Schriften zum Alemannischen 9783111558868, 9783111188256


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German Pages 250 [256] Year 1970

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
Einführung des Herausgebers
Der alemannische Consonantismus in der Mundart von Baselstadt (1888)
Vorwort
Verzeichnis der dunklem Abkürzungen
Übersieht der Lautzeichen
Kapitel I: Lenis und Fortis
Kapitel II: Die Quantität der Starktonsilben
Kapitel III: Die einzelnen Consonanten
Berichtigungen und Nachträge
Zur Lautform des Alemannischen. Die e-Laute (1889)
Besprechungen zur alemannischen und deutschen Dialektologie und Sprachgeschichte (1891—1903)
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A. Heusler / Schriften zum Alemannischen

Andreas Heusler

Schriften zum Alemannischen Herausgegeben von

Stefan Sonderegger

Walter de Gruyter & Co Berlin 1970

©

Archivs N r . 436470/1 Copyrigh 1970 by Walter de Gruyter 8c Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & C o m p . Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, der phctomechanisdien Wiedergabe, der H e r stellung von Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten, Satz und Druck: Franz Spille), Berlin 36

INHALTSVERZEICHNIS Einführung des Herausgebers Der alemannische Consonantismus in der Mundart von Baselstadt (1888) Vorwort Verzeichnis der dunklem Abkürzungen Übersieht der Lautzeichen Kapitel I : Kapitel I I :

Lenis und Fortis Die Quantität der Starktonsilben

Kapitel I I I : Die einzelnen Consonanten Berichtigungen und Nachträge

Zur Lautform des Alemannischen. Die e-Laute (1889)

7* I V XIII XV 1 36 51 129

133

Besprechungen zur alemannischen und deutschen Dialektologie und Sprachgeschichte (1891—1903) .. 156 1. Alemannische Sprachgeschichte Friedrich Wilkens, Zum hochalemannischen Consonantismus der althochdeutschen Zeit. Leipzig 1891 Renward Brandstetter, Prolegomena zu einer urkundlichen Geschichte der Luzerner Mundart. Einsiedeln 1890. Renward Brandstetter, Die Reception der neuhochdeutschen Schriftsprache in Stadt und Landschaft Luzern 1600—1830. Einsiedeln 1891 und Die Luzerner Kanzleisprache 1250—1600. Einsiedeln 1892 Friedrich Kauffmann, Geschichte der schwäbischen Mundart im Mittelalter und in der Neuzeit. Straßburg 1890 Karl Bohnenberger, Zur Geschichte der schwäbischen Mundart im 15. Jahrhundert. Tübingen 1892

2. Zur Sprache Johann Peter Hebels Alemannische Gedichte von Johann Peter Hebel auf Grundlage der Heimatsmundart des Dichters herausgegeben von Otto Heilig. Heidelberg 1902

156 156 165

167

171 174

176

176

6*

Inhaltsverzeichnis

3. Deutsche Phonetik, Deutscher Sprachatlas und Bibliographie der deutschen Mundartforschung Otto Bremer, Deutsche Phonetik. Leipzig 1893 Otto Bremer, Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten in Form einer Kritik von Wenkers Sprachatlas des deutschen Reichs. Leipzig 1895 ; G. Wenker und F. Wrede, Der Sprachatlas des deutschen Reichs, Dichtung und Wahrheit. Marburg 1895; Otto Bremer, Zur Kritik des Sprachatlas, Beiträge (PBB) 21, 1896, 27—97. Bibliographie der deutschen Mundartenforschung, zusammengestellt von Ferdinand Mentz. Leipzig 1892

4. Schwäbische Mundarten [A.] Wagner, Der gegenwärtige Lautbestand des Schwäbischen in der Mundart von Reutlingen. Leipzig 1889—91. Hermann Fischer, Atlas zur Geographie der schwäbischen Mundart und Geographie der schwäbischen Mundart. Tübingen 1895

5. Elsässische Mundarten

184 184

193 197

199 199

200

206

Hans Lienhart, Laut- und Flexionslehre der Mundart des mittleren Zorntales. Straßburg 1891

206

Adolf Sütterlin, Laut- und Flexionslehre der Straßburger Mundart in Arnolds Pfingstmontag. Straßburg 1892. . . .

209

6. Schweizerdeutsche Mundarten H [ermann] Blattner, Über die Mundarten des Kantons Aargau (Grenzen, Einteilung, Phonetik). Vocalismus der Schinznachermundart. Brugg 1890 Eduard Hoffmann[-Krayer], Der mundartliche Vocalismus von Basel-Stadt in seinen Grundzügen dargestellt. Basel 1890 Peter Schild, Brienzer Mundart, I. Teil. Basel 1891 Adolf Socin, Basler Mundart und Basler Dichter. Basel 1895 Karl Emil Reinle, Zur Metrik der schweizerischen Volksund Kinderreime. Basel 1894

211

211

213 217 219 220

ZUR EINFÜHRUNG Mit dem Namen Andreas Heusler (1865—1940) verbindet sich ein ungewöhnlich reiches wissenschaftliches Lebenswerk. Von allem Anfang an ist es der Sprache verpflichtet, von der Beobachtung und Darstellung der eigenen Stadt-Basler Mundart über die Übersetzung zumal aus dem Altnordischen bis zur altgermanischen Literatur im weitesten Sinne. Mundartlicher Ausgangspunkt in Leben und Wissenschaft, im Muttersprachlichen wie im Erstlingswerk des jungen Gelehrten — schriftdeutschhochsprachliche Gestaltung und dichterische Übersetzung — musikalische Einstimmung in Vers und Prosarhythmus — künstlerisches wie philologisch-sprachwissenschaftliches Erleben des Altgermanischen: in diesen Bereichen bewegt sich Andreas Heusler vor allem, dem strenge Philologie kein Hindernis auf dem Weg zur künstlerischen Durchdringung blieb. Die kleinen Schriften des Basler Gelehrten, der ein halbes Leben lang in Berlin gewirkt hat, sind 1943 durch Helga Reuschel herausgegeben und als unveränderter Nachdruck 1969 aufs neue erschienen1). Dazu trat im selben Jahr 1969 ein zweiter, vom Herausgeber dieses Bandes zusammengestellter Teil2). Entsprechend dem Schwergewicht von *) Andreas Heusler, Kleine Schriften, Band 1, herausgegeben von Helga Reuschel, photomechanischer Nachdruck der 1. Auflage Berlin 1943, Berlin, Walter de Gruyter & Co, 1969. 2 ) Andreas Heusler, Kleine Schriften, Band 2, herausgegeben von Stefan Sonderegger, mit einem gemeinsamen Register zu Band 1 und 2, bearbeitet von Harald Bürger, Berlin, Walter de Gruyter & Co, 1969.

Vorwort

8*

Heuslers Schaffen enthalten die Kleinen Schriften Band 1—2 vor allem den altgermanisch-altnordischen und den versgeschichtlichen Anteil aus dem Werk des Basler Germanisten. Drei Bezirke blieben dabei zunächst noch ausgesondert: Heuslers frühe dialektologische Werke, Heuslers rechtsgeschichtliche Arbeiten aus den Quellen der isländischen Sagas 3 ), sodann Heuslers weit verstreute Übertragungen aus fast allen altgermanischen Sprachen 4 ). Mit dem vorliegenden Band soll nun auch sein dialektologisches Schaffen erneut vermittelt sein. Es ist im allgemeinen wenig bekannt, daß Andreas Heusler zu den ersten frühen Meistern der deutschen Mundartforschung gehört. Die Dialektologie war einer seiner wissenschaftlichen Ausgangspunkte. Heuslers dialektologisches Werk erfüllt sich fast ausschließlich im alemannischen Bereich. So war es gegeben, den vorhegenden Band unter den Titel 'Schriften zum Alemannischen' zu stellen. Zwanglos ergab sich eine Gliederung in die drei Teile, wie sie auch dem zeithchen Ablauf im Schaffensprozeß des Gelehrten entspricht : Heuslers Dissertation 'Der alemannische Consonantismus in der Mundart von Baselstadt' nach der Buchausgabe von 18885); der grundlegende Aufsatz 'Zur Lautform des Alemannischen — Die e-Laute' von 18896); die gehaltvollen Besprechungen zur alemannischen 3

) Andreas Heusler, Das Strafrecht der Isländersagas, Leipzig 1911 ; Andreas Heusler, Zum isländischen Fehdewesen in der Sturlungenzeit, Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 1912, Nr. 4, Berlin 1912. 4

) Vgl. dazu Stefan Sonderegger, Andreas Heusler und die Sprache (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel, herausgegeben von der Universität Basel, Bd. XVII), Basel 1967. 6 ) Die Ausgabe der Dissertation trägt den Titel Beitrag zum Consonantismus der Mundart von Baselstadt, Diss. Freiburg i. Br., Straßburg 1888. Sie ist gegenüber der Buchausgabe um das Kapitel über die Gutturallaute verkürzt, während die Buchausgabe den gesamten Konsonantismus der behandelten Mundart darstellt. •) Der Aufsatz war ursprünglich als erster Teil gedacht — Heusler schrieb zunächst I. Die e-Laute, doch erschien keine Fortsetzung mehr.

Vorwort

9*

und deutschen Dialektologie und Sprachgeschichte von 1891 bis 19037). Heuslers über die Zeit von 1884 bis 1888 reichenden Studienjahre in Basel, Freiburg im Breisgau, Berlin — und wiederum in Freiburg und Basel fallen forschungsgeschichtlich gesehen noch durchaus in die Blüte der junggrammatischen Sprachwissenschaft und in die erste Ausformung einer davon sowie durch die aufstrebende Phonetik erfüllten Mundartforschung. 1876 war Jost Wintelers bahnbrechende Monographie 'Die Kerenzer Mundart des Kantons Glarus in ihren Grundzügen dargestellt' erschienen, in enger Verbindung mit Eduard Sievers' phonetischen Studien. 1880 legte Hermann Paul sein methodisches Grundlagenwerk 'Prinzipien der Sprachgeschichte' erstmals vor. Mit beiden Forschern stand Andreas Heusler in Kontakt: mit Jost Winteler hat er schon während seiner Studienjahre korrespondiert — er nennt ihn dankbar im Vorwort seiner Dissertation —; bei Hermann Paul — wie auch beim Indogermanisten Karl Brugmann, der ebenfalls zu den führenden Junggrammatikern zählte — hat Heusler in Freiburg 1885/86 gehört. Trotzdem spürt man von Anfang an eine merkwürdige Distanz zwischen Heusler und der Junggrammatik. Jedenfalls liegt Heuslers Ausgangspunkt viel komplexer und viel tiefer als bei seinen unmittelbaren Lehrern, von denen er sagt, es sei ihm kein Meister begegnet, 'der mir im eigenen Fach begeisternde Wege gewiesen hätte', wenn er auch an Hermann Paul zum Beispiel dessen 'lineare Schärfe' rühmt. Am meisten fühlte sich Heusler durch den Kunsthistoriker Jacob Burckhardt, durch den Indogermanisten Jacob Wackernagel und durch den Ber-

') Vgl. das Schriftenverzeichnis in Band 1 von Andreas Heuslers Kleinen Schriften S. 655 ff. Nicht aufgenommen wurde die nur zwei Lieferungen besprechende Rezension Andreas Heuslers über E. Martin und H. Lienhart, Wörterbuch der elsässischen Mundarten, Lief. 1—2, Straßburg 1897, in der Deutschen Literatur-Zeitung 18,1897,1969—1971.

Vorwort

10*

liner Geschichtsschreiber Heinrich von Treitschke beeindruckt8). So war Heusler nur am äußersten Band Junggrammatiker. Er folgte den Spuren seiner junggrammatischen Lehrer schon in seiner Dissertation nur teilweise — später immer weniger oder überhaupt nicht mehr. Bewußt schließt er vielmehr direkt an die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm an, natürlich ausgerüstet mit den verfeinerten Methoden der Sprachwissenschaft seiner Zeit. Wie bei Jacob Grimm ist für Andreas Heusler die Beobachtung die Seele der Sprachforschung. Bei aller Differenzierung wissenschaftlicher Analyse geht es Heusler immer ums Sprachganze, fühlt er vor zum Sprachsystem. Das zeigen gerade seine dialektologischen Schriften, wo keine Einzelheit außerhalb des Ganzen steht. Mit Jacob Grimm teilt Heusler die Faszination durch das Geschichtliche — bei Heusler ist dieses Grunderlebnis vermehrt durch ein zutiefst rhythmisches Sprachgefühl, das von der Hörform, vom gesprochenen Wort ausgeht. Den Klangcharakter nennt er einmal 'das Ethos einer deutschen Mundart'9). Während die Brüder Grimm von der älteren Sprache und Dichtkunst ausgehen und ihre Spuren bis in die Mundarten und bis zur Volkspoesie weiterverfolgen, nimmt Andreas Heusler seine Ursprünge in und aus der Mundart selbst, die er wissenschaftlich zu beschreiben beginnt. Im Rahmen der Geschichte der deutschen Mundartforschung vertritt Heusler als erster konsequent und vertieft eine synchronisch-historische Methode, sieht er folgerichtig Mundart und ältere Sprache zusammen. Voraussetzung für die Mundartforschung der Junggrammatik ist die historische Betrachtungsweise im allgemeinen, wie sie durch Jacob Grimm begründet worden ist, doch wird das Historische in den meisten junggrammatischen dialektologischen Dar8

) Vgl. Stefan Sonderegger, Andreas Heilder und die Sprache, Basel 1967, Off. 9 ) Vgl. unten in der Besprechung von Otto Heiligs Ausgabe der Hebeischen Gedichte S. 183.

Vorwort

Stellungen unversehens zum bloßen Gerüst: bei Heusler nicht — bei ihm besteht stets ein Gleichgewicht zwischen synchronischem System und diachronischer Folge. Wir sehen den Werdegang der deutschen Mundartforschung im Hinblick auf Andreas Heusler so 10 ):

Das Neue und Bahnbrechende in Heuslers Dissertation ist die vertiefte historische Sicht im Sinne einer kontinuierlichen Entwicklung, die im Althochdeutschen beginnt, Notker von St. Gallen bereits als Übergang auf dem Weg zum Mittelhochdeutschen erkennt und über sämtliche damals erreichbaren Quellen des Untersuchungsgebietes — mit Einschluß der älteren baslerischen Lexikographie — bis zur lebenden Mundart führt. Es ist im übrigen methodisch gesehen ein Weg, der Heusler von der Mundartbeobachtung in seinen frühen dialektologischen Schriften zur meisterhaften Darstellung des Altisländischen in seinem berühmt gewordenen Altisländischen Elmentar10 ) Dazu Stefan Sonderegger, Alemannische Mundartforschung, in: Germanische Dialektologie, Festschrift für Walther Mitzka, I, Wiesbaden 1968, 1—29.

Vorwort

12»

buch 1913 und später11) führt: genaueste Sprachbeobachtung, wie er sie so oft in seinen Rezensionen fordert, ohne sich in lose Einzelheiten zu verlieren, sowie Sichtbarmachung der geschichtlichen Zusammenhänge, beides vereint in organischer Systematik. Schon im mundartkundlichen Frühwerk Heuslers zeigt sich der große Stilist und profilierende Gestalter. Seine Paragraphen und Abschnitte atmen in rhythmischer Luft. Der Leser wird von Abschnitt zu Abschnitt geführt. Oft stellt Heusler selbst die sich aufdrängenden Fragen. In die Besprechungen werden immer wieder grundsätzliche oder methodische Erwägungen eingestreut. Das Ursprüngliche der Mundart, die Kraft des geschlossenen Sprachkreises, so geht es aus dem Vorwort seiner Dissertation über den Konsonantismus der Mundart von Basel-Stadt hervor — wir vermitteln den Abschnitt hier in der Einführung, da er in der in diesem Bande zum Nachdruck kommenden Buchausgabe weniger profiliert und stark verändert erscheint12): "Wenn irgend eine Stadtmundart der deutschen Schweiz dem Verdachte ausgesetzt ist, daß ihre Entwicklung durch fremde Einflüsse gekreuzt worden sei, so ist es die von Basel. Die Einwirkung des Schriftdeutschen, welche auf schweizerischem Boden ja in engere Schranken gebannt ist als anderswo, scheint für Basel doppelt bedrohlich, da sie sich mit der unmittelbaren Nachbarschaft des deutschen Gebietes verbindet. Allein diese beiden Umstände gehen nicht Hand in Hand. Im Verkehre mit dem angrenzenden Baden und Elsaß herrscht von beiden Seiten durchaus die Mundart. Wie viel auch dieser Verkehr seit alters in das Werden unsers Stadtidioms mag eingegriffen haben: Einflüsse von dieser Art sind untrennbar vom sprachlichen Leben überhaupt; was unter Einflüssen von dieser Art sich herangebildet hat, ist nicht minder naturwüchsige Volksn

) Heidelberg 1913, 2. Auflage 1921, 3. Auflage 1932, 4. unveränderte Auflage 1950. u ) Vorwort S. III (zum Titel vgl. Anm. 6).

Vorwort

13*

mundart als die Sprache eines eingeengten Alpentales. — Wenn die Mundart von Baselstadt, obwohl ihrem ganzen Habitus nach ein Glied des niederalemannischen Sprachgebietes, in einigen Eigentümlichkeiten mit den nahe angrenzenden hochalemannischen Dialekten zusammengeht, so mag man sie immerhin einen Übergangsdialekt heißen: nur verbinde man damit nicht die Vorstellung, als ob die einzelnen Laute und Lautgruppen eine uneinheitliche Entwicklung erfahren hätten und zwischen den Gegensätzen vom Norden und Süden hin und widerschwankten. Die Mundart von Basel hat ihren völlig ausgeprägten einheitlichen Charakter." Gewiß — Heuslers Schriften zum Alemannischen sind nur ein Teil des gewaltigen Gesamtwerkes, das der Basler Germanist hinterlassen hat. Er ist aber auch darin seine neuen, eigenen Wege gegangen. Die Geschichte der Erforschung des Umlautes im Deutschen zum Beispiel ist undenkbar ohne Heuslers klare Überlegungen zum Alter des sogenannten Sekundärumlautes im Aufsatz 'Zur Lautform des Alemannischen' 13 ): hier zeigt sich, wie sehr Heuslers Dialektologie direkt zu den zentralen Fragen der allgemeinen Sprachgeschichte vorstieß. Fast in allen hier in diesem Band vereinigten Schriften führen die Verbindungen für den kundigen Leser weiter zu Heuslers Gesamtwerk. Abschließend dürfen wir zum Verhältnis Heuslers zur Mundart noch einmal festhalten: die Mundart ist sein erlebnistiefer, durch Johann Peter Hebel ins Literarische gehobener, durch seine Dissertation wissenschaftlich dokumentierter Ausgangspunkt. Heusler hat Erfolg mit seiner historisch-synchronischen Betrachtungsweise, die Verbindung lebende Mundart — alte Sprache, gesprochenes Wort — schriftliches Dokument bewährt sich. Die Mundart 13 ) Vgl. unten S. 133 ff. Zur Würdigung des Ergebnisses Wilhelm Streitberg, Germanisch (Die Erforschung der indogermanischen Sprachen II, 2, 1), Berlin und Leipzig 1936, 384 und Stefan Sonderegger, Die Umlautfrage in den germanischen Sprachen (Forschungsbericht), Kratylos 4,1959, 1—12.

14*

Vorwort

lehrt Heusler Sprache 'hören', auch Rhythmisches in bestimmten Grundgesetzen erfassen — so in Kinderlied und Kinderreim. Von der Mundart aus gelangt Heusler zu einer vertieften Einsicht in das Lautsystem überhaupt. Die Mundart führt ihn unmittelbarer als jede Schriftquelle zu den alten Sprachstufen des Deutschen zurück, er wird ein Meister von Rückschlüssen aus der Mundart, ohne das Prinzip zu überfordern. Noch fürs Altgermanische zieht Heusler später oft Vergleiche aus den Mundarten heran. Der Widerstreit Mundart/Schriftsprache, wie er für den Basler Zeit seines Lebens Geschick und Doppelheit blieb, hat Heuslers Stil mitgeprägt. Wenn auch seine Forschungen mehr und mehr zum Altgermanischen und zum Altnordischen ausgreifen, wendet er sich der Mundart noch lange zu. Jedenfalls hat sie sein Frühwerk entscheidend bestimmt. Stefan Sonderegger Zürich Deutsches Seminar der Universität

DER

ALEMANISCHE CONSONANTISMUS IN

DER

MÜNDART VON BASELSTADT

VON

ANDREAS

HEUSLER.

STRASSBURCr. KARL

J.

TRÜBNER.

1888.

MEINEM LIEHEN VATER

ANDREAS ZU

HEUSLER

HEINUM

JÄ11 RlßEN PROFESSOREN JUBILÄUM

DARGEBRACHT.

VORWORT. "Wenn irgend eine Stadtmundart der deutschen Schweiz dem Verdachte ausgesetzt ist, dass ihre Entwicklung durch fremde Einflüsse gekreuzt worden sei, so ist es die von Basel. Die Einwirkung des Schriftdeutschen, welche auf schweizerischem Boden ja in engere Schranken gebannt ist als anderswo, scheint für Basel doppelt bedrohlich, da sie sich mit der unmittelbaren Nachbarschaft des deutschen Gebietes verbindet. Allein diese beiden Umstände gehen nicht Hand in Hand. Die Landesgrenze ist nicht Sprachgrenze. Im Verkehr mit dem benachbarten Baden und Elsass herrscht von beiden Seiten durchaus die Mundart. Wie viel auch dieser Verkehr seit Alters in das Werden unsers Stadtidioms mag eingegriffen haben: Einflüsse von dieser Art sind untrennbar vom sprachlichen Leben überhaupt; was unter Einflüssen von dieser Art sich herangebildet hat, ist nicht minder naturwüchsige Volksmundart als die Sprache eines eingeengten Alpentales. Die Stellung der Mundart zu der deutschen Schriftsprache ist daher für Basel nicht anders zu beurteilen als für die andern grössern Städte der deutschen Schweiz; sie wird durch die nämlichen Faktoren bedingt; Schule, Lektüre, die entwickeitern Formen der politischen und socialen Öffentlichkeit sowie der häufigere Verkehr mit Ausländern bringen dem Städter die Schriftsprache nahe, während als Umgangssprache in den Privatkreisen aller Stände die Mundart unbe-

VI

Vorwort

stritten waltet. Diese unverkümmerte Ausbreitung der Volkssprache über alle Schichten der Gesellschaft wird nur möglich durch die festere Ansässigkeit, die geringe Freizügigkeit, welche dem schweizerischen Stadtbürger, und dem Basler nicht zum Mindesten, eigen ist, und welche ihrerseits zum guten Teile in unsrer cantonalen Selbstverwaltung ihren Grund hat. Gleichwohl ist der Einfluss, welchen die Schriftsprache von der oben bezeichneten Gebrauchssphäre auf die Mundart ausübt, recht erheblich. Allein er äussert sich, soviel wir sehen können, ausschliesslich in dem Herüberholen fremden Sprachgutes. Wort- und Satzbildung, vor Allem aber der Wortschatz werden durch die Schriftsprache angegriffen. Dieser Seite der Sprache gilt die oft wiederholte Klage der altern Generation, dass die Jugend nicht mehr gut baseldeutsch spreche; sie rügt es, dass man sehr, immer, damals, schnell, bequem, Bild, Fett, Schmetterling zu hören bekomme anstatt der allein richtigen gar oder recht, allewil, selbetsmol,

gschwind, kummlig oder kumöd, Helge, Faisti oder Schmutz, Summervogel. Aber nicht immer ist die Entlehnung so offenkundig und dem unverdorben mundartlichen Gefühl so empfindlich wie hier. Bei manchem Worte hegt selbst der 'gute Basler' Zweifel, ob es als altheimisches oder als zugedrungenes zu betrachten sei. Und in der That ist auch das urwüchsigste Baseldeutsch von heute, welches von dem verstärkten Einwirken des Neuhochdeutschen in den letzten Jahrzehnten unberührt geblieben, seinerseits schon genugsam abgewichen von dem Sprachschatz der ältern Zeiten. Dies zeigt ein Blick auf jenes gehaltreiche Idioticon Rauracum, in welchem um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Johann Jacob Spreng den Basler Wortschatz aufgezeichnet hat. Dies zeigt noch deutlicher das Glossar, 1 in welchem im Jahre 1523 der Buchdrucker Adam Petri einer Anzahl unverständlicher Ausdrücke der Luther'schcn Bibelsprache die mundartlichen Entsprechungen gegenüber stellte. Wir werden hiedurch aufs Beste 1 Seinen Inhalt bespricht auführlich Socin, Schriftsprache und Dialekte (1888) S. 238 ff.

Vorwort

VII

belehrt, in wie weit wir überhaupt von mundartlicher Reinheit des Wortschatzes sprechen dürfen. Auch seitdem die Gemeinsprache besteht, hört der Verkehr, der gegenseitige Austausch zwischen den Dialekten nicht auf. Und selbst was aus der Schriftsprache, der Büchersprache aufgenommen wird, kann so tief eindringen, dass es zuletzt als mundartliches Sprachgut anerkannt werden muss. Wenn man bei modernen romanischen Lehnwörtern wie kumôd commode', Barebli 'parapluie', Niesse nièce' nicht ansteht sie als vollgiltige Bestandteile der Volkssprache zu betrachten, so muss auch die Grenze, die zwischen den altmundartlichen und den zugeströmten neuhochdeutschen Wörtern vormals zu Recht bestand, in dem einen und andern Falle preisgegeben werden. Immerhin wird die Lautforschung, ungewiss, ob jene Neulinge sich den mundartlichen Lautgesetzen völlig anbequemt haben, sich mit Vorsicht auf diesem Gebiete bewegen. Die genannten Schriftstücke, die uns über den Wortschatz der Basler Mundart zu Anfang des 16". und zu Mitte des 18. Jahrhunderts belehren, versagen uns eine gleich zuverlässige Auskunft über den damaligen L a u t s t a n d . Spreng bemüht sich zwar gelegentlich, den lautlichen Feinheiten gerecht zu werden. Doch ist er meist von der Schreibweise der altern Denkmäler, die er fleissig benutzt hat, abhängig und zeigt sich überdies von der Existenzberechtigung der mundartlichen Lautform der Schriftsprache gegenüber nicht so überzeugt wie die moderne Dialektforschung. Soweit seine unvollkommene und ungleichmässige Schreibung, die sich des gewöhnlichen Buchstabenmaterials bedient, uns zu einem Schluss ermächtigt, können wir annehmen, dass das Lautliche unsrer Mundart seit jenen Tagen sich gleich geblieben ist. Auch heute erstreckt sich die oben berührte Ausartung des jüngeren Geschlechts keineswegs auf die Aussprache. Wo die Mundart sich so ungehemmt vererbt, wo die Kinder bis zu den Schuljahren keine andern Laute lernen als die mundartlichen, da gewinnt das sprachliche Bewegungsgefühl diejenige einseitige Sicherheit, welche durch die spätere Bekanntschaft mit dem Neuhochdeutschen schwer mehr erschüttert werden kann. Die Gemeinsprache, mit

VIII

Vorwort

der heimischen Operationsbasis gesprochen, kann nicht mehr zersetzend auf die feinen Schattierungen der mundartlichen Sprachelemente einwirkeii. Aber auch eine mehr äusserliche und bewusste Verdrängung mundartlicher Laute und Lautgruppen durch die entsprechenden schriftdeutschen wird erschwert wo nicht unmöglich gemacht: das 'Hochoder Gutdeutsche' stellt sich dem Basler zu sehr als ein getrenntes, neu zu erlernendes Idiom dar, als dass sich ihm die Grenze zwischen Dialekt und Schriftsprache unversehens verwischen könnte; und das Ansehen der Mundart als alltäglicher Umgangssprache ist ein so gesichertes, dass zu absichtlicher Umgehung ihrer Lautform keine Veranlassung ist. Auf Grund dieser Thatsachen und Erwägungen dürfen wir getrost annehmen, dass an der Entwicklung der Lautform unsres Idioms die neuhochdeutsche Schriftsprache keinen Teil hat. Ein Fall, wie ihn Stickelberger für die Mundart von Schaffhausen nachweist: dass das mundartlich entwickelte a in manchen, grossenteils völlig volkstümlichen "Wörtern wie Kleider, Zeichen, Meitli, meist der Schriftsprache (allerdings zugleich auch dem 'Gemeinschweizerischen) aufgeopfert und durch ei ersetzt wird, lässt sich für unsren Dialekt nicht auffinden. — Noch Eines ist hiebei zu erinnern. Wenn in mundartlicher Rede bisweilen Wolke für das heimische Wulhe, Kenig für Kinig ('König'), Hirsch für Hirz, Obscht für Obs ('Obst') gesprochen wird, so ist dieser Vorgang prinzipiell nicht als Beeinflussung des Lautmaterials anzuerkennen: nicht das u, das z der Mundart wird zu o, zu sch, sondern die fremden Wörter mit o, mit sch werden herübergeholt — wo es nötig ist, mit Ersetzung der nicht geläufigen Laute — und verdrängen die einheimischen Wörter mit u und z. Auch hier also Beeinflussung des W o r t s c h a t z e s . Nun gilt es allerdings die Betrachtung der mundartlichen Lautgesetze nicht auf derartige Eindringlinge zu begründen. In den meisten Fällen lässt dem Angehörigen der Mundart ein gewisser Instinkt keinen Zweifel übrig, in welcher der beiden Formen er die echt mundartliche zu erblicken hat. Mitunter kann nur der Sprachgebrauch der älteren Generationen, welcher sich freier von jenen Fremdlingen er-

Vorwort

IX

halten hat, die Entscheidung geben. In diesem Sinne ist auch Spreng recht wertvoll. Auch die vergleichende Zuziehung des gemeinschweizerischen Wortvorrates ist gelegentlich zur Beglaubigung einer mundartlichen Form von Nutzen, ohne dass man sich doch von jenem die Grenze des Eigenen zu eng oder zu weit dürfte ziehen lassen. In den vorliegenden Lautuntersuchungen haben wir daher nur im Hinblick auf Zuverlässigkeit des W o r t materiales mit dem Einfluss der Schriftsprache zu rechnen. Was uns die ungestört mundartliche Entwicklung unsrer Lautform am untrüglichsten verbürgt, ist die Stellung der Basler Mundart im Zusammenhang der umgebenden Dialekte. Yon den grossem lautlichen Erscheinungen, die uns in der Stadt entgegen treten, hat jede einzelne ihre Entsprechung in der einen oder der andern der benachbarten Landmundarten : nur ihre Verbindung zum Ganzen scheint sich nirgends gerade so wiederzufinden. Einzig die Aussprache des r urtd was in ihrem Gefolge geht, ist meines Wissens alleiniges Eigentum unsrer Stadtmundart, und dies wahrscheinlich schon seit sehr langer Zeit. Auch Klein-Hiinnigen, welches im Allgemeinen von allen umliegenden Ortschaften am Nächsten zur Stadt stimmt, weicht hierin von ihr ab und teilt das stimmhafte Zungen -r mit dem ganzen übrigen Gebiet. Basel gehört einem Landstrich an, der von einer ganzen Anzahl wichtiger Sprachgrenzen 1 durchschnitten wird — es hat desshalb keiuen grossen Wert, die Stadt einer bestimmten Unterabteilung des Alemanischen einzuordnen: — dennoch ist seine Lautform so einheitlich entwickelt, als es wohl in einer verkehrsreichen Stadt von 70 000 Einwohnern überhaupt möglich ist. Zwar kann das geübte Ohr den Bewohner der verschiedenen Yorstädte, sogar gewisser Gegenden der innern Stadt an seiner Sprache heraushören. Doch bildet die Summe dieser Spielarten — sie liegen grossenteils in dem musicalischen Element der Sprache — immer noch eine Einheit den Mundarten draussen gegenüber. So steht es auch mit den Besonderheiten der verschiedenen Stände. Man beobachtet » Vergleiehe darüber unten § 7 Anm., §§ 33, 40, 55, 81, 882), 102.

X

Vorwort

hier wie vermutlich auch anderswo, dass a und e von den niedrigem Ständen eine leise Schattirung offener gesprochen werden als von den höhern — zahllose Ausnahmen im Einzelnen vorbehalten. Trotzdem wird der Stadtbasier an dem ersten Satze schon seinen Sprachgenossen erkennen. Individuelle Ungleichheiten hinsichtlich einzelner "Wortformen fallen weniger ins Gewicht; ich habe sie im Folgenden zum Teil erwähnt; Manches wird mir entgangen sein: ich kann daher bei dem verwerteten Wortmateriale nur verbürgen, d a s s es, und zwar von 'guten Baslern', gesprochen wird, nicht aber, dass es v o n A l l e n gesprochen wird. Die Frage, ob gegenwärtig unsre Stadtmundart im Flusse einer lautlichen Entwickelung begriffen sei, wird nahegelegt durch den bemerkenswerten Umstand, dass der Diphthong au nicht einheitlich vertreten ist. Während der alte Diphthong (mhd.) ei als ai von dem neuentstandenem ei durchweg des Bestimmtesten unterschieden wird, lassen Viele das mhd. ou und den aus mhd. ü vor Yocal entwickelten Diphthong in eu zusammenfallen. Andre unterscheiden auch hier: ( = mhd. 011) und au ( = mhd. i2). Ich muss darauf hinweisen, weil ich im Folgenden meiner eigenen Aussprache gemäss für beide Laute einheitliches qu schreibe. Es bleibt zu ermitteln, wie die verschiedenen Altersstufen und vornehmlich die umliegenden Mundarten sich zu dieser Spaltung stellen. An Einfluss der Schriftsprache kann nicht gedacht werden: für solche lautliche Feinheiten ist die Gemeinsprache als bestimmende Norm schlechterdings nicht vorhanden. Sie kennt zwar für die beiden au, ei und die beiden e (V und e) nur ein Zeichen; doch lässt sich dadurch Niemand hindern, die beiden Schattierungen zu unterscheiden, wenn er es von seinem Dialekt her gewöhnt ist. So hören wir auch von allen denjenigen, welche in unsrer Mundart eji und m auseinanderhalten, beim Schriftdeutschsprechen regelmässig tfub, laufen aber Taube, Haufen u. s. w.

Bei dem Streben, die Verhältnisse der lebenden Mundart an die ältern Sprachperioden anzuknüpfen, war die Be-

Vorwort

XI

nutzung der Urkunden, Rechtsquellen, sodann der litterarischen Denkmäler des 16. Jahrh., die sich für Basel so reichlich vorfinden, geboten. Den Herren Staatsarchivar Dr. Rudolf Wackernagel und Oberbibliothekar Dr. Ludwig Sieber, welche mir ungedrucktes Material gütig zur Verfügung stellten, spreche ich an dieser Stelle aufrichtigen Dank aus. Eine auch nur annähernd vollständige Zuziehung dieses historischen Materials habe ich nicht beabsichtigt. Ich erhielt den Eindruck, dass die mundartliche Darstellung, jemehr sie die rein lautliche Seite ins Auge fasst, den schriftlichen Quellen gegenüber sich leicht in einer schiefen Stellung befindet: sie gelangt in der Regel dazu, aus dem lebenden Dialekt die Sprache oder Schreibweise eines alten Denkmals zu erklären, während doch das Umgekehrte bezweckt wird. Andrerseits kann sich doch Manches ergeben, was zumal für die zeitliche Bestimmung der Sprachvorgänge von Wert ist. Inwieweit ich mit der Anbringung des gesammelten Materials die richtige Mitte getroffen habe, mögen andre entscheiden. Noch ein Wort über die Anordnung. Für die consonantischen Erscheinungen, welche ich im ersten Kapitel bespreche, empfahl sich die Loslösung von der einzellautlichen Reihenfolge. Dass ich als weitern Abschnitt die Quantitätsgesetze habe folgen lassen, wird sich rechtfertigen durch die gegenseitige Abhängigkeit, welche wir zumal in unsern dehnenden Mundarten zwischen der Consonantenstärke und der Yocal- und Silbenlänge herrschen sehen. Diese zwei ersten Abschnitte sind zu Anfang dieses Jahres als Freiburger Dissertation erschienen. — Bei der Behandlung der einzelnen Consonanten habe ich mich nicht entschliessen können, mich an eine der beiden Methoden zu binden, die man gewöhnlich befolgt: entweder consequent von den Einzellauten der lebenden Mundart oder aber von den Lauten (resp. Buchstaben) einer ältern Periode auszugehen. Während beim Yocalismus die letztere Anordnung den Yorzug verdient, fällt es beim Consonantismus schwer, die Entwicklungsstufe zu wählen, auf welche mit Vorteil zurückzugehen ist. Manchen Vorgang wünscht man bis ins Urgermanische zu verfolgen: so den

XII

Vorwort

Gegensatz geminierter und ungeininierter Verschlusslaute; bei andern Lauten, wie beim idg. s, würde das Zurückgreifen auf das Germanische eine unübersichtliche Zersplitterung des mundartlich Zusammengehörigen herbeiführen. Die verhältnismässig einfache, durchsichtige Beziehung des mundartlichen Consonantismus zu dem des Altoberdeutschen erlaubt um so eher, von dem strengen Schema abzuweichen. Y o r Allem leitete mich die Absicht, die Mundart im Kreise ihrer Verwandten zu characterisieren, in dem, was ihr mit den andern gemein ist und was sie von den andern trennt. Dabei musste ich denn Manches anders einreihen, als es bei rein historisch vorschreitender Darstellung geschehen wäre. Die Schilderung des alemanischen Sprachtypus, welche Winteler uns gegeben hat, kann und uiuss auch für die Darstellung der Basler Mundart die Grundlage bilden. Dies umsomehr, als gar Vieles, was jetzt jene hochalemanischen Alpensprachen von Baselstadt abhebt, einstmals auch unsrer Mundart zu eigen war. Und noch immer gehört Basel mit jenen zusammen dem o beralemanischen Gebiete an, welches im Gegensatz zum Elsässischen, zum Niederbadischen wie auch zum Schwäbischen die Unterscheidung der inlautenden Lenis und (geminierten) Fortis bei Verschlusslauten, Reibelauten, Sonorlauten durchführt, während die consonantische Abstufung nach Inlaut und Auslaut ihm fremd ist. Über einige benachbarte Mundarten des elsässischbadischen Rheintales konnte ich mir auf mündlichem und brieflichem W e g e Angaben verschaffen, für deren Zuverlässigkeit ich glaube einstehn zu können. — Als Materialsammlung aus dem Basler Dialekt thut das Wörterbuch von Seiler gute Dienste — genauere Scheidung zwischen Stadtund Landwörtern vorausgesetzt. Ich schliesse mit herzlichem Danke an Herrn Professor Winteler in Aarau, der mir über etliche Punkte seiner Mundart aufs Bereitwilligste Auskunft geschenkt hat. B a s e l , April 1888.

Andreas Heusler.

VERZEICHNIS DER DUNKLERN ABKÜRZUNGEN.

Alem. (als Citat) — Birlingers Alemannia. Andr. Ryff — Selbstbiographie de» Andreas R y f f , 1592 verfasat, und Briefe von demselben aus dem J a h r 1694, ed. Wilhelm Vischer in den Beitr. zur vaterländischen Geschichte, herausg. von der hislor. Gesellschaft in Basel, Bd. 9 (1870) S. 37 ff. Bachmann — Beiträge zur Gesch. der Schweiz. Gutturallaute von Albert Bachmann. Zürich 1886. Bld. — Der Kanton Baselland und seine Mundart. Brandstetter — Die Zischlaute der Mundart von Bero-Münster von Renward Brandstetter, im Geschichtsfreund Bd. X X X V I I I 1883. Bst. — Baselstadt und seine Mundart. F P . — Eine Sammlung von Gewehten verschiedener genannter und ungenannter V e r f a s s e r , worunter besonders anziehend die der Baslerin Dorothea Gemuseus, zusammengestellt von Dr. Felix Plater um das Ende des 16. J a h r h . 1 Bd. fol Ms. sub A. G. V. 30. auf der Universitätsbibliothek Basel. Franz — Die lat.-roman. Elemente im Ahd. von W . Franz. Strassburg 1884. Fr. Ryff — Die sog. Chronik des Fridolin Ryff 1514—1541, herausgegeben durch Wilhelm Vischer in den Basler Chroniken Bd. I 1872. Herrmann — Die deutsche Sprache im Elsass von A. Herrmann, P r o gramm. Mülhausen 1873. Hunzikcr — Aargauer W ö r t e r b u c h in der Lautform der Leerauer Mundart von J . Hunziker. Aarnu 1877. Id. — Schweizerisches Idiotikon, Frauenfeld I 1881, I I 1885 ff. JM. — Das Idiom von Bero-Münster (Kanton Luzern) vgl. Brandstetter. K . — Die Mundart von Kercnzen (Kanton Glarus) vgl. Winteler. Kolross — Enchiridion etc. Durch Joannem Kolross, tüdtsch Leermeystern zu Basel. MDXXX. Nach der Ausgabe von J o h a n n e s Müller, Quellenschriften und Gesch. des dcutschsprachl. Unterrichtes. Gotha 1882. L. — Die Mundart von Leerau (Kanton Aargau) vgl. Hunziker.

XIV

Verzeichnis der dunklern Abkürzungen

MB., Man. — Mundart, Mundarten. Mankel — Laut- und Flexionslehre der Mundart des Münsterthalcs im Elsass von W. Mankel. Strassburg 1886. P. G. — Pamphilus Gengenbach, herausgegeben von Karl Goedeke. Hanover MDCCCLVJ. R. q. — in Basler Rechtsquellen belegt; sie sind herausgegeben u. d. T. Rechtsquellen von Basel Stadt und Land. Erster Teil. Basel 1866. S. — Die Mundart der Stadt Schaffhausen vgl. Stickelberger. Seiler — Die Basler Mundart. Ein grammatisch-lexikalischer Beitrag zum schweizerdeutschen Idiotikon, zugleich ein Wörterbuch für Schule und Haus von G. A. Seiler. Basel 1879. Spreng — 'Idioticon Rauracum oder Basel. Wörterbuch* von Johann Jacob Spreng, verfasst um 1760, 1 Bd. fol. Ms. sub A. A. I 3 auf der Universitätsbibliothek Basel. (Das Nähere darüber siehe bei Socin, Alemannia XV [1887J S. 185 ff.) St. — Versuch eines schweizerischen Idiotikon von Franz Joseph Stalder, 2 Bde. Aarau 1812. Stickelberger — Lautlehre der lebenden Mundart der Stadt Schaffhausen von Heinrich Stickelberger. Teil I (Leipziger Diss.). Aarau 1881. T — Die Mundart von Toggenburg (Kanton St. Gallen) nach Wintoler KM. urk. — in Basler Urkunden belegt; es wurden benutzt: ungedrucktr Originalien und Abschriften auf dem Staatsarchiv Basel; gedruckte in W. Arnold, zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, mit Urkunden. Basel 1861; H. Boos, Urkundenbuch der Landschaft Basel, 3 Teile. Basel 1881, 8.-1; J . Trouillat, Monuments de l'Histoire de l'ancien eveche de Bäle, I. Porrentruy 1852. Winteler (KM.) — Die Kerenzer Mundart des Kantons Glarus in ihren Gruiidzügen dargestellt von J . Wintoler. Leipzig und Heidelberg 1876.

ÜBERSICHT DER LAUTZEICHEN.

Consonanten. 1. Verschlusslaute: Lenes b d ^ , . Sonantisch m # ' Lenes 1; w j \ Fortis U > (reducierte Reibelaute) Sonantisch l ) ° (vgl. dazu die §§ 10, 27).

Stimmhaft

Y o o a 1 e. 1. einfache yi u, 11 u, 0 [p], f {, e c, S [f], f i, f i; 2. Diphthonge ai, p ; qit; p , uv. 3. Stimmloser Vocal h. (Der untergesetze Punkt bedeutet geschlossene, der untergesetzte Haken offene Aussprache des Vocals; das unbezeichnete e ist eine mittlere Schattierung zwischen £ und p; Strich über dem Yocalzeichen bedeute Länge.) Die eingeklammerten Laute kommen nur im Satzzusammenhang vor.

KAPITEL I.

L E N I S UND F O R T I S .

§ 1. Die Erscheinungen, welche für den Consonantismus der obern alem. Mundarten wesentlich sind: Das Fehlen stimmhafter Verschluss- und Reibelaute, das Vorhandensein stimmhafter Consonanten ohne Eigengeräusch und das Wesen von Lenis und Fortis sind durch Winteler K . M. S. 18 f. klar gestellt worden. Die physiologischen Grundlagen, auf welchen sein Dialekt sich aufbaut, gelten in der Hauptsache auch für Bst. Doch hat sich hier vielfach Abweichendes herausgebildet. Betrachten wir zunächst die Abstufungen der Stärke, das Verhältnis von Lenis und Fortis. Vorausgeschickt sei die Bemerkung, dass die übliche Teilung in (Wort- oder Silben-) An-, In- und Auslaut im Folgenden nicht am Platze ist, dass wir vielmehr unterscheiden müssen 1. die Stellung unmittelbar v o r einem starktonigen Sonanten d. h. durch keinen Sonanten von ihm getrennt; 2. die Stellung unmittelbar n a c h einem solchen; 3. die um mindestens eine Silbe von dem starktonigen Sonanten abliegende Stellung. Dabei braucht der Starkton nicht ein Wort- oder Satzaccent ersten Grades zu sein. Wenn Kürze halber hiefür die geläufigen Namen anlautend, inlautend und schwachtonig gebraucht werden, so sind sie stets in dem hier bezeichneten Sinne zu fassen. Wir berücksichtigen vorerst, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angegeben ist, bloss die etymologisch einfachen Laute, nicht die als Sandhiprodukt entstandenen. 1 Heusler, Sdiriften zum Alemannischen

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Der alemanische Consonantismus

§ 2. Die Abstufung von Lenis und Fortis beschränkt sich bei den Sonor- und Reibelauten auf den Inlaut: im Anlaut herrscht ausschliesslich die Lenis. Dies hat Bst. mit den schweizerischen Mundarten im eigentlichen Sinne, als deren Yertreter wir K nehmen, gemein. Bei den Verschlusslauten dagegen kennt K anlautend wie inlautend Lenes und Fortes in gegensätzlicher Verwendung. Darin liegt zum Teil eine Abweichung von dem Lautstande, wie er nach Vollziehung der zweiten Lautverschiebung vorlag. Inlautend standen schon damals die gedehnten pp, tt, kk und das aus germ.