Gottes in den Blick. Am ausführlichsten ist der fünfte Teil zur „Wirklichkeit der Erlösung“. Hier führt Körtner zunächst unter der Überschrift „Gott“ Gottes Handeln in Christus aus, um dann auf das Wirken des göttlichen Geistes einzugehen (Pneumatologie und Trinität). Im zweiten Unterkapitel verhandelt er die Rechtfertigung des Sünders unter der Überschrift „Mensch“. Den dritten und längsten Teil bildet das Unterkapitel zur „Welt“: Hier werden die Heilsmittel verhandelt – darunter die Schriftlehre – die Gemeinschaft des Heiligen Geistes (Ekklesiologie) und die Erneuerung der Welt (Eschatologie). Körtner beschreibt fünf Funktionen der Dogmatik: Erstens die Reflexion des Glaubens (reproduktive Funktion), zweitens die Selbstprüfung und theologische Urteilsbildung (normative Funktion), drittens die (Selbst-)Vergewisserung (stabilisierende Funktion), viertens die Bildung und Schöpfung neuer Sprache (produktive oder kreative Funktion) und fünftens der „Lobpreis Gottes durch den Gedanken“ (doxologische Funktion).273 Die fünfte Funktion stellt zugleich ein wichtiges fundamentaltheologisches Kriterium für die Sachgemäßheit theologischer Rede dar, das in der Frage nach der Transformierbarkeit ihrer Aussagen in Sätze des Gebets konkret wird.274

Dem reformatorischen Erbe folgend hat die Systematische Theologie nach Körtner die Schriftauslegung nicht nur zur Voraussetzung, sondern sie ist „insgesamt als eine Weise der Schriftauslegung zu verstehen“.275 Körtner folgert: „Die Verständigung über Aufgabe und Methode christlicher Schriftauslegung bildet daher kein fundamentaltheologisches Thema neben anderen, sondern entscheidet grundlegend über das Selbstverständnis jeder Dogmatik.“276 Dogmatik – wie die Theologie im Ganzen – zielt auf „Schriftauslegung im Sinne

272 Körtner,

Dogmatik, 88. Zum Kriterium der Schriftgemäßheit vgl. Abschnitt B 4.2.3.   A. a. O., 24 f. 274  Vgl. Körtner, Theologie, 260. 275 Körtner, Art. Schriftauslegung, 489. 276  Ebd. 273

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des gegenwartsbezogenen Schriftgebrauchs unter der Voraussetzung ihrer heutigen Geltung“.277 Methodisch bedient sich die Dogmatik – wie alle theologischen Disziplinen – sehr unterschiedlicher Ansätze, um ihre jeweilige Perspektiven auf denselben Gegenstand zu entfalten.278 Die dogmatische Perspektive ist gekennzeichnet durch die Frage nach Argumentationsstruktur und gedankliche Kohärenz mit dem Ziel der theologischen Urteilsprüfung.279 Dogmatik ist nach Körtner folglich Arbeit mit Texten, die sowohl historisch als auch systematisch interpretiert werden: Dabei beschreibt Körtner die Interpretation als historische Aufgabe und die Auslegung als systematische Aufgabe.280 Im Blick auf den wissenschaftlichen Charakter dieser Reflexion hält Körtner fest: „Als Interpretation der Botschaft des Glaubens ist Dogmatik Wissenschaft, deren wissenschaftstheoretischer Gesichtspunkt im Nebeneinander und Hin und Her von Auslegung und Interpretation besteht.“281 Dazu greift sie auf unterschiedliche Quellen zurück. Körtner hält fest: Die Bibel hat aber als grundlegende Quelle der Dogmatik zu gelten, da es sich um das ursprüngliche Dokument – genauer gesagt: die kanonische Sammlung ursprünglicher Quellen – der Botschaft des Glaubens handelt. Als Kanon ist die Bibel aber nicht nur Quelle, sondern auch Maßstab der Dogmatik, insofern die Schriftgemäßheit nach reformatorischer Tradition das entscheidende Kriterium aller Theologie ist.282

Daneben nennt Körtner Erfahrung, Kirchengeschichte, Religions- und Kulturgeschichte, sowie Geistes- und Naturwissenschaften als Quellen der Dogmatik.283 Insofern der Kanon nicht nur Quelle dogmatischen Denkens, sondern auch ihr Maßstab ist, ist die dogmatische Bibellektüre von dem Kriterium der Schriftgemäßheit geleitet: Das Kriterium der Schriftgemäßheit fordert, das Gesamtzeugnis der biblischen Schrift zu hören und zu bedenken. Und zwar ist das biblische Gesamtzeugnis daraufhin immer wieder neu zu befragen, inwieweit es das Evangelium in seiner Unterschiedenheit und Zuordnung zum Gesetz zur Sprache bringt. Das Kriterium der Schriftgemäßheit setzt darum immer einen hermeneutisch reflektierten Umgang mit der Bibel voraus.284

277  Ebd. Zur Terminologie „Schrift“ vgl. Abschnitt B 4.1.1., zur exegetischen Schriftauslegung Abschnitt B 4.2.2. 278 Vgl. Körtner, Dogmatik, 3. 87. Hier wird deutlich, dass Körtner sehr an der Verschränkung und Verbindung der theologischen Disziplinen gelegen ist. Vgl. a. a. O., 87–89. 279 Vgl. a. a. O., 59. 280  Vgl. a. a. O., 33.59. 281  A. a. O., 32 [im Original kursiv]. 282  A. a. O., 44 [Hervorhebungen im Original]. 283  Vgl. a. a. O., 44–47. 284  A. a. O., 51 [im Original kursiv]. Vgl. Ders., Theologie, 339.

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In diesem Kriterium verbinden sich historisch-kritische Interpretation und theologische Sachkritik: Letztere ist an der inneren Einheit des Kanons in der Person Jesu zu begründen.285 Körtner führt aus: Wodurch Christus verkündigt wird, so dass sich die Welt darunter heilsam verändert, kann nicht mit einzelnen Bibeltexten gleichgesetzt werden. Diese sind vielmehr lediglich die maßgeblichen historischen Zeugnisse dessen, was im christlichen Sprachgebrauch Evangelium heißt. Die Christusbotschaft ist freilich nicht abseits der Schrift formulierbar, sondern kann nur durch beständige Auslegung der Schrift immer wieder neu aufgefunden werden, um dann in eigenständig zu verantwortenden theologischen Sätzen […] neu ausgesprochen zu werden. Nur die in diesem Sinn ausgelegte Schrift kann als Norm der Dogmatik gelten. Kriterium evangelischer, das heißt aber evangeliumsgemäßer Theologie ist nun, inwieweit das gegenwärtige Glaubensbewusstsein durch die auf die Zeit angewandte Schrift bestimmt wird und nicht etwa umgekehrt die Schriftauslegung durch den allgemeinen Zeitgeist.286

In der Beschreibung der Aufgabe der Dogmatik wurde deutlich, dass das Kriterium der Schriftgemäßheit für Körtner mit einem zweiten Kriterium verbunden ist, das Körtner als „Wirklichkeitsgemäßheit“ beschreibt.287 Zwischen beiden besteht ein hermeneutischer Zirkel.288 Diesen beschreibt Körtner wie folgt: Ihr normatives Kriterium ist nicht die wörtliche Übereinstimmung mit biblischen Einzeltexten, sondern die sog. Schriftgemäßheit, welche bedeutet, daß systematischtheologische Aussagen gegenüber dem biblischen Text eigenständig zu formulieren sind, sich aber innerhalb des hermeneutischen Zirkels zwischen Schrift und gegenwärtiger Situation zu bewegen haben.289 In Körtners Überlegungen zur theologischen Ethik finden sich stellenweise pointierte Zuspitzungen, die für die Erhellung seiner Schriftlehre und seines Verständnisses von Schriftauslegung fruchtbar sind und daher im Folgenden kurz skizziert werden.290 Als theologische Ethik ist die christliche Ethik für Körtner „schriftgebundene Reflexionsgestalt des christlichen Glaubens“.291 Obschon kein Text der Bibel mit Gottes Willen identifiziert und somit alleinige norma normans für die Ethik sein kann, sind die biblischen Texte insofern für die Ethik suffizient, als sie den maßgeblichen Inhalt des Evangeliums in Beziehung zum Gesetz enthalten.292 Das Gesetz ist in der Schrift in einer Vielzahl historischer Manifestationen überliefert und bietet so orientierende Beispiele für das Gesetz Gottes in konkreten Kontexten, die weder kasuistisch auszulegen noch auf Prinzipien re Vgl. Körtner, Dogmatik, 51.53.   A. a. O., 54. 287 Ebd. 288 Vgl. a. a. O., 55. 289  Körtner, Art. Schriftauslegung, 492 [Hervorhebung im Original]; Ders., Theologie, 339. 290  Eine vergleichende Untersuchung von Körtners Schriftgebrauch in der Ethik bietet Stamer, Bibel. 291  Körtner, Sola Scriptura, 143. 292  Vgl. a. a. O., 144. 285 286

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duzierbar sind.293 Körtner konkretisiert: „Die biblischen Texte bieten vielmehr historische Zeugnisse oder Modelle gelebten Glaubens, welchen das Zeugnis der Schrift und die dieses vergegenwärtigende christliche Verkündigung immer neu wecken will.“294 Im Anschluss an Honecker spricht Körtner vom usus didacticus der Schrift: Normativ ist die Schrift demnach, insofern sie zum Glauben ruft und dessen Grund benennt, nämlich das Evangelium von der in Christus offenbar gewordenen Gnade und Liebe Gottes. Normativ ist sie auch, insofern sie dazu aufruft, aus Glauben zu leben. Normativ ist die Schrift also im Hinblick auf das Daß der ethischen Verbindlichkeit des Glaubens, nicht aber hinsichtlich des heutigen materialen Wie eines Lebens aus unbedingter Verantwortung vor Gott und den Menschen.295 Die reformatorische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium ist für Körtner von bleibender Bedeutung, insbesondere auf der Verfahrensebene, zum einen in einem diskursivem Argumentationsstil und zum anderen als kritische Funktion gegen eine soteriologische Überhöhung menschlichen Handelns.296 Gegen eine scharfe Unterscheidung von normativer und deskriptiv-hermeneutischer Ethik spricht sich Körtner für die bleibende Bedeutung einer Gebotsethik aus.297 Der Gesetzesbegriff muss dabei als Gotteswille für ein konkretes Volk in Raum und Zeit verstanden werden und somit dynamisch gefasst werden: „Der Glaube kann und muß, mit Luther gesprochen, neue Dekaloge schreiben, wobei das Kriterium, besser gesagt das Krites, d. h. die prüfende Instanz, die Liebe ist, welche die überlieferten Gestalten des Gesetzes bzw. seine historischkontingenten Interpretamente sichtet […].“298 Zugleich ist das Gesetz immer durch das Evangelium konkretisiert und durch dieses begrenzt: Konstituiert das Gesetz im Singular als Struktur der Wirklichkeit deren Einheit und dient sein Begriff zur Zentrierung unserer Lebens- und Wirklichkeitserfahrungen, so wird ein Gesetzesbegriff, der dies zu leisten vermag, seinerseits allererst durch das Evangelium begründet. Sofern durch das Evangelium aber eine soteriologische Deutung der Wirklichkeit notwendig wird, bedarf eine solche des Begriffs des Gesetzes als der Struktur der Wirklichkeit.299 Die Liebe gilt Körtner dabei als „transmoralische Orientierung und Grundgewißheit“, die allem menschlichen Tun vorausgeht.300

4.3. Zwischenfazit Körtners Überlegungen zur Schriftlehre und zur Schriftauslegung kennzeichnen sich durch die Entscheidung, den Fokus von der Textorientierung weg hin auf die Rezeptionsorientierung zu wenden. Aus der rezeptionsorientierten Relecture der Schriftlehre folgt zum einen eine spezifische Verschränkung von Schriftver293  Vgl.

a. a. O., 144 f. 145. 295 Ebd. 296  Vgl. a. a. O., 150. 297  Vgl. a. a. O., 151. 298  A. a. O., 153 [Hervorhebungen im Original]. 299   A. a. O., 156. 300   A. a. O., 158. 294  A. a. O.,

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ständnis und Schriftauslegung: Körtners Begriff von Schrift ist keine statische Beschreibung von Eigenschaften oder Inhalten, sondern beschreibt ein Umgehen mit der Schrift, von dem aus die Wechselwirkung zu den Beschreibungen der Schrift bedacht wird.301 Zum anderen folgt daraus, dass von der Schrift nicht unter Absehung der religiösen Applikation gehandelt werden kann: Biblische Texte werden zum Wort Gottes und damit zur Schrift in einem geistgewirkten Ereignis in der Lektüre und nur dort und als solches beschreibbar. Die Verortung dieses Ereignisses im Leseprozess stellt die Inspirationslehre unter Klärung des Glaubensbegriffs und im Blick auf gemeinschaftliche Leseprozesse die Reflexion der Kanonentstehung bei Körtner in den Vordergrund. Insgesamt kommt der Schriftlehre und -auslegung eine zentrale Bedeutung für Körtners Theologie zu. Körtners Ansatz entfaltet folglich Konsequenzen nicht nur in den Einzelfragen der Schriftlehre, sondern auch für die Verhältnisbestimmung von Glaube, Geist und Schriftauslegung und damit verbunden für die Funktionen der Schrift in und für wissenschaftliche Theologie. Ausgewählte Aspekte seiner Überlegungen werden im Blick auf die Fragestellung dieser Untersuchung nach dem Status der Schrift als ausgelegter Schrift im Folgenden diskutiert. Die Frage, ob und wie Schrift zur Offenbarung – und damit zum Wort Gottes – werden kann, bildet den Kern von Körtners Frage nach dem Status der Schrift. Offenbarung ist nach Körtner das Sich- und Weltverstehen in der Perspektive des Lebens und Handelns Jesu Christi. Dabei betont Körtner auf der einen Seite die bleibende Trennung von Schrift und Wort Gottes, insofern die Schrift als ein „relatives Medium im Prozeß der doppelten Vermittlung des christlichen Gottesverhältnisses“ fungiert.302 Auf der anderen Seite treten Schrift und Wort Gottes im Ereignis der Offenbarung eng zusammen: Die Schrift ist für Körtner ein herausgehobenes Medium dieser Offenbarung. Verschiedentlich setzt sich Körtner mit der Medialität der Schrift auseinander. Dabei beschreibt Körtner die Schrift als ein mögliches Medium in einem Medienverbund, der Offenbarung Gottes ermöglicht.303 Das Medium Schrift wird von ihm zu Jesus Christus in Verbindung gesetzt, wie im Folgenden deutlich wird. Skizzenhaft verbleibt jedoch die Verhältnisbestimmung zu anderen möglichen Elementen dieses Medienverbunds. Auch das von Körtner verschiedentlich thematisierte Verhältnis von Literalität und Oralität kann in seiner spannungsvollen Beschreibung nicht abschließend bestimmt werden.

301  Körtners Position führt damit exemplarisch die in der Einführung betonte Verschränkung von Schriftlehre und Schriftauslegung durch. Vgl. Abschnitt A 1.3. 302  Als relatives Offenbarungsmedium steht sie in einer doppelten Differenz sowohl zu ihren Autoren als auch zur Sache der Texte und ist nach Körtner daher auslegungsbedürftig und bleibend externes Gegenüber. Körtner, Exegese, 133. 303  Vgl. a. a. O., 132. Vgl. Abschnitt C 2.3.3.

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Die Frage nach dem Status der Schrift verhandelt Körtner unter dem Begriff der Autorität. Diese steht in einem doppelten Begründungszusammenhang: Im Blick auf die individuellen Leseprozesse konstituiert sich die Autorität der Texte durch die Inspiration des Lesers, im Blick auf die Rezeptionsgemeinschaft stehen diese individuellen Prozesse in Verbindung zur Kanonisierung der biblischen Texte. Zwei Anmerkungen zu Körtners Überlegungen zur Inspirationslehre werden im Folgenden diskutiert, bevor im nächsten Abschnitt seine Ausführungen zum Kanon in den Blick kommen. Körtner reformuliert die Inspirationslehre mit Hilfe von rezeptionsästhetischen Modellen aus der Literaturwissenschaft. Dadurch rückt erstens die Kategorie der Autorschaft in den Blick: Bleibend soll Gott als Autor der biblischen Texte gelten. Offen ist jedoch, was Autorschaft in Körtners Konzept bedeutet und inwiefern diese Kategorie für Körtner von Bedeutung ist angesichts des Zurücktretens des Autors hinter seinen Text, der im Tod des Autors im Blick auf die Sinnkonstitution desselben gipfelt. Inwiefern gilt Gott als „eigentliche[r] Autor“ der Schrift?304 Ihn als Autor der biblischen Texte zu postulieren, liegt Körtner fern. Zugleich ist es für Körtner selbstverständlich, die Schrift als Medium der Offenbarung Gottes zu beschreiben. Vor dem Hintergrund rezeptionsästhetischer Lesetheorien liegt hier eine Verschiebung vor: Während dort die Autorenschaft von Menschen im Blick auf materiale Texte beschrieben wird, verdoppelt Körtner die Ebene des Autors durch die Unterscheidung der menschlichen Autoren der materialen Texte und ihrem Autor – Gott – als dem Urheber der Offenbarung. Von Gott als Autor der Offenbarung zu sprechen, die sich den biblischen Texten als Medium bedient, ist daher missverständlich: Denn als Urheber der Offenbarung tritt Gott nach Körtner keineswegs zurück und als Autor der materialen Texte steht Gott auch in den meisten anderen Ausprägungen der Inspirationslehre nicht zur Disposition. Körtners Anliegen wäre daher mit dem Verzicht auf den Autorbegriff vermutlich mehr gedient als mit der skizzierten Verschiebung. Zwischen den Ebenen tritt Gott zurück und überlässt  – klassisch formuliert in textorientierten und autororientierten Inspirationslehren  – die Offenbarung in die Strittigkeit ihrer schriftlichen Bezeugung, die Körtner treffend als Entäußerung in die Schriftlichkeit beschreibt. Wird diese Entäußerung auf der Ebene der kanonischen Texte weitergeführt, wäre zu fragen, ob nicht eine der Pointen von Körtners Perspektive eben darin besteht, dass auch der Autor des Textes gänzlich uninteressant, ja letztlich obsolet wird. Zu diskutieren wäre dann jedoch die Bedeutung der Rekonstruktion eines potentiellen Autors, sowie seiner Situation und Umwelt. Inwiefern diese angesichts der vorgeschlagenen Rezeptionsorientierung für die Schriftauslegung in Körtners Sinn von Bedeutung ist, wird im Abschnitt zur Methodik der Exegese zu klären sein.  Körtner, Dogmatik, 533.

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Eine zweite Anfrage betrifft die Kategorie der intentio operis: Mit dem Tod des Autors und der Verschriftung kommt es nach Körtner zur Autonomie der Texte in der Strittigkeit ihrer Interpretationen. Diese ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern durch die intentio operis beschränkt. Die Konkretion dieser auch bei Eco unscharfen Kategorie trifft den Kern der Inspirationslehre: Intention der biblischen Texte ist nach Körtner die gläubige Rezeption, also die geistgewirkte Offenbarung als Selbst- und Welterkenntnis im Licht von Person und Werk Jesu Christi.305 Im Blick auf die individuelle Bibellektüre wird dies überzeugend in den Zusammenhang von Schrift und Glauben gestellt. Zu fragen wäre jedoch, wie stark diese begrenzende Funktion der intentio operis in Körtners Beschreibung zum Tragen kommt: Besteht die Pointe der konfligierenden Textinterpretationen eben darin, dass sich diese alle als Schriftinterpretationen verstehen, d. h. sich alle als gläubige Rezeption und auf die Sache der Texte bezogen verstehen, kann in der Dialektik von der Sache des Textes und der Pluralität von Sinnmöglichkeiten eben nicht hinter die Pluralität zurückgegriffen werden. Dies gilt bereits für die pluralen biblischen Zeugnisse vom Leben und Sterben Jesu Christi innerhalb der kanonischen Schriften. Auch die Sache des Textes gibt es nur im Plural biblischer und gegenwärtiger Bezeugungen. Die begrenzende Wirkung der intentio operis ist daher deutlich schwächer als es scheint. Körtners Überlegungen müssen daher sehr eng mit seiner dialektischen Bestimmung von pluraler und singularisierender Schriftauslegung verbunden werden – wobei das singularisierende Moment zu Recht verbal gefasst ist und einen andauernden Prozess beschreibt. Wie in den anderen untersuchten Positionen ergibt sich für die Fragestellung dieser Studie nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik im Anschluss an diese Überlegungen die Frage, ob und wie Körtner eine solche intentio operis im skizzierten Sinn als regulative Idee der Textinterpretation und -auslegung zur Geltung bringen will. Körtners Beschreibungen legen nahe, dass er diesen Überschritt nicht vor Augen hat: Die intentio operis ist zunächst auf einen Rezeptionsvorgang im Kontext der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift bezogen. Stellenweise verbindet Körtner diese Beschreibung jedoch mit der Frage nach methodisch kontrollierter wissenschaftlicher Schriftauslegung. Auffallend ist dabei, dass Körtner durch die Autonomie der Texte auch die wissenschaftliche Exegese begrenzt sieht: Diese schränkt methodisch kontrolliert die Subjektivität der Ausleger ein.306 Offen bleibt, wie sich diese unterschiedlichen Ebenen, die in dieser Studie als soteriologisch-pneumatologische und fundamentaltheologische Dimension der Schrift beschrieben wurden, miteinander verbunden werden 305  Vgl. Körtner, Einführung, 105; Ders., Leser, 111. Körtner identifiziert folgerichtig Jesus Christus als Sache des Textes und Gravitationszentrum einer dialektischen Schriftauslegung, was im Folgenden diskutiert wird. 306  Vgl. Körtner, Exegese, 141. Vgl. Abschnitt B 4.2.2.

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sollen.307 Diese bei Körtner zu beobachtende enge Verflechtung von Glaube und Exegese wird im Abschnitt zur Enzyklopädie weiter vertieft. Diese im Blick auf individuelle Leseprozesse entwickelte Inspirationsvorstellung steht in Körtners Ausführungen im Kontext einer Rezeptions- und Auslegungsgemeinschaft, in der den biblischen Texten durch die Kanonisierung bleibend Geltung zugesprochen wurde. Zwischen der gläubigen Rezeption der Texte und der Kanonisierung besteht bei Körtner ein komplexes und zum Teil spannungsvolles Wechselverhältnis. Auf der einen Seite ist die Kanonisierung nicht Grund der Autoritätszuschreibung, sondern Folge der in der Inspiration erlebten Autorität als Leser der Texte und ihrer gläubigen Applikation. Auf der anderen Seite ist die Rezeption der biblischen Texte als Kanon die Grundlage für das Verständnis dieser Texte als Schrift und Kontext der individuellen Leseerfahrungen. Die Rezeption der biblischen Texte als Schrift ist somit zugleich immer neu und vor- und aufgegeben durch den kanonischen Status in der Rezeptionsgemeinschaft. Im Blick auf den historischen Kanonisierungsprozess scheint Körtner eine ähnliche Doppelbewegung anzunehmen: So wie sich einzelne Texte als Schrift offenbaren, scheint sich nach Körtner diese Sammlung der Texte als Kanon imponiert zu haben. Unterbestimmt bleibt in dieser Zuordnung die enge Verflechtung von Kanon und Tradition: Wenn der Kanon nicht die Grundlage, sondern ein Ergebnis theologischer Deutung der alten Kirche ist, bilden Kanon und Tradition zwei Teile theologischer Tradition in enger Verwobenheit. Körtners Verweis auf die Anerkenntnis des Kanons durch die Kirche beantwortet weder die Frage, wie das Verhältnis der Schrift als kanonisierte Tradition zur nicht-kanonischen Tradition zu bestimmen ist, noch ob und inwiefern der Rezeptionsgemeinschaft leitende oder sogar autoritätskonstituierende Bedeutung für die Auslegung der Schrift zukommt. Im Blick auf die zu verhandelnden enzyklopädischen und wissenschaftstheoretischen Fragen ist zudem die Einbettung in die Rezeptionsgemeinschaft zu reflektieren. Körtners Reflexion des Kanonbegriffs und der Kanongestalten ist in ihrer Differenzierung sehr fruchtbar. Seine Differenzierung verschiedener Kanongestalten führt zum einen zu einer grundlegenden Frage nach dem Verständnis der Bibel auf der Ebene der materialen Texte: Wenn der Kanon als solcher nicht feststeht, fällt er als feste Bezugsgröße aus und bietet allenfalls einen fixen Kern mit ausfransenden Rändern.308 Trotzdem rekurriert Körtner weiter auf den Kanon und die Bibel. Welche biblischen Bücher – oder weiter  Vgl. die Abschnitte B 5.1.1. und C 1.  Dieses Argument Körtners lässt sich noch verschärfen, nimmt man die Überlieferungsgeschichte und Quellenlage der biblischen Texte insgesamt in den Blick: Auch die ursprachlichen Rekonstruktionen biblischer Texte sind immer Ergebnisse rezeptiver Arbeit, angefangen bei archäologischer Rekonstruktion über Quellenscheidung hin zur Priorisierung bestimmter Überlieferungslinien nach ex post formulierten exegetischen Kriterien. Insofern ist die reformatorische Übersetzung einer aus verschiedenen Codices komponierten Kanonver307 308

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differenziert: Welche Codices, welche Textvarianten, welche Überlieferungsschichten  – sind gemeint? Es gibt nicht den biblischen Text, sondern plurale Textzeugen, die unterschiedliche Textvarianten in unterschiedlichen Überlieferungen tradieren. Diese Pluralität lässt sich auf jeder Ebene potenzieren: Auf der Ebene der biblischen Bücher besteht auch Pluralität, die es z. B. unmöglich macht, die Auferstehung Jesu zu beschreiben – auch hier gibt es mehrere Zeugen, die unterschiedlich überliefern. Auf der Ebene des Kanons wiederum lassen sich verschiedene Kanongestalten unterscheiden und auch hier ist keine abschließende Festlegung möglich. Die von Körtner konstatierte Krise des Schriftbegriffs ist auch in dieser Perspektive weiter zu erhellen.309 Damit verbunden ist zum anderen zu fragen, ob Körtner die Unterscheidung zwischen Bibel und Schrift konsequent genug zur Geltung bringt: Einheit und Kanonisierung sind Spezifika, die nach Körtners Unterscheidung aus dem Verständnis der Schrift, aber eben nicht der Bibel – oder besser: den biblischen Texten – erwachsen.310 Zu unterscheiden ist dann zwischen Schrifthermeneutik und Bibelhermeneutik, wie Dalferth vorschlägt: Schrifthermeneutik ist keine „Bibelhermeneutik als Texthermeneutik“, sondern konzentriert sich als „kirchliche Hermeneutik der Schrift“ auf den „evangeliumszentrierten Gebrauch der kanonischen Texte in der Kirche“ und geht als „christliche Hermeneutik der Schrift“ dem „evangeliumsorientierten Schriftgebrauch im Leben der Christen“ nach.311 In Körtners Darstellung sind diese Perspektiven nicht immer ausreichend unterschieden, wodurch inhaltliche Unschärfen entstehen. Damit verbunden ist die Frage nach der Einheit und Mitte der Schrift in Körtners Schriftlehre. Diese ist eng mit der Rede von der Sache der Schrift verbunden. Zu unterscheiden ist jedoch die Perspektive der Formulierung: Die Frage nach der Einheit der Schrift legt eine auch formale Bestimmung der Zusammengehörigkeit der biblischen Texte nahe, während die Mitte der Schrift eine inhaltliche Bestimmtheit der Zusammengehörigkeit impliziert. Körtners Darstellung changiert zwischen beiden Perspektiven, auch wenn ein deutliches Übergewicht der Rede von der Einheit der Schrift erkennbar ist, wie auch die sion selbst eine Übersetzung eines produktiv-konstruierenden Textrezeptionsprozesses. Vgl. weiterführend Abschnitt C 2.3.3. 309 Körtners Vorschlag, den Zusammenhang der Kanongestalten mit Hilfe moderner Intertextualitätskonzepte zu reflektieren, wird in Teil C der Arbeit aufgegriffen. Vgl. Abschnitt C 4.4. 310 Auf dieses Problem macht Dalferth aufmerksam, wenn er das Konzept des inspirierten Lesers bei Körtner kritisiert: „Würde er [Körtner] die Unterscheidung zwischen Bibel und Schrift, Text und Textgebrauch zur Kommunikation des Evangeliums machen, könnte er sein richtiges Anliegen präziser zum Ausdruck bringen.“ (Dalferth, Wort, 344 [FN 503]). Für die weiterführende Diskussionen dieser Frage danke ich Daniel Steigerwald. 311  A. a. O., 424. Im Hintergrund steht eine ähnliche Unterscheidung wie bei Körtner: Die Bibel wird nach Dalferth auch in ihrer kanonischen Gestalt erst dann zur Schrift, wenn man sie „als Zeugnis des Evangeliums zur Sprache und zu Gehör“ bringt (a. a. O., 76). Vgl. weiterführend zu dieser Differenzierung Abschnitt C 2.3.

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konsequente Vermeidung des Begriffs „Mitte der Schrift“ – mit Ausnahme eines Lexikonartikels – impliziert. Diese Einheit konstituiert sich jedoch nicht nach formalen Maßstäben – Körtners Kanonkritik wurde eben wiederholt –, sondern durch die „Sache“ der Schrift. Diese wiederum ist multiperspektivisch bestimmt: Es ist die Erfahrung der Offenbarung mit dem Inhalt des skizzierten neuen Selbst- und Welterkennens. Diese Offenbarung ist zugleicht die den Texten innewohnende Intention ihrer Lektüre im Sinne der intentio operis. Fragt man weiter nach dem Grund dieser Offenbarung verweist Körtner auf Christus. Person und Werk Christi fungieren zugleich inhaltlich leitend als Richtungspfeil des Sinnes der Schriftlektüre. Ähnlich formuliert Körtner in seinen knappen Ausführungen zur Klarheit der Schrift: Die durch den Geist gewirkte Offenbarung der biblischen Texte als Schrift ist mit Körtner als claritas interna zu beschreiben. Da die intentio operis sowohl gegenüber dem Autor als auch gegenüber dem Leser autonom bleibt, kann nach Körtner am Grundsatz der äußeren Klarheit der Schrift festgehalten werden. Während die Identifikation der claritas interna mit der geistgewirkten Offenbarung der Schrift als Wort Gottes nah an der reformatorischen Deutung bleibt, ist Körtners Anmerkung zur äußeren Klarheit der Schrift im Zusammenhang mit der intentio operis: Ist diese mit der claritas externa verbunden? Wird sie im Zusammenspiel von claritas interna und externa erkennbar? Liegt die Klarheit des äußeren Wortes überhaupt im Bereich der intentio der biblischen Texte? Obschon diese Spannung sicherlich vor allem der überaus kurzen Abhandlung im Rahmen eines Lexikonartikels geschuldet ist, zeigt sich auch hier eine Vagheit im Blick auf das äußere, historische Wort und seiner theologischen Bedeutung. Zu fragen wäre an dieser Stelle, ob bei Körtner – und auch bei den anderen Autoren, die eine ähnliche Struktur formulieren – die Einheit der Schrift als eine relationale und situativ bestimmte Kategorie verstanden wird im Sinne eines Leseereignisses, das von dort aus die Lektüre bestimmt. Über diese Weiterführung wird in Abschnitt C diskutiert.312 Was aber versteht Körtner unter der Sache der Schrift? Körtner identifiziert diese an der einen Stelle mit „Person und Werk Jesu Christi“313 und fokussiert an anderen Stelle auf das Evangelium, das seinerseits am deutlichsten in der paulinischen Rechtfertigungslehre314, der Kreuzestheologie315 oder in der „Liebe“316 zum Ausdruck kommt. Diese Beschreibungen stehen spannungsvoll nebeneinander und ihre Auswahl und Zuspitzung wird kaum begründet. Sie stehen zudem in Spannung zum einen zu Körtners Ausführung zu einer sich trinitarisch 312 Vgl.

weiterführend die Abschnitte C 2 und C 4.  Körtner, Art. Mitte, 394. 314  Vgl. Körtner, Arbeit, 83. 98. 315 Vgl. Abschnitt B 4.2.1.b). 316  Körtner, Sola Scriptura, 153. 313

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ereignenden Mitte der Schrift, die den Gott Israels und Vater Jesu Christi als Bezugspunkte der biblischen Texte erkennt.317 Zum anderen widersprechen sie seiner Betonung des Zusammen-hangs von Leben und Werk Christi, der auch in der theologischen Reflexion um die narrative Verwobenheit und geschichtliche Bedingtheit von Christi Werk weiß. Diese Spannungen sind innerhalb von Körtners Werk nicht aufzulösen. Durch diese Zuspitzung ergeben sich zudem Probleme, die bereits im Zusammenhang mit den anderen Konzeptionen diskutiert wurden. Erstens wirft die Zuspitzung auf Christus als Sache der Schrift die Frage nach dem Zusammenhang der Testamente und die Bedeutung der außerbiblischen Christusbezeugungen auf. In seinen Ausführungen zum Kanon spricht Körtner von einem hermeneutischen Zirkel zwischen Altem und Neuem Testament, in dem sich das Wort Gott und der Name Jesu gegenseitig interpretieren. In dieser wechselseitigen Interpretation liegt die innere Einheit des Kanons. Unklar ist, wie sich diese spannungsvolle Einheit zu den vereindeutigenden Aussagen zur Mitte der Schrift verhält. Zweitens wurde in Körtners Ausführungen deutlich, dass Person und Werk Christi gerade nur in der Pluralität ihrer Bezeugungen in Schrift, Tradition und Gegenwart zu greifen sind. Die Person und das Werk Christi sind nicht auszumachen – wie Körtner in seinen Ausführungen zur Verschriftung und zur Strittigkeit der Interpretation richtig anmerkt. Daher überraschen die thematischen Zuspitzungen auf die Rechtfertigungslehre oder die Kreuzestheologie umso mehr. Drittens stellt sich die Frage, warum gerade diese Interpretation des Lebens und Werks Christi herausgehobene Bedeutung zukommt. Körtners präzise Aufarbeitung der Strittigkeit jeder – auch jeder biblischen – Interpretation und die rezeptionsästhetische wie theologische Einsicht in die Ungreifbarkeit der einen Sache eines Textes lässt Körtners Identifikation der Sache der Schrift mit der paulinischen Kreuzestheologie oder der Rechtfertigungslehre wenig überzeugend wirken.318 Deutlich ist: Die Beschreibung der Mitte oder Sache der Schrift entsteht im Kontext der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift und stellt daher nach Körtner keine literaturwissenschaftlich-deskriptive, sondern eine dogmatisch-normative Kategorie dar. Daraus folgt, dass die geforderte Schriftlektüre in der Dialektik von pluralisierender Rezeption und singularisierender Sache der Schrift eine Bindung an die Person und das Werk Jesu Christi erfordert, um der intentio operis gerecht zu werden. Auch hier ist noch einmal zu fragen, ob die skizzierten Spannungen einen Grund nicht auch in der unscharfen Differenzierung zwischen Bibel und Schrift haben, wie oben umrissen. Ob und wie Körtner diese Überlegungen mit der Beschreibung 317  Vgl. Abschnitt B 4.1.2. und Körtner, Arbeit, 97; Ders., Einführung, 87; Ders., Rezeption, 38; Ders., Theologie, 313. 318  Vgl. die Abschnitte B 5.1.4. und C 2.3.

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(wissenschaftlich-) theologischer Schriftauslegung verbinden möchte, diskutiert der folgende Abschnitt. Wiederholt wurde dargestellt, dass Körtner Theologie als Schriftauslegung definiert: Theologie hat nach Körtner eine hermeneutische Aufgabe und ist an den Schriftgebrauch des Glaubens verwiesen. Hier liegt der Zusammenhang von fundamentaltheologischer und soteriologisch-pneumatologischer Bedeutung der Schrift, insofern die Theologie die Kanonizität und Schriftwerdung der biblischen Texte zur Voraussetzung hat. Daher ist das Verhältnis des in diesem Sinn soteriologisch-pneumatologisch bestimmten Gegenstands der Theologie – eben der biblischen Texte als Schrift – zu anderen Zugangsweisen zu den biblischen Texten als historischen Urkunden zu bestimmen. Körtner verhandelt die Frage nach dem Status der Schrift in der Dogmatik explizit in der Rede von der Schrift als Norm der Theologie: Diese hält er einerseits fest und beschreibt die Normativität der Schrift als eine Leitunterscheidung seiner terminologischen Differenzierung zwischen Schrift und Bibel.319 Andererseits grenzt Körtner sich von einem Verständnis der Schrift als Lehrnorm ab: Kohärenz und Botschaft der Schrift müssen vielmehr jeweils in der Auslegung neu entdeckt werden, weswegen die Schrift nur im beständigen Zirkel zwischen Schrift und Auslegung zur Norm werden kann.320 In seinen Überlegungen zur Ethik spitzt Körtner diese Überlegung noch einmal zu und bezieht die Normativität der Schrift auf den Ruf zum Glauben und dem Leben aus dem Glauben: „Normativ ist die Schrift also im Hinblick auf das Daß der ethischen Verbindlichkeit des Glaubens, nicht aber hinsichtlich des heutigen materialen Wie eines Lebens aus unbedingter Verantwortung vor Gott und den Menschen.“321 Im Blick auf die Schriftauslegung führt Körtner die Frage nach der Normativität nicht weiter. Leitend ist hier vielmehr die Differenzierung zwischen der Lektüre der biblischen Texte als Text und als Schrift, sowie deren Zuordnung zu den theologischen Fächern. Schriftauslegung in ihrer Gesamtheit wird als eine gemeinsame Aufgabe von Exegese und Dogmatik und darüber hinaus der gesamten Theologie bestimmt.322 Vor dem Hintergrund seiner Schriftlehre zeigt sich jedoch eine deutliche Verschiebung: So erkennt nach Körtner nur die Lektüre der Bibel als Schrift den eigentlichen Wert der Texte in Übereinstimmung mit ihrer Intention und Sache. Theologisch betrachtet trifft die Lektüre als Literatur 319 Vgl.

Abschnitt B 4.1.1.  Vgl. die Abschnitte B 4.1.2. und B 4.2.1.b). Vgl. zur Schrift als prozeduraler Norm Abschnitt C 4.5. 321  Körtner, Sola Scriptura, 145. Vgl. Abschnitt B 4.2.3. 322 Besonders deutlich wird dies in seinen Ausführungen zur Kreuzestheologie: Körtner bringt hier seine Verwunderung über die fehlende Verzahnung exegetischer und dogmatischer Arbeit zum Ausdruck und geht von einer Wechselwirkung der Fächer aufeinander aus. 320

280 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen daher nicht das Proprium der biblischen Texte als Schrift. Körtner selbst macht diese Differenz deutlich, die in den anderen untersuchten Schriftlehren zwar implizit vorhanden war, jedoch nicht reflektiert wurde. Theologische Schriftauslegung ist nach Körtner durch die Aporie zwischen dem theologischen Gegenstand Schrift und dem nachaufklärerischen Zugriff darauf bestimmt, der das Proprium der Schrift nicht erfassen kann. Körtner betont dagegen eine Verbindung von fundamentaltheologischer und soteriologischpneumatologischer Verstehensdimension: Das theologische Verstehen der Texte liegt auf der existentialen Ebene und ist ein geistgewirktes Ergebnis des Lesens, in dem ein vorgläubiges Verstehen präsent bleibt.323 Verstehen und Glauben werden hier äquivalent verstanden – es handelt sich folglich um ein existentiales Verstehen biblischer Texte. In diesem Sinn beschreibt Körtner seine Theologie als hermeneutische Theologie. Diese verortet er in der Beschreibung der biblischen Hermeneutik zwischen Gegenwartsanalyse und Schriftauslegung. In seinen Überlegungen wechselt häufig das Subjekt wie selbstverständlich zwischen „Glauben“ und „Theologie“, wenn es um die Überwindung der beschriebenen Krise der Theologie geht. Körtners Beschreibung ist im Horizont dieser Studie mit zwei Unschärfen verbunden: Erstens liegen  – nicht nur im Blick auf die Schriftauslegung  – der glaubende Vollzug und das von Körtner als Theologie beschriebene Geschehen häufig so nah beieinander, dass offen bleibt, ob Glauben und Theologie auf derselben Ebene liegen oder ob und inwiefern die Theologie als eine vom Glaubensvollzug zu unterscheidende Reflexion auf die Glaubensprozesse gedacht wird.324 Theologische Schriftauslegung im oben skizzierten Sinn lässt sich von dem, was in der Schriftlehre als gläubige Schriftrezeption beschrieben wird, kaum unterscheiden. Damit verbunden ist zweitens eine unscharfe Abgrenzung von Theologie und wissenschaftlicher Theologie. Die von Körtner genannten Kriterien der Theologie325 werden nicht explizit mit wissenschaftstheoretischen Überlegungen in Verbindung gebracht. 323 Implizit scheint Körtner hier Luthers simul iustus et peccator schrifthermeneutisch einholen zu wollen: Es ist Gott, der den Glauben und damit das Verstehen gibt und zugleich bleibt der Unglaube, also das Unverstehen, als Überwundenes und dennoch immer Gefährdendes präsent. So schreibt er: „Man kann geradezu sagen, dass der Glaube ein neues Verstehen des Verstehens ist, in dem das vorgläubige Verstehen als überwundenes präsent bleibt, jedoch einer radikal kritischen Bewertung unterzogen und neu orientiert wird.“ Körtner, Arbeit, 229. 324 Einzelne Hinweise auf sprachphilosophische Überlegungen helfen aus dieser Aporie nicht heraus: Inwiefern kann Theologie Grammatik einfacher Gottesrede sein, worin gründet ihr übergeordneter Charakter? Wie verhält sich die Theologie als Grammatik religiöser Sprachspiele zur Theologie als Grammatik der Heiligen Schrift? Sind beide so einfach ineinander aufzulösen, wie Körtner suggeriert? (vgl. Körtner, Glossa, 14; Ders., Leser, 135 f; Ders., Theologie, 145–149.262; Ders., Essay, 179) Auch die Hinweise, an narrative Theologien und story-Konzepte anschließen zu wollen, entfaltet Körtner nicht (Ders., Theologie, 120–125.148). 325  Vgl. Abschnitt B 4.2.3.

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Im Blick auf die Überlegungen zur theologischen Schriftauslegung ergibt sich daraus ein komplexes Spannungsfeld. Erstens wird theologische Auslegung der Schrift so eng mit der geistlichen – in Körtners Worten: inspirierten – Auslegung der Schrift verbunden, dass Aussagen über die wissenschaftliche theologische Auslegung der Schrift im Sinne einer methodisch kontrollierbaren Auseinandersetzung mit der Schrift kaum getroffen werden können. Interessanterweise trifft dies die Frage nach der dogmatischen Schriftauslegung in besonderer Weise. In den Überlegungen zur Schriftauslegung in den theologischen Disziplinen vorausgesetzt, aber nicht explizit gemacht, ist eine Zuordnung der Lektüre der biblischen Texte als Schrift oder als Literatur zu den theologischen Disziplinen: Erstere ist Aufgabe der Dogmatik, letztere wird v. a. für die Exegese in Anschlag gebracht. In Körtners Terminologie: Auch in der Dogmatik werden biblische Texte vielfach mehr als Bibel denn als Schrift rezipiert. Eine literaturwissenschaftliche, dogmengeschichtliche oder ähnliche Bibellektüre in der Dogmatik kommt gar nicht in den Blick. Umgekehrt macht Körtners ausführliche Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Schriftauslegung in der Exegese sein Anliegen deutlich, diese Zugänge zu verbinden. Es bleibt jedoch bei einem Nebeneinander unterschiedlicher Zugänge. So stellt sich die Frage, mit welchem Fokus Theologinnen und Theologien als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die biblischen Texte lesen. Die übergeordnete Frage nach dem Glauben des Theologen oder der Theologin, bzw. der Forderung geistlicher Schriftauslegung im Raum der Kirche wäre im Blick auf den Wissenschaftsbegriff zu konkretisieren. Da dieser bei Körtner nicht bestimmt wird, muss auf eine Diskussion verzichtet werden. Zweitens ist zu klären, welche Bedeutung der Exegese theologisch zukommt. Die Zugehörigkeit der Exegese zur Theologie wird von Körtner nicht bestritten, vielmehr verweist er auf den komplementären Charakter der Disziplinen in der Schriftauslegung. Offen bleibt, welche Methoden der Exegese Körtner dabei im Blick hat: Seine Ausführungen zur historisch-kritischen Methode lassen fragen, ob diese tatsächlich Teil an der theologischen Arbeit hat – steht die historisch-kritische Exegese nach Körtner doch dem Schriftprinzip in Teilen entgegen, führt nicht zu existentiellem Erkennen der Schrift, ist daher in der Krise und durch andere Methoden zu ergänzen. Der Eigenwert historischer Arbeit wird von Körtner nicht explizit gemacht. An einer Stelle verweist er auf die Begrenzung willkürlicher Auslegungen durch historische Forschung, lässt jedoch offen wie diese gestaltet wird. Der Eigenwert und die Bedeutung historischkritischer Forschung ist in seinem Modell der Schriftauslegung zumindest nicht offensichtlich. Damit verschärft sich die Frage, ob die postulierte Ergänzung der historischen Methode durch andere existentiale Interpretationen nicht letztlich auf eine Vorordnung dieser vor einer historisch arbeitenden Exegese abzielt. Nimmt man Körtners Definition ernst, dass Theologie Schriftauslegung betreibt, müssen folglich alle Formen der Lektüre der Schrift als Literatur aus

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dem genuinen Bereich der Theologie herausfallen. Diese Folgerung aus der Schriftlehre wird bei Körtner nicht explizit.326 Für die Dogmatik stellt sich die Anschlussfrage, wie sie mit den Ergebnissen der historisch-kritischen Exegese umgehen soll, wenn diese den Text nicht nur mit anderen Methoden, sondern auch mit einem anderen Vorverständnis lesen: Soll das Ergebnis historischer Untersuchung dogmatisch aufgegriffen werden – und wenn ja, wie? Diese Fragen werden im Blick auf Körtners eigenen Schriftgebrauch weiter verfolgt. Drittens bedenkt Körtner auffallend häufig die historische Exegese mit dem Attribut wissenschaftlich. In der Frage nach der theologischen Bedeutung der Exegese kondensiert daher Körtners offene Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Theologie, mithin der Bedeutung wissenschaftlicher Kriterien für die Theologie und ihrer theologischen Valenz. Aus dieser Beschreibung ergeben sich folgenreiche Anschlussfragen: Wenn die historische Methode so eng mit dem Wissenschaftsbegriff verbunden ist, was folgt dann aus dieser Vorordnung für die Wissenschaftlichkeit der Theologie? Für die Dogmatik ist – gerade im Blick auf die Zuordnung der geistlichen Lesart der Schrift zu Dogmatik – zu fragen, inwiefern diese überhaupt an einem solchen Wissenschaftsbegriff partizipiert. Anders gesagt: Die Abgrenzung historischer Forschung als wissenschaftliche Schriftauslegung von einer dogmatischen geistlichen Schriftauslegung führt nicht nur zu Frage nach dem theologischen Charakter historisch-exegetischer Arbeit, sondern auch zur Infragestellung der Wissenschaftlichkeit dogmatischer Zugänge zur Schrift. Eng damit verbunden ist viertens zu fragen, wie sich die von Körtner postulierte enge Verbindung von Spiritualität und Theologie methodisch greifen lassen kann. Die von ihm genannte allegorische Schriftauslegung verhilft ebenso wenig zur methodischen Konkretion wie die skizzierte Ellipse zwischen singularisierender Sache des Textes und pluralisierenden Lesarten. Angesichts der Pluralität der Methoden verbleibt auch die Zuordnung der Methoden und ihre Gewichtung erstaunlich offen. Körtner verweist lediglich darauf, dass Grenzen der Methodik im Ereignischarakter des Wortes Gottes liegen. Dazu ist anzumerken, dass der Ereignischarakter des Wortes Gottes weniger eine Grenze im Sinne einer fundamentaltheologischen Beschreibung als vielmehr der pneumatologische Ausgangspunkt und die Voraussetzung aller Schrifterkenntnis im theologischen Sinn darstellt. Wie diese Beschreibung jedoch auf die Ebene der fundamentaltheologischen Beschreibung übertragen werden kann oder soll, ist damit noch nicht formuliert. Dies wirft erneut die Frage auf, ob die fundamentaltheologische Bedeutung der Schrift für die Theologie tatsächlich – wie Körtner 326  Explizit wird es nur in Zitaten, v. a. von Barth. So hält Körtner z. B. Barths These zum Historismus für unabweisbar, „daß der von den biblischen Texten intendierte Gegenstand, nämlich Gott, nicht in den Blick gelangen kann, solange diese Texte nur als historische Dokumente gelesen werden“. Körtner, Schriftwerdung, 129.

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es selbst vorführt – direkt aus der in der Schriftlehre entfalteten soteriologischpneumatologischen Funktion abgeleitet werden kann. Oder muss nicht diese von Körtner nur genannte Grenze der Interpretation auch als Grenze zwischen schrifttheologischen Aussagen und wissenschaftstheoretisch-enzyklopädischen Aussagen ernster genommen werden? Blickt man von diesem Hintergrund auf die nun folgende Analyse des Schriftgebrauchs bei Körtner, so scheinen folgende Spezifika auf: Erstens ist von Interesse, ob und wie die für die Schriftlehre konstitutive Differenzierung der Lektüre der biblischen Texte als Schrift oder als Literatur Wirkung entfaltet. Aufmerksamkeit verdient zweitens die von Körtner betonte Vielfalt möglicher Lesarten der Schrift und der von ihm eingeführte hermeneutische Zirkel zwischen pluralisierender Auslegung und singularisierendem Bezug auf die Sache der Schrift. Hier wird insbesondere nach der Bedeutung der historischen Exegese in und für Körtners eigenen Umgang mit den biblischen Texten zu fragen sein. Und auch bei Körtner ist drittens zu fragen, wie sich die Auseinandersetzung mit biblischen Texten im Kontext der dogmatischen Argumentation zur von ihm betonten existentialen Dimension der Schriftlektüre verhält.

4.4. Analyse des Schriftgebrauchs Die Untersuchung des Schriftgebrauchs analysiert exemplarisch zwei Argumentationsgänge Körtners unter der Frage, wie die Bezüge auf biblische Texte in den jeweiligen Argumentationsgang eingebunden werden. Diese werden im Anschluss im Blick auf die in der Einführung genannten Leitfragen ausgewertet.327 4.4.1. Analyse des Schriftgebrauchs I – Argumentationsgang zum Thema Abendmahl Körtner beginnt seine Überlegungen zu den Sakramenten in der „Dogmatik“ im Abschnitt „5.4.12 Leibliches Wort und Sakrament“ mit einer Einordnung in die zuvor diskutierten Themenfelder: Gottes Wort ist für Körtner leibliches Wort, daher gehören die Sakramente zu den Medien der Glaubenskommunikation und „Gestalten des Wortes Gottes“.328 Seine hier ansetzende Argumentation entfaltet er ausgehend von neutestamentlichen Textstellen, es liegt somit ein heuristischer Schriftgebrauch vor: Gründend auf Mt 28,19 sind die Sakramente für Körtner zugleich Gegenstand der theologischen Ethik, da sie im Auftrag Christi voll327  Vgl. zur Auswahl der Themenfelder, methodischen Eingrenzung und den Leitfragen Abschnitt A 3.3. 328  Körtner, Dogmatik, 547.

284 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen zogen werden.329 Körtner untermauert diesen Auftragscharakter mit Verweis auf die Aufgabe des Gedenkens beim Abendmahl in 1 Kor 11,24 f und den Parallelstellen.330 Körtner erläutert hier sehr knapp in einer Fußnote die Variationen des Brotwortes in Lk, Mt und Mk, wobei er Lk 22,19b nennt und auf das „Brotwort“ bei Mk und Mt ohne Textstelle verweist.331 Auch der nächste Gedankengang nimmt seinen Ausgang in der paulinischen Überlieferung des Abendmahls: In Paraphrase von 1 Kor 11,26 fragt Körtner nach den Akteuren beim Abendmahl und hält fest, dass das Abendmahl als gemeinschaftlicher Akt der Verkündigung und damit als Akt der Gemeinde verstanden wird.332 Er führt diesen Gedanken in kritischer Auseinandersetzung mit Luthers Überlegungen zur Zweinaturenlehre weiter und plädiert abschließend für eine trinitarische Sicht des Sakraments.333 Es folgt eine begriffsgeschichtliche Bestimmung von sacramentum und mysterion, bei der den biblischen Befunden für den griechischen Begriff eine heuristische Funktion zukommt: Körtner hält fest, dass der Begriff mysterion im Neuen Testament nicht nur auf die Sakramente bezogen ist, sondern auch auf Gleichnisse (z. B. Mk 4,11) und die Geheimnisse Gottes (z. B. Röm 11,25; 1 Kor 15,51).334 Bei den genannten Belegstellen wechselt Körtner zwischen Zitaten und der Nennung der Textstellen. Den paulinischen Belegstellen ist noch eine kurze exegetische Einordnung beigefügt mit dem Hinweis, dass Paulus den Begriff mysterion insgesamt 21 Mal verwendet. Hierzu ist kein Beleg angegeben. In der sich anschließenden Darstellung der Debatte um die Anzahl der Sakramente findet sich kein Bezug auf die biblischen Texte. Wenn Körtner im Anschluss in Auseinandersetzung mit Ulrich Kühn und Gerhard Ebeling auf das Wesen der Sakramente zu sprechen kommt, gründet sein Argument auf seiner Auslegung von 1 Kor 11,26: Körtner hält fest, die Sakramente seien sowohl Wort des Glaubens als auch menschliche Antwort.335 Die eingangs festgestellte heuristische Funktion des Schriftbezugs wird hier als begründende Funktion aufgegriffen. Der Abschnitt „5.4.13 Wort und Symbolische Handlung“ greift nicht auf biblische Texte zurück. Körtner beschreibt hier zunächst die soziologischen und 329 Vgl. a. a. O., 548. Der Verweis auf Mt 28,19 hat die Form einer Paraphrase, was bei Körtner häufiger begegnet (zehn von 33 Schriftbezügen). Im untersuchten Gedankengang zum Tod sind fünf von acht Schriftbezügen paraphrasierend ausgeführt. Dies mag dem Genus der untersuchten Texte geschuldet sein und ermöglicht den Lesern des Lehrbuchs, bzw. des populärwissenschaftlichen Textes einen leichten Zugang zu den biblischen Inhalten. Vgl. zum Genus des untersuchten Textes Abschnitt B 4.5. 330 Vgl. ebd. 331 Ebd. 332  Vgl. ebd. 333  Vgl. a. a. O., 549. 334  Vgl. a. a. O., 549–550. 335  Vgl. a. a. O., 550.

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sozialpsychologischen Aspekte der Sakramente, beleuchtet diese dann im Licht des Handlungsbegriffs bei Jürgen Habermas, um abschließend Philipp Melanchthons Definition des Abendmahls zu diskutieren.336 Den Abschnitt „5.4.15 Abendmahl“ wiederum beginnt Körtner – nach Rückverweisen auf die im Abendmahl sinnfällig werdende Leiblichkeit des Wortes Gottes337 – mit einer Paraphrase und kurzen Auslegung der neutestamentlichen Einsetzungsberichte: Körtner verweist auf 1 Kor 11,23–25; Mk 14,12–25; Mt 26,17– 30 und Lk 22,7–23 und paraphrasiert diese gesammelt mit dem Hinweis, diese führen das Abendmahl auf Jesus zurück, der sowohl seine Jünger anweist, das Mahl zu feiern, als auch eine Deutung von Brot und Wein anbietet.338 Interessanterweise bezieht sich Körtner in den folgenden Überlegungen zur Bedeutung des Abendmahles überwiegend auf das Johannesevangelium, wobei er das Fehlen der Abendmahlsüberlieferung dort nicht thematisiert und das Verhältnis der johanneischen Überlieferung zu den Abendmahlstraditionen nicht verhandelt. Ohne Bezug auf die Einsetzungsberichte deutet Körtner das Abendmahl als Antwort auf die Frage, wovon wir leben und woraus wir Kraft schöpfen: Joh 6,35 zitierend versteht er das Abendmahl als „elementare Antwort“ und symbolischen Verweis auf den, der sich als „Brot des Lebens“ bezeichnet.339 Dem Brotwort kommt hier heuristische Funktion zu. Nachdem Körtner kurz auf die lutherische Deutung des Abendmahls im Kontext der Sündenvergebung hinweist, kommt er zurück auf den in Abschnitt 5.4.12 entfalteten Gedanken, dass die Gemeinde zugleich Adressat und Subjekt der Verkündigung des Abendmahls ist. Auch hier ist die johanneische Tradition ein zentrales Interpretament des Abendmahls. Die Einverleibung Christi wird nach Körtner durchaus ambivalent verstanden, wie er durch eine Paraphrase von Joh 6,51–58 begründet.340 So kommt Körtner auf den Symbolcharakter des Abendmahls zu sprechen, den er wiederum durch Joh deutet: Anders als ein Zeichen, das von sich wegweist, hat Jesus nicht nur Worte des Lebens gesprochen – wie Körtner unter Verweis auf Joh 6,68 argumentiert –, sondern ist ein Wort Gottes.341 In einem neuen gedanklichen Ansatz führt Körtner die pluralen Deutungen des Abendmahls vor Augen. Er beginnt hier mit einer Selbstbeschreibung: Obschon er selbst hier eine stark paulinisch geprägte Interpretation des Abendmahls bietet, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass frühchristlich eine „bemerkens-

336 Vgl.

a. a. O., 551–553. greift hier Schleiermachers Religionsdefinition als „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“, sowie eine Formulierung der CA auf. Vgl. a. a. O., 557. 338  Vgl. ebd. 339   A. a. O., 557 f. 340 Vgl. a. a. O., 558. 341  Vgl. a. a. O., 559. 337 Körtner

286 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen werte Deutungsvielfalt und -offenheit“ bestand.342 Was Körtner unter einer paulinischen Interpretation versteht, führt er an dieser Stelle nicht aus. Körtner stellt im Folgenden unterschiedliche theologische Motive aus dem Neuen Testament und der Alten Kirche vor. Der Intention dieses Überblicks folgend kommt der Interpretation neutestamentlicher Texte zentrale Bedeutung zu. Körtner beschreibt erstens die „paulinisch-lukanische Traditionslinie“, welche einen Zusammenhang zwischen dem Tod Jesu und dem Abendmahl herstellt.343 Körtner verweist kurz darauf, dass im neuen Testament auch unterschiedliche Interpretationen der Heilsbedeutung des Todes Jesu zu finden sind – diese werden jedoch weder ausgeführt noch findet sich ein entsprechender Verweis auf andere Kapitel der „Dogmatik“.344 Körtner fährt damit fort, als zweite Interpretationslinie die eschatologische Dimension des Herrenmahls zu nennen, die er mit einer Paraphrase von 1 Kor 11,26 und Verweisen auf das „eschatologische Weinwort“ Mt 26,29; Mk 14,25 und Lk 22,18 inhaltlich konkretisiert.345 Diesen Bezügen auf die biblischen Texte kommt heuristische Funktion zu. Körtner weist drittens darauf hin, dass die Bezüge zwischen Abendmahl und Pessach strittig sind, ohne dies auszuführen.346 Strittig ist viertens auch der Opfercharakter des Abendmahls, den Körtner ausführlicher aufgreift: Mit einem Verweis auf „neuere exegetische und historische Forschung“ hält Körtner fest, dass der Bezug des Opferbegriffs auf den Tod Jesu sekundär ist.347 Körtner führt als einen anderen Deutungsansatz den Bundesgedanken an, der s.E. mit dem Opferverständnis verbunden werden kann, aber nicht muss. Letzteres wird für Körtner in der „paulinischlukanische[n] Version“ des Kelchworts in 1 Kor 11,25 und Lk 22,20 deutlich.348 Auch aus diesem biblischen Befund folgert Körtner, dass der Opfergedanke ein mögliches, aber nicht das einzig denkbare Interpretament des Abendmahls darstellt. Aus „historisch-genetischen“ und „systematisch-theologisch[en]“ 342 Ebd. [im Original kursiv]. Körtner deutet nur an, dass diese Vielfalt auch heute helfen kann, die bestehenden pluralen Deutungen des Abendmahls einzuordnen. Angesichts der Bedeutung johanneischer Deutungskategorien irritiert diese Selbstbeschreibung, wie auch im Folgenden deutlich wird. 343 A. a. O., 560. Wenn dies als Kurzbeschreibung der von Körtner – der Selbstbeschreibung nach – vertretenen paulinischen Interpretation gelten kann, verwirrt diese Zuschreibung umso mehr: Denn in der Darstellung der Abendmahlslehre ist bislang kaum Bezug auf den Tod Jesu genommen worden, vielmehr stand die Interpretation durch das Brotwort im Vordergrund. 344  Vgl. ebd. 345 Ebd. 346 Vgl. ebd. 347 Körtner formuliert: „Die neuere exegetische und historische Forschung ergibt ein Bild, wonach der Bezug des Opferbegriffs auf Jesu Tod und dann auf Leib und Blut Christi im Abendmahl erst sekundär aufgekommen ist, wogegen die ältere Verwendung des Opferbegriffs sich auf die mitgebrachten Gaben und das Gebet bezieht.“ (Ebd.) Er verweist noch darauf, dass die systematisch-theologischen und ökumenischen Konsequenzen dieses Befunds an dieser Stelle offen bleiben müssen. Körtner gibt keine Belege für diese Forschungsergebnisse an, auch nicht in den weiterführenden Literaturhinweisen am Ende des Kapitels zu den Heilsmitteln. 348  Ebd.

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Gründen ist daher nach Körtner der „paulinisch-lukanischen Traditionslinie“ der Vorzug zu geben.349 Als fünfte Deutungslinie verweist Körtner sodann auf den Inkarnationsgedanken und merkt dazu an, dass im Neuen Testament wenig darüber berichtet wird, wie die Präsenz Christi im Abendmahl gedacht wird.350 Ausführlicher befasst er sich mit der sechsten Interpretation des Abendmahls durch die Pneumatologie, ausgehend von der Beobachtung, dass „bei Paulus und auch an anderen Stellen im Neuen Testament“ Taufe und Abendmahl parallel als Anteilgabe am Geist Gottes gedacht werden und nicht in einer bestimmten Abfolge einer Initiation.351 Hieraus folgt für Körtner siebtens eine Verbindung von Abendmahl und Ekklesiologie: Diese begründet er mit einer Paraphrase von 1 Kor 10,16 f.352 Verbunden damit betont Körtner den Zusammenhang von Mahlgemeinschaft und Ethik, wodurch das Abendmahl zu einem Ort diakonischen Handelns wird. Als solches muss es in andere christliche Mahlfeiern eingeordnet werden, für die Körtner beispielhaft die Berichte aus Apg 2,42–47; 6,1–7; 10; 16,11–40; 20,7–12 nennt.353 4.4.2. Analyse des Schriftgebrauchs II – Argumentationsgang zum Thema Tod Mit dem Titel und einem Zitat von Ps 90,12 zu Beginn des Vorworts gibt Körtner dem Band „Bedenken, daß wir sterben müssen. Sterben und Tod in Theologie und medizinischer Ethik“ insgesamt einen Bezug auf die biblische Tradition.354 Zu Beginn des ersten Kapitels stellt Körtner ein biblisches Zitat (1 Kor 15,55) mit einem Zitat von Albert Camus zusammen und bringt so eine doppelte Ausrichtung seiner Überlegungen zum Ausdruck, die auch der Untertitel des Kapitels ausdrückt: „Kap 1: Der verwilderte Tod. Gesellschaftliche und theologische Aspekte des heutigen Umgangs mit Tod und Sterben“. Körtner beginnt seine Überlegung mit der Darstellung widersprüchlicher Todesbilder in der Gesellschaft: Er beobachtet eine Spannung zwischen der Verdrängung des Todes und einer ars moriendi, sichtbar in Versuchen der In349  A. a. O., 561. Zur Bedeutung dieser Unterscheidung vgl. die Überlegungen in Abschnitt B 4.5. 350 Vgl. ebd. Dass sich an dieser Stelle eine umfangreiche Debatte in der Ökumene anschließt, erwähnt Körtner nicht und verweist auch nicht auf andere Kapitel des Lehrbuchs, wo diese Frage verhandelt wird. Im Blick auf die Fragestellung dieser Studie ließe sich daraus folgern, dass der schmale neutestamentliche Befund für Körtner keinen Anlass gibt, das Thema zu vertiefen. Demgegenüber scheint es wahrscheinlicher, dass die Beschränkung dem Genus des Lehrbuchs geschuldet ist – auch wenn die fehlenden Verweise auf die Debatte und auch auf Körtners eigene Auseinandersetzung mit dieser Frage verwundert. 351 Ebd. Auch hier verzichtet Körtner auf Verweise auf konkrete Textstellen. 352  Vgl. ebd. 353  Vgl. ebd. 354 Analysiert wird Körtner, Bedenken, 11–31. Zur Begründung dieser Auswahl vgl. Abschnitt A 3.3.1.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

szenierung des Todes, sowie in konkurrierenden Bildern vom gewaltsamen Tod, sauberen Tod oder krankhaften Tod.355 Biblische Bezüge spielen in dieser Darstellung der Aussageintention entsprechend keine Rolle. Dies gilt auch für den zweiten und dritten Abschnitt des Kapitels. Körtner beschreibt im zweiten Abschnitt zur Geschichte des Todes im Anschluss und in Zusammenfassung von Überlegungen von Philippe Ariès gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozesse im Verständnis des Todes.356 Der dritte Abschnitt wendet sich  – ebenfalls Ariès folgend  – der umstrittenen These von der Verdrängung des Todes zu.357 Nach einer kurzen Darstellung der These von Ariès kommt Körtner auf theologische Deutungen zu sprechen, die die Grundlage seiner biblischen Darstellung im folgenden Abschnitt bieten. Im Blick auf Thielicke und Rahner stellt Körtner dar, dass die Verdrängung des Todes mit der Verdrängung der Transzendenz und somit mit der Verdrängung Gottes gleichgesetzt wird.358 Dagegen hält er fest, dass der Tod nicht apologetisch missbraucht werden darf, sondern vielmehr die Wahrheit der christlichen Sicht einsichtig zu machen ist.359 Dazu dient Körtners folgende These, das heutige Modell des natürlichen Todes ist eine Erscheinungsform des „verwilderten Tods“ (Ariès).360 Zur Zähmung des Todes ist nach Körtner der Glaube an das Böse notwendig, weswegen die christliche Theologie ein realistischeres Bild vom Tod bietet als viele gängige Beschreibungen.361 Es folgt ein vierter Abschnitt zum Tod in biblischer Sicht. Der knapp zweiseitige Abschnitt hat einen überblickartigen, bibelkundlich anmutenden Charakter, sodass die biblischen Aussagen durchgehend Gegenstand der Darstellung sind und zugleich heuristischen oder begründenden Charakter für die Überlegungen zum Tod in den biblischen Texten haben. Auffallend ist, dass die in diesem Abschnitt dargestellten Aussagen wenig verbunden sind mit den im fünften Abschnitt diskutierten dogmatischen Fragen, wie die folgende Analyse zeigt. Der Abschnitt beginnt mit dem Hinweis auf die sehr unterschiedlichen Aussagen zum Thema im Alten und Neuen Testament und wendet sich zunächst den alttestamentlichen Aussagen zu. Diese Darstellung kommt weitestgehend ohne Textbezüge aus: Alttestamentlich ist das Leben als höchstes Gut beschrieben und JHWH ein Gott der Lebenden. Der Tod hingegen entzieht das Leben und  Vgl. a. a. O., 11–13. a. a. O., 14–18. Vgl. ähnlich Ders., Dinge, 172–176; Ders., Unbewältigte Tod, 13–17. 357 Vgl. Körtner, Bedenken, 19–21. 358 Vgl. a. a. O., 19. 359  Vgl. a. a. O., 20. 360 A. a. O., 21. Vgl. ähnlich Ders., Dinge, 176; Ders., Unbewältigte Tod, 20–23. 361  Körtner folgert: „Eben die Abschaffung des Bösen erweist sich aber als eine Illusion, und es ist bezeichnend, daß das Böse in der Gegenwart als ein Thema neu entdeckt wird.“ Körtner, Bedenken, 21. Mit diesem Thema setzt Körtner sich ausführlich auseinander, auch im Blick auf den Tod. Vgl. z. B. Ders., Dinge; Ders., Wie lange. 355

356 Vgl.

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begrenzt es so, wird aber trotzdem bejaht.362 Hi 5,25 f zitierend hält Körtner fest, dass sich im Tod das Leben vollendet, wenn der Mensch alt und lebenssatt stirbt. Zugleich beschreibt er, dass alttestamentlich der Tod durch die Sünde zu einer unheilvollen Macht wird. Auch diese Aussage bleibt ohne biblischen Beleg. Körtner fährt mit einer kurzen Interpretation unter Verweis auf Jüngel fort und beschreibt die Sünde als „Drang in die Verhältnislosigkeit, die sich im Tod vollendet“.363 Der Mensch ist nach Körtner sündhaft auf sich selbst fixiert und dadurch einsam – „Der Tod aber ist letzte Einsamkeit.“364 Zusammenfassend hält Körtner fest, dass in den alttestamentlichen Texten weder Tod noch Leben verabsolutiert werden, sondern vielmehr das Leben als Gabe Gottes seinen Wert hat und die Macht des Todes durch Gott begrenzt ist.365 An den „Rändern des Alten Testaments“ deutet sich nach Körtner zudem eine Auferstehungshoffnung an.366 Mit dieser Beobachtung leitet Körtner zu den Aussagen im Neuen Testament über: Hier beobachtet er eine neue Perspektive von der Auferstehungshoffnung her, da der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi und die Auferweckung der Toten zu einer Relativierung von Leben und Tod führt.367 „Nach Paulus“ hat der Christ den Tod und damit auch das sündige Leben immer schon hinter sich.368 Diese Beschreibung führt Körtner im Folgenden auf der Grundlage von fünf paulinischen Aussagen weiter aus: Unter Verweis auf Röm 6,23 ist der Tod einerseits der Sünde Sold, zugleich aber mit 1 Kor 15,26 als letzter Feind Gottes zu beschreiben.369 Mit Paulus hält Körtner fest, dass der Tod Jesu Gottes Sieg über den Tod darstellt (1 Kor 15,55) und daher „weder Tod noch Leben den Menschen von Gottes Liebe trennen können“ (so die Paraphrase von Röm 8,38 f ).370 So wird der Tod „nach neutestamentlicher Auffassung“ einerseits zum Inbegriff menschlichen Scheiterns, andererseits die letzte Station auf dem Weg zur Freiheit.371 Der Verweis auf die „neutestamentliche Auffassung“ scheint rückbezogen zu sein auf die vorher dargestellte paulinische Auffassung. Diesen Eindruck verstärkt das begründend angeführte Zitat von Phil 1,23.372 Im Blick auf den Zusammenhang der biblischen Texte hält Körtner fest, dass das Neue Testament das Alte nicht umkehrt, sondern das natürliche Leben durch das „Mit-Christus-Sein“ 362 Vgl.

Körtner, Bedenken, 22.  Ebd. 364 Ebd. 365  Vgl. ebd. 366  Ebd. Körtner gibt keine Textverweise an, sodass offen bleibt, welche Texte Körtner als „Ränder“ des Alten Testaments im Blick hat. Auch die Frage der Vermittlung dieser Hoffnung in den zwischentestamentarischen Texten bleibt unberührt. 367 Vgl. ebd. 368  Ebd. 369  Vgl. ebd. 370  A. a. O., 23. Körtner gibt in seiner Paraphrase von Röm 8,38 f keine Versangabe an. 371  Ebd. 372  Vgl. ebd. 363

290 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen überboten wird, das Leben und Tod umschließt.373 Es beschreibt daher nicht das biologische Leben, sondern ein „ewiges Leben mit Christus Jesus“ als Gabe Gottes, wie Körtner gründend auf Röm 6,23 ausführt.374 Auch wenn der Christ ohne „Todesangst“ leben darf, bedeutet das für Körtner nicht die Aussöhnung mit der unerlösten Welt.375 Im fünften Abschnitt wendet sich Körtner der „Utopie des natürlichen Todes“ zu. Hier finden sich keinerlei Bezüge auf biblische Texte und auch die im vorigen Abschnitt ausgeführten Überlegungen werden nicht explizit aufgegriffen. Körtner setzt sich intensiv mit Fuchs’ These des natürlichen Todes auseinander und diskutiert in Folge auch Jüngels Versuch, diese theologisch zu deuten.376 Körtner spricht stattdessen von der Ambivalenz des Todes und seinem Schrecken, dem in der Haltung der Klage begegnet werden muss.377 Dies führt ihn zur Diskussion der These von der Widernatürlichkeit des Todes, die nur ontologisch, nicht biologisch sinnvoll ist, wie er in Diskussion mit Pannenberg ausführt.378 Abschließend wendet er sich gegen Vorstellungen eines gelingenden oder ganzheitlichen, würdigen Sterbens.379 Der sechste und letzte Abschnitt bündelt diese Überlegungen unter der Überschrift „Fragmentarisches Leben in Widerstand und Ergebung“.380 Auch hier greift Körtner nicht auf biblische Texte oder seine Ausführungen zu den biblischen Todesvorstellungen zurück. Referenzgrößen sind vielmehr Henning Luther und Dietrich Bonhoeffer, wie schon an der Überschrift erkennbar wird.381 Er weist jedoch auf den Tod Jesu zurück, um seine Haltung zu H. Luthers und Bonhoeffers Überlegungen zum Fragment zu begründen.382 Ähnlich lässt sich auch seine Haltung einer „angefochtene[n] Zuversicht“, zu der der Mensch von Gott befreit werden muss, vor dem Hintergrund der skizzierten Auferstehungshoffnung deuten, auch wenn dieser Bezug nicht explizit gemacht wird.383  Ebd.

373

374 Ebd. 375 Ebd. 376 Vgl.

a. a. O., 23–25. Vgl. ähnlich Ders., Dinge, 178. Körtner, Bedenken, 24–25. Diese These bringt er nicht mit seiner Darstellung der biblischen Ambivalenz im Blick auf den Tod im vorangegangenen Abschnitt in Verbindung. Vgl. Ders., Dogmatik, 284 f. 378 Vgl. Körtner, Bedenken, 26 f. Vgl. Ders., Dogmatik, 358 f. 379 Vgl. Körtner, Bedenken, 27 f. Körtner setzt sich mit Max Scheler und Karl Rahner auseinander ohne auf Texte zu verweisen. Vgl. Ders., Dinge, 176. 380 Körtner, Bedenken, 29. Vgl. Ders., Unbewältigte Tod, 25–36. 381 Vgl. Körtner, Bedenken, 29–31. Vgl. ähnlich Ders., Dinge, 179–183; Ders., Dogmatik, 285 f.628–635. Bonhoeffers Überlegungen führt Körtner am ausführlichsten in seinem Aufsatz „Der unbewältigte Tod“ beschrieben. Vgl. Ders., Unbewältigte Tod, 29–34. 382  „Es ist nun gerade der als Heilsgeschehen gedeutete Tod Jesu, der die Bruchstückhaftigkeit und Zerrissenheit des Lebens ebenso zeigt, wie er Hoffnung auf eine höhere Vollendung unseres fragmentarischen Lebens begründet.“ Körtner, Bedenken, 30. 383  Ebd. Vgl. Ders., Wie lange, 88–91. 377 Vgl.

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4.4.3. Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs Zusammenfassend werden die untersuchten Textabschnitte auf die eingangs genannten Leitfragen für die Untersuchung des Schriftgebrauchs hin befragt.384 Um diese nachvollziehen zu können, sind die Ergebnisse der Analysen des Argumentationsganges im Anhang tabellarisch dokumentiert.385 Untersucht man den Aufbau der Argumentation und den darin erkennbaren Schriftgebrauch, fällt auf, dass Körtner sich jeweils in einem geschlossenen Abschnitt mit den biblischen Texten auseinandersetzt. Diese Abschnitte zur „biblischen Sicht“386 stehen in den untersuchten Kapiteln an unterschiedlichen Orten und ihnen kommt je eigene Bedeutung zu. Bei den Überlegungen zum Abendmahl argumentiert Körtner von den biblischen Texten her, insbesondere im ersten Abschnitt des Kapitels: Grundlegende Bestimmungen wie die Verortung des Abendmahls auch in der Ethik, die Frage nach den Akteuren beim Abendmahl oder dem Wesen der Sakramente gehen von biblischen Texten aus oder beziehen sich auf diese zurück. In seinem Text zum Tod wiederum dienen überwiegend philosophische Gesprächspartner als Ausgangspunkt, welche in den ersten Abschnitten die Themen setzen. Auch wenn in seinen Überlegungen ein Abschnitt zum christlichen Todesverständnis eingefügt ist  – in welchem die biblischen Texte vor allem Gegenstand der Auslegung eines an eine Bibelkunde erinnernden Überblicks sind – findet dies im Gang seiner Überlegungen wenig expliziten Niederschlag. Zu beobachten ist im Folgenden eine implizite heuristische Prägung der Beschreibung des Themenfeldes: So erwächst die Frage nach dem natürlichen Tod im fünften Abschnitt direkt aus dem im vierten Abschnitt skizzierten biblischen Zusammenhang von Sünde und Tod. Die Argumentation im fünften und auch sechsten Kapitel zum fragmentarischen Leben wiederum greift inhaltlich nicht auf biblische Beschreibungen im vierten Kapitel zurück. Implizit lassen die Bezüge auf den Tod Jesu und die angefochtene Zuversicht des Menschen biblische Beschreibungen durchscheinen, wie in der Analyse des sechsten Abschnitts dargelegt. Zu fragen ist, ob diese Differenz den unterschiedlichen Genera der untersuchten Texte geschuldet ist oder ob es aus den Themen erwächst, deren Verortung und Referenzen unterschiedlich aufgegriffen werden. Für die erste Lesart sprechen die Arten der Bezüge und die Funktionen dieser Bezugnahmen, die in den untersuchten Kapiteln stark divergieren: Während Körtner in seinen Über384 Erstens die Bedeutung der biblischen Bezüge in der Themenexposition und Argumentation, zweitens der genutzte working canon, drittens die Funktionen der einzelnen Schriftbezüge im Argumentationsgang und viertens der Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur. Vgl. Abschnitt A 3.3. 385  Vgl. im Anhang Abschnitt IV Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Ulrich H. J.  Körtner. 386  So etwa die Überschrift in Körtner, Bedenken, 22.

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

legungen zum Tod im Rahmen eines populärwissenschaftlichen Buches bis auf eine Ausnahme mit Paraphrasen und Zitaten arbeitet, nennt er im Kapitel zum Abendmahl in der Dogmatik in zwei Drittel der Fällen nur die Bibelstelle.387 Dagegen spricht ein Vergleich des untersuchten Abschnittes zum Tod mit den anderen monographischen Texten, in denen Körtner sich mit dem Thema Tod explizit auseinander setzt: Auch hier bezieht sich Körtner selten auf biblische Texte und es kommt ihnen wenig argumentative Bedeutung zu.388 So verhandelt Körtner in seinem Bändchen „Wie lange noch, wie lange? Über das Böse, Leid und Tod“ in einem Kapitel „Lebensende und Weltende aus der Sicht Martin Luthers und heute“.389 Hier bezieht sich Körtner nur an einer Stelle auf biblische Texte und das in sehr allgemeiner Weise: Aus der Formulierung im Plural in Ps 90 (ohne Versangabe) folgert Körtner die gemeinschaftliche Aufgabe, dem Tod zu begegnen.390 Im Abschnitt zu „Endlichkeit, Sterben und Tod“ im Band „Die letzten Dinge“ finden sich zwei ähnlich offene Verweise („nach biblischer Tradition“, „nach biblischer Vorstellung“) mit dem Ziel, die leib-seelische Einheit des Menschen biblisch zu verankern.391 Daneben bezieht sich Körtner an zwei Stellen auf konkrete biblische Textstellen: Eine Paraphrase von Apg 17,32 macht einführend deutlich, dass die Vorstellung einer leiblichen Auferstehung schon bei den frühen Christen schwer zu vermitteln war.392 Im Kontext der Begriffsbestimmung von pneuma verweist Körtner dann auf Joh 4,24 und interpretiert diese im Anschluss an Bultmann metaphorisch.393 In der Dogmatik verhandelt Körtner das Thema Tod nicht zusammenhängend, sondern die Teilaspekte in unterschiedlichen Zusammenhängen. In den Kapiteln zu „Endlichkeit und Sterblichkeit“ (Kapitel 3.2.7), sowie zum fragmentarischen Leben (Kapitel 5.6.7) bezieht sich Körtner an keiner Stelle auf biblische Texte. Nur im Zusammenhang von Sünde und Tod (Kapitel 4.1.9) greift Körtner auf biblische Texte zurück: Hier dienen Zitate von Röm 6,23 und Röm 5,12 als „Problemexposition“ des Zusammenhangs von Tod und Sünde.394 Daneben zieht Körtner zur utopischen Beschreibung des Tierfriedens in Gen 1,30 und Gen 9,3 heran.395 Ein Zitat aus Lk 1,79 illustriert seine Ausführungen zum Tod als Folge der Sünde.396

Auch wenn die Frage nach dem Grund für die unterschiedlichen Verortungen der biblischen Bezüge und den unterschiedlichen Umfang der Bezugnahmen 387 Im untersuchten Kapitel zum Tod finden sich fünf Paraphrasen, drei Zitate und zwei Verweise („nach Paulus“, Ebd.; „nach neutestamentlicher Auffassung“, a. a. O., 23), im Kapitel zum Abendmahl 20 Nennungen, zehn Paraphrasen und drei Zitate. Vgl. Anhang Abschnitt IV. 388 Dargestellt werden im Folgenden diejenigen monographischen Texte, in denen Körtner das Thema Tod als anthropologisches Thema explizit verhandelt. Vgl. zu den anderen Texten zum Thema und dieser Abgrenzung vgl. Abschnitt A 3.3.1. 389 Körtner, Wie lange, 75–93. 390 Vgl. a. a. O., 92. 391 Körtner, Dinge, 168. 392 Vgl. a. a. O., 167. 393  Vgl. a. a. O., 168. 394  Körtner, Dogmatik, 358. 395  Vgl. ebd. 396  Vgl. a. a. O., 360.

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nicht abschließend geklärt werden kann, wird doch in der Tendenz deutlich, dass diese Divergenz vermutlich dem thematischen Zuschnitt und nicht dem Genre der Texte geschuldet ist. Körtner bringt die biblischen Texte dabei überwiegend als Paraphrase oder Nennung ein, Zitate finden sich selten.397 In seinen Bezügen hat Körtner einen eher begrenzten working canon vor Augen, der überwiegend auf die neutestamentlichen Texte und insbesondere die paulinische Tradition fokussiert. Im Abendmahlskapitel kommt die Vielfalt der neutestamentlichen Zeugnisse deutlich zur Geltung:398 Hier spielt zum einen der Vergleich und die Abwägung zwischen den unterschiedlichen biblischen Interpretationen in Mt 26, Mk 14, Lk 22 und 1 Kor 11 eine große Rolle. Zum anderen stellt Körtner umfänglich die Breite der biblischen Motive vor Augen, die mit dem Abendmahl verbunden werden. So kommt insbesondere die Brotrede aus Joh 6 in den Blick, aber auch Berichte aus der Apg und ein Verweis auf Röm 11. Rückbezüge auf alttestamentliche Traditionen finden sich nicht. Ähnliches zeigt sich auch in seiner Darstellung des biblischen Verständnisses vom Tod, wo Körtner vor allem neutestamentliche Facetten darstellt.399 Alttestamentlich kommt explizit nur Hi in den Blick, wobei Körtners Beschreibung des alttestamentlichen Todesverständnisses auch weitere thematische Linien aufgreift: Gott wird mit dem Leben verbunden und dem mit der Sünde verbundenen Tod gegenüber gestellt, dessen Macht durch Gott begrenzt ist. Im Vordergrund steht für Körtner die neutestamentliche Auferstehungshoffnung, die er nahezu ausschließlich in ihrer paulinischen Interpretation beschreibt. Zentral ist dabei die Frage nach dem christlichen Leben mit dem Tod. Überlegungen zum natürlichen Tod werden zugunsten der Vorstellung eines fragmentarischen Lebens zurückgewiesen. Angesichts des erkennbaren Schwerpunkts bei den paulinischen Texten ist eine Selbsteinschätzung Körtners im Abendmahlkapitel interessant: Er beschreibt seine Interpretation als paulinische Deutung des Abendmahls, was im Abend397 Vgl.

Anhang Abschnitt IV. Abendmahlskapitel verweist Körtner ausschließlich auf neutestamentliche Texte. Davon entfallen acht Bezüge auf den 1 Kor (davon sechs Mal auf 1 Kor 11,23–26, und je einmal auf 1 Kor 10,16 f und 1 Kor 15,51), fünf Bezüge auf Apg, je viermal auf Mk, Mt und Lk, drei Bezüge auf Joh, sowie eine Bezugnahme auf Röm 11. Dazu kommen drei Verweise auf Paulus, bzw. die paulinische Tradition im Allgemeinen, sowie ein Verweis auf das Neue Testament insgesamt. Vgl. Anhang Abschnitt IV. 399  Im Kapitel zum Tod stammt einer der acht Bezugnahmen auf biblische Texte aus dem Alten Testament (Hi 5,25 f ). Die anderen sieben Bezüge verweisen auf paulinische Texte: Es finden sich je drei Bezüge auf Röm und 1 Kor 15, sowie ein Verweis auf Phil. Vgl. Anhang Abschnitt IV. Die im vorangegangenen Abschnitt skizzierten Überlegungen in den anderen Monographien zum Thema Tod zeigen ein ähnliches Bild: Auch hier steht die paulinische Tradition im Vordergrund. 398 Im

294 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen mahlskapitel insofern überrascht als er in den vorangegangenen Abschnitten vor allem Joh als zentrales Interpretament des Abendmahls heran gezogen hat.400 Diese Spannung wird nicht explizit. Deutlich wird jedoch, dass die Gewichtung theologischer Traditionslinien für Körtner keiner Begründung bedarf. Vor dem Hintergrund des schmalen und paulinisch geprägten working canon erscheint die Selbsteinschätzung Körtners als paulinisch geprägte Deutungen nicht nur für das Abendmahlskapitel, sondern für die beiden untersuchten Kapitel zutreffend. Fragt man nach den Funktionen der Bezüge auf biblische Texte, so spiegelt sich der unterschiedliche Umgang mit den biblischen Texten auch hier: Während im Abendmahlskapitel knapp die Hälfte der Bezüge eine beschreibende Funktion hat oder Gegenstand der Auslegung wird, kommt zehn Bezügen eine heuristische Funktion zu und vier Bezügen eine begründende Funktion.401 In den Überlegungen zum Tod haben die biblischen Aussagen im Abschnitt zum „Tod in biblischer Sicht“ durchgehend heuristische oder begründende Funktion – und sind zugleich Gegenstand der Auslegung.402 Für die weitere Argumentation kommt diesem Abschnitt zur biblischen Perspektive auf der Textebene wenig argumentative Bedeutung zu. Die Darstellung der biblischen Perspektive auf die verhandelten Themen scheint für Körtner ein in sich recht geschlossenes Element dogmatischer Darstellung und Reflexion zu sein. Beim Thema Tod zeichnet sich dieser Bezug eher durch seinen überblickgebenden Charakter als durch seine Einbindung und Verschränkung mit der dogmatischen Reflexion in den anderen Textabschnitten zu aus.403 Auf exegetische Literatur finden sich keine Bezugnahmen und eine eigene Bearbeitung exegetischer Fragestellungen ist in den untersuchten Kapiteln kaum erkennbar. An einer Stelle verweist er auf „neuere exegetische und historische Forschung“ zum Abendmahl, ohne diesen Bezug zu konkretisieren, bzw. deren 400 Von den in Fußnote 398 in diesem Kapitel ausgeführten quantitativen Bezügen lässt sich diese Einschätzung bestätigen: Hier zeigt sich ein deutlicher Schwerpunkt in den Verweisen auf paulinische Texte. Offen bleibt zudem, was Körtner unter der paulinischen Deutung des Abendmahls versteht. 401 Insgesamt bezieht sich Körtner im untersuchten Abschnitt zum Abendmahl an 33 Stellen auf biblische Texte. Es finden sich 14 Bezugnahmen mit beschreibender Funktion und fünf Bezugnahmen, in denen die biblischen Texte Gegenstand der Auslegung sind. Vgl. Anhang Abschnitt IV. 402  Körtner, Bedenken, 22. Sieben Bezüge haben heuristische Funktion, zwei begründende Funktion und jeweils ein Bezug hat illustrierende oder beschreibende Funktion. Vgl. Anhang Abschnitt IV. Dieser Zusammenhang von Auslegung und begründender, bzw. heuristischer Funktion war auch bei Mildenberger erkennbar. Vgl. Abschnitt B 3.4.3., sowie die weiterführenden Überlegungen in den Abschnitten C 2.1 und C 2.2. 403  Vgl. zu dieser Beobachtung vor dem Hintergrund von Körtners Schriftlehre und seinem Verständnis von Schriftauslegung Abschnitt B 4.5.

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dogmatische Folgerungen zu erörtern.404 An einer anderen Stelle unterscheidet Körtner zwischen „historisch-genetischen“ und „systematisch-theologischen“ Gründen für unterschiedliche Abendmahlsinterpretationen.405 Für Körtner sprechen beide für die paulinisch-lukanische Traditionslinie und werden daher nicht gegeneinander ausgespielt. Die Implikationen dieser Unterscheidung werden im folgenden Abschnitt diskutiert. Die fehlende Auseinandersetzung mit exegetischer Literatur ist insofern verwunderlich als Körtner selbst mit einer Arbeit an der Grenze von neutestamentlicher Exegese und Kirchengeschichte promoviert wurde, mit der er „einen Beitrag zur Aufhebung der Grenze [zwischen neutestamentlicher und kirchgeschichtlicher Wissenschaft]“ leisten möchte, und sich dieses Interesse an grenzüberschreitender theologischer Forschung auch in anderen Publikationen zeigt.406 In den untersuchten Kapiteln ist die Einbindung exegetischer Forschung und Fragestellungen nicht in diesem Umfang erkennbar.

4.5. Diskussion Fragt man nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik, wie er sich in Körtners Schriftlehre, seiner Reflexion der Schriftauslegung sowie seinem Schriftgebrauch darstellt, so lassen sich folgende zentrale Einsichten und Anfragen festhalten. Im Zwischenfazit wurde im Blick auf den Schriftgebrauch nach der Bedeutung der Differenzierung zwischen Bibel und Schrift gefragt  – verbunden mit der Frage nach der Bedeutung exegetischer Fragestellungen und Literatur. Hintergrund der Frage bildet die Beobachtung, dass die Überlegungen Körtners zur Autorität der Schrift – die die biblischen Texte als Schrift kennzeichnen – allein auf der Ebene der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung liegen und keinen Überschritt zur Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift erkennen lassen.407 Die Beobachtungen in den Analysen des Schriftgebrauchs zeigen, dass Körtner die biblischen Texte in unterschiedlichem Umfang in seine Argumentation einbindet und ihnen in begründender oder heurististischer Funktion Bedeutung für die dogmatische Urteilsbildung zumisst. Somit scheint er sie als Texte mit einem besonderen Status zu rezipieren – auch wenn die Begründung für diese 404 Körtner,

Dogmatik, 560.   A. a. O., 561. 406 Körtner, Papias, 6. Vgl. zuletzt z.  B. Ders., Arbeitsbuch; Ders. u. a., Bultmann; Rothgangel/Simojoki/Körtner, Schlüsselbegriffe. 407 Inwiefern dies für alle untersuchten Autoren gilt, wurde in den Abschnitten B 1.5., B 2.5. und B 3.5. dargestellt. Vgl. zusammenfassend die Abschnitte B 5.1.1. und B 5.1.2., sowie weiterführend Abschnitt C 1. 405

296 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Rezeption weder aus den untersuchten Kapiteln auf der Textebene erkennbar noch Gegenstand seiner Überlegungen ist. Auf der Textebene finden sich drei Hinweise für diese Lesart als Schrift: Erstens wurde in den untersuchten Textabschnitten deutlich, dass Körtner die biblischen Texte jeweils in klar abgegrenzten Textabschnitten in den Blick nimmt. Die argumentative Einbindung dieser biblischen Perspektivierungen differierte in den untersuchten Themen.408 Die Darstellung der biblischen Perspektive auf die verhandelten Themen scheint für Körtner ein in sich geschlossener Teil dogmatischer Reflexion und Darstellung zu sein, der auch durch einen überblicksartigen Charakter gekennzeichnet sein kann und z. T. nur lose mit den anderen Textabschnitten verbunden ist. Zugleich scheinen sie selbstverständlicher Teil einer dogmatischen Reflexion zu sein. Dabei kommt zweitens den biblischen Texten an vielen Stellen eine argumentative oder heuristische Funktion zu. Ex negativo lässt sich drittens festhalten, dass Körtner kaum Ansätze zeigt, die biblischen Texte als historische Texte zu interpretieren indem er etwa auf exegetische Arbeiten zurückgreift oder selbst exegetisch arbeitet. Die im Zwischenfazit beschriebene Wechselwirkung zwischen den Beschreibungen der Schrift und dem Umgang mit der Schrift führt vor dem Hintergrund von Körtners Schriftgebrauch in den untersuchten Kapiteln zu der These: Ausgangspunkt seiner Bezugnahmen auf die Schrift scheint eine vorausgesetzte Valenz der Texte für die Urteilsbildung zu sein, die mit seiner Beschreibung der Lektüre als Schrift mehr Übereinstimmung hat als mit der Beschreibung der Lektüre als Literatur. Die Methodik und die Kriterien einer solchen Schriftauslegung, nach denen im Zwischenfazit gefragt wurde, lassen sich durch den Schriftgebrauch nicht spezifizieren. Zum einen fällt auf, dass Körtner sich keiner der von ihm genannten exegetischen Methoden in den untersuchten Abschnitten bedient oder auf exegetische Arbeiten zu den in den Blick kommenden biblischen Texten zurückgreift. Interessant ist hier die im Zwischenfazit formulierte Frage nach der Bedeutung existentialer Schriftauslegung. Diese klingt im untersuchten Text zum Tod immer wieder durch. Dies kann sowohl dem Genus des Textes als auch dem Thema geschuldet sein – stellenweise steht die existentielle Betroffenheit stark im Vordergrund, was die Auseinandersetzung mit dem Thema prägt. Dies gilt für die Überlegungen zum Abendmahl nicht in gleicher Weise. Ausgehend von den Überlegungen zu Theologie und Wissenschaft, bzw. Theologie und Glaube lassen sich diese existentiellen Deutungen als theologische Deutungen im Sinne des von Körtner eingeführten weiten Theologiebegriffs beschreiben. Das von Körtner beschriebene und im Zwischenfazit bereits diskutierte kom Vgl. Abschnitt B 4.4.3.

408

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plementäre Verhältnis zwischen verschiedenen Ansätzen der Schriftauslegung ist in den untersuchten Texten nicht erkennbar. Somit kann die Analyse des Schriftgebrauchs nicht zu einer Klärung der im Zwischenfazit formulierten enzyklopädischen Implikationen der Differenzierung zwischen existentiellem und historischem Verstehen der Schrift beitragen. Zum anderen wurde in der Auswertung der Analysen des Schriftgebrauchs auf Körtners Unterscheidung zwischen „historisch-genetischen“ und „systematischtheologischen“ Gründen für Abendmahlsinterpretationen hingewiesen.409 Diese Unterscheidung ist für die Frage dieser Studie von besonderem Interesse und wirft zugleich Rückfragen auf: In welchem Verhältnis stehen die historischen zu den systematisch-theologischen Gründen? Worin genau bestehen die historischen Gründe  – ist es allein der von Körtner festgestellte sekundäre historische Charakter der Deutung als Opfer oder spielen auch andere Gründe (z. B. Rezeptionsgeschichte o.ä.) in seine Entscheidung hinein? Aus der Analyse der Texte Körtners heraus lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Auch die im Zwischenfazit herausgearbeitete Frage nach der theologischen Bedeutung historischer Exegese lässt sich vor dem Hintergrund der Analysen nicht beantworten: Weder übt sie eine kritische Funktion aus noch zeigt sich ihre Diskrepanz zum Schriftprinzip. Aus dem Fehlen historischer Überlegungen in den untersuchten Kapiteln sollte zwar nicht vorschnell die Bedeutungslosigkeit der historischen Exegese für die Dogmatik bei Körtner gefolgert werden. Zugleich wird jedoch deutlich, dass eine dogmatische Argumentation für Körtner ohne exegetische Ausführungen auskommen kann  – auch bei Texten, deren exegetische Bearbeitung zu durchaus unterschiedlichen dogmatischen Implikationen führen kann.410 Die im Zwischenfazit formulierte Frage, ob Körtners Definitionen der Theologie als Schriftauslegung zur Folge habe, dass alle Formen der Lektüre der Schrift als Literatur (inklusive vieler exegetischer Methoden) aus dem genuinen Bereich der Theologie herausfallen, gewinnt hier an Schärfe. Für eine Klärung dieser Frage wäre jedoch eine breitere Analyse des Schriftgebrauchs Körtners geboten, die im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden kann. Festhalten lässt sich, dass der Verzicht auf (historische) Exegese in beiden untersuchten Kapiteln das im Zwischenfazit bereits diskutierte Verhältnis von Dogmatik und Exegese nicht weiter klären kann. Deutlich wird, dass ein komplementäres Verhältnis zwischen Dogmatik und Exegese aus Körtners eigenen dogmatischen Überlegungen zu den untersuchten Themenfeldern nicht nachzuvollziehen ist, da diese Perspektive dort nicht aufgegriffen wurde. Insofern Körtner Schriftauslegung als gemeinsame und übergeordnete Aufgabe der theo Körtner, Dogmatik, 561. Vgl. Abschnitt B 4.4.3. zum Beispiel beim Thema Abendmahl. Dies kann wiederum auch dem Charakter des Lehrbuchs entsprechen. Da Körtner sich in keinem anderen Text ausführlich mit dem Thema Abendmahl befasst, lässt sich diese Frage nicht beantworten. 409

410 So

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

logischen Disziplinen beschreibt, wäre zu fragen, wo der Raum für eine solche Aufgabe ist. Damit verbunden bleibt offen, wie die von Körtner vorgebrachten dogmatischen Schriftauslegungen mit exegetischen Schriftauslegungen verbunden werden können. Die im Zwischenfazit herausgearbeitete Frage nach dem Zusammenhang dieser Überlegungen zur Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Theologie muss ebenfalls offen bleiben. Dazu eine Randbeobachtung: Zum Thema Tod wurde deutlich, dass Körtner viele seiner Bände nicht (nur) für ein wissenschaftlichen Publikum verfasst hat, sondern sich in sehr unterschiedlichen Textgenera an unterschiedliche Zielgruppen wendet. Diese Beobachtung lässt sich für andere Themenfelder bestätigen. Sie gilt in unterschiedlicher Weise und unterschiedlichem Umfang auch für die anderen untersuchten Autoren, tritt jedoch bei Körtner in besonderer Weise in den Vordergrund insofern Körtner bislang keinen geschlossenen dogmatischen Entwurf vorgelegt hat und seine Monographien selbst als Teile seiner Dogmatik versteht.411 Insofern ist bei Körtner in besonderer Weise zu fragen, inwiefern seine Publikationsweisen mit seinem Selbstverständnis und seinem Theologiebegriff zusammen hängen, bzw. ob und wie dieses Vorgehen zumindest implizit Körtners Verständnis dogmatischer Reflexion entspricht. Die Rekonstruktion im Rahmen dieser Studie legen dies zumindest nahe: Diese Beobachtung ließe sich mit Körtner Theologiebegriff verbinden, der sich dem Selbst- und Weltverstehen der Christinnen und Christen verpflichtet weiß. Diese Überlegung zu überprüfen und auszuführen, führt jedoch weit über die vorliegende Studie hinaus.

Verbunden war im Zwischenfazit die Frage nach dem hermeneutischen Zirkel zwischen pluralisierender Auslegung und singularisierendem Bezug auf die Sache der Schrift. Dieser entfaltet im Schriftgebrauch keine Wirkung auf der Textebene. Dies lässt vermuten, dass dieser hermeneutische Zirkel zwischen Pluralisierung und Singularität nur für die Ebene der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift Relevanz entfaltet und Körtner keine äquivalente Figur auf der fundamentaltheologischen Ebene vor Augen hat. Vielmehr fällt in der Analyse des Schriftgebrauchs auf, dass die pluralisierende Auslegung – und als deren Voraussetzung die Vielzahl möglicher Interpretationen biblischer Texte – kaum in den Blick kommt. Körtner bietet hingegen recht eindeutige Interpretationslinien, deren singularisierender Charakter zum einen den gewählten biblischen Bezugstexten geschuldet ist, wie im folgenden Abschnitt dargestellt, und zum anderen dem aktualisierenden und orientierenden Charakter der dogmatischen Texte Körtners entspringt. Die Frage nach den Grundlagen singularisierender Momente der Schriftauslegung rückt somit aus einer neuen Perspektive in den Vordergrund.412 Die Verhältnisbestimmung dieser Bezüge auf die Schrift zu anderen Bezugstexten zu erhellen, ist – nicht nur bei Körtner – eine offene Forschungsfrage.

411 Vgl.

Abschnitt A 3.3.1 und Körtner, Gottes Wort, VI.  Vgl. die Abschnitte C 2.3. und C 3.2.

412

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Von der Einbettung in die wissenschaftlichen Traditionen zeugen auch die Bezüge auf andere theologische Denker und Traditionen, denen ebenfalls ein starkes argumentatives und oft heuristisches Gewicht zukommt. Sehr deutlich wird dies z. B. in seinen Überlegungen zum fragmentarischen Leben: So parallelisiert Körtner z. B. an einer Stelle eine Aussage aus Phil mit Bonhoeffers Beschreibung des Todes als Fest auf dem Weg zur Freiheit. Dies ist für die Fragestellung dieser Untersuchung insofern interessant als Körtners Formulierung „es liegt der Sache nach auf derselben Linie“ ein durchaus gleichwertiges Verhältnis zwischen den beiden Bezugstexten erkennen lässt.413 Diese enge Einbettung findet in Körtners Schriftlehre wenig Anhaltspunkte – die Frage nach dem Verhältnis von Schrift zur theologischen Tradition wird nicht explizit thematisiert. In seinen Ausführungen zum Tod wird ein noch weiterer Gesprächsraum eröffnet, den Körtner selbst markiert: Er möchte „gesellschaftliche und theologische Aspekte“ in den Blick nehmen und bereits die Zusammenstellung der Zitate von Paulus und Camus zu Beginn des analysierten Kapitels markiert die Breite der im Blick befindlichen Denktraditionen.414 Sein rezeptionsorientierter Grundansatz lässt diese enge Verbindung von Schrift und Auslegungs- und Deutungstraditionen jedoch nicht überraschend erscheinen – kommt doch der Einbettung der eigenen Rezeptionen in die Rezeptionskontexte große Bedeutung zu. Diese Einbettung mit den Überlegungen zur Schriftauslegung zu verbinden, kann im Rahmen dieser Studie nicht erfolgen und bleibt ein Desiderat.

Diese Beobachtung zum Umgang mit der Pluralität der biblischen Texte verstärkt sich auf der Ebene der Textrezeption: Die untersuchten Kapitel weisen einen schmalen working canon mit einer deutlichen Präferenz für das Neue Testament und insbesondere die paulinischen Texte auf. Auch die von Körtner in der Schriftlehre betonte Pluralität kanonischer Textformen und ihrer divergenten Überlieferungen kommt nicht in den Blick. Die Fokussierung auf paulinische Texte überrascht insofern nicht, als Körtner in der Schriftlehre im Zuge seiner Überlegungen zu Pluralität und Einheit der Schrift die paulinische Rechtfertigungslehre als Konkretion der Sache der Schrift zur Geltung bringt.415 Damit stellt sich jedoch die Frage nach der Begründung dieser Auswahl in neuer Schärfe: Wurde im Zwischenfazit vor dem Hintergrund der Schriftlehre festgehalten, dass die Mitte oder Sache der Schrift für Körtner keine literarisch-deskriptive, sondern eine dogmatisch-normative Kategorie darstellt, die in der Dialektik von pluralisierender Rezeption und singularisierender Sache der Schrift als Bindung an die Person und das Werk Jesu Christi pneumatisch aufscheint, legt die Textauswahl in den untersuchten Kapiteln zumindest nahe, dass die Sache der Schrift auch mit einer textlich feststellbaren Mitte der Schrift, einem „Kanon im Kanon“, verbunden ist. Wie die hier erkennbare Auswahl auf der Ebene der fundamentaltheologischen Frage nach der Schrift begründet wird, bleibt offen.

 Körtner, Bedenken, 23.   A. a. O., 11. 415  Vgl. Abschnitt B 4.1.2. 413 414

300 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen Im Folgenden werden die zentralen Beobachtungen aus den Analysen der Einzelpositionen im Blick auf die Leitfrage nach dem Status der Schrift in und für die Dogmatik im Zusammenspiel von Schriftverständnis, Schriftauslegung und Schriftgebrauch zusammengetragen. Das Kapitel bildet damit zum einen den Abschluss der rekonstruierenden Analysen in der Zusammenschau der analysierten Bandbreite möglicher Verhältnisbestimmungen von Schriftverständnis, Schriftauslegung und Schriftgebrauch.1 Zum anderen werden die übergreifenden Problemlinien skizziert, die im Kapitel C mit einem systematischen Interesse weitergeführt werden.

5.1. Schriftverständnis 5.1.1. Die Schrift in soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Dimension Die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik wurde in der Einführung in das Spannungsfeld des Verständnisses der Schrift in der und für die Dogmatik gestellt.2 Inwiefern die Schrift Gegenstand in den Dogmatiken ist, haben die Rekonstruktionen der Schriftlehren ebenso aufgezeigt wie die Analyse des Schriftgebrauchs: Gegenstand ist die Schrift in den untersuchten Positionen nicht nur in der dogmatischen Reflexion, sondern auch im Vollzug des dogmatischen Reflektierens auf andere dogmatische Topoi. Die besondere Bedeutung der Schrift für die Dogmatik wird von allen untersuchten Autoren herausgestellt. In der Rekonstruktion wurde die Notwendigkeit einer expliziten Unterscheidung zwischen der Beschreibung der Schrift in ihrer soteriologisch-pneumatologischen und fundamentaltheologischen Dimension deutlich. Die Schrift wird von den untersuchten Autoren primär im Kontext der Soteriologie, Pneumatologie oder Ekklesiologie beschrieben und verhandelt: In der Schrift wird das Evangelium erkennbar, durch die Schrift kann der Geist Glauben wirken. Insofern wird die Schrift als Heilsmittel beschrieben und die Schriftlehre wird in den Kontext von Ekklesiologie, Soteriologie und Pneumatologie eingebunden. Im Fokus steht auf dieser Ebene sowohl der individuelle Mensch und sein Glauben als auch die Gemeinschaft der Glaubenden. Die besondere Bedeutung der Schrift wird für diese Zusammenhänge unter dem 1  Zur Auswahl der Autoren als exemplarische Positionen in der Debatte um die Schrift vgl. Abschnitt A 2.2. 2  Vgl. Abschnitt A 1.2.

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

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Begriff der „Autorität“ verhandelt.3 In diesem Zusammenhang steht für die untersuchten Autoren die Frage nach dem Status der Schrift, wie im folgenden Abschnitt deutlich wird. Nur punktuell beschreiben die Autoren hingegen die Schrift im Blick auf ihre fundamentaltheologische Dimension: Diese Dimension wird grundsätzlich affirmiert, wenn die untersuchten Autoren auf die Schrift als Grundlage, Gegenstand und Argument der Theologie rekurrieren und diese Beschreibungen nicht nur für die individuelle Lebensführung oder das Leben der Kirche, sondern auch für die Theologie in Anschlag bringen.4 Der Status der Schrift im Sinn der Leitfrage dieser Studie kommt dabei punktuell in der Rede von der Schrift als Norm zur Geltung. Dieser wird von den Autoren sehr unterschiedlich aufgegriffen.5 Breit nimmt Mildenberger die Rede von der Schrift als Norm auf und bezieht diese sowohl auf die Kirche als auch auf die Theologie. Schlinks spricht affirmativ von der Schrift als Norm der Kirche – jedoch nicht explizit von der Schrift als Norm der Theologie. Pannenberg hingegen spricht von der Schrift als Norm des Inhalts der Theologie, wobei er den Begriff ansonsten v. a. beschreibungssprachlich im Rückgriff auf die Bekenntnistexte verwendet. Diese beschreibungssprachlichen Bezüge sind auch bei Körtner zu beobachten. Pannenberg und Körtner sprechen zudem explizit von der Normativität der Sache der Schrift. Bei Körtner findet sich zudem eine weitere Differenzierung: Die Normativität der Schrift ist einerseits eine Leitunterscheidung seiner terminologischen Differenzierung zwischen Schrift und Bibel. Andererseits grenzt Körtner sich explizit von einem Verständnis der Schrift als Lehrnorm ab: Kohärenz und Botschaft der Schrift müssen vielmehr jeweils in der Auslegung neu entdeckt werden, weswegen die Schrift nur im beständigen Zirkel zwischen Schrift und Auslegung zur Norm werden kann.6 Auffallend ist, dass diese fundamentaltheologische Dimension von den untersuchten Autoren nicht in der Schriftlehre ausgeführt wird, sondern ein Thema der Schriftauslegung und des Theologiebegriffs darstellt.7 Diese Beobachtung korrespondiert mit der Verortung der Schriftlehre in den untersuchten dogmatischen Entwürfen: Die Autoren verhandeln diese im Zusammenhang von Ekklesiologie (Schlink), Christologie (Pannenberg) und Heilsmittel (Körtner). Nur Mildenberger verhandelt die Schrift in den Prolegomena, weiß diese jedoch Zuordnung als „principium cognoscendi […] in den pneumato3 Vgl.

Abschnitt B 5.1.3. die Abschnitte B 5.3.2 und B 5.3.3. 5  Vgl. die Abschnitte B 1.2.3., B 2.2.3., B 3.2.1., B 3.2.4., B 4.1.1. und B 4.2.4. Vgl. weiterführend die Abschnitte C 4.2.2. und C 4.4. 6  Interessanterweise findet sich die Rede von Normativität bei Pannenberg, Mildenberger und Körtner auch in den Ausführungen zu ihrem Theologie- und Dogmatikverständnis. Vgl. Abschnitt B 5.2.3. 7  Vgl. zu den Implikationen dieser Verortung Abschnitt C 1 und C 4.2. 4 Vgl.

302

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

logisch-soteriologischen Zusammenhang eingebunden“ und spricht so explizit von einer Doppelstellung der Schriftlehre.8 Körtners Differenzierung zwischen der Rezeption der biblischen Texte als Bibel oder als Schrift fügt eine weitere Ebene für die Diskussion der Positionen hinzu: Diese Unterscheidung ist mit der Differenzierung von soteriologischpneumatologischer und fundamentaltheologischer Dimension verbunden: Während die Lektüre der biblischen Texte als Schrift auf der pneumatologischsoteriologischen Ebene liegt, ist es für die Beschreibung der Schrift auf der fundamentaltheologischen Ebene eine entscheidende Frage, ob den biblischen Texten als Bibel – im Sinne eines historischen Textes – oder als Schrift – im Sinne eines kanonischen Textes mit besonderer Bedeutung für die Rezipienten – erkenntnisleitende Bedeutung zukommen soll. Die Verbindung oder Differenzierung dieser Dimensionen fällt bei den Autoren sehr unterschiedlich aus:9 So können die biblischen Texte z. B. für Mildenberger nur als Schrift, also im Glauben, auch als Erkenntnisprinzip zur Geltung gebracht werden. Bei Pannenberg und Schlink liegt eine deutliche Differenzierung vor: Die Schrift wird als Erkenntnisprinzip und Gnadenmittel beschrieben, beide Beschreibungen werden jedoch nicht miteinander ins Verhältnis gesetzt. Bei Körtner hingegen rückt der Aspekt der Schrift als Erkenntnisprinzip in der Schriftlehre sehr in den Hintergrund, kommt in seinen Überlegungen zur Schriftauslegung jedoch explizit zum Tragen. 5.1.2. Die Autorität der Schrift – Begründungslinien, Ebenen und Autoritätsbegriff Die untersuchten Autoren setzen sich ausführlich mit der Bedeutung der Schrift auseinander, die sie mit dem Begriff „Autorität“ ausweisen.10 Für die Fragestellung der vorliegenden Studie sind dabei drei Beobachtungen von besonderem Interesse: Erstens die unterschiedlichen Begründungslinien der Autorität der Schrift (Bezug auf das Evangelium, Christus, Offenbarung, Ursprungsnähe, Kanon, faktische Bedeutung), zweitens die damit verbundenen Ebenen der Autoritätsbegründung (historische, inhaltliche und pneumatologische Ebene) und drittens die aus den Begründungslinien erkennbaren Konkretionen des Autoritätsbegriffes (abgeleitete, relationale und prozedurale Autorität).

 8 Mildenberger, Dogmatik (1), 94. Vgl. zur Analyse Abschnitt B 3.1.2. und weiterführend Abschnitt C 4.1.  9  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.3., B 2.3., B 3.3. und B 4.3. 10  Zum Autoritätsbegriff und den aus den Analysen gewonnenen Konkretionen vgl. Abschnitt C 4.2.

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

303

Bei den untersuchten Autoren lassen sich sechs Begründungslinien zur Autorität der Schrift unterscheiden, die zum Teil eng miteinander verbunden sind oder sich überlappen.11 Erstens wird die Autorität der Schrift aus dem „Evangelium“, bzw. der „Sache“ der Schrift begründet. Dieser Begriff liegt dabei bei den untersuchten Autoren auf unterschiedlichen Ebenen: Zum einen wird der Begriff „Evangelium“ historisierend gebraucht und verweist somit auf Person und Werk Jesu Christi. In diesem Sinne verwendet insbesondere Pannenberg den Begriff,12 wobei der Begriff bei ihm in enger Verbindung mit den Begründunglinien der Ursprungsnähe sowie dem Bezug auf Christus steht, wie unten ausgeführt. Zum anderen wird der Begriff „Evangelium“ zeugnishaft gebraucht und synonym für die Zeugnisse von Person und Werk Jesu Christi verwendet. So schreibt Schlink die Bedeutung der biblischen Texte ihrem Charakter als apostolische Augenzeugenberichte des Evangeliums zu.13 Zuletzt wird der Begriff „Evangelium“ aktualisierend gebraucht. Dieses Verständnis steht bei Mildenberger im Vordergrund und kommt auch in Schlinks Beschreibung der Schrift als tätiges Wort zum Ausdruck.14 Auch für Körtner beschreibt das Evangelium den Grund der möglichen Auferstehung der Texte im Akt des Lesens und ist eng mit dem Begriff der Offenbarung verbunden.15 Zumeist impliziert der Rekurs auf das „Evangelium“ in den untersuchten Positionen mehrere dieser in der Rekonstruktion unterschiedenen Ebenen, wie im folgenden Abschnitt deutlich wird. Inhaltlich ist der Begriff „Evangelium“ bei den Autoren zumeist unscharf und wird oft synonym mit dem Begriff der „Sache der Schrift“ verwendet.16 Eng verbunden ist diese Begründungslinie daher mit den Überlegungen zu einem Auslegungsprinzip der

11 Diese Differenzierung schließt nur teilweise an bestehende Systematisierungsversuche zur Begründung der Schriftautorität an. So unterscheidet z. B. Michael Roth zwischen formalen, inhaltlichen und wirkungsgeschichtlichen Begründungen der Autorität der Schrift: Formale Begründungen beziehen sich auf den Verfasser oder das Alter der Schrift, inhaltliche Begründungen beziehen sich – im Anschluss an Luther – auf Christus als den bezeugten Inhalt und wirkungsgeschichtliche Begründungen verweisen auf die vorfindliche Gestalt als Kanon (Roth, Verhältnis, 231–233). Der Bezug auf die Autoren der biblischen Texte findet sich in den untersuchten Positionen nicht, hingegen rückt der Lesende in den Fokus, was sich in der Differenzierung von Evangelium, Christus und Offenbarung niederschlägt. Vorgeschlagen wird zudem, zusätzlich zu den Begründungslinien zwischen dem inhaltlichen Bezug auf Christus, das Evangelium oder die Offenbarung und auf dessen aktualisierender pneumatisch gewirkten Aneignung zu differenzieren. Hräle wiederum unterscheidet begründungsansätze, die mit dem verfasser, dem Inhalt oder dem Zustandekommen der biblischen Schriften argumentieren (Härle, Dogmatik, 118–123). Im Blick auf die untersuchten Positionen ist nur der Begründungsansatz über den Inhalt der Schrift von Bedeutung. 12 Vgl. Abschnitt B 2.1.3. 13  Vgl. Abschnitt B 1.1.1. 14  Vgl. die Abschnitte B 1.1.4. und B 3.1.2. 15  Vgl. Abschnitt B 4.1.4. 16  Vgl. die Abschnitte B 1.1.1., B 2.1.2., B 3.1.2. und B 4.1.2.

304 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen Schrift im Zusammenhang mit der Pluralität der biblischen Texte, bei Schlink aber auch im Blick auf das ökumenische Potential der Schriftauslegung.17 Damit verbunden verweisen die Autoren zweitens zur Begründung der Autorität der Schrift auf „Christus“.18 Dies steht etwa bei Pannenberg im Vordergrund. Die Bezüge auf „Christus“ und „Evangelium“, bzw. auf „Christus“ und die „Sache“ der Schrift changieren bei einigen der untersuchten Autoren: So impliziert die Rede vom „Evangelium“ bei Schlink die Aktualisierung dessen, was Person und Werk Jesu Christi ausmachen. Bei Pannenberg hingegen steht diese Aktualisierung nicht im Vordergrund, beziehungsweise sie ist nicht Teil der Begründung für die besondere Bedeutung der biblischen Texte. Vielmehr geht es ihm um den Bezug auf die Person Jesus Christus in und durch die biblischen Texte. Eine dritte Begründungslinie bildet der Bezug auf die „Offenbarung“. Die Frage, ob und wie die Schrift zur Offenbarung – und somit zum Wort Gottes – werden kann, steht insbesondere bei Körtner im Fokus, kommt aber auch bei den anderen Autoren zum Tragen.19 Der Rekurs auf die Offenbarung impliziert dabei bei Körtner stärker als die Bezüge auf das Evangelium oder die Person Jesus Christus das Selbstverstehen der Glaubenden durch den Text. Viertens führen die Autoren die „Ursprungsnähe“ der biblischen Texte als Argument für ihre besondere Bedeutung an. Diese Argumentation wird bei Schlink und Pannenberg besonders greifbar: Schlink hebt den besonderen Wert der biblischen Zeugnisse als Quelle hervor, während Pannenberg in seiner Reformulierung des Schriftprinzips als „Prinzip der Bindung des Christentums an seinen geschichtlichen Ursprung“ die Nähe zum historischen Ursprung des Christentums hervorhebt.20 Eine fünfte Begründungslinie verweist auf den kanonischen Status der Schrift. So argumentiert insbesondere Schlink, dass die kirchliche Schriftensammlung als Ergebnis des Bewahrens und Prüfens als „ursprüngliche[] Zeugnisse von Gottes Offenbarung in Geltung“ stehen.21 Stärker steht das inhaltliche Moment der Kanonizität der biblischen Texte bei Körtner im Vordergrund, wodurch der Kanonbegriff – ähnlich wie der Evangeliumsbegriff – zwischen einem historisierenden Verständnis und der Notwendigkeit zur Aktualisierung changiert: Zwar führt der kanonische Status zu einer herausgehobenen Bedeutung der Schrift im Christentum, die jedoch zugleich der aktualisierenden Anerkennung und Durchsetzung bedarf.22 Auch für Mildenberger ist die Kanonizität der biblischen Texte nur in der engen Verbindung von historischem und theologischem 17 Vgl.

Abschnitt B 5.1.4. zu Folgenden die Abschnitte B 1.1.1., B 2.1.2., B 3.1.2. und B 4.1.2. 19  Vgl. die Abschnitte B 1.1.1., B 2.1.2., B 3.1.2. und B 4.1.3. 20  Pannenberg, Prinzipien, 80. Vgl. die Abschnitte B 2.1.1., B 1.1.2. und B 1.1.5. 21 Schlink, Dogmatik, 634. Vgl. Abschnitt B 1.1.5. 22  Vgl. Abschnitt B 4.1.2. 18 Vgl.

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

305

Fragen von Bedeutung.23 Pannenberg stellt wiederum die historische Nähe der im Kanon gesammelten apostolischen Zeugnisse in den Vordergrund.24 Bei Schlink findet sich schließlich eine sechste Begründungslinie für die Autorität der Schrift: Die faktische Bedeutung der biblischen Texte, die seiner Beobachtung nach zunimmt und die besondere ökumenische Bedeutung der Schrift untermauert.25 Anklänge dieses Arguments finden sich auch in Mildenbergers Verweis auf den kirchlichen Schriftgebrauch.26 Deutlich wird, dass diese Begründungslinien auf unterschiedlichen Ebenen liegen. So werden historische Argumente aufgerufen (historische Begründungslinien: Ursprungsnähe und z. T. im Verweis auf Christus oder das Evangelium), daneben inhaltliche Argumente (inhaltliche Begründungslinien: Christus, Evangelium) ebenso wie pneumatologische Argumente im Rekurs auf die Aktualisierung der Autorität der Schrift (pneumatologische Begründungslinien: Offenbarung, Sache der Schrift und z. T. im Verweis auf das Evangelium und die Kanonizität) oder auf empirische Argumente (empirische Begründungslinien: faktische Bedeutung der Texte und z. T. im Verweis auf die Kanonizität). Im Vordergrund stehen bei allen Autoren die pneumatologischen Argumentationslinien: Die Autorität der Schrift kommt der Schrift als Gnadenmittel und damit der Schrift in ihrer soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung – mit Körtner gesprochen: als Schrift im Unterschied zur Bibel – zu. Als solche ist die Autorität der Schrift konstitutiv mit ihrer Rezeption verbunden. Dieses Argument wird von den Autoren in unterschiedlicher Weise mit historischen und empirischen Argumenten verbunden. Zweierlei ist für die weiteren Überlegungen von Interesse: Zum einen ist das Verhältnis dieser Begründungslinien zueinander zu diskutieren. Zum anderen ist zu fragen, wie sich diese Begründungen der Autorität auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene zu der Frage nach dem Status der Schrift auf der fundamentaltheologischen Ebene verhalten. Hier ist bei allen Autoren eine Begründungslücke zu erkennen: Während eine besondere Bedeutung der Schrift gleichermaßen für die soteriologisch-pneumatologische und fundamentaltheologische Ebene beschrieben wird, ist diese nur für erstere durch die Beschreibung der Autorität der Schrift begründet. Somit ist unklar, ob, wie und inwiefern die der Schrift als Heilsmittel zugeschriebenen Eigenschaften, insbesondere ihre Autorität, auf die Beschreibung der Schrift als Erkenntnisprinzip bezogen werden soll oder kann.27 Für die weitere Reflexion dieser Frage kann auf drei Präzisierungen des Autoritätsbegriffs zurückgegriffen werden, die in den unterschiedlichen Be23 Vgl.

Abschnitt B 3.1.2.  Vgl. Abschnitt B 2.1.2. 25  Vgl. Abschnitt B 1.1.3. 26 Vgl. Abschnitt B 3.1.1. 27  Zur Weiterführung vgl. die Abschnitte C 1 und C 4. 24

306 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen gründungslinien – zum Teil implizit – erkennbar sind. Erstens wird deutlich, dass der Schrift eine abgeleitete Autorität zukommt: Insofern die Schrift Teil hat an der Vermittlung des Heilsgeschehens und sich in diesem Sinn als Heilsmittel erweist, kommt ihr Autorität zu.28 Verbunden ist dieses Argument mit den historischen Begründungslinien, welche die Autorität der Schrift auch unabhängig von ihrem aktualisierenden Potential beschreiben. Zweitens kommt die Autorität der Schrift implizit als relationales Geschehen in den Blick: In allen untersuchten Positionen konstituiert sich die Autorität der Schrift im Zusammenspiel der sich offenbarenden Schrift und der aktualisierenden Aneignung ihrer Botschaft durch die Rezipienten und Rezeptionsgemeinschaften. Die Autorität der Schrift kommt ihr zu, wenn und insofern sie dieses Geschehen ermöglicht und wird ihr in der Rezeptionsgemeinschaft aufgrund dieser glaubensvermittelnden Erfahrungen dauerhaft zugeschrieben. Eng verbunden ist damit drittens ein prozesshaftes Verständnis der Autorität der Schrift: Denn die aktualisierende Anerkennung der Schriftautorität kann nur im anhaltenden Umgehen mit der Schrift geschehen. Dadurch wird der Zusammenhang von Schriftverständnis und Schriftauslegung auch für das Verständnis von Schriftautorität konstitutiv. Diese Präzisierungen werden in Teil C für die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik fruchtbar gemacht.29 5.1.3. Exklusivität und Einbettung der Bedeutung der Schrift – Kirche und Tradition Die untersuchten Autoren stellen die Schrift jeweils in Beziehung zu anderen Referenzgrößen, die für die theologische Urteilsbildung von Bedeutung sind. Als zentral werden dabei insbesondere die Kirche und die Tradition angesehen.30 Die Anbindung der Schrift an die Kirche wird von allen untersuchten Theologen unterstrichen. Besonders eng ist diese Einbettung der Schrift in andere Referenzgrößen bei Schlink, der eine enge Verbindung von Kanon, Dogma und Kirchenordnung als Grundlage seiner schrifttheologischen Erwägungen beschreibt. Alle Autoren betonen, dass die Autorität der Schrift von der Kirche anerkannt und bestätigt, jedoch keinesfalls hergestellt werden kann. Dieser Gedanken wird zumeist im Zusammenhang mit Überlegungen zur Kanonizität entfaltet, mit der sich Körtner am differenziertesten auseinandersetzt. Gemeinsam ist den untersuchten Positionen ebenfalls, dass sie die Bibel als Teil der Tradition beschreiben. Die herausgehobene Stellung der Schrift im Vergleich zu anderen Teilen der Tradition wird zumeist in derselben Ar28  Explizit wird dies von Pannenberg und Körtner formuliert. Vgl. die Abschnitte B 2.1.3. und B 4.1.3. 29  Vgl. Abschnitt C 4. 30  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.1.5., B 2.1.4., B 3.1.3.c). und B 4.1.5.

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

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gumentationslinie begründet, die zur Begründung der Autorität der Schrift insgesamt herangezogen wird. So verweist Schlink als Besonderheit des Kanons im Gegenüber zur Tradition auf die authentische Überlieferung und die Fixierung der kanonischen Texte. Mildenberger wiederum betont den gemeinsamen Bezug von Schrift und Bekenntnissen auf die Sache der Schrift, die aus den biblischen Texten besonders klar erkennbar sei. Ähnlich argumentiert auch Pannenberg. Körtner wiederum betont die Medialität der Schrift vor dem Hintergrund seiner lesetheoretischen Überlegungen. Für die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik ist daher zu diskutieren, wie sich diese Beschreibungen zur Schrift als fundamentaltheologische Größe verhalten.31 5.1.4. Pluralität, Einheit und Klarheit der Schrift Die Frage nach der Einheit der Schrift angesichts der Pluralität der biblischen Zeugnisse wird von allen untersuchten Autoren intensiv diskutiert.32 Dies gründet zum einen im Zusammenhang dieser Frage mit den skizzierten inhaltlichen Begründungslinien für die Autorität der Schrift, insbesondere der Fokussierung auf das Evangelium oder die Sache der Schrift. Zum anderen wird bei dieser Frage immer wieder auf die Beziehung von Exegese und Dogmatik verwiesen und auf die unterschiedlichen Auslegungswege der pluralen biblischen Texte, die sich disziplinär entwickelt haben. So scheint an der Frage nach dem Umgang mit der Pluralität der Schrift auch das Selbstverständnis als dogmatischer oder systematischer Theologie berührt zu sein.33 Bereits terminologisch wird die Fragestellung sehr unterschiedlich verhandelt. Sehr deutlich wird dies bei Mildenberger, der mit unterschiedlichen Begriffen versucht, das einheitsstiftende Moment der biblischen Texte zu beschreiben: Er spricht sowohl vom Evangelium oder der Sache der Schrift, als auch von der Mitte der Schrift. Zugleich führt er die biblische Geschichte als Kontinuität markierendes Kennzeichen der biblischen Texte ein. Die damit einher gehenden unauflösbaren Spannungen in seiner Konzeption wurden bereits dargestellt.34 Pannenberg wiederum spricht überwiegend von der Mitte der Schrift. Körtner hingegen verweist auf die Sache der Schrift und verortet die Frage nach der Pluralität und Einheit der biblischen Zeugnisse im Kontext der Schriftauslegung, wo er einen hermeneutischen Zirkel zwischen pluralisierender Auslegung und singularisierendem Bezug auf die Sache der Schrift vorschlägt. Schlink wiederum verhandelt diese Frage im Kontext der Enzyklopädie und betont den Wahlcha Vgl. Abschnitt C 4.3.  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.1.4., B 2.1.3., B 3.1.3. und B 4.1.2. 33  Vgl. Abschnitt B 5.2.5. 34  Vgl. die Abschnitte B 3.3. und B 3.5. 31 32

308 B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen rakter dogmatischer Rückgriffe auf die Zeugnisse der Schrift und der damit verbundenen ökumenischen Weite dogmatischer Reflexionen. Auch die inhaltliche Füllung des die Pluralität der Schrift Einenden ist nicht eindeutig identifizierbar, wie in den Diskussionen der Analysen ausgeführt wurde: Evangelium, Christus, Heilsgeschehen  – diese Beschreibungen haben Verweischarakter auf das, was pneumatisch gewirkt in der Schrift erkannt werden kann, und fungieren somit notwendigerweise als Chiffren. Welche Implikationen daraus für die fundamentaltheologische Rede vom Status der Schrift erwachsen, wird in Kapitel C entwickelt.35

5.2. Schriftauslegung 5.2.1. Zum Verhältnis von Schriftverständnis und Schriftauslegung Das Verhältnis von Schriftverständnis und Schriftauslegung wird von den untersuchten Autoren in unterschiedlicher Weise bestimmt.36 Gemeinsam ist allen Positionen, dass die Überlegungen zur Beschreibung und zur Bedeutung der Schrift eng mit den Überlegungen zum angemessenen Umgang mit der Schrift verbunden sind.37 Am deutlichsten wird dieser Zusammenhang bei Körtner und bei Mildenberger. Da sich das Verstehen der Schrift nach Körtner im Akt des Lesens konstituiert, kommt dem Auslegungsprozess entscheidende Bedeutung zu. Körtners Verständnis der Schrift beschreibt ein Umgehen mit der Schrift in Wechselwirkung mit den Beschreibungen der Schrift. Mildenberger zielt mit seiner Dogmatik darauf ab, Schriftauslegung zu betreiben, die der Schrift selbst entspricht, und setzt folglich den Gebrauch der Schrift in ein enges Verhältnis zum Schriftverständnis. Bei Schlink und Pannenberg ist dieser Bezug nur implizit erkennbar. Bei Schlink ist bereits durch die Einbindung der Schriftlehre in die Ekklesiologie implizit großes Interesse an der Verortung der Schriftlehre in ihrer Rezeptionsgemeinschaft und den damit verbundenen Rezeptionsprozessen zu erkennen, das in seinen Überlegungen zur Schriftauslegung und der Differenzierung unterschiedlicher Erkenntniswege und Hermeneutiken explizit wird. Pannenbergs Beschreibung der andauernden Schriftkritik aus der Mitte der Schrift selbst heraus impliziert ebenfalls einen engen Zusammenhang von Schriftauslegung und Schriftverständnis.

 Vgl. Abschnitt C 2.3.  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.1.2., B 1.2.1., B 2.1.4., B 2.2.1., B 3.1.1., B 3.2.1. und B 4.2.1. 37  Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.1. 35 36

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

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5.2.2. Die Bedeutung der Schrift für die Dogmatik – Grundlage, Gegenstand und Argument Die untersuchten Autoren weisen der Schrift eine Bedeutung für die theologische Urteilsbildung zu, wie eingangs skizziert.38 Dabei ist eine terminologische Unschärfe allen Autoren gemeinsam:39 Der Theologiebegriff und der Dogmatikbegriff werden – bei Pannenberg explizit und begründet – synonym verwendet, sodass kaum zu klären ist, wie die Bedeutung der Schrift für die Dogmatik im Besonderen im Vergleich zu ihrer Bedeutung für die Theologie im Ganzen oder für einzelne theologische Disziplinen bestimmt wird. Problematisch wird diese Gleichsetzung insbesondere in der Abgrenzung zwischen dogmatischen und exegetischen Zugriffen auf die Schrift.40 Die Schrift wird in den untersuchten Positionen erstens als Grundlage der Theologie beschrieben: Pannenberg verweist auf die Schrift als Ausgangspunkt der Dogmatik, Körtner nennt sie eine ihrer Quellen. Schlink nimmt diese Bedeutung insbesondere im Blick auf die Ökumene in den Blick. Bei Mildenberger findet sich keine vergleichbare Beschreibung, vielmehr zielt er auf eine Verwebung von Schrift und Dogmatik. Ob und inwiefern die Schrift zweitens Gegenstand der Dogmatik ist, wird von den untersuchten Autoren sehr unterschiedlich bestimmt. Körtner beschreibt Dogmatik als Schriftauslegung, wodurch die Schrift zum primären Gegenstand der Theologie wird. Auch für Mildenberger steht die Beschreibung der Schrift als Gegenstand der Dogmatik im Vordergrund: Dabei bezieht er Lehrganzes und Schriftganzes aufeinander und betont den engen Zusammenhang von Schrift, Tradition und Bekenntnis. Pannenberg wiederum bestimmt als Aufgabe der Dogmatik die Sammlung, Prüfung und Systematisierung der Dogmen der Kirche, die insofern als primärer Gegenstand der Dogmatik zu bestimmen sind. Die Schrift wird hingegen als Ausgangspunkt, Maßstab und Argument der Theologie in Anschlag gebracht. Schlink beschreibt hingegen Gott, bzw. das Evangelium als eigentlichen Gegenstand der Theologie. Pannenberg und Mildenberger betonen drittens, dass die Schrift als Argument in die dogmatische Urteilsbildung eingebracht werden soll. Pannenberg bringt diese Beschreibung mit der Rede von der Schrift als Maßstab der Theologie in Verbindung. Bei Schlink, Körtner und Mildenberger findet sich diese Argumentation mit dem Hinweis auf die Schriftgemäßheit der Dogmatik als einem Kriterium der Dogmatik. Diese wird von Mildenberger dabei mit dem Kriterium der Sachgemäßheit in Bezug auf die Sache der Schrift konkretisiert. 38 Vgl. Abschnitt B 5.1.1. Zum Folgenden vgl. die Abschnitte B 1.2.3., B 2.2.3., B 3.1.2. und B 4.2.1. 39  Vgl. die Abschnitte B 1.3., B 2.3., B 3.3. und B 4.3. Vgl. zur weiterführenden Diskussion Abschnitt C 3.1. 40  Vgl. Abschnitt B 5.2.5.

310

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

Die Bestimmung der Schrift als Kriterium der Dogmatik steht meist im Verbund mit anderen Kriterien.41 So betont Mildenberger die Verbindung von Schriftgemäßheit und Anwendbarkeit als Kriterien der Dogmatik und führt zudem das Kriterium der Sachhaltigkeit ein. Körtner ergänzt das Kriterium der Schriftgemäßheit in der Dogmatik sowohl um ein Kriterium der Sachhaltigkeit als auch um das Kriterium der Wirklichkeitsgemäßheit und rekurriert zudem auf formale Kriterien der Kohärenz und Argumentation. Auffallend ist vor dem Hintergrund der in der Einführung skizzierten Debatte um die Krise des Schriftprinzips, dass die Beschreibung der Schrift als ein Prinzip der Theologie über eine deskriptive Aufnahme hinaus nicht von Bedeutung ist.42 5.2.3. Zum Selbstverständnis der Dogmatik im Umgang mit der und im Gegenüber zur Schrift Deutlich wird aus diesen Beschreibungen eine Verbindung von Dogmatik und Schriftauslegung, welche die untersuchten Autoren in unterschiedlichem Maß herausstellen und konkretisieren. Zugleich stellt sich in den Positionen in unterschiedlicher Ausprägung dar, wie diese die Spezifika ihres Selbstverständnisses als Dogmatiker im Umgang mit der und im Gegenüber zur Schrift beschreiben. Diese Abgrenzung ist für die Beschreibung dogmatischer Schriftauslegung von zentraler Bedeutung, denn es stellt sich nicht nur die Frage, wie die Schrift in die Dogmatik eingebunden wird, sondern auch, wie das Verhältnis von dogmatischer Aufgabe und Schriftauslegung von den Autoren bestimmt wird.43 So verweist Pannenberg auf den systematischen Charakter seines Unterfangens, in das die Schrift als Ausgangspunkt, Maßstab und Argument eingebunden ist, aber nicht selbst zum leitenden Gegenstand wird. Auch wenn Körtner im Unterschied die Schrift explizit als Gegenstand der Dogmatik bestimmt und die ganze Theologie als Schriftauslegung beschreibt, gleicht die Selbstbeschreibung dogmatischer Aufgaben derjenigen Pannenbergs in erstaunlicher Weise, wenn er als Aufgabe der Dogmatik die „zusammenhängende Darstellung christlicher Lehre“44 nach Kriterien der Kohärenz und rationalen Urteilsprüfung beschreibt. Für Mildenberger ist wiederum die Schrift selbst leitend für den Aufbau und die Struktur dogmatischer Erwägungen, wodurch sich der Aufbau und das methodische Vorgehen von Mildenbergers Dogmatik stark von den anderen untersuchten Positionen unterscheidet. Schlink hingegen versucht mit seiner Differenzierung der Grundstrukturen theologischer Aussagen diese  Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.2.  Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.4. 43  Vgl. weiterführend Abschnitt C 2.2. Zum Folgenden vgl. die Abschnitte B 1.2.1., B 1.2.3., B 2.2.4., B 3.1.2. und B 4.2.3. 44  Körtner, Dogmatik, 3. 41 42

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

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Ebenen zu differenzieren, wobei seine Überlegungen zur Übersetzung zwischen den Ebenen vage bleiben. Auffallend ist eine Parallele zwischen der Beschreibung der pneumatisch begründeten Aktualisierung der Schrift in ihrer glaubenden Rezeption und der Beschreibung der Aufgabe der Dogmatik, insbesondere bei Schlink und Mildenberger: So wird auch für die Dogmatik das Ziel der Aktualisierung der Schrift für die Gegenwart formuliert und als theologisches Verstehen der Schrift beschrieben.45 Hingewiesen wurde bereits auf die Verbindung von Selbstverständnis und Schriftauslegung in der Rede von der Normativität theologischer, bzw. dogmatischer Reflexion und Schriftauslegung:46 So beschreibt Pannenberg die Besonderheit der theologischen Hermeneutik in ihrem Bezug auf die normative Sache der Schrift im Unterschied zur historischen Hermeneutik. Für Mildenberger stellt die dogmatisch-normative Reflexion eine Stufe theologischer Reflexion dar, der auch für die Schriftauslegung großes Gewicht zukommt. Körtner unterscheidet zwischen „dem Dogmatischen im elementaren Sinne der normativen Funktion jeder theologischen Schriftauslegung“ und der „Dogmatik als ausgebauter Lehre“, wobei erstere auf die Verkündigung abzielt.47 Die von Körtner beschriebene normative Funktion der Dogmatik zielt auf die Entwicklung von Orientierungswissen, sowie die Selbstprüfung und theologische Urteilsbildung ab und ist auch für die dogmatische Schriftauslegung leitend. 5.2.4. Dogmatische Schriftauslegung zwischen Glauben und Wissenschaft Die doppelte Beschreibung der Schrift auf der soteriologisch-pneumatologischen und der fundamentaltheologischen Ebene führt zu einer spannungsvollen Beschreibung dogmatischer Schriftauslegung: Bei allen untersuchten Positionen zeigt sich in unterschiedlicher Weise eine Spannung zwischen der Auslegung der Schrift im Glauben und der wissenschaftlichen Auslegung.48 Denn obschon diese nebeneinander stehen könnten, wird durch die vorrangig pneumatologische Begründung der Schriftautorität impliziert (und zum Teil auch explizit gemacht), dass eine angemessene Auslegung der Schrift  – auch in der theologischen Wissenschaft – nur dann erfolgt, wenn diese mit der Anerkennung der pneumatisch gewirkten Autorität der Schrift verbunden ist. Diese Verbindung wird von den untersuchten Autoren in unterschiedlicher Weise beschrieben.49 Schlink differenziert unterschiedliche Erkenntniswege und 45 Vgl.

die Abschnitte B 1.2.1. und B 3.2.2. Vgl. weiterführend Abschnitt C 2.1.  Vgl. die Abschnitte B 2.2.4., B 3.2.2. und B 4.2.3. Vgl. weiterführend Abschnitt C 3.1. 47  Körtner, Relevanz, 94. Vgl. a. a. O., 92 f. 48 Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.3., B 2.3., B 3.3. und B 4.3. 49  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.2.1., B 2.2.4., B 3.2.4. und B 4.2.3. 46

312

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

-quellen und beschreibt in Folge eine Doppelbewegung der theologischen Auslegung der Schrift, die sich zwischen Glaube und Erkennen, bzw. Erforschen und Auslegen und damit zwischen historischem und theologischem Verstehen vollzieht. Der Erkenntnisweg des Glaubens und Auslegens ist dabei dem Weg des Erkennens und Erforschens dogmatisch vorgeordnet, da er den Text von seiner Sache her zu verstehen sucht. Eine ähnliche Struktur bietet auch Körtner mit der Unterscheidung der Lektüre der biblischen Texte als Bibel und als Schrift. Auffallend ist bei Körtner der enge Zusammenhang von Glauben und Theologie. Dieser findet sich auch in Mildenbergers Beschreibung pneumatischer Schriftauslegung. Die in der Schriftlehre beschriebene Spannung zwischen der Beschreibung der Schrift als Heilsmittel und Erkenntnisprinzip findet somit ihr Äquivalent in der Schriftauslegung. Offen bleibt nicht nur die Frage, wie der pneumatische Charakter des Auslegens mit menschlichen Auslegungsmethoden ins Verhältnis gesetzt werden soll, sondern auch die Art und Weise, wie sich die Auslegung der Schrift diese Aspekte verbinden lassen.50 Diese Spannung wird verschärft durch eine implizit bleibende doppelte Bedeutung sowohl des Theologie- als auch des Dogmatikbegriffs in den untersuchten Positionen: Beide werden auf der einen Seite deskriptiv für ein bestehendes Fach bzw. eine Disziplin verwendet, und auf der anderen Seite normativ zur Identifikation des Spezifikums des glaubenden Umgehens mit der Schrift verwendet.51 Verbunden mit diesen Überlegungen ist das Verständnis der Theologie als Wissenschaft in den untersuchten Positionen. Zwar setzen die Autoren die Wissenschaftlichkeit der Theologie auf der einen Seite voraus und beschreiben sie in den Überlegungen zum Theologiebegriff.52 Diese Beschreibung wird jedoch nicht mit den skizzierten Differenzierungen theologischer Erkenntniswege verbunden. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass die Autoren einen weiten Theologiebegriff im Blick haben, der über die wissenschaftliche Reflexion hinaus insbesondere auf die Ermöglichung des aktualisierenden Potentials der biblischen Texte abzielt.53 Dies macht Körtners Rede von inspirierter Theologie ebenso deutlich wie Mildenbergers Ruf nach pneumatischer Schriftauslegung und Schlinks Beschreibung der Theologie als Doxologie. Verschärft werden diese Spannungen durch die oft unklaren Zuordnungen der Auslegungsweisen zu den theologischen Disziplinen, wie im Folgenden deutlich wird.

 Vgl. weiterführend Abschnitt C 3.1.  Vgl. Abschnitt B 5.2.5. 52  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.2.1., B 2.2.4., B 3.2.1.a). und B 4.2.3. 53  Vgl. weiterführend Abschnitt C 3.1. 50 51

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

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5.2.5. Theologische Schriftauslegung zwischen Exegese und Dogmatik Die untersuchten Positionen beschreiben Schriftauslegung als eine theologische Aufgabe, die in verschiedenen theologischen Disziplinen bearbeitet wird. Insbesondere die Exegese kommt hier in den Blick.54 Die exegetischen Fächer haben den untersuchten Autoren zufolge Teil an der theologischen Aufgabe der Auslegung der biblischen Texte als Schrift. Insofern sie zugleich einem historischen Forschungsinteresse folgen, partizipieren sie in besonderer Weise an der Spannung zwischen den skizzierten Zugangsweisen zu den biblischen Texten. Von den Autoren werden unterschiedliche Aufgaben der exegetischen Fächer identifiziert: Schlink beschreibt als Aufgabe der Exegese die Untersuchung der Schrift mit historisch-philologischen Methoden. Für Pannenberg liegt die Aufgabe der Exegese in der Absicherung der Sachmitte der Schrift und damit der Rekonstruktion des geschichtlichen Grundes des Glaubens und der Theologie. Körtner und Mildenberger betonen hingegen den theologischen Charakter der Exegese als Schriftauslegung im Sinne einer pneumatischen oder applikativen Exegese. Das Verhältnis von Exegese zu Dogmatik wird von den Autoren unterschiedlich bestimmt. Durchgehend wird eine konstruktive Bedeutung der Exegese für die Dogmatik betont, wobei die Zielstellung dieser Bezugnahmen divergiert. Für Schlink steht im Vordergrund, dass der Konsens der exegetischen Perspektiven in der Auslegung biblischer Texte zur Überwindung dogmatischer und insbesondere ökumenischer Dissense helfen kann.55 Mildenberger schreibt der Exegese überwiegend historisch-kritische Aufgaben zu und moniert zugleich die fehlende Verbindung historischer und theologischer Aufgaben der Exegese. Ebenso beschreibt Pannenberg grundsätzlich ein komplementäres Verhältnis zwischen exegetischer und systematischer Theologie, schreibt die Aufgabe der Exegese derzeit jedoch der Systematischen Theologie zu. Auch Körtner beschreibt ein komplementäres Verhältnis der Disziplinen und nimmt eine erstaunliche Breite exegetischer Methoden in den Blick. Sein Fokus auf synchrone Methoden lässt dabei den Stellenwert diachroner exegetischer Forschung offen. Zudem bleibt die Zuordnung der Disziplinen zu den von ihm beschriebenen Methoden der Lektüre der biblischen Texte als Bibel oder als Schrift unscharf. Auffallend häufig schreiben die Autoren das Attribut der Wissenschaftlichkeit exegetischen Zugängen zu den Texten zu. Bei Pannenberg, Mildenberger und Körtner wird nicht nur die Frage virulent, wie die Methodiken sich zu den Disziplingrenzen verhalten, sondern auch der theologische Charakter der Exegese – wenn sie vorrangig als historische Forschung betrieben wird – scheint  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.2.2., B 2.2.2., B 3.2.2., B 3.2.3. und B 4.2.2. ist, dass Schlink selbst in seinem Schriftgebrauch zwischen dem Text und der exegetisch historischen Rekonstruktion des Textes unterscheidet. Vgl. Abschnitt C 3.2. 54

55 Interessant

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B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

zur Debatte zu stehen. Verbunden damit kommt zudem das Verhältnis von Theologie und Wissenschaft in den Blick.56 In den untersuchten Positionen fällt wiederholt auf, dass die terminologische Abgrenzung zwischen den theologischen Disziplinen und ihrem Oberbegriff „Theologie“ im Blick auf die Schriftauslegung nicht eindeutig bestimmt ist. So unterscheidet etwa Mildenberger zwischen historischen und theologischen Fragen, wobei er letzte mit dogmatischen Fragen gleichsetzen kann. Auch bei Pannenberg und Körtner ergibt sich aus der Beschreibung theologischer Forschung in Verbindung mit den beobachteten Versäumnissen in der Exegese um ihre theologische  – meist in Differenz zur historischen  – Auslegungsaufgabe der Eindruck, die Exegese falle aus der Theologie im engeren Sinne heraus, wohingegen die Dogmatik die theologische Aufgabe erfülle. Schlink hingegen beschreibt die Aufgaben des historisch-philologischen Erforschens der Schrift und Auslegens der Schrift im Blick auf die Gegenwart gleichermaßen als theologische Aufgaben. Wie schon festgehalten, wird der Begriff „theologisch/Theologie“ sowohl deskriptiv  – zur Beschreibung der de facto bestehenden theologischen Disziplinen, einschließlich der historischen und exegetischen Fächer  – als auch normativ – etwa im Sinne der Schriftauslegung im Geist oder pneumatischen Schriftauslegung – verwendet. Dies ist insbesondere in Verbindung mit der beobachteten Gleichsetzung wissenschaftlicher mit exegetischer, bzw. historischer Schriftauslegung interessant.57 In der Rekonstruktion der Verhältnisbestimmung von Exegese und Dogmatik ist in dieser Zusammenschau erneut nicht nur auf die unterschiedlichen theologischen Positionen der untersuchten Autoren, sondern auch auf ihre jeweiligen Debattenzusammenhänge und ihre theologiegeschichtlichen Hintergründe hinzuweisen. So war die Debatte um die theologische Enzyklopädie und insbesondere die Frage nach der Aufgabe und theologischen Bedeutung der Exegese in der Entstehungszeit der Dogmatiken von Schlink, Pannenberg und Mildenberger deutlich anders gelagert als Körtner sie in seinen Texten und von seinem kulturwissenschaftlich geprägten Hintergrund her beschreibt.58 Diese Debattenlagen – und damit verbundenen die unterschiedlichen Rezeptionskontexte der Autoren – sind in den Positionen der Autoren zum Teil deutlich erkenn56 Vgl.

weiterführend Abschnitt C 3.  Vgl. weiterführend Abschnitt C 3. 58  Zur Problemlage und -geschichte aus enzyklopädischer Perspektive vgl. einführend die Beiträge in Dalferth: Wissenschaft. Aus exegetischer Perspektive einführend Becker, Exegese; Loader, Art. Biblische Hermeneutik (AT); Wischmeyer, Art. Biblische Hermeneutik (NT). Den theologiegeschichtlichen Hintergrund hat von Reventlow in vier Bänden „Epochen der Bibelauslegung“ ausführlich aufgearbeitet, vgl. insb. Reventlow, Epochen (IV ), 227–390. Zur aktuellen Debatte in der katholischen Theologie vgl. die Beiträge in Busse, Bedeutung. 57

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

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bar, ihre Rekonstruktion geht jedoch weit über die in dieser Studie verhandelte Fragestellung hinaus.

5.3. Schriftgebrauch 5.3.1. Schriftgebrauch in Themenexposition und Argumentation Ob und wie die thematische Exposition und der Argumentationsgang durch Bezugnahmen auf biblische Texte geprägt sind, ist in den untersuchten Textpassagen sehr unterschiedlich.59 Bei Schlink, Pannenberg und Körtner finden sich die biblischen Bezüge überwiegend im ersten Teil der untersuchten Kapitel, die als biblische Grundlegung dienen mit zum Teil bibelkundlichem Charakter. Mildenbergers Schriftgebrauch ist besonders eng mit der dogmatischen Reflexion verbunden, insofern als die Auslegung einzelner Textpassagen die Argumentation leitet und prägt  – so sehr, dass die in der Analyse gewählte thematische Fokussierung in der Analyse zu Gunsten des Nachvollzugs der Denkbewegung Mildenbergers nicht durchgehalten werden konnte.60 Zugleich kann in Folge kaum zwischen der Auslegung der biblischen Texte und der dogmatischen Argumentation unterschieden werden, beide fallen stellenweise in eins. Unterschiede zeigen sich auch in der Form der Einbindung biblischer Texte. So finden sich bei Schlink im Vergleich sehr viele allgemeine Verweise und Zitate ohne Belegstellen. Somit wird die Abgrenzung von biblischen zu liturgisch gewordenen Bezügen im Abendmahlskapitel stellenweise unscharf. Mildenberger zitiert die biblischen Texte sehr häufig. In Körtners Darstellung finden sich hingegen viele Paraphasen der biblischen Texte, die die biblischen Texte auch sprachlich in den dogmatischen Argumentationsgang einbinden. Bei allen Autoren finden sich in der Auseinandersetzung mit dem Thema Abendmahl häufiger Bezüge auf biblische Texte als in der Auseinandersetzung mit dem Thema Tod. Deutlich wurde zudem bei allen Autoren, dass die Bezugnahmen auf die Schrift eingebettet sind in die Auseinandersetzung mit anderen Bezugsgrößen, insbesondere der dogmatischen Tradition, aber auch philosophischen oder historischen Überlegungen.

59 Vgl.

zum Folgenden die Abschnitte B 1.4.3., B 2.4.3., B 3.4.3. und B 4.4.3.  Vgl. Abschnitt A 3.3.1.

60

316

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

5.3.2. working canon Im Blick auf den working canon zeigt sich eine relative Übereinstimmung der Autoren.61 So ist erstens in beiden untersuchten Themenfeldern quantitativ eine breite Bezugnahme auf biblische Texte zu erkennen. Die Ausnahme bilden die Passagen von Körtner, der sich auf wenige Textstellen beschränkt. Zudem kommt eine Vielzahl der biblischen Deutehorizonte in den Blick: Zum Thema Abendmahl stehen bei Schlink die Deutungslinien neuer Bund, Sühne und Sündenvergebung im Zentrum, andere Motive kommen in den Blick (eschatologische Ausrichtung, Opfer Christi, Freiheit im Geist, Leben in Christus, Priester Melchisedek, Lamm aus der Thronvision der Offenbarung, Gemeindeleben, Heiligkeit der Gemeinde, Brotrede). Mildenberger nimmt im untersuchten Textabschnitt zum Abendmahl v. a. auf 1 Kor Bezug. Zum Thema Tod steht bei Schlink, Pannenberg und Körtner die Spannung von Gottes Macht und dem Tod im Zentrum, andere Motive klingen an (Sterblichkeit der Seele, natürlicher und zweiter Tod, geistlicher und leiblicher Tod, zeitlicher und ewiger Tod, Gerichtstod, Verhältnis von Endlichkeit, Sünde und Sterblichkeit, Endlichkeit, Leiblichkeit). Insbesondere Pannenberg nimmt das biblisch zentrale Thema des natürlichen Todes auf. Das Thema Auferstehung wird nur von Körtner bedacht. Deutliche Unterschiede sind in der Rezeption außerkanonischer Textstellen erkennbar, die insbesondere bei Pannenberg und Mildenberger in den Blick kommen. Zweitens ist beim Thema Abendmahl bei allen Autoren ein Schwerpunkt bei der paulinischen Tradition als leitender Deutungslinie erkennbar. Dies spiegeln auch die Registeranalysen der Dogmatiken von Schlink, Pannenberg und Mildenberger.62 In Schlinks „Ökumenische[r] Dogmatik“ entfallen von den insgesamt 2421 aufgeführten Verweisen 1930 Verweise auf neutestamentliche Textstellen. Am häufigsten verweist er auf Röm (318 Verweise) und 1 Kor (251 Verweise). Insgesamt entfallen 925 Bezüge auf das Corpus Paulinum, davon 774 auf die Protopaulinen (Röm, 1 Kor, 2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess). In Pannenbergs „Systematische[r] Theologie“ entfallen von insgesamt 3844 Bezügen 2735 Verweise auf das Neue Testament, davon bezieht sich über die Hälfte (1510 Verweise) auf die paulinische Tradition. In Mildenbergers „Biblische[r] Dogmatik“ finden sich 2308 Verweise auf biblische Texte, davon entfallen 1224 Verweise auf das Neue Testament. Der am häufigsten gelistete Text ist Röm (329 Verweise). Insgesamt entfallen 622 Verweise auf die paulinische Tradition, davon 490 Verweise auf die Protopaulinen. Blickt man auf die übrigen neutestamentlichen Bücher, so folgen numerisch die Evangelien. Dabei wird besonders auf Mt (195 Verweise bei Schlink, 238 Verweise bei Pannenberg und 159 Verwese bei Mildenberger) und Joh (221 Verweise bei Schlink, 334 Verweise  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.4.3., B 2.4.3., B 3.4.3. und B 4.4.3. sei daran, dass für Körtner keine Registeranalyse angefertigt werden konnte. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher auf Schlink, Pannenberg und Mildenberger. Vgl. Abschnitt A. 3.3.1. 61

62 Erinnert

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

317

bei Pannenberg, 109 Verweise bei Mildenberger) oft Bezug genommen, Mk (136 Verweise bei Schlink, 218 Verweise bei Pannenberg, 64 Verweise bei Mildenberger) und Lk (95 Verweise bei Schlink, 124 Verweise bei Pannenberg, 109 Verweise bei Mildenberger) werden seltener genannt. In der Rezeption der alttestamentlichen Texte zeigt sich im Querschnitt eine Präferenz für Ps (62 Verweise bei Schlink, 229 Verweise bei Pannenberg, 195 Verweise bei Mildenberger), Jes (96 Verweise bei Schlink, 189 Verweise bei Pannenberg, 89 Verweise bei Mildenberger) und Gen (75 Verweise bei Schlink, 139 Verweise bei Pannenberg, 103 Verweise bei Mildenberger). Die anderen alttestamentlichen Bücher kommen bei den Autoren selten und in sehr unterschiedlichem Maße in den Blick. Über die Ursachen dieser Gewichtung lässt sich nur spekulieren. Zunächst entspricht sie einer Gewichtung, die in der Kanonisierung im NT selbst vorgenommen wurde: Die breite Aufnahme der paulinischen Traditionen in den Kanon führt erstens bereits innerhalb des neutestamentlichen Kanonteils selbst quantitativ zu einem Übergewicht dieser Interpretationslinie des Christusgeschehens. In diesem Sinn nimmt die Gewichtung eine Verdichtungslinie der Breite des neutestamentlichen Zeugnisses selbst auf und ist nicht allein als eine dogmatische Schwerpunktsetzung zu beschreiben. Verstärkt wird das Gewicht der paulinischen Interpretationslinie zweitens durch die breite Wirkungs- und Auslegungsgeschichte, insbesondere in der lutherischen Tradition.63 Möglicherweise liegt auch noch eine dritte Ursache im Hintergrund, die insbesondere Pannenbergs Interesse am geschichtlichen Grund des Glaubens berührt: Quellengeschichtlich betrachtet handelt es sich bei der Briefliteratur um die ältesten Quellen. Möglicherweise liegt (auch) deswegen ein Fokus auf diesen Texten. Abschließend lässt sich der Grund dieser Gewichtung jedoch nicht bestimmen.

Drittens zeigt sich bei allen Autoren, dass die angeführten biblischen Texte nur zu einem geringen Teil dem Textcorpus des bibelkundlichen Horizonts zu den untersuchten Themen entstammen. Deutlich wird vielmehr, dass die Autoren sich von den dogmatischen Topoi leiten lassen, die mit den Themen Abendmahl und Tod in der theologischen und philosophischen Tradition verbunden sind.64 Im Blick auf das Abendmahl ist auffallend, wie oft auf alttestamentliche Textstellen zur Deutung des Abendmahls Bezug genommen wird. Ähnliches gilt für Mildenbergers Auseinandersetzung mit dem Thema Tod – wohingegen Körtner kaum eine alttestamentliche Textstelle für die Reflexion auf das Thema Tod anbringt. Das Thema Tod wird von Schlink, Pannenberg und Mildenberger aus der Perspektive der Gottesrelation in den Blick genommen und in den Zusammenhang der Sünde gestellt. Viertens ist eine Präferenz für lehrhafte Texte im Vergleich zu erzählenden Texten erkennbar. Fünftens ist im Blick auf die von allen Autoren ausführlich dargestellten Beschreibungen einer Mitte, Einheit oder Sache der Schrift und ihrer auslegungsleitenden Bedeutung festzuhalten, dass diese im Schriftgebrauch nicht erkenn63 Vgl.

weiterführend zu auslegungsleitenden Traditionen Abschnitt C 2.3.  Vgl. weiterführend die Abschnitte C 2.1. und C 2.3.

64

318

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

bar sind: Die Autoren entfalteten wenige christozentrische Auslegungen der angeführten pluralen biblischen Textstellen – eine auslegungsleitende Funktion der Beschreibungen der Mitte der Schrift war bei den untersuchten Autoren nicht erkennbar. Einheitsstiftend wirkt vielmehr das leitende dogmatische Auslegungsinteresse und daneben die Fokussierung auf die paulinische Tradition sowie die exegetische Abwägung zwischen Auslegungsmöglichkeiten oder Textzeugen.65 5.3.3. Funktionen von Schriftgebrauch Die untersuchten Textpassagen zeigen alle Funktionen von Schriftgebrauch, die einleitend differenziert wurden.66 Überwiegend heuristischer oder begründender Schriftgebrauch findet sich bei Schlink, der insbesondere bei argumentativen Neueinsätzen auf biblische Texte Bezug nimmt. Bei Mildenberger stellen die Bezüge überwiegend den Gegenstand der Auslegung dar, wobei die Argumentation zum Teil so eng mit der Argumentation verwoben ist, dass die dogmatische Argumentation über weite Teile in der Auslegung der biblischen Texte aufgeht. Auch bei Pannenberg werden biblische Texte überwiegend in dieser Funktion heran gezogen. Bezugnahmen in heuristischer oder begründender Funktion, sowie als Gegenstand der Auslegung sind auch bei Körtner am häufigsten zu beobachten. Die häufige Paraphrase der biblischen Aussagen bindet diese auch sprachlich eng in die dogmatische Argumentation ein Deutlich wurde zudem bei allen Autoren, dass die Funktionen zum Teil sehr stark miteinander verwoben sind: Insbesondere verwischt stellenweise die Differenzierung zwischen Schriftbezügen, die den biblischen Text als Gegenstand der Auslegung aufgreifen, und dogmatischen Argumentationen. Die Differenzierung zum Zweck der Analyse verweist auf die mehrdimensionale Funktionen der biblischen Texten im Argumentationsgang. 5.3.4. Bezug auf exegetische Fragestellungen und exegetische Literatur Die Bezugnahmen auf exegetische Fragestellungen oder Literatur sind bei den untersuchten Autoren sehr unterschiedlich ausgeprägt.67 Schlink setzt sich stellenweise mit exegetischen Fragestellungen auseinander und führt diese jeweils zentral in stellenweise dogmatisch strittigen Argumentationsgänge ein.  Vgl. Abschnitt B 5.3.4. und weiterführend die Abschnitte C 2.1. und C 2.3.  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.4.3., B 2.4.3., B 3.4.3. und B 4.4.3. 67  Vgl. zum Folgenden die Abschnitte B 1.4.3., B 2.4.3., B 3.4.3. und B 4.4.3. Vgl. weiterführend Abschnitt C 3.2. 65 66

5. Zusammenfassung – übergreifende Linien und zentrale Beobachtungen

319

Damit folgt er der von ihm formulierten Aufgabe exegetischer Forschung, zur Überwindung dogmatischer Differenzen durch eine gegenwartsorientierte Deutung beizutragen. Bezüge auf exegetische Literatur finden sich bei ihm jedoch nicht. Während sich bei Körtner keine Bezugnahmen auf exegetische Literatur oder Fragestellungen finden, prägen diese bei Mildenberger und Pannenberg die Argumentation, jeweils auf sehr unterschiedliche Weise. Pannenberg setzt sich meist zu Beginn eines Kapitels mit exegetischen Fragestellungen auseinander und stellt dabei insbesondere die innerbiblische Pluralität in den Vordergrund. Ausführliche historisch-kritische Diskussionen wie bei Schlink finden sich bei Pannenberg in den untersuchten Kapiteln kaum. Mildenberger hingegen wählt zumeist einzelne biblische Textpassagen aus, deren Auslegung Vollzug der dogmatischen Reflexion darstellt. Vielfach verweist er auf exegetische Fragestellungen oder Debatten in der Sekundärliteratur, ohne dass diese Verweise auf der Argumentationsebene explizit aufgegriffen werden. Bei den untersuchten Autoren kommen unterschiedliche exegetische Methoden und Fragestellungen in den Blick. Es finden sich sowohl synchrone (innerbiblische Vergleiche, Begriffsbestimmungen, Wortfeldanalysen, lexikalische und Übersetzungsfragen, Stilistik) als auch diachrone Fragestellungen (Überlieferungsgeschichte, Datierungsfragen, Umwelt der Texte, Traditionsgeschichte, Etymologie, Formgeschichte, Gattungskritik, Literarkritik und Literargeschichte, Sitz im Leben, religionsgeschichtliche Zusammenhänge). Auch die Bezüge auf exegetische Literatur sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Schlink und Körtner beziehen sich trotz ihres bekundeten Interesses an exegetischen Fragestellungen nicht auf exegetische Untersuchungen. Pannenberg hingegen arbeitet sehr umfänglich mit exegetischen Sekundärtexten. Diese stammen zumeist aus älteren Forschungsdebatten, überwiegend aus den 1960er und 1970er Jahren. Auch Mildenberger bezieht sich ausschließlich auf exegetische Titel aus den Jahren zwischen 1964–1988. Im Blick auf die Funktion dieser Bezüge zeigt sich bei Pannenberg keine Differenz zu den Funktionen des Schriftbezugs: Auch ihnen kommt häufig begründende Funktion zu, wiederholt werden sie zudem eigenen Argumenten in belegender Funktion zugeordnet. Bei Mildenberger unterscheiden sie sich hingegen deutlich: Bezügen auf exegetische Literatur kommt überwiegend beschreibende Funktion zu, die die Auslegung der biblischen Texte stützt.

5.4. Zum Verhältnis von Schriftlehre, Schriftverständnis und Schriftgebrauch Wird im Kontext dieser Studie nach der Schrift als auszulegender Schrift gefragt, so steht im Hintergrund die Frage nach dem Verhältnis zwischen Schriftlehre, Schriftverständnis und Schriftgebrauch. Die Analyse machte die Spannungen in dieser Verhältnisbestimmung deutlich: Sie wird von den Autoren in sehr

320

B  Die Schrift und ihre Auslegung in exemplarischen dogmatischen Konzeptionen

unterschiedlichem Maß explizit gemacht und die Ausführungen zur Schriftlehre sind vielfach nur schwer mit den Überlegungen zur Schriftauslegung zu verbinden. Dies fällt insbesondere im Blick auf die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik und seiner Begründung ins Auge. Eng verbunden ist damit die Frage nach dem Umgang mit der Schrift in und zwischen den Disziplinen  – mithin die Frage nach dogmatischer Schriftauslegung und der Verhältnisbestimmung von Exegese und Dogmatik. Diese Fragen sollen abschließend systematisch aufgegriffen werden: Aus der Zusammenschau der Analysen werden die verbindenden Linien im Blick auf das Verständnis dogmatischer Schriftauslegung und die interdisziplinäre Aufgabe der Schriftauslegung entfaltet, um abschließend den Status der Schrift in der und für die Dogmatik zu präzisieren.

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik – Systematische Perspektiven Die vorliegende Studie fragt nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik. Dieser stellt sich nach den Analysen spannungsvoll dar: In der Schriftlehre und den Überlegungen zur Schriftauslegung wird die fundamentaltheologische Bedeutung der Schrift kaum reflektiert, sodass eine Begründungslücke durch die fehlende Explikation erkennbar wird. Zugleich bestätigt der Schriftgebrauch einen besonderen Status der biblischen Texte im Gebrauch, der sich als performative Imponierung des Status der Schrift beschreiben lässt. Diese Spannung bildet den Problemhorizont (C 1), um im Folgenden das Verständnis dogmatischer Schriftauslegung (C 2) und die interdisziplinäre Aufgabe der Schriftauslegung (C 3) systematisch zu entfalten und eine Präzisierung der Rede vom Status der Schrift in der und für die Dogmatik vorzuschlagen (C 4).

1. Zwischen der Leerstelle in der Fundamentaltheologie und der argumentativen Inanspruchnahme der Schrift – Versuch einer Standortbestimmung 1.1. Die fehlende Explikation des fundamentaltheologischen Status der Schrift Die untersuchten Autoren setzen sich ausführlich und zum Teil sehr umfassend mit der Frage nach der Schrift und ihrer Auslegung auseinander. Die in der Analyse die eingeführte Unterscheidung zwischen der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift und ihrer fundamentaltheologischen Beschreibung ließ erkennen, dass auf die Schrift vor allem im Kontext von Soteriologie und Pneumatologie reflektiert wird.1 In diesem Zusammenhang wird die Autorität der Schrift oder ihre Normativität diskutiert und begründet. Somit stellen pneumatologische Begründungen unter Bezug auf die Christologie und Soteriologie für die untersuchten Positionen eine zentrale Begründungslinie für die Autorität der Schrift dar.

 Vgl. Abschnitt B 5.1.2.

1

322

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Die fundamentaltheologische Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik wird durch diese Verortung als Thema der Schriftlehre obsolet: Kommt die Schrift und ihre Bedeutung in soteriologisch-pneumatologischer oder ekklesiologischer Perspektive in den Blick, wird in der Schriftlehre nicht notwendigerweise die fundamentaltheologische Bedeutung der Schrift traktiert. Die fundamentaltheologische Frage nach der Schrift wird somit zum Thema der Schriftauslegung: Hier beschreiben die Autoren in unterschiedlicher Weise die Schrift als Grundlage, Ausgangspunkt oder Quelle der Dogmatik.2 Die Frage nach dem Status der Schrift für die Dogmatik wird folglich nicht in der Schriftlehre verhandelt, sondern in der Frage nach ihrer Auslegung. Damit ergibt sich eine neue Akzentuierung: Der Status der Schrift steht in Verbindung mit der Beschreibung des Theologieverständnisses und der Aufgaben der theologischen Disziplinen  – und mithin mit der Frage nach dem Selbstverständnis und der Aufgabenbeschreibung der Dogmatik, dem Selbstverständnis und der Aufgabenbeschreibung der Theologie im Ganzen, sowie der Verhältnisbestimmung der Auslegungsweisen in und zwischen den Disziplinen. Der Status der Schrift und ihre Auslegung wird somit zu einem Thema, das aus der Perspektive der dogmatischen Selbstbeschreibung in den Blick kommt.3 Zweierlei ist an dieser Akzentuierung bemerkenswert. Zum einen bleiben die Überlegungen zur Schriftauslegung in der Dogmatik erstaunlich unbestimmt im Blick auf Hermeneutik und Epistemologie: Gerade durch die Verschiebung der Frage des Status der Schrift in die Überlegungen zur Schriftauslegung wäre es möglich gewesen, den Vollzügen dieser Auslegung – mithin den Konkretionen des besonderen Status der Schrift in ihrem Gebrauch – mehr Aufmerksamkeit zu widmen als es in der Schriftlehre möglich gewesen wäre. Dies ist aber mitnichten der Fall. Zum anderen findet sich keine gesonderte Begründung eines besonderen Status der Schrift: Dieser wird, zumeist unter Verweis auf die Bekenntnistexte eingeführt, und als Grundlage, Quelle bzw. Ausgangspunkt der Dogmatik expliziert. Die Bedeutung der Schrift als Argument für die dogmatische Urteilsbildung wird v. a. unter dem Hinweis auf die Schriftgemäßheit der Dogmatik verhandelt. Zur Begründung dieses besonderen Status verweisen die Autoren auf die in der Schriftlehre entfaltete Autorität der Schrift  – ohne zu kennzeichnen, dass diese Autorität der Schrift explizit als geistgewirkte Autorität für die Glaubenden und die Kirche im Kontext der Soteriologie, Pneumatologie und Ekklesiologie entfaltet wurde. Diese soteriologische Kategorie in der Dogmatik wird somit bruchlos als hermeneutische Kategorie für die Dogmatik eingeführt. 2  Vgl. Abschnitt B 5.2.2. Von der Schrift als Norm der Theologie spricht nur Mildenberger explizit. Schlink bezieht diese allein auf die Kirche, während Pannenberg und Körtner von der Sache der Schrift als Norm sprechen (vgl. Abschnitt B 5.1.2.). Diese muss nach Körtner jeweils in der Auslegung neu entdeckt werden, wie er parallel zu seinem Autoritätsverständnis ausführt. 3 Inwiefern auch der Bezug auf die Schrift, also der Schriftgebrauch selbst in diesem Sinne als Identitätsaussage zu deuten ist, wird in Abschnitt C 4.4. diskutiert.

1. Zwischen der Leerstelle in der Fundamentaltheologie

323

In welchem Verhältnis diese pneumatologisch begründete Autorität zu einem besonderen Status im fundamentaltheologischen Sinn steht, bleibt offen. Die in den Überlegungen zur Schriftauslegung postulierten Beschreibungen der Schrift als Norm, Grundlage oder Quelle der Dogmatik werden somit weder mit den Begründungslinien für den besonderen Status der Schrift in der Schriftlehre verbunden noch selbst begründet. So entsteht eine Begründungslücke für die Frage nach der fundamentaltheologischen Bedeutung der Schrift. Folgt man der in der Einführung vorgestellten These der Verschiebung der Schriftlehre aus der Fundamentaltheologie in die Soteriologie und Ekklesiologie, lässt sich dieses Phänomen als ein „Überhang“ dieses Erbes beschreiben: Es ist ein Überhang der Rede vom Schriftprinzip sowohl im Vergleich zu Luthers soteriologisch-pneumatologisch verortetem Schriftverständnis als auch zu der eingangs beschriebenen Tendenz der Verortung der Schriftlehre in Soteriologie und Pneumatologie. Interessanterweise führt dies gerade nicht zu einem Abschied von der Rede der Schrift als Norm oder Erkenntnisprinzip, vielmehr wird diese Rede unverbunden weiter mitgeführt.4

1.2. Die performative Imponierung der Schrift in ihrer Auslegung Diese Begründungslücke trifft auf eine zweite Beobachtung: Dass die Schrift ausgelegt wird und in und durch ihre Auslegung Thema der Dogmatik wird, ist bei allen untersuchten Autoren deutlich erkennbar. Die fehlende Begründung eines besonderen Status der Schrift und die mangelnde hermeneutische, epistemologische und methodische Konkretionen zur wissenschaftlichen dogmatischen Schriftauslegung führen nicht zu einer Ignoranz den biblischen Texten gegenüber. Vielmehr sind dogmatische Reflexion und die biblischen Texte in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Weise aufeinander bezogen. Die unterschiedlichen „Verwebungen“ dogmatischer Argumentationslinien und biblischer Texte entsprechen bei den untersuchten Autoren in weiten Teilen der eigenen schrifttheologischen Programmatik. Mit dem Begriff der Verwebung wird das aktive Ineinanderflechten unterschiedlicher Traditionslinien und Texte beschrieben. Er beschreibt den Weg zu einer argumentativen Verflechtung und Verwobenheit. 4  Vgl. Abschnitt A 1.2. Vgl. thetisch mit einer ähnlichen Beobachtung R aatz, Schriftprinzip, 166 f. Inwiefern diese Beschreibung dem faktischen Schriftgebrauch entspricht, beschreibt der folgende Absatz. Vgl. zur Rede vom Schriftprinzip Abschnitt C 4.4. Lauster hält in der summarischen Beschreibung der erkennbaren Grundtendenzen seiner Studie zu den Transformationen des Schriftprinzips fest, dass auch in den von ihm untersuchten Positionen der Zusammenhang von Gotteswort und Schriftwort im Zentrum steht und im „Auslegungsgeschehen“ miteinander verbunden werden (Lauster, Prinzip, 402). Wie diese Beschreibung von dem bei Lauster untersuchten Autoren mit der Beschreibung des fundamentaltheologischen Status der Schrift verbunden sind, geht über Lausters Untersuchung hinaus. Lausters Beobachtung unterstreicht die Tendenz in neuzeitlichen Schriftlehren, die Frage nach der Autorität der Schrift primär im Kontext der Soteriologie und Pneumatologie zu verorten. Vgl. zur Verortung der Schriftlehre Abschnitt A 1.2. und weiterführend Abschnitt C 4.1.

324

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Dies gilt sowohl für die untersuchten Argumentationen zu einem genuin biblisch verorteten Thema als auch für ein anthropologisches Thema. So sind in Mildenbergers Bänden „Biblische Dogmatik“ Dogmatik und biblische Texte nicht nur programmatisch, sondern auch in den Argumentationsgängen eng miteinander verflochten, insofern als die Auslegung einzelner Textpassagen die Argumentation leitet und prägt. Dabei kann in Folge kaum zwischen der Auslegung der biblischen Texte und der dogmatischen Argumentation unterschieden werden, beide fallen stellenweise in eins. Bei Schlink, Pannenberg und Körtner begegnen die biblischen Bezüge überwiegend jeweils in einem der ersten Teile der untersuchten Kapitel, die als biblische Grundlegung dienen. Sie sind zum Teil gekennzeichnet durch ihren darstellenden Charakter und werden in unterschiedlichem Maß in der weiteren Argumentation aufgegriffen. Es liegt nahe, diese Form der biblischen Grundlegung als Entsprechung zu der beschriebenen Bedeutung der Schrift als Grundlage der Dogmatik zu verstehen.

Für die Frage nach dem Status der Schrift in und für die Dogmatik lässt sich aus diesen Beobachtungen festhalten: Der besondere Status der Schrift wird im Blick auf die Dogmatik zumeist unter Rekurs auf die Bekenntnisschriften affirmiert, jedoch kaum expliziert oder begründet. Vielmehr werden die biblischen Texte – indem sie zum Thema theologischer Debatte gemacht werden – zugleich in ihrer Bedeutung für die Theologie tradiert und weitergeschrieben. Zu beobachten ist hier eine performative Imponierung der Schrift. „Imponierung“ meint hier  – anders als in den schrifttheologischen Debatten etwa um die Kanongeschichte und die Verbindung von Schrift und Wort Gottes  – keine pneumatische Kategorie, sondern beschreibt die performative Installierung der Schrift als fundamentaltheologische Referenzgröße durch den von den Autoren praktizierten Gebrauch der Schrift.

1.3. Zum Ziel der systematischen Perspektiven auf den Status der Schrift in der und für die Dogmatik Die folgenden Überlegungen entwickeln systematisierende Perspektiven ausgehend von diesem Spannungsfeld zwischen der Leerstelle in der Fundamentaltheologie und der performativen Imponierung der Schrift, die aus dem Schriftgebrauch erkennbar wurde. Ziel ist die Präzisierung der Rede vom Status der Schrift in der und für die Dogmatik. Mit Blick auf den Schriftgebrauch der Autoren wird skizziert, welche Spezifika dogmatischer Schriftauslegung sich aus den dogmatischen Zugängen zur Schrift und dem Gebrauch der biblischen Texte erkennen lassen (C 2). Beschrieben wird hier die in den fundamentaltheologischen Überlegungen offen gebliebene Frage nach dem „Wie“ dogmatischer Schriftauslegung. Vor diesem Hintergrund werden Implikationen für die Debatte um die Krise des Schriftprinzips in der der eingangs skizzierten doppelten Perspektive ausgezogen: Zum einen tritt durch die Spezifika dogmatischen Schriftgebrauchs und des Umgangs mit exegetischen

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

325

Fragestellungen und exegetischer Literatur die enzyklopädische Dimension der Krise des Schriftprinzips in den Vordergrund (C 3). Zum anderen wird der Frage nachgegangen, welche Präzisierungen des fundamentaltheologischen Status der Schrift in der und für die Dogmatik aus den Beobachtungen dogmatischen Schriftgebrauchs und der Rede von der Autorität der Schrift ergeben – wie also die Frage nach dem „Warum“ dogmatischen Bezugs auf die Schrift sich vor dem Hintergrund der Analysen darstellt (C 4).

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs 2.1. Die deutende Inanspruchnahme biblischer Texte als Glaubenszeugnis Imponiert sich die Schrift in dieser beschriebenen Weise in und durch ihre Auslegung, ist nach den Spezifika dieser Schriftauslegung zu fragen, will man den Status der Schrift in und für die Dogmatik näher bestimmen. Verbindet man die Aussagen über die Wissenschaftlichkeit der Theologie, die Beschreibung der wissenschaftlichen Dogmatik, die Überlegungen zur Schriftauslegung und die Analysen des Schriftgebrauchs in den untersuchten Positionen, so lassen sich in den untersuchten Positionen vier konvergierende Tendenzen erkennen. Erstens zeigt die Beschreibung der Ziele dogmatischer Arbeit mit und an der Schrift in Verbindung mit den Analysen des Schriftgebrauch: Den Autoren geht es in ihrem Bezügen auf die Schrift in unterschiedlichem Umfang um die deutende Inanspruchnahme biblischer Texte, die zugleich die Einbindung dieser in ihre eigenen Deutungsmuster umfasst.5 Dies ist in den Ausführungen zur dogmatischen Schriftauslegung nur punktuell explizit, im Schriftgebrauch jedoch umso deutlicher erkennbar. Dogmatisch ist die Schrift den Autoren folgend dann ausgelegt, wenn sie im Blick auf das verhandelte Thema hin angeeignet und aktualisierend ausgelegt wird. Auffallend ist, dass dieses Interesse terminologisch sehr nah an der von den Autoren im Zusammenhang von Soteriologie und Pneumatologie beschriebenen Aktualisierung der Schrift im Glauben durch den Geist beschrieben wird. Zu diskutieren ist, ob es sich dabei um eine intendierte strukturelle Parallelität zwischen der Aufschließung des Textes durch den Geist auf der Ebene der soteriologischen Beschreibung der Schrift auf der einen Seite und der deutenden Aktualisierung biblischer Texte für dogmatische Fragestellungen auf der anderen Seite handelt. Oder handelt es sich um eine zufällige terminologische Nähe? Oder fällt für die Autoren beides in eins, wie die fehlenden Abgrenzungen zwischen einem weiten Theologiebegriff und der Beschreibung der Theologie als Wissenschaft suggerieren  Vgl. Abschnitt B 5.2.3.

5

326

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

könnten? Die terminologischen Unschärfen nicht nur in der Beschreibung des aktualisierenden Geschehens, sondern auch die explizite Verortung der geistgewirkten aktualisierenden Schriftauslegung in der Dogmatik legen diese Lesart nahe, machen eine abschließende Beurteilung jedoch unmöglich.6 Diese deutende Inanspruchnahme entspricht jedoch nicht der in der Schriftlehre entwickelten inhaltlichen Fokussierung: Ein christozentrischer Schriftgebrauch, wie ihn die Beschreibungen einer Mitte der Schrift im Kontext der Schriftlehre nahelegen, ist weder in den Überlegungen zur Schriftauslegung noch im Schriftgebrauch erkennbar.7 Die soteriologisch-pneumatologisch beschriebene Einheit wird somit von den Autoren nicht in Deutungsmuster zur dogmatischen Schriftauslegung umgewandelt. Leitend ist vielmehr die Aneignung der Texte zur Deutung und Grundierung der verhandelten dogmatischen Fragen. Bei Körtner wird dieser Anspruch am deutlichsten explizit, wenn er die Aufgabe der Dogmatik in der Spannung von Schriftgemäßheit und Wirklichkeitsgemäßheit beschreibt.8 Konkretisiert wird von den Autoren dabei weder das „Wie“ einer solchen Schriftauslegung noch das „Woraufhin“. Erkennbar ist hier eine Nähe zu praktisch-theologischen Beschreibungen der Aufgabe von Schriftauslegung. So fordert etwa Engemann eine „Menschen gerecht werdende Art des Umgangs mit den Texten“, in welcher sich die Autorität der biblischen Texten in konkreten Kommunikationssituationen erweisen muss.9 Schlag wiederum präzisiert im Blick auf das Kriterium der Schriftgemäßheit: „Schriftgemäßheit erweist sich entscheidend am Kriterium der Lebensdienlichkeit aller Auslegung. Die Frage nach der Schriftgemäßheit kann dann im modernen Gewand nur lauten: Das Schriftgemäße erfährt seine Deutung am Maß des Menschengemäßen. Schriftgemäßheit bemisst sich dann zuallererst darin, dass jede je individuelle Auslegung zu ihrem Recht kommen kann.“10

Ermöglicht wird diese aktualisierende Inanspruchnahme zweitens durch die Lesart der biblischen Texte als Glaubenszeugnisse, welche als verbindender Deutungshorizont implizit zum Ausdruck kommt. Davon zeugt auch die Einbindung der Textstellen in die dogmatische Reflexion: Die biblischen Texte werden von den Autoren neben zeitgenössischen oder historischen dogmatischen Positionen zur Deutung gegenwärtiger Fragen angeführt und auf gleicher Ebene zu anderen Argumenten in die Reflexion eingebracht. Die in der Schriftlehre aufgearbeitete historische und kulturelle Differenz zu den biblischen Texten  6 Vgl.

Abschnitt C 3. die Abschnitte B 5.1.2. und B 5.3.3.  8 Vgl. Abschnitt B 4.2.3.  9  Engemann, Schriftautorität, 122 [Hervorhebungen im Original]. Zum Autoritätsbegriff bei Engemann vgl. Abschnitt A 1.3., zur Weiterführung des Begriffs Abschnitt C 4.2. 10 Schlag führt weiter aus, dass die Freiheit ihre Grenze am Anderen habe und folgert: „Schriftgemäßheit entfaltet sich folglich im wortwörtlichen Sinn durch die Wahrnehmung derjenigen Gesichtspunkte und Bedürfnisse, die vom anderen erschlossen und von uns entdeckt werden wollen.“ Schlag, Anknüpfung, 130. Zum Kriterium der Schriftgemäßheit vgl. Abschnitt C 4.3.  7 Vgl.

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

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rückt dabei in den Hintergrund.11 Dies führt jedoch nicht zu einer allein synchronen Lesart der biblischen Texte.12 Deutlich ist durchgehend: Die im Schriftgebrauch stellenweise beobachtbare Historisierung und Kontextualisierung der biblischen Texte zielt auf die argumentative Kraft der vertretenen Position und der angestrebten dogmatische Argumentation ab und nicht auf das Herausstellen des historisch oder kontextuell Abständigen  – wie die Aufgabe historischer Forschung wiederholt beschrieben wird.13 Die Ausführung exegetischer Fragestellungen oder der Rückverweis auf exegetische Literatur dient daher dem argumentativen Ziel und damit der aktualisierenden Deutung der biblischen Texte im Blick auf die eigene Positionierung zu einem Thema. Dass der Rekurs auf exegetische Forschungsergebnisse und die Bearbeitung exegetischer Fragestellungen zur Entwicklung und Untermauerung der eigenen Position herangezogen werden, zeigt zugleich, dass diesen Auslegungsformen argumentative Kraft zugesprochen wird.14 Explizit wird diese Verhältnisbestimmung von historischer Forschung und dogmatischer Urteilsbildung bei Schlink am Rande eines Exkurses zum Abendmahl.15 So schreibt Schlink: „So wichtig auch diese historischen Rückfragen sind, so gründet doch das Herrenmahl der Kirche nicht auf einem der vielen mehr oder weniger wahrscheinlichen historischen Rekonstruktionsversuche [sic], sondern auf den neutestamentlichen Abendmahlsberichten.“16 Hier unterscheidet Schlink nicht nur zwischen historischen Fragen und (dogmatischem) Verstehen wie in dem vorangestellten Satz, sondern auch zwischen den Texten selbst und ihrer historischen Rekonstruktion: Dem Text selbst scheint dabei Bedeutung für das Verstehen der geteilten gläubigen Praxis des Mahles zugetraut zu werden, die neben dem Erforschen erfolgt.17 Wie dieser direkte Zugriff auf den Text begründet ist, lässt Schlink offen. 11 Dies

gilt nicht nur die die Rekurse auf die biblischen Texte, sondern auch für die Bezüge auf die Tradition, insbesondere auf die reformatorischen Texte. 12 Zu Bezügen auf exegetische Forschung und Fragestellungen vgl. B 5.3.4. 13 Vgl. weiterführend Abschnitt C 3. 14 Vgl. zur Differenz zwischen Pannenberg und Mildenberger in dieser Frage Abschnitt B 5.3.4 15 Vgl. Abschnitt B 1.4.1. 16 Schlink, Dogmatik, 493. Schlink wehrt sich einige Sätze später gegen die Vorstellung, dass eine historische Rekonstruktion der urchristlichen Abendmahlspraxis die heutigen Fragen an das Abendmahl beantworten würde. Hier wird die Intention seiner Abgrenzung – gerade im Kontext seiner ökumenischen Dogmatik – sehr deutlich. Schlink geht es, gerade im Kontext des ökumenischen Dialogs, vielmehr um die Pluralität des biblischen Zeugnisses selbst. In ähnlicher Weise führt Schlink in den Exkurs ein: „So wichtig alle diese Fragen für die historische Erkenntnis des letzten Mahles sind, so sind sie es doch nicht in gleicher Weise für das Verständnis des Herrenmahls.“ A. a. O., 491. 17  Während die erste Unterscheidung Schlinks die Unterscheidung von Erforschen und Verstehen spiegelt, zieht die Unterscheidung zwischen Text und Rekonstruktion eine neue Ebene ein (vgl. Abschnitt B 1.2.2.). Zu fragen wäre über die Anlage dieser Studie hinaus, ob diese scharfe Unterscheidung nicht deren enge Verbindung übersieht: Denn die forschende (historisch-exegetische) Frage z. B. nach der ursprünglichsten Abendmahlsüberlieferung  – oder auch die von Schlink nicht thematisierte Frage nach der Verbreitung und Rezeption der

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Drittens schlägt sich die Aneignung der biblischen Texte nicht nur in den dogmatischen Interpretationen auf der Rezeptionsebene, sondern auch auf der Textebene in der Auswahl der biblischen Texte nieder: Diese führt zu einem spezifischen working canon zur Bearbeitung einzelner Themen aber auch als Grundlage der dogmatischen Positionen im Ganzen.18 Schlink betont, dass jede dogmatische Aussage durch ein Moment der freien Wahl in der Pluralität der biblischen Zeugnisse gekennzeichnet ist.19 Beobachten lässt sich eine systematisierende Aneignung der biblischen Texte für die jeweilige dogmatische Fragestellung. Der Streit der Deutungen wird zum Teil auch als innerbiblischer und redaktionsgeschichtlicher Streit wahrgenommen und durch die Diskussion unterschiedlicher biblischer Perspektiven und zum Teil unterschiedlicher redaktioneller Bearbeitungen in die dogmatische Reflexion eingebracht. Das leitende dogmatische Interesse zeigt sich weiterhin daran, dass die Auswahl der angeführten Bibelstellen weniger den jeweiligen bibelkundlichen Horizonten entspricht als vielmehr der dogmatisch mit dem Thema verbundenen Topoi.20 Viertens steht der Rekurs auf biblische Texte somit in enger Verbindung mit einem hohen Deutungsanspruch der eigenen Interpretationen. Dieser wird in den Beschreibungen der Schrift auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene mit der Rede von der Normativität verbunden und möglicherweise durch den Rückbezug auf biblische Texte erhöht, wie die Überlegungen zur fluiden Autorität der Schrift deutlich machen.21 Wird diese Beschreibung von der Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift differenziert, so folgt daraus: Die Normativität theologischer oder dogmatischer Schriftauslegung, die die Autoren in unterschiedlichem Maß betonen, hat nur insofern Anteil an dem besonderen Status der Schrift als sie als Aussage auf der soteriologischpneumatologischen Ebene, also als Glaubensaussage gedeutet wird.22 Diese Differenzierung wird bei den Autoren nicht explizit. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Dogmatische Schriftauslegung ist im Anschluss an die untersuchten Positionen gekennzeichnet durch die Aneignung unterschiedlichen Abendmahlsüberlieferungen – versucht ja eben zu klären, welche Berichte wann und wo genutzt wurden und fragt damit zugleich nach dem urchristlichen Verstehen des Abendmahls und liegt dadurch auf der gleichen Ebene wie Verstehensbemühungen heute. 18 Vgl. Abschnitt B 5.3.2. 19 Vgl. Abschnitt B 1.2.3. Diese Wahl ist jedoch nicht unabhängig von den Rezeptionsgemeinschaften und der Tradition, in der sie steht, wie Abschnitt C 2.3.1. entfaltet. Dies kommt bei Schlink kaum zum Tragen. 20  Vgl. Abschnitt B 5.3.2. 21 Vgl. zum Verhältnis von Dogmatik und Normativität Abschnitt B 5.1.2. Vgl. zu den Überlegungen zur fluiden Autorität in Abschnitt C 4.2. Inwiefern der Ausweis mit und durch biblische Texte vor einer bestimmten Rezeptionsgemeinschaft eine Rolle spielt, wierd in Abschnitt C 2.2. ausgeführt. 22  Vgl. die Abschnitte B 5.2.2. und B 5.2.4.

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

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der biblischen Texte im gemeinsamen Deutungshorizont als Glaubenszeugnisse. Verbunden ist dies mit einem spezifischen working canon, sowie mit einem spezifischen Deutungsanspruch, der mit und durch die biblischen Texte verbunden wird.

2.2. Dogmatischer Schriftgebrauch als pluriformes „Sich-Ausweisen“ mit und gegenüber der Schrift Um die argumentative Inanspruchnahme der biblischen Texte offenzulegen, wurden die Funktionen biblischer Bezugnahmen analysiert, wobei sechs Funktionen unterscheiden wurden: Gegenstand der Auslegung, heuristische Funktion, begründende Funktion, beschreibende Funktion, belegende Funktion, sowie eine illustrierende Funktion.23 In der Zusammenschau der Analysen wurde deutlich, dass die unterschiedlichen Funktionen mit den Überlegungen zur Schriftauslegung und zur Bedeutung der Schrift korrelieren. Insofern kann in den untersuchten Positionen von einer Konvergenz zwischen der schrifttheologischen Reflexion und dem Schriftgebrauch gesprochen werden. So stellen die biblischen Texte etwa bei Mildenberger oft Gegenstand der Auslegung dar, wobei die dogmatische Argumentation über weite Teile in der Auslegung der biblischen Texte aufgeht. Die biblischen Texte in dieser Weise als Ausgangspunkt und Inhalt dogmatischer Reflexion heranzuziehen, lässt sich als Umsetzung des von Mildenberger beschriebenen Programms einer biblischen Dogmatik beschreiben. Auch bei Pannenberg werden biblische Texte überwiegend in dieser Funktion herangezogen. Dabei dienen die biblischen Texte jedoch stärker als Ausgangspunkt dogmatischer Reflexion und die häufige Paraphrase der biblischen Aussagen bindet diese sowohl im Textgenus als auch in der Deutungsperspektive enger in die dogmatische Argumentation ein. Bei Schlink und Körtner finden sich überwiegend heuristischer oder begründender Schriftgebrauch, auf den die dogmatischen Argumentationen aufbauen.

Zugleich wurden die Beschreibungen der Funktionen der Schrift und ihrer Auslegung durch den faktischen Umgang mit der Schrift erweitert: Die Beschreibungen der Schrift als Grundlage, Quelle, Norm oder Kriterium bewegen sich überwiegend in begründenden Kategorien. Die in der Analyse erkennbaren Funktionen stellen ein deutlich breiteres Spektrum möglicher Schriftbezüge dar: Wird der biblische Text selbst Gegenstand der Auslegung, verweben sich die dogmatische Argumentation  – zu deren Fortschreiten der biblische Text herangezogen und in einer spezifischen Weise ausgelegt wird  – und der biblische Text. Illustrierende und beschreibende Bezüge führen biblische Textstellen zur Aufweitung der dogmatischen Reflexion ein und lassen so gegenseitige Resonanzräume zwischen biblischem Text und dogmatischer Argumentation 23  Vgl. zur Definition und Abgrenzung Abschnitt A 3.3.2. und zur zusammenfassenden Analyse Abschnitt B 5.3.3.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

entstehen. Belegende Bezüge dienen dem Ausweis der eigenen Argumentation im Raum der biblischen Zeugnisse. Die Breite der in der Analyse erkennbaren Bezüge und ihrer Funktionen impliziert somit eine Vielfalt unterschiedlicher Bezugsformen auf die Schrift, die über die Beschreibungen der Funktion der Schrift in der Schriftlehre und der Reflexion ihrer Auslegung hinausweist. Diese Breite spiegelt sich in der divergierenden Einbindung biblischer Texte bei den Autoren: Während bei Mildenberger die biblischen Text oft zitiert werden und somit die dogmatische Erörterung eng mit den biblischen Texten verflochten wird, finden sich bei Körtner viele Paraphasen der biblischen Texte, die die biblischen Texte auch sprachlich in die dogmatische Argumentation einbinden und darin einpassen.24 Zugespitzt lässt sich formulieren: In den untersuchten Positionen wird sowohl die dogmatische Argumentation in die biblischen Texte eingepasst als auch die biblischen Texte in die dogmatische Reflexion eingebunden. Die Analysen machen somit einen deutlich weiteren Argumentationsraum sichtbar als ihn die Beschreibungen in der Schriftlehre und die Reflexionen zur Schriftauslegung nahelegen. Das in den Analysen erkennbare Vorgehen der untersuchten Autoren kann als ein sich ausweisender Umgang mit biblischen Texten zusammenfassend beschrieben werden: Das, was dogmatisch gesagt wird, muss sich in der Schrift und an der Schrift als innerhalb des christlichen Artikulationsraum befindlich ausweisen lassen. Dann geht es in dem dogmatischen Rekurs auf die Schrift eben um einen Re-kurs auf etwas in der Schrift Bezeugtes, in dem und aus dem heraus Dogmatik sich entwickelt. Die Schrift selbst markiert dabei einen Teil des Diskursraumes und zugleich eine Grenze des Diskursraumes dogmatischer Reflexion.25 Zu erinnern ist an dieser Stelle an die in der Einführung beschriebenen Grenzen der Analysen des Schriftgebrauchs in der hier gewählten methodischen Zuspitzung: Der Horizont möglicher Funktionen des Schriftgebrauchs ist damit längst nicht abgeschritten. Zu diesen weiteren Dimensionen gehören auch die in dieser Studie nicht analysierten Funktionen von Schriftbezügen, die über die Textebene hinaus gehen. Dies umfasst zum einen die von Heimbach-Steins in Anschlag gebrachte autorisierende Funktion von Schriftbezügen, die eine (angenommene) Wirkung auf der Rezeptionsebene beschreibt und damit auf einer rhetorischen Ebene liegt.26 Ob und wie Schriftbezüge Teil einer rhetorischen Strategie sind und damit neben einer autorisierenden etwa auch eine legitimierende Funktion im Sinne des Ausweisens vor einer Rezeptionsgemeinschaft, einnehmen 24 Vgl.

Abschnitt B 5.3.1.  Für die terminologische Reflexion danke ich Martin Laube. Vgl. zur Notwendigkeit methodischer Grundierung dieser Beschreibung Abschnitt C 2.4 und weiterführend die Abschnitte C 4.4. und C 5. 26  Vgl. Abschnitt A 3.2. 25

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

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können, wäre weiter zu analysieren.27 Zum anderen wäre Kelseys Beschreibung des Schriftbezugs als Selbstaussage und somit der Zusammenhang von Schriftgebrauch und Identitätszuschreibung  – sowohl als Selbstaussage als auch als Zuschreibung – über die vorliegende Studie hinaus weiter zu verfolgen.28 Die vorliegenden Analysen können Grundlage und Ausgangspunkt für diese und weitere Frageperspektiven im Zusammenhang von dogmatischer Praxis und Selbstbeschreibung nicht nur in der Schrifthermeneutik bilden.29

2.3. Pluralität und Einheit der Schrift im Kontext dogmatischer Schriftauslegung Deutlich wurde in den vorangegangenen Beschreibungen, dass die dogmatischen Auslegungsinteressen mit einer Zuspitzung und Auswahl aus der Vielfalt der biblischen Zeugnisse einhergeht. In den untersuchten Positionen kommt der Auseinandersetzung mit der Pluralität der biblischen Zeugnisse und der Frage nach ihrer Einheit große Bedeutung zu. Diese wird im Kontext der Schriftlehre und damit im Rahmen der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung der Schrift verhandelt. In den Überlegungen zur Schriftauslegung spiegelt sich diese Beschreibung in der Rede von sachorientierter, evangeliumsgemäßer oder christusorientierter Auslegung der Schrift als Aufgabe der Dogmatik.30 Stellt man die Frage nach der Pluralität und Einheit biblischer Texte vor dem Hintergrund des untersuchten faktischen dogmatischen Schriftgebrauchs, so sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Zum einen ist auf der Textebene zu fragen, welche biblischen Texte vermehrt in den Blick kommen. Damit verbunden ist zum anderen die Frage, welche auslegungsleitenden Traditionen besonders wirkmächtig für die Interpretation sind. Diese können sowohl auf der Textebene liegen im Sinne von breit rezipierten biblischen Autoren, Traditionslinien oder Textpassagen, als auch auf der Ebene dogmatischer (Re-)Konstruktion, etwa in der Beschreibung einer Mitte oder der Einheit der Schrift. Über die untersuchten Positionen hinaus ist die Widerständigkeit der biblischen Texte gegenüber ihrer Inanspruchnahme als Schrift, bezogen auf ihre Historizität, ihre Medialität und unhintergehbare Pluralität der kanonischen Textbestände, zu reflektieren.

27 Diese Dimension klang in der Analyse Mildenbergers klang bereits an, wo eine Funktion jenseits der auf der Textebene erhobenen Bezüge und Funktionen – etwa der Ausweis vor dem wissenschaftlichen Fachpublikum oder das Ernstnehmen der historischen Dimension der Texte und ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung – stellenweise durch scheint. Vgl. Fußnote 371 im Kapitel B 3. 28  Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.4. 29  Vgl. weiterführend Abschnitt C 2.4. 30  Vgl. die Abschnitte B 5.2.3. und 5.2.5.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

2.3.1. Der working canon und auslegungsleitende biblische Traditionslinien In der Zusammenfassung der Analysen wurden die wesentlichen Linien der von den Autoren genannten biblischen Textcorpora umrissen. Deutlich wird, dass die Autoren einerseits die Vielfalt biblischer Texte und Deutehorizonte in den Blick genommen haben. Andererseits zeigt sowohl die Analyse der Argumentationslinien als auch die Registeranalyse einen Schwerpunkt in den neutestamentlichen Texten, insbesondere im Corpus Paulinum.31 Ein solcher ist weder in der Rezeption alttestamentlicher Texte noch in der Rezeption etwa eines Evangeliums erkennbar. Mögliche Hintergründe dieses Schwerpunktes in der Rezeption der paulinischen Texte wurden in der Diskussion der Analysen des Schriftgebrauch bei Pannenberg skizziert:32 Erstens schließt dieser Schwerpunkt an das hohe Gewicht an, dass der paulinischen Tradition im Zuge der Kanonisierung der neutestamentlichen Texte zukam. Die breite Aufnahme der paulinischen Traditionen in den neutestamentlichen Kanonteil führt auch innerhalb des Neuen Testaments selbst quantitativ zu einem Übergewicht dieser Interpretationslinie. Zweitens schließt sich daran eine breite Wirkungs- und Auslegungsgeschichte des Corpus Paulinum, insbesondere in der lutherischen Tradition an. Im Sinne des Arguments der Ursprungsnähe wäre drittens denkbar, dass die enge zeitliche Nähe der Briefliteratur zum bezeugten Geschehen einen weiteren Grund für deren vermehrte Rezeption darstellt. Die Bedeutung des Corpus Paulinum als einer leitenden Auslegungstradition folgt somit einer breiten Tradition, die sich auch als Verdichtung einer bereits in der Kanonentstehung erkennbaren Deutungslinie verstehen lässt. Ein abschließendes Urteil in dieser Frage nicht jedoch nicht möglich.

Diese Auswahl steht in der Spannung zwischen der Rezeption einer bestimmten Tradition, wie es etwa bei Körtner beschrieben wird, und einem Moment der Wahlfreiheit der Dogmatikerin oder des Dogmatikers, den Schlink betont.33 Zugleich führt diese rezipierende Wahl zu deren weiterer Durchsetzung: Auslegungsleitende Traditionslinien fortzuschreiben und gerade dadurch zu einer performativen Imponierung auch dieser Interpretationslinien beizutragen, ist als Phänomen der Schriftauslegung seit ihren Anfängen erkennbar. So ist das Gewicht bestimmter deutungsleitender Interpretationslinien bereits im Zuge der Kanonisierung zu beobachten, welche wiederum selbst auf die Verbreitung und Anerkennung bestimmter Texte reagiert. Diese Prozesse stellen daher weder ein Novum noch ein Spezifikum dogmatischer Auslegungen der biblischen Texte dar. Ob neben der Stärke der Traditionslinien dabei allein dogmatische Gründe oder auch andere Erwägungen  – wie etwa das Argument der Ursprungsnähe oder auch Gründe jenseits der dogmatischen Reflexion, wie die liturgische Ver-

 Vgl. Abschnitt B 5.3.2. Zur Rezeption alttestamentlicher Texte vgl. Abschnitt C 2.3.3.  Vgl. Abschnitt B 2.4.3. 33  Vgl. die Abschnitte B 1.2.3. und B 4.2.3. 31 32

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breitung, persönliche Glaubenserfahrungen oder ähnliches  – von Bedeutung sind, lässt der Schriftgebrauch nicht erkennen. Auch im Blick auf die biblischen Deutehorizonte ist eine Gewichtung und Auswahl erkennbar. Auffallend ist hier, dass weniger die bibelkundliche Einordnung der Texte zu gewissen Themenfeldern als vielmehr die dogmatische Interpretation für die Auswahl der Textstellen leitend ist. Auch die Gattung der herangezogenen Texte scheint dabei von Bedeutung zu sein. So fiel nicht nur ein besonderes Interesse an lehrhaften Texten im Vergleich zu erzählenden Texten ins Auge,34 sondern auch die Bedeutung etwa von Pss für die Reflexion des Todes: Die Bedeutung, die Pss für Schlink und Mildenberger für die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod hat, kann darauf hindeuten, dass das Thema Tod nicht als ein Abstraktum, sondern in seiner anthropologischen Grundbedeutung als Betroffener und daher in Auseinandersetzung mit Formen des Gebets in den Blick kommt.35 Dies kommt in den oft zitierten Klageliedern deutlich zum Ausdruck. Die Grundhaltung gegenüber dem Thema Tod, die von Seiten der biblischen Texte eingebracht werden soll, ist somit weniger abstrakt reflektierend als vielmehr klagend und mitleidend. Dieser Befund unterstützt die skizzierte Beschreibung der dogmatischen Inanspruchnahme der biblischen Texte, die auf die Einbindung der biblischen Deutungen in die eigenen dogmatischen Reflexionen abzielt, wie in der Beschreibung der Spezifika dogmatischer Schriftauslegung ausgeführt.36 Zugleich illustriert er die Ausweitung des Resonanzraumes zwischen Text und Wirklichkeit – so in Körtners Terminologie – und zeigt, wie der Schriftgebrauch weit über Funktionen etwa im Sinne einer Richtschnur hinausreicht.37 2.3.2. Die Einheit der Schrift in der dogmatischen Auslegung Verbunden mit der Beschreibung auslegungsleitender und -prägender biblischen Traditionen stellt sich die Frage nach dogmatischen Perspektivierungen einer Sache, Einheit oder Mitte der Schrift. Diese wird von allen untersuchten Autoren ausführlich diskutiert und steht im Kontext der Schriftlehre, genauer im Kontext der Rede von der Autorität der Schrift. Verwiesen wurde bereits auf den soteriologisch-pneumatologische Begründungszusammenhang, in dem die Rede von der Einheit der Schrift entfaltet wird: Die Einheit der Schrift ist eine soteriologisch begründete Kategorie, die für die Schriftrezeption des Glaubenden entfaltet wird. Daneben kommt die Frage nach der Einheit der Schrift jedoch auch in den Überlegungen zur Schriftauslegung auf. Interessanterweise über Vgl. Abschnitt B 5.3.2.  Vgl. Fußnote 364 in Abschnitt B 3. 36  Vgl. Abschnitt C 2.1. 37  Vgl. Abschnitt C 2.2. 34 35

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tragen die untersuchten Autoren das einheitsstiftende Moment direkt auf die fundamentaltheologische Frage nach einem auslegungsleitenden Kriterium der biblischen Texte im Kontext der Dogmatik: Der Dogmatik wird die theologische Auslegung der Schrift zugewiesen, die sich durch den Bezug auf die Sache, Mitte oder Einheit der Schrift kennzeichnet wie sie in der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung erhoben wurde.38 Diese soteriologische Kategorie in der Dogmatik wird somit bruchlos als hermeneutische Kategorie für die Dogmatik eingeführt. Die Spannung zwischen der Übertragung dieser Beschreibung als ein fundamentaltheologisches Prinzip, dessen Geltung auch für die wissenschaftliche Theologie postuliert wird, und der soteriologisch-pneumatischen Grundlage dieser Figur wird von den Autoren nicht thematisiert. Wie kann mit diesem Befund für die Beschreibung des Status der Schrift in der und für dich Dogmatik umgegangen werden? Die Rede von einer Sache, Einheit oder Mitte der Schrift stellt aus dogmatischer Sicht eine notwendige Lesart der biblischen Texte als Schrift dar, wie die untersuchten Positionen eindeutig festhalten: Denn nur weil und insofern die Texte eine gemeinsame Sache bezeugen, kommt ihnen überhaupt ein besonderer Status zu. Mit Körtner formuliert: Die Lesart der biblischen Texte von ihrer Sache her begründet die Lesart der biblischen Texte als Schrift. Die Suche und Beschreibung einer Sache der biblischen Texte ist dabei nicht ohne Anhalt in den biblischen Texten und den darin erkennbaren innerbiblischen Fortschreibungsprozessen, wie bereits deutlich wurde. Erkennbar ist diese Einheit jedoch nicht aus den Texten selbst, sondern in der glaubenden Rezeption der Texte. Die Mitte der Schrift ist eine Erfahrung des Glaubens, wie Mildenberger formuliert, die ihrerseits jedoch kanontheologisch und kanongeschichtlich erkennbar ist.39 Diese wird von den Autoren in unterschiedlichem Maß an das Leben und die Person Jesu Christi zurückgebunden. Auch diese Beschreibung ist nicht ohne Anhalt in den biblischen Texten selbst.40 Die Rede von der Einheit der Schrift versucht das in den biblischen Texten Bezeugte zu erfassen – und bleibt als Zeugnis zugleich notwendigerweise dahinter zurück. Von daher ist alle Rede von der Mitte und Einheit notwendigerweise eine Chiffre in der Beschreibung dessen, was in den Texten über sie hinaus bezeugt und erfahren wird. Die Einheit der biblischen Texte liegt in einem doppelten Sinn außerhalb ihrer selbst und ist doch konstitutiv und bleibend an die Texte zurückgewiesen: Sie konstituiert sich in dem, was sie bezeugt, und wird in der geistgewirkten Rezeption erkennbar – und findet doch ihren konstitutiven Anhalt in den biblischen Texten. Zugleich wird deutlich: Das Evangelium, Person  Vgl. Abschnitt B 5.1.2.  Vgl. Abschnitt B 3.3. Ähnlich formuliert Körtner, vgl. Abschnitt B 4.1.2. 40  Vgl. einführend und mit Verweis auf exegetische Literatur Landmesser /Klein, Einführung, 2. 38 39

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und Werk Jesu Christi oder wie auch immer die einheitsstiftende Größe benannt wird, ist nur in pluralen Bezeugungen zu greifen. Als Zeugnis von der Sache der Schrift ist sie daher notwendigerweise eine unzureichende Chiffre: Auch in der Schrift ist sie nur in ihrer Entzogenheit zu fassen. Die Schrift als Zeugnis ist daher bleibend von dem, was sie bezeugt zu unterscheiden.41 Die Rede von der Einheit der Schrift ist daher als notwendige Chiffre in der Differenz von Zeugnis und Bezeugtem zu präzisieren. Die Frage nach der Einheit und Mitte der Schrift verweist somit auf den – im Wortsinn an-archistischen Charakter biblischer Zeugnisse. Ihr Anfang ist in ihnen nicht zu greifen, sie weisen über sich hinaus und sind doch eng auf diesen bezogen: This hiddenness of the message itself leads to an inevitable plurality of readings and interpretations of the evangelion – both in the plural witnesses the different biblical texts offer and in our differing readings of these texts in history and today. Hemenway therefore describes ‘anarchy’ as one affordance of the interface: ‘Anarchy in interface constantly exceeds attempts by users to grasp and order the whole in a stable manner.’ – one might even say: The evangelion constantly exceeds attempts by believers to grasp and order the whole in a stable manner. Plural medial references and interpretations are therefore not a drawback of Scripture’s authority, but its constitutive characteristic.42

Festzuhalten ist daher: Die Entzogenheit der Einheit der Schrift als einer notwendiegn Chiffre und damit die An-archie der biblischen Texte ist in der Frage nach der Einheit der Schrift den untersuchten Positionen gegenüber stärker zu betonen. Zugleich wurde deutlich, dass die in der Schriftlehre betonte Bedeutung der Einheit der Schrift wenig Auswirkungen im Schriftgebrauch zeigt: Die Autoren entfalten nur kaum christozentrische oder evangeliumsorientierte Auslegungen der angeführten pluralen biblischen Textstellen – eine auslegungsleitende Mitte oder Sache der Schrift im Anschluss an die Bestimmungen in den Schriftlehren 41 Dass dies auch ein Verdienst der historischen Kritik ist, hebt Leonhardt hervor: Er betont die „Unmöglichkeit, unter den Bedingungen der historischen Kritik an dem einen objektiv gegebenen Sinn der Schrift als verbindlicher Grundlage theologischer Lehre festzuhalten“ (Leonhardt, Skeptizismus, 281. Vgl. zu Leonhardts Ansatz Ders., Schriftprinzip, 80–83). Grundlegender hält Dalferth diese Spannung als Verhältnis der „Vieldeutigkeit der Schrift zur Eindeutigkeit des Wortes Gottes“ (Dalferth, Vieldeutigkeit, insb. 157). Moxter folgert daraus zutreffend im Blick auf die Schriftauslegung: „Die Schrift ist folglich Grund und Grenze von Interpretation, wel sie Grenzen bereits durch die Art und Weise zieht, in der sich sich selbst von dem unterscheidet, was sie bezeugt.“ (Moxter, Schrift, 168 f ). Vgl. zur Beschreibung der Schrift als Grenze Abschnitt C 4.4. Zu dieser Entzogenheit als pneumatisches Geschehen tritt die Entzogenheit im Text. Vgl. dazu Abschnitt C 2.3.3. 42  Die Beschreibung des anarchistischen Charakters der Schrift verdanke ich der medientheoretischen Beschreibung Michael Hemenways, dem ich für die Anregungen und die intensive gemeinsame Debatte herzlich danke. Van Oorschot, Scripture [zitiert wird Hemenway, Bible, 54, Hervorhebungen im Original].

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war bei den untersuchten Autoren nicht erkennbar.43 Leitend für die Auswahl und Fokussierung der Pluralität der biblischen Texte sind vielmehr zwei andere Orientierung. Erstens wird die Frage nach der einheitsstiftenden Größe der Schriftauslegung eng mit der Aufgabe der aktualisierenden Aneignung der Schrift verbunden. Ansätze zur Reflexion dieses Spannungsfeldes finden sich bei Körtner und Mildenberger. Körtner verortet die Frage nach der Pluralität und Einheit der biblischen Zeugnisse im Kontext der Schriftauslegung, wo er einen hermeneutischen Zirkel zwischen pluralisierender Auslegung und singularisierendem Bezug auf die Sache der Schrift vorschlägt.44 Eine ähnliche Beschreibung klingt auch bei Mildenberger an.45 Bei beiden ist die Beschreibung des singularisierenden Moments eng mit der bereits skizzierten Aufgabe der Aktualisierung der Schrift in ihrer dogmatischen Auslegung verbunden. Die in der Diskussion von Körtners Position geäußerte Frage, ob die Einheit der Schrift in dieser Beschreibung als eine relationale und situativ bestimmte Kategorie verstanden werden muss, kann daher bejaht werden. Dies ist insofern interessant als sich das singularisierende Moment weniger auf die „Sache“ des Textes zu richten scheint als vielmehr auf die Konkretion in der Erhellung des dogmatischen Sachverhalts abzielt. Ausgehend von den Überlegungen zur Schriftgemäßheit der Dogmatik, also dem zirkulären Beziehen von biblischen Aussagen auf dogmatisch relevante Aktualisierungen, geht es weniger um die Einheit „des“ Kanons als vielmehr um die Fähigkeit zur Konkretion dogmatischer Aussagen in spezifischen Fragen. Anders formuliert: Das singularisierende Moment  – in Körtners Terminologie  – ist weniger die „Sache“ der Schrift als vielmehr die „Sachen“ der aktualisierenden dogmatischen Schriftauslegung. In diesem Sinn wird die Schrift als Schrift auslegt. Zweitens ist die Auswahl erkennbar von Traditionslinien zur Verhältnisbestimmung der – immer nur chiffriert bezeugten – „Sache“ der biblischen Texte und dem, was aktuell ansteht, geleitet. Dies gilt insbesondere für die paulinische Tradition, aber auch für reformatorische Traditionen. In Erweiterung an die hier vorgenommenen Analysen wäre daher der Traditionsgebrauch der Autoren in Verbindung zu ihrem Schriftgebrauch zu analysieren. Über die Autoren hinaus muss vor dem Hintergrund des beschriebenen anarchistischen Charakters biblischer Texte als Zeugnisse auf die Grenzen dieser Suche nach Einheit hingewiesen werden: Denn auch und gerade aktualisierende dogmatische Auslegungen führen in einen Deutungsstreit und eröffnen vielfältige neue Diskursfelder. Die dogmatische Aktualisierung führt daher gerade nicht zu einem einheitlichen Schriftgebrauch, aus der wiederum Rück Vgl. die Abschnitte B 5.1.4. und B 5.3.1.  Vgl. Abschnitt B 4.2.2. 45  Vgl. Abschnitt B 3.2.4. 43 44

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schlüsse auf die Schrifteinheit gezogen werden können, wie Mildenberger es beschreibt.46 Deutlich wird somit der Wahlcharakter dogmatisch-aktualisierender Einheitsbeschreibungen: Dieser ist nicht nur mit Schlink auf die pluralen Zeugnisse der Schrift zu beziehen, sondern gilt auch für die Pluralität leitender Deutungsperspektiven. Diese bewegen sich in den Traditionen leitender Auslegungstraditionen – aber auch diese sind strittig und streitbar wie in der Diskussion von Körtner dargestellt. So ist zum Beispiel weder Konsens, was die paulinische Rechtfertigungslehre genau umfasst, noch eindeutig, was die Formulierung „Leben und Werk Jesus Christi“ beschreiben soll. Inwiefern diese Beschreibungen zur Fokussierung biblischer Aussagen beitragen können, ist daher unklar.47 Die geforderte Einheit wird mithin in der Auslegung – zum Teil im Rückgriff auf innerbiblische Deutungsperspektiven – hergestellt. Angedeutet ist dies in Körtners Formulierung einer singularisierenden Auslegung. Es handelt sich daher um eine in einer bestimmten Traditionslinie dogmatisch gewählte – und somit strittige und streitbare – Deutungsperspektive an die Schrift. Diese können wiederum selbst zu autoritativen Auslegungen werden. Deutlich arbeitet Kelsey dies im Blick auf den Schriftgebrauch heraus: Nach Kelsey sind es „patterns of normativity“, welche die Autorität und den Zusammenhang der Schrift nicht nur deuten, sondern konstituieren.48 Diese speisen sich ihrerseits aus der theologischen Imagination der Gegenwart Gottes der Theologen.49 Nach Kelsey ist die epistemische und hermeneutische Funktion dieser patterns jedoch nicht mit der Reflexion auf die Autoritätsbegründung der Schrift verbunden. Dies bestätigt die vorliegende Analyse nicht. Auch verbindet Kelsey die Beschreibung der „patterns of normativity“ sehr eng mit dem Hinweis auf den working canon und impliziert damit eine im biblischen Text erkennbaren Umriss der skizzierten „patterns of normativity“. Bei den hier untersuchten Autoren sind diese jedoch nicht (nur oder vor allem) auf der Textebene zu beschreiben, sondern durch die auslegenden Traditionen und die daraus geformten dogmatischen Interpretamente geprägt. Der working canon bildet daher nur einen Aspekt der Frage nach dem normativen pattern verstanden werden  – zugleich ist aber das normative pattern nicht auf die Textebene beschränkt.50 So ist mit Eilert Herms festzuhalten: Die Suche nach einer  Vgl. Abschnitt B 3.2.5. die Abschnitte B 4.3 und B 4.5. 48 Kelsey, Uses, 101. 193. 49   A. a. O., 159–163. 50  Noch weitergehend kritisiert Heiko Schulz die in der Rede vom Schriftprinzip verschleierte hermeneutische Willkür (Schulz, Schrift, 256), die – in den Worten dieser Studie – auf einer Überlagerung von soteriologisch-pneumatologischer und fundamentaltheologischer Beschreibung der Schrift erwachsen kann. Schulz plädiert daher für eine Haltung der „epistemic humility“, „die sich aus dem Eingeständnis ergibt, dass der – in Luthers Fall: christozentrischrechtfertigungstheologische  – Schlüssel, der dem Interpreten die Tür zum Gesamtsinn der Bibel öffnet, den Charakter eines lediglich bis auf weiteres leitenden und im Prinzip falliblen 46

47 Vgl.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

„Realsynthese“ ist für einzelne Gläubige – in der Terminologie der vorliegenden Studie: auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene als ein geistgewirktes Geschehen – erfolgreich, jedoch können die Glaubenden dafür keine „öffentlich geltende Eindeutigkeit“ beanspruchen.51 Die aus dieser Beschreibung erwachsende „epistemic humility“52 für dogmatische Schriftauslegung einzuüben, scheint somit geboten. 2.3.3. Schriftauslegung und Textbindung – Oder: Mit dem Text gegen die Schrift In den Überlegungen zur Schriftauslegung findet sich bei den untersuchten Autoren zugleich eine Gegenbewegung zu dieser Frage nach der Einheit der Schrift: Die Analysen des Schriftgebrauchs zeigen, dass den Autoren an einer aktualisierenden Auslegung der biblischen Texte gelegen ist, sie dazu aber in unterschiedlichem Umfang die Breite der Bezeugungen und die widerstreitenden Zeugnisse wahrnehmen und gegeneinander abwägen. Interessant ist eine Anmerkung Pannenbergs zur Pluralität der biblischen Texte und dem Umgang damit: Im Blick auf das Abendmahl betont er, dass wegen der differierenden Beschreibungen das „Ganze der Jesusüberlieferung“ in den Blick genommen werden muss.53 Hier zeigt sich, dass die spannungsvolle Pluralität der biblischen Texte für Pannenberg die Notwendigkeit mit sich bringt, diese miteinander ins Gespräch zu bringen und gegeneinander abzuwägen. Diese Überlegung steht jedoch nicht spannungslos neben dem beobachteten Übergewicht von Bezughermeneutischen Axioms hat. Man muss sich infolgedessen darauf einlassen, dass z. B. Luthers Statuierung eines christologisch-hermeneutischen Generalschlüssels für den biblischen Text auf einem individuellen und objektiv unableitbaren Sinnerschließungsgeschehen beruht, dessen intersubjektive Tragfähigkeit und Verbindlichkeit sich allenfalls sukzessiv, und zwar einerseits intern-kohärentistisch, andererseits extern, d. h. in Konkurrenz zu anderen, gleichfalls möglichen Interpretationen bewähren kann und dabei als prinzipiell revozierbar gelten muss.“ (a. a. O., 261) Während dieses Erschließungsgeschehen sich für den Glaubenden pneumatisch konstituiert und entsprechend reflektiert werden kann, stellt der Übertrag dieses Geschehens auf die fundamentaltheologische Ebene eine Setzung dar. Vgl. weiterführend die Abschnitte C 4.4. und C 5. 51 Herms, Bibel, 126. Das gilt nach Herms auch für die Kanonentstehung: Die Autoren und Redaktoren einzelner Schriften haben die Gesamtheit der Textsammlung naturgemäß nicht im Blick. Auch Autoren biblischer Texte, die ein Gesamtverständnis bieten wollen (wie es z. B. Dtjes, Ez oder Paulus nahegelegt wird), können dieses nicht bieten. Die kirchlichen Autoritäten haben nur eine formale, keine inhaltliche Synthese geleistet (vgl. a. a. O., 124–126). Auch wenn das „Unsicherwerden der Realsynthese“ nach Herms in der Tat fatale Konsequenzen für die christliche Lebenspraxis haben kann, kann diese Unsicherheit nicht intersubjektiv durch die dogmatische Feststellung eines Inhalts des biblischen Zeugnisses überwunden werden – weder in der Gemeinschaft der Glaubenden noch im Sinne einer fundamentaltheologischen Deutungslinie (a. a. O., 130). Vielmehr muss sie sich diskursiv dem Streit der Deutungen stellen. Vgl. Abschnitt C 4.4. 52  Schulz, Schrift, 261. Vgl. Fußnote 50 in diesem Kapitel. 53  Pannenberg, Theologie (3), 315.

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

339

nahmen auf paulinische Texte, die als interpretierende Tradition von Pannenberg häufig in Anspruch genommen werden. Der Hinweis auf die irreduzible Pluralität der biblischen Texte wird von den Autoren mit der theologischen Enzyklopädie verbunden, insofern die Spannung zwischen Einheit der Schrift und Pluralität des biblischen Zeugnisses mit der Trennung der Disziplinen Exegese und Dogmatik verbunden wird: Die Exegese wird mit der Beschreibung der Pluralität des biblischen Zeugnisses verbunden, während die Dogmatik auf die „theologische“ Auslegung der Schrift im Blick auf ihre Sache verwiesen wird.54 Die Spannung zwischen Pluralität und Einheit der Schrift ist dadurch jedoch nicht gelöst, sondern allenfalls verschoben: Denn selbst wenn die Exegese primär mit dem Umgang und der Bewahrung der biblischen Pluralität befasst wäre, ist damit weder ausgesagt, wie die dogmatische Schriftauslegung mit den pluralen exegetischen Auslegungen umgehen kann oder soll noch wie sich die in der Schriftlehre ausführten Beschreibungen der Mitte oder Sache der Schrift hermeneutisch dazu verhalten. Ein dogmatischer Reflexionsansatz findet sich bei Körtner, der den Kanon nicht als Textabgrenzungsprinzip, sondern als hermeneutisches Prinzip zur Geltung bringen möchte: Kanonische Schriftauslegung bedeutet die Lektüre der Bibeltexte als Teil eines „vielschichtigen Makrotextes“ in der damit verbundenen Pluralität, Offenheit und Flexibilität.55 Für die Auslegung biblischer Texte als Schrift folgt daraus, dass diese intrakanonischen Bezüge wahrgenommen und zur Geltung gebracht werden. Eine in diesem Sinn kanonische Auslegung bringt ein irritierendes Moment in die Auslegung der Schrift ein, die sich der Unabgeschlossenheit und Strittigkeit ihres Bemühens bewusst ist.56 54 Vgl. Abschnitt B 5.2.5. Zur Verhältnisbestimmung von „theologisch“ und „dogmatisch“ vgl. Abschnitt C 3.1. 55  Körtner, Arbeit, 12. Vgl. Ders., Glossa, 16; Ders., Theologie des Wortes, 338. Einen möglichen exegetischen Anschlusspunkt aufbauend an die in Abschnitt C 4.4. ausgeführten Überlegungen zur Schrift als Intertext bietet dazu Grohmanns Ansatz, die intertextuellen Verbindungen zwischen Altem und Neuem Testament als Ansatzpunkt zur Beschreibung des Verhältnisses der Testamente zu wählen. Vgl. Grohmann, Testament. Vgl. ähnlich Alkier, Konzepte, 453–455. 56  Kupsch beschreibt einen ähnlichen Zusammenhang für den Kontext gottesdienstlichen Schriftgebrauchs, den er als Spannung zwischen Alterität und Verstehen formuliert: Er unterscheidet Lesung und Auslegung des biblischen Textes im Gottesdienst, wobei die Auslegung in der Predigt in der Gefahr steht, die Eigenständigkeit des Textes zu verschleiern. Demgegenüber hält er fest: „Genau besehen ist diese Beziehung auf aneignende Auslegung jedoch keine Unterminierung der Alterität des biblischen Textes. Denn nur der in seiner Aussage verstandene Text kann wirksam irritieren und kritisieren.“ (Kupsch, Gebrauch, 394 [Hervorhebung im Original], zur Externität der Schrift Vgl. a. a. O., 390–392). Im Anschluss an die hier entwickelten Überlegungen wäre zu präzisieren, dass die Alterität des Textes und seine Entzogenheit sich auch und gerade auf das Verstehen „seiner Aussage“ bezieht  – und die Pluralität der Verständnisse möglicher Aussagen des Textes die unhintergehbare Verstehensbedingung biblischer Texte darstellt.

340

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Die Differenzierung und Verbindung der Auslegung der biblischen Texte als Schrift und als Text ist mithin eine Aufgabe, die nicht allein in der Verhältnisbestimmung der Disziplinen Exegese und Dogmatik ihren Ort haben kann, sondern auch im Verhältnis zu den Aussagen der Schriftlehre und der dogmatischen Reflexion der Schriftauslegung bestimmt werden muss. Hier zeigt sich die konstitutive Verbindung exegetischer und dogmatischer Perspektiven für die Entfaltung einer theologischen Schrifthermeneutik.57 Bei dieser Aufgabenbeschreibung ist Körtner zuzustimmen, der die Verhältnisbestimmung der Lektüre der Bibel als heiliger Schrift zu ihrer Lektüre als Literatur als die Aufgabe einer systematischen Schriftlehre beschreibt. Hinzuweisen ist dabei jedoch auf die im Zwischenfazit formulierte Kritik, dass Körtner die Unterscheidung zwischen Bibel und Schrift nicht konsequent genug zur Geltung bringt.58 Schrift und Bibel, so seine Terminologie, müssen in allen Beschreibungen aufeinander bezogen bleiben. Damit kann gerade nicht – wie Dalferth in Kritik an Körtner vorschlägt  – monolinear zwischen Schrifthermeneutik und Bibelhermeneutik unterschieden werden. Vielmehr müssen Schrift- und Bibelhermeneutik konstitutiv aufeinander bezogen bleiben – will man nicht eine von der Pluralität der biblischen Texte abgelöste Lesart der dann immateriell-pneumatisch konstituierten Schrift auf der einen Seite und eine von allen Ansprüchen auf aktuelle Deutungspotentiale enthobene Lesart pluraler biblischer Texte auf der anderen Seite befördern. Aufmerksamkeit ist dabei insbesondere auf den Umgang mit dem alttestamentlichen Texten zu lenken. Die untersuchten Autoren zeigten im Schriftgebrauch zum Teil eine deutliche Fokussierung auf neutestamentliche Texte, die sich über die analysierten Kapitel hinaus auch in den Registern ablesen lässt.59 Die Rezeption alttestamentlicher Texte fokussiert im Querschnitt auf Gen, Jes und Ps. Die anderen alttestamentlichen Bücher kommen bei den Autoren selten und in sehr unterschiedlichem Maße in den Blick. Zugleich wurde in der Schriftlehre von allen die Verbindung der Testamente betont. Über den spannungsvollen Zusammenhang dieses Begründungsmusters auf der Ebene der dogmatischen Reflexion mit den Beobachtungen zum Gewicht neutestamentlicher Texte im working canon der untersuchten Positionen weiter nachzudenken, ist eine bleibende Aufgabe dogmatischer Schriftauslegung im Spannungsfeld von Pluralität und Einheit der biblischen Texte. Die von den Autoren ausführliche reflektierte Pluralität der biblischen Texte stellt jedoch nur einen Aspekt der Widerständigkeit der biblischen Texte im 57  Vgl. zur Überschneidung dogmatischer und exegetischer Perspektiven in der Rede von der „Schriftstelle“ in der Dogmatik Mauz, Machtworte, 117. 58  Vgl. die Abschnitte B 4.1.1. und B 4.3. 59  Vgl. Abschnitt B 5.3.2.

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

341

Gegenüber zur dogmatischen Auslegung im skizzierten Sinn dar. Drei weitere Aspekte, die bei den Autoren nur selten oder gar keine Beachtung finden, sind zu ergänzen. Erstens kommt der historische Abstand der biblischen Texte zur gegenwärtigen Auslegung in den untersuchten Positionen – über eine Problembeschreibung dieser im Blick auf die theologische Aufgabe historisch-kritischer Exegese hinaus – kaum in den Blick. In den Analysen des Schriftgebrauchs wurde ein Doppeltes deutlich: Zum einen stehen historisch-exegetische Erwägungen unverbunden neben den dogmatischen Interpretationen. Zum anderen werden die biblischen Texte als Glaubenszeugnisse unbeachtet ihrer historischen Situation auf die gleiche Weise in die Argumentation eingebracht wie zeitgenössische dogmatische Gesprächspartner.60 Erkennbar wird hier der unmittelbare Bezug auf einen gemeinsamen Deutungshorizont, der von den Autoren durch eine Reflexion auf die unterschiedlichen historischen Situationen nicht gebrochen wird.61 Diesen zu problematisieren und auch in diesem Sinn die Schrift mit und gegen die biblischen Texte auszulegen, ist daher nicht nur eine Forderung, die sich aus der irreduziblen Pluralität der Texte ergibt, sondern die auch aus dem historischen Charakter der Texte erwächst. Gerade an dieser Stelle schlägt sich die fehlende methodische Reflexion auf die Schriftauslegung in der Dogmatik – und ihrer Bezüge auf dogmatisches Arbeiten im Ganzen – deutlich nieder.62 Nur am Rande wird zweitens in den untersuchten Positionen die mediale Dimension der Textlichkeit der Schrift thematisiert. Medientheoretisch kann mit Stoellger von der Verkörperung Gottes in der Schrift gesprochen werden.63 Auch die Verkörperung Gottes in Christus  – nach Stoellger die absolute Verkörperung Gottes im Sinne einer absoluten Metapher64 – vollzieht sich medial „am Ort der Schrift“65. Ähnliche Überlegungen finden sich nur bei Körtner, 60 Dass dieses Vorgehen auch im Blick auf die Einbindung dogmatischer Texte mit zeitlichem Abstand zur gegenwärtigen Situation problematisch sein kann, sei noch einmal explizit gemacht. 61  Vgl. Abschnitt C 2.1. 62 Vgl. Abschnitt C 2.4. Eine differenzierte hermeneutische Skizze bietet z. B. Slenczka, Historizität. 63 Stoellger formuliert im Blick auf die alttestamentliche Schriftpraxis: „Gott ward Wort, Tora, Schrift, in Gesetzestafel und Schriftrolle. Damit ist die liminale Verkörperung in der Stimme überschritten in die Materialität der Schrift bis zur Verkörperung in Bildschriftlichkeit, wenn die Torarolle umhergetragen, gekleidet, gefeiert und geküsst wird (an Simcha Tora). Das „eigentliche“ Kultbild ist dann kein goldenes Kalb, sondern die Torarolle. Denn sie repräsentiert nicht nur Gottes Willen, sondern verkörpert ihn in Gestalt der darum „heilig“ genannten Schrift.“ Stoellger, Sinn, 307 [Hervorhebungen im Original]. Vgl. zur Einführung in die Fragestellung und der damit verbundenen Debatte a. a. O., 292. 64  Vgl. a. a. O., 309. 65 A. a. O., 310 [im Original kursiv]. Dadurch wird die Schrift nach Stoellger nicht zu einem literarischen oder ikonischen Artefakt, vielmehr kann die Schrift in einem bestimmten Gebrauch zur Verkörperung Gottes im Sinne des christus praesens werden. Vgl. ebd.

342

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

wo die Implikationen dieser Beschreibung sowohl für die Rede vom Status der Schrift als auch für die Auslegung der Schrift jedoch unscharf bleiben.66 So wäre zum einen zu fragen, ob und inwiefern die Textlichkeit der Schrift als Manifestation der Externität der Schrift im Sinne des verbum externum beschrieben werden kann, deren spannungsvolle Beziehung zu den pneumatischen Aneignungsformen und Auslegungen der Texte als Schrift zu bedenken ist. Im Medium Schrift sind die biblischen Texte bleibendes Gegenüber ihrer Ausleger.67 Zum anderen wäre im Anschluss an Stoellger über den Grund und den Fokus der sogenannte Krise des Schriftprinzips nachzudenken: Stoellger verweist auf die alte Konkurrenz von Schrift und Bild und postuliert, dass die Bilder die eigentliche Krise des Schriftprinzips darstellen.68 In Folge regt er an, über die pluralen medialen Gestalten des Wortes Gottes nachzudenken.69 Drittens ist auf die Entzogenheit der Schrift in den biblischen Texten hinzuweisen. Das, was die biblischen Texte als Schrift bezeugen, ist in den vielfältigen biblischen Überlieferungen nicht nur bezeugt, sondern zugleich entzogen. Dies macht ein Blick auf den Kanon deutlich, wie in der Diskussion von Körtners Position bereits skizziert: Die Wahrnehmung der unterschiedlichen Kanongestalten führt zu einer grundlegenden Frage nach dem Verständnis der Bibel auf der Ebene der materialen Texte.70 Wenn der Kanon als solcher nicht feststeht, fällt er als feste Bezugsgröße aus und bietet allenfalls einen fixen Kern mit ausfransenden Rändern. Wovon ist – material gedacht – dann die Rede? Die Frage  Vgl. Abschnitt B 4.3. zur Problembeschreibung weiterführend z. B. Dalferth, Wort, 427–447; Körtner, Dogmatik 509; Ders., Theologie des Wortes, 347–362; Lauster, Prinzip, 44 f.454–457. Anregende Impulse im Rückblick auf die reformatorische Verhältnisbestimmung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit entfaltet Kuntze, Mündlichkeit. Leonhardt weist auf die entschränkende Wirkung der textlichen Fixierung hin: „Rezeptionsästhetisch betrachtet handelt es sich bei solcher Abkopplung des biblischen Kanons als eines literarischen Konstrukts von den Bedingungen seiner Entstehung – in Härles Terminologie: bei der Abkopplung des sola scriptura vom solus christus  – um nichts anderes als um die Realisierung jener Autonomie, die einem literarischen Text durch seine Verschriftlichung gegenüber der Autorenintention ohnehin zukommt.“ (Leonhardt, Skeptizismus, 306 [Hervorhebungen im Original]). Inwiefern diese Pluralisierung zugleich als eine Aufgabe wissenschaftlich-dogmatischer Schriftauslegung beschrieben werden kann, führt der folgende Abschnitt aus. 68 Stoellger, Wo, 16–17. 69 Schrift und Bild sind im Christentum daher nicht gegeneinander auszuspielen, vielmehr ist die Verbindung von Schrift und Bild, sowie das Nachdenken über die „Schriftbildlichkeit als Vermittlung“ zu bedenken (a. a. O., 17). Diese Verbindung gründet auf seinen Überlegungen zur medialen Gestalt der Verkörperung des Wortes Gottes: Denn diese ist nach Stoellger nicht medial beschränkt – „Das Wort ward Fleisch – und wieder Wort und Sakrament und auch Bild, Ritual und Lebensform.“ (Ders., Sinn, 313. Vgl. a. a. O., 315). 70  Alexander Deeg entfaltet ein ähnliches Argument ausgehend von den „faktischen Kanones“ im Verhältnis zum Kanon der Kirche. Vgl. Deeg, Kanones. Vgl. einführend in diese Fragestellung aus exegetischer und systematisch-theologischer Perspektive die Beiträge in Barton/ Wolter, Einheit. 66

67 Vgl.

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

343

stellt sich auch im Blick auf die Textzeugen: Welche Bücher? Und zuspitzen muss man noch auf der Grundlage der Text- und Redaktionskritik: Welcher Codex mit welcher Textvariante? Und darin: welche Überlieferungsschrift mit welchen Ergänzungen, Streichungen etc.? Fazit ist: Es gibt nicht den biblischen Text, sondern plurale Textzeugen, die unterschiedliche Textvarianten in unterschiedlichen Überlieferungen tradieren. Diese Pluralität lässt sich auf jeder Ebene potenzieren: Auf der Ebene der biblischen Bücher besteht auch Pluralität, die zum Beispiel unmöglich macht, die Auferstehung Jesu zu beschreiben  – auch hier gibt es mehrere Zeugen, die unterschiedlich überliefern. Der Bezug der Schriftauslegung auf die biblischen Texte ist daher in einem ähnlichen Sinn anarchistisch wie die oben skizzierte Frage nach der Einheit der Schrift.71 Diese dreifache Widerständigkeit der biblischen Texte in ihrer Historizität, Medialität und unhintergehbaren Pluralität der kanonischen Textbestände wäre im Blick auf die dogmatische Schriftauslegung weiter zu reflektieren und im Blick auf ihre epistemologischen und methodischen Implikationen zu bedenken.

2.4. Ausblick – Die offene Frage nach einer Epistemologie und Methodik wissenschaftlich-dogmatischer Schriftauslegung Aus diesen systematischen Beschreibungen dogmatischer Schriftauslegung ergeben sich Anschlussfragen nach der Epistemologie und Methodik wissenschaftlich-dogmatischer Schriftauslegung. In keiner der untersuchten Positionen finden sich explizite Überlegungen zur Methodik dogmatischer Schriftauslegung noch ist im Schriftgebrauch eine solche erkennbar. Die Notwendigkeit, über die Epistemologie dogmatischer Schriftauslegung im allgemeinen und über ihre Methodik im Besonderen nachzudenken, ergibt sich zum einen aus der zum Teil sehr engen Verbindung von Schriftauslegung und dogmatischer Reflexion: Der Bezug der dogmatischen Überlegungen zu biblischen Texten ebenso wie die Verflechtung biblischer Bezugnahmen und Bezüge auf die theologische Tradition führen zu der Frage, wie diese Bezüge voneinander abzugrenzen sind und was ihre jeweiligen Spezifika sind.72 Zum anderen stellt die aneignende Deutung der biblischen Texte als Glaubenszeugnis vor die Aufgabe, diese methodisch nachvollziehbar zu gestalten: Nur so kann dem Verdacht gewehrt werden, dass der Bezug auf die Schrift allein oder vor allem das Vorverständnis repliziert. Auch die Frage, wie mit der Historizität, Medialität und unhintergehbaren Pluralität der kanonischen Textbestände dogmatisch umgegangen werden kann, ist an dieser Stelle zu klären.  Vgl. van Oorschot: Scripture. Vgl. Abschnitt C 2.3.2.

71

72 Lauster entfaltet diese Frage nach der Abgrenzung von Bibel und Dogma dezidiert im Blick

auf die biblische Theologie. Vgl. Lauster, Entzauberung, 78–90. Die Analysen bestätigen, dass sich diese in Mildenbergers Programm der Biblischen Dogmatik am schärfsten stellten.

344

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

So gewendet kann Lausters Ausgangsthese angesichts der performativen Imponierung der fundamentaltheologischen Status der Schrift als anhaltende Aufgabenbeschreibung auch für die untersuchten Dogmatiken gelesen werden: „Jeder Versuch, an der fundamentaltheologischen Bedeutung der Schrift festzuhalten, muß sich mit den Einsichten des historischen Bewußtseins auseinandersetzen […].“73 Will sich dogmatische Reflexion auf die Schrift als „Vermittlungsmedium religiöser Erfahrung im Kontext christlicher Erinnerungskultur“74 beziehen und dieses an die biblischen Texte rückbinden, hängt nicht nur die historische Kritik ob ihrer Unverbundenheit mit der Rede vom Schriftprinzip methodisch „in der Luft“75: Die Analyse der untersuchten Positionen macht deutlich, dass auch der dogmatische Schriftbezug methodisch unklar ist – das Verhältnis von Prinzip und Methode ist daher auch innerhalb der Dogmatik im Blick auf ihren Schriftgebrauch zu reflektieren. Die Frage nach der Methodik theologischer Schriftauslegung ist daher auch und gerade in der Dogmatik und im Zusammenspiel der Fächer in konstitutivem Bezug auf das Schriftverständnis zu entfalten.76 Dass damit nicht nur ein Desiderat dogmatischer Schriftauslegung beschrieben ist, sondern eine Aufgabe theologischer Enzyklopädie wurde bereits herausgestellt und kann mit Moxter noch einmal pointiert betont werden: „Der 73 Lauster, Prinzip, 2. Diese Forderung begegnet der von Leonhardt abschließend beschriebenen „Entschränkung der christlichen Deutungsperspektive bei der Auslegung der Bibel als Konsequenz der […] pneumatologischen Begründung der Schriftautorität“ und führt diese im Kontext wissenschaftlich-dogmatischer Reflexion auf die Aufgabe einer methodisch geleiteten Auseinandersetzung mit dieser Entschränkung potentiell unendlicher Auslegungen biblischer Texte zurück (Leonhardt, Skeptizismus, 301 f.). Auf diese Weise kann die von Lauster beschriebene Kluft zwischen „dem historischen Verständnis der biblischen Schriften in den exegetischen Disziplinen und dem Bibeldogma“ konstruktiv bearbeitet werden (Lauster, Entzauberung, 72). Dass dies eine enzyklopädische Aufgabe ist, stellt er an anderer Stelle heraus (Ders., Schriftauslegung, 204). Vgl. Abschnitt C 3. 74 So die Überschrift von Lausters ausblickendem Kapitel, Lauster, Prinzip, 440–469. 75   A. a. O., 403. 76 Unterstrichen wird dies durch am Rande dieser Untersuchung gesammelte historische Beobachtungen: Diese weisen auf eine erstaunlich Kontinuität dogmatischen Schriftgebrauchs jenseits der Problematisierungen in der Reflexion der Schriftauslegung hin. Verwiesen sei an dieser Stelle nur darauf, dass die in den Abschnitten C 2.1 und C 2.2. ausgeführten Beobachtungen zum Teil deutliche Nähen etwa zu Ergebnissen der Studien zum Schriftgebrauch in der Patristik aufweisen – obschon die untersuchten Autoren ihre Überlegungen zur Schrift und ihrer Auslegung als eine Reaktion auf die historisch-kritischen Anfragen an das Schriftprinzips und damit auf eine völlig andere Beschreibung der Schrift verstehen. Zur Bearbeitung der offenen methodischen und epistemologischen Frage dogmatischer Schriftauslegung könnte daher der Rückblick in die Entwicklung des Schriftgebrauchs weiterführend sein: So zeigen insbesondere die von Michael Fiedrowicz im Rahmen seiner „Theologie der Kirchenväter“ erarbeiteten Beschreibungen der Schrift zum Teil erstaunliche Nähen zu den in dieser Studie beobachteten Auslegungsweisen (vgl. Fiedrowicz, Theologie, insb. 106–113), aber auch der von Kupsch herausgearbeitete Schriftgebrauch Luthers weist Parallelen auf (vgl. insb. Kupsch, Gebrauch, 351–408). Eine historische Perspektivierung dogmatischer Schriftauslegung ist für die weitere Reflexion daher von zentraler Bedeutung. Vgl. mit einer ähnlichen Beobachtung R aatz, Schriftprinzip, 160.

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

345

Übergang von historischen zur dogmatischen Methoden muss von der Sache her einleuchten, sonst löst sich in der ‚Krise des Schriftprinzips‘ die Einheit der Theologie auf.“77 Diese Aufgabe steht in enger Verbindung zu der markierten offenen Frage des Zusammenhangs von Schriftbezug und Identität: Kann epistemologisch und methodisch der Schriftbezug nicht plausibel gemacht werden, so nährt sich der Verdacht, die Bezüge auf die Schrift dienten allein oder primär der Zuordnung zu einer bestimmten Rezeptionsgemeinschaft oder dem Ausweis der Legitimität der eigenen Position in einer Rezeptionsgemeinschaft, die einen solchen Bezug auf die Schrift erwartet.78 Diese Fragen reichen weit in das Selbstverständnis, die Epistemologie und Methodik dogmatischer Forschung hinein und damit über die Fragestellung der vorliegenden Studie hinaus. Zwei Ansatzpunkte für die Reflexion bieten sich aus den untersuchten Positionen an. Zum einen bedenkt Schlink die Frage nach den Grundstrukturen dogmatischer Aussagen im Kontext seiner Überlegungen zum Theologiebegriff. Für die Frage nach der Einbindung der Schriftauslegung in die Dogmatik sind darin zwei weiterführende Impulse erkennbar. Erstens lassen sich Schlink Differenzierungen theologischer Aussagen auf die Textarten und Aussageformen biblischer Texte ausweiten. Lehre, Dogma, Gebet, Doxologie  – diese Formen sind ebenso Teil der biblischen Sprachformen wie der theologischen Sprachformen. So wäre bei der Schriftauslegung interessant, darauf zu achten, mit welchen Sprachformen man es jeweils zu tun hat – und wie sich diese zur eigenen Sprachform dogmatischer Rede verhalten. Dies ist insbesondere insofern von Bedeutung, als Schlink in der Übertragung einer Aussage von einer Struktur in eine andere eine Strukturverschiebung mit einer damit einhergehenden Bedeutungsveränderungen beschreibt. Damit steht die Frage im Raum, ob und wie unterschiedliche Aussagemodi zwischen den rezipierten biblischen Texten und der rezipierenden dogmatischen Reflexion bedacht werden müssen: Die Analysen des Schriftgebrauchs zeigen – verbunden mit dem starken Gewicht des Corpus Paulinum, dass die Rezeption lehrhafter Texte umfangreicher ist als die Rezeption anderer Textgattungen, insbesondere im Blick auf die neutestamentlichen Texte. Die Rezeption von im Genus verwandten Texten scheint für die Reflexion dogmatischer Fragestellungen naheliegender zu sein als beispielsweise der Rekurs auf narrative oder hymnische Gattungen. Zugleich werden aber auch andere Textgattungen aufgegriffen und in die dogmatische Reflexion eingebunden. So wurden z. B. gerade zum Thema Tod Gebetsaussagen der Psalmen als

77 Moxter,

Grund, 164.  Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.4.

78

346

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

anthropologische Aussagen eingeführt.79 So weist etwa Matthias Konradt auf den fiktionalen Charakter biblischer Texte hin, der die Fremdheit des Textes im gegenüber zu den rezipierenden Textformen markiert.80 Somit ist bereits im Genus der biblischen Texte eine Differenz erkennbar, die in konstruktiver Irritation im Blick auf die dogmatische Inanspruchnahme zu reflektieren ist.81 Interdisziplinär wäre zu diskutieren, welche Implikationen durch Strukturanalogien oder -verschiebungen in der Schriftauslegung zu erkennen sind und wie diesen methodisch begegnet werden kann. Über die Frage der Schriftauslegung hinaus stellt sich zweitens die im Zwischenfazit bereits angerissene Frage, ob nicht auch in der Dogmatik selbst eine Vielfalt unterschiedlicher Aussagestrukturen zu erkennen ist. Die sehr unterschiedlichen Bezugnahmen auf die Schrift korrespondieren bei den untersuchten Autoren durchaus mit unterschiedlichen Sprechweisen und Argumentationsformen, verbunden mit implizit erkennbaren pluralen Rezeptionsgruppen der jeweiligen Dogmatiken. Dieser Beobachtung wäre sowohl analytisch als auch reflektierend weiter nachzugehen, um die Frage zu bearbeiten, welche Strukturverschiebungen und kombinatorischen Methodiken in der Dogmatik sowohl in der Auslegung biblischer Texte, aber auch im Überschritt zu theologischen Reden in unterschiedlichen Bezugsgruppen in und außerhalb der Wissenschaft denkbar sind. Zum anderen stellt sich die Frage nach der Struktur dogmatischer Aussage von Mildenbergers Überlegungen her in ganz anderer Weise: Im Vergleich von Mildenbergers systematischer Konzeption mit den anderen drei untersuchten Positionen wurde besonders deutlich, wie der jeweilige systematische Denkansatz und die erforderliche Kohärenz der Ausführungen zum biblischen Befund ins Verhältnis gesetzt wurden: Mildenberger folgt weniger der Darstellung bestimmter Loci, sondern ist an der Verwebung von Theologie und Ökonomie im Zusammenhang einer biblisch fundierten Geschichte Gottes interessiert.82 Wie in der Diskussion seiner Position skizziert, zeigt die Analyse des Schriftgebrauchs, dass Mildenbergers Orientierung an den biblischen Texten sowohl die thematische Exposition und Verortung der Themen, als auch den Aufbau der Kapitel und die Struktur seiner Argumentation prägt.83 Diese Veränderung reicht bis in die Gliederung und Darstellung der Dogmatik. Entsprechend werden zu den Themen jeweils längere biblische Textpassagen auslegt, welche die Bearbeitung des Themas leiten. In der Argumentation ist zwischen der Auslegung der biblischen Texte und der dogmatischen Argumentation oft kaum zu

79 Vgl.

die Abschnitte B 5.3.2. und C 2.3.1.  Vgl. Konradt, Exegese, 116–118. 81  Zur Bedeutung unterschiedlicher Text- und Aussageformen im Kontext dogmatischer Schriftauslegung vgl. Abschnitt C 2.4. im Anschluss an Schlink. 82 Vgl. Abschnitt A 3.3.1. und zum Theologiebegriff Mildenbergers Abschnitt B 3.2.5. 83  Vgl. Abschnitt B 3.3. 80

2. Dogmatische Schriftauslegung im Spiegel der Analysen des Schriftgebrauchs

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unterscheiden.84 Die anderen untersuchten Autoren folgen stärker einer loci-orientierten Anordnung und beziehen sich dabei punktuell auf ausgewählte biblische Textstellen. Mildenbergers Programm einer biblischen Theologie stellt damit vor Augen, wie die Schriftauslegung selbst die Struktur dogmatischer Reflexion verändert. Mildenberger thematisiert diese Veränderung nicht explizit. Im Vergleich mit den anderen Autoren steht somit die Frage im Raum, wie die anderen Autoren methodisch zwischen der Auslegung der Schrift und dogmatischer Reflexion unterscheiden. Während die Auslegungsweise der Schrift durch die vorliegende Studie exemplarisch erhellt werden konnte, kann die Frage nach der Methodik dogmatischer Reflexion hier nicht bearbeitet werden. Die Frage nach der Methodik dogmatischer Schriftauslegung ist eng verbunden mit der von den Autoren offen gelassenen Verbindung dieser zu den Überlegungen zur Wissenschaftlichkeit theologischer Schriftauslegung. Letztere werden in den untersuchten Positionen vor allem im Blick auf die Exegese entfaltet.85 Auffallend ist dies insofern, als die Autoren auf die Methodik als Kennzeichen wissenschaftlicher Schriftauslegung verweisen – ohne diese Methodik für den dogmatischen Zugriff auf die Schrift zu konkretisieren.86 Diese im Blick auf die Dogmatik zu präzisieren ist eine wesentliche Aufgabe einer Methodik wissenschaftlicher-dogmatischer Schriftauslegung. Dass diese Aufgabe im Kontext einer offenen Debatte um die Frage nach der Methodik der Dogmatik insgesamt steht, kann als Horizont dieser Fragestellung nur genannt sein.87 Im Blick auf die – sehr schmale – Forschungsdebatte zur Methodik der Dogmatik insgesamt ist auffallend, dass in den wenigen Beschreibungen dogmatischer Methodik die Frage nach dem methodischen Umgang mit der Schrift kaum in den Blick kommt. So findet sich z. B. bei Frank Surall unter der Überschrift „Die Quellen der systematischen Theologie“ ein ausführliches Kapitel zum dogmatischen Status der Schrift, ihrer Pluralität, der Mitte der Schrift, ihrer Autorität und unterschiedlichen Bibelübersetzungen – die methodischen Hinweise beschränken sich jedoch auf den Verweis auf unterschiedliche Übersetzungen und das Heranziehen des Urtextes und seiner exegetischen Kommentierungen für wichtige Textstellen für ein „möglichst genaues Verständnis der biblischen Aus-

84 Nicht außer Acht gelassen werden darf hier allerdings, dass seine Beschreibung der Geschichte Gottes ihrerseits eine dogmatische Konstruktion darstellt – diese Konzeption als eine „biblische“ Theologie gegen andere Formen der dogmatischen Systematisierung auszuspielen wäre daher verfehlt. Dasselbe gilt für die zu den Themen jeweils ausgelegten biblischen Texte: Auch die Auswahl dieser Texte folgt nicht einer – wie auch immer bestimmbaren – „biblischen“ Logik oder der kanonischen Anordnung der Texte, sondern gründet auf der dogmatischen Aneignung dieser Texte als für dieses Themenfeld relevanter Texte. 85  Vgl. Abschnitt C 3.1. 86  Vgl. Abschnitt B 5.2.4. 87 Von den untersuchten Positionen entfaltet allein Schlink einen Ansatz zur Bestimmung dogmatischer Arbeitsweisen. Methodisch ausgeführt sind diese nicht und auch nur punktuell in seine Überlegungen zum Wissenschaftsbegriff eigebunden. Vgl. Abschnitt B 1.2.1.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

sagen“.88 Martin Leiner führt die Differenz von „biblisch/unbiblisch“ als Leitdifferenz der Dogmatik ein, weist im Blick auf methodische Frage jedoch nur allgemein auf die Pluralität und Historizität der biblischen Texte hin.89 Ähnliches gilt für Einführungen in die römisch-katholische Theologie.90 Auch die umfangreiche Reflexion theologischer Methodik von Jürgen Werbick entwickelt für die Systematische Theologie ein Modell des Umdenkens und Weiterdenkens zur „Nachvollziehbarkeit eines Bezeugungs- und Lebenszusammenhangs, der die Identität des Christlichen bestimmt“.91 Die Bedeutung der biblischen Zeugnisse beschreibt Werbick unter der Überschrift „Herausforderung, Ungedachtes zu denken“ und spezifiziert diese als Herausforderung, begriffliche Selbstverständlichkeiten zu öffnen und gerade so Denkräume der Glaubens- und Zeugniskommunikation zu ermöglichen.92 Auch hier ist die Verbindung der Systematischen Theologie zur Schrift nicht methodisch eingeholt.

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen Im Problemhorizont der Studie bildete die Beschreibung der Krise des Schriftprinzips als einer Krise der theologischen Enzyklopädie einen zentralen Ausgangspunkt. Den enzyklopädischen Implikationen der Überlegungen zur dogmatischen Schriftauslegung im Anschluss an die untersuchten Positionen nachzugehen, ist Anliegen des folgenden Kapitels. Zu diskutieren ist nicht nur die Frage nach der Verhältnisbestimmung der untersuchten Disziplinen Dogmatik und Exegese, sondern auch das zu Grunde liegende Verständnis theologischer Schriftauslegung, wie es sich in den untersuchten Positionen darstellt.

3.1. Theologische Schriftauslegung Die Beschreibung theologischer Schriftauslegung kommt bei den untersuchten Autoren aus vielfältigen Perspektiven in den Blick. Erkennbar sind – in unterschiedlicher Ausprägung – vier Spannungsfelder.93 Erstens wird der Begriff „Theologie“ sowohl deskriptiv  – zur Beschreibung der de facto bestehenden theologischen Disziplinen, einschließlich der historischen und exegetischen Fächer – als auch zur Beschreibung des Spezifikums theologischer Schriftauslegung im Sinne einer geistlichen oder sachorientierten Schriftauslegung verwendet.94 Erkennbar ist auch, dass die Autoren einen weiten 88 Surall,

Module, 51. Vgl. a. a. O., 39–51. Leitfaden, 41 f. Vgl. Heiligenthal, Einführung, 271. 90 Vgl. von Stosch, Einführung. 91  Werbick, Methodenlehre, 413. 92   A. a. O., 433. 93  Vgl. zum Folgenden Abschnitt B 5.2.5. 94  Vgl. Abschnitt B 5.2.4. 89 Leiner,

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen 349

Theologiebegriff vor Augen haben, der alle Reflexionen auf den Glaubensvollzug umfasst und nicht auf die wissenschaftliche Theologie beschränkt ist. Diese Unschärfe scheint zumindest stellenweise eine programmatische Unschärfe zu sein. So ist z. B. bei Mildenberger ob seiner kaum ausgeführten Überlegungen zur Theologie als wissenschaftlichem Fach zu fragen, ob er nicht ausschließlich mit einem weiten Theologiebegriff arbeitet, der die Frage nach den Spezifika wissenschaftlicher Theologie nicht in den Blick nimmt. Insofern aber auch er die Beschreibung der Theologie – und der Dogmatik – als Wissenschaft nicht aufgibt, stellt sich bei ihm die Frage nach der Verbindung von Glaube und Wissenschaft in besonderer Weise. In den anderen Positionen ist eine Unterscheidung zwischen wissenschaftlich-theologischer und theologischer Schriftauslegung erkennbarer. Jedoch werden die Überlegungen zum Wissenschaftsbegriff nicht mit den Ausführungen zur Schriftauslegung  – bzw. mit den Ausführungen zum Dogmatikbegriff  – verbunden, sodass die Frage nach wissenschaftlichdogmatischer Arbeit im Ganzen ebenso offen bleibt wie die Frage nach der wissenschaftlich-dogmatischen Schriftauslegung, wie im Folgenden ausgeführt wird. Damit verbunden ist zweitens eine terminologische Unschärfe in der Abgrenzung von „Theologie“ und „Dogmatik“: Diese Begriffe werden von den Autoren häufig synonym verwendet. So unterscheidet etwa Mildenberger zwischen historischen und theologischen Fragen, wobei er letztere mit dogmatischen Fragen gleichsetzen kann. Auch bei Pannenberg und Körtner ergibt sich aus der Beschreibung theologischer Forschung der Eindruck, die Exegese falle aus der Theologie im engeren Sinne heraus, wohingegen die Dogmatik die theologische Aufgabe stellvertretend vollumfänglich erfülle. Bei Pannenberg, Mildenberger und Körtner wird nicht nur die Frage virulent, wie die Methodiken sich zu den Disziplingrenzen verhalten, sondern auch der theologische Charakter der Exegese – wenn sie vorrangig als historische Forschung betrieben wird – scheint zur Debatte zu stehen. Schlink hingegen beschreibt die Aufgaben des historisch-philologischen Erforschens der Schrift und Auslegens der Schrift im Blick auf die Gegenwart gleichermaßen als theologische Aufgaben. Aus dieser Beobachtung ergibt sich drittens, dass das Verhältnis zwischen der pneumatisch gewirkten Schriftauslegung als Glaubensvollzug und der auf diesen Vollzug reflektierenden Theologie in den untersuchten Positionen nicht expliziert wird. Im Dogmatikbegriff fallen beide ebenso in eins wie im Theologiebegriff. Eingeführt wurde daher zur Diskussion zwischen wissenschaftlichtheologischer, bzw. wissenschaftlich-dogmatischer Schriftauslegung auf der einen Seite und theologischer, bzw. dogmatischer Schriftauslegung im weiteren Sinn auf der anderen Seite. Viertens ergibt sich ein spannungsvolles Verhältnis zwischen der Beschreibung der theologischen Aufgabe und dem wissenschaftlichen Charakter der Theologie, das mit der Differenzierung der theologischen Disziplinen verbunden

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

wird: Auf der einen Seite betonen die Autoren, dass eine theologische Schriftauslegung den pneumatischen Charakter der Schriftrezeption bedenken muss, um theologische Schriftauslegung zu sein. Dieser Zugang zur Schrift wird der Dogmatik zugeschrieben. Auf der anderen Seite verweisen sie zur Beschreibung wissenschaftlicher theologischer Schriftauslegung auf die exegetische, bzw. historische Schriftauslegung. Führt man dies zusammen, so scheint auf der Seite der Dogmatik ein „Wissenschaftsdefizit“, auf der Seite der Exegese ein „Theologiedefizit“ zu bestehen.95 Vor diesem Hintergrund ist eine Schärfung der Terminologie für den Fortgang dieser Studie von Nöten: Der Begriff „Theologie“ wird im Folgenden deskriptiv zur Beschreibung eines Verbundes von Disziplinen verwendet. Wissenschaftliche Theologie wird als Reflexion auf die von den Autoren beschriebene Kategorie der Theologie im weiten Sinn beschrieben werden. Diese sind in der Auslegung der Schrift aufeinander bezogen – jedoch nicht dergestalt, dass sie gemeinsam an einer normativen Deutung der Schrift im Geist teilhaben, sondern indem sie auf die Schrift als ein Glaubenszeugnis reflektieren. Dazu gehört auch die Auslegung der biblischen Texte aus ihren unterschiedlichen disziplinären Perspektiven.96 Daraus folgt zugleich: Die Begriffe Theologie und Dogmatik können nicht synonym verwendet werden, vielmehr ist die Dogmatik als ein Teilbereich der Theologie zu beschreiben. Was eine wissenschaftlich-dogmatische Schriftauslegung bei den untersuchten Autoren ausmacht, wurde im vorangegangenen Kapitel beschrieben: Sie lässt sich zusammenfassend als deutende Inanspruchnahme biblischer Texte zur Reflexion auf eine dogmatische Fragestellung im Licht einer bestimmten Deutungsperspektive beschreiben. Als solche ist dogmatische Schriftauslegung  – wie die wissenschaftliche Dogmatik im Ganzen  – nicht normativ, sondern dem Streit der Deutungen ausgesetzt und prinzipiell unabgeschlossen.97 Dass für die Konkretion eines solchen Verständnisses dogmatischer Schriftauslegung weiterreichende Fragen im Blick auf die wissenschaftliche Epistemologie und Methodik zu klären sind, wurde bereits ausgeführt.98 Dies gilt insbesondere im Blick auf die in Anspruch genommene Wissenschaftlichkeit dogmatischer Arbeit, auch und gerade im Blick auf die Schriftauslegung, die – wie im folgenden Abschnitt diskutiert – von den Autoren explizit der Exegese zugeschrieben wird. Ausgehend von den Untersuchungen dieser Studie und im Blick auf die Leitfrage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik werden im 95  Letzteres wird von Pannenberg, Mildenberger und Körtner explizit formuliert. Vgl. die Abschnitte B 5.2.4. und B 5.2.5, sowie Abschnitt C 2.4. 96  Vgl. zur Zuordnung der theologischen Fragerichtungen und Disziplinen den Ausblick in Abschnitt C 3.3. 97  Vgl. die Abschnitte C 2.2. und C 2.3. 98  Vgl. Abschnitt C 4.

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen 351

Folgenden zwei Teilfragen vertieft, die sich aus dieser Beschreibung ergeben: Zum einen wird nach der Bedeutung exegetischer Schriftauslegung für die dogmatische Auseinandersetzung mit der Schrift gefragt. Zum anderen wird das Zusammenspiel der Disziplinen im Kontext wissenschaftlich-theologischer Schriftauslegung reflektiert.

3.2. Die Bedeutung exegetischer Schriftauslegung aus der Perspektive der Dogmatik Zur Bedeutung exegetischer Schriftauslegung äußern sich die Autoren in sehr unterschiedlichem Umfang. Durchgehend betonen sie eine konstruktive Bedeutung der Exegese für die Dogmatik. Dabei wird die Aufgabe der Exegese unterschiedlich bestimmt.99 Schlink beschreibt als Aufgabe der Exegese die Untersuchung der Schrift mit historischphilologischen Methoden. Für Pannenberg liegt die Aufgabe der Exegese in der Absicherung der Sachmitte der Schrift und damit der Rekonstruktion des geschichtlichen Grundes des Glaubens und der Theologie. Körtner und Mildenberger betonen hingegen den theologischen Charakter der Exegese als Schriftauslegung i. S. einer pneumatischen oder applikativen Exegese.

Gemeinsam betonen die Autoren zum einen die Wissenschaftlichkeit exegetischer Schriftauslegung und zum anderen die Bedeutung exegetischer Forschung zur Beschreibung der Pluralität der biblischen Zeugnisse. Unterschiedlich wird hingegen beurteilt, ob und wie exegetische Forschung zur Wahrung des Eigensinnes der biblischen Texte beiträgt: Während etwa Pannenberg betont, dass die exegetischen Fächer die Aufgabe haben, den Eigensinn des Textes gegen dogmatische Inanspruchnahme zu verteidigen, ist nach Mildenberger der biblische Text gerade und nur in seiner dogmatischen Aktualisierung angemessen verstanden. Hier zeigt sich die Spannung zwischen der Lesart der biblischen Texte als Text oder als Schrift, die von den untersuchten Autoren mit der enzyklopädischen Differenzierung der Fächer verbunden wird. Entsprechend unterschiedlich sind die Bezugnahmen auf exegetische Fragestellungen oder Literatur.100 Fragt man nach deren Implikationen für das Verständnis von Schriftauslegung im Zusammenhang der Disziplinen, zeigt sich ein komplexes Bild. Deutlich wird erstens, dass exegetischen Fragestellungen Deutungspotential für dogmatische Kontroversen zugetraut wird. Am deutlichsten wird dies bei Schlink oder Pannenberg, die stellenweise mit Hilfe exegetischer Erwägungen dogmatisch strittige Argumentationsgänge entscheiden. Schlink folgt damit seinem expliziten Interesse, durch exegetische Forschung zur Überwindung  99 Vgl.

Abschnitt B 5.2.5.  Vgl. zum Folgenden Abschnitt B 5.3.4.

100

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

dogmatischer Differenzen in einer gegenwartsorientierten Deutung beizutragen.101 Dogmatische Fragestellungen und exegetische Einsichten scheinen hier auf der gleichen Ebene zu liegen und ineinander überführbar zu sein. Zweitens zeigt sich, dass die eigene exegetische Diskussion und Urteilsbildung von den Autoren sehr unterschiedlich in bestehende Debatten eingeordnet werden. Bezüge auf  – zumeist ältere  – exegetische Literatur finden sich nur bei Mildenberger und Pannenberg. Während diese Bezüge bei Mildenberger zumeist unverbunden neben der eigenen exegetischen Argumentation stehen, stellt die Diskussion unterschiedlicher Positionen und Auslegungen bei Pannenberg Teil seiner dogmatischen Abwägung dar. Auch hier zeigt sich, dass dogmatische Fragestellungen und exegetische Einsichten ineinander überführt werden. Dies spiegelt auch die unterschiedlichen Funktionen, die den Bezügen auf exegetische Literatur bei Pannenberg und Mildenberger zukommt: Während diese bei Pannenberg – analog zu den Schriftbezügen – vielfach begründende Funktion zukommt, verweist Mildenberger zumeist mit beschreibender Funktion auf exegetische Literatur. Zugleich wird deutlich, dass die Autoren um die eigene exegetische Arbeit bemüht sind. Dies zeigt sich besonders bei Schlink, der exegetische Fragen bearbeitet und an zentralen Stellen deutend einbringt, diese jedoch nicht auf exegetische Forschungsliteratur bezieht. Ob dieses Interesse an eigenen Exegesen als eine Hochschätzung exegetischer Fragestellungen zu verstehen ist oder als eine Vereinnahmung exegetischer Forschung und einer damit verbundenen Geringschätzung der Arbeit in den exegetischen Disziplinen selbst, lässt sich nicht beurteilen. Da aber gerade Mildenberger und Pannenberg, die sich sehr kritisch gegenüber bestehenden exegetischen Debatten äußern, zugleich die exegetischen Debatten überhaupt zur Kenntnis nehmen, scheint es ihnen an einer Weiterführung bestehender exegetischer Debatten, mithin um eine dogmatische Inanspruchnahme exegetischer Arbeitsweisen gelegen zu sein. Dies zeigt sich gerade bei Pannenberg, der sich breit auf die exegetische Forschung zurückbezieht. Deutlich wird drittens, dass die Autoren ein großes Spektrum synchroner und diachroner exegetischer Methoden und Fragestellungen in den Blick nehmen. Dies ist am deutlichsten bei Körtner erkennbar, der als jüngster der untersuchten Entwürfe die methodische Auffächerung der Exegese in den letzten Jahrzehnten deutlich vor Augen hat. Eine Präferenz für eine Auslegungsmethode ist nicht erkennbar, vielmehr werden unterschiedliche exegetische Fragestellungen gleichermaßen mit der dogmatischen Reflexion verbunden. Diese Beschreibungen der Exegese verweisen auf eine interessante Zuschreibung von Seiten der untersuchten Dogmatiker: Die Schrift und ihre exegetische Auslegung werden sehr eng miteinander verbunden, die exegetische Forschung  Vgl. Abschnitt B 1.2.2.a).

101

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen 353

ist entsprechend – mit Pannenberg gesprochen – mit der Wahrung des Eigensinns der Texte im Gegenüber zur Dogmatik betraut.102 Diese Figur ist in der dogmatischen und exegetischen Reflexion weit verbreitet, wenn etwa die Exegese als „Anwältin des Textes“103 bezeichnet wird oder den historischen Auslegungsformen zur Markierung der „Grenze“ ihrer Auslegung eine „Falsifikationsmöglichkeit“104 bestimmter Auslegungen zugeschrieben wird. Nicht in den Blick kommen dabei die auslegungsleitenden Interessen ihrer exegetischen Auslegerinnen und Ausleger: Weder die theologische Prägung der Exegetinnen und Exegeten noch ihre Forschungsinteressen oder systematisierenden Interessen werden thematisiert. Die Positionalität und Strittigkeit exegetischer Forschung wird  – in unterschiedlichem Maß  – zu Gunsten der Zuschreibung der gewissermaßen neutral feststellbaren Textnähe nahezu ausgeblendet. Die Spannung, die aus diesen zum Teil widersprüchlichen Zuschreibungen erwächst, wird bei Schlink am deutlichsten sichtbar: Auf der einen Seite weist er am deutlichsten auf die subjektiven Denkvoraussetzungen philologisch-historischer Forschung hin, über die die methodische Strenge nicht hinweg täuschen darf. Vielmehr betont er, dass diese im Zuge der Forschungsarbeit offengelegt werden müssen, um zuverlässige Aussagen über den Text treffen zu können.105 Auf der anderen Seite betont er am stärksten, dass der Konsens exegetischer Forschung eine wichtige Quelle für ökumenische Verständigungen darstellen kann. Welchen Konsens er dabei vor Augen hat, bleibt unklar.106

Der exegetischen Forschung wird vielmehr die Objektivität zugeschrieben, die den dogmatischen Zugängen verwehrt zu sein scheint  – und scheint damit im Blick sowohl auf die Wissenschaftlichkeit als auch auf die Methodik der Schriftauslegung eine nicht unproblematische Stellvertretungs- und Entlastungsfunktion für die Dogmatik einzunehmen.107 Wie mit dieser Beschreibung im Zusammenspiel der Disziplinen umgegangen werden kann, wird im nächsten Kapitel diskutiert. 102 Lediglich Schlink unterscheidet an einer Stelle zwischen „historischen Rekonstruktionsversuchen“ und den Texten selbst  – ohne diese Unterscheidung in seine Überlegungen zur Auslegung der Schrift einzubringen. Vgl. Schlink, Dogmatik, 493 und zur auswertenden Diskussion Abschnitt C 2.1. 103  Vgl. z. B. Berger, Theologiegeschichte, III; Stuhlmacher, Theologie, 85. Vgl. aus katholischer Perspektive z. B. Sander, Autorität, insb. 49. 104 Moxter, Schrift, 168 (zur doppelten Bestimmung der Schrift als Grund und Grenze vgl. die Fußnoten 199 und 201 in diesem Kapitel). Lauster beschreibt die Exegese als „maßgebliches Korrektiv“ dogmatischer Aussagen (Lauster, Entzauberung, 92). Vgl. Körtner, Einführung, 77; Pannenberg, Krise, 14; Schlink, Dogmatik, 30. 105  Vgl. Abschnitt B 1.2.2. und in ähnlicher Absicht Lauster, Prinzip, 464 f. Aus exegetischer Perspektive vgl. z. B. Luz, Hermeneutik, 1–25; Wick, Bilder. 106  Am stärksten ist dies bei Schlink zu beobachten. Vgl. Abschnitt B 1.2.2.a). 107 Dass diese Differenzierung zu einem „Wissenschaftsdefizit“ der Dogmatik führen kann, wurde in Abschnitt C 3.1. dargelegt. Zur Notwendigkeit einer Methodik dogmatischer Schriftauslegung vgl. Abschnitt C 2.4.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

3.3. Ausblick – Komplementäre Fragerichtungen theologischer Schriftauslegung in und zwischen Dogmatik und Exegese – und der praktischen Theologie Die untersuchten Autoren beschreiben jeweils auf ihre Weise ein komplementäres Verhältnis zwischen exegetischer und dogmatischer Schriftauslegung.108 Deutlich wurde, dass die scharfe Unterscheidung zwischen historischen und dogmatischen Fragestellungen weder der Arbeitsweise der exegetischen Forschung noch den Bezügen auf exegetische Literatur und Fragestellungen bei den untersuchten Autoren entspricht. In der Konkretion bleiben diese Überlegungen jedoch zumeist offen und, wie im vorangegangenen Abschnitt deutlich wurde, zum Teil differenzierungsbedürftig. Ausblickend sollen im Folgenden Linien zur weiteren Reflexion auf dieses Verhältnis an der Schnittstelle einer „Fundamentaldogmatik“ und einer „Fundamentalexegese“ skizziert werden.109 Als Ausgangspunkt für eine differenziertere Beschreibung theologischer Schriftauslegung in den und zwischen den Disziplinen Dogmatik und Exegese können Überlegungen von Schlink, Mildenberger und Körtner zu den Fragerichtungen theologischer Forschung dienen.110 Schlink differenziert zwischen biblischer und dogmatischer Hermeneutik nicht zur Unterscheidung zwischen den theologischen Disziplinen, sondern als Erkenntniswege in den Disziplinen sowohl im Blick auf die Schrift als auch auf die Dogmen.111 Mildenberger unterscheidet zwischen unterschiedlichen Fragerichtungen theologischer Schriftauslegung und beschreibt theologische Fragen auf der einen Seite, die mit einer normativen Intention auf die Inhalte des Glaubens sowie deren Kohärenz und Übereinstimmung mit der Grundlage des Glaubens, mithin Jesus Christus zielen, und historische Fragen auf der anderen Seite zur Beschreibung der Texte in ihrem historischen Kontext ohne normative Intention.112 Dabei verbindet er diese Reflexionsstufen theologischen Arbeitens zunächst gerade nicht mit den theologischen Disziplinen.113 Ähnlich unterscheidet Körtner zwischen unterschiedlichen Leseperspektiven: Er differenziert die 108 Vgl.

Abschnitt B 5.2.5.  Die folgenden Überlegungen bewegen sich im Rahmen der Prolegomena zur Theologie, verstanden als die Gesamtheit ihrer Fächer. Ob diese mit der Bezeichnung „Fundamentaltheologie“, die in dieser Studie im Blick auf die Dogmatik verwendet wurde, zutreffend abgebildet sind oder ob angesichts der faktisch zu beobachtenden Okkupation des Terminus in der systematischen Theologie nicht nur eine andere Terminologie, sondern auch eine andere Verortung der theologischen Prolegomena von Nöten ist, ist weiter zu diskutieren. Vgl. einführend z. B. Petzoldt, Fundamentaltheologie. 110 Vgl. zum Hintergrund einiger der folgenden Überlegungen van Oorschot, Schriftauslegung. 111  Vgl. Abschnitt B 1.2.1. 112 Vgl. Mildenberger, Unity, 391 f. 113  Vgl. Mildenberger, Theorie, 45. In der weiteren Entwicklung der Argumentation werden diese dann jedoch nicht nur in einem Stufenmodell einander über- und untergeordnet, sondern auch auf die einzelnen Disziplinen begrenzt. Dieses hierarchische Modell gründet in seinem Theologiebegriff. Vgl. zur Kritik Abschnitt B 3.3. 109

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen 355

„Haltung gegenüber dem Geltungsanspruch ihrer Texte bzw. in der Erwartungshalten, die die Lektüre bestimmt“ im Blick auf die Lektüre der Schrift als Literatur oder als kanonischem Text.114 Im Anschluss an die Überlegungen zum Theologiebegriff muss die von Mildenberger und Körtner vorgenommene Unterscheidung zwischen theologischer Schriftauslegung im weiten Sinn und historischer Schriftauslegung differenziert werden: Fragt man nach der Schriftauslegung in der wissenschaftlichen Theologie, so ist zwischen dogmatischer und historischer Auslegung im oben genannten Sinn zu unterscheiden, die als Reflexionsgeschehen beschrieben wurden.

Darauf aufbauend kann zwischen historischen und systematisierenden Auslegungsperspektiven unterschieden werden. Die Beschreibung dieser Zugänge als systematisierende Auslegungsperspektive  – im Unterschied etwa zu einer systematischen oder dogmatischen Auslegungsperspektive – bringt dabei den anhaltenden Prozess zum Ausdruck, in dem biblische Texte unter eine spezifischen Fragestellung interpretiert werden. Markiert wird auf der einen Seite der konstitutiv unabgeschlossene Charakter dieses Unterfangens. Auf der anderen Seite steht nicht die Auslegung vor dem Hintergrund eines oder mehrerer Dogmen vor Augen. Die Beschreibung zielt nicht darauf, die biblischen Texte in ein bestimmtes System hinein zu lesen oder im Blick auf Dogmen auszulegen, sondern den systematisierenden Zug einer deutenden Schriftauslegung unter einer spezifischen Fragestellung zum Ausdruck zu bringen. Systematisierende Auslegungsperspektiven beschreiben weniger Grenzen zwischen den theologischen Disziplinen als vielmehr als Richtungen theologischen Forschens, die mit unterschiedlichen Gewichtungen und Ausprägungen in den Disziplinen verfolgt werden. Dies zeigt ein Blick in die vielfältige Praxis dogmatischer und exegetischer Arbeit: Auch in der Dogmatik werden historische Fragen traktiert  – Redaktionsgeschichte, Motivgeschichte, Traditionsgeschichte und Rezeptionsgeschichte haben längst Einzug gehalten in die dogmatische Forschung. Umgekehrt arbeiten auch Exegetinnen und Exegeten nicht nur mit historischen Methoden, sondern sie interpretieren Texte punktuell auch unter einer spezifischen Fragestellung in systematisierender Absicht und sind geprägt von subjektiven Denkvoraussetzungen.115 Damit ist die Wahrnehmung dieser Fragerichtungen als Perspektiven der theologischen Forschung im oben genannten Sinn verbunden: Theologische Schriftauslegung ist nicht in Abgrenzung zur historischen Schriftauslegung zu bestimmen – ihre Notwendigkeit ergibt sich vielmehr gerade aus dem Gegenstand. Diese Beschreibung ernst zu nehmen bedeutet, dass auch in der Dogmatik ein unhistorischer, unmittelbarer Zugriff auf die biblischen Texte unmöglich ist, will sie ihren Gegenstand nicht verfehlen.116 So wird die Reflexion auf die biblischen Texte als historischer Quellen zu einem genuinen Teil dogmatischer Schrift Körtner, Einführung, 87.  Vgl. Abschnitt C 3.2. 116  Vgl. Abschnitt C 2.3.3. 114 115

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

auslegung – und nicht eine Deutungsperspektive, die allein in die exegetischen Disziplinen verlagert werden kann. Ausgehend von dieser Beschreibung kann es als Aufgabe theologischer Schriftauslegung zwischen Exegese und Dogmatik festgehalten werden, unterschiedliche Fragerichtungen aufeinander zu beziehen.117 Diese Zuordnung muss einerseits die Pluralität der Fragerichtungen sensibel aufnehmen und andererseits eine Verflechtung zwischen ihnen schaffen. Gegen Mildenbergers fast resignative Beschreibung der Disziplinen Exegese und Dogmatik als „Koexistenz im Kompromiss“118 und der bei ihm erkennbaren impliziten Hierarchisierung der theologischen Disziplinen, kann damit an Körtners Beschreibung der Arbeitsgemeinschaft derselben angeknüpft werden.119 Weiterführend ist dabei nicht eine Zusammenführung, sondern eine „kombinatorische“ Verschränkung theologischer Fragehorizonte im Anschluss an das Modell kombinatorischer Theologie von Dalferth: Nach Dalferth wird Verstehbarkeit zwischen verschiedenen Sprachen und Rationalitäten durch Kombination der Systeme erreicht.120 Die Methode besteht daher in der Kunst der Kombination verschiedener Reflexionssysteme mit ihren je eigenen Rationalitäten, um einen „Orientierungsrahmen gemeinsamer Deuteaktivitäten und Gestaltungsverfahren“ zu entwickeln.121 Die Theologie ist für Dalferth daher eine komplexe Interpretationspraxis, welche die Interpretation christlichen Glaubens, des christlichen Glaubenslebens und des jeweiligen kulturellen Gesamtgefüges aufeinander bezieht.122 Versucht man Dalferths Überlegungen für die Frage nach der Schriftauslegung fruchtbar zu machen, so ergeben sich folgende Eckpunkte einer „kombinatorischen Schriftauslegung“. Erstens muss gegen Mildenberger festgehalten werden, dass der theologische Charakter der Schriftauslegung nicht in einer der Disziplinen oder Fragerichtungen begründet liegt, sondern in der Kombination aller. Somit wirkt dann nicht die eine – exegetisch, dogmatisch und ethisch – kaum zu bestimmende Sache der Schrift einheitsstiftend, sondern in der Schriftauslegung selbst ver117 Beispiele solcher Perspektivverschränkungen finden sich z.  B. im Themenfeld der Christologie (vgl. z. B. Danz, Jesus; Danz/Murrmann-Kahl, Jesus), der Gotteslehre (vgl. z. B. Clauẞen, Trinität), der Soteriologie (vgl. z. B. Schwöbel, Botschaft) oder der Schriftlehre (vgl. z. B. Bockmuehl/Torrance, Scripture; Focken/van Oorschot, Schriftbindung; Leonhardt/Rösel, Schriftprinzip). 118 Mildenberger, Theorie, 63. 119 Vgl. Abschnitt B 4 2.1. Diese Überlegungen stehen im Kontext der eingangs genannten Debatte um die Verbindung von dogmatischen und exegetischen Zugriffen auf die Schrift. Vgl. weiterführend die Beiträge in Clauẞen/Öhler, Exegese; sowie z. B. Ebeling, Exegese; Knoch, Exegese; Schmid, Dogmatik. 120  Dalferth, Kombinatorische Theologie, 14 f. 29. 121  A. a. O., 5. 122  Vgl. Dalferth, Theologie, 53.

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen 357

binden sich die verschiedenen Fragestellungen. Die Auslegung der Schrift ist eine gemeinsame und verbindende Aufgabe der theologischen Fächer  – in Wahrung und Verschränkung der je eingenommenen Perspektiven. Die komplementär-dialogische Verbindung verschiedener methodisch kontrollierter Fragestellungen macht dabei den Charakter einer wissenschaftlichen Theologie aus und unterscheidet diese zugleich von der kirchlichen Schriftauslegung. Die Methodiken dieser kombinatorischen Schriftauslegung weiter zu schärfen, wäre eine zentrale Aufgabe eines solchen Modells.123 Zweitens ist deutlich, dass eine solche theologische Schriftauslegung nicht monoreferentiell arbeiten kann, sondern immer im Plural existiert – ohne dabei in die Beliebigkeit abzugleiten. Mit Michael Welker gesprochen, braucht es einen Pluralismus der Perspektiven, der über eine beliebige Pluralität hinausgeht.124 Die Kombination verschiedener Perspektiven darf nicht selbst zu Vereinfachungen und schlichten Analogien führen: Ziel der Schriftauslegung muss die Erarbeitung von differenzierten Reflexionen sein, welche statt monolithischer Analogienbildung systemische, kanonische, historische oder gegenwärtige Differenzen aufeinander bezieht.125 Leitend ist demnach die Suche nach Differenzstrukturen und Problembeschreibungen, die sich in den sehr divergenten Kontexten der Schriftauslegung beobachten lassen. Eventuell aufscheinende hermeneutische Differenzanalogien können dann für die jeweiligen Diskussionen fruchtbar gemacht werden. Dabei ergänzen sich drittens die Auslegungsweisen nicht nur, sondern begrenzen sich auch. Die skizzierte Zuschreibung an die historische Schriftauslegung, den Eigensinn der biblischen Texte zu wahren, kann dann durch eine komplementäre Zuschreibung systematisierender Auslegungsweisen ergänzt werden: Während die historische Fragerichtung vor willkürlicher aktualisierender Auslegung schützen, bewahrt die systematisierende Fragerichtung davor, den Deutungsanspruch und die systematisierenden, in ihren Bezugskontexten auch aktualisierenden Interessen der biblischen Texte zu übergehen  – sowohl innerhalb als auch zwischen den theologischen Disziplinen. Die kom123 Dies gilt auch für bestehende Ansätze einer solchen Verschränkung wie die in Fußnote 117 genannten. 124 Ein solcher liegt nach Welker bereits in der Schrift selbst vor: Trotz des vielfältigen historischen und kulturellen Gewichts der Schrift und der inhaltlichen Pluralität biblischer Texte handle es sich nicht um eine beliebige Pluralität, sondern um „kontrastive und vernetzte Zeugnisse von Gott und Gottes Wirken“, deren Verweisungszusammenhang eine „begrenzte Mehrzahl exemplarischer Möglichkeiten“ ergäbe und somit ein plurales kanonisches Gewicht der Schrift konstituiere (Welker, Gewicht, 15. Vgl. Ders., Scriptura. Umgebungen; Ders., Scriptura. Biblische Theologie). Wie diese „begrenzte Mehrzahl“ identifiziert und beschrieben werden kann, wäre eben eine Frage im interdisziplinären Austausch. 125 Vgl. Welker, Gewicht, 23–26. Es geht also nicht darum, z. B. innerbiblische Auslegungsstrategien für die gegenwärtige Schriftauslegung zu aktualisieren – dies würde sowohl die historische Differenz als auch die unterschiedlichen Fragerichtungen ignorieren.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

binatorische Verschränkung lebt auf der einen Seite von den unterschiedlichen Kompetenzen und Expertisen in den theologischen Disziplinen, bedarf auf der anderen Seite aber auch eine Reflexion ihrer jeweiligen Spezifika, sowie des Gesamtzusammenhangs der Fächer. Somit verlangt ein solches Modell zuletzt, über die Grenzen zwischen den Disziplinen nachzudenken. Der Ansatz bei der Schriftauslegung als einer gemeinsamen Aufgabe der theologischen Fächer  – unter anderen, die zu bestimmen wären  – bietet dazu einen aussichtsreichen Ansatzpunkt.126 Über die skizzierte Verbindung von Dogmatik und Exegese stellt die Methodik der vorliegenden Studie eine weitere Dimension interdisziplinärer Reflexion auf die Schrift vor Augen: In der Zusammenstellung von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch kommt das Verhältnis von analytischempirischen und dogmatischen Fragerichtungen in der und für die Dogmatik in den Blick. Als Problembeschreibung im Blick auf die empirische Religionsforschung markiert Deeg dieses Verhältnis überspitzt: „Als Systematiker ist es augenscheinlich möglich, Aussagen über ‚unsere Frömmigkeitspraxis‘ zu treffen, ohne sich von empirischen Erkenntnissen beeinflussen oder beunruhigen zu lassen.“127 Demgegenüber wurde in der vorliegenden Studie die Selbstbeschreibung dogmatischer Schriftauslegung und der faktische Umgang mit der Schrift in einem komplementären Zirkel zusammengebracht: Die dogmatischen Aussagen über die Schrift und ihre Auslegung werden mit den Analysen des Schriftgebrauchs verbunden, um zu einer vertieften Beschreibung dogmatischen Schriftverständnisses und Schriftauslegung zu gelangen. In diesem Zirkel kann nicht nur die eingangs skizzierte Lücke der Schriftlehre in der Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift konstruktiv bearbeitet werden, wie im folgenden Abschnitt ausgeführt wird. Auch erschließt sich eine Beschreibung dogmatischer Schriftauslegung über die expliziten Reflexionen der 126 So beschreibt beispielsweise Nüssel ein Ringen um Methoden der Schriftauslegung und formuliert Fragerichtungen der theologischen Disziplinen: Aufgabe historisch-kritischer Forschung ist es den historischen Charakter der Texte herauszustellen, die Genese der Texte zu rekonstruieren, sowie zwischen Aussageintention, Auslegungsdynamik und Auslegungsfragen zu unterscheiden – mit dem Ziel der „Selbstaufklärung über die eigenen Auslegungsinteressen“ (Nüssel, Projekt, 247). Die Praktische Theologie fragt nach der „Hermeneutik, Methodik und Praxis der Auslegungsformen“ und die systematische Theologie danach, wie das biblische Gotteszeugnis heute zur Geltung gebracht werden kann (a. a. O., 248). Aufgabe der Kirchengeschichte wiederum sei die Rekonstruktion der Auslegungsgeschichte als Voraussetzung gegenwärtiger Schriftauslegung (a. a. O., 249). 127  Deeg fomuliert dies in seiner Darstellung von Slenczkas Position (Deeg, Kanones, 277). Benannt wird diese Perspektive von Mildenberger, der die empirisch-kritische Reflexion als dritte theologische Fragerichtung beschreibt. Ein empirisches Interesse  – in dogmatischer Deutungsabsicht – wird auch im Blick auf die Schrift deutlich, wenn er die postulierte Einheit der Schrift in der faktischen kirchlichen Auslegung und Schriftpraxis zu beschreiben sucht. Dieses reflektiert er jedoch nicht im Blick auf das Schriftverständnis. Vgl. Abschnitt B 3.2.2.

3. Kombinatorische Schriftauslegung in und zwischen den theologischen Disziplinen 359

untersuchten Positionen hinaus, indem aus den Analysen des Schriftgebrauchs implizit bleibende Implikationen des Schriftverständnisses erkennbar wurden. Exemplarisch konnte so gezeigt werden, worin der dogmatische Ertrag einer solchen zirkulären Verbindung dogmatischer Beschreibung und empirisch-analytischer Untersuchung liegen kann. Die Studie geht daher einen ersten Schritt auf dem Weg zu der von Dalferth geforderten „Praxis-Hermeneutik der Schrift“ im Blick auf das Verständnis der Schrift als ausgelegte Schrift in der Dogmatik.128 Ob diese – im Anschluss an praxistheoretische Ansätze – als Form einer „Schriftpraxeologie“ weiter zu entfalten ist, wäre zu diskutieren. Sie trifft auf Seiten der Praktischen Theologie auf den in der Einführung beschriebenen „biblical turn“, der das Verhältnis des Schriftverständnisses zum faktischen Umgang mit der Schrift in den Blick nimmt.129 Insofern kann der vorliegende Ansatz auch als ein Versuch beschrieben werden, an der Schnittstelle der Disziplinen Dogmatik und Praktischer Theologie empirische Beschreibung und systematisierende Reflexion zu verbinden und auf diese Weise die eingangs skizzierte enzyklopädischen Dimension der Krise des Schriftprinzips in der Kluft zwischen Schriftlehre und Schriftgebrauch zu bearbeiten. Um diese weiterzuführen, bedarf die übergeordnete Frage nach dem Verhältnis von dogmatischer und empirisch-analytischer Fragerichtung innerhalb und zwischen den theologischen Disziplinen weiterer Diskussion, insbesondere im Blick auf die Methodik, die Ziele und die Verhältnisbestimmung der Fragerichtungen. Diese Weiterführung berührt zum einen die Frage nach dem Charakteristikum und der Methodik dogmatischer Arbeit selbst, die auch in dieser Studie im Blick auf die Schriftauslegung tangiert wurde.130 Zum anderen geht sie in die Verhältnisbestimmung zwischen Dogmatik und Praktischer Theologie über.131 Diese wird vor allem von Seiten der Praktischen Theologie formuliert und in Konzepten von „Alltagsdogmatik“ oder „gelebter Theologie“ entworfen.132 Dogmatische Antworten auf diese Konzeptionen oder interdisziplinäre Debatten sind bislang spärlich und ein Desiderat enzyklopädischer Debatten weit über die Schriftauslegung hinaus.133

128 Dalferth,

Wort, 423 f.  Schlag, Anknüpfung, 120–125. Vgl. Abschnitt A 1.3. 130 Vgl. Abschnitt C 2.4. 131 Vgl. zum Verhältnis von Praktischer Theologie und Dogmatik einführend z. B. Schlag, Glaubenswirklichkeiten. Das Verhältnis der Ethik zu empirischen Fragestellungen ist insofern bereits differenzierter bestimmt als der Bezug auf die Forschungsergebnisse und -fragen der jeweiligen Bezugswissenschaften einen zentralen Ausgangspunkt ethischer Urteilsbildung darstellt. Als ein selbstreflexiver Vorgang – also als Frage nach den faktischen Prozessen der Urteilsbildung – kommt er wie in der Dogmatik kaum in den Blick. 132  Vgl. z. B. Steck, Alltagsdogmatik; Weyel, Sinn. 133 Vgl. z. B. die exemplarischen Beiträge in Korsch/Charbonnier, Sinn; Grötzinger / Pfleiderer, Religion. 129

360

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre Bei den untersuchten Autoren wurde eine Leerstelle im Blick auf die fundamentaltheologische Dimension des Schriftverständnisses festgestellt.134 Diese im Blick auf die Leitfrage der Studie nach dem Status der Schrift in und für die Dogmatik zu füllen, ist Ziel des folgenden Kapitels. Dabei wird die in der Einleitung diskutierte Frage nach der Verortung der Schriftlehre aufgegriffen, sowie Präzisierungen für die Beschreibung des Status der Schrift in der und für die Dogmatik vor dem Hintergrund der Rede von der Autorität der Schrift skizziert.

4.1. Schriftlehre und Schriftverständnis – Zur doppelten Verortung der Schrift im Kontext der Dogmatik Wie in der Einführung dargestellt, spiegelt sich die Frage nach dem Status der Schrift in der und für die Dogmatik in der Diskussion um die Verortung der Schriftlehre in der Dogmatik.135 Die in dieser Studie untersuchten Autoren verorten die Schriftlehre in den Kontext von Soteriologie und Ekklesiologie. Zugleich zeigt der Gebrauch der biblischen Texte in den untersuchten Positionen eine Bedeutung der Schrift, die über die Schriftlehre hinausweist: so wird der besondere Status der Schrift als Erkenntnisprinzip von den untersuchten Autoren – oft im Rekurs auf die Bekenntnistexte – affirmiert und in den Ausführungen zur Schriftauslegung beschrieben.136 Zugleich zeigt der Schriftgebrauch, dass die Schrift als Quelle, Kriterium und Gegenstand der Auslegung auch für andere dogmatische Loci in Anschlag gebracht wird und sich für die dogmatische Reflexion performativ in Geltung setzt.137 Nimmt man das Gefüge von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch in den Blick, reicht das darin zum Ausdruck kommende Schriftverständnis weit über die expliziten Aussagen in der Schriftlehre hinaus: Wie der Status der Schrift in der und für die Dogmatik bestimmt wird, kommt in der Schriftlehre nur in Teilen zum Ausdruck. Die nachgezeichnete performative Imponierung der Schrift in ihrer Auslegung macht deutlich, dass diese Verortung begleitet wird von einer selbstverständlichen Inanspruchnahme der Schrift als Erkenntnisprinzip in der dogmatischen Reflexion. Eine Grundlage dafür sind die rekonstruierten Überlegungen zur Schriftauslegung im Kontext der des Theologiebegriffs, der Überlegungen zur Dogmatik, sowie der exegetischen Fächer und ihres Zusammenhangs. Hier finden sich konstitutive Beschreibungen der  Vgl. die Abschnitte B 5.1.1. und C 1.  Vgl. Abschnitt A 1.2. 136  Vgl. Abschnitt B 5.2.2. 137  Vgl. Abschnitt C 1.2., sowie zu den Spezifika dieses Schriftbezugs die Abschnitte C 2.1. und C 2.2. 134 135

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

361

Schrift und ihrer Bedeutung, die sich insofern als Teil des Schriftverständnis beschreiben lassen. Für die Erhellung des Schriftverständnisses sind daher die unterschiedlichen Fragestellungen in der Schriftlehre und die Reflexionen zur Auslegung der Schrift gleichermaßen konstitutiv. Die Verortung der Schrift sowohl in der Soteriologie, Pneumatologie oder Ekklesiologie als auch in der Fundamentaltheologie ist daher folgerichtig – oder anders formuliert: Die Reflexion der Schriftauslegung ist für das Schriftverständnis ebenso entscheidend wie die Ausführungen in der Schriftlehre.

4.2. Die Rede von der Autorität der Schrift und ihr fundamentaltheologischer Status Diese Einbindung der Schriftlehre in einen weiteren Horizont des Schriftverständnisses hat Rückwirkungen auf die Beschreibung des Status der Schrift in der Schriftlehre selbst. Diese Wechselwirkung wurden in den untersuchten Positionen nicht explizit: In der Rede von der Schriftauslegung kommen die Implikationen dieser Beschreibung im Blick auf die Schriftlehre, insbesondere zur Frage nach den Spezifika und der Begründung des Status der Schrift als Erkenntnisprinzip nicht in den Blick. Im Kontext der Schriftlehre wird die Frage nach dem Status der Schrift von den untersuchten Autoren unter dem Begriff der „Autorität“ begründet.138 Offen ist, ob und wie diese Beschreibung auch zur Präzisierung des untersuchten Status der Schrift in der und für die Dogmatik geltend gemacht werden kann. Im Zwischenfazit wurden die unterschiedlichen Begründungslinien zur Autorität der Schrift nachgezeichnet und insbesondere im Blick auf den Wechsel der Beschreibungsebene problematisiert:139 Von den Autoren rezipiert werden die Beschreibungen des fundamentaltheologischen Status der Schrift aus den Bekenntnistexten  – begründet und beschrieben hingegen die Autorität der biblischen Texte als Schrift in ihrer glaubenden Rezeption. Die Rede von der Autorität der Schrift ist folglich eine soteriologisch-pneumatologische Kategorie. Wird jedoch nach der Aufgabe der Dogmatik – und der Theologie – im Blick auf die wissenschaftliche Dogmatik und Theologie gefragt, kann diese zwar auf die glaubende Rezeption reflektieren, aber nicht auf pneumatologische Begründungen dieser zurückgreifen. Die im Kontext der Soteriologie und Pneumatologie geleistete Begründung der Autorität der Schrift ist im Blick auf die Frage nach dem Status der Schrift in und für die Dogmatik wenig tragfähig. Als Leitbegriff zur Beschreibung des fundamentaltheologischen Status der Schrift ist der Begriff durch die primäre soteriologisch-pneumatologische Begründung und Konnotation der 138  Vgl. Abschnitt B 5.1.3. Zur Abgrenzung zur Rede von der Schrift als Norm vgl. Abschnitt B 5.1.2. 139  Vgl. Abschnitt B 5.1.3.

362

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Autorität daher missverständlich und für die Beschreibung des fundamentaltheologischen Status der Schrift aufzugeben.140 Ähnliches gilt für die Rede von der Schrift als Norm: Diese wird von den Autoren aufgegriffen und mit der Beschreibung des normativen Charakters der Theologie verbunden.141 Hier wird deutlich, dass bei den Autoren der weite Theologiebegriff und die damit verbundenen pneumatische Zugänge zur Schrift im Hintergrund steht. Werden pneumatische Zugänge im Rahmen einer wissenschaftlichen Theologie, bzw. Dogmatik ausgeschlossen, so verliert auch diese Begründungslinie ihre Valenz.142 Die im Schriftgebrauch beobachtete performativen Imponierung der Schrift und die Hinweise auf die erkenntnisleitenden Funktionen der Schrift in den Überlegungen zur Schriftauslegung nötigen zugleich, diesen besonderen Status der Schrift im fundamentaltheologischen Sinn weiter zu reflektieren. Daher gehört sowohl eine Verhältnisbestimmung der Rede von der Autorität der Schrift und dem fundamentaltheologischen Status der Schrift als auch eine Reflexion möglicher Implikationen der Rede von der Autorität der Schrift für die Beschreibung des fundamentaltheologischen Status der Schrift. Notwendig ist zudem eine terminologische Präzisierung des fundamentaltheologischen Status der Schrift. Diesen drei Desideraten wird im Folgenden nachgegangen. 4.2.1. Der fundamentaltheologische Status der Schrift als referentielle Bestimmung zur Autorität der Schrift Auffallend ist bei allen Autoren die referentielle Struktur der Rede von der Autorität der Schrift. In den soteriologisch-pneumatologischen Beschreibungen wird die Autorität der Schrift als eine abgeleitete Autorität beschrieben: Übereinstimmend begründen die Autoren die Autorität der Schrift in dem, das in den

140 Auch ist der Begriff in ihrer Geschichte stark belastet – Freiheit und Freiwilligkeit, vernunftgeleitetes Erkennen und individuelle Gestaltung werden auch im Kontext der Rede von der Schriftautorität verletzt gesehen. Stellvertretend für eine breite Debatte sei exemplarisch Lauster zitiert, der die Rede vom sola scriptura als „protestantische[s] Gegenstück[] [zur] päpstliche[n] Unfehlbarkeit“ bezeichnet (Lauster, Entzauberung, 78). Wie diese durch die Aufnahme eines relationalen Autoritätsbegriffs in der Theologie ein Stück weit begegnet werden kann, wird im Folgenden ausgeführt. Vgl. zum Autoritätsbegriff aus systematisch-theologischer Perspektive und seiner Kritik einführend Beintker, Art. Autorität. Zu einem weiteren Hintergrund der missverständlichen Rede von der Autorität der Schrift in dieser Fragestellung vgl. Roths Differenzierung zwischen Glauben, Offenbarung und Schrift (vgl. Roth, Verhältnis, insb. 241–245) und Oswald Bayers Verhältnisbestimmungen von Schriftautorität und Vernunft (vgl. Bayer, Autorität, insb. 39–82). 141  Vgl. Abschnitt B 5.1.2. 142  Vgl. Abschnitt C 3.1.

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

363

biblischen Texten bezeugt wird, mithin dem Evangelium von Jesus Christus.143 Diese Referenz ist pneumatisch konstituiert, weil und insofern die biblischen Texte dieses Evangelium erkennen lassen. Friedemann Stengel folgert daher, von einem „Christusprinzip“ zu sprechen.144 Diese Rede von Christus als Prinzip ist m. E. wenig weiterführend, da er impliziert, dass der für die Schrift beschriebene historische Abstand, die Pluralität der Zeugnisse und die Verborgenheit ihrer Sache durch den Rekurs auf „Christus“ überwunden werden könne. Die Analysen zeigen im Gegenteil, dass der Rekurs auf Christus eine – auf der soteriologischpneumatologischen Beschreibungsebene notwendige  – Chiffre darstellt, die sich nur pneumatisch füllen lässt und intersubjektiv nur in Form des Zeugnisses greifbar ist. Zur Präzisierung einer erkenntnisorientierenden Größe im fundamentaltheologischen Sinn ist diese Beschreibung daher nicht weiterführend. Diese Schwierigkeit betrifft die Rede von der Schrift als Prinzip im Allgemeinen, weshalb die vorliegende Beschreibung eine prozedurale und relationale Verbindung zwischen Schrift und Dogmatik vorschlägt.145

Im Anschluss an Paul Metzger lässt sich diese abgeleitete Autorität als referentielle Autorität präzisieren.146 In der Beschreibung eines Referenzverhältnisses treten die Akteure und damit die Rezeptionsgruppen der Schrift in den Vordergrund. In diesem Sinn lässt sich der Zusammenhang zwischen der Rede von der Autorität der Schrift und dem fundamentaltheologischen Status der Schrift weiterführend präzisieren: Letzterer lässt sich nicht aus der pneumatischen Beschreibung der Autorität der Schrift ableiten, vielmehr ist die Dogmatik vermittelt über ihren Bezug zur Gemeinschaft der Glaubenden an diesem Autoritätsgefüge beteiligt. In den untersuchten Positionen wird dieser Überschritt implizit vollzogen: Weil die Theologie sich dergestalt auf den glaubenden Schriftbezug und der dort beschriebenen Autorität der Schrift bezogen weiß, dass sie ihr Spezifikum als theologische Rezeption verlöre, wenn sie diesen Bezug auf die Schrift nicht nachvollzöge, gelte die Autorität der Schrift im Sinne eines Erkenntnisprinzips auch für die Dogmatik.147 Zwei entscheidende Präzisierungen sind den untersuchten Positionen gegenüber einzuziehen.

143 Dass die historische Begründungslinie der Autorität im Sinne der Ursprungsnähe der Texte ebenso wie der Rekurs auf die Kanonizität der Texte in den untersuchten genannt werden, aber ihnen keine zentrale Bedeutung zukommt, wurde an anderer Stelle dargelegt. Vgl. Abschnitt B 5.1.2. 144 Stengel, Scriptura, 90–115. 145 Vgl. zur Problematik der Rede vom Schriftprinzips vgl. Abschnitt C 4.4. und Schulz, Schrift, insb. 254–260 (vgl. insb. Fußnote 50 in diesem Kapitel). 146  Metzger führt den Wortursprung auctoritas als Gewährleistung ein und beschreibt, dass die Autorität als Referenz zu ihrem Bezugsgebenden gefasst werden kann (vgl. Metzger, Sie über sich, 20.26). Die Frage nach der auctoritas der Schrift lässt sich somit als Fragen nach dem rechtem oder vertrauensvollen Urheber reformulieren. 147 Tietz formuliert: „Kann man, darf man, als Theologie Gott als personalen Grund dieses Angesprochenseins zur Geltung bringen oder noch so etwas wie ein Reden oder Handeln Gottes denken, weil Glaubende dies tun, oder muss Theologie diese Ebene verlassen und nur

364

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Erstens ist diese Referenz – anders als in der als Offenbarungsgeschehen beschrieben Autoritätskonstitution der Schrift – nicht pneumatisch konstituiert, sondern verdankt sich dem Bezug der Theologie auf eine spezifische Auslegungsgemeinschaft, in denen den Texten kanonischer Status zukommt.148 Die Bedeutung der Schrift lässt sich daher gerade nicht als ihre „Wirksamkeit“ beschreiben149  – mit der Rede von der Wirksamkeit ist eine pneumatische Kategorie aufgerufen, die für die fundamentaltheologische Bedeutung der Schrift in der wissenschaftlichen Dogmatik aus den oben genannten Gründen zumindest irritierend wirkt, wenn nicht irreführend ist. In den untersuchten Positionen kommt diese Differenzierung in der Verortung der Reflexion auf den fundamentaltheologischen Status der Schrift implizit zum Ausdruck: Dieser wird aus dem Zusammenhang des Theologieverständnisses beschrieben und nicht aus der Schriftlehre entfaltet. Die Schrift ist daher Thema und Erkenntnisprinzip der Theologie, weil und insofern die Theologie an die Kirche und die dort verortete glaubende Rezeption der biblischen Texte als Kanon verwiesen ist. In dieser Referenzstruktur kommt der Begründungslinie der Autorität der Schrift über den Kanon für die Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift entscheidende Bedeutung zu.150 Zweitens muss in Fortsetzung der zum Theologiebegriff vorgeschlagenen Differenzierungen festgehalten werden, dass diese Beschreibung für die Theologie als einen reflexiv auf den glaubenden Vollzug gerichtetes Unterfangen keine Begründungsleistung entfaltet, sondern ein Referenz- oder Verweisverhältnis beschreibt: Die Theologie ist an die Beschreibung der Autorität der Schrift verwiesen, insofern sie das Selbstverständnis der Glaubenden reflexiv einholen möchte.151 Sie ist aber der Autorität der Schrift nicht auf gleiche Weise unterstellt. Der in den Überlegungen zur Schriftauslegung und im Schriftgebrauch erkennbare besondere Status der Schrift ist Ausdruck dieses Referenzverhältnisses, enthält aber keine Begründung. Dieses Referenzverhältnis zu begründen, ist im Verhältnis von Theologie und Kirche zu entfalten, welches im Rahmen dieser Studie nur punktuell thematisiert werden konnte. Aus den Beschreibungen der Autorität der Schrift in den untersuchten Positionen lässt sich jedoch das Verständnis des fundamentaltheologischen Status der Schrift präzisieren, indem – wie im Folgenden entfaltet – nach Implikationen aus der Rede von der Autorität der Schrift gefragt wird.

noch in der Außenbeschreibung auf religiöse Vorgänge blicken? Wird das Selbstverständnis der Glaubenden so angemessen abgebildet?“ Tietz, Ringen, 299. 148  Zum Zusammenhang von Schriftbezug und Auslegungsgemeinschaft vgl. Abschnitt C 4.4. 149  Schoberth, Regel, 100. 150  Diese wurde von den Autoren im Zusammenhang der soteriologisch-pneumatologischen Beschreibung als untergeordnet bewertet. Vgl. Abschnitt B 5.1.3. 151  Vgl. zum Theologiebegriff Abschnitt C 3.1.

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

365

4.2.2. Die relationale Struktur der Schriftautorität und der Status der Schrift in der und für die Dogmatik Vergleicht man die untersuchten Schriftlehren auf ihre Begründungslinien zur Schriftautorität, wird deutlich, dass Autorität als ein gegenseitiges Anerkennungs- und Zuerkennungsgeschehen explizieren: In unterschiedlicher Weise beschreiben die Autoren die Erschließung der Schrift als ein geistgewirktes Geschehen, auf das der Glaubende in der weiteren Aneignung der Schrift antwortet. Schriftautorität ist also verortet im Gefüge der Rezeptionsprozesse zwischen Schrift, Auslegung und Schriftauslegern. Diese Begründungsstruktur der Schriftautorität entspricht Umformungen des Autoritätsbegriffs im Sinne einer „relationalen Autorität“, die sich in philosophischen und pädagogischen Debatten finden und in der Schriftlehre aufgegriffen werden: Autorität wird nicht als gegeben oder einseitig feststellbar formuliert, sondern als ein gegenseitiges Anerkennungs- und Zuerkennungsgeschehen reformuliert, das auf eine Praxis der Anerkennung angewiesen ist.152 Jüngst wies Metzger auf die Kompatibilität dieses relationalen Ansatzes mit dem Selbstanspruch biblischer Texte hin.153 Auch Kelseys Überlegungen zum Schriftgebrauch sind mit einem solchen relationalen Verständnis von Autorität verbunden. So beschreibt Kelsey einen „relational character of the authority scripture is supposed to have for theology“ und präzisiert: „To talk about the ‚authority of scripture for theology‘ is, at very least, to talk about a relation that must obtain between scripture and theological proposals.“154 Diese Beschreibung ist bei Kelsey eng mit seinem funktionalen Autoritätsbegriff verbunden: Nach Kelsey beschreibt die Rede von Schriftautorität keine Eigenschaft der Schrift, sondern verortet diese auf eine spezifische Weise im Kontext des eigenen Theologisierens.155 Er spricht daher von einem funktionalen Verständnis von Autorität: „authority […] always means that the texts ought to be used in a certain way“.156 Kelseys Überlegungen ist insofern zuzustimmen als die untersuchten Bezugnahmen die Schrift mit bestimmten Funktionen in Anspruch nehmen. Zugleich wird durch die Zusammenstellung von Schriftgebrauch, Schriftauslegung und Schriftlehre einer Engführung des Autoritätsbegriffes gewehrt: Die Frage nach der Art und Weise und den Funktionen der Schrift sind eingebunden in die Frage nach der Bedeutung der Schrift auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene. Dies kommt in der Beschreibung der referentiellen Autorität der Schrift am deutlichen zum Tragen. Diese enge Verbindung macht es unmöglich, wie Kelsey allgemein von einer funktionalen Autorität  Vgl. einführend in die problematische Begriffsgeschichte Beintker: Autorität, 41. ist also […] ein relationaler Begriff. Er bedeutet, dass Autorität von einer Gruppe von Menschen verliehen und akzeptiert werden muss. Autorität wird demnach gemacht und dann bestätigt.“ Metzger: Sie, 25. Metzger schließt mit seinen Überlegungen an Raatzsch an. Zu präzisieren wäre im Gespräch mit Metzger, ob die von Raatzsch explizit im Blick auf moralische Autorität und den Zusammenhang von Autorität und Autonomie entwickelten Überlegungen auf die Autoritätsverhältnisse zwischen einem Text und seinen Rezipienten übertragen werden können. Vgl. Beintker, Art. Autorität, 41; R aatzsch, Autorität, 93–99.116. 154  Kelsey, Uses, 122 [Hervorhebung im Original]. 155  Vgl. a. a. O., 109. 156  A. a. O., 152 [Hervorhebung im Original]. 152

153 „Autorität

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

der Schrift zu sprechen. Eine funktionale Bestimmung stellt vielmehr eine Beschreibungsperspektive der Schrift unter anderen dar.

Die Autoren nehmen diesen Rekurs auf relationale Modelle stellenweise auf, vielfach ist nur implizit eine ähnliche Struktur in der Beschreibung der soteriologisch-pneumatologischen Dimension der Schriftautorität erkennbar.157 Aus dieser Struktur ergeben sich mehrere Präzisierungen für die Beschreibung des fundamentaltheologischen Status der Schrift. Erstens: Wird Autorität als ein Geschehen von Anerkennung und Zuerkennung gefasst, müssen die Strukturen dieser Relationen in den Blick kommen. So kann für die An- und Zuer-kennung eines besonderen Status der Schrift in der und für die Dogmatik zwischen der theoretischen Anerkennung von Autorität, etwa in der Schriftlehre und in der Reflexion der Schriftauslegung, und der Praxis der Anerkennung im Schriftgebrauch unterschieden werden. In der Schriftlehre wird die Autorität der Schrift von allen untersuchten Autoren anerkannt und bestätigt. Explizite Anerkennung zeigt sich jedoch nicht nur hier, sondern auch darin, welche Implikationen diese Beschreibung für die Theoriebildung zur Schriftauslegung in und zwischen den Disziplinen zeigt. In der Untersuchung wird deutlich, dass die Autorität der Schrift bereits in der Beschreibung der Schriftauslegung sehr unterschiedlich konkretisiert wird. Die Untersuchung des Schriftgebrauchs spiegelt die Anwendung dieser auf der Textebene.158 Zweitens rückt die relationale Beschreibung die Relationsgefüge dieser An- und Zuerkennungsprozesse in den Blick: An- und Zuerkennung von Autorität vollzieht sich über eine Zeit hinweg und in bestimmten Rezeptionsgemeinschaften. In der Gemeinschaft der Glaubenden wird die Autorität der Schrift in Form des Bekenntnisses anerkannt.159 Zwischen der in der Rezeptionsgemeinschaft sich konstituierenden Anerkennung der Schriftautorität und der individuellen Zuordnung zu dieser besteht ein enges Verhältnis: Die individuelle Inbezugsetzung zur Autorität der Schrift ist nie voraussetzungslos. Dies gilt in gleicher Weise für den besonderen Status der Schrift in der und für die Dogmatik, der referentiell auf die Autorität der Schrift bezogen ist: Der Bezug der Theologie auf die Rezeption der Schrift in der Kirche kommt in den untersuchten Positionen in der Beschreibung der Kanonizität der Schrift und der kirchlichen Rezeptionsgemeinschaften zum Ausdruck. Auf der anderen Seite sind auch in diesen – diachron oder synchron  – ererbten Relationsgefügen individuelle Zuordnungen möglich, wie die Vielfalt der Schwerpunkte im Schriftgebrauch in den Ana-

157 Vgl.

Abschnitt B 5.1.2.  Vgl. Abschnitt C 1.2. Diese Beschreibung kann eingebettet werden in die Frage, in welchen anderen Schriftpraktiken sich Anerkennung oder Ablehnung von Schriftautorität in den unterschiedlichen Rezeptionsgemeinschaften vollzieht. 159  Vgl. Tietz, Streit, 300. Vgl. weiterführend Zeller et al., Autorität. 158

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

367

lysen deutlich macht.160 Dass die untersuchten Positionen nur einen kleinen Teil eines breiten Spektrum möglicher Verhältnisbestimmungen zur Schrift abbilden, sei an dieser Stelle noch einmal betont. Zu fragen ist über diese Studie hinaus nach der Bedeutung des Bezugs der Theologie auf unterschiedliche Rezeptionsgemeinschaften und ihrer Implikationen sowohl für die Rezeption der Schrift als Ganzer als auch für einzelne Textstellen für bestimmte Themen, ebenso wie für die Herausbildung leitender Traditionen innerhalb einer Rezeptionsgemeinschaft.161 Die Analysen des Schriftgebrauch legen drittens nahe, dass die einem Relat zugeschriebene Autorität in solchen Relationsgefügen fluide werden und von den verbundenen Relaten aufeinander übergehen kann. Dies ist sowohl zwischen Texten und ihren Auslegern als auch zwischen Text und Auslegungstraditionen zu beobachten: So dienen Bezugnahmen auf den als autoritativ geltenden Text der Stärkung des eigenen Geltungsanspruchs im Kontext der dogmatischen Reflexion. Die auslegenden Texte erheben sich damit selbst  – explizit oder implizit – in den Status autoritativer Interpretation. Dabei wird zugleich der autoritative Status der rezipierten Schriften gestärkt. Zudem sind die Schriftbezüge oft durch die Tradition anderer Schriftauslegungen vermittelt. Dadurch stellt sich die Frage, inwieweit so eine vermittelte Schriftauslegung, zum Beispiel die lutherische Auslegung der paulinischen Rede von der Rechtfertigung, nicht ähnlichen  – oder sogar höheren  – autoritativen Status erhält als ihn die Schriftlehre der Schrift zuerkennt.162 Dieses Phänomen ist auf der Textebene im Kontext dieser Studie nicht rekonstruierbar, die Analysen des Schriftgebrauch verweisen jedoch gerade in ihren Leerstellen auf diese Implikation. Auch diese Wechselwirkungen sind im Blick auf die Anund Zuerkennungsprozesse von Schriftautorität zu berücksichtigen. Gerade eine vergleichende Analyse der Bezugnahmen auf theologische Traditionen und den Schriftgebrauch wäre an dieser Stelle weiterführend. Folgt man diesen Beschreibungen, so ist eine vierte und letzte Präzisierung des Status der Schrift in der und für die Dogmatik zu ergänzen: Als relationales Geschehen im Zusammenspiel von Schriftverständnis und Schriftauslegung handelt es sich um ein prozesshaftes, dynamisches Geschehen von Zuschreibungen, sowie Zu- und Anerkennung – oder Widerspruch – diesen gegenüber. Dieses Wechselverhältnis – mit seiner spezifischen Unwucht zwischen Vor-gegebenem und Entscheidung  – ist auch in der Zuordnung von Schriftlehre, Schrift160 Vgl. zur Bedeutung der subjektiven Einsicht Slenczka, Historizität, 14. 33. Vgl. Danz, Einführung, 194; Engemann, Schriftautorität, 122 f. 161 Vgl. Abschnitt C 2.3. 162  Je nach Stärke des Rezeptionsstranges einer solchen „autoritativen Auslegung“ kann die Schrift de facto ersetzt werden – schlussendlich wird v. a. Luthers Auslegung der paulinischen Rechtfertigungslehre rezipiert ohne die paulinischen Texte selbst wahrzunehmen. Vgl. dazu in dogmatischer und exegetischer Perspektive van Oorschot/Ziethe, Geltungsanspruch.

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

auslegung und Schriftgebrauch erkennbar: In der Schriftlehre ist eine explizite Anerkennung der Autorität zu erkennen, die sich zum Teil als (prospektive) Zuschreibung von Autorität in der Schriftlehre und den Überlegungen zur Schriftauslegung, zum Teil als (retrospektives) Anerkennen der Autorität im Schriftgebrauch spezifizieren lässt. Die Rede von einem besonderen Status der Schrift in der und für die Dogmatik ist daher keine Festschreibung im Sinne einer Norm oder eines Prinzips, sondern eine Verhältnisbeschreibung im Kontext eines nicht abschließbaren Diskurses.163

4.3. Schriftgemäß? Die Schrift als Kriterium dogmatischer Reflexion im Kontext pluraler Bezugsgrößen Die Reflexion auf den Status der Schrift in der und für die Dogmatik ist in fast allen untersuchten Positionen mit der Beschreibung der Schrift als Kriterium der Dogmatik verbunden, das unter Verweis auf die „Schriftgemäßheit“ der Dogmatik präzisiert wird.164 Diese Beschreibung steht bei den untersuchten Autoren in enger Verbindung mit dem oben skizzierten Spezifikum dogmatischer Schriftauslegung der aneignenden Auslegung: Dogmatik bewegt sich den Autoren zufolge zwischen den Anliegen schriftgemäß und aktualisierend zu argumentieren.165 Schriftgemäßheit ist in Folge für die Autoren nur ein Kriterium dogmatischer Reflexion neben anderen und kann nicht einseitig zur Geltung gebracht werden: Ebenso wie die Schrift den Autoren folgend dann dogmatisch ausgelegt wird, wenn sie im Blick auf eine spezifische Fragestellung angeeignet und somit ausgelegt wird, ist das Kriterium der Schriftgemäßheit dergestalt in Anschlag zu bringen als es nicht einfach einen Bezug auf die biblischen Texte beschreibt, sondern die Schrift auf eben eine solche aneignende und aktualisierende Auslegungsweise in den Diskurs dogmatischer Erwägungen einbezieht. Schriftgemäßheit kann folglich nicht als ein lineares Geschehen gedacht werden, sondern vollzieht sich netzartig in den Bezügen zwischen den dogmatischen Fragestellungen und anderen Bezugsgrößen dogmatischer Urteilsbildung. Dabei handelt es sich um ein dynamisches und zirkuläres Geschehen, dass den Streit der Deutungen nicht zu überwinden sucht, sondern dass sich in diesem Streit unterschiedlicher Deutungen konstituiert. Dogmatik bewegt sich daher – mit Kelsey formuliert – 163 In ähnlicher Absicht bezeichnet Deeg die Schrift – allerdings im Blick auf die kirchliche Rezeption – im Anschluss an Veltri als „perpetuum hermeneuticum“ und beschreibt damit einen „rekursiven Zusammenhang zwischen christlicher Existenz und Lektüre der Bibel“. Deeg, Kanones, 275 [Hervorhebungen im Original]. Vgl. weiterführend Abschnitt C 4.4. 164  Nur Pannenberg vermeidet diesen Begriff und spricht von der Schrift als Maßstab. Vgl. Abschnitt B 2.2.3. 165  Vgl. Abschnitt C 2.1.

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

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in einer spezifischen „configuration of criteria“166 im Sinne einer Struktur, eines Sets oder einer Konstellation von Kriterien, in das die Schrift durch die Auslegung konstitutiv eingebunden ist. Damit ist präzisiert, was in der Reflexion dogmatischer Schriftauslegung als „sich ausweisender Umgang“ mit der Schrift eingeführt wurde.167 Berührt ist mit dieser Beschreibung die Rede vom sola scriptura. Dieses wird von den untersuchten Autoren konsequent im Rahmen der Soteriologie verortet und dort in Bezug auf das solus christus verhandelt. Für die Beschreibung der fundamentaltheologischen Bedeutung der Schrift wird das sola scriptura nicht zur Geltung gebracht. Sowohl die Überlegungen zur Schriftauslegung als auch der Schriftgebrauch der Autoren zeigen, dass die Bezugnahmen auf die Schrift immer eingebettet ist in andere Bezugsgrößen dogmatischer Reflexion.168 Die wenigen Beobachtungen zum Gebrauch dogmatischer Literatur und ihrem Verhältnis zum Schriftgebrauch am Rande der Analysen des Schriftgebrauchs legen nahe, dass die Autoren im Blick auf die fundamentaltheologische Bedeutung der Schrift stärker von einem Primat der Schrift ausgehen.169 Sie folgen in dieser 166 Kelsey, Uses, 160. Kelsey führt für ein solches Netz von Kriterien und Bezugsgrößen den Begriff des „discrimen“ ein (vgl. a. a. O., 160–163). Dazu nimmt er eine Unterscheidung von R. C. Johnson auf, der zwischen Norm, bestimmt als absolute und andere Normen ausschließende Größe, einem davon abgeleiteten Kriterium und einem discrimen unterschiedet. Ein discrimen – Johnsons und Kelseys Definition nach – „designates ‚a configuration of criteria that are in some ways organically related to one another as reciprocal coefficients‘“ (Johnson, Authority, 15, zitiert nach Kelsey, Uses, 160). Aus zwei Gründen wird dieser Begriff hier nicht aufgenommen: Zum einen ist Johnsons und Kelseys Beschreibung lexikalisch schwierig: So bezeichnet discrimen im Wortsinn das Scheidende, im Sinne einer Scheidelinie, eines Unterschieds, einer Entscheidung oder einer Krise, aber auch einen Zwischenraum oder Abstand (Georges, Art. Discrimen, 1700 f ). Es handelt sich somit eher um eine passiv-deskriptive Kategorie, die das aktive Gestaltungsmoment einer Konfiguration nicht unbedingt impliziert. Auch die von Johnson in den Vordergrund gestellte netzartige Zusammenstellung mehrerer Kriterien ist im Wortsinn nicht erkennbar. Zum anderen führt Kelsey den Begriff in einem anderen Zusammenhang ein als er hier bestimmt wird: Nach Kelsey verfügt jeder Theologe über ein discrimen, das über die Entscheidungen zur Konstruktion und zum Gebrauch der Schrift entscheidet (vgl. Kelsey, Uses, 167). Dieses wurzelt in dem „imaginative act“ über Gottes Präsenz (a. a. O., 163). Bei Kelsey ist die Beschreibung des discrimen daher eng mit den von ihm skizzierten „patterns of normativity“ verbunden und beschreibt nicht eine Funktion der Schrift für die Dogmatik, sondern das Set dogmatischer Vorentscheidungen, das die Auslegung der Schrift bestimmt. Gemeinsames discrimen der von ihm untersuchten Positionen ist nach Kelsey „conjunction of certain uses of scripture and the presence of God“, die Autoren differieren jedoch in der Frage nach dem Modus der Anwesenheit Gottes (a. a. O., 160). Für den Austausch über die lexikalischen Fragen danke ich Christopher Nunn herzlich. 167  Vgl. Abschnitt C 2.2. 168 Vgl. Abschnitt B 5.1.4. 169  Von seiner argumentationstheoretischen Analyse her fasst Kelsey den Begriff des sola scriptura noch schärfer: „These observations do not demonstrate that it would be impossible for a theologian so to argue for a theological proposal that every role in the argument was filled by some sort of appeal to scripture. Only such authorization for theology could really count as

370

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Lesart dem reformatorischen Ort der Rede vom sola scriptura als soteriologische Kategorie, aus der nicht auf eine Übertragung dieser Beschreibung für die Fundamentaltheologie gefolgert werden muss.170 Dass auch Luther die Schrift in ihrer fundamentaltheologischen Dimension „asymmetrisch-komplementär“ zu anderen Größen bestimmt, führt Kupsch aus: Dabei bleibt die Schrift formal Ausgangspunkt der Reflexion, Deutungskategorie für die anderen Größen und allein hinreichend für die Rede vom Heil.171 Anschlussfähig sind solche Überlegungen durchaus an andere zeitgenössische Debatten. So stellt z. B. Schwöbel heraus, dass Luthers Beschreibung des sola scriptura keineswegs gegen die Einbindung anderer Traditionen argumentiert, sondern diese selbstverständlich voraussetzt.172 Auch Paul Hinlicki hat jüngst vorgeschlagen, von prima scriptura zu sprechen, „i. e., the canonical Scriptures as the matrix of theology“.173 Diese nur angerissenen Anhaltspunkte in der theologischen Tradition bilden den Hintergrund der hier angestrebten Präzisierung der Bedeutung des sola scriptura im Blick auf den fundamentaltheologischen Status der Schrift.

Da weder die Reflexion des Traditions- oder Kirchenbegriffs noch die Analyse des Gebrauchs anderer Argumentationsquellen Gegenstand der Studie waren, kann die Frage nach dem Verhältnis der Schrift zu anderen Bezugsgrößen nicht abschließend beantwortet werden. Inwiefern sich auch die Differenzen in der Beschreibung des Gegenstandsbereichs und der Kriterien der Dogmatik im Argumentationsgangs aufzeigen ließen, ist daher eine Frage für eine weiterführende vergleichende Analyse etwa des Schrift- und Traditionsgebrauchs. Zu fragen wäre dann, in welchem Verhältnis diese Kriterien zu den in der Schriftlehre genannten anderen Größen stehen, zu denen die Schrift ins Verhältnis gesetzt wird: Inwiefern kann oder soll dem Bezug auf die Tradition oder die Kirche auch kriteriologische Funktion für die dogmatische Urteilsbildung zukommen – oder anders herum gefragt: Inwiefern sind die hier im Zusammenhang der Schriftauslegung genannten Kriterien ebenfalls schrifthermeneutisch als normative Größen im Verbund mit der Schrift zu beschreiben? Diese Fragen sind für eine weiterführende Reflexion des sola scriptura von großem Interesse.

an instance of authorization of a theological proposal sola scriptura.“ Kelsey, Uses, 146 [Hervorhebungen im Original]. 170 Stengel zeichnet überzeugend die Entstehungskontexte der Rede vom sola scriptura vor Augen und gibt zusammenfassend zu bedenken, dass die Reflexion auf die Autorität der Schrift von Luther in scharfer Abgrenzung gegen andere Autoritäten entfaltet wurde (vgl. Stengel, Scriptura, 117). Die Rede vom sola scriptura entfaltet er jedoch im Kontext der Soteriologie (vgl. a. a. O., 24–26). Vgl. Abschnitt A 1.2. Vgl. dagegen Alkier, Konzepte, 440–444. 171 Vgl. Kupsch, Gebrauch, 349 f. Vgl. zur Verortung der Schriftlehre bei Luther Abschnitt A 1.2. 172 Schwöbel, Scriptura, 23. Vgl. Bernhardt, Scriptura. Ähnlich beschreibt Wick aus exegetischer Perspektive vor dem Hintergrund des neutestamentlichen Schriftgebrauchs ein „Prä“ der Heiligen Schrift. Vgl. Wick, Sola scriptura-Prinzip. 173  Hinlicky, Community, 176 [Hervorhebung im Original]. Vgl. a. a. O., 80. Vgl. R aatz, Schriftprinzip, 167.

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

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Auf eine andere weiterführende Fragestellung kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden: Wird die Rede von der Schrift auf diese Weise mit dem Prozess ihrer diskursiven Auslegung verbunden, kann dieses Relationsgefüge als spezifisches Machtgefüge beschrieben und reflektiert werden. Dies gilt insbesondere angesichts der Bedeutung der Rede von der Autorität in der Reflexion des Schriftverständnisses: Auch wenn die vorgestellten Autoritätsbeschreibungen sich gegen ein an der potestas orientiertes Verständnis von Autorität abzugrenzen suchen, ist im Gefüge der Rezeptionsgemeinschaften und ihrer Eigenlogiken, sowie der Interessen auch dogmatischer Schriftauslegung sich gegenüber Kirche und Wissenschaft zu legitimieren und auszuweisen, Schriftauslegung nicht unabhängig von Machtverhältnissen und -strukturen beschreibbar. Dieser Aspekt wird in den untersuchten Positionen nicht reflektiert, auf zwei weiterführende Perspektiven sei nur verwiesen. Zum einen müssen die institutionellen und personalen Verflechtungen in den Blick kommen. Exemplarisch widmet sich Christof Gestrich dieser Frage im Blick auf die Macht – und Ohnmacht – bibelauslegender Theologinnen und Theologen.174 Er führt historisch und ökumenisch in die Fragestellung ein und fokussiert auf das Problem der Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche.175 Dabei stellt er den Abstand der Kirche zur exegetischen Arbeit an der Schrift heraus, der durch die Machtstrukturen theologischer und kirchlicher Schriftauslegung durchgesetzt wird, und weist vehement auf deren anregendes Potential für die dogmatische Reflexion hin.176 Zum anderen kann der gesamte Fragekomplex nach der Autorität der Schrift und ihrem Status in der und für die Dogmatik im Anschluss an Stoellger als Frage nach Deutungsmacht reformuliert werden.177 Deutlich wird dann, dass Schriftverständnis, Schriftauslegung und Schriftgebrauch nicht in Machtstrukturen stattfindet, sondern als Machtverhältnisse beschreibbar sind. So schlägt Stoellger vor, Religion als Deutungskultur und Theologie als Deutung eben dieser Religion zu beschreiben.178 Deutung dient nach Stoellger der Wahrnehmungsund Aufmerksamkeitslenkung.179 Stoellger definiert den Deutungsbegriff spezifisch vom Zeigen her und bereits in Verbindung zu Macht: Wird dabei Deuten vom Zeigen statt vom Verstehen her verstanden, so bringt das den Vorteil, dass auch „Medien wie Strukturen durchaus als Deutungsmächte zu begreifen [sind]  – nur nicht als ‚Agenten‘, also nicht mit Vermögen, sondern mit Kraft, Möglichkeit und Wirkpotenzial.“180 Den Macht Gestrich, Schriftauslegung, 250. 258–260. 176 Vgl. a. a. O., 262 f. Vgl. in ähnlicher Intention die Abschnitte C 2.3. und C. 3.3. 177 Vgl. Stoellger, Theologie. 178  Vgl. a. a. O., 467. 471. 179 Den Adressierten kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, denn durch das Folgen der Lenkung und der Anerkennung einer Deutung können sie dieser „Macht verleihen […], wie zugleich das Deuten selbst bereits einen Machtanspruch auf Folgen, Schauen, Aufmerksamkeit impliziert.“ Stoellger, Deutungsmachtanalyse, 12. 180  Stoellger, Deutungsmachtanalyse, 39. Vgl. Ders., Theologie, 435. 174

175  A. a. O.,

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

begriff bestimmt Stoellger dabei modal.181 Die bei Deutungsmacht beteiligten Relate sind der Agent einerseits, sowie der Rezipient andererseits, außerdem noch die Ordnung, in der sie stehen und von dem ihre Kommunikation strukturiert wird, und das Medium, durch das die Deutungsmacht kommuniziert wird.182 Stoellger unterscheidet „Macht zur Deutung, Macht einer Deutung und Macht der vorgängigen Deutungsbedingungen“.183 Macht zur Deutung haben nach Stoellger nicht nur Personen, sondern „auch Methoden, Institutionen oder Medien“.184 Die Macht einer Deutung, im Sinne eines genitivus subjectivus, bzw. der Macht von Deutung, ist nicht-personal gedacht und bezeichnet „die Macht, die Deutungen entfalten (Ereignis und Wirkung), also der (hier zentrale) Aspekt der Eigendynamik von Medialität und Kommunikation bis zur Rezeption.“185 Sowohl die Macht einer Deutung als auch die Macht zur Deutung (Deutungsmacht im Sinne des genitivus objectivus) „ist stets eingebettet in vor- und nachgängige Deutungsprozesse wie Tradition, Institution, Sprache, Rezeption, d. h. Ordnungen […], von denen sie bedingt ist und abhängt.“186

In diesen Differenzierungen „Deutungsmacht“ explizit zu machen – und diese in das Schriftverständnis zurück zu spiegeln und zu reflektieren – bietet sowohl für die Rede von der Autorität der Schrift als auch für die Frage nach dem fundamentaltheologischen Status der Schrift in einer Auslegungsgemeinschaft eine Möglichkeit zur präzisierenden Relecture.187

4.4. Ausblick – Die Schrift als primärer Intertext und die Schriftbindung der Dogmatik Die hier vorgeschlagenen Beschreibungen bieten eine erste Skizze zur Präzisierung des Status der Schrift in der und für die Dogmatik ausgehend von den untersuchten Autoren. Wie dieser terminologisch zutreffend gefasst werden kann, ist aus den Analysen dieser Studie nicht zu beantworten. Weiterführend ist dazu der Begriff des primären Intertextes, den ich an anderer Stelle – zusammen

181  Er führt aus: „Macht ist personal ein Vermögen oder nicht-personal (die Kraft oder) die Möglichkeit, Unmögliches zu ermöglichen, Mögliches zu verwirklichen und Wirkliches zu erhalten oder zu verändern, bzw. in den entsprechenden Negationen: nicht zu ermöglichen, sondern zu verunmöglichen, nicht zu verwirklichen oder zu vernichten. Das gilt stets in den semiotischen Näherbestimmungen von etwas als etwas für jemanden im historischen Kontext etc.“ Stoellger, Deutungsmachtanalyse, 27 [Hervorhebungen im Original]. 182 Vgl. a. a. O., 38. 183 A. a. O., 36 [Hervorhebungen im Original]. 184 Ebd. 185  Ebd. 186 Ebd. 187  Vgl. a. a. O., 441. 493. Stoellger endet in seinen Überlegungen mit einer Beschreibung der „Gotteslehre als Deutungsmachttheorie“. In dieser sehr knappen Skizze werden erste Implikationen einer Reflexion theologischer Beschreibungen in der Perspektive einer Deutungsmachttheorie erkennbar. A. a. O., 509–523.

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

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mit Kolleginnen und Kollegen aus den exegetischen Fächern, der Dogmatik und Ethik – vorgeschlagen habe.188 Definiert wird dieser wie folgt: Der Begriff des ‚Intertextes‘ […] beschreibt einen Text, der über implizite Anspielungen oder explizite Zitate in anderen Texten anklingt und damit Bezugstext für spätere Texte ist. […] Der ‚primäre Intertext‘ bezeichnet den Text oder die Textsammlung, in der eine Rezeptionsgemeinschaft wie z. B. die christliche Kirche ihren grundlegenden Bezugstext erkennt. ‚Primärer Intertext‘ kann damit auch die kanonisierte Pluralität der biblischen Schriften bezeichnen. Aufgrund der Wertschätzung, die in diesem Rezeptionskontext mit dem ‚primären Intertext‘ verbunden ist, findet ein kontinuierlicher Bezug auf den Intertext innerhalb der Rezeptionsgemeinschaft statt, der jedoch sowohl in der Art und Weise als auch in seiner Intensität variieren kann. Damit hat der Begriff ‚primärer Intertext‘ eine funktionale Dimension im Sinne eines grundlegenden Bezugstextes wie z. B. dem Kanon und eine relationale Dimension im Sinne des kontinuierlichen Bezugs.189

Mit dem inter wird ausgedrückt, dass Texte aus einer Beziehung zwischen mehreren Texten erwachsen. Damit ist noch nicht festgelegt, in welche Richtung diese Beziehung verläuft und ob sie eher der Intention bzw. kulturellen Verankerung des Autors oder der inneren Bibliothek der Lesenden erwächst.190 Beschrieben ist vielmehr, dass ein Text erst durch die Beziehung zu anderen Texten entstehen kann.191 Mit Roland Barthes wird der Text im Wortsinn (von lat. textus/„Gewebe“) ernstgenommen und Texte als Gewebe beschrieben, in die andere Texte immer schon eingeflochten sind und die ihrerseits in ein größeres kulturelles Verweissystem integriert sind.192 Die Beschreibung der Schrift als primärem Intertext der Dogmatik verortet diese in den konstitutiven Zusammenhang von Schriftverständnis und Schriftauslegung. Der den Texten zugeschriebene Status ist konstitutiv mit der diskursiven Auseinandersetzung mit den Texten und somit prozedural bestimmt: Damit wird die Normativität der Schrift nicht mehr im Sinne einer Normlogik konstruiert, sondern vielmehr dynamisiert und geweitet. Nicht mittels bloßer Übereinstimmung zwischen einer Schriftaussage und einer theologischen These oder logischer Schlussverfahren wird dem ‚norma normans‘ Rechnung getragen, sondern indem den intertextuellen Bezügen zwischen Schrift, Traditionen und dem gegenwärtig zu Verantwortenden nachgegangen wird.193 188 Vgl. zum Netzwerk Schriftbindung evangelischer Theologie Abschnitt A. 1.1. und Focken/van Oorschot, Schriftbindung. 189 Maikranz/Stamer, Art. Intertext, primärer. 190 Vgl. Hatina, Intertextuality 36–41. Für die Diskussionen zur Intertetxualitätstheorie danke ich Carolin Ziethe und Clarissa Breu. 191  Vgl. Lachmann, Gedächtnis, 111. 192 Vgl. Barthes, Werk, 46. Vgl. Allen, Intertextuality, 66. 193  Focken/Breu/Stamer, Normativität, 215. Zur Abgrenzung von der Rede vom Schriftprinzip vgl. Stamer /Breu/van Oorschot, Schriftbindung, 76–78. Zu den Problemen der Rede von der Schrift als norma normans vgl. Focken/Breu/Stamer, Normativität, 214–215. Schwöbel formuliert im Anschluss an Luthers Beschreibung der Selbstauslegung der Schrift

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C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Diese Beschreibung ist an vielen Stellen anschlussfähig an die Beobachtungen der Analysen in dieser Studie: Deutlich wurde ein Auslegungsgeschehen und damit um ein prozesshaften, diskursives Geschehen in und zwischen den Disziplinen. Die Schrift ist in dieses Geschehen dergestalt konstitutiv eingebunden, dass die Schriftlehre in ihrer fundamentaltheologischen Dimension davon nicht abgelöst werden kann, sondern sich konstitutiv aus diesem Zusammenhang entfalten lässt. Ausgehend von den analysierten Funktionen des Schriftgebrauchs wurde in den Überlegungen zur Schriftauslegung die Vielfalt möglicher Bezugnahmen auf die Schrift herausgestellt, die auf einen sich ausweisenden Umgang mit und im Gegenüber zur Schrift abzielt.194 Die Bedeutung der Schrift wird somit prozedural gefasst, deren fundamentaltheologischer Status in und durch ihre Auslegung erkennbar und in Kraft gesetzt wird.195 Die Beschreibung der Schrift als primärem Intertext bietet daher eine begriffliche Zuspitzungen ihres fundamentaltheologischen Status. Nachzudenken wäre weiterführend über das präzisierende Potential, das aus Lachmanns Beschreibung des Gedächtnisraumes folgen kann: Werden die biblischen Texte auf diese Weise als Intertexte dogmatischer Reflexion beschrieben, bilden diese nach einen „Gedächtnisraum“.196 Mit dieser Sinnkonstitution findet also eine „auf der Verarbeitung fremder Texte beruhende […] Sinnkomplexion statt“.197 Diese Beschreibung auf das intertextuelle Geflecht zwischen biblischen Texten und dogmatischer Reflexion – in Vergangenheit und Gegenwart – zu präzisieren, wäre eine mögliche Anschlussweise an die vorgeschlagene Beschreibung der Schrift als primärem Intertext der Theologie. Ein Ansatz findet sich bei Schwöbel, der darauf hinweist, dass die Schrift damit selbst zu einem „Konversationsraum“ in unterschiedlichen Auslegungsgemeinschaften und -situationen wird.198

Insofern die Schrift als der primäre Intertext der Dogmatik bestimmt wird, wird die Rede von der Schrift als „Grenze“ aufgenommen und zugleich entscheidend modifiziert.199 Zum einen markiert die Schrift keine harte „Grenze“: Sie ist nicht ähnliche Überlegungen zur innerbiblischen Intertextualität. Er verbindet diese jedoch nicht mit der Beschreibung der Autorität oder Normativität der Schrift. Auch Schwöbel in Folge zur Beschreibung der Schrift als einem Gesprächsraum. Schwöbel, Scriptura, 24. 194 Vgl. die Abschnitte B 5.3.3. und C 2.2. 195 Dabei ist noch einmal zu unterstreichen: Diese Beschreibung resultiert aus dem engen Gegenstandsbereich der textuell erkennbaren Verbindungen zwischen dogmatischen und biblischen Texten. Daneben sind auch auf der Rezeptions- und Autorenebene weitere Formen der Schriftbezüge denkbar, die weiterer Analyse und dogmatischer Reflexion bedürfen. 196 Lachmann, Gedächtnis, 36. 197  A. a. O., 37. 198  Schwöbel: Scriptura, 24. Vgl.ähnlich Baumann, Pluralität, 184–186; Schoberth, Regel, 99. Vgl. dgg. im Blick auf die neutestamentliche Literatur Luz, Hermeneutik, 149–204. 199  Zur Rede von der Schrift als Grenze vgl. z. B. Moxter: In seinem gleichnamigen Aufsatz: „Was wir mit der Terminologie einer älteren Wissenschaftstheorie ‚das Schriftprinzip‘ nennen, lässt sich – so meine ich – in ein Schriftverständnis transformieren, das durch die doppelte Bestimmung Grund und Grenze geprägt ist. Das Wort ‚Grund‘ verweist dabei auf den produktiven

4. Der Status der Schrift als Thema der Schriftlehre

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abschließend bestimmbar, sondern nur im Kontext pluraler Rekonstruktionen und Deutungen greifbar.200 Die Schrift macht sich damit selbst zur Grenze, wie Moxter treffend beschreibt: „Die Schrift ist folglich Grund und Grenze von Interpretation, weil sie Grenzen bereits durch die Art und Weise zieht, in der sie sich selbst von dem unterscheidet, was sie bezeugt.“201 Zum anderen handelt es sich nicht um die einzige Grenze dogmatischer Reflexion: Die pluralen Bestimmungen der Kriterien dogmatischer Urteilsbildung, wie ihre Gegenwartsorientierung, ihr aktualisierendes Moment oder ihre Orientierung an den anderen Wissenschaften, sind dabei ebenfalls einzubinden. Die Grenzen des Diskursraumes sind daher ebenfalls nicht unstrittig, sondern Gegenstand und Quelle des Streits um ihre Deutung.202 Die Beschreibung der Schrift als primärem Intertext steht im Kontext einer von dem genannten Forschungsnetzwerk entwickelten Rede von der Schriftbindung, um diese bleibende Bezogenheit der Theologie auf die Schrift zu beschreiben. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Forschungsnetzwerks zur Schriftbindung evangelischer Theologie wurde dieser in exegetischer und systematisch-theologischer Perspektive entfaltet und wie folgt definiert: Der Begriff ‚Schriftbindung‘ bezeichnet einen prozesshaften und in mehrfacher Hinsicht relationalen Bezug der Theologie auf die Schrift: Schriftbindung konstituiert sich in den Relationen zumindest zwischen Schrift, Rezipierenden und Rezeptionsgemeinschaft. Im Kontext evangelischer Theologie und Kirche betont die Rede von der Schriftbindung die besondere Bedeutung der biblischen Texte […]. Der Begriff ‚Schriftbindung‘ impliziert ein Anerkennen des historischen Gewordenseins der Texte. Der Geltungsanspruch der Texte entsteht zwischen den Relaten von Schrift und Rezipierenden und gilt folglich weder absolut noch zeitlos, sondern konstituiert sich immer neu. Insofern die Schrift nicht als theologisches Prinzip markiert ist, ist eine Theorie der Schriftbindung grundsätzlich offen, auch andere Quellen zur dogmatischen sowie ethischen Lehrbildung zuzulassen und deren Geltung in Bezug auf die Schrift zu diskutieren […]. Schriftbindung vollzieht sich im Geschehen der Schriftauslegung und ist daher prinzipiell unabschließbar. KonCharakter der biblischen Texte, während mit ‚Grenze‘ deren Widerständigkeit gegenüber jeder Interpretation benannt wird.“ Moxter, Grund, 164 f. 200 Vgl. Abschnitt C 2.3.3. 201 Moxter, Schrift, 168 f. Vgl. Fußnote 41 in diesem Kapitel mit Bezug auf Dalferth, Vieldeutigkeit, insb. 15; Leonhardt, Skeptizismus, 281. Vgl. zur Differenz zwischen Zeugnis und Bezeugtem Abschnitt C 2.3.2. Missverständlich wäre daher ein Rekurs auf die Schrift als Quelle im Sinne Kosellecks: „Streng genommen kann uns eine Quelle nie sagen, was wir sagen sollen. Wohl aber hindert sie uns, Aussagen zu machen, die wir nicht machen dürfen. Die Quellen haben ein Vetorecht. Sie verbieten uns, Deutungen zu wagen oder zuzulassen, die aufgrund eines Quellenbefundes schlichtweg als falsch oder als nicht zulässig durchschaut werden können.“ (Koselleck, Zukunft, 206) Ein Vetorecht kann eine Quelle nicht selbst haben, sondern sie ist nur vermittelt durch ihre Auslegungen greifbar und kann sich dem Deutungsstreit nicht entziehen. Vgl. Abschnitt C 3.3. Vgl. zu den Grenzen der Interpretation im Rahmen der Rede von der Schriftbindung Meyer zu Hörste-Bührer /Bührer /Zeller, Schrift, insb. 369–391. 202  Vgl. Abschnitt C 5.

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kretionen von Schriftbindung sind immer nur in ihren jeweiligen Relationen verstehbar; entsprechend sind diese Konkretionen methodisch und mit Blick auf das Schriftverständnis plural.203

Zur Beschreibung des relationalen und prozeduralen Charakters theologischen Umgehens mit der Schrift ist der Terminus der Schriftbindung und die exegetisch und dogmatisch anschlussfähige Rede von der Schrift als primärem Intertext der Theologie ein Versuch, über die missverständlich gewordene Rede vom Schriftprinzip204 den Diskurs über den fundamentaltheologischen Status der Schrift zu beleben. Diese Beschreibung der Schriftbindung ermöglicht, die in dieser Studie nur angeklungene Dimension des Verhältnisses von Schriftauslegung und Identität – anders gesagt das Verhältnis von Schriftauslegung und Selbstverständnis – in den Blick zu nehmen. Aussagen über die Schrift sind (auch) Selbstaussagen, wie die Einbettung der Frage nach dem Status der Schrift in die Schriftauslegung und das Theologieverständnis deutlich macht. Man kann in dieser Frage ein Ergebnis der relationalen Umformungen des Autoritätsbegriffes erkennen, der den Fokus auf die Relationen der Auslegenden zur Schrift lenkt und die Beschreibungen der Schrift in den Hintergrund treten lässt. Umso drängender stellt sich im Kontext wissenschaftlicher Schriftauslegung die Frage nach dem „Wie“ dieses Bezugs  – und mithin die Frage nach der Epistemologie und den Methoden der Schriftauslegung in der Dogmatik und im Zusammenspiel der Disziplinen. Zugleich wurde verschiedentlich deutlich, dass gerade die Reflexion auf die Schriftauslegung im Kontext von Theologie- und Dogmatikbegriff den Schriftgebrauch zu einer Frage des Selbstverständnisses der Theologinnen und Theologen werden lässt. Im skizzierten relationalen Reflexionsmodell des Status der Schrift wäre dieses Verhältnis weiter zu präzisieren.205 Dieses Desiderat spiegelt auch die thesenhaften Beschreibungen des Zusammenhangs von Schriftauslegung und Selbstverständnis an anderen Stellen wieder. So versteht Kelsey – ohne diese These zu begründen – die Rede von der Schriftautorität insgesamt als eine Selbstaussage und Identitätsbeschreibung der 203 Ziethe et al., Art. Schriftbindung, 57 f. Vgl. Stamer /Breu/van Oorschot, Schriftbindung, 78. 204 Schoberth kommt in seiner historischen und dogmatischen Bearbeitung der Frage, ob die Rede von der Schrift als Prinzip reformatorisch und theologiegeschichtlich tragfähig ist, zu einem ähnlichen Schluss: „Beim reformatorischen sola scriptura geht es also nicht um die Schrift, vielmehr kommt die Schrift nur dort und nur so in den Blick, dass es um die Sache geht. Man könnte s so sagen: Man lehrt nicht über die Schrift, sondern mit der Schrift und im Raum der Schrift.“ (Schoberth, Regel, 99 [Hervorhebungen im Original]). Zur Debatte um den Prinzipienbegriff in der aktuellen Diskussion um das Schriftprinzip und den Rückgriff auf Luther vgl. neben dem zitierten Text von Schoberth z. B. Zeller, Schriftverständnis, 38–62. Vgl. weiterführend Stamer /Breu/van Oorschot, Schriftbindung, 76–82. Zur hermeneutischen Kritik an der Rede vom Schriftprinzip vgl. Schulz, Schrift (vgl. Fußnote 50 in diesem Kapitel). 205  Vgl. ähnlich Hartlieb, Regel, 78–82; Schoberth, Regel, 103.

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Theologin oder des Theologen in einer Auslegungsgemeinschaft:206 Der Ausweis der Bindung an die Schrift hat nach Kelsey seinen Ort in der Frage der „Christianness“ einer Aussage207 und betrifft somit die Frage nach der Identität Einzelner und Gemeinschaften.208 Ähnlich beschreibt Mauz diesen Zusammenhang: Wird eine bestimmte Stelle als Schriftstelle verstanden, verweist dies immer zurück auf den Interpreten, der sie so verstehen will und so von ihr Gebrauch macht. Rigoros könnt man postulieren: Schriftstellen ‚gibt‘ es nicht, sie werden zu solchen durch ihren interpretativen Gebrauch in einem bestimmten Argumentationszusammenhang.209

Die Virulenz einer solchen Perspektivverschiebung wird bei Dietrich Ritschl deutlich, der eine Umformung der Frage nach der Autorität zu einer Frage der Haltung der Schrift gegenüber vorschlägt: Die Diskussion der Probleme reformatorischer Schriftlehren führt D. Ritschl zur konstitutiven Bedeutung des Gegenübers in der Rede von der Autorität.210 In Folge führt er den Begriff der „kritischen Loyalität“ ein: Diese beschreibt eine geistige Haltung, die auf das Feld hinter den Repräsentationen und Zeichen von Autorität ausgerichtet ist und „erkennt eine Zugehörigkeit zu den Zielen, Werten, Gewichtungen, Regeln

206  „In saying ‚Scripture is authority for theology,‘ the theologian commits himself to participate in one or another of a familiy of activities called ‚doing Christian theology.‘ Moreover, he thereby acknowledges and commits himself to observing a rule governing the practice of theology […]: In defending theological proposals, scripture shall be used in such a way that helps authorizes the proposals.“ Kelsey, Uses, 151 [Hervorhebung im Original]; Vgl. a. a. O., 89.109.110.154. 207  A. a. O., 153. 208  A. a. O., 208. 209 Mauz, Machtworte, 117 [Hervorhebung im Original]. Mauz skizziert in Folge einen potentiellen Doppelbezug von Schriftstellen. Auf der einen Seite stehen analytisch fassbare Textphänomene, sogenannte textanalytische Schriftstellen: Diese beschreibt er im Glossar als „Bibelstellen, die relativ unstrittig – nämlich analytisch ausweisbar an der Textoberfläche – als selbstreflexive Aussage über die Identität eines biblischen Textes gelten kann (primärer theologischer Bezugsdiskurs: Bibelwissenschaften); Prädikation, die prinzipiell als unzutreffend zurückgewiesen werden kann“ (a. a. O., 300). Auf der anderen Seite ist ein Verweis auf den dogmatischen Argumentationszusammenhang möglich, nach Mauz eine „textpragmatische Schriftstelle“ (a. a. O., 117). Diese definiert Mauz als „Bibelstelle, die als selbstreflexive Aussage über die Identität eines biblischen Textes gewertet wird, ohne dass diese selbst dafür notwendigerweise textanalytisch Anlass gibt (primärer theologischer Bezugsdiskurs: Dogmatik); Prädikation, die im Horizont des faktischen Schriftgebrauchs nicht zurückgewiesen werden kann“ (a. a. O., 300). Im Anschluss an Kelsey wäre zu ergänzen, dass diese Beschreibung jeweils für eine bestimmte Rezeptionsgemeinschaft ausgesagt werden kann. 210  Ritschl führt aus: „Zwar wird gelegentlich eingeräumt, es handele sich bei Autorität um einen ‚Beziehungsbegriff ‘, aber nur selten werden Korrelate wie ‚vertrauen‘, ‚Überprüfung‘, ‚kritischer Respekt‘ oder dergl. eingebracht oder anstelle des platten, heute kaum mehr verteidigten Wortes ‚Gehorsam‘ diskutiert.“ Ritschl, Autorität, 101. Vgl. a. a. O., 116 f. Vgl. aus exegetischer Perspektive – ohne damit jedoch eine Umformung des Autoritätsbegriffes zu implizieren – Berger, Loyalität.

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und Erwartungen, die in diesem Feld gelten, erkannt und akzeptiert wird“.211 Diese gilt nach D. Ritschl der Kirche, nicht aber ihrer Lehre.212 Auf diese Weise wird die Aussage über die Schrift insgesamt zu einer Selbstaussage der Haltung zur Schrift gewandelt. Während der Zusammenhang von Schriftbezug und Selbstverständnis sowohl im Blick auf die Rede vom Schriftprinzip und protestantischer Identität als auch für den Zusammenhang von Kanon(entstehung) und die damit verbundene Gemeinschafts- und Identitätsbildung vielfach herausgestellt wird, wäre dieser in ähnlicher Perspektive für die anhaltenden Auslegungsbezüge auf die kanonischen Schriften historisch, empirisch und dogmatisch zu reflektieren.213

5. Die Schrift als prozedurales und diskursives „Streitprinzip“in der und für die Dogmatik Mit dem Verweis auf den Streit um die Deutung schließt Studie eben dort, wo sie begonnen hat. Wird die Schrift konstitutiv als ausgelegte Schrift beschrieben und das Schriftverständnis in der Zusammenschau von Schriftlehre, Schriftauslegung und Schriftgebrauch entfaltet, stellt sich dieser Streit jedoch in einer neuen Perspektive dar: Die Schrift kommt vor dem Hintergrund der Analysen als Bezugspunkt im Diskurs dogmatischer Reflexion in den Blick. Dieser wurde als relationale, fluide und prozedurale Bindung an die Schrift in und durch ihre Auslegung bestimmt, welche sich in der aneignenden und aktualisierenden Auslegung der Schrift in die Dogmatik realisiert. Angesichts der Pluralität und Historizität biblischer Texte, ihrer Bezeugungen und Auslegungen ist die Schriftauslegung in und zwischen den Disziplinen als ein prinzipiell unabgeschlossenes und strittiges Deutungsgeschehen zu beschreiben, das die Spannungen zwischen Schrift und Text aufrecht erhalten muss. Der „Streit um die Schrift“214 ist in dieser Beschreibung weniger zu beklagen als ein Konstitutivum lebendigen Diskurses mit und an der Schrift und den biblischen Tex ten. Der Streit um die Schrift ist somit eine Form der Anerkennung der Schrift in ihrer kanonischen Bedeutung in der kirchlichen Auslegungsgemeinschaft auf der einen Seite und des Ernstnehmens der biblischen Texte in ihrer Pluralität, Historizität und Medialität auf der anderen Seite. Die Pflege einer methodisch grundierten dogmatischen und interdisziplinären Streitkultur 211 Ritschl,

Autorität, 117.   A. a. O., 119. 213 Vgl. zum Zusammenhang von Identität und Schriftensammlungen z. B. Alkier, Identitätsbildung, insb. 116.158; Nicklas, Kanonisierung. Vgl. zu einer dogmatischen Reflexion auf den Zusammenhang von Kanon und Identität einführend z. B. Herms, Bibel; Leonhardt, Schriftprinzip; Prevett, Bible. 214  So der Titel eines Bandes von Fischer und Leppin. 212

5. Die Schrift als prozedurales und diskursives „Streitprinzip“

379

im Sinne einer „epistemic humility“ im Blick auf die eigenen Interpretationen215 sowie einer „interpretative charity“, welche den Streit um die Schrift als gemeinsame Suche nach der Wahrheit erkennbar macht,216 wird somit zu einer zentralen Aufgabe dogmatischen Schriftbezugs innerhalb und zwischen den theologischen Disziplinen.217 Dabei führt nicht nur der Bezug auf die Schrift und das, was sie bezeugt, in den Streit um ihre Auslegung, sondern dieser Streit wird selbst konstitutiv an die Auslegung der biblischen Texte verwiesen. Zur Beschreibung des fundamentaltheologischen Status der Schrift kann daher Sauters pointierter Formulierung aufgegriffen werden: „Wenn hier überhaupt von einem Schriftprinzip geredet werden kann, dann ist es ein Streitprinzip. Die Schrift ist kein Mittel, um sich im Streit über Geltungsansprüche durchzusetzen, sondern die Berufung auf die Bibel nötigt vielmehr zu einem Streit prinzipieller Natur.“218 215 Schulz,

Schrift, 261.  Kupsch, Gebrauch, 404. 217 Dies gilt auch für den kirchlichen Rezeptionskontext, wie Tietz ausführt: Als Bekenntnis ist die Schrift, so Tietz, ebensowenig „zwingendes Argument“ wie „autoritative Zumutung“, sondern als Einladung zur Auseinandersetzung mit den Texten zu verstehen (Tietz, Ringen, 300). Sie führt im Blick auf die Kirche weiter: „Die Kirche ist eine Interpretationsgemeinschaft, die ihre Identität gewinnt durch das Hören auf und die Auseinandersetzung mit den biblischen Texten.“ (Ebd.) Im kirchlichen Rezeptionskontext wäre es eine lohnende Frage, Lesungsordnungen, Perikopenreihen, Predigten u.v. a.m. auf die Frage nach ihren implizit erkennbare Anerkennungsgeschehen der in den Bekenntnissen festgehaltenen Autorität der Schrift zu untersuchen. Ansätze bietet die Studie von Moldenhauer, Bibeltheologie. 218 Sauter, Schrifttreue, 266 [Hervorhebungen im Original]. Unter der Überschrift „Begründen heißt streiten“ argumentiert Sauter, dass eine auf der Schrift basierende Begründung nicht im Verweis auf einzelne Bibelstellen bestehe, sondern „auf den theologischen Begründungszusammenhang hin durchsichtig sein“ muss (a. a. O., 260). Die Berufung auf Schrift sei kein „logisches Schlußverfahren“, sondern bestehe darin „sich auf den theologischen Begründungszusammenhang einzulassen, ihn innerhalb der ‚Bibel‘ als ganzer wahrzunehmen“ und somit durch Gott selbst ausgerichtet zu werden (a. a. O., 266). An Sauters inhaltliche Weiterführung auf der soteriologisch-pneumatologischen Ebene wird explizit nicht angeschlossen. In der diskursiven und prozeduralen Bestimmung schließt die Beschreibung in Teilen an Hartlieb an: Sie nimmt die Formulierung des „Streitprinzips“ von Sauter auf und präzisiert die Schrift als prozedurales Streitprinzip, das seinen dogmatischen Ort nicht in der Fundamentaltheologie, sondern in Pneumatologie und Ekklesiologie hat (Hartlieb, Regel, 78). Sie betont zwei bleibende Elemente der Schriftlehre, welche die Krise des Schriftprinzips überdauere: den „identitätsstiftenden Charakter der Schrift und ihre Bedeutung als prozedurales Streitprinzip“ (Ebd.). Demnach müsse die Bibel als Fundament des eigenen Glaubens begriffen und mit Bindung an die Bibel über die Bibel gestritten werden. Über Sauter hinaus betont sie den prozeduralen Charakter dieses Geschehens, welche sich im Raum der Kirche als herrschaftskritischer Kommunikationsgemeinschaft vollziehe (vgl. a. a. O., 81). Die Beschreibung der Auslegungsgemeinschaften – sowohl in der Kirche als auch in der Theologie – als „herrschaftskritisch“ sind m. E. nicht zutreffend. Vielmehr verweist die Beschreibung des prozeduralen und diskursiven Charakters der Bindung an die Schrift auf die anhaltende Notwendigkeit, die diesen Diskursen und Prozessen inhärenten Machtstrukturen offenzulegen und zu reflektieren. Auch Schoberth greift die Rede von der Schrift als „Streitprinzip“ unter Verweis auf Sauter sowie Ebelings Beschreibung der Schrift als hermeneutischem Prinzip auf (Schoberth, Regel, 100). 216

380

C  Der Status der Schrift in der und für die Dogmatik

Der Bezug auf die Schrift kann in diesem Sinn als eine Einladung in eine Interpretationsgemeinschaft dieser Texte beschrieben werden, die zu Widerspruch oder Zustimmung nicht nur im Blick auf einzelne Interpretationen der Texte, sondern auch im Blick auf die tradierten Geltungsansprüche der biblischen Texte als Schrift einlädt. Insofern kann der erste Satz dieser Studie in einer entscheidenden Modifikation auch zu ihrem Schlusssatz werden: Der Streit um die Schrift begleitet die Theologie seit ihren Anfängen und ist in der evangelischen Kirche und Theologie Ausdruck ihrer zentralen Bedeutung.

Schoberth stellt diese Beschreibung in engen Zusammenhang mit dem Schriftgebrauch, in dem sich die Autorität und Klarheit der Schrift erweisen muss (vgl. a. a. O., 101).

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch Hinweise: Die von den Autoren angeführten Verweise auf biblische Texte werden jeweils dreimal geordnet nach den Leitfragen dargestellt: 1) in der Reihenfolge des Argumentationsverlaufs analog zur Darstellung in den Analysen, 2) geordnet nach den Funktionen, sowie 3) nach den angegebenen Bibelstellen. Wenn keine Angabe in der Spalte „Bibelstelle“ angegeben ist, handelt es sich um einen Verweis („bei Markus“, „Paulus zufolge“ o.ä.) oder ein Zitat ohne Angabe der Bibelstelle. Diese werden in der Darstellung nach den Bibelstellen nicht aufgeführt. Die Versangaben (exakt oder f/ff ) folgen den Autoren. Wird von den Autoren exegetische Literatur verwendet, so wird diese gesondert in der Reihenfolge des Argumentationsverlaufs aufgeführt. Die Bezeichnung der biblischen Bücher und außerkanonischen Schriften folgen Schwertner, Siegfried M.: IATG. Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, Berlin/Boston (MA) 32014 (für die biblischen Bücher Fricke, Klaus Dietrich; Schwank, Benedikt (Hg.), Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien. Stuttgart 21981 gemäß Schwertner, Abkürzungsverzeichnis, XXIX).

I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Schlink: Dogmatik.

382

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

A. Abendmahl 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

490

Verweis

beschreibend

490

Verweis

beschreibend

490

Jer 31,31–34

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jes 25,6

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jes 53

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jes 65,13

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

491

Verweis

beschreibend

491

Verweis

beschreibend

491

Verweis

beschreibend

Zitat

heuristisch

492

Zitat

beschreibend

492

Zitat

beschreibend

491

Mk 2,19

NT

492

1 Kor 11,23–25

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

492

1 Kor 11,26

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

492

1 Kor 11,26

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

492

1 Kor 5,7

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

493

Zitat

beschreibend

494

Zitat

heuristisch

494

Zitat

heuristisch

Zitat

begründend

Zitat

beschreibend

495

1 Kor 11,25

NT

495 495

Ex 24,5–11

AT

Nennung

heuristisch

495

Jer 31,31–34

AT

Nennung

heuristisch

Zitat

heuristisch

Zitat

begründend

495 496

1 Kor 10,16

NT

496

1 Kor 11,27

NT

Zitat

begründend

496

Joh 6,48

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

496

Joh 6,51

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

496

Joh 6,53–56.26– NT 63

Nennung

Gegenstand der Auslegung

I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

496

Joh 6,58

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

496

Ex 24

AT

Nennung

heuristisch

496

Jes 52,14 f

AT

Nennung

heuristisch

496

Jes 53,11

AT

Nennung

heuristisch

496

Joh 6,63

NT

Zitat

heuristisch

Zitat

heuristisch

496 497

Lk 22,30

NT

Nennung

begründend

497

1 Kor 11,26

NT

Nennung

heuristisch

497

Jer 31

AT

Nennung

heuristisch

497

Jes 53

AT

Nennung

heuristisch

497

Joh 6,46–63

NT

Nennung

heuristisch

497

Lk 22,15.18

NT

Nennung

heuristisch

497

Mk 14,25b

NT

Zitat

heuristisch

497

Mt 26,29b

NT

Zitat

heuristisch

498

Joh 16,20

NT

Zitat

belegend

498

1 Kor 11,26

NT

Zitat

heuristisch

499

Offb 5,6

NT

Zitat

heuristisch

499

Hebr 5,6

NT

Zitat

heuristisch

Verweis

begründend

1 Kor 11,16

NT

Nennung

belegend

Zitat

belegend

Zitat

begründend

Zitat

heuristisch

Zitat

heuristisch

Verweis

begründend

500 500 500 501

2 Kor 3,17

NT

501 503

1 Kor 15,44 ff

NT

507 509

Zitat

heuristisch

510

1 Kor 5,20

NT

Zitat

begründend

510

Gal 2,20

NT

Zitat

begründend

511

Röm 12,1

NT

Nennung

begründend

511

Verweis

begründend

513

Verweis

heuristisch

513

Zitat

heuristisch

383

384

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

1 Kor 10,16

NT

Zitat

496

begründend

1 Kor 11,25

NT

Zitat

495

begründend

1 Kor 11,27

NT

Zitat

496

begründend

1 Kor 5,20

NT

Zitat

510

begründend

2 Kor 3,17

NT

Zitat

501

begründend

Gal 2,20

NT

Zitat

510

begründend

Lk 22,30

NT

Nennung

497

begründend

Röm 12,1

NT

Nennung

511

begründend

Verweis

500

begründend

Verweis

507

Verweis

511

belegend

begründend 1 Kor 11,16

NT

Nennung

500

belegend

Joh 16,20

NT

Zitat

498

Zitat

500

belegend beschreibend

Verweis

490

beschreibend

Verweis

490

beschreibend

Verweis

491

beschreibend

Verweis

491

beschreibend

Verweis

491

beschreibend

Zitat

492

beschreibend

Zitat

492

beschreibend

Zitat

493

Zitat

495

Gegenstand der Auslegung

beschreibend 1 Kor 11,23–25

NT

Nennung

492

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,26

NT

Nennung

492

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,26

NT

Zitat

492

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 5,7

NT

Zitat

492

Gegenstand der Auslegung

Jer 31,31–34

AT

Nennung

490

Gegenstand der Auslegung

Jes 25,6

AT

Nennung

490

Gegenstand der Auslegung

Jes 53

AT

Nennung

490

Gegenstand der Auslegung

Jes 65,13

AT

Nennung

490

I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink

Funktion

Bibelstelle

Gegenstand der Auslegung

Joh 6,48

Gegenstand der Auslegung

Joh 6,51

Gegenstand der Auslegung Gegenstand der Auslegung

385

Art des Bezugs

Seite

NT

Zitat

496

NT

Zitat

496

Joh 6,53–56.26–63 NT

Nennung

496

Joh 6,58

NT

Nennung

496

heuristisch

1 Kor 11,26

NT

Nennung

497

heuristisch

1 Kor 11,26

NT

Zitat

498

heuristisch

1 Kor 15,44 ff

NT

Zitat

503

heuristisch

Offb 5,6

NT

Zitat

499

heuristisch

Ex 24

AT

Nennung

496

heuristisch

Ex 24,5–11

AT

Nennung

495

heuristisch

Hebr 5,6

NT

Zitat

499

heuristisch

Jer 31

AT

Nennung

497

heuristisch

Jer 31,31–34

AT

Nennung

495

heuristisch

Jes 52,14 f

AT

Nennung

496

heuristisch

Jes 53

AT

Nennung

497

heuristisch

Jes 53,11

AT

Nennung

496

heuristisch

Joh 6,46–63

NT

Nennung

497

heuristisch

Joh 6,63

NT

Zitat

496

heuristisch

Lk 22,15.18

NT

Nennung

497

heuristisch

Mk 14,25b

NT

Zitat

497

heuristisch

Mk 2,19

NT

Zitat

491

heuristisch

Mt 26,29b

NT

Zitat

497

heuristisch

Verweis

513

heuristisch

Zitat

494

heuristisch

Zitat

494

heuristisch

Zitat

495

heuristisch

Zitat

496

heuristisch

Zitat

501

heuristisch

Zitat

509

heuristisch

Zitat

513

386

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite

Ex 24

AT Nennung

heuristisch

496

Ex 24,5–11

AT Nennung

heuristisch

495

Jes 25,6

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jes 52,14 f

AT Nennung

heuristisch

496

Jes 53

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jes 53

AT Nennung

heuristisch

497

Jes 53,11

AT Nennung

heuristisch

496

Jes 65,13

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jer 31

AT Nennung

heuristisch

497

Jer 31,31–34

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

490

Jer 31,31–34

AT Nennung

heuristisch

495

Mt 26,29b

NT Zitat

heuristisch

497

Mk 2,19

NT Zitat

heuristisch

491

Mk 14,25b

NT Zitat

heuristisch

497

Lk 22,15.18

NT Nennung

heuristisch

497

Lk 22,30

NT Nennung

begründend

497

Joh 6,46–63

NT Nennung

heuristisch

497

Joh 6,48

NT Zitat

Gegenstand der Auslegung

496

Joh 6,51

NT Zitat

Gegenstand der Auslegung

496

Joh 6,53–56.26–63 NT Nennung

Gegenstand der Auslegung

496

Joh 6,58

Gegenstand der Auslegung

496

NT Nennung

Joh 6,63

NT Zitat

heuristisch

496

Joh 16,20

NT Zitat

belegend

498

Röm 12,1

NT Nennung

begründend

511

2 Kor 3,17

NT Zitat

begründend

501

1 Kor 5,7

NT Zitat

Gegenstand der Auslegung

492

1 Kor 5,20

NT Zitat

begründend

510

1 Kor 10,16

NT Zitat

begründend

496

1 Kor 11,16

NT Nennung

belegend

500

1 Kor 11,23–25

NT Nennung

Gegenstand der Auslegung

492

I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink

Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite

1 Kor 11,25

NT Zitat

begründend

495

1 Kor 11,26

NT Nennung

Gegenstand der Auslegung

492

1 Kor 11,26

NT Zitat

Gegenstand der Auslegung

492

1 Kor 11,26

NT Nennung

heuristisch

497

1 Kor 11,26

NT Zitat

heuristisch

498

1 Kor 11,27

NT Zitat

begründend

496

1 Kor 15,44 ff

NT Zitat

heuristisch

503

Gal 2,20

NT Zitat

begründend

510

Hebr 5,6

NT Zitat

heuristisch

499

Offb 5,6

NT Zitat

heuristisch

499

B. Tod 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

137

Hi 36,14

AT

Nennung

belegend

137

Num 23,10

AT

Nennung

belegend

137

Ps 90,8.11

AT

Zitat

begründend

137

Ri 16,30

AT

Nennung

belegend

137

Nennung

belegend

137

Verweis

beschreibend

138

1 Tim 5,6

NT Zitat

heuristisch

138

Eph 5,14

NT Zitat

heuristisch

138

Jes 38,18

AT

Zitat

begründend

138

Lk 9,60

NT Paraphrase

heuristisch

138

Ps 115,17

AT

Nennung

begründend

138

Ps 6,6

AT

Zitat

begründend

138

Ps 73,23–26

AT

Nennung

heuristisch

138

Ps 88,1–13

AT

Nennung

begründend

Zitat

beschreibend

138 139

Offb 20,14

NT Zitat

beschreibend

139

Offb 21,8

NT Zitat

beschreibend

387

388

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

139

Joh 5,24

NT Zitat

begründend

139

Mk 9,43

NT Zitat

beschreibend

139

Mt 25,46

NT Zitat

beschreibend

139

Röm 5,12

NT Zitat

begründend

139

Röm 6,23

NT Zitat

begründend

139

Nennung

beschreibend

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

Ps 90,8.11

AT

Zitat

137

begründend

Ps 6,6

AT

Zitat

138

begründend

Jes 38,18

AT

Zitat

138

begründend

Ps 88,1–13

AT

Nennung

138

begründend

Ps 115,17

AT

Nennung

138

begründend

Röm 5,12

NT

Zitat

139

begründend

Röm 6,23

NT

Zitat

139

begründend

Joh 5,24

NT

Zitat

139

belegend

Num 23,10

AT

Nennung

137

belegend

Ri 16,30

AT

Nennung

137

belegend

Hi 36,14

AT

Nennung

137

belegend

Nennung

137

beschreibend

Zitat

138

beschreibend

Mk 9,43

NT

Zitat

139

beschreibend

Mt 25,46

NT

Zitat

139

beschreibend

Offb 20,14

NT

Zitat

139

beschreibend

Offb 21,8

NT

Zitat

139

Verweis

137

beschreibend beschreibend

Nennung

139

heuristisch

Ps 73,23–26

AT

Nennung

138

heuristisch

Lk 9, 60

NT

Paraphrase

138

heuristisch

Eph 5,14

NT

Zitat

138

heuristisch

1 Tim 5,6

NT

Zitat

138

I. Ad B 1.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Edmund Schlink

389

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle

Art des Bezugs Funktion

Seite

Num 23,10

AT

Nennung

belegend

137

Ri 16,30

AT

Nennung

belegend

137

Jes 38,18

AT

Zitat

begründend

138

Ps 6,6

AT

Zitat

begründend

138

Ps 73,23–26

AT

Nennung

heuristisch

138

Ps 88,1–13

AT

Nennung

begründend

138

Ps 90,8.11

AT

Zitat

begründend

137

Ps 115,17

AT

Nennung

begründend

138

Hi 36,14

AT

Nennung

belegend

137

Mt 25,46

NT

Zitat

beschreibend

139

Mk 9,43

NT

Zitat

beschreibend

139

Lk 9,60

NT

Paraphrase

heuristisch

138

Joh 5,24

NT

Zitat

begründend

139

Röm 5,12

NT

Zitat

begründend

139

Röm 6,23

NT

Zitat

begründend

139

Eph 5,14

NT

Zitat

heuristisch

138

1 Tim 5,6

NT

Zitat

heuristisch

138

Offb 20,14

NT

Zitat

beschreibend

139

Offb 21,8

NT

Zitat

beschreibend

139

390

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg A. Abendmahl Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Pannenberg: Theologie (3). 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

314

1 Kor 11,24 f

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

314

Apg 10,41

NT

Nennung

heuristisch

314

Apg 2,42.46

NT

Nennung

heuristisch

314

Joh 21,13

NT

Nennung

heuristisch

314

Lk 24,30 f.41

NT

Nennung

heuristisch

315

1 Kor 11,24 f

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

Lk 22,19

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

Mk 14,22–24

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

Mt 26,26–28

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 15,22

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 2,16

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 5,29 f

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 5,33

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 7,34

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 15,2

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 2,17

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 7,36 ff

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 14,3

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 2,15

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 6,30–44

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 8,1–10

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

317

Jes 2,2 ff

AT

Nennung

beschreibend

317

Mi 4,1 ff

AT

Nennung

beschreibend

317

Jes 25,6

AT

Nennung

beschreibend

317

Lk 12,35 ff

NT

Nennung

begründend

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 391

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

317

Lk 14,15

NT

Nennung

begründend

317

Mt 25,10

NT

Nennung

begründend

317

Lk 13,29

NT

Nennung

begründend

317

Lk 22,30

NT

Nennung

begründend

317

Lk 14,16–24

NT

Nennung

begründend

317

Mt 22,1–10

NT

Nennung

begründend

Zitat

beschreibend

318

Jer 31,31 f

AT

Nennung

begründend

318

Ex 24,11

AT

Zitat

beschreibend

318

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

317

318

Mk 14,24par

NT

Nennung

begründend

318

Mk 8,1–10

NT

Nennung

begründend

Verweis

begründend

Nennung

beschreibend

318 319

Ex 24,8

AT

319

Jer 31,31

AT

Nennung

beschreibend

320

Ex 24,11

AT

Nennung

beschreibend

320

Ex 24,8

AT

Nennung

beschreibend

320

Lk 22,28–30

NT

Zitat

heuristisch

320

Lk 22,28–30

NT

Nennung

beschreibend

320

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

320

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

320

Lk 22,20

NT

Nennung

beschreibend

320

1 Kor 10,16

NT

Nennung

begründend

320

1 Kor 11,27

NT

Nennung

begründend

320

2 Kor 3,6

NT

Nennung

begründend

320

Gal 4,24

NT

Nennung

begründend

320

Röm 3,25

NT

Nennung

begründend

320

Röm 5,9

NT

Nennung

begründend

321

Mk 14,24par

NT

Nennung

beschreibend

321

Lk 20,18

NT

Nennung

beschreibend

321

Mk 14,22

NT

Nennung

belegend

321

1 Kor 11,24

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

321

Lk 22,19

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

392

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

321

Lk 22,20

NT

Nennung

beschreibend

321

Mk 14,24

NT

Nennung

beschreibend

322

Mk 3,13

NT

Nennung

belegend

322

Mt 16,18 f

NT

Nennung

belegend

322

Lk 22,28–30

NT

Nennung

heuristisch

324

1 Kor 10,16 f

NT

Zitat

heuristisch

324

1 Kor 12,14–27

NT

Nennung

heuristisch

324

1 Kor 12,13

NT

Zitat

heuristisch

327

1 Kor 11,24par

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

1 Kor 11,25

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Lk 22,20

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Mk 14,24

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Mt 26,28

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Zitat

heuristisch

331

Zitat

heuristisch

331

Zitat

heuristisch

Nennung

begründend

Verweis

begründend

336

Lk 24,30

NT

336 337

Verweis

beschreibend

338

Ex 13,3

AT

Nennung

beschreibend

338

Ex 12,14

AT

Nennung

beschreibend

338

1 Kor 11,24

NT

Zitat

begründend

338

1 Kor 11,26

NT

Zitat

begründend

338

2 Kor 5,14

NT

Zitat

begründend

338

Lk 22,19

NT

Zitat

begründend

338

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

338

Röm 6,3 ff

NT

Nennung

begründend

339

Joh 14,26

NT

Nennung

beschreibend

339

Joh 14,26

NT

Zitat

heuristisch

339

Joh 16,13 f

NT

Zitat

heuristisch

343

Röm 12,1

NT

Nennung

beschreibend

344

Lk 22,19

NT

Nennung

begründend

344

1 Kor 11,15

NT

Zitat

begründend

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 393

Seite Bibelstelle 349

Röm 8,34

NT

350

Art des Bezugs

Funktion

Verweis

beschreibend

Verweis

beschreibend

351

Hebr 5,8

NT

Nennung

begründend

351

Röm 5,19

NT

Nennung

begründend

Zitat

beschreibend

Nennung

begründend

351 351

Lk 22,27 f

352

1 Kor 16,22

NT

Zitat

heuristisch

352

Apg 22,20

NT

Nennung

heuristisch

355

1 Kor 10,3

NT

Zitat

begründend

355

1 Kor 12,13

NT

Nennung

begründend

NT

356

Mt 18,20

NT

Nennung

begründend

356

Röm 8,15

NT

Nennung

begründend

357

1 Kor 15,51 ff

NT

Nennung

begründend

357

Röm 8,11

NT

Nennung

begründend

357

Röm 12,1

NT

Zitat

begründend

357

Röm 12,2

NT

Zitat

begründend

Verweis

beschreibend

357 358

1 Kor 1,13

NT

Zitat

begründend

358

1 Kor 10,16 f

NT

Zitat

begründend

358

1 Kor 12,25

NT

Zitat

begründend

Verweis

begründend

358 359

1 Kor 11,27

NT

Zitat

begründend

359

1 Kor 11,29

NT

Zitat

begründend

359

1 Kor 11,31

NT

Zitat

begründend

360

1 Kor 16,22

NT

Zitat

heuristisch

360

1 Kor 11,29

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

360

1 Kor 11,28

NT

Nennung

begründend

361

1 Kor 5,11

NT

Nennung

heuristisch

361

1 Kor 11,29

NT

Nennung

heuristisch

361

1 Kor 5,11

NT

Zitat

heuristisch

Verweis

begründend

364

1 Kor 11,29

NT

Nennung

beschreibend

365

1 Tim 4,13

NT

Nennung

belegend

363

394

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

365

1 Kor 11,25

NT

Zitat

beschreibend

365

1 Kor 11,26

NT

Zitat

beschreibend

Verweis

begründend

1 Thess 2,13

NT

Nennung

begründend

366 f 368

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

Jer 31,31 f

AT

Nennung

318

begründend

1 Kor 1,13

NT

Zitat

358

begründend

1 Kor 10,16

NT

Nennung

320

begründend

1 Kor 10,16 f

NT

Zitat

358

begründend

1 Kor 10,3

NT

Zitat

355

begründend

1 Kor 11,15

NT

Zitat

344

begründend

1 Kor 11,24

NT

Zitat

338

begründend

1 Kor 11,25

NT

Nennung

318

begründend

1 Kor 11,25

NT

Nennung

320

begründend

1 Kor 11,25

NT

Nennung

320

begründend

1 Kor 11,25

NT

Nennung

338

begründend

1 Kor 11,26

NT

Zitat

338

begründend

1 Kor 11,27

NT

Nennung

320

begründend

1 Kor 11,27

NT

Zitat

359

begründend

1 Kor 11,28

NT

Nennung

360

begründend

1 Kor 11,29

NT

Zitat

359

begründend

1 Kor 11,31

NT

Zitat

359

begründend

1 Kor 12,13

NT

Nennung

355

begründend

1 Kor 12,25

NT

Zitat

358

begründend

1 Kor 15,51 ff

NT

Nennung

357

begründend

1 Thess 2,13

NT

Nennung

368

begründend

2 Kor 3,6

NT

Nennung

320

begründend

2 Kor 5,14

NT

Zitat

338

begründend

Gal 4,24

NT

Nennung

320

begründend

Hebr 5,8

NT

Nennung

351

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 395

Funktion

Bibelstelle

begründend

Lk 12,35 ff

begründend

Lk 13,29

Art des Bezugs

Seite

NT

Nennung

317

NT

Nennung

317

begründend

Lk 14,15

NT

Nennung

317

begründend

Lk 14,16–24

NT

Nennung

317

begründend

Lk 22,19

NT

Zitat

338

begründend

Lk 22,19

NT

Nennung

344

begründend

Lk 22,27 f

NT

Nennung

351

begründend

Lk 22,30

NT

Nennung

317

begründend

Lk 24,30

NT

Nennung

336

begründend

Mk 14,24par

NT

Nennung

318

begründend

Mk 8,1–10

NT

Nennung

318

begründend

Mt 18,20

NT

Nennung

356

begründend

Mt 22,1–10

NT

Nennung

317

begründend

Mt 25,10

NT

Nennung

317

begründend

Röm 12,1

NT

Zitat

357

begründend

Röm 3,25

NT

Nennung

320

begründend

Röm 5,19

NT

Nennung

351

begründend

Röm 5,9

NT

Nennung

320

begründend

Röm 6,3 ff

NT

Nennung

338

begründend

Röm 8,11

NT

Nennung

357

begründend

Röm 8,15

NT

Nennung

356

begründend

Verweis

336

begründend

Verweis

363

begründend

Verweis

358

begründend

Verweis

318

begründend

Verweis

366 f

begründend

Röm 12,2

NT

Zitat

357

belegend

1 Tim 4,13

NT

Nennung

365

belegend

Mk 14,22

NT

Nennung

321

belegend

Mk 3,13

NT

Nennung

322

belegend

Mt 16,18 f

NT

Nennung

322

beschreibend

Ex 12,14

AT

Nennung

338

beschreibend

Ex 13,3

AT

Nennung

338

396

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Funktion

Bibelstelle

beschreibend

Ex 24,11

beschreibend

Ex 24,11

Art des Bezugs

Seite

AT

Zitat

318

AT

Nennung

320

beschreibend

Ex 24,8

AT

Nennung

319

beschreibend

Ex 24,8

AT

Nennung

320

beschreibend

Jer 31,31

AT

Nennung

319

beschreibend

Jes 2,2 ff

AT

Nennung

317

beschreibend

Jes 25,6

AT

Nennung

317

beschreibend

Mi 4,1 ff

AT

Nennung

317

beschreibend

1 Kor 11,25

NT

Zitat

365

beschreibend

1 Kor 11,26

NT

Zitat

365

beschreibend

1 Kor 11,29

NT

Nennung

364

beschreibend

Joh 14,26

NT

Nennung

339

beschreibend

Lk 20,18

NT

Nennung

321

beschreibend

Lk 22,20

NT

Nennung

320

beschreibend

Lk 22,20

NT

Nennung

321

beschreibend

Lk 22,28–30

NT

Nennung

320

beschreibend

Mk 14,24

NT

Nennung

321

beschreibend

Mk 14,24par

NT

Nennung

321

beschreibend

Röm 12,1

NT

Nennung

343

beschreibend

Röm 8,34

NT

Verweis

349

beschreibend

Verweis

337

beschreibend

Zitat

351

beschreibend

Verweis

357

beschreibend

Verweis

350

beschreibend

Zitat

317

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,24

NT

Zitat

321

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,24 par

NT

Nennung

327

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,24 f

NT

Nennung

314

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,24 f

NT

Nennung

315

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,25

NT

Nennung

327

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,29

NT

Nennung

360

Gegenstand der Auslegung

Lk 15,2

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Lk 15,22

NT

Nennung

316

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 397

Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

Gegenstand der Auslegung

Lk 22,19

NT

Nennung

315

Gegenstand der Auslegung

Lk 22,19

NT

Zitat

321

Gegenstand der Auslegung

Lk 22,20

NT

Nennung

327

Gegenstand der Auslegung

Lk 5,29 f

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Lk 5,33

NT

Zitat

316

Gegenstand der Auslegung

Lk 7,34

NT

Zitat

316

Gegenstand der Auslegung

Lk 7,36 ff

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mk 14,22–24

NT

Nennung

315

Gegenstand der Auslegung

Mk 14,24

NT

Nennung

327

Gegenstand der Auslegung

Mk 14,3

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mk 2,15

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mk 2,16

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mk 2,17

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mk 6,30–44

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mk 8,1–10

NT

Nennung

316

Gegenstand der Auslegung

Mt 26,26–28

NT

Nennung

315

Gegenstand der Auslegung

Mt 26,28

NT

Nennung

327

heuristisch

1 Kor 10,16 f

NT

Zitat

324

heuristisch

1 Kor 11,29

NT

Nennung

361

heuristisch

1 Kor 12,13

NT

Zitat

324

heuristisch

1 Kor 12,14–27

NT

Nennung

324

heuristisch

1 Kor 16,22

NT

Zitat

352

heuristisch

1 Kor 16,22

NT

Zitat

360

heuristisch

1 Kor 5,11

NT

Nennung

361

heuristisch

1 Kor 5,11

NT

Zitat

361

heuristisch

Apg 10,41

NT

Nennung

314

heuristisch

Apg 2,42.46

NT

Nennung

314

heuristisch

Apg 22,20

NT

Nennung

352

heuristisch

Joh 14,26

NT

Zitat

339

heuristisch

Joh 16,13 f

NT

Zitat

339

heuristisch

Joh 21,13

NT

Nennung

314

heuristisch

Lk 22,28–30

NT

Zitat

320

heuristisch

Lk 22,28–30

NT

Nennung

322

398

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

heuristisch

Lk 24,30 f.41

Nennung

314

heuristisch

Zitat

327

heuristisch

Zitat

331

heuristisch

Zitat

331

NT

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle

Art des Bezugs Funktion

Seite

Ex 12,14

AT

Nennung

beschreibend

338

Ex 13,3

AT

Nennung

beschreibend

338

Ex 24,11

AT

Zitat

beschreibend

318

Ex 24,11

AT

Nennung

beschreibend

320

Ex 24,8

AT

Nennung

beschreibend

319

Ex 24,8

AT

Nennung

beschreibend

320

Jes 2,2 ff

AT

Nennung

beschreibend

317

Jes 25,6

AT

Nennung

beschreibend

317

Jer 31,31

AT

Nennung

beschreibend

319

Jer 31,31 f

AT

Nennung

begründend

318

Mi 4,1 ff

AT

Nennung

beschreibend

317

Mt 16,18 f

NT

Nennung

belegend

322

Mt 18,20

NT

Nennung

begründend

356

Mt 22,1–10

NT

Nennung

begründend

317

Mt 25,10

NT

Nennung

begründend

317

Mt 26,26–28

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

Mt 26,28

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Mk 2,15

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 2,16

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 2,17

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 3,13

NT

Nennung

belegend

322

Mk 6,30–44

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 8,1–10

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Mk 8,1–10

NT

Nennung

begründend

318

Mk 14,3

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 399

Bibelstelle

Art des Bezugs Funktion

Seite

Mk 14,22

NT

Nennung

belegend

321

Mk 14,22–24

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

Mk 14,24

NT

Nennung

beschreibend

321

Mk 14,24

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Mk 14,24par

NT

Nennung

begründend

318

Mk 14,24par

NT

Nennung

beschreibend

321

Lk 5,29 f

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 5,33

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 7,34

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 7,36 ff

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 12,35 ff

NT

Nennung

begründend

317

Lk 13,29

NT

Nennung

begründend

317

Lk 14,15

NT

Nennung

begründend

317

Lk 14,16–24

NT

Nennung

begründend

317

Lk 15,2

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 15,22

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

316

Lk 20,18

NT

Nennung

beschreibend

321

Lk 22,19

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

Lk 22,19

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

321

Lk 22,19

NT

Zitat

begründend

338

Lk 22,19

NT

Nennung

begründend

344

Lk 22,20

NT

Nennung

beschreibend

320

Lk 22,20

NT

Nennung

beschreibend

321

Lk 22,20

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

Lk 22,27 f

NT

Nennung

begründend

351

Lk 22,28–30

NT

Zitat

heuristisch

320

Lk 22,28–30

NT

Nennung

beschreibend

320

Lk 22,28–30

NT

Nennung

heuristisch

322

Lk 22,30

NT

Nennung

begründend

317

Lk 24,30

NT

Nennung

begründend

336

Lk 24,30 f.41

NT

Nennung

heuristisch

314

Joh 14,26

NT

Nennung

beschreibend

339

Joh 14,26

NT

Zitat

heuristisch

339

400

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Bibelstelle

Art des Bezugs Funktion

Seite

Joh 16,13 f

NT

Zitat

heuristisch

339

Joh 21,13

NT

Nennung

heuristisch

314

Apg 2,42.46

NT

Nennung

heuristisch

314

Apg 10,41

NT

Nennung

heuristisch

314

Apg 22,20

NT

Nennung

heuristisch

352

Röm 3,25

NT

Nennung

begründend

320

Röm 5,9

NT

Nennung

begründend

320

Röm 5,19

NT

Nennung

begründend

351

Röm 6,3 ff

NT

Nennung

begründend

338

Röm 8,11

NT

Nennung

begründend

357

Röm 8,15

NT

Nennung

begründend

356

Röm 8,34

NT

Verweis

beschreibend

349

Röm 12,1

NT

Nennung

beschreibend

343

Röm 12,1

NT

Zitat

begründend

357

Röm 12,2

NT

Zitat

begründend

357

1 Kor 1,13

NT

Zitat

begründend

358

1 Kor 5,11

NT

Nennung

heuristisch

361

1 Kor 5,11

NT

Zitat

heuristisch

361

1 Kor 10,3

NT

Zitat

begründend

355

1 Kor 10,16

NT

Nennung

begründend

320

1 Kor 10,16 f

NT

Zitat

heuristisch

324

1 Kor 10,16 f

NT

Zitat

begründend

358

1 Kor 11,15

NT

Zitat

begründend

344

1 Kor 11,24

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

321

1 Kor 11,24

NT

Zitat

begründend

338

1 Kor 11,24par

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

1 Kor 11,24 f

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

314

1 Kor 11,24 f

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

315

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

318

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

320

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

320

1 Kor 11,25

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

327

1 Kor 11,25

NT

Nennung

begründend

338

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 401

Bibelstelle

Art des Bezugs Funktion

Seite

1 Kor 11,25

NT

Zitat

beschreibend

365

1 Kor 11,26

NT

Zitat

begründend

338

1 Kor 11,26

NT

Zitat

beschreibend

365

1 Kor 11,27

NT

Nennung

begründend

320

1 Kor 11,27

NT

Zitat

begründend

359

1 Kor 11,28

NT

Nennung

begründend

360

1 Kor 11,29

NT

Zitat

begründend

359

1 Kor 11,29

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

360

1 Kor 11,29

NT

Nennung

heuristisch

361

1 Kor 11,29

NT

Nennung

beschreibend

364

1 Kor 11,31

NT

Zitat

begründend

359

1 Kor 12,13

NT

Zitat

heuristisch

324

1 Kor 12,13

NT

Nennung

begründend

355

1 Kor 12,14–27

NT

Nennung

heuristisch

324

1 Kor 12,25

NT

Zitat

begründend

358

1 Kor 15,51 ff

NT

Nennung

begründend

357

1 Kor 16,22

NT

Zitat

heuristisch

352

1 Kor 16,22

NT

Zitat

heuristisch

360

2 Kor 3,6

NT

Nennung

begründend

320

2 Kor 5,14

NT

Zitat

begründend

338

Gal 4,24

NT

Nennung

begründend

320

1 Thess 2,13

NT

Nennung

begründend

368

1 Tim 4,13

NT

Nennung

belegend

365

Hebr 5,8

NT

Nennung

begründend

351

4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf ) Seite Funktion

Literaturangabe

314 begründend

Kretschmar: Art. Abendmahlsfeier (1977)

316 begründend

Delling: Art. Abendmahl (1977)

316 begründend

Patsch: Abendmahl (1972)

317 belegend

Strack/Billerbeck: Kommentar (1924)

317 begründend

Patsch: Abendmahl (1972)

402

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite Funktion

Literaturangabe

318 beschreibend

Aalen: Abendmahl (1963)

318 begründend

Hahn: Stand (1975)

318 begründend

Hahn: Motive (1967)

318 begründend

Patsch: Abendmahl (1972)

318 begründend

Patsch: Abendmahl (1972)

318 belegend

Schweitzer: Art. Abendmahl (1957)

319 belegend

Hahn: Motive (1967)

319 begründend

Patsch: Abendmahl (1972)

319 begründend

Patsch: Abendmahl (1972)

319 begründend

Wagner: Bedeutungswandel (1975)

319 belegend

Wagner: Bedeutungswandel (1975)

320 beschreibend

Goppelt: Theologie (1975)

320 beschreibend

Grundmann: Evangelium (1961)

320 begründend

Hahn: Stand (1975)

320 beschreibend

Patsch: Abendmahl (1972)

321 belegend

Hahn: Stand (1975)

321 begründend

Hahn: Stand (1975)

321 begründend

Hahn: Stand (1975)

321 belegend

Patsch: Abendmahl (1972)

322 belegend

Bornkamm: Enderwartung (1954)

322 belegend

Cullmann: Petrus (1952)

322 begründend

Kümmel: Kirchenbegriff (1943)

322 beschreibend

Kümmel: Kirchenbegriff (1943)

323 belegend

Patsch: Abendmahl (1972)

336 beschreibend

Cullmann: Petrus (1952)

336 beschreibend

Goppelt: Theologie (1975)

336 beschreibend

Hahn: Stand (1975)

338 beschreibend

Schottroff: Gedenken (1967)

353 illustrierend

Kuhn: Maranatha (1942)

364 belegend

Bornkamm: Herrenmahl (1959)

365 begründend

Hahn: Art. Gottesdienst (1985)

365 begründend

Hahn: Art. Gottesdienst (1985)

366 begründend

Hahn: Art. Gottesdienst (1985)

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 403

B. Tod Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Pannenberg: Theologie (2). 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

303 Dtn 32,47

AT

Nennung

beschreibend

303 Lev 18,5

AT

Nennung

beschreibend

303 Röm 7,11

NT

Zitat

begründend

303 Eph 4,22

NT

Nennung

begründend

303 2 Thess 2,10

NT

Nennung

begründend

303 Hebr 3,13

NT

Nennung

begründend

Zitat

beschreibend

303 304 Gen 3,4 ff

AT

Nennung

begründend

304 Gen 2,17

AT

Nennung

beschreibend

304 Gen 3,3 f

AT

Nennung

beschreibend

304 Röm 7,22

NT

Nennung

begründend

304 Röm 6,23

NT

Zitat

begründend

304 Röm 7,11

NT

Nennung

belegend

304

Paraphrase

beschreibend

305 Ps 88,6

AT

Nennung

belegend

305 Jes 38,18

AT

Nennung

belegend

305 Ps 115,17

AT

Nennung

belegend

305 Ps 6,6

AT

Nennung

belegend

305 Röm 5,12

NT

Nennung

begründend

305 1 Tim 5,6

NT

Nennung

begründend

305 1 Joh 3,14

NT

Nennung

begründend

305 Lk 9,60

NT

Nennung

begründend

305 Mt 8,22

NT

Nennung

begründend

305 Offb 2,11

NT

Nennung

beschreibend

305 Offb 20,14

NT

Nennung

belegend

305 Offb 21,8

NT

Nennung

belegend

306 1 Kor 15,35–38 NT

Nennung

beschreibend

404

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

306 Röm 5,12

NT

Paraphrase

beschreibend

308 Gen 25,8

AT

Nennung

beschreibend

308 Gen 35,29

AT

Nennung

beschreibend

308 Gen 46,30

AT

Nennung

beschreibend

308 Phil 1,21

NT

Zitat

beschreibend

308 Röm 14,8

NT

Nennung

beschreibend

308 Röm 5,12

NT

Nennung

begründend

308 Röm 6,23

NT

Nennung

begründend

308 Röm 7,1–6

NT

Nennung

begründend

309 Gen 3,14–19

AT

Paraphrase

begründend

309 Röm 6,5 ff

NT

Paraphrase

begründend

309 Röm 7,6

NT

Nennung

belegend

309 1 Kor 15,44–49 NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

309

Nennung

beschreibend

310 Gen 2,17

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

310 Gen 3,19

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

310 Gen 2,17

AT

Nennung

beschreibend

310 1 Kor 15,52 ff

NT

Nennung

heuristisch

311 Lk 1,79

NT

Paraphrase

begründend

311 Mt 4,16

NT

Nennung

begründend

311 1 Kor 15,26

NT

Paraphrase

begründend

313 Weish 1,13

AT

Zitat

heuristisch

313 Röm 8,20–22

NT

Paraphrase

heuristisch

314 Gen 4,7

AT

Paraphrase

heuristisch

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

Gen 3,14–19

AT

Paraphrase

309

begründend

Gen 3,4 ff

AT

Nennung

304

begründend

1 Joh 3,14

NT

Nennung

305

begründend

1 Kor 15,26

NT

Paraphrase

311

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 405

Funktion

Bibelstelle

begründend

1 Tim 5,6

begründend

2 Thess 2,10

Art des Bezugs

Seite

NT

Nennung

305

NT

Nennung

303

begründend

Eph 4,22

NT

Nennung

303

begründend

Hebr 3,13

NT

Nennung

303

begründend

Lk 1,79

NT

Paraphrase

311

begründend

Lk 9,60

NT

Nennung

305

begründend

Mt 4,16

NT

Nennung

311

begründend

Mt 8,22

NT

Nennung

305

begründend

Röm 5,12

NT

Nennung

305

begründend

Röm 5,12

NT

Nennung

308

begründend

Röm 6,23

NT

Zitat

304

begründend

Röm 6,23

NT

Nennung

308

begründend

Röm 6,5 ff

NT

Paraphrase

309

begründend

Röm 7,11

NT

Zitat

303

begründend

Röm 7,1–6

NT

Nennung

308

begründend

Röm 7,22

NT

Nennung

304

belegend

Jes 38,18

AT

Nennung

305

belegend

Ps 115,17

AT

Nennung

305

belegend

Ps 6,6

AT

Nennung

305

belegend

Ps 88,6

AT

Nennung

305

belegend

Offb 20,14

NT

Nennung

305

belegend

Offb 21,8

NT

Nennung

305

belegend

Röm 7,11

NT

Nennung

304

belegend

Röm 7,6

NT

Nennung

309

beschreibend

Dtn 32,47

AT

Nennung

303

beschreibend

Gen 2,17

AT

Nennung

304

beschreibend

Gen 2,17

AT

Nennung

310

beschreibend

Gen 25,8

AT

Nennung

308

beschreibend

Gen 3,3 f

AT

Nennung

304

beschreibend

Gen 35,29

AT

Nennung

308

beschreibend

Gen 46,30

AT

Nennung

308

beschreibend

Lev 18,5

AT

Nennung

303

406

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

beschreibend

1 Kor 15,35–38 NT

Nennung

306

beschreibend

Offb 2,11

Nennung

305

NT

beschreibend

Phil 1,21

NT

Zitat

308

beschreibend

Röm 14,8

NT

Nennung

308

beschreibend

Röm 5,12

NT

Paraphrase

306

Zitat

303

beschreibend beschreibend

Paraphrase

304

beschreibend

Nennung

309

Gegenstand der Auslegung

Gen 2,17

AT

Nennung

310

Gegenstand der Auslegung

Gen 3,19

AT

Nennung

310

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 15,44–49 NT

Nennung

309

heuristisch

Gen 4,7

AT

Paraphrase

314

heuristisch

Weish 1,13

AT

Zitat

313

heuristisch

1 Kor 15,52 ff

NT

Nennung

310

heuristisch

Röm 8,20–22

NT

Paraphrase

313

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite 304

Gen 2,17

AT

Nennung

beschreibend

Gen 2,17

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung 310

Gen 2,17

AT

Nennung

beschreibend

310

Gen 3,3 f

AT

Nennung

beschreibend

304

Gen 3,4 ff

AT

Nennung

begründend

304

Gen 3,14–19

AT

Paraphrase

begründend

309

Gen 3,19

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung 310

Gen 4,7

AT

Paraphrase

heuristisch

314

Gen 25,8

AT

Nennung

beschreibend

308

Gen 35,29

AT

Nennung

beschreibend

308

Gen 46,30

AT

Nennung

beschreibend

308

Lev 18,5

AT

Nennung

beschreibend

303

Dtn 32,47

AT

Nennung

beschreibend

303

II. Ad B 2.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Wolfhart Pannenberg 407

Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite

Jes 38,18

AT

Nennung

belegend

305

Ps 6,6

AT

Nennung

belegend

305

Ps 88,6

AT

Nennung

belegend

305

Ps 115,17

AT

Nennung

belegend

305

Weish 1,13

AT

Zitat

heuristisch

313

Mt 4,16

NT

Nennung

begründend

311

Mt 8,22

NT

Nennung

begründend

305

Lk 1,79

NT

Paraphrase

begründend

311

Lk 9,60

NT

Nennung

begründend

305

Röm 5,12

NT

Nennung

begründend

305

Röm 5,12

NT

Paraphrase

beschreibend

306

Röm 5,12

NT

Nennung

begründend

308

Röm 6,23

NT

Zitat

begründend

304

Röm 6,23

NT

Nennung

begründend

308

Röm 6,5 ff

NT

Paraphrase

begründend

309

Röm 7,1–6

NT

Nennung

begründend

308

Röm 7,6

NT

Nennung

belegend

309

Röm 7,11

NT

Zitat

begründend

303

Röm 7,11

NT

Nennung

belegend

304

Röm 7,22

NT

Nennung

begründend

304

Röm 8,20–22

NT

Paraphrase

heuristisch

313

Röm 14,8

NT

Nennung

beschreibend

308

1 Kor 15,26

NT

Paraphrase

begründend

311

1 Kor 15,35–38

NT

Nennung

beschreibend

306

1 Kor 15,44–49

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung 309

1 Kor 15,52 ff

NT

Nennung

heuristisch

310

Eph 4,22

NT

Nennung

begründend

303

Phil 1,21

NT

Zitat

beschreibend

308

2 Thess 2,10

NT

Nennung

begründend

303

1 Tim 5,6

NT

Nennung

begründend

305

1 Joh 3,14

NT

Nennung

begründend

305

Hebr 3,13

NT

Nennung

begründend

303

408

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite

Offb 2,11

NT

Nennung

beschreibend

305

Offb 20,14

NT

Nennung

belegend

305

Offb 21,8

NT

Nennung

belegend

305

4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf ) Seite

Funktion

Literaturangabe

303

belegend

Bornkamm: Ende (1952)

303

belegend

Wilckens: Brief (1980)

304

belegend

Brandenburger: Adam (1962)

305

beschreibend

Bultmann: Art. Thanatos (1938)

309

beschreibend

Bultmann: Art. Thanatos (1938)

309

begründend

Koch: Vergeltungsdogma (1955)

III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Friedrich Mildenberger A. Abendmahl Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Mildenberger: Dogmatik (2). 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

237

1 Kor 1,2

NT

Zitat

beschreibend

237

1 Kor 3,16

NT

Zitat

begründend

237

1 Kor 6,19

NT

Nennung

begründend

237

2 Kor 6,14–7,1

NT

Nennung

beschreibend

237

2 Kor 6,16 f

NT

Zitat

begründend

238

1 Kor 10,11

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

238

1 Kor 10,1–13

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

238

1 Kor 10,16–17

NT

Zitat

begründend

III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei F. Mildenberger

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

238

1 Kor 10,18

NT

Zitat

begründend

238

1 Petr 2,9 f

NT

Zitat

begründend

238

Ex 33

AT

Nennung

beschreibend

238

Lev 6,17–7,7

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

238

Lev 6,18.22

AT

Zitat

beschreibend

238

Lev 7,1.6

AT

Zitat

beschreibend

238

Lev 7,11 ff

AT

Nennung

beschreibend

238

Röm 6

NT

Nennung

begründend

239

1 Kor 11,20–21

NT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

239

1 Kor 11,26

NT

Zitat

begründend

239

1 Kor 11,27

NT

Nennung

heuristisch

239

1 Kor 11,27–29

NT

Zitat

beschreibend

243

1 Kor 12,2–3

NT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

244

1 Kor 12

NT

Nennung

heuristisch

244

1 Kor 12,26–27

NT

Zitat

begründend

244

1 Kor 12,28 ff

NT

Nennung

beschreibend

244

1 Kor 13

NT

Nennung

beschreibend

244

1 Kor 14

NT

Nennung

heuristisch

244

Röm 12,3–8

NT

Nennung

beschreibend

245

1 Kor 14,2–4

NT

Zitat

heuristisch

245

1 Kor 14,24–25

NT

Zitat

begründend

409

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

1 Kor 10,16–17

NT

Zitat

238

begründend

1 Kor 10,18

NT

Zitat

238

begründend

1 Kor 11,26

NT

Zitat

239

begründend

1 Kor 12,26–27

NT

Zitat

244

begründend

1 Kor 14,24–25

NT

Zitat

245

begründend

1 Kor 3,16

NT

Zitat

237

begründend

1 Kor 6,19

NT

Nennung

237

410

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Funktion

Bibelstelle

begründend

1 Petr 2,9 f

begründend

2 Kor 6,16 f

Art des Bezugs

Seite

NT

Zitat

238

NT

Zitat

237

begründend

Röm 6

NT

Nennung

238

beschreibend

1 Kor 1,2

NT

Zitat

237

beschreibend

1 Kor 11,27–29

NT

Zitat

239

beschreibend

1 Kor 12,28 ff

NT

Nennung

244

beschreibend

1 Kor 13

NT

Nennung

244

beschreibend

2 Kor 6,14–7,1

NT

Nennung

237

beschreibend

Ex 33

AT

Nennung

238

beschreibend

Lev 6,18.22

AT

Zitat

238

beschreibend

Lev 7,1.6

AT

Zitat

238

beschreibend

Lev 7,11 ff

AT

Nennung

238

beschreibend

Röm 12,3–8

NT

Nennung

244

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 10,1–13

NT

Nennung

238

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 10,11

NT

Zitat

238

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 11,20–21

NT

Nennung

239

Gegenstand der Auslegung

1 Kor 12,2–3

NT

Zitat

243

Gegenstand der Auslegung

Lev 6,17–7,7

AT

Nennung

238

heuristisch

1 Kor 11,27

NT

Nennung

239

heuristisch

1 Kor 12

NT

Nennung

244

heuristisch

1 Kor 14

NT

Nennung

244

heuristisch

1 Kor 14,2–4

NT

Zitat

245

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite 238

Ex 33

AT

Nennung

beschreibend

Lev 6,17–7,7

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung 238

Lev 6,18.22

AT

Zitat

beschreibend

238

Lev 7,1.6

AT

Zitat

beschreibend

238

Lev 7,11 ff

AT

Nennung

beschreibend

238

Röm 6

NT Nennung

begründend

238

III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei F. Mildenberger

Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

Seite

Röm 12,3–8

NT Nennung

beschreibend

244

1 Kor 1,2

NT Zitat

beschreibend

237

1 Kor 3,16

NT Zitat

begründend

237

1 Kor 6,19

NT Nennung

begründend

237

1 Kor 10,1–13

NT Nennung

Gegenstand der Auslegung 238

1 Kor 10,11

NT Zitat

Gegenstand der Auslegung 238

1 Kor 10,16–17

NT Zitat

begründend

238

1 Kor 10,18

NT Zitat

begründend

238

1 Kor 11,20–21

NT Nennung

Gegenstand der Auslegung 239

1 Kor 11,26

NT Zitat

begründend

239

1 Kor 11,27

NT Nennung

heuristisch

239

1 Kor 11,27–29

NT Zitat

beschreibend

239

1 Kor 12

NT Nennung

heuristisch

244

1 Kor 12,2–3

NT Zitat

Gegenstand der Auslegung 243

1 Kor 12,26–27

NT Zitat

begründend

244

1 Kor 12,28 ff

NT Nennung

beschreibend

244

1 Kor 13

NT Nennung

beschreibend

244

1 Kor 14

NT Nennung

heuristisch

244

1 Kor 14,2–4

NT Zitat

heuristisch

245

1 Kor 14,24–25

NT Zitat

begründend

245

2 Kor 6,14–7,1

NT Nennung

beschreibend

237

2 Kor 6,16 f

NT Zitat

begründend

237

1 Petr 2,9 f

NT Zitat

begründend

238

4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf ) Seite Funktion

Literaturangabe

237 belegend

Lang: Briefe (1986)

239 begründend

Lang: Briefe (1986)

243 beschreibend

Conzelmann: Brief (1981)

243 beschreibend

Roloff: Art. Amt (1978)

411

412

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

B. Tod Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Mildenberger: Dogmatik (3). 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

324 Gen 25,8

AT Zitat

beschreibend

324 Hi 42,17

AT Zitat

beschreibend

324 Ps 102,24

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

324 Ps 102,26–28

AT Zitat

begründend

325 Jes 8,19–21

AT Zitat

begründend

325 Ps 102,29

AT Zitat

heuristisch

325 Ps 90

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

325 Ps 90,13–17

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

326 Dtn 31,30

AT Nennung

beschreibend

326 Ex 15,1

AT Nennung

beschreibend

326 Ps 74,11–17

AT Nennung

beschreibend

326 Ps 90

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

326 Ps 90,3

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

326 Ps 90,1

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

326 Ps 90,2

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

326 Ps 90,4

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

327 Ps 90,5–6

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

327 Ps 90,7

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

327 Ps 90,8

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

327 Ps 90,9

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

327 1 Kor 15,26

NT Paraphrase

illustrierend

328 Ps 90,10

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

328 Ps 90,11

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

328 Ps 90,12

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

329 Ps 46,6

AT Nennung

beschreibend

329 Ps 90,14–15

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

329 Ps 20,3

AT Nennung

beschreibend

III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei F. Mildenberger

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

413

Funktion

329 Ps 90,2

AT Nennung

beschreibend

329 Ps 90,13

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

329 Ps 90,16

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

329 Ps 90,17

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

330 Ps 90,11–12

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

330 Ps 90,13

AT Nennung

Gegenstand der Auslegung

330 Ps 90,16

AT Zitat

Gegenstand der Auslegung

330 Röm 8,10–13

NT Nennung

beschreibend

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

Jes 8,19–21

begründend

Ps 102,26–28

AT

Zitat

325

AT

Zitat

324

beschreibend

Dtn 31,30

AT

Nennung

326

beschreibend

Ex 15,1

AT

Nennung

326

beschreibend

Gen 25,8

AT

Zitat

324

beschreibend

Hi 42,17

AT

Zitat

324

beschreibend

Ps 20,3

AT

Nennung

329

beschreibend

Ps 46,6

AT

Nennung

329

beschreibend

Ps 74,11–17

AT

Nennung

326

beschreibend

Ps 90,2

AT

Nennung

329

beschreibend

Röm 8,10–13

NT

Nennung

330

Gegenstand der Auslegung

Ps 102,24

AT

Zitat

324

Gegenstand der Auslegung

Ps 90

AT

Nennung

325

Gegenstand der Auslegung

Ps 90

AT

Zitat

326

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,1

AT

Zitat

326

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,2

AT

Zitat

326

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,3

AT

Zitat

326

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,4

AT

Zitat

326

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,5–6

AT

Zitat

327

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,7

AT

Zitat

327

414

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,8

AT

Zitat

327

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,9

AT

Zitat

327

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,10

AT

Zitat

328

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,11

AT

Zitat

328

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,11–12

AT

Nennung

330

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,12

AT

Zitat

328

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,13

AT

Zitat

329

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,13

AT

Nennung

330

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,13–17

AT

Nennung

325

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,14–15

AT

Zitat

329

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,16

AT

Zitat

329

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,16

AT

Zitat

330

Gegenstand der Auslegung

Ps 90,17

AT

Zitat

329

heuristisch

Ps 102,29

AT

Zitat

325

illustrierend

1 Kor 15,26

NT

Paraphrase

327

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle Gen 25,8

AT

Art des Bezugs

Funktion

Seite

Zitat

beschreibend

324

Ex 15,1

AT

Nennung

beschreibend

326

Dtn 31,30

AT

Nennung

beschreibend

326

Jes 8,19–21

AT

Zitat

begründend

325

Ps 20,3

AT

Nennung

beschreibend

329

Ps 46,6

AT

Nennung

beschreibend

329

Ps 74,11–17

AT

Nennung

beschreibend

326

Ps 90

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

325

Ps 90

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

326

Ps 90,1

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

326

Ps 90,2

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

326

Ps 90,2

AT

Nennung

beschreibend

329

Ps 90,3

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

326

III. Ad B 3.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei F. Mildenberger

Bibelstelle

415

Art des Bezugs

Funktion

Seite

Ps 90,4

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

326

Ps 90,5–6

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

327

Ps 90,7

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

327

Ps 90,8

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

327

Ps 90,9

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

327

Ps 90,10

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

328

Ps 90,11

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

328

Ps 90,11–12

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

330

Ps 90,12

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

328

Ps 90,13–17

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

325

Ps 90,13

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

329

Ps 90,13

AT

Nennung

Gegenstand der Auslegung

330

Ps 90,14–15

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

329

Ps 90,16

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

329

Ps 90,16

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

330

Ps 90,17

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

329

Ps 102,24

AT

Zitat

Gegenstand der Auslegung

324

Ps 102,26–28

AT

Zitat

begründend

324

Ps 102,29

AT

Zitat

heuristisch

325

Hi 42,17

AT

Zitat

beschreibend

324

Röm 8,10–13

NT Nennung

beschreibend

330

1 Kor 15,26

NT Paraphrase

illustrierend

327

4. Exegetische Literatur (Darstellung nach dem Argumentationsverlauf ) Seite

Funktion

Literaturangabe

324

beschreibend

Kraus: Psalmen (1961)

325

begründend

Schreiner: Erwägungen (1978)

325

begründend

Westermann: Psalm (1964)

325

begründend

von Rad: Wirken (1974)

325

beschreibend

Müller: Psalm (1984)

326

beschreibend

von Rad: Wirken (1974)

416

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite

Funktion

Literaturangabe

327

beschreibend

Kraus: Psalmen (1961)

327

beschreibend

Strauss: Gott (1988)

327

beschreibend

Müller: Psalm (1984)

327

beschreibend

von Rad: Wirken (1974)

328

beschreibend

von Rad: Wirken (1974)

328

beschreibend

Müller: Psalm (1984)

IV. Ad B 4.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Ulrich H. J. Körtner A. Abendmahl Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Körtner: Dogmatik. 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite

Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

548

1 Kor 11,24

NT Zitat

begründend

548

1 Kor 11,26

NT Paraphrase

heuristisch

548

Lk 22,19b

NT Paraphrase

beschreibend

NT Verweis

beschreibend

Mt 28,19

NT Paraphrase

begründend

NT Verweis

beschreibend

549

Mk 4,11

NT Zitat

heuristisch

550

1 Kor 11,26

NT Zitat

begründend

550

1 Kor 15,51

NT Verweis

heuristisch

548 548 548

550

Röm 11,25

NT Verweis

heuristisch

557

1 Kor 11,23–25

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung

557

Lk 22,7–23

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung

557

Mk 14,12–25

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung

557

Mt 26,17–30

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung

558

Joh 6,35

NT Paraphrase

heuristisch

IV. Ad B 4.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Ulrich H. J. Körtner

Seite

Bibelstelle

558

Joh 6,51–58

NT Paraphrase

Gegenstand der Auslegung

559

Joh 6,68

NT Paraphrase

heuristisch

NT Verweis

beschreibend

560

1 Kor 11,25

NT Verweis

beschreibend

560

1 Kor 11,26

NT Paraphrase

heuristisch

560

Lk 22,18

NT Verweis

heuristisch

559

Art des Bezugs

Funktion

560

Lk 22,20

NT Verweis

beschreibend

560

Mk 14,25

NT Verweis

heuristisch

560

Mt 26,29

NT Verweis

heuristisch

NT Verweis

beschreibend

560

417

561

1 Kor 10,16 f

NT Paraphrase

begründend

561

Apg 10

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 16,11–40

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 2,42–47

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 20,7–12

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 6,1–7

NT Paraphrase

beschreibend

561

NT Paraphrase

beschreibend

561

NT Verweis

beschreibend

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

Seite

begründend

1 Kor 10,16 f

NT Paraphrase

561

begründend

1 Kor 11,24

NT Zitat

548

begründend

1 Kor 11,26

NT Zitat

550

begründend

Mt 28,19

NT Paraphrase

548

beschreibend

1 Kor 11,25

NT Verweis

560

beschreibend

Apg 10

NT Verweis

561

beschreibend

Apg 16,11–40

NT Verweis

561

beschreibend

Apg 2,42–47

NT Verweis

561

beschreibend

Apg 20,7–12

NT Verweis

561

beschreibend

Apg 6,1–7

NT Paraphrase

561

beschreibend

Lk 22,19b

NT Paraphrase

548

418

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Funktion

Bibelstelle

beschreibend

Lk 22,20

Art des Bezugs

Seite

NT Verweis

560

beschreibend

NT Verweis

548

beschreibend

NT Verweis

548

beschreibend

NT Verweis

559

beschreibend

NT Verweis

560

beschreibend

NT Paraphrase

561

beschreibend

NT Verweis

561

Gegenstand der Auslegung 1 Kor 11,23–25

NT Verweis

557

Gegenstand der Auslegung Joh 6,51–58

NT Paraphrase

558

Gegenstand der Auslegung Lk 22,7–23

NT Verweis

557

Gegenstand der Auslegung Mk 14,12–25

NT Verweis

557

Gegenstand der Auslegung Mt 26,17–30

NT Verweis

557

heuristisch

1 Kor 11,26

NT Paraphrase

548

heuristisch

1 Kor 11,26

NT Paraphrase

560

heuristisch

1 Kor 15,51

NT Verweis

550

heuristisch

Joh 6,35

NT Paraphrase

558

heuristisch

Joh 6,68

NT Paraphrase

559

heuristisch

Lk 22,18

NT Verweis

560

heuristisch

Mk 14,25

NT Verweis

560

heuristisch

Mk 4,11

NT Zitat

549

heuristisch

Mt 26,29

NT Verweis

560

heuristisch

Röm 11,25

NT Verweis

550

Funktion

Seite

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle Mt 26,17–30

Art des Bezugs NT Verweis

Gegenstand der Auslegung 557

Mt 26,29

NT Verweis

heuristisch

560

Mt 28,19

NT Paraphrase

begründend

548

Mk 4,11

NT Zitat

heuristisch

549

Mk 14,12–25

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung 557

Mk 14,25

NT Verweis

heuristisch

Lk 22,7–23

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung 557

560

IV. Ad B 4.4. – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch bei Ulrich H. J. Körtner

Bibelstelle

Art des Bezugs

419

Funktion

Seite

Lk 22,18

NT Verweis

heuristisch

560

Lk 22,19b

NT Paraphrase

beschreibend

548

Lk 22,20

NT Verweis

beschreibend

560

Joh 6,35

NT Paraphrase

heuristisch

558

Joh 6,51–58

NT Paraphrase

Gegenstand der Auslegung 558

Joh 6,68

NT Paraphrase

heuristisch

559

Apg 2,42–47

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 6,1–7

NT Paraphrase

beschreibend

561

Apg 10

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 16,11–40

NT Verweis

beschreibend

561

Apg 20,7–12

NT Verweis

beschreibend

561

Röm 11,25

NT Verweis

heuristisch

550

1 Kor 10,16 f

NT Paraphrase

begründend

561

1 Kor 11,23–25

NT Verweis

Gegenstand der Auslegung 557

1 Kor 11,24

NT Zitat

begründend

548

1 Kor 11,25

NT Verweis

beschreibend

560

1 Kor 11,26

NT Paraphrase

heuristisch

548

1 Kor 11,26

NT Zitat

begründend

550

1 Kor 11,26

NT Paraphrase

heuristisch

560

1 Kor 15,51

NT Verweis

heuristisch

550

B. Tod Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Körtner: Bedenken. 1. Darstellung nach dem Argumentationsverlauf Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

22

1 Kor 15,26

NT Zitat

illustrierend

22

Hiob 5,25 f

AT

heuristisch

22

Zitat

NT Verweis

heuristisch

22

Röm 6,23

NT Paraphrase

heuristisch

23

1 Kor 15,26

NT Paraphrase

heuristisch

420

Anhang – Tabellarische Übersicht zum Schriftgebrauch

Seite Bibelstelle

Art des Bezugs

Funktion

23

1 Kor 15,55

NT Paraphrase

heuristisch

23

Röm 8

NT Paraphrase

heuristisch

23

Phil 1,23

NT Zitat

begründend

23

Röm 6,23

NT Paraphrase

begründend

23

Verweis

beschreibend

2. Darstellung nach den Funktionen Funktion

Bibelstelle

Art des Bezugs

begründend

Phil 1,23

NT Zitat

23

begründend

Röm 6,23

NT Paraphrase

23

heuristisch

1 Kor 15,26

NT Paraphrase

23

heuristisch

1 Kor 15,55

NT Paraphrase

23

heuristisch

Hiob 5,25 f

AT

22

Beschreibend

Verweis

Zitat

Seite

23

heuristisch

Röm 6,23

NT Paraphrase

22

heuristisch

Röm 8

NT Paraphrase

23

NT Verweis

22

NT Zitat

22

heuristisch Illustrierend

1 Kor 15,26

3. Darstellung nach den Bibelstellen Bibelstelle Hi 5,25 f

Art des Bezugs AT Zitat

Funktion

Seite

heuristisch

22

Röm 6,23

NT Paraphrase

heuristisch

22

Röm 6,23

NT Paraphrase

begründend

23

Röm 8

NT Paraphrase

heuristisch

23

1 Kor 15,26

NT Paraphrase

heuristisch

23

1 Kor 15,26

NT Zitat

illustrierend

22

1 Kor 15,55

NT Paraphrase

heuristisch

23

Phil 1,23

NT Zitat

begründend

23

Literaturverzeichnis Die Abkürzungen folgen Schwertner, Siegfried M.: IATG. Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, Berlin/Boston (MA) 32014. Kursiv markiert sind die in den Fußnoten verwendeten Kurztitel.

I. Primärliteratur der untersuchten Autoren Körtner, Ulrich H. J., Arbeit am Kanon. Studien zur Bibelhermeneutik, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2015. – Art. Kontextuelle Bibelhermeneutiken, in: Oda Wischmeyer/Susanne Luther (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe  – Konzepte  – Theorien, Berlin/New York: De Gruyter 2009, 344–345. – Art. Mitte der Schrift III. Systematisch-theologisch, in: Oda Wischmeyer/Susanne Luther (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Konzepte – Theorien, Berlin/ New York: De Gruyter 2009, 393–394. – Art. Schrift/Schriftprinzip IV. Systematisch-theologisch, in: Oda Wischmeyer/Susanne Luther (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Konzepte – Theorien, Berlin/ New York: De Gruyter 2009, 524–525. – Art. Schriftauslegung IV. Systematisch-theologisch, in: TRE 30 (1999), 489–495. – Bedenken, daß wir sterben müssen. Sterben und Tod in Theologie und medizinischer Ethik, München: Ch.H. Beck 1996. – Der gute Tod. Sterben im Zeitalter der Machbarkeit, http://www.uibk.ac.at/wuv/l​e​s​e​z​i​ m​m​e​r​/ wuv_transkripte/vortrag_koertner_bueno-gomez.html (Zugriff am 07. 02. ​2022). – Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte biblischer Hermeneutik, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1994. – Der sogenannte Ganztod. Anthropologische und medizinethische Aspekte der Hirntodkontroverse, in: LM 34 (1995), 12–15. – Der sogenannte Ganztod. Die Frage der Auferstehung im Streit um den Hirntod, in: ea 5 (1995), 14–18. – Der unbewältigte Tod. Theologische und ethische Erwägungen zum Lebensende in der heutigen Gesellschaft (Angermühler Gespräche 7), Passau: Rothe 1997. – Der unbezähmbare Tod, in: Franz J. Wetz/Brigitte Tag/Klaus Tiedemann (Hg.), Schöne neue Körperwelten. Der Streit um die Ausstellung, Stuttgart: Klett-Cotta 2001, 241–265. – Der verwilderte Tod. Gesellschaftliche und theologische Aspekte des heutigen Umgangs mit Tod und Sterben, in: ThBeitr 26 (1995), 248–264. – „Die Lebenden freilich ängstigen sich …“. Lebensende und Weltende in der Sicht Martin Luthers und heute, in: Ev. Predigerseminar Wittenberg (Hg.), … da Tod und Leben

422

Literaturverzeichnis

rungen. Tod und Leben in der Sicht Martin Luthers und heute, Wittenberg: Elbe Verlag 1996, 75–93. – Die letzten Dinge (Theologische Bibliothek 1), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2014. – Die Totensegnung als Problem der Beerdigung. Ein Beitrag zum evangelischen Verständnis von Segen und Tod, WuD 17 (1983), 175–198. – Dogmatik (Lehrwerke Evangelischer Theologie 5), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018. – Dogmatik als konsequente Exegese. Zur Relevanz der Exegese für die Systematische Theologie im Anschluss an Rudolf Bultmann, in: Carsten Claußen/Markus Öhler (Hg.), Exegese und Dogmatik (BThSt 107), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2010, 73–102. – Einführung in die theologische Hermeneutik, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006. – Exegese, Tod und Leben. Zur Hermeneutik des Todes und der Auferstehung biblischer Texte, in: Ders., Hermeneutische Theologie. Zugänge zur Interpretation des christlichen Glaubens und seiner Lebenspraxis, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2008, 121–141. – Gottes Wort in Person. Rezeptionsästhetische und metapherntheoretische Zugänge zur Bibel, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2011. – Guter Tod? Euthanasie aus medizinrechtlicher und ethischer Sicht, in: Hermann Schoenauer (Hg.), „Euthanasie“. Zum Umgang mit vergehendem menschlichen Leben. Historische Einsichten – ethische Sondierungen, Stuttgart: Kohlhammer 2013, 87–109. – Hirntod und Organtransplantationen aus christlicher, jüdischer und islamischer Sicht, in: Fuat Oduncu/Ulrich Schroth/Willhelm Vossenkuhl (Hg.), Transplantation. Organgewinnung und -allokation (Medizin  – Ethik  – Recht 2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, 102–117. – „Lasset uns Menschen machen“. Christliche Anthropologie im biotechnischen Zeitalter, München: Beck 2005. – Leib und Leben. Bioethische Erkundungen zur Leiblichkeit des Menschen (APTLH 61), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. – Leibhaftig leben – leibhaftig sterben. Nachdenken über den Tod, in: Eckard Lade (Hg.), Musterbeispiele Trauergottesdienste. Kissing: WEKA 1999, 1–19. – Lesen und Verstehen. Aktuelle Entwicklungen in der Bibelhermeneutik, in: Loccumer Pelikan 2 (2017), 69–74. – Organspende nach irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand aus medizinethischer Sicht, in: Ders./Christian Kopetzki/Sigrid Müller (Hg.), Hirntod und Organtransplantation. Zum Stand der Diskussion (Schriftenreihe Ethik und Recht in der Medizin 12), Wien: Verlag Österreich 2016, 195–204. – Papias von Hierapolis. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums (FRLANT 133), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983. – Recht auf Leben, Recht auf Sterben. Ethische Probleme am Lebensende, http://www.z​e​ i​t​g​e​m​a​e​s​s​-​g​l​a​u​be​ ​n​.​a​t​/​c​m​s​/​i​m​a​ge​ ​s​/​m​e​d​ia​ /​ ​d​o​k​u​m​e​n​t​e​/​2​0​1​5​ ​%​2​0​0​5​ ​%​20 ​ ​1​7​ ​%​2​0​K​%​C​3​ ​%​ B​6​r​t​n​e​r​%2  C%20Recht%20auf%20Leben%2  C%20Recht%20auf%20Sterben.pdf (Zugriff am 07. 02. ​2022). – Rezeption und Inspiration. Über die Schriftwerdung des Wortes und die Wortwerdung der Schrift im Akt des Lesens, in: NZSTh 51 (2009), 27–49. – Schriftwerdung des Wortes und Wortwerdung der Schrift. Die Schriftlehre Karl Barths im Kontext der Krise des protestantischen Schriftprinzips, in: ZDTh 15 (1999), 107–130. – „Sine glossa“? Die historisch–kritische Exegese als konstitutives Element der biblischen Hermeneutik, in: Religionen unterwegs 15 (2009), 11–18.

I. Primärliteratur der untersuchten Autoren

423

– Sinn und Geschmack fürs Unendliche. Das Abendmahl aus der Sicht eines evangelischen Theologen, in: Christ in der Gegenwart 55 (2003), 101–102. – Sola Scriptura? Schriftprinzip und Schriftgebrauch in der christlichen Ethik, in: Ders.: Hermeneutische Theologie. Zugänge zur Interpretation des christlichen Glaubens und seiner Lebenspraxis, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2008, 143–158. – Theologie des Wortes Gottes. Positionen – Probleme – Perspektiven, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. – Theologie in dürftiger Zeit. Die Aufgabe der Theologie und das Problem einer biblischen Hermeneutik im gegenwärtigen Kontext von Kirche und Gesellschaft, in: Ingo Baldermann u. a. (Hg.), Biblische Hermeneutik (JBTh 12), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1998, 153–179. – Theologie in dürftiger Zeit. Ein Essay, München: Kaiser 1990. – Unverfügbarkeit des Lebens? Grundfragen der Bioethik und der medizinischen Ethik, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2001. – Wem gehört der Tod? Theologische Überlegungen zur Frage der Freiheit im Sterben, in: Amt und Gemeinde 61 (2010), 148–153. – Wie lange noch, wie lange? Über das Böse, Leid und Tod, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1998. – Zeitgespräch. Mineralwasser statt Abendmahl, in: Die Furche 29 (2000), 5. – Zur Einführung. Glauben und Verstehen. Perspektiven Hermeneutischer Theologie im Anschluß an Rudolf Bultmann, in: Ders. (Hg.), Glauben und Verstehen. Perspektiven Hermeneutischer Theologie, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2000, 1–18. – Zur Einführung: Hermeneutik und Ästhetik. Zur Bedeutung einer theologischen Ästhetik für die Lehre vom Wort Gottes, in: Ders. (Hg.), Hermeneutik und Ästhetik. Die Theologie des Wortes im multimedialen Zeitalter, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2001, 1–18. – / Huizing, Klaas/Müller, Peter, Lesen und Leben. Drei Essays zur Grundlegung einer Lesetheologie, Bielefeld: Luther Verlag 1997. – u. a. (Hg.), Bultmann und Luther. Lutherrezeption in Exegese und Hermeneutik Rudolf Bultmanns, Hannover: VELKD 2010. – / Hoff, Gregor Maria (Hg.), Arbeitsbuch Theologiegeschichte. Diskurse. Akteure. Wissensformen. Bd. 2: 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart: Kohlhammer 2013. – / Rothgangel, Martin/Simojoki, Henrik (Hg.), Theologische Schlüsselbegriffe. Subjektorientiert  – biblisch  – systematisch  – didaktisch (Theologie für Lehrerinnen und Lehrer 1), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2019. Mildenberger, Friedrich, Biblische Dogmatik. Eine Biblische Theologie in dogmatischer Perspektive, Bd. 1: Prolegomena. Verstehen und Geltung der Bibel, Stuttgart: Kohlhammer 1991. – Biblische Dogmatik. Eine Biblische Theologie in dogmatischer Perspektive, Bd. 2: Ökonomie als Theologie, Stuttgart: Kohlhammer 1992. – Biblische Dogmatik. Eine Biblische Theologie in dogmatischer Perspektive, Bd. 3: Theologie als Ökonomie, Stuttgart: Kohlhammer 1993. – Biblische Theologie als kirchliche Schriftauslegung, in: Bernd Janowski/Michael Welker (Hg.), Einheit und Vielfalt biblischer Theologie (JBTh 1), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1986, 151–162. – Biblische Theologie versus Dogmatik?, in: Ingo Baldermann (Hg.), Altes Testament und christlicher Glaube (JBTh 6), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1991, 269–281.

424

Literaturverzeichnis

– Der Glaube als Voraussetzung für ein wahres Denken Gottes. Zu Kant und dem Problem von Theologie und Ökonomie, in: NZSTh 32 (1990), 143–165. – Die Gegenläufigkeit von historischer Methode und kirchlicher Anwendung als Problem der Bibelauslegung, in: TBei 3 (1972), 57–64. – Die halbe Wahrheit oder die ganze Schrift? Zum Streit zwischen Bibelglauben und historischer Kritik (BEvTh 46), München: Kaiser 1967. – Gottes Tat im Wort. Erwägungen zur alttestamentlichen Hermeneutik als Frage nach der Einheit der Testamente, Gütersloh: Mohn 1964. – Sola Scriptura – Tota Scriptura, in: Martin Honecker/Lothar Steiger (Hg.), Auf dem Weg zu schriftgemäßer Verkündigung. FS H. Diem (BevTh 39), München: Kaiser 1965, 7–22. – Systematisch-theologische Randbemerkungen zur Diskussion um eine biblische Theologie, in: Ders./Joachim Track (Hg.), Zugang zur Theologie. Fundamentaltheologische Beiträge. FS W. Joest, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1979, 11–32. – Texte – oder die Schrift?, in: ZThK 66 (1969), 192–209. – The Unity, Truth and Validity of the Bible, in: Interpretation XXIX (1975), 391–405. – Theorie der Theologie. Enzyklopädie als Methodenlehre, in: Stuttgart: Calwer 1972. – „Um Trost war mir sehr bange“. Angst und Glaube, Krankheit und Tod, in: Ders. (Hg.), Angst. Theologische Zugänge zu einem ambivalenten Thema, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2001, 69–86. – Was heißt ökumenische Dogmatik heute?, in: Manfred Seitz/Karsten Lehmkühler (Hg.), In der Wahrheit bleiben. Dogma – Schriftauslegung – Kirche. FS R. Slenczka, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996, 120–136. – Zum Verhältnis von Dogmatik und biblischer Theologie, Oswald Bayer/Gerd-Ulrich Wanzeck (Hg.), Festgabe für Friedrich Lang, Tübingen: Mohr Siebeck 1978, 428–435. Pannenberg, Wolfhart: Bibel und Philosophie in der protestantischen Theologie, in: ED 52 (1999), 123–131. – Die Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben, in: Ingo Baldermann u. a. (Hg.), Biblische Hermeneutik (JBTh 12), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1997, 181–192. – Die Krise des Schriftprinzips, in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 31979, 11–21. – Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, in: Ders. (Hg.), Offenbarung als Geschichte. Herausgegeben in Verbindung mit R. Rendtorff, U. Wilckens und T. Rendtorff (KuD.B 1), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961, 91–114. – Einführung, in: Ders. (Hg.), Offenbarung als Geschichte. Herausgegeben in Verbindung mit R. Rendtorff, U. Wilckens und T. Rendtorff (KuD.B 1), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961, 7–20. – Gibt es Prinzipien des Protestantismus, die im ökumenischen Dialog nicht zur Disposition gestellt werden dürfen?, in: Friedrich W. Graf/Klaus Tanner (Hg.), Protestantische Identität heute. FS Trutz Rendtorff, Gütersloh: Mohn 1992, 79–86. – Heilsgeschehen und Geschichte (1959), in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 31979, 22–78. – Hermeneutik und Universalgeschichte (1963), in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 31979, 91–122. – On the Inspiration of Scripture. Theological Table Talk, in: ThTo 54 (1997), 212–215. – Problems in a Theology of (Only) the Old Testament, in: Henry T. C. Sun/Keith Eades u. a. (Hg.), Problems in Biblical Theology. Essays in Honour of R. Knierim, Grand Rapids: Eerdmans 1997, 275–280.

II. Von den Autoren verwendete exegetische Sekundärliteratur

425

– Schriftautorität und Lehrautorität, in: Erhard Denninger/Günter Eifler (Hg.), Autorität als Gegenstand und Element wissenschaftlichen Denkens. Mainzer Universitätsgespräche, Mainz: Krach 1962, 5–10. – Systematische Theologie, Bd. 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988. – Systematische Theologie, Bd. 2, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1991. – Systematische Theologie, Bd. 3, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993. – Über historische und theologische Hermeneutik, in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 31979, 123–158. – Was ist eine dogmatische Aussage?, in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 31979, 159–180. – Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987. – Zur Begründung der Lehre von der Schriftinspiration, in: Manfred Seitz/Karsten Lehmkühler (Hg.), In der Wahrheit bleiben. Dogma – Schriftauslegung – Kirche. FS R. Slenczka, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996, 156–159. Schlink, Edmund: Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961, 24–78. – Die drei Grundbeziehungen zwischen Glauben und Erkennen, in: KuD 23 (1977), 172– 187. – Die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem, in: KuD 3 (1957), 251–306. – Hermeneutik – Denkformen – Verstehen, in: Klaus von Bismarck/Walter Dirks (Hg.), Neue Grenzen. Ökumenisches Christentum morgen, Bd. 1, Berlin/Olten: Kreuz Verlag 1966, 14–22. – Ökumenische Dogmatik. Schriften zu Ökumene und Bekenntnis, Bd. 2, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 32005. – Theologische Sprachanalytik im Vorfeld der ökumenischen Fragestellung, ÖR 16 (1977), 63–73.

II. Von den Autoren verwendete exegetische Sekundärliteratur Aalen, Sverre, Das Abendmahl als Opfermahl im Neuen Testament, in: NT 6 (1963), 128–152. Bornkamm, Günther, Enderwartung und Kirche im Matthäusevangelium, in: William David Davies/David Daube (Hg.), The Background of the New Testament and its Eschatology. Studies in Honour of Charles Harold Dodd, Cambridge: Cambridge University Press 1954, 222–260. Brandenburger, Egon, Adam und Christus. Exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu Röm 5,12–21 (1 Kor 15) (WMANT 7), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1962. Bultmann, Rudolf, Art. θάνατος, in: ThWNT 3 (1938), 7–25. Conzelmann, Hans, Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 121981. Cullmann, Oscar, Petrus. Jünger, Apostel, Märtyrer. Das historische und das theologische Petrusproblem, Zürich: Zwingli Verlag 1952. – Das Ende des Gesetzes. Paulusstudien, Bd. 1, München: Kaiser 1952, 51–69. Delling, Gerhard, Art. Abendmahl II. Urchristliches Mahl-Verständnis, in: TRE 1 (1977), 47–58.

426

Literaturverzeichnis

– Die alttestamentlichen Motive in der urchristlichen Abendmahlsüberlieferung, in: EvTh 27 (1967), 337–342. Goppelt, Leonhard, Theologie des Neuen Testaments, Bd. 1: Jesu Wirken in seiner theologischen Bedeutung. Herausgegeben von J. Roloff, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975. Grundmann, Walter, Das Evangelium nach Lukas (ThHK 3). Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1961. Hahn, Ferdinand, Art. Gottesdienst III. Neues Testament, in: TRE 14 (1985), 28–39. – Herrenmahl und Kirche bei Paulus, in: Ders., Studien zu Antike und Urchristentum. Gesammelte Aufsätze 2 (BEvT 28), München: Kaiser 1959, 138–176. Koch, Klaus, Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament?, in: ZThK 52 (1955), 1–42. Kraus, Hans Joachim, Psalmen, Bd. 2 (BKAT 15/2), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 21961. Kretschmar, Georg, Art. Abendmahlsfeier I. Alte Kirche, in: TRE 1 (1977), 59–89. Kuhn, Karl Georg, Art. Maranatha, in: ThWNT IV (1942), 470–475. Kümmel, Werner Georg, Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der Urgemeinde und bei Jesus (SyBu 1), Uppsala: Wretmans Boktryckeri 1943. Lang, Friedrich, Die Briefe an die Korinther (NTD 7), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 161986. Müller, Hans Peter, Der 90. Psalm. Ein Paradigma exegetischer Aufgaben, in: ZThK 81 (1984), 265–285. Patsch, Hermann, Abendmahl und historischer Jesus (CThM 1), Stuttgart: Calwer 1972. Roloff, Jürgen, Art. Amt IV. Neues Testament, in: TRE 2 (1978), 509–533. Schottroff, Willy, ‚Gedenken‘ im Alten Orient und im Alten Testament, NeukirchenVluyn: Neukirchner 21967. Schreiner, Stefan, Erwägungen zur Struktur des 90. Psalms, in: Bib1 59 (1978), 80–90. Schweitzer, Eduard, Art. Abendmahl, in: RGG 3 (11957), 10–21. Strack, Hermann L.; Billerbeck, Paul, Das Evangelium nach Markus, Lukas und Johannes und die Apostelgeschichte. Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch IV/2, München: Beck 1924. Strauss, Hans, Gott preisen heißt vor ihm leben. Exegetische Studien zu acht ausgewählten Psalmen Israels (BThSt2 12), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1988. Von R ad, Gerhard, Gottes Wirken in Israel. Vorträge zum Alten Testament, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1974. Wagner, Volker, Der Bedeutungswandel von Berit Hadaša bei der Ausgestaltung der Abendmahlsworte, in: EvTh 35 (1975), 538–544. Westermann, Claus, Der 90. Psalm, in: Ders., Forschung am Alten Testament. Gesammelte Studien (TB3 24), München: Beck 1964, 344–350. Wilckens, Ulrich, Der Brief an die Römer 6–11 (EKK VI/2), Zürich u. a.: Benziger 1980. – Zum Stand der Erforschung des urchristlichen Herrenmahls, in: EvTh 35 (1975), 553– 563.

 Bei Mildenberger vermerkt als Bibl. Vgl. Mildenberger, Theologie (3), 325.  Bei Mildenberger vermerkt als BTS. Vgl. a. a. O., 327. 3  Bei Mildenberger vermerkt als ThB. Vgl. ebd. 1 2

III. Sekundärliteratur

427

III. Sekundärliteratur Alikin, Valeriy, Eating the Bread and Drinking the Cup. Defining and Expressing the Identity of the Earliest Christian, in: Matthias Klinghardt/Hal Taussig (Hg.), Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum (TANZ 56), Tübingen: Mohr Siebeck 2012, 119–130. Alkier, Stefan, Identitätsbildung im Medium der Schrift, in: Marianne Grohmann (Hg.), Identität und Schrift. Fortschreibungsprozesse als Mittel religiöser Identitätsbildung (BThSt 169), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017, 104–161. – Sola Scriptura als epistemologisches, hermeneutisches, methodologisches und theologisches Konzept der Schriftauslegung. 20 Thesen und ihre Erläuterungen, in: Ders. (Hg.), Sola Scriptura 1517–2017. Rekonstruktionen – Kritiken – Transformationen – Performanzen (Colloquia historica et theologica 7), Tübingen: Mohr Siebeck 2019, 429– 478. – (Hg.), Sola Scriptura 1517–2017. Rekonstruktionen – Kritiken – Transformationen – Performanzen (Colloquia historica et theologica 7), Tübingen: Mohr Siebeck 2019. Alkier, Stefan/Reinmuth, Eckardt/ Vogel, Manuel (Hg.), Sola Scriptura (ZNT 39/40), Tübingen: Narr Francke Attempto 2017. Allen, Graham, Intertextuality, London/New York: Routledge 2000. Assel, Heinrich (Hg.), Zeitworte. Der Auftrag der Kirche im Gespräch mit der Schrift. Friedrich Mildenberger zum 65. Geburtstag, Nürnberg: Seubert 1994. Backhaus, Knut, Aufgegeben? Historische Kritik als Kapitulation und Kapital von Theologie, in: ZThK 114 (2017), 260–288. Baldermann, Ingo u. a. (Hg.), Biblische Hermeneutik (JBTh 12), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 1998. Barth, Karl, Kirchliche Dogmatik. Bd. I/1. Die Lehre vom Wort Gottes. Prolegomena zur kirchlichen Dogmatik, Zürich: Evangelischer Verlag 71955. Barthes, Roland, Vom Werk zum Text, in: Stephan Kammer/Roger Lüdeke (Hg.), Texte zur Theorie des Textes, Stuttgart: Reclam 2005, 40–51. Barton, John/Wolter, Michael (Hg.), Die Einheit der Schrift und die Vielfalt des Kanons. The unity of scripture and the diversity of the Canon (BZNW 118), Berlin/ New York: De Gruyter 2003. Baumann, Gerlinde, Strukturierte Pluralität. Metaphern für die Mehrdimensionalität biblischer Überlieferung, in: Dies./Elisabeth Hartlieb (Hg.), Fundament des Glaubens oder Kulturdenkmal? Vom Umgang mit der Bibel heute, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007, 173–193. – / Elisabeth Hartlieb (Hg.), Fundament des Glaubens oder Kulturdenkmal? Vom Umgang mit der Bibel heute, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007. Bayer, Oswald, Autorität und Kritik. Zu Hermeneutik und Wissenschaftstheorie, Tübingen: Mohr Siebeck 1991. – u. a. (Hg.), Die Autorität der Heiligen Schrift für Lehre und Verkündigung der Kirche (Lutherisch glauben 1), Neuendettelsau: Freimund Verlag 2000. Becker, Eve-Marie, Exegese und Enzyklopädie, in: Carsten Claußen/Markus Öhler (Hg.), Exegese und Dogmatik, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner 2010 (BThSt 107), 53–72. – / Hiller, Doris (Hg.), Handbuch Evangelische Theologie. Ein enzyklopädischer Zugang (UTB 8326), Tübingen: Mohr Siebeck 2006.

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Personenregister Alkier, Stefan ​4, 6, 13, 339, 370, 378 Barth, Karl ​10, 63, 134, 158, 237, 243, 245, 282 Baumann, Gerlinde ​4, 374 Bayer, Oswald ​4, 362 Becker, Eve-Marie ​7, 314 Berger, Klaus ​353, 377 Beutel, Albrecht ​1, 4 Breu, Clarissa ​373, 376 Bultmann, Rudolf ​22, 41, 42, 43, 63, 157, 158, 292 Coors, Michael ​4 f, 14 Dabrock, Peter ​22 Dalferth, Ingolf U. ​4, 7, 11, 14, 23 f, 73, 276, 314, 335, 340, 342, 356, 359 Danz, Christian ​8, 9, 356, 367 Dietrich, Jan ​38–44 Ebeling, Gerhard ​3, 6, 132, 192, 284, 356, 379 Fischer, Alexander Achilles ​38–44 Fischer, Irmtraud ​22, 378 Focken, Friedrich-Emanuel ​7, 8, 356, 373 Frevel, Christian ​6, 38–44 Gestrich, Christof ​371 Gräb, Wilhelm ​12, 23 Gräb-Schmidt, Elisabeth ​13 Grenz, Stanley J. ​106, 108 Hahn, Ferdinand ​34–38 Härle, Wilfried ​10, 18, 22, 303 Hartlieb, Elisabeth ​4, 9, 10, 12, 234, 376, 379

Hasel, Frank ​106, 107, 108, 110, 111, 116, 117, 119, 120, 126, 137, 141, 142, 144 Heimbach-Steins, Marianne ​31–33, 330 Hemenway, Michael ​335 Herms, Eilert ​18, 337, 338, 378 Janowski, Bernd ​40, 41 Jüngel, Eberhardt ​6, 243, 289 Kelsey, David H. ​14 f, 24 f, 31–33, 331, 337, 365, 368–370, 376 f Konradt, Matthias ​4, 346 Kratz, Reinhard Gregor ​34–38 Kupsch, Alexander ​9, 12, 12, 22, 24, 166, 339, 344, 370, 379 Landmesser, Christof ​4, 7, 334 Lauster, Jörg ​2, 4–6, 7, 9, 10, 11, 12, 16, 17, 18, 22, 106, 108, 120, 234, 323, 342, 343, 344, 353, 362 Lehmeier, Karin ​34–38 Leonhardt, Rochus ​3, 4, 6, 7, 10, 11, 12, 14, 17, 18, 106, 110, 127, 141 f, 234, 335, 342, 344, 356, 375, 378 Leppin, Volker ​4, 10, 378 Luther, Martin ​1, 3, 4, 9, 10, 11, 12, 22, 23, 24, 34, 58, 105, 108, 117, 128, 130, 137, 142, 234, 236, 239, 246, 250, 264, 271, 280, 284, 323, 337, 338, 344, 367, 370, 373 Luz, Ulrich ​4, 7, 353, 374 Mauz, Andreas ​15, 17, 340, 377 Metzger, Paul ​13, 363, 365 Meyer-Blanck, Michael ​4, 13 Moxter, Michael ​8 f, 335, 344, 345, 353, 374, 375 Nüssel, Friederike ​6, 7, 358

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Personenregister

Oeming, Manfred ​4, 6, 12 Petzoldt, Matthias ​4, 11, 354 Raatz, Georg ​22, 323, 344, 370 Reventlow, Henning Graf ​3, 6, 314 Ritschl, Dietrich ​377  f Roth, Michael ​303, 362 Sauter, Gerhard ​250, 379 Schlag, Thomas ​13, 22, 326, 359 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst ​10 Schmid, Konrad ​7, 26, 356 Schneider-Flume, Gunda ​11, 18 Schoberth, Wolfgang ​13, 23, 364, 374, 376, 379 f Schwöbel, Christoph ​4, 8, 9, 10, 12, 13, 23, 356, 370, 373, 374 Slenczka, Notger ​12, 341, 367

Stamer, Torben ​22, 270, 373, 376 Stengel, Friedhelm ​363, 370 Stoellger, Philipp ​4, 13, 341, 342, 371, 372 Stuhlmacher, Peter ​169, 353 Tietz, Christiane ​13, 14, 363, 366, 379 Tillich, Paul ​10 Troeltsch, Ernst ​6, 10 Wagner, Falk ​8, 12, 141 Welker, Michael ​4, 7, 357 Wenz, Gunther ​18, 106 Wick, Peter ​4, 353, 370 Wischmeyer, Oda ​7, 314 Zeller, Kinga ​10, 13, 234, 239, 366, 375, 376 Ziegert, Richard ​4, 12 Ziethe, Carolin ​13, 26, 367, 376

Sachregister Auslegungsgemeinschaften ​15, 18, 238, 253–257, 275, 364, 372–378 Autor ​138, 249, 260, 273 Autorität (der Schrift) ​4, 8–16, 18, 21, 53–57, 61 f, 76–78, 100, 109, 116–122, 129, 136, 142–144, 172–177, 209 f, 232 f, 248–253, 273, 302–307, 321–323, 326–328, 333, 337, 361–368, 371 f, 377 – Fundamentaltheologische A. ​siehe Status – Performative A. ​9 f, 15, 315–319, 321–325, 332, 344, 360–362 – Pneumatologische A. ​siehe Status Bekenntnis ​64–67, 81, 110, 123, 134, 177, 182–184, 203–206, 211, 215 f, 233, 309, 379 – Bekenntnisschriften ​1, 8, 239, 324 Bibel (zum Begriff ) ​12–14, 23, 235–238, 276, 340 – Bibelwissenschaft ​61, 176 f, 196–199, 201–203 (siehe Exegese) – biblischer Text ​siehe Text Christus  siehe Jesus Christus​ claritas (scripturae) ​3 f, 18 f, 55, 70, 81, 109, 117 f, 125, 128, 130, 142, 144, 236, 240, 250, 264, 277, 307 f ​ – claritas externa ​70, 81, 117 f, 128–132, 142, 250, 264, 277 – claritas historiae ​142 – claritas interna ​55, 109, 117 f, 125, 240, 277 corpus paulinum ​35–37, 41–43, 96, 160–162, 293 f, 316–318, 332 f Dogma ​50 f, 64–69, 71, 78, 84 f, 103, 133–136, 166, 345

Dogmatik ​8–11, 57–70, 126–128, 199–203, 257–263, 309 f, 325–331, 348–360 efficatia ​13, 18, 23, 109, 170, 175, 178 f, 189, 191, 193, 199 f, 219, 233, 252, 361–368 Einheit – des Glaubens ​45 f, 60, 67, 73–75, 82, 103, 270 – der Sache ​siehe res scripturae – der Schrift ​18, 23, 48, 61, 117–119, 176–185, 198, 201 f, 205 f, 208 f, 215 f, 231–241, 259, 261–264, 276–278, 307 f, 317, 326, 331–343 ​ – der Theologie ​siehe Theologie ​ Ethik ​22, 31, 270 f, 279, 287, 291, 359 Evangelium ​14, 45–50, 54, 59 f, 65, 76, 78–80, 100 f, 105–107, 110–123, 125 f, 142 f, 174–177, 183, 187, 209 f, 231, 237, 240 f, 262 f, 269–271, 276, 300, 303–305, 307 f, 309, 331–338, 362–364 – Evangeliumsprinzip ​siehe Prinzip Exegese ​3, 6 f, 34–44, 60–70, 83, 100, 103, 128–133, 134, 140, 146 f, 153, 167, 171, 190, 194–199, 201, 214–216, 228, 233, 237, 258–267, 281 f, 297, 307, 313–315, 318 f, 320, 339 f, 347–360 – Historisch-kritische E. ​6 f, 9, 62–64, 109, 121, 129–131, 140, 167, 175, 193–199, 216, 258, 265–267, 270, 281 f, 313–315, 319, 338–343 – Pneumatische/geistliche E. ​64, 196–199, 213 f, 255, 279 f, 283, 311–315, 331–341 Fundamentaltheologie ​2–11, 126, 148, 204 f, 241, 259, 301 f, 305, 321–325, 354–359, 360–365, 370 Geist ​46–50, 53–55, 63, 75 f, 77–80, 101 f, 109–116, 119 f, 125, 144, 148, 172–176,

448

Sachregister

196–199, 203 f, 214–216, 231 f, 240, 248–253, 264, 269 f, 272, 277, 281 f, 300–302, 305, 325–329, 338, 348–350, 360–368 Geltung ​12, 23, 53, 57, 62, 73, 78 f, 149, 172–177, 194, 204, 208 f, 216, 230 f, 235, 259, 267, 269, 274–276, 302, 334, 360, 367–370, 379 f Glaube ​59–61, 68, 79 f, 84, 100, 121 f, 125, 132, 172 f, 178, 185 f, 189, 199–201, 252 f, 255–257, 272, 296, 312, 349 Heilige Schrift ​51–53, 57, 209, 246, 259 Hermeneutik ​ – Praxis-Hermeneutik ​22–26, 323  f, 325–331, 378–380 – Schrifthermeneutik ​14, 62–66, 68, 80–83, 105, 148, 167, 172, 251, 253 f, 258–261, 276, 280, 311–315, 325–348 – Theologische Hermeneutik ​60–70, 121, 138–141, 147, 189, 201, 247 f, 258, 264, 311–315, 348–359 Inneres Wort ​siehe verbum internum Inspiration ​53–55, 77, 100, 108–111, 119–121, 144, 172–176, 209, 237–239, 248–252, 264, 272–275, 361–367 Interdisziplinär ​4, 7 f, 146, 348–359, 378 f Intertext ​339, 372–378 (Jesus) Christus ​46–50, 54 f, 58, 67–69, 71, 74, 76–78, 101, 107, 110–121, 123, 142 f, 149, 174, 176–185, 200, 207–209, 242–247, 272, 302–306, 331–338, 360–368 Kanon ​8 f, 13 f, 32, 47, 50–53, 83, 103, 111, 118, 140, 174 f, 177, 184, 209, 222, 238–241, 248, 257–263, 265, 269, 275, 278, 299, 303–306, 339 f, 342, 364, 378 – working canon ​31 f, 34, 94–98, 160–163, 226 f, 293 f, 299, 316–318, 328, 331–333, 337 f, 340 Kirche ​14 f, 45–47, 50–53, 55–57, 61 f, 66–69, 70, 73, 75, 78 f, 100, 102, 109, 113–115, 125, 129, 134–136, 170–177, 185–187, 189 f, 192–194, 199–201, 205 f, 210, 212, 215 f, 232 f, 253–257, 281, 301, 306 f, 309, 363 f, 370 f, 378

– als Auslegungsgemeinschaft ​66–69, 134–136, 199–203, 253–257, 311–313 – als creatura verbi ​125, 253 – als Überlieferungsgemeinschaft ​50–57, 123–127, 170–177, 238–241, 302–307 Klarheit ​ siehe claritas (scripturae) Kohärenz ​127, 135, 186, 200, 210, 215, 238–240, 256, 263, 269, 279, 301, 310 Krise des Schriftprinzips ​siehe Schriftprinzip Macht ​40 f, 135, 138, 172 f, 178, 180, 183, 188, 198 f, 104, 210, 233, 371 – Deutungsmacht ​371  f – potestas ​371 Medium/medial ​4, 77, 235–237, 243–248, 255, 259, 264, 272 f, 307, 331, 335, 341–344, 372, 378 Mitte der Schrift ​4, 76, 120, 174, 176–178, 182–185, 198, 206–209, 231 f, 240, 263, 276–278, 299, 307 f, 318, 326, 333–335, 347 Normativität/normativ ​8, 12, 174, 190, 264, 271, 279, 301, 311 f, 314, 321, 328, 350, 373 – norma (normans) ​1, 137, 239, 270, 373 Offenbarung ​15, 18, 48, 53, 58, 62 f, 106, 110–116, 121–125, 127, 130, 132, 134–136, 139 f, 141–145, 149, 168, 174 f, 178, 187, 193, 200, 237, 241–248, 256 f, 261, 272 f, 277, 302–306, 364 Pluralität (der Schrift) ​3 f, 71, 78, 81, 83, 90, 116, 136, 147, 160, 163, 179, 240 f, 249, 254, 261, 263, 266, 274, 276, 278, 282, 299, 304, 307 f, 319, 328, 331–343, 351–359, 373, 378 Pneuma ​siehe Geist – Pneumatologie ​9–11, 20, 144, 146, 173, 204, 231, 248–251, 300 f, 323, 361 – Pneumatische/geistliche Exegese ​siehe Exegese ​ – Pneumatologische Autorität ​siehe Autorität Prinzip – Christusprinzip ​142, 168, 363

Sachregister

– Evangeliumsprinzip ​206, 209 – Sachprinzip ​206, 209 – Schriftprinzip ​siehe Schriftprinzip – Streitprinzip ​378–380 Reformation ​1, 8, 56, 105, 109, 129, 137, 183, 195, 238 regula fidei ​52, 56 res scripturae ​3, 67–69, 111, 113, 117 f, 130 f, 138–140, 143 f, 147, 176–183, 188, 194 f, 200, 205–209, 211, 231, 240, 276–278, 298 f, 301, 303–305, 307 f, 311, 317, 335–339, 356 Rezeption – Rezeptionsästhetik ​20, 237, 239, 241, 248–253, 266, 273, 278, 342 – Rezeptionsgemeinschaft ​273, 275, 306, 308, 330, 345, 366 f, 373, 375, 377 Sache der Schrift ​siehe res scripturae Schriftauslegung ​11–16, 57–75, 126–141, 175–203, 257–271, 308–315, 325–348, 348–360 – Pneumatische/geistliche S. ​siehe Exegese Schriftbindung ​7 f, 134, 372–378 Schriftgebrauch ​2, 7–11, 16 f, 21–34, 85–100, 150–165, 217–230, 258 f, 283–295, 315–319, 323 f, 325–331, 378–381 – Funktionen des Schriftgebrauchs ​24 f, 32–34, 94 f, 98 f, 163 f, 227 f, 229, 233, 294, 318 f, 329–331, 333, 352, 362, 365 f, 374 – und Schriftautorität ​2, 7, 9 f, 11–17, 315–319, 321–325, 332, 344, 360–362 (siehe performative Autorität der Schrift) Schrifthermeneutik ​siehe Hermeneutik Schriftlehre ​2–8, 45–57, 107–126, 170–185, 235–257, 300–308, 360–378 Schriftpraxis ​205, 232, 323 f, 329–331, 358 Schriftprinzip ​1–8, 11, 13 f, 79, 108–110, 142 f, 149, 172–174, 193, 206, 209, 265, 297, 323, 344 f, 373–378, 379 – Krise des Schriftprinzips ​2–6, 11, 108–110, 126, 236 f, 337, 379

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Sola scriptura ​1, 4 f, 9 f, 14, 56, 78, 137, 141, 183, 205, 239, 248, 265, 306 f, 362, 369–372, 376 Status (der Schrift) – Fundamentaltheologischer S. ​2, 10, 148, 204 f, 232, 241, 274, 282, 295, 298, 301 f, 305, 307 f, 321–325, 334, 360–365, 369 – Pneumatologischer S. ​11, 20, 75 f, 78–80, 100, 144–146, 148, 173, 203 f, 209 f, 231 f, 274 f, 295, 298, 300–302, 305, 321–323, 328, 334, 360 f, 363–368 sufficentia ​4, 55 f, 109, 183, 200, 252 testimonium spiritus sanctum internum ​ 109, 180, 264, 300–302, 321 f, 325–328 (biblischer) Text ​18, 25 f, 62–64, 87, 102 f, 116, 171–173, 176, 180 f, 198, 209, 214, 238, 249–253, 264–266, 273, 275, 279, 304, 312, 327, 329 f, 333, 338–343, 351, 373, 378 Theologie – Einheit der Theologie ​60–70, 126–128, 185–196, 257–263, 313–315, 348–360 – Systematische T. ​128, 133–135, 189, 268, 343–348, 354–359 Tradition ​2, 26, 55–57, 65 f, 76–78, 84, 109, 129, 136, 140, 163, 166 f, 176–185, 196, 200, 202 f, 205 f, 211, 214–216, 233, 236 f, 253, 265, 275, 299, 306 f, 309, 315, 332 f, 368–372 Überlieferung ​13, 51–53, 55–57, 66 f, 103, 118, 127, 129–131, 138, 180, 236, 276, 307, 343 Ursprungsnähe ​77–79, 100, 145, 148, 168, 302–305, 332 f Wirksamkeit der Schrift ​siehe efficatia working canon  siehe Kanon Wort – Gotteswort/Wort Gottes ​46–50, 53–55, 77, 110–116 – verbum externum ​117, 264, 277, 338–343 – verbum internum ​109, 180, 264, 300–302, 321 f, 325–328