Tabu, Trauma und Identität: Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und der Schweiz, 1960-2015 9783839451366

Die seit 1947 andauernde systematische Vertreibung der Palästinenser_innen aus Palästina/Israel und die Shoa werden geme

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German Pages 322 Year 2020

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Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Denken, Fühlen und Sprechen gegen die Gewalt
1 Einleitung
2 Palästina als moralischer Ort
3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?
4 Väter II: Unmögliche Subjekte
5 Kinder/Töchter
6 Schlusswort
Fotos
Bibliografie
Anhang
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Tabu, Trauma und Identität: Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und der Schweiz, 1960-2015
 9783839451366

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Sarah El Bulbeisi Tabu, Trauma und Identität

Histoire  | Band 174

für meinen Vater

Sarah El Bulbeisi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Orient-Institut Beirut. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und leitete den DAAD Hochschuldialog »Gewalt, Flucht und Exil: Trauma in der arabischen Welt und in Deutschland«. Sie promovierte an der LMU München und erhielt ihr Lizenziat an der Universität Zürich.

Sarah El Bulbeisi

Tabu, Trauma und Identität Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und der Schweiz, 1960-2015

Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: © Hani Zurob, Untitled, 2009, Tar and mixed media on canvas, 120x100 cm Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5136-2 PDF-ISBN 978-3-8394-5136-6 https://doi.org/10.14361/9783839451366 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Danksagung .............................................................................. 9 Denken, Fühlen und Sprechen gegen die Gewalt .......................................... 11 1 1.1 1.2

1.6 1.7

Einleitung...........................................................................13 Forschungsfragen ................................................................... 16 Forschungsstand: PalästinenserInnen in der Welt ..................................... 17 1.2.1 Der Diasporabegriff...........................................................18 1.2.2 PalästinenserInnen im arabischen Raum ..................................... 20 1.2.3 PalästinenserInnen außerhalb des arabischen Raums......................... 20 1.2.4 PalästinenserInnen in Europa ................................................ 22 1.2.5 PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz ....................... 25 Theoretische Konzepte ............................................................. 30 1.3.1 (Diaspora-)Identität.......................................................... 30 1.3.2 Trauma...................................................................... 37 1.3.3 Staatliche/systemische und diskursive/objektive Gewalt ..................... 48 1.3.4 Subjektivität.................................................................. 51 Forschungsbeitrag.................................................................. 54 Methode............................................................................ 58 1.5.1 Datenerhebung .............................................................. 58 1.5.2 Datenanalyse ................................................................. 61 Ausblick auf die Hauptthese ........................................................ 62 Struktur der Arbeit ................................................................. 63

2 2.1 2.2 2.3

Palästina als moralischer Ort ...................................................... Récits und Projektionen............................................................. Praktiken des Ausschlusses......................................................... Fazit ...............................................................................

3 3.1

Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?.................................. 95 »Warum seid ihr gegangen?« ....................................................... 95

1.3

1.4 1.5

65 69 82 87

3.1.1 Das Phantasma des Widerstands – das Beispiel M. F. ......................... 96 3.1.2 Die Trennung vom Selbst – das Beispiel A. Z. ................................. 119 3.2 Wahrheit Sprechen – das Beispiel M. M.............................................. 133 3.3 Loyalität ...........................................................................147 3.3.1 Vererbte Fremde – das Beispiel S. A. .........................................147 3.3.2 Das Subjekt der Hingabe – das Beispiel R. B.................................. 159 3.4 Fazit oder schuldige Subjekte ......................................................170 3.4.1 Entfremdung ................................................................172 3.4.2 Das gespaltene Subjekt ...................................................... 181 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Väter II: Unmögliche Subjekte..................................................... 189 Isolation ........................................................................... 191 Scham .............................................................................197 Abspaltung und Melancholie ....................................................... 201 Angst ............................................................................. 203 Phantasma ........................................................................ 205 Fazit .............................................................................. 209

Kinder/Töchter ................................................................... 213 Entfremdung von den Vätern/Eltern .................................................214 5.1.1 Selbstentfremdung ......................................................... 218 5.1.2 Verschmelzung ............................................................. 226 5.1.3 Selbstverneinung ........................................................... 237 5.1.4 Fazit ....................................................................... 240 5.2 Entfremdung von der Gesellschaft: im mentalen Gefängnis ......................... 242 5.2.1 Das Lebensgefühl von PalästinenserInnen der zweiten Generation während der Gaza-Offensive 2014 .................................................... 246 5.2.2 Kampf um Selbstbestimmung ............................................... 249 5.2.3 Fazit ....................................................................... 261

5 5.1

6

Schlusswort ...................................................................... 265

Fotos ................................................................................... 273 Bibliografie............................................................................. 283 Gespräche .............................................................................. 283 Zitierte oder erwähnte Erzählungen/Gespräche ..................................... 283 Experteninterviews ................................................................ 284 E-Mails ............................................................................ 284 Sekundärliteratur ....................................................................... 284

Anhang ................................................................................ 307

Danksagung

Besonders in der Anfangsphase meiner Dissertation wurde mir von KollegInnen aus der Akademie (HistorikerInnen, PsychologInnen, IslamwissenschafterInnen) oft gesagt, dass jemand mit palästinensischer Herkunft kein Buch mit thematischem Bezug zu Palästina schreiben könne. Als solche sei ich zu nahe dran, emotional involviert, nicht objektiv. Mit der Zeit wurde mir bewusst, dass die Infragestellung meiner wissenschaftlichen Sprecherposition die Textur des hegemonialen Diskurses spiegelte. Palästinensisches Sprechen, das angesichts der Nichtanerkennung von Rechten aus der Notwendigkeit der Selbsthumanisierung entstand, war und ist bis heute ein Tabu in Deutschland und der Schweiz. Auch wenn es gerade deshalb seine Zeit gebraucht hat, bis ich meine eigene Sprache gefunden habe, ist doch aus diesem Tabu heraus etwas entstanden: ein Buch über das Schweigen. Ich möchte allen danken, die diesen Weg möglich gemacht haben: Allen voran sind dies meine GesprächspartnerInnen. Ohne ihre Großzügigkeit und ihren Mut, ihre Erfahrungen und Gefühle mit den LeserInnen und mit mir zu teilen, wäre dieses Buch niemals zustande gekommen. Um dem Wunsch nach Anonymität der Mehrheit zu entsprechen, habe ich mich dazu entschieden, an dieser Stelle auf die Nennung ihrer Namen zu verzichten. Dennoch: Präsenter und – vor allem – aufschlussreicher noch als ihr Sprechen war ihr Schweigen. Schweigen herrschte während der Gespräche, davor und danach: Gespräche wurden unterbrochen, verschoben, abgesagt oder mir im Nachhinein nicht zur Nutzung freigegeben. Das zeigte mir, dass es wichtiger war, das Schweigen zu erforschen als das Sprechen. Mein Dank geht ferner an alle, die mich mit inspirierenden Impulsen, intensiven Gesprächen und ermutigendem Zuspruch gestärkt haben: Asia Afaneh, Dr. Edward Badeen, Zineb Benkhelifa, Prof. Dr. Mario Erdheim, Jeannette Fischer, Dr. Amir Hamid, Prof. Dr. Tim Kammasch, Prof. Dr. Andreas Kaplony, Prof. Dr. Christoph Neumann, Dr. Nahed Samour und Pary El-Qalqili. Zineb Benkhelifa und Pary El-Qalqili danke ich insbesondere für ihre tatkräftige Unterstützung beim Korrektorat und Lektorat. Mein Lehrer Edward Badeen stand mir in all den Jahren unermüdlich mit Rat und Tat zur Seite. Mein Doktorvater Andreas Kaplony hat mit seinem Glauben an die Machbarkeit dieser Arbeit wesentlich dazu beigetragen, dass sie machbar wurde.

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Tabu, Trauma und Identität

Dem Maler Hani Zurob – selbst Palästinenser im Exil – und seinem Vermögen, jene unaussprechlichen Gefühle, von denen dieses Buch handelt, in ausdrucksstarke Bilder zu verwandeln, verdankt das Buch die Umschlagsgestaltung. Dem Fotografen Mahmoud Dabdoub, der in den 1980er-Jahren als Palästinenser aus dem Libanon nach Deutschland kam und mit der Neugier eines Fremden das Leben in der DDR dokumentierte, danke ich dafür, dass er mir Fotos aus seinem Archiv über PalästinenserInnen in der DDR der 1980er-Jahre zur Verfügung gestellt hat. Die Fotos im Endteil dieses Buches sollen jener Gruppe von Menschen ein Gesicht geben, die ein Leben in Unsichtbarkeit geführt haben und immer noch führen. Es ist eine subjektive, selektive Auswahl von Bildern, die nicht palästinensisches Leben in Deutschland und in der Schweiz abbilden möchte, sondern im Sinne der psychoanalytischen (Gegen-)Übertragung an meine Gefühle und Beobachtungen während der Gespräche anknüpft. Der Stiftung Ursula Hauser sowie dem Stipendienreferat der Ludwig-Maximilians-Universität München danke ich schließlich sehr für ihren großzügigen Zuschuss zu den Druckkosten.

Denken, Fühlen und Sprechen gegen die Gewalt Vorwort von Mario Erdheim

Dieses Buch handelt von den Folgen der Nakba von 1947/48, der Vertreibungen und Enteignungen von PalästinenserInnen, die im Zusammenhang mit der Gründung des Staates Israel ihren Anfang nahmen und bis heute andauern. Ein zentrales Problem, das die Autorin El Bulbeisi behandelt, betrifft die Frage, welche Bedeutung es hat, wenn die Leiden gepeinigter Völker oder Gemeinschaften nicht anerkannt werden. Und tatsächlich ist das Leiden vieler, vielleicht sogar der meisten Völker aus dem historischen Bewusstsein verschwunden. Zwar versucht man immer wieder, es in die Erinnerung zurückzuholen – man denke nur an den Völkermord an den Armeniern unter den Jungtürken während des Ersten Weltkrieges – aber auch da ist der Widerstand immer noch gross. Das Leiden der nach Amerika verschleppten und versklavten Menschen aus Afrika droht ebenso der Vergessenheit anheim zu fallen, wie das Leid der Gallier und Germanen, die einst im Römischen Reich in die Sklaverei gezwungen wurden. Es ist offensichtlich, solches Leiden kann vergessen gemacht werden, und so wird der Kampf um die Erinnerung zu einem wichtigen Kampf. Um diese Wichtigkeit aufzuzeigen, greift El Bulbeisi zwei Konzepte auf: »Trauma« und »Subjektivität«. Leiden verursachen Traumata, vielfältigste Formen seelischer Verletzungen, die das ganze Beziehungsnetz, in dem das Individuum lebt, in Mitleidenschaft ziehen. Wenn dieses Leiden nicht bewusst werden darf, weil es nicht anerkannt wird, und zwar weil abgestritten wird, dass es je stattgefunden hat, dann entsteht ein zerstörtes Subjekt. Zu Recht will El Bulbeisi den Begriff des Traumas aus dem klinischen in den historischen Bereich bringen. Gerade weil Gewalt eine so wichtige Rolle in der Geschichte spielt, ist es sinnvoll, das Traumatische historischer Prozesse ins Blickfeld zu rücken. Trauma ist ein Ereignis, das das Subjekt von aussen bedroht; Identität ist die psychische Struktur, die das Verhältnis zwischen dem Eigenen und dem Fremden reguliert, und für die das Trauma eine besondere Herausforderung bietet. Die Herausforderung besteht darin, dass das Trauma an den Fundamenten der Identität rüttelt. Das Verhältnis zwischen dem Eigenen und dem Fremden wird durch die traumatische Erfahrung schwer erschüttert: Das Leben nach der Nakba war zu etwas ganz anderem geworden als zuvor – wie kann man damit fertig

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Tabu, Trauma und Identität

werden? Muss man das Leid und den Schmerz abspalten oder kann man sie in die eigene Lebensgeschichte integrieren? Wir sind ein Produkt dessen, was und wie wir unser Leben erfahren haben. Aber unsere Erinnerung braucht immer auch einen sozialen Rahmen, nicht zuletzt, um diese Erinnerungen auch zu bestätigen (Halbwachs, 1925). El Bulbeisi bringt das Beispiel von PalästinenserInnen, die befürchteten als Terroristen klassifizert zu werden, und deshalb glaubten, ihre Herkunft verleugnen zu müssen, sich als Jordanier oder Libanesen, die sie aufgrund ihres Passes auch waren, ausgaben. Aber auch eine solche Verleugnung reißt im Subjekt Wunden auf und schafft Verunsicherung. Wie soll man dann noch auf seine Rechte auf Rückkehr und Entschädigung für das Verlorene pochen? Das Verhältnis von Trauma und Subjektivität wird in diesem Buch auf zwei Ebenen behandelt. Einerseits geht es um die Gewalt, die Diskurse ausüben. Ausgehend von Judith Butlers Werk, untersucht El Bulbeisi die Gewalttätigkeit, die diskursiv ausgeübt wird, um das Leiden der PalästinenserInnen verschwinden zu lassen. Andererseits geht es um Daten, die aus der in der Feldforschungssituation entstandenen Beziehung zwischen ihr und ihren Gesprächspartnerinnen bzw. Gesprächspartnern hervorgegangen sind. Diese Daten sind das Tor zur zentralen Frage dieses Buches, wie Gewalt Subjektivität prägt, denn nur das Subjekt, aber kein ›Diskurs‹, keine Idee kann Leiden verspüren. Nur am Subjekt und an seinen Erfahrungen kann man ermessen, was die Diskurse der Nichtanerkennung von Gewalt ausrichten. Sie haben etwas Vernichtendes an sich, aber offenbar ist es auch möglich, sich ihnen im Verlauf der Zeit zu entziehen. El Bulbeisi wagt den affective turn, aufgrund dessen die psychische Dimension historischer Ereignisse überhaupt erst erfasst werden kann. Dabei nimmt sie Methoden der Psychoanalyse auf: die gleichschwebende Aufmerksamkeit beim Zuhören, das Verhältnis zwischen Übertragung und Gegenübertragung und bekommt auf diese Weise Einsicht in die Erzählung des Lebens der von der Gewalt betroffenen Subjekte.

Literaturangabe Halbwachs, M. (1966). Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Berlin [u.a.]: Luchterhand.

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Einleitung

Die anhaltende Gewalt der Verdrängung und Kontrolle palästinensischen Lebens in Palästina/Israel1 führt u.a. zur Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft und zu ihrer Zersplitterung in Gemeinschaften wie den PalästinenserInnen2 in Gaza, im Westjordanland, in Israel, in verschiedenen arabischen Ländern, in Europa sowie in Nord- und Südamerika. Die damit einhergehende Entfremdung zwischen diesen Gemeinschaften spürte ich selbst bei einem meiner Aufenthalte im Westjordanland: Viele Menschen konnten nicht verstehen, weshalb ich das Westjordanland besuchte, während sie alle gehen wollten. Gleichzeitig begriff ich, dass viele Menschen im Westjordanland eine völlig andere Vorstellung als ich davon hatten, was es bedeutete, PalästinenserIn zu sein. Für sie bedeutete es, wie jemand sagte: in Palästina zu leben und zu leiden. Palästina als Idee mitsamt der ihr zugehörigen Gemeinschaft schien bei ihnen auf das Territorium des Westjordanlands geschrumpft zu sein. Dies war eine Konsequenz der Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft sowie der Illusion eines neoliberalen Staatenbildungsprozesses, die im Zuge des Oslo-Prozesses an die Stelle der Befreiungsbewegung trat. Diese Begegnungen waren für mich verstörend, und ich begann, mir dieselben Fragen zu stellen. Warum war ich nach Palästina gegangen? Warum konnte ich, wie viele andere PalästinenserInnen in der Schweiz, das Thema Palästina nicht einfach vergessen und in der Schweiz ein »gutes Leben« führen? Die im Vorwurf »nicht gelitten zu haben« verdichtete Erfahrung der Ausgrenzung (»nicht dazuzugehören«) teilten viele PalästinenserInnen, die nicht in Palästina aufgewachsen waren und im Zuge des Oslo-Prozesses als Teil der politischen Exilelite zurückkehrten, 1

2

Der Doppelbegriff wird verwendet, da das historische Palästina aus der Zeit vor der israelischen Staatsgründung von 1948, sprich das Palästina der britischen Mandatszeit, sowohl die 1947/48 durch zionistische Einheiten eroberten Gebiete als auch die 1967 besetzten und annektierten Gebiete (Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem) umfasste. Die Grenzen des israelischen Staatsgebietes sind bis heute nicht festgelegt. Aus offizieller israelischer Sicht gibt es keine Besatzung, d.h. was heute gemeinhin als Palästina oder als besetzte palästinensische Gebiete bezeichnet wird, ist faktisch ein Teil Israels bzw. durch die israelische Militärbesatzung kontrolliert. Für das Binnen-I habe ich mich in Anlehnung an die Linguistin Luise Pusch entschieden, um die Wörter nicht zu zerreißen, wie dies durch das Gendersternchen geschieht (Dittrich, 2018).

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Tabu, Trauma und Identität

wie Juliane Hammer in ihrem Buch über sogenannte RückkehrerInnen schildert (Hammer, 2001, S. 145). Diese Entfremdungserfahrung warf mich auf mich selbst zurück und ich begann mich zu fragen, weshalb für jemanden wie mich Palästina und die Zugehörigkeit zu dieser Idee Palästina ein so viel symbolischeres und inklusiveres Imaginär (Castoriadis, 1975) aufwies als für die Menschen, die ich im Westjordanland getroffen hatte. Ich selbst bin mit einem palästinensischen Vater aufgewachsen, der – 1940 in Gaza geboren – einer Generation angehört, die die Nakba von 1947/48 als Kind selbst erlebt hat und als staatenloser Palästinenser nach Europa kam, um zu studieren, ohne – aufgrund der Besatzung – jemals wieder in seine Heimat und zu seiner Familie zurückkehren zu können. Selten sprach mein Vater über sich selbst und sein Leben. Aus der Intimität des Aufwachsens mit ihm heraus weiß ich jedoch, wie schwer ihm das Leben im Exil fiel und wie sehr es seine Beziehung zu uns Kindern beeinflusste. Sehr früh spürte ich, wie besonders die Nichtanerkennung seiner Gewalterfahrung in der Gesellschaft, in der er gegen seinen Willen lebte, an ihm zehrte. Aus meiner Kindheit findet sich folgender Tagebucheintrag: In der Schule haben wir uns im Geschichtsunterricht den Spielfilm Au revoir les enfants von Louis Malle angeschaut, der den Zweiten Weltkrieg mit den Augen eines jüdischen Jungen beschreibt. Wir waren alle tief bewegt. Ein Mädchen weinte. Ich habe versucht, sie zu trösten. Dabei war ich selbst sehr traurig. Ich war traurig, weil sie nicht auch um uns trauerte. Für mich gehörte immer schon beides zusammen, die Geschichte der europäischen Jüdinnen und Juden und unsere Geschichte – die palästinensische Geschichte. Doch dieses Erlebnis machte mir schmerzlich bewusst, dass die palästinensische Geschichte in der Gesellschaft, in der ich lebte, abwesend war. Das Nichterzählen, die emotionale Abwesenheit, das Schweigen meines Vaters bei uns zuhause ließ mich erahnen, was die Einsamkeit seiner Gewalterfahrung in meinem Vater ausgelöst haben mochte, wie sie sich einschrieb in seine Gefühle, sein Sprechen, seine Beziehungen, seinen Körper. Diese intensive Erfahrung aus meinem eigenen Leben habe ich ausgehend von lebensgeschichtlichen Erzählungen und Gesprächen sowie teilnehmender Beobachtung wissenschaftlich untersucht. Aus der persönlichen, intimen Beobachtung des Lebens meines Vaters wollte ich erkunden, ob es sich bei diesem Erleben um ein individuelles Phänomen handelt – nur bei ihm bzw. uns aufzufinden – oder um eine kollektive Erfahrung. Ich wollte wissen, ob es so etwas wie ein Muster oder eine Kollektivität zu entdecken gibt in den Rückwirkungen einer Erfahrung, für die das Gefühl von Isolation doch so spezifisch ist. Obwohl oder gerade weil die palästinensische Geschichte der Vertreibung und Entrechtung indirekt auf die europäische Geschichte des deutschen Nationalsozialismus und des britischen Kolonialismus zurückgeht, wird palästinensische Erin-

1 Einleitung

nerungskultur in Westeuropa nicht nur ausgegrenzt, sondern auch unterdrückt. Nicht nur palästinensische Geschichte wird damit tabuisiert3 , auch PalästinenserInnen als Subjekte. Gleichzeitig bilden die Schoa und die nationalsozialistische Vergangenheit einen zentralen Teil des europäischen kollektiven Gedächtnisses, mit dem ich aufgewachsen bin. In meiner schulischen Laufbahn, meiner gesamten Ausbildung, im Universitätsdiskurs hatte weder die Geschichte meines Vaters einen Platz noch meine. Die Selektivität, welche die Vergangenheit von Schoa und Nationalsozialismus zu einem Teil der europäischen Meistererzählung (Conrad, Randeria & Römhild, 2013) macht, verdrängt mit der palästinensischen Geschichte auch die tatsächliche Gegenwart dieser Vergangenheit. Die Politik des selektiven Erinnerns und Vergessens ist wesentlich für die Konstruktion eines moralisch guten Europas (Romeyn, 2014), während die koloniale Geschichte weitgehend unaufgearbeitet bleibt: Die ehemaligen Kolonialländer haben mehrheitlich nicht öffentlich für das in ihrer kolonialen Vergangenheit Geschehene um Entschuldigung gebeten. Die Schweiz rühmt sich, keine Kolonien gehabt zu haben und zur Zeit des Nationalsozialismus neutral gewesen zu sein, und vergisst darüber ihre Verstrickungen4 darin (Purtschert, 2012). Mit der eminenten Spannung zwischen privater, (un)erzählter (Familien-)Geschichte, die von Erfahrungen der Vertreibung und Entrechtung durch staatliche Gewalt geprägt ist, und der Überformung dieser Geschichte durch die westeuropäische bzw. nordatlantische Repräsentation des Nahostkonflikts beschäftige ich mich in dem vorliegenden Buch. Dieses Repräsentationsregime reproduzierte lange Zeit ineinander verschränkte zionistische, orientalistische5 , koloniale und biblische Narrative wie das Bild des palästinensischen Terrorismus (Said, 1981), des Landes ohne Volk für ein Volk ohne Land (d.h. die europäischen Jüdinnen und Juden) oder die Rückkehr des auserwählten Volkes ins verheißene Land. Mit dem französischen Philosophen Jean-François Lyotard (1979) können wir diese Erzählstränge als Teile von 3

4 5

Tabus sind oft konfliktbehaftete Themenbereiche, die mit ungeschriebenen und impliziten (Sprech-)Verboten belegt sind. Sie können als soziale Normen oder als gesellschaftlicher Konsens in Erscheinung treten, gehen aber weit über rational nachvollziehbare (Verhaltens-)Vorschriften hinaus. Deshalb sind sie schwer zu reflektieren und nur für die Angehörigen der jeweiligen Gesellschaft selbstverständlich. Frontierbewegung, wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland trotz Neutralitätsposition, restriktive Schweizer Flüchtlingspolitik. Mit seinem Konzept Orientalism (Said, 1979) beschrieb der palästinensische Literaturtheoretiker Edward Said die Konstruktion einer Dichotomisierung zwischen einem überlegenen, rationalen Westen und einem irrationalen, mysteriösen, rückständigen und unzivilisierten Orient. Die Konstruktion eines vom Westen extrem verschiedenen und unterlegenen Orients und dessen Exotisierung sah er als Form kultureller Diskriminierung, um imperialistische Einflussnahme zu legitimieren und europäische Hegemonialpolitik zu etablieren. Said hatte Michel Foucaults Ansätze zur Funktion diskursiver Praktiken im Bereich der post colonial studies weitergedacht.

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Tabu, Trauma und Identität

grands récits (großen Erzählungen) betrachten, die alles durchfließen, Dichotomien schaffen und politische Entscheidungen sowie totalitäre Systeme legitimieren. Genauso wie meine ErzählerInnen aus dem Nichts gesprochen haben, weil ihre (Gewalt-)Erfahrung im öffentlichen Diskurs der Gesellschaft, in der sie leben, weitgehend abwesend bzw. verzerrt ist, habe ich in gewisser Weise aus dem Nichts geschrieben. Indem ich das Sprechen und Erzählen über sich selbst bei der ersten sowie der zweiten Generation von PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz untersuche, eigne ich mir selbst das Sprechen wieder an. Mein Schreiben ist eine Wiederbemächtigung der eigenen Geschichte, der Sichtbarkeit, des Erinnerns und des Mensch-Seins.

1.1

Forschungsfragen

Ich möchte einen Beitrag zu Diaspora als Form von Bewusstsein leisten und dabei besonders dessen Bezüge zu rassistischer und kolonialer Erfahrung in den Blick nehmen. Die Untersuchung der Folgen von Nichtanerkennung und Tabuisierung von Gewalterfahrung und Identität sowie der israelischen und europäischen Weigerung, Verantwortung für Gewalt zu übernehmen, ist eines meiner Hauptanliegen. Ich erforsche, wie PalästinenserInnen in einem diskursiven Feld, in dem der Nahostkonflikt ein symbolischer (moralischer und politischer), affektiv besetzter Raum geworden ist, ihr Leben interpretieren, über sich selbst sprechen, sich selbst sehen und gesellschaftliche Wirklichkeit deuten. Ich analysiere, wie sie sich in die Texturen unterschiedlicher Narrative einbetten: in Erzählungen des kollektiven palästinensischen Gedächtnisses, in orientalistisch-neokoloniale Diskurse, in denen Konzepte wie Aufklärung, aber auch moralische Bildung als spezifische Eigenheiten eines überlegenen Westens stilisiert werden (Said, 1979, 1981), und in die Geschichte der Anderen als zentralem Teil westeuropäischer Selbsterzählung, sowohl in Form der Schoa als auch in Form einer biblisch-jüdisch-christlichen abendländischen Identität. Welche Subjektkonstruktionen und Sinnstiftungen erfolgen vor dem Hintergrund der Selektivität des Erinnerns und Vergessens, und wie werden diese in Beziehung zu hegemonialen Diskursen gesetzt? Wie gehen die ErzählerInnen mit westeuropäisch-nordatlantischen Repräsentationen des Nahostkonflikts um, die ihre Gewalterfahrung nicht abbilden, sondern verfremden und in denen sie sich nicht wiederfinden? Was macht systemische Gewalt mit ihnen bzw. wie begegnen sie ihr? Jener systemischen Gewalt, die in der physischen Gewalt der ethnischen Säuberung (Pappe, 2007) erkennbar ist und die sich in der symbolischen Gewalt – der diskursiven Auslöschung und Ersetzung durch den kolonialen Anderen – wiederholt.

1 Einleitung

Die Hauptfragen lauten somit: Wie konstituiert man sich als Subjekt im Kontext eines hegemonialen Diskurses, der einen wesentlichen Teil der eigenen Erfahrung unterdrückt? Was für eine Art von Sprechen über sich selbst bleibt denjenigen, die in einem Diskurs leben, der die eigene Geschichte, die von Gewalterfahrung durchzogen ist, und damit auch das Mensch-Sein verneint und missachtet? Und wie schreibt sich diese diskursive Gewalt (Butler, 1990) in die transgenerationale Beziehung ein? Mit dieser Frage habe ich mich sowohl in Bezug auf PalästinenserInnen der ersten als auch der zweiten Generation in der Schweiz und in Deutschland auseinandergesetzt. Die Begriffe erste und zweite Generation werden im Sinne von Migrationsgenerationen verwendet: Die erste Generation wanderte im Rahmen von Flucht-, Arbeits- und Studienmigration nach Westeuropa ein, die zweite Generation ist diejenige, die in Deutschland und in der Schweiz geboren wurde. Mit Rückgriff auf Karl Mannheim (1928) kann man die Angehörigen der ersten Migrationsgeneration aufgrund von Generationserlebnissen wiederum in verschiedene Kohorten einteilen. Verschiedene Vertreibungswellen als Schlüsselerlebnisse auffassend, könnte man sie in 1948er-, 1967er- und 1980er-Generationen untergliedern. Die meisten Angehörigen der ersten Migrationsgeneration teilen jedoch verschiedene Generationserlebnisse. Was sie zudem miteinander verbindet, ist, dass sie entweder Kinder von Betroffenen der Massenvertreibungen von 1947/48 (nakba, dt. Katastrophe) sind oder diese als Kinder selbst erlebt haben und damals nicht handlungsmächtig waren. Ich spreche deshalb von der ersten Migrationsgeneration auch als von Post-Nakba-Generation.

1.2

Forschungsstand: PalästinenserInnen in der Welt

Palästinensische Flüchtlinge repräsentieren eine der ältesten noch anhaltenden Flüchtlingssituationen der Welt und bilden eine der größten staatenlosen Gemeinschaften weltweit (Shiblak, 17.–20.06.2003, S. 8). Sie sind eine der größten Gemeinschaften des 20. Jahrhunderts, die – mehr als die Hälfte – außerhalb ihres Herkunftsorts lebt (Bamyeh, 2007, S. 91). Von insgesamt schätzungsweise 12,4 Millionen PalästinenserInnen weltweit (Statistiken des Palestinian Central Bureau of Statistics [PCBS] von 2015) leben 5,3 Millionen registrierte Flüchtlinge (Statistiken der UNRWA von 2017) in arabischen Ländern und in den besetzten Gebieten, wobei bei Weitem nicht alle Flüchtlinge von der UNRWA registriert sind (Lindholm Schulz, 2003, S. 36). Eine relativ hohe Anzahl befindet sich in Lateinamerika, gefolgt von den USA und Europa, dort vor allem in Deutschland (Statistiken des PCBS von 2017). In der Forschungsliteratur wird für PalästinenserInnen und palästinensische Gemeinden außerhalb Palästinas/Israels häufig der Begriff Diaspora verwendet.

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Tabu, Trauma und Identität

Deshalb reflektiere ich zunächst den Diasporabegriff auf diese deskriptive Verwendung und auf seine Begriffsgeschichte hin kritisch, bevor ich einen Überblick über den Forschungsstand über PalästinenserInnen in verschiedenen Regionen der Welt gebe und etwas ausführlicher auf die Geschichte von PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz eingehe.

1.2.1

Der Diasporabegriff

Lange Zeit unterschied sich die Verwendung des Begriffs Diaspora im deutschsprachigen Raum vom englischsprachigen: Das Gremium für die deutsche Schlagwortnormdatei hat 2003 beschlossen, den Begriff als konfessionelle Minderheit zu definieren und auf »religiöse Minderheiten« zu beschränken. Arbeiten zu nichtreligiöser Diaspora entstanden in Deutschland für gewöhnlich vor allem in der außereuropäischen Geschichte. Der Grund dafür ist, dass sich im deutschsprachigen Raum vor allem die christliche Theologie mit dem Feld der Diaspora auseinandersetzte, insbesondere mit der katholischen und protestantischen Diaspora. Die Verwendung des Diasporabegriffs für sogenannte religiöse Minderheiten wurde in den letzten Jahren von Theologie und Kirche zunehmend hinterfragt. Gleichzeitig wanderte der Begriff in die Kultur- und Sozialwissenschaften, wo er für Konzepte aus dem englischsprachigen Raum geöffnet wurde (Rose, M., 04.03.–06.03.2015, S. 1). Mittlerweile wird der Begriff Diaspora für nahezu alle sozialen Gruppen von MigrantInnen verwendet, die sich ungeachtet des Migrationsgrundes über mehr als zwei Länder ausgebreitet haben oder zerstreut wurden. Als so häufig verwendeter Begriff ist sein wissenschaftlicher Wert umstritten (Lindholm Schulz, 2003, S. 9). Der Diasporabegriff ist in dieser Bedeutung eng verknüpft mit dem Transnationalismuskonzept: einem Imaginieren von Gemeinschaft oder sozialen Interaktionen, welche die Grenzen des Nationalstaats transgredieren (Vertovec, 2010, S. 91). Laut Tölöyan wurde Diaspora gar zum exemplarischen Ausdruck für das transnationale Moment und zum Sinnbild der Postmoderne schlechthin. Die Popularität des Begriffs im akademischen und nicht akademischen Diskurs sieht er als mit dem Verschwinden der Überlegenheit des Nationalstaatkonzepts und dem tatsächlichen Verlust seiner Souveränität einhergehend (Tölölyan, 1996, S. 5). Davor war in der englischsprachigen Forschungsliteratur Diaspora meist mit erzwungener Migration und Verlusterfahrung verbunden und für Gruppen verwendet worden, die ein starkes Bild der Heimat und einen starken Gemeinschaftssinn in sich tragen, während die Beziehung zur Aufenthaltsgesellschaft ambig ist. Bestimmend für diesen Diskurs war das Konzept der antiken jüdischen Diaspora, aus deren Überlieferung auch die älteste Verwendung des Begriffs mit Bezug auf das babylonische Exil stammt (Sökefeld, 2010, S. 18). In den letzten Jahren wurde der Begriff durch seine Verknüpfung mit dem Transnationalismuskonzept nicht

1 Einleitung

nur ausgeweitet, sondern auch mit positiven Inhalten aufgeladen, da soziale Gruppen mit transnationalen Bindungen die Souveränität des Nationalstaats und damit die Hegemonie essentialistischer Identitäten wie der nationalstaatlichen herausfordern (Vertovec, 2009). Vertovec (1997) unterscheidet drei verschiedene Konzepte von Diaspora in der wissenschaftlichen Literatur: Diaspora als soziale Form, als Form von Bewusstsein und als Modus kultureller Produktion. Wissenschaftliches Nachdenken über Diaspora konzipiert den Begriff meist als soziale Form und versucht, diese durch Typologien näher zu bestimmen; bekannte Versuche stammen u.a. von Safran (1991) und Cohen (2008). Safran kritisierte die inflationäre Verwendung des Diasporabegriffs für alle möglichen Gruppen, die nicht »zu Hause« lebten, und grenzte die Kriterien ein, die eine Gruppe zu einer diasporischen machte. Dazu zählt etwa die Bewahrung eines kollektiven Gedächtnisses oder die Vision eines Heimatlandes, das sie wiederzuerlangen suchen, sowie die Nichtakzeptanz und Trennung von der Gesellschaft des Aufenthaltsorts. Dabei orientierte er sich am Beispiel der Jüdinnen und Juden als Idealtypus. Clifford (1994) hingegen sprach sich gegen Kriterien aus, die auf Idealtypen beruhen, mit dem Einwand, selbst die Jüdinnen und Juden, Safrans Diasporaideal, erfüllten dessen Kriterien nicht. Für Clifford entzieht sich Diaspora einer eingrenzenden Beschreibung und bezieht sich mehr auf ein Bewusstsein für die räumliche Verschiebung bzw. Vertreibung und ein Phänomen multilokaler Zugehörigkeit. Angesichts der jüngsten Forschungsliteratur kann man sagen, dass Cliffords Diasporabegriff sich durchgesetzt hat. Für Sökefeld ist die Kategorisierung von Diaspora in verschiedene Typen problematisch, da soziale Gruppen oft nicht nur einer Diasporakategorie zugeordnet werden können (Sökefeld, 2010, S. 24). In unserem Kontext hieße die konkrete Anwendung von Cohens Typologie, die Diasporagemeinschaften nach dem Migrationsgrund klassifiziert, dass sich beispielsweise die palästinensische Gemeinschaft in Berlin aus einer Flüchtlings-, Arbeits- und kulturellen Diaspora zusammensetzt. Andererseits macht zumindest diese Form von Kategorisierung sichtbar, dass die palästinensische Diasporagemeinschaft keineswegs als eine homogene Entität dargestellt werden kann, zumal die zeitlich voneinander abgrenzbaren Migrationswellen mit unterschiedlichen Diasporagruppen verknüpft sind. Gleichzeitig gibt es im palästinensischen Kontext eine Gemeinsamkeit, die die verschiedenen Diasporagemeinschaften verbindet: Flucht und Vertreibung finden sich als individuelle oder familiäre Erfahrung bei nahezu allen PalästinenserInnen, seien sie nun in den 1960er-Jahren als Studierende mit Aussicht auf ein Leben mit Status und in Wohlstand oder in den 1980er-Jahren als (später meist nicht anerkannte) Flüchtlinge ohne Zukunft nach Westeuropa migriert.

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Tabu, Trauma und Identität

1.2.2

PalästinenserInnen im arabischen Raum

Trotz der hohen Anzahl von PalästinenserInnen außerhalb Palästinas/Israels und ihrer symbolischen und politischen Bedeutung für die palästinensische Geschichte liegen verhältnismäßig wenig Forschungsarbeiten in diesem Bereich vor. Die meisten Studien im Zusammenhang mit palästinensischer Gesellschaft haben sich lange auf politische Themen, etwa die PLO-Politik, den Nahostkonflikt oder die israelische Besatzung konzentriert. Die transnationale Existenz von PalästinenserInnen, ihre Situation in den Aufenthaltsländern und ihre persönlichen Geschichten fanden wenig Beachtung (Shiblak, 2005, S. 7). Eine Überblicksdarstellung über PalästinenserInnen im arabischen Raum aus einer soziopolitischen Perspektive hat Bassma Kodmani-Darwish (1997) verfasst. Zahlreiche und wichtige Arbeiten mit methodologischem Schwerpunkt auf oral history und Ethnografie zur sozialen und politischen Situation, zu Fragen der Integration, Identitätsbildung und -politik, familiären Strukturen und dem kommunikativen Gedächtnis, mit dem Fokus auf der Tradierung der Nakba, entstanden lange Zeit vor allem mit Bezug auf PalästinenserInnen – besonders in den Flüchtlingslagern – in der arabischen Welt (Hajj, 2016; Knudsen & Hanafi, 2011; Krueger & Baylouny, 2012; Scholz, 1994; Shiblak, 1996). Aufgrund der Massenvertreibungen von 1947/48 aus Palästina in die umliegenden arabischen Länder leben dort die meisten PalästinenserInnen, die sich außerhalb Palästinas/Israels aufhalten: beispielsweise in Jordanien (Achilli, 2015; Al Dabbas, 2006; Farah, 2002; Gandolfo, 2012; Houry, 2014; Jabbar, 2010; Marshood, 2010; Nasser, 2013; Perez, 2011), im Libanon (Dorai, 2003; Haddad & Khashan, 2003; Hanafi, 2014; Holt, 2014; Klaus, 2003; Peteet, 1996, 2010, 2011; Roberts, 2010; Sayigh, 1977, 1979, 1994, 1998; Shiblak, 1997), aber auch in Syrien (Al-Hardan, 2016; Schiff, 1995; Talhami, 2001) und Kuweit (Gabra, 1987; Mason, 2011; Matthew, 2016; Sherry & White, 1991). Weniger zahlreich sind Studien zu PalästinenserInnen in Ägypten (Hanafi, 2006), dem Irak, den Golfstaaten und Libyen (Arar, 2006).

1.2.3

PalästinenserInnen außerhalb des arabischen Raums

Nicht nur fehlt es ganz allgemein an Studien über PalästinenserInnen außerhalb Palästinas/Israels, ganz besonders die Situation von PalästinenserInnen in Nordund Südamerika sowie in Europa lässt noch viel Raum für Forschung. Erschwerend kommt die Quellenlage über PalästinenserInnen im nicht-arabischen Raum hinzu: Es gibt zwar eine reiche, meist in englischer Sprache verfasste Exilliteratur wie Novellen, Kurzgeschichten, Dichtung und Autobiografien (Enderwitz, 2002), es mangelt aber insgesamt an nicht-literarischen Quellen (Lindholm Schulz, 2003, S. 7, 82). An dieser Stelle sei auf Refqa Abu-Remailehs Forschungsprojekt PalREAD verwiesen, welches die globale Geschichte palästinensischer Literatur erforscht und archiviert und gerade auch unveröffentlichte AutorInnen inkludiert. Zu er-

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wähnen ist auch eine Essaysammlung von PalästinenserInnen weltweit (darunter viele prominente Intellektuelle), die sich mit der Frage des Herausgebers, Yasir Suleiman, nach der Bedeutung, PalästinenserInnen in der Diaspora zu sein, auseinandersetzen (Suleiman, 2016). Die erste umfassende Überblicksdarstellung über PalästinenserInnen stammt von Helena Lindholm Schulz (2003). Sie gibt einen kurzen Abriss über palästinensische Gemeinschaften rund um den Globus. Lindholm Schulz stützt sich für ihre Studie sowohl auf die Texte weltbekannter palästinensischer Intellektueller (v.a. von Edward Said, Fawaz Turki und Mahmud Darwish) als auch auf Interviews, die sie mit PalästinenserInnen zwischen den Jahren 1994 und 2001 in den besetzten Gebieten, Jordanien, Libanon, Schweden und den USA durchgeführt hat. Die Lebenswelten nicht prominenter Akteure werden vor allem anhand von PalästinenserInnen in den USA und in Schweden beleuchtet. Inhaltlich liegt Lindholm Schulz’ Schwerpunkt auf der Formierung transnationaler Identität bzw. nationalistischer Politik mit territorialem Bezug. Gleichzeitig lotet sie aus, inwiefern gerade bei PalästinenserInnen außerhalb Palästinas/Israels, die sich sehr an einer idealisierten Heimat orientieren, neue, weniger territorial fokussierte transnationale Identitäten möglich sind. Mit rund einer halben Million PalästinenserInnen lebt in Lateinamerika, besonders in Chile und in Honduras, die größte palästinensische Gemeinde außerhalb des Nahen Ostens. Es liegen Arbeiten mit dem Fokus auf PalästinenserInnen in Lateinamerika allgemein (Baeza, 2014, 2015; Baeza & Busekist, 2010) und im Speziellen in Honduras/El Salvador (Foroohar, 2011; Handal, 2014) und Hawai (Aoude, 2001) vor. Die Besonderheit von PalästinenserInnen in Lateinamerika ist, dass es sich bei ihnen vor allem um Prä-Nakba-MigrantInnen handelt, um Menschen, die vor den ersten Vertreibungen 1947/48 vorwiegend aus ökonomischen Gründen nach Südamerika migriert sind und zurückzukehren beabsichtigten. Mittlerweile gehören sie aber zu den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Eliten und entsprechen damit nicht den Repräsentationen von Palästinensischsein, wie sie der nationale Diskurs definiert (Baeza, 2014, S. 59). Die Studien arbeiten die Geschichte der palästinensischen Migration in Lateinamerika auf, untersuchen die Beziehung der Gemeinden zu palästinensischem Nationalismus und Identitätspolitik sowie zu PalästinenserInnen, die im Zuge von Vertreibungen, meist im Rahmen der Ereignisse von 1967, nach Südamerika migriert sind. Die Anzahl der PalästinenserInnen in den USA beträgt etwa die Hälfte ihrer Anzahl in Lateinamerika. Dementsprechend kleiner ist auch der Umfang der Untersuchungen mit diesem regionalen Schwerpunkt (Abu-Ghazaleh, 2011; Christison, 1989; Hammer, 2001). Thematisch orientieren sie sich ähnlich wie die Arbeiten davor an der symbolischen Bedeutung kultureller Artefakte, Fragen der Integration und Identität. Studien zu PalästinenserInnen in Australien, wo noch weniger Paläs-

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Tabu, Trauma und Identität

tinenserInnen leben, gibt es von Victoria Mason (2007) und Jeremy Cox/John Connell (2003): Auch bei ihnen steht thematisch die Identitätsfrage im Vordergrund.

1.2.4

PalästinenserInnen in Europa

Studien zu PalästinenserInnen in Europa sind ein jüngeres Phänomen der Jahre nach 2000, da palästinensische Migration nach Europa eine relativ neue Begebenheit ist. Geschätzte 200 000 bis 300 000 PalästinenserInnen leben in Europa, davon hauptsächlich in Deutschland (etwa 80 000 gemäß Shiblak, 2005), Nordeuropa (Dänemark und Schweden) sowie Großbritannien. Die Dokumentation der Zahlen ist unzuverlässig, da viele unter anderen Staatsangehörigkeiten oder als staatenlos registriert sind und daher nicht als PalästinenserInnen statistisch erfasst werden. Lange Zeit migrierten sie zuerst nach Ostdeutschland und von da aus nach Westdeutschland, weil es dort einfacher war, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten als in anderen Ländern, und weil es zudem Arbeitsmöglichkeiten gab. Ab den 1980er-Jahren gingen die meisten nach Dänemark und Schweden, weil Westdeutschland seine Pforten für palästinensische MigrantInnen schloss. 80 % der PalästinenserInnen in Europa sind seit den 1980er-Jahren aus dem Libanon migriert. Über sie wurden auch die meisten wissenschaftlichen Arbeiten verfasst (s. die Beiträge in Shiblak, 2005). Davor gab es die rege Arbeits- und Studienmigration aus den 1960er-Jahren, von denen Tausende nach der Besetzung von Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem zu Flüchtlingen sur place wurden. Davor gingen nur sehr wenige PalästinenserInnen nach Europa. Migration hatte noch vor der Nakba 1947/48 in den 1940er-Jahren mit der Studienmigration von PalästinenserInnen aus der Oberschicht begonnen, die aufgrund der angespannten Situation im Mandatspalästina in Europa blieben. 1948 kam es zu einer vermehrten Fluchtmigration infolge der Nakba. Die Auswanderung in europäische Länder war aber verhalten, da die Mehrzahl der Flüchtlinge in die umliegenden arabischen Länder floh (Arar, 2006, S. 43-45). Eine Überblicksdarstellung über PalästinenserInnen in Europa hat Abbas Shiblak (2005) herausgegeben. Der beim Institute for Palestine Studies erschienene Sammelband enthält Aufsätze über palästinensische Gemeinschaften in verschiedenen europäischen Kontexten wie Schweden (Abdul Ghani), Großbritannien (Karmi, Mahmoud), Griechenland (Shawa), Spanien (Abu Tarbush), Frankreich (Larzillière) und Deutschland (Larzillière, Ghadban, Kadur/Foda). Abbas Shiblak diskutiert in seinem einleitenden Aufsatz die Hintergründe palästinensischer Migration nach Europa. In den anschließenden Beiträgen werden die Beziehungen zwischen PalästinenserInnen in Europa und PalästinenserInnen in Palästina/Israel (Hanafi, Shawa), kollektives Gedächtnis und politischer Aktivismus (Shawa), Identitätspolitik durch Vereine (Mahmoud), wandelnde Rollenbilder bei palästinensischen Flüchtlingen aus dem libanesischen Bürgerkrieg in Schweden (Abdul

1 Einleitung

Ghani) und Integrationsfragen bei der auf Arbeits- und Studienmigration zurückgehenden palästinensischen Gemeinschaft in Spanien und den Kanarischen Inseln (Abu Tarbush) untersucht. Letzere bezeichnet Abu Tarbush aufgrund ihres hohen sozio-ökonomischen Status, den er an einem hohen Anteil an gemischten Ehen und hochqualifizierten Berufen festmacht, als sehr gut integriert, was – durchaus fragwürdig – zum allmählichen Verschwinden der palästinensischen Identität führe. Ghada Karmi greift in ihrem Beitrag über die palästinensische Erfahrung in Großbritannien hauptsächlich auf ihre eigene Autobiografie (1999) zurück, die eine der frühesten Migrationsbewegungen von PalästinenserInnen nach Europa dokumentiert. Ihre Familie gehörte zu den wenigen PalästinenserInnen, die 1947/48 nicht in umliegende arabische Länder, sondern nach Europa geflohen waren. Während die anderen Beiträge des Bandes eher den Einfluss der materiellen Dimension der Staatenlosigkeit auf das Leben der Akteure betrachten, berücksichtigt Karmi die Bedeutung der affektiven Dimension der gewaltsamen Vertreibungserfahrung für das Leben und die Integration ihrer Familie in Großbritannien. Deren Isolation führt sie auf die anhaltende Vertreibung zurück und auf die Tatsache, in einer mehrheitlich pro-israelischen Gesellschaft zu leben. Im Gegensatz zu den anderen Beiträgen wird bei Karmi die Vertreibungserfahrung zu einem entscheidenden Kriterium, welches die Inklusion von vertriebenen Migrationsgemeinschaften wesentlich vom Inklusionsprozess anderer unterscheidet. Was Deutschland betrifft, so liegt bei den Aufsätzen in Shiblaks Sammelband das Gewicht auf der in den 1980er-Jahren nach Deutschland geflohenen Gemeinde. Sie stellt mit schätzungsweise 80 % den größten Anteil der in Deutschland lebenden PalästinenserInnen dar. Ralph Ghadban beschreibt die demografische Zusammensetzung von PalästinenserInnen in Deutschland, die Geschichte der verschiedenen Migrationsströme sowie der deutschen Migrations- und Asylpolitik. Penelope Larzillière untersucht in einer komparativen Studie Identitätskonstruktionen von palästinensischen Studierenden aus den besetzten Gebieten und Israel in Deutschland und Frankreich im Zeitraum zwischen 1997 und 2000. Die mit der Wahl des jeweiligen Landes als Ort des Studiums verknüpfte unterschiedliche soziale Schicht der Studierenden (Studierende aus wohlhabenden Familien in Frankreich und prekären Familienverhältnissen in Deutschland) nimmt sie als Ausgangspunkt für ihre Analyse der sozialen Netzwerke, der Interaktion mit der Gesellschaft im Aufenthaltsland sowie der Identitäten der Akteure. Monika Kadur und Fadia Foda beschreiben die unsichere Situation der palästinensischen Flüchtlingsgemeinschaft sowie den Einfluss der restriktiven deutschen Asylgesetzgebung und der nicht gerade ausländerfreundlichen Gesellschaft auf die familiäre und gesellschaftliche Situation der Frauen und ihre Identität, die in Marginalisierung und Konservativismus mündet. Forschungsarbeiten über Nordeuropa stammen u.a. von Anja Kublitz (Kublitz, 2010, 2013, 2015, 2016): Sie erforscht die Lebenswelt palästinensischer Flüchtlinge

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Tabu, Trauma und Identität

in Dänemark, die während der 1980er-Jahre aus dem Libanon nach Europa geflohen waren, und bezieht auch deren Kinder mit ein. Sie studiert die Reproduktion von politischen Konflikten im alltäglichen, intergenerationalen Kontext und zeichnet nach, wie sich die zunächst als Revolutionäre gefeierten Kämpfer, die der palästinensische Widerstand aus der Marginalisierung geholt hatte, zu desillusionierten und marginalisierten Menschen wandelten. Im Besonderen untersucht sie die Frage, wie aus ehemals säkularen Kämpfern (fidāʾīyīn) der PLO praktizierende Muslime wurden. Ihre Forschung versteht sie als Pendant zu Diana Allans Refugees of the Revolutions (2014), in der Allan eine ähnliche Transformation bei immer noch in den libanesischen Lagern lebenden PalästinenserInnen beschreibt. Ebenfalls über PalästinenserInnen in Nordeuropa, namentlich Schweden und Dänemark, forscht Mohamed Kamel Doraï (2003). Dabei betrachtet er die transnationalen Netzwerke der PalästinenserInnen, die aus dem Libanon nach Europa migriert sind, und die für die Migration zentrale Zirkulation von Ressourcen wie soziales Kapital, Geld und Informationen über das Zielland, juristische Bedingungen und Möglichkeiten. Über PalästinenserInnen in Großbritannien liegen mehr Arbeiten vor, obwohl dort weniger PalästinenserInnen leben als in Nordeuropa. Dina Matar (2006) erforscht die Wahrnehmungen des 11. Septembers 2011 (9/11) und dessen Hintergründe bei PalästinenserInnen unterschiedlicher sozio-ökonomischer und religiöser Herkunft. Elena Fiddian-Qasmiyeh (2016) untersucht die Ablehnung der Zuschreibung von Staatenlosigkeit durch PalästinenserInnen, weil sie diese nicht mit dem Anspruch auf Rechte und Schutz verknüpfen, sondern mit der Auslöschung von Zugehörigkeit, Identität und Selbstbestimmung. Stephanie Anna Loddo (2017) geht der Frage nach, inwiefern Kategorien wie sozio-ökonomischer Status, Migrationserfahrung, Geschlecht und Generation kulturelle Praktiken und Repräsentationen von Mobilität und Verwurzelung bei PalästinenserInnen in Großbritannien beeinflussen. Rawan Arar (2010) und Sari Hanafi (2013) untersuchen die Beziehungen zwischen PalästinenserInnen in Europa und PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten. Sari Hanafi (Hanafi, 2005, 2008) widmet sich den Beziehungen zwischen PalästinenserInnen in Europa und Palästina/Israel anhand der Analyse eines Netzwerks für palästinensische WissenschaftlerInnen und Geschäftsleute, wobei der Fokus auf der Rolle neuer Medien in der (Re-)Konstruktion palästinensischer Identität liegt.

1 Einleitung

1.2.5

PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz

Die größte palästinensische Gemeinschaft in Europa lebt mit etwa 80 0006 Personen in Deutschland. Die meisten von ihnen sind in Berlin lebende Flüchtlinge, die in den 1980er-Jahren aus dem Libanon kamen (Shiblak, 2005, S. 32). Bei den PalästinenserInnen in Deutschland handelt es sich nicht nur um die größte europäische Gemeinschaft, sondern auch um die stillste (Çetin & Younes, 2015, S. 133). In der Schweiz leben nach Schätzungen nur einige Tausend. Bei der Mehrheit handelt es sich um PalästinenserInnen aus den 1960er-Jahren. Diese Zahlen sind alle bloß geschätzt, da keine Statistiken verfügbar sind. Aus Angst vor dem Vorwurf, Terroristen zu rekrutieren, wurden von der palästinensischen Vertretung keine Statistiken erstellt. Zudem sind viele PalästinenserInnen unter anderer Staatsbürgerschaft registriert oder unter Kategorien wie »staatenlos« oder »ungeklärt« subsumiert (Shiblak, 2005, S. 32). Hinzu kommt, dass sich PalästinenserInnen aus Angst vor Negativstigmatisierung und vor staatlicher Verfolgung nicht gern »outen«, wie wir sehen werden. Einige berichteten zudem, dass sie Palästina als Hinweis auf ihr Herkunftsland in ihren Schweizer Personaldokumenten vermerken lassen wollten, dass diesem Wunsch aber nicht entsprochen wurde. Es kann mittlerweile zwischen drei größeren Migrationsströmen nach Deutschland und in die Schweiz unterschieden werden: die Arbeits- und Studienmigration in den 1960er- und 70er-Jahren, die Fluchtmigration der PalästinenserInnen aus dem Libanon in den 1980er-Jahren sowie die Fluchtmigration jener PalästinenserInnen, die seit 1948 in den kürzlich weitgehend zerstörten syrischen Flüchtlingslagern lebten und aufgrund des Kriegs aus Syrien flüchten mussten. Ich habe vor allem Gespräche mit Palästinensern der ersten Einwanderungswelle geführt. Keinerlei Gespräche fanden hingegen mit PalästinenserInnen der jüngsten Flüchtlingswelle statt. Da es sich bei den Angehörigen der ersten Migrationswelle und bei meinen Gesprächspartnern der ersten Generation mehrheitlich um Männer handelt, werde ich auf die gendergerechte Schreibweise verzichten, wenn im Folgenden von Akteuren der ersten Generation die Rede ist, die in den 1960er- und 70er Jahren nach Westeuropa migrierten. Die PalästinenserInnen, die in den 1980er-Jahren nach Deutschland kamen, sind Nachkommen der Flüchtlinge von 1947/48, hatten in den libanesischen Flüchtlingslagern gelebt und waren vor dem Krieg7 im Libanon nach Westdeutschland 6

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Das ist die Zahl gemäß Shiblak (2005). Mit den palästinensischen Geflüchteten aus den syrischen Flüchtlingslagern, die aufgrund des Kriegs in Syrien nach Deutschland flohen, ist diese Zahl seit 2011 angestiegen. Zu den besonders traumatischen Ereignissen gehören das Massaker in den libanesischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila von 1982, begangen durch israelische und christlichlibanesiche Milizen (Phalangisten), bei dem bis zu 3000 palästinensische Zivilisten getötet worden waren, und der sogenannte Lagerkrieg (ḥarb al-muḫayyamāt), der syrische Krieg ge-

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Tabu, Trauma und Identität

geflohen. Bis 1986 reisten sie zunächst in die DDR und von dort aus weiter nach Westdeutschland, um dort Asyl zu beantragen. Danach durfte die DDR keine Transitvisa nach Westdeutschland mehr ausstellen (Shiblak, 2005, S. 35). Sie lebten hauptsächlich in den Berliner Stadtteilen Neukölln und Kreuzberg. Aus den Erzählungen und Gesprächen geht hervor, dass Berlin als sehr viel offener und bunter als andere deutsche Städte verstanden wurde. Zudem habe es eine große Subkulturszene gegeben. Pazifisten seien in den 1980er-Jahren nach Berlin gezogen, weil man dort nicht Militärdienst leisten musste. Man konnte Häuser besetzen. Auch lag Berlin an der Schnittstelle zwischen Ost und West, was seinen Reiz hatte. Die Lebenshaltungskosten seien erheblich billiger gewesen und Kreuzberg und Neukölln sehr günstig zum Wohnen: Es gab viele nicht renovierte Altbauhäuser, die man an Ausländer vermietete. Bürgerliche Deutsche hätten diese Stadtteile eher gemieden, da sie als »arm, schmutzig und ausländerreich« galten, bevor die Stadtteile Mitte der 1990er-Jahre aufgewertet wurden. In Deutschland wurden aus dem libanesischen Bürgerkrieg geflohene PalästinenserInnen nicht als politische Flüchtlinge anerkannt, weil die deutsche Verwaltungspraxis politisches Asyl nur bei nachweislicher staatlicher Verfolgung gewährt (Shiblak, 2005, S. 60). Die deutschen Behörden wollten die Menschen zurückschicken, doch der Libanon unterzeichnete die Rückführungsvereinbarung nicht (Shiblak, 2005, S. 63). Diese Politik führte zum Duldungsstatus, zu einer zeitweiligen Aufschiebung der Abschiebung. Die Unmöglichkeit der Abschiebung führte zur wiederholten Erneuerung dieses Status, zur sogenannten Kettenduldung, einer Duldung auf Jahren. Das Recht auf (Aus-)Bildung, Arbeit, finanzielle Zuschüsse und Sozialleistungen wurde ihnen damit versagt. Die benachteiligende ökonomische Situation führte viele in die Kriminalität und den Drogenmissbrauch (Shiblak, 2005, S. 38-39). Mit dem Duldungsstatus wurden die Menschen eines normalen Lebens beraubt und der Verwahrlosung überlassen: Jahrelang lebten sie mit gepackten Koffern in ihrer Wohnung; zu jedem gegebenen Zeitpunkt hätte die Ausländerbehörde sie zwingen können, Deutschland zu verlassen. Oder, wie ein Gesprächspartner (T. B.) es ausdrückte, man habe das libanesische Lager gegen das deutsche ausgetauscht. Erst durch die Neufassung des Ausländergesetzes von 1990 erhielten sie das Bleiberecht, sofern sie vor 1990 nach Deutschland gekommen waren (Shiblak, 2005, S. 39). Die Absurdität der Aussichtslosigkeit von Abschiebungen bei gleichzeitiger Initiierung von Kettenduldungen mitsamt ihren Konsequenzen gab in verschiedenen Gesprächen, die ich führte, Anlass, inoffizielle Abkommen zwischen Israel, libanesischen Fraktionen und Westdeutschland zu vermuten: Man habe sie – viele waren fidāʾīyīn gewesen – auf diese Weise zu entschärfen gesucht.

gen Arafat-Anhänger in den palästinensischen Lagern mittels der schiitischen Amal-Milizen von 1985 bis 1988.

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Die meisten Palästinenser, die in den 1960er-Jahren nach Deutschland einreisten, kamen entweder als Studierende oder als Werktätige nach Westdeutschland und gingen oft von Westdeutschland aus in die Schweiz, da sie dort (als StudentInnen) mehr arbeiten konnten. Deutsche Unternehmen und politische EntscheidungsträgerInnen waren aufgrund des industriellen und wirtschaftlichen Booms damals bereit, neue Arbeitskräfte anzuwerben (Shiblak, 2005, S. 34). Mit dem Ende des Wirtschaftsbooms in den 1970er-Jahren änderten sich die Diskurse über Ausländer ganz allgemein, im Besonderen aber über AraberInnen und MuslimInnen, zum Negativen (Badr, 2016). Nach Ostdeutschland migrierten derweil nur wenige Palästinenser. Sofern Ausländer nicht aus den Staaten des Warschauer Paktes kamen, waren sie suspekt und wurden auf irgendeine Art und Weise erfasst (Metz, 2017). Bei Palästinensern in der DDR handelte es sich um Delegierte der PLO, Studierende, die mit politischen Parteien der PLO affiliiert waren oder mittellose Studierende, die von der PLO oder sozialistischen Parteien ein Stipendium erhalten hatten. Die PLO hatte in Ostdeutschland ihre erste europäische Vertretung. Da Israel von der DDR als Speerspitze des Imperialismus im Nahen Osten angesehen wurde, erachtete man Palästinenser als Verbündete (Maeke, 2017, S. 69). Trotz der ideologischen Solidarität mit dem antikolonialen Kampf betrachtete man eine engmaschige Kontrolle von Palästinensern als Notwendigkeit. Wie aus Stasiakten8 hervorgeht, befürchtete die DDR-Regierung von palästinensischer Seite die Planung oder Ausführung von Aktionen, die dann wiederum auf die DDR zurückgeführt hätten werden können. Die DDR war zu dieser Zeit um ihr Image als friedliebender sozialistischer Staat sehr besorgt und sehnte sich nach internationaler Anerkennung, sodass sie sich enorm um Friedenssicherung und Konfliktvermeidung bemühte (Metz, 2017). PalästinenserInnen in Deutschland trennte nicht nur der sozio-ökonomische Hintergrund und die spezifische Lager- und Kriegserfahrung im Libanon, wie wir bei den 1960er- und 80er-Jahre-Gemeinschaften sehen, sondern auch der ideologische bzw. physische Graben zwischen Ost- und Westdeutschland. Während die erste Trennung bis jetzt anhält, löste sich letztere 1989 mit der DDR bis auf »OssiWessi«-Zuschreibungen auf. Für die Palästinenser in Ostdeutschland bedeutete der Fall der Mauer auch der Verlust von (politischer) Heimat. Denn mit dem Ende der DDR wich das ostdeutsche Narrativ der Solidarität mit den unterdrückten Völkern dem westdeutschen Narrativ der Solidarität mit Israel, und der Generalverdacht des Antisemitismus wurde auf PalästinenserInnen in ganz Deutschland ausgeweitet (Çetin & Younes, 2015, S. 135).

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Da die Staatssicherheit prominent im Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vertreten war, konnte sich ihre Meinung hinsichtlich der Palästinenser in der DDR nicht allzu sehr von der übrigen DDR-Staatsführung unterscheiden.

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Tabu, Trauma und Identität

Die Erfahrungswelt variiert nicht nur von Angehörigen zu Angehörigen der ersten Generation, sondern auch innerhalb der Zeitspanne eines Lebens: Ein Leben reichte, um mehreren Erfahrungsgemeinschaften zugeordnet zu werden. Mit der Besatzung von 1967 wurden alle Palästinenser aus Gaza oder dem Westjordanland, die ihre Heimat vor der Besatzung verlassen hatten, zu Flüchtlingen, indem ihnen die Rückkehr verweigert wurde, es sei denn, sie waren minderjährig. In diesem Fall hatten sie ein Recht auf Familienzusammenführung, welches jedoch sehr oft verletzt wurde (Vater von S. F.). Wie 1948 wurden sie im israelischen Bürgerrechtsgesetz als Abwesende bzw. Fremde eingestuft, wenn sie sich zur Zeit der israelischen Besetzung nicht zu Hause befanden, und verloren dadurch ihr Recht auf Rückkehr. Palästinenser aus Ost-Jerusalem, Gaza oder dem Westjordanland, die vor 1967 nach Deutschland und in die Schweiz gekommen waren, um zu arbeiten oder zu studieren, wurden damit zu Betroffenen indirekter Vertreibung. Für viele von ihnen, die 1947/48 bereits als Kinder ins Westjordanland oder nach Gaza vertrieben worden waren, handelte es sich dabei um die zweite Vertreibung. Sie blieben oft in Deutschland, weil sie nicht mehr zurückkehren durften, und heirateten deutsche und Schweizer Frauen. 1972 erlebten manche Angehörigen der ersten Generation die dritte Vertreibung: Nach der Geiselnahme von 1972 im olympischen Dorf von München kam es zur Ausweisung Hunderter von Palästinensern aus Deutschland. Fast 200 Fälle können nachgewiesen werden (Slobodian, 2013, S. 213). Die Dunkelziffer der Ausweisungen aus dem Kreis der ca. 13 000 illegal Aufhältigen arabischer Herkunft in den Monaten nach der Geiselnahme ist vermutlich jedoch weitaus grösser; Deportationen nicht registrierter Menschen wurden nämlich nicht in amtlichen Dokumenten festgehalten, da sich die Behörden ihre freie Verfügungsgewalt bewahren wollten (Slobodian, 2013, S. 213). In der fehlenden Dokumentation jener Deportationen finden wir demnach eine neue Art der Auslöschung palästinensischer Geschichte. Die Massenausweisung entbehrte jeder rechtlichen Grundlage. Ganze Familien wurden getrennt; Männer mussten Deutschland verlassen, auch wenn sie mit deutschen Frauen verheiratet waren. Palästinensische Studentenorganisationen und Arbeitergewerkschaften wurden aufgelöst. Studierende mussten ihr Studium abbrechen, gleichzeitig konnten sie nicht nach Hause zurückkehren. Einige kamen auf diesem Weg von Deutschland in die Schweiz. Andere Angehörigen der ersten Generation hatten im arabischen Raum gelebt, weil sie 1947/48 oder 1967 in umliegende arabische Länder vertrieben9 worden oder bereits in arabischen Ländern als Kinder von 1947/48er-Flüchtlingen geboren worden waren, bevor sie nach Deutschland oder in die Schweiz migrierten. Manchmal mussten sie auch fliehen, wenn sie in arabischen Ländern politisch aktiv waren 9

A. L. wurde als junger Mann 1967 grundlos, ohne gekämpft zu haben, von israelischen Soldaten im Westjordanland aufgegriffen und ohne Papiere in Jordanien auf die Straße gesetzt.

1 Einleitung

(S. A., aber auch R. B.). Außerdem gab es Palästinenser, die nach 1967 die besetzte Heimat, Gaza oder das Westjordanland, verließen, um zu studieren, und Betroffene indirekter Vertreibung wurden, beispielsweise durch die großzügige Austeilung von ausländischen Studienaufenthalten durch Israel mit anschließender Verweigerung ihrer Rückkehr (M. F.). Unter den Gesprächspartnern gibt es auch Palästinenser mit israelischen Pässen, die 1948 intern vertrieben wurden, d.h. Palästinenser, die flohen, aber innerhalb jenes Territoriums blieben, das später Israel wurde. Nicht selten verbrachten sie ihre Kindheit in Slums – es gab zwar keine offiziellen Flüchtlingslager in Israel selbst, aber flüchtlingslagerartige Zustände10 . Sie erhielten zwar israelische Pässe, durften aber ihre Ländereien und Häuser nicht zurückbeanspruchen, weil sie nach israelischem Gesetz als abwesend galten, da sie sich zur Zeit der israelischen Staatsgründung nicht in ihren Häusern, Ländern oder Dörfern aufhielten. Diese Widersprüchlichkeit – als abwesend betrachtet zu werden, obwohl präsent – findet im Arabischen in der Figur des »abwesend Anwesenden« (ḥāḍir ġāʾib) ihren Ausdruck. Israel konfiszierte auch Land und Eigentum der intern Vertriebenen, die sogenannten »verlassenen« Besitztümer (al-amlāk almatrūka), mit Rückgriff auf das sogenannte absentee property law. 93 % Land verloren selbst PalästinenserInnen mit israelischer Staatsbürgerschaft auf diese Weise. Die meisten stürzte dies in bittere Armut. Sie migrierten schließlich aufgrund der für sie schwierigen Lebensbedingungen (N. E.) oder flohen aufgrund ihres politischen Aktivismus in Israel (M. A.). Diese Arbeit ist gezeichnet von einer Unausgewogenheit in Bezug auf die Kategorie Gender, was sowohl die erste als auch die zweite Migrationsgeneration betrifft. Unter Angehörigen der ersten Generation habe ich mit einer Ausnahme nur mit Männern Gespräche geführt, da Palästinenser, die in den 1960er-Jahren nach Westeuropa migriert sind, im Mittelpunkt stehen und es sich bei diesen hauptsächlich um Männer handelte. Als Frau lernte ich zudem wesentlich leichter andere Frauen als Männer meiner Generation näher kennen. Obwohl ich unter Angehörigen der zweiten Generation vor allem mit Frauen gesprochen habe, werde ich auf die gendergerechte Schreibweise zurückgreifen, wenn von Angehörigen der zweiten Generation die Rede ist, weil die Erfahrung von Palästinenserinnen der zweiten Generation der Erfahrung von Palästinensern der zweiten Generation in Deutschland und in der Schweiz entspricht.

10

Wie viele andere kam W. zu einer Sammelstelle für interne Flüchtlinge, das Tal der Tauben (wādi l-ḥamām), und verbrachte seine Kindheit in Baracken.

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Tabu, Trauma und Identität

1.3

Theoretische Konzepte

Identität, Trauma, (diskursive bzw. symbolische) Gewalt und Subjektivität bilden die für die Auseinandersetzung mit meinen Fragestellungen relevanten theoretischen Konzepte. Zunächst erörtere ich palästinensische Identität als spezifisches Bewusstsein einer victim diaspora11 . Aufgrund der Bedeutung der traumatischen Erfahrung kollektiver Entwurzelung für die Entstehung einer kollektiven Identität diskutiere ich im Anschluss verschiedene Konzepte von Trauma aus unterschiedlichen Disziplinen, von seinen Anfängen in der Psychoanalyse über seine Popularität in der Medizin/Psychologie bis hin zu seiner Verankerung in den psychoanalytisch orientierten Sozial- und Geisteswissenschaften und den post colonial studies. Dort verorte ich schließlich das Konzept trauma of race (Mbembe, 15.11.2010), das meiner Arbeit zugrundeliegt. Danach führe ich die beiden zentralen Formen von Gewalt ein, mit deren Folgen ich mich in diesem Buch auseinandersetze: staatliche und diskursive Gewalt. Aufbauend auf der Idee der diskursiven Gewalt, erläutere ich schließlich die Denkfigur der Subjektivität/des Subjekts, die mir ermöglicht, die Auswirkungen von Gewalt auf die Beziehung zu sich selbst und zur Welt zu erkunden.

1.3.1

(Diaspora-)Identität

Der palästinensische Soziologe Mohammed Bamyeh schreibt in seinem grundlegenden Artikel The Palestinian Diaspora (2007), dass Vertreibung und besonders Nichtanerkennung klassenübergreifende Spuren hinterließen (Bamyeh, 2007, S. 91). In der palästinensischen Selbstbeschreibung als Diaspora widerspiegelt sich nicht nur die Erfahrung von Vertreibung und Zerstörung der Gemeinschaft/Gesellschaft, sie verweist auch auf die Verwendung von Diaspora als politisches Konzept (Brubaker, 2005). In der arabischen Sprache häufig verwendete Begriffe sind ṣatāt (Wehr, 1994, S. 531), Zerstreuung, eine Adaption des griechischen διασπορά/Diaspora, oder das affektiver besetzte ġurba (Wehr, 1994, S. 783), Fremde. Oft wird äquivalent auch manfan (Wehr, 1994, S. 1159), Exil im Sinne von Vertreibung/Verbannung, verwendet. Diaspora ist in der palästinensischen Definition weitgreifend und umfasst oft auch sogenannte Binnenflüchtlinge (internally displaced people). Das sind zum einen Menschen, die 1947/48 innerhalb des späteren Israels vertrieben wurden, zum anderen Flüchtlinge in den besetzten Gebieten, die nicht mehr in ihre Häuser in Israel zurückkehren durften, wie die 70 % der Einwohner des Gazastreifens und knapp die Hälfte der PalästinenserInnen im Westjordanland (Lindholm Schulz, 2003, S. 68). Mit der Festschreibung der Zugehörigkeit zu 11

Cohen bezeichnet die palästinensische Diaspora übergreifend als eine victim diaspora (Cohen, 2008, S. 4), d.h. als eine Opfer-/Flüchtlingsdiaspora.

1 Einleitung

einem bestimmten Ort ist auch der Anspruch auf Rechte, insbesondere das Recht auf Rückkehr und Rückgabe von konfisziertem Besitz, verbunden. Zudem verweist die Selbstbeschreibung als Diaspora auf das Volk im Exil, als das man sich begreift, etwas, was einem lange aberkannt wurde und immer noch wird. Eine vorherrschende Rechtfertigung für die Vertreibungen lautete, dass PalästinenserInnen keine Nation mit einem territorialen Bezug seien. Tatsächlich wurde die Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft als Mittel zur Zerstörung von Identität und Manipulation demografischer Verhältnisse eingesetzt. Beispielsweise wurde auf diese Weise aus der 1947/48 vertriebenen palästinensischen Mehrheit auf dem Gebiet des neu gegründeten israelischen Staates die sogenannte arabische Minderheit12 Israels: Drei Viertel der palästinensischen Bevölkerung auf dem Gebiet, das Israel 1947/48 eroberte, wurden vertrieben, d.h. die Hälfte der gesamten palästinensischen Bevölkerung des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina – obgleich PalästinenserInnen faktisch durch die israelische Besatzung von Gaza, Westjordanland und Ost-Jerusalem dennoch die Mehrheit auf dem von Israel kontrollierten Territorium blieben.13 Mit dem Verständnis von Diaspora als Ergebnis anhaltender Vertreibung, beginnend 1947, ist damit immer auch der Versuch verbunden, die Fragmentierung in PalästinenserInnen des Westjordanlands, des Gazastreifens, Israels, des arabischen Raums, Europas sowie Nord- und Südamerikas zu überwinden und eine Nation (wieder-)herzustellen. Dennoch ist der Gebrauch des Diasporabegriffs – ebenfalls aus politischen Gründen – unter arabischen und palästinensischen WissenschaftlerInnen umstritten, weil der Terminus nach Ansicht einiger (Arar, 2006; Kodmani-Darwish, 1997; Peteet, 2007) implizit den Geflüchtetenstatus verwässert und damit das Recht auf Rückkehr diskursiv zunichtemacht, das, wenn auch für den Moment nicht umzusetzen, so doch ein Recht sei und an den erwähnten Status gebunden (Shiblak, 2005, S. 8). Aus rechtlichen Gründen (aufgrund der UN-Resolution 194 von 1948, die den PalästinenserInnen das Recht auf Rückkehr zusichert) wird deshalb die Wiederverwendung des Terminus Geflüchtete gerade auch für PalästinenserInnen in den westlichen Ländern favorisiert, wie es vor der Popularisierung des Diasporabegriffs gebräuchlich war (Arar, 2006, S. 41-42). 12

13

Zur Dekonstruktion des Minderheitenbegriffs vgl. Talin Suciyan (2016). Suciyan kritisiert die Anwendung des Minderheitenbegriffs auf ArmenierInnen in der Türkei als Verschleierung des Genozids an ihnen. Sie argumentiert, dass die Darstellung von ArmenierInnen als »Minderheit« jene Geschichte der Auslöschung unsichtbar macht, durch die sie erst zu einer Minderheit wurden und die die heutige Türkei als Republik konstituierte. Der ehemalige palästinensisch-israelische Knesset-Abgeordnete Azmi Bishara (31.03.2008) beschreibt die durch Vertreibung in die Abwesenheit beförderte Mehrheit von PalästinenserInnen aus dem späteren Israel als erste Institutionalisierung von Apartheid: Sie stelle die erste große Segregation zwischen einer jüdischen Minderheit und einer abwesenden nichtjüdischen Mehrheit dar.

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Tabu, Trauma und Identität

Die identitätspolitische Verankerung des Diasporabegriffs geht mit einer ähnlich politisierten Form von Diasporabewusstsein einher,14 das mich hier interessiert. Bamyeh beschreibt die Sozialpsychologie des palästinensischen Diasporagefühls mit den Attributen temporary, injustice, unchosen (Bamyeh, 2007, S. 94): Temporary verweist auf das Lebensgefühl, nur vorübergehend außerhalb der Heimat zu leben. Symbole dafür sind die Aufbewahrung kultureller Artefakte wie Schlüssel oder Besitzurkunden. Injustice meint das Gefühl der Unterwerfung bzw. der Akzeptanz von Ungerechtigkeit, das unweigerlich mit der Akzeptanz, außerhalb des Orts der Herkunft und Vertreibung zu leben, verbunden ist, und unchosen das Moment des Zwangs als Voraussetzung für die Existenz außerhalb Palästinas/Israels, ungeachtet des Grades der Prosperität in diesem Zustande. Der palästinensische Kulturtheoretiker Edward Said sprach in seinen Reflections on Exile (2000) vom Misstrauen der Exilanten gegenüber einer Gesellschaft, der man sich nicht zugehörig fühlt und die man als feindselig wahrnimmt, und vom Gefühl von Verrat und Illoyalität bei der leisesten Abweichung auf Seiten derer, denen man angehört. Das Exil, das erzwungene Fernsein von der Heimat, werde zu einem existenziellen Lebensgefühl der Entfremdung und schließlich zu einem konstituierenden Faktor palästinensischen Selbstverständnisses in der Diaspora. Wie auch mein Aufenthalt im Westjordanland (2009) zeigte, scheint das Verständnis von Palästinensischsein15 bei PalästinenserInnen außerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete eine symbolische Dimension zu gewinnen, die über »natürlichere« Kategorien bei PalästinenserInnen im Westjordanland hinausgehen, wie etwa in Palästina selbst zu leben, dort zu leiden und zu überleben. Erstaunlich ist das nicht, wenn man in Betracht zieht, dass die zentralen Pole palästinensischer Identität außerhalb Palästinas/Israels entstanden (Lindholm Schulz, 1999; 2003, S. 2). Vor dem Hintergrund der Erfahrung des Exils entstand eine Identität der Erinnerung an den Verlust bzw. die verlorene Heimat, wie sie deterritorialisierte Gemeinschaften für gewöhnlich haben (Lindholm Schulz, 2003, S. 2). Exil bedeutet für PalästinenserInnen den Verlust von Land und damit der Existenzgrundlage, ihrer Grundrechte,

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Suciyan (2016) erörtert die Zusammenhänge zwischen Diaspora als Konzept der Selbstzuschreibung und Diaspora als (identitäts-)politischem Konzept anhand von armenischen Postgenozid-Gesellschaften in verschiedenen politischen Kontexten: Während die armenische Diaspora außerhalb der Türkei sich als Diaspora identifiziert und für ihre politischen Rechte kämpft, distanzieren sich die Armenier in der Türkei infolge der Dämonisierung dieses politischen Kampfs durch die Türkei davon. In Anlehnung an die englischsprachige Debatte rund um Benedict Andersons (1983) Konzept von nationness als Definition der Nation als einer vorgestellten Gemeinschaft (imagined community) von mir vorgeschlagener Begriff: Palästinensischsein. Bis jetzt gibt es noch keine Vorschläge, die nationness im palästinensischen Kontext überzeugend verdeutschen (vgl. zum Beispiel »Palästinensischkeit« bei Susanne Enderwitz (2002)).

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aber auch der Spiritualität und der Gemeinschaft. Es bedeutet auch die Verweigerung von Verantwortung seitens der internationalen Gemeinschaft und damit des durch die UN garantierten Rechts auf Rückkehr16 , auf das man zu Beginn gehofft hatte, und schließlich die Staatenlosigkeit. Im Exil entstand aber auch die Idee von Widerstand, Revolution und bewaffnetem Kampf, um die Subjektposition des »wehrlosen Flüchtlings«, dessen Rechte mit Füßen getreten werden, zu überwinden (Peteet, 1993, 2010; Sayigh, 1977, 1979, 1994). Rosemarie Sayigh zeichnet in ihrer bahnbrechenden und grundlegenden Studie Palestinians: From Peasants to Revolutionaries (1979) anhand von Interviews in libanesischen Flüchtlingslagern nach, wie palästinensische Flüchtlinge sich zusehends über struggle personalities, über Attribute wie strength, courage, resourcefulness (Sayigh, 1998, S. 53) und damit über den Widerstandskampf definierten und wie diese Identität ihnen nach einem Leben der Demütigung eine Art Normalität ermöglichte. Ihre Identität entstand in den 1960er-Jahren unter Exil-PalästinenserInnen im Kontext der modernen palästinensischen Widerstandsbewegung. Angesichts der Ohnmacht und des erzwungenen Ausharrens verfolgten sie eine neue Strategie des militanten Aktivismus und erweiterten die palästinensische Identität somit um das Konzept der niemals aufgebenden KämpferIn. Dieses Konzept widersprach diametral den Fremdzuschreibungen, mit denen PalästinenserInnen von außen konfrontiert waren (Lindholm Schulz, 2003, S. 121). Wie Rashid Khalidi in Palestinian Identity: The Construction of Modern National Consciousness (1997) zeigte, beeinflusste die palästinensische Widerstandsbewegung die Wiederbelebung der palästinensischen nationalen Identität nach 1948 wesentlich. Die Palestine Liberation Organization (PLO) entstand 1964 in Ägypten und operierte von den vielen Zentren im Exil aus. Auf die Flüchtlinge in den Lagern stützte sie sich als verlässliche Fußsoldaten. Die Jahre 1967 (Niederlage Nassers im Junikrieg) bis 1982 (Invasion Libanons durch Israel) bildete die Hochzeit des von außerhalb des israelisch kontrollierten Gebiets geführten Befreiungskampfs. Die palästinensische Zivilgesellschaft außerhalb Palästinas/Israels konsolidierte sich, und ihr Kampf genoss internationale Anerkennung. Die Strukturen der PLO waren, obgleich transnational, äußerst dicht. Sie umfassten Berufsverbände, Gewerkschaften, verschiedene politische und kulturelle Gruppierungen, unabhängige Intellektuelle sowie Thinktanks. Sie vermochten, die PalästinenserInnen zu mobilisieren und die verschiedenen Klassen-, Gender- und Berufsidentitäten unter einem nationalen Bewusstsein zu einen (Bamyeh, 2007, S. 94-99). Der nationale Kampf lässt sich in die zentralen Konzepte von ṣumūd (Standhaftigkeit) und ʿawda (Rückkehr) fassen: Ersteres bildete das Programm für die in Palästina Verbliebenen, letzteres

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Die Resolution 194 der UN-Generalversammlung von 1948 sichert den PalästinenserInnen das Recht auf Rückkehr zu.

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Tabu, Trauma und Identität

das für PalästinenserInnen im Exil. Ṣumūd, die Entscheidung, am Boden festzuhalten, entwickelte sich zwar während der Intifada in den 1980er-Jahren in den besetzten Gebieten zu einem zentralen Konzept, stammt aber tatsächlich aus der Zeit der Widerstandsbewegung in den 1930er-Jahren, konkret: der allerersten Intifada von 1936 bis 1939 (Krämer, 2015, S. 367). Während ṣumūd die Praxis des Widerstands gegen täglich initiierte Formen versuchter Vertreibung meint, bedeutet ʿawda das Begehren zurückzukehren, d.h. die Umkehrung des Aktes der Vertreibung (Bamyeh, 2007, S. 98-99). Die Entwicklung von Palästinensischsein hin zu einem transnationalen Selbstverständnis, das sich zwar territorial orientiert, aber zusehends über die Deterritorialisierung, über Exil und Widerstand und damit paradoxerweise über nichtterritoriale Identitäten und Symbole definiert, fand nicht nur im Kontext palästinensischer Diasporaakteure und der Mobilisierung durch AnführerInnen im Exil statt: Bereits in den 1970er-Jahren wurde Palästinensischsein von der europäischen revolutionären Linken als Avantgarde der Weltrevolution gefeiert, weil sie per se über kein Territorium oder keine zentralisierte Macht verfügten. Wir leben zunehmend in einer Welt, in der durch Globalisierung und wachsende Migrationsbewegungen das Konzept des Nationalstaates herausgefordert wird. Diese Arbeit knüpft deshalb auch an Studien (Ferguson & Gupta, 1997) an, welche auf den Prozess der Deterritorialisierung kultureller Identitäten im Kontext von Globalisierung und Transnationalität sowie auf Arbeiten zu Diaspora als Form von Bewusstsein verweisen. Bedeutende Schriften zu letzerem stammen u.a. vom Kulturwissenschaftler Paul Gilroy, der sich mit der transnationalen Geistesgeschichte schwarzer Intellektueller auseinandersetzte. In The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness (Gilroy, 1993), einem Schlüsselwerk der post-kolonialen Cultural Studies, forderte Gilroy fest verwurzelte ethnische Identitäten anhand hybrider, fluider Identitätsmodelle heraus. Diaspora ist aber bei ihm nicht mehr eine Form von geografischer Zerstreuung, sondern ein outer-national term (Vertovec & Cohen, 1999, S. 295): die Vermischung transkultureller Elemente und Auflösung von homogenen Kategorien wie Ethnie und Rasse, aber auch eine unbestimmte Gefühlslage, verbunden mit kultureller Entfremdung. Zentral dabei erscheint die Sklaverei als sowohl geteilte Erfahrung des Terrors, die den Kern transnationaler schwarzer Identität bildet, als auch als das Herz westlicher Moderne, die dem Sklavenhandel seine wirtschaftliche und kulturelle Hegemonie verdankt. Gilroy greift hier auf William E. Du Boisʼ Konzept des double consciousness (doppeltes Bewusstsein) zurück. Der afroamerikanische Soziologe und Philosoph Du Bois hatte in The Souls of Black Folk (1903) die psychischen und sozialen Folgen der weißen Vorherrschaft auf die Identität von Schwarzen untersucht und mit dem Terminus double consciousness die Herausforderung beschrieben, mit dem Blick einer rassistischen weißen Gesellschaft auf sich selbst zu schauen. Der Psychiater und Vordenker der Dekolonialisierung

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Frantz Fanon beschäftigte sich 50 Jahre nach Du Bois in Peau noire, masques blancs (1952) mit demselben mentalen Konflikt, allerdings im Kontext Algeriens unter französischer Kolonialherrschaft. Grundlegenden Einblick in die koloniale Erfahrung bietet Fanons Theorie des Traumas von Rasse und Kolonialismus (Fanon, 1952). Fanon sagte vom kolonialen Rassismus, dass er der Psyche eine Wunde zufüge. Diese Wunde beschreibt er als Ereignis und Struktur zugleich. Das Trauma wird verursacht durch koloniale Prozesse von Rassifizierung17 , bei der die Psyche durch die ihr suggerierte Bedeutungslosigkeit zerstört wird. Diese sich auf der somatischen und affektiven Ebene reproduzierende Gewalt nennt Fanon laut dem kamerunischen Theoretiker Achille Mbembe (15.11.2010) die Verstümmelung des Kolonisierten durch das koloniale Regime. Für PalästinenserInnen im Exil scheint Palästinensischsein eine identitätskonstituierende Form angenommen zu haben, wobei die gewaltvolle Erfahrung von Missachtung erfahrener Gewalt und der Auslöschung von Identität nachwirkt. Bamyeh sieht das Kernproblem im ethischen Aspekt der Weigerung des israelischen Staates, die Verantwortung für die Vertreibungen damals wie heute zu übernehmen, was der politische Diskurs um die Zweistaatenlösung mitsamt seinen Verhandlungspraktiken jedoch für gewöhnlich ignoriert. Fragen von Schuld (im Sinne von Verantwortung) und Unschuld würden daher das israelische und das palästinensische nationale Bewusstsein durchziehen (Bamyeh, 2007, S. 101). Ich begreife die Nichtanerkennung von Leiderfahrung und Identität sowie die Weigerung, Verantwortung für die Gewalt von Siedlerkolonialismus und ethnischer Säuberung zu übernehmen, als Missachtung des Menschseins und daher als Form von Gewalt. Ich greife dafür insbesondere auf theoretische Arbeiten (Butler, 1993, 2004, 2009; Foucault, 1971; Said, 1979) zurück, die sich mit der Macht von Diskursen und Repräsentationen auseinandersetzen sowie mit Formen von Gewalt, die über Diskurse und Repräsentationen den normativen Bezugsrahmen bilden. Dieser Bezugsrahmen ist es, der laut Judith Butler (2004, 2009) ein gewisses Leben zu einem lebensund anerkennungswerten macht und ein anderes nicht. Während beispielsweise Said (1979) orientalistische Imaginationen und Diskurse in Literatur und Kunst als solche dekonstruierte, will ich mich damit auseinandersetzen, wie Orientalismen auf PalästinenserInnen einwirken und wie letztere ersteren begegnen. Mit Rückgriff auf Foucault frage ich, inwiefern Konzepte wie ṣumūd – oder besser gesagt: die Selbstdeutung als jemand, der ṣumūd vollzieht – nicht bloß als Slogans eines nationalen Kampfes um Selbstbestimmung gewertet werden können, sondern als techniques de soi (Foucault, 1986), als Praktiken der ethischen Selbstzuwendung (Techno17

Rassifizierung bezeichnet den Prozess der Stereotypisierung und hierarchischen Bewertung von Menschen entlang variabler Merkmale und den Prozess der Konstruktion von sozialen Gruppen als naturgegebene Einheiten unter Rückgriff auf diese Kategorien.

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Tabu, Trauma und Identität

logien des Selbst), hier mit dem Ziel, einen Umgang mit erlebter Gewalt zu finden. Damit setze ich mich auch mit den Entstehungsbedingungen eines Diasporabewusstseins auseinander und schließe an Sökefelds These (2006) an, dass Diaspora nicht essentialistisch durch Herkunft oder Migration bzw. von selbst entsteht, sondern dass Akteure Diaspora erst mobilisieren müssen.18 Um Diasporabewusstsein im palästinensischen Kontext zu verstehen, muss die partikuläre Gewalt von Siedlerkolonialismus und ethnischer Säuberung berücksichtigt werden, die das Leben aller PalästinenserInnen direkt oder indirekt (über die Familiengeschichte) prägt. Bei dieser Gewalt handelt es sich um eine spezielle Form der Dehumanisierung und um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das dieser Gewalt zugrundeliegende Imaginär ist nicht »bloß« ein Imaginär der Unterwerfung und Ausbeutung (vgl. afrikanische Diaspora und Sklaverei), sondern eines der Auslöschung von Identität, um sich selbst als Indigene zu imaginieren und deren Platz einzunehmen (Wolfe, 2006). Diaspora als Bewusstsein speichert im palästinensischen Kontext die Spuren der Geschichte der Auslöschung, das, was eigentlich nicht sein darf bzw. das aus Zeit und Raum verbannt wurde sowie den Akt der Auslöschung an sich. Diesen ganz spezifischen Kontext denke ich mit, wenn ich die Frage nach der Entstehung von Diaspora, Mobilisierung und Bewusstsein stelle. Das Imaginär eines transnationalen Palästinensischseins bildet sozusagen das master frame (Sökefeld, 2006, S. 270-271) bzw. eine Meistererzählung der Gemeinschaft, in der die Geschichte der erfahrenen Gewalt widerhallt. Ich frage demnach, wie PalästinenserInnen in Westeuropa mit einer spezifischen Diaspora- und Exilidentität umgehen. Die Angehörigen der Migrationsgeneration, die in den 1960er- bis in die 1980er-Jahre nach Westeuropa kamen, hatten die physische Gewalt der Vertreibung meist am eigenen Leib erlebt. Zudem wurden sie in der Zeit der nationalen Befreiungsbewegung der PLO politisch sozialisiert und grenzten sich vom Warten auf Rückkehr bzw. von der Identifikation mit der Subjektposition des wehrlosen Flüchtlings der Elterngeneration ab. Dennoch war ihre Bewegung geprägt von einem Kampf um Anerkennung ihrer Rechte und Geschichte. Im Gegensatz zur ersten Generation mobilisiert sich die zweite Generation von unten und in einer gegenläufigen Bewegung: Nicht Anerkennung, sondern Emanzipation steht im Zentrum ihres Kampfes. Dieser Prozess wird mit Rückgriff auf Fanons Theorie der Dekolonisierung analysiert, die im Besonderen auf den Kontext der zweiten Generation, d.h. der in Deutschland und in der Schweiz geborenen PalästinenserInnen, Anwendung findet. Achille Mbembe (15.11.2010) liest Frantz Fanons Theorie der Dekolonisierung als Theorie der Besitzverhältnisse und

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Sökefeld (2008) fragt danach, welche Rolle Prozesse der sozialen und politischen Mobilisierung bei der Entwicklung von Diaspora spielen. Dies untersucht er in seiner Arbeit über anerkennungspolitische Bewegungen von AlevitInnen in Deutschland.

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somit als Prozess der Wiederaneignung (re-owning) des Selbst, des sich selbst in Besitz Nehmens. Wiederaneignung bedeutet bei ihm Selbsterschaffung (self creation) als Subjekt, frei von Rasse – in unserem Fall bedeutet es: Selbsthumanisierung. Obgleich Diaspora nicht essentialistisch betrachtet und auf Herkunft und Migration reduziert, sondern als Konstruktion begriffen wird, kann die Geschichte von PalästinenserInnen im Herkunftsland sowie die Geschichte, die zu ihrer Migration führte, nicht ausgeblendet werden, wenn man das Imaginär ihres Diasporabewusstseins verstehen will. Der leider nur selten von der englisch- und deutschsprachigen Forschung rezipierte algerisch-französische Soziologe Abdelmalek Sayad (2004) nannte Forschung, die den Immigranten behandle, als ob seine Existenz in Frankreich beginne, partiell und ethnozentrisch. Sayad arbeitete die Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Immigration heraus und bezeichnete die Totalität der Migrationserfahrung in Anlehnung an Marcel Mauss als fait social total (1924), indem er sowohl die Hintergründe der Emigration aus Algerien als auch die Folgen der Immigration nach Frankreich betrachtete. Durch die französische Besatzung Algeriens war es zu einer Neustrukturierung großer Teile der algerischen Gesellschaft von einem tribalen System mit kollektivem Besitz zu einem unbeschäftigten ruralen Proletariat gekommen, das in die Städte oder nach Frankreich ziehen musste (Saada, 2000, S. 28-32). Sayads Arbeiten wurden richtungsweisend für die Untersuchung der Dreiecksbeziehung zwischen Kolonialismus, Immigration und Transgenerationalität. Gerade seine Studie zu Letzterem soll meiner Untersuchung Impulse geben. Zu Sayads bekanntesten Konzepten gehören La double absence (Sayad, 1999) und Les enfants illégitimes (Sayad, 2006). In double absence beschreibt er das Leiden des émigré-immigré am Außenseitertum und an der Isolation im Herkunfts- und Aufenthaltsland. Die Abwesenheit wird sowohl von der Gesellschaft im Herkunfts- als auch im Aufenthaltsland als Fehler und als verdächtig wahrgenommen. Bei der in Frankreich geborenen zweiten Generation wird sie reproduziert, da diese eine doppelte Entfremdung gegenüber beiden Gesellschaften fühlt und darüber hinaus eine Distanz zu ihren Eltern, die sich in ihren Kindern nicht wiedererkennen (les enfants illégitimes).

1.3.2

Trauma

Das früheste Zeugnis, das Trauma als psychologisches Konzept diskutiert, stammt von Jean-Martin Charcot, der Ende des 19. Jahrhunderts Anfälle von Hysterie in Zusammenhang mit Eisenbahnunfällen stellte. Gleichzeitig wurden die Gesellschaft und im Besonderen die Versicherungsindustrie aktiv involviert in Debatten über Traumata, weil rund um das Thema Unfälle am Arbeitsplatz über Kompensationszahlungen gesprochen wurde. Pierre Janet und Sigmund Freud betrachteten Traumata als Neurosen und stellten Theorien über deren Ursachen auf. In ihrer Sicht existierte das Traumatische

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Tabu, Trauma und Identität

bereits, bevor ein Ereignis es dazu brachte, sich zu manifestieren. Trotz ihrer Differenzen waren sich beide darin einig, dass das traumatische Ereignis nicht allein ausschlaggebend für die Entwicklung einer Traumaneurose war (Fassin & Rechtman, 2009, S. 35). Das Vokabular der Psychoanalyse (1972) definiert Trauma als Ereignis im Leben des Subjekts, das definiert wird durch seine Intensität, die Unfähigkeit des Subjekts, adäquat darauf zu antworten, die Erschütterung und die dauerhaften pathogenen Wirkungen, die es in der psychischen Organisation hervorruft. Ökonomisch ausgedrückt, ist das Trauma gekennzeichnet durch ein Anfluten von Reizen, die im Vergleich mit der Toleranz des Subjekts und seiner Fähigkeit, diese Reize psychisch zu bemeistern und zu bearbeiten, exzessiv sind. (Laplanche & Pontalis, 1972, S. 513) Diese Definition ist gemäß Laplanche/Pontalis stark an Freuds Traumakonzeption von Jenseits des Lustprinzips (1921) angelehnt. Der Begriff Trauma sowie seine drei definierenden Charakteristika – der Schock, die Überforderung sowie die Folgeerscheinungen für den gesamten psychischen Apparat – wurden aus der Medizin übernommen. Diese hatte τραῦ μα (griechisch traûma: Verletzung/Wunde) insbesondere in der Chirurgie zur Bezeichnung von körperlichen Verletzungen mit Gewebedurchtrennungen durch äußere Krafteinwirkung sowie für im weiteren Sinn deren Folgen verwendet (Laplanche & Pontalis, 1972, S. 514). Freud beschreibt in Jenseits des Lustprinzips Trauma als Form von Repetition und Zwang. Das traumatisierte Individuum kehrt fast nostalgisch in Träumen, Erinnerungen und Taten an die Szene des Traumas zurück. Sie oder er ist gezwungen, das unterdrückte Material als eine gegenwärtige Erfahrung zu wiederholen, anstatt es als etwas zu erinnern, was zur Vergangenheit gehört (Mbembe, A., 15.11.2010). In Hemmung, Symptom und Angst (1926) fasst Freud die traumatische Situation ferner als Situation absoluter Hilflosigkeit des Ichs aufgrund unerträglicher Reizüberflutung, die sowohl durch innere übermäßige Triebregungen als auch durch äußere Ereignisse entstehen. Die Beziehungen zwischen inneren und äußeren Vorgängen ließ Freud jedoch undefiniert (Bohleber, 2000, S. 800-801). Die in jüngster Zeit wohl relevanteste Publikation zur Geschichte des Traumas stammt von Didier Fassin und Richard Rechtman. Das Vorwort zu The Empire of Trauma: An Inquiry Into the Condition of Victimhood (2009) beginnen sie mit den folgenden Worten: Trauma has become a major signifier of our age. It is our normal means of relating present suffering to past violence. It is the scar that a tragic event leaves on an individual victim or on a witness – sometimes even on the perpetrator. (Fassin & Rechtman, 2009, S. XI) Fassin und Rechtman zeichnen die Geschichte des Paradigmenwechsels des Traumabegriffs von einer ominösen zu einer inzwischen fast unzweifelhaft

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gültigen Kategorie nach. Charakteristisch sei ihre Beziehungshaftigkeit zur moralischen Ökonomie (Fassin & Rechtman, 2009, S. 6-7) von zeitgenössischen Gesellschaften, d.h., inwiefern diese ihre moralische Verantwortung in Bezug auf verstörende Ereignisse über die Zeit hinweg definieren (Fassin & Rechtman, 2009, S. 276). Trauma sehen sie daher nicht als eine klinische Kategorie, sondern als historisch wandelbare Wertung menschlicher Erfahrung (Fassin & Rechtman, 2009, S. 284). Mit einer solchen historischen Wertung, genauer gesagt mit den Folgen einer Nichtwertung, haben wir es auch zu tun, wenn wir im palästinensischen Kontext von Trauma sprechen. Im kollektiven palästinensischen Gedächtnis verkörpern die Ereignisse von 1947/48 eine traumatische Erfahrung. Zugleich bildet die Nakba das Schlüsselereignis zur Konstruktion der nationalen Identität (Abu-Lughod & Sa’di, 2007; Khalidi, 1997; Lindholm Schulz, 1999; Litvak, 2015; Sa’di, 2002). Sprachlich kommt dies im Wort nakba – arabisch Katastrophe – zum Ausdruck. Damit wird von palästinensischer Seite dem Ausmaß einer Gewalt Rechnung getragen, der die palästinensische Gesellschaft seit 1947/48 anhaltend ausgesetzt ist (AbuLughod & Sa’di, 2007; Allen, 2008; Feldman, 2006; Jayyusi, 2007). Diese Gewalt steht in engster Verflechtung mit der europäischen Geschichte des Nationalsozialismus (Masalha, 2012, S. 11), versinkt aber gleichzeitig – unsanktioniert von Seiten der internationalen Gemeinschaft (trotz Völkerrechtswidrigkeit und mehrerer UN-Resolutionen) – in großer Bedeutungslosigkeit. Den begrifflichen und verflechtungsgeschichtlichen Subtext der palästinensischen Nakba bildet deshalb auch die jüdische Schoa – hebräisch ebenfalls für Katastrophe (Masalha, 2012, S. 11) –, die im europäisch-nordatlantischen kollektiven Gedächtnis eine zentrale Stellung innehat, während die Nakba weitgehend ausgeblendet wird. Der israelische Historiker Ilan Pappe argumentiert in The Ethnic Cleansing of Palestine (2007), dass der Begriff Nakba adaptiert wurde, um dem moralischen Gewicht des jüdischen Holocausts zu begegnen (Pappe, 2007, S. XVI). Der Preis, den PalästinenserInnen für diese Gewichtung der Nakba von 1947/48 bezahlten, ist nicht zu unterschätzen: die Ausklammerung der Vertreibungen lange vor 1947/48, nämlich in den Jahren der von der britischen Besatzungsmacht gewaltsam unterdrückten palästinensischen Bauernaufstände 1936 bis 1939 (Lindholm Schulz, 2003, S. 23), sowie der bis jetzt anhaltenden Vertreibungen von PalästinenserInnen. Trauma ist seit den 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts ein Begriff, der sich sowohl großer wissenschaftlicher als auch alltagssprachlicher Popularität erfreut, was zuweilen zu seiner inflationären Verwendung führt. Obwohl dies zu Zweifeln an seinem Wert als Arbeitsbegriff berechtigt, ziehe ich ihn hier heran, um sowohl die Gewalt, von der PalästinenserInnen als Individuen sowie als Gemeinschaft betroffen sind, als auch deren Folgen in Worte zu fassen und – vor allem – ihnen Wert zu verleihen. Seine Bedeutung als ethische Wertung schwingt demnach immer mit.

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Im palästinensischen Kontext sind individuelles und kollektives Trauma eng miteinander verflochten. Der amerikanische Soziologe Kai Erikson versteht unter kollektivem Trauma einen Schock, der die Textur des sozialen Lebens, welche Menschen zusammenhält und für Gemeinschaftssinn sorgt, zerstört (Erikson, 2014, S. 153-154). Erikson entwickelte diese These anhand seiner Arbeit mit den Überlebenden eines indigenen Appalachen-Stammes in den USA, die zu Betroffenen der größten Katastrophe in der Geschichte des amerikanischen Minenbaus wurden. Sie waren vorwiegend Kohleminenarbeiter und lebten im Buffalo Creek Hollow, einem Tal, das 1972 durch einen Dammbruch aufgrund des Versagens des Minenunternehmens vollständig überflutet wurde. Laut Erikson litten die Überlebenden sowohl an einem individuellen als auch an einem kollektiven Trauma. In letzterem bzw. im Verlust der Gemeinschaft und damit der sozialen Ressourcen sieht er den Grund für die fast völlige Unmöglichkeit einer Heilung des individuellen Traumas (Erikson, 2014, S. 155). Mit Vertreibung und Landnahme wurde im palästinensischen Kontext nicht nur die zentrale Existenzgrundlage, sondern auch der Zugang zu spirituellen Bedeutungssystemen (Boden) und das persönliche Umfeld in der Gemeinschaft zerstört. Letzteres führte auch zur Zerstörung individueller Lebenswelten. In ihrer Autobiografie verortet Ghada Karmi die Depressionen ihrer Mutter im britischen Exil nach der Flucht 1948 im Verlust der sozialen Bindungen, die für ihre Mutter essentielles Lebenselixier gewesen waren (Karmi, 1999). Poisonous knowledge nennt Veena Das die Spuren der Zerstörung von sozialem (Zusammen-)Sein in der Gegenwart: Vergangenheit kehre nicht als traumatische Erinnerung zurück, sondern in Anlehnung an Martha Nussbaum als ein Wissen, ein Wissen durch Leiden (Das & Cavell, 2008, S. 76). Hinzu kam die Zerstörung der Identität und die Auslöschung der Spuren des Volkes im Land, eine Gewalt, die mit dem beschrieben werden kann, was der Jurist Raphael Lemkin (1944) als kulturellen Genozid definierte: die Zerstörung des kulturellen Musters einer Gruppe, einschließlich Sprache, lokaler Traditionen, religiöser Stätten, Monumente, Dörfer, Ortsnamen, Landschaften und historischer Zeugnisse (Docker, 2008a, 2012; Masalha, 2012). Selbst die Spuren dieser Gewalt wurden ausgelöscht: die Ruinen von Dörfern vernichtet, zurückgelassenes Besitztum konfisziert, Archivmaterial verborgen und verfälscht, PalästinenserInnen der Zugang zum israelischen Nationalarchiv verunmöglicht, die palästinensische Geschichte mit der jüdisch-israelischen überschrieben. Jacques Derrida beschreibt in Mal dʼarchive: Une impression freudienne (1995) Wesen und Funktion des Archivs: Es versteckt genauso Erinnerung, wie es sie generiert, und ermöglicht Vergessen. Indem der Historiker Ilan Pappe (2007) die zugänglichen Quellen in israelischen (Militär-)Archiven mit palästinensischen Zeitzeugenaussagen sowie Zeitzeugenaussagen zionistischer Kämpfer kontrastierte, bewirkte er einen Paradigmenwechsel innerhalb der israelischen Geschichtsschreibung von der Deutung der Vertreibungen mittels des Kriegsparadigmas (als Teil einer eskalie-

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renden Kriegssituation) hin zum Paradigma ethnischer Säuberung und systematischer Vertreibung. Hinzu kam der kollektive Eintritt in die Staatenlosigkeit, der sich für den Einzelnen physisch in einem Verlust des sozialen Status von Bürgerschaft materialisierte. In einer Welt, in der das Leben über Nationalstaaten geregelt ist, bedeuteten die Ereignisse von 1947/48 für PalästinenserInnen den plötzlichen Verlust von Rechten, Schutz, Land, Häusern und Gütern. Mit Giorgio Agamben (2002) gesprochen, wurden sie zu homines sacri, zu Ausgestoßenen aus der sozialen Welt, nur mehr über bares Leben verfügend. Homo sacer ist ein Konzept aus dem römischen Recht, das Agamben adaptiert hat, um den Rechtsstatus von Menschen in der Moderne bzw. im totalitären Staat zu beschreiben. Das Konzept beruht auf der griechischen Unterscheidung zwischen βίος, dem (politischen) Leben in der Gesellschaft und somit als Rechtssubjekt, und ζωή, dem bloßen Leben. In der römischen Gesellschaft war ein homo sacer jemand, der als Bestrafung aus der Gesellschaft verbannt und damit gewaltsam seiner βίος beraubt wurde. Als jemand, der daher nur noch über ζωή verfügte, wurde er zum homo sacer, wörtlich zu einem heiligen Menschen: zu jemandem, der nicht geopfert werden durfte, weil der verletzten Gottheit anheimgegeben. Sacer bezieht sich auf den Status der Nichtzugehörigkeit zur Gesellschaft. In dieselbe Sphäre gehörten auch Opfer. Ein homo sacer durfte fortan zwar nicht mehr geopfert, aber von jedem getötet werden. Die straflose Tötung galt als Rache der Gottheit und als legitimer Akt und hatte keine rechtliche Ahndung zur Folge. Den Ausschluss aus der Gesellschaft, der zur Voraussetzung für die legitime Tötung wurde, definiert Agamben als Ausnahmezustand und als jedem modernen demokratischen Nationalstaat inhärent: Ein Ausnahmezustand ist dadurch gekennzeichnet, dass der Souverän außerhalb des Rechts agieren darf und somit die totalitäre Kontrolle über Leben und Tod seiner Bürger hat: Der Status als Rechtssubjekt – sein βίος – und damit der Schutz seines Lebens und seiner Rechte ist nur insofern gegeben, als dass er jedem entzogen werden kann, sobald er im Ausnahmezustand verortet wird, beispielsweise wenn er als eine Gefahr für den Staat eingestuft wird. Für Agamben macht schon allein die Macht, ein totalitärer Staat zu werden, einen totalitären Staat aus. Er wandte das Konzept des homo sacer in der modernen Welt im Besonderen nicht nur auf Jüdinnen und Juden in den Konzentrationslagern, sondern auch auf andere Menschen mit unsicherem Rechtsstatus an, die er als sich oft in einem Ausnahmezustand befindend ansah: Inhaftierte in Guantanamo, Flüchtlinge, Asylsuchende, Roma, psychisch Kranke und illegalisierte MigrantInnen. Neuerdings wurde der Begriff von Judith Butler (2011, S. 40-44) auch auf Staatenlose angewendet. Mehrere Arbeiten diskutieren die Anwendung des Konzepts auf PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten (Abujidi, 2009; Lloyd, 2012; Wilmer, 2018) und in den Flüchtlingslagern der arabischen Welt (Tuastad, 2017).

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Nicht nur die Staatenlosigkeit und deren Folgen machten PalästinenserInnen zu homines sacri, viel mehr noch die Erfahrung, dass niemand sich für ihre politischen Rechte wie die Rückkehr stark machte und sie somit zu Rechtlosen im buchstäblichen Sinne wurden. In der UN-Resolution 194 wurde ihnen zwar das Recht auf Rückkehr zugestanden, und dieselbe Resolution rief gar eine Kommission, die UNCCP (United Nations Conciliation Commission for Palestine), ins Leben, die für die Umsetzung dieses Rechts zuständig war. Doch die Kommission nahm ihre Aufgabe nicht wahr und gab ihr Mandat wegen mangelnder Unterstützung durch die UN in den 1950er-Jahren auf. Die einzige für palästinensische Geflüchtete verantwortliche, extra geschaffene Organisation, die UNRWA, hat lediglich zum Ziel, die Leiden der Gegenwart zu lindern (Lindholm Schulz, 2003, S. 37; Weighill & Shehadi, 1997). Auch sind die meisten palästinensischen Flüchtlinge von internationalen Schutzmechanismen ausgeschlossen, da sie weder unter den Schutz des UNHCR, der Hohen Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen, noch unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, weil beide Institutionen erst nach 1948 gegründet wurden. Ihre Statuten schließen Flüchtlinge aus, die zum damaligen Zeitpunkt bereits von anderen UN-Organisationen Schutz und Unterstützung erhielten. Diese Statuten werden auf die PalästinenserInnen angewendet, obwohl die Genfer Konvention bei Wegfall von Schutz oder Unterstützung durch andere Organe ausdrücklich vorsieht, dass die betroffenen Flüchtlinge in ihre Zuständigkeit fallen (Takkenberg, 1998). Dadurch dass PalästinenserInnen vom internationalen flüchtlingspolitischen Diskurs und Flüchtlingsrecht abgetrennt sind, sind sie auch vom dazugehörigen akademischen Diskurs über Flüchtlinge abgetrennt; ihre Abwesenheit in der Forschungsliteratur über Flüchtlinge19 ist bemerkenswert (Peteet, 2011, S. 19). Diese rechtliche Ausgeschlossenheit aus der Gesellschaft wurde später mit einer moralischen Ausgeschlossenheit überblendet, welche die Grundlage für die Stigmatisierung, Überwachung und Verfolgung bildete, mit denen sie sowohl in den arabischen als auch in den westlichen Aufenthaltsländern konfrontiert waren. Die damit verbundene symbolische bzw. diskursiv-normative Gewalt, die zur physischen hinzukam, bildet einen wesentlichen Gegenstand dieses Buches. Inzwischen fasst die Nakba nicht mehr nur die Vertreibung und Zerstörung der Gemeinschaft von damals in Worte, mit der alles begann, sondern auch die tiefschürfenden Spuren im Leben der einzelnen Individuen, welche die Folgen von damals und die bis heute andauernde Vertreibung, Entrechtung und Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft hinterlassen. Anja Kublitz (2013) hat gezeigt, dass selbst die in Dänemark geborenen Nachkommen von palästinensischen

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Diese ist ohnehin relativ bescheiden, da sich der Großteil der Migrationsliteratur nicht auf erzwungene Migration konzentriert (Chatty, 2005).

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Flüchtlingen aus dem Libanon ihr von Marginalisierung gezeichnetes Leben als Nakba beschreiben. Die gesellschaftliche und wissenschaftliche Konjunktur des Traumabegriffs geht zeitlich mit der Aufnahme des PTSD (Post Traumatic Stress Disorder) oder deutsch PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) in das Klassifikationssystem der American Psychiatric Association einher (Goltermann, 18.04.2018). Wie bereits in den Anfängen der Geschichte des Traumabegriffs im 19. Jahrhundert waren mit dieser Diagnostik ökonomische und gesellschaftliche Interessen verknüpft. Die post-traumatische Belastungsstörung entstand als klinische Diagnose, um die Kriegstaten von US-amerikanischen Vietnamveteranen gesellschaftlich zu legitimieren und sie mit Reparationszahlungen zu entschädigen. Die ehemaligen Soldaten wurden durch die Diagnose als Opfer ihrer eigenen Taten und des Kriegs gedeutet (Fassin & Rechtman, 2009, S. 90-91). PTBS blieb im Wesentlichen der klassischen Definition einer traumatischen Neurose gleich, was sich jedoch änderte, war die Betonung des äußeren Ereignisses als alleinige Ursache. Damit verlor der Traumabegriff seine suspekte Konnotation (Fassin & Rechtman, 2009, S. 86). Ebenso verlor damit der Begriff des Opfers seine Stigmatisierung, die er bis dahin gehabt hatte (Goltermann, 18.04.2018). Soldaten und Arbeiter hatten beispielsweise unter dem Verdacht gestanden zu simulieren, um dem Kriegsdienst zu entgehen oder Kompensationszahlungen zu erpressen (Fassin & Rechtman, 2009, S. 35). Goltermann (2017) hat gezeigt, dass erst mit dem Entstehen der Bürgergesellschaft die Sorge um Soldaten und Bevölkerung aufgekommen war, was sich in der Genfer Konvention, der Rotkreuzbewegung, im Erbrecht und in der Rente für Kriegsinvalide äußerte. Jüngst unterliegt der Opferbegriff durch die kritische Hinterfragung der Folgen von Zuschreibungen wie Passivität, Verlust von Handlungsmacht und Abgabe von Verantwortung sowie durch das Bewusstsein für die machtvolle Position des Opfers in symbolischer und ökonomischer Hinsicht allerdings wieder einer gewissen Skepsis. In der Forschung wird beispielsweise zunehmend die Annahme kritisch hinterfragt, dass Opfer unschuldig seien, was Folgen für die Auseinandersetzung mit Praktiken der Vergangenheitsbewältigung hat (Bernath, 2016, 2018). Die klinische Traumaliteratur definierte mit ihrem historischen Fokus auf PTBS (und damit die Täter) Trauma als eine individuelle/pathologische und nicht als eine sozialpolitische Kategorie. Mit der Anerkennung von Traumata als individueller Krankheit wurden soziale wie politische Kontexte (weiterhin) vernachlässigt. Dieser Literatur, die seit den 1980er-Jahren stark anwuchs und von der Psychiatrie dominiert wird, inhärent sind daher pathologisierende und entpolitisierende Tendenzen (Becker, 2007, S. 18). Der südafrikanische Psychiater Derek Summerfield (2001) beging einen Tabubruch, als er im Zusammenhang mit PTBS von der Erfindung (nicht von der Entdeckung) einer psychischen Krankheit durch Gesellschaft und Politik sprach (Fassin & Rechtman, 2009, S. 28).

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Das rasante Anwachsen der psychoanalytischen Traumaliteratur/-theorie geht ebenfalls auf die 1980er-Jahre zurück und ist als Gegenbewegung zum Triumph dieser klinischen, pathologisierenden Literatur zu sehen. Die Traumaforschung war trotz Freuds paradigmatischer Definition des Traumabegriffs lange von der psychoanalytischen Bewegung ignoriert worden, wie der Fall des Psychoanalytikers und KZ-Überlebenden Bruno Bettelheim zeigt. Seine wichtige Arbeit zum sozialpolitischen Trauma (Bettelheim, 1943) wurde von der psychoanalytischen Forschung lange nicht zur Kenntnis genommen. Die Psychoanalyse hatte erst im Zusammenhang mit ökonomischen Überlegungen begonnen, das gesellschaftspolitische Trauma näher zu betrachten, nämlich als die Bundesregierung aufgrund psychologischer Gutachten über die Entschädigungsansprüche von KZ-Überlebenden entschied. In der Debatte über Entschädigungen an ehemalige Opfer wurden konstitutionelle Störungen angenommen und der Einfluss ihrer schrecklichen Erfahrungen regelmäßig negiert. Die bittere Frage des amerikanischen Psychoanalytikers Kurt Eissler (1963) griff diese zynische Annahme auf: »Die Ermordung von wie vielen seiner Kinder muss ein Mann symptomfrei ertragen können, um eine normale Verfassung zu haben?« (Becker, 2007, S. 219-222) Der deutsch-niederländische Psychoanalytiker Hans Keilson war einer der Ersten, die auf das soziale Umfeld aufmerksam machten, um Trauma als enges medizinisches Konzept und Krankheit zu überwinden. In seiner sequentiellen Traumatisierung (Keilson, 1979) legte er dar, dass Trauma als Prozess und nicht bloß als die Folgereaktion eines Ereignisses, das die Psyche überfordert, zu betrachten ist. Er verlangte eine sozio-politische Kontextualisierung statt einer individualisierten Pathologisierung (Becker, 2007, S. 20). Die psychoanalytische Literatur zum Thema Trauma ist mittlerweile unüberschaubar. Psychoanalytische Studien behandeln Trauma aber meist im Kontext des Holocaust. Wegweisende Arbeiten stammen von Bergmann & Jucovy (1982) und Krystal (1978). Zu den Ausnahmen gehört Frantz Fanon, einer der Vordenker der Dekolonialisierung. In seinen bekanntesten Schriften Peau noire, masques blancs (1952) und Les damnés de la terre (1961) zitiert er die Auswirkungen der französischen kolonialen Repression auf die Psyche und das Selbstbild des kolonisierten Algeriens. Wie wir bereits gesehen haben, dachte Fanon über Trauma im Kontext von Kolonialismus und Rassismus nach. Trauma ist mittlerweile nicht mehr nur Forschungsgegenstand psychologischer Studien. In psychoanalytisch orientierten Literatur- und Kulturwissenschaften sowie kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorien ist Trauma – insbesondere in seinen kulturellen Dimensionen und seiner sozialen Konstruktion (Alexander, 2013) – in jüngster Zeit auch ein kulturwissenschaftliches Forschungsthema von großem Interesse geworden. In diesem Zusammenhang ist der Kreis amerikanischer LiteraturwissenschaftlerInnen, HistorikerInnen, PsychoanalytikerInnen und PsychiaterInnen rund um Dominick LaCapra (2014), Cathy Caruth (1995, 1996), Shoshana Felman, Dori Laub (2013) sowie Judith Herman (2015) zu nennen, die

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psychoanalytische Traumatheorie vor allem im Kontext des Holocaust mit Rückgriff auf Freud und Lacan für die Literatur-, Kultur- und Geschichtswissenschaft fruchtbar gemacht haben (Luckhurst, 2013). Todorova schreibt in ihrem Artikel über die Leugnung der Nakba durch das israelische Staatsnarrativ und dessen Adaption in westlichen Gesellschaften, die akademische Vernachlässigung der Nakba in international boomenden Forschungsfeldern wie den memory, trauma, genocide, post conflict und post colonial studies, die von westlichen Forschern dominiert würden, sei vor diesem Hintergrund besonders auffällig und auf die Anwendung von Theorien zurückzuführen, die weitgehend im Zuge des jüdischen Holocaust entwickelt wurden: The international academic neglect of what happened to the Palestinian people in 1948 is particularly prominent in the fields working with collective memory and post-conflict studies. Perhaps understandably, scholars in the field of collective memory who deal with issues of victimhood and perpetration are reluctant and uncomfortable with applying theory, which has been largely developed in the wake of the Jewish Holocaust, to an event perpetrated by a section of the Jewish collectivity against another Semitic people in the period immediately succeeding the European Holocaust. (Todorova, 2013, S. 253) Michael Rothberg (2008) rief zur Dekolonisierung der trauma studies auf, weil sie die Aufarbeitung euro-amerikanischer Geschichte und im Besonderen den Genozid an den europäischen Jüdinnen und Juden privilegierten. Erst seit wenigen Jahren finden Denkmodelle wie Ghettoisierung (Lentin, 2008), Apartheid (Clarno, 2017; Davis, 2003; Löwstedt, 1999; Pappe, 2015; Soske & Jacobs, 2015; White, 2012, 2014), Siedlerkolonialismus (Cavanagh & Veracini, 2017; Veracini, 2010, 2015; Wolfe, 2006, 2008, 2011), ethnische Säuberung (Pappe, 2007; Wild, 2013), Genozid (Docker, 1992, 2008b, 2012, 2017), Ethnokratie und Rassismus (Champagne & Abu-Sa‘ad, 2003; Mason, 2013; Yiftachel, 2006, 2009), Politizid (Kimmerling, 2003) oder Memorizid (Masalha, 2015; Pappé, 2007; Rashed, Short & Docker, 2014; Wild, 2013) Eingang in den westlichen wissenschaftlichen Diskurs.20 Dennoch gibt es gerade aus den Reihen von WissenschaftlerInnen der post colonial studies, die sich mit Palästina beschäftigen, Kritik am Traumadiskurs. Nach Ansicht Borzagas und Mengels wurde es in den post colonial studies zur Mode zu argumentieren, die westliche Wissenschaft konstruiere mit dem Traumabegriff einmal mehr eine Kategorie, die sie ehemaligen Kolonialländern aufzwinge, und perpetuiere somit eine Form von epistemologischem Neokolonialismus oder Kulturimperialismus (Mengel & Borzaga, 2012, S. XII). Borzaga und Mengel meinen aber, das Problem sei

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Diese späte Thematisierung steht im Gegensatz zum arabischen akademischen Diskurs, wo ähnliche Begriffe bereits in den 1960er-Jahren diskutiert wurden.

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vielmehr der systematische Ausschluss der nichtwestlichen, besonders der französischsprachigen Forschung, die sich mit der Beziehung zwischen Trauma, Kolonialismus und Rassismus auseinandersetze: Hier seien u.a. Frantz Fanon (1952; 1961) und Albert Memmi (1992, 1994), aber auch Ashis Nandy (2008), Achille Mbembe (2001) und Sarah Nuttall (2009) zu nennen, DenkerInnen der postkolonialen Theorie, welche die Arbeit von Frantz Fanon fortsetzen. Diese Literatur werde von der englischsprachigen Forschung meist nicht zur Kenntnis genommen, obwohl sie ins Englische übersetzt worden sei (Mengel & Borzaga, 2012, S. XII). So kommt es, dass ForscherInnen der post colonial studies mit Schwerpunkt Palästina, beispielsweise Rosemarie Sayigh (2013) und Nur Masalha (2012), über den Ausschluss der Nakba aus der Traumaforschung schreiben, weil sie sich auf einen westlichen englischsprachigen Traumadiskurs rund um Cathy Caruth stützen. Dass der Traumabegriff tatsächlich mit dem in der westlichen Traumaforschung vorherrschenden klinischen PTBS-Konzept gleichgesetzt wird, zeigt sich auch in der Kritik, dass mit dem Traumabegriff eine Depolitisierung, Dekontextualisierung und Pathologisierung von sozialen und politischen Ursachen und Kontexten einhergehe (El Said, Meari & Pratt, 2015; Meari, 2014, 2015; Summerfield, 1999). In der Tat setzt der Traumadiskurs rund um PTBS meist bei einem Individuum an, das durch ein einzelnes, identifizierbares Ereignis traumatisiert wird, welches die sogenannte PTBS verursacht (Mengel & Borzaga, 2012, S. XI). In diesem Diskurs werden strukturelle Formen von Gewalt wie Rassismus oder Kolonialismus nicht berücksichtigt. Dass insbesondere Rassismus meist nicht als Trauma wahrgenommen wird, führt die portugiesische Psychologin und Künstlerin Grada Kilomba auf die Vernachlässigung der Geschichte rassistischer Unterdrückung und deren Auswirkungen im westlichen Diskurs zurück (Kilomba Ferreira, 2004, S. 173). Hinzu kommt, dass palästinensische WissenschaftlerInnen in den besetzten palästinensischen Gebieten und Israel Trauma als Kategorie oft ablehnen, weil sie den Begriff dem Opferdiskurs zuordnen. Mit dem Opfer wird wiederum die Position eines Objekts, dem Handlungsmacht abgesprochen wird, verbunden, wie sich während des DAAD-Workshops Studying Trauma from an Interdisciplinary Perspective (16./17.03.2018) herauskristallisierte. Die Gleichsetzung des Traumabegriffs mit dem Opferbegriff ist gewiss auch vor dem Hintergrund der Rolle von humanitären Organisationen in der neueren palästinensischen Geschichte zu sehen: Für gewöhnlich fördern sie Abhängigkeiten und perpetuieren den Status quo der israelischen Besatzung, ohne dass ihre Geldgeber zu einer politischen Lösung ihrer Ursachen beitragen. Die Opferpositionierung ist zugleich mit der Zuschreibung von depolitisierenden und desubjektivierenden Verhaltensmustern verbunden, die Resilienz – das heißt, Gewalt auszuhalten – propagieren, während sie jegliche Form

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des Widerstands21 bestrafen. Anerkennung wird somit nur über eine asymmetrische Opferkategorie ohne Aussicht auf Erlösung ermöglicht. Die Stigmatisierungen als (resiliente) Opfer führen dazu, dass besonders palästinensische WissenschaftlerInnen den Traumabegriff als Gesamtes ablehnen. Laut Borzaga tendiert die westliche Traumaliteratur tatsächlich dazu, Menschen in traumatischen Situationen Handlungsmacht, Widerstand und Kreativität abzusprechen; in der zeichentheoretischen Tradition setze sie den Akzent auf eine unclaimed experience (Caruth, 1996), geprägt von Melancholie, Leere und Sinnkrisen. Sowohl das Sakrale als auch der Körper würden als Bewältigungsstrategien von westlichen Traumastudien vernachlässigt. Postkoloniale DenkerInnen, die sich mit Trauma und Kolonialismus befassten, wie auch Achille Mbembe, Frantz Fanons Schüler, betonten im Gegensatz dazu die Wichtigkeit, sich Vergangenheit wieder anzueignen und Mechanismen von Viktimisierung und Groll, die so typisch für ein traumatisches Bewusstsein seien, zu transzendieren (Mengel & Borzaga, 2012, S. 13-14). Selbst die humanitäre Psychiatrie/Psychologie wird für die Vernachlässigung indigener Bedeutungssysteme und Traditionen zugunsten kurzfristiger, medizinalisierender Lösungen, die aufgrund der Klassifizierung von Krieg als Krankheit angeboten werden, ebenso kritisiert wie für den Import westlicher Diagnosen (PTBS) und sogenannter ExpertInnen in Krisengebiete (Becker, 2007, S. 10; Summerfield, 1999, S. 1449). Colvin argumentiert, dass viele Menschen, die traumatisiert sind, nicht unbedingt an PTBS leiden und die meisten Menschen sogar in Fällen länger anhaltender Leiden auf eine Reihe von Bewältigungsstrategien und Ressourcen zurückgreifen können, um ihre Symptome zu lindern (Shepherd & Robins, 2008, S. 231). Lena Meari (El Said et al., 2015) hat gezeigt, inwiefern palästinensische Konzepte wie ṣumūd WiderstandskämpferInnen im besetzten Westjordanland helfen, Gewalt in der Form von Folter und Vergewaltigungen seitens des israelischen Inlandgeheimdienstes in Verhörsituationen zu ertragen: Sie deuten die Situation der Unterdrückung in eine Praxis des Widerstands um. Ein Beispiel ist die bei ihrer Inhaftierung 16-jährige Ahed Tamimi, die bei Protesten gegen Landnahme und Besatzung im Westjordanland einen Soldaten geohrfeigt hatte, nachdem ihr Cousin durch einen Soldaten schwer verletzt worden war. Das Erste, was sie nach ihrer Freilassung am 31. Juli 2018 nach achtmonatiger Untersuchungshaft und Haftstrafe in israelischen Gefängnissen sagte, war: »I am a freedom fighter. I will not be the victim.« (Holmes & Taha, 30.07.2018)

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Selbst gewaltfreie Formen des Widerstands wie BDS (Boykott, Desinvestment und Sanktionen gegen Israel) oder die sogenannte BDS-Nähe, das Sympathisieren mit oder Unterstützen von VertreterInnen der BDS-Bewegung.

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1.3.3

Staatliche/systemische und diskursive/objektive Gewalt

Israel ist ein Einwanderungsland, wie wir wissen – für jüdische Menschen. Für PalästinenserInnen ist es ein Ort der Vertreibung sowie – seit Juli 2018 – gesetzlich verankerter Ungleichheit aufgrund ihres nichtjüdischen Hintergrunds. Das Nationalstaatsgesetz definiert Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes, schreibt die rechtliche Ungleichheit von jüdischen und nichtjüdischen Staatsbürgern Israels fest und schafft Arabisch als offizielle Staatssprache ab (Lintl & Wolfrum, 2018). Damit wird offiziell, was seit Staatsgründung bereits Alltag ist: die strukturelle Diskriminierung der etwa 20 % PalästinenserInnen im eigentlichen Israel (ganz zu schweigen vom Westjordanland, dem Gazastreifen, Ostjerusalem und den Golanhöhen). Der Prozess ihrer Vertreibung begann Ende 1947 und erfolgte bis 1949. Mit der Vertreibung von etwa 750 000 bis 900 000 PalästinenserInnen waren etwa 90 % der PalästinenserInnen innerhalb des Gebietes, auf dem die israelische Staatsgründung später vollzogen wurde, und ungefähr die Hälfte der Bevölkerung von Palästina zu jener Zeit betroffen. Etwa 500 palästinensische Dörfer wurden zerstört und die Städte von ihren palästinensischen BewohnerInnen gesäubert (Pappe, 2007, S. 30). Obwohl die Vertriebenen gemäß Völkerrecht das jährlich erneuerte Recht auf Rückkehr und/oder Entschädigung haben, verweigert Israel ihnen bis jetzt sowohl das Rückkehrrecht als auch Ausgleichszahlungen (Lindholm Schulz, 2003, S. 33-35). Die Vertreibungen wurden nach der Gründung des Staates Israel 1948 (nebst 1967) auf indirektere Weise, vor allem durch den Entzug der Lebensgrundlagen, sowohl in Israel als auch in den besetzten Gebieten fortgesetzt. PalästinenserInnen werden durch die Aneignung ihrer Ressourcen wie Land und Wasser, die Zerstörung von Natur und Häusern, die Strangulierung ihrer Gemeinden durch die fortschreitende Siedlungspolitik Israels, administrative Formen der Vertreibung mit verschiedenen Methoden, die ihnen den Wohnsitz entziehen und sie bürokratisch als ImmigrantInnen oder Abwesende behandeln, oder institutionalisierte Diskriminierung vertrieben.22 Dieser Prozess hat inzwischen zur offiziellen Annexion Ost-Jerusalems und zur De-facto-Annexion von über 60 % des Westjordanlands geführt, einschließlich fast aller kultivierbaren und bebaubaren Land- und Wasserressourcen. Die PalästinenserInnen im Westjordanland leben in kleinen Enklaven,

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Die palästinensische Bevölkerung in verschiedene geografische Gebiete zu trennen; die hermetische Abriegelung des Gazastreifens vom Rest der besetzten Gebiete; die Trennung Ostjerusalems vom Rest des Westjordanlands; die Zerschneidung des Westjordanlands in ein verbundenes Netzwerk von Siedlungen für jüdische Israelis und eine Gruppe unzusammenhängender Enklaven für PalästinenserInnen; die ethnische Segregation durch die Mauer, separate Straßen und Checkpoints sowie Genehmigungs- und Identitätskartensysteme, um sicherzustellen, dass die PalästinenserInnen auf ihre Enklaven beschränkt bleiben.

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die von Land umgeben sind, das Israel de facto annektiert hat und auf dem sie daher weder Landwirtschaft betreiben noch sonst arbeiten dürfen (Aloni, 2016). Die PalästinenserInnen in Israel besitzen nur noch 2,5 % des Landes, obwohl sie 20 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Bis 1966 lebten sie unter Militärrecht, wie es PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten bis jetzt tun, was ihr Leben der totalen Kontrolle des israelischen Militärs unterwirft (Cavanagh & Veracini, 2017, S. 355). PalästinenserInnen in Israel sind offiziell israelische Staatsbürger, werden aber wie auf Bewährung behandelt: Sie können ihre Staatsbürgerschaft oder ihr Leben (beispielsweise bei politischen Protesten) verlieren, wenn sie nicht politisch konform agieren. Sie werden von jüdischen Israelis segregiert und vom Staat auf fast allen Ebenen diskriminiert (White, 2014, S. 30). Der Grund für die Kontrolle und Vertreibung palästinensischen Lebens ist Israels Politik der kontinuierlichen Expansion und seine Selbstdefinition als jüdischer Staat. Ziel ist ein Staat mit einer klaren demografischen Mehrheit der jüdischen Bevölkerung. PalästinenserInnen werden in diesem Sinn als demografisches Problem betrachtet. (Wild, 2013, S. 48-52) Seit etwa 2000 setzt sich die westliche Kolonialismus- und Genozidforschung auch mit Palästina/Israel kritisch auseinander. Die Gewalt an PalästinenserInnen wird inzwischen mit Konzepten wie Siedlerkolonialismus (Cavanagh & Veracini, 2017; Wolfe, 2008), ethnischer Säuberung (Pappe, 2007; Wild 2013) und Apartheid (Löwstedt, 1999; Soske & Jacobs, 2015; White, 2014) betrachtet. Interpretiert wird auf diese Weise erstens die Politik der Landnahme: die weitgehende und zunehmende israelische Kontrolle palästinensischen Landes; zweitens die Politik der Fragmentierung; drittens die Politik der Entrechtung23 ; viertens die Zerstörung der Lebensgrundlagen24 . Fast 90 % der BewohnerInnen im Westjordanland und im Gazastreifen beziehen Lebensmittel von Hilfsorganisationen, das Trinkwasser ist mehrheitlich ungenießbar (90-95 % des Trinkwassers sind kontaminiert). Auf staatlicher, internationaler Ebene sind PalästinenserInnen – abgesehen von der Solidarität und Sympathie seitens zivilgesellschaftlicher Bewegungen und Akteure – weitgehend auf sich allein gestellt. Es ist wichtig zu sehen, dass die Vertreibung im palästinensischen Kontext eng mit ihrer ethnischen Herkunft verknüpft ist, wenn wir die Dimension der erlebten physischen bzw. staatlichen Gewalt verstehen wollen. 23 24

Das geltende Militärrecht in den besetzten Gebieten und die institutionalisierte Diskriminierung und Marginalisierung der PalästinenserInnen in Israel. Die Zerstörung von Leben durch Waffengewalt (Gaza: Massaker 2008/9, 2012 und 2014); die Zerstörung des palästinensischen sozio-ökonomischen Lebens und des Rechts auf Bewegungsfreiheit; die Abschneidung von öffentlichen Dienstleistungen sowie Ressourcen wie landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, Wasser, Strom, Arbeitsplätzen und medizinischen Zentren bei PalästinenserInnen in Israel und den besetzten Gebieten. In Gaza kommt u.a. selbst die Abschneidung von ausreichender Versorgung mit Nahrungsmitteln hinzu.

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Tabu, Trauma und Identität

Der slowenische Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Žižek unterscheidet drei Formen von Gewalt: subjective/visible violence (subjektive/sichtbare Gewalt), die einen mehr oder weniger klar zu identifizierenden Agens hat (beispielsweise Verbrechen, Terror, Bürgerkrieg) und deshalb sichtbar sowie die offensichtlichste Form von Gewalt ist; ferner objective/invisible violence (objektive/unsichtbare Gewalt), die unsichtbar bleibt – Beispiele sind Rassismus, Diskriminierung, in Sprache eingebettete Gewalt; schließlich die systemic violence (systemische Gewalt), unter der er die von wirtschaftlichen und politischen Systemen ausgehende Gewalt versteht. Žižeks Dreiteilung der Gewalt geht auf den norwegischen Soziologen Johan Galtung (1980) und dessen Dreieck von personaler/direkter, struktureller/indirekter sowie kultureller Gewalt zurück. Personale und strukturelle Gewalt werden in Galtungs Modell durch die kulturelle Gewalt, sprich durch gesellschaftliche Konventionen und Tabus, legitimiert. Johan Galtungs Begriff der kulturellen Gewalt ist dem Konzept der objektiven/unsichtbaren Gewalt bei Žižek bzw. dem Konzept der violence symbolique (symbolische Gewalt) des französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1997) verwandt: Kulturelle, objektive und symbolische Gewalt sind allesamt Konzepte, welche die Gewalt jener Diskurse beschreiben, die subjektive und systemische Gewalt legitimieren. Auf unseren Kontext übertragen geht die subjektive, sichtbare Gewalt ethnischer Säuberung und (mehrfacher) Vertreibung von PalästinenserInnen aus der systemischen Gewalt des Siedlerkolonialismus hervor. Dabei verschleiert und legitimiert die objektive, unsichtbare Gewalt die systemische und subjektive Gewalt durch orientalistische und rassifizierende Diskurse, die PalästinenserInnen Merkmale moralischer Devianz und Dekadenz zuschreiben und auf diese Weise eine Hierarchisierung des Menschlichen erzielen. Im Fokus dieser Arbeit stehen die Folgen dieser symbolischen bzw. objektiven/unsichtbaren Gewalt, die in westeuropäischen Gesellschaften genauso präsent ist wie in Palästina/Israel. Sie verweist auf eine gesellschaftlich anerkannte und daher verborgene Gewalt, welche Herrschaftsverhältnisse perpetuiert und von der nackten Gewalt zu unterscheiden ist. Um die Verwurzelung symbolischer bzw. objektiver Gewalt in hegemonialen Normen und Diskursen zu veranschaulichen, verwende ich in Anlehnung an Judith Butler auch das Konzept der diskursiven bzw. normativen Gewalt. Judith Butler beschreibt in Gender Trouble (1990) damit zunächst eine Gewalt, die eine naturalistische Geschlechterordnung hervorbringt, indem sie jegliche Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung jenseits der binären, heterosexuellen verwirft. Diese Gewalt geht von gesellschaftlichen Normen aus, die sich über Diskurse, performative Sprech- sowie nonverbale Akte, d.h. über die symbolische Ordnung, in normierten Körpern materialisieren. Für ihre Theorie der materialisierenden Macht von Diskursen und performativen Sprechakten sowie nonverbalen, symbolischen Akten greift sie u.a. auf die Sprechakttheorien von J. L. Austin (1979) und auf Foucaults Wirklichkeit erzeugende Macht von Diskursen (1971) zurück. In Excitable Speech

1 Einleitung

(1997a) elaboriert Butler das verletzende und gewaltsame Potential von sprachlichen Äußerungen und damit Sprache an sich. Seit dem 11. September 2001 setzt sich Butler in ihrer politischen Philosophie zusehends nicht nur mit Gewalt gegen als geschlechtlich, sondern auch gegen als kulturell anders Markierte auseinander. Dabei entscheiden Normen, die an kulturelle Rahmen geknüpft werden, über den Status des Menschlichen und ermöglichen so Entmenschlichung. In Precarious Life: Powers of Mourning and Violence (2004) beschreibt Butler eine Gewalt, die eine Hierarchie des Menschlichen bzw. eine Hierarchie der Trauer herstellt und Leben in betrauerbare und unbetrauerbare Wesen unterteilt. Dies führt zur Derealisierung des Anderen. Muslimische AraberInnen, PalästinenserInnen, AfghanInnen fallen gemäß Butler beispielsweise aus diesen Konstruktionen des Menschlichen heraus und sind somit besonders gefährdet. In Frames of War: When Is Live Grievable? (2009) entwickelt Butler ihre Überlegungen über die Normen und politischen Bedingungen, in denen Menschen das Menschliche aberkannt wird, weiter. Hier will ich mich besonders mit dieser derealisierenden, sprich Menschlichkeit aberkennenden Gewalt und ihren Folgen auseinandersetzen, mit der sich die staatliche Gewalt des Siedlerkolonialismus in Palästina/Israel in Deutschland und in der Schweiz als symbolische Gewalt fortsetzt. Die Normen, welche das Menschliche aberkennen, gründen sich in unserem Kontext auf Imaginäre von Terrorismus, Antisemitismus und arabischer (moralischer sowie intellektueller) Rückständigkeit (Tuastad, 2003, S. 591). Derealisierung hatte nicht nur Folgen für die erste Migrationsgeneration, die beide Formen von Gewalt erfuhren, sondern auch für die transgenerationale Beziehung und somit für die Angehörigen der zweiten Generation, wie wir sehen werden.

1.3.4

Subjektivität

Mit der anfangs genannten Hauptfrage danach, wie PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz vor dem Hintergrund diskursiver Gewalt, sprich von Nichtanerkennung und Stigmatisierung, über sich selbst sprechen und von sich selbst denken, verknüpft ist die grundlegendere Frage nach der Einwirkung von Gewalt auf das Individuum. Der Subjektbegriff ermöglicht als Denkfigur, diese Einwirkung symbolischer und diskursiver Gewalt auf PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz zu erforschen. Zudem vermag er, die Innerlichkeit der GesprächspartnerInnen und die menschliche, persönliche Dimension dessen, was zerstört wurde, zu erfassen. Subjektivität interessiert mich als theoretisches Konzept aus zweierlei Gründen: zum einen in seiner wesentlichen Verknüpfung mit dem Konzept der Gewalt, zum anderen als relationale Figur – immer in Beziehung zu anderen zu denken. Wie bereits erwähnt, setze ich mich hier nicht so sehr mit der erlebten Gewalt (im Bewusstsein der Menschen) auseinander, sondern vielmehr damit, wie Gewalt sich

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in die alltäglichen Beziehungen einschreibt, sei es in die Beziehung zu anderen, den Kindern, der Welt an sich oder in die Beziehung zu sich selbst. Die Frage nach der Beziehung zwischen Gewalt und Subjektivität ist nicht neu. Sie schließt an das Werk von Judith Butler an, die wiederum Sigmund Freud, Jacques Lacan, Michel Foucault und Louis Althusser weitergedacht hat. Butler verbindet Psychoanalyse mit Foucaultscher Diskursanalyse, was ein Novum darstellt. In Anlehnung an Foucault dekonstruiert Butler nicht nur den Körper, sondern auch das Subjekt als etwas Vordiskursives, naturhaft Vorausgesetztes und in sich Kohärentes. In den Vordergrund rücken bei ihr Fragen nach den Machtmechanismen, die Körper und Subjekt erzeugen (Butler, 1993). In Psychic Life of Power (1997b) beschäftigt sich Butler, ausgehend von Foucaults Subjekt- und Machtkonzeption, mit den psychischen Mechanismen, mit der Macht das Subjekt an sich bindet. Foucault hatte in Surveiller et punir (1975), seiner Abhandlung über die Geschichte des Gefängnisses, dargelegt, wie Macht von innen heraus diszipliniert und so Zugriff auf das Innere erhält, ja, es auf diese Weise gar erschafft. In demselben Prozess der Unterwerfung durch Macht bildet sich nach Butler das Subjekt. Macht ermöglicht erst die soziale Existenz des Subjekts. Gleichzeitig verschwindet Macht im Subjekt bzw. das Subjekt entzieht sich ihr, indem es sich reflexiv auf sich selbst und gegen die Normen und Diskurse der Macht richtet. In dieser reflexiven Wendung entsteht gemäß Butler, die sich dabei auf Althussers Konzept der Interpellation (2006) stützt, das Subjekt mit seinem psychischen Apparat, einschließlich des Über-Ichs als innerpsychischer Machtinstanz in Anlehnung an Freud (1923). Durch Machteinwirkung und -subversion entstehen nicht nur das Psychische, sondern auch das Soziale und damit das Verlangen nach Unterwerfung unter die sozialen Normen. Subjektkonstruktion und damit Selbstermächtigung werden somit zu einem paradoxen Vorgang, da sie immer an Unterwerfung geknüpft und durch Macht hervorgebracht werden. Subjektivierung – Subjektwerdung – ist deshalb nicht unabhängig von Beziehungshaftigkeit, von einem Beziehungsgeflecht von Fremd- und Selbstbezügen zu denken. In Kritik der ethischen Gewalt (2013a) macht Butler die Verwundbarkeit, die sich dabei für das Subjekt ergibt, bewusst. Im Anderen erkennt das Subjekt sich selbst und damit die eigene Verletzlichkeit, was Anstoß zur Aggression gegen den Anderen statt zur Hinwendung zum Anderen führt, wie Butler in ihrer Ethik der Gewaltlosigkeit fordert. Ein Aspekt von Butlers Subjekt- und Machtkonzeption wird sich in meiner Untersuchung als besonders relevant herauskristallisieren: Schuld. Das Subjekt ist laut Butler ein schuldiges Subjekt; ein Subjekt, das sich parallel zur Selbstreflexion selbst reguliert und die regulierenden Normen bereits internalisiert hat. Schuld ist ein psychischer Mechanismus, der das Subjekt an die Macht bindet. In den autobiografischen Narrativen, die mir erzählt wurden, ist Schuld ein zentrales Element. Schuld »als affektive Reaktion auf die Differenz von richtig und falsch bzw. auf die Wahrnehmung der Normenübertretung und der Gesetzesverletzung« (List,

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2014, S. 119-120) verkörpert den internalisierten (rechtlichen und moralischen) Ausschluss von PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz von der Gesellschaft und prägt die Beziehung zu den hegemonialen Diskursen wie zu sich selbst. Ebenfalls stelle ich fest, dass Schuld aber nicht nur Ausdruck gespiegelter Devianz, sondern auch eine Technologie des Selbst, eine Form ethischer Arbeit an sich selbst ist. Techniques de soi (Technologien des Selbst) hat Foucault als Begriff in seiner Vorlesung Hermeneutik des Subjekts (1981/82) geprägt, die seine späte Wendung hin zum Subjekt markiert. Während er davor Subjekte höchstens als Effekt von Macht untersuchte, fragte er sich hier, wie Subjekte sich zu sich selbst verhalten. Ich zeige, wie PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz durch Formen ethischer Arbeit an sich selbst Beziehung zur (symbolischen) Gewalt herstellen und sich Identität wieder aneignen. Identität soll dabei als Konzept auf jene Konstruktion von Zugehörigkeit verweisen, derer sich Individuen vor dem Hintergrund geteilter, kollektiver Unrechtserfahrung in Prozessen emanzipatorischer Selbstzuschreibung bedienen, um sich als Mensch bzw. als von Bedeutung zu erfahren. Die GesprächspartnerInnen generieren moralische Subjektpositionen und Selbsterzählungen (des Widerstand Leistenden beispielsweise), die ihnen ermöglichen, in Kontexten von Entmachtung agency herzustellen. Durch Umdeutung von symbolischer Gewalt sowie Schuld als ihres symptomatischen Ausdrucks in ein Subjekt der Hingabe gelingt es PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz, sich in Beziehung zu sich selbst zu setzen und Verletzungen Sinn zu verleihen.25 Mit dieser Subjektivität gehen jedoch wiederum Normen einher, die Schuld produzieren, weil sie sie im alltäglichen Leben nicht leben können, wie uns die Entdeckung des gespaltenen Subjekts (Lacan, 1959) in der teilnehmenden Beobachtung zeigt. Um die Zwänge zu benennen, die aus den Normen der kollektiven Identität hervorgehen, habe ich in Anlehnung an das Lacansche Konzept des großen Anderen (Lacan, 1993) das Konzept des großen Eigenen geschaffen. Der große Andere ist das Symbol für das Andere des Subjekts, für die Ordnung der Sprache, des Diskurses und der staatlichen Herrschaft. Der große Eigene hingegen steht für die Werte des subalternen Kollektivs, das sich gegenüber einem hegemonialen Diskurs zu behaupten sucht, der einen zwingt sich zu verleugnen.

25

Über die Aufladung von Wunden mit Bedeutung schrieb auch Veena Das (2008), ebenso über die Rolle von Gewalt bei der Konstruktion von Identität sowie die Verflechtung von moralischen Prozessen und emotionalen Zuständen (Das, 2000).

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1.4

Forschungsbeitrag

Durch die erhobenen autobiografischen Selbstrepräsentationen und die Verschriftlichung der Erzähl- und Gesprächstexte habe ich neue Quellen geschaffen. Mit dem filmischen Festhalten der Lebensgeschichten habe ich nach dem Vorbild von Oralhistory-Datenbanken26 , die auf der Basis von Erzählungen überwiegend in Palästina/Israel und dem Libanon lebender Zeitzeugen von 1947/48 entstanden sind, ein audiovisuelles Archiv europäischer Diasporageschichte erstellt. Damit habe ich auch angestrebt, der verständlicherweise dominanten Geschichte der Massenvertreibungen von 1947/48, die ihre Rolle auch aufgrund ihres symbolhaften Charakters im kollektiven palästinensischen Gedächtnis (Masalha, 2008, S. 141) innehaben, eine andere Geschichte hinzuzufügen: die Geschichte der indirekten Vertreibungen, die nach 1947/48 (mit Ausnahme von 1967) die gebräuchlichste Form der Vertreibung bildeten. Auf diese Weise wird der Nakba als anhaltendes und nicht als ein auf 1947/48 »eingefrorenes« Ereignis Rechnung getragen. Nicht zuletzt finden sich in den Erzählungen Artefakte individueller Gedächtnisse und autobiografischer Selbstrepräsentationen, die Einblick in ein anderes kollektives Gedächtnis als das kulturelle Gedächtnis gewähren, nämlich das Familiengedächtnis. In ihren lebensgeschichtlichen Selbstrepräsentationen, wie sie im Verlaufe der biografischnarrativen Interviews erfolgen, entwerfen die ErzählerInnen sich als autobiografisches Subjekt. Sie konstruieren und rekonstruieren familiale Vergangenheit und verorten sich mit ihren eigenen Erinnerungen sowie der Aufschichtung von Erfahrungen und Erinnerungen ihrer Eltern in einer Lebenswelt, die sie mit Sinn und Selbstbezug aufladen. Wir haben hiermit ein Archiv der anderen Art: nicht so sehr eins, das versucht aufzuzeichnen, was geschehen ist (worauf der Schwerpunkt von digitalisierter oral history im palästinensischen Kontext für gewöhnlich liegt). Es ist eher ein Archiv des Affekts, ein Archiv von Wünschen, Verzweiflung und Normen, ein Archiv des Wissens durch Leiden, um mit Martha Nussbaum zu sprechen: There is a kind of knowing that works by suffering because suffering is the appropriate acknowledgment of the way human life, in these cases, is. (Nussbaum, 2011, S. 46) Da PalästinenserInnen aus dem Libanon die größte Anzahl der nach Europa migrierten PalästinenserInnen bilden, spiegelt sich dieses Verhältnis auch in der Mehrzahl der Forschungsarbeiten wider. Seit den 1980er-Jahren sind über 100 000 PalästinenserInnen aus dem Libanon in die Golfstaaten, nach Nordeuropa (Dänemark und Schweden) sowie vor allem nach Deutschland migriert, wo die 26

Zu nennen wären hier die digitale Datenbank palestineremembered.com, aber auch das Palestinian Oral History Archiv der AUB (Issam Fares Institute for Public Policy and International Affairs).

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meisten PalästinenserInnen in Europa leben (Dorai, 2003, S. 23). Mit ihrem größeren Fokus auf Palästinenser, die in den 1960er-/70er-Jahren nach Deutschland und in die Schweiz kamen, füllt meine Forschung eine Lücke in Bezug auf die Fokusgruppe. Mit Hinblick auf die Schweiz kann man auch von einem regionalen Forschungsbeitrag sprechen. Inhaltlich leistet sie einen Beitrag, indem sie zeigt, wie sich die physische Gewalt in Palästina/Israel in der symbolischen Gewalt in Westeuropa fortsetzt und ihre Spuren auch in der Eltern-Kind-Beziehung hinterlässt. Physische und symbolische Gewalt erachte ich dabei als unterschiedliche Aspekte ein und derselben Aggression: rassifizierend-kolonialer Gewalt. Anknüpfend an Abdelmalek Sayad (2004) und seine Auseinandersetzung mit dem Dreieck von Kolonialismus, Migration und Transgenerationalität betrachte ich die Geschichte der Angehörigen der ersten Generation als émigré und immigré in ihrer Kontinuierlichkeit. Durch ihre Auseinandersetzung mit den Folgen von Kolonialismus und rassifizierender Gewalt auf die transgenerationale Beziehung berührt meine Untersuchung im palästinensischen Kontext ein Feld, das genauso besetzt wie unbeschrieben ist. Besetzt ist es, weil sich viele Arbeiten (Al-Hardan, 2016; Masalha, 2008; Sayigh, 1998) mit der Tradierung der Nakba innerhalb des kollektiven Gedächtnisses befassen. Die Nakba wird dabei auf die Ereignisse von 1947/48 begrenzt. Diese Studien sind vor dem Hintergrund des Booms der Erinnerungsforschung in den letzten Jahrzehnten zu verorten. Auch in Deutschland boomt diese seit mindestens 15 Jahren, wie wir in der intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Generation der Kriegskinder sehen. Ähnlich wie im palästinensischen Fall geht dies in Deutschland mit dem Umstand einher, dass wir uns auf einer erinnerungskulturellen Schwelle befinden. Die Erinnerungslandschaft ist im Umbruch: Die Generation, die das sogenannte Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg bzw. die Nakba erlebt hat, ist gealtert. Das kommunikative Gedächtnis ist auf drei bis vier Generationen beschränkt (Pethes, 2008). Die soziale Dimension des Gedächtnisses und die Funktion des Erzählens in der Ausbildung und Überlieferung kollektiver Erfahrungs-, Erinnerungs- und Generationsgemeinschaften wird im Kontext der cultural memory studies stark betont (Assmann, 2006, 2012, 2014; Assmann, 1992; Halbwachs, 1967). Nach Sayigh (1998) spielt für die Stiftung palästinensischer Identität in palästinensischen Flüchtlingslagern die transgenerationelle Praxis des mündlichen Erzählens der Nakba sowie die Beschreibung des Heimatlandes und des Lebens vor der Katastrophe innerhalb der Familie und somit im kommunikativen Gedächtnis eine zentrale Rolle. Sabine Damir-Geilsdorf (2008) zeigt Formen und Funktionen von Nakba-Narrativen bei palästinensischen Flüchtlingen in Jordanien auf. Kawthar El-Qasem (2018) analysiert das Erzählen von Palästina als Ressource im Umgang mit der Marginalisierung bei PalästinenserInnen in Palästina/Israel und Jordanien. Andere Arbeiten setzen sich allgemein mit dem kollektiven Gedächtnis auseinander, untersuchen kulturelle und politi-

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sche Institutionen (Litvak, 2015; Sayigh, 1979) sowie internetgestützte transnationale Kommunikation (Lindholm Schulz, 2003). Wiederum andere setzen sich mit dem kulturellen Gedächtnis und der Rolle von Kunst und ästhetischen Texten auseinander: Vor allem in Dichtung und Prosa, aber auch in der bildenden Kunst werden die Erinnerungen derer, die 1947/48 erlebten, als fixierter Kanon (Ankori, 2013; Stein & Swedenburg, 2005) überliefert. Außer Acht gelassen werden dabei gerade Prozesse des Nichterzählens und Schweigens, die einen weitaus größeren Effekt für die Identifikation mit dem Palästinensischsein haben (vgl. Kublitz 2010). In dieser Hinsicht versteht sich meine Forschung nicht zuletzt auch als Beitrag zu den cultural memory studies: zur Forschung über Generations- und Erfahrungsgemeinschaften, indem sie die Rolle des Erzählens als romantisierend bzw. idealisierend relativiert und den Fokus vom cultural turn Richtung affective turn verschiebt, d.h. sich nicht auf dominante Repräsentationsregime (Rhetorik und Semiotik) beschränkt und nichtrepräsentative, nonverbale Formen von Beziehung miteinbezieht. Weitgehend unbeschrieben ist das Nichterzählen somit auch im Hinblick auf den umfassenderen Nexus zwischen kolonialer/rassifizierender Gewalt und deren Folgen für Familienbeziehungen wie auch für die Lebenswelt der zweiten Generation überhaupt. Ich zeige, dass Absenz und Leere nicht durch den Fokus auf (post-)strukturalistische Zeichentheorien (Caruth, 1996) zu erklären sind, sondern durch das (trans-)generationale Element bzw. die Einsamkeit der Erfahrung der ersten Generation. Fassin und Rechtman (2009) beschreiben in ihrem Kapitel über die Psychotraumatologie des Exils, wie sich die Psychiatrie der Immigration zwischen zwei historischen Ären entwickelte, in denen zwei Bilder des fremden Anderen dominierten: das des Nativen im kolonialen Kontext (sei es in der peripheren Kolonie oder in der Metropole lebend) und das des Ausländers (sei er Asyl suchend oder nicht) im postkolonialen Kontext. Die beiden Figuren beschreiben sie als chronologisch und soziologisch getrennt und verknüpft durch die Figur des Immigranten als Zwischenfigur, einem »Ergebnis« der Nachfrage nach Arbeitskraft in der europäischen Wirtschaft. Im palästinensischen Kontext existiert diese chronologische und soziologische Unterscheidung zwischen den beiden Figuren, dem Nativen und dem Ausländer, nicht. Die beiden historischen Ären fallen in der Zeitspanne eines Lebens zusammen: Der Native, welcher der nackten Gewalt ausgesetzt ist, verschmilzt mit der Figur des Ausländers, der symbolische Gewalt erfährt. Die Angehörigen der ersten Generation verharren so im Zustand existenzieller Andersheit und Einsamkeit. Diese Einsamkeit wird von der zweiten Generation aufgebrochen: Sie findet daher zu Formen von Handlungsmacht, die exklusives Opferbewusstsein transzendieren, indem sie ihre Geschichte, die

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sie wiederentdeckt, im Leiden bzw. in der Geschichte anderer subalterner27 Gesellschaftsgruppen einbettet. Die vorliegende Arbeit regt deshalb dazu an, über die Möglichkeit des Betroffenseins von Gewalt nachzudenken, ohne den Kategorien der Opfer-TäterDichotomie mit ihrem symbolischen Kapital von Macht und Ohnmacht zu verfallen. Durch die Berücksichtigung von palästinensischen Diasporaakteuren erster und zweiter Migrationsgeneration gewinnen wir die Einsicht, wie unterschiedlich konnotiert der Opferbegriff in verschiedenen sozialen Zusammenhängen ist, variierend nach den spezifischen Verhältnissen von Macht bzw. Ohnmacht, die sie begleiten. PalästinenserInnen in westlichen Ländern sind weder mit der physischen Gewalt der Besatzung konfrontiert noch mit einem NGO-System, das diese auszuhalten und damit auch zu perpetuieren hilft. Während PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten und Israel den Opferbegriff ablehnen, um die damit verbundene Handlungsanweisung der Resilienz zurückzuweisen, kämpfen PalästinenserInnen in Westeuropa, konfrontiert mit symbolischer Gewalt, um die Anerkennung der Position des Opfers oder der Betroffenen von Gewalt. Da aber auch in Westeuropa die Frage nach Handlungsmacht für PalästinenserInnen stigmatisiert und existenziell ist, wie wir sehen werden, wirft dies die Frage auf, inwiefern Begriffe jenseits des Opferbegriffs geschaffen werden können, die dem Ausmaß an erlebter Gewalt Rechnung tragen, ohne Handlungsmacht (und damit Verantwortung) abzusprechen. Trauma soll mit Rückgriff auf postkoloniale TheoretikerInnen wie Fanon nicht als Widerspruch zu Handlungsmacht (agency) gedacht werden, sondern mit ihr zusammen. Aus diesem Grund stelle ich auch die Frage, wie man vor dem Hintergrund eines hegemonialen Diskurses, der die eigene Geschichte unterdrückt, über sich selbst spricht. Hinter dieser Frage nach den Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz steht die Überlegung, wie agency selbst in einem traumatischen Kontext bzw. in einem der Ohnmacht zustande kommt: Inwiefern stellen Selbstdeutungen als techniques de soi (Foucault, 1986) eine Form von agency dar, um Gewalt zu begegnen? Schließlich leiste ich im Anschluss an andere Arbeiten (Becker, 2007; Bracken & Petty, 1998; Mengel & Borzaga, 2012) einen Beitrag zur Erforschung sozialpolitisch verursachten Leids. Die Spannung zwischen psychischen und sozialen Bedingungen wird meist nicht ausreichend reflektiert, obwohl gerade sozialpolitisch 27

Der Begriff Subalternität wurde vom italienischen Philosophen Antonio Gramsci zur Beschreibung von sozialen Gruppen geprägt, die den herrschenden Eliten in unterschiedlichen Ausformungen unterworfen sind. Subalternität wird in postkolonialer Literatur aber vor allem mit Rückgriff auf die indische Literaturwissenschafterin Gayatri Chakravorti Spivak verwendet, die den Begriff subaltern in ihrem Essay Can the Subaltern Speak? (1988) als ein Ausgeschlossensein von den hegemonialen Diskursen definierte, das zwar nicht ein Sprechen, aber ein Gehörtwerden verunmöglicht.

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bedingte Traumata nicht isoliert von gesellschaftlichen Themen untersucht werden können (Becker, 2007, S. 18; 178). Aus dem Kontext der Betroffenen fürsorgerischer Zwangsmaßnahmen (FSZM) in der Schweiz wissen wir zudem von der Gewalt der Nichtanerkennung struktureller Gewalterfahrung durch Öffentlichkeit und Staatsapparat (Fischer, 2018). Auf der Grundlage der Erforschung des erwähnten spezifischen Diasporagefühls, das palästinensische Gemeinschaften selbst außerhalb des arabischen Raums charakterisiert, leistet die vorliegende Arbeit auch einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit den Folgen der Nichtanerkennung von Gewalterfahrung. Bereits Ghada Karmi (Shiblak, 2005) hat auf die Bedeutung von gesellschaftlichem Kontext und gesellschaftlicher Mittäterschaft verwiesen, indem sie die Vermutung äußerte, dass die anhaltende (!) Vertreibungserfahrung und der Umstand, in einer mehrheitlich pro-israelischen Gesellschaft zu leben, die Inklusion28 von PalästinenserInnen in Großbritannien erschwere. Ich möchte zu diesen Fragen beitragen, indem ich die Beziehung zwischen sozialpolitisch verursachten Traumata, ihrer diskursiven Rahmung in den Aufenthaltsländern und deren Einfluss auf PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz untersuche. Dabei berücksichtige ich insbesondere den Aspekt der transgenerationalen Tradierung von Spuren systemischer Gewalterfahrung.

1.5

Methode

Forschungen über Akteure in westlichen Gesellschaften sind in den Nahoststudien respektive in der Islamwissenschaft immer noch eher ungewöhnlich, obwohl aufgrund der immensen Flucht- und Migrationsbewegungen Menschen aus dem Nahen Osten sowie nahöstliche Sprachen nicht länger nur als Phänomene eines geografisch und kulturell weit weg verorteten Nahen Ostens gedacht werden können. Dies geht einher mit einer traditionellen Fokussierung auf den Kanon der gesellschaftlichen Eliten in den Nahost- bzw. Islamwissenschaften (Rubin, 2015, S. 97). Durch die Auseinandersetzung mit palästinensischen Alltagsakteuren in der Schweiz und in Deutschland beanspruche ich methodisch also zwei Säulen der Islamwissenschaften, die als Teil ihrer orientalistischen Tradition gedeutet werden können.

1.5.1

Datenerhebung

Die vorliegende Forschung wurde vor allem durch biografisch-narrative Interviews (Schütze, 1983) und teilnehmende Beobachtung erschlossen. Zu Beginn erteilte ich 28

Den Begriff Integration vermeide ich, weil er besonders in den letzten Jahren mehrheitlich dazu verwendet wurde, um Menschen auszuschließen (Nduka-Agwu & Hornscheidt, 2010).

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den ErzählerInnen die Aufforderung, möglichst frei über sich und aus ihrem Leben zu erzählen. Sie sollten frei assoziieren, möglichst ohne meine Intervention, um sie in ihrer Struktur oder in ihrem Erzählfluss nicht zu beeinflussen. Erst nach dem Ende ihrer Erzählung, im sogenannten Nachfrageteil, hakte ich nach, etwa bei interessanten und unklaren Äußerungen oder bei Dingen, die mich interessierten, aber nicht erwähnt wurden. Deshalb sind die Begriffe Erzählung und Gespräch angemessener als »Interview«. Meine erheblichsten Interventionen waren ihr Wissen um meine Person und um das Thema der Forschung, das ich beides mitgeteilt hatte, meine Bitte, mir von sich zu erzählen, sowie die Tatsache, dass ich die Begegnungen videografierte. Die Sitzungen wurden von mir mit Videobild und Ton aufgezeichnet, nicht zuletzt, um eine visuelle Dokumentation der Gesichtsausdrücke und anderer Körperzeichen und -bewegungen zu erhalten und die Analyse mit relevanten performativen Elementen zu bereichern. Die Kamerapräsenz irritierte jeweils zu Beginn, geriet dann aber relativ schnell wieder in Vergessenheit. Das Bewusstsein für diese Interventionen ist ein wesentliches Element der Quellenkritik, zumal die Quelle aufgrund ihrer Mündlichkeit durch Aufzeichnung und Transkription selbst erschaffen wurde. Die Entscheidung der GesprächspartnerInnen, was sie teilen und was sie zurückhalten wollten, lieferte mir bereits wertvolle Informationen, ebenso wie sie ihre Geschichten erzählten und wie sie Ereignisse oder Gedanken miteinander verknüpften. Wie gliedern sie ihre Erzählungen? Welche Verbindungen und Sinnzusammenhänge stellen sie her? Was betonen sie? Was blenden sie aus? Wie deuten sie ihre Autobiografie? Welche Diskurse strukturieren die Erzählung? Indem ich diese Erzählungen als performative Akte, als Erzählpraktiken betrachtete, konnte ich beobachten, wie sie sich durch Erzählen positionierten und konstruierten. Während die Angehörigen der zweiten Generation in unseren Sitzungen Standarddeutsch, einen deutschen oder einen Schweizer Dialekt sprachen, erzählten die Angehörigen der ersten Generation ihre Geschichten in ihrem eigenen palästinensisch-arabischen Dialekt oder Standardarabisch. Als sie bemerkten, dass mein Dialekt nicht alle Schattierungen des palästinensischen Arabisch umfasste, mieden sie bestimmte Wörter und Ausdrücke, die nur in ihren lokalen Dialekten verwendet wurden, und bewegten sich in einem allgemeineren palästinensischen Arabisch oder sogar einem allgemeineren levantinischen Arabisch. Die Gespräche habe ich bei der Transkription mit Ausnahme des Schweizerdeutschen, das ich ins Standarddeutsch übertragen habe, in der dialektalen und umgangssprachlichen Prägung der gesprochenen Sprache belassen. Die erhobenen Daten liegen also auf Arabisch und auf Deutsch vor.29 Die Gespräche wurden anonymisiert und umfas29

Die Zitate arabischer Gesprächssequenzen wurden ins Deutsche übertragen. Die originalsprachlichen Transkripte in arabischer Schrift (aber dialektaler Prägung) befinden sich im Anhang.

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sen Informationen über sie als Individuen, ihren sozialen und manchmal auch politischen und kulturellen Hintergrund in Palästina oder im arabischen Raum, in dem manche geboren wurden oder aufgewachsen sind, sowie ihren sozialen, kulturellen und politischen Hintergrund in Deutschland und in der Schweiz. Es wurden von Ende 2010 bis Anfang 2015 insgesamt 39 biografisch-narrative Gespräche geführt, 17 in der Schweiz und 22 in Deutschland. Das Auffinden der GesprächspartnerInnen erfolgte mit dem Schneeballsystem: Ich wurde durch Bekannte an potenzielle GesprächspartnerInnen verwiesen und erhielt von diesen wiederum andere Kontakte. Obwohl in zwei Ländern angelegt, ist die Forschung explorativ und nicht komparativ konzipiert, da ich zuerst in der Schweiz lebte und dann nach Deutschland zog. Die Gespräche dauerten von einer Stunde bis zu drei Stunden. Ich habe jeweils zur Hälfte mit Angehörigen der ersten und Angehörigen der zweiten Generation gesprochen. Einige Erzählungen habe ich ausgewählt, eingehender analysiert und durch Sequenzen aus anderen Erzählungen bereichert. Um sie mit einer dichten Beschreibung (Geertz, 1973) einzelner Fallstudien zu ergänzen, habe ich 2014 (während der israelischen Militäroffensive in Gaza) und 2015 zweimal für kurze Zeit in Berlin auch mit einigen Akteuren zusammengelebt. Diese teilnehmende Beobachtung ermöglichte mir tiefgehende Einblicke in den Alltag der Akteure. Bei der Datenerhebung habe ich auf psychoanalytische Konzepte wie das der gleichschwebenden Aufmerksamkeit, des immerwährenden aufmerksamen Zuhörens sowie der Übertragung und Gegenübertragung, ein sich emotional auf das Gegenüber Einlassen, zurückgegriffen. Als Übertragung wird ein Phänomen bezeichnet, bei dem die ErzählerIn beginnt, ihre Gefühle zu bestimmten Personen oder Situationen in ihrem Leben auf ein neues Objekt zu übertragen. Frühere Wünsche, Ängste und Konflikte werden dabei aktualisiert. In der Gegenübertragung beginnt die ZuhörerIn in Reaktion auf die ErzählerIn, ihre Gefühle auf diese zu richten. Die Annahme, dass sich in der Beziehung zur Zuhörenden bei der ErzählerIn frühere Konflikte etc. aktualisieren, bildet die Prämisse von Übertragung und Gegenübertragung (Freud, 1912). Zuletzt achtete ich auch auf Versprecher bzw. sogenannte Fehlleistungen (Freud, 1901), mein Augenmerk lag also auch auf unbeabsichtigten sprachlichen Äußerungen. Bei der Datenerhebung und -auswertung habe ich methodologisch mit der Grounded Theory (Krotz, 2005) gearbeitet. Die Grounded Theory ist eine Methode, die relativ theoriearm an die Daten herantritt, um aus ihnen heraus theoretische Einsichten abzuleiten und diese an weiter erhobenen Daten weiterzuentwickeln. Es ist bei dieser Methode wichtig, insbesondere am Anfang offen zu sein und möglichst breit Material zu sammeln. So habe ich mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Erfahrungshorizont gesprochen, sei es über Diskriminierung, Vertreibung/Enteignung (1947/48 und/oder 1967), Besatzung oder die Lagererfahrung. Die vielen verschiedenen Erfahrungen spiegeln die Vielfalt der palästinen-

1 Einleitung

sischen Geschichte und die individuellen Varietäten einer kollektiven Geschichte wider. Nicht nur die Migrationsländer – Schweiz und Deutschland – sind zudem unterschiedlich (wenn auch nicht so sehr in den hegemonialen Diskursen rund um Palästina/Israel, die in ihnen zirkulieren). Auch die Zeit der Sozialisierung in der Schweiz und in Deutschland, die arabischen Länder, in denen die Gesprächspartner aufgewachsen sind, sowie Kategorien wie Alter, sozialer Hintergrund (Schicht, Beruf, Familie) und Generation (sowohl in Bezug auf Migrations- als auch auf Erfahrungsgenerationen) variieren. Um einen Eindruck der Öffentlichkeit zu gewinnen, in der sich PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz bewegen, wurden auch deutsche und Schweizer meinungsbildende Leitmedien (führende Tages- und Wochenzeitungen sowie öffentlich-rechtliches Fernsehen) auf Repräsentationen von Palästinensischsein und des Nahostkonflikts berücksichtigt. Der historische Horizont, in dem die Untersuchung angesiedelt ist, ist der Zeitraum von Anfang der 1960er-Jahre bis ins Jahr 2015. Diese Zeitspanne ergibt sich aus der Bewusstseinsbildung von der ersten Adoleszenz der ältesten Gesprächspartner in Palästina/Israel oder der arabischen Welt über den Zeitpunkt ihrer jüngsten Sozialisation während der 1990er-Jahre in Deutschland und der Schweiz bis hin zur Lebenswelt von Angehörigen der zweiten Migrationsgeneration im Jahr 2015. Was die Frage der Repräsentativität betrifft, so stehen die erhobenen Daten sowohl für die Lebenswelt palästinensischer Angehörigen der ersten wie auch der zweiten Migrationsgeneration zwischen 2010 bis 2015 in Deutschland und in der Schweiz. Mich interessiert aber nicht so sehr die Repräsentativität wie die Subjektivität. Die Erzählungen, Gespräche und Ethnografien sollen gerade Subjektivität und Innerlichkeit erfahrbar machen, d.h. das, was traditionell durch die Literatur zugänglich wird. Es geht gerade darum, die diskursive Schwelle von Kategorie und Gruppe zu überwinden und das Subjekt nicht von außen über Kategorien, sondern aus seiner Innensicht heraus zu erfassen ähnlich wie in der Literatur.

1.5.2

Datenanalyse

In den Erzählungen mischen sich verschiedene Ebenen: etwa diejenige des Außerdiskursiven bzw. des Unbewussten (oftmals nur eine Andeutung, vermehrt Schweigen) mit der Ebene des Bewussten (Erfahrung bzw. persönliche Geschichte als einer Wissensform, geronnen aus der Aufschichtung von Ereignissen, ihrer Erinnerung, Reflexion und Deutung), aber auch der Ebene des Diskursiven, welche die symbolischen Strukturen bereitstellt, die den Raum des Sagbaren regeln und Erfahrung sprachlich überhaupt erst erfahrbar machen. Persönliche Geschichte wird also durch die Konzepte des Diskurses und des Unbewussten relativiert. Bei der Datenanalyse wird deshalb sowohl auf psychoanalytische als auch auf diskursanalytische Konzepte zurückgegriffen (vgl. Sarasin,

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1994, S. 36-37). Nicht nur das mediale Repräsentationsregime wird mit der Diskursanalyse bearbeitet, auch die Erzählungen. Theoretisch verbinde ich in Anlehnung an Judith Butler auf diese Weise Diskurs- und Psychoanalyse. Schließlich kommt aufgrund des emischen Ausgangspunkts dieser Forschung ein autoethnografischer Aspekt hinzu. In Anlehnung an Sigmund Freud wird die Selbsterfahrung der Forschung zugänglich gemacht. Ergänzen soll die Analyse der Erzählungen und Gespräche die Positionierungsanalyse (Lucius-Hoene, 2016), ein auf erzähl- und konversationsanalytischen Konzepten beruhendes Verfahren zur Analyse autobiografischer Erzählungen. Hierdurch können sich narrativ konstituierende Identitäten, Identifikationen, Selbstund Fremdzuschreibungen empirisch erfasst und erforscht werden. Anhand der Analyse der Positionierungsprozesse innerhalb einer Erzählung werden die unterschiedlichen Aspekte der Identitätsarbeit differenziert herausgearbeitet. Darüber hinaus werden in den erzählten Positionierungen erinnerte Zuschreibungen aus früheren sozialen Erfahrungen und Interaktionen abgebildet. Die Identitätsentwürfe der ErzählerInnen können so im Verhältnis zu sozialen Bezügen erforscht werden. Bei der Auswertung der Erzählungen und Gespräche wurde im Gegensatz zur Datenerhebung nicht ausschließlich mit der Grounded Theory gearbeitet, sondern sequenzanalytisch (Rosenthal, 2015), um der prozesshaften Dynamik des Erzählens Rechnung zu tragen und den Text nicht zu zerpflücken, wie es die Grounded Theory in ihrer regulierten Version (Glaser & Strauss, 1967) durch das Kodierparadigma nahelegt. Die Texte wurden in sinnhafte Sequenzen eingeteilt und nacheinander analysiert, während gleichzeitig aus dem Text erste Kategorien abgeleitet wurden, denen sequenzübergreifend passende Codes zugeordnet wurden.

1.6

Ausblick auf die Hauptthese

Ich werde zeigen, wie die rassifizierende staatliche Gewalt Israels von den westeuropäischen Gesellschaften, in denen die Angehörigen der ersten Generation meist in einem erzwungenen Exil leben, durch Diskurse und Praktiken reproduziert und fortgeführt wurde. Statt dass die alten Wunden heilen konnten, wiederholten sie sich: Anstelle der Anerkennung von Gewalt wurde erfahrene Gewalt ausgelöscht oder gerechtfertigt. Die Missachtung ihrer Gewalterfahrung hatte einen retraumatisierenden Effekt auf die erste Generation und beeinflusste dadurch wesentlich die zweite Generation und deren Inklusion in die Gesellschaft. Die symbolische Fortführung rassifizierender Gewalt in Westeuropa führte bei vielen zur Selbstverneinung, was in starkem Widerspruch zum palästinensischen Befreiungskampf stand, zu dem die Angehörigen der ersten Generation ihren Beitrag leisten wollten. Waren viele bewusst nach Deutschland und in die Schweiz

1 Einleitung

migriert, um Wissen für diesen Kampf zu erwerben, konnten sie nach der Besatzung von Gaza und Westjordanland 1967 nicht mehr zurückkehren. Die Selbstverneinung geht einher mit einer Desubjektivierung in den autobiografischen Erzählungen: Die erzählenden Subjekte lösen sich in den hegemonialen Diskursen von Schuld und im Begehren nach Anerkennung durch ebendiese auf. In der teilnehmenden Beobachtung zeigt sich die Auflösung des Subjekts in Scham – als Äquivalent zur Schuld in der Erzählung –, aber auch im Phantasma, in der Melancholie, Angst und Isolation. Die Desubjektivierung hinterließ Spuren in der Beziehung der Väter zu den Kindern. Parentifizierung, die Umkehr der sozialen Rollen zwischen Eltern und Kindern, war die Folge: Da die Angehörigen der ersten Generation physisch zwar anwesend, aber emotional und mental abwesend waren, mussten die Angehörigen der zweiten Generation ihre Eltern erst als Subjekte wiederherstellen, um Beziehung etablieren zu können. Das führte wiederum zu einer Logik der Anerkennung, dieses Mal nicht auf die Gesellschaft gerichtet wie bei ihren Eltern, sondern auf die Eltern bzw. Väter. Ihr Engagement für Palästina ist in diesem Kontext zu sehen. Da viele Väter den Kindern Selbstverneinung auftrugen und sie von politischem Engagement abzuhalten versuchten, erwachte dieses jedoch erst spät, stark beeinflusst von äußeren Zäsuren wie der Militäroffensive gegen Gaza 2014 und gestärkt von einer sich formierenden Deutungsgemeinschaft in den sozialen Medien, in denen die hegemonialen Diskurse herausgefordert werden konnten. Auch wenn das Begehren nach Anerkennung bleibt und auf die Eltern übertragen wird, löst sich die zweite Generation vom Begehren nach Anerkennung durch die Dominanzkultur (Rommelspacher, 1995)30 , indem sie die symbolische Gewalt, die auch sie erfahren, als Rassismus deuten. Das führt zur Entfremdung von der Gesellschaft, in der sie leben. Gleichzeitig ermöglicht ihnen diese Deutung, sich trotz der durch die Fragmentierung bedingten Entfremdung von PalästinenserInnen in Palästina/Israel als Subjekte der Diaspora und somit der transnationalen Gemeinschaft von PalästinenserInnen und deren (homogenen) Erzählung zu etablieren.

1.7

Struktur der Arbeit

Das Buch besteht aus vier Hauptkapiteln. Im ersten Kapitel Palästina als moralischer Ort wird die diskursive Gewalt, welche PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz erfahren (haben), erfasst. Allen voran das Konstrukt des Nahostkonflikts, der die Hintergrundfolie für die verschiedenen binären Ausgestaltungen bildet, in 30

Die deutsche Psychologin Birgit Rommelspacher fasst mit dem Begriff Dominanzkultur jene Normen und Werte, in die sich die weiße, westliche Herrschaftserfahrung eingeschrieben hat und auf denen Rassismen und strukturelle Diskriminierungen beruhen.

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denen die moralischen Dichotomien von Gut und Böse in der Position des Juden und des palästinensischen Arabers iterativ inszeniert werden. In den beiden nachfolgenden Kapiteln Väter I und Väter II werden die lebensgeschichtlichen Selbstrepräsentationen (Väter I) und ihre Lebenswelt durch die teilnehmende Beobachtung (Väter II) erschlossen, bevor ich mich im Kapitel Kinder/Töchter mit den Angehörigen der zweiten Generation auseinandersetze. Im ersten Unterkapitel Entfremdung von den Vätern liegt der Schwerpunkt auf der transgenerationalen Beziehung, im zweiten Unterkapitel Entfremdung von der Gesellschaft: im mentalen Gefängnis auf der Entfremdung der Angehörigen der zweiten Generation von der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und die Diskussion ihrer Relevanz folgen im Schlusswort.

2 Palästina als moralischer Ort

The conflict over Palestine is unusual in many different ways, principally of course because Palestine is not an ordinary place. An almost mythological territory saturated with religious ideology and endowed with overwhelming cultural significance, Palestine has been weighed down with historical as well as political meanings for many generations, peoples, and traditions. (Said, 1988, S. 1) Fast die Hälfte aller UN-Resolutionen bezieht sich auf den Nahostkonflikt, wobei der bei Weitem größte Anteil die staatliche Gewalt Israels verurteilt. Obwohl Israel sich zu den Verpflichtungen der UN-Charta bekannt hat und Vollmitglied der UNO ist, verstößt es seit Jahrzehnten mit Landraub und Besatzung gegen Internationales Recht (Rotter & Fathi, 2001, S. 318-319). Unsanktioniert und ohne politische Folgen verschwinden die Akte der Verurteilung im Nebel eines Repräsentationsregimes, das die staatliche Gewalt moralisch rechtfertigt. Sowohl der juristische Umgang mit Tätern als auch symbolische Akte der Solidarität sind jedoch für Betroffene von Gewalt zentral, da sie beides als Ausdruck dessen lesen, wie die Gesellschaft die Tat und damit auch ihr Leid beurteilt (Reemtsma, 2002, S. 81). Politiken des Vergessens und mangelndes Engagement werden von den Betroffenen als Befürwortung der Tat interpretiert. Die aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe ausgeübte Gewalt wirkt in ihnen in Fragen der Mitschuld weiter. Der Ausdruck moralischer Ort will deshalb auf eine andere Form von Gewalt verweisen, eine Form der (nichtphysischen) Bese(a)tzung: Es handelt sich um eine moralisch-normative Besetzung1 , die als ein Geflecht hegemonialer Erzählungen – mit Lyotard grands récits genannt: welterklärende Erzählungen der Moderne – nicht nur das Land Palästina besetzt, sondern auch die PalästinenserInnen als Menschen (und ihr Leid) ersetzt. Sie rechtfertigt staatliche Gewalt gegen PalästinenserInnen, erhält sie aufrecht und umgeht damit das ethische Thema der Anerkennung von 1

Laut dem Vokabular der Psychoanalyse (Laplanche/Pontalis, 1972, S. 92) bedeutet Besetzung die »Tatsache, dass eine bestimmte psychische Energie an eine Vorstellung oder Vorstellungsgruppe, einen Teil des Körpers, ein Objekt etc. gebunden ist.«

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Verantwortung für Gewalt und Unrecht. Dieses Diskursgeflecht tritt an die Stelle des Einzelnen und seiner biografischen Erfahrung und bringt diese zum Verschwinden. Viele westliche Länder der internationalen Staatengemeinschaft, darunter Deutschland und die Schweiz, teilen diese Repräsentationen und Narrative. Sie gehen auf eine lange Geschichte politischer Allianzen zurück. Zur Zeit des Zerfalls des Osmanischen Reiches und später des britischen Mandats wurde durch das britische Protektorat zionistischer Interessen koloniale Intervention legitimiert (Krämer, 2015, S. 168). Abgesehen davon verstand sich das zionistische Projekt bis nach dem Zweiten Weltkrieg selbst als imperialistisches und kolonialistisches Konzept.2 US-Amerikanische ZionistInnen betrachteten schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts den Zionismus als »altruistischen Imperialismus«, der Zivilisation in den Nahen Osten bringen würde (Davidson, 2005, S. 220). Die USA lösten die Briten aufgrund zunehmender zionistisch-britischer Konflikte nach Ende des Zweiten Weltkriegs denn auch als Schutzmacht ab (Krämer, 2015, S. 353). Während des Kalten Kriegs stand Israel (wie auch Südafrika) auf der Seite der westlichkapitalistischen Staaten und bildete mit ihnen eine Werte- und Interessensgemeinschaft (Schoenbaum, 1993, S. 83). PalästinenserInnen wurden in Westeuropa währenddessen als Teil der »roten Gefahr« betrachtet. In der Schweiz hegte man in den 1960er-Jahren – teils aufgrund eines latent schlechten Gewissens u.a. wegen der Schweizer Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs, teils aufgrund der Aufarbeitung der Schoa in den Eichmann(1961) und Auschwitz-Prozessen (1963), aber auch aufgrund der Bewunderung für die israelische Armee – sogar euphorische Gefühle für Israel. Während des Junikriegs von 1967 fanden Demonstrationen und Spendenaufrufe zur Unterstützung Israels statt: Ein kleines Land für ein kleines Land lautete das Motto. In einer offiziellen Stellungnahme verkündete der Schweizer Bundesrat als neutraler Kleinstaat seinen Wehrwillen zur Existenzsicherung Israels. Man konnte sich sehr gut mit dem Narrativ des kleinen Davids gegen den großen Goliath identifizieren, da man sich im Kalten Krieg selbst als von kommunistischen Feinden umzingelt sah (Zala, 08.06.2017). Viele SchweizerInnen schlossen sich aus Solidarität der Kibbuzim-Bewegung an. Es galt als sexy, beim Aufbau eines jungen Staates mitzuhelfen (Koch, 2012). Spenden für Israel konnte man bis Anfang der 1970er-Jahre bei den Steuern geltend machen (Badeen, 2015). Im Zuge des Jom-Kippur-Kriegs, des Libanon-Kriegs, besonders aber während der ersten Intifada kühlte diese Euphorie merklich ab und die Kritik nahm zu (Kreutner, 2013). Vor dem Hintergrund des zunehmenden Expansionswillens Israels nach 1967 wandelte sich der politische

2

Vgl. auch Herzls Beschreibung von Israel als »Vorpostendienst der Cultur gegen die Barbarei« (Herzl, 2016b).

2 Palästina als moralischer Ort

und öffentliche Diskurs insgesamt auch in anderen europäischen Ländern.3 Das Ende des Kalten Kriegs markierte in der Schweiz schließlich auch das Ende der Solidarität mit Israel als Bündnispartner. Es entstand ein neues Bewusstsein für Menschenrechte. Während man vorher PalästinenserInnen als »Wilde« und Israel als fortschrittliche, europäische, zivilisierte, von Feinden umzingelte Demokratie betrachtete und das Gefühl der Bedrohung im Kalten Krieg mit Israel teilte, wuchs die Einsicht, dass Israel nicht bedroht, sondern unterdrückend agiert und die PalästinenserInnen nicht einfach »wild«, sondern geschwächt sind. Dieser Denkwandel währte aber nur kurz. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde im Kampf um Öl und Rohstoffe der Islam als Feindbild gefördert (Little, 2016). Die PalästinenserInnen wurden nun – und nach 9/11 noch mehr – als Teil der »grünen Gefahr« und verstärkt als muslimische Extremisten der sogenannten christlich-jüdischen, abendländischen Kultur gegenübergesetzt (Said, 1988, S. 149). Die israelische Politik bzw. die palästinensische Reaktion mit der Phase der Selbstmordattentate in den 1990er-Jahren konnte durch geschickte Lobbyarbeit »umgekehrt« werden: d.h., die Reaktion auf staatliche Aggression wurde zur ursächlichen Aggression und die ursächliche staatliche Aggression zur Reaktion umgedeutet. Zudem wurde die israelische Politik gegenüber den PalästinenserInnen mit dem US-amerikanischen Krieg gegen Osama Bin Laden und das Konstrukt des globalen islamistischen Terrors, gerichtet auf die sogenannte freie, westliche Welt und ihre Werte, gleichgesetzt (Said, 2000a, S. 46). Die beiden wiederkehrenden gegensätzlichen Figuren der »grausamen« palästinensischen Mutter, die ihre Kinder in den Tod schickte, und der weinenden israelischen Mutter dominierten den Diskurs der Leitmedien. Gleichzeitig wurde die Unterdrückungssituation in einen symmetrischen Konflikt umgedeutet (Said, 2000a, S. 28). Derzeit wird von der Schweizer Mehrheit selbst die Tatsache der Besatzung nicht verurteilt. Israel als Besatzungsmacht geschweige denn als Apartheidstaat zu sehen, kommt für viele immer noch nicht in Frage. Obwohl es in der Schweiz – auch als PolitikerIn – immer möglich war, Israel zu kritisieren, scheitern israelkritische politische Vorstöße aufgrund dieser Überzeugungen vieler ParlamentarierInnen und Institutionen. Dieses Wohlwollen in der breiten öffentlichen Meinung geht einher mit sehr guten diplomatischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sogar militärischen4 Beziehungen zu Israel auf staatlicher und internationaler 3

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In Frankreich beispielsweise schränkte de Gaulle nach 1967 die Waffenlieferungen ein, da Israel sich nicht zurückziehen wollte. Er bezeichnete Israel als expansionistisch und forderte ein Waffenembargo. Frankreich war davor lange ein wichtiger Verbündeter Israels gewesen. Die Schweizer Armee plante im Rahmen des Rüstungsprogramms 2015, israelische Drohnen im Wert von 300 bis 400 Millionen Franken zu kaufen. Die militärische Zusammenarbeit mit Israel hat eine lange Geschichte. Viele Schweizer Militäroffiziere unterhielten freundschaftliche Beziehungen zum israelischen Militär (Zala, 08.06.2017).

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Ebene. Da Israel gegen internationales Recht verstößt, steht die Rüstungszusammenarbeit im Widerspruch zu den besonderen Pflichten der Schweiz als Depositärund Vertragsstaat der Genfer Konventionen. Dennoch forciert das VBS (Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) Beziehungen zu Israel. Obgleich das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zwar klare völkerrechtliche Positionen gegenüber Israel vertritt, die in vielen Punkten weiter gehen als die Positionen Deutschlands und der EU,5 bleibt Deutschland für die Schweiz diskursbestimmend (der Schweizer Parlamentarier Daniel Vischer, persönliche Kommunikation, 20.09.2013). Deutschland, für das Kritik an israelischer Politik noch immer ein Tabu ist (wenn auch nicht mehr so rigide), ist aus wirtschaftlichen Gründen für die Schweiz sehr wichtig und hat überdies die europäische und internationale Macht, seine partikulare Erfahrung zu einer universalen zu machen und nach außen zu transportieren (Çetin & Younes, 2015, S. 127). Auch in Deutschland markierte 1989 einen Wendepunkt, wenngleich in gegenteiliger Richtung. Nach 1989 war das BRD-Narrativ der uneingeschränkten Israel-Solidarität auf ganz Deutschland übertragen worden (Çetin & Younes, 2015, S. 124). War in den 1970er-Jahren Palästinensischsein im Blick der (revolutionären) Linken die Avantgarde der Weltrevolution gewesen, eben weil PalästinenserInnen kein Territorium ihr Eigen nennen konnten und die PLO gewissermaßen zukunftsweisend auf Bildung, Erziehung und Emanzipation der Unterdrückten hinarbeitete, wurde mit der Schwächung der Linken nach 1989 auch das palästinensische Narrativ marginalisiert. Die antiimperialistisch kontextualisierte Palästina-Solidarität der Linken ist denn heute auch das am stärksten kritisierte Kapitel ihrer Nachkriegsgeschichte (Fischer, 2016, S. 140). Deutschland, das zu den wirtschaftsstärksten Ländern der EU zählt, steuert auch die Politik der EU gegenüber Israel. Entgegen der gängigen Annahme ist nicht die USA der wichtigste Handelspartner Israels, sondern die EU. Die EU gehört zu den Hauptimporteuren der israelischen Siedlungsprodukte. Obwohl Apartheid im Internationalen Übereinkommen über die Bekämpfung und Ahndung des Verbrechens der Apartheid vom 18.07.1976 als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert ist und sich aus dieser Konvention bindende Völkerrechtsnormen ergeben, welche die Staaten verpflichten, gegen Praktiken zur Herrschaftserrichtung einer Ethnie über eine andere vorzugehen (Delbrück & Wolfrum, 2002, S. 1097-1098), geschieht in der Realität das Gegenteil: Die Staaten, darunter auch die Schweiz, normalisieren respektive intensivieren ihre Beziehungen zu Israel. Israel genießt ei-

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Hierzu zählen die Haltung zur Mauer oder die Wahl der Hamas. Auch zur Aufwertung des Status von Palästina in der UN hatte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) positiv Stellung bezogen, obwohl es gleichzeitig nicht für eine Aufwertung der palästinensischen Delegation in der Schweiz war, also keine Förderung auf staatlicher Ebene erfolgte.

2 Palästina als moralischer Ort

nen privilegierten Status innerhalb der EU durch Steuervorteile, erleichterten Zugang und Begünstigung des Imports/Exports von Siedlungsprodukten zum europäischen Markt ohne Entrichtung von Zöllen. Mit der wirtschaftlichen Unterstützung von Siedlungen geht eine absichtliche Schwächung palästinensischer Wirtschaft einher (Cronin, 2011). Palästinensische Unternehmen werden aktiv aus internationalen wirtschaftlichen Gremien ausgeschlossen, wie das Beispiel Deutschlands und Großbritanniens zeigt, welche die Integration palästinensischer Unternehmen in die International Olive Trade Group blockierten (Hass, 29.11.2013). Der teilweise massive Druck auf die sogenannte Autonomiebehörde (beispielsweise durch Einmischung bei Wahlen) und die Geldtransfers in die besetzten Gebiete tragen zur Aufrechterhaltung des Status quo (die illegalen Siedlungen etc.) bei. Hinzu kommt, dass es mittlerweile eine große peace industry gibt, die vom Status quo profitiert: Tausende von NGO- und UN-Mitarbeiter verdienen mit der »Hilfe« für die PalästinenserInnen ihren Lohn (Le More, 2010). Anstatt dass die täglichen Verstöße gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte sanktioniert werden, kann man eine multinationale Bemühung beobachten, die Beziehungen mit Israel auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene zu stärken.

2.1

Récits und Projektionen

Die moralische Bese(a)tzung Palästinas geht auf die Zeit vor der israelischen Staatsgründung und noch auf die Zeit vor der britischen Eroberung Palästinas 1917 zurück, nämlich auf das Europa des 19. Jahrhunderts, das durch das wachsende Machtungleichgewicht zwischen dem Osmanischen Reich und Europa den Nahen Osten immer mehr politisch, militärisch und kulturell durchdrang. Die rivalisierenden europäischen Mächte teilten das Osmanische Reich nach seinem Zerfall im Zuge des Ersten Weltkriegs schließlich untereinander auf, brachten es unter ihre kolonialen Einflusssphären und bestimmten fortan die Geschicke der Staaten, die sie auf dem Reißbrett entwarfen. Noch war die Welt geprägt von der Untergangsstimmung der Belle Époque: der Wahrnehmung der Welt als Schauplatz von Aufstieg und Untergang sowie als sozialdarwinistischer Kampfplatz, auf dem die Überzeugung von der Überlegenheit der europäischen Zivilisation vorherrschte. Ethnonationalistische Bewegungen hatten sich geformt, die religiöse, kulturelle und rassische Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rückten. Protestantische, millennialistische Strömungen sehnten die Endzeit herbei, legten die Bibel eschatologisch aus und nahmen alttestamentarische Aussagen politisch ernst (Kieser, 2002). Der Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser (2002) schreibt: Unter der säkularen Oberfläche westlicher Moderne waren geotheologisch inspirierte christliche und jüdische Kräfte am Werk, die die Moderne auf dem Hinter-

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grund biblischer Heilsgeschichte als Endzeit – d.h. Epoche globaler Evangelisierung und/oder nationalen jüdischen Wiederaufbaus als Vorspiel zum Reiche Gottes auf Erden – deuteten. Diesen Akteuren gemeinsam war die theologische und historische Abwertung des Islams, dessen »Fall« sie erwarteten. Palästina wurde von ihnen als Ort christlich-jüdischer Heilsgeschichte sowie als macht- und kulturpolitische Einflusszone wahrgenommen; die islamische Geschichte der Region und ihre überwiegend muslimische Demographie erschienen vielen von ihnen als Hindernis für den zivilisatorischen oder heilsgeschichtlichen »Fortschritt«. Bereits im 18. Jahrhundert hatte die protestantische Reformation die Hebräische Bibel für sich entdeckt und europäische Jüdinnen und Juden mit den antiken Hebräern verknüpft. Philologen identifizierten bald darauf die semitische Sprachfamilie, insbesondere Hebräisch und Arabisch. Europäische Jüdinnen und Juden wurden gleichgesetzt mit den Semiten. Die Rassentheoretiker des 19. Jahrhunderts erklärten diese schließlich zu den rassischen Nachkommen antiker Hebräer. Millennialistische Protestanten bestanden darauf, dass Jüdinnen und Juden Europa verließen und nach Palästina gingen, um das Kommen des Messias zu beschleunigen (Massad, 22.05.2013). Evangelikale britische Eliten begannen, auf die restoration of the Jews in ihrem Mandatsgebiet Palästina hinzuarbeiten. Die Rückkehr der Jüdinnen und Juden aus der Diaspora in die biblische Heimat sollte die Endzeit und damit die Erlösung der ChristInnen herbeiführen. Der christliche Zionismus spielte ebenso wie machtpolitische Überlegungen eine bedeutende Rolle für das europäische Protektorat über das zionistische Projekt in Palästina (Kieser, 2002). Selbst die Palästina-Forschung der Belle Époque war von einem biblischen Orientalismus durchdrungen (Furani & Rabinowitz, 2011). Die biblische Hermeneutik betrachtete Palästina als lieu de savoir (Moltmann-Wendel & Kirchhoff, 2005). Deutsche Laien – Theologen, Missionare, Ärzte und Lehrer – betrieben Feldforschung in Palästina und trugen zur Etablierung eines christlich-imperialen Wissensregimes bei (Mörike, 2016). Der Elsässer Archäologe und Pionier der archäologischen Fotografie Auguste Salzmann untersuchte Monumente in Jerusalem und hoffte, religiösen Glauben durch objektive Dokumentation von Jerusalems heiligen Orten zu verifizieren (Solomon-Godeau, 1981). Seine Fotografien und Malereien zeigen menschenleere biblische Landschaften. Der bekannte Schweizer PalästinaForscher, Arzt und Nationalrat Titus Tobler aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden (1806-1877), sammelte u.a. akribisch geografische, demografische und dialektologische Daten, kritisierte die Sitten und Gebräuche der christlichen Gemeinschaften in Palästina und sprach auf seiner vierten Reise nach Palästina von einem friedlichen Kreuzzug, der begonnen habe (Goren, 2003). Gläubige ChristInnen wie die Familie Großsteinbeck aus dem Bergischen Land bei Düsseldorf wanderten ins Heilige Land aus, um es für die Rückkehr der Jüdinnen und Juden vorzubereiten. In ihrem Glauben würden diese, einmal ins Heilige Land zurückgekehrt, Jesus als

2 Palästina als moralischer Ort

Messias anerkennen, was seine Rückkehr verheißen und das Tausendjährige Reich begründen würde (Eisler, 2001). Amerikanische Touristen, Künstler und Schriftsteller bereisten das osmanische Palästina und produzierten reichlich (Reise-)Literatur und Kunst über das verheißene Land, gleichzeitig verwiesen sie darauf, dass sie sich als auserwähltes Volk imaginierten, um Gottes Werk auf Erden zu vollführen (Obenzinger, 1999). Letztlich war auch die zionistische Imagination und Propaganda der Wiederinbesitznahme des Landes, der Fruchtbarmachung der Wüste, der Erlösung des Landes und der Verheißung seines Ererbens ein Produkt jenes Europas des 19. Jahrhunderts mit seinen nationalistischen Bewegungen, kolonialistischen Ideologien und endzeitlichen Visionen (Neuwirth, 2004, S. 169). Die Selbstdarstellung als indigene Bevölkerung, die nach dem legendären Exodus und Tausenden von Jahren aus dem Exil zurückkehrt, um die mythische Verheißung zu erfüllen, ist schließlich Ergebnis der Identifikation mit der protestantischen, rassentheoretischen Gleichsetzung des modernen (europäischen) Judentums mit den antiken Hebräern. Amnon Raz-Krakotzkin (2005) sieht im Zionismus ein durch und durch christliches Projekt, nicht nur weil es von evangelikalen Kreisen forciert wurde, die sich das Judentum in ihren Erlösermythos einverleibten, sondern auch aufgrund der Verinnerlichung christlicher Ausgrenzung gegen sich selbst. Auch interpretierte der politische Zionismus das Judentum nicht mehr nur als Religionsgemeinschaft, sondern als Ethnie. Bereits im 19. Jahrhundert übernahm er das antisemitische Konzept der jüdischen Differenz und die Prämisse, dass Juden und Nichtjuden nicht zusammenleben könnten. Die Gründung eines Nationalstaats außerhalb Europas wurde als Lösung für die Diskriminierung und Verfolgung in Europa betrachtet. Dennoch ist dieses Diskursgeflecht, in dem sich biblische, ethnonationalistische und orientalistisch-kolonialistische Imaginationen miteinander verschränken, älter als die Neuzeit und unabhängig vom geografischen Referenzort. Apartheid- und Kolonialregime – beispielsweise die Kreuzfahrerstaaten – benutzten biblische Erzählungen, um sich selbst und die Beherrschten von der Notwendigkeit und Nützlichkeit ihrer Herrschaft zu überzeugen (Löwstedt, 1999, S. 70). Auch die niederländischreformierte Kirche in Südafrika stellte die weißen Invasoren als Gottes auserwähltes Volk dar (Löwstedt, 1999, S. 59-60). PalästinenserInnen wurden damit diskursiv als Subjekte ersetzt: Der Slogan bzw. Traum vom Land without a people for a people without land – der für gewöhnlich als jüdisch-zionistische Aussage gilt und den Israels Aussenministerin (19561965) und spätere Ministerpräsidentin (1969-1974) Golda Meir berühmt machte, ursprünglich aber von christlich-zionistischen britischen Klerikern stammt (Scult, 1978, S. 91) – ist Sinnbild für die orientalistische Entleerung des Landes zugunsten seiner Besetzung mit »abendländischen« Phantasien. Er meinte sowohl, dass Palästina Wüste, nicht kultiviert und nicht bevölkert war und erst mit jüdischer Besiedlung fruchtbar gemacht wurde, als auch dass die alteingesessene Bevölkerung

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keine Menschen in einem zivilisierten, europäisch-nationalstaatlich organisierten Sinne waren. Eine andere Aussage von Golda Meir lautete: »There is no such thing as Palestinians« (N. N., The New York Times, 27.08.1972). Ihre Aussage steht für eine ganze Reihe von Mythen, die versuchen, die Existenz und Legitimität palästinensischer Identität und Nationalbewusstseins zu verneinen (Christison, 1989, S. 109).6 Die Beziehung zum Land wurde über das Paradigma des Nationalismus und des westlichen Fortschritts negiert: Als PalästinenserIn hatte man keine Beziehung zu diesem Territorium bzw. das Land nicht verdient, weil man nicht nationalstaatlich organisiert war und nicht über die modernsten landwirtschaftlichen Technologien verfügte. Von »ein paar Hunderttausend Negern ohne Bedeutung« (Heller, 1984, S. 140) hatte Chaim Weizmann, Präsident der Zionistischen Weltorganisation und erster israelischer Staatspräsident (1949-1952), 1917 verächtlich gesprochen. Das zionistische Projekt war in dieser Hinsicht ein Konzept der europäischen Moderne, das die zionistische Kolonialisierung Palästinas – wie alle kolonialistischen Ideen davor – im Rahmen eines Fortschrittsparadigma begriff. Israel hatte aufgrund seiner kulturellen und zivilisatorischen Überlegenheit das Recht, die Indigenen zu verdrängen oder zu unterwerfen. Ja, deren Verdrängung und Unterwerfung wurde als Teil des Fortschritts, als Sieg der Zivilisation und als Segen für die indigene Bevölkerung betrachtet. Die Vertreibungen der PalästinenserInnen standen im Zeichen der Linearität heilsgeschichtlicher Ordnung und Moderne. In den 1920er-, 30er- und 40er-Jahren galt Zwangstransfer als akzeptierte Maßnahme für Bevölkerungstausch. Bekanntes Beispiel ist der Vertrag von Lausanne (1921). Ziel war social engineering, »Gesellschaften neu zu schaffen, um sie in ein übergreifendes, an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiertes Schema zu zwingen«. Gesellschaften wurden von Planern des modernen Genozids »als Objekt zielstrebiger Vorausberechnung« aufgefasst (Bauman, 1992, S. 106). Transferideen wurden auch in der zionistischen Bewegung diskutiert und begrüßt (Benveniśtî, 2000, S. 149). Sie versprachen, das Problem, d.h. das Vorhaben der Errichtung eines jüdischen Staates auf einem Territorium, das mehrheitlich von einer nichtjüdischen, palästinensischen Bevölkerung bewohnt war, zu lösen. Diese Lösung resultierte schließlich in der systematischen Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung (Morris, 2001) und ethnischen Säuberung (Krämer, 2015, S. 365). Die Ersetzung der Indigenen durch die Einwanderer und die Repräsentation der Einwanderer als Indigene geschah und geschieht nicht nur durch diskursive Praktiken und Vertreibungen, sondern auch durch Praktiken der Gesetzgebung: Mit dem Right of Return Law von 1950 wurde die Repräsentation von Jüdinnen und 6

Auf palästinensischer Seite hält man dem gern die Aussagen früher ZionistInnen entgegen, die Palästina nach seiner Eignung für eine jüdische Heimstätte erkundeten und Palästina als »schöne Braut« beschrieben, die leider schon vergeben sei (Karmi, 2007, S. V).

2 Palästina als moralischer Ort

Juden aus aller Welt als die tatsächlichen Indigenen des Landes und Nachfahren der antiken Hebräer auch juristisch verankert. Für alle PalästinenserInnen indes, die vertrieben wurden oder geflohen waren – auch diejenigen, die dabei im Inneren Israels geblieben sind –, wurde ein Bürgerrechtsgesetz (Absentee Property Law) in Kraft gesetzt. Es transformierte die Vertriebenen zu Fremden ohne Recht auf ihr Land und Eigentum und verweigerte ihnen gegen erheblichen internationalen Druck die Rückkehr (Krämer, 2015, S. 375), obwohl diese ihnen nach internationalem Recht (UN-Resolution 194 sowie Genfer Abkommen IV) zusteht.7 Dasselbe Bürgerrechtsgesetz, das eine jüdische Bevölkerungsmehrheit etablieren soll, trat bei den Vertriebenen von 1967 bzw. bei Menschen, die sich zur Zeit der Besatzung nicht zu Hause aufhielten, in Kraft. Land und Eigentum wurde zuerst konfisziert und ging vor einigen Jahren in israelischen Staatsbesitz über, ohne den Ausgleich über Kompensationszahlungen. Auch durch Praktiken kultureller Aneignung (Essen, Kunsthandwerk etc.), historiografische Praktiken (einschließlich Archäologie) und Praktiken der Raumplanung wurde und wird versucht, die (historische) Präsenz der PalästinenserInnen im Land auszulöschen, um an ihrer Stelle eine mythisch-biblische Geschichte hebräisch-jüdischer Präsenz ins Land einzuschreiben. Auch wenn es inzwischen die Generation der Neuen Historiker gibt, die das offizielle Geschichtsverständnis des Staates und seine Gründungsmythen seit den 1980er-Jahren zunehmend hinterfragt, findet dieses Wissen nicht Eingang in die israelischen Schulbücher. Dort wird die jüdische Bevölkerung als indigene Bevölkerung und die palästinensische als Gesellschaft von Gastarbeitern und Immigranten dargestellt (Peled-Elhanan, 2012). Die Nakba wird verneint (Azoulay, 2009). Ihr Erinnern ist seit 2011 gesetzlich verboten.8 Sie wird nicht als Teil der israelischen Geschichte betrachtet, sondern als Teil der Geschichte der Anderen, deren Leugnung notwendig ist, um die Schaffung und Existenz eines explizit jüdischen Staates mit einer jüdischen Mehrheit, basierend auf der Vertreibung der palästinensischen Mehrheit, zu legitimieren. Die Transformation der Nakba von einer tatsächlich geschehenen Katastrophe zu etwas, was die Anderen als Katastrophe sehen, ist essentiell für die Etablierung des israelischen Staatsverständnisses (Azoulay, 2009). Archäologie wiederum dient dazu, 7

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Israel hatte 1949 gegenüber der UNO die Einhaltung und Umsetzung aller UN-Resolutionen und insbesondere der UN-Flüchtlingsresolution 194 vom 11. Dezember 1948 über das Recht der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und/oder Entschädigung zugesichert. Artikel 49 des Genfer Abkommens IV über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten bekräftigte ein halbes Jahr danach die Resolution. Auf Grundlage seiner Anerkennung dieser Resolution wurde Israel in die Vereinten Nationen aufgenommen. Es erfüllt jedoch seine Verpflichtung bis heute nicht. (Takkenberg, 1998) 2011 trat das sogenannte Nakba Law (Amendment No. 40 to the Budgets Foundations Law) in Kraft: Verbot von staatlicher Unterstützung für Vereine, die der Nakba gedenken (https:// www.adalah.org/en/law/view/496).

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eine Erzählung zu schaffen, die auf der historischen Kontinuität jüdischer Präsenz auf Kosten anderer Religionen und Kulturen in der Region beruht und Landnahme und Siedlungsbau rechtfertigt (Oestigaard, 2008). Durch Praktiken der Raumplanung werden palästinensische Bebauungen und Besiedlungen fragmentiert, stranguliert und zerstört, durch jüdisch-israelische ersetzt und regionale jüdische Bevölkerungsmehrheiten geschaffen (Waltz, 1986; Yiftachel et al., 2002). Praktiken der Judaisierung werden »physische und demografische Veränderungen an Städten und Landschaften« genannt, um Orte mit jüdisch-israelischem Charakter und jüdische Bevölkerungsmehrheiten zu schaffen, während die palästinensische Bevölkerung aus ihrem Lebensraum verdrängt wird. Ein prominentes Beispiel dafür ist Ost-Jerusalem (Yiftachel, 2006, S. 6-7).9 Alle arabischen Straßen- und Ortsnamen wurden von den Karten entfernt und, wenn möglich, durch antike hebräische ersetzt (Peteet, 2005, S. 158). In Texttafeln wird auf ihren jeweiligen biblischen Kontext verwiesen (Neuwirth, 2004, S. 169). Auch Landschaften werden verändert. Die einheimische Vegetation – zahlreiche Büsche, Kräuter, natürliche Lebensräume – wurde durch europäische Pinien ersetzt. 1947-1948 und danach wurden ca. 500 Dörfer, ganze Stadtviertel, ungezählte heilige Stätten und Friedhöfe zerstört und ihre Spuren in Nationalparks, Touristenanlagen und Wäldern begraben. Landwirtschaftliche Terrassen, Obsthaine und Ruinen markieren die Orte der Zerstörung; die Entvölkerung ist in die Natur eingeschrieben. (Kadman, 2015; Shalem, 2018). Selbst die Spuren der Auslöschung wurden ausgelöscht. Es erfolgte nicht nur das Ersetzen von PalästinenserInnen als Subjekte, sondern die Überschreibung ihrer Gewalterfahrung mit der jüdischen Gewalterfahrung in Europa. Diese Verschränkung von beidem wird in der Beschreibung von M. B., einem Angehörigen der zweiten Generation, deutlich: Wenn ich von … von meinem Vater aus Jerusalem erzähle, so ist klar, dass er eben Jude ist. Wenn ich dann noch sage, mein Vater ist geflohen, ist es klar, dass er als Jude von Deutschland nach Palästina geflohen ist. Dass mein Vater ein Palästinenser ist, den die Zionisten aus Jerusalem vertrieben haben, darauf kommt niemand. (M. B., 24.11.2013) Die diskursive Verdrängung palästinensischer Gewalterfahrung manifestiert sich in der Ausgrenzung ihrer Geschichte aus der europäischen und insbesondere aus der deutschen Geschichte; und dies trotz ihrer engen Verflochtenheit, auf die Hannah Arendt als eine der Ersten hinwies: After the war, it turned out that the Jewish question, which was considered the only insoluble one, was indeed solved – namely, by means of a colonized and then 9

PalästinenserInnen bilden immer noch die Bevölkerungsmehrheit auf israelisch kontrolliertem Gebiet (d.h. inklusive der besetzten Gebiete). Laut internationalem Recht trifft der Begriff Apartheid deshalb zu (vgl. N. N., ESCWA, United Nations, 2017).

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conquered territory – but this solved neither the problem of the minorities or the stateless. On the contrary, like virtually all other events of our century, the solution of the Jewish question merely produced a new category of refugees, the Arabs, thereby increasing the number of the stateless and rightless by another 700 000 to 800 000 people. (Arendt, 1968, S. 290) Die Vertreibung der PalästinenserInnen und der Holocaust werden nicht zusammen, nicht als Teile desselben historischen Prozesses gedacht. Der Bezug zur deutschen Geschichte des Nationalsozialismus wird gewöhnlich einseitig hergestellt, nämlich in der Verbindung zwischen dem Holocaust und der Schaffung Israels als Zufluchtsort für die Überlebenden des Holocausts (Rubin, 2015, S. 9). Edward Said stellte fest, dass die Enteignung der PalästinenserInnen niemals als Effekt eines westlichen, christlichen Genozids gesehen wird (Said, 2000b, S. 183). Während die Bedeutung Israels als jüdischer Staat und sicherer Zufluchtsort für alle Jüdinnen und Juden aufgrund des Nationalsozialismus betont wird, wird die anhaltende Enteignung und Vertreibung der PalästinenserInnen aufgrund ihres nichtjüdischen Hintergrunds also nicht als Auswirkung der europäischen Geschichte erinnert oder betrauert. Said plädierte dafür, das palästinensische und das jüdische Leid in ihrer Verflechtung und als Teile derselben Geschichte zu sehen (Said, 2000d, S. 435). Er betrachtete die Feindseligkeit gegenüber dem Islam bzw. die Mechanismen des Orientalismus im modernen christlichen Westen als mit den Mechanismen des Antisemitismus einhergehend und führte beides auf dieselben Orthodoxien und Dogmen zurück (Said, 2000d, S. 208). Statt ihrer Anerkennung als Teil europäischer Geschichte wurde palästinensische Geschichte im europäischen kollektiven Gedächtnis verfälscht und verneint. In westeuropäisch-nordatlantischen Diskursen hieß es, die PalästinenserInnen seien freiwillig gegangen oder auf Befehl ihrer Führer, hätten das Land verkauft, die Vertreibungen seien nur ein Nebeneffekt des arabisch-israelischen Krieges gewesen oder es habe keine Bevölkerung gegeben, die hätte vertrieben werden können. Diese Narrative (Flores, 2009; Pappe, 1994, 2017; Rose, 2004; Said, 1981, 1988) wurden von der deutschen und schweizerischen Öffentlichkeit geteilt. Die Repräsentation der Vertreibungen von 1947 bis 1948 als umstritten, Zufall oder Kriegseskalation hatte weitreichende Folgen. Jede Gewalt, die nach 1948 ausgeübt wurde, konnte dadurch als politische Entgleisung eines actioet-reactio-Verhältnisses dargestellt werden und dies ohne jeden Zusammenhang zu staatlicher Gewalt und Ideologie. Infolgedessen muss auch die europäische Verantwortung nicht hinterfragt werden: Großbritannien, das die Infrastruktur lange vor 1948 dafür sicherstellte und mit seiner kolonialen Politik des divide et impera die Ereignisse mitverursachte, sowie Deutschland, das durch sein Schuldbewusstsein die moralische Integrität der Politik des israelischen Staates bis jetzt

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sicherstellt und (als stärkstes Land) eine klare Position der EU bezüglich Palästina blockiert (Pappe, 30.11.2012). Die Nichtanerkennung der palästinensischen Gewalterfahrung wurde wesentlich durch eine Opfer-Täter-Dichotomie erreicht, in der Palästinensischsein zum Sinnbild für Gewalt und Terror und damit zum Archetyp des Täterseins wird (Badr, 2017; Peteet, 2005). Dessen Kehrseite ist eine machtvolle Opferposition, die keine Verantwortung für Gewalt übernehmen muss und diese moralisch rechtfertigen kann. Mit dem Eichmann-Prozess begannen israelische PolitikerInnen (damals Ben Gurion), die Schoa für politische Zwecke zu instrumentalisieren. In der Zeit davor war die Schoa in Israel zugunsten einer neuen nationalen Identität vollends verdrängt worden. Die Opfer des Holocausts waren als Symbol absoluter Unterwürfigkeit und somit als mitschuldig an ihrer Tragödie betrachtet worden: als Lämmer, die sich zur Schlachtbank hatten führen lassen. Holocaust-Überlebenden wurde nicht viel Empathie entgegengebracht, sondern vor allem Misstrauen und Verachtung (Pinchevski & Liebes, 2010, S. 275). Der politische Zionismus vertrat in der Identifikation mit antisemitischen Stereotypen wie dem pathologischen, unterlegenen, verweiblichten männlichen Juden als negatives Ich-Ideal das Ideal des Muskeljuden, eines neuen, agilen, kräftigen Mannes, und setzte eine Rekonstruktion jüdischer Geschichte in Gang: Der Bezug auf wehrhafte biblische Vorbilder (Bar Kochba) sollte zu neuem Selbstbewusstsein führen und verdrängte andere zionistische Strömungen wie die der KulturzionistInnen und der religiösen ZionistInnen (Klein, 2001, S. 57-59). Meine starke Eingrenzung des Begriffs Zionismus in dieser Arbeit hier widerspiegelt die Eingrenzung, die er in seiner Geschichte erfuhr. Inszenierungen von Gewalt als Selbstverteidigung sind in dieses Opfernarrativ einzuordnen. Bekanntestes Beispiel dürfte die Darstellung der Vertreibungen von 1947/48 als Begleiterscheinung eines David-gegen-Goliath-Kriegs sein. Die Vertreibungen von über 80 % PalästinenserInnen auf dem Gebiet des neu gegründeten Staates Israel werden von offizieller israelischer Seite immer noch als Resultat des arabisch-israelischen Kriegs, eines Verteidigungskriegs gegen übermächtige arabische Armeen, dargestellt (Krämer, 2015, S. 369). Die Vertreibungen von 1947/48 erfolgen in dieser Darstellung nicht systematisch10 , sondern als Resultat eines Krieges, den die Araber begonnen hätten, weil sie nicht hätten teilen – die Ablehnung des Teilungsplans von 1947 wird nicht kontextualisiert11 – und keine Jüdinnen und Juden hätten haben wollen. Dennoch hätten die Araber – auf wundersame und 10 11

Vgl. Krämer (2015); Pappe (2007). Der Teilungsplan wurde von palästinensischer Seite als ungerecht empfunden: 54 % Land für die mittlerweile durch Immigration auf 35 % angewachsene jüdische Bevölkerung; mehr als die Hälfte des Landes, darunter die fruchtbarsten Böden, sollten an ein Drittel der Bevölkerung gehen, welche bisher max. 7 % des Landes erworben hatte (Krämer, 2015, S. 358-359). Zudem wurde der Plan von den damaligen Kolonialmächten innerhalb der UN und über die Köpfe der EinwohnerInnen hinweg ausgearbeitet und umgesetzt.

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schicksalhafte Weise, wie Goliath gegen David – verloren. Ungefähr die Hälfte aller Vertreibungen waren jedoch bereits vor dem arabisch-israelischen Krieg, der im Mai 1948 begann, geschehen; sie hatten kurz nach dem UN-Teilungsplan von 1947 angefangen, um demographische Fakten zu schaffen (Pappe, 2007, S. 67-68). Der Krieg wurde vielmehr von den zionistischen Einheiten genutzt, um systematisch zu vertreiben. Während Ilan Pappe von einem Plan zur Umsetzung der ethnischen Säuberung ausgeht (Pappe, 2007), bestreitet Benny Morris die Existenz eines solchen. Er betont aber, die zionistischen Einheiten hätten so gehandelt, als ob sie Vorschrift gewesen sei, da Transferideen bereits in den 1920er-, 30er- und 40erJahren in der zionistischen Führung diskutiert und von Führern wie David Ben Gurion, dem ersten Premierminister, und Chaim Weizmann, dem Präsidenten der World Zionist Organization, begrüßt worden waren (Morris, 2001). Die arabischen Truppen griffen spät und zögernd ein und schickten einen Bruchteil ihrer Truppen. Die Asymmetrie des Kräfteverhältnisses war zudem eklatant: Sie waren viel schlechter ausgerüstet als die zionistischen Einheiten und außenpolitisch noch eng an die ehemalige Kolonialmacht gebunden. Der jordanische König Abdallah I., der die schlagkräftigste Armee stellte, bildete zudem inoffiziell eine Allianz mit den zionistischen Einheiten (Krämer, 2015, S. 368-370). Der Opfer-Täter-Diskurs wurde auch beim sogenannten Verteidigungskrieg von 1967 sowie der folgenden Besatzung und Siedlungstätigkeit (und dem nachfolgenden Mauerbau) bemüht: Beides wird bis jetzt vom offiziellen israelischen Staatsnarrativ als militärische Sicherheitsnotwendigkeit gerechtfertigt. Palästinensischer Widerstand wurde in diesem Opfernarrativ zum Terrorimaginär und zum Mangel an Empathie für die jüdische Leidensgeschichte, zum Judenhass und zur moralischen Dekadenz, die der kulturellen Unterlegenheit sozusagen innewohnt. Zum Narrativ der europäisch-weißen kulturellen Überlegenheit kam die moralische Überlegenheit. Im imperialistisch-orientalistischen Blick galt (und gilt) Israel als der einzige demokratische Staat im Nahen Osten, der westliche Werte wie Demokratie, Ökologie, Menschen-, Frauen- und LGBTIQ+-Rechte repräsentiert. Die Opfer-Täter-Dichotomie fand schließlich ihre Fortsetzung in der Umdeutung von systemischer Gewalt in einen Territiorial-, Kultur-, Ideologie- und Religionskonflikt, die vor allem im Zeichen des Kalten Kriegs und später im Zuge der sogenannten Friedensverhandlungen erfolgte. All diesen Deutungen war gemeinsam, dass die Anfänge und Ursachen wie die Vertreibungen von 1947 bis 1948 und damit die Diskussion systemischer/staatlicher Gewalt ausgeklammert wurden und Gewalt auf einen »Konflikt«, auf die Besatzung von 1967 sowie auf neue rechtspopulistische Strömungen zurückgeführt wurde. Aus Besatzern und Besetzten wurden in der westeuropäischen bzw. nordatlantischen Repräsentation zwei (Religions)Gemeinschaften, die um dasselbe Land kämpften. Die Situation der ethnischen Säuberung wurde als symmetrischer Konflikt, pathetisch als Kluft zwischen zwei

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(indigenen) Völkern repräsentiert, und die PalästinenserInnen als Verhandlungsunwillige den friedensbereiten Israeli gegenübergestellt. In einer Art clash of civilizations (Huntington, 1993) wurde westliche Ratio und Moderatheit dem Radikalismus der sogenannten Araber entgegengesetzt. Stellvertretend für PalästinenserInnen gesamthaft wurde die palästinensische Führung ungeachtet ihrer politischen Ausrichtung – von Yassir Arafat, der jahrzehntelang die Verkörperung des Terrorismus schlechthin war, bis Hamas – kriminalisiert (Khalidi, 2013). Von »den Palästinensern« war die Rede, einem fremden, diffusen Kollektiv, das nicht wirklich Frieden suche (es würden keine Verhandlungspartner existieren). Im Gegensatz dazu sprach man von »dem Israeli«: gemeint war der jüdische Europäer, mit dem man sich identifizieren konnte und der endlich frei von Angst leben wollte. Moralische Konzepte wie Frieden, Ausgewogenheit, Unparteilichkeit, Perspektivität, Narrativität marginalisierten und banalisierten völker- und menschenrechtliche Fragen und Ethiken, Fragen wie Gerechtigkeit und Gleichheit, und verdeckten den Umstand der systematischen Gewalt. Edward Said sprach gar vom »kolonialen Geist des Friedensprozesses« (Said, 2000a, S. 21) und fragte, seit wann ein besetztes Volk eine Friedensbewegung aufweisen müsse (Said, 2000a, S. 28). Denn dieser peace policy der frühen 1990er-Jahre ging es um die Perpetuierung des Ist-Zustands und um zunehmende Landnahme, nicht um Gerechtigkeit und Solidarität mit einem unterdrückten Volk.12 Der sogenannte Oslo-Friedensprozess kann als Paradebeispiel für die Symmetrisierung von Asymmetrie betrachtet werden. Die Kluft zwischen dem Mythos Oslo als Frieden bringende Verhandlungen, der die Perzeption der internationalen Gemeinschaft, die Öffentlichkeit, Presse und den Diskurs der PolitikerInnen (auch der palästinensischen)13 bestimmt, und dem System Oslo, das vom Ausmaß der Zerstörung Vergleichen mit der Nakba standhält, hätte nicht größer sein können. Das System Oslo beinhaltet die Aufrechterhaltung der israelischen Siedlungen und ihre kontinuierliche Expansion, Siedlungen zur Kolonialisierung des Landes14 und die zunehmende Fortsetzung der 1947/48 begonnenen Fragmentierung der Gesellschaft, sei sie geographisch (Gaza, Westjordanland,

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Aus dem sogenannten Friedensprozess wurde die Flüchtlingsfrage völlig ausgeklammert, zudem wurden nur Symbole der Souveränität verhandelt und keine wirkliche Souveränität oder wirtschaftliche Autarkie. Die Autonomiebehörde unter Abbas und bereits unter Arafat hatte kräftig an der Aufrechterhaltung der Illusion dieser Friedensverhandlungen mitgewirkt. Arafat ging sogar fast so weit, auf das Rückkehrrecht der Flüchtlinge zu verzichten. Durch Korruptionsskandale stand außerdem nicht mehr die israelische Besatzung im Fokus der Kritik (Said, 2000a, S. 26). Es gibt keine Bewegungsfreiheit für PalästinenserInnen, da Israel den ganzen Alltag dominiert: Personalausweise, Arbeits- und Baugenehmigungen – alles wird vom israelischen Militär kontrolliert, nicht von der Palestinian National Authority, da 61 % des Westjordanlands unter israelischer Kontrolle stehen.

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innerhalb des Westjordanlands, Ostjerusalem) oder politisch. Sicherheitskooperationen (Polizei- und Geheimdienstarbeit für israelisches Militär und Regierung) erleichtern die Kontrolle der Gesellschaft, und die Einführung des wirtschaftlichen Neoliberalismus führte zu einer noch größeren Aufspaltung zwischen Arm und Reich als sonst auf der Welt. (Baumgarten, 2017, S. 55-66) Mit der Inszenierung von Symmetrie ist eine Moral der Mäßigung verbunden, welche die Dehumanisierung der PalästinenserInnen festschreibt, indem sie das Sichtbarmachen systematischer Gewalt als palästinensisches Narrativ und damit als einseitig be- und entwertet. Durchsetzt ist diese Moral von der Darstellung der PalästinenserInnen als moralisch dekadent. Mit dieser Symmetrisierung geht eine Politisierung bzw. Ideologisierung von Palästinensischsein einher, welche den Blick auf die systemische Gewalt ebenso verstellt wie auf das individuelle Leid. Das gemeinsame Muster, das der Opfer-Täter-Dichotomie sowie dem Konfliktnarrativ zugrunde liegt, ist nebst der Gleichsetzung Israels mit dem Judentum (Butler, 2013b) das der Binarität zwischen den Kollektivfiguren des Juden und des palästinensischen Arabers als einer ahistorischen und essentialistischen Feindschaft (Anidjar, 2003, 2007). Edward Said (1985; 2000b) sah in diesen beiden Gestalten die Zweispaltung der philologisch konstruierten Figur des Semiten: eines fiktiven Monsters, das in der Imagination von Orientalisten bzw. Semitisten wie u.a. Renan und Michaelis (Hess, 2000) als Phänomen stagnierter Entwicklung in Abweichung zur indoeuropäisch-arischen Sprachfamilie konstruiert worden war. Nach der Schoa spaltete sich die Figur des Semiten gemäß Said in die idealisierte Figur des Juden als europäisch-jüdischem Helden und den muslimischen Araber als seinem furchterregenden Schatten in Anlehnung an Joseph Conrads (1910) Doppelgängerfigur des secret sharer auf. Der Antisemitimus konnte fließend in einen Antiarabismus übergehen, weil Antisemitismus und Orientalismus strukturell miteinander verwandte Mechanismen der Entwertung sind; der Orientalismus ist sozusagen der secret sharer des Antisemitismus. In derselben Zeit entwickelte sich das Konzept einer gemeinsamen »abendländischen« jüdisch-christlichen Kultur und Wertegemeinschaft, die dem »primitiven arabisch-muslimischen« entgegengesetzt war (Cohen, 1996). Amnon Raz-Krakotzkin (2005) kritisiert bei Said, er habe die inhärente christlich-religiöse Polemik gegen MuslimInnen und Jüdinnen und Juden im Orientalismus übersehen. Der Antisemitismus sei bereits eine Form des Orientalismus gewesen bzw. der Orientalismus sei auch antijüdisch gewesen. Die Jüdinnen und Juden seien orientalisiert worden, d.h. ein muslimischer Orient, von dem das Christentum abgespalten worden sei, sei auf sie projiziert worden. Den Zionismus begreift Raz-Krakotzkin auch als Reaktion auf diese Orientalisierung und als Begehren, europäisch sein zu wollen. Dieses Begehren ließ sich erst nach dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg und fern von Europa erfüllen. Als »europäische« Opfer rehabilitiert wurden sie somit erst, nachdem sie nicht mehr in Europa waren (Massad, 22.05.2013).

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Die Zweispaltung des Semiten in diese beiden Identitäten sieht Andrew Rubin in der Lektüre von Said als eine anhaltende Funktion der Macht des Westens und seiner Disziplinarmaßnahmen, die in der Trennung zwischen dem Israeli und dem Palästinenser reproduziert wird und letztlich auch verhindert, den Orientalismus als Fortführung des westlichen Antisemitismus zu sehen. Die diskursiven Praktiken um den Nahostkonflikt – die sich fortsetzende Aufspaltung des Semiten in Palästinenser und Juden in ihren verschiedenen Reiterationen – sind aber auch im Hinblick auf den Umgang Europas mit seiner Vergangenheit und die Bildung nationaler Identitäten zu betrachten (Rubin, 2015, S. 104). Die Binarität des palästinensischen Arabers und des Juden als ewige Feinde in ihren verschiedenen Ausformungen hatte eine wesentliche Funktion. Sie erlaubte das Entstehen einer dritten Position: die Identität des moralisch Guten, des nüchternen Experten oder des unbeteiligten Betrachters und Vermittlers. Die europäische Selbsterzählung eines humanistischen Europa, das aus seiner Geschichte gelernt hat, zeigt sich auch in der deutschen Erinnerungskultur, in welcher die Zeit zwischen 1933 und 1945 als Zivilisationsbruch und Ausnahme von der Regel gesehen wird (Younes, 2016). Sie läuft damit Europas neuerer Geschichte und Gegenwart entgegen. Ungern zieht man Verbindungen zwischen dem Rassismus der Nazizeit, dem deutschen Kolonialrassismus, der ihm vorausging,15 und dem strukturellen Rassismus von heute. Der rechtsextreme Terror der Gegenwart wird von der deutschen Politik sowie dem Verfassungsschutz regelmäßig unterschätzt. Nach der Wiedervereinigung brannten in Deutschland die Flüchtlingsunterkünfte, während die politischen EntscheidungsträgerInnen durch Antisemitismusbekämpfung demonstrierten, dass sie Antirassismusarbeit leisteten (Çetin & Younes, 2015, S. 125). Anna E. Younes (2016) zufolge ist es aufgrund dieser Geschichts-/Gegenwartskonstruktion in Deutschland beinahe unmöglich, am palästinensischen Kampf dessen antikoloniale und antirassistische Anteile zu sehen. Dies sei der Grund, warum sich hierzulande fast nur EinwandererInnen aus muslimischen Ländern offen mit den PalästinenserInnen solidarisieren würden. Deren Stigmatisierung als AntisemitInnen wurde mittlerweile zu einem zentralen Topos in einem rassistischen Diskurs gegen sie als MuslimInnen und als muslimisch Markierte (Çetin & Younes, 2015, S. 125). Diese Erinnerungspolitik geht mit einer Ausblendung von Familiengeschichte auf individueller Ebene einher. Gemäß dem Sozialpsychologen Harald Welzer (2002) gibt es kaum eine tiefergehende, persönliche Auseinandersetzung mit nationalsozialistischer Vergangenheit als Teil der eigenen Familiengeschichte. Im Ge-

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Dem Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 in der Kolonie DeutschSüdwestafrika als erstem Völkermord des 20. Jahrhunderts, der aus dem deutschen kollektiven Gedächtnis völlig ausgeblendet wird. Deutschland verweigerte bis vor Kurzem eine offizielle Entschuldigung und Aufarbeitung. Erst 2016 nach der Armenien-Resolution kam es zur erstmaligen Anerkennung des Genozids durch den Deutschen Bundestag.

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genteil, Erinnern werde institutionalisiert, während viele Deutschen ihre Familiengeschichte tabuisierten und es vorzögen, die Eltern und Großeltern als Opfer eines totalitären Regimes und sogar eines Mitläufertums zu sehen und nicht als Täter. Das Gutseinwollen führt statt zu einer kritischen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit schließlich zur Symbiose mit den Opfern, wie Ulrike Jureit (2010) in Gefühlte Opfer schreibt. Ein Versuch der Wiedergutmachung in Form einer politischen, moralischen und ökonomischen Unterstützung Israels ist zudem einfacher als eine Auseinandersetzung mit den wahren Opfern des Holocausts (Pappe, 30.11.2012). In die iterativ und diskursiv dargestellte Binarität zwischen Palästinensern und Juden wird also auch diese Nichtauseinandersetzung verlagert. Die Darstellung der palästinensischen Figur als abweichend von der moralischen Norm, bedrohlich und antisemitisch, sowie die Darstellung von Gewalt gegen ihn als legitimes Mittel sind also nicht nur eine Form kolonialer Disziplinierung und Ausdruck orientalistischrassistischer Imagination, sondern immer auch eine Kategorie der Projektion und im Kontext der deutschen Post-Genozid-Gesellschaft und ihres Umgangs mit der Vergangenheit zu sehen. Das Vokabular der Psychoanalyse definiert Projektion wie folgt: Im eigentlichen psychoanalytischen Sinne Operation, durch die das Subjekt Qualitäten, Gefühle, Wünsche, sogar »Objekte«, die es verkennt oder in sich ablehnt, aus sich ausschließt und in dem Anderen, Person oder Sache, lokalisiert. (Laplanche & Pontalis, 1972, S. 400) Im Abwehrmechanismus der Projektion mitsamt seiner vernichtenden Wirkung für das Gegenüber finden wir die gewaltvollen Ausschlüsse wieder, welche diskursive Praktiken vollziehen, wenn sie Realität erzeugen. In seinen Studien über Wahnsinn und Psychiatrie, Verbrechen und Strafe zeichnet Michel Foucault (1969) die eigene Subjektkonstitution durch den Ausschluss anderer, beispielsweise sogenannter Irrer und Krimineller, nach. Für Foucault ist der Orient vor dem Traum, den sexuellen Verboten und dem Wahnsinn die erste mehrerer Grenzlinien, welche die »abendländische« Kultur konstituiert; der Orient ist imaginierter Ort des Ursprungs und des Heimwehs (Foucault, 1969, S. 10). Ausgehend von Foucault, denkt Said den Mechanismus der europäischen Identitätskonstitution durch Ausschluss weiter: Für Said ist der Orient one of its deepest and most recurring images of the Other. In addition, the Orient has helped to define Europe (or the West) as its contrasting image, idea, personality, experience. (Said, 1979, S. 1-2) In der sogenannten neoorientalistischen Imagination verschiebt sich laut Asef Bayat (19.09.2015) das exotisierte, irrationale Andere des klassischen Orientalismus bei Said noch viel stärker hin zum gewalttätigen, muslimischen Anderen, der bereits in Saids Orientalism (1979) angelegt war. PalästinenserInnen in Deutschland

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und in der Schweiz waren lange Zeit (und sind es immer noch) der symbolischen Gewalt dieses Neoorientalismus ausgesetzt. Ihre Geschichte und eigene Gewalterfahrung verschwindet hinter einem Sicherheit-Terror-Dispositiv, das im Zusammenhang mit anti-palästinensischen Diskursen (do Mar, Mecheril & Varela, 2016) bedrohliche Subjekte – verkörpert in der Figur des Selbstmordattentäters – und jene, die sich vor ihnen zu fürchten haben, produziert(e); mehr noch: Ihre physische Gewalterfahrung wird dadurch legitimiert.

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Praktiken des Ausschlusses

Die diskursiv-normative Gewalt von moralischen Erzählungen und Repräsentationen sowie Projektionen mitsamt der Ausblendung als Mensch geht einher mit Praktiken des Ausschlusses u.a. mit Praktiken der Überwachung, Marginalisierung und Vertreibung. Die Praktiken, in welchen sich die Erschaffung eines palästinensischen bedrohlichen Kollektivsubjekts verkörperten, und ihre Folgen für den Einzelnen zeigten sich besonders drastisch in der Reaktion Deutschlands auf die Geiselnahme der israelischen Olympiamannschaft in München 1972. Deren politische Zielsetzung war, die Befreiung palästinensischer politischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen zu erpressen und die Aufmerksamkeit der Weltbevölkerung auf ihre Situation als besetztes und unterdrücktes Volk zu lenken. Die Aktion endete tödlich, nachdem polizeiliche Scharfschützen einen gewaltsamen Befreiungsbesuch gestartet hatten (Freudenberg, 2008, S. 400). Diversen Zeitzeugenaussagen ist zu entnehmen, dass Hunderte von Palästinenser nach der Geiselnahme im Rahmen einer Kollektivstrafe gewaltsam und gegen geltendes deutsches Recht, d.h. ohne Gerichtsverhandlung, ausgewiesen wurden. Die damaligen Massenausweisungen stellten die größte Abschiebungswelle von Menschen arabischer Herkunft aus Deutschland dar. Hierfür reichte es, als Student an der Universität Öffentlichkeitsarbeit betrieben zu haben. Selbst mit deutschen Frauen verheiratete Männer mussten das Land verlassen. Palästinensische Strukturen wurden zerschlagen, die Arbeiterverbände und Studentenorganisationen aufgelöst und Versammlungsverbote auferlegt. Das Terrordispositiv wurde von den deutschen Behörden auf alle Palästinenser ausgeweitet und weder historisch noch politisch kontextualisiert. Die Ausgewiesenen hatten oft kein Zuhause mehr, in das sie hätten zurückkehren können, weil nach israelischem Recht als Abwesender, d.h. als Fremder, galt, wer sich zur Zeit der Besetzung 1967 nicht in Gaza oder im Westjordanland befand. Ein Beispiel für die Praktiken der Ausschlussmechanismen in der deutschen Erinnerungskultur bildet der Umgang mit dem Anschlag auf die Olympiade 1972. Die Massenausweisung jener unbeteiligten PalästinenserInnen, die sich damals in Deutschland aufhielten, d.h. die Leben derer, die unschuldig den Preis für die Geiselnahme zahlten, ist nicht Gegenstand des Gedenkens, sondern nur die Geisel-

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nahme selbst. Am 6. September 2017 wurde im Münchner Olympiapark durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst der Gedenkort Einschnitt eröffnet. Das inhaltliche Konzept wolle laut der Kuratorin des Erinnerungsorts Olympia-Attentat München 72 der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit bewusst nicht auf die Biografien der Täter und die Hintergründe der Geiselnahme eingehen, weil die Opfer im Zentrum stehen sollten. Hingegen solle die positive Verankerung der Geiselnahme im kulturellen palästinensischen bzw. arabischen Gedächtnis veranschaulicht werden. Die am Gedächtnisort gelegene Kontextwand solle die Beziehung zwischen Israel und Deutschland sowie die zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarländern, den Terror allgemein, die Kurzbiografien der Opfer, die Fotos der Täter sowie die Fotos der Heldenbegräbnisse und Denkmäler der Geiselnehmer in arabischen Ländern thematisieren. Dies geht aus einem Gespräch mit der Kuratorin im Rahmen ihres Rechercheauftrags zur Planung der Gedenkstätte am Institut für den Nahen und Mittleren Osten der LMU München vom 01.02.2017 hervor.16 Der Umstand dessen, was erinnert wird und was nicht, ist erinnerungspolitisch im Sinne der Inszenierung eines (in Abgrenzung zu arabischen Ländern) »guten« Deutschlands zu sehen, das seine Geschichte und darum die Geschichte der Jüdinnen und Juden in seinem Land aufarbeitet und überdies gute Beziehungen zu Israel pflegt. Auf die Frage nach ihrer Motivation antwortete die Kuratorin, es sollen die »beiden Seiten« abgebildet werden. Im Narrativ der beiden Seiten und damit in der Moral von Perspektivität und Objektivität wird also die Meistererzählung der feindseligen Binarität des Juden und des palästinensischen Arabers reproduziert, der israelischen Opfer und der in der arabischen Welt gefeierten palästinensischen Täter sowie der »guten« Deutschen, die den Erinnerungsort einrichten. Diese Erzählung ist tatsächlich eine höchst einseitige, weil sie offensichtlich einen essentialisierten arabischen Antisemitismus erzählen will, die Geschichte des bösen arabisch-palästinensischen Mannes, während sie gleichzeitig sein Leid ausblendet. Wirklich zwei Seiten würden beleuchtet, wenn die Geschichte derer, die den hohen Preis für die Geiselnahme bezahlen mussten, erzählt würde: die Geschichte der Palästinenser, die ausgewiesen wurden, oder zum Beispiel die Biografien der Geiselnehmer. Damals wie heute, in den Massenausweisungspraktiken von 1972 sowie in der »Reinszenierung« als Aufarbeitung der Geiselnahme im Jahre 2015, kommt es zu

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Der Rechercheauftrag umfasste diverse ähnliche, einfach umformulierte Fragen nach der gesellschaftlichen Akzeptanz der Geiselnahme in arabischen Ländern und nach seiner Verankerung im kulturellen Gedächtnis. Anschließend erfolgten ganz gezielt Anfragen bezüglich verwendbarer Fotos zum Heldenbegräbnis und die Frage nach Denkmälern in arabischen Ländern (wo sie sind und wie sie aussehen) – eine ganz gezielte, bereits eingeschränkte Antwort auf die vorher allgemein formulierten Fragen.

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einer Reduktion auf das Terrorsubjekt. Die Inszenierung des Terrorkollektivsubjekts geht einher mit der Nichtkontextualisierung der als Terror gewerteten irregulären Kampfführung bzw. Kleinkriegführung (Freudenberg, 2008, S. 425): Die Geschichte der Geiselnehmer als Menschen wird ausgeblendet bzw. nicht erzählt, die Geiselnahme wird nicht in den Kontext der systematischen staatlichen Gewalt eingebettet, während Terrorakte zu Bestätigungen von essentialistischen Stigmatisierungen wie dem Terrorsubjekt werden. Durch das stetige Erzählen der einen Geschichte des Terrors und die Ausgrenzung der anderen Geschichte des Leidens, das Nichterinnern der Hintergründe und das konsequente Ausblenden systematischer Gewalt und ihrer historischen Zusammenhänge erscheint die Figur des dämonischen palästinensischen Subjekts als das aus dem Nichts in die heile Welt hineinbrechende Böse. New Barbarism nannte Paul Richards (2008) jenes Konzept, das den Kampf subalterner Akteure nicht politisch kontextualisiert und ihn auf die Persönlichkeitszüge von Angehörigen bestimmter Kulturen zurückführt. Laut Tuastad sind PalästinenserInnen auf zwei Ebenen von symbolischer Gewalt betroffen, einerseits durch das Terrorstigma, andererseits durch das Imaginär des arabischen Geistes, das er in mentalen Konfigurationen von Stagnation und Rückwärtsgewandtheit verortet (Tuastad, 2003, S. 591-592). Judith Butler (1993) moniert, dass Kriminalisierung im nichtjuridischen Bereich genauso gewaltsam wirkt wie die Kriminalisierung durch kodifiziertes Recht. Praktiken der Kriminalisierung, d.h. die Behandlung wie Kriminelle und die Produktion von Kriminellen, erhielten auch in der Schweiz institutionalisierte Züge. Ein Aspekt war die dauernde Beobachtung und Datensammlung selbst über intimste Bereiche, die im Rahmen des Kalten Kriegs bei Palästinensern erfolgte. Das geht aus Gesprächen mit Palästinensern hervor, welche die Staatsschutzakten, die sogenannten Fichen, die man von ihnen angelegt hatte, nach der Aufdeckung des Fichenskandals 1989 zur Einsicht angefordert hatten. Als potenziell gefährlich für die Staatssicherheit eingestuft, wurden sie nebst »Linken«, »Alternativen«, FriedensaktivistInnen, GewerkschafterInnen, politischen Flüchtlingen etc. in der Schweiz vom Staatsschutz überwacht (Kreis, Delley & Kaufmann, 1993). Meist hatten sie nicht einmal Beziehungen zur PLO, sondern waren lose in Studentenverbänden oder Arbeitergewerkschaften organisiert und betrieben in diesem Rahmen oder auf privater Basis Öffentlichkeitsarbeit. Dies hatte Sanktionen zur Folge; man konnte durch Öffentlichkeitsarbeit seine Aufenthaltserlaubnis oder seine anstehende Einbürgerung riskieren. Selbst nach dem Ende des Kalten Kriegs gefährdete man mit einer solchen Tätigkeit seine Stelle. Kriminalisierende Diskurse schlagen sich auch als Praktiken wie der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 1. Juni 2017 zur Bekämpfung von Antisemitismus nieder. Die Entschließung fordert die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dazu auf, die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA, 2016) anzunehmen. Die IHRA ist eine zwischen-

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staatliche Organisation mit dem Auftrag, Bildung und Forschung über den Holocaust zu fördern, jedoch ohne Mandat zur Ausarbeitung einer Antisemitismusdefinition. Bei der Antisemitismusdefinition der IHRA handelt es sich um eine inhaltlich unscharf formulierte, nicht rechtlich bindende Arbeitsdefinition, die unter AntisemitismusforscherInnen höchst umstritten ist und erlaubt, Kritik am Staat Israel und den Kampf von PalästinenserInnen für die Anerkennung ihrer Grundrechte als antisemitisch zu deuten. Die Entschließung des Europäischen Parlaments kriminalisiert somit diese Kritik, auch wenn sie nicht rechtlich bindend wirkt. Dies resultiert in Ausschließungssystemen (Foucault, 1971) wie der Tabuisierung und (Selbst-)Zensur. Deutlich tritt die kriminalisierende Wirkung des Antisemitismusvorwurfs auch in der Bundestagsresolution vom Mai 2019 zutage, mit der der Deutsche Bundestag – ebenfalls auf der Grundlage der IHRA Antisemitismusdefinition – die gewaltfreie Widerstandsbewegung BDS als antisemitisch verurteilte. Als Forderungen nennt die BDS-Bewegung die Aufhebung der israelischen Besatzung, gleiche Rechte für palästinensische BürgerInnen Israels und die Achtung und Unterstützung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, denen mittels der friedlichen Mittel Boykott, Desinvestition und Sanktionierung Nachdruck verliehen werden soll. Die Bundestagsresolution verurteilt jeglichen Boykott von Waren aus Israel und unterscheidet dabei nicht zwischen Waren aus den besetzten palästinensischen Gebieten und aus Israel, obwohl sie sich mit der Sicherheitsratsresolution 2334 von 2016 zur Einhaltung dieser Unterscheidung verpflichtet hat (Schult & Sydow, 2019). Die von mehr als 60 führenden jüdisch-israelischen WissenschaftlerInnen sowie von den Reihen der deutschen Parteistiftungen kritisierte Bundestagsresolution ist zwar nicht rechtlich bindend, dennoch stigmatisiert und diffamiert sie die Bewegung, ihre BefürworterInnen und SympathisantInnen durch deren kategorische Einstufung als antisemitisch offiziell. Damit diskreditiert die Resolution auch die Zusammenarbeit deutscher Institutionen und Organisationen mit der palästinensischen Zivilgesellschaft, von der die BDS-Bewegung getragen wird. (N. N., Zeit Online, 04.06.2019) Im November 2019 verfügte schließlich die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in ihrer Entschließung Kein Platz für Antisemitismus die Etablierung der Antisemitismusdefinition der IHRA an allen deutschen Hochschulen (Meggle, 2019). Obwohl der Beschluss der HRK durch die Verletzung der freien Meinungsäußerung einen Einschnitt in die Grundrechte an deutschen Hochschulen darstellt, fand die Petition Einspruch gegen Sprachregelungen für Hochschulen verhältnismäßig wenig Unterzeichnende. Die einschüchternde Wirkung des Beschlusses zeigte sich in den Reaktionen auf die Petition im Mitgliederforum der DAVO (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient): Viele AkademikerInnen unterzeichneten die Petition aus Sorge um ihre berufliche Zukunft nicht und nicht etwa aus politischem Desinteresse. Praktiken der Kriminalisierung finden sich in Deutschland aber auch alleine in Bezug auf die Sichtbarmachung palästinensischer Geschichte und Gegenwart.

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Hier wären Raumverbot oder Raumentzug für Vereine und Organisationen bzw. die Zensur von Veranstaltungen zu nennen, welche die menschenrechtliche Situation in Palästina/Israel aufzeigen wollen. Beispielsweise wurden eine Reihe von Wanderausstellungen zur Geschichte der Nakba sowie Veranstaltungen von Breaking the Silence, einer NGO ehemaliger israelischer SoldatInnen, die in der Schweiz problemlos durchgeführt worden waren, in Deutschland systematisch diskreditiert und geschlossen. Die Berufung auf Antisemitismus und Einseitigkeit war dabei zentral. (Frank, 14.06.2015; Kolbe, 28.04.2011) Ferner sind der Ausschluss von WissenschaftlerInnen von Podien, Konferenzen und Vorträgen sowie Diffamierungen von Einzelpersonen als »AntisemitInnen« zu nennen, sobald sie Kritik an israelischer Politik äußern oder die Ziele der BDS-Bewegung befürworten. Die BDS-Bewegung war bereits vor der Bundestagsresolution von 2019 stigmatisiert und aus dem öffentlichen Raum verbannt worden, indem Organisationen und Aktivitäten, die Themen im Zusammenhang mit BDS diskutieren oder BDSBefürworterInnen einladen wollten, durch Städte und Kommunen öffentliche Gelder und Räume entzogen worden waren. Durch Antisemitismus-Beschuldigungen können soziale Netzwerke, aber auch Stellen verloren gehen und Karrieren in öffentlichen Institutionen, insbesondere an Universitäten, beendet werden.17 So ist es möglich, dass es den völkerrechtlichen Diskurs über die staatliche Gewalt zwar gibt, dieser aber nur schwer Eingang findet in institutionelles Wissen, in den wissenschaftlichen Diskurs und Betrieb oder in staatliche Institutionen (Curricula von Schulen, Universitäten, Institutionen politischer Bildung). Obwohl die Geschichte(n) Palästinas und Deutschlands im 20. Jahrhundert auf unentflechtbare Weise miteinander verbunden sind, ist Palästina in den Institutionen der deutschen Wissenschaftslandschaft und kulturellen Landschaft weitgehend abwesend. Diese Abwesenheit tritt vor dem Hintergrund der hiesigen Verankerung und Förderung von Israel Studies sowie jüdisch-israelischer Kultur- und Literaturtage umso markanter ins Profil. Aufgrund der engen Verflechtung zwischen Politik und Medien finden wir auch in der Medienlandschaft keine Diversität in Bezug auf andere Erfahrungen als die partikulare deutsch-jüdische. Wie lange, was und in welchem Kontext die Migrantin, der Migrant spricht, wenn sie/er denn sprechen darf, entscheidet die JournalistIn (Bayer, 2013). Dies alles führt dazu, dass die Akteure einen geringen Aktionsradius haben. Wie wir im Kapitel über die zweite Generation sehen werden, sind selbst Gelegenheiten, sich öffentlich zu äußern, immer mit Erfahrungen der Zensur verbunden.

17

Als jüngeres Beispiel wäre die Dozentin E. Roldán Mendívil zu nennen, die an der Freien Universität Berlin Seminare über Kolonialismus und Apartheid im Kontext von Israel abhielt und ihre Stelle aufgrund von Diffamierungen verlor.

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Die symbolische Gewalt von Stigmatisierungen war/ist aber auch in arabischen Öffentlichkeiten vorhanden. Dort wirk(t)en stigmatisierende Diskurse ebenfalls mit Praktiken der Ausgrenzung zusammen, wenn PalästinenserInnen jeweils Rassismus ausgesetzt waren/sind, kollektiv für Entscheidungen der palästinensischen Führungsebene mit Massenausweisungen18 aus den arabischen Gastländern büßen mussten oder aufgrund von Assoziationen mit revolutionären, nicht staatstreuen Ideologien von den Regierungen bestraft wurden.

2.3

Fazit

»Si vous êtes pris dans le rêve de lʼautre, vous êtes foutu«, zitierte der slowenische Philosoph Slavoj Žižek Gilles Deleuze, als er vom Balkan als europäischer Projektionsfläche sprach. Für Menschen aus dem Balkan sei das Gefangensein im Traum der Anderen zerstörend: The Balkans is structured like the unconscious of Europe, das Unbewusste Europas. Europe puts, projects all its dirty secrets, obscenities and so on into the Balkans, which is why my formula for what is going on in [the Balkans] is not as people usually say, they are caught in their old dreams […] they canʼt face people here […] ordinary, modern, post-modern […] whatever reality. No, I would say they are caught into dreams but not into their own dreams, into European dreams. A French philosopher, Gilles Deleuze, had a wonderful saying – maybe you know it – where he says, »Si vous êtes pris dans le rêve de lʼautre, vous êtes foutu.«(Žižek, 13.09.2008, 02:00-02:46 min) Das Prisma, durch das ich den Nahostkonflikt betrachte, ist ebenfalls das eines europäischen Phantasmas, welches ähnliche Folgen für PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz hat. Die Gefangenschaft im Traum des Anderen kann in unserem Kontext als Metapher für den psychoanalytischen Mechanismus der Projektion und als Begehren gelesen werden, dass der palästinensische Andere nicht existieren möge, da er das europäische Selbstbild, »gut« und »rein« zu sein, gefährdet und ihn an eine Vergangenheit erinnert, die vergessen, ungeschehen gemacht oder mehr noch: gesühnt sein will. Während die meisten Schoa-Überlebenden und ihre Verwandten Entschädigungszahlungen als materialistische Ausmünzung ihres Leidens begreifen und durch die Ablehnung von sogenanntem »Blutgeld« versuchen, »rein« zu bleiben, weil ihr Leid eben nicht »wiedergutgemacht« werden kann, waren Reparationszahlungen für den 18

Kuweit wies (1990-1991) seine PalästinenserInnen aus, nachdem Arafat sich während des zweiten Golfkriegs auf die Seite Saddam Husseins geschlagen hatte (Ähnliches geschah auch in Syrien nach Oslo, oder in Libyen).

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neuen deutschen Nachkriegsstaat notwendig, um sich zu legitimieren und neues jüdisches Leben in Deutschland zu ermöglichen (Slyomovics, 2014, S. 26, 68). In der Schweiz finden wir ähnliche Zusammenhänge zwischen nationaler Identität und Vergangenheitsbewältigung: Durch die Betonung der humanitären, antirassistischen Tradition des Landes normalisiert der Staat neben rechtsgerichteten Parteien gegenwärtigen Rassismus (Boulila, 2018). Zudem vermag er auf diese Weise Verstrickungen mit Kolonialismus und Nationalsozialismus auszublenden. In diesem hegemonialen Traum von Unschuld ist die Gewalterfahrung von PalästinenserInnen eine Peinlichkeit, die es zu leugnen gilt. Das bundesdeutsche Meisternarrativ erzählt seit 1989 eine gemeinsame Geschichte der Deutschen und Israeli, in der PalästinenserInnen als das störende Andere ausgegrenzt werden, genauso wie die palästinensische Geschichte aus der israelischen ausgegrenzt wird. Said schrieb: Because Palestine is uncomfortably, indeed scandalously, close to the Jewish experience of genocide, it has been difficult at times even to pronounce the word Palestine, given that entire state-supported policies by enormous powers were dedicated to making sure that the name, and more so the memory and aspiration – to say nothing of the often startling similarity of namelessness and rejection – simply did, would, could not exist. (Said, 2000d, S. 51-52) Dies führt dazu, dass palästinensische Sichtbarkeit peinlich berührt – auch die Betroffenen selbst –, weshalb Palästinensischsein bedrohlich wirkt und abwesend gemacht werden soll. Sichtbarkeit bedeutet Menschlichkeit und steht deshalb sozusagen der unsichtbar machenden Projektion entgegen. Spuren dieser Angst vor palästinensischer Sichtbarkeit finden sich in der Repräsentation von Palästinensischsein als abweichend von der moralischen Norm, in der Repräsentation von palästinensischem Leid als einseitig, ideologisch und mit Antisemitismus durchsetzt, sowie in der Dämonisierung von palästinensischem Widerstand und Wut gerade auch als Reaktion gegen dieses Repräsentationsregime. Hinzu kommt die Gleichsetzung Israels mit dem Judentum, was in der iterativen Reinszenierung der Binarität von PalästinenserInnen und Israeli dazu führt, dass Palästinensischsein als antijüdisch interpretiert wird: Palästinensischsein erscheint so als Gegenbegriff zum Judentum per se. Empathie für die palästinensische Geschichte zu empfinden, wird als »pro-palästinensische«, nicht als humane Haltung markiert und mit (rechtem oder linkem) Antisemitismus assoziiert, weswegen man sich nicht mit PalästinenserInnen solidarisiert, wenn man sich im Bereich der Norm bewegen möchte. Für die Verknüpfung von palästinensischer Sichtbarkeit mit Parteilichkeit ist nicht zuletzt die Moral der Objektivität verantwortlich, die das Konfliktnarrativ mit sich bringt, sowie die Politisierung von Palästinensischsein durch das Konfliktnarrativ und dessen Instrumentalisierung für verschiedene Ideologien. Das paläs-

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tinensische Leid wurde in der westlichen Wahrnehmung assoziiert mit einer bestimmten Ideologie, nicht als etwas Eigenes, als das Leid eines Volkes, sondern als Projektionsfläche für den jeweiligen ideologischen Anderen. Die Sichtbarkeit von Palästinensischsein wird so politisiert und die humane Dimension verschwindet. Als Folge konnten PalästinenserInnen lange nicht Betroffene von Gewalt jenseits einer ideologischen Kategorie oder politischen Position sein. Offene Solidarität mit den PalästinenserInnen als unterdrücktem Volk und ein Bewusstsein auch für ihre Menschenrechte zeigen durch die Abwesenheit der Linken nach 1989 zumindest in Deutschland vor allem als muslimisch oder nahöstlich markierte Menschen. Diese Solidarität wird wiederum delegitimiert durch den Antisemitismus-Vorwurf, der ihnen als MuslimInnen sozusagen essentialistisch unterstellt wird (oder indem ihre Solidarität auf die gemeinsame Religion, den Islam, zurückgeführt wird). Dies sind die Gründe, warum PalästinenserInnen von der deutschen und Schweizer Mehrheit allein aufgrund ihrer Existenz als von der (moralischen) Norm abweichend betrachtet werden. Der Grund, warum die palästinensische Erfahrung und mit ihr Palästinensischsein – mit Foucault gesprochen – zu einem Wahnsinn, zu einer Wahrheit im wilden Außen wird, die aber niemals in der Wahrheit ist: Es ist immer möglich, dass man im Raum eines wilden Außen die Wahrheit sagt; aber im Wahren ist man nur, wenn man den Regeln einer diskursiven »Polizei« gehorcht, die man in jedem seiner Diskurse reaktivieren muss. (Foucault, 1999, S. 25) Diskursive Regeln, Ausschließungs- und Verknappungssysteme, wirken von innen wie von außen und definieren, welche Art von Sprechen als sinnvoll und wahr anerkannt wird. Deshalb existiert der Diskurs über das humanitäre Recht außerhalb der öffentlichen Sphäre des Staates, und deshalb wird palästinensische Sichtbarkeit immer mit marginalen Positionen der Gesellschaft verknüpft: dem linken Aktivisten, dem Antisemiten, dem Radikalen, dem Parteilichen, dem Irrationalen oder dem Ideologischen. Diese Stigmatisierungen kennzeichnen die äußeren Markierungen der gesellschaftlichen Ordnung. Die symbolische Gewalt der moralischen Rechtfertigung systemischer Gewalt ist dieser Position der moralischen Abweichung inhärent. PalästinenserInnen werden als moralisch deviant von der Norm, als moralisch sowie kulturell der christlichjüdisch-abendländischen Kultur unterlegen zu einer Sicherheitsbedrohung für das jüdische Volk. Auch in physischer Hinsicht werden sie durch ihre bloße Existenz im Land – als demografischen Problem – zu einer Bedrohung für den Traum19 vom jüdischen Staat: In einem Interview mit Haaretz bezeichnete einer 19

»Wenn ihr wollt, ist es kein Traum«, schrieb Theodor Herzl als Untertitel von Altneuland (2016a).

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der prominentesten neuen Historiker, Benny Morris, die Vertreibungen von 700 000 PalästinenserInnen (die Nakba) als demografisch notwendig, um einen jüdischen Staat zu generieren. Zum Entsetzen des Journalisten monierte er ferner bezüglich der 1948 im späteren israelischen Territorium verbliebenen palästinensischarabischen Bevölkerung, der sogenannten arabischen Minorität in Israel, man hätte damals mehr Menschen vertreiben sollen (08. Januar 2004, Haaretz). Wie nahe dieser erschreckend salonfähige Pragmatismus tatsächlich Diskursen von Ethnozid kommt, macht Arjun Appadurais Erklärung seines Konzepts anxiety of incompleteness (2006) deutlich: Numerical majorities can become predatory and ethnocidal with regard to small numbers precisely when some minorities (and their small numbers) remind these majorities of the small gap which lies between their condition as majorities and the horizon of an unsullied national whole, a pure and untainted national ethnos. This sense of incompleteness can drive majorities into paroxysms of violence against minorities […]. (Appadurai, 2006, S. 8) Die Rationalisierung von Gewalt nährt sich auch von der Überzeugung, dass aufgrund der Entsetzlichkeit der Schoa und zur Etablierung eines jüdischen Staats anderes Leid in Kauf genommen werden darf. Dadurch dass Gewalt moralisch gerechtfertigt wird, erscheint sie allerdings als eine disziplinarische Maßnahme. Da Palästinensischsein außerhalb der moralischen Norm angesiedelt und Gewalt gegen PalästinenserInnen in Bezug dazu gesetzt wird, wird letztere zu einer Form von Bestrafung, aber auch zu einem Mittel, die richtige Norm wiederherzustellen. Das Konzept einer verdienten Gewalt erinnert mehr noch als das einer gerechtfertigten Gewalt an die Denkfigur des Vogelfreien und dessen legitime Tötung im römischen Recht. Durch die Inkaufnahme des Leidens und durch die Unterwerfung des Lebens unter eine disziplinierende Gewalt zugunsten einer moralischen Norm können wir vom Palästinenser als diskursiver Figur als von einem homo sacer (Agamben, 2002) sprechen: Sein Leben und Eigen ist zerstörbar, ohne dass Reparation nötig wird. Andererseits wird er bzw. sein Leben in seiner symbolischen bzw. kultischen Bedeutung zu einem Teil der »Wiedergutmachung« der Verbrechen an den Opfern der Schoa. In dieser Hinsicht erhält die ethnische Ordnung eine metaphysische Dimension. Die durch die erwähnten moralischen Erzählungen konzipierten Vorstellungen einer verdienten Gewalt gehen einher mit der Missachtung als Menschen. Vertreibung und Tötung von PalästinenserInnen werden auf offizieller Ebene nicht anerkannt (Çetin & Younes, 2015, S. 127). In Deutschland, der Schweiz und Israel zirkulieren dieselben Narrative und Mechanismen der Nichtanerkennung von Palästinensischsein und palästinensischer Gewalterfahrung: Ausgrenzung, Leugnung und Verzerrung. Neben diesen Mechanismen finden wir Diskurse der Ersetzung. Die mit den umrissenen moralischen récits (Lyotard, 1979) einhergehende

2 Palästina als moralischer Ort

höhere Ordnung bindet das moderne Judentum in verschiedener Hinsicht – sei es im religiös-nationalistischen Sinn, durch die Schoa oder das Konfliktnarrativ – an das Land und legitimiert seine Präsenz auf sozusagen natürliche Weise, macht ihn zum Indigenen bzw. »Indigeneren«, zum Erstgeborenen: PalästinenserInnen befinden sich also am falschen Ort (Said, 2000c), kamen danach, haben das Land nicht (oder weniger) verdient bzw. es steht ihnen nicht zu, dort zu sein. Die Gewalt dieser Nichtanerkennung ist nicht nur eine gesellschaftliche bzw. staatliche, sondern auch eine epistemische. Edward Said und andere beschreiben in Blaming the Victims (1988) die zahlreichen wissenschaftlichen Versuche, palästinensische Existenz und Ansprüche auf Palästina zu verneinen. Die Nichtanerkennung der Gewalt an PalästinenserInnen bzw. die diskursivnormative Gewalt geht einher mit der physischen Gewalt. Sie ist dieser spezifischen Gewalt ethnischer Säuberung inhärent. Die Nichtanerkennung und Verkennung des Anderen als gleichwertiges Gegenüber ist Teil desselben Prozesses wie seine physische Verdrängung. Gleichzeitig ist sie Effekt der Projektion, denn man sieht den Anderen nicht, wenn man projiziert, man benutzt ihn. Anders gesagt: Was in Palästina/Israel an physischer Verdrängung – deutlich verkörpert in der Mauer, die PalästinenserInnen vor den Israeli verbirgt – geschieht, ereignet sich in Westeuropa symbolisch. Beide Formen, die physische und die symbolische Form von Gewalt, sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gewalt ethnischer Säuberungen in Palästina/Israel wird als diskursive Gewalt im Exil fortgeführt. Die Verkennung der PalästinenserIn als Folge von Projektionen – des Deleuzeschen »Albtraums« – ist Teil desselben Prozesses wie ihre physische Vertreibung. Der Begriff der diskursiven bzw. normativen Gewalt wurde von Judith Butler prominent in die Theorie eingeführt. Butler benutzte diese Begriffe für die Beschreibung der Gewalt, die aus der diskursiven Konstruktion normativer Kategorien wie des männlich/weiblich-binären Geschlechtssystems und seiner entsprechenden heterosexuellen Zwangsmatrix hervorgeht. Laut Butler haben Diskurse die Macht, selbst das Physische (biologisches Geschlecht und Sexualität) hervorzubringen. Diesen Prozess nennt sie Materialisierung. Die Macht dazu gewinnt sie aus der »diskurstheoretischen Annahme der Wirkmächtigkeit« von Diskursen bei Foucault, der diese als Praktiken begriff, und aus der »performativen Kraft von Sprache« bei Austen (Bublitz, 2002, S. 8). In Anlehnung an Derridas Iterabilität beschreibt sie die performative Erzeugung von Physischem durch Diskurse und Sprache als eine ständige Repetition von Praktiken des Sprechens. So wird beispielsweise Geschlechtsidentität durch »zitatförmige Wiederholung einer diskursiven Ordnung«, nämlich der biologischen Differenz der Geschlechter, hergestellt (Bublitz, 2002, S. 19). Der Fokus der Gewalt, der PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz ausgesetzt sind, liegt hingegen nicht auf der sexuellen, sondern auf der moralischen Normativität. Nicht die Heteronormativität, sondern die moralische

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Ungleichheit bzw. Unterlegenheit schließt die Abweichenden von der als positiv gedachten Norm aus. PalästinenserInnen sind Abweichler von einer moralischen (anstatt von einer sexuellen, nämlich der heterosexuellen) Norm. »The essential terrorist« nennt Edward Said in Blaming the victims (1988, S. 149) jenes Kollektivsubjekt, das er bereits in Orientalism als dämonischen Anderen bezeichnet hatte und in dem man als Mensch verschwindet. In Bezug auf die Etablierung der moralischen Norm bedeutet das die iterative performative Inszenierung des verknappenden Konstrukts vom palästinensischen Terrorsubjekt. In ihm verdichten sich Imaginationen von Gewalt, vom Irrationalen, Unkontrollierbaren, Dämonischen, Antisemitischen, sowie die Inszenierung anderer Diskursfiguren, die der Westen mit Israel teilt, wie die Bedrohung der Sicherheit Israels als jüdischem Staat. Letzteres wird im Erinnern an die historische Verantwortung in offiziellen Ansprachen der Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholt als wesentliches Element in eine (imaginär existierende) deutsche Staatsräson eingeschrieben. Andere iterative Praktiken mit stark performativem Charakter sind etwa die deutschen Reparationszahlungen, die Massenausweisungen aus Deutschland nach der Geiselnahme während der olympischen Spiele München 1972, die Einführung des Duldungsstatus für palästinensische Flüchtlinge oder die Praktiken der Überwachung von PalästinenserInnen (Fichen in der Schweiz). In unserem Fall haben all diese Diskurse und Praktiken nicht nur die Macht, Physisches zu materialisieren. Sie haben auch die Macht aufzulösen, zu dematerialisieren, nämlich das Subjekt aufzulösen, wie in den Gesprächen und autobiografischen Erzählungen, aber auch in der teilnehmenden Beobachtung deutlich wird. Alle Gesprächspartner leben im erzwungenen Exil und haben aufgrund ihres palästinensischen Hintergrunds in Israel und den besetzten Gebieten, aber auch in Deutschland und manchmal auch in der arabischen Welt mehrfach Vertreibungen, Ausweisungen und Diskriminierungen erlebt. Wie prägt Gewalt Subjektivität? Wie spricht und denkt man über sich selbst vor dem Hintergrund der Erfahrung von Gewalt? Damit ist nicht nur die erlebte physische Gewalt gemeint, sondern gerade auch die beschriebene, über Diskurse hergestellte Gewalt: das immer wieder in neuen Formationen inszenierte palästinensische Terrorkollektivsubjekt, aber auch die Nichtanerkennung von systemischer bzw. staatlicher Gewalt oder die Tatsache, dass mit dem Verschwinden der Linken nach 1989 auch fast kein Raum mehr für einen palästinensischen respektive »pro-palästinensischen« Diskurs war. Damit lautet die zentrale Frage: Welche Subjektivität konstruiert man vor dem Hintergrund der Erfahrung eines hegemonialen Diskurses, der die eigene Geschichte bzw. Familiengeschichte unterdrückt? Das nächste Kapitel Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus? versucht, das autobiografische Sprechen der Gesprächspartner nachzuzeichnen. Aus dem Nichts, weil die hegemonialen Diskurse sie verkennen und zum Schweigen bringen, und weil es sich bei Palästinensischsein um eine unmögliche Subjektposition handelt.

2 Palästina als moralischer Ort

Palästinensischsein durfte es nicht geben, weil es auch die erfahrene Gewalt nicht geben durfte. Kapitel 2 versucht damit auch festzustellen, was unter diesen Bedingungen vom Sprechen über sich selbst bleibt und von welchen Brüchen dieses Sprechen durchsetzt ist. Denn wie der hegemoniale Diskurs, dem die ErzählerInnen begegnen, von Brüchen durchsetzt ist, so ist es auch ihre Rede. Wie gewaltsam ist es, wenn die erfahrene Gewalt nur scheinbar erzählt wird und man sich nicht in dieser Erzählung findet? Was macht es mit einem, wenn man zwar eine Stimme hat, diese aber ungehört bleibt? Die Frage nach den Zusammenhängen von Gewalt und Subjektivität knüpft einerseits an Edward Saids Orientalism an, indem sie dort weitergedacht wird, wo er aufgehört hat, nämlich bei den Akteuren, die mit diesen Bildern konfrontiert sind: Wie begegnen Menschen orientalistischen Bildern und Subjektpositionen? Andererseits setzt sie sich mit der Psyche als Ort der Macht auseinander, wie es Butler in Psychic Life of Power (1997b) anregt, wo sie über psychische Mechanismen von Macht nachdenkt und die Psyche als Instanz der Macht im Subjekt beschreibt, welches letzteres an die Macht bindet.

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3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Ich habe die ErzählerInnen gebeten, über sich selbst zu sprechen. Damit habe ich sie auch gebeten, aus einem Ort der Abwesenheit und Verzerrung bzw. Verkennung heraus über etwas zu sprechen, was jenseits des Diskursiven lag: über ihren Schmerz, ihre Geschichte, ihr Palästinensischsein. Wenn die Erzählenden zum Gespräch eingewilligt haben, dann haben sie die Aufforderung, das palästinensische Subjekt zu repräsentieren, angenommen. Es ist also zu bedenken, dass sie bestimmte Positionen repräsentieren, die sie in Zusammenhang mit Palästinensischsein bringen. Repräsentation meint allerdings nicht die Abbildung von etwas »Dahinterliegendem«. Das palästinensische Subjekt ist nicht etwas Gegebenes, das in der Erzählsituation abgerufen wird. Es ist etwas, was sich stets formiert, auch in der Erzählung und durch die narrative Praxis. Die Erzählenden waren immer wieder in ihrem Leben mit der Anrufung – oder häufiger – mit der Verneinung von Palästinensischsein konfrontiert. Durch meine Anrufung, ihr Leben als Palästinenser zu erzählen, aktivieren sie all das, was sie mit einem palästinensischen Leben verknüpfen. Die Erzählung ihrer Lebensgeschichte ist eine Vergegenwärtigung all der Ereignisse, in denen sie sich als Palästinenser erkannten bzw. nachträglich als Palästinenser erkennen, eine Mischung aus persönlichen Schlussfolgerungen von Erfahrungen, früheren Interpellationen, Projektionen, Tabuisierungen, d.h. Deutungen von Palästinensischsein ihrer Umgebung. In der Erzählsituation und in der Beziehung zum zuhörenden Gegenüber reaktualisieren sie all das, was sie in Bezug auf Palästinensischsein in anderen »Beziehungen« erlebt haben, wie wir es vom Konzept der (Gegen-)Übertragung (Freud, 1912) kennen. Im Folgenden sollen einige Erzählungen genauer betrachtet werden.

3.1

»Warum seid ihr gegangen?«

Ein zentraler Teil palästinensischer Exilerfahrung in Westeuropa ist gekennzeichnet von einer auswegslosen Double-bind-Situation: Einerseits war man schuldig, weil man gefangen war in der Repräsentation, Täter zu sein, was potente Positionen wie Wut und Widerstand, aber auch nur schon Sichtbarkeit mit Schuld behaf-

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Tabu, Trauma und Identität

tete. Andererseits wurde man durch ein zugeschriebenes Unvermögen schuldig, weil Vertriebenwerden als selbstverschuldet dargestellt und als Niederlage wahrgenommen wurde. Der Grund für letztere Wahrnehmung liegt u.a. in den Praktiken indirekter Vertreibung. Sie stellen, wenn auch weitgehend unbekannt, die seit 1967 am häufigsten angewandte Form der Vertreibung dar: Die Vertreibungen erfolgten nach 1947/48 nicht mehr in Massen und durch direkte Gewalteinwirkung, sondern meist indirekt wie etwa durch den Entzug der Lebensgrundlagen oder bürokratische Diskriminierung (Pappe, 30.11.2012). Deshalb fühlte man sich selbst dann schuldig, wenn man sich eingestand, dass man Betroffener von Gewalt war (und nicht Täter), wie wir später sehen werden. Die Repräsentation von Vertreibung als »selbst verschuldet« erfolgte über jene Diskurse und Narrative, die im letzten Kapitel vorgestellt wurden. Palästinensische Stimmen nahmen diese Diskurse auf. Besonders die Post-Nakba-Generation, der viele Angehörigen der ersten Generation – dazugerechnet werden hier auch diejenigen, die 1947/48 als Kinder mit ihren Familien geflohen waren – angehören, machte die Generation ihrer Eltern – zu Unrecht – verantwortlich für die Vertreibungen (Darwish, 1998, S. 18). Sie waren wütend, fragten ihre Eltern, warum sie denn gegangen seien, und wussten nichts mehr von deren Abwarten, war diesen doch ihr Umstand des Vertriebenseins lange Zeit unbegreiflich gewesen (Badeen, 2013). Den Vertriebenen hatte man damals gesagt, sie könnten nach ein paar Wochen zurückkehren (Schnieper, 2012, S. 86). Nicht zuletzt durch UN-Resolutionen (und der eigens für die Umsetzung des Rückkehrrechts palästinensischer Flüchtlinge geschaffenen Kommission UNCCP) war ihnen die Rückkehr versprochen worden. Aus diesem Grund hatten viele ihre Schlüssel behalten. Viele Angehörigen der Post-Nakba-Generation reagierten mit Verachtung und Scham auf die Vertreibung ihrer Elterngeneration und schließlich auch auf die eigene Vertreibung, wie wir sehen werden. Dies erinnert stark an die Affekte, welche zionistische Nicht-Schoa-Erfahrene in Israel den Überlebenden der Schoa entgegenbrachten und welche Deutsche der palästinensischen Erfahrung immer noch entgegenbringen.

3.1.1

Das Phantasma des Widerstands – das Beispiel M. F.

Die oben genannte ausweglose Situation zeigt sich in der Erzählung von M. F. besonders gut. Auf zwei Arten versucht er, sich und der Zuhörerin seine Unschuld zu beweisen: Um nicht Täter zu sein, protokolliert er akribisch die erlebte Vertreibung. Um seine Unschuld hieran zu versichern, versucht er erzählerisch zu beweisen, dass er alles getan hat, um nicht vertrieben zu werden. M. F. reiht in seiner Selbsterzählung Schlüsselereignisse aus seinem Leben aneinander. Die Auswahl des Erzählten ist durchdacht. Er habe sich auf eine Auswahl einschränken müssen, kommentiert er.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

M. F. hatte 1969 beschlossen, zum Studium in die Türkei zu gehen. Ihm wurden wie vielen anderen in den besetzten Gebieten Lebenden nach 1967 Ausreisegenehmigungen zum Studium im Ausland ausgestellt. Man musste jährlich, vor Ablauf der Genehmigung, nach Hause zurückkehren, um die nächste Verlängerung zu beantragen, ansonsten verlor man das sogenannte Recht auf Rückkehr. M. F. erzählt von der psychischen Gewalt des Militärs, von Einreisebehinderungen unter Berufung auf Terrorverdächtigungen, von Willkür, körperlichen und psychischen Demütigungen und Erpressungen. Vorsätzliche Behinderungen der Ein- und Ausreise wurden häufig eingesetzt, um die Studierenden von der Rückkehr fernzuhalten. Es herrschte die stetige Ungewissheit, ob er zurückkehren konnte. Ich ging also nach Istanbul … in die Türkei. Als Erstes lernte ich natürlich die türkische Sprache und machte die Aufnahmeprüfung an der Universität Istanbul. Die Zeit für das Lernen der Sprache und für die Aufnahmeprüfung nahm ein ganzes Jahr in Anspruch. Und natürlich, bevor ich an die Universität in Istanbul konnte, musste ich ins Westjordanland zurückkehren, um die Reisegenehmigung zu erneuern. Ich immatrikulierte mich dann an der Universität Istanbul, der Fakultät der Wissenschaften, Departement für Biologie … aaah im Jahr 1972 war der Bürgerkrieg … nicht Bürgerkrieg […] Ich erinnere mich, 1972 musste ich auch ins Westjordanland zurückkehren, um […] die Reiseerlaubnis zu erneuern, die ein Jahr gültig war. Wenn der Student nach einem Jahr nicht zurückkehrte, verlor er das Recht auf Rückkehr. Er verlor das Recht, das Westjordanland zu betreten. Und für mich war es sehr wichtig, in Verbindung mit dem Boden … mit der Heimat … zu bleiben … ich gehe noch ein wenig zurück, ich erinnere mich, ich war 14 Jahre alt, als ich ein ägyptisches Buch über Bakterien las. Da entstand mein Traum, Mikrobiologie zu studieren […]. Und ich entschied mich für das Biologiestudium. Dieses war notwendig, damit ich mit Mikrobiologie oder mit biologischen Wissenschaften weitermachen, Chemie, Medizin oder Pharmazie studieren konnte […]. So musste ich Biologie studieren, um meinen Traum verwirklichen zu können. Und der Traum, den ich hatte, war, Mikrobiologie zu studieren, weil, weil: Ich wollte zurückkehren ins Westjordanland nach Palästina und ein medizinisches Labor in Jenin aufmachen. Nun kann ich dir sagen, das Studium habe ich realisiert, … aber der Traum ging verloren. O. K … und jedes Jahr, wenn ich zurückkehrte, ins Westjordanland zurückkehrte, war ich auf der Brücke mit gewaltigen Problemen konfrontiert, die Brücke, d.h., die Brücke Jordaniens, wo der Schnittpunkt zum Übergang der Palästinenser zum Westjordanland ist. Das Verhalten seitens des israelischen Militärs war grauenvoll. Jedes Mal verlangten die Soldaten von mir, alle Kleider auszuziehen, sogar die Unterwäsche, zur bloßen Demütigung. Aber alles, all diese Probleme habe ich ausgehalten. Im Jahre 1972 verschlechterte sich die Lage noch mehr. Elf Monate meiner Geneh-

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migungsfrist waren schon verstrichen, d.h. noch ein Monat und ich konnte die Genehmigung verlieren, wenn ich zu spät war. Der israelische Offizier lehnte ab, mich ins Westjordanland reinzulassen, wenn ich ihm nicht helfen würde. Er verlangte von mir, als Spion gegen die PLO zu arbeiten, die palästinensische Befreiungsorganisation in Jordanien. Er forderte von mir: »Wo sind sie, die Soldaten? Wo sind die palästinensischen Fidā’īyīn?« Erstens: Ich lebe in Istanbul; ich weiß nicht, wo die Fidā’īyīn in Jordanien sind. Selbst wenn es mir möglich gewesen wäre, es ihm zu sagen; selbst wenn ich es gewusst hätte: »Ich brauche deine Hilfe nicht! Es ist mein natürliches Recht, nach sechs Monaten ins Westjordanland zurückzukehren. Ihr sagt von euch, ihr seid ein demokratischer Staat. Es ist mein gesetzliches Recht, mein demokratisches Recht.« Ich kann den Satz nicht vergessen, den dieser israelische Soldat mir gesagt hat: »Das Gesetz existiert nicht für euch. Das Gesetz bin ich, d.h., ich kann dir den Eintritt erlauben oder dich zurückweisen. Geh zurück nach Jordanien, bleib einen Monat dort und komm wieder in einem Monat.«1 M. F.s jordanischer Pass2 , den er für die Fortsetzung seines Studiums braucht, wird aufgrund seines Palästinensischseins und des Unerwünschtseins der PLO in Jordanien von den Jordaniern nicht erneuert, was ihn für das israelische Militär verwundbarer macht. Vermutlich empfand er seine damalige Ohnmacht in ihrer Verknüpfung mit der Ablehnung durch die arabischen Brüder3 als schambesetzt. Eigentlich hatte M. F. nur vom Schwarzen September 19724 erzählen wollen, um die Situation der Ohnmacht gegenüber der Willkür des israelischen Soldaten, in der er sich befand, zu erklären. Sichtlich enttäuscht von den jordanischen Brüdern, wollte er dieses Thema – auffallend ist sein Zögern – offenbar gar nicht streifen. M. F.s über mehrere Jahre andauernde Vertreibung nimmt fast den größten Teil seiner Erzählung ein. Er beschreibt sein Leben als eine Kette von Stationen einer langsamen indirekten Vertreibung, gegen die er sich unaufhörlich wehrt, bis es unmöglich wird: Bürokratisches Mittel der Vertreibung sind großzügig verteilte einjährige Ausreisegenehmigungen für Studierende, die dazu benutzt wurden, ihnen

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Gespräch mit M. F. (1/1), 2010; s. Index S. 307 im Anhang. Offiziell waren Jordanien und das Westjordanland bis 1990, sprich auch nach Beginn der israelischen Besatzung von 1967 und selbst nach dem Schwarzen September noch vereint (fakk al-irtibāṭ). Bis dahin blieben PalästinenserInnen im israelisch besetzten Westjordanland offiziell BürgerInnen von Jordanien (Badeen, 2013). Aus diesem Grund gab es auch nach 1967 noch jordanische Währung im Westjordanland und die LehrerInnen wurden von Jordanien bezahlt. Den Schwarzen September bezeichnet er als Bürgerkrieg. Denn ein Jahr zuvor bei der Schlacht von Karāma (maʿraket al-karāme) hatten Jordanier und Palästinenser noch gemeinsam gegen Israel gekämpft. Schwarzer September werden die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den jordanischen Streitmächten und den palästinensischen Gruppierungen genannt, die mit deren Vertreibung aus Jordanien endeten.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

durch physische und psychische Schikanen bei der Einreise bis zur Verweigerung der Ein- und Ausreisen die Rückkehr zu verunmöglichen. Als seine Ausreise aus dem Westjordanland während seiner Studienzeit in der Schweiz zum wiederholten Mal über Monate hinweg verhindert wird und dies seine Promotionsstelle gefährdet, kehrt er schließlich nicht mehr zurück und sein »Recht auf Rückkehr« verfällt. Die Gewalt der Vertreibung wurde auf diese Weise juristisch legitimiert und legalisiert. Begründet wurde sie durch eine Rationalität, die eine bestimmte ethnischsoziale Gruppe – die PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten – ihr Recht auf Rückkehr verlieren lässt, wenn sie die Ausreisegenehmigung nicht rechtzeitig erneuert. Diese Rationalität entfaltet ihre Wirkungsmacht lediglich aufgrund der Macht eines ethnokratischen Systems. Denn man kann nicht auf legale Weise ein (Individual-)Recht verlieren, außer man befindet sich in einem System, welches dies als rechtens definiert. Mittels der bürokratischen Gewalt imitiert dieses System das Recht, indem es dessen Sprache übernimmt. Die Menschenrechte gelten nunmehr nicht für diese Ethnie: »Das Gesetz existiert nicht für euch (al-qānūn miš mawǧūd bi n-nisbe ilkum)«5 , zitiert M. F. den Soldaten. Sie werden durch eine Rationalität der Willkür (»das Gesetz bin ich«/ana l-ḥaqq) und der Schuld ersetzt. Diese Rationalität bringt die Außerkraftsetzung des sogenannten Rechts auf Rückkehr in einen Kausalzusammenhang mit einem Verhalten, das nicht mit den Regeln der Macht konform ist (mangelnde rechtzeitige Verlängerung). Sich außerhalb des (für Menschen und Völker geltenden) internationalen Rechtsdiskurses befindend, unterliegen die auf diese Weise entwerteten, rassifizierten Subjekte einem quasi metaphysischen Recht: dem Recht der Allmacht bzw. des über sie herrschenden Systems, indem es sich über die Menschenrechte erhebt und ihre Richtlinien ersetzt, während die Unterworfenen zu Schuldnern werden. Auch ist diese über Diskurse hergestellte Realität der Entwertung so dominant, dass man sich ihr sprachlich nicht entziehen kann, sich vielmehr fast mit ihr identifizieren muss: »Ich habe das Recht auf Rückkehr verloren« (faqadtu […] l-ḥaqqi l-ʿawda)6 , nennt selbst M. F. seine Vertreibung. Er selbst verwendet nie explizit die Bezeichnung Vertreibung, sondern die Sprache des hegemonialen Diskurses, die Wahrheit definiert: das Recht verlieren. Die Macht von diskursiver Gewalt zeigt sich darin, dass es sich nicht vermeiden lässt, in ihrer Sprache zu sprechen. Sie schafft eine Realität, der man sich beugen muss, will man als soziales Wesen erfahren werden. Diese (bürokratische) Gewalt, die über Sprache gewaltsam wirkt, findet in der Schweiz als eine Geschichte der Ausgrenzung und der Projektion ihre Fortsetzung. Es ist die der Ausgrenzung von PalästinenserInnen als Betroffene systematischer Gewalt und die der Projektion von Gewalt auf sie. Zusammen mit den Etappen

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Gespräch mit M. F., 2010. Gespräch mit M. F., 2010.

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seiner Vertreibung bilden jene der in der Schweiz (aber auch in arabischen Ländern) erlebten Stigmatisierungen als Täter die Säulen von M. F.s Erzählung. Die zentralen Ereignisse sind die Besatzung von 1967, der schwierige Neuanfang mit finanzieller Not in der Schweiz, die Schilderung seiner Vertreibung, die eigentlich ein Aufgeben der Hoffnung auf Rückkehr ist und in seine Öffentlichkeitsarbeit als Reaktion darauf mündet, der durch ihn erreichte Wandel in der Schweizer Öffentlichkeit, das Scheitern des Erfolgs hierin durch die Selbstsucht anderer (in diesem Fall des Professors einer palästinensischen Universität), seine versuchte Einbürgerung und deren Ablehnung aufgrund der Gefahr, die von ihm für die Sicherheit des Landes ausgehen soll, die totale Kontrolle seines Lebens durch den Schweizer Staat, seine schließliche Einbürgerung und am Ende der Geschichte zynischerweise seine zeitlich begrenzte Rückkehr nach Palästina wie bei so vielen erst als Schweizer Tourist (für maximal drei Monate pro Visum), sein beruflicher und familiärer Erfolg, und dennoch – so endet die Erzählung – ein verlorener Traum. Die diskursive Gewalt in der Schweiz veranschaulicht M. F. anhand zweier Schlüsselszenen. Die erste Szene zeigt, wie es ihm gelingt, sich der Gewalt der Ausgrenzung und Zensur entgegenzusetzen und sie zu überwinden, während er in der zweiten Szene angesichts der Übermacht dieser Gewalt schließlich doch scheitert. In der ersten bringt M. F. eine UN-Ausstellung über palästinensische Flüchtlinge von Genf nach Zürich in den Lichthof der Universität, worauf es zu einer Auseinandersetzung mit der Universitätsverwaltung kommt, die die bereits genehmigte Ausstellung partout auflösen will: Nachdem ich 1977 hierher in die Schweiz gekommen war und das Recht auf Rückkehr ins Westjordanland verloren hatte, begann ich mit der politischen Arbeit an der Universität Zürich und zwar für die palästinensische Befreiungsorganisation in Genf. Für kurze Zeit hatte ich grauenhafte Beziehungen zu der Universität Zürich. Ich brachte eine Ausstellung über Palästina von den Vereinten Nationen in Genf an die Universität Zürich […]. Und dann veränderte sich meine Beziehung zur Verwaltung der Universität. Nachdem ich die Bilder im Lichthof der Universität Zürich für etwa eine halbe Stunde gezeigt hatte, kam der Generalsekretär der UZH [Universität Zürich] mit zwei Personen, von denen ich nicht wusste, wer sie waren, und verlangte von mir, einige Bilder abzuhängen. Die palästinensische Welt habe keinen Platz hier. Da habe ich von ihm verlangt, mir zu erklären, warum: »Die Bilder sind von den Vereinten Nationen ausgestellt worden und hier habe ich die Erlaubnis, sie im Lichthof auszustellen.« Er sagte mir, wenn ich nicht reagierte, werde Bern eingeschaltet und mir die Erlaubnis für die Ausstellung in der Universität entzogen. Ich antwortete ihm: »O. K., unter einer Bedingung: Der Platz der Bilder bleibt schwarz und ich schreibe an ihrer Stelle: ›zensiert‹ [deutsch] – es wurde zensiert.« »O. K.«, sagte er, »einverstanden.« O. K. Die beiden Männer, die mit ihm waren – ich glaube, sie waren von der jüdischen Gemeinde in Zürich

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

–, gingen und er fragte mich, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken würde, und ich erzählte ihm […] die Geschichte der Bilder … er sagte mir: »Ich verstehe dich. Ich war am Anfang gegen dich, aber jetzt bin ich mit dir.« Und es begann eine sehr warme Beziehung mit dem Generalsekretär. Während der Studienzeit war jeder Saal, jeder Raum, den ich für das palästinensische Anliegen beantragt habe, immer offen. Es war immer O. K. Einmal kam eine palästinensische Volkstanzgruppe hierher, und ich habe natürlich einen Saal für die Veranstaltung in der Universität Zürich beantragt … im Lichthof, um einen Volkstanz zu zeigen. Die Zustimmung war immer da. Man lud sie … die ganze Volkstanzgruppe sogar zum Kaffee in der Mensa der Universität ein. Der Hinweis »ich bin Palästinenser« … reichte, und man bekam einen Kaffee, ohne … ohne zu bezahlen. Eine Beziehung … eine sehr warme Beziehung. Die Universität war sozusagen auf derselben Linie wie Palästina.7 An dieser Geschichte wird ersichtlich, wie der Kampf um die Deutungshoheit der Gewalt in Palästina/Israel mit der Ausgrenzung des palästinensischen Narrativs und der Hegemonie des zionistischen einhergeht, was in der Figur des Leiters des Generalsekretariats der Universität Zürich als Repräsentant einer westeuropäischen Bildungselite und in dessen Loyalität zu den Männern der jüdischen Gemeinde verdichtet wird. M. F. gelingt es jedoch, die Machtverhältnisse umzukehren: Vor allem dadurch, dass er ihm dessen eigene Gewalt – die Zensur – aufzeigt, aber auch durch das Beharren auf seiner Deutung und das Erzählen der palästinensischen Situation gewinnt er den Generalsekretär für sich und die palästinensische Sache: Fortan lässt er M. F. jede Aktion der Öffentlichkeitsarbeit zu Palästina in der Universität mit Wohlwollen gewähren. Bern bzw. die Vorladung an den Bundesgerichtshof bildet dennoch den scheinbar unvermeidlichen Ausklang seiner Versuche, sich in der Schweizer Gesellschaft einen Raum für sich zu schaffen, ist aber nicht die direkte Folge seiner Öffentlichkeitsarbeit, sondern seiner Bemühungen sich einzubürgern. Anstelle seiner Einbürgerung wird er, wie bereits im Westjordanland und bei den Grenzübertritten auf dem Weg nach Hause, als »Terrorist« identifiziert, wie diese zweite Geschichte zeigt: Ohne Zweifel ist die Schweiz ein demokratisches Land, aber 1989 … 88 … habe ich versucht, die schweizerische Staatsbürgerschaft zu erlangen, weil ich verheiratet war, meine Frau hatte die Schweizer Staatsbürgerschaft, meine große Tochter L. F. war auch Schweizerin. Diese Periode, die Periode der Einbürgerungsprüfung, ich glaube, ich habe die Prüfung hier gemacht, 25 Minuten vor der Regierung von Dietikon. Ich musste 25 Minuten über die Situation in der Schweiz sprechen, über die politische Situation, die geografische Lage, die historische Lage, ich habe ein 25-minütiges Referat gehalten. Der Regierungspräsident hat die anwesenden Mitglieder gefragt: »Gibt es 7

Gespräch mit M. F. (1/2), 2010; s. Index S. 307-308 im Anhang.

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jemanden, der Fragen hat?« Nein, alles O. K. Sie haben mir einen Brief geschickt, dass mein Wissen über die politische Lage in der Schweiz detailliert war und die historische und geografische, aber ich weiß nicht was, der allgemeine schweizerische Geheimdienst hat mir einen Brief geschickt, ich müsse zu ihnen nach Bern gehen. O. K. Ich arbeitete in Bern, also ging ich zu ihnen. Es gab ein Verhör, das drei Stunden dauerte. Ich habe mich während des Verhörs gefühlt, als ob ich vor dem israelischen Geheimdienst wäre. Sie beschuldigten mich, ich würde mit drei palästinensischen Organisationen arbeiten, mit Fatah (Arafat), mit George Habasch (der PFLP) und mit Abu Nidal. Gut. Wie kann ich mit den dreien zusammenarbeiten? Es gibt zwischen ihnen keinerlei Verbindung. Wie kann ich mit den dreien zusammenarbeiten? Sollen sie von mir aus sagen, dass ich mit Arafat arbeite. O. K. Aber drei? Nein. Und dann haben sie mich beschuldigt, Millionen von der PLO zu haben. Gut. Ich habe Millionen! Ich habe, die Welt weiß, ich habe gearbeitet, um zu essen. Ich habe eine Woche bei der Post gearbeitet und in der Nacht Pakete getragen, die ganze Nacht, damit … weil ich davon einen Monat lang leben konnte. Und nachher, als ich zu arbeiten begonnen habe nach dem Doktorat, […] ging ich täglich von Zürich nach Bern. Wenn jemand Millionen hat, habt ihr keinen Bankauszug? Und natürlich kam die Ablehnung meiner Einbürgerung, weil ich eine Gefahr für die Sicherheit der Schweiz darstellte. Ich habe den Brief bis heute aufbewahrt. Im Jahre 1991 kam die Fichenaffaire ans Licht. 900 000 Schweizer hatten eine Fiche. Ich habe eine Anfrage für mein Dossier geschickt. Die Antwort war, ich hätte kein Dossier. Ich habe den Brief, der besagte, ich hätte kein Dossier, kopiert zusammen mit dem Brief von 1989, als sie mich ablehnten aufgrund der Gefahr für die Schweiz, die offenbar von mir ausging. Ich habe also beide Briefe kopiert und sie dem Ombudsmann geschickt. Nach zwei Tagen schickten sie mir einen Brief: »Ja, sie haben Sie angelogen! Ich habe Ihr Dossier angeschaut.« Das Dossier kam. Jede Bewegung, die ich gemacht habe, war drin! Jede Bewegung, jedes Telefonat, alles war im Dossier festgehalten: Heute ist er nach Genf gereist, heute nach Bern, heute hat er den angerufen, heute hat er mit einem Journalisten gesprochen, der ein Interview mit dem tunesischen Präsidenten Habib Bourguiba machen möchte. Alles war beschrieben, L. F. ist geboren am Stefanssonntag oder Stefansmontag. Sie haben sogar den Tag notiert, an dem wir uns für den Namen L. entschieden haben.8 Hier wird deutlich, wie die Macht der diskursiven Gewalt M. F.s Erfolg bei der Überwindung der Ausgrenzung (Universität) überdauert: Obgleich er die Einbürgerungsprüfung erfolgreich absolviert, wird sein Antrag abgelehnt und er von der Bundesanwaltschaft in Bern vorgeladen. Dort wird er beschuldigt, Millionär und

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Gespräch mit M. F. (1/3), 2010; s. Index S. 308 im Anhang.

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Mitglied in drei verschiedenen palästinensischen »Terrororganisationen« zu sein. Schließlich wird also nicht er als Person beurteilt, sondern die Kategorie, sein negativ konnotiertes Palästinensischsein: Trotz hoher Reputation bei der Universität Zürich, seinem sehr guten Beruf als Biochemiker, seiner erfolgreichen Absolvierung der Einbürgerungsprüfung, wie M. F. hervorhebt, gilt er aufgrund seiner Herkunft als Palästinenser und seinem Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit (nicht zuletzt wegen der Kriminalisierung der PLO) als Gefahr für die Sicherheit des Landes. Seine Antwort auf diese Gewalt ist die Aussage, er arbeite, er sei kein Millionär. Er unterstreicht, dass er ja jeden Tag nach Bern zur Arbeit gefahren sei, wieso sollte er das getan haben, wenn er denn nun Millionär sei. Dieser Einwand wird unterdrückt durch den Vorwurf der Täuschung, was nebst der Ablehnung des Einbürgerungsgesuchs und Vorwurfs der Gefährdung der Staatssicherheit sehr kränkend gewesen sein muss. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die stete Veranschaulichung seiner harten Arbeit,9 beginnend in seiner Kindheit, bereits im Hinblick auf die späteren ungerechtfertigten Vorwürfe zu betrachten ist: das Sich-selbst-Deuten als Form einer Reaktion auf diskursive Gewalt. Die Einbürgerungssequenz leitet M. F. bezeichnenderweise ein mit dem Satz, die Schweiz sei schon ein demokratisches Land, aber ... . Hier spielt er auf die unterschiedlichen Rechte der Menschen an (denn trotz tadellosem Hintergrund wird er abgelehnt), weiter vergleicht er das dreistündige Verhör in Bern mit den Befragungen durch den israelischen Geheimdienst bei seinen Besuchen zu Hause im Westjordanland. Dort war er jeweils über mehrere Wochen täglich zum israelischen Militär beordert worden, wo er jeweils mehrere Stunden absitzen musste, wenn er die Verlängerung der Ausreisegenehmigung wiedererhalten wollte. Dies repräsentiere das Klima, das damals in der Schweiz herrschte, wie M. F. später sagt. Die Reaktionen der Menschen in der Schweiz seien sehr belastend gewesen; der Begriff Palästinenser sei gleichbedeutend mit »Terrorist« gewesen.10 Die Projektion von Gewalt wird auf kafkaeske Weise ad absurdum geführt, indem sie in der Beschuldigung gipfelt, M. F. sei Mitglied in drei verschiedenen Organisationen, die nicht nur jeder Verbindung entbehren, sondern einander sogar feind sind, wie M. F. erklärt. Mit der Projektion von Gewalt ging das Verbot nach Anerkennung, Mensch und Betroffener von Gewalt zu sein, einher. Selbst der Kampf um diese Anerkennung kam einem terroristischen Akt gleich und wurde institutionell geahndet: Die Beschuldigung durch die Schweizer Bundesanwaltschaft kriminalisierte M. F.s Öffentlichkeitsarbeit, die schließlich seine Reaktion auf seine Vertreibung war. M. F. erzählt, er hatte die Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat aufgegeben, nachdem 9 10

Er betont immer wieder, wie hart er gearbeitet habe und dass er jeden Job angenommen habe, der ihm angeboten worden sei. Interview M. F., 2010.

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er mehrere Monate von der israelischen Militärverwaltung an der Ausreise in die Schweiz gehindert worden war. Weil er nichts mehr zu verlieren hatte, begann er nach der Rückkehr in die Schweiz mit der politischen Arbeit, die aus Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung bestand, die er auch für die PLO in Genf unternahm. Er betont, er habe absichtlich so lange mit dieser Tätigkeit gewartet, weil er sonst riskiert hätte, nicht mehr nach Hause zurückkehren zu dürfen.11 Seine Darstellung des politisch aktiv Gewordenen kann allerdings auch als Umgang mit dem Essentialismus der Negativstereotypisierung von PalästinenserInnen durch die Schweizer Behörden bzw. der Kriminalisierung von Widerstand und Aktivismus gesehen werden. Ich belegte Deutschstunden, versuchte zu arbeiten und hab so ein wenig Deutsch gelernt. Ich bin zur Uni gegangen. Ich habe mit dem Professor für Mikrobiologie der Universität Zürich gesprochen. Nachdem ich ihm meine türkischen Zeugnisse vorlegte, war er einverstanden, dass ich bei ihm am Institut für Mikrobiologie an der Medizinischen Fakultät promoviere. Ich musste zwei Semester nachholen und drei Prüfungen schreiben. Ich habe also zwei Semester im Fachbereich Biologie absolviert, hier hier an der Universität Zürich. Ich habe die drei Prüfungen erfolgreich bestanden und habe – ich glaube im Jahr 1977 – mit Mikrobiologie begonnen. Ja, im Jahr 1977 habe ich auch die Ausreisegenehmigung erneuert. Ich wusste, ich musste dafür zwei Wochen im Westjordanland bleiben, um die Ausreisegenehmigung zu erneuern. Aber die Bedingungen, die mir das israelische Militär auferlegte, … die Fesseln, die es mir auferlegte. Sie zwangen mich, sechs Wochen zu bleiben. Ich musste täglich zu Polizei oder zum Geheimdienst in Jenin und ab acht Uhr morgens bei ihnen im Korridor warten. Um fünf, wenn ihre Schicht zu Ende war, haben sie gesagt: »Geh weg und komm morgen früh wieder.« Ganze sechs Wochen lang … aaah … sechs Wochen! Am Ende erhielt ich die Genehmigung und ging in dieser seelischen Verfassung, in der ich mich befand, weg. Als ich das Auto von Jenin in Richtung Brücke, der Brücke nach Jordanien nahm, dem Übergang vom Westjordanland nach Jordanien, weinte ich den ganzen Weg, und als das Auto in ... in Jericho hielt, nahm ich dort zwei kleine Steinchen auf. Ich hatte das Gefühl, dass es unmöglich war, dieses Land je wiederzusehen. Ich nahm diese zwei Steinchen und einen von ihnen gab ich deinem Vater. O. K., als ich in der Schweiz ankam, im Jahr 1977, verlor ich die Hoffnung auf die Rückkehr ins Westjordanland, und ich begann mit der politischen Arbeit an der Universität Zürich und mit der palästinensischen Befreiungsorganisation in Genf.12

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Wie wir später (bei A. Z.) sehen werden, ist auch bei M. F. die Ergreifung von Macht (Öffentlichkeitsarbeit) verbunden mit der Aufgabe von Hoffnung (auf Rückkehr). Gespräch mit M. F. (1/4), 2010; s. Index S. 308-309 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Die von den israelischen Besatzern erlebte Gewalt empfindet M. F. als in der Schweiz fortgesetzt. Die moralische (und ideologische) Verurteilung als Terroristen legitimierte Praktiken, Palästinenser außerhalb des Rechts anzusiedeln. Sie wurden zu Vogelfreien, homines sacri, der Willkür des kleinen Soldaten – »das Gesetz bin ich« (ana l-ḥaqq) – und ganzer rechtsstaatlicher Systeme ausgeliefert. Letztere setzen das Recht in Bezug auf sie außer Kraft, begründet mit der Gefahr für die Sicherheit des Staates. Dies erlaubte Rechtsstaaten, ihre kleinsten Bewegungen rund um die Uhr zu überwachen. Als die Fichenaffaire entlarvt wurde und M. F. – erst nach Einspruch durch den Ombudsmann – Einsicht in seine Akten erhielt, stellte er fest, dass er rund um die Uhr und in allen Einzelheiten seines persönlichen Lebens überwacht worden war. Die institutionellen Praktiken der Ausschließung (als Betroffene von Gewalt), der Entwertung (unberechtigte Ablehnung der Einbürgerung) und Kontrolle (Fichen) gründeten allesamt auf Diskursen, welche PalästinenserInnen moralisch verurteilten und außerhalb der Norm ansiedelten. Sowohl die Rechtsprechung als auch die breite Öffentlichkeit (s. Szene mit Generalsekretär) entwerteten sie als Menschen und ihr Leid, indem sie sie als bedrohlich ansahen, weil sie einer bestimmten Ethnie angehörten. Eine ähnliche diskursive und institutionelle Gewalt erlebt M. F. auch vonseiten der jordanischen (und syrischen) Bruderstaaten. So erzählt er von der Erneuerung des jordanischen Passes, die ihm 1973 angesichts der Unerwünschtheit der PLO in Jordanien nicht gewährt wird, da er angeblich Mitglied in der Widerstandsgruppe Die schwarze Hand (al-kaff al-aswad) ist. Ähnlich wie in der Schweiz wird Gewalt sowie ein ideologisch aufgeladenes Palästinensischsein auf ihn projiziert. Arabische Staaten haben Kollektivbestrafungen von PalästinenserInnen für »Fehler« ihrer Führer immer wieder vollzogen. Das bedeutet, auch auf arabischer Seite verdrängte das Kollektivsubjekt den einzelnen Menschen. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass M. F.s Lebensgeschichte das Ansprechen gegen ein Tätersein ist, ein Beweisen von Unschuld. Mit der Erfahrungsaufschichtung und dem großen Raum, den die Erzählung seiner Vertreibung einnimmt, kommt das Gewalt erfahrende Subjekt zustande, eine Subjektposition, die ihn als Betroffenen von Gewalt legitimiert und als Unschuldigen markiert. Es ist der erzählerische Versuch zu beweisen, dass er vertrieben wurde. Diese Beweisnot geht einerseits auf die Erfahrung zurück, in der Schweiz kein Betroffener von Gewalt sein zu dürfen, sondern Täter sein zu müssen. Andererseits geht sie aus den Praktiken seiner Vertreibung selbst hervor, welche letztere zu seinem persönlichen Versagen machten: Obgleich es sich bei M. F. zwar um eine Vertreibung handelte, war es formell seine Nichterneuerung der Genehmigung, d.h. seine Aufgabe der Rückkehr, die dazu führte. Wie bei seiner Aufzählung von Gewalt in Form von Schlüsselereignissen, durch die er sich als Chronist betätigt, handelt es sich auch bei der Aufbewahrung des Ablehnungsentscheids seines Einbürgerungsgesuchs um ein Objekt der Erinnerung an die erfahrene Gewalt, das ihr Sichtbarkeit

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verleihen soll. Seine Lebensgeschichte ist eine Art Zeugnis, als stünde er vor einer Instanz, die bemüht ist, dieses Unrecht festzuhalten und eventuell zu ahnden. Wir werden später anderen Formen des Sprechens (dem Wahrheit Sprechen oder Beschwören) begegnen, die versuchen, den Sprecher als Betroffenen von Gewalt zu rehabilitieren. Hier sehen wir, wie die Lebensgeschichte selbst zu einem Zeugnis wird. Das exemplarische Erzählen seiner Lebensgeschichte dient dazu, dem Unbetrauerten, dem, was vom öffentlichen Diskurs im Westen nicht anerkannt ist und was ebenso wenig Eingang in das palästinensische kollektive Gedächtnis gefunden hat, mittels seiner Lebensgeschichte zu einem autobiografischen Monument zu verhelfen. Die Nakba hat nicht zuletzt durch die Ausgrenzung in der westlichen Öffentlichkeit eine hegemoniale Stellung in der palästinensischen Vertreibungsgeschichte inne. Als Symbol der Erfahrung der Massenvertreibungen von 1947/48 und 1967 überschattet sie gewissermaßen die zwar völkerrechtlich als Straftatbestand anerkannte, aber unspektakuläre, täglich geschehende indirekte ethnische Säuberung, der M. F. hier ein Zeichen setzt. Man merkt an seiner Akribie, dass es eine Erzählung ist, die er sich selbst schon oft vorgetragen hat. Es ist ein Erinnern von ihm widerfahrener Gewalt, das gerade auch an ihn selbst gerichtet ist, damit sie nicht vergessen, sondern eventuell irgendwann geahndet werde. Gewalt und Selbst sind eng miteinander verwoben. Solange die Gewalt nicht anerkannt wird, bleibt das Selbst von sich entfremdet. Würde er auf die Gewalt, d.h. auf deren Aufbewahrung und somit den Beweis ihrer Existenz, verzichten, würde er auf sich selbst verzichten, da Anerkennung für das Selbst existenziell ist. Das persönliche Erinnern von Gewalt – und damit ihre Reaktualisierung in der wiederholten Erzählung – ist somit auch Praxis der Selbstvergewisserung im Bemühen um die eigene Rehabilitation als Betroffener. Den Nachweis über eine andere Form von Unschuld soll das Widerstand leistende Subjekt erbringen. Dieses soll zeigen, dass er schuldlos an der erfahrenen Gewalt und nicht etwa freiwillig gegangen ist. Die Subjektposition des Widerstand Leistenden ist bei den ErzählerInnen nicht zuletzt aus vier Gründen mit Schuld behaftet. Es sind Diskurse, welche erstens die Vertriebenen zu Weggehenden – freiwillig oder auf Befehl der arabischen Führer – machten. Oder sie stellten sie zweitens als Menschen dar, die keinen Bezug zum Land hatten, das Land nicht verdienten, gar nicht im Zusammenhang mit dem Land existierten. Oder sie verorteten drittens die Schuld auf andere Weise, indem sie ihnen beispielsweise moralische Dekadenz oder Terrorismus zuschrieben. Eine weitere Schuldzuweisung erfolgte viertens dadurch, dass die Vertreibungen ungestraft geschehen konnten und nicht geahndet wurden – dies verlieh der Gewalt einen Hauch von Rechtmäßigkeit – oder durch die Praktiken der (indirekten) Vertreibung an sich. Die Schikanen und Hindernisse, die M. F. selbst bei den arabischen »Brüdern«, den Jordaniern, erfuhr, wurden dort ebenfalls mit dem Terrorismusvorwurf gerechtfertigt, der wiederum

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an seine Herkunft geknüpft war. M. F. kommentiert dies letztlich mit der Aussage: »Meine einzige Schuld war, dass ich Palästinenser bin.« Im … ich glaube, im Jahr 1973 war die PLO außerhalb Jordaniens, den jordanischen Reisepass – ich hatte den jordanischen Reisepass – musste ich erneuern, weil der Aufenthalt, der Studienaufenthalt in der Türkei von der Gültigkeit des Reisepasses abhängig war […]. Für die Passerneuerung schickte ich den Pass zur jordanischen Botschaft, aber ich wartete letztlich vergebens auf eine Antwort des jordanischen Konsuls. Ich rief ihn an und er hiess mich, mich nach Ankara zu begeben … 500 Kilometer liegen zwischen Istanbul und Ankara. Also ging ich nach Ankara und man sagte mir: »Ganz ehrlich, wenn du nach Jordanien gehen würdest, du kämest nicht mehr raus. Du wirst gesucht …« Ich wurde gesucht vom jordanischen Geheimdienst und […] die jordanische Geheimpolizei hat mich als Mitglied der Organisation »Die Schwarze Hand« betrachtet. Weder war ich Mitglied der PLO noch der Fatah noch irgendeiner anderen politischen Organisation, denn mein einziges Ziel war, ins Land zurückzukehren, und ich wusste genau, wenn ich einer Organisation beitrat, wenn ich politisch tätig würde, würde der Umgang mit den Israelis sehr schwierig werden und ich würde das Rückkehrrecht verlieren. Es bestand also diese Anklage und ich konnte leider nicht nach Jordanien zurückehren aus Angst vor dem Gefängnis. Die türkische Sicherheit verlangte aber natürlich von mir die Erneuerung des Passes, damit ich mich für das nächste Semester an der Universität einschreiben konnte. Ich wusste nicht, was tun. Schliesslich ging mein Vater für mich nach Jordanien und löste das Problem mithilfe eines jordanischen Parlamentariers. Er hat bestätigt, dass ich kein Mitglied irgendeiner palästinensischen Organisation war, und der jordanische Reisepass wurde ausgestellt. Von 1969 bis 1975 gab es jedes Jahr Ärger, sei es in Syrien oder in Jordanien oder im Westjordanland. Wenn ich nach Syrien ging, hatte ich Probleme mit den Syrern, ich hatte Probleme mit den Jordaniern oder Probleme mit dem israelischen Militär, und die einzige Schuld, meine einzige Schuld war, dass ich Palästinenser bin. O. K., nach dem Studium der Biologie war es mir nicht möglich, ein medizinisches Labor in Jenin zu eröffnen. Ich hätte Mikrobiologie, Bakteriologie, vorweisen müssen. Finanziell war es mir nicht möglich, in der Türkei zu bleiben, denn meine Geschwister wollten auch studieren. Ich musste also in ein Land gehen, wo ich arbeiten und studieren konnte. Bevor ich mich 1975 in der Universität Istanbul exmatrikulierte, begann ich Ende 1974 nach einem Ort in Europa zu suchen und stellte Visumanträge beim Großteil der europäischen Länder. Ich habe die meisten europäischen Botschaften besucht, Schweden, Norwegen, Dänemark, England, Frankreich, Deutschland, Österreich, kein einziges europäisches Land hat mir ein Visum erteilt, damit ich ihr Land zu betreten konnte. Auf der schwedischen Botschaft hat mir ein Beamter gesagt: »Versuch es mit der Schweiz. Vielleicht wird dir die Schweiz ein Visum ausstellen.« Also ging ich zur schweizerischen Botschaft und

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tatsächlich, ein freundlicher Beamter hat mir ein Einreisevisum für die Schweiz ausgestellt. D.h., dass ich in der Schweiz bin, ist bloß ein Zufall, weil es das einzige Land war, das einem Palästinenser ein Visum ausstellte. Im Februar 1975 verließ ich die Universität Istanbul und im April kam ich in die Schweiz … .13 Die Tatsache, dass die Schweiz das einzige europäische Land war, das ihm ein Visum gab, sieht M. F. ebenso wie die Ablehnung und Probleme auf der Durchreise, die ihm immer wieder in arabischen Ländern, vor allem in Jordanien, widerfuhren, in seinem Palästinensischsein begründet. Beim Widerstand leistenden Subjekt handelt es sich somit um einen Versuch, sich dieser Schuld der Abweichung zu entziehen, um den Beweis, alles getan zu haben, um nicht vertrieben zu werden, und letztlich um eine Form von Identifikation mit der Projektion dieser Schuld. Dieser Schulddiskurs ist auch vor dem Hintergrund der Verachtung von M. F.s Generation für die Eltern-Nakba-Generation zu sehen. Der Topos der Schuld rund um die Vertreibung spiegelt sich ganz besonders in den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern wider. Die Generation von M. F. klagte ihre Eltern an und fühlte sich entmündigt. Sie hatte keine eigene Macht, andere arabische Staaten als Sprecher, und die UNRWA »kümmerte sich um sie«. Die Post-Nakba-Generation von M. F. sagte sich, die passive Haltung habe zu nichts geführt und nur eine weitere Niederlage, die Nakba von 1967, hervorgebracht. Sie wollte das Schicksal in die eigenen Hände nehmen; so kam es zum Aktivismus der PLO. Auch empfand sie Scham. Die Flüchtlinge von 1967 wurden beispielsweise Migranten (nāziḥūn) genannt, ohne die Konnotation von Vertreibung. Dass M. F. der Nakba-Generation die Vertreibungen zum Vorwurf macht, kommt in seiner Erzählung deutlich zum Ausdruck. M. F.s Familie stammte bereits aus dem Westjordanland und floh nicht 1947/48. Dennoch ist die Nakba auch für ihn traumatisch besetzt. Schließlich war er mit der Präsenz der Flüchtlinge von 1947/48 in den Lagern des Westjordanlands aufgewachsen. In diesem Zusammenhang ist die anwesende Abwesenheit der Nakba in M. F.s Erzählung sehr spannend. Gerade weil nie erwähnt, ist sie als Tabu präsent, als etwas, was eigentlich nicht mehr hätte geschehen dürfen, etwas, dessen Spuren er gesehen hat (die Flüchtlinge in den Lagern), dessen Wiederholung vermieden werden muss – und das dennoch wieder geschieht und zwar ihm. Das Trauma von 1947/48 durfte sich 1967 nicht wiederholen. Dennoch wiederholt es sich: 1967 und – später – mit seiner eigenen Vertreibung. Vom Krieg 1967 selbst spricht er nur ganz kurz. Er erzählt von der Hitze, dem Warten unter der Sonne, den Soldaten in den Jeeps, der Schutzlosigkeit durch den schnellen Rückzug der Jordanier, den willkürlichen Festnahmen der Soldaten, von der Flucht vieler Menschen. Die israelischen Truppen marschierten in die Dörfer

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Gespräch mit M. F. (1/5), 2010; s. Index S. 309 im Anhang.

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und inhaftierten willkürlich und unter Angabe frei erfundener Gründe Menschen. An einer Stelle erwähnt er, wie selbst ein großgewachsener Junge mit geistiger Behinderung unter dem Vorwurf des Terrorismus festgenommen wurde: Zu dieser Zeit war das israelische Militär natürlich innerhalb des Dorfs. Es gab viele Demütigungen. Sie versammelten die Männer und die Jungen im Hof der Schule. Der Sommer war heiß. Wir saßen unter der Sonne vom Morgen bis mittags um zwei oder drei. Uuuund sie haben … Leute gefangen genommen. Ihr Vorgehen war rein zufällig … ich erinnere mich, unter ihnen war einer, den sie gefangen nahmen, mit einem großen Körper, aber er war geistig behindert. Die Anklage, die sie gegen ihn richteten, war, dass er ein Terrorist sei. Von da an war es allen klar, dass die Leute, die in den israelischen Militärautos saßen und sagten, das ist ein Terrorist und das nicht, dass das alles bloß eine Lüge des israelischen Militärs war.14 1967 ließen die Jordanier die Palästinenser »quasi im Stich«. M. F. erzählt, für ihn als Jungen sei der Rückzug der jordanischen Truppen 1967 psychisch belastend gewesen. Er meint wohl die Verletzung, einfach so dem Feind überlassen zu werden. Den schnellen Rückzug der Jordanier 1967 stellt er ebenso wie den Schwarzen September von 1972 in den Kontext der Ablehnung, des Unerwünschtseins von PalästinenserInnen. Das traumatische Ausmaß von 1948 kommt im erzählten Konflikt mit seinem Vater, der fliehen wollte, zum Ausdruck. Sein Vater war dazu wohl durch Moshe Dayans Politik der offenen Brücken nach 1967 verleitet worden, die freie Fahrt vom Westjordanland nach Jordanien verhieß, selbstverständlich ohne Rückkehr. Etwa 250 000 Menschen waren so zu Flüchtlingen geworden. M. F. habe seinen Vater damals zum ersten Mal richtig angeschrien. »Geh du alleine«, habe er geschrien, »wir sterben hier.« (Interview M. F., 2010, 1) Auf seinem Land wolle er sterben, nicht irgendwo in einem Lager im Libanon, in Jordanien oder Syrien enden. Der Konflikt mit seinem Vater scheint ihn sehr zu bedrücken. Weil die Erinnerungen ihn zu sehr aufwühlen, verlangt er während des Erzählens nach einer Pause. Aaaaah … der Krieg von 1967, das war natürlich heftig, erstens … war die seelische Verfassung sehr schlecht, das israelische Militär hat geschlagen, die israelischen Kriegsflugzeuge haben bombardiert und am Boden, tatsächlich … am Boden war das jordanische Militär nicht vorhanden. Er wurde Sechstagekrieg genannt, aber was ich gesehen habe, war nicht ein Krieg von sechs Tagen, vielmehr war es einer von Stunden, von der jordanischen Regierung ging für das jordanische Militär der Befehl hinaus, sich auf die zweite Rückzugslinie zurückzuziehen. Die zweite Verteidigungslinie war das östliche Ufer des Flusses Jordan, d.h., am Westufer gab es keinerlei Widerstand seitens des jordanischen Militärs. Psychisch litten die Leute

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… sie litten … litten sehr. Klar verließen viele Leute das Land … verließen den heimatlichen Boden, und ich erinnere mich, mein Vater [förmlich, hochsprachlich] mein Vater [umgangssprachlich] verlangte von mir, ihm ein Auto zu bringen, damit sie fliehen konnten … Kufr Rai [Geburtsort von M. F.] verlassen. Zum ersten Mal in meinem Leben sage ich damals zu meinem Vater: Nein. Nein. Nein. Weil … es waren einige Personen der Familie, Kinder, dann meine Mutter und mein Vater. Und meine Großmutter war behindert. Auch dachte ich in meinem Kopf, wenn wir weggehen vom Land, vom Boden, heißt das … unsere Zukunft wird in einem Lager für palästinensische Flüchtlinge in Jordanien sein. Wie ich mich erinnere, habe ich zum ersten Mal meinem Vater Nein … gesagt. Ich habe ihm gesagt: »Wenn du fliehen willst, dann alleine! Bitte! Aber ich und die Familie, wir werden hier bleiben … hier auf heimatlichem Boden.« Und zum guten Glück fand er keinen Wagen, der ihn weggefahren hätte. Er blieb also bei uns auf heimatlichem Boden … im Haus. [verlangt nach einer Pause]15 Die Wiederholung der Schuld von 1967 muss für ihn dramatisch gewesen sein. Der Schuld-Topos war also bereits vor seiner eigenen Vertreibung da und muss durch seine Vertreibung bzw. Kapitulation noch verstärkt worden sein. Aus M. F.s damaliger sichtlicher Not in der Auseinandersetzung mit seinem Vater, die ihn während des Erzählens wieder überkommt, wird die Angst deutlich, so zu enden wie die Menschen in den Flüchtlingslagern. M. F. hatte natürlich gesehen, wie es den Menschen ohne ihr Land, d.h. in den Lagern, erging. Auch die existenzielle Bedeutung des Bodens erklärt M. F.s Sorge angesichts der bevorstehenden Flucht. Die palästinensische Gesellschaft war eine Agrargesellschaft, d.h., für die meisten bildete das Land die traditionelle Lebensgrundlage. M. F. assoziierte vermutlich die drohende Schwäche durch den Verlust des Landes mit der körperlichen Schwäche der Familienmitglieder und scheint folglich sehr erleichtert gewesen zu sein, als der Vater kein Auto fand. Außerdem führt die Auseinandersetzung die Verzweiflung über die Schwäche der Elterngeneration vor Augen. Sie zeigt den Konflikt zwischen M. F.s Verachtung und Scham über die Schwäche der Väter und dem durch die patriarchale Ordnung gebotenen Respekt für sie. Seine Not war so groß, dass er sogar den gesellschaftlichen Ort (seinen Vater), von dem er ausging und den zu respektieren ein wesentlicher gesellschaftlicher Wert war, herausforderte, indem er ihm den Gehorsam verweigerte. Die Ordnung des Vaters ficht er an durch die Verteidigung des Bodens, des Hauses und der Familie. Durch die Verteidigung dieser patriarchalen Werte wird der Sohn zu ihrem rechtmäßigen Statthalter und vereinnahmt die Rolle des Vaters für sich. Denn der Boden ist der Ort des Vaters, jener Ort, über den der Vater verfügt. Nachdem er dem Vater die Hilfe zu einer Flucht verweigert hatte, war dieser

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Gespräch mit M. F. (1/7), 2010; s. Index S. 309-310 im Anhang.

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gezwungen gewesen, bei ihnen im Haus zu bleiben, wie er nicht ohne Stolz betont. Den Ungehorsam gegen den Vater begründet er mit seiner Sorge um die Familie. Er beschuldigt ihn, er habe die Familie im Stich lassen wollen, obgleich aus dem Kontext hervorgeht, dass jener die ganze Familie mitnehmen wollte. Er spricht dem Vater das Verantwortungsbewusstsein für die Familie ab, weil ihr Dasein ohne Land nur in einem Lager geendet hätte. Sich selbst beschreibt er in Abgrenzung zum Vater als fürsorglich, umsichtig und um das Wohl der Familie besorgt. Die Projektion der Schuld mündet hier in einen Generationenkonflikt, der sich nicht nur um (nicht vollzogenen) Widerstand spinnt, sondern um moralische Haltungen wie Egoismus, Fürsorge etc., also um Schwächen einer moralischen Dekadenz, auch jener Dekadenz, mit der die Vertreibungen der PalästinenserInnen gern durch das westeuropäische und zionistische Narrativ legitimiert werden. Durch den Widerstand gegen den Vater verdeutlicht M. F. in der Erzählung, wie groß seine Bereitschaft gewesen war, sich gegen Flucht und Vertreibung zu stellen. Die Subjektivierung als Widerstand Leistender vollzieht er in seinem Selbstentwurf wesentlich über die Abgrenzung zum Vater. Hierdurch erfolgt nicht nur ein Sich-Distanzieren von der Schuld der Vätergeneration, die sich hat vertreiben lassen, sondern auch eine Abgrenzung von der Schuld in Bezug auf seine eigene Vertreibung. Der erzählte Konflikt kann deshalb auch in der Rückprojektion zu sehen sein, durch die M. F. sein Leben deutet und seinem Widerstand stärkeres Gewicht verleiht. Er hat auf diese Weise schon immer Widerstand geleistet, nicht nur bei seiner eigenen Vertreibung, sondern bereits 1967. Außerdem erfüllt er mit der Subjektposition des Widerstand Leistenden den Imperativ seiner Generation. Die Projektion von Schwäche auf den Vater scheint M. F. also zu erlauben, sich selbst als Widerstand leistendes Subjekt zu imaginieren. Dass es für ihn eine moralische Haltung ist, sich für Palästina einzusetzen, wird direkt im Anschluss an die Szene mit dem Leiter des Generalsekretariats der Universität Zürich deutlich: Auch wurde mir bekannt, dass die Universität Zürich Universitäten in Israel anerkannte. Also mussten sie auch die Universität X anerkennen. Die Universität X war in X [Anm. d. Verf.: Ort im Westjordanland]. Sie wurde vier, fünf Jahre zuvor eröffnet. Der Bitte wurde stattgegeben, aber der Dekan der Fakultät [X] der Universität X musste dafür hierher nach Zürich kommen. […] Er war in Lausanne, er war in Lausanne auf einer Pressekonferenz und machte einen Fehler […] und sagte, er sei ein Gesandter und Repräsentant der PLO in der Universität Zürich, und das war ein Fehler. Die Einladung richtete sich von einer Universität an eine Universität und nicht von einer Universität, der Universität Zürich, an die PLO! Da rief mich der Generalsekretär an und erzählte mir, wir hätten einen Fehler gemacht, es habe Unruhe gegeben, die jüdische Gemeinde setze sie unter Druck, dass der Besuch abgesagt werde. Aber sie waren nicht darauf eingegangen und der Direk-

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tor der Universität X konnte die Universität Zürich besuchen und es kam zu einer vollständigen Einigung, aber er musste alle Informationen über die Universität […] X schicken, damit sie anerkannt würde. Aber leider … leider kehrte er ins Westjordanland zurück und reichte keinerlei Informationen über die Universität X ein. Hätte die Universität Zürich die Universität X anerkannt, wäre es die erste anerkannte arabische Universität in Zürich gewesen, […] aber leider, leider, leider. Das sind Persönlichkeiten, die es in jedem Volk auf der Welt gibt. Ich hasse ihre Umgangsformen, weil sie nur für sich selbst arbeiten und nicht für ihr Volk. O. K., natürlich leistete ich aktiv auch außerhalb der Universität Zürich politische Medienarbeit, ich kann dir jetzt nicht alle Geschichten erzählen, um es kurz zu machen, ich verrichtete etwa 30 % meiner Zeit politische Arbeit für Palästina, 30 % arbeitete ich ... um, um zu essen und 40 % für das Studium. Und Gott sei gelobt verlor ich in dieser Zeit auch das Recht auf Rückkehr. Das Doktorat schloss ich im Jahre 1983 ab, im Jahre 1983 heiratete ich auch und ich begann in meinem Beruf zu arbeiten, aber bis jetzt trauere ich dem Traum nach, der verloren ging. Der Traum, den ich seit meiner Jugend träumte, dass ich ein Labor in Jenin eröffnen würde, ging verloren.16 Die Universität Zürich wollte die Universität X anerkennen, doch das scheiterte am Versäumnis des Direktors von X. Das Ziel wird also aufgrund der Selbstsucht der eigenen Leute nicht erreicht. Den Direktor schildert M. F. als jemanden, der zuerst den Fehler begeht, sich als Vertreter der palästinensischen Befreiungsorganisation zu präsentieren und in dieser Funktion mit der Schweizer Universität zu verhandeln anstatt als Repräsentant einer ausländischen Universität, und dann – obwohl die Sache geklärt werden konnte – als jemanden, der kam, um Kaffee zu trinken, und wieder ging, ohne sein Anliegen letztlich zu Ende zu bringen. In Abgrenzung zum egoistischen Direktor der Universität X als negativem Gegenpart positioniert er sich selbst als jemand mit einer bestimmten inneren Haltung (nämlich einer selbstlosen), die sich natürlich auch im Ausmaß des Engagements äußert. Die moralische Identität, die er hier schafft und sich selbst zuschreibt, ist damit das Gegenteil von Selbstsucht: Er ist vielmehr jemand, der sich für sein Volk engagiert. Mit der ethischen Wertung politischer Arbeit geht eine Loyalität gegenüber dem Kollektiv einher. Eine ähnliche moralische Schwäche, von der er sich klar abgrenzt, schreibt er auch seinem Vater, einem anderen Träger von Macht, zu: Er inszeniert ihn (aufgrund dessen Fluchtwillens) als egoistisch und verantwortungslos gegenüber der Familie. Dem Recht der Macht bzw. der performativen Inszenierung, sich außerhalb jeglichen Rechts zu befinden, setzt M. F. auch sein natürliches Recht entgegen. Dem israelischen Soldaten an der Grenze, der ihm sagt, für ihn (M. F.) sei das Recht

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nicht vorhanden, entgegnet er, es sei sein natürliches Recht, nach Hause zu gehen. Auf die rechtliche Willkür reagiert M. F. mit der Betonung der Wichtigkeit des natürlichen Rechts. Dieses natürliche Recht nimmt er wieder auf als zentralen Teil seiner Selbstdeutung. Er gestaltet seine autobiografische Erzählung auf eine Weise, die seine Beziehung zum Land in den Vordergrund stellt. Der Nachweis der Verbundenheit mit dem Boden wird dabei nicht von ungefähr besonders wichtig, da dieser Bezug immer wieder aberkannt wurde. Um diesen Topos entspinnt M. F. ein Narrativ der Legitimation, das eine Antwort auf die Delegitimation als Betroffene von Gewalt und seine Identifikation mit dem Mythos, keine Beziehung zum Land zu haben, veranschaulicht. Die Vertreibungen der PalästinenserInnen wurden (und werden noch) verneint durch Mythen, die PalästinenserInnen seien nicht vertrieben worden, sondern freiwillig weggegangen, weil sie keine Beziehung zum Boden gehabt hätten, deswegen auch das Land vernachlässigt und somit nicht verdient hätten. Diese Mythen gehen auf das Begehren zurück, den Indigenen nicht nur physisch, sondern auch diskursiv zu ersetzen. Der Nichtexistenz der Indigenen wurde das Erstgeburtsrecht der neu eingewanderten modernen Jüdinnen und Juden (durch die biblische Vertreibung ihrer angeblichen Vorfahren) beigesellt, was die Ansprüche von anderen (sprich der Indigenen) delegitimierte. Dieser Diskurs führte dazu, dass PalästinenserInnen als Subjekte nicht existierten. PalästinenserInnen wurden delegitimiert als Betroffene von Gewalt, als Akteure: als Besitzer bzw. Bebauer von Boden, als Träger von Rechten. Der Diskurs des natürlichen Rechts, der M. F. dem Soldaten entgegenhält, zeigt sich in seinem Lebensentwurf im starken Betonen seiner Verbundenheit mit dem Land, d.h. mit Boden, Erde, Haus, Dorf. M. F. schildert, wie er für die Schafe sorgte, das Land bebaute, die Investition an Zeit und Mühe, die Arbeit im Haus und mit der Natur, den Oliven etc. bereits in jungen Jahren. Er betont die lange Zeit, die er im Dorf verbrachte: dort geboren und aufgewachsen zu sein, die ganzen Grundschuljahre dort verbracht zu haben. Immer wieder nennt er zärtlich den Namen des Dorfs. Mein Name ist […] ich bin geboren am 3. Februar 1949 im Dorf Kufr Rai, einem Dorf im Bezirk Jenin im Westjordanland. Meine Kindheit … ich erinnere mich, war nicht schlecht. Ich glaube, als ich fünf Jahre alt war, habe ich begonnen zu arbeiten … aaah und mein Vater war leicht vom Gemüt … er hatte Land, Oliven und kaufte Schafe. Als ich fünf Jahre alt war, begann ich, die Schafe zu hüten … Mit sechs begann ich die Schule. Am Morgen hütete ich die Schafe, bevor ich zur Schule ging, und auch nach der Schule hütete ich die Schafe und am Freitag, dem Wochenende der Muslime, hütete ich auch die Schafe und im Sommer … in den Sommerferien drei Monate. Alles war mit den Schafen. In der Grundschule […] war ich die ganze Zeit in Kufr Rai […]. In dieser Zeit war jede Arbeit den Schafen gewidmet, den Oliven auf dem Boden, neben der Schule

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[…] ich war nicht in Kufr Rai während des Gymnasiums. Ich war gezwungen, in die Stadt zu gehen, nach Jenin, d.h., ich verließ das Haus, als ich 15 Jahre alt war.17 Er erzählt, wie er bei seinem letzten Besuch im Land traurig Steinchen von Jericho aufhob und mitnahm, als er ahnte, er würde nicht mehr zurückkehren, und sie in der Schweiz seinem Freund gab, der sein Schicksal teilte. Mit dieser Erinnerung trennte er sich auch von seinem Freund. Er hörte auf, ihn zu sehen, wahrscheinlich um dieses schmerzliche Gefühl in niemand anderem mehr gespiegelt zu sehen. Bereits zu Beginn seiner Lebensgeschichte deutet er an, wie wichtig es für ihn war, das »Recht auf Rückkehr« nicht zu verlieren. Er nutzt selbst den erzählten Kindheitstraum, um seine Verbundenheit und innige Beziehung zu Land und Heimat zu veranschaulichen. Er habe den Traum von einem medizinischen Labor in Jenin geträumt, nicht irgendwo sonst, deshalb sei es für ihn so wichtig gewesen, immer wieder zurückzukehren. Diese Verbundenheit habe ihn dazu gebracht, trotz aller physischen und psychischen Schikanen immer wieder zurückzukehren. Dies betont er, nachdem er erzählt hat, dass man das Recht (ungläubig betont er das Wort mehrere Male, als ob er es bis heute nicht glauben könnte) zurückzukehren verlor, wenn man die Ausreisegenehmigung nicht rechtzeitig erneuerte. Kurzum, er schildert eine sehr emotionale Beziehung zum Land, um den Nachweis zu erbringen, dass die erlebte Gewalt für ihn bedeutungsvoll war. Wie sehr der Erzähler der Zuhörerin die Relevanz dieser Gewalt nahelegen möchte, zeigt, dass ihm diese Anerkennung entsagt geblieben ist. Dass die Gewalt zu Recht (Recht der Macht) geschah (»das Gesetz bin ich«), weil er sich aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit in einem rechtsfreien Raum und rechtlosen Zustand befand (»das Gesetz existiert nicht für euch«), muss eine zusätzliche gewaltvolle Erfahrung gewesen sein, deren Tiefe er wohl selbst nicht begreifen kann. Die Natürlichkeit seines Rechts (die Indigenität), die Körperlichkeit seines Gefühls für den Boden, ist das Einzige, was er dieser Entrechtung entgegenzusetzen vermag. Die gefühlte Identität scheint vor allem die lokale für ihn zu sein, was nicht erstaunt, zumal Land im Sinne von Nation immer etwas Imaginäres ist (Anderson, 1983). Der zentrale Begriff ist Boden (arḍ). Heimat (waṭan) fügt er ganz schnell zu arḍ hinzu, als er zu Beginn betont, wie verbunden er mit dem Land ist und warum es schlimm für ihn war, das Recht auf Rückkehr zu verlieren. Es klingt angehängt und abstrakt – ein wenig so, als ob er sich einem Diskurszwang habe beugen müssen. Als er sich ganz zu Beginn vorstellt, nennt er auch nicht explizit Palästina als Herkunftsort wie die anderen, sondern sein Dorf und den Bezirk, zu dem es gehört, Jenin, und dann als größere Einheit das Westjordanland. Die Betonung der Bedeutung des Bodens bzw. der Natur spielt aber auch eine wichtige Funktion, sich als Widerstand Leistender gegen den Vater zu ermächtigen und von der Generation der Eltern abzugrenzen.

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Gespräch mit M. F. (1/9), 2010; s. Index S. 310 im Anhang.

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Die Stationen, die M. F. aufzählt, sind also eine Aneinanderreihung von Möglichkeiten, sein Recht zu verlieren. Seine Vertreibung schildert er durchwegs als ein Entkommen. Trotz Schikanen gelingt es ihm immer wieder, die Papiere zu erneuern. Dies zeigt nicht nur die stete Ungewissheit und wie sehr er das Unvermeidliche als eine Frage der Zeit erwartete, sondern auch, dass er der Vertreibung Widerstand entgegensetzte und er die eigene Vertreibung mit Schuld konnotiert. Schließlich geschieht die Vertreibung ganz leise bzw. er erwähnt sie ganz beiläufig, fast kleinlaut, gefolgt von einem »Gott sei gelobt« (al-ḥamdu li-llāh) – der Formel, die im arabischen Sprachgebrauch oft Verwendung findet, wenn man von Unglück spricht –, sodass man sie beim Zuhören fast verpasst, obwohl die Vertreibung selbst, der ganze Prozess mit vielen kleinen Etappen, den größten Teil der Lebensgeschichte einnimmt. Wie wir gesehen haben, spricht er von ihr als Verlust und Aufgabe von Hoffnung auf Rückkehr und deutet sie damit als seine Kapitulation. Denn sie ist die Folge seiner Aufgabe des Widerstands, sprich der Rückkehr. Die Schilderung seiner langen Vertreibung ist damit immer auch die Schilderung seines langen Nichtaufgebens, seines immer wieder Zurückkehrens und damit seines Widerstands gegen die systematische Vertreibung. O. K., ich war [1972] also gezwungen nach Jordanien zurückzukehren. Ich versuchte über den Kontakt des Büros der Vereinten Nationen in Jordanien die Probleme zu lösen, aber unglücklicherweise gab es keine Lösung und ich war gezwungen, einen Monat in Jordanien zu bleiben und danach wieder ins Westjordanland zu gehen. Im Westjordanland konntest du nicht sicher sein, ob man dir die Genehmigung noch einmal geben würde, um auszureisen und dein Studium fortzuführen. Es war immer ein Abenteuer, ins Westjordanland zurückzukehren […]. Das Ziel dieser schikanösen Behandlung war, dass die Studenten nicht mehr ins Westjordanland zurückkehrten, dass sie sich ausserhalb des Westjordanlands aufhielten und schliesslich das Recht auf Rückkehr verloren. Aber ich war geduldig und habe es ertragen, weil Palästina mein Land ist … und Kufr Rai mein Dorf und ich verbunden war mit dem Land.18 Die Geschichte seines Widerstands und seiner Vertreibung begleitet sein verlorener Traum vom medizinischen Labor in der großen Nachbarstadt Jenin. Immer wieder lässt er diesen als Parabel auf seine Vertreibung aufblitzen, als etwas, das hätte sein können, aber immer schon verloren war. Die Geschichte vom verlorenen Traum ist sozusagen die Parallelgeschichte zu Vertreibung und Widerstand. Einerseits symbolisiert der Traum die Möglichkeit eines anderen Lebens, andererseits ist er der Grund für M. F.s Rückkehr und damit seinen Widerstand, denn der Traum bindet ihn an die Heimat. Der Widerstand ist damit aber nicht zu Ende. Er scheint sich in seiner Erzählung durch alles hindurchzuziehen. Selbst nach der Vorladung 18

Gespräch mit M. F. (1/10), 2010; s. Index S. 310 im Anhang.

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bei der Bundesanwaltschaft in Bern leistet er Widerstand: M. F. bewahrt nämlich seinen Ablehnungsentscheid auf und fordert seine Fiche an, nachdem die Fichenaffaire zutage tritt. Zuvor hatte er Einsprache beim Ombudsmann erhoben, als man leugnete, dass von ihm eine Staatsschutzakte angefertigt worden war. Wie er der Stationen gewaltvoller Erlebnisse gedenkt, die er in Geschichten wiedergibt, und sie auf diese Weise wie die Artefakte bürokratischer Gewalt (Kopie der Ablehnung seines Einbürgerungsgesuchs, Fiche) aufbewahrt, so bewahrt er auch die Artefakte seines Widerstands gegen diese Gewalt sorgfältig auf (Einsprache gegen das Bestreitungsschreiben der Existenz seiner Fiche). Gegen Ende der Erzählung zieht M. F. eine Art Bilanz seines Lebens und kommt dabei auf den Traum zurück. Er habe eine sehr gute Stelle, sei Vizepräsident eines Labors in Zürich. Die Lage sei sehr gut, aber seinen Traum habe er aufgrund der israelischen Besatzung nicht verwirklichen können: in Jenin ein medizinisches Labor zu eröffnen. Der Verlust überwiegt also. Er hat beruflich alles erreicht, aber seinen Traum nicht verwirklicht, zumindest nicht in Jenin: »Das Studium fand statt, der Traum ging verloren«, wie er sagt. Denn der Traum war nicht nur, den gewünschten Beruf auszuüben, sondern diesen auch an einem bestimmten Ort, nämlich in Jenin, der größten Stadt des Bezirks, zu praktizieren. Er fährt fort: Nachdem er den Schweizer Pass erhalten habe, sei er jährlich wiedergekehrt als Tourist (erst als Schweizer wurde ihm überhaupt eine Rückkehr möglich) und habe ein Appartement in Ramallah gekauft, um die Bindung zum Land nicht zu verlieren, wie er explizit sagt (Interview M. F., 2010, 5). Sein ṣumūd ist nicht nur eine Deutung seiner Vergangenheit, sondern erstreckt sich als Vision, wie er seinen Lebensabend gestalten möchte, auch auf die Zukunft: Er habe vor, als Pensionär jeweils drei Monate (die maximale Visumsfrist), d.h. möglichst viel Zeit, dort zu verbringen. Der Wunsch soll also über den Schmerz des verlorenen Traums hinwegtrösten bzw. das zukünftige Vorhaben soll das Ungeschehene, die Rückkehr, wiedergutmachen. Diese Zugehörigkeit zum Land ist das, was der große Andere immer zu zerstören und zu ersetzen versuchte: diskursiv (Land ohne Volk, Juden als Hebräer, »sie werden vergessen« etc.) und physisch-bürokratisch-institutionell. Das Bemühen, diese Bindung nicht zu verlieren, wird auf diese Weise zu einer Form von Widerstand. Auch Palästinensischsein, die bedrohte Identität, fordert als Echo und Antwort auf diese Zerstörung die Imperative des ṣumūd, des Erinnerns, der Sichtbarkeit als Formen des Widerstands. Bei M. F. äußert sich dieser Imperativ in seiner Selbstrepräsentation: Der Widerstand hat seit seiner Jugend existiert und zieht sich durch sein ganzes Leben hindurch, ja setzt sich selbst als Wunsch bis in die Zukunft hinein fort. So zeichnet er das Bild von sich als einem Widerstand leistenden Subjekt. Doch auch wenn der Widerstand, d.h. das Festhalten an der Heimat, bis zum Ende anhält, also nicht nur bis zum Ende der erzählten Vergangenheit, sondern bis in seine Zukunftsvorstellungen übergeht – das große Aber bleibt. Seine Erzählung schließt M. F. damit, dass am Ende zwar alles gut kam in der Schweiz, dass er aber

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trotz allem seinen Traum verlor: »Aber mein Traum ging verloren (ḥilmī ḍāʿ).« Die Leerstelle also bleibt. Im verlorenen Traum, der sich durch seine Lebensgeschichte zieht, zeigt sich verdichtet die reale Gewalt, nämlich die Allmacht, und zugleich das eigentliche Trauma, die Ohnmacht. Der Traum, den er verlor, war ein Kindheitstraum, ein Traum von Potenz, den Jenin verkörpert. Er hatte davon geträumt, das Dorf nicht als armer Schafhütejunge zu verlassen und gezwungenermaßen in die große Stadt zu gehen, sondern als jemand, der es zu etwas gebracht hat: leistungsfähig, mächtig, als Inhaber eines medizinischen Labors. Er erzählt, dass er diesen Traum hatte, als er 14 Jahre alt war, d.h., er träumte ihn ein Jahr, bevor er nach Jenin aufs Gymnasium ging und deswegen sein Dorf verlassen musste. Es ist der Traum eines Jungen, der sich zwar fürchtet vor der großen Stadt, aber träumt, sie zu besitzen. Die Rückkehr als Mann mit Status ist der Traum eines Jungen, die Welt zu erobern. Ausgerechnet dieser Traum aus der Kindheit, vom Mannwerden und Sich-der-Welt-Bemächtigen, wird nun zur Metapher für die Leerstelle, die entsteht durch den Verlust von Selbstbestimmung, und damit für Ohnmacht. Verloren ging die Aussicht, ihn zu erfüllen, die Fähigkeit, ihn zu träumen, nicht bloß die Tatsache, ihn nicht verwirklicht zu haben. Der Traum, weshalb er immer wieder zurückkehrte trotz widriger Bedingungen, der Traum, für den er die Hoffnung auf Rückkehr lange nicht aufgab, der Traum, für den er Widerstand leistete, dieser Traum war also bereits verloren. Denn die Gewalt bestand darin, dem Zurückkehrenden zu vermitteln, dass nicht er, sondern die Allmacht, die Willkür, über sein Schicksal bestimmte. Hoffnung, das Resultat seiner Entmachtung, nicht der Glaube an Selbstbestimmung, war somit alles, was dem Zurückkehrenden blieb. Deshalb war am Ende das, was ihm die Rückkehr verunmöglichte, auch sein Verlust der Hoffnung (auf Rückkehr). Der Traum des Labors in Jenin symbolisierte diese Hoffnung. Doch es war ein verlorener Traum, da in ihm die Unmöglichkeit der Wunscherfüllung vorhanden war. Wie die Art und Weise seines Erzählens zeigt, war die Gewissheit des Verlusts des »Rechts auf Rückkehr« schon lange vor dem tatsächlichen Verlust da. Faktisch war der Verlust nämlich mit dem Verlust des Rechts auf Selbstbestimmung bereits eingetreten. Die Leerstelle war also immer schon da. Im Grunde lebte er ein Leben in der Hoffnung mit einem verlorenen Traum. Der verlorene Traum ist das Sinnbild dieser Ohnmacht, eine Metapher für den Verlust von Selbstbestimmung. Realität ist also der Zustand der Ohnmacht, während der Widerstand phantasmatisch bleibt. Die zentrale Stelle mit dem israelischen Soldaten, der über dem Recht steht, ja gar das Recht verkörpert, und mit M. F., der sich außerhalb des Rechts befindet (»das Gesetz existiert nicht für euch«), veranschaulicht einen essentiellen Aspekt der erfahrenen Gewalt: die Willkür und das Recht der Macht, welches stärker ist als Menschen- und Völkerrecht. M. F. kommentiert seine Reaktion des Widerstands bitter mit den Worten: »Und es war falsch, dass ich ihm sagte, es ist mein natürliches Recht und ihr nennt euch Rechtsstaat …«. Dieses Urteil »es war falsch«

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zeigt die Einsicht, dass der Allmacht nur mit Unterwerfung begegnet werden kann. Selbst die Suche nach der Anerkennung erfahrener Gewalt hatte faktisch in jedem Fall die (diskursive) Kriminalisierung und institutionelle Diskriminierung zur Folge: Bereits Öffentlichkeitsarbeit wurde in Palästina/Israel und in der Schweiz geahndet; in Palästina/Israel riskierte er die Nichterneuerung der Ausreisegenehmigung, in der Schweiz, nicht eingebürgert zu werden. Selbst sprachlich wird die Haltung des Widerstands, um die er so sehr bemüht ist (ṣumūd etc.), unterlaufen von der hegemonialen Sprache selbst. Gefangener dieser Sprache und damit der Deutung dessen, was mit ihm geschah, spricht er nie von Vertreibung, sondern vom Verlust des »Rechts auf Rückkehr«. Im Grunde weiß er, dass er sein Recht nicht verlieren kann, wie er es ungläubig wiederholt, weil es ein »natürliches Recht« (l-ḥaqq at-ṭabīʿī) ist, wie er reflektiert. Selbst wenn er sich über den Diskurs des natürlichen Rechts »rehabilitieren«, d.h. wieder ins Recht bringen will und seine Selbstdeutung u.a. danach ausrichtet, seine Verbundenheit mit dem Land zu beweisen, entrechtet er sich doch die ganze Zeit, indem er die erfahrene Gewalt als Verlust des Rechts und nicht als Vertreibung bezeichnet und indem er sich mit der Projektion, nicht das Recht zu haben, identifiziert, weil er dagegen anspricht. Die diskursive Gewalt schafft eine Wirklichkeit, der man sich nicht entziehen kann. Die hegemoniale Sprache verwendet sozusagen ihn und nicht er sie. Wo sie ist, gibt es ihn als M. F. nicht, sondern nur als jemanden, der das Recht hat oder nicht das Recht hat, in seinem Falle letzteres. Wenn die Sprache ein großer Anderer ist, der einem Gewalt antut, dann muss man sich fast in die Gewalt fügen, um (als soziales Subjekt) zu existieren. In die Schuld, die gefühlte Ablehnung und Scham – den Begriff Palästinensischsein verwendet er jeweils explizit in einem Kontext »verdienter« Gewalt (er musste Schikanen seitens Israels, aber auch der anderen arabischen Staaten erdulden, weil er Palästinenser war) – mischt sich also auch Ohnmacht aufgrund der Unmöglichkeit, sich zu wehren. Mit dem Phantasma des Widerstands kann nicht nur die Projektion der Schuld überwunden werden, sondern auch der Zustand der Ohnmacht. Die Diskrepanz zwischen reeller Ohnmacht und phantasmatischem Widerstand bzw. Sehnsucht nach eigener (All-)Macht zeigt sich in der Szene mit dem Leiter des Generalsekretariats der Universität Zürich besonders gut: M. F.s Gespräch mit ihm hat einen derartigen Wandel bewirkt, dass er gleichsam den Platz der beiden wahrscheinlich aus der jüdischen Gemeinde stammenden Männer übernimmt, die ehemals den Sekretär begleiteten und die Zensur durchgesetzt hatten. Die anfängliche Ausgrenzung der palästinensischen Welt durch den Generalsekretär der Universität Zürich wandelt sich zu einem vollkommenen Wohlwollen und einer Form von Loyalität. So beschreibt er alle Türen und jeden Saal als offen für PalästinaVeranstaltungen, Gratiskaffee für die Tanz-Gruppe, und das alles nur, weil er Palästinenser war. Er dreht die (Macht-)Verhältnisse also um. Hatte die staatliche Macht ihn bis zuletzt kriminalisiert, stößt er beim Sekretär der Universität Zürich

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

auf Wohlwollen und Bereitschaft zur Unterstützung seiner Öffentlichkeitsarbeit. Es gelingt ihm gar, die öffentliche Machtposition des hegemonialen Anderen in seiner Imagination abzulösen und seine Position der Ohnmacht in eine der Allmacht umzuwandeln: von der totalen Ausgrenzung zum totalen Willkommensein, welches er bewirkt. Wir sehen hier die Ambivalenz des Opponierens gegen den Anderen und des Begehrens nach ihm bzw. nach dessen Macht. Die Sequenz zeigt nicht nur sein Begehren, die Ohnmacht mit Allmacht zu ersetzen, sondern auch, wie sehr Anerkennung ihm Zugehörigkeit verleiht. Die Anerkennung durch den Generalsekretär als Symbol der öffentlichen Meinung und somit deren Wandel zu seinen Gunsten (und durch seine Anstrengung) scheint ihn endlich in eine Beziehung zur Welt zu setzen. M. F. war bereits als Kind mit den Folgen der Vertreibung von 1948, den Flüchtlingslagern, aufgewachsen, was sehr prägend war. 1967 wäre seine Familie (auf Initiative des Vaters, wie er erzählt) beinahe geflohen. Schließlich wurde er selbst Betroffener indirekter Vertreibung. Er erlebte Vertreibung als allgegenwärtig, fühlte sie als Schwäche und eigenes Versagen, die er in der Folge beim Vater verortete, während er sich über das Phantasma des Widerstands der gefühlten Schuld zu entziehen sucht. Das Widerstand leistende Subjekt identifiziert sich mit der Schuldzuweisung von außen, zu Recht Gewalt erfahren zu haben, d.h. vertrieben worden zu sein. M. F. will beweisen, dass er das Land verdient hat, weil er dafür gekämpft hat zu bleiben und nicht freiwillig ging. Die Diskursfigur, auf die er für die Konstruktion seiner Subjektivität zurückgreift, ist ein zentrales Element palästinensischer Identität seiner Generation; einer Generation, die die Gewalt, welche die Eltern erlebt hatten, verachtete, die sich den zionistischen und westlichen Deutungen der Gewalt, die sie erlebte, nicht entziehen konnte: kein Recht auf die Heimat zu haben bzw. rechtmäßig Gewalt zu erleben, weil man am falschen Ort war, sei es weil die Heimat einem nicht gehörte (Land ohne Volk) oder man sie nicht verdiente (aus Minderwertigkeit, religiösen Gründen oder weil man freiwillig ging).

3.1.2

Die Trennung vom Selbst – das Beispiel A. Z.

Auch der Erzähler A. Z. fühlt sich schuldig für seine Vertreibung. Wie M. F. ist er ein Betroffener indirekter Vertreibung, im Gegensatz zu M. F. wurde er bereits 1948 mit seiner Familie vertrieben. Während M. F. versucht, sich über die Abgrenzung zu seinem Vater und die Selbstpositionierung als Widerstand Leistender Erleichterung zu verschaffen, nimmt der Erzähler A. Z. die Schuld auf sich und scheint sich darin aufzulösen. A. Z. kam mit einem Stipendium der UNRWA aus Ostjerusalem in die Schweiz und hätte nach dem Abschluss seines Studiums in Lausanne die Schweiz verlassen müssen. Aber wie alle PalästinenserInnen aus Gaza und dem Westjordanland, die

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sich zur Zeit der Besetzung 1967 nicht zu Hause aufhielten, durfte er nicht zu seiner Familie zurückkehren. Dennoch rechtfertigt er, dass er nicht zurückkehrte, und betont immer wieder, dass er gezwungen wurde, in der Schweiz zu bleiben, als ob er sich genötigt sah, dies zu beweisen. Diese Erfahrung des Zwangs, an Ort und Stelle ausharren zu müssen, ohne die Wahl zu haben, bezeichnet er wiederholt als seine zweite, diesmal indirekte Vertreibung. Er knüpft dabei an seine Vertreibung von 1948 als vierjähriger Junge an. Beide Vertreibungen sind für ihn affektiv austauschbar und gleichermaßen mit Schuld behaftet: Was die Gefühle der Fremde betrifft, so möchte ich dir das wie folgt beschreiben. Es sind inzwischen – ich habe das Land 1962 verlassen – wie lange ist das nun her? Ungefähr 49 Jahre sind es, dass ich immer noch eine große Verbundenheit mit meinem Land Palästina habe wie jeder Palästinenser, gleichzeitig hege ich besondere Gefühle, weil ich nicht selber ausgesucht habe, in der Fremde zu leben. Ich wurde gezwungen, in der Fremde zu leben, d.h., als der Krieg von 1967 herrschte, habe ich mich so gefühlt, als ob ich die Heimat zum zweiten Mal verlöre. D.h., im Jahr 1948 haben wir Palästina verloren, bin ich geflohen, hat meine Familie mich von Palästina nach Jordanien mitgenommen, gleichzeitig sass ich 1967 in Lausanne, in der Schweiz, fest, und ich war gezwungen, an Ort und Stelle zu bleiben. Ich habe es also nicht gewählt zu fliehen und diese Gefühle, dass ich herausgerissen wurde aus meinem Land, aus meiner Heimat, sind omnipräsent, darum ist meine Liebe zur Heimat möglicherweise etwas ausgeprägter als bei anderen Leuten.19 Es scheint so, dass sein Nicht-Zurückkehren-Können von 1967 eine Wiederholung des Traumas seiner Vertreibung von 1948 darstellt und nicht bloß eine Erinnerung an 1948: Als der 1967er-Krieg vorbei war, habe er sich gefühlt, als ob er die Heimat zum zweiten Mal verliere. Das zeigt auch die bald darauffolgende Aussage, in der die gefühlte Gleichzeitigkeit von 1948 und 1967 zum Ausdruck kommt und in der er einen Versprecher macht, indem er die Situation von 1967 mit der Situation von 1948 verwechselt: 1948 hätten sie Palästina verloren, er sei mit seiner Familie geflohen, und gleichzeitig sei er 1967 in Lausanne gewesen und gezwungen gewesen, an Ort und Stelle zu bleiben. Er habe es also nicht gewählt zu fliehen. Mit dieser Aussage – wahrscheinlich meinte er, er habe es nicht gewählt zu bleiben, da er kurz davor von 1967 sprach und davon, dass er gezwungen gewesen sei, an Ort und Stelle zu bleiben –, bezieht er sich natürlich auf 1948, obwohl er gerade im Zuge ist, über 1967 zu sprechen. Es ist feststellbar, dass 1948 und 1967 – das erzwungene Weggehen wie das erzwungene Bleiben – für ihn affektiv dasselbe sind und wie präsent 1948 doch ist, obwohl er kaum darüber spricht und vor allem erst im Nachfrageteil. 19

Gespräch mit A. Z. (2/1), 2010; s. Index S. 311 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Bei M. F. verhält es sich ähnlich. Obwohl er 1948 nicht erwähnt, ist es sehr präsent in Gestalt der Flüchtlinge in den Lagern und der Angst, so zu enden wie sie. Die Aussage, 1948 hätten sie Palästina verloren, beschreibt A. Z. durch zwei gegensätzliche Ergänzungen näher: Er sei geflohen und seine Familie habe ihn mitgenommen. »Seine Familie habe ihn mitgenommen« korrigiert sozusagen die erste Aussage, er sei geflohen. Eine Aussage, die in der Tat seltsam ist, weil er von sich als vierjährigem Jungen spricht und er als solcher nicht diese Autonomie für sich beanspruchen kann. Wenn das »bin ich geflohen« ein Versprecher war, so hätte man erwarten können, dass er sich korrigiert hin zu »wir sind geflohen«. Er korrigiert sich aber hin zu »sie haben mich mitgenommen« (aḫadūnī). Anscheinend war ihm wichtig, sein Fliehen zu relativieren und zu betonen, dass die Flucht nicht aus eigenem Willen geschah. Dies kommt auch in seiner Aussage zum Ausdruck, er habe es nicht gewählt zu fliehen, die eigentlich bedeutete, er habe es nicht gewählt zu bleiben. Offensichtlich grenzt er sich gegen seine Eltern ab, indem er differenziert, dass die Flucht die Handlung seiner Eltern war, nicht seine; die Flucht ihm also (genauso wie 1967 das Bleiben) aufgezwungen wurde. Mit dieser Differenzierung löst er seine erste Aussage, er sei geflohen, auf. Einerseits scheint der Wille da zu sein, die Flucht ganz auf sich zu nehmen, obwohl er 1948 ein kleiner Junge war, andererseits der Wunsch, sich von der Handlung der Eltern (zu fliehen und ihn mitzunehmen) zu distanzieren. In dieser Ambivalenz verbirgt sich ein Konflikt, der dem Schulddiskurs entspringt. Diese These stützt eine ähnliche Beobachtung im Nachfrageteil: Also an diese Erinnerungen erinnere ich mich und ich erinnere mich [hebt Stimme an], als der arabisch-israelische Krieg begann, wie wir uns versteckt haben in den Zufluchtsorten. Wir gingen ins Dayr el-Lātīn in Ramle und versteckten uns beim Geräusch der Bomben und Geschosse etc. unter der Erde. Wir hatten Angst und deswegen war meine Familie vielleicht gezwungen zu fliehen (iḍṭarrū yimkin yihaǧrū). Weil wir Angst hatten, es herrschte Panik in … in ganz Palästina. Es geschahen Vorfälle (ḥawādit) ich weiß nicht, ob du davon gehört hast, in Dayr alYasīn geschahen einige Dinge und unsere Leute hatten Angst. Wegen uns haben sie es gelassen, wegen der Kinder haben sie gesagt: lasst uns fliehen! Ich war vier Jahre alt. D.h. ich erinnere mich kaum. Und als ich das zweite Mal Flüchtling wurde, war es auf indirekte Weise: Zur Zeit des 67er-Kriegs konnte ich nicht zurückkehren. Da war ich wie alt? [denkt nach] 23.20 Offensichtlich beschäftigt ihn die Frage sehr, warum seine Eltern geflohen waren. Seine Antwort ist, dass die Leute wegen der »Vorfälle«, wie er die Massaker nennt, Angst hatten (er vermeidet es, über die Massaker zu sprechen, deutet nur kurz

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Gespräch mit A. Z. (2/2), 2010; s. Index S. 311 im Anhang.

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Dayr al-Yasīn21 an). Die Kinder seien letztlich der Grund für die Flucht gewesen. Die wahrscheinlich uneingestandenen Vorwürfe gegenüber den Eltern – schließlich gehört er derselben Generation wie M. F. an – scheinen ihn aufgrund seines Respekts und seiner Dankbarkeit ihnen – insbesondere der Mutter – gegenüber in einen Konflikt zu bringen. Diesen Konflikt scheint er zu lösen, indem er die Schuld auf sich nimmt, wie auch das »bin ich geflohen« (haǧartu) oben zeigt. Indem A. Z. den Verlust der Heimat wiederholt als Zwang beschreibt, schützt er sich vor einer Schuld, die ihn sonst treffen würde. Dadurch beweist er, dass es schlimm für ihn war, die Heimat zu verlieren, dass er sie also nicht freiwillig aufgab. Sowohl 1948 als auch 1967 verbindet er immer wieder mit einem Moment des Zwangs. Offensichtlich überträgt er den Schulddiskurs von 1948 auf seine Vertreibung im Erwachsenenalter von 1967. Es wird darin sichtbar, wie sehr ihn die Frage der Wahlfreiheit bezüglich der Flucht beschäftigt, hinter der natürlich der Mythos des freiwilligen Gehens steht. Durch den wiederholten Vergleich von 1967 mit 1948, durch die differenzierte Erklärung, 1967 sei er zum zweiten Mal Flüchtling geworden, einfach indirekt, versucht er zu beweisen, dass der Zwang, in der Fremde zu bleiben, von 1967 auch eine Vertreibung war. Seine Identifikation mit der Position der Schuld zeigt sich auch in Erklärungen, mit denen er sich dafür rechtfertigt, weshalb er nicht zurückkehrte, obwohl er ohnehin nicht zurückkehren durfte: Nun nachdem ich mein Diplom erlangt hatte, sagten sie mir: Ich muss gehen. Wohin soll ich gehen? Ich habe das Diplom 1969 erlangt, nun, während meines Studiums, 1967, begann der Krieg, den man den Sechstagekrieg nennt. Ich habe also mein Studium abgeschlossen während des Kriegs, aber gleichzeitig konnte ich nach dem Diplom nicht zurückkehren ins Land. […] zweitens mein Beruf als Ingenieur war kein richtiger Beruf, um im Land zu arbeiten, weil ich als Ingenieur nicht für die Israelis bauen will, keine Siedlungen errichten möchte und die Arbeit, die vorhanden war, war, dass du für die Israelis baust, und ich war nicht bereit, mich damit abzugeben, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft, besonders weil es nicht rechtens ist und auf gestohlenem Land und dem Land meines Volkes.22 In seiner Rechtfertigung kommt die starke Verbundenheit mit dem Land, vor allem mit Land im Sinne von Boden, zum Ausdruck, indem A. Z. großen Wert auf die Erklärung legt, dass selbst wenn er hätte zurückkehren dürfen, er aufgrund seines Berufs und aufgrund der Besatzung nicht hätte zurückkehren können.

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Dayr al-Yasīn war ein palästinensisches Dorf mit ca. 600 Einwohnern, in dem zionistische Einheiten 1948 ein Massaker an Hunderten von PalästinenserInnen begingen, was viele Menschen in anderen Orten zur Flucht bewegte. Gespräch mit A. Z. (2/3), 2010; s. Index S. 311 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Wie bei M. F. ist auch die im Erwachsenenalter erlebte indirekte Vertreibung, nicht nur die der Elterngeneration bzw. die von ihm als Kind erlebte Vertreibung, schuldbehaftet. A. Z. durfte mit der Besatzung von 1967 zwangsläufig nicht zurückkehren, weil er sich zur Zeit der Besatzung nicht in der Heimat befunden hatte. Auf ihn wirkte also dasselbe Gesetz wie auf die 1948 Vertriebenen: Als (nicht-jüdische) Abwesende hatten sie (im Gegensatz zu jüdischen Menschen) kein Recht auf Rückkehr. Schuld rührt demnach aus der unauffälligen, juristisch legitimierten Natur der Praxis indirekter Vertreibung an sich, dadurch dass die erfahrene Gewalt vor allem bürokratisch erfolgte und nicht über physische Gewalt. Zudem spiegelt sich in A. Z.s wiederholt differenzierter Erklärung von 1967 als einer indirekten Vertreibung die Tatsache, dass diese Praktiken in der westlichen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind, geschweige denn, dass sie in einen größeren Kontext wie den der ethnischen Säuberung eingeordnet werden. Dass man als PalästinenserIn nicht zurückkehren durfte, war zwar ein israelisches Gesetz, das für die Betroffenen fatale Folgen hatte, wurde von der europäischen Öffentlichkeit als solches aber nicht angeprangert. Im Gegenteil, man verhielt sich so, als ob es dieses Verbot nicht gäbe. Dies zeigt sich in A. Z.s Aussage über 1969, die Zeit seines Studienabschlusses: Nachdem er sein Diplom erlangt habe, hätten sie ihm gesagt, er müsse innerhalb von zehn Tagen zurückkehren, doch wohin hätte er gehen sollen, fragt er abschließend. Dadurch, dass keine internationale Ächtung erfolgte, war das Unrecht nicht vorhanden. Durch die Nichtahndung dieser Gewalt und die stattdessen erfolgte Stereotypisierung als Terroristen in der Schweiz, wie A. Z.s Erzählung zeigt, fühlte man sich für diese einem zugefügte Gewalt verantwortlich. A. Z. fühlt sich nicht nur in Bezug auf seine eigene Vertreibung schuldig, er nimmt sogar jene Schuld, die er mit der als Kind erlebten Flucht seiner Eltern assoziiert, auf sich. Er imaginiert sich infolge dessen auch nicht als Widerstand Leistender wie M. F, der die Schuld bzw. Schwäche beim Vater verortet. Im Gegenteil, seine Erzählung widerspiegelt das Bemühen sich anzupassen. Dieser Versuch geht bis zur Selbstverneinung: A. Z. gab sich im öffentlichen Raum, für Polizei und Justiz (die Symbole staatlicher Gewalt), aber auch um eine Wohnung zu finden, als Jordanier aus. Denn die Kriminalisierung machte nicht bei Polizei und Justiz Halt, sondern wirkte in alle Bereiche des öffentlichen Lebens hinein. Sein Bemühen, nicht aufzufallen, wird sichtbar im Begehren nach Anerkennung durch seine Schweizer Nachbarn: »Wir sind wie Zement für diese Siedlung«, sagt A. Z. beim Betreten seines Reihenhäuschens stolz auf Deutsch. In dem Haus lässt nichts darauf schließen, dass hier Palästinenser (oder auch im weiteren Sinne Araber) wohnen, beispielsweise gibt es keine Landkarten von Palästina, wie sonst üblich. Erzählerisch zeigt sich der Versuch, die Fassade der Unauffälligkeit zu wahren, in der Art und Weise, sich selbst als moderaten, nicht extremistischen Menschen zu beschreiben und dem orientalistischen Diskurs der Kriminalisierung von Paläs-

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tinenserInnen entgegenzutreten. Er zeigt sich ferner in der Verdrängung und Ausklammerung von Brüchen. Der erzählte Teil ist klar gegliedert in einen Part über seine Jugend und Ausbildung, über seine Arbeit, seine Familie und in einen anderen Part über die Gefühle der Fremde sowie über die Verpflichtung gegenüber dem Anliegen seines Volkes. Wenn man den von ihm erzählten Teil mit dem Nachfrageteil vergleicht, so wird deutlich, dass im Nachfrageteil Brüche aufscheinen, welche die Erzählung nicht – zumindest nicht gewollt – preisgibt. Beispielsweise erzählt er von seiner selbstbewussten Fahrt zum Bewerbungsgespräch nach Basel, die er nur unternommen habe, weil er wusste, dass das Kontingent die Beschäftigung von Ausländern noch erlaubte. Dabei unterschlägt er die Negativstereotypisierung als Terrorist, die es verunmöglichte, ohne Unterstützung seiner Firma eine Wohnung zu finden. Er war trotz der Verheimlichung seines Palästinensischseins hinter seiner jordanischen Staatsbürgerschaft nicht in der Lage gewesen, eine Wohnung zu finden. Im erzählten Teil spricht er nicht über diese demütigende Erfahrung, die Basel für ihn gerade zu Beginn, d.h. nach seinem Umzug aus Lausanne, bedeutet haben musste, zumal er nach Studienabschluss, kurz bevor er eine Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsgenehmigung erlangt und eine Stelle in Basel angenommen hatte, aufgefordert worden war, das Land umgehend (innerhalb von zehn Tagen) zu verlassen. Auch die widersprüchlichen Gefühle bezüglich der Schweiz als Ort des Exils und, wenn auch erzwungen, als neuer Heimat zeigen sich erst im Nachfrageteil deutlich, ebenso die verdrängten Gefühle des Schmerzes (ḥasra) über die Trennung von seiner Familie, weswegen wir das Gespräch abbrechen müssen, und die Symbole der Repression (Polizei und Justiz), wenn sie auch kurz und unbenannt bereits im Erzählteil auftauchen. Auch über die konfliktbeladene Vertreibung von 1948 sagt er Genaueres erst im Nachfrageteil. Brüche und wirkliche Trauer werden ausgeklammert bzw. verdrängt. Sogar auf den Umstand der Selbstverneinung wurde ich erst im Nachfrageteil aufmerksam, als ich A. Z. nach der damaligen Reaktion der Menschen auf seine Herkunft fragte. Vor dem Junikrieg 1967 sei die Palästina-Frage der breiten Schweizer Bevölkerung nicht so präsent gewesen, erzählt er. 1967 hätten viele Israel unterstützt. Seine MitstudentInnen seien jedoch sehr interessiert gewesen, mehr darüber zu erfahren – aus reiner Neugier, weil er einen jordanischen Pass besass, aber eigentlich Palästinenser gewesen sei. Nach 1967 seien mehr Menschen auf die Palästina-Frage aufmerksam geworden, man habe mehr gewusst, und an der Uni habe es Demonstrationen für die Befreiung Palästinas gegeben. Aber als er nach Basel gekommen sei, sei alles viel schwieriger geworden. Er konnte nun zwar in der Schweiz bleiben, musste aber wieder völlig von vorn beginnen. Er kannte niemanden und sprach die Sprache nicht. Während er in seiner Studentenzeit in Lausanne aus seinem Palästinensischsein kein Geheimnis gemacht hatte, begann er sie in Basel zumindest im öffentlichen Raum mit seiner jordanischen Staatsbürgerschaft zu verschleiern:

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Als ich nach Basel kam, war meine Lage viel schwieriger, ich kam zur Zeit der Entführung des Schweizer Flugzeugs auf … auf dem Flughafen Zürich, ich hatte sogar Schwierigkeiten, ein Zimmer zu finden, als ich ein Zimmer gesucht habe als Jordanier – offiziell [auf deutsch] – war ich Jordanier, haben sie mich gefragt: »Trägst du Bomben in deiner Tasche?« [ungeduldig] Ich hatte also Schwierigkeiten, ein Zimmer zu finden, und einige Male haben sie mich zurückgewiesen, weil ich Araber bin, (überlegend:) vielleicht nicht nur weil ich Araber bin, vielleicht auch weil ich Ausländer bin, gemischt war es. Und wenn meine Firma sich nicht eingemischt hätte, hätte ich kein Appartement gefunden. Ich meine das Büro, sie sagten, sie haben sich eingemischt, sie haben einige Firmen angerufen, danach habe ich eine Wohnung gefunden [er ist peinlich berührt]. Also es war ein Problem am Anfang, dass die Menschen … für sie waren wir Terroristen, für sie waren wir gewalttätig, sie kannten nicht die richtige Realität, und hinzukommt, auch wenn es bei uns fundamentalistische Menschen gibt, nicht das ganze Volk ist so. Sie haben nicht unterschieden, also das war eine schwierige Zeit.23 Trotz seiner jordanischen Ausweispapiere war er mit Negativstereotypen wie dem gewalttätigen Terroristen konfrontiert, nicht zuletzt aufgrund der damals gerade stattfindenden Flugzeugentführungen. Es muss demütigend gewesen sein, trotz seiner Bemühungen, nicht als Palästinenser in Erscheinung zu treten, auf die Hilfe seiner Firma angewiesen zu sein. Als ich nachfrage, was er unter dem Wort »offiziell« genau verstehe, erzählt er, er sei durch die Vereinigung von Westjordanland und Ostjerusalem mit Jordanien nach 1948 wie alle anderen Jordanier geworden, und fährt dann fort: Alle Leute, die dort wohnten, wurden also Jordanier. Also trug ich den jordanischen Pass, bis ich wechselte, als ich Schweizer wurde, war ich gezwungen, darauf zu verzichten [rasch korrigiert er »sein Wechseln« und spricht schnell und ein wenig ungeduldig den anderen Grund an]. Es hat mich also zum Jordanier gemacht, für die Polizei war ich Jordanier, weil hier sind meine Papiere, Jordanier, so wie ich jetzt sage, dass ich Schweizer bin, nur dass meine Haare grau sind, deswegen habe ich gesagt »offiziell«, für die Polizei und für die Justiz war ich Jordanier und nachher wurde ich Schweizer.24 Die Sequenz veranschaulicht, welche Bezüge er zwischen materieller Identität, nationaler Zugehörigkeit und staatlicher Macht herstellt (oder eben nicht herstellt). Bildhaft zeichnet er in seiner Beschreibung »offizieller« (rasmī) Identität Polizei und Justiz als staatliche Kontrollorgane und somit als Repräsentationen der Staatsmacht, wie seine Imitation des kurzen Dialogs mit der Polizei zeigt: »für die Polizei

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Gespräch mit A. Z. (2/4), 2010; s. Index S. 311 im Anhang. Gespräch mit A. Z. (2/5), 2010; s. Index S. 311 im Anhang.

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war ich Jordanier, denn hier sind meine Papiere, Jordanier«. Der jordanische und der Schweizer Pass sind gewissermaßen austauschbar. Es sind Papiere, die ihn zum Jordanier oder Schweizer machten, um kontrollierbar zu sein für die Staatsgewalt. Durch die materielle Festschreibung von Nationalität wurde man zu einem kontrollierbaren Subjekt. Dies bedeutet offiziell für ihn, wie er am Ende nochmals zusammenfasst. Das offizielle (Jordanier-)Sein bezieht A. Z. jedoch auf weitaus mehr als auf materielle Identität, wie sein Gebrauch des Wortes offiziell bei der Wohnungssuche zeigt. Er bezieht es auf Repräsentationen der staatlichen Kontrollierbarkeit und gesellschaftlichen Normen, auf etwas also, das Palästinensischsein nicht gewährleisten konnte, weil im palästinensischen Fall nationale Identität aufgrund der kollektiven Staatenlosigkeit sich eben nicht materiell manifestierte und Staatlichkeit durch die Situation der Diaspora gewissermaßen transzendierte. Hinzu kamen die diskursiven Bedingungen in Westeuropa, die Palästinensischsein jenseits der Norm ansiedelten. Dies führte dazu, dass für A. Z. eine private Handlung in einem öffentlichen Raum wie die Wohnungsbesichtigung zu einem offiziellen Akt wurde bzw. dazu, dass er sich selbst in einem privaten bzw. öffentlichen Kontext staatlicher Kontrolle und gesellschaftlicher Normierung ausgesetzt sah. Doch die Annahme »offizieller« bzw. materieller Identitäten bleibt konfliktbesetzt, auch das Schweizersein, welches, wie er erzählt, das Jordaniersein in dieser Funktion ablöste. Das zeigt die direkt nachfolgende Sequenz: Er fährt fort, die Beamten, die ihn bei der Einbürgerung prüften, hätten ihn gefragt, warum er mehr als 20 Jahre mit der Einbürgerung gewartet habe, zumal viele Leute ihren Antrag bereits nach zwölf Jahren und einem Tag (die Mindestaufenthalts-Dauer für eine Einbürgerung) einreichten. Er erklärt, er habe eigentlich nicht Schweizer werden wollen. Er habe immer gehofft, dass er nach Hause zurückkehren könne. Interessanterweise stellt er sein eigentliches Nichtwollen in einen kausalen Zusammenhang mit seiner Hoffnung auf Rückkehr, wie aus Satzfluss und Intonation hervorgeht. Er erklärt nun die Gründe, warum er sich schließlich doch einbürgern ließ, und fragt sich selbst, ob er sich als Schweizer fühle: Ich ... ich hatte nicht das Gefühl, Schweizer werden zu wollen. In der ersten Zeit hoffte ich immer, dass wir eine Lösung finden und ich ins Land zurückkehre. Durch diese Hoffnung verlängerte ich immer wieder. Danach im Jahr 84 waren meine Kinder im Alter der Rekrutierung … in Jordanien, äh sie wären ins Militär gekommen, in die Armee. Daaas war einer der Gründe, die mich entscheiden ließen, weil wenn meine Kinder nach Jordanien gingen und sie waren 18 oder 20, erinnere mich nicht genau, so wären sie gezwungen gewesen, dem jordanischen Militär beizutreten. Mir fiel es schwer, sie ins jordanische Militär eintreten zu lassen, das Militär eines Landes, das nicht ihr Land war und in dem sie auch nicht gelebt hatten, so habe ich ihnen die Dinge erleichtert, indem ich Schweizer wurde. Gleichzeitig gab es bürokratische und praktische Gründe für mich: beispielsweise

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

lebe ich in der Region Basel an der Grenze zu Deutschland und Frankreich. Wenn ich mit dem jordanischen Pass nach Frankreich gehen wollte, musste ich manchmal 20, 30 Tage warten, damit sie mir ein Visum gaben, damit ich St. Louis oder wie es heißt, betreten kann. Das war für mich ein Ärger. Das Gleiche galt auch für Deutschland. Sooo habe ich mir also die Dinge erleichtert, indem ich Schweizer wurde. Natürlich [unterbricht sich gedankenvoll], wenn du mich fragst: fühlst du dich als Schweizer, sage ich dir [wirkt wieder etwas bedrückt, unangenehmer Gedanke, denkt nach, eine Frage, die er sich selbst wahrscheinlich schon oft gestellt hat:] … schwierige Gefühle zu sagen, dass ich Schweizer bin, aber ich bin froh, den Schweizer Pass zu haben, weil für einen palästinensischen Flü…Flü…Flüchtling wie mich: als Ersatzheimat ist die Schweiz – es gibt viele Menschen, die es sich wünschen würden, also als Ersatzheimat, also bezüglich [unterbricht sich und kehrt zurück] Ersatzheimat [wiederholt das Wort waṭan badil diesmal auf Deutsch noch einmal, ihm ist wichtig, dass ich es verstehe] und ich bin sehr glücklich, dass ich in der Schweiz bin und diese Ersatzheimat gefunden habe, und mit der Zeit lieben wir die Schweiz natürlich, wir mögen viele Dinge sehr gern … die Ordnung, den Respekt für Termine, die Sauberkeit, für unser Land wäre die Schweiz das beste Beispiel, ist die Schweiz für uns sehr nachahmenswert.25 Die Gründe, die A. Z. dazu bewogen, schließlich doch Schweizer zu werden, klingen rechtfertigend. Pragmatisch nennt er bürokratische Überlegungen: Er habe nicht gewollt, dass seine Söhne ins jordanische Militär eingezogen würden, in einem Land, das nicht das ihre sei. Außerdem habe es die Dinge für ihn erleichtert. Mit jordanischem Pass habe er für die Nachbarländer Deutschland und Frankreich, an deren Grenzen er wohne, immer lange auf ein Visum warten müssen, was sehr ärgerlich gewesen sei. Die anschließende, sich selbst gestellte Frage, ob er sich denn nun als Schweizer fühle, die er mir in den Mund legt und die er als Einwand gegen seinen Entschluss der Einbürgerung formuliert, zeigt, dass ihn beschäftigt, ob mit der neuen Staatsbürgerschaft auch ein Wandel seiner Gefühle einherging. Es scheint ihm ein Anliegen, (sich) zu beweisen, dass er mit dem neuen Pass keine neue Identität angenommen hat und sich nicht mit dem Schweizersein identifiziert. Die Schweiz sei für einen palästinensischen Flüchtling (er hat Mühe, das Wort über die Lippen zu bringen) natürlich etwas Schönes, viele würden es sich wünschen. Sich als Schweizer zu fühlen, davon könne man allerdings nicht sprechen: »schwierige Gefühle zu sagen, dass ich Schweizer bin« (aš-šuʿūr ṣaʿb aqūl innī anā swīsrī). Mit den schwierigen Gefühlen meint er tatsächlich negative Gefühle, wie sich in einem anderen Kontext zeigt, in dem er denselben Ausdruck (ṣaʿb) verwendet. Des Weiteren stellt er die affektiven Hierarchien klar, indem er einerseits

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Gespräch mit A. Z. (2/6), 2010; s. Index S. 312 im Anhang.

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die vielen Vorzüge der Schweiz aufzählt und sein Glück hervorhebt, als palästinensischer Flüchtling den Schweizer Pass zu haben, gleichzeitig aber unablässig betont, die Schweiz sei in erster Linie eine Ersatzheimat (waṭan badīl) und nicht mehr. Wie seine rechtfertigenden Erklärungen für die Schweizer Staatsbürgerschaft, scheint auch die Herstellung einer Hierarchie und Differenzierung zwischen Materialität und Gefühlen den Versuch zu bergen, einem Konflikt zu begegnen. In diesen gerät er vermutlich, weil es ihm in der Schweiz besser gefällt, als es sollte. Das Schweizersein scheint eben doch nicht bloß eine »offizielle«, materielle Identität zu sein wie das Jordaniersein. »Wir sind wie Zement für diese Siedlung« – dieser oben bereits zitierte Satz, den er mir beim Betreten seines Reihenhäuschens stolz entgegenhält, zeigt nicht nur sein Begehren nach Anerkennung, sondern auch seinen Wunsch nach Unentbehrlichkeit. Andererseits hatte das Schweizersein unweigerlich einen negativen Beigeschmack, weil das Leben in der Schweiz mit der Entwertung des Palästinensischen verflochten war. Nicht nur wurde das Eigene, das Palästinensische, durch Polizei und Justiz kriminalisiert, er war gezwungen, in der Fremde zu leben, wie er immer wieder betont. Zudem wurde die Möglichkeit einer Rückkehr nach Palästina – wenn auch nur als Tourist – ihm erst durch den Schweizer Pass zuteil. Erst er verhalf ihm zu seinen (genuinen) Rechten als Mensch respektive Palästinenser und der Möglichkeit, seine Familie wiederzusehen, wie er andernorts erzählt. Von seinem Konflikt zwischen seinem Schweizersein und seinem Palästinensischsein zeugt auch, dass A. Z. einen Kausalzusammenhang herstellt zwischen seinem Nicht-Schweizer-Sein-Wollen und der Hoffnung auf Rückkehr. Sein langes Hinauszögern der Einbürgerung aus der Hoffnung heraus, zurückkehren zu können, wie er sagt, ist in diesem Zusammenhang besonders interessant. Zum Erstaunen der Beamten nahm er also sein längst überfälliges Recht auf den Schweizer Pass nicht in Anspruch. Abgesehen davon, dass eine Rückkehr (gerade in der Zeit nach der Besatzung und vor Oslo) illusorisch war, mutet die Sorge, dass der Schweizer Pass die Rückkehr gefährden könnte, wie magisches Denken an: Als ob allein der Gedanke an die Einbürgerung die Hoffnung auf Rückkehr hätte nehmen können; umso mehr, als dass die Selbstrepräsentation als Jordanier ihn nicht vor negativer Stigmatisierung bewahrte und der Schweizer Pass im Gegensatz zum jordanischen ihm nebst anderer Erleichterungen ermöglicht hätte, seine Familie wenigstens als Tourist zu besuchen. Mit der Sorge um die Rückkehr brachte er sich lange um die Möglichkeiten, die ihm der Schweizer Pass geboten hätte. Diese Hoffnung kann als Schuld gegenüber der Heimat bzw. der Familie und der subalternen Identität gelesen werden, die ihn daran hindert, von seiner Handlungsmacht und der erzwungenen Fremde selbstbestimmt Besitz zu ergreifen. Diesen Zusammenhang kann die Sequenz über die Fremde, die in seiner Erzählung den größten Raum einnimmt, erhellen. Fremde meint bei ihm nur manchmal

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einen Ort, öfter jedoch mehr ein Gefühl. Das Gefühl der fremdbestimmten Abwesenheit von der Heimat. Denn wenn er über die Fremde spricht, spricht er vor allem über die Verbundenheit mit der Heimat. Sie macht die Fremde erst zur Fremde. Sie schließt sozusagen ein Heimischwerden in der Fremde aus. Seine Einleitung der Sequenz über die Fremde beginnt A. Z. mit dem Satz, er gehe jetzt zu den Gefühlen der Fremde über. Er wolle mir eine Idee geben von sich – die Fremde ist also untrennbar mit ihm verbunden! Er habe 1962 das Land verlassen, sei nun schon also etwa 49 Jahre hier. Und immer noch habe er eine große Verbundenheit mit seinem Land, mit Palästina, wie jeder Palästinenser. Das Ende der Sequenz schließt er mit den Worten: Das ist das, was ich dir im Moment sagen kann, äh … die Fremde. [Abschließend und nachdenkend zu etwas Neuem ansetzend:] Die Fremde ist natürlich noch schwierig für mich, obwohl ich hier lebe.26 Das Leben in der Schweiz hat also nichts mit der Fremde zu tun, im Gegenteil: Die Fremde lastet schwer auf ihm, obwohl (raġma innū) er hier lebt – in einem so wohlhabenden Land, muss man wohl ergänzen. Sie lastet nicht etwa schwer auf ihm, weil er in der Schweiz lebt. Er ist die Fremde; sie erklärt ihn, wie er oben andeutet. Diese Gefühle begründet er durch das Fehlen der Familie, denn er fährt fort: Wir haben versucht, ein wenig einen Ersatz für die Familie und so zu finden. Deshalb haben meine Frau und ich wirklich eine große Gemeinschaft, wir haben viele Freunde und besuchen uns oft gegenseitig. Wir konnten also zwei Gemeinschaften von Freunden erlangen … einen großen europäischen Freundeskreis und einen arabischen […]. Die Freunde sind für uns also eine Art Ersatz für die Familie. Die eigene Großfamilie ist ja nicht vorhanden hier, so sind die Freunde ein Ersatz. Auch an den Festen, schönen Gelegenheiten treffen wir uns. Die Familie mit den Enkeln treffen wir vor allem an den Festen und die Freunde bei jeder Gelegenheit. Auf gewisse Weise haben wir uns die Fremde über Freunde erleichtert, sodass wir nicht so eine große Leere empfinden.27 Die Familie muss ihm sehr gefehlt haben, zumal er im Nachfrageteil bei einer Frage nach Gefühlen von Trauer in Tränen ausbricht. Er erzählt, besonders als die Kinder klein gewesen seien und an den Feiertagen alle Augen auf Jerusalem gerichtet gewesen seien, sie aber nicht nach Hause hätten reisen können, sei es sehr schwer gewesen. Die Verbundenheit mit der Heimat ist aber nicht auf die Verbundenheit mit der Familie, von der er gezwungenermaßen fern lebt, zu reduzieren.

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Gespräch mit A. Z. (2/7), 2010; s. Index S. 312 im Anhang. Gespräch mit A. Z. (2/8), 2010; s. Index S. 312 im Anhang.

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Er machte schließlich lange Zeit nicht von seinem Recht auf Einbürgerung Gebrauch, die ihm das Wiedersehen seiner Familie ermöglichte. Die Verbundenheit mit der Heimat geht vermutlich viel stärker noch aus Schuldgefühlen gegenüber seiner Familie in Palästina hervor. Bezeichnenderweise außerhalb des Gesprächs erzählt A. Z., die Leute wunderten sich, dass er nach 50 Jahren noch sein Land verteidige. Und weiter: Er müsse aber, denn der Landraub schreite voran und seine Familie leide darunter. Er sei so verbunden mit seiner Heimat, weil es den Leuten dort nicht gut gehe.28 Fremde ist demnach tatsächlich weitaus mehr als ein faktisches Fremdsein im Sinne eines Nicht-im-Lande-selbst-Seins, sie ist eine Form von Schuld, von Überlebensschuld. Was das Heimischwerden im Exil erschwert, ist also die Angst, die Familie dadurch im Stich zu lassen. Die Sorge, die Verbundenheit mit der Familie und der Heimat zu gefährden, ist nur eine Folge dieser eigentlichen Angst. In diese Schuld mischt sich vermutlich auch das schlechte Gewissen über den Konflikt mit den Eltern, der Nakba-Generation (die Eltern waren geflohen und hatten ihn mitgenommen, wie er andernorts differenziert). Den uneingestandenen Vorwurf gegenüber den Eltern, nicht geblieben zu sein, wendet er schließlich gegen sich selbst, wie wir gesehen haben: Die Eltern seien wegen ihnen, den Kindern, aus Angst geflohen.29 Hinzu kommen Konzepte wie ṣumūd, sprich das Ausharren im Lande, die als wichtige Topoi im palästinensischen Kanon zirkulieren und sich bei ihm in einem inneren ṣumūd, in der großen Bedeutung affektiver Verbundenheit mit der Heimat, äußert. Nicht von ungefähr, gleichsam assoziativ, folgt dem Teil über die Fremde der Part über die Verpflichtung (iltizām) gegenüber dem palästinensischen Anliegen (qaḍīya) – wenn die Gesprächspartner vom palästinensischen Anliegen sprechen, meinen sie das Engagement gegen jene Gewalt, die ihr Volk erlitt und die bis heute andauert: Nach der Schilderung seiner großen Liebe zur Heimat aufgrund seiner zweifachen zwanghaften Entwurzelung kommt A. Z. auf diese Verpflichtung zu sprechen, die (wie man es der Liebe nachsagt) immer bestehen geblieben sei. Natürlich ist meine Verpflichtung gegenüber dem Anliegen meines Volks vorhanden geblieben und hat mich zu einem Aktivisten gemacht im Bereich der Medien. Ich habe mich mit Palästinensern getroffen, mit den Jungs, mit den Repräsentanten der Organisation. Als wir jung waren, waren wir für die Revolution und mit ihr – ich meine, alle Leute wollen Freiheit für ihr Volk. Bis jetzt nehme ich an vielen Vorträgen teil, die alle über Palästina sind […] Natürlich gehöre ich zu denen, die dazu neigen, friedliebend zu sein, auch bin ich realistisch in der Sache der

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Auch bei S. A. löste erst das Leiden der Alten das Bewusstsein seiner Fremde aus. Vgl. Nachfrageteil: »Wie alt warst du, als du Flüchtling geworden bist?« (Interview A. Z., 2010)

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Zweistaatenlösung, weil es für mich keine andere Lösung gibt außer einem jüdischen und einem palästinensischen Staat nebeneinander. Natürlich von der Seite des Herzens, so kann man sagen, gehört Palästina meiner Meinung nach allen Palästinensern. Aber von der Seite des Verstandes, der Realität und der politischen Umstände – denn es gibt niemanden, der uns helfen möchte –, besonders von den Europäern und Amerikanern. Bei einer Zweistaatenlösung als einer echten Lösung könnte sogar mein palästinensisches Volk in Freiheit leben, [zumindest] in einem Teil meiner Heimat, welche Gaza und das Westjordanland wären. Natürlich gibt es viele Palästinenser, die nicht einverstanden sind. Sie wollen ganz Palästina. Ich will ganz Palästina in meinem Herzen, aber meine Vernunft sagt, ich kann es nicht erlangen.30 Das palästinensische Anliegen habe ihn zu einem Aktivisten gemacht. A. Z. erwähnt die Öffentlichkeitsarbeit, die Versammlungen mit den Jungs, das Besuchen von Vorträgen und die Treffen mit PLO-Vertretern. In diesem Sinne identifiziert er sich mit der Diskursfigur des politischen Subjekts sowie mit der Hingabe an das palästinensische Anliegen. Gleichzeitig scheint er mit der Schilderung seiner iltizām einen Diskurs zu reproduzieren, der ihn nicht wirklich berührt (es wirkt ein wenig aufgesetzt), den er aber erwähnen muss. Gleich danach legt er zudem ungefragt seinen politischen Standpunkt dar, Position für die Zweistaaten-Lösung beziehend. Es handelt sich offensichtlich um einen Diskurs, den er abruft, weil er oft von außen darauf angesprochen wird. Die Subjektposition des politischen Subjekts wird hier sowohl von »außen« an den Erzähler herangetragen, und zwar durch die Politisierung des Palästinensischseins im westeuropäischen Raum (wobei er dessen Binarität von Radikalität und Mäßigung übernimmt und am Pro und Kontra der Zweistaatenlösung festmacht), wie auch von »innen«, von der kollektiven Identität, dem Imperativ, Widerstand zu leisten, sichtbar im iltizām. Dabei steht der Imperativ zum Widerstand in klarem Gegensatz zu seinem Bemühen, sich als friedlich und moderat darzustellen. Diese Differenz versucht er zu verhandeln, indem er zwischen seinem Herzen und äußeren, realpolitischen Umständen unterscheidet. Die kollektive Identität nenne ich aufgrund dieses verpflichtenden Aspekts in der Folge in Anlehnung an den Lacanschen großen Anderen (Lacan, 1993) den großen Eigenen. Interessanterweise ist diese vom großen Eigenen geforderte Verpflichtung gegenüber dem Volk erzählbar und bewusst identitätskonstituierend, während die Vorwürfe an die Familie sowie die Schuld ihr gegenüber, all diese Konflikte und Gefühle des schmerzlichen Fehlens nur bruchstückhaft und mehr ungewollt an die Oberfläche treten – auf Nachfrage hin oder von der Sprache überrascht.

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Gespräch mit A. Z. (2/9), 2010; s. Index S. 312 im Anhang.

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Tabu, Trauma und Identität

Zusammengefasst suggeriert seine klar in einen Teil über seine Jugend und Ausbildung, seine Arbeit, seine Familie, die Fremdheitsgefühle sowie über die Verpflichtung gegenüber dem Anliegen des Volkes gegliederte erzählte Geschichte Normalität – es geschahen zwar einige »unschöne« Dinge, allem voran die zweifache Vertreibung, doch im Großen und Ganzen ging alles gut. Selbst die scheinbar aus der Reihe tanzenden beiden letzten Teile über die Gefühle der Fremde sowie die Verpflichtung gegenüber dem Anliegen des Volkes sind für ihn »normale« Topoi des palästinensischen Narrativs, die er als repräsentative Aspekte eines palästinensischen Lebens wie selbstverständlich in seine Geschichte integriert. Es sind Themen, über die er sprechen muss, Themen, die ihm sein Palästinensischsein auferlegt. Diese Anpassung bzw. die Imagination von Normalität erfordert die Abspaltung von Brüchen und Trauer, eine Art Verdrängungsmechanismus, der im Zusammenhang mit traumatischer Erfahrung oft vorkommt. Dies erklärt auch A. Z.s unvermitteltes Ausbrechen in Tränen auf die Frage hin nach dem Schmerz (ḥasra) und seine Bemerkung darüber, er könne das nicht verstehen, dies sei ihm schon lange nicht mehr passiert. Es erklärt zudem die Melancholie, die stattdessen seine Erzählung begleitet, denn laut Freud bleiben in der Melancholie im Gegensatz zur Trauer das verlorene Objekt und sein Verlust unbewusst (Freud, 1946). Auf die Abspaltung von Trauer verweist außerdem die während seiner Erzählung bei mir als Zuhörerin aufkommende Langeweile, ein Zeichen für seine emotionale Unbeteiligtheit. Seine Angepasstheit stellt vermutlich eine Form von Identifikation mit einer Gewalt dar, welche (palästinensische) Sichtbarkeit bestrafte und Selbstaufgabe zur Voraussetzung für eine menschenwürdige Behandlung machte. Denn erst durch die Annahme einer anderen Identität kam er in den Genuss von Grundrechten. Erst durch seine neue Identität als Schweizer etwa erhielt A. Z. das Recht, (wenn auch als Tourist) nach Palästina zurückzukehren und seine Familie zu besuchen, ein Recht, das ihm mit der gefühlten Identität, seinem Palästinensischsein, verwehrt blieb. Andererseits wurde das Eigene kriminalisiert. Sowohl M. F. als auch A. Z. hatten es mit ähnlichen Formen diskursiver, aber auch physischer Gewalt zu tun. Beide sind Betroffene rassifizierender, indirekter Vertreibung. Wie M. F. leidet auch A. Z. unter der Nichtanerkennung dieser Vertreibung. Dies wird aus seinem Anliegen, zu betonen, dass der Zwang zum Bleiben eine Form der Vertreibung war, ersichtlich. Zu der Nichtanerkennung erfahrener Gewalt kam die Stigmatisierung als Terroristen. Der Diskurs der Anpassung bei A. Z. ist eine Unterwerfung unter den hegemonialen Diskurs bzw. das System des großen Anderen, das zum Maßstab für den eigenen Wert wird. Das kommt im Begehren nach Anerkennung durch den großen Anderen zum Ausdruck. M. F. und A. Z. identifizieren sich beide mit den in den Praktiken ihrer Vertreibung eingeschriebenen Schulddiskursen. Während die Projektion von (morali-

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

scher) Schwäche auf die Elterngeneration bei M. F. die Selbstdeutung (und möglicherweise auch die Praxis) eines Widerstand leistenden Subjekts erlaubte, stellt bei A. Z. die Position der Anpassung eine Form von Selbstauflösung dar. Sie begann damit, dass A. Z. den Schulddiskurs bezüglich der Vertreibung bei sich verortete (wegen den Kindern seien sie geflohen), und endete damit, dass er einen wichtigen Teil seiner gefühlten Identität, sein Palästinensischsein, preisgab.

3.2

Wahrheit Sprechen – das Beispiel M. M.

Das Wahrheit Sprechen beschreibt hier eine Konfrontation mit den hegemonialen Diskursen und den Versuch, die Pein, welche die hegemoniale Wahrheit verursacht, durch das Sprechen subalterner Wahrheit zu lindern. Der Begriff Parrhesia (Redefreiheit) wurde von Michel Foucault (1988) mit Rückgriff auf Sokrates verwendet, um das Konzept jenes Sprechens zu beschreiben, welches aus einer subalternen Position und einer ethischen Pflicht heraus Macht durch Wahrheit herausfordert und dabei das eigene Leben riskiert. M. M.s Rede gleicht einem Testament, das er beschwörend im Angesicht des Todes verkündet. Obwohl aufgefordert, seine Geschichte zu erzählen, spricht er nur wenig über sich selbst und stattdessen vor allem gegen Projektionen, Bilder und Narrative an, die den Status hegemonialer Wahrheit innehaben. Akribisch zählt er sie der Reihe nach auf, allen voran den Opfer-Täter-Diskurs oder das Narrativ des auserwählten Volkes, um sie danach zu zerpflücken. Auch wenn er sie dabei zurückweist, geht er auf sie ein und lässt seine Lebensgeschichte von ihnen dominieren. Selbst wenn er gegen sie anspricht, gibt er ihnen die Macht, den Raum seiner Erzählung zu beherrschen. Ungewollt überliefert er dadurch die hegemonialen Diskurse und verliert sich in ihnen. Als ich M. M. bat, von sich zu erzählen, schildert er kurz seine Biografie. Er beginnt mit seiner Geburt in Nazareth 1938, seiner Kindheit in Baysān (dialektal: Bēsān) und Haifa, wo seine Familie wohnte, fährt fort mit 1948 und der Flucht zunächst von Haifa in das noch nicht eroberte Nazareth und danach in den Libanon. Für den Tag der Flucht in den Libanon gibt er das genaue Datum an, den 9. Mai 1948. Er spricht über die Schulen, die er in Bēsān und im Libanon besuchte, über sein Studium im Libanon und in Jordanien, darüber, dass er Apotheker werden wollte und deshalb in die Schweiz gekommen war, wie er in der Schweiz sein Studium abschloss, heiratete und Vater wurde. Es ist ihm offensichtlich unangenehm, aus dem Stegreif zu erzählen. Als ich ihn auffordere, seine Geschichte in einer Richtung zu vertiefen, fällt seine Wahl zunächst auf die Flucht, an deren Einzelheiten er sich sehr gut erinnern kann. Anstatt weiter darauf einzugehen, fährt er fort, vom Leben in Jordanien und im Libanon und der dort erfahrenen Ausgrenzung zu berichten. Zur Veranschaulichung wählt er eine Schulanekdote und erzählt, wie die libanesische Lehrerin ihm vor der gan-

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zen Klasse aufgrund seiner Herkunft nicht erlaubte, Französisch als Fremdsprache zu belegen: Bei einigen Lehrern hat der Einzelne gefühlt, dass sie unterschieden zwischen Palästinensern und Libanesen. Wenn ich eine kleine Geschichte erzählen möchte, so erinnere ich mich, es war in der fünften Primarschule in Barmana, in der höheren Schule von Barmana, obwohl es viele Palästinenser dort gab, mochte die Lehrerin keine Palästinenser. Wir hatten also das Thema Französisch und sie sagte: Wer möchte Französisch belegen und wer nicht? Natürlich habe ich meine Hand erhoben, um zu zeigen, dass ich an Französisch interessiert bin. Und was hat die Lehrerin zu mir gesagt? Du bist Palästinenser, es gehört sich für dich nicht, abzustimmen. Es gehört sich für dich nicht, deine Hand zu heben. Natürlich hat mich so etwas beeinflusst. Aber nicht alle waren so. Ich möchte nicht sagen, alle. Es gab sehr anständige Lehrer. Wenige von ihnen waren so. Aber natürlich hat es mich beeinflusst.31 Diese Erfahrung der Ausgrenzung im Libanon setzt sich in Europa fort. Dem Ereignis mit dem Ausschluss durch die Lehrerin im Libanon folgt erzählerisch das Ereignis mit einem Schweizer Professor, der ihm in den 1960er-Jahren ins Gesicht gesagt habe, er werde keinen Palästinenser bestehen lassen, egal wie gut dieser sei: Und wenn man dann nach Europa kam, war man natürlich zuerst jemand aus einem arabischen Land … und dann noch aus Palästina. Es war, wie soll man sagen, auch wie man behandelt wurde, wie soll man sagen … die meisten Menschen, die hier waren, waren hundertprozentig mit Israel, sie dachten, dass jeder Palästinenser die Juden ins Meer werfen möchte. Dabei haben sie uns ins Meer geworfen, nicht wir sie. Also hier hatte man das Gefühl, sogar im Studium, es gab sogar einige Lehrer, die gegen … besonders gegen Palästinenser waren. Jeder Palästinenser – was dachten sie? – dass jeder einzelne Palästinenser gegen die Juden und gegen Israel war. Zum Beispiel erinnere ich mich an Fribourg. Als ich in Fribourg studiert hab, gab es einen Professor für Elementarchemie, der mir persönlich gesagt hat: Hier bei mir werde ich keinen einzigen Palästinenser zum Erfolg führen, egal wie viel er weiß und wie groß seine Sachkenntnisse sind. Das hat er mir direkt ins Gesicht gesagt. Und es gab eine Hetze gegen uns, obwohl wir … wir die Opfer waren.32 Die Erfahrung der Ausgrenzung und des institutionalisierten Rassismus, die er sowohl in der Schweiz als auch im Libanon aufgrund seiner palästinensischen Herkunft erlebt, verkörpert sich für ihn sichtbar in den Bildungsinstitutionen, wie seine Verknüpfung dieser beiden Szenen zeigt. Was bei anderen Erzählern oft durch die Polizei repräsentiert wird, verknüpft M. M. mit der Schule bzw. der Universität. 31 32

Gespräch mit M. M. (3/1), 2010; s. Index S. 313 im Anhang. Gespräch mit M. M. (3/2), 2010; s. Index S. 313 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Dass Bildungsinstitutionen bei ihm mit Rassismus und Ausgrenzung konnotiert sind, ist besonders vor dem Hintergrund aussagekräftig, dass Bildung für ihn als Palästinenser aufgrund der Erfahrung der materiellen Enteignung, wie er selbst sagt, von besonderer Bedeutung ist, als das Einzige, was nicht enteignet werden kann. Als Palästinenser sei es sehr schwierig gewesen, weil man nicht beliebt gewesen sei, führt er später weiter aus. Man sei immer beengt gewesen von der Polizei, die einen immer habe kontrollieren und jederzeit vom Studium habe abhalten können. Mittlerweile habe es sich geändert, viele verstünden jetzt das palästinensische Anliegen. Damals aber sei der Palästinenser »der Feind Nummer 1« gewesen und rund um den Junikrieg 1967 sei es noch schlimmer geworden. Als ich ihn bat, seine Geschichte zu vertiefen, ist es die Gewalt jenes Opfer-Täter-Paradigmas, die Opferinszenierung der Täter und die Kriminalisierung der Opfer, die er immer wieder sozusagen als Quintessenz seiner Geschichte aufgreifen wird. Sie haben die Opfer so behandelt, als wären sie die Täter … und den Täter als wäre er das Opfer. Das ist die Geschichte, die Geschichte von Palästina und Israel. Ich sage, die Macht hat das Recht. Du bist nicht stark. Das bedeutet, das ist die Geschichte … die einzige Geschichte. Und natürlich hat das alles die Psyche des Menschen beeinflusst, siehst du … Aber auch wenn es die Psyche des Menschen beeinflusst, muss dem Einzelnen die Willenskraft erhalten bleiben, denn in der Welt gibt es nichts – besonders für Palästinenser – was uns hilft, außer der Beruf und die Bildung, damit der Einzelne sich ernähren und seine Kinder ausbilden kann. Das ist das Wichtige. Natürlich hat nicht jeder die Nerven und die Willenskraft. Natürlich jene Menschen, siehst du, jeder Einzelne musste versuchen, sich selbst aufzubauen, auch wenn es sehr schwierig war, auch finanziell, dann hatten wir auch noch arabische Pässe, die keinerlei Wert hatten in Europa, siehst du, das waren alles große Hindernisse für uns, aber Gott sei gelobt, es geht irgendwie.33 Diese Diskurse verschleierten die physisch erfahrene Gewalt an ihm und wirkten sich auf seinen Alltag in der Schweiz aus: Er erlebte Unbeliebtheit, offene Diskriminierung im Studium, Kontrolle seitens der Polizei. Es reichte, Palästinenser zu sein, um als Gegner von Israel und somit der westlichen Welt wahrgenommen zu werden. Die stete Wiederholung der Grunderfahrung, als Betroffener von Gewalt Täter zu sein, zeigt, wie sehr er daran litt, dass seine Nichtanerkennung als solcher Konsens, ja sogar ein Wert war in der Gesellschaft, in der er lebte, wie die Szene mit dem Professor zeigt. Er muss sich ohnmächtig gefühlt haben, denn immer wieder sagt er:

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Gespräch mit M. M. (3/3), 2010; s. Index S. 313 im Anhang.

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Doch was willst du tun? Wenn du schwach bist, hast du kein Recht, wenn du schwach bist, hat dein Wort keinen Wert. So ist die Welt.34 Dass Gerechtigkeit ausgehöhlt wird von einem Recht, das sich an der Macht orientiert, erinnert an Agambens Ausnahmezustand, den Zustand der Rechtlosigkeit und des Ausschlusses aus der Gesellschaft. Was auch immer ich M. M. frage, er kommt auf diese Diskurse zurück, welche die Gewalt an PalästinenserInnen rationalisieren, entschuldigen und sie auf diese Weise als Subjekte dehumanisieren. Die Assoziationskette, der er sich dabei überlässt, wollen wir im Folgenden betrachten. M. M. erzählt, alles sei miteinander verbunden. Die Religion, die arabischen Regierungen, die Geschichte, der Weg jedes einzelnen Palästinensers. Er habe Glück gehabt, habe einen Beruf und eine Familie. Sein Problem aber sei ein psychisches, er habe keine Identität (hawiyye), nur das fehle ihm. Doch was wolle man tun, man habe nun mal verloren, al-ḥamdu li-llāh (sagt er resigniert). Dann fügt er hinzu, das Problem sei, dass sie immer hinter einem her seien. Es sei nicht nur, dass man ihnen alles genommen habe, man habe sie danach auch verfolgt, beim Studium und bei allem. Also wenn das Religion oder Gerechtigkeit sei, dann sei er Christus oder Mohammed. Keine Gerechtigkeit gäbe es in der Welt, nur Gerede, ohne Ergebnis. Nur die Macht habe das Recht, ansonsten könne man es vergessen: Und all dies ist miteinander verknüpft, die Religion, die arabischen Staaten, die arabischen Regierungen, all das ist miteinander verbunden, d.h. mit dem palästinensischen Anliegen und mit jedem einzelnen Palästinenser. Ich hab gelernt, ich hab studiert, hab eine Familie gegründet, Gott sei gelobt, ich meine, wenn ich andere Leute anschaue, Gott sei gelobt, mein Problem ist bloß ein ganz spezielles Problem, ein seelisches Problem, man hat keine Identität auf Deutsch oder identity auf Englisch, das ist alles, was mir fehlt, Gott sei gelobt, aber was willst du tun? Will man es immer wieder wiederholen? Fertig. Man hat verloren. Gott sei gelobt. Das Problem ist bloß, sie blieben hinter dir, hinter dir her. Sie haben uns alles genommen, sodass wir geflohen sind und sie verfolgten uns und unterdrückten uns im Studium hier, unterdrückten uns in allem. Sogar das Wort Jude kannst du nicht aussprechen, das Wort Jude halten sie gegen dich, so ein Unglück, d.h., sag nichts, sie haben alles gestohlen und genommen und verfolgen uns, nicht nur haben sie alles genommen, sie machen dich auch fertig, wie einer, der alles nimmt, und dann brechen sie dich, wenn möglich, ganz. Was willst du tun? Und das nennen sie Religion? Das nennen sie Gerechtigkeit? Ich bin Jesus, der Messias, und Mohammed, der Prophet, wenn das Gerechtigkeit ist, heiße ich Mohammed oder Jesus. Es gibt keine Gerechtigkeit auf Erden. Ich sage dir, was ich schon einmal

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Gespräch mit M. M. (3/4), 2010; s. Index S. 313 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

gesagt habe: Der Macht gehört das Recht. All dieses Gerede bringt kein Ergebnis. Wenn du Macht hast, gibt es ein Ergebnis. Hast du keine, vergiss es!35 Wie wir sehen, verbindet M. M. die Feststellung seiner fehlenden Identität mit der Erfahrung einer Gewalt, die niemals aufhört. Damit meint er die gegen ihn als Palästinenser gerichtete Gewalt, die nach der Vertreibung geschah: die Nichtanerkennung als Betroffener, die Kriminalisierung sowie die Erfahrung institutionalisierter Diskriminierung. Man hatte alles verloren und dann war man auch noch Täter und eine potenzielle Sicherheitsgefahr. Das ist die Gewalt, die nie aufhört. M. M.s Gefühl der Ohnmacht spiegelt sich in der Unantastbarkeit seiner Kategorie Jude und mündet in der Wahrnehmung von dessen Allmacht, einer Allmacht, die er auch als Recht der Macht beschreibt, einer Macht, die zu Recht Gewalt ausüben darf. Gerechtigkeit existiere nur in den Wörterbüchern, wie er andernorts sagt,36 hingegen habe die Macht das Recht. Das bedeutet die Aushebelung und Ersetzung der Menschenrechte durch ein anderes Recht, das Recht des Opfers bzw. die essentialistische Gleichsetzung des Opferbegriffs mit einer rassifizierten Gruppe. Das Recht des Opfers ist ein moralisches und überrechtliches, welches ihn außerhalb des (Menschen-)Rechts befördert, was zu seiner Nichtanerkennung als Betroffenem von Gewalt bzw. zur Bewertung dieser Gewalt als einer rechtmäßig erlittenen führt. Nicht nur konnte dadurch die physische Gewalt nicht verarbeitet werden, letztere wurde durch die genannten Diskurse verstärkt, weil es sich bei der Nichtanerkennung von ihnen als leiderfahrene Menschen im Grunde um dieselbe Gewalt handelte, eine staatlich ausgeübte und ethnisch motivierte. Als ich nachfrage, was M. M. unter Identität (hawiyye) verstehe, antwortet er, dass man ihn als Palästinenser und sein Recht auf Rückkehr anerkenne, auch wenn er nicht zurückkehre, sowie sein Anrecht auf Rückgabe der Güter oder Kompensationszahlungen. Dass sie anerkennten, dass er ein Mensch sei wie sie. Das sei Identität. Ein Beispiel: Auch wenn ich nicht zurückkehren werde, so gehört mir doch das Recht, so gehört mir doch das Recht auf Rückkehr nach Palästina, mein Land, siehst du? Oder sie sollen mich für meine Besitztümer kompensieren oder beispielsweise für die Besitztümer meines Vaters, siehst du? Sie sollen mich kompensieren, aber auf gerechte Art, nicht »im Jahre 1948 hat es 10 Franken gekostet, also gebe ich dir jetzt 10 Franken«. Sie sollen mich anerkennen als Mensch wie sie. Das sind Rechte. […] Das ist alles, was wir verlangen. Wer von unserer Generation zurückkehren will, soll zurückkehren. Jeder Jude kann für sich das Recht beanspruchen zurückzukehren. Warum hat der Palästinenser dann nicht das Recht zurückzukehren? Ist das nicht sein Land? Wo ist die Gerechtigkeit? Wer zurückkehren 35 36

Gespräch mit M. M. (3/5), 2010; s. Index S. 313 im Anhang. Interview M. M., 2010.

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will, soll, und wer nicht will, muss nicht. Es soll einfach Gerechtigkeit herrschen. […] Wir werden sie weder bekämpfen noch werden wir sie angehen. Nur sollen wir Rechte haben, die sie anerkennen müssen. Sogar sie, d.h. sogar die Deutschen kompensieren ihnen, ist es nicht so, den Holocaust? Nun, was die Deutschen so nennen. Was ich jetzt sage, ist nicht mein Wort, sondern das eines Philosophen und Schriftstellers. Ich möchte jetzt seinen Namen nicht sagen. Wer nach ihm suchen möchte, der kann. Er sagte – ich zitiere ihn jetzt – er sagte, dass die Deutschen einen Holocaust an den Juden gemacht haben und jetzt einen Holocaust an den Palästinensern machen, indem sie den Israeli helfen und ihnen Milliarden geben unter dem Zeichen der Kompensation, damit diese für ihren Holocaust Waffen kaufen können. Und sie haben ihnen Waffen gegeben, alles für umsonst. Was, was tun sie? Sie haben Waffen verkauft. Auch gegen den Jemen haben sie Waffen verkauft. Warum haben sie Waffen verkauft? Auch gegen die Palästinenser. Die Bedeutung der Worte dieses Philosophen und Schriftstellers sind also richtig und die Deutschen machen jetzt sozusagen einen Holocaust gegen die Palästinenser. D.h., sie machen jetzt einen zweiten Holocaust, ohne dass sie es wissen, und denken, sie täten etwas Gutes. […] Aber es ist sehr schlecht. Die Deutschen wiederholen sich. Es geschahen jetzt also zwei Holocausts. Und das ist nicht mein Wort, das ist das Wort eines Philosophen, dessen Namen ich nicht sagen möchte. […] Und genug! Und trotzdem bekämpfen sie einen immer noch, beispielsweise plagen sie Palästinenser in Deutschland mit dem Aufenthalt, wenn einer eine palästinensische ID hat oder so, dann plagen sie ihn mit der Aufenthaltsbewilligung und im Studium plagen sie ihn und bei allem.37 Hinter der Forderung nach Gerechtigkeit und Genugtuung, verkörpert im Recht auf Rückkehr, der Rückgabe der Güter und Kompensation, zeigt sich das Begehren nach der Anerkennung als Mensch. In diesem Begehren offenbart sich die Gewalt der Dehumanisierung, die Identifikation mit der Aggression der Projektion des Nicht-Mensch-Seins, aber auch das Begehren nach der Anerkennung durch den Aggressor. Für M. M. handelt es sich nicht nur um dieselbe Art von Verbrechen – Gewalt der Entmenschlichung aufgrund der Zugehörigkeit zu einem bestimmten, ethnischen Kollektiv –, durch die finanzielle und moralische Unterstützung des neuen Verbrechens seitens der alten Aggressoren (»die Deutschen«) auch um dieselben Täter. Durch ihre Unterstützung wiederholen die früheren Aggressoren das Verbrechen und machen sich zu Mittätern, im Glauben, sie würden etwas Gutes tun. Damit verbunden ist eine Gewalt, die niemals aufhört und die die PalästinenserInnen selbst im Westen verfolgt. Bezeichnend ist, wie sehr M. M. sich schämt, den Vergleich mit der Schoa – gerade als Palästinenser – zu vollziehen,

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Gespräch mit M. M. (3/6), 2010; s. Index S. 314 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

zumal er nicht mit seinem Namen dahinterstehen möchte und seine Glaubwürdigkeit durch berühmte oder jüdische Denker38 zu legitimieren sucht. Obwohl er sich als Palästinenser als Opfer eines zweiten Holocausts sieht, wagt er es kaum, die palästinensische Tragödie in seinem Namen als Teil der europäischen Geschichte zu betrachten. Seine Vorsicht, aber auch seine Scham, die erlebte Gewalt als Teil der europäischen zu betrachten, zeugt nicht nur von der Tabuisierung dieser Betrachtung, sondern auch vom Umstand, dass gerade er als Palästinenser sich den Holocaust nicht als Teil seiner Geschichte aneignen darf und dass er es nicht gewohnt ist, dass man die erlebte Gewalt in all ihren Dimensionen anerkennt. Die PalästinenserInnen sind für ihn aber nicht nur die neuen Opfer eines zweiten Holocausts, sondern auch die zweiten Opfer des ersten Holocausts. Dies wird ersichtlich durch seine frühere Schilderung der Projektion des schlechten Gewissens der Deutschen auf die PalästinenserInnen und ihrer Symbiose mit Israel:39 Die Palästina-Frage hatte er schon zu Beginn mit dem Opfer-Täter-Diskurs gleichgesetzt. In der Projektion von Gewalt auf die Opfer der Opfer sieht er den Westen, hier namentlich Deutschland und die USA, als mitverantwortlich für die Gewalt an den PalästinenserInnen. Und alles wegen ihrem schlechten Gewissen für das, was sie den Juden angetan haben, als ob wir die Verantwortung trügen, sie wissen nicht … sie legen die Verantwortung einfach auf andere Menschen … um was? Um ihr Gewissen reinzuwaschen. Das ist das, was ich sage. […] unsere Güter und anderes haben die Juden genommen und wir haben nicht zu den reichen Leuten gehört, zur Mittelschicht, stell dir vor, wie viel erst die Reichen verloren haben. Wenn du dir vorstellst, dieses Geld, diese Güter, wenn einer zurückrechnen möchte bis 1948 mitsamt Ertrag und Geld und allem. Ich meine, selbst wenn Deutschland und Amerika den Palästinensern Millionen bezahlen würden, das wäre keine Hilfe, das wäre nur das schlechte Gewissen Beruhigen.40 In diesem Zusammenhang nimmt er auch die Frage der Reparation auf, indem er sich gegen die Deklaration von Geldern, die in die besetzten palästinensischen Gebiete fließen, als Hilfsgelder wehrt. Selbst wenn Deutschland und die USA Milliarden zahlten, sei das keine Hilfe, beteuert er, nur die Beruhigung ihres schlechten Gewissens (diesmal gegenüber den PalästinenserInnen). Ihnen sei alles genommen worden, und immer noch würden Deutschland und die USA Israel bei der Enteignung helfen, darum seien die Gelder keine Hilfe, höchstens eine Pflicht und niemals eine Wiedergutmachung. Über das Paradigma der Entwicklungshilfe bzw. Hilfeleistung wird er erneut entwertet, denn im Gegensatz zur Reparation bzw.

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Er nennt u.a. Ilan Pappe: Interview M. M. 2010. Jeder Angriff auf Israel sei ein Angriff auf Deutschland, zitiert er Angela Merkel. Gespräch mit M. M. (3/7), 2010; s. Index S. 314 im Anhang.

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Entschädigung stellt sie keine Symmetrie her, erkennt ihn weder als Betroffenen von Gewalt an noch rehabilitiert sie ihn als Täter. Neben dem Opfer-Täter-Diskurs kommt M. M. mit dem Konzept des auserwählten Volks auf ein anderes Narrativ zu sprechen, welches eine Realität der gerechtfertigten Unterlegenheit auf PalästinenserInnen projiziert und Gewalt gegen letztere positiv bewertet. Wie macht- bzw. gewaltvoll diese Diskurse sind, wird daran deutlich, wie viel Raum M. M. ihnen einräumt und wie sehr er gegen sie anzusprechen versucht. […] das auserwählte Volk Gottes waren zu ihrer Zeit die alten Hebräer, sie waren die Einzigen, die zu dieser Zeit an unseren Gott geglaubt haben, niemand anders. Man nannte sie auserwähltes Volk, weil sie die Einzigen waren, die alten Hebräer, die geglaubt haben. Als Christus kam, wurden viele von ihnen zu Christen. Als der Islam kam, wurden viele von den Christen Muslime. Das auserwählte Volk Gottes sind die Juden, aber nicht die Juden von heute, sondern die Christen und Muslime, die, die am Anfang, Anfang Juden waren. Siehst du, und all das sagt die Kirche, weil die Kirchen des Westens es nicht verstehen, und darum denken sie, die Juden von heute seien das auserwählte Volk […] und Palästina das verheißene Land […].41 Wie der Opfer-Täter-Diskurs kreiert das Konzept des auserwählten Volkes samt des ihm verheißenen Landes ein Überlegenheitsrecht, das über dem Menschenrecht steht. Das auserwählte Volk gibt es zwar auch laut ihm, es sind nur nicht die zeitgenössischen Jüdinnen und Juden. Die antiken Hebräer seien das auserwählte Volk genannt worden, weil als einzige an den einen Gott glaubend, und hätten später das Christentum und den Islam angenommen. Die jetzigen ChristInnen bzw. die MuslimInnen in Palästina seien ihre Nachkommen. Als katholischer Christ scheint M. M. die zionistische Legitimation über biblische Mythen besonders zu beschäftigen, sodass er sich das zionistische Narrativ gewissermaßen aneignet, um es zu entkräften. Mit der Schilderung der Hebräer als Glaubensgemeinschaft, die eine andere Religion angenommen hat, reagiert er auf die protestantische Gleichsetzung der biblischen Hebräer mit den zeitgenössischen Jüdinnen und Juden. Wahrscheinlich ist es für ihn als Christ noch einmal schwieriger, dass die westliche Welt, die sich christlich nennt, wie er andernorts verbittert feststellt, nicht interveniert, wenn die PalästinenserInnen als indigene Bevölkerung entrechtet werden. Wenn er auch nicht evangelikal ist, so gehört er als Katholik doch dem westlichen Christentum an, das die Verfälschung (die Lehre vom auserwählten Volk) in seinen Kirchen lehrt, wie er sagt. Das durch die Bibel begründete Recht der modernen Jüdinnen und Juden auf das Land als auserwähltes Volk sollten auch sie glauben. In seiner Rede gegen das Recht der Macht bzw. gegen alles, was Gewalt an PalästinenserInnen durch ein Überlegenheitsrecht legitimiert, geht M. M. auch auf 41

Gespräch mit M. M. (3/8), 2010; s. Index S. 314 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

andere biblische Mythen ein, die herangezogen wurden, um Gewalt an PalästinenserInnen zu rechtfertigen, und weist sie zurück. »David und Goliath« – warum, warum sind sie in der Thora? »David und Goliath«. Was für ein Unglück! Sogar der Thora widersprechen sie. Goliath war ein immenser Gigant und David ein kleiner Junge. Das repräsentiert, wie soll ich sagen, die Zahl der Bewohner, d.h. die Palästinenser waren in der Mehrheit dort und die Juden waren die Minderheit. Sagen sie nicht, David habe mit Steinchen gesiegt und was ich nicht weiß und durch die Unterstützung unseres Herrn nahm die Minderheit die Mehrheit? D.h., sogar gemäß der Thora waren die Palästinenser die Mehrheit. Auch in der Thora steht es. Zum Beispiel auch die Geschichte von Samson und Dalila. Gab es nicht Samson und Dalila? Auch sie stehen in der Thora. D.h., es gab Palästinenser in Palästina selbst gemäß der Thora […]. Wie kommt es jetzt, dass die Philister, die in der Mehrheit sind, kein Recht auf das Land haben? David hat das Recht und Samson nicht? Sogar, sogar der Religion selbst widersprechen sie. Das ist es. Zum fünften Mal sage ich es: Die Macht hat das Recht.42 Selbst gemäß der Thora hätten die PalästinenserInnen in der Repräsentation von Goliath und Samson also die Mehrheit gestellt. Die Juden widersprächen sich dadurch selbst. Im arabischen Sprachgebrauch werden Juden oft als Synonym für jüdische Israeli verwendet. Diese sprachliche Gleichsetzung ist eine Folge der zionistischen Gleichsetzung Israels mit dem Judentum bzw. mit der Selbstrepräsentation Israels als jüdischem Staat. M. M. spricht hier mit dem Text der hebräischen Bibel gegen den zionistischen Gründungsmythos an, die PalästinenserInnen hätten nicht existiert, wodurch nebst biblischen Mythen der Anspruch auf das Land legitimiert wurde. Biblisch argumentierend wie ZionistInnen, will M. M. deren Inkohärenz sozusagen mit ihren Mitteln entlarven. Mit der Repräsentation der PalästinenserInnen durch Goliath adaptiert er auch die israelische Selbstrepräsentation als David, durch die Israel seine gesamten Kriege als Defensivakte eines schwachen, mit schicksalhafter Unterstützung starken Landes inszeniert. In seiner Rede rückt M. M. ver-rückte Wirklichkeit wieder zurecht. Der Begriff der Verfälschung (tazyīf ) ist zentral für ihn: M. M. betont immer wieder, alles sei verfälscht worden. Wirklichkeit wird entstellt, um ein Recht, das nicht rechtmäßig ist, zu etablieren, eben das Recht der Macht. Wie vertraut er mit den hegemonialen Diskursen ist und wie sehr seine Rede eine Apologie gegenüber der hegemonialen Realität ist, die sie herstellen, zeigen die tiefen Spuren, die sie in seiner Rede hinterlassen. Auf seine intensive Auseinandersetzung mit hegemonialen Diskursen und dem Bemühen, sie zu entkräften, folgen Mahnungen: Die PalästinenserInnen müssten es den Jüdinnen und Juden gleichtun, sich das Land aneignen, Geldgeber suchen; sonst würden sie nicht nach Palästina zurückkehren können. Anzustreben sei eine 42

Gespräch mit M. M. (3/9), 2010; s. Index S. 315 im Anhang.

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Einstaatenlösung mit denselben Rechten für alle. Die einzige Lösung sei ṣumūd, d.h., dass die PalästinenserInnen in Palästina am Land festhielten. Jedoch sei das Gegenteil der Fall, das Schlimme sei, die PalästinenserInnen hätten aufgegeben. Mit der Autorität der Generation, die an der Schwelle zum Gehen ist, ermahnt er die Nachfolgenden zum richtigen Handeln: Er als einer von 194843 – damit meint er eigentlich, er als einer der Generation derer, die noch im historischen Palästina gelebt hatten – sage, man müsse auf dem Ganzen bestehen und nicht auf einem Teil.44 Seine Rede ist als eine Art Testament zu verstehen. Auch kommt er auf die bereits zu Beginn gestreute Mahnung zurück, man solle PalästinenserInnen nicht in MuslimInnen und ChristInnen aufteilen. Dies schade der palästinensischen Sache, kritisiert er heftig.45 Dass sein christlicher Hintergrund für Spannungen sorgt, wurde bereits zu Beginn der Erzählung deutlich. Die Geschichte mit der Lehrerin im Libanon hatte er mit der Bemerkung geschlossen, als ChristInnen seien sie nicht etwa besser behandelt worden als die muslimischen PalästinenserInnen, wie viele sagten. Auch wehrt er sich gegen den Mythos des Landverkaufs durch ChristInnen und besteht darauf, dass das nicht stimme. Sein christlicher Hintergrund konfligiert offensichtlich mit seinem Palästinensischsein, und er sieht sich genötigt, diese zu verteidigen. Besonders in den 1950er-Jahren waren viele Mythen (u.a. der, insbesondere ChristInnen hätten Ländereien verkauft) gestreut worden, um ChristInnen und MuslimInnen zu trennen und Kollaborateure zu gewinnen; außerdem hatte die russisch-orthodoxe Kirche (und auch ein Beamter der griechisch-orthodoxen Kirche ohne Wissen der Oberen) viel Land verkauft (Badeen, 2013). Von dieser Mahnung geht M. M. zur Anklage der arabischen Regierungen über, allen voran der Saudi-Arabiens, aber auch der palästinensischen Führung. Er hinterfragt polemisch ihre Politik: Was für die Autonomiebehörde (sulṭa) die Macht über ein Gebiet bedeute, in dem man sich ohne Erlaubnis der Besatzungsmacht nicht bewegen könne? Wie man England und Frankreich als Vermittler akzeptieren könne, wo sie doch die Verursacher des Problems seien? Wer von den israelischen Atomwaffen spreche? Das Problem seien die AraberInnen, nicht die Jüdinnen und Juden, resümiert er und gibt George Habasch, dem Begründer der säkularen, linksgerichteten palästinensischen Organisation Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP – Popular Front for the Liberation of Palestine), Recht, die Befreiung der PalästinenserInnen führe über die Befreiung der AraberInnen. All die Regierungen seien Spione, und das Geld wandere in ihre Taschen, während das Volk hungere. Er fragt, ob das wirklich Islam, ob das Religion sei. Es sei richtig, was Christus gesagt habe,

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Er hat den Jahrgang 1938. Interview M. M., 2010. Interview M. M., 2010.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

eher komme ein Kamel durchs Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel. Die Religionen, alle drei, beleidigten Gott. Alle drei Religionen seien die Erben der Zehn Gebote, und es hieße, man solle nicht stehlen. Deshalb sei die Religion eben die Grundlage der Palästina-Frage. Denn die Jüdinnen und Juden gründeten ihr Recht auf die Religion (er meint damit das auserwählte Volk), und die Araber hätten den Islam und Gott beleidigt. Sie seien korrumpierbar, das beleidige die Religionen. Im Zusammenhang mit dieser Anklage kommt er auf seine Ausgrenzungserfahrung in den arabischen Ländern zurück. Sein Problem sei ein psychisches gewesen, sagt er an anderer Stelle, wieder zurückkommend auf die Erfahrungen im Libanon und auch in Jordanien: fremd in einem Bruderland zu sein und keine Brüderlichkeit zu erfahren. Beide Gesellschaften trennten zwischen PalästinenserInnen und NichtpalästinenserInnen. Überall hätten es die PalästinenserInnen schwierig.46 Nach der Anklage der Araber und insbesondere ihrer Führungen fährt er fort mit ihrer Entwertung, die auch eine Selbstentwertung ist. Wir haben gelernt, haben uns bemüht, haben das Doktorat gemacht. Aber was hat das alles für einen Wert? Wenn einer keinen Verstand hat, keine Kultur und kein Denken, wirf die Diplome in die Toilette, als Toilettenpapier benutze sie. Sie haben keinen Wert. Und das sind die Araber. Wie ich dir gesagt habe, das PalästinaProblem, unser Problem, ist in erster Linie das Problem der Araber und der Juden. Ein Freund von mir, ein verstorbener Arzt, hat mir gesagt, wenn er zwei Atombomben hätte, würde er eine auf die Araber werfen und die andere auf die Juden, dann hätten wir das Problem gelöst, alles wäre gelöst. Das hat er gesagt. Nicht ich habe das gesagt. […] Ich meine, es gibt nichts außer – wie sagen sie auf Deutsch? – die Verzweiflung […], wenn jemand so spricht oder ähnlich wie der, der eine Bombe werfen möchte auf den und den, was sind die Gründe? Verzweiflung [deutsch], Verzweiflung, und unsere Probleme sind die Verzweiflung und die Politik der Juden. Bei den Palästinensern ist Verzweiflung, sodass sie weggehen aus Palästina aus Hunger und aus Durst. Sie geben ihnen kein Wasser und kein Essen, damit sie … . Das ist ihre Politik. Sie gehen von dort und an ihre Stelle kommen Juden. Das ist die jüdische Politik heute. Es begann 1948. Es ist nicht neu.47 Mit dem Wunsch nach Anerkennung scheint eine gegen sich selbst gerichtete Aggression einherzugehen, die immer wieder aufscheint. Auch sie ist eine Form von Identifikation mit der Projektion der Wertlosigkeit, die dem Rassismus inhärent ist. Die Selbstentwertung und Aggression gegen sich selbst (zuerst die Araber in die Luft sprengen, dann die Juden) beschreibt er interessanterweise als Zustand der Hoffnungslosigkeit. Das Nehmen der Hoffnung erklärt er als gezielt eingesetztes

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Interview M. M., 2010. Gespräch mit M. M. (3/10), 2010; s. Index S. 315 im Anhang.

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Instrument zur (Selbst-)Aufgabe, vergleichbar mit Wasserentzug als Mittel indirekter Vertreibung in Palästina/Israel. Der Vergleich mit dem Wasser zeigt es gut, die Entwertung trifft das Innere, es wirkt wie der Entzug von Grundnahrung und führt zu Selbstaufgabe bzw. -zerstörung. Gleichzeitig scheint M. M. mittels der Selbstentwertung und Anklage der Araber die Ohnmacht zu überwinden: Indem er die Entwertung selbst vornimmt, erträgt er die Ohnmacht vermutlich besser. Gleichzeitig grenzt M. M. sich von anderen ab und will sein Engagement beweisen. Er erwähnt seine Vorträge während der Studienzeit, damit meint er die geleistete Öffentlichkeitsarbeit, und die versuchte Rückkehr in arabische Länder, um dort beim Aufbau der Universitäten mitzuhelfen. Ich möchte dir nicht sagen, ich bin besser als andere, aber damals während des Studiums habe ich viel geopfert für die Sache, habe viele Vorträge gemacht über das Palästina-Problem und mich der Gefahr ausgesetzt, da vertreiben sie dich aus dem Land und niemand hilft dir. Nachdem ich weggegangen bin, habe ich das Doktorat gemacht im Bereich Pharmakologie. Pharmakologie, das ist die Pflanzenkunde. Siehst du meine Absicht? Mein Denken? Die Kleinheit meines Verstandes? Nachdem ich fertig war, schrieb ich an die Universitäten in Kuweit, schrieb ich nach Saudi-Arabien und nach Libyen. Als ich abschloss, haben sie Experten gesucht und ich habe ihnen gesagt, ich möchte meiner Heimat dienen und ich weiß nicht, was für ein leeres Gerede … Bis heute habe ich leider keine Antwort erhalten, ich meine, stell dir vor, wie die Araber sind … ich wollte zurückkehren in die Länder, um meiner Heimat zu dienen. […] ich habe alle Briefe aufbewahrt, sie können nicht lügen, sie hätten die Briefe nicht erhalten, meine ich. Und bis heute, das war im Jahre 1969, und ich sage dir, ich war einer der wenigen Experten auf diesem Gebiet und die Universitäten waren noch im Aufbau, d.h. immer noch neu, d.h., sie brauchten Leute, aber sie haben mich nicht genommen, weil ich Palästinenser bin oder vielleicht Christ […]. Ich habe versucht zurückzukehren, aber sie haben mir nicht erlaubt zurückzukehren.48 Enttäuscht folgert M. M., in Europa hätten sie ihm schließlich mehr geholfen als die sogenannten arabischen Brüder. (Einer ähnlichen Enttäuschung sind wir bei M. F. begegnet.) Sie hätten ihm das Gefühl gegeben, er werde gebraucht und er könne anwenden, was er studiert habe, obwohl es im Gegensatz zu den arabischen Ländern hier viele wie ihn gäbe.49 Er schließt den Teil mit der Bemerkung, deshalb sei er gezwungen gewesen, im Westen zu bleiben. Für M. M. bedeutet Rückkehr also nicht a priori Rückkehr nach Palästina, sondern in die arabische Welt. Aufgrund seines offensichtlich panarabischen Bewusstseins erklärt sich auch die tiefe Verletzung, die ihm durch die ablehnende Haltung 48 49

Gespräch mit M. M. (3/11), 2010; s. Index S. 315 im Anhang. Interview M. M., 2010.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

der arabischen Bruderstaaten widerfahren war. Dass er keine Einladungen von den damals neu gegründeten Universitäten erhielt, sieht er in seiner palästinensischen Herkunft begründet. Er habe zurückkehren wollen, um die Unis mit aufzubauen, doch sie hätten nicht gewollt. Die Beweispflicht, wirklich versucht zu haben zurückzukehren, die sich auch in der Aufbewahrung seiner Bewerbungsschreiben zeigt, steht offensichtlich im Zusammenhang mit dem Vorwurf, nicht Widerstand geleistet zu haben bzw. freiwillig gegangen zu sein. Dass er diesem Schulddiskurs entgegenzuwirken versucht, zeigt auch die Aufbewahrung von anderen Schriftstücken, die sowohl zeigen, dass er trotz diverser Hinderungsversuche immer darauf bestand, Palästina als Herkunftsland anzugeben, als auch seinen Willen (ʿazīma) und seine Verbundenheit mit der (arabischen) Heimat betonen sowie seine wiederholte Hervorhebung der Bedeutung von ṣumūd. Sich nicht in dem Maße engagiert haben zu können, wie er gern gewollt hätte, steht offenbar im Kontext desselben Schulddiskurses bzw. einer moralischen Schwäche, die er auf die arabischen Regierungen abwälzt und gegen die er sich abgrenzt. M. M. spricht also gegen die Diskurse an, die moralische und religiöse Überlegenheit schaffen und auf diese Weise Gewalt rechtfertigen. Seine Rede, die zwischen Verteidigung und Anklage oszilliert, spiegelt das System der Rationalisierung von Gewalt wider. Die Macht habe das Recht, fasst M. M. die Auflösung des Menschen- und Völkerrechts zugunsten jener sozusagen metaphysischen Wahrheit zusammen, die die PalästinenserInnen desubjektiviert. Mit der Sprache der Wahrheit spricht M. M. auch gegen die hegemoniale Erzählung, Diskurse und Projektionen an, die eine Wirklichkeit schaffen, welche erlebte Gewalt und Anerkennung als Subjekt verneinen. Indem er die herrschenden Diskurse zurückweist, rückt er wieder zurecht, was die hegemoniale Wahrheit ver-rückte. Wenn die Erzähler bezeugen und Wahrheit sprechen, dann ersetzen sie den abwesenden Zeugen, den sie brauchen, damit sie Betroffene von Gewalt sein können. Wahrheit Sprechen ist wie das Erinnern von Gewalt: ein Zeugnis Ablegen von der erlebten Gewalt und ein Beweisen der eigenen Unschuld, da keine offizielle Wahrheitskommission existiert, welche Gewalt aufarbeitet. Mit der Beteuerung, das sei die Wahrheit, nicht seine Erfindung, schließt er denn auch das Gespräch. Nicht nur Macht etabliert sich also über Wahrheitssysteme (Foucault, 1971), sondern auch Ohnmacht. M. M. spricht Wahrheit aus dem wilden Außen. Seine beschwörende Predigt zeigt sein Begehren, im Wahren zu sein. Wahrheit Sprechen ist darum auch eine Form, sich aus der Position der Dehumanisierung wieder ins Leben zurückzurufen, eine Praxis der Subjektivierung. Indem er Wahrheit spricht gegen die Diskurse, die ihn desubjektivieren, und Zeugnis ablegt von der erlebten Gewalt, versucht er sich zu humanisieren, weil er damit Anerkennung für sich als Subjekt einfordert. Dies ist ein Mittel, die fehlende Identität wiederherzustellen, die für ihn nichts Nationales, sondern die Anerkennung als Mensch bedeutet, wie wir gesehen haben. Seine Kraft gewinnt M. M. beinahe sokratisch im Angesicht des

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Todes. Dennoch bleibt sein Leid unteilbar. Als ich ihn am Ende des Gesprächs frage, ob er mit seinen Kindern über sein Leben spreche, wird die Einsamkeit seiner Erfahrung, derweil körperliche Pein geworden, deutlich: Sie haben nichts verloren, ich habe natürlich verloren. Natürlich gibt es Gespräche mit den Kindern und so, aber ihr Denken ist anders und nicht nur das Denken meiner Kinder, wahrscheinlich denkt die ganze neue Generation anders als ich … zum Beispiel du oder [Anm. d. Verf.: nennt seine Kinder], ihr denkt anders als die 1948er-Generation, weil sie nichts verloren haben, wie ich dir gesagt habe, mein Finger ist im Feuer und dein Finger ist im Wasser, d.h. … d.h., mir ist heiß und dir ist kalt, dir ist kalt, mir ist heiß. Wie willst du es verstehen … schwierig, schwierig ist es zu sprechen …50 Indem er die Wahrheit korrigiert und die hegemonialen Diskurse, die ihn als Subjekt verneinen, entkräftet, stellt er zwar sein Selbst wieder her, gleichzeitig verliert sich aber seine persönliche Geschichte, seine Biografie in dieser Gegenrede. Im Ansprechen gegen die hegemoniale Wirklichkeit und dabei im Versuch, das Selbst wiederherzustellen, wird das (erzählte) Selbst nicht nur von der Gegenrede verschluckt. Im Bemühen, Widerstand gegen das Hegemoniale zu leisten, verliert es sich im subalternen Wir, dessen Wahrheit er an die Stelle der hegemonialen Wahrheit zu setzen versucht. Gleichzeitig ist dieses Wir eine Form, über sich selbst zu sprechen und sich zurückzugewinnen. Er subjektiviert sich sozusagen durch das Wir. Das Verschlucktwerden des Subjekts im Diskurs ist symptomatisch für das Ausmaß der Gewalt der Diskurse, die ihn als Subjekt verneinen. Diese Form der Gewalt beschreibt er in seiner Erfahrung, dass die Gewalt nicht aufhörte, selbst wenn sie nicht mehr physisch erfolgte. Das Problem sei ein seelisches: das Fehlen der Identität, die Anerkennung als Mensch. Der Wunsch nach dieser Anerkennung stellt eine Identifikation mit der Projektion der Dehumanisierung dar. Die Gewalt dieser Projektion des Nichtseins ist deshalb so intensiv, weil sie nur durch die subalterne Wahrheit ersetzt werden kann, indem die Öffentlichkeit, welche die Projektion teilt, diese Wahrheit anerkennt. Selbst M. M.s Widerstand, sein Wahrheit Sprechen, setzt also den Wunsch nach Anerkennung seitens jener Öffentlichkeit voraus, die ihm seine Subjektivität und Menschlichkeit abspricht und die er als Aggressor erlebt. Sein Wunsch, wahrgenommen zu werden vom großen Anderen, ist nichts anderes als der Ausdruck des Leidens durch genau diese Nichtwahrnehmung durch ihn.

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Gespräch mit M. M. (3/12), 2010; s. Index S. 315 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

3.3

Loyalität

In den vorhergehenden Kapiteln wurde die Bedeutung der hegemonialen Diskurse und Normen, von denen PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz abweichen, für die Selbstdeutungen der Erzähler betrachtet. In Anlehnung an Jacques Lacan werden sie hier als großer Anderer bezeichnet. Nebst der Bedeutung des großen Anderen konnte aber auch die Bedeutung der Diskurse der »eigenen« Identität und des »eigenen« Gedächtnisses festgestellt werden, ausgehend von Lacans großem Anderen hier der große Eigene genannt, um die hegemonialen Narrative und Normen des palästinensischen Kanons als einen weiteren großen Anderen zu veranschaulichen, die sich als Reaktion auf diesen gebildet haben und in ähnlichem Maß bestimmend wirken. Die Bedeutung des großen Eigenen für das Leben des Einzelnen zeigt sich – ähnlich wie beim großen Anderen – in Schulddiskursen, die ich im Folgenden Loyalität nenne, um sie abzugrenzen von den Schulddiskursen des großen Anderen. Im Folgenden sollen in den Auszügen der Erzählungen von S. A. und R. B., die wie die vorhergehenden Erzähler der Post-Nakba-Generation angehören, genauer betrachtet werden, wie dieser sogenannte große Eigene Selbstdeutungen formt. Beide Erzähler sind als Nachkommen von Flüchtlingen im arabischen Raum aufgewachsen. Beide haben zwar Unterdrückung aufgrund ihres Palästinensischseins erfahren, aber keine Vertreibung aus Palästina/Israel erlebt.

3.3.1

Vererbte Fremde – das Beispiel S. A.

S. A. stammt aus einer palästinensischen Familie aus Haifa, die 1948 nach Syrien floh. Er wurde im syrischen Flüchtlingslager Yarmūk geboren und wuchs dort auf. Er leitet seine Erzählung wie folgt ein: Ich möchte beginnen mit meiner Lebensgeschichte. Sie wird tatsächlich ein wenig lang und ich möchte darin etwas von dem Drama erzählen, etwas vom Leiden aller Palästinenser, die in der Fremde sind.51 Bereits im ersten Satz enthüllen sich in narrativ-biografischen Erzählungen oft wesentliche Selbstdeutungen. S. A. verflicht seine Lebensgeschichte gleich zu Beginn mit der Geschichte des palästinensischen Volkes. Die Geschichte des Volkes hat etwas Episches, etwas Zirkuläres, Zeitloses, es ist die Geschichte der Fremde, die hier anklingt. Erst nach der Einbettung seiner Geschichte in die Geschichte des Volkes nennt er seinen Namen und weitere »persönliche« Dinge wie seinen Jahrgang und seine soziale und lokale Herkunft. So stammt er aus einer Künstlerfamilie aus Haifa, auf die er seine persönliche Identität als Künstler zurückführt:

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Gespräch mit S. A. (4/1), 2010; s. Index S. 315 im Anhang.

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Tabu, Trauma und Identität

Nun, als Erstes bin ich Palästinenser und ich heiße […], ich bin Jahrgang 1958 und von einer Familie … einer Künstlerfamilie bis zu einem gewissen Grad. Mein Vater arbeitete in Haifa, in einem Bereich, den wir Milchglasmalerei nennen, für den Bau von Kirchen oder Moscheen. Und diese Arbeit war eine künstlerische Arbeit. So wurde ich auch im künstlerischen Bereich beeinflusst von meinem Vater, und das in Sachen Kunst von den Anfängen .. von Kindheit an .. von klein auf.52 Er fährt allerdings nicht mit sich und seinem Leben fort, beispielsweise mit seiner Geburt in Syrien, sondern mit dem Beginn der Leidensgeschichte seines Volkes, mit 1948: Im Jahre 1948 wurde unser palästinensisches Volk etwas vom Schwierigsten ausgesetzt, welchem die ganzen Völker der Welt ausgesetzt waren, nämlich der Vertreibung, der Vertreibung, die wir zwanghafte Vertreibung nennen. Und die Palästinenser, deren Vertreibung 1948 geschah, nachdem man ihnen versprochen hatte ... dabei wurde ihnen versprochen, sie würden nach einigen Tagen oder Wochen in ihre Häuser zurückkehren können. Zum großen Unglück wurden die Palästinenser verstreut in die geografische Umgebung außerhalb des historischen Palästinas. Und ein Teil der Familie, mein verstorbener Großvater, meine Großmutter, meine Mutter, Tante [mütterlicherseits] und mein Onkel [väterlicherseits] – meine Familie war nicht sehr groß – wurde verstreut nach … nach Syrien. Syrien war also die erste Station für meine Familie. Ich wurde geboren im Jahr 1958, geboren in einem Flüchtlingslager ... das Flüchtlingslager, etwa drei Kilometer südlich von Damaskus, heißt Yarmūk. Es birgt die größte Anzahl von Palästinensern in einem Flüchtlingslager. Die Anzahl der Bewohner des Lagers beträgt heute zwischen 250 000 und 300 000 Personen. Deshalb natürlich gilt es als das größte der Flüchtlingslager. Ich begann mein Leben wie alle Palästinenser in den Schulen der Agenturen der UNRWA, den Schulen für die palästinensischen Flüchtlinge.53 Er wechselt also in eine andere Geschichte, die zehn Jahre vor seiner Geburt stattfand, und macht eine Rückblende, die den Beginn einer neuen, anderen Geschichte darstellt. Bei der Rückblende handelt es sich um eine Hintergrundkonstruktion, um zu erklären, wie seine Familie von Haifa nach Syrien kam, wo er zehn Jahre später geboren wurde. Obgleich der Exkurs in die palästinensische Geschichte hier nicht abwegig ist, zeigt der prominente Platz, den er ihr einräumt, sowie die formelhaften, repetitiv wirkenden Elemente, die er mit dem Ereignis der Vertreibung verknüpft – die Schwere des Leids, die zwanghafte Vertreibung, das Versprechen der Rückkehr, das große Unglück der Zersplitterung der Familie –, dass er einem bestimmten Narrativ Raum geben will. Erklären lässt sich dies dadurch, dass er

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Gespräch mit S. A. (4/2), 2010; s. Index S. 316 im Anhang. Gespräch mit S. A. (4/3), 2010; s. Index S. 316 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

zwar von sich erzählen will, aber wie es bereits sein Einleitungssatz ausdrückt, die Verantwortung, für sein Volk zu sprechen, übernehmen möchte. Die Sequenz hat etwas von einem »unpersönlichen« Geschichts- oder Aufklärungsteil, in dem Sinne, dass S. A. darin nicht als Ich vorkommt. Das spiegelt sich beispielsweise in der Verwendung der ersten Person Plural wie in »unser palästinensisches Volk« und in »die wir zwanghafte Vertreibung nennen«. Durch die Betonung auf zwanghafter Vertreibung (at-tahǧīr al-qaṣrī), einem sprachlichen Pleonasmus, möchte sich der Erzähler überdeutlich vom Terminus Flucht oder von psychologischen Mitteln der Vertreibung wie der Produktion von Panik (zum Beispiel durch Massaker wie das von Dayr al-Yasīn) abgrenzen und reagiert damit auf den Mythos des großen Anderen, dass die meisten PalästinenserInnen das Land freiwillig verlassen hätten. Die Betonung des Rückkehrversprechens gleich danach ist vermutlich im Kontext des Vorwurfs zu sehen, sich vertreiben lassen zu haben. Offenbar versucht er, verschiedenen Schulddiskursen (denen, welche die Vertreibungen rechtfertigten, und denen, die sich mit dieser Rechtfertigung identifizierten) zu begegnen, wobei es zu leichten Ungereimtheiten kommt, zumal das Versprechen der Rückkehr eher zum Terminus der Flucht als zum Terminus der zwanghaften Vertreibung passt, auf die er so besteht: Und die Palästinenser, die man 1948 vertrieb, nachdem man ihnen versprochen hatte, dabei wurde ihnen versprochen, sie würden nach einigen Tagen oder Wochen in ihre Häuser zurückkehren.54 Die prominente Stellung der herrschenden Diskurse, gleich zu Beginn der Lebensgeschichte, zeigt ihre zentrale Bedeutung für das Leben des Erzählers auf. S. A. kommt dann auf sich und die Chronologie seiner eigenen Lebensgeschichte zurück, beginnend bei seiner Kindheit. Doch diese nutzt er wiederum, um sein Leben als exemplarisch für das Leben eines palästinensischen Flüchtlings darzustellen. Er tut dies, indem er erzählt, dass er wie alle palästinensischen Flüchtlinge eine UNRWA-Schule besuchte, und schreibt sich über die Subjektposition des Flüchtlings in den palästinensischen Diskurs der Fremde ein. Wie er im Einleitungssatz sein Drama als exemplarisch für das Drama der PalästinenserInnen in der Fremde darstellt, scheint auch hier die Rückkehr zur persönlichen Biografie mit der Intention verbunden, das Schicksal des Volkes bzw. den palästinensischen Kanon zu repräsentieren. Vergleichbar mit M. F. macht er auf diese Weise sein Leben zu einem autobiografischen Monument für die palästinensische Geschichte der Vertreibung. Der Erzähler unterbricht seine persönliche Geschichte immer wieder, um mit der Geschichte des Volkes weiterzufahren. Sorgfältig verflicht er die kollektive Geschichte mit der persönlichen, als ob er einer Verpflichtung nachkommen würde. Die Repräsentation der Geschichte des Volkes durch seine Bio54

Gespräch mit S. A. (4/4), 2010; s. Index S. 316 im Anhang.

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grafie lässt sich aber nicht bloß auf die Gesprächssituation zurückführen, wie wir bereits gesehen haben. Die Verantwortung, für das Volk zu sprechen, greift sehr viel weiter, nämlich bereits bei der Art und Weise, sich selbst zu deuten und in der Welt zu positionieren, wie an den folgenden Beispielen besonders deutlich wird. Was die eben betrachteten Beispiele von Repräsentation mit den folgenden verbindet, ist der Aspekt der Loyalität und der Diskurs der Fremde. »Meine Lebensgeschichte wird bis zu einem gewissen Grad eine schwierige sein«, mit diesen Worten leitet S. A. seine Schlüsselerzählung von sich als sechsjährigem Jungen ein, der auf die frisch gestrichene, schöne weiße Wand seines Nachbarn einen Vogel und die Sonne zeichnet und dafür von seinem Nachbarn mit schmerzenden Schlägen bestraft wird: In den Anfängen war – meine Lebensgeschichte wird bis zu einem gewissen Grad eine schwierige Geschichte sein – die ersten künstlerischen Anfänge waren, als ich fast sechs Jahre alt war, da fühlte ich, dass ich Künstler bin. Und diese Geschichte ist verknüpft mit einem unserer Nachbarn. Wir hatten einen Nachbarn im Lager Yarmūk, der versuchte, sein Haus zu streichen mit weißer Farbe. Ich war ein Kind von etwa sechs Jahren. Ich fand auf dem Boden bei uns eine Art Kohle, die die Leute früher brauchten, um Tomaten zu kochen, für den jährlichen Vorrat. Und ich habe die Kohle genommen und mein erstes Bild damit gezeichnet auf dieser Wand unseres Nachbarn. Als der Nachbar mich auf der sehr schönen Wand zeichnen sah, holte er einen Stock und schlug mich. So war das erste künstlerische Bild, das ich auf eine Mauer zeichnete, verbunden mit Schmerz und Peinigung. Die erste Frage, die ich mir damals stellte, war, weshalb ich geschlagen worden war. Ich ging nach Hause zu meiner Mutter weinen und fragte sie, weshalb hat mich dieser Mann geschlagen. Sie sagte, du hast die Mauer beschmutzt. Ich sagte, aber ich habe sie nicht beschmutzt. Ich habe einen Vogel gezeichnet. Ich habe eine Sonne gezeichnet. Das war die Aussage, die mich veranlasste, mich als Künstler zu betrachten. Ich hatte nicht die Absicht, die Mauer zu beschmutzen, ich hatte die Absicht, die Mauer zu verschönern, damit sie schöner war. Aber die Menschen sahen es, akzeptierten es nicht als Verschönerung, sondern als Beschmutzung. Dieser Gedanke blieb von Kindheit an.55 Diese Geschichte ist zentral, weil S. A. immer wieder auf Teile von ihr zurückkommt und mit anderen Deutungsmustern und Funktionen auflädt. In dieser ersten Version zeigt sie seine Entdeckung seines Künstlerseins, eine Identität, die ihm sehr wichtig ist und deren Entwicklung er gleichsam wie einen roten Faden durch die Erzählung zieht. Er betont sie gleich zu Beginn der Lebensgeschichte, wo er sie zurückführt auf seine Herkunft aus einer Künstlerfamilie. Es ist eine Identität,

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Gespräch mit S. A. (4/5), 2010; s. Index S. 316 im Anhang.

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die er in verschiedenen anderen Momenten seine Differenz zu der ihn umgebenden Gesellschaft in Syrien verursachen und markieren lässt, eine Differenz, die mit Schmerz verbunden ist, weil er für sie von seiner Umgebung, repräsentiert durch den Nachbarn, bestraft wird. Dieser Schmerz hat hier nichts zu tun mit dem Leiden der palästinensischen Geschichte, welches in der Erzählung sonst so prominent ist und mit der er sein Leben bereits zu Beginn vergleicht. Sondern er leitet seine ganz persönliche Opposition zur Gesellschaft ein, zu Autoritäten wie seinem älteren Nachbarn, seiner Mutter, den Lehrern. Nach dieser Schlüsselerzählung führt er das Thema seiner Opposition zur Gesellschaft weiter. Er erzählt von seinem Zeichnen in der Schule: Von Anfang an und immer habe er gezeichnet. Die Lehrer werfen ihm dasselbe wie Nachbar und Mutter vor, er beschmutze, doch seine Absicht war zu verschönern, wie er betont. Er habe begonnen, die Realität zurückzuweisen, die ihn nicht zu seinen Bedingungen akzeptierte, ein Zustand des Widerstands gegen die Gesellschaft. Im Satz darauf kommt er wieder auf seine Schlüsselerzählung zurück, indem er den Beginn seines Widerstands an seiner Erfahrung als Sechsjähriger festmacht: Ich kann es erachten als den ersten Zustand von Zuständen der Rebellion gegen die Gesellschaft, der begann, als ich sechs Jahre alt war und der bis zum heutigen Tag andauert, ich befinde mich also in einem immerwährenden Zustand der Empörung.56 Die Schlüsselerzählung erfährt eine neue Deutung, als der Erzähler darüber spricht, wie er dazu gekommen ist, sich als Fremder zu begreifen in dem Land, in dem er aufgewachsen ist, und wie er ins palästinensische Drama eingetreten ist. Die Alten, seine Großeltern hätten oft ḥadūte erzählt, kleine Geschichten, die man abends am Meer erzählte, Geschichten von Palästina, von Haifa, vom Leiden, noch aus den Zeiten der Mandatszeit und den Zeiten des zionistischen Terrors, und die Kinder hätten gelauscht, es habe ja keinen Fernseher gegeben. Die Geschichten hätten sich bei ihnen zu etwas Sinnlichem geformt – S. A. benutzt hier das Wort Geografie –, als ob er selbst dort gewesen wäre: Und wenn ich jetzt mit den Leuten spreche, die in Palästina waren, und ihnen sage, ich war in Haifa und im Wādī Nisnās und ich ging nach Hadāra und nach Mār Elyās, fragen sie mich, in welchem Jahr hast du Palästina verlassen? Du kennst alle Orte in Haifa. Aber ich habe Haifa nicht gesehen. Doch Haifa befindet sich in in der Tiefe meines Innern. Heimat war nicht etwas Geografisches für mich, vielmehr bestand sie aus Geschichtchen. Ḥadūte sind in unserem umgangssprachlichen Arabisch Geschichten, welche der Großvater und die Großmutter erzählen,

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Gespräch mit S. A. (4/6), 2010; s. Index S. 316 im Anhang.

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Geschichten, die du am Meer erzählst, die du am … am … am Strand erzählst, Geschichten, die das Leiden erzählen, erzählen, wie die Großeltern gelitten haben in den Tagen der Besatzung der Engländer oder der Besatzung der … oder sagen wir des Terrors des Zionismus, der in Palästina war.57 Durch diese Geschichten von der verlorenen Heimat und dem Leiden der Alten habe sich das politische Wissen geformt, dass er ein Fremder sei im Land, in dem er lebte. Er habe von seiner Umgebung eine Rechtfertigung für sein Dasein (tabrīr ʿan wugūdī) verlangt, d.h. vermutlich für sein Leben in Syrien. Er schlussfolgert, von hier an sei er ins palästinensische Drama eingetreten: Und es hat sich bei mir geformt ein politisches Wissen, dass ich fremd bin in diesem … diesem … im Land, in dem ich lebe, welches Syrien heisst. Und es stellte sich mir die Frage … [zögerlich] die erste Frage, die sich mir stellte, war: Warum bin ich Flüchtling? Warum? Es stellte sich mir diese Frage im Geiste. Und ich begann, diese Frage zu stellen, ich stellte sie dem Lehrer der Schule, dem Großvater, der Großmutter, damit sie mir eine Entschuldigung, eine Rechtfertigung geben für mein Dasein. Und von da an trat ich ein ins palästinensische Drama.58 Im Satz darauf nennt er diesen Eintritt ins palästinensische Drama den Eintritt »in die Tiefe des palästinensischen Leids«. Er setzt diesen mit der Geschichte gleich, die er als Sechsjähriger erlebt hat: Und ich sage über mich selbst: In den ersten sechs Jahren meines Lebens verspürte ich zum ersten Mal Schmerz, als ich zum ersten Mal einen Vogel gezeichnet habe und die Sonne, und als ich von meinem Nachbar dafür bestraft wurde. Sag mir nichts, da bist du in die Tiefe des palästinensischen Leidens eingetreten.59 Er gibt also nacheinander zwei verschiedene Erklärungen, durch die er sein Eintreten ins palästinensische Leid gewissermaßen als Initiation schildert: das durch die Geschichten der Alten erworbene Wissen um die Fremde sowie den Schmerz durch die Bestrafung des Nachbarn. Die beiden Erklärungen scheinen sich für ihn aber nicht zu widersprechen. Im Gegenteil, S. A. ergänzt die erste durch die zweite, wobei er seine Schlüsselerzählung nachträglich mit dem Narrativ der kollektiven Leidensgeschichte auflädt. Die von ihm gezeichneten Bilder Sonne und Vogel, ehedem Symbole seiner künstlerischen Freiheit, und die Bestrafung durch den Nachbarn als Beschneidung dieser Freiheit gewinnen dadurch eine völlig neue Bedeutung. Gerade der Vogel bildet eine beliebte Trope des klassischen palästinensischen Kanons, indem er als Metapher für Freiheit die ungehinderte Rückkehr ins Land symbolisiert. Hier wird sichtbar, wie S. A. sein späteres Wissen um die Leiden der 57 58 59

Gespräch mit S. A. (4/7), 2010; s. Index S. 316 im Anhang. Gespräch mit S. A. (4/8), 2010; s. Index S. 317 im Anhang. Gespräch mit S. A. (4/9), 2010; s. Index S. 317 im Anhang.

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Alten auf seine eigene Geschichte projiziert und das ihm durch den Nachbarn widerfahrene Leid nachträglich in Symbole und in das Narrativ des palästinensischen Leidens einbettet. Seinen Eintritt ins palästinensische Leid verknüpft S. A. also einerseits mit seinem persönlich erfahrenen Leid und andererseits mit dem von den Alten erworbenen Wissen um die Fremde. Das transgenerational tradierte Fremdsein nennt er ein politisches Wissen (maʿlūma siyāsiyya), etwas, das er offensichtlich nicht selbst fühlt bzw. gefühlt hat. Das Fremdsein als palästinensische conditio humana ist demnach für ihn eine Abstraktion, keine persönliche Erfahrung, ein Wissen, das von außen erworben wird. Es ist ein Wissen, mit dem er aber sein Leben, das vorher Gewesene, d.h. seine Erfahrungen als kleiner Junge, deutet. Wir haben also auf der einen Seite die kollektiv erfahrene und tradierte Erfahrung des existenziellen Fremdseins, aus dem es kein Entrinnen gibt, da es durch die Geburt weitergegeben wird und einen wie ein makelhaftes Erbgut ins eigene, vertraute Leben hinein (in Syrien) verfolgt: »und es hat sich bei mir geformt das politische Wissen, dass ich fremd bin in diesem … diesem … im Land, in dem ich lebe, welches Syrien ist«.60 Auf der anderen Seite ist es ein selbst erfahrenes Fremdsein, resultierend aus der persönlichen Erfahrung einer bestraften Differenz zur Gesellschaft. Den neuen Sinn, den er der eigenen Erfahrung beimisst, entlehnt er den Erfahrungen der Alten und eignet sie sich so als seine eigenen an. Genauer als von einer Aufladung mit neuem Sinn ist von Umdeutung zu sprechen, da S. A. seine persönliche Leiderfahrung zugunsten des sozial tradierten Leids umdeutet. In seiner alten Deutung der Erfahrung der bestraften Differenz dominiert nämlich nicht Leiden, sondern Schmerz, Empörung und Aufstand, nicht die Ohnmacht (der Alten), sondern die eigene Mächtigkeit: Mit Wut reagiert er auf den Schmerz der (durch den Nachbar) bestraften und (in der Schule) nicht goutierten Andersheit: Die Lehrer tadelten mich immer und versuchten meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass diese Arbeit nicht richtig ist. Das Heft müsse geordnet, gut und schön sein. Aber meine Hand spielte immer mit dem Papier und zeichnete unbewusst. Ich habe nicht gefühlt, dass es Absicht war, das Heft zu beschmutzen, die Absicht war, es zu verschönern. Und es begann bei mir die Problematik, der Realität zu misstrauen. So begann ich von Kind an, die Realität, die mich umgab zurückzuweisen, die Realität, die mich nicht akzeptierte zu meinen Bedingungen, sondern die von mir verlangte, mich nach ihren Bedingungen zu richten. Und von da an … ich kann es erachten als den ersten Zustand von Zuständen der Rebellion gegen die Gesellschaft, der begann, als ich sechs Jahre alt war und andauert bis

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Vgl. Fußnote 100.

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zum heutigen Tag, ich befinde mich also in einem immerwährenden Zustand der Empörung […].61 Zudem hatte S. A. sich zwar fremd in seiner Umgebung gefühlt, aber nicht im Land selbst. Syrien ist seine Heimat. Seine Fremdheit im Land steht also in direktem Zusammenhang mit den Geschichten der Großeltern. Die eigene Fremde als Palästinenser ist folglich eine Form von Identifikation mit dem Leiden der Alten. Die Umdeutung scheint er durch Beteuerungen besiegeln zu wollen: »und ich sage über mich selbst … sag mir nichts …«.62 Die von ihm mit neuem Sinn besetzte persönliche Erfahrung wirkt affektiv interessanterweise sehr viel wirklicher als die erzählte Tradierung der Fremde, da mit sehr viel mehr Nachdruck gesagt, während der Eintritt ins palästinensische Leid durch die Tradierung abstrahierter und analysierter klingt. Es macht den Anschein, als ob die Umdeutung seines persönlichen Dramas zugunsten der Bedeutung des kollektiven Narrativs schon vor langer Zeit und auch affektiv erfolgt ist, und dass die kollektive Erfahrung von Fremdsein sich tatsächlich in die persönliche Erfahrung der Differenz eingeschrieben hat, sodass nun beide Erfahrungen mühelos als Wirklichkeiten nebeneinander bestehen. Dies wird natürlich auch dadurch möglich, dass beide Geschichten ähnliche Inhalte tragen, beides Erfahrungen von Fremdheit sind. Dennoch ist es erstaunlich, dass S. A. ausgerechnet sein persönliches Drama, die bestrafte Differenz zu seiner Umgebung, später mit dem Sinngehalt des kollektiven Narrativs, dem kollektiven Drama des Fremdseins, versieht. Denn eigentlich sind es gerade die Repräsentanten jenes Kollektivs, seine Umgebung, die Autoritäten, die ihm Schmerz bereiten und denen er sich in Widerstand zugewandt hatte. Zudem handelt es sich bei den Geschichten vermutlich um zwei miteinander konkurrierende Dramen, da die kollektive Katastrophe (die Nakba) für sich eine hegemoniale Stellung reklamiert, die S. A. bereits zu Beginn seiner Lebensgeschichte verteidigt. Das innerpalästinensische Gebot dieser Hegemonie geht aus dessen Ausgrenzung durch die westliche respektive zionistische Öffentlichkeit hervor. Vermutlich hat das Gefühl der großen Verantwortung gegenüber diesem Kollektiv (den Alten) S. A. dazu gebracht, sich die Geschichte anderer trotz des gespaltenen Verhältnisses zu den Vertretern seiner Gesellschaft (Familie, Schule) zu eigen zu machen. Möglicherweise kam es zu einem (Loyalitäts-)Konflikt zwischen seinem persönlichen und dem kollektiven Drama, den er löst, indem er das persönliche mit dem Sinngehalt des kollektiven Dramas deutet, mit der Konsequenz, dass er seine Mächtigkeit (Widerstand, Empörung) in der Adaption des Kanons des Leidens und der Ohnmacht der Alten zu verlieren droht. Doch scheint genau

61 62

Gespräch mit S. A. (4/10), 2010; s. Index S. 317 im Anhang. Interview S. A., 2010. Vgl. oben, S. 149.

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das Gegenteil zu geschehen. Denn S. A. bringt seine sehr persönliche Schlüsselerzählung, den Konflikt zwischen seiner Umgebung und ihm, ein zweites Mal mit Palästinensischsein und Metaphern des kollektiven palästinensischen Kanons in Verbindung.63 Nur deutet er dieses Mal nicht seine persönliche Geschichte um, indem er sie mit Inhalten eines tradierten Palästinensischseins von Fremde und Ohnmacht reinterpretiert, sondern er deutet dieses Palästinensischsein um in ein Symbol für Auflehnung und besetzt sie dadurch mit einem Motiv neu, das er seiner persönlichen Schlüsselerzählung entlehnt. Anlass ist eine Situation, in der Palästinensischsein etwas Entwertetes, Abgelehntes war und in der er sich aufgrund seines Palästinensischseins entwertet gefühlt haben muss: S. A. beschreibt seine Ankunft am Flughafen Zürich nach seiner Flucht aus Syrien.64 Sein eigentliches Ziel war Dänemark, doch in Zürich hatte das Flugzeug einen Transitaufenthalt. Er muss nun mit dem Pass seine Identität ausweisen, hat aber seine gefälschten Papiere vernichtet. Er erzählt die Situation auf dem Flughafen, als würde er sie erneut durchleben: Als ich also am Flughafen Zürich war, muss ich den Pass ein zweites Mal zeigen. Hier fühlte ich, dass ich [unterbricht sich] dieser kleine Palästinenser von sechs Jahren war, der einen Vogel zeichnete und eine Sonne zeichnete, am Flughafen Zürich zurückkehrt zum Sechsjährigen, der einen Vogel und eine Sonne zeichnete. Warum? Wegen dem Zustand der Auflehnung. Ich fühlte, dass ich der Polizei sagen muss, dass ich keinen Pass habe. [Er lacht.] Hier kehrte ich zu meinem Palästinensischsein zurück. Ich sagte also der Polizei: »Um ehrlich zu sein, ich habe keinen Pass«. So war die erste, wie sagt man, [sucht nach Worten] die erste Begegnung mit der Schweizer Polizei. Ich habe ihm gesagt […] er meinte: »Was ist deine Geschichte?« Ich habe ihm gesagt: »Ich komme nicht zu dir, ich gehe nach Dänemark.«65 Die Situation auf dem Flughafen vergleicht er also mit dem Schlüsselereignis, das er als sechsjähriger Junge hatte. Die Frage, die er stellt, warum er sich wie dieser sechsjährige Junge gefühlt habe, beantwortet er auch gleich selbst: wegen des Zustands der Auflehnung. Unmittelbar danach schildert er seine trotzige Reaktion auf die Aufforderung hin, seine Papiere zu zeigen. Was er als Rückkehr zur Erfahrung des kleinen Jungen und als Zustand der Auflehnung bezeichnet – das anstehende Geständnis, bei der Polizeikontrolle keinen Pass zu haben –, ist tatsächlich gefühlte Ablehnung und Scham über die drohende 63 64

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Das erste Mal war beim Eintreten ins palästinensische Leid, das er festmacht an der Schlüsselgeschichte. S. A. hatte sich in der Opposition in Syrien engagiert, doch nicht als Palästinenser für die palästinensischen Belange, sondern allgemein als Oppositioneller, der sich für die Menschenrechte in Syrien einsetzte. Auflehnung benutzt er in diesem Kontext, soweit ich weiß, nicht. Gespräch mit S. A. (4/11), 2010; s. Index S. 317 im Anhang.

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Zurückweisung, die er umdeutet in Auflehnung. Die befürchtete Zurückweisung durch den Polizisten dreht er um, indem er den Polizisten persönlich zurückweist (»Ich habe ihm gesagt: Ich komme nicht zu dir, ich gehe nach Dänemark.«). Als Auflehnung deutet er, was eigentlich eher Phantasma des Widerstands ist, wie es uns ebenfalls bei M. F.66 begegnete. Denn natürlich kann er nichts tun, sodass er nach dieser Szene nach Zypern zurückgeschickt wird, woher das Flugzeug kam. Dass er gerade hier seine Schlüsselerzählung zum Vergleich heranzieht, erstaunt nicht, handelt es sich doch um eine ähnliche Situation: Als kleiner Junge wird seine Art und Weise zu sein (zu zeichnen) und zu empfinden (schön, was andere hässlich finden etc.) von seiner näheren Umgebung abgelehnt (Mutter, Nachbar, Schule). Die Parallele, nämlich die Bestrafung dafür, dass man so ist, wie man ist – die Flughafensituation war eine Etappe seiner Flucht und als solche notwendig und ein Teil seiner Selbstverwirklichung –, erinnerte ihn wohl an die Situation seiner Schlüsselerzählung. Den Topos der Auflehnung hat S. A. in seiner Erzählung schon zweimal thematisiert, aber stets in einem individuellen Kontext, also als Widerstand gegen seine Umgebung (Nachbar im Lager, Schule). Die Auflehnung ist neben dem Sich-selbsttreu-Bleiben bereits damals eine Art Umkehrung des Zurückgewiesenwerdens: Er kommentiert die Bestrafung durch den Nachbarn mit den Worten, die Realität, die Umgebung akzeptierte ihn nicht zu seinen Bedingungen, sondern verlangte, dass er sich an sie anpasste. Als sich in der Schule die Ablehnung wiederholt – die Lehrer rügen ihn wegen seines Gekritzels –, spricht er von seiner Zurückweisung der Realität, die ihn nicht so akzeptierte, wie er war. Seine Zurückweisung der Umgebung ist eine Reaktion auf sein Zurückgewiesenwerden. Die Deutung von Palästinensischsein mit Auflehnung ist im Zusammenstoß mit der Zürcher Flughafenpolizei, der Repräsentation der Staatsgewalt, also nicht erstaunlich. Denn nun ist es sein »nationalstaatliches« Fremdsein, die Tatsache, keine Papiere zu haben, das zum Gegenstand der Ablehnung wird, was er offensichtlich mit Palästinensischsein verbindet. Nicht mehr sein Künstlersein, das er vorher mit Auflehnung konnotierte, wird Gegenstand der Ablehnung. Die Besetzung des Topos der Auflehnung mit Palästinensischsein hier ist neu, auch wenn er von einer Rückkehr (»bin ich zurückgekehrt«: raǧaʿtu) zu seinem Palästinensischsein (»mein Palästinensischsein: filasṭiniyyatī«) spricht. Zuvor konnotierte er Palästinensischsein mit Leiden und Fremde. Auflehnung war zwar etwas Wichtiges (vgl. »immerwährende Empörung«), jedoch etwas, was er in einem persönlichen, nicht in einem politischen Kontext verwendete, etwas, das ihn gegenüber seiner Umgebung als jemanden auszeichnete, der sich gegen die geltenden Konventionen seiner Gesellschaft auflehnte und sich selbst treu blieb (Künstlersein). 66

Auch erscheint das Phantasma wieder zusammen mit einem Traum. Nur handelt es sich hier sozusagen um einen Tagtraum, seine Schlüsselgeschichte.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Offensichtlich rettet S. A. seine persönliche Mächtigkeit in das Phantasma, eine palästinensische Mission zu haben, »hinüber«, wie eine andere Sequenz zeigt. So erzählt er, wie er bei einem UNICEF-Kinder-Wettbewerb einen Preis gewann, in dem eines seiner Bilder als eines der besten weltweit ausgezeichnet wurde. Das Preisgeld war sehr hoch, eine Familie konnte acht Monate lang davon leben. Er bekam zwar mit, dass der Vater sich einen Fernseher leistete, den ersten im ganzen Lager – seine Familie war als eine der wenigen nicht arm, weil der Vater Arbeit hatte –, für den Wert des Geldes schien er allerdings kein Bewusstsein zu haben. Der Preis motivierte ihn dermaßen, dass er umso mehr übte. Am Ende dieser Sequenz formuliert er die Einsicht, als Palästinenser nicht einfach nur schön zeichnen zu können, sondern mit seinem Zeichnen auch etwas bewirken zu müssen.67 Gleichzeitig bezieht er diese Einsicht aber auf den nachfolgenden ḥadūte-Teil, mit dem er nahtlos weiterfährt und in dem er erklärt, wie er sich die Geschichten der Alten erwarb68 und wie er dazu kam, sich als Fremder zu begreifen. Gerade das Zeichnen, das ihn als Individuum auszeichnete, das ihn von seiner Umgebung unterschied, wofür er bestraft wurde und das zum Zeichen seines persönlichen Widerstands gegen die Gesellschaft geworden war, stellt er nun in den Dienst dieser leidgeprüften, exilierten Gesellschaft. Selbst wenn er dabei das Zeichnen durch dessen neue Funktion episch überhöht, imaginiert er doch die Vereinnahmung von etwas, was bisher ihm allein gehörte und das er gegen alle Versuche der Enteignung standhaft verteidigte, zu Gunsten des Gemeinschaftswohls. Wie sehr die Identifikation mit dem Leid der Alten das Leben und die Selbstdeutung des Einzelnen bestimmt, zeigen eindrücklich zwei andere Erzählmomente, in denen S. A. über so persönliche Themen wie Pubertät und physische sowie emotionale Intimität spricht. So erklärt er, dass die Pubertät bei den PalästinenserInnen keinen körperlichen Reifeprozess darstelle, sondern die Zugehörigkeit zur politischen Arbeit markiere: Also die Pubertät, vielleicht reden wir darüber, wie es war zu jener Zeit, also wenn der Junge fühlt, dass er zum Mann, und das Mädchen, dass sie zur jungen Frau wird: Wir Palästinenser, wenn wir in die Pubertät kommen, so fühlen wir diese nicht als etwas Biologisches im Körper, wir fühlen sie durch die Zugehörigkeit zur politischen Arbeit.69 Er erzählt danach, er habe begonnen viel zu lesen, um seine politische Identität zu finden, und erwähnt in diesem Zusammenhang verschiedene Ideologien, Islamismus, Kommunismus, Nationalismus, mit denen er sich auseinandersetzte.

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»Das brachte mich als Palästinenser, der zeichnete, dazu, nicht einfach bloß schön zu zeichnen.« (Gespräch mit S. A. (4/12), 2010; s. Index S. 317 im Anhang.) Er erzählt auch, er habe es bei seinen Kindern genauso gemacht. Gespräch mit S. A. (4/13), 2010; s. Index S. 317 im Anhang.

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Zwei Themen hätten ihn besonders beschäftigt: die Armut im Lager und das Konzept der Gerechtigkeit. Erwachsen werden bedeutet nach seiner Auslegung also, in die politische Arbeit einzutauchen. Ähnlich verhält es sich mit den Gefühlen. S. A. schwärmt davon, wie sehr die Politik selbst in der Liebe präsent gewesen sei, mehr noch, dass es in einer Liebesbeziehung eher um das Teilen der Zugehörigkeit zum palästinensischen Anliegen gehe als um die Beziehung zur anderen Person. Auf Differenz, deren Anerkennung er als Kind in der Familie und Schule empört forderte, verzichtet er schließlich selbst, wie folgende Beschreibung zeigt. Das Ideal ist nunmehr die Verschmelzung in der Sache: Ich habe sie gefragt und die Sache lief gut, wir lernten uns kennen, wir kamen und gingen, schauten Theater, gingen ins Café, aber das war verbunden mit … das Schöne, das ich sagen will, wir, sogar in der Liebe, reden wir über Politik, d.h. der Palästinenser, dieses Beispiel … möglicherweise hören dies die Kinder und kennen diese Geschichten nicht [zeigt auf seinen Sohn, der immer noch zuhört] … dass du das Mädchen nicht nur anziehend findest, weil ihre Augen schön sind, nein, du siehst das Bewusstseinsniveau in ihrer Zugehörigkeit zum palästinensischen Anliegen. Und das Mädchen gibt dir zur gleichen Zeit grünes Licht und lässt dich fühlen: Ich bin interessiert an dir, nicht an deiner Person, sondern an deiner Zugehörigkeit zum palästinensischen Anliegen. Es war also ein reziproker Zustand.70 Diesem Zustand der Verschmelzung nähert man sich über das Ideal eines politischen Subjekts an, eines Subjekts, welches bis ins Intimste (den heranwachsenden Körper und das erwachende Begehren) hinein vereinnahmt werden darf von der Zugehörigkeit zum palästinensischen Anliegen und welches das Persönliche einem politischen Sein unterordnet. Man könnte hier von einer Ideologisierung des Persönlichen sprechen, die also nicht nur von außen erfolgt, durch die zionistisch-westeuropäische Aufladung von Palästinensischsein, sondern auch von innen, durch den innerpalästinensischen Diskurs. Palästinensischsein transgrediert auf diese Weise die nationale Kategorie, es wird zu einem »Bewusstseinszustand« (mustawā waʿy), wie S. A. es nennt. Konzepte vom Eintreten ins Leid, was an eine Initiation erinnert, und von Reifung, repräsentiert durch die Adoleszenz, verklären das kontinuierliche Verschmelzen von Körper und Seele mit der Zugehörigkeit zum palästinensischen Anliegen als eine lineare Entwicklung ins Metaphysische. Die Identifikation mit der Gewalt dieser Verpflichtung zeigt sich bereits in der schwärmerischen Betrachtung der Tradierung und Aneignung von Fremde wie auch in der Deutung des Lebens als einer kontinuierlichen Entwicklung zum höheren Bewusstseinszustand eines politischen Subjekts, beginnend von Kindheit an. Gleichzeitig zeigt das Beispiel von S. A., wie diese Form der Selbstdeutung ihm erlaubt, sich als Subjekt seiner Geschichte, einer Geschichte 70

Gespräch mit S. A. (4/14), 2010; s. Index S. 317 im Anhang.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

von Armut und Exil, den Folgen von Enteignung und Vertreibung, zu ermächtigen und nicht als ihr Objekt zu zerbrechen.

3.3.2

Das Subjekt der Hingabe – das Beispiel R. B.

Bei R. B. können wir das Verschlucktwerden von der Diskursfigur des politischen Subjekts betrachten: R. B. hat als einer der wenigen Erzähler, die hier zu Wort kommen, Vertreibung aus Palästina/Israel nicht selbst erlebt. Er ist der Sohn von Nakba-Flüchtlingen, geboren in Dubai, und wurde infolge seiner politischen Arbeit aus Italien ausgewiesen. Wie S. A. beginnt er seine Lebensgeschichte mit der Geschichte seiner Familie – den Eltern, die 1948 als Kinder mit ihren Familien aus dem Dorf Faǧǧa71 ins Westjordanland geflohen und dort im Flüchtlingslager Balāṭa aufgewachsen waren, bis der Vater in Dubai Arbeit fand. Es folgt die Erklärung, dass er in der Fluchterfahrung seiner Eltern verwurzelt sei und dass diese Erfahrung sein eigenes Leben wesentlich beeinflusst habe. Erst danach fährt er mit seiner Geburt in Dubai 1964 fort. Er sei aufgewachsen wie in einer ganz normalen arabischen Familie, aber als palästinensische Flüchtlinge sei bei ihnen Palästina und nicht etwa ein arabisches Bewusstsein im Zentrum gewesen. Er sei zwar nicht in einem hundertprozentig politisierten Klima aufgewachsen, weil sein Vater, selbst politisch aktiv, die Kinder nach der Enttäuschung von 1967 von der Politik habe fernhalten wollen. Bei Besuchen sei Palästina, die Politik der USA und PLO aber immer das Hauptthema der Diskussionen gewesen. Nach 1967 habe seinen Vater wie viele Aktivisten die Hoffnungslosigkeit getroffen, zumal sie auf die Befreiung Palästinas durch die arabischen Staaten gehofft hatten. Die ehemals politisch Engagierten hätten versucht, sich von der Politik fern- und ihre Kinder von der politischen Arbeit abzuhalten, hätten aber das Thema Politik nicht aus ihrem Leben verbannen können. Denn für einen Palästinenser sei Palästina ein Teil seines Lebens, man könne es nicht vergessen, besonders wenn man aus einer vertriebenen Familie stamme. Es sei also das Hauptthema geblieben, sie hätten es »Schluck für Schluck getrunken«. Seine erste politische Aktivität habe stattgefunden, als Anwar as-Sadat vor Camp David I72 Palästina besuchte. Sie hätten kleinere politische Aktivitäten in seiner Schule in Dubai veranstaltet. Als Sadat nach Ägypten zurückging, habe er (R. B.) den Druck der Welt gespürt, er habe etwas tun müssen. An einer Stelle

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Faǧǧa wurde 1948 mit Ausnahme eines Hauses und eines Brunnens vollständig zerstört. An seiner Stelle und an der Stelle anderer zerstörter palästinensischer Dörfer steht heute die Stadt Petah Tikva, ein Vorort Tel Avivs. (Khalidi, 1992) Der ägyptische Präsident Sadat legte im Camp-David-Abkommen den Grundstein für den ersten Friedensvertrag eines arabischen Staates mit Israel.

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schildert er den Konflikt mit seinem Vater, der durch seinen politischen Aktivismus entstand: Er habe in seiner Schule, deren Direktor sein Vater war, Bilder von Sadat aufgehängt, die sein Vater sogleich wieder herunterriss. Der Vater verbot es ihm und schlug ihn sogar, weil er die Politik auch von der Schule fernhalten wollte. Damals habe sein politischer Aktivismus begonnen. Seit der Sache mit Sadat habe er sich nicht mehr darum geschert, ob er seinen Vater damit erzürnte oder nicht. Zur Veranschaulichung zählt er verschiedene politische Aktionen auf. Als er 1981 mit 17 Jahren zum Studium nach Italien ging, habe er schnell, fast automatisch, andere Jugendliche kennengelernt, die sich politisch engagierten. Er habe sich der palästinensischen Linken angeschlossen. Die politische Arbeit sei von da an organisierter gewesen. Er eignete sich die Ideologie an, sie hätten Ziele gehabt. So wandten sie sich zum Beispiel gezielt an ItalienerInnen, weil es ihnen als Palästinenser nicht erlaubt war, Demonstrationen zu veranstalten. In Italien habe er auf Wunsch seines Vaters drei Jahre lang Medizin studiert, danach habe er abgebrochen, weil er Medizin nicht mochte, weder das Fach noch die Ärzte. Von der Politik stark beeinflusst, habe er sein Leben verändern wollen. Er sei der Meinung gewesen, es ging nicht nur darum, sein Volk zu befreien, sondern auch sich selbst von den Fesseln der Familie und Gesellschaft. Dies sei natürlich ein Teil des politischen, linken Gedankens gewesen. Gegen den Willen seines Vaters habe er das Studienfach gewechselt und ein Wirtschaftsstudium aufgenommen. Neun Jahre lang habe er in der Folge keine Beziehung zum Vater gehabt, stellt er verbittert fest. Es habe bei ihm eine klare Parallele zwischen seiner Befreiung vom »König des Hauses«, dem »König der Familie«, und der Befreiung seines Volkes gegeben. Er möge die Verbundenheit mit der Familie, sei ein Kind der arabischen Kultur, aber das Band sollte nicht zwingend oder reaktionär sein, sondern zur Selbstverwirklichung führen. Die politische Arbeit in Italien erläuternd, fährt er fort: Sie hätten sich für Palästina engagiert, seien nicht gegen Italien gerichtet gewesen oder gegen einen anderen Staat. Auch wenn man natürlich als Linke bis in die 1980er-Jahre über andere Staaten geredet habe, über andere Gruppierungen, über arabische Regierungen und die internationale Solidarität, so habe man sich primär für Palästina eingesetzt. Man habe versucht, bei der neuen Generation ein Bewusstsein zu schaffen, damit die palästinensische Sache nicht vergessen gehe, damit sie sich für sie interessierte, für Organisationen, Demonstrationen etc. Man habe auch Gespräche mit ItalienerInnen geführt, mit allen italienischen Gewerkschaften, habe Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit für Palästina geleistet. Das Problem in Italien sei bloß gewesen, dass die palästinensische Linke in Italien verboten war. Die Gruppierungen wurden als terroristisch betrachtet, besonders die PFLP. Das habe schließlich zum Verlust seiner Aufenthaltsbewilligung und zu seiner Ausweisung geführt.

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Bis zur endgültigen Ausweisung habe er in verschiedenen Städten versucht, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Es sei eine harte Zeit gewesen ohne finanzielle Unterstützung von zu Hause, er arbeitete schwarz als Putzhilfe in Restaurants für umgerechnet zwei Franken die Stunde. Doch wichtig seien ihm seine Zigaretten gewesen und dass er lebte. Schließlich sei er verhaftet worden, saß zwei Tage im Gefängnis, danach wollten sie ihn nach Jordanien schicken. Nach seiner Inhaftierung habe er innerhalb von 48 Stunden das Land verlassen müssen. Weil er nicht wusste, wohin er gehen sollte, sei er untergetaucht und habe eine Weile ohne Aufenthaltserlaubnis in Italien gelebt. Schließlich erhielt er ein Visum für die Schweiz. Die Probleme hätten sich letztlich von selbst gelöst. Er heiratete seine Schweizer Freundin mit italienischen Wurzeln und habe nun zwei große Töchter. R. B. schildert seine schwierige finanzielle Lage zu Beginn seiner Zeit in der Deutschschweiz. Aufgrund der Ausbeutung durch seine illegale Beschäftigung war er verschuldet. Gleichzeitig musste er seine Familie unterstützen, weil der Vater sein Vermögen an der Börse verloren hatte und seine Schwester studierte. So musste er schnell zu Geld kommen. Weil er mit sich selbst und mit der Arbeit beschäftigt gewesen sei, habe er in der Schweiz ein Jahr und zwei Monate lang eine Pause von der Politik gemacht, bis die Intifada ausgebrochen sei. Auf dem Bau habe er gearbeitet, weil er kein Diplom hatte und neben Arabisch nur Italienisch sprach. Weil die Arbeit körperlich so anstrengend war, habe er nach ein paar Monaten die Arbeit auf dem Bau aufgegeben. Danach arbeitete er ein Jahr lang in einer Fabrik und dann bei einer Versicherung. Jeden Tag habe er fleißig Deutsch gelernt, um seine Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Sehr beeinflusst habe ihn die Intifada. Am 8. Dezember 1987 habe sie begonnen und schnell alle PalästinenserInnen zu mobilisieren vermocht. Sie hätten überlegt, was sie hier – in der Schweiz – tun konnten. Politisch sei er weder organisiert noch aktiv gewesen. Im Sommer 1988 habe er begonnen, zur Unterstützung der Intifada Demonstrationen zu organisieren. Er erinnere sich nicht mehr genau, vielleicht im Mai. Das politische Engagement sei nun ohne Identifikation mit einer politischen Richtung wie in Italien erfolgt, da die Spaltung nur negativ sei, für ihn persönlich und für die PalästinenserInnen. Nun wolle er zum Persönlichen übergehen, kündigt er an. Er habe ein Jahr lang BWL-Handel studiert, dann noch einen MBA angehängt, letztlich ein dreijähriges Studium des Rechts in St. Gallen aufgenommen, das er aus finanziellen Gründen aber nicht abschliessen konnte. Er zählt die weiteren beruflichen Stationen auf, demnach war er immer im privatwirtschaftlichen Bereich tätig. Das Engagement für bzw. die Verbundenheit mit Palästina sei ihm dermaßen wichtig gewesen, dass sie auch sein Berufsleben beeinflusst und eingeschränkt habe. Zum Beispiel habe er eine seiner besten Stellen aus politischen Gründen verloren. Er habe zwei Interviews im Fernsehen gegeben. Daraufhin sei es ihm untersagt worden, öffentlich aufzutreten, weil einige Kunden jüdisch gewesen seien, und das die Beziehung

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zur Firma hätte beeinflussen können, zumal er Leiter des Kundendienstes gewesen sei. Sie hätten offiziell von ihm verlangt, nicht mehr öffentlich politisch Stellung zu beziehen. Das habe zu einem Konflikt zwischen ihm und der Verwaltung geführt, woraufhin er die Firma verlassen habe. Weil er für sich entschieden habe, dass das Berufsleben die politische Arbeit zulassen müsse, habe er sich selbständig gemacht. Er müsse nun niemandem gehorchen. So könne er unabhängig agieren. Die Verbundenheit mit seiner Heimat bzw. mit dem palästinensischen Anliegen habe ihn also sehr geprägt. Er betont, dass es ein wichtiger Teil seines Lebens sei. Die politische Arbeit beanspruche einen Fünftel seines Lebens: Nach Schlaf, Arbeit, Arbeitsweg, Familie komme die Arbeit für die Heimat. Sie beanspruche viel Zeit, etwa zwei bis drei Stunden am Tag. Dazu gehörten Korrespondenz, Interviews, Organisation von Aktionen in diversen Vereinen und Organisationen. Er tue alles, was er könne, um das Bewusstsein für Palästina in der Öffentlichkeit präsent und Unterstützung für Palästina zu erhalten. Wenn wir R. B.s Geschichte betrachten, so fällt auf, dass er zwar über sein Leben spricht, jedoch nahezu jede Lebensphase in Beziehung zur politischen Arbeit setzt, beginnend bei seiner Adoleszenz: So setzt er seine Nichtanpassung ans Elternhaus gleich in Bezug zur ersten politischen Aktivität. Sein politischer Aktivismus habe mit dem Konflikt mit seinem Vater begonnen, der ihn mit Schlägen von der Politik habe fernhalten wollen, betont er: Das erste, woran ich mich als meine erste politische Aktivität erinnere, war in der Schule […]. Unsere Aktivität war gering. Ich erinnere mich, einmal haben wir so etwas wie eine Demonstration für den Tag des Bodens gemacht mit einigen größeren Jungen […]. Davon abgesehen gab es keine wirklichen politischen Aktivitäten in der Schule bei uns, d.h. in den Emiraten. Als Sadat nach Israel ging, bin ich natürlich nicht geschockt gewesen im Sinne eines Schocks, aber es gab einen Schock der Welt, […] und dieser Schock beeinflusste mich zu einem Grad, dass ich fühlte, dass ich etwas tun musste. So schnitt ich aus allen Zeitungen Bilder von Sadat aus und sammelte etwa 40 bis 50 Bilder. Mein Vater war zu dieser Zeit der Direktor der Schule, in die ich ging. […] Er ging immer eine Stunde, bevor die ersten Lehrer eintrafen, zur Schule, um eine Runde in der Schule zu machen, damit er die Kontrolle über die Schule hatte. Mein Vater liebt die vollständige Kontrolle. Wir gingen also früh los – ich erinnere mich an den Tag in der Schule – dass er … er einen Kontrollrundgang macht und ich Bilder anklebe und darauf schreibe und auf ihnen gegen Sadat aufrufe und er wirft die Bilder weg und ich hänge sie in anderen … anderen Zimmern auf. Mein Vater wusste, dass ich der Einzige in der Schule mit ihm war. Er hat mich also gefangen und geschlagen an diesem Tag. Sogar in der Schule, weil er die Politik in den Schulen verboten hatte. Damals begann meine politische Aktivität. […] nach der Sache mit Sadat startete ich die politische Arbeit. Ich habe mir dabei nicht mehr überlegt: Wird mein Vater wü-

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tend oder nicht wütend? Für mich wurde wichtig, dass ich handle. Wir haben den Tag des Bodens begangen und den Tag der Nakba […].73 Die politische Arbeit erlaubte ihm also, sich vom Elternhaus zu emanzipieren, indem er den politischen Aktivismus, den der Vater aufgegeben hatte, gegen dessen Willen weiterführte (vgl. M. F). Auch in seiner Erzählung wird der Konflikt zwischen der Generation, welche die Nakba als (junge) Erwachsene erlebte, und der nachfolgenden Generation deutlich. Im Gegensatz zu anderen klagt R. B. seinen Vater aber nicht an, sondern er erklärt sich seine Resignation als Ergebnis der Hoffnung, die man in die arabischen Staaten (und die palästinensische Befreiungsorganisation) gesetzt hatte und die durch die Niederlage von 1967 enttäuscht wurde. Auch seinen Umzug nach Italien, das Leben im neuen Land, verknüpft R. B. mit der Schilderung der politischen Arbeit und ihres Wandels (nun organisierter, in Richtung der Linken). Selbst die Veränderung seines Lebens hin zur Selbstverwirklichung, den gegen den Willen seines Vaters erfolgenden Studienfachwechsel, interpretiert er als Ausdruck seines politischen Engagements: Die Ideologie der revolutionären Linken habe ihn angetrieben, sich zu verändern. Politische Arbeit bedeute nicht nur Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch eine innere Transformation: die Befreiung von inneren Fesseln, von (reaktionären) Familienbanden, bevor man das Volk befreie. Die Befreiung fand in seiner Deutung also nicht nur auf politischer, sondern auch auf persönlicher Ebene statt. Doch nicht bloß Palästinensischsein, auch sich selbst scheint er auf das politische Subjekt zu reduzieren, wie der obige Beginn seiner Lebensgeschichte bereits ankündigt. Die Dominanz dieser Diskursfigur in seiner Erzählung zeigt, wie wichtig es R. B. ist, sich als politisches Subjekt zu positionieren. Ein solcher Eindruck entsteht beispielsweise durch die genauen Datierungen, die akribischen Angaben, wann er wie lange nicht aktiv war. Damit belegt er, dass er nicht lange pausiert hat. Außerdem rechtfertigt er die Pausen und führt Gründe an.74 Neben der Kontinuität seines politischen Engagements ist ihm auch wichtig, dessen Intensität zu illustrieren: Er zählt kurz die Stationen seiner Studien und seiner beruflichen Laufbahn auf, kommt aber gleich wieder auf das Politische zu sprechen, indem er schildert, wie seine politische Arbeit bzw. die Verbundenheit mit seiner Hei-

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Gespräch mit R. B. (5/1), 2010; s. Index S. 318 im Anhang. In einem Absatz spricht er länger nicht über Politik. Er erzählt von den Anfängen in der Schweiz, von der finanziellen Not und der harten Arbeit auf dem Bau und wie sehr er mit sich selbst und der Arbeit beschäftigt gewesen sei, um danach zu erwähnen, dass er deshalb ein Jahr und zwei Monate Pause von der politischen Arbeit gemacht habe, bis die erste Intifada begonnen habe. Er nennt nun das genaue Datum des Ausbruchs der Intifada (Dezember 1987) sowie des Anfangs seines Engagements in der Schweiz (Sommer, Mai), vorwegnehmend, er sei politisch nicht organisiert gewesen, habe keine Leute gekannt.

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mat auch sein Berufsleben negativ beeinflusst und ihn eine seiner besten Stellen gekostet habe. Zum Beispiel habe ich […] eine der besten Arbeiten verlassen, die ich finanziell hatte, […] weil ich […] zwei Interviews gegeben habe im Fernsehen. Da kam eine Order von der Verwaltung, nicht im Fernsehen zu erscheinen; weil wir aah einige jüdische Kunden hatten, hat das die Beziehungen zur Firma vielleicht beeinflusst, weil ich Direktor für Kundenbeziehungen in dieser Firma war. […] Da haben sie ganz offiziell von mir verlangt … ich habe abgelehnt. Dann gabs Gespräche zwischen mir und der Verwaltung. Dann bin ich von der Firma weggegangen. […] Für mich hat sich so definiert, dass die Arbeit, die ich mache oder die ich im Leben ausführen möchte, geeignet sein muss für die politische Arbeit.75 Die Inszenierung von sich als politischem Subjekt ist im Wesentlichen eine Demonstration seiner Hingabe. R. B.s wiederholtes Bedürfnis, den Nachweis über diesen Eifer zu erbringen, führt dazu, dass die Subjektposition einen apologetischen Charakter erhält. Er scheint sich selbst gegenüber beweisen zu müssen, dass er seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Das politische Subjekt scheint ein Idealbild zu sein, eine Norm, an die es sich unbedingt anzunähern gilt. Dieses verinnerlichte Ideal hängt eng mit dem Trauma der Vertreibung seiner Eltern und dem Diskurs der Auslöschung zusammen, der mit der kolonialistischen Ersetzung eines Volkes durch ein anderes einhergeht. Dies wird im Nachfrageteil offensichtlich. R. B. antwortet auf die Frage, ob er mit seinen Töchtern über Palästina spreche: Natürlich. Das ist eine Frage des Zirkulierens. Nicht des Zirkulierens, eine Frage der Revolutionen. Das Anliegen, dieses Anliegen ist ein sehr wichtiges. Ich bin meinen Großeltern sehr dankbar … meinem Vater. […] sein Interesse am Anliegen, am Anliegen selbst war indirekt. Er hat mir Interesse gegeben. Das war der erste Antrieb oder das erste Anliegen, das sich in meinem Innern oder in mir selbst bildete. […] Das Problem der Vererbung ist ein wichtiges Problem. Stell dir vor, wenn meine Großeltern und mein Vater nicht interessiert gewesen wären am palästinensischen Anliegen, wäre ich möglicherweise auch so rausgekommen, dann hätte ich vielleicht auch kein Interesse. […] Aber wenn dieses Thema nicht vererbt wird […], dann wird es sterben. […] Einer der zionistischen Pläne war es: wenn ich vergesse, wer ich bin … Ben Gurion, er ist es, der gesagt hat gesagt hat […] 1948 in den Tagen der Vertreibung sagte, dass ja, wir nehmen die Länder und vertreiben die Menschen, sie … sie … sie werden älter werden und sterben und die Generationen, die kommen, werden vergessen. Und diese Worte, ich erinnere mich, sind von Ben Gurion. D.h., das Problem der Vererbung ist ein wichtiges Problem. Vererbung bedeutet am Ende, das Anliegen am Leben zu erhalten, das Recht am Leben

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Gespräch mit R. B. (5/2), 2010; s. Index S. 318 im Anhang.

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zu erhalten. Das Problem ist nicht, dass wir Feinde der zionistischen Juden sein wollen. […] Aber ich habe ein Problem mit ihnen, dass sie meine Zugehörigkeit verdrängen, die Zugehörigkeit zu diesem Boden. Sie möchten meine Zugehörigkeit durch ihre Zugehörigkeit ersetzen, folglich meine Zugehörigkeit auslöschen und nehmen. Das ist mein Problem. Das zweite Problem ist die emotionale, nationale, politische, territoriale, materielle Zugehörigkeit, die Geschichte, die Wurzeln, das Problem ist viel größer als das … […] ohne das palästinensische Anliegen stirbt ein Teil von mir … dann würde dieser Teil von mir sterben und ich würde eine Maschine für die Arbeit werden, um Geld anzuschleppen für meine Kinder, es käme, wie es käme, ich hätte keine andere menschliche Sorge mehr. Die […] Definition von mir selbst, so möchte ich es ausdrücken, als Mensch wäre, dass ich meiner Familie helfe etc., ihnen einen Bereich gebe, in dem sie leben können, in erster Linie über die Arbeit. Aber für dieses Anliegen mache ich schließlich eine menschliche Arbeit, wir verteidigen Rechte, wir verteidigen ein unterdrücktes Volk, wir verteidigen unterdrückte Flüchtlinge, wir verteidigen, was meinen Eltern geschehen ist, meinem Vater und meiner Mutter, als sie flohen und barfuß liefen, ihre Beine bluteten und Blut über ihre Füsse rann […]. Und ich will das Anliegen nicht bloß auf objektive Weise vererben, ich will es auch subjektiv weitergeben. […] Ich versuche auf diesem Weg, den man subjektiv nennt, das persönliche Anliegen, die persönlichen Gefühle, [meinen Töchtern] Wurzeln einzupflanzen, ein inneres verbundenes Gefühl mit … mit Palästina. […] Und die Verbundenheit ist stark, wenn Wurzeln da sind.7677 Das Ausmaß der erlebten Gewalt wird dadurch deutlich, dass R. B. das Zitat von Ben Gurion mit der kolonialistischen Ersetzung eines Volkes durch ein anderes verknüpft und die symbolische Auslöschung mit der physischen in Verbindung bringt. Es gehe um weit mehr als um Land, Besitz und Geschichte. Es gehe um die Ersetzung eines Volks durch ein anderes, um die Auslöschung der Zugehörigkeit eines Volkes und ihre Ersetzung durch die Zugehörigkeit eines anderen. Die Auslöschung der Gewalt als solche ist hierfür essentiell. Ihr Akt kann mit dem psychoanalytischen Terminus des Ungeschehenmachens beschrieben werden: 76 77

Gespräch mit R. B. (5/3), 2010; s. Index S. 318 im Anhang. Weshalb die Verbundenheit so wichtig ist, erklärt er weiter am Beispiel der Genfer Initiative, an der er als Gegner teilgenommen hatte. (Anm. d. Verf.: Die Genfer Initiative, auch Genfer Abkommen genannt, war ein 2003 von palästinensischen und israelischen PolitikerInnen vorgelegter Entwurf zur Beilegung des Nahostkonflikts mit dem Ziel einer Zwei-StaatenLösung.) Die Initiative habe vorgesehen, dass 100 000 PalästinenserInnen zurückkehrten, aber nur solche, die noch in Palästina geboren seien. »Zurückkehren, um zu sterben?«, fragt er. »Und sie, die etwas weiterzugeben haben, und ihre Kinder nicht?« Auf diese Weise wolle man die Sache ersticken. Er schildert ein Gespräch während des Mittagessens in Genf. Ein israelisches Mitglied der Initiative habe ihn gefragt, bis wann sie denn gedachten zurückzukehren. Und er habe gesagt, wie sie, bis in 2000 Jahren.

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[…] Mechanismus, wodurch das Subjekt sich bemüht, so zu tun, als ob Gedanken, Worte, Gesten, abgelaufene Handlungen nicht geschehen wären; hierfür benutzt es einen Gedanken oder ein Verhalten, die eine entgegengesetzte Bedeutung haben. […] [Es] zielt damit auf die Realität des Aktes ab, den es vollkommen auszulöschen gilt, indem man sich so verhält, als ob die Zeit nicht irreversibel wäre. (Laplanche & Pontalis, 1972, S. 566-567) Die symbolische Auslöschung der Gewalt im Zitat von David Ben Gurion, dem Staatsgründer Israels, spiegelt sich im als Gewissheit formulierten Wunsch »sie werden vergessen«78 wider. Dieser Wunsch ist Imperativ und magisches Denken zugleich, denn natürlich kann man das Vergessen des Anderen nicht kontrollieren. Er gleicht einer unwirksamen Handlung, der eine symbolische Kraft zugeschrieben wird, um bei Verfehlungen und Vergehen Konsequenzen wie Strafe zu vermeiden (Laplanche & Pontalis, 1972). Beim Wunsch, der Andere möge vergessen, handelt es sich um den Wunsch nach der Auslöschung der Tat. Durch die Formulierung dieses Wunsches als zukünftige Gewissheit, durch die Projektion der Gewissheit, nicht geschehen zu sein, wird die Gewalt ausgelöscht. Mit der Tat wird aber auch das Subjekt, dem die Tat widerfahren ist, ausgelöscht. Die Auslöschung der Tat ist Teil der kolonialistischen Imagination von sich als (indigenem) Anderen und des Begehrens, der indigene Andere zu sein, welches einhergeht mit der Landnahme und dem Verlangen, dessen Ort zu nehmen. R. B. verknüpft die erlebte Gewalt, die kolonialistische Ersetzung eines Volkes durch ein anderes und die Auslöschung dieser Gewalt, mit der Hingabe des politischen Subjekts. Das politische Subjekt geht in seiner Erzählung aus dem Imperativ des Vergessens hervor und ist als solches eine Diskursfigur des Erinnerns. Als Subjekt des Erinnerns widersteht es dem Imperativ des Vergessens und der Ersetzung respektive Auslöschung ständig. Erinnern ist bei R. B. kein Zurückdenken an Vergangenes, sondern wird in Fühlen und Handeln überführt. Es ist eine Lebensform, man identifiziert sich mit den Gefühlen des Schmerzes der Nakba-Generation und organisiert bewusstseinsbildende Maßnahmen, Kundgebungen und gibt Interviews. Es ist gewissermaßen verkörperte, handelnde, lebendige Erinnerung und formiert eine gegenläufige Bewegung zum Akt des Ungeschehenmachens und zum Imperativ des Vergessens. Somit ist das politische Subjekt die Verkörperung von Palästinensischsein. Weil das politische Subjekt aus der symbolischen Auslöschung von Gewalt hervorgeht – sprich aus der diskursiven Gewalt –, kann ich mit Judith Butler sagen, dass dieses Subjekt einmal mehr aus Gewalt hervorgegangen ist. Das politische Subjekt wirkt der Ersetzung und Auslöschung u.a. entgegen, indem es als Gegenkonzepte Verbundenheit (irtibāṭ) und 78

Zitat aus Ben Gurions Tagebucheintrag vom 18. Juli 1948: »Wir müssen alles tun, um sicherzugehen, dass sie [die Palästinenser] niemals zurückkommen; […] Die Alten werden sterben, die Jungen werden vergessen.« David Ben Gurion, zitiert in Bar-Zohar & Ortzen (1968, S. 157).

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Zugehörigkeit (intimāʾ) wiederherstellt. Erinnern wird damit zur Voraussetzung für Leben. Das Zitat von Ben Gurion und die Verknüpfung von physischer Ersetzung und symbolischer Auslöschung bildet die Antwort des Erzählers auf die Frage, ob er mit seinen Töchtern über das Ganze spreche. Die bewusste transgenerationale Weitergabe des palästinensischen Anliegens ist für R. B. ein Mittel, der Ersetzung und Auslöschung entgegenzuwirken, indem Verbundenheit wiederhergestellt wird, wie er an der Erziehung seiner Töchter veranschaulicht.79 Nicht zufällig benutzt er dafür das Bild der Wurzeln. Bei der Verbundenheit mit dem Anliegen geht es um die Verbundenheit mit der Gewalterfahrung seiner Familie und der kollektiven (Leidens-)Gemeinschaft. Hinter der Verpflichtung zum Kollektiv steht die Verpflichtung seinen Eltern gegenüber, die zeitlebens die Vertreibung nicht überwinden konnten: Sie war immer präsent und intensivierte sich nach der Niederlage und Vertreibung von mehreren Hunderttausend PalästinenserInnen im Jahre 1967. Die Eltern blieben danach in ihrer Ohnmacht gefangen: Sie gaben ihren Aktivismus auf und lehnten den Aktivismus ihrer Kinder ab. Viele ehemals politisch engagierte Eltern – einschließlich die seinigen – hätten nach 1967 die Hoffnung verloren und versucht, die Kinder von Palästina, und insbesondere von der Politik, fernzuhalten, wie er erzählt. Das politische Subjekt der Post-Nakba-Generation ist in dem Sinne ein Subjekt, welches sich mit dem Leiden der Betroffenengeneration identifiziert und seine Tilgung (durch Herstellung des Rechts etc.) anstrebt. Die existenzielle Dimension dieser Identifikation und die emotionale, intellektuelle und körperliche Verinnerlichung dieser Hingabe80 zeigt sich bereits im ersten Satz von R. B.s Lebensgeschichte: im Bekenntnis, die Vertreibungsgeschichte seiner Eltern komme seinen Wurzeln gleich, und darin, dass er von der Geschichte seiner Eltern spricht, bevor er mit der Erzählung seiner eigenen Lebensgeschichte auch nur beginnt. Sie zeigt sich auch in seiner Aussage, ohne das palästinensische Anliegen würde ein Teil von ihm sterben, es sei Teil der Gefühlswelt, Teil des Menschseins. Die starke Besetzung des individuellen Lebens durch das Ideal des politischen Subjekts, einschließlich der Verpflichtung, mit den Leiden der Alten und der anderen zu fühlen, ist so groß, dass sie vom Erzähler beinah in etwas Positives, nämlich in einen Lebenssinn, umgedeutet wird.

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Die Aufgabe des politischen Subjekts, Verbundenheit zu wecken, wird auch in seiner Erzählung über die politische Arbeit in Italien deutlich. Das Ziel war Bewusstseinsbildung, sowohl bei Italienern als auch bei den palästinensischen Jungen. Sie hätten versucht, bei der neuen Generation ein Bewusstsein zu schaffen, damit die palästinensische Sache nicht vergessen werde. Auch S. A. benutzt die Körper-Metaphorik, um seine Verbundenheit mit dem palästinensischen Anliegen zu zeigen (vgl. S. 163).

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R. B. will, dass seine Kinder in Bezug auf Palästina fast (!) genauso intensiv fühlen wie er – freilich, ohne dass ihnen beim Anblick von diesbezüglichen Fernsehbildern die Tränen über die Wangen rinnen, wie es ihm widerfahre. Dennoch: Wie er sollen sie sich die Geschichte der Alten zu ihrer eigenen machen. Wie er sollen sie in ihrer Geschichte verwurzelt sein. Zu Beginn seiner Erzählung sagt R. B., seine Geschichte sei verbunden mit der Geschichte seiner Familie, den Eltern, Großeltern, mit der Geschichte der Vertreibung und der Geschichte des Verlusts von Palästina. Die Familiengeschichte habe seine Lebensgeschichte beeinflusst. Wir … unsere Familie kommt ursprünglich aus einem Dorf namens Faǧǧa. Es gehört zu den verlassenen Dörfern des Bezirks Jaffa. An deren Stelle steht heute eine alte Siedlung, die zu einer Stadt mit einem großen Gefängnis wurde. Ihr Name ist Petah Tikva. […] Petah Tikva hat mit Faǧǧa schließlich noch drei vier weitere Dörfer verschlungen. Leider blieben keine alten Spuren von Faǧǧa. Die Vertreibung der Menschen aus Faǧǧa geschah, wenn ich mich recht erinnere, im Monat … im Monat Juni 1948 nach einer Reihe von Angriffen, die bereits zu Beginn von 1948 begonnen hatten, d.h. nachdem meine Familie und die Leute des Landes, des Dorfs gezwungen waren zu fliehen … flohen sie in benachbarte Dörfer, nach Mulabbas und von Mulabbas, als Mulabbas fiel, nach, was danach kam, und so weiter, bis sie schließlich im Westjordanland ankamen in Jenin und von Jenin am Ende nach Nablus ins Lager Balāṭa kamen. Meine Eltern waren damals 18 Jahre alt und wuchsen am Ende im Lager Balāṭa auf. Das sind die Wurzeln der Geschichte meines Lebens in Kürze […]. Ich bin in Dubai geboren und aufgewachsen. Wir waren bis 1967, d.h. bis vor dem Krieg von 1967, immer auf Besuchen im Lager Balāṭa, weil das Westjordanland zu Jordanien gehörte. Folglich war es erlaubt – außer für meinen Vater, er ging nicht hin, weil er ein politischer Aktivist war und einige Probleme mit Jordanien hatte. Nach 1967 gab es ein Verbot … der zionistische Staat Israel hat am Ende alle palästinensischen Länder annektiert, sogar andere arabische. Für uns war das Thema natürlich aus. Wir konnten nicht mehr nach Palästina gehen. Das blieb bei mir so, bis ich den Schweizer Pass erhielt. Nachdem ich mich eingebürgert hatte, konnte ich wieder hinfahren. Natürlich als Schweizer Tourist. Was meine Familie betrifft, so konnten sie nach 1967 nicht mehr hingehen. Sie haben Palästina danach also nicht mehr gesehen, nicht das Westjordanland, nicht das Lager Balāṭa und nicht die anderen Städte.81 Die Weitergabe des Anliegens umfasst die Übertragung der Gefühle, die Verinnerlichung des Schmerzes, aber auch die Einführung in die politische Praxis, das Erinnern des Rechts. Die Tradierung des Anliegens als eine Frage des Rechts soll

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Gespräch mit R. B. (5/4), 2010; s. Index S. 319 im Anhang.

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schließlich an das Recht der Gleichheit erinnern.82 Vor diesem Hintergrund wird die Gleichsetzung von Palästina und Politik klar. Die »subjektive«, »emotionale« Vererbung »des Anliegens« an die nachfolgende Generation ist gemäß R. B. so wichtig, weil es sonst mit den Alten stirbt, wie von Ben Gurion erträumt. Die Verbundenheit mit dem Anliegen wird gefördert, indem man nicht nur mit den Kindern spricht und sie in die politische Arbeit einführt, sondern es auch zu einem Teil ihrer persönlichen Gefühlswelt macht (s. oben). R. B. will also seinen Nachkommen ganz bewusst eine Verbundenheit mit dem Anliegen einpflanzen, die seine Eltern gar nicht erst hatten aufkeimen lassen wollen. Der Imperativ des Vergessens wurde ihm nicht nur von Ben Gurion auferlegt, sondern auch von seinem Vater, denn ein politisches Subjekt durfte er von Haus aus nicht sein. Die Position des politischen Subjekts einzunehmen machte es ihm somit möglich, sich gegen den Vater als Autoritätsperson aufzulehnen, weil es R. B. in diesem wichtigen Thema egal gewesen sei, ob der Vater wütend wurde oder nicht, wie er schildert (vgl. dazu auch M. F.).83 Als palästinensische Flüchtlinge sei das palästinensische Bewusstsein zwar immer im Zentrum gewesen und das arabische habe deshalb gefehlt, wie er sagt, aber die Eltern vermieden es, mit den Kindern direkt darüber zu sprechen, sprachen nur untereinander oder bei Besuchen, wie er später erzählt. Nur die Großeltern, welche (vor 1948) teils noch Jahrzehnte in Palästina gelebt hatten, hätten den Kindern über Palästina und ihr Leben erzählt. Es ist also die nach dem Junikrieg resignierte Generation seines Vaters, die Generation, welche 1948 (als junge Menschen) selbst erlebt hat, bzw. die Generation von Betroffenen von Vertreibung ganz allgemein, bei denen die erfahrene Gewalt zwar omnipräsent ist, die sie aber oft verdrängt. Obwohl der Vater das Thema (mit Gewalt) hatte auslöschen wollen, hätten die Kinder es »Schluck für Schluck getrunken«, sagt R. B. Denn für einen Palästinenser sei Palästina ein Teil des Lebens, man könne es nicht vergessen, besonders wenn man aus einer vertriebenen Familie stamme. Das Bild »das Thema Schluck für Schluck trinken« (šaribna l-mawḍūʿ ǧarʿatan ǧarʿatan) zeigt, wie intensiv und unbewusst die Erfahrung der Vernichtung transgenerationell übertragen wurde: eben nicht verbal, sondern indirekt und beinahe körperlich. Der Hingabe von S. A. (s. Kap. 2.3.1.) begegneten wir auch bei R. B. Sie ist bei beiden Erzählern als Nachkommen von Flüchtlingen vorhanden. Wie sehr die symbolische Auslöschung das Leben von R. B. prägt, ist frappant. Wie andere Subjektpositionen vorher, geht auch das politische Subjekt bzw. das Subjekt der Hingabe aus einem Schulddiskurs hervor. Die Nachkommen tragen die Mitverantwortung

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Auf diesem Menschen- und Völkerrecht als Recht der Gleichheit beharrt M. F. im Gespräch mit dem israelischen Funktionär in Genf (siehe Anm. 105). Wie bei vielen vermischt sich auch hier die Vater-Sohn-Geschichte mit der politischen Geschichte.

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an dieser Auslöschung: Als Nachkomme wird man bereits als Mittäter geboren, ist man immer schon schuldig, weil laut Ben Gurion »die Jungen vergessen werden«. Seine Eltern und Großeltern litten, und er wird angeblich ihr Leid vergessen, während die, die es erlebt haben, sprich seine Eltern, zerbrechen und altersbedingt sterben. Das politische Subjekt ist ein Weg, um sich der Schuld dieser Mittäterschaft zu entledigen. Seine Aufgabe ist es, das eigene Volk und besonders sein Leid vor dem Verschwinden zu bewahren. Die Hingabe, der wir begegnen, das Ideal, sein Leben zur Funktion zu machen, ist also auch eine Form von Schuld, die aus dem Ungeschehenmachen hervorgeht. Das Ungeschehenmachen stellt eine Abgabe von Verantwortung dar, welche in den Betroffenen von Gewalt als Schuld weiterwirkt und welcher wir auch im israelischen Opfernarrativ begegnen. Die aus letzterem hervorgehende Dämonisierung von Palästinensischsein hat R. B. in Europa erlebt. Wenn auch nicht selbst vertrieben, so hat Palästinensischsein sein Leben doch negativ beeinflusst. Angefangen bei der Ausweisung aus Italien wegen der Dämonisierung der palästinensischen Gruppierungen durch die italienische Regierung, die sie als terroristisch markierte. Diese diskursive Gewalt war so massiv, dass er sich in einem langen Absatz gezwungen fühlt zu erklären, dass sie sich in Italien nur für Palästina eingesetzt hatten und nicht gegen die italienische Regierung. Trotz der Heirat mit einer italienischen Bürgerin wurde er in Italien nicht eingebürgert, weil er nach Jahren noch als eine Gefahr für die Staatssicherheit galt. Und in der Schweiz verlor er aufgrund seiner Öffentlichkeitsarbeit eine sehr gute Stelle. Das politische Subjekt zeigt eindrücklich, wie gefangen R. B. dem Diskurs des großen Anderen verhaftet bleibt, da das politische Subjekt ein Resultat dessen Diskurses ist. Wenn auch als Mahnung und in Auflehnung, R. B. tradiert – über den palästinensischen Kanon – Ben Gurion zitierend (sie werden vergessen) das Vergessen und damit das System des großen Anderen. Die Aggression der Auslöschung durch den großen Anderen trägt er als Hingabe für den großen Eigenen weiter, indem er sein Leben zur Funktion macht und sein Selbst im Gegendiskurs verschwinden lässt.

3.4

Fazit oder schuldige Subjekte

Die erzählenden Subjekte der ersten Generation lösen sich beinahe auf in Diskursen und Projektionen, in denen sie als schuldige Subjekte geformt werden. Diese Diskurse rechtfertigen die erlebte Gewalt moralisch, da sie Palästinensischsein in einem Imaginär moralischer Devianz verorten: In ihrer Rede versuchen die Erzähler, ihnen zu begegnen, sei es ganz direkt, indem sie die Wahrheit ihrer erfahrenen Gewalt und ihrer Unschuld beteuern, oder indem sie Subjektivitäten schaffen, mit denen sie auf diese Diskurse reagieren. Sie versuchen sich vor dem Zuhörer zu rechtfertigen und damit natürlich vor sich selbst. Der Begriff, die ihre apologeti-

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sche Rede am besten zu beschreiben vermag, ist der Begriff der Schuld. Mit Schuld ist hier nicht Unrechtsbewusstsein oder Verantwortlichkeit gemeint, sondern eine Kategorie moralischer Bewertung, hervorgehend aus dem System moralischen Ausschlusses: Sie fühlen sich schuldig, weil sie sich mit der Repräsentation identifizieren, von der moralischen/sozialen Norm abzuweichen. Als moralische Projektionsfläche benutzt, wurden PalästinenserInnen des Menschlichen und des Rechts beraubt. Aus moralischen Topoi wie der OpferTäter-Dichotomie gewobene Erzählungen ermöglichten eine Haltung, die es erlaubte, PalästinenserInnen als unzivilisierte Aggressoren zu betrachten. Davon ausgehend ergab sich die Überzeugung, dass sie zu Recht Gewalt verdient hätten bzw. dass Gewalt gegen sie eine Form von Disziplinierung sei. Die Rechtfertigung der Gewalt erfolgte dadurch, dass man PalästinenserInnen über moralische Kategorien entwertete. Die Entwertung als Mensch wurde moralisch gerechtfertigt. Die Mütter schickten ihre Kinder in den Tod, und PalästinenserInnen hassten das Leben, hieß es. Sie wollten nicht teilen, hätten kein Verständnis für die jüdische Leidensgeschichte und seien bereit, die Schoa zu wiederholen. Auch andere moralische Mängel sollten die Gewalt rechtfertigen wie die Korruption der Eliten und Arbeitsscheu der Menschen: Sie hätten das Land vernachlässigt und nicht kultiviert, es verkauft, seien freiwillig gegangen, hätten also das Land nicht verdient und keine Beziehung zu ihm. Ebenso hätten sie kein Bewusstsein für Werte wie Demokratie, Menschen- und Frauenrechte. Die moralische Entwertung vermengte sich mit der religiösen durch die zionistische Nutzung der Hebräischen Bibel als israelischen Gründermythos. Sie wurde als hegemonialer Text zur Deutung der Geschichte der Gewalt an PalästinenserInnen etabliert, indem z.B. der israelisch-arabische Krieg als David-gegen-Goliath-Narrativ, als gottgewollter Sieg eines auserwählten Volkes interpretiert wurde. Wie andere kolonialistische Gründungsmythen marginalisierte auch der zionistische die einheimische Bevölkerung diskursiv, indem er moderne Jüdinnen und Juden als biblische Hebräer und somit als indigen darstellte und PalästinenserInnen als Fremde. Das koloniale Begehren, den indigenen Anderen zu ersetzen, war mit der Imagination verknüpft, der indigene Andere zu sein. PalästinenserInnen gehörten nicht nur als Menschen nicht dorthin, sondern auch aufgrund ihrer Religion: In der Gegenüberstellung von jüdisch-christlicher Religion und Kultur auf der einen und muslimischer auf der anderen Seite und der Darstellung letzterer als unterlegen und unvereinbar mit den überlegenen westlichen Werten ersterer, waren in Palästina (verstanden als Symbol jüdisch-christlichen, abendländischen Glaubens) keine MuslimInnen denkbar. Diese Diskurse begründeten die Gewalt an PalästinenserInnen. Aus moralischen Gründen oder aus ihrem moralischen Versagen heraus hatten sie ihr Leid sozusagen mitverursacht, sei es nur schon dadurch, dass sie sich schuldig machten, sich am falschen, nicht für sie bestimmten Ort aufzuhalten. Die Ge-

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Tabu, Trauma und Identität

walt, an der die Erzähler tatsächlich litten, geht aus diesen wirkungsmächtigen Diskursen hervor, wie wir sehen. Hinzu kommt, dass die Erzähler sich für das erfahrene Unrecht schuldig fühlen, weil die erfahrene Gewalt nicht anerkannt wird bzw. keine Verantwortung für sie übernommen wird. Stattdessen werden sie für die erlebte Gewalt verantwortlich gemacht, ja mehr noch: die Gewalt wird symbolisch ausgelöscht. Die erlebte Gewalt als solche zu erzählen und als solche zu empfinden, bringt sie immer in eine Position moralischer Devianz (und damit der Schuld). Deshalb geht das Erzählen von Gewalt immer mit dem Versuch einher, Unschuld zu bezeugen. Wenn die Erzähler aufgefordert sind, über sich zu sprechen, dann sprechen sie nicht nur aus der Position des großen Anderen, sondern auch aus der Position des großen Eigenen heraus. Sie erzählen damit nicht nur gegen eine (diskursivnormative) Gewalt an, die sie als Betroffene von Gewalt zu delegitimieren sucht. Sie rechtfertigen sich auch gegenüber den hegemonialen palästinensischen Diskursen, die Widerstand fordern. Der große Eigene formte sich als Bewältigung eines Traumas, welches Individuen und Kollektiv gleichzeitig erfasste, indem eine ganze Gesellschaft zerstört wurde. In ihm schlagen sich die Bewältigungsversuche dieser Gemeinschaft nieder (Imperativ des Erinnerns, Festhalten an der Identität, ṣumūd, Widerstand, Sichtbarkeit etc.). In ihm hallt aber auch die moralische Entwertung und Schuldverortung des großen Anderen wider (nicht zu existieren, nicht Widerstand geleistet zu haben, keine Zugehörigkeit zum Land zu haben, keinen Besitz und keine Rechte zu haben). Das palästinensische Gedächtnis verinnerlicht und überliefert das Begehren des Anderen nach seiner Auslöschung, um diesem Begehren des Vergessenwerdens entgegenzuwirken: Aus dem Imperativ des Vergessens wird der Imperativ des Erinnerns im großen Eigenen. Der große Eigene, die kollektive Identität, wird auf diese Weise sozusagen zum Echo des großen Anderen, sodass Letzterer stets präsent bleibt.

3.4.1

Entfremdung

In den biografisch-narrativen Gesprächen wird ersichtlich, dass es diese Diskurse sind, die die Erzähler beschäftigen und mit denen sie sich identifizieren. Das erzählte Selbst verschwindet gleichsam in ihnen. Ihre dehumanisierende Kraft scheint sie förmlich zu zersetzen. Die Erzähler reagieren auf sie, indem sie einerseits gegen sie ansprechen, oder indem sie die Diskurse und Projektionen in ihre Selbstdeutungen inkorporieren und mit der Ausarbeitung bestimmter Subjektpositionen auf die Gewalt der Projektionen reagieren. R. B. etwa verschwindet in der Diskursfigur des politischen Subjekts und erzählt in erster Linie nicht seine Lebensgeschichte, sondern die Geschichte von sich als politischem Subjekt. M. F. sammelt und protokolliert die Episoden erlebter Gewalt akribisch, indem er sie in seine Lebensgeschichte hineinwebt. Er richtet die Gestaltung seiner

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Lebensgeschichte danach aus und schafft somit ein biografisches Subjekt und autobiografisches Monument, das die Projektion des Täterseins widerlegen und gleichzeitig beweisen soll, dass er Widerstand gegen die Vertreibung geleistet hat. M. M. wiederum bewahrt die peinigenden Berichte akribisch auf und ruft sie in Erinnerung, um sie zu zerpflücken und ihnen eine andere, seine subalterne Wahrheit, entgegenzusetzen. In seiner Rede hallt die prophetische Stimme der Dichter in Zeiten der kulturellen Selbstbehauptung gegen den Kolonialismus wider. Seine Erzählung ist als Gegentext zur Hebräischen Bibel zu verstehen, dem hegemonialen Text der zionistischen mythischen Einschreibung ins Land (Neuwirth, 2004, S. 138). Im Szenario der Anklage simuliert M. M. eine Situation, die im realen Leben so nicht gegeben ist: Er kann den Täter anklagen, als gäbe es eine Wahrheitskommission, die das Verbrechen aufarbeitet. Dennoch bleibt er in der Position des Subjekts, das die Öffentlichkeit von der erlebten Gewalt zu überzeugen versucht, der wahrscheinlich einzigen gesellschaftlich möglichen Subjektposition. Er bleibt in einer Position der Verteidigung und vor allem in der Selbstanklage. Er bebt vor innerer, schmerzvoller Wut, die er sonst nicht nach außen trägt, sondern als Selbstentwertung nach innen zu richten scheint. Wir sehen, wie die Autobiografie zum Monument wird, zum Protokoll und Nachweis, dass die Erzähler Gewalt erlebt haben und nicht selbst Täter sind. Wir sehen, wie sie ihre Selbstdeutungen so gestalten, dass ihre Beziehung zum Land ersichtlich wird, dies zum Beweis, dass sie nicht freiwillig gegangen sind, dass ihnen das Land teuer war und die Vertreibung somit bis heute von folgenschwerer Bedeutung für sie ist. Wir sehen, dass sie sich sowohl für ihre nicht selbst, passiv erlebte oder als kleines Kind erlebte Vertreibung (1948) als auch für die selbst erlebte Vertreibung (meist 1967) schuldig fühlen. »Warum seid ihr gegangen bzw. warum seid ihr nicht zurückgekehrt?«, fragte diese Generation ihre Eltern, welche 1948 als Erwachsene flohen und vertrieben wurden. Selbst die Verachtung der Eltern geht aus der Wahrnehmung von Vertreibung als (moralischer) Schwäche hervor, im Sinne von »Warum habt ihr nicht gekämpft, wart ihr schwach?«, vergleichbar mit dem politischen Zionismus und seinem Ideal des Muskeljuden. Wir sehen, wie sie Wahrheit sprechen, predigen, in einer magischen, fast performativen Art, in einem beschwörenden Ton. So wird hier Sprechen zu etwas Körperlichem und gegen etwas Körperliches Ansprechendem – den Diskurs bzw. die Projektion, die eine sie körperlich bedrohende Realität geschaffen hat.

3.4.1.1

Außerhalb des Wahren

Die Ohnmacht der Erzähler zeigt sich in dem kleinen Raum, den ihr erzähltes Selbst in ihren Geschichten einnimmt: M. F. reduziert seine Lebensgeschichte auf die erlebte Gewalt und blendet alles andere aus, um zu beweisen, dass er Betroffe-

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Tabu, Trauma und Identität

ner ist und nicht Täter. M. M.s Biografie hingegen, die er getrennt und auf kleinem Raum behandelt, wird von seiner flammenden Gegenrede gegen die gewaltsamen Diskurse dominiert. Das Verschwinden des autobiografischen Selbst im Diskurs kann als Symptom diskursiver Gewalt betrachtet werden und zeigt sowohl die Macht der Diskurse über ihr Sein als auch, wie sehr die Erzähler die Diskurse selbst als gewaltvoll erleben. Doch kommt man fast nicht umhin, sich mit dem System des großen Anderen zu identifizieren, da man sich ansonsten nicht mehr im Wahren (Foucault, 1999) befindet. Rückblickend gesprochen, war man die physische Manifestation dessen, was es diskursiv nicht geben durfte: Palästinensischsein als eine unmögliche Subjektposition. Nicht nur die Gewalt an ihnen durfte es nicht geben, auch sie selbst als PalästinenserInnen nicht: Man befand sich immer schon im Raum eines wilden Außen. Wenn man für sich nun doch Sichtbarkeit beanspruchte, wurde man entwertet, kriminalisiert und befand sich in Abweichung von der Norm. Aus dieser Situation gab es eigentlich nur ein Entkommen über die Internalisierung der hegemonialen Position.

3.4.1.2

Schuld

Ob es nun ein apologetisches Sprechen ist, das gegen die herrschenden Diskurse anredet, oder die autobiografische Stilisierung einer Diskursfigur, welche der Entkräftung der herrschenden stigmatisierenden Diskurse dient: Das erzählende Selbst wird verschluckt von den Schulddiskursen, gegen die man wirken will. Die Subjektpositionen bilden apologetische Antworten auf die hegemonialen Diskurse, welche die Gewalt der Vertreibung und die Zugehörigkeit zum Land aberkennen. Sie bilden Nachweise über die eigene Unschuld. Dass die Selbstdeutungen im Wesentlichen auf Positionen der Schuld gründen, kann als Resultat diskursiver Gewalt betrachtet werden, analog zu Judith Butlers Kernthema in The psychic life of power: theories in subjection (1997b), worin sie Subjektivation als Effekt politischer bzw. diskursiver Macht interpretiert. Die diskursive bzw. normative Gewalt schafft schuldige Subjekte. Die Präsenz der herrschenden Diskurse in den Erzählungen zeigt die Identifikation mit ihnen. Sie bestimmen den Blick der Erzähler auf sich selbst. Schuld löst das erzählende Selbst auf und zeigt den narrativen Tod des Sprechers. Sie ist Gewalt von außen wie von innen gleichermaßen. Denn die Sprecher identifizieren sich mit ihr und machen sie zum Introjekt, das nun im Innen wirkt. Schuld können wir in unserem Fall als Introjektion84 , als die Internalisierung der von außen erfolgenden Aggression der Schuldverortung betrachten, als Identifikation mit der Aggression. Die Gewalt der Schuldverortung ist besonders intensiv, weil man im Fall der Schuld den Verfolger in sich trägt (List, 2014, S. 120). Solange die Projektion 84

Introjektion ist ein zur Projektion analoger Begriff, der von Freud (1948) der Projektion gegenübergestellt wurde und ähnlich der Identifizierung die Verinnerlichung der Außenwelt beschreibt (Laplanche & Pontalis, 1972, S. 235).

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

des großen Anderen hegemonial ist, bleibt deren Überwindung ein Versuch und ein andauernder innerer Kampf. PalästinenserInnen befinden sich also immer schon auf der Anklagebank. Was in den besetzten Gebieten im Militär-/Besatzungsrecht gesetzlich festgelegt ist (und zu Festnahmen ohne Anklage, der sogenannten Administrativhaft, führt)85 , nämlich dass die Unschuld zu beweisen ist (in dubio contra reum), nicht wie in einem Rechtsstaat die Schuld (in dubio pro reo), ist in Westeuropa eine symbolische Erfahrung. Die äußere Anklage taucht in der Schuld als nach innen gerichtete Aggression wieder auf. Bereits Fanon argumentierte, dass die Unmöglichkeit eines offenen Widerstands gegen Unterdrückung sich in eine gegen sich selbst gerichtete Gewalt kehrt86 .

3.4.1.3

Anerkennung

Palästinenser in Deutschland und in der Schweiz erleben nicht nur die Tabuisierung ihrer Sichtbarkeit, sondern auch eine erzwungene Selbstentfremdung: Anstatt als Gewaltbetroffene erkannt zu werden, werden sie durch ihre Missrepräsentation und die Verzerrung der Gewalt, die sie erlebt haben, verkannt. Was Anerkennung für sie bedeutet, sehen wir beispielsweise bei M. F. Er schildert, wie

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Seit Beginn der israelischen Besatzung von 1967 wurden mehr als 800 000 PalästinenserInnen durch Israel in Administrativhaft genommen, d.h. mehr als 20 % der palästinensischen Gesamtbevölkerung der besetzten palästinensischen Gebiete; seit der Intifada von 2000 mit zunehmender Häufigkeit. Die Administrativhaft wird fast ausschließlich auf PalästinenserInnen in Gaza, im Westjordanland und Ostjerusalem angewendet und dient der Inhaftierung auf unbestimmte Zeit und ohne gerichtlichen Beschluss. (N. N., Addameer – Prisoner Support and Human Rights Association, 2017) Le colon entretient chez le colonisé une colère qu’il stoppe à la sortie. Le colonisé est pris dans les mailles serrées du colonialisme. Mais nous avons vu qu’à l’intérieur le colon n’obtient qu’une pseudo-pétrification. La tension musculaire du colonisé se libère périodiquement dans des explosions sanguinaires: luttes tribales, luttes de çofs, luttes entre individus. Au niveau des individus, on assiste à une véritable négation du bon sens. Alors que le colon ou le policier peuvent, à longueur de journée, frapper le colonisé, l’insulter, le faire mettre à genoux, on verra le colonisé sortir son couteau au moindre regard hostile ou agressif d’un autre colonisé. Car la dernière ressource du colonisé est de défendre sa personnalité face à son congénère. Les luttes tribales ne font que perpétuer de vieilles rancunes enfoncées dans les mémoires. En se lançant à muscles perdus dans ses vengeances, le colonisé tente de se persuader que le colonialisme n’existe pas, que tout se passe comme avant, que l’histoire continue. Nous saisissons là en pleine clarté, au niveau des collectivités, ces fameuses conduites d’évitement, comme si la plongée dans ce sang fraternel permettait de ne pas voir l’obstacle, de renvoyer à plus tard l’option pourtant inévitable, celle qui débouche sur la lutte armée contre le colonialisme. Autodestruction collective très concrète dans les luttes tribales, telle est donc l’une des voies par où se libère la tension musculaire du colonisé. Tous ces comportements sont des réflexes de mort en face du danger, des conduites-suicides qui permettent au colon, dont la vie et la domination se trouvent consolidées d’autant, de vérifier par la même occasion que ces hommes ne sont pas raisonnables. (Fanon, 1961, S. 55)

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Tabu, Trauma und Identität

sich nach der schließlich doch erfolgten Anerkennung der palästinensischen Geschichte durch die Aufhebung der Zensur der Ausstellung zwischen ihm und der Universität eine sehr innige Beziehung entwickelte, was ein seltsames Verhältnis zu einer Institution darstellt. Er schildert, wie ihm und seinem Anliegen immer jeder Saal offenstand und die Universität gar die Kosten für den Kaffee der DabkeGruppe übernahm. Dies zeigt, wie sehr die Anerkennung des palästinensischen Leids durch eine staatliche Institution, die dieses (als Gewalterfahrung jenseits der moralischen Norm) zuerst tabuisiert und abgelehnt hatte, für ihn offensichtlich einer zwischenmenschlichen Beziehungsaufnahme gleichkam. Hieran wird sichtbar, wie sehr er auf diese Anerkennung emotional angewiesen war. Anerkennung setzt Menschen wieder in Beziehung zur Welt, und zwar nach einer Entfremdungserfahrung, die somit auch als Beziehungsbruch mit der Gesellschaft gedeutet werden kann und nicht nur mit sich selbst. Auch M. M. beteuert, Anerkennung als Mensch sei alles. Der Wunsch nach Anerkennung durch die Macht, die einen verkennt und entwertet, ergibt sich gerade auch aus dem Schuldsystem. Schuld bindet an den, der Schuld verortet. So ist es schließlich auch das Begehren des großen Anderen, das Begehren nach dem Nichtsein, welches das Begehren des schuldigen Subjekts strukturiert: das nach dem Sein. Wie um einen Barometer für die Stimmung der öffentlichen Meinung einzufangen, halten sich viele geradezu exzessiv auf dem Laufenden, beobachten die Medien als Repräsentation hegemonialer Macht und halten das Beobachtete fest. Öffentlichkeit wird zum Maßstab für die Anerkennung des Leids. Mit der Schuld geht also die Überhöhung dessen einher, was man als hegemonial empfindet (die imaginierte Öffentlichkeit, repräsentiert durch Medien, politische Eliten, die öffentliche Meinung). Das Beobachten von Öffentlichkeit und Medien als Repräsentation des großen Anderen ist ein Beobachten dessen, ob man nun die eigene Unschuld gesehen habe, dass man gut und nicht böse, Opfer und nicht Täter ist. Das führt zur »Abhängigkeit« von der Anerkennung durch die verkennende Macht und dazu, dass man den eigenen Wert bei ihr festmacht. Bei der Anerkennung, die man beim großen Anderen sucht, geht es eigentlich um die (An-)Erkennung seiner selbst, die man nach außen verschiebt. Die Beziehung zum großen Anderen tritt also an die Stelle der Beziehung zu sich selbst. Die Dominanz der Diskurse des großen Anderen bildet nicht nur die Macht der Diskurse ab, sondern auch das Maß der Selbstentfremdung der Erzähler. Denn der Diskurs ist immer ein anderer – dort wo Ich sein sollte, ist also ein anderer. Auch die sehr präsenten hegemonialen Diskurse des palästinensischen kollektiven Gedächtnisses und Kanons sind ein anderer. In Anlehnung an den großen Anderen nenne ich sie den großen Eigenen.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

3.4.1.4

Der große Eigene

In der Hingabe für das (bedrohte) Eigene wird die Aggression der Schuldprojektion umgedeutet in eine aktive Haltung: Loyalität. Hingabe entsteht aus der Verschiebung der »von außen« an einen herangetragenen Schuld hin zum eigenen Kollektiv. Der Imperativ des Erinnerns und des Widerstands im palästinensischen kollektiven Gedächtnis kann als Resultat äußerer Schuldverortung und Übernahme des Konzepts der gerechtfertigten Gewalt von außen verstanden werden. Die Verpflichtung – iltizām (bei A. Z.) – zur eigenen Identität der Selbstbehauptung ist als eine Aneignung des Schulddiskurses zugunsten der symbolischen Rückerlangung von Kontrolle zu denken. Als Form von Selbstermächtigung wird aus der Gewalt der Schuldverortung von außen die Schuld gegenüber dem Eigenen. Da man für die erfahrene Gewalt verantwortlich gemacht bzw. als Abweichler von der moralischen Norm dargestellt wird, ist der Nachweis über den geleisteten Widerstand auch ein Versuch, sich der Schuld an der Gewalt zu entledigen. So stellen die Erzähler ihren Widerstand gegen die Auslöschung von Palästinensischsein unter Beweis: ihren inneren ṣumūd (vgl. Willenskraft/ʿazīma; Zugehörigkeit/intimāʾ, Verbundenheit/irtibāṭ, Sorge/ihtimām). Sie liefern so den Nachweis über ihre innerliche Verbundenheit zur Heimat. Sie erzählen von der Aufbewahrung von Erinnerungsgegenständen, die ihren Widerstand beweisen: Dokumente, die belegen, dass man gegen den Willen anderer auf seinem Palästinensischsein beharrte, bzw. Korrespondenz (bei M. M.), die zeigt, dass man tatsächlich (in die arabische Welt) zurückkehren wollte. M. F. erzählt und erinnert sein Leben als Widerstand gegen die Vertreibung, als Demonstration seiner Verbundenheit zum Land (veranschaulicht in den Steinchen, die er von seiner letzten Reise aus Palästina mitnahm) und ganz allgemein als Widerstand gegen Verfolgung und Überwachung (Brief an den Ombudsmann: die Informationen über sich selbst zurückzuholen als eine Form von Widerstand). Palästinensischsein ist nicht etwas, was man bloß nach außen hin repräsentiert. Wir sehen, wie die Erzähler selbst zu verkörperter Erinnerung werden, um dem Imperativ zu vergessen entgegenzuwirken. Palästinensischsein prägt die Sicht auf das eigene Leben und darauf, wie man sein bzw. gewesen sein sollte. Sie zwingt einen nicht nur zu kollektiven Pflichten, sondern selbst zur Bewahrung des Traumas. Die moralische Besetzung von Palästinensischsein in den herrschenden Diskursen schlägt sich nieder in den Selbstdeutungen der Erzähler. Palästinensischsein ist deshalb mehr als eine nationale Zugehörigkeit, es ist fast eine moralische Identität, eine Verpflichtung, der man sich nicht entziehen kann. Wir sehen, wie Palästinensischsein auch bei den Erzählern zu einem moralischen Raum wird, zu mehr als Nationalität oder Kultur, zu einer Mission und einem Bewusstseinszustand. Die moralischen récits bilden gleichsam einen Subtext, über denen sich moralische Identitäten und die Sprache der Schuld bilden. Wir sehen diese moralische Identität bzw. die Schuld gegenüber dem Eigenen im Konflikt zwischen persönli-

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Tabu, Trauma und Identität

chem und kollektivem Leid, wir sehen sie aber auch in der sozusagen moralischen Verpflichtung zur Öffentlichkeitsarbeit, die alle Erzähler bezeugen vollzogen zu haben. Sie kommt in der Darlegung des politischen Engagements als einer Mission zum Ausdruck, die den Körper vereinnahmt (»die Politik ist im Blut« nennt es ein Erzähler, oder die Verknüpfung von Politik und physischer sowie emotionaler Intimität in der Adoleszenz, die wir bei S. A. sehen). Palästinensischsein als moralische Identität hat aber insbesondere Zugriff auf das Innere, auf die Seele (s. S. A.s Definition von Palästinensischsein als Bewusstseinszustand). Sie drückt sich in der inneren Haltung aus und lässt sich auf diese Weise am persönlichen Effort ablesen. M. F. beispielsweise zählt nicht bloß dezidiert auf, wie viel Zeit er wofür investierte (30 % leistete er politische Arbeit, d.h. ebenso viel wie für sein Studium). Er grenzt sich damit gegenüber einem unmoralischen Anderen (palästinensisches »Alter Ego«) ab, der nicht für das Volk arbeitet, sondern nur für sich selbst. Die Selbstdeutung als jemand, der ṣumūd leistet, und noch mehr: der Selbstanspruch, jemand zu sein, der ṣumūd als eine innerliche Hingabe kultiviert, kann mit Foucault gesprochen als eine Technologie des Selbst betrachtet werden. Es ist eine Technologie, mit der das Individuum auf sich selbst einwirkt und die es dem Einzelnen ermöglicht: aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem eigenen Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit dem Ziel, sich so zu verändern, dass er einen gewissen Zustand des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit erlangt […]. (Daniel, 2001, S. 178) Ziel dieser Technologie des Selbst ist es, die eigene Mächtigkeit und Menschlichkeit wiederherzustellen. Im kollektiven Kanon suchen die Erzähler Zuflucht sowie eine Deutung für persönliche Erfahrungen und um sich in der »Leidensgemeinschaft« ihrer selbst zu vergewissern. Gerade wer die eigenen schmerzhaften Erfahrungen im Exil verdrängt hat, weil sie nicht schlimm sein durften, da man ja hier lebte, spricht aus der Selbstentfremdung heraus einfacher über ein kollektives Narrativ statt über sich selbst. Das Sprechen über das Wir ist auch eine Form, über sich selbst zu sprechen. Wie Masken verleihen sie einem die Möglichkeit, der eigenen Erfahrung Ausdruck zu verleihen und sich selbst zu sein (persona); durch das Wir wird es einem möglich, (Subjekt) zu sein. Gleichzeitig ermöglichen die Subjektpositionen des eigenen kollektiven Narrativs immer nur eine gewisse Annäherung an das verlorene Selbst bzw. die gesellschaftlich nicht anerkannte Verletzung. Manchmal sogar verfremden sie das Eigene bzw. versperren sie den Zugang zum Eigenen, wie wir beispielsweise in der Verdrängung der indirekten Vertreibung durch die hegemoniale Stellung der Nakba von 1948 im kollektiven Gedächtnis sehen. Das Wir, welches das Ich/die Subjektivation ermöglicht, schafft somit ein neues

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Exil: Das Wir tritt an die Stelle des Ich. Gerade der letzte Umstand kommt in der transgenerationalen Beziehung zum Tragen; doch hierzu später mehr. Das Schlimmste, was einem Volk passieren könne, sei, aus Zeit und Raum gerissen zu werden, heißt es am Ende von Zadie Smiths Roman Swing Time (2016, S. 452). Was Smith damit zu beschreiben versucht, ist das Trauma der Rasse und die Gewalt des Kolonialismus. Man könnte sagen, dass genau das auch den Erzählern widerfahren ist: Durch die Nichtanerkennung von ihnen und der Gewalt an ihnen wurden sie zu Nichtexistierenden: Dass man sie aus Raum und Zeit nahm und immer noch nimmt, ist das eigentliche Trauma. Es ist nicht geknüpft an ein bestimmtes Ereignis wie die konkrete Vertreibung an sich, sondern wiederholt sich im Repräsentationsregime rund um den Nahostkonflikt täglich. Trauma wird somit zu einem Zustand, zum Schmerz einer genozidalen Existenz. Das Erinnern und Aufbewahren erlebter Gewalt ist ein Versuch, sich Zeit und Raum und damit Menschlichkeit wieder anzueignen. Diese Loyalität zum Trauma beschreibt Dominick LaCapra wie folgt: Those traumatized by extreme events, as well as those empathizing with them, may resist working through because of what might almost be termed a fidelity to trauma, a feeling that someone must somehow keep faith with it. Part of this feeling may be the melancholic sentiment that, in working through the past in a manner that enables survival or a reengagement in live, one is betraying those who were overwhelmed or consumed by that traumatic past. One’s bond with dead, especially with dead intimates, may invest trauma with value and make its reliving a painful but necessary commemoration or memorial to which one remains dedicated or at least bound. This situation may create a more or less unconscious desire to remain within trauma […]. (LaCapra, 2014, S. 22) In unserem Kontext ist es nicht primär Überlebensschuld bzw. der Verrat an anderen oder der Gemeinschaft, was zur Bewahrung des Traumas führt, sondern der Verrat an sich selbst. Es ist vor allem die Nichtanerkennung und Nichtahndung direkt und indirekt erlebter Gewalt sowie die Nichtexistenz von Truth and Reconciliation Commissions, welche das Gedenken ihrer Verletzung sozusagen als Beweis gebietet. Der israelische Philosoph Avishai Margalit hat ein Kapitel seines Buchs The Ethics of Memory (2002) der Figur des moralischen Zeugen gewidmet. Eines der Merkmale des moralischen Zeugen ist die Wahrheitsmission in einer Welt, in der Betroffene von Gewalt nicht gehört werden und das Verbrechen verfälscht, verleugnet oder vergessen wird, da der Täter die Gedächtnisspuren verwischt und Unrechtsbewusstsein abwehrt. Um den Wunsch des Täters nach Vergessen zu veranschaulichen, zitiert Aleida Assmann als Beispiel Adolf Hitler, der in den 1930erJahren vor dem Holocaust bezüglich des armenischen Genozids gefragt hatte, wer sich heutzutage noch an die Armenier erinnere. Der Wunsch nach Vergessen des Täters entspreche dem Wunsch der Opfer nach Erinnern. Erinnern werde dadurch

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zu einer Form »nachträglichen Widerstands« (Assmann, A., 2014, S. 90-91). Nicht nur Dokumente, die bezeugen, dass man Widerstand geleistet hat, und Objekte, die erfahrene Gewalt dokumentieren, auch erinnerungskulturelle Praktiken, welche die eigene Existenz dokumentieren und bezeugen (wie das Aufbewahren von palästinensischen Geburtsurkunden, alten Ausweispapieren, deren Erwähnen und Vorlegen während des Erzählens) werden analog zum verbalen Sicherklären immer wieder im Hinblick auf eine imaginierte Öffentlichkeit herangezogen. So bezeugte M. M. mir gegenüber seine erlebte Negation im Exil: ein Plakat eines Podiumsgesprächs, zu dem er eingeladen war, und seine Doktorarbeit, worauf man wider besseren Wissens geschrieben hatte, er komme aus Amman, Jordanien, anstatt aus Nazareth, Palästina, wo er 1938 geboren worden war. Einfach weil das andere, Palästina, ein Tabu war. Dabei kommt es zur Entfremdung von sich selbst, zu einem inneren Exil: Nach dem Erzählen seiner Lebensgeschichte, in der ein Erzähler (A. L.) wiederholt Bezug auf die Wichtigkeit des Erinnerns genommen und betont hat, dass man nicht vergessen dürfe, entschlüpft ihm im Auto, als er mich nach Hause fährt, plötzlich, das Schönste sei das Vergessen. Der große Andere und der große Eigene als dessen Echo sind also die Orte der Macht, die das Selbst strukturieren. Bei der Schuld gegenüber dem großen Anderen, aber auch gegenüber dem großen Eigenen, d.h. der Verlagerung von Schuld in den eigenen Kanon, kann man mit Judith Butler, die in The psychic life of power (1997b) über die psychischen Formen, die Macht annimmt, nachdenkt, von einer »Gefühls«-Bindung sprechen, wie sie das Subjekt zur Macht aufbaut. Palästinensischsein ist ein Diskurs, den das Unsichtbarmachen hervorbringt, die Reaktion auf eine diskursiv-normative Gewalt, welche PalästinenserInnen dehumanisiert. Die (diskursiv-normative) Gewalt und das Ausmaß ihrer Auswirkung auf Palästinenser in Deutschland und in der Schweiz wird deshalb nicht nur ersichtlich im Umstand, wie sehr die erzählenden (und erzählten) Subjekte sich mit diesen dehumanisierenden Diskursen identifizieren, sondern auch wie sehr sie vom Palästinensischsein als Diskursfigur verschluckt werden. Die Loyalität gegenüber dem Eigenen muss aber auch im Kontext einer Form von Überlebensschuld (Bettelheim, 1982) gesehen werden, als Schuld gegenüber der Familie, die noch in Palästina/Israel lebt. Schuld wird zu einer Möglichkeit, Beziehung zur Familie herzustellen, als einziges Band, das einen noch mit ihr verbinden kann. Auch A. Z. erzählte von seiner Familie, die immer noch dort sei und leide, ganz abgesehen natürlich davon, dass er sie vermisste und unter der Trennung von der Familie litt.87 A. Z. deutete mehr als einmal an, dass es ihm gut gehe und seiner

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Die Festtage seien immer schlimm gewesen, wenn alle auf Jerusalem geblickt hätten, und er habe nicht dorthin reisen können: Jerusalem also als Symbol für viele Menschen und gleichzeitig seine Heimat, in die er nicht gehen konnte. Ein Symbol, das gewissermaßen sein Menschsein, seine Rückkehr, sein Zusammensein mit der Familie verhinderte.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

Familie nicht. Das Ankommen und sich Wohlfühlen im Exil wird zu einem Verrat am eigenen, bedrohten Kollektiv. A. Z.s Verbundenheit mit der Heimat lässt ihn nicht in der Fremde ankommen. So macht er nicht von seinem längst überfälligen Recht auf den Schweizer Pass Gebrauch, weil er immer hofft zurückzukehren. Die Verbundenheit, die ihren Ausdruck in der Hoffnung auf Rückkehr findet, hindert A. Z. daran, von der Mächtigkeit (z.B. sich frei zu bewegen), die ihm eine Schweizer Staatsbürgerschaft bietet, Besitz zu ergreifen. Die Hoffnung ist hier also eine Form von Selbstentmachtung. Dass in dieser Verbundenheit bzw. Hoffnung viel Schuld steckt, merkt man daran, wie er sich für seinen, wenn auch verspäteten Antrag auf einen Schweizer Pass rechtfertigt. Die (Überlebens-)Schuld88 gegenüber der Familie macht also die Aneignung von Macht zum Tabu. Die Fremde des Exils ist in diesem Kontext folglich eine Form kultivierter Ohnmacht, welche die Trennung von der Familie in Not aufzulösen vermag.

3.4.2

Das gespaltene Subjekt

Wir sitzen alle drei im Auto. A. L. fährt mich und seine Frau in die Stadt, sie zur Arbeit, mich zum Bahnhof. Wir reden über Dinge, die man im Alltag plötzlich vermisst, obwohl sie da sind, z.B. den Schlüssel, obwohl man ihn in der Hand hält, oder die Brille, obwohl sie in der Hemdtasche ist. Andauernd vergesse man was, auch Namen. Wir sind uns alle einig. A. L. sagt seufzend: »Ja, was täte man bloß ohne das Vergessen? Ohne Vergessen könnte man nicht leben. Das Schönste ist das Vergessen.« Und eine Sekunde später mit einer Gewissheit: »Nur Palästina werden wir Palästinenser nie vergessen: NIE.« Die Widersprüchlichkeit zwischen der Notwendigkeit des Vergessens und der Notwendigkeit des Erinnerns – beides, um zu existieren – erinnert mich an R. B.s Selbsterkenntnis nach dem »offiziellen« Ende unseres Gesprächs: Eigentlich habe er aufgegeben, gesteht er leise, nachdem er im Gespräch wiederholt betont hatte, wie wichtig die politische Arbeit

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Auch der exzessive Medienkonsum vieler Palästinenser ist im Kontext von »Überlebensschuld« zu sehen. A. B. erzählt, er höre immer Nachrichten, da er wegen der Menschen dort Angst habe, etwas zu verpassen. Auch spricht er von seiner Pflicht, immer alles über die Medien zu verfolgen. Er erzählt, er habe absichtlich eine palästinensische Frau geheiratet, damit sie nicht immer wie eine deutsche Frau sage, »hör auf mit Palästina«, und jetzt sage sie es ihm auch. Der exzessive, leicht masochistische Medienkonsum, um über die Gewalt, die vor Ort geschieht, informiert zu bleiben, ist vielleicht als Versuch zu sehen, die Überlebensschuld zu tilgen. Man sollte außerdem zwischen dem Konsum von arabischen und deutschen Medien unterscheiden, denn die Funktion für die Konsumenten ist eine andere. Arabische Medien dienen eher dazu, Verbindung zu den Menschen vor Ort herzustellen, während deutsche bzw. schweizerische Medien eher zur Messung der öffentlichen Meinung und im Wunsch nach Anerkennung konsumiert werden.

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und das Erinnern von Zugehörigkeit und Rückkehr sei. Und weiter: Warum spreche er denn auch sonst über die Bedeutung der Tradierung von Aktivismus und Erinnern an nachfolgende Generationen. Das bedeute doch, dass er aufgegeben habe. (S. E., Forschungstagebuch, 10.07.2013) Eine der wohl interessantesten Erkenntnisse entsteht erst im Abgleich zwischen den Selbstrepräsentationen in den Erzählungen und Gesprächen und dem, was in den Brüchen aufscheint, bzw. dem, was im Nachfrageteil erzählt wird, oder den Gesprächen mit den Kindern zu entnehmen war. Das gespaltene Subjekt verweist auf einer allgemeineren Ebene auf das Lacansche Subjekt, das sujet divisé (2013): Es ist durch das Unbewusste, zu dem ihm der Zugang versperrt ist, von einem konstituierenden Teil von sich selbst getrennt. In unserem konkreten Fall verweist es nicht nur auf die Trennung von der Position als jemand, der betroffen ist von Gewalt, sondern auch auf die Differenz, die aus dem oben erwähnten Abgleich hervorgeht: das erstaunliche Auseinanderklaffen zwischen der Loyalität zum Trauma und der Hingabe gegenüber dem großen Eigenen; den Imperativen zu Widerstand, Erinnern, Verbundenheit und Sichtbarkeit, zu denen die Erzähler sich bekennen, subsumiert unter dem Konzept des moralischen Subjekts, und ihrer tatsächlichen Selbstverneinung im Alltag. Es ist das Auseinanderklaffen zwischen der Hingabe, welche Palästinensischsein ihnen von ihrem Innersten abfordert, und dem tatsächlichen, gegenteiligen Verhalten, welches vor allen Dingen auf die Unmöglichkeit des Palästinensischseins in den Aufenthaltsgesellschaften zurückzuführen ist. Rassismus, Ausgrenzung, politische Verfolgung, Vertreibung und Unterdrückung89 erlebten und erleben PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz nicht nur in Europa, sondern auch in der arabischen Welt (Milich, 2009, S. 186). Die Kluft zwischen gezeigter und gefühlter Zugehörigkeit zu Palästina bzw. innerer Haltung (innerem ṣumūd) und faktischer Verneinung des Palästinensischseins im Leben erhärtet sich durch die Gespräche mit den Kindern und durch Erkenntnisse aus der teilnehmenden Beobachtung bei mehr oder weniger allen, wie wir in den nächsten Kapiteln sehen werden. Die Kluft zwischen Widerstand bzw. innerem ṣumūd und Selbstverneinung bzw. die Gespaltenheit des Subjekts repräsentiert auch die Spaltung des öffentlichen Diskurses und korreliert mit der moralischen Schere von Entwertung und Idealisierung (Palästina als Avantgarde der Weltrevolution), der Palästinensischsein in unterschiedlichen diskursiven Sphären ausgesetzt war und ist. Während die langjährige PLO-Politik sowie die Politik der internationalen Linken bzw. der internationalen Befreiungsbewegung auf den Imperativ des Widerstands

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PalästinenserInnen im Westjordanland mussten ihre palästinensische Identität unter jordanischer Annexion (1967) und Verwaltung (bis 1990) aufgeben.

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in der Selbstrepräsentation der Erzähler zurückstrahlt, spiegelt ihre Selbstverneinung im Leben die (rassistische) Politik der westlichen Länder sowie der arabischen »Bruderländer«. Die Politik arabischer Regierungen war auch in einigen Gesprächen (von M. F. und M. M.) sehr präsent. Einerseits benutzten diese Palästina als Ausrede, um Bevölkerungen diktatorisch zu regieren, andererseits fuhren sie einen harten Kurs (s. Kollektivstrafen) gegenüber PalästinenserInnen selbst, besonders wenn diese revolutionären Strömungen zugeordnet wurden. Während M. M. beispielsweise vor der Kamera Wahrheit spricht und sein Palästinensischsein in der Erzählung so dominant ist, dass sie selbst seine erzählte Biografie überdeckt, thematisiert er sein Palästinensischsein in seinem Privatleben nicht. Seine Kinder gingen aufgrund seines libanesischen Passes bis ins Erwachsenenalter davon aus, sie hätten libanesische Wurzeln bzw. ihr Vater sei Libanese. In der Rede hingegen klagt er an (wenn auch aus der Verteidigung heraus), dass er im Gegensatz zu anderen, wo auch immer möglich, darauf bestanden habe, sein Palästinensischsein sichtbar zu machen.90 Palästinensischsein zu bewahren, war ihm demnach wirklich wichtig. Obwohl Palästina für ihn eine gefühlte Identität war, muss er sie im reellen Leben oft der Materialität seines libanesischen Passes angeglichen haben, sonst hätten die Kinder ihn und damit auch sich selbst lange nicht für Libanesen gehalten. Wenn wir auch nicht wissen können, wie sehr er sich aktiv als Libanese ausgab, kann auf jeden Fall davon ausgegangen werden, dass er sein Palästinensischsein zumindest nicht lebte. Im Gespräch gesteht er selbst, mit seinen Kindern nicht über seine Geschichte gesprochen zu haben. Sie seien wie im Wasser (d.h. in der Kälte) und er wie im Feuer (d.h. in der Glut), erklärt er, um die Unvereinbarkeit ihrer beiden Erfahrungswelten zu verdeutlichen. »Verbergen«, d.h. eine passive Form der Selbstverneinung, ist vielleicht der geeignetste Begriff für sein Verhalten. Der Grund für die passive Selbstverneinung von M. M. ist nicht nur im Kontext diskursiv-normativer Gewalt, sondern auch im Kontext seiner Selbstentwertung zu sehen. Die erlebte Gewalt ist schambesetzt: Wie im Gespräch deutlich wird, macht M. M. seine arabische Herkunft bzw. sich und die eigene Schwäche für die erlebte Gewalt verantwortlich.91 Damit übernimmt er den hegemonialen Diskurs, an der erlebten Gewalt schuld zu sein. Als Christ scheint er sich noch einmal mehr mit den Schulddiskursen rund um die Vertreibung zu identifizieren, zumal er sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, ChristInnen hätten ihr Land verkauft bzw. mit den europäischen Mächten kooperiert. Das Stillschweigen über ihr Palästinensischsein bzw. das Nichtthematisieren ihres Palästinensischseins als Form

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Als Beispiel nennt er seinen Vortrag an einer Universität, für dessen Ankündigung sie Jordanien als Herkunftsort angegeben hatten. Gegen den Willen der Organisatoren habe er durchgesetzt, dass man Palästina schrieb, und als Beweis sogar das Poster aufgehoben. Er entwertet die Araber und beschimpft sie als Titelträger ohne Verstand. Sie bräuchten gebildete Leute, nicht Doktoren, er habe ja selbst einen Titel.

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der passiven Selbstverneinung geht einher mit dem Phänomen der Anpassung, ist Ergebnis des moralischen Systems der Abweichung von der Norm: Viele Palästinenser (der 1960er-Jahre-Gemeinschaft) üben statusreiche Berufe aus (Mediziner, Pharmazeuten, Ingenieure) und zeigen das Bedürfnis, nicht negativ aufzufallen. Anpassung kann auch als eine Form von Unsichtbarkeit betrachtet werden, weil in der Identifikation mit dem Begehren nach Unsichtbarkeit die Differenz aufgelöst wird. Das Auseinanderklaffen zwischen Selbstrepräsentation bzw. eines starken gefühlten Palästinensischseins und seinen Handlungen im Leben zeigt sich auch bei A. Z. Auch er verneinte sich und glich seine Identität der Materialität seiner Staatsbürgerschaft an: Er gab sich stets als Jordanier aus; sich in der Öffentlichkeit als Palästinenser zu »outen« ist auch bei ihm92 eine neuere Entwicklung. In seiner autobiografischen Selbstrepräsentation zeigt sich sein innerer ṣumūd: eine Verpflichtung zum Widerstand, die sichtbar wird im Schulddiskurs, den er auf seine Vertreibung bezieht, aber auch in seinem schlechten Gewissen, den Schweizer Pass anzunehmen, und der Darstellung seines Engagements für die palästinensische Sache. A. Z. versteckte seine gefühlte Identität hinter seiner materiellen Identität, besonders wenn es um seine Außenwirkung ging, z.B. bei der Wohnungssuche. So trennte er nach eigener Aussage zwischen privatem und öffentlichem Raum, was ihm im Gegensatz zu M. M. wahrscheinlich ermöglichte, privat, d.h. mit seinen Kindern, Palästinenser zu sein (so hatte er auch bewusst eine palästinensische Frau geheiratet, um seine Identität zu bewahren). Dies bedeutete aber nicht, dass er mit den Kindern über seine Gefühle oder sein Leben sprach. Die Unterscheidung zwischen Öffentlich und Privat ist eine Unterscheidung, die andere ErzählerInnen (gerade auch der zweiten Generation) ebenfalls treffen, wenn es um die Sichtbarkeit des Palästinensischseins geht. Materielle und gefühlte Identität waren für die Erzähler immer schon zwei verschiedene Dinge, weil es das Palästinensischsein als materielle Identität (Staatsbürgerschaft) aufgrund von Gewalteinwirkung (Staatenlosigkeit) nicht gibt. Auch wenn man infolge dessen israelische oder jordanische und später deutsche oder Schweizer Papiere hatte und sich deshalb Jordanier oder Schweizer nannte (vgl. A. Z.), identifizierte man sich durch das schon früh ausgeprägte palästinensische Nationalbewusstsein mit starkem lokalem Bezug93 sehr mit dem genauen Herkunftsort (Jerusalem, Jenin, Gaza etc.). Dass die (im Bereich der diskursiven Norm des Nationalstaats) »materiell« mögliche »äußere« Identität nicht der gefühlten

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Mit Ausnahme seiner Studienzeit. Bereits lange vor 1948 hatte sich vor dem Hintergrund der arabischen Renaissance (nahḍa), der osmanischen und später britischen Herrschaft ein palästinensisches Nationalbewusstsein herausgebildet, wenn auch der konkrete regionale oder lokale Bezug immer sehr wichtig war.

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

entsprach und dass die Erzähler über ein gefühltes Palästinensischsein verfügten, wird in ihrer Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum deutlich. Im öffentlichen Raum wurde die vorzeigbare Identität (des Fluchtlandes) angegeben, im privaten (d.h. in der Familie oder im Freundeskreis) wechselte man zum Palästinensischsein. Wie wir später sehen werden, mahnten Palästinenser auch ihre Kinder, nicht zu sagen, woher sie kamen, um Probleme zu vermeiden. Mit zunehmender Gewalt94 – genannt sei hier besonders die israelische Gaza-Offensive von 2014 – und dem Wandel der öffentlichen Meinung in den letzten Jahren bezüglich der Deutung der Gewalt änderte sich dies aber. Immer mehr Palästinenser der ersten Migrationsgeneration geben sich in der Öffentlichkeit als Palästinenser zu erkennen und leben ihr Palästinensischsein auch im privaten Raum. Sie thematisieren sie verstärkt in den Familien, gehen zu politischen und kulturellen Veranstaltungen und nehmen ihre Kinder mit, zeigen ihre Solidarität in der Öffentlichkeit und »bekennen« sich allmählich mehr und mehr zu ihrem Palästinensischsein, sodass einigen Angehörigen der zweiten Generation erst im Erwachsenenalter bewusst wird, woher ihre Väter bzw. Eltern tatsächlich stammen. Für die Angehörigen der ersten Migrationsgeneration gilt ein dreifaches Exil: Die erste Form ist ein territoriales Exil, verursacht durch eine in den meisten Fällen selbst erlebte oder mehrfache Vertreibung. Hinzu kommt, dass ihre Existenz und Akzeptanz in der Gesellschaft, in der sie leben, an die Bedingung geknüpft ist, sich aufzugeben bzw. auf einen konstituierenden Teil ihres Selbst – Identität und Gewalterfahrung – zu verzichten. Das zweite Exil entsteht als ein Exil innerhalb des Exils durch die Verkennung, die statt der Anerkennung erfolgt und sie daran hindert, sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen, in der sie leben.95 Exil ist hier weitaus mehr als ein territoriales Fremdsein im Sinne eines Nicht-im-Landeselbst-Seins. Heimat wird hier zu einer Metapher für Mächtigkeit, also Handlungsmacht und Verfügungsgewalt. Exil hingegen ist eine Form von Ohnmacht bzw. die Absenz von Verfügungsgewalt und Handlungsmacht. Das dritte Exil ist schließlich dasjenige, das im Sinne einer Entfremdung von sich selbst zu denken ist, welche aus den Normen der kollektiven Identität des Widerstands entsteht. Es ist jenes innere Exil, das durch das Wir entsteht, welches an die Stelle des Ich tritt, wodurch sie sich von sich selbst entfremden. Mit dem dreifachen Exil geht eine dreifache Verletzung einher: Erstens haben die meisten Angehörigen der ersten Migrationsgeneration Vertreibung erlebt,

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Dies ist vergleichbar mit den PalästinenserInnen in Israel, die sich bis zu den Massakern von Sabra und Schatila (September 1982) IsraelInnen nannten und erst danach PalästinenserInnen. Für diejenigen, die in der DDR gelebt hatten, bedeutete 1989 ein erneuter Verlust von Heimat, da es aufgrund des antiimperialistischen Kampfes diese Anerkennung in der DDR gegeben hatte (Sellman, 2016).

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gerade weil sie Teil des Widerstands sein wollten: Oft waren sie ins Ausland gegangen, um sich die Ressourcen für die Befreiung zu erwerben. Stattdessen wurden sie ins Exil gezwungen, weil sie nach 1967 nicht mehr zurückkehren durften. Politische Arbeit (Öffentlichkeitsarbeit) wurde zudem in den europäischen Ländern mit Ausweisungen, Nichtverlängerungen von Aufenthaltsbewilligungen und Nichteinbürgerungen bestraft. Vertreibung war also eng verknüpft mit der Erfahrung der Ohnmacht. Die Ausweglosigkeit der Situation ihrer Elterngeneration erlebten damit auch sie am eigenen Leib. Zweitens ist da die Verletzung durch die Gewalt der Nichtanerkennung und Verkennung, aber auch der Bestrafung von Sichtbarkeit sowie der Kriminalisierung ihres Widerstands, woraufhin sie sich verneinten. Sie teilten die Erfahrung, dass man nur durch Schweigen und Unsichtbarkeit, d.h. nur durch Selbstaufgabe, von disziplinarischen Maßnahmen unbehelligt blieb, außer man bewegte sich in den entsprechenden linken Kreisen. Bei dieser gesellschaftlich geforderten Selbstverneinung handelt es sich um eine Form der Dehumanisierung, die Teil der symbolischen Gewalt ist, die mit Siedlerkolonialismus und Rassismus einhergeht. Drittens wirkt diese symbolische Gewalt vernichtend auf die betroffenen Subjekte, indem selbst der Imperativ des Erinnerns, die kollektive Bewältigung dieser symbolischen Gewalt, das Leben und Sein des Einzelnen im Hier und Jetzt verschluckt. Denn angesichts der Gewalt der Verneinung erstarrt das Leben zum Monument für die erlebte Vertreibung. Die psychischen Auswirkungen der symbolischen Gewalt, die die Dehumanisierung diskursiv und normativ festschreibt und zusammen mit der physischen Gewalt der Vertreibung rassifizierend-koloniale Gewalt bildet, beschreibe ich hier mit dem Begriff Trauma der Rasse. Das Leben im Ausnahmezustand, das viele in Deutschland und der Schweiz führten, kann mit dem Leben unter dem seit 1967 in den besetzten Gebieten herrschenden Militärrecht verglichen werden (davor auch für PalästinenserInnen in Israel in Kraft), welches die ihm Unterworfenen zu schuldigen Subjekten macht. Denn wie unter Militärrecht war auch die Unschuld von PalästinenserInnen in Westeuropa eine immer zu beweisende. Die Öffentlichkeit, in der sie leben, ist nicht Zeugin für das widerfahrene Unrecht, sondern eine zu überzeugende, dass einem Unrecht wiederfahren ist. Die Gewalt der Vertreibung ist aufgrund der Gewalt der Verkennung bei den Erzählern mit Schuld, Scham und moralischer Schwäche besetzt. Hinzu kommen die Praktiken der indirekten Vertreibung, welche Vertreibung juristisch legitimieren und bei einem persönlichen Versagen verortet: Man durfte nicht zurückkehren, weil man abwesend gewesen ist (absentee property law) oder weil man die Ausreisegenehmigung nicht rechtzeitig erneuert hatte. Das erzählte Selbst der Gesprächspartner löst sich in der Schuld auf, die sie empfanden für die Gewalt, welche die Eltern wie auch sie selbst erfahren haben. Hinzu kommt, dass die Erzähler, sprich die Post-Nakba-Generation, an ihrer Anklage der Eltern litten. Sie spürten ja auch deren Resignation oder gar Gebro-

3 Väter I: Wie spricht man aus dem Nichts heraus?

chenheit. Die Schuld, welche sie für die den Eltern widerfahrene Gewalt empfanden, wiederholte sich zudem mit ihrer eigenen Vertreibungserfahrung: Sie konnten deren Wiederholung nicht verhindern. Statt der Befreiung, die sie herbeiführen wollten, erlebten sie Vertreibung am eigenen Leib. Die Verachtung für die Väter-Generation muss auch im Kontext ihres eigenen Bruchs gesehen werden, in ihrer eigenen Vertreibung und mehr noch: in ihrer Selbstverneinung, welches dem Ichideal96 vom Widerstand und Festhalten an der Identität diametral zuwiderlief. Im folgenden Kapitel steht das Leben von Palästinensern in Deutschland und in der Schweiz bzw. das gelebte Selbst, so wie es sich aus der teilnehmenden Beobachtung erschließt, und nicht das erzählte Selbst im Fokus der Betrachtung.

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Das Ichideal bildet das Vorbild, an das sich das Subjekt anzunähern versucht (Laplanche & Pontalis, 1972, S. 203).

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Im vorhergehenden Kapitel haben wir gesehen, wie sich das erzählte Selbst sowohl in den hegemonialen Diskursen des großen Anderen wie auch des großen Eigenen, als dessen Echo, auflöst. Die Diskurse des großen Anderen besetzen Identität und Vertreibung mit Unsichtbarkeit und Schuld. Das Ichideal versucht der Verneinung entgegenzuwirken, indem es an Identität und Verlust festhält. Palästinensischsein wird dabei für PalästinenserInnen zu einer Repräsentation des Traumas der Ohnmacht, der Auslöschung ihrer Existenz sowie ihrer Ersetzung (vom Land über die Kultur bis hin zum Subjekt) und zu einer moralischen Kategorie: Palästinensischsein als mentaler Zustand, der das Fühlen und Denken bestimmt, soll sie von der vermeintlichen Schuld an der Gewalt, die sie erfuhren, befreien. Doch dieses Palästinensischsein wird von PalästinenserInnen im täglichen Leben verneint. Diese Selbstverneinung ist nur eine Form der Auflösung des gelebten bzw. gefühlten Selbst. Andere Formen sind Scham, Melancholie oder Angst, die sich in der teilnehmenden Beobachtung zeigten. Diese Formen der Auflösung spiegeln die Verneinung, welche PalästinenserInnen in der Gesellschaft, in der sie leben, erfahren. Es handelt sich dabei um Identifikationen mit verschiedenen Formen diskursiv-normativer Gewalt und ihrer Introjektion; um die Identifikation mit dem Begehren des großen Anderen nach ihrem Nichtsein; um die Identifikation mit der Projektion der Schuld und mit der damit verbundenen Verkennung. Projektion schließt nicht nur Mechanismen der Übertragung und Verlagerung der eigenen Geschichte und Konflikte auf den anderen mit ein, sondern auch Strukturen der Negation (des Nicht-Opfer-sein-Dürfens) – den diskursiven Ausschluss von Anerkennung und Empathie als gleichwertiges Subjekt –, der Missrepräsentation und Ersetzung. Die Nichtanerkennung ist der Projektion inhärent. Zudem ist die Projektion mit rassistischen Motiven durchsetzt, weil sie Zuschreibungen moralischnormativer Minderwertigkeit essentialistisch bei einem ethnisch und kulturell homogenen Anderen festmacht und Gewalt an ihm in diesem Kontext verortet.1 Die 1

Ein palästinensischer Filmemacher erzählte mir, man habe einen seiner Filme 2015 in der ZDF-Sendereihe »Das kleine Fernsehspiel« zeigen wollen, die Redakteure hätten seinen Film aber dann kritisiert, weil die Protagonisten, die Familie des Filmemachers, zu europäisch aussahen und mit sanfter Stimme sprachen.

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hegemonialen Repräsentationen, récits, Projektionen, Tabuisierungen lösen nicht nur das erzählte Selbst auf, wie in den autobiografischen Erzählungen ersichtlich wird, sondern auch das physische, gelebte Selbst. Die diskursive Gewalt, die PalästinenserInnen infolge ihrer Vertreibung anstelle von Anerkennung erfahren, führt zur Selbstauflösung im Leben. Aber auch die traumatische Erfahrung von Vertreibung, Rassismus und Ohnmacht, in der sie verharren, hält sie vom Leben fern. Unsichtbarkeit wird als Begriff gewählt, um diesen Zustand zu beschreiben, weil er das Sein in der Beziehungshaftigkeit zur Umwelt markiert. Er bringt nicht nur die Tatsache zum Ausdruck, dass man für das Außen nicht existiert, sondern auch, dass man sich unsichtbar fühlt, weil die Umgebung einen nicht als (gleichwertiges) Subjekt wahrnimmt. Mit der Lacanschen Spiegelmatrix ausgedrückt: Die Unsichtbarkeit in der Gesellschaft, in der PalästinenserInnen leben, führt dazu, dass ihr soziales Ich, das Lacansche je, fehlt. Sie erfahren sich nicht als jemanden, der von außen gesehen werden kann.2 Da dieses Bewusstsein von sich selbst als einem Anderen fehlt, löst sich ihre eigene Wirklichkeit in der hegemonialen Wirklichkeit auf. Die Nichtanerkennung bzw. das Fehlen von Empathie macht sie unsichtbar; ihre eigenen Gefühle, ihr Leid haben keinen Wert. Sie befinden sich in einem rechtlosen Zustand. Die Unsichtbarkeit entsteht jedoch nicht nur aufgrund der Abwesenheit im Spiegel (der Gesellschaft), sondern auch aufgrund des Moments der Entfremdung, die sich durch Projektion und Missrepräsentation ergibt. Man ist gezwungen, sich mit einer Subjektivität zu identifizieren, in der man sich nicht erkennt. Unsichtbarkeit resultiert hier aus der Verkennung, die sich durch Befangenheit im Traum des großen Anderen ergibt. Wie wir in Kapitel 1 gesehen haben, repräsentiert Palästina noch viel mehr als der Balkan das kollektive Unbewusste Europas. Palästinensische Sichtbarkeit bedroht die Identität der Unschuld bzw. der Sühne und produziert Scham, da PalästinenserInnen per se, allein durch ihre Existenz, an die historische Schuld und an den Versuch ihrer Wiedergutmachung (auf Kosten eines anderen Volkes) erinnern. Solange PalästinenserInnen unsichtbar sind, kann man Israel als etwas mythisch Zeitloses imaginieren und damit die Hintergründe seiner Entstehungsgeschichte in der europäischen Geschichte verdrängen. Das normativ-moralische System, aus dem die Diskursfigur des Palästinensischseins als abweichend oder böse hervorgeht, ist auf das Verdrängen jenes unbehaglichen Bewusstseins nicht wiedergutzumachender Schuld und Scham über die eigene Geschichte zurückzuführen.3

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Gemäß Lacan entwickelt das Kind ein Bewusstsein von sich selbst durch das im Spiegel erblickte Selbstbild (Lacan, 1986). Es ist immer interessant zu sehen, wie irritiert, ja beunruhigt viele Menschen sind, wenn sie auf PalästinenserInnen treffen, die nicht der von ihnen zugewiesenen Rolle entsprechen, zum Beispiel auf PalästinenserInnen, die nicht Juden hassen oder sogar einen hebräischen Vornamen tragen.

4 Väter II: Unmögliche Subjekte

4.1

Isolation Heute habe ich mir die Aufzeichnung des Gesprächs mit N. R. angehört. Er ist ein Überlebender des Massakers an etwa 3000 Menschen im palästinensischen Flüchtlingslager Tell az-Zaʿtar (1976) während des libanesischen Bürgerkriegs. Bei der Aufnahme ist etwas mit dem Ton schiefgelaufen. Das Band ist durchsetzt von einem Rauschen. Ich habe mich erst geärgert, dann aber gedacht: Als ob das Geräusch die Bedrohlichkeit seiner Erinnerung einfangen würde. Eine allgegenwärtige Erinnerung, mit einem verstörenden Klang, nur für den zu hören, der sie fühlt. Ich erinnere mich daran, wie seine Frau immer wieder in unser Gespräch »hineingeplatzt« war, um uns Essen zu bringen, obwohl er nicht essen wollte. Als ich mich nach dem Gespräch mit N. R. alleine mit ihr unterhielt, verstand ich, warum. Ihr Mann habe nie mit ihr geteilt, was er in Tell az- Zaʿtar erlebt hatte. Er hingegen hatte mir während unseres Gesprächs gesagt, er habe in seinem Leben nur drei Menschen davon erzählt, darunter ihr. (S. E., Forschungstagebuch, 06.05.2015)

Die physische Unsichtbarkeit manifestiert sich bei PalästinenserInnen, die in den 1980er-Jahren nach Deutschland kamen, viel offensichtlicher als bei Palästinensern der 1960er-Jahre. In Deutschland angekommen, lebten erstere meist in prekären Verhältnissen in den West-Berliner Quartieren Kreuzberg und Neukölln. Die Gewalt der Nichtanerkennung systemischer Gewalt fand hier ihre physische Übersetzung in den Status der Duldung, d.h. in der Nichtanerkennung rechtmäßigen politischen Asyls. Selbst in der zweiten Generation weitgehend schutz- und rechtlos in libanesischen Lagern lebende palästinensische Flüchtlinge, die im Kontext des libanesischen Bürgerkriegs nach Deutschland flohen, erhielten in der Regel (damals wie heute) nach der Aufenthaltserlaubnis die Duldung: Nach dem Asylantrag wurde ihr Gesuch abgelehnt, und sie wurden bis zur Abschiebung geduldet. Aufgrund ihrer offiziellen Staatenlosigkeit4 sah sich der Libanon aber nicht als verpflichtet, sie zurückzunehmen. Obwohl die deutschen Behörden sich dessen bewusst waren, ließen sie die Geflüchteten in der Schwebe. Ihr Aufenthaltsstatus endete somit in der sogenannten Kettenduldung. Über Jahre hinweg wurde die Duldung immer wieder erneuert und die Betroffenen durch den Duldungsstatus weitgehend isoliert. Ohne den Status rechtmäßig anerkannter Flüchtlinge erhielten sie weder eine Arbeitsnoch eine Studien- oder Schulgenehmigung. Dadurch wurde ihnen auch die Partizipation an der deutschen Gesellschaft sowie der Zugang zu Palästinensern, die in den 1960er-Jahren nach Deutschland gekommen waren, verwehrt. Ihr Zustand kam einer vorsätzlichen Isolierung und einem Warten auf Abschiebung gleich. Man 4

PalästinenserInnen aus den libanesischen Flüchtlingslagern verfügten zwar über libanesische Papiere, dabei handelte es sich aber lediglich um von den libanesischen Behörden ausgestellte (Laissez-Passer-)Reisedokumente für von der UNRWA registrierte palästinensische Geflüchtete. Auf den Dokumenten war der Status der Staatenlosigkeit klar vermerkt.

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lebte mit stets gepackten Koffern und war der Handlungsmacht und Selbstbestimmung beraubt wie ehedem in den Lagern: Ein Gesprächspartner sagte, er habe das Lager im Libanon mit dem Lager in Deutschland ausgetauscht. Folgen dieser Marginalisierung waren Kriminalität (Shiblak, 17-20 June 2003, S. 41), Drogensucht, ein selbstmörderisches Leben und die wohl offensichtlichste Form physischer Unsichtbarkeit, die Isolation im Gefängnis. PalästinenserInnen aus den libanesischen Lagern stellen einen sehr großen Anteil in Berliner Gefängnissen. Das Gefängnis ist sozusagen die »physische« Manifestation der Identifikation mit Ausgrenzung und Repräsentationen diskursiv-normativer Gewalt. N. E. beispielsweise ist 33 Jahre alt und verbrachte seit seinem 18. Lebensjahr bereits elf Jahre im Gefängnis. Er floh mit seinen Eltern und Geschwistern in den 1980er-Jahren aus den libanesischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila5 nach Deutschland. Sein Vater ließ seine Frau mit sieben Kindern allein zurück, um zu dealen, als N. E. klein war. Als N. E. zehn Jahre alt war, nahm der Vater ihn auch mit zum Dealen in den Park. N. E. musste u.a. Botengänge und Übergaben im Rahmen des Drogengeschäfts für den Vater erledigen. Heute hat N. E. zum Vater keine Beziehung. Dieser grüßt ihn auf der Straße nicht. N. E. begann mit 18 Jahren selbst zu dealen und wurde bald selbst drogensüchtig. Immer wieder führt ihn das ins Gefängnis. Anstatt für eine Therapie entscheidet er sich für das Gefängnis als eine Art Rückzugsort. Seine einzige Struktur sind Gefängnis und Heroin: Zweimaldrei-Minuten-Kicks pro Tag. Außerhalb des Gefängnisses findet er keinen Halt, rutscht vom Dealen wieder in die Drogensucht, lebt auf der Straße, verwahrlost, erleidet Unfälle und schwere Krankheiten. Zurück im Gefängnis jedoch passt er sich der Struktur an, macht sich hübsch, ist sehr gepflegt. Fast so, als ob er nur im Gefängnis lebensfähig sei. Er erzählt, seine Mutter sei am Tag seiner letzten Inhaftierung gestorben. Es wurde ihm nicht erlaubt, zu ihrer Beerdigung zu gehen. N. E. sagt, er habe einen Traum: Er sieht den Vater, der einst seine Mutter und ihn selbst misshandelte, am Grab seiner Mutter und schlägt ihn. In N. E. ist eine mit Ohnmacht kontaminierte Wut, eine Wut gegen sich selbst und seinen Vater, eine Wut, die ihn immer wieder ins Abseits führt, an einen Ort, an dem es der Gesellschaft erlaubt ist, sich nicht für ihn zu interessieren. Wenn er für sich einen Ort vereinnahmen kann, dann das Gefängnis. Den Palästinensern aus den 1960er-Jahren ist eine andere Art der Isolation gemein: ein allmählicher Rückzug aus dem öffentlichen Leben und von Freunden,

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Die 1982 durch israelische und christlich-libanesische Milizen (Phalangisten) verübten Massaker an palästinensischen Zivilisten in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila sowie der Lagerkrieg (ḥarb al-muḫayyamāt) von 1985 bis 1988, der syrische Krieg gegen Arafat-Anhänger in verschiedenen palästinensischen Lagern (darunter auch in Sabra und Schatila), lösten Fluchtbewegungen unter den palästinensischen Flüchtlingen aus.

4 Väter II: Unmögliche Subjekte

selbst von anderen palästinensischen Bekannten, und schließlich auch ein Rückzug aus der Familie. Palästinenser kamen vor allen Dingen nach Westdeutschland, um zu arbeiten oder um zu studieren. Ein kleiner Teil aus ihrem Kreis waren PLODelegierte, Mitglieder oder Stipendiaten kommunistischer Parteien, der PLO oder der DDR, die nach Ostdeutschland gingen. In die Schweiz kamen viele Palästinenser von Westdeutschland aus, weil man studieren und gleichzeitig arbeiten konnte oder aufgrund der Massenausweisungen von Palästinensern aus Deutschland nach der Geiselnahme von München 1972. Viele fanden im Studium Anschluss in politisch links gerichteten Studentenkreisen und intellektuellen Milieus, in denen sie sich verstanden fühlten. Sie heirateten oft deutsche Frauen.6 Auch hatten sie die Ressourcen (Sprache, Aus-/Bildung, symbolisches Kapital in linken Studentenkreisen durch ihr Palästinensischsein etc.), sich in der Gesellschaft zu bewegen. Gleichzeitig entfremdeten diese sie von der Gesellschaft, in der sie lebten, indem sie ihnen die gewaltvollen Diskurse zugänglicher machten: Auf gesellschaftlicher und familiärer Ebene wurde ihnen durch Kriminalisierung, welche Maskulinität, Kultur, Sichtbarkeit, Wut und Widerstand als bedrohlich spiegelte, und durch Zensur und Tabuisierung ihrer Geschichte die Mächtigkeit genommen. Dabei ging die diskursive Ausgrenzung auch mit Praktiken wie Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, Überwachung, Kontrolle und Ausweisung einher, was nach der Geiselnahme von München 1972 in der ohne Gerichtsurteil erfolgenden Ausweisung Hunderter von Palästinensern aus Deutschland (für die Ausweisung reichte ihre Öffentlichkeitsarbeit), Auflösung von Studentenorganisationen und Arbeiterverbänden und Erlass von Versammlungsverboten kulminierte. Viele Palästinenser zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück und beendeten ihr politisches Engagement – zumindest nach außen hin. Eine vergleichbare Dynamik fand nicht selten auch im Mikrokosmos Familie statt. Die Frauen, die sie heirateten, hatten oft auch eine schwierige persönliche Geschichten durchlebt, die in der politischen oder sozialen Geschichte ihres jeweiligen Landes wurzelten, wie Vertreibungs-, Fluchtgeschichten, Kriegs- oder Ausbeutungserfahrungen. Dies führte dazu, dass sowohl Männer als auch Frauen aus bestimmten Gründen eine bestimmte Form von Beziehung bzw. von Nichtbeziehung scheuten und suchten. Statt Beziehungen scheinen Projektionen und Imaginationen an Raum gewonnen zu haben, welche die palästinensischen Lebenspartner entwerteten – kriminalisierten oder infantilisierten (als gescheitert, unfähig oder irrational darstellten) – oder idealisierten. Nicht selten ging es bei der Fiktion vom palästinensischen Mann auch um die Partizipation an einem Konfliktoder Opfernarrativ. A. W. über ihren Mann N. L.:

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Oft auch, weil sie nach 1967 nicht zurückkehren konnten.

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Das war ja auch gerade nach der Olympiade, als die Israelis überfallen wurden. Und dadurch war er natürlich wieder so ein Opfer für mich, um das man sich kümmern muss, weil er das doch nicht gemacht hat. Und dadurch hatten wir dann auch immer ganz viele Schwierigkeiten, bei Grenzkontrollen durchzukommen. Und das ist bei ihm immer noch so, dass er ganz viel Angst an Grenzen hat, durchzukommen, und immer ganz nervös ist. Das ist natürlich nur in seinem Kopf. Aber das hat er sich bewahrt, er ist immer der, der getreten wird. (Interview A. W., 2010, 3)   Und dann kam er eben nach Deutschland und dann war er halt wieder nichts, denn damals gab es noch nicht so viele Gastarbeiter. Die haben ihn behandelt wie so ein kleines exotisches Männchen, die haben ihn Mohammed, glaube ich, genannt. Und fremde Leute haben ihm eine Stelle und eine Unterkunft besorgt. Und dann hat er sich das hier so angeguckt und war total geschockt, wie das hier so ist. Und hat diese Männlichkeitssache gemacht, indem er sich einen Anzug gekauft hat, spitze Schuhe und sich einen Goldzahn machen lassen hat. Diese äußeren Sachen hat er dann probiert. Und dann ist er in Kontakt gekommen mit PalästinenserInnen, die für Palästina gekämpft haben. Sie haben Zeitungen verteilt, er fühlte sich aufgenommen und aufgewertet durch die Studenten, die das waren. Und als wir uns kennengelernt haben, da hatte er dann die Möglichkeit gehabt zu studieren. S. W.: Also er hat erst angefangen zu studieren, nachdem er dich kennengelernt hat. A.W.: Ja, ja, er hatte ja gar kein Geld dafür. Und er hat das erst in Angriff genommen, als klar war, dass ich das finanzieren kann. Ich musste das nicht finanzieren. Das war doch in Ordnung. Ich verdiene Geld und er studiert. Nur dass dann nie dieses Umgekehrte passiert ist. (Interview A. W., 2010, 4)   Es war immer meine selbstverständliche Annahme, dass N. L. eines Tages für die Weltbank oder so in einem anderen Land, nicht in einem arabischen wahrscheinlich, dass wir dort arbeiten und wohnen würden. Als wir geheiratet haben, da war das meine Vorstellung. Mit dem Studiumsende war das erledigt. Da passierte nichts mehr. Da kam keine Stelle auf ihn zu, da kam kein Schreibtisch für ihn zustande. (Interview A. W., 2010, 6) Palästinensische Männer wurden nicht akzeptiert von den Eltern ihrer Frauen, die Familie erschien nicht zur Hochzeit, die Männer durften die Kinder nicht zu Familienfesten begleiten, Frauen wurden von den Eltern gezwungen abzutreiben oder das Kind zur Adoption freizugeben bzw. waren gezwungen, ihre Schwangerschaften zu verheimlichen. Die Repräsentation des braunen Mannes7 erfolgt in Westeuro7

Gayatri Chakravorty Spivak interpretierte in ihrem Essay Can the Subaltern Speak? die Selbstrepräsentation der britischen Kolonialherrschaft in Indien mit der Aussage »White men are

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pa nach ähnlichen diskursiven Mustern wie in den kolonialisierten Ländern selbst: Nur dass der weiße Mann nun die weiße Frau, statt die braune Frau vor der Gewalt des braunen Mannes schützt(e) (El-Ariss, 2013; Mack, 2017). Der orientalistische Diskurs, der Frauenrechte (wie auch LGBTIQ+-Rechte) exklusiv in einem progressiven westlichen Kontext verortet (Massad, 2002), rechtfertigt nicht nur die Kontrolle und Zivilisierung des Anderen, er reguliert auch Beziehungen zwischen deutschen bzw. Schweizer Frauen und arabischen Männern bis heute. Hinzu kommt, dass institutionalisierter Rassismus in bürokratischen Regelungen Machtasymmetrien in Beziehungen intensiviert.8 In den Gesellschaften, in denen Palästinenser ohnehin gegen ihren freien Willen und in mehreren Schichten von Schuld lebten, fühlten sie sich nicht zuletzt fremd, weil man ihnen das Gefühl gab, fremd zu sein, und das gerade auch in mikrogesellschaftlichen Systemen. Ihre Fremdheit hatte nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Familie wesentlich mit dem Gefühl zu tun, jenseits der Norm und auf diese Weise am falschen Ort zu sein. Das gesellschaftliche System wiederholte sich affektiv im Kleinen für sie: die Verdrängung der Differenz, das Nichtdazugehören, die Angst, Dinge falsch zu machen, das Gefühl, nur »unter Auflagen« bleiben zu dürfen. Das hegemoniale Repräsentationsregime verdrängte Palästinenser dadurch nicht nur aus der Gesellschaft, sondern auch aus der Familie. Dennoch blieben sie, sei es um das Sorgerecht über die Kinder nicht zu verlieren, falls sie noch keinen deutschen oder Schweizer Pass hatten, oder aber vielleicht gerade auch, weil sie endlich einmal ankommen und bleiben (dürfen) wollten nach der Grunddemütigung (Entsagung der Selbstbestimmung), dass man nicht zurückkehren durfte, woher man kam, seine Familie nicht sehen konnte und dass man, wenn man es täte, bestraft würde (Schikane, Zurückweisung). I. E.s Vater war oft in Bars, statt physisch zu Hause zu sein. Besonders an ihren Geburtstagen sei er immer spät und betrunken nach Hause gekommen; sie erzählt: Andererseits entwertete ich ihn, wie ihn meine Mutter entwertete. Dabei waren wir ihm nicht egal, wie es die Mutter oft dargestellt hat. Er hat immer angerufen bei der Großmutter nachts, wenn wir ohne ihn bei der Familie waren, hat immer Briefe geschrieben, wenn ihn etwas in unseren Leben im Hinblick auf unsere Zukunft beschäftigt hat, aus Scheu, es mündlich zu sagen. Wir waren ihm nicht egal, aber so eine richtige Beziehung gab es nicht. (Gespräch I. E., 2015, 24.05.2015)

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saving brown women from brown men« (Spivak, 1985, S. 297): der weiße Kolonialherr agiert durch seine Intervention als Beschützer der Inderin vor dem oppressiven patriarchalen System des braunen indischen Mannes. Indem z.B. die Männer nur durch Eheschließung mit einer deutschen Staatsbürgerin oder ein gemeinsames Kind (ebenfalls mit deutscher Staatsbürgerschaft) eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

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N. L. wiederum wohnte lange im Keller des gemeinsamen Reihenhauses. Er erzählt, nach dem ersten Kind habe er sich scheiden lassen wollen, weil er sich ausgegrenzt gefühlt habe,9 doch habe er das Kind nicht verlieren wollen. Er habe Angst gehabt, ersetzt zu werden, und dass seine Frau seinem Sohn einschärfe, dass sein Vater nicht gut sei, sie schlecht behandelt bzw. verlassen habe. So sei er geblieben, und es kamen weitere Kinder hinzu. Er habe sich immer wieder Arbeitsstellen weg von zu Hause gesucht, damit er für die Kinder ein Vater bleiben konnte, ohne mit ihnen zusammenzuleben, er rechtfertigte es damit, dass er in Berlin keine Arbeit finden würde. So habe er einmal ein Jahr lang in Frankfurt gearbeitet, dann an der polnischen Grenze. In den 1990er-Jahren ging er infolge des Oslo-Prozesses schließlich nach Qalqiliya, Palästina. In der Stadt seiner Vorfahren habe er sich ein Haus gebaut und gedacht, seine Kinder könnten ihn dort besuchen. Bizarrerweise floh N. L. also nach Palästina zurück, wo er illegal mit einem Touristenvisum, das jeweils nur für drei Monate gültig war, lebte. Der Traum vom eigenen Haus in Palästina steht wohl für die Sehnsucht nach einem eigenen Raum, einem Raum für sich und für die Rückkehr. Befremdet erzählt er, seine Kinder hätten damals gedacht, er habe sie verlassen, dabei sei das Gegenteil der Fall gewesen, er sei gegangen, um zu bleiben! Die Abwesenheit der Väter innerhalb der Familie hatte aber auch andere Gründe: Sie befanden sich unfreiwillig in Deutschland und in der Schweiz, waren durch ihr Exil vielfach über Jahrzehnte gezwungenermaßen von ihren Familien getrennt, die in Palästina, Israel und im arabischen Raum oft in prekären Verhältnissen lebten. Sie vermissten sie sehr, fühlten sich ihnen gegenüber schuldig, wie wir in den Lebensgeschichten feststellen konnten, waren oft gerade mit dem Ideal nach Westeuropa gekommen, ideelles und ökonomisches Kapital zu erwerben, um ihrem Volk und damit auch ihren Familien zu helfen, hatten dann aber nicht mehr die Wahl und wurden der Entscheidung beraubt zurückzukehren. Oft erwirtschafteten sie auch nicht das erhoffte Kapital, um ihren Familien in Palästina oder in den Flüchtlingslagern eine finanzielle Unterstützung zu sein. So entstanden große Schamgefühle und Kontaktabbrüche. All dies erschwerte ihnen, den Raum, der das Exil ihnen bot, als etwas Eigenes anzunehmen und über ihn zu verfügen. H. S. aus Gaza wurde 1948 Zeuge der massiven Flüchtlingsströme. Er erzählt, als Achtjähriger habe er seiner Mutter das Essen aus den Händen gerissen, um es an die Geflüchteten zu verteilen. Die Verstaatlichung des Suezkanals zu einem öffentlichen ägyptischen Unternehmen durch Präsident Gamal Abdel Nasser im Juli 1956 hatte den dreiseitigen Angriff Frankreichs, Großbritanniens und Israels gegen Ägypten ausgelöst. Israel besetzte die Sinai-Halbinsel und den Gazastreifen, 9

Er sei immer der gewesen, der nichts hinbekomme. Nägel einschlagen könnten nur Deutsche. Sein Sohn habe den Nachbarn gebeten, sein Rad zu reparieren, ohne ihn vorher zu fragen.

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und am 3. November 1956 begingen israelische Truppen ein Massaker in der Stadt Khan Yunis und im angrenzenden Flüchtlingslager, damals galt für die Bewohnerinnen und Bewohner von Khan Yunis und des Flüchtlingslagers eine Ausgangssperre. Dutzende palästinensische Männer, Frauen und Kinder wurden getötet, Menschen flohen. Als Kind musste H. S. schon Freunde beerdigen. Er floh für kurze Zeit nach Jordanien, kehrte aber wieder – ohne Familie – nach Gaza zurück. Die Kindheit war geprägt von Krieg, die israelischen Bombardements hielten offiziell bis Dezember 1956 (Israel bleibt bis zum März 1957 die Besatzungsmacht im Gazastreifen), faktisch aber bis 1967 an. Wie viele kam H. S. in den 1960er-Jahren nach Deutschland, um das Wissen für den Befreiungskampf zu erwerben und das kollektive Trauma, das auch ein individuelles war, zu bewältigen. H. S. betont zwar immer wieder, die Kindheit, die er allein verbracht habe, sei die schönste Zeit seines Lebens gewesen. Tatsächlich hat er seine Familie sehr vermisst, und zwar so sehr, dass er sie später, als er sie aus dem Exil heraus – wenn auch nur als Tourist (mit dem Schweizer Pass) – hätte besuchen können, jahrzehntelang mied, und selbst seine eigene Familie in der Schweiz ablehnte. H. S. erzählt, er habe nie in der Schweiz bleiben, sondern sich lediglich ausbilden lassen wollen, um für die Befreiung zu kämpfen: Mir wurde aufgezwungen, hier zu leben, ich wollte nicht in der Schweiz leben, darum konnte ich auch keine Beziehung hier führen: weil ich dort kämpfen wollte. […] Da war nur Palästina, für nichts Anderes war Platz. (Gespräch H. S., 2015, 13.04.2015) Aus Gaza stammend, konnte er nach der Besatzung von 1967 nicht zurückkehren. Wegen der frühzeitigen Ausweisung nach den Ereignissen von München 1972 hatte er seine Ausbildung in Deutschland – noch ein, zwei Jahre hätten ihm gefehlt – nicht abschließen können. Er kam in die Schweiz. Dort musste er von vorn beginnen. Die Beziehung zu seinen Kindern war von der Wahrnehmung getrübt, dass die Kinder Teil seines Lebens im ungewollten Exil waren. Die Tatsache seiner indirekten Vertreibung 1967 bedeutete nicht nur, dass ihm die Rückkehr verwehrt wurde, sondern dass er die Heimat verlor, gerade als er sie verlassen hatte, um das kollektive Trauma durch den Befreiungskampf zu überwinden. Ihn prägte deshalb nicht allein wiederholte Vertreibung und ein Leben in Fremdbestimmung, sondern die sich wiederholende Erfahrung der Ohnmacht, die ihm den Zugang zu einem selbstbestimmten Leben versperrte.

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Scham B. N.s Körper hat etwas Zerbrechliches, fast schon Flüchtiges. Aufgrund jahrelangen Rauchens (trotz Lungenkrankheit) hat er Mühe zu atmen. Um Luft ringend

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schimpft er über Religionen. Er hasse sie, und am meisten seine eigene (er meint den Islam). Sie seien der Kern allen Übels. Auf dem Tisch im Salon stapeln sich fragile Türmchen von Medikamenten- und Vitaminpackungen. Er verschwindet fast dahinter. Am Finger trägt er ein kleines Gerät, das unruhig blinkt und seine Lungenfunktion misst. Immer wieder schaut er darauf, um die Anzeige zu prüfen, als ob er sich seines Lebens vergewissern wollte. Als er mich von der Busstation abgeholt hatte, war mir aufgefallen, wie geduckt er durch die Straßen lief. So als ob er sich angewöhnt hätte, sich unsichtbar zu machen. So als ob er sich schäme zu existieren. (S. E., Forschungstagebuch, 21.09.2013) Scham gehört, psychoanalytisch betrachtet, nebst Gier und Neid zur selben Affektreihe wie Schuld. Im Gegensatz zu Schuld, welche intrapsychisch wirkt und auf einen Konflikt zwischen Ich und Über-Ich (in unserem Kontext die Moral/Norm, die sie aufgrund ihres Palästinensischseins immer schon übertreten) oder Ichideal (das Idealbild, dem sie entsprechen wollen) zurückgeht, impliziert Scham Konflikte mit der Außenwelt und geht aus dem Bewusstsein der sichtbaren Differenz zwischen sich und anderen und – in unserem Kontext – aus dem sozialen Stigma hervor (List, 2014, S. 119-120). Der Schuld in der autobiografischen Erzählung entsprechend werde ich den Begriff Scham in der teilnehmenden Beobachtung benutzen, um einen parallelen Affekt zu bezeichnen. Scham kann im Kontext des Begehrens des großen Anderen nach der Unsichtbarkeit des Palästinensischseins gelesen werden, als eine Identifikation mit dieser Gewalt, ihrer Übernahme und Wendung gegen sich selbst – wie Schuld bis zur Selbstauflösung. Viele Angehörige der ersten Generation verknüpfen ihr autonomes Handeln mit Scham und wagen nicht, Raum für sich zu beanspruchen, weil sowohl Palästinensischsein als auch die damit verknüpfte Gewalterfahrung lange schambesetzt war und immer noch ist. Hinzu kommt, dass viele Palästinenser mit der Zeit sich selbst ebenfalls als bedrohlich empfanden. Ein Erzähler kommentiert nach unserem Gespräch seine verhaltene Sprechsituation mit den Worten, er habe immer versucht, emotionales Sprechen zu vermeiden, weil Emotionalität im hegemonialen Diskurs als aggressiv gedeutet werde und man dann gern in der Schublade des »aggressiven Arabers« lande. Ein anderer Erzähler geht stets mit gesenktem Blick durch die Straßen, als ob er am liebsten vom Erdboden verschluckt werden würde, auch schaut er Menschen während des Gesprächs nur selten in die Augen. Scham mündete aber auch in den Rückzug von Freunden mit einer ähnlichen Lebensgeschichte. Selbst (oder besonders) vor seinen palästinensischen Freunden zog man sich zurück, da sie einem die eigene Situation, aber auch die Wahrnehmung vom eigenen »Scheitern« spiegelten.10 Das Thema Scheitern beschäftigt meine Gesprächspartner sehr. »Ich bin ein Scheiße-Palästinenser«, sagen N. L. und 10

Meine Gesprächspartner beschreiben einander gegenseitig als traurig, verstört.

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B. N. oft halb ironisch, halb verbittert, als ob sie eine Aussage zitieren würden, die sie mittlerweile selbst nicht mehr in Zweifel ziehen. Palästinensischsein wird mit »Scheitern« verknüpft. Dazu zählt das berufliche und politische Scheitern, aber auch der Gedanke, es nicht geschafft zu haben, als Mensch betrachtet zu werden. M. M. zeigt mir vor unserem Gespräch einen Fotoband, um zu veranschaulichen, dass damit, nicht wie sonst üblich, den PalästinenserInnen ein Gesicht verliehen wird. Er fährt fort, im Gegensatz zu den Jüdinnen und Juden, für die man so viel Sorge trage, hätten sie es nicht geschafft, als Menschen betrachtet zu werden. Im telefonischen Vorgespräch und im Gespräch wird deutlich, wie viel Wert er darauf legt zu betonen, dass es in Deutschland die Strukturen sind, welche gebildete als muslimisch oder nahöstlich markierte Menschen mit deutschem Uniabschluss zu Taxifahrern machten; er nennt als Beispiel Iraner11 . Gleichzeitig erwähnt er in der Erzählung seiner Lebensgeschichte mit keinem Wort, dass er selbst als promovierter Soziologe Taxi fährt. Dies legt nahe, dass er sich doch selbst für sein Los verantwortlich macht. Während Iranianness von Palästinensern, die in den 1960er-Jahren nach Westeuropa migriert sind, idealisiert und benutzt wird, um die Wahrnehmung eigenen Scheiterns zu dämpfen (»selbst die Iraner haben es nicht geschafft …«), projizieren sie einige Entwertungen, die sie selbst erfahren haben, auf PalästinenserInnen, die in den 1980er-Jahren aus dem Libanon flohen. Scham äußert sich aber auch in der Beziehung zur arabischen Sprache. Die meisten Gesprächspartner haben mit ihren Kindern kein Arabisch gesprochen. Viele verknüpften die Sprache mit der entwerteten Identität und mieden sie deshalb in engen Beziehungen. Exemplarisch für diesen Umstand ist eine Gesprächssituation, in der ich den Erzähler mit dem Fotoband bat, mir seine Geschichte auf Arabisch zu erzählen. Er antwortete, das sei für ihn schwierig, weil die Sprache emotional behaftet sei, versuchte daraufhin trotzdem, auf Arabisch zu erzählen, wechselte aber gleich wieder ins Deutsche. Ich war nicht sicher, ob er verstanden hatte, wie wichtig es mir war, dass das Gespräch auf Arabisch stattfindet. Deshalb unterbrach ich ihn kurz, um ihn daran zu erinnern. Er versuchte es wieder auf Arabisch, fiel dann aber rasch wieder ins Deutsche zurück. Da mir bekannt ist, dass er sich mit seinen Freunden ausschließlich auf Arabisch unterhält (außerdem äußerte er sich im Laufe des Gesprächs oder davor negativ über Araber, die nicht viel Arabisch sprechen), ist der von ihm selbst genannte Grund, die emotionale Verknüpfung der Sprache mit seiner Geschichte, die ja im Wesentlichen eine Geschichte der Entwertung ist, eindeutig.12 Wir sehen also, dass das Nichtsprechen der Sprache auch etwas mit der Abspaltung von Verletzungen zu tun hat.

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Iraner sind bei Arabern ein beliebtes Beispiel für erfolgreiche »Orientalen«. Sie gelten als gebildet und wohlhabend. Meine Frage, ob er den Kindern seine Geschichte erzählt habe, bejaht er, hinzufügend, aber die Sprache habe er ihnen nicht mitgegeben.

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Doch die Geschichte der Entwertung hinterlässt nicht nur Spuren in der Beziehung zur arabischen Sprache, sondern auch in der Beziehung zur Religion, welche nebst der Sprache ein anderer wesentlicher Marker von Kultur und Identität oder durch ihre Fokussierung in der Fremdwahrnehmung zumindest zu einem solchen geworden ist. Der betont säkulare B. N., der sich mit gesenktem Blick im öffentlichen Raum bewegt, ist nach den Terrorattacken in Paris 2015 sehr deprimiert. Wiederholt sagt er, er sei lebensmüde, und schimpft kurz darauf über den Islam, den IS (den Islamischen Staat) und gleich darauf über die Araber, setzt den Islam mit Faschismus gleich, wie es gemeinhin die Diskurse in westeuropäischen Öffentlichkeiten tun, und differenziert dabei nicht zwischen Islam und MuslimInnen. Palästina, der Terror in Paris und der Islam würden ihn belasten. Dieser Assoziationskette folgt die Aussage, er schäme sich, auf die Straße zu gehen. Als ich ihm entgegne, der IS sei ja nicht der Islam, antwortet er, aber das wüssten die Menschen nicht und überall sei Polizei, die Menschen hätten Angst. Der Psychoanalytiker P. A. andererseits wählt den Weg des Stolzes. Ihn beschäftigt das Thema Selbsthass sehr. Er versucht ihn zu überwinden, indem er ganz bewusst einen Stolz auf die eigene Kultur und Identität kultiviert. Unser Treffen in seiner Praxis beginnt mit seiner Frage, ob es mich nervös mache, dass die Steckdose sich neben dem Bild Jerusalems befinde, als ich die Batterie meiner Kamera aufladen will. Er erklärt, er schmücke seine Praxis gern mit arabisch-islamischen Gegenständen; viele, die ein Problem damit hätten, dass sie Araber seien, mache das nervös. Er erzählt von einem palästinensischen Analysanden, der sich als Peter Schmitt (Name geändert) ausgebe. Nicht die Deutschen hätten ein Problem damit, sondern seine arabischen Klienten. Sie würden nervös und fragten ihn, was denn sei, wenn das die Polizei sehe. In diesem Kontext erzählt er auch die Anekdote von Sigmund Freud und dessen Vater. Ein Mann habe Freuds Vater auf der Straße die Kippa vom Kopf geschlagen. Sein Vater habe sie einfach aufgehoben und sei weitergegangen. Von diesem Tage an habe Freud nicht mehr aufhören können, seinen Vater zu verachten. Das habe Freud zu seiner Analyse inspiriert. Obgleich über Freud sprechend, merkt man, dass er eigentlich über sich selbst spricht und darüber, wie er nicht sein möchte. Nach dem Gespräch gehen wir eine Kleinigkeit essen. Es ist auffällig, wie sehr er sich bemüht, seine muslimische Identität sichtbar zu machen. Er ist darauf bedacht, häufig religiöse Wendungen zu benutzen, selbst gegenüber dem arabischen Kellner, den diese leicht befremden. Der Stolz auf die muslimische Identität scheint für P. A. eine bewusste Gegenstrategie zu sein, um dem von ihm so sehr verachteten Selbsthass zu begegnen, den viele in sich tragen.

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4.3

Abspaltung und Melancholie K. G. serviert mir Kaffee, die Freunde kommen, wir gehen zu der Veranstaltung. Wir suchen sie, finden sie nicht. Er wird sehr müde und mag nicht mehr laufen, will zurück, wir kehren um. Er scheint die Umkehr als Kapitulation zu begreifen, denn er fragt mich plötzlich ungeduldig, wozu das, was ich täte, eigentlich gut sei, was ich mir eigentlich verspräche an wissenschaftlicher Erkenntnis. Verlegen erkläre ich ihm die Arbeit, dass mich die Erfahrung interessiert, in einer Gesellschaft zu leben, die die eigene Geschichte nicht anerkennt. Als ich aufschaue, um zu fragen, ob er verstehe, sehe ich etwas wie eine Träne in seinem Auge. Sein Freund sagt schnell, ja er versteht schon. Da wird mir klar, dass es wirklich eine Träne ist. (S. E., Forschungstagebuch, 20.10.2014)

Traumatische Erfahrung entzieht sich oft (wenn auch nicht immer) der Sprache. Im Fall der Gewalterfahrung von Palästinensern trifft dies allerdings oft zu, da sowohl ihre Gewalterfahrung als auch sie selbst als Subjekte durch ihr Palästinensischsein nicht nur von der kollektiven Trauer ausgeschlossen sind, sondern zudem mit einem gesellschaftlichen Tabu belegt sind. Die Verwerfung der erlebten Gewalt sowie des eigenen Palästinensischseins wird zu einer Bedingung für soziale Existenz, was zur Selbstverneinung führt, wie wir gesehen haben, aber auch zur Abspaltung der eigenen Geschichte: Dem verschütteten Zugang zur schuld- und schambesetzten Verletzung und ihrer Abspaltung13 begegnet man beispielsweise in der Entwertung der eigenen Fluchterfahrung: »Wie alle halt sind wir geflohen, auf Eseln«, sagt N. L. abwehrend und geringschätzig als Antwort auf das beharrliche Nachfragen seiner Tochter. Das Gespräch mit mir beginnt er mit Stolz, wo eigentlich Scham ist: Während er außerhalb des Gesprächs immer wieder betont, er sei ein »Scheiße-Palästinenser«, zitiert er am Anfang seiner Lebensgeschichte Zeilen aus einem Gedicht, die den Stolz darüber verkünden, Araber zu sein. Die Abwertung, die man der eigenen Fluchterfahrung entgegenbringt, äußert sich auch in der Abwertung der Fluchterfahrung anderer Geflüchteter, die im öffentlichen Diskurs geringschätzig als »(Wirtschafts-)Flüchtlinge« oder »Asylbewerber« bezeichnet werden und denen eine freiwillige Entscheidung unterstellt wird, das Leben im Westen der eigenen Heimat vorzuziehen (und nicht eine wirkliche Not). In der Adaption dieses Diskurses und der expliziten Abgrenzung als jemand, der kein »Flüchtling« bzw. »Asylbewerber« ist, grenzt man sich auch vom Bild ab, die Entscheidung, nicht zu Hause zu leben, freiwillig gefällt zu haben. B. N. sagt nach einem Aufenthalt im Krankenhaus halb abschätzig, halb schmerzlich, die Ärzte 13

Wie wir es bei O. S. sahen, der nicht auf Arabisch sprechen konnte, obgleich er es verschiedene Male versuchte und ich ihn wiederholt darum gebeten hatte, obgleich er einen sehr viel reicheren und akademischeren Wortschatz hat als viele seiner Freunde, wie mir gesagt wurde.

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hätten gedacht, er sei ein Asylbewerber, mit dessen Leben man experimentieren könne. Die Abspaltung sieht man auch im Zögern der Erzähler oder dem Verweigern, über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen, oder in ihrer abstrakten Weise, über sich selbst zu sprechen. N. L. beispielsweise erläutert Fotos von 1948, die PalästinenserInnen bei den Vertreibungen auf der Flucht zeigen und an seiner Wohnzimmerwand hängen. Erst spät realisiere ich, dass er via anderen bzw. via der kollektiven Erfahrung über seine eigene Flucht spricht. Er »entpersonalisiert« seine Erfahrung, indem er seine Flucht als Zeuge der Flucht von 1948 erzählt, und macht sich zum Zeugen der Geschichte (anderer). Die Abspaltung von seelischen Wunden erfolgt auch durch Somatisierung – weil körperliches Leiden gemeinhin schneller Anerkennung findet als seelisches – durch Intellektualismus, Ideologisierung oder andere Abwehrmechanismen. H. S. aus Gaza beispielsweise kleidet das Vermissen seiner Familie, von der er als Kind getrennt wurde und die er nicht vermissen durfte, in die kommunistische Ideologie und in eine ideologische Ablehnung der Familie als Institution. Hinter dieser Ablehnung verbirgt sich Angst vor Nähe und Abhängigkeit, was dazu führt, dass er seine eigene Familie meidet: So predigt er seine Überzeugung, er habe keine Familie, die Gesellschaft sei seine Familie, er lebe für die Gesellschaft, nicht für die Familie. Wie Arafat verheiratet gewesen sei mit Palästina, so sei er verheiratet mit der Gesellschaft. Kurz danach entschlüpft ihm, nicht einmal nach Gaza könne er wegen der Blockade, dabei würde er so gern nur zwei Wochen nach Gaza gehen, um seine Familie zu besuchen; und kurz danach: In Gaza seien die Regale jetzt leer, auch wenn man Geld habe, könne man sich nichts kaufen. Er spielt damit auf den langsamen Tod, das Aushungern der Menschen, an (Finkelstein, 2018). In das Vermissen seiner Familie, das er sich nicht eingestehen kann, mischt sich auch Überlebensschuld. Da Palästinenser mit den Augen anderer auf sich selbst blicken und die erlebte Gewalt sich in diesem Blick außerhalb des Wahren befindet, kann weder sie betrauert werden noch kann man sich selbst als Betroffene von Gewalt betrauern. Man bleibt von der Verletzung entfremdet; sie bleibt einem verloren und damit auch die Trauer um sie. Melancholie – nicht Trauer – prägt deshalb das Lebensgefühl vieler Palästinenser der ersten Generation. In der Melancholie kann man das verlorene Objekt nicht loslassen wie in der Trauer, sondern man verinnerlicht es. Freud definiert Melancholie als nicht abgeschlossenen und unauflösbaren Schmerz, der zum Rückzug des Subjekts von der Außenwelt führt, und grenzt sie so von Trauer ab, die befreiend wirkt (Freud, 1918). Das verlorene Objekt ist in unserem Kontext die unbetrauerte Verletzung, die verloren bleibt, weil sie in der Gesellschaft, in der man lebt, nicht existiert. Zur Verinnerlichung des verlorenen Objekts kommt es, weil man es durch die Nichtanerkennung nicht aufarbeiten und somit nicht verabschieden kann; stattdessen spaltet man die Verletzung ab. Der Zugang zu ihr,

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beispielsweise in Form von Gefühlen wie Trauer, bleibt verschüttet. Hinzu kommt, dass man die Verletzung bewahren muss, solange Gewalt nicht anerkannt ist, wie wir gesehen haben. Man braucht sie, um (nur schon vor sich selbst) seine Unschuld zu beweisen, da Nichtanerkennung von Gewalt immer eine gewisse Form von Schuld hervorruft: Niemand wird zur Rechenschaft gezogen und muss Verantwortung übernehmen. Auch ist in unserem Fall Schuld immer schon ein Teil des Diskurses um die Verletzung, da die hegemonialen Narrative und Repräsentationen die Gewalt in der Gesellschaft, in der PalästinenserInnen leben, legitimieren. Judith Butler betrachtete Melancholie als das Resultat der Verneinung homosexueller Objektbeziehungen. (Geschlechter-)Melancholie beschreibt sie gemäß Villa als »[…] unbewussten Ausdruck des unaussprechlichen Verlusts eines Objekts, das aus dem symbolischen Gesetz der Objektwahl ausgeschlossen ist« (Villa, 2003, S. 91). Das Verlustobjekt ist in unserem Kontext nicht das homosexuelle Liebesobjekt, sondern die unbetrauerte Verletzung und schließlich man selbst: Wenn man Teil der Gesellschaft sein will, in der man lebt, muss man (anstatt auf das Liebesobjekt) auf sich selbst verzichten, man muss sich seiner selbst entlieben. Die beobachtete Selbstverneinung kann also als Ausdruck dieser Selbstentliebung gedeutet werden und nicht bloß als Angst vor Verkennung und Stigmatisierung. Man kann die erlebte Gewalt also nicht verabschieden und trägt sie in sich aus Angst vor Amnesie, gleichzeitig kann man sie aber nicht betrauern. Auf der einen Seite muss man seine Gefühle abspalten, die erlebte stigmatisierte Gewalt verwerfen und sich von sich entfremden, um ein soziales Subjekt zu sein. Auf der anderen Seite kann man die Gewalt nicht loslassen, um ihre Existenz und die eigene Unschuld zu beweisen. Selbst zu vergessen, bedeutet vergessen zu werden, da es niemand anderen gibt, der die Geschichte (historisch und juristisch) aufarbeitet, sondern eher Kräfte, die es ungeschehen machen wollen. Die Gewalt zu bewahren bedeutet, sich sein Menschsein zu bewahren, es ist eine Form von Selbsthumanisierung.

4.4

Angst Ich bereite das Gespräch vor und baue die Kamera auf. Ich frage M. F. noch einmal, ob es in Ordnung sei, wenn ich das Gespräch filme. Er sagt, er habe so viel erlebt, er habe keine Angst mehr. Dann, etwas verlegen: »Und du willst etwas über mein Leben wissen?! Mein trauriges Leben.« Er fährt fort, viele Palästinenser hätten Angst gehabt vor Verfolgung und vor Aktivismus. Ich frage nach seinem Freund, meinem Vater. Er sagt, auch er habe Angst gehabt. Das Fenster des Zimmers meines Vaters sei auf die Straße hinaus gegangen. Eines Abends habe mein Vater ihn angerufen und gesagt, er habe das Gefühl, er werde verfolgt. Sie seien am nächsten Tag

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dann zusammen eine Perücke kaufen gegangen. Mein Vater habe sie aber nicht oft getragen. (S. E., Forschungstagebuch, 01.07.2011) Bei der Kontaktaufnahme für die Gespräche machte sich wiederholt die Sorge bemerkbar, sich auf eine Begegnung einzulassen. Vorherrschend war dabei die Angst, ein Gespräch mit mir könnte sie in irgendeiner Weise gefährden und ihre Existenz bedrohen. Dahinter verbarg sich nicht bloß die Angst vor verdrängten Gefühlen oder das Gefühl, nicht zu genügen bzw. keine repräsentable Lebensgeschichte aufzuweisen, sondern auch eine Form von »Verfolgungswahn«, eine tiefsitzende Angst vor Verfolgung und Kontrollverlust. Vielen haben sich die Erfahrungen von Verfolgung und Kontrolle durch Polizei und Staat (auch in arabischen Staaten), aber auch grundsätzlich die Situation der Fremdbestimmung und Unterdrückung von Identität tief eingebrannt. Grundlegend für die Angst war auch das Gefühl, von der gesellschaftlichen Norm abzuweichen und im wilden Außen zu sein. Angst ist damit eine Folge der Verkennung und Missachtung (Fischer, 2018). Wie Schuld und Scham ist sie damit nicht als Affekt, sondern als Symptom jenes (normativen) Systems zu denken, die Palästinenser als Abweichler von der hegemonialen Norm, verkörpert im Terrordispositiv, spiegelte und diese Norm durch staatliche Praktiken (wie der Überwachung) institutionalisierte. Angst als Symptom von Fremdbestimmung zeigt eine Situation in einem Berliner Café besonders gut: L. R., den ich für ein Gespräch gewinnen wollte, erklärte mir, er wolle nicht, dass seine Geschichte instrumentalisiert werde. Man habe keine Kontrolle darüber. Sein Bekannter N. L., der mir seine Geschichte bereits erzählt hatte und mich begleitete, schaltete sich ein, man müsse endlich aufhören mit dieser Angst. Man könne nicht sein ganzes Leben so weitermachen und erreiche nichts, wenn man bei jeder Bewegung an sich zweifle und überall Spione sehe. Man könne gleich aufhören zu leben, wenn man denke, man würde überall beobachtet. Als ich L. R. fragte, woher denn diese Angst komme, erzählte er, es sei einfach immer diese Kontrolle gewesen, jedem Polizisten habe man sich zeigen müssen. Immer sei man hinter ihnen her gewesen. Man habe seine Würde verloren als Mensch, habe sich so klein gefühlt, diese Ohnmacht. Zuerst sei ihnen das Land und das Haus, dann die Nation und schließlich die Persönlichkeit genommen worden. L. R. erzählt von einem Ereignis aus dem Familienurlaub, alle seien über die Grenze gekommen, auch seine polnische Frau, die einen deutschen Pass habe, alle außer er. Unbekannt sei auf den Papieren geschrieben gewesen, obwohl er darauf bestanden habe, dass Palästina als Nationalität eingetragen sei. L. R. befand sich durch seine Staatenlosigkeit außerhalb der diskursiven (staatlichen) Ordnung, was ihn zu einem zu kontrollierenden Subjekt machte. N. L. scheint dieselbe Angst zu kennen. Er dokumentiert mit seiner Aussage (man könne gleich aufhören zu leben, wenn man denke, man würde überall beobachtet) die Erfahrung, wie sehr

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Angst das Leben kontrolliert und dass ein kontrolliertes Subjekt zu sein eine Form der Enteignung darstellt, die einen auflöst, was in die Selbstverneinung führt, wie wir gesehen haben. Die Angst, instrumentalisiert zu werden und seine Geschichte nicht mehr kontrollieren zu können, die L. R. anspricht, geht auf diese Erfahrung der Enteignung und Kontrolle zurück. Erzählen als eine Form der Aneignung der eigenen Geschichte muss durch die bisherige Konnotation der eigenen Geschichte mit Enteignung (auch der Enteignung der Position, Betroffene von Gewalt zu sein) und Entmachtung seltsam anmuten und die Angst vor dieser Enteignung wieder hervorrufen.

4.5

Phantasma Vor ein paar Tagen verstarb F. K. Folgende Zeilen fand ich in seinem Nachruf: »Tod eines Palästinensers in der Schweiz. Vielleicht war es ein Fehler, dass wir ihn Anfang der Achtzigerjahre bei uns aufgenommen haben, dachte ich, während der Imam betete. Vielleicht war es naiv, dass wir ihm geholfen haben, in Zürich Fuß zu fassen. Vielleicht hätte er in Beirut bleiben sollen, wo wir ihn getroffen hatten. … Sein Start in Zürich war eine Erfolgsgeschichte. Er studierte Ethnologie und hatte Erfolg bei den Frauen, sie bewunderten in ihm den palästinensischen Helden, und gleichzeitig tat er ihnen leid, weil er keine Heimat hatte. Doch F. K. kam nicht weg von seiner Vergangenheit, und sein Studium gab er auf. Als ruheloser Wanderer streifte er mit einem großen Stock durch die Stadt, in Selbstgespräche vertieft. Er verwahrloste immer mehr.« (N. N., 30.05.2013)

Hier soll eine weitere Form der Unsichtbarkeit gezeigt werden, nämlich die Flucht ins Phantasma (eine innere, imaginäre Vorstellung), und damit an einen Nichtort. Es ist eine Flucht vor der Unsichtbarkeit, nämlich vor dem Diskurs als Ort des Anderen und der eigenen Abwesenheit, in die Unsichtbarkeit, sprich das Phantasma. Mit Rückgriff auf den Ethnopsychoanalytiker Mario Erdheim (1982) wird das Phantasma als Symbolwelt betrachtet, in welche das Subjekt aus der Ohnmacht und Einsamkeit des Erlebten heraus sein Begehren nach Macht verlagert. N. L.s Großeltern väterlicherseits stammten aus Qalqilya und flohen aufgrund einer Familienfehde schon vor 1948 zu den Beduinen in den Naqab (Negev). Dort wurde N. L.s Vater geboren, der eine Beduinin heiratete. Aus dieser Verbindung ging N. L. hervor, der 1948 als Kind mit seiner Familie nach Gaza floh. Dort lebten sie unter sehr prekären Bedingungen in Zelten. Seine Mutter verstarb kurz darauf. Ein paar Jahre später entschied sich der Vater, seine Familie und weitere Familien über den Sinai ins Westjordanland zu schmuggeln, da er sich dort bessere Lebensbedingungen erhoffte. N. L. wuchs im Flüchtlingslager al-Fāriʿa auf. 1964 migrierte er als einziger der Familie als Gastarbeiter nach Deutschland. Seine Familie jedoch

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floh 1967 das dritte Mal, dieses Mal nach Jordanien. In der Aufbruchsstimmung der 1990er-Jahre »flieht« N. L. schließlich auch ein drittes Mal, und zwar aus Deutschland zurück nach Palästina, an den Ort seiner Vorväter, Qalqilya, der zwar existiert, aus dem er aber nur zu Teilen stammt, den er nie selbst gesehen und in dem er keine Familie hat, der somit – zumindest für ihn – fiktiv ist. Eine Flucht war es deshalb, weil er sich in Deutschland, wo er inzwischen eine Familie gegründet hatte, als Fremder fühlte, der nicht dazugehört. Immer wieder schildert er, dass er in der Familie das Gefühl hatte, zu scheitern, als Mann nicht zu genügen und abgelehnt zu werden. Die Fremdheit in der Beziehung und in der Familie verknüpft er in der Erzählung mit seinem Fremdsein als Palästinenser, der Identität einer Fremdheit, die er mit einer Gemeinschaft teilt. Seine persönliche Entfremdung lädt N. L. also mit der kollektiven Bedeutung von Palästinensischsein auf (wie auch S. A.). Die sinnstiftende Zuflucht bei der kollektiven Identität, der imaginären Leidensgemeinschaft, geht einher mit seiner physischen Flucht nach Palästina. Die Deutung des Gefühls der Ausgrenzung innerhalb der Familie durch sein Palästinensischsein wird verkörpert in der physischen Rückkehr an einen phantasmatischen Ort, Qalqilya. Dabei ist gerade die Wahl des Ortes aussagekräftig, sowohl in seiner Fiktivität wie auch in seiner Ursprünglichkeit, als Ort der Vorväter (genauer: Großeltern), und nicht zuletzt in seiner Beliebigkeit: N. L. wusste offensichtlich selbst nicht genau, wohin nach Palästina er gehen sollte. Seine Tochter P. Q. war zwölf Jahre alt, als ihr Vater seine Familie in Deutschland verließ. Sie erzählt mir, sie habe damals sehr gelitten und sei wütend gewesen, habe sich dies aber lange nicht eingestehen können. Um ihren Vater und seine Obsession der Rückkehr zu verstehen, beschloss sie als erwachsene Frau, einen Film über ihn zu drehen. P. Q.s Film, Schildkrötenwut, dreht sich um die Frage, warum er nach Qalqilya ging, obwohl der Großteil seiner Familie (17 Geschwister), mit Ausnahme einer Schwester in Gaza und einer Schwester im Flüchtlingslager im Westjordanland, in Jordanien lebt. Seine Antwort sei gewesen, er könne ja nirgendwo anders hin. Gaza und das Flüchtlingslager im Westjordanland müssen ihm abwegig erschienen sein; während Naqab/Negev, der Geburtsort seiner Eltern, in Israel liegt. In Qalqilya selbst war er laut P. Q. sehr isoliert und erneut ein Fremder gewesen. Alle hätten sich gefragt, was er allein dort tue. Er habe sich ein riesiges weißes Haus mit Garten gebaut. Zwölf Jahre habe er illegal in Qalqilya gelebt, ohne Gedanken über die Konsequenzen, bis er schließlich von Israel ausgewiesen worden sei und ein Einreiseverbot erhielt. Dieser Versuch, ihren Vater zu verstehen, sei in einen Konflikt ausgeartet; sie hätten die ganze Zeit gestritten, erzählt seine Tochter aufgewühlt. Er sei dort ein Fremder gewesen. Sie verstehe nicht, warum er dorthin gegangen sei, betont sie. N. L. ging also an einen Ort seiner Väter, den er nicht selbst kannte und in dem er niemanden hatte, an einen Nichtort, einen Ort aus einem Traum, einem Kanon, einen Ort aus einer Erinnerung, die nicht die seine ist, auf der Suche nach

4 Väter II: Unmögliche Subjekte

einem Ort, an den er hingehörte, nach einem Raum für sich selbst, in dem er nicht Fremder war. Er erzählte mir, dass er sich vorgestellt habe, wie er seine Familie in seinem neuen Heim empfangen werde, als er sich das Haus in Qalqilya gebaut habe. Bei der »Rückkehr« handelt es sich also nicht nur um den Traum vom Dazugehören, sondern auch um einen Traum von Mächtigkeit. Indem er an einen Ort der Väter, in dem seine Familie väterlicherseits vor 1948 lebte, »zurückgeht«, greift er zurück auf den magischen Idealzustand vor dem kollektiven Trauma von 1948. Der Ort gewinnt dadurch etwas Reines, Authentisches und wird zu einem Symbol für einen Ort, an den man wirklich hingehört. Auch bei der Familie und dem Freund von T. B. begegnen wir Erinnerung als einer Form von Phantasma. Sie sind gezeichnet vom Leben im Lager, dem libanesischen Bürgerkrieg und vom Leben als Geduldete in Deutschland, das 13 Jahre lang währte. Nach dem Gespräch mit T. B., seiner Frau und seinem Freund will T. B. unbedingt einen Rundgang mit mir durch die Wohnung machen, um mir Erinnerungsgegenstände zu zeigen, die die Wohnung birgt. Unter anderem zeigt er mir die Mütze seiner Mutter, die noch ihren Geruch trägt, wie er sagt, eine Skulptur von einem Vogel mit der Bemerkung, PalästinenserInnen liebten Vögel, alte Gebrauchsgegenstände aus dem Lager und ein Fotoalbum mit Bildern traditionell gekleideter PalästinenserInnen. Bereits während des Gesprächs wollten sie unbedingt auch Erinnerungsgegenstände im Fokus der Kamera haben: ein Foto von Arafat, die Bücher der feministischen Schriftstellerin Sahar Khalifa und die palästinensische Flagge. Im Grunde sind es Objekte des kulturellen Gedächtnisses, die sie an ihre Identität erinnern. Am Ende überreicht T. B. mir aus Dankbarkeit, weil ich gekommen bin, um seine Geschichte zu hören, als Geschenk eine Kuffaya, das traditionelle Palästinensertuch, welches Arafat berühmt machte, und die Briefmarke eines palästinensischen Künstlers, der fiktive Briefmarken mit einem Vogel auf dem Bild für den ebenfalls fiktiven Staat Palästina geprägt hat. Das Erinnern mithilfe von Gegenständen des palästinensischen Kanons ist auch eine Form des Sprechens über den Schmerz, als eine fragmentierte Sprache, vom Schmerz zerstückelt in Erinnerungen, Bilder, Symbole (den Vogel), Gegenstände (Briefmarken, Tüchern, Mützen) und Gerüche. Ihr Erinnern hat etwas Sakrales. Es ist, als ob sie in eine symbolhafte Welt der Alten eintauchen würden, von der sie Kraft schöpfen. Obwohl vergegenständlicht, ist ihr Erinnern lebendig. Es mutet viel sinnlicher, intensiver und existenzieller, gleichzeitig aber auch ritualisierter und fetischisierter an als das Erinnern der Palästinenser, die in den 1960er-Jahren nach Europa migrierten, deren Erinnern sehr viel abstrakter und programmatischer wirkt: Diese beschwören den Imperativ des Erinnerns zwar, aber sie leben nicht in der Erinnerung. Bei T. B. und seiner Familie scheint Erinnern mehr Lebensinhalt als Imperativ oder Schuld zu sein, was sich auch durch die spezifische Lagerkultur erklären lässt. Dies bedeutet nicht, dass das »programmatische« Element nicht auch bei den PalästinenserInnen, die

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Tabu, Trauma und Identität

in den 1980er-Jahren nach Deutschland flohen, vorhanden wäre. Die Flüchtlinge in den Lagern waren mit der stolzen PLO-Erziehung groß geworden, welche sie als essentielles Element des Widerstandkampfs betrachtete. Das Lager wurde als Teil Palästinas kultiviert; die Erziehung zielte auf die Bewahrung palästinensischer Identität. Das ist wohl auch der Grund, weshalb T. B. und seine Frau sowie sein Freund so vertraut mit zionistischen Narrativen waren, obwohl sie nicht in Westeuropa sozialisiert worden waren. Sie wurden ihnen über den großen Eigenen, über das kollektive Widerstandsgedächtnis tradiert. Die Praktiken des Erinnerns sind bei ihnen also durch die politische Erziehung in den Lagern auch mit Widerstand konnotiert. Nicht zuletzt an dieser Widerstandsidentität halten sich die Erzähler fest, wenn sie erinnern. Durch den anhaltenden Zustand von Isolation und Prekariat im Libanon und später in Deutschland suchen sie bei der Erinnerung Zuflucht. Die Bemerkung von T. B., sie seien vom Lager (im Libanon) ins Lager (in Deutschland) gekommen, zeigt, wie unaushaltbar auch die Gegenwart in Deutschland war bzw. ist. In der Erinnerung an die Zeit vor dem traumatischen Bruch, vor 1948 und somit vor der Flucht aus dem Libanon wird die Gegenwart ausgehebelt. Das gegenwärtige Leben wird zu einem Traum, verschoben in den Bereich des Imaginären. Durch das Festhalten an der Erinnerung wird diese, so traumatisch besetzt sie auch ist, zum eigentlichen Leben. N. E. hingegen, der mit seinen Eltern aus Sabra und Schatila nach Deutschland floh, ist selbst ein Phantasma. Er sitzt zum wiederholten Mal im Gefängnis in Berlin. Von Palästina weiß er nicht viel, er spricht hingegen vom Libanon als Sehnsuchtsort, obwohl er diesen auch nicht kennt. In großem Mitteilungsbedürfnis erzählt er mir von seiner Mutter, dass sie am ersten Tage seiner letzten Inhaftierung starb, und dass er den Namen ihres im Krieg verstorbenen ersten Mannes, des Bruders seines Vaters, trägt. Er scheint an einer Geschichte zu leiden, von der er selbst nur Bruchstücke kennt. Selbst ein Phantasma seiner Mutter, nämlich das des ersten und vielleicht einzigen Geliebten seiner Mutter, dessen Namen er trägt, scheint er von Anfang an verloren im Traum bzw. in der Erinnerung seiner Mutter. Er selbst träumt einen Traum von Potenz an einem Ort, an dem er nicht wirklich über sich selbst verfügen kann, dem Gefängnis. Es ist der Ort, den er, wie die Welt der Drogen auch, immer wieder sucht und den er dem tatsächlichen Leben und »wirklicher« Mächtigkeit vorzieht. Im Gefängnis träumt er von schnellen Autos und einer steilen Karriere als Gangster. Das Gefängnis wird für ihn zu einem Ort, an dem es möglich ist, sich zu verwirklichen. Er stellt sich vor, dass er mit Ansehen entlassen wird und dass sein Erfolg messbar sein wird an den Autos, die er fährt. Das Gefängnis als Unort hat er für sich umgewertet. In seiner Vorstellung wird das Gefängnis zum Ort der Macht, zum Ort, an dem man Karriere macht, um dann schließlich als reicher Mann in den Libanon zu gehen. Seine eigentliche Ohnmacht deutet er um in eine seltsame Potenz, die Phantasie einer virilen Männlichkeit. In der Selbstorientalisierung zeigt sich seine Identifikation mit der

4 Väter II: Unmögliche Subjekte

kriminalisierenden Repräsentation von außen, die in ihrer positiven Umdeutung ein Selbstbild als Gangsterboss ermöglicht. Phantasmen sind Unorte, Räume, die es nicht gibt und an denen die Akteure Zuflucht suchen vor einem Leben, in dem sie keinen eigenen Raum haben. Der Ort, an den N. L. floh, entspringt der Erinnerung an eine Zeit lange vor 1948 und einem Traum, den das kollektive Gedächtnis träumt, den Traum des Authentischen und Ursprünglichen. N. E. flüchtet sich nicht nur in Gefängnis und Drogen, er ist seit jeher selbst ein Phantasma, nämlich das seiner Mutter, die ihren verstorbenen Geliebten träumt. Das illegale weiße Haus in einem Land, in dem N. L. illegal lebt, sowie das Gefängnis sind letztlich Orte der Ohnmacht, imaginiert und umgedeutet in Orte der Macht. Die Suche nach Mächtigkeit führt in die Abwesenheit: N. E. versteckt sich im Gefängnis vor dem Leben. Sein Begehren nach dem Leben im Gefängnis zeigt die gegen ihn selbst gerichtete Aggression, die in ein selbstmörderisches Leben mündet. N. L. wiederum entzieht sich seiner Frau und seinen Kindern und geht zurück nach Palästina, wo er allein lebt.

4.6

Fazit Es ist Silvesternacht. Ich sitze mit meinem Vater in einer Bar. Sie ist voll, die Stimmung ausgelassen. Musik. Die Menschen tanzen. Er ist bekümmert. Bald ist Mitternacht. Mein Onkel ruft aus Gaza an, um uns alles Gute fürs neue Jahr zu wünschen. Mein Vater deutet mir etwas verzweifelt, den Anruf nicht entgegenzunehmen: »Bitte nicht! Sonst denken sie, wir feiern hier, während sie dort unter Besatzung leben.« Ich lasse das Handy klingeln, bis es verstummt. Mein Onkel schickt mir Fotos von der Silvesterfeier aus Gaza. Ich zeige sie Vater, um ihn zu beruhigen: »Siehst du, sie feiern auch.« Er sagt: »Du verstehst nicht, ich erlebe es mehr als sie. Feiern interessiert mich nicht.« Es ist herzzerreißend. (S. E., Forschungstagebuch, 01.01.2017)

Die diskursive Gewalt ist als eine Fortsetzung der physischen, staatlichen Gewalt zu betrachten. Wie die physische Gewalt richtete sich die diskursiv-normative Gewalt gegen PalästinenserInnen als Subjekte. Die physische Gewalt fand so in der diskursiven Gewalt ihre Fortsetzung und Wiederholung im europäischen Exil. Die diskursiv-normative Gewalt bildet zusammen mit der physischen jene rassifizierendkoloniale Gewalt, deren psychische und soziale Auswirkungen für die Akteure ich im Begriff Trauma der Rasse erfasse. Achille Mbembe versteht trauma of race in seiner Lesart von Frantz Fanons Peau noire, masques blancs (1952) sowohl als Ereignis als auch als Struktur: Gemäß Fanon würden (koloniale) Prozesse der Rassifizierung die Psyche mit Unwesentlichkeit zermalmen, und Gewalt reproduziere ihre Kraft auf somatischer und affektiver Ebene (Mbembe, A., 15.11.2010).

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Tabu, Trauma und Identität

Das Auflösen in Schuld und Scham ist symptomatisch für die rassifizierende Gewalt. Während in den Erzählungen und Gesprächen das erzählte Selbst sich in Schuld auflöst,14 löst sich in der ethnografischen Betrachtung das gelebte Selbst in Scham und Selbstverneinung auf. Die Unsichtbarkeit bzw. die emotionale (Melancholie, Abspaltung, Phantasma, Angst, Selbstentwertung) und physische Abwesenheit (der Rückzug aus dem familiären und öffentlichen Leben ins Abseits des Gefängnisses, in die Illegalität, Isolation, den sozialen Tod, das suizidale Leben) sind Schattierungen von Scham, welche das Subjekt auflösen. Schuld und Scham sind Formen von Identifikation mit äußerer Gewalteinwirkung, ihrer Internalisierung und Wendung gegen sich selbst: Die emotionale und physische Abwesenheit von Palästinensern können wir zurückführen auf ihre Identifikation mit dem Begehren nach ihrem Nichtvorhandensein durch den großen Anderen sowie mit dessen Projektionen oder ganz allgemein mit der diskursiven Gewalt und den mit ihr einhergehenden Praktiken der Ausgrenzung. Sie waren fast gezwungen, sich mit dieser Gewalt zu identifizieren, die dematerialisierend (hier in Andeutung auf und Umkehrung von Judith Butlers physischer Materialisierung von Diskursen verwendet) wirkt, d.h. sie zu schuldigen Subjekten macht: Die iterative Inszenierung moralischer Rechtfertigung und Nichtanerkennung macht es schwierig, sich nicht zu identifizieren, weil einem als autonomes Subjekt – losgelöst von der Projektion – immer wieder die Vernichtung droht, sprich Verkennung und Missachtung. Die Unsichtbarkeit von Palästinensern ist nicht nur eine gesellschaftlich produzierte, sondern immer auch eine (für sich selbst) gefühlte Unsichtbarkeit und kommt dem gleich, was Judith Butler in Precarious Life (2004) als Derealisierung infolge einer Hierarchie des Leids und des Menschlichen beschrieben hat: ein sich unwirklich Fühlen infolge dessen, dass sie als nicht betrauernswerte Menschen erachtet werden, bzw. infolge einer »restriktiven Konzeption des Menschlichen« (Butler, 2012, S. 50). Butler griff dabei auf Konzepte zurück, die sie bereits in Gender Trouble (1990) entwickelt hatte: Dort konzipierte sie ein Unwirklichsein als Konsequenz von Diskursen, die Menschen unsichtbar machen, indem sie ihre Geschlechteridentität nicht als wirklich erachten (Bublitz, 2002, S. 99-100). Paradoxerweise ging das Gefühl der Unsichtbarkeit bei Palästinensern einher mit dem Gefühl, unter stetiger Beobachtung, Zensur und Kritik der Öffentlichkeit zu stehen. Eine Folge dieser Internalisierung des Blicks des großen Anderen war, dass sie kein Gefühl für ihren Wert (oder den Wert dessen hatten, was sie verloren) haben.

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Das Subjekt löst sich auf in den hegemonialen Diskursen des Nichtseins, mit denen Palästinenser sich identifizieren und gegen die sie ankämpfen. Es löst sich auf im Versuch, Nachweis zu erbringen über seine Existenz, und es löst sich auf im Wunsch, seine persönliche Geschichte als Teil der kollektiven zu erzählen, um die unerzählte Geschichte der PalästinenserInnen zu repräsentieren.

4 Väter II: Unmögliche Subjekte

Unsichtbarkeit geht aber auch hervor aus der Loyalität zum Trauma. Das Leben erstarrt nicht nur in der Unsichtbarkeit, sondern auch im Aufbegehren dagegen. Der kollektive Umgang mit dem Trauma der Auslöschung, Verneinung und Verdrängung von Identität und erlebter Gewalt – das Festhalten an der Identität, aber auch am Schmerz (auch das Bewahren von Schmerz ist eine Form der Zugehörigkeit, die man bewahren will) – schafft zum einen Erleichterung, andererseits lässt sie die Menschen im Trauma verharren. Ein Erzähler sagt über das Leben im Exil: Es ist nicht so schlimm, wenn du eine andere Religion annimmst und deine Sprache nicht mehr sprichst; aber du musst wissen, woher deine Vorfahren vertrieben wurden und wie. Alles darfst du verlieren in der Diaspora, deine ganze Kultur, bloß nicht deinen Schmerz, den musst du bewahren. (Gespräch M. A., 2017, 07.11.2017) Die Loyalität zum Schmerz und zum Kollektiv, das diesen Schmerz teilt, ist also ein Symptom einer dehumanisierenden Gewalt. Das zwanghafte Besuchen dessen, das wiederholte Zurückkehren zu dem, was traumatisiert, hält einen zwar im Trauma fest und vom Leben fern, es humanisiert einen aber auch. Das Trauma der Rasse führt zur Gruppensolidarität, da das Wir für die Akteure, deren Subjektivität durch rassifizierende bzw. koloniale Gewalt aufgelöst wird, eine Möglichkeit ist, sich zu subjektivieren. Die Zuflucht beim kollektiven Narrativ ist ein Versuch, das verlorene Selbst im Wir der Leidensgemeinschaft zu finden. Dies führt gleichzeitig zu einem neuen Exil, das der Selbstentfremdung, wie in der Kluft zwischen Selbstrepräsentation bzw. Ichideal und Lebenspraxis deutlich wird. Die Folgen systemischer und objektiver Gewalt, die traumatische Existenz der Angehörigen der ersten Generation – das Leben in Verneinung, Unsichtbarkeit und Abwesenheit, aber auch die Kluft zwischen innerem ṣumūd, der Schuld nach innen, und Selbstverneinung nach außen –, hinterließen Spuren in den Beziehungen zwischen erster und zweiter Migrationsgeneration und haben tiefreichende Folgen für die zweite Generation, wie wir sehen werden.

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5 Kinder/Töchter

Im Exil fehlten die Väter durch ihre emotionale Abwesenheit psychisch, auch wenn sie physisch anwesend waren. Ihre Abwesenheit hatte tiefgreifende Folgen für die Beziehung zu ihren in Deutschland und der Schweiz geborenen Kindern und deren Lebenswelten, wie wir sehen werden. Der algerische Soziologe Abdelmalek Sayad hatte bereits in Bezug auf die algerischen Einwanderer, die – bedingt durch den kolonialen Kontext – aus ökonomischen Gründen gezwungen waren, als Gastarbeiter in Frankreich zu arbeiten, von einer double absence (1999) gesprochen und die Folgen für ihre Kinder, die er les enfants illégitimes (2006) nannte, hervorgehoben. Mit double absence bezog er sich auf ihre in beiden Ländern gleichzeitig verminderte Präsenz bzw. die doppelte Leere, die sie in Algerien wie in Frankreich hinterließen: Von Algerien, wo ihre Abwesenheit als fehlerhaft und als Verrat gewertet wurde, entfremdeten sie sich psychisch und kulturell immer mehr, während sie in Frankreich stigmatisierte Außenseiter blieben und keine dauerhafte Niederlassungsbewilligung erhielten, also nie richtig ankommen konnten. Diese fehlerhafte Abwesenheit wird in ihren Kindern reproduziert, denn sie erkennen sich in ihren in Frankreich geborenen Kindern nicht wieder. Letztere sind somit entfremdet von ihnen wie auch von der Gesellschaft, in der sie leben. Die Entfremdung von den Eltern wie auch von der Gesellschaft trifft ebenso für die Angehörigen der zweiten Generation in unserem Kontext zu. Die emotionale Abwesenheit der Angehörigen der ersten Generation, die ebenfalls eine doppelte ist, spielt bei dieser Entfremdung eine bedeutende Rolle. Selbst wenn Palästinenser der ersten Generation nicht in ihre Heimat zurückkehren dürfen, empfinden sie ihre Abwesenheit von ihr als fehlerhaft, wie wir gesehen haben. Die Zerrissenheit zwischen dieser Fehlerhaftigkeit auf der einen Seite und der sozialen Stigmatisierung bzw. Nichtanerkennung im Aufenthaltsland auf der anderen Seite, die in unserem Kontext zur Zwangsvertreibung hinzukommt, reproduziert sich hier in den Kindern.

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Tabu, Trauma und Identität

5.1

Entfremdung von den Vätern/Eltern

Die Unsichtbarkeit und (emotionale) Abwesenheit, in der die Eltern verschwinden, hat tiefgreifende Folgen für die Angehörigen der zweiten Generation. Aufgrund der Desubjektivierung der Eltern, oder genauer, der Väter (die meisten meiner Gesprächspartner stammen aus dem Kreis derjenigen, die in den 1960er-Jahren allein nach Europa migriert sind), vermochten diese oft nicht, eine wirkliche Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Die Kinder leiden an der Abwesenheit ihrer Eltern und sind auf der Suche nach ihnen. Während der teilnehmenden Beobachtung wurde immer wieder deutlich, wie wenig die zweite Generation über das Leben ihrer Eltern weiß und wie tief gleichzeitig die Sehnsucht nach deren Geschichte ist. Das Bedürfnis, mehr und Persönlicheres über das Leben der Eltern zu erfahren, zeigt die große emotionale Abwesenheit der Eltern in den Leben ihrer Kinder. Oft baten mich Angehörige der zweiten Generation, mit ihren Eltern zu sprechen, in der Hoffnung, diese würden mir als jemandem, der ihnen einerseits nicht zu nahe war, andererseits aber den biografischen Hintergrund teilte, mehr von sich erzählen. Als ich K. G. (der gefragt hatte, was diese ganzen Gespräche bringen würden, und weinte, als ich es ihm erklärte) besuchte, um mit ihm zu sprechen, gesellte sich seine Tochter zu uns. Sie setzte sich aufs Sofa und verhielt sich so unauffällig, dass gar nicht zu bemerken war, wie aufmerksam sie der Erzählung ihres Vaters folgte. Nach dem Gespräch war sie sehr enttäuscht: Es sei immer dasselbe, seufzt sie, er lasse Dinge aus und erzähle nur Berufliches und nichts über seine Jugend. Sie besteht darauf, ihn gemeinsam mit mir dazu zu bewegen, mehr und Persönlicheres zu erzählen. Besonders über die Zeit vor 1948 – ihr Vater war damals ein Jugendlicher – möchte sie mehr wissen. Das zweite Gespräch kommentiert sie frustriert mit den Worten, er habe wieder erst nach 1948 zu erzählen begonnen, und dies, obwohl er genau verstanden habe, dass wir ihn nach der Zeit vor 1948 gefragt hätten. Sie wisse, es sei für ihn schmerzhaft, denn er habe sie aus diesem Grund gebeten, ihn nicht danach zu fragen, sagt sie mir später. Sie habe das respektiert, weil sie nichts Schmerzhaftes in ihm habe öffnen wollen. Deshalb wisse sie wenig und auch wenig über ihre Großeltern. Die Erinnerung an 1947 bis 1949 tue ihnen besonders weh.1 Das Sprechen scheint vor allem in der Nähe und Intimität der Eltern-KindBeziehung nicht stattzufinden, denn die Väter erzählten in der Gesprächssituation oft, was sie ihren Kindern nicht erzählt hatten. Viele Kinder fragen nach, erhalten

1

Vgl. M. M. (Interview M. M., 2010, 27), der am Ende des Nachfrageteils auf die Frage, ob er mit den Kindern über seine Erinnerungen spreche, antwortet, dies sei schwierig, weil er die Gefühle nicht teilen könne.

5 Kinder/Töchter

aber keine befriedigende, intimere Antwort und hören irgendwann auf nachzuhaken. Andere fragen gar nicht erst, weil sie fühlen, dass die Eltern nicht über sich sprechen wollen. Die Väter wiederum geben aufgrund des Imperativs des Erinnerns, der dem palästinensischen kollektiven Gedächtnis inhärent ist, ungern zu, nicht erzählt zu haben. Hinzu kommt, dass die Väter vor allem hegemoniale Diskurse und Narrative tradieren und meist nicht über persönliche Erfahrungen und Gefühle sprechen. Sie spalten das Persönliche ab und übermitteln stattdessen oft die hegemonialen Diskurse des palästinensischen Gedächtnisses und mit ihnen die hegemonialen westlichen Diskurse, zumal der große Eigene den Diskurs des großen Anderen transportiert, wenn auch nur, um letzterem entgegenzuwirken, wie wir gesehen haben. Über das Wir zu sprechen, ist für viele zudem ein Weg, über sich selbst zu sprechen. Die (nichtpalästinensischen) Mütter wiederum überlieferten nicht selten Geschichten, die die Geschichten ihrer Ehemänner und Väter ihrer Kinder verklärten. Die Angehörigen der zweiten Generation sehen sich einer allgegenwärtigen Verlusterfahrung der Eltern ausgesetzt, zu der sie keinen wirklichen Zugang haben, da die Eltern bereits ihrem Verlust entfremdet sind. Gleichzeitig sind sie mit hegemonialen Diskursen konfrontiert, die ihre Familiengeschichte verzerren und tabuisieren. Zwanzig Jahre lang dachte I. E., ihr Vater sei 1948 vertrieben worden. Ihr Vater sprach für gewöhnlich nicht über seine Vergangenheit. Als sie ihn bat, ihr seine Geschichte zu erzählen, erfuhr sie, dass er 1948 nicht selbst vertrieben worden war, aber die Massenflucht von Menschen erlebt hatte, die damals in den Gazastreifen flohen, wo er als Kind gelebt hatte. In den 1960er-Jahren kam er zum Studium nach Deutschland. Nach 1972 war er wie die meisten Palästinenser zu dieser Zeit gezwungen, Deutschland zu verlassen. Seine Reise endete in der Schweiz, weil er nach dem Beginn der israelischen Besatzung von 1967 nicht mehr nach Gaza zurückkehren durfte. Die Tochter hatte das Schweigen des Vaters durch die ihr bekannte Erzählung der Nakba von 1948 ersetzt und die Geschichte des Vaters in die Geschichte der Flucht und Vertreibung von 1948 eingeordnet, welche das kollektive palästinensische Gedächtnis dominiert. Das Bewusstwerden der eigentlichen Geschichte ihres Vaters war mit Scham verbunden. Durch die globale Ausgrenzung der Nakba (Matar & Harb, 2013, S. 253) kommt es zu ihrer Aufwertung im innerpalästinensischen Diskurs und zu einer erneuten Ausgrenzung all dessen, was außerhalb der Nakba liegt: sprich der Geschichte der indirekten Vertreibungen. Die indirekten Vertreibungen mögen zudem schwer Eingang ins palästinensische kollektive Gedächtnis gefunden haben, da sie für PalästinenserInnen schuldbesetzt waren; fielen die Schulddiskurse doch mit den Praktiken der indirekten Vertreibung zusammen: Sie hatten sich vertreiben lassen und waren somit nicht dem Im-

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Tabu, Trauma und Identität

perativ des ṣumūd gefolgt.2 Wofür die Post-Nakba-Generation ihre Eltern angeklagt hatte, geschah ihr selbst. Nicht nur durch die Hegemonie der Nakba im innerpalästinensischen bzw. innerarabischen Diskurs, auch durch die Ausgrenzung dieser Erfahrung durch die Hegemonie der Schoa im westlichen Diskurs kam es zu einem Verlust von »Verlustgeschichten«. In der Schule wird die Geschichte der Schoa als ein zentraler Teil europäischer Geschichte erzählt. Palästina kommt, wenn, dann am Rande, als Anhängsel der Schoa vor. Z. K. erzählt: Meistens wird in der Schule wirklich von jüdischer Seite erzählt und nicht … ja, die Palästinenser haben schon dort gelebt, aber eigentlich ist es das Land der Israelis und […] deswegen haben sie schon Recht, dass sie dorthin gegangen sind … ja … das wird gesagt … eigentlich kommt der Nahostkonflikt nur mmmm wenn man den Zweiten Weltkrieg und Judenverfolgung … […] also wenn man die Reaktionen der Schüler manchmal hört, dann heißt es schon irgendwie: Sie haben eben schon Recht, weil eben Moses und alles … sie sind irgendwie mit ihm dorthin gegangen … und deswegen ist es schon ihr Land, abeeer sie sind irgendwie rausgegangen aus diesem Land und deswegen sind die Palästinenser dort gewesen, aber sie sind einfach zu diesem Land zurückgekehrt, Punkt. (Interview Z. K., 2010, 8) Die Schatten-Geschichte, die dieser Geschichte immanent ist, aber nicht erzählt, sondern nur kurz angedeutet wird, ist die Familiengeschichte der Schülerin, die sie intuitiv ergänzt. Was Palästinensischsein bedeutet, das hofft sie, so wird mir klar, von mir zu erfahren. Die Filmemacherin P. Q. erzählt mir von ihrem autobiografischen Film Schildkrötenwut. Der Film gleicht einer Anklage; mit erhobenem Zeigefinger tritt sie ihrem Vater und seiner Geschichte entgegen. Sie sagt später ironisch und etwas verbittert, der Film sei genau deshalb so gut bei den Deutschen angekommen: Man könne ihn so deuten, dass das Festhalten an der Rückkehr ganze Familien zerstöre. Die Deutschen sähen gern den geplatzten Traum Palästinas, einen Traum, der Unglück über Familien bringe, Familien zerrütte, wenn man ihm nachhing, und sähen eine Tochter, die ihren palästinensischen Vater verhörte, ihn demontierte. Sie sei tatsächlich sehr wütend gewesen damals, sagt sie, aber wütend über sein Weggehen. Nur habe sie diese Wut nie wahrhaben wollen und sich immer gesagt, gut, dass er weggegangen sei, ihrem Vater gehe es bestimmt besser, weit weg von Deutschland, in dem er sich fremd fühlte und arbeitslos war. Jetzt sei er nicht mehr unglücklich hier und habe etwas zu tun. Sie sei auch wütend darüber gewesen, dass

2

Auch die Nakba von 1948 war von palästinensischer Seite lange Zeit mit Schweigen umgeben worden, und zwar aus einem ähnlichen Grund: Im hegemonialen israelischen Staatsnarrativ wurde 1948 als triumphierender Krieg gefeiert, während die PalästinenserInnen kampflos gegangen seien (Matar & Harb, 2013, S. 253).

5 Kinder/Töchter

sich ihr Vater immer hinter einem Wir versteckt habe, immer für die PalästinenserInnen und von den PalästinenserInnen sprach, aber nie von sich. Sie aber habe immer seine Geschichte erfahren wollen und was genau ihm alles widerfahren sei. Die Geschichte ihres Vaters habe sie immer beschäftigt, die Frage, warum er sie verlassen habe und woher seine Wut auf die Welt komme. Nach ihr benennt sie auch ihren Film Schildkrötenwut. Als Schildkrötenwut beschreibt sie die Wut ihres Vaters (»zurückgezogen in seinen Panzer«3 ) besonders nach seiner Rückkehr aus Palästina, eine verstockte, nach innen gerichtete Wut, aber auch eine Wut gegen alle, gegen die ganze Welt. Er habe abgeschlossen gehabt mit Palästina, mit der Welt, erzählt sie, und habe sich isoliert. Deshalb habe sie den Film über ihn gemacht, betont sie. Als sie zu filmen begonnen habe, habe sie jedoch festgestellt, dass sie keinen Film über ihren Vater allein drehen konnte, dass sie sich selbst einbringen musste, weil sie emotional nicht an ihn rankam, wie sie es ausdrückt. So kam es zu einem Film über eine Vater-Tochter-Beziehung anstatt zu einem Film über ihren Vater. Erst durch die filmische Auseinandersetzung mit ihrem Vater habe sie ihn verstanden. Sie erzählt von den Konflikten, die mit dem Drehen einhergingen, von der Wut ihres Vaters darüber, dass selbst seine Tochter ihn nicht verstand. Hatte er doch vom Film erwartet, dass er eine Anerkennung seiner Geschichte würde. Ihr wiederum wurde bewusst, wie sehr sie selbst in den deutschen Diskursen gefangen war. Sie habe Palästina früher verdrängt. Der Film habe sie politisiert. Sie sei davor nicht so politisch gewesen und habe sich auch nicht politischen Gesprächen ausgesetzt, erst durch den Film. P. Q. wollte sich ihre Verletztheit lange nicht eingestehen. An die Stelle der Wut über die Abwesenheit ihres Vaters trat mit dem Bewusstsein über dessen Beweggründe die Trauer über die Geschichte, die ihr ihren Vater genommen hatte. Auf dieses Bewusstsein folgte eine Emanzipation von den hegemonialen Diskursen und ein aktives Engagement für Palästina. Bei der israelischen Militäroffensive gegen Gaza von 2014 sah sich P. Q. daher erstmals offenen Konflikten mit ihrer Umgebung ausgesetzt. Auf einmal wurden ihr auch eigene Diskriminierungen bewusst, die sie aufgrund ihrer palästinensischen Markierung erfahren hatte, z.B. Stipendien, die abgelehnt worden waren, weil sie nicht die »richtigen Antworten« in Bezug auf Palästina/Israel gegeben hatte. Im Oktober 2014, nach der Gaza-Offensive, sprach sie sogar von der Verpflichtung, ihre autobiografische Geschichte zu erzählen, sie hatte sich also mittlerweile die Geschichte ihres Vaters angeeignet: Well, I think that for me, as a Palestinian in exile, it’s a political act to make an autobiographical movie. Because if your story as a people is made invisible, and most of the media or the official narration of history is skewed, then it is your duty

3

Ich-Erzählerin in Schildkrötenwut (2012).

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Tabu, Trauma und Identität

as a Palestinian to tell your own family’s story – to add something to that history. (Gilbert, 2014) Das Bedürfnis, den Vater verstehen zu wollen, ist ein Versuch, Nähe herzustellen, den Vater zu suchen, seine emotionale Abwesenheit aufzuheben. Damit ist P. Q. nicht allein. Bei Palästina als vermeintlichem Sehnsuchtsort für viele handelt es sich im Grunde besonders um die Sehnsucht nach dem abwesenden Vater. Die Kinder spüren die emotionale Abwesenheit der Väter, können sie aber oft nicht einordnen, weil sie ihre Geschichte nicht kennen. Auf der einen Seite verfügen sie über ein intuitives Wissen um die Verlorenheit der Eltern, auf der anderen Seite sind sie ihnen entzogen und entfremdet, zumal diese entfremdet sind von sich selbst: P. Q. sagt, sie habe von ihrem Vater immer ein inneres Bild gehabt, wie er verloren vor seinem neuen Haus in Palästina stehe, barfuß im Schnee und im Morgenmantel.

5.1.1

Selbstentfremdung

Die Abwesenheit der Eltern und ihrer Geschichte, deren Einfluss auf das Leben der Kinder und die gleichzeitige gesellschaftliche Tabuisierung der Familiengeschichte führen dazu, dass auch Angehörige der zweiten Generation sich selbst entfremdet sind. D. A. erzählt, dass sie von ihrem Vater abgelehnt worden sei, weil er nach der Ausgrenzung durch sein negativ stigmatisiertes Palästinensischsein, die er in seiner ersten Familie in Deutschland erlebt hatte, seine zweite Familie nicht habe annehmen können. Obwohl er physisch präsent war und finanziell für die Familie aufkam, entwickelte sich keine engere Beziehung zwischen Vater und Tochter. Palästina war nicht einmal als Diskurs bzw. als kollektive Geschichte präsent. D. A. war einige Jahre im Westjordanland aufgewachsen, wohin der Vater nach dem Studium in Deutschland zurückgekehrt war. Als sie nach Deutschland kam, habe man sie, obgleich muslimisch erzogen, zu ihrer Studienzeit stets für eine Jüdin gehalten, weil sie so »frei« gewesen sei. Sie habe die Menschen um sich herum in diesem Glauben gelassen und sich in dieser neuen Rolle gefallen. Auch fiel es ihr leicht, weil ihre Familie vor ihrer Konversion zum Islam vor Jahrhunderten jüdisch war. So kam es, dass sie sich als Jüdin ausgab und sich (in der Folge) immer mehr dem jüdischen kollektiven Gedächtnis zuwandte. Das Palästinensische lehnte sie hingegen ab, weil ihr Vater sie abgelehnt habe und weil die palästinensische Erfahrung so negativ konnotiert sei in Deutschland. Heute bezeichnet sie ihr damaliges Verhalten als Ersatzhandlung. Es sei angenehmer gewesen, Jüdin zu sein, und die jüdische Erfahrung sei so ähnlich wie die palästinensische. Sie habe sich eine »total künstliche Identität« aufgebaut, in die sie ihren ganzen Schmerz habe stecken können. Der Umstand, dass die jüdische Erfahrung die einzige gesellschaftlich an-

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erkannte Erfahrung war und sie offensichtlich ihre palästinensische Erfahrung teilen wollte, sowie der Umstand, dass ihr Vater emotional abwesend war, führte also dazu, dass sie sich mit der jüdischen Geschichte identifizierte und nicht mit ihrer eigenen Geschichte und der ihres Vaters. Sie konnte sich ihrer Geschichte nur über die Geschichte der Anderen annähern. Die eigene Geschichte war tabu. In einer tiefen Lebenskrise sah sie sich später gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Im Zuge dieser Selbstauseinandersetzung setzte sie sich auch mit der Geschichte ihres Vaters auseinander. In seiner alten Korrespondenz fand sie Briefe, die er an seinen ungeborenen Sohn geschrieben hatte. Ihr Vater hatte vor der Heirat mit ihrer Mutter eine Liebesbeziehung zu einer anderen deutschen Frau. Als sie schwanger wurde und sie heiraten wollten, verboten die Eltern seiner Freundin die Beziehung aufgrund seiner Herkunft. Die junge Frau wurde von ihrer Familie gezwungen, das Kind in ein Waisenhaus zu geben. Erst als sie eine neue Beziehung mit einem weißen deutschen Mann hatte, durfte sie das Kind zu sich nehmen. Dem eigentlichen Vater wurde bis ins Erwachsenenalter jeglicher Kontakt zum Sohn verwehrt. Ohne von dieser Geschichte zu wissen, habe sie, rückblickend, diesen Verlust ihres Vaters immer gespürt, sagt sie. Nach der Entdeckung seines Verlusts habe sie ihren Vater verstehen wollen. Darum habe sie angefangen, sich mit Palästina auseinanderzusetzen, das sie mit ihrem Vater zuvor abgelehnt hatte. S. E.: Also das Mitgefühl für die jüdische Erfahrung war vorher da als das Mitgefühl für die palästinensische?   D. A.: Ja absolut! […] weils einfacher war, sich damit zu beschäftigen, und meine ganzen Gefühle und Trauer und so reinzustecken als […] in meine eigene Geschichte … […] an der Uni in Heidelberg [hab ich] einen Dozenten gehabt, der amerikanischer Jude ist, mit dem ich sehr gut befreundet bin noch und der hat so ne Art […] Vaterrolle für mich übernommen […] ich hab diesen Kurs belegt […] der hieß irgendwie »Being Jewish in America« oder so […]. Ich hab mich dann irgendwie viel so mit dem Thema beschäftigt im Zuge dessen, was diese jüdische Erfahrung war … so dieses … in einem Land leben, wo man das Gefühl hat, eigentlich dazuzugehören, aber nicht dazuzugehören, uuund ich glaub, das war en Thema, was für mich sehr sehr präsent war oder sehr dominant irgendwie war, als ich nach Deutschland gekommen bin, weil ich das Gefühl hatte, ich komm aus ner streng muslimischen Familie und ich bin immer aufgefallen dadurch uuund äh … obwohl ich teilweise das Gefühl hatte, Deutsch ist meine Muttersprache, ich spreche Deutsch, ich fall trotzdem negativ auf und ich wollte nie drüber reden […] ich hatte irgendwie das Gefühl, Parallelitäten zu sehen zu der jüdischen Erfahrung … in Deutschland und ich glaub, das war so der erste Punkt, wo ich das Gefühl hatte … ich seh da Anknüpfungspunkte … und ich glaub, jetzt spricht man ja auch darüber, dass die palästinensische Erfahrung so wie die jüdische Erfahrung ist, was mir aber damals

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nicht bewusst war […] was dann dazu kam, ist, dass ich dann irgendwann mal in einem Seminar einen Vortrag gehalten hab […] über irgendso ne große jüdische Denkerin […] und alle haben angefangen, Fragen zu stellen, und ich hab gemerkt, die glauben, ich bin Jüdin. Und das war das erste Mal, dass mir aufgefallen ist, dass […] es was Positives ist […], dass es ne negative Art gibt ähm … aufzufallen und ne positive Art […] und ich glaub, dass ich dann auch angefangen hab, dann irgendwie damit zu spielen […]. (Interview D. A., 2015, 6)   Und […] beschäftige mich jetzt mit meinem eigenen kollektiven Gedächtnis, und die Gefühle, die ich empfinde, sind wahre Gefühle, weil ich sie jetzt auf meine Geschichte oder in Bezug auf meine Geschichte empfinden kann und nicht jetzt auf die Geschichte von jemand anders äh projiziere, und das hatte, glaub ich auch, viel damit zu tun, dass ich ein besseres Verhältnis zu meinem Vater hab und es endlich akzeptiere, […] dass es mein Erbe ist […] weil ähm als ich das mit meinem Bruder herausgefunden habe, mit meinem Halbbruder, hatte ich erstmal nicht so richtig verstanden, was mit meinem Vater irgendwie so vorgeht. […] mein Vater hat in dieser Zeit sehr sehr viele Briefe geschrieben an seinen … seinen ungeborenen Sohn […] mein ungeborener Junge, wie siehst du denn aus? […] was für eine Augenfarbe hast du? Wo auch immer du bist, ich bin sicher, du bist ein … ein Vogel im Paradies … und ich hab diese ganzen Dinge gelesen und hab zum ersten Mal ein gewisses Gefühl in mir verstanden, was ich vorher nie verstanden hatte, so en Gefühl von Verlust, […] irgendetwas Traumatisches, was ich verloren hab, was ich nie verstanden habe […] diese ganze Liebe, die mein Vater in diesen Briefen ausgedrückt hat, hat er niemals uns gegenüber zeigen können, und das war alles irgendwie … mein Halbbruder ist jetzt über 50, also es war weit […] vor uns, und er hats meiner Mutter und uns auch irgendwie nie erzählt. (Interview D. A., 2015, 3)   Ich glaub auch, emotional war er überhaupt nicht erreichbar. Nie. Ich hab ihn nie wirklich kennen gelernt als jemand, der … en liebevoller Vater ist, […] mein Vater hat damals an der Uni gearbeitet […] und wenn mein Vater nach Hause kam, war klar, der dominante Patriarch ist nach Hause gekommen und ääh … und es … man musste so en bisschen ruhig werden, weil er sich ausruhen musste, und er hat nie so ne direkte Kommunikation mit mir gehabt. Die einzigen Gespräche, die stattgefunden haben, waren, dass er beim Frühstück zu mir gesagt hat: Gibst du mir Olivenöl … oder so, aber wir haben sonst nie ne Verbindung gehabt. Überhaupt keine. […] Seinen Verlust zu verstehen hat dazu geführt, dass ich ihn als Mensch besser verstanden habe. […] als ich seine Briefe gelesen habe, hatte ich das Gefühl, wow … das hätte ich … das hätte von mir kommen können. Er war auch noch so unheimlich irgendwie sooo … so unschuldig und hatte so ne wunderschöne Vorstellung [von] der Welt […] wer hat schon das Privileg, seine Eltern als junge Idealisten kennenzulernen, und alles, was er geschrieben hatte, war so wunderschön,

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und ähm ich hab früher auch nie verstanden, warum ich so ne Leidenschaft fürs Schreiben habe, und da war mir irgendwie klar, mein Vater hätte eigentlich wunderschön schreiben können, hätte er sich für so ne Karriere entschieden und äh … ich glaub, dass ich da wirklich so en bisschen en Weg zu ihm gefunden habe. (Interview D. A., 2015, 4)   Ich glaub aber auch, dass es unbewusst ne Rolle gespielt hat, dass meine Mutter immer en schlechtes Verhältnis zu meinem Vater hatte, und das spürt man ja eigentlich auch als Kind. Also ich glaub, sie wollte immer gehen und hat aber dann immer so indirekt uns die Schuld gegeben dafür, dass sie geblieben ist […]. [… Ich hatte] irgendwann ne Phase, wo ich sie überhaupt nicht leiden konnte, aber so die ganze Tradition, die ganze Religion deswegen abgelehnt hab, weil meine Mutter absolut dagegen war [lächelt] … und ähm …. das ist schon schwierig […] seine eigenen Wurzeln zu hassen und abzulehnen …. […] ich glaub, dass ich nie ne bewusste Wahrnehmung dafür hatte, was es bedeutete, palästinensisch zu sein … also klar, ich bin dort aufgewachsen und hab alles richtig mitbekommen, die erste Intifada zum Beispiel […] … [seufzt] dass Soldaten uns irgendwie direkt ne Waffe ins Gesicht gehalten haben und so … das hab ich alles mitbekommen […] aber interessanterweise hmmm wars so, dass [… ich] nicht viel verstanden hab von dem, was los is irgendwie. Es war klar, da is en Konflikt, aber es hat nie jemand darüber geredet, was […] der Hintergrund von dem Ganzen ist. D.h., ich hab diese ganzen Phänomene beobachtet und hab aber nie irgendwie […] im Detail verstanden, was los ist. Und deswegen … hats sehr lang gedauert, bis ich so das gesamte Bild verstanden habe. […] jetzt im Nachhinein, wo ich viel darüber lese …, reflektier ich noch über Situationen, die vorher passiert sind und versteh sie erst. Und deswegen ist es, glaub ich, en bisschen schwierig, sich mit etwas zu identifizieren, wenn mans nicht versteht […]. (Interview D. A., 2015, 5) D. A. näherte sich auf der Suche nach sich selbst dem ihr aufgrund seiner schmerzlichen Erfahrung entfremdeten Vater wieder an. Gegenseitige Ablehnung hatte zuvor ihre Beziehung bestimmt. In der Auseinandersetzung mit ihm als Teil ihrer Selbstauseinandersetzung entdeckte sie seine Geschichte, nämlich dass er seine erste Familie aufgrund seines negativ stigmatisierten Palästinensischseins verloren hatte. Diese Erfahrung hatte er vielleicht abgespalten; sie beeinflusste jedenfalls seine Beziehung zu seiner neuen, nun möglichen Familie negativ und entfremdete ihn von seinen Kindern. Mit der Entfremdung vom Vater wiederum war D. A. der eigene Verlust verloren: nicht das Gefühl, das intuitive Wissen um die traumatische Erfahrung des Vaters, aber die Bedeutung dieser Erfahrung für sie selbst. Selbst der Verlust dieser Erfahrung war damit verloren. Die Entdeckung des Verlusts ihres Vaters, das dadurch möglich gewordene Verständnis und die Annäherung an ihn sowie die anschließende Zuwendung zum

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eigenen Gedächtnis erlebt sie als Heilung, wie sie später erzählt. Ebenso die Ermächtigung über das verschüttete eigene kollektive Gedächtnis, das man immer zu tilgen versucht habe. Diese Tilgung versucht sie aufzuarbeiten, indem sie sich mit deren Spuren in der palästinensischen Kunst, für die sie sich sehr interessiert, beschäftigt, und ein Buch über einen palästinensischen Maler schreiben will. Außerdem äußert sie wie andere den Wunsch, die Geschichte des Vaters aufzeichnen zu wollen. Der Begriff Ermächtigung passt deshalb so gut, weil D. A. sich schon früher mit Palästina auseinandersetzen und ihre Magisterarbeit darüber schreiben wollte. Sie tat es aber nicht, weil sie dachte, als PalästinenserIn könne man sich nicht glaubwürdig mit Palästina beschäftigen. Palästina sei sowieso abgedroschen. Auch diese Haltung ist ein Resultat der Entmächtigung, sprich der Erfahrung, dass man als PalästinenserIn nicht über seine Geschichte verfügen darf.4 R. E.s Gesichtszüge waren kontrolliert, während die Emotionen wie ein Sturm verhalten unter der Oberfläche tobten. Ihre Mutter war mit ihren Großeltern während des libanesischen Bürgerkriegs nach Deutschland geflohen. Für die Großeltern war dies nach der Flucht aus Palästina während der Mandatszeit die zweite Flucht. Wie D. A. so ist auch R. E. abgetrennt von ihrer Verlustgeschichte bzw. von der Verlustgeschichte ihrer Familie. Lange dachte sie, ihre Familie komme aus dem Libanon, weil ihre Mutter dort geboren wurde. Als ihr schließlich bewusst wurde, dass ihre Familie aus Palästina stammte, sagte sie trotzdem nach außen hin immer noch, sie komme aus dem Libanon, weil dies einfacher und politisch weniger verfänglich war.5 Erst mit 15, 16 Jahren (8., 9. Klasse) begann ihre intensive Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte. Sie fing an, mit ihrer Familie über das Thema zu sprechen. Die Großmutter erzählte von der Flucht, der Großvater davon, wie es vor 1948 war (Persönliches wie Freundschaft mit Jüdinnen und Juden). Ihre Mutter hatte gar keinen Bezug zu Palästina. Wie D. A. eignete sie sich deshalb das meiste Wissen selbst an. Palästinensische Dichtung spielte (wie bei D. A.)6 dabei eine bedeutende Rolle. Die Identifikation wuchs mit zunehmender Auseinandersetzung. Mit der Zeit stellte sie sich in der Öffentlichkeit nicht mehr als Libanesin, sondern nur noch als Palästinenserin vor.7 Als R. E. ihre Mutter überzeugen wollte, mit ihr gemeinsam Palästina zu besuchen, habe sich ihre Mutter lange widersetzt. R. E. erzählt, es habe ihr wehgetan, dass andere, Deutsch-Deutsche, ihre Heimat besuchten und ihr davon erzählten 4 5 6 7

Das Glaubwürdigkeitsproblem (nicht objektiv zu sein) kann man als eine Form von Verbot sehen, sich als PalästinenserIn nicht seiner Geschichte bemächtigen zu können. R. E. ging davon aus, die Menschen würden sowieso nur Israel kennen, und scheute sich daher vor den Reaktionen. Interview D. A. 2015, 010.MOV, Anfang bis 1:40. Zu Beginn des Interviews nennt sie die palästinensischen Herkunftsstädte nicht nur ihrer Mutter, sondern sogar die ihres Vaters, den sie nie kennengelernt hat und den sie danach nicht mehr erwähnt.

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und sie selbst noch nie dort gewesen war. Die Mutter habe große Angst gehabt, nach Palästina zu gehen, Angst, verhört und inhaftiert zu werden, weil ihr Großvater zur Zeit des britischen Mandats im Widerstand gegen die Mandatsmacht aktiv war. Die Flucht der Großeltern aufgrund des politischen Aktivismus des Großvaters hallt in der Angst der Mutter vor ihrem Palästinensischsein immer noch nach. Diese Angst wurde wahrscheinlich mit der Tabuisierung und Kriminalisierung palästinensischer Sichtbarkeit in Deutschland verstärkt. R. E.s Entfremdung von ihrer Herkunft liegt folglich auch an der Nichtanerkennung von der Gesellschaft, in der sie und ihre Familie leben, und an dem daraus resultierenden Umstand, dass die Mutter ihre Geschichte abtrennt, weder darüber spricht noch sich damit auseinandersetzt (bzw. erst auf Drängen der Tochter). R. E. füllt (wie D. A.) die Lücke des Nichterzählens der Eltern durch das kollektive Narrativ und nähert sich der eigenen Geschichte über den klassischen palästinensischen Kanon an. In ihrem Fall wird dieser Kanon repräsentiert durch den prominenten palästinensischen Dichter Mahmud Darwish, der für die junge Dichterin zu einer Schlüsselfigur und zu einem Vorbild wird, da über ihn sowohl die vertiefte Annäherung an Palästina als auch an die Dichtung, ihre andere Identität, erfolgt: R. E.: Ich heisse R. … Ich biiin … … [schaut verlegen weg] mmmm DeutschPalästinenserin, wenn ich das so … das sag ich heutzutage, wenn ich mich so vorstelle, Deutsch-Palästinenserin, das war über die Jahre meiner Kindheit aber sehr uu unterschiedlich. Mmmm ich bin 24 Jahre alt … Berlinerin, obwohl ich nicht hier geboren bin, sondern äh ich bin mit meinem ersten Lebensjahr nach Berlin gezogen. […] meine Eltern sind äh beiderseits Palästinenser. Mein Vater aus Jaffa. Ähm und meine Mutter also mütterlicherseits … äh meine Großeltern sind äh in der Nähe aus … Haifa aus einem Ort, den es nicht mehr gibt .. also das Dorf gibts nicht mehr. Es heißt al-Kasaya […] meine Mutter ist aber selber im Libanon geboren uuund meine Eltern haben hier in Berlin in Deutschland geheiratet. […]   Aufgewachsen bin ich bei meiner Mutter. Alsooo ich kenn meinen Vater nicht […] ich dachte früher, als ich klein war, in der Grundschule immer, dass ich äh Libanesin wäre […] weil ich Verwandte habe, die im Libanon sind. In Palästina hab ich keine direkten Verwandten, sondern es sind so entfernte Verwandte, von denen ich erst […] nachdem ich 18, 19 Jahre alt war, erfahren habe […] ich bin erst 2009, also nach meinem Abi mit 18, glaub [ich], mit meiner Mutter in den Libanon gereist, um da meine Verwandten, die ich dort habe, das ist eine Tante und ein Onkel, äähh zu sehen zum ersten Mal […] ich wollte dann, nachdem ich im Libanon war, […] ich glaube, es hat angefangen in der neunten Klasse oder achten Klasse sogar schon, dass ich immer nach Palästina wollte […] Irgendwann hab ich dann einfach, obwohl ich wusste, ich bin Palästinenserin, hab ich dann immer noch gesagt, jaaa, aus dem Libanon, weil ich dachte, okay, ʼs ist dann halt

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einfach […].   Aber dann war irgendwie neunte, achte Klasse so en Wendepunkt, wo ich dann äh angefangen hab, mehr mich … ja mit meiner Herkunft oder meiner Geschichte zu befassen, woher genau, aus welchen Städten in Palästina […] irgendwie ist es so en paralleler Prozess, dass ich über Dichtung gelesen habe uund mehr über Palästina gelesen habe und ähm Mahmud Darwish hat da so diese besondere Rolle, weil er hat da so meine Heimat angefangen näher zu bringen, indem ich seine Gedichte gelesen habe, seine Texte, und gleichzeitig hat er mir die Dichtung näher gebracht […]. [Ich bin] dann halt weiter eingestiegen und […] hab mehr über seine Persönlichkeit [erfahren], was er erlebt hat, was er gemacht hat, wie ist er zur Dichtung gekommen? Ähm und er hat ja als Palästinenser in Palästina […] geschrieben, er hat aber auch aus dem Exil geschrieben … und ähm gleichzeitig hab ich mehr über Palästina erfahren […] … Das ist sozusagen der entscheidende Prozess gewesen […].   […] ich hab angefangen zu studieren, ich hab Leute kennengelernt in der Uni, die mir gesagt haben, ja sie machen Praktikum in Palästina, sie machen … freiwilliges soziales Jaaahr […] dann dacht ich mir so, wie kann das sein, dass die … dass Deutsch-Deutsche … mir von meiner Heimat berichten. […] Meine Mutter ähm musste ich erst mal so einige Jahre […] vielleicht so drei Jahre […] hat sich schon hingezogen und dann haben wirs 2012 gemacht […] und so kam es dann, dass ich […] 2012 zum ersten Mal […], also mit 22 [lacht] war ich dann zum ersten Mal in Palästina [lächelt ironisch befremdet]. […] diese Reise hat mich äh sehr sehr stark geprägt […] meine Texte haben sich geändert … also ich hab ja schon vorher viel darüber geschrieben, das ist halt das Krasse wie schreibe ich über ein Land, wo ich … das ich selber nicht kenne? […] (Interview R. E., 2015, 1/2)   Und einfach meine Rolle, ich weiß nicht, wenn ich dahin gehe, als was geh ich da hin. Ich bin kein Tourist, ich bin nicht jemand, der seine Familie besucht, weil es sind ja nicht direkt meine Onkel oder meine Tanten oder mein Opa oder meine Oma. Klar, für mich sind sie […] wie ne Familie geworden und […] ich wurde auch so empfangen und behandelt […], aber ich gehe jetzt nicht in erster Linie dorthin, um sie zu sehen. […] das sind diese ähm Erfahrungen […] ich hab keine Flüchtlingserfahrung, aber […] diese Vorgeschichte ist meine Flüchtlingserfahrung und die Folgen davon. Und das ist halt alles, was ziemlich kompliziert ist, ich meine, hättest du so ne Flüchtlingserfahrung ja nicht, dann würdest du ja niemals auf die Idee kommen, im Kindheitsalter zu denken, du kommst aus einem anderen Land. […] dann hat’s so angefangen 9., 10. Klasse, diese krasse Betonung auf Palästina, da war genau das Gegenteil: Ich hab nicht mehr gesagt, dass ich Deutsche bin, sondern ich hab gesagt, ich bin Palästinenserin. […] Dann

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fragten sie mich (verschränkt die Arme): na und seit wann lebst du hier? Und dann war ich perplex. Ah so, ja, ich bin hier geboren. […] Und […] dann als Freunde von mir diesen Poetry-Slam gegründet haben, hab ich sozusagen eine Bühne gefunden für meine Worte und trau mich, sie auch wirklich auszusprechen, uund es ist mir sogar … lieber, ich hab en deutsches Publikum, um einfach mal das zu sagen, was nie gesagt wird. […] ich will die palästinensische Perspektive zeigen, das palästinensische Narrativ, das nicht erzählt wird, das nicht gehört wird […] und das ist ja bei mir aus […] der dritten Generation von … Flüchtlingen, die in einem ganz anderen Land im Westen geboren ist. Es issst [lacht verlegen] … kompliziert. (Interview R. E., 2015, 5) Ihre Lebensgeschichte erzählt R. E. im Grunde als eine Geschichte der Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft und ihrer Identität sowie der zweifachen Vertreibung ihrer Familie aus Palästina und aus dem Libanon, deren Folgen sie insbesondere in Bezug auf ihre Identität spürt: Das Festhalten an der libanesischen Identität zu Beginn, obwohl sie sich in Berlin zu Hause fühlt, dann das Festhalten an dieser (libanesischen) Identität trotz besseren Wissens aufgrund der Stigmatisierung palästinensischer Identität in Deutschland und schließlich das Gegenteil, das absolute Beharren auf der palästinensischen Identität, führt sie auf eine Gewalterfahrung – sie nennt es »Flüchtlingserfahrung« (nicht Fluchterfahrung!) – zurück, die sie beeinflusst, obwohl sie sie nicht selbst erlebt hat. Ihre durch die Flucht der Familie verlorene Geschichte im Land sucht sie in ihren Reisen nach Palästina. Besonders beschäftigt sie ihre Beziehung zu einem Land, das sie Heimat nennt und mit dem sie sich unerklärlicherweise sehr verbunden fühlt, obwohl sie räumlich und zeitlich so weit entfernt ist: als jemand aus Deutschland und in der dritten Generation ohne eigene Fluchterfahrung, als jemand ohne engere Familienbande dort. Mahmud Darwish als Dichter, der aus dem Exil schreibt, erlaubt ihr auf diese Weise, sich mit Palästina zu identifizieren. Trotz ihrer »Heimatverbundenheit« und trotz ihrer Bemühungen, sich die Geschichte, Kunst (Darwish), ja selbst die Erfahrung der Menschen vor Ort anzueignen, scheint die Bedeutung von Palästinensischsein für sie verloren, wie ihre Ratlosigkeit in Bezug auf ihre Identität zeigt. Diesen Verlust mag sie durch den Kampf um Anerkennung der erfahrenen Gewalt seitens der deutschen Öffentlichkeit füllen. Der Kampf um die Sichtbarmachung der palästinensischen Geschichte (sie nennt es »Narrativ«) vermag (ihrem) Palästinensischsein Bedeutung zu verleihen: als eine Dichterin, die aus Deutschland und in der dritten Generation von Flüchtlingen – sie ordnet sich damit in die Geschichte der Nakba von 1948 ein – mit Poetry-Slam für die Enttabuisierung dieser Geschichte kämpft.

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Verschmelzung

Entfremdet von den Eltern durch deren Abwesenheit bzw. Selbstentfremdung und durch die hegemonialen Diskurse, beginnen die Angehörigen der zweiten Generation, dem Trauma der Eltern zu huldigen, in dem sich deren Leben auflöst, denn deren Trauma ist das Einzige, was ihnen von diesen bleibt. Mit dem Trauma der Eltern zu verschmelzen, ist der einzige Weg, mit ihnen in Beziehung zu treten. S. F. beschreibt ihren Vater als einen Menschen voller Emotionen, auch voller Schmerz und Traurigkeit, die er die ganze Zeit zu unterdrücken versuchte, was ihn leicht aufbrausend und dünnhäutig mache. Er war als Jugendlicher während des Junikriegs 1967 bei der Flucht von seiner Familie getrennt worden. Minderjährige Geflüchtete hatten das Recht auf Familienzusammenführung und konnten im Gegensatz zu Erwachsenen – zumindest theoretisch – in die neu besetzten Gebiete zurückkehren. S. F.s Vater wurde die Rückkehr dennoch verweigert, sodass er ohne Eltern und im jordanischen Exil aufwuchs, bevor er schließlich zum Studium nach Deutschland ging. Statt Persönliches erzählte er vor allem die kollektive Geschichte und brachte der Tochter ein politisches Bewusstsein näher. Ihr Vater und dessen Geschichte habe sie sehr geprägt, erzählt S. F., sodass sie sich von klein auf dem Kampf um Gerechtigkeit verschrieb. Mit vier Jahren habe sie schon eine Rede gegen den jordanischen König und seinen Machtmissbrauch geschwungen. Bereits in der Schule habe sie ein ausgesprochen starkes (Un-)Rechtsempfinden gehabt und selbst Lehrer zurechtgewiesen, wenn diese Schüler ungerecht behandelten. Jede Hausarbeit bzw. jede studentische Arbeit sei Palästina gewidmet gewesen. Nach dem Abitur sei sie beim Tod ihres Onkels mit ihrem Vater zum ersten Mal nach Palästina gegangen. Er hatte zuvor Angst gehabt, nur schon als Tourist zurückzukehren, weil er Schikanen bzw. Zurückweisungen an der Grenze fürchtete. Danach sei sie immer wieder allein nach Palästina gereist und habe auf ihren Reisen viele KünstlerInnen und Kulturschaffende kennengelernt. Sie habe sich dem kulturellen Widerstand angeschlossen und Kulturprojekte in Deutschland und Palästina initiiert. Jetzt sei sie sehr müde, betont sie. Der hegemoniale Diskurs um die zwei Seiten, die Nichtanerkennung der palästinensischen Not durch deren Delegitimierung als palästinensisches Narrativ und in der Folge die Rechtfertigungen ihrer Position hätten ihr viel Lebensenergie geraubt. Die palästinensische Erfahrung des Unrechts beschreibt sie als universelle menschliche Erfahrung, was ihr ermöglichte, als Mensch, der gegenüber nationalen und ethnischen Kategorien kritisch eingestellt sei, für die Rechte der PalästinenserInnen zu kämpfen. Mit der Zeit habe sie diesen Kampf immer mehr ausgeweitet und sich nicht nur auf Palästina beschränkt. Als ich sie frage, ob sie ihren Kampf als Verpflichtung wahrgenommen habe, betont sie, es sei kein Müssen gewesen, sondern ein Wollen. Sie tue nichts, was sie nicht wolle. Jedoch erzählt sie, das Bedürfnis, die Menschen aufwecken zu wollen, das sei der Vater in ihr, der gesehen werden wolle. Das Engagement

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für Palästina sei irgendwann zum Lebenssinn, zu einer »Herzensangelegenheit« geworden, zu etwas, was sie inspiriere und ohne das sie nicht mehr sein könne. Mit anderen Worten: Dem Vater Anerkennung zu verschaffen, war ein Bedürfnis geworden. S. F.: Jaaa, […] ich glaub, ich bin von klein auf an natürlich total geprägt, was so die Herkunft meines Vaters und den Konflikt betrifft […] ich weiß, dass bevor die nach X gezogen sind, da war ich ja vier, mein Vater neben seiner Tätigkeit als Arzt sehr aktiv war. Also der war, glaub ich, ähm Vorsitzender des palästinensischen Ärzteverbandes und [hat] jedes Wochenende in ner anderen Stadt Kongresse organisiert, also sehr viel politische Arbeit betrieben, [schnalzt] ähm das hat dann natürlich rapide nachgelassen, als sie nach X gezogen sind. Dann hat er sich immer mehr zurückgezogen. […] es tut ihm immer noch weh, es ist halt so, dass er voll viel gearbeitet hat immer und dann abends nach Hause kommt und dann stundenlang noch arabische Nachrichten schaut und dann voll mitleidet oder mitfühlt mit dem, was in seiner Heimat passiert. Und ja, er war 2008 das erste Mal wieder seit 67, also 40 Jahre nicht dort gewesen, weil sein Bruder im Sterben lag und er immer Angst hat, dass was passiert, wenn er an die Grenze kommt. Also als er 1967 geflohen ist, gab’s ja diese Ausrufungen übers Radio, diese Familienzusammenführungen, dass die Leute ja wieder zurückdürfen, um die Papiere zu bekommen, und er wurde mit ausgerufen, aber die Soldaten haben ihn trotzdem nicht reingelassen. Und dadurch hat er halt seine Möglichkeit, dort zu leben, verloren, hatte halt keine ID oder. Er hatte dann zwischenzeitlich einen jordanischen Pass und dann später den deutschen nach der Wende. […] (Interview S. F., 2015, 2)   Mein Vater ist ein sehr … sehr emotionaler Mensch, ein sehr sinnlicher Mensch. Der irgendwie auch … so viel Lebensfreude hat, wenn er unter Menschen ist. Und immer der Clown ist und der Lustige, wie so ein Animateur […]. Und wenn er dann alleine zu Hause vor dem Fernseher sitzt, der depressivste und traurigste Mensch auf der Welt. […] Ich erklär mir das darüber, dass er einfach entwurzelt ist. Dass der […] an nem Ort aufgewachsen ist und dann noch ohne Eltern, an dem er über 40 Jahre nicht mehr war, und […] die ganze Zeit im Exil von einem Land zum anderen auf der Suche, nirgendwo so en richtiges Zuhause hatte. Ich glaube, der wurde von ganz vielen Menschen sehr herzlich aufgenommen, so, aber dieses Gefühl, keine Eltern zu haben und keine Heimat so richtig, ist, glaub ich, unglaublich schmerzhaft […]. (Interview S. F., 2015, 3)   S. E.: Du hattest gesagt, seine Geschichte hat dich sehr geprägt. S. F.: Er hat mich auf jeden Fall sehr geprägt, ganz stark, ja […] ich hab das Gefühl, so en elementares Gerechtigkeitsbewusstsein von zu Hause mitbekommen zu haben von ihm und meiner Mutter. Dass es […] Unrecht gibt und dass es Macht

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gibt, die ausgenutzt wird, und dass Leute, die nicht diese Macht haben, halt ausgebeutet werden, ungerecht behandelt werden. Irgendwie bin ich ganz automatisch damit aufgewachsen […]. (Interview S. F., 2015, 5)   S. E.: Du hast gesagt, du bist müde. Wovon? S. F.: Na ja, von dem Konflikt einfach. Ich hab einfach keine Lust mehr, […] Menschen meine Sicht der Dinge zu erklären. […] Ich hab keine Lust mehr, von Seiten zu sprechen. […] ich versuch dann immer den Leuten zu erklären so: meiner Meinung nach gibt’s die Seite der Gerechtigkeit und der Ungerechtigkeit. Und, allein wenn du dir internationales Recht anschaust, gibt’s ne ganz klare Disbalance und ne ganz klare Machtverteilung so, die mich dazu bewegt, das so zu sehen, und für mich gibt’s nicht die israelische oder die palästinensische Seite. Beide Gesellschaften sind viel zu heterogen und viel zu zersplittert einfach und ich hasse es, wenn Leute versuchen, es sich einfach zu machen oder neutral sein wollen. […] Es ermüdet mich so, ich … […] es tut einfach verdammt weh zu sehen, wie scheiße einfach die Lage dort ist. (Interview S. F., 2015, 9)   Ich glaube, ich wär auch nicht da, wo ich heute bin, wenn ich nicht immer auch so en Herzensthema gehabt hätte […] wie Palästina zum Beispiel […]. Weil ich irgendwo durch mein Interesse, was bedingt ist durch meinen Vater und durch meine Herkunft und durch die Ungerechtigkeit, dass ich da zum Beispiel nicht leben darf, natürlich auch irgendwie Expertin da drin geworden bin. […] Und deswegen seh ich mich auch gar nicht als Opfer, ne? Sondern eigentlich ist es total das Geschenk, so ne Inspiration zu haben und nen Ansatz zu haben, nicht einfach ins Blaue hinein irgendwas zu machen, sondern sich ganz konkret mit was zu beschäftigen, von vielen verschiedenen Perspektiven zu beleuchten … S. E.: Und wie hast du es genannt, Herzensanliegen? S. F.: Weil es sich immer so angefühlt hat, [atmet tief] […] dass ich … Menschen aufwecken will, anders auf die Dinge zu schauen und Position zu beziehen, sich zu engagieren. Ich hab ja auch ganz viele Leute nach Palästina gebracht, die da mit Projekten gearbeitet haben oder einfach mich en paar Wochen besucht haben und danach natürlich en ganz anderes Bild in die Welt tragen von dem, was sie dort sehen, ne? Und das ist schon auch irgendwie der Papa in mir, der gesehen werden will. Der will nämlich, dass es […] das ist, das imaginäre Palästina, das gesehen und verstanden werden will, weißt du? […] (Interview S. F., 2015, 11) Auch bei K. H. erleben wir eine starke Verbundenheit zwischen Vater und Tochter, die in Zusammenhang mit dessen Vertreibungsgeschichte steht. Ihr Vater war es auch, der mit der Vertreibung von 1948 – im Gegensatz zur ebenfalls palästinensischen Mutter, zu der sie eine weniger enge Bindung hat – eine aktive Fluchterfahrung gemacht hatte. K. H. erzählt, dass sie das Gefühl habe, ihr Vater habe ihr

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sein Trauma intensiv weitergegeben. In Israel habe sie an einem Touristenausflug teilgenommen. Man habe sich das Denkmal Ben Gurions angeschaut und ihn als Helden gerühmt. Sie sei in Ohnmacht gefallen; für sie sei er ein Kriegsverbrecher. Ein andermal habe sie sich einen Dokumentarfilm angeschaut. Alle seien ganz gefasst gewesen, nur sie sei in Tränen ausgebrochen. Jetzt sei es besser, sie falle nicht mehr in Ohnmacht oder habe gleich laute Heulattacken. Gleich darauf erzählt sie: Sie hätten nie religiöse Feste gefeiert. Sie habe ihren Vater gefragt, warum, er habe geantwortet, nach der Flucht gäbe es nichts mehr zu feiern. K. H. verknüpft die Tradierung des Traumas wiederholt mit dem Verbot ihres Vaters, (religiöse) Feste zu feiern. Sie erzählt, sein Schmerz sei so groß gewesen, dass er ihn konstituiert habe. Anders als viele andere Väter hatte er viel Persönliches mit seiner Tochter geteilt. Durch sein Verbot des Feierns entzog er sich jedoch (als jemand, der sich freut) seinen Kindern. Ihr Vater war schon immer traurig gewesen, erzählt sie. Damit machte er auf seine Weise sein Trauma zum Totem für seine Kinder.8 Das Leben stand gleichermaßen still mit der Vertreibung des Vaters, indem er nicht nur den Kindern, sondern auch sich selbst jegliche Freude verbot, wenn wir Feiern als eine Allegorie auf das Leben verstehen. Er verbot aber nicht nur das Feiern, sondern enthielt den Kindern damit auch einen Teil ihrer arabischen-muslimischen Kultur vor. Auch darunter litt K. H. sehr, wie sich später zeigt. Die demonstrative Aufgabe von Freude und Kultur durch den Vater war ein wichtiges Mittel zur Tradierung seines Traumas. Sie erfolgte mehr oder weniger bewusst. K. H.s Vater wollte seiner Vertreibung ein Denkmal setzen, das über ihn, sein Leben, seine Erfahrung, seine Gefühle hinausreichen und zur Erfahrung seiner Kinder werden sollte, was mit der gesellschaftlichen Nichtanerkennung seiner Geschichte und infolgedessen mit dem Trauma der Rasse zu erklären ist. Die an das Verbot der Freude und Kultur verknüpfte Tradierung des Traumas führt bei K. H. u.a. zur Unverzeihlichkeit des Vergessens. Sie fühlt sich verpflichtet, das Gedächtnis zu bewahren und in gewisser Weise zu heiligen: Vergessen scheint unverzeihlich. Sie habe schon immer die Lebensgeschichte ihres inzwischen verstorbenen Vaters aufzeichnen oder aufschreiben wollte, erzählt sie. Sie habe ihn auch gebeten, seine Geschichte selbst aufzuschreiben, doch habe er das nicht gewollt, weil es zu schmerzhaft für ihn gewesen sei. Sie habe Angst, dass seine Erinnerungen nur noch Erinnerungen an Erinnerungen würden, dass die Erinnerungen verschwämmen und plötzlich verschwänden. Das wäre schlimm. Die schmerzliche Einsicht in die Differenz zwischen ihrer Erinnerung und der Erinnerung ihres Vaters sowie die Angst davor, die Erinnerungen ihres Vaters zu verlieren, zeigt, wie stark der Wunsch nach Verschmelzung mit ihrem Vater ist. Als ich

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Vgl. die Eltern von E. D.: In allen Zimmern befinden sich eingeschaltete Fernseher. Gewalt und Krieg sind immer präsent, um alle daran zu erinnern.

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sie frage, warum dies schlimm sei, antwortet sie, weil man es aufbewahren müsse, weil die Zeugen stürben und die Erinnerungen so nicht weitergegeben würden. Zudem spreche niemand darüber. Sie habe beispielsweise im Geschichtsunterricht nichts darüber gehört. Deshalb sei es wichtig, dass man die Erinnerungen der Zeitzeugen tradiere, dass man erzähle, wie es wirklich passiert sei. Die Unverzeihlichkeit des Vergessens ist also auch mit der Nichtanerkennung von Gewalt und von PalästinenserInnen als Subjekten eng verknüpft bzw. mit dem, was bereits zuvor als Ungeschehenmachen diskutiert wurde: der Aberkennung bzw. Auslöschung der Erfahrung von Gewalt und von PalästinenserInnen als Subjekte, welche diese Gewalt erfahren haben. Laut K. H. macht die Auslöschung der palästinensischen Geschichte – und damit auch der Geschichte der Vertreibung – die palästinensische Erfahrung so einzigartig. In ihren Versprechern9 wird deutlich, wie sehr ihre Familiengeschichte bereits zu ihrer persönlichen Geschichte geworden ist. Dabei handelt es sich im Besonderen um Fragmente jener Geschichte, die von der europäisch-nordatlantischen Historiografie ausgegrenzt wird: beispielsweise in diesem Fall die Terrorakte zionistischer Banden während der britischen Mandatszeit, die 1947 K. H.s Tante töteten. In ihrer Erzählung verwebt sie immer wieder ihre Familien- mit der kollektiven Geschichte und hebt somit die Trennung zwischen Kollektiv und Familie in einer überfamiliären und nationalen Leidensgemeinschaft auf. Anstatt mir ihre Geschichte zu erzählen, verschwindet auch ihr erzähltes Selbst nahezu in einem apologetischen Anreden gegen die hegemonialen Diskurse und im Ansprechen gegen die Tabuisierung und das Vergessen der palästinensischen Geschichte. Es verschwindet im Wunsch, die Familiengeschichte aufzubewahren, als gelte es, die Erfahrungen der Eltern vor dem Vergessen zu schützen. Besonders anschaulich wurde dies, als K. H. über Minuten hinweg die Geburtsurkunde ihres Vaters vor die Kamera hielt und sie erläutert, anstatt mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Den Erinnerungsträger beinahe wie eine Reliquie haltend, verschwand K. H. förmlich hinter der Urkunde. Sie hielt in dem Moment an den Erinnerungen ihres Vaters fest, um Zeugnis abzulegen, dass er wirklich Palästinenser war bzw. dass es Palästina wirklich gab. Wenn sie sich nicht erinnern würden, dann werde sich niemand erinnern, wird sie später sagen. Es ist also nie nur das Trauma der Unsichtbarkeit, sondern immer auch das Trauma der Ohnmacht, welches von den Eltern an die Kinder weitergegeben wird. Erinnern wird zu mehr als einer Verpflichtung, es wird zu einer Voraussetzung für Leben, weil Vergessen implizit bedeutet, vergessen zu werden. K. H.: Ja, ich wollte ja eigentlich immer seine Lebensgeschichte aufnehmen. Sei es, dass er es einmal aufschreibt oder […] dass ich ihn so aufnehme mit der Ka9

K. H. verwechselt das Jahr 1947 mit dem Jahr 2015 (dem Zeitpunkt des Interviews) oder sagt, die zwei Wochen (von denen es damals hieß, man könne nach Ablauf dieser Frist zurückkehren), seien heute noch nicht vorbei.

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mera. […] Wir haben es immer verschoben bzw. ich hatte das Gefühl, er ist nicht wirklich so richtig offen. Auf jeden Fall als ich ihn gebeten habe, es mir aufzuschreiben, hat er mir gesagt, nein, […] es wäre eine zu schmerzhafte Geschichte, um sie aufzuschreiben, und ähm bei seinem zweitletzten Krankenhausaufenthalt im Mai hab ich dann wirklich sehr schnell eine Kamera gekauft und habe gehofft […], dass wir das jetzt endlich machen, was ich schon immer wollte, […] aber dann waren wir in der Cafeteria draußen und dann hat er einfach […] gesagt, ah, nicht hier, es ist nicht der richtige Ort und nicht der richtige Zeitpunkt. Jaa und das ist eigentlich die letzte Möglichkeit gewesen. Nachher ging es nicht mehr. Also ich hab irgendwie schon immer befürchtet, irgendwann ist es einmal zu spät und jetzt sind diese Befürchtungen w-wahr geworden […] es gibt auch niemanden von seinen Geschwistern, der noch lebt, der der das eigentlich noch haut-hautnah erlebt hat und jetzt haben wir einfach Erzählungen [schüttelt frustriert den Kopf], und klar habe ich auch Erinnerungen daran, aber es sind eben Erinnerungen. Ich hab einfach Angst, dass sie dann mit der Zeit Erinnerungen an Erinnerungen werden und man nicht mehr weiß, was denn wirklich gesagt wurde […] und ich weiß nicht, ob ich mir das verzeihe, das ist irgendwie etwas, was mich ärgert. Aber er war auch nicht der, der gesagt hat: Komm, jetzt machen wir es, und, ja, ich finde es eine gute Sache. Und es ist immer so eine Gratwanderung gewesen zwischen irgendwie das Thema anschneiden und […] irgendwie eine Art, meine Interessen … es sind meine Interessen, aber ich habe auch das Gefühl, es sind die Interessen der Palästinenser … […] und jetzt ist er gegangen und hat all die Geschichten mit sich genommen und ich hab ihm sogar im Krankenhaus, als er verstorben ist, habe ich ihm gesagt, jetzt haben wir unser Buch nicht mehr, jetzt haben wir unseren Film nicht mehr gemacht, und habe ihm gesagt, wer weiß, vielleicht schreibe ich einmal ein Buch in meinem Leben über […] sein Leben äh in Haifa, über die Flucht, über die Vertreibung, und es gibt ein Dokument, das […] ihm sehr am Herzen gelegen ist […] das ist seine Geburtsurkunde von 1937 Governement of Palestine […].   […] Es gibt überall Flüchtlinge, […] niemand streitet es ab, und uns will man einfach nichts … also man darf nicht mehr sagen, man ist Palästinenser, Palästina wird einfach aus der Weltkarte rausgestrichen und […] diese Geschichte muss eigentlich ausradiert werden aus der Weltgeschichte, also es darf uns gar nicht mehr geben, und ähm, das gab es eigentlich nirgendwo in dieser Art […]. (Interview K. H., 2010, 2)   S. E.: Warum wolltest du die Erinnerungen deines Vaters aufschreiben? K. H.: Hm damit sie natürlich nicht vergessen gehen, weil es ein Erbe ist, das wir behalten müssen, so denke ich. […] Und ich denke, es geht vom Kleinen, also von meinem Vater zu mir, es geht um die Familiengeschichte, es geht um die Volksgeschichte der Palästinenser, und es geht generell um eine Geschichte, die gesche-

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hen ist, und von der ich denke, dass sie für die Menschheit – sicher nicht für alle, aber für die, die sich interessieren – sicher wertvoll ist. […] S. E.: Du hast vorhin gesagt, dein Vater hat aus dir eine Betroffene gemacht. Was hast du damit gemeint? K. H.: Ähm er hat seinen Schmerz, also sein Trauma, aber natürlich ist es immer so, dass wenn man etwas selber erlebt, tut es am meisten weh an der eigenen Haut, ich will jetzt nicht anmaßen zu sagen, ich habe genauso gelitten wie er, […] aber er hat natürlich sehr viel auf mich übertragen, weil ich natürlich auch offen war für das. Es hat mich sehr interessiert und ähm das gehört auch irgendwie zum Wesen meines Vaters […]. Es ist irgendwie nicht so trennbar gewesen. […] es geht mich genauso an, manchmal habe ich das Gefühl gehabt, als ob ich den Schmerz eins zu eins fühle. […] S. E.: Wann hast du es denn zum Beispiel gespürt, kannst du dich erinnern? K. H.: […] Vielleicht vor eineinhalb, zwei Jahren war ich mit ihm in Kreuzlingen […] und dann hat er mir erzählt, als Kind habe er so Murmeln gehabt und ähm die habe er immer unter dem Bett gehabt und dann seien sie draußen am Spielen gewesen und sein Vater hat ihn gerufen, vom Haus aus in Haifa hat er ihn gerufen […] kommt jetzt alle, schnell, wir fahren, wir verlassen jetzt alles, aber wir kommen in zwei Wochen zurück, und in dem Moment hat er an seine Murmeln gedacht unter seinem Bett, und die wollte er mitnehmen, aber es gab keine Zeit, um sie mitzunehmen, und das hat mich dann einfach so extrem berührt, ähm es hat mir wirklich extrem weh getan […] wie der Schmerz in seiner reinsten Form […], wie das Kind, das da knapp zehn ist, seine Murmeln zurücklassen muss […] und einfach herausgerissen wird […] und dass diese zwei Wochen bis heute nicht vorbei sind. […] dort habe ich das Gefühl gehabt, der Schmerz ist einfach zu groß, es ist einfach sch-schlimm. (Interview K. H., 2010, 2) Die zwanghafte, nostalgische Rückkehr zum Trauma, wie Fanon es mit Rückgriff auf Freud beschrieb, welche die Leben der Menschen verschluckt, will mit den Kindern geteilt sein. Das Trauma wird von den Eltern in ein Erinnerungsmal gegossen und den Kindern als Form von Identität weitergegeben. Auch andere Eltern machten ihr Trauma zu einem Denkmal für ihre Kinder. So erzählte E. D., in fast jedem Zimmer ihres Elternhauses sei ein Fernseher gewesen. Die Eltern hätten sich immer mit der Gewalt beschallen müssen, die sich nicht nur in ihrer ursprünglichen Heimat Palästina abspielte, sondern auch in anderen arabischen Ländern. Die Eltern – beides palästinensische Flüchtlinge aus dem Libanon – hätten nicht nur sich, sondern auch ihre Kinder bewusst mit dieser Gewalt konfrontieren wollen. Sie habe nie verstanden, warum die Gewalt so gegenwärtig sein musste, und manchmal heftig mit ihren Eltern gestritten. Man war halt nicht dabei. Zum Beispiel im Dorf die totale Institution war … ähm … das Weinfest mit Kirmes usw. wie so en Jahrmarkt, aber ganz klein. Und da wa-

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ren alle Eltern meiner deutschen Freunde immer und haben Bier getrunken. Und ich war total enttäuscht, dass meine Eltern nie hingegangen sind. Rückblickend denk ich mir: Oh Gott, […] wie konnt ich meine Eltern . wie konnt ich ihnen böse sein, dass sie da nicht hingegangen sind. […] welche Gesprächsthemen teilt man denn? Meine Eltern haben eigentlich jeden Tag Nachrichten geguckt und gucken immer noch jeden Tag […] mein Vater meint zwar, er muss mindestens einmal am Tag auch ne deutsche Nachrichtensendung sehen, aber eigentlich gucken sie immer arabisches Fernsehen und zwar wirklich immer Nachrichten, immer oder so äh Diskussionssendungen […] also eigentlich sind wir so aufgewachsen, dass immer irgendwas ist, […] ich kann mich noch erinnern, als beispielsweise der Irak angegriffen wurde 2003, da haben meine Eltern so Matratzen ins Wohnzimmer gebracht und haben da die Nacht vorm Fernseher verbracht und […] Nachtbilder von Bomben auf Bagdad sich angeguckt, die ganze Zeit. […] einmal hatte ich so nen Streit, da war ich ein Teenie. Da wollt ich, dass mein Vater mich zu nem Konzert fährt und da war aber ich glaub, da war zweite Intifada und da war irgendwas passiert und ich wollte unbedingt zu diesem Konzert und mein Vater war so, wir haben so aneinander vorbeigeredet. Uns waren so […] verschiedene Dinge wichtig. Er musste unbedingt sehen, was da jetzt noch folgt. […] das war echt immer Thema, was los war im Nahen Osten, auch beim Essen, das fand ich bei dem Krieg 2006, das war so einer der Kriege zwischen Israel und Libanon, wo so auch in den Medien diskutiert wurde, wieviel … Gewalt kann dargestellt werden. […] ich hab da so das Gefühl gehabt, dass es so ne Art Dammbruch gab, dass wirklich krasse Bilder gezeigt wurden von … verstorbenen ermordeten Leuten […]. Und ich konnte nicht verstehen, warum sie sich das angucken wollten, warum wir das angucken müssen beim Mittagessen, ähm, und meine Eltern konnten nicht verstehen, warum ich so sensibel darauf reagiere oder warum ich das nicht sehen will. Also sie haben das so verstanden, als würde ich das nicht wahrhaben wollen […] also so meinte ich das natürlich nicht, sondern ich hab das so als so voyeuristisch wahrgenommen. Und meine Eltern finden aber, das ist die Realität, guckt euch das an […]. Also ich glaube, meine Eltern waren schon sehr sehr sehr sehr maßgeblich daran an meiner Politisierung beteiligt, also weil sie selber politisch sind und weil […] beispielsweise meine Mutter immer wieder wiederholt hat: Wir sind Palästinenser, du darfst das nicht vergessen […] wir hatten auch so das Glück, dass wir Verwandte haben in Palästina, im Westjordanland, und wir dort waren […] auch als Kind waren wir oft dort und ich konnte wirklich so nen Bezug … es gibt diesen Ort wirklich, […] das ist, glaub ich, für viele ein Problem, dass sie eigentlich Flüchtlinge aus dem Libanon sind und für die dieser Ort nur ne Symbolik ist, aber ich war da schon mal. […] Und ich glaube, das hat auch ein bisschen dazu geführt, dass ich nicht so – auch bis heute nicht – so diesen Integrationswillen hab, […] ich kann so den Diskurs von verschiedenen POC [Anmerkung d. Verf.: steht für Person of Co-

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lor] in Deutschland, aber auch in Europa verstehen, dass sie sagen, hey, wir sind zwar nicht weiß, aber wir sind Deutsche, ihr müsst uns anerkennen. […] ich kann mich an diesen Diskurs nicht so anschließen, weil ich nicht Deutsche bin – also, ich hab deutsche Papiere, bin hier geboren, ich sprech Deutsch, das ist die Sprache, die ich am perfektesten kann, eigentlich bin ich total deutsch und ich glaub auch, wenn ich woanders bin, z.B. in Palästina bin, dann »was machen die, die sind so laut« […] mir ist das klar geworden bei einer ganz komischen Diskussion, und zwar ging es darum, wo meine Eltern begraben werden sollen, und die meinten, ja da wo ihr seid, wo die Kinder sind. Ich so, ja aber wo werden wir sein, ich weiß es nicht. Ja wahrscheinlich in Deutschland oder [Antwort der Eltern, Anm. d. Verf.]. Und dann meint ich so, nee kann ich mir jetzt nicht so vorstellen. Und dann hab ich darüber nachgedacht, wo würde ich begraben werden wollen. In Deutschland? Auf keinen Fall! Dass mein Körper in diese deutsche Erde geht, das kann ich mir auf keinen Fall vorstellen. Das war irgendwie ein ganz komischer Gedanke, weil ich auch irgendwie nie woanders länger war […]. (Interview E. D., 2014, 1) Die Konfrontation mit der Gewalt vor Ort im Alltag der Familie hat die Funktion, die Kinder an deren Realität zu erinnern und die Gewalt festzuhalten. Das Bewahren traumatischer Vergangenheit und Gegenwart sowie (post-)kolonialer Gewalt wird auf die zweite Generation übertragen, was sich in deren Politisierung – wie es E. D. nennt – und im Festhalten an Herkunft und Identität zeigt: E. D. fühlt sich nicht als Deutsche und kann sich deshalb nicht mit dem Wunsch bzw. mit dem Diskurs identifizieren, auch als Nichtweiße zu Deutschland dazuzugehören, obwohl sie in Deutschland aufgewachsen ist und Deutsch die ihr vertrauteste Sprache sei. Sie führt das maßgeblich auf ihre Eltern zurück, auf ihre Politisierung durch sie, auf deren Imperativ, sich an ihre palästinensische Identität zu erinnern, aber auch auf die Tatsache, im Land selbst, in Palästina, gewesen zu sein. Die teilnehmenden Beobachtungen im September 2014 und im April 2015 haben ihrerseits deutlich gemacht, wie sehr die Angehörigen der zweiten Generation mit den Geschichten – oder öfter den Nichtgeschichten –, den Leben ihrer Eltern beschäftigt sind. Sie studierten Politik- oder Nahostwissenschaften, verfassten Arbeiten zum Thema. KünstlerInnen setzten sich in und durch ihre Kunst unentwegt mit Palästina auseinander, weil die Familiengeschichte sie so vereinnahmte. Sie nahmen an Demonstrationen teil, schrieben sich Palästina in den Körper ein (Tatoos) und entwarfen ihr Leben nach weltanschaulichen Überzeugungen, die letztendlich durch die Erfahrungen der Familiengeschichte geprägt sind, indem sie sich beispielsweise bewusst in antiautoritären Lebensformen engagierten oder – im Gegenteil – einen neoliberalen Karrierismus verfolgten, der der Erfahrung des Rechts des Stärkeren Rechnung trägt (so manche Söhne der entmächtigten Väter). Die Unterdrückung von Gewalterfahrung und Identität führt zu einer ganz anderen Belastungssituation für die zweite Generation, als wenn es sich ausschließlich um die

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Gewalterfahrung (beispielsweise von Vertreibung/Fluchtmigration) handeln würde. P. Q. beschrieb mir sorgfältig, wie sich ihr Vater aufgrund der ihm zuteilwerdenden Anerkennung durch ihren Film veränderte, was zeigt, wie wichtig ihr dieser Aspekt war. Sie erzählt, ihrem Vater gehe es seit dem Film deutlich besser. Die Anerkennung und das Interesse (die Fragen) durch das Publikum im Anschluss an die Filmvorführung hätten ihn verändert und ihm gutgetan. Er sei sichtlich erleichtert gewesen und habe loslassen können. Seit dem Film spreche er auch über sich und freue sich darüber, seine Geschichte zu erzählen, weil er jetzt wisse, dass es sich gut anfühle, fast wie Therapie. Vor dem Film habe er an Depressionen gelitten (wie im Westjordanland), auch habe er nie über sich gesprochen. Die Depressionen seien erst seit der Fertigstellung des Films verschwunden. Er sei seither so weich und warm, auch nicht mehr so wütend. Auch habe er seine Haare lang wachsen lassen und würde dadurch wie ein Künstler aussehen. Wie verschüttet der Zugang zu ihm selbst gewesen war, zeigt der Umstand, dass P. Q.s Vater erst zwei Jahre nach dem Drehen mit den Worten zu ihr gekommen war, jetzt wisse er, was sie mit Krötenwut (seine Interpretation oder Aussprache des Filmtitels) gemeint habe, nämlich ihn, seine Wut. So lange hatte er gebraucht, um seine Wut darin wiederzuerkennen. Andererseits zeigt dieses Beispiel, wie angewiesen er auf die Außenwelt war, um in eine Beziehung mit sich selbst treten zu können: Erst im Spiegel des Films seiner Tochter und in der Auseinandersetzung mit den ZuschauerInnen vermochte er einen Zugang zu seinen Gefühlen zu gewinnen. In der transgenerationalen Beziehung ist dies ähnlich: Die Väter/Eltern brauchen die Kinder, um ihr Selbst im Spiegel der Kinder zu finden. Das Bedürfnis, den Vater zu retten bzw. ihn (vor der Welt) zu beschützen, ist ein Motiv, das immer wieder in Beobachtungen und Gesprächen mit Töchtern auftaucht. Die Ich-Erzählerin in P.Q.s autobiografischem Film Schildkrötenwut (2012) sagt: Als ich klein war, hatte ich immer das Gefühl meinen Vater beschützen zu müssen. Beschützen vor den Deutschen, die ihn als Ausländer schlecht behandelten. Beschützen vor meiner Mutter, die zwischen seinen Füßen staubsaugte. Beschützen vor den Israelis, die ihn vertrieben hatten. Nachts habe ich meinen Vater immer träumen gehört. Eine Hand über dem verschwitzten Gesicht. Lautes Murmeln, ein leiser Schrei. Der Kampf für Palästina bzw. die politische Aufklärungsarbeit ist im Wesentlichen im Kontext der Schuld gegenüber den Eltern zu betrachten. Diese Schuld können wir als eine Form von Überlebensschuld ansehen. Veena Das (1994) beschreibt mit Verweis auf Bowlbys Bindungstheorie (1969), wie sehr Trennung und Verlust in engen Familienbeziehungen mit physischem Tod austauschbar sind. Denn auf eine Weise sind die Väter respektive Eltern gestorben, aufgelöst im Trauma der Rasse. Im Gegensatz zu ihren Eltern können die Angehörigen der zwei-

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ten Generation außerdem ein selbstbestimmtes Leben führen. Die emotionale Abwesenheit der Eltern wird von den Kindern schon früh auf sich bezogen. Sie beginnen, sich für das Unglück und die Resignation der Eltern verantwortlich zu fühlen. Intensiviert wird dieser Selbstbezug nicht nur dadurch, dass die Eltern nicht über sich sprechen, sondern auch dadurch, dass sie die Kinder in ihre Selbstentwertung miteinbeziehen. Zudem spiegeln die Kinder den Eltern ihr Leben. Sie repräsentieren nicht nur das erzwungene Exil, sondern auch ihr eigenes Versagen: den palästinensischen Befreiungskampf nicht gekämpft zu haben. Sein Leben dem Trauma der Eltern zu weihen ist eine Form des Umgangs mit einem Trauma, das immer gegenwärtig ist, nicht nur weil rassifizierende Gewalt diese als Subjekte derealisiert, sondern auch weil diese an der erlebten Gewalt festhalten, um sich zu humanisieren. Die fortwährende Bewahrung des Schmerzes ist sowohl Symptom traumatischer Erfahrung als auch Versuch von Selbsthumanisierung, der jedoch das Sinnliche der Kultur, der Sprache, der traditionellen Feste etc. verschluckt. Das Trauma der Rasse macht die Eltern abwesend, wo gleichzeitig ihr Verlust, die Melancholie, anwesend ist. Das Einzige, was man von ihnen hat, ist ihr Verlust, den man zwar fühlt, dem man sich aber nur über kollektive Narrative ansatzweise nähern kann. Das Trauma zu teilen, sich ihm zu weihen, bedeutet für die Kinder, Beziehung herzustellen. Hinter dem Kampf um die Anerkennung der Eltern steht auch der Wunsch nach der eigenen Anerkennung durch die Eltern, nach der Auflösung der Entfremdung von ihnen. Man will den Eltern zu Anerkennung verhelfen, damit diese einen anerkennen können und so den Beziehungsbruch aufheben, der sich aus der Desubjektivierung der Eltern ergibt. Schuld gegenüber den Eltern ist also eine Form von Sehnsucht nach Anerkennung und der Versuch, Beziehung herzustellen. Man muss die Väter respektive Eltern als Subjekte erst herstellen, damit Beziehung entstehen kann, was für die Angehörigen der zweiten Generation verheerend ist. Diese Umkehr der sozialen Rollen zwischen Eltern und Kindern wird Parentifizierung genannt (Özkan & Willemsen, 2017). Es kommt so gewissermaßen zu einer Verschiebung. Während die von sich selbst entfremdeten Eltern die Anerkennung des großen Anderen begehren, begehren die von den Eltern und damit auch von sich selbst entfremdeten Kinder die Anerkennung ihrer Eltern. Interessanterweise lässt sich ein Unterschied zwischen Männern und Frauen der zweiten Generation beobachten. Während die Töchter eher dazu neigen, ihre Väter retten zu wollen, tendieren die Söhne10 dazu, ihre Väter zu verachten und sich auch oft von ihrer palästinensischen Identität und

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Dennoch ist Verachtung genauso wie Scham für die Eltern auch bei Töchtern zu beobachten. Denn Scham und Verachtung sind das Resultat der Identifikation mit dem Blick des großen Anderen auf die Eltern bzw. mit dem Schulddiskurs, der aus der Rationalisierung der Gewalt (im Sinne einer rechtmäßig ausgeübten Gewalt) hervorging.

5 Kinder/Töchter

der damit verbundenen Entmächtigung zu trennen. Sich mit den Schulddiskursen rund um die erlebte Gewalterfahrung und dem Recht des Stärkeren identifizierend, deuten sie ihre Väter als Versager, als schwach und daher ihr Unglück selbst verschuldend.

5.1.3

Selbstverneinung

Den Angehörigen der zweiten Generation geht es aber nicht nur um die Anerkennung durch die Eltern, sondern auch um das Begehren nach Anerkennung durch die Gesellschaft, in der sie leben. Sie stehen unter ähnlicher Beobachtung, unter Antisemitismus- und Extremismusverdacht und unter Rechtfertigungsdruck. Deshalb finden wir nebst der Öffentlichkeitsarbeit für Palästina als Kampf um die Anerkennung der Eltern auch die Verneinung von Palästinensischsein im öffentlichen, beruflich-institutionellen Raum, manchmal ebenfalls aus einer Verpflichtung gegenüber den Eltern heraus. Denn es sind oft Eltern, die ihre gefühlte Identität verneint haben, die ihren Kindern auftragen, sich nicht als PalästinenserInnen zu erkennen zu geben, um negative Erfahrungen zu vermeiden – ein Resultat der langen Geschichte der Projektion von Gewalt auf die Eltern. Wie wir gesehen haben, versuchen viele Eltern auch, ihre Kinder von politischem Aktivismus fernzuhalten. Die Schuld, die Umgebung um sich herum aufzuklären, geht also mit dem Gebot der Selbstverneinung einher. Der eindringliche Wunsch von Angehörigen der zweiten Generation, die palästinensische Geschichte sichtbar zu machen, steht in großer Spannung zu ihrer im Alltag vollzogenen Selbstverneinung. Bei K. H. führte das zu einem Doppelleben. Sie unterscheidet (wie Angehörige der ersten Generation) zwischen privatem und öffentlichem Leben und gibt sich im öffentlichen Raum, im Berufsleben, der Schule bewusst als Jordanierin aus, sich damit rechtfertigend, dass sie ja einen jordanischen Pass habe und dass sie sich verneinen müsse, wenn sie in der Schweizer Gesellschaft nicht benachteiligt werden wolle. Die Schule und die Abwesenheit der palästinensischen Geschichte im dortigen Unterricht erwähnt sie immer wieder. LehrerInnen werden zu Repräsentationen symbolischer Macht. Ihr Vater war 1948 nach Jordanien geflohen. Auch er hatte ihr aufgetragen, sich in der Öffentlichkeit nicht als Palästinenserin zu erkennen zu geben, um sich zu schützen. Privat ist es ihr unglaublich wichtig, ihr Palästinensischsein zu bewahren, wie wir in ihrer Erzählung sehen, aber auch in ihrer häufigen Teilnahme an Palästina bezogenen Veranstaltungen. S. E.: Du hast vorher mal gesagt, dass du Angst hast, dass die Erinnerungen plötzlich nur noch Erinnerungen an Erinnerungen werden. Weißt du noch, was du damit gemeint hast? K. H.: Ja ähmm, ich hab damit gemeint, dass je näher etwas zurückliegt, desto besser kann man sich erinnern. Und dann ich weiß ja nicht, wie es ist, also auch

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Tabu, Trauma und Identität

jetzt bei einigen Dingen [schließt die Augen und versucht sich zu erinnern], Details oder so, denke ich, was hat damals mein Vater gesagt, und es ist ja noch gar nicht so weit her. […] Ich habe einfach Angst, dass jetzt 50 Jahre oder 30 Jahre später, dass ich dann vielleicht nicht mehr weiß: Erinnere ich mich an das, was er gesagt hat, oder erinnere mich an das, an diese Erinnerung von z.B. heute, also von […] Oktober 2010, weil jetzt einfach die Erinnerung da und er hat ja die Originalerinnerung und er hat es mir erzählt und weil er nicht mehr da ist, ist es eine Erinnerung an das, was er erzählt hat. Aber ich habe Angst, dass ich mich 30 Jahre später erinnere an das, woran ich mich erinnere. Und mit jeder Stufe […] könnte mehr weggehen. S. E.: Und warum wäre das schlimm? K. H.: Ich weiß es nicht, ja ich fände es schlimm, weil ich finde ja, man muss unsere … ich sage jetzt Familie, aber ich denke eigentlich mehr an die Palästinenser jetzt, dass man es aufbewahren muss, weil jetzt haben wir die Generation, die selber fliehen musste, die Generation, die damals erwachsen gewesen ist – sagen wir die meisten davon – sind verstorben. Dann hat es vielleicht die Jungen wie mein Vater, die damals so um die neun, zehn oder sagen wir bis 20 waren. Die sind jetzt auch ältere Menschen. Und […] wenn das wie nicht weitergegeben wird und […] vielleicht war das für sie nicht immer so wichtig, das den Kindern zu erzählen,[…] und für mich hat eine sehr hohe Bedeutung, es hat für meinen Vater eine hohe Bedeutung gehabt, und dann hat er das auf mich übertragen, aber nicht weil ich alles so eins zu eins übernehmen will: Was für ihn wichtig gewesen ist, soll auch für mich wichtig sein. [schüttelt den Kopf] Es ist einfach für mich wichtig, […] vielleicht auch, weil genau niemand darüber redet, weil im Geschichtsunterricht hörst du es nicht, ich habe es nie gehört in der Schule. […] unsere Geschichte darf es gar nicht geben in der Weltgeschichte. […] und deshalb ist es eigentlich umso wichtiger, dass es Leute gibt, die über das […] erzählen und auch Fakten erzählen. Das […] ist ja nicht erfunden oder ein Wunschgedanke. Es ist wirklich passiert. Und die meisten Leute wollen es einfach nicht wahrhaben. Die meisten Leute wollen einfach immer noch an der Version »das Land ist leer gewesen«, was überhaupt nicht stimmt, und »wir haben das Land aufgebaut« […]. Es ist nicht so gewesen und ich verstehe nicht, warum man nicht über das reden darf. Man muss immer aufpassen, sei es in der Schule, dass dass dann der Lehrer gegen einen dann zu arbeiten beginnt, sei es im Job, muss man aufpassen, dass man nicht irgendwie voll ins Fettnäpfchen tritt. Man muss immer als Palästinenser […] muss man sich wie verneinen. O. K., damit unser Leben hier draußen normal weitergeht, dass man keine schlechten Noten bekommt von den Lehrern, dass man nicht seinen Job verliert, dass man nicht irgendwie sonst leiden muss, macht man da vielleicht äußerlich mit, aber ich finde innerlich, gerade im Kreis der Familie […] muss man da nicht mitmachen, sondern man muss auch drüber reden, und für mich ist klar, falls ich jemals in meinem Leben Kinder haben werde,

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wird das auch weitergegeben. Das ist für mich keine Frage. […] Auch sogar meine Mitschüler haben es nicht gewusst, dass man Palästinenser ist, dass man einfach einfach den Mund halten muss, und so bin ich aufgewachsen. S. E.: Hast du es nie hinterfragt? K. H.: […] Viele Leute sagen ja, nein im Gegenteil, eine Frau wie du muss doch zeigen, dass Palästinenser nicht nur mit dem Sprengstoffgürtel umherlaufen, dass es auch … […] man muss zeigen, wer man ist und so, und ich denke, gut, ja, ich hab ja meinen Mittelweg gefunden, ich zeige ja überall, wo ich nicht abhängig bin, und dort, wo ich einen Schaden davon tragen könnte, könnte, ich sage nicht, dass es so ist, vielleicht ist alles Übertreibung und vielleicht gibt es diesen Schaden gar nicht […]. Vielleicht wenn ich vor der Pensionierung wäre, wäre es mir egal. Man weiß einfach nicht, wen man vor sich hat und wie die Person eingestellt ist. Und […] einfach auch meine Erfahrung, die Leute hier sind eher pro Israel und nicht pro Palästina und ja, man muss sich schützen, und erst recht seit letztem Jahr im November. (Interview K. H., 2010, 5) Eine ähnliche Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Raum sehen wir bei E. D. Während sie sich innerlich an das Gebot ihrer Eltern, nicht zu vergessen, dass man PalästinenserIn sei, hält, gibt sie bei ihrem politischen Engagement im öffentlichen Raum jeweils falsche Namen an. Indem sie sich in der Öffentlichkeit nicht zu erkennen gibt, wird ṣumūd zu einer inneren Angelegenheit, einer inneren Haltung. N. O., deren Vater (M. M.) in den Libanon geflohen ist und seine Kinder lange Zeit über seine Identität im Unklaren ließ, identifiziert sich stark als Palästinenserin und geht in ihrer raren Freizeit der aufwendigen Arbeit in einem gemeinnützigen Verein nach, der sich bemüht, die Lebensbedingungen palästinensischer Kinder in libanesischen Flüchtlingslagern zu verbessern. In beruflichen und offiziellen Kontexten gibt sie sich jedoch als Libanesin aus. Mit der Verbergung des Palästinensischseins im öffentlichen Raum sind diese Erzählerinnen nicht allein. Viele Angehörige der zweiten Generation haben ihr Palästinensischsein in der Öffentlichkeit bewusst verneint oder versteckt, indem sie sich als zu einer anderen arabischen Nationalität – meist das Land, in das die Eltern geflohen waren – zugehörig, in einem Fall als Jüdin ausgaben oder sich falsche Namen zulegten, wenn sie sich politisch für Palästina engagierten. Bei vielen geht dies auf elterlichen Rat zurück: L. M. ertappte ihren Vater dabei, wie er sich in der Berufswelt aus Angst vor negativen Konsequenzen als Jordanier ausgab; als sie ihn zur Rede stellte, riet er ihr, es auch zu tun. Einige wussten lange Zeit nichts (Genaueres) über ihre Herkunft, weil die Eltern ihr Palästinensischsein nicht zeigten, sie auch vor den Kindern nicht thematisierten, nie über ihre Vergangenheit sprachen, z.B. weil sie nicht mit den Kindern über schmerzvolle Erfahrungen sprechen wollten, Erfahrungen, die sie ohnehin nicht mit ihnen teilen konnten oder die sie abgespalten hatten. Oft gaben die Eltern sich als Araber aus oder als Jordanier, Li-

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Tabu, Trauma und Identität

banesen, d.h., sie verbargen sich hinter der Identität der umliegenden arabischen Länder, in welche sie geflohen waren oder über deren Papiere sie verfügten (meist Jordanien), wie wir gesehen haben. Die Kinder dachten, die Eltern stammten aus dem Land, in das diese vertrieben worden waren, oder sie wussten lediglich, dass die Eltern aus einem arabischen Land stammten, aber nicht, aus welchem. Ihnen wurde erst spät (als Jugendliche) bewusst, dass ihre Väter Palästinenser waren, als diese mit zunehmendem Wandel der öffentlichen Meinung begannen, an politischen Veranstaltungen oder Veranstaltungen palästinensischer Vereine teilzunehmen. Interessanterweise waren diese Väter oft sehr gut ausgebildet und aufgrund ihres gesellschaftlichen Status eigentlich nicht sehr verletzlich. Andere Angehörige der zweiten Generation gaben zu, von sich aus nicht zu sagen, woher sie wirklich kommen. Sie tun dies nicht nur, weil sie negative Konsequenzen fürchten, sondern auch, weil sie Palästinensischsein sowohl über den öffentlichen Diskurs als auch über ihre Eltern als schambesetzt erleben. Hinter dem Schweigen bzw. der Selbstverneinung steht dieselbe diskursiv-normative Gewalt wie hinter dem Aufklärenwollen der Öffentlichkeit: Während dies im Aufklärungswunsch die Tabuisierung der Familiengeschichte ist, ist es in der Selbstverneinung die Negativ-Stigmatisierung des Palästinensischseins. Viele Angehörige der zweiten Generation machen ihr Palästinensischsein zwar unsichtbar im offiziellen, beruflichen Kontext, verpflichten sich dafür durch ein Gebot zu erinnern oder eine (stille) Aufforderung zum ṣumūd innerlich zum Palästinensischsein. Die Wichtigkeit, Palästinensischsein im privaten Raum zu bewahren, geht – wie die Verneinung von Palästinensischsein im öffentlichen Raum – auf die Erfahrung der Unterdrückung palästinensischer Identität und der Auslöschung ihrer Geschichte zurück. Sowohl die innere Verpflichtung bzw. der Kampf um die Sichtbarkeit als auch die Selbstverneinung nach außen resultieren aus der gesellschaftlichen Verneinung. Schuld und Selbstverneinung sind beides Formen der Selbstentfremdung und Symptome derselben diskursiv-normativen Gewalt.

5.1.4

Fazit

Die schuld- und schambesetzte physische Gewalt, die derealisierende diskursiv-normative Gewalt, ein Leben in Fremdbestimmung und Demütigung (fast alle Erzähler der ersten Generation erwähnen, dass sie erst als deutsche oder Schweizer Touristen ihre Heimat wieder betreten konnten), die erzwungene Trennung von den Familien und schließlich das Verharren im Trauma der Rasse (als Verharren in der traumatischen Situation der Ohnmacht, aber auch als Form der Selbsthumanisierung) desubjektivierte die Angehörigen der ersten Generation. Die Desubjektivierung der ersten Generation äusserte sich als eine Form von Tod im Leben und schrieb sich als emotionale Abwesenheit in die transgenerationale Beziehung ein. Die Eltern teilten zudem nur Fragmente ihrer persönlichen Ge-

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schichte und übermittelten vor allem Diskurse des palästinensischen Kanons oder des großen Anderen, dieselben Diskurse also, welche sie entwerteten und zu Abwesenden machten. Die Kinder wurden zudem nicht selten Teil der elterlichen Selbstentwertung und Selbstablehnung. Dies alles bewirkte eine Art Überlebensschuld bei den Angehörigen der zweiten Generation. Die Melancholie der Eltern respektive Väter spürend, bezogen sie die Gründe für deren Abwesenheit auf sich und fühlten sich für die Eltern verantwortlich. Um Beziehung herzustellen, mussten die Angehörigen der zweiten Generation die Eltern erst als Subjekte wiederherstellen und ihnen zu Mächtigkeit verhelfen, was sich in ihrem starken Bedürfnis zeigt, den Eltern zu Anerkennung und damit zu Menschlichkeit zu verhelfen. Wie existenziell dieser Versuch für die zweite Generation ist, zeigt sich in der Verschmelzung mit ihnen, in ihrer Angst vor der historischen Amnesie und im Motiv der Schuld, die Lebensgeschichte der Eltern aufzuzeichnen und aufzubewahren, als ob sie die Erfahrungen der Eltern vor dem Vergessen schützen müssten. Hinter dem Versuch, den Eltern Anerkennung zu verschaffen, steckt der Wunsch der Kinder, die Eltern zurück ins Leben zu holen und damit den Beziehungsbruch aufzuheben (Parentifizierung). Mit dem Trauma der Unsichtbarkeit wird der zweiten Generation aber auch die Angst vor Sichtbarkeit weitergegeben: Palästinenser der ersten Generation auferlegen der zweiten nicht nur Selbstverneinung, sie versuchen auch, ihre Kinder von politischem Engagement (sprich Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung) fernzuhalten. Politisches Engagement wird (mit Verweis auf die eigene Lebensgeschichte) als Zeitverschwendung und als Widerspruch zu einem erfolgreichen, karriereorientierten Lebensentwurf dargestellt und entwertet. Selbstentwertung und Resignation vermischen sich hier mit der Erfahrung der Bestrafung von Widerstand. Die erste Generation tradiert damit ihre sehr widersprüchliche Beziehung zum Palästinensischsein: einerseits, weil sie als scham- und schuldbesetzt gefühlt wird, und andererseits, weil die Sichtbarmachung von Palästinensischsein als Form von Widerstand gegen deren Unterdrückung eine Norm ist, der man nicht gerecht werden kann. Der Konflikt zwischen Selbstverneinung nach außen und Schuld nach innen, d.h. den moralischen Imperativen des Erinnerns, der Sichtbarkeit und des Widerstands, »wiederholt sich« auf diese Weise bei der zweiten Generation. Dies führt zu Balanceakten, Zerrissenheiten und Doppelleben. Oft wird in beruflicher, öffentlicher Umgebung Palästinensischsein aus Angst vor Benachteiligung verneint. Im privaten Umfeld verneint man sich zwar meist nicht, aber Palästinensischsein oder das Thema Palästina wird bewusst vermieden, um soziale Beziehungen nicht zu gefährden (um es in Worten einer Erzählerin auszudrücken: »wenn jemand für sie nicht sterben soll«), oder aber es wird in überdimensionalen Ausmaßen thematisiert, um Bewusstsein zu schaffen.

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5.2

Entfremdung von der Gesellschaft: im mentalen Gefängnis

Wir haben im letzten Kapitel gesehen, wie sehr die Angehörigen der zweiten Generation unter der Desubjektivierung ihrer Eltern als Folge der diskursiven Gewalt leiden. Sie leiden aber nicht nur indirekt, sondern auch ganz direkt unter der diskursiven Gewalt. Diese Gewalt entfremdet sie von der Gesellschaft, in der sie leben, und macht sie zu Exilanten in der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind. Besonders gut zeigte sich dieser Prozess im Jahr 2014 zur Zeit des israelischen Angriffs gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza. Ich hielt mich damals in Berlin auf und führte mehrere Gespräche mit Angehörigen der zweiten Generation. Meine Beobachtungen und Eindrücke bilden die Grundlage einer kleinen Ethnografie der Lebenswelt von Angehörigen der zweiten Generation in Berlin zur Zeit der Gaza-Offensive. Die Betrachtung der Offensive als diskursives und institutionelles Ereignis zeigt, wie diskursive Gewalt auf die Akteure wirkt bzw. wie diese auf sie reagieren. Obwohl die Zeit während der Militäroffensive die Wirkung diskursiver Gewalt auf das Subjekt examplarisch veranschaulicht, markiert sie aufgrund ihrer Zuspitzung auch eine Zäsur, und zwar hinsichtlich der Reaktion vieler Angehörigen der zweiten Generation im Umgang mit dieser Gewalt. Bei der Gaza-Offensive Protective Edge (Schutzkante) von 2014 handelte es sich um die dritte militärische Offensive Israels gegen Gaza innerhalb von weniger als sechs Jahren,11 aber auch um diejenige Offensive, die am meisten Tod und Zerstörung brachte. Diese israelische Militäroffensive, die sich hauptsächlich gegen die palästinensische Zivilbevölkerung von Gaza richtete,12 wurde in deutschen und Schweizer Leitmedien mehr oder weniger als Verteidigungskrieg dargestellt. Mit »Hierarchie des Lebens« (Zaidel, 06.05.2015) verwies ein ehemaliger Soldat des IDF (Israeli Defense Force), jetzt Mitglied der israelischen Nichtregierungsorganisation Breaking the Silence, auf die Anordnungen der IDF-Strategen, welche palästinensische Zivilpersonen an dritter Stelle verorteten (nach israelischen StaatsbürgerInnen und IDF-Soldatinnen und -Soldaten) und die Anwendung der Dahiya Doktrin (Khalidi, R., 2014), einer Strategie unverhältnismäßig roher Gewalt, befahlen. Die Offensive wurde moralisch legitimiert, indem der Einfall in Gaza von der israelischen Führung als kollektive Vergeltungs- und Disziplinierungs(re)aktion auf die Entführung und Tötung dreier Jugendlicher aus israelischen Siedlungen im

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2008/09 hatte die Operation Cast Lead (Gegossenes Blei) stattgefunden, 2012 die Operation Pillar of Defense (Wolkensäule). 2202 PalästinenserInnen, davon mehr als die Hälfte Zivilpersonen (ein Viertel davon Kinder unter 18 Jahren), und 72 IsraelInnen, davon sechs Zivilpersonen (darunter ein vierjähriges Kind), kamen dabei ums Leben. In Gaza wurden mehr als 11 000 Menschen verletzt – wiederum mehr als die Hälfte Kinder, Frauen und ältere Menschen –, 18 000 Wohneinheiten beschädigt oder zerstört und 108 000 Menschen wurden obdachlos (N. N., BʼTselem, 2016).

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Westjordanland durch Hamas-Anhänger dargestellt wurde. Dass dies nicht stimmte, wie die israelische Führung bereits zum Zeitpunkt des Angriffs auf Gaza gewusst hatte, stellte sich relativ bald nach Beginn der Operation heraus. Trotzdem wurde die Hamas für die Offensive verantwortlich gemacht: Ein zentraler Topos bei der Legitimierung der unmenschlichen Gewaltanwendung gegen so viele Zivilpersonen, Kinder im Besonderen, und gegen zivilen Raum bildete das Argument der Verwendung menschlicher Schutzschilde durch die Hamas. Das Töten von Zivilpersonen wurde durch deren angebliche13 Instrumentalisierung als Schutzschilde seitens einer dämonisierten Hamas gerechtfertigt, die bereit sei, das Blut ihrer eigenen Bevölkerung zu opfern, und die Verantwortung dafür somit letzterer angelastet (Gordon & Perugini, 2016). Der Einfall in Gaza und das Töten der Zivilbevölkerung konnte auf diese Weise als »gerechter Krieg« und symmetrischer, militärischer Konflikt inszeniert und medial repräsentiert werden. Die deutsche Bundesregierung beharrte auf dem israelischen Recht auf Selbstverteidigung (Woldin, 21.07.2014), während sie sich nicht für die Entscheidung des UNMenschenrechtsrats aussprach, eine Untersuchungskommission zu israelischen Kriegsverbrechen (N. N., Süddeutsche Zeitung, 18.05.2018) zu errichten. Doch nicht nur das israelische Narrativ wurde in Deutschland adaptiert. Es wurden auch Praktiken der Ausgrenzung übernommen, und zwar gegenüber deutschen MuslimInnen, vornehmlich mit nahöstlicher Markierung. Allerdings lagen 2015 noch keine umfassenden Daten und Statistiken über Taten, die mit Islamophobie, d.h. mit Rassismus gegen MuslimInnen, in Verbindung stehen, vor, wie bei einer Kleinen Anfrage der Linken im Bundestag ersichtlich wurde. Die mangelnde Datenlage über Delikte aufgrund von Islamophobie geht u.a. darauf zurück, dass die deutschen Bundes- und Landesbehörden die Subkategorie Islamophobie oder antimuslimischer Rassismus (Bayoumi, 2006) nicht (wie die Subkategorie Antisemitismus) in den Katalog der Hassdelikte aufnehmen wollen (Bayrakli & Hafez, 2016, S. 20). Mit der Zunahme der Kriegsgreuel und israelischen Menschenrechtsverletzungen konzentrierten sich die deutschen Medien weniger auf die Berichterstattung zu Gaza und Israels Selbstverteidigungsrecht, sondern auf die sogenannten antijüdischen Demonstrationen und den vermeintlichen muslimischen Antisemitismus in Deutschland. Parallel zur Kriminalisierung der Hamas wurden meist junge, männliche, in Deutschland aufgewachsene Muslime mit arabischer und türkischer Markierung durch Politik und Leitmedien diffamiert und kriminalisiert, wenn sie sich mit den PalästinenserInnen solidarisierten und Kritik an Israels Offensive übten. Sie wurden bei Protesten gegen die israelischen Kriegsverbrechen

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Die Praxis menschlicher Schutzschilde wurde gemäß BʼTselem und einigen anderen israelischen NGOs während der Militäroperation Defensive Shield 2002 sogar von der israelischen Armee selbst angewandt, bevor es zu einem Urteil durch den Obersten Gerichtshof kam (Sissons, 2002; Stein, 2002).

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auf essentialistische Weise als muslimische Antisemiten repräsentiert (Bayrakli & Hafez, 2016, S. 26). Die Bundeskanzlerin Angela Merkel führte als Reaktion auf die Proteste in Berlin eine große Demonstration gegen Antisemitismus in Deutschland an (N. N., Spiegel Online, 19.08.2014). Während die israelischen Kriegsverbrechen durch das Prisma der Sicherheit wahrgenommen wurden, wurden die Protestierenden durch das Prisma des Terrors betrachtet. Diese iterativen diskursiven und performativen Praktiken inszenierten die Protestierenden nicht nur als Antisemiten, sie stellten den Akt der Disziplinierung junger Deutscher aus islamisch geprägten Kulturräumen auch in dieselbe mission civilisatrice wie Israel den Angriff gegen die palästinensische Zivilbevölkerung von Gaza.14 Auch in der Schweiz wurde die Antisemitismus-Debatte im Zusammenhang mit arabischen/muslimischen Protestierenden während der Gaza-Offensive virulent (Scruzzi, 19.03.2015). Die Projektion von Antisemitismus auf AraberInnen/MuslimInnen überschnitt sich mit einem Repräsentationsregime, das den Islam als eine der jüdisch-christlichen, »abendländischen« Kultur fremde, entgegengesetzte, auf verschiedenen Ebenen (besonders aber auf moralischer Ebene) weniger entwickelte Kultur der Gewalt und Rückständigkeit darstellt. Die Leitkultur, an der sich dieser kulturelle Rassismus orientiert, ist das Konstrukt einer jüdisch-christlichen, abendländischen Kultur- und Wertegemeinschaft. PEGIDA, die Bewegung der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des (jüdisch-christlichen) Abendlandes, die kurz nach Gaza 2014 gegründet wurde, ist der radikale Auswuchs einer Ideologie, die spätestens mit dem 11. September in den gesellschaftlichen Mainstream trat. Viele Akteure erzählten, sie würden seit 9/11 spürbar als MuslimInnen identifiziert/markiert und besonders intensiv auf ein negativ stigmatisiertes, gewaltbehaftetes Muslimsein reduziert. Eine weder gläubige noch praktizierende Palästinenserin erwähnte (Dezember 2014), sie betone inzwischen nur schon aus Trotz, sie sei Muslimin, einfach weil es so schlimm sei in der Schweiz, was die Vorurteile gegenüber MuslimInnen betreffe. Hinzu kam, dass die veröffentlichte Meinung zu Israel in Deutschland nicht alle Seiten zu Wort kommen lässt. Meinungs- und Versammlungsfreiheit können allein durch den öffentlich gemachten Verdacht des Antisemitismus und durch erhöhte Auflagen erschwert werden. Die strukturelle Gewalt, darunter die Systematik der israelischen Angriffe gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza (vor allem gegen zivilgesellschaftliche Akteure) in den letzten Jahren, ihre Einbettung in die Genozid-Debatte oder die menschenrechtswidrige humanitäre Situation der Bevölkerung von Gaza allein durch die seit Jahren währende Blockade sowie deren

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Die politische Doppelmoral westeuropäischer Regierungen fiel PalästinenserInnen umso mehr auf, weil Israel trotz über 2000 Toten und seiner Verstöße gegen das Völkerrecht keine Sanktionen erfuhr, im Gegensatz zu Russland bei der Ukraine-Krise.

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Völkerrechtswidrigkeit wurden im medialen und politischen Diskurs ausgeblendet. Stattdessen erlebten PalästinenserInnen eine verstärkte Ausgrenzung palästinensischer Sichtbarkeit, was sich auch auf der Ebene von Kunst und Kultur zeigte. So kam es wiederholt zur Zensur von Veranstaltungen in mit öffentlichen Geldern finanzierten Kulturinstitutionen. Gerade Veranstaltungen, die Palästinensischsein in einem unpolitischen Kontext zeigten und PalästinenserInnen hätten humanisieren können, wurden zensiert oder waren von Zensur bedroht.15 Wie so oft, geschah dies mit Rekurs auf palästinensische Sichtbarkeit als »einseitig«, eine Stigmatisierung, die die verantwortlichen EntscheidungsträgerInnen bei israelischer Sichtbarkeit natürlich nicht vollzogen. Dies fußt auf der Repräsentation palästinensischer Sichtbarkeit als »radikal« per se und – durch die Gleichsetzung Israels mit dem Judentum – als antijüdisch bzw. antisemitisch. Im wissenschaftlichen Betrieb kam eine epistemische Gewalt hinzu, die sich in einer Art Compulsory Zionism (Deeb & Winegar, 2015) äußert und Solidarität mit Israel zur Voraussetzung macht. Lara Deeb hat für den US-amerikanischen Kontext die Folgen von Israelkritik innerhalb der Universität aufgezeigt (Belästigungen, Drohungen im Hinblick auf Anstellungen). Die zwanghafte Solidarität mit der zionistischen Ideologie bestimmte auch in Deutschland den Diskurs über die militärischen Angriffe auf Gaza, vor allem aber die Absenz eines anderen Diskurses: PalästinenserInnen, die versuchten ihre Erfahrung (bzw. die Erfahrung ihrer Familien vor Ort) zu thematisieren, wurden nicht selten für nicht verfassungskonform erklärt, wie aus Gesprächen hervorging. Die Rechtfertigung der Offensive bestimmte auch den gesellschaftlichen Diskurs. Die vorherrschende Verknüpfung von Israel-Kritik mit Antisemitismus und die Repräsentation der israelischen Offensive als Reaktion auf ein (palästinensischmuslimisches) Bedrohungsszenario nährte sowohl Vorstellungen von einem israelischen Verteidigungskrieg als auch die Überzeugung, dass Israel das Recht habe, sich selbst zu verteidigen. Dies ist ein Standpunkt, der aus mehreren Gründen gegen internationales Recht verstößt, u.a., weil Israel völkerrechtlich immer noch Besatzungsmacht in Gaza ist und in diesem Fall die Gesetze der Besatzung und nicht die eines bewaffneten Konflikts gelten – d.h., das besetzte Volk hat das Recht sich zu verteidigen –, aber auch aufgrund der Unmenschlichkeit der Gewalt (Erakat, 2009). Dieses Repräsentationsregime schuf jedoch ein normatives Bewusstsein, welche Haltung zu vertreten war, was sich in Opportunismus und diffusen

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Ein Beispiel aus eigener Erfahrung ist die Absage eines lange zuvor geplanten, ursprünglich auf unmittelbar nach der Gaza-Offensive 2014 angesetzten palästinensischen Kunstfestivals in München. In Berlin wiederum wurde im Anschluss an das Festival zeitgenössischer palästinensischer Kunst After The Last Sky von 2016 von PolitikerInnen verschiedener Parteien die Einstellung der Mittelvergabe für künftige palästinensische Festivals gefordert (N. N., Die Freiheitsliebe – das Portal für kritischen Journalismus, 26.10.2016).

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Existenz- und Zukunftsängsten im Zusammenhang mit kritischen Positionen äußerte. Es manifestierte sich auch in Antisemitismus-Vorwürfen gegen PalästinenserInnen, die Kritik wagten, und in Warnungen vor dem Verlust von Arbeitsstellen besonders im öffentlichen Dienst. All dies führte zu einer symbolischen Gewalt, die eine Kultur der Verneinung rund um die palästinensische Identität und Gewalterfahrung schafft und PalästinenserInnen in ihrem Aktions- und Artikulationsradius einschränkt. Zur Zeit der Gaza-Offensive von 2014 bekamen sie diese symbolische Gewalt besonders heftig zu spüren: Sie erlebten die schon immer vorhandene Erfahrung der Negierung ihrer Sichtbarkeit und die Abwesenheit von Empathie in Bezug auf die palästinensische Gewalterfahrung noch intensiver.

5.2.1

Das Lebensgefühl von PalästinenserInnen der zweiten Generation während der Gaza-Offensive 2014

Kurz nach Beginn des Angriffs auf Gaza 2014 fiel bei PalästinenserInnen der zweiten Generation in Berlin immer wieder die Metapher Gefängnis als Beschreibung des Zustands, wie sie sich in Deutschland fühlten. Sie fühlten sich wie im Gefängnis, könnten nicht atmen, hätten den Eindruck, unter ständiger Beobachtung, unter Rechtfertigungszwang und Antisemitismus-Generalverdacht zu stehen. Sie fühlten sich ausgerechnet in jener Gesellschaft, in der sie aufgewachsen waren, wie in einem Gefängnis. Diese Beklemmung hatten sie durch die wiederholte Erfahrung, sich verneinen zu müssen, wenn sie ein Teil der sie umgebenden Gesellschaft sein wollten (s. D. A. und ihr Jüdischsein), schon immer gespürt. In der Zeit der Angriffe auf Gaza 2014 hatte sich dieses Empfinden jedoch intensiviert. Dieses Lebensgefühl stand in engem Zusammenhang damit, wie die israelische Offensive medial inszeniert und diskursiv gedeutet wurde. Das beengte Gefühl des Gefängniszustands ging aber auch aus dem Umstand hervor, dass sie sich – wie bereits ihre Eltern – allein durch ihr Palästinensischsein außerhalb der Norm bewegen. Mit der Transgression der moralisch-normativen Bestimmungen wandern sie nur durch ihr Palästinensischsein in den Bereich der Illoyalität und Illegitimität. Judith Butler begreift die Sprache der Moral (language of morality) als staatliches Instrument zur Beraubung der Bürgerrechte: Bürgerschaft bedeute Loyalität zu bestimmten Normen. Das Gefängnis repräsentiere die Suspension des Rechts auf Bürgerschaft. Es reguliere, wer sich im öffentlichen Raum bewegen, versammeln und sprechen dürfe (Butler, 14.05.2014). In unserem Fall grenzt der Antisemitismus-Vorwurf als moralische Norm die Akteure aus und enthebt sie ihres Status der Bürgerschaft. Ihr Lebensgefühl (das Gefängnis) widerspiegelt somit diesen (nichtphysischen bzw. unsichtbaren) Transfer aus der Legitimität der Bürgerschaft hinaus. Was PalästinenserInnen hier symbolisch widerfährt, widerfährt PalästinenserInnen in Israel physisch: Letztere verlieren ihre israelische Staatsbür-

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gerschaft, wenn sie sich (in der Wahrnehmung des Staats) illoyal zum Staat verhalten.16 Wir können von einer physischen Gewalt in Palästina/Israel, die auf den Körper, und von einer symbolischen, diskursiv-normativen Gewalt in Deutschland, die auf den Geist einwirkt, sprechen.17 Immer wieder artikulierten PalästinenserInnen der zweiten Generation – einschließlich jene, die keine Familie mehr in Palästina/Israel hatten –, sie fühlten sich, als seien sie dort: LehrerInnen, ArbeitgeberInnen und BeamtInnen erschienen in ihren Lebensgeschichten immer wieder als maßregelnde Repräsentanten staatlicher Norm und Moral. Die Grenzen zwischen hier und dort, Deutschland und Palästina/Israel, verschwammen bei ihnen durch den gefühlten Gefängniszustand zusehends und wurden affektiv aufgelöst. Doch die sich intensivierende symbolische Gewalt zur Zeit der Gaza-Offensive 2014 bewirkte nicht nur eine zunehmende Entfremdung von Angehörigen der zweiten Generation von der Gesellschaft, in der sie lebten. Mit dieser israelischen Bodenoffensive war auch ein Paradigmenwechsel sowohl in Bezug auf das eigene Verhalten als auch in Bezug auf das Verhältnis zur deutschen Gesellschaft verbunden: Unterwerfung unter die hegemoniale Norm wich dem bewussten Herausfordern und Hinterfragen der Normen der Umgebung. Statt dass sie sich wie ehedem selbst rechtfertigten, verlangten sie von der Gesellschaft, in der sie lebten, sich zu rechtfertigen: S. E.: Du hast vorhin Zensur und Selbstzensur erwähnt. In den Situationen, in denen du dich selbst zensiert hast, war das die Angst, nicht ernst genommen zu werden? E. D.: Nee, das war eher die Angst vor ner Stigmatisierung […] oder manchmal auch die Angst davor, ne Konfrontation heraufzubeschwören mit ner Person, mit der man eigentlich ja klar kommt. […] Deswegen vermeide ich oft gewisse […] Themen oder ich beschränke mich auf das, wovon ich glaube, dass man sich da einig wird […] ich will, will nicht glauben, dass die Person wirklich diese Position vertritt, also ich will sie nicht verlieren […] da ist so […] der kleinste Gedanke daran, dass diese Person vielleicht etwas rassistisch gemeint hat, so ne Katastrophe […] weil einem halt auch oft gesagt wird, das hast du jetzt aber falsch verstanden. Ich bin mir aber sicher, dass ich’s nicht falsch verstanden habe.

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Sie verlieren mit der Citizenship Law – Amendment No. 10 ihre Staatsbürgerschaft, wenn sie beispielsweise Israel nicht als explizit jüdischen Staat akzeptieren, gegen die Annexion ihres Landes oder für die Solidarität mit PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten protestieren (Adalah, 2011). Vgl. Refqa Abu-Remailehs Interview mit dem palästinensisch-israelischen Filmemacher Elia Suleiman. Suleiman unterscheidet darin zwischen einer »overt occupation« in Gaza und im Westjordanland und einer »psychological occupation« in den palästinensischen Ortschaften innerhalb Israels. Die psychologische Besatzung sei schwieriger zu repräsentieren als die sichtbare Besatzung, da sie sich in Geist und Körper eingeschrieben habe (Abu-Remaileh, 2008, S. 2).

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S. E.: Das ist diese Definitionsmacht, die einem abgesprochen wird, die du erwähnt hast? E. D.: Ja genau […] wenn jemand mit Rassismus konfrontiert wird, gibt es ja eher dieses Defensive, und eher selten, dass Oh, O. K., ich denk nochmals drüber nach oder sowas, das ist ja selten konstruktiv […] ich will nicht so sein, das macht mich zu ner Person, die ich nicht sein will. S. E.: Was willst du nicht sein? E. D.: So was wie reglementierend. Sowas Reglementierendes hat es: Das war jetzt nicht richtig. Das war jetzt verletzend. Das war jetzt stigmatisierend. […] ich will im Gespräch bleiben irgendwie. […] S. E.: Und bei […] jetzt Deutschen, wie ist es da mit diesem Wunsch nach Positionierung? E. D: Doch ich glaube, der Wunsch ist immer mehr da. Aber was ich auch mache, ich gehe offener damit um. […] ich hab das Gefühl, dass dieses dieses GazaMassaker, das hat in vielen, vielen Leuten, die ich kenne in meiner Umgebung, irgendwas verändert […] ich hatte so oft diesen Sommer das Gespräch, ja jetzt reicht es uns, mir ist jetzt alles egal, ich sag das jetzt, ich sag es öffentlich […] ich gehe mit meinem Gesicht dahin, geb en Interview […]. […] mein Bruder […] wird gar nicht mehr zurückkommen nach Deutschland, der ist in […] und da ist die politische und auch die akademische Landschaft ein bisschen anders, aber hier, meine Schwester und ich überlegen uns so oft, können wir das jetzt öffentlich sagen? Ich meine, dir wird ja konkret gesagt, du kriegst das Stipendium nicht, wenn du dich so und so positioniert hast, so, das ist ja diffuser […] […] danach ist […] bei meiner Schwester und mir so ne, äh, Einstellung eingekehrt, dass wir […] nicht weitere Konfrontationen wollen, und diesen Sommer haben wir alle so drauf geschissen [lächelt verschmitzt], also, öhm, Freundinnen sind im Fernsehen aufgetreten, haben Interviews gegeben, ähm, Artikel veröffentlicht, ähm, auch in der linken Szene, die ja sehr prozionistisch geprägt ist, viele äh, ja Anti-Deutsche. Da hab ich mich auch lange gescheut. Aber das ist jetzt auch egal […], weil so fühl ich mich besser. Es ist egal im Sinne von O. K., ich fordere die Leute heraus. […] ich guck einfach, was passiert. Und ich bin […] mehr auf die Gespräche gespannt […], bin gespannt, was die Leute da sagen, wenn sie israelische Massaker verteidigen. Wie wollen sie das denn noch in ein linkes Gewand packen? Das will ich mir gerne mal anhören. (Interview E. D., 2014, 5) E. D. erzählte, vor dem »Gaza-Massaker« habe sie sich bedeckt gehalten, was die palästinensische Sichtbarkeit betreffe, um sich vor Verletzungen zu schützen: Sie habe sich im privaten und öffentlichen Raum aus Angst vor Stigmatisierung, rassistischen Positionen und Angst um ihre berufliche Laufbahn jeweils zensiert oder sei bei politischen Aktionen nicht mit ihrem wirklichen Namen in Erscheinung getreten. Denn die Nichtsanktionierung der staatlichen Gewalt Israels (sie erzählt

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von ihrer eigenen Abschiebung aus Israel im Rahmen eines Praktikums), aber auch Positionen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis seien manchmal zu verletzend gewesen, als dass man sich solcher Konfrontationen noch mehr habe aussetzen wollen. Ihre Selbstzensur bezeichnete sie als schizophren. Vermutlich nicht zuletzt, weil mit der ständigen Konfrontation, wie sie es besonders in Bezug auf den Freundes- und Bekanntenkreis beschrieb, ein »permanentes survival«, eine »Selbstbehauptung« einherging, gegen diese Positionen anzukämpfen. Nach dem »Gaza-Massaker« hingegen habe sie die »Schizophrenie« jener Selbstzensur nicht mehr ausgehalten und sich sichtbar gemacht, habe »mit ihrem Gesicht« Interviews gegeben und »in ihrem Namen« Artikel geschrieben.

5.2.2

Kampf um Selbstbestimmung

Viele Angehörigen der zweiten Generation erzählten mir, die Gaza-Offensive habe sie verändert. Gaza markiert das Ende der Identifikation mit den hegemonialen Diskursen und der moralischen Selbstsicht der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind. Sie hatten sich bis dahin vor allem nicht nur gefühlt, als ob sie im Gefängnis seien, sondern sich auch so verhalten, d.h. vorwiegend nicht gehandelt. Mit Gaza emanzipierten sie sich von Schuld und Scham – Formen der Selbstverneinung, die insbesondere die erste Generation, aber auch sie selbst prägten – und wandten sich hin zu Formen der Selbstermächtigung. Mit Frantz Fanon können wir hier von einem Kampf um Dekolonisierung sprechen. Mit dem Unterschied, dass es sich hier um eine Dekolonisierung des Geistes handelt. Fanon war einer der wenigen Denker, der sich mit dem Prozess der Dekolonisierung befasste. Das Originäre an seinem Ansatz ist gemäß Achille Mbembe, dass er für seine Theorie die Terminologie von Besitzverhältnissen verwendete: Den Kampf um Dekolonisierung betrachtete er als einen Kampf für die Etablierung von Selbstbestimmung (self-ownership) über sich selbst bzw. für die Wiederbemächtigung dessen, was einem gehörte (re-owning) (Mbembe, A., 15.11.2010). Dieser Versuch, sich selbst wieder in Besitz zu nehmen, soll hier als Aushandlung zwischen der Identifikation mit und Emanzipation von Diskursen betrachtet werden. Die (Wieder-)Herstellung von Selbstbemächtigung bzw. Selbstbestimmung kann in unserem Kontext durch drei Praktiken charakterisiert werden: Bewusstwerdung – hierzu gehört die Wiederaneignung der eigenen Familiengeschichte sowie des eigenen kollektiven Gedächtnisses –, die Wiederaneignung potenter Wut und Sichtbarkeit.

5.2.2.1

Bewusstwerdung

Bewusstwerdung erfolgte durch die Emanzipation von der staatlichen Deutungsmacht über jene Gewalt, die einen wesentlichen Teil der Familiengeschichte prägte, und durch die Aneignung einer anderen Deutung dieser Gewalt. Wichtige Gründe für diesen Prozess waren die unverhältnismäßige physische Gewalt in Gaza und die

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Intensivierung der diskursiv-normativen Gewalt in Deutschland. Hinzu kamen aber auch die Herausforderung des staatlichen Meinungsmonopols und der Meistererzählung israelischer Selbstverteidigung durch alternative Narrative in sozialen Medien sowie die große Diskrepanz zwischen den Leitmedien und letzteren. Der Tod der siebenköpfigen Familie Kilani – einer deutschen palästinensischen Familie, die sich zur Zeit der Offensive in Gaza aufhielt – sowie die Reaktion der deutschen Regierung auf ihre Tötung erregte unter PalästinenserInnen der zweiten Generation großes Aufsehen. Beim Tod der Familie Kilani kam es zu keiner offiziellen Trauerbekundung und Verurteilung des militärischen Angriffs, bei dem sie starb, seitens der Bundesregierung, während nur ein paar Monate später bei der Ermordung der KünstlerInnen und JournalistInnen des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo in Paris die Bundeskanzlerin öffentlich ihr Beileid aussprach. Der Ausschluss der ermordeten Familie Kilani von der öffentlichen, kollektiven Trauer repräsentierte in den Augen von Angehörigen der zweiten Generation die offizielle Haltung der Regierung, eine Haltung, der es an Rechtsbewusstsein und Empathie mangelte und die angesichts so vieler ziviler Todesopfer irritierte. Während PalästinenserInnen der zweiten Generation vor der Militäroffensive das Fehlen von Empathie der Umgebung noch mit Unwissenheit entschuldigt hatten, kamen während Gaza 2014 viele zum Schluss, dass die Abwesenheit von Empathie keine Frage der Unwissenheit, sondern von Rassismus sei. Sie erkannten sich damit in der jüdischen Erfahrung wieder. Eine wichtige Rolle bei der Neudeutung der symbolischen Gewalt, die sie erlebten und die die Generation ihrer Eltern erlebt hatte, spielte die Deutungsgemeinschaft, eine Art imagined community (Anderson, 1983), die sich in den sozialen Medien gebildet hatte. Die Ablösung der staatlichen Deutungshoheit durch das alternative, marginalisierte Wissen in den sozialen Medien in Bezug auf das Geschehen in Gaza führte dazu, dass PalästinenserInnen der zweiten Generation sich aus der Identifikation mit dem moralischen Selbstbild der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen waren und lebten, lösten. Was sie nun als Rassismus deuteten, war für sie früher die Normativität und Moral ihrer Gesellschaft gewesen, der sie sich beugen mussten, wenn sie Teil von ihr sein wollten. In den sozialen Medien bildete sich eine geteilte Öffentlichkeit, in der PalästinenserInnen – im Gegensatz zu ihrer Situation in der nichtvirtuellen Gesellschaft – einen eigenen Aktionsradius entwickeln konnten. Auch konnten sie die deutschen Landesgrenzen transgredieren und sich in den Deutungsmustern und Narrativen einer transnationalen Öffentlichkeit wiedererkennen. Dies verschob ihre Erfahrung von außerhalb der Wahrheit in den Bereich der Wahrheit bzw. den Raum des Sagbaren hinein. In den sozialen Medien wirkten sie mit an einem Diskurs, der die in Gaza geschehende Gewalt im Bereich rassifizierender Gewalt (Apartheid, ethnische Säuberung) verortete und den Konfliktdiskurs ersetzte. Die Darstellung eines palästinensischen Bedrohungsszenarios unter der gleichzeitigen Ausblendung der syste-

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mischen israelischen Gewalt in den Leitmedien bewirkte in den sozialen Medien bei dieser transnationalen Öffentlichkeit beispielsweise einen Gegendiskurs um die israelische Administrativhaft18 . Damit sollte die Lebenswelt der unter Militärrecht lebenden PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten veranschaulicht werden, eine Tatsache, die in den Leitmedien nicht zur Sprache kam, während drei von einem Unbekannten getötete Jugendliche für die Legitimation einer Militäroffensive genügten. Gaza 2014 markierte nicht nur einen Paradigmenwechsel im Hinblick auf die Deutung der Situation in Gaza, sondern auch im Hinblick auf das eigene Leben in Deutschland. Als rassistisch nahmen Angehörige der zweiten Generation damit auch die selbst erlebte Erfahrung der Nichtanerkennung der palästinensischen Geschichte in der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen waren, wahr. Dies äußerte sich beispielsweise in der Bewusstwerdung verdrängter Diskriminierungserfahrungen, die sie davor zwar gemacht, aber nicht als solche artikuliert und somit ausgeblendet hatten, sowie der Tatsache, wie sehr sie selbst davor in den hegemonialen Diskursen gefangen waren. Auf diese Weise kamen sie dazu, sich als Betroffene derselben Gewalt wie die PalästinenserInnen in Gaza zu fühlen. E. D. erzählte nach Gaza (s. Zitat oben), sie habe früher den gegen sie als Palästinenserin gerichteten Rassismus in der linken Szene (»Hamas-Braut«), in der sie sich bewegte, immer wieder entschuldigt. Die Gründe waren zum einen, weil sie Rassismus als viel wirkmächtiger und schwerer zu entlarven bzw. anzuklagen erlebe als Sexismus, zum anderen, weil ihr die Definitionsmacht über als rassistisch erlebte Gewalt immer wieder abgesprochen worden sei. Sie nannte als Beispiel ein Ereignis aus der Zeit vor Gaza. Sie sei an einer Bar als »palästinensische Terroristin« angemacht worden, habe sich aber nicht beschwert, was sie bei einer sexistischen Anmache getan hätte. S. E.: Du hast vorher Gesprächssituationen erwähnt, in denen die Frage nach der Positionierung auftauchte und diese Verknüpfung von Palästinensischsein und Terrorismus. Ich glaube, du hattest das zusammen erwähnt. Wie sieht denn so eine Gesprächssituation aus? E. D.: Ich glaube, die meisten Sachen werden mir nicht ins Gesicht gesagt. Beispielsweise hat mir eine ehemalige Mitbewohnerin erzählt, dass sie erzählt hat, dass wir jetzt zusammenleben, und sie darauf angesprochen wurde, wie es ist, mit einer Hamas-Braut zusammenzuleben. […] ich kenn auch die Person, die das gesagt hat. Ähm, die würde mir das wahrscheinlich niemals ins Gesicht sagen, 18

Die Administrativhaft ist eine zeitlich unbestimmte Inhaftierung ohne gerichtliche Anklage, die oft in Monate und Jahre administrativer Untersuchungshaft mit Folterungen mündet und insbesondere Kinder aufgrund von kleinen Delikten wie das Steinewerfen gegen Soldaten trifft, aber auch politisch aktive PalästinenserInnen (www.addameer.org/israeli_military_judicial_system/administrative_detention).

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weil in der linken Szene so ein gewisser Sprachkodex, äh, vorherrscht, der […] so en anti-rassistisches Protokoll vorgibt. […] Also eine Situation, wo sich auch ne interessante Diskussion angeschlossen hat. Da wurd ich auf so ner Party angesprochen. Das war so ne komische, äh, Flirtsituation […]. Die Person meinte dann: Ah ja, ich glaub, ich hab schon von dir gehört. Also, äh, ich weiß nicht mehr, wie dieser Satz ging, […] auf jeden Fall kam darin das Wort Terrorismus, palästinensische Terroristin vor oder so was, also so als Scherz gemeint[…]. Also dann hab ich das Gespräch abgebrochen und später jemandem erzählt, und ähm, die Person meinte, ja warum hast du dich nicht bei der Theke gemeldet? So Leute werden doch dann rausgeworfen […] wie bei sexistischen Sprüchen auch. Und da … ist mir klar geworden: krass, dass ich mir das nicht hätte vorstellen können, dass das wirklich passiert. Dass […] Rassismus zwar wirkmächtiger ist als Sexismus, das sag ich als Frau und nicht-weiße Nicht-Deutsche aber … das beispielsweise in der linken Szene in Berlin nicht so wahrgenommen wird. […]. Andere Gesprächssituationen und jetzt aktuell natürlich immer die Frage, wenn man sich für Palästina positioniert: Distanzierst du dich denn von der Hamas? Und das … vielleicht sind die Leute einfach nur blöd, vielleicht lesen die nie Zeitung […] ich glaube, dass sie einfach nur nicht in der Lage sind zu verstehen, dass es eine Diversität gibt, dass die palästinensische Gesellschaft divers ist … und darüber hinaus, als Hamas beispielsweise diese durchaus guten Bedingungen gestellt hat für einen Waffenstillstand […], ganz pragmatische Herangehensweise und Bedingungen, […], die alle gut finden, alle politischen Fraktionen, Zivilbevölkerung, NGOs […] da hab ich mich aber auch selbst zensiert, weil … du … da nicht mehr rauskommst, das ist so ein Fleck. Du hast irgendwie die Hamas gutgeheißen oder so was. S. E.: Was meinst du damit? E. D.: […] in einem Gespräch, in dem es darum ginge, könnte man nicht mehr überwinden […]. Man würde vielleicht nicht mehr ernst genommen werden als politische Gesprächspartnerin, weil man so en […] Tabu, also Hamas ist untouchable so. Die sind so aus der politischen Sphäre raus als politische Gesprächspartner, dass man das nicht mehr erlauben würde. Und ich bin mir wirklich relativ sicher, dass es nichts mit der politischen Positionierung zu tun hat. Vor der Hamas gab es die PLO, die genauso stigmatisiert wurde. Ich glaube, es geht einfach darum, diese eine Partei … stellvertretend für die Palästinenser zu stigmatisieren. (Interview E. D., 2014, 6) Auch eine Gesprächssituation als Beispiel für den Umstand, wie schnell man sich aus der sozialen Norm bewegt, wenn man nicht die »richtige« Position vertritt (was im Kontext von Gaza 2014 bedeutet, die Hamas zu verteidigen), ordnete E. D. in den Kontext rassistischer Erfahrung ein, da es nicht um die Hamas gehe, sondern jede palästinensische Führung bzw. alle politischen Repräsentanten der Palästi-

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nenserInnen vor der Hamas stellvertretend für die PalästinenserInnen dämonisiert worden seien. Mit der Neudeutung der erfahrenen Gewalt als Rassismus ging für viele die schmerzliche Bewusstwerdung des Schicksals der Eltern einher. Auch wuchs das Misstrauen gegenüber ihrer Umgebung. Das Wahrnehmen der Ausgrenzung korrespondierte mit der zunehmenden Vernetzung mit anderen Angehörigen der zweiten Generation. Mit der Bewusstwerdung der Gewalt erfolgte auch die eigene Rehabilitierung: Man konnte die Scham der Eltern überwinden und die Nähe von Akteuren mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund suchen, anstatt sie zu meiden, wie es die Eltern getan hatten. Die sozialen Medien waren ein wichtiges Instrument für die Vernetzung im realen Leben, aber sie waren nicht ihr Antrieb. Man suchte einander auf nationaler (und transnationaler) Ebene, weil man sich mehr und mehr selbst als PalästinenserIn zu identifizieren begann.

5.2.2.2

Wut

  Welcome to Germany   Yesterday night, 11:30 pm in the S-Bahn, a german hippie guy approaching me (very tired, almost sleeping) from my back and asking very politely, smiling: »Excuse me, can I know from where you come from?« Me: »Why?« Him: »Because you have such amazing eyes, and my girlfriend and me already discussed and I said that you are ›Hebräerin‹ (Hebrew)« (!) Me: »Ahm, you couldn’t even see me, you were behind me all the time. But I am from Berlin, born and grew up here.« Him: (obviously not satisfied with the question) »ya but your parents too?« Me: (nodding – not feeling to justify to a German public that I don’t have blond hair) Him: (still not satisfied) Me: »Okay, if you want to know the details, it’s from Palestine!« (The entire train turns around to look at me.) Him: »What, sorry?« Me: »PALÄSTINA« Him: (satisfied now): »Ah okay, thank you. Have a nice evening.« B. B. auf Facebook, am 10.01.2015 Durch die Entidealisierung des hegemonialen Selbstverständnisses und die Emanzipation von ihm kam es zur Entdeckung einer Wut, die ohne die Kontamination mit Ohnmacht an Macht und Kraft nichts einbüßte, ungemindert lief und einen nicht ins Abseits trieb, sich nicht nach innen oder gegen die Welt richtete. Damit

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eigneten sich die Angehörigen der zweiten Generation wieder eine potente Wut an, die ihre Eltern nicht mehr zu besitzen gewagt hatten, weil sie aufgrund ihrer Kriminalisierung die Erfahrung der Enteignung ihrer Wut gemacht hatten. Natürlich war diesen Wut geblieben, aber es war eine ohnmächtige Wut, selbstzerstörerisch und nach innen gerichtet, verschluckt von Schuld und Scham. Die Internalisierung der Kriminalisierung ihrer palästinensischen Männlichkeit hatte die Angst vor der eigenen, potenten Wut zur Folge. Während die Palästinenser der ersten Generation damit beschäftigt gewesen waren, ihre Unschuld unter Beweis zu stellen, entstand bei den PalästinenserInnen der zweiten Generation eine Wut auf die Initianten und Akteure jener mission civilisatrice, der sich die Palästinenser der ersten Generation unterordneten. Während ihre Eltern sich als ohnmächtig begriffen, nicht zuletzt weil sie sich mit der Projektion identifizierten, keine Rechte zu haben, wurden die Kinder zu handlungsmächtigen Subjekten. PalästinenserInnen der zweiten Generation verhielten sich nicht mehr, als könnten sie sich (da im »Gefängnis«) nicht bewegen. Die Wut führte zu Handlungsmacht. Viele kümmerten sich nicht mehr darum, ob sie ihren Ruf oder ihren Beruf riskierten. Es formierten sich Aktionsgruppen mit konkreten Zielen. Das Hauptziel der Berliner Palestine Action Group mit dem vielsagenden Namen Reclaiming Palestine war beispielsweise, den öffentlichen Diskurs in Deutschland zu ändern und mehr Diversität und freie Rede in die Medienlandschaft zu tragen: Our common starting vision: changing the discourse of Palestine and Palestinians received in Germany. (N. N., E-Mail vom 26.09.2014) Die Palestine Action Group kam vor allem über persönliche Kontakte im nichtvirtuellen Raum zustande und zog PalästinenserInnen mit unterschiedlichstem Hintergrund an, zumal in Berlin palästinensische Kunst- und Kulturschaffende aus der ganzen Welt, einschließlich aus Israel und den besetzten Gebieten, wohnhaft sind und damit die Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft durch die kontinuierliche Vertreibung zumindest lokal aufgehoben ist. Verschiedene Untergruppen wurden gebildet, die in den Bereichen Bildung, Medien und Kultur auf das erwähnte Ziel hinarbeiten sollten. Die Akteure wollten versuchen, ihre Erfahrung, aber auch ihre Forderungen nach Sichtbarkeit des palästinensischen Narrativs und Gleichberechtigung in den gesellschaftlichen Raum hineinzutragen. Mit dem Rassismusdiskurs kehrten die Angehörigen der zweiten Generation zum Diskurs von Kolonialismus und Apartheid ihrer Eltern aus der Zeit vor deren Bruch und Rückzug aus dem öffentlichen Raum sowie vor dem Erstarken des Konfliktnarrativs zurück. Mit der Rückkehr zur »alten« Deutung der Gewalt nahmen sie mit Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung ähnliche Praktiken der politischen Arbeit auf, wie sie die Eltern damals betrieben hatten, mit demselben Ziel, den Diskurs zu ändern.

5 Kinder/Töchter

Doch die Akteure gingen selbst über das Begehren nach Anerkennung hinaus. Mit dem Rassismusdiskurs setzten sie an die Stelle dieses Begehrens Wut. Dabei wandten sie den Rassismusdiskurs nicht nur auf die hegemoniale Repräsentation der Gaza-Offensive oder die gesellschaftliche und politische Positionierung ihr gegenüber an, sondern auch auf die diskursive und institutionelle Unterdrückung ihrer eigenen Sichtbarkeit und Partizipation an der öffentlichen Debatte in Deutschland. Akteure, welche vor Gaza 2014 nur innerlichen ṣumūd praktizierten und sich nach außen hin verneinten, gründeten nach Gaza 2014 – zusammen mit anderen – eine Aktionsgruppe, die sich einem »antikolonialistischen Kampf«, dem »Kampf um Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit«, verschrieb. Als Grundlage der Gruppe wurden die palästinensische Identität und das gemeinsame Verständnis von ihr als einer Identität des Widerstands beschworen. Der Aufruf zur Vernetzung geschah explizit mit Bezug auf die diskursive Gewalt während Gaza 2014 in Deutschland. In der E-Mail zum Vernetzungstreffen vom 10.12.2014 steht: Spätestens seit diesem Sommer, seit dem schrecklichen Massaker der israelischen Armee im Gaza-Streifen ist deutlich geworden, dass wir uns als Palästinenser_innen in Berlin bzw. Deutschland besser vernetzen müssen. Diese Initiative soll es ermöglichen, uns Palästinenser_innen in einem progressiven und säkulären Rahmen zu organisieren, und uns so einen Ort verschaffen, von dem aus wir den Rest unserer Community erreichen können. Dieser Rahmen soll uns helfen, ein gewisses Gewicht darzustellen, und so in unsere Community intervenieren zu können. Was genau meinen wir mit diesem Rahmen? Was uns alle eint ist die palästinensische Identität, die wir als Identität des Widerstands verstehen. Und so wollen wir dieses Verständnis dafür nutzen, aus der Defensive, in der wir uns gerade in Berlin/Deutschland befinden, heraus zu kommen. Wir wollen das, wofür Palästina steht, wieder in den Vordergrund stellen: der Kampf um Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit. Mit gegenseitiger Bildung wollen wir Risse in der Hegemonie verursachen, denn wir wissen alle nur allzu gut, dass die bedingungslose Unterstützung Israels deutsche Staatsräson ist, und wir Palästinenser_innen daher als Projektionsfläche für Diffamierungen und Ausgrenzung benutzt werden. Der ständigen Sorge, als antisemitisch beschimpft zu werden, wollen wir offensiv entgegentreten: in unserem gerechten und antikolonialistischen Kampf gibt es keinen Platz für jeglichen Rassismus! Unhinterfragbar sind für uns unser Widerstandsrecht, Selbstbestimmungsrecht und das Rückkehrrecht. BDS (Boykott, Desinvestment und Sanktionen gegen Israel) ist Teil unseres Kampfes. (N. N., 10.12.2014) Die ErzählerInnen erwähnten die Gewalt in Gaza sowie die ihnen widerfahrene Gewalt der Projektion eines neuen Antisemitismus und ihrer ständigen Kriminalisierung in Deutschland in einem Atemzug und positionierten sich damit als Betroffene derselben rassifizierenden Gewalt wie PalästinenserInnen in Palästina/Israel. Sie kämpften damit auch denselben Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit.

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Die Überwindung ihrer defensiven Position in Deutschland zugunsten eines Willens, »Risse in der Hegemonie« zu verursachen, ist Teil des antikolonialistischen Kampfs. Als in Deutschland Geborene und Aufgewachsene beanspruchten sie mit einer neuen Selbstverständlichkeit (Menschen-)Rechte auch für sich. All dies kulminierte im Bekenntnis zu den Forderungen der BDS-Bewegung. Damit wagten sich PalästinenserInnen der zweiten Generation, die vor Gaza 2014 BDS zwar unterstützten, aber nicht öffentlich damit in Verbindung gebracht werden wollten, an einen Kampf, der den großen Anderen zur Rechenschaft ziehen will und der – obgleich nicht gewaltsam und aus den Reihen der palästinensischen Zivilgesellschaft heraus formuliert – nicht einmal als legitimer Bestandteil einer öffentlichen Debatte betrachtet wird. Stattdessen erfolgen diskursive Kriminalisierung und politische Sanktionen (in Form von Subventionierungskürzungen) gegen öffentliche Kulturinstitutionen, die einen Raum für die Diskussion von BDS anbieten (Wetzel, 06.12.2017). Auch verfassten die Akteure Posts und Artikel, welche die bedingungslose Solidarität Deutschlands mit Israel, Empathielosigkeit und Ignoranz angesichts der unmenschlichen Gewalt Israels während Gaza 2014, aber auch Antisemitismusvorwürfe bei Kritik dieser staatlichen Gewalt als Rassismus anprangerten und in die jüdische Erfahrung in Deutschland einordneten. Sie slammten im öffentlichen Raum für Menschlichkeit, dokumentierten Übergriffe gegen PalästinenserInnen, die im Kontext von und mit Bezug auf Gaza 2014 ihre Meinung äußerten, um sie als rassistisch zu brandmarken, und gründeten media watch dogs, die die Medienlandschaft auf rassistische Äußerungen und Verzerrungen der Geschehnisse in Gaza beobachten sollten. Während Palästinenser der ersten Generation annahmen, ihre Umgebung sei unwissend, und daher vor allem auf Öffentlichkeitsarbeit als Form politischer Arbeit gesetzt hatten, erwuchs bei der zweiten Generation mit der Deutung der Nichtanerkennung der palästinensischen Erfahrung als Form von Rassismus eine Form von agency, welche die Machtverhältnisse umkehrt: Wir sehen bei ihnen nicht mehr das Begehren nach dem großen Anderen bzw. den Wunsch ihm zu gefallen; Objekt des Begehrens sind nunmehr sie selbst bzw. die eigene Mächtigkeit, wie auch der Wunsch (s. E-Mail zum Vernetzungstreffen oben) zeigt, Risse in jener Hegemonie verursachen zu wollen, welche die bedingungslose Unterstützung Israels zur Staatsräson19 erhebt.

5.2.2.3

Sichtbarkeit

Mit der unverhältnismäßigen Gewalt der israelischen Gaza-Offensive von 2014 und deren Rechtfertigung in der deutschen Gesellschaft, der Neubewertung der 19

Staatsräson ist ein Staats-Interesse, ohne jegliche juristische Implikation. Es findet keine kritische, auch juristische Auseinandersetzung mit dem Begriff und seinen tatsächlichen Folgen statt.

5 Kinder/Töchter

in Deutschland erlebten diskursiv-normativen Gewalt als Rassismus, der Emanzipation von den herrschenden Diskursen und dem Ausbruch der Wut ging auch die bewusste Sichtbarmachung des Palästinensischseins einher. Angehörige der zweiten Generation, welche dieses zuvor versteckt, verdrängt und verneint hatten, innerlich ṣumūd vollzogen, während sie in der Öffentlichkeit unter falschem Namen politische Arbeit betrieben hatten, »outeten« sich nun als PalästinenserInnen, wollten der Unsichtbarkeit entgegenwirken, gründeten Aktionsgruppen mit selbstbewussten Namen wie Reclaiming Palestine, machten Filme und Lieder zu und über Palästina, arbeiteten ihre Familiengeschichte auf und neigten manchmal dazu, sich nur noch über ihr Palästinensischsein zu definieren. P. Q. beispielsweise hatte vor Gaza 2014 keinen Film zu Palästina gedreht. Ihr Film Schildkrötenwut von 2012 war vor allen Dingen ein Film über ihren Vater bzw. über die Beziehung zu ihrem Vater. Erst in der weiteren Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte durch den Film und nach Gaza 2014 wurde er für sie zu einem palästinensischen Film. Sie beschäftigte sich sowohl durch den Film und die damit verbundene Auseinandersetzung mit ihrem Vater als auch durch die intensive Erfahrung diskursiv-normativer Gewalt zur Zeit von Gaza 2014 in Deutschland vermehrt mit Palästina. Ihre palästinensische Identität hatte sie davor eher verdrängt. Gleichzeitig entwickelte sie einen neuen Stolz auf ihren Vater, den sie vorher, ihm entfremdet durch die »deutschen« Diskurse, wie auch dessen Traum von der Rückkehr nach Palästina entwertet hatte. Nach Gaza 2014 deutete sie Schildkrötenwut nicht nur vom autobiografischen Film zum palästinensischen Film, sondern auch zum Widerstandsfilm um. Sie habe sich verändert seit Gaza, sie sei viel politischer, sagte sie immer wieder. Man werde im Hinblick auf sein Handeln jetzt so auf die Probe gestellt. Sie erzählte, sie fühlte sich zur Zeit von und nach Gaza persönlich betroffen, obwohl sie nur eine Tante dort habe, und wolle Gaza filmisch ein Denkmal setzen, damit es nicht in Vergessenheit gerate. Sie wolle den Film als Roadmovie einer (Rückkehr-)Reise nach Gaza inszenieren und das Motiv der Hochzeit als Metapher für das Feiern von Liebe und Leben inmitten von Zerstörung und Trümmern verwenden. Jeder Film, in dem PalästinenserInnen auf irgendeine Weise vorkämen, sei aufgrund der Unsichtbarmachung palästinensischer Identität eine Widerstandsnarration. Viele PalästinenserInnen der zweiten Generation, die vor Gaza 2014 unbedingt zur Dominanzkultur gehören wollten, weil sie sich auch aufgrund ihres Phänotyps von ihr nicht als zugehörig gespiegelt fühlten, begannen nach Gaza 2014, nicht mehr ihre Zugehörigkeit zu Deutschland, sondern ihr Palästinensischsein zu betonen. Die neue Sichtbarmachung betraf aber nicht nur die palästinensische Identität, sondern auch die palästinensische Geschichte. Die Erfahrung der Unsichtbarmachung wurde auch im Hinblick auf die Familiengeschichte zum Gegenstand der Reflexion. PalästinenserInnen der zweiten Generation begannen, den traditionellen, deutschen Erinnerungsdiskurs herauszufordern und ihre Familiengeschichten

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in die europäische bzw. deutsche Geschichte einzubetten. Als 2015, ein knappes Jahr nach der Gaza-Offensive, die 50-jährigen deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen unter Rückgriff auf die deutsch-jüdische Erfahrung des Bösen zelebriert wurden, versuchte die Künstlerin P. Q., mit ihrer Installation let the books talk die palästinensische Erfahrung in diesem Erinnerungsdiskurs unterzubringen. Zur selben Zeit waren Ausstellungen der israelischen Menschenrechtsorganisation Breaking the Silence mit ehemaligen israelischen Soldaten, die von israelischen Menschenrechtsverletzungen während des Gazakriegs berichten wollten, in öffentlichen Institutionen mit Rückgriff auf die erwähnten 50-Jahr-Feiern zensiert worden. Die palästinensische Gewalterfahrung in Gaza wurde mit der Begründung ausgeklammert, die Ausstellung sei gerade in diesem Jahr der Feierlichkeiten unpassend (Frank, 14.06.2015). Die deutsche palästinensische Künstlerin fügte der Installation eines israelischen Künstlers, welche die deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen durch ins Deutsche übersetzte israelische Bücher zu veranschaulichen suchte, Bücher des klassischen palästinensischen Kanons bei. Sie forderte die Zuschauer zudem auf, der palästinensischen Geschichte von 1948 zu gedenken und auf den Boden unter die Installation Bücher palästinensischer AutorInnen zu legen. Sie spielte dabei auf die Geschichte der durch Israel konfiszierten palästinensischen Besitztümer, das sogenannte »abandoned« property der anwesend Abwesenden, an, unter denen sich 20 000 Bücher befanden. Die Bücher repräsentierten nicht nur den »verlassenen Besitz« (al-amwāl al-matrūka), sondern auch die Abwesenheit der palästinensischen Geschichte in einem Erinnerungsdiskurs, in den sie eigentlich hineingehören. Das Hinzulegen der palästinensischen Bücher sollte die konfiszierten bzw. abwesenden Bücher sichtbar machen. Die »Installationsintervention«, die aufgelöst werden musste, weil sie angeblich ein Sicherheitsrisiko für die Installation des israelischen Künstlers darstellte, versuchte mit der Abwesenheit des palästinensischen Narrativs eben dieses sichtbar zu machen und an die historische Verantwortung Deutschlands nicht nur gegenüber Israel, sondern auch gegenüber den PalästinenserInnen zu erinnern. Die Künstlerin sagt, sie habe den limitierten Erinnerungsdiskurs durchbrechen wollen. Kunst müsse Grenzen überschreiten. Ihre Intervention in die (politische!) Kunst eines anderen war für sie eine Grenze, die ihr von der Berliner Akademie der Künste gesetzt worden war. Die Akademie, die die Kunstprojekte gefördert und ausgestellt hatte, hatte anfangs ausdrücklich den Austausch zwischen den Künstlern begrüßt. Sie erzählt, in der Stellungnahme der Akademie sei sie als »kleine wütende Palästinenserin«, die »Aktivistenkunst« (keine richtige Kunst) mache, abgewertet und nicht ernst genommen worden. Mit der intensivierten Erfahrung der Unsichtbarkeit nach Gaza 2014 ging ein neues Selbstbewusstsein einher, eine Art Stolz aufs Palästinensischsein. Er stellte eine Form von Widerstand gegen die Unsichtbarkeit dar, indem Entwertung und Scham in ihm ihre Umkehrung fanden. Das sichtbare palästinensische Subjekt,

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das sich vor allem über eine Identität des Widerstands gegen Unterdrückung definiert, wird hier nicht nur durch Gewalt, sondern auch durch Befreiung von ebendieser Gewalt erschaffen. Gemäß Mbembe versteht Fanon den Prozess der Wiederbemächtigung seiner selbst (self-ownership) als Selbsterschaffung (self-creation) (Mbembe, A., 15.11.2010). Die neue Sichtbarkeit der Angehörigen der zweiten Generation wurde begleitet von einem universellen Diskurs über Rassismus. Sie machten Palästinensischsein sichtbar, indem sie die palästinensische Erfahrung der symbolischen Gewalt in Deutschland und der systemischen Gewalt in Palästina/Israel in die koloniale Erfahrung, in jene der Apartheid, in die jüdische Erfahrung in Europa sowie in die afroamerikanische Erfahrung des strukturellen Rassismus in den USA einordneten. In Demonstrationen gegen die israelische Gaza-Offensive 2014 solidarisierten sie sich mittels des prägnanten Slogans From Ferguson to Palestine mit den amerikanischen Protesten gegen rassistische Polizeigewalt, die nach der ungestraften Ermordung des Afroamerikaners Michael Brown durch einen weißen Polizisten am 9. August 2014 in Ferguson (Bundesstaat Missouri) in zahlreichen Städten der USA entflammten. Die Hervorhebung von Palästinensischsein sollte deshalb nicht als nationalistischer Akt betrachtet werden, sondern als ein humanistischer. Wir können beim neu entdeckten Palästinensischsein der zweiten Generation von einer transnationalen oder supranationalen Identität sprechen. Es orientiert sich zwar formal an einem nationalen Kollektiv und wird in der territorialen Fixierung auf PalästinenserInnen in Palästina/Israel sichtbar – im Sinne, dass man sich fühlt, als wäre man dort, sprich sich als jemand von ihnen begreift. Im Grunde aber hat es ein Projekt der (Selbst-)Humanisierung zum Ziel und ordnet sich durch die Solidarität mit der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen in den USA, der AntiapartheidBewegung in Südafrika und der jüdischen Erfahrung in Europa in eine transnationale subalterne Erfahrungsgemeinschaft ein. Dieses Palästinensischsein reflektiert die Selbstethnisierung trotz »Palestinian Pride« immer wieder kritisch und sieht seine Notwendigkeit im Kontext des Widerstands gegen Unterdrückung und des Prozesses der Subjektwerdung begründet. Wir können dieses Identitätsbewusstsein mit Gayatri Chakravorty Spivaks Terminus des strategischen Essentialismus (1988) fassen. Dieser Begriff bringt die Ambivalenz gegenüber dem essentialistischen Identitätsbegriff seitens subalterner Gesellschaftsgruppen zum Ausdruck, die jenem politischen Bewusstsein entspringt, welches genau diejenigen Bedingungen verändern will, welche zur Formierung subalterner Gruppen und Identitäten führen. Dadurch dass die Angehörigen der zweiten Generation sich als Betroffene einer Gewalt, die sie hier wie dort (in Palästina/Israel) als dieselbe wahrnahmen, positionierten und auf diese Weise die nationalen Grenzen überschritten, legitimierten sie sich auch, als PalästinenserInnen politisch aktiv zu werden. Palästina wurde so auch zu ihrem Kampf. Es war eine Legitimation, die sie benötigten, weil die Eltern

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ihnen diesen Kampf nicht erlaubten bzw. sie davon fernzuhalten suchten oder weil sie ihren Kindern entfremdet waren. R. E., deren Mutter Palästina verdrängte und sich lange weigerte, das Land mit ihrer Tochter zu besuchen, erzählte stolz von ihrer Wut und ihrem kulturellen Widerstand: Am liebsten »slamme« sie für unkritische Deutsche, die das hegemoniale Narrativ ohne zu hinterfragen adaptierten und beispielsweise dächten, die Gewalt gegen sie sei gerechtfertigt, weil PalästinenserInnen so »schlimm« seien. Sie hingegen wolle erreichen, dass man verstehe, wie sie fühle, und einen Reflexionsprozess in Gang setzen. In ihrem »Wir« gibt es keine Differenz zwischen der Betroffenheit von der Gewalt von Ignoranz und Narrativen der Rechtfertigung staatlicher israelischer Gewalt in Deutschland und von der Gewalt des Mauerbaus in Palästina/Israel. Manchmal bin ich richtig direkt, wenn ich richtig wütend bin, wie z.B. bei dem Text jetzt im Sommer letztes Jahr bei der letzten Gaza-Bodenoffensive, den hab ich ja extra geschrieben dafür. Wir wollten keine Demo machen, sondern das, was wir können: Kunst, Poetry-Slam. Wir stellen uns einfach auf die Bühne und wer zuhören will, bleibt stehen und hört zu. Das haben wir dann auch nochmal gemacht und zwar in mehreren Städten gleichzeitig. Wir haben ne Gruppe in Mainz, Frankfurt, in Hamburg haben wirs gemacht und in NRW und Berlin. Zur selben Zeit am selben Tag … […] da hab ich halt aus Wut gesprochen […]. Aber wenn ich jetzt überlegt schreibe, schreib ich auch aus Bauchgefühl, aber […] ich will ja die erreichen, die nicht israelkritisch sind, […] die sollen alleine von … von … von persönlichen Momenten, Schicksalsschlägen … nicht Mitleid haben, sondern die Wahrheit erfahren und … verstehen, mich verstehen, Palästinenser verstehen. Sie sollen Verständnis darüber erlangen, was wir fühlen, was wir erleben und was nicht O. K. ist … was nicht gerecht ist. Sie sollen merken, sagen, ja die Mauer muss […] fallen, sie hat recht, tja ja, der Siedlungsbau muss aufhören, sie hat recht, ja das kann doch nicht sein, was die erlebt haben als Flüchtlinge. […] alleine wenn sie darüber schon reflektieren, […] hab ich gewonnen. Und wenn sie danach der Meinung sind wie wie ich odeer … wenigstens einen kleinen Sinneswandel haben … […] wenn sie israelkritisch wären, obwohl sie vorher [… der Meinung sind, Anmerkung d. Verf.] Israel hat recht, ja, die Araber sind so schlimm […], Israel muss so ne harte Politik fahren, stimmt schon […]. Wenn sie das eher so sehen und dann halt auch noch […] Nationalsozialismus-Perspektive mit dem Antisemitismus usw. usf. Und […] wenn sie dann … Israelkritik ausüben würden und kritisch wären, dann hab ich halt schon gewonnen … weil […] das ist gerade hier in Deutschland … nicht einfach … also ich kämpf da schon gegen was Krasses an. (Interview R. E., 2015, 8) Damit traten PalästinenserInnen der zweiten Generation aus der (gefühlten) Unsichtbarkeit ihrer Eltern heraus und artikulierten sich und ihre Eltern als Betroffenengruppe, und zwar als Betroffene hier wie dort (in Palästina/Israel) derselben Gewalt: Rassismus. Die erste Generation war zu sehr in der Einsamkeit des Er-

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lebten, in der Isolation, Melancholie und Schuld/Scham sowie im Begehren nach Anerkennung des großen Anderen gefangen, als dass sie sich selbst als Betroffene von Gewalt hätte artikulieren können. Zudem hatte sie die Erfahrung gemacht, bestraft und nicht anerkannt zu werden, wenn sie sich als solche zu erkennen gab. Das Sichartikulieren als Betroffenengruppe, die Umdeutung der Gewalt durch das Vokabular von Apartheid und Siedlerkolonialismus und damit die Rückkehr zum Diskurs der 1960er-Jahre (vor dem Bruch ihrer Eltern), die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte sowie ihr Erzählen in Kunst und Wissenschaft etc. sind Teile eines humanistischen Projekts: Der Geist von Reclaiming Palestine (Name einer der Palestine Action Groups) ist daher nicht territorial zu verorten, als Rückeroberung des Landes, sondern mental, als Wieder-in-Besitz-Nehmen einer Landschaft des Geistes (Butler, 2001, S. 163), um mit den Worten Judith Butlers zu sprechen. Es handelt sich um eine Wiederaneignung des verlorenen, weil sozial verworfenen Selbst, aber auch verlorener Geschichte und Identität, Trauer und Wut. Dieses Projekt der Reterritorialisierung ist deshalb ein Projekt, in dem sich Persönliches, Psychisches, Politisches und Gesellschaftliches kreuzen.

5.2.3

Fazit

Die moralisch-normative Unterstützung Israels seitens der deutschen Regierung hatte parallel zur extremen Gewalteinwirkung in Gaza zugenommen und wurde aufgrund der großen Diskrepanz zwischen faktischem und diskursivem Ereignis von PalästinenserInnen der zweiten Generation als Rassismuserfahrung wahrgenommen. Sie litten an der Normativität, die sie als Bürger delegitimierte, wenn sie ihre Familiengeschichte in den gesellschaftlichen Raum tragen wollten, da sie das Fehlen von Empathie gegenüber ihnen moralisch festschrieb. Durch die Knüpfung des Bürgerstatus an moralisch-normative Bedingungen, die ihrer Gemeinschaft Menschlichkeit absprachen, entstand das Gefühl, keine Souveränität zu haben. Dadurch kam es zur Entfremdung von der Gesellschaft, in der sie leben. Eine Erzählerin beschrieb ihre Erfahrung eines öffentlichen Raums, in dem die Grenzen des Sagbaren unglaublich eng gesetzt sind: Die ganze Ohnmacht mache wütend, dass das Leid der PalästinenserInnen nicht anerkannt werde, dass man nicht darüber sprechen könne und dass, wenn man darüber spreche, man gleich in eine Ecke gedrängt werde, antisemitisch zu sein. Die Gespräche seien nach seltsamen Kriterien geordnet: Stets werde die Nichtanerkennung des Existenzrechts Israels antizipiert, was einen schnell disqualifiziere. Anstatt dass man über die wichtigen Dinge (z.B. Recht und Unrecht oder Gleichberechtigung) spreche. Über 2000 PalästinenserInnen stürben und man spreche von den Raketen der Hamas. Sie habe das Gefühl, sie lebe in einem Land, das nicht in denselben Maßstäben denke. Das führe dazu, dass sie sich hier fremd fühle. Sie könne nicht mehr vertrauen.

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Mit dem Gefühl der Ohnmacht und Beengung ging auch das Gefühl der Entfremdung und des Misstrauens einher. Der palästinensische Kulturtheoretiker Edward Said sprach in seinen Überlegungen über das Exil vom Misstrauen der Exilanten gegenüber einer Gesellschaft, der man sich nicht zugehörig fühlt und die man als feindselig wahrnimmt, und vom Gefühl des Verrats und der Illoyalität bei der leisesten Abweichung von denen, denen man angehört (Said, 2000). Das Misstrauen in die Gesellschaft, in der PalästinenserInnen der zweiten Generation leben, führt für sie in einen Zustand des Exils in der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind. Das Gefühl, sich nicht zu Hause zu fühlen, kann mit dem Freudschen Konzept der Unheimlichkeit (1963) des Vertrauten betrachtet werden. Das Vertraute wird ihnen un-heimlich, weil sie selbst – wie bereits ihre Eltern – als bedrohlich bzw. sozial Verworfenes gespiegelt werden. K. H. erzählte im Zusammenhang mit ihrer gefühlten Ohnmacht angesichts der Angriffe auf Gaza in einem Versprecher von ihrem »Misstrauern« gegen alle. Der Versprecher zeigt, wie sehr das Misstrauen aus dem nicht Betrauertwerden resultiert: »Miss« bedeutet in diesem Fall »nicht« trauern. Der gegebene Gesprächskontext – das Gefühl des Alleingelassenwerdens – zeigt den direkten Zusammenhang zum Nichtbetrauertwerden. Ihr Misstrauen ist die Folge von Ohnmacht durch das Fehlen von Empathie. E. D. wiederum erzählte, wie sie durch Rassismuserfahrungen, zugespitzt zur Zeit von Gaza 2014, von der Gesellschaft, in der sie lebt, entfremdet wurde. Sie schilderte, wie sie das Vertrauen in die Jurisprudenz und damit in den erlernten Beruf als Anwältin, aber auch in ihre politische Heimat, die Linke, die sich damals an die Regierung und deren Position annäherte, aufgrund von Gaza 2014 verlor. Obwohl sich die Erfahrung von Rassismus gegen sie als Nicht-Weiße mit nahöstlicher Markierung wie ein roter Faden durch ihre gesamte Lebensgeschichte zieht, sei ihr der spezifisch anti-palästinensische Rassismus jedoch erst als Erwachsene bewusst geworden, erzählte E. D. und sah ihn um die Topoi von Ausländerkriminalität und vom sogenannten neuen Antisemitismus konstruiert, der spezifisch auf MuslimInnen projiziert werde. Zur Zeit von Gaza 2014 erreichte dieser Rassismus selbst ihre letzte Heimat, die Linke, die ihr dadurch fremd wurde und mit der sie sich nicht mehr identifizieren konnte: Aber das war schon immer so en, en mulmiges und nicht ausgesprochenes Gefühl […] aber ich glaub, was jetzt so Rassismuserfahrung im Spezifischen wegen der palästinensischen Identität anbetrifft, das ist mir wirklich erst klar geworden, als ich erwachsen geworden bin […] der Diskurs um beispielsweise Kriminalität, sogenannte Ausländerkriminalität oder so, wird meines Erachtens äh, parallel verwendet zu diesem Diskurs um den sogenannten neuen Antisemitismus, ähm, das sollen ja so Leute wie ich jetzt sein, nicht mehr die Deutschen, zum Glück endlich mal jemand anders, ne andere Projektionsfläche […] und dann was mich natürlich diesen Sommer besonders beschäftigt hat, ist der Rassismus der deutschen Lin-

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ken, was das Thema anbetrifft. Und es wird so auch en bisschen der letzte Ort, an dem ich so en bisschen Fuß fassen konnte, ähm … mir weggenommen, so hab ich das Gefühl … (Interview E. D., 2014, 5) Misstrauen wurde allerdings auch intensiviert durch die Neubewertung des Fehlens von Empathie als Rassismus und durch die Emanzipation von den herrschenden Diskursen. Emanzipation vom hegemonialen Diskurs bedeutet darum nicht das Ende von Beengung und Entfremdung, im Gegenteil. Das Bewusstsein der Gewalt brachte Isolation (Freundschaften zerbrechen, Facebook-Kontakte wurden gelöscht) und Konfrontation mit sich. Da PalästinenserInnen der zweiten Generation plötzlich vermehrt mit ihrem Namen an die Öffentlichkeit gingen und sichtbarer wurden, wurden sie durch Unsichtbarmachung, Kriminalisierung und die Abwesenheit von Empathie auch intensiver mit diskursiver Gewalt konfrontiert. Unter dem Vorwurf der Einseitigkeit nahm man sie nicht ernst: Sie wurden als emotional und unobjektiv gespiegelt. Hinzu kamen frustrierende Erfahrungen ihres kleinen Aktionsradius. Teilweise erhielten sie die Möglichkeit, in Radio- und Rundfunkstationen zu sprechen, machten dort aber die Erfahrung der Verzerrung ihrer Aussagen, bis hin zur Zensur. Die Grenzen zwischen hier und dort verschwammen vor dem Hintergrund ihrer Ausgrenzung in Deutschland und der moralischen Immunität israelischer Menschenrechtsverletzungen gegenüber PalästinenserInnen in Palästina/Israel durch Deutschland immer mehr. Die Entfremdung von der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen waren, ging einher mit der Vernetzung mit Akteuren mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund und der Bildung einer transnationalen palästinensischen Identität. Während sich Palästinenser der ersten Generation isolierten, weil sie sich gegenseitig ihre Geschichte spiegelten, suchten sich PalästinenserInnen der zweiten Generation wieder. Das diasporische Gefühl der zweiten Generation sollte in diesem Sinne als ein Phänomen der Exklusion und als Gefühl des Ausschlusses betrachtet werden, weil aus einer Situation des Nichtdazugehörens heraus entstehend. Sie ist im Wesentlichen eine Folge von Erfahrungen symbolischer und diskursiver Gewalt, die sich während Gaza 2014 noch zuspitzten.

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6 Schlusswort

In diesem Buch stand die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen systemischer und objektiver Gewalt auf Subjektkonstruktionen und transgenerationelle Beziehungsdynamiken (mit Schwerpunkt auf der Vater-Tochter-Beziehung) bei PalästinenserInnen in Deutschland und in der Schweiz im Vordergrund. Die Gewalt, welcher die erste Generation von Palästinensern in Westeuropa begegnete und bis jetzt begegnet, ist eine symbolische, diskursiv-normative Gewalt, in der sich die israelische systemische Gewalt – die Zerstörung palästinensischer Gesellschaft und Identität – wiederholt: Nicht nur wurde die von ihnen erfahrene Gewalt nicht anerkannt, ihre Wut und ihr Widerstandsgeist wurden gebrochen, ihr Kampf um Selbstbestimmung kriminalisiert und ihre Netzwerke fragmentiert. In der Nichtanerkennung des erfahrenen Leids, in der Adaption des israelischen Staatsnarrativs in Bezug auf die Deutung der Ereignisse, welche dieses Leid verursachen, in der Überwachung und Unterdrückung ihrer Identität in Westeuropa wiederholte und vertiefte sich das physische Trauma der ethnischen Säuberung diskursiv. Laut Judith Butler (2012) ist der Subjektivierungsprozess nicht mit der frühkindlichen Sozialisation abgeschlossen. Nicht nur als Kinder sind wir demzufolge auf andere und deren Blick auf uns angewiesen, sondern ein Leben lang. Nicht nur wurde die erfahrene Gewalt in der Gesellschaft, in der sie lebten, nicht als solche erkannt – im Gegenteil, sie wurde als selbstverschuldet dargestellt. Sie wurden so zu homines sacri (Agamben, 2002): Menschen, die verdientermaßen – und zwar aufgrund ihres bloßen Palästinensischseins – aus der politisch-rechtlichen Gemeinschaft verbannt wurden und legitimerweise Gewalt erlitten. Die systemische Gewalt mit ihrer diskursiven Rahmung bewirkte so das Trauma der Rasse (Fanon, 1952; A.; Mbembe, 15.11.2010). Diese Gewalt derealisierte (Butler, 2004) die Angehörigen der ersten Generation. Sie zogen sich aus Gesellschaft und Familie zurück. Viele begannen, sich selbst zu verneinen, um der Verletzung zu entgehen, soziale Stigmatisierung anstatt Anerkennung von Leid zu erfahren. So konnten sie nicht mehr auf die kollektiven (Be-)Deutungssysteme (Summerfield, 1999) – im palästinensischen Kontext das revolutionäre Subjekt – zurückgreifen, welche die Erfahrungsgemeinschaft zur Bewältigung ihrer physischen und diskursiven Auslöschung bereitstellte, weil es in den Lebensalltag nicht zu integrieren war, wie

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wir im Auseinanderklaffen zwischen der Selbstrepräsentation im Gesprächskontext und in der Lebenspraxis sehen. Nicht nur konnten sie nicht mehr auf die Ideale der Befreiungsbewegung und des Widerstandskampfs als Ressource für den Umgang mit ihrer Gewalterfahrung1 zurückgreifen, diese Ressource brachte sie in eine Schuld, da sie nicht in der Lage waren, dem Ichideal (Freud, 1914) gerecht zu werden. Das revolutionäre Subjekt ist ein sichtbar palästinensisches Subjekt aus einem identitätspolitischen Diskurs, der gegen den Diskurs der Auslöschung und Ersetzung ankämpft, sprich dagegen ankämpft, dass es so etwas wie Palästinensischsein und somit auch die damit verknüpfte Gewalterfahrung nicht gibt. Mit dieser Subjektposition sowie mit der Geschichte der Vertreibung sind eine ganze Anzahl von Rechten (wie das Recht auf Entschädigung des verlorenen Landes und der Besitztümer oder das Recht auf Rückkehr) verknüpft, die ihnen mit der Anerkennung einer territorialen Zugehörigkeit zum historischen Palästina, dem ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina, zustehen. Palästinensischsein als Subjektposition für sich einzunehmen hat in diesem Sinne sehr viel damit zu tun, den Anspruch auf Rechte geltend zu machen. Das revolutionäre Subjekt versucht aber auch, das koloniale Trauma, aus Zeit und Raum gerissen zu werden, zu überwinden. Ein revolutionäres Subjekt wollten die Angehörigen der ersten Generation auf jeden Fall sein. Viele von ihnen hatte gerade ihre revolutionäre Subjektivität nach Europa gebracht (sie kamen, um sich weiterzubilden und Wissen für die Befreiungsbewegung zu gewinnen), wo sie im Exil strandeten, da sie durch indirekte Vertreibung nicht mehr nach Palästina/Israel zurückkehren konnten. Die Vertreibungserfahrung der Eltern, die sie verachtet hatten und die sie hatten rückgängig machen wollen, wiederholte sich bei ihnen also, während sie dabei waren, sich für den Befreiungskampf zu formieren. Die Bedeutung des Widerstands für sie wird auch deutlich in der Demonstration des Beharrens auf der Zugehörigkeit (intimāʾ) zum Land, des Festhaltens an der Herkunft, den Strategien eines innerlichen ṣumūd (Standhaftigkeit). Die in der Einleitung eingeführte klassische Definition von ṣumūd als einer physischen Widerstandspraxis – das Festhalten am Boden – der Menschen in Palästina/Israel (in Abgrenzung zu ʿawda/Rückkehr als Widerstandsform von Diasporaakteuren) verändert sich hier: ṣumūd wird zu einer geistigen und affektiven Praxis umgedeutet. Damit ist ein innerliches (nicht mehr ein körperliches) Festhalten und eine innere Verbundenheit mit Palästina gemeint. Da die revolutionäre Subjektposition die Basis der subversiven Identität der Angehörigen der ersten Generation bildet, die sie jedoch (nur schon durch ihre Vertreibung, aber auch durch ihr Schweigen und ihre Selbstverneinung) nicht leben konnten, bot der Kompromiss eines inneren ṣumūd einen Ausweg, was in 1

Vgl. Kostelny und Garbarino (1994), Meari (2015; 2014) haben bereits hervorgehoben, inwiefern die Selbstdeutung als FreiheitskämpferInnen in den besetzten Gebieten Gewalterfahrung durch die Bedeutung, welcher ihr beigemessen wurde, linderte.

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der Verlagerung von Palästinensischsein nach innen ersichtlich wird: Während man sich nach außen verneinte, kultivierte man Palästinensischsein als Bewusstseinszustand, als einen Zustand, der den Körper vereinnahmt, transzendiert und – in einer Art Selbstethnisierung – besonders die Seele umfasst: als einen Kollektivkörper, der sozusagen im Individuum inkarniert. Im Versuch, sich wieder einen Platz in Zeit und Raum anzueignen, wird die innere Kultivierung der Bewahrung der Zugehörigkeit (zu Land und Geschichte) zu einem Teil der Persönlichkeit. Der innere ṣumūd bzw. die Erschaffung von Palästinensischsein als moralischer Identität, die damit einhergeht, kann als technique de soi (Foucault, 1986) gelesen werden, als Versuch, durch eine Form ethischer Arbeit an sich selbst, die Kultivierung einer bestimmten Hingabe und Innerlichkeit Handlungsmacht (agency) und Kontrolle über den Zustand von Ohnmacht herzustellen. Es ist auch der Versuch, jene Scham und Schuld, die Palästinensischsein als Figur in westlichen (aber auch arabischen) Gesellschaften produzierte und mit der Palästinenser sich selbst, ihre eigene Vertreibung und die Vertreibungen in ihrer Familiengeschichte aufgrund der Identifikation mit den Diskursen des großen Anderen konnotierten, in etwas zwar Erträgliches, jedoch nicht minder Selbstentfremdendes wie Schuld gegenüber dem Eigenen umzuwandeln. All dies suchte ich in meinem Konzept des großen Eigenen zu fassen. Die westliche Traumaforschung hat die Tendenz, nichtwestliche Formen der Handlungsmacht in Situationen (traumatischer) Gewalterfahrung als solche zu verkennen (Mengel & Borzaga, 2012; Summerfield, 1999). Borzaga zitiert an dieser Stelle Achille Mbembe, der fragt, was Afrika ohne the sacred (2012, S. 6) wäre, und dies als Ressource, mit dem strukturellen Trauma von Rassifizierung umzugehen, beschreibt. Als eine Form subversiver Subjektivierung gegen die koloniale Auslöschung und Ersetzung ist Palästinensischsein als innere Haltung eine solche Ressource. Auch gerinnt in ihr die Melancholie (Freud, 1918) unverarbeiteten Verlusts und Schmerzes, welche man durch die Projektion von Gewalt auf sie statt der Anerkennung von ihnen nicht verabschieden kann, zu einem Symbol, dem man die Existenz »weiht«, weil es den Beweis für das erfahrene Unrecht bzw. die erfahrene Gewalt und damit die Hoffnung auf Rehabilitation und Anerkennung birgt. Die Verflechtungen zwischen der erfahrenen Gewalt und den etablierten moralischen Normen, die sie rechtfertigten, bewirkten eine gesellschaftlich getragene Form von Gewalt, welche nicht nur die Väter marginalisierte, sondern sich auch in die Beziehung zwischen Vätern und Töchtern einschrieb. Die erosion of life, die Anna Kublitz (2015) bei palästinensischen Flüchtlingen aus dem Libanon im Dänemark der 1980er-Jahre feststellte, wird nicht bloß durch Formen sozialer und ökonomischer Marginalisierung hervorgerufen – viele Palästinenser, die in den 1960erJahren nach Westeuropa kamen, wurden gut ausgebildet und arbeiteten in Berufen mit hohem gesellschaftlichen Status –, sondern auch durch Formen diskursiver und institutioneller Marginalisierung, wie wir gesehen haben. Die Derealisierung, Melancholie und emotionale Abwesenheit der Väter prägten die Angehöri-

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gen der zweiten Generation und spielten eine bedeutende Rolle bei der Tradierung der elterlichen Gewalterfahrung an sie. Aus der psychoanalytischen Forschung ist bekannt, dass nicht aufgearbeitete traumatische Erfahrung transgenerational tradiert wird (Fischer, 2018).2 Als Gründe für die Tradierung von Gewalterfahrung werden die Folgen von Gewalt für die emotionalen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern dabei häufig unterschätzt (Fischer, 2018). Die gefühlte Unsichtbarkeit der Väter führte bei der zweiten Generation zum Begehren, deren Desubjektivierung aufzuheben, um Beziehung herzustellen. Dies führt zur Umkehr der sozialen Rollen zwischen Eltern und Kindern (Parentifizierung). PalästinenserInnen der zweiten Generation sind nicht nur geprägt von der Geschichte der Eltern, die ihre Spuren in der Beziehung zu den Kindern hinterließ, sondern auch von der eigenen Erfahrung diskursiv-normativer Gewalt. Die elterliche Auferlegung der Verneinung des Palästinensischseins bzw. die elterliche Entfremdung von den eigenen Gefühlen, der eigenen Erfahrung, aber auch Kultur – schließlich löst sich alles auf im Bewahren des Verlusts – trifft auf alltäglich selbst erlebte diskursive Gewalt. Die Gaza-Offensive 2014 stellte für viele Angehörige der zweiten Generation einen Wendepunkt dar. Die Verdrängung und Verneinung palästinensischer Identität und Geschichte und der innere ṣumūd der Eltern wurde bei der zweiten Generation durch ein sichtbares Palästinensischsein abgelöst.3 Die Gründe hierfür sind u.a. die zunehmende physische Gewalt in Palästina/Israel und die damit einhergehende sich intensivierende diskursiv-normative Gewalt in Deutschland und in der Schweiz sowie die Herausforderung der staatlichen Deutungshoheit und Leitmedien durch die sozialen Medien. Aufgrund der intensiven Erfahrung der Tabuisierung von Palästinensischsein, kulminierend in der Zeit von Gaza 2014, wurde Sichtbarkeit allein in den Augen der Angehörigen der zweiten Generation zu einem notwendigen Akt von Emanzipation und Widerstand, trotz einer grundsätzlich kritischen Haltung gegenüber jeder Form von Nationalismus (strategischer Essentialismus).4 Vielleicht reaktivierten sie gerade deshalb eine Ressource aus der Zeit ihrer Väter vor deren Bruch: den international und links orientierten Befreiungskampf. Wie in den 1960er- und 1970er-Jahren wurde Palästinensischsein nicht nur nach außen hin sichtbar gemacht, sondern auch in einen internationalen Zusammenhang der Solidarität mit anderen subalternen Gesellschaftsgruppen gebracht. Durch die Einbettung palästinensischen Leids in das Leid der

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Jüngste medizinische Studien belegen dies durch Nachweise epigenetischer Veränderungen bis in die dritte Generation hinein (Özkan, Sachsse & Streeck-Fischer, 2012). Der Wechsel von ṣumūd zu sichtbarem Palästinensischsein ist vergleichbar mit der Aufgabe der takiye zugunsten der Formation einer organisierten, offensiven Anerkennungspolitik bei den Aleviten in der Türkei und Deutschland, vgl. Sökefeld (2015). Auch Judith Butler (1990) anerkennt Identitäten in Zeiten politischen Engagements trotz des ausschließenden und verknappenden Charakters von Identitätskategorien.

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Indigenen, der Schwarzen, aber auch der Jüdinnen und Juden im nationalsozialistischen Europa wurde es universalisiert. Durch die Einbettung des Leids in einen globalen Kontext wird die Möglichkeit sichtbar, Palästinensischsein nicht nationalistisch, sondern humanistisch zu denken: als zugehörig zu einer übernationalen Erfahrungsgemeinschaft mit einem intersektionalen Bewusstsein von Unterdrückung. Auch wenn es ohne die zwanghafte Deterritorialisierung nicht entstanden wäre und ein territorialer Bezugsrahmen, Palästina, identitätsstiftend ist, wird Palästinensischsein zu einem universellen, ethischen Symbol für Gerechtigkeit und Freiheit. Bei der zweiten Generation kommt es zum Bruch mit dem Begehren nach Anerkennung und bis zu einem gewissen Grad auch zur Deidentifikation von den herrschenden Diskursen, was die Lebenswelt der ersten Generation in Reaktion auf die diskursiv-normative Gewalt und Praktiken wie Überwachung, Zensur, (wiederholte) Ausweisungen (hier sei besonders an 1972 erinnert), Versammlungsverbote, Auflösung von Studentenvereinigungen und Arbeiterverbänden so sehr geprägt hatte und in Scham, Schuld und Angst (vor Kontrolle und politischer Arbeit, aber auch vor Wut und Trauer, derer sie infolge der Kriminalisierung enteignet wurden) sowie in Isolation (auch von anderen Palästinensern) resultierte. Die Angehörigen der zweiten Generation brechen mit der Selbstverneinung, die ihnen von den Eltern aufgetragen und von der Gesellschaft auferlegt wurde. Wie bei anderen Gesellschaftsgruppen (z.B. Jüdinnen und Juden nach Schoa5 , Betroffene fürsorgerischer Zwangsmaßnahmen6 in der Schweiz) brauchte es auch hier die Zeit einer Generation, um sich von der Scham zu lösen, die mit der Erfahrung struktureller Gewalt konnotiert war. Dies gelingt den Angehörigen der zweiten Generation, weil sie nicht mehr isoliert in der Einsamkeit ihrer Erfahrung, ihrer Melancholie und im wilden Außen leben wie ihre Eltern. Sie überwinden die Angst vor Sichtbarkeit und politischer Arbeit sowie die Isolation. Sie bauen ein nationales soziokulturelles Netzwerk auf, positionieren sich als Subjekte einer transnationalen Diaspora, wirken der Fragmentierung entgegen und entdecken die Wut, derer ihre Eltern enteignet wurden, für sich. Sie beginnen, ihre Eltern als Betroffenengruppe zu begreifen und deren Geschichte zu erzählen, sei es filmisch, literarisch oder wissenschaftlich. Auf diese Weise eignen sie sich deren Geschichte und Identität als Teil ihrer eigenen an. Die Gewalt, die sie selbst erfahren, erlaubt der zweiten Generation zudem, ihre Situation in Deutschland und der Schweiz mit dem kolonialen Kontext der PalästinenserInnen in Palästina/Israel zu verknüpfen, ihre Erfahrung in die Erfahrung von PalästinenserInnen in Palästina/Israel einzubetten und nicht nur eine transnationale Identität, sondern auch ein homogenes Narrativ transnationaler Unterdrückungserfahrung zu formen. 5 6

Vgl. Bresheet (2007). Vgl. Fischer (2018).

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Die Geschichte der Eltern zu erzählen bedeutet, eine umfassende Geschichte der Nakba zu schreiben und die marginalisierte Geschichte (als selbstverschuldet empfundener) indirekter Vertreibung der im palästinensischen Kanon dominanten Geschichte der Massenvertreibungen von 1947/48 anzufügen. Auch diese waren lange Zeit (und vermutlich auch aus Scham) von palästinensischer Seite verschwiegen worden, als Reaktion auf die Identifikation mit dem hegemonialen israelischen Narrativ der Ereignisse von 1947/48 (Bresheeth, 2007). Die Nakba von 1947/48 wird durch die Beifügung der Erzählung der seit damals kontinuierlich geschehenen indirekten Vertreibung nicht mehr als traumatische Zäsur, sondern als traumatischer Prozess gedeutet. Die Geschichte der Eltern zu erzählen, bedeutet auch, das fragmentierte Sprechen und öfter das Nichtsprechen traumatischer Erfahrung in die Narrativität filmischer und literarischer Repräsentation zu übersetzen: Der Schmerz jenseits des Diskurses geht über in erzählte Geschichte. Dabei rekonfigurieren die Angehörigen der zweiten Generation die Geschichte der Eltern nicht bloß, sie durchleben sie. In ihrem Wunsch, mit den Eltern zu verschmelzen und das gesellschaftlich nicht anerkannte Trauma der Eltern lebendig zu erhalten, um ihm zu Anerkennung zu verhelfen, sehen wir die Spuren der Parentifizierung. Besonders bei den Töchtern begegnen wir dem Wunsch, die Väter zu »retten«, während sich bei den Söhnen eher jene Verachtung für ihre Väter zu wiederholen scheint, welche diese bereits für ihre Väter empfanden. Hier zeigt sich nicht zuletzt der Einfluss normativer Geschlechterbilder- und rollen bei Prozessen der Parentifizierung. Mit ihrem Engagement, vor allem durch die Anerkennung, die sie den Vätern/Eltern zuteilwerden lassen, gelingt es den Angehörigen der zweiten Generation ansatzweise, die Eltern respektive Väter als Subjekte wiederherzustellen, sie aus deren emotionalen Abwesenheit zurück- und in die Sichtbarkeit hineinzuholen. Eltern, die ihre Kinder ehedem von politischer Arbeit fernzuhalten versucht hatten und ihnen die Angst vor Sichtbarkeit übertragen oder aufgetragen hatten, beginnen sich selbst »zu outen«. Das Verhalten der Kinder wirkt auf sie zurück, aber auch der Wandel des öffentlichen Diskurses um Palästina insgesamt und ein zunehmendes internationales zivilgesellschaftliches Engagement (prominent in der BDS-Bewegung verkörpert) hinterlässt seine Spuren. All diese Prozesse von PalästinenserInnen der zweiten Generation kann man mit Mbembe und Fanon als reowning (Mbembe, A., 15.11.2010) des Verlorenen, weil sozial Verworfenen bezeichnen, als Akte, sich selbst wieder in Besitz zu nehmen. Die generationale, diachrone Entwicklung von der Selbstverneinung der ersten Generation bis zur Entdeckung und Sichtbarmachung der eigenen Geschichte durch die zweite Generation kann mit dem Prozess der Dekolonisierung bei Fanon und dessen drei Phasen von Assimilation, Selbstreflexion und Revolution (1961) verglichen werden. Die Selbstreflexion ist die Phase, in der man sein Erbe entdeckt und einen Stolz darauf entwickelt. Dieser Prozess beginnt in unserem Kontext damit, dass die Angehörigen der zweiten Generation das double consciousness (Du Bois,

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1903) ablegen, indem sie aufhören, sich selbst durch die Augen anderer wahrzunehmen, und in der Folge die diskursiv-normative Gewalt und Abwesenheit von Empathie, die sie erfahren, als Rassismus deuten (was von mir Bewusstwerdung genannt wurde). Damit sehen sie sich einer ähnlichen Gewalt ausgesetzt wie PalästinenserInnen in Palästina/Israel, wofür die oft geäußerte Gefängnismetapher (das Gefühl, nicht atmen zu können, unter Beobachtung zu stehen) gleichsam einer mentalen Form von Besatzung steht. Ihrem Projekt der Befreiung sind jedoch Grenzen gesetzt, da das Engagement für Palästina bei vielen letztlich an die Sehnsucht nach (einer verlorenen) Beziehung gekoppelt ist, die man zu den Eltern/Vätern herstellen möchte. Auch verstärken die Grenzen, auf die sie durch ihr zunehmendes Begehren nach Sichtbarkeit und Widerstand – beispielsweise in der Erfahrung des kleinen Aktionsradius und der Grenzen des Sagbaren – stoßen, das Gefühl, in dem Land, in dem sie aufgewachsen sind, im Exil zu leben. Das Empfinden der in Deutschland und der Schweiz geborenen und aufgewachsenen zweiten Generation, Teil einer transnational angelegten palästinensischen Identität und palästinensischen Diaspora zu sein, ist damit letztlich Folge der Bewusstwerdung und der Neudeutung von Erfahrung, aber auch Ausdruck von Exklusion und Kriminalisierung bzw. der Wahrnehmung, als Mensch zweiter Klasse gespiegelt zu werden. Misstrauen und die Sehnsucht, Deutschland bzw. die Schweiz zu verlassen, sind die Konsequenz. Andererseits geht die Diaspora- bzw. Exilidentität auf das Bewahren einer Identität zurück, die den Eltern und ihnen physisch und diskursiv wiederholt gewaltsam genommen wurde. Eine wichtige Form von Handlungsmacht, mit dieser diskursiv-normativen bzw. rassifizierenden Gewalt umzugehen, bildet die Selbstethnisierung. Wie die erste Generation empfindet sich auch die zweite Generation als gezwungen, ihre Individualität zugunsten des palästinensischen Kollektivsubjekts aufzugeben: Im Wunsch nach Sichtbarkeit bleibt beispielsweise künstlerisches Schaffen dem Begehren nach Sichtbarmachung und so der Gewalt der Unsichtbarmachung verhaftet. In der Selbstethnisierung findet somit die Desubjektivierung der rassifizierenden Gewalt in Ansätzen ihre Wiederholung, da Identitätskategorien immer mit Begrenzungen und Ausschlüssen einhergehen. So scheint es schwierig, das Trauma der Rasse bzw. das koloniale Trauma nicht auf Kosten anderer Identitäten zu überwinden. Es lässt sich feststellen, dass diese Gewalt bei ihnen das Subjekt strukturiert, sei es in der Selbstverneinung, in den moralischen Codes, die nach innen wirken und das Sein erfassen, oder in der (stolzen) Sichtbarmachung nach außen. In der Sichtbarmachung als Widerstand gegen die Unsichtbarkeit, strukturiert die Gewalt der Unsichtbarmachung und Auslöschung das Subjekt. Da in der Selbstethnisierung eine Ressource zum Umgang mit der Erfahrung von Rassifizierung liegt, lautet die Frage im Anschluss tatsächlich, wie es denn möglich ist, Widerstand zu leisten, ohne die Gewalt zu wiederholen.

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Ich erzähle hier die Geschichte von PalästinenserInnen als eine Geschichte dessen, was gesellschaftlich verschwiegen und verdrängt wird und somit schwer erzählbar ist. Wie schwierig es ist, eine solche Geschichte tatsächlich festzuhalten, zeigte sich vor allem in den Begegnungen mit den Angehörigen der ersten Generation, die oft gegen die hegemonialen Diskurse ansprachen, statt ihre Geschichte losgelöst davon zu erzählen. Weil die Deutungshoheit sowie die Macht über die Diskurse, die Geschichtsschreibung und die gesellschaftlichen Normen sich zusammen mit den ökonomischen Ressourcen in den Händen der Eliten befinden, ist die hier geschriebene Geschichte die Geschichte einer Abwesenheit und eines nicht rekonstruierbaren Fehlens, die Geschichte der Symptome von Gewalt, aber eben nur an den Rändern die Geschichte des Eigenen. Die Schwierigkeit, über eine Sprache für das Erfahrene und Erlebte zu verfügen, ist sowohl Ausdruck jener systemischen Gewalt, der PalästinenserInnen ausgesetzt sind, als auch ihrer Verletzungen, die sich des Diskursiven entziehen. Die Geschichte der Angehörigen der zweiten Generation ist eine noch zu schreibende, doch ihre Anfänge – ihr Vermögen, Schuld und Scham in Handlungsmacht umzuwandeln, ihre Deutung von Palästinensischsein als Identität des antikolonialen und antirassistischen Widerstands im Kampf um Gleichheit und Selbstbestimmung und ihre Identifikation mit anderen subalternen Gesellschaftsgruppen – lassen viel Raum für Zuversicht. Indem ich palästinensische Geschichte als Teil der europäischen Geschichte aufarbeite, leiste ich einen Beitrag zu einer Verflechtungsgeschichte, die letztlich erlaubt, palästinensische Geschichte als Teil der europäischen anzuerkennen und zu betrauern. Gleichzeitig bedeutet das Nachdenken über palästinensische Geschichte auch ein Nachdenken über die Geschichte Europas und deren Aufarbeitung bzw. ein Reflektieren über die Fragen, inwiefern die Aufarbeitung deutscher und Schweizer respektive europäischer Geschichte tiefer geht als bloße vergangenheitspolitische Selbstinszenierung und inwiefern die Nichtauseinandersetzung mit Palästina und die Tabuisierung von Palästinensischsein in Deutschland und in der Schweiz im Kontext der Tabuisierung der eigenen kolonialen Geschichte und der anhaltenden rassistischen Strukturen gesehen werden muss. Schreibend hoffe ich, eine notwendige Debatte über die Mitverantwortung Westeuropas für die palästinensische Leidens- und Unrechtserfahrung (anhaltende ethnische Säuberung, Entrechtung, Enteignung) anzustoßen.

Fotos

1. Unbeschwertheit vor Exil_2 (3 Bilder)

   

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2. Bilder für die Familie (2 Bilder)

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Credit: N. N., Privatbesitz der Autorin

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3. Melancholie

Credit: Mahmoud Dabdoub, Privatbesitz von Mahmoud Dabdoub

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4. Verloren

Credit: Mahmoud Dabdoub, Privatbesitz von Mahmoud Dabdoub

Fotos

5. Verbundenheit

Credit: Mahmoud Dabdoub, Privatbesitz von Mahmoud Dabdoub

6. Zusammen allein

Credit: Mahmoud Dabdoub, Privatbesitz von Mahmoud Dabdoub

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7. Revolutionäres Subjekt

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8. Sprechen

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Fotos

9. Angst: Auf dem Foto sind mein Vater und ich zu sehen. Mein Vater hatte mir eine Perücke aufgesetzt, die er sich selbst aus Angst vor Verfolgung gekauft hatte. Mit der spielerischen Geste, mir seine Perücke aufzusetzen, stülpte er mir auch seine Angst vor der eigenen Sichtbarkeit über.

Credit: N. N., Privatbesitz der Autorin

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Bibliografie

Gespräche Zitierte oder erwähnte Erzählungen/Gespräche1 A. B. Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 23.04.2015. A. L., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 10.03.2012. A. W., Gespräch. Verf. Silvia Wolkan, Berlin: März 2010. A. Z., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Basel: 08.09.2010. B. B., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 12.04.2015. B. N., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 10.02.2015. D. A., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 20.08.2014. E. D., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 18.08.2014. H. S., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 13.03.2015. I. E., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: August 2013. K. G., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 09.08.2014. K. H., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 05.07.2010. L. F., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 04.07.2011. L. M., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 09.08.2010. M. A., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 07.02.2015. M. B., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 09.04.2015. M. F., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 09.07.2010. M. M., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 15.10.2010. N. L., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 12.08.2014. N. N., Gespräch mit Kuratorin. Verf. Sarah El Bulbeisi, München: 01.02.2017. N. O., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 07.05.2013. N. R., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 09.08.2014. O. S., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 09.08.2014. P. A., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 07.04.2015.

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Bei den Quellenangaben am Ende der Zitate sind entweder Minuten oder Seitenzahlen genannt, je nachdem ob die Verfasserin aus dem Video selbst oder aus dessen Transkript zitiert.

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P. Q., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 23.08.2014. R. B., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 10.09.2010. R. E., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 15.08.2014. S. A., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Bern: 09.07.2010. S. F., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 25.08.2014. T. B., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Berlin: 02.09.2014. Z. K., Gespräch. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 01.10.2010.

Experteninterviews Badeen, Edward. Interview. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 01.09.2013 (Interview am Asien Orient Institut der Universität Zürich). Badeen, Edward. Interview. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 02.05.2015 (Interview am Asien Orient Institut der Universität Zürich). Metz, Sebastian. Interview. Verf. Sarah El Bulbeisi, München: 09.07.2018 (Interview am Institut für den Nahen und Mittleren Osten der LMU München). Koch, Hildegard. Interview. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 08.11.2012. (Interview im Café Palestine Zürich). Vischer, Daniel. Interview. Verf. Sarah El Bulbeisi, Zürich: 20. September 2013 (Interview im Café Odeon Zürich).

E-Mails N. N., Reclaiming Palestine – a group is being formed. Berlin: 26.09.2014 (E-Mail an die Verfasserin). N. N., Einladung zum Palästina-Vernetzungstreffen am 18.12.2014. Berlin: 10.12.2014 (E-Mail an die Verfasserin).

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‫‪Anhang‬‬

‫‪Zitate aus den arabischen Gesprächstexten‬‬ ‫‪Gespräch mit M. F. (1/1), 2010:‬‬ ‫ﻓﺬھﺒﺖ اﻟﻰ اﺳﻄﻨﺒﻮل ‪..‬اﻟﻰ ﺗﺮﻛﯿﺎ‪ .‬ﺗﻌﻠﻤﺖ طﺒﯿﻌﻲ اﻻول اﻟﻠﻐﺔ اﻟﺘﺮﻛﯿﺔ واﻣﺘﺤﺎن اﻟﻘﺒﻮل ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ اﺳﻄﻨﺒﻮل ﻓﺘﺮة ﺗﻌﻠﯿﻢ اﻟﻠﻐﺔ‪..‬ﺗﻌﻠﻢ اﻟﻠﻐﺔ واﻣﺘﺤﺎن‬ ‫اﻟﻘﺒﻮل ﺳﻨﺔ ﻛﺎﻣﻠﺔ ‪.‬وطﺒﯿﻌﻲ ﻗﺒﻞ ﻣﺎ ادﺧﻞ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ﻓﻲ اﺳﻄﻨﺒﻮل اﺿﻄﺮﯾﺖ ارﺟﻊ ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ﺣﺘﻰ اﺟﺪد ﺗﺼﺮﯾﺢ اﻟﺴﻔﺮ ‪ ،‬دﺧﻠﺖ ﺟﺎﻣﻌﺔ‬ ‫اﺳﻄﻨﺒﻮل‪ ،‬ﻛﻠﯿﺔ اﻟﻌﻠﻮم ‪،‬ﻓﺮع اﻟﺒﯿﻮﻟﻮﺟﻲ ‪..‬آآه ﺳﻨﺔ )‪(1972‬ﻛﺎﻧﺖ اﻟﺤﺮب اﻻھﻠﯿﺔ ‪...‬ﻣﺶ اﻟﺤﺮب اﻻھﻠﯿﺔ ] ]…أذﻛﺮ ﺳﻨﺔ ال‪ 72‬ﻛﺎن ﻻزم أرﺟﻊ‬ ‫ﺑﺮﺿﻮ ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﯾﺒﺔ‪ ،‬ﻹﻋﺎدة ﺗﺼﺮﯾﺢ آآه ‪...‬ﺗﺠﺪﯾﺪ ﺗﺼﺮﯾﺢ اﻟﺴﻔﺮ اﻟﻠﻲ ﻣﺪﺗﮫ ﺳﻨﺔ ﻛﺎﻣﻠﺔ‪ ،‬واﻟﻤﮭﻢ إذا ﻟﻢ ﯾﻌﺪ اﻟﻄﺎﻟﺐ ﺑﻌﺪ ﺳﻨﺔ ﯾﻔﻘﺪ ﺣﻖ اﻟﻌﻮدة ‪،‬‬ ‫ﯾﻔﻘﺪ ﺣﻘﮫ ﻓﻲ دﺧﻮل اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﯾﺒﺔ وﻛﺎن ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ اﻟﻠﻲ ﻣﮭﻢ ﺟﺪا ً أن أﺑﻘﻰ ﻋﻠﻰ إﺗﺼﺎل ﻓﻲ اﻷرض‪....‬ﻓﻲ اﻟﻮطﻦ ‪ ...‬أرﺟﻊ ﻣﺮة أﺧﺮى‪ ،‬ﺑﺬﻛﺮ ﻛﺎن‬ ‫ﻋﻤﺮي ‪ 14‬ﺳﻨﺔ ﻗﺮأت ﻛﺘﺎب ﻟﻜﺎﺗﺐ ﻣﺼﺮي ﻋﻦ " اﻟﺒﻜﺘﯿﺮﯾﺎ "‪ .‬ﻓﺄﺻﺒﺢ ﺣﻠﻤﻲ إﻧﻲ أدرس ﻋﻠﻮم اﻟﻤﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺟﻲ ]…[وأﺧﺘﺮت دراﺳﺔ‬ ‫اﻟﺒﯿﻮﻟﻮﺟﻲ‪ ،‬ﻛﺎن اﻟﻤﻔﺮوض ﺣﺘﻰ أﻗﺪر أﻛﻤﻞ اﻟﻤﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺟﻲ إﻣﺎ أدرس ﻋﻠﻮم ﺑﺎﯾﻠﻮﺟﻲ أو ﻛﯿﻤﯿﺎء أو طﺐ أو ﺻﯿﺪﻟﺔ ]…[ﻓﺄﺿﻄﺮﯾﺖ أدرس‬ ‫ﺑﯿﻠﻮﺟﻲ ﺣﺘﻰ أﻗﺪر أﻛﻤﻞ اﻟﺤﻠﻢ إﺑﺘﺎﻋﻲ ‪ ،‬واﻟﺤﻠﻢ اﻟﻠﻲ ﻛﺎن ﻋﻨﺪي إﻧﻮ أدرس ﻣﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺣﻲ ﻣﻨﺸﺎن ﻋﻠﻰ ﺷﺎن ‪ :‬أرﺟﻊ إﻟﻰ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ إﻟﻰ‬ ‫ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ وأﻓﺘﺢ ﻣﺨﺘﺒﺮ طﺒﻲ ﻓﻲ ﺟﻨﯿﻦ‪.‬‬

‫ھﻠﻖ أﻗﺪر أﻗﻮل‪ ...‬ھﻠﻖ اﻟﺪراﺳﺔ ﺗﻤﺖ ‪ ،‬ﻟﻜﻦ اﻟﺤﻠﻢ ﺿﺎع ‪ ،‬أوك وﻛﻞ ﺳﻨﺔ ﻟﻤﺎ ﻛﻨﺖ أﻋﻮد ‪ :‬أرﺟﻊ إﻟﻰ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ﻛﻨﺖ أواﺟﮫ ﻣﺸﺎﻛﻞ ﺟﺴﯿﻤﺔ‬ ‫ﻋﻠﻰ اﻟﺠﺴﺮ ‪ :‬اﻟﺠﺴﺮ ﻋﻠﻰ ﺟﺴﺮ اﻷردن ﻋﻠﻰ وﯾﻦ ﻧﻘﻄﺔ ﻋﺒﻮر اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﻦ ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ﻣﻌﺎﻣﻼت ﻣﻦ اﻟﺠﯿﺶ اٍﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ ﻛﺎﻧﺖ ﻗﺬرة ﺟﺪا ً ‪،‬‬ ‫ﻛﻞ ﻣﺮة ﻛﺎن ﯾﻄﻠﺐ ﻣﻨﻲ اﻟﺠﻨﻮد ﻓﻲ ﺧﯿﻤﺔ ﺧﻠﻊ ﺟﻤﯿﻊ اﻟﻤﻼﺑﺲ ﺣﺘﻰ اﻟﻤﻼﺑﺲ اﻟﺪاﺧﻠﯿﺔ ﻟﻤﺠﺮد اﻹھﺎﻧﺔ ﻟﻜﻦ ﻛﻠﮫ‪ ..‬ﻛﻞ اﻟﻤﺸﺎﻛﻞ ھﺎدي ﻛﻨﺖ اﺗﺤﻤﻠﮭﺎ‪.‬‬ ‫ﻓﻲ ﺳﻨﺔ ال‪ 72‬ﺳﺎء اﻟﻮﺿﻊ أﻛﺘﺮ ﻛﺎن ﻧﺎﻗﺺ ‪ ،‬ﻛﺎن ﺗﺼﺮﯾﺤﻲ ﻣﺪﺗﮫ ‪ 11‬ﺷﮭﺮ ﯾﻌﻨﻲ ﺑﻌﺪ ﺷﮭﺮ ﻛﺎن ﻣﻤﻜﻦ ﯾﻀﯿﻊ اﻟﺘﺼﺮﯾﺢ إذا إﺗﺄﺧﺮت ‪ ،‬اﻟﻀﺎﺑﻂ‬ ‫اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ رﻓﺾ إﻧﻲ أدﺧﻞ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ إذا ﻟﻢ أﺳﺎﻋﺪه وﻛﺎن طﻠﺒﻮ ﻣﻨﻲ إﻧﻲ أﺷﺘﻐﻞ ﺟﺎﺳﻮس ﻋﻠﻰ ﻣﻨﻈﻤﺔ ‪ :‬ﻋﻠﻰ ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ‬ ‫ﻓﻲ اﻷردن ‪ .‬ﻛﺎن ﻋﺎﯾﺰ ﯾﻄﻠﺐ ﻣﻨﻲ وﯾﻦ وﯾﻦ ھﻤﮫ اﻟﺠﻨﻮد ؟ وﯾﻦ ھﻤﮫ اﻟﻔﺪاﺋﯿﯿﻦ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﻦ ؟‬ ‫أوﻻً‪ :‬أﻧﺎ ﻋﺎﯾﺶ ﻓﻲ إﺳﻄﻨﺒﻮل ﻣﺎ ﻋﺮﻓﺶ وﯾﻦ اﻟﻔﺪاﺋﯿﯿﻦ ﻓﻲ اﻷردن ‪ ،‬ﺣﺘﻰ ﻛﺎن ﻣﻤﻜﻦ ﺧﻄﺄ ﺣﻜﯿﺘﻠﮫ ﻣﻨﻲ ﺣﺘﻰ ﻟﻮ ﻛﻨﺖ أﻋﺮف أﻧﺎ ﻣﺶ ﺑﺤﺎﺟﺔ‬ ‫ﻟﻤﺴﺎﻋﺪﺗﻚ ﻣﻦ ﺣﻘﻲ اﻟﻄﺒﯿﻌﻲ ﺑﻌﺪ ‪ 6‬ﺷﮭﻮر إﻧﻲ أدﺧﻞ ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ وأﻧﺘﻮ ﺑﺘﺪﻋﻮ إﻧﻜﻢ دوﻟﺔ دﯾﻤﻘﺮاطﯿﺔ وھﺎدا ﻣﻦ ﺣﻘﻲ اﻟﻘﺎﻧﻮﻧﻲ ﺣﻘﻲ اﻟﺪﯾﻤﻘﺮاطﻲ‬ ‫‪ ،‬ﻓﻼ ﯾﻤﻜﻦ إﻧﻲ أﻧﺴﻰ اﻟﺠﻤﻠﺔ اﻟﻠﻲ ﺣﻜﺎﻟﻲ إﯾﺎھﺎ ھﺬا اﻟﻀﺎﺑﻂ اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ ﻗﺎل ‪ " :‬ﻗﺎﻧﻮن ﻣﺶ ﻣﻮﺟﻮد ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻜﻢ ‪ ،‬اﻟﻘﺎﻧﻮن أﻧﺎ ﺑﻌﺪﯾﻦ أﻧﺎ أﻗﺪر‬ ‫أﺳﻤﺤﻠﻚ ﺑﺎﻟﺪﺧﻮل أو أرﺟﻌﻚ إﻧﺼﺮف إرﺟﻊ ﻟﻠﻀﻔﺔ ‪ ...‬ﻟﻸردن وﻛﻤﻞ ﺷﮭﺮ ھﻨﺎك وﺑﻌﺪ ﺷﮭﺮ ﺗﺮﺟﻊ ﻟﮭﻮن‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/2), 2010:‬‬ ‫ﻟﻤﺎ وﺻﻠﺖ ﻟﺴﻮﯾﺴﺮا ھﻮن ﻓﻲ ال‪ 77‬ﻓﻘﺪت اﻷﻣﻞ ﻓﻲ اﻟﻌﻮدة ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ‪ ،‬ﺑﺪأت اﻟﻌﻤﻞ اﻟﺴﯿﺎﺳﻲ ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ وﻣﻊ ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ‬ ‫اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﻓﻲ ﺟﻨﯿﻒ ‪ ،‬ﻓﻲ ﺧﻼل ﻓﺘﺮة ﻗﺼﯿﺮة ﻛﺎن ﻋﻨﺪي ﻋﻼﻗﺎت رھﯿﺒﺔ ﺟﺪا ً ﻣﻊ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ‪ ،‬ﻧﻘﻠﺖ ﻣﻌﺮض ﻋﻦ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﻣﻦ اﻷﻣﻢ اﻟﻤﺘﺤﺪة ﻓﻲ‬ ‫ﺟﻨﯿﻒ ﻟﺠﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﻓﻲ "اﻟﻠﯿﺨﺖ ھﻮف" ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ وھﻮن ﻛﺎﻧﺖ ﻧﻘﻄﺔ ﺗﺤﻮل ﻓﻲ ﻋﻼﻗﺘﻲ ﻣﻊ إدراة اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ﺑﻌﺪ ﻋﺮض اﻟﺼﻮر ﻓﻲ‬ ‫اﻟﻠﯿﺨﺖ ھﻮف ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﺑﺤﻮاﻟﻲ ﻧﺼﻒ ﺳﺎﻋﺔ ‪،‬أﺟﺎ اﻟﺴﻜﺮﺗﯿﺮ اﻟﻌﺎم ﻟﺠﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ وﻣﻌﺎه ﺷﺨﺼﯿﻦ ﻣﻌﺮﻓﺶ ﻣﯿﻦ ھﻤﮫ ‪،‬وطﻠﺐ ﻣﻨﻲ‬ ‫إﻧﻮ ﺑﻌﺾ اﻟﺼﻮر ﻻزم ﺗﻨﺸﺎل واﻟﻌﺎﻟﻢ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﻣﻠﻮش ﻣﻜﺎن ھﻮن ‪،‬ﻓﻄﻠﺒﺖ ﻣﻨﻮ إﺣﻜﯿﻠﻲ ﻟﯿﺶ اﻟﺼﻮر ﻛﺎﻧﺖ ﻓﻲ اﻷﻣﻢ اﻟﻤﺘﺤﺪة ﻣﻌﺮوﺿﺔ ﻓﻲ‬ ‫اﻷﻣﻢ اﻟﻤﺘﺤﺪة وھﻮن أﻧﺎ ﻋﻨﺪي ﺗﺼﺮﯾﺢ إﻧﻲ أﻋﺮض اﻟﺼﻮر ﻓﻲ اﻟﻠﯿﺨﺖ ھﻮف ﻓﺤﻜﺎﻟﻲ إذا ﻟﻢ أﺗﺠﺎوب ﻣﻌﮫ ﺳﻮف ﺗﺘﺪﺧﻞ " ﺑﺮن " وﯾﻠﻐﻲ ﺗﺼﺮﯾﺢ‬ ‫اﻟﻤﻌﺮض ﻓﻲ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ‪ ،‬ﻗﻠﺘﻠﮫ‪ :‬أوك ﻟﻜﻦ ﻋﻠﻰ ﺷﺮط !! ﻣﻜﺎن اﻟﺼﻮر ﯾﺒﻘﻰ أﺳﻮد وأﻛﺘﺐ ﻣﻜﺎﻧﮭﻢ " ‪ " zensiert‬ﺻﺎر ﻓﻲ رﻗﺎﺑﺔ ﻗﺎل ‪ :‬ﻓﻘﺎل ‪:‬‬

‫‪Tabu, Trauma und Identität‬‬

‫‪308‬‬

‫أوك ‪ ،‬ﻣﻮاﻓﻖ ‪ ،‬أوك ذھﺐ إﺛﻨﯿﻦ اﻟﺮﺟﺎل اﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧﻮا ﻣﻌﺎه ‪،‬أﻋﺘﻘﺪ ﻛﺎﻧﻮا ﻣﻦ اﻟﺠﺎﻟﯿﺔ اﻟﯿﮭﻮدﯾﺔ ﻓﻲ زورﯾﺦ‪ ،‬ﻓﻄﻠﺐ إﻧﻲ أﺷﺮب أﻧﺎ وإﯾﺎه ﻗﮭﻮة‪ ،‬ﻓﺤﻜﯿﺘﻠﻮ‬ ‫اﻟﺼﻮر ‪ ...‬ﻗﺼﺔ اﻟﺼﻮر‪ ...‬وﻗﻠﻲ أﻧﺎ ﻓﺎھﻤﻚ أﻧﺎ ﻛﻨﺖ ﻓﻲ اﻟﺒﺪاﯾﺔ ﺿﺪك‪ ،‬ﻟﻜﻦ ھﻠﻖ أﻧﺎ ﻣﻌﻚ وﺑﺪأت ﻋﻼﻗﺘﻲ ﻋﻼﻗﺔ ﺣﻤﯿﻤﻲ ﺟﺪا ً ﻣﻊ اﻟﺴﻜﺮﯾﺘﯿﺮ‬ ‫اﻟﻌﺎم‪.‬ﻓﻲ ﻓﺘﺮة اﻟﺪراﺳﺔ ھﺬه ﻛﺎﻧﺖ داﺋﻤﺎ ً أي ﻗﺎﻋﺔ أو أي ﺻﺎﻟﺔ ﻓﻲ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ﻋﺎﯾﺰ أﺣﺠﺰھﺎ ﻟﻠﻘﻀﯿﺔ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ‪...‬ﻛﺎن داﺋﻤﺎ ً أوك ﺑﺬﻛﺮ وﺻﻠﺖ ﻣﺮة‬ ‫ھﻮن ﻓﺮﻗﺔ ﺷﻌﺒﯿﺔ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﻓﻄﻠﺒﺖ طﺒﯿﻌﻲ ﺻﺎﻟﺔ ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﻟﻌﺮض ﻓﻲ اﻟﻠﯿﺨﺖ ھﻮف ﻟﻌﺮض رﻗﺼﺔ ﺷﻌﺒﯿﺔ ﻓﻜﺎﻧﺖ اﻟﻤﻮاﻓﻘﺔ داﺋﻤﺎ ً‬ ‫ﻣﻮﺟﻮدة ﺣﺘﻰ دﻋﺎھﻢ دﻋﺎ ﺟﻤﯿﻊ اﻟﻔﺮﻗﺔ ﻋﻠﻰ اﻟﻘﮭﻮة ﻓﻲ‪ ..‬ﻓﻲ اﻟﻤﻨﺴﺔ ﺑﺘﺎع اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ﻓﻜﺎن اﻟﻘﺎﺻﺪ ﻣﺠﺮد ﻣﺎﯾﻘﻮل‪ :‬أﻧﺎ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ‪ ..‬ﯾﺎﺧﺬ اﻟﻘﮭﻮة ﺑﺪون‪..‬‬ ‫ﺑﺪون ﻣﺎ ﯾﺪﻓﻊ‪ ،‬ﻋﻼﻗﺔ ﻋﻼﻗﺔ ﺣﻤﯿﻤﺔ ﺟﺪا ً ﯾﻌﻨﻲ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ﻛﺎﻧﺖ ﻓﻲ ﻓﻲ ﺗﻘﺮﯾﺒﺎ ً ﻣﻊ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/3), 2010:‬‬ ‫طﺒﯿﻌﻲ ﻻ ﺷﻚ ﺳﻮﯾﺴﺮا ﺑﺮﺿﻮ دوﻟﺔ دﯾﻤﻘﺮاطﯿﺔ ﻟﻜﻦ ﺳﻨﺔ ال‪ 89 ، 88 .. 89‬ﺣﺎوﻟﺖ أﺧﺬ اﻟﺠﻨﺴﯿﺔ اﻟﺴﻮﯾﺴﺮﯾﺔ ﻹﻧﻲ ﻣﺘﺰوج ‪ ،‬زوﺟﺘﻲ ﺟﻨﺴﯿﺘﮭﺎ‬ ‫ﺳﻮﯾﺴﺮﯾﺔ‪ ،‬ﻛﺎن ﺑﻨﺘﻲ اﻟﻜﺒﯿﺮة ﻧﺎدﯾﺎ ﺑﺮﺿﻮ ﺳﻮﯾﺴﺮﯾﺔ‪ ،‬ﻓﺤﺎوﻟﺖ أﺧﺬ اﻟﺠﻨﺴﯿﺔ اﻟﺴﻮﯾﺴﺮﯾﺔ واﻗﻊ طﺒﯿﻌﻲ ‪ ...‬دﺧﻠﺖ ﯾﻤﻜﻦ ﺷﻮﻓﺘﻲ ﻓﯿﻠﻢ " اﺳﻢ اﻟﻔﯿﻠﻢ‬ ‫ﺑﺎﻷﻟﻤﺎﻧﻲ " ‪.‬‬ ‫ﺳﺎرة ‪ :‬ﯾﺎااه ‪ ،‬أوك ‪.‬‬ ‫أﺣﻤﺪ اﻟﻌﯿﺴﻰ ‪ :‬أوك ‪ ،‬اﻟﻤﺮﺣﻠﺔ ھﺬه ﻣﺮﺣﻠﺔ إﻣﺘﺤﺎن اﻟﺠﻨﺴﯿﺔ أﻋﺘﻘﺪ ﻋﻤﻠﺖ إﻣﺘﺤﺎن ھﻮن ‪ 25‬دﻗﯿﻘﺔ ﻗﺪام اﻟﺤﻜﻮﻣﺔ " دﯾﺘﯿﻜﻮن " ﻛﺎن اﻟﻤﻔﺮوض ‪25‬‬ ‫دﻗﯿﻘﺔ أﺣﻜﻲ ﻋﻦ اﻟﻮﺿﻊ ﻓﻲ ﺳﻮﯾﺴﺮا ‪ ،‬اﻟﻮﺿﻊ اﻟﺴﯿﺎﺳﻲ ‪ ،‬اﻟﻮﺿﻊ اﻟﺠﻐﺮاﻓﻲ ‪ ،‬اﻟﻮﺿﻊ اﻟﺘﺎرﯾﺨﻲ ‪ ،‬ﻋﻤﻠﺖ اﻟﻤﺤﺎﺿﺮة ‪ 25‬دﻗﯿﻘﺔ رﺋﯿﺲ اﻟﺤﻜﻮﻣﺔ‬ ‫ﺳﺄل أﻋﻀﺎء اﻟﻤﻮﺟﻮدﯾﻦ ﻓﻲ ﺣﺪ ﻋﻨﺪو ﺳﺆال؟؟‪ ....‬ﻻء‪ ..‬ﻛﻞ ﺷﻲ أوك ‪ ،‬ﺑﻌﺘﻮﻟﻲ رﺳﺎﻟﺔ إﻧﻮ ﻣﻌﻠﻮﻣﺘﮫ ﻣﻔﺼﻠﺔ ﻋﻦ اﻟﻮﺿﻊ اﻟﺴﯿﺎﺳﻲ ﻓﻲ ﻓﻲ ﺳﻮﯾﺴﺮا‬ ‫واﻟﺘﺎرﯾﺨﻲ واﻟﺠﻐﺮاﻓﻲ ‪ ،‬ﻟﻜﻦ ﻣﻌﺮﻓﺶ إﯾﺶ ﻓﻲ اﻟﻌﺮﺑﻲ اﻟﻤﺨﺎﺑﺮات اﻟﻌﺎﻣﺔ اﻟﺴﻮﯾﺴﺮﯾﺔ " ﺑﺎﻷﻟﻤﺎﻧﻲ " ﺑﻌﺘﻮﻟﻲ رﺳﺎﻟﺔ إﻧﻲ أروح ﻋﻨﺪھﻢ )ﻟﺒﯿﻦ (‬ ‫أوك ‪ ،‬أﻧﺎ ﻛﻨﺖ أﺷﺘﻐﻞ ﻓﻲ )ﺑﯿﻦ( ﻓﺮﺣﺖ ﻟﻌﻨﺪھﻢ ﻛﺎن ﺗﺤﻘﯿﻖ إﺳﺘﻤﺮ ﺛﻼث ﺳﺎﻋﺎت ﺷﻌﺮت أﺛﻨﺎء اﻟﺘﺤﻘﯿﻖ وﻛﺄﻧﻲ ﻣﻮﺟﻮد أﻣﺎم اﻟﻤﺨﺎﺑﺮات اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﯿﺔ‬ ‫ﻛﺎﻧﺖ ﻋﻨﺪھﻢ ﺗﮭﻤﺔ إﻧﻮ أﻧﺎ ﺑﺸﺘﻐﻞ ﻣﻊ‪ ..‬ﻟﺜﻼث ﺗﻨﻈﯿﻤﺎت ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﺑﺸﺘﻐﻞ ﻣﻊ ﻓﺘﺢ )ﻋﺮﻓﺎت (‪ ،‬ﻣﻊ) ﺟﻮرج ﺣﺒﺶ( اﻟﺠﺒﮭﺔ اﻟﺸﻌﯿﺒﺔ ‪ ،‬وﻣﻊ) أﺑﻮ‬ ‫ﻧﻀﺎل(‪.‬‬ ‫أﺑﻮ ﻧﻀﺎل ﻣﺤﻜﻮم ﻋﻠﯿﮫ ﺑﺎﻹﻋﺪام ﻣﻦ ﻓﺘﺢ ﻋﺮﻓﺎت‪ ،‬طﯿﺐ ﻛﯿﻒ أﺷﺘﻐﻞ ﻣﻊ ﺛﻼث ؟؟! ﺛﻼﺛﺔ ﻣﺎ ﻓﯿﺶ ﺑﯿﻨﮭﻢ ﺻﻠﺔ ‪ ،‬أﻧﺎ ﻛﯿﻒ أﻗﺪر أﺷﺘﻐﻞ ﻣﻌﮭﻢ ﺛﻼﺛﺔ‬ ‫؟؟! إرﺣﻤﻮﻧﻲ ﻗﻮﻟﻮا ﺑﺘﺸﺘﻐﻞ ﻣﻊ ﻋﺮﻓﺎت‪ ،‬أوك‪ ..‬ﺑﺲ اﻟﺜﻼﺛﺔ ﻻء ‪،...‬وﺑﻌﺪﯾﻦ ﺑﺘﮭﻤﻮﻧﻲ إﻧﻮ أﻧﺎ ﻋﻨﺪي ﻣﻼﯾﯿﻦ ﻣﻦ ﻣﻦ ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ‬ ‫طﯿﺐ أﻧﺎ ﻋﻨﺪي ﻣﻼﯾﯿﻦ‪ ،‬أﻧﺎ ﻛﻨﺖ ﯾﺎ ﻋﺎﻟﻢ أﻧﺘﻮ ﺑﺘﻌﺮﻓﻮ إﻧﻮ أﻧﺎ أﺷﺘﻐﻞ ﻣﻦ ﺷﺎن أﻛﻞ‪ ،‬ﻛﻨﺖ أﺷﺘﻐﻞ أﺳﺒﻮع ﻓﻲ اﻟﺒﺮﯾﺪ أﺣﻤﻞ ﺑﺎﻛﯿﺘﺎت ﻓﻲ اﻟﻠﯿﻞ‪ ....‬طﻮل‬ ‫اﻟﻠﯿﻞ‪ ،‬ﻣﻦ ﺷﺎن أﻋﯿﺶ‪ ..‬أﻗﺪر أﻋﯿﺶ اﻟﺸﮭﺮ ‪ ،‬وﺑﻌﺪﯾﻦ ﻟﻤﺎ ﺑﺪأت أﺷﺘﻐﻞ ﻟﻤﺎ ﺧﻠﺼﺖ دﻛﺘﻮراه ﺻﺮت أﺷﺘﻐﻞ‪ ،‬ھﯿﻨﻲ ﺑﺎﺟﻲ ﯾﻮﻣﯿﺎ ً ﻣﻦ زورﯾﺦ) ﻟﺒﯿﻦ‬ ‫(‪،‬إذا واﺣﺪ ﻋﻨﺪو ﻣﻼﯾﯿﻦ ﻣﺎ ﻋﻨﺪﻛﻢ ﺣﺴﺎب ﺑﺎﻟﺒﻨﻚ أﺷﺘﻐﻞ ﻓﯿﮫ ؟! ﺑﯿﻘﻠﻲ ﻋﺸﺎن ﺗﻤﻮه "أﻟﻤﺎﻧﻲ" ‪..‬ﻋﺸﺎن ﺗﻤﻮه‪ ،‬ﻓﻜﺎن طﺒﯿﻌﻲ رﻓﺾ ﻟﺘﺠﻨﯿﺴﻲ ﻹﻧﻲ‬ ‫ﺧﻄﺮ ﻋﻠﻰ أﻣﻦ ﺳﻮﯾﺴﺮا واﻟﺮﺳﺎﻟﺔ ﻣﻮﺟﻮدة ﻟﺤﺪ اﻵن ﻓﻲ ﺳﻨﺔ ال‪ 91‬ﺻﺎرت طﻠﻌﺖ " ﺑﺎﻷﻟﻤﺎﻧﻲ " ‪ 900.000‬ﺳﻮﯾﺴﺮي ﻋﻨﺪھﻢ "ﺑﺎﻷﻟﻤﺎﻧﻲ"‬ ‫ﺑﻌﺜﺚ أطﻠﺐ اﻟﺪوﺳﯿﮫ ﺗﺎﻋﻲ إﺟﺘﻨﻲ رﺳﺎﻟﺔ إﻧﮭﻢ ﻣﺎ ﻋﻨﺪھﻢ دوﺳﯿﮫ إﻟﻲ ‪ ،‬ﻓﻌﻤﻠﺖ ‪ ،‬ﻧﺴﺨﺖ اﻟﺮﺳﺎﻟﺔ إﻧﻮ ﻣﺎ ﻋﻨﺪﯾﺶ دوﺳﯿﮫ واﻟﺮﺳﺎﻟﺔ اﻟﺜﺎﻧﯿﺔ اﻟﻲ ﻛﺎﻧﺖ‬ ‫ﻓﻲ ال‪ 89‬ﻟﻤﺎ رﻓﻀﻮا ﯾﺠﻨﺴﻮﻧﻲ ﺧﻄﺮ ﻋﻠﻰ أﻣﻦ اﻟﺒﻼد ‪،‬ﻋﻤﻠﺘﻠﮭﻢ ﻛﻤﺎن ﺻﻮرة وﺑﻌﺘﺘﮭﺎ ﻟﻞ" ﺑﺎﻷﻟﻤﺎﻧﻲ " ﺑﻌﺪ ﯾﻮﻣﯿﻦ ﺑﻌﺘﻠﻲ رﺳﺎﻟﺔ أﯾﻮة ﺑﻜﺬﺑﻮا !!‬ ‫ﻛﺬاﺑﯿﻦ أﻧﺎ ﺷﻔﺖ ﺷﻔﺖ اﻟﺪوﺳﯿﮫ ﺑﺘﺎﻋﺘﻚ ‪ ،‬إﺟﯿﺖ اﻟﺪوﺳﯿﮫ ﻛﺎن ﻛﻞ ﺣﺮﻛﺔ أﺗﺤﺮﻛﮭﺎ ‪ ...‬ﻛﻞ ﺳﻔﺮة ‪،‬ﻛﻞ ﺗﻠﻔﻮن ﻛﺎن ﻣﻮﺟﻮد ﻓﻲ اﻟﺪوﺳﯿﮫ ھﺬه ‪ ،‬اﻟﯿﻮم‬ ‫ﺳﺎﻓﺮ ل"ﺟﯿﻨﻲ إﻓﺎﻟﯿﻮم" راح ل"ﺑﯿﻦ" اﻟﯿﻮم ﺗﻠﻔﻦ ﻣﻊ ﻓﻼن ‪ ،‬اﻟﯿﻮم ﺣﻜﻰ ﻣﻊ ﻓﻼن ‪ ،‬اﻟﯿﻮم ﺣﻜﻰ ﻣﻊ ﺻﺤﻔﻲ ﻋﺎﯾﺰ ﯾﻌﻤﻞ ﻣﻘﺎﺑﻠﺔ ﻣﻊ رﺋﯿﺲ ﺗﻮﻧﺲ‬ ‫اﻟﺤﺒﯿﺐ ﺑﻮرﻗﯿﺒﺔ ‪ ،‬ﻛﻞ ﺷﻲ ﻛﺎن ﻣﻜﺘﻮب ‪ ،‬ﻧﺎدﯾﺎ وﻟﺪت ﻓﻲ " أوﺳﻔﺎن ﺳﻮﻧﺘﺎج " أم " أوﺳﺘﺎن ﻣﻮﻧﺘﺎج ﺑﺎرﺗﻲ ﺷﻮن "‪.‬ﻛﺎﻧﻮا ﻛﺎﺗﺒﯿﻦ اﻟﯿﻮم إﺟﺘﻮ ﺑﻨﺖ‬ ‫إﺳﻤﮭﺎ " ﻧﺎدﯾﺎ " أوك‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/4), 2010:‬‬ ‫ﻛﻨﺖ أدرس أﻟﻤﺎﻧﻲ وأﺣﺎول أﺷﺘﻐﻞ وھﯿﻚ ﺗﻌﻠﻤﺖ ﺷﻮﯾﺔ أﻟﻤﺎﻧﻲ رﺣﺖ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ ﺣﻜﯿﺖ ﻣﻊ أﺳﺘﺎذ ﺑﺎﻟﻤﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺟﻲ ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ " زورﯾﺦ " وواﻓﻖ‬ ‫ﻋﻠﻰ أﺳﺎس إﻧﻲ ﺑﻌﺪ ﻣﻌﺎدﻟﺔ ﺷﮭﺎدة ﺗﺮﻛﯿﺎ إﻧﻲ أﻋﻤﻞ دﻛﺘﻮرة ﻓﻲ ﻣﻌﮭﺪ اﻟﻤﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺟﻲ ﻓﻲ ﻛﻠﯿﺔ طﺐ ﻓﻲ زورﯾﺦ ﻣﻌﺎدﻟﺔ اﻟﺸﮭﺎدة ﻛﺎن ﻻزم أﻋﻤﻞ‬ ‫ﺳﻤﯿﺴﺘﺮﯾﻦ وأدﺧﻞ ﺛﻼث إﻣﺘﺤﺎﻧﺎت ‪ ،‬ﻋﻤﻠﺖ اﻟﺴﻤﯿﺴﺘﺮﯾﻦ ﻓﻲ ﻛﻠﯿﺔ اﻟﺒﯿﻮﻟﻮﺟﻲ ھﻮن ھﻮن ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ‪ ،‬ودﺧﻠﺖ ﺛﻼث إﻣﺘﺤﺎﻧﺎت وﻧﺠﺤﺖ‬ ‫وﺑﺪأت أﻋﺘﻘﺪ ﻓﻲ ال‪ 77‬ﻓﻲ اﻟﻤﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺟﻲ طﺒﯿﻌﻲ ﻓﻲ ال‪ 77‬ﺣﺘﻰ أﺟﺪد ﺗﺼﺮﯾﺢ اﻟﺴﻔﺮ‪ ،‬ﻛﺎﻧﺖ ﺻﺎرت ﻣﺪة ﺗﺼﺮﯾﺢ اﻟﺴﻔﺮ ﺳﻨﺘﯿﻦ ﻛﺎن‬ ‫اﻟﻤﻔﺮوض أﺑﻘﻰ ﻓﻲ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ أﺳﺒﻮﻋﯿﻦ‪ ،‬ﻟﻜﻦ اﻟﻈﺮوف اﻟﻠﻲ وﺿﻌﮭﺎ اﻟﺠﯿﺶ اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ ‪...‬اﻟﻘﯿﻮد اﻟﻠﻲ وﺿﻌﮭﺎ اﻟﺠﯿﺶ اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ إﺿﻄﺮﯾﺖ‬ ‫أﺑﻘﻰ ﺳﺖ أﺳﺎﺑﯿﻊ ‪ ،‬ﻛﻤﺎ ذﻛﺮت ﻓﻲ اﻷﻟﻤﺎﻧﻲ ﻗﺒﻞ أﺳﺒﻮﻋﯿﻦ ﻛﺎﻣﻼت ﻛﺎن ﯾﻮﻣﯿﺎ ً ﻻزم أروح اﻟﺸﺮطﺔ أو اﻟﻤﺨﺎﺑﺮات اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﯿﺔ ﻓﻲ ﺟﻨﯿﻦ أﺣﻀﺮ‬ ‫ﻋﻨﺪھﻢ اﻟﺴﺎﻋﺔ ‪ 8‬اﻟﺼﺒﺢ أﺟﻠﺲ ﻓﻲ ﻣﻤﺮ‪ ،‬اﻟﺴﺎﻋﺔ ‪ 5‬ﻋﻨﺪ إﻧﺘﮭﺎء دواﻣﮭﻢ ﻛﺎن ﯾﻘﻠﻲ ﺗﻌﺎل إﻧﺼﺮف وﺗﻌﺎل ﺑﻜﺮا ‪ ،‬ﻟﻤﺪة أﺳﺒﻮﻋﯿﻦ ﻛﺎﻣﻼت ﺑﻌﺪ‬ ‫اﻷﺳﺒﻮﻋﯿﻦ ﻛﻨﺖ أﻧﺘﻈﺮ ﺗﺠﺪﯾﺪ اﻟﺘﺼﺮﯾﺢ ﻟﻠﺨﺮوج ﻣﺮة ﺛﺎﻧﯿﺔ ﻓﺎ اﺳﺘﻤﺮ اﻟﻮﺿﻊ ‪ 6‬أﺳﺎﺑﯿﻊ‪ ...‬آآآآه‪ 6 ...‬أﺳﺎﯾﺒﻊ ﻟﻐﺎﯾﺔ ﻣﻘﺪرت أﺧﺬ ﺗﺼﺮﯾﺢ وأﺧﺮج‬ ‫ﻓﻲ ھﺬه ﻓﻲ اﻟﻮﺿﻊ اﻟﻨﻔﺴﻲ اﻟﻠﻲ ﻛﻨﺖ ﻣﻮﺟﻮد ﻓﯿﮫ ‪،‬ﻟﻤﺎ أﺧﺬت اﻟﺴﯿﺎرة ﻣﻦ ﺟﻨﯿﻦ ﻟﻠﺠﺴﺮ ﺟﺴﺮ اﻷردن‪ ،،،‬ﻣﻌﺒﺮ اﻟﺨﺮوج ﻣﻦ اﻟﻀﻔﺔ إﻟﻰ اﻷردن ‪،‬‬

‫‪309‬‬

‫‪Anhang‬‬

‫ﺑﻜﯿﺖ طﻮل اﻟﻄﺮﯾﻖ ووﻗﻔﺖ اﻟﺴﯿﺎرة ﻓﻲ ﻓﻲ أرﯾﺤﺎ ﻓﺄﺧﺬت ﺣﺠﺮﯾﻦ ﺻﻐﺎر ﻣﻦ أرﯾﺤﺎ ‪ ،‬وﻋﻨﺪي إﺣﺘﻤﺎل إﻧﻮ ﻻ ﯾﻤﻜﻦ أﺷﻮف اﻟﺒﻠﺪ ھﺬه ‪،‬واﻟﺤﺠﺮﯾﻦ‬ ‫ھﺪول ﻷﺟﻞ اﻟﺼﺪﻓﺔ واﺣﺪ ﻣﻨﮭﻢ أﻋﻄﯿﺘﮫ ﻷﺑﻮﻛﻲ ‪ ...‬أوك ﻟﻤﺎ وﺻﻠﺖ ﻟﺴﻮﯾﺴﺮا ھﻮن ﻓﻲ ال‪ 77‬ﻓﻘﺪت اﻷﻣﻞ ﻓﻲ اﻟﻌﻮدة ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ‪ ،‬ﺑﺪأت‬ ‫اﻟﻌﻤﻞ اﻟﺴﯿﺎﺳﻲ ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ وﻣﻊ ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﻓﻲ ﺟﻨﯿﻒ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/5), 2010:‬‬ ‫ﻓﻲ‪ ...‬وأﻋﺘﻘﺪ ﺳﻨﺔ ‪ 73‬ﻛﺎن ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ طﺒﯿﻌﻲ ﺧﺎرج اﻷردن ‪ .‬وﺟﻮاز اﻟﺴﻔﺮ اﻷردﻧﻲ ‪ ،‬ﻛﻨﺖ أﺣﻤﻞ ﺟﻮاز ﺳﻔﺮ أردﻧﻲ ﻛﺎن ﻻزم‬ ‫ﺗﺠﺪﯾﺪه ﻷﻧﻮ اﻹﻗﺎﻣﺔ إﻗﺎﻣﺔ اﻟﺪراﺳﺔ ﻓﻲ ﺗﺮﻛﯿﺎ ﺗﻌﺘﻤﺪ ﻋﻠﻰ ﻣﺪة ﺟﻮاز اﻟﺴﻔﺮ ﻓﺠﻮاز ﺳﻔﺮ ﻛﺎن ﻻزم ﯾﺘﺠﺪد ‪ ،‬ﺑﻌﺘﺖ اﻟﺠﻮاز ﻟﻠﺴﻔﺎرة اﻷردﻧﯿﺔ أﺟﺪد‬ ‫اﻟﺠﻮاز ‪ ،‬ﻟﻜﻦ ﻟﻢ أﺳﻤﻊ ﻣﻦ اﻟﻘﻨﺼﻠﯿﺔ اﻷردﻧﯿﺔ ﺷﻲء ﻧﮭﺎﺋﯿﺎ ً ‪ ،‬إﺗﺼﻠﺖ ﻓﻲ اﻟﻘﻨﺼﻞ اﻷردﻧﻲ ﻓﻄﻠﺐ ﻣﻨﻲ أن أذھﺐ إﻟﻰ أﻧﻘﺮة ‪ 500 ...‬ﻛﯿﻠﻮ ﻣﺘﺮ ﺑﯿﻦ‬ ‫إﺳﺘﻨﻄﺒﻮل وأﻧﻘﺮة ‪ ،‬ذھﺒﺖ إﻟﻰ أﻧﻘﺮة وﺣﻜﺎﻟﻲ ‪ :‬ﺑﺼﺮاﺣﺔ إذا ذھﺒﺖ ﻟﻸردن ﻻ ﯾﻤﻜﻦ أﺧﺮج ﻣﻦ اﻷردن ﻣﻄﻠﻮب ‪ ...‬أﻧﺎ ﻣﻄﻠﻮب ﻟﻠﻤﺨﺎﺑﺮات‬ ‫اﻷردﻧﯿﺔ ]…[ﺑﺘﻌﺘﺒﺮﻧﻲ اﻟﻤﺨﺎﺑﺮات اﻷردﻧﯿﺔ ﻋﻀﻮ ﻓﻲ ﻣﻨﻈﻤﺔ " اﻟﻜﻒ اﻷﺳﻮد " ‪ .‬ﻻ ﻟﻢ أﻛﻦ ﻋﻀﻮ ﻻ ﻣﻦ ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ وﻻ ﻓﻲ‬ ‫ﻓﺘﺢ وﻻ ﻓﻲ أي ﻣﻨﻈﻤﺔ ﺳﯿﺎﺳﺔ ﻷﻧﻲ ﻛﻞ ھﺪﻓﻲ ﻛﺎن أرﺟﻊ ﻟﻠﺒﻠﺪ وأﻧﺎ أﻋﺮف إذا دﺧﻠﺖ ‪ ،‬إذا إﺷﺘﻐﻠﺖ ﺳﯿﺎﺳﯿﺎ ً ﺣﯿﻜﻮن ﺻﻌﺐ اﻟﺘﻌﺎﻣﻞ ﻣﻊ اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﯿﯿﻦ‬ ‫وﺣﻔﻘﺪ ﺣﻖ اﻟﻌﻮدة ﻓﻜﺎن ﻣﺠﺮد ﺗﮭﻤﺔ وﻟﻸﺳﻒ ﻣﺎ ﻗﺪرﺗﺶ أرﺟﻊ ﻟﻸردن ﺧﻮﻓﺎ ً ﻣﻦ اﻟﺴﺠﻦ ‪ ،‬وطﯿﺒﻌﻲ اﻷﻣﻦ اﻟﺘﺮﻛﻲ ﺑﻄﻠﺐ ﻣﻨﻲ ﺗﺠﺪﯾﺪ ﺟﻮاز ﺳﻔﺮ‬ ‫ﺟﺪﯾﺪ ﺣﺘﻰ أﻗﺪر أﺳﺠﻞ ﻓﻲ اﻟﺴﻤﺴﺘﺮ اﻟﻘﺎدم ﻓﻲ اﻟﺠﺎﻣﻌﺔ‪ ،‬ﻓﻜﺎن ﻣﺶ ﻋﺎرف إﯾﺶ أﻋﻤﻞ ‪ .‬اﻟﻤﮭﻢ واﻟﺪي ﺧﺮج ﻟﻸردن وﺣﻞ اﻟﻤﺸﻜﻠﺔ ﻋﻦ طﺮﯾﻖ‬ ‫ﺑﺮﻟﻤﺎﻧﻲ أردﻧﻲ‪ ،‬وأﺛﺒﺖ إﻧﻮ أﻧﺎ ﻟﻢ أﻛﻦ ﻓﻲ أي ﻣﻨﻈﻤﺔ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ‪،‬وﺻﺪر ﺟﻮاز اﻟﺴﻔﺮ اﻷردﻧﻲ ﻣﻦ ﺗﺴﻌﺔ وﺳﺘﯿﻦ ﻟﺨﻤﺴﺔ وﺳﺒﻌﯿﻦ ﻛﺎن ﻛﻞ ﺳﻨﺔ‬ ‫ﻋﺬاب ﺳﻮاء ﻓﻲ ﺳﻮرﯾﺎ ‪ ،‬ﺳﻮاء ﻓﻲ اﻷردن ‪ ،‬ﺳﻮاء ﻓﻲ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ‪ .‬إذا ذھﺒﺖ ﺳﻮرﯾﺎ ﻛﺎن ﻓﻲ ﻣﺸﺎﻛﻞ ﻣﻊ اﻟﺴﻮرﯾﯿﻦ ‪ ،‬ﻣﺸﺎﻛﻞ ﻣﻊ اﻷردﻧﯿﯿﻦ‬ ‫وﻣﺸﺎﻛﻞ ﻣﻊ اﻟﺠﯿﺶ اﻹﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ‪ ،‬واﻟﺬﻧﺐ اﻟﻮﺣﯿﺪ ذﻧﺒﻲ اﻟﻮﺣﯿﺪ ﻛﺎن إﻧﻲ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ‪ .‬أوك ﺑﻌﺪ دراﺳﺔ اﻟﺒﯿﻮﻟﻮﺟﻲ ﻻ ﯾﻤﻜﻦ أﻓﺘﺢ ﻣﺨﺘﺒﺮ ﻓﻲ ﺟﻨﯿﻦ ‪،‬‬ ‫ﻓﻼزم أﻋﻤﻞ ﻣﺎﯾﻜﺮوﺑﻮﻟﻮﺟﻲ " ﺑﺎﻛﺘﯿﺮﯾﻠﻮﺟﻲ" ‪ ،‬ﻣﺎدﯾﺎ ً ﻻ ﯾﻤﻜﻦ أﻓﻀﻞ ﻓﻲ ﺗﺮﻛﯿﺎ ﻹﻧﻮ إﺧﻮﺗﻲ ﺑﺮﺿﻮ ﻋﺎﯾﺰﯾﻦ ﯾﺪرﺳﻮا ﻛﺎن ﻣﻔﺮوض إﻧﻲ أدور‬ ‫ﻋﻠﻰ ﺑﻠﺪ أﻗﺪر أﺷﺘﻐﻞ وأدرس ‪ .‬ﻗﺒﻞ اﻟﺘﺨﺮج ﻣﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ إﺳﻄﻨﺒﻮل ﺳﻨﺔ ‪ 75‬ھﯿﻚ ﻓﻲ ﺑﺪاﯾﺔ أواﺧﺮ ‪ 1974‬ﺑﺪأت اﻟﺒﺤﺚ ﻋﻦ ﻣﻜﺎن ﻓﻲ أوروﺑﺎ ﻓﻄﻠﺐ‬ ‫ﻓﯿﺰا ﻣﻦ ﻣﻌﻈﻢ أو زرت ﻣﻌﻈﻢ ﺳﻔﺎرات أوروﺑﺎ "ﺳﻮﯾﺪ ‪ ،‬ﻧﺮوﯾﺞ ‪ ،‬دﻧﻤﺎرك ‪ ،‬إﻧﺠﻼﻧﺪ ‪ ،‬ﻓﺮﻧﺴﺎ ‪ ،‬أﻟﻤﺎﻧﯿﺎ ‪ ،‬اﻟﻨﻤﺴﺎ " وﻻ ﺑﻠﺪ أوروﺑﻲ أﻋﻄﺎﻧﻲ ﻓﯿﺰا‬ ‫ﻟﺪﺧﻮل ﺑﻠﺪھﻢ ‪ ،‬ﻓﻲ اﻟﺴﻔﺎرة اﻟﺴﻮﯾﺪﯾﺔ ﻣﻮظﻒ ﺣﻜﺎﻟﻲ ﺟﺮب ﺳﻮﯾﺴﺮا ‪ ...‬ﺳﻮﯾﺴﺮا ﻣﻤﻜﻦ ﯾﻌﻄﻮك ﻓﯿﺰا ﻓﺬھﺒﺖ ﻟﻠﺴﻔﺎرة اﻟﺴﻮﯾﺴﺮﯾﺔ وﻓﻌﻼً ﻛﺎن‬ ‫ﻣﻮظﻒ ﻣﺆدب وأﻋﻄﺎﻧﻲ ﻓﯿﺰا ﻟﺴﻮﯾﺴﺮا ﯾﻌﻨﻲ وﺟﻮدي ﻓﻲ ﺳﻮﯾﺴﺮا ﻛﺎن ﻣﺠﺮد ﺻﺪﻓﺔ‪ ،‬ﻹﻧﮭﺎ ھﻲ اﻟﺒﻠﺪ اﻟﻮﺣﯿﺪ اﻟﻠﻲ أﻋﻄﺖ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﻓﯿﺰة دﺧﻮل‪.‬‬ ‫ﺳﻨﺔ ‪ 1975‬ﺷﮭﺮ ‪ 2‬ﺧﻠﺼﺖ ﺟﺎﻣﻌﺔ اﺳﻄﻨﺒﻮل وﻓﻲ ﺷﮭﺮ إﺑﺮﯾﻞ ﺟﯿﺖ ﻟﺴﻮﯾﺴﺮا‪ ...‬دﺧﻠﺖ ﺳﻮﯾﺴﺮا‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/6), 2010:‬‬ ‫طﺒﯿﻌﻲ ﻓﻲ ھﺬه اﻻﺛﻨﺎء ﻛﺎن اﻟﺠﯿﺶ اﻻﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ داﺧﻞ اﻟﻘﺮﯾﺔ ‪،‬ﻓﺎﻛﺜﯿﺮ ﻣﻦ اﺣﯿﺎن ﻛﺎﻧﻮا ﯾﺠﻤﻌﻮا اﻟﺮﺟﺎل واﻟﺸﺒﺎب ﻓﻲ ﺳﺎﺣﺔ اﻟﻤﺪرﺳﺔ ‪،‬ﻛﺎن ﺻﯿﻒ‬ ‫ﺣﺎر‪ ،‬وﻛﺎﻧﻮا ﯾﻘﻌﺪوﻧﺎ ﺗﺤﺖ اﻟﺸﻤﺲ ﻣﻦ اﻟﺼﺒﺢ ﻟﻠﺴﺎﻋﺔ )‪ ،(2‬ﻟﻠﺴﺎﻋﺔ)‪(3‬ﺑﻌﺪ اﻟﻈﮭﺮ ‪،‬ووو ﻛﺎﻧﻮا ﯾﺤﺎوﻟﻮا ﯾﻠﻘﻮا اﻟﻘﺒﺾ ﻋﻠﻰ ﺑﻌﺾ اﻟﻨﺎس ‪،‬وﻛﺎن‬ ‫ﺗﻘﺮﯾﺒﺎ ﺷﻲ ﻋﺸﻮاﺋﻲ ‪،‬اذﻛﺮ ﻣﻦ ﺿﻤﻦ ﯾﻠﻲ ﻗﺒﻀﻮا ﻋﻠﯿﮭﻢ ﺷﺎب ﺟﺜﺜﻮا ﻛﺒﯿﺮة ‪،‬ﻟﻜﻦ ﻋﻘﻠﯿﺎ ﻛﺎن ﻣﻘﻌﺪ ‪،‬وﻛﺎﻧﺖ اﻟﺘﮭﻤﺔ اﻟﻤﻮﺟﮭﺔ اﻟﻮ اﻧﻮ ارھﺎﺑﻲ ‪،‬ﻓﺎ‬ ‫طﺒﯿﻌﻲ ﻣﻦ ھﻮن ﺑﺎن ﻟﻜﻞ اﻟﻨﺎس ‪،‬اﻧﻮ اﻟﻨﺎس اﻟﻠﻲ ﻗﺎﻋﺪﯾﻦ ﻓﻲ اﻟﺴﯿﺎرات اﻟﻌﺴﻜﺮﯾﺔ اﻻﺳﺮاﺋﯿﻠﯿﺔ ‪,‬اﻟﻠﻲ ﺑﯿﻘﻮﻟﻮا ھﺬا ارھﺎﺑﻲ او ﻻء ﻛﺎن ﻣﺠﺮد ﻛﺬب‬ ‫ﻣﻦ اﻟﺠﯿﺶ اﻻﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/7), 2010:‬‬ ‫ااااه‪...‬ﺣﺮب اﻟﺴﺒﻌﺔ وﺳﺘﯿﻦ‪ ،‬ﻛﺎﻧﺖ طﺒﯿﻌﻲ ﻗﺎﺳﯿﺔ ‪،‬اوﻻ‪..‬اﻟﻮﺿﻊ ﻧﻔﺴﻲ ﻛﺎن ﺳﻲء ﺟﺪا ‪،‬اﻟﺠﯿﺶ اﺳﺮاﺋﯿﻠﻲ ﻛﺎن ﯾﻀﺮب ‪،‬ﻛﺎن اﻟﻄﺎﺋﺮات اﻟﺤﺮﺑﯿﺔ‬ ‫اﻻﺳﺮاﺋﯿﻠﯿﺔ ﺗﻘﺼﻒ ‪،‬وﻋﻠﻰ ارض اﻟﻮاﻗﻊ ‪..‬ﻋﻠﻰ ارض اﻟﺤﺮب اﻟﺠﯿﺶ اﻻردﻧﻲ ﻣﻜﻨﺶ ﻣﻮﺟﻮد‪ ،‬ﯾﻘﺎل ﻋﻨﮭﺎ ﺣﺮب )‪(6‬اﯾﺎم ‪،‬ﻟﻜﻦ اﻟﻠﻲ ﺷﺎھﺪﺗﻮ ‪..‬ﻟﻢ‬ ‫ﺗﻜﻦ ﺣﺮب )‪(6‬اﯾﺎم ‪،‬واﻧﻤﺎ ﻛﺎﻧﺖ ﺳﺎﻋﺎت ‪،‬ﻻﻧﻮ ﺻﺪراﻻﻣﺮ ﻣﻦ اﻟﺤﻜﻮﻣﺔ اﻻردﻧﯿﺔ ﻟﻠﺠﯿﺶ اﻻردﻧﻲ ﺑﻼﻧﺴﺤﺎب اﻟﻰ ﺧﻂ اﻻﻧﺴﺤﺎب اﻟﺜﺎﻧﻲ ‪،‬وﺧﻂ‬ ‫اﻟﺪﻓﺎع اﻟﺜﺎﻧﻲ ﻛﺎﻧﺖ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﺸﺮﻗﯿﺔ ﻟﻨﮭﺮ اﻻردن ‪.‬ﻣﻌﻨﻰ ذﻟﻚ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ﻟﻢ ﯾﻜﻦ ﻓﯿﮭﺎ ﻣﻘﺎوﻣﺔ ﻣﻦ اﻟﺠﯿﺶ اﻻردﻧﻲ ‪،‬وﻛﺎﺷﻌﺐ ‪..‬اﻟﻮﺿﻊ اﻟﻨﻔﺴﻲ‬ ‫ﻛﺎن ﺳﻲء‪ ..‬ﺳﻲء ﺟﺪا‪،‬ﻛﺜﯿﺮ ﻣﻦ اﻟﻨﺎس طﺒﯿﻌﻲ ﺗﺮﻛﻮا اﻟﺒﻠﺪ‪..‬ﺗﺮﻛﻮا اﻻرض ‪،‬وﺑﺬﻛﺮ واﻟﺪي او أﺑﻮي طﻠﺐ ﻣﻨﻲ ﯾﺮﺿﻮ اﻧﻮ اروح اﺷﻮﻓﻠﻮ ﺳﯿﺎرة‬ ‫ﻣﺸﺎن ﯾﺸﺮدوا ‪..‬ﯾﻐﺎدروا ﻛﻔﺮ راﻋﻲ ‪،‬ﻷول ﻣﺮة ﻓﻲ ﺣﯿﺎﺗﻲ اﻗﻮل ﻷﺑﻮي ‪,‬ﻷ‪.‬ﻷ‪.‬ﻷ‪.‬‬

‫‪Tabu, Trauma und Identität‬‬

‫‪310‬‬

‫ﻷﻧﻲ طﻠﻌﺖ ﻛﺎن ﻋﺪد اﻓﺮاد اﻟﻌﺎﺋﻠﺔ )‪(10‬اوﻻد وأﻣﻲ و أﺑﻮي ‪،‬وﻛﺎن ﺟﺪﺗﻲ ﺑﺮﺿﻮ ﻣﻘﻌﺪة ‪،‬ﻓﺎ رأﺳﺎ ﻓﻜﺮت اذا ﺧﺮﺟﻨﺎ ﻣﻦ اﻟﺒﻠﺪ ﻣﻦ)اﻻرض( ﻣﻌﻨﻰ‬ ‫ذﻟﻚ ‪..‬ﻣﺼﯿﺮﻧﺎ ﻓﻲ ﻣﺨﯿﻢ ﻻﺟﺌﯿﻦ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﻓﻲ اﻻردن ‪.‬ﻓﺎ ﻛﻤﺎ ذﻛﺮت اول ﻣﺮة ﺑﻘﻮل ﻟﻮاﻟﺪي )ﻷ(‪،..‬وﺣﻜﯿﺘﻠﻮ اذا اﻧﺖ ﻋﺎﯾﺰ ﺗﺸﺮد ﻟﻮﺣﺪك ؟!‬ ‫ﺗﻔﻀﻞ ‪،‬ﻟﻜﻦ اﻧﺎ واﻟﻌﺎﺋﻠﺔ ﺣﻨﻔﻀﻞ ﻓﻲ ‪..‬ﻓﻲ اﻻرض ھﻮن ‪،‬وﻣﻦ ﺣﺴﻦ اﻟﺤﻆ ﻟﻢ ﯾﺠﺪ ﺳﯿﺎرة ﺗﻨﻘﻠﻮ ‪،‬ﻓﺒﻘﻲ ﻣﻌﻨﺎ ﻓﻲ اﻻرض ‪..‬ﻓﻲ اﻟﺒﯿﺖ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/8), 2010:‬‬ ‫وﻋﺮﺿﺖ ﻛﻤﺎن إﻧﻮ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﺗﻌﺘﺮف ﻓﻲ ﺟﺎﻣﻌﺎت ٍإﺳﺮاﺋﯿﻞ اﻟﻤﻔﺮوض ﻛﻤﺎن ﺗﻌﺘﺮف ﺑﺠﺎﻣﻌﺔ ‪ ، X‬ﻛﺎن طﺒﯿﻌﻲ ﺟﺎﻣﻌﺔ ‪ X‬ﻓﻲ رام ﷲ ﺑﺪأت‬ ‫اﻟﻌﻤﻞ ﻣﻦ أرﺑﻊ ﺧﻤﺲ ﺳﻨﯿﻦ وﻛﺎن اﻟﻄﻠﺐ ﻣﻮاﻓﻖ ﻋﻠﯿﮫ‪ ،‬ﻟﻜﻦ ﻛﺎن اﻟﻤﻔﺮوض ﻋﻤﯿﺪ ﻛﻠﯿﺔ ﺟﺎﻣﻌﺔ ‪ X‬ﯾﺠﻲ ﻟﮭﻮن ﻟﺰورﯾﺦ ]…[وھﻮي ﻓﻲ) ﻟﻮزان(‪،‬‬ ‫ﻛﺎن ﻓﻲ ﻟﻮزان ﻓﻌﻤﻞ ﻣﺆﺗﻤﺮ ﺻﺤﻔﻲ ﻓﻐﻠﻂ ‪ ،‬ﻋﻤﻞ ﻏﻠﻄﺔ ﻛﺒﯿﺮة وﺣﻜﻰ إﻧﻮ ﻣﺪﻋﻮ ﻛﻤﻤﺜﻞ ﻋﻦ ﻣﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ إﻟﻰ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ‬ ‫وھﺎدا ﻛﺎن ﺧﻄﺄ اﻟﺪﻋﻮة ﻛﺎﻧﺖ ﻣﻮﺟﮭﺔ ﻣﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ ﻟﺠﺎﻣﻌﺔ وﻟﯿﺲ ﻣﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ ‪ ،‬ﻣﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﻟﻤﻨﻈﻤﺔ اﻟﺘﺤﺮﯾﺮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ !! ﻓﺈﺗﺼﻞ ﻓﯿﮭﻲ‬ ‫اﻟﺴﻜﺮﺗﯿﺮ اﻟﻌﺎم وﺣﻜﺎﻟﻲ إﻧﻮ ﻓﻲ ﺑﺮﺿﻮ ﻋﻤﻠﻨﺎ ﻏﻠﻂ ﺻﺎر ﻓﻲ ﺿﺠﺔ ھﻸ اﻟﺠﺎﻟﯿﺔ اﻟﯿﮭﻮدﯾﺔ ﺗﻀﻐﻂ ﻋﻠﯿﻨﺎ إﻧﻮ ﻣﺎ إﻧﻮ ﻧﺮﻓﺾ اﻟﺰﯾﺎرة ﻟﻜﻦ ﻣﺎ رﻓﻀﻮا‬ ‫اﻟﺰﯾﺎرة ‪ ،‬وأﺟﺎ ﻋﻤﯿﺪ ﺟﺎﻣﻌﺔ ‪ X‬ﻟﺠﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ وﻛﺎﻧﺖ اﻟﻤﻮاﻓﻘﺔ ﻛﺎﻣﻠﺔ ﻟﻜﻦ اﻟﻤﻔﺮوض ﻛﺎن ﯾﺒﻌﺚ ﻣﻌﻠﻮﻣﺎت ﻛﺎﻓﯿﺔ ﻋﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ‪X...‬‬ ‫ﻟﻺﻋﺘﺮاف ﻓﯿﮭﺎ ﻟﻜﻦ ﻟﻸﺳﻒ‪ ..‬ﻟﻸﺳﻒ رﺟﻊ إﻟﻰ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ وﻟﻢ ﯾﺒﻌﺚ أي ﻣﻌﻠﻮﻣﺔ ﻋﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ ‪ X‬ﻟﻜﺎن إﻋﺘﺮﻓﺖ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﺑﺠﺎﻣﻌﺔ ‪X‬‬ ‫وﺣﺘﻜﻮن أول ﺟﺎﻣﻌﺔ ﻋﺮﺑﯿﺔ ﻣﻌﺘﺮف ﺑﯿﮭﺎ ﻣﻦ ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ‪،‬وﻟﻜﻦ ﻟﻸﺳﻒ‪،،‬ﻟﻸﺳﻒ ‪،،‬ﻟﻸﺳﻒ‪.‬‬ ‫ھﺬا ھﯿﻚ ﺷﺨﺼﯿﺎت ﻓﻲ أي ﺷﻌﺐ ﻛﺎن ﻣﻮﺟﻮد ﻓﻲ اﻟﻌﺎﻟﻢ أﻛﺮه اﻟﺘﻌﺎﻣﻞ ﻣﻌﮭﺎ ﻹﻧﻮ ﺑﺸﺘﻐﻞ ﻟﻨﻔﺴﮭﺎ وﺑﺘﺸﺘﻐﻠﺶ ﻟﺸﻌﺒﮭﺎ أوك طﺒﯿﻌﻲ ﻛﻤﺎن ﺧﺎرج‬ ‫ﺟﺎﻣﻌﺔ زورﯾﺦ ﻛﻨﺖ أﺷﺘﻐﻞ ﺳﯿﺎﺳﯿﺎ ً ﻓﻲ اﻹﻋﻼم ﻣﻘﺪرش أﺣﻜﯿﻠﻚ ﻛﻞ اﻟﻘﺼﺺ ھﻸ ﺑﺲ ﺑﻤﺨﺘﺼﺮ ﺗﻘﺮﯾﺒﺎ ً ‪ %30‬ﻣﻦ وﻗﺘﻲ ﻛﺎن ﺳﯿﺎﺳﯿﺎ ً ﻋﻤﻞ ﺳﯿﺎﺳﻲ‬ ‫ﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻦ و‪ %30‬ﻟﻠﻌﻤﻞ ﻣﻦ ﺷﺎن ﺷﺎن أﻛﻞ و‪ %40‬ﻟﻠﺪراﺳﺔ اﻟﺤﻤﺪ< ﺑﺮﺿﻮ ﻓﻘﺪت ﻓﻲ ھﺬه اﻟﻔﺘﺮة ﺣﻖ اﻟﻌﻮدة ﺑﻄﻠﺖ أﻗﺪر أرﺟﻊ ﻋﻠﻰ اﻟﻀﻔﺔ‬ ‫اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ واﻟﺪﻛﺘﻮراه ﺧﻠﺼﺘﮭﺎ ﺳﻨﺔ ‪ 83‬إﺗﺰوﺟﺖ ﺑﺮﺿﻮ ‪ 83‬وﺑﺪأت أﺷﺘﻐﻞ ﻓﻲ اﻟﻤﮭﻨﺔ ﺗﺎﻋﺘﻲ ﻟﻜﻦ ﻟﻐﺎﯾﺔ اﻵن أﺗﺤﺼﺮ ﻋﻠﻰ اﻟﺤﻠﻢ اﻟﻠﻲ ﺿﺎع "‬ ‫اﻟﻀﺎﯾﻊ " ھﻸ اﻟﺤﻠﻢ اﻟﻠﻲ ﻛﺎن ﻣﻨﺬ ﺷﺒﺎﺑﻲ إﻧﻲ أﻓﺘﺢ ﻣﺨﺘﺒﺮ ﻓﻲ ﺟﻨﯿﻦ ﺿﺎع‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/9), 2010:‬‬ ‫اﺳﻤﻲ … وﻟﺪت ﻓﻲ ‪ 3‬ﻓﺒﺮاﯾﺮ ‪1949‬ﻓﻲ ﻗﺮﯾﺔ ﻛﻔﺮ راﻋﻲ اﺣﺪى ﻗﺮى ﻣﺤﺎﻓﻈﺔ ﺟﻨﯿﻦ ﻓﻲ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ‬ ‫طﻔﻮﻟﺘﻲ ‪ ،،،‬اذﻛﺮ ﻛﺎﻧﺖ ﻻﺑﺄس ﺑﮭﺎ ‪،‬واﻋﺘﻘﺪ ﻓﻲ اﻟﺴﻨﺔ اﻟﺨﺎﻣﺴﺔ ﻣﻦ ﻋﻤﺮي ﺑﺪأت اﺷﺘﻐﻞ ‪،‬ااااااه واﻟﺪي ﻛﺎن ﺑﺴﯿﻂ اﻟﺤﺎل ‪،‬ﻋﻨﺪو ارض زﯾﺘﻮن ‪،‬و‬ ‫اﺷﺘﺮى ﻏﻨﻢ ‪،‬ﻟﻤﺎ ﻛﺎن ﻋﻤﺮي ﺧﻤﺲ ﺳﻨﯿﻦ‪ ،‬ﺑﺪأت ارﻋﻰ اﻟﻐﻨﻢ ‪.‬‬ ‫)اﻟﻤﺎﻧﻲ (ودﺧﻠﺖ اﻟﻤﺪرﺳﺔ ﻓﻲ ﺳﻦ اﻟﺴﺎدﺳﺔ ﻣﻦ ﻋﻤﺮي ﻛﻨﺖ ﻓﻲ اﻟﺼﺒﺎح ارﻋﻰ اﻟﻐﻨﻢ ﻗﺒﻞ ﻣﺎ ﺗﻔﺘﺢ اﻟﻤﺪرﺳﺔ ‪،‬وﺑﻌﺪ اﻟﻤﺪرﺳﺔ ﺑﺮﺿﻮ ارﻋﻰ اﻟﻐﻨﻢ‬ ‫‪.‬ﻓﺎ ﯾﻮم اﻟﺠﻤﻌﺔ ﻋﻄﻠﮭﺔ ﻋﻨﺪ اﻟﻤﺴﻠﻤﯿﻦ ‪،‬ﺑﺮﺿﻮ ﻛﻨﺖ ارﻋﻰ اﻟﻐﻨﻢ ‪،‬وﻓﻲ اﻟﺼﯿﻒ ‪..‬ﻋﻄﻠﺔ اﻟﺼﯿﻒ ﺛﻼث ﺷﮭﻮر ﻛﻠﻮ ﻛﺎﻧﺖ ﻣﻊ اﻟﻐﻨﻢ‪.‬‬ ‫ﻓﻲ اﻟﻤﺮﺣﻠﺔ اﻻﺑﺘﺪاﺋﯿﺔ )ﺑﺎﻻﻟﻤﺎﻧﻲ( اﻟﻤﺮﺣﻠﺔ اﻻﺑﺘﺪاﺋﯿﺔ‪ ..‬ﻛﻤﻠﺘﮭﺎ ﻓﻲ ﻛﻔﺮ راﻋﻲ ]…[ ﻓﻲ ھﺬه اﻟﻔﺘﺮة ﻛﺎﻧﺖ ﻛﻠﮭﺎ ﺷﻐﻞ ﻣﻊ اﻟﻐﻨﻢ ‪،‬ﻣﻊ اﻟﺰﯾﺘﻮن ﻓﻲ‬ ‫اﻻرض ﺟﺎﻧﺐ اﻟﻤﺪرﺳﺔ ‪،‬اﻟﻤﺪرﺳﺔ اﻟﺜﺎﻧﻮﯾﺔ ‪..‬ﻟﻢ ﯾﻜﻦ ﻓﻲ ﻛﻔﺮ راﻋﻲ ﻣﺪرﺳﺔ ﺛﺎﻧﻮﯾﺔ ‪،‬ﻓﺎﺿﻄﺮرت اﻟﺬھﺎب اﻟﻰ اﻟﻤﺪﯾﻨﺔ )ﻣﺪﯾﻨﺔ ﺟﻨﯿﻦ( ﻣﻌﻨﻰ ذﻟﻚ ‪.‬‬ ‫‪..‬ﻏﺎدرت اﻟﺒﯿﺖ وﻛﺎن ﻋﻤﺮي ‪15‬ﺳﻨﺔ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. F. (1/10), 2010:‬‬ ‫أوك ‪ ،‬ﻓﺈﺿﻄﺮﯾﺖ طﺒﯿﻌﻲ اﻟﻌﻮدة ﺣﺎوﻟﺖ اﻹﺗﺼﺎل ﻋﻦ طﺮﯾﻖ ﻣﻜﺘﺐ اﻷﻣﻢ اﻟﻤﺘﺤﺪة ﺑﺎﻷردن ﻋﻠﻰ أﺳﺎس إﻧﺤﻞ اﻟﻤﺸﻜﻠﺔ ﻟﻜﻦ ﻟﻸﺳﻒ اﻟﻤﺸﻜﻠﺔ ﻟﻢ‬ ‫ﺗﺤﻞ وإﺿﻄﺮﯾﺖ أﺑﻘﻰ ﺷﮭﺮ ﺑﺎﻷردن وﺑﻌﺪﯾﻦ أدﺧﻞ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ‪ ،‬وﻋﻨﺪ اﻟﺪﺧﻮل ﻓﻲ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ﻻ ﯾﻤﻜﻦ ﺗﻜﻮن ﺗﻌﺮف إﻧﻮ ﺣﯿﻌﻄﻮك‬ ‫ﺗﺼﺮﯾﺢ ﺛﺎﻧﻲ ﺗﺨﺮج‪..‬ﺗﺨﺮج ﺗﻜﻤﻞ دراﺳﺘﻚ أوﻻً ﯾﻌﻨﻲ ﻛﺎﻧﺖ داﯾﻤﺎ ً ﻣﻐﺎﻣﺮة ﺑﺎﻟﻌﻮدة إﻟﻰ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ]…[ اﻟﮭﺪف ﻣﻦ ﻣﻌﺎﻣﻠﺘﮭﻢ اﻟﺴﯿﺌﺔ إﻧﻮ‬ ‫اﻟﻄﻼب ﻣﺎ ﯾﺮﺟﻌﻮش ﻟﻠﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ ‪ ،‬إﻧﮭﻢ ﯾﻀﻠﻮ ﺑﺮا ﺣﺘﻰ ﯾﻔﻘﺪوا ا ﻟﺤﻖ اﻟﻌﻮدة ﻟﻜﻦ ﻛﻨﺖ أﺻﺒﺮ وأﺗﺤﻤﻞ ﻹﻧﻮ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﺑﻠﺪي ‪ ...‬ﻛﻔﺮ راﻋﻲ‬ ‫ﻗﺮﯾﺘﻲ ‪ .‬وأﻧﺎ ﻛﻨﺖ ﻣﺘﻌﻠﻖ ﻓﻲ اﻟﺒﻠﺪ‪.‬‬

‫‪311‬‬

‫‪Anhang‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/1), 2010:‬‬ ‫ھﻸ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ ﻟﺸﻌﻮري ﺑﺎﻟﻐﺮﺑﺔ ﯾﻤﻜﻦ أﻋﻄﯿﻜﻲ ﻓﻜﺮة ﻋﻨﻲ أﻧﺎ ﺻﺮﻟﻲ ﺗﺮﻛﺖ ﺳﻨﺔ ال‪ 62‬اﻟﺒﻠﺪ ﺣﻮاﻟﻲ ھﻸ ﻗﺪﯾﺶ رح ﯾﺼﯿﺮ ﺣﻮاﻟﻲ ‪ 49‬ﺳﻨﺔ ﺻﺮﻟﻲ‬ ‫ھﻮن وﻻ أزال ﻋﻨﺪي إرﺗﺒﺎط ﻛﺒﯿﺮ ﻓﻲ ﺑﻠﺪي ﻓﻲ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﻣﺜﻞ أي ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ وﺑﻨﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ ﺷﻌﻮر ﺧﺎص ﻷﻧﻮ أﻧﺎ ﻣﺎ إﺧﺘﺮت أﻋﯿﺶ ﻓﻲ اﻟﻐﺮﺑﺔ أﻧﺎ‬ ‫أﺟﺒﺮت أﻋﯿﺶ ﻓﻲ اﻟﻐﺮﺑﺔ ﯾﻌﻨﻲ ﻟﻤﺎ ﺻﺎرت اﻟﺤﺮب ﺳﻨﺔ ‪ 67‬ﺷﻌﺮت إﻧﻲ ﺧﺴﺮت اﻟﻮطﻦ ﻟﻠﻤﺮة ﺛﺎﻧﯿﺔ ﯾﻌﻨﻲ ﺳﻨﺔ ‪ 48‬ﺧﺴﺮﻧﺎ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ھﺠﺮت‬ ‫أھﻠﻲ أﺧﺪوﻧﻲ ﻣﻦ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﻟﻸردن وﺑﻨﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ ﺳﻨﺔ ال‪ 67‬أﻧﺎ ﻛﻨﺖ ﻓﻲ ﺑﻌﺎء ﻓﻲ ﻟﻮزان ﺳﻮﯾﺴﺮا وإﺿﻄﺮﯾﺖ أﺑﻘﻰ ﻓﻲ ﻣﺤﻠﻲ ﻓﺄﻧﺎ ﻣﺎ إﺧﺘﺮت‬ ‫أھﺎﺟﺮ ﻓﮭﺬا اﻟﺸﻌﻮر إﻧﻮ أﻧﺎ أﻧﺘﺰﻋﺖ ﻣﻦ ﺑﻠﺪي ﻣﻦ وطﻨﻲ ﺿﻠﻮا ﻣﻮﺟﻮد ﻓﯿﮫ ﻋﺸﺎن ھﯿﻚ ﯾﻤﻜﻦ ﺣﺒﻲ ﻟﻠﻮطﻦ ﻣﻌﻘﻮل ﯾﻜﻮن ﺷﻮي أﻛﺜﺮ ﻣﻦ ﺑﻌﺾ‬ ‫اﻟﻨﺎس‪.‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/2), 2010:‬‬ ‫وﻣﻧدﻟﯾﻧﺎ ﻓﺎ ھﺎي اﻟذﻛرﯾﺎت ﺑﺗذﻛرھﺎ وﺑﺗذﻛر ﻟﻣﺎ ﺑدت اﻟﻌرﺑﯾﺔ اﻹﺳراﺋﯾﻠﯾﺔ ﻛﯾف ﻛﻧﺎ ﺗﺧﺑﯾﻧﺎ ﺑﺎﻟﻣﻼﺟﺊ رﺣﻧﺎ ﻋﻠﻰ دﯾر اﻟﻼﺗﯾن ﻓﻲ اﻟرﻣﻠﺔ وﻧزﻟﻧﺎ‬ ‫ﺗﺣت اﻷرض ﻓﻲ اﻟﻣﻼﺟﺊ ﺻوت اﻟﻘﻧﺎﺑل واﻟرﺻﺎص وإﺷﻲ ﻛﻧﺎ ﺧﺎﯾﻔﯾﯾن وﻋﺷﺎن ھﯾك أھﻠﻲ إﺿطروا ﯾﻣﻛن ﯾﮭﺎﺟروا ﻷﻧو ﻛﻧﺎ ﺧﺎﯾﻔﯾﯾن ﺻﺎر‬ ‫ﻓﻲ ) أﻟﻣﺎﻧﻲ ( ﻓﻲ ﻛل ﻓﻠﺳطﯾن ﺻﺎر ﺣوادث ﻻ ﺑد ﺳﻣﻌﺗﻲ ﻓﻲ دﯾر ﯾﺎﺳﯾن وﻓﻲ ﻋدة ﺷﻐﻼت ﻓﺄھﻠﯾﻧﺎ ﺧﺎﻓوا ﻓﻌﺷﺎﻧﺎ ﺗرﻛوا ﻋﺷﺎن اﻟوﻻد ﻗﻠك‬ ‫ﺑﻧﮭرب ﻓﻛﺎن ﻋﻣري أرﺑﻊ ﺳﻧﯾن ﯾﻌﻧﻲ ﺑﺎﻟﻛﺎد أﺗذﻛر ﯾﻌﻧﻲ وﻟﻣﺎ ﺻرت ﻻﺟﺊ ﻣرة ﺗﺎﻧﯾﺔ ﻛﻧت ﺑﺷﻛل ﻏﯾر ﻣﺑﺎﺷر وﻗت اﻟﺣرب ‪ 67‬ﻣﻘدرﺗش‬ ‫أرﺟﻊ ﻛﺎن ﻋﻣري ﯾﻌﻧﻲ ﻗدﯾش ‪.23‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/3), 2010:‬‬ ‫ھﻸ ﺑﻌﺪ ﻣﺨﻠﺼﺖ ﺷﮭﺎدة ﻗﺎﻟﻮﻟﻲ ﻻزم أروح ‪ ،‬وﯾﻦ أروح ؟؟ اﻟﺸﮭﺎدة أﺧﺪﺗﮭﺎ ﺑﺎل‪ 69‬ھﻸ ﺑﺨﻼل دراﺳﺘﻲ ﺻﺎرت اﻟﺤﺮب اﻟﻠﻲ ﺑﺴﻤﻮھﺎ ﺣﺮب‬ ‫اﻟﺴﺖ أﯾﺎم ﺳﻨﺔ ال‪ 67‬ﻓﻜﻤﻠﺖ اﻟﺪراﺳﺔ وأﻧﺎ ﺑﺎﻟﺤﺮب ﻟﻜﻦ ﺑﻨﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ ﻣﻘﺪرﺗﺶ أرﺟﻊ ﻋﻠﻰ اﻟﺒﻼد ﺑﻌﺪ اﻟﺸﮭﺎدة اﻟﻘﺪس ﺻﺎرت ﻣﺤﺘﻠﮫ وﻣﻘﺪرﺗﺶ‬ ‫أرﺟﻊ ﻋﻠﻰ اﻟﺒﻼد ]…[ ﺛﺎﻧﯿﺎ ً ﻣﮭﻨﺘﻲ ﻛﻤﮭﻨﺪس ﻣﻜﻨﺘﺶ اﻟﻤﮭﻨﺔ اﻟﺼﺤﯿﺤﺔ ﻋﺸﺎن أﺷﺘﻐﻞ ﻓﻲ اﻟﺒﻼد ﻷﻧﻮ أﻧﺎ ﻛﻤﮭﻨﺪس ﻣﺎ ﺑﺪﯾﺶ أﻋﻤﺮ ﻟﻠﯿﮭﻮد أﺑﻨﻲ‬ ‫ﻣﺴﺘﻌﻤﺮات وإﺷﻲ وھﺎد اﻟﺸﻐﻞ اﻟﻠﻲ ﻛﺎن ﻣﻮﺟﻮد إﻧﻚ ﺗﻌﻤﺮي ﻟﻠﯿﮭﻮد وأﻧﺎ ﻣﻜﻨﺘﺶ ﻣﺴﺘﻌﺪ أﺗﻌﺎﻣﻞ ﻻ ﻓﻲ اﻟﻤﺎﺿﻲ وﻻ ﻓﻲ اﻟﻤﺴﺘﻘﺒﻞ ﻣﻊ ھﯿﻚ ﺷﻐﻼت‬ ‫ﯾﻌﻨﻲ ﺧﺼﻮﺻﺎ ً إﻧﻮ ﺷﻲ ﻏﯿﺮ ﻗﺎﻧﻮﻧﻲ وﻋﻠﻰ أرض ﻣﺴﺮوﻗﺔ وأرض ﺷﻌﺒﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/4), 2010:‬‬ ‫ﻟﻤﺎ ﺟﯿﺖ ﻋﻠﻰ ﺑﺎزل ﻛﺎن اﻟﻮﺿﻊ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻲ وﻗﺘﯿﮭﺎ أﺻﻌﺐ ﺑﻜﺜﯿﺮ ﺟﯿﺖ ﺑﻔﺘﺮة ﻛﺎن ﻓﻲ ﺗﺤﻮﯾﻞ ﻟﻄﯿﺎرة ﺳﻮﯾﺴﺮﯾﺔ ﻓﻲ زورﯾﺦ ﻓﻲ ﻣﻄﺎر زورﯾﺦ‬ ‫وﺣﺘﻰ ﻟﻘﯿﺖ ﺻﻌﻮﺑﺔ أﻻﻗﻲ ﺑﯿﺖ ﻟﻤﺎ ﻛﻨﺖ أﻓﺘﺶ ﻋﻠﻰ ﺑﯿﺖ ﻛﺄردﻧﻲ أه ) أوﻓﯿﺴﯿﻞ ( ﻛﻨﺖ أردﻧﻲ رﺳﻤﯿﺎ ً ﯾﺴﺄﻟﻮﻧﻲ ﺣﺎﻣﻞ ﻗﻨﺎﺑﻞ ﻓﻲ ﺟﯿﺒﺘﻚ ﯾﻌﻨﻲ ﻛﺎن‬ ‫ﻋﻨﺪ ﺻﻌﻮﺑﺔ اﻷﻗﻲ ﺑﯿﺖ وﻋﺪة ﻣﺮات رﻓﻀﻮﻧﻲ ﻷﻧﻲ ﻋﺮﺑﻲ ﯾﻤﻜﻦ ﻣﺶ ﻷﻧﻲ ﻋﺮﺑﻲ ﻷﻧﻲ أﺟﻨﺒﻲ ﻛﻤﺎن ) ﺿﺤﻚ ( ﯾﻌﻨﻲ ﻣﺨﻠﻮطﺔ ﺻﺎرت ھﺎ‬ ‫وﻟﻮﻻ إﻧﻮ اﻟﻤﻜﺘﺐ إﺗﺪﺧﻞ وﻗﺘﯿﮭﺎ ﻣﺎ ﻗﺪرﺗﺶ أﺣﺼﻞ ﻋﻠﻰ ﺷﻘﺔ ﯾﻌﻨﻲ اﻟﻤﻜﺘﺐ ﻗﺎﻟﻮا إﺗﺪﺧﻠﻮ ﺗﻠﻔﻮﻧﻮا ﻟﺒﻌﺾ اﻟﺸﺮﻛﺎت وﺑﻌﺪﯾﻦ ﻟﻘﯿﺖ ﺑﯿﺖ ﯾﻌﻨﻲ ﻓﻜﺎﻧﺖ‬ ‫ﻣﺸﻜﻠﺔ ﺑﺎﻟﺒﺪاﯾﺔ إﻧﻮ اﻟﻨﺎس … ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﮭﻢ ﻛﻨﺎ إرھﺎﺑﯿﯿﻦ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﮭﻢ ﻛﻨﺎ ﻋﺎﻧﻔﯿﯿﻦ ﻣﻜﻨﻮش ﯾﻌﺮﻓﻮا اﻟﻮاﻗﻊ اﻟﻤﺰﺑﻮط وﺑﻌﺪﯾﻦ ﺣﺘﻰ ﻟﻮ ﻓﻲ ﻋﻨﺎ ﻧﺎس‬ ‫ﻣﻄﺮﻓﯿﻦ ﻣﺶ ﻛﻞ اﻟﺸﻌﺐ ھﯿﻚ ﻣﻜﻨﻮش ﯾﻔﺮﻗﻮا ﻓﻜﺎﻧﺖ ﻓﺘﺮة ﺻﻌﺒﺔ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/5), 2010:‬‬ ‫ﻓﻜﻞ اﻷھﺎﻟﻲ اﻟﻤﻮﺟﻮدﯾﻦ ھﻨﺎك أو اﻟﺴﻜﺎن ﺻﺎروا أردﻧﯿﯿﻦ ﻓﺄﻧﺎ ﺣﺎوﻟﺖ ﺟﻮاز اﻟﺴﻔﺮ اﻷردﻧﻲ ﻟﺤﺪ ﻣﻐﯿﺮﺗﻮا ﻟﻤﺎ ﺻﺮت ﺳﻮﯾﺴﺮي إﺿﻄﺮﯾﺖ‬ ‫أﺗﻨﺎزل ﻋﻨﻮ ﺑﺲ ﺿﻠﯿﺘﻨﻲ أردﻧﻲ ‪ ،‬ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ ﻟﻠﺒﻮﻟﯿﺲ ﻛﻨﺖ أﻗﻠﮭﻢ أردﻧﻲ وھﺎي اﻟﻮراق ﺗﺒﻌﻲ أردﻧﻲ ﻣﺜﻞ ﻣﮭﻸ ﺑﻘﻮل ﺳﻮﯾﺴﺮي ﺑﺲ ﺷﻌﺮي ﻣﻨﻮ أﺷﻘﺮ‬ ‫) ﺿﺤﻚ ( ﻓﻌﺸﺎن ھﯿﻚ ﻗﻠﺖ ﻛﻠﻤﺔ رﺳﻤﯿﺔ ﻟﻠﺒﻮﻟﯿﺲ وﻟﻺﻗﺎﻣﺔ ﻛﻨﺖ أردﻧﻲ وﺑﻌﺪﯾﻦ ﺻﺮت ﺳﻮﯾﺴﺮي‪.‬‬

‫‪Tabu, Trauma und Identität‬‬

‫‪312‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/6), 2010:‬‬ ‫أﻧﺎ ﻣﻜﻨﺶ ﻋﻨﺪي ﺷﻌﻮر إﻧﻲ ﺑﺪي أﺻﯿﺮ ﺳﻮﯾﺴﺮي ﺑﺎﻟﻔﺘﺮة اﻷوﻟﻰ ﻛﻨﺖ داﺋﻤﺎ ﺑﺘﺄﻣﻞ إﻧﻮ ﻧﻼﻗﻲ ﺣﻞ وأرﺟﻊ ﻋﻠﻰ اﻟﺒﻠﺪ ﺿﻠﯿﺖ أﻗﻮل أﻣﺪدھﺎ وأﻣﺪدھﺎ‬ ‫وأﺑﺼﺮ ﺷﻮ ﺑﻌﺪﯾﻦ ﺳﻨﺔ ال‪ 84‬ﺻﺎروا وﻻدي ﺑﻌﻤﺮ اﻟﺘﺠﻨﯿﺪ ﺑﺎﻷردن ﯾﺼﯿﺮوا ﻓﻲ اﻟﺠﯿﺶ ﻓﻲ ) أﻟﻤﺎﻧﻲ ( ھﺎد أﺣﺪ اﻷﺳﺒﺎب اﻟﻠﻲ ﺧﻼﻧﻲ أﻗﺮر ﻹﻧﻮ‬ ‫إذا وﻻدي راﺣﻮا ﻋﻠﻰ اﻷردن وﻋﻤﺮو ‪ 18‬ﺳﻨﺔ اﻟﻮﻟﺪ أو ‪ 20‬ﻣﺶ ذاﻛﺮ ﺑﺎﻟﺰﺑﻂ ﻣﺠﺒﻮر ﯾﺪﺧﻞ ﻋﻠﻰ اﻟﺠﯿﺶ اﻷردﻧﻲ وﻛﺎن ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻠﻲ ﺻﻌﺐ‬ ‫أﺧﻠﻲ وﻻدي ﯾﺪﺧﻠﻮ ﺑﺎﻟﺠﯿﺶ اﻷردﻧﻲ ﻟﺒﻠﺪ ﻣﺶ ﺑﻠﺪھﻢ وﻟﺒﻠﺪ ﻣﺎ ﻋﺎﺷﻮا ﻓﯿﮫ ﻓﺴﮭﻠﺖ ﻋﻠﯿﮭﻢ اﻷﻣﻮر إﻧﻮ ﻧﺼﯿﺮ ﺳﻮﯾﺴﺮﯾﯿﻦ ﻧﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ أﺳﺒﺎب إدارﯾﺔ‬ ‫وﻋﻤﻠﯿﺔ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻲ ﻣﺜﻼً ﻋﺎﯾﺶ ﻓﻲ ﻣﻨﻄﻘﺔ ﺑﺎزل وﻋﻠﻰ ﺣﺪود أﻟﻤﺎﻧﯿﺎ وﻓﺮﻧﺴﺎ ﻟﻤﺎ ﻛﻨﺖ ﺑﺪي أروح ﺑﺎﻟﺒﺎﺳﺒﻮر اﻷردﻧﻲ إﻟﻰ ﻓﺮﻧﺴﺎ ﻛﻨﺖ ﻣﺮات‬ ‫ﻻزم أﺳﺘﻨﻰ ‪ 20‬أو ‪ 30‬ﯾﻮم ﻋﺸﺎن ﯾﻌﻄﻮﻧﻲ ﻓﯿﺰا ﻋﺸﺎن أدﺧﻞ " ﺳﮭﻠﻮﻟﻲ " وﻻ ﺷﻮ إﺳﻤﻮ ﻓﺎ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧﺖ ﻏﻠﺒﺔ ) ﺿﺤﻚ ( ﻧﻔﺲ اﻟﺸﻲ‬ ‫ﻷﻟﻤﺎﻧﯿﺎ ﻓﺎ ﺳﮭﻠﺖ ﻋﻠﻰ ﺣﺎﻟﻲ اﻷﻣﻮر إﻧﻲ ﺻﺮت ﺳﻮﯾﺴﺮي طﺒﻌﺎ ً إذا ﺳﺄﻟﺘﯿﻨﻲ إذا أﻧﺖ ﺷﺎﻋﺮ ﺣﺎﻟﻚ ﺳﻮﯾﺴﺮي ﺑﻘﻠﻚ اﻟﺸﻌﻮر ﺻﻌﺐ أﻗﻮل إﻧﻲ أﻧﺎ‬ ‫ﺳﻮﯾﺴﺮي ﺑﺲ ﻣﺒﺴﻮط إﻧﻮ ﻋﻨﺪي اﻟﺠﻮاز اﻟﺴﻮﯾﺴﺮي ﻷﻧﻮ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ ﻟﻼﺟﺊ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﻣﺘﻠﻲ ﻛﻮطﻦ ﺑﺪﯾﻞ ﺳﻮﯾﺴﺮا ﻓﻲ ﻛﺜﯿﺮ ﻧﺎس ﺑﺘﻤﻨﻮا ﻓﺎ وطﻦ ﺑﺪﯾﻞ‬ ‫ھﺎ ﻓﺎ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ ) أﻟﻤﺎﻧﻲ ( وﻋﻠﻰ اﻟﺼﻌﯿﺪ ﺟﺪا ً أﻧﺎ ﻓﻲ ﺳﻮﯾﺴﺮا وﻟﻘﯿﺖ اﻟﻮطﻦ اﻟﺒﺪﯾﻞ وﻣﻊ اﻟﻮﻗﺖ طﺒﻌﺎ ً ﺑﻨﺤﺐ ﺳﻮﯾﺴﺮا وﺑﻨﺘﻤﻨﻰ أﺷﯿﺎء ﻛﺜﯿﺮ … اﻟﻨﻈﺎم‬ ‫وإﺣﺘﺮام اﻟﻤﻮاﻋﯿﺪ واﻟﻨﻈﺎﻓﺔ إﻧﻮ ﺗﺼﯿﺮ ﻓﻲ ﺑﻼدﻧﺎ اﻟﻤﺜﻞ أﻋﻠﻰ إﻟﻨﺎ ﺳﻮﯾﺴﺮا‪.‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/7), 2010:‬‬ ‫ھﺬا اﻟﻠﻲ ﺑﻘﺪر أﺣﻜﯿﻠﻚ إﯾﺎه ﺣﺎﻟﯿﺎ اﻟﻐﺮﺑﺔ طﺒﻌﺎ ً ﻻ ﺗﺰال ﻗﺎﺳ ًﯿﺔ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻲ رﻏﻢ إﻧﻮ ﻋﺎﯾﺶ ھﻮن‪.‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/8), 2010:‬‬ ‫ﺣﺎوﻟﻨﺎ ﻧﻼﻗﻲ ﺗﻌﻮﯾﺾ ﺷﻮي ﻋﻦ اﻷھﻞ وإﺷﻲ ﻓﺄﻧﺎ وزوﺟﺘﻲ ﺻﺤﯿﺢ إﻟﻨﺎ ﻧﺸﺎط إﺟﺘﻤﺎﻋﻲ ﻛﺒﯿﺮ ﻋﻨﺎ أﺻﺤﺎب ﻛﺜﯿﺮ ﯾﻌﻨﻲ ﻛﺜﯿﺮ ﻣﺮات ﻣﺎ ﺑﻨﻠﺤﻖ‬ ‫ﻧﺘﺒﺎدل اﻟﺰﯾﺎرات أو إﺷﻲ وﻗﺪرﻧﺎ ﻧﺤﺼﻞ ﻋﻠﻰ ﻣﺠﻤﻮﻋﺘﯿﻦ ﻣﻦ اﻷﺻﺪﻗﺎء … ﻋﻨﺎ ﻣﺠﻤﻮﻋﺎت أوروﺑﯿﺔ ﺳﻮﯾﺴﺮﯾﺔ وأوروﺑﯿﺔ ﻣﻦ أﻟﻤﺎن وھﻮﻟﻨﺪﯾﺔ‬ ‫وإﺷﻲ ﻣﺠﻤﻮﻋﺔ ﻛﺒﯿﺮة ﺑﻨﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ ﻣﺎ ﻧﺴﯿﻨﺎ أﺻﻠﻨﺎ اﻟﻌﺮﺑﻲ ﻋﻨﺎ ﻛﻤﺎن ﻣﺠﻤﻮﻋﺔ أﺻﺤﺎب ﻋﺮب ﻟﻤﺎ ﻋﺒﺎﻟﻨﺎ ﻧﺴﻤﻊ ﻋﺮﺑﻲ وﻧﻐﻨﻲ ﻋﺮﺑﻲ ﺑﻨﻠﺘﻘﻲ ﻣﻊ‬ ‫اﻟﻌﺮب وﻟﻤﺎ ﺑﺪﻧﺎ ﻧﺘﺒﺎدل اﻹﺟﺘﻤﺎﻋﯿﺎت ﻣﻊ أﺻﺤﺎﺑﻨﺎ ﺑﻨﻌﺰﻣﮭﻦ طﺒﻌﺎ ً اﻟﺸﺮط اﻟﻮﺣﯿﺪ إﻧﻮ ﻧﻼﻗﻲ ﻟﻐﺔ ﻣﺸﺘﺮﻛﺔ ﻓﻲ ھﺪﯾﻚ اﻟﺠﻠﺴﺔ وﻣﻊ إﻧﻲ ﺑﺤﻜﻲ ﻋﺪة‬ ‫ﻟﻐﺎت ﻓﺒﺤﺎول ﻋﻨﺪي ﻣﺮات ﺟﻠﺴﺎت إﻧﻜﻠﯿﺰﯾﺔ وﺟﻠﺴﺎت أﻟﻤﺎﻧﯿﺔ وﺟﻠﺴﺎت ﻋﺮﺑﯿﺔ وﻓﺮﻧﺴﻲ طﺒﻌﺎ ً ﺑﺎﻟﺼﺪﻓﺔ ﺣﺴﺐ اﻟﻈﺮوف ﯾﻌﻨﻲ‬ ‫ﻓﺎ ﻧﻮﻋﺎ ً ﻣﺎ اﻷﺻﺤﺎب ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻨﺎ ﻣﺜﻞ ﺗﻌﻮﯾﺾ ﻋﻦ اﻷھﻞ ﻷﻧﻮ ﻣﻌﻨﺎش ﻧﺤﻦ ﻣﺪارﯾﻦ ﺑﺎﻟﺸﺮ ﻋﻦ اﻟﻨﺎس واﻷھﻞ واﻟﻌﯿﻠﺔ اﻟﻜﺒﯿﺮة ﻣﺶ ﻣﻮﺟﻮدة ھﻮن‬ ‫ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻨﺎ اﻷﺻﺤﺎب ھﻨﻲ اﻟﺘﻌﻮﯾﺾ ﺣﺘﻰ ﻓﻲ اﻷﻋﯿﺎد ﻓﻲ اﻟﻤﻨﺎﺳﺒﺎت اﻟﺤﻠﻮة ﺑﻨﻠﺘﻘﻲ ﻣﻊ ﺑﻌﺾ طﺒﻌﺎ ً ھﻸ ﻓﻲ ﻋﻨﺎ ﻋﯿﻠﺔ ﻛﺒﯿﺮة اﻷرﺑﻊ أوﻻد ﻣﻊ‬ ‫اﻷﺣﻔﺎد وﻋﺎﺋﻼﺗﮭﻢ ﯾﻌﻨﻲ ﺑﺮﺿﻮا ﻓﻲ ﻣﻨﺎﺳﺒﺎت ﺑﻠﺘﻘﻲ ﻓﯿﮭﺎ أﻛﺜﺮھﺎ ﻓﻲ اﻷﻋﯿﺎد اﻷﺻﺤﺎب ﻣﺎ ﺑﯿﻦ اﻷﻋﯿﺎد وﻣﺎ ﺑﯿﻦ ﯾﻌﻨﻲ وﯾﻨﺘﺎ ﯾﻌﻨﻲ وﻗﺖ اﻟﻔﺮص‬ ‫أو أي ﻟﺤﻈﺔ ﻓﺎ ﻧﻮﻋﺎ ً ﻣﺎ ﯾﻌﻨﻲ ﺧﻔﻔﻨﺎ اﻟﻐﺮﺑﺔ ﻋﻦ طﺮﯾﻖ اﻷﺻﺤﺎب ﺑﺤﯿﺚ إﻧﻮ ﻣﺎ ﻧﺸﻌﺮش ﺑﮭﺪاك اﻟﻔﺮاغ اﻟﻜﺒﯿﺮ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit A. Z. (2/9), 2010:‬‬ ‫ﻓﺄﻧﺎ ﻣﺎ إﺧﺘﺮت أھﺎﺟﺮ ﻓﮭﺬا اﻟﺸﻌﻮر إﻧﻮ أﻧﺎ أﻧﺘﺰﻋﺖ ﻣﻦ ﺑﻠﺪي ﻣﻦ وطﻨﻲ ﺿﻠﻮا ﻣﻮﺟﻮد ﻓﯿﮫ ﻋﺸﺎن ھﯿﻚ ﯾﻤﻜﻦ ﺣﺒﻲ ﻟﻠﻮطﻦ ﻣﻌﻘﻮل ﯾﻜﻮن ﺷﻮي‬ ‫أﻛﺜﺮ ﻣﻦ ﺑﻌﺾ اﻟﻨﺎس‬

‫طﺒﻌﺎ إﻟﺘﺰاﻣﻲ ﻟﻠﻘﻀﯿﺔ ﺷﻌﺒﻲ ﺿﻠﺖ ﻣﺠﻮدة ﺿﻠﯿﺘﻨﻲ ﻣﻦ اﻟﻨﺸﺎطﯿﻦ ﻓﻲ ﻣﺠﺎل اﻹﻋﻼم داﺋﻤﺎ ﻛﻨﺖ أﺣﺐ أﺗﻘﺎﺑﻞ ﻣﻊ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﻣﻊ اﻟﺸﺒﺎب ﻣﻊ‬ ‫ﻣﻤﺜﻠﯿﻦ اﻟﻤﻨﻈﻤﺔ أﯾﺎم ﻛﻨﺎ ﺷﺒﺎب ﻛﻨﺎ ﻣﻊ اﻟﺜﻮرة وﻣﻊ ﯾﻌﻨﻲ ﻛﻞ ﻧﺎس ﺑﺪھﻢ اﻟﺤﺮﯾﺔ ﻟﺸﻌﺐ ﻟﻐﺎﯾﺔ اﻵن ﺑﺸﺎرك ﺑﻜﺜﯿﺮ ﻣﺤﺎﺿﺮات ﻟﻐﺎﯾﺔ اﻵن ﺑﺸﺎرك‬ ‫ﻛﺜﯿﺮ ﻣﺤﺎﺿﺮات ﺑﺘﯿﺠﻲ ﻛﻠﮭﺎ ﻋﻦ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ]…[ ھﺬا ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ ﻟﻠﻤﻮﻗﻒ ﻟﺴﯿﺎﺳﻲ طﺒﻌﺎ ً أﻧﺎ ﻣﻦ اﻟﻨﻮع اﻟﻠﻲ ﻣﯿﻮﻟﻲ ﺷﻮي ﺳﻠﻤﯿﺔ وﺑﻨﻔﺲ اﻵت ﻣﻮﻗﻌﯿﺔ‬ ‫ﯾﻌﻨﻲ ﺑﺄﻣﻦ ﺑﺤﻞ اﻟﺪوﻟﺘﯿﻦ ﻷﻧﻮ ﻣﻔﺶ ﺣﻞ ﺛﺎﻧﻲ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻠﻲ ﯾﻌﻨﻲ دوﻟﺔ ﻟﻠﯿﮭﻮد ودوﻟﺔ ﻟﻠﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﺟﻨﺐ ﺑﻌﺾ ﺑﺄﻣﻦ إﻧﻮ طﺒﻌﺎ ً ﻣﻦ ﻧﺎﺣﯿﺔ اﻟﻘﻠﺐ‬ ‫ﺧﻠﯿﻨﺎ ﻧﻘﻮل ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻠﻲ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﻛﻠﮫ ﻹﻟﻨﺎ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﻟﻜﻞ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﺑﺲ ﻣﻦ ﻧﺎﺣﯿﺔ اﻟﻌﻘﻞ واﻟﻮاﻗﻊ واﻟﻈﺮوف اﻟﺴﯿﺎﺳﯿﺔ وإﻧﻮ ﻣﻔﯿﺶ ﺣﺪا ﺑﺪو‬ ‫ﯾﺴﺎﻋﺪﻧﺎ ﺧﺼﻮﺻﺎ ً اﻷوروﺑﯿﯿﻦ واﻻﻣﺮﯾﻜﺎن ﻓﺒﻘﺒﻞ ﺑﺤﻞ اﻟﺪوﻟﺘﯿﻦ َﻛﺤﻞ واﻗﻌﻲ ﺣﺘﻰ ﺷﻌﺒﻲ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﯾﻘﺪر ﯾﻌﯿﺶ ﺑﺎﻟﺤﺮﯾﺔ ﻓﻲ ﺟﺰء ﻣﻦ وطﻨﮫ اﻟﻠﻲ‬ ‫ھﻲ اﻟﻀﻔﺔ اﻟﻐﺮﺑﯿﺔ وﻏﺰة طﺒﻌﺎ ً ﻓﻲ ﻛﺜﯿﺮ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﻣﺎ ﺑﻮاﻓﻘﻮا ﺑﺪھﻦ ﺗﺤﺮﯾﺮ ﻛﻞ اﻟﺒﻠﺪ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻲ أوك ﺣﻠﻮ ﻟﻜﻦ ﺷﺒﮫ ﻣﺴﺘﺤﯿﻞ ﻓﻲ ﻧﻈﺮي طﺒﻌﺎ ً‬ ‫ھﺎي اﻟﺴﯿﺎﺳﯿﺔ ﻛﻞ واﺣﺪ ﻣﻌﻮ ﯾﺨﺘﻠﻒ اﻟﺮأي ﻓﻲ ﻧﺎس ﺑﺪھﻢ ﻛﻞ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﺑﺪي ﻛﻞ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﻣﻦ ﻗﻠﺒﻲ ﻟﻜﻦ ﻣﻦ ﻋﻘﻠﻲ ﺑﻘﻮل ﻣﺎ ﺑﻘﺪر أﺣﺼﻞ ﻋﻠﯿﮭﺎ‪.‬‬

‫‪313‬‬

‫‪Anhang‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/1), 2010:‬‬ ‫ﻛﺎن ﯾﺸﻌﺮ اﻟﻮاﺣﺪ ﻓﻲ ﺑﻌﺾ اﻟﻤﻌﻠﻤﯿﻦ ﻛﻜﺎﻧﻮ ﯾﻔﺮﻗﻮا ﺑﯿﻦ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ وﻟﺒﻨﺎﻧﻲ ‪ ،‬إذا ﺑﺪي أﺣﻜﻲ ﻗﺼﺔ ﺻﻐﯿﺮة ‪ ،‬ﺑﺘﺬﻛﺮ ﻛﺎن ﺑﺎﻟﺨﺎﻣﺲ إﺑﺘﺪاﺋﻲ ﻓﻲ‬ ‫ﺑﺮﻣﺎﻧﺎ ‪ ،‬ﺑﺮﻣﺎﻧﺎ ﻣﺪرﺳﺔ ﺑﺮﻣﺎﻧﺎ اﻟﻌﺎﻟﯿﺔ ﻣﻊ إﻧﻮ ﻛﺎن ﻓﻲ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﻛﺜﯿﺮ ھﻨﺎك ‪ ،‬ﻛﺎﻧﺖ ﻓﻲ ﻣﻌﻠﻤﺔ ﻣﺘﺤﺒﺶ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ أﺑﺪا ً ﻓﺎ ﻛﻨﺎ ﻓﻲ ﻣﻮﺿﻮع‬ ‫اﻟﻔﺮﻧﺴﺎوي ﻣﺜﻼً ‪ :‬ﯾﻘﻮﻟﻮ ‪ ،‬ﻣﺜﻼً ‪ :‬ﻣﯿﻦ ﺑﺤﺐ ﯾﺎﺧﺬ ﻓﺮﻧﺴﺎوي وﻣﯿﻦ ﺑﺤﺒﺶ ﯾﺎﺧﺬ ﻓﺮﻧﺴﺎوي ﻓﻄﺒﻌﺎ ً أﻧﺎ رﻓﻌﺖ إﯾﺪي إﻧﻮ ﺑﺤﺐ أﺧﺬ ﻓﺮﻧﺴﺎوي ﻓﺎ ﺷﻮ‬ ‫اﻟﻤﻌﻠﻤﺔ ﺑﺘﻘﻠﻲ إﻧﺖ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﻣﺎ ﺑﺤﻘﻠﻚ إﻧﻚ ﺗﺼﻮت ‪ ،‬ﻣﺎ ﺑﺤﻘﻠﻚ ﺗﺮﻓﻊ إﯾﺪك ‪ ،‬ﻓﻄﺒﻌﺎ ً ھﺎي زي ﻣﺎ ﺗﻘﻮﻟﻲ أﺛﺮت ‪ ،‬ﺑﺲ ﻣﺶ ﻛﻠﮭﻦ ھﯿﻚ ﺑﺪﯾﺶ أﻗﻮل‬ ‫إﻧﻮ ﻛﻠﮭﻦ ﻓﻲ ﻣﻌﻠﻤﯿﻦ ﻛﺎﻧﻮ ﯾﻌﻨﻲ ﻣﺤﺘﺮﻣﯿﻦ ﺟﺪا ً ‪ ،‬إﻻ اﻟﻘﻼﺋﻞ ﻛﺎن ﻓﻲ ﻣﻨﮭﻦ ھﯿﻚ ‪ ،‬ﻓﻄﺒﻌﺎ ً ھﺎي ﻛﺎﻧﺖ ﺑﺘﺄﺛﺮ ﻋﻠﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/2), 2010:‬‬ ‫وﺑﻌﺪﯾﻦ ﻟﻤﺎ إﺟﺎ اﻟﻮاﺣﺪ ھﻮن اﻟﻮاﺣﺪ ﻋﻠﻰ أوروﺑﺎ ‪ ،‬طﺒﻌﺎ ً ﻛﺎن ﺑﺎﻷول ﻛﺄﻧﻮ ﻣﻦ اﻟﺒﻼد اﻟﻌﺮﺑﯿﺔ ‪ ...‬ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ ﺑﻨﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ ﻛﺎن زي ﻣﺎ ﺗﻘﻮﻟﻲ ﺑﺮﺿﻮ‬ ‫ﻣﻜﺎﻧﺶ ﻣﻌﺎﻣﻠﺘﻮ زي ﻣﺎ ﺗﻘﻮﻟﻲ …[ [ﻛﺎﻧﻮا ﻋﺪد اﻟﻨﺎس اﻟﻠﻲ ھﻮن ‪ %100‬ﻣﻊ إﺳﺮاﺋﯿﻞ ‪ ،‬ﻓﮭﻨﻲ ﻛﺎﻧﻮا ﯾﻔﻜﺮوا إﻧﻮ ﻛﻞ واﺣﺪ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﺣﻘﻮه ﺑﺪو‬ ‫ﯾﺮﻣﻲ اﻟﯿﮭﻮد ﻓﻲ اﻟﺒﺤﺮ ‪ ،‬ﺑﺎﻷﺧﺮ ھﻨﻲ رﻣﻮﻧﺎ ﻣﺶ إﺣﻨﺎ اﻟﻠﻲ رﻣﯿﻨﺎھﻦ ‪ ،‬ﻓﺎ ھﻮﻧﮫ ﺷﻌﺮ اﻟﻮاﺣﺪ ﯾﻌﻨﻲ ﺣﺘﻰ ﺑﺎﻟﺪراﺳﺔ ﻛﺎن ﯾﺸﻌﺮ ‪ ،‬ﻛﺎن ﯾﺸﻌﺮ ھﻮي‬ ‫ﻣﻦ ﺳﻮﯾﺴﺮا ﺣﺘﻰ إﻧﻮ ﻓﻲ أﺳﺎﺗﺬة ﻗﻼﺋﻞ ﻛﺎﻧﻮ ﺿﺪ ‪...‬ﺿﺪ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﺣﺼﻮﺻﺎ ً ﻛﻞ واﺣﺪ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﺑﺸﻮ ﺑﻔﻜﺮوا إﻧﻮ ﻛﻞ واﺣﺪ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﺿﺪ اﻟﯿﮭﻮد‬ ‫وﺿﺪ إﺳﺮاﺋﯿﻞ ‪ ،‬ﻣﺜﻼً ﺑﺘﺬﻛﺮ ﻓﻲ "ﻓﺮﯾﺒﻮرك" ﻟﻤﺎ ﻛﻨﺖ أراﺳﻞ ﻓﻲ ﻓﺮﯾﺒﻮرك ﻓﻲ ﺑﺎدئ اﻷﻣﺮ ﻛﺎن واﺣﺪ أﺳﺘﺎذ ﻟﻠﻜﯿﻤﯿﺎء اﻟﻌﻀﻮﯾﺔ ھﻮي ﻗﺎل ﺷﺨﺼﯿﺎ ً‬ ‫إﻧﻮ ھﻮن ﻋﻨﺪي ﻣﮭﻤﺎ ﯾﻜﻮن ﯾﻌﺮف او ﻣﮭﻤﺎ ﯾﻜﻮن ﻣﻌﻠﻮﻣﺎت ﻗﻮﯾﺔ اي واﺣﺪ ﻣﻦ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ او ﻣﻦ اﻟﺪول ﻻ ﯾﻤﻜﻦ اﻧﻮ اﯾﻨﺠﺤﻮه ﯾﻌﻨﻲ ﻗﺎﻟﮭﺎ ﺑﻮج‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ ﻓﺎ ﻛﺎن اﻻﺿﻄﮭﺎد ﯾﻌﻨﻲ ﻣﻊ إﻧﻮ إﺣﻨﺎ ‪...‬إﺣﻨﺎ اﻟﻀﺤﯿﺔ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/3), 2010:‬‬ ‫ﻓﮭﻨﻲ ﻛﺎﻧﻮ ﯾﻌﺎﻣﻠﻮا اﻟﻀﺤﯿﺔ ﻛﺄﻧﻮ ھﻮي اﻟﻤﻌﺘﺪي ‪ ...‬واﻟﻤﻌﺘﺪي ھﻮي اﻟﻀﺤﯿﺔ ھﺎي ﻗﺼﺔ ‪...‬ﻗﺼﺔ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ وإﺳﺮاﺋﯿﻞ ‪ .‬أﻧﺎ ‪ ,,,‬أﻧﺎ ﺑﻘﻮل إﻧﻮ اﻟﻘﻮة‬ ‫إﻟﮭﺎ اﻟﺤﻖ إﻧﺖ ﻣﺶ ﻗﻮي ‪ ،‬ﻣﻌﻨﺎﺗﻮا ھﺬا ﯾﻌﻨﻲ ھﺎي ﻗﺼﺔ ‪ ...‬ﻗﺼﺔ اﻟﻮاﺣﺪ ﻓﻄﺒﻌﺎ ً ﻓﮭﺎي ﻛﻠﮭﺎ ﺗﺄﺛﺮت ﻋﻠﻰ ﻧﻔﺴﯿﺔ اﻹﻧﺴﺎن ‪....‬ﺷﺎﯾﻒ ‪ ،‬وﻣﻊ إﻧﻮ‬ ‫ﺗﺄﺛﺮت ﻋﻠﻰ ﻧﻔﺴﯿﺔ اﻹﻧﺴﺎن ﺑﺲ اﻟﻮاﺣﺪ ﺿﻞ ﻋﻨﺪو ﻋﺰﯾﻤﺔ ‪ ،‬ﻷﻧﻮ ﺑﺎﻟﺪﻧﯿﺎ ﻓﺶ ﯾﻌﻨﻲ ﺧﺼﻮﺻﺎ ُ ﻛﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﻣﺎ ﺑﯿﻨﻔﻌﻨﺎ إﻻ اﻟﻤﮭﻨﺔ ﺗﺎﻋﺘﻨﺎ إﻧﻮ اﻟﻮاﺣﺪ‬ ‫ﯾﻜﻮن ﻣﺘﻌﻠﻢ ﺣﺘﻰ ﯾﻘﺪر ﯾﻘﻮم ﺑﻤﻌﯿﺸﺘﻮ وﯾﻌﻠﻢ وﻻدوا ﺷﻲ‪....‬ﻓﺎاا ھﺎدي ھﺎي اﻟﻤﮭﻤﺔ ﻣﻨﺸﺎن ھﯿﻚ اﻟﻮاﺣﺪ ‪ ،‬طﺒﻌﺎ ً ﻓﻲ ﻧﺎس ﻣﺶ ﻛﻞ واﺣﺪ ﻋﻨﺪو‬ ‫ھﺎﻷﻋﺼﺎب وﻋﻨﺪو ھﺎﻟﻌﺰﯾﻤﺔ طﺒﻌﺎ ً ھﺎي أﻓﺮاد ﺷﺎﯾﻒ ‪ ،‬ﻓﺎﻟﻮاﺣﺪ ﺿﻞ ﯾﺤﺎول اﻧﻮ ھﻮي ﯾﻌﻨﻲ ﯾﺒﻨﻲ ﻧﻔﺴﻮ ‪ ،‬ﻣﻊ إﻧﻮ ﻛﺎن ﺻﻌﺐ ﻛﺜﯿﺮ ‪ ،‬ﻛﺎن ﻣﺎﻟﯿﺎ ً‬ ‫‪ ،‬وﺑﻌﺪﯾﻦ ﺑﻤﺎ إﻧﻮ ﻣﻌﺎﻧﺎ ﻣﺎ ﺷﺎء ﷲ ‪ ،‬اﻟﺒﺎﺳﺒﻮرﺗﺎت اﻟﻌﺮﺑﯿﺔ اﻟﻠﻲ ﻣﺎ اﻟﮭﺎش ﻗﯿﻤﺔ ﻓﻲ أوروﺑﺎ ﺷﺎﯾﻔﺔ ﻓﮭﺬا ﻛﻠﮫ ﻛﺎن ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻨﺎ ﻋﻘﺒﺎت ﻛﺜﯿﺮ ﺑﺲ‬ ‫اﻟﺤﻤﺪ< ﺷﻮ اﺳﻤﻮ ﻗﺪر ﯾﻤﺸﻲ اﻟﻮاﺣﺪ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/4), 2010:‬‬ ‫ﺑﺲ ﺷﻮ ﺑﺪك ﺗﻌﻤﻠﻲ ‪ ،‬ﻣﺎ أﻧﺖ ﺿﻌﯿﻔﺔ ﻣﺎ إﻟﻚ ﺣﻖ ‪ ،‬إﻧﺖ ﺿﻌﯿﻔﺔ ﻛﻼﻣﻚ ﻣﺎ اﻟﮭﺶ ﻗﯿﻤﺔ ‪ .‬ھﺎي اﻟﺪﻧﯿﺎ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/5), 2010:‬‬ ‫ھﺎ ‪ ...‬ﻓﻛﻠوا ھذا ﺑﺗﻌﻠق ﻓﻲ ﺑﻌض ‪ ،‬اﻟدﯾن واﻟدول اﻟﻌرﺑﯾﺔ واﻟﺣﻛﺎم اﻟﻌرب ﻛل ھذا ﻣﺗﻌﻠق ﻓﻲ ﺑﻌض ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﺣل ﻗﺿﯾﺔ ﻓﻠﺳطﯾن ‪ ،‬وﻗﺻﺔ ﻛل‬ ‫ﻓرد ﻓﻠﺳطﯾﻧﻲ ﻛﻠﮭﺎ ﻣﺗﻌﻠﻘﺔ ﻓﻲ ﺑﻌض ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﻛل ھذا ﺑﺗوﺳﻊ ﯾﻌﻧﻲ ﺑس اﻟﻐرﯾب ﻛل واﺣد ﻓﻠﺳطﯾﻧﻲ ﺷﺎﯾﻔﮫ ‪ ،‬ﺑس أﻧﺎ اﻟﻠﻲ ﺑﻘوﻟوا أﻧﺎ ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ اﻟﻠﻲ‬ ‫ﯾﻌﻧﻲ رﺑﻧﺎ اﻟواﺣد ﺑﯾﻘول رﺑﻧﺎ ﻛﺎن ﺣظﻲ أﺣﺳن ﻣن ﻏﯾري ‪ ،‬رﺑﻧﺎ أﻋطﺎﻧﻲ وﻓﺗﺣﮭﺎ ﻋﻠﻲ ودرﺳت وﺗﻌﻠﻣت وأﺳﺳت ﻋﯾﻠﮫ ﯾﻌﻧﻲ اﻟﺣﻣد‪ e‬ﯾﻌﻧﻲ‬ ‫ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ ﻟﻛﺛﯾر ﻧﺎس اﻟﺣﻣد‪ e‬ﯾﻌﻧﻲ أﻧﺎ ﺷو إﺳﻣو ﺑس اﻟﻣﺷﻛﻠﺔ ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ اﻟﻲ ﻣﺷﻛﻠﺔ ﻣﻌﻧوﯾﺔ ﻣﺷﻛﻠﺔ ﻧﻔﺳﺎﻧﯾﺔ إﻧو ﻓش ﻋﻧدوا اﻟواﺣد ھوﯾﺔ ﯾﻌﯾش ھوﯾﺔ‬ ‫ھذا ‪ ،‬ھوﯾﺔ ‪ Identität‬ﺑﺎﻷﻟﻣﺎﻧﻲ أو ‪ identity‬ﺑﺎﻹﻧﺟﻠﯾزي ھﺎي ﺑس اﻟﻠﻲ ﺑﺎﻟﻧﺳب اﻟﻲ اﻟﻠﻲ ﻧﺎﻗﺻﺔ وإﻻ اﻟﺣﻣد‪ e‬ﺣﺳن اﻟواﺣد ‪ ،‬ﺑس ﺷو ﺑدك‬ ‫ﺗﻌﻣﻠﻲ ﺑدو ﯾﺿل اﻟواﺣد ﯾرﺟﻊ ﺧﻠص ﺧﺳر اﻟواﺣد واﻟﺣﻣد‪ ، e‬ﺑس ھﻧﻲ اﻟﻣﺷﻛﻠﺔ ﯾﻌﻧﻲ ﺿﻠوا وراك وراك ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﻣﺛﻼً ‪ :‬أﺧذوا ﻛل إﺷﻲ ﺣﺗﻰ‬ ‫ھرﺑﻧﺎ وﻟﺣﻘوﻧﺎ ‪ ،‬وداﯾﻘوا ﻋﻠﯾﻧﺎ ﺑﺎﻟدراﺳﺔ ھون ‪ ،‬داﯾﻘوا ﻋﻠﯾﻧﺎ ﺑﻛل إﺷﻲ ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﻣﺻﯾﺑﺔ ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﺣﺗﻰ ﻛﻠﻣﺔ ﺑﺗﻘدرش ﯾﮭودي ﻛﻠﻣﺔ ﯾﮭودي ﺑﺣﺎﻛوھن‬ ‫ﻋﻠﯾﮭﺎ ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﻣﺻﯾﺑﺔ ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ زي ﻣﺗﻘوﻟﻲ ﺳرﻗوا وأﺧذوا وإﺷﻲ وﻻﺣﻘﯾﻧﺎ ﯾﻌﻧﻲ ﻣش ﺑس ‪ ،‬ﻣش ﺑس أﺧذوا ﻛل إﺷﻲ ‪ ،‬وإذا ﻣﻣﻛن ﯾﺧﻠﺻوا‬ ‫ﻋﻠﯾﻛﻲ ﯾﻌﻧﻲ زي واﺣد أﺧذوا ﻛل اﺷﻲ وﻋم ﺑﯾﻧﺎزع ﯾﻌﻧﻲ ﻛﻣل ﻋﻠﯾﮫ ﺷﺎﯾﻔﺔ ؟ ﺷو ﺑدك ﺗﻌﻣﻠﻲ وإذا ھذا ﺑﺳﻣوه دﯾن ‪ ،‬أو ﺑﺳﻣوھﺎ ﻋداﻟﺔ ‪ ،‬ﯾﺑﻘﻰ‬ ‫أﻧﺎ ﯾﺳوع اﻟﻣﺳﯾﺢ أو اﻟﻧﺑﻲ ﻣﺣﻣد إذا ھﺎي إﺳﻣﮭﺎ ﻋداﻟﺔ أﻧﺎ إﺳﻣﻲ أﻧﺎ ﻣﺣﻣد ‪ ،‬ﻓﺎ ﻓش ﻋداﻟﺔ ﺑﺎﻟدﻧﯾﺎ ‪ ،‬ﺑرﺟﻊ ﺑﻘﻠك اﻟﻛﻠﻣﺔ اﻟﻠﻲ أﻧﺎ ﻗﻠﺗﮭﺎ ﻣن اﻷﺳﺎس‬ ‫" اﻟﺣق ﻟﻠﻘوة " ﺑس ﻛﻠو ھﺎي اﻟﻛﻼم واﻟﺟدال ﺑﺟﺑش أي ﻧﺗﯾﺟﺔ ‪ ،‬ﻋﻧدك ﻗوة ﻓﻲ ﻧﺗﯾﺟﺔ ﻣﺎ ﻋﻧدك ﻗوة إﻧﺳﻲ اﻟﻣوﺿوع‪.‬‬

‫‪Tabu, Trauma und Identität‬‬

‫‪314‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/6), 2010:‬‬ ‫ﻣﺛﻼً ‪ :‬ﻣﻊ اﻧو ﻣش رح أرﺟﻊ ﺑس إﻟﻲ اﻟﺣق اﻟﻲ ﺣق اﻟﻌودة اﻟﻰ ﻓﻠﺳطﯾن ﺑﻠدي ﺷﺎﯾﻔﺔ أﻣﻼﻛﻲ ﺑﻌوﺿوﻟﻲ إﯾﺎھﺎ ﻣﺛﻼً ‪ :‬أﻣﻼك ﺣﯾﺎة أﺑوي أو‬ ‫ﺷﻲ ‪ ،‬ﺷﺎﯾﻔﺔ ﯾﻌوﺿوھﺎ ﺑس ﺑﻌداﻟﺔ ﻣش ﯾﻘﻠك ھﺎي ﺳﻧﺔ ‪ 48‬ﻛﺎن ﺣﻘﮭﺎ ‪ 10‬ﻓرﻧﻛﺎت ‪ ،‬ھﺎي ‪ 10‬ﻓرﻧﻛﺎت ‪ ،‬وﯾﻌﺗرﻓوا ﻛﺎﻧوا ﻓﺄﻧﺳﺎن زي زﯾﮭن ‪،‬‬ ‫ﺑس ھﺎي ﻋﻲ اﻟﺣﻘوق ]…[ ﺑس ﺧﻠص ھﺎي اﻟﻲ ﻧﺣن ﺑﻧطﻠﺑوا ‪ ،‬ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ ﻟﻠﺟﯾل ﺗﺎﻋﻧﺎ اﻟﻠﻲ ﺑﺣب ﯾرﺟﻊ ﯾرﺟﻊ ‪ ،‬ھﺎي اﻟﯾﮭود ﻛل ﯾﮭودي اﻟو‬ ‫اﻟﺣق ﯾرﺟﻊ ﺑﯾﻘﻠك ﺑﻠدو ‪ ،‬وإﻟو اﻟﺣق ﯾﺗﻣﻠك ‪ ،‬طﯾب ﻟﯾش اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﻲ ﻣﺎ إﻟوش اﻟﺣق ﯾرﺟﻊ ‪ ،‬ﻣﮭﺎي ﺑﻠدو ﻛﻣﺎن ﻓﺎ وﯾن اﻟﻌداﻟﺔ ؟؟ ﯾﻌﻧﻲ ﻛل واﺣد‬ ‫ﺑﯾﺣب ﯾرﺟﻊ ﯾرﺟﻊ وﻛل واﺣد ﺑدوش ﯾرﺟﻊ ﺑس ﻻزم ﯾﻛون ﻋداﻟﺔ ]…[إﺣﻧﺎ ﻣﺎ رح ﻧﺣﺎرﺑﮭن وﻻ رح ﻧطﻠﻌﮭن اﻟﻠﻲ ﺑﺣب ﯾﺿل ﯾﺿل ‪ ،‬ﺑس‬ ‫إﻟﻧﺎ ﺣﻘوق ﻻزم ﯾﻌﺗرﻓوا ﻓﯾﮭﺎ اﻟﻠﻲ ھﺎي ﺣﺗﻰ ھﻧﻲ ﯾﻌﻧﻲ ﺣﺗﻰ اﻷﻟﻣﺎن اﻷﻟﻣﺎن ﻋوﺿوﻟﮭن ﻣش ھﯾك ؟؟ ﺑﺳﻣوھن "اﻟﮭوﻟﻛوش" ھﺎ‪ ...‬طﯾب ھﻸ‬ ‫اﻷﻟﻣﺎن ﻋم ﺑﺳووا ‪ ،‬أﻧﺎ ھذا ﻣش ﻛﻼﻣﻲ أﻧﺎ ‪ ،‬ﻛﻼم واﺣد ﻓﯾﻠﺳوف ‪ ،‬وﻛﺎﺗب ﺑدﯾش أﻗول إﺳﻣوا اﻟﻠﻲ ﺑﺣب ﯾﻔﺗش ﻋﻠﯾﮫ ‪ ،‬ھوي ﻗﺎل أﻧﺎ ﻋم ﺑﺣﻛﻲ‬ ‫ﺷو اﻟﻠﻲ ﻗﺎﻟوا ‪ ،‬ﻗﺎل إﻧو اﻷﻟﻣﺎن ﻋﻣﻠوا ھوﻟﻛوش ﻟﻠﯾﮭود وھﻸ ﻋم ﺑﻌﻣﻼ ھوﻟﻛوش ﻟﻠﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ ﺑﺳﺎﻋدوا اﻟﯾﮭود وأﻋطوھن إذا أﻋطوھن ﻏواﺻﺔ‬ ‫ﺷو ﺑﺳوا ھﺎي ﺣﻘﮭﺎ ﻣﻠﯾﺎر ﺗﻧﯾن أﻋطوھن ‪ ،‬إذا أﻋطوھن ‪ ،‬أﻋطوھن ﻣﺻﺎري ﺗﺣت إﺳم " اﻟﺗﻌوﯾض " ﻟﻠﮭدﻟﻛوش ﺷو ﺑﺳووا ﻓﯾﮭﺎ ﺑﺷﺗروا‬ ‫أﺳﻠﺣﺔ ‪ .‬وأﻋطوھن أﺳﺣﻠﺔ ﻛﻠو ﺑﺑﻼش ‪ ،‬ﺑس اﻷﻟﻣﺎﻧﻲ ﯾﻔﺗﺢ ﺗﻣو ﺿد اﻟﯾﮭود ﺑﻌﻣﻠوﻟﮫ ﺷك ﻟﻠﯾﮭودي ‪ ،‬ﺑس أﺳﻛت ‪ ،‬ﺷو ﺷو ﺑﻌﻣﻠوا ﺷروا أﺳﻠﺣﺔ‬ ‫‪ ،‬اﻷﺳﻠﺣﺔ ﺿده ﻟﻣﯾن ؟؟ ﻟﯾش ﺷروا أﺳﻠﺣﺔ ؟؟ ﺿد ھﺎﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ ﻓﻣﻌﻧﺎﺗو ﻛﻼم ھذا اﻟﻔﯾﻠﺳوف واﻟﻛﺎﺗب ﻣزﺑوط و اﻷﻟﻣﺎن ﯾﻌﻧﻲ ھﻸ ﻋم ﯾﻌﻣﻠوا‬ ‫ھوﻟﻛوش ﺿد اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ ﯾﻌﻧﻲ ھﻸ ﺛﺎﻧﻲ ھوﻟﻛوش ﻋم ﯾﻌﻣﻠوه ﺑدون ﻣﺎ ﯾﻛوﻧوا ﻋﺎرﻓﯾن ﺑدون ھﻧﻲ ﯾﻔﻛروا إﻧو ﻋم ﯾﻌﻣﻠوا ﺷﻲ ﻣﻧﯾﺢ ]…[ ﺑس‬ ‫ھوي ﻛﺛﯾر ﻋﺎطل ﻷﻧو ھﻸ اﻷﻟﻣﺎن ﺑدو ﻣن ﺟدﯾد ‪ ....‬ﻣن زﻣﺎن ھوﻟﻛوش ع اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ ﯾﻌﻧﻲ ھﻸ ﺗﻧﯾن ھوﻟﻛوش ﺻﺎروا وھذا ﻣش ﻛﻼﻣﻲ‬ ‫أﻧﺎ ھذا ﻛﻼم واﺣد ﻓﯾﻠﺳوف ﺑدش أﻗول إﺳﻣو ]…[ ﻓﺎ ﺑس وﻟﺳﺎ ﺑﺣﺎرﺑوﻧﺎ ﻛﻣﺎ ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﻣﺛﻼً ‪ :‬اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﻲ ﺑﺄﻟﻣﺎﻧﯾﺎ ﺑﻌزﺑوه "ﺑﺄﻹﻗﺎﻣﺔ" إذا ﻛﺎن‬ ‫اﻟواﺣد ﻣﻌو اﻟﮭوﯾﺔ اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ أو ﺷﻲ ﺑﻌزﺑوه ﺑﺎﻹﻗﺎﻣﺔ ﺑﻌزﺑوه ﺑﺎﻟدراﺳﺔ ﺑﻌزﺑوه ﺑﻛل‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/7), 2010:‬‬ ‫ﻛﻠﻮ ﻋﻠﻰ ﺷﺎن ﻋﻨﺪھﻦ ﺿﻤﯿﺮھﻦ إﻧﻮ ﻧﺤﺒﮭﻦ ﻹﺷﻲ ﻋﻤﻠﻮه ﺿﺪ اﻟﯿﮭﻮد ‪ ،‬ﻛﺄﻧﻮ إﺣﻨﺎ اﻟﻤﺴﺆوﻟﯿﺔ ‪ ،‬ھﻨﻲ ﯾﻌﻨﻲ ﻣﺶ ﻋﺎرﻓﯿﯿﻦ ‪ ...‬آآآه ﺣﻄﻮا اﻟﻤﺴﺆوﻟﯿﺔ‬ ‫ﻋﻠﻰ ﻧﺎس ﺛﺎﻧﯿﻦ آه ‪ ...‬ﺣﺘﻰ إﯾﺶ ﯾﺒﯿﻀﻮا ﺿﻤﯿﺮھﻦ وھﺎي اﻟﻠﻲ أﻧﺎ اﻟﻠﻲ ﺑﻘﻮﻟﻮه ]…[ أﻣﻼﻛﻨﺎ ﻣﻮﺟﻮدة أﺧﺬوھﺎ اﻟﯿﮭﻮد وﻏﯿﺮه وإﺣﻨﺎ ﻣﺶ ﻣﻦ‬ ‫اﻟﻨﺎس اﻷﻏﻨﯿﺎ ﻛﻨﺎ ‪ ،‬طﺒﻘﺔ ﻣﺘﻮﺳﻄﺔ ﯾﻌﻨﻲ ‪ ،‬ﻓﺘﺼﻮري ﻛﯿﻒ اﻟﻨﺎس اﻷﻏﻨﯿﺎ ﻗﺪﯾﺶ ﻛﺎن ﻋﻨﺪھﻦ ﻓﯿﻌﻨﻲ ﻟﻮ ﺗﺼﻮري ھﺎﻟﻤﺼﺎري أو ھﺎﻷﻣﻼك إذا‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ ﺑﺪو ﯾﺮﺟﻊ ﻣﻦ ‪ 48‬ﻟﻠﯿﻮم ‪ ،‬ﻣﻊ اﻟﻔﺎﯾﺪة واﻟﻤﺼﺎري واﻹﺷﻲ وﻛﻞ إﺷﻲ ﯾﻌﻨﻲ ﺑﺄﻟﻤﺎﻧﯿﺎ وأﻣﯿﺮﻛﺎ ﻟﻮ دﻓﻌﻮا اﻟﻤﻼﯾﯿﻦ ﻟﻠﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ‪ ،‬أﻧﺎ ﻣﺎ ﺑﻌﺪھﺎ‬ ‫ﻣﺴﺎﻋﺪة ‪ ،‬ھﺎي ﺑﻌﺪھﺎ ﺑﺪھﻦ ﯾﺒﯿﻀﻮا ﺿﻤﯿﺮھﻦ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/8), 2010:‬‬ ‫وﺷﻌب ﷲ اﻟﻣﺧﺗﺎر وﻗﺗﮭﺎ ﻛﺎﻧوا اﻟﻌﺑراﻧﯾﯾن اﻟﻘدﻣﺎء اﻟوﺣﯾدﯾن اﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧوا ﯾﺄﻣﻧوا ﺑرﺑﻧﺎ اﻟﯾوم اﻟﻠﻲ ﺑﺗﺄﻣن ﻣﻧﮫ ‪ ،‬ﻓش ﻏﯾرھن ﻛﺎﻧوا ﻋﺷﺎن ھﯾك‬ ‫ﻛﺎﻧوا ﯾﺳﻣوھن ﺷﻌب ﷲ اﻟﻣﺧﺗﺎر ﻷﻧن اﻟوﺣدﯾن اﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧوا ﯾﺄﻣﻧوا ﺑس اﻟﻌﺑراﻧﯾﯾن اﻟﻘدﻣﺎء ‪ ،‬ﻟﻣﺎ إﺟﻰ اﻟﻣﺳﯾﺢ ﻓﻲ ﻛﺛﯾر ﺻﺎروا ﻣن ﺑﻌض اﻟﯾﮭود‬ ‫ﻣﻧﮭن ﯾﺳوع اﻟﻣﺳﯾﺢ ﻣﺎ ﻛﺎن ﯾﮭودي أﺻﻠوا ﻣﻧﮭن اﻟرﺳل ﻛﺎﻧوا ﯾﮭود ﺻﺎروا ﻣﺳﯾﺣﯾﺔ ‪ ،‬ﻟﻣﺎ إﺟﻰ اﻹﺳﻼم ﺻﺎر ﻓﻲ ﻛﺛﯾر ﻣﺳﯾﺣﯾﺔ إﻋﺗﻧﻘوا اﻹﺳﻼم‬ ‫ﻣﺧﺗﻠﻔﻧﺎش إذا ھﻸ ﻛﺎن ﺣﺎﺟﺞ ﺑﺎﻟﻘوة ﻣش ﺑﺎﻟﻘوة اﻟﻣﮭم إﻋﺗﻧﻘوا اﻹﺳﻼم ‪ ،‬ﻓﻣﻌﻧﺎﺗو ‪ ،‬ﻓﻣﻌﻧﺎﺗو إﻧو ﺷﻌب ﷲ اﻟﻣﺧﺗﺎر ھﻧﮫ اﻟﯾﮭود ﻣش ﯾﮭود اﻟﯾوم‬ ‫‪ ،‬اﻟﻣﺳﯾﺣﯾﺔ ﻣﻊ اﻹﺳﻼم ‪ ،‬ﻷﻧو ھدول ‪ ،‬ھدول اﻷﺻل ھدوﻟﮫ ھﻧﮫ اﻷﺻل ﺷﺎﯾﻔﺔ ﻓﻛﻠﮫ ھﺎي اﻟﻠﻲ ﺑﯾﻘوﻟوا ﺑﺎﻟﻛﻧﺳﯾﺔ ﻣن ﺷﺎن ﻣﺳﯾﺣﯾﺔ اﻟﻐرب ﻣش‬ ‫ﻓﺎھﻣﯾن ﺷو ھو اﻟدﯾن إﻧو ﻣش ھذا ‪ ،‬وﻣن ﺷﺎن ھﯾك اﻟﻧﺎس ﺑﺗﻔﻛر إﻧو ھذا ﺷﻌب ﷲ اﻟﻣﺧﺗﺎر ھﻧﻲ اﻟﯾﮭود ‪ ...‬ﻓﻠﺳطﯾن ھﺎي إﻟﻧﺎ " أرض اﻟﻣﯾﻌﺎد‬ ‫]…["‪.‬‬

‫‪315‬‬

‫‪Anhang‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/9), 2010:‬‬ ‫"داوود وﺟوﻟﯾت " ﻟﯾش ﻟﯾش ﺑﺎﻟﺗوراة " داوود وﺟوﻟﯾت " ﺷو ﺷو ﻣﻐزاھﺎ ‪ ،‬ھﻧﻲ ﯾﻌﻧﻲ ﺑﺎﻟﺗوارة ﻧﻔﺳﮭﺎ ﺑﻧﺎﻗﺿوا ﻧﻔﺳﮭن " ﺟوﻟﯾت " ﻛﺎن‬ ‫ﻛﺎﻟﻣﺎرد ﻛﺑﯾر ‪ ،‬وداوود ﻛﺎﻧوا ﺣﺎطﯾﻧوا ﻛﺎﻟوﻟد ﺻﻐﯾر ‪ ،‬ﻛﺎن ھذا ﯾﻣﺛل زي ﻣﺗﻘوﻟﻲ ﻋدد اﻟﺳﻛﺎن ﻣﻌﻧﺎﺗو إﻧو اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﻲ ﻛﺎﻧوا أﻏﻠﺑﯾﮫ ھﻧﺎك ‪،‬‬ ‫واﻟﯾﮭود ﻛﺎﻧوا أﻗﻠﯾﮫ ﺑس ھﻧﻲ ﺑﯾﻘوﻟوا إو داوود ﺗﻐﻠب ﺑﺎﻟﺣﺟر وﻣش ﻋﺎرف ﺷو ‪ ،‬وھﺎي ﻣﺳﺎﻋدة رﺑﻧﺎ إﻧو اﻷﻗﻠﯾﺔ أﺧذت أﻷﻏﻠﺑﯾﺔ ‪ ،‬ﻓﻣﻌﻧﺎﺗوا‬ ‫ﺣﺗﻰ ﺑﺎﻟﺛوراة ﻛﺎﻧوا اﻷﻛﺛرﯾﺔ ﻓﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﺑﺎﻟﺛوراة ﻧﻔﺳﮭن ﻣوﺟودة ‪ ،‬ﻣﺛﻼً ‪ :‬ﻗﺿﯾﺔ " ﺷﻣﺷون وﺟﻠﯾﻠﺔ" ﻣش ﻛﺎن ﻓﻲ ﺷﻣﺷون ودﻟﯾﻠﺔ ؟؟‬ ‫ﻛﻣﺎن ﻓﻲ اﻟﺷو إﺳﻣو ﺑﺎﻟﺛوراة ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﺑﯾدﻟك إﻧو ﻛﺎﻧوا ﻓﻲ ﻓﻠﺳطﯾﻧﯾن ‪ ،‬ﺑﻔﻠﺳطﯾن ﻓﻲ اﻟﺛوراة ﻧﻔﺳﮭﺎ ]…[ ﻛﯾف ھﻸ اﻟﻔﻠﺳﺗر اﻟﻠﻲ ھﻲ ﺑﺎﻟﻌﯾﻠﺔ أو‬ ‫ﺑﺎﻟﯾد ﻣﺎ إﻟو اﻟﺣق ﺑﺎﻟﺑﻠد ‪ ،‬داوود اﻟﻠﻲ إﻟو اﻟﺣق وﺷﻣﺷون ﻣﺎ ﺑﯾﺻﯾر ﻓﮭﻧﻲ ﺣﺗﻰ ﯾﻌﻧﻲ ‪ ،‬ﺣﺗﻰ اﻟدﯾن ﻧﻔﺳن ﺑﻧﺎﻗﺿوا ﻧﻔس ﺑﻧﻔس ‪ ،‬ﺑس ھﺎي‬ ‫ﺧﺎﻣس ﻣرة ﺑﻘوﻟﮭﺎ اﻟﻘوة اﻟﻠﻲ إﻟﮭﺎ اﻟﺣق‪. ..‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/10), 2010:‬‬ ‫ﺗﻌﻠﻣﻧﺎ وﺻرﻧﺎ وﺣﻣﻠﻧﺎ اﻟدﻛﺗوراة ﺑس ﺷو إﻟﮭﺎ ﻗﯾﻣﺔ ‪ ،‬إذا اﻟواﺣد ﻣﺎ ﻋﻧدوش ﻋﻘل ‪ ،‬وﻣﺎ ﻋﻧدوش ﺛﻘﺎﻓﺔ وﻣﺎ ﻋﻧدوش ﺗﻔﻛﯾر ‪ ،‬ﺣطﯾﮭﺎ ﺑﺗواﻟﯾت‬ ‫اﻟﺷﮭﺎدات ﺑدل ورق ﺗواﻟﯾت اﺳﺗﻌﻣﻠوھﺎ ﯾﻌﻧﻲ ﻣﺎ إﻟﮭﺎ ﻗﯾﻣﺔ ‪ ،‬ﻓﺎ ھﺎي اﻟﻌرب ھﻧﻲ زي ﻣﺎ ﺑﻘﻠك ﻣﺷﻛﻠﺔ ﻓﻠﺳطﯾن ﻣﺷﻛﻠﺗﻧﺎ اﻟﻌرب أول ﻣﺷﻛﻠﺔ‬ ‫وﺑﻌدﯾن اﻟﯾﮭود ‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ واﺣد ﺻدﯾق إﻟﻲ طﺑﯾب ﻛﺎن ﷲ ﯾرﺣﻣوا ﻗﻠﻲ ﻟو ﻋﻧدي ﻗﻧﺑﻠﺗﯾن ذرﯾﺔ ﻛﺎن ﺿرﺑﺗﮭﺎ واﺣدة ﻋﺎﻟﻌرب ووﺣدة ﻋﺎﻟﯾﮭود‬ ‫وﺗﺧﻠﺻﻧﺎ ‪ ،‬ﺣﻠﯾﻧﺎ اﻟﻘﺿﯾﺔ ﻛﻠﮭﺎ ﺣﻠﯾﻧﺎ اﻟﻘﺿﺎﯾﺎ ﯾﻌﻧﻲ ھﺎي ﻗﺎﻟﮭﺎ ھوي ﻣش أﻧﺎ اﻟﻠﻲ ﻗﻠﺗﺎ ﯾﻌﻧﻲ ﺑﻔرﺟﯾﻛﻲ ﻛﯾف ﺑﻌض اﻟﻧﺎس ﺑﻔﻛروا ﯾﻌﻧﻲ ﻣﺎ ﻣﺎ‬ ‫ﺑﯾدل إﻻ ﻋن زي ﻣﺑﺗﻘوﻟﻲ ﺷو ﺑﯾﻘوﻟوا ﺑﺎﻷﻟﻣﺎﻧﻲ ‪ ،‬اﻟﯾﺄس ‪ ...‬اﻟﯾﺄس ﯾﻌﻧﻲ ﻟﻣﺎ واﺣد ﺑﺣﻛﻲ ھﯾك ﻛﻼم أو زي ﻣﺎ واﺣد ﻟﻣﺎ ﺑﯾﻘﻠك ﺑﻔﺎرع ﺑﻘﻧﺑﻠﺔ ﻓﯾو‬ ‫وﻓﯾﮭﺎ ‪ ،‬ﺷو اﻷﺳﺑﺎب اﻟﯾﺄس "‪ "Verzweiflung‬اﻟﯾﺄس وﻣﺷﻛﻠﺗﻧﺎ ﯾﺄس واﻟﯾﮭود ﺳﯾﺎﺳﺗﮭن إﻧو ﯾﻛون ﻋﻧد اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﯾن ﯾﻛون ﻋﻧدھن ﯾﺄس ﺣﺗﻰ‬ ‫"أﻟﻣﺎﻧﻲ" ﺣﺗﻰ ﯾرﺣﻠوا ‪ ،،،‬ﯾرﺣﻠوا ﻣن ﻓﻠﺳطﯾن ﯾﻌﻧﻲ ﺑﺟوﻋوھن وﺑﻌطﺷوھن ﯾﻌﻧﻲ ﺑﻌطوھﻧش ﻣﻲ وﺑﻌطوھﻧش أﻛل ‪ ،‬ﺣﺗﻰ ھﻧﻲ ھﺎي ﺳﯾﺎﺳﺗﮭن‬ ‫ﯾﻌﻧﻲ إرﺣﻠو ‪ ،،،‬ﯾرﺣﻠوا ﻣن ھون ﺑﺟﯾﺑوا ﯾﮭود ھﺎي اﻟﺳﯾﺎﺳﺔ اﻟﯾﮭودﯾﺔ اﻟﯾوم وھﺎي ﺑدت ﻣن ال‪ 48‬ﻣش ﺟدﯾد‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/11), 2010:‬‬ ‫ﻣﻔش ﻓش ﺑدﯾش أﻗﻠك إﻧو أﻧﺎ أﺣﺳن ﻣن ﻏﯾري ﯾﻌﻧﻲ ‪ ،‬ﺑس أﻧﺎ وﻗﺗﮭﺎ ﺑﺎﻟدراﺳﺔ ﺿﺣﯾت ﻛﺛﯾر ﻋﻠﻰ ﻗدي وﻛﺛﯾر ﻋﻣﻠت ﻣﺣﺎﺿرات ﻟﻘﺿﯾﺔ‬ ‫ﻓﻠﺳطﯾن وزي ﻣﺗﻘوﻟﻲ ﻋرﺿت ﻧﻔﺳﻲ ﻟﻠﺧطر إﻧو ﯾطردوﻧﻲ ﻣن اﻟﺑﻼد وﻣﺣدش ﺑﻌدﯾن ﻣﻔش ﺣدا ﺑﯾﺳﺎﻋد ‪ ،‬أﻧﺎ ﻟﻣﺎ ﺗﺧرﺟت ‪ ...‬ﻟﻣﺎ ﺗﺧرﺟت‬ ‫ﻋﻣﻠت اﻟدﻛﺗوراه ﺑﺈِﺷﻲ إﺳﻣو " ﻓﺎرم ﻛوﻛﻧوزي " " ﻓﺎرﻣﺎ ﻛوﻛﻧوزي " ھﺎي ﻋﻠم اﻟﻧﺑﺎﺗﺎت ‪ ،‬ﻋﻠم اﻟﻧﺑﺎﺗﺎت ﯾﻌﻧﻲ ﺷوﻓﻲ اﻟﻧﯾﺔ إﯾش ﻣن ﺗﻔﻛﯾري‬ ‫ﻣن ﻗﻠﺔ ﻋﻘﻠﻲ ﻟﻣﺎ ﺧﻠﺻت ﻛﺗﺑت ﻟﻠﻛوﯾت ‪ ،‬ﻛﺗﺑت ﻟﻠﺳﻌودﯾﺔ ‪ ،‬ﻛﺗﺑت ﻟﻠﯾﺑﯾﺎ ﻋﺎﻟﺟﺎﻣﻌﺎت وﻗﺗﮭﺎ ﻟﻣﺎ أﻧﺎ ﺗﺧرﺟت ﻛﺎن ﯾﻧﻌد ﻋﺎﻷﺻﺎﺑﻊ اﻟﻧﺎس‬ ‫اﻟﻣﺗﺧﺻﺻﯾن وﻗﻠﺗﻠﮭن أﻧﺎ ﯾﻌﻧﻲ ﺑدي أﺧدم وطﻧﻲ ‪ ،‬وﻣش ﻋﺎرف ﺷو اﻟﻛﻼم اﻟﻔﺎرغ اﻟﻠﻲ ﺑﻘوﻟوا … ﻟﻸﺳف ﻟﻠﯾوم ﻣﻔش ﺟواب … ﯾﻌﻧﻲ‬ ‫ﺗﺻوري ﻛﯾف اﻟﻌرب ﯾﻌﻧﻲ إﺷﻲ ﺑﮭدﻟﮫ ﯾﻌﻧﻲ أﻧﺎ ع أﺳﺎس رح أرﺟﻊ ﻋﺎﻟﺑﻼد وأﺧدم ﺑﻠدي …[ [وﺑﻘدرش ﯾﻛذﺑوا ﻷﻧو ﺑﻌﺗت اﻟﻣﻛﺎﺗﯾب ﻣﺳﺟﻠﮫ‬ ‫‪ ،‬ﺑﻘدروش ﯾﻛذﺑوا ﻣوﺻﻠوﻧﯾش اﻟﻣﻛﺗوب ﯾﻌﻧﻲ ‪ ،‬وﻟﻠﯾوم ھذا ﻣن ﺳﻧﺔ اﻟﺗﺳﻌﺔ وﺳﺗﯾن ‪ ،‬وﻣﺛل ﻣﻘﻠﺗﻠك أﻧﺎ ﻣن اﻟﻘﻼﺋل اﻟﻣﺗﺧﺻﺻﯾن ﺑﺎﻟوﺿﻊ ھذا‬ ‫وﻛﺎﻧت ﻟﺳﺎ اﻟﺟﺎﻣﻌﺎت ﻓﻲ ﺣﺎﻟﺔ اﻟﺑﻧﺎء ﯾﻌﻧﻲ ﻟﺳﺎ ﺟدﯾدة ﯾﻌﻧﻲ ﺑﺣﺎﺟﺔ ﻟﻧﺎس ‪ ،‬ﯾﺎ إﻣﺎ ﻣﺎ أﺧذوﻧﻲ ﻷﻧو أﻧﺎ ﻓﻠﺳطﯾﻧﻲ أو ﻣﺳﯾﺣﻲ ]…[ ﺣﺎوﻟت أرﺟﻊ‬ ‫ﺑس ﻣﺎ ﺳﻣﺣﺗﻠﻲ أرﺟﻊ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit M. M. (3/12), 2010:‬‬ ‫ﻣﺧﺳروش إﺷﻲ طﺑﻌﺎ ً أﻧﺎ اﻟﻠﻲ ﺧﺳرت ﺑس طﺑﻌﺎ ً ﻓﻲ ﻣﺣﺎدﺛﺎت ﻣﻊ اﻟوﻻد وإﺷﻲ ﺑس ﺗﻔﻛﯾرھن ﺑﺧﺗﻠف طﺑﻌﺎ ً وﻣش ﺑس ﺗﻔﻛﯾر وﻻدي ﻛل ﺗﻘرﯾﺑﺎ ً‬ ‫اﻟﺟﯾل اﻟﺟدﯾد ﺗﻔﻛﯾروا ﺑﺧﺗﻠف ﻋن ﺗﻔﻛﯾري ‪ ...‬ﻣﺛﻼً أﻧت ﻛﻣﺎن ]…[ﺗﺎﺑﻌون ال‪ 48‬ﺗﻔﻛﯾرھن ﺑﺗﺧﻠف ﻹﻧو ھوﻧﻲ ﻣﺎ ﺧﺳروا إﺷﻲ ﻣﺛل ﻣﺑﻘﻠك ﻟﻣﺎ‬ ‫أﻧﺎ ﺑﺣﺷش ﻣﻊ واﺣد ﺑﻘﻠﮫ أﺻﺑﻌﻲ ﺑﺎﻟﻧﺎر وأﻧت أﺻﺑﻌك ﺑﺎﻟﻣﻲ ﺑﺗﻘول … ﺑﺗﻘول أﻧت ﺳﺧن أﻧﺎ ﺑﻘول ﺑﺎرد ھوي ﺑﻘﻠك ﺑﺎرد وأﻧﺎ ﺑﻘول ﺳﺧن ﻛﯾف‬ ‫ﺑدك ﺗﺗﺣﺷﺷﻲ … ﺻﻌب ﺻﻌب اﻟﻣﺣﺎدﺛﺎت‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/1), 2010:‬‬ ‫ﺑﺪي أﺑﺪأ ﺑﺎﻟﺴﯿﺮة اﻟﺬاﺗﯿﺔ إﻟﻲ ﻓﻌﻼً ھﻲ ﺳﯿﺮة رح ﺗﻜﻮن طﻮﯾﻠﺔ ﺷﻮي وﻣﺎ رح ﺗﻜﻮن ﺑﺪي أﻗﻮل ﻓﯿﮭﺎ ﺷﻲء ﻣﻦ اﻟﺪراﻣﺎ ﯾﻌﻨﻲ ﻓﯿﮭﺎ ﺷﻲء ﻣﻦ ﻣﻌﺎﻧﺎة‬ ‫ﻛﻞ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﻓﻲ اﻟﻤﮭﺠﺮ‪.‬‬

‫‪Tabu, Trauma und Identität‬‬

‫‪316‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/2), 2010:‬‬ ‫أول ﺷﻲء أﻧﺎ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﻲ إﺳﻤﻲ أﺣﻤﺪ إﺑﺮاھﯿﻢ اﻟﺠﺎرﺣﻲ ﻣﻦ ﻣﻮاﻟﯿﺪ ﺳﻨﺔ ‪ 1958‬ﻣﻦ أﺳﺮة أﺳﺮة ﻓﻨﯿﺔ إﻟﻰ ﺣٍﺪ ﻣﺎ واﻟﺪي ﻛﺎن ﯾﻌﻤﻞ ﻓﻲ ﺣﯿﻔﺎ‪ ،‬ﻓﻲ‬ ‫ﻣﺠﺎل اﻟﻠﻲ ﺑﻨﺴﻤﯿﮫ إﺣﻨﺎ اﻟﺰﺟﺎج اﻟﻤﻌﺸﻖ ﻟﺒﻨﺎء اﻟﻜﻨﺎﺋﺲ أو اﻟﺠﻮاﻣﻊ ‪،‬ﻓﮭﺬا اﻟﻔﻦ اﻟﻌﻤﻞ ﻛﺎن ﻋﻤﻞ ﻓﻨﻲ ﻓﺄﻧﺎ ﻛﻤﺎن ﺗﺄﺛﺮت ﺑﺤﯿﺎة واﻟﺪي ﻓﻲ اﻟﻘﻀﺎﯾﺎ‬ ‫اﻟﻔﻨﯿﺔ ھﺎي ﻣﻦ اﻟﺒﺪاﯾﺎت ﻣﻦ اﻟﻄﻔﻮﻟﺔ ﻣﻦ اﻟﺼﻐﺮ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/3), 2010:‬‬ ‫ﻓﻲ ﻋﺎم ‪ 1948‬ﺗﻌﺮض ﺷﻌﺒﻨﺎ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ﻷول زي ﻣﺒﻘﻮﻟﻮا ﻣﻦ أﺻﻌﺐ ﻣﺎ ﺗﻌﺮض إﻟﻮ اﻟﺸﻌﻮب اﻟﻌﺎﻟﻢ ﻛﻠﮭﺎ اﻟﻠﻲ ھﻮ ﻗﻀﯿﺔ اﻟﺘﮭﺠﯿﺮ اﻟﺘﮭﺠﯿﺮ اﻟﻲ‬ ‫ﻋﺪوا إﻧﻮ ﺧﻼل أﯾﺎم أو ﺧﻼل أﺳﺎﺑﯿﻊ ﻣﻤﻜﻦ ﯾﻌﻮدو إﻟﻰ ﻣﻨﺎزﻟﮭﻢ‪ ،‬ﻟﻜﻦ‬ ‫ﺑﺴﻤﻮه اﻟﺘﮭﺠﯿﺮ اﻟﻘﺼﺮي ﻓﺎﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﺗﻢ ﺗﮭﺠﯿﺮھﻢ ﺳﻨﺔ ‪ 1948‬ﺑﻌﺪ ﻣﺎ إﻧﻮ ُ‬ ‫اﻟﻤﺆﺳﻒ ﺟﺪا ً إﻧﻮ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﺗﻮزﻋﻮا ﻋﻠﻰ اﻟﺠﻐﺮاﻓﯿﺎ اﻟﻤﺤﯿﻄﺔ ﺑﻔﻠﺴﻄﯿﻦ اﻟﺘﺎرﯾﺨﯿﺔ ﻓﻜﺎن ﺣﺼﺔ اﻟﻌﺎﺋﻠﺔ ﻓﻲ ﺣﯿﺎة ﺟﺪي وﺟﺪﺗﻲ أﻣﻲ وﺧﺎﻟﺘﻲ‬ ‫وﻋﻤﻲ ‪،‬ﻓﻜﺎﻧﺖ اﻟﻌﺎﺋﻠﺔ ﺗﻘﺮﯾﺒﺎ ً ﻣﺶ ﻛﺒﯿﺮة ﻛﺜﯿﺮ ﯾﻌﻨﻲ ﺗﻮزﻋﺖ إﻟﻰ …اﻟﻰ ﺳﻮرﯾﺎ ﻓﺴﻮرﯾﺎ ﻛﺎﻧﺖ أول ﻣﺤﻄﺔ اﻟﮭﺠﺮة ﻷﺳﺮﺗﻲ ﻓﺄﻧﺎ ﺧﻠﻘﺖ ﺳﻨﺔ ‪1958‬‬ ‫ﻓﻲ ﻣﺨﯿﻢ أﺳﻤﮫ ﻣﺨﯿﻢ )اﻟﯿﺮﻣﻮك( ﯾﺒﻌﺪ ﺗﻘﺮﯾﺒﺎ ً ‪ 3‬ﻛﯿﻠﻮ ﻣﺘﺮ ﺟﻨﻮب دﻣﺸﻖ وھﻮ ﯾﻌﺘﺒﺮ ﻣﻦ أﻛﺒﺮ اﻟﺘﺠﻤﻌﺎت ﻟﻠﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﻛﻤﺨﯿﻢ ﻟﻼﺟﺌﯿﻦ ﺗﻌﺪاد ﺳﻜﺎن‬ ‫اﻟﻤﺨﯿﻢ اﻟﯿﻮم ﯾﻘﺎرب ‪ 250‬إﻟﻰ ‪ 300‬أﻟﻒ ﻧﺴﻤﺔ ﻓﮭﻮ ﯾﻌﺘﺒﺮ ﻓﻌﻼً ﻣﻦ أﻛﺒﺮ ھﺎي اﻟﻤﺨﯿﻤﺎت‪ ،‬ﺑﺪأت ﺣﯿﺎﺗﻲ ﻛﺤﯿﺎة ﻛﻞ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﻣﻦ ﺧﻼل ﻣﺪارس‬ ‫وﻛﺎﻟﺔ اﻷﻣﻢ اﻟﻤﺘﺤﺪة اﻷوﻧﺮوا‪ ،‬اﻟﻠﻲ ھﻲ ھﺎي اﻟﻤﺪارس اﻟﻤﻌﻨﯿﺔ ﺑﺎﻻﺟﺌﯿﻦ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/4), 2010:‬‬ ‫ﻋﺪوا إﻧﻮ ﺧﻼل أﯾﺎم أو ﺧﻼل أﺳﺎﺑﯿﻊ ﻣﻤﻜﻦ ﯾﻌﻮدو إﻟﻰ ﻣﻨﺎزﻟﮭﻢ‪.‬‬ ‫ﻓﺎﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ ﺗﻢ ﺗﮭﺠﯿﺮھﻢ ﺳﻨﺔ ‪ 1948‬ﺑﻌﺪ ﻣﺎ إﻧﻮ ُ‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/5), 2010:‬‬ ‫ﻓﻜﺎﻧﺖ ﻓﻲ ﺑﺪاﯾﺎت إﻟﻰ ﺣٍﺪ ﻣﺎ ﯾﻌﻨﻲ اﻟﻘﺼﺔ اﻟﺤﯿﺎﺗﯿﺔ اﻟﻲ رح ﺗﻜﻮن ﺷﻮﯾﺔ ﺻﻌﺒﺔ ﻓﻜﺎﻧﺖ أول ﺑﺪاﯾﺎﺗﻲ اﻟﻔﻨﯿﺔ ﻛﺎﻧﺖ أﻧﺎ ﻋﻤﺮي ‪ 6‬ﺳﻨﻮات‪ ،‬ﻓﺸﻌﺮت‬ ‫ﻓﻲ ﻧﻔﺴﻲ إﻧﻮ أﻧﺎ ﻓﻨﺎن ﻓﻜﺎﻧﺖ ھﺎي اﻟﻘﺼﺔ ﺗﺘﻌﻠﻖ ﺑﻘﻀﯿﺔ ﺟﺎر إﻟﻨﺎ ﻓﻜﺎن ﻋﻨﺎ ﺟﺎر ﻓﻲ ﻣﺨﯿﻢ اﻟﯿﺮﻣﻮك ﺣﺎول ﯾﺪھﻦ ﻣﻨﺰﻟﮫ إﻻ ﺑﺎﻟﻠﻮن أﺑﯿﺾ ﻓﻜﻨﺖ أﻧﺎ‬ ‫طﻔﻞ ﻋﻤﺮي ‪ 6‬ﺳﻨﻮات ﺗﻘﺮﯾﺒﺎ ً ﻓﻠﻘﯿﺖ ﻋﻠﻰ اﻷرض ﻋﻨﺎ ﻧﻮع ﻣﻦ أﻧﻮاع اﻟﻔﺤﻢ ﻟﻤﺎ ﻛﺎﻧﻮا اﻟﻨﺎس زﻣﺎن ﯾﻐﻠﻮا اﻟﻄﻤﺎطﻢ أو ﺑﺤﺎوﻟﻮا ﯾﻌﻤﻠﻮا اﻟﻤﻮﻧﺔ‬ ‫اﻟﺴﻨﻮﯾﺔ ﻓﺄﻧﺎ ﺣﻤﻠﺖ ﻗﻀﯿﺐ ﻣﻦ اﻟﻔﺤﻢ ورﺳﻤﺖ أول ﻟﻮﺣﺔ ﻋﻠﻰ ھﺬا اﻟﺠﺪار اﻟﻠﻲ ھﻮي ﺑﺨﺺ ﺟﺎرﻧﺎ ﻓﻜﺎن ﻣﻦ ﺟﺎرﻧﺎ اﻧﻮ اول ﻣﺎ ﺷﺎﻓﻨﻲ ﻋﻢ ﺑﺮﺳﻢ‬ ‫ﻋﻠﻰ اﻟﺤﯿﻂ اﻟﺠﻤﯿﻞ ﺟﺪا ً إﻧﻮ ﺟﺎب ﻋﺼﺎي ﻣﻦ ـ ﻣﻦ اﻟﻤﻨﺰل وﻧﺰل ﻓﯿﻨﻲ ﻓﻲ اﻟﻀﺮب ﻓﻜﺎﻧﺖ أول ﻟﻮﺣﺔ ﻓﻨﯿﺔ ﺑﺮﺳﻤﮭﺎ ﻋﻠﻰ ﺣﺎﺋﻂ ﻣﻦ اﻟﺤﯿﻄﺎن‬ ‫ﻛﺎﻧﺖ ﻣﻘﺮوﻧﺔ ﺑﺎﻵﻟﻢ وﻣﻘﺮوﻧﺔ ﺑﺎﻟﻌﺬاب‪ ،‬ﻓﻜﺎن أول ﺳﺆال ﺑﻨﻄﺮح ﻓﺪﻣﺎﻏﻲ ﺑﮭﺪاك اﻟﻮﻗﺖ إﻧﻮ ﻟﯿﺶ أﻧﺎ إﻧﻀﺮﺑﺖ ﻓﻠﻤﺎ رﺣﺖ ﻋﻠﻰ اﻟﺒﯿﺖ ﻋﻢ أﺑﻜﻲ‬ ‫ﻋﻨﺪ إﻣﻲ ﻓﺒﻘﻮل ﻹﻣﻲ طﯿﺐ ﻟﯿﺶ ھﺬا اﻟﺰﻟﻤﺔ ﺿﺮﺑﻨﻲ ﻗﺎﻟﺘﻠﻲ ﻷﻧﻚ وﺳﺨﺖ اﻟﺤﯿﻂ ﻗﻠﺘﻠﮭﺎ ﺑﺲ أﻧﺎ ﻣﺎ وﺳﺨﺖ اﻟﺤﯿﻂ أﻧﺎ رﺳﻤﺖ ﻋﺼﻔﻮر أﻧﺎ رﺳﻤﺖ‬ ‫ﺷﻤﺲ‪ ،‬ﻓﻜﺎﻧﺖ ھﻮن اﻟﻤﻘﻮﻟﺔ اﻟﻲ ﺣﻄﺘﻨﻲ ﻓﻲ ﻓﻲ اﻹﺗﺠﺎه إﻧﻮ أﻛﻮن ﻓﻨﺎن إﻧﻮ أﻧﺎ ﻣﺎ ﻛﺎن ﻋﻨﺪي ﻧﯿﺔ ﻟﺤﺘﻰ أوﺳﺦ اﻟﺤﺎﺋﻂ أﻧﺎ ﻛﺎن ﻋﻨﺪي ﻧﯿﺔ إﻧﻮ أزﯾﻦ‬ ‫اﻟﺤﺎﺋﻂ ﻟﯿﻜﻮن أﺟﻤﻞ ‪ ،‬ﻟﻜﻦ اﻟﻨﺎس ﻣﺎ ﺗﻘﺒﻠﻮه إﻧﻮ ھﻮ أﺟﻤﻞ ﺷﺎﻓﻮا إﻧﻮ ھﻮ ﺗﻢ ﺗﻮﺳﯿﺨﻮ‪ ،‬ﻓﮭﺎي اﻟﻔﻜﺮة ﺿﻠﺖ ﻣﻦ أﻧﺎ وطﻔﻮﻟﺘﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/6), 2010:‬‬ ‫ﺑﻘﺪر أﻋﺘﺒﺮ أول ﺣﺎﻟﺔ ﻣﻦ ﺣﺎﻻت اﻟﺘﻤﺮد ﻋﻠﻰ اﻟﻤﺠﺘﻤﻊ ﺑﺪأت ﻣﻦ أﻧﺎ وﻋﻤﺮي ﺧﻤﺲ ﺳﻨﻮات وإﺳﺘﻤﺮت ﻟﻠﯿﻮم ھﺬا ﻓﺄﻧﺎ ﻓﻲ ﺣﺎﻟﺔ ﺗﻤﺮد داﺋﻢ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/7), 2010:‬‬ ‫ﻓﻠﻤﺎ أﺗﻜﻠﻢ ﻓﻲ اﻷﯾﺎم اﻟﺠﺪﯾﺪة ھﺎي ﻣﻊ اﻟﻨﺎس ﻛﺎﻧﻮا ﺑﻔﻠﺴﻄﯿﻦ وﺑﻘﻠﮫ أﻧﺎ ﺑﺤﯿﻔﺎ وأﻧﺎ ﻛﻨﺖ ﻓﻲ وادي اﻟﻨﺴﻨﺎس ورﺣﺖ ﻋﻠﻰ اﻟﮭﺪار ورﺣﺖ ﻋﻠﻰ ﻣﺎر‬ ‫اﻟﯿﺎس ‪،‬ﺑﻘﻠﻲ أﻧﺖ ﺑﺄي ﺳﻨﺔ طﻠﻌﺖ ﻣﻦ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ أﻧﺖ ﺑﺘﻌﺮف ﻛﻞ اﻟﻤﻨﺎطﻖ ﺑﺤﯿﻔﺎ ﻓﺄﻧﺎ ﻣﺎ ﺷﻮﻓﺖ ﺣﯿﻔﺎ ‪،‬ﻟﻜﻦ أﻧﺎ ﺣﯿﻔﺎ ﻣﻮﺟﻮدة ﻓﻲ داﺧﻠﻲ ﻓﻲ ﻋﻤﻘﻲ‬ ‫ﻓﺎﻟﻮطﻦ ﻣﺎ ھﻮ ﺟﻐﺮاﻓﯿﺎ ﻛﺎﻧﺖ ﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ اﻟﻲ ﺑﻘﺪر ﻣﺎ ﻛﺎﻧﺖ ﻋﺒﺎرة ﻋﻦ ﺣﺪوﺛﮫ‪ .‬ﯾﻌﻨﻲ ﺣﺪوﺛﮫ ﺑﺎﻟﻐﺔ اﻟﻌﺮﺑﯿﺔ ﺗﻌﺘﻨﺎ اﻟﻲ ھﻲ اﻟﻘﺼﺔ اﻟﻌﺎﻣﯿﺔ اﻟﻲ ﺑﺘﺤﻜﯿﮭﺎ‬ ‫اﻟﺠﺪ واﻟﺠﺪة اﻟﻲ ﺑﺘﺤﻜﯿﮭﺎ ﻓﻲ اﻟﺒﺤﺮ ﺑﺘﺤﻜﯿﮭﺎ ﻋﻠﻰ ﻋﻠﻰ اﻟﺸﺎطﺊ اﻟﻠﻲ ﺑﺘﻨﺤﻜﻰ ﻋﻠﻰ ﻗﺼﺺ اﻟﻤﻌﺎﻧﺎة اﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧﻮا ﯾﻌﺎﻧﻮھﺎ ﻣﻦ أﯾﺎم اﻹﺣﺘﻼل اﻹﻧﻜﻠﯿﺰي‬ ‫أو اﻹﺣﺘﻼل أو ﺧﻠﯿﻨﺎ ﻧﻘﻮل اﻟﻌﺼﺎﺑﺎت اﻟﺼﮭﯿﻮﻧﯿﺔ اﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧﺖ ﻣﻮﺟﻮدة ﻓﻲ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ‪.‬‬

‫‪317‬‬

‫‪Anhang‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/8), 2010:‬‬ ‫ﻓﺘﺸﻜﻠﺖ ﻋﻨﺪي ﻣﻌﻠﻮﻣﺔ ﺳﯿﺎﺳﯿﺔ إﻧﻮ أﻧﺎ ﻏﺮﯾﺐ ﻓﻲ ھﺬا ﻓﻲ ھﺬا اﻟﺒﻠﺪ اﻟﻲ أﻧﺎ ﻓﯿﮫ اﻟﻠﻲ ھﻲ ﺳﻮرﯾﺎ ﻓﺈﻧﻄﺮح ﻋﻠﻲ ﺳﺆال أول ﺳﺆال إﻧﻄﺮح ﻋﻠﻲ ھﻮ‬ ‫ﻟﯿﺶ أﻧﺎ ﻻﺟﺊ ﻟﯿﺶ ؟؟ إﻧﻄﺮح اﻟﺴﺆال ﻓﻲ ذھﻨﻲ وﺑﻠﺸﺖ أﺻﻮغ ھﺬا اﻟﺴﺆال أﺻﻮﻗﮫ ﻟﻠﻤﻌﻠﻢ ﻓﻲ اﻟﻤﺪرﺳﺔ ﻟﻠﺠﺪ ﻟﻠﺠﺪة ﻟﺤﺘﻰ أﻋﻄﻲ ﻋﺬر أو أﻋﻄﻲ‬ ‫ﺗﺒﺮﯾﺮ ﻟﻮﺟﻮدي ﻓﻤﻦ ھﻮن دﺧﻠﺖ ﻓﻲ اﻟﺪراﻣﺎ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/9), 2010:‬‬ ‫ﻓﺄﻧﺎ ﺑﻘﻮل ﻋﻠﻰ ﻧﻔﺴﻲ ﻣﻦ اﻟﺨﻤﺲ ﺳﻨﻮات اﻷوﻟﻰ ﻓﻲ ﺣﯿﺎﺗﻲ ﻣﻦ أول ﻣﺎ رﺳﻤﺖ ﻋﺼﻔﻮر ﻋﻠﻰ ﺟﺪار ورﺳﻤﺖ ﺷﻤﺲ ﻛﺎﻧﺖ أول ﻣﻌﺎﻧﺎة ﺑﺎﻷﻟﻢ‪ ،‬ﻟﻤﺎ‬ ‫ﻛﺎﻧﺖ اﻟﻌﻘﻮﺑﺔ اﻟﻲ إﻧﻌﻄﺖ إﻟﻲ ﻣﻦ ﺟﺎري ﻟﺘﻘﻠﻲ إﻧﻚ أﻧﺖ دﺧﻠﺖ ﻓﻲ ﻋﻤﻖ اﻟﻤﻌﺎﻧﺎة اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/10), 2010:‬‬ ‫ً‬

‫ﻓﻜﻨﺖ داﺋﻤﺎ اﻟﻤﻌﻠﻤﯿﻦ ﺑﺄﻧﺒﻮﻧﻲ أو ﺑﻤﻌﻨﻲ ﺑﺤﺎوﻟﻮا ﯾﻠﻔﺘﻮا إﻧﺘﺒﺎھﻲ إﻧﻮ ھﺬا اﻟﻌﻤﻞ ﻏﯿﺮ ﺻﺤﯿﺢ إﻧﻮ ھﺬا اﻟﺪﻓﺘﺮ ﻻزم ﯾﻜﻮن ﺷﻜﻠﻮ ﺟﻤﯿﻞ وﺷﻜﻞ ﺟﯿﺪ‬ ‫وﻣﻨﺴﻖ ﻟﻜﻦ ﻛﺎﻧﺖ إﯾﺪي ﺗﻌﺒﺚ ﺑﺎﻟﻮرق وﺗﻌﺒﺚ ﺑﺎﻟﺮﺳﻢ ﻻ ﺷﻌﻮر ﻓﻤﺎ ﻛﻨﺖ أﺷﻌﺮ ﺑﺎﻟﻤﺴﺄﻟﺔ إﻧﻮ ھﻲ اﻟﻤﺴﺄﻟﺔ اﻟﻤﻘﺼﻮد ﻣﻨﮭﺎ ﺗﻮﺳﯿﺦ اﻟﺪﻓﺘﺮ ﻓﻜﺎن‬ ‫اﻟﻘﺼﺪ ﻣﻨﮭﺎ ﺗﺠﻤﯿﻠﮫ‪ ،‬ﻓﺒﺪأت ﻋﻨﺪي اﻹﺷﻜﺎﻟﯿﺔ وﻛﺄﻧﻮا ﺷﻲء أﺷﯿﺎء اﻟﺮﻓﺾ اﻟﻮاﻗﻊ ﻓﺄﻧﺎ ﺑﺪأت ﻣﻦ أﻧﺎ وطﻔﻮﻟﺘﻲ أرﻓﺾ ھﺬا اﻟﻮاﻗﻊ اﻟﻤﺤﯿﻂ اﻟﻲ اﻟﻠﻲ‬ ‫ﻣﺎ ﻋﻢ ﺑﺘﻘﺒﻠﻨﻲ ﺑﺸﺮوطﻲ أﻧﺎ اﻟﻠﻲ أﻧﺎ ﻻزم أﻣﺸﻲ ﺑﻨﺎء ﻋﻠﻰ ﺷﺮوطﮫ‪ ،‬ﻓﻤﻦ ھﻮن ﻛﺎﻧﺖ … ﺑﻘﺪر أﻋﺘﺒﺮ أول ﺣﺎﻟﺔ ﻣﻦ ﺣﺎﻻت اﻟﺘﻤﺮد ﻋﻠﻰ اﻟﻤﺠﺘﻤﻊ‬ ‫ﺑﺪأت ﻣﻦ أﻧﺎ وﻋﻤﺮي ﺧﻤﺲ ﺳﻨﻮات وإﺳﺘﻤﺮت ﻟﻠﯿﻮم ھﺬا ﻓﺄﻧﺎ ﻓﻲ ﺣﺎﻟﺔ ﺗﻤﺮد داﺋﻢ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/11), 2010:‬‬ ‫ﺟﻮاز ﻓﻠﻤﺎ وﺟﻮدي ﻓﻲ ﻣﻄﺎر زورﯾﺦ ﻓﻼزم أﻋﺮض ﻣﺮة ﺛﺎﻧﻲ ﺟﻮاز اﻟﺴﻔﺮ ھﻮن ﺷﻌﺮت إﻧﻮ أﻧﺎ ھﺬا اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ اﻟﺼﻐﯿﺮ اﻟﻲ ﻋﻤﺮه ﺧﻤﺲ ﺳﻨﯿﻦ‬ ‫اﻟﻲ ﻛﺎن ﯾﺮﺳﻢ ﻋﺼﻔﻮر واﻟﻠﻲ ﻛﺎن ﯾﺮﺳﻢ ﺷﻤﺲ ﻓﮭﻮ ﻓﻲ ﻣﻄﺎر زورﯾﺦ رﺟﻊ ﻛﻤﺎن ﻋﻤﺮه ﺧﻤﺲ ﺳﻨﯿﻦ ﺑﺮﺳﻢ ﻣﺜﻞ ﻋﺼﻔﻮر وﺷﻤﺲ ﻟﯿﺶ ؟ ﻷﻧﻮ‬ ‫ﻓﻲ ﺣﺎﻟﺔ ﺗﻤﺮد ﺷﻌﺮت إﻧﻮ أﻧﺎ ﻻزم اﻗﻮل ﻟﻠﺒﻮﻟﯿﺲ إﻧﻮ ﻣﺎ ﻋﻨﺪي ﺟﻮاز ) ﯾﻀﺤﻚ( ﻓﮭﻮن ﻋﺪة إﻟﻰ ﻓﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺘﻲ ﻓﺒﻘﻠﮫ ﻟﻠﺒﻮﻟﯿﺲ ﺑﺼﺮاﺣﺔ ﻣﺎ ﻋﻨﺪي‬ ‫ﺟﻮاز ‪ ،‬ﻓﺼﺎر ﻋﻨﺪي أول زي ﻣﺒﻘﻮﻟﻮ ﻣﻘﺎﺑﻠﺔ ﻣﻊ اﻟﺒﻮﻟﯿﺲ اﻟﺴﻮﯾﺴﺮي ﻓﺒﻘﻠﻮ ﺑﻘﻠﻲ أﻧﺖ ﺷﻮ ﻗﺼﺘﻚ ﻗﻠﺘﻠﮫ أﻧﺎ ﺟﺎي ﻋﻠﻰ اﻟﺪﻧﻤﺮك ﻣﻮ ﺟﺎي ﻟﻌﻨﺪك‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/12), 2010:‬‬ ‫ھﺬا وﺿﻌﻨﻲ ﻛﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ إﻧﻮ أﻧﺎ اﻟﻠﻲ ﻛﻨﺖ أرﺳﻤﻮ ﻣﺎ ﻛﻨﺖ أرﺳﻤﻮ ﺑﻤﻌﻨﻲ ﺟﻤﯿﻞ‪ ،‬وﺑﺲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/13), 2010:‬‬ ‫ﻓﺎﻟﻤﺮاھﻘﺔ ﻣﻤﻜﻦ ﻧﺤﻜﻲ ﻓﯿﮭﺎ ﺑﮭﺬاك اﻟﻮﻗﺖ اﻟﻠﻲ ھﻲ إﻧﻮ اﻹﻧﺴﺎن ﺑﺤﺲ ﺣﺎﻟﻮ إﻧﻮ ﺻﺎر ﺷﺐ أو اﻟﺒﻨﺖ ﺑﺘﺤﺲ ﺣﺎﻟﮭﺎ إﻧﮭﺎ ‪ ،‬ﻟﻜﻦ ﻧﺤﻦ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﯿﻦ‬ ‫ﻟﻤﺎ ﺑﻨﺼﯿﺮ ﻣﺮاھﻘﯿﻦ ﻣﺎ ﺑﻨﺤﺲ ﻓﻲ ﻗﻀﯿﺔ ﺑﯿﻮﻟﻮﺟﯿﺔ ﺑﺎﻟﺠﺴﺪ ﺑﻨﺤﺲ ﺑﻘﻀﯿﺔ إﻧﺘﻤﺎﺋﻨﺎ ﻟﻠﻌﻤﻞ اﻟﺴﯿﺎﺳﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit S. A. (4/14), 2010:‬‬ ‫ﺳﺄﻟﺘﮭﺎ ﻓﺎ ﻣﺸﻲ اﻟﺤﺎل ﺗﻌﺮﻓﻨﺎ ﻋﻠﻰ ﺑﻌﺾ رﺣﻨﺎ إﺟﯿﻨﺎ ﺣﻀﺮﻧﺎ ﻣﺴﺮح رﺣﻨﺎ ﻋﻠﻰ ﻛﺎﻓﯿﺘﯿﺮﯾﺎ ﻟﻜﻦ ھﺬا ﻛﺎن ﻣﻘﺮون ﻛﻤﺎن … اﻟﺸﻲء اﻟﺠﻤﯿﻞ اﻟﻠﻲ‬ ‫ﺑﺪي أﺣﻜﻲ إﻧﻮ إﺣﻨﺎ ﺣﺘﻰ ﺑﺎﻟﺤﺐ ﺑﻨﺤﻜﻲ ﺳﯿﺎﺳﺔ ‪،‬ﯾﻌﻨﻲ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﻲ ھﺎي ﻣﺴﺄﻟﺔ … ﺑﺠﻮز اﻟﻮﻻد ھﻸ إذا ﺑﺴﻤﻌﻮھﺎ ﻣﺎ ﺑﻌﺮﻓﻮھﺎ اﻟﻘﺼﺺ ھﺎي …‬ ‫ﺖ ﻣﺸﺎن ﺗﺠﺬب اﻟﺒﻨﺖ أﻛﺜﺮ ﻣﻮ ﺑﺲ ﺗﻘﻠﮭﺎ ﻋﯿﻨﯿﻜﻲ ﺣﻠﻮﯾﻦ ﻻ ﺑﺘﺸﻮف ﻣﺴﺘﻮى وﻋﯿﮭﺎ ﻓﻲ إﻧﺘﻤﺎﺋﮭﺎ ﺑﺎﻟﻘﻀﯿﺔ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ واﻟﺒﻨﺖ ﺑﻨﻔﺲ اﻟﻮﻗﺖ‬ ‫ﻷﻧﻮ أﻧ ِ‬ ‫ﻣﺸﺎن ﺗﻌﻄﯿﻚ اﻟﻀﻮء اﻷﺧﻀﺮ ﺗﺸﻌﺮك إﻧﮭﺎ ﻣﮭﺘﻤﺔ ﻓﯿﻚ ﻣﻮ ﺑﺸﺨﺼﻚ ) ﯾﻀﺤﻚ ( ﺑﺈﻧﺘﻤﺎﺋﮭﺎ ﻟﻠﻘﻀﯿﺔ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ )ﯾﻀﺤﻚ( ﻓﻜﺎﻧﺖ ﺣﺎﻟﺔ ﻣﻦ اﻟﺴﺠﺎل‪.‬‬

‫‪Tabu, Trauma und Identität‬‬

‫‪318‬‬

‫‪Gespräch mit R. B. (5/1), 2010:‬‬ ‫أﻧﺎ أول أﺗذﻛر أول ﻧﺷﺎط ﺳﯾﺎﺳﻲ ﻹﻟﻲ ﯾﻌﻧﻲ ﻛﺎن ﻓﻲ اﻟﻣدرﺳﺔ …[ [ﻛﺎن ﻧﺷﺎطﻧﺎ ﺧﻔﯾف أﺗذﻛر ﻣرة ﻋﻣﻠﻧﺎ ﺑﺟوز ﻣظﺎھرة ﻟﯾوم اﻷرض ﺑﺈﻋﺎز‬ ‫ﺷﺑﺎب أﻛﺑر ﻣﻧﺎ ﻓﻲ اﻟﻣدرﺳﺔ ﻏﯾر ھﯾك ﻟم ﯾﻛن ﻓﻲ ﻧﺷﺎطﺎت ﺳﯾﺎﺳﯾﺔ ﺣﻘﯾﻘﺔ ﻓﻲ اﻟﻣدارس ﻋﻧﺎ ﻓﻲ ﯾﻌﻧﻲ ﻓﻲ " اﻹﻣﺎرات " ‪ ،‬ﻋﻧدﻣﺎ ذھب اﻟﺳﺎدات‬ ‫إﻟﻰ ﻣﺻر ﯾﻌﻧﻲ أﻧﺎ طﺑﻌﺎ ً ﻟم أﻛن ﻣﺻدوم ﺑﻣﻌﻧﻰ اﻟﺻدﻣﺔ ﻟﻛن ﺻدﻣﺔ اﻟﻌﺎﻟم أﺛرت ﻋﻠﻲ وھﺎي اﻟﺻدﻣﺔ أﺛرت ﻋﻠﻲ إﻟﻰ درﺟﺔ أﻧﺎ ﺷﻌرت ﻧﻔﺳﻲ‬ ‫إﻧو أرﯾد أن أﻓﻌل ﺷﯾﺋﺎ ً ﻓﺑدأت أﻗص ﻣن ﻛل اﻟﺟراﯾد ﺻور اﻟﺳﺎدات ﻣن ﻛل اﻟﺟراﯾد ‪ ،‬وﺣوﺷت ﺣواﻟﻲ أرﺑﻌﯾن ﺧﻣﺳﯾن ﺻورة ﻛﺎن واﻟدي‬ ‫أﯾﺎﻣﮭﺎ ﻣدﯾر اﻟﻣدرﺳﺔ اﻟﻠﻲ أﻧﺎ ﺑدرس ﻓﯾﮭﺎ ورﺣت …[ [ﻛﺎن داﺋﻣﺎ ً ﯾذھب إﻟﻰ اﻟﻣدرﺳﺔ ﻗﺑل ﺑﺳﺎﻋﺔ ﻣن ﺣﺿور أول ﻣدرس ﺣﺗﻰ إﻧو ﯾﻌﻣل ﻟﻔﺔ‬ ‫ﻋﻠﻰ اﻟﻣدرﺳﺔ وﻋﻧدو ﻓوق ﻛﻧﺗرول ﻋﻠﻰ اﻟﻣدرﺳﺔ ‪ ،‬وواﻟدي ﯾﺣب اﻟﻛﻧﺗرول اﻟﺗﺎم ‪ ،‬ﻓﺎ ﻛﻧﺎ ﻧذھب ﺑدري ﻓﺎ أﺗذﻛر ﯾوﻣﯾﺗﮭﺎ ﻓﻲ اﻟﻣدرﺳﺔ إﻧو ھو‬ ‫ھو ﺑﻌﻣل اﻟﻛﻧﺗرول وأﻧﺎ أﻟﺻق اﻟﺻور وأﻛﺗب ﻋﻠﯾﮭﺎ وأﺷﺧط ﻋﻠﯾﮭﺎ ﺿد اﻟﺳﺎدات ووﯾﻘﺑﻊ اﻟﺻور وأﻧﺎ أﻟﺻق ﺻور ﻓﻲ اﻷﺧر ‪ ...‬ﻓﻲ اﻷﺧر‬ ‫ﻋرف واﻟدي إﻧو أﻧﺎ اﻟوﺣﯾد اﻟﻠﻲ ﻓﻲ اﻟﻣدرﺳﺔ ﻣﻌﺎه ﻓﻣﺳﻛﻧﻲ وﺿرﺑﻧﻲ ﯾوﻣﯾﺗﮭﺎ ﯾﻌﻧﻲ ﺣﺗﻰ ﻓﻲ اﻟﻣدرﺳﺔ وﻣﻧﻌﻧﻲ ﻷﻧو ھو ﻛﺎن ﻣﺎﻧﻊ اﻟﺳﯾﺎﺳﺔ‬ ‫ﻓﻲ اﻟﻣدارس ]…[ ﯾﻌﻧﻲ ﺑﻌد ﻗﺿﯾﺔ اﻟﺳﺎدات إﻧطﻠﻘت أﻧﺎ ﻓﻲ اﻟﻌﻣل اﻟﺳﯾﺎﺳﻲ وﻟم أﻋد أﺣﺳب ﯾﻌﻧﻲ ﺣﺳﺎﺑﺎ ً إﻧو ھل واﻟدي ﯾزﻋل أو ﻣﺎ ﯾزﻋل‬ ‫ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ إﻟﻲ ﺻﺎرت ﻗﺿﯾﺔ ﻣﮭﻣﺔ إﻧو أﻓﻌل ‪،‬ﻓﺻرﻧﺎ ﻧﻌﻣل ﯾوم اﻷرض ﯾوم اﻟﻧﻛﺑﺔ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit R. B. (5/2), 2010:‬‬ ‫ﯾﻌﻧﻲ …[ [ﻋﻠﻰ ﺳﺑﯾل اﻟﻣﺛﺎل أﻧﺎ ﺗرﻛت أﺣد اﻷﻋﻣﺎل اﻟﻠﻲ ﻛﺎﻧت ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ إﻟﻲ ﻣﺎدﯾﺎ ً …[ [ﻷﻧو ﻋﻣﻠت ﻣﻘﺎﺑﻠﺗﯾن ﻓﻲ اﻟﺗﻠﻔزﯾون ﺑﻌدھﺎ إﺟﺎن أﻣر‬ ‫ﻣن اﻹدارة إﻧوﻣﺎ أﺧرﺟش ﻋﻠﻰ اﻟﺗﻠﻔزﯾون وﻷﻧو أه ﻋﻧﺎ ﺑﻌض اﻟزﺑﺎﯾن اﻟﯾﮭود ﺑﺎﻟﺗﺎﻟﻲ ﻣﻣﻛن ﯾﺄﺛر ﻋﻠﻰ اﻟﻌﻼﻗﺎت ﻣﻊ اﻟﺷرﻛﺔ ﻷﻧو ﻛﻧت ﻣدﯾر‬ ‫ﻋﻼﻗﺎت اﻟزﺑﺎﯾن ﻓﻲ اﻟﺷرﻛﺔ ھﺎي …[ [ﻓﺎ طﻠﺑوا ﻣﻧﻲ ﺑﺷﻛل رﺳﻣﻲ أﻧﺎ رﻓﺿت ﻓﺻﺎر ﻓﻲ ﻛﻠﻧش ﺑﯾﻧﺎ وﺑﯾن اﻹداره ﻓﺎ طﻠت ﻓﻲ اﻷﺧر ﻣن‬ ‫اﻟﺷرﻛﺔ ]…[ ﯾﻌﻧﻲ ھﻲ ﻣﺣددة ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ ﻹﻟﻲ ھل إﻧو ﻣﻣﻛن أﺳﺗﻣر ﻓﻲ ﻋﻣل ﻣﻌﯾن ﯾﻌﻧﻲ اﻟﻌﻣل اﻟﻲ ﺑدي أﻗوم ﻓﯾﮫ ﯾﺟب أن ﯾﻛون ﺑرﺿو ﻣﻧﺎﺳب‬ ‫ﻹﺧﺗﯾﺎري ﻟﻠﻌﻣل اﻟﻠﻲ ﺑدي أﻗوم ﻓﯾﮫ ﻓﻲ اﻟﺣﯾﺎة ﻓﻲ اﻟﻌﻣل اﻟﺳﯾﺎﺳﻲ‪.‬‬

‫‪Gespräch mit R. B. (5/3), 2010:‬‬ ‫طﺒﻌﺎ ً ھﺬا ﻗﻀﯿﺔ اﻟﺘﺪاول ﻣﺶ ﺗﺪاول ﻗﻀﯿﺔ ﺛﻮرات اﻟﻘﻀﯿﺔ ھﺎي ﻗﻀﯿﺔ ﻣﮭﻤﺔ ﺟﺪا ً ﯾﻌﻨﻲ أﻧﺎ ﻣﻤﻢ ﺷﺎﻛﺮ ﺟﺪا ً ﻷﺟﺪادي ﻟﻮاﻟﺪي ]…[ إھﺘﻤﺎﻣﻮ ﻋﻦ‬ ‫اﻟﻘﻀﯿﺔ أو إھﺘﻤﺎﻣﻮ ﺑﺎﻟﻘﻀﯿﺔ ﻧﻔﺴﮭﺎ ھﻮ ﺑﺸﻜﻞ ﻏﯿﺮ ﻣﺒﺎﺷﺮ ﺑﯿﻌﻄﯿﻨﻲ إھﺘﻤﺎم ﯾﻌﻨﻲ ھﺬا أﺣﺪ اﻟﺪواﻓﻊ أو أﺣﺪ اﻟﻘﻀﺎﯾﺎ اﻟﻠﻲ ﺑﻨﺖ ﻓﻲ داﺧﻠﻲ أو ﻓﻲ‬ ‫ﻧﻔﺴﻲ ]…[ ﻗﻀﯿﺔ اﻟﺘﻮارث ﻗﻀﯿﺔ ﻣﮭﻤﺔ ﯾﻌﻨﻲ ﺗﺼﻮري ﻟﻮ إﻧﻮ أﺟﺪادي وواﻟﺪي ﻣﺶ ﻣﮭﺘﻤﯿﻦ ﺑﺎﻟﻘﻀﯿﺔ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﻛﺎن ﻣﻤﻜﻦ أﻧﺎ أطﻠﻊ ﺑﺮﺿﻮ‬ ‫ﻣﻌﻨﺪﯾﺶ أي إھﺘﻤﺎم ﻣﻤﻜﻦ ]…[ ﻋﻨﺪﻣﺎ ﻻ ﺑﯿﺼﯿﺮ ﻷب ﻻ ﯾﻮرث ﻗﻀﯿﺔ ]…[ ﺳﺘﻤﻮت اﻟﻘﻀﯿﺔ ]…[ ﯾﻌﻨﻲ أﺣﺪ اﻟﻤﺨﻄﻄﺎت اﻟﺼﮭﯿﻮﻧﯿﺔ ﯾﻌﻨﻲ‬ ‫ﻋﻨﺪﻣﺎ أﻧﺎ ﻧﺎﺳﻲ ﻣﯿﻦ اﻟﻠﻲ ﺣﻜﺎھﺎ أﺗﻮﻗﻊ إﻧﻮ " ﺑﻨﻐﺮﯾﻮن " ھﺎي اﻟﻠﻲ ﺣﻜﺎھﺎ ﺣﻜﻰ ﺣﻜﻰ ﺑﺎﻟﺜﻤﺎﻧﯿﺔ وأرﺑﻌﯿﻦ أﯾﺎم اﻟﺘﺸﺮﯾﺪ ﺣﻜﻰ إﻧﻮ ﻧﻌﻢ إﺣﻨﺎ ﺑﻨﻮﺧﺬ‬ ‫اﻷراﺿﻲ واا ﺑﺘﺸﺮد اﻟﻨﺎس وا ال ال ال اﻟﻠﻲ راﯾﺤﯿﯿﻦ ﯾﺘﺸﺮدوا راﯾﺤﯿﯿﻦ ﯾﻜﺒﺮوا وﯾﻤﻮﺗﻮا واﻷﺟﯿﺎل اﻟﻠﻲ ﺟﺎي رح ﺗﻨﺴﻰ ‪ ،‬وھﺎي ﻣﻘﻮﻟﺔ ﯾﻌﻨﻲ‬ ‫رﺳﻤﯿﺔ ﻣﻦ ﻣﻨﻲ ﻣﺘﺬﻛﺮ ﻣﻦ " ﺑﻨﻐﺮﯾﻮن " ﻓﺎ ﻗﻀﯿﺔ اﻟﺘﻮرﯾﺚ ھﻲ ﻗﻀﯿﺔ ﻣﮭﻤﺔ ‪ ،‬ﻧﺸﺄة اﻟﺘﻮرﯾﺚ ﯾﻌﻨﻲ إﺣﯿﺎء اﻟﻘﻀﯿﺔ ‪ ،‬إﺣﯿﺎء اﻟﺤﻖ ﻓﻲ اﻟﻨﮭﺎﯾﺔ‬ ‫‪،‬اﻟﻘﻀﯿﺔ ﻣﺶ ﺑﺤﺪ ذاﺗﮭﺎ ﻷﻧﻮ إﺣﻨﺎ ﺑﺪﻧﺎ ﯾﻌﻨﻲ ﻧﻜﻮن أﻋﺪاء ﻟﻠﯿﮭﻮد ﻟﻠﺼﮭﺎﯾﻨﺔ أو إﻟﻰ آﺧﺮ]…[ ﻣﺸﻜﻠﺘﻲ ﻣﻌﮭﻢ إﻧﻮ ھﻤﺔ ﺑﺰاﺣﻤﻮﻧﻲ ﻋﻠﻰ إﻧﺘﻤﺎﺋﻲ‬ ‫إﻧﺘﻤﺎﺋﻲ إﻟﻰ ھﺎي اﻷرض ﯾﻌﻨﻲ ھﻤﺔ ﯾﺮﯾﺪوا إﺳﺘﺒﺪال إﻧﺘﻤﺎﺋﻲ أﻧﺎ ﺑﺈﻧﺘﻤﺎﺋﮭﻢ ھﻤﺔ ‪ ،‬وﺑﺎﻟﺘﺎﻟﻲ ﯾﻠﻐﻮا إﻧﺘﻤﺎﺋﻲ وﯾﻮﺧﺬوا ھﻤﺔ إﻧﺘﻤﺎء وھﺎي ﻣﺸﻜﻠﺘﻲ ‪،‬‬ ‫ﻏﯿﺮ طﺒﻌﺎ ً اﻟﻤﺸﺎﻛﻞ اﻟﺜﺎﻧﯿﺔ ﯾﻌﻨﻲ ﻏﯿﺮ اﻹﻧﺘﻤﺎء اﻟﻮﺟﺪاﻧﻲ واﻟﻮطﻨﻲ واﻟﺴﯿﺎﺳﻲ ‪ ،‬اﻷراﺿﻲ واﻟﻤﻠﻜﯿﺔ ‪ ،‬اﻟﺘﺎرﯾﺦ واﻟﺠﺬور ‪ ،‬ﯾﻌﻨﻲ اﻟﻘﻀﯿﺔ أﻛﺒﺮ ﻣﻦ‬ ‫ھﯿﻚ ﺑﻜﺜﯿﺮ … ]…[ ﺑﺪون اﻟﻘﻀﯿﺔ اﻟﻔﻠﺴﻄﯿﻨﯿﺔ ﺟﺰء ﻣﻨﻲ ﺑﯿﻤﻮت ‪ ،‬وﺑﺎﻟﺘﺎﻟﻲ إذا ھﺬا اﻟﺠﺰء ﻣﮭﻢ ﻛﺎن وﺑﺎﻟﻨﺴﺒﺔ إﻟﻲ أﻧﺎ ﻣﮭﻢ ﻓﻲ اﻹﺑﺪاع واﻟﺨﻼف‬ ‫أو ال أو ال اﻹﺑﺪاع أو اﻟﻠﻲ ﻋﻨﺪي أو " ﺑﺎﻷﻟﻤﺎﻧﻲ " زي ﻣﺎ ﺑﺤﻜﻮھﺎ ‪ ،‬ﺷﺎﯾﻔﮫ ﻋﻠﻲ ؟ ﺑﯿﻤﻮت ھﺬا اﻟﺠﺰء ﻣﻨﻲ وأﺻﺒﺢ ﻣﺎﻛﯿﻨﺔ ﻟﻠﻌﻤﻞ ‪ ،‬ﺣﺘﻰ أﺟﻠﺐ‬ ‫ﻣﺼﺎري ﻷوﻻدي ‪ ،‬ﯾﻌﻨﻲ ﺑﺼﯿﺮ ﻣﺜﻞ ﯾﻌﻨﻲ ﺑﯿﺼﯿﺮ ﻟﯿﺲ ﻟﻲ أھﻤﯿﺔ إﻧﺴﺎﻧﯿﺔ أﺧﺮى وﺑﺎﻟﺘﺎﻟﻲ أﻧﺎ ال ال " اﻟﺪﻓﯿﻨﯿﺸﻦ " ‪ ،‬ال ال اﻟﺘﻌﺒﯿﺮ اﻟﻠﻲ ﺑﻌﻄﯿﮫ‬ ‫ﻋﻦ ﻧﻔﺴﻲ ﻛﺈﻧﺴﺎن ﺑﺠﺎﻧﺐ إﻧﻮ أﻧﺎ ﺑﺴﺎﻋﺪ أھﻠﻲ وإﻟﻰ آﺧﺮه ‪ ،‬وﺑﻌﻄﯿﮭﻢ ﻣﺠﺎل إﻧﮭﻢ ﯾﻌﯿﺸﻮا ‪ ،‬ﺑﺎﻟﺪرﺟﺔ اﻷوﻟﻰ ﻣﻦ ﺧﻼل ﻋﻤﻠﻲ ‪ ،‬ﻟﮭﺎي اﻟﻘﻀﯿﺔ ﻷﻧﻮ‬ ‫أﻧﺎ ﺑﺎﻟﻨﮭﺎي ﺑﺸﻮﻓﻮا ﻋﻤﻞ إﻧﺴﺎﻧﻲ ﻓﻲ اﻟﻨﮭﺎي أﻧﻨﺎ ﺑﺪاﻓﻊ ﻋﻦ ﺣﻘﻮق ﺑﺪاﻓﻊ ﻋﻦ ﺷﻌﺐ ﻣﻀﻄﮭﺪ ﺑﺪاﻓﻊ ﻋﻦ ﻻﺟﺌﯿﻦ ﻣﻀﻄﮭﺪﯾﻦ ﻓﻲ اﻟﻨﮭﺎﯾﺔ ‪ ،‬ﺑﺪاﻓﻊ ﻋﻦ‬ ‫ﻣﺎ ﺣﺪث ﻷھﻠﻲ ﻷﺑﻮي وواﻟﺪﺗﻲ ‪ ،‬ﯾﻌﻨﻲ واﻟﺪي وواﻟﺪﺗﻲ ﻋﻨﺪﻣﺎ ﺗﺸﺮدوا وﻣﺸﻮا ﺣﺎﻓﯿﯿﻦ إﻟﻰ أن دﻣﯿﺖ رﺟﻠﯿﮭﻢ ‪ ،‬ﺻﺎرت ﺗﻨﺰل اﻟﺪم ﻣﻦ رﺟﻠﯿﮭﻢ‬ ‫]…[وأﻧﺎ ﻣﺎ ﺑﺪي أورث اﻟﻘﻀﯿﺔ ﺑﺸﻜﻞ ﺑﺲ " أوﺑﯿﻜﺘﯿﻒ " ﺑﺪي أورﺛﮭﺎ ﻛﻤﺎن ﺑﺸﻜﻞ " ﺳﻮﺑﯿﻜﺘﯿﻒ " ]…[ أﻧﺎ ﺑﺤﺎول ﻣﻦ ﺧﻼل ھﺎي اﻟﻠﻲ ﺑﻨﺤﻜﻲ‬ ‫ﻋﻨﮭﺎ " اﻟﺴﻮﺑﯿﻜﺘﯿﻔﺎت " أو ال ال اﻟﻘﻀﯿﺔ اﻟﺸﺨﺼﯿﺔ واﻟﺸﻌﻮر اﻟﺸﺨﺼﻲ إﻧﻮ أزرﻋﻠﮭﻢ ﺟﺬور ﺟﻮا ﺑﺎطﻨﮭﻢ ﻣﺮﺗﺒﻄﺔ ﻟﻲ ﻓﻲ ﻓﻲ ﻓﻠﺴﻄﯿﻦ‬ ‫]…[واﻹرﺗﺒﺎط ﺑﯿﻜﻮن ﻗﻮي ﻟﻤﺎ ﯾﻜﻮن ﻓﻲ ﺟﺬور ‪ ،‬ﺷﺎﯾﻔﺔ ﻋﻠﻲ‪.‬‬

‫‪319‬‬

‫‪Anhang‬‬

‫‪Gespräch mit R. B. (5/4), 2010:‬‬ ‫ﻧﺣن ﻋﺎﺋﻠﺗﻧﺎ أﺻﻠﮭﺎ ﻣن ﻗرﯾﺔ إﺳﻣﮭﺎ ﻗرﯾﺔ " ﻓﺟﺔ " وھﻲ ﻣن اﻟﻘرى اﻟﻣﮭﺟرة ﻣن ﻗﺿﺎء ﯾﺎﻓﺎ ﺣﺎﻟﯾﺎ ً ﻣوﺟود ﻣﺣﻠﮭﺎ ﻣﺳﺗﻌﻣرة ﻗدﯾﻣﺔ اﻟﯾوم أﺻﺑﺣت‬ ‫ﻣدﯾﻧﺔ ﺑﺳﺟن ﻛﺑﯾر إﺳﻣﮭﺎ " ﺑﺗﺎح ﺗﻛﻔﺎ " ]…[ ﺑﺗﺎح ﺗﻛﻔﺎ أﻛﻠت ﻣﻌﮭﺎ ﻓﺟﺔ وﻣﻠﺑس ﺛﻼث أرﺑﻊ ﻗرى ﻓﻲ اﻟﻧﮭﺎﯾﺔ ‪ ،‬أﺛﺎر ﻗدﯾﻣﺔ ﻟم ﺗﺑﻘﻰ ﻣن ﻓﺟﺔ‬ ‫ﻟﻸﺳف ‪ ،‬ﻓﺟﺔ ﺗم ﺗﺷرﯾد أھﻠﮭﺎ ﻓﻲ إذا أﺗذﻛر ﺗﻣﺎﻣﺎ ً ﻓﻲ ﺷﮭر ‪...‬ﻓﻲ ﺷﮭر ﯾوﻧﯾو ‪ 1948‬ﺑﻌد ﻋدة ھﺟﻣﺎت ﻛﺎﻧت أﺻﻼً ﻓﻲ ﺑداﯾﺔ ‪ 1948‬ﺑﻌد‬ ‫اﻟﺗﮭﺟﯾر ‪ ،‬أي ﺑﻌد ﻣﺎ إﺿطروا أھﻠﻲ وأھل اﻟﺑﻠد أھل اﻟﻘرﯾﺔ أن ﯾﮭرﺑوا ‪ ...‬ھرﺑوا اﻟﻰ اﻟﻘرى اﻟﻣﺟﺎورة إﻟﻰ ﻣﻠﺑس وﻣن ﻣﻠﺑس ﺑﻌد ﻣﺎ ﺳﻘطت‬ ‫ﻣﻠﺑس ﺧرﺟوا إﻟﻰ اﻟﻘرﯾﺔ اﻟﻠﻲ ﺑﻌدھﺎ وھﻛذا ﺿﻠﮭم ﯾﻌﻧﻲ ﯾﺷردوا إﻟﻰ أن وﺻﻠوا ﻓﻲ اﻟﻧﮭﺎﯾﺔ إﻟﻰ اﻟﺿﻔﺔ اﻟﻐرﺑﯾﺔ إﻟﻰ ﺟﻧﯾن وﻣن ﺟﻧﯾن ﻓﻲ اﻟﻧﮭﺎﯾﺔ‬ ‫إﻧﺗﮭﻰ ﺑﯾﮭم اﻟﻣطﺎف ﻓﻲ " ﻧﺎﺑﻠس " ﻓﻲ ﻣﺧﯾم ﺑﻼطﺔ واﻟدي وواﻟدﺗﻲ ﻛﺎﻧوا ﻓﻲ ذﻟك اﻟﻌﻣر ﺛﻣﺎﻧﯾﺔ وﻋﺷر ﺳﻧوات وﺗرﺑوا ھﻣﮫ ﺗرﺑوا وﺗرﻋرﻋوا‬ ‫ﻓﻲ ﻣﺧﯾم ﺑﻼطﺔ ﻓﻲ اﻟﻧﮭﺎﯾﺔ ‪ ،‬ھﺎي ﻣوﺟز ﺟذور ﻗﺻﺔ ﺣﯾﺎﺗﻲ ]…[ أﻧﺎ ﻣواﻟﯾد اﻟﺧﺎرج ﻣواﻟﯾد )دﺑﻲ( وﻋﺷت وﺗرﻋرﻋت ﻓﻲ دﺑﻲ ﻛﻧﺎ ﻟﻐﺎﯾﺔ‬ ‫ال‪ 67‬إﻟﻰ ﯾﻌﻧﻲ ﻗﺑل ﺣرب ال‪ 67‬داﺋﻣﺎ ً ﻓﻲ زﯾﺎرات ﻟﻣﺧﯾم ﺑﻼطﺔ ﻷﻧو ﻛﺎﻧت اﻟﺿﻔﺔ اﻟﻐرﺑﯾﺔ ﺗﺎﺑﻌﺔ ﻟﻸردن وﺑﺎﻟﺗﺎﻟﻲ ﻛﺎن ﻣﺳﻣوح ﻣﺎ ﻋدا واﻟدي‬ ‫ﻣﺎﻛﻧش ﯾﻧزل ﻷﻧو ﻛﺎن ﻧﺎﺷط ﺳﯾﺎﺳﻲ وﻛﺎن ﻋﻧدو ﺑﻌض اﻟﻣﺷﺎﻛل ﻣﻊ اﻷردن ‪ ،‬ﺑﻌد ال‪ 67‬طﺑﻌﺎ ً ﺻﺎر ﻓﻲ ﻣﻧﻊ ‪ ...‬ﺑﻌد ال‪ 67‬ﺑﻌد ﺣرب ال‪67‬‬ ‫إﺳﺗوﻟت دوﻟﺔ إﺳراﺋﯾل اﻟﺻﮭﯾوﻧﯾﺔ ﻓﻲ اﻟﻧﮭﺎﯾﺔ ﻋﻠﻰ ﺟﻣﯾﻊ اﻷراﺿﻲ اﻟﻔﻠﺳطﯾﻧﯾﺔ وﺣﺗﻰ ﻋﻠﻰ أراﺿﻲ ﻋرﺑﯾﺔ أﺧرى ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ إﻟﻧﺎ طﺑﻌﺎ ً إﻧﺗﮭﻰ‬ ‫اﻟﻣوﺿوع وﻟم ﻧﻌد ﻧذھب إﻟﻰ ﻓﻠﺳطﯾن وﺿل ھذا ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ اﻟﻠﻲ أﻧﺎ طﺑﻌﺎ ً ھذا اﻟﺣﺎل إﻟﻰ أن اﺧذت اﻟﺟواز اﻟﺳوﯾﺳري ﺑﻌد ﻣﺎ ﺗﺟﻧﺳت ﺳوﯾﺳري‬ ‫إﺳﺗطﻌت أﻧو أﻧزل أﻧﺎ ك طﺑﻌﺎ ً ﺳﺎﺋﺢ ﺳوﯾﺳري ﺑﺎﻟﻧﺳﺑﺔ ﻷھﻠﻲ ﻣن ال‪ 67‬طﺎﻟﻊ ﻣﻧزﻟوش‪ ،‬ﯾﻌﻧﻲ ﻟم ﯾروا ﻓﻠﺳطﯾن ﺑﻌد ذاﻟك ‪،‬ﻓﻲ اﻟﺿﻔﺔ اﻟﻐرﺑﯾﺔ‬ ‫ﯾﻌﻧﻲ ﻓﻲ ﻣﺧﯾم ﺑﻼطﺔ أو ﻓﻲ ﺑﻌض اﻟﻣدن اﻷﺧرى‪.‬‬

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