Kasussynkretismus im Alemannischen: Zum Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ in der Schweiz und in den angrenzenden Dialektregionen 3515121846, 9783515121842

"Mach nid dr Doktr!", also wörtlich: "Mach nicht der Doktor" – so oder ähnlich kann man in der Schwe

103 18 6MB

German Pages 309 [314] Year 2018

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
FACHSPEZIFISCHE ABKÜRZUNGEN
SCHWEIZER KANTONE UND ANGRENZENDE GEBIETE
1 EINLEITUNG
1.1 FRAGESTELLUNG
1.2 THEMATISCHE EINGRENZUNG
1.3 METHODISCHE EINGRENZUNG
1.4 GLIEDERUNG
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 GRUNDBEGRIFFE
2.1.1 Standarddeutsch, Schweizerhochdeutsch, Mundart
2.1.2 Synkretismus, Formgleichheit
2.2 NOMINATIV UND AKKUSATIV
2.2.1 Formale Aspekte einzelner Wortarten und ganzer Phrasen
2.2.2 Grammatische Funktionen
2.2.3 Satzglieder und Gliedteile
2.2.4 Semantische Funktionen und kognitive Konzepte
2.3 KASUSSYNKRETISMEN IN DEN DIALEKTEN
2.3.1 Entdeckung als Forschungsgegenstand
2.3.2 Unterschiedliche Synkretismusgebiete im deutschen Sprachgebiet
2.3.3 Zeitgenössische Forschungsarbeiten
3 SYNKRETISMEN AUS HISTORISCHER SICHT
3.1 DEFINITER ARTIKEL
3.2 STARK DEKLINIERTES ADJEKTIV
4 AREALE ENTWICKLUNG IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT
4.1 FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE UND POLITISCHE HINTERGRÜNDE
4.2 UNTERSUCHUNGSMATERIAL
4.2.1 Dialektparabeln in STALDER (1819)
4.2.2 Ältere Grammatiken von 1874−1941
4.2.3 Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS) und Vorarlberger Sprachatlas (VALTS)
4.2.4 Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS)
4.2.5 Zusammenfassung
4.3 ABGRENZUNG ZWISCHEN DEFINITEM ARTIKEL UND DEMONSTRATIVPRONOMEN
4.4 AREALE ENTWICKLUNG DER FORMEN DES DEFINITEN ARTIKELS
4.4.1 Verbreitung der Nominativtypen də und dr vor Konsonant
4.4.2 Synkretismus von Nominativ und Akkusativ vor Konsonant
4.4.3 Synkretismus von Nominativ und Akkusativ vor Vokal
4.4.4 Sonderformen beim präpositional regierten Akkusativ
4.4.5 Demonstrativpronomen und Relativpronomen
4.4.6 Lokale Artikelsysteme
4.5 ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION
5 INTERFERENZEN IM SCHWEIZERHOCHDEUTSCHEN
5.1 METHODISCHE ANMERKUNGEN
5.1.1 Interferenzen als Untersuchungsgegenstand
5.1.2 Merkmale des Schweizerhochdeutschen
5.1.3 Untersuchungsmaterial
5.2 MORPHOLOGISCHE FAKTOREN
5.2.1 Wortarten
5.2.2 Wortformen
5.3 SYNTAKTISCHE FAKTOREN
5.3.1 Rektion
5.3.2 Satzglied
5.3.3 Direktes Objekt: typische Konstruktionen
5.3.4 Direktes Objekt: formaler Einfluss des Subjekts
5.4 SEMANTISCHE FAKTOREN
5.4.1 Pseudo-Kopula und ähnliche Phänomene
5.4.2 Semantischer Transitivitätsgrad
5.5 ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION
6 FAZIT UND AUSBLICK
LITERATUR
MONOGRAFIEN UND AUFSÄTZE
SPRACHATLANTEN
ANHÄNGE
A1: STALDER (1819) − ORTSANGABEN UND FESTGELEGTE EXEMPLARISCHE ORTSPUNKTE FÜR DIE DIALEKTPARABELN
A2: ÄLTERE GRAMMATIKEN − CHRONOLOGISCHE AUFSTELLUNG
A3: SADS − AUSGEWERTETE FRAGEN FÜR DEN DEFINITEN ARTIKEL SINGULAR MASKULINUM
A4: STALDER (1819) − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dǝn UND dr VOR KONSONANT
A5: STALDER (1819) − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dǝn UND dr VOR VOKAL
A6: SADS − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dr UND dǝn VOR KONSONANT
A7: SADS − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dr UND dǝn VOR VOKAL
A8: SADS − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR AKKUSATIV: TYPEN -e(n) (KONTRAKTION), dǝ(n) UND dr NACH PRÄPOSITION
A9: NOMINATIVBELEGE FÜR AKKUSATIV IM KORPUS
A10: AKKUSATIVBELEGE IM KORPUS
KARTEN
Karte 1: Gewählte Ortspunkte für die Darstellung der Mundartphänomene in STALDERS (1819) Dialektparabeln
Karte 2: Mehrfachverantwortlichkeiten von Korrespondenten in STALDERS (1819) Dialektparabeln
Karte 3: Gewählte Ortspunkte für die Darstellung der Mundartphänomene in den älteren Grammatiken
Karte 4: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)
Karte 5: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken
Karte 6: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Konsonant in SDS III, 134 und VALTS V, 205
Karte 7: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Konsonant nach den Fragebögen des SADS
Karte 8: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)
Karte 9: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken
Karte 10: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular nach SDS III, 136 und VALTS V, 205
Karte 11: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie dǝ-Synkretismen nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205
Karte 12: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie dr-Synkretismen nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205
Karte 13: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie beide Formen in beiden Kasus nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205
Karte 14: Nominativ-Akkusativ-Verteilung des definiten Artikels Maskulinum Singular in der Ostschweiz und in Vorarlberg nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205
Karte 15: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205
Karte 16: Vorläufige Darstellung der problemlos interpretierbaren Nominativ-Akkusativ-Ausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS
Karte 17: Vorläufige Darstellung der Übergangsausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular mit Abweichungen in nur einem Kasus nach den Fragebögen des SADS
Karte 18: Vorläufige Darstellung der Übergangsausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular mit schwer interpretierbaren Abweichungen im Akkusativ nach den Fragebögen des SADS
Karte 19: Endgültige Darstellung von Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS
Karte 20: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)
Karte 21: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal im vorkonsonantischen də-Gebiet nach den Spontandaten des SDS zitiert in MEYER (1967, 57)
Karte 22: Ausschließlich dǝ in beiden Kasus oder in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS
Karte 23: Ausschließlich dr in beiden Kasus oder in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS
Karte 24: Gemischte Ausprägungen in beiden Kasus oder beide Formen in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS
Karte 25: Endgültige Darstellung von Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS
Karte 26: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)
Karte 27: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition in den älteren Grammatiken
Karte 28: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition im SDS III, 137
Karte 29: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition nach den Fragebögen des SADS
Karte 30: Nominativ und Akkusativ des Demonstrativums Maskulinum Singular vor Konsonant in den Dialektparabeln nach Stalder (1819)
Karte 31: Nominativ und Akkusativ des Relativums Maskulinum Singular vor Konsonant in den Dialektparabeln bei Stalder (1819)
Karte 32: wo in Nominativ oder Akkusativ als Ersatz für das Relativum Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei Stalder (1819)
Karte 33: Nominativ und Akkusativ des Demonstrativums Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken
Karte 34: ausgewählte Gebiete zur Darstellung lokaler Artikelsysteme
Recommend Papers

Kasussynkretismus im Alemannischen: Zum Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ in der Schweiz und in den angrenzenden Dialektregionen
 3515121846, 9783515121842

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

BEIHEFTE

Gabriela Perrig

Kasussynkretismus im Alemannischen Zum Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ in der Schweiz und in den angrenzenden Dialektregionen

Germanistik

ZDL

Franz Steiner Verlag

zeitschrift für dialektologie und linguistik

beihefte

172

Gabriela Perrig Kasussynkretismus im Alemannischen

zeitschrift für dialektologie und linguistik beihefte In Verbindung mit Michael Elmentaler und Jürg Fleischer herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt

band 172

Gabriela Perrig

Kasussynkretismus im Alemannischen Zum Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ in der Schweiz und in den angrenzenden Dialektregionen

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Karl Jaberg-Stiftung in Bern.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12184-2 (Print) ISBN 978-3-515-12185-9 (E-Book)

VORWORT Dieses Buch ist meine leicht überarbeitete Dissertation, die 2013 an der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern eingereicht, angenommen und verteidigt wurde. Die Publikation wird von der Karl-Jaberg-Stiftung der Universität Bern finanziell unterstützt. Meiner Doktormutter Prof. Dr. Elke Hentschel schulde ich einen besonderen Dank. Ihre Leidenschaft für Sprache hat mich − als junge Studentin, die noch nicht so recht wusste, welche Disziplin zu ihr passt − mitgerissen, ihr typologisch und sprachvergleichend ausgerichteter Zugang zu Sprache hat meine Forschung methodisch geprägt. Ebenso danke ich meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Petra M. Vogel. Beide Professorinnen haben meine Untersuchungen über Jahre mit unermüdlicher Aufmerksamkeit begleitet und sind mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Großer Dank gebührt Prof. Dr. Elvira Glaser für den großzügig gewährten Zugriff auf die SADS-Daten, auf deren Auswertung ein beachtlicher Teil der Einsichten dieser Forschungsarbeit beruht, aber auch für das Template, mit dessen Hilfe ich die hier publizierten Karten generiert habe. Für mich ist es unvorstellbar, eine solche Arbeit im stillen Kämmerlein zu schreiben. Ganz herzlich danke ich deshalb meinen Kolleginnen und Kollegen Korakoch Attaviriyanupap, Thomas Kobel, Klaus Peter, Sibylle Reichel und Michael Wilde. Wir haben gemeinsam Kaffee getrunken und Mittag gegessen, wir haben zusammen geschimpft und gelacht. Wir haben angeregt diskutiert und uns gegenseitig fachlich herausgefordert. Die Entstehungsjahre der Dissertation waren auch privat eine intensive Zeit. Mein Mann Michael und ich haben drei wunderbare Menschen geschenkt bekommen, aber auch tieftraurig einen geliebten Menschen ziehen lassen müssen. In guten wie in schlechten Zeiten habe ich Halt, Liebe und tatkräftige Unterstützung in der Familie gefunden. Ihr seid mein Leben. Bern, im November 2017

Gabriela Perrig

INHALTSVERZEICHNIS erzicI altsv h n erzic altsv h In

VORWORT ............................................................................................................. 5 INHALTSVERZEICHNIS ...................................................................................... 7 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................... 13 TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................ 15 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... 17 Fachspezifische Abkürzungen .......................................................................... 17 Schweizer Kantone und angrenzende Gebiete .................................................. 18 1 EINLEITUNG ................................................................................................... 21 1.1 1.2 1.3 1.4

Fragestellung ........................................................................................... 22 Thematische Eingrenzung ....................................................................... 23 Methodische Eingrenzung ....................................................................... 24 Gliederung ............................................................................................... 26

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ................................................................ 27 2.1 Grundbegriffe .......................................................................................... 27 2.1.1 Standarddeutsch, Schweizerhochdeutsch, Mundart ....................... 27 2.1.2 Synkretismus, Formgleichheit ........................................................ 29 2.2 Nominativ und Akkusativ ........................................................................ 31 2.2.1 Formale Aspekte einzelner Wortarten und ganzer Phrasen............ 31 2.2.2 Grammatische Funktionen .............................................................. 39 2.2.3 Satzglieder und Gliedteile .............................................................. 41 2.2.4 Semantische Funktionen und kognitive Konzepte ......................... 44 2.3 Kasussynkretismen in den Dialekten ....................................................... 49 2.3.1 Entdeckung als Forschungsgegenstand .......................................... 49 2.3.2 Unterschiedliche Synkretismusgebiete im deutschen Sprachgebiet ................................................................................... 52 2.3.3 Zeitgenössische Forschungsarbeiten .............................................. 57

8

Inhaltsverzeichnis

3 SYNKRETISMEN AUS HISTORISCHER SICHT......................................... 67 3.1 Definiter Artikel ...................................................................................... 68 3.2 Stark dekliniertes Adjektiv ...................................................................... 72 4 AREALE ENTWICKLUNG IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT .................. 81 4.1 Forschungsgeschichtliche und politische Hintergründe .......................... 82 4.2 Untersuchungsmaterial ............................................................................ 85 4.2.1 Dialektparabeln in STALDER (1819) ............................................... 85 4.2.2 Ältere Grammatiken von 1874−1941............................................. 91 4.2.3 Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS) und Vorarlberger Sprachatlas (VALTS) ..................................................................... 96 4.2.4 Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS) ..................... 99 4.2.5 Zusammenfassung ........................................................................ 106 4.3 Abgrenzung zwischen definitem Artikel und Demonstrativpronomen ......................................................................... 107 4.4 Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels ........................ 112 4.4.1 Verbreitung der Nominativtypen də und dr vor Konsonant ........ 113 4.4.2 Synkretismus von Nominativ und Akkusativ vor Konsonant ...... 123 4.4.3 Synkretismus von Nominativ und Akkusativ vor Vokal ............. 140 4.4.4 Sonderformen beim präpositional regierten Akkusativ ............... 151 4.4.5 Demonstrativpronomen und Relativpronomen ............................ 158 4.4.6 Lokale Artikelsysteme ................................................................. 164 4.5 Zusammenfassung und Diskussion ....................................................... 169 5 INTERFERENZEN IM SCHWEIZERHOCHDEUTSCHEN........................ 173 5.1 Methodische Anmerkungen ................................................................... 175 5.1.1 Interferenzen als Untersuchungsgegenstand ................................ 175 5.1.2 Merkmale des Schweizerhochdeutschen...................................... 177 5.1.3 Untersuchungsmaterial ................................................................. 179 5.2 Morphologische Faktoren ...................................................................... 181 5.2.1 Wortarten...................................................................................... 181 5.2.2 Wortformen .................................................................................. 185 5.3 Syntaktische Faktoren............................................................................ 194 5.3.1 Rektion ......................................................................................... 194 5.3.2 Satzglied ....................................................................................... 197 5.3.3 Direktes Objekt: typische Konstruktionen ................................... 198 5.3.4 Direktes Objekt: formaler Einfluss des Subjekts ......................... 207 5.4 Semantische Faktoren ............................................................................ 209 5.4.1 Pseudo-Kopula und ähnliche Phänomene .................................... 209 5.4.2 Semantischer Transitivitätsgrad ................................................... 210 5.5 Zusammenfassung und Diskussion ....................................................... 214 6 FAZIT UND AUSBLICK ............................................................................... 221

Inhaltsverzeichnis

9

LITERATUR ....................................................................................................... 225 Monografien und Aufsätze.............................................................................. 225 Sprachatlanten ................................................................................................. 230 ANHÄNGE.......................................................................................................... 231 A1: Stalder (1819) − Ortsangaben und festgelegte exemplarische Ortspunkte für die Dialektparabeln ....................................................... 231 A2: Ältere Grammatiken − Chronologische Aufstellung ............................. 233 A3: SADS − ausgewertete Fragen Für den definiten Artikel Singular Maskulinum ........................................................................................... 234 A4: Stalder (1819) − Definiter Artikel Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ: Typen dǝ, dǝn und dr vor Konsonant ........................... 237 A5: Stalder (1819) − Definiter Artikel Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ: Typen dǝ, dǝn und dr vor Vokal .................................. 238 A6: SADS − Definiter Artikel Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ: Typen dǝ, dr und dǝn vor Konsonant .................................. 240 A7: SADS − Definiter Artikel Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ: Typen dǝ, dr und dǝn vor Vokal ......................................... 251 A8: SADS − Definiter Artikel Maskulinum Singular Akkusativ: Typen -e(n) (Kontraktion), dǝ(n) und dr nach Präposition ................... 263 A9: Nominativbelege für Akkusativ Im Korpus .......................................... 275 A10: Akkusativbelege Im Korpus .................................................................. 277 KARTEN ............................................................................................................. 281 Karte 1: Gewählte Ortspunkte für die Darstellung der Mundartphänomene in STALDERS (1819) Dialektparabeln ................... 281 Karte 2: Mehrfachverantwortlichkeiten von Korrespondenten in STALDERS (1819) Dialektparabeln......................................................... 282 Karte 3: Gewählte Ortspunkte für die Darstellung der Mundartphänomene in den älteren Grammatiken ................................. 283 Karte 4: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei STALDER (1819) .................................................... 284 Karte 5: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken ............................................................................. 285 Karte 6: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Konsonant in SDS III, 134 und VALTS V, 205 .................................... 286 Karte 7: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Konsonant nach den Fragebögen des SADS ......................................... 287 Karte 8: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei STALDER (1819) ........................... 288 Karte 9: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken .................................................... 289

10

Inhaltsverzeichnis

Karte 10: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular nach SDS III, 136 und VALTS V, 205 ...................................................................................... 290 Karte 11: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie dǝ-Synkretismen nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 .......................................... 290 Karte 12: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie dr-Synkretismen nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 .......................................... 291 Karte 13: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie beide Formen in beiden Kasus nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 .................... 291 Karte 14: Nominativ-Akkusativ-Verteilung des definiten Artikels Maskulinum Singular in der Ostschweiz und in Vorarlberg nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 ................................................... 292 Karte 15: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 ............................ 293 Karte 16: Vorläufige Darstellung der problemlos interpretierbaren Nominativ-Akkusativ-Ausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS ........................ 294 Karte 17: Vorläufige Darstellung der Übergangsausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular mit Abweichungen in nur einem Kasus nach den Fragebögen des SADS ...................................... 294 Karte 18: Vorläufige Darstellung der Übergangsausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular mit schwer interpretierbaren Abweichungen im Akkusativ nach den Fragebögen des SADS ........................................................................... 295 Karte 19: Endgültige Darstellung von Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS ..................................................................................................... 296 Karte 20: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal in den Dialektparabeln bei STALDER (1819) .......... 297 Karte 21: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal im vorkonsonantischen də-Gebiet nach den Spontandaten des SDS zitiert in MEYER (1967, 57) .............................. 298 Karte 22: Ausschließlich dǝ in beiden Kasus oder in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS....... 299 Karte 23: Ausschließlich dr in beiden Kasus oder in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS....... 299 Karte 24: Gemischte Ausprägungen in beiden Kasus oder beide Formen in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS ........................................................................... 300

Inhaltsverzeichnis

11

Karte 25: Endgültige Darstellung von Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS ........................................................................... 301 Karte 26: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition in den Dialektparabeln bei STALDER (1819) ...................... 302 Karte 27: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition in den älteren Grammatiken ............................................... 303 Karte 28: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition im SDS III, 137 .................................................................. 304 Karte 29: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition nach den Fragebögen des SADS ........................................ 305 Karte 30: Nominativ und Akkusativ des Demonstrativums Maskulinum Singular vor Konsonant in den Dialektparabeln nach Stalder (1819) ... 306 Karte 31: Nominativ und Akkusativ des Relativums Maskulinum Singular vor Konsonant in den Dialektparabeln bei Stalder (1819) ...... 307 Karte 32: wo in Nominativ oder Akkusativ als Ersatz für das Relativum Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei Stalder (1819) ......... 307 Karte 33: Nominativ und Akkusativ des Demonstrativums Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken .................................................... 308 Karte 34: ausgewählte Gebiete zur Darstellung lokaler Artikelsysteme ........ 309

ABBILDUNGSVERZEICHNIS erzch sv g n u ild b A

Abbildung 1: Schweizer Kantone und angrenzende Gebiete ............................... 18 Abbildung 2: Beleg einer Nominativmarkierung für Akkusativ im Standard ..... 21 Abbildung 3: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Singular Maskulinum Nominativ vor Konsonant .................................................................................... 104 Abbildung 4: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Singular Maskulinum Akkusativ vor Konsonant .................................................................................... 104 Abbildung 5: Korrelation der für die Nominativbelege relevanten Faktoren .... 217 Abbildung 6: Korrelation der für die Akkusativbelege relevanten Faktoren ..... 219 

TABELLENVERZEICHNIS sT rzich v eln ab s rzich v eln ab T

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15:

Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22:

Kasusdeklination des definiten Artikels ........................................... 31 Kasusdeklination des indefiniten Artikels ........................................ 32 Kasusdeklination des stark deklinierten Adjektivs........................... 32 Kasusdeklination des schwach deklinierten Adjektivs..................... 33 Kasusdeklination des gemischt deklinierten Adjektivs .................... 33 Kasusdeklination des Personalpronomens der 3. Person ................. 34 Kasusdeklination des Personalpronomens der 1. und 2. Person ...... 34 Symbolisierungsleistung der Formen des bestimmten Artikels nach BITTNER (2002, 225) ................................................................ 60 Kasusformen beim Demonstrativpronomen im Indogermanischen nach KRAHE / MEID (1969, 61−66) .................... 68 Kasusformen beim Demonstrativpronomen im Urgermanischen nach BAMMESBERGER (1990, 224) ................................................... 69 Kasuszusammenfall beim Demonstrativpronomen im Althochdeutschen nach KRAHE / MEID (1969, 60f.) ......................... 69 Kasuszusammenfall beim definiten Artikel im Mittelhochdeutschen nach PAUL (2007, 217)................................... 70 Kasuszusammenfall beim definiten Artikel im Neuhochdeutschen ............................................................................ 71 Kasuszusammenfall beim definiten Artikel (bzw. Demonstrativpronomen, aus dem sich im Althochdeutschen der definite Artikel entwickelt hat) ......................................................... 71 Kasuszusammenfall im Indogermanischen beim vokalischen Substantiv, welchem die Adjektivdeklination in dieser Epoche folgt, und beim Demonstrativum, das später für die Adjektivdeklination verwendet werden wird; nach KRAHE / MEID (1969, 9−13; 20−23; 61−66) ..................................... 73 Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Urgermanischen nach BAMMESBERGER (1990, 223f.) ......................................................... 74 Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Althochdeutschen nach KRAHE / MEID (1969, 77f.) ............................................................... 75 Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Mittelhochdeutschen nach PAUL (2007, 200f.) ................................................................... 76 Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Neuhochdeutschen ............. 77 Kasuszusammenfall bei der starken Adjektivdeklination ................ 78 Unterschiede bei Dialektproben vom gleichen Korrespondenten in STALDER (1819) ............................................... 88 Beispiel Phrasenvarianten bei Dialektproben vom gleichen Korrespondenten in STALDER (1819) ............................................... 89

16

Tabellenverzeichnis

Tabelle 23: Anzahl Mundartparabeln mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Nominativ Singular Maskulinum vor Konsonant ......................................................................................... 90 Tabelle 24: Anzahl Mundartparabeln mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Nominativ Singular Maskulinum vor Konsonant ......................................................................................... 90 Tabelle 25: Kriterien zur Abgrenzung der Determiniererstufen ....................... 110 Tabelle 26: Übergangsgebiete zwischen dr- und də-Typ bei STALDER (1819) . 124 Tabelle 27: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Formverteilung im Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS ...................................... 132 Tabelle 28: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Formverteilung im Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal ......................................................................... 145 Tabelle 29: dr nach Präposition in den älteren Grammatiken ........................... 154 Tabelle 30: Relativa im Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ mit unterschiedlichem Stamm in Abhängigkeit von der Belebtheit des Referenzobjekts ........................................................................ 160 Tabelle 31: Verteilung der Nominativ- und Akkusativbelege auf die Personen ......................................................................................... 180 Tabelle 32: Faktor Wortart ohne Formaspekte in Relation zur gesamten Anzahl Wörter ................................................................................ 181 Tabelle 33: Phrasen mit Akronymen und Abkürzungen ................................... 184 Tabelle 34: Faktor Kurzformen als Ausdruck schnellen Sprechens.................. 187 Tabelle 35: Faktor Markierungsstärke als Ausdruck von Salienz ..................... 188 Tabelle 36: Faktor formorientierte Wortart unabhängig von der Zusammensetzung der Phrasen ...................................................... 189 Tabelle 37: Faktor formorientierte Wortart im Zusammenspiel innerhalb der Phrasen ........................................................................................... 191 Tabelle 38: Faktor formorientierte Wortart im Zusammenspiel innerhalb der Phrasen, essentielle Zusammenfassung .......................................... 192 Tabelle 39: Faktor Rektion ................................................................................ 195 Tabelle 40: Faktor Satzglied .............................................................................. 198 Tabelle 41: Faktor typische Konstruktion ......................................................... 201 Tabelle 42: Faktor formaler Einfluss des Subjekts ............................................ 208 Tabelle 43: Transitivitätsgrade der Äußerungen mit den angeführten Verben in der Belesammlung ...................................................................... 212 Tabelle 44: Faktor semantischer Transitivitätsgrad........................................... 213

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS eich sv g n rzu ü k b A

FACHSPEZIFISCHE ABKÜRZUNGEN g n ru ü k b ezifA sp ach F

A Adj. Älgra ahd. Akk. def. Dem. Det. Dipa F idg. indef. Inf. iO mark. mhd. nhd. Nom. NS O Pron. RelS S Subst. schw. st. urg.

Adverbiale Adjektiv Ältere Grammatik althochdeutsch Akkusativ definit Demonstrativum Determinierer Dialektparabel Finitum indogermanisch indefinitert Infinitiv indirektes Objekt markiert mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Nominativ Nebensatz direktes Objekt Pronomen Relativsatz Subjekt Substantiv schwach stark urgermanisch

18

Abkürzungsverzeichnis

SCHWEIZER KANTONE UND ANGRENZENDE GEBIETE

Abbildung 1: Schweizer Kantone und angrenzende Gebiete

A AG AI AR AP BA BE BL BS FR GE GL GR JU LI LU NE NW OW

Allgäu Aargau Appenzell Innerrhoden (Halbkanton) Appenzell Ausserrhoden (Halbkanton) Appenzell (Bezeichnung im SDS für beide Halbkantone) Basel (Bezeichnung im SDS für beide Halbkantone) Bern Basel-Landschaft (Halbkanton) Basel-Stadt (Halbkanton) Freiburg Genf Glarus Graubünden Jura Liechtenstein Luzern Neuenburg Nidwalden (Halbkanton) Obwalden (Halbkanton)

Abkürzungsverzeichnis

SG SH SO SZ T TG TI UR UW V VD VS W WS ZG ZH

St. Gallen Schaffhausen Solothurn Schwyz Tirol Thurgau Tessin Uri Unterwalden (Bezeichnung im SDS für beide Halbkantone) Vorarlberg Waadt Wallis Württemberg Wallis (Kantonsbezeichnung im SDS) Zug Zürich

19

1

EINLEITUNG

g letu in E

Wertvoll wurde mir dies der als accusativ erst, ja ich möchte sagen erst glaubhaft, als es aus dem munde auch gebildeter an mein ohr schlug; vorher war es mir höchstens eine verdriessliche unbegreiflichkeit, die man nicht an sich kommen lässt, nun reizte es meine neugier […]. (HILDEBRAND 1869, 442)

Was HILDEBRAND in seinem Aufsatz „Ein wunderlicher rheinischer Accusativ“ (HILDEBRAND 1869) mit Erstaunen feststellt, ist mir als Sprecherin eines Schweizer Dialekts wohlvertraut. Und seit der Grundschule ist mir auch bewusst, dass die Standardsprache in dieser Hinsicht von meinem Dialekt abweicht: Wie später im Fremdsprachenunterricht haben wir in der Schule Akkusativ-Formen geübt, geübt und noch einmal geübt − mit mehr oder weniger Erfolg. Was für ein Verdruss, solche Formen lernen zu müssen, wenn die Kommunikation ohne diese doch mindestens ebenso gut funktioniert. So sagen wir beispielsweise in Bern: (1)

Dialekt: I gsee dr Hung. Dr Hung biisst dr Maa. wörtlich: Ich sehe der Hund. Der Hund beißt der Mann. Standard: Ich sehe den Hund. Der Hund beißt den Mann.

In Form von Interferenzen lässt sich der Gebrauch der Nominativmarkierung für den Akkusativ in der Schweiz gelegentlich auch im Standard beobachten, vgl. den folgenden Beleg (Stempelkarte für einen Bagel-Shop in Bern): (2)

12 mal kaffee geniessen; dafür gibt es jedes mal einen hübschen stempel und der 13. kaffee gibts geschenkt.

Abbildung 2: Beleg einer Nominativmarkierung für Akkusativ im Standard

22

Einleitung

1.1

FRAGESTELLUNG

n estlu rag F n estlu rag F

Aus den vorangehenden Beobachtungen leitet sich die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ab: Wo, wann, wie und weshalb ist die Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ im Maskulinum Singular entstanden? Die Frage bezieht sich insbesondere auf den definiten Artikel, aber auch auf die anderen Wortarten, bei denen sich ein solcher Zusammenfall abweichend vom Standarddeutschen beobachten lässt. Schon HILDEBRAND (1869), der das Phänomen als rheinischen Accusativ bezeichnet, weil er Belege dafür im Hoch- und Höchstalemannischen sowie entlang des Rheins bis weit in den Norden findet und damit auf die Frage nach dem wo erste Antworten gibt, fragt weiter, zum einen nach dem wann und weshalb: Wie alt ist dieser wunderliche accusativ? und wie in aller welt sind die Alemannen darauf gekommen? (HILDEBRAND 1869, 443)

zum anderen aber auch nach dem wie: Wie entstand aber diese grammatische ausartung? Eine triftige antwort könnte nur das ergebnis einer sehr mühsamen geschichtlichen untersuchung sein. (HILDEBRAND 1869, 444 f.)

Eine „mühsame geschichtliche Untersuchung“ wird mit der vorliegenden Arbeit nicht angestrebt. Ziel dieser Arbeit ist es, die arealen Grenzen der Erscheinung in der Schweiz genauer abzustecken (wo), die Entstehungszeit einzugrenzen (wann), die Art und Weise des Zusammenfalls der Formen genauer zu bestimmen (wie) und − das ist wohl das schwierigste und zugleich das bisher am wenigsten erforschte Anliegen − Hypothesen zu begünstigenden und hemmenden Einflüssen zu bilden, nicht nur auf morphologischer und syntaktischer, sondern auch auf kognitiv-semantischer Ebene (weshalb). Diese letzte Frage nach dem weshalb hängt meines Erachtens untrennbar mit den Fragen zusammen, was Menschen beim Sprechen antreibt, wie Sprache unsere Denkprozesse spiegelt, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und verarbeiten. Wie eingangs dargestellt zeigt sich der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ einerseits in den (Schweizer) Mundarten, andererseits in Form von Interferenzen auch im (Schweizer) Standard: Beide Formen der Evidenz werden zur Beantwortung der oben genannten Frage untersucht. Zum Dialekt wird die Entwicklung vorwiegend anhand von Grammatiken und Sprachatlanten über einen Zeitraum von ca. 200 Jahren aufgearbeitet. Aus diesem ersten Untersuchungsteil werden Erkenntnisse zum wann und wo, aber auch schon erste Einsichten zum wie erwartet. Das Eindringen der Mundartformen in Form von Interferenzen in den Standard wird anhand einer kleineren Belegsammlung analysiert und dafür verwendet, weitere Hypothesen zum wie und insbesondere beobachtungsbasierte Vermutungen zum warum abzuleiten.

Thematische Eingrenzung

1.2

23

THEMATISCHE EINGRENZUNG

rzu g n atiscE em h T

Auch in Gebieten, die den beobachteten Gebrauch der Nominativform für Akkusativ beispielsweise beim definiten Artikel aufweisen, wird insbesondere das Personalpronomen nach wie vor deutlich akkusativmarkiert: (3)

Dialekt (Bern): I gsee nä. Är biisst nä. wörtlich/Standard: Ich sehe ihn. Er beißt ihn.

Das Personalpronomen wird deshalb in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht. Bei Nominalphrasen mit substantivischem Kern erfolgt die Kasusmarkierung im Standarddeutschen wie in den Dialekten deutlicher an den Determinierern und Adjektiven als am Substantiv selber: schon im frühesten Germanisch sind die Kasusmorpheme am Pronomen (und am pronominal flektierten Adjektiv) viel kräftiger ausgebaut als am Substantiv, und im Laufe der Entwicklung werden die attributiven Pronomina und Adjektiva und vor allem der Artikel immer mehr die wichtigsten Träger der Kasusmorpheme des Substantivs. (DAL 1971, 183)

Aus diesem Grund erhält der definite Artikel auch in der vorliegenden Arbeit die größte Aufmerksamkeit. Die areale Darstellung seiner Formen bildet den ersten Untersuchungsteil (Kapitel 4). Wie sich der definite Artikel und andere Wortarten, insbesondere der indefinite Artikel, das Possessivum und das Adjektiv, im Zusammenspiel ganzer Phrasen im Hinblick auf Interferenzen verhalten, ist Gegenstand des zweiten Untersuchungsteils (Kapitel 5). Wie der historische Abriss des Demonstrativums und des daraus entstehenden definiten Artikels in Kapitel 3.1 zeigt, sind Nominativ und Akkusativ seit dem Zusammenfall beim Femininum Singular im Mittelhochdeutschen in allen Positionen des Paradigmas außer im Maskulinum Singular formgleich. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich deshalb nach einer kurzen historischen Darstellung zur Formengleichheit in den anderen Positionen im Paradigma (Kapitel 3) ausschließlich mit den Formen des Maskulinums Singular. Im Maskulinum Singular lässt sich in weiten Teilen des deutschen Sprachgebiets im Gegensatz zum angeführten Phänomen der Zusammenfall von Akkusativ und Dativ beobachten. Nach der geografischen Verortung von NominativAkkusativ-Zusammenfall, Dativ-Akkusativ-Zusammenfall und gelegentlich sogar Einheitskasus (Zusammenfall von Nominativ, Akkusativ und Dativ) in Kapitel 2.3.2 wird in der vorliegenden Arbeit ausschließlich der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ untersucht. Während die drei Kasus Nominativ, Akkusativ und Dativ insbesondere das Subjekt und die Objekte kennzeichnen, wird der Genitiv im Standarddeutschen primär als Kasus zur Markierung von Attributen verwendet. Dem Genitiv kommt aber nicht nur in funktionaler Hinsicht eine besondere Rolle im Deutschen zu. Wie in der Umgangssprache ist er auch in den Dialekten nur noch in Relikten zu finden, vgl. z. B. ROWLEY (2004, 343): „Für die Flexionsmorphologie der Großzahl oberdeutscher Dialekte kann man sie [d. h. die Genitivrelikte] getrost vergessen oder höchstens in einer kurzen Anmerkung anbringen“. Auch in der vorlie-

24

Einleitung

genden Arbeit wird der Genitiv nur im historische Abriss, der die Entwicklung vom Indogermanischen zum zeitgenössischen Standard verfolgt, mit angeführt. In den weiteren Ausführungen zum Dialekt bleiben Genitiv-Relikte unbeachtet. Dass sich die vorliegende Untersuchung hauptsächlich auf die Schweiz beschränkt, liegt dagegen nicht in der Natur der Sache. Im Gegenteil: Wie sprachliche Erscheinungen überhaupt ist auch das Auftreten des in der vorliegenden Arbeit untersuchten Phänomens nicht an Landesgrenzen gebunden (vgl. Kapitel 2.3.2). Die Beschränkung gründet sich auf die Quellen, die in der vorliegenden Arbeit ausgewertet werden. Obwohl die Quellen so verschieden sind (vgl. Kapitel 4.2), sind sie dennoch aufgrund ihres forschungsgeschichtlichen und politischen Hintergrunds (vgl. Kapitel 4.1) auf das Gebiet innerhalb der Landesgrenzen beschränkt. Quellen für die angrenzenden Länder, die sich methodisch und zeitlich an die für die Schweiz verwendeten Quellen anfügen lassen, werden nach Möglichkeit berücksichtigt, finden sich aber kaum. 1.3

METHODISCHE EINGRENZUNG

rzu g n iscE d o eth M

In der vorliegenden Arbeit wird grundsätzlich die traditionelle, griechisch bzw. lateinisch geprägte Terminologie verwendet, wie sie in funktional orientierten Arbeiten im Allgemeinen verwendet wird. Methodisch wird im ersten Untersuchungsteil mit areallinguistischen Beschreibungen und kartografische Darstellungen gearbeitet. Die Suche nach Erklärungsmodellen erfolgt immer auf den folgenden Grundannahmen: –



Sprache ist etwas Lebendiges, Veränderliches mit fließenden Übergangserscheinungen. Dies führt dazu, dass ein graduelles anstelle eines diskreten Verständnisses von Kategorien häufig zu einfacheren, naheliegenderen oder angemesseneren Erklärungen einer Erscheinung führt. Entsprechend häufig werden prototypische Formen, Funktionen oder Eigenschaften von weniger typischen unterschieden. Sprache ist untrennbar mit dem Menschen verbunden. Nicht nur das Reden an sich ist immer an menschliche Bedürfnisse und Absichten gebunden und niemals sprachlicher Selbstzweck, auch die Form der Sprache wird durch die Mitteilungsbedürfnisse des Menschen geprägt. Die Art, wie eine konkrete außersprachliche Situation von der Sprecherin wahrgenommen, d. h. konzeptualisiert wird, und die Frage, welche Ausschnitte davon sie auf welche Art dem Hörer kommunizieren will, bestimmt die Form der Äußerung. Dies gilt nicht nur in der konkreten Äußerungssituation, sondern steuert schließlich auch die Entwicklung grammatischer Kategorien einer Sprache. Eindrücklich zeigt sich dies z. B. bei Grammatikalisierungsprozessen. So bildet für das Futur zumeist das Bedürfnis, dem Hörer das Eintreten eines zukünftigen und damit zwingend unsicheren Ereignisses als gewiss zu versichern, den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer neuen grammatischen Form. Ist jemand beispielsweise schon auf dem Weg, etwas zu tun, dann ist die Wahrscheinlich-

Methodische Eingrenzung

25

keit, dass er das dann auch tun wird, deutlich erhöht. Grammatikalisiert findet sich diese Zusicherung beispielsweise beim englischen going to-Futur. Auch für das Verschwinden grammatischer Formen werden solche konzeptuell gesteuerten Prozesse als grundlegend angenommen. Konkret wird für die vorliegende Untersuchung aus der großen Menge an unterschiedlichen kognitiven Ansätzen und Erklärungsmodellen das kanonische Ereignismodell nach LANGACKER (1999; 2008) herangezogen. Diese Grundannahmen sind der Grund dafür, dass in der vorliegenden Arbeit beispielsweise generative Erklärungsmodelle nicht berücksichtigt werden. Zwar hat Chomsky (1967 und weiterführende Arbeiten) den Fokus der Sprachwissenschaft auf das angeborene Kenntnissystem (Kompetenz) als zentralen Bestandteil unserer kognitiven Fähigkeiten gelenkt und damit die sogenannte Kognitive Wende mit vorbereitet. Nichtsdestotrotz wird im generativen Ansatz angenommen, dass sprachliche Kenntnisse explizit getrennt von anderen kognitiven Fähigkeiten betrachtet werden müssen. Des Weiteren ist der Ansatz bei der Beschreibung von graduell abgestuften Kategorien oder solchen mit unscharfen Grenzen sehr eingeschränkt. Ebenso erweist sich die Optimalitätstheorie für die vorliegende Fragestellung1 als nicht zufriedenstellend, obwohl sie auf den ersten Blick durchaus erklärungsmächtige Antworten bereitzuhalten scheint: In der Optimalitätstheorie werden für alle sprachlichen Ausdrücke sog. Constraints angenommen, das sind universell gültige Regeln dafür, welche Eigenschaften ein sprachlicher Ausdruck nicht aufweisen darf. Diese Constraints sollten bei der Produktion einer Äußerung möglichst nicht verletzt werden. Es ist aber nicht möglich, alle Constraints einzuhalten, da sich diese zum Teil widersprechen. Deshalb werden die Constraints hierarchisiert: wichtigere sind immer einzuhalten, weniger wichtige werden unter Umständen zugunsten von wichtigeren verletzt. Die grammatischen Unterschiede in den verschiedenen Sprachen entstehen dadurch, dass die einzelnen Sprachen die Constraints unterschiedlich hierarchisieren. Dementsprechend müssten sich Unterschiede innerhalb einzelner Varietäten ebenfalls anhand unterschiedlicher Hierarchisierungen der Constraints erklären lassen. Offen bleiben aber die folgenden Fragen: Weshalb werden diese Constaints nicht überall gleich hierarchisiert? Welches sind die Faktoren, welche die Hierarchie der Constraints steuern?2

1

2

Eine umfassende Arbeit zu Nominativ und Akkusativ im Schweizerhochdeutschen aus generativ-optimalitätstheoretischer Perspektive erarbeitete NADIO GIGER (2015) an der Universität Zürich. Ebenfalls dazu erschienen ist DÜRSCHEID / GIGER (2010). Zur Leistungsfähigkeit der Optimalitätstheorie als Instrument der areallinguistischen Forschung, aber auch zu den Problemen insbesondere bei der notwendigen ad-hoc-Bildung der als universell angesetzten Constraints vgl. SEILER (2003, 196−204).

26

Einleitung

1.4

GLIEDERUNG

g n ru lied G

Die Fragen nach dem wann, wo, wie und weshalb des beobachteten Kasussynkretismus im Maskulinum Singular gliedern die vorliegende Arbeit. Kapitel 2 führt die für die Arbeit relevanten theoretischen Grundlagen aus: Es werden Basisbegriffe geklärt, grammatische Grundlagen für das Standarddeutsche und die Dialekte dargelegt und methodische Basiskonzepte kurz erläutert. Danach werden die zentralen Forschungsarbeiten vorgestellt, die das beobachtete Phänomen im deutschen Sprachgebiet lokalisieren und anderen Entwicklungen gegenüberstellen. Der letzte Teil ist Untersuchungen gewidmet, die interessante Erklärungsansätze bieten und Faktoren analysieren, die im Sprachwandel steuernd wirken. Kapitel 3 ist einem Aspekt der zeitlichen Dimension gewidmet. Am Beispiel des definiten Artikels und des stark deklinierten Adjektivs wird aufgezeigt, wie lange Formgleichheiten in den anderen Paradigmapositionen (Femininum, Neutrum, Plural) bereits existieren und − wo möglich − wie der Zusammenfall stattgefunden hat. Mit Hilfe unterschiedlicher Grammatiken wird hierfür die Entwicklung vom Indogermanischen bis zum Neuhochdeutschen nachgezeichnet. Kapitel 4 bildet das erste Kernstück der vorliegenden Arbeit. Anhand einer umfassenden Analyse des definiten Artikels in den Schweizer Mundarten werden insbesondere die Fragen nach dem wann und wo des Zusammenfalls beim Maskulinum Singular untersucht. Aufgrund der vorhandenen Quellen kann die areale Verteilung der Formen auf vier Zeitebenen, welche die letzten zweihundert Jahre erfassen, dargestellt werden. Die dadurch erreichte dynamische Sicht auf die Entwicklung lässt erste Beobachtungen zum wie des Zusammenfalls zu. Kapitel 5 stellt das zweite Kernstück der vorliegenden Arbeit dar. Anhand von Interferenzphänomenen aus den Schweizer Mundarten in den Schweizer Standard wird beobachtet, wie bzw. unter welchen Bedingungen solche Interferenzen bevorzugt auftreten. Die Beobachtungen an der Sprachoberfläche werden auf der Suche nach dem weshalb soweit wie möglich auf der zugrunde liegenden semantischen, kognitiven und informationsstrukturellen Ebene erklärt. Die gewonnenen Erkenntnisse sind als Hypothesen zu verstehen, die anhand größerer Korpora und spezifischer Erhebungen in weiteren Forschungsarbeiten gezielt geprüft und weiterentwickelt werden können. Kapitel 6 führt die Erkenntnisse der beiden Schwerpunkte zusammen und schließt mit einem kurzen Ausblick.

2

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

lag d n u rtiscG eo h T

Beide Untersuchungsschwerpunkte der vorliegenden Arbeit setzen strikt bei der morphologischen Markierung der untersuchten Einheiten an: Im ersten, areallinguistischen Teil stehen dabei einzelne Wortarten, insbesondere der definite Artikel Singular Maskulinum, im Fokus. Die Frage gilt dem wo, wann und wie des Formenzusammenfalls von Nominativ und Akkusativ in den Schweizer Mundarten. Im zweiten Teil, der den Einfluss des mundartlichen Kasussynkretismus auf das Schweizerhochdeutsche in Form von Interferenzen untersucht, bildet die ganze Phrase, welche in normativer Hinsicht eine Akkusativmarkierung aufweisen müsste, den Untersuchungsgegenstand. Bei diesem Untersuchungsschwerpunkt steht die Frage nach dem wie und dem warum im Zentrum. Der Blickwinkel wird in diesem Teil der Arbeit von der morphologischen Ebene auf die syntaktische und kognitiv-semantische Ebene ausgedehnt. Die theoretischen Grundlagen für die Datenanalyse werden dieser Zielsetzung entsprechend aufgearbeitet. Die Darstellung beginnt bei der Klärung der grundlegenden Begriffe (Kapitel 2.1). Der zweite Abschnitt erläutert die formalen Grundlagen von Nominativ und Akkusativ im Standarddeutschen und in den Schweizer Dialekten, stellt die grammatischen Anwendungsbereiche der beiden Kasus dar, erörtert auf syntaktischer Ebene die Verwendung als Satzglieder und Gliedteile (und diskutiert dabei für die Untersuchung relevante Bestimmungsprobleme) und schließt mit einem Überblick über diejenigen kognitiv-semantischen Beschreibungsansätze, die in der vorliegenden Arbeit mehr oder weniger explizit vorausgesetzt werden (Kapitel 2.2). Der letzte Abschnitt stellt für die vorliegende Arbeit relevante Forschungen vor. Zeitlich und methodisch lassen sich diese in drei Gruppen einteilen: Früheste Darstellungen machen auf die Erscheinung aufmerksam, umreißen grob deren Ausdehnung und stellen erste Vermutungen über Ursachen und Zusammenhänge an. Spätere Darstellungen sind um detailliertere Angaben über die Verbreitung und/oder (phonetische) Herleitungen der Formen bemüht. Jüngste − auch dialektgeografische − Darstellungen zeichnen sich insbesondere durch die Prüfung einer großen Anzahl methodisch breit gefächerter Faktoren aus (Kapitel 2.3). 2.1

GRUNDBEGRIFFE

if eg b d n ru G

2.1.1 Standarddeutsch, Schweizerhochdeutsch, Mundart In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Standarddeutsch oder Standardsprache, Schweizerhochdeutsch und Mundart bzw. Dialekt verwendet. Als

28

Theoretische Grundlagen

Standarddeutsch oder Standardsprache wird die deutsche Sprachvarietät bezeichnet, die hinsichtlich Grammatik und Aussprache normiert ist und als Schriftsprache gebraucht wird. In den 1980er Jahren hat sich die Ansicht herausgebildet und gefestigt, dass es sich beim Deutschen um eine plurizentrische Sprache handelt. Das bedeutet, dass sich die Standardvarietäten in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz (geringfügig) voneinander unterscheiden und als gleichrangige nationale Varietäten angesehen werden (LINGG 2006, 24 f.).3 Die schweizerische Standardvarietät wird im Folgenden als Schweizerhochdeutsch bezeichnet und gelegentlich der deutschländischen Standardvarietät gegenübergestellt. In präskriptiver Hinsicht lassen sich bei der Kasusmorphologie und bei der Kasusverwendung von Nominativ und Akkusativ zwischen der deutschländischen und der schweizerischen Standardvarietät keine Unterschiede feststellen. Wo eine Unterscheidung deshalb nicht erforderlich ist, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff Standarddeutsch oder Standardsprache verwendet. Dies betrifft insbesondere die theoretischen Ausführungen, den historischen Überblick und den areallinguistischen Untersuchungsteil. Bei der Interferenzanalyse wird dagegen vorwiegend die Bezeichnung Schweizerhochdeutsch verwendet, da die zugrunde liegenden Texte typische schweizerische Merkmale aufweisen, die teilweise auch für eine korrekte Interpretation relevant sind. Deshalb werden im entsprechenden Kapitel einleitend einige Unterschiede zwischen den beiden Standardvarietäten erläutert (vgl. Kapitel 5.1.2). Die Begriffe Mundart und Dialekt werden hier grundsätzlich synonym in den folgenden zwei Bedeutungen verwendet: Einerseits ist damit ganz allgemein die alltägliche Umgangssprache der Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer in Abgrenzung zur Standardsprache gemeint. Gemeinhin wird die Sprachsituation in der Schweiz als Diglossie bezeichnet. Das heißt, dass sich zwischen dem Dialekt auf der einen und der Standardsprache auf der anderen Seite keine weitere Sprachform ausgebildet hat (vgl. AMMON et al. 2004, XLI f.).4 Mundart und Standardsprache haben relativ klar definierte Gebrauchsdomänen: Die Standardsprache wird tendenziell eher schriftlich und in formelleren Situationen, die Mundart eher mündlich und in Nähesituationen gebraucht. In Domänen, die von diesen grundlegenden Kommunikationssituationen abweichen (z. B. schriftlich, aber Nähe bei Chat, SMS, teilweise auch in Foren u. ä.), sind erfahrungsgemäß beide Varietäten zu beobachten. Hier spielen im Einzelnen weitere Faktoren, darunter si3

4

Natürlich ist die räumliche Ausdehnung der nationalen Varietäten nicht mit den Landesgrenzen identisch, die Landesgrenzen spielen auf der Standardebene aber eine stärkere Rolle als bei den Dialekten (vgl. LINGG 2006, 25). Dialektsprecherinnen und -sprecher sind sich jederzeit darüber im Klaren, ob sie sich der Standardsprache oder des Dialekts bedienen. Für Außenstehende dagegen ist die Klassifizierung offensichtlich nicht immer nachvollziehbar, wie HOVE (2006, 63) festhält. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich einige sprachliche Merkmale als ambig in Hinblick auf die beiden Varietäten erweisen und für den Eindruck eines kontinuierlichen Übergangs verantwortlich gemacht werden können. Andere Merkmale sind dagegen eindeutig dem Standard oder dem Dialekt zuzuordnen, so dass HOVE (2006, 79) zum Schluss kommt, dass es berechtigt ist, die Sprachsituation in der Deutschschweiz als Diglossie zu bezeichnen.

Grundbegriffe

29

cher auch personenspezifische Vorlieben, eine Rolle für die Wahl der Varietät. Bemerkenswert im Vergleich zur Sprachsituation in Deutschland ist darüber hinaus auch der Umstand, dass Mundartgebrauch in keiner Art und Weise an soziologische Faktoren gebunden ist. Andererseits werden die beiden Begriffe für die jeweils konkrete, ortsbezogene Ausprägung der Umgangssprache von Deutschschweizerinnen und Deutschschweizern verwendet. Diese „Ortsdialekte“ können im Extremfall so unterschiedlich sein, dass die gegenseitige Verständlichkeit nicht uneingeschränkt gewährleistet ist.5 In dieser Hinsicht kann von der Mundart, dem Dialekt oder dem Schweizerdeutschen nicht die Rede sein. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden Dialekte häufig als „Regionaldialekte“ wie Berndeutsch, Baslerdeutsch, Zürichdeutsch, Haslideutsch, Walliserdeutsch etc. klassifiziert. Aus linguistischer Sicht fehlen dafür aber im Allgemeinen eindeutige Abgrenzungskriterien. Für viele Erscheinungen lassen sich entweder Nord-Süd oder West-Ost-Gegensätze feststellen. Aber auch hier können die Grenzverläufe im Einzelnen stark voneinander abweichen. Die vorliegende Arbeit kommt ohne eine allgemeingültige regionale Gliederung der Dialekte aus. Dialekteingrenzungen folgen den konkreten Bedürfnissen für die jeweils untersuchte Erscheinung und orientieren sich ausschließlich an geografischen Bezeichnungen. Dies betrifft insbesondere die areale Verteilung des definiten Artikels. 2.1.2 Synkretismus, Formgleichheit Der Begriff Synkretismus ist auf verschiedenen Ebenen mehrdeutig. Seinen Ursprung hat er in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts, wo ihm eine diachrone Komponente innewohnt: Hier bezeichnet Synkretismus den sprachgeschichtlichen Prozess (LURAGHI 2000, 638) oder auch „das Ergebnis eines sprachgeschichtlichen Wandels, durch den die formale Distinktion der Exponenten von Merkmalen grammatischer Kategorien verlorengegangen ist und homonyme Wortformen entstanden sind“ (RABANUS 2008, 21). Insbesondere in der angelsächsischen Forschung ist die synchrone Lesart dominant: Der Terminus Synkretismus wird verwendet, wenn eine Form mehrere Funktionen ausdrücken kann (LURAGHI 2000, 638). Auf einer anderen Ebene lässt sich partieller von totalem Synkretismus unterscheiden. Im ersten Fall betrifft die Formgleichheit nur einen Teil des Paradigmas. LURAGHI (2000, 639) führt dafür einzelne Deklinationsstämme und einzelne Numeri an, ebenso treten solche Formgleichheiten nur in einzelnen Genera auf. Im zweiten Fall sind alle Formen in allen Paradigmen formgleich.

5

Gegenseitige Verständlichkeit ist natürlich nur ein Faktor zur Bestimmung eines wie auch immer gearteten Grades an Unterschiedlichkeit zwischen Varietäten. Wie alle anderen Faktoren birgt sie methodische Probleme. Für die beabsichtigte Illustration des dialektalen Variantenreichtums reicht sie aber aus.

30

Theoretische Grundlagen

Des Weiteren wird gelegentlich zwischen formalem und funktionalem Synkretismus unterschieden (LURAGHI 2000, 641−645). Ersteres bezeichnet Formenzusammenfall durch phonologischen Wandel, d. h. durch phonetische Erosion. Von funktionalem Synkretismus spricht LURAGHI (2000), wenn unterschiedliche syntaktische oder semantische Funktionen durch eine Form ausgedrückt werden. So werden beispielsweise Subjekt und direktes Objekt in zahlreichen Sprachen mit ein und demselben Kasus kodiert. Der formale Zusammenfall muss dem funktionalen Zusammenfall nicht vorausgehen, da funktionaler Synkretismus auch durch direkte Formübertragung möglich ist. Dazu führt LURAGHI (2000, 641) ein Beispiel aus dem Hethitischen an: Obwohl formal beide Kasus im Mittelhethitischen noch unterschiedlich sind, wird in jüngeren Sprachstufen der Ablativ zunehmend nicht nur für den ‚Ausgangspunkt’, sondern auch anstelle des Instrumentals für das ‚Instrument’ verwendet, bis der Instrumental völlig außer Gebrauch kommt. Solche Prozesse werden in der vorliegenden Arbeit auch für das Deutsche aufgezeigt. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Synkretismus unter diachroner Perspektive verwendet, obwohl damit ein konkretes praktisches Problem verbunden ist: Um zu bestimmen, ob Formen durch Sprachwandel zusammengefallen sind und damit mit dem Begriff adäquat beschrieben werden können, müssen für die einzelnen Formen die sprachhistorischen Wurzeln bekannt sein. Da es oft schwierig ist, den Ursprung von Formen mit Bestimmtheit zu eruieren, entscheidet sich beispielsweise RABANUS (2008, 21) in seiner Untersuchung aus praktischen Gründen dazu, Formveränderungen nicht weiter als bis zum Althochdeutschen zurückzuverfolgen und alle Formen, die in jener Epoche schon Formgleichheit aufweisen, als Homonyme zu bezeichnen. In der vorliegenden Arbeit werden dagegen die Paradigmen des definiten Artikels und des stark deklinierten Adjektivs bis zum Indogermanischen zurückverfolgt, so dass auch Formen, die vor der althochdeutschen Zeit zusammengefallen sind, als Synkretismen erkannt werden können. Dies bleibt aber auf die erwähnten Paradigmen beschränkt, für andere Wortarten und Deklinationsklassen bleibt die Frage nach der Entstehung offen. In der vorliegenden Arbeit wird der schrittweise Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ in bestimmten Positionen verschiedener Paradigmen untersucht. Bislang überhaupt nicht betroffen von solchen Prozessen sind insbesondere die Personalpronomina. Sog. vollständiger Synkretismus zweier Kasus ist im Deutschen bislang nicht zu beobachten. In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, wie sich partieller Synkretismus auf weitere paradigmatische Positionen ausdehnt. Wie beispielsweise bei BRUGMANN (1904, 419) wird der Zusammenfall durch lautgesetzlichen Wandel ebenso unter Synkretismus gefasst wie die Übertragung der Form. Aufgrund der teilweise mangelhaften Datenlage kann nämlich nicht immer bestimmt werden, welcher dieser Prozesse im konkreten Fall gewirkt hat. Neben dem so definierten Begriff Synkretismus wird im Folgenden häufig der Begriff Formgleichheit verwendet. Er bezeichnet die formale Identität zweier Positionen im Paradigma, unabhängig davon, wie sie entstanden ist, wie lange sie besteht und ob eine oder beide dieser Dimensionen bekannt ist oder nicht.

31

Nominativ und Akkusativ

2.2

NOMINATIV UND AKKUSATIV

s k A d u atv in m o N

2.2.1 Formale Aspekte einzelner Wortarten und ganzer Phrasen Standarddeutsch Dass mehrere Kasus die gleiche Form aufweisen, ist im Standarddeutschen keine Seltenheit. Dies gilt insbesondere für Nominativ und Akkusativ. Wie in vielen anderen Sprachen ist der Nominativ der unmarkierte Kasus. Zumindest beim Substantiv ist er endungslos. Weil bei den Substantiven die Markierung der obliquen Kasus (Akkusativ, Dativ, Genitiv) generell stark abgebaut ist, lassen sich diese nur noch vereinzelt vom Nominativ unterscheiden: Im Singular tragen die obliquen Kasus der schwach deklinierten Maskulina die Endung -en (der Held, den/dem/des Helden)6. Neutra und stark deklinierte Maskulina markieren nur den Genitiv (das/das/dem Werk, Genitiv: des Werkes). Feminina weisen im Singular überhaupt keine Kasusmarkierungen mehr auf. Im Plural tragen einzig die Wörter auf -e, -el und -er im Dativ die Endung -n (die/die/der Fische, Dativ: den Fischen). Beim Substantiv lassen sich Nominativ und Akkusativ demnach einzig bei den schwach deklinierten Maskulina im Singular unterschieden, ansonsten sind die beiden Kasus immer formgleich. Wortarten wie Artikel und Adjektiv, die häufig zusammen mit einem Substantiv in einer Nominalphrase auftreten, werden stärker markiert. Dadurch lässt sich der Nominativ trotz der weitgehenden Formreduktion beim Substantiv formal noch relativ gut vom Dativ und vom Genitiv unterscheiden. Aber gerade der hier besonders interessierende Akkusativ ist außer im Maskulinum Singular in großem Ausmaß formgleich mit dem Nominativ, wie die folgenden Paradigmen häufig gebrauchter Wortarten aufzeigen. DEFINITER ARTIKEL

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Plural

Nominativ

der

das

die

die

Akkusativ

den

das

die

die

Dativ

dem

dem

der

den

Genitiv

des

des

der

der

Tabelle 1: Kasusdeklination des definiten Artikels

6

Im Folgenden werden Beispiele, wo nicht anders erwähnt, immer in der Reihenfolge Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv angeführt.

32

Theoretische Grundlagen

INDEFINITER ARTIKEL

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Plural

Nominativ

ein

ein

eine



Akkusativ

einen

ein

eine



Dativ

einem

einem

einer



Genitiv

eines

eines

einer



Tabelle 2: Kasusdeklination des indefiniten Artikels

Definiter wie indefiniter Artikel weisen im Femininum und Neutrum Singular Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ auf. Dies gilt ebenso für den definiten Artikel Plural sämtlicher Genera. Beim indefiniten Artikel existieren keine Pluralformen, Indefinitheit wird durch Artikellosikeit ausgedrückt. Einzig im Maskulinum Singular unterscheiden beide Determinierer Nominativ und Akkusativ. Darüber hinaus sind nur Dativ und Genitiv Femininum Singular formgleich. Auch andere Determinierer folgen einem dieser beiden Deklinationsschemata. Das Demonstrativum der ist völlig formgleich mit dem definiten Artikel. Indefinitpronomina wie jeder oder − substantivisch gebraucht − keiner, irgendeiner7 (Jeder kann das; Jeder Tag gleicht dem anderen; Keiner will gehen), Demonstrativpronomina wie dieser, jener (Dieser gefällt mir nicht; Jener Tango fetzt) und substantivisch gebrauchte Possessiva (Meiner gefällt mir am besten) etc. bilden Endungen analog zum definiten Artikel. Attributiv gebrauchte Possessiva (dein Sohn) und v. a. attributiv gebrauchte Indefinitpronomina wie kein, irgendein (kein Ton, irgendein Text) etc. entsprechen dem Deklinationsmuster des indefiniten Artikels. Im Gegensatz zum indefiniten Artikel können letztgenannte Determinierer einen Plural bilden: seine Kinder/seine Kinder/seinen Kindern/seiner Kinder. ADJEKTIV STARK

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Plural

Nominativ

-er

-es

-e

-e

Akkusativ

-en

-es

-e

-e

Dativ

-em

-em

-er

-en

Genitiv

-en

-en

-er

-er

Tabelle 3: Kasusdeklination des stark deklinierten Adjektivs

Das stark deklinierte Adjektiv8 zeigt wie der definite Artikel Formgleichheit im Nominativ und Akkusativ Singular Femininum und Neutrum (und im Dativ und 7 8

Die Auswahl gibt jene Indefinitpronomina wieder, die sich in den für die vorliegende Arbeit untersuchten schweizerhochdeutschen Phrasen finden. In der vorliegenden Arbeit wird nur das attributiv gebrauchte Adjektiv besprochen. Im Standarddeutschen bleiben andere Verwendungen wie z. B. prädikativer Gebrauch (Dein Tipp ist gut) endungslos.

33

Nominativ und Akkusativ

Genitiv Singular Femininum). Es tritt in Phrasen ohne Determinierer (Guter Rat ist teuer), nach (undeklinierten) Zahlwörtern (Nur ein einziger Stift ist nicht ausgetrocknet) und nach Pronomina wie viel, manch, welch (Welch großer Schreck!) auf (vgl. HENTSCHEL / WEYDT 2013, 194). Damit stellt in solchen Phrasen das stark deklinierte Adjektiv dasjenige Element dar, welches den Kasus am deutlichsten markiert. ADJEKTIV SCHWACH

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Plural

Nominativ

-e

-e

-e

-en

Akkusativ

-en

-e

-e

-en

Dativ

-en

-en

-en

-en

Genitiv

-en

-en

-en

-en

Tabelle 4: Kasusdeklination des schwach deklinierten Adjektivs

Auch das schwach deklinierte Adjektiv zeigt in Nominativ und Akkusativ bei Neutra und Feminina Formgleichheit. Darüber hinaus enden Dativ und Genitiv aller Genera in Singular wie Plural auf -en, so dass der Plural einheitlich in allen Kasus gleiche Formen aufweist. Anders gesagt gilt auch: Beim Akkusativ Singular Maskulinum fallen alle obliquen Kasus zusammen, lassen sich aber vom Nominativ unterscheiden. Das schwach deklinierte Adjektiv wird nach dem definiten Artikel (der kleine Prinz) sowie nach Determinierern wie dieser, jener, jeder, jeglicher, derjenige, derselbe, jedweder (dieser kleine Teufel) verwendet (vgl. HENTSCHEL / WEYDT 2013, 195). Die Sprache verhält sich hier insofern ökonomisch, als dass die Markierung des Adjektivs schwächer ausfallen kann, weil die angeführten Determinierer die Phrase bereits so stark markiert haben, wie dies im Standarddeutschen überhaupt noch möglich ist, vgl. z. B. dieser kleine Teufel/diesen kleinen Teufel/diesem kleinen Teufel/dieses kleinen Teufels. ADJEKTIV GEMISCHT

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Plural

Nominativ

-er

-es

-e

-en

Akkusativ

-en

-es

-e

-en

Dativ

-en

-en

-en

-en

Genitiv

-en

-en

-en

-en

Tabelle 5: Kasusdeklination des gemischt deklinierten Adjektivs

Das sog. gemischt deklinierte Adjektiv, dessen Singularformen insbesondere nach dem indefiniten Artikel verwendet werden, weist für Nominativ und Akkusativ Singular die Formen des stark deklinierten, für Dativ und Genitiv Singular und für den Plural die Formen des schwach deklinierten Adjektivs auf. Damit sind einmal mehr Nominativ und Akkusativ außer beim definiten Artikel Maskulinum Singu-

34

Theoretische Grundlagen

lar formgleich. Dativ und Genitiv sind ebenfalls durchgehend formgleich und stimmen im Plural mit Nominativ und Akkusativ, im Singular Maskulinum mit Akkusativ überein. Das Paradigma zeigt also eine Rectus-Obliqui-Unterscheidung beim Maskulinum Singular und totale Formgleichheit im Plural. Außer nach dem indefiniten Artikel (ein großer Wurf) wird gemischte Deklination auch nach kein (kein kleiner Fehler), nach Possessivpronomina (mein langer Weg) und nach den deklinierten Formen von Indefinitpronomina wie manch- (mancher kleiner Käfer) verwendet (vgl. HENTSCHEL / WEYDT 2013, 195). Das Paradigma der Personalpronomina ähnelt für die 3. Person den bereits besprochenen Determinierer- und Adjektivparadigmen: PERS.PRON. 3. PERS.

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Plural

Nominativ

er

es

sie

sie

Akkusativ

ihn

es

sie

sie

Dativ

ihm

ihm

ihr

ihnen

Genitiv

seiner

seiner

ihrer

ihrer

Tabelle 6: Kasusdeklination des Personalpronomens der 3. Person

Auch hier weisen Nominativ und Akkusativ außer im Singular Maskulinum Formgleichheit auf. Anders zeigt sich die Situation bei den Personalpronomina der 1. und 2. Person. Als Bezeichnung für den Sprecher und den Angesprochenen unterscheiden sich diese insbesondere in funktionaler Hinsicht von den bisher besprochenen Lexemen. Formal zeichnen sie sich durch fehlende Genusmarkierung aus: PERS.PRON. 1./2. PERS.

1. Pers. sg.

2. Pers. sg.

1. Pers. pl.

2. Pers. pl.

Nominativ

ich

du

wir

ihr

Akkusativ

mich

dich

uns

euch

Dativ

mir

dir

uns

euch

Genitiv

meiner

deiner

unser

euer

Tabelle 7: Kasusdeklination des Personalpronomens der 1. und 2. Person

Nominativ und Akkusativ sind durchgehend deutlich unterscheidbar. Im Hinblick auf die übrigen besprochenen Paradigmen auffallend ist Formgleichheit von Akkusativ und Dativ im Plural. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Standarddeutschen Nominativ und Akkusativ weitgehend Formgleichheit aufweisen. Dies gilt durchgehend für alle Nominalphrasen im Plural, welcher keine Genera mehr unterscheidet, sowie für alle Nominalphrasen im Singular Femininum und Neutrum bei allen Wortarten,

Nominativ und Akkusativ

35

die Genera unterscheiden. Der Frage, wie lange diese Formgleichheiten bereits bestehen, ist Kapitel 3 gewidmet. Unterschiedlich markiert wird Nominativ und Akkusativ dagegen in fast allen Nominalphrasen im Maskulinum Singular, die einen Determinierer oder ein Adjektiv enthalten, sowie in Nominalphrasen, welche durch ein Personalpronomen der 1. oder 2. Person gebildet werden. Mundarten Für die Schweizer Mundarten gibt es weder einen normativen Standard noch flächendeckende deskriptive Beschreibungen, auf die sich eine Darstellung des Formenbestandes stützen kann. Unter anderem deshalb ist es ein Ziel dieser Arbeit, die Formen des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Mundarten anhand diverser Quellen möglichst umfassend aufzuarbeiten. Die Quellen werden in Kapitel 4.2 ausgiebig erläutert. Es sei vorweggenommen, dass in den heutigen Dialekten Nominativ und Akkusativ auch beim definiten Artikel Maskulinum Singular weitgehend zusammengefallen sind. Eine systematische Untersuchung der anderen Wortarten kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden. Deshalb werden diese Formen im Folgenden nur kurz skizziert. Da eine flächendeckende Beschreibung nicht möglich ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Besonderheiten einzelner Orte oder Regionen nicht erfasst sind. Insgesamt weichen in den Schweizer Mundarten die einzelnen Formen deutlich von den standarddeutschen Formen ab und zeigen untereinander vielfältige Variation. Im Hinblick auf Formengleichheit beim Kasus zeigt sich aber bei allen Mundarten im Großen und Ganzen ein ähnliches Bild mit der allgemeinen Tendenz, dass Nominativ und Akkusativ − im Gegensatz zum Standarddeutschen − auch im Maskulinum Singular vieler Wortarten Synkretismus aufweisen. Zum Substantiv hält schon WINTELER (1876, 168) für die Kerenzer Mundart im Kanton Glarus fest, dass es unangebracht scheint, noch vier Kasus zu unterscheiden. Auch bei den schwach deklinierten Maskulina im Singular sind im Gegensatz zum Standarddeutschen Nominativ und Akkusativ gleichlautend. Selbst für Visperterminen, einen abgelegenen Bergort im ohnehin stark formbewahrenden Wallis, gibt WIPF (1910, 119 u. 128) bereits Synkretismus von Nominativ und Akkusativ Singular bei schwach deklinierten Maskulina an. Auch in den übrigen Quellen zu Schweizer Dialekten, welche Angaben zur Substantivflexion machen, findet sich kein Hinweis auf eine Formunterscheidung zwischen Nominativ und Akkusativ beim Substantiv. Genitive werden kaum noch gebraucht, üblich ist die Umschreibung durch Präposition (mit entsprechendem Kasus). Auch die Umschreibung von Dativ durch Präpositionalphrasen wird schon erwähnt (vgl. WINTELER 1876, 168). Dieses Phänomen, auf welches in zahlreichen Quellen hingewiesen wird, hat SEILER (2003) unter dem Begriff präpositionale Dativmarkierung ausführlich beschrieben. Für den Plural gibt WINTELER (1876, 169) vom Nominativ abweichenden Dativ an.

36

Theoretische Grundlagen

Für den indefiniten Artikel finden sich flächendeckende Angaben in Form von Sprachkarten im „Sprachatlas der Deutschen Schweiz“ (SDS III, 142−148). Zwei Formtypen (ǝ vs. ǝn/ǝs), die nicht nur areale Muster aufweisen, sondern teilweise auch parallel in Abhängigkeit der Folgekonsonanten (im Wallis und im Berner Oberland) auftreten können, führen zu mehreren unterschiedlichen Paradigmen für größere oder kleinere Gebiete. Allen Paradigmen gemeinsam ist aber, dass Nominativ und Akkusativ (abgesehen von Sonderformen nach Präposition) durchgehend Formgleichheit aufweisen. Weder in den neueren Grammatiken noch in den älteren Darstellungen sind unterschiedliche Markierungen belegt, vgl. beispielsweise STALDER (1819, 89). Neben starker und schwacher (sowie gemischter) Deklination ist in großen Teilen der Schweiz auch der endungslose Gebrauch des attributiven Adjektivs verbreitet.9 Für das starke Adjektiv weist der SDS (III, 252) im Nominativ und Akkusativ Neutrum Singular endungslose Formen ganz im Norden aus, für jenes im Nominativ und Akkusativ Maskulinum und Femininum Plural (vgl. SDS III, 253) dagegen einen kontinuierlichen Übergang von Kasusendungen im Norden zu endungslosem Gebrauch Richtung Süden, wobei die südlichsten Randgebiete aber wieder flektieren. Für das schwache Adjektiv zeichnet der SDS (III, 254) für Nominativ und Akkusativ Femininum Singular dagegen eine deutliche West-OstGliederung: Nur im äußeren Westen finden sich flektierte Formen, aber auch endungsloser Gebrauch. Allein diese drei Karten machen deutlich, dass einfache Angaben zu den Adjektivparadigmen als Ganze nicht möglich sind. Nur vereinzelt gibt es Hinweise auf eine Unterscheidung von Nominativ und Akkusativ im starken bzw. gemischten Paradigma. So führt WIPF (1910, 134) im Akkusativ Maskulinum Singular sowohl die Nominativ- als auch die ältere Akkusativform an. Häufiger findet sich ein vom Nominativ abweichender Akkusativ im Rahmen einer allgemeinen Obliqui-Markierung beim schwach deklinierten Adjektiv, so beispielsweise bei WINTELER (1876, 182) für die Kerenzer Mundart im Kanton Glarus, bei WIPF (1910, 135) für Visperterminen im Wallis, bei HOTZENKÖCHERLE (1934, 404) und BRUN (1918, 160) für die Walserorte Mutten und Obersaxen im Kanton Graubünden, bei JUTZ (1925, 263 f.) für die Nebentäler in Vorarlberg, nicht aber das Haupttal. Dabei handelt es sich vorwiegend um Gebiete, die sich auch beim definiten Artikel (siehe Kapitel 4) als konservativ auszeichnen.

9

Andererseits ist in der südlichen Hälfte der Schweiz mit nach Süden zunehmender Häufigkeit Flexion im prädikativen Gebrauch belegt, vgl. SDS (III, 256). BUCHELI BERGER / GLASER (2004) besprechen die Morphologie des prädikativen und koprädikativen (Du musst die Milch heiss trinken; Bsp. BUCHELI BERGER / GLASER 2004, 189) Adjektivs umfassend aufgrund neuester Daten aus der Erhebung zum SADS. FLEISCHER (2007) entwickelt ein Entstehungsszenario, wonach das flektierte prädikative Adjektiv im Höchstalemannischen auf den Einfluss althochdeutscher Flexion zurückgeht (Archaismus), aber dank Sprachkontakt zum Romanischen ausgebaut worden ist (Romanismus). Auch wertet FLEISCHER (2014) die bis Ende 2010 im „Digitalen Wenkeratlas“ (heute: besucht 4.7.2017) enthaltenen Wenkerformulare zum prädikativen Adjektiv und Partizip kartografisch aus.

Nominativ und Akkusativ

37

Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ (gleiche Endung oder endungsloser Gebrauch für beide Kasus) beim schwach deklinierten Adjektiv ist dagegen für große Teile der nördlichen Schweiz von Jaun im Kanton Freiburg (vgl. STUCKI 1917, 273) über die unteren Freiburger Mundarten (HENZEN 1927, 191), das Berner Seeland (BAUMGARTNER 1922, 145), den Kanton Uri (CLAUSS 1929, 185) inklusive das Urserental (ABEGG 1913, 77) und das Zürcher Oberland (WEBER 1923, 165) bis ins Vorarlberger Rheintal (JUTZ 1925, 236 f.) belegt. Damit weist in jenen nördlichen Regionen die ganze Phrase, die aus definitem Artikel, schwach dekliniertem Adjektiv und Substantiv besteht, keine Kasusunterscheidung von Nominativ und Akkusativ auf. Eine Phrase, die aus indefinitem Artikel, stark dekliniertem Adjektiv und Substantiv besteht, weist bis auf kleine Ausnahmen praktisch in der ganzen Schweiz Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ auf. In den Mundarten werden für das Personalpronomen der 1. und 2. Person je nach Darstellung zwei bis drei Betonungsstufen als eigene Paradigmen angeführt: Im SDS (III, 195−197; Beispiele GP) finden sich beispielsweise Karten zum Personalpronomen der 1. Person „haupttonig, isoliert“ (Wer hat aus meinem Becherchen getrunken? − Ich), „vortonig, im Paradigma“ (Ich bin …) und „nachtonig, im Satz“ (Gestern bin ich …). In der Reihe „Beiträge zur deutschen Grammatik“ werden dagegen zwei Stufen, betonte und unbetonte Personalpronomina, unterschieden. Unabhängig von der Betonungsstufe lässt sich wie im Standarddeutschen im Allgemeinen Formgleichheit von Akkusativ und Dativ im Plural beobachten. Wo der Dativ durch eine präpositionale Markierung verstärkt ist (vgl. SEILER 2003), hebt sich die Formgleichheit aber auf. Im Singular ist wie im Standarddeutschen zumeist die vollständige Unterscheidung von Nominativ, Akkusativ und Dativ erhalten. Auch hier ist der Dativ teilweise durch eine präpositionale Markierung verstärkt. Einzig im Kanton Freiburg ist auch im Singular Formenzusammenfall von Akkusativ und Dativ zu beobachten. Es ist die Dativform, die auf den Akkusativ übertragen worden ist (vgl. STUCKI 1917, 280; HENZEN 1927, 196; ausführlich BUCHELI BERGER 2010). Das Personalpronomen der 3. Person hat in den Schweizer Mundarten im Gegensatz zu vielen anderen Wortarten die Kasusunterscheidung von Nominativ und Akkusativ im Maskulinum Singular bewahrt. Darüber hinaus lassen sich im Gegensatz zum Standarddeutschen sogar formale Differenzen der beiden Kasus bei den anderen Genera und im Plural beobachten. Deutlich um eine Kasusunterscheidung handelt es sich in jenen Gebieten, die dem Nominativtyp Singular Neutrum es einen im Standarddeutschen unbekannten Akkusativtyp ins entgegenstellen. Beschreibungen finden sich eher für das Schweizer Mittelland, z. B. für Basel (SUTER 1976/1992, 88−91) und Zug (BOSSARD 1962, 65 f.), nur bei den betonten Formen für Luzern (FISCHER 1960/1989, 250/254), den Aargau ([ANONYMUS] 1874, 183) und das Zürcher Oberland (WEBER 1923, 170). Dazu tritt teilweise auch der Nominativtyp im Akkusativ auf. Ebenfalls nur beim betonten Pronomen findet sich das Formenpaar äs vs. is im Haslital (siehe DAUWALDER 1992, 123). Die Unterscheidung von Nominativ und Akkusativ ist bei den Neutra besonders bemerkenswert, da Neutra seit der ältesten erschlossenen Sprachstufe,

38

Theoretische Grundlagen

dem Indogermanischen, hier Formgleichheit aufweisen.10 Wie alt diese Unterscheidung in den Dialekten ist, lässt sich im Rahmen dieser Arbeit nicht klären. Nur wenig deutlich ist der Formunterschied beim Femininum Singular, wenn die unbetonten Paradigmen im Akkusativ schwächere (d. h. kontrahierte) Formen zulassen als im Nominativ. So ist im SDS (III, 202) in der westlichen Deutschschweiz (Kantone Basel, Solothurn und Bern) und in den Bergkantonen Wallis und Graubünden (bis auf ein kleines Gebiet ganz im Norden des Kantons) für unbetonten enklitischen Akkusativ sǝ/sa (mit phonologischen Varianten) belegt, während der Nominativ vermutlich überall davon abweichend ausschließlich si (ebenfalls mit phonologischen Varianten) lautet (vgl. SUTER 1976/1992, 88−91 für Basel, MARTI 1985, 92 für das Berner Mittelland, DAUWALDER 1992, 23 für das Haslital im Berner Oberland, BOHNENBERGER 1913, 215 für den Kanton Wallis und die außerkantonalen Walserorte, WIPF 1910, 140 f. für Visperterminen im Kanton Wallis, BRUN 1918, 165 für Obersaxen im Kanton Graubünden). Im Berner Mittelland (si vs. se, vgl. MARTI 1985, 92)11 und im Haslital (si/s vs. sa, vgl. DAUWALDER 1992, 23) ist dieselbe Unterscheidung auch für Plural beschrieben. Ebenso ist das Phänomen für Singular Neutrum belegt: es/s im Nominativ vs. ausschließlich die reduzierte (klitische) Form s im Akkusativ des unbetonten Paradigmas beschreiben beispielsweise WEBER (1948/1987, 153−162) und SCHOBINGER (1084/2007, 64 f.) für Zürich, WANNER (1941, 173) für Schaffhausen, HOTZENKÖCHERLE (1934, 421−424) für Mutten in Graubünden und CLAUSS (1929, 191) für Uri. Nach HENZEN (1927, 197) steht ähnlich in Freiburg nur ǝs im Nominativ, im Akkusativ dazu auch die reduzierte Form s zur Verfügung. Gleiches gilt nach BRUN (1918, 165) für Obersaxen in Graubünden. Kleine Formunterschiede beim Personalpronomen der 3. Person Singular Neutrum sind im Wallis (BOHNENBERGER 1913, 215, WIPF 1910, 140 f.) beschrieben: Neben den homonymen Formen s/es/us wird nur im Akkusativ auch sus verwendet. Weitere pronominale Wortarten wie Indefinita, Interrogativa etc. werden hier nicht berücksichtig. Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass die Dialekte bei Nominalphrasen, die einen substantivischen Kern haben, die Kasusunterscheidung stärker abgebaut haben als der Standard. Dagegen zeigt sich das Perso-

10

11

BLAKE (2001, 119) hält generell für indogermanische Kasussprachen fest, dass die Nominativ-Akkusativ-Unterscheidung bei Nomen mit neutralem Genus fehlt. Er führt das darauf zurück, dass praktisch alle Neutra unbelebt sind, wenngleich es auch viele unbelebte Substantive in den anderen Genera gibt. An den Zusammenhang zwischen Belebtheit und Kasusunterscheidung fügt sich die folgende Beobachtung zur Verwendung des neutralen Akkusativpronomens im Berndeutschen an: ins wird v. a. für die betonte Referenz auf Personen (insb. Kinder, Babys) verwendet. Wird auf Unbelebtes referiert, kann dagegen nur das gebraucht werden. Eine umfassende Untersuchung würde sicher spannende Ergebnisse liefern. MARTI (1985, 92) unterscheidet sich insofern von den übrigen Darstellungen, als er für die 3. Person drei Betonungsstufen annimmt. Die Nominativform si weist er der mittleren Stufe zu, während hier der Akkusativ leer bleibt, die Akkusativform se weist er der schwächsten Stufe zu, während hier eine Nominativform fehlt.

Nominativ und Akkusativ

39

nalpronomen in den Dialekten tendenziell sogar stärker kasusunterscheidend als im Standard. 2.2.2 Grammatische Funktionen Nominativ und Akkusativ erfüllen in den Dialekten im Allgemeinen die gleichen grammatischen Funktionen wie im Standard. Deshalb werden die beiden Varietäten nicht separat besprochen. Hinweise auf Unterschiede erfolgen bei Bedarf zu den einzelnen Funktionen. Obwohl insbesondere die Kernfunktionen der beiden Kasus als Subjekt und als Objekt eng zusammenhängen, erfolgt die Besprechung getrennt. Nominativ Im syntaktischen Gefüge wird der Nominativ insbesondere dazu verwendet, das Subjekt als eines der zentralen Satzglieder zu kennzeichnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Subjekt zu einem intransitiven (Ich schlafe), einem transitiven (Ich esse den Kuchen) oder einem ditransitiven Satz (Ich schenke ihm einen Blumenstrauß) handelt. Viel seltener markiert der Nominativ ein anderes Satzglied: Als sog. Gleichsetzungsnominativ, auch prädikativer Nominativ genannt, nimmt er die Funktion wahr, das Subjektsprädikativum anzuzeigen, das nach Kopulaverben wie sein, bleiben oder werden auftritt (Er ist ein lieber Kerl). Eine ähnliche Funktion hat der Nominativ bei Verben inne, welche mittels als eine Gleichsetzung oder Zuschreibung vornehmen: sich fühlen als, sich erweisen als, sich entpuppen als etc. Auch nach Vergleichen mit als und wie tritt der Kasus auf, wenn das Bezugselement im Nominativ steht: Er arbeitet wie ein Ochse. Er ist fit wie ein Turnschuh. Er als guter Freund sagt mir immer ehrlich die Meinung. Zumeist parallelflektiert findet sich Nominativ des Weiteren bei Appositionen mit Bezugswörtern im Nominativ: Emil, mein Erstgeborener, ist ziemlich eifersüchtig. DÜRSCHEID (1999, 25) weist darauf hin, dass Appositionen auch im Nominativ stehen können, wenn das Bezugswort einen anderen Kasus aufweist, vgl. Ich wohne, wenn ich nach Berlin komme, in der Pension Imperator, eine Altbauwohnung mit ächzendem Parkett und zwölf Zimmern (VALENTIN 1998, 121 zitiert nach DÜRSCHEID 1999, 25). Gelegentlich ersetzt der Nominativ den Genitiv in partitiven Konstruktionen wie Zwei Flaschen prickelnder Sekt stehen im Kühlschrank bereit. Meistens als prädikativer Nominativ einer elliptischen Konstruktion aufgefasst wird der Nominativ in parenthetischen Konstruktionen wie Man hat sich − endlich ein Durchbruch − über die Entschädigungssumme geeinigt. Darüber hinaus nimmt der Nominativ Funktionen außerhalb des syntaktischen Gefüges wahr. Wichtig ist v. a. die Benennungsfunktion, welcher der Nominativ (von lat. nominare ‚nennen’) seinen Namen verdankt. Die Funktion kommt in

40

Theoretische Grundlagen

Wörterbüchern und in Ausrufen (Guck mal, ein Bär!) zum Tragen. Auch hat der Nominativ die Funktion des Vokativs übernommen. Er wird beispielsweise in Anreden verwendet: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Akkusativ Die Hauptfunktion des Akkusativs besteht darin, das direkte Objekt bei transitiven (Ich esse den Kuchen) und ditransitiven Verben (Ich schenke ihm einen Blumenstrauß) zu markieren. Wenige Verben treten mit zwei Akkusativobjekten auf: abfragen, kosten, lehren. Nicht nur in der standarddeutschen Umgangssprache, auch im Dialekt unterliegen solche Konstruktionen einem Systematisierungsdruck. So tritt beispielsweise lehren auch als ditransitive Konstruktion mit Dativ auf: Mundart (Bern): I leere-n-im läse − Standard: Ich lehre ihm lesen. Bei den Verben des Nennens (nennen, heißen, rufen, schelten, schimpfen) handelt es sich beim zweiten Akkusativ dagegen um einen sog. Gleichsetzungsakkusativ (Er schimpfte ihn einen Deppen). Wie der Gleichsetzungsnominativ hat dieser prädikative Funktion, weshalb er auch als prädikativer Akkusativ bezeichnet wird. Diese Konstruktionen konkurrieren gerade in der gesprochenen Sprache und damit auch in der Mundart mit indirekter Rede und prädikativem Nominativ im Nebensatz (Mundart: I ha-n-im gseit, är sig ä-n-Idiot; wörtlich: Ich habe ihm gesagt, er sei ein Idiot) oder wiederum Dativ statt Akkusativ (Mundart: I ha-n-imIdiot gseit, wörtlich: Ich habe ihm Idiot gesagt) o. ä. verwendet. In den Schweizer Dialekten und im Schweizerhochdeutschen wird Akkusativ auch nach Kopula verwendet, wo im deutschländischen Standard Nominativ steht, vgl. beispielsweise „Ich möchte mich sein, bloss besser“12. Akkusativphrasen bei intransitiven Verben wie einen schlechten Traum träumen, einen einsamen Tod sterben etc. werden als inneres oder kognates Objekt bezeichnet. Solche Akkusativphrasen sind nur möglich, wenn sie in engem semantischem Zusammenhang mit der Verbbedeutung stehen und können im Gegensatz zu den echten Objekten nicht durch wen? (oder was?) erfragt werden. Wahrnehmungsverben und Verben des Veranlassens/Zulassens (hören, sehen, lassen) lassen eine weitere besondere Konstruktion mit Infinitiv und Akkusativphrase zu, vgl. Ich sehe/lasse ihn kommen. Diese Konstruktionen werden als A.c.I. (von lat. accusativus cum infinitivo) bezeichnet. Weitere Akkusative treten unabhängig vom Verb auf. Wenn Adjektive wie schuldig, gewohnt, leid, los, wert, müde, satt einen Akkusativ regieren (Er ist mir noch einen großen Batzen schuldig), spricht man von Objekten 2. Grades oder von prädikativen Objekten. Wie die verbal regierten Objekte können sie mit wen? (oder was?) erfragt werden. Anders liegt der Fall, wenn Akkusative bei Adjektiven der zeitlichen und räumlichen Ausdehnung auftreten: einen Monat alt, einen Meter hoch/tief/breit etc. Diese Akkusative werden mit wie? erfragt und haben wie die weiter unten beschriebenen freien Akkusative adverbialen Charakter. 12

Artikel von Konrad Pauli in der Tageszeitung Der Bund vom 04.12.2012. Auch im „Syntaktischen Atlas der Schweiz“ (SADS) gilt eine Frage diesem Phänomen: Fragebogen 4, Frage 11 (Bewertungsfrage): Doch, das isch im Fall er gsii! vs. Doch, das isch im Fall inn gsii!.

Nominativ und Akkusativ

41

Wesentlich häufiger als von Adjektiven regierte Akkusative sind solche, die von Präpositionen abhängen. Bei vielen Präpositionen ist der Kasus von vornherein festgelegt, vgl. für, durch, um, ohne etc. Bei sog. Wechselpräpositionen ist der Kasus dagegen von der beabsichtigten Semantik der Phrase abhängig: Akkusativ markiert Richtung (wohin? − auf den Tisch), Dativ markiert Ort (wo? − auf dem Tisch). Parallel flektierte Akkusative finden sich wie beim Nominativ in Appositionen (Wir haben heute Herrn Berger getroffen, deinen Lehrer) sowie nach als, wenn das Bezugselement im Akkusativ steht (Wir kennen Herrn Berger als engagierten Lehrer). Schließlich gibt es rein semantisch determinierte Akkusative, die als freie Akkusative bezeichnet werden. Sie markieren eine Ausdehnung im Raum oder in der Zeit (Er schlief den ganzen Tag; Sie hüpfte den ganzen Weg), gelegentlich auch einen recht begrenzten Zeitraum (Letzten Sonntag regnete es). Modale Funktion haben sog. absolute Akkusative wie den Blick gesenkt oder den Hut in der Hand, bei denen der Akkusativ von einem Partizip (gesenkt) oder einer Präpositionalphrase (in der Hand) begleitet wird. 2.2.3 Satzglieder und Gliedteile Nach der Darstellung der grammatischen Funktionen von Nominativ und Akkusativ (beispielsweise als Gleichsetzungsnominativ oder -akkusativ) wird in diesem Kapitel kurz erläutert, wie die beiden Kasus als Satzglieder (beispielsweise als Subjekts- oder Objektsprädikativum) oder als Gliedteile verwendet werden. Im Kernbereich stellt die Verwendung eines Kasus als bestimmtes Satzglied die grammatische Hauptfunktion des Kasus dar: Der vom Vollverb regierte Nominativ markiert das Subjekt, der vom Vollverb regierte Akkusativ das direkte Objekt. Umgekehrt stehen alle Subjekte im Nominativ und alle direkten Objekte im Akkusativ. Die gleiche umkehrbare Beziehung gilt für die von Adjektiven regierten akkusativmarkierten Objekte 2. Grades. Prädikative Relationen stehen je nach syntaktischer Konstruktion im Nominativ (Subjektsprädikativum: Er ist ein Depp; Vergleiche und Zuweisungen nach als/wie, wenn das Bezugselement im Nominativ steht: Er sieht aus wie ein Bär) oder im Akkusativ (Objektsprädikativum: Sie nennt ihn einen Deppen; Zuweisungen nach als, wenn das Bezugselement im Akkusativ steht: Ich schätze ihn als fairen Kritiker) auf. Als Adverbiale treten zum einen die freien Akkusative (inkl. der absoluten Akkusative) auf, aber auch vielen Präpositionalphrasen (mit Akkusativ oder Dativ) kommt auf syntaktischer Ebene dieser Status zu: Ich lege den Wein in den Keller. Als Gliedteil einer Adverbiale treten Konstruktionen wie [[Erst drei Tage] vor seiner Abreise] hat er sich um das Visum gekümmert (Beispiel nach DUDEN 2009, 817), wo der Akkusativ einmal mehr eine zeitliche Ausdehnung ausdrückt. Syntaktisch ebenfalls als Gliedteil einer Adverbiale, aber semantisch als Rich-

42

Theoretische Grundlagen

tungskasus − seine andere typische Funktion − tritt der Akkusativ in Konstruktionen wie Er kullerte [[den Hügel] hinunter] auf. Akkusative (und Dative) in Präpositionalphrasen finden sich auf syntaktischer Ebene auch als Präpositionalobjekte. Bei stark grammatikalisierten Konstruktionen legt das Verb die Präposition eindeutig fest, semantische Faktoren spielen keine Rolle mehr: Ich warte auf/*unter/*neben schönes Wetter. Anders als bei adverbial verwendeten Präpositionalphrasen mit Wechselpräpositionen wird durch die Grammatikalisierung auch die freie Wahl zwischen Akkusativ und Dativ aufgegeben, vgl. Ich erinnere mich an ihn/*ihm. Bei weniger stark grammatikalisierten Konstruktionen treten häufig Varianten und Zweifelsfälle auf, die Abgrenzung zu den Adverbialien gestaltet sich fließend. Eine weitere Verwendung finden Präpositionalphrasen in Abhängigkeit von Adjektiven: Ich bin doch nicht böse auf dich. Syntaktisch werden diese als Präpositionalobjekte 2. Grades bezeichnet. Schließlich können Präpositionalphrasen auch im Umfeld von (zumeist von Verben abgeleiteten) Substantiven auftreten: Ein großes Danke für den hilfreichen Tipp. Bei HENTSCHEL / WEYDT (2013, 344/361) werden sie zu den Rektionsattributen gerechnet. Es wird aber darauf verwiesen, dass sie den von Adjektiven abhängigen Objekten sehr ähnlich sind, was eine andere Zuordnung ebenfalls rechtfertigen würde. Abgrenzungsprobleme gibt es schließlich auch zwischen direkten Objekten und Adverbialien. DÜRSCHEID (1999, 31–33) diskutiert die syntaktischen Abgrenzungskriterien, die in der einschlägigen Literatur genannt werden: Rektion durch das Verb, Transformation zum Subjekt bei der Passivbildung, Pronominalisierbarkeit, Erfragbarkeit, Weglassbarkeit, Kombinierbarkeit mit dem Akkusativobjekt. Auf semantischer Ebene kommt dazu, dass Adverbiale im Gegensatz zu den Objekten eine eng umrissene semantische Interpretation haben (DÜRSCHEID 1999, 31). Zahlreiche Konstruktionen sind aufgrund der Tests nicht eindeutig den Objekten oder den Adverbialien zuzuordnen, nur bei typischen Phrasen sind die Ergebnisse eindeutig. Deshalb überlegt sie sich, ob bei der Klassifikation der Satzglieder nicht vielmehr mit dem Prototypenkonzept […] gearbeitet werden sollte, denn dies böte die Möglichkeit, ‚bessere’ von ‚schlechteren’ Vertretern des jeweiligen Satzglied-Typus zu unterscheiden und keine strenge Grenzziehung zwischen Adverbial und Objekt vornehmen zu müssen. (DÜRSCHEID 1999, 33)

Insbesondere für die ersten beiden Kriterien − also für die Fragen, ob der Akkusativ durch das Verb regiert und bei der Passivtransformation zum Subjekt wird − spielt der sog. Transitivitätsgrad des Satzes eine Rolle. Dieser hängt davon ab, wie wirkungsvoll sich eine Handlung vollzieht (vgl. HOPPER / THOMPSON 1980, 251). Dafür spielen semantische Eigenschaften sowohl des Verbs wie auch solche des Subjekts und des Objekts eine Rolle. HOPPER / THOMPSON (1980, 251−253) identifizieren für die Bestimmung des Transitivitätsgrades zehn Parameter.13 Je höher der von der Semantik des Satzes abhängige Transitivitätsgrad ist, desto besser 13

Mehr dazu siehe Kapitel 5.4.2.

Nominativ und Akkusativ

43

werden die beiden syntaktischen Kriterien erfüllt. Auch ohne die Parameter von HOPPER / THOMPSON (1980) zu bemühen, ist offensichtlich, dass der Wirkungsgrad der Handlung bei 4a) höher ist als bei 4b) und das erste Beispiel damit einen höheren Transitivitätsgrad aufweist: (4)

a) Das Baby hat den Nuggi verbissen. b) Der Fötus hat den ganzen Ultraschall verschlafen.14

In 4a) vollzieht das Subjekt eine aktive Handlung, die zu einer Veränderung des Objektes führt. In 4b) verhält sich das Subjekt passiv, das Objekt ist nicht von der Handlung betroffen. Dieser Unterschied offenbart sich in der Tat bei der Bestimmung des syntaktischen Status der Akkusativphrasen. In Beispiel 4a) handelt es sich zweifellos um ein direktes Objekt, welches beispielsweise durch wen oder was erfragbar und problemlos passivierbar ist. Auch in Beispiel 4b) ist die Akkusativphrase mit wen oder was erfragbar, was für eine Interpretation als Objekt spricht. Bei der Passivtransformation (4)

c) Der ganze Ultraschall wurde vom Fötus verschlafen.

dürften Akzeptabilitätsurteile dagegen weniger einhellig ausfallen. Bei dieser Akkusativphrase handelt sich um ein ‚schlechteres’ Objekt, das in die Nähe von Adverbialien rückt. Auch für das Subjekt sind graduelle Ansätze vorgeschlagen worden. Eine sprachübergreifende Definition versucht KEENAN (1976). Er bestimmt dafür ein Bündel von morphologischen, syntaktischen, semantischen und pragmatischen Eigenschaften, die den Subjekten in vielen Sprachen eigen sind. Er stellt fest, dass es nicht möglich ist, ein Bündel von Eigenschaften herauszuarbeiten, das für die Definition von Subjekt notwendig und hinreichend ist. Eine übereinzelsprachliche Definition von Subjekt ist nur mit einem graduellen Ansatz möglich: je mehr Eigenschaften eines Subjekts eine Nominalphrase im sog. Basissatz15 einer gewissen Sprache aufweist, desto ‚subjekthafter’, desto typischer ist das Subjekt jener Sprache. Mit dem gleichen Verfahren lassen sich auch typischere und weniger typische Subjekte innerhalb einer Sprache bestimmen (KEENAN 1976, 312−323). Die Ausführungen machen zweierlei deutlich: Erstens lassen sich sowohl die syntaktische Frage nach der Satzgliedbestimmung wie auch die semantische Frage nach der Transitivität mit Hilfe von graduellen Skalen besser erklären als durch dichotome Klassen. Zweitens können syntaktische Phänomene nicht unabhängig von semantischen und pragmatischen Aspekten befriedigend geklärt werden. Deshalb werden im folgenden Kapitel semantische und pragmatische Funktionen von Nominativ und Akkusativ bzw. von deren häufigsten Verwendung als Subjekt und Objekt näher betrachtet. 14

15

Die Beispiele sind in Anlehnung an Belegstellen in der Interferenzen-Sammlung (siehe Kapitel 5) konstruiert, bei deren Auswertung die hier erörterten theoretischen Fragen von praktischem Belang sind. Als Basissatz definiert KEENAN (1976, 309) den Satz, der das größte morphologische und syntaktische Potential aufweist.

44

Theoretische Grundlagen

2.2.4 Semantische Funktionen und kognitive Konzepte Nach der Betrachtung von hauptsächlich morphologischen und syntaktischen Aspekten bilden schließlich semantische Funktionen und kognitive Konzepte von Nominativ und Akkusativ den Gegenstand des Kapitels. Schon in der antiken Logik von Aristoteles galt das Subjekt als das zugrunde Gelegte, d. h. als das, worüber etwas ausgesagt wird, das Prädikat als das darüber Ausgesagte, also als das, was über das Subjekt ausgesagt wird. Einige jüngere Ansätze, auf deren Ideen und Terminologie in der vorliegenden Arbeit aufgebaut wird, werden im Folgenden besprochen. Übereinzelsprachliche Basisfunktionen Eine zeitgenössische Beschreibung der semantischen Grundfunktionen von Nominativ und Akkusativ kommt aus der Typologie. COMRIE (1995, 110 f.) geht von den übereinzelsprachlich beschreibbaren Basisfunktionen der Argumente in intransitiven und transitiven Sätzen aus. In intransitiven Sätzen bezeichnet COMRIE (1995, 110 f.) das einzige Argument als S. Dies geschieht in Anlehnung an das Subjekt, dessen Status in den meisten intransitiven Konstruktionen quer durch die Sprachen der Welt kaum in Frage gestellt wird: Der Hund (S) schläft. Die Semantik des Arguments ist hier nicht relevant. In prototypischen transitiven Sätzen mit einem Handlungsverb bilden der Handelnde (das Agens16) und der oder das von der Handlung Betroffene (das Patiens) die Beteiligten. In Anlehnung an die Begriffe Agens und Patiens nennt COMRIE (1995, 110 f.) die entsprechenden sprachlichen Argumente A und P: Der Hund (A/Agens) beißt den Mann (P/Patiens). Die Bezeichnungen sind aber als syntaktische Begriffe zu verstehen und werden auch verwendet, wenn sie in nicht-prototypischen Sätzen Argumente bezeichnen, die andere als die typischen semantischen Funktionen wahrnehmen: Die Musik (A/Ursache) nervt unseren Nachbarn (P/Experiencer). Die Argumentation lässt sich auf ditransitive Verben ausweiten (vgl. z. B. CROFT 2003, 143; IGGESEN 2005, 90). Die drei Argumente in ditransitiven Sätzen werden als A (in Anlehnung an Agens), als T (in Anlehnung an Theme) und als G (in Anlehnung an Goal) bezeichnet: Der Postbote (A) bringt dem Hund (G) immer einen Hundekeks (T) mit. Die so beschriebenen Basisfunktionen ermöglichen es nun, Sprachen in zwei Typen aufzugliedern. Die große Mehrheit der Kasussprachen verwendet einen Kasus − nämlich den Nominativ − um die Argumente S und A zu markieren, und einen anderen − den Akkusativ − für P. Je nach Sprachtyp weist G den gleichen Kasus wie P auf und unterscheidet sich von T oder T wird wie P markiert und tritt in Kontrast zu G, wie dies im Deutschen der Fall ist. Die nominativmarkierten Argumente S und A bilden bei diesem Sprachtyp das Subjekt, weshalb hier meist von Subjektsprachen die Rede ist. Die akkusativmarkierten Argumente P und T stellen bei Gliederungen wie im Deutschen das direkte 16

Die Beschreibung von sog. semantischen Rollen wie Agens, Patiens, Ursache, Experiencer geht hauptsächlich auf FILLMORE (1967) zurück. Siehe die folgenden Ausführungen.

Nominativ und Akkusativ

45

Objekt, das G-Argument wird mit Dativ markiert und entspricht dem indirekten Objekt. Der andere, viel seltenere Sprachtyp markiert dagegen die Argumente S und P mit einem Kasus, dem Absolutiv. Das Argument A bekommt einen anderen Kasus, den Ergativ, der diesem Sprachtyp den Namen gibt: Man spricht von Ergativsprachen. Sprachen, welche die drei Hauptargumente S, A und P mit drei verschiedenen Kasus belegen, sind äußerst selten (CROFT 2003, 145 f.). In Subjektsprachen entspricht also im transitiven Satz das Subjekt prototypisch dem Agens und steht im Nominativ, das direkte Objekt entspricht prototypisch dem Patiens und steht im Akkusativ. Die semantischen Funktionen Agens und Patiens bilden die Ausgangslage für die übereinzelsprachliche Definition von Subjekt und direktem Objekt. So eng diese Verbindungen zwischen morphologischer (Kasus), syntaktischer (Satzglied) und semantischer Ebene (semantische Rolle) auch sind, gleichgesetzt dürfen sie nicht werden, wie COMRIE (1995, 106) selber betont. Die Subjekt-Definition ist im Endeffekt eine (morpho)syntaktische: Das einzige (Nominativ)-Argument17 im intransitiven Satz ist ein Subjekt, unabhängig von dessen semantischer Rolle. Im (di)transitiven Satz bleibt das Subjekt ein Subjekt, das Objekt bleibt ein Objekt, auch wenn die Argumente andere semantische Rollen versprachlichen als die prototypischen, die eben beschrieben wurden. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei Passivsätzen, bei denen das Patiens als Subjekt auftritt. Weitere semantische Rollen, die ebenfalls als Subjekt oder Objekt auftreten können, werden im folgenden Abschnitt beschrieben. Semantische Rollen Ein früherer Versuch, Kasus semantisch zu beschreiben, wurde von CHARLES FILLMORE im Aufsatz „The Case for Case“ (FILLMORE 1968, in deutscher Übersetzung FILLMORE 1977) unternommen. FILLMORE (1977, 3−6), ein Vertreter der Generativen Grammatik, entwickelt die Vorstellung von sog. Tiefenkasus18 als jeder Sprache − auch den oberflächlich kasuslosen Sprachen − zugrunde liegende semantisch relevante syntaktische Beziehungen. Diesen Tiefenkasus steht die Kasusform als oberflächlicher Ausdruck der Kasusbeziehung in einer bestimmten Sprache gegenüber (FILLMORE 1977, 29). FILLMORE (1977, 34−36) beschreibt Kasustypen wie den belebten Urheber (Agentiv, heute meist Agens), das unbelebte Objekt oder die unbelebten Kraft (Instrumental), den betroffenen Belebten (Dativ), das Objekt, das durch die vom Verb beschriebene Tätigkeit oder den vom Verb beschriebenen Zustand affiziert wird (Objektiv) etc. Diese Kasustypen, die in der Tiefenstruktur der Sprache anzusiedeln sind, werden nun mittels festgelegter Regeln in Oberflächenstrukturen wie Subjekt und Objekte überführt. Die Regel, derzufolge beispielsweise dem Subjekt eine gewisser Kasustyp zugeteilt wird, lautet folgendermaßen: „Wenn es ein 17

18

Konstruktionen mit einem Argument, welches nicht im Nominativ steht und üblicherweise auch nicht als Subjekt bestimmt wird, sind selten, aber durchaus möglich, vgl. Deutsch: Mich friert. Von FILLMORE (1977, 28 f.) einfach als Kasus bezeichnet.

46

Theoretische Grundlagen

A[gentiv] gibt, wird es Subjekt; wenn es dieses A[gentiv] nicht, wenn es hingegen ein I[nstrument] gibt, dann wird dieses das Subjekt; sonst ist das Subjekt immer O[bjektiv]“ (FILLMORE 1977, 46). Dies lässt sich an folgenden Beispielen veranschaulichen: (5)

Verb: kochen; Argumente: der Spitzenkoch (Agentiv), die Spargelsuppe (Objektiv) a) Der Spitzenkoch kocht die Spargelsuppe: Das Agentiv-Argument wird zum Subjekt. b) Die Suppe kocht: Da der Satz in der hier vorliegenden Form kein Agentiv- aufweist, wird das Objektiv-Argument zum Subjekt.

(6)

Verb: öffnen; Argumente: der Feuerwehrmann (Agentiv), die Autotür (Objektiv), das Brecheisen (Instrument) a) Der Feuerwehrmann öffnet die Autotür mit dem Brecheisen: Das Agentiv-Argument wird zum Subjekt. b) Das Brecheisen öffnet die Autotür: Da das Agentiv-Argument hier fehlt, wird das Instrumental-Argument zum Subjekt. c) Die Türe öffnet sich: Da der Satz in der hier vorliegenden Form kein Agentiv- und kein Instrumental-Argument aufweist, wird das ObjektivArgument zum Subjekt.

Seit FILLMORES (1977) Publikation sind die Tiefenkasus unter Begriffen wie θRollen (in der Generativen Grammatik), thematische Rollen oder semantische Rollen in vielfacher Variation aufgegriffen worden und in viele weiterführende Theorien eingegangen (für eine ausführliche Darstellung vgl. beispielsweise RAUH 1988). Beinahe von Autorin zu Autor unterscheiden sich aber die Anzahl der Rollen, deren Bezeichnungen und die Zuweisung von konkreten Beispielen zu diesen Rollen. So führt z. B. EISENBERG (2006a, 27; 2006b, 76) die kleine, aber weit verbreitete Anzahl von sechs semantischen Rollen an. HELBIG / BUSCHA (2011, 468−472; Beispiele 2011, 470 f.) dagegen führen eine Liste von 21 semantischen Rollen an, wovon beispielsweise allein 19 durch das Subjekt, d. h. mit Nominativ, ausgedrückt werden können. Außer den Rollen Agens (Ich putze die Fenster), Ursache (Das Gewitter hat die Ernte zerstört), Experiencer (Ich finde Rosen schön), Possessor (Er besitzt drei Villen) und Patiens in Passivkonstruktionen (Er wird gehänselt), die sich bei den meisten Autoren finden, sind dies z. B. Patiens in Aktivkonstruktionen (Die Milch kocht), Instrument (Der Schlüssel öffnet die Tür), Adressat (Der Schüler erhält Hilfe), Resultat (Es sind Risse an der Decke entstanden), Existenz/Vorhandensein (Ein schweres Gewitter ereignete sich gestern; Es fand ein Kongress statt), Vorgangsträger (Das Kind entwickelt sich gut), Zustandsträger (Peter hat Fieber; Die Wäsche ist trocken), Wahrnehmungsgegenstand (Das Kind wird von der Psychologin beobachtet) und viele mehr.

Nominativ und Akkusativ

47

Konzeptualisierungen Kognitive Ansätze gehen davon aus, dass Sprache ein integraler Bestandteil der menschlichen Kognition ist. Linguistische Strukturen stützen sich auf andere, grundlegendere Systeme und Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Kategorisierung und können von diesen nicht getrennt werden (LANGACKER 2008, 8). Die kognitive Grammatik als einer von zahlreichen kognitiven Ansätzen19 achtet insbesondere darauf, sich nur auf mentale Fähigkeiten zu berufen, die bekannt oder einfach zu demonstrieren sind und nicht ausschließlich der Sprache angehören. Menschen sind beispielsweise fähig, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren oder zu wechseln, ein bewegendes Objekt zu verfolgen, Bilder zu kreieren und zu verändern, Erfahrungen zu vergleichen, Übereinstimmungen festzustellen, einfache Elemente zu komplexen Strukturen zu kombinieren, eine Szene aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, eine Situation in verschiedenen Abstraktionsgraden zu konzeptualisieren etc. (LANGACKER 2008, 8). Des Weiteren geht die kognitive Linguistik davon aus, dass nicht nur lexikalische, sondern auch grammatische Elemente Bedeutung tragen. Grammatische Elemente sind wie lexikalische Zeichen mit einer Form- und einer Inhaltsseite. Es gibt dementsprechend auch keinen kategoriellen Unterschied zwischen Lexikon und Grammatik. Die beiden Bereich bilden die Pole eines Kontinuums, auf welchem sich Elemente von maximal konkreter bis maximal abstrakter Bedeutung aufreihen (LANGACKER 2008, 5). Dies lässt sich gut anhand verschiedener Kasus aufzeigen (LANGACKER 2008, 35): Periphere Kasus (deren Funktion im Deutschen v. a. von Präpositionalphrasen übernommen werden) haben tendenziell eine konkrete Bedeutung: Der Instrumental bezeichnet das Instrument, mit welchem eine Handlung ausgeführt wird (womit), der Lokativ bezeichnet den Ort einer Handlung (wo), der Ablativ den lokalen Ausgangspunkt einer Handlung (woher), der Allativ den lokalen Endpunkt (wohin) etc. Auch dem Dativ kommt eine relativ konkrete Bedeutung zu: er markiert prototypisch den Experiencer.20 Die Hauptfunktion von Nominativ und Akkusativ besteht hingegen darin, konsequent das Subjekt bzw. das direkte Objekt zu markieren. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass den Kasus nur eine syntaktische Funktion zukommt und nicht trotzdem eine, wenn auch abstraktere, Bedeutung: Subjekt und Objekt symbolisieren nämlich ihrerseits grundlegende mentale Konzepte, die sich gut beschreiben lassen. Dies führt zu einer weiteren Grundannahme der kognitiven Linguistik: Grammatik ist Konzeptualisierung (LANGACKER 2008, 4/30). LANGACKER (1999, 24) skizziert etliche konzeptuelle Archetypen zu üblichen Situationen: – –

ein Objekt, das sich bewegt ein Objekt, das sich durch den Raum bewegt

19 20

Für einen Überblick vgl. beispielsweise WILDGEN (2008). Im Deutschen nimmt der nichtpräpositionale Dativ auch die weiteren typischen Funktionen Rezipient, Benefizient und Possessor wahr. Mit Präposition übernimmt er die Funktionen der verlorengegangenen Kasus Instrumental, Ablativ und Lokativ, weshalb der Dativ auf den ersten Blick keine einheitliche Bedeutung zu haben scheint (vgl. HENTSCHEL 2010, 55 f.).

48 – –

Theoretische Grundlagen

ein Objekt, das sich in einem bestimmten Zustand befindet ein Objekt, das einen Zustandswechsel erfährt etc.

Ein weiterer Archetyp, der sehr üblich ist, nennt LANGACKER (1999, 24; siehe auch LANGACKER 2008, 357) das kanonische Ereignismodell. Dazu gehören folgende Komponenten: – – – –

eine „Bühne“, auf der ein Ereignis stattfindet (onstage region) einen fokussierten Bühnenbereich (focus) die zwei archetypischen Rollen Agens und Patiens (agent, patient) eine physische Handlung (physical action, transmission of energy)

Ein kanonisches Ereignis dieser Art ließe sich etwa so skizzieren. Wir sehen einen Jogger im Stadtpark vor dem kleinen, künstlich angelegten Teich. In der Nähe befindet sich ein freilaufender Großpudel. Neben uns spielen ein paar ältere Leute auf einem Sandplatz Boccia. Dies bildet die Bühne. Uns interessiert weder die Stockente auf besagtem Teich noch die genaue Rasse des streunenden Köters. Unser Fokus liegt auf den beiden Teilnehmenden Jogger und Hund. Die physische Handlung, die in diesem Moment stattfindet, können wir sprachlich folgendermaßen äußern: (7)

Der Pudel beißt den Jogger.

Im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen lässt sich also die Konzeptualisierung einer Situation mit einem Handelnden (Agens), einem Erleidenden (Patiens) und einer deutlichen physischen Aktion (stark transitives Verb) grammatisch als transitiver Satz mit Subjekt (im Nominativ) und Objekt (im Akkusativ) abbilden. Jede Sprache verfügt über ein Repertoire an Konstruktionen, mit denen sich verschiedene konzeptuelle Archetypen versprachlichen lassen. Die Anzahl an unterschiedlichen Ereignissen übersteigt die Anzahl an möglichen sprachlichen Konstruktionen aber bei weitem. Es wäre unökonomisch, wenn es für jedes Ereignis eine eigene sprachliche Konstruktion gäbe. Nun lässt sich aber ein solches kanonisches Ereignis auf weniger typische Situationen ausweiten, wodurch die gleiche syntaktische Konstruktion für die Versprachlichung von ähnlichen Ereignissen verwendet wird (LANGACKER 1999, 26; 2008, 359). Im Englischen wie im Deutschen wird das kanonische Modell, das eine konkrete Übertragung von Energie von einer aktiven Quelle auf ein passives Ziel beinhaltet, auf mentale Erfahrungen wie sehen, verstehen, lieben, fragen, ermuntern etc. übertragen: Der mentale Weg einer Wahrnehmung, Emotion o. Ä. von einem aktiveren Wahrnehmenden auf ein passiveres Ziel kann durch die gleiche syntaktische Struktur ausgedrückt werden. Versetzen wir uns noch einmal in den Stadtpark. Es wäre ja auch möglich, dass uns der Jogger und der Hund gar nicht interessieren. Wir beobachten, wie eine junge Frau verzweifelt nach ihrem Opa ruft (der vielleicht heimlich aus der Seniorenresidenz ausgebüchst ist). Sie entdeckt ihn in gemütlicher Runde beim Boccia-Spielen. Die Konzeptualisierung findet zwar auf der gleichen Bühne wie

Kasussynkretismen in den Dialekten

49

vorhin statt, aber wir wählen einen anderen Fokus auf andere Teilnehmer, nämlich die junge Frau und den Opa. Obwohl die beschriebene Handlung nun nicht auf das kanonische Modell (Agens − Patiens − stark transitives Verb) passt, benutzen wir die typische transitive Aufstellung mit Subjekt und Objekt: (8)

Die junge Frau hat den Mann endlich entdeckt.

Der besondere Status von Subjekt und Objekt (und damit auch von den die Satzgliedern markierenden Kasus) ist also darauf zurückzuführen, dass sie den sprachlichen Ausdruck für Aktanten bilden, die sich in der Konzeptualisierung der jeweiligen Situation besonders hervorheben. 2.3

KASUSSYNKRETISMEN IN DEN DIALEKTEN

l D d retim k n y asu K l D d retim k n y asu K

2.3.1 Entdeckung als Forschungsgegenstand Im 19. Jahrhundert veröffentlicht HILDEBRAND (1869) unter dem Aufsatztitel „Ein wunderlicher rheinischer Accusativ“ eine kurze Abhandlung über den Gebrauch von Nominativformen für Akkusativ (und seltener auch umgekehrt) beim definiten Artikel Maskulinum Singular. Die Bezeichnung rheinischer Akkusativ wird in der einschlägige Literatur später als Begriff verwendet, vgl. z. B. SCHIRMUNSKI (1962, 466), ROWLEY (2004, 346). Seine Funde interpretiert HILDEBRAND (1869) als Formübertragung (und nicht als phonetischen Zusammenfall) und belegt sie hauptsächlich beim definiten Artikel und Demonstrativum, vereinzelt beim Possessivum und beim Indefinitpronomen. Die Aspekte, die HILDEBRAND (1869) anspricht, entsprechen den Fragen, welche der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen. Zur Frage nach dem wann findet HILDEBRAND (1869, 443 f.) Belege in mittelalterlichen Weistümern (Zug und Luzern) des 14. Jahrhunderts und selbst in Handschriften des 12. Jahrhunderts. Für die Frage nach dem wo stützt sich HILDEBRAND (1869, 442−446) auf die Auskunft etlicher Forscherkollegen, die ihm zutragen, wo sie Nominativ für Akkusativ gehört haben. Demnach lässt sich das Phänomen im Alemannischen, aber auch entlang des Rheins (vom Bodensee über Basel) bis weit in den Norden nachweisen. Nach eigenen und zugetragenen Beobachtungen (HILDEBRAND 1869, 442−446) findet es sich in folgenden Städten und Regionen: nördlich der Schweiz in Württemberg (nur im Alemannischen, nicht im Schwäbischen), im Breisgau und im Elsass. Von dort rheinabwärts entlang der Bergstraße, im Odenwald, in Oberhessen (nicht aber im Rheingau und in der Wetterau; d. h. am Mittelrhein eher im Bergland, nicht in der Ebene). Weiter in Darmstadt, Mainz (aber nicht östlich davon in Frankfurt), Aachen und Köln. Andererseits notiert HILDEBRAND (1869, 447) Akkusativ für Nominativ wiederum in Aachen, Darmstadt und Ober-

50

Theoretische Grundlagen

hessen, darüber hinaus in nördlicher Fortsetzung in Luxemburg und im Flämischen (niederländischer Dialekt).21 HILDEBRAND (1869) verweist neben arealen auch auf soziale Faktoren, wenn er feststellt, dass Nominativ für Akkusativ in Darmstadt nur von der Unterschicht verwendet wird. Für Oberhessen, Thüringen und östlich davon liegende Gebiete führt er das Beispiel setz das ufn tisch (HILDEBRAND 1869, 446) als Ausnahme mit erhaltener Akkusativmarkierung22 an, ohne die Regelmäßigkeit von morphologischen Sonderformen nach Präposition (vgl. Kapitel 4.4.4) zu überblicken. Auch zum warum äußert HILDEBRAND (1869) einige Vermutungen. Einfluss des Französischen scheint ihm aufgrund historischer (Belege von Zusammenfall bereits im Mittelhochdeutschen) und arealer Beobachtungen (Belege von Zusammenfall auch für das Niederdeutsche) keine plausible Erklärung zu sein. Als ursächlich versteht er das grundsätzliche Streben nach Sprachökonomie (größere Einfachheit): Beides [der Gebrauch von Nominativ für Akkusativ und umgekehrt, GP] sind äusserungen des allgemeinen und uralten strebens, aus der überlieferten formenfülle, die dem rascher werdenden denken und sprechen hinderlich ist, heraus zu grösserer einfachheit zu kommen. Liegt doch beim fem. und im plur. die einheit des nom. und acc. schon seit jahrhunderten, beim neutr. seit jahrtausenden vor. (HILDEBRAND 1869, 445)

Damit reiht sich für HILDEBRAND (1869) der Synkretismus von Nominativ und Akkusativ ein in die allgemeine Tendenz zur Formgleichheit dieser beiden Kasus im Speziellen bzw. zum Einheitskasus im Allgemeinen: Das vereinsamte masculinum will durchaus auch auf den fuss treten, auf dem seine geschwister, das neutrum und femininum, schon lange stehen. Denn auch im femininum und im ganzen plural ist die gesuchte einheit in der volkssprache längst hergestellt, grundsätzlich wenigstens, wahrscheinlich durch ganz deutschland. (HILDEBRAND 1869, 447)

TOBLER (1873) antwortet HILDEBRAND (1869) weitgehend ablehnend mit dem Aufsatz „Über die scheinbare Verwechslung zwischen Nominativ und Accusativ“. Der Gebrauch23 eines Kasus anstelle eines anderen versteht TOBLER (1873) nicht als Formübertragung, die zu einem Zusammenfall zweier Kasusformen führt, sondern als fehlerhaften psychologischen Vorgang, den er Verwechslung nennt. Unter dieser begrifflichen Prämisse lässt sich schon dem Titel (vgl. scheinbare Verwechslung) entnehmen, dass TOBLER (1873) der Interpretation HILDEBRANDS 21

22 23

DAL (1971) hat hundert Jahre später wesentlich besseren Zugang zu Datenquellen. DAL (1971, 187) bestätigt HILDEBRANDS (1869) Beobachtungen zur Übertragungsrichtung der Kasusformen: „Hier [d. h. im nördlichsten Bereich des Gebiets, das Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ aufweist; GP] dringt z. T. die Akkusativform in den Nominativ ein (so wie im Südniederl. und vielleicht im Zusammenhang mit diesem Gebiet). In den schweizerdeutschen Dialekten und auch sonst dagegen wird der Nom. als Akk. verwendet„ (DAL 1971, 187). Dass darüber hinaus Kontraktion von Präposition und Artikel eingetreten ist, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Persönliche Anmerkung GP: Ich bringe es nicht übers Herz, diesen normwidrigen und von mir völlig unbeabsichtigt produzierten Akkusativabbau aus dem Skript zu entfernen :).

Kasussynkretismen in den Dialekten

51

(1869, 445) nicht folgen kann. Anhand der Schweizer Mundarten24 will TOBLER (1873, 378−387) zeigen, dass es sich beim Phänomen nicht um den Gebrauch eines Kasus anstelle eines anderen Kasus (in seinen Worten: um eine Verwechslung) handelt, sondern dass der Zusammenfall der Formen auf phonetischen Veränderungen beruht. Seiner Argumentation folgend finden Abschwächung des Vokals und Verlust des auslautenden Konsonanten gemeinsam statt, was zur neuen Artikelform dǝ25 führt: In der schweizerischen mundart nun verschwindet der unterschied des e in den beiden casus, aber zugleich eben auch der von r und n, wenigstens zum teil: es gilt nämlich für den nominativ und accusativ sg. m. vor consonanten meist die abgestumpfte form de, mit ganz farblosem kurzem e (ǝ). Dass diese form aus der abgestumpft ist, erhellt sich daraus, dass vor vocalen wirklich der (dǝr) gilt; aber eben daraus und aus der geltung dieser form auch für den accusativ ergibt sich, dass das r nicht mehr rein flexiv, sondern zum teil nur noch phonetisch ist. Die accusativform den ist durchaus verloren; (TOBLER 1873, 379)

TOBLER (1873, 380−384) sucht im Folgenden nach Argumenten, dass r (anstelle von zumeist n) als sog. „euphonisches“ Element (d. h. ein Element, das dem Wohlklang oder der einfacheren Artikulation dient) auftritt, welches keinerlei kasusmarkierende Funktion mehr hat und deshalb auch im Akkusativ verwendet werden kann. Dies gelingt ihm aber für die Schweizer Dialekte nicht, weshalb er schließlich eingesteht, dass das Phänomen nicht nur phonetischer Natur ist (TOBLER 1873, 387). Mit Verweis auf viele syntaktische Konstruktionen, bei denen der Gebrauch von Nominativ oder Akkusativ (übereinzelsprachlich oder zwischen Varietäten einer Sprache) schwankt, beschreibt er die kognitive Nähe (die Ähnlichkeit des sog. Gedankengehalts) von Subjekt und Objekt: Nur ist eben das wechselverhältnis der beiden casus von natur so beschaffen, dass sich durch einfache wendung der satzform und ohne wesentliche änderung des gedankengehaltes ein object leichter in ein subject verwandeln lässt als umgekehrt. (TOBLER 1873, 387)

Außer der Passivbildung, die TOBLER (1873, 387) im zitierten Ausschnitt wohl anspricht, führt er (TOBLER 1873, 388−398) zahlreiche weitere, nicht nur deutsche, sondern auch viele englische (und andere germanische), französische und spanische Konstruktionen an (inklusive der dazugehörenden vorangehenden Sprachstufen). Ein Beispiel ist etwa die Konstruktion mit Akkusativ nach Kopula, wo andere Varietäten Nominativ aufweisen: wenn ich dich wäre vs. wenn ich du wäre. Ein anderes Beispiel ist der AcI, bei dem das eigentliche Subjekt (Ich sehe, er kommt) im Akkusativ auftritt (Ich sehe ihn kommen). In solchen Konstruktionen − und unter der Bedingung, dass sich die Formen bereits in einem phonetischen Angleichungsprozess befinden − scheint es TOBLER 24

25

TOBLER (1873, 378 f.) präzisiert: „die schweizerische mundart (unter welcher ich hier den durchschnittlich gemeinsamen sprachtypus des nördlichen und mittleren flachlandes mit ausschluss der eigentlichen hochgebirgstäler verstehe)“. TOBLER (1873) erwähnt nicht, dass diese Form nur im mittleren und zu jener Zeit wohl auch schon östlichen Norden (vgl. Kapitel 4) auftritt, während überall sonst in der Schweiz der Typ mit auslautendem Konsonanten auftritt.

52

Theoretische Grundlagen

(1873) doch möglich, dass die beiden Kasus tatsächlich indifferent gebraucht oder in der Tat verwechselt werden können. Dass TOBLER (1873) so hartnäckig an einer vorwiegend phonetischen Ursache für den Zusammenfall der Formen festhält, dürfte mit dem in jener Zeit allgemein stark lautlich geprägten Forschungsinteresse zusammenhängen.26 Umso bemerkenswerter ist seine Hypothese, dass Synkretismus v. a. dort eintreten kann, wo sich Subjekt und Objekt (in kognitiv-semantischer Hinsicht) so annähern, dass ihr Ausdruck syntaktisch schwanken kann. Für die vorliegende Arbeit lässt sich TOBLERS (1873) Hypothese problemlos zu einem graduellen bzw. prototypischen Ansatz weiterentwickeln: Synkretismus von Nominativ und Akkusativ zeigt sich zuerst bei nicht-prototypischen Subjekten und Objekten, die weniger der typischen syntaktischen und semantischen Merkmale aufweisen als die prototypischen Subjekte und Objekte. 2.3.2 Unterschiedliche Synkretismusgebiete im deutschen Sprachgebiet Fokussieren HILDEBRAND (1869) und TOBLER (1873) auf den Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ im Alemannischen und nach Norden entlang des Rheins, so offenbart die Betrachtung des ganzen deutschen Sprachgebiets, dass dem beschriebenen Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ im Südwesten in anderen Dialektregionen entgegengesetzte (Zusammenfall von Akkusativ und Dativ) oder weiter ausgebaute Synkretismen (Zusammenfall aller Kasus) gegenüberstehen: In KÖNIG (1978/2011, 154) finden sich Karten, welche die wichtigsten Merkmale der dialektalen Kasusparadigmen einigermaßen flächendeckend darstellen: Im niederdeutschen Sprachraum sind die drei Kasus Nominativ, Akkusativ und Dativ in großem Ausmaß zusammengefallen. Bei den Wortarten, die Kasusunterscheidungen noch treffen, steht der Nominativ einem obliquen Kasus gegenüber. Im hochdeutschen Sprachgebiet lassen sich drei verschiedenen Tendenzen ausmachen: der ganze östliche Bereich zeigt bei Maskulina eine starke Tendenz zum Zusammenfall von Akkusativ und Dativ, der äußere westliche und südwestliche Bereich zeichnet sich durch Synkretismus von Nominativ und Akkusativ aus. Im zentralen Bereich des hochdeutschen Sprachgebiets sind drei Kasus am deutlichsten unterschieden. Die Karten aus KÖNIG (1978/2011, 154) beruhen gemäss Abbildungsverzeichnis (KÖNIG 1978/2011, 249) auf der Darstellung von SHRIER (1965). SHRIERS (1965) Untersuchung gibt einen umfassenden und wesentlich detaillierteren Überblick über die Kasussynkretismen im deutschen Sprachgebiet. Sie beschreibt dabei u. a. auch die äußeren Grenzen des Nominativ-Akkusativ26

Dass direkte Formübertragung ohne vorangehenden phonetischen Verlust möglich ist, zeigen beispielsweise Belege zum Zusammenfall zweier Kasus in früheren Sprachstufen des Deutschen (vgl. Kapitel 3), aber auch übereinzelsprachliche Beobachtungen, siehe z. B. LURAGHI (2000, 641) zum Hethitischen (vgl. Kapitel 2.1.2).

Kasussynkretismen in den Dialekten

53

Synkretismus, denen auch die vorliegende Arbeit gewidmet ist. Deshalb soll SHRIER (1965) im Folgenden ausführlicher dargestellt werden. SHRIER (1965) hat aus Dialektgrammatiken und Monografien Daten aus Deutschland, Luxemburg, dem Elsass, der Schweiz und Österreich zusammengetragen. Leider sind die Quellen nicht aufgeführt, so dass der Sprachstand nur ungenau auf spätestens Mitte des letzten Jahrhunderts datiert werden kann. Untersucht hat SHRIER (1965) den definiten und den indefiniten Artikel, die Personalpronomina der 1. und 3. Person Singular und der 3. Person Plural sowie die starken Adjektive. Da der Genitiv in den Dialekten weitgehend abgebaut ist, beschränkt sich die Arbeit auf die drei Kasus Nominativ, Akkusativ und Dativ. In den Dialekten findet SHRIER (1965) folgende Kasussysteme: Zusammenfall aller Formen (NAD)27, Synkretismus von Nominativ und Akkusativ vs. eigene Form für den Dativ (NA/D), Synkretismus von Akkusativ und Dativ vs. unterscheidbare Form für den Nominativ (N/AD) und eigene Form für jeden der drei Kasus (N/A/D). Dargestellt werden die Ergebnisse primär in Form von Karten, auf denen 54 Ortspunkte eingetragen sind. Zur besseren Orientierung wird im Folgenden grob skizziert, wie SHRIER (1965) die Verteilung der Synkretismen aufgrund ihrer Analysen zusammenfasst. Im Anschluss daran wird die Verbreitung des Zusammenfalls einzelner Kasusformen im Detail nach Wortarten geordnet nachgezeichnet. SHRIER (1965, 431−437) macht zwei große Dialektgruppen aus. Im niederdeutschen Sprachgebiet besteht trotz häufig kompletten Zusammenfalls in mindestens einer Wortart ein zweiförmiges Kasusparadigma mit der Opposition Nominativ vs. obliquer Kasus. Im hochdeutschen Sprachgebiet ist in mindestens einer Wortart ein dreiförmiges Kasusparadigma in Gebrauch. Im zentralen Bereich zeigen alle untersuchten Wortarten ein dreiförmiges Paradigma. Wenn man sich von diesem Bereich entfernt, weisen immer mehr Wortarten Synkretismen in der Kasusflexion auf. Betroffene Wortarten und zusammenfallende Kasus unterscheiden sich aber in großem Ausmaß. Insbesondere ist festzustellen, dass hier im Gegensatz zum niederdeutschen Sprachgebiet Synkretismen von Dativ und Akkusativ nur bei Maskulina auftreten, während bei Feminina und Neutra der Dativ als gut markierter Kasus aufrechterhalten wird und − wenn überhaupt − Nominativ und Akkusativ gleichförmig sind. Im Hinblick auf Sprachwandel spricht SHRIER (1965, 435) von zentralen konservativen Dialektregionen und peripheren dynamischeren Regionen. Die erste Serie von Karten stellt nacheinander für Maskulina, Feminina und Neutra in jeweils einer einzelnen Wortart die Verteilung der oben genannten Systeme dar. Abgeschlossen wird die Serie mit der Karte zu den Personalpronomina der 1. Person, die kein Genus aufweisen. Die zweite Serie von Karten zeichnet Isoglossen für die einzelnen Kasussysteme über die verschiedenen Wortarten hinweg. Die Karten der ersten Serie zu den Maskulina (definiter Artikel, indefiniter Artikel, starkes Adjektiv und Personalpronomen in der 3. Person Singular) zeigen 27

Die Benennungen folgen der Darstellung von SHRIER (1965).

54

Theoretische Grundlagen

eine von den Feminina und Neutra deutlich verschiedene Verteilung der Synkretismen. Ein dreiförmiges Paradigma ohne Formgleichheit ist für alle Wortarten im Zentrum des Sprachgebiets (der Kern dessen erstreckt sich ganze grob etwa von Würzburg bis Ulm, ein Verzeichnis der abgebildeten Ortspunkte fehlt leider) auszumachen und reicht je nach Wortart noch etwas weiter noch Norden und mehr oder weniger weit in den Südwesten. Im Alemannischen ist lediglich das Personalpronomen dreiförmig. Außer dem vollständig differenzierenden Paradigma ist für Artikel und Adjektiv auch der komplette Zusammenfall belegt, nicht aber für das Personalpronomen. Einförmige Paradigmen finden sich ganz im Norden und reichen je nach Wortart höchstens bis ungefähr zur südlichen Grenze des niederdeutschen Sprachgebiets. Der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ im Maskulinum zeigt sich − wie die älteren Ausführungen von HILDEBRAND (1869) und TOBLER (1873) bereits erahnen lassen − grob umrissen im westlichen Teil des hochdeutschen Sprachgebiets. Bei den einzelnen Wortarten gibt es aber deutliche Unterschiede. Beim indefiniten Artikel ist Nominativ-Akkusativ-Synkretismus von der niederdeutschen Sprachgrenze bis ins Alemannische durchgehend belegt. Beim definiten Artikel setzt sich die vollständige Kasusunterscheidung aller drei Kasus, die für das zentrale deutsche Sprachgebiet festgestellt wurde, für einige Ortspunkte gegen Westen bis ins Elsass fort und reicht damit deutlich in das synkretistische Gebiet hinein. Beim starken Adjektiv setzt sich die im Kerngebiet belegte vollständige Kasusunterscheidung in ihrer ganzen Nord-Süd-Ausdehnung bis zur westlichen Sprachgrenze fort, so dass sich das NA/D-Gebiet zweiteilt in ein nordwestliches hochdeutsches und ein südwestliches hochdeutsches Gebiet. Bei den Personalpronomina findet sich NA/D schließlich nur in Luxemburg und zwei angrenzenden Belegorten. Im Osten des Sprachgebiets ist beim Maskulinum dagegen der Zusammenfall der obliquen Kasus Dativ und Akkusativ dominant. Das N/AD-System reicht vom Bairischen aus je nach Wortart bis etwa zur niederdeutschen Grenze (indefiniter Artikel, starkes Adjektiv) oder umfasst, wo im Norden die Kasusformen nicht ohnehin vollständig zu NAD zusammengefallen sind, auch (fast) das ganze niederdeutsche Sprachgebiet bis zur westlichen Sprachgrenze (definiter Artikel, Personalpronomen). Die besprochene Verteilung der Systeme NAD, N/AD und NA/D bei den Maskulina stellt SHRIER (1965, 433−435) auf jeweils einer Karte mittels Isoglossen übersichtlich dar. Die Verteilung der Systeme bei Feminina und Neutra hebt sich von den Maskulina deutlich ab. Das Gebiet zeigt eine deutliche Nord-Süd-Gliederung. Im südlichen und mittleren Sprachgebiet ist auf allen Karten (definiter und indefiniter Artikel Femininum und Neutrum, Personalpronomen Femininum) Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ vorherrschend. Im nördlichen Sprachgebiet sind oft alle Formen zusammengefallen (definiter und indefiniter Artikel Femininum und Neutrum). Nur beim femininen Personalpronomen gibt es im nördlichen und nordwestlichen Teil auch Gebiete mit N/AD und östlich zwei Belegorte mit komplettem Kasuszusammenfall.

Kasussynkretismen in den Dialekten

55

Auch beim Personalpronomen der 1. Person ist eine klare Nord-Süd-Gliederung zu erkennen, die wiederum der niederdeutschen Sprachgrenze nahe kommt. Im Süden ist ausnahmslos das dreiförmige System N/A/D verzeichnet, im Norden durchgehend der Zusammenfall von Akkusativ und Dativ. ROWLEY (2004) präzisiert SHRIER (1965) mit Daten diverser Sprachatlanten dahingehend, dass auch im Süden in mehreren Gebieten Synkretismus von Akkusativ und Dativ beim Personalpronomen der 1. und 2. Person eingetreten ist: „Neben Randgebieten des Bairischen und Alemannischen gibt es einige Inseln im Westmittelbairischen und ein größeres Gebiet im Ostfränkischen“ (ROWLEY 2004, 344; vgl. auch die Karte in ROWLEY 2004, 355). Das erwähnte Randgebiet im Alemannischen liegt im Kanton Freiburg. BUCHELI BERGER (2010) diskutiert die Erscheinung umfassend. Die offensichtliche Nord-Süd-Gliederung, die sich über die verschiedenen Wortarten hinweg immer wieder zeigt, veranschaulicht SHRIER (1965, 433) mit Hilfe etlicher Isoglossen, welche die Grenze zwischen komplettem Zusammenfall und mindestens zwei unterscheidbaren Kasus im Paradigma festhalten (definiter und indefiniter Artikel, Adjektiv aller Genera, Personalpronomen 3. Person Neutrum). Die meisten dieser Isoglossen entsprechen in etwa der Grenze Niederdeutsch/Hochdeutsch. Nur beim definiten Artikel Maskulinum und bei den Personalpronomina reicht das zweiförmige Kasussystem bis in das nördliche Sprachgebiet mit überwiegend einförmigem Kasussystem hinein. Wie SHRIER (1965) betont DAL (1971) anhand des Formenbefunds beim definiten Artikel die grundlegende Differenz zwischen niederdeutschen Dialekten, die sich im Hinblick auf die Kasusmarkierung ähnlich wie andere germanische Sprachen (Englisch, Skandinavisch, Niederländisch) entwickelt haben, und hochdeutschen Dialekten, deren Entwicklung einen ganz anderen Verlauf zeigt. Für die niederdeutschen Dialekte stellt DAL (1971, 184) im Mittelniederdeutschen beginnenden Zusammenfall von Akkusativ und Dativ fest, der im Neuniederdeutschen größtenteils vollzogen ist. Das Niederländische betrachtet DAL (1971, 185−187) in Hinblick auf die Kasusentwicklung als den dem Oberdeutschen gänzlich entgegengesetzten Pol und führt anhand des Niederländischen die Tendenz zur allgemeinen „Nivellierung des Systems“ jener Sprachen und Varietäten an. Eine solche Nivellierung findet in den hochdeutschen Dialekten nicht statt, auch nicht im Osten, wo zwar im Maskulinum Singular wie im Niederdeutschen Dativ und Akkusativ zusammengefallen, aber in den anderen Genera und im Plural formal intakt sind (DAL 1971, 188). Ausführlich beschreibt DAL (1971, 189−193), wie der Dativ sowohl im Westen als auch im Osten vielerorts durch vorangestelltes i(n) bzw. a(n) verstärkt wird, welches sie als echtes Kasusmorphem betrachtet. SEILER (2003) prägt dafür in seiner umfassenden monografischen Darstellung den Begriff präpositionale Dativmarkierung. DAL (1971) interpretiert die präpositionale Dativmarkierung als „ein Zeugnis dafür, dass auf hochdeutschem Gebiet in der Kasusentwicklung nicht nur auflösende, sondern auch reaktive Tendenzen walten“ (DAL 1971, 192) und schließt daraus, dass den hochdeutschen Dialekten in Bezug auf Kasus eine Sonderstellung unter den germanischen Sprachen bzw. Varietäten zukommt.

56

Theoretische Grundlagen

ROWLEY (2004, 345−347) verdeutlicht die grundlegenden Unterschiede zwischen den oberdeutschen Synkretismen in West und Ost: Beim rheinischen Akkusativ im Westen fallen für etliche Wortarten alle Positionen des Paradigmas (alle Genera, beide Numeri) in den gleichen Kasus (Nominativ und Akkusativ) zusammen, so dass die entsprechenden Wortarten nur noch zwei Kasus unterscheiden. Beim für den Osten geltenden Modell, das ROWLEY (2004) als maskulinen Sonderweg bezeichnet, weist nur das Maskulinum Singular Synkretismus von Dativ und Akkusativ auf, alle anderen Positionen des Paradigmas zeigen dagegen Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ. Beim zweiten Modell werden dadurch für die Paradigmen der einzelnen Wortarten nach wie vor alle drei Kasus zu unterschieden. Zusammenfassend und vereinfachend ist festzuhalten, dass das deutsche Sprachgebiet sich im Hinblick auf Kasussynkretismus in drei (nicht scharf begrenzte) Gebiete gliedert: Der Norden (in etwa das niederdeutsche Gebiet) weist maximal zwei Kasus (Nominativ vs. Obliqui) auf und tendiert stark zu Einheitskasus. Im hochdeutschen Sprachgebiet sind − mindestens in einer Wortart − drei Kasus (Nominativ, Akkusativ, Dativ) erhalten. Es ist ein zentraler Bereich zu beobachten, der stark kasusbewahrend ist. Vom Zentrum zur Peripherie zeigen sich zunehmende Synkretismustendenzen. Diese weisen zwischen West und Ost grundlegende Unterschiede auf: Im Osten bleiben die Paradigmen der meisten Wortarten dreiförmig, da im Femininum und Neutrum Singular und im Plural aller Genera Nominativ und Akkusativ gleichförmig sind und sich vom Dativ abheben, während im Maskulinum Singular Akkusativ und Dativ zusammenfallen und damit den Nominativ von den obliquen Kasus abheben. Im Westen dagegen geht die Tendenz vieler Wortarten zu einem zweiförmigen Paradigma: Auch im Maskulinum Singular als letzter Position im Paradigma fallen Nominativ und Akkusativ zusammen, der Dativ wird deutlich markiert. Synkretistische Entwicklungen lassen sich also nicht nur in der Schweiz, sondern im ganzen westlichen hochdeutschen Sprachgebiet beobachten. Einzelheiten zu den Synkretismen insbesondere in der Schweiz lassen sich den Ortsgrammatiken der Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ entnehmen. Diese und vereinzelte ähnliche Beiträge werden unter der Bezeichnung „ältere Grammatiken“ umfassend im Forschungsteil vorgestellt, ausgewertet und besprochen (vgl. Kapitel 4). Die flächendeckende, kartografische Darstellung des definiten Artikels Maskulinum Singular im „Sprachatlas der deutschen Schweiz“ (SDS III, 134/136) offenbart, dass im Gegensatz zur Darstellung SHRIERS (1965) Nominativ und Akkusativ in einigen höchstalemannischen Mundarten noch nicht vollständig zusammengefallen sind. Stellt also SHRIER (1965) fest, dass Synkretismen vom Zentrum zur Peripherie zunehmen, dann ist nach den Daten des SDS zu ergänzen, dass dies für sog. Reliktgebiete am alleräußersten Rand des Sprachgebiets nicht mehr gilt. Auch der SDS bildet einen integralen Bestandteil der vorliegenden Untersuchung und wird − gemeinsam mit MEYER (1967), der aufgrund der Daten des SDS eine monografische Darstellung der Artikel in der Schweiz veröffentlicht − in Kapitel 4 umfassend besprochen.

Kasussynkretismen in den Dialekten

57

2.3.3 Zeitgenössische Forschungsarbeiten Während sich die älteren Darstellungen neben der arealen Verteilung v. a. auf die historische Herleitung der Formen konzentriert haben (vgl. die älteren Grammatiken, aber beispielsweise auch MEYER 1967, DAL 1971 etc.), finden sich kognitiv ausgerichtete Erklärungsansätze für das Phänomen Synkretismus in erster Linie in neueren (teilweise auch dialektgeografischen) Untersuchungen. Untersuchungsgegenstand und methodische Prämissen zeitgenössischer Arbeiten RABANUS (2008) legt eine umfassende Beschreibung der Distinktionen und Synkretismen von Genus, Kasus, Numerus und Person in hochdeutschen Dialekten vor, wobei er Schweizer Mundarten aber nicht mit einbezieht. Er legt seiner Untersuchung den sog. Minimalsatz zugrunde: Dieser besteht aus einem finiten Verb und „seinen obligatorischen syntaktischen Ergänzungen bzw. logischsemantischen Argumenten“ (RABANUS 2008, 23), allerdings werden dabei nur pronominal realisierte Subjekte und Objekte berücksichtigt. Seine Forschungen beziehen sich also auf diejenige Wortart, die in der vorliegenden Untersuchung gerade nicht näher betrachtet wird. RABANUS (2008) untersucht nicht nur die grammatische Kategorie Kasus (inkl. Genus), welche ausschließlich an nominalen Satzgliedern markiert wird, sondern das Zusammenspiel dieser Kategorie(n) mit den Kategorien Numerus und Person, die nicht nur an nominalen Satzgliedern, sondern auch am Verb ausgedrückt werden. Für solche Minimalsätze weist er nun nach, dass Redundanzen in der Markierung tendenziell vermieden werden, dass aber ein sog. morphologisches Minimum, das die Identifizierung der syntaktischen Struktur (bzw. der semantischen Rollen) gewährleistet, nicht unterschritten wird (vgl. RABANUS 2008, 260−271). Beispielsweise entwickelt sich in einem Gebiet in Bayrisch-Schwaben eine kasussynkretistische Einheitsform für das Personalpronomen der 1. (uns) und 2. Person Plural (ui). Diese Entwicklung steht in enger Beziehung zur Verbreitung des Verbmarkers -mr für die 1. Person Plural. Durch diese verbale Markierung lassen sich die semantischen Rollen in den betrachteten Minimalsätze trotz des Kasussynkretismus zumindest für die 1. Person Plural eindeutig und kontextfrei identifizieren. Mit der Einschränkung auf Pronomina untersucht RABANUS (2008) jene Wortart, die Kasusdistinktionen nicht nur im Deutschen am besten bewahrt. IGGESEN (2005) weist grundlegende Unterschiede zwischen pronominaler und nichtpronominaler Kasusflexion typologisch für zahlreiche Sprachen unterschiedlichster Sprachfamilien nach. Er nennt dieses Phänomen Kasus-Asymmetrie. RABANUS (2008) führt für diese Asymmetrie folgende Erklärung an: Häufig werden Subjekt und Objekt bereits durch die Wortstellung (prototypische Subjekte gehen prototypischen Objekten im Satz voraus) oder durch konzeptuelle Wahrscheinlichkeiten (prototypische Subjekte sind belebt, prototypische Objekte nicht) erkennbar. Wenn aber die prototypischen Eigenschaften nicht vorliegen oder nicht erkennbar sind (wie bei pronomi-

58

Theoretische Grundlagen nalen Realisierungen), wird die formale Kasusdistinktion entscheidend für die Identifikation von Subjekt und Objekt und die mit ihnen verbundenen semantischen Rollen. […] Die Kasusdistinktionen sind im Pronominalsystem für die Identifizierung der Rollen wichtiger als im System der Substantivflexion, weil Personalpronomen hinsichtlich der Belebtheit oder des Handlungspotentials ihrer Referenten nicht markiert sind. (RABANUS 2008, 274)

Aus dieser Beobachtung folgt nach RABANUS (2008) auch der Umstand, dass beim Personalpronomen der 1. und 2. Person Plural (uns, euch) die obliquen Kasus Akkusativ und Dativ zusammenfallen können: Das pronominal ausgedrückte Subjekt bleibt formal deutlich von den pronominal realisierten Objekten unterschieden. Es stellt sich die Frage, weshalb bei den Personalpronomina der 3. Person Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ bei den Feminina und Neutra Singular und im Plural aller Genera möglich ist, während die morphologische Unterscheidung bei den Maskulina Singular offensichtlich so wichtig ist. Zur Erläuterung beruft sich RABANUS (2008) auf BITTNER (2002), welche die Formgleichheiten im Paradigma des definiten Artikels beleuchtet, bei der sich die Formunterscheidung − zumindest im Standarddeutschen − ebenfalls nur im Maskulinum Singular bewahrt hat. Nach BITTNER (2002, 15 f.) ist das prototypische Agens im Deutschen ein belebtes Maskulinum. Von diesem ist zu erwarten, dass es als Subjekt (er) auftritt. Wird gegen diese Erwartung verstoßen (BITTNER 2002 bezeichnet dies als Präsuppositionsverstoß), wird dies durch einen eindeutigen Objektskasus (ihn) markiert und damit die Rezeption erleichtert (in Bezug auf den definiten Artikel vgl. BITTNER 2002, 15 f., im Hinblick auf das Personalpronomen siehe RABANUS 2008, 274 f.). Neutra, aber auch Feminina28 sind dagegen keine prototypischen Agentia und ihr Vorkommen als direktes Objekt muss deshalb nicht explizit markiert werden (RABANUS 2008, 274 f.). In einer synchron sprachvergleichenden Untersuchung eruieren ALBER / RABANUS (2011) sog. Synkretismusquoten beim Personalpronomen in einer Vielzahl germanischer Varietäten nicht nur für den Faktor Genus, sondern auch für die Faktoren Person und Numerus. Sie stellen fest, dass Neutra häufiger oder gleich häufig Kasussynkretismus aufweisen wie Feminina, und Feminia häufiger oder gleich häufig wie Maskulina. Die 3. Person stellt den besten Synkrektismuskontext dar, während bei der 1. Person Synkretismus am seltesten ist. Plural ist anfälliger für Synkretismus als Singular:

28

Für das zeitgenössische Deutsch illustriert BITTNER (2002, 208) anhand von Derivationssuffixen den Zusammenhang zwischen Genus und Belebtheit: Suffixe, die Maskulina generieren, sind im wesentlichen -er (der Sieger), -ling (der Lehrling), -ist (der Telefonist), -or (der Doktor), -ent/ant (der Konsument) etc., also überwiegend sog. Belebtheitsbezeichnungen. Suffixe, die Feminina ableiten, bilden häufig Abstrakta: -heit/keit (die Freiheit), -schaft (die Leidenschaft), -ung (die Kleidung), -ei (die Quälerei), -ik (die Theatralik), -ion (die Diskussion), -ie (die Therapie) etc. Derivierte Neutra entstehen zum einen durch Konversion (das Blau, das Tief), zum anderen durch Suffixe wie -nis (das Gefängnis), ge-(e) (das Gebirge) etc. Neutra sind tendenziell Kontinuativa.

Kasussynkretismen in den Dialekten

– – –

59

Genus: m ≤ f ≤ n Person: 1 ≤ 2 ≤ 3 Numerus: SG ≤ PL

Sie führen die morphologische Evidenz auf unterschiedliche Grade der Belebtheit (human > belebt > unbelebt) zurück, wo das unbelebte Ende der Skala (also: Neutrum, 3. Person, Plural) den besten Synkretismuskontext darstellt. Während RABANUS (2008) zwar ähnliche Varietäten (oberdeutsche Dialekte) bzw. ALBER / RABANUS (2011) zahlreiche deutsche und andere germanische Varietäten, aber mit den Pronomina gerade jene Wortart untersuchen, die nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, verhält es sich bei BITTNER (2002) umgekehrt. Sie fokussiert auf den definiten Artikel, auf dem das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit liegt, beschreibt diesen aber ausschließlich für das Standarddeutsche. BITTNER (2002) betont, dass es sich bei Sprache um ein Kommunikationssystem handelt, das dem Austausch von Informationen dient. Morphologische Opposition ist in dieser Hinsicht ein Signal für distinktive Informationsinhalte; der Argumentation liegt also das semiotische Prinzip eine Form = eine Funktion zugrunde (BITTNER 2002, 200 f. u. 222), das insbesondere in der natürlichen Morphologie angenommen wird. Formale Identität zweier Positionen im Paradigma stellt demnach eine Folge von Informationsidentität dar. Unter diesen Prämissen sucht BITTNER (2002) nach den semantischen Merkmalen, die den einzelnen Artikelformen im Paradigma zukommen. Für die Genera leitet BITTNER (2002, 207−215) sowohl historisch aus dem Althochdeutschen wie auch synchron aus den Derivationssuffixen die Merkmale [+ bekannt], [+ begrenzt] und [+ teilbar]29 ab, anhand derer sich die drei Genera unterscheiden lassen: dem Femininum (ursprünglich das Genus für Abstrakta) kommt ausschließlich das erste Merkmal zu, das Maskulinum (ursprünglich das Genus für Konkreta) weist die ersten beiden Merkmale auf, das Neutrum (ursprünglich das Genus für Kontinuativa) alle drei. Dieselben Merkmale sind es, die sich nach BITTNER (2002, 215−222) für die Unterscheidung der Kasus beim definiten Artikel als relevant erweisen. Dem definiten Artikel kommt − entsprechend seiner Funktion, Definitheit zu markieren − das Basismerkmal [+ bekannt] zu. Dieses Merkmal grenzt den definiten Artikel insbesondere vom indefiniten Artikel ab. Nominativ und Akkusativ symbolisieren keine spezifischen Kasuseigenschaften: Der Nominativ als unmarkierter Kasus kodiert keine spezifische Eigenschaft und bleibt deshalb merkmallos. Der Akkusativ als direkt betroffener Aktant muss im Deutschen morphologisch nicht markiert werden, denn „Wortstellung, konzeptuelle Interpretation und wenn nötig Kontrastakzent vermitteln die Distinktivität der fraglichen Aktanten ausreichend“ (BITTNER 2002, 215). Deshalb weisen Nominativ und Akkusativ nur das allen definiten Artikeln gemeinsame Merkmal [+ bekannt] auf. Dativ weist dazu das 29

Weiter unten im Text verwendet BITTNER (2002, 207−215) für das Merkmal [+ teilbar] den Begriff [+ partitiv].

60

Theoretische Grundlagen

Merkmal [+ begrenzt] auf, weil die Dativphrase eine Grenze des Verbereignisses markiert. Eine solche Grenze ist beispielsweise der Endpunkt einer Handlung: BITTNER (2002, 217) kontrastiert erläuternd die Beispiele Er vertraut seinem Bruder vs. Er vertraut seinen Bruder jemandem an. Auch bei Wechselpräpositionen wird die begrenzende Funktion des Dativs deutlich: in die Schule gehen vs. in der Schule sein (BITTNER 2002, 217). Dem Genitiv, der prototypisch eine partitive Funktion aufweist, weil er einen bestimmten Teil aus einem Ganzen ausgrenzt, weist BITTNER (2002, 219) zusätzlich zum Merkmal [+ bekannt] die semantische Merkmale [+ begrenzt] und [+ partitiv] zu. Zusammenfassend stellt BITTNER (2002, 225) die Symbolisierungsleistung der einzelnen Formen des definiten Artikels − entsprechend den Genus- und Kasusmerkmalen der jeweiligen Paradigmapositionen − als Tabelle dar. Zu beachten ist, dass BITTNER (2002) doppelt zugewiesene Merkmale als potenzierte Merkmale von einfachen unterscheidet (z. B. kommt des sowohl als Ausdruck eines Genitivs als auch als Ausdruck eines Neutrums das Merkmal [+ partitiv] zu): die

[+ bekannt]

der

[+ bekannt]

[+ begrenzt]

den

[+ bekannt]

[+ begrenzt]

[+ Präsuppositionsverstoß]

dem

[+ bekannt]

[+ begrenzt]

[+ begrenzt]

das

[+ bekannt]

[+ begrenzt]

[+ partitiv]

des

[+ bekannt]

[+ begrenzt]

[+ partitiv]

[+ partitiv]

Tabelle 8: Symbolisierungsleistung der Formen des bestimmten Artikels nach BITTNER (2002, 225)

Die merkmalsemantische Beschreibung der unterschiedlichen Funktionen, welche die einzelnen Artikelformen im Paradigma erfüllen, ergibt in der Tat ein in sich stimmiges Bild. Fast alle Formen lassen sich durch das jeweilige Merkmalsbündel aus den für Kasus und Genus erarbeiteten drei Merkmalen eindeutig beschreiben. Einzig die Formen der und den unterscheiden sich durch ein Merkmal, das auf einer anderen Ebene ansetzt: Wie weiter oben erläutert markiert die Sonderform beim Akkusativ Maskulinum Singular, dass das Element, das prototypisch das belebte Agens ausdrückt, im konkreten Fall in einer von der Erwartung abweichenden Funktion − nämlich als Patiens − auftritt (Bittner 2002, 215 f.).30 Der in der vorliegenden Arbeit untersuchte Synkretismus von der und den in westoberdeutschen Mundarten erscheint im Hinblick auf BITTNERS (2002) Ausführungen als eine konsequente Weiterentwicklung. Es fallen genau jene beiden

30

Auch den für Dativ Plural gegenüber der im Genitiv Plural stellt BITTNER (2002, 217 f.) als Markierung für einen Präsuppositionsverstoß dar.

Kasussynkretismen in den Dialekten

61

Formen31 zusammen, die sich nur durch die besondere Funktion unterscheiden, einen Präsuppositionsverstoß zu markieren, während das übrige System mit den drei grundlegenden Merkmalen [+ bekannt], [+ begrenzt] und [+ partitiv] vom Synkretismus unberührt bleibt. Aus der Perspektive von nicht-standardsprachlichen Variationsmustern, die überregional in der Standardsprache auftreten können, kommen bei DÜRSCHEID (2007) neben vielen anderen Kasusphänomenen dialektale Interferenzen im Schweizerhochdeutschen zur Sprache. Solche werden auch in der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel 5) ausführlich analysiert. DÜRSCHEID (2007) unterscheidet in ihrer Untersuchung grundsätzlich zwischen Phänomenen, welche sich auf konkrete Kasusformen beziehen (beispielsweise den Wegfall der Akkusativ- und Dativendung bei schwachen Maskulina: den Student, dem Patient, Beispiel DÜRSCHEID 2007, 97), und solchen, welche auf die sogenannte Kasuskategorie wirken, d. h. den Kasus als abstrakte grammatische Kategorie betreffen (vgl. den Kasuswechsel: wegen des schlechten Wetters/wegen dem schlechten Wetter; Beispiel DÜRSCHEID 2007, 92).32 Interferenzen der Art Die Attentate von Casablanca zeigen, dass dies allein kein Schutz bietet (Beispiel DÜRSCHEID 2007, 95) bespricht DÜRSCHEID (2007, 94 f.) als „Wegfall der Akkusativendung bei Artikelwörtern“ unter „Variationen in der Kasusform“, also als Phänomen der ersten Ebene. Davon hebt sie (DÜRSCHEID 2007, 106−109) Interferenzen der Art Ab dem 29. März 2002 bildet die Vorwahl ein fester Bestandteil jeder Telefonnummer (Beispiel DÜRSCHEID 2007, 106) ab, bei denen der Nominativ formal eindeutig markiert ist: Diese Interferenzen bezeichnet DÜRSCHEID (2007, 90) als Rektionswechsel vom Akkusativ zum Nominativ und weist das Phänomen jenen auf der Ebene der Kasuskategorien zu. Den sog. Wegfall der Kasusendung führt DÜRSCHEID (2007) auf phonetische Reduktion zurück und hält explizit fest: Im Resultat gleicht die Kasusform dem Nominativ, der Akkusativ ist aber dennoch identifizierbar, da es dieser Kasus ist, der an die NP zugewiesen wird und es keinen weiteren Hinweis auf einen Nominativ gibt. (DÜRSCHEID 2007, 95)

In der Fußnote fügt DÜRSCHEID (2007) an: Der letzte Punkt ist wichtig, denn es kann durchaus vorkommen, dass mit dem Fehlen der Akkusativendung das Setzen einer Nominativendung einhergeht (vgl. Wir wünschen ein guter Rutsch, gesehen auf einer Ladentür). Dann liegt tatsächlich ein Wechsel der Kasuskategorie vor. (DÜRSCHEID 2007, 95)

Meines Erachtens ist eine solche Differenzierung zwischen reinem Formenwechsel und Wechsel der Kasuskategorie nur bedingt sinnvoll. Gerade der Umstand, dass unter gleichen syntaktischen Bedingungen auch eindeutig markierte Nominativphrasen auftreten können, spricht doch dafür, einen Wechsel der Kasuskategorie − in der Terminologie DÜRSCHEIDS (2007) − auch dann anzunehmen, wenn 31 32

Dies gilt zumindest für eine Paradigmaposition; im Plural bleibt die formale Differenzierung zwischen den (für Dativ) und der (für Genitiv) bestehen. DÜRSCHEID (2007, 92) spricht von paradigmatischer vs. syntagmatischer Ebene.

62

Theoretische Grundlagen

dieser formal nicht eindeutig markiert ist. DÜRSCHEID (2007, 92) hält selbst fest, dass ein Element (im entsprechenden syntaktischen Kontext) einer bestimmten Kasuskategorie angehört, auch wenn es keine eindeutige formale Markierung trägt: So handelt es sich bei dem Substantiv Frauen in dem Satz Wir helfen Frauen um die Kasuskategorie Dativ […]. Dass das Substantiv Frauen hier eine Dativ- und nicht etwa eine Akkusativform ist, erkennt man allerdings nur im Syntagma. (DÜRSCHEID 2007, 92)

Der formale Unterschied zwischen den beiden Interferenzerscheinungen lässt sich meines Erachtens adäquater fassen, wenn man von einem Synkretismusbegriff ausgeht, der sowohl Formenzusammenfall durch phonetische Reduktion als auch Formenzusammenfall durch direkte Formübertragung umfasst. In beiden Fällen findet eine Veränderung auf der morphologischen Ebene statt; die Unterscheidung liegt lediglich im wie. Für eine solche Auffassung des Begriffs spricht beispielsweise folgende Beobachtung: Im Mittelhochdeutschen wird die Akkusativform die des definiten Artikels Femininum Singular immer häufiger anstelle der Nominativform diu verwendet, bis die Nominativform gänzlich außer Gebrauch gerät (vgl. Kapitel 3.1). Argumentiert man nach DÜRSCHEID (2007) analog zu den heutigen Interferenzerscheinungen, dass durch die Form die formal eindeutig ein Akkusativ und damit ein Kasuswechsel vorliegt, dann müssten wir für alle Subjekte und Objekte, die durch ein Femininum Singular realisiert werden, annehmen, dass das Verb Akkusative regiert. Das scheint wenig sinnvoll, insbesondere dann, wenn man im heutigen Schweizerhochdeutschen zugleich den Gebrauch von Nominativ für Akkusativ im Maskulinum Singular beobachtet und dort von einem Wechsel der Verbrektion zu Nominativ ausgeht, wie das DÜRSCHEID (2007) offensichtlich tut. In der Folge würde dies bedeuten, dass Verben je nach Genus des Arguments entweder Nominativ oder Akkusativ regieren würden. Solche Probleme entstehen nicht, wenn man davon ausgeht, dass im Paradigma einzelne Formübertragungen von einem Kasus auf den anderen möglich sind. Dabei wird es auch hinfällig, unterscheiden zu müssen, ob die beobachtete Formgleichheit durch direkte Übertragung oder durch phonetische Umbauprozesse entsteht. Diese Frage kann im Einzelfall nämlich nicht immer geklärt werden. So ist z. B. beim Gebrauch von ein für einen zwar möglich, dass es sich um eine phonetische Reduktion handelt, wie DÜRSCHEID (2007) es beschreibt, es ist aber nicht möglich auszuschließen, dass wie beim Gebrauch von der für den eine direkte Übertragung stattfindet. Wird der Gebrauch des Nominativs für den Akkusativ als morphologisches Phänomen betrachtet, dann stellt sich folgende Frage: Warum ist es möglich, an dieser Position im Paradigma auf eine morphologisch eindeutige Markierung zu verzichten? In der vorliegenden Arbeit wird dahingehend argumentiert, dass der Kasusmarkierung nicht nur syntaktische, sondern auch kognitiv-semantische und informationsstrukturelle Funktionen zukommen. Ursachen werden entsprechend auf allen Ebenen gesucht.

Kasussynkretismen in den Dialekten

63

Steuernde Faktoren im Sprachwandel Im Hinblick auf die für den Kasuszusammenfall relevanten Faktoren sind die Beobachtungen DÜRSCHEIDS (2007, 107−109) interessant, unter welchen Bedingungen Nominativ für Akkusativ als Interferenz im Schweizerhochdeutschen auftritt. Sie erwähnt zwei Faktoren, die sich in ihrer Belegsammlung deutlich abzeichnen. Zum einen steht Nominativ für Akkusativ insbesondere bei Verben, die semantisch den Kopulaverben ähneln: bilden, bedeuten, darstellen u. ä., vgl. (9)

Kopula + Nominativ: Das ist der Abschluss des Verfahrens. bilden + Akkusativ: Das bildet den Abschluss des Verfahrens.

Bei kopulaähnlichen Verben wird dem zweiten Argument auffallend häufig wie bei echten Kopula anstelle eines Akkusativs, der das Argument als Objekt markieren würde, ein Gleichsetzungsnominativ zugewiesen. DÜRSCHEID (2007) führt dies darauf zurück, dass die genannten Verben im Vergleich zu beispielsweise schlagen auf der semantischen Ebene einen tieferen Transitivitätsgrad (nach HOPPER / THOMPSON 1980, vgl. auch Kapitel 2.2.3) aufweisen. Zudem beobachtet DÜRSCHEID (2007, 108) Nominativ statt Akkusativ gehäuft im Vorfeld: (10) Ein solcher Wein möchte man gerne auch in seinem Keller wissen. Das Vorfeld wird im prototypischen Aussagesatz durch das Subjekt besetzt, welches das Topik des Satzes darstellt. DÜRSCHEID (2007) vermutet nun, dass das Objekt, wenn es topikalisiert im Vorfeld auftritt, den für das Topik typischen Kasus zugewiesen bekommt. Offensichtlich verstärkt sich die Tendenz zur Nominativmarkierung mit wachsender Distanz zwischen Objekt und regierendem Verb (DÜRSCHEID 2007, 108). Die beiden von DÜRSCHEID (2007) beobachteten Faktoren (Transitivitätsgrad und Topikalisierung) werden durch die in der vorliegenden Arbeit analysierte Belegsammlung bestätigt (Kapitel 5). Wie DÜRSCHEID (2007) anmerkt, gibt es aber eine Reihe von Belegen, welche keinen der beiden Faktoren aufweisen. Weitere mögliche Faktoren werden in RABANUS (2008) genannt. Seiner Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass die Hauptfunktion von Sprache ihre soziale Funktion ist (vgl. RABANUS 2008, 13−15):33 Die Mitteilungsfunktion der Sprache, das Bedürfnis, verstanden zu werden, ist dem Ziel des sozialen Erfolgs als notwendige Vorbedingung untergeordnet. (RABANUS 2008, 14)

Es ist dieses Bedürfnis jedes einzelnen Individuums, das Veränderungen in der Sprache erklärt: Sprachwandel ist die kausale Folge einer Menge einzelner Sprechhandlungen, die so groß ist, dass dadurch das Sprachsystem verändert wird. Die Erklärung des Sprachwandels muss aber eine finale sein, die an der Performanz des einzelnen Sprechers und seinem Wunsch nach sozialem Erfolg ansetzt. (RABANUS 2008, 14)

33

RABANUS (2008, 13 f.) grenzt diese Funktion insbesondere von der Benennungsfunktion der Sprache ab.

64

Theoretische Grundlagen

Deshalb untersucht RABANUS (2008, 14 f.) ausschließlich Faktoren, „die das individuelle Handeln einzelner Sprecher beeinflussen“. Besonders relevant ist auf der einen Seite das Bedürfnis nach schnellem Sprechen (Ausdruckskürze und artikulatorische Einfachheit, vgl. auch RABANUS 2008, 290−293), weil das Rederecht in der mündlichen Kommunikation üblicherweise beschränkt ist. Auf der anderen Seite führen eindeutigere Markierungen (morphosyntaktische Transparenz) dazu, dass Ausdrücke schneller − d. h. mit weniger hohen kognitiven Kosten − identifiziert werden können. In der Tat ermittelt RABANUS (2008, 260−271) in Hinblick auf die Erscheinungen im Minimalsatz als zentrale Steuerungsfaktoren die sich wechselseitig beeinflussenden Bedürfnisse nach möglichst wenig Redundanz, aber gleichwohl nach morphologischer Eindeutigkeit. Dies drückt sich sich als sog. morphologisches Minimum aus, das nicht unterschritten wird. Die Faktoren Analogie und Uniformität, d. h. das Bedürfnis nach einem uniformen Aufbau morphologischer Systeme, sind nach RABANUS (2008, 281− 286) hingegen Ausdruck des allgemeinen menschlichen Bedürfnisses, sich in gleichen Situationen gleich zu verhalten. Analogisches Handeln erleichtert das Verstehen und macht so den kommunikativen Erfolg kalkulierbar. (RABANUS 2008, 282)

Wo ein Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ Maskulinum Singular zu beobachten ist, sind Analogie und Uniformität ganz offensichtlich stark beteiligt. Der Zusammenfall führt dazu, dass das ganze Paradimga des definiten Artikels Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ aufweist. Beim definiten Artikel im Standarddeutschen und in zahlreichen Mundarten, aber auch bei anderen Wortarten wie beispielsweise bei den von RABANUS (2008) untersuchten Personalpronomen ist Maskulinum Singular die letzte Position, die noch Kasusunterscheidung aufweist. Interessant ist nun die Frage, welche anderen Faktoren den Zusammenfall dort verhindern, wo er nach wie vor aussteht, oder welche Faktoren dazu führen, dass im Gegensatz zu den übrigen Positionen im Paradigma beim Maskulinum Singular Akkusativ und Dativ zusammenfallen, wie dies bei vielen Wortarten im östlichen Sprachgebiet geschieht. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann diese Frage aber nicht weiter verfolgt werden. RABANUS (2008, 286−290) greift des Weiteren den Faktor Frequenz auf, den er auf Type- und Tokenfrequenz sowohl von Lemmata wie auch von Wortformen ebenso bezieht wie auf die Frequenz kategorialer Merkmale oder bestimmter Marker. Gemeinsam ist allen Arten von Häufigkeit, dass sich drei Frequenzbereiche unterscheiden lassen: Hochfrequenz kann mit Stabilität, mittlere Frequenz mit Analogiestreben und niedrige Frequenz mit Elimination in Verbindung gebracht werden. Ursächlich für diese Relationen ist die jeweilige kognitive Leistung, die je nach Frequenzbereich für den Abruf getätigt werden muss. RABANUS (2008, 271−281) untersucht in diesem Zusammenhang, ob semantisch stärker markierte Formen zugunsten schwächer markierter Formen abgebaut werden, und kommt in Hinblick auf Personalpronomina zum Schluss, dass Markiertheit kein relevanter Faktor ist.

Kasussynkretismen in den Dialekten

65

Auf einen weiteren möglichen Steuerungsfaktor macht BITTNER (2002, 226) aufmerksam, indem sie in ihrer semantischen Merkmalanalyse zeigt, dass Artikelformen, die mehr semantische Merkmale aufweisen (siehe oben Tabelle 8), eine größere phonologische Komplexität (d. h. insbesondere eine höhere Konsonantenstärke des Auslauts) aufweisen. Demnach weist der Akkusativartikel im Standarddeutschen wie ursprünglich auch in den Mundarten sowohl semantisch wie phonologisch eine stärkere Markierung auf als der Nominativartikel. In den Mundarten wird die dargestellte Ikonizität teilweise verletzt: Die semantischen Merkmale der verschiedenen Formen des definiten Artikels dürften für die Mundarten unverändert gelten. In dieser Hinsicht ist der Akkusativ stärker markiert als der Nominativ. Mit den Formtypen dr im Nominativ und dǝ (ohne altes Akkusativ-n) im Akkusativ zeigt sich dieses Verhältnis beispielsweise im Allgäu, in früheren Zeiten auch in der Nordostschweiz, auf der phonologischen Ebene gerade umgekehrt: der Akkusativ ist weniger stark markiert. Es ist nicht auszuschließen, dass die nach diesem Modell angenommene schwächere phonologische Markierung des Akkusativs den Gebrauch der Akkusativform für Nominativ in bestimmten Regionen begünstigt. Nicht explizit als Faktoren besprochen werden in den genannten neueren Forschungsarbeiten Eigenschaften wie die semantische Rolle des Ausdrucks oder die Belebtheit des Referenten, obgleich diese durchaus zur Erklärung bestimmter Phänomene (wie das längere Bestehen der Kasusunterscheidung beim Maskulinum, siehe oben) herangezogen werden, wodurch sich neuere Arbeiten auch von den älteren Untersuchungen unterscheiden.

3

SYNKRETISMEN AUS HISTORISCHER SICHT

c o h au retism k n y S

Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, die historische Entwicklung von Kasuszusammenfällen detailliert auszuarbeiten. Trotzdem scheint es sinnvoll, eine grobe Angabe über die zeitlichen Dimensionen der älteren Zusammenfälle zu machen. Dies geschieht exemplarisch am definiten Artikel und am stark deklinierten Adjektiv. Als älteste Sprachstufe werden im Folgenden die erschlossenen Formen des Indogermanischen herangezogen, welches als Protosprache etwa um 3000 v. Chr. gesprochen worden sein dürfte. Wo möglich wird auch das Paradigma für erschlossene urgermanische Formen angegeben, die wohl etwa auf das 1. Jahrtausend v. Chr. zu datieren sind. Für die jüngeren belegten Sprachstufen werden Althochdeutsch (ca. 750−1050) als Vertreter einer altgermanischen Sprachstufe, Mittelhochdeutsch (ca. 1050−1350) und schließlich Neuhochdeutsch (nach geltender Norm) betrachtet.34 Die ältesten Stufen fußen auf der seit dem 19. Jahrhundert betriebenen vergleichenden Rekonstruktion, die Sprachstufen sind nicht direkt über Sprachzeugnisse zugänglich. Für räumliche und zeitliche Variationen gibt es bestenfalls Mutmaßungen (vgl. MEID 1975, 204−207). Erste Textbelege des Germanischen gibt es aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. mit der sog. Wulfila-Bibel für das Gotische, welches zum Ostgermanischen gezählt wird (vgl. VOGEL 2012, 3/6). Für das Westgermanische, das dem Deutschen vorausgeht, stellt ein spätlateinischalthochdeutsches Glossar aus dem 8. Jahrhundert, der sog. Abrogans, das erste überlieferte Dokument dar. Althochdeutsche Texte repräsentieren vielfach die Schreibsprachen einzelner Klöster, also weder die regionale Umgangssprache noch die Mundarten ihrer Umgebung (vgl. WEDDIGE 2010, 7). Auch das Mittelhochdeutsche, das sich primär als Kunstsprache der höfischen Dichter präsentiert, entspricht weder den gesprochenen Mundarten noch den Umgangssprachen der adeligen Führungsschicht (WEDDIGE 2010, 7 f.). Erst ab frühneuhochdeutscher Zeit (ab ca. 1650) lässt sich v. a. in Verwaltung, Recht und Handel vermehrt Schrifttum beobachten, wodurch sich allmählich regionale Schreiblandschaften herausbilden (vgl. VOGEL 2012, 10). Diese Darstellung ist also stark vereinfachend: Für alle Sprachstufen wird nur auf Darstellungen zurückgegriffen, die weder regionalen noch sozialen oder anderen Varianten gerecht werden, obwohl es zu keiner Zeit eine dem Neuhochdeutschen vergleichbare überregionale Verkehrssprache gegeben hat. Zudem werden hier nur die vier Kasus dargestellt, die sich bis in die neuhochdeutsche Standardsprache erhalten haben. Trotz dieser Einschränkungen lässt 34

Die Epocheneinteilung wird zuweilen recht unterschiedlich gemacht. Für die vorliegende Arbeit sind die (künstlich gesetzten) Grenzen (über einer kontinuierlichen Entwicklung) nicht von Bedeutung. Die Angaben geben nur einen groben Richtwert und folgen den gängigen Einteilungen, wie sie sich beispielsweise bei VOGEL (2012, 3−10) finden.

68

Synkretismen aus historischer Sicht

sich ein grober Eindruck über die zeitlichen Dimensionen der untersuchten Veränderungen gewinnen. Es kann mit Sicherheit festgestellt werden, dass synkretistische Formen zunehmen. 3.1

DEFINITER ARTIKEL

l k trA efin D

Der definite Artikel hat sich erst während des Althochdeutschen aus dem Demonstrativum dher ‚dieser’ entwickelt (vgl. beispielsweise SZCZEPANIAK 2011, 63 f.). Deshalb werden im Folgenden für die älteren Sprachstufen die Formen des Demonstrativums angeführt. Die Entwicklung eines Definitheitsmarkers aus einem demonstrativen Element lässt sich auch übereinzelsprachlich häufig beobachten, vgl. die Beispiele in HEINE / KUTEVA (2002, 109−111). Demonstrative Elemente bilden die zumindest einzig bekannte Quelle für Definitheitsmarker. Nicht nur LEHMANN (1995) stellt fest: „There is one type of pronoun at the root of this family, and this is the free demonstrative pronoun“ (LEHMANN 1995, 37), auch HEINE / KUTEVA (2002, 330) führen im „World Lexicon of Grammaticalization” in der Target-Source-Liste demonstrative als einzige Quelle für definite an.35 Bereits im Indogermanischen lauten die Formen für den Nominativ und den Akkusativ des Demonstrativums im Neutrum gleich. Aber auch im Femininum Plural sind Nominativ und Akkusativ schon im Indogermanischen formgleich: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

*so

*to-d

*sā

Akkusativ

*to-m

*to-d

*tā-m

Dativ

*to-sm-ē

*to-sm-ē

*te-si̯ -āi

Genitiv

*te-so

*te-so

*te-si̯ -ās

Nominativ

*toi

*tā

*tās

Akkusativ

*to-ns

*tā

*tās

Dativ

*toi-mis

*toi-mis

*toi-mis

Genitiv

*toi-s-ōm

*toi-s-ōm

*toi-s-ōm

PLURAL

Tabelle 9: Kasusformen beim Demonstrativpronomen im Indogermanischen nach KRAHE / MEID (1969, 61−66)

35

Dagegen können sich demonstrative Elemente in viele Richtungen grammatikalisieren. HEINE / KUTEVA (2002, 106−115) führen acht typische Pfade an, die von einem Demonstrativum ausgehen, z. B. Entwicklung zur Kopula oder zum Fokusmarkierer. Auch im Deutschen lässt sich die Entwicklung vom Demonstrativum zum Personalpronomen (der 3. Person) und zum Relativpronomen beobachten.

69

Definiter Artikel

Die Rekonstruktion des Urgermanischen zeigt im Hinblick auf Kasussynkretismen keinerlei Abweichungen zum Indogermanischen: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

*sa

*þat(-)

*sō

*þat(-)

*þōn

n

Akkusativ

*þanō

Dativ

*þazmai

*þazmai

*þezai

Genitiv

*þesa

*þesa

*þezōz

Nominativ

*þai

*þō

*þōz

Akkusativ

*þanz

*þō

*þōz

Dativ

*þaimiz

*þaimiz

PLURAL

Genitiv

*þesō

n

*þesō

n

*þaimiz *þesōn

Tabelle 10: Kasusformen beim Demonstrativpronomen im Urgermanischen nach BAMMESBERGER (1990, 224)

Im Althochdeutschen lassen sich nun neue Synkretismen beobachten: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

der

daʒ

diu

Akkusativ

den

daʒ

dea, dia

Dativ

demu

demu

deru

Genitiv

des

des

dera, deru

Nominativ

dē, dea, dia, die d

diu

deo, dio

Akkusativ

dē, dea, dia, die d

diu

deo, dio

Dativ

dēm

dēm

dēm

Genitiv

dero

dero

dero

PLURAL

Tabelle 11: Kasuszusammenfall beim Demonstrativpronomen im Althochdeutschen nach KRAHE / MEID (1969, 60 f.)

Beim Maskulinum Plural findet eine Übertragung der Nominativform auf den Akkusativ statt (KRAHE / MEID 1969, 65). Zudem bahnt sich im Femininum Singular der Zusammenfall von Dativ und Genitiv an. Nach KRAHE / MEID (1969, 64) lässt sich im Althochdeutschen neben der eigentlichen Genitivform dera die Dativform deru in der Verwendung als Genitiv beobachten. Am Nebeneinander die-

70

Synkretismen aus historischer Sicht

ser Formen ist deutlich zu erkennen, dass der Zusammenfall durch Formübertragung von einem Kasus auf den anderen geschieht und nicht die zum Mittelhochdeutschen hin auftretende Nebensilbenabschwächung ursächlich für den im Mittelhochdeutschen zu beobachtenden Synkretismus ist, wenngleich diese den Formenzusammenfall vermutlich unterstützt hat. Im Mittelhochdeutschen sind Dativ und Genitiv beim Femininum Singular nun vollends gleichlautend: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

dër

daʒ

diu

Akkusativ

dën

daʒ

die

Dativ

dëm(e)

dëm(e)

dër(e)

Genitiv

dës

dës

dër(e)

Nominativ

die

diu

die

Akkusativ

die

diu

die

Dativ

dën

dën

dën

Genitiv

dër(e)

dër(e)

dër(e)

PLURAL

Tabelle 12: Kasuszusammenfall beim definiten Artikel im Mittelhochdeutschen nach PAUL (2007, 217)

Der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ im Femininum Singular zeichnet sich ebenfalls bereits ab: Im Mitteldeutschen wird der Nominativ teils schon im 12. Jahrhundert zu die und ist seit dem 13. Jahrhundert die einzige oder zumindest die vorherrschende Form. Im Bairischen mehren sich die Belege für die ab dem späteren 13. Jahrhundert. Im Alemannischen hält sich dagegen die alte Form bis ins 14. Jahrhundert (vgl. PAUL 2007, 218). Im Neuhochdeutschen ist beim Femininum Singular die Übertragung der Akkusativform auf den Nominativ abgeschlossen: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

der

das

die

Akkusativ

den

das

die

Dativ

dem

dem

der

Genitiv

des

des

der

71

Definiter Artikel

PLURAL

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

die

die

die

Akkusativ

die

die

die

Dativ

den

den

den

Genitiv

der

der

der

Tabelle 13: Kasuszusammenfall beim definiten Artikel im Neuhochdeutschen

Nominativ und Akkusativ sind jetzt fast durchgehend formgleich, nur im Maskulinum Singular bleiben verschiedene Formen erhalten. Dativ und Genitiv sind dagegen nur beim Femininum Singular zusammengefallen. Die zeitlichen Phasen des Zusammenfalls stellen sich im Überblick folgendermaßen dar: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

Formgleichheit aus dem

Zusammenfall vom m

Akkusativ

Indogermanischen ererbt

Mhd. zum Nhd.

Dativ

Zusammenfall vom m

Genitiv

Ahd. zum Mhd.

PLURAL Nominativ

Zusammenfall Z

Formgleichheit aus dem

Formgleichheit aus dem

Akkusativ

zzum Ahd. hin

Indogermanischen ererbt

Indogermanischen ererbt

Dativ Genitiv Tabelle 14: Kasuszusammenfall beim definiten Artikel (bzw. Demonstrativpronomen, aus dem sich im Althochdeutschen der definite Artikel entwickelt hat)

Drei Fälle von Formgleichheit beim definiten Artikel sind aus dem Indogermanischen ererbt. Es handelt sich dabei immer um Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ. Im Neutrum ist der Singular wie der Plural betroffen, im Femininum sind die Formen nur im Plural gleich. Erst vom Germanischen zu Althochdeutschen fallen auch beim Maskulinum Plural Nominativ und Akkusativ zusammen. Im Althochdeutschen bahnt sich erstmals ein Synkretismus bei den anderen beiden Kasus an: Dativ und Genitiv beim Femininum Singular fallen bis zum Mittelhochdeutschen zusammen. Vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen schließlich werden Nominativ und Akkusativ beim Femininum Singular formgleich. Nicht nur das Entstehen, auch das Vergehen von Kasus lässt sich im Rahmen von Grammatikalisierungsprozessen beschreiben. So bezeichnet LEHMANN (1995,

72

Synkretismen aus historischer Sicht

13) die letzte der Grammatikalisierungsphasen als loss, als Verlust von phonologischer Substanz. Auch IGGESEN (2005) sieht den Verlust von Kasus hauptsächlich durch „the effects of phonological attrition“ (IGGESEN 2005, 3) begründet. Dem widersprechen die hier aufgearbeiteten Daten zum definiten Artikel: Keine der Formgleichheiten, die nicht schon seit dem Indogermanischen bestehen, ist durch einen zufälligen Formenzusammenfall aufgrund lautlicher Veränderungen entstanden. Alle drei Kasuszusammenfälle beim definiten Artikel, die seit dem Urgermanischen beschrieben worden sind, gehen darauf zurück, dass die Form des einen Kasus auf den anderen Kasus übertragen worden ist. Die Pfeile in den Tabellen zeigen, in welche Richtung dieser Prozess verlaufen ist. Es findet je einmal eine Übertragung vom Nominativ auf den Akkusativ (Maskulinum Plural), vom Akkusativ auf den Nominativ (Femininum Singular) und vom Dativ auf den Genitiv (Femininum Plural) statt. 3.2

STARK DEKLINIERTES ADJEKTIV

jv sA elin d tark S

Im Indogermanischen folgen Adjektive der Substantivdeklination (KRAHE / MEID 1969, 76). Im Germanischen wird der Formenbestand des Indogermanischen zu zwei verschiedenen Deklinationsarten, der starken und der schwachen Adjektivdeklination, aus- und umgebaut. Die starke Deklination hat ihre Basis in der vokalischen Substantivdeklination, hat aber im Germanischen etliche Endungen des Demonstrativpronomens übernommen (KRAHE / MEID 1969, 76). Deshalb werden im Folgenden sowohl Substantiv- wie auch die Demonstrativformen angeführt. Die untenstehende Tabelle zeigt nach Genera geordnet jeweils in der linken Spalte die indogermanischen Formen der vokalischen Substantivparadigmen, die auf dieser Sprachstufe ausschließlich für die (noch nicht geteilte) Adjektivdeklination verwendet werden. Bei den Maskulina und Neutra handelt es sich dabei um die indogermanische ŏ-Deklination, bei den Feminina um die ā-Deklination. Jeweils rechts sind die Formen des indogermanischen Demonstrativpronomens verzeichnet, aus welchem auch der definite Artikel hervorgegangen ist (s. o.). In grauer, kleinerer Schrift gehalten sind die Formen, die später − d. h. ab dem Urgermanischen − nicht mehr für die Adjektivdeklination verwendet (jeweils linke Spalte mit der Substantivdeklination) oder gar nie zur Verwendung kommen werden (jeweils rechte Spalte mit der Demonstrativdeklination). Schwarz und fett markiert sind dagegen jene Formen aus der Substantiv- und der Demonstrativdeklination, die später im Urgermanischen für die Adjektivdeklination Verwendung finden (vgl. BAMMESBERGER 1990, 223). Ebenfalls schwarz, aber von normaler Schriftstärke, sind die indogermanischen Demonstrativa, die in der folgenden Epoche für die Adjektivdeklination noch keine Rolle spielen, aber beim Übergang zum Althochdeutschen schließlich weitere Substantivformen in der Adjektivdeklination ersetzen (vgl. KRAHE / MEID 1969, 77 f.).

73

Stark dekliniertes Adjektiv

SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

SUBST.

DEM.

SUBST.

DEM.

SUBST.

DEM.

Nominativ

*-os

*so

*-om

*to-d

*-ā

*sā

Akkusativ

*-om

*to-m

*-om

*to-d

*-ām

*tā-m

*-ō

*to-sm-ē

*-ō

*to-sm-ē

*-ãi

*te-si̯ -āi

Dativ

(Instr.)

Genitiv

(Instr.)

*-eso *-oso

*te-so

*-eso *-oso

*te-so

*-ãs

*te-si̯ -ās

Nominativ

*-õs

*toi

*-ā

*tā

*-ãs

*tās

Akkusativ

*-ons

*to-ns

*-ā

*tā

*-ā-ns

*tās

Dativ

*-omis

*toi-mis

*-omis

*toi-mis

*-ā-mis

*toi-mis

*toi-s-ōm

*-ãm oder

*toi-s-ōm

PLURAL

(Instr.)

Genitiv

*-õm

(Instr.)

*toi-s-ōm

*-õm

*-õm

Tabelle 15: Kasuszusammenfall im Indogermanischen beim vokalischen Substantiv, welchem die Adjektivdeklination in dieser Epoche folgt, und beim Demonstrativum, das später für die Adjektivdeklination verwendet werden wird; nach KRAHE / MEID (1969, 9−13; 20−23; 61−66)

Im Indogermanischen sind sowohl bei den vokalischen Substantivparadigmen wie auch bei den Demonstrativpronomina im Neutrum Nominativ und Akkusativ (Singular und Plural) gleichlautend. Bei den Feminina Plural dagegen gilt dies nur für die (noch nicht in der Adjektivdeklination verwendeten) Demonstrativa, während sich bei der für die Adjektivdeklination verwendeten Substantivflexion der Akkusativ vom Nominativ unterscheidet. Für das Urgermanische gibt BAMMESBERGER (1990, 223) tentativ das untenstehende Paradigma an. Die Adjektivdeklination folgt jetzt nicht mehr ausschließlich der vokalischen Substantivdeklination, sondern setzt sich aus Formen beider Paradigmen zusammen. Wiederum wird der Herkunft der Formen aus dem Substantivparadigma oder aus dem Demonstrativparadigma durch die Darstellung in zwei Spalten Rechnung getragen. Maskulina und Neutra, die auf das Substantivparadigma zurückgehen, folgen der germanischen ă-Deklination (idg. ŏDeklination), Feminina der ō-Deklination (idg. ā-Deklination). Die Formen des Substantiv- und des Demonstrativparadigmas, die weder in dieser noch in den folgenden Epochen für die Adjektivdeklination verwendet werden, sind der Übersichtlichkeit halber nicht mehr eingetragen. Die Demonstrativa beim Nominativ Singular Maskulinum, beim Nominativ und Dativ Singular Femininum, beim Akkusativ Plural Maskulinum und beim Nominativ und Akkusativ Plural Neutrum und Femininum finden im Althochdeutschen bei der starken Adjektivdeklination

74

Synkretismen aus historischer Sicht

Verwendung, weshalb sie hier noch als volle Demonstrativa und nicht als Endung angeführt sowie grau markiert werden. SINGULAR

Maskulinum SUBST.

Nominativ

*-az

Neutrum

DEM. *sa n

Akkusativ

*-anō

Dativ

*-azmai

Genitiv

*-as(a)

SUBST. *-a

n

*-a

n

Femininum

DEM.

SUBST.

DEM.

*-at(-)

*-ō

*sō

*-at(a)

*-ō

n

*-azmai

*-ai

*-as(a)

*þezai

*-aizōz

PLURAL Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv

*-ai *-anz

*þanz

*-ō

*þō

*-ō̃z

*þōz

*-ō

*þō

*-ṓz

*þōz

n

*-aimiz

*-aimiz

*-aimiz

n

*-aizōn

*-aizō

*-aizō

Tabelle 16: Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Urgermanischen nach BAMMESBERGER (1990, 223 f.)

Aus dem Indogermanischen in das Urgermanische werden die einheitlichen Formen für Nominativ und Akkusativ der Neutra Singular (aus beiden Paradigmen) und Plural (aus der Substantivdeklination) vererbt. Unklar ist die Frage nach Formgleichheit beim Nominativ und Akkusativ Femininum Plural: BAMMESBERGER (1990, 223) gibt im Kapitel zum starken Adjektiv für beide Kasus die Form ōz an und markiert sie klar als substantivische Form. Im Kapitel zum entsprechenden Substantivparadigma aber unterscheidet BAMMESBERGER (1990, 101; 104 f.) für den Nominativ die „zirkumflektierte“ Form *-ō̃z von der „akutierten“ Form *-ṓz für den Akkusativ und schreibt explizit, dass die Unterscheidung erst in altgermanischen Einzelsprachen teilweise aufgegeben wurde (BAMMESBERGER 1990, 104). BAMMESBERGERS (1990) ausführlicheren Darstellung zum Substantivparadigma folgend werden die Formen als nicht übereinstimmend markiert. Nach wie vor formgleich sind Nominativ und Akkusativ der Demonstrativa Femininum und Neutrum Plural, die erst später für die Adjektivdeklination verwendet werden. Mehrere Veränderungen vollziehen sich vom Urgermanischen zum Althochdeutschen. Angeführt werden nur noch die Formen, die in der althochdeutschen starken Adjektivflexion verwendet werden:

75

Stark dekliniertes Adjektiv

SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

SUBST.

DEM.

SUBST.

DEM.

SUBST.

DEM.



-ēr



-aʒ



-iu

Akkusativ

-an



-aʒ

-a

Dativ

-emu

Nominativ

Genitiv

-es

-emu -es

-eru -era

PLURAL Nominativ

-e

-iu

-o

Akkusativ

-e

-iu

-o

Dativ

-ēm

-ēm

-ēm

Genitiv

-ero

-ero

-ero

Tabelle 17: Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Althochdeutschen nach KRAHE / MEID (1969, 77 f.)

Bei den Doppelformen im Nominativ und Akkusativ Singular Neutrum setzen sich die indogermanischen substantivischen Formen (idg. *-om > ahd. -Ø) und die Demonstrativformen (idg. *to-d > ahd. -aʒ), die auch schon im Urgermanischen parallel auftreten, weiter fort. Die Doppelformen im Nominativ Singular Maskulinum und Femininum werden nun zu dieser Epoche hin analog durch Übernahme des Demonstrativpronomens neu geschaffen (vgl. KRAHE / MEID (1969, 78).36 Des Weiteren wird beim Femininum Singular Dativ im Urgermanischen eine Form gebraucht, die auf das Substantivparadigma zurückgeht. Dies ist immer noch für das Gotische belegt, während das Paradigma zum Althochdeutschen wie zu den übrigen altgermanischen Sprachen hin die Endung des Demonstrativpronomens (idg. *te-si̯ -āi > urg. *þezai > ahd. deru) übernimmt (BAMMESBERGER 1990, 226). Beim stark flektierten Adjektiv unterscheidet sich die entsprechende Dativendung -eru im Althochdeutschen noch von der schon früher vom Demonstrativum übertragenen Genitivendung -era, während sich beim Demonstrativum selber aber bereits Zusammenfall dieser beiden Kasus abzeichnet (s. o.). Auch im Plural werden für das Urgermanische einige substantivische Formen angeführt, die im Althochdeutschen schließlich Formen aus dem pronominalen Paradigma aufweisen.37 Beim Neutrum wird mit dem Demonstrativum (idg. *tā > urg. *þō > ahd. -iu) eine Form übernommen, die wie die bisher gebrauchte sub36 37

Nach PAUL (2007, 200) handelt es sich im Althochdeutschen bereits bei allen Formen außer der endungslosen um pronominale Formen. Es würde hier zu weit führen genauer darzustellen, auf welche Art demonstrative Formen für substantivische eintreten konnten. Für KRAHE / MEID (1969, 78) stellen Pronominaladjektive den Ausgangspunkt dieser Entwicklung dar. Verschiedene Theorien bespricht BAMMESBERGER (1990, 226).

76

Synkretismen aus historischer Sicht

stantivische Form bereits seit dem Indogermanischen für Nominativ und Akkusativ identisch ist. Auch beim Femininum ist das übernommene Demonstrativum (idg. *tās > urg. *þōz > ahd. -o) seit dem Indogermanischen in Nominativ und Akkusativ formgleich. Hier ersetzen die pronominalen Endungen aber Formen, die bis dahin unterscheidbar waren. Beim Nominativ und Akkusativ Maskulinum Plural ist die Sache weniger klar: Beim Demonstrativpronomen wird vom Urgermanischen zum Althochdeutschen die entsprechende Nominativform auf den Akkusativ übertragen. Ob diese Übertragung beim Demonstrativum vor der Übernahme ins Adjektivparadigma passiert und für den Akkusativ schon die frühere Nominativform übernommen worden ist oder ob beim Adjektiv später eine analoge Übertragung stattgefunden hat, bleibt unklar. Ein zufälliger Zusammenfall durch verschiedene Lautveränderungen scheint aber ausgeschlossen. Im Althochdeutschen sind also jetzt auch Nominativ und Akkusativ im Maskulinum Plural zusammengefallen. Der Plural weist damit durchgehend Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ auf. Die hier dargestellten Formen des Mittelhochdeutschen gelten vor allem für oberdeutsche Quellen des späten 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (PAUL 2007, 201). SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

-Ø, -er

-Ø, -eʒ

-Ø, -iu, -e38

Akkusativ

-en

-Ø, -eʒ

-e

Dativ

-em(e)

-em(e)

-er(e)

Genitiv

-es

-es

-er(e)

Nominativ

-e

-iu

-e

Akkusativ

-e

-iu

-e

Dativ

-en

-en

-en

Genitiv

-er(e)

-er(e)

-er(e)

PLURAL

Tabelle 18: Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Mittelhochdeutschen nach PAUL (2007, 200 f.)

Neu zu beobachten ist Synkretismus von Dativ und Genitiv Femininum Singular. Beim Demonstrativum hat dieser Prozess durch die Verwendung der Dativform für Genitiv bereits im Althochdeutschen begonnen (s. o.). Ob sich beim stark deklinierten Adjektiv, das sich seit dem Althochdeutschen auch im Dativ der Demonstrativform bedient, der gleiche Prozess vollzogen hat, ist anhand der in der 38

Diese Form ist in der Tabelle von PAUL (2007, 200) nicht vermerkt, wird aber in den Ausführungen (PAUL 2007, 203) erwähnt.

77

Stark dekliniertes Adjektiv

vorliegenden Arbeit verwendeten Quellen nicht festzustellen. Es dürfte aber nicht unwahrscheinlich sein, dass sich der Zusammenfall analog zum Demonstrativum durch Formübertragung vollzogen hat. Für das oberdeutsche -iu im Nominativ Femininum Singular und im Nominativ und Akkusativ Neutrum Plural steht im Mitteldeutschen -e, und auch im Oberdeutschen findet sich für -iu schon -e, das bis Ende des 15. Jh. -iu verdrängt (PAUL 2007, 203) und damit zu einem weiteren Formenzusammenfall beim Nominativ und Akkusativ Femininum Singular führt. Auch im Neuhochdeutschen weisen Nominativ und Akkusativ Singular Maskulinum unterschiedliche Formen auf: SINGULAR

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

-er

-es

-e

Akkusativ

-en

-es

-e

Dativ

-em

-em

-er

Genitiv

-en

-es

-er

Nominativ

-e

-e

-e

Akkusativ

-e

-e

-e

Dativ

-en

-en

-en

Genitiv

-er

-er

-er

PLURAL

Tabelle 19: Kasuszusammenfall beim Adjektiv im Neuhochdeutschen

Die Veränderung seit dem Mittelhochdeutschen führt aber zu einer Formgleichheit von Akkusativ und Genitiv, während Nominativ wie Dativ deutlich differenzierende Markierungen tragen. Im Folgenden sind die zeitlichen Phasen des Zusammenfalls im Überblick dargestellt. SINGULAR

Maskulinum

Nominativ Akkusativ

Zusammenfall vom

Dativ Genitiv

Neutrum

Femininum

Formgleichheit aus dem

Zusammenfall im

Indogermanischen ererbt

Mhd. Zusammenfall vom

Mhd. zum Nhd.

Ahd. zum Mhd.

78

Synkretismen aus historischer Sicht

PLURAL

Maskulinum

Neutrum

Femininum

Nominativ

Zusammenfall zum

Formgleichheit aus dem

Formgleichheit aus dem

Akkusativ

Ahd. hin

Indogermanischen ererbt

Idg. Dem. ererbt

Dativ Genitiv Tabelle 20: Kasuszusammenfall bei der starken Adjektivdeklination

Im Indogermanischen folgt die starke Adjektivdeklination noch vollständig der vokalischen Substantivdeklination. Schon in jener Epoche sind Nominativ und Akkusativ Neutrum in beiden Numeri formgleich. Dies ändert sich auch nicht, als zunehmend Formen aus dem Demonstrativparadigma für die starke Adjektivdeklination verwendet werden, da das Demonstrativum ebenfalls seit dem Indogermanischen hier Formgleichheit aufweist. Mit der Übernahme der Demonstrativformen für Nominativ und Akkusativ Plural Femininum wird die aus der Substantivdeklination stammende Kasusunterscheidung preisgegeben. Die beim Demonstrativum bereits im Indogermanischen vorliegende Formgleichheit findet Eingang in das Adjektivparadigma. Unklarheiten bleiben bei Übernahme der Demonstrativformen im Nominativ und Akkusativ Maskulinum Plural vom Urgermanischen zum Althochdeutschen. Der Nominativ des Demonstrativums wird erst im Althochdeutschen auf den Akkusativ übertragen. Ob die Demonstrativformen samt Synkretismus in das Adjektivparadigma eingegangen sind oder ob dieses unterscheidende Formen übernommen und eine analoge Entwicklung durchgemacht hat, ist aufgrund der verwendeten Grammatiken nicht ersichtlich. Ein Formenzusammenfall aufgrund phonetischer Veränderungen scheint aber unwahrscheinlich. Für den Zusammenfall von Dativ und Genitiv Femininum Singular vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen, für welche seit dem Althochdeutschen (Dativ) bzw. schon seit dem Urgermanischen (Genitiv) die Demonstrativformen verwendet werden, wird hier analog zum Demonstrativum eine Kasusübertragung vermutet. Reiner phonetischer Verlust im Zuge der Nebensilbenabschwächung wäre aber ebenso denkbar. Deutlich um eine Formübertragung handelt es sich beim im Mittelhochdeutschen entstehenden Kasussynkretismus von Nominativ und Akkusativ Singular Femininum, wo die Akkusativform nach und nach für den Nominativ eintritt. Angeführt werden sowohl das vokalische Substantivparadigma, das im Indogermanischen noch ausschließlich für die Adjektivdeklination verwendet wird, wie auch das indogermanischen Demonstrativparadigma, aus welchem sich später der definite Artikel entwickelt und welches schließlich fast alle Formen des Adjektivparadigmas stellt. Beide zeigen schon im Indogermanischen Formengleichheit von Nominativ und Akkusativ Neutrum (in beiden Numeri), das Demonstrativparadigma ebensolche auch schon im Femininum Plural. Zumeist durch Form-

Stark dekliniertes Adjektiv

79

übertragung entstehen für Nominativ und Akkusativ bis ins Neuhochdeutsche Synkretismen in allen Positionen außer im Maskulinum Singular. Insbesondere (aber nicht nur) viele Schweizer Mundarten zeigen mit dem fortgeschrittenen Zusammenfall auch beim Maskulinum Singular die konsequente Fortsetzung dieses Prozesses. Der folgende erste Untersuchungsteil widmet sich nun diesem Zusammenfall mittels einer möglichst exakten Darstellung der arealen Verhältnisse des definiten Artikels im 19. und 20. Jahrhundert.

4

AREALE ENTWICKLUNG IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT

Jh 0 2 .d 9 1 m g u ick tw n realE A

Die Fragen nach dem wo und dem wann des Zusammenfalls einzelner Kasusformen lassen sich natürlich nicht trennen. Veränderungen finden immer an bestimmten Orten zu einer bestimmten Zeit statt. Bei der Untersuchung von sprachlichen Veränderungen stellt sich nun v. a. die Schwierigkeit, dass sich diese Prozesse weder räumlich noch zeitlich genau eingrenzen lassen. Meist erstrecken sie sich über Generationen. Allein diese Tatsache führt zu vielfältigen Problemen. Manchmal betreffen die Veränderungen nur einzelne Gesellschaftsschichten, manchmal nur bestimmte Register. Die Liste von unscharfen Eingrenzungsmöglichkeiten ließe sich wohl beliebig erweitern. Hier müssen sämtliche Faktoren außer dem räumlichen und dem zeitlichen unberücksichtigt bleiben. In Kapitel 3 wurde die Entwicklung von Kasussynkretismen über einen sehr langen Zeitraum grob umrissen. Kleinflächige Variation konnte bei Darstellung von Zeiträumen im Bereich von mehreren Jahrtausenden nicht berücksichtigt werden, da die entsprechenden Daten aufgrund fehlender Dokumentation nicht rekonstruiert werden können. In diesem Kapitel erfolgt die Annäherung an den Forschungsgegenstand über die Dialekte. Untersucht wird eine primär mündliche Sprachform, die v. a. von der breiten Bevölkerung gesprochen wurde bzw. gesprochen wird und von welcher über lange Zeit jeweils die möglichst älteste noch greifbare Form festgehalten wurde. Damit unterscheidet sich das untersuchte Sprachmaterial auch in dieser Hinsicht wesentlich von jenen Quellen, die dem historischen Abriss zugrunde liegen. Dialekte offenbaren nun auch die kleinräumigen Unterschiede im Hinblick auf Kasussynkretismen und − im Vergleich zum historischen Abriss − areal ziemlich gut abgrenzbare Veränderungen im Verlauf der letzten zweihundert Jahre. Die methodischen Voraussetzungen für die Darstellungen, welche in der vorliegenden Arbeit als Quelle verwendet werden, haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Unter Berücksichtigung von Zielsetzung, Erhebungsverfahren und Darstellungsmethode, welche stark vom forschungsgeschichtlichen und politischen Hintergrund der jeweiligen Veröffentlichungszeit abhängen, lassen sich die Quellen in fünf Gruppen gliedern. Eine dieser Gruppen wird für die vorliegende Untersuchung nicht verwendet, weil sie den methodischen Anforderungen nicht gerecht wird (vgl. Kapitel 4.1). Die anderen vier Gruppen bergen zwar teilweise ebenfalls größere methodische Probleme, lassen sich aber unter Vorbehalten auswerten. Diese vier Gruppen werden im Folgenden als erste bis vierte Zeitebene bezeichnet. Nach einem Abriss der forschungsgeschichtlichen Hintergründe in Abhängigkeit der Veröffentlichungszeit werden die methodischen Probleme und deren Konsequenzen für die vorliegende Auswertung umfassend besprochen.

82

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

4.1

FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE UND POLITISCHE HINTERGRÜNDE

ü H p eitld g n u rsch o F

Die allerersten Versuche einer grammatischen Beschäftigung mit Dialekten stehen in engem Zusammenhang mit dem Aufkommen der überregionalen Druckersprachen im 16. Jahrhundert. Das Interesse ist dabei immer normativ, Dialekt interessiert nur als mangelhafter Gegenpol zur noch zu definierenden ‚richtigen Sprache’. Bestenfalls können Dialekte als Wortlieferanten für die neue Einheitssprache dienlich sein. Mit zunehmender Ausbreitung dieser neuen Einheitssprache und der damit einhergehenden Verdrängung des Dialekts auch im Gesprochenen (zunächst im 16./17. Jahr im niederdeutschen Sprachgebiet) setzt ein antiquarisches Interesse am Dialekt ein. Es entstehen ab dem 18. Jahrhundert vielerlei Wörterbücher bzw. Idiotica zu etlichen Orten und Regionen im Sprachgebiet. Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich entwickelt sich mit dem einsetzenden Interesse an der Entstehung und Entwicklung von Sprache auch ein linguistisches Interesse an den Dialekten, das über das reine Festhalten von Wörtern und Wendungen hinausgeht. Dialekte werden als die natürlichere Form der Sprache angesehen gegenüber dem durch Übereinkunft der Gebildeten errungenen Schriftdeutschen und stellen damit den in jener Periode interessierenden Endpunkt der historischen Laut- und Formentwicklung dar. Vor diesem zeitgenössischen Hintergrund entstehen FRANZ JOSEPH STALDERS (1819) „Die Landessprachen der Schweiz“ und JOHANN ANDREAS SCHMELLERS (1821) „Die Mundarten Bayerns“, die gemeinhin als die eigentlichen Anfänge der wissenschaftlichen Dialektforschung angesehen werden.39 Mit dem Einsetzen dieses spezifischen Interesses am Dialekt Anfang des 19. Jahrhunderts entstehen dialektologische Arbeiten, mit deren Hilfe ein viel differenzierteres areales Bild der zunehmenden Kasussynkretismen nachgezeichnet werden kann. Insbesondere das erwähnte Werk von STALDER (1819) erweist hierbei als älteste für die vorliegende Arbeit herangezogene Darstellung gute Dienste. Es bildet die Basis für die erste Zeitebene. Unter dem Einfluss der junggrammatischen Hypothese, dass sich Lautverschiebungen unter gleichen Bedingungen immer gleich vollziehen (die sog. Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze), entstehen mit WINTELER (1876) und den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ (erschienen von 1910 bis 1941) lautlich und diachron orientierte Ortsgrammatiken zu Schweizer Dialekten, die neben wenigen anderen Veröffentlichungen zur Darstellung einer zweiten Zeitebene herangezogen werden. Dass alle Ortsgrammatiken die gleiche inhaltliche Struktur aufweisen, verdeutlicht die dahinterliegende Absicht, die Dialekte in ihrer arealen Verteilung zugänglich zu machen. Dieses Ziel wurde mittels Ortsgrammatiken aber nicht erreicht, die Bände decken nicht annähernd die ganze Schweiz ab.40

39 40

Dieser wissenschaftsgeschichtliche Abriss folgt LÖFFLER (2003, 12−21), der seinerseits auf die umfassende Darstellung von SOCIN (1888/1970) hinweist. Dies ist deutlich auf der entsprechenden Überblickskarte im SDS (I 10) ersichtlich.

Forschungsgeschichtliche und politische Hintergründe

83

Einen anderen methodischen Ansatz verfolgte GEORG WENKER, dessen Arbeit wie die Ortsgrammatiken ins 19. Jahrhundert zurückreicht und u. a. mit der Absicht entstanden ist, klare Dialektgrenzen herauszuarbeiten. Mit Hilfe eines Fragebogens (sog. Wenkersätze) sammelte er von 1876 bis 1887 dialektales Sprachmaterial in mehr als vierzigtausend Ortschaften des Deutschen Reiches. Diverse Nacherhebungen in deutschen Sprachgebieten außerhalb des Deutschen Reiches folgten. Sowohl die 1668 handgezeichneten, farbigen Karten des „Wenkeratlas“ (WA) als auch die 166 Karten des „Deutschen Sprachatlas“ (DSA), die beide auf den genannten Datenerhebungen beruhen, wurden ab 2001 unter dem Projektnamen „Digitaler Wenkeratlas“ (DiWA) im Internet zugänglich gemacht. Seit 2009 sind die Daten über das Nachfolgeprojekt „regionalsprache.de“ (REDE) auf der Applikation "SprachGIS" zugänglich.41 Die Wenkersätze fanden auch in der Schweiz Verwendung. In den 1910erJahren wurden sie für vom Phonogrammarchiv der Universität Zürich für Tonaufnahmen gebraucht, die aber in der Folge in Vergessenheit gerieten und erst 2002 wieder die Aufmerksamkeit von Forschern erlangten und veröffentlicht wurden (KAKHRO 2005, 156 f.). Von den schriftlichen Nacherhebungen, die später in den 1930er-Jahren stattfanden, sind 1768 Kopien im Deutschen Seminar der Universität Zürich ermittelt worden. Auch dieses Material wurde nicht inventarisiert, blieb vermutlich aufgrund von methodenkritischen Überlegungen lange unbeachtet (KAKHRO 2005, 157−159) und rückte ebenfalls erst wieder in diesem Jahrhundert in den Fokus der Forschung, wovon die zitierte Publikation von NADJA KAKRHO (2005) und die bislang ca. 700 Transkriptionen im Projekt „SynMod“ unter EL42 VIRA GLASER an der Universität Zürich zeugen. Die flächendeckende Darstellung der Dialekte in der Schweiz wurde schließlich mit dem „Sprachatlas der Deutschen Schweiz“ (SDS) in Angriff genommen. Während es sich beim DSA, dem Vorreiter solcher Werke, aber um einen Großraumatlas handelt, steht der SDS in der Tradition von Kleinraumatlanten. Die Begründer des SDS, RUDOLF HOTZENKÖCHERLE und HEINRICH BAUMGARTNER, waren BACHMANN-Schüler und selber Beiträger von Ortsgrammatiken der vorgestellten Reihe, sahen sich aber als Schüler und Kollegen von KARL JABERG und JAKOB JUD, die sich für den „Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz“ (AIS) verantwortlich zeichnen, auch der romanistischen Tradition verbunden. Dieser Umstand hat die beiden dazu veranlasst, „das überkommene Erbe stofflich wie methodisch von neuen Gesichtspunkten her zu durchdenken“ (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 5). Die einschlägigen Darstellungen des SDS ermöglichen hier die Darstellung einer dritten Zeitebene. Die Datenerhebungen fanden Mitte des 20. Jahrhunderts (1940−1958) statt. Nachdem die Erarbeitung von Ortsgrammatiken in der Tradition BACHMANNS mit WANNER (1941) ein Ende gefunden hat, erscheint 1948 mit der „Zürichdeut41 42

(besucht 4.7.2017). SynMod: Modellierung morpho-syntaktischer Raumbildung im Schweizerdeutschen (besucht 22.8.2017).

84

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

schen Grammatik. Ein Wegweiser zur guten Mundart“ von ALBERT WEBER (1948/1987) ein neuer Typ von Ortsgrammatik. Dem Untertitel entsprechend ist ihr Anliegen primär sprachpflegerisch und normativ. Die „Zürichdeutsche Grammatik“ bildet Band I der Reihe „Grammatiken und Wörterbücher des Schweizerdeutschen in allgemeinverständlicher Darstellung“, betreut vom „Verein Schweizerdeutsch“ (vormals „Bund Schwyzertütsch“), der sich der Dialektpflege verpflichtet hat. 1960 erscheint als Band II die „Luzerndeutsche Grammatik und Wegweiser zur guten Mundart“ (vgl. FISCHER 1960/1989 als Reprint-Ausgabe). 1962 folgt als Band IV das „Zuger Mundartbuch“ (BOSSARD 1962), das den „Wegweiser zur guten Mundart“ ebenso im Untertitel trägt. Die „BaseldeutschGrammatik“ (SUTER 1976/1992) stellt Band VI der Reihe dar. Alle Bände sind konzipiert als Mundart-Lehrmittel wie auch als Nachschlagewerk für interessierte Laien.43 Dies gilt ebenso für die Grammatik von CLAUSS (1969), die als „Jahresgabe“ der Kantonsbibliothek Uri erschienen ist. Diese neueren Grammatiken müssen im Rahmen des allgemeinen politischen Klimas der Geistigen Landesverteidigung44 gesehen werden, jener politischkulturelle Bewegung zur Stärkung der als immanent schweizerisch erachteten Werte und Besonderheiten − wozu insbesondere auch die Dialekte zählen −, die von den 1930ern bis in die 1960er aktiv betrieben worden ist und bis in die 1980er nachgewirkt hat.45 Dieser Hintergrund zeigt sich in der vielfältigen Unterstützung der Grammatiken durch die öffentliche Hand und durch private Organisationen wie „Pro Helvetia“. 1984 erscheint die „Zürichdeutsche Kurzgrammatik“ (siehe SCHOBINGER 1984/2007), die sich bezüglich der verwendeten Sprachdaten auf WEBERS Darstellung (WEBER 1948/1987) stützt. SCHOBINGER (1984/2007) zum Vorbild nimmt sich wiederum DAUWALDER (1992) mit „Haslitiitsch. Wie mma s seid und cha schriiben. Eine haslideutschte Kurzgrammatik“. Entsprechend dem Charakter ihrer Vorbilder sind auch diese Grammatiken stark normativ (und die Merkmale der eigenen Mundarten überbetondend46) ausgerichtet. Ebenso nach dem Vorbild der ersten Grammatiken von WEBER (1948/1987) und FISCHER (1960/1989), aber auch mit Ausrichtung auf standarddeutsche Grammatiken wie die Duden-Grammatik u. a. gibt MARTI (1985) eine Berndeutsch-Grammatik heraus. Sein Normbegriff hat sich − mit der zeitlichen Distanz zu den Vorgängern nicht unerwartet − zu Norm im Sinne einer Gebrauchsnorm verschoben (vgl. MARTI 1985, 6).

43 44 45 46

Die nicht zitierten Bänden der Reihe (III, V, VII−XV) sind Wörterbücher. Im Ursprung als Verteidigung v. a. gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland, später wiederbelebt im Rahmen des Kalten Krieges. Vgl. z. B. e-HLS: Artikel „Geistige Landesverteidigung“ vom 23.11.2006 (besucht 05.02.2013). So gibt z. B. DAUWALDER (1992, 18) ohne Einschränkung für den definiten Artikel Maskulinum Singular im Akkusativ die Form den an, obgleich schon im SDS (und durch meine Auszählungen des SADS (s. u.) für das zeitgenössische Haslideutsch bestätigt) die Form keineswegs ausschließlich, sondern neben der Nominativ-Form der auftritt.

Untersuchungsmaterial

85

Allen bisher besprochenen Grammatiken gemeinsam ist, dass sie − dem präskriptiven Interesse folgend − auf eigene systematische Datenerhebungen verzichten. Als Datenbasis dienen, in unterschiedlicher Gewichtung, die einschlägigen Bände der „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“, weitere Mundartdarstellungen wie Wörterbücher, die eigene Sprachkompetenz und gelegentlich gezielte Rückfragen bei Dialektsprechern. Die normative Zielsetzung und die entsprechend gewählte, nicht eigens erhobene, zeitlich und methodisch völlig uneinheitliche Datenbasis machen alle diese Darstellungen für die vorliegende Untersuchung unbrauchbar. Ebenfalls in die Zeit der neueren Grammatiken fällt die „Berndeutsche Syntax“ von HODLER (1969). Diese rein deskriptive Grammatik beschreibt das Berndeutsch des Berner Schriftstellers Jeremias Gotthelf auf der Grundlage seiner Texte und ist als Editions- und Interpretationshilfe angelegt (HODLER 1969, 5). Damit stellt sie für diese Arbeit ebenfalls keine nutzbare Datensammlung dar. Während sich die Linguistik im Allgemeinen schon länger für Syntax interessiert, tendiert das dialektologische Interesse ab den späten 1960er und frühen 1970er Jahren zunächst zu soziologischen Fragestellungen (vgl. z. B. WERLEN 1994, 49). Erst in den 1990er Jahren finden syntaktische Fragen vermehrt Eingang in die Dialektologie, und zwar interessanterweise v. a. von Seiten der Generativen Grammatik.47 Zur Jahrtausendwende folgt schließlich mit dem „Syntaktischen Atlas der Deutschen Schweiz“ (SADS), der als Ergänzung zum SDS konzipiert ist, die flächendeckende Untersuchung syntaktischer Fragestellungen auch in der Schweiz48. Die für den SADS erhobenen Daten werden im Rahmen dieser Arbeit für das gegenwärtige areallinguistische Bild des definiten Artikels Maskulinum Singular eigens ausgewertet und bilden die vierte Zeitebene. 4.2

UNTERSUCHUNGSMATERIAL

ail m g ch tersu n U

4.2.1 Dialektparabeln in STALDER (1819) Wie der Untertitel „Nebst der Gleichnißrede von dem verlorenen Sohne in allen Schweizermundarten“ angibt, beinhaltet STALDERS (1819) grammatische Darstellung „Die Landessprachen der Schweiz oder Schweizerische Dialektologie mit kritischen Sprachbemerkungen beleuchtet“ im Anhang die Parabel vom verlorenen Sohn aus dem Lukasevangelium (15, 11–32) in etlichen mundartlichen Ausprägungen.49 Die Transkripte sind außerordentlich wertvoll, weil sich mit ihrer 47

48 49

Vgl. z. B. WERLEN (1994), der verschiedene damals neuere generative Fragestellungen anhand Schweizerdeutscher Dialekte vorstellt, sowie rückblickend beispielsweise WEISS (2003, 21) oder SCHEUTZ (2005, 291−195), die eine Menge damaliger Arbeiten zitieren. In den 1990er Jahren werden beispielsweise für den „Sprachatlas von Niederbayern“ (SNiB) oder den „Sprachatlas von Mittelfranken“ (SMF) auch syntaktische Phänomene erhoben. Die Parabel des verlorenen Sohnes wird in etlichen europäischen Regionen zum Zweck des Sprach(stufen)vergleichs verwendet. Er lässt sich sich schon vorher in Frankreich und weit

86

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Hilfe ein erstaunlich detailliertes Bild der dialektalen Sprachlandschaft in der Schweiz zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeichnen lässt, das weit über die Ausführungen im Hauptteil des Buches hinausgeht. Insgesamt sind es 42 Versionen der Parabel für bestimmte Orte wie die „Stadt Bern“ oder mehr oder minder große Gebiete wie z. B. „Unterwaldner um Stans“ oder „Goms“. Abgesehen von den Parabeln zu „Luzern Stadt und nächste Umgebung“ und „Entlebuch“, die offensichtlich STALDER als dort Ansässiger selber aufgeschrieben hat, ist bei jeder Parabel die Person angegeben, die dem Autor die Mundartversion mitgeteilt hat. Die Korrespondenten sind oft Geistliche (Pfarrer, Pater, Kaplan), ansonsten Professoren, Schullehrer, Ärzte o. Ä. Darstellung In dieser Arbeit werden zahlreiche Sprachdaten, welche aus den Parabeln gewonnen wurden, in Form von Karten dargestellt. Wenn man sich die Angaben zum Geltungsbereich der jeweiligen Dialektparabeln anschaut, wird schnell klar, dass eine Flächendarstellung nicht in Frage kommt. Da die Dialekttexte jeweils exemplarischen Charakter haben, wird für jede Parabel exemplarisch ein Ortspunkt bestimmt. Dabei wird folgende Entscheidungsroutine verwendet: a) Wenn bei der Angabe der Dialektvariante eine Ortschaft genannt wird, wird diese für den Ortspunkt gewählt; z. B.: Kilchberg für die „Mundart in der Nähe der Stadt und um Kilchberg am See“, Ottenbach für „Ottenbach jenseits des Albis“, Bern für die „Mundart der Städter in Bern“ etc. Dieses Kriterium kann auf mehr als der Hälfte der Parabeln angewendet werden. b) Wenn die Dialektangabe keinen Ort, sondern einen Kanton oder eine Region benennt, wird − falls möglich − der Ort gewählt, an dem der Korrespondent arbeitet oder wohnt; z. B. Arth für den Kanton Schwyz wegen der Angabe „Doktor Zan zu Arth“, Muschels für das Freiburger Oberland aufgrund der Angabe „Notar Christian Marro zu Muschels“ etc. c) Für die neun Parabeln, denen nach den ersten beiden Kriterien kein Ortspunkt zugewiesen werden kann, wird ein größerer Ort im Gebiet gewählt, der − um der besseren Vergleichbarkeit willen − als Ortspunkt im SDS geführt ist.50

50

über Stalder (1819) hinaus in Italien, Deutschland, Bulgarien, Transilvanien, Belgien und den Niederlanden feststellen, siehe Gerritsen (2001, 1538). Die Zuweisung der Ortspunkte für die drei Parabeln aus dem Toggenburg hat sich als vertrackt (aber besonders bedeutsam) erwiesen. STALDER (1819, 316−321) unterscheidet die Mundarten von Ober-, Mittler- und Unter-Toggenburgern. Der Begriff Mittlertoggenburg ist aber nicht weit verbreitet und wird darüber hinaus uneinheitlich gebraucht. Üblich ist entweder die Zweiteilung in Ober- und Untertoggenburg, wo Wattwil als Scheide gilt, oder die Vierteilung nach den politischen Bezirken Ober-, Neu-, Alt- und Untertoggenburg von 1831 bis 2003, wie sie auch WIGET (1916, 1−7) darstellt und seiner synoptischen Karte der zeitgenössischen Sprachgrenzen (Beilage) zugrunde legt. Auf jene Karte wird mangels besserer Alternativen schließlich für die Bestimmung der Ortspunkte Bezug genommen, obwohl die Karte den Lautstand 100 Jahre nach STALDERS (1819) Datenaufnahme darstellt: Aus den drei Parabeln dient das Partizip gesagt als Kennwort. Im Ober-Toggenburgischen ist es als gseit

Untersuchungsmaterial

87

In Karte 1 sind die so bestimmten Ortspunkte für die Dialektparabeln in STAL51 DER (1819) tabellarisch und auf der Karte dargestellt (eine genaue Darstellung der Ortsangaben bei STALDER 1819 und des maßgeblichen Kriteriums für die Bestimmung des exemplarischen Ortes findet sich in Anhang 1). Im Folgenden wird auf einzelne Dialektparabeln mit der Angabe ‚Dipa Nummer-Kanton-Ort’ (z. B. Dipa 11-LU-Luzern)52 verwiesen. Methodische Anmerkungen Einige Faktoren der Datenerhebung und -darstellung sind aus heutiger Sicht methodisch problematisch und müssen bei der Interpretation berücksichtigt werden: STALDER (1819, VII) bezeichnet die Dialektparabeln als Übersetzungen. Er geht aber nicht darauf ein, welcher Text als Übersetzungsgrundlage gedient hat. STALDER (1819, 269 f.) führt im Anhang eine zeitgenössische Version der Parabel an, die − möglicherweise − diese Funktion übernommen hat. Denkbar ist aber beispielsweise auch, dass die Gewährspersonen jeweils einer eigenen Bibelausgabe gefolgt sind. STALDERS Standardversion ist überschrieben als „Wörtliche Uebersetzung ins Jtzdeutsch von ebendemselben“, d. h. von Prof. L. Füglistaller (vgl. STALDER 1819, 263), der für die wortwörtliche Übersetzung der Parabel aus der Evangelienharmonie des Tatian in St. Gallen53 verantwortlich ist. Leider bleibt wiederum unklar, ob die Übersetzung in das zeitgenössische Standarddeutsche der Evangelienharmonie von Tatian folgt (wie man aus der Gliederung im Anhang allenfalls schließen könnte). Trotz dieser Unzulänglichkeiten scheint mir STALDERS (1819) zeitgenössische Standardvariante tauglich als über den hochalemannischen Raum hinaus verständliches Tertium Comparationis und wird im Folgenden bei Bedarf dafür verwendet. Ein großes Problem liegt in der Auswahl der Korrespondenten bzw. Gewährspersonen: Nach STALDER (1819) sind die Dialektparabeln „verfaßt von Männern,

51 52 53

wiedergegeben, im Mittler- und Unter-Toggenburgischen als gsǟt, mit der Anmerkung, dass „die langen ǟ […] vom Unter-Toggenburger weniger breit, denn vom Mittler-Toggenburger, − beinahe wie ein dumpfes Doppel-ee ausgesprochen“ werden (STALDER 1819, 319). Nach WIGETS (1916) Karte verläuft die Grenze zwischen monophtongischem ǣ und diphthongischem єi (vgl. die Isoglosse 40 tsǣ/tsєi ‚zäh’) zwischen Lichtensteig und Dietfurt, so dass oberhalb der Isoglosse für das Ober-Toggenburgische als exemplarischer, auch im SDS verzeichneter, größerer Ort Ebnat-Kappel gewählt wird. Die Isoglosse 17 (mǣntig/mє̄ntig ‚Montag’; mǣtli/mє̄tli ‚Mädchen’) steht für die von STALDER (1819, 319) festgestellte Qualitätsdifferenz beim langen ǣ und verläuft von Nordwesten nach Südosten durchs Unter-Toggenburg, so dass als größerer Ort östlich der Grenze (und heute politisch nicht mehr zum Wahlkreis Toggenburg, sondern Wil gehörend) Flawil als exemplarischer Ort bestimmt wird. Für das Mittel-Toggenburgische kommt der westlich der Isoglosse im Alt-Toggenburg gelegene größere Ort Kirchberg zum Zug. (Anzumerken ist, dass beide für die Unterteilung verwendeten Isoglossen Teil von größeren dialektscheidenden Bündeln im Sprachgebiet sind und entsprechend valide als exemplarisch angewandte Grenzmerkmale). Indexiert nach der Reihenfolge ihrer Darstellung in STALDER (1819). Dipa steht für Dialektparabel. Stiftsbibliothek St. Gallen, Manuskript Nr. 56; vgl.: (besucht 30.9.2011).

88

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

die der örtlichen Sprachart wohl kundig sind“ und „geben getreulich den Dialekt jedes Ortes, […]“ (STALDER 1819, VII). Die Bedingungen dafür, als kundig zu gelten, werden nicht erläutert. Es bleibt auch unklar, ob die Männer sich selber als kompetent erachtet haben, die jeweilige Orts- bzw. Regionsmundart korrekt wiederzugeben und als Gewährspersonen wirkten, oder ob sie als Korrespondenten Ansässige als Gewährspersonen befragt haben. Auf jeden Fall zeichnen sich einige Personen für zwei, drei oder maximal sogar vier Gebietsdarstellungen verantwortlich. Karte 2 gibt einen grafischen Überblick über mehrfache Verantwortlichkeiten von Korrespondenten. Die folgende Tabelle zeigt einen kleinen Ausschnitt aus den Dialektproben vom Korrespondenten mit den meisten Verantwortlichkeiten: Zeitgenössisches Standarddeutsch54

Der jüngere derselben sprach zu dem Vater:

Vater gib mir den Theil des Gutes, der zu mir trifft.

Und der Vater hat ihnen das Gut getheilt.

St. Gallen Dipa 25-SGSt. Gallen

Und der jüngſt’ under enen hät zum Vater gsāt!

geh mer, Vater, das Thāl der Guötere, das mer ghört.

Do het er ene ’s Guet verthālt.

Ober-Toggenburg Dipa 26-SGEbnat-Kappel

Und der chlīnſt’ vonenä het züm Vater gſeit:

Vater gimmer gad mī Sach vo de Güeterä, ſ’ vil mer ghört.

Und er het enä’s Guet tthailt.

Mittler-Toggenburg Dipa 27-SGKirchberg

Und do het dä Chlīner vonenä züm Vater gſǟt:

Vater, gimmer der Thǟl vom Guot, ſo mir ghört.

Und er thǟlt inä das Guot.

Unter-Toggenburg Dipa 28-SGFlawil

Do het der Jünger zum Vater gſǟt:

Vater! gib mer mîn Thǟl Gut, was mir mag gwerde;

der Vater het ’s Gut tthǟlt und nietwederem Bub ſîn Thǟl gge.

Tabelle 21: Unterschiede bei Dialektproben vom gleichen Korrespondenten in STALDER (1819)

Zwischen den vier Textproben zeigen sich beachtliche Unterschiede. Als besonders auffallend können beispielsweise erwähnt werden: –

die Ausgestaltung des Subjekts im ersten Satz: Alle vier Nomina stellen substantivierte Adjektive dar, je zwei Mal abgeleitet von den Lexemen jung und klein, je zwei Mal im Komparativ und im Superlativ. Daraus entstehen vier unterschiedliche Phrasen:

54

Nach STALDER (1819, 269).

89

Untersuchungsmaterial

Basislexem: jung

Basislexem: klein

Komparativ:

der Jünger

dä Chlīner

Superlativ:

der jüngſt’

der chlīnſt

Tabelle 22: Beispiel Phrasenvarianten bei Dialektproben vom gleichen Korrespondenten in STALDER (1819)







Weder die Wahl des Lexems noch die Entscheidung für die jeweilige Komparationsstufe ist auf dialektale Einflüsse zurückzuführen. der Vokativ im zweiten Satz: In der ersten Textprobe ist er in den Satz eingebettet, in den übrigen drei Sätzen jeweils vorangestellt. Auffallend sind bei den vorangestellten Vokativen die verschiedenen orthografischen Realisationen: ohne Satzzeichen, mit Komma und mit Ausrufezeichen, die eindeutig nicht dialektal bedingt sind. das Objekt im zweiten Satz: Es fallen wieder zwei verschiedene Lexeme für den Kern der Phrase auf, nämlich drei Mal Thāl bzw. Thǟl ‚Teil’ gegenüber ein Mal Sach ‚Sache’. Es ist nicht anzunehmen, dass jeweils ortspezfisch nur der eine oder der andere Begriff verwendet werden kann. Dazu kommt eine Variation beim Genus von Thāl bzw. Thǟl, das einmal vom Standarddeutschen abweichend als Neutrum verwendet wird. Bei der Genusvariation könnte es sich eher um eine ortsspezifische Variante handelt. Schließlich variiert der Determinierer: zwei Mal wird der definite Artikel, zwei Mal das Possessivpronomen gebraucht. So entstehen wiederum vier unterschiedliche Phrasen: das Thāl, der Thǟl, mîn Thǟl, mī Sach. das Attribut zum Objekt im zweiten Satz: einmal mehr entstehen vier stilistisch unterschiedliche Varianten. In der ersten Dialektprobe findet ein Genitivattribut Verwendung, in der zweiten und dritten jeweils ein Präpositionalattribut, aber mit unterschiedlichem Numerus, in der vierten schließlich eine partitive Apposition ohne Kasusangleichung: das Thāl der Guötere, mī Sach vo de Güeterä, der Thǟl vom Guot, mîn Thǟl Gut. Hier sind darüber hinaus die unterschiedlichen Schreibungen des auslautenden Schwas in den ersten beiden Beispielen (Guötere, Güeterä) augenfällig.

Die Vielfalt in den Ausdrücken, die sich allein innerhalb dieses kurzen Teilstücks offenbart und die sicher nicht ausschließlich ortsspezifischen Besonderheiten geschuldet ist, lässt vermuten, dass der Korrespondent sich auf die Auskunft verschiedener Gewährspersonen stützt. Unabhängig davon, ob der Korrespondent sich auf Gewährspersonen gestützt oder die Dialektproben eigenständig verfasst hat, lässt sich der Kompetenzgrad des Urhebers nicht beurteilen. Aufgrund dieser Befunde ist es nur mit entsprechender Vorsicht bei der Interpretation zu verantworten, mit den Dialektparabeln als Datenbasis zu arbeiten. Die Schreibung ist im Großen und Ganzen einheitlich. Gedruckt sind die Parabeln in Frakturschrift. Entsprechend wird an- und inlautend das lange ſ verwendet. Die in Frakturschrift obligatorische tz-Ligatur wird hier mit tz wiedergegeben.

90

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Darüber hinaus bleibt die Schreibung nahe an der Standardschreibung. Deshalb ist zu beachten, dass sp und st auch inlautend als postalveolarer Frikativ mit Plosiv zu lesen sind. Des Weiteren sind auslautendes a und e außer in Walliser Mundarten als Schwa zu lesen (vgl. STALDER 1819, 272). Über die Bemerkungen des Autors hinaus gilt dies teilweise auch für inlautendes e, insbesondere beim definiten Artikel. Zur genaueren Markierung der Lautung werden zudem übergesetzte Diakritika verwendet, insbesondere Strich für Länge (neben Dehnungs-h). Diese Schreibung gibt die genaue Lautung natürlich nur unzureichend wieder. Sie reicht für gewöhnlich, um verschiedene Formtypen voneinander zu unterscheiden, birgt aber auch einige Probleme, z. B. bei der Unterscheidung zwischen Artikel und Demonstrativum (siehe unten). Schließlich ist auch deutlich auf die geringe Anzahl Belege je Parabel hinzuweisen. Aufgrund des vorgegebenen Textes sind definite Artikel im Nominativ Singular Maskulinum vor Konsonant am häufigsten belegt. In zwei der 42 Parabeln finden sich immerhin zwölf Belege, in der ertragsärmsten Parabel dagegen nur ein einziger Beleg. Die folgende Tabelle weist aus, wie viele Parabeln (zweite Zeile) die angegebene Anzahl von Belegen (erste Zeile) aufweisen: Nominativbelege

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

Mundartparabeln

0

1

3

6

5

0

6

8

2

6

1

2

2

Perzentile



90 %

76 %

64 %

Tabelle 23: Anzahl Mundartparabeln mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Nominativ Singular Maskulinum vor Konsonant

Die Werte lassen sich auch in Perzentilen ausdrücken, vgl. die stärkeren senkrechten Trennstriche: Für 90 % der Ortschaften (alle Ortschaften rechts des ersten markierten Trennstrichs) finden sich mindestens drei Belege, für immerhin drei Viertel (76 %) der Ortschaften (alle Ortschaften rechts des zweiten markierten Trennstrichs) mindestens vier Belege und für fast zwei Drittel der Ortschaften (64 %) sogar mindestens sechs Belege (alle Ortschaften rechts des 3. markierten Trennstrichs). Bei anderen Formen, z. B. dem für die Frage nach dem Zusammenfall ebenso interessierenden definiten Artikel im Akkusativ Singular Maskulinum sieht die Datenlage (in gleicher Darstellung) noch viel schlechter aus: Akkusativbelege

0

1

2

3

4

Mundartparabeln

21

9

9

2

1

Perzentile

50 %

7%

Tabelle 24: Anzahl Mundartparabeln mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Nominativ Singular Maskulinum vor Konsonant

Untersuchungsmaterial

91

Hier weist nur noch die Hälfte der 42 Ortschaften überhaupt einen Beleg auf. Gerade mal drei Ortschaften (7 %) warten mit mindestens drei (und höchstens vier Belegen) auf. Dessen ungeachtet zeichnen die Daten gerade für den Zusammenfall beim definiten Artikel ein erstaunlich klares areales Bild (s. u.). Areallinguistische Untersuchen zielen traditionell (auch) darauf ab, Dialektgrenzen zu konstituieren und suchen entsprechend nach genau definierten Isoglossen. In der vorliegenden Arbeit soll hingegen gezeigt werden, dass größere Gebiete der Schweiz dazumal offensichtlich Nominativ und Akkusativ unterschieden haben, wo heute klar Synkretismus zu finden ist. Natürlich wären genauere Kenntnisse der arealen Grenzen dieses Zusammenfalls auch für jene Zeit wünschenswert, aber ein Erkenntnisgewinn ist auch ohne die Kenntnis exakter Grenzen möglich. 4.2.2 Ältere Grammatiken von 1874−1941 Die Daten aus einer größeren Menge von Ortsgrammatiken und kleineren Darstellungen, die im letzten Viertel des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erarbeitet worden sind, bilden die zweite einigermaßen gut belegte Zeitebene. Im Folgenden werden diese grammatischen Darstellungen als „ältere Grammatiken“ bezeichnet. Die ältesten hier verwendeten Darstellungen stammen aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein nicht genannter Autor (im folgenden [ANONYMUS]) legt 1874 eine kurze Darstellung der Lautung und Morphologie des Dialekts im unteren Aargau vor. Die morphologischen Angaben sind kurz, prägnant und rein deskriptiv. Begründende Ausführungen fehlen. In die gleiche Zeit fällt JOST WIN55 TELERS (1876) umfassende und reichlich gewürdigte Darstellung der „Kerenzer Mundart im Kanton Glarus“. GUSTAV BINZ (1888) veröffentlicht ein paar Jahre später als Dissertation eine als erster Teil56 einer umfassenden Syntax zur Baselstädtischen Mundart angelegte Darstellung. Es handelt sich um eine kurz gehaltene Abhandlung der einzelnen Wortarten ohne nennenswerte diachrone oder synchrone Erklärungsansätze. Bis auf eine Ausnahme gehören alle weiteren zitierten Ortsgrammatiken zur Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ und sind zwischen 1910 und 1941 erschienen. Die Reihe wurde vom Zürcher Professor ALBERT BACHMANN herausgegeben, der sich u. a. auch als Redaktor des Schweizerischen Idiotikons und als Begründer des Phonogrammarchivs der Universität Zürich auszeichnet. Wie bei WINTELER (1876) handelt es sich um Mundartgrammatiken mit besonderer Berücksichtigung der Lautverhältnisse. Sie sind aufgebaut nach junggrammatischem System, d. h. mit Berücksichtigung der historischen Verhältnisse bis mindestens ins Althochdeutsche. Etliche Bände beinhalten auch einen mor55

56

Nach REIFFENSTEIN (1982, 25 f.) folgt die Darstellung in ihrer diachronischen Herleitung der Formen methodisch den Junggrammatikern, weist aber im Anspruch, die Formen in gegenseitiger Abhängigkeit zu beschreiben, bereits auf den Strukturalismus voraus. Die geplanten zwei Folgeteile wurden nicht realisiert.

92

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

phologischen Teil, ansonsten sind unter dem Kapitel „satztonische Doppelformen“ Paradigmen zu Personalpronomina, Demonstrativpronomina (inkl. definitem Artikel) und indefinitem Artikel zu finden. Viele der Arbeiten sind als Dissertationen verfasst worden. Mit JUTZ (1925) steht zudem eine Grammatik zur Verfügung, welche die für mein Thema besonders interessanten Mundarten der an die Schweiz angrenzenden Gebiete Vorarlberg und Liechtenstein in vergleichbarer Weise darstellt, da sich der Autor methodisch an den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ orientiert und diejenigen Grammatiken der angrenzenden schweizerischen Gebiete durchweg mit einbezieht. Eine chronologische Aufstellung der für diese Zeitebene verwendeten Ortsgrammatiken findet sich in Anhang 2. Darstellung Die Autoren geben im Allgemeinen genau an, für welches Gebiet die jeweilige Darstellung gilt. Insofern würde sich die Aufbereitung der Daten aus dem oben genannten Zeitraum in Flächenkarten durchaus anbieten.57 Es gibt aber Aspekte, die auch hier für eine Punktsymbolkarte sprechen. Hauptargument ist die optische Vergleichbarkeit der verschiedenen Zeitebenen. Dazu kommt eine große Divergenz hinsichtlich der Größe des Untersuchungsgebietes: Einige Grammatiken beschreiben explizit nur eine Ortschaft. Unter den Grammatiken mit größerem Beschreibungsgebiet gibt es solche, in denen sich der Autor entgegen der Ankündigung im Buchtitel auf ein kleineres Gebiet beschränkt. Andere Forscher und Forscherinnen schließlich haben keinen Aufwand gescheut und für ihr Beschreibungsgebiet in allen größeren und vielen kleineren Siedlungen Gewährspersonen befragt (s. u.). Gleichwohl ist aus diesen Grammatiken die genaue Verbreitung der einzelnen Formen oft nicht mehr zu eruieren. Aus diesen Gründen wird wiederum für jedes beschriebene Gebiet ein exemplarischer Ortspunkt gewählt, der auch im SDS erfasst ist. Im SDS sind die Belegorte nach Kantonen getrennt durchnummeriert, so dass für eine eindeutige Identifizierung jeweils Kanton und Nummer notwendig sind. Die Nomenklatur wird übernommen, die Ortschaft jeweils mitgenannt, so dass Belegorte für die älteren Grammatiken beispielsweise als Älgra AG-38Lenzburg58 wiedergegeben werden. Für die Bezeichnung der Belege zum an die Schweiz angrenzenden Südvorarlberg und zu Liechtenstein in JUTZ (1925) werden die Angaben LI für Liechtenstein und OE für Österreich verwendet; die Belegorte sind durchnummeriert. Es sind mehrere Belegorte gewählt worden, um den unterschiedlichen Angaben für das Haupttal (oberes Rheintal) und die wichtigsten Nebentäler (Walgau, Klostertal, Montafon) gerecht zu werden. Exemplarisch werden bestimmt: für Liechtenstein die Hauptstadt Älgra LI-1-Vaduz; für das obere Rheintal die größte Ortschaft Älgra OE-1-Feldkirch, und aufgrund von abwei57 58

Einen grafischen Überblick mit Flächendarstellung über die mittels der „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ erfassten Gebiete gibt der SDS (I 10). Älgra steht für ÄLtere GRAmmatiken.

Untersuchungsmaterial

93

chenden Daten für Feldkirch vom übrigen Rheintal auch der nördlichste Ort der Region, Älgra OE-2-Koblach (am Fuß des begrenzenden Kummenbergs); für den Walgau den größten, das Gebiet nach Osten begrenzenden Ort Älgra OE-3Bludenz; für das südöstlich des Walgaus gelegene Tal Montafon der Hauptort Älgra OE-4-Schruns und schließlich für das nach Bludenz nach Osten abgehende Klostertal der Hauptort Älgra OE-5-Klösterle. Bei BOHNENBERGER (1913), der die Walsermundarten nicht nur des Wallis, sondern auch sämtlicher Walsersiedlungen im Tessin, Graubünden und in Italien miterfasst, und dafür über 50 Ortschaften besucht hat (vgl. BOHNENBERGER 1913, XIII), werden für die von ihm angesetzten Großräume jeweils exemplarisch Orte gewählt, die möglichst sowohl von ihm besucht wie auch für den SDS erhoben worden sind. Großräume sind das untere Wallis (vertreten durch Älgra WS-1Salgesch), das obere Wallis (vertreten für den auch bei STALDER 1819 belegten Ort Münster durch den Nachbarort Älgra WS-33-Geschinen), das Lötschental (wie auch bei STALDER 1819 vertreten durch das größte Dorf WS-7-Blatten), der Süden (welcher WS-25-Simplon Dorf wie auch die in Italien gelegenen WalserSprachinseln sowie das tessinerische Bosco Gurin umfasst) sowie der Osten. Letzterer umfasst die östlichen Walsersiedlungen im Graubünden und Gebiete in Liechtenstein und Vorarlberg. Exemplarisch wird für jedes zusammenhängende östliche Walsergebiet der Schweiz eine Ortschaft bestimmt: Älgra GR-29Hinterrhein für das Gebiet um das Safiental und den Rheinwald, südöstlich davon Älgra GR-33-Avers für das entsprechende Gebiet und Älgra GR-24-DavosFrauenkirch als größter Ort für das Gebiet Davos/Klosters/Prättigau. Die beiden bündnerischen Walsersiedlungen Älgra GR-25-Obersaxen und Älgra-GR-32Mutten werden nicht nur von BOHNENBERGER (1913), sondern eigens in den Grammatiken von BRUN (1918) und HOTZENKÖCHERLE (1934) besprochen.59 Für die übrigen Grammatiken wird bei der Bestimmung der exemplarischen Orte folgende Entscheidungsroutine verwendet: a) Die Grammatik ist explizit für einen bestimmten Ort verfasst: dies ist bei Älgra BS-1-Basel (BINZ 1888), Älgra WS-13-Visperterminen (WIPF 1910), Älgra TG-13-Kesswil (ENDERLIN 1913), Älgra FR-14-Jaun (STUCKI 1917), Älgra GR-25-Obersaxen (BRUN 1918) und Älgra GR-32-Mutten (HOTZENKÖCHERLE 1934) der Fall. b) Der Autor gibt selber eine Eingrenzung an: Älgra GL-2-Obstalden steht für die Kerenzermundart, da sich der Autor auf seine eigenen Sprachkompetenzen beruft und sich explizit auf den (im SDS nicht geführten) Nachbarort Filzbach beruft (WINTELER 1876, IV). BAUMGARTNER (1922, 3) betont aufgrund seiner Herkunft und Arbeitsstelle, dass 10-BE-Biel für die Seeländer Mundart stets im Vordergrund stehe. Für das Zürcher Oberland gibt WEBER (1923, 10 f.) Steg und Sternenberg, zu denen im Rahmen seiner Arbeit exemplarisch auch Tonaufnahmen für das Phonogrammarchiv der Universität 59

Allfällige Abweichungen zwischen den jeweiligen Darstellungen werden an entsprechender Stelle diskutiert.

94

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Zürich gemacht worden und Mundartproben im Anhang wiedergegeben sind, als die ergiebigsten Ortschaften an. Der größere Ort, Älgra ZH-48-Steg, steht deshalb stellvertretend für die Dialektregion. Zum Kanton Schaffhausen setzt WANNER (1941, 4) Älgra 3-SH-Schleitheim als Norm aufgrund seiner eigenen Herkunft. WIGET (1916, 5) gibt für das Toggenburg Kirchberg als von ihm gewählte Norm der Appelativschreibung an, denen er nur die Flurnamen entgegensetzt. Da Älgra SG-1-Kirchberg darüber hinaus eine größere Ortschaft darstellt, dient dieses als exemplarischer Ortspunkt. c) Ansonsten wird der Haupt- oder allgemein ein größerer Ort der Region exemplarisch bestimmt. Dies ist der häufigste Fall: Für den unteren Aargau wird Älgra AG-38-Lenzburg als größerer Ort zwischen Aare und Reuss gewählt60 (so die Eingrenzung des Dialektgebiets durch [ANONYMUS] 1874, 171). Für das Entlebuch (SCHMID 1915) steht Älgra LU-30-Schüpfheim als Hauptort des Amtes. Für die Freiburger Mundart im Sense- und östlichen Seebezirk steht Düdingen als weitaus größter Ort (vgl. die zeitgenössische Liste der Einwohnerzahlen im Untersuchungsgebiet von HENZEN 1927, 8). Für das nichtwalserische Bündnerdeutsch in der Bündner Herrschaft kommt Älgra GR-3-Malans als zweitgrößter Ort zum Zug, da Maienfeld als größter Ort des Untersuchungsgebietes (vgl. die damaligen Ortsgrößen in MEINHERZ 1920, 8) und ausgewiesener Hauptort für die Datenerhebung im SDS nicht erfasst ist. Für Uri steht stellvertretend die Kantonshauptstadt Älgra UR-4Altdorf (zur damaligen Bevölkerungsverteilung vgl. CLAUSS 1929, 3). Für das Urserental steht wie bei STALDERS (1819) Dialektparabeln stellvertretend der einzige im SDS erfasste Ort dieses vom restlichen Kanton abgetrennten Tals, Älgra UR-11-Urseren (ABEGG 1913). Obwohl VETSCH (1910, 2) sich ausdrücklich als einheimischer Sprecher von Wald (AR) ausweist, betont er im gleichen Zug, dass er das ganze Kantonsgebiet (Appenzell Inner- und Ausserrhoden) aufgrund ausführlicher Befragungen berücksichtigt. Aufgrund seiner zentraleren Lage innerhalb der beiden Halbkantone dient der Hauptort des anderen Halbkantons AP-11-Appenzell (AI) als exemplarischer Ort für die Kartendarstellung. In Karte 3 sind die so bestimmten Ortspunkte für die älteren Grammatiken tabellarisch und kartografisch dargestellt. Methodische Anmerkungen Bei [ANONYMUS] (1874) gibt es keine Angaben darüber, auf wessen Sprachkompetenz sich die Angaben beziehen. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um den Heimatdialekt des Autors handelt. Dafür spricht auch die eher kleinräumige Begrenzung auf den unteren Aargau. Aber schon WINTELER (1876) legt ausführlich über methodische Belange Rechenschaft ab. Dazu gehört die deutliche Aussage, 60

Aarau als Kantonshauptort wird nicht berücksichtigt, weil es an der Aare und damit am Rande des umrissenen Gebietes liegt.

Untersuchungsmaterial

95

dass er sich auf seine eigene Sprachkompetenz beruft. Deshalb führt er auch seine eigene Sprachsituation (Eltern, Wohnsitze, persönliche Einschätzung seiner Kompetenzen) an und begrenzt den zu beschreibenden Dialektraum explizit auf seinen Herkunftsort und die umgebende Landschaft (WINTELER 1876, IV−VII). Ebenso geht BINZ (1888) von seiner eigenen Mundart aus. Er sieht seine Kompetenzen aufgrund von langem Aufenthalt andernorts aber in Frage gestellt und versucht diesem Mangel „durch aufmerksamen Umgang mit älteren, von der Schriftsprache weniger berührten Leuten“ (BINZ 1888, 2) abzuhelfen. Hier zeigt sich nun deutlich der auch in sämtlichen weiteren Grammatiken zu beobachtende Wunsch, eine möglichst reine Form des Dialektes zu beschreiben, die nicht von anderen Dialekten oder der Schriftsprache beeinflusst ist. So ist bei WIPF (1910, 1 f.) insbesondere die Abgeschiedenheit von Verkehrswegen und Tourismus mitentscheidend für die Wahl des Dorfes, das sie untersuchen will.61 Und ABEGG (1913, 2 f.) beklagt nicht nur die Anwesenheit von Nichteinheimischen aufgrund von Fremdenverkehr und Gotthardfestung, sondern auch, dass „sich die Ursener recht häufig ihre Frauen aus dem Unterland oder aus andern Kantonen [holen], was die Sprache der aufwachsenden Generation ungünstig beeinflussen muß“ (ABEGG 1913, 3). Keiner der Autoren lässt es sich nehmen, ausführlich zu erwähnen, welche Faktoren die jeweilige Mundart verderben. Lediglich MEINHERZ (1920) lobt die Bündner Herrschaft als vorzüglich geeignetes Gebiet, denn wir finden hier eine alteingesessene, gut bürgerliche Bauernbevölkerung, wenig Zugezogene, im Gegensatz zum St. Galler Oberland keinen Fremdenverkehr, mit Ausnahme von Malans auch keine Fabriktätigkeit, kurz, alle Umstände, welche die Erhaltung einer unverfälschten heimischen Mundart begünstigen. (MEINHERZ 1920, 9)

Bei den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ wie auch bei JUTZ (1925), der sich stark an dieser Reihe orientiert, ist die Befragung von (über mehrere Generationen) Ortsansässigen schließlich Standard. Die Forschenden haben dafür wochen- oder gar monatelange Aufenthalte an den entsprechenden Orten sowie teilweise stundenlange Fußmärsche und andere Beschwerlichkeiten auf sich genommen, um Erhebungen in jeder Ortschaft des Untersuchungsgebiets durchzuführen. Dies ist aus methodischer Sicht äußerst bemerkens- und begrüßenswert und verleiht den Daten eine große Validität. Der sprachkonservierende Anspruch der Forschenden führt dazu, dass zumeist ältere, meist aus der Landwirtschaft stammende und möglichst wenig gebildete Personen befragt werden. Ausnahmen bilden WIPF (1910, 3), die Einheimische jeden Alters befragt und „eine besondere Aufmerksamkeit auch auf diejenigen Wandlungen gerichtet [hat], welche sich gerade jetzt abspielen oder anbahnen“, oder ABEGG (1913, 3): „Ich hielt mich mit Vorliebe an die mittlere, kräftigste Generation, da ich in ihr den bestimmenden Träger einer Sprache erblicke“. Insgesamt können wir aber bei den Sprachdaten der älteren Grammatiken meist davon 61

Zum anderen ist aber auch der praktische Aspekt der Unterbringung während der ausführlichen Befragungen vor Ort für WIPF (1913, 1) ein entscheidendes Auswahlkriterium.

96

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

ausgehen, dass der Sprachstand um ein bis zwei Generationen älter als die Erscheinungszeit der Grammatik ist. Als ideale Form der Datenerhebung gilt in den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ das freie Gespräch. Dafür helfen die Autorinnen und Autoren zum Teil sogar bei alltäglichen Arbeiten (Haus, Wiese, Feld, Stall) mit. Ergänzend werden Wortlisten, Fragebögen und andere gezielte Abfragen verwendet, für welche sich die Forschenden aber durchweg rechtfertigen: „doch ließ ich dann, im vollen Bewußtsein der Gefährlichkeit dieses Vorgehens, keine Vorsichtsmaßregel außer acht“ (STUCKI 1917, 13). Im ersten Band der „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ findet sich eine Übersicht über die verwendete Lautschrift (VETSCH 1910, 10 f.), welche die nachfolgenden Bände kommentarlos, aber nicht immer ganz einheitlich62, übernehmen. Entsprechend der phonetischen Ausrichtung der Reihe werden insbesondere Vokale sehr differenziert dargestellt. Für die hier verfolgte Fragestellung ist die Genauigkeit der Transkription mehr als hinreichend. 4.2.3 Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS) und Vorarlberger Sprachatlas (VALTS) Mit dem „Sprachatlas der deutschen Schweiz“ (SDS) steht die erste areale Darstellung zur Verfügung, deren zu Grunde liegenden Daten systematisch und zu diesem Zweck erhoben worden sind. Ins Leben gerufen wurde der SDS 1935 von den beiden Sprachwissenschaftlern RUDOLF HOTZENKÖCHERLE und HEINRICH BAUMGARTNER. Bis 1939 erarbeiteten die beiden Forscher die methodischen Voraussetzungen sowie das Fragebuch, das in seiner Endfassung rund 2600 Fragen beinhaltet (vgl. HOTZENKÖCHERLE 1962b, 1−78). In erster Linie gelten diese Fragen dem Lexikon und der Phonetik. Ab 1939 wurden Probeerhebungen durchgeführt, die eigentlichen Erhebungen von 1940−1958 nahmen schließlich achtzehn Jahre in Anspruch. 1962 erschienen die Einführungsbände zur Methode (Band A, aus welchem die vorangehenden Angaben zitiert sind, vgl. HOTZENKÖCHERLE 1962a, VIII−14) inkl. Fragebuch, Transkriptionsschlüssel und Aufnahmeprotokollen (Band B) und der erste Kartenband, 1975 der im Folgenden verwendete dritte Band zur Morphologie, 2003 schließlich der Abschlussband. Der „Vorarlberger Sprachatlas“ (VALTS) entspricht in seiner Anlage dem SDS. Sein Begründer EUGEN GABRIEL wurde 1963 von RUDOLF HOTZENKÖCHERLE in die Methodik von Kleinraumatlanten eingewiesen und 1964 im Rahmen von Lehraufnahmen praktisch geschult (KÖNIG / SCHRAMBKE 1999, 91). Von 1964−1977 wurden von EUGEN GABRIEL und anderen Exploratoren Aufnahmen in Vorarlberg und Liechtenstein, dann auch im Allgäu, im angrenzenden Tirol, im italienischen Südtirol und in Samnaun (Schweiz) durchgeführt. Von 1982−1984 fanden Nacherhebungen statt. So wurden insgesamt 196 Orte erfasst, davon 86 in 62

Vgl. HOTZENKÖCHERLE (1962a, 86), der auch die Transkriptionssysteme der „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ und des SDS vergleicht.

Untersuchungsmaterial

97

Vorarlberg und elf in Liechtenstein. Von 1985 bis 2006 wurden die Ergebnisse publiziert.63 Wie der SDS beinhaltet der VALTS nicht nur phonetische und wortgeografische Auswertungen, sondern auch einen Morphologieteil. Mit der Karte zur Form von Nominativ und Akkusativ bei definitem Artikel Maskulinum Singular steht uns also erfreulicherweise das besonders interessante, östlich an die Schweiz angrenzende Übergangsgebiet ebenfalls kartiert zur Verfügung.64 Zwar ist auch das nördlich angrenzende Sprachgebiet mit dem „Südwestdeutschen Sprachatlas“ (SSA) in gleicher Tradition aufgearbeitet worden. Leider beschränkt sich der morphologische Teil im substantivischen Bereich auf drei Karten zur Substantivflexion, die Daten zu anderen Wortarten, insbesondere also auch zum besonders interessanten definiten Artikel, sind nicht aufbereitet. Ebenso ist der „Atlas linguistique et ethnographique de l’Alsace“ (ALA) methodisch vom SDS beeinflusst und bearbeitet mit dem Elsass ein Gebiet, das besonders interessant wäre, weil sich der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ hier weit nach Norden fortsetzt (vgl. die frühen Anmerkungen von HILDEBRAND 1869 zum sog. rheinischen Akkusativ). Leider sind im ALA bisher keine morphologischen Karten erschienen. Zwar weicht der „Wenkeratlas“ (WA) zeitlich (erhoben 1887) wie methodisch (Beschränkung auf einen Fragebogen, keine Berücksichtigung von soziologischen Daten) von den Kleinraumatlanten ab, trotzdem ergänzen die Karten mit Nominativformen des definiten Artikels vor Konsonant (Karten 41 und 356 und 529) und Akkusativformen des definiten Artikels nach Präposition (Karte 29: in den) das hier gezeichnete Bild in Richtung Norden. Darstellung Im SDS und im VALTS werden die hier benötigten Daten auf Punktsymbolkarten ausgewiesen. Zur besseren grafischen Vergleichbarkeit mit den anderen Zeitebenen werden die entsprechenden Daten unverändert in den hier verwendeten Kartentyp übertragen. Die Nummerierung der Ortspunkte wird ebenso übernommen und durch SDS Kanton-Nummer-Ort bzw. VALTS Region-Nummer-Ort65 wiedergegeben. Methodische Anmerkungen Die methodischen Probleme, welche die Begründer des SDS zu bewältigen hatten, werden von diesen in den Einführungsbänden im Detail ausgeführt. Im Vergleich 63

64

65

Die Informationen zum VALTS stammen (bis auf das letzte Publikationsjahr) aus KÖNIG / SCHRAMBKE (1999, 91−102), die beide am VALTS beteiligt waren. Für eine ausführlichere Darstellung vgl. GABRIEL (1985). Für die Schweizer Belegorte (außer Samnaun) übernimmt GABRIEL (1985) die Daten des SDS, für die deutschen Belegorte 17 Aufnahmen des „Südwestdeutschen Sprachatlas“ (SSA), vgl. KÖNIG / SCHRAMBKE (1999, 99/102). Regionen sind in Österreich: V=Vorarlberg, T=Tirol; in Deutschland: W=Württemberg, A=Allgäu.

98

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

zu den Daten aus STALDER (1819) und jenen aus den älteren Grammatiken sind für meine Belange weniger Probleme zu diskutieren als vielmehr − um der Vergleichbarkeit willen − einige Anmerkungen zur Gewinnung der Daten zu machen. Rund 1 500 Gewährspersonen (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 120) wurden für die Darstellung von 573 vollständig aufgenommenen Ortspunkten (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 86) befragt. Sowohl die Suche und Auswahl von Gewährspersonen wie auch deren Befragung und die Transkription der Antworten wurde hauptsächlich von drei Exploratoren gemeistert (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 112). Wie bei den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ dominiert auch hier die sprachkonservierende Perspektive, was HOTZENKÖCHERLE (1962a) explizit ausformuliert: Ein Sprachatlas soll in erster Linie die sprachgeographische Struktur seines Gebiets zur Darstellung bringen; diese ist in der ältern bodenständigen Mundart schärfer ausgeprägt als in der jüngern, in der Sprache der noch mehr oder weniger geschlossenen ländlichen Bevölkerung besser aufgehoben als in derjenigen der offenen städtischen Bevölkerungsagglomerate. (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 120)

Davon leitet sich die Auswahl der Gewährspersonen ab. Auch hier sind in erster Linie Gewährspersonen aus dem ortsverwurzelten Bauernstand erwünscht. Einzig in Städten wird auf die Repräsentation verschiedener Schichten Wert gelegt. Auch die Altersstruktur der Gewährspersonen weist „eine deutlich archaisierende Tendenz“ auf. Die Mehrzahl der Gewährsleute ist zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 51 und 80 Jahren alt, etwa ein Viertel liegt darunter, nur ein geringer Prozentsatz darüber (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 121). Wie bei den älteren Grammatiken können wir also auch hier von einem um einiges älteren Sprachstand ausgehen. Die Befragung folgt dem nach Sachgruppen geordneten Fragebuch nach der sog. „gesprächsnahe[n] Abfragemethode“ (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 127). Die Begriffe sollen spontan genannt werden, nach Möglichkeit durch Zeigen auf das entsprechende Objekt oder durch umschreibende Fragen. HOTZENKÖCHERLE (1962a) beschreibt die Befragung auch als „Frage-und-Antwort-Spiel in realen, konkreten Situationen“ (HOTZENKÖCHERLE 1962a, 20). In dieser Hinsicht stehen die gewonnenen Daten denjenigen in den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ ziemlich nahe, während sie sich von den Dialektparabeln bei STALDER (1819) deutlich abheben. Natürlich ist bei einem Projekt wie dem SDS auch die Transkription klar geregelt (vgl. den Transkriptionsschlüssel in HOTZENKÖCHERLE 1962b, 79−95). Die phonetische Grundausrichtung des SDS verlangt nach einem äußerst differenzierten Transkriptionssystem. Mit kleineren Anpassungen für die Anwendung im schweizerdeutschen Sprachraum wird als Lautschrift Teuthonista verwendet (vgl. KÖNIG / SCHRAMBKE 1999, 63). Für morphologische Karten wie z. B. Artikelformen werden die vielfältigen phonologischen Varianten aber zu Typen zusammengefasst.

Untersuchungsmaterial

99

Die methodischen Ausführungen zum SDS gelten gleichermaßen für den VALTS. EUGEN GABRIEL hat mit Hinweis auf den SDS auf eine ausführlichere Darstellung der methodischen Grundlagen verzichtet (GABRIEL 1985, 5). 4.2.4 Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Unter der Leitung von ELVIRA GLASER entsteht in Zürich seit dem 01.01.2000 der „Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz“ (SADS). Die Erhebungsphase wurde am 31.01.2006 abgeschlossen.66 Etliche Publikationen zu einzelnen der abgefragten Phänomene sind bereits erschienen.67 Darstellung Im SADS wird nicht gezielt nach dem hier interessierenden Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ (insbesondere Singular Maskulinum beim definiten Artikel, aber auch bei Demonstrativa, Adjektiven und indefinitem Artikel) gefragt. Die entsprechenden Daten zum definiten Artikel Singular Maskulinum wurden von mir aus verschiedenen Fragen zusammengetragen und werden wie die anderen Ergebnisse hier mittels Punktsymbolkarten dargestellt. Explizite Fragen zum Akkusativ gibt es für das Interrogativpronomen wen oder den vom Standarddeutschen abweichenden Akkusativgebrauch bei prädikativen Personalpronomina. Die Ergebnisse dazu werden von Forschenden in Zürich aufbereitet. Methodische Anmerkungen Wie dem SDS liegt auch dem SADS mit 383 Orten ein dichtes Ortsnetz zugrunde. Anders als beim SDS fanden die Befragungen aber schriftlich mittels vier Fragebogen statt, welche die Gewährspersonen im Abstand von zwei bis sechs Monaten per Post zugestellt bekommen haben. Für 370 Orte liegen nun mindestens fünf vollständig ausgefüllte Serien (1.−4. Fragebogen) vor. Insgesamt haben 2 770 Gewährspersonen alle vier Fragebogen vollständig ausgefüllt, von 420 Personen gibt es unvollständige Serien, die aber ebenfalls berücksichtigt werden. Die Gewährspersonen sind wiederum mindestens in der zweiten Generation ortsfest. Da aber im Gegensatz zu den langen Wortlisten im SDS keine spezifische Sachkompetenz gefragt war, wurde angestrebt, Personen mit verschiedenen Sozialprofilen zu befragen. Ebenso sind auch alle Altersgruppen vertreten, wobei drei Viertel der Gewährspersonen zwischen 1930 und 1980 geboren sind, die übrigen größtenteils vorher und nur wenige nachher. In diesem Sinne gibt der SADS den zeitgenössischen Sprachstand besser wieder als die älteren Untersuchungen.

66 67

Wo nicht anders angemerkt, stammen die folgenden Ausführungen zum SADS aus BUCHELI BERGER (2008). Für die Publikationsliste vgl. die Homepage des SADS: (besucht 21.01.2013).

100

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Die vier Fragebogen umfassen 118 Fragen zu 54 syntaktischen und morphosyntaktischen Phänomenen. Die Fragen setzen sich aus Übersetzungs-, Ergänzungsund Bewertungsfragen zusammen. Auch bei letzteren gibt es immer die Möglichkeit, eigene Dialektvarianten anzugeben. Die Gewährspersonen notierten die Antworten selbst ohne Verschriftungsanleitung. Außer für einige morphosyntaktische Fragestellungen ist diese Notation für das Syntaxprojekt ausreichend, wie eine stichprobenartige Überprüfung gezeigt hat. 4.2.4.1 Auswertung: Definiter Artikel vor Konsonant Nachdem das Projekt kurz umrissen worden ist, betreffen die folgenden Anmerkungen die für diese Arbeit durchgeführte Auswertung der Daten im Hinblick auf den definiten Artikel Maskulinum Singular im Nominativ und Akkusativ vor Konsonant. Hier werden die Probleme und Lösungen beschrieben, die sich bei der Auszählung der Formen ergeben. Die angestrebte Kartierung beinhaltet ihrer Natur nach auch eine Reihe von Entscheidungen und Interpretationen. Dafür sind gewisse Kenntnisse des Gegenstandes notwendig. Konkret wird hier auf die Erkenntnisse der vorangehenden Ebenen zurückzugreifen sein. Deshalb erfolgt die Darstellung der Interpretationsprobleme und der für die Darstellung getroffenen Entscheidungen im folgenden Kapitel. Von den 118 Fragen gibt es zehn Fragen, die gehäuft Belege für Nominativ und Akkusativ vor Konsonant erwarten lassen und deshalb ausgezählt worden sind (vgl. Anhang 3). Drei der Fragen (1-3, 2-3 und 3-10)68 sind vom Typ Übersetzungsfrage und evozieren hauptsächlich Akkusativbelege. Der Vorteil dieser Fragen ist, dass sie sehr viele Belege liefern, da beinahe jede Gewährsperson die eigene Dialektvariante notiert. Bei Frage 1-3 (Oh, ich habe den Fritz kommen hören…) gibt es v. a. in jenen Gebieten keine Artikel-Belege, die Eigennamen artikellos gebrauchen (mehr dazu vgl. SDS III, 141). Häufig wird die AcIKonstruktion aufgelöst. Wird stattdessen eine Konstruktion mit hören (etwa: ‚Ich habe den Fritz gehört’)69 gebildet, ergibt sich dennoch ein Akkusativbeleg. Oft wird die Konstruktion aber auch auf eine intransitive Konstruktion mit kommen (etwa: ‚Der Fritz kommt’) reduziert, so dass die Frage ebenso zahlreiche Nominativbelege beiträgt. Frage 2-3 (Er lässt den Schreiner kommen) wird fast durchgehend wortwörtlich übersetzt (mit oder ohne Reduplikation von lassen). Bei Frage 3-10 (Wenn sie dich erwischen, bekommst du den Fahrausweis entzogen!) gibt es zahlreiche verschiedene Varianten, da viele Gewährspersonen das im Zentrum der Frage stehende Rezipientenpassiv nicht akzeptieren und deshalb in der Mundart andere syntaktische Konstruktionen (oft mit ‚(weg)nehmen’ oder 68 69

Die erste Ziffer bezeichnet den Fragebogen, die zweite Ziffer die Frage. In einfachen Anführungszeichen stehen die standarddeutschen Entsprechungen der unterschiedlichen dialektalen Ausprägungen eines Wortes oder einer größeren sprachlichen Einheit.

Untersuchungsmaterial

101

‚entziehen’) wählen. Ein besonderes Problem gibt es bei 27 ‚(weg)nehmen’Konstruktionen der Art ‚… nehmen sie dir den Ausweis weg’ sowie einer weiteren analogen Variante im Passiv, da die Gewährspersonen entweder das Personalpronomen oder den Artikel nicht realisieren. Problematisch ist, dass die Mundartvarianten für das Personalpronomen und den definiten Artikel zahlreiche formale Überschneidungen aufweisen und deshalb nicht genau bestimmt werden kann, ob das realisierte Wort wirklich dem definiten Artikel entspricht. Dass dieser durchaus auch vergessen werden kann, zeigen immerhin zehn Belege, bei denen der Artikel eindeutig nachgetragen worden ist. Bei drei Belegen ist dagegen offensichtlich das Personalpronomen hineinkorrigiert worden. Während die Konstruktionen mit unmissverständlichen Nachtragungen ganz normal ausgewertet werden, sind die Belege mit fehlendem Wort nicht berücksichtigt. Darüber hinaus finden sich auch zu dieser Frage zahlreiche Nominativ-Belege aufgrund von Patienspassiv-Konstruktionen (‚entzogen werden’). Schließlich gibt es bei dieser Frage zahlreiche Belege für den Artikel vor Vokal, da der Fahrausweis häufig zum ‚Ausweis’ wird. Bei den übrigen ausgewerteten Fragen handelt es sich durchgehend um sog. Bewertungsfragen. Dies bedeutet, dass die Gewährspersonen zwei bis vier dialektale Sätze danach bewerten, ob man sie so im Dialekt sagen kann, und abschließend bei Bedarf noch eigene weitere Varianten angeben können. Insgesamt gibt es drei verschiedene Fragebögen mit leichten regionalen Anpassungen bei den Vorgaben. Beim definiten Artikel steht je nach Fragebogen de (allgemeiner Fragebogen), dr (Berner Fragebogen) oder där (Walliser Fragebogen) in den vorgegebenen dialektalen Sätzen. Längst nicht alle Gewährspersonen stören sich an einer von ihrem Dialekt abweichenden Artikelform in den vorgegebenen Sätzen. Das zeigt schon ein schneller Blick in die Daten. Deshalb werden nur die ergänzend angeführten Varianten sowie explizit angebrachte Korrekturen an den vorgegebenen Sätzen ausgewertet, welche die Gewährspersonen spontan vornehmen. Dies hat zur Folge, dass aus diesen Fragen weitaus weniger Belege hervorgehen als aus den Übersetzungsfragen. Je nach Frage sind dies rund 300 bis 1 300 Belege. Aus methodischer Sicht ist zu prüfen, inwieweit sich die Gewährspersonen allenfalls von der im Fragebogen vorgegebenen Artikel-Variante beeinflussen lassen. Einfluss ist in zwei Richtungen denkbar: Zum einen stellt sich die Frage, ob Gewährspersonen die Fragebogenform übernehmen, obwohl sie ohne diesen Einfluss den anderen Artikeltyp verwenden würden. Die Auszählung der Formen gibt keinen Hinweis darauf, dass eine ortsfremde Form häufiger auftritt, wenn die ortsübliche Form nicht mit der vorgegebenen Form übereinstimmt. Zum anderen ist zu erwarten, dass Ortschaften insgesamt mehr Belege aufweisen, wenn die Fragebogenform von der Ortsform abweicht, weil der ortsfremde Artikel zur Korrektur anregt. Dies bleibt methodisch ohne Folge, wenn in der Ortschaft nur ein Artikeltyp belegt ist. Handelt es sich dagegen um einen Übergangsort, so werden die Verhältnisse zwischen den Typen verzerrt, weil diejenigen Personen, die den vorgegebenen Typ verwenden, natürlich nicht angeregt werden, eine Variante anzugeben. Es ist nicht möglich auszuzählen, wie oft der ortsfremde Artikel einen korrigierenden Beleg evoziert bzw. wie oft die Gewähr-

102

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

person aus einem anderen Grund eine Variante anfügt. Aber die folgenden quantitativen Beobachtungen geben immerhin einen Hinweis darauf, wie viel Gewicht diesem Phänomen beizumessen ist: Bei drei Fragen zeigt jeweils etwa die Hälfte der Belege einen vom Fragebogen abweichenden Typ. Die andere Hälfte der Belege ist dementsprechend sicher nicht durch die Vorgabe des Artikels im Fragebogen motiviert: Frage 2-10 (Vorgaben: Aber du häsch doch vil de schöner Garte! u. ä.) ruft etliche Varianten mit Possessivum oder indefinitem statt definitem Artikel hervor. Belege mit definitem Artikel gibt es rund 650. Diese unterscheiden sich in der Tat hauptsächlich durch phonetische, gelegentlich auch lexikalische Varianten von den Vorgaben. Frage 232 (Vorgaben: Ich han de Fritz gsee u. ä.) evoziert etwas weniger als tausend Belege, die fast ausschließlich phonetische Varianten darstellen. Neben dem Artikel sind es insbesondere das Personalpronomen (im allgemeinen Fragebogen ich, das oft durch i oder ig ersetzt wird) und das Verb (im allgemeinen Fragebogen han, das häufig ohne n ausgesprochen wird), die Varianten triggern. Auch Frage 4-12 (Vorgaben: Gang no go spile, bis de Vatter chunnt u. ä.) ruft etwas weniger als 600 hauptsächlich phonetische, teils lexikalische Varianten (insbesondere für ‚Vater’ und ‚spielen’) hervor. Für Regionen, die das Lexem Ätti für Vater vorziehen, gibt es zudem gehäuft Belege für den Artikel vor Vokal. Bei zwei Fragen weicht nur rund ein Drittel der belegten Artikel vom Fragebogentyp ab. Bei beiden Fragen stören sich die Gewährspersonen nicht nur an phonetischen, sondern auch an morphologischen und syntaktischen Eigenschaften der Vorgaben. Zu Frage 2-18 (Vorgaben: Das isch de Maa, won em geschter de Wääg zeigt han u. ä.) gibt es knapp tausend Artikelbelege, die abgesehen von phonetischen Varianten zumeist entweder eine abweichende Verbstellung im Nebensatz (Hilfsverb vor Vollverb) oder syntaktische Vereinfachung (der Art ‚Dem (Mann) habe ich gestern den Weg gezeigt’) aufweisen. Nur der Determinierer zu ‚Weg’ wird berücksichtigt, da der Determinierer zu ‚Mann’ nicht nur als Artikel, sondern auch demonstrativ interpretiert wird (s. u.). Frage 4-26 (Vorgaben: Wem häsch gsäit dass im de Pfarrer ghulfe hät? u. ä.) ist mit rund 1 300 Belegen diejenige Bewertungsfrage, die am meisten Datenmaterial liefert. Neben den üblichen Aussprachevarianten ist es wiederum die Verbstellung im Nebensatz, die häufig korrigiert wird. Andere Varianten ersetzten den Indikativ im Nebensatz durch einen Konjunktiv der indirekten Rede. Auch Varianten mit uneingeleitetem Nebensatz werden gelegentlich notiert. Lediglich rund ein Viertel vom Typ des Fragebogen abweichende Artikel finden sich bei Frage 3-26 (Vorgabe: De Kevin bechunnt grad d Haar gwäsche u. ä.). Wie bei Frage 3-10 stößt das Rezipientenpassiv auf starken Widerstand. Die allermeisten Gewährspersonen bilden eine eigene Variante mit Patienspassiv, so dass die Phrase mit dem definiten Artikel zur Dativphrase wird: ‚Dem Kevin werden gerade die Haare gewaschen’. Nominativbelege gibt es lediglich gut 300, womit diese Frage diejenige ist, die am wenigsten Datenmaterial beiträgt. Insgesamt wird deutlich: Viele Spontanbelege, mit denen die Gewährspersonen Varianten zu den vorgegebenen Konstruktionen angeben, beruhen darauf, dass diese sich an einer anderen syntaktischen, morphologischen oder phonologi-

Untersuchungsmaterial

103

schen Ausprägung stören (beispielsweise am Rezipientenpassiv) und nicht am vorgegebenen Artikeltyp. Insbesondere auf syntaktischer Ebene handelt es sich dabei zumeist um das im Zentrum der Frage stehende Phänomen, das deutliche regionale Ausprägungen in der Akzeptanz zeigt. Je weniger akzeptiert eine solche Ausprägung in einem Ort ist, desto mehr Belege finden sich, die nicht vom vorgegebenen Artikeltyp provoziert werden. Schließlich ist folgende Beobachtung zur Beurteilung der Validität der Daten von Relevanz: Bei den abweichenden Formen handelt es sich fast ausschließlich um dr-Formen, die in Gebieten auftreten, in denen ein allgemeiner Fragebogen mit der Vorgabe de versandt wurde. Vom Kanton BE ausgehend, wo entsprechend dem versandten Berner Fragebogen dr vorherrscht, zieht sich das dr-Gebiet vollständig oder als Übergangsgebiet nördlich weiter in die Kantone SO, AG, BL und BS, die alle den allgemeinen Fragebogen (mit der Variante de) erhalten haben und entsprechend viele abweichende Formen aufweisen. Das Gleiche gilt für die Innerschweizer Kantone GL, NW/OW und UR sowie für die wenigen Gebiete im Kanton SZ. Auch die wenigen SG-Gebiete ganz im Osten des erfassten Gebiets und der Bergkanton GR im Südosten haben den allgemeinen Fragebogen mit de erhalten und entsprechend abweichend dr-Formen notiert. Dies bedeutet, dass bei allenfalls verzerrten Werten in Übergangsgebieten immer davon auszugehen ist, dass die dr-Formen quantitativ übervertreten sind. Unter diesem letztgenannten Vorbehalt der möglichen quantitativen Verzerrungen in Übergangsortschaften dürfen meines Erachtens auch die freien Varianten aus den Bestimmungsfragen ausgewertet werden, obwohl in den Fragebogen dialektale Vorgaben gemacht werden. Offensichtlich beeinflussen diese Vorgaben nicht den Typ, der in den freien Angaben gewählt wird. Sie lösen höchstens einen größeren Anteil an freien Angaben in jenen Ortschaften aus, wo der Fragebogen von der Ortsform abweicht. Aber auch hier sind sie auf keinen Fall für mehr als die Hälfte der Belege auslösendes Moment. Von den sechs besprochenen Bewertungsfragen rufen 3-26, 4-12 und 4-26 hauptsächlich Nominativbelege hervor. Darüber hinaus finden sich wie erwähnt gelegentlich Nominativbelege aus syntaktisch umgebauten Übersetzungsfragen. Dagegen evozieren die Bewertungsfragen 2-10, 2-18 und 2-32 sowie die viel ergiebigeren Übersetzungsfragen 1-3, 2-3 und 3-10 hauptsächlich Akkusativbelege. Dies führt dazu, dass 2 704 Nominativbelegen fast dreieinhalb Mal so viele, nämlich 9 402 Akkusativbelege gegenüberstehen. Die folgenden Abbildungen zeigen die Anzahl der Ortschaften (y-Achse), die eine bestimmte Anzahl von Belegen (xAchse) aufweisen und visualisieren damit, wie gut die einzelnen Phänomene belegt sind.

104

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Abbildung 3: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Singular Maskulinum Nominativ vor Konsonant

Abbildung 4: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Anzahl an Belegen für den definiten Artikel Singular Maskulinum Akkusativ vor Konsonant

Anders ausgedrückt: Mehr als neunzig Prozent (93 %) aller Ortschaften verfügen immerhin über mindestens drei Nominativbelege, drei Viertel aller Ortschaften (75 %) weisen mindestens fünf Belege auf, die Hälfte aller Ortschaften (49 %) mindestens sieben Belege. Bei den Akkusativbelegen ist die Datenlage wesentlich besser: Alle Ortschaften verfügen über mindestens sieben Belege, über neunzig Prozent der Ortschaften (93 %) verfügen sogar über doppelt so viele, nämlich 14 Belege. Die Hälfte aller Ortschaften (49 %) weist nicht weniger als 23 Belege auf. Es hat sich gezeigt, dass die fehlende Verschriftungskonvention für die Bestimmung des Artikeltyps kein Problem darstellt. Trotzdem sind einige Schwierigkeiten im Hinblick auf das schriftliche Erhebungsverfahren aufgetreten: Teilweise sind Handschriften zu unleserlich, um die Form mit Sicherheit bestimmen zu können. 76 Belege können nicht berücksichtigt werden, weil der definite Artikel nicht lesbar ist. Ausgeschlossen werden des Weiteren sämtliche Artikel, die nur den Dental beinhalten (d, d’ u. ä.). Von den 25 Formen gehören 13 zur Frage 2-3 (Er lässt

Untersuchungsmaterial

105

den Schreiner kommen), bei welcher der Artikel auch als Plural70 interpretiert werden kann. In anderen Fällen handelt es sich bei der Form eventuell um eine maximal reduzierte Form des vokalisch auslautenden Typs oder schlicht um einen Verschreiber. Die Interpretation ist aber in keinem Fall eindeutig.71 Es finden sich auch Belege, die gut lesbar sind, obwohl die GP sie schließlich durchgestrichen hat. Wenn der Artikel eindeutig und die Konstruktion offensichtlich aus einem anderen Grund gestrichen worden ist, wird der Beleg trotzdem gezählt. 4.2.4.2 Auswertung: Definiter Artikel vor Vokal Die folgenden Anmerkungen betreffen die Auszählung der Formen des definiten Artikels Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ vor Vokal. Frage 4-23 (Vorgaben: Was macht de Urs jetzt? u. ä.) ist die einzige Frage, die aufgrund der vorgegebenen Konstruktion einen definiten Artikel vor Vokal erwarten lässt. Da es sich um eine Bewertungsfrage handelt, werden Varianten nur von jenen Gewährspersonen angegeben, die sich an irgendeinem Aspekt der vorgegebenen Konstruktionen stören und eine weitere Variante mitteilen wollen. Belege dieser Art, die alle im Nominativ sind, notieren 698 Versuchspersonen. Weitere fünf Belege werden ausgeschlossen, weil sie unlesbar sind. NominativBelege vor Vokal gibt es außerdem zu den bereits besprochenen Fragen 4-12 (mit Dialektvarianten von ‚Ätti’ anstelle von ‚Vater’) und 3-10 (mit Dialektvarianten von ‚Ausweis’ anstelle von ‚Fahrausweis’). Insgesamt ergibt dies 762 Belege für Nominativ. Ebenfalls zu Frage 3-10 (‚Ausweis’) sind alle 526 Akkusativbelege notiert. Mit insgesamt 1 288 Belegen zu 361 Ortschaften ist die Datenlage für eine flächendeckende Darstellung sehr mager. Von diesen 361 Ortschaften weisen 100 nur Daten für den Nominativ, 47 nur Daten für den Akkusativ auf. Es bleiben 214 Ortschaften, für die Belege in beiden Kasus existieren. Die kleine Menge an Belegen ist für die Interpretation und Kartierung zu berücksichtigen. 4.2.4.3 Auswertung: Definiter Artikel nach Präposition Frage 1-10 (Vorgaben: Also d Susi wär e ganz liebi Frau für de Markus! u. ä.) und vereinzelt dialektale Varianten der Form ‚[…], dann kommst du um den Ausweis’ zu Frage 3-10 (Wenn sie dich erwischen, bekommst du den Fahrausweis entzogen!) liefern 1 093 Belege aus 326 Ortschaften zum Akkusativ nach Präposition. Diese Sonderform ist damit ähnlich dünn belegt wie Formen vor Vokal. Die Datenlage ist aber insofern besser, als sich sämtliche Belege naturgemäß auf den 70 71

Vgl. z. B. GP 1208: Er lot d Schriner cho wird ziemlich sicher als ‚Er lässt die Schreiner kommen’ rezipiert und ist möglicherweise auch so intendiert. Nicht gezählt wird schließlich die Form den der Gewährsperson 986 in Frage 2-3, da die Notation nicht zweifelsfrei interpretiert werden kann.

106

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Akkusativ beziehen. Die Darstellung und Interpretation ist deshalb wesentlich einfacher. 4.2.5 Zusammenfassung Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Quellen, die zum Vergleich der Datenlage verschiedener Zeitebenen herangezogen werden, sich stark unterscheiden. Methodische Überlegungen und brauchbare Angaben zur Datengewinnung finden sich erst seit den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts publiziert worden sind. Über die Herkunft der Daten in STALDER (1819) und in den älteren Beschreibungen am Ausgang des 19. Jahrhunderts ist kaum etwas bekannt. Entsprechend unsicher ist, inwiefern die frühen Daten den damaligen Sprachstand tatsächlich verlässlich abbilden. Seit den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ ist es üblich, sich ausschließlich auf bewusst ausgesuchte Gewährspersonen zu verlassen, die aufgrund ihrer Ortsfestigkeit eine bestimmte Ortschaft − nicht etwa eine Region − vertreten. Die Gewährspersonen sollen im Allgemeinen einen möglichst alten Sprachstand repräsentieren und sind entsprechend zumeist höheren Alters, so dass für die älteren Grammatiken wie auch für den SDS jeweils ein zum Zeitpunkt der Erhebung bereits veralteter Sprachstand angenommen werden muss. Erst das jüngste Projekt, der SADS, versucht den zeitgenössischen Sprachstand zu erfassen, indem Personen jeden Alters befragt werden. Insofern darf beim Vergleich zwischen SDS und SADS angenommen werden, dass der gemessene Unterschied mehr als dem rechnerischen halben Jahrhundert entspricht. Die phonetische und phonologische Ausrichtung der früheren Arbeiten führt bis zum SDS zu immer differenzierteren und stärker normierten Transkriptionssystemen, die seit den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ von geschulten Linguisten zur Transkription vor Ort eingesetzt werden. Aufgrund der syntaktischen Ausrichtung des SADS kann bei der jüngsten Erhebung dagegen auf eine direkte Erhebung verzichtet werden.72 Der Grad der Transkriptionsgenauigkeit spielt für die vorliegende Arbeit nur dort eine Rolle, wo sich Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Formen zu bestimmten Wortarten ergeben. Ansonsten ist eine Bestimmung des Typs jeweils ausreichend. Die Befragung geschieht beim SADS schließlich schriftlich und rückt damit weg vom lange propagierten Ideal der möglichst freien Rede für die Datengewinnung. Trotz schriftlicher Befragung wird auch im SADS durchgehend danach gefragt, wie die Gewährspersonen den entsprechenden Satz in ihrem Dialekt „sagen“. Für die dialektalen und damit per se stark auf Mündlichkeit bezogenen 72

Eine stichprobenartige Überprüfung der schriftlichen Ergebnisse in Form von direkten Interviews durch das Team des SADS in fünf verschiedenen Explorationsorten hat ergeben, dass die schriftliche Befragung für syntaktische Erscheinungen genügt. Einzig im Bereich Morphosyntax hätten sich die Projektmitarbeitenden teilweise differenziertere Angaben von lautlichen Aspekten gewünscht (vgl. BUCHELI BERGER 2008, 31 f.).

Abgrenzung zwischen definitem Artikel und Demonstrativpronomen

107

Formen der untersuchten Wortarten sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Methoden zu erwarten. Große Unterschiede weisen die Quellen hinsichtlich der arealen Datendichte auf. Die 44 Dialektparabeln von STALDER (1819) haben klar exemplarischen Status, auch wenn die Datenmenge für die Entstehungszeit der Monografie beeindruckend ist. Flächendeckend erhoben sind die Daten im SDS, obwohl auch die Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ dieses Ziel schon angestrebt hat. 4.3

ABGRENZUNG ZWISCHEN DEFINITEM ARTIKEL UND DEMONSTRATIVPRONOMEN

p av o lD k ftm d isch w zu ren g b A

Gegenstand dieses Kapitels sind die Paradigmen des Lexems der in seinen unterschiedlichen Funktionen als definiter Artikel (der Bär), Demonstrativpronomen (Der da war es!) und Relativpronomen (der Mann, der…). Für das Demonstrativund Relativpronomen gibt es zu der alternative Formen (dieser, jener, welcher etc.)73, die im Folgenden aber unberücksichtigt bleiben. Grundsätzlich werden in der vorliegenden Arbeit für alle in diesem Untersuchungsteil zu besprechenden Wortarten zwei mundartliche Formtypen unterschieden, die sich aus mhd. dër entwickelt haben. Der eine Typ endet auf Vokal (z. B. dǟ, dä, də etc.), der andere Typ endet auf Konsonant (z. B. dēr, der, dər, dr etc.). Viele Dialektgebiete zeigen beide Formen. Dies kann drei Gründe haben, die einzeln oder in beliebiger Kombination auftreten: 1. Wortarten werden mit Hilfe der zwei Typen voneinander abgegrenzt 2. beide Typen treten im Zuge von Übergangserscheinungen (in arealer oder zeitlicher Hinsicht) auf 3. durch die Formtypen werden Kasusunterschiede ausgedrückt. Bei der Akkusativmarkierung kommen neben den erwähnten Formen in wenigen Gebieten auch noch jene mit finalem -n (den, dun, dn, in etc.) zur Anwendung. Im Hinblick auf ihre Distribution und Funktion74 ist es sinnvoll, diese Formen mit jenen zu einem Typ zusammenzufassen, die auf Vokal enden. Um dieser Vielfalt beizukommen, ist es zunächst einmal wichtig, in den Mundarten die verschiedenen Wortarten auseinander halten zu können. Das Relativpronomen wird in dieser Arbeit anhand seiner syntaktischen Funktion, einen Nebensatz (mit Finitum-Letztstellung) einzuleiten, bestimmt. Die Abgrenzung 73

74

Einen Überblick über die Verwendung der dialektalen Pendants der Demonstrativstämme dieses, jenes, dasselbe, selbiges, das andere, solches, derart, so ein in den Mundarten gibt STUDLER (2011, 26 f./130). Die -n-Formen finden sich nur in Gebieten, die für den Nominativ den dr-Typ verwenden und den Akkusativ vollständig oder teilweise abweichend markieren. Die abweichenden Formen können in den n-Gebieten ausschließlich auf -n oder sowohl auf -n wie auch auf Vokal enden. Die Formen mit -n stellen hier die ältere Form der Akkusativmarkierung dar.

108

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

zwischen definitem Artikel und Demonstrativpronomen gestaltet sich dagegen ziemlich schwierig. Während das Standarddeutsche zwischen dem definiten Artikel und dem Demonstrativpronomen der unterscheidet, existieren in den Schweizer Mundarten zumindest teilweise drei Form- bzw. Funktionsstufen des dialektalen Pendants zu der, wobei die stärkste Stufe eher dem Standarddeutschen dieser entspricht. Diese drei Stufen − im Folgenden als Determiniererstufen bezeichnet − werden seit VETSCH (1910) in vielen Grammatiken der Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ angesetzt. Im Allgemeinen gehen die Darstellungen von einem betonten bzw. starktonigen, einem unbetonten bzw. schwachtonigen Demonstrativum und dem Artikel aus (VETSCH 1910, 137; BERGER 1913, 115; ENDERLIN 1913, 95; SCHMID 1915, 165; STREIFF 1915, 69; WIGET 1916, 95; MEINHERZ 1920, 181; BAUMGARTNER 1922, 151; WEBER 1923, 172). Die Grammatik von JUTZ (1925, 276), die nicht in erwähnter Reihe erschienen ist, sich aber explizit an diese anlehnt, differenziert nicht phonologisch nach Tonstärke, sondern morphologisch zwischen substantivischem und adjektivischem Demonstrativum. Nur eine Zweiteilung in betontes bzw. starktoniges Demonstrativum und (unbetonten) definiten Artikel findet sich dagegen bei WIPF (1910, 141), ABEGG (1913, 80), BOHNENBERGER (1913, 220−222), STUCKI (1914, 282), BRUN (1918, 166), HENZEN (1927, 200), CLAUSS (1929, 194), HOTZENKÖCHERLE (1934, 429), WANNER (1941, 176). Auch in den älteren Darstellungen, die vor den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ erschienen sind, wird ein (betontes) Demonstrativum dem (unbetonten) Artikel entgegengestellt: [ANONYMUS] (1874, 179 u. 181), WINTELER (1876, 187), BINZ (1888, 47 u. 58−60). Es scheint sich bei der Frage, ob eine zwei- oder eine dreistufige Darstellung gewählt wird, eher um ein methodisches denn um ein sprachliches Phänomen zu handeln:75 Unabhängig von der Vokalqualität werden im Allgemeinen in beiden Darstellungstypen Formen mit Langvokal, mit Kurzvokal und mit Reduktionsvokal ǝ (bzw. silbischem r) genannt. Langvokal wird außer bei JUTZ (1925) nur der stärksten Stufe, Reduktionsvokal nur der schwächsten Stufe zugeteilt. Bei dreistufigen Gliederungen zeigt die mittlere Stufe immer Kurzvokal, aber auch bei der stärksten Stufe geben die meisten Autoren Kurzvokal zusätzlich zu Langvokal an. Nur bei SCHMID (1915), BAUMGARTNER (1922) und WEBER (1923) weist die stärkste Stufe ausschließlich Langvokal auf. Bei zweistufigen Gliederungen geben alle Autoren für die schwache Stufe Reduktionsvokal an (außer BOHNENBERGER 1913, der Kurzvokal notiert). Für die starke Stufe beschreiben alle Autoren Formen mit Kurzvokal, einige Autoren (WIPF 1910, STUCKI 1914, HENZEN 1927, HOTZENKÖCHERLE 1934) dazu auch Formen mit Langvokal (außer BRUN 1918, der für die starke Stufe nur Langvokal angibt). 75

Anders sind für STUDLER (2011, 127) zweistufige Darstellungen ein Hinweis auf fehlende mittlere Stufe im entsprechenden Dialekt, wobei sie den Fokus ihrer Zusammenstellung stärker auf die neueren Mundartgrammatiken (MARTI 1985, SUTER 1976/1992, WEBER 1948/1987, FISCHER 1960/1989, BOSSARD 1962, SONDEREGGER / GADMER 1999) legt.

Abgrenzung zwischen definitem Artikel und Demonstrativpronomen

109

Für die älteren Grammatiken lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Abgrenzungen sowohl in Hinblick auf die Anzahl angenommener Determiniererstufen als auch die Zuordnungen zu den einzelnen Stufen äußerst divergent sind. Tendenziell weisen stärkere Stufen größere Vokalquantität (und stärkere Betonung) auf als schwächere Stufen. Bei dreistufigen Unterteilungen scheint daneben für die Zuweisung der Formen zu den Stufen auch relevant zu sein, ob sie substantivisch (stärkste Kategorie) oder attributiv (mittlere Kategorie) gebraucht werden können.76 Dies erklärt, weshalb Formen mit Langvokal häufig sowohl in der stärksten wie auch in der mittleren Kategorie gelistet sind. Welchem der beiden Faktoren wie viel Gewicht beigemessen wird, ist leider nicht ersichtlich. In Gebieten, die für die verschiedenen Determiniererstufen beide Formtypen (dǝ/de und dr/der) einsetzen, scheint der Typ kein Abgrenzungfaktor zu sein. Bei dreistufigen Darstellungen kann der Typ der mittleren Stufe sowohl demjenigen Typ der stärksten (ENDERLIN 1913, WIGET 1916, BAUMGARTNER 1922, JUTZ 1925, SCHMID 1915 mit Übergangserscheinungen beim schwächsten Typ) als auch der schwächsten Kategorie (VETSCH 1910, BERGER 1913 mit Übergangserscheinungen beim mittleren und schwächsten Typ) entsprechen. Maßgebend ist auch hier einzig die Vokalquantität und/oder -qualität. Zu Abgrenzungsproblem zwischen den verschiedenen Determiniererstufen ist in jüngster Zeit mit der Dissertation von STUDLER (2011) eine umfassende Untersuchung erschienen. Sie unterscheidet formal zwischen einer gedehnten, betonten Variante, einer abgeschwächten, aber morphologisch vollen und einer morphologisch stark reduzierten Variante der Wortstämme der, die und das. Im Unterschied zu den älteren dreistufigen Einteilungen versteht sie die mittlere Stufe als Variante des Artikels und nicht des Demonstrativums, so dass sie die drei Determiniererstufen als Demonstrativum, als vollen Artikel und als reduzierten Artikel bezeichnet (STUDLER 2011, 23, zur Begründung siehe STUDLER 2011, 36 f.). Für die drei Formstufen nimmt STUDLER (2011, 37−48) nun jeweils eine prototypische referentielle Funktion an: Die schwächste Stufe wird im Normalfall verwendet, wenn der Rekurs auf (Allgemein-)Wissen reicht, um ein Referenzobjekt eindeutig zu identifizieren. Der Ausdruck referiert intrinsisch (d. h. ‚von sich aus’), eine zusätzliche Identifikationshilfe ist nicht nötig. Die mittlere Stufe kommt typischerweise mit Rekurs auf den Text zum Zug. Die Identifikation des Referenzobjektes kann nur durch innertextuelle Hilfestellung (phorisch) erfolgen. Die stärkste Stufe dient gewöhnlich dazu, das Referenzobjekt mit Rekurs auf die Welt zu lokalisieren. Der Ausdruck referiert deiktisch mit einer außersprachlichen Zeigegeste. Aufgrund ihrer Datenerhebung weist STUDLER (2011, 52−63) auch eine Reihe von Spezialfällen nach, die zeigen, dass diese Form-Funktion-Korrelation nicht eineindeutig ist, dass aber durchaus regelhafte Einschränkungen gelten. So kann beispielsweise die schwächste Stufe nie deiktisch auftreten, die mittlere und die stärkste Stufe nie intrinsisch. 76

Bei zweistufigen Darstellungen wird dagegen oft explizit erwähnt, dass die Formen der starken Kategorie/des Demonstrativums sowohl substantivisch wie attributiv gebraucht werden.

110

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Mit Hilfe ihrer Datenkorpora kann STUDLER (2011, 162) die Beobachtungen auch quantifizieren: In intrinsisch-definiten Kontexten kommt beinahe ausschließlich die schwächste Stufe zur Anwendung, in phorisch-definiten Kontexten wird mit signifikanter Präferenz die mittlere Stufe verwendet und in deiktischen Kontexten die stärkste Stufe bevorzugt. Zusammenfassend können für die einzelnen Determiniererstufen also folgende Eigenschaften angenommen werden, die potentiell zur Abgrenzung herangezogen werden können: stärkste Stufe

mittlere Stufe

schwächste Stufe

Vokalqualität/ Vokalquantität

v. a. Langvokal, betont

v. a. Kurzvokal

v. a. Reduktionsvokal oder silbischer Konsonant

substantivischer vs. attributiver Gebrauch

v. a. substantivisch

substantivisch oder attributiv

nur attributiv

referenzielle Funktion

v. a. deiktisch

v. a. phorisch

v. a. intrinsisch

Tabelle 25: Kriterien zur Abgrenzung der Determiniererstufen

Die Lautung des Vokals stellt offensichtlich den Ausgangspunkt für die Differenzierung der Determiniererstufen dar. Für STUDLER (2011) ist Vokallänge (und Betonung) das Hauptkriterium jeder Bestimmung. Auch in den meisten älteren Grammatiken wird Betonung bzw. Starktonigkeit explizit als unterscheidendes Merkmal angeführt, aber nicht gleichermaßen eineindeutig den Stufen zugeordnet. Als gesichert nehme ich dagegen an, dass der definite Artikel nur attributiv gebraucht werden kann, da er ansonsten per definitionem eine Stellvertreterfunktion ausübt, wodurch er zwingend eine hinweisende Funktion, also demonstrativen Charakter hat. Alle übrigen Merkmale stellen nur tendenzielle Zuordnungen dar. Wie STUDLER (2011, 47) anmerkt, ähneln sich die deiktische und die phorische Referenz dahingehend, als bei beiden für die Identifikation der Referenten ein Hilfsmittel notwendig ist. Bei deiktischer Referenz ist dies bekanntermaßen ein Hinweis auf den außersprachlichen Kontext, bei phorischer Referenz auf den sprachlichen Kontext. Ganz offensichtlich ist es diese Gemeinsamkeit des Hinweisens, welche die traditionelle Einteilung der mittleren und der stärksten Stufe zum Demonstrativum veranlasst hat. Vor diesem Hintergrund können in Abhängigkeit von den Eigenschaften der Daten für die ersten beiden Zeitebenen praktische Verfahren zur Unterscheidung der Wortarten bestimmt werden. 1. Zeitebene Die Schreibgewohnheiten der Korrespondenten von STALDER (1819) lassen nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Aussprache zu. Ein Längezeichen kann eindeutig als betonter Vokal gelesen werden, fehlender Vokal darf sicher als redu-

Abgrenzung zwischen definitem Artikel und Demonstrativpronomen

111

zierte Form interpretiert werden, entweder als Form mit Schwa oder als Form nur mit silbischem Konsonanten. Einfache Vokale wie e und ä lassen dagegen vielerlei Interpretationen zu: Sowohl reduzierte Aussprache, gewöhnlicher Kurzvokal oder fehlende Markierung des Langvokals sind denkbar. Es ist also allein anhand der geschriebenen Form oft nicht möglich, die Vokalquantität und entsprechend die Determiniererstufe festzulegen (oder gar festzustellen, dass ein Dialekt nur zwei Determiniererstufen unterscheidet). Die für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Dialektparabeln in STALDER (1819) stellen vollständige Texte dar (im Gegensatz zum jüngeren Datenmaterial). Deshalb kann hier die Funktion zu den anderen Faktoren für die Unterscheidung von Demonstrativum und definitem Artikel hinzugezogen werden. Es ergeben sich somit folgende Kriterien: Um einen definiten Artikel (schwächste Determinererstufe) handelt es sich: – –

wenn der Determinierer offensichtlich eine reduzierte Form aufweist, d. h. konkret: wenn der Vokal bei Formen des dr-Typs fehlt. Wie erwartet tritt diese Form nur attributiv auf. wenn der (nicht explizit als lang markierte) Determinierer attributiv auftritt und keine auffällige demonstrative Funktion aufweist.

Folglich handelt es sich um einen demonstrativen Determinierer: – – –

wenn Vokallänge klar markiert ist. Dabei handelt es sich um einen Determinierer der stärksten Stufe, also um ein Demonstrativum. wenn der Determinierer substantivisch auftritt. Hier kann es sich um einen Determinier der stärksten oder der mittleren Stufe handeln, wobei ersteres wahrscheinlicher ist. wenn der Determinierer attributiv auftritt, aber eine erkennbare demonstrative Funktion erfüllt. Hier kann es sich um einen Determinier der stärksten oder der mittleren Stufe handeln, wobei letzteres wahrscheinlich ist.

Weil faktisch in sämtlichen Dialektparabeln die stärkste und die mittlere Determiniererstufe dem gleichen Formtyp (de oder der) angehören, wird auf eine genauere Abgrenzung der beiden demonstrativen Stufen verzichtet. Die beiden Stufen werden für die Dialektparabeln des Weiteren unter der Bezeichnung Demonstrativum zusammengefasst. 2. Zeitebene Auch eine übersichtliche Darstellung der älteren Grammatiken ist nur möglich, wenn die Diskrepanz zwischen zwei- und dreistufigen Darstellungen aufgelöst wird. Hierfür wird eine Reihe von Vereinfachungen vorgenommen: Die einzelnen Formen werden wiederum auf die zwei Formtypen reduziert, die Vokalqualität wird vernachlässigt. Darüber hinaus wird in den folgenden Kapiteln nur die

112

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

stärkste Form als Demonstrativum und die schwächste Form als definiter Artikel in die Darstellung einbezogen, während eine allenfalls angeführte mittlere Stufe ausgeblendet wird. 3. Zeitebene Im SDS (III, 134/136) finden sich Karten zum definiten Artikel Nominativ Singular Maskulinum und Akkusativ Singular Maskulinum nach Konsonant sowie zum Akkusativ Singular Maskulinum nach den Präpositionen auf (SDS III, 137) und in/an (SDS III, 138). Weitere Karten gibt es zum Dativ, zum Plural und zu den anderen Genera. Zu den Demonstrativa gibt es einzig eine Karte zum Neutrum Singular das (SDS III, 131). Zur Abgrenzung der Wortarten gibt es keine weiteren Hinweise. 4. Zeitebene Für die jüngste Sprachstufe werden die Daten des SADS verwendet. Da es keine Fragen gibt, die gezielt nach den Formen von Nominativ und Akkusativ beim definiten Artikel oder Demonstrativum fragen, wurden für die vorliegende Arbeit diejenigen Fragen, die in ihrer Anlage einen definiten Artikel Maskulinum Singular Nominativ oder Akkusativ erwarten lassen, nach Belegen durchgesehen und ausgezählt. Insgesamt drei Fragen, die potentiell einen definiten Artikel vorweisen, aber von den Gewährspersonen teilweise offensichtlich auch als phorische bzw. deiktische Determinierer interpretiert worden sind, werden deshalb für den definiten Artikel nicht berücksichtigt: Bewertungsfrage 2-18 weist in den Vorgaben (Das isch de Maa, won em geschter de Wääg zeigt han u. ä.) zwei definite Artikel auf. Eine Durchsicht der Belege offenbart, dass etliche Versuchspersonen unter dem beschriebenen Setting77 den definiten Artikel im Hauptsatz deiktisch verstehen und entsprechend das Demonstrativpronomen ‚der’ gebrauchen. Den gleichen Effekt zeigt Frage 2-28 (Vorgaben: Das isch de Maa, woni immer mit em schwätze u. ä.) mit vergleichbarem Setting78. Bei der Bewertungsfrage 3-27 (Vorgaben: De Polizischt isch am e Puess schriibe u. ä.) bewirkt die beigefügte Zeichnung eines Polizisten, der eine Buße schreibt, häufig eine demonstrative Referenz. 4.4

AREALE ENTWICKLUNG DER FORMEN DES DEFINITEN ARTIKELS

sf m o F d g u ick tw n realE A

Die Lautungen des definiten Artikels weisen im Einzelnen große Unterschiede auf. Wie allgemein für die definiten Determinierer erwähnt, drängt sich die Eintei77 78

„Sie fahren in die Stadt. Ein Mann spricht Sie an und bedankt sich bei Ihnen für etwas. Ihre Freundin fragt Sie, woher er Sie kennt. Sie sagen:“, vgl. Anhang 3. „Sie sitzen mit Ihrem Kollegen im Postauto. Draussen winkt Ihnen ein junger Mann zu. Sie erklären Ihrem Kollegen:“, vgl. Anhang 3.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

113

lung in Formen auf Vokal − beim definiten Artikel bedeutet dies: auf Reduktionsvokal − und Formen auf Konsonant auf: Während diese grobe Unterscheidung für das Flexionsparadigma offensichtlich relevant ist, gibt es keine Hinweise darauf, dass es die lautlichen Abstufungen innerhalb der Typen ebenfalls sind. So wird beispielsweise auch im SDS (III, 134) die Darstellung auf diese zwei Typen beschränkt.79 Im Folgenden werden also die zwei Formtypen als dr-Typ für den Typ auf Konsonant und als dǝ-Typ für den Typ auf Vokal bezeichnet. Die beiden Typen weisen eine deutliche areale Verteilung auf, wenn dem Artikel ein Wort mit Konsonant im Anlaut folgt (vgl. auch MEYER 1967, 47). Das Auftreten des einen oder anderen Typs schafft nun unterschiedliche Bedingungen für den Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ. Deshalb wird im in Kapitel 4.4.1 zuerst auf die Verbreitung der beiden Nominativtypen näher beschrieben, bevor das Augenmerk auf die eigentliche Frage nach den Synkretismen gerichtet werden kann, vgl. Kapitel 4.4.2. Tritt der Artikel vor einem Folgevokal auf, findet sich bis in neuere Zeit (vgl. MEYER (1967, 52 u. 57 zu den Daten des SDS) ausschließlich der ältere Typ, der auf Konsonant ausgeht. Die neuesten Daten im SADS belegen aber deutlich, dass inzwischen auch der dǝ-Typ vor Vokal gebraucht wird, vgl. Kapitel 4.4.3. Ein weiterer Faktor, der sich auf das Auftreten von Synkretismen auswirkt, ist die Rektion des Akkusativs. In großen Teilen der Schweiz hat sich der präpositional regierte Akkusativ anders entwickelt als der Akkusativ, der beim Objekt oder beim freien Akkusativ auftritt. Deshalb muss der Akkusativ nach Präposition gesondert beschrieben werden, vgl. Kapitel 4.4.4. 4.4.1 Verbreitung der Nominativtypen də und dr vor Konsonant 1. Zeitebene Schon STALDER (1819, 75) unterscheidet implizit nur den Typ auf Vokal und den Typ auf Konsonant, auch wenn er eingangs die drei Formen der, d’r und de aufzählt. Er hält auch fest, dass der dr-Typ durchweg vor Vokal gebraucht wird, „doch in Glarus, St. Gallen, Thurgau, Solothurn, Wallis, und dem untern Aargau, auch vor Substantiven mit einem Konsonant, wie z. B. d’r Maa und vorzüglich im Frickthale des stärkern Ausdrucks wegen“ (STALDER 1819, 75). Die Formen in den Dialektparabeln, auf welche sich STALDERS (1819) Aussage stützt, werden für diese Arbeit systematisch ausgezählt und grafisch dargestellt, um genauere Angaben zur Typenverteilung Anfang des 19. Jahrhunderts zu gewinnen. Bei STALDER (1819) wird der də-Typ vorwiegend als de wiedergegeben, es findet sich aber auch − je nach Parabel ausschließlich, begleitend oder überwiegend − die Form dä. Der dr-Typ beim definiten Artikel wird überwiegend als der notiert, daneben finden sich − ebenfalls begleitend, überwiegend oder ausschließ79

Eine grobe Angabe über die Verteilung der Vokale beim dr-Typ findet sich im Kommentar seitlich zur Karte (III, 134).

114

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

lich − die Notationen dr, d’r, där und dir. Innerhalb von einzelnen Parabeln lassen sich immer wieder formale Unterscheidungen für die einzelnen Determiniererstufen beobachten, die im Idealfall durchgehend angewendet werden, z. B. in Dipa 21-SO-Solothurn: der für den definiten Artikel, dä für die mittlere Determiniererstufe und dǟ für die stärkste Stufe. Normalerweise lassen sich aber nach der Schreibung bestenfalls zwei Stufen formal klar voneinander unterscheiden, welche dann einigermaßen konsequent verwendet worden sind. Deshalb muss das erläuterte Verfahren für die Unterscheidung der Wortarten angewendet werden, das sich nur teilweise auf Lautung bzw. Schreibung des Wortes stützt. Für die aktuelle Fragestellung nach dem Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ scheint es aus diesem Grund auch nicht notwendig, die Notationen jeder einzelner Parabel zu besprechen. Karte 4 zeigt den definiten Artikel Maskulinum Singular Nominativ. Die Anzahl Tokens der beiden Typen je Dialektparabel sind in Anhang 4 vermerkt. Die Kategorisierung folgt zur bestmöglichen Vergleichbarkeit derjenigen im SDS (III, 134). də:

Die Parabel weist ausschließlich diese Form für den definiten Artikel auf. də > dr: Die Parabel weist überwiegend də auf. Weniger als ein Drittel der Belege lautet dr. də =dr: Die Parabel weist die beiden Formen in ähnlichem Ausmaß auf, d. h. jede Form hat mindestens einen Drittel Anteil am Total. Dazu gehört insbesondere auch das Auftreten von einem Element der einen und zwei Elementen der anderen Form. dr > de: Die Parabel weist überwiegend dr auf. Weniger als ein Drittel der Belege lautet də. dr: Die Parabel weist ausschließlich diese Form für den definiten Artikel auf. Die Karte macht deutlich, dass es nicht nur die von STALDER (1819, 75) genannten Kantone (Ostschweiz: GL, SG, TG; Westschweiz: SO, unterer AG; Süden: VS) sind, die für den Nominativ vor Konsonant eine dr-Form verwenden. Auch die Parabeln aus dem Kanton BE weisen überwiegend, die Parabeln aus FR, BL, beiden Appenzell (Halbkantone AI, AR) und GR ausschließlich dr-Formen auf. Damit kann ein Großteil der deutschsprachigen Schweiz als dr-Gebiet betrachtet werden. Das də-Gebiet lässt sich dagegen umschreiben als keilförmiger Einschnitt von Norden Richtung Zentralschweiz mit größeren Übergangsgebieten an der Keilspitze und vereinzelten Formen westlich davon im Berner Mittelland. Einzig Dipa 18-ZG-Zug steht als dr-Gebiet mitten in der Keilspitze, während darum herum vollständig oder überwiegend der də-Typ belegt ist. Es ist leider nicht möglich zu beurteilen, ob dies eher den methodischen Umständen (nur ein Korrespondent, der eventuell nicht mit der Gewährsperson identisch ist, und von dem keine weiteren biografischen Daten bekannt sind) geschuldet ist oder ob hier in der Tat der städtische Dialekt konservativer sein könnte.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

115

In den nördlichen Regionen kann der də-Keil schärfer gegen die dr-Gebiete abgegegrenzt werden: Im Nordwesten verläuft die Grenze mitten durch den Kanton AG. Die Dialektparabel Dipa 33-AG-Aarau, welche das Dialektgebiet um Zofingen und Aarau (Oberaargau) vertritt, weist den dr-Typ auf. Vom gleichen Korrespondenten stammt Dipa 34-AG-Brugg, welche den Dialekt in der Gegend um Brugg (Unteraargau) repräsentiert und den də-Typ aufweist. Bestätigt wird diese Grenze von zwei weiteren Korrespondenten, die Dipa 35-AG-Mellingen als Vertreter des Freiamts südlich von Brugg und Dipa 36-AG-Gansingen als Vertreter des Fricktals nordwestlich von Brugg ebenso als də-Gebiet ausweisen. Im Nordosten verläuft die Grenze durch die Kantone TG und SG. Im Thurgau ist Dipa 38TG-Steckborn für den Dialekt von Steckborn und Ermatingen der westlichste dəBelegort. Südöstlich von Dipa 38-TG-Steckborn dagegen weist Dipa 37-SGBischofszell für den Oberthurgau den dr-Typ auf. Das də-Gebiet erstreckt sich weiter südlich in das Toggenburg. Der Typ ist in Dipa 27-SG-Kirchberg für das von STALDER (1819) angeführte Mittlertoggenburg belegt. Talaufwärts (bzw. in südlicher Richtung) dagegen hat sich der dr-Typ noch erhalten, vgl. Dipa 26-SG-Ebnat-Kappel für das Obertoggenburg. Und auch gegen Osten im Untertoggenburg (siehe Dipa 28-SG-Flawil) hat sich zum Zeitpunkt der Erhebung die də-Form noch nicht durchgesetzt. 2. Zeitebene Karte 5 gibt den Formenbestand gemäß den älteren Grammatiken (verfasst Ende des 19. bis erste Hälfte des 20. Jahrhunderts) wieder. Die älteren Grammatiken beschreiben die Datenlage im Großen und Ganzen etwa hundert Jahre nach STALDERS (1819) Erhebungen. Übergangsgebiete werden aufgrund fehlender quantitativer Angaben grau dargestellt, vgl. „dr/də“ auf der Karte. Im dǝ-Gebiet stellt ein unbekannter Autor ([ANONYMUS] 1874, 179) für den unteren Aargau ein halbes Jahrhundert nach STALDER (1819) unverändert den gleichen Typ fest (vgl. Dipa 34-AG-Brugg mit Älgra AG-38-Lenzburg). Auch WANNER (1941, 176) beschreibt in Schaffhausen 120 Jahre später nach wie vor diesen Typ (vgl. Dipa 23-SH-Schaffhausen mit Älgra SH-3-Schleitheim). Für das Zürcher Oberland (Älgra ZH-48-Steg), das nach WEBER (1923, 172) ebenfalls zum dǝ-Gebiet zählt, gibt es bei STALDER (1819) zwar keinen Beleg, aber das dǝGebiet reicht ja schon zu jener Zeit weiter nach Osten bis ins Toggenburg. Während das Toggenburg auf der ersten Zeitebene genau das Grenzgebiet darstellt (vgl. Dipa 27-SG-Kirchberg mit dǝ, dagegen Dipa 26-SG-Ebnat-Kappel und Dipa 28-SG-Flawil mit dr), führt ein Jahrhundert später WIGET (1916, 95) für das ganze Toggenburg den dǝ-Typ an (exemplarisch durch Älgra SG-1-Kirchberg dargestellt), mit ausdrücklichem Verweis darauf, dass die Datenlage hier dieselbe ist wie nördlich davon in Älgra TG-13-Kesswil (vgl. ENDERLIN 1913, 95). Noch weiter östlich belegt VETSCH (1910, 137) neu für beide Appenzell (hier expemplarisch Älgra AP-11-Appenzell) den dǝ-Typ. Obwohl bei den älteren Grammatiken Darstellungen für den bei STALDER (1819) dargestellten Oberthurgau (Dipa 37TG-Bischoffszell) und die Stadt St. Gallen (Dipa 25-SG-St. Gallen) fehlen, dürf-

116

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

ten sie wahrscheinlich − zwischen Älgra TG-13-Kesswil und den beiden Appenzell (Älgra AP-11-Appenzell) gelegen − ebenfalls neu dem dǝ-Gebiet angehören. Noch weiter östlich liegt das Rheintal, durch welches die Landesgrenze zu Österreich verläuft. Das Rheintal zeigt sich seit den älteren Grammatiken als komplexes Übergangsgebiet, sowohl auf Schweizer wie auf österreichischer Seite. Dies kommt nicht von ungefähr, liegt es doch im Schnittpunkt unterschiedlicher Sprachlandschaften und beheimatet dazu einige Walsersiedlungen, deren Dialekt nach wie vor stark den Walliser Mundarten ähnelt. BERGER (1913, 115) gibt im St. Galler Rheintal für den Artikel die Form dǝ(r) an. Gewöhnlich wird diese Schreibweise in den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“ verwendet, wenn der Artikel vor Konsonant dǝ lautet, während auslautendes r vor Vokal erhalten ist. Leider kommentiert BERGER (1913) die Schreibweise nicht, sodass offen bleibt, was er genau mit dieser Doppelnennung der Formen meint. Auch die Sichtung der Mundartproben, die BERGER (1913, 187−191) seiner Darstellung anhängt, klärt die Situation nicht. Zu drei Ortschaften sind definite Artikel im Nominativ belegt: Balgach, Oberriet und Lustenau (auf österreichischer Seite jenseits des Rheins), die sich alle nah um die hier zur Darstellung gewählte Ortschaft Älgra SG-14-Altstätten gruppieren. Alle drei Ortschaften belegen in den Mundartproben für den Nominativ auch vor Vokal nur den dr-Typ. Vermutlich sind die Textproben etwas älter, genauere Angaben finden sich nicht. Da aber BERGER (1913, 115) wohl dǝ-Formen gehört hat, wird der Ortspunkt als Übergangsgebiet mit beiden Formen kartografiert. Das Auftreten des dǝ-Typs kann so auf jeden Fall als junges Phänomen bestimmt werden. Ein paar Jahre später erwähnt auch JUTZ (1925, 277 f.) für das östlich davon gelegene nördliche Rheintal auf österreichischer Seite des Rheins das Vorkommen des dǝ-Typs, als südlichsten Ort gibt er Klaus an, das wenig südlich vom Kummenberg liegt.80 Der neuere dǝ-Typs hat sich also in den ungefähr hundert Jahren seit STALDERS (1819) Darstellung von (Nord-)Westen her über den TG, das Appenzell (AI/AR) und das nördliche SG bis in das nördliche Rheintal ausgebreitet. Im südlichen Rheintal und in Liechtenstein hat sich wie in den angrenzenden westlichen Gebieten für den Nominativ der drTyp erhalten, ebenso in den südöstlich angrenzenden Seitentälern Südvorarlbergs (JUTZ 1925, 277 f.). Hier werden aber weiter unten Unterschiede beim Akkusativ zu beschreiben sein. Rheinaufwärts, d. h. südlich von Liechtenstein, liegt das Churer Rheintal, das die bündnerdeutschen Dialekte beheimatet. In den älteren Grammatiken steht der Dialekt der Bündner Herrschaft für dieses Gebiet. Auch hier setzt sich der dr-Typ unverändert fort.81 Die Bündnerdeutschen Dialekte breiten sich seit STALDER (1819) vom Churer Rheintal zunehmend nach Süden in ursprünglich rätoromanische Gebiete aus. Bei den weiter südlich gelegenen Ortspunkten des Kantons GR 80

81

Da JUTZ (1925) das untere Rheintal (nördlich des Kummenbergs) nicht systematisch untersucht hat, bleibt seine Angabe vage. Seine Formulierung (JUTZ 1925, 277 f.) lässt offen, ob der neuere Typ neben dem älteren Auftritt oder ob der ältere Typ schon komplett verdrängt ist. Aus diesem Grund wird auch auf die grafische Darstellung als Ortspunkt verzichtet. Vgl. Dipa 31-GR-Chur mit Älgra GR-3-Malans (MEINHERZ 1920, 181).

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

117

handelt es sich dagegen um ursprüngliche Walsergebiete, die im Rahmen der „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ besonders intensiv untersucht wurden (vgl. BOHNENBERGER 1913, BRUN 1918 und HOTZENKÖCHERLE 1934). Auch in den bündnerischen Walsergebieten hat sich der dr-Typ unverändert erhalten.82 Südwestlich von SG, im Kanton GL, weist STALDERS (1819) Dialektparabel (Dipa 17-GL-Glarus) für den Kantonshauptort Glarus und den nördlichen Nachbarort Mollis eindeutig den dr-Typ aus. Auch WINTELER (1876, 187) stellt für die Kerenzermundart, die etwas nördlicher davon (und damit näher am dǝ-Gebiet), aber abseits des Haupttals liegt und deshalb vermutlich eher sprachkonservativ ist, nach wie vor den dr-Typ fest. Leider fehlen bei den älteren Grammatiken insbesondere Quellen zu den Dialekten der Zentralschweiz. Die Kantone OW, NW, ZG und SZ stellen sich bei STALDER (1819) als Übergangsgebiete dar,83 und ihre weitere Entwicklung bis zur Jahrhundertwende wäre besonders spannend zu beobachten. Für das Urner Haupttal sind dagegen bei STALDER (1819) keine Daten belegt, bei den älteren Grammatiken wird für UR-4-Altdorf der dr-Typ angegeben (vgl. CLAUSS 1925, 194). Südlich davon im vom restlichen Kanton abgetrennten Urserental stehen in STALDERS (1819) Dialektparabel (Dipa 13-UR-Hospental) acht dr-Formen einer einzigen dǝForm entgegen. Bei ABEGG (1913, 80) findet sich kein weiterer Hinweis auf das Auftreten von dǝ-Formen im Urserental (Älgra UR-11-Hospental). Ob es sich in der Dialektparabel nun um ein erstes Auftreten einer neuen Form, die sich aber nicht durchsetzten konnte, oder aber einfach um ein Versehen (beim Sprechen, Notieren oder im weiteren Schreibprozess) handelt, kann nicht entschieden werden. Letzteres ist sicher nicht unwahrscheinlich. Der Kanton LU ist bei STALDER (1819) durch zwei den dǝ-Typ belegende Parabeln vertreten (Dipa 11-LU-Luzern, für das Entlebuch Dipa 12-LUEscholzmatt). In den älteren Grammatiken ist mit Älgra LU-30-Schüpfheim das Entlebuch ebenfalls beschrieben, wird aber im Gegensatz zu den Dialektparabeln als Übergangsgebiet betrachtet, das auch noch den älteren dr-Typ aufweist.84 Aufgrund der ausführlich dargestellten methodischen Probleme mit den Dialektparabeln kann nicht entschieden werden, ob hier allenfalls sogar eine Schwächung des dǝ-Typs stattgefunden hat. Es ist aber festzuhalten, dass auch der neuere dǝTyp hier schon seit längerer Zeit nachgewiesen werden kann. Während sich bei STALDER (1819) die nordwestliche Grenze zwischen den Typen ziemlich gut im westlichen AG verorten lässt, fehlen bei den älteren 82

83 84

Vgl. Dipa 30-GR-Hinterrhein, Dipa 32-GR-Klosters mit Älgra GR-29-Hinterrhein (BOHNENBERGER 1913, 220), Älgra GR-24-Davos-Frauenkirch (BOHNENBERGER 1913, 220), Älgra GR-25-Obersaxen (BRUN 1918, 166 und BOHNENBERGER 1913, 220), Älgra GR-32-Mutten (HOTZENKÖCHERLE 1934, 429 und BOHNENBERGER 1913, 220), Älgra GR-33-Avers (BOHNENBERGER 1913, 220). Vgl. Dipa 16-OW-Alpnach, Dipa 15-NW-Stans, Dipa 18-ZG-Zug, Dipa 14-SZ-Arth. In der Tat wird von SCHMID (1915, 165) im Paradigma der dr-Typ gelistet. Erst in den Anmerkungen heißt es: „Vor konsonantisch anlautendem Worte fällt r des best. Art. dǝr etwa ab“ (SCHMID 1915, 165).

118

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Grammatiken leider wiederum entsprechende Daten zum westlichen AG und den Kantonen SO und BL, die über eine allfällige Verschiebung der Grenze in Richtung Westen Auskunft geben könnten. Für die Stadt Basel ist der dǝ-Typ nicht belegt (BINZ 1888, 58), für die umgebenden Gebiete fehlen Angaben. Im Berner Seeland hat sich der ältere dr-Typ erhalten (vgl. Dipa-10-BE-Biel mit Älgra BE-10-Biel nach BAUMGARTNER 1922, 151). Für Bern bzw. das Berner Mittelland (bei STALDER 1819 durch Dipa 3-BE-Bern vertreten) und für das Emmental (vgl. Dipa 4-BE-Langnau), die beide schon bei STALDER (1819) dǝFormen aufweisen, fehlen Vergleichswerte in den älteren Grammatiken. Westlich davon im Freiburger Mittelland und damit am Rande des deutschen Sprachgebiets lässt sich übereinstimmend bei STALDER (1819) wie in den älteren Grammatiken der ältere dr-Typ feststellen.85 Die Dialektparabeln nach STALDER (1819) belegen schließlich auch für das Berner Oberland den dr-Typ.86 In den älteren Grammatiken fehlen Darstellungen hierzu, stattdessen ist für die angrenzenden Freiburger Voralpen (Älgra FR-14Jaun nach STUCKI 1917, 282) der dr-Typ belegt. Ebenso bestimmt der dr-Typ den Kanton Wallis sowohl in den Daten von STALDER (1819) wie auch in den älteren Grammatiken.87 3. Zeitebene Karte 6 zeigt die areale Verteilung der Nominativtypen ein weiteres halbes Jahrhundert nach den älteren Grammatiken. Für die Darstellung werden der SDS und der VALTS verwendet. Die beiden Karten, auf die sich die Darstellung stützt, sind unterschiedlich aufgebaut. Karte III, 134 im SDS zeigt die Verteilung der beiden Typen im Nominativ. Es werden fünf Stufen unterschieden: də: də > dr: də =dr: dr > de: dr:

Der definite Artikel tritt ausschließlich in dieser Form auf. Es tritt überwiegend də auf. Weniger als ein Drittel der Belege lautet dr. Jede Form hat mindestens einen Drittel Anteil am Total. Es tritt überwiegend dr auf. Weniger als ein Drittel der Belege lautet də. Der definite Artikel tritt ausschließlich in dieser Form auf.

Die Karte V 205 im VALTS stellt den bestimmten Artikel im Nominativ und Akkusativ dar. Sechs verschiedene Symbole zeigen verschiedene Kombinationen von Nominativ/Akkusativ-Verwendung an (beide Kasus vom gleichen Typ, unterschiedlicher Typ für Nominativ und Akkusativ sowie verschiedene Mischformen für einen oder beide Kasus). Zu einigen Ortspunkten werden darüber hinaus zwei Symbole angegeben. Diese vom SDS abweichende Darstellung lässt nicht zu, die 85 86 87

Vgl. Dipa 19-FR-Düdingen und Dipa 20-FR-Muschels mit Älgra FR-4-Düdingen nach HENZEN (1927, 200). Vgl. Dipa 5-BE-Sigriswil, Dipa 6-BE-Habkern, Dipa 7-BE-Grindelwald, Dipa 8-BEGuttannen und nahe zu den Freiburger Voralpen Dipa 9-BE-Boltigen. Vgl. Dipa 39-VS-Münster, Dipa 40-VS-Leuk, Dipa 41-VS-Blatten und Dipa 42-VS-Raron mit WIPF (1910, 141) und BOHNENBERGER (1913, 220).

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

119

Daten ebenfalls fünfstufig wiederzugeben. Eindeutige Orte im Hinblick auf den Nominativ werden in dieser Arbeit in den gleichen Farben wie im SDS dargestellt. Orte, die entweder zwei Symbole (d. h. zwei eindeutige Systeme nebeneinander) oder ein Symbol für Mischformen im Nominativ aufweisen, werden aufgrund fehlender Mengenabstufung grau wiedergegeben. Wie erwartet ist die Nordostschweiz dǝ-Gebiet. Auffallend ist einzig die im Kommentar von SDS III 134 explizit erwähnte dr-Form in SH-1-Hallau. Ein Blick in den WA (insb. Karte 356, etwas weniger deutlich ausgeprägt mit mehr Übergangserscheinungen aber auch auf den Karten 529 und 41) zeigt, dass das dǝGebiet gegen Norden zum Zeitpunkt der Datenerhebung, die für die Wenkersätze einiges früher stattgefunden hat, bis in die Gegend um Donaueschingen reicht. Das deutsche und das Schweizer dǝ-Gebiet bilden zusammen ein fast vollkommenes kreisförmiges Verbreitungsgebiet. Im SDS finden sich erstmals Belege für dǝ in der Nordwestschweiz. Während STALDER (1819, vgl. Dipa 33-AG-Aarau) für den Oberaargau um Aarau und Zofingen noch dr ausweist, liegt exakt hier die Grenze zwischen ausschließlichem dǝ-Gebiet und Übergangsgebiet zwischen den beiden Formen. So ist für SDS AG34-Aarau (und südlich angrenzende Ortschaften) nur dǝ, etwas südwestlich davon für SDS AG-47-Zofingen (und westlich angrenzende Ortschaften) beides belegt. Das Übergangsgebiet erstreckt sich nach Westen bis zur Sprachgrenze. Nur die Stadt Basel (SDS BA-1-Basel), für die bei BINZ (1888, vgl. Älgra BA-1-Basel) in den älteren Grammatiken dr belegt ist, weist nach wie vor ausschließlich den alten Typ auf. Die Gegend um Solothurn, die sich bei STALDER (1819, vgl. Dipa 21-SOSolothurn) noch als dr-Gebiet zeigt, ist nun Übergangsgebiet, wenngleich hier der dr-Typ nach wie vor überwiegt. Nur die Stadt SDS SO-25-Solothurn selber weist zwischen ein und zwei Dritteln dǝ-Formen auf. Das Berner Seeland um Biel, bei STALDER (1819, vgl. Dipa 10-BE-Biel) wie bei BAUMGARTNER (1922, vgl. Älgra BE-15-Biel) als dr-Gebiet belegt, zeigt nun Ortschaften ausschließlich mit dr wie beispielsweise SDS BE-15-Biel selber, aber auch Ortschaften mit bis zu einem Drittel dǝ-Formen. Dieses Bild setzt sich südlich im Berner Mittelland und im Emmental fort, wo sich schon bei STALDER (1819, Dipa 3-BE-Bern und Dipa 4BE-Langnau) vereinzelt dǝ-Formen finden. Im angrenzenden luzernischen Entlebuch zeigt sich deutlich, wie sich die neue Form von Norden her im Tal ausbreitet. Bemerkenswert ist, dass schon STALDER (1819, vgl. Dipa 12-LU-Entlebuch) ausschließlich die neue Form, SCHMID (1915, vgl. Älgra LU-30-Schüpfheim) dagegen nur teilweise dǝ belegt. Eine Häufung von dǝ-Formen beobachtet man überraschenderweise in FR westlich vom Berner Mittelland, wo SDS FR-3-Gurmels mindestens ein Drittel und SDS FR-5-Wünnewil und SDS FR-7-Freiburg sogar mehr als zwei Drittel dǝFormen aufweisen. Gegen Süden wird die Ausbreitung der dǝ-Form ganz offensichtlich durch topografische Verhältnisse gestoppt. Sowohl das Senseoberland im Kanton FR als auch das Berner Oberland weisen ausschließlich dr-Formen auf, während im Flachland wenigstens gelegentlich dǝ-Formen belegt sind (vgl. FR, BE). In der

120

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Zentralschweiz und Ostschweiz reicht hauptsächliches oder überwiegendes dǝGebiet bis an die Alpen, während sich der Typ nur zögerlich (durchweg weniger als ein Drittel dǝ-Formen) in den Alpentäler ausbreitet (vgl. LU, ZG, OW/NW, UR, SZ, SG). In den übrigen Alpenkantonen ist (bis auf UR-3-Sisikon an der Grenze zu SZ) ausschließlich dr belegt (vgl. VS, UR, GL, GR). Im Vergleich zu STALDER (1819) lässt sich festhalten, dass sich die neuere dǝForm auf keinen Fall weiter nach Süden ausgebreitet hat. Während STALDERS (1819) Dialektparabeln für NW (Dipa 15-NW-Stans) deutlich mehr dǝ-Formen und für OW (Dipa 16-OW-Alpnach) zumindest ein Drittel dǝ aufweisen, sind im SDS südlich des Vierwaldstättersees höchstens zu einem Drittel dǝ-Formen belegt. Ein gewisser Rückzug des dǝ-Typs kann nicht ausgeschlossen werden. Auch weiter östlich zeigt der SDS (SDS SZ-10-Arth mit ein bis zwei Drittel dǝ- Formen, im westlichen Kantonsteil weniger, im östlichen Kantonsteil mehr dǝ-Formen) ähnliche Werte wie STALDER (1819), der für Dipa 14-SZ-Arth mehr als zwei Drittel dǝ-Formen belegt. Wie erläutert handelt es sich bei STALDERS Dialektparabel zur Stadt Zug (vgl. Dipa 18-ZG-Zug) mit ausschließlich drFormen um eine Ausnahme aufgrund unklarer Gegebenheiten. Im SDS stellt die Stadt SDS ZG-5-Zug schließlich klar dǝ-Gebiet dar, das südlich und östlich von Übergangsorten umgeben ist. Im Kanton SG kann erstmals die Grenze des dǝ-Gebiets nach Süden genauer bestimmt werden. Wie schon von WIGET (1916) beschrieben, ist das Toggenburg gänzlich dǝ-Gebiet. Zwischen dem Toggenburg und dem Walensee liegt die Bergkette der Churfirsten. Diese stellt für das dǝ-Gebiet die topografisch motivierte Grenze dar. Rund um den Walensee sind bis zu einem Drittel dǝ-Formen belegt. Hier hat sich die neuere Form wohl von Westen der Linth entlang ausgebreitet (vgl. SDS SZ-3-Galgenen und SDS SZ-4-Schübelbach, die nur dǝ belegen). Gegen Süden liegen der Kerenzer- und der Flumserberg zwischen dem Walensee und dem südlichsten St. Galler-Kantonsteil. Die Berge bilden auch auf der Südseite des Sees offensichtlich eine topografische Barriere; im südlichsten Kantonsteil sind ausschließlich Formen des dr-Typs belegt. Gegen Osten zeigt sich die Grenze ähnlich wie schon bei JUTZ (1925) beschrieben. Fast das ganze nördliche SG wie auch die beiden davon eingeschlossenen Appenzell (AI/AR) sind dǝ-Gebiet. Die Grenze bildet immer noch das Rheintal. Auf Schweizer Seite sind im St. Galler Rheintal Übergangsorte mit beiden Formen belegt (SDS SG-15-Diepoldsau, SDS SG-16-Oberriet und SDS SG-18Frümsen). Das Übergangsgebiet setzt sich im südlichen Vorarlberger Rheintal fort (VALTS V-30-Koblach und angrenzende Orte). In den südöstlich vom Rheintal abgehenden Seitentälern ist dagegen für die meisten Ortschaften nur dr belegt. Aus dem VALTS V 205 wird auch die Situation im nördlichen Vorarlberg sowie im angrenzenden Allgäu ersichtlich. Im nördlichen Vorarlberg, östlich vom Bodensee, ist wiederum Übergangsgebiet zu beobachten, während sich insbesondere in den hinteren Tälern des Bregenzerwaldes der dr-Typus weitgehend erhalten hat (vgl. das dichter belegte Gebiet mit blauen Symbolen östlich vom Bodensee). Auch im Allgäu ist es offensichtlich wieder der topografische Einfluss der Allgäuer Alpen, der die Ausbreitung der neueren Form behindert. Nördlich des

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

121

Bodensees findet sich ausschließlich dǝ. An der württembergischen Grenze zum Allgäu sowie im westlichsten Allgäu finden sich im Nominativ beide Formen. Im Illertal mitten in den Allgäuer Alpen sowie in sämtlichen östlich davon gelegenen Ortschaften (vgl. VALTS V205, dessen Darstellung weiter nach Osten reicht als die vorliegende Karte 6) schließlich ist im Nominativ nur dr belegt. 4. Zeitebene Die jüngsten, d. h. zeitgenössischen Daten stammen aus dem SADS. Karte 7 zeigt die Verteilung der Nominativbelege. Wie im SDS nimmt SH-Hallau eine Sonderstellung im dǝ-Gebiet ein. Nun sind aber nicht mehr ausschließlich dr-Formen belegt. Im Nominativ halten sich die beiden Typen die Waage.88 Über das ganze dǝ-Gebiet verteilt sind in den Daten des SADS vereinzelte drFormen notiert.89 Dies ist aber auch in den Daten des SDS der Fall, nur werden dort vereinzelte Belege (< 5 %) nicht kartografiert. Die nördliche Westgrenze des dǝ-Typus verläuft wie schon im SDS durch den westlichen AG. Das westlich davon gelegene Gebiet der Kantone BS, BL und SO ist im Vergleich zum SDS aber wieder wesentlich dr-lastiger.90 Hier hat sich die neuere dǝ-Form seit den Erhebungen zum SDS tatsächlich zurückgezogen. Im Berner Seeland und im Berner Mittelland bleiben dǝ-Formen unverändert in der Minderheit.91 Noch weiter westlich im Kanton FR, wo sich schon im SDS unabhängig vom dǝ-Gebiet an der Sprachgrenze zum Französischen vermehrt dǝ-Formen zeigen, hat sich der neuere Typ dagegen bis in die Berggebiete ausgebreitet (vgl. FR-Jaun mit ausschließlich dǝ, FR-Schwarzsee mit überwiegend dǝ).92 Auch im Entlebuch (LU) östlich des Berner Mittellandes hat der dǝ-Typ weit südlich liegende Ort88 89

90 91

92

Im Nominativ stehen 9 dr-Formen 8 dǝ-Formen gegenüber. Im Akkusativ, der wesentlich besser belegt ist, überwiegt nun sogar der dǝ-Typ mit 38 Belegen gegenüber 18 dr-Belegen. Neben den kartografierten Belegen im Nominativ gibt es auch einige Ortschaften, die eine Minderheit dr-Belege nur im Akkusativ aufweisen. Akkusativ ist im SADS quantitativ wesentlich besser belegt; damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch weniger häufig gebrauchte Formen ab und zu auftreten. Dies ist der Fall in: SADS AG-Aarau, SADS AGMenziken, SADS AG-Muhen, SADS AG-Siglistorf, SADS AG-Villigen, SADS AGBaldingen, SADS AG-Stein, SADS LU-Sempach, SADS LU-Willisau, SADS ZG-Oberägeri, SADS ZG-Walchwil, SADS ZH-Andelfingen, SADS ZH-Flaach, SADS TG-Weinfelden, SADS SG-Mörschwil, SADS SG-Sennwald, SADS SG-Wattwil, SADS SG-Wildhaus. Zudem gibt es in einigen Orten, die beide Formen in beiden Kasus belegen, Unterschiede hinsichtlich der quantitativen Verhältnisse der Formen. Diese werden weder hier noch im Folgenden einzeln ausgewiesen. Vereinzelte dǝ-Formen nur im Akkusativ finden sich zudem in SADS AG-Möhlin und SADS BL-Aesch. Vereinzelte dǝ-Formen nur im Akkusativ belegen: SADS BE-Bleienbach, SADS BEKonolfingen, SADS BE-Laupen, SADS BE-Melchnau, SADS BE-Neuenegg, SADS BENiederbipp, SADS BE-Steffisburg, SADS BE-Wynigen sowie SADS BE-Huttwil mit mehr als einem Drittel dǝ-Belegen im Akkusativ. Vereinzelt dr nur im Akkusativ ist für SADS FR-Plaffeien belegt.

122

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

schaften im Tal erreicht. Gab es im SDS noch deutlich mehr dr-Formen, sind nun die dǝ-Formen häufiger.93 Die Innerschweizer Kantone OW, NW und Teile des Kantons SZ stellen nach wie vor Übergangsgebiet mit überwiegendem dr-Anteil dar.94 Im Kanton Uri ist der dǝ-Typus neu im Haupttal wie in die Nebentäler95 bis nach SADS URGurtnellen belegt. Formen des dr-Typ überwiegen aber nach wie vor. Die beiden südlichsten Ortschaften SADS UR-Göschenen und SADS UR-Andermatt weisen ausschließlich dr auf. In Richtung Osten lässt sich die Grenze des dǝ-Gebiets mit dem Übergangsort SADS SG-Diepoldsau nach wie vor auf das St. Galler Rheintal festlegen, wenngleich neuere Daten für das angrenzende Vorarlberg fehlen. Das Berggebiet vom Berner Oberland über das VS, das Urserental (UR), GL und das südliche SG bis nach GR ist nach wie vor dr-Gebiet. Wie beim dǝ-Gebiet sind die gegenüber dem SDS etwas zahlreicher vorhandenen Ortschaften mit einem kleinen dǝ-Anteil96 (hauptsächlich in GR) darauf zurückzuführen, dass es bei der geringen Belegzahl beim SADS nicht praktikabel ist, wie im SDS eine Belegschwelle von mind. 5 % anzusetzen. Vom SDS Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur aktuellen SADS-Befragung hat sich also die dǝ-Form im Nordwesten (BS, BL und SO) eher wieder zurückgezogen, dagegen in den beiden Nord-Süd-Tälern im luzernischen Entlebuch wie in UR talaufwärts etwas weiter gegen Süden ausgebreitet. Im vom übrigen dǝ-Gebiet abgetrennten FR hat sich in dieser Zeit die dǝ-Form in hohem Maße durchgesetzt und verbreitet. Zusammenfassung Schon auf der ersten Zeitebene (Anfang 19. Jahrhundert) lassen sich zwei Formtypen des definiten Artikels Maskulinum Singular (vor Konsonant) beobachten. Im zentralen Norden gibt es einen größeres dǝ-Gebiet, das sich gegen die Zentralschweiz keilförmig zuspitzt. Gegen Westen sind Übergangsgebiete in den Kantonen LU und BE zu beobachten. Die übrige Schweiz weist ausschließlich den Typ dr auf. Die nördliche Westgrenze zwischen dr-Typ und dǝ-Typ verläuft auf der ersten Zeitebene durch den westlichen Kanton AG. Auch auf der dritten Zeitebene (Mitte 20. Jahrhundert) bildet der AG eine Grenze: Östlich davon ist fast ausschließlich dǝ belegt, westlich davon finden sich nun bis zur westlichen Sprach93

94 95 96

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass alle hier rot markierten Ortschaften im Akkusativ auch eine Minderheit an dr-Formen aufweisen (talabwärts, d. h. Richtung Süden, sind dies: SADS LU-Marbach, SADS LU-Schüpfheim, SADS LU-Wolhusen und SADS LUEntlebuch). Vereinzelt dǝ nur im Akkusativ in SADS OW-Engelberg und SADS SZ-Oberiberg, welches keinen Nominativbeleg aufweist. Vgl. SADS UR-Maderanertal wie auch SADS UR-Unterschächen, welches eine vereinzelte dǝ-Form im Akkusativ aufweist. Nicht verzeichnet, weil nur im Akkusativ vereinzelt dǝ belegt ist, sind dagegen SADS GLMollis, SADS SG-Flums, SADS SG-Grabs und SADS SG-Wartau.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

123

grenze und in südwestlicher Fortsetzung auch im Kanton FR deutlich beide Typen. Bis zur vierten Zeitebene (Ende 20. Jahrhundert) verschwindet der dǝ-Typ (bis auf vereinzelte Belege) im westlichen Gebiet aber wieder. Die Grenze verläuft erneut durch den westlichen AG. Nur im Kanton FR breitet sich der dǝ-Typ von der dritten zur vierten Zeitebene deutlich aus und wird nun fast ausschließlich verwendet. Damit hat sich hier ein vom großen dǝ-Gebiet völlig abgeschnittenes neues dǝ-Gebiet gebildet. Das etwas weiter südlich liegende Übergangsgebiet der ersten Zeitebene teilt sich: auf der dritten und vierten Zeitebene sind im Berner Mittelland nur noch vereinzelt Formen des dǝ-Typs belegt, im luzernischen Entlebuch breitet sich der dǝ-Typ von der dritten zur vierten Zeitebene deutlich talaufwärts (Richtung Süden) aus. In der Zentralschweiz bilden die Berge die topografische Grenze, welche die weitere Ausbreitung des dǝ-Typs fast vollständig stoppt. Nur im Kanton Uri lassen sich auf der vierten Zeitebene talaufwärts (Richtung Süden) erste Formen des dǝ-Typs beobachten. Die Ostgrenze, die auf der ersten Zeitebene durch den Nordwesten des Kantons SG verläuft (insbesondere belegt für das Toggenburg), verschiebt sich in den nächsten hundert Jahren deutlich Richtung Osten und verläuft seit der zweiten Zeitebene (Anfang 20. Jahrhundert) unverändert durch das St. Galler/Vorarlberger Rheintal. 4.4.2 Synkretismus von Nominativ und Akkusativ vor Konsonant 1. Zeitebene „Der Accusativ der Einheit97 ist auch bei den Maskulinis in unserer Sprache dem Nominativ stets gleich. Man spricht daher auch: er hed d’r Fründ glîebt, er hat den Freund geliebt; er hed der Att bbätte, er hat den Vater gebeten“, hält STALDER (1819, 80; Kursivsetzung GP) für den definiten Artikel in den Schweizer Mundarten fest (die Beispiele lassen vermuten, dass STALDER (1819) nicht zwischen Belegen vor Konsonant und solchen vor Vokal unterscheidet). Auf die in seinen Parabeln belegten dən-Akkusative geht STALDER (1819) ebenso wenig ein wie auf də, wenn es als Akkusativform dem Nominativ dr entgegengesetzt wird. Die Auswertung der Dialektparabeln zeichnet dagegen ein recht deutliches Bild des Zusammenfall bzw. der Unterscheidung von Nominativ und Akkusativ zu Beginn des 19. Jahrhunderts, obwohl nur für die Hälfte von STALDERS (1819) Dialektparabeln auch Akkusativformen belegt sind, vgl. Karte 8. Das zentrale Gebiet im Norden mit dem neueren də-Typ im Nominativ zeigt auch für den Akkusativ də und folglich bereits Synkretismus der beiden Kasus (vgl. Dipa 23-SH-Schaffhausen, den östlichen Aargau mit dem Freiamt (Dipa 35AG-Mellingen) und das Fricktal (Dipa 36-AG-Gansingen) sowie Dipa 1-ZH97

Einheit (Singular) steht bei STALDER (1819) der Mehrheit (Plural) gegenüber.

124

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Kilchberg). Im westlich angrenzenden dr-Gebiet zeigt sich ebenfalls von Norden her ein deutlicher Kasuszusammenfall, der vom westlichen Aargau (Dipa 33-AGAarau) über solothurnisches Gebiet (Dipa 21-SO-Solothurn) und das Berner Seeland (Dipa 10-BE-Biel) bis ins Senseoberland (Dipa 20-FR-Muschels) reicht. Deutlich ist die Unterscheidung zwischen Nominativ und Akkusativ dagegen sowohl im ganzen Berggebiet (vgl. das Berner Oberland mit Dipa 8-BEGuttannen, das Wallis mit Dipa 42-VS-Raron und Graubünden mit Dipa GR-31Chur) wie auch im Nordosten östlich vom də-Gebiet (so im Oberthurgau mit Dipa 37-TG-Bischofszell, in Dipa 25-SG-St. Gallen und im St. Galler Rheintal mit Dipa 29-SG-Oberriet). Vielerorts ist dabei im Akkusativ auch das auslautende n noch erhalten (als den in Dipa 8-BE-Guttannen und Dipa 25-SG-St. Gallen notiert, als dun in Dipa 42-VS-Raron). Es finden sich aber auch schon reduzierte Formen mit vokalischem Auslaut (de geschrieben in Dipa 37-TG-Bischofszell und Dipa 31-GR-Chur, da in Dipa 29-SG-Oberriet). Auch das Urserental ganz im Süden des Kantons Uri (Dipa 13-UR-Hospental) zeigt eine deutliche Tendenz zur Kasusunterscheidung: Im Nominativ steht hier acht Belegen des dr-Typs nur ein də-Beleg gegenüber. Im Akkusativ dagegen sind die Belege des də-Typs in Überzahl (drei də-Belege gegenüber einem dr-Beleg). Im zentralen Bereich zwischen den kasusunterscheidenden südlichen und östlichen sowie den kasussynkretistischen westlichen dr- und nördlichen de-Gebieten finden sich erwartungsgemäß einige Übergangsgebiete, welche die folgenden Belegzahlen aufweisen: Nominativ

Akkusativ

dr



dr



Dipa 4-BE-Langnau

2

1

1

1

Dipa 15-UW-Stans

1

5

1

3

Dipa 27-SG-Kirchberg



7

1

2

Dipa 14-SZ-Arth

3

8



2

Dipa 2-ZH-Ottenbach

2

10



2

Tabelle 26: Übergangsgebiete zwischen dr- und də-Typ bei STALDER (1819)

Im Emmental (Dipa 4-BE-Langnau) sind in beiden Kasus beide Formen gleichermaßen belegt. Die Innerschweiz zeigt mit Dipa 15-UW-Stans ebenso beide Typen in beiden Kasus, aber mit einem deutlich höheren Anteil an də-Formen und mit Dipa 14-SZ-Arth eine noch deutlichere Tendenz zu də, insofern sich hier im Nominativ überwiegend und im Akkusativ ausschließlich dieser Typ findet. Die gleiche Verteilung wie Dipa 14-SZ-Arth zeigt auch Dipa 2-ZH-Ottenbach. Ausschließlich də im Nominativ, dagegen noch eine restliche dr-Form im Akkusativ zeigt dagegen das Mittlertoggenburg (Dipa 27-SG-Kirchberg). Die Datenlage ist aber auf jeden Fall zu dünn, um aus diesen Zahlen abzuleiten, wie sich der Über-

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

125

gang zwischen den verschiedenen (kasus- und/oder typunterscheidenden) Gebieten genau gestaltet. Die Interpretation von Dipa 18-ZG-Zug ist wie erläutert (siehe Kapitel 4.4.1) nicht möglich. 2. Zeitebene Der Vergleich von STALDER (1819) mit den Darstellungen in den älteren Grammatiken etwa hundert Jahre später zeigt interessante Veränderungen, siehe Karte 9. Die westliche Grenze zwischen synkretistischem də-Gebiet und synkretistischem dr-Gebiet lässt sich anhand der vorhandenen Daten nur sehr ungenau bestimmen. Bei STALDER (1819) wurden Teile des Aargaus − konkret das Fricktal (Dipa 36-AG-Gansingen) und das Freiamt (Dipa 35-AG-Mellingen) − als dəGebiete ausgewiesen; dieser Befund bestätigt sich in den älteren Grammatiken (vgl. Älgra AG-38-Lenzburg nach [ANONYMUS] 1874 für den unteren Aargau). Der äußere deutschsprachige Westen (siehe Älgra BS-1-Basel nach BINZ 1888, Älgra BE-15-Biel für das Berner Seeland nach BAUMGARTNER 1922, Älgra FR-4Düdingen für das Freiburger Unterland nach HENZEN 1927) dagegen ist in den älteren Grammatiken durchweg dr-Gebiet mit Synkretismus bis nach Älgra FR14-Jaun (vgl. STUCKI 1917) südlich des Senseoberlands. Übergangsgebiet zwischen den beiden synkretistischen Gebieten ist das an das bernische Emmental (siehe Dipa 4-BE-Langnau nach STALDER 1819) angrenzende luzernische Entlebuch (Älgra LU-30-Schüpfheim nach SCHMID 1915). Für die nach STALDER (1819) ausgewiesenen Übergangsgebiete in den Kantonen OW, NW und SZ fehlen entsprechende Daten. Nach Osten ist mit der Ausbreitung des də-Gebiets auch das synkretistische Gebiet gewachsen. Neu weisen der Kanton TG (vgl. Älgra TG-13-Kesswil nach ENDERLIN 1913 gegenüber Dipa 37-TG-Bischofszell), das Toggenburg (siehe Älgra SG-1-Kirchberg nach WIGET 1916 gegenüber Dipa 27-SG-Kirchberg, das bei STALDER 1819 Übergangsgebiet darstellt) und das Appenzellerland (Älgra AP-11-Appenzell nach VETSCH 1910 gegenüber dem nur wenig nördlich davon gelegenen Dipa 25-SG-St. Gallen, bei STALDER 1819 ohne Synkretismus) ausschließlich die jüngere Form für beide Kasus aus. Östlich von Appenzell stellt sich das St. Galler Rheintal (bei STALDER 1819 noch klar mit Kasusunterscheidung, vgl. Dipa 29-SG-Oberriet) nun als Übergangsgebiet dar: Älgra SG-14Altstätten (BERGER 1913) weist für Nominativ wie Akkusativ beide Formen auf. JUTZ (1925, 278) meint, auch im nördlichen Vorarlberger Rheintal schon də neben dr gehört zu haben; da dies aber außerhalb seines Untersuchungsgebiets liegt, finden sich keine genaueren Angaben. Nur wenig südöstlich davon jenseits des Rheins zeigt Älgra OE-2-Koblach und auch weiter südlich Liechtenstein (Älgra LI-1-Vaduz) Zusammenfall auf dr. Nach wie vor vollständig erhalten ist die Kasusunterscheidung in Älgra OE-1-Feldkirch (ebenfalls im Rheintal) und in den davon abgehenden Seitentälern (Walgau als Älgra OE-3-Bludenz und Montafon

126

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

als Älgra OE-4-Schruns; Klostertal als Älgra OE-5-Klösterle, vgl. JUTZ 1925, 277). Es scheint, als ob sich zwischen synkretistischem də-Gebiet (Schweiz) und kasusunterscheidendem Berggebiet (Österreich) von Älgra OE-2-Koblach aus südwärts dem Rhein entlang ein schmaler Streifen mit Synkretismus auf dr findet. Das würde bedeuten, dass beim Zusammenfall der beiden Kasus kein direkter Übergang von Kasusunterscheidung (dr vs. də) zu də-Synkretismus mit Verwendung der Akkusativform (də-Typ) für den Nominativ stattfindet, sondern dass zuerst der Nominativ (dr-Typ) auf den Akkusativ übertragen wird, bevor unter Einfluss von westlichen Formen der jüngere də-Typ den dr-Typ in beiden Kasus ablöst. Auch südlich des də-Gebiets findet sich sowohl im Kanton GL (Älgra GL-2Obstalden nach WINTELER 1876 und Älgra GL-5-Glarus nach STREIFF 1915) wie auch im Kanton UR (Älgra UR-4-Altdorf nach CLAUSS 1929 und Älgra UR-11Hospental für das Urserental nach ABEGG 1913) Kasuszusammenfall auf dr. Vergleichswerte zur früheren Zeitebene fehlen hierzu größtenteils. Nur das Urserental ist bei STALDER (1819) schon belegt; dort zeigt es eine starke Tendenz zur Kasusunterscheidung (vgl. Dipa 13-UR-Hospental), aber sowohl einmal dr im Akkusativ wie auch einmal − was wohl eher als Ausreißer zu interpretieren ist − də im Nominativ. Der Zusammenfall hat sich also insbesondere im Kanton UR in starkem Ausmaß durch das Urnertal bis ins Urserental nach Süden fortgesetzt. Letzte Reste von expliziten Akkusativmarkierungen in festen Wendungen halten von Westen nach Osten noch STUCKI (1917)98 zu Älgra FR-14-Jaun, CLAUSS (1929)99 zu Älgra UR-4-Altdorf und WINTELER (1876)100 zu GL-2-Obstalden fest. Der Walserkanton VS (nach BOHNENBERGER 1913 wie auch WIPF 1910, 142 für Älgra WS-13-Visperterminen), die Walser Sprachinseln in GR (ebenfalls BOHNENBERGER 1913 sowie BRUN 1918 für Älgra GR-25-Obersaxen), aber auch die Bündner Herrschaft mit Bündner Dialekt (vgl. Älgra GR-3-Malans nach MEINHERZ 1920, 182101) zeigen nur noch teilweise die frühere Kasusunterscheidung. Nach BRUN (1918, 166 f.) ist in Älgra GR-25-Obersaxen „Die Akkusativform […], besonders beim bestimmten Artikel, noch häufiger als die dafür einge98

„Im Akk. Sing. Mask. ist in freiem Gebrauch die Nominativform eingetreten; die Akkusativform ist nur bewahrt vor Ordinalzahlen in Fügungen wie dən ıerštən ābə (daneben aber schon verderbt dər ıerštən ābə […])“ (STUCKI 1917, 283). 99 „Der Ak. Sg. Mask. də findet sich nur in den adverbialen Ausdrücken də summərt99 den Sommer (hindurch), im S., də wıntərt im Winter, də tak am Tage, danach analogisch də tnaxt in der Nacht (də + t + naxt; […])“ (CLAUSS 1929, 195). 100 „[…] də ləidə, u-mərə weg ‚den leiden, unschönen (ahd. unmâri) Weg’, d. i. auf ungeschliffene, grobe Weise u. dgl.“ (WINTELER 1876, 187). Anmerkung: Ausnahmsweise wird Schwa nicht in der originalen Umschrift − nämlich als & − wiedergegeben, da dieses Zeichen nicht gebräuchlich, wenig intuitiv erfassbar und damit sehr schlecht lesbar ist. 101 In der tabellarischen Darstellung (MEINHERZ 1920, 181) werden nur Formen des dr-Typs angegeben. Das Nebeneinander von dr und dǝ ist erst in den Anmerkungen vermerkt: „Im Akk. Sg. m. kommt neben dǝ auch die Nom.-Form dǝr vor. Soweit ich sehe, erscheint dǝ immer, wenn der Akk. von einer Präp. abhängt […]; sonst kommen beide Formen vor“ (MEINHERZ 1920, 181).

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

127

tretene Nominativform […]“. Dagegen beobachtet WIPF (1910, 142) für Älgra WS-13-Visperterminen: „Schon ziemlich häufig wird die Nom.-Form als Akk. gebraucht“. Und BOHNENBERGER (1913, 221) schreibt: „Als Akk. des Mask. wird in allen Teilen des Gebietes, auch im Süden und Osten, die Nominativform dєr, dє̄r verwendet […]“. HOTZENKÖCHERLE (1934, 433) schließlich stellt entgegen den Ausführungen BOHNENBERGERS (1913) auch für Älgra GR-32-Mutten vollständigen Kasuszusammenfall beim Objektskasus fest, was vielleicht sogar den zwei Jahrzehnten zeitlicher Differenz zwischen den beiden Darstellungen geschuldet sein kann. Auch im Höchstalemannischen hat also der Kasuszusammenfall im 19. Jahrhundert Einzug gehalten. 3. Zeitebene Da sich das Gebiet mit Kasussynkretismus nach Osten bis beinahe an die Schweizer Grenze ausgeweitet hat, bietet es sich an, den Artikelgebrauch im östlichen Grenzgebiet etwas genauer zu betrachten. Erfreulicherweise liegen für die dritte Zeitebene nicht nur Daten für die Schweiz (SDS), sondern mit dem VALTS auch für das angrenzende Vorarlberg vor. Die einschlägige Karte des SDS (III, 136) zeigt nur die Bereiche an, die den Akkusativ noch teilweise oder ganz vom Nominativ abweichend markieren. Der Anteil der abweichenden Markierungen in den jeweiligen Belegorten wird in vier Stufen angegeben: – – – –

weniger als ein Drittel dǝ(n)-Belege ein Drittel bis zwei Drittel dǝ(n)-Belege mehr als zwei Drittel dǝ(n)-Belege dǝ(n)

Im Gegensatz dazu stellt die einschlägige Karte des VALTS (V, 205) auch die jeweiligen Nominativformen dar. Es gibt sechs Kategorien, zwei davon mit vollständigem Zusammenfall, vier mit verschiedenen Ausprägungen der Unterscheidung: –

Vollständiger Zusammenfall: a Nominativ und Akkusativ: dr̥ b Nominativ und Akkusativ: dǝ



Unterscheidung: c Nominativ: dr̥ d Nominativ: dr̥ e Nominativ: dr̥ /dǝ f Nominativ: dr̥

Akkusativ: dǝ Akkusativ: in Akkusativ: dǝ Akkusativ: dr̥ /dǝ

Im direkten Vergleich fallen mehrere Unterschiede auf:

128

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Erstens wird der Grad des Zusammenfalls im SDS quantitativ abgestuft. Diese Abstufung gibt es im VALTS nicht. Zweitens findet sich die Form in (vgl. die Kategorie d im VALTS) auch in der Schweiz (genauer: im Lötschental102). Die Form wird aber im SDS nicht eigens ausgewiesen, sondern mit dǝ(n) zusammengefasst, da beide Formen gleichermaßen vom Nominativ abweichen. Drittens findet sich im VALTS ein in der Schweiz unbekannter Typ. Im SDS ist Kasusunterscheidung nur in Gebieten belegt, die im Nominativ ausschließlich dr aufweisen, während im Akkusativ entweder dr und dǝ (teilweise noch mit dem alten Akkusativ-n) oder ausschließlich dǝ(n) belegt ist. Im VALTS dagegen werden Gebiete ausgewiesen, in denen die dǝ-Form neben dr im Nominativ auftritt, während im Akkusativ ausschließlich dǝ aufscheint (vgl. die Kategorie e). Viertens sind im VALTS teilweise zwei Symbole zu einem Ortspunkt eingetragen, während es im SDS immer nur ein Punktsymbol je Ort gibt. Für die Schweizer Ortschaften stützt sich der VALTS zwar auf die Daten des SDS, die Befunde werden aufgrund dieser Differenz anders dargestellt: –



Die synkretistischen Übergangs-Ortschaften (dr-Typ zu dǝ-Typ) SDS SG-18Frümsen, SDS SG-42-Sevelen und SDS SG-46-Vättis werden auf der Nominativ-Karte des SDS (III, 134) mit dem Symbol für beide Formtypen in beiden Kasus kartiert und scheinen deshalb auf der Akkusativ-Karte (SDS, III 136) nicht auf. Im VALTS dagegen werden diese drei Ortschaften jeweils mit zwei Symbolen markiert, und zwar mit jenem für Formzusammenfall auf dr̥ (Kategorie a) und mit jenem für Formzusammenfall auf dǝ (Kategorie b). Die Schweizer Ortschaften, die einen teilweisen Formzusammenfall aufweisen (dr im Nominativ, dr und dǝ im Akkusativ: SDS GR-13-St. Antönien, SDS GR-22-St. Peter, SDS GR-23-Langwies) und im SDS durch das entsprechende Symbol gekennzeichnet sind, werden im VALTS ebenfalls mit zwei Symbolen markiert: zum einen mit dem Symbol für Formzusammenfall auf dr (Kategorie a), zum anderen mit dem Symbol für Formunterscheidung Nominativ dr̥ vs. Akkusativ dǝ (Kategorie c). Worin nun der Unterschied zu Ortschaften besteht, die im VALTS mit dem Symbol für die hier als f angeführte Kategorie markiert sind und ebenfalls im Nominativ nur dr, im Akkusativ dagegen dr und dǝ aufweisen, bleibt unklar.103 Dasselbe gilt für Ortschaften mit b (dǝ in Nominativ und Akkusativ) und c (dr im Nominativ vs. dǝ im Akkusativ) gegenüber solchen mit e (dr oder dǝ im Nominativ; dǝ im Akkusativ).

102 Belege finden sich beispielsweise in den Erhebungen des SADS (vierte Zeitebene) für SADS VS-Blatten und SADS VS-Ferden. 103 Denkbar wäre, dass die Sprechweise einzelner Personen betrachtet und als jeweiliges „System“ interpretiert werden. So würde im ersten Fall mit zwei Symbolen eine Person der Ortschaft nur Zusammenfall, die andere Person dagegen nur Unterscheidung aufweisen, während im zweiten Fall mit nur einem Symbol (einzelne oder alle?) Personen beide AkkusativFormen und damit beide „Systeme“ zeigen würden.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

129

Um die beiden Darstellungen sinnvoll nebeneinander zu legen, sind Vereinfachungen nötig. Zum einen wird im Folgenden auf die quantitative Differenzierung in den Übergangsgebieten (sowohl bei der Veränderung des Typs in Gebieten mit Kasussynkretismus wie auch bei teilweisen Formunterscheidungen zwischen den Kasus) verzichtet, weil diese Unterscheidung nur im SDS gemacht wird. Zum anderen werden die Ortschaften mit mehreren Punktsymbolen dahingegend vereinfacht, dass nur das Vorkommen der Formen im jeweiligen Kasus beachtet wird: so werden Ortschaften mit a und b nach VALTS als Übergangsgebiet (wie gesagt: ohne Angabe der Quantitäten, d. h. als „dr/dǝ dr/dǝ“) wiedergegeben. Ortschaften mit a und c nach VALTS wie auch solche mit e werden als „dr dr/dǝ“ klassifiziert. Ortschaften mit b und c wie auch solche mit f werden als „dr/dǝ dǝ“ kartiert etc. Gemäss diesem Verfahren zeigt Karte 10 die Gebiete, die Nominativ und Akkusativ zumindest teilweise noch unterscheiden. In der Schweiz finden sich nun Reste von Akkusativmarkierungen noch im östlichen Berner Oberland, im westlichen Deutschwallis und in den hinteren Ortschaften der östlichen Täler im GR.104 Bis auf SDS GR-14-Klosters, GR-24Davos-Frauenkirch und VALTS T-29-Samnaun, die jeweils abgelegen weit hinten im Tal liegen, weisen alle Ortschaften neben der Akkusativform auch Nominativformen im Akkusativ auf. VALTS T-29-Samnaun ist darüber hinaus insofern bemerkenswert, als es zwar in der Schweiz liegt, aber aus geografischen Gründen eng mit der Region Ischgl (Tirol OE) verbunden ist, bis 1912 nur über Österreich erreichbar war und seine Daten erst von EUGEN GABRIEL für den VALTS erhoben wurden. Es ist daher nicht erstaunlich, dass Samnaun wie die ganze Region Ischgl vollständige Kasusunterscheidung aufweist. Im Vergleich zur vorangehenden Zeitebene, für die nicht flächendeckend Daten vorhanden sind, kann hier mit dem östlichen Berner Oberland (und insbesondere dem Haslideutschen) ein weiteres relikthaftes Gebiet mit teilweise erhaltener Kasusunterscheidung ausgemacht werden. Auch zeigt sich, dass die Unterscheidung, die in den älteren Grammatiken zumindest teilweise noch im ganzen Wallis und Graubünden zu beobachten war, nun abgesehen von wenigen Ortschaften aufgegeben worden ist. Synkretismus von Nominativ und Akkusativ hat sich also im VS und GR noch weiter ausgebreitet. Im Osten, wo BERGER (1913, vgl. Älgra SG-14-Altstätten) im St. Galler Rheintal noch unterscheidende Akkusativformen ausmachen konnte, sind bis zur Schweizer Grenze keine Ortschaften mehr belegt, die eine eindeutige Kasusunterscheidung treffen. Wie die Daten des VALTS zeigen, liegt das Übergangsgebiet zur Kasusunterscheidung inzwischen jenseits der Schweizer Grenze in Vorarlberg und Württemberg. Im südlichen Vorarlberger Rheintal hat JUTZ (1925, 277) in Älgra OE-1Feldkirch noch Kasusunterscheidung festgestellt. Nach VALTS sind V-58Feldkirch und Umgebung wie auch südlich davon Nominativ und Akkusativ auf dr zusammengefallen. Kasusunterscheidung ist nur noch in den dahinter liegenden 104 In allen drei Regionen ist neben də auch dən mit altem Akkusativ-n belegt, vgl. z. B. MEYER 1967, 58).

130

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Tälern (Walgau, Montafon und Klostertal) erhalten: in den tiefer gelegenen Ortschaften teilweise, in den höher gelegenen Ortschaften immer noch vollständig. Im nördlichen Rheintal, den östlich angrenzenden Bregenzerwald, nördlich vom Bodensee in Württemberg und Richtung Nordosten im Allgäu ist für etliche Ortschaften ebenfalls noch vollständige Kasusunterscheidung belegt. Im Gegensatz zu den vorher betrachteten Gebieten wechseln sich hier aber Formunterscheidung (dr im Nominativ und dǝ im Akkusativ) mit Formzusammenfall auf dǝ ab, siehe Karte 11, welche zusätzlich die Gebiete mit dǝ-Synkretismus ausweist. Auch in Ortschaften, die weder vollständige Unterscheidung noch vollständigen Synkretismus aufweisen, sind keine dr-Formen im Akkusativ belegt, vgl. die orangefarbenen Dreieck-Symbole („dr/dǝ dǝ“ auf der Karte). Die Karte macht deutlich: Die Gebiete in Deutschland und Österreich mit dem alten Akkusativ dǝ und sowohl ursprünglichem dr wie auch neuerem dǝ im Nominativ (siehe „dr/dǝ dǝ“ auf der Karte) grenzen gegen Westen durchgehend an das Großgebiet mit Kasussynkretismus auf dǝ, während sich gegen Osten immer Ortschaften mit vollständiger Kasusunterscheidung anschließen. Das Übergangsgebiet, insb. nordöstlich vom Bodensee, verwebt Ortschaften mit Synkretismus auf dǝ, Orte mit beiden Formen im Nominativ und Orte mit vollständiger Unterscheidung. Daraus lässt sich schließen, dass in den beschrieben Großräumen mit ausschließlich dǝ im Nominativ und dǝ oder dr oder beiden Formen im Akkusativ unter dem Einfluss des synkretistischen dǝ-Gebiets die Form des Akkusativs direkt auf den Nominativ übertragen wird. Obwohl ein solcher unmittelbarer Übergang von Kasusunterscheidung zu dǝ-Synkretismus vielleicht sogar eher zu erwarten wäre, gibt es dafür in der Schweiz bislang keine Entsprechung. Unmittelbar südlich vom Bodensee findet sich erstaunlicherweise ein scharfer Schnitt zwischen dǝ-Synkretismus auf Schweizer Seite (alle Ortschaften vom Bodensee bis zu SDS SG-14-Altsätten inkl. VALTS V-9 Gaißau, das zwar auf österreichischer Seite liegt, aber in direkter Linie die Schweizer Ortschaften fortsetzt) und kasusunterscheidendem Gebiet105 im nördlichen Vorarlberger Rheintal. Übergangsorte mit beiden Formen im Nominativ und dǝ im Akkusativ sowie Orte mit dǝ-Synkretismus finden sich erst etwas weiter östlich. Es stellt sich die Frage, ob nominativisches dǝ v. a. von Norden her Einfluss ausübt oder ob südlich angrenzendes Übergangsgebiet mit beiden Formen in beiden Kasus (siehe unten) auch ausreichend dǝ im Nominativ präsentiert, um diese Art der Formübertragung zu unterstützen. Analog zu den Betrachtungen der Auswirkungen des dǝ-Großraums zeigt Karte 12 zusätzlich zu (teilweiser) Kasusunterscheidung sämtliche Orte mit Synkretismus auf dr. Die Gebiete mit teilweise erhaltener Formunterscheidung, die im Nominativ ausschließlich dr, im Akkusativ dagegen beide Formen aufweisen (vgl. „dr dr/ dǝ(n)“ auf der Karte), liegen deutlich in Gebieten, die ansonsten Synkretismus auf 105 Vollständige Kasusunterscheidung zwischen Nominativ dr und Akkusativ dǝ in VALTS V13-Lustenau, VALTS V-10-Höchst, VALTS V11-Fußach, VALTS V-12-Hard, VALTS V-6Bregenz und weiteren Ortschaften östlich davon.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

131

dr aufweisen. Dies gilt für das östliche Berner Oberland, für das westliche Deutschwallis und auch für das südliche Vorarlberger Rheintal. Ganz LI wie auch die Region um VALTS V-58-Feldkirch weisen Kasussynkretismus auf dr auf; gegen Südosten schließen sich Ortschaften mit dr im Nominativ und beiden Formen im Akkusativ an; noch weiter südöstlich folgen kasusunterscheidende Ortschaften. Die Abstufung ist hier deutlich, das Übergangsgebiet schmaler und weniger durchwoben als im Norden beim Übergang von dǝ-synkretistischem zu kasusunterscheidendem Gebiet. Daraus ist zu schließen: offensichtlich Die Nachbarschaft zum dr-synkretistischen Gebiet ebnet der Übertragung des nominativischen dr auf den Akkusativ (und damit einem fortschreitenden Kasuszusammenfall) offensichtlich ebenso den Weg, wie dies vorher für die Übertragung von dǝ auf den Nominativ in der Nachbarschaft des dǝ-Gebiets gezeigt wurde. Zu beachten sind schließlich auch alle Ortschaften, die beide Formtypen sowohl im Nominativ wie auch im Akkusativ aufweisen, siehe Karte 13. Beide Formen in beiden Kasus finden sich v. a. im Nordwesten (BS, BL, SO, AG, Berner Seeland), im Freiburgischen und in der Innerschweiz (LU, OW, NW, SZ). Vereinzelt gibt es solche Ortschaften östlich vom Innerschweizer Gürtel in der Linthebene und am Walensee (SDS SZ-5-Tuggen, SDS SG-29-Benken, SDS SG-34-Schänis, SDS SG-35-Amden, SDS SG-36-Murg und SDS SG-37Oberterzen). Alle diese Übergangsgebiete liegen zwischen synkretistischen Gebieten auf dr und synkretistischen Gebieten auf dǝ. Im Hinblick auf die Frage nach formunterscheidenden Gebieten sind sie folglich nicht von Bedeutung. Einen genaueren Blick verdienen dagegen jene Ortschaften, die im St. Galler bzw. Vorarlberger Rheintal liegen. Karte 14 stellt die Ostschweiz und die angrenzenden Gebiete etwas vergrößert dar und bezieht alle Formausprägungen mit ein. In und rund um VALTS V-38-Koblach106 am Kummenberg, welcher als Grenzberg zwischen dem oberen (südlichen) und dem unteren (nördlichen) Vorarlberger Rheintal gilt, findet sich also ein weiteres Gebiet, das beide Formen in beiden Kasus aufweist (vgl. „dr/dǝ dr/dǝ“ auf der Karte). Von Süden unterliegt dieses Übergangsgebiet dem Einfluss von Synkretismus auf dr.107 Mit VALTS V46-Laterns im Laternsertal108 grenzt südöstlich vom Übergangsgebiet aber auch eine Ortschaft mit teilweiser Kasusunterscheidung (Übergang zu drSynkretismus) an das Übergangsgebiet an. Dies ist bei den Übergangsgebieten in der Schweiz nirgendwo der Fall. 106 Dazu gehören auch: VALTS V-37-Röthis, VALTS V-35-Klaus, VALTS V-36-Fraxern, VALTS V-34-Götzis und VALTS V-29-Altach, nördlich angrenzend nach der Rheinkorrektur auf der östlichen Seite des Rheins, aber zur Schweiz gehörend SDS SG-15-Diepoldsau und südwestlich jenseits des Rheins auf Schweizer Seite SDS SG-16-Oberriet. 107 Vgl. die angrenzenden Ortschaften VALTS V-31-Meiningen und VALTS V-55-Rankweil sowie alle weiter südlich liegenden Ortschaften. 108 Hierbei handelt es sich wie auch bei anderen Vorarlberger Tälern und Gemeinden (z. B. das große und das kleine Walsertal, das Silbertal im Montafon und viele mehr) um eine Walsersiedlung. Da in den Vorarlberger Walsersiedlungen und in den umgebenden Gebieten gleichermaßen Nominativ und Akkusativ unterschieden werden, erfolgt keine separate Besprechung.

132

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Im Westen weisen die angrenzenden Ortschaften Synkretismus auf dǝ auf.109 Auch im Nordosten findet sich mit VALTS V-32-Hohenems direkt angrenzend eine einzelne Ortschaft mit dǝ-Synkretismus, deren nördlicher Nachbarort VALTS V-16-Dornbirn schließlich Übergang von Kasusunterscheidung zu dǝSynkretismus aufweist. Dagegen weisen VALTS V-13-Lustenau − das nördlich an das Übergangsgebiet angrenzt und westlich von VALTS V-32-Hohenems liegt − und die übrigen Ortschaften nördlich im Haupttal wie auch die meisten Ortschaften im nordöstlichen Bregenzerwald immer noch vollständige Formunterscheidung auf. Hier liegt das Übergangsgebiet mit beiden Formen in beiden Kasus also nicht nur zwischen Gebieten mit Synkretismus, sondern zwischen synkretistischem Gebiet auf dr, synkretistischem Gebiet auf dǝ, vollständig kasusunterscheidendem Gebiet sowie einer Ortschaft mit Übergang zwischen Kasusunterscheidung und dr-Synkretismus und in mittelbarer Nähe einer Ortschaft mit Übergang zwischen Kasusunterscheidung und dǝ-Synkretismus. Oder anders gesagt: rund um VALTS V-38-Koblach (bzw. rund um den Kummenberg) treffen alle zu beobachtenden Varianten aufeinander! Als finaler Überblick zu den vorangehenden Erläuterungen ist vollständig, aber eher unübersichtlich Karte 15 abgebildet. 4. Zeitebene Bevor die Daten aus der Erhebung zum SADS kartiert und mit den älteren Stufen verglichen werden können, sind einige Bemerkungen zur Interpretation der SADS-Daten notwendig. Die folgende Tabelle gibt die Anzahl der Ortschaften wieder, welche die ausgewiesenen Quantitäten110 an Nominativ- und Akkusativformen belegen: NOM./AKK.111

dr

dr>də

dr=də

də>dr



dr

112

38

9

5

1

dr>də

8

17

3

dr=də

2

4

5

4

də>dr

7

10



21

133

Tabelle 27: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Formverteilung im Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS

109 Vgl. SDS SG-14-Altstätten, SDS SG-13-Rebstein. 110 Wie zuvor steht „>“ für ‚mehr als zwei Drittel’, „=“ für ‚ein bis zwei Drittel’ und „də

dr=də/dr=dǝ n

də>dr/dǝn>d r

də/dǝn

0/1

10/4

dr

115

6/2

dr>də

2

0/1

1

dr=də

8

2

7

1

5

də>dr də

2

2

1

44

Tabelle 28: Anzahl Ortschaften mit der jeweiligen Formverteilung im Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal

Während zu den Daten des definiten Artikels vor Konsonant sowohl der Übergang zwischen dr-Synkretismus und dǝ-Synkretismus in der Diagonalen als auch der Übergang zwischen dr-Synkretismus und Kasusunterscheidung in der ersten Zeile deutlich zu erkennen ist (vgl. Kapitel 4.4.2), sind hier nur die reinen Ausprägungen klar ersichtlich. Im Feld oben links sind 115 Ortschaften ausgewiesen, die dr-Synkretismus aufweisen. Unten rechts sind 44 Ortschaften angegeben, die sowohl im Nominativ als auch im Akkusativ vor Vokal ausschließlich dǝ belegen. Letzteres ist − im Vergleich zur vorangehenden Zeitebene − äußerst bemerkenswert, da sich der də-Typ auf den vorangehenden Zeitebenen vor Vokal höchstens vereinzelt findet. Im Gegensatz zum Artikel vor Konsonant ist für den Artikel vor Vokal keine einzige Ortschaft belegt, die im Akkusativ sowohl dǝ als auch dǝn mit altem Ak-

146

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

kusativ-n aufweist. Unter Berücksichtigung der lautgesetzlichen Entwicklung nach MEYER (1967, 58−64; vgl. die vorangehende Zeitebene) wird für dǝn vermutet, dass dieser Untertyp nur in kasusunterscheidenden Gebieten auftritt. Deshalb werden die Ortschaften mit dǝn-Belegen in dieser Tabelle explizit ausgewiesen. Es handelt sich dabei jeweils um die Zahl, die hinter dem Schrägstrich notiert ist. Bei den Ortschaften, die im Akkusativ den dǝ-Typ aufweisen, ist nicht auszuschließen, dass ebenfalls solche mit Kasusunterscheidung dabei sind. Dies ist im Einzelnen zu prüfen. Es ist aber anzunehmen, dass es sich bei dǝ vor Vokal hauptsächlich um Belege aus dem Synkretismus-Gebiet handelt. Nun finden sich dǝ-Belege − im Gegensatz zur Tabelle 27 zu den Typen vor Konsonant − über die ganze Tabelle 28 verstreut, ohne das erwartete Muster aufzuweisen. Auffallend sind sowohl die Lücken in der Diagonalen als auch die zwei Ortschaften unten links mit dǝ im Nominativ und dr im Akkusativ, die eine Ausprägung aufweisen, die allen bisherigen Beobachtungen für die Schweiz widerspricht. Wenn es für die Ausprägung unten links (Nominativ dǝ; Akkusativ dr) entgegen aller Erwartungen positive Werte gibt, dann sind auch jene Werte oben rechts zu überprüfen, welche die Ortschaften mit dr im Nominativ und dǝ im Akkusativ abbilden. Auf den ersten Blick müssten diese als kasusunterscheidende Orte gedeutet werden; Es könnte sich aber auch bei dieser Ausprägung um grobe Ausreißer handeln. Es ist wahrscheinlich, dass die in Tabelle 28 abzulesende ungeordnete Verteilung für den definiten Artikel vor Vokal darauf zurückzuführen ist, dass die äußerst kleine Anzahl an Belegen in jenen Gebieten, die potentiell beide Formen aufweisen, die tatsächlichen Ortsverhältnisse nicht hinreichend abzubilden vermag. Wenn diese Annahme stimmt, dürften sich aber gewisse Tendenzen zeigen, sobald man nicht nur auf einzelne Ortschaften, sondern auf größere Gebiete fokussiert. Viele Ortschaften bekunden nur ein, zwei oder vielleicht drei Belege, und entsprechend ist zu erwarten, dass diese in Übergangsgebieten mal die eine, mal die andere Form und gelegentlich auch beide Formen bekunden. Um dies zu prüfen, werden im Folgenden verschiedene Teilmengen der gesamten Daten zum Artikel vor Vokal kartografisch dargestellt und ausgewertet. Die 44 Ortschaften, die nach Tabelle 28 in beiden Kasus ausschließlich də belegen, legen nahe, dass sich dǝ-Synkretismus zunehmend auch vor Vokal durchsetzt. Dies dürfte natürlich nur in Gebieten der Fall sein, die dǝ-Synkretismus auch vor Konsonant dokumentieren. Ortschaften, die zwar ebenfalls nur dǝ aufweisen, für die aber nur ein Kasus belegt ist, finden sich nicht in Tabelle 28. Viele dieser Ortschaften müssten ebenfalls im vorkonsonantischen də-Gebiet liegen. Nur Ortschaften mit dǝ-Belegen im Akkusativ bei fehlenden Nominativbelegen dürften darüber hinaus in kasusunterscheidenden Gebieten zu finden sein: Nämlich dann, wenn es sich bei den nicht belegten Nominativformen um dr-Formen handeln würde. Karte 22 dokumentiert alle Ortschaften, die ausschließlich də in beiden Kasus aufweisen oder in einem der beiden Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus. Anhand der Karte sind die ausgeführten Vermutungen zu prüfen:

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

147

Die Karte zeigt klar, dass sich dǝ vor Vokal sowohl im Nominativ wie im Akkusativ im vorkonsonantischen dǝ-Gebiet nun häufig auch vor Vokal findet, obwohl dadurch ein Hiatus entsteht. In den kasusunterscheidenden Gebieten im östlichen Berner Oberland, im westlichen Deutschwallis wie auch in GR ist kein einziger Ort belegt, der im Akkusativ ausschließlich də aufweist (ein entsprechender Ort würde hier aufscheinen, wenn aufgrund der dünnen Datenlage Belege für dr im Nominativ fehlten). Karte 23 stellt alle Ortschaften dar, die ausschließlich dr in beiden Kasus bekunden oder nur in einem der beiden Kasus, während es für den anderen Kasus keinen Beleg gibt. Falls sich der Übergang zu dǝ vor Vokal noch nicht vollständig vollzogen hat, sind nun dr-Formen nicht nur im vorkonsonantischen dr-Gebiet, sondern nach wie vor auch im vorkonsonantischen dǝ-Gebiet zu erwarten. Tatsächlich finden sich Ortschaften, die vor Vokal ausschließlich dr belegen, im ganzen vorkonsonantischen dr-Gebiet. Im VS weisen alle Ortschafen bis auf zwei nur Belege für Nominativ auf. Hier ist anzunehmen, dass jene dieser Ortschaften im westlichen Deutschwallis, die vorkonsonantisch noch Kasusunterscheidung dokumentieren, auch im Akkusativ də oder dǝn zeigen würden, wenn es denn in den Daten Akkusativbelege gäbe. Im Übrigen lässt sich kein besonderes Muster im Hinblick auf fehlende Nominativ- oder Akkusativbelege beobachten. Im vorkonsonantischen dǝ-Gebiet finden sich erwartungsgemäß einige Ortschaften, die ausschließlich dr vor Vokal aufweisen. Vereinzelt ist dies für beide Kasus oder für Akkusativ belegt, etwas häufiger für Nominativ. Die Anzahl der dr-Belegorte liegt aber deutlich unter jener, die ausschließlich dǝ belegen. Nachdem jene Ortschaften ausgewiesen wurden, die jeweils nur einen Typ belegen (entweder synkretistisch für beide Kasus oder − aufgrund fehlender Daten für den anderen Kasus − jeweils nur für einen Kasus), zeigt Karte 24 Ortschaften mit gemischter Evidenz. Zum einen umfasst dies die Ortschaften, die beide Formen in einem Kasus aufweisen, während der andere Kasus nicht belegt ist. Zum anderen werden hier diverse verschiedene Nominativ-Akkusativ-Ausprägungen zusammengefasst, die in Tabelle 28 aufgeführt sind. In der Tabelle 28 bereits abgearbeitet sind die Felder oben links und unten rechts (ausschließlich dr in beiden Kasus bzw. ausschließlich dǝ in beiden Kasus). Als Orte mit (teilweise) erhaltener Kasusunterscheidung werden in diesem Schritt jene Orte kartiert, die im Akkusativ dǝn belegen, da diese höchstwahrscheinlich den Reliktgebieten mit Kasusunterscheidung zugehören (vgl. „dr dr/dǝn“ und „dr dǝn“). Alle übrigen Ausprägungen in Tabelle 28 werden in diesem Schritt probeweise als „dr/dǝ dr/dǝ“ kartiert, unabhängig davon, ob sie in der Diagonalen aufscheinen (wie dies bei den vorkonsonantischen Synkretismus-Übergangsgebieten der Fall war) oder irgendeine andere Ausprägung aufweisen wie beispielsweise dǝ im Nominativ und dr im Akkusativ (das Feld unten links in der Tabelle) oder sogar die − vorkonsonantisch ausschließlich als Kasusunterscheidung zu interpretierende − Ausprägung dr im Nominativ und dǝ im Akkusativ. Wie beim definiten Artikel vor Konsonant findet sich eine Ortschaft, die im Nominativ dr und dǝ, im Akkusativ dr und dǝn belegt, kartiert als „dr/dǝ dr/dǝn“.

148

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Wie erwartet finden sich Übergangsbelege für den definiten Artikel vor Vokal insbesondere dort, wo auch vor Konsonant Übergänge zu beobachten sind, so z. B. zwischen dr-Gebiet und neuem de-Gebiet in FR oder in den alten Übergangszonen im westlichen AG, in SO, im Berner Mittelland, im luzernischen Entlebuch, in der Innerschweiz (OW, NW, ZG, UR, SZ) und im St. Galler Rheintal. Des Weiteren haben sich dr-Formen vor Vokal teilweise auch im vorkonsonantischen dǝ-Gebiet erhalten. Nachdem in diesem Gebiet schon Ortschaften kartiert wurden (vgl. Karte 23), die sogar ausschließlich dr dokumentieren, überrascht es nicht, dass es auch eine Reihe von Ortschaften gibt, die nach Tabelle 28 beide Formen (in beliebiger Ausprägung) belegen. Auffallend sind die beiden Ortschaften im Berner Oberland, die als „dr/dǝ dr/dǝ“ kartiert sind. Bei der westlichen Ortschaft handelt es sich um SADS BEZweisimmen. Die Ortschaft weist im Nominativ vier dr- und einen dǝ-Beleg auf, im Akkusativ ausschließlich dr (3 Belege). Dies entspricht in Tabelle 28 einer der beiden Ortschaften, die in der ersten Spalte/zweiten Zeile verzeichnet sind. SADS BE-Zweisimmen liegt im Obersimmental etwas südlicher im Tal als SADS BELenk, welches im vorangehenden Kapitel 4.4.2 aufgrund der auffälligen Ausprägung vor Konsonant umfassend besprochen wurde. Nach SDS (III, 134/136) ist im ganzen Tal dr-Synkretismus zu erwarten. SADS BE-Lenk weist aber − wie das weiter westlich im obersten Teil des Saanetals gelegene SADS BE-Gsteig − im Akkusativ vor Konsonant neben mehrheitlich dr auch dǝ-Belege auf. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich hier, analog zur sehr jungen Entwicklung in FR, das vom großen, zentralen dǝ-Gebiet vollständig abgeschnitten ist, ebenfalls ein eigenständiges synkretistisches dǝ-Gebiet zu entwickeln beginnt. Zwar handelt es sich nur um vereinzelte Belege, die auch einfach Ausreißer sein könnten, und für die Akkusativbelege ist darüber hinaus auch die Interpretation als Reste von Kasusunterscheidung denkbar. Trotzdem ist die Häufung (drei Dörfer auf kleinem Gebiet) ziemlich auffallend und der Schluss, dass hier etwas in Bewegung ist, liegt nahe. Die Richtung der Bewegung bleibt aber unklar. Bei der als „dr/dǝ dr/dǝ“ kartierten Ortschaft im östlichen Berner Oberland handelt es sich um SADS BE-Matten (bei Interlaken). Der Ort weist vor Vokal im Nominativ ausschließlich dr (3 Belege), im Akkusativ je einen dr- und einen dǝBeleg auf. BE-Matten ist vorkonsonantisch Teil des Reliktgebietes im östlichen Berner Oberland mit (teilweiser) Kasusunterscheidung.127 Wie die Karte zeigt, stellt es in diesem Reliktgebiet den einzigen Ort mit dǝ-Belegen ohne auslautendes, hiatusverhinderndes -n dar. Sowohl südlich davon im Lauterbrunnen- und Lütschinental als auch östlich im Gadmer- und Haslital ist wie erwartet teilweise oder vollständig Kasusunterscheidung belegt mit durchgehend erhaltenem -n im Akkusativ. SADS BE-Matten wird deshalb umkartiert zu „dr dr/dǝ(n)“. Damit wird für das östliche Berner Oberland auch auf dieser Zeitebene das Lautgesetz bestätigt, welches MEYER (1967, 58−64) für die vorangehende Zeitebene formuliert: Vor Vokal bleibt die Form mit dem hiatusverhindernden, alten -n länger er-

127 Formen vor Konsonant: Nominativ 7x dr; Akkusativ 18x dr, 7x dǝ.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

149

halten, während die Akkusativform vor Konsonant oft schon zu dǝ reduziert wurde (aber immer noch vom Nominativ dr abweicht). Aus der Karte könnte man nun auch ableiten, dass sich vor Vokal nicht nur das alte Akkusativ-n, sondern die Kasusunterscheidung überhaupt besser erhalten hat als vor Konsonant, da hier vier Ortschaften ausschließlich Akkusativform belegen, während vor Konsonant überall beide Formen angegeben werden. Zwei Gründe sprechen gegen diese Interpretation. Erstens gibt es auch in den Erhebungen für den SADS nur wenig Belege für Formen vor Vokal. Das Fehlen von drBelegen in diesen vier Ortschaften kann auch zufällig sein. Wohl ebenso zufällig belegt denn auch BE-Iseltwald am Brienzersee (das ebenfalls zum Reliktgebiet gehört) vor Vokal nur dr im Akkusativ, während es vor Konsonant beide Typen aufweist. Zweitens enthält der Nominativtyp dr genauso wie der Akkusativtyp dǝn einen hiatustilgenden Konsonanten, weshalb die Akkusativform vor Vokal nicht bevorzugt zu erwarten ist. Entgegen den Erwartungen finden sich für den Artikel vor Vokal keine Belege für Kasusunterscheidung im westlichen Deutschwallis. Bei der vorangehenden dr-Karte (Karte 23) wurde bereits darauf hingewiesen, dass für den überwiegenden Teil der Ortschaften nur Nominativformen belegt sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Kartenbild durch die fehlenden Akkusativbelege verzerrt wird. In GR entsprechen die beiden Ortschaften mit dǝn-Belegen im Akkusativ (SADS GR-Klosters und SADS GR-St. Antönien) den Erwartungen für die Region. Dass zwei Ortschaften im Nominativ dr- wie dǝ-Formen belegen (SADS GRArosa und SADS GR-St. Antönien), bestätigt die Beobachtungen beim definiten Artikel vor Konsonant und stützt die Interpretation der Daten als erste Übergangstendenzen zum dǝ-Typ (vgl. die Ausführungen zu Nominativ und Akkusativ vor Konsonant in Kapitel 4.4.2). Karte 25 ist entsprechend den Anmerkungen bereinigt und erfasst sowohl Ortschaften mit Belegen in nur einem Kasus als auch Ortschaften mit Belegen in beiden Kasus128. Die Karte ist zwar sehr komplex, aber nach den ausführlichen Erläuterungen durchaus les- bzw. interpretierbar. Zusammenfassung und Diskussion Daten für den Akkusativ vor Vokal sind in den Dialektparabeln rar, aber zumindest im Nominativ lässt sich flächendeckend (fast) ausschließlich der dr-Typ vor Vokal nachweisen, auch im Gebiet, das vor Konsonant dǝ-Synkretismus belegt. Im kasusunterscheidenden Berggebiet ist sowohl im VS wie in GR je einmal Kasusunterscheidung mit dr im Nominativ und dən mit altem -n im Akkusativ belegt.

128 Wie erläutert werden die Ortschaften, die beide Kasus belegen, mit Hilfe der vorangehenden Tabelle kartografiert, die es ermöglicht, verschiedene Ausprägunge zu größeren Gruppen zusammenzufassen und die Komplexität dadurch drastisch zu reduzieren.

150

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Auch in den älteren Grammatiken finden sich kaum explizite Angaben zu den Formen vor Vokal. Deutlichere Hinweise gibt es auf dieser Zeitebene für drFormen (in beiden Kasus) im vorkonsonantisch synkretistischen də-Gebiet. Klare Belege für den dr-Typ vor Vokal im Gebiet mit də-Synkretismus vor Konsonant finden sich dagegen in MEYER (1967), der mit den Spontandaten des SDS arbeitet. Ebenso arbeitet MEYER (1967) anhand der Daten zum östlichen Berner Oberland heraus, dass in kasusunterscheidenden Gebieten der Akkusativ nach Vokal sowie nach den Konsonanten h, d, b, g das alte -n bewahrt hat, während die Akkusativform ansonsten zu dǝ (teilweise mit Gemination) abgeschwächt worden ist. Daneben tritt aber unabhängig vom Folgelaut fast überall schon dr im Akkusativ auch vor Vokal auf. Die Situation in den Reliktgebieten stellt sich bei den Erhebungen zum SADS beinahe unverändert dar. Im östlichen Berner Oberland und in GR ist im dǝAkkusativ vor Vokal altes -n nach wie vor erhalten, nur ganz unten im Tal, wo das bernische Reliktgebiet an das dr-Synkretismusgebiet grenzt, ist reduziertes dǝ belegt. Darüber hinaus findet sich überall auch dr im Akkusativ. Akkusativ-Daten zum westlichen Deutschwallis fehlen weitgehend, weshalb zur Situation dort nichts ausgesagt werden kann. Dagegen hat sich zwischen den Erhebungen für den SDS und jenen für den SADS im Gebiet mit vorkonsonantischem dǝ-Synkretismus die Situation vor Vokal grundlegend verändert. Während MEYER (1967) für die dritte Zeitebene vor Vokal noch ausschließlich dr beschreibt, zeigt die Auszählung der SADS-Daten nun auch vor Vokal einen überwiegenden Anteil an dǝ-Formen ohne hiatusverhinderndes r. Im älteren Teil des dǝ-Gebiets, wie es sich schon bei STALDER (1819) vor Konsonant findet, ist in sämtlichen Zeitstufen kein Hinweis auf eine andere vorvokalische Akkusativ-Form als dr zu finden. Dies lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass Nominativ und Akkusativ vollständig auf die Nominativ-Form dr zusammengefallen sind, bevor sich dǝ als neue Form für beide Kasus ausgebreitet hat: Wäre älteres dǝn nämlich zur Zeit der Ausbreitung des neueren də-Typs noch verbreitet gewesen, hätte es in Hinblick auf seine hiatusverhindernde Funktion nicht durch das hiatustilgende nominativische dr, welches bereits durch də konkurriert worden wäre, ersetzt werden müssen. Wäre die alte Endung -n zwar schon abgebaut, aber reduziertes dǝ als Akkusativ noch vorhanden gewesen, so hätte sich unter dem Einfluss von neuem dǝ vor Konsonant wohl kein vollständiger Übergang zu dr vor Vokal mehr durchsetzen können. Nun könnten wir in der Ostschweiz (TG, SG, AR, AI) zwar ein Gebiet beobachten, das bei STALDER (1819) auf der ersten Zeitebene sogar vor Konsonant noch Kasusunterscheidung aufweist und inzwischen (vierte Zeitebene) vor Konsonant vollständig, vor Vokal größtenteils zu dǝ-Synkretismus, übergegangen ist. Leider fehlen aber insbesondere auch hierzu für die ersten beiden Zeitebenen sämtliche Daten vor Vokal, die Licht in den Übergangsprozess bringen könnten. Zumindest lassen sich auf der jüngsten Zeitebene vor Vokal dr-Formen im Akkusativ belegen, die mit Sicherheit schließen lassen, dass kein direkter Übertrag vom Akkusativ auf den Nominativ stattgefunden hat (wie dies beispielsweise im All-

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

151

gäu geschieht). Ob in der Ostschweiz aber ein vollständiger Zusammenfall auf dr der Verbreitung des synkretistischen dǝ vorausgegangen ist, lässt sich anhand der Daten nicht feststellen. 4.4.4 Sonderformen beim präpositional regierten Akkusativ Die Sonderformen nach Präposition müssen noch einmal weiter gegliedert werden. Nach den dialektalen Varianten der Präpositionen ‚für’, ‚vor’, ‚über’, ‚unter’, ‚hinter’, ‚durch’, ‚gegen’, ‚um’ u. ä. finden sich in etlichen Regionen der Schweiz kontrahierte Formen, die den Akkusativ-Typ də(n) fortsetzen, aber unter Verlust des Dentals mit dem Artikel verschmolzen sind. Diese Formen werden in der vorliegenden Arbeit näher besprochen. Bei den Dialektvarianten von ‚an den’ und ‚in den’ geht die Kontraktion teilweise so weit, dass sie nur noch a und i lauten: i wald, a see. Dies gilt auch für den Dativ Plural, bei denen die beiden Präpositionen in bestimmten Regionen zu einem Dativmarkierer grammatikalisiert sind (vgl. SEILER 2003). Auf eine Darstellung dieser beiden Präpositionen wird verzichtet. 1. Zeitebene Nach MEYER (1967, 68) reichen die kontrahierten Formen bis in das Mittelhochdeutsche zurück, wo sie auch das alte Akkusativ-n noch aufweisen (ûfen, umben, übern). Es überrascht daher nicht, dass sich Kontraktion auch in den Dialektparabeln von STALDER (1819) beobachten lässt. Die Verteilung der Daten lässt auf den ersten Blick nur teilweise eine deutliche areale Verteilung erkennen. Ein Vorgriff auf den SDS und die Daten des SADS, welche das Gebiet flächendeckend abbilden, lässt erwarten, dass sich nicht kontrahierte Formen im Nordosten und im südlichen Berggebiet (VS, GR) finden, während der Westen und ein breiter Gürtel quer durch die Schweiz bis an die östliche Landesgrenze (Innerschweiz, GL, südliches SG) Kontraktion aufweisen dürfte. In der Tat ist Kontraktion von Präposition und Artikel ohne Einschränkung im westlichen Teil der Deutschschweiz belegt, siehe Karte 26. Wie beim definiten Artikel vor Konsonant verläuft die Grenze durch den AG: Dipa 36-AG-Mellingen weist für das Fricktal Präposition + də auf, was sich auch östlich des AGs in Dipa 2-ZH-Ottenbach fortsetzt. Dipa 34-AG-Brugg für den Unteraargau belegt beide Formen und stellt damit ein Übergangsgebiet dar, während für Dipa 33-AG-Aarau für den Oberaargau Kontraktion notiert ist. Diese setzt sich deutlich nach Westen und Süden bis in das Berner Oberland hinein fort (BL, SO, BE, FR). Die Grenze ist nicht genau zu erkennen, da zum einen Daten für LU fehlen, andererseits einige Daten etwas widersprüchlich sind. So findet sich in Dipa 1-ZH-Kilchberg Kontraktion,129 wo die Karte − insbesondere im Hinblick auf die besser belegten späte129 Dass der Beleg uff en auch noch das alten Akkusativ-n vor Konsonant aufweist, deutet darauf, dass die Gewährsperson eine konservative Variante des Dialektes wiedergibt. Altes Akkusa-

152

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

ren Zeitebenen − eher das Gegenteil vermuten ließe. Andererseits dürfte die Innerschweiz (vgl. Dipa 14-SZ- Arth und Dipa 17-GL-Glarus sowie die späteren Zeitebenen unten) kontrahierte Formen aufweisen: dem wiederspricht aber der Beleg in Dipa 15-NW-Stans. Die nicht kontrahierten Formen in SH, TG, SG und AI entsprechen vollumfänglich den formulierten Erwartungen. Ebenso verhält es sich mit den Belegen für nicht kontrahierte Formen im VS und in GR. 2. Zeitebene Auch Karte 27 zu den älteren Grammatiken ist auf dem Hintergrund der formulierten Erwartungen zu lesen, um die arealen Einheiten erkennen zu können. Im erwarteten Kontraktionsgebiet in der westlichen Deutschschweiz belegen BAUMGARTNER (1922, 151) für das Berner Seeland (vgl. Älgra BE-15-Biel), HENZEN (1927, 200) für den Sense- und südöstlichen Seebezirk in FR130 (vgl. Älgra FR-4-Düdingen) und SCHMID (1915, 165 f.) für das Entlebuch (vgl. Älgra LU-30-Schüpfheim) kontrahierte Formen. STUCKI (1917) für Älgra FR-14-Jaun gibt darüber hinaus in Klammer den Hinweis, dass neben der kontrahierten Form „(noch selten für dər)“ (STUCKI 1917, 283) auftritt. Nicht klar ist, ob noch in dieser stichwortartigen Formulierung Vergangenheits- (im Sinne von ‚nur noch selten’) oder Zukunftsbezug (‚bis jetzt noch selten’) herstellen soll. Bemerkenswert ist die Form insofern, als hier unerwartet am Rand der Deutschschweiz fernab der nicht-kontrahierten Gebiete eine Form ohne Kontraktion erwähnt wird. Darüber hinaus ist dies neben ABEGG (1913; s. u.) der erste Hinweis auf eine nicht kontrahierte Form, die im dr-synkretistischen Gebiet auch nach Präposition den dr-Typ im Akkusativ aufweist. Bei BINZ (1888) für Älgra BA-1-Basel wie auch bei [ANONYMUS] (1874) für den unteren Aargau (vgl. Älgra AG-38-Lenzburg) fehlen Ausführungen zum Artikel nach Präposition. Durch die Innerschweiz nach Osten setzt sich wie erwartet das Kontraktionsgebiet fort. Explizit erwähnt wird Kontraktion bei CLAUSS (1929, 194 f.) für den Kanton UR (vgl. Älgra UR-4-Altdorf), bei STREIFF (1915, 69) für Älgra GL-5Glarus und Umgebung und bei WINTELER (1876, 187) für die Kerenzer Mundart (vgl. Älgra GL-2-Obstalden). Zwar keine Anmerkungen, aber Belege in den angefügten Mundartproben finden sich bei BERGER (1913, 188 f.) für das St. Galler Rheintal (vgl. Älgra SG-14-Altstätten). Im Gegensatz zur entsprechenden Dialektparabel bei STALDER (1819; vgl. Dipa 29-SG-Oberriet) ist auch hier Kontraktion belegt. Die späteren Zeitebenen zeigen, dass hier die Grenze verläuft zwischen kontrahierten und nicht kontrahierten Formen nach Präposition (siehe un-

tiv-n ist ansonsten nur im bereits hinreichend als Reliktgebiet beschriebenen östlichen Berner Oberland (vgl. Dipa-8-BE-Guttannen) belegt. 130 HENZEN (1927, 200) gibt darüber hinaus auch Beispiele für Dativ nach Präpositionen, die gewöhnlich Akkusativ regieren. Ausführliches zum Phänomen „Dativ für Akkusativ im Senslerischen“ findet sich beispielsweise in BUCHELI BERGER (2010).

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

153

ten). Insofern sind gegensätzlichen Daten nicht überraschend. Für das angrenzende Gebiet im Vorarlberg finden sich bei JUTZ (1925) keine Angaben. Sämtliche Sprachbeispiele in den Darstellungen wie auch Belege in den Textproben zeigen bei kontrahierten Formen vor Vokal noch das alte Akkusativ-n, während dieses vor Konsonant durchgehend fehlt.131 Für den Nordosten finden sich zwar keine Ausführungen, aber Belege für nicht kontrahierte Formen in den Mundartproben bei WEBER (1923, 209) für das Zürcher Oberland (vgl. Älgra ZH-48-Steg) und bei VETSCH (1910, 219−221) für das Appenzellerland (vgl. Älgra AP-11-Appenzell). Die Belege sind in der Karte verzeichnet. Weder Ausführungen noch Belege finden sich bei ENDERLIN (1913; vgl. Älgra TG-13-Kesswil), bei WIGET (1916; vgl. Älgra SG-1-Kirchberg) und bei WANNER (1941; vgl. Älgra SH-3-Schleitheim). Schwieriger zu interpretieren ist die Situation im Süden. Zwar finden sich erwartungsgemäß ausschließlich nicht kontrahierte Formen. Entgegen den Erwartungen wird aber nicht nur Präposition + də(n), sondern auch Präposition + dr erwähnt. BOHNENBERGER (1913), der die Walser Mundarten sowohl im Wallis wie auch in den Bündner Walsersiedlungen darstellt, schreibt, nachdem er grundsätzlich die Form dr für Nominativ wie auch für Akkusativ festgehalten hat: „Daneben findet sich jedoch allenthalben auch noch die ursprüngliche Akkusativform, insbesondere in Verbindung mit Präpositionen und in bestimmten festen Redewendungen“ (BOHNENBERGER 1913, 221). Unzweifelhaft ist der Formulierung zu entnehmen, dass Präposition + də(n) auftritt. Ob das insbesondere dagegen das Auftreten von Präposition + dr mit einschließt, wenn auch in geringerem Ausmaß als ohne Präposition, oder ob mit Präposition ausschließlich də(n) auftritt, ist nicht klar. Deshalb wird auf die Kartierung der Gebiete, die nur von BOHNENBERGER (1913) besprochen werden, verzichtet. Für Älgra WS-13-Visperterminen findet sich bei WIPF (1910) in den Anmerkungen: „fir du litter und fir dr litter“ (WIPF 1910, 142) als Gegenbeispiel zur Präposition in, bei welcher dr nicht auftreten kann. Auch bei ABEGG (1913) für das Urserental (vgl. Älgra UR-11-Hospental, das über den Furkapass mit dem Oberwallis verbunden ist) finden sich in den beigefügten Mundartproben Belege für də (2 Mal) und für dr (3 Mal) nach Präposition (ABEGG 1913, 88/91 f./102). Wie in Älgra FR-14-Jaun ist hier vor Konsonant schon vollständiger drSynkretismus zu finden, während sich im Wallis auch vor Konsonant noch Reste von Kasusunterscheidung finden. Älgra FR-14-Jaun und Älgra UR-11-Hospental unterscheiden sich aber dahingehend, dass in ersterem Kontraktion mit Präposition + dr konkurriert, hier jedoch zwei nicht kontrahierte Formen nebeneinander stehen. Damit ist für den westlichen Teil des Südens in zwei Grammatiken explizit dr neben də(n) auch nach Präposition belegt.

131 Vgl. BAUMGARTNER (1922, 151) mit 5x Präp-ə vor Konsonant und 1x Präp-ən vor Vokal; STUCKI (1917, 283) mit 3 bzw. 1 Beleg; BERGER (1913, 188 f.) mit 2 bwz. 1 Beleg sowie HENZEN (1927, 200) mit 6x und CLAUSS (1929, 194 f.) mit 5x Präp-ə vor Konsonant, wobei letzterer in der Tabelle ə(n) anführt, was ebenfalls vorvokalisches n vermuten lässt.

154

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Für den östlichen Teil des Südens halten dagegen sowohl BRUN (1918, 167; vgl. Älgra GR-25-Obersaxen) wie auch HOTZENKÖCHERLE (1934, 433; vgl. Älgra GR32-Mutten) ausschließlich də(n) nach Präposition fest. Für Älgra GR-3-Malans dürfte dies nach MEINHERZ (1920) ebenso gelten: „Soweit ich sehe, erscheint də immer, wenn der Akkusativ von einer Präp. abhängt“ (MEINHERZ 1920, 182). Zusammenfassend lässt sich festhalten: Sowohl kontrahierte als auch nicht kontrahierte Formen treten auf der zweiten Zeitebene in den erwarteten Gebieten auf. Grenzen lassen sich allerdings − insbesondere im Raum AG − nicht bestimmen. Bemerkenswert ist, dass mit Präposition + dr eine Variante aufscheint, die bisher nicht belegt ist. Dies passiert in drei verschiedenen Kontexten: nicht präpositional regierte Akkusativ-Form

konkurrierte Form nach Präposition

Älgra FR-14-Jaun

dr (Synkretismus)

-ə (Kontraktion)

Älgra UR-11-Hospental

dr (Synkretismus)

də(n)

Älgra WS-13Visperterminen

dr/də(n) (teilweise Kasusunterscheidung)

də(n)

Tabelle 29: dr nach Präposition in den älteren Grammatiken

In allen drei Fällen zeichnet sich eine Vereinfachung des Systems hin zu vollständigem Kasusynkretismus ab, indem die präpositional regierte Akkusativ-Form der etablierten nicht präpsitional regierten Nominativ-Akkusativ-Form oder der erst entstehenden synkretistischen Form angeglichen wird. 3. Zeitebene Karte 28 gemäß SDS III, 137 gibt die Spontandaten für den Artikel nach der Präposition ‚auf’ wieder. ‚Auf den’ ist häufig belegt in den Spontandaten und steht repräsentativ für die lokalen Varianten von ‚für’, ‚vor’, ‚über’, ‚unter’, ‚hinter’, ‚durch’, ‚gegen’, ‚um’, vgl. MEYER (1967, 67). Mit den Spontandaten des SDS werden nun die zusammenhängenden Gebiete besser ersichtlich und die Grenzen deutlich. Das Kontraktionsgebiet erstreckt sich quer durch die ganze Schweiz. Südlich davon ist vom WS über das südliche UR bis in GR ein zusammenhängendes Gebiet ersichtlich, das überwiegend Präposition + də(n) aufweist. An den Randzonen im westlichen Wallis, im südlichen Urnertal und südlich davon im Urserental (UR) sowie vereinzelt in GR ist teilweise (und im WS gelegentlich vollständig) Kontraktion belegt. Des Weiteren ist im SDS (III, 137) im Berner Oberland, im WS und in GR altes Akkusativ-n verzeichnet; dieses findet sich demnach sowohl nach kontrahierten wie auch nach nicht kontrahierten Formen in den üblichen Reliktgebieten. MEYER (1967, 69) geht davon aus, dass im Süden die Kontraktion ausgeblieben ist und sich mittelhochdeutsches ûf dən fortsetzt. Bemerkenswert ist, dass sich die Kontraktion nach Präposition auch im Berner Oberland vollständig durchgesetzt hat, während dieses

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

155

üblicherweise (zumindest im östlichen Teil) konservativere Formen aufweist als das Berner Mittelland und damit sonst meist mit dem VS übereinstimmt. Im Nordosten findet sich ein zweites zusammenhängendes Gebiet ohne Kontraktion, das ausschließlich Präposition + də ohne Akkusativ-n aufweist. Das Gebiet umfasst den Nordosten des Kantons AG, die Kantone ZH, SH, TG, das nördliche SG und das Appenzellerland. Das St. Galler Rheintal an der Landesgrenze stellt Übergangsgebiet dar, ebenso einige Ortschaften zwischen dem nördlichen und dem südlichen SG, in SZ an der Grenze zu ZH, in ZG und im südöstlichen AG. Nach MEYER (1967, 70 f.) ist hier der nicht kontrahierte Typ eine eher junge Sprachentwicklung. Er stellt die Hypothese auf, dass auch dieses Gebiet vorübergehend Kontraktion aufgewiesen hat und stellt seine Hypothese in Zusammenhang mit der Entwicklung des indefiniten Artikels: Die kontrahierte Form des definiten Artikels hat sich nur dort halten (oder gegen die Konkurrenzform ohne Kontraktion überhaupt erst durchsetzen) können, wo das aus Präposition und indefintem Artikel ə zusammengesetzte ufə ‚auf einen’ durch -nə zu ufənə erweitert worden ist. Die Hypothese kann hier weder widerlegt noch bestätigt werden. Zumindest kann aber ‚jung’ dahingehend präzisiert werden, dass die Entwicklung − so denn die Hypothese richtig ist − vor dem 19. Jahrhundert stattgefunden haben muss, da nicht kontrahierte Formen in diesem Gebiet schon bei STALDER (1819) belegt sind. Was im Hinblick auf die vorangehende Ebene auffällt, ist das Fehlen der in den älteren Grammatiken belegten Formen Präposition + dr. Nach MEYER (1969, 66) sind solche Formen aber durchaus, wenn auch nur vereinzelt, in den Spontandaten belegt, insbesondere in SDS FR-14-Jaun und im Wallis (westliches Deutschwallis: SDS WS-3-Agarn, SDS WS-10-Bürchen; östliches Deutschwallis: SDS WS-27-Betten, SDS WS-29-Ernen), wo die Form ja bereits aus den älteren Grammatiken bekannt ist. Weitere Belege finden sich aber vereinzelt auch in den Kantonen AG, ZH, SH, SG, SZ, GR (mit je einer bzw. zwei Ortschaften) sowie in der Region Basel (vgl. SDS BA-2-Bettingen, SDS BA-5-Ettingen, SDS BA-8Arlesheim). Eine klare regionale Ausprägung von Präposition + dr ist nicht ersichtlich. Drei der Belege finden sich in Ortschaften entlang der Grenze zwischen Kontraktionsgebiet und nordöstlichem Präposition + də-Gebiet und weisen neben Präposition + dr jeweils die beiden üblichen Formen auf (SDS AG-43Bremgarten, SDS SZ-1-Wollerau, SDS SG-29-Benken). Möglicherweise begünstigt die instabile Übergangssituation das Auftreten eines weiteren Typs. Zwei Belege liegen aber in eindeutigem də-Synkretismus-Gebiet (SADS ZH-32-Schlatt, SDS SH-5-Hemmental). Hier kann von Tendenzen zur Einheitsform also nicht die Rede sein. 4. Zeitebene Die Auszählung der Formen weist die drei schon bekannten Typen Kontraktion (157 Ortschaften), Präposition + dǝ (109 Ortschaften) und Präposition + dr (8 Ortschaften) nach. Darüber hinaus sind natürlich auch Übergangsorte belegt: Insgesamt 30 Ortschaften weisen sowohl Kontraktion wie auch Präposition + dǝ

156

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

auf.132 Übergang zwischen Kontraktion und Präposition + dr findet sich in 11 Ortschaften.133 Beide Typen von nicht kontrahierten Formen gibt es in 9 Ortschaften.134 Zwei Ortschaften schließlich zeigen alle drei Typen (mit zwei bzw. drei Belegen für Kontraktion und jeweils einem Beleg zu den beiden nicht kontrahierten Typen). Zu 57 Ortschaften sind keine Konstruktionen mit Präposition belegt. Karte 29 zeigt die areale Verteilung: Im Vergleich zum SDS (III, 137) gibt es einige augenfällige Veränderungen. Im Nordwesten (BS, nordöstliche Ortschaften von BL und SO) ist der Typ Präposition + dr neuerdings für ein ganzes zusammenhängendes Gebiet inklusive Übergangszone an den Rändern und nicht nur für einzelne Ortschaften belegt. Hier hat Präposition + dr kontrahierte Formen abgelöst. Deutlich liegt eine Vereinfachung des Systems hin zur Einheitsform dr für beide Kasus in allen Positionen vor. Auch im VS ist Präposition + dr weiterhin belegt wie schon in den älteren Grammatiken und in kleinen, nicht kartierten Mengen auch im SDS. Im östlichen VS (Goms) tritt die Form etwas häufiger auf als im westlichen Deutschwallis. Dies dürfte daran liegen, dass das östliche Wallis beim nicht präpositional regierten Akkusativ häufiger dr aufweist als das westliche Deutschwallis, wo vom Nominativ abweichendes dǝ(n) besser erhalten ist. Das westliche Deutschwallis weist darüber hinaus wie schon auf der dritten Zeitebene kontrahierte Formen auf. Diese sind insbesondere im Lötschental belegt (vgl. SADS VS-Blatten, SADS VS-Ferden). Dort wird die kontrahierte Form füren teilweise auch mit i (fürin u. ä.) notiert. In dieser Lautung stimmt sie mit dem ohne Präposition auftretenden Akkusativ-Artikel in − eine Besonderheit des Lötschentals − überein. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass sich hier die kontrahierte Form hält.135 Im Haupttal und in den südlichen Seitentälern aber ist die kontrahierte Form, die im SDS in etlichen Ortschaften belegt ist, weitgehend verschwunden. In GR sind erste dr-Formen auf der dritten Zeitebene (vgl. MEYER 1967, 66) erwähnt, in den älteren Grammatiken der zweiten Zeitebene dagegen noch nicht. In den Daten des SADS wird gelegentliches Auftreten von Präposition + dr bestätigt. Wie im westlichen Deutschwallis hat der Vereinfachungsprozess zu einer einheitlichen Form für Nominativ und Akkusativ nach Präposition bereits begonnen, obwohl auch beim Akkusativ ohne Präposition noch Reste von Akkusativmarkierung auftreten. Eine weitere Beobachtung gilt den Grenzen zwischen kontrahiertem und nicht kontrahiertem Gebiet: Von GR aus scheint sich die Konstruktion Präposition + dǝ entlang des Rheins weiter nach Norden auszubreiten. Bereits vollständig von Kontraktion im SDS zu nicht kontrahierter Form im SADS übergegangen ist 132 Beide Typen zu mindestens einem Drittel: 17 Ortschaften. Mehr als zwei Drittel kontrahierte Formen: 11 Ortschaften. Mehr als zwei Drittel Präposition + dǝ: 2 Ortschaften. 133 Beide Typen zu mindestens einem Drittel: 6 Ortschaften. Mehr als zwei Drittel kontrahierte Formen: 4 Ortschaften. Mehr als zwei Drittel Präposition + dr: 1 Ortschaft. 134 Beide Typen zu mindestens einem Drittel: 4 Ortschaften. Mehr als zwei Drittel Präposition + dǝ: 5 Ortschaften. Mehr als zwei Drittel Präposition + dr: 0 Ortschaften. 135 Daneben ist vereinzelt auch für dǝn belegt.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

157

SDS/SADS GR-1-Fläsch in der Bündner Herrschaft. Deutlich häufiger lässt sich Präposition + dǝ auch im nördlich anschließenden St. Galler Rheintal beobachten. Ebenso ist in den Kantonen SZ und ZG eine leichte Ausbreitung des nicht kontrahierenden Gebiets Richtung Süden zu beobachten. Die Grenzen stimmen ziemlich genau mit der Grenze zwischen dr- und dǝ-synkretistischem Gebiet beim Gebrauch ohne Präposition überein. Deutlicher ist diese Ausbreitung gegen Westen im Kanton AG, wo sich die Grenze um einige Gemeinden verschoben hat. Übergangsorte finden sich nun bis weit in den Kanton LU hinein. Die Ausdehnung hat hier aber, insbesondere im Kanton LU, noch nicht die Ausmaße des dǝsynkretistischen Gebietes erreicht. Eine weitere Ausdehnung darf hier erwartet werden. Ein neues nicht kontrahiertes Gebiet fernab der bisherigen Gebiete ist auch im Kanton FR entstanden. Erste Anzeichen für eine Dekontraktion gibt es schon in den älteren Grammatiken (vgl. Älgra FR-14-Jaun), dort aber mit dr-Belegen. Entsprechend der nichtpräpositionalen Form, die in FR innert kürzester Zeit von drSynkretismus zu dǝ-Synkretismus übergegangen ist, findet sich neu auch mit Präposition nichtkontrahiertes dǝ, aber überall daneben auch noch die kontrahierte Form. Gelegentliche Belege von nicht kontrahierten Formen gibt es schließlich über das ganze Kontraktionsgebiet verteilt. Im östlichen Gürtel sind sie etwas häufiger. Dabei handelt es sich gleichermaßen um nicht kontrahiertes dǝ, wie es in den nördlich und den südlich davon gelegenen großen nichtkontrahierenden Gebieten auftritt, wie auch nicht kontrahiertes dr, das hier dem Akkusativ ohne Präposition entspricht. Im westlichen Kontraktionsgebiet sind die nicht kontrahierten Formen seltener, aber es sind ebenso beide Formen vertreten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die beiden nichtkontrahierenden Gebiete vergrößern: in GR dem Flusslauf entlang Richtung Norden und im Nordosten entlang der ganzen Grenze. Fernab dieser Gebiete haben sich zwei neue Gebiete vollständig bzw. teilweise ohne Kontraktion gebildet, welche für den Artikel nach Präposition − wenig überraschend − die Form übernehmen, die der Artikel im nichtpräpositionalen Gebrauch hat. Ebenso ist eine Anpassung des Artikels an den entstehenden synkretistischen Artikel im nichtkontrahierenden Süden zu beobachten. In allen Regionen weisen die stattfindenden Veränderungen auf eine Vereinfachung des Systems hin. Im Nordosten und in FR bedeutet dies Einheitsartikel dǝ, im Nordwesten und im Süden Einheitsartikel dr in beiden Kasus im nichtpräpositionalen wie im präpositionalen Gebrauch. Zusammenfassung und Diskussion Die ersten beiden Zeitebenen lassen aufgrund der Beleglage die zugrunde liegende Verteilung der Gebiete nur mit Ausblick auf die besser belegten Zeitebenen erkennen. Die genauen Grenzen bleiben unklar, aber die vorhandenen Belege lassen sich mit dem späteren Bild vereinbaren. Die Verteilung scheint im Großen und Ganzen ziemlich stabil. Neu sind auf der zweiten Zeitebene Ausführungen und Sprachbelege in den Textproben der älteren Grammatiken mit der ursprüngli-

158

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

chen Nominativform dr auch nach Präposition. Vereinzelt sind solche Formen auch in den Spontandaten des SDS belegt, aber nicht in ausreichender Menge, um kartiert zu werden. In den Daten des SADS schließlich ist die Form nicht nur schon häufiger im VS und teilweise auch in GR sowie vereinzelt in der ganzen Schweiz belegt, sondern insbesondere auch als zusammenhängendes Gebiet im Nordwesten der Schweiz, das zuvor Kontraktion aufgewiesen hat. Die auf allen Zeitebenen belegten nicht kontrahierenden Gebiete mit Präposition + dǝ im Nordosten und Präposition + dǝ/dr im Süden scheinen sich auszudehnen, wenn man die Daten des SDS mit denen des SADS vergleicht. Für den Süden gilt das im Südosten entlang des Rheins nach Norden. Für den Nordosten gilt dies entlang des ganzen Übergangsgebiets, insbesondere nach Westen. Ein neues nicht kontrahierendes Gebiet mit Präposition + dǝ entsteht außerdem jenseits der großen Gebiete an der äußersten Grenze des deutschen Sprachgebiets in FR. In allen Fällen findet eine Anpassung an die Formen statt, die im nichtpräpositionalen Gebrauch auftreten, und damit eine Vereinheitlichung des Systems. Wenn DAL NEGRO (2004) zum besseren Erhalt der Kasusendung nach Präposition vermutet: „Man könnte das auch als Zeichen des Abbaus des Akkusativs als morphologischer Fall sehen, der nur in erstarrten Kontexten überlebt, in denen er möglicherweise morphologisches Material zur Flexion der Präposition bietet“ (DAL NEGRO 2004, 103), dann ist aufgrund der neuesten Daten anzufügen, dass es sich dabei wahrscheinlich nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt. 4.4.5 Demonstrativpronomen und Relativpronomen Demonstrativum und Relativum werden nicht ausführlich besprochen. Das Demonstrativum ist im SDS für Maskulinum Singular nicht kartiert und auch im SADS existiert keine Frage, die nur die Lesart als Demonstrativum zulässt. Es gibt also keine flächendeckend erhobenen Daten für die beiden Wortarten. Als Relativum werden in den heutigen Mundarten Lexeme des Typs wo verwendet. Bei STALDER (1819) findet sich dagegen für Relativa vielerorts das Lexem der, es sind aber auch verschiedene Ersatzlexeme belegt. Ob es sich dabei um Interferenzphänomene oder um eine Entwicklung von der-Formen zu Ersatzlexemen handelt, sprengt als Frage den Rahmen dieser Arbeit. Zur Auswertung der Dialektparabeln wurden Demonstrativa wie Relativa des der-Lexems vom definiten Artikel abgegrenzt und deshalb auch ausgezählt. Weil sich dabei einige interessante Aspekte offenbaren, werden sie ergänzend zum definiten Artikel kurz dargestellt. In der Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ werden Demonstrativa durchweg zusammen mit dem definiten Artikel angeführt, da der Artikel als schwächste von − je nach Autor − zwei oder drei Determiniererstufen des Stammes der betrachtet wird. Auch hier sind im Rahmen der Abgrenzungsprobleme die Formen des Demonstrativums (bzw. zweier Demonstrativ-Stufen) mit erfasst worden und werden der Vollständigkeit halber kurz skizziert.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

159

Abschließend werden die kurzen Bemerkungen von MEYER (1967) zum Demonstrativum in den Spontandaten des SDS in Beziehung zu den vorangehenden Ebenen gesetzt. 1. Zeitebene Demonstrativa, wie sie nach der in Kapitel 4.3 beschriebenen Routine vom Artikel abgegrenzt werden, sind im Nominativ in den meisten Parabeln − häufig sogar mehrmals − belegt. Akkusativbelege fehlen dagegen fast vollständig. So lässt sich auf dieser Zeitebene wenig zum Zusammenfall der Kasus aussagen. Der Formtyp, der auf Vokal endet, wird zumeist mit vollem Vokal und häufig sogar lang ausgesprochen. In den Parabeln wird dieser Umstand oft markiert, so dass die Formen dé, dē, dä, dǟ und dae zusammen die überwiegende Mehrheit bilden gegenüber dem ausschließlichen oder begleitenden Gebrauch der Form de. Auch beim konsonantisch endenden Typ ist der Vokal erhalten und gelegentlich gedehnt. Bei der Schreibung überwiegt aber trotzdem formgleich zum definiten Artikel die Form der. Nur begleitend zu dieser Form finden sich in einigen Dialektparabeln auch där oder dēr. Die beiden Formtypen werden im Folgenden als de-Typ bzw. als der-Typ bezeichnet. Sämtliche kartierten Belege stehen vor Konsonant.136 Karte 30 zeigt die areale Verteilung: Wie beim definiten Artikel weisen der Süden (Teile des Berner Oberlands, VS, Urserental UR, GR) und der Nordosten (SZ, GL, große Teile des SG, AR, AI, südliches TG) den Nominativtyp mit konsonantischer Endung auf. Akkusative sind keine belegt, so dass Aussagen zum Zusammenfall der beiden Kasus nicht möglich sind. Ebenfalls wie beim definiten Artikel findet sich im zentralen Norden ein Gebiet, das im Nominativ − und, wo belegt auch im Akkusativ137 − den vokalisch endenden Typ aufweist. Abweichend dagegen stellt sich das westliche Sprachgebiet dar. Während hier beim definiten Artikel ausschließlich oder vorherrschend der Typ auf Konsonant belegt ist, zeigt sich beim Demonstrativum die vokalisch auslautende Form, wie im zentralen Norden − soweit belegt − in beiden Kasus.138 Als Ausreißer zu lesen ist wohl der Nominativbeleg für der in Dipa 34-AG-Brugg für den Unteraargau, weshalb der Ort nicht − wie bei dieser Ausprägung sonst üblich − als kasusunterscheidend kartiert wird. Formal unterscheidet sich das Relativum nicht vom Demonstrativum. Auch für das Relativum gibt es kaum Akkusativbelege. Karte 31 weist die Relativa mit der-Stamm aus: Wie beim Demonstrativum weisen der westliche und der zentrale Norden den de-Typ auf. Das Gebiet ist aber etwas weniger groß. Im Gegensatz zum Relativum ist auch in Dipa 3-BE-Bern, Dipa 20-FR-Muschels, Dipa 9-BEBoltigen und Dipa 27-SG-Kirchberg im Nominativ der belegt. Dipa 16-OWAlpnach weist der im Akkusativ auf und ist damit anders als beim Demonstrati-

136 Es findet sich ein einziger Beleg vor Vokal: de in Dipa 22-BL-Diegten. 137 Vgl. Dipa 1-ZH-Kilchberg, Dipa 2-ZH-Ottenbach. 138 Vgl. Dipa 33-AG-Aarau, Dipa 10-BE-Biel.

160

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

vum ebenfalls dem der-Gebiet zuzuordnen. Dipa 34-AG-Brugg reißt wiederum aus. Anders als beim Demonstrativum finden sich beim Relativum Akkusativbelege im der-Gebiet, so dass sich sowohl Kasusunterscheidung wie auch Kasuszusammenfall beobachten lassen. Nur Akkusativ vom Typ der und damit höchstwahrscheinlich Kasuszusammenfall in dieser Form weist Dipa 16-OW-Alpnach auf. Mit dem Akkusativ de bzw. den ist Kasusunterscheidung in vier Ortschaften zu beobachten. Dipa 31-GR-Chur und Dipa 28-SG-Flawil zeigen beim jeweiligen Beleg das alte Akkusativ-n, Dipa 9-BE-Boltigen je einen Beleg mit und ohne n, Dipa 13-UR-Hospental zeigt vier Mal de. Damit ist für das Relativum in OW wahrscheinlich Kasuszusammenfall, für das westliche Berner Oberland, das Urserental, GR und das Mittler-Toggenburg und damit vermutlich für den ganzen Süden und Nordosten dagegen noch Kasusunterscheidung belegt. Außer dem Stamm der finden sich aber bereits vielerorts die Ersatzformen wo (inkl. der Variante wa), was bzw. as und so. Offensichtlich kommen als Ersatzformen insbesondere Interrogativa zur Verwendung. Darüber hinaus scheint die Ersatzform unabhängig von Kasus, Numerus und Genus verwendet zu werden, dies ist aber nur ein Eindruck und im Einzelnen nicht ausgezählt worden, da dies zu weit von der Fragestellung der vorliegenden Arbeit abweichen würde. Für Relativa im Maskulinum Singular werden die Formen der Vollständigkeit halber in Karte 32 ausgewiesen: Ausschließlich wo ist im Nordwesten belegt, während sich im Nordosten keine eindeutige Ersatzform zeigt. Im Süden gibt es keine Hinweise auf Ersatzformen. Da es nicht viele Belege zum Relativum gibt, sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Unerwartet und nicht sichtbar anhand der Kartografierungen zum Relativum ist die Tendenz, dass beim Auftreten von zwei Formen eine Unterscheidung zwischen belebt und unbelebt gemacht wird. Dies gilt wohl gleichermaßen für beide Kasus, so dass Nominativ und Akkusativ in der folgenden Tabelle nicht separat angeführt werden: Typ

der

wo/so

A

belebt

unbelebt

B

belebt

C

belebt

D

belebt

E

belebt/unbelebt

F

belebt

(w)as

Anzahl Ortschaften 5

unbelebt

4

unbelebt

2 2 2

belebt/unbelebt

2

Tabelle 30: Relativa im Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ mit unterschiedlichem Stamm in Abhängigkeit von der Belebtheit des Referenzobjekts

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

161

A: Dipa 9-BE-Boltigen, Dipa 22-BL-Diegten, Dipa 33-AG-Aarau, Dipa 2-ZHOttenbach, Dipa 23-SH-Schaffhausen B: Dipa 35-AG-Mellingen, Dipa 14-SZ-Arth, Dipa 28-SG-Flawil, Dipa 27-SGKirchberg C: Dipa 1-ZH-Kilchberg, Dipa 18-ZG-Zug Die drei Formtypen bilden offensichtlich eine Hierarchie: jeweils die weiter links stehende Form wird für belebte Referenten verwendet. Mit insgesamt 11 Ortschaften dürfte die beobachtete Tendenz nicht zufällig sein. Nur zwei Ortschaften belegen unterschiedliche Formen für Belebtheit (D: Dipa 3-BE-Bern, Dipa 4-BELangnau) und nur vier Ortschaften weisen belebte wie unbelebte Referenzobjekte auf, die jeweils mit der gleichen Form markiert sind (E: Dipa 24-AI-Appenzell, Dipa 29-SG-Oberriet, F: Dipa 19-FR-Düdingen, Dipa 38-FR-Steckborn). Für 24 Ortschaften ist ausschließlich Referenz auf belebte Objekte belegt, zumeist mit dem Stamm der (20x), seltener mit dem Stamm wo (4x). In den Dialektparabeln finden sich weitere Relativa in anderen Kasus bzw. im Plural, die für ein valideres Resultat ebenfalls hinzuzuziehen wären. Im Rahmen dieser Arbeit führt deren Auszählung aber zu weit. Die beobachtete Tendenz bei den Maskulina Singular Nominativ und Akkusativ bleibt hier stehen als zufällig entdecktes − aber spannendes − Phänomen, welches die Fragestellung nur am Rande betrifft. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Demonstrativum und das Relativum eine ähnliche Verteilung der beiden Typen der und de aufweisen, wobei das de-Gebiet beim Demonstrativum etwas größer ist. Vereinzelte Akkusativbelege für das Demonstrativum lassen vermuten, dass das ganze de-Gebiet Kasussynkretismus aufweist. Vereinzelte Akkusativbelege des der-Lexems für das Relativum zeigen im Berner Oberland, im Süden und im Nordosten Kasusunterscheidung. Ob im zentralschweizerischen der-Gebiet bereits Synkretismus eingetreten ist, lässt sich aufgrund fehlender Belege nicht sagen. 2. Zeitebene In den „Beiträgen zur Schweizerdeutschen Grammatik“, die den Hauptanteil an den hier ausgewerteten älteren Grammatiken ausmachen, werden je nach Autor zwei bis drei Determiniererstufen angenommen, wovon die schwächste den definiten Artikel darstellt, die stärkste auf jeden Fall das substantivisch gebrauchte Demonstrativum und bei nur zwei Stufen auch das attributiv gebrauchte Demonstrativum (vgl. Kapitel 4.3). Auf der folgenden Karte wird unabhängig von der angenommenen Anzahl an Stufen der Typ der stärksten Stufe kartiert. Die älteren Grammatiken zeichnen für die Demonstrativa ein Bild, das weitgehend mit den Belegen in den Dialektparabeln übereinstimmt, siehe Karte 33. Etwas genauer lassen sich nun Grenzen erkennen und der-Gebiete mit Synkretismus von jenen mit Kasuszusammenfall abgrenzen: Der durchweg mit Kasussynkretismus auftretende de-Typ nimmt wie schon auf der vorangehenden Zeitebene den zentralen und westlichen Norden ein, vgl.

162

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

BAUMGARTNER (1922, 151) für das Berner Seeland (Älgra BE-15-Biel), BINZ (1888, 47 u. 58−60) für BA-1-Basel, SCHMID (1915, 165) für das Entlebuch (Älgra LU-30-Schüpfheim), [ANONYMUS] (1874, 179 u. 181) für den unteren Aargau (Älgra AG-38-Lenzburg), WANNER (1941, 176) für den Kanton SH (Älgra SH-3Schleitheim) und WEBER (1923, 172) für das Zürcher Oberland (vgl. Älgra ZH48-Steg). Nur wenig weiter östlich des Zürcher Oberlandes ist das Toggenburg nach WIGET (1916, 95) der-Gebiet mit nach wie vor bestehender Kasusunterscheidung. Dieser Typ setzt sich nach Osten in Älgra TG-13-Kesswil (vgl. ENDERLIN 1913, 95), im St. Galler Rheintal (vgl. Älgra SG-14-Altstätten nach BERGER 1913, 115) und nach JUTZ (1925, 276 f.) jenseits der Schweizer Grenze im ganzen südlichen Vorarlberger Rheintal (Älgra OE-1-Feldkirch, Älgra OE-2-Koblach), im Wallgau und Montafon (Älgra OE-3-Bludenz, Älgra OE-4-Schruns) und im Klostertal (Älgra OE-5-Klösterle) wie auch in Liechtenstein (Älgra LI-1-Vaduz) fort. Eine Besonderheit stellt das Appenzellerland nach der Darstellung von VETSCH (1910, 137; Älgra AP-11-Appenzell) dar, wonach im Nominativ sowohl der der-Typ als auch der de-Typ auftritt, im Akkusativ dagegen nur de. Dies ist in der Schweiz für das Lexem der unabhängig von der Wortart der einzige Beleg, der auf einen direkten Übertrag der Akkusativform auf den Nominativ beim Maskulinum Singular hinweist. Folgt man dem Rhein aufwärts nach GR, ist vollständige Kasusunterscheidung nach MEINHERZ (1920, 181) auch in der Bündner Herrschaft (vgl. Älgra GR3-Malans) und nach BRUN (1918, 166) ebenso in Älgra GR-25-Obersaxen zu finden. BOHNENBERGER (1913, 220−222) dagegen gibt für das Wallis wie auch die Walserorte in GR neben Akkusativformen schon Nominativformen für Akkusativ an und beschreibt damit bereits einen teilweisen Zusammenfall. Dem folgen die Einzeldarstellungen von HOTZENKÖCHERLE (1934, 429) für Älgra GR-32-Mutten und WIPF (1910, 141) für Älgra WS-13-Visperterminen. Schließlich ist auch im der-Gebiet über einen größeren Raum hinweg vollständiger Kasuszusammenfall zu beobachten. Dieser Teil des der-Gebiets liegt zwischen dem de-synkretistischen nordwestlichen und nördlich-zentralen und dem (teilweise) kasusunterscheidenden Gebiet im Süden. Die westliche Grenze liegt an der Sprachgrenze zum Französischen: HENZEN (1927, 200) hält sowohl Formen des de-Typs wie auch des der-Typs im Freiburgischen Sense- und südöstlichen Seebezirk (Älgra FR-4-Düdingen) fest. Etwas weiter südlich beschreibt STUCKI (1917, 282) der-Synkretismus für Älgra FR-14-Jaun. Für das angrenzende Berner Oberland, das oft mit dem Süden geht und konservativere Formen aufweist (vgl. auch die vorangehende Zeitebene), fehlen leider entsprechende Daten. In der Zentral- und Ostschweiz ist Kasuszusammenfall auf den der-Typ nach ABEGG (1913, 80) für das Urserental (Älgra UR-11-Hospental), welches auf der ersten Zeitebene noch Kasusunterscheidung aufweist, und nach CLAUSS (1929, 194) für das übrige UR (Älgra UR-4-Altdorf), weiter östlich nach WINTELER (1876, 187) für die Kerenzer Mundart (Älgra GL-2-Obstalden) und nach STREIFF (1915, 69) für die Glarner Mundarten allgemein (Älgra GL-5-Glarus) beschrie-

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

163

ben. Damit reicht das belegte der-Synkretismus-Gebiet von der westlichen Sprachgrenze bis weit in die Ostschweiz. 3. Zeitebene Leider ist das Demonstrativum Maskulinum Singular im SDS nicht kartiert. Bei MEYER (1967) finden einige Bemerkungen zur Verteilung der beiden Typen: Nach dem Spontanmaterial des SDS hält sich der r-haltige Nom. Sg. Mask. des Demonstrativpronomens där vereinzelt im südlichen Kanton Freiburg und westlichen Berner Oberland; durchweg im Haslital, in den Kantonen Uri, Schwyz (Norden ausgenommen), Glarus, im südlichen Kanton St. Gallen, im Wallis und bei den Bündner Walsern. Sehr vereinzelt erscheint där in den Kantonen Appenzell (AP 1, 4) und Thurgau (TG 12, 13). (MEYER 1967, 51)

Diese Beschreibung deckt sich mit den Karten der ersten beiden Zeitebenen. Allfällige Veränderungen gibt es höchstens kleinräumig. Leider fehlen Angaben zu Synkretismus bzw. Kasusunterscheidung. Diskussion Hier lohnt sich ein Vergleich des Demonstrativum (und Relativum) mit dem definiten Artikel (vor Konsonant, siehe Kapitel 4.4.1 und 4.4.2). Die eine Vergleichsebene betrifft den Typ: Beim Demonstrativum, Relativum und beim definiten Artikel ist der auf Vokal auslautende Typ im zentralen Norden belegt. Auf der ersten Zeitebene139 stimmt die Grenze nach Osten für die drei Wortarten ziemlich genau überein. Auch in der Innerschweiz rund um den Vierwaldstättersee findet sich beim Demonstrativum ausschließlich der de-Typ, beim definiten Artikel ist überwiegend der də-Typ belegt. Im Nordwesten dagegen weist der definite Artikel den auf Konsonant auslautenden Typ auf, während sich beim Demonstrativum der vokalisch auslautende Typ fortsetzt. Im Nordwesten, in der Innerschweiz und im Süden zeigen Demonstrativum und definiter Artikel für beide Typen − soweit belegt − auf der zweiten Zeitebene140 im Großen und Ganzen die gleiche Verteilung wie auf der ersten Zeitebene. Beim Demonstrativum ist dies auch im Nordosten der Fall. Beim definiten Artikel findet dagegen im Nordosten beim Übergang von der ersten zur zweiten Zeitebene ein Wechsel vom dr-Typ zum də-Typ statt. Die andere Vergleichsebene gilt der Frage nach synkretistischen Gebieten: Wie beim Relativum ist beim definiten Artikel auf der ersten Zeitebene Kasusunterscheidung im Süden (inkl. Berner Oberland) und im Nordosten belegt, Synkretismus dagegen im zentralen Norden und Nordwesten. In der Innerschweiz ist für den definiten Artikel ebenfalls Synkretismus belegt, für das Demonstrativum und das Relativum darf dies vermutet werden. Auf der zweiten Zeitebene bestätigt sich für die Innerschweiz der-Synkretismus beim Demonstrativum. Unverändert

139 Vgl. die folgenden Abbildungen: Demonstrativum K a r t e 3 0 , Relativum K a r t e 3 1 , definiter Artikel K a r t e 4 (Nominativ) und K a r t e 8 (Nominativ und Akkusativ). 140 Vgl. die folgenden Abbildungen: Demonstrativum K a r t e 3 3 , definiter Artikel K a r t e 9 .

164

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Synkretismus für definiten Artikel und Demonstrativum findet sich auch im zentralen Norden und Nordwesten. Im Süden (ausgenommen das Berner Oberland, für welches Daten auf der zweiten Zeitebene fehlen) ist auf der zweiten Zeitebene für beide Wortarten ein erstes Auftreten von Nominativformen im Akkusativ belegt. In GR scheint der Übergang beim definiten Artikel etwas schneller zu gehen als beim Demonstrativum.141 Anders stellt sich die Situation im Nordosten dar. Gleichzeitig mit dem konstatierten Typenwechsel erfolgt beim definiten Artikel innert kürzester Zeit ein vollständiger Übergang von Kasusunterscheidung zu də-Synkretismus. Beim Demonstrativum dagegen bleibt mit dem der-Typ auch die Kasusunterscheidung weitgehend erhalten (erste Synkretismustendenzen für das Appenzellerland wurden angemerkt). Daraus resultiert die Erkenntnis, dass sich Kasusunterscheidung zumindest in einzelnen Regionen beim Demonstrativum länger hält als beim definiten Artikel. 4.4.6 Lokale Artikelsysteme Nominativ- und Akkusativ beim definiten Artikel werden in den vorangehenden Kapiteln ausführlich jeweils für die Formtypen vor Konsonant, vor Vokal und nach Präposition für alle vier Zeitebenen getrennt besprochen. Im Fokus steht dabei die Veränderung der arealen Verteilung in den erwähnten morphosyntaktischen Kontexten. Abschließend werden für ausgewählte Gebiete (siehe Karte 34), die eine einigermaßen einheitliche Datenlage aufweisen, die verschiedenen morphosyntaktischen Kontexte gemeinsam betrachtet. Diese Darstellung fokussiert damit die Dynamik typischer lokaler Artikelsysteme, sich mehr oder weniger stark verschiebende Grenzen oder Minderheitenformen treten in den Hintergrund. Das westliche Deutschwallis Auf der ersten Zeitebene präsentiert sich das westliche Deutschwallis als Gebiet mit vollständig erhaltener Kasusunterscheidung in allen Bereichen. Nominativ entspricht durchgehend dem Typ dr, Akkusativ dem Typ dǝ(n). Aus morphologischer Sicht unterscheidet sich der definite Artikel damit nicht vom heutigen Standarddeutschen. Ab der zweiten Zeitebene lässt sich dr auch im Akkusativ beobachten, belegt für den Gebrauch vor Konsonant und nach Präposition. Der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ durch Übertragung der Nominativform auf den Akkusativ beginnt hier im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Für die dritte Zeitebene wird dagegen für den Akkusativ nach Präposition neben dǝ nicht dr, sondern der 141 So ist bei MEINHERZ (1920, 181) für die Bündner Herrschaft (Älgra GR-3-Malans) und bei BRUN (1918, 166) für Älgra GR-25-Obersaxen beim Demonstrativum noch vollständige Kasusunterscheidung, beim definiten Artikel bereits teilweise Synkretismus belegt. Für Älgra GR-32-Mutten hält HOTZENKÖCHERLE (1934, 429) etwas später beim Demonstrativum schon teilweisen, beim def. Artikel bereits vollständigen Zusammenfall fest.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

165

Typ -ǝ(n), d. h. Kontraktion ausgewiesen. Auf der vierten Zeitebene bestätigt sich das Nebeneinander aller Typen nach Präposition: dr, dǝ(n) und Kontraktion. Vor Konsonant lässt sich nach wie vor im Akkusativ das Nebeneinander der Typen dr und dǝ(n) beobachten, der Zusammenfall ist bis jetzt nicht vollständig erfolgt. Insgesamt ist im westlichen Deutschwallis während der letzten zwei Jahrhunderte die Entwicklung von je einer Kasusform (dr-Typ für den Nominativ; dǝ(n)Typ für den Akkusativ) zu einer Form für den Nominativ (dr-Typ) und variierenden Formen für den Akkusativ (dr-Typ, dǝ(n)-Typ, vor Präposition zusätzlich Kontraktion) zu beobachten. Das östliche Berner Oberland Auch das östliche Berner Oberland zeigt auf der ersten Zeitebene vollständige Kasusunterscheidung. Im Gegensatz zum westlichen Deutschwallis weist aber der Artikel nach Präposition Kontraktion auf. Einer Form des dr-Typs im Nominativ stehen also zwei Formen im Akkusativ (dǝ(n)-Typ und Kontraktion) gegenüber. Belege für die zweite Zeitebene fehlen, ab der dritten Zeitebene tritt im Akkusativ außer nach Präpositionen auch der dr-Typ auf. Auch auf der vierten Zeitebene ist nach Präposition ausschließlich Kontraktion belegt. Vor Konsonant und Vokal tritt im Nominativ der dr-Typ auf, im Akkusativ werden Formen sowohl des dr-Typs wie auch des dǝ(n)-Typs angegeben. Der Zusammenfall beginnt vor weniger als zweihundert Jahren und ist bis heute nicht vollständig erfolgt. Über zwei Jahrhunderte unverändert ist Kontraktion nach Präposition, also eine Sonderform im Akkusativ. Das Berner Mittelland Schon auf der ersten Zeitebene ist Synkretismus vor Konsonant für das Berner Mittelland belegt. Neben dem älteren dr-Typ tritt gelegentlich auch der jüngere dǝ-Typ in beiden Kasus auf. Der Akkusativ nach Präposition hebt sich durch Kontraktion142 von den anderen Akkusativformen ab. Auf der zweiten Zeitebene ist das Berner Mittelland nicht dokumentiert. Die beobachtete Ausgangslage setzt sich aber auch auf der dritten und vierten Zeitebene unverändert fort. Auf der vierten Zeitebene ist dazu erstmals der definite Artikel vor Vokal belegt; es tritt ausschließlich der dr-Typ auf. Während der beobachteten zweihundert Jahre weist das Berner Mittelland also durchgehend Synkretismus vor Konsonant und als Sonderform nach Präposition Kontraktion auf. Die Region Basel/Solothurn Auch die Region Basel/Solothurn zeigt schon auf der ersten Zeitebene Synkretismus vor Vokal, belegt ist auf den ersten beiden Zeitebenen nur der dr-Typ. Nach

142 Der von der alten Akkusativform abgeleitete -ǝ(n)-Typ tritt hier nur noch ohne altes Akkusativ-n auf.

166

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Präposition tritt wie im Berner Mittelland Kontraktion143 auf. Auf der dritten Zeitebene findet sich durchgehend auch der dǝ-Typ vor Konsonant, auf der vierten Zeitebene ist vor Konsonant wieder überwiegend und vor Vokal ausschließlich der dr-Typ zu beobachten. Neu ist, dass sich von der dritten zur vierten Zeitebene ganz im Nordosten der Region ein Gebiet herausgebildet hat, das die Sonderform nach Präposition aufgibt und die Form dem überwiegend auftretenden dr-Typus angleicht. Die Tendenz geht deutlich zu einer Einheitsform für Nominativ und Akkusativ in morphosyntaktischen Kontexten. Der Kanton Freiburg Der Kanton Freiburg weist auf den ersten beiden Zeitebenen dr-Synkretismus vor Konsonant auf, nach Präposition die kontrahierte Sonderform, die auf der zweiten Zeitebene schon von dr konkurriert wird. Von der zweiten auf die dritte Zeitebene breitet sich der dǝ-Typ vor Konsonant insbesondere im nördlichen Kantonsteil aus und verdrängt bis zur vierten Ebene fast vollständig den älteren dr-Typ im ganzen Kanton, während die umliegenden Gebiete wieder deutlicher dr aufweisen. Im Zuge dieser schnellen Umwälzung von dr zu dǝ verschwindet dr nach Präposition bis zur dritten Zeitebene wieder vollständig, nur Kontraktion ist belegt. Auf der vierten Zeitebene lässt sich dǝ nun auch deutlich vor Konsonant und nach Präposition beobachten. Die Tendenz geht auch hier ganz klar zu Einheitskasus für beide Kasus in allen morphosyntaktischen Kontexten. Gleichzeitig findet im Gegensatz zur Region Basel/Solothurn eine fast vollständige Umwälzung vom dr-Typ zum dǝ-Typ statt. Die Region Nordbünden/Prättigau/Davos Auch die östliche Bergregion, im Fokus hier der nördlich-zentrale Bereich mit den Regionen Nordbünden, Prättigau und Davos, belegt für die erste Zeitebene noch vollständige Kasusunterscheidung mit dr-Typ für Nominativ und dǝ(n)-Typ für Akkusativ in allen morphosyntaktischen Kontexten. Wie im westlichen Deutschwallis lässt sich ab der zweiten Zeitebene im Akkusativ vor Konsonant die Verwendung des Nominativtyps dr beobachten. Im Gegensatz zur WalliserBergregion bleibt aber der dǝ(n)-Typ nach Präposition auf der zweiten und dritten Ebene unangetastet, Belege für Kontraktion gibt es auf keiner Zeitebene. Erst ab der vierten Zeitebene findet sich der dr-Typ auch nach Präposition und damit nun in allen morphosyntaktischen Kontexten (Formen vor Vokal sind erst auf der vierten Zeitebene belegt und zeigen ebenfalls ein Nebeneinander der beiden Typen, teilweise mit altem n im Akkusativ). Der Zusammenfall hat sich wie in den westlichen Bergregionen (östliches Berner Oberland, westliches Deutschwallis) auch hier noch nicht vollständig vollzogen, gleichzeitig zeigt sich auf der letzten Zeitebene neu auch der dǝ-Typ im Nominativ, wohl unter Einfluss des nördlich gelegenen dǝ-Synkretismus-Gebiets, 143 Auch hier ist der Kontraktionstyp -ǝ(n) nur ohne altes Akkusativ-n belegt.

Areale Entwicklung der Formen des definiten Artikels

167

so dass sich zur Zeit im Nominativ und im Akkusativ die beiden Typen dr und dǝ zeigen, darüber hinaus im Akkusativ auch noch der Untertyp dǝn mit altem, eindeutigem Akkusativ-n. Es ist besonders spannend, bleibt aber völlig offen, ob sich hier möglicherweise eine Tendenz entweder zu dr oder zu aber zu dǝ abzeichnen wird oder ob die Typen noch lange nebeneinander bestehen werden. Die nördliche Ostschweiz Nicht nur die Bergregion, auch die nördliche Ostschweiz unterscheidet Nominativ und Akkusativ auf der ersten Zeitebene noch vollständig. Für den Nominativ wird der dr-Typ, für den Akkusativ der dǝ(n)-Typ verwendet, auch nach Präposition. Bereits ab der zweiten Zeitebene ist auch im Nominativ ausschließlich der dǝ-Typ belegt. Trotzdem tritt der dr-Typ auch im Akkusativ auf, nämlich vor Vokal: Auf der dritten Zeitebene für beide Kasus ausschließlich, auf der vierten Zeitebene für beide Kasus neben dem dǝ-Typ. Dies ist − wie schon mehrfach erläutert − ein Hinweis darauf, dass keine direkte Übertragung der Akkusativform auf den Nominativ stattgefunden hat. Insgesamt lässt sich festhalten: im Gegensatz zu den Bergregionen hat sich hier innerhalb kürzester Zeit die Entwicklung von vollständiger Kasusunterscheidung zu vollständigem Synkretismus vollzogen. Mit dem Wechsel von synkretistischem dr zu synkretistischem dǝ vor Vokal sind Tendenzen zu vollständigem Einheitskasus auch in Hinblick auf den Typ zu beobachten. Der zentrale Norden Auf allen vier Zeitebenen ist vor Konsonant und nach Präposition ausschließlich der dǝ-Typ belegt. Nur vor Vokal findet sich noch auf der dritten Zeitebene für beide Kasus der dr-Typ, der auf der vierten Zeitebene schon in größerem Ausmaß durch den dǝ-Typ abgelöst wird. Wie die nördliche Ostschweiz tendiert der zentrale Norden zum Einheitskasus des dǝ-Typs. Zusammenfassung und Diskussion Anhand der vier westlichen Gebiete (von Süden nach Norden) westliches Deutschwallis, östliches Berner Oberland, Berner Mittelland und Region Basel/Solothurn lässt sich deutlich ein gradueller Nord-Süd-Verlauf aufzeigen, bei dem sich das südlichste Gebiet als das konservativste, das nördlichste als das progressivste darstellt: Das westliche Deutschwallis weist zu Beginn der ersten Zeitebene vollständige Kasusunterscheidung mit dr im Nominativ und dǝ(n) im Akkusativ in allen morphosyntaktischen Kontexten auf, der Nordwesten der Region Basel/Solothurn belegt auf der vierten Zeitebene vollständigen Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ auf dr in allen morphosyntaktischen Kontexten. Räumlich und zeitlich lassen sich dazwischen etliche Übergangsstufen beobachten. Im westlichen Deutschwallis entwickelt sich bis zur vierten Zeitstufe ein teilweiser Zusammenfall mit dr im Nominativ und allen formalen Ausprägungen (dr, dǝ(n) und Kontraktion nach Präposition) im Akkusativ. Auch das östliche Berner

168

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

Oberland weist auf der ersten Zeitebene vollständige Kasusunterscheidung auf, hat aber mit der Sonderform Kontraktion nach Präposition bereits eine erste Differenzierung der Akkusativformen (dǝ(n) vs. Kontraktion -ǝ(n)) vollzogen. Bis zur vierten Zeitebene kommt mit dem einsetzenden Synkretismus im Akkusativ der dritte Formtyp dr hinzu. Eine progressivere Stufe in der Entwicklung von Kasusunterscheidung zu Formenzusammenfall stellt das Berner Mittelland dar, das schon auf der ersten Zeitstufe außer der kontrahierten Form -ǝ nach Präposition nur noch dr in beiden Kasus und damit außer beim präpositionalen Akkusativ vollständigen Synkretismus aufweist. Daran ändert sich über alle vier Zeitebenen hinweg nichts. Zwar lassen sich auf allen Zeitstufen vereinzelte Belege für den synkretistischen dǝ-Typ finden, dieser setzt sich aber nicht durch. Die Region Basel/Solothurn unterscheidet sich vom Berner Mittelland zum einen dadurch, dass auf der dritten Zeitstufe vorübergehend der synkretistische dǝ-Typ häufiger zu beobachten ist. Zum anderen lässt sich in Teilen der Region Basel/Solothurn von der dritten zur vierten Zeitstufe beobachten, dass auch die kontrahierte Form nach Präposition durch die synkretistische Form dr ersetzt wird. Damit ist die letzte Stufe der Entwicklung vollzogen. Aus den dargestellten Entwicklungsschritten auf einen einheitlichen Prozess und damit auf die weitere Entwicklung in den konservativeren Gebieten zu schließlich, ist aber nicht möglich. So hat sich beispielsweise Kontraktion nach Präposition im Berner Oberland lange vor den ersten Anzeichen zu Synkretismus entwickelt, während im westlichen Deutschwallis erste Synkretismustendenzen zu beobachten sind, bevor kontrahierte Formen nach Präposition verwendet werden. Dies führt zu unterschiedlichenVerhältnissen in den beiden Regionen: Während sich die kontrahierten Formen im östlichen Berner Oberland und im Mittelland bis heute unverändert erhalten, sind im Wallis alle Formtypen nach Präposition zu beobachten. Es ist denkbar, dass diese Varianz eine schnellere Anpassung der post-präpositionalen Formen an das zunehmend verwendete synkretistische dr in den anderen morphosyntaktischen Kontexten begünstigt. Auch für den östlichen Teil der Schweiz (von Süden nach Norden sind dies die Region Nordbünden/Prättigau/Davos, die nördliche Ostschweiz und der zentrale Norden) lässt sich ein entsprechender gradueller Nordwest-Südost-Verlauf feststellen. In der Region Nordbünden/Prättigau/Davos ist auf der ersten Zeitebene vollständige Kasusunterscheidung mit dr für Nominativ und dǝ(n) für Akkusativ in allen morphosyntaktischen Kontexten belegt, ebenso in der nördlichen Ostschweiz. Im zentralen Norden ist dagegen schon auf der ersten Zeitebene Synkretismus belegt: Vor Konsonant wird bis auf vereinzelte Belege des dr-Typs in beiden Kasus dǝ verwendet, ebenso für Akkusativ vor Konsonant. Vor Vokal dagegen ist wie im westlichen Teil dr-Synkretismus zu beobachten. Das dazwischen liegende Gebiet, die nördliche Ostschweiz, weist auf der ersten Zeitebene den gleichen Befund wie der Süden, auf der zweiten Zeitebene aber bereits die gleichen Formen wie der Norden auf. Hier findet in kürzester Zeit (innerhalb von hundert Jahren) sowohl der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ wie auch − außer vor Vokal − der Übergang zu dǝ-Synkretismus statt. Leider lässt sich

Zusammenfassung und Diskussion

169

anhand der vorhandenen Daten nicht nachzeichnen, wie dieser Übergang im Einzelnen abläuft. Erst von der dritten zur vierten Zeitebene lassen sich weitere Veränderungen beobachten. In den beiden nördlicheren Gebieten passt sich zunehmend die synkretistische dr-Form vor Vokal an die synkretistische dǝ-Form der übrigen synkretistischen Kontexte an. Im Süden lässt sich auf der vierten Zeitebene zum einen fortschreitender Zusammenfall auf dr erkennen: Auch nach Präposition findet sich neuerdings dr neben dǝ(n). Zum anderen tritt aber neuerdings auch vor Vokal wie vor Konsonant dǝ im Nominativ auf, vermutlich unter dem Einfluss des nördlich davon gelegenen dǝ-Synkretismus-Gebiets. Die beiden Entwicklungstendenzen führen dazu, dass im Nominativ dr und dǝ, im Akkusativ dr, dǝ und dǝn in allen synktaktischen Positionen auftreten. Tendenziell lässt sich außer dem graduellen Nord-Süd-Verlauf im Hinblick auf den fortschreitenden Kasuszusammenfall auch eine Tendenz zu drSynkretismus in der westlichen Deutschschweiz und dǝ-Synktretismus in der östlichen Deutschschweiz beobachten. In welche Richtung sich die Region Nordbünden/Prättigau/Davos entwickeln wird, bleibt dabei besonders spannend zu beobachten. Dass Sonderentwicklungen möglich sind, zeigt der Kanton Freiburg im äußersten Westen der Deutschschweiz. Zeigt sich auf der ersten Zeitebene bis auf post-präpositionalen Akkusativ mit Kontraktion vollständiger dr-Synkretismus mit ersten Tendenzen auf der zweiten Zeitebene, auch nach Präposition dr zu verwenden, vollzieht sich daraufhin innerhalb kürzester Zeit der fast vollständige Übergang zu dǝ-Synkretismus in allen morphosyntaktischen Kontexten. 4.5

ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION

o ik D d fg en sam u Z

In diesem Kapitel wurden die Formen des definiten Artikels Maskulinum Singular, wie sie in den letzten zweihundert Jahren in der Schweiz zu beobachten sind, umfassend untersucht und kartografiert. Die Darstellung umfasst vier Zeitebenen (Anfang 19. Jahrhundert sowie Anfang, Mitte und Ende 20. Jahrhundert), getrennt nach den morphosyntaktischen Kontexten Artikel vor Vokal, Artikel vor Konsonant und Artikel nach Präposition. Ergänzend wurden dem Kapitel einige Anmerkungen zum Demonstrativum und Relativum angefügt. wann und wo Die Entwicklung der Formen sowie deren geografische Verbreitung ist besonders schwierig zu beschreiben, weil zwei Erscheinungen zusammenwirken. Zum einen lässt sich Kasuszusammenfall als gradueller Nord-Süd-Verlauf beobachten: Der Süden zeigt sich sehr konservativ. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts weist das ganze Berggebiet vollständige Kasusunterscheidung auf. Wie die für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Dialektparabeln in STALDER (1819) zeigen, ist dies zu jener Zeit auch noch im Nordosten der Fall. Bis heute ist die Kasusunterscheidung im

170

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

westlichen Deuschwallis, im Berner Oberland und in der Region Nordbünden/Prättigau/Davos teilweise erhalten. Der westliche und zentrale Norden zeigt sich progressiv mit Kasussynkretismus zumindest beim nicht-präpositionalen Artikel vor Konsonant schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Nordosten findet die Entwicklung von vollständiger Kasusunterscheidung zu komplettem Zusammenfall (außer beim Artikel vor Vokal) im 19. Jahrhundert statt. Ende des 20. Jahrhunderts schließlich lässt sich in den nördlichen Gebieten eine starke Tendenz zur kompletten Angleichung der Formen in allen morphosyntaktischen Kontexten beobachten. Unterschiedliche Entwicklungsstufen mit einem partiellen Formenzusammenfall, der zur Formendifferenzierung in unterschiedlichen morphosyntaktischen Kontexten und/oder innerhalb ein und desselben Kontextes führt, finden sich auf verschiedenen Zeitebenen in unterschiedlichen Ausprägungen in den Regionen, die sich zwischen den genannten Gebieten befinden. Neben dem Kasuszusammenfall findet andererseits ein fortschreitender Typenwechsel von dr zu dǝ unabhängig vom Kasus statt. Dieser Typenwechsel geht von einem größeren Gebiet im zentralen Norden aus und breitet sich insbesondere Richtung Südosten aus. Mitte des 20. Jahrhunderts lässt sich eine Ausbreitungstendenz auch Richtung Westen beobachten. Wie die für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Daten des SADS zeigen, findet sich aber zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder fast ausschließlich der ältere dr-Typ. Nur im äußersten Westen setzt sich im Kanton Freiburg der neuere dǝ-Typ vollständig durch. wie Auf der ersten Zeitebene finden sich in den konservativen südlichen Gebieten Formen des dr-Typs im Nominativ und Formen des dǝn-(Unter)typs im Akkusativ. In der folgenden Zeit wird aber das auslautende -n größtenteils abgebaut. MEYER (1967) bemerkt für die dritte Zeitebene: Die von dem mittelhochdeutschen dën herstammende Form dǝ mit lautgesetzlichem Schwund des auslautenden n tritt zwar noch allerorten auf, aber nur in formelhaften Wendungen. Das Spontanmaterial bezeugt hierfür hauptsächlich temporale Bestimmungen wie dǝ vrüǝlig ‚während des Frühlings’, dǝ letšt wintǝr ‚während des letzten Winters’, dǝ gants tāg ‚den ganzen Tag hindurch’; ferner modale Bestimmungen wie dǝ léŋǝwēg ‚der Länge nach’, dǝ gróbǝwēg ‚auf grobe Art’ oder adverbial gebrauchte Superlative: dǝ witǝšt ‚am weitesten’, dǝ liǝbšt ‚am liebsten’ usw. (MEYER 1967, 56)

Dies führt dazu, dass die Formen, die auf die Akkusativform zurückgehen, nicht mehr von den Formen unterschieden werden können, die sich als neuer Typ von Norden her in beiden Kasus ausbreiten. Der Zusammenfall der Formen wird in den Arbeiten, auf welchen die vorliegende Darstellung beruht, als Analogiebildung zu den synkretistischen Formen im Femininum und Neutrum betrachtet (vgl. BOHNENBERGER 1913, 221). Dabei findet eine Übertragung der Nominativform auf den Akkusativ statt, zumindest gemäß den Autoren, die den Zusammenfall in dr-Gebieten beschreiben (vgl. z. B. BOHNENBERGER 1913, 221 zum Wallis und den Walserorten, STUCKI 1917, 283

Zusammenfassung und Diskussion

171

zum Jaun FR, BRUN 1918, 166 f. zu Obersaxen GR, MEINHERZ 1920, 182 zur Bündner Herrschaft GR, BAUMGARTNER 1922, 151 für das Berner Seeland BE, LUTZ 1925, 277 für die walserischen Mundarten im Vorarlberger Rheintal südlich des Kummenbergs und in Liechtenstein). Bei den Autoren, welche Gebiete im zentralen Norden und im Nordosten darstellen, finden sich leider keine entsprechenden Bemerkungen zum wie des Zusammenfalls. Der Typenwechsel von dr zu dǝ wird dagegen als phonetischer Prozess verstanden, vgl. z. B. SCHMID (1915, 337 für das Entlebuch LU), der Schwund von r unter dem Einfluss von Schwachtonigkeit annimmt. Beim Kasuszusammenfall, d. h. da, wo sich die Kasusunterscheidung mit dr im Nominativ und dǝ(n) im Akkusativ zu Formengleichheit mit dr in beiden Kasus entwickelt, tritt vorübergehend dr neben dǝ(n) im Akkusativ auf, während beim Nominativ keine Veränderung zu beobachten ist, vgl. das westliche Deutschwallis oder das östliche Berner Oberland. Beim Typenwechsel von drSynkretismus zu dǝ-Synkretismus treten vorübergehend beide Formen auf, vgl. den Kanton Freiburg. Insbesondere im zentralen Norden und im Nordosten, neuerdings auch weiter südöstlich in der Region Nordbünden/Prättigau/Davos treten beide Entwicklungen auf. MEYER (1967, 57) vermutet, dass zuerst der Nominativ des früheren Typus auf den Akkusativ übertragen und danach für beide Kasus die dǝ-Form durch rSchwund entstanden ist. Dafür spricht, dass im ganzen vorkonsonantischen dǝGebiet vor Konsonant sowohl auf der dritten wie auch auf der vierten Zeitstufe vereinzelt dr-Belege in beiden Kasus auftreten. Vor allem ist aber auf der dritten Zeitstufe vor Vokal ausschließlich, auf der vierten Zeitstufe noch teilweise dr in beiden Kasus belegt. Es wäre im Akkusativ kaum dr zu finden, wenn nicht schon vor dem Typenwechsel dr-Synkretismus eingetreten wäre (vgl. die Diskussion in Kapitel 4.4.3). In der Diskussion in Kapitel 4.4.2 wurde vermutet, dass der Typenwechsel sich so schnell vom zentralen Norden nach Osten ausbreiten konnte, weil der Zusammenfall noch nicht vollständig stattgefunden und noch vorhandene dǝ-Formen im Akkusativ sich begünstigend auf den gleichlautenden neuen Typ ausgewirkt haben könnten. Dies muss aufgrund der Befunde zu den vorvokalischen Formen mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die areale Verteilung des Artikels nach Präposition weist dagegen auf einen anderen möglicherweise begünstigenden Faktor hin: Während westlich des synkretistischen dǝGebiets der Artikel Kontraktion mit der Präposition (-ǝ) aufweist, ist im Osten nach Präposition durchgängig dǝ belegt (vgl. Kapitel 4.4.4). Da sich der neue dǝTyp schließlich nur nach Westen ausbreiten konnte, drängt sich die Vermutung auf, dass dǝ nach Präposition aufgrund seiner Formgleichheit mit dem neuen Typ die Ausbreitung unterstützt hat. Anders als in der Schweiz lässt sich im Allgäu östlich des Bodensees eine direkte Übertragung der Akkusativform auf den Nominativ beobachten. Dies ist deutlich daran zu erkennen, dass in Ortschaften mit Übergangserscheinungen im Akkusativ nur dǝ, im Nominativ dagegen dr und dǝ nebeneinander belegt sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Kasuszusammenfall damit einsetzt, dass sich die Formen in einem Kasus differenzieren. In der Schweiz be-

172

Areale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

trifft dies den Akkusativ, im Allgäu den Nominativ. In der Schweiz, für die Daten zu verschiedenen morphosyntaktischen Kontexten verfügbar sind, lassen sich weitere Beobachtungen anschließen: In Gebieten, die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts kontrahierte Sonderformen beim Artikel nach Präposition und damit eine erste Differenzierung aufweisen, bleiben diese Sonderformen lange Zeit unberührt. Der Zusammenfall beginnt durch den Gebrauch der Nominativform im Akkusativ in nichtpräpositionalen Kontexten vor Konsonant (in der vorliegenden Darstellung belegt) in dr-Gebieten vermutlich auch vor Vokal (nicht belegt). Erst auf der vierten Zeitebene offenbart die für die vorliegende Arbeit durchgeführte Auszählung, dass in einem kleineren Gebiet im Nordwesten der Schweiz und im Kanton Freiburg nun auch die kontrahierten Formen nach Präposition aufgegeben und durch Präposition + ortsüblichen Artikel ersetzt werden. Im Wallis und Graubünden sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine Formendifferenzierungen im Akkusativ belegt. Während im Wallis die Differenzierung der Akkusativformen in präpositionalen wie in nichtpräpositionalen Kontexten gleichzeitig beginnt, bleibt in Graubünden der Artikel nach Präposition lange Zeit von der Differenzierung unberührt. Erst auf der letzten Zeitebene finden sich auch in diesem morphosyntaktischen Kontext erste Belege für eine Differenzierung. Beim Typenwechsel im zentralen Norden und im Nordosten lässt sich beobachten, dass dieser zuerst vor Konsonant stattfindet und dort zu Differenzierungen der Formen in beiden Kasus führt. Erst auf der letzten Zeitebene lässt sich der Gebrauch des neuen Typs auch vor Vokal belegen; dǝ ist nun vor Vokal deutlich häufiger zu beobachten als dr. In dǝ-Gebieten, die nach Präposition Kontraktion aufweisen, ist eine deutliche Tendenz zur Dekontraktion festzustellen. Zumeist weist das dǝ-Gebiet nach Präposition aber ohnehin die nichtkontrahierte Form dǝ auf, die von Veränderungen unberührt bleibt. Deutlich zeigen die Veränderungen von der dritten zur vierten − in der vorliegenden Arbeit erstmals ausgewerteten und dargestellten − Zeitebene, dass nach einer längeren Phase der Differenzierungen (sowohl als Ausdruck eines Kasuszusammenfalls als auch eines Typenwechsels) insbesondere in den nördlichen Gebieten deutlich eine Entwicklung zur Vereinheitlichung der Kasusformen in allen morphosyntaktischen Kontexten hin zu Einheitskasus für Nominativ und Akkusativ stattfindet.

5

INTERFERENZEN IM SCHWEIZERHOCHDEUTSCHEN

s u d o w ch S terfzim In

Für den definiten Artikel wurde in Kapitel 4 ausführlich dargestellt, dass in den Schweizer Dialekten Nominativ und Akkusativ auch im Maskulinum Singular weitgehend zusammengefallen sind. Dieser Synkretismus gilt in mindestens demselben Ausmaß für die anderen Wortarten, die in Nominalphrasen mit substantivischem oder adjektivischem Kern verwendet werden (indefiniter Artikel, Demonstrativum, Indefinitpronomen, Adjektiv etc., siehe Kapitel 1), vergleiche beispielsweise: (11) Dialekt: dr chlii Maa wörtlich: der kleine Mann Standard: der kleine Mann/ den kleinen Mann

dr Chli der Kleine der Kleine/ den Kleinen

ä chline Maa ein kleiner Mann ein kleiner Mann/ einen kleinen Mann

Im Gegensatz zu den Schweizer Dialekten weist auch das normativ korrekte Schweizerhochdeutsche wie der deutschländische Standard Akkusativmarkierungen auf. Der Unterschied zwischen Dialekt und Standardvarietät führt gelegentlich zu Interferenzen, mitunter sogar im Hochschulkontext oder in den Printmedien. Beispielsweise hat eine Arbeitsgruppe von Studierenden folgenden Satz auf eine Overhead-Folie geschrieben und diesen auch ohne zu zögern oder darüber zu stolpern vorgelesen: Es gibt kein eindeutiger Prototyp. In einer Gratistageszeitung144 las sich fettgedruckt: Sollten Sie mein Bündner Dialekt bemerkt haben, Gratulation! Im Beilagemagazin zu mehreren renommierten Tageszeitungen145 hieß es: […] wer sein Heil in ‚Der Handaufleger’ nicht sieht […] − dem bescheren die spirituellen Werbespots zumindest ein schöner Schauer. Zu Dutzenden verteilt wurden Kaffee- und Bagelstempelkarten mit den Texten 12 mal kaffee geniessen, dafür gibt es jedes mal einen hübschen stempel und der 13. kaffee gibts geschenkt bzw. 12 mal bagel geniessen, dafür gibt es jedes mal einen hübschen stempel und der 13. bagel gibts geschenkt146 etc. Diese kleine Sammlung soll aber keinen falschen Eindruck vermitteln. Solche Belege sind selten, die normativ korrekte Akkusativmarkierung stellt in öffentlichen Texten wie auch im Kontext der Hochschule unbestritten den Normalfall dar.

144 Blick am Abend vom 11. Juni 2010, Kolumne von Marco Rothmund „Frühmorgens, die beliebte Tageszeit“, Seite 34. 145 Das Magazin vom 14.7.−20.7.2010, Ausgabe Nr. 23, Artikel von Birgit Schmid „SF bi de Esoteriker“, S. 11. 146 tingel kringel bagels, kaffee & ganz schön süsses; Mittelstrasse 12, 3012 Bern.

174

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Im Vergleich dazu ziemlich häufig finden sich Belege ohne Akkusativmarkierung in einem Schweizer Forum: Das Forum () gehört zu einer Webseite zum Thema Schwangerschaft und Babys (). Im Forum halten sich fast ausschließlich Frauen auf, die aus unterschiedlichen Regionen der Schweiz kommen. Entsprechend vielfältig sind die Dialekte, welche die Frauen sprechen. Während der − sporadisch erfolgten − privaten Lektüre einiger Threads dieses Forums wurden über einen längeren Zeitraum hinweg147 sämtliche Belege für in normativer Hinsicht fehlende Akkusativmarkierungen gesammelt. Daraus ist eine Sammlung von 44 Belegen entstanden. Trotz der relativen Häufigkeit stehen aber auch hier den einzelnen Belegen dutzende Seiten von Text entgegen, auf denen die regelmäßig auftretenden Akkusativphrasen korrekt markiert sind. In den Schweizer Mundarten wird wie im Standarddeutschen beim Personalpronomen sowohl der 1. und 2. Person als auch der 3. Person Singular Maskulinum Akkusativ deutlich vom Nominativ unterschieden, vgl. Kapitel 1.2. Wie IGGESEN (2005) ausführlich zeigt, ist eine Kasus-Asymmetrie zwischen unterschiedlichen nominalen Bereichen nichts Ungewöhnliches. Dass sich Kasusunterscheidungen bei den Personalpronomina (und eventuell weiteren pronominalen Klassen) erhalten, während die anderen nominalen Wortarten Synkretismus aufweisen, ist sowohl in zahlreichen europäischen Sprachen (vgl. Englisch, Spanisch und viele mehr) als auch in vielen anderen Sprachfamilien verbreitet. Das Standarddeutsche erfüllt die Definition von Kasus-Asymmetrie nicht, wird aber aufgrund der ausgeprägten formalen Markierung im Bereich der Personalpronomina gegenüber der fortgeschrittenen Formenreduktion in den übrigen nominalen Bereichen als Quasi-Asymmetrie bezeichnet (IGGESEN 2005, 143). Da in den Schweizer Dialekten der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ zumeist vollständig stattgefunden hat außer beim Personalpronomen, dürften die meisten Schweizer Mundarten zu Recht als kasus-asymmetrisch bezeichnet werden. Dialekt-Interferenzen, die bei Personalpronomina zu normativ falschen Nominativmarkierungen führen, sind beim Personalpronomen aufgrund der erhaltenen Kasusunterscheidung nicht möglich. Es ist deshalb nicht überraschend, dass solche Nominativmarkierungen in der vorliegenden Belegsammlung tatsächlich nicht auftreten. Zum Unterschied zwischen Personalpronomen und nominalem Syntagma gibt es einen beeindruckenden Beleg: (12) P22: Freue mich, Dich und Dein Kleiner bald mal zu sehen! Bemerkenswert ist, dass hier sogar innerhalb eines einzigen Satzgliedes ein akkusativmarkiertes Personalpronomen und ein nominativmarkiertes Nominalsyntagma auftreten kann.

147 Der erste Beleg stammt vom 7.5.2008, alle weiteren aus dem Zeitraum vom 21.10.2008 bis 27.10.2009.

Methodische Anmerkungen

5.1

175

METHODISCHE ANMERKUNGEN

g u rk m n iscA d o eth M

5.1.1 Interferenzen als Untersuchungsgegenstand Es stellt sich die Frage, inwiefern die gesammelten Belege für die Erforschung des Zusammenfalls von Kasusformen relevant sind. Nominativmarkierungen bei Phrasen, die im Schweizerhochdeutschen wie im deutschländischen Standard einen Akkusativ verlangen, sind als dialektale Interferenzen zu interpretieren (vgl. auch DÜRSCHEID 2007, 95). Der Gebrauch der Nominativform für Akkusativ im Schweizerhochdeutschen folgt anderen Regelmäßigkeiten als die Entstehung von synkretistischen Formen in den Dialekten. Beispielsweise ist − anders als bei Interferenzerscheinungen im Schweizerhochdeutschen − in den Dialekten nicht nur der Gebrauch von Nominativformen für den Akkusativ, sondern auch die umgekehrte Erscheinung zu beobachten, vgl. den Zusammenfall des definiten Artikels Singular Maskulinum auf dǝ nordöstlich des Bodensees (Kapitel 4.4.2) oder die Formübertragung des Akkusativ die auf den Nominativ beim definiten Artikel Femininum Singular vom Mittel- zum Neuhochdeutschen (Kapitel 3.1). Des Weiteren findet der Zusammenfall bei den dialektalen Formen (wie auch im Standarddeutschen) gestaffelt statt, sowohl innerhalb einer Wortart im Hinblick auf Genus und Numerus (vgl. Kapitel 3) wie auch von Wortart zu Wortart (beispielsweise besteht im Nordosten der Schweiz die Kasusunterscheidung beim Demonstrativum länger als beim definiten Artikel, vgl. Kapitel 4.4.5). Bei Interferenzen dagegen finden Übertragungen immer für ganze Phrasen und nicht für einzelne Wortformen statt. Phrasen der Art mein Kleinen oder meinen Kleiner sind kein einziges Mal beobachtet worden.148 Ob Interferenzen in Abhängigkeit von den enthaltenen Wortarten unterschiedlich oft auftreten, ist in diesem Kapitel zu klären. Trotzdem bleibt die Frage interessant, unter welchen morphologischen, syntaktischen, semantischen oder etwaigen anderen Umständen Interferenzen bevorzugt oder auftreten. Wann und wo kann das normierte und damit verhältnismäßig stabile System durchbrochen werden? Gibt es bestimmte Formen oder Formenmerkmale, die bevorzugt der Interferenz unterliegen oder eine solche ausschließen? Gibt es bestimmte syntaktische Merkmale wie beispielsweise eine bestimmte Anordnung von Objekt und Finitum, die Interferenzen begünstigt? Gibt es bestimmte semantische Merkmale wie stärkere oder schwächere Grade der Transitivität eines Prädikates, die sich auf das Auftreten von Interferenzen auswirken? Merkmale wie die angeführten hängen eng mit kognitiv-semantischen Parametern zusammen. Trägt eine Markierung auffälligeres sprachliches Material, dann ist sie tendenziell salienter, d. h. sie wird stärker wahrgenommen. Steht ein Objekt vor dem Finitum, verweist die markierte Stellung darauf, dass es im Hinblick auf die Konzeptualisierung der außersprachlichen Situation einen fokussier148 Ausnahmen finden sich nur bei Reihungen, vgl. beispielsweise: P16 darum such ich auf diesem wege anregungen für ein mädchen- und einen jungennamen. Das Beispiel wird in Kapitel 5.2.1.2 besprochen.

176

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

ten Platz belegt. Ist ein Verb nur schwach transitiv, verfügt das bezeichnete Agens nur über wenig Agentivitätspotential und das Patiens unterliegt entsprechend nur beschränkt der Verbhandlung. In kognitiver Hinsicht beschreibt ein solcher Satz eine untypische Situation für das syntaktische Muster Subjekt − Verb − direktes Objekt. Lassen sich also für die angeführten morphologischen, syntaktischen und semantischen Merkmale Unterschiede im Hinblick auf ihre Neigung zu Interferenzen feststellen, dann werden diese hier wenn möglich auf die zugrunde liegenden kognitiven Auslöser zurückgeführt. Wenn eine bestimmte Konzeptualisierung, eine bestimmte Wahrnehmungsintensität oder ähnliches es eher zulässt, im Schweizerhochdeutschen auf die explizite Markierung der Phrase zu verzichten, dann dürfte eine solche Phrase (unter gleichen morphologischen, syntaktischen oder semantischen Bedingungen) grundsätzlich dafür prädestiniert sein, auf die Akkusativmarkierung verzichten zu können, auch wenn der Ausfall der Markierung nicht durch Interferenz begünstigt ist. Deshalb liegt es nahe davon auszugehen, dass etliche dieser interferenziellen „Einbruchstellen“ auch formale oder funktionale Ausgangsstellen für Kasussykretismen darstellen könnten bzw. bei der Entwicklung der Dialekte dargestellt haben. Unter diesem Gesichtspunkt werden im Folgenden die Belege aus dem Forum eingehender analysiert. Die Datenmenge ist zu klein, die Auswahl zu selektiv, um eine statistische Auswertung vorzunehmen. Deshalb hat die Analyse qualitativen Charakter, obwohl vorwiegend quantifizierende Aussagen getroffen werden. Ziel der Analyse ist die Generierung von Hypothesen, die an einem größeren geeigneten Korpus zu prüfen sind. Die Analyse prüft Faktoren, die aus unterschiedlichen Gründen im Verdacht stehen, den Kasusgebrauch zu beeinflussen. Zum Teil begründet die Theorie, wie sie in den einleitenden Kapiteln dargelegt wurde, dass ein Faktor bestimmend sein könnte. Manchmal offenbaren sich während der Analyse überraschende Verdachtsmomente. Darüber hinaus sind bei der ersten Durchsicht der Belege Auffälligkeiten begegnet, die ebenfalls näher zu prüfen sind. Bei der Analyse der einzelnen Faktoren liegt im Allgemeinen die ganze Akkusativ- bzw. Nominativphrase im Fokus, nicht nur einzelne Wörter davon.149 In morphologischer Hinsicht sind die Formen der einzelnen Elemente vielfach von den anderen Elementen in der Phrase abhängig und deshalb nicht unabhängig voneinander zu betrachten. In syntaktischer Hinsicht stellt die Phrase als Ganze einen einzelnen Baustein dar (Satzglied), ebenso in semantischer Hinsicht (als Träger einer semantischen Rolle o. ä.). Schließlich ist es auch die Phrase, die in kognitiver Hinsicht ein eigenständiges Element der Konzeptualisierung darstellt, welche die außersprachliche Welt eines Individuums repräsentiert.

149 Da viele Phrasen längere Attribute und damit teilweise auch ziemlich komplexe Strukturen aufweisen, wird zur Reduktion der Komplexität nur der nichtattributive Teil der Phrase untersucht, außer es ist das Attribut selber, das eine Akkusativmarkierung aufweist oder aus normativer Sicht aufweisen müsste.

Methodische Anmerkungen

177

Bevor die verschiedenen Faktoren ausführlich beschrieben und analysiert werden, sind einige Anmerkungen zum Schweizerhochdeutschen und eine kritische Darstellung des Untersuchungsmaterials nötig. 5.1.2 Merkmale des Schweizerhochdeutschen Als Schweizerhochdeutsch bezeichnet man die Standardvarietät, die in der Deutschschweiz gesprochen und geschrieben wird und sich von den Standardvarietäten Deutschlands und Österreichs abgrenzen lässt (vgl. auch Kapitel 2.1.1). Besonders auffallend sind Unterschiede im Bereich des Wortschatzes. Entsprechend konzentrieren sich viele Forschungen zum Schweizerhochdeutschen auf Lexikon und Phraseologie (eine kürzere Aufzählung lexikalischer Helvetismen findet sich beispielsweise bei AMMON 1995, 260−279, umfassend ist das „Variantenwörterbuch des Deutschen“ von AMMON et al. 2004). Geringe Unterschiede zwischen der deutschländischen und der Schweizerdeutschen Standardvarietät gibt es bei der Orthografie. Am auffälligsten sind in der Schweiz die häufigere Schreibung von Lehnwörtern (bzw. deren Stämmen) in der Herkunftssprache (vgl. die Aufzählung bei AMMON et al. 2004, LXII) oder der Nichtgebrauch des Buchstaben ß, anstelle dessen ss geschrieben wird. Unterschiede in der Lautung sind gut untersucht und beschrieben. Je nach Sprechdomäne sind die Unterschiede zur deutschländischen Standardlautung mehr oder weniger stark ausgeprägt (für Arbeiten und einzelne Phänomene vgl. AMMON 1995, 255−258). Im Bereich der Morphosyntax sind vereinzelt Unterschiede beim Numerus festzustellen (DÜRSCHEID / HEFTI 2006, 133). Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit sind v. a. Unterschiede beim Genus von Substantiven hervorzuheben (AMMON et al. 2004, LXIII−LXXI; DÜRSCHEID / HEFTI 2006, 133). Es ist bei einigen Formen nicht auszuschließen, dass ein vermeintlicher Nominativ davon herrührt, dass die Phrase im Schweizerhochdeutschen Neutrum ist und damit der Akkusativ dem Nominativ entspricht. So heißt es beispielsweise im deutschländischen Standard zumeist: der Joghurt (Maskulinum) bzw. mit indefinitem Artikel im Nominativ ein Joghurt vs. im Akkusativ einen Joghurt. Besonders im Schweizerhochdeutschen und im österreichischen Standard (vgl. DUDEN 2013) dagegen ist Joghurt ein Neutrum, so dass der Nominativ wie der Akkusativ ein Joghurt lautet.150 Die untersuchten Belege mit Nominativ- statt Akkusativmarkierung müssen auf diese Möglichkeit der Fehlinterpretation geprüft werden. Bei den Kasus gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Schweizerhochdeutsch und deutschländischem Deutsch. Insbesondere werden in beiden Standardvarietäten beim Maskulinum Singular Nominativ und Akkusativ unterschieden. Untersuchungen zu syntaktischen Unterschieden zwischen den Standardvarietäten sind rar. DÜRSCHEID / HEFTI (2006, 138−144) beschreiben einige besondere 150 Ostösterreichisch zudem auch als Femininum, vgl. Duden (2013).

178

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

satzstrukturelle Merkmale wie Nebensätze mit Verberststellung (Gut, haben alle die Texte gelesen), Vorfeldbesetzung durch bereits (Bereits hat die Regierung Sparmassnahmen angekündigt) und untersuchen diese Phänomene empirisch (DÜRSCHEID / HEFTI 2006, 146−159). Größere Unterschiede zu Deutschland und Österreich gibt es dagegen beim Gebrauch von Standardsprache und Dialekt. AMMON et al. (2004) fassen die Situation in der Schweiz zusammen: Alltägliche Umgangssprache ist der Dialekt. Die Standardsprache wird für die alltägliche mündliche Kommunikation unter Deutschschweizerinnen und -schweizern nicht gebraucht. Dialekt und Standardsprache sind strukturell und psychologisch klar getrennt, es gibt keine fließenden Übergänge zwischen den beiden Sprachformen im Sinn eines Dialekt-StandardKontinuums. Dialekt und Standardsprache haben verschiedene, deutlich getrennte Funktionen. Der Dialekt wird von allen sozialen Gruppen verwendet und ist daher nicht sozial markiert. Eine Hinwendung der Bildungsschicht zur Standardsprache ist − außer gegenüber Nicht-Schweizern − völlig unbekannt. Durch die Diglossie mit dem Dialekt auf der einen, der Standardsprache auf der anderen Seite hat sich keine weitere Umgangssprache zwischen beiden Sprachformen herausgebildet. (AMMON et al. 2004, XLI f.)

AMMON et al. (2004) halten auch fest, dass viele Schweizerinnen und Schweizer ein distanziertes Verhältnis zur Standardsprache haben, weil sie die Sprache vorwiegend für formale Situationen verwenden und stark mit dem schulischen Kontext assoziieren. Deshalb fehlt der Bezug zur Alltagswelt. Und: Das Übergewicht der Schriftlichkeit in der Standardsprache hat Einfluss sowohl auf ihre lautliche Realisierung (schriftgetreue Aussprache, langsame Sprechgeschwindigkeit, wenig Spontaneität) wie auch auf Syntax (Bestreben nach Korrektheit) und Wortwahl (Tendenz zur Vermeidung salopper Ausdrücke, Fehlen kolloquialer Wendungen). Der Dialekt ist allgemein die Sprache der Nähe, während die Standardsprache die Sprache der Distanz ist. (AMMON et al. 2004, XLII)

Diese allgemeinen Feststellungen gelten für das in der vorliegenden Arbeit untersuchte Forum nicht. Hier diskutieren Frauen insbesondere über ihre Alltagswelt, der Umgang untereinander ist in starkem Maß informell, die Sprache ganz klar eine Sprache der Nähe, die viele Züge von Mündlichkeit aufweist. Auf Orthografie und korrekte Syntax wird wenig geachtet, saloppe Ausdrücke und kolloquiale Wendungen sind frequent. Trotzdem sind Beiträge im Dialekt selten und werden meist prompt gerügt. Im Gegensatz zum gesprochenen Dialekt, der im Allgemeinen über die Dialektgrenzen hinweg gut verständlich ist, fällt das Lesen von entfernteren Dialekten den Meisten offensichtlich sehr schwer. Der Standard wird hier in genau der Funktion verwendet, aus der heraus er entstanden ist, nämlich als Lingua franca. Es ist sehr wahrscheinlich, dass gerade diese für den Standard ungewöhnliche Gebrauchsdomäne Interferenzen aus den Dialekten begünstigt und Nominativmarkierungen an Stelle der normativ korrekten Akkusativmarkierungen deshalb auffallend häufig vorkommen.

179

Methodische Anmerkungen

5.1.3 Untersuchungsmaterial

Nom.Beleg

Akk.Beleg

Differenz

Person

Nom.Beleg

Akk.Beleg

Differenz

Nom.Beleg

Akk.Beleg

Differenz

P19

7

11

4

P03

1

1

0

P05

1

0

-1

P17

1

3

2

P04

1

1

0

P12

1

0

-1

P13

1

3

2

P09

1

1

0

P14

1

0

-1

P01

2

3

1

P20

1

1

0

P15

1

0

-1

P08

1

2

1

P21

1

1

0

P16

1

0

-1

Person

Person

Die Belege werden jeweils in der originalen Schreibung zitiert. Das heißt, dass Groß- und Kleinschreibung, Interpunktion, fehlende Leerschläge, Orthografiefehler und Ähnliches übernommen werden. Hervorhebungen und Anmerkungen in eckigen Klammern sind dagegen, falls nicht anders erwähnt, von mir. Jedem zitierten Beleg wird die zwecks Anonymisierung zugewiesene Personennummer (P01-P23) vorangestellt. Die 44 Belege mit Nominativ- statt Akkusativmarkierung (im Folgenden: Nominativbelege) stammen von 23 Personen und verteilen sich auf 33 Beiträge. Es gibt also in einigen Beiträgen mehr als einen Beleg. Zum Teil finden sich mehrere Belege im gleichen Satz. Von 16 der 23 Personen gibt es je einen Beleg. Drei Personen stellen jeweils zwei Belege. Von je einer Person sind 4, 5, 6 und 7 Belege; von diesen vier Personen stammt also die Hälfe der insgesamt 44 Belege. Deshalb werden sie im Weiteren im Hinblick auf mögliche individuelle Besonderheiten beobachtet. Morphologische, syntaktische und semantische Besonderheiten der Belege können natürlich nur im Vergleich zum Standardfall − in diesem Fall im Vergleich zu normgerechten Markierungen − festgestellt werden. Wie bereits ausgeführt stellen die Nominativbelege für Akkusativphrasen Ausnahmen dar, denen eine Vielzahl normgerechter Markierungen (im Folgenden: Akkusativbelege) entgegen stehen. Da die Nominativbelege nicht einem systematisch zusammengestellten Korpus entstammen, wurde auch darauf verzichtet, systematisch alle Akkusativbelege zu sammeln. Als Vergleichsmaterial werden im Sinne einer repräsentativen Auswahl sämtliche Phrasen mit der eindeutigen Markierung für Akkusativ Singular herangezogen, die sich in den selben Beiträgen wie die Nominativbelege finden. In diesem Material finden sich insgesamt 44 Akkusativbelege von 16 der 23 Personen. Die Menge der Akkusativbelege ist ähnlich auf die Personen verteilt wie die der Nominativbelege. Personen mit vielen Nominativbelegen haben meistens auch viele Akkusativbelege und umgekehrt. Die Daten in der folgenden Tabelle sind nach der Größe der Differenz zwischen Nominativ- und Akkusativbelegen geordnet:

180

Person

Nom.Beleg

Akk.Beleg

Differenz

Person

Nom.Beleg

Akk.Beleg

Differenz

Person

Nom.Beleg

Akk.Beleg

Differenz

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

P11

1

2

1

P18

2

2

0

P23

1

0

-1

P06

1

2

1

P22

6

6

0

P10

4

3

-1

P07

2

0

-2

P02

5

3

-2

Tabelle 31: Verteilung der Nominativ- und Akkusativbelege auf die Personen

Knapp ein Drittel aller Personen weist mehr Akkusativ- als Nominativbelege auf. Dazu gehört die Person mit den meisten Interferenzen (7 Nominative), die sowohl am meisten Akkusativbelege (11 Belege) als auch die größte Differenz (4 Belege) aufweist. Die übrigen Personen mit mehr Akkusativ- als Nominativbelegen weisen höchstens zwei Nominativbelege und eine Differenz von höchsten zwei Belegen auf. Ebenfalls ein knappes Drittel aller Personen hat gleich viele Nominativwie Akkusativbelege. Dazu gehört die Person mit den zweitmeisten Belegen, die in beiden Kasusgruppen mit sechs Belegen vertreten ist. Eine Person stellt je zwei Belege, die übrigen je einen. Zum letzten Drittel aller Personen gehören insbesondere jene, die nur mit einem Nominativ-, aber keinem Akkusativbeleg vertreten sind. Dies sind v.a. jene Personen, deren Beitrag so kurz ist, dass er kaum weitere Sätze als den mit dem Nominativbeleg aufweist. Es kann also nicht geschlossen werden, dass diese Personen Akkusativ nie markieren würden. Schließlich sind in diesem Drittel auch die Personen mit den dritt- (5 Belege) und viertmeisten Belegen (4 Belege), die aber ebenfalls nur eine Differenz von zwei bzw. einem Belegen aufweisen. Auch in diesem Drittel ist die Differenz niemals größer als zwei Belege. Insgesamt gibt es unter den 23 Personen nur bei fünf einen Unterschied von mehr als einem Beleg zwischen der Anzahl Nominativ- und Akkusativbelege. Es muss noch einmal betont werden, dass zumindest von den regelmäßig aktiven Forumsteilnehmerinnen, und dazu gehören die meisten Personen, weitere Beiträge existiert haben, die nur normativ korrekte Akkusativmarkierungen aufweisen. Ein direkter Vergleich der Zahlen ist deshalb für die folgenden Analysen nicht zulässig. Verglichen werden jeweils die Werte, die ein Merkmal in Relation zu allen Nominativ- bzw. zu allen Akkusativmarkierungen hat. Die Werte werden in Prozenten angegeben, die auf eine Stelle gerundet sind. Es ist zu beachten, dass ein Beleg mehr oder weniger bei so wenigen Belegen schnell eine relativ große Prozentzahl ausmachen kann. Deshalb sind Prozente jeweils nicht als statistisch valider Wert, sondern als grober Ausdruck einer Tendenz anzusehen. Dies wird insofern als genügend verstanden, als es hier vorerst darum geht, Hypothesen aufgrund von Auffälligkeiten zu generieren.

181

Morphologische Faktoren

5.2

MORPHOLOGISCHE FAKTOREN

tn ak isceF lg h rp o M

5.2.1 Wortarten 5.2.1.1 Wortart als Faktor Unter den morphologischen Aspekten drängt sich als erstes die Frage auf, ob es beim Auftreten von Interferenzen Unterschiede im Hinblick auf die Wortarten gibt. Darüber gibt die folgende Tabelle Auskunft. Anzumerken ist, dass das in beiden Beleggruppen jeweils einmal auftretende der als substantivisch gebrauchtes Demonstrativum mit dem definiten Artikel zusammengefasst wird. Die übrigen Verwendungen von der sind attributiv und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im jeweiligen Kontext alle als Artikel zu interpretieren. Eine zweite Anmerkung betrifft die Adjektive. Nur eine Phrase im ganzen Korpus weist zwei Adjektive auf: (13) P19: Na gut der Zug kahm und musste meinen armen kleinen Mann in den Zug hiefen und dann den Wagen noch iergenwie hineinbringen. Bei dieser Auswertung, die sich − im Gegensatz zu den meisten folgenden − nicht auf Phrasen bezieht, sondern auf die absolute Anzahl Lexeme der jeweiligen Wortart, werden die Lexeme natürlich beide einzeln gezählt. FAKTOR WORTARTEN

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

definiter Artikel/Demonstrativum

9

8.9

22

22.7

indefiniter Artikel

14

13.9

12

12.4

Indefinitpronomen

4

4.0

6

6.2

Possessivpronomen

15

14.9

3

3.1

Adjektiv

23

22.8

13

13.4

Substantiv

36

35.6

41

42.3

Total

101

100.0

97

100.0

Tabelle 32: Faktor Wortart ohne Formaspekte in Relation zur gesamten Anzahl Wörter

Indefinite Artikel und Indefinitpronomina finden sich in kleinem und sehr ähnlichem Umfang in beiden Beleggruppen. Substantive bilden zwar die häufigste Wortart, finden sich bei den Akkusativbelegen aber auch nur wenig häufiger als bei den Nominativbelegen. Definite Artikel sind bei den Akkusativbelegen deutlich häufiger vertreten, während Possessiva und Adjektive in der Nominativgruppe einen deutlich höheren Anteil aufweisen. Daraus folgt, dass es Unterschiede im Hinblick auf die Wortarten gibt. Über die Gründe kann allein aufgrund dieser

182

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Zahlen bestenfalls spekuliert werden. Die Werte geben aber wichtige Hinweise auf Faktoren, die im Folgenden geprüft werden. Der definite Artikel mit den Formen der vs. den unterscheidet sich in Hinsicht auf die Markierung beispielsweise vom indefiniten Artikel mit den Formen ein vs. ein-en. Im ersten Fall wird die Kasusunterscheidung durch unterschiedliches Sprachmaterial ausgedrückt, im zweiten Fall durch ein mehr oder weniger an Form. Dies lenkt eine Vermutung auf Formeffekte. Da einige Wortarten wie beispielsweise das Adjektiv je nach Kontext unterschiedliche Deklinationsmuster aufweisen, werden die Wortarten noch einmal getrennt nach der jeweils normativ korrekt zu verwendenden Form ausgewertet, vgl. Kapitel 5.2.2.3. Die auffällige Resistenz des definiten Artikels gegenüber dem Nominativgebrauch könnte aber beispielsweise auch auf Definitheit als Steuerungsfaktor hinweisen. 5.2.1.2 Nomen: Genus Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, werden die 44 Nominativbelege darauf geprüft, ob in allen Fällen maskulines Genus vorliegt und nicht etwa ein Neutrum, dessen Akkusativ mit dem Nominativ gleichlautend wäre. Wenn eine Phrase nicht allein aufgrund formaler oder semantischer Faktoren als eindeutig maskulin bestimmt werden kann, ist insbesondere zu prüfen, ob es Differenzen zwischen dem Schweizerhochdeutschen und dem deutschländischen Standard gibt oder ob dialektale Besonderheiten in Form von Interferenzen auftreten: –





27 der 44 Belege sind klar Maskulina, da sie mit einer eindeutig maskulinen Nominativmarkierung versehen sind (definiter Artikel der statt Neutrum das, Indefinitpronomen jeder statt Neutrum jedes oder gemischte Deklination des Adjektivs -er statt Neutrum -es). Bei 6 Belegen kann das Genus als gesichert angesehen werden, weil zum üblicherweise maskulinen Genus des Wortes zugleich das natürliche Geschlecht männlich ist. Ein neutrales Genus ist damit äußerst unwahrscheinlich. Das eine Nomen ist Widder, das eigentlich männliche Schafe bezeichnet, hier aber für das Sternzeichen steht. Die übrigen fünf Nomina sind Bezeichnungen für Jungen oder Männer: Sohn, Prakti (Abkürzung für Praktikant) und drei Mal das Akronym151 GG für Göttergatte. Da Abkürzungen und Akronyme normalerweise das Genus des Grundwortes übernehmen, dürfte dieser Aspekt keinen Einfluss auf die Interpretation als Maskulinum haben. Ebenfalls sicher ist das Genus beim Akronym KS für Kaiserschnitt, da die Person sowohl im vorangehenden wie auch im nachfolgenden Satz das Akronym mit eindeutiger Akkusativmarkierung verwendet.

151 Der Begriff Akronym wird für Kurzwörter verwendet, die aus den Initialen oder den initialen Silben der Wortkonstituenten bestehen (AG für Aktiengesellschaft, Kita für Kindertagesstätte), vgl. GLÜCK (2010, 22; Beispiele ebenda).

Morphologische Faktoren









183

Vier Mal findet sich das Lexem Tag. In einem Fall ist das Lexem im selben Satz ein zweites Mal belegt, wo es innerhalb der Phrase eindeutig als Maskulinum markiert ist (jeder Tag). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass in einem der anderen drei Fälle ein anderes Genus zugrunde gelegt wird. Trotzdem gehören diese drei Belege zum tendenziell unsicheren Bereich. Bei folgenden Lexemen, die jeweils ein Mal auftreten, gibt es zwar keine Hinweise, welche die Interpretation als Maskulinum sichern, aber auch keine Gegenargumente, da sie in der Regel auch in der Mundart Maskulina darstellen: Kopf, Start, Vorschlag. Beim Lexem Egobericht, eine Wortbildung aus dem Neutrum Ego und dem Maskulinum Bericht könnte unter Umständen der erste Wortbildungsteil die normativ falsche Form ausgelöst oder zumindest gestützt haben. Bei der verwendeten Phrase mein Egobericht wäre auch im Akkusativ das Possessivum mein kongruent zum direkt nachfolgenden Kompositionselement Ego. Doch ist wie im deutschländischen Standard im Schweizerhochdeutschen das rechtsstehende Wortbildungselement genusbestimmend. Die Konstruktion ist sehr durchsichtig und wenig komplex, eine Interpretation als Neutrum deshalb wenig wahrscheinlich. Anders liegt der Fall bei folgendem Beleg: (14) P16: darum such ich auf diesem wege anregungen für ein mädchenund einen jungennamen.



Zwar ist innerhalb der Phrase das genusbestimmende Lexem deutlich als Maskulinum markiert (einen Jungennamen). Durch die Reihung ist die genusbestimmende Konstiutente im ersten Teil der Phrase aber elliptisch. Dies führt zu einer relativ großen Distanz zwischen dem Determinierer und dem genusbestimmenden Substantiv, was − gestützt durch die Nähe zum Neutrum Mädchen, welches den Determinierer ein verlangen würde − die Form ein begünstig haben könnte. Als letztes ist das Lexem Brei zu besprechen. Zu Brei gibt es Hinweise, dass es gelegentlich im binnendeutschen Standard normwidrig auch als Neutrum gebraucht wird.152 Einschlägige Angaben für die Dialekte konnten nicht ermittelt werden. Es ist zumindest denkbar, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, dass hier das Lexem als Neutrum gebraucht wird.

152 Es finden sich einige Internetbelege, beispielsweise: - „Das Früchtebrei ist sehr gut […]; Das Brei schmeckt herrlich […]“.

(besucht 07.06.2013) - „Aber irgendwann muss man ja irgendwelches Brei dazu geben nicht?“ (besucht 07.06.2013) - „Ab wann habt ihr oder wollt ihr das erste Brei euren baby geben???“ (besucht 07.06.2013)

184

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Fazit: Bei 27 von 44, d. h. mehr als 60 % der Belege ist anhand ausschließlich maskuliner Formen das Genus zweifelsfrei belegt. Bei weiteren acht, d. h. fast 20 % der Belege ist das Genus durch das natürliche Geschlecht gestützt oder es wird im Kontext disambiguiert. Von den restlichen neun, d. h. gut 20 % der Belege ist es nur für zwei, d. h. weniger als 5 % möglich, dass die vermeintlich fehlende Akkusativmarkierung einem Neutrum geschuldet ist, wo Nominativ und Akkusativ seit Beginn der Aufzeichnungen (siehe Kapitel 3) formgleich sind. 5.2.1.3 Nomen: Akronyme und Abkürzungen Akronyme wie GG für Göttergatte (frequente Forumsbezeichnung für Gatte), KS für Kaiserschnitt, Kia für Kinderarzt und Mumu für Muttermund oder Abkürzungen wie Compi für Computer sind im Forum häufig. Akronyme folgen in anderen grammatischen Bereichen besonderen Regeln, beispielsweise bei der Pluralbildung, die regelmässig auf -s geht, vgl. die Kinderärzte vs. die Kias. Es wäre deshalb wenig überraschend, wenn sich Phrasen mit Akronymen im Hinblick auf Kasussynkretismus anders verhalten würden als Phrasen mit Voll-Lexemen. Folgende Abkürzungen und Akronyme sind in den Daten belegt: Nominativbelege

Akkusativbelege

P07: dein Prakti

P02: den Compi

P02: ein gg

P22: den KS

P18: dein GG

P06: auf den mumu

P22: mein GG

P17: den ganzen US

P22: ein KS

P22: einen geplanten KS

P12: ein toller KiA

P22: den gleichen KiWa

P22: ein verkürzter MuMu Tabelle 33: Phrasen mit Akronymen und Abkürzungen

Mit jeweils einer Abkürzung und sechs bzw. fünf Akronymen sind diese Formen jeweils sehr ähnlich vertreten. Bei den Nominativbelegen sind das 19.4 % aller 36 Phrasen, die als Kern der Phrase ein Substantiv aufweisen (Phrasen mit elliptischem Substantiv153 werden zum Vergleich natürlich nicht herangezogen). Bei den Akkusativbelegen machen die Abkürzungen und Akronyme 14.6 % der 41 Phrasen mit substantivischem Kern aus. Zu bemerken ist, dass jeweils drei und damit ungefähr die Hälfte aller Belege von P22 stammen. Auch P02 stellt in beiden Kategorien je einen Beleg. Es gibt also offensichtlich gewisse personenspezi-

153 Vgl. beispielsweise die Phrase keinen [Mädchennamen] bei P11: […] und bei mädchennamen möchte ich keinen der auf a endet.

Morphologische Faktoren

185

fische Vorlieben für den Gebrauch von Akronymen bzw. Abkürzungen, aber keine personenspezifische Tendenz zu Interferenz oder Akkusativgebrauch. Ein genauer Blick auf die Belege offenbart dagegen zwei Tendenzen innerhalb der Abkürzungen und Akronyme: Die erste betrifft die Determinierer. Bei den Nominativbelegen treten durchweg indefiniter Artikel und Possessivum in der Phrase auf. Bei den Akkusativbelegen beinhalten dagegen alle Phrasen einen definiten Artikel mit Ausnahme einer einzigen Phrase mit indefinitem Artikel. Die zweite Tendenz betrifft die Adjektivattribute. Bei den Nominativbelegen treten fünf von sieben ohne ein solches auf. Bei den Akkusativbelegen dagegen weisen drei von sechs ein Adjektivattribut auf. Beide Tendenzen werden in Kapitel 5.2.2.3 umfassend untersucht. Offensichtlich spielen die Faktoren Determinierer und Adjektivattribut bei der Frage nach Interferenzen die gewichtigere Rolle als die Realisation des Kernlexems als Akronym/Abkürzung oder Vollform. Der vermutete Faktor Akronym/Abkürzung bestätigt sich nicht. 5.2.2 Wortformen 5.2.2.1 Kurzformen als Ausdruck schnellen Sprechens Beim (schnellen) Sprechen treten oft Reduktionsformen auf. In Kapitel 2.3.3 wurde dies nach RABANUS (2008) auf das beschränkte Rederecht zurückgeführt und als einer der zentralen Faktoren beim Sprachwandel identifiziert. Reduktionsformen finden sich insbesondere in informellen Textsorten, die Nähe zur Mündlichkeit aufweisen, auch in schriftlicher Form wieder (z. B. im Chat, in E-Mails oder SMS). Besonders auffallend sind die vielfältigen Kurzformen beim indefiniten Artikel. Als Endkurzformen bezeichnet VOGEL (2006, 177) n für ein, nen für einen etc. Im Hinblick auf die hier untersuchten Belege ist dagegen die sog. Anfangskurzform ein für einen von Belang, wie sie in der überregionalen Umgangssprache gebräuchlich ist (vgl. BARUFKE / SPANNBAUER-POLLMANN 1989, 126). DÜRSCHEID (2007) beschreibt den Reduktionsprozess: Das unbetonte Schwa vor dem Konsonanten [n] wird nicht artikuliert, die zwei [n]-Nasale treffen somit aufeinander, die Wortstruktur wird in der Folge auf eine Silbe reduziert. (DÜRSCHEID 2007, 95)

Wenn die Ursache für Formen wie ein statt einer in der gesprochenen Sprache liegt, dann handelt es sich ebenfalls um ein Interferenzphänomen, in diesem Fall jedoch aus einer umgangs- und nicht aus einer mundartsprachlichen Varietät. Es könnte aber genau so gut sein, dass die Ursache für die Form eine Interferenz aus der Mundart ist, wo Nominativ und Akkusativ des indefiniten Artikels (wie auch der anderen hier diskutierten Lexeme) längst zusammengefallen sind. Als potentielle Kurzformen ist nicht nur der indefinite Artikel Maskulinum Singular ein zu prüfen. Auch andere Wortarten wie das attributiv gebrauchte Possessivum (mein Sohn vs. meinen Sohn) und das attributiv gebrauchte Indefinitpro-

186

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

nomen kein (keinen Mann vs. kein Mann) zeichnen sich durch den Wegfall der Markierung -en aus. Auf die Formen dieser Wortarten wird im Folgenden unter dem Begriff schwache markierte Formen Bezug genommen. Wörter, die sich im Nominativ nicht durch ‚weniger’, sondern durch ‚anderes’ Lautmaterial auszeichnen, müssten deutlich häufiger akkusativmarkiert sein, wenn Kurzformen einen steuernden Faktor bilden. Zu diesen Wörtern gehören insbesondere der definite Artikel (der vs. den), aber auch das gemischte Adjektiv (ein kleiner Junge vs. einen kleinen Jungen) oder das substantivisch gebrauchte Indefinitpronomen jeder (jeder vs. jeden). Im Folgenden werden die Formen dieser Wortarten als stark markierte Formen bezeichnet. Auf diese beiden formalen Kategorien, die als Werkzeug zur Prüfung der aktuellen Frage gebildet wurden, wird unter dem Begriff Markierungsstärke Bezug genommen. Zur Illustration der Argumentation wird ein Ausschnitt aus einem Forenbeitrag von P22 wiedergegeben, welcher die Vermutung stützt, dass Phrasen mit ausschließlich schwacher Markierung eher zu (vermeintlicher) Nominativmarkierung tendieren: (15) P22: JanaIna und Giovanni Komm, da kann man doch garnichts ernst nehmen!!! Die hatten doch den KS schon längst geplant gehabt, sonst kann man nicht schnell mal ins Spital und sagen, Oh ich hätte doch gern ein KS und zwar jetzt!!! [div. Smilies; GP] Wollen die uns verar.....!!! Hab eh nichts anderes von dieser Tussi erwartet, war ja klar, dass die einen geplanten KS will!!! Konnten das halt genau so im TV nicht zeigen, wäre ja doch ein bisschen peinlich gewesen!!! [Smily; GP] Die beiden Belege mit einem stark markierten Element (unterstrichen) sind im Akkusativ, während der Beleg mit nur einer schwachen Markierung tatsächlich die Kurzform aufweist. Die genannten Beispiele machen deutlich, dass die Formen in der Phrase gewisse Gesetzmäßigkeiten aufweisen. Ein stark markierter Determinierer (Artikel, attributives Indefinitpronomen) tritt mit einem schwach markierten Adjektiv auf und umgekehrt. Wenn also sowohl ein Determinier als auch ein Adjektiv in der Phrase auftreten, dann ist mindestens eines der beiden Wörter stark markiert und die nominativische Form der Akkusativphrase kann nicht mehr auf den Auslöser schnelles Sprechen zurückgeführt werden. Die folgende Tabelle weist die Anzahl Phrasen aus, die nur schwache Markierungen tragen und damit möglicherweise Kurzformen darstellen (Nominativ) oder bilden könnten (Akkusativ), gegenüber Phrasen mit mindestens einer starken und damit eindeutigen Nominativ-oder Akkusativmarkierung:

187

Morphologische Faktoren

FAKTOR KURZFORMEN

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

nur schwache Markierungen

17

38.6

9

20.5

mind. eine starke Markierung

27

61.4

35

79.5

Total

44

100.0

44

100.0

Tabelle 34: Faktor Kurzformen als Ausdruck schnellen Sprechens

Es zeigt sich, dass der Anteil an NPs, die nur schwache Markierungen aufweisen, bei den Nominativbelegen mit fast 40 % in der Tat beinahe doppelt so groß ist wie bei den Akkusativbelegen mit ca. 20 %. Trotzdem ist der Anteil an Phrasen, die eine explizite Nominativmarkierung aufweisen und deshalb nicht auf den Gebrauch von Kurzformen zurückzuführen ist, mit über 60 % beachtlich. Wie in Kapitel 2.3.3 erläutert ist die Unterscheidung zwischen reinem Formverlust und echtem Kasuswechsel, wie DÜRSCHEID (2007) und DÜRSCHEID / HEFTI (2006) sie treffen, meines Erachtens nur bedingt sinnvoll. Beiden Phrasentypen liegen Interferenzphänomene zugrunde, wobei Phrasen mit ausschließlich schwacher Markierung im Hinblick auf mögliche „Interferenzquellen“ doppelt begünstigt sind, weil sowohl reduzierte Formen aus dem mündlichen Standard (Formabbau durch schnelles Sprechen) als auch synkretistische Formen in den Dialekten den Interferenzen zugrunde liegen können. Diese doppelte Begünstigung − und nicht alleine der Faktor Formenabbau durch schnelles Sprechen − dürfte den etwas höhere Anteil des ausschließlich schwach markierten Phrasentyps bei den Nominativbelegen erklären. 5.2.2.2 Markierungsstärke als Ausdruck von Salienz Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen schwachen Akkusativmarkierungen, die sich vom Nominativ ‚nur’ durch mehr Sprachmaterial unterscheiden, und starken Markierungen, die für die Kennzeichnung des Nominativs ‚anderes’ Sprachmaterial brauchen (siehe Kapitel 5.2.2.1), drängt sich eine weitere Frage auf. In kognitiver Hinsicht sind schwache Markierungen weniger auffällig als starke Markierungen. Versteht man Salienz als das Ausmaß, „mit dem eine morphologische Markierung vom Hörer identifizierbar ist, also ihre akustische Prominenz“ (KÖPCKE 1993, 82), dann sind starke Markierungen salienter als schwache Markierungen. Der Verdacht liegt nahe, dass das Ausmaß an Salienz Einfluss auf die Verwendung einer NP hat. Eine Markierung, die stärker wahrgenommen wird, ruft beim Nichtgebrauch mehr Irritation hervor. Deshalb soll geprüft werden, ob Phrasen, deren Akkusativmarkierung weniger salient ist, eher im Nominativ gebraucht werden. Um die Salienz einer mehrteiligen Phrase zu bestimmen, wird folgende Kodierung verwendet: Jedes Wort der Phrase wird durch eine Ziffer symbolisiert.

188

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Markiert das Wort im Kontext der Phrase den Akkusativ stark, dann erhält es eine Zwei. Bei schwacher Akkusativmarkierung wird eine Eins zugewiesen. Unterscheidet das Wort Akkusativ und Nominativ nicht, gilt es als Null. Zu den nicht unterscheidenden Wörtern werden auch die beiden im Korpus auftretenden unflektierbaren Adjektive super und mega gezählt: (16) P19: Phuuu habe ein mega Tag hinter mir...... P19: Dir wünsch ich ein super start zuhause mit deinen beiden Mädels Der Salienzfaktor der ganzen Phrase wird schließlich als Summe der einzelnen Wörter errechnet. Konkret sieht dies folgendermassen aus: (17) P03: P01: P22: P01: P17:

keinen Termin der Rücken mein kleiner einen schönen abend der ganze Tag

(vs. kein Termin) (vs. den Rücken) (vs. meinen Kleinen) (vs. ein schöner Abend) (vs. den ganzen Tag)

1 (1+0) 2 (2+0) 3 (1+2) 3 (1+2+0) 3 (2+1+0) etc.

Den Salienzfaktor 1 erhält eine Phrase also dann, wenn sie höchstens eine schwache Markierung aufweist. Den Salienzfaktor 2 erhält eine Phrase mit zwei schwachen oder einer starken Markierung. Die übrigen Phrasen weisen alle den Salienzfaktor 3 auf bis auf eine Akkusativphrase mit dem Faktor 5. FAKTOR SALIENZ

Nominativbelege absolut

in %

Salienzfaktor: 1

17

Salienzfaktor: 2

6

Salienzfaktor: 3/5 Total

Akkusativbelege absolut

in %

38.6

8

18.2

13.6

24

54.5

21

47.7

12

27.3

44

100.0

44

100.0

Tabelle 35: Faktor Markierungsstärke als Ausdruck von Salienz

Ganz klar sind Unterschiede zwischen den beiden Beleggruppen zu erkennen; die relativen Werte sind in allen drei Kategorien für die eine Beleggruppe fast doppelt bis sogar mehr als drei Mal so groß wie für die andere Beleggruppe. Der Anteil an Phrasen mit dem kleinsten Salienzfaktor ist wie erwartet bei den Nominativbelegen (38.6 %) deutlich höher als bei den Akkusativbelegen (18.2 %). Erstaunlich hoch ist der Anteil von Phrasen mit dem Salienzfaktor 2 bei den Akkustivbelegen (54.5 %) gegenüber dem geringen Anteil von 13.6 % bei den Nominativbelegen. Überraschend sind aber die Anteile bei der Kategorie 3/5: Entgegen den Erwartungen hat die Kategorie bei den Nominativbelegen mit 47.7 % den größten Anteil, während Belege mit dem höchsten Salienzfaktor bei den Akkusativbelegen lediglich 26.7 % ausmachen. Auch die Tatsache, dass die Anteile mit zunehmenden Faktor nicht schrittweise größer bzw. kleiner werden, ist erklärungsbedürftig.

189

Morphologische Faktoren

Der Salienzfaktor auf Basis der Markierungsstärke, wie er hier nach einem ziemlich groben Verfahren zugewiesen wurde, hat keinen Erklärungswert. Die groben Kategorien ‚starke Markierung’ und ‚schwache Markierung’ müssen offensichtlich differenziert werden. Deshalb wird im Folgenden die Zusammensetzung der Phrasen im Hinblick auf die einzelnen Wortarten, aber weiterhin unter Berücksichtigung der Markierungsstärke, beleuchtet. 5.2.2.3 Wortarten formorientiert Unabhängig von den weiteren Wörtern einer Phrase wird das Vorkommen einzelner Wortarten unter Berücksichtigung der Markierungsstärke ermittelt. Der relative Wert gibt an, in wie vielen Phrasen der jeweiligen Beleggruppe die Wortart vorkommt. Bis auf eine Ausnahme tritt jede Wortart höchstens einmal pro Phrase auf. Nur bei den Akkusativbelegen sind in einer Phrase zwei Adjektive vertreten: (18) P19: meinen armen kleinen Mann Dies führt dazu, dass sich in dieser Beleggruppe die zehn stark markierten Adjektive auf neun Phrasen beziehen. Der relative Wert wird hier konsequenterweise als 9 von 44 Phrasen berechnet, da sich Adjektive in neun Phrasen finden. FAKTOR FORMORIENTIERTE WORTART (EINZELN) 

Nominativbelege absolut

in % der Phrasen

Akkusativbelege absolut

in % der Phrasen

stark mark. def. Artikel/Dem.

9

20.5

22

50.0

schwach mark. indef. Artikel

14

31.8

12

27.3

stark mark. Indefinitpronomen

1

2.3

4

9.1

schwach mark. Indefinitpronomen

3

6.8

2

4.5

schwach mark. Possessivpronomen

15

34.1

3

6.8

nicht mark. Adjektiv

2

4.5

0

0.0

schwach mark. Adjektiv

4

9.1

3

6.8

stark mark. Adjektiv 

17 

36.4

10 in 9 Phrasen

18.2

schwach mark. Substantiv

2

4.5

2

4.5

nicht mark. Substantiv

34

77.3

39

88.6

Tabelle 36: Faktor formorientierte Wortart unabhängig von der Zusammensetzung der Phrasen

Eine große Differenz zeigt sich beim definiten Artikel (inkl. je einem substantivisch gebrauchten Demonstrativum der/den). Während nur ein Fünftel aller Nominativbelege den definiten Artikel aufweisen, ist dies bei der Hälfte der Akkusa-

190

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

tivbelege der Fall. Den gleichen Effekt zeigen die insgesamt deutlich seltener vorkommenden, stark markierten Indefinitpronomina, die sich im Hinblick auf ihre Funktion154 nicht vom definiten Artikel unterschieden. Deshalb werden definiter Artikel und stark markiertes Indefinitpronomen im nächsten Analyseschritt zusammengefasst und als stark markierte Determinierer bezeichnet. Besonders augenfällig sind die schwach markierten Possessiva, die in der Nominativgruppe in jeder dritten Phrase vorkommen. Damit ist der Anteil hier fünf Mal so groß wie bei der Akkusativgruppe, wo lediglich ein einstelliger Prozentanteil an Phrasen mit Possessivum begegnet. Schwach markierte Possessiva sind für Kurzformen prädestiniert und in kognitiver Hinsicht wenig salient. Daher kann für diese Wortart eigentlich ein bevorzugtes Vorkommen in der Nominativgruppe vermutet werden. Das Resultat überrascht aber in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist der Grad der Ungleichverteilung erstaunlich. Wichtiger und hier nicht interpretierbar ist aber die Tatsache, dass sich diese Tendenz beim indefiniten Artikel und beim schwach markierten Indefinitpronomen nicht zeigt, obwohl die beiden Wortarten sich im Hinblick auf ihre Funktion in der Phrase und ihre Salienz nicht vom Possessivpronomen unterscheiden. Für die weitere Analyse werden aufgrund dieses Befundes der indefinite Artikel und das schwach markierte Indefinitpronomen als schwach markierte Determinierer zusammengefasst, aber das Possessivpronomen weiterhin separat betrachtet. Während schwach markierte Adjektive in beiden Beleggruppen gleichermaßen schwach vertreten sind, finden sich wider Erwarten stark markierte und damit saliente Adjektive in mehr als einem Drittel aller Nominativphrasen, aber nur halb so häufig (18.2 %) in Akkusativphrasen. Starke Adjektive sind also bei der folgenden Analyse besonders zu fokussieren. Substantive sind in beiden Beleggruppen nicht unerwartet bei einem großen Teil der Phrasen enthalten. In den überwiegenden Fällen sind Nominativ und Akkusativ aber ohnehin formgleich. Von den je zwei Belegen in den beiden Beleggruppen, die Formunterschiede beim Substantiv aufweisen (es handelt sich durchweg um das Lexem Name), lassen sich keine Aussagen ableiten, weshalb bei Substantiven im Folgenden nicht nach der Markierungsstärke unterschieden wird. Wie üblich muss für eine adäquate Analyse von der ganzen Phrase ausgegangen werden, da diese sowohl in kognitiver wie in morphologischer Hinsicht eine Einheit darstellt, in der die Teile aufeinander Einfluss nehmen. Deshalb werden im zweiten wichtigeren Schritt die Anteile ermittelt, die bestimmte Kombinationen von Wortarten an der gesamten Belegzahl aufweisen. Aufgrund der Befunde des ersten Teils der formorientierten Wortartenanalyse werden für eine aussagekräftigere Darstellung einige Kategorien zusammengefasst:

154 Sie haben beide determinierende Funktion und können im Deutschen nicht gemeinsam in einer Phrase auftreten.

191

Morphologische Faktoren

Nominativbelege

Akkusativbelege

FAKTOR FORMORIENTIERTE WORTART (KOMBINATION)

absolut

in %

absolut

in %

st.mark.Det.

1

2.3

3

6.8

st.mark.Det. + Subst.

5

11.4

20

45.5

st.mark.Det. + schw.Adj. + Subst.

3

6.8

3

6.8

st.mark.Det. + schw.Adj.

1

2.3

0

0.0

st.Adj. + Subst.

2

4.5

1

2.3

schw.mark.Det. + Subst.

8

18.2

7

15.9

schw.mark.Det. + infl.Adj. + Subst.

2

4.5

0

0.0

schw.mark.Det. + st.Adj. + Subst.

6

13.6

7

15.9

schw.mark.Det. + st.Adj.

1

2.3

0

0.0

Possessivpron. + Subst.

7

15.9

2

4.5

Possessivpron. + st.Adj. + Subst.

3

6.8

1

2.3

Possessivpron. + st.Adj.

5

11.4

0

0.0

Total

44

100.0

44

100.0

Tabelle 37: Faktor formorientierte Wortart im Zusammenspiel innerhalb der Phrasen

Die Tabelle gibt nun in der Tat einen vertieften Einblick in die Zusammenhänge zwischen Wortarten, Markierungsstärken und Kasuswahl. Stark markierte Determinierer, die ohne schwach markiertes Adjektiv auftreten, zeigen eine deutliche Tendenz zur Akkusativmarkierung, unabhängig davon, ob die Phrase ein Substantiv enthält oder nicht. Mit Adjektiv sind starke Determinierer aber in beiden Beleggruppen ählich häufig vertreten. Deshalb werden in der folgenden Tabelle Phrasen mit stark markierten Determinierern noch einmal zusammengefasst zu solchen mit Adjektiv und solchen ohne, unabhängig vom Auftreten eines Substantivs. Phrasen mit schwach markierten Determinierern, von denen hier das Possessivum ausgenommen ist, sind in beiden Beleggruppen zu gleich großen Anteilen vertreten, unabhängig davon ob sie mit starken Adjektiven, unflektierbaren Adjektiven, Substantiven oder Kombinationen davon auftreten. Deshalb werden sie in der folgenden Tabelle ebenfalls zu einer Kategorie zusammengefasst. Phrasen mit Possessivpronomen sind bei den Nominativbelegen viel stärker vertreten als bei den Akkusativbelegen, unabhängig davon, ob sie mit einem starken Adjektiv, einem Substantiv oder beidem auftreten. Deshalb werden auch diese in der nächsten Tabelle zu einer Kategorie zusammengefasst. Es gibt nur einen Phrasentyp ganz ohne Determinierer. Dieser besteht aus einem starken Adjektiv und einem Substantiv und ist in beiden Beleggruppen nur minimal vertreten. Der Phrasentyp wird weiterhin einzeln angeführt.

192

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Da den Determinierern ganz offensichtlich eine entscheidende Funktion kommt, bilden sie die Elemente, welche das Zusammenlegen verschiedener Phrasentypen bestimmen. Damit dabei aber kein anderer Faktor übersehen wird, müssen die anderen Wortarten trotzdem kurz geprüft werden: Schwach markierte Adjektive kommen nur gemeinsam mit stark markierten Determinierern vor, weshalb sie bereits zu einer Klasse zusammengezogen werden. Stark markierte Adjektive treten mit einem schwach markierten Determinierer (mit oder ohne Substantiv), mit einem Possessivpronomen (mit oder ohne Substantiv) oder nur mit einem Substantiv auf. Nur zusammen mit Possessivpronomina zeigen sie eine Präferenz für einen Kasus, nämlich für Nominativ. Diese letzte Beobachtung erklärt nun auch, weshalb bei der Prüfung des Faktors Salienz (Kapitel 3.2.2.2.) die Kategorie 3/5, die innerhalb einer Phrase die meisten starken Markierungen aufweist, entgegen den Erwartungen einen hohen Anteil an Nominativbelegen ausgewiesen hat: Es ist die gehäuft auftretende Kombination eines Possessivums, für welches bereits eine starke Nominativtendenz festgestellt wurde, mit einem Adjektiv (mit oder ohne Substantiv), welche den Anteil an Nominativbelegen in dieser Gruppe stark erhöht. Unflektierte Adjektive sind nur marginal vertreten und kommen ausschließlich zusammen mit schwachem Determinierer und Substantiv vor. Deshalb gehen sie in die Kategorie der schwachen Determinierer ein, ohne dass generalisierende Aussagen darüber getroffen werden können. Substantive zeigen Präferenzen, wenn sie ausschließlich mit starkem Determinierer oder mit Possessivpronomen auftreten; Zusammenhänge mit dem Adjektiv lassen sich auch unter diesem Betrachtungswinkel keine feststellen. Das Zusammenlegen der Phrasentypen anhand des Determinierers ist also auch unter Berücksichtigung der anderen Wortarten legitim. Die Resultate werden in der folgenden Tabelle ausgewiesen: FAKTOR WORTART (ESSENZ)

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

st.mark.Det. (±Subst.)

6

13.6

23

52.3

st.mark.Det. + schw.Adj. (±Subst.)

4

9.1

3

6.8

schw.mark.Det. (±Adj.) (±Subst.)

17

38.6

14

31.8

Possessivpron. (±st.Adj.) (±Subst.)

15

34.1

3

6.8

st.Adj. + Subst.

2

4.5

1

2.3

Total

44

100.0

44

100.0

Tabelle 38: Faktor formorientierte Wortart im Zusammenspiel innerhalb der Phrasen, essentielle Zusammenfassung

Abschließend lässt sich Folgendes feststellen: Zwei Kategorien fallen durch auffallend höhere Werte in einer der Beleggruppen auf. Phrasen, die einen stark markierten Determinierer, aber kein Adjektiv aufweisen, sind besonders resistent ge-

Morphologische Faktoren

193

genüber Interferenzen. Bei den Nominativbelegen machen sie lediglich 13.6 % aus, während sie bei der Akkusativgruppe über die Hälfte aller Belege bilden. Bemerkenswerterweise verliert sich aber der Effekt, wenn in einer Phrase mit stark markiertem Determinierer auch ein (schwach markiertes) Adjektiv enthalten ist. Zwar sind solche Phrasen insgesamt viel seltener (jeweils unter 10 %), aber in beiden Beleggruppen ungefähr gleich häufig zu beobachten. Dass die saliente Markierung beim definiten Artikel und anderen stark markierten Determinierern grundsätzlich den Akkusativ begünstigt bzw. den Gebrauch des Nominativs hemmt, entspricht den schon in Kapitel 5.2.2.2 formulierten Erwartungen und ist hier nun deutlich erkennbar. Unerwartet ist aber, dass sich der Effekt aufhebt, wenn zum stark markierten Determinierer ein schwaches Adjektiv dazukommt. Dieses ist zwar weniger auffallend markiert, aber dennoch markiert und müsste deshalb die Salienz der Phrase und damit die Tendenz zum Akkusativ weiter erhöhen. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich eine Phrase wie der Mann von einer Phrase wie der kleine Mann unterscheidet und wie dieser Unterschied das unterschiedliche Verhalten der beiden Phrasentypen in Hinblick auf Interferenzen erklärt. Der erste Typ ohne Adjektiv stellt in grammatischer Hinsicht eine minimale Substantivphrase dar: Die Kombination eines definiten Artikels oder eines anderen stark markierten Determinierers mit einem Substantiv ermöglicht erst die eindeutige Markierung sowohl des Genus des Substantivs als auch des Kasus der Phrase. Ferner markiert die Wahl des Determinierers die grammatische Kategorie Definitheit. Der zweite Phrasentyp weist gegenüber dem ersten Typ keine weitere grammatische, sondern ausschließlich zusätzliche semantische Information auf. Es wäre denkbar, dass Phrasen mit mehr semantischem Gehalt (Typ 2) grundsätzlich typischer sind für die rhematischen Teile des Satzes (also diejenigen Teile, welche die neue Information enthalten) und damit für das Objekt, während Phrasen mit weniger semantischem Gehalt (Typ 1) sich eher als Thema und damit typischerweise als Subjekt finden. Diese Vermutung müsste an einem größeren Textkorpus geprüft werden. Wenn sich dies bestätigen würde, dann würde sich die Tendenz zur Akkusativmarkierung der Typ 1-Phrasen als Markierung eines Präsuppositionsverstoßes erklären: Für Typ1-Phrasen wird erwartet, dass sie als Subjekt auftreten. Wenn dies nicht der Fall ist, muss dies markiert werden. Für Typ 2-Phrasen wird erwartet, dass sie als Objekt auftreten, eine zusätzliche Markierung ist nicht notwendig. Die andere Kategorie, die durch erhöhte Werte in einer Beleggruppe auffällt, ist der Phrasentyp mit einem Possessivum. Diese Phrasen sind hauptsächlich bei den Nominativbelegen zu finden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Phrase ein stark markiertes Adjektiv und/oder ein (schwach oder gar nicht markiertes) Substantiv enthält. Phrasen mit Possessiva sind also äußerst interferenzanfällig, und zwar auch dann, wenn sie ein Adjektiv enthalten, das eigentlich eine eindeutige Kasusmarkierung verlangt. Formal unterscheiden sich die Possessiva selber nicht wesentlich vom indefiniten Artikel und anderen schwach markierten Determinierern, die als Phrasenelement in beiden Beleggruppen gleichermaßen vertreten

194

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

sind. Was sich also als Auffälligkeit auf der formalen Ebene der Wortarten offenbart, dürfte vermutlich auf einer anderen Ebene verankert sein. Im Hinblick auf das Thema des Forums drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um Effekte des Forenthemas handeln könnte. Wer sich in einem Mütterforum austauscht, wird mit großer Wahrscheinlichkeit seinem Kind bzw. seinen Kindern einen besonderen Platz im Lebensentwurf wie auch im Alltag einräumen. Die Person zeichnet sich darüber hinaus durch ein gewisses Interaktionsbedürfnis aus. Das Thema ist zudem grundsätzlich emotional und nicht rational geprägt. Von den entsprechenden 15 Phrasen bei den Nominativbelegen referieren 8 jeweils etwa zu gleichen Teilen auf das eigene Kind oder dasjenige der Ansprechpartnerin, je eine auf den eigenen Partner oder denjenigen der im Beitrag Angespochenen, je eine auf den eigenen Beitrag oder denjenigen der Ansprechpartnerin. Die interaktive Komponente wie auch der primär diskutierte Lebensbereich zeigt sich mehr als deutlich. Die übrigen drei Phrasen betreffen einmal den nicht geschätzten Praktikanten und zwei Mal den (Geburts)Tag der Ansprechpartnerin. Die drei Belege im Akkusativ referieren je ein Mal auf das Kind, den Wäschekeller und den Job. Als Hypothese lässt sich formulieren, dass die offensichtliche Affinität zum Referenzobjekt aufgrund der eigenen Zugehörigkeit oder der Zugehörigkeit zur Interaktionspartnerin den Nominativgebrauch begünstigt. Da entsprechende außersprachliche Objekte bevorzugt auf sprachlicher Ebene durch Possessiva markiert werden, manifestiert sich das Phänomen auf der Ebene der Wortarten. 5.3

SYNTAKTISCHE FAKTOREN

r o eF isch tak n y S

5.3.1 Rektion Rektion ist an und für sich kein ausschließlich syntaktischer Faktor. Die meisten Akkusative werden aber von Verben regiert und die entsprechenden Phrasen bilden damit das direkte Objekt. Die Frage nach der Rektion des Akkusativs ist deshalb bei verbal regierten Akkusativen eng an die Frage nach dem Satzgliedstatus der Akkusativphrase gebunden. Aus diesem Grund werden beide Faktoren unter syntaktischen Faktoren und unmittelbar aufeinander folgend besprochen. In der wichtigsten Funktion als direktes Objekt bestimmt also das Verb den Akkusativ und weist der Phrase damit eine bestimmte syntaktische Funktion zu, z. B.: (19) P17: Krümmel hat fast den ganzen US verschlafen. Für die restlichen Belege werden im Folgenden die Rektion des Akkusativs und die Verwendung der Akkusativphrase als syntaktisches Element in Beziehung zueinander gebracht, bevor in diesem Kapitel die Rektion, im nächsten Kapitel der Satzgliedstatus ausgewertet wird. Ziemlich häufig sind Akkusative, die durch eine Präposition regiert werden. Die Präposition ist dabei Teil der Phrase. Bei etlichen Präpositionen steht die Ak-

195

Syntaktische Faktoren

kusativrektion von vornherein fest, es handelt sich (zumindest synchron) um ein rein morphologisches Phänomen. Nur bei Wechselpräpositionen bestimmt ein semantischer Faktor, ob die Präposition einen Dativ oder einen Akkusativ regiert. Auf Satzebene können Präpositionalphrasen verschiedene Funktionen annehmen. In der Belegsammlung finden sich Adverbiale, Präpositionalobjekte und Rektionsattribute wie (20) P18: Darfst gerne malvorbei kommen und in meinen Wäschekeller schauen… P19: Wir standen dan also am Bahnhof und warteten auf den Zug […]. P19: Sorry für mein Egobericht. Rein semantisch bestimmt, d. h. von keinem anderen Element regiert, ist der Akkusativ bei Phrasen, die eine temporale oder lokale Ausdehnung angeben, vgl. (21) P17: Jetzt wird der ganze Tag nach einem Nuggi gefragt […]. Diese freien Akkusative werden nicht von einem anderen Element regiert. Auf Satzebene entsprechen sie wie viele präpositional regierte Akkusative den Adverbialien oder Gliedteilen von Adverbialien. Des Weiten finden sich eine Apposition, ein wie-Anschluss, ein AcI. Es fragt sich nun, ob unterschiedlich regierte Akkusativphrasen auch unterschiedlichen Bedingung im Hinblick auf Veränderungen oder Interferenzen unterliegen. Dass die Formen je nach Rektion eine unterschiedliche Entwicklung durchmachen können, ist in den Mundarten mit den Sonderformen nach Präposition hinreichend belegt (vgl. Kapitel 4.4.4). Unterschiede lassen sich in der Tat auch in der Belegsammlung zeigen: FAKTOR REKTION

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

verbal regierter Kasus

34

77.3

27

61.4

präpositional regierter Kasus

4

9.1

14

31.8

freier Kasus

3

6.8

3

6.8

andere (Apposition, wie, AcI u. a.)

3

6.8

0

0.0

Total

44

100.0

44

100.0

Tabelle 39: Faktor Rektion

Verbal regierte Kasus machen erwartungsgemäß in beiden Beleggruppen den größten Teil der Akkusative aus und zeigen eine leicht verstärkte Tendenz zu Interferenzen. Eine deutliche Tendenz für normativ korrekte Akkusativmarkierung findet sich dagegen bei präpositional regierten Akkusativen. Freie Akkusative und weitere seltene Konstruktionen sind in beiden Beleggruppen gleichermaßen schwach vertreten.

196

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Wie erwähnt weisen einige Mundartgebiete Sonderformen nach Präposition auf. Bei den Präpositionen in und an entfällt der definite Artikel (vgl. SDS III 138) zumeist, so dass eine Dialektinterferenz von in/an + definiter Artikel nicht möglich ist. Tatsächlich weisen fünf der 13 Akkusativphrasen in/an den auf. Weitere drei Akkusativphrasen sind von der Form auf/über den, das in einigen Mundartgebieten durch kontrahierten Akkusativartikel realisiert wird. Es ist davon auszugehen, dass Dialektsprechende die Sonderformen nach Präposition wie ufe nicht mehr als Präposition + frühere Akkusativform uf dǝ mit Dentalverlust erkennen können. Eine direkte Stützung des Akkusativs durch dialektale Akkusativ-Form ist also auszuschließen. Das Fehlen einer Form uf mit der im entsprechenden Dialekt üblicherweise verwendete Nominativform in Kontraktionsgebieten führt aber dazu, dass Interferenz der Nominativform nicht möglich ist, was den normativ korrekten Akkusativ im Standard begünstigen könnte. Neben den Kontraktionsgebieten finden sich wie gezeigt ebenso Gebiete, die auch mit Präposition den lokal üblichen definiten Artikel − zumeist mit synkretistischem Artikel, oft vom Typ dǝ, selten dr − verwenden, welcher durchaus als Interferenzquelle für den folgenden Nominativbeleg gedient haben könnte: (22) P01: […] dann hat er sich auf der rücken rollen lassen […]. Auch bei Phrasen mit Indefinitpronomen oder Possessivum nach Präposition sind Dialekt-Interferenzen zumindest in bestimmten Dialektregionen möglich. In der Tat finden sich entsprechende Phrasen in beiden Beleggruppen. Leider lässt sich nicht feststellen, ob sich Dialektsprecherinnen, die in ihrer Mundart nach Präposition die kontrahierte Akkusativform gebrauchen, anders verhalten als jene, deren Dialekt diese Unterscheidung nicht macht. Es ist auf jeden Fall nicht auszuschließen, dass die Unterschiede zwischen verbaler und präpositionaler Rektion direkt auf den jeweiligen Dialekt der Beiträgerinnen zurückzuführen sind. In diesem Fall dürfte man nicht schließen, dass verbal regierte Phrasen eher den Akkusativ preisgeben als Präpositionalphrasen. Trotzdem ist auf den grundlegenden Unterschied zwischen verbal und präpositional regierten Akkusativen hinzuweisen. Verbal regierte Akkusativphrasen erfüllen als direkte Objekte eine spezifische Funktion im Satzgefüge. Bei der präpositionalen Rektion dagegen wird angezeigt, dass Präposition und kasusmarkierte Elemente eine Einheit bilden, welche dann ihrerseits völlig verschiedene Funktionen (z. B. als Adverbiale, Präpositionalobjekt, Attribut etc.) wahrnehmen kann. Diese enge Bindung findet eben gerade in den kontrahierten Formen der Mundarten ihren Ausdruck. Wenn also die Tendenz zur normativ korrekten Akkusativmarkierung oberflächlich zumindest teilweise als Ausdruck fehlender Interferenzquellen zu interpretieren ist, so ist für selbiges Fehlen vermutlich genau jene Besonderheit präpositionaler Rektion verantwortlich. Für die Dialekte wurde aber auch gezeigt, dass die Sonderform in diversen Gebieten nur vorübergehend Bestand hat und tendenziell zu Gunsten einer einheitlichen Akkusativform aufgegeben wird (vgl. Kapitel 4.4.4).

197

Syntaktische Faktoren

5.3.2 Satzglied Wie erläutert stehen Rektion eines Kasus und Satzgliedstatus der kasustragenden Phrase teilweise in eineindeutigem Zusammenhang. Das heißt, dass von der Art der Rektion auf die Satzgliedfunktion der Phrase geschlossen werden kann und umgekehrt. Dies gilt insbesondere für das direkte Objekt, das immer vom Verb regiert wird und den größten Anteil an Akkusativphrasen (bzw. NominativInterferenzen bei den Nominativbelegen) ausmacht. Bei anderen Satzgliedern dagegen ist dieser Zusammenhang nicht eindeutig. Präpositionalobjekte weisen zwar eine vom Verb geforderte Präposition auf, die den Kasus regiert, aber nicht alle Phrasen mit präpositional regierten Kasus sind Objekte. Andererseits können Adverbiale sowohl in Form von Präpositionalphrasen wie auch als freie Akkusative realisiert sein. Für direkte Objekte wird im Allgemeinen angenommen, dass auf ihre Markierung relativ einfach verzichtet werden kann. Der Informationsverlust durch die fehlende Akkusativmarkierung beim direkten Objekt dürfte im Normalfall wenig gravierend sein. Die Semantik des regierenden Verbs ermöglicht gewisse Erwartungen im Hinblick auf die Beteiligten, beispielsweise in Form der zugrunde liegenden semantischen Rollen: Im typischen Fall steht dem Handelnden (Agens) eine Person oder ein Objekt gegenüber, das die Handlung erfährt (Patiens). Ähnlich lassen sich diese Erwartungen als kognitiv-semantische Konzeptualisierungen von archetypischen Sitationen im Rahmen des kanonischen Ereignismodells beschreiben, vgl. die ausführlichere Darstellung in Kapitel 2.2.4. Nach welchem Modell man auch argumentiert, im Normalfall lässt sich problemlos mittels Weltwissen, Situationswissen, Kontext sowie anhand der Abfolge der Satzglieder ableiten, welcher Beteiligte in der vorliegenden Äußerung welche Funktion erfüllt. Deshalb ist zu erwarten, dass direkte Objekte in den Nominativbelegen tendenziell häufiger sind. Betrachtet man die abstrakten Basisfunktionen, wie sie beispielsweise COMRIE (1995, 110 f.) übereinzelsprachlich darstellt, dann bilden die Akkusativobjekte zu transitiven Verben als Ziel (Goal) eine andere Funktion ab als diejenigen zu ditransitiven Objekten, die das Thema (Theme) darstellen. Aus diesem Grund werden direkte Objekte zu transitiven und zu ditransitiven Verben zunächst getrennt dargestellt: FAKTOR SATZGLIED

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

direktes Objekt (ditrans. Verb)

5

11.4

2

4.5

direktes Objekt (transitives Verb)

29

65.9

25

56.8

AcI

1

2.3

0

0.0

Präpositionalobjekt

1

2.3

3

6.8

Adverbiale

4

9.1

10

22.7

198

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

FAKTOR SATZGLIED

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

Gliedteil einer Adverbiale

1

2.3

2

4.5

Rektionsattribut

2

4.5

2

4.5

Apposition

1

2.3

0

0.0

Total

44

100.0

44

100.0

Tabelle 40: Faktor Satzglied

Direkte Objekte machen sowohl zu ditransitiven wie auch zu transitiven Verben einen nur geringfügig höheren Anteil bei den Nominativbelegen aus als bei den Akkusativbelegen. Dies bedeutet, dass sich die Vermutung nicht bestätigt, dass direkte Objekte deutlicher zu Interferenzen neigen, weil sie relativ gut auf die Markierung verzichten können. Bemerkenswert und in genügendem Ausmaß vorhanden, um von einer deutlichen Tendenz zu sprechen, sind einzig Adverbiale: Sie haben einen Anteil von fast einem Viertel an den Akkusativbelegen gegenüber knapp 10 % bei den Nominativbelegen. Präpositionalobjekte sind bei den Akkusativbelegen ebenfalls häufiger vertreten, insgesamt sind sie aber nur in geringer Menge vorhanden. Die übrigen Kategorien sind nur vereinzelt vertreten, eine Interpretation ist nicht möglich. Da es sich bei den allermeisten Adverbialien um Präpositionalphrasen handelt, könnte der auffallend große Anteil bei den Akkusativbelegen Ausdruck der nach wie vor in etlichen Teilen der Schweiz bestehenden kontrahierten Sonderformen nach Präposition geschuldet sein (vgl. das vorangehende Kapitel 5.3.1). Im Folgenden werden die direkten Objekte gesondert auf verschiedene Faktoren geprüft, welche Interferenz-Tendenzen noch einmal näher beleuchten könnten. 5.3.3 Direktes Objekt: typische Konstruktionen Der typische deutsche Satz ist ein Assertionssatz, realisiert als Hauptsatz mit dem Subjekt im Vorfeld, dem Finitum an zweiter Stelle und − bei transitiven Verben − mit dem direkten Objekt sowie je nach Bedarf mit der einen oder anderen Adverbiale im Mittel- oder Nachfeld und dem einen oder anderen Attribut; gelegentlich schließt ein grammatischer oder lexikalischer Prädikatsteil den Satz, welcher zusammen mit dem Finitum eine verbale Klammer bildet. Bei ditransitiven Verben kommt ein indirektes Objekt dazu, das seinen Platz zumeist zwischen Finitum und direktem Objekt findet. Diese (oberflächliche) Betrachtung verweist auf verschiedene Ebenen, die bei der Frage nach Interferenzen eine Rolle spielen könnten. Auf funktionaler Ebene könnte möglicherweise der Satzmodus eine Rolle spielen. Neben Assertionssätzen sind in der Belegsammlung beispielsweise auch Interrogativsätze und Imperativsätze belegt. Auch der Satztyp kommt als Faktor in Frage. Außer in Hauptsät-

Syntaktische Faktoren

199

zen treten indirekte Objekte auch in Nebensätzen und in Infinitivkonstruktionen auf. Eine weitere Ebene bildet die Frage nach der Abfolge der Satzglieder. Ein besonderer Aspekt davon ist die Frage nach der Stellung des Finitums, die eng mit der Frage nach dem Satztyp verbunden ist. Aber auch Verschiebungen bei der Abfolge von Subjekt, Objekt und Finitum, welche in erster Linie informationsstrukturellen Zwecken dienen (z. B. Topikalisierung), könnten im Hinblick auf den Nominativgebrauch bei Akkusativphrasen eine Rolle spielen. Wie angedeutet sind die Ebenen nicht unabhängig voneinander. Sowohl Satztypen wie auch Satzmodi zeigen starke Tendenzen zu einer bestimmten FinitumStellung. Werden nun Satztypen untersucht und zeigen eine bestimmte Tendenz, dann könnte die Ursache dafür beispielsweise ebenso gut auf der Ebene der Stellung der Satzglieder liegen etc. Die Sammlung ist viel zu klein, um aus den quantitativen Verhältnissen herauslesen zu können, auf welcher Ebene sich deutlichere Resulate, um dadurch auf die eigentlich relevante Ursache zu schließen. Deshalb wird darauf verzichtet, die Daten auf den jeweiligen Ebenen separat auszuzählen. Die Auswertung erfolgt von den Belegen und deren Auffälligkeiten ausgehend und versucht, die einzelnen Belege zu typischen Konstruktionsmustern zusammenzufassen, wobei Aspekte aller drei Ebenen (Satztyp, Satzmodus und Satzgliedabfolge) berücksichtigt werden. Erst im Anschluss daran werden die identifizierten Typen noch einmal in Hinblick auf die verschiedenen Analyseebenen diskutiert. Der erste und wohl am einfachsten zu identifizierende Typ ist jener, der eingangs beschrieben wird. Es handelt sich um den Standardsatz, der als Hauptsatz mit der für das Deutsche typischen Satzgliedabfolge (Subjekt im Vorfeld, Finitum-Zweitstellung, Objekt(e) nach dem Finitum) auftritt und eine Aussage tätigt (Assertionssatz). Im folgenden wird für diesen Typ die Kurzbezeichung S-F-O verwendet.155 Dieser Typ tritt in beiden Beleggruppen am häufigsten auf, vgl. z. B. (23) P22: Die hatten doch den KS schon längst geplant gehabt, […] P12: Du hast ein toller KiA!

S-F-O S-F-O

Zu diesem Konstruktionstyp gehören auch Sätze, die das Subjekt zwar nicht realisieren, dies aber theoretisch an der entsprechenden Position im Vorfeld tun würden. Dafür finden sich in den ausgewerteten Belegen zwei Ursachen. Entweder handelt es sich um eine Reihung, bei welcher das Subjekt im ersten Teil ausgedrückt und im zweiten Teil elliptisch ausgelassen wird (Kurzbezeichnung: (S)-FO), vgl. beispielsweise (24) P19: Wir blieben heute den ganzen Tag zu Hause und verbrachten den Tag auf der Terasse! (S)-F-O

155 Die Bezeichnung mit Anlehnung an die Anordnung der Satzglieder dient mnemotechnischen Zwecken und zählt nur die für den Konstruktionstyp zwingenden Satzglieder auf (Subjekt − Finitum − direktes Objekt) auf. Dieser Typ kann natürlich auch ein indirektes Objekt, Prädikativa, Attribute und beliebig viele Adverbialien aufweisen. Analoges gilt auch für die folgenden Bezeichnungen dieser Art.

200

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

oder das Subjekt entfällt aufgrund des sog. Telegrammstils, also aus schreibökonomischen Gründen, die bei Textsorten wie Forum, Chat, Mail und SMS nicht unüblich sind. Typischerweise betrifft die Auslassung die Bezeichnung für die Beitragsverfasserin, welche formal dem Personalpronomen 1. Person Singular ich entspricht. In der Tat handelt es sich hier ausschließlich um genau diese Auslassung, vgl. z. B. (25) P06: hab dein erster beitrag auch nicht gesehen.

S-F-O

Elliptische, aber anaphorisch erwähnte Subjekte gibt es nur bei den Akkusativbelegen, weshalb sie potentiell einen Faktor darstellen könnten und deshalb separat ausgewiesen werden. Auslassung von ich findet sich mit fünf Nominativ- bzw. vier Akkusativbelegen (was einem Anteil von 13.5 % bzw. 14.8 % an den direkten Objekten entspricht) in beiden Beleggruppen gleich häufig und wird deshalb unter die Standardbelege (S-F-O) subsumiert. Bei drei weiteren typischen Konstruktionen handelt es sich ebenfalls um Hauptsätze mit Finitum-Zweitstellung. Sie weisen aber für die nicht-verbalen Teile eine veränderte Abfolge der Satzglieder auf. Das Subjekt wird aus dem Vorfeld verdrängt und entweder durch eine Adverbiale (A-F-SO), durch ein indirektes Objekt (iO-F-SO) oder durch ein direktes Objekt (O-F-S) ersetzt, vgl. (26) P01: jetzt dicken wir den schoppen ein, […] P19: Dir wünsch ich ein super start zuhause mit deinen beiden Mädels P15: Wunderschöner Name habt ihr ausgesucht!

A-F-SO iO-F-SO O-F-S

Die letzte dieser drei Konstruktionen hebt sich von den anderen beiden insbesondere dadurch ab, dass die typische Reihenfolge Subjekt vor direktem Objekt durchbrochen wird. Des Weiteren sind zwei typische Konstruktionen belegt, die FinitumErststellung aufweisen. Hier handelt es sich ebenfalls um Hauptsätze, die sich im Hinblick auf den Satzmodus unterscheiden. Das eine sind Interrogativ- (F-SO), das andere sind Imperativsätze (F-O), vgl. beispielsweise: (27) P08: habt ihr schon einen zügeltermin…? P18: […], geniess dein Tag.

F-SO F-O

Alle hier vorliegenden Imperativsätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Imperativ der 2. Person Singular verwenden und deshalb kein Subjekt realisieren. Das unterscheidet sie auf formaler Ebene von den Interrogativsätzen. Bei den letzten vier Konstruktionstypen, die sich in der Belegsammlung finden, handelt es sich um Nebensätze. Zwei Typen weisen die dafür typische (aber grammatisch nicht ausschließlich mögliche) Finitum-Letztstellung auf. Eine dieser typischen Konstruktionen wird mit einer subordinierenden Konjunktion eingeleitet (K-SO-F), z. B. (28) P03: Finde ich noch „speziell“, dass du keinen Termin mehr erhalten hast…

K-SO-F

201

Syntaktische Faktoren

Die andere Nebensatz-Konstruktion wird durch ein Relativpronomen eingeleitet, und zwar ausschließlich durch was, welches gleichzeitig das Subjekt des Nebensatzes bildet (RelS-O-F), vlg. beispielsweise (29) P14: […] vielleicht ist ja was dabei was dein kleiner umstimmt!!! RelS-O-F Beim dritten Konstruktionstyp handelt es sich um Infinitivkonstruktionen mit oder ohne die Infinitivpartikel zu, also um verkürzte Nebensätze (O-Inf), z. B. (30) P22: Ne, freu mich natürlich, mein Kleiner nochmals zu sehen

O-Inf

Beim einzigen Beleg für den vierten Nebensatztyp handelt es sich um einen nicht eingeleiteten Nebensatz mit Finitum-Zweitstellung, Subjekt im Vorfeld und Objekt im Mittelfeld, also mit der für Hauptsätze typischen Anordnung der Satzglieder (NS: S-F-O), vgl. den Objektsatz zu [ich] hoffe: (31) P13: happy birthday noch, hoffe du konntest dein tag geniessen NS: S-F-O Die Wahl der hier verwendeten Kurzbezeichnungen macht deutlich, dass sich die aus der Belegsammlung herauskristalliserten Typen jeweils nach allen drei Ebenen beschreiben lassen, dass es aber mit einer Ausnahme (NS: S-F-O) ausreicht, die Abfolge der für den Konstruktionstyp zwingenden Satzglieder anzugeben, um die Typen eindeutig zu klassifizieren. Aus diesem Blickwinkel ist die Ebene der Satzgliedabfolge dominant. Nun fragt sich, ob sich dieser Umstand auch im Hinblick auf Interferenz-Tendenzen zeigt: FAKTOR TYPISCHE KONSTRUKTION

Nominativbelege

Akkusativbelege

Bezeichnung

absolut

in %

absolut

in %

S-F-O

14

41.2

11

40.7

(S)-F-O

0

0.0

3

11.1

A-F-SO

2

5.9

7

25.9

iO-F-SO

1

2.9

0

0.0

O-F-S

5

14.7

1

3.7

F-SO

0

0.0

2

7.4

F-O

3

8.8

0

0.0

K-SO-F

2

5.9

3

11.1

RelS-O-F

3

8.8

0

0.0

O-Inf

3

8.8

0

0.0

NS: S-F-O

1

2.9

0

0.0

Total

34

100.0

27

100.0

Tabelle 41: Faktor typische Konstruktion

202

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Die ersten sieben Konstruktionstypen sind Hauptsätze. Innerhalb dieses Satztyps gibt es ganz offensichtlich keine einheitliche Tendenz. Bei den letzten vier Konstruktionstypen handelt es sich um Nebensätze. Zwar sind Nebensätze weniger häufig belegt und eine Aussage umso unsicherer. Trotzdem: der typische Nebensatztyp mit subordinierender Konjunktion und Finitumletztellung ist ebenfalls in beiden Beleggruppen vertreten. Die anderen Nebensatzkonstruktionen weisen ausschließlich Nominativ auf und sind im Folgenden eingehender zu besprechen. Insgesamt wird deutlich, dass der Satztyp alleine keinen Einflussfaktor darstellt. Zwar ebenfalls nur in sehr kleiner Anzahl belegt, aber gerade komplementär verteilt sind die beiden Satzmodi Interrogativsatz (F-SO) und Imperativsatz (F-O). Da die beiden Satzmodi gleichzeitig auch formal deutliche Unterschiede aufweisen, die noch eingehend zu besprechen sind, kann nicht abgeleitet werden, ob der Satzmodus alleine einen Einflussfaktor darstellt. Die Satzgliedabfolge stellt den Faktor dar, der die Belege am deutlichsten differenziert und zumindest teilweise klare Tendenz für gewisse Abfolgen aufzeigt. Der Standardsatz (S-F-O) mit der Abfolge Subjekt − Finitum − (falls vorhanden:) indirektes Objekt156 − direktes Objekt (sowie beliebig Adverbialien und Attribute) macht mit gleichermaßen gut 40 % in beiden Beleggruppen deutlich den größten Anteil aus. Im Gegensatz zu einigen anderen Konstruktionstypen zeigt der Standardsatz damit aber keine Präferenz für den einen oder den anderen Kasus. Dies gilt möglicherweise auch für die Satzgliedabfolge, wenn sie bei einem uneingeleiteten Nebensatz auftritt (NS: S-F-O). Da sich in der Belegsammlung ein einziger Beleg findet, lässt sich darüber aber nichts aussagen. Bei allen drei Belegen, die zwar grundsätzlich die Standardform aufweisen, das Subjekt aber aufgrund einer Satzreihung mit vorangehender Erwähnung elliptisch auslassen ((S)-F-O), wird das indirekte Objekt mit Akkusativ markiert. Diese Konstruktion macht immerhin gut 10 % aller Akkusativbelege aus. Eine deutliche Tendenz zur Akkusativmarkierung des direkten Objekts ist abzulesen, wenn eine Adverbiale das Subjekt aus dem Vorfeld verdrängt, sodass es zwischen Finitum und direktem Objekt zu stehen kommt (A-F-SO). Diese Konstruktion macht ca. 25 % der Akkusativbelege aus. Demgegenüber hat sie bei den Nominativbelegen einen Anteil unter 10 %. Den gleichen Effekt auf Subjekt und Objekt erziehlt ein indirektes Objekt im Vorfeld (iO-F-SO). Diese Konstruktion ist ein einziges Mal belegt, und zwar mit Nominativ. Zählt man aufgrund der Ähnlichkeit diesen Beleg zu den Vorfeld-Adverbialien (A-F-SO) hinzu, so liegt der Anteil dieser beiden Konstruktionstypen immer noch bei wenig mehr als 10 % aller nominativmarkierten Objekte. Genau der gegenteilige Effekt tritt ein, wenn das direkte Objekt im Vorfeld steht und damit an die prototypische Stelle des Subjekts tritt (O-F-S). Mit einem Anteil von ca. 15 % bildet dieser Konstruktionstyp nach dem Standardtyp die 156 Zwar ist in einigen Kontexten die Abfolge direktes Objekt − indirektes Objekt möglich oder gar zwingend, in den hier ausgezählten Belegen findet sich aber nur die dargestellte Reihenfolge.

Syntaktische Faktoren

203

zweithäufigste Konstruktion bei den Nominativbelegen. Bei den Akkusativbelegen ist dieser Typ dagegen nur ein einziges Mal belegt. Dabei handelt es sich um den nicht eindeutig interpretierbaren Beleg (32) P17: […], aber einen Nuggi verbissen hat sie bis jetzt noch nicht geschafft. Die erste Schwierigkeit liegt darin, dass es sich wohl um einen Anakoluth handelt. Zu Beginn dürfte der Satz aber einen Nuggi verbissen hat sich bis jetzt noch nicht intendiert gewesen sein, der im Verlauf der Produktion zu aber einen Nuggi verbeissen hat sie bis jetzt noch nicht geschafft umfunktioniert wurde. Da der Vorfeld-Akkusativ ganz zu Beginn der Produktion gewählt worden ist, wird die Form nach der vermuteten ersten Intention einsortiert. Auffallend an dieser Konstruktion ist, dass nicht nur das direkte Objekt, sondern auch das Prädikativum (Partizip des Vollverbs) vorangestellt wird. Insgesamt lässt sich diese eine AkkusativKonstruktion deshalb nur bedingt mit den Nominativbelegen des Typs O-F-S vergleichen. Bei Interrogativ- wie bei Imperativsätzen (F-SO bzw. F-O) bleibt das Vorfeld typischerweise unbesetzt. Dies ist auch bei den vorliegenden Belegen der Fall. Bemerkenswerterweise verhalten sich die beiden Typen aber vollkommen verschieden im Hinblick auf die Kasusmarkierung. Beide Interrogativsätze (F-SO) markieren den Akkusativ normativ korrekt, wogegen die drei Interrogativsätze alle Nominativ-Interferenz aufweisen. Finitum-Erststellung an und für sich bildet also keinen Einflussfaktor. Es fällt aber auf, dass Interrogativsätze (F-SO) insofern den Konstruktionstypen mit Adverbiale (A-F-SO) bzw. indirektem Objekt im Vorfeld (iO-F-SO) gleichen, als beide sowohl Subjekt wie auch direktes Objekt nach dem Finitum aufweisen. Für die beiden Typen wurde gezeigt, dass sie − obwohl der eine Beleg mit indirektem Objekt im Vorfeld Nominativ aufweist − zusammen betrachtet deutlich zu Akkusativ tendieren, wie dies bei den Interrogativsätzen der Fall ist. Die drei Imperativsätze (F-O) weisen die dafür typische Form auf. Das Verb steht im Imperativ in der 2. Person, wie üblich entfällt das Subjekt. Für den Rezipienten ist dieses aufgrund der Beschränkung des Imperativs auf die 2. Person und anhand der Numerusmarkierung am Verb zweifelsfrei als du oder ihr erschließbar. Dieser Konstruktionstyp weist in gewisser Hinsicht Ähnlichkeit mit Infinitivsätzen (O-Inf) auf. Auch hier ist das explizite Auftreten eines Subjekts grammatisch nicht vorgesehen. Das implizite Subjekt muss aus dem Kontext erschlossen werden. Es ist bemerkenswert, dass bei beiden Konstruktionstypen, die grammatisch auf das Subjekt verzichten, das direkte Objekt ausschließlich mit Nominativ markiert wird. Die klassische Nebensatz-Konstruktion mit subordinierender Konjunktion und Finitumletztstellung (K-SO-F) ist die einzige Nebensatzkonstruktion, die bei den Akkusativbelegen vertreten ist. Dort bildet sie einen Anteil von etwas mehr als 10 %. Bei den Nominativbelegen ist sie mit gut 5 % Anteil etwas seltener zu finden und bildet v. a. nur einen kleinen Anteil an allen Nebensatzkonstruktionen. Es zeigt sich zwar zumindest prozentual eine gewisse Tendenz zum Akkusativ, aber die Quantität der Belege zum Standard-Nebensatz ist definitiv zu klein, um

204

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

eine Aussage abzuleiten. Doch weist der Konstruktionstyp eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hauptsatzkonstruktionen auf, deren Vorfeld andersweitig besetzt ist (A-F-SO/dO-F-SO) oder gar kein Vorfeld, aber ein Subjekt aufweist (F-SO = Interrogativsätze). Wie bei jenen Konstruktionen werden hier Subjekt und Objekt nicht durch das Finitum getrennt (allenfalls aber durch Attribute oder Adverbialien), durch die typische Nebensatz-Finitumletztstellung stehen beide Satzglieder aber vor und nicht nach dem Finitum. Es fällt auf, dass bei all diesen Typen eine (wie erläutert mehr oder weniger deutliche) Tendenz zur Akkusativmarkierung festzustellen ist. Dies legt insgesamt die Vermutung nahe, dass die fehlende Trennung von Subjekt und Objekt durch das Finitum einen Einflussfaktor darstellen könnte. Anders als der klassische Nebensatztyp weist die Konstruktion mit dem einleitenden Relativpronomen was, welches im Nebensatz zugleich das Subjekt darstellt, bei allen drei Belegen ein nominativmarkiertes Objekt auf. Bei zwei Belegen dient der Nebensatz dazu, das der Aussage im Hauptsatz zugrunde liegende Thema explizit anzugeben, vgl. (33) P02: aber zum glück haben gg und ich einen ähnlichen Geschmack, wass der name angeht P10: so blöd aber was der ausfluss betrifft habe ich auch seit zwei tagen starken ausfluss Das Nebensatz-Subjekt was bezieht sich nicht auf ein außersprachliches Objekt, sondern erfüllt eine grammatische Funktion. Fokus der Aussge bildet das direkte Objekt. Dieses hat auf semantischer Ebene die Funktion, die üblicherweise dem Subjekt zukommt. Beim dritten Beleg referiert die Phrase auf ein außersprachliches Objekt, aber auf ein noch nicht bestimmtes, vlg. (34) P14: […], vielleicht ist ja was dabei was dein kleiner umstimmt!!! Auch hier ist die Referenz weit weniger konkret als üblich, da der referierte Gegenstand irreal bleibt. Dennoch übernimmt das Subjekt hier eine agentivische Funktion im Sinne des (erwünschten) Einwirkens auf das Objekt (das Kind), was bei den anderen zwei Belegen nicht der Fall ist. Dass hier in Bezug auf das Subjekt argumentiert wird, lässt vermuten, dass diesem allgemein eine Bedeutung im Hinblick auf Interferenzen zukommen könnte. Deshalb wird ein möglicher Einfluss des Subjekt im nächsten Kapitel ausführlicher geprüft. Zunächst erfolgt aber eine Interpretation der vorgefundenen Tendenzen. Im Standardsatz mit der üblichen Anordnung der Satzglieder, welcher den deutlich größten Anteil an den Belegen hat, scheint die Wahl des Kasus für das direkte Objekt tatsächlich zufällig zu sein. Beim Standard-Nebensatz mit Finitum-Letztstellung gibt es zwar nur vereinzelt Belege, so dass auch hier nicht auszuschließen ist, dass dieser Typ sich neutral verhält. Die schwache Tendenz zum Akkusativ dieser Konstruktion kann aber auch in Zusammenhang gebracht werden mit anderen Konstruktionstypen, die eine Akkusativtendenz aufweisen. Dies betrifft die meisten Konstruktionstypen,

Syntaktische Faktoren

205

bei denen Subjekt und direktes Objekt nicht durch das Finitum getrennt werden. Beim erwähnten Standard-Nebensatz stehen Subjekt und direktes Objekt aufgrund der dafür konstitutiven Finitum-Letztstellung gemeinsam vor dem Finitum. Nach dem Finitum stehen Subjekt und direktes Objekt, wenn das Vorfeld durch eine Adverbiale (oder ein indirektes Objekt)157 besetzt ist oder wenn der Satz aufgrund des Satzmodus (Interrogativsatz) Finitum-Erststellung aufweist. Da die gliedernde Funktion des Finitums wegfällt, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass hier der Akkusativ aufgrund seiner disambiguierenden Funktion bevorzugt wird. Nach RABANUS (2008, siehe Kapitel 2.3.3) wirkt hier einer der beiden zentralen Steuerungsfaktoren, nämlich das Bedürfnis nach morphologischer Transparenz. Natürlich ist die Akkusativmarkierung nicht unverzichtbar. Das zeigen nicht nur die Belege in der Sammlung, die trotz Akkusativtendenz Nominativ aufweisen. Auch in der Standardsprache wird seit jeher beim Neutrum und seit langem beim Femininum und beim Maskulinum Plural auf die Akkusativmarkierung verzichtet. Ebenso kommen die Mundarten, welche die Interferenzquelle für die Nominativ-Markierung darstellen, größtenteils ohne Akkusativmarkierung zurecht. Sowohl die Abfolge Subjekt vor direktem Objekt wie auch Erwartungen im Hinblick auf die Rollenverteilung der an der versprachlichten Situation Teilnehmenden lässt problemlos eine Nominativ-Markierung zu, ohne die korrekte Rezeption zu verhindern. Trotzdem bleiben diese Konstruktionstypen weniger anfällig für Nominativ-Interferenzen, auf die Disambiguierungsfunktion der Akkusativmarkierung wird weniger gern verzichtet als bei Standardkonstruktionen. Ebenso lässt sich die Akkusativtendenz bei einem elliptischen Subjekt in Satzreihungen mit der disambiguierenden Funktion der Akkusativmarkierung erklären. Die eindeutige Markierung des Objekts gibt dem Rezipienten den klaren Hinweis, dass es das Subjekt aus dem vorangehenden Satz ist, das hier ausgelassen worden ist. Natürlich ist auch hier aufgrund der Anordnung der Satzglieder und aufgrund der versprachlichten Situation eine Fehlinterpretation ausgeschlossen. Trotzdem wird hier vermutlich weniger gern auf die zusätzliche Interpretationshilfe verzichtet. Genau das Gegenteil tritt ein, wenn ein Konstruktionstyp grammatisch die explizite Nennung eines Subjekts im Allgemeinen ausschließt, wie dies für die Imperativ- und Infinitivsätze aufgezeigt worden ist. Mit gemeinsam über 15 % Anteil an den Nominativbelegen gegenüber keinem einzigen Akkusativbeleg ist die Nominativtendenz dieser beiden Typen deutlich ersichtlich. Da es sich bei der einzigen entsprechenden Phrase158 in einem Satz dieses Typs im Normalfall nicht um ein Subjekt handeln kann, ist eine Disambiguierung in keiner Art und Weise notwendig, der Verzicht auf die Markierung fällt offensichtlich leicht. Zu klären bleibt, weshalb Hauptsätze mit dem direkten Objekt im Vorfeld eine so deutliche Tendenz zur Nominativmarkierung zeigen. Die disambiguierende 157 Wie erläutert weist der einzige Beleg hierzu gerade einen Nominativ auf. 158 Allenfalls auftretende Attribute und Adverbialien sind zumeist deutlich durch Kasus (insb. Genitiv), Präposition, freien Akkusativ etc. markiert.

206

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Funktion der Akkusativmarkierung wäre hier ja aus rezeptiver Sicht besonders wünschenswert als Rezeptionshilfe, dass es sich beim ersten Satzglied eben gerade nicht um ein Subjekt handelt. Offensichtlich sind hier Effekte auf der Seite der Produktion stärker. Aus formaler Sicht behält die sprechende/schreibende Person für das direkte Objekt den Kasus bei, den typischerweise das erste Satzglied eines Standardsatzes, nämlich das Subjekt, aufweist. Aus semantischer bzw. informationsstruktureller Sicht dient die Voranstellung des direkten Objekts der Thematisierung bzw. Topikalisierung. Die Funktion, dasjenige auszudrücken, über das eine Aussage getätigt wird, welche typischerweise dem Subjekt zukommt, wird auf das direkte Objekt übertragen, ebenso der Kasus, der diese Funktion üblicherweise markiert. Vergleichbares geschieht bei der Nebensatzkonstruktion mit einleitendem Subjekt was (was … angeht, was … betrifft). Auch hier bildet das direkte Objekt das Thema bzw. das Topik des Satzes, obwohl es formal nicht vorangestellt wird. Auf formaler Ebene wäre nach der vorangehenden Darstellung sogar eher eine Akkusativtendenz zu erwarten, da auch bei dieser Nebensatzkonstruktion aufgrund der Finitum-Letztstellung Subjekt und Objekt aufeinander folgen und damit der Akkusativmarkierung disambiguierende Funktion zukommen würde. Das Subjekt erfüllt hier aber ausschließlich grammatische Funktion, es ist semantisch leer, eine Disambiguierung wäre von geringem Nutzen. Die Variation zwischen der normativ korrekten Akkusativmarkierung und der Tendenz zur Nominativmarkierung ist auf semantischer Ebene aber nicht erstaunlich. Während der normativ korrekte Akkusativ als Akkusativ der Richtung funktioniert und markiert, dass die Aufmerksamkeit des Hörers auf besagtes Thema zu richten ist, zeigt der Nominativ in direkter Weise an, dass das Argument das Thema der Äußerung darstellt. Die beiden Kasus stehen bei solchen Konstruktionen aufgrund ihrer jeweils zentralen semantischen Funktionen in direkter Konkurrenz zueinander. Zusammenfassend lässt sich für direkte Objekte im Hinblick auf typische Konstruktionen Folgendes festhalten: Tritt ein direktes Objekt auf semantischer/informations-struktureller Ebene als Thema/Topik auf (in Hauptsätzen formal durch Vorfeldbesetzung ausgedrückt), dann wird der für das Thema/Topik (und formal für das Vorfeld) typische, normativ falsche, aber interferenziell begünstigte Nominativ deutlich bevorzugt. Schließt der Konstruktionstyp formal das Auftreten eines Subjekts aus, dann wird auf die disambiguierende Wirkung der Akkusativmarkierung verzichtet. Weicht die Konstruktion in anderer Hinsicht vom Standard-Hauptsatz ab, was zumeist dazu führt, dass das Finitum nicht mehr gliedernd zwischen Subjekt und direktem Objekt steht, wird dagegen die Akkusativmarkierung tendenziell bevorzugt, was mit der disambiguierenden Wirkung bzw. einer erhöhten morphologischen Transparenz zur Unterstützung der Rezeption erklärt werden kann. Handelt es sich um einen Standardhauptsatz, ist keine Tendenz für den einen oder den anderen Kasus feststellbar.

Syntaktische Faktoren

207

5.3.4 Direktes Objekt: formaler Einfluss des Subjekts Bei der Besprechung der verschiedenen Konstruktionstypen mit direktem Objekt hat sich herausgestellt, dass für die Tendenz der verschiedenen Typen teilweise auch die Frage nach der formalen Ausprägung des Subjekts von Bedeutung ist. Wo das Subjekt elliptisch fehlt, tendiert das Objekt zu einer disambiguierenden Markierung. Wo das Subjekt grammatisch nicht ausgedrückt wird, ist es nicht nötig, das Objekt formal zu markieren. Wo dem Subjekt nur grammatische Funktion zukommt, fehlt die grammatische Markierung des Objekts ebenfalls. Nun stellt sich die Frage, ob bei den übrigen Konstruktionstypen, die zahlreicher sind als die aufgezählten, ein formal eindeutig als Nominativ erkennbares Subjekt ebenfalls Einfluss auf die Markierung des direkten Objekts hat. Bei den im Korpus auftretenden Subjekten mit eindeutigen Nominativformen handelt es sich zumeist um Personalpronomina (1. und 2. Person, 3. Person Singular Maskulinum). Auch die Phrase gg und ich ist durch das Personalpronomen eindeutig markiert und wird zu den Personalpronomina gerechnet. Das Indefinitpronomen niemand weist im Akkusativ eigentlich die disambiguierende Endung -en auf, tritt aber gelegentlich auch im Akkusativ ohne Endung auf. Trotzdem wird es hier zu den eindeutig markierten Subjekten gerechnet. Dazu kommen zwei eindeutig markierte Nominalphrasen mit Determinierer und Substantiv bzw. substantiviertem Adjektiv. Ambig sind Personalpronomina und Demonstrativa der 3. Person Singular Femininum und Neutrum sowie der 3. Person Plural. Dazu kommen zwei Nominalphrasen mit Determinierer und Substantiv im Femininum sowie einmal die Phrase unser Laptop. Das Lexem Laptop wird sowohl als Maskulinum als auch als Neutrum gebraucht, weshalb Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb wird die entsprechende Phrase als ambig gewertet. Des Weiteren findet sich unter den ambigen Phrasen eine mit Eigenname sowie eine weitere mit dem Lexem Krümel, welches ebenfalls in der Funktion eines Eigennamen verwendet wird und deshalb artikellos auftritt. In der dritten Kategorie Besonderes werden in der folgenden Tabelle jene Subjekte angeführt, für die bei der Besprechung der typischen Konstruktionen in Kapitel 5.3.3 bereits Einfluss auf die Kasustendenz des Objekts aufgezeigt worden ist. Dabei handelt es sich um elliptische Subjekte durch Satzreihung, um nebensatzeinleitende Relativpronomina der Form was, um grammatisch nicht notwendige Subjekte beim Imperativ, um grammatisch ausgeschlossene Subjekte beim Indikativ und um textsortenspezifisch fehlendes ich.

208

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

FAKTOR SUBJEKT

Nominativbelege

Akkusativbelege

absolut

in %

absolut

in %

14

41.2

11

40.7

1

2.9

0

0.0

1

2.9

1

3.7

17

47.1

12

44.4

Personalpronomen

2

5.9

0

0.0

Demonstrativum

2

5.9

2

7.4

eindeutig markiert Personalpronomen Indefinitpronomen Nominalphrase mit Substantiv

159

Zwischentotal ambig

Nominalphrase mit Substantiv

0

0.0

3

11.1

(Quasi)-Eigenname

0

0.0

2

7.4

Zwischentotal

4

11.8

7

25.9

Ellipse durch Reihung

0

0.0

4

14.8

Relativpronomen was

3

8.8

0

0.0

fehlendes Subjekt beim Imperativ

3

8.8

0

0.0

fehlendes Subjekt beim Infinitiv

3

8.8

0

0.0

fehlendes ich

5

14.7

4

14.8

Zwischentotal

14

41.2

8

29.6

Total

34

100.0

27

100.0

Besonderes

Tabelle 42: Faktor formaler Einfluss des Subjekts

Mit Anteilen von jeweils nicht ganz 50 % sind in beiden Beleggruppen Subjekte mit eindeutiger Nominativmarkierung in vergleichbarem Ausmaß vertreten. Die Vermutung, dass auf die Akkusativmarkierung des direkten Objekts eventuell eher verzichtet werden kann, wenn das Subjekt mit einem eindeutigen Nominativ markiert ist, lässt sich nicht aufrecht halten. Die bereits beschriebenen besonderen Konstruktionen, bei denen dem Subjekt eine einflussnehmende Bedeutung zukommt, sind in der vorliegenden Belegsammlung etwas häufiger bei den Nominativbelegen vertreten, während Subjekte mit kasusambiger Form etwas häufiger bei den Nominativbelegen vertreten sind. Hieraus lassen sich keine weiteren Hypothesen ableiten.

159 Bzw. substantiviertem Adjektiv.

Semantische Faktoren

5.4

209

SEMANTISCHE FAKTOREN

r o k F tisch an em S

5.4.1 Pseudo-Kopula und ähnliche Phänomene Im Rahmen ihres Aufsatzes zu Frequenzhelvetismen erläutern DÜRSCHEID / HEFTI (2006, 137) den Wechsel vom Akkusativ zum Nominativ bei Verben, deren direktes Objekt aufgrund ihrer Semantik als Prädikativum aufgefasst werden kann: bilden, darstellen, bedeuten. Einen weiteren Effekt, der ebenfalls als Analogie zu einer nominativ-regierenden Konstruktion interpretiert werden kann, beschreiben DÜRSCHEID / HEFTI (2006, 138) mit Referenz auf Walter Heuer, lange Zeit Chefredaktor der NZZ. Dieser beobachtet, dass die Konstruktion es gibt sehr anfällig für den Nominativgebrauch ist, wenn sie wie die Konstruktion es existiert (+ Nominativ) gebraucht wird. Solche Effekte lassen sich auch in der Belegsammlung der vorliegenden Arbeit beobachten: (35) P21: dass das für die andere seite der meiner meinung nach grösste einschnitt im leben bedeutet, geht da wohl irgendwie flöten. P07: Aber es würde mich ja gar nicht wundern, wenns ein Widder gäbe. P10: Namenszettel: der gibt es bei uns nicht. Beim ersten Beleg handelt es sich deutlich um eine Pseudo-Kopula, vgl. das ist der grösste Einschnitt im Leben. Obwohl der zweite Beleg die Konstruktion es gibt aufweist, entspricht sie ebenfalls einer Pseudo-Kopula: Es (oder noch treffender: er) wird ein Widder (gemeint ist das Sternzeichen) stellt die treffende Analogie dar, und nicht Es existiert ein Widder. Beim letzten Beleg ist dagegen eindeutig die Existenzanalogie ausschlaggebend, vgl. Namenszettel: der existiert bei und nicht. Mit der es gibt/es existiert-Konstruktion lässt sich der bereits zu den typischen Konstruktionen besprochene Beleg was … betrifft in Verbindung bringen (Kapitel 5.3.3). Wie bei es gibt ist bei der Wendung das Subjekt semantisch leer; die Konstruktion dient dazu, das Thema/Topik explizit herauszustellen. Formal wird das Thema/Topik dabei als Prädikativum (es existiert ein Brauch) oder als direktes Objekt (es gibt einen Brauch; was den Brauch betrifft) realisiert. Üblicherweise wird das Thema durch das Subjekt (oder durch das Subjektsprädikativum bei Konstruktionen wie es gibt, typisch auch Englisch: there is) ausgedrückt, was mit Nominativmarkierung einhergeht. Tritt nun ein Objekt in dieser Funktion auf, dürfte dieses ebenfalls stärker zum Nominativ tendieren als die typischeren Objekte, die üblicherweise einen Teil des Rhemas/Kommentars bilden. Das konkrete Beispiel aus der Belegsammlung lautet folgendermaßen: (36) P10: so blöd aber was der ausfluss betrifft habe ich auch seit zwei tagen starken ausfluss Pseudo-Kopula und Konstruktionen, die der Thema-Herausstellung dienen, finden sich in der vorliegenden Belegsammlung ausschließlich bei den Nominativbelegen. Ihre Semantik scheint einen Steuerungsfaktor darzustellen.

210

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

5.4.2 Semantischer Transitivitätsgrad Eine weitere semantische Komponente, von der angenommen werden kann, dass sie einen Effekt auf auf die Interferenzanfälligkeit hat, ist der semantische Transitivitätsgrad des Satzes. Nach HOPPER / THOMPSON (1980, 251) ist dafür ausschlaggebend, wie wirkungsvoll sich eine Handlung vollzieht. HOPPER / THOMPSON (1980, 251−253) erarbeiten zehn Parameter, anhand derer sich der Transitivitätsgrad objektivieren lässt. Ein hoher Transitivitätsgrad zeichnet sich dadurch aus, dass a b c d e f g h i j

mindestens zwei Teilnehmer an der Handlung beteiligt sind (Participants), überhaupt eine Handlung stattfindet (Kinesis), die Handlung von einem Endpunkt aus betrachtet wird (telisch: Aspect), die Handlung punktuell ausgeführt wird (vgl. kick vs. carry: Punctuality) das Agens die Handlung absichtlich ausführt (Volitionality) die Handlung nicht negiert wird (Affirmation) die Handlung real stattfindet (Mode) das Agens viel bewirken kann (Agency) das Patiens in hohem Maß von der Handlung betroffen ist (Affectedness) das Patiens sich gut vom Agens oder von anderen Objekten abgrenzen lässt (Individuation).

Für die vorliegende Arbeit wird das Verfahren für die Bestimmung des Transitivitätsgrades stark vereinfacht. Hauptsächlich die Parameter b (Handlung vs. Zustand), e (Absicht des Agens/Subjekts) und i (Betroffenheit des Patiens/Objekts) spielen im simplifizierten Verfahren eine Rolle. Ausgangspunkt für die Bestimmung bildet der konkrete Beleg und nicht die abstrakte Bedeutung des Verbs, insofern betreffen die Transitivitätsgrade die ganzen Äußerungen und nicht nur das Verb. Aus praktischen Gründen werden in der untenstehenden Tabelle 43 aber nur die Verben und nicht die vollständigen Äußerungen angeführt (für die vollständigen Belege vgl. Anhänge 9 und 10). Dem Subjekt und dem Objekt werden nach folgenden Kriterien einzeln Werte zugewiesen. Subjekt: – führt aktiv eine Handlung aus (z. B. essen) – weist einen bestimmten kognitiven Zustand auf (wollen, kennen) – weist ausschließlich passive Beteiligung auf (bekommen) – hat ausschließlich grammatische Bedeutung (expletives es)

2 1 0 −

Objekt: – erfährt eine strukturelle Veränderung (eingedickt werden) – erfährt eine lokale Veränderung (versteckt werden) – ist nicht fühlbar betroffen (gesehen werden)

2 1 0

Kombiniert ergibt sich aus diesen Werten eine 7-stufige Transitivitätsskala:

211

Semantische Faktoren

Transitivitätsgrad

Werte (S-O)

Verb

A

2-2

ausfüllen

A

2-2

eindicken

A

2-2

essen

A

2-2

verbeißen

B

2-1

aussuchen

B

2-1

gebären

B

2-1

hineinbringen

B

2-1

hineinhieven

B

2-1

holen

B

2-1

kaufen

B

2-1

rausdrücken

B

2-1

rausholen

B

2-1

verstecken

B

2-1

verwenden

C

2-0

machen

C

2-0

suchen

C

2-0

zeigen

D

1-0

geniessen

D

1-0

kennen

D

1-0

lustig finden

D

1-0

(sich einen Kopf) machen (‚sich sorgen’)

D

1-0

möchte (‚wollen’)

D

1-0

planen

D

1-0

sehen

D

1-0

verschlafen

D

1-0

wollen

D

1-0

wünschen

E

0-1

bekommen

E

0-1

einfangen (‚erwischt werden’)

E

0-1

erhalten

E

0-1

sich abfrieren

E

0-1

umstimmen (‚etwas stimmt mich um’)

212

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Transitivitätsgrad

Werte (S-O)

Verb

F

0-0

angehen

F

0-0

haben

F

0-0

hinter sich haben

F

0-0

verbringen

G

−-0

bedeuten

G

−-0

betreffen

G

−-0

geben (‚existieren’)

G

−-0

geben (‚werden’)

Tabelle 43: Transitivitätsgrade der Äußerungen mit den angeführten Verben in der Belesammlung

Die Grade A und B zeichnen sich durch eine starke Beteiligung des Subjektreferenten und eine starke oder mittlere Betroffenheit des Objektreferenten aus und können zu einer Obergruppe mit einem hohen Transitivitätsgrad zusammengefasst werden. Die Grade C und D zeichnen sich durch einen hohe oder mittlere Beteiligung des Subjektreferenten, aber fehlende (fühlbare) Betroffenheit des Objektreferenten aus. Grad E unterscheidet sich insofern von den Graden A bis D, als hier das Objekt einen höheren Wert aufweist als das Subjekt. In diesen Sätzen kommt dem Subjekt semantisch die Rolle des Rezipienten (bekommen etc.) oder der Ursache (umstimmen) zu. In diesen Sätzen kommt dem Subjekt semantisch die Rolle des Rezipienten (bekommen etc.) oder der Ursache (umstimmen) zu. Der Subjektreferent weist kein agentivisches Potential auf, der Objektreferent zeigt dagegen in allen Fällen eine mittlere Betroffenheit; die Grade C-E werden deshalb zu einem mittleren Transitivitätsgrad zusammengefasst. Die Grade F und G beinhalten Objektreferenten, die keine (fühlbare) Betroffenheit aufweisen. Bei F weist auch der Subjektreferent keine (nennenswerte) Beteiligung auf, bei G hat das Subjekt ausschließlich grammatische Funktion, ein außersprachlicher Referent existiert nicht. Die beiden Grade werden zu einem niedrigen Transitivitätsgrad zusammengefasst. Tabelle 44 gibt einen Überblick über die Anzahl der Nominativ-/Akkusativbelege bei direkten Objekten geortnet nach dem semantischen Transitivitätsgrad des Satzes. Nominativbelege

Akkusativbelege

FAKTOR SEMANTISCHER TRANSITIVITÄTSGRAD

absolut

in %

absolut

in %

Grad A

1

2.9

3

11.1

Grad B

3

8.8

7

25.9

Hoher Transitivtätsgrad

4

11.8

11

37.0

213

Semantische Faktoren

Nominativbelege

Akkusativbelege

FAKTOR SEMANTISCHER TRANSITIVITÄTSGRAD

absolut

in %

absolut

in %

Grad C

3

8.8

0

0.0

Grad D

11

32.4

8

29.6

Grad E

2

5.9

3

11.1

Mittlerer Transitivitätsgrad

16

47.1

11

40.7

Grad F

10

29.4

6

22.2

Grad G

4

11.8

0

0.0

Niedriger Transitivitätsgrad

14

41.2

6

22.2

Total

34

100.0

27

100.0

Tabelle 44: Faktor semantischer Transitivitätsgrad

Es ist offensichtlich, dass der semantische Transitivitätsgrad einen steuernden Faktor darstellt. Bei den Akkusativbelegen ist der Anteil der Sätze mit einem hohen Transitivitätsgrad (37 %) mehr als drei Mal höher als bei den Nominativbelegen (ca. 12 %). Die Anteile an Sätzen mit mittlerem Transitivitätsgrad unterscheiden sich kaum zwischen den beiden Beleggruppen. Sätze mit niedrigem Transitivitätsgrad treten dagegen bei den Nominativbelegen mit einem Anteil von gut 40 % ungefähr doppelt so häufig auf wie bei den Akkusativbelegen mit einem Anteil von gut 20 %. In kognitiv-semantischer Hinsicht stellen Sätze mit einem hohen Transitivitätsgrad die typischeren transitiven Sätze dar, denn sie versprachlichen eine typische Situation, bei der ein maximal aktives Agens eine maximal wirkungsvolle Handlung vollzieht, von welcher das Patiens maximal betroffenen ist, vgl. z. B. das in Kapitel 2.2.4 vorgestellte, kanonische Ereignismodell nach Langacker (z. B. LANGACKER 1999; LANGACKER 2008). Aufgrund der Prototypizität einer solchen Situation wäre der Hörer sehr wohl in der Lage, eine entsprechende Äußerung auch ohne transparente Markierung ohne Probleme korrekt zu interpretieren. Es tritt aber genau der gegenteilige Effekt ein: Prototypischere Situationen, die dem Modell besser entsprechen, tendieren zur kasusdifferenzierenden Markierungen, während wenig typische Situationen, auf die das Modell nur schlecht passt, eher dazu tendieren, abweichende Markierungen zuzulassen. Schon im 19. Jahrhundert hat TOBLER (1873) aufzuzeigen versucht, dass sich Kasuszusammenfall insbesondere dort zeigt, wo sich Subjekt und Objekt in kognitiv-semantischer Hinsicht wenig unterscheiden, also gerade nicht die typischen semantischen Merkmale maximaler Agentivität vs. maximaler Betroffenheit aufweisen. Die in Kapitel 2.3.1 gemäß TOBLERS (1873) Beobachtung weiterentwickelte Hypothese, dass sich Synkretismus von Nominativ und Akkusativ zuerst bei nicht-prototypischen Subjekten und Objekten zeigt, bestätigt sich hier.

214

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

5.5

ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION

o ik D d fg en sam u Z

Das Schweizerhochdeutsche weist wie der deutschländische und der österreichische Standard Kasusunterscheidung im Maskulinum Singular auf. In normativer Hinsicht gibt es keine formalen Unterscheidungen zwischen den länderspezifischen Standards. Im Schweizerhochdeutschen160 lassen sich nun erste Tendenzen beobachten, im Akkusativ die Formen zu differenzieren. Dies geschieht zumeist durch die Verwendung der Nominativmarkierung anstelle der normativ korrekten Akkusativmarkierung und kann als erstes Anzeichen eines möglichen Kasuszusammenfalls interpretiert werden. Bei den meisten Nominativmarkierungen für Akkusativ handelt es sich um Interferenzen aus den Schweizer Mundarten. Einzig für sog. Kurzformen wird Interferenz aus standardsprachlicher Umgangssprache vermutet. Für die vorliegende Arbeit wurde eine Belegsammlung mit 44 normativ korrekten Akkusativmarkierungen (Akkusativbelege) und 44 Nominativmarkierungen für Akkusativ (Nominativbelege) untersucht. Die Belegsammlung ist zu klein, um statistische Analysen vorzunehmen. Die Belege werden quantitativ ausgewertet und die Anteile in den jeweiligen Beleggruppen vergleichend interpretiert. Aus diesem Verfahren werden gut begründete Hypothesen abgeleitet, welche Faktoren den Gebrauch des Nominativs bzw. des Akkusativs begünstigen oder beschränken. In der Belegsammlung lässt sich für die folgenden Faktoren keine Relevanz nachweisen: – Genus – Akronyme und Abkürzungen – Salienz aufgrund stärkerer Markierung der Phrase – Satzmodus und Satztyp – Markierung des Subjekts (in transitiven Sätzen) Nur geringe Effekte zeigen sich im Hinblick auf: – Kurzformen aufgrund schnellen Sprechens – Gebrauch als Objektskasus Etwas ausführlicher darzustellen sind die Faktoren, für die sich Evidenz in der vorliegenden Analyse findet: Die Präferenz von Possessiva für Nominativmarkierung zeigt sich schon bei einer ersten groben Analyse nach Wortarten (Kapitel 5.2.1.1) und bestätigt sich unverändert bei der Detailanalyse nach Wortarten inklusive Einbezug der Formen und der Zusammenhänge innerhalb von Phrasen (Kapitel 5.2.2.3). 160 Ziemlich sicher können solche Entwicklungen auch jenseits der Grenze beobachtet werden. Die Beschränkung auf das Schweizerhochdeutsche ist wie bei der arealen Analyse in Kapitel 4 den vorhandenen Daten geschuldet: Die in der vorliegenden Arbeit ausgewerteten Belege stammen aus einem Schweizer Forum, in dem sich fast ausschließlich Deutschschweizerinnen austauschen.

Zusammenfassung und Diskussion

215

Die Präferenz des definiten Artikels und anderer stark markierten Determinierer für Akkusativmarkierungen, die in Kapitel 5.2.1.1 aufgezeigt wird, muss bei der detaillierten Analyse dahingehend modifiziert werden, dass sie nur für Phrasen gilt, die kein Adjektiv aufweisen (Kapitel 5.2.2.3). Eine deutliche Tendenz zur Akkusativmarkierung lässt sich für den präpositional regierten Akkusativ feststellen. Ebenso gibt es eine Präferenz von Adverbialien zur Akkusativmarkierung. Es ist noch zu prüfen (siehe unten), inwieweit sich die beiden Faktoren überhaupt trennen lassen, da vermutlich ein großer Teil der Adverbialien aus Präpositionalphrasen besteht und die meisten Präpositionalphrasen als Adverbialien verwendet werden. Als bedeutend erweist sich die Abfolge der Satzglieder. Hier sind mehrere Faktoren zu unterscheiden: –





Wenn das direkte Objekt im Vorfeld steht, ist eine deutliche Präferenz für den Nominativ festzustellen, welcher üblicherweise das erste Satzglied − das Subjekt − markiert, welches wiederum das Thema bzw. Topik des Satzes bildet. Der Faktor zeigt sich darüber hinaus auch bei Konstruktionen, die das Thema/Topik durch andere Mittel explizit herausstellen, vgl. was ... betrifft, was ... angeht. Wenn das Finitum nicht zwischen Subjekt und Objekt steht und damit seine gliedernde Funktion verliert, ist eine deutliche Tendenz zur Akkusativmarkierung festzustellen. Eine entsprechende Anordnung der Satzglieder findet sich, wenn im Hauptsatz das Vorfeld durch das indirekte Objekt oder eine Adverbiale besetzt ist, sowie beim Satzmodus Interrogativsatz mit Finitumerststellung. Vermutlich tritt der Effekt auch auf, wenn im subordinierenden Nebensatz Subjekt wie Objekt vor dem Finitum stehen. Die Erscheinung wird als morphosyntaktische Disambiguierung interpretiert, welche die korrekte Rezeption dieser vom deutschen Standardsatz abweichenden Abfolge der Satzglieder erleichtert. Als Disambiguierung bzw. Rezeptionshilfe wird ferner die gehäuft auftretende Akkusativmarkierung in Sätzen verstanden, welche sich durch eine elliptische Auslassung des Subjekts auszeichnen. Wenn ein Konstruktionstyp im Allgemeinen kein grammatisches Subjekt aufweist, ist hingegen eine deutliche Tendenz zur Nominativmarkierung zu beobachten. Offensichtlich kann auf eine differenzierende Markierung verzichtet werden. Es gibt zwei Konstruktionstypen, auf die dieses Merkmal zutrifft: Infinitivsätze weisen außer dem Verb ausschließlich ein Objekt auf. In Imperativsätzen der 2. Person ist der explizite Ausdruck des Subjekts hingegen nicht ungrammatisch, aber stark markiert.

Des Weiteren wird die Beobachtung bestätigt, dass Konstruktionen, für die es ein semantisches Pendant gibt, welches grammatisch den Nominativ verlangt, stark zu Nominativ tendieren. In der Belegsammlung finden sich Pseudo-Kopula, vgl. das ist + Nominativ vs. das bedeutet + Akkusativ, sowie semantische Pendants zur Existenzrelation, vgl. es existiert + Nominativ vs. es gibt + Akkusativ.

216

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

Deutlich ist die Tendenz von Sätzen mit einem hohen semantischen Transitivitätsgrad zur Akkusativmarkierung, während Sätze mit einem niedrigen Transitivitätsgrad klar zur Nominativmarkierung tendieren. Sätze mit einem hohen semantischen Transitivitätsgrad sind in kognitiv-semantischer Hinsicht typischer als solche mit einem niedrigen Transitivitätsgrad. Daraus folgt, dass der interferenzielle Nominativgebrauch insbesondere im nicht-prototypischen Bereich auftritt, während der prototypische Bereich mit einem stark agentivischen Agens, einer wirkungsvollen Handlung und einem stark betroffenen Patiens deutlich zur Kasusdifferenzierung neigt. Es wurde der Effekt beobachtet, dass Adverbialien vermutlich zu einem Großteil aus Präpositionalphrasen bestehen und umgekehrt, sodass die beiden Faktoren nicht sauber getrennt werden können. Dies legt den Verdacht nahe, dass es weitere − bislang unentdeckte − strukturell bedingte oder gar zufällige Beziehungen zwischen den Faktoren gibt, die zu einer Fehlinterpretation der vorwiegend quantitativ erarbeiteten Ergebnisse führen. Um einer solchen Fehlinterpretation entgegenzuwirken, werden sämtliche Faktoren, die sich als vermeintlich relevant erwiesen haben, noch einmal in ihrem Wirkungsgrad für jeden einzelnen Beleg ausgewiesen, vgl. die folgenden Tabellen 45 und 46. Ein dunkel markiertes Feld bedeutet, dass der entsprechende Faktor (Spalte) diesen Beleg (Zeile) für diese Beleggruppe bzw. Markierung (Nominativbeleg oder Akkusativbeleg) prädestiniert. Beispielsweise weist Beleg 1 einen niedrigen semantischen Transitivitätsgrad, Topikalisierung des Objekts und semantische Parallelität zur es existiert + Nominativ-Konstruktion (unter Pseudo-Kopula subsumiert) auf; Dies sind alles Faktoren, welche die Nominativmarkierung, die der Beleg aufweist, begünstigen. Ein hellgraues Feld bedeutet, dass der entsprechende Faktor diesen Beleg gerade für die andere Beleggruppe prädestinieren würde. Beispielsweise ist das Objekt des Belegs 1 als Demonstrativum realisiert, das als definiter Determinierer ohne Adjektiv zur Akkusativmarkierung tendieren würde. Keine Markierung bedeutet, dass der Beleg von dem entsprechenden Faktor unberührt bleibt. Einige Faktoren betreffen nur direkte Objekte. Für diese Faktoren weisen nicht betroffene Belege keine Tabellenfelder auf. Die Anordnung der Faktoren und die Reihenfolge der Belege ist auf eine bestmögliche Erkennbarkeit der Zusammenhänge ausgerichtet. Deshalb unterscheidet sich die Gliederung der Faktoren in den beiden Beleggruppen. Die Belege sind in den Anhängen 9 und 10 in der hier gewählten Reihenfolge aufgeführt. Die folgende Abbildung 5 bezieht sich auf die Nominativbelege:

niedrig

hoch

Abbildung 5: Korrelation der für die Nominativbelege relevanten Faktoren

nach Präposition

st.Det. ohne Adj.

Disambiguierung

Possessivum

keinSubjekt

Pseudo-Kopula

Topik

Transitivitätgrad

Nummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Adverbiale

217

Zusammenfassung und Diskussion

218

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

hoch

niedrig

Pseudo-Kopula

kein Subjekt

Topik

Possessivum

Adverbiale

nach Präposition

st.Det. ohne Adj.

Disambiguierung

Transitivtätsgrad

Nummer

Die einzige eindeutige Inklusionsbeziehung besteht bei den Pseudo-Kopula und ähnlichen Konstruktionen, die alle einen niedrigen Transitivitätsgrad aufweisen. Dies ist nicht überraschend: Dieser Konstruktionstyp definiert sich durch seine semantische Nähe zu Konstruktionen, die für das Argument, das dem Objekt entspricht, einen Nominativ (Subjekt oder Prädikativum) aufweisen, also intransitiv sind. Zwei Drittel der Belege, bei denen das Subjekt im Allgemeinen aufgrund grammatischer Bedingungen (Infinitivsatz, Imperativsatz) fehlt, weisen gleichzeitig beim Objekt ein Possessivum auf. Ein ursächlicher Zusammenhang ist unwahrscheinlich. Der Faktor Possessivum darf wohl als relevant gelten, da er für viele Belege den einzigen festgestellten Steuerungsfaktor darstellt. Möglich wäre dagegen, dass der Faktor fehlendes Subjekt sich bei einer Prüfung nicht als unabhängiger Faktor erweisen würde. Für 11 Belege, also insgesamt ein Viertel der Beleggruppe, wurde kein begünstigender Faktor ermittelt. Ein Großteil davon (9 Belege) weist sogar Eigenschaften auf, welche den Beleg für die andere Beleggruppe begünstigen würde. Diese Belege zeigen also entgegen allen Erwartungen Nominativinterferenz. Die folgende Abbildung 6 weist die für die Akkusativbelege relevanten Faktoren aus:

kein Subjekt

Topik

Possessivum

Adverbiale

nach Präposition

st.Det. ohne Adj.

Disambiguierung

Transitivtätsgrad

Nummer

Pseudo-Kopula

219

Zusammenfassung und Diskussion

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Abbildung 6: Korrelation der für die Akkusativbelege relevanten Faktoren

Eine erste Beobachtung betrifft die Sätze mit einem niedrigen Transitivitätsgrad, die eine deutliche Tendenz zur Nominativmarkierung aufweisen. Für fünf der sechs Belege mit niedrigem Transitivitätsgrad, die trotzdem akkusativmarkiert sind, zeigt sich, dass die syntaktische Struktur des Satzes nach einer transparenten Markierung zur Disambiguierung der Satzglieder verlangt (bei allen fünf Belegen stehen Subjekt und Objekt nach dem Finitum). Deutlich zeigt sich, dass fast alle Adverbialien mit Akkusativmarkierung (9 von 10) als Präpositionalphrasen realisiert sind. Bei den Nominativbelegen (vgl. Abbildung 5) finden sich dagegen vier Adverbialien, von denen drei nicht als Präpositionalphrasen realisiert sind. Der entscheidende Faktor ist die Rektion durch Präposition. Für die nicht-präpositionalen Adverbialien lässt sich eindeutig keine Präferenz für Akkusativmarkierung feststellen. Schließlich sind ergänzende Bemerkungen zur Präferenz der Akkusativmarkierung bei Phrasen mit stark markiertem Determinierer möglich, welche sich nur bei Phrasen ohne Adjektiv zeigt und die bislang nicht schlüssig begründet werden konnte. Von den 23 Belegen handelt es sich bei elf um Präpositionalphrasen. Umgekehrt weisen nur 3 Präpositionalphrasen keinen stark markierten Determinierer auf. Es sind also insbesondere Phrasen wie in den Zirkus, in jeden Schoppen, die eine starke Tendenz zur Akkusativmarkierung aufweisen. Dieser Zusammenhang zwischen präpositionaler Rektion und stark markiertem Determi-

220

Interferenzen im Schweizerhochdeutschen

nierer dürfte informationsstrukturelle Gründe haben, vgl. beispielsweise den folgenden Beleg: (37) P19: […] um fünf hab ich ihn dann wieder in den Schlafsack gelegt! Die Phrase tritt als Adverbiale im rhematischen Teil des Satzes auf, bildet aber keinen zentralen Punkt der Aussage. Dass es einen Schlafsack gibt, in den das Kind zum Schlafen gelegt wird, gehört zum Setting einer solchen Szene und wird deshalb als bekannt vorausgesetzt (markiert durch den definiten Artikel). Da der Schlafsack keine wesentliche Bedeutung für den ausgedrückten Sachverhalt hat, ist es nicht notwendig, ihn näher zu beschreiben. Dies weist darauf hin, weshalb solche Phrasen im Allgemeinen kein Adjektiv aufweisen: Weitere semantische Information ist hier überflüssig. Des Weiteren treten sieben der verbleibenden zwölf Phrasen mit stark markiertem Determinierer in Kontexten auf, die eine syntaktische induzierte Disambiguierung aufweisen, drei davon zusätzlich in hoch transitiven Sätzen. Von den verbleibenden fünf Belegen finden sich zwei weitere in hochtransitiven Sätzen. Es bleiben schließlich drei Belege, bei denen der stark markierte Determinierer den einzigen festgestellten Faktor für die Akkusativmarkierung bildet. Wie die Ausführungen zur Adverbiale zeigen, ist es kein Zufall, dass Phrasen mit stark markiertem Artikel, aber ohne Adjektiv, bei den Akkusativbelegen gehäuft auftreten. Sie stellen aber vermutlich keinen unabhängigen Faktor dar. Die durch die Korrelation der einzelnen Faktoren gewonnenen Einsichten machen deutlich, dass die Faktoren für eine gesicherte Aussage unabhängig voneinander zu prüfen sind. Die in der vorliegenden Arbeit ausgewertete Belegsammlung ist dafür zu klein. Notwendig wäre ein massiv größeres Korpus, das den Vergleich von Belegen erlaubt, welche sich in nur einem Faktor unterscheiden. Da solche Interferenzbelege bislang nur gelegentlich auftreten, wird eine solche − methodisch wünschenswerte − Prüfung der Faktoren vorderhand vermutlich nicht möglich sein. Als Alternative denkbar ist ein gezieltes Abfragen von Akzeptabilitätsurteilen, welches die Variation einzelner Faktoren erlauben würde. Zu befürchten ist aber, dass Nominativmarkierungen − die einen deutlichen Verstoß gegen die geltende Normierung darstellen − fast durchweg rigoros abgelehnt würden. Einige der ermittelten Faktoren geben Hinweise darauf, wie die Differenzierung der Formen stattfindet: So zeigt sich beispielsweise deutlich, dass Possessiva besonders zur Nominativmarkierung tendieren, ohne dass in der vorliegenden Arbeit eine schlüssige Erklärung gefunden wurde, weshalb dies der Fall ist. Auch sind beispielsweise Objekte im Vorfeld besonders anfällig für Nominativinterferenzen (wie), weil sie die Stelle im Satz einnehmen, die üblicherweise dem nominativmarkierten (formale Ebene) Subjekt (syntaktische Ebene) zukommt, welches das Topik bildet (informationsstrukturelle Ebene). In einer solchen Argumentation begründet die jeweils nächste angesprochene Ebene die Evidenz der vorangehenden Ebene, so dass eine klare Trennung nach dem wie und dem weshalb offensichtlich nicht möglich ist. Ungeachtet dessen geben die ermittelten Faktoren interessante Antworten auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit.

6

FAZIT UND AUSBLICK

F lck sb A d n azitu lck sb A d n azitu F

Ausgehend von der Beobachtung, dass in den meisten Schweizer Dialekten anders als im Standarddeutschen Nominativ und Akkusativ im Maskulinum Singular außer beim Personalpronomen zusammengefallen sind, untersucht die vorliegende Arbeit die folgende Frage: Wo, wann, wie und weshalb ist die Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ im Maskulinum Singular entstanden? In Kapitel 3 wird aufgezeigt, dass es sich beim beobachteten Phänomen um die konsequente Weiterentwicklung des Zusammenfalls handelt, der beispielsweise beim definiten Artikel und beim stark deklinierten Adjektiv seit dem Althochdeutschen im Maskulinum Plural und etwas später auch im Femininum Singular zu beobachten ist. In den übrigen Paradigmapositionen ist Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ schon seit dem Indogermanischen belegt. In Kapitel 4 werden die Formen des definiten Artikels in der Schweiz im Verlauf der letzten zweihundert Jahre untersucht. Dafür werden Daten einer Sammlung von 42 Dialektproben für die Dialekte anfangs des 19. Jahrhunderts, ältere Ortsgrammatiken aus dem frühen 20. Jahrhundert sowie anfangs dieses Jahrhunderts flächendeckend erhobene Daten für den SADS erstmals systematisch ausgewertet. Die areallinguistischen Darstellungen verschiedener morphosyntaktischer Kontexte (vgl. Kapitel 4.4.2 bis 4.4.4) auf vier Zeitebenen und deren abschließende Auswertung im Hinblick auf lokale Artikelsysteme (vgl. Kapitel 4.4.6) zeichnet ein dynamisches und wesentlich differenzierteres Bild der unterschiedlichen Entwicklungen in verschiedenen Regionen der Schweiz. In Kapitel 5 werden Interferenzphänomene im Schweizerhochdeutschen untersucht. Die vorwiegend quantitative Analyse einer kleineren Sammlung von jeweils 44 Belegen, die eine normativ korrekte Akkusativmarkierung bzw. eine Nominativmarkierung statt Akkusativ aufweisen, erlaubt die Ableitung evidenzbasierter Hypothesen zu Faktoren, die den beobachteten Synkretismus steuern. wann und wo Die Dynamik der einzelnen Artikelsysteme zeigt für den Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ einen graduellen Nord-Süd-Verlauf mit progressiven Gebieten im Norden und konservativen Gebieten im Süden. Einfluss auf die Entwicklung der Artikelformen nimmt aber auch ein fortschreitender Typenwechsel von synkretistischem dr zu synkretistischem dǝ, welcher sich vom zentralen Norden ausgehend nach (Süd-)Osten ausbreitet. Für weitere Ausführungen wird auf die Zusammenfassung in Kapitel 4.5 verwiesen.

222

Fazit und Ausblick

wie und weshalb Sowohl der historische Rückblick in Kapitel 3, die umfassende Darstellung der Formen des definiten Artikels Maskulinum Singular in Kapitel 4 als auch die Interferenzanalyse in Kapitel 5 weisen deutlich darauf hin, dass Synkretismus nicht durch phonetische Erosion, sondern durch die Übertragung der einen Kasusform auf den anderen Kasus geschieht. Solche Formübertragungen sind vom Akkusativ auf den Nominativ und umgekehrt belegt. Nur bei den Interferenzbelegen ist ausschließlich der Gebrauch der Nominativform für Akkusativ zu beobachten. Der Übergang von vollständiger Kasusunterscheidung mit einer Form für Nominativ und einer Form für Akkusativ findet sich Anfang des 19. Jahrhunderts im äußersten südlichen Berggebiet und im Nordosten der Schweiz belegt. Schon zu dieser Zeit ist in den nördlichen Gebieten, auf späteren Zeitebenen in der ganzen Schweiz eine Differenzierung der Formen zu beobachten. Sonderformen im Akkusativ sind nach Präposition in der (nord-)westlichen Schweiz und in der Zentralschweiz schon länger festzustellen und nicht auf Synkretismustendenzen zurückzuführen. Trotzdem ist in diesen Gebieten die Einheitlichkeit der Artikelform bereits aufgebrochen. Weitere Differenzierungen sind als Folge des Zusammenfalls im Akkusativ und als Folge des Typenwechsels in beiden Kasus zu beobachten. Diese Differenzierungen treten in unterschiedlichen morphosyntaktischen Kontexten und/oder innerhalb ein und desselben Kontextes auf. Nach einer (kürzeren oder längeren) Übergangszeit ist die Entwicklung zu einem einheitlichem System mit einer Form für beide Kasus in allen morphosyntaktischen Kontexten zu beobachten. Vollständig abgeschlossen ist dieser Prozess nach den für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Daten erst in einem kleinen Gebiet ganz im Nordwesten der Schweiz, eine deutliche Entwicklung in diese Richtung lässt von den Darstellungen des SDS zu den aktuellen Daten des SADS im zentralen Norden und im Nordosten beobachten. Einblick in die Faktoren, welche die beobachtete Differenzierung der Formen steuern können, gewähren die Resultate der Interferenzanalyse in Kapitel 5. Wie in Kapitel 4 zeigen die präpositional regierten Formen Besonderheiten. Während sie in den Dialekten in großen Gebieten der Schweiz lange vor den ersten Synkretismustendenzen im Maskulinum Singular Sonderformen entwickelt haben, neigen sie im Schweizerhochdeutschen deutlich zur Akkusativmarkierung. Letzteres düfte durchaus eine direkte Folge ihres Sonderstatus in der Mundart sein. In der Einleitung (vgl. Kapitel 2.2.1) wird ausgeführt, dass in den Mundarten die Kasusunterscheidung beim definiten Artikel und vermutlich auch beim stark deklinierten Adjektiv länger erhalten blieb als bei anderen Wortarten. In Kapitel 4.4.4. zeigt sich des Weiteren, dass in der Nordostschweiz die Kasusunterscheidung beim Demonstrativum länger besteht als beim definiten Artikel. Auch bei der Interferenzanlyse (vgl. Kapitel 5.2.1.1) zeigt sich ein Wortarteneffekt. Eine deutliche Präferenz für die Akkusativmarkierung zeigt wiederum der definite Artikel. Da dieser in den Mundarten inzwischen bis auf kleine Reliktgebiete vollständig mit dem Nominativ zusammengefallen ist, darf ein direkter Einfluss der

Fazit und Ausblick

223

Mundartformen − anders als bei präpositional regierten Akkusativen − ausgeschlossen werden. Weitere Faktoren, die sich aus der Interferenzanalyse ableiten lassen, werden in Kapitel 5.5 zusammengefasst. Ausblick Mehrfach ausgedrückt wurde die Notwendigkeit, die ermittelten Faktoren in einem größeren Rahmen zu prüfen. Aufgrund der methodischen Beschränkungen sind die Faktoren als Hypothesen zu verstehen, welche für die konkrete Fragestellung weiterer Forschungen wichtige Impulse geben können. Nicht zufriedenstellend beantwortet wird die Frage nach der arealen Ausdehnung des Nominativ-Akkusativ-Synkretismus im Maskulinum Singular jenseits der Schweizer Grenze. Ebenso wenig wird deutlich, von wo der im zentralen Norden der Schweiz festgestellte und sich ausbreitende Typenwechsel ausgeht. Hierzu sind weitere Untersuchungen wünschenswert. Interessant ist die Frage, was für ein Artikelsystem die Gebiete entwickeln werden, die sich im Zustand der Formendiffenzierung befinden. Im Norden zeigen sich deutliche Tendenzen zu einer Einheitsform. Dies ist aber keineswegs der einzig mögliche oder wahrscheinliche Weg: DAL NEGRO (2004) beschreibt, dass sich insbesondere in isolierten Walser Sprachinseln interessante Weiterentwicklungen beobachten lassen, die den teilweise erfolgten Zusammenfall nicht weiterführen, sondern das dadurch entstandene Nebeneinander verschiedener Formen zum Ausbau neuer Kategorien oder Unterdifferenzierungen nutzen. So ist beispielsweise in Issime (Italien) ein System entstanden, bei dem die verschiedenen Artikelformen nicht mehr Kasus markieren, sondern bei Maskulina einerseits den Belebtheitsgrad des Referenten, andererseits den Individualisierungsgrad (d. h. individuelle vs. generische Referenz) im konkreten Kontext differenzieren. Es bleibt also spannend, die sich vollziehenden Entwicklungen zu beobachten.

LITERATUR iterau L

MONOGRAFIEN UND AUFSÄTZE sätz A d rafieu g n o M

[ANONYMUS] (1874): Die interessantesten Erscheinungen im Schweizerdeutschen. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 53/29, 171−184. ABEGG, EMIL (1913): Die Mundart von Urseren. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 4). ALBER, BIRGIT / STEFAN RABANUS (2011): Kasussynkretismus und Belebtheit in germanischen Pronominalparadigmen. In: GLASER, ELVIRA / JÜRGEN ERICH SCHMIDT / NATASCHA FREY (Hg.): Dynamik des Dialekts − Wandel und Variation. Akten des 3. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD). Stuttgart: Franz Steiner, 23−46. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 144). AMMON, ULRICH (1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem nationaler Varietäten. Berlin/New York: de Gruyter. AMMON, ULRICH / HANS BICKEL / JAKOB EBNER / RUTH ESTERHAMMER / MARKUS GASSER / LORENZ HOFER / BIRTE KELLERMEIER-REHBEIN / HEINRICH LÖFFLER / DORIS MANGOTT / HANS MOSER / ROBERT SCHLÄPFER / MICHAELSCHLOSSMACHER / REGULA SCHMIDLIN / GÜNTER VALLASTER (2004): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Berlin/New York: de Gruyter. BAMMESBERGER, ALFRED (1990): Die Morphologie des urgermanischen Nomens. Heidelberg: Winter. BARUFKE, BIRGIT / ROSEMARIE SPANNBAUER-POLLMANN (1989): Artikelparadigmen im Deutschen. In: EROMS, HANS-WERNER (Hg.): Probleme regionaler Sprachen. Hamburg: Buske, 125−178. (Bayreuther Beiträge zur Dialektologie. 4). BAUMGARTNER, HEINRICH (1922): Die Mundarten des Berner Seelandes. Frauenfeld: Huber. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 14). BERGER, JAKOB (1913): Die Laute der Mundarten des St. Galler Rheintals und der angrenzenden vorarlbergischen Gebiete. Frauenfeld: Huber. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 3). BINZ, GUSTAV (1888): Zur Syntax der Baselstädtischen Mundart. Stuttgart: Druck von Gebrüder Kröner. BITTNER, DAGMAR (2002): Semantisches in der pronominalen Flexion des Deutschen. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 21/2, 196−233. BLAKE, BARRY J. (2001): Case. 2. Auflage. Cambridge: Cambridge University Press. BOHNENBERGER, KARL (1913): Die Mundart der deutschen Walliser im Heimattal und in den Außenorten. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 6). BOSSARD, HANS (1962): Zuger Mundartbuch. Grammatik und Wörterverzeichnisse. Ein Wegweiser zur Guten Mundart. Zürich: Schweizer Spiegel Verlag. BRUGMANN, KARL (1904): Kurze vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen. Strassburg: Trübner. BRUN, LEO (1918): Die Mundart von Obersaxen im Kanton Graubünden. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 11). BUCHELI BERGER, CLAUDIA (2008): Neue Technik, alte Probleme: auf dem Weg zum Syntaktischen Atlas der Deutschen Schweiz (SADS). In: ELSPASS, STEPHAN / WERNER KÖNIG (Hg.):

226

Literatur

Sprachgeographie digital − die neue Generation der Sprachatlanten. Hildesheim: Olms, 29−44. (Germanistische Linguistik. 190/191). BUCHELI BERGER, CLAUDIA (2010): Dativ für Akkusativ im Senslerischen (Kanton Freiburg). In: CHRISTEN, HELEN / SIBYLLE GERMANN / WALTER HAAS / NADIAMONTEFIORI / HANS RUEF (Hg.): Alemannische Dialektologie: Wege in die Zukunft. Beiträge zur 16. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Freiburg/Fribourg vom 07.−10.09.2008. Stuttgart: Steiner, 71−83. (Zeitschrift für Dialekte und Linguistik. Beihefte. 141). BUCHELI BERGER, CLAUDIA / ELVIRA GLASER (2004): Zur Morphologie des (ko)prädikativen Adjektivs und Partizips II im Alemannischen und Bairischen. In: PATOCKA, FRANZ / PETER WIESINGER (Hg.): Morphologie und Syntax deutscher Dialekte und Historische Dialektologie des Deutschen. Beiträge zum 1. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Marburg/Lahn, 5.−8. März 2003. Wien: Praesens, 189−226. CHOMSKY, NOAM (1965): Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge, Mass.: MIT Press. CLAUSS, WALTER (1929): Die Mundart von Uri. Laut- und Flexionslehre. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 17). CLAUSS, WALTER (1969): Die Urner Mundart, ihre Laute und Flexionsformen. Altdorf: Kantonsbibliothek Uri. COMRIE, BERNARD (1995): Language Universals and Linguistic Typology. 2. Auflage. Oxford: Blackwell. CROFT, WILLIAM (2003): Typology and Universals. 2. Auflage. Cambridge: Cambridge University Press. DAL, INGERID (1971): Entwicklungstendenzen im germanischen Kasussystem. In: DAL, INGERID: Untersuchungen zur germanischen und deutschen Sprachgeschichte. Oslo [u.a.]: Universitetsforlaget, 181−193. DAL NEGRO, SILVIA (2004): Artikelmorphologie. Walserdeutsch im Vergleich zu anderen alemannischen Dialekten. In: GLASER, ELVIRA / PETER OTT / RUDOLF SCHWARZENBACH (Hg.): Alemannisch im Sprachvergleich. Beiträge zur 14. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Männedorf (Zürich) vom 16.−18.9.2002. Wiesbaden: Franz Steiner, 101−111. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 129). DAUWALDER, HANS (1992): Haslitiitsch. Wie mma s seid und cha schriiben. Eine haslideutsche Kurzgrammatik. Meiringen: Verlag Gemeinnütziger Verein Meiringen. DUDEN (2009): Die Grammatik. 8., überarbeitete Auflage, herausgegeben von der Dudenredaktion. Mannheim [u.a.]: Dudenverlag. (Duden. 4). DUDEN (2013): Die deutsche Rechtschreibung. 26. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, herausgegeben von der Dudenredaktion. Mannheim [u.a.]: Dudenverlag. (Duden. 1). DÜRSCHEID, CHRISTA (1999): Die verbalen Kasus des Deutschen. Untersuchungen zur Syntax, Semantik und Perspektive. Berlin/New York: de Gruyter. DÜRSCHEID, CHRISTA (2007): Quo vadis, Casus? Zur Entwicklung der Kasusmarkierung im Deutschen. In: LENK, HARTMUT / MAIK WALTER (Hg.): Wahlverwandtschaften. Valenzen − Verben − Varietäten. Festschrift für Klaus Welke zum 70. Geburtstag. Hildesheim [u.a.]: Olms, 89−112. (Germanistische Linguistik. 188/189). DÜRSCHEID, CHRISTA / NADIO GIGER (2010): Variation in the Case System of German. Linguistic Analysis and Optimality Theory. In: LENZ, ALEXANDRA N. / ALBRECHT PLEWNIA (Hg.): Grammar between Norm and Variation. Frankfurt a. M.: Peter Lang, 167−192. DÜRSCHEID, CHRISTA / INGA HEFTI (2006): Syntaktische Merkmale des Schweizer Standarddeutsch. Theoretische und empirische Aspekte. In: DÜRSCHEID, CHRISTA / MARTIN BUSINGER (Hg.): Schweizer Standarddeutsch. Beiträge zur Varietätenlinguistik. Tübingen: Narr, 131−161. e-HLS = Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) (Hg.): Historisches Lexikon der Schweiz. Online-Ausgabe: (besucht 07.08.2013). EISENBERG, PETER (2006a): Grundriss der deutschen Grammatik. Band 1: Das Wort. 3., durchgesehene Auflage. Stuttgart/Weimar: Metzler.

Monografien und Aufsätze

227

EISENBERG, PETER (2006b): Grundriss der deutschen Grammatik. Band 2: Der Satz. 3., durchgesehene Auflage. Stuttgart/Weimar: Metzler. ENDERLIN, FRITZ (1913): Die Mundart von Kesswil im Oberthurgau. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 5). FILLMORE, CHARLES J. (1968): The Case for Case. In: BACH, EMMON / ROBERT T. HARMS (Hg.): Universals in Linguistic Theory. London etc.: Holt, Rinehart, and Winston, 1−88. FILLMORE, CHARLES J. (1977): Plädoyer für Kasus. Übersetzung von FILLMORE 1968, übertragen von Werner Abraham. In: ABRAHAM, WERNER (Hg.): Kasustheorie. 2. korr. Auflage. Wiesbaden: Athenaion, 1−118. FISCHER, LUDWIG (1960/1989): Luzerndeutsche Grammatik. Ein Wegweiser zur guten Mundart. Reprint-Ausgabe. Hitzkirch: Comenius Verlag. FLEISCHER, JÜRG (2007): Zur Herkunft des flektierten prädikativen Adjektivs im Höchstalemannischen. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 74, 196−240. FLEISCHER, JÜRG (2014): Das flektierte prädikative Adjektiv und Partizip in den WenkerMaterialen. In: DOMINIQUE HUCK (Hg.): Alemannische Dialektologie: Dialekte im Kontakt. Beiträge zur 17. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Straßburg vom 26.−28.10.2011. Stuttgart: Steiner, 147−168. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 155). GABRIEL, EUGEN (1985): Einführung in den Vorarlberger Sprachatlas mit Einschluß des Fürstentums Liechtenstein, Westtirols und des Allgäus (VALTS). Bregenz: Vorarlberger Landesregierung. GERRITSEN, MARINEL (2001): The dialectology of Dutch. In AUROUX, SILVAIN / E.F.K. KOERNER / HANS-JOSEF NIEDEREHE / KEES VERSTEEGH (Hg.): History of the Language Sciences. An International handbook of the Evolution of the Study of Language from the Beginnings to the Present. Volume 2. Berlin/New York: De Gruyter, 1536−1553. GIGER, NADIO (2015): Generative Varietätengrammatik am Beispiel der Nominativ-AkkusativVariation im Schweizerhochdeutschen. Tübingen: Stauffenburg. GLÜCK, HELMUT (Hg.) (2010): Metzler Lexikon Sprache. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Stuttgart: Metzler. HEINE, BERND / TANIA KUTEVA (2002): World Lexicon of Grammaticalization. Cambridge: Cambridge University Press. HELBIG, GERHARD / JOACHIM BUSCHA (2011): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 7. Auflage. Berlin etc.: Langenscheidt. HENTSCHEL, ELKE (2010): Dativ. In: HENTSCHEL, ELKE (Hg.): Deutsche Grammatik. Berlin/New York: de Gruyter, 55−61. HENTSCHEL, ELKE / HARALD WEYDT (2013): Handbuch der deutschen Grammatik. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin/Boston: de Gruyter. HENZEN, WALTER (1927): Die deutsche Freiburger Mundart im Sense- und südöstlichen Seebezirk. Frauenfeld: Huber. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 16). HILDEBRAND, RUDOLF (1869): Ein wunderlicher rheinischer Accusativ. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 1, 442−448. HOPPER, PAUL J. / SANDRA A. THOMPSON (1980): Transitivity in Grammar and Discourse. In: Language 56/2, 251−299. HOTZENKÖCHERLE, RUDOLF (1934): Die Mundart von Mutten. Laut- und Flexionslehre. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 19). HOTZENKÖCHERLE, RUDOLF (1962a): Einführung in den Sprachatlas der Deutschen Schweiz. Band A: Zur Methodologie der Kleinraumatlanten. Bern: Francke. HOTZENKÖCHERLE, RUDOLF (1962b): Einführung in den Sprachatlas der Deutschen Schweiz. Band B: Fragebuch, Transkriptionsschlüssel, Aufnahmeprotokolle. Bern: Francke. HOVE, INGRID (2006): Zur Unterscheidung des Schweizerdeutschen und der (schweizerischen) Standardsprache. In: CHRISTEN, HELEN / EVELYN ZIEGLER (Hg.): Sprechen, Schreiben, Hören. Zur Produktion und Rezeption von Dialekt und Standardsprache zu Beginn des 21. Jahr-

228

Literatur

hunderts. Beiträge zum 2. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Wien, 20.−23. September 2006. Wien: Praesens, 63−81. IGGESEN, OLIVER A. (2005): Case-Asymmetrie. A world-wide typological study on lexeme-classdependent derivations in morphological case inventories. München: Lincom. JUTZ, LEO (1925): Die Mundart von Südvorarlberg und Liechtenstein. Heidelberg: Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung. KAKHRO, NADJA (2005): Die Schweizer Wenkersätze. In: Linguistik online 24, 3/05, 155−169. KEENAN, EDWARD L. (1976): Towards a Universal Definition of ‚Subjekt’. In: LI, CHARLES N. (Hg.): Subject and Topic. New York etc.: Academic Press, 303−333. KÖNIG, WERNER (1978/2011): dtv-Atlas Deutsche Sprache. 17., durchgesehene und korrigierte Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. KÖNIG, WERNER / RENATE SCHRAMBKE (1999): Die Sprachatlanten des schwäbisch-alemannischen Raumes. Bühl/Baden: Konkordia. KÖPCKE, MICHAEL (1993): Schemata bei der Pluralbildung im Deutschen. Versuch einer kognitiven Morphologie. Tübingen: Narr. (Studien zur deutschen Grammatik. 47). KRAHE, HANS / WOLFGANG MEID (1969): Germanische Sprachwissenschaft. II Formenlehre. 7. Auflage. Berlin: de Gruyter. LANGACKER, RONALD W. (1999): Grammar and Conceptualization. Oxford: Oxford University Press. LANGACKER, RONALD W. (2008): Cognitive Grammar. A Basic Introduction. Oxford: Oxford University Press. LEHMANN, CHRISTIAN (1995): Thoughts on Grammaticalization. München: Lincom Europa. LINGG, ANNA-JULIA (2006): Kriterien zur Unterscheidung von Austriazismen, Helvetismen und Teutonismen. In: DÜRSCHEID, CHRISTA / MARTIN BUSINGER (Hg.): Schweizer Standarddeutsch. Beiträge zur Varietätenlinguistik. Tübingen: Narr, 23−48. LÖFFLER, HEINRICH (2003): Dialektologie. Eine Einführung. Tübingen: Narr. LURAGHI, SILVIA (2000): Synkretismus. In: BOOIJ, GEERT / CHRISTIAN LEHMANN /JOACHIM MUGDAN (Hg.): Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. Erster Halbband. Berlin/New York: de Gruyter, 638−647. MARTI, WERNER (1985): Berndeutsch-Grammatik für die heutige Mundart zwischen Thun und Jura. Bern: Francke. MEID, WOLFGANG (1975): Probleme der räumlichen und zeitlichen Gliederung des Indogermanischen. In: RIX, HELMUT (Hg.): Flexion und Wortbildung. Akten der V. Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft Regensburg, 9.−14. September 1973. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert, 204−219. MEINHERZ, PAUL (1920): Die Mundart der Bünder Herrschaft. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 13). PAUL, HERMANN (2007): Mittelhochdeutsche Grammatik. 25. Auflage, bearbeitet von Peter Wiehl und Siegfried Grosse. Tübingen: Niemeyer. RABANUS, STEFAN (2008): Morphologisches Minimum. Distinktionen und Synkretismen im Minimalsatz hochdeutscher Dialekte. Stuttgart: Franz Steiner. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 134). RAUH, GISA (1988): Tiefenkasus, thematische Relationen und Thetarollen. Tübingen: Narr. (Tübinger Beiträge zur Linguistik. 309). REIFFENSTEIN, INGO (1982): Das phonetische Beschreibungsprinzip als Ergebnis junggrammatischer und dialektologischer Forschungsarbeiten. In: BESCH, WERNER / ULRICH KNOOP / WOLFGANG PUTSCHKE / HERBERT E. WIEGAND (Hg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. Erster Halbband. Berlin/New York: de Gruyter, 23−38. ROWLEY, ANTHONY R. (2004): Das Leben ohne Genitiv und Präteritum. Oberdeutsche Morphologien im Vergleich. In: GLASER, ELVIRA / PETER OTT / RUDOLF SCHWARZENBACH (Hg.): Alemannisch im Sprachvergleich. Beiträge zur 14. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie

Monografien und Aufsätze

229

in Männedorf (Zürich) vom 16.−18.9.2002. Wiesbaden: Franz Steiner, 343−362. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 129). SCHIRMUNSKI, VIKTOR (1962): Deutsche Mundartkunde. Vergleichende Laut- und Formenlehre der deutschen Mundarten. Berlin: Akademie. SCHMID, KARL (1915): Die Mundart des Amtes Entlebuch im Kanton Luzern. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 7). SCHOBINGER, VIKTOR (1984/2007): Zürichdeutsche Kurzgrammatik. 3. Auflage. Zürich: Schobinger. SCHEUTZ, HANNES (2005): Perspektiven einer neuen Dialekt-Syntax. In: EGGERS, ECKHARD / JÜRGEN ERICH SCHMIDT / DIETER STELLMACHER (Hg.): Moderne Dialekte − Neue Dialektologie. Stuttgart: Steiner, 291−312. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 130). SEILER, GUIDO (2003): Präpositionale Dativmarkierung im Oberdeutschen. Stuttgart: Franz Steiner. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. 124). SHRIER, MARTHA (1965): Case Systems in German Dialects. In: Language 41/3, 420−438. SOCIN, ADOLF (1888/1970): Schriftsprache und Dialekte im Deutschen nach Zeugnissen alter und neuer Zeit. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Heilbronn 1888. Hildesheim/New York: Olms. SONDEREGGER, STEFAN / THOMAS GADMER (1999): Appenzeller Sprachbuch. Der Appenzeller Dialekt in seiner Vielfalt. Herisau: Appenzeller. STALDER, FRANZ JOSEPH (1819): Die Landessprachen der Schweiz oder Schweizerische Dialektologie mit kritischen Sprachbemerkungen beleuchtet. Nebst der Gleichnißrede von dem verlorenen Sohne in allen Schweizermundarten. Aarau: Sauerländer. STREIFF, CATHARINA (1915): Die Laute der Glarner Mundarten. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 8). STUCKI, KARL (1917): Die Mundart von Jaun. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 10). STUDLER, REBEKKA (2011): Artikelparadigmen. Form, Funktion und syntaktisch-semantische Analyse von definiten Determinierern im Schweizerdeutschen. Elektronische Hochschulschrift Universität Zürich. SUTER, RUDOLF (1976/1992): Baseldeutsch-Grammatik. 3., überarbeitete Auflage. Basel: Merian. SZCZEPANIAK, RENATA (2011): Grammatikalisierung im Deutschen. Eine Einführung. 2. Auflage. Tübingen: Narr. TOBLER, LUDWIG (1873): Über die scheinbare Verwechslung zwischen Nominativ und Accusativ. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 4, 375−400. VALENTIN, PAUL (1998): Zur Semantik des Nominativs. In: VUILLAUME, MARCEL (Hg.): Die Kasus des Deutschen. Form und Inhalt. Tübingen: Stauffenburg, 115−130. VETSCH, JAKOB (1910): Die Laute der Appenzeller Mundart. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 1). VOGEL, PETRA M. (2006): ‚Ich hab da nen kleines Problem!’ Zur neuen Kurzform des indefiniten Artikels im Deutschen. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 73, 176−193. VOGEL, PETRA M. (2012): Sprachgeschichte. Heidelberg: Winter. WANNER, GEORG (1941): Die Mundart des Kantons Schaffhausen. Laut- und Flexionslehre. Frauenfeld: Huber. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 20). WEBER, ALBERT (1923): Die Mundart des Zürcher Oberlandes. Frauenfeld: Huber. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 15). WEBER, ALBERT (1948/1987): Zürichdeutsche Grammatik. Ein Wegweiser zur guten Mundart. Unter Mitwirkung von Eugen Dieth. 3. Auflage (unveränd. Nachdr. d. 2., durchges. Auflage). Zürich: Rohr. WEDDIGE, HILKERT (2010): Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. 8., durchgesehene Auflage. München: C. H. Beck.

230

Literatur

WEISS, HELMUT (2004): Vom Nutzen der Dialektsyntax. In: PATOCKA, FRANZ / PETER WIESINGER (Hg.): Morphologie und Syntax deutscher Dialekte und Historische Dialektologie des Deutschen. Wien: Edition Praesens, 21−41. WERLEN, IWAR (1994): Neuere Fragestellungen in der Erforschung der Syntax deutscher Dialekte. In: MATTHEIER, KLAUS / PETER WIESINGER (Hg.): Dialektologie des Deutschen. Forschungsstand und Entwicklungstendenzen. Tübingen: Niemeyer, 49−75. (Germanistische Linguistik. 147). WIGET, FRITZ (1916): Die Laute der Toggenburger Mundarten. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 9). WILDGEN, WOLFGANG (2008): Kognitive Grammatik. Klassische Paradigmen und neue Perspektiven. Belin/New York: de Gruyter. WINTELER, JOST (1876): Die Kerenzer Mundart des Kantons Glarus in ihren Grundzügen dargestellt. Leipzig/Heidelberg: Winter. WIPF, ELISA (1910): Die Mundart von Visperterminen im Wallis. Frauenfeld: Huber & Co. (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik. 2).

SPRACHATLANTEN e tln rach p S

ALA AIS DSA SADS SDS SMF SNiB VALTS WA

Atlas linguistique et ethnographique de l’Alcase Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz Deutscher Sprachatlas Syntaktischer Atlas der Schweiz Sprachatlas der deutschen Schweiz Sprachatlas von Mittelfranken Sprachatlas von Niederbayern Vorarlberger Sprachatlas Wenkeratlas

ANHÄNGE e äg h n A

A1: STALDER (1819) − ORTSANGABEN UND FESTGELEGTE EXEMPLARISCHE ORTSPUNKTE FÜR DIE DIALEKTPARABELN il d fü k u e/p b g rtsan )O 9 (8 R E D L T :S 1 A

ZR162

Di- Kt. pa

Ortsangabe: Mundart …

1

ZH

in der Nähe der Stadt und um Kilchberg am See

a)

Kilchberg

2

ZH

um Ottenbach jenseits des Albis

a)

Ottenbach

3

BE

der Städter in Bern

a)

Bern

4

BE

der Emmenthaler, zunächst um Langnau

a)

Langnau

5

BE

der Oberländer a) In Sigriswil über dem Thunersee

a)

Sigriswil

exempl. Ort

6

BE

b) In Habkern

a)

Habkern

7

BE

c) In Grindelwald

a)

Grindelwald

8

BE

d) In Oberhasli zu Guttannen an der Grimselstrasse

a)

Guttannen

9

BE

e) Im Nieder-Simmenthal zunächst um Boltigen

a)

Boltigen

10

BE

der Bieler

a)

Biel

11

LU

der Sadt und der nächsten Umgebung

a)

Luzern

12

LU

der Entlibucher

b)

Escholzmatt

13

UR

zu Urseren am Gotthartsberge

c)

Hospental

14

SZ

des Schwyzers

b)

Arth

15

NW

der Unterwaldner nid dem Wald, besonders in Stans

a)

Stans

16

OW

der Unterwaldner ob dem Wald, besonders um Alpnacht

a)

Alpnach

17

GL

um Glarus und Mollis

a)

Glarus

18

ZG

der Städter in Zug

a)

Zug

19

FR

des freiburgerischen Unterländers

b)

Düdingen

20

FR

des freiburgerischen Oberländers

b)

Muschels

161 Zitiert in der Schreibweise von STALDER (1819). 162 Zuweisungsregel (vgl. die Entscheidungsroutine im Volltext, Kapitel 4.2.1).

232

Anhänge

ZR162

Di- Kt. pa

Ortsangabe: Mundart …

21

SO

Die allgemeine Mundart der Solothurner.

b)

Solothurn

22

BL

der Basler

b)

Diegten

23

SH

der Städter

a)

Schaffhausen

163

exempl. Ort

24

AI

der Appenzeller beider Rhoden

b)

Appenzell

25

SG

der Einwohner der Stadt St. Gallen und der alten Landschaft

a)

St. Gallen

26

SG

der Toggenburger a) Der Ober-Toggenburger

c)

Ebnat-Kappel

27

SG

b) Der Mittler-Toggenburger

c)

Kirchberg

28

SG

c) Der Unter-Toggenburger

c)

Flawil

29

SG

der Rheinthaler am obern Rheinufer

c)

Oberriet

30

GR

des obern Bundes, voran im Rheinwald

c)

Hinterrhein

31

GR

des Gotteshausbundes, voran zu Chur

a)

Chur

32

GR

des Zehngerichtenbundes, voran im Brättigau

c)

Klosters

33

AG

des eigentlichen Aargauers a) des Oberaargauers um Zofingen und Aarau

a)

Aarau

34

AG

b) des Unteraargauers in der Gegend um Brugg

a)

Brugg

35

AG

des Freiämters

b)

Mellingen

36

AG

des Fricktalers

b)

Gansingen

37

TG

Die allgemeine Mundart der Oberthurgauer voran um Bi-schofszell

a)

Bischofszell

38

TG

der Thurgauer am Untersee, voran um Steckborn a)/b) Steckborn und Ermatingen

39

VS

der Gombser

b)

40

VS

der Vispacher und Leuker

a)

Leuk

41

VS

der Lötscher

c)

Blatten

42

VS

der Rarer

a)

Raron

Münster

163 Eigentlich vertritt Appenzell exemplarisch die beiden Halbkantone AI und AR, aus Gründen der Lesbarkeit wird es im Folgenden aber durch AI wiedergegeben, da Appenzell in diesem Halbkanton liegt.

A2: Ältere Grammatiken: Chronologische Aufstellung

233

A2: ÄLTERE GRAMMATIKEN − CHRONOLOGISCHE AUFSTELLUNG164 f scu g o h C n ik am lterG :Ä 2 A

Autor

Jahr

Gebiet165

[ANONYMUS]

1874

unterer Aargau

WINTELER

1876

Kerenzer Mundart des Kantons Glarus

BINZ

1888

Syntax der Baselstädtischen Mundart

VETSCH

1910

Appenzeller Mundart (Laute)

1

WIPF

1910

Visperterminen im Wallis

2

BERGER

1913

St. Galler Rheintal und angrenzende vorarlbergische Gebiete (Laute)

3

ABEGG

1913

Urseren

4

ENDERLIN

1913

Kesswil im Oberthurgau

5

BOHNENBERGER

1913

deutsche Walliser im Heimattal und in den Außenorten

6

SCHMID

1915

Amt Entlebuch im Kanton Luzern

7

Bandnr.166

STREIFF

1915

Glarner Mundarten (Laute)

8

WIGET

1916

Toggenburger Mundarten (Laute)

9

STUCKI

1917

Jaun

10

BRUN

1918

Obersaxen im Kanton Graubünden

11

MEINHERZ

1920

Bünder Herrschaft

13

BAUMGARTNER

1922

Berner Seeland

14

WEBER

1923

Zürcher Oberland

15

JUTZ

1925

Südvorarlberg und Liechtenstein

HENZEN

1927

deutsche Freiburger Mundart im Sense- und südöstlichen Seebezirk

16

CLAUSS

1929

Uri

17

HOTZENKÖ-

1934

Mutten

19

1941

Kanton Schaffhausen

20

CHERLE

WANNER

164 Die Grammatiken werden alle ordentlich im Literaturverzeichnis angeführt. 165 Meistens wird ein Teil des Titels wiedergegeben. 166 Falls die Grammatik in der Reihe „Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik“ erschienen ist, wird hier die Bandnummer vermerkt.

234

Anhänge

A3: SADS − AUSGEWERTETE FRAGEN FÜR DEN DEFINITEN ARTIKEL SINGULAR MASKULINUM167 sm M lu itk d fü en rag F D :S 3 A

Fragebogen 1, Frage 3: Marianne geht zu ihrer Nachbarin. Die beiden stehen vor dem Haus und Schwatzen, als sie plötzlich ein Auto vorbeifahren hören. Marianne weiss, dass dies ihr Mann Fritz sein muss, und will sich von ihrer Nachbarin verabschieden. Sie sagt: → Bitte übersetzen Sie den folgenden Satz in ihren Dialekt und schreiben Sie ihn so auf, wie Sie ihn sagen würden: Oh, ich habe den Fritz kommen hören. Ich muss wieder gehen. --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 1, Frage 10: Bruno kennt eine nette junge Frau, die er sich durchaus an der Seite seines noch immer ledigen Sohnes Markus vorstellen könnte. Er sagt: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Also d Susi wär e ganz e liebi Frau für de Markus! 2) (ja) (nein) Also d Susi wär ganz e liebi Frau für de Markus! 3) (ja) (nein) Also d Susi wär e ganz liebi Frau für de Markus! […] Bitte notieren Sie den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen würden: --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 2, Frage 3: Brunos Holztreppe ist schon wieder kaputt. Was tut er? → Bitte übersetzen Sie den folgenden Satz in ihren Dialekt und schreiben Sie ihn so auf, wie Sie ihn sagen würden: Er lässt den Schreiner kommen. ---------------------------------------------------------------------------------------------------------

167 Hervorhebungen GP. Auf die Hervorhebungen im Original, die den jeweiligen (syntaktischen) Fokus der Frage verdeutlichen, wird verzichtet.

A3: SADS: Fragen für den definiten Artikel Singular Maskulinum

235

Fragebogen 2, Frage 10: Sie stehen im Garten und schwatzen mit ihrem Nachbarn. Ihr Nachbar lobt, wie schön gepflegt Ihr Garten doch sei. Bescheiden sagen Sie: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Aber du häsch doch de vil de schöner Garte! 2) (ja) (nein) Aber du häsch doch vil de schöner Garte! 3) (ja) (nein) Aber du häsch doch de vil schöner Garte! […] Bitte notieren Sie den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen würden: --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 2, Frage 18: Sie fahren in die Stadt. Ein Mann spricht Sie an und bedankt sich bei Ihnen für etwas. Ihre Freundin fragt Sie, woher er Sie kennt. Sie sagen: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Das isch de Maa, won em geschter de Wääg zeigt han. 2) (ja) (nein) Das isch de Maa, woni geschter de Wääg zeigt han. 3) (ja) (nein) Das isch de Maa, dem woni geschter de Wääg zeigt han. 4) (ja) (nein) Das isch de Maa, dem i geschter de Wääg zeigt han. […] Bitte notieren Sie den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen würden: --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 2, Frage 32: Wie heisst es in Ihrem Dialekt für Ich habe Fritz gesehen? → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Ich han Fritz gsee. 2) (ja) (nein) Ich han de Fritz gsee. 3) (ja) (nein) Ich han Fritzen gsee. 4) (ja) (nein) Ich han de Fritzen gsee. […] Bitte notieren Sie den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen würden: --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 3, Frage 10: Markus prahlt bei seinen Kollegen mit seinem neuen Sportwagen. Gestern sei er mit 200 km/h auf der Autobahn gefahren. Die Kollegen warnen ihn eindringlich: → Bitte übersetzen Sie den folgenden Satz in ihren Dialekt und schreiben Sie ihn so auf, wie Sie ihn sagen würden: Wenn sie dich erwischen, bekommst du den Fahrausweis entzogen! ---------------------------------------------------------------------------------------------------------

236

Anhänge

Fragebogen 3, Frage 26: Sie schauen bei Ihren Nachbarn vorbei. Als Sie eintreten, hören Sie aus dem Badezimmer, wie der vierjährige Sohn Kevin schreit und die Mutter ihn zu beruhigen versucht. Der Nachbar erklärt: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) De Kevin chunnt grad d Haar gwäsche über. 2) (ja) (nein) De Kevin bechunnt grad d Haar gwäsche. 3) (ja) (nein) De Kevin kriegt grad d Haar gwäsche. […] Bitte notieren Sie den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen würden: --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 4, Frage 12: Marianne ist dabei, das Abendessen vorzubereiten. Sie sagt zu ihrer Tochter Sandra: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Gang no go spile, bis dass de Vatter chunnt. 2) (ja) (nein) Gang no go spile, bis de Vatter chunnt. […] Bitte notieren Sie den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen würden: --------------------------------------------------------------------------------------------------------Fragebogen 4, Frage 23: Ihr Nachbar Urs ist vor Jahren nach Amerika ausgewandert. Béatrice hat ihn kürzlich besucht. Sie fragen sie: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Was macht de Urs jetzt? 2) (ja) (nein) Was macht de Urs jetzt was? 3) anders: --------------------------------------------------------------------------------------------------------[…] Fragebogen 4, Frage 26: Der Pfarrer hat mit einer Kollekte eine bedürftige Familie in der Gemeinde unterstützt. Sie erkundigen sich nochmals bei Erika, die Ihnen das erzählt hat: → Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen (ja), welche sind nicht möglich (nein)? 1) (ja) (nein) Wem häsch gsäit dass de Pfarrer ghulfe hät? 2) (ja) (nein) Wem häsch gsäit dass im de Pfarrer ghulfe hät? 3) anders: --------------------------------------------------------------------------------------------------------[…]

A4: Stalder (1819): Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Konsonant

237

A4: STALDER (1819) − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dǝn UND dr VOR KONSONANT K o v g m su M k fin )D 9 8 er(1 tald :S 4 A

DIPA



Nom dǝ

dr







3 2

1-ZH-Kilchberg

1

2-ZH-Ottenbach

10

2



3-BE-Bern

1

6



4-BE-Langnau

1

2



5-BE-Sigriswil

2



6-BE-Habkern

2



7-BE-Grindelwald

2



8-BE-Guttannen

4



9-BE-Boltigen

3



6



10-BE-Biel 11-LU-Luzern 12-LU-Escholzmatt

Akk

9



4168



dǝn

1

dr

1

1 1

13-UR-Hospental

1

8



3

14-SZ-Arth

8

3



2

15-NW-Stans

5

1



1

16-OW-Alpnach

3

1 1

6



17-GL-Glarus

7



18-ZG-Zug

6



19-FR-Düdingen

3



20-FR-Muschels

4



2

21-SO-Solothurn

10



2

7



22-BL-Diegten 23-SH-Schaffhausen



9

24-AI-Appenzell

6



25-SG-St. Gallen

7



26-SG-Ebnat-Kappel

9



27-SG-Kirchberg

7



1

1 1 2

1

168 Eine weitere Belegstelle ist in der verwendeten Ausgabe aufgrund von Mängeln beim Druck nicht lesbar.

238

Anhänge

DIPA



Nom dr



28-SG-Flawil

9



29-SG-Oberriet

3



30-GR-Hinterrhein

3



31-GR-Chur

4



32-GR-Klosters

4



33-AG-Aarau

3





Akk dǝ

2 1

6



35-AG-Mellingen

11



1

36-AG-Gansingen

7



1



2

38-TG-Steckborn

12

dr

1

34-AG-Brugg

37-TG-Bischofzell

dǝn



8

39-VS-Münster

6



40-VS-Leuk

7



41-VS-Blatten

7



42-VS-Raron

8



2

A5: STALDER (1819) − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dǝn UND dr VOR VOKAL V o v g m su M k fin )D 9 8 er(1 tald :S 5 A

DIPA dǝ 1-ZH-Kilchberg



Nom dr 7



Akk dǝ

dǝn

dr

 

2-ZH-Ottenbach 3-BE-Bern

1



4-BE-Langnau

7



5-BE-Sigriswil

5



6-BE-Habkern

5



7-BE-Grindelwald

4



8-BE-Guttannen

1



9-BE-Boltigen

4



10-BE-Biel

1



11-LU-Luzern

1



12-LU-Escholzmatt

5



1

239

A5: Stalder (1819): Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

DIPA



Nom dǝ

dr



14-SZ-Arth

3



15-NW-Stans

1



16-OW-Alpnach

1



17-GL-Glarus

1



dǝn



18-ZG-Zug 19-FR-Düdingen

3



20-FR-Muschels

5

 

21-SO-Solothurn 22-BL-Diegten

1



23-SH-Schaffhausen

1



24-AI-Appenzell

1



25-SG-St. Gallen

1

 

26-SG-Ebnat-Kappel



27-SG-Kirchberg 28-SG-Flawil

2



29-SG-Oberriet

5



30-GR-Hinterrhein

4



31-GR-Chur

8



32-GR-Klosters

3



33-AG-Aarau

1



34-AG-Brugg

1



1



35-AG-Mellingen



1



37-TG-Bischofzell 38-TG-Steckborn





13-UR-Hospental

36-AG-Gansingen

Akk

1

 

39-VS-Münster 40-VS-Leuk

1



41-VS-Blatten

1



42-VS-Raron

1



1

dr

240

Anhänge

A6: SADS − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dr UND dǝn VOR KONSONANT K o v g m asu lM trk efin D :S 6 A

SADS



Nom dǝ

AG-Aarau

5

AG-Aarburg

5

dr 6

AG-Baldingen AG-Birmenstorf

10

Akk dǝ



31

1



12

8



13

1



33

AG-Boniswil

4



29

AG-Boswil

3



12

AG-Bremgarten

9



23

AG-Brugg

5



27

AG-Densbüren

11



26



26



21

1

dǝn169



dr

AG-Elfingen

3

AG-Frick

7

AG-Hägglingen

5



24

AG-Kaiserstuhl

1



15

AG-Kaisten

6



24

AG-Kirchleerau

8

1



31

1

AG-Leibstadt

6

1



27

1

AG-Lenzburg

7



34

AG-Lupfig

6



23

AG-Magden

1

7



31

AG-Menziken

7



23

AG-Merenschwand

10



27

2



9

24

AG-Muhen

5



17

1

AG-Niederrohrdorf

10



30

AG-Oberhof

2

1



12

12

AG-Riken

1

5



4

20

AG-Siglistorf

4



13

1

AG-Möhlin

10

169 Inklusive aller Vokalvarianten wie dän, dun, din. Zu dieser Kategorie gezählt werden darüber hinaus die dentalfreie Variante in und die zusätzlich im Vokal reduzierte Variante n in SADS VS-Blatten und SADS VS-Ferden (beide im Lötschental).

241

A6: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Konsonant

SADS



Nom dǝ

dr

AG-Stein

Akk







22

dǝn169

dr 3

AG-Teufenthal

3



20

AG-Villigen

1



14

1 7

AG-Wegenstetten

1



16

AG-Würenlos

2



15

AG-Zofingen

5



20

AI-Appenzell

12



34

AI-Brülisau

5



18

AI-Haslen

7



14

AR-Bühler

9



26

AR-Gais

7



32

AR-Heiden

5



15

AR-Herisau

12



29

AR-Trogen

7



25

AR-Urnäsch

10



26

AR-Waldstadt

5



20

1

2

1

BE-Aarberg

10



24

BE-Adelboden

7



25

BE-Belp

3



18

BE-Bern

16



48

BE-Bleienbach

4



BE-Boltigen

4



BE-Brienz

7



BE-Büren a. A.

6



19

BE-Busswil

6



17

BE-Diemtigen

6



14

BE-Diessbach

3



17

BE-Erlach

4



15

BE-Fankhaus

3



11

BE-Faulensee

5



13

BE-Frauenkappelen

2



17

BE-Frutigen

5



BE-Gadmen

2



2

10 20

10

12

8

25 1

8

8

242

Anhänge

SADS



Nom

Akk dǝn169

dr



BE-Grafenried

3



BE-Grindelwald

6



5

BE-Gsteig

2



2

BE-Guggisberg

6



BE-Guttannen

7



BE-Habkern

4



BE-Huttwil

9



BE-Innertkirchen

5



BE-Ins

5



20

BE-Interlaken

5



18

BE-Iseltwald

6



BE-Ittigen

2



19

BE-Kandersteg

5



16

BE-Kiental

4



22

BE-Konolfingen

3



BE-Krauchtal

1



16

BE-Langenthal

7



17 34





dr 17

4

7 11 14

21

2 17

9

13 12

2

1

7

28

16

BE-Langnau

1

10



BE-Laupen

2

8



5



BE-Leissigen

5



BE-Lenk

10



BE-Ligerz

4



18

BE-Lützelflüh

4



28

BE-Matten

7



BE-Meikirch

4



BE-Meiringen

8



4

BE-Melchnau

7



4

BE-Münchenbuchsee

7



BE-Mürren

3



BE-Neuenegg

5



1

BE-Niederbipp

12



2

BE-Oberwichtrach

15



BE-Lauterbrunnen

5

13 4

12 26

3

25

7

18 15 10

12 23 36

5

11 15 38 38

243

A6: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Konsonant

SADS



Nom

Akk dǝn169

dr



6



16

6



32

7



21

BE-Reutigen

5



21

BE-Röthenbach

4



13

BE-Rubigen

4



24

BE-Rüeggisberg

7



13

BE-Saanen

10



29

BE-Schangnau

1



13

BE-Schwarzenburg

3



20

BE-Seftigen

4



19

BE-Signau

4



14

BE-Spiez

5



13

BE-Steffisburg

19



BE-Sumiswald

7



20

BE-Täuffelen

8



25

BE-Thun

4



23

BE-Trub

12



18

BE-Tüscherz

4



17

2

5



6



14

1

9



23

BE-Wengen

5



BE-Wengi

2



15

BE-Worb

3



11

BE-Wynigen

5



BE-Zweisimmen

8



BL-Aesch

8



BL-Buckten

13



38

BL-Ettingen

8



21

BL-Gelterkinden

22



87

BL-Hölstein

12



37

BL-Langenbruck

7



17

dǝ BE-Pieterlen BE-Rapperswil

1

BE-Reichenbach

BE-Ursenbach BE-Utzenstorf BE-Wangen a. A.



1

72

9

6

1

dr

19

5

9

17 24

3

28

244

Anhänge

SADS



Nom

Akk dǝn169

dr



BL-Laufen

11



28

BL-Liesberg

8



19

BL-Liestal

10



42

BL-Maisprach

7



27

BL-Muttenz

8



37

19



BL-Roggenburg

5



15

BL-Schönenbuch

6



26

BL-Ziefen

10



25

BL-Zunzgen

11



25

BS-Basel Stadt

8



21

BS-Bettingen

8



24



BL-Pratteln

1



1

dr

75

FR-Düdingen

8



22

FR-Freiburg

10



22

FR-Giffers

13



36

FR-Gurmels

3



17

FR-Heitenried

9



26

FR-Jaun

1



11

FR-Murten

1



4

10

FR-Plaffeien

7



14

2

FR-Schwarzsee

10



18

7

FR-Tafers

6



19

FR-Überstorf

8

1



29

GL-Elm

8



19

GL-Engi

16



36

GL-Glarus

12



52

GL-Linthal

12



35



7

6 2

GL-Luchsingen GL-Mollis

18



GL-Näfels

20



55

GL-Obstalden

6



24

1

GL-Schwanden

1

28



1

GR-Arosa

1

5



1

43

82 1

19

245

A6: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Konsonant

SADS



Nom

Akk dǝn169

dr





GR-Avers

5



1

GR-Chur

7



24

GR-Churwalden

15



38



dr 17

7



11

GR-Davos-Monstein

5



5

GR-Fläsch

4



30

GR-Jenins

6



19

GR-Klosters

6



10

5

6

GR-Küblis

5



1

2

16

GR-Langwies

8



1

3

32

6



14

GR-Mutten

12



32

GR-Obersaxen

9



10

GR-Rheinwald (Medels)

6



16

GR-Safien

21



GR-Schiers

8



1

29

GR-St. Antönien

3



10

12

GR-Tamins

11



27

GR-Thusis

6



29

GR-Trimmis

8



20

GR-Davos

GR-Malans

1

1

1

14 13

63

14



7

56

GR-Vals

16



5

44

GR-Wiesen

9



4

22

GR-Untervaz

2

LU-Aesch

1



18

LU-Dagmersellen

9



22

LU-Entlebuch

9



32

LU-Eschenbach (LU)

6

1



18

LU-Escholzmatt

4

2



13

6

LU-Flühli

4

2



4

14

LU-Grosswangen

4



42

LU-Horw

11



29

LU-Luzern

5



15

LU-Malters

3



22

4

246

Anhänge

SADS



Nom dǝ

dr

Akk





dǝn169

dr

LU-Marbach

4



15

LU-Neuenkirch

12



34

LU-Pfaffnau

5



21

LU-Römerswil

8



23

LU-Ruswil

5



22

LU-Schüpfheim

1



12

3

LU-Sempach

9



31

1

LU-Sursee

4



16

LU-Triengen

4



16

LU-Weggis

2



20

LU-Willisau

9



30

1

LU-Wolhusen

5



23

1

LU-Zell

4



18

NW-Buochs

3

5



8

10

NW-Stans

2

5



7

13

NW-Wolfenschiessen

3

9



17

29

OW-Alpnach

4

6



7

19

7



4

17

8



2

42

7



7



4



OW-Engelberg OW-Giswil

3

OW-Lungern OW-Melchtal

1

OW-Sarnen

36 4 8



7

11



18

SG-Benken

11



23

SG-Berneck

7



17

SG-Brunnadern

4



14

SG-Degersheim

2



31

SG-Diepoldsau

5



7

SG-Ebnat-Kappel

5



18

SG-Eschenbach (SG)

8



22

SG-Flawil

6



26

5

SG-Amden

1

SG-Andwil

6

1 9

16 22



SG-Altstätten

4

17

18

247

A6: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Konsonant

SADS



Nom

Akk dǝn169

dr





SG-Flums

9



1

30

SG-Grabs

10



2

24



17



14



SG-Kirchberg

3

SG-Krinau

6

SG-Mels

2

SG-Mörschwil

6



25

SG-Mosnang

10



25

SG-Oberriet

13



40 4

4



dr

17 1

SG-Pfäfers

1

11



SG-Quarten

1

10



SG-Rapperswil

9



33

SG-Rheineck

4



18

SG-Ricken (Wattwil)

3

2



SG-Schänis

6

1



10

SG-Sennwald

12



32

3

SG-Sevelen

2



4

36

SG-St. Gallen

20



65

SG-Stein

10

1



31

7



SG-Valens

8

35 34

17 3

1

24

SG-Vättis

2

14



2

45

SG-Walenstadt

1

13



2

31

6



1

28



20

1

SG-Wartau SG-Wattwil

3

SG-Weisstannen

8



28

SG-Wil

10



26

SG-Wildhaus

5



22

SH-Bibern

4



21

SH-Buchberg

2



18

SH-Gächlingen

14



34

SH-Hallau

8



38

SH-Merishausen

2



20

SH-Ramsen

6



28

SH-Schaffhausen

7



11

9

1

1

18

248

Anhänge

SADS



Nom dǝ

dr

Akk





SH-Schleitheim

11



37

SH-Stein am Rhein

12



25

SH-Wilchingen

12



26

dǝn169

dr

SO-Aedermannsdorf

6



21

SO-Aeschi

12



37

SO-Bettlach

8



41

SO-Bibern

8



31

SO-Erschwil

7



31

SO-Kleinlützel

6



19

SO-Metzerlen

7



20

SO-Mümliswil

8



21

SO-Nunningen

4



17

SO-Rickenbach

1

4



SO-Schnottwil

1

10



6



5



8



SO-Solothurn SO-Stüsslingen

4

SO-Welschenrohr

1

25 30 11

7

24 15

SZ-Alpthal

4

9



10

6

SZ-Brunnen

16

2



52

12

SZ-Einsiedeln

1

3



3

18



15



13



19

SZ-Innerthal

6

SZ-Küssnacht

4

SZ-Lachen

4

SZ-Muoatathal

1 11

SZ-Oberiberg



27



2

9 5

SZ-Schwyz

7

3



17

SZ-Tuggen

5

1



16

SZ-Wollerau

7



20

TG-Amriswil

4



13

TG-Basadingen

3



21

TG-Birwinken

7



30

TG-Bottighofen

9



21

TG-Ermatingen

7



19

249

A6: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Konsonant

SADS



Nom dǝ

dr

Akk





dǝn169

dr

TG-Fischingen

4



18

TG-Frauenfeld

4



19

TG-Homburg

8



19

TG-Hüttwilen

5



16

TG-Kesswil

6



18

TG-Lustdorf

8



25

TG-Mammern

6



22

TG-Neukirch

3



21

TG-Roggwil

3



15

TG-Romanshorn

5



19

TG-Sitterdorf

4



24

TG-Triboltingen

6



29

TG-Wängi

5



20

1

TG-Weinfelden

5



15

1

UR-Altdorf

1

3 8



32

UR-Andermatt

4



28

UR-Göschenen

6



27

UR-Gurtnellen

2

3



3

17

UR-Isenthal

2

5



3

47

UR-Maderanertal (Bristen)

1

5



UR-Unterschächen

11



1

30

VS-Agarn

5



4

22

VS-Ausserberg

6



8

7

VS-Betten

5



1

VS-Binn

7



1

VS-Blatten

12



9

VS-Brig

8



VS-Bürchen

4



VS-Ferden

13



50

1

VS-Fiesch

8



1

29

VS-Guttet-Feschel

2



VS-Inden

3



VS-Mörel

6



23

3

17 13

26 22

19

2

12 1

11 31

250

Anhänge

SADS



Nom

Akk dǝn169

dr



VS-Oberwald

4



20

VS-Randa

6



19

VS-Reckingen

7



30

VS-Saas Grund

5



26

VS-Salgesch

4



20

VS-Simplon-Dorf

13



VS-St. Niklaus

2



VS-Steg

1



3

7

VS-Visp

12



1

31

VS-Zermatt

10



1

36

VS-Zwischbergen

10







23

31

5



30

ZG-Menzingen

3



23

ZG-Oberägeri

8



36

ZG-Rotkreuz

4



14

ZG-Walchwil

4



10

ZG-Zug

12



31

ZH-Andelfingen

5



20

ZH-Bäretswil

1



27

ZH-Bassersdorf

16



38

ZH-Bauma

1



24

ZH-Bülach

7



30

ZH-Egg

6



14

ZH-Eglisau

4



24

ZH-Elgg

4



16

ZH-Ellikon

4



21

ZH-Falländen

3



10

ZH-Flaach

2



15

ZH-Forch

5



23

ZH-Grüt

2



16

ZH-Hedingen

5



27



20



53

ZH-Hütten

3

ZH-Illnau

12

1

17 19

ZG-Hünenberg

1

dr

1 1 1

1

251

A7: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

SADS



Nom dǝ

dr

Akk





ZH-Kappel a.A.

7



11

ZH-Küsnacht

7



36

ZH-Langnau am Albis

6



20

ZH-Marthalen

6



26

ZH-Meilen

9



26

ZH-Nänikon

4



24

ZH-Neftenbach

5



13

ZH-Niederweningen

3



16

ZH-Pfäffikon

6



25

ZH-Rafz

6



27

ZH-Regensberg

5



18

ZH-Rifferswil

6



11

ZH-Rorbas

4



23

ZH-Rümlang

3



16

ZH-Stadel

7



25

ZH-Stallikon

7



19

ZH-Sternenberg

5



17

ZH-Thalwil

6



15

ZH-Turbenthal

8



25

ZH-Unterstammheim

7



29

ZH-Urdorf

9



20

ZH-Uster

7



12

ZH-Wädenswil

7



21

ZH-Wald

6



21

ZH-Winterthur

6



21

ZH-Zürich

12



26

dǝn169

dr

A7: SADS − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NOMINATIV UND AKKUSATIV: TYPEN dǝ, dr UND dǝn VOR VOKAL V o v g m asu lM trk efin D :S 7 A

SADS dǝ AG-Aarau



Nom dr

 

Akk dǝ

dǝn

dr

252

Anhänge

SADS AG-Aarburg



Nom dǝ

dr



1

2





dǝn

dr 1



AG-Baldingen AG-Birmenstorf AG-Boniswil

Akk

4

1



1



1



AG-Boswil AG-Bremgarten

1

 

AG-Brugg AG-Densbüren

1

1 1

3



AG-Elfingen

1



AG-Frick

1



1

AG-Hägglingen

1



2



AG-Kaiserstuhl AG-Kaisten

2



AG-Kirchleerau

3



2



1

AG-Leibstadt

2

AG-Lenzburg

1

1

 

AG-Lupfig

1

AG-Magden

5



1

AG-Menziken

2



1

AG-Merenschwand

1



AG-Möhlin

4



AG-Muhen

1



AG-Niederrohrdorf

2 2



2

AG-Oberhof

2



AG-Riken

2



1

1



1

1

AG-Siglistorf AG-Stein



2



AG-Teufenthal AG-Villigen



1

AG-Wegenstetten



AG-Würenlos



AG-Zofingen AI-Appenzell

1

2 1

 

3

253

A7: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

SADS



Nom dǝ

dr

Akk



dǝ 2

AI-Brülisau

1



AI-Haslen

1



AR-Bühler

2



2

AR-Gais

3



1

1

dr



AR-Heiden AR-Herisau

1

AR-Trogen

2

AR-Urnäsch AR-Waldstadt

dǝn

 1



1



1 1



1

BE-Aarberg



4

BE-Adelboden

1



2

BE-Belp

1



1

BE-Bern

2



3

BE-Bleienbach

1



2

BE-Boltigen

1



BE-Brienz

3



BE-Büren a. A.

3



2

BE-Busswil

1



2



3 1

BE-Diemtigen BE-Diessbach

2



BE-Erlach

2



BE-Fankhaus

6 4



2

BE-Faulensee

2



3

BE-Frauenkappelen

1



3

BE-Frutigen

2



1

BE-Gadmen

1



1



BE-Grafenried

1

BE-Grindelwald

2



BE-Gsteig

2



1

BE-Guggisberg

1



2

BE-Guttannen

1



BE-Habkern

4



2



4

BE-Huttwil

2

254

Anhänge

SADS



Nom dǝ

BE-Innertkirchen

dr



2



Akk dǝ

dǝn

dr

1



BE-Ins BE-Interlaken

3



1

BE-Iseltwald

9



3



2

BE-Ittigen BE-Kandersteg

1



1

BE-Kiental

1



3

BE-Konolfingen

2



2

BE-Krauchtal

1



BE-Langenthal

2



2

BE-Langnau

1



5

1



BE-Lauterbrunnen

5



BE-Leissigen

3



1

BE-Lenk

3



1

BE-Ligerz

3



3

BE-Lützelflüh

2



1

BE-Matten

3



BE-Laupen

1

1

1



BE-Meikirch 2



BE-Melchnau

2



2

BE-Münchenbuchsee

2



1

BE-Mürren

5



BE-Neuenegg

2



BE-Niederbipp

4



3

BE-Oberwichtrach

1



5

BE-Pieterlen

2



1

BE-Rapperswil

1



BE-Meiringen

BE-Reichenbach

3

1

1

1

1



2

BE-Reutigen

1



1

BE-Röthenbach

1



2

BE-Rubigen

1



1



1

BE-Rüeggisberg

255

A7: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

SADS



Nom

Akk

dr



2



4

BE-Schangnau



2

BE-Schwarzenburg



2

BE-Seftigen



1

BE-Signau



4

dǝ BE-Saanen



dǝn

dr

BE-Spiez

1



2

BE-Steffisburg

2



5

BE-Sumiswald

2



2

BE-Täuffelen

2



2



BE-Thun BE-Trub

1



BE-Tüscherz

2



2



BE-Ursenbach

1

5 1

2



BE-Utzenstorf BE-Wangen a. A.

3



BE-Wengen

1



BE-Wengi

2



3



3

1



2

4



3

BL-Aesch

4



BL-Buckten

3



BL-Ettingen

3



2

BL-Gelterkinden

10



3

BL-Hölstein

4



BL-Langenbruck

1



1

BL-Laufen

3



1

BL-Liesberg

1



BL-Liestal

7



1

BL-Maisprach

3



1

BL-Muttenz

3



BL-Pratteln

8



4

BL-Roggenburg

3



1

BE-Worb BE-Wynigen BE-Zweisimmen

1

1

256

Anhänge

SADS



Nom

Akk

dr



BL-Schönenbuch

4



BL-Ziefen

6



3

BL-Zunzgen

5



2

BS-Basel Stadt

2



BS-Bettingen

3







dǝn

dr

1



FR-Düdingen FR-Freiburg

1



FR-Giffers

3



FR-Gurmels

1



FR-Heitenried

2



1



FR-Jaun 1



FR-Murten

1

FR-Plaffeien

1



FR-Schwarzsee

4



FR-Tafers

3



FR-Überstorf

3



2

1

2

GL-Elm

3



3

GL-Engi

8



3

GL-Glarus

5



5

GL-Linthal

5



3



GL-Luchsingen GL-Mollis

7



GL-Näfels

6



1

GL-Obstalden

2



1

GL-Schwanden

10



6

1



GR-Avers

3



2

GR-Chur

2



2

GR-Churwalden

5



3

GR-Davos

5



GR-Davos-Monstein

1



1

GR-Fläsch

2



2



1

GR-Arosa

GR-Jenins

1

257

A7: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

SADS



Nom

Akk

dr



GR-Klosters

3



GR-Küblis

6



1

GR-Langwies

5



1

GR-Malans

1



1

GR-Mutten

4



1

GR-Obersaxen

1



4



1

8



3



GR-Rheinwald (Medels) GR-Safien



dǝn

dr

2

3

6



5



GR-Tamins

3



1

GR-Thusis

1



1

GR-Trimmis

4



3

GR-Untervaz

7



5

GR-Vals

3



GR-Wiesen

2



GR-Schiers GR-St. Antönien

2

6 2

3

LU-Aesch

1



1

LU-Dagmersellen

1



2

LU-Entlebuch

1



2

LU-Eschenbach (LU)

1

1



LU-Escholzmatt

1



1

LU-Flühli

1



1

LU-Grosswangen

1



3

LU-Horw

2



1



2

LU-Luzern LU-Malters



3

LU-Marbach

1



1

LU-Neuenkirch

1



1

LU-Pfaffnau

1



1



1

LU-Römerswil LU-Ruswil

1

LU-Schüpfheim

1

LU-Sempach

1

 2

 

1 1

258

Anhänge

SADS



Nom dǝ

dr



Akk dǝ

LU-Sursee

1



LU-Triengen

1



1



1

LU-Weggis

2

dr



LU-Willisau LU-Wolhusen

dǝn

2

LU-Zell



1



2

NW-Buochs

2



2

NW-Stans

1



2

2



1

1



1

OW-Engelberg

2



OW-Giswil

2



OW-Lungern

3



1

OW-Melchtal

2



2

1



NW-Wolfenschiessen OW-Alpnach

1

OW-Sarnen



SG-Altstätten

1

SG-Amden

1

SG-Andwil

1



SG-Benken

2



SG-Berneck

1



SG-Brunnadern

1

1

SG-Degersheim

2

SG-Diepoldsau

1



1 2

1

 2

 

SG-Eschenbach (SG)



1



1

SG-Flums

4

SG-Grabs



1



2

SG-Kirchberg

2



1

SG-Krinau

2



2

SG-Mels

2

1



SG-Ebnat-Kappel SG-Flawil

1

2



SG-Mörschwil

1



1

SG-Mosnang

2



1

259

A7: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

SADS SG-Oberriet



Nom dǝ

dr





3

1



3

2



1 3

SG-Pfäfers SG-Quarten

1

1



SG-Rapperswil

2

1



1



1



SG-Rheineck SG-Ricken (Wattwil)

1 2

1



dǝn

dr

1



SG-Schänis SG-Sennwald

Akk

2 1

3



SG-St. Gallen

1

1



SG-Stein

4

1



SG-Valens

1



2

SG-Vättis

4



3

SG-Walenstadt

5



1

4



1

SG-Sevelen

SG-Wartau SG-Wattwil

2



1

SG-Weisstannen

6

3

 

SG-Wil SG-Wildhaus

1



SH-Bibern

1



SH-Buchberg

1



SH-Gächlingen

6



SH-Hallau

2

SH-Merishausen

1



SH-Ramsen

3



SH-Schaffhausen

1



3

1

3



SH-Schleitheim

3



SH-Stein am Rhein

2



SH-Wilchingen

2



1

1 2

SO-Aedermannsdorf

2



1

SO-Aeschi

3



3

SO-Bettlach

5



3

SO-Bibern

4



1

260

Anhänge

SADS



Nom

Akk

dr



SO-Erschwil

2



SO-Kleinlützel

2



SO-Metzerlen

2



1

SO-Mümliswil

4



2

SO-Nunningen

1



2

SO-Rickenbach

2



SO-Schnottwil

4



SO-Solothurn

1





SO-Stüsslingen

2

SO-Welschenrohr



dǝn

dr 2

1

2



2

3



2

SZ-Alpthal

1

3



2

SZ-Brunnen

1

3



2

1



1



4



1



1

SZ-Einsiedeln SZ-Innerthal

2

SZ-Küssnacht SZ-Lachen

1

SZ-Muoatathal

3



SZ-Oberiberg

1



1



SZ-Schwyz

1

SZ-Tuggen

2



1

TG-Amriswil 1

1



1



3



TG-Birwinken TG-Bottighofen

1



1

TG-Ermatingen

3



1



TG-Fischingen TG-Frauenfeld

1



TG-Homburg

3



TG-Hüttwilen

1

 

TG-Kesswil TG-Lustdorf TG-Mammern

3

 

1 3



SZ-Wollerau TG-Basadingen

6

2

261

A7: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular vor Vokal

SADS



Nom

Akk





TG-Neukirch



1

TG-Roggwil



2

TG-Romanshorn





dr

TG-Sitterdorf

2



TG-Triboltingen

3



TG-Wängi

2



TG-Weinfelden

1



dǝn

dr

2 1 1

UR-Altdorf

3



UR-Andermatt

3



UR-Göschenen

1



1



UR-Isenthal

3



1

UR-Maderanertal (Bristen)

4



2

UR-Unterschächen

3



3

VS-Agarn

1



VS-Ausserberg

2



VS-Betten

2



VS-Binn

2



VS-Blatten

2



VS-Brig

2



VS-Bürchen

2



VS-Ferden

6



VS-Fiesch

4



UR-Gurtnellen

1



VS-Guttet-Feschel VS-Inden

2



VS-Mörel

3



VS-Oberwald

1



VS-Randa

2



VS-Reckingen

1



VS-Saas Grund

1



VS-Salgesch

2



VS-Simplon-Dorf

6



VS-St. Niklaus

2



3 1

1 1 1

262

Anhänge

SADS



Nom dr



VS-Steg

1



VS-Visp

3



VS-Zermatt

5



VS-Zwischbergen

4





ZG-Hünenberg



1



2

ZG-Oberägeri

3

ZG-Rotkreuz

1



ZG-Walchwil

1



ZG-Zug

1

 1

dǝn

dr

2 1

2

ZH-Andelfingen





ZG-Menzingen

1

Akk

2

2



1



1

ZH-Bäretswil

1

ZH-Bassersdorf

2



4

1

ZH-Bauma

1



3

2 1

ZH-Bülach

1



ZH-Egg

2



1



2



1



3

ZH-Eglisau ZH-Elgg

2

ZH-Ellikon

1

1



ZH-Falländen



ZH-Flaach ZH-Forch

1

ZH-Grüt ZH-Hedingen

1

ZH-Hütten ZH-Illnau

2

2



2



1



2



3



3



2



4

ZH-Kappel a.A.

1

ZH-Küsnacht

1

ZH-Langnau am Albis

1



1

ZH-Marthalen

1



3

ZH-Meilen

3



1

ZH-Nänikon



1

ZH-Neftenbach



3

1

1

263

A8: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular nach Präposition

SADS



Nom dǝ

ZH-Niederweningen ZH-Pfäffikon

1

ZH-Rafz

1

ZH-Regensberg

1

dr



1



1



1



1

ZH-Rifferswil





1



2 1

ZH-Rorbas

1



ZH-Rümlang

1

 

ZH-Stadel ZH-Stallikon ZH-Sternenberg

Akk

3

dr

1

4



5



1

ZH-Thalwil

1



1

ZH-Turbenthal

2



2

ZH-Unterstammheim

dǝn

1



1



ZH-Urdorf

2

ZH-Uster



1

1

ZH-Wädenswil



2

1



2



1



1

ZH-Wald

3

1

ZH-Winterthur ZH-Zürich

1

1

1

A8: SADS − DEFINITER ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR AKKUSATIV: TYPEN -e(n) (KONTRAKTION), dǝ(n) UND dr NACH PRÄPOSITION o äp P ch g m asu lM trk efin D :S 8 A

SADS

Akk -ǝ(n)

AG-Aarau

1

AG-Aarburg

3

dǝ(n)

AG-Baldingen AG-Birmenstorf AG-Boniswil AG-Boswil AG-Bremgarten

2 2

2 1

dr

264

Anhänge

SADS

Akk -ǝ(n)

AG-Brugg

dǝ(n)

dr

2

AG-Densbüren AG-Elfingen

1

AG-Frick AG-Hägglingen

2

AG-Kaiserstuhl AG-Kaisten AG-Kirchleerau

2 3

1

AG-Leibstadt

1

AG-Lenzburg

2

AG-Lupfig AG-Magden

4

AG-Menziken

3

AG-Merenschwand

1

AG-Möhlin

6

AG-Muhen

2

AG-Niederrohrdorf

2

AG-Oberhof

2

AG-Riken

4

AG-Siglistorf

2 2

AG-Stein

1

AG-Teufenthal

1

AG-Villigen AG-Wegenstetten

2

2 6

AG-Würenlos AG-Zofingen

1

AI-Appenzell

4

AI-Brülisau

3

AI-Haslen

2

AR-Bühler AR-Gais

1

AR-Heiden AR-Herisau

1

A8: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular nach Präposition

SADS

265

Akk -ǝ(n)

dǝ(n)

AR-Trogen

1

AR-Urnäsch

5

AR-Waldstadt

5

BE-Aarberg

3

BE-Adelboden

4

BE-Belp

3

BE-Bern

10

BE-Bleienbach

4

BE-Boltigen

5

BE-Brienz

6

BE-Büren a. A.

4

BE-Busswil

2

BE-Diemtigen

1

BE-Diessbach

4

BE-Erlach

3

BE-Fankhaus

3

BE-Faulensee

2

BE-Frauenkappelen

5

BE-Frutigen

4

BE-Gadmen

1

BE-Grafenried

4

BE-Grindelwald

2

BE-Gsteig

6

BE-Guggisberg

7

BE-Guttannen

3

BE-Habkern

1

BE-Huttwil

4

BE-Innertkirchen

3

BE-Ins

4

BE-Interlaken

5

BE-Iseltwald

6

BE-Ittigen

5

BE-Kandersteg

4

1

dr

266

Anhänge

SADS

Akk -ǝ(n)

BE-Kiental

4

BE-Konolfingen

3

BE-Krauchtal

4

BE-Langenthal

4

BE-Langnau

6

BE-Laupen

4

BE-Lauterbrunnen

2

BE-Leissigen

4

BE-Lenk

6

BE-Ligerz

5

BE-Lützelflüh

6

BE-Matten

5

BE-Meikirch

4

BE-Meiringen

dǝ(n)

1

BE-Melchnau

6

BE-Münchenbuchsee

9

BE-Mürren

2

BE-Neuenegg

4

BE-Niederbipp

5

BE-Oberwichtrach

7

BE-Pieterlen

3

BE-Rapperswil

7

BE-Reichenbach

3

BE-Reutigen

5

BE-Röthenbach

2

BE-Rubigen

4

BE-Rüeggisberg BE-Saanen

5

BE-Schangnau

2

BE-Schwarzenburg

4

BE-Seftigen

4

BE-Signau

5

BE-Spiez

4

1

dr

A8: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular nach Präposition

SADS

267

Akk -ǝ(n)

BE-Steffisburg

16

BE-Sumiswald

3

BE-Täuffelen

2

BE-Thun

2

BE-Trub

5

BE-Tüscherz

3

BE-Ursenbach

6

BE-Utzenstorf

5

BE-Wangen a. A.

9

BE-Wengen

1

BE-Wengi

4

BE-Worb

1

BE-Wynigen

4

BE-Zweisimmen

4

BL-Aesch

1

BL-Buckten

6

dǝ(n)

dr

1

1

1

BL-Ettingen

1

BL-Gelterkinden

13

BL-Hölstein

6

BL-Langenbruck

1

BL-Laufen

2

BL-Liesberg

1

BL-Liestal

4

BL-Maisprach

5

BL-Muttenz

3

BL-Pratteln

9

BL-Roggenburg

1

1

1

1

3 2

BL-Schönenbuch

4

BL-Ziefen

5

BL-Zunzgen

5

BS-Basel Stadt

1

BS-Bettingen

1

FR-Düdingen

3

4 1

268

Anhänge

SADS

Akk -ǝ(n)

dǝ(n)

FR-Freiburg

3

1

FR-Giffers

3

3

FR-Gurmels

1

1

FR-Heitenried

2

3

FR-Jaun

1

FR-Murten

2

FR-Plaffeien

3

FR-Schwarzsee

5

2

FR-Tafers

4

1

FR-Überstorf

5

1

GL-Elm

3

GL-Engi

4

GL-Glarus

8

GL-Linthal

5

GL-Luchsingen

2

GL-Mollis

8

GL-Näfels

6

GL-Obstalden

4

GL-Schwanden

12

GR-Arosa

dr

1

1

GR-Avers

2 4

GR-Chur GR-Churwalden

4

GR-Davos

3

GR-Davos-Monstein GR-Fläsch

4

GR-Jenins GR-Klosters

2

GR-Küblis

1

GR-Langwies

2

GR-Malans

1

GR-Mutten

3

GR-Obersaxen

1

A8: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular nach Präposition

SADS

Akk -ǝ(n)

dǝ(n)

GR-Rheinwald (Medels) GR-Safien

5

GR-Schiers

1

GR-St. Antönien

1

GR-Tamins

3

GR-Thusis

2

GR-Trimmis

1

GR-Untervaz

7

GR-Vals GR-Wiesen

1

LU-Aesch

1

1

LU-Dagmersellen

1

1

LU-Entlebuch

4

LU-Eschenbach (LU) LU-Escholzmatt

1

LU-Flühli

1

LU-Grosswangen

5

LU-Horw

2

2

2

1

LU-Luzern LU-Malters

269

LU-Marbach

1

LU-Neuenkirch

3

LU-Pfaffnau

3

LU-Römerswil

3

LU-Ruswil

2

LU-Schüpfheim

3

LU-Sempach

2

LU-Sursee

2

LU-Triengen

2

LU-Weggis

1

LU-Willisau

4

LU-Wolhusen

1

LU-Zell

1

3

dr

270

Anhänge

SADS

Akk -ǝ(n)

NW-Buochs

1

NW-Stans

4

NW-Wolfenschiessen

8

OW-Alpnach

3

OW-Engelberg

4

OW-Giswil

6

OW-Lungern

8

OW-Melchtal

2

OW-Sarnen

3

dǝ(n)

dr

SG-Altstätten SG-Amden

2

SG-Andwil

1

SG-Benken

1

SG-Berneck

1

1

SG-Brunnadern

2

SG-Degersheim

1

SG-Diepoldsau

1

1

SG-Ebnat-Kappel

1

SG-Eschenbach (SG)

1

SG-Flawil SG-Flums

4

SG-Grabs

1

1

SG-Kirchberg

2

SG-Krinau

3

SG-Mels

1

SG-Mörschwil

2

SG-Mosnang

6

SG-Oberriet

1

SG-Pfäfers

1

SG-Quarten

3

4 1

SG-Rapperswil SG-Rheineck SG-Ricken (Wattwil)

2

1

A8: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular nach Präposition

SADS

Akk -ǝ(n)

dǝ(n)

SG-Schänis 6 4

1

SG-St. Gallen

2

SG-Stein

3

SG-Valens

4

SG-Vättis

2

SG-Walenstadt

7

SG-Wartau

3

SG-Wattwil SG-Weisstannen

dr 1

SG-Sennwald SG-Sevelen

271

1

1 2

8

SG-Wil

3

SG-Wildhaus

2

SH-Bibern

1

SH-Buchberg SH-Gächlingen

2

SH-Hallau

2

SH-Merishausen

1

SH-Ramsen

2

SH-Schaffhausen SH-Schleitheim SH-Stein am Rhein

1

SH-Wilchingen SO-Aedermannsdorf

2

SO-Aeschi

4

SO-Bettlach

4

SO-Bibern

7

SO-Erschwil

3

SO-Kleinlützel

2

SO-Metzerlen

1 2

SO-Mümliswil

3

SO-Nunningen

2

SO-Rickenbach

4

272

Anhänge

SADS

Akk -ǝ(n)

dǝ(n)

SO-Schnottwil

5

SO-Solothurn

1

SO-Stüsslingen

3

SO-Welschenrohr

2

SZ-Alpthal

3

1

SZ-Brunnen

4

2

SZ-Einsiedeln

3

SZ-Innerthal

dr

1

SZ-Küssnacht SZ-Lachen

1

SZ-Muoatathal

2

SZ-Oberiberg

3

SZ-Schwyz

2

SZ-Tuggen

1

1

2

SZ-Wollerau TG-Amriswil TG-Basadingen

1

TG-Birwinken

1

TG-Bottighofen

1

TG-Ermatingen

1

TG-Fischingen

1

TG-Frauenfeld TG-Homburg

1

TG-Hüttwilen

2

TG-Kesswil

1

TG-Lustdorf TG-Mammern TG-Neukirch

2

TG-Roggwil TG-Romanshorn TG-Sitterdorf

2

TG-Triboltingen

2

TG-Wängi

A8: SADS: Definiter Artikel Maskulinum Singular nach Präposition

SADS

Akk -ǝ(n)

TG-Weinfelden UR-Altdorf

273

dǝ(n)

dr

1 6

UR-Andermatt UR-Göschenen

2

UR-Gurtnellen

1 1

UR-Isenthal

7

UR-Maderanertal (Bristen)

1

UR-Unterschächen

6

VS-Agarn

1

VS-Ausserberg

5 2

VS-Betten

4

VS-Binn VS-Blatten

2 5

VS-Brig

3

VS-Bürchen VS-Ferden

1 3

6

VS-Fiesch

6

1

VS-Guttet-Feschel VS-Inden

2

VS-Mörel

4

1

VS-Oberwald

4

1

VS-Randa

3

VS-Reckingen

6

VS-Saas Grund

4

VS-Salgesch

1

VS-Simplon-Dorf

4

VS-St. Niklaus

5

VS-Steg

2

VS-Visp

3

1

VS-Zermatt

4

2

VS-Zwischbergen

4

ZG-Hünenberg ZG-Menzingen

1 1

2

274

Anhänge

SADS

Akk -ǝ(n)

ZG-Oberägeri

dǝ(n)

1

ZG-Rotkreuz ZG-Walchwil ZG-Zug

1

ZH-Andelfingen ZH-Bäretswil

2

ZH-Bassersdorf

4

ZH-Bauma

2

ZH-Bülach

2

ZH-Egg

2

ZH-Eglisau

2

ZH-Elgg ZH-Ellikon ZH-Falländen ZH-Flaach ZH-Forch

2

ZH-Grüt

3

ZH-Hedingen ZH-Hütten ZH-Illnau

1 7

ZH-Kappel a.A.

4

ZH-Küsnacht

1

ZH-Langnau am Albis

2

ZH-Marthalen

1

ZH-Meilen ZH-Nänikon ZH-Neftenbach ZH-Niederweningen ZH-Pfäffikon ZH-Rafz ZH-Regensberg ZH-Rifferswil ZH-Rorbas

1

dr

275

A9: Nominativbelege

SADS

Akk -ǝ(n)

dǝ(n)

dr

ZH-Rümlang ZH-Stadel

1

ZH-Stallikon

1

ZH-Sternenberg

1

ZH-Thalwil

1

ZH-Turbenthal ZH-Unterstammheim ZH-Urdorf

1

ZH-Uster

1

ZH-Wädenswil

1

ZH-Wald

2

ZH-Winterthur ZH-Zürich

1

A9: NOMINATIVBELEGE FÜR AKKUSATIV IM KORPUS elg b atv in m o :N 9 A

ID

Person

Beleg

1

P10

Namenszettel: der gibt es bei uns nicht.

2

P10

so blöd aber was der ausfluss betrifft habe ich auch seit zwei tagen starken ausfluss

3

P02

aber zum glück haben gg und ich einen ähnlichen Geschmack, wass der name angeht …

4

P10

Der nächste Termin habe ich erst einen tag vor et.

5

P21

dass das für die andere seite der meiner meinung nach grösste einschnitt im leben bedeutet, geht da wohl irgendwie flöten.

6

P07

Aber es würde mich ja gar nicht wundern, wenns ein Widder gäbe

7

P02

du hast ja ein gg [Göttergatte; GP] …

8

P12

Du hast ein toller KiA [Kinderarzt; GP]!

9

P10

habe auf einmal so brauner ausfluss.

10

P19

Phuuu habe ein mega Tag hinter mir......

11

P20

doch nun hat er ein richtiger bubenschnitt!

12

P22

Oh ich hätte doch gern ein KS [Kaiserschnitt; GP] und zwar jetzt!!!

13

P22

Oh, Du hast schon ein verkürzter MuMu [Muttermund; GP]?

276

Anhänge

ID

Person

Beleg

14

P02

das geht der rest der familie und freunde eigentlich nichts an.

15

P22

Ne, freu mich natürlich, mein Kleiner nochmals zu sehen

16

P22

Freue mich, Dich und Dein Kleiner bald mal zu sehen!

17

P18

Geniess dein GG [Göttergatte; GP]

18

P18

Oh schön, geniess dein Tag.

19

P08

von wegen 2. kind und kein neuer job mehr suchen:

20

P03

Mach dir kein Kopf, sehe das wie [Nickname; GP] wegen [Eigenname; GP]!

21

P05

Mein Sohn (Erstgeborener) hätte ich nie zu Hause gebären können.

22

P15

Wunderschöner Name habt ihr ausgesucht!

23

P19

Ein ganz schöner Geburtstag wüsnch ich dir

24

P14

[…] vielleicht ist ja was dabei was dein kleiner umstimmt!!!

25

P22

[…] und ich muss mein GG [Göttergatte; GP] von der Fasnacht holen!

26

P22

Sobald es geht, möchte ich Euch natürlich mein kleiner Schatz [Eigenname; GP] zeigen!

27

P19

Ich konnte mein kleiner Mann so richtig geniessen!

28

P23

habe vor 4 wochen mein kleiner bekommen.

29

P06

hab dein erster beitrag auch nicht gesehen.

30

P13

happy birthday noch, hoffe du konntest dein tag geniessen

31

P04

mein zwerg isst kein brei, kann ihn irgendwie verstehen

32

P02

wir haben shon nach namensvorschlägen gefragt, aber niemand hat uns ja auch nur ein vorschlag gemacht!

33

P19

Wünsch euch nun ein ruhiger Abend

34

P19

Dir wünsch ich ein super start zuhause mit deinen beiden Mädels

35

P16

Ich wollte eigentlich unser Kleiner von Anfang an in seinem Zimmer schlafen lassen.

36

P07

Genau solche wie dein Prakti [Praktikant; GP] mag ich nicht

37

P19

Sorry für mein Egobericht.

38

P09

leider hatte meine übelkeit irgendeinen anderen grund, nur nicht der gewünschte

39

P19

Ja da geht für euch ein rieser Lebensabschnitt zu ende dafür dürft ihr euch auf ein neuer zusammen mit euren beiden Kindern hier in der Schweiz freuen.

40

P11

darum such ich auf diesem wege anregungen für ein mädchen- und einen jungennamen.

A10: Akkusativbelege

277

ID

Person

Beleg

41

P02

ich hab dann immer gesagt, jeder tag der vergeht wird er ein tag älter und es kann nur besser werden und es ist auch besser geworden

42

P17

Jetzt wird der ganze Tag nach einem Nuggi gefragt...da ich den immer wieder verstecke.

43

P01

ich hab dann immer gesagt, jeder tag der vergeht wird er ein tag älter und es kann nur besser werden und es ist auch besser geworden

44

P01

einer war mal so süss, der sass vor einem, und wenn man ihn lange angeschaut hat, dann hat er sich auf der rücken rollen lassen...also nach hinten gekippt… […]

A10: AKKUSATIVBELEGE IM KORPUS elg b sativ u :k 0 1 A

ID

Person

Beleg

1

P01

jetzt dicken wir den schoppen ein, […]

2

P19

Na gut der Zug kahm und musste meinen armen kleinen Mann in den Zug hiefen und dann den Wagen noch iergenwie hineinbringen.

3

P17

Jetzt wird der ganze Tag nach einem Nuggi gefragt…da ich den immer wieder verstecke.

4

P10

sobald das baby da ist fühlt die ärztin oder hebi so einen fötzel aus […]

5

P22

Hast Du jetzt den gleichen KiWa [Kinderwagen; GP] gekauft wie wir?

6

P19

[…] aber [Eigenname; GP] kennt den Besitzer desen Sportgeschäft und hollte einen vernünftigen Preis raus.

7

P22

Mein Kleiner drückt den Epi no auch immer raus, […]

8

P22

Ja ich verwende den Epi no auch!!

9

P17

[…], aber einen Nuggi verbissen hat sie bis jetzt noch nicht geschafft.

10

P19

Na gut der Zug kahm und musste meinen armen kleinen Mann in den Zug hiefen und dann den Wagen noch iergenwie hineinbringen.

11

P02

aber zum glück haben gg und ich einen ähnlichen geschmack, […]

12

P10

so blöd aber was der ausfluss betrifft habe ich auch seit zwei tagen starken ausfluss […]

13

P08

habt ihr schon einen zügeltermin…?

14

P09

leider hatte meine übelkeit irgendeinen anderen grund, nur nicht der gewünschte

15

P22

[…], war ja klar, dass die einen geplanten KS [Kaiserschnitt; GP] will!!!

16

P19

Wir blieben heute den ganzen Tag zu Hause und verbrachten den Tag

278 ID

Anhänge

Person

Beleg auf der Terasse!

17

P11

[…] und bei mädchennamen möchte ich keinen der auf a endet

18

P21

die sendung hab ich auch geguckt und fand den arzt lustig, so staubtrocken.

19

P03

Finde ich noch speziell, dass du keinen Termin mehr erhalten hast...

20

P19

[…] aber [Eigenname; GP] kennt den Besitzer desen Sportgeschäft und hollte einen vernünftigen Preis raus.

21

P22

Die hatten doch den KS [Kaiserschnitt; GP] schon längst geplant gehabt, […]

22

P13

hab plötzlich wieder eine tallie und einen riesen bauch

23

P17

Krümmel hat fast den ganzen US [Ultraschall; GP] verschlafen.

24

P01

wünsche allen einen schönen abend und eine ruhige und erholsame nacht

25

P13

wünsch euch einen schönen abend und eine erholsame nacht...

26

P08

uns geht es gut, aber ich frier mir einen ab.

27

P22

Unser Laptop hat glaube ich einen richtig saftigen Virus eingefangen!

28

P02

ich werde sicherlich die ganzen Spitaltage nie an den compi kommen

29

P19

Ich möchte auch mal wieder in den Zirkus

30

P19

Na gut der Zug kahm und musste meinen armen kleinen Mann in den Zug hiefen und dann den Wagen noch iergenwie hineinbringen.

31

P19

[…] um fünf hab ich ihn dann wieder in den Schlafsack gelegt!

32

P04

wenn man nur mal in den kopf von den kleinen gucken könnte.

33

P18

[…] ....hab auf jeden Fall ziemliche Mensbauchschmerzen... […]

34

P01

jetzt geben wir ihm in jeden schoppen etwas das ihm helfen tut […]

35

P13

aber naja, was man nicht alles macht für seinen job…

36

P18

Darfst gerne malvorbei kommen und in meinen Wäschekeller schauen…

37

P19

Wir standen dan also am Bahnhof und warteten auf den Zug der wieder nach hause fuhr.

38

P06

ich hab ja seit längerem wehen die sich auf den mumu [Muttermund; GP] auswirken.

39

P06

danke für den typ wegen bb [Babybjörn; GP].

40

P02

also bei uns entscheiden nur wir als eltern über den namen unseres kindes.

41

P11

darum such ich auf diesem wege anregungen für ein mädchen- und einen jungennamen.

A10: Akkusativbelege

279

ID

Person

Beleg

42

P19

Wir blieben heute den ganzen Tag zu Hause und verbrachten den Tag auf der Terasse!

43

P19

Auf diesem Weg übergab er sich dan nochmals und mir volle pulle den Hals hinab da er ich ihn ja trug.

44

P10

Der nächste Termin habe ich erst einen tag vor et [erwarteter Termin; GP].

KARTEN K arten arten K

Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Kt. ZH ZH BE BE BE BE BE BE BE BE LU LU UR SZ

Ort Kilchberg Ottenbach Bern Langnau Sigriswil Habkern Grindelwald Guttannen Boltigen Biel Luzern Escholzmatt Hospental Arth

Nr. 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Kt. NW OW GL ZG FR FR SO BL SH AI SG SG SG SG

Ort Stans Alpnach Glarus Zug Düdingen Muschels Solothurn Diegten Schaffhausen Appenzell St. Gallen Ebnat + Kappel Kirchberg Flawil

Nr. 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

Kt. SG GR GR GR AG AG AG AG TG TG VS VS VS VS

Ort Oberriet Hinterrhein Chur Klosters Aarau Brugg Mellingen Gansingen Bischofszell Steckborn Münster Leuk Blatten Raron

Karte 1: Gewählte Ortspunkte für die Darstellung der Mundartphänomene in STALDERS (1819) Dialektparabeln KARTE 1: GEWÄHLTE ORTSPUNKTE FÜR DIE DARSTELLUNG DER MUNDARTPHÄNOMENE IN STALDERS (1819) DIALEKTPARABELN

Karten

Karte 2: Mehrfachverantwortlichkeiten von Korrespondenten in STALDERS (1819) Dialektparabeln

282

KARTE 2: MEHRFACHVERANTWORTLICHKEITEN VON KORRESPONDENTEN IN STALDERS (1819) DIALEKTPARABELN

283

Karten Kt. AG AP BE BS FR FR GL GL GR GR GR

Nr. 38 11 15 1 4 14 2 5 3 24 25

Ort Lenzburg Appenzell Biel Basel Düdingen Jaun Obstalden Glarus Malans Davos-Frauenkirch Obersaxen

Kt. GR GR GR LU SG SG SH TG UR UR WS

Nr. 29 32 33 30 1 14 3 13 4 11 1

Ort Hinterrhein Mutten Avers Schüpfheim Kirchberg Altstätten Schleitheim Kesswil Altdorf Hospental Salgesch

Kt. WS WS WS WS ZH LI OE OE OE OE OE

Nr. 7 13 25 33 48 1 1 2 3 4 5

Ort Blatten Visperterminen Simplon Dorf Geschinen Steg Vaduz Feldkirch Koblach Bludenz Schruns Klösterle

Karte 3: Gewählte Ortspunkte für die Darstellung der Mundartphänomene in den älteren Grammatiken KARTE 3: GEWÄHLTE ORTSPUNKTE FÜR DIE DARSTELLUNG DER MUNDARTPHÄNOMENE IN DEN ÄLTEREN GRAMMATIKEN

Karten

Karte 4: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)

284

KARTE 4: NOMINATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR IN DEN DIALEKTPARABELN BEI STALDER (1819)

285

Karte 5: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken

Karten

KARTE 5: NOMINATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR IN DEN ÄLTEREN GRAMMATIKEN

Karten

Karte 6: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Konsonant in SDS III, 134 und VALTS V, 205

286

KARTE 6: NOMINATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR VOR KONSONANT IN SDS III, 134 UND VALTS V, 205

287

Karte 7: Nominativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Konsonant nach den Fragebögen des SADS

Karten

KARTE 7: NOMINATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR VOR KONSONANT NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

Karten

Karte 8: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)

288

KARTE 8: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR IN DEN DIALEKTPARABELN BEI STALDER (1819)

289

Karte 9: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken

Karten

KARTE 9: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR IN DEN ÄLTEREN GRAMMATIKEN

290

Karten

Karte 10: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular nach SDS III, 136 und VALTS V, 205 KARTE 10: VOM NOMINATIV (TEILWEISE) ABWEICHENDER AKKUSATIV BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR NACH SDS III, 136 UND VALTS V, 205

Karte 11: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie dǝ-Synkretismen nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 KARTE 11: VOM NOMINATIV (TEILWEISE) ABWEICHENDER AKKUSATIV BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR SOWIE DƎ-SYNKRETISMEN NACH SDS III, 134/136 UND VALTS V, 205

Karten

291

Karte 12: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie dr-Synkretismen nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 KARTE 12: VOM NOMINATIV (TEILWEISE) ABWEICHENDER AKKUSATIV BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR SOWIE DR-SYNKRETISMEN NACH SDS III, 134/136 UND VALTS V, 205

Karte 13: Vom Nominativ (teilweise) abweichender Akkusativ beim definiten Artikel Maskulinum Singular sowie beide Formen in beiden Kasus nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205 KARTE 13: VOM NOMINATIV (TEILWEISE) ABWEICHENDER AKKUSATIV BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR SOWIE BEIDE FORMEN IN BEIDEN KASUS NACH SDS III, 134/136 UND VALTS V, 205

Karten

Karte 14: Nominativ-Akkusativ-Verteilung des definiten Artikels Maskulinum Singular in der Ostschweiz und in Vorarlberg nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205

292

KARTE 14: NOMINATIV-AKKUSATIV-VERTEILUNG DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR IN DER OSTSCHWEIZ UND IN VORARLBERG NACH SDS III, 134/136 UND VALTS V, 205

293

Karte 15: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach SDS III, 134/136 und VALTS V, 205

Karten

KARTE 15: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR NACH SDS III, 134/136 UND VALTS V, 205

294

Karten

Karte 16: Vorläufige Darstellung der problemlos interpretierbaren Nominativ-AkkusativAusprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS KARTE 16: VORLÄUFIGE DARSTELLUNG DER PROBLEMLOS INTERPRETIERBAREN NOMINATIV-AKKUSATIV-AUSPRÄGUNGEN DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

Karte 17: Vorläufige Darstellung der Übergangsausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular mit Abweichungen in nur einem Kasus nach den Fragebögen des SADS KARTE 17: VORLÄUFIGE DARSTELLUNG DER ÜBERGANGSAUSPRÄGUNGEN DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR MIT ABWEICHUNGEN IN NUR EINEM KASUS NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

Karten

295

Karte 18: Vorläufige Darstellung der Übergangsausprägungen des definiten Artikels Maskulinum Singular mit schwer interpretierbaren Abweichungen im Akkusativ nach den Fragebögen des SADS KARTE 18: VORLÄUFIGE DARSTELLUNG DER ÜBERGANGSAUSPRÄGUNGEN DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR MIT SCHWER INTERPRETIERBAREN ABWEICHUNGEN IM AKKUSATIV NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

Karten

Karte 19: Endgültige Darstellung von Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach den Fragebögen des SADS

296

KARTE 19: ENDGÜLTIGE DARSTELLUNG VON NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

297

Karte 20: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)

Karten

KARTE 20: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR VOR VOKAL IN DEN DIALEKTPARABELN BEI STALDER (1819)

Karten

Karte 21: Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal im vorkonsonantischen də-Gebiet nach den Spontandaten des SDS zitiert in MEYER (1967, 57)

298

KARTE 21: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR VOR VOKAL IM VORKONSONANTISCHEN DƏ-GEBIET NACH DEN SPONTANDATEN DES SDS ZITIERT IN MEYER (1967, 57)

Karten

299

Karte 22: Ausschließlich dǝ in beiden Kasus oder in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS KARTE 22: AUSSCHLIEßLICH DƎ IN BEIDEN KASUS ODER IN EINEM KASUS BEI FEHLENDEN BELEGEN FÜR DEN ANDEREN KASUS BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR VOR VOKAL NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

Karte 23: Ausschließlich dr in beiden Kasus oder in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS KARTE 23: AUSSCHLIEßLICH DR IN BEIDEN KASUS ODER IN EINEM KASUS BEI FEHLENDEN BELEGEN FÜR DEN ANDEREN KASUS BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR VOR VOKAL NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

300

Karten

Karte 24: Gemischte Ausprägungen in beiden Kasus oder beide Formen in einem Kasus bei fehlenden Belegen für den anderen Kasus beim definiten Artikel Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS KARTE 24: GEMISCHTE AUSPRÄGUNGEN IN BEIDEN KASUS ODER BEIDE FORMEN IN EINEM KASUS BEI FEHLENDEN BELEGEN FÜR DEN ANDEREN KASUS BEIM DEFINITEN ARTIKEL MASKULINUM SINGULAR VOR VOKAL NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

301

Karte 25: Endgültige Darstellung von Nominativ und Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular vor Vokal nach den Fragebögen des SADS

Karten

KARTE 25: ENDGÜLTIGE DARSTELLUNG VON NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR VOR VOKAL NACH DEN FRAGEBÖGEN DES SADS

Karten

Karte 26: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition in den Dialektparabeln bei STALDER (1819)

302

KARTE 26: AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR NACH PRÄPOSITION IN DEN DIALEKTPARABELN BEI STALDER (1819)

303

Karte 27: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition in den älteren Grammatiken

Karten

KARTE 27: AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR NACH PRÄPOSITION IN DEN ÄLTEREN GRAMMATIKEN

Karten

Karte 28: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition im SDS III, 137

304

KARTE 28: AKKUSATIV DES DEFINITEN ARTIKELS MASKULINUM SINGULAR NACH PRÄPOSITION IM SDS III, 137

305

Karte 29: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition nach den Fragebögen des SADS

Karten

Karte 29: Akkusativ des definiten Artikels Maskulinum Singular nach Präposition nach den Fragebögen des SADS

Karten

Karte 30: Nominativ und Akkusativ des Demonstrativums Maskulinum Singular vor Konsonant in den Dialektparabeln nach Stalder (1819)

306

KARTE 30: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEMONSTRATIVUMS MASKULINUM SINGULAR VOR KONSONANT IN DEN DIALEKTPARABELN NACH STALDER (1819)

Karten

307

Karte 31: Nominativ und Akkusativ des Relativums Maskulinum Singular vor Konsonant in den Dialektparabeln bei Stalder (1819) KARTE 31: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES RELATIVUMS MASKULINUM SINGULAR VOR KONSONANT IN DEN DIALEKTPARABELN BEI STALDER (1819)

Karte 32: wo in Nominativ oder Akkusativ als Ersatz für das Relativum Maskulinum Singular in den Dialektparabeln bei Stalder (1819) KARTE 32: WO IN NOMINATIV ODER AKKUSATIV ALS ERSATZ FÜR DAS RELATIVUM MASKULINUM SINGULAR IN DEN DIALEKTPARABELN BEI STALDER (1819)

Karten

Karte 33: Nominativ und Akkusativ des Demonstrativums Maskulinum Singular in den älteren Grammatiken

308

KARTE 33: NOMINATIV UND AKKUSATIV DES DEMONSTRATIVUMS MASKULINUM SINGULAR IN DEN ÄLTEREN GRAMMATIKEN

309

Karte 34: ausgewählte Gebiete zur Darstellung lokaler Artikelsysteme

Karten

KARTE 34: AUSGEWÄHLTE GEBIETE ZUR DARSTELLUNG LOKALER ARTIKELSYSTEME

Z E I T S C H R I F T F Ü R D I A L E K T O L O G I E U N D L I NG U I S T I K



BEIHEFTE

In Verbindung mit Michael Elmentaler und Jürg Fleischer herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0341–0838

132. Bruno Schweizer Zimbrische Gesamtgrammatik Vergleichende Darstellung der zimbrischen Dialekte. Hg. von James R. Dow 2008. XLIV, 972 S. mit 8 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09053-7 133. Dorina Ronca-Uroš Kontrastive Phonetik Deutsch – Afrikaans Unter Mitarbeit von Anna E. Coetzee 2008. 184 S. mit 41 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09191-6 134. Stefan Rabanus Morphologisches Minimum Distinktionen und Synkretismen im Minimalsatz hochdeutscher Dialekte 2008. 330 S. mit 1 Abb., 22 Ktn. und 102 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09242-5 135. Peter Ernst / Franz Patocka (Hg.) Dialektgeographie der Zukunft Akten des 2. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Institut für Germanistik der Universität Wien vom 20.–23. September 2006 2008. 308 S. mit 51 Abb. und 26 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09256-2 136. Melanie M. Wagner Lay linguistics and school teaching An empirical sociolinguistic study in the Moselle-Franconian dialect area 2009. 197 S., kt. ISBN 978-3-515-09323-1 137. Peter Zürrer Sprachkontakt in Walser Dialekten Gressoney und Issime im Aostatal (Italien) 2009. 236 S. mit 3 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09358-3 138. Alexandra N. Lenz / Charlotte Gooskens / Siemon Reker (Hg.) Low Saxon Dialects across Borders / Niedersächsische Dialekte über Grenzen hinweg 2009. 366 S. mit 31 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09372-9

139. Peter Seidensticker Aisthesis Wahrnehmung der Farben in den Pflanzenbeschreibungen der frühen deutschen Kräuterbücher 2010. 98 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09623-2 140. Helen Christen / Manuela Guntern / Ingrid Hove / Marina Petkova Hochdeutsch in aller Munde Eine empirische Untersuchung zur gesprochenen Standardsprache in der Deutschschweiz Unter Mitarbeit von Mirjeta Reçi 2010. 249 S. mit 14 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09700-0 141. Helen Christen / Sibylle Germann / Walter Haas / Nadia Montefiori / Hans Ruef (Hg.) Alemannische Dialektologie: Wege in die Zukunft Beiträge zur 16. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Freiburg/Fribourg vom 07.–10.09.2008 Unter Mitarbeit von Christiane Stieger 2010. 373 S. mit 58 s/w- und 11 Farbabb., kt. ISBN 978-3-515-09827-4 142. Gerrit Appenzeller Das Niedersächsische Wörterbuch Ein Kapitel aus der Geschichte der Großlandschaftslexikografie 2011. 480 S. mit CD-ROM, geb. ISBN 978-3-515-09848-9 143. Alexander Werth Perzeptionsphonologische Grundlagen der Prosodie Eine Analyse der mittelfränkischen Tonakzentdistinktion 2011. 297 S. mit 89 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09862-5 144. Elvira Glaser / Jürgen Erich Schmidt / Natascha Frey (Hg.) Dynamik des Dialekts – Wandel und Variation Akten des 3. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für

145.

146.

147.

148.

149.

150.

151.

Dialektologie des Deutschen (IGDD) 2011. 365 S. mit 13 s/w- und 7 Farbabb., kt. ISBN 978-3-515-09900-4 Elisabeth Knipf-Komlósi Wandel im Wortschatz der Minderheitensprache Am Beispiel des Deutschen in Ungarn 2011. 293 S. mit 6 Abb. und 13 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09930-1 Tom F. H. Smits Strukturwandel in Grenzdialekten Die Konsolidierung der niederländischdeutschen Staatsgrenze als Dialektgrenze 2011. 360 S. mit 27 Abb. und 221 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09946-2 Cristian Kollmann Grammatik der Mundart von Laurein Eine Laut- und Formenlehre aus synchroner, diachroner und kontrastiver Sicht 2012. 386 S., kt. ISBN 978-3-515-09944-8 Tobias Streck Phonologischer Wandel im Konsonantismus der alemannischen Dialekte Baden-Württembergs Sprachatlasvergleich, Spontansprache und dialektometrische Studien 2012. 471 S. mit 144 Abb., 12 Tab. und 11 Kunstdrucktafeln ISBN 978-3-515-10068-7 Christoph Purschke Regionalsprache und Hörerurteil Grundzüge einer perzeptiven Variationslinguistik 2011. 364 S. mit 53 s/w- und 30 Farbabb., 47 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09927-1 Agnes Kolmer Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro Untersuchungen zum grammatischen Wandel einer deutschen Minderheitensprache in romanischer Umgebung 2012. 253 S. mit 20 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10151-6 John Bellamy Language Attitudes in England and Austria A Sociolinguistic Investigation into Perceptions of High and Low-Prestige Varieties in Manchester and Vienna 2012. 245 S. mit 62 Abb. und 78 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10272-8

152. Roland Kehrein Regionalsprachliche Spektren im Raum Zur linguistischen Struktur der Vertikale 2012. 389 S. mit 67 s/w- und 7 Farbabb., 40 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10273-5 153. Robert Möller Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache Untersuchungen zu Variation und Kookkurrenzregularitäten im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standardsprache 2013. 372 S. mit 50 Abb., 42 Tab. und 1 Karte, kt. ISBN 978-3-515-10122-6 154. Simon Pickl Probabilistische Geolinguistik Geostatistische Analysen lexikalischer Variation in Bayerisch-Schwaben 2013. 269 S. mit 63 Abb. und 45 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10463-0 155. Dominique Huck (Hg.) Alemannische Dialektologie: Dialekte im Kontakt Beiträge zur 17. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Straßburg vom 26.–28.10.2011 2014. 300 S. mit 39 s/w- und 4 Farbabb., 29 Tab., 16 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-10343-5 156. Magnus Breder Birkenes Subtraktive Nominalmorphologie in den Dialekten des Deutschen Ein Beitrag zur Interaktion von Phonologie und Morphologie 2014. 256 S. mit 12 Abb. und 52 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10785-3 157. Thomas Krefeld / Elissa Pustka (Hg.) Perzeptive Linguistik: Phonetik, Semantik, Varietäten 2014. 216 S. mit 39 Abb. und 10 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10314-5 158. Michael Elmentaler / Markus Hundt / Jürgen Erich Schmidt (Hg.) Deutsche Dialekte. Konzepte, Probleme, Handlungsfelder Akten des 4. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) 2015. 516 S. mit 57 Abb. und 55 Tab., 40 Farbabb. auf 20 Tafeln, kt. ISBN 978-3-515-10984-0

159. Christian Schwarz Phonologischer Dialektwandel in den alemannischen Basisdialekten Südwestdeutschlands im 20. Jahrhundert Eine empirische Untersuchung zum Vokalismus 2015. 584 S. mit 213 s/w- und 14 Farbabb., 90 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10295-7 160. Simon Pröll Raumvariation zwischen Muster und Zufall Geostatistische Analysen am Beispiel des Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben 2015. 215 S. mit 78 s/w- und 22 Farbabb., 13 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11055-6 161. Ursula Stangel Form und Funktion der Reflexiva in österreichischen Varietäten des Bairischen 2015. 212 S. mit 27 Abb. und 28 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11002-0 162. Oscar Eckhardt Alemannisch im Churer Rheintal Von der lokalen Variante zum Regionaldialekt 2016. 424 S. mit zahlreichen s/w- und Farbabb., kt. ISBN 978-3-515-11264-2 163. Filippo Nereo The Dynamics of Language Obsolescence in a Divided Speech Community The Case of the German Wischau / Vyškov Enclave (Czech Republic) 2016. 145 S. mit 2 Abb. und 2 Graf., kt. ISBN 978-3-515-10102-8 164. Marlies Koch Geschichte der gesprochenen Sprache von Bayerisch-Schwaben Phonologische Untersuchungen mittels diatopisch orientierter Rekonstruktion 2016. 521 S. mit 63 s/w-Abb. und 137 Farbkarten, kt. ISBN 978-3-515-11401-1 165. Augustin Speyer / Philipp Rauth (Hg.) Syntax aus Saarbrücker Sicht 1 Beiträge der SaRDiS-Tagung zur Dialektsyntax 2016. 219 S. mit 15 Abb. und 50 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11445-5 166. Lars Bülow Sprachdynamik im Lichte

167.

167.

168.

169.

170.

171.

der Evolutionstheorie – Für ein integratives Sprachwandelmodell 2017. 343 S. mit 13 Abb. und 6 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11531-5 Alexandra N. Lenz / Ludwig Maximilian Breuer / Tim Kallenborn / Peter Ernst / Manfred Michael Glauninger / Franz Patocka (Hg.) Bayerisch-österreichische Varietäten zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Dynamik, Struktur, Funktion 12. Bayerisch-Österreichische Dialektologentagung 2017. 504 S. mit 86 Abb., 57 Tab. und 9 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-11222-2 Alexandra N. Lenz / Ludwig Maximilian Breuer / Tim Kallenborn / Peter Ernst / Manfred Michael Glauninger / Franz Patocka (Hg.) Bayerisch-österreichische Varietäten zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Dynamik, Struktur, Funktion 12. Bayerisch-Österreichische Dialektologentagung 2017. 504 S. mit 86 Abb., 57 Tab. und 9 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-11222-2 Brigitte Ganswindt Landschaftliches Hochdeutsch Rekonstruktion der oralen Prestigevarietät im ausgehenden 19. Jahrhundert 2017. 302 S. mit 3 s/w- und 3 Farbabb., 49 Tab., 24 s/w- und 22 Farbktn., kt. ISBN 978-3-515-11679-4 Andreas Lötscher Areale Diversität und Sprachwandel im Dialektwortschatz Untersuchungen anhand des Sprachatlas der deutschen Schweiz 2017. 378 S. mit 61 Abb. und 51 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-11687-9 Augustin Speyer / Philipp Rauth (Hg.) Syntax aus Saarbrücker Sicht 2 Beiträge der SaRDiS-Tagung zur Dialektsyntax 2018. 235 S. mit 17 Abb., 44 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11996-2 Helen Christen / Peter Gilles / Christoph Purschke (Hg.) Räume, Grenzen, Übergänge Akten des 5. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) 2017. 408 S. mit 56 s/w- und 41 Farbabb., 32 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11995-5

„Mach nid dr Doktr!“, also wörtlich: „Mach nicht der Doktor“ – so oder ähnlich kann man in der Schweiz ausdrücken, dass man die Fünfe auch mal gerade sein lassen darf. Wo, wann, wie und weshalb ist diese Formgleichheit von Nominativ und Akkusativ im Maskulinum Singular entstanden? Gabriela Perrig untersucht zum einen anhand von Dialektdaten aus zwei Jahrhunderten die areale Entwick-

ISBN 978-3-515-12184-2

9

7835 1 5 1 2 1 842

lung des Kasuszusammenfalls von Nominativ und Akkusativ in der Schweiz und in angrenzenden Dialektregionen. Zum anderen geht sie anhand von Interferenzphänomenen aus den Dialekten in den Schweizer Standard der Frage nach den steuernden morphologischen, syntaktischen und kognitiv-semantischen Faktoren dieser Entwicklung nach.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag