Schreibende Frauen um 1500: Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen 9783110220896, 9783110220889

The Dominican nuns of St. Katharina’s convent in Saint Gall dedicated themselves especially to their library and the pro

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German Pages 375 [400] Year 2013

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Table of contents :
Vorwort von Nigel F. Palmer
I Einleitung
1 Thema und Fragestellungen
2 Zur Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen
II Schrift- und Buchkultur im Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen
1 Ordensreform und Bibliothekszuwachs in Frauenklöstern des 15. Jahrhunderts
2 Die Entstehung eines Scriptoriums zum Aufbau einer observanten Bibliothek im Katharinen-Kloster
2.1 Die Zunahme der Schreibtätigkeit in Zusammenhang mit den Reformbestrebungen unter dem Priorat der Angela Varnbühler (ab 1476)
2.2 Impulse für den Scriptoriumsbetrieb
3 Die Trägerinnen der intensivierten Schreibtätigkeit: Schreiberinnen des Scriptoriums St. Katharina
3.1 Der Bildungsanspruch von Scriptorium und Bibliothek
3.1.1 Ausbildung im Kloster
3.1.2 Bildungserwerb vor Klostereintritt
3.1.3 Sprachbarriere? Die Latein-Frage
3.2 Die namentlich bekannten Schreiberinnen und ihre Handschriften
3.2.1 Anna Krumm
3.2.2 Verena Gnepser
3.2.3 Angela Varnbühler
3.2.4 Elisabeth Muntprat (von Spiegelberg)
3.2.5 Euphrosina Keller
3.2.6 Regina Sattler
3.2.7 Potentiana Talmann
3.2.8 Sapientia Wirt
3.2.9 Cordula von Schönau
3.2.10 Justina Blarer
3.2.11 Regula Keller
3.2.12 Elisabeth Schaigenwiler
3.2.13 Dorothea von Hertenstein
3.3 Anonyme Schreiberinnen und ihre Handschriften
3.4 Schreiberinnen ohne erhaltene Handschriften
3.4.1 Barbara von Boswil
3.4.2 Juliana Schlaipfer
3.4.3 Elisabeth von Watt
3.4.4 Petronella Mangolt
3.4.5 Barbara Studer
4 Scriptorium des Klosters St. Katharina
4.1 Analyse der Schriften der Katharinen-Schreiberinnen
4.2 >Frauenscriptoriumim Netz
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Schreibende Frauen um 1500: Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen
 9783110220896, 9783110220889

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Simone Mengis Schreibende Frauen um 1500

Scrinium Friburgense Veröffentlichungen des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz

Herausgegeben von Michele Bacci · Hugo Oscar Bizzarri · Elisabeth Dutton Christoph Flüeler · Eckart Conrad Lutz · Hans-Joachim Schmidt Jean-Michel Spieser · Tiziana Suarez-Nani

Band 28

De Gruyter

Simone Mengis

Schreibende Frauen um 1500 Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen

De Gruyter

Veröffentlicht mit Unterstützung des Dissertationenfonds der Universität Basel und des Fonds zur Förderung der Geisteswissenschaften der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, Basel

ISBN 978–3–11–022088–9

e-ISBN 978–3–11–022089–6 ISSN 1422–4445

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: swissedit, Zürich Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH und Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Dank Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2006 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel als Dissertation angenommen. Dem Institutsrat des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg, Schweiz, sei an dieser Stelle für die Aufnahme des vorliegenden Buchs in die Reihe Scrinium Friburgense gedankt. Der Druck wurde finanziert mit Zuschüssen aus dem Dissertationenfonds der Universität Basel und dem Fonds zur Förderung der Geisteswissenschaften der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, Basel. Mein Dank gilt allen, die mich im Forschungsprozess der vorliegenden Studie unterstützt haben, und denen, die mir in der durch eine Erkrankung erschwerten Endphase der Drucklegungsvorbereitung geholfen haben, allen voran den Herausgebern und meinen Eltern. Basel, im Dezember 2010

Simone Mengis

Inhalt Vorwort von Nigel F. Palmer . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

Thema und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . .

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2

Zur Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II Schrift- und Buchkultur im Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 2 2.1

2.2 3 3.1

3.2

Ordensreform und Bibliothekszuwachs in Frauenklöstern des 15. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entstehung eines Scriptoriums zum Aufbau einer observanten Bibliothek im Katharinen-Kloster . . . . . Die Zunahme der Schreibtätigkeit in Zusammenhang mit den Reformbestrebungen unter dem Priorat der Angela Varnbühler (ab 1476) . . . . . . . . . . . . . . . . Impulse für den Scriptoriumsbetrieb . . . . . . . . . Die Trägerinnen der intensivierten Schreibtätigkeit: Schreiberinnen des Scriptoriums St. Katharina . . . . . Der Bildungsanspruch von Scriptorium und Bibliothek . 3.1.1 Ausbildung im Kloster . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Bildungserwerb vor Klostereintritt . . . . . . . 3.1.3 Sprachbarriere? Die Latein-Frage . . . . . . . . Die namentlich bekannten Schreiberinnen und ihre Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Anna Krumm . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Verena Gnepser . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Angela Varnbühler . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Elisabeth Muntprat (von Spiegelberg) . . . . . . 3.2.5 Euphrosina Keller . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Regina Sattler . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Potentiana Talmann . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.3 3.4

4 4.1 4.2 4.3

3.2.8 Sapientia Wirt . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9 Cordula von Schönau . . . . . . . . . . . 3.2.10 Justina Blarer . . . . . . . . . . . . . . 3.2.11 Regula Keller . . . . . . . . . . . . . . 3.2.12 Elisabeth Schaigenwiler . . . . . . . . . . 3.2.13 Dorothea von Hertenstein . . . . . . . . . Anonyme Schreiberinnen und ihre Handschriften . Schreiberinnen ohne erhaltene Handschriften . . . 3.4.1 Barbara von Boswil . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Juliana Schlaipfer . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Elisabeth von Watt . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Petronella Mangolt . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Barbara Studer . . . . . . . . . . . . . . Scriptorium des Klosters St. Katharina . . . . . . Analyse der Schriften der Katharinen-Schreiberinnen ›Frauenscriptorium‹ . . . . . . . . . . . . . . Handschriftenherstellung im Katharinen-Scriptorium

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters . . . . . . . . . . 1 Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse (1484 und 1507) und der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bibliotheksbestand: Provenienz der Bücher . . . . . . 2.1 Produktion im Scriptorium . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ankäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Profil der Bibliothek: Inhalte und Verwendung . . . . 3.1 Die Predigthandschriften . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Werke der Mystiker und von der Reform nahestehenden Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Organisation der Bibliothek . . . . . . . . . . . . . 4.1 Ein Archivsystem? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Buchmeisterin . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Nutzung der Bibliothek . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Bücher für die Tischlesung . . . . . . . . . . . . . 5.2 Bücher für die private Andacht . . . . . . . . . . . 5.2.1 Die Stellung des Ordens zu privater Lektüre und privatem Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Bücher in Privatgebrauch der Schwestern . . . . .

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89 91 96 99 102 105 107 109 109 111 112 113 114 115 115 118 120

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. 192 . 196

9

Inhalt

IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹: Schriftlicher Austausch mit anderen Frauenkonventen der Ordensprovinz Teutonia . 1 Dominikanerinnenkloster St. Katharina Nürnberg . . . 2 Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen . . . . . . . . . 3 Dominikanerinnenkloster St. Agnes und St. Margaretha, Strassburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Klarissenkloster Villingen . . . . . . . . . . . . . .

. 204 . 205 . 218 . 231 . 234

V Bücher und Ausbreitung der Observanz: Die Reform des Klosters Zoffingen in Konstanz durch Schwestern des St. Galler Katharinen-Klosters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1 Der Reformauftrag an die St. Galler Schwestern . . . . . 237 2 Die Zoffinger Handschriften . . . . . . . . . . . . . 241 VI Zusammenfassung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Bibliographie . . . . . . . . 1 Abkürzungsverzeichnis 2 Ungedruckte Quellen 3 Gedruckte Quellen . 4 Literaturverzeichnis .

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Katalog der Handschriften: Handschriften aus dem Scriptorium des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen . . . . . . 273 1 Klosterarchiv St. Katharina Wil (Nr. 1–31) . . . . . . . 274 2 Stiftsbibliothek St. Gallen (Nr. 32–58) . . . . . . . . . 313 Abbildungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Vorwort von Nigel F. Palmer In des hailgen herren sant Gallen statt / Da lit ain frowen kloster wol gemacht / o Zu sant Kathrinen ist es genampt: / Da sind der rainen kinden vil / Von den ich iecz nun singen wil. e

Sy hand bekant der welt vnstatikait / Daz kurczes lieb bringt langes laid / e Des sind sy kumen uber ain: / Sy weltind sich lasen beschliesen / Des hat enkaini kain verdriessen. (Str. 1–2)

Mit diesen Versen hebt der dominikanische Lesemeister Johannes Scherl aus Nürnberg sein aus 37 unregelmäßig gereimten Fünfzeilerstrophen bestehendes Lied über die ›Beschließung‹ des Katharinenklosters in St. Gallen im Jahre 1482 an: ein Ereignis, das für die Schwestern des Konvents eine der wichtigsten Etappen in ihrer Geschichte markierte.1 Text und Melodie wurden von der St. Galler Schwester Elisabeth Muntprat (*1459 – † 1531) aufgezeichnet, die aus einer der reichsten Konstanzer Handelsfamilien stammte. Aus den Untersuchungen von Simone Mengis geht hervor, dass Elisabeth Muntprat allein oder zusammen mit anderen Nonnen des Katharinenklosters an der Erstellung von elf heute identifizierten deutschsprachigen Handschriften beteiligt war, die entweder für die Bibliothek des eigenen Dominikanerinnenkonvents oder als Geschenke an auswärtige Klöster gedacht waren. Zwei Handschriften gingen an das Augustine1 Anton Hauber, Johannes Scherl, ein deutscher Tondichter des 15. Jahrhunderts, in: Archiv für Musikwissenschaft 1 (1919), S. 346–353, hier S. 348 [Zitat], Abbildung der Handschrift Tübingen, Universitätsbibliothek, Md 456, f. 245v a. a. O., S. 347; Sr. Maria Thoma Vogler, St. Katharina (1938), S. 40–46. Vgl. dazu die Aufnahme durch die Sängerinnen des Vokalensembles Sequentia unter Leitung von Benjamin Bagby, Krone und Schleier. Musik aus mittelalterlichen Frauenklöstern, Essen 2005 (CD ).

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Vorwort

rinnenkloster Inzigkofen bei Sigmaringen, wo ihre ältere Schwester Veronika seit 1469 Chorfrau war, eine andere an das Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg, mit dem die St. Galler Schwestern auf mehreren Ebenen einen Briefwechsel führten und auch sonst in der Zeit der Reform in enger Verbindung standen. Scherl wurde im Jahre 1477 aus Eichstätt, wo er 1471 als Prior des observanten Dominikanerklosters bezeugt ist, nach St. Gallen berufen und wirkte dort bis 1496 als Beichtvater der Nonnen und Lesemeister. Er gilt als Verfasser (oder Schreiber?) eines im Jahre 1464 abgeschlossenen und in einer Eichstätter Handschrift erhaltenen lateinischen Sentenzenkommentars, von zwei in schriftlicher Form aufgezeichneten deutschen Predigten aus seiner St. Galler Zeit (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII , 13), der Übersetzung eines Abschnitts aus den ›Offenbarungen Birgittas‹ und eines (von ihm nur abgeschriebenen?) ›Abc der goe tlichen liebi‹, die in einer von ihm an das St. Galler Katharinenkloster geschenkten, aber heute verlorenen Handschrift enthalten waren, und nach Auskunft der Klosterchronik (f. 80r) möglicherweise als Verfasser einer deutschen Übersetzung des pseudo-albertinischen ›Paradisus animae‹.2 Ein Jahr vor der Berufung Johannes Scherls war die St. Galler Bürgerstochter Schwester Angela Varnbühler (*1441 – † 1509), die 1454 mit 13 Jahren ins Kloster eingetreten war, als Nachfolgerin von Anna Krumm (Amtszeit 1459 – † 1476) zur Priorin gewählt worden. Angela war die jüngere Schwester von Ulrich Varnbühler, der 1476 als Anführer der St. Galler Truppen an den Schlachten von Grandson und Murten beteiligt war, im Jahre 1480 Bürgermeister von St. Gallen wurde und 1489 im St. Galler Krieg gegen die von den Habsburgern unterstützten Verbündeten der Benediktinerabtei St. Gallen scheitern sollte.3 Schwester Angela war seit 1459 2 Peter Ochsenbein, Johannes Scherl OP , in: VL 2, Bd. 8, 1992, Sp. 644 ff.; MBK III /2, S. 196 (qui cum Lipsiae theologicis disciplinis excoleretur, anno 1464, ipsissimo [. . .] pestilentiae tempore, Petri Lombardi libros sententiarum descripsit); Friedrich Stegmüller, Repertorium commentariorum in Sententias Petri Lombardi, Würzburg 1947, Nr. 494 (Eichstätt, Universitätsbibliothek, cod. st 728) = Nr. 663 (Pseudo-Petrus Aureoli). Eine bisher unbekannte Handschrift des Sentenzenkommentars (nordfranzösisch, Paris? um 1460–1470) wurde vor kurzem bei der Buchhandlung Les Enluminures, Ltd, Chicago und Paris angeboten, vergleiche http:www.textmanuscripts.com. Die Zuschreibung der nicht erhaltenen Texte an Scherl ist sehr unsicher. Siehe auch Theodor Neuhofer, Aus der Geschichte des Eichstätter Dominikanerklosters, Eichstätt 1958, S. 17, mit Anm. 113. 3 Zum historischen Hintergrund siehe zuletzt: Ernst Ehrenzeller, Ulrich Rösch

Vorwort

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Mitglied einer Gruppe von reformwilligen Nonnen des Katharinenklosters, zu der auch die Priorin Anna Krumm, die Subpriorin Ursula Eberli und die Schwestern Elisabeth Blarer, Elisabeth Rainsberg, Agnes Burgauer, Ursula Vogelwaider, Ursula Wertin, Barbara Kuchimaister und Barbara Gaißberger gehörten. Diese hatten eine ›Gemeinde‹ gebildet, die von einigen reformfeindlichen Mitschwestern energisch abgelehnt wurde: Item in dem 59 jar fiengend wir ain gemaind an, daz war gar mit grossen liden und sorgen ze wegen bracht, daz man vil davon ze schribin hett. Also satzend e e sich etlich schwostren dar wider, daz ain mulichi schwoster unser suppriorin wundet uff den tod, doch gab gott genad, daz sy noch 22 iar lebt. (KlA Wil, Chronik, f. 5v)4

Die Reformschwestern bildeten offensichtlich die große Mehrheit in dem damals noch kleinen Kloster von nur ca. 14 Nonnen. Unter der gemaind hat man sich, wie der Vergleich mit anderen Klöstern nahelegt, eine in diesem Fall von den Schwestern selbst regulierte und für den St. Galler Konvent neuartige Form der vita communis vorzustellen, die auf dem Verzicht auf jeglichen Eigenbesitz gegründet war.5 Ob damit auch Buchbesitz betroffen war, wird man vielleicht bezweifeln, denn wir wissen, »dass die Buchmeisterin des observanten Nürnberger Katharinenklosters in den Jahren 1451– 1457 die Bücher, die sich im Privatbesitz der Schwestern befanden, in einem eigenen Verzeichnis erfasste – und demnach auch gebilligt haben muss«.6 Der entscheidende Schritt zur Klosterreform kam erst im Jahre 1482 mit der Einführung der strengen Klausur, als – so die Angaben des Liedes – der inzwischen auf die Zahl 40 gestiegene Nonnenkonvent den Entschluss zur endgültigen Klausurierung fasste. Die Priorin Angela Varnbühler und die Schaffnerin Afra Rugg wurden zusammen mit der einflussreichen Konstanzer Patrizierin Anna Muntprat, die eine leibliche Schwester der Nonne Elisabeth Muntprat war und zu den bedeutendsten Stifterinnen des Katharinenklosters zählte, mit diesem Anliegen zum Konstanzer Bischofshof und die Stadt St. Gallen, in: Ulrich Rösch St. Galler Fürstabt und Landesherr. Beiträge zu seinem Wirken und zu seiner Zeit, hg. v. Werner Vogler, St. Gallen 1987, S. 189–201, vor allem S. 195–199. 4 Vogler, St. Katharina (1938), S. 27 (mit Worterklärung mulichi = laut schreiend). 5 Zu einer Vorstellung davon, was die Einführung der Observanz in der Praxis bedeutete, siehe die für die Reformierung des Nürnberger Katharinenklosters im Jahre 1429 einschlägigen Quellen, die bei von Kern, Reformation Nürnberg (1863), S. 7–12 (Wie die obseruantz angefangen ist worden), S. 16–20 (Ordinatio des Ordensmeisters Bartholomaeus Texery) abgedruckt sind. 6 Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 71.

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Vorwort

gesandt. Der Antrag war erfolgreich. Anschließend wandten sie sich an den Stadtrat von St. Gallen, die zweite Instanz, von deren Bewilligung ihres Vorhabens die Nonnen abhängig waren: Do es ward an sant Jacobs tag, Sy habend sich selber uff die fort, Die priorin und och die schaffnerin Und die jungfro Endlin Muntpratin Sy zugend all gen Costenz in. Alsbald am driten tag darnach, Sy zugend uff des bischofs hof, Do mag man wol geloben, e Daz es waz gar ain schoner zug, Von heren und von frowen. e

Sy komend fur den bischoff gegangen, Von im so wurdend sy schon empfangen, o Sy fiengend in an zu bitend, o o Daz er sin gnad dar zu welt tun, Zum schloß weltend sy sich schicken. Do der bischof daz erhort, Er ward von ganzen herzen fro Es waz im ain groß gevallen e Daz erzogt er mit schonen worten fil, For den heren und frowen allen. Sy batend och ze sant Gallen den rat, o Daz er sinen willen dar zu gab, Daz sy ir kloster beschlussind Und sy och nem in sinen schirm o Und dar zu werind behulfen. Es was in allen ain groß gevallen, o Den wisen heren zu sant Gallen, o Sy warend all darzu berait, Daz sy in weltind hilfrich sin, e Und furdren zu der gaistlichait. (Str. 13–18)

Einer anderen Überlieferung zufolge bestand die Gesandtschaft an den Konstanzer Bischof, Otto von Sonnenberg (1479–1481; 1491), aus der Priorin, der Schaffnerin und dem Lesemeister Johannes Scherl: Item in dem jar do man zalt von geburt Jesu Christi MCCCCLXXXII jar an e dem herbst, da batend wir mit großem ernst und fliß unsern gnadigen herren e e Graf Otto von Sunnenberg, das er uns bestati und vergunsti mit siner hilf

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Vorwort o

und gnad, das wir das closter beschlussind, wen unser wirdigi muter priorin und o u e ganzer convent hat darzu ain ganzi begierd, und darum mit rat so fur die selb o o wirdig muter priorin und mit ir die muter schaffnerin und unser wirdiger vatter e lesmaister mit namen Johannes Scherl von Nurenberg und uß dem convent der observanz des klosters zu Aistetten, der unser bichtiger was und och fast o begierig zu dem schloß und aller gaistlichait, und gingend selb zu Constancz uf die pfalancz.7

Das Lied berichtet weiterhin darüber, wie die Gesandtschaft, nachdem sie die Zustimmung von Bischof und Stadtrat erhalten hat, nach Hause kommt und die Schwestern sich das Weinen und Klagen ihrer Angehörigen anhören müssen, die auf die Kontakte mit ihren Töchtern nicht verzichten wollen. Die Nonnen begehen eine letzte Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau nach Einsiedeln und danach zum Gnadenbild in der St. Galler Stiftskirche, bevor an St. Michael (16. Oktober 1482) die endgültige Beschließung des Klosters unter allgemeinen Tränen in einer rührenden Szene durch den Lesemeister Johannes Scherl verkündet und in der Kirche zelebriert wird: Und do es ward sant Michelstag, Ir lesmaister in dem sessel saß, e Er begond den bann verkunden, Vil andachtes man da sach, e Meng trachen ward gereret haiß. Sy fielend nider allgemain, e Und ruftend den hailgen gaist an, Die sengerin solt es fachen an, e Kain rechti stim man horen kund, e o Daz schuff der andacht der sy bestund. (Str. 33–34)

Das Besondere an dieser Reform, wie Mengis zu Recht betont, liegt darin, dass das Katharinenkloster sich zwar vor längerer Zeit »auf Regel, Konstitutionen und Satzungen des Dominikanerordens« verpflichtet hatte, aber trotz mehrerer Versuche nie offiziell in den Predigerorden inkorporiert wurde.8 Das hatte zur Folge, dass die nach der Darstellung des Liedes in 7 Hauber, Johannes Scherl (wie Anm. 1), S. 351. Das Zitat ist einem »dem Kloster St. Katharina, Wil, zugehörenden Fragment, einer Papierhandschrift des 15. Jahrhunderts« entnommen, deren Aufbewahrungsort und Signatur ich nicht ermitteln konnte. 8 Zur wichtigen Unterscheidung zwischen Dominikanerinnen, die sub cura ordinis standen, durch commissio (»kommittiert«) an den Orden angeschlossen oder durch incorporatio (»inkorporiert«) in den Orden voll aufgenommen wurden, vgl. Simon Tugwell, Were the Magdalen nuns really turned into Dominicans in 1287?, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 76 (2006), S. 39–77, besonders S. 44–48.

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Vorwort

einem rituellen Handlungsprozess eingeführte Klausurierung der Nonnen nicht im unmittelbaren Anschluss an die dominikanische Observanzbewegung, sondern »aus eigener Initiative« stattfinden musste. So wird sie auf jeden Fall in den Quellen geschildert, wobei es auffällt, dass der Status von St. Katharina St. Gallen als Domikanerinnenkloster im Lied mit keinem Wort erwähnt wird, während das nach Einführung der Observanz von Elisabeth Muntprat und Angela Varnbühler in gemeinsamer Schreibarbeit angelegte ›Schwesternbuch‹ gerade das observante Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg zum Vorbild für den eigenen Konvent macht. Die Reformbewegung unter den süddeutschen Dominikanerinnenklöstern ging von dem schon bei der Neugründung im Jahre 1397 der Observanz verpflichteten Kloster Schönensteinbach (Oberelsass) aus, das auf Initiative des ersten Vikars der Teutonia, Konrad von Preußen, durch Herzog Leopold IV . von Habsburg und seine Gattin gestiftet wurde. Von Schönensteinbach aus wurde 1419 das Dominikanerinnenkloster Unterlinden in Colmar reformiert, das seinerseits 1423 Reformschwestern an das Steinenkloster in Basel sandte. 1428 wurde das Katharinenkloster in Nürnberg, das zu einem Zentrum der dominikanischen Reform werden sollte, durch Schwestern aus Schönensteinbach reformiert und der strengen Observanz zugeführt. St. Nikolaus in undis in Straßburg wurde 1431 mit Hilfe von Schwestern aus Colmar und Basel reformiert. Vom Steinenkloster wurde 1439 das Kloster St. Michael auf der Insel in Bern reformiert. 1466 wurde das heruntergekommene Kloster Engelporten in Gebweiler auf Initiative von Johannes Kreutzer durch Schwestern der Observanz neu besiedelt. Die tabellarische Übersicht über die Dominikaner- und Dominikanerinnenkonvente in den Nationen Alsatia und Suevia der Provinz Teutonia, die Petra Zimmer in der Helvetia Sacra zusammenstellt, verzeichnet bis Mitte der 1460er Jahre, als St. Agnes in Straßburg und die Freiburger Dominikanerinnenklöster Adelhausen, St. Agnes und St. Maria Magdalena durch Johannes Meyer reformiert wurden, insgesamt 15 observante Konvente in diesem Raum.9

9 HS IV /5,1 (1999), S. 81–89. Zu den Dominikanerinnenklöstern in der Schweiz siehe die Einzelmonographien in: Helvetia Sacra, IV /5,2 (2. Teil). Zu den Klöstern im Elsass vgl. Me´dard Barth, Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter, Strasbourg 1960–1963 (E´tudes ge´ne´rales [Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsass], n. s. tome IV ). Siehe insbesondere Barthelme´, La re´forme dominicaine au XV e en Alsace (1931); Hillenbrand, Obervantenbewegung (1989).

Vorwort

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Während die zeitgenössische Klostergeschichtsschreibung fast ausschließlich aus der Sicht der Observanz geschrieben wurde, fehlte es in der Praxis nicht an Gegenstimmen. Bedeutende Dominikanerinnenklöster wie Töss bei Winterthur und Oetenbach in Zürich blieben der Reform fern. Es ist vielleicht besonders bemerkenswert, dass gerade in der Zeit, als im St. Galler Dominikanerinnenkloster die strenge Klausur eingeführt wurde, im Kleinbasler Kloster Klingental ein bitterer Streit über die Einführung der Observanz wieder ausgebrochen war, an dem Papst, Ordensprovinzial, Predigerkloster, Stadtrat, der Bischof von Konstanz, verschiedene geistliche Würdenträger und Adelsfamilien der Region, die Städte der Eidgenossenschaft und schließlich auch Erzherzog Sigmund von Österreich alle beteiligt waren.10 Die Klingentaler Frauen waren schon vor ihrer Umsiedlung nach Kleinbasel 1274 als kommittierte Dominikanerinnen dem Orden unterstellt worden. Als das Basler Predigerkloster 1429 reformiert wurde, sahen die Nonnen sich bedroht und wechselten zu den Augustinern, die der Observanz fernstanden. Seit der Jahrhundertmitte wurde immer wieder von päpstlicher oder bischöflicher Seite oder auch sonst durch von der Reformpartei beeinflusste Personen oder Institutionen versucht, die dominikanische Reform in Klingental einzuführen. 1477 wurden die Aufsichtsrechte der Augustinereremiten durch Papst Sixtus IV . aufgehoben, und die Klingentaler waren bis 1483 wieder Dominikanerinnen. Es gelang ihnen jedoch trotz Interdikt und heftigster interner Streitereien, bei denen die reformfeindlichen Schwestern vom Basler Stadtrat und der städtischen Oberschicht unterstützt wurden, die Reform abzuwehren. Die im Jahr 1483 gefundene Lösung hatte zur Folge, dass die Nonnen fortan dem Orden der Augustiner-Chorherren angehören sollten. Im Vergleich mit den Basler Geschehnissen scheint die Annahme der Reform in St. Gallen sehr friedlich stattgefunden zu haben. Interessanterweise sind die erhaltenen Angaben über Buchbesitz und Handschriftenherstellung im reformfeindlichen Klingental sehr viel bescheidener als für das St. Galler Katharinenkloster, denn sie beschränken sich auf eine kurze Liste mit 28 Titeln, die nach Bruckner »frühestens in die 1460er Jahre« zu datieren ist, und Angaben zum persönlichen Besitz einzelner Nonnen.11 Das Basler Gegenbeispiel lässt erkennen, dass Reformeifer und Handschriftenbesitz oder -produktion durchaus zusammenhängen 10 HS IV /5,2, S. 552–558 (Dorothea A. Christ). 11 Albert Bruckner, Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 10, Genf 1964, S. 104 ff.; HS IV /5,2, S. 570 ff.

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Vorwort

können – was allerdings nur einen Aspekt von mehreren darstellt. Die von Mengis untersuchten Beziehungen des Katharinenkonvents zur Stadt respektive zu den Familien der Schwestern und der Austausch mit anderen Konventen, die nicht alle reformierte Dominikerinnenklöster waren, zeigen modellhaft, wie die Schrift- und Buchkultur eines observanten Klosters in einem Geflecht von Beziehungen und Einflüssen verwickelt sein können, das sich nicht auf die einfache Formel ›Folge der Klosterreform‹ reduzieren läßt.12 Die Reform der Katharinenschwestern im Jahre 1482 war ein Sonderfall, ebenso wie die gleichzeitigen Ereignisse in Klingental, aber mit einem ganz anderen, in diesem Fall für die Reformpartei sehr günstigen Ergebnis. Sie geschah in einer Zeit, als sehr viele Dominikanerinnenklöster schon seit Jahrzehnten reformiert waren. Diesen Sonderstatus gilt es auch bei der Beurteilung des Skriptoriums und der Etablierung einer besonders umfangreichen Bibliothek im Katharinenkloster zu beachten. Die anderen spätmittelalterlichen Nonnenbibliotheken, die man zum Vergleich heranziehen kann, sind fast alle etwas früher zustandegekommen und ihre Handschriftenbestände stehen deswegen nicht, wie es bei der Bibliothek im St. Galler Katharinenkloster der Fall war, in Konkurrenz zum Buchdruck.13 Vielfach wird bei der Beurteilung der Bibliotheken der Frauenklöster mit den Beispielen argumentiert, die Ladislaus Buza´s in seiner 1975 erschienenen ›Deutschen Bibliotheksgeschichte des Mittelalters‹ zitiert: das Katharinenkloster in Nürnberg mit 600 Bänden am Ende des Mittelalters, Kirchheim OCist im Ries mit 50 Bänden in der Zeit um 1436, Günterstal OCist bei Freiburg im Breisgau mit 200 Bänden im Jahr 1457, Wonnenstein OFM mit 100 ausschließlich deutschen Büchern im Jahr 1524.14 35 Jahre später 12 Siehe dazu die Kontroverse zwischen Werner Williams-Krapp und Klaus Graf: Williams-Krapp, Frauenmystik und Ordensreform (1993); Klaus Graf, Ordensreform und Literatur in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. v. Johannes Janota/Werner Williams-Krapp, Tübingen 1995 (Studia Augustana 7), S. 100–159; Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995); ders., Ordensreform (1986). Siehe auch Antje Willing, Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. Deutsche Abendmahlsschriften im Nürnberger Katharinenkloster, Münster in Westfalen 2004 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 4), S. 1–3. 13 Zur allgemeinen Entwicklung der Bibliotheken in Dominikanerinnenkonventen siehe Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 277–286. 14 Ladislaus Buza´s, Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, Wiesbaden 1975 (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 1), S. 91.

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verfügen wir über eine Vielzahl von neueren Untersuchungen und Monographien, aus denen sich ein differenzierteres Bild des Bibliothekswesens in den Frauenklöstern ergibt. Zu den Klöstern, die von der Forschung bearbeitet wurden, zählen die Dominikanerinnenklöster St. Katharina in Nürnberg,15 St. Nikolaus in undis in Straßburg,16 Unterlinden in Colmar,17 Oetenbach in Zürich,18 Engelthal östlich von Nürnberg,19 St. Johannes Baptista in Kirchheim unter Teck20 und Paradies bei Soest,21 die Zisterzienserinnenklöster Kirchheim22 und Lichtental bei Baden-Baden23 und das Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen bei Sigmaringen.24 Es ist vor allem 15 Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983); Willing, Literatur und Ordensreform (wie Anm. 12). 16 Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992); Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde. Religiöses Ausdrucksverhalten in Gebetbüchern aus dem Dominikanerinnen-Kloster St. Nikolaus in undis zu Straßburg (1350–1550), Diss., Westfälische Wilhelms-Universität, Münster i. W. 1996. 17 Madeleine Blondel u. a., Les Dominicaines d’Unterlinden, 2 Bde., Colmar 2000–2001. 18 Wolfram Schneider-Lastin, Zürich, Oetenbach. Literaturproduktion und Bibliothek, in: HS IV /5,2 (1999), S. 1029–1035. 19 Johanna Thali, Beten – Schreiben – Lesen. Literarisches Leben und Marienspiritualität im Kloster Engelthal, Tübingen 2003 (Bibliotheca Germanica 42). 20 Jeffrey F. Hamburger, Magdalena Kremer, scribe and painter of the Dominican convent of St. Johannes-Baptista in Kirchheim unter Teck, in: The Medieval Book: Glosses from Friends and Colleagues of Christopher de Hamel, hg. v. James Marrow u. a., London 2010, S. 158–183. 21 Leaves from Paradise: The Cult of John the Evangelist at the Dominican Convent of Paradies bei Soest, hg. v. Jeffrey F. Hamburger, Cambridge, Mass. 2008. 22 Arnold Schromm, Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries. Buchpflege und geistiges Leben in einem schwäbischen Frauenstift, Tübingen 1998 (Studia Augustana. Augsburger Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte 9). 23 Felix Heinzer/Gerhard Stamm, Die Handschriften von Lichtenthal. Mit einem Anhang: Die heute noch im Kloster Lichtenthal befindlichen Handschriften des 12. bis 16. Jahrhunderts, Wiesbaden 1987 (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, Bd. 11); Felix Heinzer, Lichtenthaler Bibliotheksgeschichte als Spiegel der Klostergeschichte, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 136 (1988), S. 35–62; 750 Jahre ZisterzienserinnenAbtei Lichtenthal: Faszination eines Klosters, hg. v. Harald Siebenmorgen, Ausstellungskatalog des Badischen Landesmuseums, Sigmaringen 1995. 24 Werner Fechter, Deutsche Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts aus der Bibliothek des ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen, Sigmaringen 1997 (Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns 15).

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hervorzuheben, wie unterschiedlich die Quellenlage bei den verschiedenen Klöstern ist und wie sehr das Gesamtbild davon abhängig ist, ob man es bei der Beurteilung der Bibliotheksgeschichte mit den erhaltenen Handschriften oder mit Bücherverzeichnissen zu tun hat; ob neben deutschen auch lateinische Handschriften erhalten sind; ob Informationen über Liturgica für den Gebrauch im Chor und die Privatandacht erhalten sind, oder ob nur Handschriften oder auch Inkunabeln und Frühdrucke aus dem Buchbestand des Klosters identifiziert werden können. Ebenso unterschiedlich wie die Quellenlage ist aber auch das Spektrum der Forschungsansätze, das sich in den neuesten Publikationen bemerkbar macht. In dieser Hinsicht wird auch die hier vorgelegte Arbeit über das Katharinenkloster in St. Gallen Neuland betreten, indem sie den Schwerpunkt nicht auf die Inhalte der Handschriften, auf ihre Bildausstattung oder auf die Geschichte der Institution, sondern auf den kodikologischen Aspekt setzt. Für die Katharinenschwestern bezieht sich Buza´s in seiner ›Bibliotheksgeschichte‹ auf Paul Lehmanns Angaben über das Bücherverzeichnis von 1484, das f. 34r–35r der Klosterchronik überliefert ist, aber in den ›Mittelalterlichen Bibliothekskatalogen Deutschlands und der Schweiz‹ nur auf Grund von Auszügen des 18. Jahrhunderts (»aus dem nunmehr verschollenen Hausbuch der Angela Varnbüler«) bekannt gemacht werden konnte. Die Anzahl der in diesem Verzeichnis angeführten Bücher wird als »185 lateinische und 70 deutsche« zusammengefasst.25 Als das Bücherverzeichnis 1992 von Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer abgedruckt wurde,26 wurden genauere Angaben über die Größe der Büchersammlung gemacht: 187 lateinische Codices – es sind fast ausschließlich Liturgica, 43 deutschsprachige Handschriften, 28 lateinische und 38 deutsche Gebetbücher sowie 92 »lose Faszikeln mit Gebeten, Sprüchen und Lehren«. Die Zahlen beruhen auf den Textstellen im Bücherverzeichnis, an denen zusammenfassende »Summen« angegeben werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Teilsummen sich überschneiden dürften und daß es bei der großen Zahl von gross vnd klain sextern und Kopertbänden (jngebunden in Compert), die von den in Holzdeckeln gebundenen Büchern (buecher in britter gebunden, in britli bunden) unterschieden werden, schwierig ist, eine genaue Zahl anzugeben, die für Vergleichszwecke verwendet werden kann. Mengis fasst die Zahlen so zusammen, dass »am Beginn der Reform (ca.) 233 Bände« vorhanden waren. Ein späteres Bücherverzeichnis, das Mengis 25 MBK I , S. 147 ff.; Buza´s (wie Anm. 14), S. 93 ff. 26 Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 185 ff.

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in Kapitel III .1 ihrer Arbeit behandelt, lässt erkennen, dass der Bestand an Handschriften und gedruckten Büchern bis 1507 auf über 300 Bände gewachsen war. Die Zahlen, die aus den beiden Inventaren mit Vorsicht herausgefiltert werden können, sind auf die viel kleinere Anzahl von Handschriften aus St. Katharina zu beziehen, die heute in der Stiftsbibliothek St. Gallen und im Klosterarchiv Wil aufbewahrt werden und von denen die 58 Codices, die mit einiger Sicherheit im Katharinen-Skriptorium hergestellt wurden, im Mittelpunkt der hier vorgelegten Untersuchungen stehen. Bei den 27 Handschriften der Stiftsbibliothek, die im ›Katalog der Handschriften‹ aufgeführt werden (Nr. 32–58), ist anzunehmen, daß sie mehrheitlich, aber nicht ausschließlich von den Katharinenschwestern geschrieben wurden. Von 43 Handschriften aus dem Besitz des Katharinenklosters, die heute im Klosterarchiv aufbewahrt werden, wurden nur die 31, die im ›Katalog der Handschriften‹ erfasst sind (Nr. 1–31), mit Sicherheit von den Schwestern hergestellt. Gibt es weitere Frauenklöster, deren Handschriftenproduktion in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts ein ähnliches Profil wie St. Katharina St. Gallen aufweist? Man wird vielleicht an das Reuerinnenkloster St. Maria Magdalena in Straßburg zu denken haben, dessen erhaltener Handschriftenbestand mit 19 Codices sehr viel bescheidener als die erschließbare Bibliothek und Handschriftenproduktion in St. Gallen ist, aber in den gleichen Jahren entstand. Das Magdalenenkloster wurde nie reformiert, aber es genoss am Ende des Mittelalters zu der Zeit, als Geiler von Kaysersberg Predigten im Kloster hielt, den Ruf eines reformierten Klosters. Aus der Zeit v o r 1450 ist eine einzige (deutschsprachige) Handschrift erhalten. Die sonstigen uns heute bekannten Handschriften – die meisten von ihnen sind entweder datiert oder durch identifizierbare Schreiberhände einigermaßen gut datierbar – wurden ungefähr gleichzeitig mit den Handschriften des Katharinenklosters angefertigt: ab 1472 Liturgica, im Zeitraum 1477 bis 1506 deutschsprachige Handschriften mit Texten für Privatlektüre und Tischlesung.27 Ein Kontrastbild bietet der erhaltene Handschriftenbestand aus dem Dominikanerinnenkloster St. Johannes Baptista in Kirchheim unter Teck, Württemberg, das nur kurze Zeit vor St. Katharina 27 Diese Angaben nach: Nigel F. Palmer, Die Münchner Perikopenhandschrift Cgm 157 und die Handschriftenproduktion des Straßburger Reuerinnenklosters im späten 15. Jahrhundert, in: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späten Mittelalter. Studien und Texte, hg. v. Barbara Fleith u. Rene´ Wetzel (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), Berlin/New York 2009, S. 273–278.

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St. Gallen im Jahre 1478 mit Schwestern aus Kloster Silo in Schlettstadt reformiert wurde. Zwei aufwendig illuminierte liturgische Handschriften aus Kirchheim zusammen mit den erst neulich identifierten Fragmenten in München und Princeton, die in den Jahren der Reform angefertigt worden sein dürften, geben einen Einblick in die Bedeutung, die von den Reformschwestern der Buchausstattung des Klosters beigemessen wurde.28 Eine in zwei Handschriften erhaltene ausführliche Chronik der Reform, die durch die aus dem Schlettstadter Konvent stammende und spätere Kirchheimer Priorin Magdalena Kremer verfasst wurde, enthält einige Angaben, die auf die besondere Wertschätzung kalligraphischer Fähigkeiten schließen lassen.29 Tilo Brandis konnte in einer bedeutenden Studie herausarbeiten, dass der auch von anderen Forschern für die Zeit um 1480 vermutete Umbruch in der Herstellung von Handschriften durch die statistische Auswertung der Daten der elektronisch verfügbaren Handschriftenkataloge bestätigt werden kann.30 Die Produktion von Bibelhandschriften und von Handschriften mit den grundlegenden Textkorpora der Theologie und sonstiger Wissensbereiche wurde seit 1480 fast gänzlich eingestellt, während neue Handschriftentypen wie zum Beispiel wissenschaftliche Glossen- und Kollektaneensammlungen individueller Prägung ab dieser Zeit vermehrt festzustellen sind. Gebetbücher treten in der Zeit nach 1480 in ein neues Verhältnis zu den sehr beliebten gedruckten Gebetbüchern ein. Es ist offensichtlich, dass die Erzeugnisse des St. Galler Dominikanerinnenkonvents, die um 1475 einsetzen, wichtiges Material für die von Brandis hervorgehobene Frage nach dem spezifischen Charakter von Handschriften in dieser Übergangszeit zu bieten haben. So wie Brandis betont, dass die Handschriften, die nach 1480 in den Benediktinerklöstern Groß St. Martin in Köln und St. Ulrich und Afra in Augsburg und im Frankfurter Dominikanerkloster produziert wurden, als Ausnahmeerscheinungen zu werten sind, wird man St. Maria Magdalena in Straßburg und St. Katharina St. Gallen zu den Frauenklöstern zu rechnen haben, die eine ähnliche Rolle gespielt haben: nicht gerade typisch für ihre Zeit, aber durchaus aussagekräftig, wenn es darum geht, die verschiedenen Möglichkeiten für die Buchproduktion in dieser Übergangszeit zu sammeln und im Vergleich 28 Hamburger, Magdalena Kremer (wie Anm. 20). 29 Hamburger, Magdalena Kremer (wie Anm. 20), S. 159 f. 30 Tilo Brandis, Die Handschrift zwischen Mittelalter und Neuzeit. Versuch einer Typologie, in: Gutenberg Jahrbuch 1997, S. 27–57.

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miteinander zu analysieren. Insbesondere wird man sich fragen müssen, ob die Handschriftenproduktion solcher Klöster wie St. Katharina St. Gallen gegenüber echt mittelalterlichen Handschriften einen anderen Charakter hat und ob die Unterschiede nur im Inhaltlichen, oder auch in der Materialität der Handschriften festgestellt werden können. Das sind Fragen, für deren Beantwortung die vorliegende Untersuchung von Simone Mengis reichhaltiges Material bietet.

I Einleitung 1 Thema und Fragestellungen Eine einlässliche Studie zur weiblichen Schreibtätigkeit im Mittelalter war seit dem ersten, sehr fragmentarischen Ansatz Albert Bruckners im Jahre 1971 ein Desiderat geblieben.1 Beat von Scarpatetti hat in der Einleitung des CMD−CH III [Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz (1991)] darauf hingewiesen, dass das Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen betreffend weibliche Schreibtätigkeit »das bedeutendste Zentrum in St. Gallen« war.2 Dass eine weibliche Schreibkunst gerade im Spätmittelalter existierte (in Umkehr des allgemeinen Schemas der Männerorden: Blüte im frühen, Krise im späten Mittelalter), machten die im CMD erfassten, namentlich von Schreiberinnen subskribierten Handschriften deutlich. Die DFG -Kataloge deutschsprachiger Handschriften (zum Beispiel die Kataloge der Bayerischen Staatsbibliothek, bearbeitet von Karin Schneider) zeigen lediglich die quantitative Präsenz von Schreiberinnenhänden auf, während der Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz (1979–1991) erstmals eine Reihe expliziter Bio-Bibliographien von Schreiberinnen gibt. Ihre Arbeiten setzen eine gründliche elementare Ausbildung voraus. Diesem in Schriftzeugnissen gut dokumentierten Befund steht der unübersehbare Mangel an Quellen gegenüber, die den Erwerb der zugrundeliegenden Bildung erhellen könnten. 1 Albert Bruckner, Weibliche Schreibtätigkeit im schweizerischen Spätmittelalter, in: Fs. Bernhard Bischoff, hg. v. Johanne Autenrieth u. Franz Brunhölzl, Stuttgart 1971, S. 441–448. Vgl. auch zuvor dens., Zum Problem der Frauenhandschriften im Mittelalter, in: Fs. G. Kallen, hg. v. J. Engel und Hans Martin Klinkenberg, Bonn 1957, S. 171–183. 2 Beat von Scarpatetti, in: CMD−CH III (1991), Einleitung, S. XXII . – Im Zuge der Handschriften-Katalogisierung der Stiftsbibliothek St. Gallen (Abt. III /2: Cod. sang. 450 – Cod. sang. 546; unter Mitarbeit der Verf.in) bot es sich mit den Handschriften des Klosters St. Katharina an, diesem für viele wissenschaftliche Fragestellungen grossen Potential der Erforschung einer spätmittelalterlichen Frauenklosterbibliothek nachzugehen.

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Bereits Siegfried Ringler hat am Beispiel des Klosters Inzigkofen beobachtet, dass Herkunft und Bildungsstand der Ordensangehörigen vor dem Hintergrund der Observanz in Zusammenhang stehen: »Gerade die strengere Regel machte [. . .] anscheinend das Kloster für diejenigen Schichten anziehend, denen damals der Zugang zur Bildung allein offenstand.«3 Die einschlägigen Arbeiten von Karin Schneider zum Dominikanerinnenkloster St. Katharina Nürnberg aufgreifend, geht Burkhard Hasebrink davon aus, dass ordensinternen Bildungsbemühungen eine vielschichtige städtische Bildungskultur vorausgeht.4 Schneider konnte nachweisen, dass die Schwestern des Dominikanerinnenklosters St. Katharina Nürnberg vorwiegend der städtischen Oberschicht entstammten. Ebenso kamen die Konventualinnen des gleichnamigen St. Galler Klosters (in der Regel) aus der Bildung aufgeschlossenen Schichten.5 Auch die neuere Forschung hat ein intensiveres Interesse auf den kultur- und bildungsgeschichtlichen Kontext der weiblichen Handschriftenherstellung gerichtet.6 Flankierend hinzu tritt die »historische Frauenforschung«: Ulrike Denne hat, in Anlehnung an Edith Ennen, mit ihrer Dissertation über »Frauenklöster im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau« gezeigt, wie sich »historische Frauenforschung« durch die Erweiterung von Fragestellungen an die Geschichte gewinnbringend erweisen kann, ohne in feminististische Propaganda abzugleiten.7 3 Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 43. 4 Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 192; Schneider, Handschriften Nürnberg (1965); dies., Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983). Siehe auch unten Kap. II .3.1: Der Bildungsanspruch, bes. 3.1.2: Bildungserwerb vor Klostereintritt, sowie II .1: Ordensreform und Bibliothekszuwachs; zu Lateinkenntnissen im Sinne einer ›aktiven‹ Sprachkompetenz siehe Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage. 5 Schneider (1983), wie Anm. 4; siehe II .3.2: Die namentlich bekannten Schreiberinnen. – Hagen Keller, in: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungen und Entwicklungsstufen. Akten des Internationalen Kolloqiums 17.–19. Mai 1989, hg. v. dems./Klaus Grubmüller/Nikolaus Staubach, München 1992 (Münstersche Mittelalter-Schriften 65), S. 3. 6 Honemann, Volker/Eisermann, Falk (Hgg.), Die literarische und materielle Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. 2001; Eisermann, Falk u. a. (Hgg.), Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, Leiden 2004. 7 Wunder, Historische Frauenforschung (1990), behandelt diese als Spezialdisziplin. – Denne, Frauenklöster (1997), S. 10, Anm. 5; Ennen, Zur Geschichtsschreibung (1987), S. 44 ff. – Denne, a. a. O., weist auf die einhellige Meinung der neueren Forschung hin, dass der Begriff »religiöse Frauenbewegung« wie auch

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Eine einlässliche, systematische und umfassende Untersuchung des Themas Frauenschrift und weibliche Schreibtätigkeit im Mittelalter steht weiterhin aus. Dem soll mit der vorliegenden Arbeit an einem vergleichsweise gut dokumentierten Beispiel abgeholfen werden. Eine nach wie vor fraglos verdienstvolle Grundlagenarbeit zur »Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen« legte 1938 Schwester M. Thoma Vogler vor. Ihr vorausgegangen waren im Jahre 1759 der Stiftsbibliothekar P. Pius Kolb mit seiner »Chronik des löblichen Gotteshauses St. Katharina« sowie im Jahr 1885 August Hardegger mit der ausführlichen Darstellung »Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen«.8 In Voglers Monographie bildete die Rekonstruktion des historischen Handschriftenbestandes nur einen Teil der gesamten Klostergeschichte – der gleichwohl einen ersten Überblick über die Schrift- und Buchkultur im Katharinen-Kloster vermittelt: Auf ihrem Katalog (»Zusammenstellung des ehemaligen Bestandes«) konnte die vorliegende Studie aufbauen. Bei der erneuten Durchsicht des stift-st. gallischen Handschriftenbestandes (respektive der in Frage kommenden Abteilungen9) erwies sich der VoglerKatalog und die Katharinen-Handschriften betreffend teilweise auch der CMD−CH III (1991) begreiflicherweise als von den Fortschritten der Mediävistik überholt, nicht zuletzt auch aufgrund divergierender Forschungsinteressen und -schwerpunkte. Für die vorliegende Studie zu Scriptorium und Bibliothek des KatharinenKlosters war die grundlegende Überarbeitung des Vogler-Inventars von der synonym verwendete der »weiblichen Frömmigkeitsbewegung« »insofern unpräzise sind, als sie Aspekte wie beispielsweise den einer übergreifenden Organisationsform konnotieren«; dies., a. a. O., Anm. 6. – Röckelein, Frauenforschung (1992), gibt einen Überblick über die nach 1987 erschienene Fachliteratur der mediävistischen Frauenforschung. 8 P. Pius Kolb, Die Geschichte des löblichen Gotteshauses St. Katharina, St. Gallen 1759. Ms. (S. 577 ff.) im KlA Wil (ohne Sign.), die erste (nie veröffentlichte) Darstellung der Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen, geschrieben »auf dringendes Bitten der Klosterfrauen« [Vogler, St. Katharina (1938), S. [5]]. Im wesentlichen auf diese Arbeit stützt sich die Darstellung von August Hardegger, Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen, Neujahrsblatt des historischen Vereins des Kantons St. Gallen 1885, S. 3–30 (ohne Quellenangaben). 9 Abteilungen I−IV : Cod. sang. 1 – Cod. sang. 669; zu der einer klassischen inhaltlichen Hierarchie folgenden Gliederung des Handschriftenbestandes der StiBSG in 13 Abteilungen siehe Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), Einleitung, S. IX .

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zentraler Bedeutung.10 Die Neu-Durchsicht des stift-st. gallischen Handschriftenbestandes liess sich leiten von einem methodischen Ansatz, den Freimut Löser als »Handschriftenphilologie« bezeichnet hat:11 Im Mittelpunkt sollten nicht einzelne Handschriften stehen, sondern eine umfassendere Kategorie – die Bibliothek, in die diese Handschriften gehörten.12 Während in der Forschung Handschriften häufig »nur als Steinbruch für die Textarbeit benutzt worden« sind, stand bei der vorliegenden Studie zunächst nicht die Frage nach Texten, sondern nach den handschriftenkundlichen Fakten im Vordergrund: nach Einbänden, Beschreibstoff, Lagen, Schrifttypen, Initialen, Tintenarten etc. Die ›Decodierung‹ dieser codicologischen Spuren kann ergänzt werden durch die zeitgenössische (von Vogler nicht voll ausgeschöpfte) Chronik des Katharinen-Konvents, welche unter anderem reiche Informationen zum Scriptorium, in dem die Handschriften hergestellt wurden, überliefert (zu einem guten Teil zu Bänden, die heute noch erhalten sind). So entstand ein »Dialog mit Handschriften – das meint den Versuch, sich mit Handschriften zu unterhalten, sie selbst und nicht nur ihre Texte zum Sprechen zu bringen«,13 um so ihrer Herkunft, ihrer Entstehung auf die Spur zu kommen. Nachdem die aufgrund ihrer zeitgenössischen Besitzeinträge dem Katharinen-Kloster zuzuordnenden Handschriften weitgehend durch Vogler erfasst worden sind, mussten an weitere in Betracht kommende Codices ohne Besitzeintrag, dementsprechend hinsichtlich ihrer Provenienz wenig auskunftsfreudige Codices, andere Fragen gestellt werden. Die Parameter hierfür begannen sich im Lauf des Forschungsprozesses herauszukristallisieren: Erste ›äussere‹ Fakten wurden deutlich bei der Autopsie der Handschriften des Klosterarchivs St. Katharina Wil SG (des Nachfolgeklosters der ehemals St. Galler Dominikanerinnen). Diese erhärteten sich in Zusammenschau mit den durch ihre (zeitgenössischen) Besitzeinträge und/oder die Subskription einzelner Konventualinnen gesicherten Katharinen-Handschriften der StiBSG, sodass sich ein Raster von Zuweisungs-Parametern abzeichnete, das auf weitere in Frage kommende Codices angewandt werden kann. 10 Zur kritischen Evaluation des Vogler-Katalogs siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse. 11 Löser, Dialog mit Handschriften (2002), S. 180, S. 183 f. 12 Das von der Reformation betroffene Kloster St. Katharina St. Gallen wurde 1607 in Wil SG neu erbaut. Heute werden die Katharinen-Handschriften zur Hälfte im Wiler Klosterarchiv, zur Hälfte in der StiBSG aufbewahrt. 13 Löser, a. a. O., S. 180.

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Damit verbunden ist die Situierung der bereits bekannten wie auch der neu identifizierten Handschriften in der Geschichte des St. Galler Katharinen-Klosters: Indem Fragen nach der chronologischen Einordnung und dem historischen Kontext ihrer Herstellung nachgegangen wird, können neue Erkenntnisse zu Geschichte, Umfang und Bedeutung der KatharinenBibliothek gewonnen werden. Ein besonderes Interesse kommt dabei dem konventeigenen ›Scriptorium‹14 zu: der Identifizierung der bei der Herstellung der Handschriften beteiligten und verantwortlichen Schreiberinnen, aus deren Feder der Grossteil des Bibliotheksbestandes stammte. An diesem Punkt setzt die vorliegende Studie mit den oben genannten Fragen an. Im Bewusstsein, dass Codex und Text »eine unverrückbare Einheit« bilden, deren möglichst umfassende Bedeutungserschliessung nur im Zusammenhang möglich ist,15 stellen sich mit den in den Handschriften tradierten Texten weitere Fragen. Eine der ersten ist: Für welche Art von Texten nahmen die Katharinen-Schwestern die Mühe (und Kosten) des Abschreibens auf sich? Damit zusammen hängt die Frage nach dem ursprünglichen Gebrauch der Handschrift (von dem ebenfalls ›codicologische Spuren‹ zeugen):16 Welche Funktion hatte sie, wer verwendete sie, und in welchem Zusammenhang? Mit diesen Fragen öffnet die vorliegende Studie den Blick auf die angrenzenden Fachgebiete der »historischen Frauenforschung«, der Bildungsgeschichte sowie der Mentalitäts- und Spiritualitätsgeschichte, wofür auf in den vergangenen Jahren erschienene Forschungsarbeiten zurückgegriffen werden kann.17 Übergreifend sind sodann die neu gewonnenen Erkenntnisse zur Schrift- und Buchkultur im KatharinenKloster einzuordnen in den Kontext der Reformbewegung im weiblichen Zweig des Dominikanerordens. Auch hierzu liegen aus den vergangenen Jahren Forschungsarbeiten vor, von denen sich allerdings die meisten auf die inkorporierten Dominikanerinnenklöster beschränken.18 Da seit Vogler zum ehemaligen Bibliotheksbestand kein vollständiger und nach modernen Massgaben der Forschung erstellter Handschriften14 Scriptorium meint an dieser Stelle nicht eine Schreibwerkstätte, sondern die Gemeinschaft gut ausgebildeter, zur Handschriftenherstellung befähigter Schreiberinnen. 15 Löser, Dialog mit Handschriften (2002), S. 183. 16 Wie zum Beispiel Wachsflecken in kleinformatigen Gebetbüchern, die auf Verwendung bei nächtlicher ›privater‹ Lektüre hinweisen. 17 Rüther, Schreibbetrieb (1999); Honemann/Eisermann (2004). 18 Das St. Galler Katharinen-Kloster bemühte sich stets vergeblich um die Inkorporation in den Orden, siehe Kap. I .2: Zur Geschichte.

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katalog des Katharinen-Klosters vorliegt, wird als Anhang ein aufgrund der neu gewonnenen Erkenntnisse erstellter Gesamtkatalog aller im Katharinen-Kloster h e r g e s t e l l t e n Handschriften angefügt. In diesem nicht berücksichtigt sind die Handschriften aus dem B e s i t z des KatharinenKlosters, da der Aufwand ihrer detaillierten Katalog-Aufnahme nicht im Verhältnis zu dem dadurch zu erwartenden Ergebnis steht: Hinweise zu Handschriften aus Katharinen-Besitz, die als Grundlage für weitergehende (zum Beispiel philologische) Fragestellungen dienen können, finden sich in den Anmerkungen. Das grosse Forschungspotential in den gehobenen Handschriften, vor allem seine mannigfaltigen neuen Aspekte, lässt sich im Rahmen dieser Arbeit nicht vollumfänglich ausschöpfen. Deshalb bleiben einige Desiderata bestehen, zum Beispiel eine vergleichende Anwendung der obgenannten Fragen auf andere Konvente desselben Ordens oder, weiterführend, auf Frauenklosterbibliotheken anderer Orden. Hauptinhalt dieser Dissertation bleibt die Rekonstruktion des historischen Handschriftenbestandes der St. Galler Katharinen-Bibliothek, sodann die Untersuchung seines Zustandekommens sowie der oben skizzierten weiterführenden Fragen, vor allem zum Bildungswesen der schreibenden Frauen und ihres Konvents.

2 Zur Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen In seinen Anfängen ging das Kloster zurück auf eine Beginen-Samnung des 13. Jahrhunderts, die sogenannten »Schwestern am Irabach«.19 Die Samnung am Brühl20 (deren Vorsteherin schon 1263 nicht mehr als Meisterin, 19 Die Wohnstatt war der Samnung im Jahre 1228 von Ulrich Blarer und Berchtold Kuchimeister, zwei wohlhabenden und angesehenen Bürgern der Stadt, vermacht worden; gelegen auf Vorstadtgelände nördlich von St. Gallen, am Brühl unweit der Kirche St. Mangen (die Häuseransammlung wurde später auch »Irervorstadt«, oder einfach »Vorstadt« genannt); bestätigt durch Abt Konrad von Bussnang, der die Stiftung dem Schutz der Heiligen Gallus und Othmar unterstellt; vgl. KlA Wil, Schwesternbuch, p. 6; Abschriften der verlorenen Original-Urkunden in KlA Wil (Schachtel A) und StiASG (Rubr. 31, Fasz. 6). Zum Schwesternhaus am Irabach siehe HS IX /2 (1995), S. 591–595 (Magdalen Bless-Grabher). 20 Diese blieb weiterhin bestehen, nachdem der Grossteil der Schwestern 1244 in

2 Zur Geschichte des Dominikanerinnenklosters St. Katharina

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sondern als Priorin bezeichnet wurde) empfing 1266 von Bischof Eberhard II . die Augustinerregel.21 1333 unterstellte Papst Johannes XXII . den Konvent seinem Schutz und »bestätigte ihm die Besitzungen sowie alle Freiheiten, Immunitäten (Steuerfreiheit) und weitere Privilegien«.22 In diesen (formelhaft und allgemein gehaltenen) Urkunden wurde mit der erstmaligen Bezeichnung des Schwesternhauses als monasterium (vormals conventus sororum, Samnung und dergleichen) ein noch nicht erreichter, offenbar aber angestrebter Status vorweggenommen. Wichtige Wegmarken hin zur Verklösterlichung des Konvents wurden im Jahre 1368 gesteckt: Obwohl die nichtinkorporierten Dominikanerinnenkonvente unter bischöflicher Jurisdiktion in der Regel keine Exemtion von ihren Pfarrkirchen besassen, avancierte das Katharinen-Kloster mit Hilfe einflussreicher Freunde zum Sonderfall. Dank der Intervention der Ritter Johann von Twingenstein und Konrad von Wolfurt erklärte der Leutpriester von St. Gallen, Konrad von Ramschwag, 1368 sein Einverständnis zur Trennung des Schwesternkonventes von der Pfarrei St. Laurenzen sowie zur Errichtung einer eigenen Kirche samt Friedhof.23 Kurz darauf wurde die Kirche der Muttergottes sowie der Jungfrau und Märtyrerin Katharina von Alexandria, einer besonderen Schutzpatronin des Predigerordens, geweiht.24 Gleichzeitig wurde ein Klosterkaplan und Beichtvater eingestellt.

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die dem Schwesternhaus von Abt Walter von Trauchburg und dem Konvent der Benediktinerabtei St. Gallen übertragenen Güter in und um Magdenau (Gemeinde Degersheim, Bezirk Untertoggenburg) übersiedelt war, wo sie sich dem Zisterzienserorden anschlossen. HS III /3,2 (1982), S. 768–796 (Art. ›Magdenau‹); HS IV /5,2 (1999), S. 739. KlA Wil, Schwesternbuch, p. 7–12, erging vom Konstanzer Bischof an die Priorin die Erlaubnis zur Abnahme der ewigen Gelübde – was jedoch vorderhand anscheinend nicht praktiziert wurde; HS IV /5,2 (1999), S. 740. Chartularium Sangallense VI (1990), S. 158f., Nr. 3517–3518; KlA Wil, Schwesternbuch, p. 10 [f. iiiv]. Konrad von Wolfurt (der zwei Verwandte unter den Katharinen-Schwestern hatte) war Prior des Predigerklosters Chur, 1365–1373, 1377–1387; betr. Verkauf eines Zinses an zwei Schwestern des Konvents aus dem Geschlecht der Ritter von Wolfurt: Urkunde von 1360, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, KU Lindau Frauenstift 122 [zit. nach HS IV /5,2 (1999), S. 768, Archivalische Quellen: Bd. 7]. Die Zustimmungs-Urkunde des Konrad von Ramschwag hg. in Chartularium Sangallense VIII (1998) S. 292 f., Nr. 5126; die originale Pergament-Urkunde im KlA Wil, Schachtel A. A. a. O., Schwesternbuch, p. 12.

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Das Privileg der Exemtion von der Pfarrei ermöglichte St. Katharina einen »Entwicklungssprung«:25 Wenig später verpflichteten sich die Schwestern auf Regel, Konstitutionen und Satzungen des Dominikanerordens26 und empfingen das dominikanische Ordensgewand mit Schleier und Mantel. »Der Konvent wurde jedoch nicht dem Orden inkorporiert, sondern blieb weiterhin unter der Oberaufsicht des Bischofs von Konstanz, der ihn dem Prior des Dominikanerklosters in Konstanz unterstellte.«27 Zwei Konstanzer Predigerbrüder, die 1368 an das Generalkapitel des Dominikanerordens nach Lyon reisten, erlangten für den Konvent vom Generalmeister des Ordens, Petrus Röschin, die Teilhabe an den guten Werken des gesamten Ordens.28 1376 wurde der Konvent vom Rat der Stadt gesamthaft ins Bürgerrecht aufgenommen; kraft dieser »pauschalen Einbürgerung« übte dieser fortan eine Schutzpflicht und Gebotsgewalt aus.29 Beim Stadtbrand von 1418 wurde ein Grossteil der Stadt St. Gallen ein Raub der Flammen; teilweise betroffen war auch die Irervorstadt. Aufgrund der Quellen kann vermutet werden, dass das Katharinen-Kloster nur 25 Petra Zimmer, Einleitung, in: HS IV /5,1 (1999), S. 66: »Für die Erwerbung dieser Rechte benötigten die anderen Dominikanerinnenkonvente unter bischöflicher Jurisdiktion Jahrzehnte. Den Dominikanerinnen in St. Gallen gelang die Entwicklung zu einem Frauenkloster mit den üblichen Rechten unter Leitung des Diözesanbischofs. Bei den anderen Dominikanerinnen unter bischöflicher Jurisdiktion verhinderte die fehlende Exemtion von der Pfarrkirche einen ähnlichen Fortschritt.« Der Impuls zur dominikanischen Ausrichtung des Katharinen-Klosters war vermutlich vom Konstanzer Predigerkloster ausgegangen, welches das Frauenkloster seit dem 13. Jahrhundert betreute. 26 Am 9. 7. 1368: »Bei dem entwickelten klösterlichen Zustand St. Katharinas werden die Konstitutionen weitgehend denen für inkorporierte Dominikanerinnenklöster entsprochen haben.« HS IV /5,1 (1999), Einleitung, S. 49. 27 HS IV /5,2 (1999), S. 742. 28 KlA Wil, Urkunde Nr. 17; a. a. O., Schwesternbuch, p. 14 [f. 5v der alten Foliierung]. 29 Zu den eventuellen Beweggründen: »Vielleicht erachteten [. . .] [die KatharinenSchwestern] den Schirm der durch immerwährende Streitigkeiten und Fehden geschwächten Abtei als ungenügend, vielleicht war es das Gefühl der Zugehörigkeit zum Stadtwesen, da viele Nonnen Bürgerstöchter der Stadt waren, das sie zu diesem Schritt veranlasste, vielleicht wurde vom Rate ein Druck ausgeübt.« Für seine Aufnahme ins Stadtbürgerrecht musste das Kloster der Stadt jährlich 10 Pfund Steuern zahlen und sich verpflichten, »bei außergewöhnlichen Ereignissen, wie Krieg und dergleichen, die Lasten mittragen zu helfen«. Vogler, St. Katharina (1938), S. 14; StadtASG, Bd. 538 (1. Stadtbuch), p. 507.

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geringfügig Schaden nahm.30 Vielleicht schon kurz vor dem Stadtbrand, spätestens im Zuge des rasch erfolgten Wiederaufbaus der Stadt wurde der Mauerring so erweitert, dass die Irervorstadt und somit auch das Katharinen-Kloster in den befestigten Siedlungsraum der Stadt integriert wurden.31 Das St. Galler Katharinen-Kloster liess sich um die Mitte des 15. Jahrhunderts von der Welle der allgemeinen Reformbewegung des Dominikanerordens in der Ordensprovinz Teutonia erfassen.32 Die Quellen geben nur sehr spärlich Auskunft darüber, wann und wie die Schwestern in ersten Kontakt mit dem ›Geist der Reform‹ traten. Ein erster Anstoss zu einer Reform des Klosters könnte vom Basler Konzil ausgegangen sein, welches im Jahre 1435 zwei Delegierte zur Visitation der St. Galler Benediktinerabtei wie auch des Klosters St. Katharina abgeordnet hatte.33 Ob in diesem 30 Die zeitgenössische Quelle [Urkundenbuch St. Gallen 5 (1904), S. 123, Nr. 2715 (Quelle: Cod. sang. 610, p. 1)] überliefert, dass die statt ze Sant gallen und Irer vorstatt verbrannte, darunter Sant Gallen und Sant Othmars münster [. . .] Sant Katherinen kirch und kloster und Sant Mangen kirch. Das Stift wurde offenbar teilweise in Mitleidenschaft gezogen [Kdm St. G. III (1961), S. 44 f.], die Kirche St. Laurenzen blieb inmitten des Feuers gänzlich verschont [Kdm St. G. II (1957), S. 99]. Der Brand griff auch auf die Kirche St. Mangen über, zerstörte jedoch, wie der Mauerbefund zeigt, nur die Dächer (nicht, wie der Eintrag vemuten lässt, die gesamte Kirche) [Kdm St. G. II (1957), S. 124]. Da die Kirche St. Mangen unweit des Klosters St. Katharina gelegen war, kann für das Dominikanerinnenkloster vermutet werden, dass es ebenfalls nur geringfügig Schaden nahm. Zu bedenken ist auch, dass keine Dokumente zum Wiederaufbau des Klosters überliefert sind; ferner auch, dass eine Verheerung des Klosters durch eine Feuersbrunst im Schwesternbuch nicht verzeichnet ist. Gemäss HS IV /5,2 (1999), S. 743 (M. Bless-Grabher), »verbrannten [. . .] auch die Kirche und das Kloster St. Katharina«, unter Berufung auf einen zeitgenössischen Eintrag im ersten Stadtbuch von Sankt Gallen, do. HS IX /2 (1995), Schwesternhaus am Irabach, S. 594, Anm. 30. 31 Kdm St. G. II (1957), S. 60, S. 70; HS IV /5,2 (1999), S. 743, Anm. 42 (Lit.); StadtASG, Bd. 538 (1. Stadtbuch), auf der Innenseite des Hinterdeckels. 32 Gemäss Schiewer, Literarisches Leben (2004), S. 286, schloss sich keiner »der berühmten Schweizer Konvente der Dominikanerinnen [. . .] der Observanzbewegung an«; unklar bleibt bei dems., a. a. O., ob gezwungenermassen oder »selbstbestimmt«. Sollte das St. Galler Katharinen-Kloster in seinen Oberservanzbestrebungen ein Schweizer Einzelfall gewesen sein? – Zu den Missständen in den Bettelorden am Ende des 14. Jahrhunderts siehe den kritischen Überblick bei Elm, Erneuerung des Ordenswesens (1980), S. 197–200. 33 Ob die Visitation im Katharinen-Kloster – nach Einspruch des Konstanzer Bischofs Friedrich von Zollern, ohne dessen Wissen und Erlaubnis sie initiiert worden war – tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht überliefert. Die Visitation

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Kontext die seelsorgerischen Beziehungen des Katharinen-Klosters zum Basler Dominikanerkloster, dessen Prior Johannes Nider (Prior 1429 bis 1435/1436) sich aktiv an der Reformarbeit des Konzils beteiligte, ihren Anfang nahmen, lässt sich anhand der überlieferten Quellen nicht belegen.34 Tiefgreifende Reformen (im Sinne der strengen Observanz) unternahm der Katharinen-Konvent, wie es scheint, primär aus eigenem spirituellem Antrieb, nicht aufgrund obrigkeitlicher Initiative: Wie die Priorin Angela Varnbühler berichtet, begann sie 1459 mit neun weiteren Schwestern (von 14 Konventfrauen) eine gemaind, die sich die rigorose Einhaltung des Armutsgelübdes zum Vorsatz nahm.35 1468 ersuchten die Katharinen-Schwestern den Konstanzer Bischof um die Erlaubnis, ihren Lesemeister selbst wählen zu dürfen, was ihnen Bischof Hermann von Landenberg bewilligte.36 Offenkundig stand im Hintergrund, dass der Konvent eine Loslösung vom Konstanzer Predigerkloster anstrebte, um in der Observanz erfahrene Spirituale anzuwerben.37 Als weiterer, einschneidender Schritt folgte die

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des Benediktinerstifts wurde trotz Einspruch des Bischofs durchgeführt, vgl. HS IV /5,2 (1999), S. 744. Das Schwesternbuch von St. Katharina, welches eingangs die älteren Urkunden regestartig verzeichnet, schweigt diesbezüglich. Ist daraus zu schliessen, dass keine Visitationsakte existierte, eine Visitation demnach nicht stattgefunden hat? Das Basler Predigerkloster, das vom Ordensgeneral Bartholomäus Texerius im Hinblick auf das Konzil der Observanz zugeführt worden war, empfing selbst zur Zeit des Konzils Impulse durch führende dominikanische Gelehrte, die sich in der Stadt aufhielten. Seit Einführung der Reform nahm der Basler Konvent eine bedeutsame Rolle als Reformzentrum in der Provinz Teutonia ein; sowohl Texerius wie auch Nider betonten die Bedeutung der Seelsorge für die Dominikanerobservanten; siehe auch Kap. II .2.2: Entstehung eines Scriptoriums, Impulse, S. 53 f., sowie III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 147–150. Zu den Basler Dominikanern HS IV /5,1 (1999), S. 188–284; Boner, Das Predigerkloster in Basel, BZGA 34 (1935). Das heisst: Der Beginn der gemaind fiel in die Frühzeit des Priorats der Anna Krumm; zu ihr siehe Kap. II .3.2.1: Anna Krumm; der Bericht der Angela Varnbühler KlA Wil, Chronik, f. 5v; auch das St. Galler Schwesternbuch berichtet von den Anfängen der gemaind: p. 14–15 [f. vv-vjr]. – Siehe auch Kap. II .3.2.3: Angela Varnbühler. KlA Wil, Schwesternbuch, p. 16 [f. viv]. Mehrfach lassen sich bereits in der Frühzeit Verbindungen zu den Konstanzer Predigermönchen nachweisen, die Beistand bei Rechtshandlungen leisteten; zumeist ging es dabei um die Vermehrung des vormals eher bescheidenen Besitzes des Konvents an Land und Gütern. HS IV /5,2 (1999), S. 741; zum Besitz a. a. O., S. 740 f.; vgl. die in KlA Wil, Urbar verzeichneten Besitzungen;

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vom Konvent 1482 einstimmig beschlossene Einführung der strengen Klausur.38 Ebenso einmütig entschieden sich die Schwestern 1485 für die Verblechung des Redefensters, so dass die Konventualinnen ihre Verwandten und Bekannten zwar noch hören, aber nicht mehr sehen konnten.39 Obwohl diese beiden Schritte heftiges Aufbegehren der Verwandten nach sich zogen, hielt der Konvent an der rigorosen Umsetzung seines Ideals der völligen Zurückgezogenheit fest. Als Priorin führte Angela Varnbühler das Kloster zu seiner grössten Blüte: Vor Beginn der Reformen war die Zahl der Konventualinnen kontinuierlich rückläufig gewesen; nach gefasstem Beschluss der rigorosen Einhaltung des Armutsgelübdes zählte der Konvent 11 Frauen. Für das Jahr 1482 hält die Schreiberin Elisabeth Muntprat im Schwesternbuch fest, dass nach 13 Jahren gemaind insgesamt 40 Konventualinnen, Novizinnen und Laienschwestern dem Konvent angehörten. Im Jahre 1502 warend v´nser fu´nfcz.ix. vnd xxx gewileter [den Nonnenschleier Tragender] iij noficzen vnd viij. laig Schwoestren.40 Die Konventualinnen stammten mehrheitlich aus gehobenen Bürgerfamilien der Stadt, vorwiegend aus Rats- und Kaufmannsfamilien.41 Nicht nur das rasche Anwachsen des Konvents, auch die einschneidenden Beschlüsse zur Reformierung des Klosters (insbesondere die Klausurierung) machten umfangreiche bauliche Veränderungen unumgänglich, die Angela Varnbühler mit unermüdlicher Tatkraft ins Werk setzte.42 Bei deren e

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sowie das Verzeichnis der hoff und des gotshus aigen, KlA Wil, Chronik, f. 36r–37v, in dem Angela Varnbühler den Besitzstand Ende der 1470er Jahre auflistet. A. a. O., f. 5v; KlA Wil, Schwesternbuch, p. 14–15 [f. vv-vjr]. Sowohl Bischof Otto von Sonnenberg als auch der Rat der Stadt gaben ihr Einverständnis: a. a. O., p. 24 f. [f. ixv-xr]; a. a. O., Chronik, f. 22r (zum 29. September 1482). A. a. O., f. 45r; KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxxiv. Gleichwohl fühlten sich die Nonnen auch weiterhin mit ihren Familien geistig verbunden: Im Todesfall eines Verwandten betete der gesamte Konvent eine Vigil und die sieben Psalmen (oder das ganze Psalterium); freudige Anlässe wurden durch das Singen der Antiphonen Veni sancte Spiritus, Ave maris stella und des Te Deum mitgefeiert (a. a. O., f. Cxlixr). Besondere Vorsichtsmassregeln mussten beachtet werden, wenn ein Arzt oder Bauleute die Klausur betreten mussten (a. a. O., f. xxxiv, f. Clxxxvjrv). KlA Wil, Schwesternbuch, p. 26 [f. xv], 1482: [. . .] die sum aller S[western] xl.; 1502: a. a. O., Chronik, f. 90v. Familien Varnbühler, Muntprat, von Schönau, von Hertenstein, Blarer, Zollikofer, Wirt, und weitere. HS IV /5,2 (1999), S. 751 f.; Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 665. Siehe ins-

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Umsetzung, wie auch in sämtlichen die Reform betreffenden Anliegen, stand ihr mit dem 1477 von ihr berufenen Lesemeister Johannes Scherl43 ein studierter Theologe und in Fragen der Observanzbestrebungen erfahrener Dominikaner zur Seite. Scherl versah während 19 Jahren sein Amt im Konvent, bei dem er hoch angesehen und beliebt war. Als nichtinkorporiertes Frauenkloster stellte das Katharinen-Kloster hinsichtlich seiner Reformierung einen speziellen Fall dar: Der Geist der Observanz war nicht, wie sonst gängige Praxis, durch erfahrene Nonnen aus bereits reformierten Klöstern nach St. Katharina eingeführt worden; daher waren vielseitige und kontinuierliche Verbindungen nach aussen von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit für die Etablierung und Stabilisierung der Reform innerhalb des Konvents: Da alles Ersuchen um Inkorporation in den Orden fehlschlug (siehe unten), konnten die Nonnen nicht damit rechnen, von erfahrenen Reformschwestern in ihrem Vorsatz, die Observanz zu übernehmen, unterstützt und angeleitet zu werden.44 Diese Funktion erfüllte vor allem der lebhafte Austausch mit dem Dominikanerinnenkonvent Nürnberg, durch den die St. Galler Katharinen-Schwestern ganz wesent-

besondere den Eintrag in KlA Wil, Chronik, f. 30v, demzufolge für umfangreiche Bautätigkeiten bis ins Jahr 1484 vij hundert bl vnd xlvj vff v´nsren e guttern vnd in dem Closter ausgegeben worden waren, Dz ist in siben iaren vnd in xxi wuchen beschechen. 43 KlA Wil, Chronik, f. 8v. Nach fünfjähriger Amtstätigkeit (in St. Gallen) hatte Scherl 1482 vom Ordensgeneral Salvus Casetta die Erlaubnis erhalten, im Amt des Lesemeisters zu St. Katharina St. Gallen zu bleiben, solange es ihm und den Schwestern gefalle [HS IV /5,2 (1999), S. 746, mit Anm. 73 (Lit.)]. 1496 verliess er das Katharinen-Kloster auf eigenen Wunsch, aufgrund von Vere e leumdungen, darvmb er vil wider wartigen gehept haut die in grosslich vervntru´wet hand dz im vntragilich ist gesin darvmb wolt er dis nit me warten vnd u hat sich selb versechen an ain ander end [. . .]. – Seit Beginn der St. Galler Chronik-Aufzeichnungen nahmen die Lesemeister auch Söhne aus befreundeten Familien des Konvents in Ausbildung und Erziehung, vgl. KlA Wil, Chronik, f. 25r, f. 40v, f. 93v, f. 122r, f. 136r; HS IV /5,2 (1999), S. 758, mit Anm. 188. 44 Daher war die geistige und geistliche Stärkung für das Kloster von umso grösserer Bedeutung: Im Bestreben um Anschluss an die Observanzbewegung pflegte der Konvent Beziehungen zum Basler Predigerkloster (siehe oben), zum Dominikanerinnenkloster St. Katharina Nürnberg, aber auch zum Klarissenkloster Villingen sowie zum Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen; welche Rolle die observanten Basler Dominikaner bei der ›Reformwilligkeit‹ des St. Galler Konvents spielten, ist (mangels Quellen) nicht mehr verifizierbar. Zu Basel siehe Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 147–150.

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liche Impulse, Wegleitung und Stärkung in ihrem Reformbemühen erhielten.45 Einen entscheidenden Beitrag leistete hierbei der Briefwechsel, den Angela Varnbühler als junge Priorin mit Kunigunda Haller, ihrer Nürnberger Amtskollegin, begann.46 Für die Aufrechterhaltung des brieflichen Kontaktes, vielleicht sogar bereits für dessen Initiierung spielte das kaufmännische Milieu, an welchem der Konvent dank verwandtschaftlicher Beziehungen partizipieren konnte, respektive die in diesem entstandenen persönlichen Verbindungen von Kaufleuten aus St. Gallen und Nürnberg eine entscheidende Rolle: Mit Nürnberg pflegte St. Gallen besonders enge Handelsbeziehungen. Bereits 1387 hatten sich die beiden Städte gegenseitig Zollfreiheit zugesichert.47 Nachdem auf dem Gebiet der Leinwandweberei, dem bedeutendsten Gewerbe in der Gallus-Stadt, die Handelsherrschaft im 15. Jahrhundert von Konstanz an St. Gallen übergegangen war, stellte Nürnberg, mit seiner zentralen Lage an den grossen Handelsstrassen von Norden nach Süden und von Westen nach Osten, für den Leinwandhandel einen wichtigen Durchgangsort dar.48 Zunächst fand der Kontakt zwischen den Kaufleuten mündlich auf den Messen statt; bald jedoch wurde ein Kurierdienst für die Abwicklung von Handelsgeschäften notwendig. In den Anfängen hatte der Rat der Stadt, der für seine Amtsgeschäfte wie auch für seine auswärtige Korrespondenz eine eigene Botenanstalt mit vertraglich angestellten Amtsboten unterhielt, diese gegen vorgeschriebene Bezahlung für andere (kaufmännische wie auch private) Geschäfte zur Verfügung gestellt.49 Mit der stetigen Zunahme des Handels mit Nürnberg wurde eine ständige Beförderungseinrichtung für die Handelskorrespondenz unerlässlich; es entstand eine eigene kaufmännische, von der stadt-st. gallischen Verwaltung unabhängige Botenanstalt, deren Kuriere ganz im Dienste der Kaufmannschaft

45 Siehe Kap. IV .1: St. Katharina Nürnberg; zu weiteren befreundeten Klöstern siehe IV .2: Inzigkofen, IV .3: Strassburg. 46 Siehe Kap. IV .1: St. Katharina Nürnberg, S. 207 ff. 47 Schelling, Kaufmännische Botenanstalt (1920), S. 85; gemäss dems., a. a. O., gehen die zwischen St. Gallen und Nürnberg vereinbarten Zollprivilegien in Zeiten noch vor dieser Beurkundung zurück; Urkundenbuch zur st. gallischen Handels- und Industriegeschichte, Nr. 52, Nr. 53, Nr. 96. Zitat und Literatur nach Thürer, St. Galler Geschichte, Bd. 1, S. 371. 48 Vgl. Urkundenbuch St. Gallen 4 (1892), Nr. 1935, S. 334 f., nach Schulte, Geschichte des Handels 1 (1900), S. 639 f.; Schelling, Kaufmännische Botenanstalt (1919), S. 84 f. 49 A. a. O., S. 81 f.

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standen und von dieser entlöhnt wurden.50 Daneben wurde die Übermittlung von Briefen auch weiterhin von den Kaufleuten selbst besorgt.51 Auch die Übermittlung der Botschaften zwischen dem St. Galler und dem Nürnberger Katharinen-Konvent erfolgte über Kaufleute.52 Ein Beleg hierfür ist in Gestalt eines Original-Briefes der Nürnberger Priorin Veronika Bernhart (im Amt ab 1497) erhalten: In diesem an Wiborada Zollikofer gerichteten Brief, einem Glückwunschschreiben zu deren Wahl zur Priorin (1509),53 wird das freundliche Anerbieten von St. Galler Kaufleuten zur Briefübermittlung ausdrücklich erwähnt.54 Gegen Ende des 15. Jahrhunderts muss das Katharinen-Kloster sich in einem vorbildlichen Zustand befunden haben. Darauf lässt schliessen, dass Bischof Hugo von Landenberg 1497/1498 den Konvent aufforderte, Schwestern zur Reformierung des Dominikanerinnenklosters Zoffingen (KN ) zu entsenden – mit Nachdruck, dem die Schwestern sich erst fügten, als der Bischof den Bann androhte.55 Einer erneuten Forderung des Bischofs von 50 A. a. O., S. 86 f. 51 A. a. O., S. 88. 52 Die beiden Brüder der Wiborada Zollikofer, Sebastian und Ludwig, hatten gemeinsam mit Leonhard Keller die Handelsgesellschaft Zollikofer & Keller gegründet. Derselbe Sebastian Zollikofer war vermutlich bereits bei der Übero mittlung der Nürnberger Handschriftenvorlage für das kostlich buch die vslegung der regel als vmbertus schribt beteiligt, da das St. Galler Schwesternbuch für dasselbe Jahr seinen Besuch bei Kunigunda Haller in Nürnberg vermeldet (KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxxiv). Die Handelsgesellschaft Zollikofer & Keller vergabte auch reiche Stiftungen an das Katharinen-Kloster: jn dem xiii jar hat v´ns der zollikoffer vnd keller geselschafft [sic] [. . .] v´ns v´nser bor kilchen [sic, d. h. Emporkirche] erwittren lassen tru´lich vnd kostlich lassen machen vnd schniden mit ziborgen werch [baldachinartige Verzierungen, Anm. d. Verf.in] vnd getter wie denn sichparlich ist vß dem holtz dz gefelt ist in dem xij jar als o forgeschriben ist / diß habend sy¨ alles bezalt vßer den C lb d die sy¨ v´ns zu ainer o gotz gab geben hand als forgemelt ist in disem buch [. . .], a. a. O., Chronik, f. 138r). Dieselbe gab auch 100 Pfund für die Errichtung eines neuen Chorgestühls, und stiftete 1519 eine neue Orgel für die Klosterkirche (a. a. O., f. 159r). 53 Nachfolgerin von Angela Varnbühler, vier Tage nach deren Tod zur Priorin gewählt, siehe a. a. O., f. 120v. 54 Original-Brief von der Hand der Veronika Bernhartin, vom Jahr 1509, im KlA Wil, A.II.a.2, Nr. 37, nimmt Bezug auf den kurtzen priff denn [!] ich am nechsten hab empfangen stand angeschriben wie sich die kauffleut So willig gegen euch erpoten heten [. . .] sie vns wol zuhylff kvmen das wir offter potschafft zueinander heten [. . .]. 55 Siehe Kap. V .1: Kloster Zoffingen, Der Reformauftrag, S. 238 ff.

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weiteren Schwestern zur Reformierung des Klosters St. Peter/KN (1502) widersetzten sich die Schwestern mit Unterstützung des St. Galler Rats erfolgreich.56 Doch der Konvent büsste sein Sträuben doppelt, indem ihm (vermutlich als direkte Folge) offenbar das Privileg entzogen wurde, seinen Lesemeister und Beichtvater selbst bestimmen zu können: Als 1498 der bisherige Lesemeister Melchior Berner (aus einem ungarischen Observantenkonvent) das Kloster verliess, trat Sebastian Yll aus dem Konstanzer (konventualen) Predigerkloster die Nachfolge an.57 Nach einer ersten Phase der Erstarkung des Konventslebens im Innern verfolgte Angela Varnbühler mit grosser Energie und unermüdlicher Tatkraft das Ziel der Inkorporation des Konvents in den Dominikanerorden: Zwei Gesandtschaften (des Lesemeisters Sebastian Yll im Jahr 1500 und des Hans Varnbühler im Jahr 1502)58 zur römischen Kurie scheiterten, da als entscheidende Voraussetzung die Einwilligung des Bischofs zur Entlassung des Konvents aus seiner Jurisdiktion fehlte.59 Ein letztmaliges Ersuchen des Konvents im Jahr 1512 lehnte Bischof Hugo von Hohenlandenberg erneut ab60 und antwortete mit der Anordnung einer Visitation: Domkustos Hans Zwick und Wendelin Fabri, Lesemeister im Kloster Zoffingen (KN ), beurteilten den Zustand des Klosters als erfreulich in geistlichen und weltlichen Dingen. Dies wurde in einer Visitationsakte festgehalten, die zugleich 56 KlA Wil, Chronik, f. 92v; HS IV /5,2 (1999), S. 758: Nachdem die Schwestern die von Bischof und Rat der Stadt Konstanz entsandte Delegation an den St. Galler Rat verwiesen hatten, stellte sich dieser vor den Konvent (vgl. oben die Schutzverpflichtung des Rats); aufgebracht über die erlittene Abfuhr, kehrte die Delegation heim. 57 Zum Amtsantritt des Sebastian Yll KlA Wil, Chronik, f. 83v (zum Jahr 1483). Die zahlreichen expliziten Einzelregelungen (insbesondere zum nit dar in reden) mit dem neuen Lesemeister, der nicht Wahl der Schwestern war, sind auffallend: Die Schwestern versuchten offenbar, sich mit ihm nach allen Seiten abzusichern, zum Beispiel betreffend ihren Wunsch nach Beichte vor ›fremden‹ Predigern. 58 A. a. O., f. 87r; die Reise Ylls, für die eigens ein Pferd gekauft worden war, hatte den Konvent 50 rheinische Gulden gekostet; zu den Missionsreisen Hans Varnbühlers, für die der Konvent weitere 56 Gulden aufwendete, a. a. O., f. 92r. 59 Gerade damals aber war das Verhältnis zum Bischof erneut gespannt, weil sich das Katharinen-Kloster im selben Jahr geweigert hatte, Schwestern zur Reformierung des Klosters St. Peter nach Konstanz zu schicken (s. o.). o 60 Offenbar aufgrund einer Verleumdung: [. . .] nit aller Conuent darzu willig wer e [. . .] [es] wer nit des gemainen Conuentz will sunder vj oder vij werind sollichs o triben die andren werind nit willig darzu dz doch nit wz den[n] sy¨ [die brieff] in gemainen Conuentz willen vnd wißen warend vß gangen [. . .], KlA Wil, Chronik, f. 132v–133r.

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den Konvent durch bischöfliche Verordnung zur Einhaltung der strengen Observanz v e r p f l i c h t e t e . Was die Schwestern aus freien Stücken begonnen hatten, stand fortan im Nichtbeachtungsfalle unter Androhung kirchlicher Strafen.61 Mit dem vertretungsweise (für Sebastian Yll während seiner Rom-Mission) vom Predigerkloster Chur entsandten Johannes Kübler62 offenbar sehr zufrieden, erwirkte der Konvent (mit Unterstützung von Dr. Caspar Wirt) die Erlaubnis für Küblers Verbleib im Amt. Jedoch wurde Kübler bereits 1503 zum Seelsorger des Dominikanerinnenklosters St. Margaretha und St. Agnes in Strassburg berufen; der energische Einspruch des Konvents (im Einvernehmen mit Kübler) scheiterte wiederum an der nicht erlangten Inkorporation. Nachdem das Kloster nach Küblers Versetzung mehr als ein Jahr lang ohne eigenen Seelsorger geblieben war, erwirkte der Konvent (unter erheblichem Aufwand und beträchtlichen Kosten) durch die Vermittlung von Dr. Kaspar Wirt eine päpstliche Bulle, die den Konvent berechtigte, der observanten Richtung angehörige Lesemeister zu verdingen. Im Jahre 1505 trat Johannes Weintrübel vss dem convent hall das Amt des Beichtvaters an.63 Sein Nachfolger, Johannes Küfer von Keschingen, schied nach vier Jahren aus dem Amt.64 Nach einer kurzen Zeit der Vakanz (Ostern bis 4. Mai 1513) kam Othmar Engeler aus dem observanten Predigerkloster Colmar.65 1514 erwarb dieser für den Konvent eine Ablass-Bulle vom 61 So verhinderte der Bischof mit seinem Veto auf Dauer die Inkorporation in den Orden. – Lateinische und deutsche Abschrift der Visitationsakte in StiASG, Bd. 177, S. 288 ff., HS IV /5,2 (1999), S. 759. 62 Yll war zum Subprior seines Heimatklosters in Konstanz berufen worden. – Zum Amtsantritt Küblers KlA Wil, Chronik, f. 87r. Unklar ist, ob nicht zuvor für kurze Zeit Markus von Wimpfen, ebenfalls von Chur, interimistisch das Amt versehen hat [vgl. Vogler, St. Katharina (1938), S. 120, mit Anm. 4, sowie HS IV /5,2 (1999), S. 757]: Der fragliche Chronik-Eintrag (KlA Wil, f. 88r, zum Jahr 1500), in dem auch marcus von wympfen erwähnt wird, ist syntaktisch und inhaltlich unklar. 63 Die Chronik erwähnt ihn lediglich bei seinem Weggang 1509 (f. 122r): Er habe sein Amt während vier Jahren ausgeführt, jedoch aufgrund seiner schwachen Gesundheit den Dienst quittiert. Hernach stand er seinem Nachfolger Johannes Küfer noch neun Monate als Kaplan zur Seite; die beiden harmonierten jedoch offenbar nicht miteinander, so dass Weintrübel 1509 St. Katharina verliess (in gutem Einvernehmen mit dem Konvent; a. a. O.). 64 KlA Wil, Chronik, f. 136r, zum Jahr 1509, ohne Angabe von Gründen (?). 65 A. a. O.; hier sind erstmals detaillierte Anstellungsvereinbarungen zwischen Konvent und Lesemeister (betreffend Messelesen/-singen und anderes) festgehalten, abschliessend: [. . .] wenn er aber nit me by¨ vns beliben welt oder wir

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päpstlichen Nuntius Ennius Filonardus, unterstützt von juncker hans keller von zu´rich, dessen Tochter Regula am 10. Mai desselben Jahres eingetreten war.66 Nach vierjähriger Amtszeit verliess Engeler das Katharinen-Kloster, worauf die Stelle des Seelsorgers erneut für ein Jahr vakant blieb; interimistisch wurden die Schwestern vom Terminierer in St. Gallen, Johannes von Montafon, betreut.67 Nachdem sich die Schwestern zunächst vergeblich um Ersatz bemüht hatten, kam 1518 als neuer Hausgeistlicher Tillmann Hunsttorff – der sich aber als ungeeignet erwies und im April 1520 das Kloster wieder verliess.68 Bald danach folgte als Lesemeister Dr. Wendelin Oswald (von Sommeri);69 1522 übernahm dieser auf Bitte des Abtes die Predigerstelle am St. Galler Münster, amtete jedoch auch weiterhin als Beichtiger der Katharinen-Schwestern (allerdings mit halbem Salär).70 Die Reformation beendete gewaltsam die höchste Blüte des KatharinenKlosters: 1524 musste Wendelin Oswald (der ein entschiedener Gegner der sich abzeichnenden Reformation war) seine Tätigkeit als Lesemeister in St. Katharina auf Druck von Rat und Volk aufgeben.71 Nach kurzem Aufschub dank einer Appellation des Konvents an den Konstanzer Bischof und

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in nit gern me haben So sol er vns vnd wir im dz vor ainem monet vor dem zil o o lon wissen / dz wir vns zu baiden sitten wissind zu versechen. r KlA Wil, Chronik, f. 143 , dort: Ennius phy¨lonardus; Vogler, St. Katharina (1938), S. 115. KlA Wil, Chronik, f. 152v (wieder ohne Angabe von Gründen für das Ausscheiden Othmar Engelers); aus seiner Amtszeit stammt eine Handschrift mit Predigten (Wil M 45), welche Regula Keller niedergeschrieben hat; zur Zuweisung an die Hand der Regula Keller siehe Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 66, sowie ›Katalog der Handschriften‹. KlA Wil, Chronik, f. 152v (zum Antritt Tillmanns Hunttsdorffs), zu seinem Ausscheiden a. a. O., f. 162v: [. . .] wz ij jar by¨ v´ns gesin vnd die zit hat er v´ns gar o o vil gestanden won er nit vermugen hat zu tun wz v´ns nott wer gesin / ist nit fu´r e v´ns gesin / got fug jm vnd v´ns wz sin lob sig. A. a. O., f. 162v; Prior der Konstanzer Dominikaner 1518–1520; HS IV /5,1 (1999), Dominikaner Konstanz: Prioren, S. 407 f. (Lit.). KlA Wil, Chronik, f. 171r. Offenbar war er der letzte Lesemeister, den die Schwestern verdingten: Die Chronik schweigt fortan diesbezüglich. Im Jahre 1524 ist er in der Chronik nochmals als Lesemeister erwähnt (f. 176r), zu Wendelin Oswald als vehementem Reformationsgegner Vogler, St. Katharina (1938), S. 167 ff.; doch seine Resignation ist in der Chronik nicht vermerkt. Ab 1524 verzeichnet die Chronik nur noch die Jahresrechnungen (bis 1528); von den Wirrnissen und Verheerungen der Reformation berichtet sie mit keinem Wort; zum folgenden siehe daher HS IV /5,2 (1999), S. 759–762, sowie Vogler, St. Katharina (1938), S. 169–216.

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I Einleitung

die katholischen Orte der Eidgenossenschaft konnte sich das Kloster dem Zugriff des städtischen Rats nicht länger entziehen:72 1527 wurde auf Anordnung des Rats die Kirche von Ratsknechten ihrer künstlerischen Ausstattung beraubt, der Kirchturm wurde abgebrochen, selbst die Zellen der klausurierten Nonnen wurden vandalisiert. Die Schwestern, allen voran die Buchmeisterin Regula Keller, versuchten (unbemerkt), Fragmente des ehemaligen Kirchenschatzes, verbliebene Bildwerke und vor allem Bücher, die sie in umliegende, von der Reformation nicht betroffene Schwesternhäuser (St. Georgen, Notkersegg, Appenzell) brachten, zu retten.73 Im selben Jahr wurde St. Katharina das Recht zur Verwaltung seines Besitzes entzogen, indem auf Beschluss des Grossen Rats der Stadt vier Vögte über das Kloster gesetzt wurden.74 Im November desselben Jahres wurde dem Konvent vom Rat der Reformator Dr. Christoph Schappeler als Prediger aufgezwungen. Am 2. Mai 1528 hob der Rat die Klausur des Klosters auf; am 25. Juli verabschiedete er einen Erlass, der die Nonnen zum Ablegen ihrer Ordenstracht zwang. Unter dem Eindruck weiterer Repressalien, die ein gemeinsames Ordensleben verunmöglichten,75 löste der ca. 51 Mitglieder zählende Konvent sich nach und nach auf: Nur drei Schwestern (Katharina von Watt, Schwester des Reformators Vadian, Barbara Studer und Petronella Mangolt) traten zum neuen Glauben über; in den Klostergebäuden blieben zuletzt nur noch die Buchmeisterin Regula Keller, die Schaffnerin Elisabeth Schaigenwiler sowie die Laienschwester Katharina Täschler – zeitweise unter strengem Hausarrest. Zermürbt vom Druck des Rats und der eigenen Verwandtschaft wurden sie 1554/55 mit einem Leibgeding, das in keinem Verhältnis zum 72 Da es seit seiner Aufnahme in Stadtbürgerrecht (1376, siehe oben) nicht nur der Schirmherrschaft, sondern auch der Gebotsgewalt des städtischen Rats unterstand. 73 Ohne sie wäre weder im Exil auf dem Nollenberg noch nach dem Neuanfang in Wil (siehe unten) ein geregeltes Ordensleben möglich gewesen; zum beherzten Eingreifen namentlich der Buchmeisterin Regula Keller siehe Kap. III .4.2: Buchmeisterin, S. 175–177. 74 7. 8. 1527, unter dem Vorwand wirtschaftlichen Niedergangs: Tatsächlich war die wirtschaftliche Lage des Klosters sehr gut; erst nach der Bevogtung schwanden die Klostergüter zusehends, vgl. KlA Wil, Urbar, fol. 1 r: die hof sind in der widerwertigen zit der luttery von denen von sant Gallen verkofft worden, a. a. O., f. 4v. 75 Die meisten traten, teils nach kurzem Aufenthalt in ihren Familien, wieder in andere Klöster in den katholisch gebliebenen Regionen der Eidgenossenschaft ein.

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Wert der Klostergüter stand, vom Rat hinauskomplimentiert. Die Stadt behändigte Gebäude und Güter des Klosters. Regula Keller baute, nach Zwischenstationen in den Schwesternhäusern St. Georgen und Notkersegg, gemeinsam mit Elisabeth Schaigenwiler und Katharina Täschler sowie zwei jungen Postulantinnen ab 1561 einen bescheidenen Konvent in einem verlassenen Schwesternhaus auf dem Nollenberg (bei Wuppenau TG ) auf.76 Da der Nollenberg (von den Schwestern »Catharinenberg« genannt) auf die Dauer nicht geeignet war als Heimstatt eines anwachsenden Konvents und für die Verpflichtung eines Seelsorgers, wandten sich die Schwestern auf der Suche nach einer neuen Klosterstätte an Abt Bernhard Müller von St. Gallen. Dieser war – da der Nollenberg ausserhalb des Klosterstaats St. Gallen lag – gern bereit, den Konvent wieder auf seinem Hoheitsgebiet anzusiedeln. Bei der Suche nach einem geeigneten Territorium fiel der Entscheid auf die Stadt Wil, die als Nebenresidenz des Fürstabts im Klosterstaat eine bedeutende Rolle spielte.77 Nachdem der (damals achtköpfige Konvent) für kurze Zeit Aufnahme in der Samnung Wil gefunden hatte, zogen die Schwestern im Sommer 1607 in das neuerbaute Kloster ein.

76 Der Nollenberger Konvent war Rechtsnachfolger des St. Galler KatharinenKlosters, welches er 1594 an die Stadt verkaufte. HS IV /5,2 (1999), Art. ›Nollenberg‹ (Magdalen Bless-Grabher), S. 724–737; Vogler, St. Katharina (1938), S. 217–232. 77 HS IV /5,2 (1999), S. 762; Vogler, St. Katharina (1938), a. a. O.

II Schrift- und Buchkultur im Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen 1 Ordensreform und Bibliothekszuwachs in Frauenklöstern des 15. Jahrhunderts1 Grundsätzlich bestand ein enger funktionaler Zusammenhang zwischen (Kloster-)Reform und Schriftlichkeit.2 Im Dominikanerorden, in dem Schriftund Buchkultur – als Voraussetzung seiner Anbindung an die Studienkultur der Universitäten – einen hohen Stellenwert hatten, wurde von jeher das Buchwesen mit grösster Sorgfalt gepflegt. Welch grosse Bedeutung der Schriftlichkeit beigemessen wurde, lassen bereits die Ordenskonstitutionen erkennen, welche die Bibliothek den kostbarsten Schatz eines Konvents nannten. Für die Dominikaner, welche Schriftlichkeit im Bewusstsein um deren Nutzen und Funktion »in virtuoser Weise« handhabten, bedeutete Schriftlichkeit »einen wichtigen Teil [ihrer] Identität und [ihres] Selbstbewusstseins«:3 Die praktische Ausrichtung des Ordens auf Predigttätigkeit und Seelsorge bedingte, dass die Brüder zur Erfüllung ihres Auftrags 1 Auf dem Hintergrund der Gender-Debatte vgl. hierzu folgendes Zitat: »[Z]u welchem Zweck suchten die Frauenklöster solche Bücherschätze zusammenzubringen? Nicht aus wissenschaftlichem Interesse, w e i l i h n e n d a s n a c h i h r e r A n l a g e f e r n e s t a n d [Hervorhebung der Verf.in], vielmehr aus praktischen Gründen [. . .].« Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 343. 2 Siehe Klaus Schreiner, Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform. Funktionen von Schriftlichkeit im Ordenswesen des hohen und späten Mittelalters, in: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungen und Entwicklungsstufen. Akten des Internationalen Kolloquiums 17.–19. Mai 1989, hg. v. Hagen Keller u. a., München 1989 (Münstersche Mittelalter-Schriften 65), S. 37–75. 3 Vgl. die ›Laudatio der Schriftlichkeit‹ von Humbertus de Romanis, in: ders., Opera de vita regulari, ed. Joachim Joseph Berthier, Bd. II (Rom 1889), S. 2, zitiert unter anderen bei Klaus Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung klösterlicher Observanz im hoch- und spätmittelalterlichen Mönchtum, in: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, hg. v. Gert Melville, Köln u. a. 1992, S. 295–341, hier S. 311. Vgl. auch Angelus M. Walz, Vom Buchwesen im Predigerorden bis zum Jahre 1280, in: Beiträge

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Zugriff auf reich ausgestattete, gut organisierte Konventsbibliotheken haben mussten. Im Kontext der Reformbestrebungen trat hinzu, dass die Rückbesinnung auf die Ideale der Gründerphase zweihundert Jahre nach der Gründung des Ordens nicht mehr auf personaler Vermittlung beruhen konnte: Nunmehr wurde der Bestand der überlieferten Literatur zum Garant der Kontinuität der Ordenstradition, die Verschriftlichung und Verbreitung der Reformprogrammatik zum Garant der Stabilität des Ordenskonzeptes. Dabei waren sich die Ordensreformer bewusst, »dass sich Reform nicht in Nachahmung und Neubelebung normativer Gründungsgeschichte erschöpft«. Im Verständnis von Ordensgeschichte als offener, unabgeschlossener Geschichte erstrebten sie daher zeitgebundene Auslegung und Verwirklichung der Ordensregel. Herstellung von Observanz begriffen sie als Versuch, »kollektiv vereinbarte Reformziele zu dauerhaften Elementen der klösterlichen vita communis zu machen«.4 Der Zugang zu den institutionellen Studiengängen (und damit unter anderem das Ausüben einer Predigttätigkeit) war den Dominikanerinnen verwehrt.5 Ein deutlicher Schub in der Schriftkultur der Konvente ist aber gleichwohl nach dem Einsetzen der Reformbemühungen in zahlreichen Beispielen dokumentiert.6 Mit der Intensivierung des Einsatzes von Schriftlichkeit in den observanten Dominikanerinnenklöstern fand eine »Übertragung einer bisher vom männlichen Ordenszweig gehandhabten Schriftpraxis im Bereich der Normen auf die Frauen« statt, der zufolge nicht nur »der Einsatz von Schriftlichkeit für die beiden Ordenszweige [. . .] einander [weitestgehend] angeglichen« wurde; sondern darüber hinausgehend »den Frauen erstmals umfassende, sehr präzise und vor allem einheitliche Anweisungen zum Umgang [mit] und [dem] Einsatz von Schriftlichkeit im zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. Fs. M. Grabmann, Münster 1935, S. 111–127. 4 Schreiner (wie Anm. 2), S. 42. 5 Ein öffentliches Auftreten in der Funktion einer Predigerin oder Seelsorgerin war nach kanonischem Recht allen Frauen strikt untersagt; vgl. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 23. Demzufolge bedurften sie auch keiner auf diese Bedürfnisse hin angelegten Bibliothek; folgerichtig ist auch eine systematische Bibliothekspflege für den 2. Orden erst mit der einsetzenden Reformbewegung im 15. Jahrhundert nachzuweisen. 6 Zum Beispiel St. Katharina, Nürnberg; St. Nikolaus in undis, Strassburg; vgl. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 279–286. Schreiner hebt daher die allgemeine Bedeutung monastischer Reformen als »Schubkraft von Schriftkultur« hervor: ders., Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform (wie Anm. 2), S. 42.

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klösterlichen Alltag weit über die Normenverschriftlichung hinaus gegeben« wurden.7 »In einer Zeit rasch zunehmender Schriftlichkeit« machten sich die Ordensreformer »die Wirkung deutscher programmatischer Texte, die durch Kopieren, Lesen und Vorlesen in den einzelnen Frauenkommunitäten leicht weite Verbreitung finden konnten«,8 zunutze für die Durchsetzung ihres Reformzieles: einer Lebensführung nach den in der Regel niedergelegten Vorgaben. So wurde mit der Reform in den Dominikanerinnenklöstern ein bislang nicht gekannter Bedarf an Büchern ausgelöst. Der Schreibvollzug wurde zum exercitium scribendi, einem uneigennützigen Dienst an der (Konvents-)Gemeinschaft, mit dem die Schwestern in der Schreibstube dem gesteigerten Bedarf an Büchern nachzukommen suchten.9 Darüber hinaus war das Abschreiben geistlicher Literatur nicht nur eine »disziplinierende und für andere nützliche geistliche Beschäftigung«, wie von den Reformern propagiert: Johannes Meyer betonte im ›Ämterbuch‹, das es von dem groesten trost ist den guotwilligen beschlossnen closter frowen haben mug mugent [sic, Verschrieb] Jn dem das sy¨ hand [. . .] vil

7 Insbesondere mit dem ›Ämterbuch‹ und dem ›Buch der Ersetzung‹ des Johannes Meyer; Zitat Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 200 f. Die Annäherung umfasste auch, dass nunmehr mit dem ›Ämterbuch‹ und dem ›Buch der Ersetzung‹ ein Rückstand betreffend die Normen für Frauenklöster ausgeglichen wurde, nachdem im männlichen Ordenszweig Verfassungsänderungen (durch Beschlüsse der Provinzial- und Generalkapitel) mit entsprechenden Ergänzungen an den Konstitutionen über einen Zeitraum von 200 Jahren hinweg Rechnung getragen worden war, während eine Weiterentwicklung der Konstitutionen für den weiblichen Ordenszweig nicht vorgenommen worden war; die ›Constitutiones sororum ordinis fratrum praedicatorum‹ des Humbertus de Romanis hatten, nachdem sie 1259 approbiert worden waren, keine Veränderung mehr erfahren. 8 Pfaff, Bild und Exempel (2003), S. 221. 9 Das exercitium scribendi diente deshalb nicht der individuellen Formung der Persönlichkeit; es handelte sich auch nicht um aktives Formulieren, sondern um passives Abschreiben. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 203; Pfaff, Bild und Exempel (2003), S. 229. – Die Auffassung des Schreibvollzugs als exercitium findet sich ähnlich bei der Devotio moderna: Deren »Bücherpflege« ist in ihren charakteristischen Merkmalen – Bemühungen um Erwerb, Sammlung, Vervielfältigung und Verbreitung von Büchern – in gewissem Sinne vergleichbar mit den Intentionen der dominikanischen Ordensreformer; Bücherpflege war ein wesentlicher Teil des Bildungs- und Ausbildungssystems der Devoten. Siehe Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 203, mit Verweis auf Nikolaus Staubach, Pragmatische Schriftkultur im Bereich der Devotio moderna, in: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), S. 418–461, hier S. 420 ff.

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guoter vnd bewerter buecher [. . .] Da von sy¨ dick gaistlich trost rilich enpfachen mugent vnd fu´rdrung vnd stu´r czuo ainem saelgen leben [. . .].10 Der Bibliothekszuwachs in den reformierten Konventen ist somit als eine direkte Folge der in der »Reformprogrammatik des Ordens festgeschriebene[n] bedeutende[n] Rolle von gemeinschaftlicher wie privater Lektüre im Klosteralltag« anzusehen.11 Den Reformern war jedoch »nicht nur die blosse Vermehrung der Bibliotheksbestände« ein Anliegen, »sondern auch die textliche Qualität der zu verbreitenden Literatur«: Williams-Krapp hielt fest, »dass die für die Reform Verantwortlichen auch die Texte selbst intensiv kontrollierten«.12 Johannes Meyer wies die Schwestern in den observanten Konventen wiederholt dazu an, für ›textkritisch einwandfreie‹ Manuskripte in ihrer Bibliothek Sorge zu tragen.13 Auch die im Schwesternbuch überlieferten Berichte von den gewonhaiten der Nürnberger Dominikanerinnen enthalten im Abschnitt von den S rn die da schribend wie sich die haltend Hinweise zum Korrigieren von Handschriften (sowohl des Textes als auch der Noten).14 Verantwortlich hierfür war vor allem die Buchmeisterin, aber auch die Subpriorin sowie die Lectrix und Correctrix 10 Ü Ms. 5, f. 213ra. Williams-Krapp, Ordensreform (1986), S. 43, formulierte prägnant: »Lesen [wurde] im Frauenkonvent quasi Ersatzleistung für die [aufgrund der strengen Klausur, Anm. d. Verf.in] eingeschränkten Möglichkeiten einer vita activa«. 11 Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 4. Zu der von den Ordensreformern propagierten Rolle der Lektüre vgl. [Humbertus de Romanis], Auslegung der Regel des heiligen Augustinus, deutsche Übersetzung, Wil A.16, f. 152v–153r; siehe Kap. III .5.2: Bücher für die private Andacht, S. 192 ff. 12 Williams-Krapp, Ordensreform (1986), S. 50. – Die Kontrolle wortwörtlicher ›Richtigkeit‹ und insbesondere auch die Betonung liturgischer Formelhaftigkeit reicht letztlich bis zu antik-römischen Vorstellungen zurück. Dort lag in der genauen schriftlichen Fixierung eines (religiösen) Texts die Voraussetzung und Garantie für die Gültigkeit, für das ›Ankommen‹ des Gebets: Nur korrekte, also in ihrem Wortlaut kontrollierte und korrigierte Bücher (libelli bene correcti) können diesen Anspruch einlösen. Vgl. Felix Heinzer, Exercitium scribendi – Überlegungen zur Frage einer Korrelation zwischen geistlicher Reform und Schriftlichkeit im Mittelalter, in: Hans-Jochen Schiewer/Karl Stackmann (Hgg.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften, Tübingen 2002, S. 107–127, hier S. 111, mit Anm. 114 (Hinweis auf Arnold Angenendt, Libelli bene correcti, in: Das Buch als magisches und als Repräsentationsobjekt, hg. v. Peter Ganz, Wiesbaden 1992, S. 117–135, vor allem S. 118 f., S. 127, S. 129). 13 Zum Beispiel im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 12va. 14 KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvijr, siehe auch Kap. II .3.1.1: Ausbildung im Kloster, S. 65.

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mensae.15 Für das Katharinen-Scriptorium16 belegen entsprechende Chronik-Einträge sowie Textkorrekturen in den Codices, dass Handschriften nach ihrer Fertigstellung ›überarbeitet‹ wurden,17 und dass ältere Exemplare, die nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprachen, nach geliehenen Vorlagen, welche die ›bessere‹, verbindliche Fassung enthielten, korrigiert wurden.18 Dies war häufig der Fall bei den Liturgica, für die (aufgrund von Beschlüssen der Provinzial- und Generalkapitel) von der Ordensleitung immer wieder neue Richtlinien herausgegeben wurden; aber auch bei den Regeltexten, zumal wenn es sich um volkssprachliche Übersetzungen handelte:19 Normative Texte mit weiter zurückreichender Tradition waren meist nicht nur inhaltlich wie sprachlich überholt, sondern durch Korrekturen und/oder Adaptionsbemühungen der Abschreiber(innen) inhaltlich verfälscht und/oder sprachlich korrumpiert worden.20

2 Die Entstehung eines Scriptoriums zum Aufbau einer observanten Bibliothek im Katharinen-Kloster 2.1 Die Zunahme der Schreibtätigkeit in Zusammenhang mit den Reformbestrebungen unter dem Priorat der Angela Varnbühler (ab 1476) Wie gesehen, sind die Bestandesentwicklungen »der noch greifbaren Bibliotheken in den Reformklöstern des Spätmittelalters [. . .] stets von einem beachtlichen Anstieg in der Herstellung, in der Schenkung und im Ankauf von Büchern nach der Einführung der Reform gekennzeichnet. In der Regel 15 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, zur Buchmeisterin f. 12va, zur Subpriorin f. 36ra–36va, zur Lectrix mensae f. 29ra, zur Correctrix mensae f. 29rb. 16 Zur Bedeutung von ›Scriptorium‹ siehe Kap. II .4.2: ›Frauenscriptorium‹, S. 118, Anm. 349. 17 Vgl. KlA Wil, Chronik, f. 3v (Korrigieren der alten Processionalia), f. 5v (Korrektur des Graduale ab einer Nürnberger Handschrift), sowie Cod. sang. 363, Cod. sang. 406, Cod. sang. 1066, Cod. sang. 1919 und andere, vor allem Wil M 41 mit Kolophon zweier Korrektorinnen f. 49r. Ob hierin eine direkte Umsetzung der Anleitungen Johannes Meyers zu sehen ist, muss dahingestellt bleiben, da nicht bekannt ist, seit wann sein ›Ämterbuch‹ in der KatharinenBibliothek vorhanden war. 18 KlA Wil, Chronik, f. 3v, f. 5v. 19 Volkssprachliche Übersetzungen von Verfassungstexten für die Dominikanerinnen datieren bis ins 13. Jahrhundert zurück: Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 198, siehe auch a. a. O., S. 179–181. 20 Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 198.

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bestanden die Bibliotheken reformierter Klöster, konservativ geschätzt, zu über 80 % aus Büchern, die in der Zeit nach der Reform hergestellt wurden oder ins Kloster gelangten.«21 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass »die Bibliothek sowie Quantität und Qualität des Bücherbestandes« als »sicheres Indiz für die begriffene und betriebene Reform in Klöstern« zu bewerten sind.22 Der Umfang des Buchbestandes im Katharinen-Kloster vor der Reform liegt mangels Quellen im Dunkeln; die (erhaltenen) Zeugnisse zum Konventsleben in St. Katharina setzen erst mit den Reformbestrebungen ein. Die (älteren) Bände, für die eine Provenienz aus dem Katharinen-Kloster vermutet werden kann, tragen keinen entsprechenden (frühen) Besitzeintrag, da eine bewusste Pflege des Buchbestandes, zu der auch das Versehen der Codices mit Besitzeinträgen zu rechnen ist, erst mit der Etablierung observanten Gedankengutes einsetzte. Ob überhaupt eine systematisch geordnete Bibliothek vorhanden war, ist mangels Quellen nicht bekannt.23 Jedoch weisen einige Handschriften hinsichtlich ihrer Entstehung in die Zeit vor 1481/82 (d. h. ihre Herstellung ist in der Chronik nicht verzeichnet, s. u.).24 Auch die vergleichsweise hohe Zahl von ca. 233 Bänden, welche die 21 Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 3. Zu beachten ist, dass im Aufsatz von Williams-Krapp, Ordensreform (1986) bei der Analyse des Phänomens der »Literaturexplosion« resp. der »Überlieferungsexplosion« [nach dems., ebd., S. 41] die Grenzen zwischen den moniales als Rezipientinnen im engeren Sinn und den illiterati als Rezipienten in einem weiteren Sinn tw. fliessend sind. Vgl. auch den ma. Bibliothekskatalog Nürnberg [Ruf, MBK III /3 (1939), S. 596–638; die dort gegebene Datierung »1455–1461« ist gemäss Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 395, für den Grundstock des Katalogs zu korrigieren: Terminus ante quem ist 1457 (Tod der Schreiberin Kunigund Niklasin)], in dem Bücher, welche der Konvent bereits vor der Reform besass, mit dem Vermerk ist vor der reformyrung hynnen gewest versehen sind. 22 Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 202. 23 Der Mangel an Quellen (konkret: der Mangel an ev. im Katharinen-Scriptorium im 14. Jh. geschriebenen Hss., ev. eines Bibliotheksinventars) aus der Zeit vor der Reform kann nicht, wie bei Bless-Grabher in HS IX /2 (1995), S. 594, Anm. 30 [vgl. jedoch diesbzgl. dies. in HS IV /5, 2 (1999), S. 741], mit dem Stadtbrand von 1418 in Zusammenhang gebracht werden: siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 33, Anm. 30. 24 Einzelne jener Schwestern, die sich 1459 der gemaind angeschlossen hatten, begannen bereits in den 1470er Jahren mit dem Schreiben von Handschriften: Von einer Katharinen-Schwester um 1475 (gemäss der WZ ) geschrieben wurden die Codd. Wil M 1, M 4, M 5, M 12, Cod. sang. 407 u. 477; zur Begründung siehe im ›Katalog der Handschriften‹.

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Priorin im Jahr 1484 verzeichnete, kann kaum in ca. 25 Jahren (seit dem ersten Reformschritt 1459) angewachsen sein:25 Aufgrund dessen darf (mit aller Vorsicht) geschlossen werden, dass der Konvent bereits vor der Reform über einen nicht geringen Bestand an Büchern verfügte.26 Wie dieser zustandegekommen war – ob grösstenteils durch Schenkungen, oder auch durch Herstellung von Schreiberinnen des Konvents –, und wie er sich inhaltlich zusammensetzte, muss offen bleiben.27 Ebenso ist nichts darüber 25 Gemäss den Bibliotheksverzeichnissen von 1484, Chronik, f. 34r–35r, und 1507, Chronik, f. 111v, wuchs der Bestand aufgrund der intensivierten Schreibtätigkeit im Konvent und aufgrund von Schenkungen in knapp 25 Jahren um rund 70 Bde. an; siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, S. 129 (ff.). 26 Vogler, St. Katharina (1938) vermutet, dass »[d]ie Bücher, die [. . .] [im Verzeichnis] von 1484 genannt sind, [. . .] wohl zum grösseren Teil dem XIV . Jh.« angehörten. Ihre quantitative Schätzung, dass sich der Bücherbestand »schon vor der Reform auf mindestens 250 Nummern belaufen« haben mochte (ebd., S. 151), scheint zu hoch gegriffen: Diese Zahl ist rein hypothetisch, da mangels Quellen für die Zeit vor der Reform nicht verifizierbar, und erscheint unrealistisch. Die von Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 661, in Anm. 37 zu den Anfängen der Bibliothek angegebenen Urkunden in Chartularium Sangallense IV (1985), liefern keine Indizien dafür, »dass das Haus eine Schreibstube und vielleicht auch eine Buchkammer besass« (ders., ebd.): Chartularium Sangallense IV (1985), Nr. 1940 und Nr. 1941 stammen von Notarshand und betreffen Käufe u. Verkäufe des Katharinen-Klosters; ebd., S. 130 f., Nr. 1954 hat keinerlei Zusammenhang mit dem Katharinen-Kloster. – Bei Bless-Grabher, in: HS IV /5, 2 (1999), S. 731, in Anm. 22 dieselben Urkunden, zusätzlich Chartularium Sangallense IV (1985), S. 132 f., Nr. 1956: »von Hand des Frauenklosters am Brühl«; nicht nachvollziehbar ist bei Bless-Grabher ebd., dass die Urkunden »in schöner Schrift offenbar im Konvent selbst von einer Schwester geschrieben« worden seien. 27 Die elementaren Liturgica (Gradualia u. Messbücher für den Gottesdienst, aber auch Breviere u. Psalterien für den Chordienst) müssen schon vor dem Einsetzen der Reformbestrebungen im Kloster vorhanden gewesen sein, jedoch vermutl. nicht in der von Vogler, St. Katharina (1938), S. 151, angegebenen Zahl von rund 250 Büchern. Die Bücher des ›älteren‹ Bestandes wurden vermutl. später nach und nach verschenkt, veräussert oder vermakuliert (zu Koperteinbänden u. Einbandmakulatur siehe im ›Katalog der Handschriften‹) und durch den neuen Anforderungen genügende Bücher ersetzt. – Vgl. auch das Bsp. des Dominikanerinnenklosters St. Katharina Nürnberg, wo eine Klosterbibliothek (in bescheidenen Ausmassen) seit dem 14. Jh. vorhanden war; der älteste Bücherbestand, der grösstenteils durch Schenkungen zustandegekommen war, umfasste, gemäss Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. XII , vermutlich rund 45 Bände (aufgrund des alten Katalogs); so auch MBK III /3 (1939), S. 570.

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bekannt, in welchen Räumlichkeiten die Bücher des Katharinen-Klosters untergebracht waren.28 Da eine Bibliothek im eigentlichen Wortsinn in den Quellen nicht bezeugt ist, kann die Existenz einer solchen nicht mit Bestimmtheit behauptet werden, musste doch auch Johannes Meyer davon ausgehen, das man in etlichen cloestern Soellich libery¨ nit havt vnd die buecher allain in kisten vnd kasten oder in andern behalttern sind ligen.29 Parallel zum Einsetzen der konventsinternen Reformbestrebungen ist in den zeitgenössischen Quellen des Klosters eine lebhafte Abschreibetätigkeit dokumentiert.30 Bereits die Anlage eines Wirtschaftsbuchs sowie insbesondere der Konvents-Chronik (1481/82)31 durch die Priorin Angela Varnbühler, welche nicht ohne Stolz über die ersten erfolgreich durchgeführten Reformmassnahmen im Konvent berichtet, aber auch über die Jahresrechnungen der Schaffnerin Rechenschaft ablegt, sind äussere Zeichen eines Willens zur Neuordnung, der sich der Schriftlichkeit bedient und sich in akribischem Buchführen niederschlägt.32

28 Dies gilt für die Zeit vor der Reform ebenso wie für die spätere Zeit. – Betr. Anlage und Ausstattung der Bibliothek füllt Vogler, St. Katharina (1938), S. 151 f., die Lücken in den Quellen unzulässigerweise mit Zitaten aus dem ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer auf, ohne dass deren Übertragbarkeit auf die Verhältnisse in St. Katharina, mangels Quellen, kritisch überprüfbar wären. 29 Vgl. griech. hë uhÂkh: Behältnis, Aufbewahrungsort. – ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 212va; siehe auch Kap. III .4: Organisation der Bibliothek, S. 170. 30 Musterbeispiel für den Bücherzuwachs in einem der Observanz zugeführten Konvent ist das Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina mit seiner »spektakulären Bibliothekserweiterung« [Williams-Krapp, Observanzbewegung (1995), S. 3], aber auch die observanten Dominikanerinnenklöster St. Nikolaus in undis (Strassburg), Schönensteinbach und Altenhohenau [MBK IV /2, München 1979, Bistum Freising (Günter Glauche), S. 599–604] verfügten nachweislich über ein Scriptorium und einen ansehnlichen Bücherbestand; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 279–286. – Die These von Williams-Krapp, Ordensreform (1986) von der Observanzbewegung als entscheidender Bedingung für die Literaturexplosion im 15. Jh. ist für das Beispiel Nürnberg insofern zu relativieren, als die Bibliothek des Konvents zu mehr als der Hälfte aus Büchern aus Privatbesitz der Schwestern bestand. In diesem Sinne auch Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 197, mit Anm. 30. 31 Das Urbar, mustergültig geführt, um 1450, KlA Wil (ohne Sign.), Vogler S. 260, Nr. 90; zur chronologischen Einordnung der Chronik siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 32 Diese neue ›Verwaltungsrationalität‹ betrifft nicht nur die Ökonomie der Konvente, sondern erstreckt sich auch auf deren Archiv- und Bibliotheksverwaltung; Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 200. Weitere Beispiele hierfür

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II Schrift- und Buchkultur in St. Katharina St. Gallen

Die Mehrung des Buchbestandes war dem Konvent in Zusammenhang mit seinen Reformambitionen offenkundig ein sehr wichtiges Anliegen.33 Die Schreibtätigkeit der Katharinen-Schwestern ist für einen Zeitraum von rund 40 Jahren (1481–1513) belegt; ab ca. 1505 jedoch scheint die Handschriftenherstellung im Katharinen-Scriptorium, gemäss den spärlicher werdenden Chronik-Einträgen, ihren Zenit überschritten zu haben, so dass die meisten Handschriften in rund einem Vierteljahrhundert entstanden sein dürften. Nach der Jahrhundertwende wurden vermehrt die älteren Bücher (Breviere, Psalterien) ergänzt und neu eingebunden, sowie gedruckte Bücher gekauft und ergänzt um das, wz gemanglet hat.34 Auf ein Nachlassen der konventeigenen Handschriftenherstellung35 könnte auch hinweisen, dass ungefähr ab der Jahrhundertwende Verwandte (meist Frauen) sich an den Kosten von Schreibarbeiten ihrer Töchter, Nichten oder Enkelinnen im Konvent beteiligten oder diese vollumfänglich übernahmen.36

33 34 35 36

sind das Berner Inselkloster (StA Bern, Urbar Insel Nr. 1, 1464; ebd., Dokumentenbuch Insel Nr. 1, 1466), das Basler Steinenkloster [HS IV /5, 2 (1999), St. Maria Magdalena an den Steinen (Petra Zimmer), S. 597–600], das Nürnberger Katharinen-Kloster, u. e. m.; Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 185. Zudem war sie auch eine Notwendigkeit, um den Bedarf der rasch wachsenden Klostergemeinschaft von Chor- und Laienschwestern (sowie Novizinnen) zu decken. Bereits 1489 hatte der Konvent zwei gedruckte Diurnalia gekauft, ergänzt und eingebunden: Chronik f. 61v; 1493 folgen zwei gedruckte Breviere für 3 Gulden: Chronik, f. 70r. Zu den Jahren 1496, 1498, 1509 und 1512 finden sich keinerlei Einträge zum Scriptorium in der Chronik. Chronik, f. 85r, 95r, 101r, 105r, 109r, 125v. Siehe auch Kap. III .2.1: Bibliotheksbestand, Produktion im Scriptorium, S. 144. – In manchen Schwesternhäusern besserten die Nonnen ihren Lebensunterhalt mit dem Abschreiben und Verkaufen von Büchern auf. Für das St. Galler Katharinen-Kloster ist – weder für die Zeit vor noch nach der Einführung der Reform – in den Quellen ein Anhaltspunkt dafür zu finden, dass die Schwestern selbst hergestellte Bücher verkauften, oder solche auf Bestellung von wohlhabenden Bürgern eigens anfertigten. Eine Notwendigkeit aus wirtschaftlichen Gründen bestand hierzu nicht: Das Kloster kann mit Recht als wohlhabend bezeichnet werden; zum Besitzstand des Klosters Ende der 1470er Jahre siehe auch Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 34, Anm. 37; siehe auch Vogler, St. Katharina (1938), S. 131–133; HS IV /5, 2 (1999), S. 754–756.

2 Die Entstehung eines Scriptoriums zum Aufbau einer Bibliothek

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2.2 Impulse für den Scriptoriumsbetrieb Grundsätzlich ist zu bedenken, dass die intensivierte Schreibtätigkeit der Schwestern in den Konventen nicht isoliert gesehen werden darf: Der neue Umgang mit Schriftlichkeit in den spätmittelalterlichen Frauenkonventen ist auch unter dem Einfluss zeitgenössischer pragmatischer Schriftlichkeit, etwa der städtischen Laienbildung, sowie generell in Zusammenhang mit dem Eintritt in »die veränderte spirituelle Landschaft«37 des 15. Jahrhunderts zu betrachten. Daneben hat die allgemeine Reformbewegung des Dominikanerordens in der Provinz Teutonia in den Frauenklöstern, wie gesehen, zweifelsfrei der Schriftlichkeit zu einem neuen, in der Reformprogrammatik verankerten hohen Ansehen verholfen. Schreibtätigkeit als exercitium scribendi war Teil des Programms der Ordensreformer, welche den Schwestern diese Tätigkeit wiederholt als nützliche Beschäftigung empfahlen: Schreiben (ebenso Illuminieren, wie andere handwerkliche Tätigkeiten auch) galt den Reformern als geistliche Übung und kollektiv-nützliche Betätigung, um (schädlichen) Müssiggang abzuwehren.38 Johannes Meyer ging sogar so weit, dass er nicht nur einzelnen Nonnen grosses Lob für ihre Schreib- und Illuminationskünste zollte, sondern ›seine Kinder‹ generell zum Subskribieren ihrer Schreiberzeugnisse ermunterte.39 Fragt man auf der Ordensebene nach konkreten Impulsen für die Zunahme der Schreibtätigkeit im Katharinen-Scriptorium, so kann vermutet werden, dass die Beziehungen des Konvents zu den Basler Dominikanern, die spätestens seit 1469 bestanden,40 auch die literarischen Interessen der Schwestern und damit die Bibliothek formten und förderten: Chronik und Schwesternbuch überliefern, dass die Basler Brüder – deren Konvent seit Einführung der Reform (1429) eine bedeutende Rolle als Reformzentrum in der Provinz Teutonia einnahm – seelsorgerische Beziehungen zu den Katharinen-Schwestern pflegten: In der Nachfolge des Basler Priors Johannes Nider (Prior 1429–1435/1436, †1438), der die Bedeutung der Seelsorge für die Dominikanerobservanten betont hatte,41 nahm Johannes Bötschner 37 Elm, Erneuerung des Ordenswesens (1980), S. 233 f. 38 Williams-Krapp, Ordensreform (1986), S. 43. 39 Im ›Buch der Reformacio‹: siehe unten S. 55, mit Anm. 49 (Stellen im ›Buch der Reformacio‹) und S. 57, Anm. 58 (Zitat KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvijr). 40 Siehe auch Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 34. 41 Zu seiner Rolle in der Reformbewegung siehe Johannes Meyer, ›Buch der Reformacio‹, Buch IV , Kap. 18 ff.

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(Prior 1473–1474, 1478) sich der seelsorgerischen Betreuung der St. Galler Schwestern an, indem er ihnen brieflich vnderwisung in aller [. . .] anligung sowie Bücher zuo aller behaltnus des ordens schickte.42 Kurz vor seinem Tod betraute Bötschner den Subprior Johannes Erhardi mit dieser Aufgabe, der jener ebenso getreulich nachkam, unter anderem mit weiteren Bücherschenkungen.43 Massgeblichen Einfluss übten wohl vorrangig die programmatischen Schriften der Ordensreformer aus. Leider bleibt im Dunkeln, wie und vor allem wann die St. Galler Schwestern in Kontakt mit Schriften etwa des dominikanischen Ordens-Chronisten Johannes Meyer traten, der seit 1442 Bruder im Basler Predigerkloster war: Plausibel erscheint, dass bereits der Beginn der Reformen in St. Katharina St. Gallen unter dem Einfluss Meyers stand: Der Beginn der gemaind datiert ins Jahr 1459; aus den 1450er Jahren stammen Meyers für die Ausbreitung der Observanz bedeutsame Schriften. Dass sein ›Geist der Reform‹ im St. Galler Katharinen-Kloster auf grosse Aufmerksamkeit stiess, ist anzunehmen, weil zwei von drei bekannt gewordenen Abschriften des ›Buchs der Reformacio‹ aus dem KatharinenScriptorium stammen (Cod. sang. 1916, Tübingen Md. 456).44 Meyers gesamte seelsorgerische Tätigkeit für den weiblichen Ordenszweig setzte sich zum Ziel, den Nonnen Werke und Fakten, die ihnen aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Lateinkenntnisse verschlossen waren, zugänglich zu machen. Die von Humbertus de Romanis geschaffenen konstitutiven Grundlagen des Predigerordens wurden durch Meyers Übersetzung und adaptierende Bearbeitung für die weiblichen Ordensangehörigen erst zugänglich und brauchbar.45 Im Reformkontext ging es bei den Dominikanerinnen nicht nur um die Rückbesinnung auf die Ordensanfänge, sondern vielmehr um Vermittlung und Verständnisförderung der konstitutiven Grundlagen: Die Nonnen sollten diese nicht nur wiederholt lesen, sondern auch verinnerlichen. Auf diesem Hintergrund ist Meyers gesamtes schrift42 KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxjr; zu Johannes Bötschner HS IV /5,1 (1999), S. 256. 43 A. a. O., S. 261: als Subprior belegt 1489, als Schaffner 1477–1493. Zu den Bücherschenkungen der Basler Dominikaner siehe auch Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 147–150. 44 Vogler, St. Katharina (1938), S. 81. Siehe auch Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 220. – Zu Johannes Meyer vgl. Kaeppeli, Scriptores II (1975), p. 476–480 (Lit.); CMD−CH I (1977), S. 266 (Lit.); Werner Fechter, Art. ›Meyer, Johannes‹, VL 2 6 (1987), Sp. 474–489 (Lit.). 45 Siehe Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 70 f.

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stellerisches Werk zu verstehen: Es ist ausgerichtet auf konsequente Vermittlung der Ordenstradition, sowohl der Geschichte als auch der Spiritualität, in einer den Schwestern eingängigen, ihren Gegebenheiten und Bedürfnissen angepassten Art und Weise.46 In seinem 1455 abgeschlossenen ›Buch der Ersetzung‹ gibt Meyer selbst zu erkennen, dass ihm das St. Galler Katharinen-Kloster bekannt war: ich hab auch vil closter gesehen, die nach den Regeln und Satzungen des Dominikanerordens leben, ohne dem Orden offiziell inkorporiert zu sein, und nennt unter anderen ein Kloster, das haist sant katherinen, lit in der stat sant gallen47 – was aber nicht bedeuten muss, dass Meyer dem Kloster einen Besuch abgestattet oder anderweitig persönlichen Kontakt zum Katharinen-Konvent gehabt hätte. Von seinen stark praxisorientierten, ordensreformatorischen Schriften waren die Schwestern gleichwohl unterrichtet: Das ›Ämterbuch‹ (1454), welches in zahlreichen Kapiteln verstreute Hinweise auf die Bedeutung der Schriftlichkeit in Dominikanerinnenkonventen enthält, sowie das ›Buch der Ersetzung‹ (1455) waren ab einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt in der Bibliothek des Konvents vorhanden.48 Das grundlegende ›Buch der Reformacio Prediger Ordens‹ (1468), in dem Meyer wiederholt auf die rühmenswerte Schreibtätigkeit einzelner vorbildlicher Reformschwestern zu sprechen kommt, wurde 1483 nach einer Nürnberger Vorlage im St. Galler Katharinen-Scriptorium abgeschrieben.49 Die unmittelbarsten Einflüsse kamen wohl aus dem Umfeld der Schwestern im Konvent selbst. Wenn auch aus den Quellen nicht direkt zu belegen, 46 In derselben Absicht sammelte er auch Nonnenviten, gab sie heraus und bearbeitete sie entsprechend seinen didaktischen Anliegen, z. B. die der Schwestern von Töss und von Katharinental: siehe Meyer, Katharinental (1995), vor allem S. 66–68; siehe auch Kap. III .3.2: Profil der Bibliothek, S. 167. – Im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 123ra, äussert sich Meyer zu seiner adaptierenden Bearbeitung eines auf Predigerbrüder zugeschnittenen Textes gemäss den Gegebenheiten der Frauenkonvente. 47 Ü Ms. 5, ›Buch der Ersetzung‹, f. 288ra–362vb. 48 Annähernd gesichert ist nur der Zeitpunkt der für das Kloster Zoffingen angefertigten Abschrift (Ü Ms. 5), die vor 1498 erfolgt sein muss. – Da zwei im Katharinen-Scriptorium auszugsweise erstellte Abschriften des ›Buchs der Ersetzung‹ (Ü Ms. 5, Tübingen Md. 456) in der Auswahl der Kapitel differieren, muss der Konvent wohl ein vollständiges Exemplar des ›Buchs der Ersetzung‹ besessen haben. 49 KlA Wil, Chronik, f. 27v. Die Nürnberger Vorlage-Handschrift befindet sich heute in den USA : Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts ms. 198. Zum Lob einzelner Schreiberinnen bei Johannes Meyer siehe im ›Buch der Reformacio‹, Buch III , die Kapitel 5, 26, 37, 40.

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so ist doch mit einem nicht zu vernachlässigenden Einfluss des von Angela Varnbühler schon im ersten Jahr ihres Priorates zum Lesemeister berufenen Johannes Scherl zu rechnen: Mit ihm kam ein studierter Theologe und in Fragen der Observanzbewegung erfahrener Dominikaner nach St. Katharina, der den Konvent in seinen Reformbestrebungen unterstützte und förderte.50 Es ist anzunehmen, dass der wirdig vater laesmaister51 in Ausübung seines Amtes den Schwestern dieses und jenes Buch schenkte und wohl auch darüber hinaus Anregungen zur Ausstattung ihrer Bibliothek gab. Auch die Predigten, die der Spiritual vor dem Konvent hielt, wurden offenbar von den Schwestern im Scriptorium nachgeschrieben.52 Insbesondere in seiner Tätigkeit als Übersetzer und Kopist der für die Schwestern bestimmten Texte wird der Einfluss Scherls – Rüther bezeichnet ihn als »Mentor«53 – auf Spiritualität, Religiosität und Bildung der Schwestern fassbar: Jtem vnser vatter lesmaister [Johannes Scherl] hett v´ns geschriben vnd ze tu´tzsch e gemachet Sant Brigitta offenbarung vnd dz abc der gotlichen liebi vf papir vnd dz in lon binden vnd beschlachen vnd hett vns dz geschenckt got sy sin lon.54

Aufgrund dieses Eintrags interpretiert Schwester Vogler Johannes Scherl als Übersetzer des ›Abc der göttlichen Liebe‹.55 Im Jahr zuvor war eine deutsche Übersetzung des ›Alphabetum divini amoris‹ bei Albrecht Kunne in Memmingen gedruckt worden.56 Ob Scherl, ein Jahr nach Erscheinen des Drucks, Kenntnis von dieser Übersetzung hatte, sie ›nur‹ abschrieb, muss offen bleiben, da die Handschrift des Katharinen-Klosters verloren ist. In jedem Fall reiht sich Scherl mit dieser ›Abschrift‹ in die Literaturrezeption der Zeit ein. Nicht ganz zufällig ist wohl auch die Tatsache, dass solch bedeutende ›Grundsteinlegungen‹ im Katharinen-Scriptorium, wie die Anlage der Chronik – wohl in engem Zusammenhang mit den Reformbeschlüssen des Konvents, um die ersten erfolgten Massnahmen zu dokumentieren – und 50 Vgl. vor allem KlA Wil, Chronik, f. 78r und a. a. O., Schwesternbuch, p. 25; Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 36. 51 KlA Wil, Chronik, f. 24r. 52 Ob Scherl bei der Niederschrift durch die Schwestern ›redaktionell‹ eingriff, bleibt eine offene Frage; siehe auch Kap. III .3: Profil der Bibliothek, S. 156 f. 53 Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 668. 54 KlA Wil, Chronik, f. 80r, 1497. 55 Der Eintrag ist nicht eindeutig: Wurde das ›Abc‹ nur von Scherl vf papir geschriben, oder bezieht sich das ze tu´tzsch gemachet auch auf dieses Werk? 56 Das ›Alphabetum divini amoris‹ wurde im 15. Jahrhundert verschiedenen Verfassern zugeschrieben, im allgemeinen Johannes Nider.

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der allgemeine ›Schub‹ in der Handschriftenherstellung mit den ersten Amtsjahren Scherls zusammenfallen. Ein weiterer wichtiger Faktor im Zusammenhang mit der im Zuge der Reform sprunghaft ansteigenden Schreibtätigkeit ist der Einfluss des Dominikanerinnenklosters St. Katharina Nürnberg als eines vorbildlichen Reformkonventes und Zentrums der Verbreitung der Observanz in der Provinz Teutonia zu nennen: Mit den Anfängen der Reformbemühungen des St. Galler Konvents zu Beginn der 1480er Jahre setzte ein äusserst reger Briefwechsel mit der Priorin des gleichnamigen Nürnberger Konvents ein. Die brieflich übermittelten ›Wegleitungen‹ der Kunigunda Haller, mit all dem, wz dem orden der gaistlichait vnd der hailgen obseruantz zuo gehoert, galten als Norm und wurden in Abschrift ins Schwesternbuch aufgenommen. Auch hinsichtlich der Schreibtätigkeit orientierten sich die St. Galler Schwestern offenbar an ihren Nürnberger ›Vorbildern‹, die selbst ein florierendes Scriptorium unterhielten: Die Nürnberger Priorin konnte in der Blütezeit des Klosters über einen ›Stab‹ von über 30 Schreiberinnen verfügen.57 Unter den Nürnberger Unterweisungen, die im Schwesternbuch überliefert sind, findet sich auch eine längere Passage von den S rn die da schribend wie sich die haltend. Dort wird berichtet, dass sich etliche Schwestern des Nürnberger Konvents nicht nur auf das Schreiben von Text und Noten, sondern auch auf das Einbinden verstanden. Die Schreiberinnen wurden ermuntert, ihre Handschriften zu subskribieren: Jtem ist es nit vnrecht dz ain S r iren namen schribt an ain buoch daz sy geschriben haut so es nit beschecht in v´bernemen es kumpt oft v´ber hundert iar ain guote gedaechtnus vnd ainer soelichen S r ir sel nutzlich.58 Trotz der hierin zum Ausdruck kommenden Wertschätzung der Schreibtätigkeit der Schwestern durften diese gleichwohl nicht das Chorgebet vernachlässigen. Konkret manifestiert sich der Einfluss des Nürnberger Reformkonventes in der Ausleihe von Vorlagen nach St. Gallen.59 Die Leihgaben von Vorlagen aus Nürnberg sind leider selten, in der Chronik wie auch in anderen Quellen, festgehalten; ein einzelnes Beispiel ist in Gestalt eines in das Schwes57 Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. xv−xxxiii (Einleitung), nennt 27 Schreiberinnen, davon 14 namentlich; diese 27 Beispiele seien »nur die wichtigsten, am häufigsten bezeugten und typischsten Schreiberinnen« [a. a. O., S. XIV f.]; zu den Nürnberger Schreiberinnen auch MBK III /3 (1939), S. 572. – Vgl. auch den Bericht zum Nürnberger Scriptorium KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvijr (dort keine konkrete Zahl genannt). 58 Dieses und das vorangegangene Zitat KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvijr. 59 Siehe Kap. IV .1: St. Katharina Nürnberg, S. 205 f.

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ternbuch eingetragenen Briefes, verbunden mit brieflicher Empfehlung des betreffenden Textes an die St. Galler Priorin, überliefert, der exemplarisch einen solchen Vorgang dokumentiert. Wie die betreffende Stelle im Schwesternbuch erschliessen lässt, handelte es sich um eine deutsche Übertragung der Humbert’schen ›Expositio in regulam Augustinianam‹;60 der mit der Sendung verbundene Brief stammt vermutlich aus dem Jahre 1485.61 Die Abschrift des bei den Nürnberger Schwestern offenbar beliebten Textes wurde umgehend ausgeführt: Obwohl Kunigunda Haller eine ›Leihfrist‹ von zwei Jahren einräumte, hält die St. Galler Chronik die Fertigstellung der Abschrift noch für das Jahr 1485 fest; im folgenden Jahr wurde die Handschrift, zusammen mit den anderen Büchern, die vor stond[,] die wir geschriben hand im lxxxv [. . .], als in gebunden vnd illuminiert vor fasnacht vnd in der vasten im lxxxvj [jar] verzeichnet. Das Abschreiben der Vorlage und das Einbinden der Kopie erfolgten also innert kürzester Frist.62 Diese Tatsache setzt allein schon ein gut organisiertes, tüchtiges, permanent einsatzfähiges Scriptorium voraus, das jederzeit in der Lage war, ›Aufträge‹ auszuführen.

60 KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxxiir. – Bei der Nürnberger Vorlage könnte es sich um folgende Handschrift handeln: Nürnberg Cod. Cent. VI , 46e: Humbertus de Romanis, Expositio in regulam Augustinianam, deutsch; Kat. Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 151 f.; siehe auch den Druck [Humbertus de Romanis,] Auslegung der Regel des Heiligen Augustinus, deutsche Übersetzung (KlA Wil, A.16). 61 Der in KlA Wil, Schwesternbuch, voranstehende Brief bezieht sich auf die (beim Aufsetzen des Briefes bereits erfolgte) Verblechung des Redefensters im St. Galler Konvent und den daraus erwachsenen Aufruhr bei den Verwandten der Konventualinnen in der Stadt; diese Massnahme ist in KlA Wil, Chronik, f. 45r, für das Jahr 1485 festgehalten. Vorausgesetzt, dass die Briefe in chronologischer Reihenfolge eingetragen sind, kommt nur das Jahr 1485 in Frage, da das folgende Jahr (über dem folgenden Brief, a. a. O., Schwesternbuch, f. xxxiiv, die Jahreszahl lxxxvj nachgetragen) ausscheidet. 62 Eine entsprechende Handschrift konnte nicht identifiziert werden, weder im Bücherverzeichnis von 1507 (allenfalls ein unklarer, nicht eindeutig zu identifizierender Eintrag könnte sich auf dieses Buch beziehen), noch bei den heute erhaltenen Codices; auch bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 263–270, figuriert bei den als verloren gemeldeten Büchern kein entsprechender Band.

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3 Die Trägerinnen der intensivierten Schreibtätigkeit: Schreiberinnen des Scriptoriums St. Katharina 3.1 Der Bildungsanspruch von Scriptorium und Bibliothek Vorbemerkung: Grundsätzlich muss man sich bewusst sein, dass unser heutiger, von Wieland und Herder sowie dem Neuhumanismus Wilhelm von Humboldts geprägter Bildungsbegriff nicht unreflektiert auf frühere Epochen anzuwenden ist. Im Mittelalter war dieses Begriffsgefäss nicht nur weiter, sondern fasste auch andere Inhalte: ›Bildung‹ war nicht gleichbedeutend mit Lese- und Schreibfähigkeit, so wie umgekehrt Analphabetentum nicht gleichgesetzt wurde mit Unbildung; diese Einengung der Bedeutung des Begriffs erfolgte erst später und markierte einen Einschnitt in der abendländischen Kulturgeschichte. »Gegenüber mittelalterlichen Vorstellungen erfuhr der Bildungsbegriff Erweiterung durch Korrelation der Individualitäts- mit der Freiheitsidee der Aufklärung, jedoch intellektuelle Verengung auf eine von Lese- und Schreibfähigkeit beherrschte Kultur.«63 Nicht zu vergessen ist, dass die mittelalterliche Auffassung von Erziehung und Bildung tief im Christentum verwurzelt war, das als Offenbarungsreligion Buch-/Schriftwesen voraussetzte und zur Verkündigung benötigte. Insbesondere im monastischen Bereich lassen sich die intellektuelle und die ethische Dimension nicht voneinander trennen.64 Ehrenschwendtner umschreibt Bildung im monastischen Kontext als »das Streben nach grösstmöglicher innerlicher und äusserlicher Angleichung an eine vorgegebene Norm [ordo]«.65 Alle Lebensvollzüge der einzelnen Schwester waren in den Bildungsprozess hin zur vollkommenen Erfüllung des Ordo eingebunden, so wie umgekehrt die Bildung der einzelnen auf das Konventsleben zurückwirken sollte, indem sie im Dienst des übergeordneten Zieles stand, der Ausrichtung auf Gott. Es bestand also eine enge Wechselbeziehung zwischen monastischer Bildung und klösterlicher Lebensform. Bildungsmöglichkeiten der Schwestern vs. Bildungsmöglichkeiten der Brüder: Opitz hat herausgearbeitet, dass gerade die ›neuen Orden‹ [i. e. die Bettelorden] einer geschlechtsspezifischen Zuspitzung der Differenzen in 63 Boehm, Laetitia, Art. ›Erziehungs- und Bildungswesen. A. Westl. Europa‹, in: LexMa III (1986), Sp. 2196–2203, hier Sp. 2197. 64 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 15. 65 Ebd., S. 16.

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den Bildungsmöglichkeiten für die Angehörigen des 1. und 2. Ordens zugearbeitet haben: Insbesondere im Bereich der Bildung wurden systematische geschlechtsspezifische Zuordnungen vorgenommen, welche für die Klosterfrauen eine Beschränkung ihrer Bildungsmöglichkeiten zur Folge hatten. Im Selbstverständnis des männlichen Ordenszweiges war das theologische Studium an den Kollegien des Ordens essentieller Bestandteil des dominikanischen Mönchtums, welches auf Predigttätigkeit und Seelsorge ausgerichtet war. Anders hingegen bei den Dominikanerinnen: Zum einen konnten sie sich, durch die strenge Klausur am Verlassen des Klosters gehindert, keinen Zugang zu den neuen Formen und Wegen der Wissenschaft, wie sie an den neu entstehenden Bildungseinrichtungen und insbesondere an den Universitäten aufkamen, verschaffen. Zum anderen wäre ein ›Studium‹ der Nonnen (so es mit Regel und Konstitutionen des Ordens vereinbar gewesen wäre, s. u.) auch insofern eingeschränkt gewesen, als diesem die Zielrichtung – die praktische Ausrichtung auf Predigttätigkeit und Seelsorge – gefehlt hätte: Bei den Dominikanerinnen war Bildung bzw. die Beschäftigung mit (religiöser) Literatur lediglich für das innerklösterliche Leben und den Gottesdienst – letztlich: für die Erfüllung des Ordo – erforderlich. Zudem »wurde darauf gedrängt, eine ordensinterne ›Arbeitsteilung‹ zwischen Mönchen und Nonnen zu etablieren, in welcher die Nonnen hinter den Mauern ihrer Klöster für die durch die Welt ziehenden und predigenden Mönche die ›Arbeit‹ des Gebets leisten und somit der gemeinsamen Sache nützen sollten. Beider Tätigkeiten sollten sich ergänzen und schliesslich zusammen der höheren Ehre Gottes dienen.«66 Diese geschlechtsspezifische Weichenstellung betreffend die klosterinternen Bildungsgänge der Dominikanerinnen reicht bis zum führenden dominikanischen Theologen Thomas von Aquin zurück,67 der in seiner (um 1270 verfassten) ›Summa theologica‹ zu dem Schluss kam, dass Frauen, die durch göttliche Gnade über Weisheit verfügten, von dieser nur im privaten

66 Opitz, Erziehung und Bildung (1996), S. 76. Als weitere Gründe für »das geschlechtsspezifische Auseinanderdriften von Mönchen und Nonnen in Bildungsdingen« führt Opitz (ebd., S. 74) »den Strukturwandel von Wissensvermittlung und Wissenschaft im Gefolge der Universitätsgründungen«, sowie »gesellschaftliche[] Veränderungsprozesse[]« an. 67 Das monastische Lebens- und damit auch das Bildungsideal war freilich schon von alters her geschlechtsspezifisch definiert, so bei Hieronymus (Regula ad Eustochium), Cäsarius von Arles (Regula ad virgines) und Petrus Abaelard; Opitz, Erziehung und Bildung (1996), S. 71.

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Kreis, jedoch nicht öffentlich Gebrauch machen sollten.68 Von diesem Grundgedanken sind auch die späteren Schriften der Ordensreformer geprägt, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Ausbildung der Nonnen in den Klöstern. Die geistige Betätigung der Klosterfrauen sollte weder im Inhalt noch in der Form derjenigen der Mönche gleichen. 3.1.1 Ausbildung im Kloster Bildungsvoraussetzungen für Konventualinnen / Novizinnenschule und Novizenmeisterin: Regel, Konstitutionen und Dekrete der Ordensleitung schweigen hinsichtlich des vorausgesetzten Wissens zukünftiger Chorschwestern beim Klostereintritt. Eine gewisse Vorbildung ist jedoch wahrscheinlich,69 in Abhängigkeit von Alter und sozialer Herkunft der Novizin. Gemäss dem St. Galler Schwesternbuch war es als Mindestanforderung erwünscht, dass die Anwärterinnen fähig waren, den lateinischen Psalter zu lesen, und dass sie über Grundkenntnisse im Singen allgemein sowie im Singen nach Noten verfügten. Waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so war dies im Nürnberger Katharinen-Konvent offenbar dennoch kein Grund, Postulantinnen abzuweisen: aber vrsach der lernung halb lassend sy kani [sic, sc. Novizin] da vssen so lang das sy aller ding vs gelerni, sunder sy lernend sy selb innen im closter singen vnd lesen.70 Um die zukünftige Nonne in den Stand zu versetzen, mit eigenen Büchern am Gottesdienst teilzunehmen und diesen vorzubereiten, war es offenbar in den meisten Frauenklöstern des Spätmittelalters üblich, beim Eintritt junger Postulantinnen eine solche Ausstattung mit den elementaren liturgischen Büchern zur Bedingung zu machen oder den Gegenwert in Geld für die Beschaffung einzufordern, wenn nicht für jede eintretende Novizin die benötigten Bücher in ausreichender Zahl vorhanden waren und vom Konvent zur Verfügung gestellt werden konnten.71 Ein Brief aus dem Milieu der dominikanischen Observanzbewegung gibt Auskunft über die nötige Ausstattung einer ins Kloster eintretenden Schwester: Du mußt han

68 Thomas von Aquin, Summa theologica, Secunda Secundae, quaest. 177, a. 2; vgl. S. Thomae Aquinatis Opera omnia, Bd. 2, Stuttgart 1980, ST 3, qu. 177, ar. 2. 69 Siehe unten S. 67–69. 70 Schwb., f. CCxlijr. 71 Siehe auch Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 150; vgl. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 227–229, S. 293 f.

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1 Psalter, item 1 Zitbuch, item 1 Processional, item 1 Exiquial 72 oder 16 fl. [florenus: florentinische Goldmünze (Gulden)] dafür, so will ich sy dir gut bestellen.73 Diesbezüglich eine Ausnahme scheint hingegen das Nürnberger Katharinen-Kloster darzustellen, wo es, so die Auskunft des St. Galler Schwesternbuchs, Usus war, dass neu eintretende junge Schwestern sogar unentgeltlich mit den nötigen Büchern ausgestattet wurden, sofern sie diese nicht selbst mitbrachten: die ire kind zuo inen tuond muotend [begehren, verlangen]74 sy starck an wz ire kind bedurfind[:] bu´cher[,] klaider[,] dz wellind sy in [ihnen] gern schaffen[.] dz lassend sy sy tuon nach irem willen[,] Sy fordrend in allweg nu´ntz; d. h.: das Nürnberger Katharinen-Kloster scheint es den Eltern zukünftiger Ordensschwestern freigestellt zu haben, inwieweit sie beim Klostereintritt ihrer Töchter Ausgaben tätigen wollten.75 Im St. Galler Katharinen-Kloster jedoch war es (mindestens seit dem Einsetzen der Quellen) gängige Praxis, dass Verwandte, meist die Eltern, von eintretenden jungen Aspirantinnen diese nach Möglichkeit mit Barvermögen ausstatteten, dz wir [sc. der Konvent] sy¨ sond versechen mitt buecher[n] (und anderem). Vor allem ab ca. 1494 verzeichnet die Chronik Schenkungen von Brevieren, Psalterien und Diurnalia durch Verwandte, die für namentlich genannte Novizinnen bestimmt waren und als deren ›Grundausrüstung‹ für das Konventsleben dienten.76 Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass Wissenserwerb bei den Dominikanerinnen einen grundsätzlich anderen Stellenwert hatte als im männlichen Ordenszweig, was Differenzierungen sowohl im Inhalt als auch in der Methode der Vermittlung von Wissen zur Folge hatte, die bereits in der Erziehung und Unterweisung der Novizinnen zutage treten: Hinsichtlich der Ausbildung der Novizinnen gaben die ›Constitutiones sororum‹ 72 Ex(s)equiale: Rituale mit Kranken-, Sterbe- u. Begräbnisordo. 73 Handschrift Würzburg, UB , M. ch. o. 16, f. 208, vgl. Felix Heinzer/Georg Stamm, Die Hss. von St. Peter im Schwarzwald, T. II , Die Pergamenthss. (Die Hss. der Bad. LB Karlsruhe 10/2), Wiesbaden 1984, S. XXV ; zit. nach Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 172 mit Anm. 15. 74 Grimm, DWB VI (1885), Sp. 2795 f., 1.a. 75 Schwb., f. Cxlr/v; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 219, Anm. 897 false: Schwb., f. 240r–v. 76 Siehe Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 150 ff., sowie III .5.2: Bücher für die private Andacht, S. 198 f. Zur Bereitstellung von Büchern durch den Konvent gegen Barzahlung der Eltern von Novizinnen: Chronik, f. 13v, 38v, 47r, 74r, 86v; zum Mitbringen von Büchern ins Kloster beim Eintritt: Chronik, f. 68r, 74r, 76v, 86v. Als weiteres Bsp. nennt Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 218, Anm. 800, die Chronik von Altenhohenau.

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des Humbertus de Romanis nur in Grundzügen die Richtung vor77 und waren grundsätzlich offen für verschiedene Auslegungen, solange nur an verbindlichen Grundpositionen festgehalten wurde. Kernanliegen des Unterrichts der Novizinnen war die Vermittlung dessen, was zur Erfüllung der von Regel und Konstitutionen vorgeschriebenen geistlichen Funktionen (gottesdienstlicher Gesang, Lesungen zu verschiedenen Gelegenheiten, Gebete) unabdingbar war. Ziel war eine umfassende Unterweisung im Leben nach der Regel in allen Lebensvollzügen, in welchem die geistige und geistliche Grundhaltung der Nachfolge Christi im Zentrum stand.78 Daher war der Unterricht keinesfalls eingeschränkt auf eine blosse Vermittlung von Wissensstoffen: Im Zentrum standen das Einüben von dem geistlichen Leben angemessenen Geisteshaltungen und entsprechenden Verhaltensweisen, sowie der Erwerb der zur Erfüllung der gottesdienstlichen Aufgaben unerlässlichen Fähigkeiten.79 Vermittelt wurden aber auch Fertigkeiten bezüglich weiterer Tätigkeiten neben dem Chordienst, so z. B. für die Handarbeit im Werkhaus: vom Sticken, Spinnen, Nähen bis hin zum Herstellen von Handschriften. Eine weitere Bestimmung für das Lernen der jungen Schwestern findet sich in den ›Constitutiones sororum‹ im Kap. ›De labore‹ [Von der (Kloster-)Arbeit], wo sich ebenfalls eine Grundlinie der klosterinternen Ausbildung abzeichnet: »Juniores discant legere et cantare, ut divinum officium valeant exercere; grammaticalia vero et auctores discere non oportet.« Mit anderen Worten: Das Erlernen des Lesens und Singens (in lateinischer Sprache) war als Grundvoraussetzung zur Verrichtung des Chordienstes unerlässlich; demgegenüber impliziert das ›non oportet‹ zwar kein striktes Verbot der Beschäftigung mit christlichen und heidnischen 77 Mothon, in: AOP III , Fasc. IV (1897/1898), cap. XV : De noviciis et earum instructione, S. 342–343; die deutsche Übertragung der Regelauslegung des Humbertus (vgl. KlA Wil, A.16) enthält keinen entsprechenden Abschnitt. 78 Diese wurde für beide Ordenszweige gleichermassen gefordert: vgl. den entsprechenden Abschnitt im ›Liber constitutionum Fratrum Praedicatorum‹ des Humbertus de Romanis, ed. Mothon, in: AOP III (1897/98), cap. I , 14, S. 54 f.; zur nahezu wörtlichen Übereinstimmung Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 15. 79 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 99, S. 105; Opitz, Erziehung und Bildung (1996), S. 68. – In Zusammenhang mit der zentralen Stellung des Chordienstes in der Zielrichtung des Unterrichts der Novizinnen verweist Ehrenschwendtner, ebd., S. 106 f. (mit Anm. 202), darauf, dass das Amt der Novizenmeisterin oftmals mit dem der Obersängerin oder der Küsterin, welche in Fragen des Officium divinum besonders versiert sein mussten, in einer Person vereint war.

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Autoren, verweist jedoch deren Studium in den Bereich des ›Nicht-Gebührenden‹, ›Nicht-Zweckdienlichen‹.80 Auch die Beherrschung der Grundrechenarten war erforderlich: Die Schaffnerin des Konvents musste regelmässig und gewissenhaft über Ausgaben und Einnahmen Rechnung ablegen und in Rechnungsbücher eintragen. Belege dafür, dass entsprechende Unterweisungen ebenfalls Bestandteil der Erziehung der Novizinnen waren, sind kaum auffindbar.81 Die Priorin von St. Katharina Nürnberg übersandte im Zuge ihres Briefwechsels mit St. Gallen Beschreibungen des Ablaufs der Novizinnen-Unterweisung in ihrem Konvent: Die daraus zusammengezogenen Eintragungen zum Noviziat im St. Galler Schwesternbuch nehmen (in Relation zu anderen Themen) sehr breiten Raum ein,82 wobei im entsprechenden Abschnitt Anleitungen, wie die jungen Schwestern zum angemessenen Betragen und zur rechten Geisteshaltung angehalten werden sollen, den grössten Anteil haben.83 Darin integriert sind Anweisungen zum Einüben der komplexen liturgischen Abläufe; erst in diesem Kontext kommt das eigentliche ›Lernen‹ zur Sprache.84 Es entsteht der Eindruck, dass der Unterricht der Novizinnen nicht (oder nur zu einem geringeren Teil) in einem separaten 80 AOP III (s. o. Anm. 77), S. 165; zit. bei Opitz, Erziehung und Bildung (1996), S. 74, mit Übersetzung durch dies., sowie bei Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 125, mit Interpretation der zit. Passage. 81 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 109; die Schlussfolgerung ders. (ebd.), dass aufgrund von tw. noch vorhandenen Rechnungsbüchern der Schaffnerinnen Unterricht in den Grundrechenarten im Kloster stattgefunden haben muss, greift zu kurz. 82 Schwb., f. CCxlr−CCxlijv. 83 Schwb., f. CCxlr−CCljv. Die Angaben stimmen – gemäss Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 112 (mit Anm. 226) – weitgehend mit dem überein, was die Verdeutschung des Humbert’schen ›Ämterbuchs‹ in StB Nürnberg, Cod. Cent. VI , 43h, f. 286r–309r, diesbezüglich enthält. – Ruf, MBK III /3 (1939), S. 615, führt im Bibliothekskatalog 1455–14[57] ›ein puchlein von der unterweisung der noviczen‹ an; leider ist die Hs. verloren. 84 Demzufolge ist es irreführend, wenn Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 112 (mit Anm. 227), den gesamten, dem Noviziat gewidmeten Abschnitt des Schwbs., f. CCxlr−CCljv, als ›Lehrplan‹ bezeichnen möchte, da es sich 1. weniger um einen Unterrichtsplan im engeren Sinn als vielmehr um ein komplexes ›Programm‹ handelt, und 2. die meisten Unterabschnitte sich zudem mit Äusserlichkeiten befassen: Annahme und Ablehnung von Postulantinnen (f. CCXLjrv), Einkleidung (f. CCxliijr), Profess (f. CCxlvr), sowie der allgemeinen Einführung der jungen Schwestern ins Konventsleben (f. CCxlvijr−CCxlixbisv). Zu Recht weist jedoch Ehrenschwendtner, ebd., darauf hin, dass der gesamte Abschnitt aus verschiedenen Nürnberger Briefen

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Raum des Klosters (Schulzimmer)85 zu festgesetzten Zeiten stattfand; sondern dass vielmehr die Unterweisung sowohl durch die Novizenmeisterin als auch die älteren Schwestern den gesamten klösterlichen Alltag der Novizinnen bestimmte. Gemäss diesem ›Lehrplan‹ stand im Unterricht der Novizinnen das Erlernen der komplizierten liturgischen Formen für das Officium divinum und der damit verbundenen Fähigkeiten im Vordergrund: Der monastische Alltag der Nonnen war wesentlich von der Liturgie geprägt; daher sind Einfluss und Rückwirkung des Chordienstes auf die Bildung der Nonnen nicht zu unterschätzen. Auch das Schreiben von Texten und Noten sowie die Illuminierung von Manuskripten ist in diesem Kontext zu sehen, da es der Herstellung u. a. von Chorbüchern bzw. deren Verbesserung und Aktualisierung diente. Um einen reibungslosen Verlauf des Chordienstes zu gewährleisten, waren die Vertrautheit mit Texten, Melodien, Bewegungen und ihren Abläufen vorrangige Lernziele. Dies implizierte das Erwerben resp. Vertiefen der Lesefähigkeit, insbesondere des Lateinischen; Lektürestoff waren anfänglich das Pater noster, sodann die Psalmen und Gebete zu den einzelnen Tagzeiten. Folgender Abschnitt des Schwesternbuchs lässt erkennen, wie sich die Eingliederung der jungen Schwestern in die gottesdienstlichen Abläufe allmählich, Schritt für Schritt vollzog: Jtem wenn aini in ir closter kumt fachend sy an an dem pr nr [Paternoster] vnd o lerend sy gruntlich in der schul die psalmen lesen vnd die tag zit, darnach vigili o vnd mette suchen wie man sy betten sol bis sy es ain wenig begrifen[,] vf dz sy o den S rrn dester minder schwer sigind[,] die mit in petten musend[;] vnd wenn sy o also darin sind kumen[,] dz sy dem convent volgen mugend[,] so lassend sy sy zu o o cor gon vnd zu ziten zu der non oder complet versickel singen bis sy es bas o o lernend. Darnach, sind sy geschickt darzu, so lasend sy sy zu den andren tagziten zusammengestellt worden sein muss (aufgrund der inhaltlichen Doppelungen sowie der Handwechsel f. CCxlvv, f. CCxlixv). 85 Die St. Galler Chronik erwähnt im Konvent angefertigte Stickereien für die jungen schuol und die kinden schuol, gemäss August Hardegger, Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen, Njbl. des historischen Vereins in St. Gallen (1885), S. 3–30, hier S. 11; zur ›Klosterschule‹ von St. Katharina ausführlich Magdalen Bless-Grabher, in: HS IV /5, 2 (1999), S. 750 f. Beide ohne Quellenangabe; die entsprechenden Hinweise finden sich in der Chronik, f. 28v (zum Jahr 1483) u. f. 31v (zum Jahr 1484); bei beiden Stellen ist unklar, ob es sich nicht um eine Klosterschule für ›Externe‹ handelte. – Vgl. auch im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5 f. 125vb [Erläuterungen zum Register]: in dem ampt der nouiczen may¨sterin dz havt in im beschlossen Das ampt der schuol warterin.

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II Schrift- und Buchkultur in St. Katharina St. Gallen och singen, suss So lassend sy sy dz gantz iar nuntz in der meß singen denn dz o officium vnd kyrieeleyson. Darnach musend sy¨ die metti vnder der meß v´ber o lesen dz gantz iar bis sy gar wol darin kumend, won nach tisch so mussend sy o lernen singen alle bu´cher antifner vnd messbuch, dz lernend sy gemainklich dz iar vs.86

Ein weiterer Bestandteil des Unterrichts der Novizinnen war die ständige Beschäftigung u. a. mit Lesen und Handarbeit im allgemeinen, Schreiben, ›Malen‹ und Korrigieren von Manuskripten im besonderen: Lassentz nitt viren [in Ruhe, müssig sein], jetzend schriben, malen, holtz tragen, corrigieren. Och sol man die jungen swestern nit müssig laussen gon, da sol man o grossen fliss zu han, sy dar inn zu vermanen, daz sy iemer arbait by in tragend und in iren zellen och [. . .] schriben, lesen oder negen.87

Auch die deutsche Übertragung des Humbert’schen ›Liber officiorum‹ widmet dem Unterricht der Novizinnen einen eigenen Abschnitt (›Wie die novicien ir zeit vertriben sont nutzeklichen‹): Man sol si och leren, dz si niemer mussig sient, Me dz lesent, scribent, bet tünd oder nutze dinge betrachtend. Man soll sie etlicher hande werck leren, die si nit konnent, als scriben und andere ding dem gelich.88 Das Schreiben wurde also ausdrücklich als Handwerk aufgefasst, das es zu erlernen galt. Ferner sollten die jungen Schwestern dazu angehalten werden, dz si etwas büches by jn tragent, in dem si alle zit lesen, so sy nit bessers hant zü tünde.89 Dass den jungen Schwestern die Tätigkeit des Schreibens als sinnvolle Beschäftigung nahegelegt wurde, belegt ein weiterer Eintrag im St. Galler Schwesternbuch: Die wirdig Muotter priorin befilch jren jungen schwoestren zeschriben vnd ze machen Sant johannens ewangely¨ vnd anders dz sy¨ ver eren [sic].90 Ehrenschwendtner vermutet sogar, dass – berücksichtige man die Angaben der Briefe aus St. Katharina Nürnberg – bereits die Novizinnen zur Bücherherstellung angeleitet 86 Schwb., f. CCxlvv−CCxlvjr, Nachtrag der Priorin Angela Varnbühler zum Haupttext (von der Hand der Elisabeth Muntprat). 87 Schwb., f. CCxlviijv. – Zu viren: Lexer III (1876–78), Sp. 363; so nicht bei Grimm, DWB XII /2,1 (1913), vgl. jedoch ebd., Sp. 290, sub ›vieren‹, sowie Sp. 371, sub ›virgatum gehen‹. – Das corrigieren bezieht sich häufig auf gottesdienstliche Hss., vgl. Kap. II .1: Zunahme der Schreibtätigkeit, S. 47 f., und IV .1: St. Katharina Nürnberg, S. 213 f.; vgl. auch Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 116, Anm. 252. 88 Hs. StB Nürnberg, Cod. Cent. VI , 43h, f. 301r ff., hier f. 301v. 89 Ebd., f. 301v. 90 Schwb., f. Clxxvjr; Rest des Eintrags (2 1/2 Zeilen) unklar.

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wurden.91 Es finden sich jedoch keine Hinweise darauf, dass den jungen Schwestern im Noviziat Elementarunterricht im Schreiben erteilt wurde. Das Amt einer Schreibmeisterin (im Sinne einer Vorsteherin einer konventeigenen Ausbildungs-Institution) ist für das St. Galler Katharinen-Kloster (wie auch in anderen observanten Dominikanerinnenklöstern) nicht bezeugt; im ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer ist ein solches Amt nicht erwähnt. Auch ist bei Meyer von einer klosterinternen Schreibausbildung konkret nicht die Rede, trotz der Länge des Abschnitts von dem ampt der nouiczen may¨sterin,92 ebensowenig in den entsprechenden Nürnberger Berichten des Schwesternbuchs. Eventuell fiel die Zuständigkeit für die Schreibausbildung in den Bereich der Novizenmeisterin, deren Amt weitere Unterämter zugeordnet waren;93 doch auch für diese Vermutung fehlen einschlägige Belege. Dem nachweislichen (da in den Handschriften dokumentierten) Bildungsniveau94 der Schreiberinnen steht demnach ein Mangel an Quellen gegenüber, die den konkreten Erwerb dieser Bildung, insbesondere der Lese- und Schreibfähigkeit, dokumentieren würden.95 3.1.2 Bildungserwerb vor Klostereintritt Da bereits junge Schwestern Handschriften auf recht hohem Niveau schrieben, was Disziplin im Duktus, Ausformung der Buchstaben und allgemeine Schreibroutine anbelangt,96 ist davon auszugehen, dass die späteren Schreiberinnen des Scriptoriums eine ansehnliche Vorbildung bereits bei Kloster91 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 116; einschlägige Quellenbelege hierfür bleibt sie jedoch schuldig. 92 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 177va–204rb, hier f. 177va. 93 Vgl. im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 125vb [Erläuterungen zum Register]: [. . .] in dem ampt der nouiczen may¨sterin dz havt in im beschlossen das ampt der kinden may¨sterin, etc. 94 ›Bildung‹ nimmt hier konkret Bezug auf die Schriftkundigkeit (Schreib- und Lesefähigkeit), sowie bei einigen Schreiberinnen auch auf Lateinkenntnisse im Sinne einer ›aktiven‹ Sprachkompetenz; siehe II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 69 f. 95 Aufgrund dessen Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 192: »Die Frage nach dem Erwerb ihrer Bildung [. . .] muss reformuliert werden als Frage nach den Bedingungen stadtbürgerlicher Frauen- und Laienbildung.«; s. u. im Text). 96 Vgl. z. B. die ca. 18-jährige Cordula von Schönau in deren subskribiertem und datiertem Brevier Wil M 13, siehe CMD−CH III (1991), Abb. 468, 469; sowie Elisabeth Schaigenwiler, die (eingetreten 1511) als Schreiberin in Cod. sang. 990 (im Jahre 1521) vermutl. Anfang 20 war (siehe Abb. 20, sowie CMD−CH III (1991), Abb. 591 [ohne Identifikation ihrer Hand]).

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eintritt mitbrachten. Was die Grundausbildung betrifft, so ist nicht zu vergessen, dass die Konventualinnen (in der Regel) aus der Bildung aufgeschlossenen Schichten, konkret: aus der städtischen Oberschicht und insbesondere dem Kaufmannsmilieu stammten.97 Nicht zuletzt aufgrund ihrer teils beträchtlichen Geldmittel hatten die Kaufmannsfamilien nicht nur grossen Einfluss auf politischer Ebene, sondern gehörten auch zu den Kulturträgern in den Städten, wo sie mit grosszügigen Stiftungen und Aufträgen die kirchliche wie die profane Kunst förderten.98 Auf diesem Hintergrund ist es »kaum vorstellbar, dass in einem Milieu vielseitig interessierter Kaufleute die Frauen aussen vor standen«.99 Vielmehr ist anzunehmen, dass, obwohl den Frauen formal der Weg zu höherer Bildung versperrt war, in den kaufmännischen Familien auch für eine (elementare) Ausbildung der Töchter Sorge getragen wurde (und zwar unabhängig davon, ob sie für das Klosterleben bestimmt waren oder nicht), wofür in der Regel Privatlehrer angestellt wurden. Schon Hasebrink hat diesbezüglich festgehalten: »Eine vielschichtige städtische Unterrichtskultur geht ordensinternen Bildungsbemühungen bereits voraus.«100 Träger des Bildungswesens war im spätmittelalterlichen St. Gallen der Rat der Stadt.101 Er hatte die Leitung der Lateinschule sowie die Aufsicht über die Privatschulen [i. e. deutsche Schulen, neben Kloster- u. Stadtschule] inne. Die (deutschen) Privatschulen, die im Gegensatz zur Latein97 Beispiele sind die Familien Varnbühler, Blarer, Sattler u. Wirt (SG ); Muntprat, Zollikofer, Gnepser (KN ); Keller, von Schönau (ZH ). – Staerkle (s. Anm. 101) kommt zu dem Schluss, »daß die Bevölkerung der Stadt St. Gallen am Ende des Mittelalters, wenn man etwa von den untersten Ständen absieht, durchaus lese- und schreibkundig war« (S. 48). Ferner geht er davon aus, dass »es überhaupt keine bedeutende Familie in St. Gallen [. . .] gehabt haben dürfte, die nicht eine kleine Bibliothek ihr eigen nannte« (S. 108). 98 Vgl. hierzu die zahlreichen Chronik-Einträge zu Stiftungen der vermögenden Familien von Konventualinnen, siehe Vogler, St. Katharina (1938), S. 133–147, mit Angabe der Chronik-Stellen in den Anmerkungen. 99 Kammeier-Nebel, Frauenbildung im Kaufmannsmilieu (1996), S. 78–90, hier S. 89; ebd. auch zum Mäzenatentum bürgerlicher Frauen, mit Verweis auf Schraut/Opitz, Frauen und Kunst (1984) sowie Schraut, Stifterinnen und Künstlerinnen (1987). 100 Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 192. 101 Da die diesbezüglichen Quellen sehr lückenhaft sind, ist der Einfluss, den der Rat auf die Bildungsverhältnisse nahm, schwierig zu verfolgen. Jedenfalls stammte ein grosser Teil der st. gallischen Hochschüler aus den Ratsfamilien. Staerkle, Spätmittelalterliche Bildungsgeschichte St. Gallen (1939), S. 104.

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schule auch Mädchen aufnahmen, vermittelten der Jugend Elementarkenntnisse, wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Leiter dieser Privatschulen waren Laien beiderlei Geschlechts, die ›Schriber‹ resp. ›Schriberin‹ genannt wurden; neben dem öffentlichen Schulbetrieb kann davon ausgegangen werden, »[d]aß reiche Kaufmannsfamilien in St. Gallen für ihre Kinder Hauslehrer hielten«.102 Indem also die Bildung der Konventualinnen in ihren Grundlagen wohl bereits auf städtischer Laienbildung basierte, tritt – auf dem Hintergrund der Observanzbestrebungen in den Frauenklöstern betrachtet – ein nicht von der Hand zu weisendes Moment der Diskontinuität zutage: Ziel der Reformbewegung war zwar, an die Kontinuität der monastischen Tradition anzuschliessen; tatsächlich jedoch hatten sich die Voraussetzungen und demzufolge auch die Inhalte des konventsinternen Bildungswesens gewandelt, nicht zuletzt aufgrund der Veränderungen in der städtischen Bildungskultur. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass nun die Volkssprache mehr und mehr das Konventsleben bestimmte; man denke auch an die durch Donatoren und Donatorinnen ins Kloster gelangende zeitgenössische Literatur, die zum grossen Teil aus den Kreisen der Laien oder der Weltkleriker stammte.103 Es ist anzunehmen, dass schon bald nach dem Eintritt von jungen Schwestern eine Selektion der aufgrund ihrer Vorbildung für das Schreibhandwerk besonders Befähigten stattfand. Diese eigneten sich dann die für die Buchherstellung als Handwerk erforderlichen spezifischen Fertigkeiten wohl im Scriptorium des Konvents an, wo die jungen Schwestern auch in die speziellen Usanzen der klostereigenen Schreibwerkstatt eingeführt wurden.104 3.1.3 Sprachbarriere? Die Latein-Frage Die Frage, inwieweit die St. Galler Katharinen-Schwestern der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts des Lateinischen mächtig waren, ist insofern eine entscheidende, als sie sowohl die Frage nach ihrer Bildung als auch ihre Bibliothek und deren Nutzung berührt.105 102 103 104 105

Ders., ebd., S. 46. Vgl. hierzu Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 215. Siehe Kap. II .4.2: ›Frauenscriptorium‹, S. 119 f. Die Bedeutung des Begriffs ›Lateinkenntnisse‹ kann dabei (wie bei allen Fremdsprachen) enger oder umfassender definiert werden: Sie kann reichen von der Beherrschung des Lateinischen als einer lebendigen Sprache, die man spricht und versteht; sie kann bezogen sein auf die Beherrschung als Schrift-

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Eine Hebung der lateinischen Sprachkenntnisse (v. a. in den Frauenklöstern) war kein Ziel der Ordensreform; vielmehr passte man sich der Situation in den Frauenklöstern an, die durch nachlassende Lateinkenntnisse der Schwestern gekennzeichnet war. Johannes Meyer thematisierte in seinen Schriften das Problem verschiedentlich und nahm sich seiner an: Er ging davon aus, dass den weiblichen Ordensangehörigen die lateinischen Quellen, welche über Tradition, Geschichte und Lebensweise ihres Ordens Aufschluss gaben, aufgrund ihrer mangelnden (oder unzulänglichen) Lateinkenntnisse nicht zugänglich waren. Doch gerade eine Rückbesinnung auf diese Fundamente war ein wesentliches Element der Observanzbewegung. Somit war, da das Lateinische kein verpflichtender Lehrstoff in den Schwesternkonventen war, die gesamte Tradition, sofern sie nicht in der Volkssprache vorlag, dem direkten Zugriff der Nonnen verschlossen. Meyers schriftstellerische Tätigkeit als Übersetzer und Bearbeiter weist darauf hin, dass sich in den Kreisen der Ordensreformer eine veränderte Haltung gegenüber der geringen Verbreitung der lateinischen Sprache unter den Ordensfrauen zu etablieren begann:106 Die Ordensoberen waren daran interessiert, dass die Schwestern die grundlegenden Texte nicht nur lasen oder hörten, sondern verstanden und verinnerlichten.107 Meyers seelsorgerische Tätigkeit setzte sich zum Ziel, den Angehörigen des weiblichen Ordenszweiges die konstitutiven Grundlagen sowie die Geschichte und Spiritualität des Ordens durch Übertragungen in die Volkssprache zu erschliessen – und entsprach damit wohl einem Bedürfnis auf Seiten der Nonnen.108 sprache, die man zu schreiben und zu übersetzen vermag; sie kann sich beschränken auf die passive Beherrschung der Sprache, so dass man schriftlich vorliegende Texte verstehen kann; oder sie kann reduziert sein auf Grundkenntnisse, so dass man sich mit Hilfe vorliegender Übersetzungen oder Vocabularien den lateinischen Text erschliessen kann. 106 Noch Johannes Nider hatte »seine Visitationsverordnungen für die observanten Klöster Schönensteinbach und Unterlinden in Latein herausgegeben, weil er offenbar im Gegensatz zu Meyer nicht direkt die Frauengemeinschaften, sondern ihre geistlichen Betreuer im Auge hatte«. Pfaff, Bild und Exempel (2003), S. 223. 107 Volkssprachliche Übersetzungen von Verfassungstexten für Dominikanerinnen datieren bis ins 13. Jh. zurück, vgl. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 198. 108 Siehe Kap. III .3: Profil der Bibliothek, S. 167. In seinen Bearbeitungen einzelner Schwesternbücher stellt Meyer fast allen lateinischen Textstellen aus Bibel und Chorgebet die Übersetzung hintenan: daz sprichet ze tu´sch . . .; vgl. auch Cod. 407: lateinisches Lektionar mit deutschen Rubriken.

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Allerdings lehnte sich Meyer in seiner freien Übersetzung des lateinischen ›Liber officiorum‹ in das deutsche ampt buoch stark an seine Vorlage an, die für Dominikaner b r ü d e r konzipiert war und dieses Problem selbstverständlich gar nicht thematisiert: Den Predigerbrüdern wurden die Lesungen bei Tisch in lateinischer Sprache gehalten; auch die Auswahl der Autoren und Werke war dementsprechend eine andere. Dennoch wurden diese von Meyer unverändert aus seiner Vorlage übernommen.109 Trotz der schwindenden Verbreitung des Lateinischen in den Frauenklöstern wurden elementare Lateinkenntnisse noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von den Postulantinnen erwartet; diese vor Klostereintritt erworbenen Grundkenntnisse wurden, wo nötig, im Noviziat vertieft: Erreicht werden sollte die Fähigkeit, gut lateinisch zu lesen, um einen reibungslosen Ablauf des (lateinischen) Chorgebets zu gewährleisten.110 Darauf, dass den Novizinnen im Kloster auch Latein-Unterricht erteilt wurde, könnten die iij vocabularium [sic!] vnd iij text vnd ij Donnat [sc. bu´cher] hinweisen, die im Inventar von 1507 verzeichnet sind (nicht in demjenigen von 1484).111 Auch im St. Galler Schwesternbuch heisst es (in Übernahme der Nürnberger Usanzen): es ist och gewon wenn sy ain nouitzen in wend nemen So lasens sy sy vor etwz ain wenig lernen latin lesen an dem psalter.112 Begonnen wurde mit dem Pater noster, später folgten Psalmen und Gebete zu den Tagzeiten. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend das Erlernen einer aktiven Beherrschung der lateinischen Sprache: Zur Erfüllung der elementaren liturgischen Erfordernisse, welche mit dem Chorgebet den monastischen Alltag der Nonnen bestimmten, genügte dank des formelhaften Charakters ein passives Memorieren, sprich: ›Auswendig-Dahersagen‹; ein intellektuelles Verstehen des Gelesenen war wohl in den wenigsten Fällen gege109 Der Lektürekanon bei Meyer ist allerdings, gegenüber der Vorlage aus dem 13. Jh., um einige Titel des 14. und 15. Jhs. erweitert. Im Explicit von Meyers ›Ämterbuch‹ steht der lateinische Titel: Explicit liber [sc. officiorum] sororum ordinis predicatorum anno domini M o cccc o lv, Ü Ms. 5, f. 239va. 110 Novizinnen, die das Lernpensum nicht bewältigten, wurden nicht zur Profess zugelassen; siehe Schwb., f. CCxlixv. 111 Vogler, St. Katharina (1938), S. 265, Nr. 143 f.: ›Donatus‹ (Ars minor sive grammatica), S. 270, Nr. 315–317: Vocabularia. Bei Klostereintritt nicht ausreichende Lateinkenntnisse waren in St. Katharina Nürnberg kein Grund zur Ablehnung von Postulantinnen: Vorhandene Lücken wurden beim LateinUnterricht im Noviziat geschlossen; siehe auch in Kap. II .3.1: Der Bildungsanspruch, S. 61 ff. 112 Schwb., f. CCxlijr.

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ben.113 Ochsenbein verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Schwestern »in ihrem spurenweisen, mehr intuitiven als grammatikalischgelehrten Erfassen der Liturgica vor allem von der gemeinschaftlichen, sakralen Atmosphäre und nicht zuletzt vom musikalischen Gestus des Psalmengesangs und der Hymnen [getragen wurden]«.114 Es ist anzunehmen, dass sich die in den St. Galler Bücherverzeichnissen erfassten Werke in lateinischer Sprache in der Handbibliothek des Lesemeisters befanden:115 Immerhin 23 lateinische Predigthandschriften führt bereits das Verzeichnis von 1484 an, zu denen später (1508 u. 1516) elf weitere lateinische Werke hinzukamen.116 Dafür dass den KatharinenSchwestern auch in lateinischer Sprache gepredigt wurde, gibt es keine Hinweise; wahrscheinlich ist dies nicht.117 Auch betreffend die Tischlesung lassen die überlieferten Quellen die Frage offen, ob hierfür auch lateinische Werke herangezogen wurden. Der Generalminister Bartholomäus Texerius hatte für die Nürnberger Dominikanerinnen eigens eine Ordinatio betr. der bei Tisch verlesenen Texte erlassen: Diese machte den Nonnen zur Auflage, morgens Lesungen auf Deutsch, abends einen Teil der Lesung auf Lateinisch zu halten. Es ist nicht bekannt, ob diese Praxis von den St. Galler Katharinen-Schwestern übernommen wurde: Das Bibliotheksverzeichnis 113 Hierüber war bereits im 13. Jh. eine Debatte unter den Gelehrten entbrannt: Thomas von Aquin unterschied für die Verdienstlichkeit des Gebets für das Seelenheil eine dreifache attentio; die dritte attentio betraf die direkte, unmittelbare Wendung an Gott – für die ein intellektuelles Verstehen des lateinischen Wortlauts nicht erforderlich war; Summa theologica II , 2, qu. 83, a. 13; in ganz ähnlichem Sinn später David von Augsburg in den ›Sieben Staffeln des Gebets‹ [ed. Ruh, Franziskanisches Schrifttum Bd. I (1965), S. 221–247]; vgl. Ochsenbein, Deutsch und Latein (1992), S. 47 u. S. 51. 114 Ochsenbein, Deutsch und Latein (1992), S. 47. 115 Vgl. die von Johannes Meyer im ›Ämterbuch‹ für diesen Zweck genannte besunder libery¨ Mit latinischen buecher[n] im priester huss [Ü Ms. 5, f. 210vb]; aufgrund der im Verzeichnis von 1484 (Chronik, f. 34v) nicht explizit gezogenen, aber zu vermutenden ›Grenze‹ zwischen lat. und dt. Büchern – siehe die Auswertung des Verzeichnisses in Kap. III .1, S. 133. – kann vermutet werden, dass diese geforderte Unterscheidung umgesetzt wurde; siehe auch Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 182–184. 116 Siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, S. 134 ff., sowie Kap. IV .3: Strassburg, S. 232 ff. 117 Vgl. Ochsenbein, Latein und Deutsch (1992), S. 43. – Vgl. auch die dem Lesemeister Johannes Scherl zugeschriebenen deutschen Übertragungen lateinischer Werke, siehe Kap. II .2: Entstehung eines Scriptoriums, S. 56, sowie III .3: Profil der Bibliothek, S. 156 f.

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von 1507 nennt jedenfalls nur tu´sche [i. e. deutsche] buecher die man ze tisch an liset geschriben vnd truckt [. . .] der sind lxxvj; die Basis der erhaltenen, (mit einiger Wahrscheinlichkeit) zur Tischlesung verwendeten Handschriften ist zu schmal, um Rückschlüsse auf die Sprache, in der die Lesungen vorgetragen wurden, zu wagen.118 Es kann lediglich vermutet werden, dass der St. Galler Konvent keinen Sonderweg wählte, sondern sich in die allgemeine Entwicklung einreihte, in der die Volkssprache nach und nach das Lateinische zurückdrängte.119 Trotz des allgemein sich abzeichnenden Rückgangs von Lateinkenntnissen unter den Nonnen finden sich auch unter den St. Galler Dominikanerinnen einige, die über mehr als nur die elementaren Grundkenntnisse des Lateinischen verfügten; vor allem die Schreiberinnen der Frühzeit des Scriptoriums (vermutlich ältere Konventualinnen) waren mit dem Lateinischen vertraut.120 Aber auch von den Schwestern, die nach der Einführung der Klausur eintraten, scheinen einige eine gründliche Ausbildung erhalten zu haben: Cordula von Schönau121 war nicht nur im Schreiben geschult, sondern besass anscheinend auch recht gute Lateinkenntnisse; jedenfalls lassen ihre Handschriften in lateinischer Sprache keine Unsicherheiten in lateinischer Orthographie und Grammatik erkennen (etwa anhand von Durchstreichungen, Korrekturen, Überschreibungen).122 Sie schrieb (gemäss den erhaltenen Codices von ihrer Hand) vorwiegend liturgische Handschriften ab, wozu sie mit ihren Lateinkenntnissen ausreichend befähigt war. Dasselbe gilt auch für Verena Gnepser, die mühelos Latein schrieb und (wie Cordula von Schönau) die klassischen Kürzungen beherrschte. Auch weitere (leider anonyme) Konventualinnen schrieben flüssiges Latein.123 Die Buchmeisterin Regula Keller besass offenkundig weniger fundierte Lateinkenntnisse: In einem deutsch-lateinischen Gebetbuch finden sich 118 119 120 121 122

Als gesichertes Bsp. vgl. Cod. sang. 363 (1. Teil), sowie Ü Ms. 16; s. u. Siehe unten sowie Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 183 f. Zum Beispiel die Schreiberinnen von Wil M 41 und M 42. Siehe Kap. II .3.2.9: Cordula von Schönau. Einzig Fehler in ihrer Abschrift des ›Ämterbuchs‹ lassen auf ›FremdsprachenUnsicherheit‹ schliessen: vgl. Ü Ms. 5, f. 211vb: die buecher der hy¨storien vnd Coronicen [sic!], f. 213va: ain sunder regiester [sic], f. 229ra: correctrix in mense [sic, recte: mensa]. 123 Zum Beispiel zwei der Schreiberinnen des Gebetbuchs Wil M 16, mit lateinischen Gebeten zu den einzelnen Horen, sowie die Schreiberin der Codd. Wil M 4, M 5 (Breviere) sowie Cod. sang. 480 (Marien-Offizium).

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gehäuft gravierende Lateinfehler (Orthographie und Grammatik); insbesondere die z. T. gravierenden Fehler in den lateinischen Texten der Hymnen und Sequenzen (die jeder Konventualin ›vertraut‹ sein mussten) lassen erkennen, dass sie nicht verstand, was sie im Chor sang.124 Auch die kalligraphisch versierte Elisabeth Schaigenwiler hatte beim Abschreiben lateinischer Zitate (in Cod. 990) Schwierigkeiten mit dem Verständnis des Vorlagentextes.125 Selbst die beiden von der Hand der Priorin Angela Varnbühler stammenden Bücherverzeichnisse lassen bei den lateinischen Bezeichnungen der Liturgica erhebliche Lücken erkennen.126 Für die im Scriptorium tätigen Schreiberinnen – die wohl den ›besser ausgebildeten Teil‹ der Konventualinnen ausmachten – ergibt sich ein Bild, wonach die meisten von ihnen über Lateinkenntnisse auf gut durchschnittlichem Niveau verfügten, während andere bereits mit den Grundanforderungen des Latein-Verständnisses an Grenzen stiessen. Zu bedenken gibt, dass von den ›Vielschreiberinnen‹ des Scriptoriums (Elisabeth Muntprat,127 Angela Varnbühler, Regina Sattler) keine Handschriften in lateinischer Sprache überliefert sind – was auf eine insgesamt nicht allzu grosse Vertrautheit des Konvents mit dem Lateinischen sowie ein generelles Zurücktreten der lateinischen Sprache im monastischen Alltagsgebrauch hindeutet. Ehrenschwendtner fasst als allgemeinen Befund aufgrund der Quellenlage zusammen: »Zu allen Zeiten lassen sich [. . .] Schwestern, die

124 Cod. 1788; offen ist, ob die Fehler nicht teils auch ihrem hohen Alter bei der Niederschrift (1561–1573) anzulasten sind; siehe zur Hs. im ›Katalog der Handschriften‹. 125 Vgl. z. B. in Cod. 990, p. 437a, wo sie in der Vorlage am Ende der Zeile silen las, einen Verschrieb vermutete und in vii (für siben) korrigierte; indem sie weiterlas, bemerkte sie ihren Irrtum: am Anfang der nächsten Zeile folgte cium, also: silen=cium; an anderen Stellen verstand sie den Sinn des lateinischen Textes nicht und ›verschlimmbesserte‹ ihn. Auch die beiden anderen Schreiberinnen (Regina Sattler, Dorothea von Hertenstein) missverstanden mehrfach den Sinnzusammenhang des volkssprachlichen Vorlagentextes, so dass auch nach mehreren Korrekturdurchgängen stark fehlerhafte lateinische Wortformen stehenblieben: Zu den Verschrieben siehe Höpf, Fabri (1953), S. 19, Anm. 191–194. Siehe auch Kap. II .3.2.12: Elisabeth Schaigenwiler, S. 102–104, bes. S. 103. 126 Zum Beispiel aintiffer, priefer, Ewangelum buecher, viligly¨, u. a.; Chronik, f. 34v, f. 111v. 127 Vgl. in ihrer frühen Handschrift (ca. 1475–1480) UB Freiburg i. Br., Hs. 490, f. 135v, wo sie bei den lat. ›Fremdwörtern‹ mit roter Tinte offenbar Buchstabe für Buchstabe ›malte‹ (sehr weite Buchstabenabstände, kein flüssiger Duktus).

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eindeutig Latein beherrschten, und solche, die derartige Kenntnisse entbehrten, nachweisen.«128 3.2 Die namentlich bekannten Schreiberinnen und ihre Handschriften 3.2.1 Anna Krumm ([1453?] 1459 – †1476) Anna Krumm129 gehörte einer der angesehensten und ältesten Familien der Stadt an: Ihr Vater Hans Krumm war verheiratet mit Anna von Sulzberg; ihr Bruder Jodokus (oder Jos, Jost) war 1460–1490 Abt zu Stein; ihr Vetter Jakob, nachmaliger Bürgermeister von St. Gallen, war ein guter Freund und Gönner des Katharinen-Klosters. Gemäss Vogler war Anna Krumm 1453 Subpriorin (unter dem Priorat der Elisabeth Rainsberg, die mit ihrem Reformvorstoss 1453 bei einer Mehrheit der Schwestern auf Widerstand stiess);130 das Amt der Priorin hatte sie von 1459 bis zu ihrem Tod 1476 inne.131 Die Schreiberin Anna Krumm figuriert im Urbar als Haupt- und Anlagehand.132 Ein erster wichtiger Schritt zur Reformierung des Konvents fiel in die Frühzeit ihres Priorats: der Beschluss der gemaind, des (vorerst freiwilligen) Verzichts auf Einzelbesitz zugunsten einer strikten Befolgung des Armutsgelübdes, dem sich 1459 zunächst zehn (von vierzehn) Schwestern anschlossen, unter ihnen auch die (reformfreundliche) Priorin Anna Krumm. Die ehemalige Priorin Ursula Visch schloss sich wenig später an, drei Schwestern verliessen den Konvent.133 Unter ihrem Priorat begann der (geschmälerte) Konvent wieder zu wachsen: Sie nahm 20 Postulantinnen ins Kloster auf.134 Zugleich erfolgten weitere wichtige Schritte auf dem eingeschlagenen Weg der Observanz, wie die Erlangung des Privilegs, dass die Schwestern ihren Lesemeister selbst wählen durften, und die damit 128 Vgl. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), II .1.3 Die Rolle des Lateinischen und der Volkssprache in Dominikanerinnenklöstern, S. 119–148, S. 127 (Zitat), S. 147 f. (Fazit). 129 Vogler, St. Katharina (1938), S. 27 ff., S. 32 f., S. 37 f.; Annas Aussteuer verzeichnet KlA Wil, Urbar, f. 50v, f. 51v. 130 HS IV /5,2 (1999), S. 774 (Lit.). 131 Vogler, St. Katharina (1938), S. 27, ohne Beleg; HS IV /5,2 (1999), S. 775 (Lit.). 132 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹. Bei Vogler, St. Katharina (1938), ist sie nicht als Schreiberin genannt. 133 Zu Ursula Visch HS IV /5,2 (1999), S. 774; Vogler, St. Katharina (1938), S. 19, S. 27 f. 134 Gemäss Vogler, a. a. O., S. 29; so auch HS IV /5,2 (1999), S. 775.

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verbundene Loslösung aus der seelsorgerlichen Betreuung durch das Konstanzer Predigerkloster (das bei der Richtung der Konventualen verblieb). Sie starb im Juli 1476, wie ihre (seit knapp fünf Monaten amtierende) Nachfolgerin Angela Varnbühler in der Chronik festhält: Jtem in dem [eingefügt: 14] .lxxvi. iar starb v´nser erwirdige muoter priorin an dem naechsten tag nach sant Margreten tag [16. Juli] die .xxii. [?] iar an nu´tzi priorin.135 3.2.2 Verena Gnepser [1457]–[1510] Die Tochter Verena des Johannes Gnepser und der Ursula Zwick und Nichte des Konstanzer Domherrn Hans Zwick136 war 1457 auf Befehl Kaiser Friedrichs III . ins Katharinen-Kloster aufgenommen worden;137 sie hatte vier Brüder und zwei Schwestern. In der Chronik ist sie erstmals im Konventualinnen-Verzeichnis von 1476 genannt, wo sie als S ffrena Gnepsserin obri Sengerin bezeichnet wird; das heisst, sie muss schon zuvor einige Zeit im Konvent gelebt haben, bevor sie dieses hohe Amt bekleiden konnte.138 Schenkungen oder Stiftungen von Verenas Verwandten an den Konvent sind in der Chronik nicht verzeichnet, mit einer Ausnahme: Elsy¨ Mutpratin [!] haut jr bassen S. Ferena Gnepser och ain drucktes Buechlin geben dz da haist das zit gloeglin.139 Im Brevier Wil M 3, geschrieben von Cordula von Schönau und Verena Gnepser – diese schrieb, wie ihre Mitschwester, mühelos Latein und beherrschte auch die klassischen Kürzungen –, trug Verena im Kalendar die Todesdaten ihrer nächsten Angehörigen ein: her Baltaser Gnepser min lieber 135 KlA Wil, Chronik, f. 6v. 136 Kalendar der Handschrift Wil M 3, f. 6r. Vogler, St. Katharina (1938), S. 28, Anm. 5: »Tochter des Junkers Hans Gnepser von Sulzberg«. – Zu Hans o Zwick Wil M 3, f. 8v: Obijt maister Hans Zwik [!] tuomher [sic] zu costens [sic] m.[in] l.[ieber] vetter [sic, Vatersbruder]. 137 Die Aufnahme war bei der ersten bit des Kaisers vom Konvent abgelehnt und erst unter Strafandrohung durchgesetzt worden: Urkundenbuch St. Gallen 6 (1917 f.), S. 537, Nr. 6007 (1456 Dezember 1), gemäss StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 4a; a. a. O., S. 577, Nr. 6100 (1457 November 8), gemäss StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 4a. Vogler, St. Katharina (1938), S. 28, Anm. 5. 138 KlA Wil, Chronik, f. 6r. Sie figuriert auch a. a. O. im Schwesternbuch, p. 26, im Verzeichnis der Konventualinnen von 1482, aber nicht mehr als Trägerin dieses Amtes. 139 KlA Wil, Chronik, f. 71v, zum Jahr 1493. Als Nichte der Elisabeth Muntprat war Verena Gnepser auch Cousine der (später eingetretenen) Barbara von Boswil.

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bruoder, 1514 (f. 5r), Magdalena Gnepserin min liebe schwöster zuo arbon, ev. im selben Jahr (f. 5r), Tod ihrer Mutter Ursula Zwick (f. 6r, ohne Jahreszahl), ihres Bruders Caspar (f. 6v, do.), von Hugo Gnepser student min lieber bruoder und ihres Bruders Melchior (f. 7r, do.), von Johannes Gnepser min hertz liebster vatter (f. 7v, do.), und von ihrer Schwester Barbara (f. 8r, do.), ferner auch von Basen und Vettern.140 In einem Chronik-Eintrag zum Jahr 1510 ist Verena als Schreiberin genannt: o

o

Jtem wir hand ain hailgen buch dz wintertail [–] ain gesang buch[–] anderes o [recte: anders] lon inbinden vnd dar zu die laudesen binden[;] hat [mit Kür) zungsschlaufe beim finalis-t: hat (= hat es?)] /M/ Verena Gnepserin geschrio ben[,] Costet in zu binden ainen guldin.

3.2.3 Angela Varnbühler (*3. März 1441, †5. März 1509) Angela (oder Engel, wie sie sich selbst nennt) Varnbühler wurde am 3. März 1441 geboren als Tochter des Hans Varnbühler und der Margareta Burgauer; sie wuchs gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Barbara und ihrem älteren Bruder Ulrich im Haus zum Tiger am Marktplatz in St. Gallen auf.141 Die Varnbühler waren ein führendes St. Galler Bürgergeschlecht, das ansehnliche Güter im Rheintal besass, darunter das Schloss Weinstein bei Marbach. Zu Beginn der von ihr angelegten Chronik trug sie ihren Geburtstag sowie das Datum ihres Eintritts ins Katharinen-Kloster und ihrer Profess ein: e

e

Jtem jn dem [eingefügt: 14] xlj iar ward ich schwoster Engel Varnbulerin geboren ze cru´tzmitwuchen vnd kam in dz Closter do man zalt im .liiij. [1454] jar [. . .]. Do man zalt in dem .lv. iar ward ich gewilet an Sant peters von mailand tag [29. April] do wz ich xiiij iar alt.142 140 Zu ihrer Hand siehe Abb. 6 (Wil M 3, f. 203r) und 7 (Wil M 3, Kalendar). 141 Hans Varnbühler war zeitweise Zunftmeister der Schneider und Mitglied des Kleinen Rates der Stadt. Angelas jüngere Schwester Barbara trat 1462 ins Katharinen-Kloster ein, später wurde sie zur Ratsschwester gewählt, † 7. März 1505. »Ulrich Varnbühler führte in den Schlachten von Grandson und Murten die Stadt-St. Galler an, später war er Bürgermeister der Stadt; in Zusammenhang mit dem Rorschacher Klosterbruch und dem St. Galler Krieg von 1489/1490 fiel er in Ungnade, musste ins Ausland fliehen und prozessierte von dort jahrelang bis zu seinem Tod gegen die Stadt St. Gallen.« Vogler, St. Katharina (1938), S. 46–48; zur Familie Varnbühler vgl. Thürer, St. Galler Geschichte (1953), Bd. I , S. 324 f., S. 347 ff. – Zur Priorin Angela Varnbühler HS IV /5,2 (1999), S. 775–777. 142 KlA Wil, Chronik, f. 5v.

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Angela trat also mit 13 Jahren ein und legte bereits ein Jahr später, im Alter von 14 Jahren, die Gelübde ab. Weiter berichtet sie, dass sie als 18-Jährige im Jahr 1459, unter dem Priorat der reformfreundlichen Anna Krumm, mit neun (von 14) weiteren Konventualinnen begann, in persönlicher Armut zu leben, ohne dass sie zunächst versuchten, ihre Lebensweise im Konvent durchzusetzen: Jtem in dem .l.viiij. iar fiengend[!] wir ain gemaind ain Dz ward gar mit grossen liden vnd sorgen ze wegen bracht.143 Nach dem Tod der Priorin Anna Krumm wurde Angela 1476 zu ihrer Nachfolgerin gewählt: Jtem in dem Jar do man zalt m CCCC lxxvj jar ward ich swöster Engel Farnbuelerin zuo priorin erwelt an sant Germanustag [21. Februar].144 Als Priorin nahm sie über 40 Schwestern in den Konvent auf: o

Sy¨ hat [. . .] so grossi liebi vnd begierd gehept dz sy vil personen zu dem orden e o o mocht zu´chen vnd got vil rainer gemachlin zu fu´gen[,] dz sy mer denn xl S rn zu o 145 dem orden enpfangen vnd mit ir hand zu der profess genomen hat.

Allein in ihrem zweiten Amtsjahr wurden sieben Professinnen eingekleidet. Zu Angelas ersten Amtshandlungen gehörte im Jahr 1477 die Berufung des Johannes Scherl, Lektor im observanten Dominikanerkonvent in Eichstätt, zum Lesemeister des Katharinen-Klosters.146 Scherl blieb 19 Jahre lang in St. Katharina und förderte gemeinsam mit der Priorin die Reform. Nachdem der Konvent am 9. September 1482 einstimmig die Einführung der Klausur beschlossen hatte, reiste Angela in Begleitung von Johannes Scherl sowie der Schaffnerin Affra Rugg und Anna Muntprat nach Konstanz und erlangte die Einwilligung des Bischofs Otto von Sonnenberg. Auf Ersuchen Angela Varnbühlers hin entwickelte sich ein reger brieflicher Austausch mit der Priorin des Nürnberger Dominikanerinnen143 Gemäss Chronik, a. a. O., kam es zu einem Aufruhr, bei dem die Subpriorin Ursula Eberlin verwundet wurde; vgl. dazu Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995) S. 7, Anm. 20: »Selbstverständlich müssen Abstriche beim Tatsachengehalt der Berichte über [. . .] die Militanz, mit der sich die Schwestern [gegen die Einführung der Reform] wehrten, gemacht werden.« Drei Schwestern verliessen anlässlich der Reform den Konvent; die ehemalige Priorin Ursula Visch schloss sich wenig später der gemaind an. Zur Einführung der Observanz im Katharinen-Kloster siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 33–37. 144 Chronik, f. 6r (halber Bogen, verbunden: steht auf dem Kopf). 145 A. a. O., f. 119v. gemachlin Diminutiv zu ›gemahel‹, ›gemahl‹: Grimm, DWB IV /1,2 (1897), 2.g, Sp. 3153 f. 146 KlA Wil, Chronik, f. 8v, StiASG, Ms. P. Pius Kolb, Rubr. 31, Fasz. 6.

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klosters, Kunigunda Haller, die fortwährend Ratschläge und Unterweisungen im Sinne der Reform nach St. Gallen sandte.147 In den folgenden Jahren wurden weitere wichtige Massnahmen zur Reformierung des Konvents ins Werk gesetzt, wie die Verblechung des Redefensters im Jahr 1485. Nach einer ersten Phase der Erstarkung des Konventslebens im Innern betrieb Angela energisch das Ziel der Inkorporation des Konvents in den Dominikanerorden – mit unermüdlicher Tatkraft: Nach dem Scheitern der Gesandtschaft des Lesemeisters Sebastian Yll nach Rom setzte die Priorin zu einem weiteren Versuch an, indem sie 1502 ihren Neffen Hans Varnbühler entsandte, zuletzt zum Generalmeister des Ordens nach Rom, mit ernstlichen bit vns anzenemen.148 Doch auch diese Mission Hans Varnbühlers war vergeblich, da eine wichtige Voraussetzung fehlte, nämlich die Einwilligung des Bischofs zur Entlassung des Konvents aus seiner Jurisdiktion. Gerade damals aber war das Verhältnis zum Bischof erneut gespannt, weil sich das Katharinen-Kloster im selben Jahr geweigert hatte, Schwestern zur Reformierung des Klosters St. Peter nach Konstanz zu schicken, dz min her von costentz gantz erzurnt waer vber vns also hatend wir vil mu´g vnd arbait mit der sach vnd mengerlaig beschwaerd vnd vnruow.149 In derselben unbeugsamen Haltung hatte die Priorin dem Ersuchen des Konstanzer Bischofs um Entsendung von Reformschwestern ins Kloster Zoffingen widersprochen – zuletzt vergeblich.150 1503 beging der Konvent feierlich die goldene Profess Angela Varnbühlers, wie sie in einem eigenhändigen Chronik-Eintrag festhält:151 Item M v C iij iar bin ich S r Engel Varnbu´lerin fu´nftzig iar im closter gesin[:] an S[anct] margreten abend hatt ich dz jubel mal vnd satz man mir ain schappel [Ehrenkranz der Jungfrauen] vf[,] do wz ich in dem dru´ vnd sechtzigesten iar vnd wz xxvij iar priorin gesin.

147 Zum Beginn des Briefwechsels vgl. v. a. Schwesternbuch, f. xxvir−xxviijv. Auch unter der Nachfolgerin Hallers, Veronika Bernhart(in), wurde der briefliche Austausch fortgesetzt. Zum Briefwechsel siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 36 f. mit Anmerkungen, sowie IV .1: St. Katharina Nürnberg, S. 207 ff. 148 Zu den Gesandtschaften Hans Varnbühlers siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 39, mit Anmerkungen. 149 KlA Wil, Chronik, f. 92v. 150 Siehe Kap. V .1: Kloster Zoffingen, S. 238–240. 151 KlA Wil, Chronik, f. 94v: siehe Abb. 11.

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In den 33 Jahren ihres Priorats führte Angela Varnbühler das Kloster zu seiner grössten Blüte: [. . .] dz sicht man schinbar vnd mag es och lesen in disem buoch [sc. in der Chronik] da sy es von iar zuo iar selbs ordilich geschriben hat.152 Für das Jahr 1482 hält die Schreiberin Elisabeth Muntprat im Schwesternbuch fest, dass nach 13 Jahren gemaind insgesamt 40 Konventualinnen, Novizinnen und Laienschwestern dem Konvent angehören.153 Im Jahre 1502 warend v´nser fu´nfcz.ix. vnd xxx gewileter iij noficzen vnd viij. laig Schwoestren.154 Kurz vor der Vollendung ihres 68. Lebensjahres starb Angela Varnbühler nach längerer Krankheit. Der in die Chronik eingetragene Nachruf hält fest: in den iaren [. . .] [ihres Priorats] [. . .] sind in vnserm closter nit mer gestorben o denn xj S rn[,] vnd do sy an dz ampt zu priorin erwelt ward do fand sy in disem closter gewileter vnd noviczen vnd laig S rn vnd j kind der aller an der zal nit me wz denn xxix[,] vnd so sy von diser zit wolt schaiden do wz mit ir in der zal fu´nftzig.155

Die sieben Artikel, welche der Konvent anlässlich der Wahl ihrer Nachfolgerin Wiborada Zollikofer einstimmig beschloss, um die Kompetenzen der künftigen Priorinnen einzuschränken, lassen den Schluss zu, dass Angela den Konvent mit harter Hand geführt hatte:156 o

e

[Die Nachfolgerin im Amt] sig ain tru´wi muter vnd trosterin vnd nit ain herschfrow vnd vndertruckerin [. . .] und sie [. . .] sol sich [von den Ratsschwestern] [. . .] lon bitten vnd ermanen vnd nit iren sin fu´r trucken[,] sunder [insbesondere] in mercklichen sachen sich naigen nach der merern tail der rat o mutren oder des convents.157

Obwohl von ihrem verantwortungsvollen Amt in Anspruch genommen, ist Angela Varnbühler auch als Schreiberin von Handschriften bezeugt: Sie begann 1481/82 die Chronik des Klosters anzulegen, die später von ihren Amtsnachfolgerinnen Wiborada Zollikofer (1509–1513) und Sapientia Wirt (1513–1528) sowie passim von anderen Konventualinnen weitergeführt wurde. Noch in fortgeschrittenem Alter schrieb sie grosse Partien der Chronik, in einer ganz anderen Schrift als in den ersten Chronik-Jahren: KlA Wil, Chronik, f. 119v. A. a. O., Schwesternbuch, p. 26 [= f. xv]: die sum aller S. xl. A. a. O., f. 90v. A. a. O., Chronik, f. 119v–120r. Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 665, nennt sie gar »die übereifrige, gestrenge Herrin von St. Gallen«. 157 KlA Wil, Chronik, f. 121r.

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in einer eiligen, zur Kursiven tendierenden Bastarda.158 Der überwiegende Teil der Chronik stammt aus ihrer Feder; Angela darf somit als (Haupt-) Verfasserin159 der Chronik gelten, in der sie Aufschluss gab über den Mitgliederbestand des Konvents und selbst die Namen des Dienstpersonals und dessen Besoldung verzeichnete. Ferner von ihrer Hand Cod. sang. 991 (datiert 1484) und Cod. sang. 1869 (um 1487). Die Hand der jungen Konventualin in Wil M 1, f. 87va–129va (als 2. Hand).160

3.2.4 Elisabeth Muntprat (von Spiegelberg; 1459–1531)161 Elisabeth wurde am 8. März 1459 geboren als Tochter des Konrad und der Margarethe Muntprat an der St. Paulsgasse (heute Hussenstraße) in Konstanz; die Eheleute Muntprat hatten zwei Söhne und fünf Töchter.162 Am 15. Juli 1472 trat Elisabeth als 13-Jährige ins St. Galler Katharinen-Kloster ein: hodie venit ad ordinem S elizabet M [graphologisch unklar] Anno lxxij.163 Elisabeths ältere Schwester Veronika war 1469 als 14-Jährige in Inzigkofen eingetreten, wo sie später das Amt der Pröpstin innehatte.164 158 Vgl. den Eintrag f. 94v, zum Jahr 1503, in dem sie sich namentlich nennt (siehe Abb. 11). 159 Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 656, Anm. 10, nennt sie »Autorin«. 160 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹, sowie Abb. 5. 161 Burg und Herrschaft Spiegelberg, Lehen von Konstanz, waren bereits 1210 im Besitz der Herren von Spiegelberg, einem wenig begüterten Geschlecht, das ursprünglich frei war, später aber als Dienstmannengeschlecht des Bischofs von Konstanz und der Reichenau in Erscheinung trat. 1464 verkaufte Gräfin Kunigunde von Nellenberg, Herrin von Spiegelberg, die gleichnamige Herrschaft vor dem Landrichter des Thurgaus an die Brüder Heinrich und Ludwig Muntprat aus Konstanz; 1482 teilten Heinrich und Ludwigs Söhne Roland und Jos die Herrschaft unter sich auf; nach Rolands Tod (um 1530) kam die Herrschaft an Jos’ Söhne Konrad und Hans Ludwig. Giger, Gerichtsherren (1993), S. 114 f. Freundlicher Hinweis von Andrea Franc, Redaktorin HLS . 162 Ihr Geburtsdatum gemäss dem Kalendar im Psalterium aus ihrem persönlichen Besitz: Wil M XI , f. 3r; wohl nicht eigenhändiger Eintrag der Elisabeth Muntprat, sondern einer anderen Konventualin des Katharinen-Klosters. Vogler, St. Katharina (1938), S. 30, gibt als Geburtstag irrtümlich den 8. Mai an, wohl von Vogler übernommen bei Fechter, Blarerin (1979), S. 436. – Zu den Geschwistern a. a. O., S. 433. 163 Wil M XI , f. 3v. 164 Zum Austausch zwischen dem St. Galler Katharinen-Kloster und dem Inzigkofener Augustinerchorfrauenstift siehe Kap. IV .2: Inzigkofen. – Elisabeth

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In der Chronik ist Elisabeth für das Jahr 1476 (im Alter von 17 Jahren) als ku´sterin genannt.165 Die Küsterin verwahrte den Kirchenschlüssel für den Chor und die (zur Klausur gehörende) Kirche und Sakristei, und trug Sorge für alles, was zum Gottesdienst gebraucht wurde, sowohl für die liturgischen Geräte und Paramente als auch für die zur Messe notwendigen Naturalien. Später bekleidete Elisabeth das Amt der Schaffnerin.166 Von ihren Verwandten gelangten mehrfach äusserst grosszügige Schenkungen an sie und das Katharinen-Kloster.167 Als reichste Konstanzer Familie des Spätmittelalters, gegründet auf einem mächtigen Handelshaus,168 verfügten die Muntprat über enorme Geldmittel, die man nachgerade als singulär bezeichnen kann, versteuerten sie doch in Konstanz jahrzehntelang weit über 100 000 Pfund. Elisabeths Vater Konrad machte im Jahr 1478 eine besonders reiche Jahrzeitstiftung mit vier Messen, einer Vigil im Chor und dem Beten der Tenebrae jeden Freitag nach der Non, wofür er dem Konvent einen Wertbrief von 200 Goldgulden gab.169

165 166 167 168

169

Muntprat war eine Tante der (um 1456 eingetretenen) Konventualin Verena Gnepser; eine weitere Nichte der Elisabeth, Barbara von Boswil, trat 1493 (?) dem Konvent bei: siehe Kap. II .3.2.2: Verena Gnepser, S. 76 f., sowie II .3.4.1: Barbara von Boswil, S. 109–111. KlA Wil, Chronik, f. 7r. KlA Wil, Chronik, f. 159r: in dem xix jar [. . .] hat v´nser tru´wi Muotter schaffnerin Elsbet Muntpratin [ihre Freunde um eine Geldspende gebeten für ein stegli auf die Orgel-Empore]. A. a. O., f. 20v; f. 60r, f. 160v. Staerkle, Familiengeschichte der Blarer (1949), S. 213. Die Muntprat stammten, wie viele andere Familien mit fremdländischem welschem Namen in deutschen Handelsstädten, aus Oberitalien. Sie waren in den grösseren Städten der weiteren Umgebung des Bodensees ansässig (Ravensburg, Zürich, St. Gallen); ihren Hauptsitz hatten sie in Konstanz. Als mächtiges Handelshaus wussten die Muntprat ihre Aufnahme unter die Patrizier durchzusetzen und traten später in die Reihen des oberschwäbischen Landadels ein; sie wurden jedoch rasch bedeutungslos und starben aus. Zur Genealogie der Muntprat siehe den Stammbaum bei Schulte, Geschichte des Handels (1900), nach S. 610. Der Stammbaum scheint auf ungenügenden Quellen zu gründen, da dort weder Elisabeth noch ihre Schwestern Anna und Veronika figurieren; a. a. O. zu den Muntprat S. 607–612, zum Niedergang des geadelten Geschlechtes S. 615 f. Die Muntprat waren verschwägert und versippt mit den beiden finanzkräftigen Handelshäusern der Mötteli und Humpis, mit denen sie sich zur grossen Konstanzer-Ravensburger Handelsgesellschaft zusammenschlossen. Zu den Ravensburger Handelshäusern der Mötteli und Humpis (Humpiss, Huntpiss) ders., a. a. O., S. 624–638. Haftend auf der Stadt Steckborn: KlA Wil, Chronik, f. 11v, gemäss Vogler,

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Von ihrer Schwester Anna wurde Elisabeth 1498 eine Stiftung zuteil: Jtem vnser hertz l[iebe] S r Enlin Muntpratin het ir .h.[erz]l.[iebe] S r Elsbeten vnser mit S r geben vnd geordnet v guldin lipding alle iar gefalt vf S niclas tag im lxxxxviij [letzte Ziffer im Falz] dz erst nach vswisung des besigleten briefs so sy v´ns geben haut dz wir ir S r dester bas versechen mug[en(d)] mit ir noturft got sy e ir ewiger lon vnd trost ir sel lebend vnd todt.170

Von der Reformation vertrieben, zog Elisabeth Muntprat im Sommer 1528 mit ihrer Nichte Barbara und der Konventualin Clara Rugg nach Bischoffszell, wo sie auf dem Hofe eines Chorherren Unterkunft fanden. Dort starb Elisabeth im Jahre 1531.171 Für die Schriftentwicklung der Schreiberin Elisabeth Muntprat sind ihre frühen Schriftzeugnisse aufschlussreich: Das vermutlich früheste Zeugnis von ihrer Hand ist ein ursprünglich nach Inzigkofen bestimmter Faszikel mit mystisch-aszetischen Texten und Traktaten (heute Block IV einer Sammelhandschrift in UB Freiburg i. Br., Hs. 490, f. 128r−148r): Hierauf weisen nicht nur fehlende Disziplin und Routine der Schrift (schwankende Buchstabenabstände und -grösse), sondern auch allgemein die Anlage und ›Ausstattung‹ der Handschrift: Das Papier ist von mässiger Qualität (Wasserzeichen sind nicht auffindbar) und ohne jede Einrichtung (Schriftspiegel, Reklamanten); die Lombarden (von der Hand der Schreiberin) sind mit dunkelroter, schlecht fliessender Tinte dilettantisch ausgeführt. Ebenso aussagekräftig für die junge Schreiberin ist die vermutlich nur wenig später entstandene Handschrift München, Cgm 5233: Gemäss meinen Recherchen und Schriftvergleichen schrieb Elisabeth Muntprat gemeinsam mit zwei weiteren Schreiberinnen des Katharinen-Scriptoriums diese Sammelhandschrift mit erbaulichen Texten als noch sehr junge Konventualin und ›Scriptoriums-Novizin‹ wohl zwischen ca. 1475 und 1480 (sicher deutlich vor 1483),172 also im Alter von 16 bis ca. 21 Jahren. In den von ihrer Hand stammenden Partien dieser Handschrift ist die Schrift (noch) wenig ausgeformt und schreibgewohnt, sie wirkt unsicher und unausgeglichen, St. Katharina (1938), S. 115, »wohl die reichste« Schenkung, die je an den Konvent gelangte. Zum Schenkungsvermerk KlA Wil, Chronik, a. a. O. am Rand Nachtrag von späterer Hand: die CC guldi hat sin tochter Elsbet mit ir vß dem closter genomen (siehe unten im Text). 170 KlA Wil, Chronik, f. 83v. 171 Vogler, St. Katharina (1938), S. 184, mit Anm. 4 (Lit.); dies., a. a. O., auch zu Clara Rugg (Lit.). 172 Zur chronologischen Einordnung aufgrund meiner Forschungen siehe Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 227.

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nicht flüssig, in Duktus und Ausformung der Buchstaben ›archaisch‹ (im Sinne von ›die Anfänge des Katharinen-Scriptoriums abbildend‹), die Buchstaben-Formen und -Abstände schwanken, die Wortgrenzen sind oftmals unklar.173 In Richtung ihrer späteren, ausgebildeten, routinierten Schrift weisen in dieser Handschrift bereits einzelne Elemente, welche später die persönlichen Charakteristika der »nimmermüden Hand« der emsigen Schreiberin Elisabeth Muntprat bilden werden.174 Die Würdigung der Schreibtätigkeit der Elisabeth Muntprat als »eine[r] der tüchtigsten und fleißigsten Schreiberinnen« durch Vogler175 kann nun aufgrund der Identfikation ihrer Hand in weiteren, als Schenkungen bestimmten (und daher heute verstreuten) Handschriften zusätzlich untermauert werden (siehe unten, sowie Kap. IV : Schriftlicher Austausch, passim). Von ihrer Hand Cod. sang. 363, sowie UB Tübingen, Md. 456.176 Ihre Hand auch in der Chronik (als 2. Haupthand, neben Angela Varnbühler), im Schwesternbuch (als 1. Haupthand, neben Angela Varnbühler) sowie im Urbar, ferner als 3. Hand in Cod. sang. 1066, als Nachtragshand in Cod. sang. 1916, p. 339; UB Freiburg i. Br., Hs. 490, f. 128r–148r; StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 13, f. 79r–113r; BSB München, Cgm 5233, f. 107r(ab Z. 14)−f. 222r, f. 239r–273r. – CMD−CH III (1991), Abb. Nr. 442, S. 178.

3.2.5 Euphrosina Keller (1465? 1466? – 4. September 1514) Euphrosina trat unter dem Namen Wiborada 1477 ins Katharinen-Kloster ein.177 Gemäss der Chronik war sie schon früh ain nu´tzi geflissne sengerin, die später mit dem Amt der Obersengerin betraut wurde. Eine Zeit lang 173 Vgl. u. a. die sehr bemüht wirkenden Experimente mit Majuskel- u. MinuskelFormen im Kolophon, f. 222r der Handschrift Cgm 5233, die den ›ÜbungsCharakter‹ dieser Kolophon-Seite unterstreichen. 174 Zitat Vogler, St. Katharina (1938), S. 184, Anm. 4. – Zu ihrer charakteristischen Schrift siehe Abb. 13, sowie CMD−CH III (1991), Abb. 442. 175 Vogler, St. Katharina (1938), S. 31. 176 Siehe Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 220–222. Nicht nur Fechter, Deutsche Handschriften (1997), S. 120, auch Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 196 (zu Cod. sang. 1916), denenzufolge Tübingen Md. 456 »im Jahre 1484 unter Mitbeteiligung der Schwester Elisabeth Muntprat« geschrieben sei, ist zu korrigieren: Die ganze Handschrift stammt von ihrer Hand. 177 KlA Wil, Chronik, f. 8r. 1482 figuriert sie im Konventualinnen-Verzeichnis (a. a. O., Schwesternbuch, p. 27) unter dem Namen efrosina; ihre Profess (und damit die ›Taufe‹ auf den Klosternamen Euphrosina) ist in der Chronik nicht verzeichnet.

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hatte sie auch das Amt der Novizenmeisterin und der obre[n] gewand maisterin inne.178 Obwohl mit den genannten Ämtern befasst, war sie auch im Scriptorium des Konvents tätig: Subskribierte Handschriften von ihrer Hand sind nicht bekannt. In einer Abschrift der ›24 Alten‹ des Otto von Passau brachte sie, gemeinsam mit ihrer Mitschwester Potentiana Talmann, Korrekturen an; als ›Korrekturhand‹ empfiehlt sie sich und ihre Mitschwester am Schluss des Bandes der Fürbitte des Konvents: e

o

Bittent got fur die zwo schwostren mit aim aue maria[,] die diss buch mit grosser arbait vnd fliss gecoriert [!] hand[,] als man es wol sicht S r Potenciana T[almann] vnd Efrosina K[eller].179

1513, ein Jahr vor ihrem frühen Tod, brachte Euphrosina an zwei gedruckten Brevieren und einem Diurnale, welche Elisabeth Schaigenwiler von ihrem Vater erhalten hatte, Ergänzungen an: hat ir S r effrossina Kellerin darzuo geschriben die nu´wen y¨storia vnd wz gemanglet hat.180 Im folgenden Jahr verstarb sie am 4. September, nachdem sie 37 Jahre im Konvent gelebt hatte, im Alter von 48 (?/49) Jahren: v

Jtem in dem jar ist von disser zit geschaiden an sant augustins octa [2. Septeme ber] an ainem mentag die andachtig lieb S r Effrosina Kellerin [. . .] Sy¨ ist alt gesin xxxxviiij [?, unklar: nur 3 Punkte, aber 4 Schäfte] jar vnd ist xxxvij jar jn dem e orden gesin[.] In denen jaren hat sy¨ sich tru´lich geupt in allen gaistlichen vnd zitliche[n] dingen vnd ist vil jar ain nu´tzi geflissne sengerin gesin[,] dar an sy¨ sich e u rinlich gebrucht vnd geupt hat[;] sy¨ ist och noitzen maisterin gesin vnd vil jar obre gewand maisterin [. . .] do sy¨ starb wz sy¨ obre se[n]gerin.181

178 A. a. O., f. 142v: Nachruf, zum Jahr 1514, Zitat siehe unten im Text. HS IV /5,2 (1999), S. 764, mit Anm. 81; Vogler, St. Katharina (1938), S. 111. 179 Wil M 41, f. 449r; zur Identifikation der Hand siehe zur Handschrift im ›Katalog der Handschriften‹; ihre Hand Abb. 10. In CMD−CH III (1991), Nr. 415, mit Abb. 451, ist die zitierte Stelle irrtümlich als Kolophon zweier Schreiberinnen der Handschrift aufgefasst; es handelt sich jedoch um einen Nachtrag, der sich nur auf das Korrigieren der Handschrift bezieht, welches gemäss der Datierung der Handschrift (f. 448v/449r) 1484 oder wenig später erfolgte. Eine Übereinstimmung der Hand dieses Eintrags (Euphrosina Keller) mit einer der Text-Hände konnte ich nicht feststellen. 180 KlA Wil, Chronik, f. 137r. 181 A. a. O., f. 142r, zum Jahr 1514; aus diesem Eintrag lässt sich ihr Geburtsjahr erschliessen: 1465 oder 1466 [siehe oben im Zitat: Alter beim Versterben unklar].

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3.2.6 Regina Sattler [1475–1522] Regina (vormals Anna) Sattler war Tochter des St. Galler Ratsherrn und Zunftmeisters Nikolaus Sattler.182 1475 trat Anna in das Katharinen-Kloster St. Gallen ein, mit einer Aussteuer von 500 rheinischen Gulden; zudem besass sie beträchtliche Güter und Zinsen, die Gallus Kapfmann als Vogt verwaltete (ihr Vater scheint vor ihrem Eintritt ins Kloster gestorben zu sein). Die Hälfte der Nutzniessung des Erbes bekam (die offenbar einzige Tochter) Anna, die andere ihre Mutter.183 Bereits 1475 wurde eine schriftlich fixierte abredung entzwu´schend der Priorin und dem Konvent St. Katharina vnd Annen Saitlerin Maister Clausen saittlers Eliche[r] tochter und deren o vogt Ulrichen Haering getroffen.184 Mit Einwilligung des Bürgermeisters und Rates von St. Gallen stiftete Regina 1480 für sich und ihre verstorbenen Angehörigen zwei Messen: Jtem ist v´ns worden von Annen Satlerin v´nser convent swöster edem mal185 vnd sy¨ gehorsami tett ab ainem hoff ze sulssberg dis nach geschribnen zins [. . .] dz e man all wuchen sol ij messen han wie es v´ns fugt von den hailgen oder von den selen durch ir vnd ires vatters vnd irer fordren selen hail willen nach lut des besigelten brieffs den wir geben hand.186

Dafür sollte dem Kloster zu ewigen Zeiten ein jährlicher Zins von 3 Gulden 19 Schilling, 4 Mutt Kernen, 2 Malter Haber [Hafer] und 4 Hühnern zu182 1455 als Ratsmitglied bezeugt: Urkundenbuch St. Gallen 6 (1917 f.), S. 457, Nr. 5778; S. 458, Nr. 5782. 183 KlA Wil, A.II.a.2, Nr. 33; a. a. O., f. 15v (siehe unten). Ihre Mutter war in zweiter Ehe mit Heinrich Zili verheiratet; aus der St. Galler Kaufmannsfamilie der Zili, die des öfteren im Rat der Stadt vertreten war, stammten die Konventualinnen Apollonia (vormals Katharina) und Sabina (vormals Verena): Vogler, St. Katharina (1938), S. 54, mit Anm. 9. 184 Im Beisein von Hans Schürpf, Bürgermeister, Jörg Gmu´nder, Vogt, Othmar Schlaipfer, alt Bürgermeister, und Jörg Spengler, St. Galler Rat: KlA Wil, A.II.a.2, Nr. 33, auf dem Verso datiert M o cccc o lxxv o; in diesem Jahr amtierte noch Anna Krumm als Priorin, von ihrer Hand stammt wohl auch das o Dokument; unten ein Nachtrag in Halbkursive betreffend das hoptgut und den jährlichen Naturalienzins. 185 Unklar, Bruch im Satz: Hätte hier der (vorgesehene?) Namenswechsel vermerkt werden sollen? 186 A. a. O., Chronik, f. 8v–9r, zum Jahr 1477. Die Stiftung der Messe betreffend siehe das urkundenähnliche Dokument von der Hand der Anna Sattler: Ich e Anna Sattlerin wilend Maister Nicklausen Sattlers saligen Ehliche tochter o Closterfrow des Gotzhuß zu Sant kathrinen [. . .] Jn dem Sybenundsibenczigosten Jahre, KlA Wil, A.II.a.2, Nr. 33.

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fallen, haftend auf dem Gut, genannt zu den Vogtlüten, unter den Eggen, das Regina von ihrem Vater geerbt hatte.187 Diese Vereinbarung wurde offenbar 1480 in modifizierter Form erneuert: e

Jtem v´ns ist worden von Reginen Satlerin v´nser Conuent swoster iij guldin geltz von dem spital iij lb dj [?, unklar] [. . .] die zins brieff sind v´ns worden am zinstag e vor sant margretten tag fu´r ettwa fil libding dz man v´ns formals jarlich gab von e o o der vorgenamten swoster gutt dz v´brig ward gelassen ir mutter vnd geswu´stergi [folgt ein überschmierter Buchstabe, unlesbar] mitt willen v´nd wissen ains o fu´rsichtigen wisen burger meisters [!] vnd ratz [!] zu Sant gallen im [!] dem 188 lxxx.

In der Chronik ist Regina für das Jahr 1476 als novitz[in] genannt.189 Das Datum ihrer Profess ist nicht verzeichnet; vermutlich legte sie vor 1478 die Gelübde ab, da sich die ersten Einträge betreffend Neueintritte (unter dem Priorat der Angela Varnbühler) auf dieses Jahr beziehen. Im Schwesternbuch ist sie genannt als eine der 40 Schwestern, die nach 13 Jahren gemaind im Jahr 1482 dem Konvent angehörten.190 1513 war sie Empfängerin einer Schenkung: Jtem vnser gute gunerin frow Barbel Korin zü nu´renberg het vnser lieben tru´wen schwoester Regina Satlerin geben vnd bezalt ain prefier [!] och getruckt vnd hat ir lon inbinden.191 Enthalten die Quellen nur diese wenigen Hinweise auf Regina, so ist sie als Schreiberin mehrfach belegt. Die früheste (erhaltene) Handschrift ist vermutlich ein Brevier (Wil M 8), welches sie gemeinsam mit Cordula von Schönau wohl zu Beginn der 1490er Jahre geschrieben hat.192 Später (wohl um 1497/1498) war sie massgeblich an der Abschrift der für den zu reformierenden Konvent Zoffingen bestimmten Handschriften beteiligt,193 wobei wiederum zwei Abschriften in Gemeinschaftsarbeit mit ihrer Mitschwester Cordula von Schönau entstanden.194 Letztmals belegt ist sie 1521 als Schreiberin in einer Predigthandschrift, gemeinsam geschrieben mit Dorothea von Hertenstein und Elisabeth Schaigenwiler.195 187 188 189 190 191 192

Nachtrag auf dem Verso unten des Dokuments KlA Wil, A.II.a.2, Nr. 33. A. a. O., Chronik, f. 15v, zum Jahr 1480. A. a. O., f. 7r. A. a. O., Schwesternbuch, p. 26 [= f. xv]. A. a. O., Chronik, f. 138r. Siehe im ›Katalog der Handschriften‹ sowie Abb. 8; ferner CMD−CH III (1991), Abb. 814. 193 Ü Ms. 1, Ü Ms. 26, Ü Ms. 29. 194 Ü Ms. 5, Ü Ms. 22; siehe Kap. V .2: Die Zoffinger Handschriften, S. 246 f. 195 Cod. sang. 990, ihr Kolophon a. a. O., p. 200a; KlA Wil, Chronik, f. 166v (zu dieser Handschrift).

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Von ihrer Hand Überlingen Ms. 1, Ms. 26, Ms. 29. Ihre Hand auch in Cod. sang. 603, p. 1a–153b, p. 572a–684b (Kolophon p. 684b), in Cod. sang. 990, p. 3a–200a (Kolophon p. 200a, datiert 1522), in Überlingen Ms. 22 (2. Hand), sowie in Wil M 8. Eventuell schrieb sie auch ins Schwesternbuch, vgl. f. CClr. Nicht von ihrer Hand Cod. sang. 1788, entgegen der Zuweisung im CMD−CH III (1991), Schreiberverzeichnis, p. 309 (zu korrigieren, richtig: Regula Keller); die Zuweisung von Cod. sang. 991 an Regina Sattler a. a. O. (davon jedoch nichts unter Nr. 242) ist nach Schriftvergleich mit den mit S. R. S. subskribierten Cod. sang. 603 und Cod. sang. 990 zu korrigieren (richtig: von der Hand der Priorin Angela Varnbühler). CMD−CH III (1991), Nr. 241, Abb. 589a, Abb. 589b, Schreiberverzeichnis, p. 309; Vogler, St. Katharina (1938), S. 32 f., S. 115, S. 154; Grubmüller, Viten der Schwestern von Töss (1969), S. 174, führt zur chronologischen Einordnung des von Regina Sattler geschriebenen Faszikels A in Cod. sang. 603 Lebensdaten von »1491–1501, bzw. 1492–1497« zur Erschliessung der Abfassungszeit an, ohne anzugeben, woher diese Daten stammen (zur Datierung des fraglichen Faszikels siehe im ›Katalog der Handschriften‹ bei Cod. sang. 603).

3.2.7 Potentiana Talmann (1482, ca. 1484) Potentiana Talmann war Tochter (oder Schwester?) eines Ulrich Talmann, der im Urbar des Katharinen-Klosters als schriber burger ze Sant gallen genannt wird.196 Ob Potentiana mit der am 5. April 1486 eingetretenen Anna Talmann verwandt war, ist nicht bekannt.197 Sie stand in brieflichem Kontakt mit Joachim von Watt (dem späteren Reformator Vadian).198 1482 figuriert sie im Schwesternbuch im Verzeichnis der dem Konvent angehörigen Frauen.199 In der Chronik ist weder das Datum ihres Eintritts ins Kloster noch das ihrer Profess verzeichnet; auch Schenkungen an sie sind nicht vermerkt. Vermutlich in ihrem persönlichen Besitz befand sich das Brevier Wil M XVII , in welches sie im Kalendar die Todesdaten ihres Vaters und ihres 196 Urbar, fol. 1r; dieser schriber burger vermutlich nicht identisch mit einem 1458 als öffentlicher Notar bezeugten Ulrich Talmann von Jonschwil [Urkundenbuch St. Gallen 6 (1917 f.), S. 620, Nr. 6231]. 197 KlA Wil, Chronik, f. 50r; Vogler, St. Katharina (1938), S. 277 (Konventualinnen-Verzeichnis). 198 Vogler, St. Katharina (1938), S. 162 f. mit Anm. 5, interpretiert einen Brief der Potentiana Talmann (vom 9. August 1519) an Vadian (abgedruckt bei ders., a. a. O.), in dem sie sich ü[wer] b[äslin] nennt, als Indiz für ein Verwandtschaftsverhältnis (Base − Vetter); dies ist jedoch in Zweifel zu ziehen, da sie in demselben Brief ihre Mitschwestern ebenfalls als üwre bäslin bezeichnet. 199 KlA Wil, Schwesternbuch, p. 26; im Verzeichnis der Konventualinnen von 1476 figuriert sie nicht.

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Bruders eintrug.200 Ihre Hand findet sich auch als eine von zwei Korrekturhänden in der (in das Jahr 1484 datierten) Handschrift Wil M 41.201 3.2.8 Sapientia Wirt [1482, † 1537/38] Sapientia Wirt stammte aus einer angesehenen, am Markt wohnhaften St. Galler Bürgerfamilie, die auch im Rat vertreten war: Ihr Bruder Caspar Wirt war Mitglied des Rates, Christoph Wirt Bürgermeister und Reichsvogt.202 Ihre Eltern waren der Ratsherr Rudolf Wirt, Besitzer des Hauses zur Laterne und des anstossenden Kamelhofes, und Anna Eberli.203 Im Konventualinnen-Verzeichnis der Angela Varnbühler von 1476 figuriert sie nicht; im Schwesternbuch jedoch ist Sapientia im Verzeichnis der dem Konvent Angehörigen von 1482 genannt.204 1477 trat eine Ennli (Anna) Wirtinnen ins Katharinen-Kloster ein: Eventuell erhielt diese den Klosternamen Sapientia und wäre mit der späteren Piorin gleichzusetzen.205

200 Wil M XVII , f. [5r] am 30. September: volricus talman min h[erz] l [ieber] v[ater] [Todestag?]; f. [5]v am 17. Oktober: o[biit] volricus talman frater meus. Vogler, St. Katharina (1938), S. 234, Nr. 5, vermutet Potentiana auch als Schreiberin dieses Breviers; dies ist auszuschliessen: wohl Arbeit eines professionellen Schreibers. 201 Zur Identifikation ihrer Hand siehe auch zur Handschrift im ›Katalog der Handschriften‹. Im Schreiberverzeichnis des CMD−CH III (1991), S. 288 (Euphrosina Keller) liegt eine (doppelte) Verwechslung vor: Die Hand der Potentiana Talmann (nicht der Euphrosina Keller) findet sich auch in Wil M XVII [römisch!]; eine Handschrift mit der Signatur Wil M (arabisch) 17 existiert nicht; zudem steht der Eintrag im Schreiberverzeichnis in Widerspruch zum Text von Nr. 415, S. 150. – Siehe auch Kap. II .3.2.5: Euphrosina Keller, S. 85 (Zitat Kolophon). 202 Vogler, St. Katharina (1938), S. 160, mit Anm. 2 (Lit.). 203 Zu Rudolf Wirt KlA Wil, Chronik, f. 14v; Staerkle, Familiengeschichte der Blarer (1949), S. 207, zitiert StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 53; 1479 hatte Rudolf Wirt ein Steueraufkommen von ca. 5840 Pfund. Die Familie der Eberli hatte seit dem 14. Jahrhundert Verwandte im Katharinen-Kloster, vgl. Vogler, St. Katharina (1938), Konventualinnen-Verzeichnis, S. 272, und S. 18. Zur Familie Wirt(h) HBLS VII (1943), S. 565, C.1; zu Sapientia Wirt HS IV /5,2 (1999), S. 778 ff.; Vogler, St. Katharina (1938), S. 160 f. sowie S. 181, S. 186. 204 KlA Wil, Schwesternbuch, p. 26, a. a. O., Chronik, f. 6v/7r. Ihre Profess wurde in der Chronik offenbar nicht verzeichnet. 205 A. a. O., f. 8r. Vogler, St. Katharina (1938), S. 52, mit Anm. 2, schliesst aufgrund des Verzeichnisses von 1482, in dem Ennli Wirtinnen nicht mehr genannt ist (siehe vorherige Anmerkung), dass sie früh verstorben sei.

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Am Tag des Rücktritts ihrer Vorgängerin Wiborada Zollikofer (6. 6. 1513) wurde Sapientia (nicht einstimmig) zur neuen Priorin gewählt. Sie bat darum, ihr dieses Amt zu erlassen, da sie dazu nicht fähig sei; doch sie musste es aus Gehorsam übernehmen: o

Sie [. . .] hat sich vast entschuldiget[,] dz sy¨ nit gnugsam sig zu´ dem ampt vnd o tru´lich vnd ernstlich betten[,] dz man sis erliess / dz mocht nit sin[:] sy¨ must [. . .] 206 dz ampt vff sich nemen jn der hailgen korsami.

Als Schreiberin ist Sapientia nachzuweisen im Schwesternbuch und in der Chronik, wo sie eine Schenkung zu ihrem Amtsantritt eigenhändig verzeichnet: e

e

o

Jtem vnser lieber vetter Jochaim [!] Sporlin hat mir ain schon predig buch geben die Johannes thailer [!] hat gemacht vnd geprediget[,] Costet j guldin[,] schanck [!] er mir in dz prior ampt got sig sin ewiger lon.207

Bereits ab dem Jahr 1504 stammen grosse Partien der Chronik von ihrer Hand, darunter auch Einträge wie min lieber bruoder doctor Caspar Wirt oder min lieber tru´wer her vnd bruoder doctor Caspar Wirt.208 Trotz mehrfacher Bitten ihres Bruders Caspar, der ein Anhänger der ›alten‹ Lehre war, an den befreundeten Bürgermeister und Reformator Vadian, das Katharinen-Kloster und seine Priorin zu schonen, setzte der Rat 1527 (?) Sapientia Wirt als Priorin ab und erklärt Ursula Utz zur Nachfolgerin. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Sapientia zusammen mit einer ehemaligen Mitschwester Huxin (Magdalena oder Barbara Hux) im Hause einer Lucia Stek in St. Gallen, wo die beiden im März 1537 oder 1538 kurz nacheinander starben.209 Ihr Bruder Caspar Wirt war »einer der bedeutendsten St. Galler des ausgehenden Mittelalters«:210 Als Dr. theol. et iuris canonici besass er zahlreiche Pfründen; seit 1494 weilte er häufig an der römischen Kurie, wo er »die wichtige Stelle eines päpstlichen Sollicitators und Protonotars« inne 206 KlA Wil, Chronik, f. 136v; für die Durchführung der Wahl war der Lesemeister Othmar Engeler zuständig. 207 A. a. O., Schwesternbuch, f. CCxliiijr (untere Hälfte der Seite), Chronik-Zitat f. 138r; die Handschrift ist nicht erhalten; als verloren auch verzeichnet bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 267, Nr. 261. 208 KlA Wil, Chronik, f. 149r, f. 151r; Nachträge bereits ab f. 102rv, zum Jahr 1504. 209 Siehe Vogler, St. Katharina (1938), S. 186, mit Anm. 3: StadtASG, Msc. Nr. 79, f. 224v. 210 Staerkle, Familiengeschichte der Blarer (1949), S. 207 f.

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hatte, »die ihn in Stand setzt[e], als geistlicher Advokat eine äusserst rege und einträgliche Tätigkeit zu entfalten«. Er war spätestens seit 1506, also noch vor dem Priorat seiner Schwester Sapientia tat- (und finanz-)kräftiger Unterstützer des Katharinen-Klosters. Als guter Freund und Gönner des Klosters verwandte er sich stets für dessen Interessen, vor allem bei der römischen Kurie, und liess dem Kloster zahlreiche nützliche Freundesdienste sowie grosszügige Geschenke zuteil werden.211 Schrift- und Buchkultur waren in der wohlhabenden Familie offenbar tief verwurzelt: Rudolf Wirt schrieb 1467 ein buch das haisset das leben vnd liden jhesu christi (Leben Jesu, deutsch, mit über 20 federgezeichneten Miniaturen).212 Caspar Wirt war Besitzer von Handschriften, darunter ein Codex mit der ›Consolatio philosophiae‹ des Boethius, geschrieben 1471 von einem Johann(es?) Wirt(h).213 Es ist anzunehmen, dass Lesen und Schreiben in der Familie Wirt als selbstverständlich galten; möglicherweise wurde Sapientia bereits durch ihren Bruder an Bücher herangeführt und erhielt schon im Elternhaus Schreibunterricht. 3.2.9 Cordula von Schönau [1484 (?)] (149?–1504) Die von Schönau waren eine stadtzürcherische, zur Konstaffel gehörende Familie.214 Die einzigen gesicherten biographischen Randdaten zur Konventualin Cordula von Schönau stammen aus von ihr geschriebenen und datierten Handschriften: Ein Brevier nach dominikanischem Ritus ist von ihr subskribiert und mit [14]92 datiert; ein Plenar, gemäss Schriftvergleich von ihrer Hand stammend, ist von ihr ins Jahr 1504 datiert.215 Nach Auskunft der Chronik wurde Cordula, gemeinsam mit Kunigund Ensingerin, 1498 als Reformschwester in das Kloster Zoffingen (Konstanz) entsandt, 211 KlA Wil, Chronik, f. 106r, f. 113v, f. 123v, f. 133v, f. 134r, f. 142r. 212 Cod. sang. 599; CMD−CH III (1991), Nr. 133, Abb. 351: finitus est liber iste o [. . .] per me Rudolffum wirt honestum virum, p. 463 der Handschrift. 213 Cod. sang. 824; CMD−CH III (1991), Nr. 189, Abb. 376, Schreiberverzeichnis, S. 302. Weitere Handschriften aus dem Besitz von Caspar Wirt: Cod. sang. 331, Cod. sang. 829, Cod. sang. 874 [gemäss HBLS VII (1943), S. 265, C.1]. 214 Stammsitz der Familie war Schloss Schönau zwischen Bregenz und Lindau; nach dessen Zerstörung im Appenzellerkrieg zog die Familie nach Konstanz. Cordulas Vater Viktor (siehe unten im Text) nahm an den Burgunderkriegen teil. HBLS VI (1931), Sp. 231. 215 Wil M 13, f. I r; Ü Ms. 16, f. 281va.

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wo sie die Ämter der Novizenmeisterin und der Gewandmeisterin versah.216 Da sie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in zahlreichen Codices der Katharinen-Bibliothek Besitzeinträge des Klosters anbrachte, könnte sie im St. Galler Konvent eine Zeit lang das Amt der Buchmeisterin innegehabt haben.217 Die für dieses Amt erforderlichen Bildungsvoraussetzungen jedenfalls hätte Cordula von Schönau erfüllt: Sie war nicht nur im Schreiben geschult, sondern besass anscheinend auch recht gute Lateinkenntnisse.218 Gemäss den erhaltenen Codices von ihrer Hand schrieb Cordula von Schönau im St. Galler Scriptorium offenbar vorwiegend liturgische Handschriften, wozu sie mit ihrer Kenntnis des Lateinischen besonders befähigt war. Erhalten sind vier (lateinische) Breviere (Cod. sang. 406, Wil M 3 [mit Verena Gnepser], M 8 [mit Regina Sattler], M 13), sowie zwei Bändchen in–16o mit Gebeten und Betrachtungen (Cod. sang. 490 und Cod. sang. 491, siehe unten). Auch in die Chronik schrieb sie in den Jahren 1493 und 1494; in das Schwesternbuch trug sie auf 1 1/2 Seiten Erläuterungen zu liturgischen Gesängen ein. In der Vorbereitung der Zoffinger ReformMission entstanden, in Gemeinschaftsarbeit mit ihrer Mitschwester Regina Sattler, Abschriften verschiedener Werke der erbaulichen geistlichen Literatur, die zur Ausrüstung einer observanten Nonnenbibliothek im zu reformierenden Kloster Zoffingen bereitgestellt werden sollten: Ein Sammelband mit Sendbriefen der Ordensreformer, der Dominicus-Vita des Dietrich von Apolda und dem ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer (Ü Ms. 5),219 sowie ein weiterer Sammelband mit Werken Heinrich Seuses und den Schwesternbüchern von Töss und Katharinental (Ü Ms. 22, Abschrift von Cod. sang. 603). In demselben Sinne setzte sie als Reformschwester im Zoffinger Konvent, obwohl von ihren verantwortungsvollen Ämtern in Anspruch genommen, ihre Schreibtätigkeit fort, wo eine Abschrift eines Plenars (Ü Ms. 16, Kopie von Cod. sang. 363) und eine Abschrift des Passionstraktates nach Ludolf von Sachsen (Ü Ms. 28) entstanden. Die noch im St. Galler Scriptorium geschriebenen Breviere von ihrer Hand stehen in einer buchschriftnahen Bastarda, deren Regelmässigkeit und Disziplin im Duktus auf eine geschulte, versierte Schreiberin weisen.220 216 KlA Wil, Chronik, f. 82v–83r. 217 Siehe Kap. III .4: Organisation der Bibliothek. – Auch die Besitzeinträge in den Zoffinger Handschriften stammen von der Hand der Cordula von Schönau. 218 Siehe Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 73. 219 Siehe Kap. V .2: Die Zoffinger Handschriften, S. 245. 220 Von der Routine dieser Schreiberin zeugt insbesondere die auch bei fehlender

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Besonders sorgfältig geschrieben ist das Brevier M 13, in einer ausgesprochen hübschen, kräftigen Bastarda mit einfachen, runden Buchstabenkörpern (vgl. die a und die unzialen d) ohne Schnörkel und Schlaufen, die eher den Mittelkörper betont (siehe die kurzen, teilweise nach links heruntergebogenen Schäfte der unzialen d). Die Rubriken der Breviere von ihrer Hand stammen stets von der Schreiberin, ebenso vermutlich, aufgrund der Übereinstimmung der roten Tinte, die schlichten, aber sehr sorgfältigen Lombarden, welche vereinzelt mit Fischen entlang der Schäfte verziert sind.221 Neben ihrer charakteristischen buchschriftnahen Bastarda, die Cordula als eine mehr ›repräsentative Schrift‹ für lateinische Breviere verwendete, schrieb sie eine zur Halbkursiven tendierende Bastarda, welche zwar stets die für ihre Hand charakteristischen Buchstabenformen, jedoch auch kursive Elemente sowie eine leichte Rechtsneigung aufweisen. Diese fand Verwendung in den vorwiegend deutschsprachigen Bändchen mit Gebeten und geistlichen Betrachtungen (Cod. sang. 490 und Cod. sang. 491), welche der Schreiberin wohl zur privaten Andacht dienten, weshalb man diese Schrift als ›Gebrauchsschrift‹ bezeichnen möchte.222 Dieselbe halbkursive Bastarda konnte von mir in den heute in der Leopold-Sophien-Bibliothek Überlingen aufbewahrten Handschriften mit Zoffinger Provenienz aufgrund von Schriftvergleichen zweifelsfrei der Hand der Cordula von Schönau zugewiesen werden.223 Aufgrund dessen ist sie nicht mehr, wie bislang, nach 1498 (das heisst: nach ihrer Entsendung nach Zoffingen) für die Forschung nicht mehr greifbar, sondern durch die von ihr im Zoffinger Konvent geschriebenen Handschriften bis 1504 nachzuweisen.224 Die in Zoffingen von Cordula in halbkursiver Bastarda geschriebenen Codices sind zwar ebenfalls ordentlich, aber ganz offensichtlich sehr zügig niedergeschrieben worden (vorwärtseilender Duktus mit stärkerer Rechtsneigung).225 Im Vergleich mit ihren in St. Gallen geschriebenen Hand-

221 222 223 224 225

Schriftspiegeleinrichtung und Linierung tadellos korrekte Zeilenführung, vgl. z. B. Ü Ms. 16, [vorderes Spiegelblatt] – f. [1v]. Siehe Kap. II .4.3: Handschriftenherstellung, S. 125 f. Codd. sang. 490 und 491, siehe Kap. II .4.1: Analyse der Schriften, S. 117 f., sowie Abb. 17, vgl. Abb. 14 sowie CMD−CH III (1991), Abb. 469. Zu den Zoffinger Handschriften siehe Kap. V .2. – Die Schreiberin konnte (mangels Vergleichsmaterial) nicht identifiziert werden von Heitzmann, Handschriften Überlingen (2002). Mengis, Art. ›von Schönau, Cordula‹, in: HLS (im Druck). Zum Beispiel Ü Ms. 28, f. 244v–256r. Dass die routinierte Schreiberin im Kloster Zoffingen unter Zeitdruck stand, lassen auch die häufigen Verschriebe vermuten, z. B. im ›Ämterbuch‹ (Ü Ms. 5): Zumeist handelt es sich um Ab-

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schriften fällt ferner die zwar tadellose und sorgfältige, aber schlichte, auf ein Minimum reduzierte Ausstattung der Handschriften auf: Die Lombarden haben keinerlei Schmuck, vor allem fehlen die für ihre St. Galler Handschriften charakteristischen Fisch-Verzierungen; hingegen finden sich die Blümchen-Rahmen für Text-Einfügungen und -korrekturen (siehe Abb. 17) auch in ihren Zoffinger Handschriften (Ü Ms. 16 und Ms. 28). Plausibel wäre, dass Cordula im Zoffinger Konvent die Zeit für aufwendigeren Buchschmuck fehlte, da nicht nur die Bereitstellung der benötigten Literatur im zu reformierenden Konvent rasch erfolgen musste, sondern zudem die Schreiberin durch das Ausfüllen der anspruchsvollen Ämter der Novizen- und der Gewandmeisterin in Anspruch genommen war. Wie oben bereits angedeutet, beziehen sich die Angaben auf Cordula von Schönau in den Quellen fast ausschliesslich auf ihre Schreibtätigkeit, während sonstige biographische Hinweise sehr spärlich sind. Sie figuriert weder im Verzeichnis der dem Konvent Angehörigen von 1476, noch in demjenigen von 1482.226 Demnach muss sie nach 1482 und vor 1492, dem Jahr der ersten (erhaltenen) datierten Handschrift von ihrer Hand, ins KatharinenKloster aufgenommen worden sein. Der Eintritt einer Novizin mit Namen Cordula von Schönau ist (trotz zahlreicher verzeichneter Eintritte) zwischen 1482 und 1492 nicht vermerkt. In der Chronik ist sie erstmals in einem Schenkungsvermerk zum Jahr 1494 namentlich genannt: Clara Begerin gab jr bassen S Cordula von Schönnow ainen bapiri prefier[!] kost ij guldin vnd ain halb ort ains guldi mer[;?] gab jr ir vatter Victor von Schönnow ain bapiri druckt dy¨ernaely.227 Derselbe Viktor von Schönau machte dem Katharinen-Kloster 1485 eine Stiftung von 100 Gulden: Jtem v´ns hett geben v´nser lieber vattter Victor von Schoenow C guldin zuo ainer gotz gab[,] als er v´ns denn zuo hatt gesait von siner tochter Elsbetten wegen nach ostren also bar.228 Von Elisabeth von Schönau berichtet die Chronik für das vorangegangene Jahr 1484: e

Jtem wir hand enpfangen vnd in den orden angelait Elisabetten von Schonow an sant Schollasticen tag [10. Februar] vnd ist die erst S r die wir in v´nser schloss enpfangen hand229 vnd in v´nserm Capittel hus angelait[.] vnd hatt v´ns ir vatter

226 227 228 229

schreibefehler ab der Vorlage (Doppelungen, fehlende Kürzungsstriche), vgl. a. a. O., f. 120vb, f. 141rb, f. 146rb, f. 191vb, f. 213ra, f. 239ra. KlA Wil, Chronik, f. 7rv; a. a. O., Schwesternbuch, p. 26. A. a. O., Chronik, f. 71v. A. a. O., f. 45v. Das heisst: die nach Einführung der Klausur (29. September 1482: a. a. O., f. 22r) in den Konvent aufgenommen wurde.

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o

geben zu ainer gotz gab C guldin bar vnd c guldin an ain zins brieff[,] dz wir sy¨ e o versechint mitt klaider vnd mitt bucher Summa ij c guldint[.] Jtem ir mutter hab o gabet j silbrin becher Jtem vnd c guldin sait er [ihr Vater] v´ns zu ze geben.230

Festzuhalten ist: Im Jahr 1492 subskribierte und datierte in einem Brevier (Wil M 13) eine Konventualin namens Cordula von Schönau, als deren Vater der zitierte Schenkungseintrag von 1494 Viktor von Schönau nennt. Diese Cordula figuriert weder in den Konvent-Verzeichnissen von 1476 und 1482, noch ist sie vor dem Subskriptionsdatum 1492 in irgendeiner Form namentlich genannt. Eine Konventualin namens Elisabeth von Schönau, gemäss Chronik Tochter des Viktor von Schönau, wurde 1484 in den Konvent aufgenommen. Im folgenden Jahr ist sie nochmals genannt in Zusammenhang mit einer Schenkung ihres Vaters. Danach schweigen die Quellen zu Elisabeth von Schönau – wie sie auch vor 1492 (Wil M 13) respektive 1494 (Chronik) eine Cordula von Schönau nicht nennen. Zwar wird eine Namensänderung, wie sie anlässlich der Profess mehrerer Novizinnen vorgenommen und in der Chronik vermerkt wurde, bei der Profess der Elisabeth von Schönau nicht erwähnt. Dennoch erscheint es aufgrund der dargelegten Beobachtungen möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich, dass es sich bei Elisabeth und Cordula nicht um leibliche Schwestern, sondern um ein und dieselbe Person handelt.231 Das würde bedeuten, dass die erste in die Klausur eingetretene Novizin die spätere Schreiberin Cordula von Schönau war.232 Geht man von einem Eintrittsalter von ca. 10 Jahren aus, wäre Cordula beim Schreiben des ins Jahr 1492 datierten Breviers ca. 18-jährig gewesen, bei der Entsendung nach Zoffingen rund 25-jährig. Von ihrer Hand Cod. sang. 406, Cod. sang. 490, Cod. sang. 491, Wil M 13, Ü Ms. 16, Ms. 28. Ihre Hand auch in Wil M 8 (mit Regina Sattler), in Wil M 3 (mit Verena Gnepser), in Ü Ms. V (1. Hand, mit Regina Sattler), in Ü Ms. 22 (2. Hand, mit Regina Sattler), in der Chronik, f. 70v–71v (zu den Jahren 1493 und 1494), sowie im Schwesternbuch, f. Liv untere Hälfte bis f. Lijr (zu liturgischen Gesängen). 230 A. a. O., f. 38v. Vogler, St. Katharina (1938), S. 276, gibt als Eintrittsdatum der Elisabeth von Schönau den 10. 2. 1483 an (ohne Zitat oder Angabe einer Chronik-Stelle); der oben zitierte Eintrag bezieht sich jedoch auf das Jahr 1484. 231 Der Name Cordula war unter den Weltlichen nicht verbreitet: Die Heilige Cordula war eine der Elftausend Jungfrauen, ihr Patrozinium nicht besonders häufig. 232 Vogler, St. Katharina (1938) stellt keinerlei Verbindung zwischen Elisabeth und Cordula von Schönau her.

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3.2.10 Justina Blarer (1486–[1519]) Dieser St. Galler Dominikanerin hat Fechter einen Aufsatz gewidmet, der noch heute die erstrangige Quelle zu Justina Blarer bildet.233 In der Chronik sind Einträge zur Konventualin Justina spärlich. Für das Jahr 1486 wird ihr Eintritt ins Katharinen-Kloster verzeichnet: Jtem wir hand enpfangen Justina Blarerin vnd angelait an dem hailgen martrer tag vite vnd modesti [15. Juni].234 Justina war eines von sieben Kindern (5 Töchter, 2 Söhne) des Ludwig Blarer und der Walpurg Stickli (Stickel).235 Ihre Schwester Agnes war bereits 1478, noch zu Lebzeiten des Vaters Ludwig, in das St. Galler Dominikanerinnenkloster eingetreten;236 zwei weitere Schwestern, Dorothea und Apollonia, waren Kanonissen zu Münsterlingen.237 Der Konventualin Justina wurden einige Bücherschenkungen ihrer Verwandten zuteil,238 insbesondere von Seiten ihrer Mutter und ihres Bruders Bartholome:239 Walpurg Blarer liess ihrer Tochter Justina zunächst ainen 233 Fechter, Blarerin (1979), S. 430–442; S. 431 f. u. S. 441 resümierende Auseinandersetzung mit der vorausgegangenen Forschung und deren Fehlinterpretationen: K. A. Barack, Handschriften Donaueschingen (1865); Wolfgang Stammler, in: VL 1 1 (1933), Sp. 246 f.; Hans Rupprich, in: Geschichte der deutschen Literatur, Bd. IV /1 (1970), S. 332. Vogler, St. Katharina (1938), S. 54. 234 KlA Wil, Chronik, f. 50r, zum Jahr 1486; im folgenden wird über ihre Ausstattung durch ihre Mutter aus dem Erbe ihres Vaters († 1478) berichtet. Vogler, St. Katharina (1938), S. 54. 235 Die Familie Blarer hatte ihren Reichtum durch Handel erworben: In Konstanz ab ca. 1376 als Handelsleute (im Leinwandgewerbe) bezeugt. – Ludwig Blarer war im Jahre 1454 von St. Gallen nach Konstanz gezogen, wo er die junge und wohlhabende Walpurg Stickli heiratete; am 13. September 1455 erhielt er das Bürgerrecht. Mit Erfolg betätigte er sich im Leinwandhandel. Seit 1465 sass er im Grossen, seit 1473 im Kleinen Rat; 1477 wurde er zum Bürgermeister, 1478 zum Reichsvogt und Landrichter im Thurgau gewählt. Wie in St. Gallen, gelang es den Blarer auch in Konstanz, für die Stammhalter ihres Geschlechts die Ratsfähigkeit zu erwerben. Sie waren versippt unter anderen mit den Muntprat, den Von Ulm und den Von Hof. Staerkle, Familiengschichte der Blarer (1949), S. 207, S. 215; vgl. a. a. O., S. 130, Stammtafel V ; Fechter, Blarerin (1979), S. 433, mit Anmerkungen (Lit.). 236 KlA Wil, Chronik, f. 11v–12r. 237 Fechter, Blarerin (1979), S. 433 f. 238 Zu den Bücherschenkungen der Blarer an den Konvent, namentlich an Justina, summarisch Fechter, Blarerin (1979), S. 434; siehe hier Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen. 239 Zu den Bücherschenkungen der Blarer siehe a. a. O.

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prefier [!] vff bermet240 zukommen, wobei es sich um eine Handschrift gehandelt haben wird; denn 1511 schenkt sie och ainen truckten prefier[!] [.. .] Costet ander halben guldin on dz in binden. Auch der Konvent erhielt von Walpurg Blarer gedruckte Werke der zeitgenössischen Erbauungsliteratur: zu Neujahr 1511 das Buch granat oepffel [das] hatt [sic, nach korrigiertem Verschrieb (halt)] vil anderer nu´tzer matery¨ begriffen, die der merer thail gepredigt hat der hoch gelert doctor Johannes Gailer von Kaisersperg; 1513 ain kostlich hu´bsches buoch zuom guotten jar [Neujahr] [. . .] haist der bilgri [Pilger] hat der Caisersperg selig gemacht. Bartholome Blarer vergabte seiner Schwester (resp. dem Konvent) ausschliesslich Druckwerke: 1510 ain buoch haist dz veriert schaff[!] vnd ist getruckt vnd v[il, am Blattrand beschnitten] nu´tzi materi dar an, sowie, anlässlich einer Fürbitte für seine verstorbene Frau, ain truckt meßbuch vnsers ordens[,] darzü hand wir lon schriben vil messen vnd anders wz mangel ist gesin[;] hat er es do in lon binden vnd bezalt.241 Die Familie Blarer trat auch als Stifterin weiterer reicher Vergabungen an den Konvent hervor, unter welchen die Stiftung von drei Fenstern mit Glasmalereien für die Konventsstube besonders herausragt.242 Aufgrund der eigenhändigen, namentlich subskribierten Notiz in der vom Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen nach St. Gallen entliehenen (!) Hs. Donaueschingen 422 konnte von mir die Hand der Justina Blarer in der Katharinen-Chronik identifiziert werden.243 Demzufolge findet sich zum Jahr 1511/1512 in der Chronik ein aufschlussreicher Eintrag von ihrer Hand: Jtem S r Juliana Schlaipfferin het mir [Justina Blarer] vnd S r Elena vnd der Roettenbergin die nu´wen y¨storien geschriben[,] alß vil[,] dz ich dz vnser in ain Conpert bunden han vnd sy¨ och.244 Demnach war Justina Blarer 240 KlA Wil, Chronik, f. 71v, zum Jahr 1494; der Eintrag fährt fort: [. . .] kost // . . . , bricht ab [Lücke für den Preis]. 241 A. a. O., f. 146v, zum Jahr 1515; Vogler, St. Katharina (1938), S. 262, Nr. 100 (ohne Signatur): = StiBSG, Inc. 1617. 242 KlA Wil, Chronik, f. 116v, zum Jahr 1508; die Donatoren waren (neben anderen für weitere Fenster) Walpurg Blarer, ihr Sohn Bartholome sowie ihr Schwager Moritz Hürus. 243 Siehe Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 223 f. – In die St. Galler Chronik schrieb sie ab dem Jahr 1500 passim; ab 1513 auch grosse Abschnitte [a. a. O., f. 136r (ausser den 5 oberen Zeilen) − f. 138r]; ab 1515 stammen die Einträge, mit Ausnahme weniger kürzerer Abschnitte, von ihrer Hand, einschliesslich die Jahresrechnungen zu den Jahren 1515, 1517, 1519. 244 A. a. O., f. 131r, Abb. 28. Zu Dorothea Röttenberger Vogler, St. Katharina (1938), S. 117, S. 189; eine Schwester (H)elena bei ders. nicht verifizierbar.

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nicht nur als Schreiberin, sondern auch als Buchbinderin tätig – und als solche die einzige namentlich zu identifizierende im Katharinen-Scriptorium.245 Zu Justinas Schicksal während der Reformationswirren ist nichts bekannt; vermutlich erlebte sie diese, da sich zuvor in der Chronik kein Eintrag zu ihrem Tod findet.246 Wenn Fechters Auflösung ihrer Schreiberinnenbitte bitten got fuer mich es t n mit es tut not zutrifft, läge die Folgerung nahe, dass Justina diese Notiz unter dem Eindruck der drohenden Auflösung des Konvents schrieb. Stand Justina unter beträchtlichem Druck ihrer nahen Verwandten? Ihr Bruder Bartholome war ein energischer Förderer der beginnenden Reformation.247 Die letzten Einträge in der Chronik, die sicher von Justinas Hand stammen, betreffen das Jahr 1519. Im selben Jahr erfolgte die Übergabe des testamentarischen Vermächtnisses der Walpurg Blarer selig durch Bartholome Blarer, derzeit Bürgermeister, und seine Geschwister.248 Nach diesem Datum finden sich in der Konvents-Chronik keine Einträge mehr zu Schenkungen oder Stiftungen der Blarer. Konnte Bartholome Blarer, der in den Jahren 1519, 1521 und 1523 das Amt des Bürgermeisters der Stadt Konstanz innehatte, zu Lebzeiten seine nunmehr elternlose Schwester zum Übertritt zum neuen Glauben, respektive zum Niederlegen des Schleiers, eventuell sogar zu einer Heirat bewegen?

245 Die Wendung vnd sy¨ och könnte sich auf die Schreiberin der nu´wen hy¨storien, Juliana Schlaipfer, beziehen; dann wäre auch sie Buchbinderin gewesen. 246 Auch eine allfällige Herausgabe ihrer Aussteuer bei Austritt aus dem Kloster ist in der Chronik nicht verzeichnet. Im Necrologium des Konvents ist Agnes am 20. Oktober, Justina am 28. Oktober verzeichnet, beide ohne Angabe des Todesjahres; Agnes ist bis 1505, Justina, aufgrund der Chronik-Einträge von ihrer Hand, bis 1519 sicher bezeugt. 247 Fechter, Blarerin (1979), S. 433, mit Anm. 18, mit Verweis auf Konrad Gröber, Die Reformation in Konstanz, in: Freiburger Diözesan-Archiv 46 (1919), S. 120–322, hier S. 166, S. 171, S. 176, S. 179 ff.; Bartholome Blarer † 1524: Fechter, a. a. O., mit Anm. 19 (Lit.). 248 KlA Wil, Chronik, f. 160r, zum Jahr 1519. Gemäss Fechter, Blarerin (1979), S. 435, erscheint Walpurg Blarer in den Steuerbüchern bis 1518 (StA Konstanz, L 96); das Testament der Walpurg Blarer im StA Konstanz, Gemächtebuch A IX 2, p. 417; zum weiteren Inhalt des Testaments vgl. Staerkle, Familiengeschichte der Blarer (1949), S. 119 f.

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3.2.11 Regula Keller (* [1497], †21. 2. 1573)249 Regula Keller war Tochter des Ratsherrn und Säckelmeisters Hans Keller und der Anna Studler von Zürich. Die Keller gehörten zu den angesehensten Geschlechtern der Stadt: Schon im Jahre 1337 kamen sie ins Stadtregiment hinein, im 15. Jahrhundert war erneut ein Keller Bürgermeister.250 Die Familie des Hans Keller zählte neben Regula noch vier weitere Töchter: Anna und Apollonia waren Klosterfrauen im Konvent der Dominikanerinnen zu Oetenbach; Margaretha hatte den Sohn Johann des Bürgermeisters Jakob Mütschli von Bremgarten geheiratet; Ursula war noch zuhause bei den Eltern, als Regula (am 10. Mai) 1514 ins Katharinen-Kloster eintrat, mit einer reichen Aussteuer von 400 rheinischen Gulden: Jtem in dem jar do man zalt M v c vnd im xiiij jar am mentag in der cru´tzwochen e nachst vor sant d[omi]nicus translacz [24. Mai] hand wir enpfangen in vnsern orden des ersamen Hansen Kellers seckel maisters von zu´rich tochter Regula vnd hat vns zu´ ainer gotz gab geben iiij hundert guldin an rinschem gold[,] darvß sond wir sy¨ versechen mit bu´cher vnd klaider vnd bettgewett vnd wz ir noturfftig sig.251

Im Jahr ihres Eintritts unterstützte ihr Vater Hans den Lesemeister des Konvents, Othmar Engeler, beim Erwerb einer päpstlichen Ablass-Bulle in Zürich: dar zuo hat v´ns tru´lich geholffen [. . .] juncker Hans Keller von zu´rich v´nser tru´wer vater.252 Am 23. Mai 1515 legte Regula Profess ab: Jtem in disem jar habend wir S r Regula Kellerin in die gehorsami enpfangen am e nachsten tag vor vnsers hailgen vatters sant d[omi]nicus translatz abend[;] ist sy¨ o o xviij jar alt gesin vnd kam ir lieber vatter vnd ir liebe mutter her zu vns vnd gab o ir ir mutter ainen guldin vnd ir schwager och ainen[;] ir vatter ließ vns ainen o guldi zu letzi vnd kofft ir ainen lu´tzen rock.253

Gemäss Vogler wurde Regula bereits als junger Nonne das Amt der Buchmeisterin, für das jeweils eine besonders fähige Schwester ausgewählt

249 Geburtsjahr erschlossen aus KlA Wil, Chronik, f. 145r, siehe unten. 250 Vogler, St. Katharina (1938), S. 188, Anm. 1; HBLS IV (1927), Sp. 470 f.: Regulas Vater sub »Hans« nicht a. a. O.; ein Johannes Keller war 1418 Zunftmeister, 1429 Säckelmeister, 1445–1454 Bürgermeister. 251 KlA Wil, Chronik, f. 141r, folgt Aufzählung ihrer mitgebrachten Aussteuer; mit einem Teil der Summe wurden Anschaffungen getätigt, mit dem Rest Schulden getilgt. – Zur Familie der Keller Vogler, St. Katharina (1938), S. 187 f.; zu Regula Keller Mengis, Art. ›Keller, Regula‹, in: HLS (in Vorb.). 252 KlA Wil, Chronik, f. 143r, nach 4. September 1514. 253 A. a. O., f. 145r.

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wurde, übertragen.254 Als Buchmeisterin explizit belegt ist sie erst in der Zeit der Glaubensspaltung: Als die Reformation und der Bildersturm das Kloster bedrohten, brachte sie einen Teil der Bücher in umliegende, von der Reformation nicht betroffene Schwesternhäuser in Sicherheit, so nach St. Georgen, Notkersegg, Appenzell und Grimmenstein. Dieses umsichtige Vorgehen Regulas ist dokumentiert dank eines einer solchen Büchersendung beigelegten Briefs, der heute in eine der betreffenden Handschriften eingeklebt ist: ich bin buoch meisterin vnd furcht[,] wir kumind drum.255 Nachdem der Rat am 2. Mai 1528 die Klausur des Klosters aufgehoben und der Konvent sich allmählich aufgelöst hatte, verblieben in den Gebäuden des Klosters nur noch Regula Keller, die Schaffnerin Elisabeth Schaigenwiler und die Laienschwester Katharina Täschler.256 Trotz vielerlei Druckversuchen und Anfeindungen von Seiten des Rats, der den Klosterbesitz zuhanden der Stadt einziehen wollte, schrieb Regula ungebrochen 1543 die Augustinusregel und die Konstitutionen des Predigerordens ab (Wil M 32). Beharrlich widersetzte sie sich dem Begehren des Rats, neugläubige Predigten zu hören; sogar die (neugläubige) Zürcher Verwandtschaft Regulas intervenierte auf Bitten des Rats schriftlich und mündlich bei ihr. Zermürbt vom Druck der Verwandtschaft und des Rats, der zeitweise strengen Hausarrest verhängt hatte, willigten Regula und ihre beiden Mitschwestern in den für sie ungünstigen Auslösungsvertrag ein.257 Wieder auf freiem Fuss, widerriefen sie ihn, woraufhin Regula erneut gefangen gesetzt wurde. 1554/1555 beendete ein eidgenössisches Schiedsgericht in Baden den Streit vorläufig. Den Frauen wurde ein Leibgeding zugesprochen, das in 254 Vogler, St. Katharina (1938), S. 188 (ohne Quellenangabe). Nach Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 215, »war [im Kontext der Observanzbewegung, Anm. der Verf.in] nicht eine Autorin die herausragende Figur der klösterlichen Bildung, sondern die Buchmeisterin«. 255 Cod. sang. 991 (›Buch von der Gemahelschaft Christi‹, geschrieben 1484 von der Priorin Angela Varnbühler), p. 2: der Brief ist nicht datiert, geschrieben vermutlich um 1528. Zur Auslagerung siehe Kap. III .4.: Organisation der Bibliothek (dort vollständiges Zitat). 256 Vgl. auch KlA Wil, A.I.9, Nr. 19; Vogler, St. Katharina (1938), S. 188. Noch im Jahre 1528 (Jahreszahl von neuzeitlicher Hand) legte Regula ein Verzeichnis von Gütern, Landbesitz und Zinseinkünften des Klosters an (KlA Wil, A.II.a.3, Nr. 22, ein Binio-Heftchen in–16o). – Zu Katharina Täschler Vogler, a. a. O., Anm. 3; KlA Wil, Chronik, f. 129r (Aufnahme, 1511), f. 134r (Profess, 1512), f. 165v. 257 Vgl. den Bericht Regulas in der ›Klag der frowen von Sanct Kathrina ab der statt Sanct Gallen‹: StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 30, in Auszügen abgedruckt bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 197 f., Anm. 2.

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keinem Verhältnis zum Wert der Klostergüter stand. Regula wohnte abwechselnd in den Schwesternhäusern St. Georgen und Notkersegg (wohin ihr auch das Leibgeding ausgerichtet wurde),258 wo sie weiterhin den Plan verfolgte, den Konvent an einem anderen Ort wiederzubeleben und weiterzuführen. Abt Diethelm Blarer vermittelte als neue Bleibe das alte, verwahrloste ehemalige Schwesternhaus auf dem Nollenberg bei Wuppenau, ein Lehen des Stifts Kreuzlingen. Noch vor dem Einzug nahm Regula Keller zwei junge Postulantinnen auf, mit denen sie am 2. Februar 1561 auf dem Nollenberg einzog.259 Regula amtete bis zu ihrem Tod als Priorin dieses Konvents, in den aufgenommen zu werden weitere Frauen begehrten, trotz der bescheidenen Verhältnisse. Die von Regula aus dem alten Kloster geretteten Bücher erlaubten offenbar eine liturgische Gestaltung des Tages- und Jahreslaufs.260 Um den geringen Bücherbestand des kleinen Konvents zu mehren, schenkte der Wiler Kaplan Mauritius Fridinger zwei Gebetbücher von seiner Hand, und auch Regula nahm ihre Schreibtätigkeit wieder auf.261 Am 21. Februar 1573262 starb Regula Keller, im hohen Alter von 76 Jahren. Es war ihr gelungen, den Konvent von St. Katharina nach jahrzehntelangem Unterbruch in die Zukunft zu retten. Als die Schwestern 1607 vom Nollenberg in das neu erbaute Kloster nach Wil umzogen,263 nahmen sie die Gebeine der unvergessenen Priorin mit.264

258 KlA Wil, A.II, Nr. 9 und Nr. 32. Im Schwesternhaus St. Georgen erhielt sie auch den Brief der Elisabeth Schaigenwiler (KlA Wil, A.I.9, Nr. 19), adressiert mit Der tugenrichen [sic] andächtigen frowen frow Regula Kellerin o mitsampt schwöster Katerina Täschlerin minen hertz lieben schwösterin zu sant jörgen. 259 Vogler, St. Katharina (1938), S. 217–222; die beiden Postulantinnen waren Magdalena Zingg aus Uri und Ursula Rüttiner von St. Fiden. 260 Gemäss Bless-Grabher, HS IV /5,2 (1999), Art. ›Nollenberg‹, S. 732–734, hier S. 733, scheint »[r]und ein Drittel der ehemaligen St. Galler Bibliothek« auf den Nollenberg gekommen zu sein. 261 Zum Beispiel Cod. sang. 1788, vgl. auch Bless-Grabher, a. a. O. (s. o.), S. 727, Anm. 13 (ohne Signatur der Handschrift, aber mit Verweis auf Vogler, St. Katharina (1938), S. 243, Nr. 50 [d. h. Cod. sang. 1788]); dieselbe Handschrift wohl auch gemeint bei Bless-Grabher, a. a. O., S. 733. Schenkung M. Fridinger: Wil m I und Wil m II . 262 Bless-Grabher, a. a. O. (s. o.), S. 736; Vogler, St. Katharina (1938), S. 225, mit Zitat des Todesvermerks von Jodokus Metzler, StiASG, Bd. 302, f. 396. 263 Bless-Grabher, a. a. O. (s. o.), S. 729 f. 264 Quellenbelege a. a. O., in den Anmerkungen zu S. 736 sowie zu S. 761 f.

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Von ihrer Hand Cod. sang. 1788 sowie Wil M 32.265 Die Zuweisung der Predigthandschrift Wil M 45 an ihre Hand durch Vogler266 ist fraglich. Vogler, St. Katharina (1938), S. 5, S. 7, S. 66, S. 98, S. 154, S. 161, S. 179 f., S. 187 f., S. 190–202 (zu den Reformationswirren), S. 205 ff., S. 210 f., S. 170–223 (zum Exil auf dem Nollenberg), S. 229, S. 248 f., S. 260 f. Bless-Grabher, in: HS IV /5,2 (1999), S. 759, S. 761 f. (zu ihrer Rolle in den Reformationswirren) sowie dies., a. a. O., S. 724–727, S. 734–736; CMD−CH III (1991), Schreiberverzeichnis, S. 285. Zu den Abbildungen des CMD−CH III (1991) siehe bei den einzelnen Handschriften von ihrer Hand.

3.2.12 Elisabeth Schaigenwiler (1511) − (†1561) Über Elisabeth Schaigenwiler, die als wohl kalligraphisch versierteste Schreiberin des Katharinen-Klosters gelten kann, ist nur sehr wenig bekannt. Die Tochter des Konrad Schaigenwiler aus St. Gallen267 trat 1511 ins Kloster St. Katharina ein: Jtem jn dem xj jar hand wir enpfangen vnd in den orden angelet Elsbeten Schaigenwillerin [!] am mentag vor sant bernhartz tag vnd hat vns ir vatter vnd o o ir mutter verhaisen [!] zu ainer gotz gab drü hundert guldin[;] hat er vns anderhalb [!] hunder [!] guldin glich mit ir herin gen[,] dz ander halbtail hat er o o vns och zu geset zu gen in jars frist[.] Er hat sy¨ och gefaßet mit gewand liniß vnd wuliß vnd mit beltzen vnd bett gewet vast wol versorget [. . .] vnd gab ir ir o o mutter ainen guten beschlagnen gu´rtel vnd ain p[ate]r n[oste]r Callcidoni stainen.

An ihrem Jahrtag (1512) legte sie die Gelübde ab.268 Ihr Vater liess ihr unter anderem Buchgeschenke zukommen: Jtem vnser lieber getru´wer vatter der Schaigenwiller hat siner lieben tochter S r Elsbetten kofft zwen prefier vnd ain diurnal alles getruckt vnd hat irs in lon binden vnd alles bezalt[,] wz Costen darvff ist gangen[;] vnd hat ir S r Effrossina o Kellerin darzu geschriben die nu´wen y¨storia vnd wz gemanglet hat.269

265 Die Zuweisung an Regula schon bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 243, Nr. 50; hingegen Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 50 ff., ohne Identifikation der Schreiberin. 266 Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 66: »geschrieben 1516 von Regula Keller«; siehe aber im ›Katalog der Handschriften‹. 267 In HBLS VI (1931) figuriert nur eine Familie Scheiwiler (Schaienwiler), Gde. Waldkirch St. G.; ein Ulrich Scheiwiler war 1511–1514 Hofammann der Abtei in Wil. 268 KlA Wil, Chronik, f. 129r, zum Jahr 1511; a. a. O., f. 134r, zum Jahr 1512. 269 A. a. O., f. 137r, zum Jahr 1513.

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Elisabeths Mutter starb offenbar 1520/1521; zu ihrem Gedenken stiftete Konrad Schaigenwiler 3 Gulden: Jtem vnser lieber vater Cuonrat Schaigenwiler havt v´ns von siner l[ieben] frowen selgen iij guldin geben.270 Zur Zeit der Auflösung des Konvents war Elisabeth Schaigenwiler Schaffnerin des Klosters;271 als solche wurde sie mehrfach vor den Rat zitiert, wo sie Rechenschaft ablegen musste über den Verbleib der katholischen Kultgegenstände des Klosters.272 Ihr Vetter Ambrosius Schlumpf, derzeit Bürgermeister der Stadt, suchte sie mit allen Mitteln zur Einwilligung in den Auslösungsvertrag zu bewegen – vergeblich.273 Nachdem sie, gemeinsam mit Regula Keller und Katherina Täschler, Aufnahme bei den Benediktinerinnen in St. Georgen gefunden hatte, wurde sie bei einem Besuch in der Stadt aufgegriffen und mit massiven Drohungen von der Rückkehr zu ihren Mitschwestern abgehalten: Der Rat drohte ihr mit dem Entzug des Bürgerrechts sowie weiteren Repressalien gegen ihre Verwandten. Aus der Zeit nach der Trennung von ihren Mitschwestern ist ein Brief von ihrer Hand erhalten, der ein Bild ihrer Bedrängnis gibt (siehe unten). Elisabeth zog 1561 mit der kleinen verbliebenen Gemeinschaft in das Schwesternhaus auf dem Nollenberg ein, scheint jedoch schon im ersten Jahr gestorben zu sein.274 Von Elisabeth Schaigenwiler subskribierte Handschriften sind nicht erhalten. Jedoch stammt gemäss einem Chronik-Eintrag von 1521 eine nicht subskribierte Partie des aszetischen Sammelbandes Cod. sang. 990 von ihrer Hand: Jtem in disem jar [1521] hand wir ablon schriben gar hu´bsche nutzliche matere [!] von dem hailgen wirdigen sacrament vnd von der hailgen mess vnd sust o o gar nutzi guti ler von haltung vnd lob gaistlichs lebens[; . . .] vnd dis buch hand r r abgeschriben S Regina Satlerin vnd S Dorate [!] von Hertenstain vnd S r Elsbet Schaigenwillerin.275 270 A. a. O., f. 165v; der Name von Elisabeths Mutter ist nicht überliefert. 271 StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 27 (Antrag beim Rat auf Begnadigung und ihre Wiederaufnahme ins Bürgerrecht, zitiert bei Vogler, St. Katharina [1938], S. 207, Anm. 3); StadtASG, Band Ratsprotokolle von 1554. 272 Vogler, St. Katharina (1938), S. 191. 273 A. a. O., S. 195, S. 200 f. 274 Siehe Kap. II .3.2.11: Regula Keller. Vogler, St. Katharina (1938), S. 220: »im neuen Grenzbeschrieb vom 21. Februar 1562 wird ihr Name nicht mehr genannt«. 275 KlA Wil, Chronik, f. 166v. In Unkenntnis dieses Eintrags vermutet CMD− CH III (1991), Nr. 241, S. 87, die nicht subskribierte Partie p. 316a–589a sei eventuell ebenfalls (wie die vorangehende Partie p. 201a–314b) Dorothea von

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Leider ist von ihrer Hand, neben einzelnen Archivalien, offenbar nur dieses Zeugnis erhalten. Diese Partie weist sie jedoch als eine versierte Schreiberin auf hohem kalligraphischem Niveau aus, das im Katharinen-Scriptorium der Zeit singulär ist. Wie bei anderen Schreiberinnen ist von einer ansehnlichen Vorbildung bei Klostereintritt, verbunden mit Begabung, auszugehen. Bei der ausgesprochen formbetonten Bastarda der Elisabeth Schaigenwiler fallen, neben der besonderen Sorgfalt, Regelmässigkeit und Disziplin des Duktus (enge Buchstabenabstände) vor allem die Brechungen der Buchstabenformen (siehe die k, r, v und w) sowie die feinen Haarstriche ins Auge, welche einen besonders sorgfältigen Zuschnitt des Kiels sowie Versiertheit in seiner Führung voraussetzen. Betreffend die Souveränität und Routine der Schreiberin ist ferner zu vermerken, dass sie auf diesem hohen, tadellos diziplinierten Niveau mehr als 270 Seiten schreibt (von insgesamt 552 Seiten Gesamtumfang der Handschrift), mit Schreibcäsuren, aber ohne Schwankungen in Duktus und Buchstabenformen.276 Interessant ist der Vergleich mit ihrer Gebrauchsschrift, überliefert in einem Brief vom Juli 1554 an Regula Keller und Katharina Täschler in St. Georgen, in dem sie sich namentlich nennt: elßbet schaigenwilerin üwer ferlorner sun vnd vnnütz kind.277 Auch in der kleinen Halbkursive ihrer ›Briefschrift‹ scheinen ihre charakteristischen, gerundeten Buchstabenformen durch, vgl. die r (rund und kursiv), das runde z (wie eine 3), das unziale d mit kleinem Fähnchen, die v und w am Wortanfang; ihre Gebrauchsschrift hat auch kursive Elemente (Oberschlaufen bei den h, b, l) sowie eine leichte Rechtsneigung (die Buchstaben hier nicht vertikal-›kalligraphisch‹, sondern ›vorwärtseilend‹).

Hertenstein zuzuweisen; ebenso ist dort der fortwährende Handwechsel von Elisabeth Schaigenwiler und Dorothea von Hertenstein in der (von Dorothea von Hertenstein subskribierten) Partie p. 201a–314b nicht verzeichnet. Ihre (a. a. O. nicht identifizierte) Hand siehe CMD−CH III (1991), Abb. 591, die Bildlegende a. a. O. ist dementsprechend zu korrigieren. 276 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹ sowie Abb. 20. 277 KlA Wil, A.I.9, Nr. 19, auf dem Recto des Doppelblatts (›aussen‹) in margine links (vertikal); auf dem Verso (›innen‹): grützend mir briden vnd bit[end] si trülich dz si got fu´r mich bit. Eine bride (Brigitta) bei HS III /3,2 (1982), Benediktinerinnen, und HS IX /2 (1995), Beginen, nicht identifizierbar. – Der Brief transkribiert bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 205–207, Quellenangabe a. a. O., S. 207, Anm. 2, ohne Signatur (nur »KlA Wil«). – Ihre ›Briefschrift‹ hier in Abb. 29.

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3.2.13 Dorothea von Hertenstein [1504]–[1536] Die aus Luzern stammende Dorothea von Hertenstein war Tochter des Junkers Jakob von Hertenstein (1460–1527) und der Ursula von Wattwil (die bei Dorotheas Klostereintritt nicht mehr lebte).278 Die ganze Familie von Hertenstein stand in freundschaftlichem Verkehr mit dem KatharinenKloster seit dem Eintritt Dorotheas im Jahre 1504: Jtem wir hand enpfangen [!] vnd in vnseren orden genomen S r Dorathea [!] von Hertenstain an san [!] Simon vnd Judas tag [28. Oktober] xv vnd gab vns ir o vater juncker jacob von Hertenstain ainen zinsbrieff[:] wist vßdz hoptgut achthunder [!] rinscher guldin; der Zins haftete auf der Stadt Basel vnd ist also tu´r e gekofft darvm[,] dz man in nit licht abloß.279

An ihrem Jahrtag 1505 legte sie die Gelübde ab: o

Jtem wir hand gewilet vnd zu der profess enpfangen S r Dorotea von Hertenstain an Sant simon vnd judz tag vnd het ir vater gabet[,] vnser lieber vater jacob von e o Hertenstain[,] iij guldin vnd sin fraw vnser liebs basly zwen guldin vnd Cunrat 280 Mangolt vnser lieber vater j guldin.

Bei der Auflösung der Ordensgemeinschaft 1528 wurde Dorothea von ihrem Bruder Leodegar (†1554) nach Luzern zurückgeholt; ihre Aussteuer wurde ihr wieder herausgegeben.281 Sie trat in das Zisternzienserinnenkloster in Eschenbach (LU ) ein, wo sie 1536 noch lebte.282 278 KlA Wil, Chronik, f. 40r: juncker jacob von hertenstain het vns geben ainen [. . .] meßachel dz wir got für [?] sin liebi frow selgen bittind frow vrsula von wattenwil; Vogler, St. Katharina (1938), S. 118, mit Anm. 5, nennt als ihre Mutter Veronika Seevogel von Wildenstein, ohne Angabe ihrer Quelle; die Kurz-Biographie in CMD−CH III (1991), S. 295, ohne (namentliche) Erwähnung ihrer Mutter. – Dorotheas Vater war 1485 Grossrat, nahm am Burgunder- und Schwabenkrieg teil, war Hauptmann im Feldzug nach Italien (1512), Landeshauptmann in Wil (1506), Tagsatzungsgesandter (seit 1502), Schultheiss von Luzern (1516), Zahlmeister (1499) und Vogt im Rheintal (1491), zu Rothenburg (1503) und zu Willisau (1509); er hatte Verbindungen zur Ravensburger Handelsgesellschaft der Humpis, welche durch ihn Einfluss gewann auf die polititischen Kreise, welche die Eidgenossenschaft leiteten. Jacob von Hertenstein war auch Erbauer des Hertensteinhauses mit den Holbein-Fresken in Luzern (ca. 1512). Vogler, St. Katharina (1938), S. 118, mit Anm. 6; HBLS IV (1927), S. 201 f. 279 KlA Wil, Chronik, f. 99v, f. 144r. 280 A. a. O., f. 103v, zum 28. Oktober 1505. Gemäss diesem Eintrag hätte Jacob von Hertenstein nach dem Tod von Dorotheas Mutter ein zweites Mal geheiratet. 281 StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 53, f. 60v. 282 Vogler, St. Katharina (1938), S. 183, mit Anm. 2.

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Aus den kostbaren Gewändern und Kleinodien Dorotheas wurden kirchliche Paramente verfertigt.283 Auch Schenkungen gelangten in ihrem Namen an das Kloster: o

Jtem es hat vns ain person von Basel geben zu ainer gotzgab ij vast hu´bsch engel hand kostet by x guldin zeschniden vnd fassen[;] hat die person vns dis geben von wegen vnser lieben S r Dorotea von Hertenstein got sig irer baider lon.284

Dorothea erhielt auch Bücherschenkungen: Jtem vnser lieber Vater Jacob von Hertenstein het siner tochter vnser lieben S r Dorotea koft ain prefier in zwain tail [,] het er koft vmb ix guldin sumertail vnd wintertail vnd etlich nu´w hjstoria [!], sowie [darunter von anderer Hand]: Jtem v S r Dorathea [!] von Hertenstain [folgt h, durchgestrichen] diurnal hat man in 285 lon binden kostet iiij bechemsch. o

Jtem v´nser lieber her vnd vetter her Peter von Hertenstein[,]286 turmher zu e costenz[,] het sinem basly v´nser l [ieben] S r Dorotea von Hertenstain koft ain getruckt prefier[,] kost ij guldin[,] ist noch nit ingebunden got sy sin lon[. forto o gesetzt von anderer Hand] Jm x jar hand wir dis buch in binden vnd dar zu lon o schriben vil [;] dz denn nit for daran ist[,] hat kostet in zu binden v ß d Costentzer werung.287

Ihr Vater Jacob initiierte 1515 eine Scheibenschenkung an das Kloster St. Katharina, an der sich verschiedene Gönner des Klosters mit insgesamt 33 Glasbildern beteiligten.288 Im Jahr 1522 wurde dem Konvent im Namen Dorotheas abermals eine Schenkung Jakobs von Hertenstein zuteil: vnser tru´wer vater juncker Jacob von Hertenstain [. . .] het siner tochter vnser lieben mit schwoester Doratea [!] iij guldy geben von sinem lieben bruoder her Peters selig.289 1511 stiftetete Jacob von Hertenstein eine Jahrzeit für vnser baß Endlin von Hertenstein selig.290

283 KlA Wil, Chronik, f. 99v, Vogler, St. Katharina (1938), S. 118; auch KlA Wil, Chronik, f. 133v, zum Jahr 1511: kostbare Stoffe zur Verwendung für ein Messgewand und ein Corporale als Vermächtnis der Anna von Hertenstein. 284 Es scheint sich um eine Holzschnitzarbeit gehandelt zu haben (?). – A. a. O., f. 143v, zum Jahr 1514; Vogler, St. Katharina (1938), S. 135. 285 KlA Wil, Chronik, f. 103v, zum Jahr 1505. 286 Peter von Hertenstein, Bruder des Jacob von Hertenstein, Domherr zu Konstanz 1504 bis ca. 1509, † 1519. 287 KlA Wil, Chronik, f. 123v, zum Jahr 1509. 288 A. a. O., f. 116r. 289 A. a. O., f. 170v. 290 A. a. O., f. 133v.

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Als Schreiberin ist Dorothea nur in einer Handschrift (aus dem Jahr 1521) belegt, in der sie subskribiert: Deo Gratias Bittend got fuer mich boesse Schriber〈in〉 [radiert] /S/[wester] Dorothea von hertenstein.291 Dorothea war offensichtlich schreibgewohnt: Sie schrieb eine klare, kräftige Bastarda fast ohne kursive Elemente, mit aufrechten, runden, einfachen Buchstabenformen. 3.3 Anonyme Schreiberinnen und ihre Handschriften Nicht alle Schreiberinnen des Katharinen-Scriptoriums subskribieren in ihren Handschriften namentlich292 – obwohl dies von den Ordensreformern ausdrücklich gutgeheissen wurde; so steht im Schwesternbuch: Jtem ist es nit vnrecht dz ain S r iren namen schribt an ain buoch daz sy geschriben haut so es nit beschecht in v´bernemen, mit dem Hinweis: es kumpt oft v´ber hundert iar ain guote gedaechtnus vnd ainer soelicher S r ir sel nutzlich.293 In den hauptächlich für die private Andacht der einzelnen Schwestern bestimmten Gebetbüchern zeichneten die Schreiberinnen in der Regel nicht namentlich. Jedoch finden sich dort gelegentlich Gebetsbitten, in denen sich die Ausführende als schriberin nennt. a) schriberin 1 Eine Konventualin der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nennt sich in einem deutschen Gebetbuch, dessen Hauptteil aus ihrer Feder stammt (Cod. sang. 513),294 am Schluss in einer Schreiberinnen-Bitte: Bit got fu´r die schriberin; im Gebetstext bezeichnet sie sich als arme vnd sunder lieb gehepte dienerin. Von dieser geschulten, routinierten Hand stammen, gemäss Schriftvergleich, auch Cod. sang. 509, ein Marienbrevier mit deutschen Gebeten und Betrachtungen durch das Kirchenjahr, sowie zwei weitere 291 Cod. sang. 990, p. 314b (Kolophon), siehe Abb. 19; CMD−CH III (1991), Nr. 241, Abb. 590 (die vermutete Zuweisung bei Abb. 591 ist zu korrigieren), Schreiberverzeichnis S. 295; zur Handschrift KlA Wil, Chronik, f. 166v, zum Jahr 1521, siehe auch hier im ›Katalog der Handschriften‹. – Lexer Bd. I e (1869–1872), Sp. 330: bose = gering, wertlos. 292 Die Zuweisung der betreffenden Handschriften an (anonyme) Schreiberinnen des Katharinen-Klosters erfolgte aufgrund der gesicherten Provenienz der Handschrift: teils aufgrund von Besitzeinträgen des Konvents, teils (bei Sammelbänden) aufgrund von weiteren, namentlich bekannten Schreiberinnen; siehe unten im Text. 293 KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvijr. 294 Zum Folgenden siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹.

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deutsche Gebetbücher (Cod. sang. 510 und Cod. sang. 1870). In allen vier Bänden von dieser Hand finden sich zahlreiche feminine Formen im Text, wie su´nderin, dienerin. Die Zugehörigkeit dieser Schreiberin zum St. Galler Katharinen-Kloster ist dadurch gesichert, dass sie im Verbund mit anderen aus Katharinen-Handschriften bekannten Neben- und Nachtragshänden schreibt, und vor allem dadurch, dass sie als Einschubshand in dem von den Konventualinnen Regina Sattler und Cordula von Schönau geschriebenen Brevier Wil M 8 figuriert. Diese schriberin nennt in Cod. sang. 513 die heilige Barbara ihre patroenin; aufgrund dessen kann vermutet werden, dass ihr Konventname Barbara war. Im fraglichen Zeitraum (Handschrift gemäss den Wasserzeichen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts) kann es sich nur um Barbara von Boswil handeln, die durch die Chronik ab 1503 als Schreiberin belegt ist.295 Für Cod. sang. 509, Cod. sang. 510 und Cod. sang. 1870, die keinen Besitzeintrag (respektive keinen des Katharinen-Klosters)296 tragen, konnte über die Identifikation dieser Schreiberinnen-Hand die Provenienz aus dem Katharinen-Kloster untermauert werden. b) schriberin 2 Wiederum in einem Gebet-Sammelbändchen nennt sich eine weitere anonyme schriberin: In dem von vier verschiedenen Händen geschriebenen Cod. sang. 503f297 schliesst die zweite ihre Partie ab mit der SchreiberinnenBitte Bittend got fu´r die schriberin mit ain aue maria. Ihre flache, aber kräftige Halbkursive weist sie als routinierte Schreiberin um die Wende des 15./16. Jahrhunderts aus. Von ihrer Hand stammt auch, gemäss Schriftvergleich, der 1. Teil des Cod. sang. 507, mit deutschen und lateinischen Gebeten und Rosenkränzen; ferner ein Einschub, mit einer spirituellen Allegorie zum Motiv des Ablasses, im Gebetbuch Cod. sang. 491 der Cordula von Schönau. Weitere sehr ›produktive‹ Schreiberinnen des Katharinen-Konvents nennen sich in ihren Schreiberzeugnissen nie in einem namentlichen Kolophon 295 Siehe auch Kap. II .3.4.1: Barbara von Boswil, S. 109–111. 296 Einzig Cod. sang. 510 trägt einen Besitzeintrag des Schwesternhauses St. Georgen, von einer Hand des 17. Jhs., das heisst, der Band gehörte zu den während der Reformationswirren in umliegende, von der Reformation nicht betroffene Schwesternhäuser ausgelagerten Handschriften, und war offenbar später, beim Neuanfang auf dem Nollenberg (oder in Wil), nicht zurückverlangt worden. 297 Zum Folgenden siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹.

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oder auch nur als schriberin. Gerade ihre Schriften weisen in die Frühphase des Katharinen-Scriptoriums (Ende 1470er/Anfang 1480er Jahre).298 c) anonyme Schreiberinnen 3 und 4 (Wil M 41, 1. und 2. Hand, und andere Handschriften) Eine dritte anonyme Hand gibt sich als die einer sehr routinierten Schreiberin zu erkennen, die vermutlich zu den führenden des Katharinen-Scriptoriums gehörte: Dies zeigt der für sie charakteristische Duktus ihrer energisch-schwungvollen (etwas unruhig wirkenden) Halbkursive mit ›zackigen‹ Buchstabenformen, wie auch der Umfang der Bände von ihrer Hand.299 Dieser verwandt ist eine weitere Schreiberinnen-Hand desselben Zeitraums, welche mit vergleichbarer Routine grosse Handschriften-Partien in disziplinierter, enger und kleinerer Halbkursive schreibt.300 3.4 Schreiberinnen ohne erhaltene Handschriften 3.4.1 Barbara von Boswil (*1475, † 1537) Barbara von Boswil, Tochter des Heinrich von Boswil, trat 1493 (als 18Jährige) ins Katharinen-Kloster ein: Jtem wir hand enpfangen Barbara von Bosswil Hainrichs von Bosswil tochter.301 Am 3. Februar 1495 legte sie Profess ab.302 Barbara war Base der Elisabeth und der Anna Muntprat, von der sie einen Zinsbrief über 100 Gulden sowie Büchergeschenke zu ihrer Ausstattung als Novizin erhielt: 298 Aufgrund der chronologischen Einordnung ihrer Handschriften gemäss den Wasserzeichen und/oder gemäss entsprechenden Chronik-Einträgen, siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 299 Cod. sang. 1066, 2. Hand (ca. 40 Seiten [von ca. 330]); Cod. sang. 1916 (760 Seiten, mit mehreren deutlichen Schreibcäsuren, aber gleichwohl von ein und derselben Hand); Wil M 41, 2. Hand (als Haupthand, ca. 270 Seiten [von 450 Seiten]); siehe hier Abb. 27 und 23 sowie CMD−CH III (1991), Abb. 440 und 448. 300 Wil M 41, als 1. Hand (120 Seiten), Wil M 42 (290 Seiten), Cod. sang. 1919 (632 Seiten); siehe CMD−CH III (1991), Abb. 447. 301 KlA Wil, Chronik, f. 70r. Vogler, St. Katharina (1938), S. 184, Anm. 1, vermutet, Barbara stamme »aus dem Geschlecht der Edlen von Boswil, die [. . .] seit 1185 bezeugt sind«. 302 A. a. O., Verzeichnis der Konventsmitglieder, S. 271; so auch bei Fechter, Blarerin (1979), S. 442, beide ohne Quellenangabe; ein entsprechender Chronik-Eintrag konnte nicht gefunden werden.

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Jtem [. . .] hett vnser l [iebi] S r Anly Muntpratin koft irem Basly S r Barbilin von Bosswil [!] v´nser mit S r ainen priefer[,] in zwai bu´chly getaill [t,] vmb iij guldin[,] vf permet geschriben vnd in gebunden.303

Auch eine Schenkung des Jos Huntpiß an sie ist in der Chronik verzeichnet: Jtem Jos Huntpiss het S r Barbiliy [graphologisch unklar, barbaly? i-Punkt fehlt] von Boswil geben ain xpstalli [!] p[ate]r n[oste]r mit ainem kalcidonium bisem e e opfel gefasset in silber v´ber gu´lt304 ze sel grat von ir S r selgen Enlin von Boswil o e hand wir in vnser kilchen zu gotz zierd geton[,] got trost ir lieben sel [.] ir [Barbara von Boswil] ist och ain tu´tzsch bet bu´chli mit viguren worden vf papir.305

Ihr Vater widmete ihr 1511 eine Bücherschenkung: Jtem vnser getru´wer l[ieber] vatter Hainrich von Boßwil hat siner lieben tohter [!] Barbara von Boßwil och ainen prifier [!] bezalt [. . .] hat S r Barbara von Boßwil geschriben[,] weß sy¨ mangel hand gehept[,] des vil ist gesin.306

Von ihrer Hand sind keine subskribierten Handschriften erhalten (siehe aber unten); jedoch weist sie die Chronik als Schreiberin des KatharinenScriptoriums aus: vnd het S r Parbali von Boswil het angefangen ain prefier vf permet ze schriben [. . .]. [D]en prefier den S r Barbili in dem fordren iar hatt geschriben[,] bis vf S[anct] augustinus histori[,] dz hatt sy voll vsgeschriben vnd het man dz in zebinden geben[;] vnd het dz wintertail angehept vnd geschriben bis vf die histori in sexagesima[:] sind vij quater[nionen] vsgeschriben vnd het noch xxxiij quater vngeschriben.307

Ferner schrieb sie 1510 für die Priorin Sapientia Wirt ein buoch [. . .] vff perment mit etlichen nu´wen istorien vnd letzten altag in der vasten vnd advent; das Pergament bezahlte Sapientia, das Einbinden ihr Bruder Caspar Wirt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit stammen die in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zu datierenden Gebetbücher Cod. sang. 509, Cod. sang. 510, 303 Zinsbrief: KlA Wil, Chronik, f. 70r; Zitat: a. a. O., f. 73v, zum Jahr 1494. 304 Siehe Vogler, St. Katharina (1938), S. 54, Anm. 6: »Damals hatte man goldene und silberne Äpfel, in denen Bisam, ein wohlriechender Pflanzenstoff, enthalten war.« 305 KlA Wil, Chronik, f. 91r, zum Jahr 1502. Der Donator gehörte zum Ravensburger Handelshaus der Humpis (Huntpiss). 306 A. a. O., f. 129v, zum Jahr 1511; Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 24, Anm. 203, zitiert (als Beleg für den Namen des Vaters) nur diese Chronik-Stelle. 307 KlA Wil, Chronik, f. 92v, zum Jahr 1501, und a. a. O., f. 101r, zum Jahr 1504.

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Cod. sang. 513 und Cod. sang. 1870, ›subskribiert‹ von einer schriberin, von ihrer Hand: In Cod. sang. 513 findet sich in einer Rubrik der (vermutliche) Konventname Barbara; im fraglichen Zeitraum befand sich keine andere Konventualin desselben Namens im Katharinen-Kloster.308 1528 verliess Barbara das St. Galler Kloster, wobei ihr die Aussteuer zurückerstattet wurde: Am 11. August 1528 quittierte sie für 200 Gulden und zog mit ihrer Tante Elisabeth Muntprat und Clara Rugg nach Bischoffszell, wo sie auf dem Hof eines Chorherren unterkamen. Am 7. Mai 1535 bat sie, bereits 60-jährig, im Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen um Unterkunft: Sie wurde aufgenommen, konnte am gemeinschaftlichen Leben teilnehmen und durfte ihr dominikanisches Ordenskleid behalten. In den Inzigkofener Konventslisten ist ihr Name verzeichnet, als hätte sie voll zum Kloster gehört (allerdings ohne Daten).309 Dort verstarb sie am 5. Mai 1537.310 3.4.2 Juliana Schlaipfer [1479, 1511] In einem der frühesten Einträge vermerkt die Chronik, dass Verena (nachmals Juliana) Schlaipferin 1479 ins Katharinen-Kloster eingetreten war: Jtem wir hand enpfangen Ferenen Schlaipfferinen an der xvj megt tag[?] [.. .] vnd hat vns ir vatter geben ain zins brieffen [. . .] vnd C guldin bar vnd xx lbd Summa iii c guldin.311 Ihr Vater Othmar Schlaipfer (Schläpfer), welcher der Weberzunft angehörte, war Reichsvogt und Bürgermeister von St. Gallen.312 Seine Tochter Verena, nachmals Schwester Juliana, bekam bei ihrem Eintritt eine Aussteuer von 300 Gulden. 308 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹ zu Cod. sang. 513, mit Abb. 18; siehe auch hier Kap. II .3.3: Anonyme Schreiberinnen, S. 108. 309 Fechter, Blarerin (1979), S. 441 f.; ders., Handschriften Inzigkofen (1997), S. 34, mit Anm. 203: dort Verweis auf Geissenhof, Chronik Inzigkofen (1894), Sp. 489. 310 Chronik Inzigkofen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek Sigmaringen, Hs. 68 (IV Bände), Bd. I , f. 159r–162r, zitiert nach Fechter, Blarerin (1979), S. 442, Anm. 66. 311 KlA Wil, Chronik, f. 14v, zum Jahr 1479 (bei der Summe fehlen die i-Punkte); Juliana figuriert im Verzeichnis der Konventualinnen von 1482: KlA Wil, Schwesternbuch, p. 27; Vogler, St. Katharina (1938), S. 53, mit Anm. 6. 312 Er urkundete 1475 als alt Bürgermeister in der Erbangelegenheit Regina Sattler (vgl. KlA Wil, A.II.a.2, Nr. 33); das Amt des Bürgermeisters hatte er in den Jahren 1471, 1474, 1477, 1480 und 1483 inne.

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Handschriften von Julianas Hand sind nicht erhalten; in der Chronik ist sie jedoch als Schreiberin genannt: Jtem me hand wir in lon binden ij prefir [!], hat S r Juliana [Schlaipferin] e geschriben vff papir on letzen[,] Costet in zubinden iiii ß d dz ain[,] dz ander 313 v ß d. Jtem S r Juliana Schlaipfferin hat mir [Hand der Priorin Sapientia Wirt] vnd S r e Elena der Rottenberg[er]in die nu´wen y¨storien geschriben.314

3.4.3 Elisabeth von Watt (1500–1513) Elisabeth (nachmals Cäcilia) war die Tochter des Hugo von Watt; ihr Bruder Leonhart (Lienhart) war der Vater von Joachim von Watt (Vadian; das heisst, Elisabeth war die Tante des späteren Reformators).315 Im Jahre 1500 trat Elisabeth ins Katharinen-Kloster ein: Jtem wir hand enpfangen vnd in den orden angelait [. . .] Elsbeten von Wat vnd o het vns ir vater zu gesait CC guldin an zins[,] [. . .] vnd gabet ir vater ain silbrin becher [. . .] vnd bu´cher.316

Im folgenden Jahr legte sie am 21. Januar die Gelübde ab (gemeinsam mit Petronella Mangolt) und erhielt den Klosternamen Cäcilia: Jtem vf sant Agnesen tag [21. Januar] hand wir och gewilet vnd in die korsami enpfangen S Elsbeten von Wat vnd hand sy genemt Cecilia.317

Als Schreiberin des Konvents ist sie in der Chronik nur an einer Stelle erwähnt: S r Elsbet von Watt kofft ainen truckten psalter vnd selb darzuo geschriben wz nott[!] vnd kumlich ist by¨ ainem psalter.318 Ihr Bruder Georg stiftete ein gedrucktes Brevier: Jtem och hat vnser tru´wer lieber bruoder Jerg von Watt siner lieben S r Elsbetten bezalt ainen getruckten prefir gab er ir ij guldi got sig sin ewiger lon.319 313 KlA Wil, Chronik, f. 125v, zum Jahr 1510. 314 A. a. O., f. 131r, zum Jahr 1511. Der Einträg fährt fort: alß vil dz ich [Justina Blarer] dz vnser in ain Conpert [sic] bunden han vnd sy¨ [Juliana Schlaipfer] och; demnach hätte auch sie Buchbinde-Arbeiten ausgeführt. 315 Vogler, St. Katharina (1938), S. 117 f. 316 KlA Wil, Chronik, f. 86v, ein dreizeiliger Nachtrag zur Vergabung eines Zinsbriefes durch ihren Vater. 317 A. a. O., f. 89r, zum Jahr 1501. 318 A. a. O., f. 137v, zum Jahr 1513. kumlich (komlich): Grimm, DWB V (1873), Sp. 1681, 2.c: dienlich, nützlich. 319 KlA Wil, Chronik, f. 138r, zum Jahr 1513.

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Zu ihrem Schicksal in der Zeit der Auflösung des Konvents ist nichts überliefert; gemäss Vogler war sie jedoch nicht unter denen, die zum neuen Glauben übergingen (im Unterschied zur Schwester Vadians, Katharina von Watt, welche 1530 in den Stand der Ehe übertrat).320 3.4.4 Petronella Mangolt [1500–1508(?)] Die Chronik überliefert zahlreiche Informationen zu den Mangolt als Donatoren des Katharinen-Klosters, jedoch kaum etwas zu Petronella. Gemäss Vogler war sie die Tochter des Hans Konrad Mangolt von Sandegg und der Agatha Muntprat.321 Die Chronik vermerkt ihren Eintritt ins Kloster für das Jahr 1500: Jtem wir hand enpfangen vnd in den orden angelait Peternella [!] Mangoltin o vnd hat vns ir vater zu gesait CCCC guldin an zins briefen.322

Fünf Jahre später legte sie die Gelübde ab: o

wir hand gewilet vnd zu der profess enpfangen S r Peternella [!] Mangoltin an S[anct] Potenciana tag [19. Mai] vnd wz ir bruder Hans Marti by der hochzit.323

Später scheint sich ihre Familie dem neuen Glauben zugewandt zu haben. Vielleicht unter ihrem Einfluss verliess Petronella das Kloster und heiratete einen Spörnlin aus Augsburg.324 Schon bald nach der Hochzeit verliess sie den Mann und verpfründete sich im Kloster zu Kreuzlingen, wo sie bis zu ihrem Tod 1551 ein strenges Büßerleben führte. Die Chronik berichtet nur Weniges von Schwester Petronella als Schreiberin des Konvents: Jtem [. . .] den psalter hat geschriben S r Peternela [!] Mangoltin[;] dz hat sy hu´r geschriben mit dem psalter den sy fern hat geschriben xxxiij quatern vnd ist ietz an dem prefier an S[anct] augustin histori[;] hat vns die Mangoltin geben von 320 Vogler, St. Katharina (1938), S. 186, mit Anm. 9 (Lit.). Katharina von Watt war die letzte, die vor dem Ausbruch der Reformation die Gelübde zu St. Katharina ablegte (Eintritt im August 1518, KlA Wil, Chronik, f. 156r; Profess an ihrem Jahrtag 1519, a. a. O., f. 160r). 321 Vogler, St. Katharina (1938), S. 187, Anm. 3. 322 KlA Wil, Chronik, f. 86v. 323 A. a. O., f. 102v, zum Jahr 1505; in der Fortsetzung des Eintrags die Vergabung von insgesamt fünf Zinsbriefen. 324 Vogler, St. Katharina (1938), S. 187, Anm. 3. Bei ihrem Austritt wurden ihr die fünf Zinsbriefe herausgegeben, vgl. KlA Wil, Urbar, f. 71, f. 77.

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ainem quatern zeschribind [!] ij becheremsch dz wirt fu´r xl quatern iij guldin[;] hat sy vns die iij guldin gen[,] daran sond wir ir noch schriben vij quatern.325

Eventuell bezieht sich der Chronik-Eintrag jtem vns het die Mangoltin vnßer l [iebe] S r vnd muetter irs suns tochter [das heisst: ihrer Enkelin?] ain prefier kofft vmb ainen guldin ist getruckt auf Schwester Petronella.326 3.4.5 Barbara Studer [1506–1528] Die Studer gehörten zu den führenden Geschlechtern des St. Galler Leinwandhandels. Barbaras Eltern waren Christian Studer und Ellen Talmann; ihr Vater hatte 1525 das Amt des Bürgermeisters inne. Barbara trat 1506 ins Katharinen-Kloster ein: Jtem wir hand enpfangen vnd in vnsren orden genomen Barbara Studerin an Sant Theodorus tag am nächsten tag nach aller hailgen [. . .] jm fu´nfzechen hundresten jar im sechsten jar[,] vnd gab vns ir vatter Cristen Studer iij hundert e e guldin [. . .] vnd git ir bucher vnd betgewat vnd klaider.327

Aus Anlass ihrer Profess gab der Konvent ein feierliches Gastmahl: Jtem wir hand in die gehorsami enpfangen [. . .] S r Barbara Studerin am zinstag e vor sant Martistag jm vij jar [. . .] vnd hatend wir vff die iij hochzit ire vatter vnd e e mutter vnd geschu´wstrig [wohl sic] vnd die nachsten fru´nd ze gast vnd gabend in [ihnen] ain kostlich mal.328

Die Nachrichten zur Schreiberin Barbara Studer sind spärlich. Die Chronik erwähnt sie anlässlich dreier von Freunden bezahlter gedruckter Breviere, an denen sie das Notwendige ergänzte: Jtem wir hand vnsren jungen S r[n] iij prefier truckt lon koffen[,] hand inen ir o frund bezalt vnd hat man inen darzu lon schriben die nu´wen istorien die for nit d[ar] an sind gesin der vil ist gesin vnd och vil letzgen der sy¨ gemanglet hand[;] o da[s] hat alles darzu geschriben S r Barbara Studerin.329 325 A. a. O., Chronik, f. 95r, zum Jahr 1503. 326 A. a. O., f. 118r, zum Jahr 1508. 327 A. a. O., f. 109r; Vogler, St. Katharina (1938), S. 118, Anm. 7 (betreffend Chronik-Stellen unvollständig). 328 KlA Wil, Chronik, f. 114v, zum Jahr 1507; aussergewöhnlich erscheint die Anwesenheit des Priors vom Predigerkloster St. Nicolai in Chur: Er predigte dem Konvent drei Tage vor der Professfeier und nahm am Vorabend der Profess Barbara Studer und zwei weiteren Professinnen die Beichte ab; zum Mahl waren deren Eltern, Geschwister und die nächsten Freunde geladen. Diese war die letzte Professfeier unter dem Priorat der Angela Varnbühler. Vogler, St. Katharina (1938), S. 118, Anm. 7. 329 KlA Wil, Chronik, f. 156r, zum Jahr 1518.

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Ihr Vater schenkte ihr gedruckte Bücher: Cristen [!] Studer vnser vatter hat siner tochter och ain klains prefier koft ist getruck[t].330 Und: Xpen [!, Christen] Stuger [!] hett siner tochter geben ain truckt previer ist papir vnd ainen truckten psalter[.] Daran hand wir geschriben o die hy [Kürzung unklar: hystorien?] vnd ant [Kürzung und Sinn unklar] zu den noctornen [Kürzung unklar, wohl sic] vnd die laudesen von der zit [Gebete und Gesänge zu den Laudes].331

Später gehörten die Studer zu den ersten und eifrigsten Anhängern des neuen Glaubens (allen voran Franziskus Studer, Mitglied des städtischen Rates, und Hans Studer, Unterbürgermeister). Am 18. April 1528 verliess Barbara mit ihrer Aussteuer von 250 Gulden das Kloster,332 wohl auf Druck ihrer einflussreichen Verwandten.

4 Scriptorium des Klosters St. Katharina 4.1 Analyse der Schriften der Katharinen-Schreiberinnen Die Schriften der Katharinen-Schreiberinnen zeugen alle, bis auf wenige Ausnahmen, von einer gründlichen Schulung (verbunden mit Begabung), von Versiertheit und Routine. Den meisten Schriften ist eine grosse Sorgfalt eigen: Streichungen und Korrekturen sind eher selten, Tintenkleckse noch seltener. Es finden sich im Duktus wie in den Buchstabenformen teilweise deutlich voneinander verschiedene Schriften, darunter auch solche, die durchaus eine individuell-persönliche Prägung aufweisen. Zugleich lassen sich immer wieder erscheinende Merkmale als Gemeinsamkeiten bestimmen, die einen gewissen typischen ›Katharinen-Schreibstil‹ erkennen lassen, und die ev. auch auf ein Lernen der im Scriptorium beschäftigten Schreiberinnen voneinander hinweisen könnten. Interessant sind in diesem Zusammenhang Beispiele von sehr charakteristischen Schriften, die nachweislich von verschiedenen Händen stammen und doch einander zum Verwechseln ähnlich sehen: Die Schrift der Regula Keller mit ihren typischen Buchstabenformen ist der kalligraphisch hochqualifizierten Schrift der Elisabeth Schaigenwiler so ähnlich, dass sich die Frage stellt, ob Regula deren ›Schülerin‹ war, und sei es auch nur, dass sie ihre Schrift am Vorbild der 330 A. a. O., f. 118r, zum Jahr 1508. 331 A. a. O., f. 113v, zum Jahr 1507. 332 StadtASG, Tr. XVIII , Nr. 53, f. 61r; die dort angegebene Summe von 250 Gulden widerspricht dem Chronik-Eintrag, f. 109r.

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älteren (und zweifelsohne begabten) Konventualin geschult hätte.333 Vergleichbares ist bei weiteren Schreiberinnen des beginnenden 16. Jahrhunderts zu beobachten (Regina Sattler, Dorothea von Hertenstein).334 Auch weitere Katharinen-Hände sind nicht leicht voneinander zu unterscheiden, vor allem die Halbkursiven in der Handschrift Wil M 41 im Vergleich mit jenen in der Chronik (z. B. die der Angela Varnbühler in späteren Jahren).335 Die im St. Galler Katharinen-Scriptorium ab der zweiten Hälfte des 15. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts verwendeten Schriftarten widerspiegeln die allgemeine Schriftentwicklung im südalemannischen Sprachraum:336 Textualis blieb (als ›höherrangige Buchschrift‹) seit dem späteren 14. Jahrhundert ganz überwiegend den Liturgica vorbehalten.337 Noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kam im Katharinen-Scriptorium klassische Gotica textualis zur Anwendung, und dies auf passablem Niveau. Als Schriftzeugnisse erhalten sind die Antiphonare Wil M II−V sowie die Processionalia Cod. 1914, Wil M VII und M VIII .338 Konservative Ordensfrauen verwendeten solche zeitaufwendigen Schriften noch im 15. Jahrhundert für deutschsprachige Handschriften.339 Ferner wurde Textualis im 15. Jahrhundert »in einfacheren Handschriften [. . .] als Auszeichnungsschrift«

333 Vgl. die Abb. im CMD−CH III (1991), Nr. 591 (Elisabeth Schaigenwiler, ebd. nicht identifiziert) und Nr. 679 (Regula Keller). Sollte die Zuweisung von Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 66 zutreffen, fände sich die Hand der jungen Konventualin Regula in der Predigths. Wil M 45 (lose in Pergament-Umschlag geheftetes Bändchen, 28 ff.), siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 334 Cod. 990, dat. 1521/1522: vgl. CMD−CH III (1991), Abb. 589 (Regina Sattler), Abb. 590 (Dorothea von Hertenstein). 335 Vgl. CMD−CH III (1991), Abb. 447, 449 und 451 mit Abb. 11 der vorliegenden Arbeit (Halbkursive der Angela Varnbühler). 336 Schneider, Paläographie (1999), S. 53–55, S. 65 f. – Im deutschen Sprachgebiet reichen die Anfänge dieser Schriftentwicklung bis zur Jahrhundertwende zurück. Die Entwicklung ab der 2. Hälfte des 14. Jhs. lässt sich für das Katharinen-Scriptorium mangels Schriftzeugnissen nicht skizzieren; siehe Kap. II .2: Entstehung eines Scriptoriums. 337 Zur Terminologie der gotischen Schriftarten siehe Schneider, Paläographie (1999), S. 36–39; Steinmann, Textualis formata (1979), S. 304–306. 338 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹ sowie Abb. 1–4. 339 Zum Beispiel die Inzigkofener Augustinerchorfrau Anna Jäck (zwischen 1430 u. 1472): Schneider, Paläographie (1999), S. 49, S. 53; Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 173, S. 175, und passim.

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(für Titel, Lemmata, Initien) eingesetzt, so auch von Katharinen-Schreiberinnen in Cod. 603 und Cod. 1854.340 Fast gleichzeitig lässt sich verbreitet eine Tendenz fassen weg von den Scriptoriums-Schulschriften hin zu Individualschriften: Die Bastarda, welche den Gegensatz zwischen der in ihrer betont formalen Gestaltung anspruchsvoll und zeitaufwendig zu schreibenden Textualis und der fliessend fortlaufenden, rascheren Schreibweise der Kursive ausglich, wurde mit dem gewaltigen Anstieg der Handschriftenherstellung im 15. Jahrhundert die bestimmende Schriftart (1. Hälfte 15. Jh. bis 1. Hälfte 16. Jh.).341 Innerhalb der im Scriptorium des Katharinen-Klosters geschriebenen Bastarda-Schriften lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Eine mit spitzen, kantigen Formen (z. B. Hand der Angela Varnbühler; Wil M 41, 2. u. 3. Hand)342 und eine mit einfachen runden Formen (z. B. Verena Gnepser, Cordula von Schönau, Dorothea von Hertenstein);343 daneben eine Gruppe von Mischschriften mit einfachen runden und leicht gebrochenen Formen nebeneinander (z. B. Regina Sattler; Cod. 1066, 2. Hand).344 Die Hände mit spitzkursiven Formen (wie in Wil M 41, Cod. 1916) finden sich nach der Mitte der 1480er Jahre nicht mehr, dafür gegen die Jahrhundertwende vermehrt ›ordentliche Buchschriften‹ mit ausgeformten runden Buchstaben (z. B. Dorothea von Hertenstein, s. o.). Eine ›Randerscheinung‹ stellt im Katharinen-Scriptorium eine SemiBastarda mit grossen, runden Buchstabenformen (18–21 Z., 4o !) dar, geschrieben von einer anonymen Konventualin im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts.345 Die besonders begabten Schreiberinnen des Konvents verstanden mehrere Schriftarten zu schreiben: So gebrauchte Cordula von Schönau ihre charakteristische buchschriftnahe Bastarda für Breviere, eine ›gewöhnli-

340 Schneider, Paläographie (1999), S. 55; zu den Codd. 603 und 1854 siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 341 Schneider, Paläographie (1999), S. 65. 342 Siehe CMD−CH III (1991), Abb. 452 (Angela Varnbühler, ebd. nicht identifiziert) sowie hier Abb. 5 u. 21; CMD ebd., Abb. 447–449 (Wil M 41). 343 Siehe hier Abb. 6 (Verena Gnepser) und Abb. 14 (Cordula von Schönau) sowie CMD−CH III (1991), Abb. 469 (Cordula von Schönau) und Abb. 590 (Dorothea von Hertenstein). 344 Siehe hier Abb. 8 sowie CMD−CH III (1991), Abb. 589a u. 589b (Regina Sattler). 345 Siehe Abb. 16 (Cod. 407); zur Schreiberin sowie zu weiteren Codices von ihrer Hand siehe ›Katalog der Handschriften‹.

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chere‹, zur Halbkursiven tendierende Bastarda (offenbar ausschliesslich) für deutschsprachige Handschriften (vgl. den deutschsprachigen Teil in Cod. 491, sowie Cod. 490).346 Die Verwendung dieses Schrifttypus entspricht dem Verwendungszweck der Handschriften: Diese waren für den alltäglichen ›privaten‹ Gebrauch bestimmt, was wiederum Rückschlüsse zulässt auf den Stellenwert der Volkssprache resp. deren Präferenz bei den Benutzerinnen. Bei manchen Schreiberinnen, insbesondere bei den ›Vielschreiberinnen‹, lässt sich eine Entwicklung ihrer jeweils charakteristischen Schrift über die Jahre beobachten: Von disziplinierten, formbestimmten Schriften zu eiligeren, kursiven Schriften – vgl. z. B. die Hand der Angela Varnbühler in der Chronik, in die sie in den Jahren 1480/81 bis 1503 (mindestens, bis dato nachweislich) z. T. sehr ausführliche Eintragungen vornimmt347 – und umgekehrt: von jugendlich-unbeholfenen ›Novizinnen-Schriften‹ über ausgeformte, disziplinierte Bastarda bis zu eiligen Halbkursiven: Vgl. z. B. die Hand der Elisabeth Muntprat in ihren frühesten Handschriften mit ihrer geschulten Bastarda im Plenar Cod. 363 sowie mit ihrer Hand im Schwesternbuch.348 Letztlich ist es der Gesamteindruck des Schriftbildes, der, in Zusammenschau mit den Ergebnissen der codicologischen Analyse, eine Handschrift als im Katharinen-Scriptorium hergestellt vermuten oder erkennen lässt. 4.2 ›Frauenscriptorium‹349 Obwohl, wie gesehen, der Schreibbetrieb im Katharinen-Kloster offenbar gut organisiert war – die Produktivität der Schreibstube, wie sie für St. Katharina belegt ist, setzt dies voraus, insbesondere auch die Herstellung der Foliobände (Format!) für den Chor – ist die Frage nach dem Ort des 346 So auch in den Zoffinger Handschriften Ü Ms. 5, Ms. 16, Ms. 19, Ms. 22, Ms. 28, Ms. 29. 347 Vgl. Abb. 5 und Abb. 11, zu den betr. Codices siehe auch ›Katalog der Handschriften‹. 348 UB Freiburg i. Br., Hs. 490; Cgm 5233. – Zu Cod. sang. 363 und zum Schwesternbuch siehe im ›Katalog der Handschriften‹, zur Freiburger Hs. und zu Cgm 5233 siehe Kap. IV .2: Inzigkofen, sowie II .3.2.4: Elisabeth Muntprat. 349 ›Scriptorium‹ meint hier nicht ein professionelles Schreiber-Atelier, wie sie im Spätmittelalter in den Städten aufkamen, sondern die Gemeinschaft gut ausgebildeter, zur Handschriftenherstellung befähigter Schreiberinnen.

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›Scriptoriums‹, das heisst konkret nach der Räumlichkeit, in der Bücher abgeschrieben wurden, nicht ohne weiteres zu beantworten:350 Weder Chronik noch Schwesternbuch von St. Katharina überliefern Angaben zur Örtlichkeit, wo die Schreiberinnen-Equipe tätig war. Dass die Quellen des Klosters über einen Raum für die Handschriftenherstellung schweigen – und dies, obwohl auch die umfangreichen, im Zuge der Reformmasssnahmen notwendig gewordenen baulichen Veränderungen in der Chronik ausführlich dokumentiert sind,351 – muss nicht bedeuten, dass kein solcher vorhanden gewesen wäre. Das Schreiben im Kloster wurde grundsätzlich als eine Werktätigkeit wie alle anderen angesehen, und diese wurden im Werkhaus ausgeführt. Diesbezügliche Berichte aus dem Nürnberger Konvent lassen allerdings den Schluss zu, dass dort der Arbeitsort der Schreiberinnen nicht unbedingt das Werkhaus war; denn in der Passage über die dort auszuübenden Tätigkeiten sind, unter anderen, die Schreiberinnen ausdrücklich ausgenommen: Es sitzt ain ietlich S r in dem werckhus wo es ir fu´gt zuo ir arbait,352 [. . . es sig denn dz sy suss ain soelich ampt dz sy dar an hindretti als raderin / Schaffnerin / schriberin].353 Offenbar wurde den (Nürnberger) Schreiberinnen auch die Möglichkeit zugestanden, auf ihren Zellen ›tätig‹ zu sein: Während des Nonschlafs schickt sich jederman hin zuo siner zell [. . .] vnd mag ietliche S r tuon in ir zell / [Lücke (wohl Abschreibefehler), gemeint: was sie möchte:] aini schlaft / die ander bettet / oder list oder schribt. Im Bericht zur Ausstattung der Zellen der einzelnen Schwestern wird diese Aussage noch verdeutlicht: Es bedarf etwa ain iungi S r als wol ainer geschickten [geeigneten] zell die vil schriben muoß oder der gelich arbait haut.354 An grössere, umfangreichere Schreibarbeiten ist hier wohl nicht zu denken, da für diese eine gewisse ›Infrastruktur‹ vorhanden sein muss: ein (je nach Format: grosses) Pult zum Ablegen der Vorlage, ein weiteres für den Beschreibstoff, Utensilien zum Präparieren desselben, Spannvorrichtungen für die Bögen, 350 351 352 353

Vgl. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 288 f. Siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 35 f. KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvr, Kapitel Von der gemainen arbait. A. a. O., f. Clxxvv, dort schriberin erstmals als Amt genannt. Das ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer enthält keine Entsprechung zum Kapitel ›officium gerentis curam scriptorum‹ der Vorlage (Humbertus de Romanis, ›Liber de officiis ordinis‹), vgl. in der Edition von Berthier, Humbertus de Romanis Opera, Vol. 2, Turin 1956 (Reprint, Originalausgabe Rom 1889), S. 266–268. 354 Beide Zitate KlA Wil, Schwesternbuch, f. CCxxxiijr; zum ›Nonschlaf‹ siehe Kap. III .5.2: Bücher für die private Andacht, S. 195.

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und so weiter.355 Vermutlich beziehen sich beide Äusserungen nicht auf Schreibunternehmen grösseren Stils (im Sinne der Chronik-Einträge Jtem wir hand geschriben . . .). Denkbar wäre, dass die Schwestern auf ihren Zellen z. B. an Gebet- und Andachtsbüchern (meist 8o- oder 16o-Format) für den persönlichen ›privaten‹ Gebrauch schrieben oder Briefe verfassten. Auf eher ›banale‹ Schreibarbeiten lässt auch schliessen, dass an dieser Stelle die Rede ist von jungen Schwestern, für die ja Übungen im Schreiben (im Sinne einer Selbst-Schulung, um Routine zu erwerben) wiederholt als Betätigung empfohlen wurden.356 4.3 Handschriftenherstellung im Katharinen-Scriptorium In einigen Fällen lässt bereits der Einband die Herkunft des Codex aus dem Katharinen-Scriptorium vermuten.357 Vor allem die in der Anfangsphase des eigentlichen Scriptorium-Betriebs entstandenen Bände weisen einen sehr schlichten Einband auf: Holzdeckel mit Lederüberzug, mit teils hellem (ungefärbtem), teils gefärbtem Leder (burgunderrot, rötliches rehbraun, dunkelbraun), vereinzelt mit Abschrägung der Deckelkanten. Zudem tragen die frühen Einbände meist keinerlei Verzierung; spätere wurden mit Streicheisenmustern (Rechteck, Rhombus, Diagonalkreuz), dann auch mit (zunächst einfachen, später aufwendigeren) Stempelmustern versehen.358 In der

355 Das ›Scriptorium‹ diente auch als ›Restaurationswerkstatt‹, in der kleinere Gebrauchsschäden an den Handschriften ausgebessert wurden; siehe die wohl zeitgenössisch ›restaurierten‹ Seiten in Cod. sang. 363, Cod. sang. 510, Cod. sang. 1857, siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 356 Vgl. KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvjr: die Priorin [. . .] befilch jren jungen e schwostren ze schriben [. . .]; siehe auch Johannes Meyer, ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 191rb u. ö. Siehe auch Kap. II .3.1: Der Bildungsanspruch. 357 Sofern die Handschriften im originalen Einband erhalten sind – was in den allermeisten Fällen zutrifft; neu gebunden wurden nur Wil M 8 und M X . – Einzelne Faszikel geringeren Umfangs wurden stets in Compert [sic] gebunden (siehe zum Beispiel KlA Wil, Chronik, f. 111v). 358 Einfacher Einband Cod. sang. 510, Cod. sang. 1066, Cod. sang. 1854, Cod. sang. 1869, Cod. sang. 1916, Wil M 18, Wil M 41, Wil M VI , Wil M VII , Wil M IX , Wil M XIII , Wil M XVI ; Einband mit reicher Stempelung zum Beispiel Cod. sang. 490, Cod. sang. 1857, Cod. sang. 1919, Wil M 3, Wil M 4, Wil M 13, Wil M 42; dilettantisch sind Einband und Verzierungen von Wil M 3 (Streicheisenlinien schief aufgebracht) und Wil M 13 (Stempel und Streicheisenlinien, do.). Original-Beschläge sind zumeist nicht erhalten geblieben, sondern entweder verloren gegangen oder geraubt worden (Bildersturm). – Zu

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Werkstatt wurden manche Bände zudem mit Beschlägen bestückt.359 Ob diese auch von den Schwestern angefertigt wurden, ist zumindest fraglich; bisweilen kamen Beschläge als Schenkung ins Kloster.360 Gesamthaft erwecken die erhaltenen Codices aus dem Katharinen-Scriptorium den Eindruck, als sei das beschlachen nicht häufig gewesen: Die Bände weisen kaum Spuren ehemaliger Beschläge auf;361 auch Chronik-Einträge zum beschlachen sind sehr selten. Bevorzugt scheinen die Chorbücher (Antiphonarien und Missalia, die grösstenteils in der Reformationszeit verloren gingen) mit Beschlägen versehen worden zu sein. Kaum zu beantworten sind sämtliche Fragen, die mit den handwerklichtechnischen Aspekten der Handschriftenherstellung zusammenhängen: Wie die Schwestern das ›Buchbinder-Handwerk‹ erlernten, ist eine offene Frage. Für die Einbandgestaltung (mit Streicheisenmustern und eventuell Stempelung) nahmen sie sich wohl die Einbände der geschenkweise in die Bibliothek gelangten Bände zum Vorbild. Interessant wäre auch zu wissen, ob die Schwestern die Pergament-Oberflächenpräparierung – die in der Regel nicht vom Pergamenter, sondern erst im Scriptorium vorgenommen wurde (und deren Feinheiten man lieber für sich behielt) – selbst durchführten.362 Ein Chronik-Eintrag des Jahres 1492 scheint einen Blick ›hinter die Kulissen‹ zu gewähren: Es wird berichtet von viij quater[n, Quaternionen] geschriben vnd vngeschriben des grossen models vnd ain quatern des mindren models vnd ij hu´tlin vnd xxiiij quatern geschriben vnd vngeschriben zuo dem mesbuch. Die Lagen des grossen und des mindren models könnten

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den Koperteinbänden von Wil **m 18 und Wil **m 19 siehe im ›Katalog der Handschriften‹. Der einzige explizite Beleg findet sich KlA Wil, Chronik, f. 85r, zum Jahr 1499: Jtem wir hand [. . .] die grossen gesang bu´cher [Antiphonare] beschlagen [. . .]; die heutigen Beschläge von Wil M II und Wil M III sind jedoch nicht mehr die originalen, sondern stammen vermutlich aus dem 17. Jahrhundert. Vgl. KlA Wil, Chronik, f. 58v, wo die Schenkung von Beschlägen des Herrn vlrich motz festgehalten wird (eventuell verwendet für das Plenar Cod. sang. 363? Siehe im ›Katalog der Handschriften‹); zum Anbringen von Beschlägen siehe KlA Wil, Chronik, f. 44v, f. 50r, f. 61v, f. 65v, f. 69r, f. 76r, f. 85r. Spuren sichtbar bei Wil M II , Wil M III und Wil M VI ; der einzige erhaltene Codex mit Beschlägen ist das Plenar Cod. sang. 363. Rück (Hg.), Pergament (1991), besonders die Beiträge zu Geschichte und Verwendung, S. 13–167. Zur Pergament-Herstellung siehe auch Dieter Richter, Die Allegorie der Pergamentbearbeitung. Beziehungen zwischen handwerklichen Vorgängen und der geistlichen Bildersprache des Mittelalters, in: Fachliteratur des Mittelalters. Fs. für Gerhard Eis, hg. v. Gundolf Keil u. a., Stuttgart 1968, S. 83–92, hier S. 85 f.

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darauf hinweisen, dass im Scriptorium die Tierhäute mittels eines ›Formmodels‹ für das Beschreiben in die rechte Form (d. h. Grösse) gebracht wurden; unter hu´tli wären dann vermutlich ›noch nicht beschreibfertige‹ Häute zu verstehen.363 Mit der intensivierten Handschriftenherstellung im Scriptorium kam vermehrt (das kostengünstigere und – je nach Pergament-Präparierung und Kielzuschnitt – ›beschreibfreundlichere‹) Papier in Gebrauch: Das (gemäss den Wasserzeichen) älteste Papier (um 1450) findet sich im Urbar. In den Oktavbänden der frühen Blütezeit des Scriptoriums (1480er Jahre) wurden meist dieselben zwei Papiere miteinander kombiniert.364 Allgemein lässt sich aufgrund der Papier-Zusammenstellungen sagen, dass die Anlage der Codices sorgfältig geplant wurde, was eine gute Organisation des Scriptoriums (Papierbestände etc.) voraussetzt. Von einer eingespielten Schreiberinnen-Equipe im Katharinen-Scriptorium zeugt unter anderem, dass an grösseren Schreib-Unternehmen mehrere Schreiberinnen beteiligt waren, die nicht nur mit verschiedenen Lagen wechselten, sondern einander mehrfach (sehr häufig vor allem in umfangreichen Quartbänden) mitten im laufenden Text und Satz ablösten, teilweise sogar mit Worttrennung: Ein excellentes Beispiel für eine solche Gemeinschaftsarbeit ist Cod. sang. 1066.365 Dort stammen auch die Rubriken zu den einzelnen Abschnitten zumeist nicht von der jeweiligen Texthand, sondern von einer der anderen drei Hände. Nach Fertigstellung einer Abschrift oblag (vor allem bei umfangreichen Bänden) ein ›Korrekturdurchlauf‹ einer nicht am eigentlichen Schreibprozess beteiligten ›Korrekturhand‹: In der Abschrift der ›24 Alten‹ des Otto von Passau brachten Euphrosina Keller und Potentiana Talmann mit grosser arbait vnd fliss zahlreiche corierungen [!] an; in der Predigthandschrift Cod. sang. 1066 besorgte eine weitere, von den Texthänden verschiedene Hand (Elisabeth Muntprat) den Korrekturdurchgang sowie die ›Redaktion‹ des Bandes mit dem Erstellen eines Conspectus.366 363 Solche ›Formmodel‹ – rechteckige Bretter mit Haltegriff – werden noch heute von Pergamentern verwendet. Freundlicher Hinweis von Klaus-Peter Schaeffel, Scriptor und Buchmaler (Bärschwil). 364 Zum Beispiel Cod. sang. 363, Cod. sang. 1916: siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 365 Siehe a. a. O. sowie Abb. 25 und 23; weitere Beispiele für Handwechsel mitten im laufenden Text und Satz sind Cod. sang. 990 und Wil M 8. 366 Zitat Wil M 41, f. 449r; zu diesem und zu Cod. sang. 1066 siehe im ›Katalog der Handschriften‹ sowie Abb. 26.

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Ein Tintenrezept in einer von Cordula von Schönau geschriebenen Zoffinger Handschrift zeigt, dass die Tinten im Konvent selbst hergestellt wurden;367 dasselbe ist, wenngleich nicht explizit zu belegen, für die Herstellung von Farben anzunehmen. Für die in Textualis geschriebenen liturgischen Manualia wurde im Katharinen-Scriptorium in der Regel schwarze oder stark dunkelbraune Tinte verwendet;368 die eigentlichen ›GebrauchsHandschriften‹ – vor allem Gebetbücher, aber auch die zur Tischlesung herangezogenen Bände – in Bastarda-Schriften wurden mit brauner Tinte geschrieben.369 Fragt man bei den im Reformkontext entstandenen Handschriften nach deren künstlerischer Ausstattung, mutet dies zunächst befremdlich an – war doch Askese eine der zentralen Forderungen der Ordensreformer: Codices mussten in ihrem Erscheinungsbild ›bescheiden‹ sein, wollten sie nicht als ›falscher Prunk‹ verdächtig werden. Doch generell war eine Handschrift gar nicht (seriös) herstellbar und ›brauchbar‹ ohne eine Grundausstattung nach den Regeln der Kunst, das heisst: Neben sorgfältiger Seiten-Einrichtung war dezenter Textschmuck, bestehend aus ein- oder zweifarbigen (eventuell leicht verzierten) Initialen und Lombarden, Rubriken, Paragraphenzeichen, sowie einem Wechsel von kleineren und grösseren roten Anfangsbuchstaben, unverzichtbar.370 Auch die Handschriften des Katharinen-Scriptoriums folgen in Anlage und Ausstattung den klassischen Regeln der Kunst: Die Einrichtung der Lagen scheint sich seit den Anfängen des Scriptoriums auf Sexternionen eingespielt zu haben.371 Für starke Beanspruchung (bei der Tischlesung, 367 Ü Ms. 16, [vorderes Spiegelblatt] – f. [1v], Hand Cordula von Schönau; eventuell nicht original im Katharinen-Scriptorium aufgezeichnet, sondern in Abschrift (siehe die Verschriebe: wohl Abschreibefehler). 368 Vgl. die Antiphonare Wil M II – M IV , die Breviere Cod. sang. 406, Wil M 3 und M 13; Cod. sang. 407 (Lektionar), Cod. sang. 1066 (Predigthandschrift). 369 In einigen Handschriften der Anfangszeit ist die Tinte (heute) auffallend hellbraun (eventuell stärker verblasst?), zum Beispiel Wil M 1; später scheinen ›alterungsbeständigere‹ Tinten verwendet worden zu sein. 370 Rubrizierungen, Miniaturen, Hervorhebung der Initialen zielten nicht nur auf die Übersichtlichkeit des handschriftlichen Textes, sondern dienten auch der visuellen Einprägsamkeit der Benutzerinnen. 371 Was den Usanzen anderer Klosterscriptorien entspricht, zum Beispiel St. Katharina Nürnberg, vgl. Schneider, Handschriften Nürnberg (1965). Siehe auch dies., Paläographie (1999), S. 119: Papierhandschriften (des späten 14. und) des 15. Jahrhunderts waren, sofern sie eine regelmässige Lagenstruktur aufweisen, zum grössten Teil aus Sexternionen zusammengestellt. – Im Katharinen-Scriptorium hinsichtlich der Lagenstruktur eine Ausnahme bilden die

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in der Messe) hergestellte Codices wurden beim Binden mit einer Pergament-Falzverstärkung versehen.372 Lagennummerierungen sowie Silbenoder Wortreklamanten – die dem Zweck dienten, dass die Buchbinderin beim Binden die einzelnen Bestandteile richtig ineinanderlegte und keinen Fehler bei der Zusammensetzung der Lagen machte – gehörten seit Beginn eines eigentlichen Scriptorium-Betriebs zur Anlage einer KatharinenHandschrift.373 Eine Schriftspiegel-Einrichtung sowie eine Zeilen-Linierung374 gehörten ebenso zum Standard wie Rubriken375 und Initial- und Lombard-Buchstaben zur Kennzeichnung von Abschnitten. Der Wandel in Einrichtung und Ausstattung der Handschriften mit Textschmuck (nicht nur Wasserzeichen und Schrifttypen) eröffnet im Vergleich eine entwicklungsgeschichtliche Perspektive: Einfache rote, vereinzelt auch blaue ein- bis dreizeilige Lombarden gehörten von Beginn an zur Einrichtung der Katharinen-Handschriften. Initialen mit ›Fleuronne´‹376 und Fadenwerk finden sich nur in einigen Handschriften, die zwischen ca. 1460 und ca. 1475, also vor dem Beginn der ›in grösserem Stil organisierten‹ Handschriftenherstellung im Katharinen-Scriptorium entstanden sind. Mit der Intensivierung der Schreibtätigkeit geriet dieser in der Ausführung vergleichsweise (zeit)aufwendige Initialschmuck ausser Gebrauch; die meisten Handschriften aus der Anfangszeit der Reform sowie sämtliche Codices der Blütezeit des Scriptoriums (ca. 1484 − ca. 1500) weisen einen schlichten, einheitlichen Stil des Buchschmucks auf: Die stets sehr sorgfältig ausgeführten

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aus Quaternionen bestehenden Pergament-Bände. Unvollständige Lagen sind äusserst selten (das heisst auch: kaum Verschriebe ganzer Seiten, was das Herausschneiden und Ersetzen einzelner Blätter notwendig machte). – Ein Codex aus der Spätzeit des Katharinen-Scriptoriums (Cod. sang. 990, datiert 1521/1522) zeigt, dass die Usanzen der Blütezeit hinsichtlich der Lagenstruktur vollständig ausser Gebrauch geraten waren (siehe im ›Katalog der Handschriften‹). Wil M 41, Wil M 42, Cod. sang. 363, Cod. sang. 1919 (Codices der 1480er Jahre), ebenso bei dem in die 1450er Jahre zu datierenden Urbar. In den ›bescheideneren‹ Gebet-Büchlein für den persönlichen Gebrauch waren Reklamanten selten (Ausnahmen: Cod. sang. 406, Cod. sang. 491, Cod. sang. 495, Cod. sang. 509); in den Codices der Anfangszeit fehlen Lagenbezeichnungen gänzlich: Wil M 1, Wil M 4, Wil M 5, Wil M 12. Ausser bei Sammelbändchen in–16o mit Gebeten und Betrachtungen zum persönlichen Alltagsgebrauch. Zur Rubrizierung im weiteren Sinn gehören auch Zierleisten (mit Rubrikentinte) zum Auffüllen von Leerraum bis zum Zeilenende, zum Beispiel Cod. sang. 363, Cod. sang. 1869, Wil M 32. Jakobi-Mirwald, Buchmalerei (1997), S. 90.

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roten Initialen haben kleine Schaftaussparungen sowie angedeutete vegetabile Verzierungen377 (wie Blätter, Eicheln, Blüten), die ebenfalls sehr schlichten roten Lombarden vereinzelt Punktverdickungen und Silhouettenornamente.378 Im allgemeinen waren bei der Herstellung einer Handschrift Schreiberin und Illuminatorin nicht identisch. Anders im Katharinen-Scriptorium: Bei Büchern von geringerem Umfang in 8o-Format ist es die Regel, bei Bänden grösseren Formats und Umfangs häufig, dass die Rubriken wie auch die Illuminierung (Lombarden, Initialen) von der Texthand stammen.379 So sind beispielsweise in dem von Angela Varnbühler geschriebenen Cod. sang. 991 die Lombarden sowie deren Verzierungen (vereinzelt angedeutete Blattranken) ein Einzelbeispiel in Handschriften des Katharinen-Scriptoriums, so dass sie als von der Hand der Schreiberin stammend vermutet werden können.380 Ein schönes Beispiel kreativer Textschmuck-Spielerei findet sich im Plenar Cod. sang. 363, in welchem die (zahlreichen) Initialen und Lombarden, in ihrer Gestaltung ebenfalls aussergewöhnlich, von der Hand der Schreiberin Elisabeth Muntprat stammen. Auffallend sind auch die in sechs Katharinen-Codices von zwei verschiedenen Händen an Lombard-J-Schäften angebrachten Fisch-Symbole:381 In drei von Cordula von Schönau geschriebenen Handschriften stammen auch die Rubriken von ihrer Hand; die fischverzierten Lombarden, ausgeführt mit derselben Rubriken-Tinte, sind sehr wahrscheinlich ebenso ihrer Hand zuzuweisen.382 Diesen ähnlich, aber nicht identisch sind die Fisch-Verzierungen (ebenfalls an Lombard-J377 Siehe Abb. 30 und 31. 378 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹. Jakobi-Mirwald, Buchmalerei (1997), S. 68, S. 89. 379 Zum Beispiel Cod. sang. 363, von der Hand der Elisabeth Muntprat: Rubriken, Lombarden und Zierranken sowie sehr schöne, phantasievolle und variable Initialen von ihrer Hand: passim Konturen-Vorzeichnung mit derselben Texttinte sichtbar; zudem Initialen/Lombarden mit derselben Tinte wie die Rubrizierung, diese von der Hand der Schreiberin; siehe ›Katalog der Handschriften‹ sowie Abb. 13. 380 Cod. sang. 991, p. 467a, p. 479a; siehe Abb. 21. 381 Vgl. Wehrhahn-Stauch, Liselotte, Christliche Fischsymbolik von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter, in: Zs. f. Kunstgeschichte 35 (1972), S. 1–68; siehe auch Nordenfalk, Carl, Studies in the history of book illumination, London 1992, S. 60–63; ders., in: RDK 9, München 1987), Sp. 29–305 [in beiden Publikationen nur zu Handschriften des Früh- und Hochmittelalters]. 382 Cod. sang. 406 (Brevier), siehe Abb. 14; Fisch-Lombarden derselben Faktur auch in Cod. sang. 490 (persönliches Gebetbuch der Cordula von Schönau),

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Schäften) in Cod. sang. 1919, Wil M 41 (bei der 1. Hand) und Wil M 42, wo sie ebenfalls von der Texthand stammen (mit derselben Rubriken-Tinte und demselben Kiel).383 Gleicher Faktur und vermutlich derselben Hand zuzuordnen sind die Fisch-Lombarden in Cod. sang. 507.384 Grundsätzlich scheint jedoch die Illuminierung von Handschriften in den Händen bestimmter, im Rubrizieren besonders versierter Konventualinnen gelegen zu haben:385 Die tadellos sauber und sorgfältig ausgeführten Lombarden und Initialen in Cod. sang. 1066 und Cod. sang. 1916 sind so auffallend ähnlich (bei gleichen Buchstaben fast deckungsgleich identisch), dass von einem ausgebildeten ›Stil‹ einer routinierten Rubrikatorin gesprochen werden kann.386 In einigen liturgischen Codices sind Abschnittsanfänge mit Cadellen hervorgehoben, ausgeführt meist in schwarzer und roter Tinte ohne Verzierungen. Mitunter sind die Cadellen versuchsweise improvisiert und scheinen jenen einer im Illuminieren geübteren Konventualin nachgeahmt.387 Im Antiphonar Wil M III sind die braunen Cadellen mit ›Fleuronne´‹ (teils mit roter Tinte) und Fadenwerk, teils auch mit federgezeichneten menschlichen Gesichtern versehen.388 Schöne Beispiele für eine niveauvolle Frauen-Illuminierungsarbeit sind die Antiphonare der Katharinen-Schwestern (Wil M II und Wil M III ) mit ihrer phantasievollen und abwechslungsreichen Initial-Ornamentik: Sie

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f. 87r, f. 89r, f. 92v, f. 115v, Wil M 13 (Brevier, Hand der Cordula von Schönau), f. 157v. Siehe auch Kap. II .3.2.9: Cordula von Schönau, S. 92–94. Cod. sang. 1919 u. Wil M 42 wurden von derselben Schreiberin geschrieben; die Fisch-Lombarden Cod. sang. 1919, p. 624, Wil M 42, f. xliv. Von ders. Hand auch Wil M 41, f. 1r–121r, mit Fisch-Lombarde gleicher Faktur a. a. O., f. 15v. Cod. sang. 507, f. 36r, f. 37v; die Texthand nicht identisch mit der Schreiberin von Cod. sang. 1919, Wil M 42, Wil M 41 (1. Hand). – Hat eine Rubrikatorin sich die Handschriften der Cordula von Schönau zum Vorbild genommen? Siehe auch Kap. II .3.2.9: Cordula von Schönau. Ob diese im Scriptorium auch als Schreiberinnen tätig waren oder ausschliesslich als Rubrikatorinnen, ist nicht nachzuweisen. Zu vergleichen sind zum Beispiel die S-Initiale in Cod. sang. 1916, p. 60 und p. 716 mit Cod. sang. 1066, f. lxxxxiiiiva, sowie die D-Initiale in Cod. sang. 1916, p. 584 mit Cod. 1066, f. lxxxixvb. Vgl. die schwarz-roten Cadellen in Wil M VII (Abb. 4) und Wil M VIII mit jenen in Wil M IX ; von einer wenig begabten Schwester stammen die (dilettantischen) Cadellen in Wil M VI . Weitere Cadellen in Cod. sang. 1914. Siehe Abb. 3.

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bilden in ihrer sehr sorgfältigen Ausführung und verspielten Kreativität389 ein Gegenstück zur routinierten (oft ›schablonenartigen‹) Profi-Arbeit in Serie von Berufs-Schreibern und -Illuminatoren aus dem Atelier.390 Auch hier waren die Frauen – ebenso wie beim Binden der (meisten) Bücher – ganz offensichtlich autark und nicht darauf angewiesen, solche Arbeiten ausserhalb des Klosters zu vergeben, das heisst: mit der Beauftragung eines auswärtigen Künstlers mit seinem Atelier auf die Möglichkeiten professioneller städtischer Werkstattproduktion zurückzugreifen. Dabei waren wohl zunächst Vorlagen die ›Lehrmeisterin‹; sodann nutzten die Schwestern ganz offensichtlich ihren kreativen Spielraum und liessen ihrer schöpferischen Phantasie Raum:391 Wahrscheinlich anhand von ›MusterBeispielen‹ (vermutlich männlicher Illuminatoren) entwickelten sie einen eigenen Stil der Illuminierung, in dem sich die Inspiration durch die ›Vorbilder‹ mit ›fraulichem Verständnis‹ von Buchschmuck vermengt zu haben scheint: Hervorzuheben sind, neben ornamentalen Initialen mit rot-blauem, ›fraulich-verspieltem Fleuronne´‹ mit Filigran-/Fadenwerk (siehe Abb. 2), Initialen mit federgezeichneten menschlichen Figuren, die auf den ›Fleuronne´‹-Ranken sitzen (Abb. 1). Die sehr saubere und sorgfältige, fast ›hingebungsvolle‹ Ausführung der Illuminierung zeugt (hier wie in weiteren Handschriften) von der Versiertheit der Ausführenden.392 Im Vergleich mit diesen beiden Folianten fallen zwei weitere Antiphonarien (Wil M IV und Wil M V ) etwas ab: Auch diese sind zweifelsfrei im Katharinen-Kloster von den Schwestern geschrieben worden; jedoch sind 389 Zum Beispiel Cod. sang. 363, Cod. sang. 1066, sowie Wil M II und Wil M III als typische Beispiele für Illuminierungsarbeiten des Katharinen-Scriptoriums. – Die Verwendung von teurem Kalbs-Pergament für die Folianten spiegelt die materielle Situation des Konvents wider. 390 Zu Berufsschreiber- und Buchmaler-Werkstätten Schneider, Paläographie (1999), S. 68. 391 Schmidtke, Dingallegorische Erbauungsliteratur (1982), S. 261, vermutet wohl zu Recht: »Anders als die männlichen Mitglieder der Bettelorden mußten die weiblichen bei Durchführung einer Reform jeglichen Kontakt mit der Außenwelt aufgeben. Nun kamen aber die Mitglieder dieser Frauenklöster vielfach aus einer von lebhaftem städtischem Leben erfüllten Umwelt, und es lagen die Klöster selbst vielfach mitten in der Stadt. Es dürfte deshalb die Notwendigkeit bestanden haben, Phantasie und Gefühl der Nonnen zu beschäftigen. Die Befriedigung, die sich aus der vorbildlichen Erfüllung der Regelvorschriften ergab, dürfte kaum allein als Gegengewicht genügt haben.« 392 Beispiel für figurative Initiale: Wil M II , f. 1v (siehe Abb. 1); für ornamentale Initiale Wil M II , f. 50r, f. 71r, M III , f. 48r (siehe Abb. 2), f. 109v, f. 141r. Cadellen: Wil M II und M III , passim, Cod. sang. 1914, passim.

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diese gesang bu´cher hinsichtlich Schrift und Ausstattung zwar korrekt, aber etwas bieder, ›hausbacken‹, ›provinziell‹: Die Leichtigkeit und Eleganz der in professionellen Ateliers hergestellten Liturgica fehlt ebenso wie der Charme der ›fraulich-verspielten‹ und dennoch niveauvollen Illuminierungsarbeit der beiden anderen Antiphonarien.

III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters 1 Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse (1484 und 1507) und der Chronik Die wichtigste Quelle zum Ausbau des Bibliotheksbestandes des Katharinen-Konvents in Zusammenhang mit den Reformbestrebungen ist die Chronik. Am deutlichsten fassbar wird der Bücherzuwachs in zwei von Angela Varnbühler in die Chronik eingetragenen Verzeichnissen: Das eine Inventar hält den Bestand von 1484 fest, also der Anfangsphase der organisierten Handschriftenherstellung im konventeigenen Scriptorium; das zweite von 1507 dokumentiert den Bestand nach rund 25 Jahren.1 Gemäss dem Inventar von 1484 besass der Konvent zu Beginn der Reform (ca.) 233 Bände; durch Schenkungen,2 hauptsächlich aber mit der intensiven Schreibtätigkeit im eigenen Konvent wuchs der Bestand bis 1507 auf über 300 Bände an.3 1 Verzeichnis von 1484: KlA Wil, Chronik, f. 34r–35r. Nota bene: Dies ist das bei Lehmann, MBK Bd. I , München 1918, S. 147 als vermisst gemeldete »Bücherverzeichnis vom Jahre 1484«, vgl. a. a. O., S. 148: »Im 18. Jahrhundert fand Pater Pius Kolb den Katalogtext in dem nunmehr verschollenen Hausbuch der Angela Varnbühler (das heisst, die Konvents-Chronik)«; das Inventar wurde später, anlässlich der Bestandesaufnahme von 1507, durchgestrichen; Verzeichnis von 1507: KlA Wil, Chronik, f. 111v. Das Verzeichnis von 1484 transkribiert und gedruckt bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 185 f. (mit Lesefehlern). 2 Siehe Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen. 3 Bestand von 1484: gemäss Addition aller Bücher des fortlaufenden Verzeichnisses (ohne Berücksichtigung der Teilsummen). Bestand von 1507: Die Addition aller Bücher des (fortlaufenden) Inventars ergibt eine Anzahl von 305 Bänden, (vermutlich) hinzu kommen 57 Bücher auf den Zellen der Schwestern sowie 70 in Compert gebundene und lose Faszikel. Zum Vergleich siehe das Nürnberger Katharinen-Kloster [Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 3]: 1428 der Observanz zugeführt, besass das Kloster 133 Jahre nach seiner Gründung lediglich 36 Handschriften (ein Scriptorium existierte dort bis dahin offenbar nicht); bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war der Bestand auf 500–600 Bücher angewachsen (so die Schätzung von Schneider, Handschriften

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Zwar ist mit der Chronik des Konvents sowie insbesondere den inserierten Bücherverzeichnissen eine (neben den erhaltenen Handschriften) bedeutende Quelle zur Schreibtätigkeit im Katharinen-Scriptorium überliefert. Allerdings ist es aus mehreren Gründen nicht möglich, aufgrund der Inventare eine eindeutige Aussage zur Zahl der in der Bibliothek vorhandenen Bände zu treffen: Angela Varnbühler notiert in lockerer Aufzählung mit unklaren ›Posten‹-Grenzen vor; die Einträge sind oft unklar, da beide fortlaufend geschriebenen Verzeichnisse an vielen Stellen unübersichtlich und zudem oftmals paläographisch nicht eindeutig sind. Sie wurden von Angela Varnbühler flüchtig niedergeschrieben, was die zur Kursiven übergehende Bastarda zeigt. Auch weisen die Inventare zahlreiche Verschriebe auf; viele Wörter sind gekürzt, wobei die Kürzungsstriche und andere Siglen vielfach der raschen Niederschrift zum Opfer gefallen sind. Der Schreiberin gelingt es nicht, mit Untergruppen das Verzeichnis zu gliedern, weil sie zu viele, einander überschneidende ›Klassifikations-Parameter‹ einführt: Die erste Untergruppe unterscheidet Werktitel in lateinischer und deutscher Sprache; die zweite addiert geschribene und truckte Bücher; die nächste klaine/grosse, gebundene, nicht gebundene, vf bermet, vf papir geschriebene.4 In beiden Bücherverzeichnissen des Katharinen-Konvents wird, bis auf die Schenkung von her[n] h walthern Saelgen,5 nicht festgehalten, wie die Bände in die Klosterbibliothek kamen: ob als Schenkungen oder durch Herstellung im eigenen Scriptorium; auch ist (im Verzeichnis von 1484) nicht gesagt, welche Bücher schon vor der Reform in der Bibliothek waren – ganz im Gegensatz etwa zu den Verzeichnissen der Nürnberger Dominikanerinnen, die systematisch und klar gegliedert als eigentliche Nürnberg [1965], S. XIV , sowie dies., Bibliothek und städtische Gesellschaft [1983], S. 71; Ruf, MBK III /3 [1939], S. 570 f.: »in runder Summe 600 Bücher«), etwa die Hälfte aller Handschriften der Klosterbibliothek war von den Schwestern selbst geschrieben worden (Schneider, Handschriften Nürnberg [1965], S. XI–XXXIV , sowie dies., Bibliothek u. städtische Gesellschaft [1983], S. 70). 4 Im Verzeichnis von 1507 sind neu (ca.) 57 Bücher vermerkt, die sich auf den Zellen der Schwestern befanden, wobei unklar ist, ob diese bereits in der vorangehenden Auflistung einzeln erfasst wurden. Bereits die Auszählung von Rüther/Schiewer (siehe Anm. 1) beruht auf den Teilsummen im Verzeichnis der Chronik: Zufolge der Überschneidungen im Verzeichnis selbst ist das Additions-Ergebnis für den Gesamtbestand nicht aussagekräftig. Zudem sind bei den Teilsummen Rechenfehler der Schreiberin nicht auszuschliessen. 5 KlA Wil, Chronik, f. 34v, siehe auch Kap. III .3: Profil der Bibliothek. – Zu hern walthern siehe Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 283, Anm. 57.

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Kataloge abgefasst sind.6 Für die Identifikation von in der Chronik erwähnten Handschriften des Katharinen-Scriptoriums mit erhaltenen Codices tritt erschwerend hinzu, dass die Einträge keiner präzisen und einheitlichen Terminologie folgen,7 ebensowenig die beiden Bücherverzeichnisse – wiederum ganz im Gegensatz zu den Bibliothekskatalogen des Nürnberger Katharinen-Klosters mit ihren terminologisch exakten Katalogisaten. Generell ist auch bei den separaten Einträgen zur Schreibtätigkeit (in der Chronik passim) die Syntax vielfach nicht klar: Was wurde geschrieben? Was gebunden? Auch zog sich die Arbeit an manchen Handschriften offenbar über mehrere Jahre hin;8 daher ist in einigen Fällen unklar, ob es sich um Mehrfachnennungen eines Werks oder um verschiedene Bücher handelt. Zudem ist des öfteren nicht eindeutig zu bestimmen, welche Faszikel zu e i n e m Buch zusammengebunden wurden. Allgemein besteht der Eindruck, dass Einträge nur zu grösseren ›Schreib-Unternehmen‹ erfolgten: Viele nachweislich aus dem Katharinen-Scriptorium stammende Handschriften sind gar nicht verzeichnet (auch nicht in den Bücherverzeichnissen, siehe unten), insbesondere das Schreiben von Gebetbüchern findet keine Erwähnung. Ab ca. 1494 sind die Einträge zum Scriptorium meist unklar, teilweise unvollständig.9 Eine Auszählung der in der Chronik über 6 Vgl. Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. XIII : »Der Anstoß zum Katalogisieren ging um die Mitte des 15. Jahrhunderts vom Nürnberger Predigerkloster aus; das Bücherverzeichnis von St. Katharina hält sich im großen ganzen an die Methode, nach der auch im Dominikanerkloster die Bibliothek geordnet wurde.« Zur Anlage/Systematik der spätmittelalterlichen Nürnberger Kataloge, vermutlich in starker Anlehnung an das ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer (verfasst 1454), von dem die Schwestern schon (am 6. März) 1455 eine Abschrift hergestellt hatten, a. a. O., S. XIII f., ferner Ruf, MBK III /3 (1939), S. 596–599; sowie Wieland Schmidt, Ein Bücherverzeichnis des St. KatharinenKlosters zu Nürnberg, in: ZfB 47 (1930), S. 161–168. – Bücher aus vorreformatorischer Zeit sind in den Nürnberger Bibliothekskatalogen gekennzeichnet mit: Das puchlein ist vor der reformyrung hynnen gewest, oder ähnlich (Zitat: StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 104v). 7 Zum Beispiel KlA Wil, Chronik, f. 27r, mit nicht zwingendem, jedoch sehr wahrscheinlichem Bezug zu Cod. sang. 363, siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹. 8 Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Konventualinnen, die auch als Schreiberinnen tätig waren, in ihrem Tagesablauf schätzungsweise nicht mehr als 4–6 Stunden für die Tätigkeit im Scriptorium verblieben. Ferner ist zu bedenken, dass einige namhafte Schreiberinnen zudem mit der Ausübung verantwortungsvoller Ämter betraut wurden. – Wieviele Schreiberinnen in der Blütezeit des Scriptoriums den ›Stab‹ bildeten, ist nicht zuverlässig anzugeben. 9 In KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxviir, sind Diurnalia erwähnt, die der

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die Jahre als geschrieben und gebunden verzeichneten Bücher erbringt demzufolge ebenfalls kein eindeutiges Ergebnis. Trotz der auf den ersten Blick nicht ungünstigen Quellenlage sowie dem unbestreitbar vorhandenen Willen zur Dokumentation der ›Produktivität‹ der Schreibstube und des aus ihr erwachsenen Bibliotheksbestandes ist es nicht möglich, eine eindeutige Aussage zur genauen Zahl der ehemals in der Bibliothek vorhandenen Bände zu treffen. Dennoch vermögen die Bücherverzeichnisse, im Vergleich miteinander, annäherungsweise ein Bild vom Zuwachs der Bibliothek und ihrem inhaltlichen Profil zu geben.10 Beide Bücherverzeichnisse lassen eine gewisse ›hierarchische‹ Struktur der Auflistung erkennen: An erster Stelle stehen die Liturgica für den Gebrauch im Chor (ein Graduale, ein Antiphonar,11 drei [?] Lektionare); es folgen die Bücher für die Messe;12 sodann liturgische Manualia: die zur Erfüllung des täglichen Officium divinum benötigten Bücher (26 Breviere,13 ein Colect-

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St. Galler Konvent von den Nürnberger Dominikanerinnen erhielt (nicht gesagt, ob als Schenkung oder Leihgabe); diese sind in der Chronik jedoch nicht erwähnt; zum Jahr 1504 wird das Binden der Legende der Hl. Elisabeth, der Auslegung des Buchs Cantica canticorum sowie der Briefe des Eusebius von Cäsarea, die wir hand geschriben, vermerkt (a. a. O., Chronik, f. 97r), wofür sich jedoch zuvor kein Schreibeintrag findet; und etliche mehr. – Die offensichtlichen Lücken und (Abschreibe-?)Fehler in den Einträgen betr. Scriptorium (Doppelungen aufgrund von Zeilen- oder Wortsprung; Lücken (fehlt, o was darzu geschriben // [. . .] wurde; fehlt der Preis: het vns kostet // [. . .]) könnten darauf schliessen lassen, dass bei den Scriptoriums-Einträgen (wie auch bei den Verzeichnissen) ab einem Rohkonzept in die Chronik ›ins Reine‹ geschrieben wurde. Bei der Analyse des Spektrums der in der Bibliothek vorhandenen Literatur wird zu differenzieren sein zwischen reiner Texttradierung und (aktiver) Rezeption (und eventuell Textproduktion), siehe Kap. III .3: Profil der Bibliohek. Das Graduale (KlA Wil, Sign. Wil **M I , Vogler, St. Katharina (1938), S. 238, Nr. 28) scheint nicht das originale, wie in der Chronik, f. 55v zum Jahr 1487 verzeichnet, zu sein: Jtem vnser wirdigi hertz liebi muoter priorin von nu´renberg kungunt hallerin vnd ir convent hand v´ns ir gradual gelichen vss sunder grosser tru´w vnd liebi vnd hand wir vnser messbuoch dar ab corrigiert vnd gantz mit den noten vnd worten also gemachet wie sy dz hand dz sy andren conventen versait hand aber vss liebi vs gelichen darumb wir got billich fu´r sy biten sond. – Zu Graduale und Antiphonar vgl. Gamber, Codices liturgici (1963), S. 234, S. 241. Zu den liturgischen Gattungen vgl. Hughes, Manuscripts for Mass and Office (1995), sowie Gamber, Codices liturgici (1963). Chronik, f. 34r; Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 186, lesen

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ner,14 41 Psalterien, 14 Diurnalia), daneben aber auch ein venitei [sic] buechli, 13 Cru´tzgang buechli, 26 Curs buechli sowie fünf mandat buechli.15 Nachstehend aufgeführt werden die Predigtbände (im Verzeichnis von 1507 gefolgt von den Büchern für die Tischlesung), die Regeltexte des Ordens und zuletzt die Werke der erbaulichen Literatur.16 Eine systematische Einteilung nach Untergruppen (etwa deutsch/lateinisch, gebunden/ungebunden, geschriben/truckt) ist jedoch nicht gegeben; auch die Angabe des Beschreibstoffs (vf bermet/vf papir) erfolgt nicht konsequent. Einzig kann im Verzeichnis von 1484 eine (nicht explizit gezogene) ›Grenze‹ zwischen lateinischen und deutschen Büchern vermutet werden: Auf der Hälfte von f. 34v trägt die Anlagehand (der Angela Varnbühler) in margine links ein: Suma [sic] Clxxxvij laitinscher [sic] buecher; ab der Höhe dieses Eintrags folgen in den Textzeilen ausschliesslich deutschsprachige Bücher.17

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hier offenbar xxxi; es steht aber klar xxvi. Darunter könnten die sonst hier im Text nicht genannten, da nicht eigens hervorzuhebenden Breviere Wil M 16, M 18, M 19 und entfernter auch M X inbegriffen sein; bei allen ist eine Herstellung durch Katharinen-Schreiberinnen gut möglich (vorwiegend 15. Jh., sorgfältige Textualis u. Bastarda), aber nicht zweifelsfrei nachweisbar (keine zeitgenössischen Besitzeinträge). Kollektar (lat. collectarium, liber oratorius): Handschrift, in welcher für (den Leiter/)die Leiterin des Officiums die beim Chorgebet benötigten Gebete (Orationen, v. a. die Tagesorationen: Collectae) vereint waren; Gamber, Codices liturgici (1963), S. 269 (u. ff.). – Im Inventar von 1507 sind zwei Kollektare (ij Collectum) verzeichnet. e venitei buchli: Ps 94 (Venite exultemus) war als Invitatoriumspsalmodie Eingangsgesang zum täglichen Stundengebet in der Matutin; die entsprechenden Bücher hiessen ›Invitatorium‹ oder ›Venitarium‹ (Hughes, Manuscripts for Mass and Office [1995], S. 120), vgl. auch Schwb., f. 248r: die venite singen; e Cru´tzgang buchli: vgl. Chronik, f. 95r (1503): cru´tzgangbu´chli mit inhalt der e totten begrept, also Agenda defunctorum; mandat buchli: mandatum heisst in der liturgischen Sprache die Fusswaschung am Gründonnerstag; demnach könnten Bücher mit den dabei stattfindenden Gebeten und Zeremonien gemeint sein, vgl. Hughes, ebd., S. 19. Vgl. Wolfgang Milde, Deutschsprachige Buchtitel in ma. Bibliothekskatalogen, in: Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter (1100–1500), hg. v. Nikolaus Henkel u. Nigel F. Palmer, Tübingen 1992, S. 52–61, hier S. 52 f. Sollte diese vermutete Grenze existiert haben, könnte dies bedeuten, dass die von Meyer im ›Ämterbuch‹ geforderte Unterscheidung zwischen lateinischer und deutscher Bücherei (vgl. Ü Ms. 5, f. 210vb) im Katharinen-Kloster durchgeführt worden wäre; so auch Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 362, aufgrund des Verzeichnisses von 1484. Siehe auch Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 72, sowie Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 182– 184.

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Gemäss dem Verzeichnis von 1484 bestand das Handschriften-Corpus zunächst zum überwiegenden Teil aus Liturgica, hauptsächlich Brevieren und Psalterien. Einen beachtlichen Teil machten ferner die (lateinischen) Predigtbücher mit 23 Bänden aus; gegen Ende des Inventars folgen weitere 18(?) inbundni bredi buecher.18 Ebenfalls vorhanden waren die Regeltexte des Ordens: die regel Constitucio vnd de[r] natel [sic, recte: notel].19 Bei den Büchern, die man ze tisch liset, wird im Verzeichnis nicht nach Werktiteln differenziert. Werke der erbaulichen Literatur machen einen vergleichsweise geringen Anteil aus: Im Verzeichnis von 1484 figurieren lediglich Seuses ›Büchlein der ewigen Weisheit‹, das x bot buoch (Dekalogtraktat des Marquard von Lindau?)20 sowie eine Inkunabel mit den ›24 goldenen Harfen‹ des Johannes Nider.21 Im weiteren Sinne zur Erbauungsliteratur zu zählen sind auch vier Ewangelium buecher,22 der hailgen legend sumertail vnd wintertail (Legendae sanctorum per totum annum)23 und das altvater [!] 18 Die Ziffer ist paläographisch unklar: Es stehen drei i-Punkte, davon der erste über dem vermuteten v; Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 186, halten den Verschrieb aus xliij fest und lesen xvij. Siehe auch im Kap. III .3: Profil der Bibliothek. 19 Erhalten sind offenbar nur noch spätere Hss. und Drucke: Das KatharinenKloster besass eine Hs. der Konstitutionen, 1543 von Regula Keller geschrieben (heute Wil M 32), zwei Inkunabeln mit der Regel-Auslegung des Humbertus de Romanis (StiBSG Inc. 1597, sowie Wil A.16; Vogler, St. Katharina (1938), S. 261, Nr. 92 u. Nr. 91 [ohne Sign.]), sowie die Constitutiones OP in zwei Hss., 1497 und 1501 geschrieben, und in einer Inkunabel, alle drei heute verloren (gem. Vogler, S. 265, Nr. 140–142). o 20 Offenbar wurde das x bot buch, gem. dem Verzeichnis in einem eigenen selbständigen Codex überliefert, d. h. es muss sich um eine relativ umfangreiche Schrift gehandelt haben, vermutlich um den in Dominikanerinnenkreisen sehr weit verbreiteten Dekalogtraktat des Marquard von Lindau, der des öfteren in Verbindung mit ›Kinder von Israel‹ überliefert wird; VL2 6 (1987), Art. ›Marquard von Lindau OFM ‹ (Nigel F. Palmer), Sp. 86; dieser ist in ca. 150 Hss. u. mehreren Drucken überliefert und ragt damit innerhalb der ohnehin reichen Überlieferung der zahlreichen Dekalog-Traktate, die einen deutlichen Schwerpunkt in den Überlieferungsverhältnissen des 15. Jhs. bilden, hervor. Vgl. Palmer, Sprachproblem bei Marquard von Lindau (1983). 21 Näheres siehe im Kap. III .3: Profil der Bibliothek. 22 Wohl kaum Evangeliare, da oben schon ein Lektionar genannt; gemeint wohl die ewangelia hystoryweiß (StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 98v), also ›Nacherzählungen‹ der Evangelien. 23 Winter- und Sommerteil des Legendars ›Der Heiligen Leben‹, eine Sammlung von 251 Legenden; siehe auch im Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 190.

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buoch.24 Die am Schluss des Verzeichnisses ›nachgeführten‹ v tu´chs [sic] psaelter und das jarzit buoch [lit im Chor] scheinen ausserhalb des zu Anfang begonnenen Ordnungsrahmens zu stehen. Das Inventar von 1507 verzeichnet den grössten Zuwachs an Büchern bei den Liturgica: bei den Buechlin dar an die siben ps [Busspsalmen] vnd die vig[ilia] an stat (+15 [?]), bei den Antiphonarien (+14), bei den cru´tzgang buechly [Agendae defunctorum?] (+7) und bei den dyernal (+6). Dem entspricht, dass die Chronik für die Jahre von 1481 bis in die 1490er Jahre hauptsächlich vom Abschreiben von Liturgica berichtet, allen voran von Büchern für den Chor, für die Messe und das Officium divinum: Die Bereitstellung der zur Erfüllung des Ordo im monastischen Alltag der Nonnen benötigten, als Grundlage der religiösen Praxis unverzichtbaren Bücher hatte erste Priorität im Scriptorium.25 Am meisten jedoch ist die Zahl der für die Tischlesung verwendeten Bücher angewachsen: Nunmehr sind 76 Bücher eigens hierfür bestimmt, im alten Verzeichnis waren es (vermutlich) nur 28.26 Auch die Zahl der Druckwerke scheint deutlich 24 Cod. sang. 597: Vitaspatrum, dt. (resp. ›Alemannische Vitaspatrum‹): Leben und Lehren der berühmten Altväter in der Wüste, der Anachoreten, Eremiten u. Mönche, die in frühchristlicher Zeit in die Einöde gegangen waren, um zur Vollkommenheit zu gelangen. ›Vitaspatrum‹ ist »kein Titel für ein klar abgegrenztes Werk, eher ein Überbegriff für ein Konglomerat ohne feste Corpusgrenzen«; Williams-Krapp, Nucleus (1992), S. 407–421, hier S. 410; VL2 10 (1999), Sp. 449–457 (I+II: ders.), Sp. 463–466 (Ulla Williams). Von den Ordensreformbewegungen im 15. Jh. aufgegriffen (wie viele andere Werke der geistlichen Literatur des 13. und 14. Jhs. auch), erfuhren die ›Alemannischen Vitaspatrum‹ (erneut) eine Phase intensiver Rezeption. In den Reformzusammenhang gehören v. a. die Textzeugen der sog. ›Nürnberger Bearbeitung‹: Um 1430 gelangte vom Elsass aus ein Gesamtcorpus in das Nürnberger Katharinen-Kloster (möglicherweise durch die mit der dortigen Reform beauftragten Schönensteinbacher Schwestern), von wo aus es wiederum in mehrere Reformklöster weitertradiert wurde – nachdem das »Corpus der alemannischen Sammlung, die den Reformern offenbar als revisionsbedürftig« erschien, »gründlich redigiert und mit einigen Zusatztexten (. . .) erneuert« worden war. Williams, »Alemannische Vitaspatrum« (1996), S. 16* f.; siehe auch Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 18 f. (Lit.). – Unklar ist, wie das Werk in die St. Galler Katharinen-Bibliothek kam; es ist in der Chronik weder als Schenkung noch als Abschrift des Scriptoriums genannt. – Siehe auch Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 190. 25 Diesem Befund entspricht auch die Reihenfolge der fortlaufenden Aufzählung in den Verzeichnissen, s. o. 26 Siehe auch zu den Relationen im Nürnberger Katharinen-Kloster Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 190 (Anmerkungen).

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

zugenommen zu haben, nachdem 1484 nur eine einzige Inkunabel verzeichnet worden war: Der Konvent besass nunmehr eine truckte tu´sche piple, bei der Tischlesung wurden auch truckte buecher herangezogen; des weiteren aufgelistet sind fünf truckte buechlin in compert gebunden (. . .) stat vnser frowen psalter daran.27 Auffallend ist, dass die programmatischen Schriften der Ordensreformer, welche nachweislich im Katharinen-Scriptorium abgeschrieben wurden, weder im Verzeichnis von 1484 noch in dem von 1507 (explizit) genannt sind.28 Vermutlich sind sie in der Auflistung Varnbühlers grösseren Gruppen subsumiert; in Betracht hierfür kommen die buecher die man ze tisch an liset,29 und ev. auch die an einzelne Schwestern in deren Zellen entliehenen Bücher. Im Inventar von 1507 nicht mehr (explizit) genannt sind Seuses ›Büchlein der ewigen Weisheit‹, Der altuater [!] buoch, sowie die Inkunabel mit den ›24 goldenen Harfen‹ des Johannes Nider, ebensowenig das burt buechli mit getrukten viguren und Dz pr nr buechli, letzteres auf Pergament.30 Ähnliches ist für die Erbauungsliteratur festzuhalten: Nicht genannt 27 Ein Marien-Offizium? – Eine genaue Zahl der 1507 im Konvent vorhandenen Druckwerke lässt sich nicht angeben; sie muss jedoch höher gewesen sein, als das Verzeichnis schliessen lässt, vgl. die zahlreichen Schenkungen von Druckwerken an den Konvent (ab mindestens 1484) sowie die Zahl der im KatalogAnhang bei Vogler figurierenden Inkunabeln: Vogler, St. Katharina (1938), S. 261–263, Nrr. 91–105. Für die Evaluation des Verzeichnisses von 1507 sind (aus dem Kat. von Vogler) natürlich diejenigen Inkunabeln auszuscheiden, die erst im 17. Jh. an den Konvent gelangten und dementsprechend Besitzeinträge von Händen des 17. Jhs. tragen. 28 Das ›Buch der Ersetzung‹ und das ›Buch der Reformacio Prediger Ordens‹ des Johannes Meyer wurden im Jahr 1483 als geschrieben und gebunden verzeichnet: Chronik, f. 27v; zu weiteren Texten des zeitgenössischen Reformschrifttums in der Katharinen-Bibliothek siehe Kap. II .2.1: Entstehung eines Scriptoriums, Impulse. 29 Chronik, f. 111v. 30 Werke, die 1484 verzeichnet, im späteren Inventar jedoch nicht mehr aufgeführt sind, waren ev. ›aus der Mode gekommen‹, ausser Gebrauch geraten, dann ev. (weiter)verschenkt oder vermakuliert worden. Für den Verbleib von nachweislich im Katharinen-Scriptorium geschriebenen Hss. allenfalls in Erwägung zu ziehen wäre auch die Möglichkeit des Tausches von Handschriften gegen Erzeugnisse der noch jungen Buchdruckerkunst. Hierfür findet sich jedoch ebensowenig ein Beleg wie für die Hypothese, dass einzelne Bücher auf eine bestimmte Zeit an Verwandte oder Freunde (insbesondere Gönner) des Konvents in die Stadt und ihre Umgebung ausgeliehen worden sein könnten. – e Zum pr nr buchli (Vogler, St. Katharina [1938], S. 267, Nr. 258): ›Die 50 Pater noster‹ o. ä.? Vgl. auch die Außlegunge des heylgen Vater vnßers durch

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sind (weder im Verzeichnis von 1484 noch in demjenigen von 1507) das ›Buch von der Gemahelschaft Christi‹ (geschrieben 1484), ›Die Kinder von Israel‹ des Marquard von Lindau31 (geschrieben 1492) – wohingegen das x bot buoch, im selben Jahr geschrieben, 1507 verzeichnet wird –, ebensowenig das ›Myrrhenbüschel‹32 (geschrieben 1493), das ›Paradis der sel‹33 (geschrieben 1497). Höchstwahrscheinlich waren diese Bücher bei der (hohen) Zahl von 76 für die Tischlesung bestimmten Büchern inbegriffen. Wohl zu diesem Zweck verwendet, jedoch mit einem separaten Eintrag im Verzeichnis aufgeführt wurde die ›Nachfolgung Christi‹, die deutsche Übersetzung der ›Imitatio Christi‹ des Thomas a Kempis: Im Jahre 1507 besass der Konvent sieben Exemplare dieses weit verbreiteten Werkes.34

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Marcus von Weida OP (1450–[1516]), gedruckt 1502 (Leipzig, M. Lotter). VL2 5 (1985), Sp. 1233–1237, hier Sp. 1235 (A. van der Lee); sowie VL2 10 (1999), Art. ›Vaterunser-Auslegungen in der Volkssprache‹, Sp. 170–182 (Bernd Adam). VL2 6 (1987), Art. ›Marquard von Lindau OFM ‹, Sp. 81–126 (Nigel F. Palmer), ›Kinder von Israel‹, ebd. I.A.1, Sp. 91–93: mystische Auslegung der Geschichte der Israeliten; in diesem Werk findet die für Marquard charakteristische Lehre der Leidensmystik ihre deutlichste Formulierung. Zum ›Myrrhenbüschel‹ siehe VL2 6 (1987), Sp. 832–839 (Dietrich Schmidtke): Der Titel ›Fasciculus myrrhae‹/›Myrrrhenbüschel‹ leitet sich ab von Ct 1, 12: Fasciculus myrrhae dilectus meus mihi; im Abendland wurde dieses Bibelwort fast von Anbeginn auf die Betrachtung des Leidens Christi bezogen (Beda, Alkuin). Der Traktat behandelt unter dem Bild von 40 Myrrhenbüscheln 40 Stationen vom Leiden Christi (vom letzten Abendmahl bis zur Auferstehung); in den teilweise dialogisch gestalteten ›Myrrhenbüscheln‹ führt ein geistlicher Vater anhand der ›Erlebnisse‹ einer exemplarischen Seele seine geistlichen Kinder (primär: Nonnen) in die Leidensmystik ein. – Die ›40 Myrrhenbüschel‹ in Cod. 603, p. 1a–145a; siehe im ›Katalog der Handschriften‹ sowie Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), S. 164 (Lit.), siehe auch im Kap. III .4.2: Die Buchmeisterin. Chronik, f. 80r, f. 83r. – Vermutlich handelte es sich um eine deutsche Übersetzung des um 1300 entstandenen, weit verbreiteten, im 15. Jh. häufig Albertus Magnus zugeschriebenen ›Paradisus animae‹; dieser behandelt in 42 Kapiteln je eine Tugend (virtus) und ihr Gegenteil (valsa virtus). Vier vollständige Übersetzungen ins Mhd. sind handschriftlich überliefert. VL2 7 (1989), Sp. 293–298 (Bertram Söller), hier Sp. 296–298; ders., Der ›Paradisus animae‹ des Ps.-Albertus Magnus im deutschen Spätmittelalter, Diss. Würzburg 1986; Werner Fechter, Zur handschriftlichen Überlieferung des Ps.Albertischen ›Paradisus animae‹ und seiner Übersetzungen ins Mhd., in: ZfdA 105 (1976), S. 66–87. Chronik, f. 111v. – VL2 9 (1995), Art. ›Thomas von Kempen‹ (P. van Geest/ E. Bauer/B. Wachinger, Sp. 862–882. Autograph (vor?) 1441; insgesamt mehr

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Die überwiegend summarisch-quantitativ inventarisierenden, daher hinsichtlich Inhalt der Bände bis auf vereinzelte explizite Werk-Nennungen wenig aussagekräftigen Bücherverzeichnisse der Chronik werden durch folgenden Umstand ergänzt: Manche Handschriften der Katharinen-Bibliothek, welche in den Inventaren nicht mit Titel genannt, sondern bei grösseren Buchgruppen subsumiert wurden, gewinnen dann konkrete ›Werk-Konturen‹, wenn ein Buch oder ein bestimmter Text (in Gestalt eines oder mehrerer Faszikel) an einen fremden Konvent zur Abschrift entliehen wurde oder eine solche Leihgabe in den St. Galler Konvent hereinkam und sich dies anhand von erhaltenen Handschriften rekonstruieren lässt; bisweilen wurde ein solcher Vorgang auch in der Chronik notiert, mit Nennung des Titels und ev. des Autors. Aufgrund dessen haben wir Kenntnis vom Vorhandensein folgender Werke in der Katharinen-Bibliothek: Deutsche Übertragung der ›Expositio in regulam Augustinianam‹ des Humbertus de Romanis;35 buoch von dem leben xpi;36 ›Chronik der Generalmeister Predigerordens‹ des Johannes Meyer;37 Fraterherren-Viten des Thomas a Kempis (in stark kürzender Verdeutschung und Bearbeitung);38 EucharistieTraktat des Marquard von Lindau;39 S peter vnd S pa[u]lus leben, S kat[harina] de senis histori, vnd die lamentaciones;40 erbauliche Traktate von

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als 770 Hss. der ›Imitatio‹, darunter (bisher bekannt) über 60 dte. und ca. 70 nld. Hss. – Ein erstes im Scriptorium hergestelltes Exemplar wurde 1489 eingebunden (Chronik, f. 61v, ein Schreibeintrag [mit expliziter Nennung des Werks] konnte nicht aufgefunden werden; allerdings wurden in den Jahren 1486–1488 mehrere deutsche Bücher geschrieben, worunter sich ev. auch die ›Nachfolgung‹ befand; oder das Exemplar, welches der Konvent im selben Jahr [1489] als Schenkung der Kunigunda Haller erhielt [Chronik, f. 59v], war noch nicht eingebunden). Dieses sehr beliebte Werk wurde dem Konvent noch mehrfach geschenkt; siehe im Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 153. Chronik, f. 48r u. 50r; die Hs. ist nicht erhalten, siehe im Kap. II .2.1: Entstehung eines Scriptoriums, Impulse. Beide Ausleihe des Nürnberger Katharinen-Klosters, das buoch von dem leben xpi ev. Vorlage für Cod. sang. 600 (?), siehe Kap. IV .1: Nürnberg. Cod. sang. 1916; UB Tübingen, Md. 456, siehe im Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 220 f. BLB Karlsruhe, Hs. Donaueschingen, Hs. 422; siehe Kap. IV .2: Inzigkofen. Cgm 5233, geschrieben von Elisabeth Muntprat nach einer Inzigkofener Vorlage; siehe Kap. IV .2: Inzigkofen. Die Hs. war bestimmt nach Zoffingen, nicht erhalten. – Mit lamentaciones könnten die ›Lamentationes de regularibus observantiis lapsis‹ des Leonardus Dati gemeint sein, ein Kommentar zu den Reformmassnahmen dieses Gene-

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Heinrich Vigilis von Weissenburg;41 Johannes Nider zugeschriebene Betrachtungen und Predigten zu 24 Kirchenfesten; ferner eine Handschrift mit Texten von Gerson und einer Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl;42 Passionstraktat nach Ludolf von Sachsen;43 ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer, Sendbriefe von Humbertus de Romanis und Raymundus von Capua.44 Die Monographie von S. Thoma Vogler zur ›Geschichte des Klosters St. Katharina in St. Gallen‹ war in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach von der neueren Forschung als überarbeitungsbedürftig deklariert worden; die Kritik galt insbesondere Voglers ›Katalog – Zusammenstellung des ehemaligen Bibliotheksbestandes‹.45 Ausführlichere Kritik am Katalog Voglers übt Ehrenschwendtner,46 jedoch ist diese nicht in allen Punkten haltbar: Aus dem 14. Jahrhundert lassen sich nicht »vier Breviere und zwei Psalterien dem Kloster zuordnen«, sondern drei Psalterien und drei Breviere (Besitz, nicht Herstellung St. Katharina!).47 Auch Ehrenschwendtners Behauptung, für einige der bei Vogler

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ralmagisters. Dati war Ordensgeneral 1414–1425, Reformer des Berner Dominikanerkonvents 1419, des Dominikanerinnenklosters Unterlinden Colmar 1419, des Basler Steinenklosters 1423, des Klosters Liebenau/Worms 1426. – Ed. der ›Lamentationes‹ bei B. M. Reichert (Hg.), Acta capitulorum generalium ordinis Praedicatorum (1220–1303), in: Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum historica III , Bern/Stuttgart 1898, S. 161–163. Siehe im Kap. III .3: Profil der Bibliothek. Nider: Ü Ms. 26; Gerson (in deutscher Übersetzung und Bearbeitung) und Nikolaus von Dinkelsbühl: Ü Ms. 29. In deutscher Bearbeitung von Thomas Finck: Ü Ms. 28 u. 29. Ü Ms. 5. Fechter, Blarerin (1979), S. 433, Anm. 12: »Das Verzeichnis müsste überarbeitet werden: Es ist Zweifelhaftes darunter, anderes fehlt; Standortangaben sind veraltet; die Klosterchronik ist nicht voll ausgeschöpft; u. a.«; ders., Handschriften Inzigkofen (1997), S. 187: »Was Vogler über die ehemalige Bibliothek des St. Galler Katharinen-Klosters zusammentrug (S. 233–270), ist zwar ansehnlich, bedürfte aber gründlicher Überarbeitung«; ähnlich kritisch äussert sich Wilts, Beginen (1994), S. 417, Anm. 1: Der Rückgriff auf Vogler könne »nur mit grösster Vorsicht geschehen«, denn der Vergleich der bereits edierten Quellen (Chartularium sangallense [1983–1998], Quellen bis 1326) mit Voglers Ausführungen habe gezeigt, »dass hier sehr fehlerhaft gearbeitet wurde«. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), zum Bücherbestand von St. Katharina S. 282–285, Kritik am Vogler-Verzeichnis ebd., S. 310, Anm. 259. Das vierte Brevier ist auszuscheiden: Das Brevier Cod. 1922 (Vogler, St. Katharina [1938], S. 237, Nr. 23) stammt nicht, wie ebd. angegeben, aus dem

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

aufgeführten Bücher existiere »kein wie auch immer gearteter Beleg«, ist zu widerlegen.48 Zu relativieren ist ferner Ehrenschwendtners Kritik, wonach »in Voglers Liste Texte aufgenommen sind, die erst im Lauf des 17. Jhs. ins Kloster kamen«:49 Ihr einziger ›Beleg‹ hierfür ist die Handschrift Wil **m 19 (Vogler, S. 243 f., Nr. 51); diese Handschrift gehört mit ihrem später hinzugebundenen 1. Teil (Schreiberin Maria Ferrin, dat. 1620) ins 17. Jh.; der (heutige) 2. Teil (i. e. der umfassendere) stammt von zwei Händen des 16./1 Jhs.50 Berechtigt ist jedoch die Kritik daran, (in der Chronik) vage beschriebene Bücher als eigenständige Werke anzuführen:51 Vogler zählt, bei den »Verlorene[n] Büchern«, die mit der Legende der Katharina von Siena zusammengebundenen Faszikel der Elisabeth-Legende, der Auslegung der Cantica Canticorum und der Eusebius-Briefe als je ein Buch,52 obwohl in der

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14. Jh., sondern aus dem 15./2 Jh. (nach 1461); jedoch konnte, über die Provenienz aufgrund des Besitzeintrags hinaus, auch seine Herstellung im Katharinen-Kloster nachgewiesen werden. Aus dem 14. Jh. stammen das Psalterium Cod. 24 (Vogler, S. 241, Nr. 45), zusätzlich das Psalterium Cod. 492 (Vogler, S. 242, Nr. 47; jedoch nicht, wie dies. ebd., 15., sondern 14. Jh.), das Psalterium Cod. 516 (Vogler, S. 242, Nr. 46; nicht, wie dies. ebd., 14., sondern 12. Jh.), das Brevier Cod. 405 (Vogler, S. 236, Nr. 18), das Brevier Cod. 504 (Vogler, S. 242, Nr. 17; nicht, wie dies. ebd., 14., sondern 12. Jh.), das Brevier Cod. 1902 (Vogler, S. 238, Nr. 26). Mit diesen Vogler-Kat.-Nrrn. auch Ehrenschwendtner ebd., S. 283, Anm. 55 (jedoch ohne das Psalterium Cod. 492, da bei Vogler »15. Jh.«, s. o.). Die oben angeführten Bde. des 12. u. 14. Jhs. waren als Schenkungen erst im 15. Jh. ins Katharinen-Kloster gelangt. Ehrenschwendtner, ebd., S. 310, Anm. 259. Tatsächlich sind die Quellenbelege (v. a. aus der Chronik) bei Vogler unvollständig, was jedoch nicht heisst, dass keine existieren: Zum ersten angeführten Beispiel Vogler, S. 264, Nr. 136: Seuses ›Büchlein der Ewigen Weisheit‹ figuriert im Bibliotheksverzeichnis von 1484, Chronik, f. 34v; zum zweiten Beispiel Vogler, S. 265, Nrr. 143–144: Donat, do. Vogler gibt diese Belege allerdings nicht an. Ehrenschwendtner ebd., S. 310, Anm. 259. Wil M **m 19, f. 1r–45r Hand der Maria Ferrin, f. 48r–165v von zwei Händen des 16./1 Jhs. Ehrenschwendtner ebd., S. 310, Anm. 259. Das heisst, die Titel figurieren bei den »Heute nicht mehr vorhandene[n] Bücher[n]« mit separaten Nummern: Legende der Katharina senensis, Vogler, S. 266, Nr. 230; Auslegung des Hohen Liedes, ebd., S. 264, Nr. 109; Epistulae Eusebii, ebd., S. 265, Nr. 145; Legende der Hl. Elisabeth, ebd., S. 266, Nr. 228. Der betr. Eintrag Chronik, f. 97r (1504). – Zur Legende der Katharina senensis siehe im Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, sowie im Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung.

1 Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse und der Chronik

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Chronik ausdrücklich steht: hand wir als zuo samen gebunden in ain buch vnd in bretter gebunden. Zu hinterfragen sind auch Voglers Handschriften-Zuweisungen an die ›Schreibschule St. Katharina‹ aufgrund des ›Schrifttypus‹ oder ›Schriftcharakters‹: Was unter ›Schrifttypus‹ oder ›Schriftcharakter‹ zu verstehen sei, bleibt in ihrer Studie unklar; zudem ist fraglich, ob einlässliche Schriftanalysen und -vergleiche vorgenommen wurden. Ebenfalls wurden die Chronik und das Schwesternbuch hinsichtlich der Handschriften-Herstellung nicht vollumfänglich ausgeschöpft.53 Ein Buch, dessen Herstellung in der Chronik vermerkt wird und welches von Vogler als »heute verloren« gemeldet wird – ain tusch buch mit S augustins lieb kosung [vnd] andren guten leren, i. e. das ›Buch der Liebkosung‹ des Johann von Neumarkt, eine deutsche Bearbeitung der pseudoaugustinischen ›Soliloquia animae ad Deum‹ und der Hiob-Traktat des Marquard von Lindau (nicht im Katalog bei Vogler) –, konnte identifiziert werden: Es muss sich um die (spätere) Hs. Reichenberg, Sammlung Friedrich Katzer, Dt. Hs. 12 gehandelt haben, geschrieben im St. Galler Scriptorium, ev. verschenkt nach Inzigkofen; heute ist die Handschrift verschollen.54 Voglers ›Katalog – Zusammenstellung des ehemaligen Bibliotheksbestandes‹ zählt unter ›I. Handschriften‹ (S. 233–260) 90 Nrrn. (i. e. aus dem Katharinen-Scriptorium stammende und geschenkte Handschriften). Bei etlichen Nummern finden sich keine Angaben zur Frage der Herstellung in St. Katharina, bei anderen nur vage, tw. nicht haltbare Zuweisungen an »die Schreibstube des Katharinen-Klosters«. Bei drei Handschriften, die Vogler explizit dem Katharinen-Scriptorium zuordnete, musste die Provenienz dahingehend korrigiert werden, dass, über den Zweitbesitz gemäss Besitzeinträgen hinaus, eine Herstellung zu St. Katharina auszuschliessen ist;55 hinzu 53 Voglers Zuweisung z. B. von Nr. 78, S. 254 f., heute StiBSG Cod. 1151, an die »Schreibschule zu St. Katharinen« war aufgrund konträrer Indizien abzusprechen; zudem bringt sie den Text (Dekalogtraktat Marquard von Lindau) nicht mit der Chronik-Stelle f. 34v (bei Vogler eigenes Buch: Nr. 112, S. 264) in Verbindung. – Zur nicht vollumfänglichen Ausschöpfung der Quellen siehe auch Kap. III .3: Profil der Bibliothek, passim, Kap. IV , passim, sowie Kap. V .2: Zoffinger Handschriften. 54 Das ›Buch der Liebkosung‹ bei Vogler, S. 267, Nr. 237; zum (bei Vogler nicht aufgeführten) Hiob-Traktat siehe im Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 224 ff. 55 Cod. 516 (Vogler, S. 242, Nr. 46), Cod. 1151 (Vogler, S. 254 f., Nr. 78; s. u.), Cod. 1866 (Vogler, S. 246 f., Nr. 61).

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

kamen eine weitere Handschrift der StiBSG und solche, die sich heute in der Leopold-Sophien-Bibliothek Überlingen befinden.56 Auf dem Stand der Neu-Inventarisierung der erhaltenen Bände aus dem Katharinen-Kloster ergibt sich folgender Bestand: 95 Handschriften (davon 55 Herstellung, 40 Besitz St. Katharina), 13 Drucke.57 Hinzu kommen weitere fünf (heute in der Leopold-Sophien-Bibliothek Überlingen aufbewahrte) Handschriften, die nachweislich im Katharinen-Scriptorium geschrieben wurden; weitere Schreiberzeugnisse des Scriptoriums sind in SammelHandschriften auswärtiger Bibliotheken erhalten.58

2 Bibliotheksbestand: Provenienz der Bücher 2.1 Produktion im Scriptorium Die Schreibtätigkeit der Katharinen-Schwestern ist für einen Zeitraum von rund 40 Jahren (1481–1513, 1521) belegt, in welchen ca. 111 Bücher fertiggestellt wurden: Die ersten das Scriptorium betreffenden Notizen finden sich zum Jahr 1481 – was aber nicht zwingend bedeutet, dass die Schwestern tatsächlich erst in diesem Jahr begannen, Bücher abzuschreiben; wahrscheinlich wurde dies für die Jahre zuvor nicht (ex post) in der Chronik vermerkt.59 Wie aus den Chronik-Einträgen zu schliessen ist, war die Abschreibetätigkeit in den folgenden 1480er Jahren (bis ca. 1495) am intensivsten: Insgesamt wurden in den ersten 10 (Aufzeichnungs-)Jahren über 30 Bände fertiggestellt, 15 davon allein im Jahr 1488 (von denen wohl einige bereits in den Jahren zuvor in Arbeit waren). 56 Cod. sang. 503 f, Ü Ms. 5, Ms. 16, Ms. 28 u. Ms. 29. 57 Herstellung: 27 Codd. StiBSG, 28 Codd. KlA Wil; Besitz: 23 Codd. StiBSG, 8 Codd. KlA Wil. Bei zwei der von Vogler aufgeführten Inkunabeln (S. 261–263) konnte bei der Autopsie kein Indiz für ihre Zuweisung gefunden werden: Nr. 92 (StiBSG Inc. 1597), Nr. 98 (StiBSG Inc. 605). 58 Zum historischen Bestand der Katharinen-Bibliothek hatte die (zuvor) neueste Zusammenstellung durch Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 186, bei der Addition der von dens. angegebenen Teilsummen einen Gesamtbestand von 276 Hss. ergeben, wovon 90 Hss. und 15 Drucke erhalten seien: Gemäss dens. umfasste der Bestand im Jahre 1484 187 lat. Codd. (worunter 31 Breviere, 41 Psalter, 23 Predigt-Hss.), 43 dte. Codd. (darunter 17 Predigthss.), 28 lat. u. 38 dte. Gebetbücher, 92 lose Faszikel mit Gebeten, Sprüchen u. Lehren; Zahlen der erhaltenen Bde. ebd. identisch mit der Zahl der im VoglerVerzeichnis aufgeführten Bücher. 59 Siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse.

2 Bibliotheksbestand: Provenienz der Bücher

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Im Vordergrund der Abschreibetätigkeit standen zunächst umfangreichere liturgische Schreibarbeiten (Antiphonare, Messbücher, Evangeliare),60 die teils über mehrere Jahre andauerten und die bis um die Jahrhundertwende (genauer: 1498) abgeschlossen waren. Demgegenüber steht als Faktum, dass ab 1488 vermehrt Bücher der Erbauungsliteratur, in deutscher Sprache, (intensiviert ab ca. 1500) abgeschrieben wurden. Für die Jahre nach 1489 wurden in der Chronik vermehrt auch kleinere Schreibarbeiten (Ergänzungen, wz mangel ist gesin) an bereits vorhandenen oder als Schenkung hereingekommenen Büchern festgehalten. Ab 1490 widmeten sich die Schreiberinnen verstärkt der Deckung des ›Gebrauchsbedarfs‹ der einzelnen Konventualinnen an Diurnalia, Brevieren und Psalterien für den Chordienst: Ab 1486 waren jährlich mindestens ein Diurnale, ab 1499 jährlich mindestens ein Brevier und ein Psalterium in Arbeit.61 Ab ca. 1505 scheint die Handschriftenherstellung im Katharinen-Scriptorium, gemäss den allmählich rar werdenden diesbezüglichen ChronikEinträgen, ihren Zenit überschritten zu haben; das heisst, die meisten Handschriften dürften in rund einem Vierteljahrhundert entstanden sein. Nach 1508 werden die Einträge zu Schreibarbeiten spärlicher: einerseits an Zahl der in Arbeit stehenden Schreibproduktionen, andererseits hinsichtlich des Umfangs der einzelnen im Entstehen begriffenen Abschriften. Wenngleich die Chronik für die Jahre 1513 bis 1521 keinerlei Einträge zur Handschriftenherstellung enthält – lediglich 1518 wird die Konventualin Barbara Studer als Schreiberin genannt, die an gekauften BrevierDrucken Ergänzungen anbringt –,62 so belegt doch die ausführliche Notiz des Jahres 1521 zur Fertigstellung einer sehr qualifizierten Predigthandschrift,63 dass nach wie vor gut ausgebildete Schreiberinnen im KatharinenScriptorium tätig waren; ob dann noch von einem ›regulären‹ Scriptoriumsbetrieb auszugehen ist, muss zumindest in Frage gestellt werden. Nach 60 KlA Wil, Chronik, f. 18r, f. 27r, f. 43v, f. 44v, f. 48r, f. 50r, f. 53r, f. 58v, f. 61v, f. 65v, f. 67r, f. 73v, f. 76r, f. 83r, f. 85r. 61 Diurnalia: a. a. O., f. 51r, f. 53r, f. 58v, f. 62v, f. 69r, f. 71v, f. 73r, f. 76r, f. 80r, f. 83r, f. 85r; Breviere/Psalterien: a. a. O., f. 85r, f. 92v, f. 95r, f. 101r, f. 103v, f. 105r, f. 109r, f. 113v, f. 125v, f. 137rv. 62 A. a. O., f. 156r. Siehe Kap. II .3.4.5: Barbara Studer. 63 Heute StiBSG, Cod. sang. 990; der entsprechende Eintrag in der Chronik, f. 166v, ist der letzte Eintrag zur Handschriftenherstellung überhaupt; Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 669, spricht von »geübter Abschrift«, Kurt Hannemann, Art. ›Fabri, Wendelin‹, in: VL 2 2 (1980), Sp. 699, spricht von »sorgfältiger Abschrift«; zur Handschrift siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

der Jahrhundertwende wurden vermehrt ›nur‹ ältere Bücher (Breviere, Psalterien) vervollständigt und neu eingebunden, sowie gedruckte Bücher erworben und ergänzt um das, wz gemanglet hat;64 ab 1513 sind gar ausschliesslich nur noch an gekauften Drucken angebrachte handschriftliche Ergänzungen verzeichnet.65 Auf ein Nachlassen des klosterinternen Schreibbetriebs,66 eventuell aus wirtschaftlichen Gründen, könnte auch hinweisen, dass ab etwa der Jahrhundertwende Verwandte (meist Frauen) sich an den Kosten von Schreibarbeiten ihrer Töchter, Nichten, Enkelinnen im Konvent beteiligen oder diese vollumfänglich übernehmen.67 Ein erster Beleg für einen von der Mutter einer Konventualin finanziell (oder materiell?) unterstützten Schreibauftrag findet sich in der Chronik zum Jahr 1494: Für ain nu´w historia buoch vff papir [. . .] gab v´ns die Schmidin[,] S r Vrsilis muoter[,] etwz dz wir irs schribind.68 1498/1499 trug die Entgasserin die Kosten von 8 Gulden für ein (im Scriptorium angefertigtes) zweiteiliges pergamentenes Diurnale.69 Auch die Großmutter der Petronella Mangolt70 übernahm die Kosten für Schreibarbeiten ihrer Enkelin: so im Jahre 1501 für ein pergamentenes Brevier und einen Psalter; 1503 gab sie weitere 3 Gulden für den Beschreibstoff 64 Bereits 1489 hatte der Konvent zwei gedruckte Diurnalia gekauft, ergänzt und eingebunden: KlA Wil, Chronik, f. 61v; 1493 folgen zwei gedruckte Breviere für 3 Gulden: a. a. O., f. 70r. 65 Für den Zeitraum ab 1513 siehe a. a. O., f. 137rv, und die folgenden Jahre. 66 Zu den Jahren 1496, 1498, 1509 und 1512 keinerlei Einträge zum Scriptorium in der Chronik. 67 A. a. O., f. 85r, f. 95r, f. 101r, f. 105r, f. 109r, f. 125v. 68 A. a. O., f. 73v; Ursula Schmid, von St. Gallen, war 1473 eingetreten (a. a. O., f. 137r), bereits 1476 war S vrsel schmidin opfer maisterin (a. a. O., f. 7r). Vogler, St. Katharina (1938), S. 30, S. 276. 69 KlA Wil, Chronik, f. 83r und f. 85r. 1477 war ennli endgasserin in den Orden empfangen worden (a. a. O., f. 9v; gemäss Todesnachricht a. a. O., f. 124r, zum Jahr 1509, wonach S r anna endgasserin [. . .] xxxiiij [drei i-Punkte, aber wohl sic] jar gott gedienet hat jn vnsrem hailgen orden, muss sie bereits 1475 im Kloster gewesen sein, gemäss demselben Eintrag war sie vil zit ain tu´wi winkellerin; 1478 war ffren [Verena] Endgasserin ins Kloster eingetreten. Siehe ferner a. a. O., f. 91r, sowie Vogler, St. Katharina (1938), S. 53, S. 272; der Hinweis a. a. O., S. 53 (ohne Quellenangabe), ennli endgasserin sei »fünf Jahre an der Klosterschule unterrichtet und danach ins Noviziat aufgenommen« worden, konnte nicht verifiziert werden. 70 Petronella Mangolt war 1500 ins Kloster eingetreten und hatte 1505 Profess abgelegt: KlA Wil, Chronik, f. 86v, f. 102v; ihr Vater war Hans Konrad Mangolt, ihre Mutter verstarb offenbar kurz vor der Profess der Tochter (gemäss o a. a. O., f. 102v). Die mangoltin (groß mutter) war Agatha Mangolt(in), Frau des

2 Bibliotheksbestand: Provenienz der Bücher

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des Psalters.71 1506 trat sie abermals als Förderin von Schreibarbeiten im Katharinen-Scriptorium hervor: Jtem xxi Quatern[ionen] sind geschriben jn dem sechsten jar an dem prefier dz vnser l. S r die Mangoltin gefru´mpt hat72 das ist nun folendet vnd hat sy¨ vns geben von dem schriben iiij guldin vnd for iij also dz es siben werdent vnd hat sy¨ dz bermet vnd inbinden och bezalt vnd kostet v´ns tinten zu´g vnd roberick [!] vnd papir i guldin.

Sie gab also für die eigentliche Schreibarbeit insgesamt 7 Gulden, sowie für Material (Tinte, Papier etc.) und Einbinden nochmals einen Gulden. 2.2 Ankäufe Offenbar war der Katharinen-Konvent (auch) in puncto Bibliothekszuwachs weitgehend autark: Was benötigt wurde, aber nicht vorhanden war, wurde zumeist entweder im konventeigenen Scriptorium in Abschrift hergestellt (wie oben dargelegt) oder dem Konvent als Schenkung zugeeignet. Hingegen sind aus der Chronik nur ganz vereinzelte Fälle bekannt, in denen das Kloster bestimmte Bücher käuflich erwarb. Bereits 1489 kaufte das Kloster zwei gedruckte Diurnalia:73 Die Herstellung von Diurnale-Abschriften im Scriptorium wurde zwar seit 1487 konstant betrieben; die Kapazitäten des Scriptoriums reichten jedoch offenbar nicht aus, um den Bedarf der in grosser Zahl eintretenden Novizinnen zu decken. Wohl aus demselben Grund wurden 1489 zwei gedruckte Breviere hinzugekauft.74 1495 erwarb der Konvent ein pergamentenes Diurnale für Schwester Apollonia Zili.75

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Konrad Muntprat, die seit dem Klostereintritt der Petronella als Wohltäterin hervortrat (a. a. O., f. 86v, f. 117r): Vogler, St. Katharina (1938), S. 100, S. 140– 143, S. 145, S. 158 f., S. 187. KlA Wil, Chronik, f. 92v (zum Jahr 1501, Kostenaufwand nicht angegeben), f. 95r (zum Jahr 1503). Grimm, DWB IV /1,1 (1878), Sp. 326, vgl. a. a. O., Sp. 246 f., 2.: (im Sinne von ›auxiliari‹) ›nützen‹, ›helfen‹, hier unterstützen, fördern, ›subventionieren‹. KlA Wil, Chronik, f. 109r, Schreiberin war eventuell ebenfalls Petronella Mangolt (a. a. O. nicht genannt). KlA Wil, Chronik, f. 61v, zum Jahr 1489. A. a. O., zum Jahr 1489; die Herstellung von Brevier-Abschriften im Scriptorium setzte erst zu Beginn der 1490er Jahre ein. A. a. O., f. 76r, ohne Angabe des Kaufpreises; Apollonia (vormals Katharina) Zili hatte 1488 Profess abgelegt: a. a. O., f. 53r, f. 60r, Vogler, St. Katharina (1938), S. 54 und S. 278 [das Jahr der Profess ist zu korrigieren].

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

1510 wurden mit dem Kauf zweier pergamentener cru´tzgangbu´chli erstmals auch Handschriften erworben.76 Im selben Jahr wurde für den Bedarf der weltlichen priester die meß by¨ vns muesend han ein gedrucktes Messbuch für vier Gulden (!) angeschafft.77 Im Jahr 1519 erwarb das Kloster einen ungebundenen Druck Sermones beati Bonauenture de tempore et s[an]ctis, eventuell für die Handbibliothek des Spiritualen.78 In demselben Eintrag wird der Kauf eines Bandes mit den Konstitutionen des Predigerordens erwähnt, nur mit Nennung des Werktitels, ohne weitere präzisierende Angaben; vermutlich handelte es sich ebenfalls um ein gedrucktes, wohl in lateinischer Sprache abgefasstes Werk.79 2.3 Schenkungen80 Die in der Chronik verstreuten Angaben zu Vergabungen geben nicht nur Aufschluss über Zahl und Art von Bücherschenkungen, sondern gewähren auch Einblick in den Personenkreis der Donatoren und Donatorinnen: In den Jahren 1483 bis 1519 (also in knapp 40 Jahren) gelangten 73 Bände als Schenkungen an den Konvent; drei weitere Bände waren wohl bereits vor der Anlage der Chronik ins Kloster gekommen.81 Diese Schenkungen setzen sich zusammen aus 44 Drucken (davon mindestens 9 Inkunabeln) und 29 Handschriften.82 Davon sind 5 Bände gänzlich unbestimmter Herkunft, 25 sind Schenkungen geistlicher Institutionen, davon 4 von befreun-

76 KlA Wil, Chronik, f. 95r. 77 A. a. O., f. 125v. 78 A. a. O., f. 161r; bei GW IV (1930) sub ›Pseudo-Bonaventura‹: erste Drucke Zwolle (NL ), 1479 (Nr. 4810 f., Sp. 480 f.), dann Ulm: Johann Zainer, 1481 (Nr. 4812, Sp. 481 f.), Reutlingen: [Johann Otmar], 1484 und 1485 (Nr. 4813 f., Sp. 482 ff.), Augsburg 1490, Basel 1492, Lyon 1496, und Hagenau: [Heinrich Gran], 1496 (Nr. 4815, Sp. 484 f.); Hain Nrr. 3512–3520. o 79 KlA Wil, a. a. O.: Jtem wir habend kofft ain truckt buch (Bonaventura, Sermones de tempore et de sanctis [von der Zeit und von den Heiligen]) [. . .] Och ains Constituciones predicatorum. 80 Gemäss Schenkungsvermerken in KlA Wil, Chronik, passim; auch hier sind, aus den genannten Gründen betreffend Vollständigkeit der Chronik-Einträge, die angeführten Zahlen nicht absolut zu setzen. e 81 3 Predigtbücher als Schenkung oder Vermächtnis von her h walthern Salgen, a. a. O., f. 34v im Verzeichnis von 1484, zuvor kein separater Schenkungsvermerk. 82 Bei 17 Bänden ist nicht eindeutig vermerkt, ob es sich um handschriftliche oder gedruckte Werke handelt.

2 Bibliotheksbestand: Provenienz der Bücher

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deten Nonnenklöstern sowie von Seelsorgern des Konvents,83 oder von Geistlichen anderer (meist dominikanischer) Klöster,84 die dem Konvent oder auch einzelnen Schwestern durch verwandtschaftliche oder freundschaftlich-seelsorgerische Beziehungen nahestanden. Von den Schenkungen geistlicher Personen sind zwei umfangreiche Vergabungen hervorzuheben, welche dem Konvent durch seinen langjährigen Lesemeister und Beichtvater Johannes Kübler zuteil wurden, nachdem dieser (1503) zum Seelsorger im Kloster St. Margaretha und St. Agnes, Strassburg, berufen worden war: 1508 erhielten seine ehemaligen Beichtschwestern bei einem Besuch Küblers sechs lateinische Predigtbücher;85 1516 schenkte er dem Konvent, mit Erlaubnis des Priors in Gebweiler, weitere fünf (lateinische) Bücher: die iiij opera gersonis vnd dz fu´n[f]t Albertus de officio missorum.86 Auch vom Basler Predigerkloster, einem bedeutenden Reformzentrum in der Ordensprovinz Teutonia, erhielten die St. Galler Dominikanerinnen Unterstützung und Betreuung in ihren Reformbestrebungen, eventuell sogar bereits Impulse in den frühesten Anfängen der Reform:87 Nach Auskunft des Schwesternbuchs reichten die Beziehungen zum Basler Domini83 A. a. O., f. 118r, f. 148v. 84 A. a. O., f. 63v, f. 65v, f. 66v, f. 68r, f. 71v, f. 118r. 85 Diese lateinischen Predigtbücher wohl für die besunder libery¨ Mit latinischen e bucher[n] im priester huss [Ü Ms. 5, f. 210vb], das heisst für die Handbibliothek des Lesemeisters bestimmt; siehe auch Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 72. 86 KlA Wil, Chronik, f. 148v. Der Eintrag lässt offen, ob es sich um Handschriften oder Drucke handelte; das »5. Buch« war wohl Albertus Magnus, ›De officio missae‹. – Zu weiteren Schenkungen Küblers sowie allgemein zu den Beziehungen zum Strassburger Dominikanerinnenkloster siehe Kap. IV .3: Strassburg, S. 232–234. 87 1429 (im Hinblick auf das Basler Konzil) durch Johannes Nider der Observanz zugeführt, beschäftigten sich die Brüder des Basler Konvents anstatt mit der raffinierten Begrifflichkeit der Schultheologie mit Fragen der aktuellen Kirchenpolitik und der praktischen Seelsorge und pflegten »mit ihrer Marienverehrung und Versenkung in die Leiden Christi eine verinnerlichte Frömmigkeit«; Pfaff, Bild und Exempel (2003), S. 222. Vgl. auch Bernhard Neidiger, Selbstverständnis und Erfolgschancen der Dominikanerobservanten, in: Rottenburger Jb. f. Kirchengeschichte 17 (1998), S. 67–122, hier S. 99–114; HS IV /5,1 (1999), S. 202 f.; auch im Kloster St. Margaretha und St. Agnes in Strassburg waren seit 1483 Basler Prioren und Lektoren als Beichtväter oder Vikare tätig (gemäss a. a. O., S. 203). Zu den Kontakten des St. Galler KatharinenKlosters zum Basler Predigerkloster, dem »Mutterkloster der grössten Ordensreformer und -schriftsteller« [Zitat Vogler, St. Katharina (1938), S. 34–37, hier S. 34]. – Erste Impulse einer Reform waren bereits 1435 vom Basler Konzil ausgegangen: Zwei Delegierte waren vom Konzil entsandt worden zur

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

kaner-Prior Johannes Bötschner bis vor das Jahr 1469 zurück.88 Bötschner erwarb 1477 für den St. Galler Konvent einen Ablassbrief von Alexander Numai, Bischof von Forli, anlässlich seines Aufenthalts in Basel,89 und veranlasste die Katharinen-Schwestern zum Beitritt in die Rosenkranzbruderschaft.90 Zudem erhielten die Schwestern nicht nur Unterstützung und Förderung mit schriben vnd vnderwisung in aller vnser anligung, also durch briefliche Unterweisung, sondern auch Buchgeschenke, um »den Nonnen ein [. . .] im Verstand und Willen verankertes Fundament für ihr geistig-geistliches Leben zu geben«:91 Er schickte ihnen zuo aller behaltnus des ordens [. . .] die history von .S. Kath[arina] desenis vnd [die history, Legende] von .S. vrsula vnd von transfiguracio dni [domini] genotiert [. . .] die wir for nit hatend.92 Noch kurz vor seinem Tod übertrug Bötschner die

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Visitation der St. Galler Benediktinerabtei und des Katharinen-Klosters; siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 33 f. Zu Johannes Bötschner HS IV /5,1 (1999), S. 256: als Prior in Basel belegt 1473–1474 und 1478. – Gemäss KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxjv, verstarb Bötschner 1489 und war den St. Galler Schwestern zuvor mer denn xx iar ain tru´wer vater gewesen. A. a. O., p. 21 (f. viiijr); Vogler, St. Katharina (1938), S. 113, mit Anm. 3. Die Original-Pergamenturkunde im KlA Wil, Schachtel A. KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxjr; vgl. auch Wil M 16, f. 55r–62r, wo über die Einführung und Verbreitung der Rosenkranzbruderschaft sowie deren geistliche Vorteile berichtet wird; in der Handschrift kein Hinweis auf eine direkte Verbindung derselben zum Basler Predigerkloster; siehe zur Handschrift im ›Katalog der Handschriften‹ (Zitat). Vogler, St. Katharina (1938), S. 35; HS IV /5,2 (1999), S. 746. – Die Rosenkranzbruderschaft, die 1475 von Jakob Sprenger in Köln eingeführt worden war, spielte eine wichtige Rolle im spirituellen Leben der Basler Dominikanerobservanten. Zur Bestätigung der Rosenkranzbruderschaft durch Papst Innozenz (1484) und den damit verbundenen Ablässen siehe KlA Wil, Schwesternbuch, f. xixr; zu Jakob Sprenger vgl. HS IV /5,1 (1999), Dominikaner Basel, Lektoren, S. 274. Vogler, St. Katharina (1938), S. 35. KlA Wil, Schwesternbuch, f. xxjr; von einer Dominicus-Vita, wie bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 35, erwähnt, nichts a. a. O. Die Legende der Hl. Katharina figuriert erst im Bücherinventar von 1507, fehlt jedoch in demjenigen von 1484: Erfolgte diese Schenkung demnach zwischen 1484/1485 und 1489 († Johannes Bötschner)? Die Schenkung der Legende der Katharina von Siena sollte wohl die St. Galler Schwestern in ihrem Reformeifer ganz gezielt unterstützen: Die Verehrung der Katharina von Siena (ebenso der Brigitta von Schweden) spielte (neben der Rosenkranzbruderschaft) eine wichtige Rolle bei den Basler Dominikanern. Ihre Vita war bereits vier Jahre nach ihrem Tod (1380) vom Ordensgeneral Raimund von Capua, ihrem Beichtvater, begonnen und ca. 1395 abgeschlossen worden (›Vita Catharinae Senensis‹ sive Legenda

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Sorge für die St. Galler Schwestern dem Basler Subprior Johannes Erhardi.93 Dieser schenkte den Katharinen-Schwestern ein gedrucktes Brevier,94 stattete dem Konvent einen Besuch ab, und schickte auch andaechtigi hu´bschi bu´chly¨: Jtem v´nser lieber vater in got Johannes Erhardi schafner ze basel het v´ns geschenckt zwai truckti bu´chly dz ain von der walfart v´nser frowen mit figuren vs gestrichen [›coloriert‹] vnd ain bu´chly dz man nemt dz zitglögly der andacht gar kostlich materi mit figuren.95

Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt stand das St. Galler Katharinen-Kloster offenbar auch in Beziehung mit Matthias Fankel, Prior der

major), im Hinblick auf deren Kanonisation (1461), aber auch mit politischen Zielen (Propagierung der Ordensreform; Legitimierung des Dritten Ordens, dem Katharina angehört hatte). Mit der ›Legenda‹ wurde Katharina zur Vertreterin »moderner weiblicher Spiritualität« (sowohl für Religiose und Semireligiose als auch für Laien) sowie »zu einem Leitbild der Ordensreform und mithin gewissermassen auch der allgemeinen Kirchenreform im 15. Jahrhundert«; Williams-Krapp (1998), S. 159. Die deutsche Übersetzung der Legenda major könnte im Umfeld der Nürnberger Dominikaner entstanden sein, welche 1396 mit einem Reformversuch des dortigen Dominikanerinnenklosters St. Katharina zunächst scheiterten (erfolgreich war die Reformierung im Jahr 1428). Vgl. Williams-Krapp, Hagiographie der Dominikaner (1998), S. 159; ders., VL 2 7 (1989), Sp. 984 ff. – Zur Legende der Heiligen Katharina siehe auch Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, sowie III .5.1: Bücher für die Tischlesung. 93 HS IV /5,1 (1999), S. 261: als Subprior belegt 1489, als Schaffner 1477–1493 (?). 94 KlA Wil, Chronik, f. 65v; Rüther, a. a. O. – Auch mit dem späteren Basler Prior Konrad Werdenberg stand der St. Galler Konvent in brieflichem Kontakt: Brief (von dems.) im StA Basel, Prediger N I ; Vogler, St. Katharina (1938), S. 35 f. 95 Vogler, Geschichte (1938), S. 270, Nr. 318; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 298, Anm. 177. Gemäss derselben, a. a. O., dürfte es sich um das ›Andächtige Zeitglöcklein des Lebens und Leidens Christi. Nach 24 Stunden ausgeteilt‹ des Bruders Berthold OP handeln, das zu Beginn des 14. Jahrhunderts verfasst wurde (vgl. Seegets, Passionstheologie [1998], S. 74; Pater Lavarius Oliger, Die Leidensuhr eines Strassburger Franziskaners aus dem 15. Jahrhundert. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des bitteren Leidens, in: Der Katholik 98, 4, Bd. 21 [1918], S. 99–112, S. 158–175). – Zu ›gestrichen‹: Grimm, DWB X /3 (1914), sub ›streichen‹, Sp. 1261 f., C.1, g+d. – Zit. KlA Wil, Chronik, f. 68r, zum Jahr 1492; die Schenkung auch verzeichnet a. a. O., Schwesternbuch, f. xxjv; Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 666, Anm. 65, gibt irrtümlich das Schwesternbuch als Quelle an (mit identischer folium-Angabe). – Der Besuch Erhardis ist nicht genau datierbar. Zu den Werken siehe unten.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Basler Dominikaner 1482–1483, aus dessen Besitz sich ein Brevier in der Katharinen-Bibliothek befand.96 37 Schenkungen stammten von weltlichen Personen, wovon 26 Bände durch Verwandte von Konventualinnen in die Klosterbibliothek kamen. Wenn eine Schenkung als an eine bestimmte Konventualin gerichtet verzeichnet wurde, war die Empfängerin dem oder der Schenkenden meist nahe bekannt oder verwandt.97 Unter dem Vorbehalt einer überlieferungsbedingten Verzerrung fällt doch der vergleichsweise hohe Anteil von Bücherschenkungen durch Verwandte ins Auge; dies umso mehr, als Karin Schneider beobachtet hatte, dass Bücherschenkungen als »Seelgerät«, als Vorsorge für das eigene Seelenheil und das der Familie, ungleich seltener waren als andere fromme Stiftungen an Klöster und Kirchen.98 Auf das St. Galler Katharinen-Kloster trifft dies anscheinend nicht zu; ob damit ein Sonderfall vorliegt, muss hier dahingestellt bleiben. Von den weltlichen Donatoren sind zwei Frauen mit ihren Schenkungen besonders hervorzuheben: Unter den zahlreichen Vergabungen von Anna Muntprat, der älteren Schwester der Elisabeth Muntprat, waren auch Bücherschenkungen: Im Jahr 1490 erhielt der Katharinen-Konvent von ihr ain hubsch ingebunden buch daran ist die war nachvolgung xpi.99 Aus ihrem Besitz stammt auch das Gebetbuch Cod. sang. 475.100 96 Gemäss Vogler, St. Katharina (1938), S. 36, im Katalog-Annex bei ders. figuriert Fankel nicht; zu Matthias Fankel (* ca. 1450, † 1506), Dr. theol. et iuris can., vgl. HS IV /5,1 (1999), S. 258 f., die Schenkung erwähnt a. a. O., S. 258, in Anm. 8, mit Bezug auf Vogler, a. a. O., jedoch wie diese ohne genauere Quellenangabe. Weder in der Chronik noch im Schwesternbuch ist eine entsprechende Schenkung verzeichnet; im KlA Wil und in der StiBSG war in keinem der erhaltenen Breviere ein zweifelsfreier Hinweis zu finden; hypothetisch in Frage käme das Brevier Wil M XVII , siehe Kap. II .3.2.7: Potentiana Talmann. 97 Siehe Kap. II .3.1: Der Bildungsanspruch. 98 Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 79. 99 KlA Wil, Chronik, f. 63v. o 100 Besitzeintrag Cod. sang. 575, f. 1r: Anna munbrautten ist daz buch, von ihrer Hand, 15. oder frühes 16. Jahrhundert (do. in Ü Ms. 2); die Handschrift gelangte später als Schenkung der Anna Muntprat an das Katharinen-Kloster (in der Chronik kein entsprechender Eintrag auffindbar) und von dort (vermutlich während der Reformationswirren) in das Benediktinerinnenkloster St. Georgen (dessen Besitzeintrag Cod. sang. 475, f. 146v), gemäss Ochsenbein, Bernhard von Clairvaux (1994), S. 213–232, zu Anna Muntprat S. 213 f., Anm. 1; wieder an StiBSG vermutlich 1782 mit der Handschriften-Akquisi-

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In enger freundschaftlicher Verbindung mit dem Katharinen-Kloster stand auch Dorothea von Hof aus Konstanz: Sie trat nicht nur mit Seelgerätund anderen Stiftungen hervor; nach ihrem Tod 1501 vermachte sie dem Konvent ihr persönliches, von ihr selbst kompiliertes und geschriebenes Andachts- und Gebetbuch (Cod. sang. 479), geschmückt mit 12 figurativen Initialen mit Blattgold.101 Mindestens ab 1484 erhielt die Bibliothek, von geistlichen wie von weltlichen Donatoren, Erzeugnisse der noch jungen Buchdruckerkunst.102 Auch der Konvent selbst kaufte 1510 und 1519 insgesamt drei Drucke: ein Messbuch im Jahr 1510 – ein weiteres gedrucktes Messbuch schenkte der Bürgermeister Bartholome Blarer 1515, anlässlich des Todes seiner Frau, verbunden mit einer Gebetsbitte –,103 Predigten Bonaventuras104 und die

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tion von Pater Nepomuk Hauntinger. – Im Jahr 1486 kaufte Anna Muntprat dem Katharinen-Kloster ein Psalterium für den Gottesdienst und den Prie o vatgebrauch ab: Jtem wir hand ain psalterlin zu koffind geben vnserer l [ieben] u S[west]er anna muntpratin vnd hat uns darvmb geben ij guldin, KlA Wil, Chronik, f. 50r. – Unter den zahlreichen Schenkungen von Anna Muntprat befanden sich auch wertvolle Kunstobjekte – z. B. hölzerne Schnitzfiguren e für das Sacrament husly (KlA Wil, Chronik, f. 21r) und Bilder zu beiden Seiten des Altars (a. a. O., f. 26r) –, worunter die Schenkung der ältesten nachgewiesenen Kopie der Einsiedler Schwarzen Madonna besonders hervorzuheben ist (a. a. O., f. 38v, zum Jahr 1484). – Zu Anna Muntprat siehe auch Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 229 f. Zum Tod der Dorothea von Hof KlA Wil, Chronik, f. 89r, zu weiteren Stiftungen a. a. O. f. 60v, f. 71v, f. 77v; zu ihr und zu Cod. sang. 479 (sowie zum ebenfalls von ihrer Hand stammenden Cod. eins. 752) Undine Bruckner, Dorothea von Hof: Das Buch der göttlichen Liebe und Summe der Tugend. A study of a Konstanz laywoman’s compilation of German spiritual texts from the 14th and 15th centuries, Diss. Oxford (2008). Zur Handschrift Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 92–95. Erwähnenswert ist, dass die Konventualinnen Benigna (vormals Verena) Hochrüttiner, Katharina (vormals Barbara) und Wiborada Zollikofer aus Familien stammten, die später als St. Galler Buchdruckergeschlechter hervortraten (die Hochrüttiner ab 1688/1689, die Zollikofer ab 1789). Hermann Strehler, Die Buchdruckerkunst im alten St. Gallen, St. Gallen 1967. KlA Wil, Chronik, f. 146v; siehe Kap. II .3. 2. 10: Justina Blarer. Vgl. bei GW IV (1930) unter ›Ps.-Bonaventura‹: erste Drucke der Sermones de tempore et de sanctis [von der Zeit und den Heiligen] Zwolle, 1479 (Nrr. 4810 f., Sp. 480 f.), dann Reutlingen: [Johann Otmar], 1484 und 1485 (Nr. 4813 f., Sp. 482 f., Sp. 483 f.), Augsburg 1490 (s. l. t., s. n.), Basel 1492 (s. l. t., s. n.), Lyon 1496 (s. l. t., s. n.), und Hagenau: [Heinrich Gran], 1496 (Nr. 4815, Sp. 484 f.).

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Konstitutionen des Dominikanerordens.105 Auch bei den drei Brevieren, die der Konvent 1518 für junge Schwestern kaufte und die von deren Freunden bezahlt wurden, handelte es sich um Drucke;106 bereits seit 1507 erhielten ins Kloster eintretende Schwestern von Verwandten stets gedruckte Breviere, Psalterien und Diurnalia.107 Mit ein Grund für die Bevorzugung von Druckerzeugnissen sind wohl, neben dem Reiz des ›Fortschrittlichen‹ des neuen Druckverfahrens, die Anschaffungskosten: Ein gedrucktes Brevier war für 1–2 Gulden (je nach Ausstattung) erhältlich, ein (zweiteiliges) Brevier auf Pergament kostete mindestens 3 Gulden.108 Vor allem in Anbetracht der vergleichsweise geringen Zahl (4 Bände) an Schenkungen von befreundeten Schwesternkonventen ist damit zu rechnen, dass diese weitaus zahlreicher waren, aber nicht vollzählig in der Chronik vermerkt wurden.109 Unwahrscheinlich erscheint unter anderem, dass das Katharinen-Kloster ›nur‹ zwei Bücher vom befreundeten Nürnberger Dominikanerinnenkloster, mit dem die St. Galler Schwestern ja in intensivem Austausch standen, als Schenkung erhalten haben soll:110 Vom Nürnberger Katharinen-Kloster ist überliefert, dass es von seinem überaus reichen Bücherbestand etliche überzählige Bände weitergegeben hat: wann es waren so manig uberige puecher und offt einerley matery zu III und IIII malen, das es zu vil was, do die swestern anderswo mangl heten.111

105 KlA Wil, Chronik, f. 125v (1510), f. 161r (1519). 106 KlA Wil, Chronik, f. 156r; gemäss GW V (1930) Drucke fast ausschliesslich venezianisch, ab ca. 1477, für die Schweiz vgl. Basel: Michael Wenssler, nach April 1488, und Basel: Jakob Wolff, 1492 (hg. v. Dominikanern des Basler Konvents), GW V (1930), Nr. 5223 f., Sp. 147 f. 107 Vgl. GW VII (1938), Nr. 8535, Sp. 522 f.: Diurnale Constantiense, herausgegeben im Auftrag von Hugo von Landenberg, Augsburg: Erhard Ratdolt, [nach dem 6. 5. 1496]. 108 KlA Wil, Chronik, f. 73v (1494, Pergament, 3 Gulden); a. a. O., f. 118r (1508, Papier, 1 Gulden); a. a. O., f. 137v (1513, Papier, 2 Gulden). Zum niedrigen Preisniveau der Drucke im Vergleich mit Handschriften siehe Schmidt, Gedruckte Bilder (2003), S. 92 f. mit Anm. 386. 109 Zum Beispiel KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvijr, die diurnal sind die sy v´ns gesent hand. 110 A. a. O., Chronik, f. 59v (1489); a. a. O., f. 156r (1518). 111 Nachtrag der Buchmeisterin Kunigund Löffelholzin im alten Nürnberger Bibliothekskatalog, f. 167v, datiert 1499; Johannes Meyer gibt im ›Ämterbuch‹ den Rat, Dubletten der Bibliothek zu verkaufen und den Erlös für den Neuerwerb von Büchern zu verwenden (Ü Ms. 5, f. 213vb).

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Neben den elementaren liturgischen Büchern finden sich unter den Schenkungen Werke der zeitgenössischen Erbauungsliteratur,112 die sich beim Laienpublikum ebenfalls grosser Beliebtheit erfreuten und als erbauliche Lektüre für dieses auch von der Geistlichkeit propagiert wurden: Als ein typisches Beispiel kann das ›Buch der Nachfolgung Christi‹ des Thomas von Kempen (›Imitatio Christi‹, deutsch) gelten, das im Spätmittelalter breit rezipiert wurde, wovon über 770 bekannt gewordene Handschriften Zeugnis ablegen.113 Vier Exemplare der ›Nachfolgung‹ kamen als Schenkungen von Geistlichen wie von weltlichen Laien in die Klosterbibliothek; zwei weitere Abschriften entstanden im Katharinen-Scriptorium.114 Als weitere Werke der zeitgenössischen erbaulichen Literatur sind zu nennen: der ›Rosengarten‹ (ein getrukt in gebunden buoch mit figuren115 [Holzschnitte]), geschenkt von Hans Knüssli; von Johannes Erhardi die walfart v´nser frowen,116 das ›Zeitglöcklein der Seele‹ (Inkunabel, 3 Exemplare), Betrachtungen zum Leben und Leiden Christi, aufgeteilt nach den 24 Stunden des Tages, teilweise mit Holzschnitten illustriert;117 ›Das verirrte Schaf‹, von 112 Bei den Schenkungen solcher Werke handelte es sich ausnahmslos um Drucke; einzig der Chronik-Eintrag (f. 137v) zum ›Pilger‹ des Geiler von Kaysersberg lässt offen, ob es sich um eine Handschrift oder einen Druck handelte; letzteres erscheint im Schenkungsjahr 1513 wahrscheinlicher. 113 Siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, S. 137. 114 KlA Wil, Chronik, f. 59v (1489), f. 63v (1490: 2 Exemplare), a. a. O., f. 156r (1518). Aus den Einträgen geht nicht hervor, ob es sich um Handschriften oder Drucke handelte; eine deutsche Übertragung der ›Nachfolgung‹ wurde 1480 bei Conrad Dinckmut in Ulm gedruckt: Hain-Copinger Nr. 3239. – Das Bücherinventar von 1507 (KlA Wil, Chronik, f. 111v) führt vij nachfolgung xpi auf; da ein Exemplar erst 1518 als Schenkung ins Katharinen-Kloster kam, wurden vermutlich zwei Abschriften angefertigt – die allerdings nicht durch entsprechende Chronik-Einträge zu belegen sind; siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliothekverzeichnisse, S. 137. 115 KlA Wil, Chronik, f. 43v (1484); Vogler, St. Katharina (1938), S. 268, Nr. 298. Gemeint sein könnte ein 18-strophiges Marienlied, welches am Bild eines Rosenstocks von den 5 freudenreichen, den 5 schmerzensreichen und den 5 glorreichen Mariengeheimnissen handelt; siehe VL 2 2 (1980), Art. ›Der geistliche Blumengarten‹ (Dietrich Schmidtke), Sp. 1158. 116 KlA Wil, Chronik, f. 68r; Vogler, St. Katharina (1938), S. 270, Nr. 318. Deutsche Übertragung des ›Itinerarium Beatae Virginis Mariae‹, Gebetsbetrachtungen über das Lebens Mariens in 7, je einem Lebensstand oder -alter Mariens zugeordneten Stücken; siehe VL 2 4 (1983), Sp. 428 f. (Hardo Hilg). 117 Priester Berthold OP , ›Das andaechtig zeitglöcklein des lebens und leidens Christi‹; auf Berthold geht die Anregung zurück, den Text zu bebildern; VL 2 2 (1980), Sp. 801 f. (Helmut Weck). – KlA Wil, Chronik, f. 68r (Johannes

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Bartholome Blarer 1510 seiner Schwester Justina geschenkt;118 ›Der Granatapfel‹, dem Konvent zu Neujahr 1511 geschenkt von Walpurg Blarer, Mutter der Konventualin Justina; ›Der Pilger‹ von Geiler von Kaysersberg, eine Sammlung von zu Augsburg gehaltenen Predigten Geilers,119 dem Konvent von Walpurg Blarer zu Neujahr 1513 geschenkt.120 Im Jahr 1518 schenkte Friedrich Spengler dem Konvent ain hu´bsch truckt buoch ist dara[n] die x bott [Gebote] mit nu´tzer vßlegung vnd wie vnd was man betten sol; zudem erhielt seine Schwester Anna ein Exemplar der ›Nachfolgung Christi‹ vnd sust andre nu´tzigi buecher.121

3 Profil der Bibliothek: Inhalte und Verwendung 3.1 Die Predigthandschriften Da die Schwestern in St. Katharina ihre Lesemeister selbst verdingten (gegen jährlichen Lohn, freie Kost und Wohnung) und vertraglich an den Konvent banden,122 ist anzunehmen, dass sie den betreuenden Lektoren eine

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Erhardi, 1492), f. 71v (1493, 2 Exemplare: Margaretha Muntprat; Prior auf dem Zürichberg); Vogler, St. Katharina (1938), S. 270, Nr. 320–323 [recte: nur 3 Exemplare]. Drucke: Hain Nr. 16278: Basel 1492 (s. t.), Nr. 16279: Nürnberg: Friedrich Kreusner, 1493; Nr. 16280: Ulm: Conrad Dinckmut, 1493. KlA Wil, Chronik, f. 126r; Vogler, St. Katharina (1938), S. 269, Nr. 303. – Sammelband, hg. v. Geiler von Kaysersberg, mit 7 Traktaten Gersons; Druck Strassburg: Matthias Schürer, [1510 (?)]; vgl. VL 2 2 (1980), Sp. 1144, A.2.e (Herbert Kraume) sowie dens., Die Gerson-Übersetzungen Geilers von Kaysersberg. Studien zur deutschsprachigen Gerson-Rezeption (MTU 71), München 1979. – Zu den Schenkungen der Blarer siehe auch Kap. II .3.2.10: Justina Blarer. KlA Wil, Chronik, f. 137v; Vogler, St. Katharina (1938), S. 267, Nr. 259; GW IX (1991), Nr. 10587 f., Sp. 335, Hain Nr. 9766 f.: [Augsburg: Johann Schobser 14]94, und Augsburg: Lukas Zeissenmair, 1499. VL 2 2 (1980), Sp. 1144, A.3 (Herbert Kraume). KlA Wil, Chronik, f. 137v. Zu den Bücherschenkungen der Familie Blarer siehe auch Kap. II .3.2.10: Justina Blarer. KlA Wil, Chronik, f. 156r. Anna Spengler war zu Neujahr 1517 ins Kloster aufgenommen worden und erhielt den Klosternamen »Salome« (a. a. O., f. 145r, f. 149r); ihr Vater Kaspar war Zunftmeister bei den Schmieden (a. a. O., f. 152r); Vogler, St. Katharina (1938), S. 162, mit Anm. 1 und 2. Zu dem dem Katharinen-Kloster 1468 vom Konstanzer Bischof Hermann von Landenberg erteilten Privileg der freien Wahl des Lesemeisters KlA Wil, Schwesternbuch, p. 16 (alte Foliierung: f. vjv); zu den Verträgen mit den Le-

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Handbibliothek zur Verfügung stellten.123 Dort wäre auch der Ort der 23 lateinischen Predigthandschriften zu vermuten, welche in beiden Bücherverzeichnissen (von 1484 und 1507) figurieren:124 Von diesen kamen drei Bände als Schenkung oder Vermächtnis von her[n] h walthern Saelgen ins Kloster;125 sechs lateinische Predigtbücher schenkte Johannes Kübler, fünf weitere lateinische Bücher (vier Bände mit Gerson, Opera; Albertus Magnus, ›De officio missae‹) liess er 1516 folgen.126 Rüther/Schiewer vermuten, dass die 23 in den Bücherverzeichnissen genannten Predigthandschriften in lateinischer Sprache »alle zum vorreformatorischen Bestand« gehörten.127 Zu diesem rechnen sie auch 17 deutschsprachige Predigt-Codices, die offenbar auch für die Tischlesung verwendet wurden.128 Mit der Reform des Konvents schrieben die Schwestern zunehmend Werke in der Volkssprache ab; von den in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hergestellten Predigthandschriften sind einige noch erhalten.129 Ob neben den volkssprach-

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semeistern siehe Chronik, f. 8v (Scherl), f. 83v (Yll), f. 88r (Kübler), f. 136r (Engeler). Siehe die von Johannes Meyer im ›Ämterbuch‹ für diesen Zweck genannte e besunder libery¨ Mit latinischen bucher[n] im priester huss [Ü Ms. 5, f. 210vb]. v v KlA Wil, Chronik, f. 34 , f. 111 ; Vogler, St. Katharina (1938), S. 268, Nrr. 264–286, von diesen »unseres Wissens keines mehr erhalten«. KlA Wil, Chronik, f. 34v; der Besitz von lateinischen Predigtbüchern könnte darauf hinweisen, dass es sich beim Donator um einen Priester handelte. – Gemäss Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 283, hätte diese Schenkung 20 Bände umfasst; es liegt wohl ein Missverständnis der Chronik-Stelle vor. Die Bücherschenkungen Küblers erfolgten erst nach der Bestandesaufnahme von 1507, nämlich 1508 und 1516; zu den ›Opera Gersonis‹ siehe unten; siehe auch Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen. Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 186. A. a. O., S. 186, Anm. 78, wohl aufgrund des Eintrags KlA Wil, Chronik, f. 34v: Jtem xvijj [unklar, es stehen drei i-Punkte, davon der erste über dem vermuteten v; Rüther/Schiewer lesen (siehe deren Transkription a. a. O., e S. 186) xvij (mit Anmerkung: Verschrieb aus xliij)] inbundni bredi bucher vnd mengerlay¨ geschikt die man ze tisch list. Worauf sich die Behauptung von »43 d e u t s c h s p r a c h i g e n Handschriften« (a. a. O., Herv. d. Verf.in) abstützt, ist nicht klar: Dass es sich um deutschsprachige Bände handelt, geht aus dem Verzeichnis nicht hervor und beruht offenbar auf Vermutung von Rüther/ Schiewer; auch hinsichtlich ihrer Verwendung als Tischlesungsexemplare ist der Eintrag nicht eindeutig, lässt aber diesen Schluss zu. Erhaltene Predigthandschriften sind Cod. sang. 990, Cod. sang. 1066, Cod. sang. 1854, Cod. sang. 1869, Cod. sang. 1915 (Besitz St. Katharina), Cod. sang. 1919, Wil M 42, Wil M 45, Wil M 47 (Besitz St. Katharina); Vogler, St. Katharina (1938), S. 248 f., Nrr. 65–68: 4 »Predigtbücher« (mit Standort StiBSG und KlA Wil), sowie Vogler, St. Katharina (1938), Nr. 69, Nr. 71,

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

lichen auch die lateinischen Predigthandschriften noch in Gebrauch waren, das heisst, ob die Lesemeister den Schwestern auch in lateinischer Sprache predigten oder sie lediglich als Fundus für volkssprachliche Predigten ausschöpften, geht aus den Quellen nicht hervor.130 Was die homiletische Praxis im Katharinen-Kloster betrifft, so finden sich die klassischen Texte einer Frauenbibliothek, mit den Mystikern Eckhart, Seuse und Tauler.131 Wie der Bücherbestand generell die Einwirkung und Betreuung durch Mendikanten spiegelt, so waren insbesondere die Werke der Lesemeister als »Hausautoren« vorhanden:132 In der Nürnberger Nr. 76, Nr. 77, Nr. 81, Nr. 82, Nr. 85: weitere Sammelbände, die u. a. Predigten enthalten. Überschneidungen mit den 17 vermutlich deutschsprachigen Predigthandschriften im Verzeichnis von 1484 sind nicht bestimmbar; siehe auch das Verzeichnis Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78 (die Handschrift Ü Ms. 29, mit Predigten des Nikolaus von Dinkelsbühl, figuriert dort nicht); bei den »nicht auf uns gekommenen Büchern« (S. 187 im Text) sind denselben folgende Codices entgangen: 6 lateinische Predigtbücher (f. 118r, Geschenk Johannes Küblers aus Strassburg, 1508); 2 Bücher mit Fastenpredigten von Leonardus de Utino (f. 138r, 1513); 2 Predigtbücher, 1507 geschenkt von Verena Keller (?, Schwester von Lienhart Keller): 1. Jordanus von Sachsen, Über die Ew, 2. Maister von horchen, Auslegungen; der Liber ›De officio missae‹ des Albertus Magnus (f. 148v, Schenkung Küblers, 1516); ferner ein Druck mit Predigten Bonaventuras, de tempore et de sanctis (f. 161r, Kauf des Konvents 1519). 130 Zur Latein-Frage siehe Kap. II .3.1.3. 131 Zu den Mystikern in der St. Galler Katharinen-Bibliothek siehe Kap. III .3.2. »Mystische Literatur verstand sich als Lektüre für eine religiöse Elite, die in den Texten verwendete Sprache, die Bilder und die Art der Themenbehandlung waren weitgehend nur für den Verständnishorizont dieser Kreise gedacht.« Williams-Krapp, Nucleus (1992), S. 407. 132 Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 667, gibt zu bedenken, dass (in Zusammenhang mit den zum Gelingen der Neuorientierung der Reformkonvente beitragenden Faktoren) das Paradigma der Observantenpredigt mitunter überanstrengt worden sei: Der elementare Stellenwert der Wortverkündigung sei nicht zu bestreiten; jedoch sei zudem die Literarität dieses Genres in die Reihe anderer vorreformatorischer Erscheinungsformen christlicher Gläubigkeit, wie Eucharistiefrömmigkeit, Passionsdevotion oder Marienverehrung, einzuordnen. Im Vergleich mit der Bibliothek des Strassburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis weisen Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 189, darauf hin, dass sich »[i]n den Handschriften von St. Katharinen [. . .] Reflexe der Aktivitäten von Lektoren und Konfessoren festmachen [lassen], die Breite der geistlichen Traktatliteratur hebt sich aber dennoch klar von der prägnanten Konzentration [z. B.] der Strassburger Bibliothek [St. Nikolaus-in-undis] auf Predigtsammlungen ab [. . .]. Der qualitative Unterschied des Predigtbestandes ist [. . .] zugleich Ausdruck der unter-

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Stadtbibliothek finden sich in einer Handschrift zwei 1486 im St. Galler Katharinen-Kloster von einem Johannes S. OP gehaltene Predigten, als deren Verfasser Ochsenbein wohl zu Recht Johannes Scherl vermutete,133 sowie eine weitere Predigt eines anonymen Dominikaners, der vermutlich ebenfalls mit Scherl identisch ist, da auch diese Predigt 1486 vor den St. Galler Dominikanerinnen gehalten wurde. Der Predigt-Faszikel, heute Teil eines Sammelbandes, wurde gemäss Kolophon von Elisabeth Muntprat im St. Galler Scriptorium geschrieben und war als persönliche Schenkung an die Nürnberger Priorin Veronika Bernhart zum Amtsantritt bestimmt.134 Eine weitere Predigthandschrift ist der Hand einer bekannten (anonymen) Schreiberin zuzuweisen, die ausschliesslich in Handschriften der Anfangszeit des Katharinen-Scriptoriums figuriert;135 dem entspricht die chronologische Einordnung der Handschrift gemäss den Wasserzeichen in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, wohl in die 1480er Jahre. Die Predigten, welche über den Sündenfall und seine Folgen, zu Johannes Evangelista und Maria Magdalena, sowie zu verschiedenen Kirchenfesten handeln,136 weisen auf einen gut geschulten Prediger: Mit einiger Wahrscheinlichkeit sind sie ebenfalls der Verfasserschaft des Johannes Scherl zuzuweisen, der seit 1477 (bis 1496) das Amt des Lesemeisters zu St. Katharina versah. 1503 schrieb Elisabeth Muntprat ein (heute verlorenes) buch von den predginen die der w[irdige] va[ter, Kürzung fehlt] Johannes Ku´bler vnser w[irdiger] bichtvater het geton von der penitentz ist ain aigen buoch.137 Vor

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schiedlichen Klosterstandorte: St. Gallen kann keinen vergleichbaren Querschnitt durch den predigenden Klerus der Stadt bieten wie Strassburg mit seiner spezifischen Seelsorgestruktur.« Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 189, siehe auch VL 2 9 (1995), Sp. 1121 f. (Alois M. Haas/Kurt Ruh). Peter Ochsenbein, Art. ›Johannes Scherl‹, in: VL 2 8 (1992), Sp. 644 f., die beiden Predigten in StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 13, f. 79r–113r (f. 113r Kolophon der Elisabeth Muntprat), Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 281 f. Zu dieser Schenkung siehe Kap. IV .1: St. Katharina Nürnberg, S. 217, dort Näheres und weitere Literatur. Wil M 42; von derselben Hand auch Cod. sang. 1919, diese Hand ferner in Wil M 41 als 1. Hand, CMD−CH III (1991), Abb. 447; zur Schreiberin siehe auch Kap. II .3.3: Anonyme Schreiberinnen, S. 109. Die Handschrift Wil M 42 bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 67, ferner erwähnt bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, in Anm. 78, sowie S. 188. Zur Fastenzeit, zu Ostern, zur Auferstehung, zum Advent: siehe im ›Katalog der Handschriften‹. KlA Wil, Chronik, f. 95r; so nicht im Katalog bei Vogler, St. Katharina (1938), dort S. 268, Nr. 263 ein »Predigtbuch über die Busse, im Jahre 1502 ge-

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den Katharinen-Schwestern gehaltene Predigten des Lesemeisters Othmar Engeler sind in Auszügen in der Handschrift Wil M 45 erhalten.138 In gewissem Sinn können auch die Predigten des Zoffinger Spirituals Wendelin Fabri, gehalten vor seinen lieben [Beicht]kinden, zu den Werken der ›Hausautoren‹ gerechnet werden.139 Die angeführten Beispiele zeigen, dass die Katharinen-Schwestern selbst Nachschriften der ihnen von ihren Beichtvätern gehaltenen Predigten anfertigten. Ob ihnen hierfür die Konzepte oder Roh-Manuskripte von den Lesemeistern zur Verfügung gestellt wurden und ob diese die Verschriftlichung ihrer Predigten begleiteten und an der Redaktion beteiligt waren, eventuell auch korrigierend eingriffen, lässt sich leider nicht mit Sicherheit bestimmen. Dass die Betreuung durch die Lesemeister sich auch hierauf erstreckte, ›Seelsorge‹ also auch hier in irgendeiner Form stattfand, ist jedoch zu vermuten. Rüther/Schiewer charakterisieren vergleichbare Handschriften dieses beliebten, weit verbreiteten Typus als »Betrachtungsbuch eines Lesemeisters«.140 In der jüngsten Predigtforschung wird dieser Handschriftentyp aus spätmittelalterlichen Frauenklöstern als »Literarisierte Seelsorge« bezeichnet, worunter die Verschriftlichung von selbst gehörten oder im eigenen Hause entstandenen Predigten durch die Nonnen oder die Prediger selbst zu verstehen ist.141 Die Abschriften von Predigten der ›Hausautoren‹, das heisst Beichtvätern des Klosters, wurden in der Regel zur »Hausüberlieferung«: Engler-Maurer vermutet, dass eine solche in jedem reformierten Dominikanerinnenkloster vorhanden gewesen sein dürfte.142 Daneben finden sich Predigten von Gastpredigern, Beichtvätern anderer Dominikane-

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schrieben von Elisabeth Muntprat«, mit der Quellenangabe »Chronik, f. 97r, 1502«, a. a. O. ist aber eine Schenkung Küblers aus Strassburg vermerkt (wohl Verwechslung der Stelle durch Vogler). Wil M 45, f. I v: vszug von den siben todsünden [. . .] gebredget durch den o erwirdigen vatter othmarus engeler im xvj jar zu .S. kathr[inen]; zur Handschrift siehe im ›Katalog der Handschriften‹. Dieser visitierte, gemeinsam mit dem Konstanzer Domkustos Hans Zwick, 1512 im Auftrag des Konstanzer Bischofs das St. Galler Katharinen-Kloster, siehe KlA Wil, Chronik, f. 132v; weitere Literatur zu Fabri siehe bei Cod. sang. 990; zu Wendelin Fabri sowie zur Handschrift siehe auch Kap. V .2: Die Zoffinger Handschriften, S. 247 f. – Zitat Cod. sang. 990, p. 3a. Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 196; dies., a. a. O.: Gerade die Dominikanerinnen hätten sich als »fleissige Predigtnachschreiberinnen betätigt«. A. a. O., S. 197.

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rinnenklöster oder Predigten von anderen geistlichen und weltlichen Priestern, »die über Literaturaustausch in andere Häuser gelangten und von dort aus unter Umständen erneut weiterverbreitet wurden«.143 Ein solches Beispiel stellt in der Katharinen-Bibliothek die Sammelhandschrift Wil M 47 dar, geschrieben vom Beichtvater der Benediktinerinnen zu St. Georgen, Friedrich Cölner; sie enthält von der Mystik beeinflusste Predigten, darunter zwei von Johannes Tauler, ferner episteln des gaistlichen vatters maister Johans von Schönow, sowie eine Vaterunser-Erklärung.144 Die Mehrzahl der erhaltenen Predigthandschriften des Katharinen-Konvents sind eigentliche »Sammelhandschriften für Religiosen«.145 Sie überliefern Predigten im Kontext von geistlichen Lehren,146 Abhandlungen, Betrachtungen, Parabeln, aber auch mit legendarischen Texten.147 Von den ›reinen‹ Predigthandschriften des Katharinen-Klosters ist mit Cod. sang. 1066 nur der 1. Teilband einer ehemals 152 Stücke umfassenden, dann aufgrund des zu grossen Umfangs geteilten Predigthandschrift erhalten.148 Neben den (teils anonym überlieferten) Predigten des 15. Jahrhunderts stehen Sammelbände, in denen ein Nachwirken der mystischen Predigtweise des 14. Jahrhunderts fassbar wird:149 Noch in der zweiten Hälfte des 143 A. a. O., S. 197, mit Verweis auf Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 179 und S. 184. 144 Vogler, St. Katharina (1938), S. 253 f., Nr. 76; die Identität eines Johannes von Schönau konnte mit HBLS IV (1931) und VL 2 9 (1995) nicht verifiziert werden, die Frage einer möglichen Verwandschaft mit der St. Galler Konventualin Cordula von Schönau muss daher offen bleiben. Die Handschrift erwähnt bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78, sowie S. 188. 145 Gemäss Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 188, sind die darin überlieferten Predigten für Klosterfrauen »durchaus gängigen Predigten ad status vergleichbar« (so z. B. die Predigt über die Heilige Clara in Cod. sang. 1869). 146 Cod. sang. 1854, Cod. sang. 1869, Cod. sang. 1915, Cod. sang. 1919, Ü Ms. 26 und Ü Ms. 29. 147 Ü Ms. 1 und Ü Ms. 42. 148 KlA Wil, Chronik, f. 58v, zum Jahr 1488: wir [. . .] hannd [!] ain gross predi o buch getailt daz zu tick was vnd zwai bu´cher dar vs gemachet; zur Handschrift siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹. 149 Gerade bei den Autoren der Mystik ist streng zu unterscheiden zwischen Überlieferung und Rezeption, also dem Lektüreverhalten der Nonnen selbst; die Nürnberger Bibliotheks- und Tischlesungskataloge sind hierfür ein gutes Beispiel: St. Katharina Nürnberg besass Tauler- und Eckhart-Handschriften; der Name Eckhart fehlt allerdings im Bibliothekskatalog, und auch das Tischlesungsverzeichnis führt keine Eckhart-Predigt auf. Die Identifizierung von

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15. Jahrhunderts schrieben Katharinen-Schreiberinnen anonyme mystische Predigten,150 Traktate und (anonyme) »Mystiker-Briefe«, aber auch Werke der ›grossen‹ Mystiker des vorangegangenen Jahrhunderts ab, vorab Johannes Tauler und Meister Eckhart.151 In diesen Kontext gehört auch das ›Lehrbuch der deutschen Mystik‹ (auch ›Greith’scher Traktat‹152 genannt): Bei dem in Cod. sang. 1917 überlieferten Text handelt es sich um eine der Spiritualität Meister Eckharts nahestehende Kompilation mystischer Abhandlungen, die, so die Hypothese von Scarpatetti, »höchstwahrscheinlich in einem süddeutschen Dominikanerinnenkloster« entstand. Cadigan hat in ihrer alle fünf bekannten Handschriften des Traktats berücksichtigenden Edition festgestellt, dass einige Textstellen der Compilatio einzig in Cod. sang. 1917 vorkommen.153 Die Handschrift wurde um die Mitte des 15.

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Eckhart-Predigten im Tischlesungskatalog scheint erst das Resultat philologischer Forschung zu sein. Anders bei Tauler, der sowohl im Katalog als auch im Tischlesungsverzeichnis figuriert, wo seine Predigten fester Bestandteil der Tischlesung waren. Siehe auch Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 213. Cod. sang. 1919, Cod. sang. 1869; Vogler, St. Katharina (1938), S. 250, Nr. 69, sowie a. a. O., S. 251 f., Nr. 71; ferner gelangte eine Schenkung mit TaulerPredigten und aszetischen Traktaten in den Bibliotheksbestand (Wil M 47). Tauler: Cod. sang. 1066, Cod. sang. 1854, Cod sang. 1919, sowie eine verlorene Handschrift (KlA Wil, Chronik, f. 138r, Schenkung Joachim Spörl); Vogler, St. Katharina (1938), S. 248, Nr. 65, sowie S. 250, Nr. 69. – Eckhart: Cod. sang. 1066, Cod. sang. 1854 [?], Cod. sang. 1919 [?]. VL 2 2 (1980), Sp. 327–348 (Kurt Ruh); Georg Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: Hans-Jochen Schiewer/Karl Stackmann (Hgg.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften, Tübingen 2002, S. 209–281, mit Abbildungen S. 282–302. Die Bezeichnung des Traktats nach Carl Greith (1808–1882), Bischof von St. Gallen (ab 1862), bezieht sich auf dessen erstmalig gesamthafte Veröffentlichung und Übertragung der Kompilation in seinem Werk Die deutsche Mystik im Predigerorden (von 1250 bis 1350), Freiburg i. Br. 1861. Der dort als 2. Buch S. 96–202 gegebene Text der Handschrift bildet eine freie, durch zahlreiche Eingriffe im Wortlaut und Inhalt sowie Auslassungen partienweise umgeformte Übertragung ins Neuhochdeutsche, betitelt mit ›Das Lehrsystem der deutschen Mystik‹ (gegliedert in 6 Kapitel); zur Handschrift Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 197–199, zum Inhalt S. 198 f. (Lit.). Zitat oben im Text a. a. O., S. 198. Cadigan, Compilatio (1973), S. 574–581. Seitz, Traktat (1936), vermittelt in einer Liste, S. 72–76, alle wesentlichen Eingriffe Greiths, S. 34–40, die in der Kompilation vorliegenden, gedruckt zugänglichen Entlehnungen aus den mystischen Texten der Zeit, deren Hauptanteil auf Eckhart, Tauler, Seuse sowie auf das Buch von geistlicher Armut und eine Reihe weiterer Werke fällt; siehe auch Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 198.

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Jahrhunderts im Katharinen-Scriptorium geschrieben, während die Abschrift, die sich heute als Block II der Handschrift Cgm 5233 in der Bayerischen Staatsbibliothek München befindet, aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts stammt. Gemäss meiner Analyse entstand das ›Lehrbuch der deutschen Mystik‹ im St. Galler Katharinen-Kloster selbst, mit anderen Worten: Sie entspricht der von Cadigan erschlossenen »Urschrift«.154 Mehrheitlich jedoch handelt es sich bei den Autoren der in der Katharinen-Bibliothek überlieferten homiletischen Literatur155 um Dominikaner, die als Vorkämpfer der Observanzbewegung, insbesondere als Ausübende der Cura monialium – als Prediger, als Lesemeister, als Beichtväter – hervorgetreten waren: In der Bibliothek der Katharinen-Schwestern befanden sich Predigten des Basler Dominikaners und späteren Busspredigers Johannes Mulberg.156 Die Handschriften Cod. sang. 1066 und Cod. sang. 1915 enthalten Predigten des Nikolaus von Strassburg OP , Lesemeister und Prediger der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts,157 denen, gemäss Ruh, zwar 154 Chronologische Situierung von Block II der Handschrift Cgm 5233 gemäss Schneider, Handschriften BSB München (1996), S. 552 f. Die Herstellung von Cod. sang 1917 konnte von Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983) S. 197–199, nicht eindeutig dem Katharinen-Kloster zugewiesen werden, die Herstellung der Kompilation dort wird aber trotzdem erwogen (S. 198). Siehe hier zur Handschrift im ›Katalog der Handschriften‹. Ob die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts einsetzenden seelsorgerischen Beziehungen zum Basler Dominikanerkloster für das Entstehen der Compilatio in Zusammenhang stehen, muss offen bleiben; siehe auch Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 33 f. Zum ›Lehrbuch der deutschen Mystik‹ siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹, S. 362 f. 155 Im folgenden werden auch die für die Zoffinger Reform hergestellten Handschriften herangezogen: Deren Abschrift im Katharinen-Scriptorium zeugt indirekt vom Vorhandensein der betreffenden Autoren in der KatharinenBibliothek; daher werden sie den eigentlichen Katharinen-Handschriften (Provenienz und Besitz St. Katharina) gleichgestellt (dass heisst, eine aktive Rezeption eines bibliothekseigenen Exemplars wird vorausgesetzt). 156 Cod. sang. 1915. Johannes Mulberg OP : 1350–1414, 1396 Reformator des Nürnberger Dominikanerklosters, 1399 Prior in Colmar, 1400 in Basel, wo er gegen die Beginen vorging (›Beginenstreit‹), 1404 und 1405 Prediger in Strassburg, 1411 päpstlicher Vikar. Zu Mulberg Boner, Das Predigerkloster in Basel, BZGA 34 (1935), S. 138–140, S. 189–192 (Lit.); VL 2 6 (1987), Sp. 725– 734 (Bernhard Neidiger/Kurt Ruh), zu unserer Handschrift Sp. 730–732 (Ruh). Kaeppeli, Scriptores II (1975), S. 490–493, mit unserer Handschrift S. 492, Nr. 2518. Zur möglichen Strassburger Provenienz der Handschrift siehe Kap. IV .3: Strassburg, S. 233. 157 Cod. sang. 1066, f. Cxxviijrb-Cxxxiva, Predigten zur Fastenzeit; Cod. sang.

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»mehrheitlich Ansprachen an Ordensschwestern zugrunde« liegen; doch aufgrund der ausgefeilten Stilistik und Rhetorik der Texte bestehe kein Grund zur Annahme, dass es sich um Nachschriften handle: Vielmehr »liegen uns vom Prediger selbst revidierte und autorisierte Lesepredigten vor«.158 Die Predigten des Nikolaus von Strassburg, deren Doktrin thomistisch ist und die vorwiegend als Fastenpredigten bezeugt sind (so auch in Cod. sang. 1066, gemäss den Rubriken), behandeln unter anderem das Thema der Passion Christi sowie das Altarssakrament; in ihrer Diktion »belegen [sie] geradezu exemplarisch die Predigtweise von fratres docti, [. . .] die nicht Mystiker waren«.159 In der Predigt-Sammelhandschrift Cod. sang. 1066 finden sich ferner Predigten des 1437–1456 belegten Rudolf Goltschlacher,160 Reformprior des Bamberger Predigerklosters, zeitweilig Lesemeister der Augustinerinnen zu Pillenreuth (bei Nürnberg). Für die Dominikanerinnen in Zoffingen bestimmt war die Sammelhandschrift Ü Ms. 29, die unter anderem Predigten des Nikolaus von Dinkelsbühl (ca. 1360– 1433)161 enthält: Seine Predigten erfreuten sich bei Klerus und Volk grösster Beliebtheit; als (Mit-)Organisator der Reformbewegung verfasste er auch Schriften zur Klosterreform. Mit Johannes Nider ist eine der einflussreichsten und meistzitierten Autoritäten des 15. Jahrhunderts vertreten (Ü Ms. 26),162 dessen Werke in keiner bedeutenden Klosterbibliothek fehlen durften

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1915, p. 406–417: Von dem richen man vnde von lazaro. Zu Nikolaus von Strassburg VL 2 6 (1987), Sp. 1153–1162 (Eugen Hillenbrand/Kurt Ruh); HS IV /5,1 (1999), S. 265 f. (Lit.), gemäss a. a. O., S. 265 könnte Nikolaus von Strassburg 1318 Lektor der Basler Dominikaner gewesen sein. Was überhaupt der Regelfall der Überlieferung von Predigten des Spätmittelalters ist; VL 2 6 (1987), Sp. 1158 f. Siehe auch Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 271 f. VL 2 6 (1987), Sp. 1160 (Kurt Ruh); zu den Predigten des Nikolaus von Strassburg HS IV /5,1 (1999), S. 266, Anm. 3 (Lit.). Bezeugt unter anderem als Lektor des Nürnberger Dominikanerklosters, 1449 als Prior des Berner Predigerklosters: VL 2 3 (1981), Sp. 96–98 (Dietrich Schmidtke). Nikolaus von Dinkelsbühl war einer der bedeutendsten Anreger der Melker Reform; in Melk hielt er auch die berühmte und weit verbreitete Lectura Mellicensis. Löser, Dialog mit Handschriften (2002), S. 181 f. – Zu Nikolaus von Dinkelsbühl: Alois Madre, Nikolaus von Dinkelsbühl. Leben und Schriften, Münster in Westfalen 1965 (Bd. XL , Heft 4 der Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, S. vii−xvi, S. 1–430); ders., Art. ›Nikolaus von Dinkelsbühl‹, in: VL 2 6 (1987), Sp. 1048–1059. Ü Ms. 26, f. 3ra–76va, f. 87vb–310ra: Predigten und Betrachtungen zu 24 Kirchenfesten [ausführliches Inventar im Katalog von Heitzmann, Handschrif-

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und ordensübergreifend rezipiert wurden. Hinzu tritt ferner Heinrich Vigilis von Weissenburg OFM , der 1487 – ca. 1495 als Beichtvater, Prediger und Seelsorger im Klarissenkloster Nürnberg wirkte; sein umfangreiches deutsches Predigtwerk, wohl von den Klarissen niedergeschrieben, war von ihm korrigiert und autorisiert worden.163 In der Predigt-Sammelhandschrift Cod. sang. 1869164 vermutete Kurt Ruh165 eine Schenkung der Villinger Klarissen an den St. Galler KatharinenKonvent, dessen Besitzeinträge, von einer Hand des frühen 16. Jahrhunderts sowie von einer späteren Hand des späten 16. oder beginnenden 17. Jahrhunderts, der Band auf p. 1 trägt. Die Handschrift, die sich durch ihren Inhalt zweifelsfrei als Klarissen-Handschrift ausweist,166 mit Verweis auf die lebhaften persönlichen Beziehungen zu Zeiten der Villinger Priorin Ursula Haider (1480–1489) und der St. Galler Priorin Angela Varnbühler (1476– 1509), mit dem Villinger Bickenkloster in Verbindung zu bringen, ist plausibel. Jedoch ist die Hypothese von Ruh, die Handschrift sei »als Geschenk zu den St. Galler Dominikanerinnen gekommen«, zu verwerfen aufgrund meiner Identifikation der Schreiberin mit der Hand167 der St. Galler Priorin Angela Varnbühler, von welcher der ganze Band stammt. Denkbar wäre hingegen eine Ausleihe der betreffenden Vorlagen aus Villingen; eine entsprechende Handschrift aus Villingen ist nicht bekannt. Die in Cod. 1869 überlieferte Predigt zu Joh 16, 21 ›Mulier cum parit‹,168 über das Leiden, den Tod und die Sakramente, ist in einer Parallel-

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ten Überlingen (2002), S. 67–69]; gemäss Brand, Nider deutsche Schriften (1998), S. 203 f., werden diese Predigten und Betrachtungen Nider zugeschrieben [ihre Arbeit nicht zitiert bei Heitzmann, a. a. O.]; diese Handschrift auch bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78, sowie S. 188, mit der Zuweisung an Johannes Nider. Zu Nider siehe auch unten. Ü Ms. 1: ›Ermahnung zu einem wahren klösterlichen Leben‹, ›Von geistlicher Einkehr und Auskehr‹, ›Von der Vollkommenheit des geistlichen Menschen‹. Zu Heinrich Vigilis von Weissenburg VL 2 10 (1999), Sp. 342–350 (HansJochen Schiewer), zum Predigtwerk a. a. O., Sp. 343–346. Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 122–125. Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159; bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 124 kein Verweis auf Ruh. Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159; siehe zum Beispiel Cod. sang. 1869, p. 221: Dissi matery¨ ist geschriben worden ainer glaistlichen [!] o Closterfrowen von ainem bruder des ordens francisci [. . .]. Die Hand nicht identifiziert bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 122, zur Identifikation der Hand siehe hier im ›Katalog der Handschriften‹. Diese auch in Cod. sang. 1066, f. 232ra–237ra, die Handschrift gemäss Chronik-Einträgen vermutlich im Jahr 1484 geschrieben (f. 43v, f. 58v). Edition der

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Handschrift ebenfalls enthalten: Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. 4o 1241, ebenfalls eine Predigt-Sammelhandschrift.169 Fechter vermutet für den Text der Predigt ›Mulier cum parit‹ in dem von der Inzigkofener Konventualin Eufraxia Span(in) geschriebenen 1. Teil der Berliner Parallel-Handschrift die Benutzung einer Vorlage aus dem St. Galler Katharinen-Kloster. Im Unterschied zur Inzigkofener Abschrift überliefert Cod. sang. 1869 die Predigt vollständig, ebenso Cod. sang. 1066, der gemäss einem Eintrag in der St. Galler Chronik im Jahr 1484 im Katharinen Scriptorium geschrieben wurde. Somit ist die von Eufraxia Span ins Jahr 1478 datierte Niederschrift der früheste, wenngleich unvollständige Textzeuge.170 Eine direkte Abhängigkeit beider Handschriften voneinander ist auszuschliessen, da die ehemalige Inzigkofener Handschrift älter ist als die St. Galler; zudem ist in Cod. sang. 1869 die Predigt vollständig, in der Inzigkofener Handschrift jedoch unvollständig überliefert. Generell ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Predigten, die sich scheinbar ganz direkt an Nonnen wenden, nicht zwingend um tatsächlich unmittelbar vor Klosterfrauen gehaltene Ansprachen handeln muss, sondern eventuell um »literarische Predigt, das heisst Lesepredigt, Produkt schriftstellerischer Tätigkeit und nicht schriftlicher Niederschlag gehaltener Predigten«.171 Solche situationsunabhängigen Texte in »Predigtform«, die Predigt bei Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 59–165, mit Varianten aus Cod sang. 1066 im textkritischen Apparat; die Predigt bei Morvay/Grube, Bibliographie der deutschen Predigt (1974), S. 199, T 204, mit unserer Handschrift als Leithandschrift; bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 124, kein Hinweis auf die St. Galler Parallelhandschrift, kein Verweis (nach Morvay/Grube) auf die (geplante) Edition von Ruh. 169 Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159, Anm. 11, mit Bezug auf Fechter Ms., jetzt ders., Handschriften Inzigkofen (1997), Nr. 29, S. 103–106, hier S. 104 f.; die Berliner Handschrift als Textzeuge nicht erfasst bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 124. 170 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 105; zur Schreiberin Eufraxia Span(in) a. a. O. sowie a. a. O., S. 29, mit Anm. 179. Die im 2. Teil von Ms. germ. 4o 1241 enthaltenen Texte stammen, gemäss dems., a. a. O., S. 105 f., aus der Zisterzienserinnen-Abtei Heggbach (bei Biberach); »[. . .] wo [. . .] die zwei Predigten geschrieben wurden, ist noch unbekannt«. Der 1. Teil der Handschrift ist von der Inzigkofener Konventualin Eufraxia Span ins Jahr 1475 datiert, während Cod. sang. 1869 aufgrund des Wasserzeichens chronologisch um 1487 einzuordnen ist. Auch leuchtet bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 122, die Einordnung der Hand in die 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht ein, siehe hier im ›Katalog der Handschriften‹. 171 Georg Steer, Geistliche Prosa, in: Geschichte der deutschen Literatur (De

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Vortrag, personenbezogene Anrede und persönlichen Kontakt fingieren, sind von ihrem literarischen Status her dem literarischen Typus des geistlichen Sendbriefs verwandt. Die Adressatinnen sind in diesem Fall nicht ausschliesslich die aktuellen Hörerinnen, zu denen der Seelsorger spricht, sondern unter Umständen Rezipientinnen neben anderen, die »Traktate in Predigtform« bei der privaten Lektüre oder der Tischlesung gebrauchten.172 Ein solcher Fall liegt auch mit dem Hiob-Traktat des Marquard von Lindau vor, von dem nach dem bibliothekseigenen Exemplar des Katharinen-Klosters zwei Abschriften im Scriptorium des Konvents hergestellt wurden, welche an die befreundeten Klöster in Inzigkofen und Konstanz (Zoffingen) verschenkt wurden:173 Greifenstein hat, aufgrund seiner Analyse des Hiob-Traktates, diesen Text als »Lesepredigt vom Leiden« eingestuft, welche sehr wahrscheinlich sogar von Marquard als solche konzipiert und verfasst wurde.174 Der ›Vorteil‹ dieser bereits auf ihre spätere Gebrauchsfunktion als Lesestücke hin ausgerichteten Texte generell liege darin, dass sie »einerseits durch ihre Länge, durch Aufbau und innere Gliederung es dem Leser ermöglichen, eine umfassende Behandlung theologischer, moralischer und katechetischer Fragen zu geniessen, sich andererseits aber für den Leser nicht zu weit von der ›Erbauung‹, das heisst von der Verständlichkeit, vom unmittelbaren Angesprochen- und Angerührtsein, von der ›Unterhaltung‹ entfernen«.175

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Boor/Newald), Bd. III /2, München 1987, S. 319 [nach Bürkle, Literatur im Kloster (1999), S. 65]. Vgl. Bürkle, Literatur im Kloster (1999), S. 65. Siehe Kap. IV .2: , Inzigkofen, S. 224 ff., sowie V .2: Die Zoffinger Handschriften, S. 243. Greifenstein, Hiob-Traktat (1973), S. 131–138; zur Studie siehe auch die kritische Rezension von Nigel F. Palmer, in: PBB 104 (1982), S. 157–164, mit zahlreicher weiterer Literatur. – Die Funktion des Hiob-Traktates als Kanzelpredigt sei »aufgrund dessen ausgeschlossen, dass [. . .] [er] zu sehr formale Traktatelemente enthält, zu sehr ›Schriftlichkeitscharakter‹ trägt, zu sehr angelehnt an theologische materia erscheint«, sowie vor allem auch »durch ein ganz banales [. . .] Faktum: seine Länge«. A. a. O., S. 138. A. a. O., S. 138–141, Zitat S. 140.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

3.2 Werke der Mystiker und von der Reform nahestehenden Autoren Mit der Spiritualität der Mystiker – welche, wie gesehen, im KatharinenKloster in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts weiterhin abgeschrieben wurden – setzte sich bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Heinrich Seuse auseinander mit seinem ›Büchlein der ewigen Weisheit‹, welches Angela Varnbühler schon im Inventar von 1484 verzeichnete: Das ›Büchlein der ewigen Weisheit‹, das zu den verbreitetsten Andachtsbüchern des 14. und 15. Jahrhunderts gehörte, war von Seuse (zwischen 1328 und 1330) verfasst worden, »um dem Wildwucher fehlgeleiteter Frömmigkeit [gemeint sind die Auswüchse der Mystikerinnen, Anm. d. Verf.in] nicht mit Verboten, sondern mit einer die Adressatinnen ernstnehmenden Auseinandersetzung zu begegnen und ihr Engagement in fruchtbare Bahnen zu lenken«.176 In diesem Sinne wurde es als Grundlage der im Rahmen der Reformbewegung angestrebten Spiritualität nachdrücklich gefördert.177 In Seuses gesamtem deutschen Schrifttum, das an ein weibliches Publikum, primär an die Dominikanerinnen der südwestdeutschen Klöster (Töss, St. Katharinental, Oetenbach, Unterlinden etc.) gerichtet war, zieht sich wie ein roter Faden sein Bestreben nach einer produktiven Vermittlung der Altväterspiritualität: Zwar setzt sich Seuse mit einem breiten Spektrum theologischer Ansätze auseinander (vor allem Bernhard von Clairvaux und Meister Eckhart); seine spirituellen Leitlinien sind jedoch von keinem anderen Werk stärker geprägt als von den ›Vitaspatrum‹:178 Die Lehren der Altväter galten ihm als nucleus totius perfectionis, weshalb sie als Lebensformel schlechthin empfohlen werden.179 176 Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 9 f. 177 Das ›Büchlein der ewigen Weisheit‹ ist zudem das einzige Werk, das Nider in seinen ›24 goldenen Harfen‹ nennt. Hingegen galten andere Werke Seuses in den Augen der Reformer offenbar (gemäss der Handschriftenüberlieferung) für Nonnen im 15. Jahrhundert als nicht empfehlenswert; Johannes Meyer empfiehlt im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 191vb, Seuses ›Horologium aeternae sapientiae‹. – Im 15. Jahrhundert wurde das ›Büchlein der ewigen Weisheit‹ nach katechetischen Themen exzerpiert: »so sind Seuses Sterbe- und Eucharistielehre sowie seine Passionsmeditationen aus dem Büchlein in einer gewaltigen Zahl von Handschriften als eigenständige Texte überliefert«. Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 13. 178 Vgl. insbesondere die ›Vita‹ Seuses; Williams-Krapp, Nucleus (1992), S. 409, e o mit Lit. in Anm. 9. – Zu den ›Vitaspatrum‹ oder altvater buch in der Katharinen-Bibliothek siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, S. 134 f. mit Anm. 24 (Lit.). 179 Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, hg. v. Karl Bihlmeyer, Stuttgart 1907

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Eine Brücke zwischen den Werken der Mystiker des 14. Jahrhunderts und der im Rahmen der Observanzbewegung angestrebten Spiritualität des 15. Jahrhunderts schlagen die von Johannes Meyer für eine Neuherausgabe bearbeiteten Schwesternbücher:180 Deren Grundcorpus an Viten bot ursprünglich (in den Ausgaben des 14. Jahrhunderts) »mystische Lehre in legendarischer Form« dar.181 Meyers inhaltlich-redaktionelle Bearbeitung zielte darauf, »das Sensationelle der Visionen und Offenbarungen zugunsten einer geistlich nützlichen Darstellung der christlichen Tugenden und der Vorzüge der strengen Observanz zurückzudrängen«.182 In kritischem Umgang mit Visionsberichten und Offenbarungen, die in den Viten des 14. Jahrhunderts als Gnadenerlebnisse dargestellt wurden, arbeitete Meyer diese mittels moralisch-didaktischer Sentenzen und unter Einbezug historischer Quellen zu Exempeln eines gottgefälligen, tugendsamen Lebens um. Von den weiteren der Observanzbewegung angehörigen oder nahestehenden Verfassern gelangte 1516 als Schenkung des nach Gebwiler versetzten Johannes Kübler eine vierbändige Gesamtausgabe der Werke des Johannes Gerson ins Katharinen-Kloster; aufgrund seines überaus reichen Einflusses bezeichnet ihn Williams-Krapp als »Kirchenvater des 15. Jahrhunderts«:183 Die Reform des Klerus beziehungsweise der Orden war für

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(Nachdruck 1961): ›Horologium aeternae sapientiae‹, S. 545, Zitat S. 547; zur Altväterspiritualität bei Seuse Williams-Krapp, Nucleus (1992), S. 407–421. Die ›Vitaspatrum‹ hatten von Anbeginn eine herausragende Bedeutung für das Selbstverständnis des Dominikanerordens; Hagiographen des Ordens stellten Dominicus als glühenden Verehrer der ›Vitaspatrum‹ dar. Dementsprechend ist auch das kommentierte Regelwerk des Humbertus mit Beispielen und Hinweisen aus diesem Werk durchsetzt; siehe a. a. O., S. 410, mit Anm. 13, mit Hinweis auf Louise Gnädinger, Das Altväterzitat im Predigtwerk Johannes Taulers, in: Unterwegs zur Einheit, Fs. H. Stirnimann, Freiburg/Schweiz 1980, S. 253–267, hier S. 253–255. Siehe auch Ulla Williams, Die »Alemannischen Vitaspatrum«, Tübingen 1996, S. 5* f. In der Katharinen-Bibliothek befanden sich das ›St. Katharinentaler‹ und das ›Tösser Schwesternbuch‹: Cod. sang. 603 (15./2 Jh.), Abschrift in Ü Ms. 22 (16./1 Jh.). – Vgl. Meyer, Katharinental (1995), S. 68; Williams-Krapp, Frauenmystik und Ordensreform (1993), S. 312; Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 10–12. A. a. O., S. 4; vgl. Langer, Spiritualität der Dominikanerinnen (1985). Meyer, Katharinental (1995), S. 68; vgl. Vogler, St. Katharina (1938), S. 75 f. KlA Wil, Chronik, f. 148v; die Bände in lateinischer Sprache waren sicher für die Handbibliothek des Lesemeisters bestimmt; darauf weisen auch Marginalien einer männlichen Hand (eventuell der Hand Scherls?). Von der vierbändigen Ausgabe der ›Opera Gersonis‹ sind Bd. I , II und IV erhalten, heute StiBSG, Inc. 604. Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 12. –

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Gerson nur ein, gleichwohl gewichtiger Teil einer allgemeinen religiösen Erneuerung: Er trat ein für eine von jedem Christen nachvollziehbare Bussund Gebetsfrömmigkeit, die jede Form elitärer Frömmigkeit verdrängen sollte. Diese Geisteshaltung Gersons »entwickelte sich im Laufe des 15. Jahrhunderts zur dominanten Strömung in der Theologie mit entsprechenden Konsequenzen für die praktische, mündlich wie schriftlich vermittelte Seelsorge«.184 Auch die Förderung volkssprachlicher Literatur war Gerson in seinem Streben nach einer umfassenden Reform ein wichtiges Anliegen: So »verfasste er für eine religiöse Frauengemeinschaft Unterweisungen zum spirituellen Leben und Vollkommenheitslehren in französischer Sprache, deren thematische Spannweite von elementarer Katechese bis hin zur Meditationsübung reichte«.185 Gemäss bisherigem Stand der Forschung verfuhren die deutschen Übersetzer ausgesprochen selektiv, beschränkten sich auf wenige bestimmte Schriften, so dass dem lateinunkundigen Leser des 15. Jahrhunderts nur ein kleiner Teil der Werke Gersons zugänglich gewesen zu sein scheint.186 Jedenfalls entstanden im Umfeld der Reform der Mendikantenorden deutsche Übersetzungen von einzelnen Texten Gersons.187 Mit einer Inkunabel der ›24 goldenen Harfen‹188 des Johannes Nider war auch das volkssprachliche Hauptwerk dieses »sehr einflussreiche[n], rastlose[n] dominikanische[n] Reformer[s] und Seelsorger[s]« in der Bibliothek der Katharinen-Schwestern vorhanden: Die ›Harfen‹ orientierten sich an

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Gemäss demselben, a. a. O., S. 13, sollte »Gersons Einfluss auf die die Reform prägenden Gestalten nicht überschätzt werden«; ders. (a. a. O.) nimmt als unmittelbares Vorbild Niders nicht Gerson, sondern Heinrich Seuse an, da bei ihm »bereits einige Elemente der später von Gerson vertretenen frömmigkeitstheologischen Positionen vorweggenommen werden«. A. a. O. A. a. O., S. 12 f. VL 2 2 (1978), Sp. 1266–1274 (Herbert Kraume), hier Sp. 1268–1274. Zum Beispiel St. Katharina Nürnberg: StB Nürnberg, Cod. Cent. VI , 46 f, f. 125r–151r, Cod. Cent. VI , 43p, f. 211r–217r; Handschriften mit deutschen Gerson-Texten besassen auch die Strassburger Klöster St. Nikolaus-in-undis sowie St. Margaretha und St. Agnes. Zu den ›Harfen‹ Kaeppeli, Scriptores II (1975), S. 513, Nr. 2549; zu Nider VL 2 6 (1987), Sp. 971–977 (Eugen Hillenbrand). Zitat Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995), S. 9. Nider war »eine treibende Kraft des Basler Konzils« (ders., a. a. O.), zudem »als Seelsorger und Autor einer der bedeutendsten Vermittler damals vorherrschender Positionen in der Theologie an die ›illiterati‹« [a. a. O., S. 12]. Niders Einfluss gründete auf seinem lateinischen Schrifttum, das ihn zu einer der meistzitierten Autoritäten des 15. Jahrhunderts machte.

4 Organisation der Bibliothek

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den Bedürfnissen eines lateinunkundigen, gleichwohl geistlich anspruchsvollen Publikums nach katechetischer Unterweisung und Erbauung. Das aus Predigten entstandene und zur Unterweisung im christlichen Glauben und religiös-aszetischen Leben geschriebene Werk ist gestaltet in Anlehnung an die Altvätergespräche in Cassians ›Collationes patrum‹, einem Standardwerk des monastischen Lebens.189 Mit dem Druck von Niders ›24 goldenen Harfen‹ war sozusagen eine ›Neuerscheinung‹ in die KatharinenBibliothek gekommen: Erstmals gedruckt wurde das Werk 1470 in Augsburg von Johannes Bämler, der bereits 1472 eine weitere Auflage lancierte.190 Im Katharinen-Kloster findet sich das Werk spätestens seit Beginn der 1480er Jahre; 1484 ist es bereits im Bücherverzeichnis erfasst.191

4 Organisation der Bibliothek 4.1 Ein Archivsystem? Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, welche Bedeutung der Bibliothek in einem observanten Dominikanerinnenkonvent beigemessen wurde. Betont wurde nicht nur die Pflege (insbesondere die Erweiterung) der Bücherei, sondern auch deren Nutzung: Damit bestimmte Bände 189 Zu Johannes Cassian VL 2 4 (1983), Sp. 568–570 (Klaus Klein); Williams, Alemannische Vitaspatrum (wie Anm. 131), S. 5*. Die ›Collationes patrum‹ empfohlen von Meyer im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 136rb; die 24 Collationes bieten, in Form fingierter Lehrvorträge bekannter ägyptischer Mönchsväter, Unterweisungen für das monastische Leben. Im Bewusstsein des mittelalterlichen Mönchtums wurde dieses Werk im allgemeinen dem Komplex der ›Vitas patrum‹ angeschlossen. Vgl. Williams-Krapp, Nucleus (1992), S. 410. – Brand, Nider deutsche Schriften (1998), S. 20 f., vermutet, die ›Harfen‹ seien möglicherweise in Zusammenhang mit der Reform des Nürnberger Dominikanerinnenklosters entstanden, welche in die Zeit des kurzen Priorates Niders im dortigen Dominikanerkloster (ca. 1427–1429) fiel; siehe besonders a. a. O., S. 21, Anm. 70 [nach Gustav Löhr, Teutonia im 15. Jahrhundert (1924)]; dieselbe Vermutung ausführlich begründet bei Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 77. Zu Niders ›Harfen‹ siehe auch Georg Steer, Scholastische Gnadenlehre in mittelhochdeutscher Sprache, Diss. München 1966 (MTU 14), S. 21–23. 190 Hain Nr. 11846, s. a. et l.: [Augsburg]: Johannes Bämler [1470], Hain Nr. 11847: Augsburg: Johannes Bämler 1472; unter Nr. 11848 verzeichnet Hain einen weiteren, anonymen Augsburger Druck von 1473. 191 KlA Wil, Chronik, f. 34v.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

jederzeit mühelos aufgefunden werden konnten, wurde eine systematische Bibliotheksordnung nachdrücklich empfohlen. Johannes Meyer befasst sich in seinem ›Ämterbuch‹ im Abschnitt von dem [Abschreibefehler, Lücke: sc. Amt] der buoch may¨sterin ausführlich damit, wie man alle buoch der liberie dess closters aigenlich zaichen sol:192 Der Konvent soll über ein Gesamtregister der Bücher verfügen, in mehrfacher Ausführung: e

In den soll geschriben ston aller bucher der libery¨ [. . .] also das man alwegen e u o wissen mug wie vnd wz bucher der conuent hat [. . .] also das kain buch verloren 193 werd von vergessenlichait wegen oder von vnfliss [. . .]. Und vff den manige faltigen pulpetten [Schreib- oder Lesepult, < lat. pulpitum] sond die bucher nit vermischlett ligen[,] besunder [sondern] nach ordnung vnd ay¨genlich gezaichnet also[,] das man die ding[,] die man haben wil[,] schnell finden sig.194

Aus den Quellen des Katharinen-Klosters ist nicht rekonstruierbar, ob die Bücher in einer gesonderten Räumlichkeit (›Bibliothek‹) aufbewahrt wurden.195 Johannes Meyer war sich bewusst, das man in etlichen cloestern soellich libery¨ nit havt vnd die buecher allain in kisten vnd kasten oder in andern behalttern sind ligen; dessen ungeachtet solle man zum nutz der buecher diese zaichnen.196 In der Chronik des Katharinen-Klosters ist nie von der libery¨ die Rede, obwohl Berichte über umfangreiche Bautätigkeiten breiten Raum einnehmen. Es ist schwer vorstellbar, dass im Zuge der grossen baulichen Veränderungen – die Klausurierung bedeutete nicht nur einen sozialen, sondern auch einen architektonischen Umbau – nicht auch den Büchern eine ›Heimstatt‹ eingerichtet wurde, nahm doch der Klosterkomplex im Lauf der Jahre eine beachtliche Grösse an. Umso weniger ist nachvollziehbar, weshalb die Chronik wie auch die Archivalien hierzu schweigen. Wie die St. Galler Abschrift von Meyers ›Ämterbuch‹ erweist, war die darin enthaltene Wegleitung für die systematische Ordnung einer observanten Nonnenbibliothek im Katharinen-Konvent bekannt. Eventuell wurde den St. Galler Schwestern von den Nürnberger Dominikanerinnen, welche die diesbezüglichen Anleitungen Meyers systematisch umgesetzt

Ü Ms. 5, f. 210va–214rb. A. a. O., f. 212ra–212rb. A. a. O., f. 211ra. Vgl. hierzu auch Vogler, St. Katharina (1938), S. 147–149, besonders S. 151 f., wo sie ihre Beschreibung der »Bücherkammer zu St. Katharinen« den entsprechenden Abschnitten im ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer entlehnt. 196 Ü Ms. 5, f. 212va.

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4 Organisation der Bibliothek

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hatten,197 davon berichtet. Ob der Bücherbestand des St. Galler KatharinenKlosters nach dieser geordnet war, ist aufgrund der Quellenlage nicht zu beantworten. Die beiden Bücherinventare des St. Galler Konvents bieten nur summarische Auflistungen des Buchbestandes, die einer gewissen ›klassischen‹ Hierarchie folgen, wie sie Johannes Meyer empfiehlt:198 An erster Stelle stehen die Liturgica, gefolgt von den »Regelwerken« des Ordens, dann die Predigtbücher sowie die Bücher für die Tischlesung, zuletzt die Werke der Erbauungsliteratur. In den Verzeichnissen sind jedoch keine Signaturen angeführt. Spärliche Indizien für ein systematisches Signaturensystem in der Katharinen-Bibliothek sind ein Papierschild auf dem Buchrücken des Predigt-Sammelbandes Cod. sang. 1919 mit der Aufschrift A Ein deutsches Predig buch N I , sowie ein ähnliches, auf dem Rücken von Wil M 41 aufgeklebtes Schildchen, mit der Aufschrift: (oben, zentriert) B, (darunter) M ... I[?].199 Konkretere Hinweise auf das Vorhandensein eines ›Ordnungsbewusstseins‹ und ein Bemühen um eine gewisse Systematik gibt das Schwesternbuch: In den im 1. Teil des Bandes eingetragenen Notizen zu wichtigen Begebenheiten in der Geschichte des Konvents wird am Schluss jeweils auf einen besigleten brief verwiesen, welcher die Verleihung eines bestimmten Rechtes oder die Bestätigung eines erteilten Privilegs (fry¨hait, frighait) enthält:200 Dieser wird mit seinem Incipit, einem kurzen Beschrieb seines Siegels und mit einer Buchstabenkennzeichnung genannt. Diese Signierung beginnt zu einem Dokument von 1228 mit dem Buchstaben A,201 es folgen 197 Vgl. die Fächereinteilung A−O im Bibliothekskatalog Nürnberg 1455–1461, bei Ruf, MBK III /3 (1939), S. 599–637. 198 Vgl. die ›Richtlinien‹ im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 211ra–212ra; zu den Inventaren siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse. 199 Das Schild ist beschädigt, daher nur noch teilweise lesbar. [N. B.: In der Bibliothek der Nürnberger Dominikanerinnen standen die ›24 Alten‹ des Otto von Passau unter der Signatur J; vgl. Ruf, MBK III /3 (1939), S. 615]. Möglicherweise war eine solche Signierung der Bände in der Anfangsphase angestrebt und wurde später nicht beibehalten; auch mit dem Verlust der papiernen Schildchen ist zu rechnen. 200 So vindt man hir nach gezaichnet die frighait brief Da mit vnser wirdiger convent begabet ist, KlA Wil, Schwesternbuch, p. 5 (alte Foliierung: f. jr). 201 A. a. O., p. 6 [alte Foliierung: f. jv]: am Rand moderner Nachtrag: 1228: Jtem o u Do man zalt von der geburt Jhu xpi M.CC .xxviij. iar hat ain apt genemt o .Cun. [Konrad von Bussnang, Abt von St. Gallen (1226–1239)] [. . .] v´ns geben [. . .] die hofstat dar vf das closter iecz stat [Vergabung einer Hofstatt an die u Religiosen am Irabach im Brühl] [. . .] Der brief hat .ij. sigel des aptes vnd des convenczs des goczhus Sant gallen vnd hept sich also an in nomine patris et fily¨

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

B, C, etc., fortgesetzt bis W, X x, y¨ y¨, und endet schliesslich mit z z zum Jahr 1488.202 Diese Buchstaben-Kennzeichnung könnte auf eine systematische Archiv-Ordnung der (wichtigen) Archivalien des Klosters hinweisen. Diese war offenbar noch kurz vor Beginn der Reformation in Geltung: Wohl bereits unter dem Zeichen der heraufziehenden Bedrohung legte anfangs des 16. Jahrhunderts eine bekannte (jedoch namentlich nicht zu identifizierende) Schreiberin des Katharinen-Scriptoriums in einem schmalen, oblongen Heftchen (Ternio) ein Verzeichnis der Urkunden (brieff) des Konvents an.203 Darin sind unter anderem Jn dem namen gocz angezaichnet die frihait [die (von der Obrigkeit) erteilten Rechte, Privilegien]204 vnd Aplaß brieff [. . .], die schlossbrief [›Beschliessung‹: Einführung der Klausur; Anm. d. Verf.in], etc., nach ihrem Aufbewahrungsort (in der großen oder der minderen trucken205) eingeteilt, teilweise mit den bereits zitierten ›alten‹ Archiv-Signaturen vßwendig gezaichnet mit den buchstaben [. . .].206 4.2 Die Buchmeisterin Obwohl der Katharinen-Konvent im Besitz des ›Ämterbuchs‹ von Johannes Meyer war, wo dem wichtigen Amt der Buchmeisterin ein längerer Abschnitt gewidmet ist207 – welcher allein schon in seiner Ausführlichkeit die

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et spiritus sancti Ego :C: dei gratia sancti galli abbas vniversitati fidelium Salutem in domino [. . .] [ein unklares Wort] etc vnd ist disser brief vswendig o gezaichnet mit dem buchstaben: A. Ediert in Chartularium Sangallense 3 (1983), S. 162 f., Nr. 1152, nach StadtASG, Tr. C. 10. KlA Wil, Schwesternbuch, p. 28 [alte Foliierung f. xjv] am Rand moderner Nachtrag: 1488: [ein Emmissär erwirbt dem Konvent einen Ablassbrief von Papst Innozenz VIII .] [. . .] der brief vacht an vniuersis presentis literas ino spectanti [unklar] vnd ist vssen gezaichnet mit dem buchstagen [!] .z.z. [noch nicht ediert bei Chartularium Sangallense]. KlA Wil, A.II .a.3, Nr. 21; stammt nicht, wie vorne von P. B. G, 1905 verzeichnet, von der Hand der Regula Keller. Es ist anzunehmen, dass die Anlage dieses Verzeichnisses im Zeichen der heraufziehenden Bedrohung durch die Reformation stand. Grimm, DWB IV /1,1 (1878), Sp. 112 f., Nr. 8. Dies., DWB XI /1,2 (1952), Sp. 1233: Truhe, Kiste. Identisch mit den im Schwesternbuch angeführten sowie mit den auf den Original-Urkunden vermerkten Signaturen. Ü Ms. 5, f. 210va–214rb; im Katharinen-Kloster muss ein Exemplar des ›Ämterbuchs‹ vorhanden gewesen sein, von dem vor 1498 eine Abschrift für die Zoffinger Dominikanerinnen angefertigt wurde; diese ist erhalten (Ü Ms. 5), während das St. Galler Exemplar als verloren gelten muss.

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diesem Amt beigemessene Bedeutung unterstreicht –, und zudem auch vom Nürnberger Katharinen-Kloster, wo die diesbezüglichen Anleitungen Meyers direkt in die Praxis umgesetzt wurden,208 über die Organisation der Bibliothek in einem observanten Konvent unterrichtet wurde, scheinen sich die St. Galler Katharinen-Schwestern weitaus weniger um die Empfehlungen Meyers bekümmert zu haben, als die akribisch ihren Bücherschatz verwaltenden Nürnbergerinnen: Register zum Bücherbesitz im Sinne der Meyerschen Vorgaben scheinen nicht angelegt worden zu sein, wie die doch sehr improvisiert und nachlässig in die Chronik eingetragenen summarischen Bestandesaufnahmen schliessen lassen. Auch das Amt einer Buchmeisterin, die von Hasebrink als »die herausragende Person klösterlicher Bildung« bezeichnet wird,209 ist in der Chronik nie erwähnt; dennoch geht Hardegger davon aus, dass der Konvent mit Gewissheit über eine eigene Buchmeisterin verfügt habe.210 Einziger Beleg hierfür ist ein eigenhändiger Brief der Regula Keller, in welchem sie sich namentlich nennt: ich schwester regel kellerin kloster frow zuo sant katrinen in sant gallen [. . .] ich bin buoch meisterin.211 Von Cordula von Schönau lässt sich nur vermuten, dass sie im St. Galler Konvent eine Zeit lang das Amt der Buchmeisterin innegehabt haben könnte, da sie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in zahlreichen Codices der Katharinen-Bibliothek Besitzeinträge des Klosters anbrachte.212 Zum Amt der Buchmeisterin gehörte nicht nur das Führen von Registern über den Bücherbestand, auch über die innerhalb des Klosters an einzelne Schwestern sowie über die an befreundete Klöster entliehenen Bücher, sondern auch die Sorge dafür, dass die Bücher mit dem Besitzeintrag des Klosters sowie mit einem Conspectus versehen wurden:

208 Vgl. Ruf, MBK III /3 (1939), S. 598 f.; dass im Nürnberger Bibliothekskatalog die Signaturbuchstaben durchweg andere Fächer bezeichnen als von Meyer im ›Ämterbuch‹ vorgesehen (mit Ausnahme des Fachs ›A‹ für Bibeln), lag vermutlich daran, dass diese Fächereinteilung für den reichen Bücherbestand der Nürnbergerinnen nicht ausreichte. 209 Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 215. 210 Hardegger, Die Frauen zu St. Katharina (1885), S. 11; (wie stets a. a. O.) ohne Quellenangabe. 211 Cod. sang. 991, als Fragment auf dem vorderen Spiegel eingeklebt; zu Regula Keller siehe Kap. II .3. 2. 11. 212 Cod. sang. 406, Cod. sang. 1869, Cod. sang. 1916 (?), Wil M 3, Wil M 4, Wil M 13 [siehe CMD−CH III (1991), Abb. 468], Wil M VI , Wil M VII ; siehe auch Kap. II .3.2.9: Cordula von Schönau.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters o

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Jtem die buch may¨sterin soll och guten fliss haben[,] das nach ordnung der e priorin die bucher wol gebessrat vnd corrigiert werden vnd och geregistriert vnd gebunden vnd geczaichnet[,] Die sy¨ bedurffent[,] vnd das man in ain y¨etlichs o o buch schriben sig andem anfang oder an das end welcherlay¨ als in dem buch ist e jn sollicher form als[:] in disser volumen ist dess ersten die legent v´nsers hailgen vatters S a n t D o m i n i c u s [,] Das ander die legent S a n t p e t t e r s dess martres o [. . .] etc. vnd also y¨emer me also vil der matterien an ainem y¨etlichen buch sind[;] o o o vnd vff das selb buch schrib man welches closters die buch sind also[:] diss buch e o o o ist der schwostren dess closters czu S a n t k a t h e r i n a czu czoffingen czu c o s t e n c z p r e d i g e r orden [. . .].213

Die erhaltenen Codices der Katharinen-Bibliothek tragen, abgesehen von zwei Ausnahmen, keine Spuren zeitgenössischer Buchsignaturen.214 Grundsätzlich ist nicht auszuschliessen, dass solche auf den Buchrücken angebrachte Signaturen-Schildchen sich im Lauf der Überlieferung ablösten oder entfernt wurden; allerdings finden bereits in den zeitgenössischen Bücherverzeichnissen etwaige Signaturen keine Erwähnung. Hingegen sind die Codices mit Besitzeinträgen des Klosters sowie vereinzelt auch mit einem kurzen Conspectus versehen worden: Der Grossteil der Bände trägt vorne (VD , vorderes Spiegelblatt oder erstes Folium), ganz selten am Schluss (Hinterdeckel oder letztes Folium)215 den zeitgenössischen Besitzeintrag des Klosters von einer (namentlich nicht zu identifizierenden Hand des 15. Jahrhunderts: Das buoch gehörtt in das closter zuo Sant katherinen zuo Sant gallen prediger ordens. Unter dem zeitgenössischen Vermerk folgt zumeist ein weiterer Eintrag einer (ebenfalls namentlich nicht bekannten Hand) des 17. Jahrhunderts: Behört in St. Catharina Closter vor Weyl, welcher nach der Übersiedlung des Konvents nach Wil angebracht wurde. In mehreren Bänden, die nachweislich aus Scriptorium und/oder Bibliothek der Katharinen-Schwestern stammen, jedoch während der Reformationswirren in umliegende Schwesternhäuser, vorwiegend dasjenige der Benediktinerinnen zu St. Georgen, ausgelagert wurden,216 wurde der ursprüngliche Besitzeintrag des Katharinen-Klosters herausgeschnitten/-getrennt oder durch Überschreiben respektive Durchstreichung unleserlich gemacht und durch einen Eintrag des fremden, ›beherbergenden‹ Konvents ersetzt, 213 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 212va–212vb; vgl. zum Beispiel den Besitzvermerk von der Hand der Cordula von Schönau in der Zoffinger Handschrift Ü Ms. 29, f. 2r. 214 Siehe oben S. 161. 215 Cod. sang. 477, Cod. sang. 1914. 216 Zur Auslagerung siehe den Brief der Buchmeisterin Regula Keller an die Mutter des Schwesternhauses Appenzell, siehe unten im Text.

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z. B. Das buch gehörtt den Schwestern zu S. Jörgen Sanctt Benedicttus orden; dies jedoch erst im 17. Jahrhundert bei jenen Codices, die (aus unbekannten Gründen) nicht repatriiert worden waren.217 In einigen Fällen wurden Besitzvermerke bereits zeitgenössisch herausgeschnitten (Cod. sang. 1854, Cod. sang. 1954); mit weiteren Verlusten bei späteren Restaurierungen ist zu rechnen (zum Beispiel bei Wil M 8, restauriert 1989). Davon, dass Besitzeinträge prinzipiell ›gefährdet‹ waren, zeugen Bände, in denen Fragmente zeitgenössischer Besitzeinträge in Codices eingeklebt oder eingenäht sind (Cod. sang. 1905, Cod. sang. 1915, Wil M 41). Neben den rein bibliothekarisch-administrativen Aufgaben sollte die Buchmeisterin auch guoten fliss haben[,] das man hab vnd gewinn manger hand buecher vnd matterien.218 Mit ›gewinnen‹ (erwerben, anschaffen) könnte unter anderem auch das Beschaffen von Büchern gemeint sein, die man leihweise von anderen Konventen als Vorlagen für Abschriften erhielt. Erste Pflicht der Buchmeisterin war selbstredend ihre konservatorische Aufgabe: Bereits Johannes Meyer forderte von der Buchmeisterin, dafür zu sorgen, dass die Bücher der Klosterbibliothek wol vnd on schaden behuet werden. Diese Forderung gewann in der Zeit der Reformationswirren eine besondere Dringlichkeit, da die Bedrohung durch den Bildersturm eine grosse Gefahr für die Klosterbibliotheken bedeutete; zahlreichen widerfuhr das Schicksal der Versprengung oder gar der Zerstörung. Die einzige namentlich bekannte Buchmeisterin des St. Galler Katharinen-Klosters, Regula Keller, erwarb sich hier unschätzbare Verdienste für die Nachwelt: Ihrer Umsicht und ihrer Tatkraft ist es zu verdanken, dass das Corpus der historischen Handschriften der Katharinen-Bibliothek vergleichsweise ›geschlossen‹ erhalten blieb, wenngleich auch in diesem Fall überlieferungsbedingte Verluste zu verzeichnen sind. Ein Brief von der Hand Regulas, den sie einer Sendung von zur Auslagerung bestimmten Büchern beifügte, legt Zeugnis ab von ihrem beherzten Engagement: o

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[. . .] andechtige lieby¨ mutter in dem schwoster hus zu apenzel[:]219 ich schwester o Regel Kellerin[,] kloster frow zu sant katrinen [!] in sant gallen stat[,] schik [!] 217 Siehe im ›Katalog der Handschriften‹ bei Cod. sang. 491, Cod. sang. 507, Cod. sang. 510, Cod. sang. 1066. 218 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f 213ra. Zu ›gewinnen‹ vgl. Grimm, DWB IV /1,3 (1898), Sp. 5946–5948. 219 Gemeint ist das Schwesternhaus Wonnenstein (gemäss Teufen AR [seit 1870 Exklave AI ]), vgl. HS IX /2, (1995), Art. ›Wonnenstein‹ (Magdalen BlessGrabher), S. 173–182. Die Tertiarinnen zu Wonnenstein schrieben selbst Bücher ab (erhaltene Handschriften: Cod. sang. 972a, Cod. sang. 973, Cod. sang.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters e

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üch czwey¨ bucher[,] eins heist dz baradiß der sel oder dz tugend buch[,] dz ander die geistlich gmachelschaft [!] der sel mit gott[;] vnd ist dz die vrsach[:] es o e ist vmerdar [wohl sic] etwas vnru by¨ vns[,] dz wir musend sorgen dz wir glicht vmb soliche ding komind[;] dar vmb so lich ich u´chs[,] dz ir dar in lesind vnd sy¨ o bruchind zu nutz vwren [wohl sic] sele[n] [. . .] vnd bit u´ch dar by¨ ir wellend schaffen[,] dz sy¨ suber gehan werdind vnd daz mans niemand in vnsrem kloster sag[,] dz ich u´chs gelichen hab[;] es weist [!] niemant nu´t drum dan [ausser] o schwester Katrin220 [. . .] legend dz brieffly¨ in dz ein buch[,] ob etwar vnder u´ch e sturb[,] dz man wusty¨ war die bucher hortind[,] vnd bittend got fur vns [. . .].221

Beim ›Buch der Gemahelschaft‹ handelt es sich um dieselbe Handschrift, welche heute den zitierten Brief Regula Kellers überliefert (Cod. sang. 991). Der Band trägt keinen zeitgenössischen Besitzeintrag mehr, weder des Katharinen-Klosters noch des Klosters Wonnenstein, lediglich einen späteren Besitzvermerk des 18. Jahrhunderts von Pater Pius Kolb, der den Codex zusammen mit vier weiteren Bänden 1782 für das Stift St. Gallen akquirierte.222 Offenbar war die Handschrift in Wonnenstein verblieben und fand nicht in den Bestand des Katharinen-Konvents im Exil auf dem Nollenberg (ab 1561) resp. des Nachfolgeklosters St. Katharina in Wil (ab 1607) zurück. Nicht erhalten ist das im Brief genannte ›Paradies der Seele‹; dies war, nach einer Übersetzung ins Deutsche durch Johannes Scherl, 1497 abgeschrieben und im folgenden Jahr gebunden worden.223 Die briefliche

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976 [schriberin], Cod. sang. 977 [Provenienz teilweise Wonnenstein, teilweise Schwesternhaus St. Leonhard (SG Stadt)]), und verfügten (mit über 100 Bänden) über eine relativ umfangreiche Bibliothek, von deren Bestand ein Verzeichnis von 1498 Zeugnis ablegt, »das zugleich einen der ältesten erhaltenen Bücherkataloge von ausschließlich deutschen Büchern darstellt« (a. a. O., S. 175; das Verzeichnis in Cod. sang. 973, S. 1–9), die Handschrift war 1782 von P. Nepomuk Hauntinger für das Stift St. Gallen angekauft worden, gemäss Vermerk auf S. 12 der Handschrift: liber Monasterij S. galli. 1782. Die 11. Februarij cum 4. aliis mss. emtus; die vier weiteren Handschriften sind Cod. sang. 972a, Cod. sang. 976, Cod. sang. 977 und Cod. sang. 991, vgl. auch im Akquisitionskatalog Cod. sang. 1285, S. 11 f.; zu Cod. sang. 973 CMD−CH III (1991), Nr. 231 (mit weiterer Lit.), Abb. 496; Muschg, Mystik (1935), S. 366 f. Katherina Täschler, vgl. auch KlA Wil, A.I.9, Nr. 19; Vogler, St. Katharina (1938), S. 159, S. 188, S. 196, S. 198 ff., S. 222 f. Cod. sang. 991, p. 2; siehe auch Kap. II .3.2.12: Regula Keller. Cod. sang. 972a, Cod. sang. 973, Cod. sang. 976, Cod. sang. 977, gemäss Cod. sang. 973, p. 12. KlA Wil, Chronik, f. 80r, zum Jahr 1497; Vogler, St. Katharina (1938), S. 267, Nr. 257 (als »nicht mehr vorhanden« angezeigt), mit Verweis auf KlA Wil,

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Erwähnung dieser Handschrift ist ihr letzter Beleg; danach verliert sich die Spur.224 Auf ähnliche Weise wird das vermutlich ebenfalls dem Engagement der Regula Keller zu verdankende St. Georgener Exil weiterer Codices zustande gekommen sein: Darauf verweisen die Besitzeinträge der Benediktinerinnen zuo sanntt Jörgen in den Predigthandschriften Cod. sang. 1066 und Wil M 47. Neben diesen ›wertvollen‹ Büchern befanden sich auch zwei ›bescheidenere‹ Gebetbüchlein (Cod. sang. 507 und Cod. sang. 510) eine Zeit lang am selben Ort – vielleicht auch weitere, von denen wir keine Kenntnis haben.

5 Nutzung der Bibliothek 5.1 Bücher für die Tischlesung Bedeutung der Tischlesung: Die Tischlesung stellte ein Grundelement der monastischen Lebensführung dar. Ihre Bedeutung erhellt sich aus dem übergeordneten Sinngehalt der Vita communis, in welcher das gemeinsame Chorgebet und die Tischgemeinschaft gegen die Auflösung im Einzelgängertum steht. Als ein Zentrum der alltäglichen klösterlichen Lebenspraxis und Ausdruck einer ›kollektiven Rezeptionskultur‹ war die Tischlesung unverändert über die Jahrhunderte gepflegt, ihre regelgemässe Ausführung stets betont und gefordert worden.225 Für die Zeit vor der Reform bleiben Chronik, f. 83r, zum Jahr 1498. Dieser Eintrag ist syntaktisch unklar, wohl daher von Vogler irrtümlich auf das Schreiben dieser Handschrift bezogen (der eigentliche Schreibeintrag a. a. O., f. 80r, zum Jahr 1497, von Vogler, a. a. O. nicht erwähnt, übersehen?), es muss jedoch das Binden der Handschrift gemeint sein, vgl. KlA Wil, Chronik, a. a. O.: Jtem wir hand [. . .] dz o meß buch gerobriciert vnd in lon binden vnd [Verschrieb?] dz baradis der sel, [. . .]. Scherl hatte das Kloster im Herbst 1496 verlassen (siehe hier Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 36, Anm. 43), könnte aber die Übersetzung, die dann nachträglich abgeschrieben wurde, noch zuvor angefertigt haben. 224 1525 war es auch in Teufen zum Bildersturm gekommen [HS IX /2 (1995), S. 78]; dieser muss jedoch nicht zwingend der Handschrift zum Verhängnis geworden sein, da ja weitere dorthin ausgelagerte Handschriften erhalten blieben. 225 Bereits in der Augustinusregel finden sich entsprechende Bestimmungen: ne sole vobis fauces sumant cibum: sed aures esuriant verbum dei. AOP II (1895/1896), S. 616; vgl. in der deutschen Übersetzung der Regel-Auslegung durch Humbertus de Romanis, A. 16, f. 103v–104r: Cum acceditis ad mensam

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

mangels Quellen diesbezügliche Vorschriften wie auch die konkrete Praxis weitgehend im Dunkeln.226 Mit dem Einsetzen der Observanzbewegung wurde der Tischlesung verstärkt Bedeutung beigemessen: Im Zuge der Rückbesinnung auf die Gründungsideale der Orden sollte sie wieder an ihre ehemals zentrale Stellung bei den Konstituenten des monastischen Lebens herangeführt werden. Bei der praktischen Durchsetzung des Observanzgedankens bildete die Institution der Tischlesung einen Eckpfeiler des Reformgebäudes: Stets betonten die Ordensreformer die Bedeutung der Lesungen für die Schwestern bei Tisch, da von denn die schwoestren in gaistlichem leben czuo nemint.227 Folgerichtig setzte dann für die observanten Dominikanerinnenklöster die Überlieferung von Quellen ein, in denen die Tischlesung Gegenstand detaillierter Anweisungen ist:228 so im ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer, in der Ordinatio (vom 20. Januar 1429) des Generalministers Bartholomäus Texerius229 für St. Katharina Nürnberg230 sowie in einer »kurcze[n] ler von dem tißlesen«.231 Auch in der deutschen Bearbei-

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etc. [. . .] das nit allain die oren die speiß nement. sunder auch die oren das wort gotes entpfachent [. . .]. – Der hohe Organisationsgrad der Tischlesung (siehe unten) erklärt sich auch daraus, dass sie institutionell gefordert wurde. Ausser in den ›Constitutiones sororum‹ des Humbertus de Romanis sind keine weiteren Anweisungen oder Gewohnheiten bekannt: Mothon, Humbertus a Romanis, Liber Constitutionum Sororum Ordinis Praedicatorum, in: AOP III , Fasc. IV (1897/1898), S. 338–348, hier cap. V , S. 340. Johannes Meyer, ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 136rb–136va; siehe auch a. a. O. Kapitel ›Lectrix mensae‹, f. 227va–229ra, und ›Correctrix mensae‹, f. 229ra–231ra. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 194; aufgrund des Befundes der Quellenlage spricht dies., a. a. O., von einer »Neu- und Aufwertung« der Tischlesung, ähnlich dem Kapiteloffizium. Geboren in Draguignan (Provence), 1403 mag. stud. in Montpellier, 1413 Mag. theol. und Regens im Dominikanerkonvent Aix-en-Provence; 1418 Provinzial der Ordensprovinz Provence; 1426 bis zu seinem Tod 1449 Generalminister OP ; tatkräftiger Förderer der Ordensreform. VL 2 9 (1995), Sp. 733 f. (Volker Honemann, a. a. O.: »Texery«); Kaeppeli, Scriptores (1970), S. 169 (a. a. O.: »Texerii«)–171 (Lit.), hier S. 170, Nr. 457; HS IV /5 (1999) »Texerius (Texier)«. Edition bei von Kern, Reformation Nürnberg (1863), S. 1–20 (hier S. 16–20), nach der Handschrift StB Nürnberg, Cod. Amb. 67, f. 33r–36v, aus dem Nürnberger Katharinen-Kloster: Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 428 f.; zur Ordinatio vgl. auch Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 200. Katalog des Nürnberger Katharinen-Klosters 1455–14[57], StB Nürnberg Cod. Cent. VII 79, f. 110r, zitiert nach Ruf, MBK III /3 (1939), S. 611, Z. 15, Handschrift heute wohl verloren; Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 202, Anm. 40: »[Handschrift] (noch) nicht identifiziert«.

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tung der ›Expositio in regulam Augustinianam‹ des Humbertus de Romanis wird die Bedeutung der Tischlesung für Klosterfrauen betont.232 Entsprechend der monastischen Tradition »wurden in den Dominikanerinnenklöstern regelmässig zu allen Gelegenheiten, bei denen sich die Schwestern im Refektorium versammelten, Lesungen abgehalten«.233 In der Ordinatio des Bartholomäus Texerius (nicht jedoch in der Regel oder den Konstitutionen) findet sich zudem eine Anweisung für jene Schwestern, welche durch die (wöchentlich wechselnde) Verrichtung des Tischdienstes nicht an den Gemeinschaftsmahlzeiten teilnehmen konnten: »des geleich sol man auch zu tysch lesen den swestren, die ausser dem refender [Refektorium] essen«.234 Für diese existierte in der Praxis der Nürnberger Dominikanerinnen der nach tisch. Belegt ist, dass die Nürnberger Priorin ihre Amtskollegin in St. Gallen von dieser Praxis unterrichtete, jedoch nicht, ob jene sie auch umsetzte.235 Dasselbe gilt für die als Möglichkeit, jedoch nicht als institutionalisierte Einrichtung erscheinenden ›Lesungen‹ im Werkhaus: In der Ordinatio des Texerius heisst es: so sullen do selbst in dem arbeit hausz gelesen werden vigily mit IX leczen von den, die dar zu gnad haben, und die ander all sweigen.236 Ein Eintrag im St. Galler Schwesternbuch zeigt, dass die St. Galler Schwestern von den Nürnbergerinnen über diese ›Gewohnheit‹, welche die Einhaltung des Schweigegebots fördern sollte, unterrichtet wurden; gemäss diesem Eintrag wurden (im Nürnberger Katharinen-Kloster) nicht Lesungen vorgetragen, sondern das lateinische Totenamt (vigily) mit neun 232 Vgl. Wil A.16, f. 54rv; das Kapitel über die Tischlesung f. 103v–106v, figuriert o doppelt im Register (Lesen soll man zu tisch, respektive Gotz wort soll man o zu tisch lesen), es handelt vor allem vom allgemeinen Ablauf der Mahlzeiten im refental; a. a. O. nichts konkret zum Inhalt der Tischlesung, nichts von einer Correctrix, nichts von einem ›Nachtisch‹ (siehe unten, Anm. 235). Zur deutschen Bearbeitung der Regelauslegung siehe auch Kap. III .5.2: Bücher für die private Andacht. 233 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 176. 234 von Kern, Reformation (1863), S. 19, zitiert nach Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 176 f., Anm. 559. 235 Vgl. Johannes Meyer, ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 226rb von dem ampt dess andren tischs, f. 227rb der ander tisch oder nach tisch. – Gemäss KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxijr, setzten die Nürnberger Dominikanerinnen die Anweisung des Texerius um. Die Lesungen beim nach tisch wurden von der Schwester, welche in der Woche zuvor das Amt der Tischleserin im Refektorium versehen hatte, vorgetragen (a. a. O.). 236 von Kern, Reformation (1863), S. 20; zitiert nach Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 208; siehe auch a. a. O., S. 207–211.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

lateinische Lectiones (vssen, das heisst auswendig) gebetet.237 Weitere Quellen, denen zufolge die St. Galler Dominikanerinnen sich diesem Brauch angeschlossen hätten, existieren nicht. Die angeführten Quellen, in denen Richtlinien für die Tischlesung niedergelegt sind, zeugen zwar von deren hervorgehobener Stellung; in der Frage ihrer Umsetzung ist jedoch der Rückgriff auf Tischlesungspläne, wie diejenigen des Nürnberger Katharinen-Klosters, welche die Rekonstruktion eines detaillierten Lektüreplans für einen Jahreszyklus ermöglichen, unumgänglich. Ausführung der Tischlesung: Die Anweisungen zur Tischlesung, die aus im Umfeld von Frauenklöstern entstandenen Quellen des 15. Jahrhunderts bekannt sind, orientieren sich, gemäss Ehrenschwendtner,238 an den Richtlinien, die Humbertus de Romanis in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in seinen ›Instructiones de officio ordinis‹ für seine Mitbrüder festgelegt hatte. Von deren Gültigkeit im 15. Jahrhundert im männlichen Zweig zeugt ein zeitgenössischer Novizentraktat aus dem Dominikanerorden, der auf diese Bestimmungen Bezug nimmt.239 Ob die Angleichung der Verfahrensweisen im 1. und 2. Orden Frucht der Reformen des 15. Jahrhunderts war oder schon zuvor allmählich stattfand, muss (mangels Quellen für die Zeit vor der Reform) offen bleiben. Mit dem Vorlesen bei Tisch war, entsprechend dem Lector mensae bei den Brüdern, die Inhaberin eines eigenen Amtes befasst: die Lectrix mensae.240 Die tisch lesserin241 wechselte wöchentlich, und offenbar war keine (Chor-)Schwester von diesem Amt ausgenommen, ausser die Inhaberinnen der höheren Ämter im Konvent.242 Die Lectrix hatte allgemein Sorge zu tragen für die zur Tischlesung herangezogenen Bücher243 und hatte für ihren Vortrag detaillierte Anweisungen zu beachten, was einmal mehr die Bedeutung unterstreicht, welche der Tischlesung beigemessen wurde: Sie soll das Vorgetragene deutlich artikulieren, dem Sinn entsprechende Pausen einhal237 KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxvr: die vigily mit nu´n letzen wurden von Schwestern gebetet, welche sie vssen [auswendig] konnten. 238 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 179. 239 Raymond Creytens, L’instruction des novices Dominicains a` la fin du XV e sie`cle, in: AFP 22 (1952), S. 201–225; S. 216–217. 240 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 227va–229ra. 241 A. a. O., f. 227va. 242 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 177. 243 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 228vb–229ra.

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ten, ihre Stimme der Bedeutung der Satzaussage folgend heben oder senken, etc.244 Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, soll sie ihren Vortrag gut vorbereiten, won grosser trost der schwoestren lit daran.245 Und wenn sy¨ haut czwiffel [bei der Vorbereitung der Lesung] [. . .] So soll sy¨ ain czuo flucht nemen czuo den schwoestren die soelliches woll kunnent vnd verstandent vnd besunder czuo der corectricen, die auch während des Vortrags bei Tisch ihr zur Seite sass. Im St. Galler Schwesternbuch wird die Correctrix in mensa, gemäss einem Nürnberger Bericht, offenbar mit der Buchmeisterin gleichgesetzt, wenn es im Abschnitt Von dem tisch lesen heisst: Die S r[,] die buoch maistrin ist[,] die sitz by der leserin[;] Wo sy nit recht list dz sy ir dz sag.246 Die Correctrix sollte nicht nur über das einwandfreie Vortragen der Leserin wachen,247 sondern auch die obren manen Das sy¨ die buecher des closters[,] aller maist daran man cze tisch lisset[,] gar wol lassent corigieren[,] punctieren vnd versiculieren.248 Auch die Auswahl der bei Tisch verlesenen Texte fiel hauptsächlich in den Bereich ihrer Zuständigkeit (und nicht etwa in den der Lectrix).249 Daneben sollte auch die Subpriorin, mit raut der priorin,250 Einfluss nehmen auf die inhaltliche Gestaltung der Tischlektüre und insbesondere für die regelmässige Lesung von Stücken aus den Regularien Sorge tragen.251 Rückschlüsse auf die konkrete Praxis der Tischlesung, was Inhalt und Sprache betrifft, ermöglichen zwei erhaltene Verzeichnisse der für die Tischlesung verwendeten Bücher, angelegt von den Nürnberger Dominikanerinnen nach Einführung der Observanz:252 Jtem diß ist der notel, wie man sol / 244 A. a. O., f. 228rb; siehe unten am konkreten Beispiel von Cod. sang. 363 und dessen Abschrift in Ü Ms. 16. 245 A. a. O., f. 227va. Sorgfältige Vorbereitung der Tischlesung ist z. B. nachgewiesen für das Kloster Tegernsee: Hermann Hauke, Die Tischlesung im Kloster Tegernsee im 15. Jh. nach dem Zeugnis seiner Handschriften, in: SMGB 83 (1972), S. 220–228. 246 KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxvijxv. 247 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 230rb–231ra. 248 A. a. O., f. 229rb. 249 A. a. O., f. 229rb–230vb; die Lektüreempfehlungen Johannes Meyers finden sich in diesem Abschnitt, nicht im Kapitel von der tisch lesserin. 250 A. a. O., f. 229rb, vgl. auch f. 127ra–127rb. 251 A. a. O., f. 136ra–136va. 252 Das ›Lesamtbüchlein‹ (1429–1431), StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 25, f. 1v–48r, Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 306, Ruf, MBK III /3 (1939), S. 638–650; ›Anweisung für die Tischlesung‹ (1455–1457), StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 3r–87r, Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 394 f., Ruf, MBK III /3 (1939), S. 650–670.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

zu tisch leßen; diß mag man / also halten oder mag es anders ordnen, und: Jtem diß ist der notel, wie man sol zu tisch [. . .] lesen durch das gancz ior.253 Aus dem St. Galler Katharinen-Kloster ist leider kein eigener Tischlesungskatalog überliefert, eventuell nicht einmal angelegt worden. Dass die St. Galler Dominikanerinnen Tischlesungen durchführten, belegen die beiden Bücherverzeichnisse in der Chronik, wo 1507 76 (!) buecher die man ze tisch an liset verzeichnet sind, sowie jene erhaltenen Handschriften, welche ganz offensichtlich für das Vorlesen bei Tisch redigiert worden sind.254 Die Frage, ob im 15. Jahrhundert die Tischlesungen in lateinischer oder in deutscher Sprache vorgetragen wurden, stellt sich umso mehr, als ja schon die detaillierten Ausführungen für den Vortrag der Lectrix zeigen, dass auf aufmerksames Zuhören und Nachvollziehen des Stoffes grösster Wert gelegt wurde: Schon die Sprache konnte darüber entscheiden, ob alle Zuhörerinnen oder nur ein Teil von ihnen das Vorgetragene auch intellektuell verstehen konnte.255 Johannes Meyer macht im ›Ämterbuch‹ keine Angaben, in welcher Sprache die Tischlesungen abgehalten werden (sollen): Dies erklärt sich daraus, dass er sich diesbezüglich inhaltlich sehr eng an seine Vorlage, den ›Liber de officiis ordinis‹ des Humbertus de Romanis, anlehnt, der für Dominikaner konzipiert war, welchen die Lesungen bei Tisch (selbstverständlich) in lateinischer Sprache abgehalten wurden. In der Ordinatio des Bartholomäus Texerius für die Nürnberger Dominikanerinnen heisst es bezüglich der Sprachfrage: so wil ich, dz ir all zeit in dem refenter, wenn man da ysset oder collacion [das heisst das abendliche Getränk an Fastentagen, Anm. d. Verf.in] trinckt, ze tisch lest des morgens teütsch und ze abent einen teil latein und den andern ze teütsch.256 Dem würde entsprechen, was die beiden vom Konvent eigens angelegten Verzeichnisse über die bei der Tischlesung herangezogenen Bücher an Aufschluss gewähren:257 Die Angaben im frü253 Cod. Cent. VII 25, f. 1v; Cod. Cent. VII 79, f. 2v; beide Incipits zitiert nach Ruf, MBK III /3 (1939), S. 639 und S. 651. 254 KlA Wil, Chronik, f. 111v, zu den Handschriften siehe unten im Text. 255 Grundsätzlich zur Sprachproblematik Deutsch – Latein vgl. Ochsenbein, Latein und Deutsch (1988), S. 42–51; siehe Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 72 f. Vgl. auch KlA Wil, Schwesternbuch, f. Cxxxviijr: Die Nürnberger o Priorin hatte ein Verbot erlassen, nit tu´tzschi lieder zu singend, weder gaistlichi noch weltlich, demnach wurde in Nürnberg am Latein als Sprache des Gesangs festgehalten. Siehe auch Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 165. 256 von Kern, Reformation Nürnberg (1863), S. 19, zitiert nach Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 181, mit Anm. 581. 257 1. Verzeichnis: Ruf, MBK III /3 (1939), S. 638–650, nach StB Nürnberg, Cod.

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heren Nürnberger Tischlesungskatalog (1429–1431) sind vage; es scheinen aber, gemäss den (nicht konsequent angegebenen) Incipits, deutsche und lateinische Lesungen vorgesehen gewesen zu sein.258 Die spätere Anweisung zur Tischlesung (1455–14[57]) bietet zwar systematischere Angaben, führt jedoch keine Incipits an. Da sich der St. Galler Konvent auch sonst am Nürnberger Vorbild orientierte, erscheint es denkbar, dass die von Texerius angemahnte Form der Tischlektüre in derselben Weise auch im St. Galler Katharinen-Kloster praktiziert wurde, wenngleich, was die Durchführung der Tischlesung dort betrifft, weder das Schwesternbuch noch die Chronik hierzu explizite Angaben enthalten. Allerdings ist im St. Galler Bücherverzeichnis von 1507 die Rede von tu´sche [deutsche] buecher die man ze tisch an liset geschriben vnd truckt [. . .] der sind lxxvj.259 Im Verzeichnis von 1484 sind nur mengerlay¨ geschikt die man ze tisch list genannt, ohne Angabe der Sprache.260 Die Basis der erhaltenen, (mit einiger Wahrscheinlichkeit) zur Tischlesung verwendeten Katharinen-Handschriften ist zu schmal, um Rückschlüsse auf die Sprache, in der die Lesungen vorgetragen wurden, zu wagen.261 Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der St. Galler KatharinenKonvent keinen Sonderweg wählte, sondern, wie andere Frauenklöster, eine allgemeine Tendenz widerspiegelte. Diese ist von Ehrenschwendtner be-

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Cent. VII 25, ›Lesamtbüchlein‹, f. 1v–48r: Anweisungen für die Tischlesungen 1429–1431 (ohne Signaturen, verweist nur auf Aussehen der Bücher oder auf Besitzerinnen, daher später als unzulänglich betrachtet), mit Nachträgen weit darüber hinaus, Haupthand Sr. Elsbeth Karlin (Schneider, Handschriften Nürnberg [1965], S. 306) aus dem Kloster Schönensteinbach; 2. Verzeichnis: Ruf, MBK III /3 (1939), S. 650–670, nach StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 2v–87r: Anweisung für die Tischlesungen 1455–14[57], mit Signaturen, die sich auf den Bibliothekskatalog von 1455–145[7] beziehen (Ruf, MBK III /3 [1939], S. 596–638, nach StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 88r–167v). Für das 2. Verzeichnis ist die Datierung 1455–1461 (Ruf, MBK III /3 [1939], S. 596, übernommen von Ehrenschwendtner) zu korrigieren: gemäss Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 395, ist Terminus ante quem, sowohl für die Anweisungen als auch für den Katalog, 1457, da die Schreiberin Kunigund Niklasin 1457 starb. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 181 f., urteilt – unzutreffenderweise – aufgrund der beiden Nürnberger Tischlesungsverzeichnisse, es seien dort »nur volkssprachliche Bücher aufgeführt«. KlA Wil, Chronik, f. 111v. A. a. O., f. 34v; aufgrund der nicht explizit gezogenen, aber zu vermutenden ›Grenze‹ zwischen lateinischen und deutschen Büchern – siehe die Auswertung des Verzeichnisses in Kap. III .1 – könnten auch hier volkssprachliche Bücher gemeint sein. Als gesichertes Beispiel vgl. Cod. sang. 363 (1. Teil), sowie Ü Ms. 16; s. u.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

treffend die Tischlesungen zum Abschluss ihrer Untersuchung verallgemeinernd festgehalten: »[D]er Befund legt nahe zu vermuten, dass eine allmähliche Entwicklung stattfand, an deren Ende sich das Deutsche als Sprache für die Tischlesungen durchsetzte, nachdem zu Beginn noch Latein die Regel gewesen war.«262 Was die Frage nach den bei Tisch vorgelesenen Texten betrifft,263 so ist aufgrund der beiden Nürnberger Tischlesungskataloge zunächst allgemein ein »konsequente[s] Festhalten am liturgischen Kalender« zu vermerken:264 Die Anknüpfung an den Rhythmus des Kirchenjahres macht deutlich, dass die Tischlesung nicht zuletzt der Vertiefung der Andacht der Schwestern diente, mit dem, was sie entsprechend dem Tagesanlass in der Konventsmesse erlebten.265 Dieses Ineinandergreifen von Tischlesung und gottesdienstlichem Geschehen widerspiegelt sich auch im Eintrag Von dem tisch lesen im St. Galler Schwesternbuch: An den Sonntagen, an denen die Nürnberger Schwestern allwöchentlich das Sakrament empfingen, war die Lesung ebenfalls diesem Thema gewidmet; es folgten dz ampt der mess von dem gegenwirtigen Sunentag mit der eppistel vnd ewangelium vnd die vslegung des ewangelium,266 das heisst dem Tagesanlass entsprechende Stücke aus Episteln und Evangelien sowie deren Auslegung. Am Beispiel des Nürnberger Katharinen-Klosters hat Hasebrink herausgearbeitet, dass zur Tischlesung Texte herangezogen wurden, »die in exegetischer, explizierender oder narrativer Form die Konzeption des klösterlichen Lebens ausgestalteten«: In der Tischlesung würden »[d]ie kommunikativ unterschiedli262 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 184. Zum Stellenwert des Lateinischen bei den St. Galler Dominikanerinnen siehe Kap. II .3.1.3: Die Latein-Frage, S. 72 ff. 263 Das Nürnberger Verzeichnis listet 53 Handschriften aus einem weit über 300 Bände umfassenden Bestand auf; in dieser Reduktion wird das Rezeptionsinteresse der Nürnberger Dominikanerinnen fassbar. So gemäss Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 204, mit Verweis auf Ruf, MBK III /3 (1939), S. 599: bei Hasebrink unklar, aufgrund von welchem der beiden Tischlesungsverzeichnisse; Ruf, a. a. O., Einleitung zum Bibliothekskatalog von 1455–14[57], verweist auf Nr. 118, also auf das ältere Verzeichnis ohne Signatur-Angaben; »53 Handschriften« auch bei dems., a. a. O., der allerdings von einem Grundstock von rund 200 Büchern ausging. 264 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 202. 265 Siehe a. a. O., S. 193; Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 188 f., spricht von der »liturgische[n] Konnotation« der Rezeptionssituation der Tischlesung: »sie vollzieht ein Moment der Lebenspraxis, deren Verständnis durch sie gedeutet und vertieft werden soll«. 266 KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxvijv.

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chen Einzelleistungen von Predigt, Exposition und Exemplum [. . .] zu einem integralen Bildungsprozess [gebündelt], der in umfassender Weise religiöse Zielvorgaben, theologische Herleitung, spirituelle Ausrichtung und paradigmatische Lebensvollzüge, aber zugleich auch rituelle Repräsentation und institutionelle Sicherung zusammenzuführen sucht«.267 Ehrenschwendtner hat in ihrer Studie, gestützt auf das frühere (1429– 1431) und das spätere (1455–14[57]) Nürnberger Verzeichnis sowie auf die einschlägigen Passagen im Schwesternbuch von St. Gallen – die ja auf (zu Beginn der 1480er Jahre geschriebenen) Briefen aus dem Nürnberger Konvent beruhen – eine erstaunliche Konstanz in der Auswahl der Tischlesungslektüre festgestellt.268 Doch die späteren Nachträge in den Verzeichnissen weisen immerhin auf eine Erweiterung und Umstellung des Repertoires hin. Solche Abänderungen erfolgten wohl zum Teil auch deshalb, weil weitere für die Tischlesung geeignete Bücher erst im Lauf der Jahre abgeschrieben oder auf andere Weise erworben wurden. Hasebrink hat vermutet, dass der Nürnberger Tischlesungskatalog »in Form einer offenen Liste« angelegt wurde, da immer wieder einzelne Tage zwar genannt werden, aber ohne Lektüreanweisung bleiben;269 ferner aufgrund der Ergänzungen sowohl der Anlagehand der Kunigund Niklasin als auch von späterer Hand. Deshalb scheine es, als schriebe das Verzeichnis nicht die genannten Texte verbindlich vor, sondern biete Optionen, unter denen ausgewählt werden könne.270 Als Stoff für die Tischlektüre kann, allgemein für observante Frauenklöster, allein das Verlesen von Regel und Konstitutionen als durch Quellen 267 Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 189 f. 268 Erstaunlich insofern, als aus dem auf über 500 Bände geschätzten Gesamtbestand regelmässig nur rund 50 Titel für die Tischlesung herangezogen wurden, obwohl Umfang und Vielfalt der Bibliothek eine grosse Varianz erlaubt hätten; vgl. Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), Einleitung S. XIV , sowie dies., Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 71; vgl. auch Hasebrink sowie MBK III /3 (beide wie Anm. 263), wo von einem Grundstock von über 300 (Hasebrink, offenbar in Unkenntnis der Studie von Schneider, 1983) respektive rund 200 Bänden ausgegangen wird. 269 Vgl. StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 15v, f. 31v, f. 33rv, f. 52v, f. 60v, f. 67v, f. 68v, f. 69v, u. a., nach Ruf, MBK III /3 (1939), S. 65–670. 270 Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 203; zur These von einer »offenen Liste« vgl. auch das Incipit der früheren Anweisung (1429–1431), Cod. Cent. VII 25, f. 1v: diß mag man / also halten oder mag es anders / ordnen. Es stet auch nit alles / eigentlich hie ynnen geschriben / was und wie man uber iar leßen / sol.

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abgesichert gelten.271 Der Rückgriff auf Regel, Konstitutionen und Ordinationen diente einmal mehr der Förderung der Vertrautheit der Nonnen mit den Normen, die den Rahmen des Klosterlebens abgaben. Die mittelalterlichen Tischlesungsverzeichnisse des Nürnberger Konvents lassen eine Zurückhaltung gegenüber mystischer Literatur sowie die Bevorzugung monastischer Legendenliteratur erkennen:272 Verlesen wurden neben biblischen Texten (Abschnitte aus den Evangelien und Episteln, aus dem Buch der ›Cantica canticorum‹) hauptsächlich Predigtsammlungen, Expositionen und Exempla. Lesungen von Regeltexten, die im ›Ämterbuch‹ als erstrangige Pflichtlektüre bei Tisch ausgewiesen werden, fanden nur in der Fastenzeit statt, hatten also im alltäglichen Klosterleben der Nürnberger Dominikanerinnen einen wesentlich geringeren Stellenwert.273 Das ›Ämterbuch‹, das gemäss seinem Verfasser cze minsten alle jar ainest den Schwestern im Refektorium vorgelesen werden sollte,274 wie auch das ›Buch der Reformacio‹, sind sogar ausdrücklich von der Tischlektüre ausgenommen, wie aus einem dem Briefwechsel mit Nürnberg entnommenen Exzerpt im St. Galler Schwesternbuch hervorgeht: dz ampt buoch vnd dz buoch der reformierung lesend sy nit zuo tisch[;] Sy habend suss vil guter bu´cher ze lesen.275 Aussergewöhnlich häufig wurde im Nürnberger Schwesternkon271 Dazu Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 186–189; Engler-Maurer, Regelbuch (1998), 4.3.2., Kapitel 3: Regelbücher als Tischlesungslektüre, S. 194– 197; für die Nürnberger Praxis Ruf, MBK III /3 (1939), S. 642, Z. 13 f., und S. 654, Z. 17–19; KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxvijr. 272 Der Nürnberger Tischlesungskatalog ist zudem ein gutes Beispiel, um zwischen Überlieferung und Rezeption, also dem Lektüre-Verhalten der Nonnen selbst, zu unterscheiden: St. Katharina Nürnberg besass Tauler- und EckhartHandschriften; der Name Eckhart fehlt allerdings im Bibliothekskatalog, und auch das Tischlesungsverzeichnis führt keine Eckhart-Predigt auf. Die Identifizierung von Eckhart-Predigten im Tischlesungskatalog scheint erst das Resultat philologischer Forschung zu sein; anders bei Tauler, der sowohl im Katalog als auch im Tischlesungsverzeichnis figuriert, wo seine Predigten fester Bestandteil der Tischlesung sind; vgl. Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 213. 273 Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 195 f.; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 189, mit Anm. 623; Ruf, MBK III /3 (1939), S. 642, S. 654. Mit den Tischlesungsverzeichnissen im Widerspruch steht der Abschnitt Vom tisch lesen im St. Galler Schwesternbuch, wonach im Nürnberger Konvent all monet die constitucion vnd all wochen die regel vorgelesen würden (a. a. O., f. Clxvijr). 274 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 229vb. 275 KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxvijv; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 206.

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vent das ›Rationale divinorum officiorum‹ des Guillelmus Durandus276 zur Tischlesung herangezogen, welches das Kloster in deutscher Übersetzung besass.277 Mit diesem Werk – die deutsche Übertragung gehörte zu den »Hauptwerken der deutschen Übersetzungsscholastik«278 –, das eine detaillierte Beschreibung und Interpretation der einzelnen Vorgänge in der Messliturgie des gesamten Kirchenjahres bot, stand den Schwestern eine Einführung in ein Gebiet zur Verfügung, das in der Regel Priestern vorbehalten war, für welche die Schrift auch ursprünglich zusammengestellt worden war. Das ›Rationale‹ figuriert in keinem der beiden Bücherverzeichnisse des St. Galler Konvents oder ist wenigstens nicht explizit genannt; es könnte allenfalls unter den Büchern für die Tischlesung subsumiert sein. Bei näherer Betrachtung widerspiegeln die beiden Tischlesungskataloge von St. Katharina Nürnberg also eine eigene, im Vergleich mit den Empfehlungen Johannes Meyers im ›Ämterbuch‹ schwerpunktmässig ganz anders gelagerte Tischlesungslektüre:279 Die Nürnberger Lesepläne zeigen »so einschneidende Abwandlungen, dass am Ende nur noch die Struktur dessen, was Meyer (im ›Ämterbuch‹) beschreibt, übrig blieb, die Texte jedoch völlig andere als die von Meyer (bzw. der Ordenstradition) vorgeschlagenen waren [. . .]«.280 Dies mag zum einen seine Ursache darin haben, dass Meyer bei seiner (freien und erweiternden) Übersetzung281 des ›Liber de officiis 276 Wilhelm Durandus, 1230–1296, 1285 Bischof von Mende. VL 2 2 (1980), Sp. 245–247 (Georg Steer). 277 ›Von den göttlichen Amten‹, 3 Bände: alte Sign. F I–III , heute Cod. Cent. IV , 80 (1. Teil); a. a. O., III , 85 (2. Teil); a. a. O., V, 29 (3. Teil); Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 8 f., S. 61 f., S. 70 f.; im Unterschied zu Schneider wird die Übersetzung in der neueren Forschung nicht mehr Leopold Stainreuther zugesprochen, vgl. VL 2 2 (1980), Art. ›Durandus, Wilhelm‹ (Georg Steer), Sp. 245–247, hier Sp. 246; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 193 f. mit Anm. 641 (dort Hinweis auf Ed. der spätmittelhochdeutschen Übersetzung). 278 VL 2 2 (1980), Art. ›Durandus, Wilhelm‹ (Georg Steer), Sp. 245–247, hier Sp. 246. 279 Detailliert zu den Inhalten der Nürnberger Tischlesung Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 191–205. 280 A. a. O., S. 185 f.; zu den Abweichungen vgl. z. B. zum Aschermittwoch Ü Ms. 5, f. 230ra und Ruf, MBK III /3 (1939), S. 654, sowie zum Gründonnerstag, Ü Ms. 5, f. 230ra und Ruf, a. a. O., S. 657, während die Lesungen zum Karfreitag mit Meyers Anleitungen übereinstimmen (Ü Ms. 5, a. a. O.; Ruf, a. a. O.). 281 Zur freien Übertragung äussert sich Johannes Meyer selbst, vgl. Ü Ms. 5, f. 122va–123rb.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

ordinis‹ des Humbertus de Romanis auch dessen Lektüreempfehlungen, die an Dominikanerbrüder gerichtet waren, übernahm, was allein schon insofern Verständnisschwierigkeiten auf Seiten der Schwestern nach sich ziehen konnte, als es sich durchweg um Werke in lateinischer Sprache handelte.282 Als weiteren Grund für die spezielle, ganz eigene Verfahrensweise der Nürnbergerinnen zieht Ehrenschwendtner in Erwägung, dass die Reformschwestern aus Schönensteinbach diese aus ihrem Heimatkloster mitgebracht haben könnten und diese sich dann bewährt hätte, so dass kein Grund zu durchgreifenden Änderungen vorhanden war.283 Das heisst: Mit den Nürnberger Tischlesungsverzeichnissen liegt nicht nur eine bedeutende Quelle für die konkrete Praxis der Tischlesung in einem Dominikanerinnenkonvent vor; sie stellen auch ein wichtiges Zeugnis für den durchaus eigenständigen Umgang der Nonnen mit den Vorgaben der Reformer dar. Was die diesbezüglichen Angaben im ›Ämterbuch‹ betrifft, ist allerdings zu berücksichtigen, dass Johannes Meyer den ›Liber de officiis ordinis‹ des Humbertus de Romanis im Jahre 1454 übersetzte, also in demselben Jahr, als er erstmals zum Seelsorger in einem Nonnenkloster (d. h. Inselkloster Bern) berufen wurde, und zwar in sehr enger Anlehnung an seine Vorlage, die für Dominikanerbrüder konzipiert war. Zum Zeitpunkt seiner bearbeitenden Übersetzung des ›Liber de officiis ordinis‹284 konnte Meyer also noch keine Erfahrungen als Seelsorger in Nonnenkonventen und keinen Überblick über deren abweichende Bedürfnisse haben.285 Zwar ist, wie oben bereits erwähnt, aus dem St. Galler Katharinen-Kloster kein Tischlesungskatalog überliefert. Offenbar bestand aber im St. Gal282 Die Lektüreempfehlungen Meyers im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 229rb–230rb (im Kap. ›Correctrix in mensa‹); vgl. auch die Lektüreempfehlungen an Novizinnen a. a. O., f. 191vb. 283 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 206 f. 284 Für seine an Dominikanerinnen gerichtete deutsche Übertragung bearbeitete Meyer die lateinische Vorlage gemäss den Gegebenheiten der Frauenklöster, o übersetzte teils wörtlich (nach den buchstaben deß texten), zum grösseren Teil frei und sinngemäss, kürzte einerseits und fügte andererseits hinzu: das best vnd das tapffrest vss gezogen aus anderen Quellen (der Ordenstradition), o e sowie vss des ordens guten bewarten gewonhaiten [sic]; Ü Ms. 5, f. 123vb, f. 124ra. 285 Vgl. in diesem Zusammenhang den Hinweis bei Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 183 (mit Anm. 591), dass Meyer 1470 in seiner Vorrede zur ›Papstchronik des Predigerordens‹ über das ›Ämterbuch‹ schreibt: [Es] ist zu wissen, o das dis buch zu latin von Vater Humbertus [. . .] fur die bruder gemacht ist [. . .]. Und das sage ich uch, dan das ir uwer empter dovon ordenlich leren volbringen.

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ler Konvent Interesse daran, diesbezügliche Anleitungen von den Nürnberger Dominikanerinnen zu bekommen: Sie erhielten diese, wie stets, brieflich, und trugen sie in Abschrift in ihr Schwesternbuch ein. Die in den konventeigenen Bibliotheksverzeichnissen summarisch genannten, aber inhaltlich nicht spezifizierten Bücher, die man ze tisch list, gestatten kaum Aussagen zur konkreten Praxis. Doch über diese statistischen Angaben hinaus legen Handschriften des Klosters, die offenkundig für die Tischlesung konzipiert worden waren, beredteres Zeugnis von deren Durchführung ab: Mit Cod. sang. 363, geschrieben von Elisabeth Muntprat, ist aus dem St. Galler Katharinen-Scriptorium ein Standardwerk der Tischlektüre überliefert. In diesem Plenar, mit den dem jeweiligen Tagesanlass des Kirchenjahres entsprechenden Abschnitten aus Episteln und Evangelien (›Perikopen‹), sind den Texten ausführliche Anweisungen zum Vorlesen bei Tisch vorangestellt: So man denn die selben Ewangely zuo tisch list [. . .].286 Auch die teils ausführlichen Rubriken zwischen den einzelnen PerikopenTexten enthalten zahlreiche Hinweise darauf, dass aus der Handschrift bei Tisch vorgelesen wurde, wie beispielsweise: Wenn man denn das selb ewangely list v´ber tisch [. . .]; So man denn die selben Ewangely zuo tisch list[,] so sol man alzit vorlaussen gon die wort [. . .].287 Zudem enthält die Handschrift detaillierte Anweisungen für den Vortrag der Lectrix mensae: Man sol war nemen[,] das man pausier an den versalen[,] die da gerubriciert sind oder da ain strichly¨ ist mit rubric[,] vnd suss nit[,] won die versaul sind suss dick valsch vnd nit ordilich geschriben[.] Darvmb soll man all ain [!] der war nemen mit dem pausieren[,] die gerubriciert sind[,] vnd disser nit[,] vnd wo es suss gerubriciert ist[,] ist es ioch [!] nit ain versal [,] so sol man Doch da pausieren.288

Mit welchen Texten die St. Galler Schwestern darüber hinaus ihre Lesungen bei Tisch gestalteten, kann nur vermutet werden: Die bereits im Inventar von 1484 mit einer Inkunabel vertretenen ›24 goldenen Harfen‹ des 286 Cod. sang. 363, p. 39b; do. in der Abschrift Ü Ms. 16, f. 18ra; zum St. Galler Plenar sowie zur Zoffinger Parallelhandschrift vgl. Carsten Kottmann, Plenarien des Spätmittelalters, Diss. Tübingen (in Vorb.). Zur Terminologie ›Plenar‹/›Evangelistar‹ siehe Nigel F. Palmer, Deutsche Perikopenhandschriften mit der Glosse. Zu den Predigten der spätmittelalterlichen deutschen Plenarien und Evangelistare, in: Deutsche Bibelübersetzungen des Mittelalters. Beiträge eines Kolloquiums im Deutschen Bibel-Archiv, hg. v. Heimo Reinitzer, Bern/Berlin u. a. 1991, S. 273–296, hier S. 273, Anm. 1 (Lit.). 287 Cod. sang. 363, p. 37b; Ü Ms. 16, f. 17ra; Cod. 363, p. 39b; Ü Ms. 16, 18ra. 288 Cod. sang. 363, p. 41b.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Johannes Nider gehörten zur Standardlektüre bei Tisch; sie wurden von Johannes Meyer explizit als solche empfohlen.289 In Frage kommen ferner weitere im Verzeichnis von 1484 (explizit mit Titel) genannte deutschsprachige Werke: das ›Büchlein der ewigen Weisheit‹290 von Seuse, das altvater buoch,291 das x bot buoch,292 der hailgen leben sumertail vnd wintertail (das Legendar ›Der Heiligen Leben‹293), die Ewangelium buecher,294 das burt buechli mit getrukten viguren [Werner Rolevinck, Ein bürdlin der zit].295 Unter den bei Tisch vorgelesenen Texten war mit einiger Sicherheit auch S[anct] katharina de senis legent, geschrieben von Elisabeth Muntprat.296 Auch das Buch ›Von der Nachfolgung Christi‹ des Thomas a Kempis, das im Verzeichnis von 1507 mit sieben Exemplaren aufgeführt wird, könnte bei der Tischlesung Verwendung gefunden haben; ebenso ›Die Kinder von Israel‹ des Marquard von Lindau, das ›Myrrhenbüschel‹ und das ›Paradis der sel‹.297 Unter den im Bücherinventar von 1507 genannten tu´sche[n] 289 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 136rb, f. 191vb. Im Verzeichnis von 1507 werden die ›Harfen‹ nicht mehr explizit aufgeführt; waren sie eventuell ›aus der Mode gekommen‹? Die Drucklegung liess in den 1490er Jahren nach, der letzte Druck stammt aus dem Jahre 1493 (Hain Nr. 11854). 290 Siehe Kap. III .3: Profil der Bibliothek, S. 166. – Das ›Büchlein der ewigen Weisheit‹ wurde von Meyer den Novizinnen explizit als Lektüre empfohlen, e ebenso die ›Nachfolgung Christi‹ und das altvatter leben (›Ämterbuch‹, Ü vb Ms. 5, f. 191 ). 291 KlA Wil, Chronik, f. 34v, i. e. ›Vitaspatrum, dt.‹; siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, S. 134 mit Anm. 24. 292 Zur vermutlichen Übereinstimmung des im Verzeichnis von 1484 nicht näher o spezifizierten x bot buch siehe Kap. III .1, S. 134 mit Anm. 20. 293 Siehe Kap. III .1, S. 134 mit Anm. 23. 294 Wohl die ewangelia hystoryweiß (StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 79, f. 97v, f. 98v, u. a.), also ›Nacherzählungen‹ der Evangelien; siehe auch Kap. III .1. 295 UB Basel Inc. 650, Bernhard Richel: Basel 1481: die Chronick die man nempt ein bürdin oder versamlung der zyt in der man vindet von anfang der welt byß vff die zyt karoli eyns herczogen von burgund wz namhafftiger lüt in der o iudenschafft heydenschafft vnd cristenheyt gewesen sint vnd zu welchen zyten o u vnd wer zu der ieglichs zyten Jn ieglichem globen mit im regiert hat. Siehe Van der Haegen 1 (1998) 9, 15, 1–3. – Werner Rolevinck OCart (1425–1502) war Priester, Exeget, Kanonist und Historiker: VL 2 8 (1992), Sp. 153–158 (Katharina Colberg). 296 KlA Wil, Chronik, f. 95r, zum Jahr 1503. Zur ›Vita Catharinae Senensis‹ (sive Legenda major) des Raimund von Capua siehe Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen, S. 148, Anm. 92 (Lit.). 297 Zu diesen Werken siehe Kap. III .1: Auswertung der Bibliotheksverzeichnisse, S. 137, mit Anmerkungen.

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buecher[n] die man ze tisch an liset (76 an der Zahl) befanden sich sehr wahrscheinlich auch ›Die 24 Alten‹ des Franziskaners Otto von Passau; eine Abschrift dieses Werks, das in 24 Reden eine christliche Lebenslehre bietet, hatten vier Schreiberinnen des Konvents im Jahre 1484 fertiggestellt.298 Grundsätzlich ist denkbar, dass sich die St. Galler Katharinen-Schwestern im Lektürekanon für die Tischlesung am Nürnberger Vorbild orientiert haben: Schon Ehrenschwendtner hat, ausgehend von den erhaltenen Resten, festgestellt, dass auch andere Dominikanerinnenklöster über »ähnlich strukturierte Bibliotheken mit vergleichbaren Beständen« verfügten, und dass somit, aufgrund der noch rekonstruierbaren Büchersammlungen, wie z. B. in St. Katharina St. Gallen, ein ähnlich gestaltetes Verzeichnis für die Tischlesung wie in Nürnberg denkbar wäre.299 Dies gilt insbesondere für Konvente, die den Nürnberger Dominikanerinnen, welche ihre praktischen Erfahrungen sowie ihre Bücher als Vorlagen weitergaben, nahestanden.300 »Die allgemein verbreitete Praxis [der Weitergabe von Gewohnheiten der bereits reformierten an reformierungsbedürftige Konvente]301 [. . .] legt die Vermutung nahe, dass zumindest in observanten Dominikanerinnenklöstern der Provinz Teutonia die Auswahl der Texte für die Tisch298 Wil M 41, Kolophon f. 448v/449r, siehe im ›Katalog der Handschriften‹. ›Die 24 Alten‹ wurden auch im Nürnberger Katharinen-Kloster für die Tischlesung verwendet; Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 213 f. – Zu Otto von Passau VL 2 7 (1989), Sp. 229–234 (Andre´ Schnyder): Otto von Passau ist im 14./2 Jh. bezeugt als Konventuale und später als Lektor der Basler Franziskaner; die älteste Handschrift seines Werks stammt aus dem Jahre 1383 (BLB Karlsruhe, cod. St. Georgen Pap. germ. LXIV ). 299 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 206. 300 So z. B. Altenhohenau, ebenfalls von Nürnberg aus reformiert; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 193 f. 301 Solche ›Gewohnheiten‹ wurden von Johannes Meyer zusammengetragen im o e ›Buch der Ersetzung‹, vss gezogen [. . .] vss des ordens guten bewarten gewonhaiten [sic] Als ich denn by¨ vil cloester [sic] [. . .] das gesechen gelessen oder gemerckt hab, Ü Ms. 5, f. 123vb–124ra. Damit trat zum einen an die Stelle einer bisher weitgehend mündlich bestimmten innerklösterlichen Ordnung eine fixierte Niederschrift, der eine neue Einheitlichkeit und Verbindlichkeit zukam; zum anderen knüpfte Meyer zwar an die Gebräuche der Dominikanerinnen an, schuf aber, mit seiner selektiven Auswahl wie mit der Verschriftlichung, eine ›andere‹ Tradition, welche zudem nun auch in andere Klöster weitergetragen wurde, in denen sie vorher nicht praktiziert worden waren; vgl. jedoch die Bitte der Nürnberger Priorin zu Beginn ihres Briefwechsels mit St. Gallen, das Wissen über die Nürnberger Usanzen nicht weiterzugeben. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 201.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

lesung nach ähnlichen Grundsätzen erfolgte [wie in Nürnberg] und uns im Nürnberger Tischlesungsverzeichnis ein Beispiel für deren Umsetzung vorliegt, die im Detail in den einzelnen Reformkonventen mehr oder weniger voneinander abgewichen sein mögen. Es spricht jedoch nichts dagegen, das im Nürnberger Verzeichnis verwirklichte Schema im Ansatz auf Schönensteinbach, die ›Mutter‹ aller Reformklöster der Teutonia, zurückzuführen.«302 5.2 Bücher für die private Andacht 5.2.1 Die Stellung des Ordens zu privater Lektüre und privatem Gebet In der deutschen Bearbeitung der ›Expositio in regulam Augustinianam‹ des Humbertus de Romanis wird den Nonnen das regelmässige Konsultieren der Bücher aus der Konventsbibliothek nachdrücklich empfohlen: e

o

in dem das sant Augustin gebüt all tag dy bucher zu aischent [sic, das heisst o ›heischen‹,303 lat. Text: petantur][,] do will er das dy schwestern emssig seient zu dem lesen, wann dy diern gotz soll stetiklich lesen[;] durch die letzgen lert vnd vnderweist er wy sich die schwester halten soll in irem gebet vnd och in iren wercken vnd arbait · Das sind die waffen damit dy schwestren den tüfel vertreibent · das sind die wercktzüg da mit man ewig selikait erkriegt.304

Diese Empfehlungen an die Schwestern beziehen sich nicht nur auf die im Rahmen der klösterlichen Lebensform institutionalisierten Lesungen, sondern schliessen auch die private Lektüre der einzelnen Nonne mit ein – wenngleich diese nicht einem wissenschaftlichen Studium, nicht der Beschäftigung mit komplexen theologischen Themen, Fragen und Problemen dienen sollte, anders als bei den Brüdern, denen viel Raum für die Auseinandersetzung mit der Wissenschaft gewährt werden musste, da dies als Voraussetzung zur Erfüllung ihrer Aufgabe – Lehre, Predigt, Seelsorge – unabdingbar war.305

302 A. a. O., S. 207. 303 Grimm, DWB IV /2 (1877), Sp. 897–899, 1. 304 Wil A.16, [Humbertus de Romanis], Auslegung der Regel des heiligen Augustinus, f. 152v–153r; zum Druck sowie zur dt. Bearbeitung siehe Bibliographie, Ungedruckte Quellen. 305 Zum Stellenwert des Studiums bei den Dominikanern und zum Ausschluss der Nonnen vom Studium Opitz, Erziehung und Bildung in Frauenklöstern (1996), S. 74.

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In den Vorgaben des Ordens, die sich auf das persönliche Gebet beziehen,306 wird stets der Vorrang der Vita communis vor dem Einzelgängertum, konkret: der Vorrang des gemeinschaftlichen (Chor-)Gebets vor der freien, persönlichen Andacht der einzelnen Schwester betont: e

e

Brediger orden behut all zeit[,] das das gotlich ambt nit verzogen werd vnd vil vnd lang gebet will er nit[,] das do aus aigen willen beschicht · auff das das die schwestren so vil leichter vnd mit mer andacht vnd mit minder verdrossenhait e e das gotlich ambt mogent volbringen · vnd die korsame den aignen gebet für307 setzent. e Merck: Wie wol den schwestren allenthalb zebetent ist · doch so sollent sy sich o deß gebetz fleissen in der kirchen vnd zu den gesatzten zeiten mer dann an andern enden · vnd ausserthalb der gesatzten zeiten.308

Sehr nachdrücklich wird die Einhaltung der monastischen Verpflichtungen eingefordert: Die Schwestern sollen vmb sollicher sunderlicher gebet willen vnderwegen lassen nichtz das sy schuldig o sind zetund von ordens vnd der korsame wegen · Darumb spricht sant Augustin: [. . .] wann so sy sollichen sundrigen gebeten will an ligen vnd das schuldig werck o versaumen so entzücht sy das das sy schuldig ist vnd wirt tzu ainer rauberin o geschicht das offenlich · geschicht es aber haimlich so wirt sy zu ainer diebin [. . .] o Also spricht sant Bernhart: Es ist got nit genem was ain schwester tut so sy das o o versaumbt zetund das sy schuldig ist zetund [. . .]. Es sei [. . .] vil nützer vnd got genemer vnd der schwester verdienlicher das gebet der werck der korsame dann das gebet deß munds.309

Sofern jedoch die gemeinschaftlichen Gebetsverpflichtungen nicht beeinträchtigt werden, wird den Nonnen zusätzlich Raum für ihre private Andacht zugestanden; diese wird ihrer supplementären Funktion entsprechend stets als sundrig gebet (oder haimlich gebet) bezeichnet: so ain schwester mit fleiß außwartet dem gebet das sy schuldig ist vnd ausserthalb der zeit so sy ir korsame nit versaumbt vnd darumb nichtz vnderwegen lat[,] so mag sy wol sunder bet in der gehaim tuon.310 Dies unterstützt Johannes Meyer im ›Äm306 Diesbezüglich wurde die Auslegung der Augustinusregel in deutscher Übersetzung nicht erschöpfend ausgewertet von Ehrenschwendtner, Bildung (2004), Kap. 2.2.3: Privatlektüre und -andachten, S. 281–315. 307 Wil A.16, f. 37v–38r. 308 A. a. O., f. 31v. 309 A. a. O., f. 36v. Privates Beten sei auch deshalb nicht zu empfehlen, weil der schwestren gemainlichen mer an der stat [Kirche] bey einander sind vnd got e das gebet der menig mer erhort dann ainß oder zwaier ausserthalb der stat, o e und auch darumb das got an der stat gnediger ist zuerhorent [sic]. 310 A. a. O., f. 37r; außwartet sic, unklar, ev. Setzerfehler für auffwartet?

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

terbuch‹ ausdrücklich: Jtem so sy¨ muessig sint vnd nu´ncz czuo tuon hand So mugent sy¨ das selb zittly¨ anlegen mit andechtigen gebettly¨, jedoch wiederum mit dem einschränkenden Hinweis, dass sy¨ sond me getruwen vnd hoffnung haben in das gemain gebett denn in ir sundrig aigen gebett vnd sond och lieber by¨ dem gebett sin Es sy¨ in den siben cziten oder in den vigilien oder wo es sich ergibt das der conuent mit ain andren betten ist.311 Darüber hinaus ermahnt Johannes Meyer in den Anleitungen für Novizinnen im ›Ämterbuch‹ ausdrücklich dazu, Freiräume im Konventsleben für zusätzliche Gebete und Andachten zu nutzen: e

Man sol och die jungen schwostren leren wie sy¨ ir czitt czewilen anlegen sond mit hailger betrachtung Also[:] so Sy¨ etwan gend durch den garten in spaczierender wiss Oder wo es ist in dem closter gond oder in den czellen Oder vff dem o strosack rubent Oder so sy¨ in irem su´ndrigen gebett sint das sy¨ sich denn gebett o [wohl Verschrieb? recte: gebent? sonst Syntax unklar] czu andechtigem betrach312 ten.

Insbesondere gegen die Bestrebungen des Teufels (veindes), den Nutzen des (gemeinschaftlichen) Gebets zu vereiteln, sond die schwestren [dawider] halten die stetigkait irs gemuetz [. . .], sunder [insbesondere] so vil vester vnd mer emssiclicher haimlich gebet lieb hon.313 Als Beispiele für das freie Gebet Praktizierende werden Christus, die Apostel und diverse Heilige, darunter sanctus dominicus vnd die seligen brueder vnd schwester brediger orden, angeführt. Gelegenheit zu privatem Gebet und zu persönlicher Andacht soll, gemäss den ›Constitutiones sororum‹ des Humbertus de Romanis von 1259, den Nonnen nach der Komplet314 und vor der Matutin eingeräumt werden. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass für die konkrete Praxis des freien (haimlichen) Gebets wiederholt auf die gewonhait der schwestren brediger ordens verwiesen wird:315 Der rechtliche Rahmen, den die Ordens311 Ü Ms. 5, f. 201rb, Unterstreichungen (wie stets) von der Hand der Cordula von Schönau. 312 Ü Ms. 5, f. 202ra. 313 Wil A.16, f. 40r. 314 Nach der Komplet hatten alle Schwestern die Kirche zu verlassen und gemeinsam das Dormitorium zu betreten; vgl. Wil A.16, f. 35v: darumb soll die o complet allso geschehen zu ordenlicher zeit das all schwestren zeit habent sich o e vorberichten vnd darnach mit schweigen sich an ir nacht ruw fugen vnd war nemmen der sundrigen vnd haimlichen gebet nach gewonhait der schwestren brediger ordens. 315 Neben den allgemein verbindlichen Konstitutionen besass letztlich jeder Dominikanerinnenkonvent seine eigene ›Hausordnung‹: Diese nicht schriftlich

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satzungen vorgaben, war zwar eng, da der Tagesablauf durch die Erfüllung des Officium divinum geregelt und zum grössten Teil ausgefüllt war; dennoch konnten im Ablauf des klösterlichen Gemeinschaftslebens Freiräume eröffnet werden, welche die Schwestern zu eigenem Gebet und Andacht nutzten: So wurde im Nürnberger Katharinen-Kloster den Schwestern die Zeit nach dem Mittagstisch bis zur Non (sog. Nonschlaf) freigestellt, um sie nach ihren eigenen Interessen zu nutzen.316 Da bezüglich des freien Gebets nur das Minimum in den Ordenssatzungen festgeschrieben wurde – womit gleichzeitig auch indirekt der gemeinschaftliche Gebetsdienst in den Vordergrund gerückt wurde –, finden sich in den (rechtsverbindlichen) Quellen auch keine Vorgaben der Ordensoberen dazu, was den Gegenstand der privaten Andacht bilden solle.317 Aus der Schwesternliteratur des 13. und 14. Jahrhunderts wird die Gewohnheit der Nonnen ersichtlich, Psalmen, das Vaterunser, Ave Maria, aber auch das Te deum und das Totenamt zu beten. Diese Stücke finden sich im Psalterium ebenso wie in den Brevieren – jede Konventualin sollte über ein Psalterium und ein Brevier verfügen318 – und sind den Nonnen bereits aus dem Gottesdienst geläufig. Mitunter stellten sich die Schwestern nach individueller Neigung Gebetsabfolgen zusammen, so dass sich eine bestimmte Ausrichtung der Betrachtung ergab, indem die gängigen Texte unter bestimmten Aspekten gruppiert wurden, oftmals auch in Verbindung mit selbst verfassten Gebeten (siehe unten). Ein Grossteil der Zeit, welche für fixierten Gewohnheiten wurden, sofern sie sich innerhalb des durch die Konstitutionen vorgegebenen Rahmens bewegten, nicht als (regelwidriger) Mißstand bewertet; Johannes Meyer zum Beispiel betont ausdrücklich, dass die bewährten Gewohnheiten auch nach der Wiedereinführung der strengen Observanz weiterhin zu pflegen seien (so im ›Ämterbuch‹ und im ›Buch der Ersetzung‹, Prolog und Kapitel 10). Vgl. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 182 f. o o 316 Es schickt sich jederman hin zu siner zell [. . .] vnd mag ietliche S r tun in ir zell / [wohl Lücke (Abschreibefehler), gemeint: ›tun, was sie möchte‹] aini schlaft / die ander bettet / oder list oder schribt /, KlA Wil, Schwesternbuch, f. Clxxiiijr. 317 Vgl. aber die Empfehlungen Johannes Meyers im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 202ra ff., siehe unten im Text. 318 Vgl. die erforderliche Grundausstattung einer jeden Schwester [siehe Zitat in Kap. II .3.1.1: Ausbildung im Kloster, S. 61 f.], die nicht nur dazu diente, mit eigenen Büchern am Gottesdienst teilnehmen zu können, sondern auch, um den dort behandelten Stoff für sich selbst, ›privat‹ nachzuvollziehen. Der (deutsche) Psalter war überdies auch in Laienkreisen im Mittelalter fast unentbehrliches Andachtsbuch in Frauenbesitz.

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die Privatandacht zur Verfügung stand, wurde demnach mit Gebetstexten gefüllt, die vom Gottesdienst her vertraut waren und die viele Nonnen wohl auswendig beherrschten. Darüber hinaus empfiehlt Meyer im ›Ämterbuch‹, dz sy¨ nit allain die psalmen vnd dess ordens geseczt vnd gebett sigent mit andacht sprechen,319 sondern legt den Nonnen auch generell und nachdrücklich die individuelle, eigenständige Lektüre ans Herz: mugent die schwoestren selbs czuo ker nemen czuo soellichen buechern da von sy¨ [. . .] vnderwist vnd gelert mugent werden.320 In den Anleitungen für Novizinnen gibt Meyer etliche Vorschläge für Gegenstände privater Andachten, die mag man haben gar in manigfaltiger wiss: [u. a.] die manigfaltikait der su´nden vnd der vndanckbarkait menschliches geschlechtes, die wunder werck der schoeppffung gocz, das minnsam werck siner erloesung, Geburt, Leben und Passion Christi, der Heiligen Leben und ihre hailsamen guoten exempel, die betru´gnus der boesen gaisten, das vngetru´w leben der welt vnd der weltlichen su´ntlichen verkerten menschen, die Allmacht Gottes und seine Ewige Weisheit (wischait), Güte, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit. Insbesondere soll die Betrachtung fokussieren sin [sc. des Menschen] ay¨gnen stavt [sic; (Zu-)Stand, Lebensweise]321 sins innren vnd vssren menschen,322 vnd also mag man czu´chen vss soellicher betrachtung manig hand guoter goettlicher begird vnd andacht.323 5.2.2 Bücher in Privatgebrauch der Schwestern Die mangelnde Einhaltung der von der Regel vorgeschriebenen Besitzlosigkeit stellte einen der (Haupt-)Anklagepunkte der Reformer dar: Gegen Eigenbesitz von Ordensleuten wurde scharf vorgegangen; privater Besitz 319 ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 200vb. 320 A. a. O., f. 231ra. 321 Lexer Bd. II (1873–1876), Sp. 1144; Grimm, DWB X /2,1 (1919) sub ›staat‹, Sp. 271 f., I.a.a. 322 Vgl. Lentes, Bild, Reform und Cura monialium (1996), S. 180, zur Unterscheidung von ›innerer‹ und ›äusserer Klausur‹ bei Johannes Meyer, Lentes ohne genaue Angabe der Quelle bei Meyer; gemeint wohl Meyers Fassung der Herzkloster-Allegorie, welche die Hauptzielrichtung der allegorischen Erbauungstexte der Reformbewegung umschreibt; diese Meyer’sche Fassung findet sich in seinem ›Buch der Ersetzung‹, wie zum Beispiel in Tübingen Md. 456, f. 62r–68r, besonders f. 62r (gaistliche beschliessung und beschliessung des libs, sic in Handschrift nach Fechter, Handschriften Inzigkofen [1997], S. 119). 323 Ü Ms. 5, f. 202ra–202va.

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auch von Büchern war regelwidrig. Den Observanten wurde lediglich ein persönliches Gebrauchsrecht eingeräumt, in dessen Rahmen sie Bücher bis zu ihrem Tod ›ihr Eigen‹ nennen konnten.324 Fragt man nach Büchern, die in ›persönlichem Gebrauch‹ von Schwestern des St. Galler Katharinen-Klosters waren, so ist zunächst festzuhalten, dass Codices, die einen persönlichen (›Zueignungs‹-)Eintrag einer Konventualin tragen, nicht erhalten sind (mit einer Ausnahme, s. u.). Auch existiert kein separates Verzeichnis von Privatbüchern der Schwestern, wie dasjenige des Nürnberger Katharinen-Klosters;325 auch die beiden St. Galler Bücherverzeichnisse machen diesbezüglich keine Angaben. Bücher, die jede Schwester zur Verrichtung des Chordienstes benötigte und die sie auch für ihre private Vorbereitung auf den Gottesdienst sowie für ihre persönliche Andacht heranziehen konnte (v. a. Psalterien und Breviere), wurden grundsätzlich als Gemeinschaftsbesitz des Konvents verstanden; der einzelnen Schwester wurde lediglich ein ›persönliches Nutzungsrecht‹ eingeräumt.326 Schwestern konnten auch Bücher aus der Konventsbibliothek für ihre private Lektüre und die Vertiefung ihrer Andacht ausleihen;327 in welchem Umfang sie hiervon Gebrauch machten, ist jedoch kaum rekonstruierbar. Das Bücherverzeichnis des St. Galler Konvents von 1507 verweist auf fil buechlin[,] die in britlin bunden sind[,] die den S[chwest]ern gelichen sind in ir zellen zuo merung jrs andachtes, worunter wohl ›Bücher für die private Andacht‹ zu verstehen sind, die dennoch als Gemeinschaftsbesitz des Konvents aufgefasst wurden.328 Das Schreiben von Gebetbüchern findet in der Konvents-Chronik in der Regel keine Erwähnung. Allerdings könnten mit Bänden, die schlicht als tu´schi buocher vff bappir [!] oder tu´ctzschi buechlin bezeichnet sind, durchaus auch Gebetbücher gemeint sein, da auch das Bücherverzeichnis von

324 Nicht (explizit) reflektiert bei Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), s. u. 325 StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 92 (f. 1r–45r); ed. Ruf, MBK III /3 (1939), S. 578–596; Kat. Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 409; Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 70–82. 326 Schmidt, Bücherverzeichnis (1930), S. 166, vermutet, dass die von Nürnberger Dominikanerinnen als Eigenbesitz ins Kloster mitgebrachten Bücher zunächst ihren Besitzerinnen zum persönlichen Gebrauch vorbehalten waren, dann jedoch auch der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht wurden. 327 Hierfür war, gemäss dem ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer, von der Buchmeisterin ein gesondertes Ausleihregister zu führen: Ü Ms. 5, f. 213va–214rb. 328 Chronik, f. 111v.

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1484 xxxviii tu´schi [. . .] bet buechli anführt,329 die ihre Verwendung wohl in der persönlichen Andacht der einzelnen Konventualin fanden. Denkbar wäre, dass sich Schwestern solche Büchlein in ihrer ›freien Zeit‹ selbst schrieben330 (in Form einer reinen Abschrift oder einer Kompilation, ev. sogar mit selbst verfassten Gebets-/Andachts-Texten?) oder von einer Mitschwester schreiben liessen.331 Einen Beleg dafür, dass auch die St. Galler Katharinen-Schwestern über ›eigene‹ Bücher verfügten, bietet ein Chronik-Eintrag, wonach den nach Zoffingen entsandten Reformschwestern Clara Vitler und Verena Gir ire bu´cher mit auf den Weg gegeben wurden.332 Auch zeigen Einträge in der Chronik, dass einige Konventualinnen, v. a. Novizinnen, Bücher als persönliche Schenkung erhielten: Verzeichnet sind Bücherschenkungen von Verwandten, Freunden oder Geistlichen, die explizit für einzelne Konventualinnen, d. h.: zu deren persönlichem Gebrauch bestimmt waren.333 Meist handelte es sich dabei um Breviere oder/und Psalterien, an denen dann oftmals durch Mitschwestern ergänzt wurde, wz mangel ist gesin.334 Aber auch Werke der erbaulichen Literatur befanden sich darunter: Salome (vormals Anna) Spengler bekam 1517 von ihrem Bruder Friedrich ein ›persönliches‹ Exemplar der ›Nachfolgung Christi‹ geschenkt.335 Auch kauften Konventualinnen Bücher für (meist jüngere, oft verwandte) (Mit-)Schwestern, oder stellten solche für sie her.336 Auch kam es vor, dass nahe Verwandte das Schreiben eines Buches gegen Entgelt beim konventeigenen Scriptorium in Auftrag gaben: ain nu´w historia buoch vff papir wurde 1494 für (die bereits 1473 eingetretene) Ursula Schmid geschrieben, darfu´r gab 329 Chronik, f. 35r. 330 Wie im Privatbücher-Verzeichnis des Nürnberger Katharinen-Klosters belegt: Ruf, MBK III /3 (1939), S. 578–596, z. B. S. 585, Z. 23 f.; S. 587, Z. 25 f. 331 Zum Beispiel ebd., S. 578–596, S. 586, Z. 9–11, Z. 38 f. 332 Chronik, f. 81r: [wir] gabend inen ¨ıre [sic] klaider vnd ire bu´cher [. . .]. 333 Chronik, f. 71v, 73v, f. 97r, 103v, 113v, 118r, 126r, 130v, 137r, 137v, 138r. 334 Chronik, f. 146v, und mit ähnlichen Formulierungen Chronik, f. 113v (1507), f. 130v (1511), f. 137rv (1513), f. 156r (1518). 335 Chronik, f. 156r, neben der ›Nachfolgung Christi‹ auch sust andre nu´tzigi buecher. 336 Kauf: Chronik, f. 71v (Elisabeth Muntprat für Verena Gnepser), f. 73v (Anna Muntprat für Barbara von Boswil); Herstellung: Chronik, f. 109r, (für Dorothea von Hertenstein und eine ›Huxin‹ [Barbara oder Magdalena Hux, vgl. Vogler, St. Katharina (1938), S. 186, Anm. 2]; f. 125v (Barbara von Boswil für Sapientia Wirt); f. 131r (Juliana Schlaipfer für Elena Röttenberger [diese nicht bei Vogler!] und Sapientia Wirt).

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v´ns die Schmidin S r Vrsilis muoter etwz dz wir irs schribind.337 In den allermeisten Fällen handelt es sich bei persönlichen Schenkungen um liturgische Bücher (v. a. Breviere, Psalterien); also Bücher der notwendigen, elementaren Grundausstattung für das klösterliche Leben. Zum Jahr 1510 enthält die Chronik erstmals Einträge, denen zufolge einzelne Konventualinnen auch gedruckte Werke der zeitgenössischen erbaulichen Literatur als Geschenk erhielten.338 Ein ähnliches Bild wird aus dem erhaltenen ›Verzeichnis der Privatbücher der Schwestern‹ des Nürnberger Katharinen-Klosters ersichtlich:339 Einzelne Schwestern verfügten über eine ansehnliche Anzahl eigener Bücher; dies jedoch keinesfalls im Sinne von ›Privatbesitz‹: Nach ihrem Klostereintritt blieben die ›Privatbücher‹ zeitlebens ihr ›Eigentum‹ im Sinne eines persönlichen Gebrauchsrechtes und gingen nach ihrem Tod in den Besitz des Konvents über; daneben bestand (in der Praxis der Nürnberger Dominikanerinnen) auch die Möglichkeit, dass eine Schwester einer Konventualin ihre Bücher als ›Eigentum‹ vererben konnte, das persönliche GebrauchsVorrecht also weitergegeben wurde.340 Von denjenigen Schwestern, welche als Witwen ins Nürnberger Katharinen-Kloster eintraten, brachten einzelne ihre eigene kleine Privatbibliothek mit ins Kloster; darunter befand sich auch weltliche sowie mys337 Chronik, f. 73v. 338 Siehe oben; ev. gab es schon zuvor vergleichbare Schenkungen, die lediglich nicht in der Chronik festgehalten wurden. 339 Verzeichnis der Privatbücher der Schwestern (1451–1457), MBK III /3 (1939), S. 578–596; Francis Rapp konnte diesbezgl. anhand von Codices aus observanten Dominikanerinnenklöstern des Elsass Vergleichbares nachweisen: Ders., Zur Spiritualität in elsässischen Frauenklöstern am Ende des Mittelalters, in: Dinzelbacher/Bauer (Hgg.), Frauenmystik im Mittelalter, Stuttgart 1985, S. 351; Schmidt, Bücherverzeichnis (1930), S. 164, verweist auf das explizite Zugeständnis privaten Bücherbesitzes durch Bartholomäus Texerius in seiner Ordinatio für St. Katharina Nürnberg von 1429, gedr. bei von Kern, Reformation Nürnberg (1863), S. 20: auch sol enkein swester on vrloub weder in schimpff noch in ernst der andren nemen [. . .] püecher oder ander ding (zit. nach Schmidt, ebd., S. 164; do. MBK ebd., S. 579 [ohne Zitat]). 340 Siehe z. B. im Verzeichnis der Privatbücher der Nürnberger Schwestern, Cod. Cent. VII 92, f. 1r, f. 1v, ed. bei Ruf, MBK III /3 (1939), S. 579, Z. 39 f., S. 580, Z. 15 f.; vgl. Schmidt, Bücherverzeichnis (1930), S. 164 f., mit weiteren Beispielen. – Weltliche Literatur, wie im Privatbesitz von Nürnberger Dominikanerinnen belegt, befand sich offenbar nicht unter den für einzelne St. Galler Schwestern bestimmten Schenkungen, wie auch keine künftige Schwester bei ihrem Eintritt eine eigentliche Privatbibliothek ins Kloster mitbrachte.

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tisch-philosophische Literatur, »die zeigt, dass die [geistigen] Interessen mancher Frauen nicht auf dem Niveau allgemeiner Volksreligiosität stehen blieben«.341 In Übereinstimmung mit der Regelung der Ordensreform, die gerade gegen den Eigenbesitz der Ordensleute scharf eingeschritten war und Brüdern wie Schwestern das Aufgeben ihrer privaten Habe zur Pflicht gemacht hatte (s. o.), finden sich entsprechende Anweisungen auch in der deutschen Übersetzung der Regelauslegung des Humbertus de Romanis explizit niedergelegt: Im Kapitel Et non dicatis aliquid proprium etc. Vnd sprechent nit nichtz aiges wird Eigenbesitz (aigenschafft)342 grundsätzlich untersagt; im Abschnitt Aigenschafft als man müg dispensiren heisst es sodann: die preletin [mag] wol dispensiren [i. e. Erlaubnis geben]343 so sy redlich sach [i. e. o ursach] darczu [sic] hat [. . .] das ist die notturft vnd der nutz [. . .]. Die gemain o notturft ist [. . .] den schwestern zu geben von den dingen die yn enpfolhen [!] 344 sind · Jtem der nutz ist auch zwifaltig · ain sunder vnd ain gemainer der e sunder ist[,] so ain obrer seim [sic] vnderton erloubt bucher darinn er sein e tagczeit [sic] les vnd ander gebet oder anderlay bucher dar aus er sich an seim [sic] leben mag bessern oder ander vnderweisung sollicher ding · Der gemain e o nutz so ainer schwester vergünst wirt bucher zu der lernung dar nach sy auch o 345 den andern zu bessrung komen mag.

Im Kontext der Reform wurde also dem persönlichen, selbständigen Gebrauch von Büchern eine gewisse herausgehobene Stellung eingeräumt, sofern dieser zur lernung und bessrung der Schwestern diente.346 Folgerichtig handelte es sich bei den ›Privatbüchern‹ »ausschliesslich um geistliche Literatur«, und zwar, wie das Beispiel der Nürnberger Dominikanerinnen

341 Vgl. Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 70–82; dies. weist darauf hin, dass der ins Nürnberger Kloster gelangte private Bücherbesitz einzelner Schwestern letztlich einen Querschnitt durch die LaienBuchkultur der Nürnberger Oberschicht darstellt. Vgl. dazu auch Hasebrink, Tischlesung (1996), S. 192. 342 Vgl. Lexer Bd. I (1869–1872), Sp. 519 f.; Grimm, DWB III (1862), Sp. 100, 4. 343 Vgl. Grimm, DWB II (1860), Sp. 1190: ›von einer Verbindlichkeit befreien‹. 344 Zur Empfehlung von Büchern vgl. in der Auslegung der Regel des Hl. Augustinus das Kap. ›Codices certa hora petantur‹: s. o., S. 192 (Zitat), mit Anmerkungen. 345 [Humbertus de Romanis], Auslegung der Regel des Hl. Augustinus, Kap. ›Et non dicatis aliquid proprium‹, f. 7r–11v, die Ausnahme (dispensiren) f. 10r–11v, hier f. 11r. 346 Zur Bestätigung dieser Sonderregelung für die Nürnberger Dominikanerinnen in der Ordinatio des Texerius von 1429 s. o. Anm. 339.

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zeigt, »überwiegend um Gebetbücher, von denen aber immerhin einzelne Schwestern bis zu zehn Exemplare besaßen«.347 Neben Andachtsbüchern (mit Gebeten, Cursus und Betrachtungen, in deutscher und lateinischer Sprache) waren meist auch Psalterien ›Eigentum‹ der Nonnen. Diese Bücher hatten die Nürnberger Schwestern teils selbst im Kloster geschrieben für ihren Eigenbedarf; teils wurden sie von anderen Konventualinnen geschrieben für den persönlichen Gebrauch einer einzelnen Schwester. Gelegentlich wurden an mitgebrachten Büchern Ergänzungen im Scriptorium des Konvents angebracht.348 Die St. Galler Konventualin Elisabeth Muntprat erhielt 1491 von einem »Prior Laurentius auf dem Zürichberg«349 ein Psalterium als persönliche Schenkung, das wohl eigens für sie geschrieben wurde.350 Auf dem vorderen Spiegelblatt ist ein Pergament-Fragment mit dem Schenkungsvermerk von einer Hand der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (nicht von der Hand der Besitzerin) kunstvoll eingenäht:351 Laurencius prior uff dem zu´richerg hatt disen psalter geschencket syner aller liebsten tochter vnd kind ffrowen Elizabeth Muntpratin in Sant Katherinen Closter zu sant Gallen uß gantzer liebi. Viuat feliciter illa Sponsa christi Gratissima viuat in eternum cum christo.

Die Chronik verzeichnet dieselbe Schenkung allerdings als Stiftung an den Konvent: der wirdig vater prior ab dem zurich [!] berg haut v´ns vss grosser liebi geschenckt ainen guten psalter vf bermet geschriben vnd wol in gebunden.352 347 Schneider, Bibliothek und städtische Gesellschaft (1983), S. 71. 348 Zum Beispiel Cod. Cent. VII 79, f. 145v; Ruf, MBK III /3 (1939), S. 628 f.; dieselbe Praxis auch im St. Galler Katharinen-Kloster, siehe Chronik 129v, 137r, 156r. 349 Identität des Schenkenden unbekannt; vgl. aber Beat von Scarpatetti, Die Kirche und das Augustinerchorherren-Stift St. Leonhard in Basel (11./12. Jh. – 1525). Diss. Basel, Basel/Stuttgart 1974, S. 260– 262: St. Martin auf dem Zürichberg, und S. 265, S. 279: Gemäss dems. war 1482–1492 der ehemalige Basler Leonhards-Chorherr Johannes Diell (von Speyer) Prior von St. Martin; HS IV /2 (2004), St. Martin a. d. Zürichberg, Prioren, S. 509 f. 350 KlA Wil M XI , vgl. das Kolophon f. 280r: Ora fideliter pro scriptore Gratissima sponsa xpi, der Schreiber ist namentlich nicht bekannt. 351 Ziernähte mit rotem Faden (Sternchen) und blauem Faden (Zacken). 352 Chronik, f. 66v, zum Jahr 1491; auch der spätere Besitzeintrag von einer Hand des 17. Jhs. vermerkt: Dis buoch gehört den frowen ze S catharinen vor Wey¨l, nachdem die Besitzerin Elisabeth Muntprat 1531 gestorben war. Offen ist, ob sie den Psalter ins Exil nach Bischoffszell mitgenommen hatte oder ob er (ev.

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III Die Bibliothek des Katharinen-Klosters

Zu Beginn und am Schluss des Bandes wurden im Katharinen-Scriptorium verschiedene Ergänzungen angebracht:353 Im Annex stehen Hymnen, Litanei und Orationen (u. a. zu Dominicus), gefolgt von Offizien (u. a. zu Gallus), welche möglicherweise von der Besitzerin Elisabeth Muntprat selbst geschrieben wurden:354 Dieselbe Hand trägt auch im Kalendar das Datum der Geburt und der Profess von Soror elizabet M ein.355 Cordula von Schönau schrieb, wohl zu ihrem persönlichen Gebrauch, das Gebet-Büchlein Cod. 490356 (in–16o), mit Gebeten und Cursus zur B. M. V., Rosenkränzen zu B. M. V. und Christus, einem Rosenkranz zum Altarssakrament, und zahlreichen Gebeten zur Passion Christi (teils mit Ablässen).357 Der tw. offene Rücken des Bandes sowie insbesondere die noch zeitgenössische Restaurierung ganzer Partien von Blättern, welche offenbar schon früh am unteren Blattrand angerissen oder gebrochen waren,358 lassen auf starken Gebrauch des Bändchens schliessen. Auch der von Cordula subskribierte Cod. 491, mit lateinischem Totenoffizium und deutschen Gebeten für die Verstorbenen, dürfte zunächst im ›Besitz‹ der Schreiberin gewesen sein.359 In ihrem Inhalt sehr persönlich geprägt sind zwei Gebet- und Andachtsbücher einer namentlich nicht bekannten Schreiberin360 des Katharinen-

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in den Reformationswirren?) schon zuvor der Konventsbibliothek zugefallen war. – Vogler, St. Katharina (1938), S. 30, mit Anm. 5, missverstand die Widmung des Priors Laurentius an die St. Galler Konventualin Elisabeth Muntprat in Wil M XI , wo sie als allerliebste tochter angesprochen wird, was natürlich im übertragenen Sinn zu verstehen ist. Annex f. 273v–284r; in der Litanei, f. 274v, figuriert die Hl. Katharina (von Alexandrien) doppelt, und zusätzlich auch Katharina de Senis; die Offizien f. 284r–285v; auch die Fleuronne´-Initiale eingangs des Psalteriums, f. 5r, könnte von einer Katharinen-Schwester nachträglich angebracht worden sein. Ein Chronik-Eintrag im Sinne von wz mangel ist gesin, mit möglichem Bezug auf diesen Band, konnte nicht aufgefunden werden. Die Hand weist hinsichtlich Duktus und Buchstabenformen Ähnlichkeiten mit derjenigen der Elisabeth Muntprat auf. Wil M XI , f. 2r–4v, hier f. 3r, 3v. Der Band figuriert nicht im Kat. bei Vogler, und konnte von mir aufgrund der Identifizierung der Schreiberin dem Katharinen-Kloster zugewiesen werden. Cod. sang. 490, f. 166v–247r. Cod. 490, f. 1–36, f. 163–174, mit dems. Papier des Vor- und Nachsatzes sehr solide und fachgerecht restauriert; siehe im ›Katalog der Handschriften‹. Codd. 490 u. 491 gingen mit der Entsendung der Schreiberin nach Zoffingen offenbar in den Besitz des Heimatkonventes über. Zu ihr siehe Kap. II .3.3: Anonyme Schreiberinnen, S. 107 f.

5 Nutzung der Bibliothek

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Scriptoriums (Codd. 509 u. 510): Das eine Bändchen (Cod. 509), ein geistliches Marienbrevier, enthält deutsche Gebete und Betrachtungen zur B. M. V.; das andere einen liturgischen Gebetscursus durch das gesamte Kirchenjahr, thematisch auf B. M. V. und Jesus/Christus ausgerichtet. Die Meditation dieser Schreiberin fokussierte in ihren Gebeten und Andachten vornehmlich die Mutterschaft Mariens und das Jesuskind: Bei den Gebeten zur Weihnachtszeit bestehen weitgehende Übereinstimmungen im Text von Cod. 509 und 510; hier erscheint es aufgrund des sprachlichen Duktus möglich, dass die Gebete von der Schreiberin auch verfasst wurden. Von derselben Schreiberin stammen auch das Gebetbuch Cod. 513, mit Gebeten und Cursus zur Passion und zur B. M. V., sowie Cod. 1870, mit deutschen Gebeten und Andachten.361 Ebenfalls im Katharinen-Scriptorium geschrieben sind das SammelGebetbüchlein (in–16o) Cod. 503 f, mit deutschen Gebeten und geistlichen Übungen zur Hl. Katharina, sowie das deutsche Gebetbuch Cod. 514, mit Mahnungen, Gebeten, Cursus und Rosenkränzen zur Passion Christi. Beide Handschriften stammen von mehreren Händen bekannter Schreiberinnen; die Frage der persönlichen Nutzung muss offen bleiben.362 Beide Gebetbücher wurden jedoch, wie die starken Abnutzungsspuren363 erschliessen lassen, häufig und intensiv benutzt; auch weist die eher flüchtige, improvisierte Anlage auf ihre Bestimmung als Gebrauchshandschrift hin. In persönlichem Gebrauch der Priorin Angela Varnbühler war offenbar das Gebet- und Andachtsbuch Cod. 1899, da sie im Kalendar die Todesdaten ihrer Geschwister verzeichnete.364 Auch Cod. 1860, geschrieben 1458 in Nürnberg (vermutlich von einer Dominikanerin),365 mit dem ProsaMarienleben des Heinrich von St. Gallen sowie Gebeten und Gebetsanweisungen, war möglicherweise für die private Andacht bestimmt. 361 Zahlreiche inhaltliche Übereinstimmungen mit Codd. 503 f, 513, 514; siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 362 In beiden Codd. weder ein Besitzeintrag einer Konventualin noch des Katharinen-Klosters, Zuweisung aufgrund der bekannten Schreiberinnen. 363 Auch Wachstropfen in Hss., die auf nächtliche Lektüre hindeuten, können als Hinweis auf privaten Gebrauch in den Zellen der Schwestern interpretiert werden; zu Codd. 510 u. 513 siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 364 In dieser Hs. keinerlei Indiz für Herstellung von Frauenhand; die Zuweisung des Cod. an die Hand der Angela Varnbühler durch Vogler, St. Katharina (1938), S. 252, Nr. 72 (»sehr wahrscheinlich«), beruht offenbar einzig auf ihren Nachträgen im Kalendar und ist nicht begründbar. 365 Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 109–111, die Vermutung einer Herstellung im Nürnberger Katharinen-Kloster ebd., S. 110.

IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹: Schriftlicher Austausch mit anderen Frauenkonventen der Ordensprovinz Teutonia Frauen befanden sich im monastischen Bereich a priori in untergeordneter Position: Von allen kirchlichen Ämtern grundsätzlich ausgeschlossen, durften sie keine priesterlichen Weihen empfangen, folglich keine Predigten halten, keine Sakramente spenden, nicht die Beichte abnehmen, etc. Hinzu tritt, dass die Handlungsmöglichkeiten, welche den Ordensschwestern zur Bewältigung der daraus resultierenden Schwierigkeiten blieben, wiederum durch die Organisationsstrukturen begründet sind, in welche die Nonnenklöster eingebunden waren: Während die Dominikaner (wie auch die Franziskaner) in Gestalt von Provinzial- und Generalkapitel Entscheidungsund Vollzugsinstanzen für den Gesamtorden aufgebaut hatten, fehlten den Frauenklöstern, deren Zusammenhalt »nicht auf zentralen Leitungsgremien, sondern auf dem Bekenntnis zu einer gemeinsamen Regel« beruhte, »formalisierte Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen, die ein Handeln als Gesamtheit – als Organisation – möglich gemacht hätten«.1 Der männliche Zweig des Ordens konnte auf der formalen Ebene Einfluss auf das Leben der Nonnen nehmen, während diese dem nichts Vergleichbares entgegensetzen konnten. Um den Mangel an eigenen Handlungsmöglichkeiten auszugleichen, blieb den Klosterfrauen zur Durchsetzung und Wahrung ihrer Interessen auf ordenspolitischer Ebene die direkte Hinwendung an die übergeordnete Instanz: die päpstliche Autorität, die Kurie. Generell standen die in die Observanzbewegung eingebundenen Frauenklöster in einem weitverzweigten ›Verbundsystem‹, welches einen Austausch zwischen den Institutionen »in personeller, materieller und medialer Hinsicht«2 ermöglichte. Die Verbindungen innerhalb dieses Netzwerkes waren aber nicht institutionalisiert, sondern wurden von den personalen Beziehungen des jeweiligen Klosters zu städtischen Laien- und Kleriker1 Andrea Löther, Grenzen und Möglichkeiten weiblichen Handelns (1992), S. 229. 2 Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 666.

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kreisen, v. a. aber zu anderen Konventen sowohl des eigenen Ordens als auch zu reformierten Klöstern anderer Orden getragen. Diese multiplen ›Netzwerkverbindungen‹ trugen nicht nur ganz wesentlich zum Gelingen der Neuorientierung in den Konventen bei, woran nicht nur »Schriftverkehr, Buchtausch und Lesekultur«,3 sondern auch Objekte wie Kultgeräte oder Bildwerke ihren Anteil hatten. Sie fungierten auch als ein gewisser Ausgleich zu den aufgrund der rigiden Klausurbestimmungen auf ein Minimum reduzierten Aussenkontakten der Nonnen – schon Fechter hat erkannt, »dass die strenge Klausur eine klösterliche Gemeinschaft [.. .] in die Gefahr geistiger und seelischer Isolation bringen konnte«4 –, und boten den Ordensfrauen bei der Durchsetzung und Wahrung ihrer Interessen die oftmals notwendige Unterstützung. In diesem Zusammenhang ist auch der wachsende Einfluss der gesellschaftlichen Oberschichten in den spätmittelalterlichen Städten auf die Klöster nicht zu vernachlässigen. So partizipierten beispielsweise das Nürnberger wie das St. Galler Dominikanerinnenkloster am weitverzweigten Beziehungsnetz der aufstrebenden Handelsfamilien wie auch der Ratsfamilien, aus denen ein Grossteil der Konventualinnen stammte. Wie bereits oben dargelegt,5 stellte das St. Galler Katharinen-Kloster hinsichtlich seiner Reformierung einen speziellen Fall dar: Unter den gegebenen Ausgangsvoraussetzungen waren vielseitige und kontinuierliche Verbindungen nach aussen von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit für die Etablierung und Stabilisierung der Reform innerhalb des Konvents. Da das Kloster nicht formal in den Orden inkorporiert war, konnten die Nonnen nicht damit rechnen, von erfahrenen Reformschwestern in ihrem Vorsatz, die Observanz zu übernehmen, unterstützt und angeleitet zu werden.

1 Dominikanerinnenkloster St. Katharina Nürnberg Diese Funktion erfüllte der lebhafte Austausch mit dem Katharinen-Konvent in Nürnberg, durch den die St. Galler Dominikanerinnen ganz wesentliche Impulse, Anregungen und Stärkung in ihrem Reformbemühen erhielten, in Gestalt von Briefen mit praktischen Anweisungen, ergänzt durch 3 Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 666. 4 Fechter, Blarerin (1979), S. 437. 5 Siehe Kap. I .2: Zur Geschichte, S. 36 ff.

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹

Bücher6 als Schenkungen oder als Leihgaben für Abschriften. Wo der Aufbau einer observanten Nonnenbibliothek durch ein konventeigenes Scriptorium erfolgte, spielten Beziehungen zu anderen Konventen eine grundlegende Rolle: Handschriftliche Vorlagen, die in klostereigenen Scriptorien abgeschrieben werden sollten, mussten von auswärts beschafft werden. Dafür mussten sich die Klöster »im Normalfall irgendwohin wenden, meistens wohl an ein anderes Stift oder Kloster, und um die leihweise Hergabe eines Handschriftenbandes oder eines Faszikels bitten. Wie man erfuhr, wo das Gewünschte zu erreichen war«, wie überhaupt die klausurierten Nonnen Kenntnis vom ›aktuellen Literaturmarkt‹ erhielten (z. B. durch ihre Lesemeister? Oder durch ihre weltlichen Verwandten?), »lässt sich im einzelnen kaum mehr feststellen. Vielleicht gab es auch gegenseitige Angebote: Wer einen wichtigen Text besass, machte mögliche Interessenten darauf aufmerksam und lieh ihn dann her [. . .].«7 Im ›Ämterbuch‹ gibt Johannes Meyer im Abschnitt vom buoch may¨sterin ampt8 neben ausführlichen Angaben zu Einrichtung, Organisation und Verwaltung der libery¨ auch Hinweise zu den Formalitäten des Buchausleihverfahrens:9 e

So es aber sich fugt Das y¨ement von vssren personen von dem closter entlechnen e [sic] wil bucher So mag man vordren das die person die es bitten ist inen ain e erkantnus briefflin geben Also Jtem schwoster katherin dess closters zoffingen [. . .] bekenn mich mitt disser geschrifft das ich hab enpfangen von der priorin o o vnd conuent in Sant katherina closter czu Sant gallen das buch der empter der e schwostren prediger ordens oder das ordinarium cze tu´sch Anno dni m o cccc o liij vff Sant dominicus tag translacio [. . .] So mugent sy¨ erkantnus briefflin machen o Oder ain ander buch an die stat legen Oder ain ander pfand Vnd darum nu´nt dester minder soll sy¨ [sc. die Buchmeisterin] es an ir register machen vnd gar aigenlichen [i. e.: mit eigener Hand, persönlich] schriben vnd so sy¨ wider das o buch enpfachent So soll sy¨ es wider ab tilgen oder das pfand wider geben.10 6 Bei den Leihgaben handelte es sich nicht immer um in britli bunden[e] (Chronik, f. 35r) Bücher; oftmals wurden auch noch nicht gebundene Faszikel eines bestimmten Textes zur Abschrift ausgeliehen, s. u. beim Austausch mit dem Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen. 7 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 183; siehe auch in Kap. III .4.2: Die Buchmeisterin. 8 Ü Ms. 5, f. 210va. 9 Vgl. auch Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 291, welche darauf hinweist, dass die Meyer’schen Regeln betr. Buchausleihe »in ihren Grundzügen bereits in Humberts de Romanis ›Instructiones de officiis ordinis‹ zu finden« seien. 10 Ü Ms. 5, f. 213vb–214ra; Unterstreichungen von der Hand der Schreiberin (Cordula von Schönau).

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Dass es sich bei der Ausleihe eines Buches, unabhängig vom Inhalt, um ein kostbares Gut handelte, unterstreicht auch die Bemerkung Meyers im ›Ämterbuch‹: vnd guoten fliss insunderhait [sic] soll sy¨ [sc. die Buchmeisterin] haben Das das [entliehene] buoch wol vnd on schaden behuet werd.11 Obwohl einige der erhaltenen Handschriften aus dem St. Galler Katharinen-Scriptorium nachweislich temporär an befreundete Konvente ausgeliehen wurden, liess sich in keinem der betreffenden Codices ein entsprechender Vermerk auffinden.12 Die Briefe, die aus dem St. Galler Katharinen-Kloster nach Nürnberg übermittelt wurden, sind leider nicht erhalten; jedoch sind wir dank der Abschriften der Nürnberger Briefe, welche die St. Gallerinnen (vermutl. nur in Auswahl) in ihr Schwesternbuch aufgenommen hatten, über die Anfänge des brieflichen Austausches unterrichtet:13 11 Ü Ms. 5, f. 213vb–214ra, f. 214rb. N. B.: Der formelhafte Ausleihvermerk mit der Datierung einer Ausleihe in das Jahr 1453, ist fingiert und dient lediglich als Muster. Ein realer Bezug zu unserer Hs. Ü Ms. 5 ist nicht möglich, da Meyer das ›Ämterbuch‹ 1454 verfasste; die überarbeitende Übersetzung (des Johannes Meyer) mit dieser Datierung auch im Expl. Ü Ms. 5, f. 124rb; zur chronologischen Einordnung unserer Hs. siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹. 12 Vgl. den Vermerk der damaligen Inzigkofener Buchmeisterin Elisabeth Muntprat d. J. in der nach St. Gallen entliehenen Hs. Donaueschingen, Hs. 422 (heute BLB Karlsruhe, id. Sign.), s. u. S. 223. 13 Gemäss Vogler, St. Katharina (1938), S. 56, Anm. 2, stammt der erste Brief, dessen Abschrift erhalten ist, wahrscheinlich aus dem Jahre 1476: Denn die Nürnberger Priorin beklagt sich darin, dass der Rat eine päpstliche Bulle erwirkt habe, gemäss der sie nur noch Bürgerstöchter aus der Stadt ins Kloster aufnehmen dürfen; genannte Bulle datiert, gemäss ders., ebd., vom 11. Juni 1476. Vogler, ebd., verweist betr. den fraglichen Brief auf Schwb., f. CCxxxixv: Dort wird zwar in zwei Abschnitten über Briefe betr. Aufnahme von Novizinnen, u. a. auch bezügl. besagter Intervention des städtischen Rats bei der Kurie, referiert; es findet sich jedoch keine Datierung, zudem steht die Briefkopie im eigentlichen 2. Teil des Schwbs., wo nicht mehr Briefe in Abschrift, sondern zwar auf Briefe abgestützte, jedoch in Berichtform umredigierte Resume´s der Nürnberger Usanzen eingetragen sind. Der eigentliche Beginn des Briefwechsels wird im Schwb., f. xxvir vermeldet; f. xxvir u. xxvijr tragen am oberen Blattrand in röm. Ziffern von zeitgenössischer Hand (ev. Angela Varnbühler oder Elisabeth Muntprat) die Datierung 1483; Vogler vermerkt S. 56, Anm. 2, dass der Briefverkehr vom Jahr 1483 an besonders rege geworden sei. – Wenn dem entsprechenden Exzerpt im Schwb., f. CCxxxixv, tatsächlich ein Brief aus dem Jahr 1476 zugrunde gelegen hätte, würde dies bedeuten, dass Angela Varnbühler schon im ersten Jahr ihres Priorats (1476) Briefkontakt mit Kunigunda Haller hatte und dann wohl auch, im Bestreben um die Refor-

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹ e

Jtem mit disser getru´wen lieblichen mutterlichen vermanung vnd vil andren o minnrichen wortten hatt die wirdig getru´w mutter priorin Kungung [!] Hallerin o e zu nurenberg in sant katherinen kloster prediger ordens vnderwist fruchtbarlich o vnd nutzlich[,] als ain tru´wi mutter v´nsers Conuentz[,] v´nser wirdige vnd liebi o mutter priorin Engel ffarnbulerinen die do tze mal v´nsers Conuentz nutzliche o o e priorin ist gewesen [. . .] Do fieng die [. . .] wirdig lieb mutter priorin zu Nureno berg an mitt irem aller tru´westen fru´ntlichesten schriben v´ns hilfflich zu sin / vnder wissen / vnd ratten [. . .] vnd nach v´nser begierd v´ns gantzlich bericht aller fragen nach der ordnung[,] wie sy¨ sich haltend[,] wie wir des begert hand[,] als o man denn findt geschriben hier nach an dissem buch[.] Jn aller sunderhait hat o o e die lieb wirdig mutter priorin zu Nurenberg begeret[,] das dissy¨ nach geschribe nen vnder wisung vnd ordnung in sollicher haimlichait belib[,] dz dz nieman e geoffnet werd vsser halb v´nsers Conuentz[,] dz wir solliches von in habint[;] Dar o in wir[,] dz gar billich ist[,] zu willen wend werden vnd gancz haimlich by¨ v´ns lassen beliben.14

Im Antwortbrief schrieb Kunigunda Haller: So [. . .] will ich mich [. . .] by¨ v´ch versechen [erwarten, hoffen]15 mitt hochem o o fliss[,] ir wellint mich vff nemen zu ainer gespillen / ich will gern tun was v´ch o lieb ist vnd v´nsern lieben heren tru´lich fu´r v´ch bitten[,] dz ir ain gutty¨ obsero e e 16 uantz by¨ v´ch zu richten vnd v´ch hie vnd dort sallig [!] mach.

In den folgenden Briefen ermuntert und bestärkt die Nürnberger Priorin fortwährend die St. Galler Schwestern, in ihrem Reformbemühen nicht nachzulassen: Für eine dauerhafte Rückkehr zur strengen Observanz rät sie zur Geduld bei den einzelnen Schritten ihrer Umsetzung: v´ber ilend die S rn nit zuo fast / dz taeglich vnderwisen vnd vor in sechen / wirt guoten wilen in den S rn machen,17 und lobt den einmütigen Entschluss der Konventualinnen

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mierung des Konvents, den Kontakt mit der Nürnberger Priorin initiiert hätte (vgl. o. im Zitat: wie wir des begert hand). Einen verlässlicheren Hinweis auf die Datierung des Beginns des Briefwechsels gibt Schwb., f. xxxvv: im lxxxxvij do wz sy [i. e. Kunigunda Haller] lxxiij iar alt wz grosser tru[w] vnd liebi sy v´ns mer denn xv iar het bewist mit ir schr[iben] vnd aller unzal[–]licher [sic] guotat [wohl sic]. Der Vermerk ihres Versterbens im Jahr 1501 folgt als Nachtrag auf ders. Seite unten, so dass »mehr als 15 Jahre« wohl als vom Jahr 1497 aus gerechnet angesehen werden darf; demzufolge wäre der Beginn des Briefwechsels vor 1482 anzusetzen. Die Anlage des Schwbs. erfolgte vermutl. zu Beginn der 1480er Jahre. – Zum Schwb. siehe auch im ›Katalog der Handschriften‹, ›Schwesternbuch‹. Schwb., f. xxvir. Grimm, DWB XII /1 (1956), Sp. 1247, Nr. 9. Schwb., f. xxviijr. Schwb., f. xxxv.

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zur Einführung der Klausur, wenngleich er bei den Verwandten in der Stadt Unmut hervorrief: Es schat nu´nt[;] lasend die lu´t darvmb marblen.18 Der Briefwechsel muss, v. a. zu Beginn in den 1480er Jahren, äusserst rege gewesen sein, wie aus einem Antwortschreiben der Kunigunda Haller hervorgeht: oft vnd dick pin vnd wird ich erfroewt von u´erm [sic] grossen flissigen genauw suochen[,] dz dem orden der gaistlichait vnd der hailgen obseruantz zuo gehoert.19 Aus folgendem Eintrag geht hervor, dass keineswegs nur die beiden Priorinnen den brieflichen Kontakt aufrechterhielten: wz ich nit lis[,] list min liebs kind Veronica [Bernhartin] die haut nit verdrieß[,] o won sy waist vnd merckt wol die guten begird der S rn zu peden [sic] siten.20 [Der Eintrag ist von der Schreiberin datiert: im lxxxvij]

Nachdem Veronika Bernhart 1497 zur Priorin gewählt worden war, berichtet das Schwesternbuch: o

Die selb wirdig m[uter] priorin veronic[a] hat mer denn xv iar v´ns so grossi tr[u´w] bewist mit irem schr[iben] vnd vnderwisen [. . .] vnd wz die erst die ainer o S r vnd gespilen begert von vnserm conuent vnd alweg willig vnd begierig zu e e aller arbait da mit sy¨ v´ns getrosten mocht[;] dz erzogt sy erst recht vnd volkumlich [sic] do sy priorin ward mit irem schr[iben] vnd gaistlicher vnd zitlicher e trostung.21

Briefkontakt bestand also bereits unter dem Priorat der Kunigunda Haller auch zwischen einzelnen Schwestern des St. Galler und des Nürnberger Konvents, was von derselben nachdrücklich unterstützt wurde: e

o

So v´wri kind Solichi lieb vnd begird habend iren gespilen zu schr[iben] vnd sy sich ains besern [sic] nit verhindrend [d. h.: sie sollen sich durch das Briefee schreiben nicht von ihren klösterlichen Pflichten abhalten lassen] Solt ir in ie nit o abschlachen iren gespilen zu schr[iben], ich hoff[,] es kum nutz dar vs.22 [Der Eintrag ist von der Schreiberin datiert: im lxxxvij]

Nach einigen Jahren schrieb Kunigunda Haller, dass sie den Austausch der gespilen miteinander sogar noch intensivieren möchte: Ich dancken v´ch mitt hochem fliß dz ir mir miny¨ kind als wol versechen e e [Fürsorge übernehmen für23] habent[:] Sy¨ sint der gespillen gar hoch erfrowt 18 Schwb., f. xxxv; zu marbeln (vermutl. = ›murmeln‹), wohl von marbel: kleine Spielkugel, vgl. Grimm, DWB VI (1885), Sp. 1618. 19 Schwb., f. xxxijr. 20 Schwb., f. xxxiiijr, vgl. den Eintrag f. xxxvjr (Zit. s. u.). 21 Schwb., f. xxxvjr. 22 Schwb., f. xxxiiijr. 23 Grimm, DWB XII /1 (1886), Sp. 1241 f., Nr. 4.

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vnd wellentz gar gern han / ich will v´wery¨ kinder noch me erfrowen mitt gespilen.24

Der Briefwechsel muss demnach – so ist es wenigstens für Kunigunda Haller und Veronika Bernhart belegt – zu Beginn der 1480er Jahre seinen Anfang genommen haben. Auch der briefliche Kontakt von weiteren St. Galler und Nürnberger Konventualinnen – von Kunigunda Haller als gespilen bezeichnet – scheint sich schon bald darauf entwickelt zu haben.25 Es entsteht der Eindruck, v. a. gemäss dem oben zitierten Eintrag, mit dem die St. Galler Priorin die Abschriften der Nürnberger Briefe im Schwesternbuch eröffnet (s. o.), dass hier ein regelrechter ›Geheimbund‹ etabliert wurde, für den die Konventualinnen auf strengste wechselseitige Geheimhaltung des Ausgetauschten eingeschworen wurden.26 In einem zweiten Teil des Schwesternbuchs wurde die eigentliche Briefform (mit Anrede, Grussformeln etc.) aufgegeben, und durch in Berichtform redigierte, aus der Fülle von Briefen kompilierte Resume´s der Nürnberger Usanzen abgelöst. Dieser Teil setzt mit rubrikartig erläuternden Worten ein: Nach disser ordnung[,] die hie nach geschriben stat[,] haltend sich die wirdigen o e o mutren vnd schwostren des wirdigen conventz zu Nu´renberg [. . .].27

24 Schwb., f. xxviijr. 25 Meines Wissens wurde bislang von der Forschung nicht erfasst, dass der Briefwechsel nicht nur zwischen den Priorinnen stattfand, sondern in St. Gallen wie in Nürnberg einen Teil des gesamten Konvents erfasste. 26 Der Bitte der Nürnberger Priorin an die St. Gallerinnen, das Wissen über die Nürnberger Usanzen nicht weiterzutragen, widerspricht, dass Joh. Meyer solche ›Gewohnheiten‹ in seinem ›Buch der Ersetzung‹ (i. e. Ergänzung) zusammentrug: Damit trat zum einen eine fixierte Niederschrift an die Stelle einer bisher weitgehend mündlich bestimmten innerklösterlichen Ordnung, die nunmehr in einer schriftlich fixierten Form eine neue Einheitlichkeit und Verbindlichkeit gewann; zum anderen knüpfte Meyer zwar an die Gebräuche der Dominikanerinnen an, schuf aber, mit seiner selektiven Auswahl wie mit der Verschriftlichung, eine ›neue‹ Tradition, welche zudem nun auch in andere Klöster weitergetragen wurde, in denen diese ›Gewohnheiten‹ vorher nicht praktiziert worden waren; Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 201. – Zum ›Geheimbund‹ der St. Gallerinnen mit den Inzigkofener Augustinerchorfrauen siehe unten S. 222 f. 27 Schwb., f. xlviijr, jedoch nicht als ›Rubrik‹ hervorgehoben (etwa mit roter o Tinte), sondern fortlaufender Text. – Der Plural mutren meint die Priorin, die Subpriorin und die älteren Schwestern des Konvents.

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Die Einleitung zum zweiten Teil enthält auch eine Würdigung dieses für St. Katharina St. Gallen so wertvollen Austausches: Wie die St. Gallerinnen für die Nachwelt festhalten, war die Unterstützung durch den Nürnberger Konvent mannigfacher Art: mit irem tru´wen mueterlichen vnd vnferdrossnen [!] schriben vnd vil andren guottaeten [. . .] hand sy grosse frucht ton in v´nserm Convent.28 Eines wird dort ganz besonders hervorgehoben: sunder [hier: insbesondere] hand sy¨ v´ns iri buecher gar fru´ntlich gelichen.29 Die hier angesprochenen Leihgaben von Vorlagen für die Herstellung von Abschriften waren mit Briefsendungen verbunden und wurden wie diese auf dem Wege von Handelsbeziehungen, welche Kaufleute zwischen St. Gallen und Nürnberg unterhielten, an das St. Galler Katharinen-Kloster übermittelt. In einem Fall ist ein solcher Vorgang exemplarisch dokumentiert in einem Brief an die St. Galler Priorin: o

ich schick v´ch hie mit dz kostlich buch[:] die vslegung der regel als vmbertus o e e schribt[;] Des ist ain buch man solt es vergu´lden [. . .] ir sollend dz pald lassen ab o schriben / wir habens ietz die fasten zu tisch gelesen vnd werdend es in zwaigen o o iaren nit wider zu tisch lesen / aber die S rn habend vil liebi dar zu vnd lesend oft 30 da inn.

Der Brief stammte vermutlich aus dem Jahre 1485.31 Die Abschrift des Textes wurde umgehend ausgeführt: Obwohl Kunigunda Haller eine ›Leih28 Schwb., f. xlviijr. 29 Schwb., f. xvjr. o o 30 Schwb., f. xxxiir; zum ›Umgang‹ mit diesem kostlich buch ebd.: wirdj muter ir e vnd die andren min hertz lieben kind solend dar ab oder von sinen stucken [sic] o o nit erschricken Sy dienend wol zu dem orden vnd gaistlichait So ist och gut da o inn [sic] zu vermerckind wz die regel antrift [anbelangt] Suss anders vil dz vermelt wird[,] wurd [sic] es nit also gehalten[,] man fert nit in die hell dar durch. – Bei der Nürnberger Vorlage könnte es sich um die Nürnberger Hs. Cod. Cent. VI , 46e handeln: Humbertus de Romanis, Expositio in regulam Augustinianam, dt.; Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 151 f. Vgl. den Druck [Humbertus de Romanis,] Auslegung der Regel des Hl. Augustinus, dte. Bearbeitung (von Johannes Meyer). – Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 198 f., vermutet, dass St. Katharina Nürnberg als »Regelbuch-Produktions- und Exportzentrum« fungierte, »also in gewisser Weise als Verwalterin des deutschsprachigen Normalexemplars für observante Dominikanerinnenklöster wirkte«. 31 Der im Schwb. voranstehende Brief bezieht sich auf die (beim Schreiben des Briefes bereits erfolgte) Verblechung des Redefensters im St. Galler Konvent und den daraus erwachsenen Aufruhr bei den Verwandten der Konventualinnen in der Stadt; diese Massnahme ist in der Chronik (f. 45r) für das Jahr 1485 festgehalten. Vorausgesetzt dass die Briefe in chronologischer Reihenfolge eingetragen sind, kommt nur das Jahr 1485 in Frage, da das folgende Jahr (über

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frist‹ von zwei Jahren einräumte, hält die St. Galler Chronik die Ausführung der Abschrift noch für dasselbe Jahr (1485) fest: wir hand geschriben [. . .] ain schoen tu´tz [sic] buch die glos vber die regel nach der vslegung humbertz. Für das folgende Jahr 1486 wird die Handschrift, zusammen mit den anderen Büchern, die vor stond[,] die wir geschriben hand im lxxxv [jar], als in gebunden vnd illuminiert vor fasnacht vnd in der vasten im lxxxvj [jar], verzeichnet.32 Die Anfertigung der Kopie erfolgte also innert kürzester Frist.33 Diese Tatsache setzt allein schon ein gut organisiertes, tüchtiges, permanent einsatzfähiges Scriptorium (Schreiberinnen-Equipe) voraus, das jederzeit in der Lage war, Abschriften auszuführen. Leider ist dies der einzige Fall, wo wir von einem Begleitbrief zu einer Büchersendung Kenntnis haben. Weitere Schenkungen oder Leihgaben von Büchern der Nürnberger Dominikanerinnen wurden (vermutlich nicht vollzählig) in der Chronik verzeichnet. Ungefähr gleichzeitig mit dem Briefwechsel setzen die Nachrichten in der Chronik ein, welche die Ausleihe von Handschriften aus dem Nürnberger Katharinen-Kloster als Abschreibevorlagen vermerken, beginnend zum Jahr 1483: o

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Jtem wir hand j ewangelium buch geschriben vnd dz buch der erseczung vnd dz e o e schwostren buch wie die kloster reformiert sind mit nottel geschrift[,]34 vnd haut e man v´ns die bucher gelichen von nu´renberg vss Sant kattrinen kloster prediger ordens.35

Hinter dem schwoestren buoch wie die kloester reformiert sind verbirgt sich das ›Buch der Reformacio Prediger Ordens‹ des Johannes Meyer. Die Abschrift durch eine bekannte (anonym bleibende) Schreiberin des St. Galler Scriptoriums ist erhalten und war Grundlage der Edition von Reichert.36 Die in

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dem folgenden Brief f. xxxiiv die Jahrzahl lxxxvj nachgetragen) ausscheidet (s. o. im Text). Chronik, f. 48r, zum Jahr 1485, sowie Chronik, f. 50r, zum Jahr 1486. Bislang konnte die entsprechende St. Galler Hs. nicht identifiziert werden, weder im Bücherverzeichnis von 1507 (allenfalls ein unklarer, nicht eindeutig bestimmbarer Eintrag könnte sich auf dieses Buch beziehen), noch bei den erhaltenen Codices. Das heisst: Kursiv-, Gebrauchsschrift; siehe Martin Steinmann, Ein mittelalterliches Schriftmusterblatt, in: Archiv für Diplomatik 21 (1975), S. 450–458, hier S. 452 f.; vgl. aber auch unten S. 215, Anm. 46, zur Bedeutung von ›notel‹ [!]. Siehe auch Vogler, St. Katharina (1938), S. 244 f., Nr. 54. Chronik, f. 27r. Cod. sang. 1916, siehe im ›Katalog der Handschriften‹; Ed.: Johannes Meyer OP , Buch der Reformacio Predigerordens, hg. v. Reichert, Reformacio Predigerordens (1908/09); zur St. Galler Hs. Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983),

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der Chronik erwähnte Vorlage ist vermutlich identisch mit Cgm 8081 der BSB München, geschrieben im (Nürnberger) Katharinen-Kloster wahrscheinlich zwischen 1474 und 1483.37 Beim buoch der erseczung [i. e. Ergänzung] handelt es sich um Zusätze Johannes Meyers zum ›Buch der Ämter‹, in denen er die ›Gewohnheiten‹ observanter Dominikanerinnen in Auswahl zusammenstellt.38 Die St. Galler Abschrift dieses Textes diente wiederum als Vorlage für einen für das Kloster Zoffingen zusammengestellten Sammelband. Dieser ist erhalten,39 wohingegen das Exemplar der St. Galler Katharinen-Schwestern wohl als verloren angesehen werden muss.40 1487 erhielt der St. Galler Konvent für das Korrigieren seines Messbuchs das Graduale der Nürnberger Dominikanerinnen ausgeliehen, was die Schreiberin Elisabeth Muntprat ausdrücklich als Privileg vermerkt: o

Jtem vnser wirdigi hertz liebi muter priorin von nu´renberg Kungunt Hallerin vnd ir convent hand v´ns ir gradual gelichen vss sunder grosser tru´w vnd liebi o vnd hand wir vnser messbuch dar ab corrigiert vnd gantz mit den noten vnd worten also gemachet wie sy dz hand[,] dz sy andren conventen versait hand[,] aber vss liebi vs gelichen.41

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S. 195–197; entgegen dems., ebd., S. 195, nicht von der Hand eines Schreibers (trotz Zitat der Chronik-Stelle ebd.), s. o. im Text. Die BSB München erwarb die Hs. Cgm 8081 1967 aus nürnbergischem Privatbesitz; sie ist, gemäss Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 197, annähernd inhaltsgleich mit unserer Hs., an Authentizität besser als die von Reichert benutzte, jedoch übertroffen von der Hs. aus dem Dominikanerkloster St. Mathäus und St. Niklaus (Straßburg, Bibliothe`que nationale et universitaire, Cod. 2934/All. 726). Zur Nürnberger Vorlage-Hs. Werner Fechter, Die Nürnberger Hs. von Johannes Meyers ›Buch der Reformacio Predigerordens‹, in: ZfdA 110 (1981), S. 57–69. Vgl. auch Johannes Meyer im ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 123vb–124ra: vss gezogen o e [. . .] vss des ordens guten bewarten gewonhaiten [!] Als ich denn by¨ vil cloester [sic] [. . .] das gesechen gelessen [!] oder gemerckt hab. Ü Ms. 5, das ›Buch der Ersetzung‹ f. 261ra–362vb; gemäss Fechter, Blarerin (1979), S. 442, ging eine weitere Teilabschrift aus dem ›Buch der Ersetzung‹, geschrieben ev. ab derselben Nürnberger Vorlage, aus dem St. Galler Katharinen-Scriptorium an das Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen (s. u. S. 220 f.), heute Tübingen Md. 456, f. 3r–76r. Gemäss Register zum Kat. Schneider, Handschriften Nürnberg (1965) ist keine Hs. des Nürnberger Katharinen-Klosters mit dem ›Buch der Ersetzung‹ in StB Nürnberg erhalten; es könnte sich allenfalls um die aus dem KatharinenKloster stammende Hs. in Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts mss. 198 (olim Chicago) handeln; vgl. VL 2 6 (1987), Sp. 474–489 (Werner Fechter), hier Sp. 477. Chronik, f. 55v, zum Jahr 1487, Hand der Elisabeth Muntprat.

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Beschlüsse des Generalkapitels, welche die Liturgie betrafen, machten mitunter Änderungen an den Chorbüchern notwendig. Hierfür wurden Vorlagen benötigt, welche bereits die ›bessere‹, d. h. adaptierte, verbindliche Fassung enthielten. Von einem konkreten Fall berichten Schwesternbuch und Chronik. Infolge eines Beschlusses des Generalkapitels mussten die Nürnberger Schwestern eine Umstellung der Lesungen vornehmen: Jtem so die nu´w ordnung nun ist gemachet mit dem fest corporis xpi So sol man am Sunentag in der octav ix letzen halten vnd die omely vf den fritag [. . .] ir w[irdiger] vater Johannes Lock leß [i. e. Lesemeister] ir bichtvater der hat sy e vnderwist fu´r die iij letzen[,] der sy nit habend[:] man mocht sy nemen vss den leren Sant Augustinus oder Ambrosyus [. . .] Jtem ir wird[iger] vater .leß. haut in [sc. ihnen] .iij. letzen gemachet[,] die sy nemend am sunntag in der octav corporis xpi vsser [hier = zusätzlich zu?] dem sermon S. Augustini vnd Ambrosy[,] die da schr[iben] von dem hailgen Sacrament.42

Diese Neuerungen waren notwendig geworden, nachdem auf dem Generalkapitel zum Fest Corporis Christi (Fronleichnam) eine feierliche Oktav beschlossen worden war: Die Nürnberger Dominikanerinnen benötigten Texte für die zusätzlichen Lesungen, wobei in der Auswahl offenbar Unsicherheiten bestanden; eine entsprechende ›Unterweisung‹ gab der Lesemeister.43 Die St. Gallerinnen sahen sich vor dieselben Schwierigkeiten gestellt: die iij letzen hand wir nit Sy [sc. die Nürnberger Schwestern] wellens v´ns aber schicken. Dass dies auch tatsächlich geschehen ist, vermeldet die Chronik: Jtem wir hand geschriben vf bermet die letzgen von den hailgen die drig letzgen hand wie sy v´ns von nu´renberg hand geschickt textur.44 42 Schwb., f. lxxxv, Unterstreichungen durch die Schreiberin Elisabeth Muntprat. 43 Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 164, mit Anm. 496, fragt völlig zu Recht nach den Gründen der Unsicherheit und der Notwendigkeit der Abhilfe durch den Lesemeister: Standen den Schwestern weitergehende Informationen der Ordensleitung nicht zur Verfügung, auf deren Grundlage sie passende Texte hätten auswählen können? Oder fehlten ihnen Kenntnisse der entsprechenden, geeigneten Literatur? 44 Chronik, f. 88r, zum Jahr 1500; Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 162–164, stellt die Verbindung zwischen den entsprechenden Stellen in Chronik und Schwb. (von ders., ebd., S. 163 f. zitiert) nicht her. – Mit textur ist die Schriftart Textualis gemeint, siehe Steinmann, Schriftmusterblatt (1975), S. 451 f., vgl. Schneider, Paläographie (1999), S. 38, Anm. 63 (Lit.): »[Textura] wird teils als ›Gewebe‹ interpretiert, teils hergeleitet vom ›textus‹.«

1 Dominikanerinnenkloster St. Katharina Nürnberg

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Von einem vergleichbaren Fall des Jahres 1486, wo ebenfalls aufgrund eines Beschlusses auf dem Generalkapitel in Venedig Umstellungen der Lesungen vorgenommen werden mussten, wird im Schwesternbuch berichtet: Zu allen Heiligen, für die zuvor eine Memoria gehalten worden war, sollten nun drei Lesungen abgehalten werden. Erneut halfen die Nürnberger Dominikanerinnen mit den entsprechenden Vorlagen aus.45 Offenbar wurden die St. Galler Schwestern auch sonst hinsichtlich der Vorschriften und Gebräuche beim Gottesdienst und anderen klösterlichen Übungen von ihren Nürnberger gespilen unterrichtet. Die Ausleihe einer entsprechenden Handschrift als Vorlage wird zwar nicht explizit erwähnt, muss jedoch vorausgesetzt werden, wenn die Chronik berichtet: Jtem wir hand [geschriben] den notel mit siner declarirung [Erklärung, Auslegung] wie sich die mutren von nu´renberg haltend in dem gotlichi [sic] ampt.46 Für die das Begräbnis einer verstorbenen Konventualin betreffenden Fragen erhielt der St. Galler Konvent aus Nürnberg ein Rituale geliehen: sy¨ [. . .] begrabend die S r[,] als in dem totten bu´chly geschriben stat[,] dz sy v´ns geschickt hand mit begraben vnd verichten [!] aller ding.47 Neben den elementaren liturgischen Büchern erhielten die St. Galler Katharinen-Schwestern auch Werke der erbaulichen Literatur als Leihgabe zur Herstellung von Abschriften, so beispielsweise ain schoen großß[!] buoch

45 Schwb., f. xvv. 46 Chronik, f. 58v, zum Jahr 1488; Vogler, St. Katharina (1938), S. 238 f., Nr. 29: Notel oder Zeremoniale, Inhalt: Rubriken über Vorschriften und Gebräuche beim Gottesdienst und anderen klösterlichen Übungen (mit Verweis auf die in der Chronik, f. 58v genannte Nürnberger Vorlage); die Hs. heute KlA Wil, M 8; die Nürnberger Vorlage-Hs. nicht identifizierbar. – Ein notel enthält, gemäss Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 160 f., Anm. 477, Gottesdienstordnungen für das ganze Jahr. Der Verweis auf Chronik, f. 27r, zum e e Jahr 1483 ist falsch (dort u. a. dz schwostren buoch wie die kloster reformiert sind mit nottel geschrift, i. e. Joh. Meyer, ›Buch der Reformacio‹: Cod. sang. 1916); demzufolge ist die Behauptung ders., ebd., der ›Notel‹ fände sich »unter den ersten Büchern, die nach der Übernahme der Reform im September 1482 [. . .] als abgeschrieben dokumentiert werden«, zu korrigieren (wie oben). Zur Bedeutung von mhd. ›notel‹ vgl. auch Grimm, DWB VII (1889), Sp. 904: ›schriftliche Aufzeichnung, Urkunden-Abschrift, Notariatsinstrument‹; hier ist ›notel‹ also zu verstehen als schriftlich niedergelegtes Dokument mit der Verbindlichkeit einer notariell beglaubigten Urkunde; vgl. aber oben Anm. 34: ›nottel [!] geschrift‹ (für eine Schriftart: Kursiv-, Gebrauchsschrift). 47 Schwb., f. Cxxviijr, Jahr der Leihgabe nicht bekannt. Vgl. Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 295, mit Anm. 144.

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von dem leben xpi [Christi] vnd vil schoene materi vnd hatend vns die von nurenberg [sic] dz buoch gelichen dar ab wirs schribend.48 Der Nürnberger Konvent sandte jedoch auch Bücher als Schenkungen nach St. Gallen. Überliefert sind eine Vergabung in der Zeit der sich etablierenden Reform des St. Galler Konvents: o

o

Jtem v´nser hertzliebi getru´wi muter priorin Ku´ngunt Hallerin zu S katherina in e o nu´renberg brediger ordens haut vns ain schon buch geschenckt mit der nachvolgung xpi got sy ir ewiger lon won sy vns vil vnzalicher groser tru´w haut ton dar vmb wir got billich fu´r sy vnd iren convent biten sind [sic],49

und eine weitere im beginnenden 16. Jahrhundert: o

o

Jtem die erwirdig vnser tru´wi liebi mutter priorin zu nu´renberg hat mir [i. e. e Sapientia Wirt, da Eintrag von ihrer Hand] gesent ain truck [sic] buchli ist ain 50 processionarium nach vnsrem orden vnd stond all ymnus daran.

Ein Band unklarer Provenienz, der den Besitzeintrag Monasteriæ S. Catharinæ (sic, von der bekannten Hand des 17. Jhs.) trägt, könnte ebenfalls aus dem Nürnberger Katharinen-Kloster stammen, ev. sogar von einer Nürnberger Konventualin geschrieben worden sein: Der prachtvolle Cod. sang. 405, ein Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts (bis ca. 1420) geschriebenes Brevier, in tadelloser Textualis auf 841 pp. feinen Schafspergaments, mit reichem Buchschmuck (auf jeder Doppelseite rote und blaue Lombarden und Fleuronne´-Initialen). Wann und unter welchen Umständen dieser Codex in die Bibliothek der St. Galler Dominikanerinnen gelangte, lässt sich aufgrund der erhaltenen Quellen nicht rekonstruieren: Weder Chronik noch Schwesternbuch des Konvents halten eine entsprechende Schenkung fest.51 Anhaltspunkte liefert der Inhalt des Breviers: Dort figurieren keine St. Galler Heiligen; hingegen könnte das breit angelegte Katharinen-Officium, ausgezeichnet mit drei grossen Fleuronne´-Initialen, auf St. Katharina Nürnberg hinweisen. Aus der Zeit der Anfänge des Austausches mit dem Nürnberger Konvent ist auch eine bedeutende Schenkung der St. Galler Dominikanerinnen nach Nürnberg belegt: Jtem wir hand gekofft ain getruckt Ewangelium buoch mitt 48 Chronik, f. 62v, zum Jahr 1490. War diese Hs. möglicherweise die Vorlage für Cod. sang. 600? Siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 49 Chronik, f. 59v, zum Jahr 1489. 50 Chronik, f. 156r, zum Jahr 1518. 51 Ev. vor Beginn der Chronik-Aufzeichnungen? Der Band trägt keinen Besitzeintrag des 15./2 Jhs.; ein solcher könnte später entfernt worden oder verloren gegangen sein.

1 Dominikanerinnenkloster St. Katharina Nürnberg

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figuren vnd glossen vmb j guldin vmb v´nser hertzlieben muottren vnd S[west]ern von sant katherinen zuo nuerenberg.52 Nicht in der Chronik oder im Schwesternbuch verzeichnet ist die Schenkung einer von Elisabeth Muntprat geschriebenen Handschrift, mit einer Predigt des Johannes Scherl und einer weiteren Predigt eines anonymen Dominikaners, beide gehalten im St. Galler Katharinen-Kloster im Jahr 1486.53 Der Faszikel (bestehend aus 3 Sexternionen) trägt am Schluss eine Schreiberinnenbitte sowie einen weiteren Eintrag der Schreiberin zum Besitz dieser Handschrift: Dis gehört der wirdigen andaechtigen muoter Veronica Pernhartin in dem closter zuo S. Kather. in Nürnberg von irem tr〈u´wen〉 kind S. Elizabet M[untpratin].54 Die Bezeichnung der Veronika Bernhart als muoter (s. o.) könnte darauf hinweisen, dass diese Schenkung der neuen Priorin zum Amtsantritt zugedacht war; dann wäre die Schenkung wohl 1497, dem Jahr ihrer Wahl zur Nachfolgerin der Kunigunda Haller, oder wenig später erfolgt.55 Wie aus diesen Ausführungen zu ersehen, waren die Verbindungen zwischen den Katharinen-Klöstern St. Gallen und Nürnberg weit umfassender und komplexer, als dass man sie ausschliesslich »literarische Beziehungen« nennen dürfte, die »sich darauf beschränkten, dass literarische Texte empfangen, weggegeben oder ausgetauscht wurden«.56 Die Unterstützung durch 52 Chronik, f. 40r, zum Jahr 1484; vgl. Hain Nrr. 6728–6733 (Drucke a. 1478– 1484). 53 Später zusammengebunden zu einem Sammelbd., heute StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 13, die Predigten f. 79r–99r; Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 28–284, hier S. 283; zur Identifikation des in der Hs. als Verf. der Predigten genannten Johannes S. mit Johannes Scherl vgl. Kaeppeli, Scriptores III (1980), S. 10, sowie Peter Ochsenbein, in: VL 2 8 (1992), Art. ›Johannes Scherl OP ‹, Sp. 644 f. Ev. stammt auch die zweite Predigt eines anonymen Dominikaners, ebenfalls gehalten zu St. Katharina im Jahr 1486, von Scherl. 54 StB Nürnberg, Cod. Cent. VII 13. Schreiberinnenbitte im Kolophon f. 113r: O min ainigi vnd allergetru´westi muter bit got fu´r din tru´ws kind S. Elisabeth Munt[pratin] die dir diss vss gantzer tru´w geschr〈iben〉 haut wie wol die geschr〈ift〉 bos [Lexer: gering, wertlos; S. M.: gewöhnlich] ist so ist doch die liebi gantz vnd guot. Zitat nach Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. 282, aufgrund der Kürzung des Familiennamens Muntprat zu Munt hat Schneider die St. Galler Schreiberin nicht identifiziert. – Zitat zum Besitz Cod. Cent. VII 13, f. 79r, zit. nach Schneider ebd. 55 Schneider, Handschriften Nürnberg (1965) stellt zur Datierung der Hs. resp. der Schenkung die Verbindung zum Amtsantritt der Veronika Bernhart im Jahr 1497 nicht her; in jedem Fall handelte es sich wohl nicht um die ErstNiederschrift der Predigten, sondern um eine spätere Kopie derselben. 56 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 183.

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den Nürnberger Konvent erstreckte sich auf alle Bereiche des monastischen Lebensvollzugs im Sinne eines beide Konvente verbindenden, übergeordneten Zieles: der konsequenten Umsetzung des Observanzgedankens.

2 Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen Wohl dank der St. Galler Konventualin Elisabeth Muntprat und deren älterer Schwester Veronika entwickelten sich auch freundschaftliche Beziehungen zum Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen (bei Sigmaringen):57 Veronika Muntprat (*1455) war 1469 im Alter von 14 Jahren in Inzigkofen eingetreten,58 wo sie 1518 als Pröpstin starb. Die finanzkräftige Konstanzer Kaufmannsfamilie Muntprat zählte nicht nur zu den wichtigsten Gönnern des St. Galler Katharinen-Klosters, sondern liess auch dem Inzigkofener Stift zahlreiche Vergabungen zukommen.59

57 A. a. O., S. 120; Fechter, Blarerin (1979), S. 436; Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 45 ff.; Vogler, St. Katharina (1938), S. 31; zu den Beziehungen zwischen St. Katharina St. Gallen und Inzigkofen (Büchertausch, -schenkungen und -ausleihe) vgl. auch Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 294 ff., sowie Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 364–366; Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 675. Die Studie von Hauber (a. a. O.) bedarf der Revision, insbesondere betreffend das Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen; zum Beispiel bleibt er für seine These, »die Handschriften der Frauen zu Inzigkofen« hätten für die Tischlektüre gedient (a. a. O., S. 349), einen Beleg schuldig. – Das Kloster Inzigkofen, gegründet 1354 als Klause, war 1394 von der 3. Franziskaner-Regel zur strengeren Augustiner-Regel übergegangen und war vermutlich bereits seit 1412 (oder wenig später) klausuriert. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 38, mit der Datierung 1412; Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 6, mit Anm. 13, hält eine Datierung auf »etwas später« für wahrscheinlich. – Das auf dem Land gelegene Kloster unterstand einem adligen Schutzherrn: 1391–1534 übten die Grafen von Werdenberg, die damaligen Herren von Sigmaringen, das Schutzrecht aus; ders., Blarerin (1979), S. 436. 58 Gemäss dems., a. a. O., nach Beratung durch Michael von Reischach, Stiftsherr an St. Stephan in Konstanz. 59 Die Muntprat, namentlich Konrad Muntprat und seine Tochter Anna, hatten 1476 den Bau der Einzelzellen für die Inzigkofener Schwestern finanziert. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 43, Anm. 27; Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 17, mit Anm. 84, dort Verweis auf Pflummern, Geschichte Inzigkofen (1903), S. 69, und Geissenhof, Chronik Inzigkofen (1894), Sp. 461.

2 Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen

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Obwohl dieser Konvent einem ›fremden‹ Orden angehörte, entwickelte sich auch mit ihm ein Austausch geistlicher Texte.60 Zum Beginn des Austausches lässt sich aus den Quellen leider nur Weniges ermitteln; insbesondere zu Fragen seiner ungefähren Datierung, dem Ausgangspunkt sowie zur Motivation der Kontaktaufnahme (nur rein aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen?) liegt vieles im Dunkeln. Unter anderem wäre interessant zu wissen, seit wann von einem regulären Scriptoriumsbetrieb im Inzigkofener Stift ausgegangen werden kann: Die chronikalischen Aufzeichnungen informieren nur spärlich über das Wachsen der allgemeinen teutschen liberey¨ des Stifts – anders als im Fall des St. Galler Konvents. »Aus der Inzigkofer Chronik ist nur zu erfahren, daß die Schwestern anfangs wegen ihrer Armut Meß- und andere Bücher abschrieben und verkauften«; daß sie sich die zum Chorgebet erforderlichen Bücher zunächst leihen mußten und daß sie diese »später selbst anfertigten nach Vorlagen, die ihnen die Pfarrer von Laiz und von Riedlingen zur Verfügung stellten«.61 60 Als dessen Beginn vermutet Fechter in seiner jüngsten Studie zum Inzigkofener Stift nicht mehr (wie in der Studie von 1979) die Schenkung der heutigen Tübinger Handschrift Md. 456 aus dem St. Galler Katharinen-Scriptorium nach Inzigkofen, sondern setzt ihn schon in den 1470er Jahren an: ders., Blarerin (1979), S. 437, zur Handschrift S. 43 ff.; neu Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), die Handschrift a. a. O., Nr. 33, S. 118–120, mit Verweis auf Nr. 19, Nr. 27, Nr. 29. Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), zur Handschrift S. 356–361. – Allgemein ist festzuhalten: »Was über die Herkunft der Vorlagen für in Inzigkofen oder in seinem Auftrag geschriebene Handschriften mit einiger Sicherheit gesagt werden kann, ist spärlich.« Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 183. 61 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 43 f., ohne eine Stellenangabe der Inzigkofener Chronik, sowie ders., ebd., S. 186: »[E]ine Handschrift, durch die es nachzuweisen wäre, fehlt noch«.- Gemäss dem (chronologisch geordneten) Hss.-Verzeichnis bei Fechter stammt, aufgrund der identifizierten Inzigkofener Schreiberinnen sowie von Datierungen in Kolophonen, ein erstes Corpus von Hss. aus dem 15./1 Jh. (als Anna Jäck als Schreiberin offenbar rege tätig war). Aufgrund dessen kann, zusammen mit der ›Armuts‹-These, davon ausgegangen werden, dass eine organisierte Abschreibetätigkeit in Inzigkofen bereits früher als in St. Gallen stattfand (wie ja auch das Inzigkofener Stift in seiner geschichtlichen Entwicklung – Übernahme einer strengeren Regel, Einführung der Klausur – dem St. Galler Konvent voraus war). Auf diesem Hintergrund mutet es seltsam an, dass aus dem erst im Aufbau befindlichen St. Galler Scriptorium dem Anschein nach mehr Vorlagen nach Inzigkofen gingen als umgekehrt: Muss von einer überlieferungsbedingten Verzerrung ausgegangen werden? Aufgrund der erhaltenen Hss. besteht jedenfalls kein Anlass zur Vermutung, dass das Inzigkofener Stift dem noch im Aufbau be-

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹

Die ehemals Inzigkofener Handschrift Tübingen Md. 456 wurde von der St. Galler Konventualin Elisabeth Muntprat geschrieben;62 die These Fechters, die Partie f. 86v–245r sei von einer zweiten St. Galler Dominikanerin geschrieben worden, ist nicht haltbar: Gemäss meinem Schriftvergleich handelt es sich um dieselbe Hand.63 In der Chronik ist zum Jahr 1484 eine Buchschenkung nach Inzigkofen festgehalten: ain schwostren buch schanckent wir den von vntzkofen, was sich vermutlich auf unsere Handschrift bezieht; für das Jahr 1484 wird vermerkt, dass das Buch, dz wir den von v´ntzcofen hand geschen, eingebunden worden war.64 findlichen St. Galler Scriptorium mit Vorlagen behilflich gewesen wäre. Ringler sieht das Bücher-Abschreiben nicht ausschliesslich unter finanziellem Aspekt, sondern als »diejenige Art des Lebensunterhalts, die dem Streben nach strenger Klausur am günstigsten war«. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 42. 62 Nochmals sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die St. Galler Konventualin und Schreiberin Elisabeth Muntprat nicht zu verwechseln ist mit der Inzigkofener Ordensfrau gleichen Namens; letztere war eine Tochter des Jakob Muntprat, also Nichte der Elisabeth Muntprat des St. Galler Klosters sowie der Anna und Veronika; die Verwechslung bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 30 f. sowie a. a. O., S. 275, dazu Fechter, Blarerin (1979), S. 436, mit Anm. 36. Elisabeth Muntprat d. J. war 1486 in Inzigkofen eingetreten, wurde später Buchmeisterin, dann Pröpstin; vgl. dens., a. a. O., S. 430, mit Anm. 3. An dieselbe Elisabeth Muntprat d. J., in ihrer derzeitigen Funktion als Priorin, wandte sich in der Reformationszeit Barbara von Boswil mit der Bitte um Aufnahme. 63 Aufgrund von Übereinstimmung der Buchstabenformen und des Duktus; der ganze Band stammt von der Hand der Elisabeth Muntprat, wenngleich sie in der längeren Partie mit den Auzügen aus Meyers ›Buch der Reformacio‹ offensichtlich sehr zügig schrieb, so dass ihre charakteristischen Buchstabenformen weniger ausgeprägt sind (gewisse ›Ermüdungserscheinungen‹ sind aufgrund der Länge der offenbar in einem Zug geschriebenen Partie auch denkbar); bei der 1. Lied-Strophe (f. 245r/245v) liegt eine Schreibcäsur aufgrund eines Kielwechsels vor. – Dementsprechend zu korrigieren: Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 120; Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 196 (zu Cod. sang. 1916), demgemäss Tübingen Md. 456 »im Jahre 1484 unter M i t b e t e i l i g u n g der Schwester Elisabeth Muntprat« in St. Gallen geschrieben worden sei; ebenso Vogler, St. Katharina (1938), S. 256, Nr. 81, gemäss der »Bl. 2–86« [genauer: f. 2r–86v] von »Schwester Elisabeth Muntprat« »ungefähr 1485« geschrieben worden seien (ohne Angaben zu »weiteren Händen«): dies., schon korrigiert durch Fechter, Blarerin (1979), S. 237, Anm. 39, sowie bei dems., Handschriften Inzigkofen (1997), S. 120. 64 KlA Wil, Chronik, f. 43v, zum Jahr 1484; ders., Blarerin (1979), S. 437, bezieht

2 Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen

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Der Band enthält unter anderem die ›Chronik der Generalmeister Predigerordens‹ des Johannes Meyer (aus dem ›Buch der Ersetzung‹, Kap. 9, gekürzt und am Schluss erweitert); weitere Partien aus Meyers ›Buch der Ersetzung‹;65 die Bücher III−V aus Meyers ›Buch der Reformacio‹ (Kapitel III ganz, Auszüge aus den Kapiteln IV und V ). Er schliesst mit einem historischen Lied auf die 1482 durchgeführte Klausurierung des St. Galler Katharinen-Klosters, vermutlich gedichtet und komponiert vom St. Galler Lesemeister Johannes Scherl:66 [. . .] In des hailgen herren sant gallen statt / da lit ain frowen kloster wol gemacht / o zu sant kathrinen ist es genampt / da sind der rainen kinden vil / von den ich iecz nun singen [über gestr. sagen, von ders. Hand] wil [. . .].67

diese Chronik-Stelle auf diese, vermutlich erste Schenkung von St. Gallen nach Inzigkofen; der Bezug zu unserer Handschrift ist möglich, aber nicht gesichert; dieselbe Chronik-Stelle mit dieser Handschrift in Verbindung gesetzt noch bei dems., Handschriften Inzigkofen (1997), S. 120. – Gemäss dems., a. a. O., gelangte die Handschrift aus dem Nachlass von Ludwig Uhland 1871 an die Universitätsbiliothek Tübingen. 65 Fechter, Blarerin (1979), S. 437 f., S. 442; ders., Handschriften Inzigkofen (1997), S. 118–120. Gemäss dems., Blarerin (1979), S. 442, aus dem ›Buch der Ersetzung‹ Kap. 9 (gekürzt), Teile aus den Kapiteln 8 und 10 sowie 2, 3 und 6; vgl. KlA Wil, Chronik, f. 27v, zum Jahr 1483. Die Handschrift Ü Ms. 5 des Klosters Zoffingen enthält ebenfalls Teile aus dem ›Buch der Ersetzung‹: die Kapitel 1, 2, 3, 4, 6 und 7, in Auswahl und Anordnung verschieden von der Tübinger Handschrift, in den einzelnen Kapiteln weitreichende Übereinstimmung. 66 Tübingen Md. 456, f. 245v–249v, abgedruckt bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 40–46 (mit Lesefehlern). – Johannes Scherl erwarb sich als Beichtvater der Katharinen-Schwestern unter anderem auch durch seine musikalischen Talente (Orgelspiel zum Chorgesang) Verdienste: Gemäss VL 2 8 (1992), Art. ›Johannes Scherl‹ (Peter Ochsenbein), Sp. 644 f., wurde 1484 für sieben Gulden eigens ein Positiv angeschafft: Jtem wir hand gekoft ain positif [. . .] vmb vij guldin [. . .] dz e schlecht v´ns v´nser vatter lesmaister in dem gotlichen dienst ze Chor got ze lob, KlA Wil, Chronik, f. 40r. – Auch die Nürnberger Priorin begrüsste die Orgelbegeitung zum Chorgesang (a. a. O.). 67 Tübingen Md. 456, f. 245v, Zitat nach Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 119.

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹

Am Beginn des Bandes stellt die St. Galler Schreiberin Elisabeth Muntprat einen ausführlichen Schenkungsvermerk voran, den Fechter als »Widmungsbrief« bezeichnet:68 o

e

Dis buch [. . .] gehort unsern hertzlieben und besundren usserwelten frowen vnd o e e o muter propstin vnd allen lieben kinden vnsern herzlieben swostren zu Untzo o kofen von der wirdigen muter priorin vnd allen iren lieben kinden zu sant o o o Katherina prediger ordens zu Sant Gallen. Vnd dis buch begerend wir zu sin an e zaichen ewiger fru´ntschaft vnd liebi v´nser gen v´ch vnd u´wer gen vns in stater tru´w.

Fechter kommentiert diese Schenkung wie folgt: »Die Auswahl der Texte in der für Inzigkofen angefertigten Handschrift zeigt, welche Absicht man in St. Katharina mit diesem Geschenk verband: Man wollte den Predigerorden vorstellen, seine Geschichte, seine Spiritualität und die Ziele seiner Reformbewegung, der man sich im Jahre 1482 durch die Klausurierung selbst angeschlossen hatte.«69 Die Schenkung dieser Handschrift kann als sehr selbstbewusstes Auftreten des St. Galler Konvents vor dem befreundeten Inzigkofener Stift aufgefasst werden. Darüber hinaus lässt der bereits zitierte ›Widmungsbrief‹ erkennen, wie der ›Wert‹ dieser Handschrift und deren Vergabung aus der Sicht des schenkenden Konvents selbst beurteilt wurde: wir [. . .] begerend dz dis buoch also belib in dem convent[,] dz es niemer fuer das kloster kainem menschen gelichen noch gelesen waerd wz ordens sy sind noch abschriben.70 Dieses Schlusswort der Dedikation betont den als exklusiv aufgefassten Charakter der Schenkung: Mit dieser Handschrift präsentierten sich die St. Gallerinnen nicht nur sehr selbstbewusst;71 die Vergabung wurde zugleich als ein den Empfängerinnen zuteil werdendes Privileg deklariert. Vergleichbar dem, was schon bei den Beziehungen zum Nürnberger Katharinen-Kloster festgestellt worden war, scheint hier nun analog von den St. Galler Dominikanerinnen beabsichtigt gewesen zu sein, 68 Der Ausdruck bei Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 120; die Widmung abgedruckt bei Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 356 f., Zitat hier Transkription der Verf.in nach Readerprinterkopie von f. 2v der Handschrift. 69 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 120; vgl. dazu dens., Blarerin (1979), S. 438. 70 Tübingen Md. 456, f. 2v, nicht zitiert bei Fechter (1979 u. 1997). 71 Vgl. das von Johannes Meyer gezeichnete Bild von selbstbewussten Frauen, welche die Reform ihrer Klöster tatkräftig und selbständig in die Hand zu nehmen wussten, siehe zum Beispiel im ›Buch der Reformacio‹, Buch V , Kapitel 29 ff. (Kloster St. Nikolaus-in-undis, Strassburg), sowie a. a. O., Kapitel 58 ff. (Kloster St. Agnes, Strassburg).

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mit den Inzigkofener Chorfrauen einen ähnlichen ›Geheimbund‹ zu etablieren. Der zweite Block (Blatt 70–143) der ehemals aus drei selbständigen Buchblöcken bestehenden Sammelhandschrift der BLB Karlsruhe, Hs. Donaueschingen, Nr. 42272 trägt zu Beginn eine Notiz der Inzigkofener Schwester Elisabeth Muntprat d. J., damals vermutlich Buchmeisterin ihres Konvents: Diß buoch gehoert Jn dz wirdig gotzhuß zuo V´ntzkofen vnd lichent dz dem wirdigen Conuent zuo sant katherina vnsern erwelten liepsten muettern vnd Schwestern Jn x o.73 Der ursprünglich eigenständige Teil – worauf das Verso des leeren ersten Blatts hindeutet, das ehemals die ungeschützte Aussen(umschlag)seite bildete und deshalb gebräunt und fleckig ist – enthält die Fraterherren-Viten des Thomas a Kempis in stark kürzender Verdeutschung und Bearbeitung, »als Zeugnis für die Spiritualität der Augustiner«.74 Er stammt durchgehend von einer Hand und könnte im Inzigkofener Stift geschrieben worden sein.75 Dass mit dem in der Leihnotiz als Empfänger genannten Conuent zuo sant katherina der St. Galler Konvent gemeint ist, erhellt sich aus einer Gebetsbitte, welche die St. Galler Konventualin Justina Blarer vor der Rückgabe mit roter Tinte (in eine fremde Handschrift!) eintrug: bitten got 72 Vormals Fürstlich-Fürstenbergische Hofbibliothek in Donaueschingen, mit ders. Signatur. – Es ist nicht mehr feststellbar, wann die drei Blöcke zur heutigen Sammelhandschrift zusammengebunden wurden, insbesondere, ob dies bereits in Inzigkofen geschah und ob der alte Einband im Vorderdeckel einen Inzigkofener Besitzeintrag trug; Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 139. 73 BLB Karlsruhe, Hs. Donaueschingen, Nr. 422, f. 70r; zur Handschrift Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), Nr. 42, S. 135–139, zu Block II , S. 137 ff. 74 Übersetzer und Bearbeiter eventuell Thomas Finck? Vgl. a. a. O., S. 138, sowie a. a. O., S. 177 (Zitat). 75 A. a. O., S. 137. Einen möglichen Hinweis auf eine in St. Gallen erfolgte Abschrift sieht Fechter in der unter das Kolophon gesetzten Gebetsbitte (Hs. 422, f. 143v; Zitat siehe oben im Text), vgl. dens., Blarerin (1979), S. 431 sowie S. 440 f.; möglicherweise war Justina Blarer an der Herstellung einer solchen Abschrift beteiligt (als Schreiberin oder Rubrikatorin). Fechter vermutet, Justina sei mit der Inzigkofener Chorfrau Elisabeth Muntprat, damals offenbar Buchmeisterin ihres Konvents, gut bekannt gewesen, da beide (ungefähr gleich alt) aus Konstanz und insbesondere aus miteinander versippten Familien stammten. – Vogler, St. Katharina (1938), S. 269, Nr. 301, nimmt die Herstellung der Abschrift im St. Galler Scriptorium sogar für die gesamte (ehemals) Donaueschinger Hs. 422 [heute BLB Karlsruhe, mit ders. Sign.] an, die ja erst später im Verbund mit weiteren Faszikeln in der heutigen Form entstand.

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fuer mich es t n [Fechter: es tut not] iustin blarerin.76 Es handelt sich wohl um einen Gruss an die befreundeten Inzigkofenerinnen, in der unter Ordensfrauen üblichen Form der Gebetsbitte. Aufgrund der Jahreszahl im Kolophon ist Terminus post quem für die Ausleihe des 2. Blocks nach St. Gallen das Jahr 1498.77 Des Weiteren vermutet Fechter, die (seit 1945 verschollene) Handschrift Reichenberg, Sammlung Friedrich Katzer, Dt. Hs. 12 – mit dem HiobTraktat des Marquard von Lindau sowie dem ›Buch der Liebkosung‹ des Johann von Neumarkt, einer Verdeutschung der pseudo-augustinischen ›Soliloquia animae ad Deum‹78 – sei betreffend den Faszikel mit dem HiobTraktat (Sexternio) Inzigkofener Vorlage für den von Elisabeth Muntprat in St. Gallen geschriebenen Teil II der Münchner Handschrift Cgm 5233 gewesen.79 Aufgrund der Selbstnennung der Schreiberin in der Handschrift 76 Fechter, Blarerin (1979), S. 431 (Zitat), S. 440 f. (Auflösung der Kürzungen und Interpretation des Eintrags). Der Eintrag der Justina Blarer steht an exponierter Stelle, auf der letzten, (ausser dem Kolophon) freien Seite, woraus Fechter a. a. O., S. 440 f., die »Dringlichkeit« der Gebetsbitte ableitet. – Zur St. Galler Schreiberin Justina Blarer und zur Interpretation des zitierten Eintrags siehe auch Kap. III .3. 2. 10: Justina Blarer, S. 98. 77 BLB Karlsruhe, Hs. Donaueschingen Nr. 422, f. 143v. Die Datierung muss sich nicht zwingend auf die Handschrift selbst beziehen, sondern kann auch aus der Vorlage übernommen und (schon dort) auf den Abschluss der Bearbeitung bezogen sein. 78 Ehemalige Sammlung in Privatbesitz des Zahnarztes Friedrich Katzer in Reichenberg (Böhmen); die Sammlung verschollen seit 1945, jedoch im Jahr 1937 von Gerhard Eis für das Handschriftenarchiv der Deutschen Kommission bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften erfasst; die Kurzbeschreibung bei Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), Nr. 19, S. 85–87 auf der Basis von Photokopien aus diesem Inventar, ebenso seine Thesen (s. u.) zu Provenienz, Schreiberin und chronologischer Einordnung der Handschrift; die Handschrift auch aufgeführt bei Greifenstein, Hiob-Traktat (1973), S. 86, figuriert jedoch nicht im Stemma S. 130 (da Handschriftenverhältnis aufgrund des Verlusts nicht mehr bestimmbar). Edition des Texts a. a. O., S. 170–213. – Der Hiob-Traktat in Hs. Reichenberg, Dt. Hs. 12: f. 72r–111r; das ›Buch der Liebkosung‹ f. 1r–69v; zu Johann von Neumarkt siehe die Lit. bei Fechter, a. a. O., S. 85. 79 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), Nr. 19, S. 85–87, hier S. 86; zu Cgm 5233 Schneider, Handschriften BSB München, V/7 (1996), S. 552–555; zum Hiob-Traktat S. 554. Die Handschrift trägt auf f. 273v (von einer Hand des 16./2 Jhs.) den Besitzeintrag des St. Galler Katharinen-Konvents während des o o Exils auf dem Nollenberg: Diß buch gehört dem gotzhus s. Catherinenberg; sie wurde von der BSB München aus dem Nachlass Franz Pfeiffers erworben, der die Handschrift wohl als Schenkung vom St. Galler Bischof Carl Greith er-

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Reichenberg – wer diß buechlin geschriben havt els ir nam geschriben stavt80 – schliesst Fechter auf eine Schreiberin des Inzigkofener Konvents, wo »der Name Elisabeth nicht selten« war. Fechters Thesen zu dieser verschollenen Handschrift sind leider (derzeit) nicht verifizierbar, stehen jedoch grundsätzlich auf unsicherem Boden: Der Hinweis auf den ostalemannischen Dialekt der Schreiberin (siehe oben, Kolophon) wie auch ihre Nennung als els könnten ebenso auf die St. Galler Schreiberin Elisabeth Muntprat81 zutreffen, die mal ihren Vor-, mal ihren Zunamen abkürzte: In der Handschrift Cgm 5233, welche Fechter als Abschrift aus der »Inzigkofener Vorlage«82 annimmt, nennt sich die St. Galler Schreiberin Elisabeth (Muntprat) ebenfalls els.83 Auch der Hinweis darauf, dass sich der Inhalt der Hand-

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halten hatte (dieser benutzte die Handschrift in seiner Schrift: Die deutsche Mystik im Predigerorden, Freiburg i. Br. 1861): zur Herkunft der Handschrift vgl. dies., a. a. O., S. 553. Gemäss Greifenstein, Hiob-Traktat (1973), S. 69, befand sich die Handschrift bis 1861 im Besitz der Stiftsbibliothek St. Gallen, bevor sie in den Besitz Franz Pfeiffers überging; aus dessen Nachlass wurde sie 1868 von der BSB München erworben. Hs. Reichenberg, Sammlung Friedrich Katzer, Dt. Hs. 12, f. 69v; Zitat nach Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 86, nach Ms. Gerhard Eis (1937). Die St. Galler Schreiberin Elisabeth Muntprat schreibt auch im Schwesternv v buch und in der St. Galler Chronik hat und stat, wenngleich nicht konsequent mit hochgestelltem v; in der Chronik kürzt Elisabeth Muntprat selbst wie auch andere an der Chronik beteiligte Schreiberinnen den Namen der Elisabeth Muntprat mit elsy¨ ab, z. B. a. a. O., f. 70r; a. a. O., f. 71v. Fechter, a. a. O., S. 86, sowie S. 187, dort mit mehr ›Gewissheit‹: »höchstwahrscheinlich«; ferner a. a. O. die zu korrigierende Behauptung: »Der aus St. Katharina [sc. St. Gallen] stammende Cgm 5233 zeigt, dass Inzigkofer Texte schon viel früher hier tatsächlich als Vorlagen dienten«; auch der Nollenberger Besitzeintrag des 16./2 Jhs. spricht gegen (oder wenigstens nicht gerade für) die von Fechter, a. a. O., vermutete Niederschrift des Hiob-Traktates in Cgm 5233 zwischen 1476 und 1480. Cgm 5233, f. 190v els (in der linken unteren Blattecke, von der Texthand), Kolophon f. 222r: Soror ElisaBET [sic Handschrift, so aber nicht bei Schneider, a. a. O., S. 553]; die Schreiberin els/Soror ElisaBET von ders., a. a. O., mit der Hand der St. Galler Dominikanerin Elisabeth Muntprat identifiziert. – Herstellung der Handschrift vermutlich zwischen ca. 1475 und 1480 (vgl. Fechter, Handschriften Inzigkofen [1997], S. 86: Datierung »1476–1480«, ohne Begründung), jedenfalls deutlich vor 1484 (Datierung des Plenars Cod. sang. 363 von ihrer Hand; siehe im ›Katalog der Handschriften‹). Diese chronologische Einordnung vorausgesetzt, wäre Elisabeth Muntprat (* 1459) bei der Niederschrift zwischen 16 und 21 Jahre alt (und offensichtlich noch wenig schreibgewohnt) gewesen; hieraus erklärt sich die Unsicherheit im Duktus und in der Ausformung der Buchstaben sowie die fehlende Routine (vgl. auch die Ex-

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schrift »gut ins damalige Inzigkofer Programm« füge, scheint wenig tragfähig, da Handschriften desselben oder ähnlichen Inhalts in nahezu jeder observanten Nonnenbibliothek zu finden waren.84 Ein Eintrag in der St. Galler Chronik überliefert, dass im Jahr 1488 unter anderen ain tusch buch mit S augustins lieb kosung andren guten leren [sic, Verschrieb, fehlt ein vnd (vor andren)] geschrieben worden war; im Katalog-Anhang der Monographie von Vogler ist diese Handschrift als verloren angezeigt.85 Aufgrund dieser Indizien vermute ich in der Hs. Reichenberg, Sammlung Friedrich Katzer, Dt. Hs. 12, keine in Inzigkofen geschriebene Handschrift, sondern eine Abschrift durch Elisabeth Muntprat in St. Gallen. Da für die St. Galler Katharinen-Bibliothek als verloren gemeldet, könnte die Abschrift nach Inzigkofen verschenkt worden sein. Dann wäre sie möglicherweise nicht, wie bei Vogler angegeben, verschollen, sondern eventuell sogar identisch mit der Hs. Reichenberg, Sammlung Friedrich Katzer, Dt. Hs. 12, welche im Vorderdeckel »de[n] übliche[n] Eigentumsvermerk«86 des Inzigkofener Klosters trägt. Die fragliche, ehemals Inzigkofener Handschrift stammt von einer einzigen Hand, derjenigen der Schwester els, die mit der St. Galler Schreiberin Elisabeth Muntprat idenperimente mit Majuskel- u. Minuskel-Formen im Kolophon f. 222r); in Richtung ihrer späteren charakteristischen Schrift weisen die cz-Ligatur, die finaliss, die h u. b, die e und u, die Majuskel-D u. –M. Der ›archaischen Prägung‹ ihrer Schrift in dieser Handschrift entsprechen auch die weiteren, aus der Handschrift Wil M 41 bekannten (anonymen) Schreiberinnen, die ebenfalls in die Frühzeit des Katharinen-Scriptoriums weisen (Wil M 41, f. 448v/449r datiert 1484; spätere Hss. dieser Schreiberinnen sind nicht bekannt): Die 2. Hand (des II . Blocks), f. 222v–225v, ist identisch mit der 5. Hand in Wil M 41 (vgl. CMD−CH III [1991], Abb. 451), die 3. Hand, f. 107r Z. 1–13, f. 227r–238v, mit der 3. Hand in Wil M 41 (vgl. CMD−CH III [1991], a. a. O., Abb. 449). 84 Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 86; ob bei dem a. a. O. zitierten Gerhard Eis (Ms. 1937) mit »Bücherschrift« tatsächlich Textura gemeint war, scheint mir zweifelhaft. 85 KlA Wil, Chronik, f. 58v; Vogler, St. Katharina (1938), ›Heute verlorene Bücher‹, S. 267, Nr. 237, a. a. O. kein Verweis auf den Chronik-Eintrag. Der Verweis a. a. O. auf BSB Cgm 70 führt in der Frage der Vorlage für die St. Galler Handschrift nicht weiter: Gemäss Die deutschen Pergament-Handschriften der Staats-Bibliothek München, hg. v. Erich Petzet (1920), S. 113–115, stammt die bei Vogler genannte Parallel-Handschrift aus dem Kloster zu St. Peter und kam später ins Kloster Nonnberg in Salzburg; es handelt sich also nicht etwa um eine Nürnberger Handschrift, die dann eventuell als Vorlage für die St. Galler Abschrift hätte vermutet werden können. 86 Formulierung nach Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 86, der Vermerk a. a. O. nicht zitiert.

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tisch sein könnte. Demnach wären mit den in der Chronik genannten andren guten leren der Hiob-Traktat sowie die Predigt über Joh 8, 59 gemeint.87 Ein abschliessendes Urteil zur Abhängigkeit beider Handschriften voneinander wäre nur dann möglich, wenn die bis dato verschollene Inzigkofener Handschrift wieder ans Licht kommen sollte.88 Der Hiob-Traktat des Marquard von Lindau war im St. Galler Katharinen-Scriptorium (mindestens) ein weiteres Mal abgeschrieben worden: Bestimmungsort dieser Abschrift war das von St. Katharina St. Gallen aus reformierte Kloster Zoffingen in Konstanz.89 Greifenstein gelangte in seiner Untersuchung der Handschriften-Verhältnisse u. a. zum Ergebnis einer direkten Abhängigkeit der Handschriften Ü Ms. 1 und Cgm 5233, wobei er im Stemma die Zoffinger Handschrift als Vorlage der heutigen Münchner Handschrift Cgm 5233 annimmt. Letztere war jedoch, gemäss meinen Recherchen, mit einiger Wahrscheinlichkeit für die betreffenden Texte das ›Original‹ der St. Galler Katharinen-Bibliothek und Vorlage für die nach Inzigkofen und Zoffingen bestimmten Abschriften. Entgegen Greifenstein ist Ü Ms. 1 jedoch nicht im Konstanzer Dominikanerinnenkloster Zoffingen geschrieben, sondern im St. Galler Scriptorium von der Konventualin Regina Sattler. Die Niederschrift von Ü Ms. 1 erfolgte auch nicht, wie Greifenstein annimmt, in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, sondern, gemäss den Wasserzeichen, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, genauer: nach 1504 bis ca. 1509.90 Die Handschrift Cgm 5233 wurde im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts geschrieben, genauer: wohl nach 1475, aber sicher deutlich vor 1484.91 Aufgrund dessen ist abschliessend festzuhalten, dass das (heute 87 Vgl. a. a. O., S. 86. 88 Eine Ausleihe des Faszikels mit dem Hiob-Traktat aus dem von Fechter vermuteten Inzigkofener ›Original‹ (das heisst Hs. Reichenberg) zur Abschrift nach St. Gallen (die dort erfolgte Abschrift vermutet als heutige Handschrift Cgm 5233) ist schon deshalb nicht möglich, weil die Lagengrenze nicht mit dem Textbeginn zusammenfällt: Textbeginn f. 72r, jedoch Lagenbeginn fol. 73, dann Sexternio bis und mit fol. 113. 89 Ü Ms. 1; siehe Kap. V .2: Zoffinger Handschriften, S. 243. Die Handschrift bei Greifenstein, Hiob-Traktat (1973), S. 67–69; zum Kloster Zoffingen siehe unten Kap. V . 90 A. a. O. zu Ü Ms. 1 S. 67–69, die chronologische Einordnung a. a. O., S. 67 offenbar aufgrund der Jahrzahl 1456 im Text, welche sich jedoch nicht auf die Handschrift, sondern auf die deutsche Bearbeitung des Texts bezieht (Greifenstein mit Fragezeichen). 91 Siehe oben S. 225 f., mit Anm. 83, zur Begründung meiner chronologischen Einordnung. Die Wasserzeichenbestimmung zu Cgm 5233 a. a. O., S. 69 differiert erheblich von derjenigen bei Schneider, Deutsche Handschriften BSB ,

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in der BSB München aufbewahrte) Exemplar des Katharinen-Klosters die Vorlage war sowohl für die dem Kloster Zoffingen zugeeignete Abschrift (Ü Ms. 1) wie auch für die nach Inzigkofen bestimmte, heute verschollene Hs. Reichenberg (Sammlung Friedrich Katzer, Dt. Hs. 12).92 Die Frage nach der Vorlage für das konventeigene ›Hiob‹-Exemplar der Katharinen-Bibliothek, nach welcher im Scriptorium die beiden weiteren Abschriften angefertigt wurden, muss hier unbeantwortet bleiben.93 Eine weitere Schenkung der St. Galler Dominikanerinnen nach Inzigkofen war ein Faszikel mit mystisch-aszetischen Texten und Traktaten, gemäss Schriftvergleich geschrieben von Elisabeth Muntprat.94 T. V/7 (1996), S. 553; auch konnte Greifenstein, a. a. O., die Schreiberin des Hiob-Traktats in Ü Ms. 1 nicht identifizieren. 92 Alle drei Handschriften – Reichenberg, Dt. Hs. 12, Ü Ms. 1 und Cgm 5233 – bieten die allegorische Fassung des Hiob-Traktats des Fortis-Zweiges der Überlieferung; vgl. Greifenstein zu den einzelnen Handschriften (siehe oben). 93 Innerhalb der vollständigen Überlieferung des Hiob-Traktats (1. [oder allegorischer] Teil, 2. Teil [oder »1. Predigt«], 3. Teil [oder »2. Predigt«], von Greifenstein [a. a. O., S. 110] nach dem Incipit als Fortis-Zweig bezeichnet) hängen – nach Greifenstein – alle erhaltenen Handschriften der deutschen Fassung von einem nicht erhaltenen Archetypus ab, so auch die Handschriften Ü Ms. 1 und Cgm 5233. Für die beiden letzteren hat Greifenstein eine sehr grosse Nähe zur Strassburger Handschrift ms. 2933 (der Bibliothe`que nationale et universitaire) herausgearbeitet, welche als ältester Textzeuge des Nec reprehenditZweiges angesetzt wird (S. 127–129); die Wahl der Strassburger Handschrift zur Leithandschrift kritisiert von Nigel F. Palmer, Rezension, in: PBB 104 (1982), S. 157–164, hier S. 159 f. Der St. Galler Katharinen-Konvent stand zwar in Kontakt mit Strassburger Klöstern, insbesondere St. Margaretha und St. Agnes, von denen er auch Bücherschenkungen und -leihgaben erhielt; eine von dort stammende mögliche Vorlagehandschrift ist jedoch in den Quellen des St. Galler Katharinen-Klosters nicht erwähnt. Zu den Beziehungen des St. Galler Konvents nach Strassburg siehe unten Kap. IV .3. 94 Heute Block IV des mystisch-aszetischen Sammelbandes UB Freiburg i. Br., Hs. 490, f. 128r–148r; auch diese Abschrift ist, wie der zweite Teil des Cgm 5233, ein frühes Zeugnis ihrer Hand; siehe auch Kap. II .3.2.4: Elisabeth Muntprat. – Hagenmaier, Handschriften Freiburg (1988), S. 124 sowie S. 128 (zur gesamten Handschrift a. a. O., S. 123–129); Fechter, Blarerin (1979), S. 439; ders., Handschriften Inzigkofen (1997), Nr. 34, S. 120–126. Der Faszikel ist chronologisch wohl in dieselbe Zeit einzuordnen wie Teil II des Cgm 5233: siehe oben Anm. 83. – Gemäss dems., Blarerin (1979), S. 439, könnten auch die Faszikel II und V aus dem St. Galler Katharinen-Kloster stammen. Gemäss meiner Autopsie sind die beiden Hände möglicherweise weiblich, aber nicht identisch mit mir bekannten Schreiberinnenhänden des Katharinen-Scriptoriums.

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Als wichtigstes Fazit aus der Autopsie der vom St. Galler KatharinenKloster nach Inzigkofen geschenkten Bücher und Faszikel ergibt sich, meine Thesen zur Hs. Reichenberg eingeschlossen, dass Elisabeth Muntprat die alleinige Schreiberin all dieser Handschriften war. Die nahverwandschaftlichen Beziehungen (ältere Schwester und Nichte) – zumal aus dem reichen Handelshaus der Muntprat, welches nicht unwesentlich zur besseren wirtschaftlichen Stellung beitrug – mögen dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass die ›Vielschreiberin‹ Elisabeth Muntprat d. Ä. einige teils umfangreiche Handschriften eigens für Inzigkofen in Abschrift herstellte sowie frühe eigenhändige Abschriften als Faszikel verschenken durfte. Die familiären Beziehungen fungierten offenbar als Bindeglied und setzten einen zwischen (Frauen-)Klöstern, zumal ›fremder‹ Orden, vielleicht ungewöhnlichen Austausch in Gang. Auch Elisabeths ältere Schwester Anna war dem Inzigkofener Konvent freundschaftlich zugetan:95 Sie schenkte unter anderem eine kostbare, mit zahlreichen Miniaturen geschmückte Handschrift mit geistlichen Betrachtungen und Gebeten. Der Band trägt am Schluss einen eigenhändigen Vermerk der Donatorin: Ich Anna Mumprätin schenk dis buoch us hertzlicher tru´w und liebi [.. .] dem wirdigen gotzhus Zuo v´ntzikoffen, sowie eine persönliche Anrede an Veronika: Min hertz liebe swoester fronegka mumpraetin Conraut munprats seligen an Sant Pauls gassen Eliche liebe tochter [. . .].96 95 Gemäss Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 30, sei sie »1486, schon 50-jährig, in Inzigkofen eingetreten«, habe jedoch schon nach wenigen Monaten das Kloster wieder verlassen, »weil sie erkennen mußte, dass sie für das Ordensleben nicht geeignet war«; Fechter, a. a. O., mit Verweis auf Geissenhof, Chronik Inzigkofen (1894), Sp. 461. – Die offenbar in ihrem Auftrag von den Katharinen-Schwestern abgeschriebenen Satzungen der Dominikanerinnen des 3. Ordens (Ü Ms. 2, f. 16r–31r, geschrieben von einer bekannten Katharinen-Hand), sowie insbesondere ein eingehefteter Zettel (a. a. O., f. 15v) mit einer Professformel des 3. Ordens weisen darauf hin, dass Anna dem Orden nahestand. 96 Die Handschrift befindet sich heute in der BLB Karlsruhe, Hs. Donaueschingen (vormals Fürstlich-Fürstenbergische Hofbibliothek), Nr. 106, die Handschrift bei Fechter, a. a. O., Nr. 38, S. 128–130; der Donatorinnenvermerk in ders. Handschrift, f. 76v, zitiert nach Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 365, geringfügig korrigiert nach Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 130, dort auch allgemein zu Anna Muntprat (vgl. auch Hauber, a. a. O., S. 365, do.); die persönliche Anrede in ders. Handschrift, a. a. O., zitiert nach Fechter, Blarerin (1979), S. 436, Anm. 34. – Durch Aus- und Anschneiden von Bildern und Blättern ist die Handschrift heute defekt; vier Pergamentblätter mit Text und Miniaturen aus ›Christus und die Minnende Seele‹

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Gemäss Fechter schrieb Anna Muntprat auch ein Gebet in diese Handschrift.97 Aufgrund einer weniger günstigen Quellen- und Überlieferungslage98 für das Inzigkofener Stift ist offenbar nur in einem einzigen Fall ein Beleg dafür greifbar, dass auch der Inzigkofener Konvent Handschriften-Vorlagen an das St. Galler Katharinen-Kloster entlieh: Im Eucharistie-Traktat, geschrieben von Elisabeth Muntprat, überliefert in der bereits genannten Handschrift Cgm 5233,99 vermutete bereits Fechter eine Abschrift aus einer Inzigkofener Vorlage, welche sich heute in der ÖNB Wien befindet.100 Die Inzigkofener Provenienz ist gesichert durch das Kolophon der Inzigkofener Augustinerchorfrau Anna Jäck, von deren Hand die gesamte Handschrift stammt.101 Da, gemäss Fechter, offenbar nur diese beiden Textzeugen existieren102 und die ehemals Inzigkofener Handschrift in das Jahr 1472 datiert ist, wäre denkbar, dass die Abschrift der Elisabeth Muntprat in St. Gallen auf dieser Vorlage beruht. Eine entsprechende Ausleihe wie auch die Anfertigung einer Abschrift ist in der St. Galler Chronik nicht explizit er-

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heute Mainz, Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars, Hs. 46; dazu Fechter (1997), Nr. 38a, S. 131. BLB Karlsruhe, Hs. Donaueschingen, Nr. 106, das Gebet f. 76rv: Dis gebett ist vs der latin gemacht von ainem hochgelerten tocter; die Zuweisung dieses Gebetseintrags an die Hand der Anna Muntprat durch Fechter, a. a. O., S. 130. Eine systematische Auswertung der Inzigkofener Chronik (›Chronik des Klosters Inzigkofen‹: Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Hs. 68) könnte diesen Befund eventuell korrigieren. Der Eucharistie-Traktat a. a. O., f. 164r–222r; die Schreiberin identifiziert schon bei Schneider, Deutsche Handschriften BSB , V/7 (1996), S. 553, sowie bei Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 86. Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), Nr. 27, S. 100 f., zur Text-Abhängigkeit S. 101; die Handschrift heute ÖNB Wien, Cod. 12759, vgl. Tabulae codicum manu scriptorum in Bibliotheca palatina vindobonensi asservatorum, Vol. VII , Vindobonae MDCCCLXXV (1875), S. 142 (nur 4-zeiliges Kurzinventar mit Incipit und Explicit). Die Handschrift bei Greifenstein, Hiob-Traktat (1973), S. 69–71, hier S. 70. – Gemäss dems., a. a. O. ist der Eucharistie-Traktat nicht identisch (auch nicht in Teilen) mit dem Eucharistie-Traktat des Marquard von Lindau, vermutlich handele es sich um eine Kompilation aus mehreren Eucharistie-Stücken; auch gemäss Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 100, »ist der Verfasser oder Kompilator noch nicht ermittelt«. A. a. O., S. 23: spätestens seit 1445 Priorin, zwischen 1452/1453 und 1467/68 Pröpstin, † 1481; das eigenhändige Kolophon der Anna Jäck, mit der Datierung 22. Februar 1472, auf f. 208r des Cod. 12759 der ÖNB Wien. A. a. O., S. 101.

3 Dominikanerinnenkloster St. Agnes und St. Margaretha, Strassburg

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wähnt; jedoch kann eine solche, wie in anderen Fällen, hinter Einträgen zur Herstellung von tu´ztschi bu´chly mit vil schoene materi verborgen sein.103 Auch ist, wiederum nur aufgrund der St. Galler Konvents-Chronik, lediglich ein einziges Beispiel einer Schenkung aus Inzigkofen nach St. Gallen zu belegen: 1487 revanchierte sich das Inzigkofener Stift mit der Schenkung einer Inkunabel für die zahlreichen Leihgaben und Schenkungen des St. Galler Konvents: Jtem v´nser tru´we hertz liebe muottren vnd schwoestren von v´ntzkofen hand v´ns geschenkt an getrukt inbunden buoch mit gar schoener guotter ler got sy ir ewig lon.104

3 Dominikanerinnenkloster St. Agnes und St. Margaretha, Strassburg In der Folge der Versetzung ihres Lesemeisters Johannes Kübler, der im Jahr 1503 durch den Provinzial zum Spiritual des Dominikanerinnenklosters St. Margaretha und St. Agnes in Strassburg berufen wurde,105 entspan103 Zum Beispiel Chronik, f. 62v u. ö. – In der Handschrift Cgm 5233 (der vermuteten ›Abschrift‹) fehlen, gemäss Fechter, a. a. O., die ersten vier Kapitel des Traktats sowie die Kapitelzählung (welche in der Inzigkofener Handschrift nur bis zum 14. Kapitel, beginnend f. 191v, reicht); Schneider, Deutsche Handschriften BSB , V/7 (1996), S. 554, weist zum Eucharistie-Traktat in Cgm 5233 auf das von der Handschrift Wien, Cod. 12759 (das heisst, Fechter, Handschriften Inzigkofen [1997], Nr. 27, die vermutete »Vorlage«) abweichende Incipit hin, jedoch nicht auf fehlende Kapitel. 104 KlA Wil, Chronik, f. 53r, zum Jahr 1487. Bereits diese Schenkung widerspricht der These von Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 3, dass die Inzigkofener Chorfrauen allein deshalb Bücher abschrieben, weil sie aufgrund ihrer schlechten materiellen Lage nicht über die Mittel verfügten, Bücher zu kaufen; insbesondere steht dem der ehemalige Buchbestand des Inzigkofener Stifts (in seiner bis dato erschlossenen Form) entgegen, wie vorgestellt bei Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), Verzeichnis der Handschriften, S. 53–172. 105 KlA Wil, Chronik, f. 95v–96r, zum Jahr 1503; a. a. O., f. 99v, zum Jahr 1504: Gegen ihren Willen mussten die St. Galler Schwestern Johannes Kübler ziehen lassen (ihr Anliegen, ihn zu halten, scheiterte ein weiteres Mal an der fehlenden Inkorporation in den Orden), und auch nach seinem Fortgang setzten sie sich, unterstützt von mehreren Boten und Vermittlern, für seine Rückkehr ein. Die Priorin Angela Varnbühler schrieb sogar einen Brief an Kübler in Strassburg, dessen Kopie sie eigenhändig in die Chronik eintrug: nun wie wol v´ch vwrer obrer von vns gefordret hat So habend wir doch kainen zwifel ir sigind vnser tru´wer vater [. . .] hirvmb wir vwer wirdi mit ernst bitend dz ir fliß ankerind dz ir widervmb zuo vwren kinden kumin[d].

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹

nen sich auch Beziehungen der St. Galler Dominikanerinnen ins Elsass: Bereits im ersten Jahr nach seinem Wegzug erwarb Kübler seinen St. Galler Beichtschwestern verschiedene Ablässe vom Kardinallegaten Raimundus Peraudi anlässlich von dessen Besuch in Strassburg.106 Das Kloster St. Agnes, welches um 1230 in der Metzgerau gegründet und bereits 1245 in den Orden inkorporiert worden war, wurde 1465 vom Dominikanerinnenkloster Unterlinden in Colmar aus (das 1419 vom Kloster Schönensteinbach aus zur Observanz zurückgeführt worden war) auf Bitten der Priorin Brid Melburgen reformiert.107 1475 wurde das Kloster, das ausserhalb der Stadtmauern lag, wegen drohender Kriegsgefahr (von Seiten Karls des Kühnen) durch den Magistrat im Interesse der Stadtbefestigung abgebrochen und mit dem Kloster St. Margaretha vereinigt.108 Bereits im Jahr nach seiner Versetzung (1504) liess Kübler seinen ehemaligen Beichtkindern eine Buchschenkung zukommen: o

o

Jtem der schafner zu Sant Margreten zu strasburg het vns gen ain druckt o meßbuch wie es die laig priester bruchen durch gotz willen hat v´ns v´nser wirdiger vater Johannes Ku´bler geschaffet got sy ir baider lon.109

Eine weitere Vergabung liess er 1508 folgen: o

o

Jtem der schafner zu Sant margreten zu strasburg het vns vmb gotzwillen gesent o ain truckt mesbuch wie es die laig briester bruchend vnd het es vns geschaffen der wirdig vatter Johenns [wohl sic] Ku´bler got sy¨ ir baider wider gelt vnd e ewiger lon vnd hand wir vnser vater meßen all darzü [wohl sic] geschriben vnd kostet dz inbinden . . . // (Eintrag bricht ab).110 106 A. a. O., f. 97v–98r, zum Jahr 1504; a. a. O., f. 97v: Cardinal. 107 Johannes Meyer, Buch der Reformacio, Buch V , Kapitel 59 ff. Hieronymus Wilms, Das älteste Verzeichnis der deutschen Dominikanerinnenklöster, Leipzig 1928 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 24), S. 55 f.; Francis Rapp, Zur Spiritualität in elsässischen Frauenklöstern am Ende des Mittelalters, in: Peter Dinzelbacher/Dieter Bauer, Frauenmystik im Mittelalter (1985), S. 347–365, hier S. 349. 108 Florenz Landmann, Zwei Andachtsübungen von Strassburger Klosterfrauen am Ende des Mittelalters, in: AEKG 6 (1931), S. 217–228, hier S. 222. Das Kloster St. Margaretha war vor 1230 in Eckbolsheim (F) gegründet und 1246 in den Orden inkorporiert worden; 1270 übersiedelte der Konvent nach Strassburg; bei der Zusammenlegung mit dem Kloster St. Agnes schlossen sich auch die Nonnen von St. Margaretha der Reform an. Petra Zimmer, Einleitung, in: HS IV /5,1 (1999), S. 83 f.; Wilms (wie Anm. 107), S. 57 f. 109 KlA Wil, Chronik, f. 97r, zum Jahr 1504. 110 A. a. O., f. 118r; zu weiteren, für die Handbibliothek des Spirituals bestimmten Bücherschenkungen Küblers siehe Kap. III .2.3: Bibliotheksbestand, Schenkungen.

3 Dominikanerinnenkloster St. Agnes und St. Margaretha, Strassburg

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In der Chronik nicht verzeichnet sind zwei Strassburger Bücherschenkungen, die vermutlich Anfang des 16. Jahrhunderts an den St. Galler Konvent gelangten: Die aszetische Sammelhandschrift Cod. sang. 1859 stammt gemäss ihrem Besitzeintrag aus Strassburg: Diss buch gehörtt den frowen zu sant Cathrin, ist uns von Strassburg kommen.111 Möglicherweise diente diese Handschrift der Schreiberin Regina Sattler mit einzelnen Texten als Vorlage für eine nach Zoffingen bestimmte Abschrift (heute Ü Ms. 1).112 Die gemäss einer bekannten Nachtragshand des 16. Jahrhunderts aus dem Besitz des Katharinen-Klosters stammende Sammelhandschrift Cod. sang. 1915 – mit Predigten von Johannes Mulberg und Nikolaus von Strassburg sowie aszetischen Traktaten – kam wahrscheinlich ebenfalls geschenkweise aus dem Strassburger Dominikanerinnenkloster.113 111 Vogler, St. Katharina (1938), S. 251, Nr. 70 (= unsere Handschrift) zitiert diesen Besitzeintrag als (ehemals) auf (der heute verlorenen) p. 1 der Handschrift stehend; übernommen bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 105; zur elsässischen Herkunft siehe auch das Kalendar p. 3–20 der Handschrift. Auf dem hinteren Spiegelblatt Besitzeintrag des 17. Jahrhunderts: Gehört in St. Catharina Closter vor Wey¨l. 112 Ü Ms. 1 ist gemäss den Wasserzeichen chronologisch zwischen 1504 und ca. 1509 einzuordnen; demzufolge gelangte der aus dem 15. Jahrhundert stammende Cod. sang. 1859 vermutlich Anfang des 16. Jahrhunderts ins Katharinen-Kloster. Cod. sang. 1859, p. 225–239: XVIII Stucklin: Dis noch geo schriben sind xviij stucklin mit kurtzen begriffen die do gut sind einem o e u zu nemenden monschen vnd setzet sy och der andechtige lerer Bonaventura etc., ev. Vorlage für Ü Ms. 1, f. 242rb–244rb; Heitzmann, Handschriften Überlingen (2002), S. 45, ohne die zu vermutende St. Galler Parallelhandschrift. – Cod. sang. 1859, p. 469–499 Heinrich [Vigilis] von Wissenburck, Ein grunt eins woren clösterlichen leben, Parallelhandschrift Ü Ms. 1, f. 187ra–193va; a. a. O., S. 45 ohne die St. Galler Parallelhandschrift; diese bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 108, nach Ruh, Franziskanisches Schrifttum I (1965), S. 157–163 (Textedition), hier S. 157 (abweichende Incipits: das Incipit in Ü Ms. 1 lässt die Zueignung an die Klarissen zu Alspach von Cod. sang. 1859 aus, dort vermutlich übernommen aus der Vorlage). 113 Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 191–194; zu den Predigten des Johannes Mulberg Kurt Ruh, in: VL 2 6 (1987), Sp. 730–734, zu unserer Handschrift Sp. 730–732, Sp. 731 die Strassburger Provenienz der Handschrift fraglos, trotz Verweis auf Scarpatetti, a. a. O. – Der Traktat Von dem richen man vnde von lazaro, Cod. sang. 1915, p. 406–417, auch in Cod. sang. 1066, f. Cxxviijrb-Cxxxiva – Zu Johannes Mulberg u. Nikolaus von Strassburg siehe Kap. III .3: Profil der Bibliothek, S. 161 f., mit Anmerkungen. Zur nicht zweifelsfrei gesicherten Provenienz Scarpatetti, a. a. O., S. 191: Der Besitzeintrag o dis buch gehört den frawen zu Sant Cathrina ist vns von Strassburg komen steht auf einem auf das hintere Spiegelblatt aufgeklebten Papierzettel; »Zeit-

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹

Wie im Fall anderer befreundeter Konvente gesehen, begannen auch die Strassburger Dominikanerinnen gleich zu Anfang der Kontakte, Vorlagen für Abschriften nach St. Gallen auszuleihen: Jtem [. . .] hand v´ns die wirdigen muotren zuo S margreten zuo strasburg zwai bu´cher gelichen hand wir abgeschriben kostet dz inbinden xiiij cru´tzer.114 Der St. Galler Konvent liess seinerseits den Strassburger Dominikanerinnen eine Handschriften-Schenkung zukommen, die lateinische Vita des stift-st. gallischen Klosterpatrons sowie dessen Legende in deutscher Sprache: Jtem wir hand denen von S margreten vnd agnesen zuo strasburg geschriben S gallen legend tu´schtz vnd S gallen histori latin.115

4 Klarissenkloster Villingen Freundschaftliche Beziehungen unterhielt das Katharinen-Kloster auch mit dem sog. Bickenkloster der Klarissen in Villingen. In diesem Fall ist unklar, wie der Kontakt seinen Anfang nahm, in welcher Form und über welchen Zeitraum er stattfand und wer seine Trägerinnen waren. Einziger Beleg ist eine Notiz in einer St. Galler Sammelhandschrift mit deutschen Predigten und Abhandlungen:116 Die erwirdigen andechtigen f[rowen?] von filingen Clarissera habent v´ns disi foegeli vnd fischli geben got well sij ewiklich gesegnen. Mit foegeli vnd fischli sind 67 allegorische Sinnsprüche auf Fische und Vögel gemeint, die je eine klösterliche Tugend (wie armuot, senftmuetikait, miltikait, messikait[!], u. e.m.) exemplifizieren:117

114 115

116 117

punkt des Einklebens und eventuell auch Zugehörigkeit des Zettels zur vorliegenden Handschrift ungewiß«. KlA Wil, Chronik, f. 103v, zum Jahr 1505. A. a. O., f. 101r, zum Jahr 1504; Vogler, St. Katharina (1938), S. 266, Nr. 233 u. Nr. 234 (fraglich, ob es sich tatsächlich um zwei Bücher handelte). – legend meint eine (Nach-)Erzählung aus dem Leben eines Heiligen (vgl. Grimm, DWB VI [1885], Sp. 535); unter histori ist ein Bericht von ›tatsächlichen‹ Begebenheiten (›Vita‹) zu verstehen (vgl. dies., DWB IV /2 [1877], Sp. 1580). Cod. sang. 1919; Vogler, St. Katharina (1938), S. 250, Nr. 69 (zu den Sinnsprüchen Verweis auf ebd., S. 82); Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 200– 205. Cod. sang. 1919, p. 608–631: 64 Parabeln p. 608–630, plus drei nachgetragene p. 631; zu den Fisch-Parabeln vgl. auch die mit Fischen verzierten J-Lombarden p. 624, diese nicht vermerkt bei Scarpatetti a. a. O., S. 200. Bei Muschg, Mystik (1935), S. 353 f., ist wohl diese Handschrift gemeint.

4 Klarissenkloster Villingen

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Ain wasser stelzli ist min nam / messik[ait?] ist min gesang / jch wil dich leren messig sin / bewilen trincken wasser fu´r win / doch soltu sy nit zefil machen / dz du denocht mugist lachen / wenn dir din andacht nit zehanden gat / so gedenck dz jhesus vss wasser win gemachet hat. o

Jtem ain amsel ist min nam / willige armut ist min gesang / du solt jubilieren e vnd dich frowen des grossen lon / den du in der ewik[ait?] wirst hon / da wirt e o e e din susses ruw kusseli sin dz vergottet minrich [unklar].118

Einzelne der teils gereimten Sinnsprüche sind je einer Villinger Nonne namentlich gewidmet.119 Vogler vermutet die Äbtissin des Villinger Bickenklosters Ursula Haider als Verfasserin dieser Sinngedichte.120 Die These Voglers von der Verfasserschaft fügt sich zur Diktion der Sinnsprüche wie auch zu dem Bild, welches die Forschung von der Persönlichkeit der Reformäbtissin herausgearbeitet hat: Im Zentrum der Gedankenwelt Ursula Haiders stand die Nachfolge Christi, besonders in seinem Leiden: »[D]er Mensch solle seinen Eigenwillen [. . .] aufgeben und seinen Willen ganz in den Willen Gottes setzen«.121 Selbst unter dem Einfluss der deutschen Mystik (u. a. Tauler und Seuse) stehend, empfahl sie eine 118 Cod. sang. 1919, p. 612 sowie p. 622. 119 Nicht, wie Muschg, a. a. O., annimmt, einer St. Galler Nonne; die Namen transkribiert bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 205. 120 Vogler, St. Katharina (1938), S. 82 f., Begründung dieser Zuweisung in Anm. 1: »In den von ihr gemachten Aufzeichnungen über das Bickenkloster steht ein Vers, der nach Inhalt und Form ganz diesen Sinngedichten entspricht.« Mit »Aufzeichnungen« könnten ev. die in die ›Chronik des Bickenklosters zu Villingen‹ (red. von Juliana Ernestin [1589–1665, 1655–1665 Äbtissin]; Ed. von K. J. Glatz, Chronik des Bickenklosters zu Villingen 1238–1614, 1881) aufgenommenen Texte, die Ursula Haider selbst verfasst hat, gemeint sein; vgl. Ringler in VL 2 3 (1981), Sp. 401 f.; Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 205 (zu den Sinnsprüchen), die Zuweisung Voglers an Ursula Haider nicht übernommen und nicht zitiert, trotz Referenz Vogler, a. a. O. – Ursula Haider, geboren 1413 in Leutkirch (Schwaben), war 1431 in das klausurierte Klarissenkloster Valduna (Vorarlberg) eingetreten. 36 Jahre später zur Äbtissin gewählt, wurde sie 1479/1480 zur Reform des sogenannte Bickenklosters in Villingen abberufen, welches sie erfolgreich im Innern wie im Äusseren erneuerte. 1489 resignierte die Reformäbtissin krankheitshalber, behielt jedoch die geistige Führung des Konvents bis zu ihrem Tod 1498 bei. Zu Ursula Haider Williams-Krapp, Frauenmystik und Ordensreform (1993), S. 310–312; VL 2 3 (1981), Sp. 399–403 (Siegfried Ringler); ders., Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 60 f.; Vogler, St. Katharina (1938), S. 82 f. 121 Vgl. Ringler, in: VL 2 3 (1981), Sp. 402; zur Verschiedenartigkeit der Spiritualität im Inzigkofener und im St. Galler Konvent vgl. Vogler, St. Katharina (1938), S. 83 f.

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IV Scriptorium und Bibliothek ›im Netz‹

immer neue und vertiefte Betrachtung der Passion Christi. Williams-Krapp weist auf ihren ausserordentlichen Einsatz für die Observanzbewegung hin (»Mystikerin der Reform«), den er auch als »Hauptgrund für ihre hagiographische Verklärung zur Mystikerin« vermutet.122 Der Hauptteil des Sammelbandes stammt von einer bekannten Schreiberin des St. Galler Katharinen-Scriptoriums;123 der Nachtrag mit den Sinngedichten wurde ebenda von einer verwandten Hand geschrieben. Demnach ist zu vermuten, dass die Sinngedichte den St. Galler Schwestern brieflich zugesandt worden waren. In der Predigt-Sammelhandschrift Cod. sang. 1869 vermutete Kurt Ruh eine Schenkung der Villinger Klarissen an den St. Galler Katharinen-Konvent,124 dessen Besitzeinträge, von einer Hand des frühen 16. Jahrhunderts sowie von einer späteren Hand (des 16./17. Jahrhunderts), der Band auf p. 1 trägt. Die Handschrift, die sich durch ihren Inhalt zweifelsfrei als KlarissenHandschrift ausweist,125 mit Verweis auf die lebhaften persönlichen Beziehungen zu Zeiten der Villinger Priorin Ursula Haider (1480–1489) und der St. Galler Priorin Angela Varnbühler (1476–1509), mit dem Villinger Bickenkloster in Verbindung zu bringen, ist plausibel. Jedoch ist die Hypothese von Ruh, Cod. sang. 1869 sei »als Geschenk zu den St. Galler Dominikanerinnen gekommen«, zu verwerfen aufgrund meiner Identifikation der Schreiberin mit der Hand der St. Galler Priorin Angela Varnbühler, von deren Hand der ganze Band stammt.126 Denkbar wäre hingegen eine Ausleihe der entsprechenden Vorlagen aus Villingen; eine entsprechende Handschrift aus Villingen ist nicht bekannt.

122 Williams-Krapp, Frauenmystik und Ordensreform (1993), S. 311; die Ansichten betreffend Ursula Haider als Mystikerin (wie auch bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 82 f. geäussert) sind gemäss Williams-Krapp, a. a. O., wie auch gemäss Ringler, VL , wie Anm. 120) zu revidieren. 123 Die Hand ist identisch mit der 1. Hand in Wil M 41 (›Buch der 24 Alten‹ des Otto von Passau) sowie der Hand der Predigthandschrift Wil M 42; siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 124 Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S.122–125; Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159; bei Scarpatetti a. a. O. kein Verweis auf dens. 125 Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159; vgl. z. B. Cod. sang. 1869, S. 221: Dissi matery¨ ist geschriben worden ainer glaistlichen [!] Closterfrowen o von ainem bruder des ordens francisci. 126 Die Hand nicht identifiziert bei Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 122; zur Identifikation der Hand (durch Verf.in) siehe hier im ›Katalog der Handschriften‹.

V Bücher und Ausbreitung der Observanz: Die Reform des Klosters Zoffingen in Konstanz durch Schwestern des St. Galler Katharinen-Klosters Während die St. Galler Katharinen-Schwestern aus eigenem spirituellen Antrieb tiefgreifende Reformen im Sinne der strengen Observanz durchgeführt, bei ihren Inkorporationsbestrebungen jedoch nie die Unterstützung des Konstanzer Bischofs erhalten hatten, kam der ›Kontakt‹ mit dem Dominikanerinnenkloster Zoffingen in Konstanz durch bischöfliche Anordnung zustande.

1 Der Reformauftrag an die St. Galler Schwestern Das (heute noch bestehende) Dominikanerinnenkloster Zoffingen in Konstanz1 war aus einer Beginengemeinschaft hervorgegangen, welche vor 1257 von einer einzelnen oder mehreren Frauen, die von Wil (SG ) nach Konstanz zugezogen waren, begründet worden war; im 13. Jahrhundert führte der Konvent meist die Bezeichnung ›von Wil‹. Die Heimstätte des Schwesternkonvents war zunächst ein (nicht näher lokalisierbares Haus) an der alten Niederburgmauer in Konstanz (daher die ältere Bezeichnung der BeginenGemeinschaft als ›Schwestern an der Mauer‹). 1257 nahm die Schwesterngemeinschaft die Augustinerregel an (Verleihung durch Bischof Eberhard II .). 1266 schenkte der Konstanzer Domscholaster Burkhard von Zofingen den Schwestern seinen (in der heutigen Brückengasse gelegenen) Domherrenhof.2 Vermutlich 13143 wurde die Kapelle, die frühestens gegen 1 HS IX /2 (1995), Art. ›Zoffingen‹ (Andreas Wilts), S. 429–435; ders., Beginen (1994), S. 361: Konstanz, Schwestern an der Mauer/Zoffingen, ferner S. 171– 177; Brigitte Hilberling, 700 Jahre Kloster Zoffingen (1257–1957), Konstanz 1957. 2 Infolge des Umzugs hatte sich der Schwesternkonvent ›an der Mauer‹ umbenannt nach seinem wichtigsten Wohltäter Burkhard von Zofingen. 3 Vgl. Wilts, in: HS IX /2 (1995), S. 432, mit Anm. 20.

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V Bücher und Ausbreitung der Observanz: Kloster Zoffingen

Ende des 13. Jahrhunderts errichtet worden war, der Hl. Katharina geweiht. Der Umformungsprozess der Beginengemeinschaft zum Dominikanerinnenkloster wurde massgeblich durch den Konstanzer Bischof und das Domkapitel bestimmt:4 1318 unterstellte Bischof Gerhard von Konstanz die Schwestern der Leitung und Seelsorge der Konstanzer Dominikaner und gestattete ihnen die Verpflichtung eines Kaplans. Nach erfolgter Klausurierung richteten die Schwestern ihr religiöses Leben auf der Grundlage der Dominikanerinnen-Konstitutionen ein, wurden jedoch nie dem Orden inkorporiert. Um 1496/1497 (vor der Reform) zählte das Kloster Zoffingen 16 Konventualinnen, ca. 20 (inklusive Laienschwestern) um 1500, ca. 27 um 1525.5 1496/1497 wurde das Kloster Zoffingen, welches »den Bischof unmittelbar vor [seiner] Konventtüre[] sitzen hatte«,6 das Ziel bischöflichen Reformvorhabens: Entsprechend der allgemeinen Praxis, wonach die Observanz durch Schwestern aus bereits reformierten Konventen in reformbedürftige Klöster weitergetragen wurde, forderte der Konstanzer Bischof Hugo von Landenberg die St. Galler Dominikanerinnen auf, Schwestern zur Reform ins Kloster Zoffingen zu entsenden.7 Die St. Galler KonventsChronik berichtet hierüber in einem ausführlichen, eine ganze Seite umfassenden Eintrag: o

Jtem [. . .] her Hug von Landenberg bischof zu costentz het vns ernstlich gebetten o durch sinen hofmaister[,] der zu drig malen by vns ist gesin[,] vmb zwo S rn vss o vnser convent[,] da mit er dz closter zu zofnigen reformieren welt[,] dz die da e ain zit soltind leren vnd vnderwisung geben[,] dz rechti ordnung da behalten o wurd[.] sprachend wir zu dem hofmaister wir weltind vns bedencken vnd mie e o nem gnadigen h[ern] in geschrift antwurten[.] er batt och vmb bucher darzu zelichen[!;] darnach schribend wir minem hern vnd begertend von sinen gnaden e dz er vns des erliess[:] wir warind selber nit reformiert vnd hettind nie mugen 4 Die Welle der Umformung der Beginen-Samnungen und deren institutioneller Angliederung an (zumeist Bettel-)Ordensverbände war auch eine Folge des Konzils von Vienne (16. 10. 1311– 6. 5. 1312), seit welchem jede unregulierte Schwesterngemeinschaft vom Verdacht der Häresie bedroht war. Siehe auch Wilts, Beginen (1994), S. 175. 5 A. a. O., Anhang A: Mitgliederzahlen der Frauenklöster des Bodenseeraums, S. 278, 6). 6 HS IX /2 (1995), Einleitung: Stadt Konstanz, S. 384. 7 Diese ›Wahl‹ lässt den Schluss zu, dass St. Katharina St. Gallen sich einen gewissen Namen als ›Reformkloster‹ erworben hatte; d. h., das Ansinnen des Bischofs spiegelt indirekt die erfolgreiche Etablierung der aus eigenem spirituellen Antrieb ins Werk gesetzten Reform. Vogler, St. Katharina (1938), S. 128 f.

1 Der Reformauftrag an die St. Galler Schwestern

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kumen vndern orden[;] die gemaind[,] die beschlutz vnd dz vermachen hettind e wir als von vns selber ton gutz willens[;] dz mochtind die von zofnigen och wol o o tun[,] darzu weltind wir in gern bu´cher lichen vnd schriben wz wir gutz ku´ndind[.] damit maintend wir wir hettind vns entschulget[,] dz man vns ru´wig [ruhig, in Ruhe] het gelon, aber: [. . .] doctor Macharius8 [. . .] bracht [. . .] ainen o brief mit ernstlicher bit[–] er hatt och bischoflichen gewalt[–] vnd ward vns zu e verstend geben wo wir dz nit gu´tlich tatind[,] so wurd man vns mit dem bann o e darzu halten[.] do warend wir gar angstig [. . .] vnd nach langem bedencken o antwurtend wir wir weltind gehorsam sin9 [. . .] vnd verordneten darzu S r Clara r Vitlerin vnd S Frena Girin [. . .] also schicktend wir sy mit im [sc. dem Machao rius] dar nach an dem fritag [. . .] vnd komend do mit gelück vnd gutem wetter in dz closter [. . .] [vnd] gabend inen ¨ıre [sic] klaider vnd ire bu´cher.10

Im folgenden Jahr fordert der Bischof die Abordnung weiterer Reformschwestern: Jtem vnser g[aistlich?] her von costentz hett so gross ernstlich bit an vns gelait durch sinen hofmaister och durch doctor Machari vnd durch sin aigen hand geschrift vnd vil schribens[,] dz wir noch zwo frowen vss vnser convent gen e zofingen schicken soltend[,] dz sy den vordren zwaigen hilflich vnd trostlich e warind[;] dz hand wir vil zit verzogen vnd als lang wir mochtend vnd dz imer dar verzogen bis dz Mjn [d. h. min?] her so grossen ernst erzog[,] dz vns geraten o ward von gaistlichen vnd weltlichen im zu wilgen[;] also hand wir dar geschickt r vnser h[erz] l [iebe] S Küngunt Ensingerin11 vnd S r Cordula von Schönow [. . .] o

8 Dr. Macharius war predicant zu Costantz [sic] und Stifter eines Fensters mit Glasmalerei (mit dem knieenden Donator und dem Engel Raphael) für den Kreuzgang, KlA Wil, Chronik, f. 116r; Vogler, St. Katharina (1938), S. 144. 9 Erst 1501 nahm Angela Varnbühler die erneute Forderung des Konstanzer Bischofs von St. Galler Schwestern zur Reformierung des Klosters St. Peter (KN ) zum Anlass, ihre Nürnberger Amtskollegin Veronika Bernhart um Rat zu ersuchen; sie schrieb: do warend wir nit willig er welt vns denn mit samt e e den clostern dem orden befelen dz die vater der oberuantz volendetind [sic] dz es bestand het; Veronika Bernhart antwortete: ir habend in ain vernuftigi [sic, fehlt Kürzungsstrich] rechti antwurt geben ir sind sin och nit schuldig der vrsach halb dz ir nit in corporiert sind dem orden Es ist also ain halb ding So ir e nit hilf habend von den vatern der observantz, KlA Wil, Schwesternbuch, rv f. xxxvj . 10 A. a. O., Chronik, f. 81r, zum Jahr 1497; im Verzeichnis der Konventsmitglieder von 1476 wird S Clar vittlerin als korn maisterin, S ffrena girin als portnerin genannt, a. a. O., f. 7r. 11 Kunigunda (vormals Barbara) Enzinger, für deren Aufnahme ins Kloster sich der Konstanzer Bischof Otto von Sonnenberg einsetzte, war Tochter des Steinmetzen am Konstanzer Münster: Jtem wir hand enpfangen barblen Entzingerinen maister vintzencen tochter stain metz ze Constantz der stifft v´nser e frowen mu´[n]ster die min gnadiger her von Constantz graff Oth begabet hatt mit siner ersten bett an v´nser Conuent vnd hat v´ns ir vatter geben v guldin zins

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V Bücher und Ausbreitung der Observanz: Kloster Zoffingen e

do wurdend sy mit grossen froden vnd eren enpfangen vnd ward S r Kunigunt u winkellerin raderin vnd härerin [Hörerin]12 vnd S r Cordula noitzen maistrin 13 vnd gewandmaistrin.

Der St. Galler Konvent hatte stets gehofft, die entsandten Schwestern würden nach Ingangsetzen der Zoffinger Reform in ihr Heimatkloster zurückkehren;14 doch [die Schwestern von Zoffingen] santtent vns ainen brieff besiglet [. . .] der wißt e vns dz sich die iiij schwostren15 S r Ferena von Wangen priorin ze zoffingen S r Clara Vitlerin Suppriorin des selben gotzhuß S r Ku´ngund werkmaisterin S r e Cordal Schonowin verzichend aller ansprach [Ansprüche]16 vnßers Conuentz vnd gotzhuß[,] Also dz wir gantz Quitiert [?, 1. Buchstabe unklar] sind[.] So hand wir sy got ze lob vnd in der hailgen gehorsami vnsers g[aistlichen] heren von Costentz mit disser zitlichen gotz gab in dz vorgenampt closter gesant vnd e o wol versechen dz wir hoffend ze got sy sollind vil gutz da schaffen vnd dz o abgangen closter wider zu eren bringen vnd in ain recht weßen dz wir hoffent es e geschach dz wir syn gefrowt werdint in zit vnd in ewikait.

Zudem musste der Konvent 400 Gulden als Aussteuer für die vier Schwestern herausgeben.17 Mit der Einsetzung der Cordula von Schönau als Novizenmeisterin im Kloster Zoffingen war nicht nur einer erfahrenen Konventualin ein für das Gelingen des Reformvorhabens entscheidendes Amt anvertraut, da ihr die Erziehung der jungen Novizinnen im Geist der Reform oblag e

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gond v´ns järlich ab sinem hus ze Constentz vff sant Johans tag des toffers, KlA Wil, Chronik, f. 17v, zum Jahr 1481; Vogler, St. Katharina (1938), S. 53 f. Die Raderin besorgte mittels eines in die Mauer eingelassenen Rades (einer Winde) die Hereinnahme und Herausgabe von Waren; die Hörerin war am Redefenster bei Gesprächen von Konventualinnen mit vswendigen lu´ten anwesend; zum Amt der Raderin und Hörerin (meist identisch) ›Ämterbuch‹, Ü Ms. 5, f. 156va–157rb; im Schwesternbuch sind (in den betr. Resume´s der Nürnberger Usanzen) die beiden Ämter getrennt aufgefasst: Raderin a. a. O., f. CCxr, Hörerin a. a. O., f. CCxvrv (hörerin). KlA Wil, Chronik, f. 82v–83r, zum Jahr 1498. A. a. O., f. 81r: wir sind och in grosser hofnung [!] sy sollind nach wider in v´nsern convent kumen wenn sy es dört geordnend wenn sy die andren gelerend vnd e vnderrichtend [hand], siehe auch oben (Text) im Zitat: dz die da ain zit soltind leren vnd vnderwisung geben. Unklar ist, weshalb es a. a. O., f. xxxvjr, in einer (rückblickenden) Wiedergabe eines Briefes der Angela Varnbühler an Veronika Bernhart, heisst: als wir do ze mal mit v S rn hatend dz closter zofingen reformiert, unter dem Resume´ steht (von derselben Hand) die Jahreszahl M o C j. Grimm, DWB I (1854), Sp. 467. KlA Wil, Chronik, f. 87v.

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und so der Konvent gewissermassen ›von der Wurzel her erneuert‹ wurde. Zudem war dem Zoffinger Konvent eine versierte Schreiberin bestimmt worden, welche für die Bereitstellung der benötigten Bücher sorgen konnte, was zu Beginn der Einführung der Reform von grundlegender Wichtigkeit war.

2 Die Zoffinger Handschriften18 Bereits im Jahr der Entsendung der ersten beiden Reformschwestern (1497) stellte das St. Galler Katharinen-Kloster dem Zoffinger Konvent leihweise Bücher als Vorlagen zur Verfügung: Jtem wir hand inen [sc. denen von zofingen] vnsern colectner19 gelichen vnd j bu´chlin da all cru´tzgen an stond genotiert vnd ain inbunden bu´chlin wie man ain S r richt vnd vergrept [d. h. ein Obsequiale] vnd den notel vf papir geschriben Jtem Sy hand v´ns dise bu´cher alli wider geschickt.20

18 Die Umstände, unter denen die Zoffinger Handschriften an die LeopoldSophien-Bibliothek in Überlingen gelangten, sind nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen: eventuell Ankauf der Stadtbibliothek (zu deren Ankäufen aus aufgehobenen Klöstern der Umgebung nach 1803 siehe Alfons Semler, Die historischen Handschriften der Leopold-Sophien-Bibliothek in Überlingen, in: ZGO 41 [1928], S. 119)? Oder private Zuwendung (aus der Bibliothek des Dekans und Stadtpfarrers Franz Sales Wocheler, der seine Büchersammlung 1832 in eine Stiftung überführen liess, aus welcher die Leopold-SophienBibliothek hervorging (Heitzmann, Handschriften Überlingen [2002], Einleitung, S. 41 f.; vgl. auch Semler, Die Leopold-Sophien-Bibliothek in Überlingen, in: ZGO 75 [1957], S. 122, S. 130). 19 Ein Eintrag in der St. Galler Chronik, f. 80r, ebenfalls zum Jahr 1497, mit e Nachrichten aus dem Scriptorium, hält fest: Jtem wir hand ainen schonen Collectner geschriben vnd ist gantz vs berait mit nottieren vnd ropritzieren vnd in binden [. . .], der Eintrag bricht offenbar ab; dies. Hand (Angela Varnbühler) setzt unmittelbar anschliessend (später?), in kleinerer, stärker rechtsgeneigter Kursive (in ders. Schrift wie der Haupteintrag a. a. O., f. 81r) hinzu: jtem den colectner hand wir gen zofingen gen; beide Einträge beziehen sich wohl auf diesselbe Leihgabe an Zoffingen, vgl. a. a. O., f. 81r: wir hand inen vnsern colectner gelichen (s. o. im Text). – Ein Collectar enthält die Collectae, d. h. Gebete, Orationes, Benedictiones etc., vgl. Hughes, Manuscripts for Mass and Office (1995), S. 118 f. 20 KlA Wil, Chronik, f. 81r. Zum notel vgl. Kap. IV .1: St. Katharina Nürnberg, S. 215; ev. ist die Handschrift Wil M 8, mit Rubriken über Vorschriften und Gebräuche beim Gottesdienst und anderen klösterlichen Übungen, gemeint.

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V Bücher und Ausbreitung der Observanz: Kloster Zoffingen

Wie bereits beim Leihverkehr zwischen den Katharinen-Klöstern St. Gallen und Nürnberg gesehen, begründeten offenbar auch in diesem Fall liturgische Werke den Beginn des Bücheraustauschs. Der Eintrag lässt offen, ob die genannten Leihgaben der Herstellung von Abschriften oder dem Anbringen von Ergänzungen resp. Korrekturen an bereits im Konvent vorhandenen Exemplaren dienten. Neben den temporären Ausleihen bestimmte der St. Galler Konvent auch Bücher zum Verbleib in Zoffingen, wie die Chronik zum Jahr 1501 berichtet – darunter auch Werke in lateinischer Sprache (!): Item wir hand geschriben ij tu´tzschi bu´cher j S r buoch vnd S peter vnd S pa[u]lus leben vnd ain kurs bu´chli vnd denen gen zofingen constitucion in latin kostet in zebinden vnd alle ding [. . .] [. . . // bricht ab/Lücke];21 sowie im selben Jahr: Jtem wir hand geschriben dene von zofingen vf papir S kat[harina] de senis histori vnd genottiert vnd die lamentaciones vf permet.22 Die Überlieferung zeigt, dass bald nach der Ankunft der St. Galler Reformschwestern im Kloster Zoffingen selbst mit dem Aufbau einer observanten Nonnenbibliothek begonnen wurde. Gemäss den erhaltenen Handschriften erfüllten zwei Schwestern diese Aufgabe, beide profilierte Schreiberinnen des St. Galler Konvents: die 1498 mit Reformauftrag entsandte Cordula von Schönau und die in St. Gallen verbliebene Regina Sattler.23

21 KlA Wil, Chronik, f. 90r; aus dem Eintrag geht nicht eindeutig hervor, ob nur einzelne oder alle hier vermerkten Bücher, welche die St. Galler Schwestern hand geschriben, gen zofingen gegeben wurden. 22 A. a. O., f. 92v. Bei den lamentaciones könnte es sich um die ›Lamentationes de regularibus observantiis‹ des Leonardus Dati handeln, einem Kommentar des Generalmagisters zu den Reformmassnahmen. 23 Die Identifikation einer St. Galler Vorlage-Handschrift für die Zoffinger Handschriften ist im erhaltenen Bestand des Katharinen-Klosters meist nicht möglich, so dass die entsprechenden St. Galler Handschriften als offenbar verloren gelten müssen, mit einer Ausnahme, siehe unten; weitere mögliche Vorlage ist Cod. sang. 1859, p. 469–499: Heinrich Vigilis von Weissenburg, Ein grunt eins woren clösterlichen Leben, für Ü Ms. 1, f. 187ra–193va, sowie Cod. sang. 1859, p. 239–289: Bonaventura, Epistola continens viginti quinque memorialia (deutsch), zu vergleichen mit Ü Ms. 1, f. 242v–244r. Beide Hypothesen nicht bei Heitzmann, Handschriften Überlingen (2002), S. 45; zur ersteren Hypothese vgl. Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 108: »Parallelhandschriften«, nach Ruh, Franziskanisches Schrifttum I (1965), S. 157–163 (Ed. des 3. Teils der ›Ermahnung zu einem wahren klösterlichen Leben‹ des Vigilis von Weissenburg).

2 Die Zoffinger Handschriften

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Im 1. Dezennium des 16. Jahrhunderts schrieb Regina Sattler im St. Galler Scriptorium Texte ab, die als Schenkungen nach Zoffingen gegeben wurden:24 Erbauliche Traktate von Heinrich Vigilis von Weissenburg und Marquard von Lindau25 gelangten als Faszikel nach Zoffingen und wurden mit weiteren Opuscula in einer Konstanzer Werkstatt zusammengebunden (Ü Ms. 1).26 Ebenfalls zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstand ein Codex mit Johannes Nider zugeschriebenen Betrachtungen und Predigten zu 24 Kirchenfesten (Ü Ms. 26);27 ferner eine Handschrift mit Texten von Gerson (in deutscher Übersetzung und Bearbeitung) und einer Predigt des Nikolaus von Dinkelsbühl (Ü Ms. 29). Die in demselben Band von Regina Sattler begonnene Abschrift des Passionstraktates nach Ludolf von Sachsen (in

24 Diese Schenkungen sind in der St. Galler Chronik nicht festgehalten. Gemäss Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 670, wurde Cordula von Schönau bei ihrer Entsendung nach Zoffingen »mit einer Legende der Katharina von Siena und den Schwesternleben von Töss ausgestattet, ohne Entgeltung«. Die von dems., a. a. O., in Anm. 79 angeführten Chronik-Stellen belegen dies jedoch in keiner Weise; es liegt wohl eine Verwechslung mit Clara Vitler und Verena Gir vor, den beiden ersten Reformschwestern, denen (gemäss a. a. O., f. 81r, siehe oben im Text) ihre Bücher nach Zoffingen mitgegeben wurden, die von Rüther, a. a. O., genannten Titel sind jedoch auch dort nicht erwähnt. 25 Ü Ms. 1, Datierung gemäss Wasserzeichen nach 1504 bis ca. 1509. Für die Traktate des Vigilis von Weissenburg diente eventuell Cod. sang. 1859 als Vorlage, siehe Kap. IV .3: Strassburg, S. 233. Zur Parallelüberlieferung des Hiob-Traktates von Marquard von Lindau, Ü Ms. 1, f. 282r–300v; insbesondere zu weiteren Abschriften desselben Textes im Katharinen-Scriptorium, siehe Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 224 ff. 26 Gemäss Heitzmann, Handschriften Überlingen (2002), S. 44–46, hier S. 44, mit Verweis auf Ernst Kyriss, Verzierte gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet, Tafelband 3 (1958), S. 14, Nr. 140, mit Tafel 281, Buchbinder N. N.; Einband wie Ü Ms. 5; zu den Einbänden siehe auch unten im Text. 27 Gemäss Brand, Nider deutsche Schriften (1998), S. 203 f., mit unserer Handschrift (Sigle Ü); auch bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78 sowie S. 188, mit der Zuweisung an Johannes Nider; vgl. auch im Predigt-Inipit, f. 263rb/263v der Handschrift: als doctor Nider gebrediget hat. Gemäss Brand, a. a. O., S. 204, sei die Handschrift von den St. Galler Reformschwestern in den Dominikanerinnenkonvent Zoffingen mitgebracht worden: Dies ist zu korrigieren, da die Handschrift aufgrund der Wasserzeichen anfangs des 16. Jahrhunderts zu datieren ist (nicht bei Heitzmann, Handschriften Überlingen [2002], S. 65); zum Inhalt siehe das Inventar bei dems., a. a. O., S. 65–69.

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V Bücher und Ausbreitung der Observanz: Kloster Zoffingen

deutscher Bearbeitung von Thomas Finck28) wurde in der Handschrift Ü Ms. 28 von Cordula von Schönau in Zoffingen fortgesetzt.29 Ebenda schrieb dieselbe 1504 eine Handschrift,30 welche im 1. Teil ein Plenar enthält. Vorlage für diese Abschrift war offenbar das Plenar der St. Galler Katharinen-Schwestern (Cod. sang. 363).31 Wie das St. Galler Exemplar war offenbar auch die Zoffinger Handschrift für die Lesungen bei Tisch bestimmt, da den eigentlichen Perikopen wortwörtlich dieselben Lektüreanweisungen vorangestellt sind.32 Die gesamte Herstellung dieser beiden Handschriften lag in den Händen der routinierten Schreiberin Cordula von Schönau: Die Abschriften stammen vollständig aus ihrer Feder, ebenso die Rubriken, die Wortreklamanten sowie die Tintenfoliierung;33 es findet sich keine zusätzliche Hand.34 Die 28 Thomas Finck OSB , Mönch in Blaubeuren, belegt 1489–1507. Finck selbst verweist mehrfach auf sein anonym kursierendes Opus magnum; dieser Traktat, offenbar der erfolgreichste seiner Texte, von Christoph Fasbender, Thomas Finck als Übersetzer, Textbearbeiter und Autor, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Bd. 110 (1999), München/St. Ottilien, S. 155, ins Jahr 1492 datiert; der Text ist eine freie, in Auswahl und Sprachform »auf die Bedürfnisse von Klosterfrauen zugeschnittene« Bearbeitung. Fasbender, S. 154, mit den Handschriften Ü Ms. 28 und Ü Ms. 29; diesbezüglich zu korrigieren ders., a. a. O., (wohl nach Heitzmann, siehe Anm. 27): »aus Zofingen [!] OP nach St. Katharina/St. Gallen OSB [!]«; Klaus Graf, Zur Biographie des Thomas Finck, a. a. O., S. 169–173; VL 2 2 (1980), Sp. 738–740 (Josef Brecht); zum Passionstraktat, nach Ludolf von Sachsen, vgl. auch VL 2 5 (1985), Art. ›Kurfi, Johannes‹, Sp. 461–463 (Herbert Kraume), besonders Sp. 462, wo die Zuweisung an Johannes Kurfi korrigiert und auf Thomas Finck verwiesen wird. – Die deutschen Übersetzungen und Bearbeitungen der ›Vita Christi e quatuor Evangeliis et scriptoribus orthodoxis concinnata‹ des Ludolf von Sachsen (OP , dann OCart, ca. 1300–1377/78) sind noch nicht vollständig erforscht: VL 2 5 (1985), Sp. 967–977 (Walter Baier/Kurt Ruh). 29 Ü Ms. 28, f. 2ra–283vb; Ü Ms. 29, f. 67vb–311ra; beide Handschriften geschrieben auf demselben Papier (Wasserzeichen Doppelturm, identisch mit Briquet (1907) Nr. 15916: Konstanz 1503, St. Gallen 1505); bekam Cordula von Schönau, da der erste Teil der Abschrift im St. Galler Scriptorium erfolgte, auch für ihre weiteren Zoffinger Abschriften das Papier von dort geliefert? 30 Ü Ms. 16, Kolophon, f. 281rb. 31 Die Teilkollation der Hss. Cod. sang. 363 und Ü Ms. 16 ergab wortwörtliche Übereinstimmungen; ein entsprechender Ausleihvorgang ist in der St. Galler Chronik nicht vermerkt. 32 Siehe auch Kap. III .5.1: Bücher für die Tischlesung, S. 189. 33 Nur in Ü Ms. 16. 34 Einzig in Ü Ms. 28 auch Lagenbezeichnungen von einer anderen Hand (da die

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Versiertheit der Schreiberin zeigt sich insbesondere in der offenkundig sehr zügigen, gleichwohl graphisch tadellosen Niederschrift des Passionstraktates, der später von ihr selbst systematisch durchkorrigiert wurde. Im Vergleich mit ihren in St. Gallen geschriebenen Handschriften fällt die zwar sorgfältige, aber sehr schlichte, auf ein Minimum reduzierte Ausschmückung der Bände auf, die sich auf einfachste rote, ganz vereinzelt mit kleinen Verzierungen versehene Lombarden beschränkt.35 Fehlte ihr in Zoffingen, wo sie ihre Schreibtätigkeit neben den Ämtern der Novizenund Gewandmeisterin ausüben musste, die Zeit für aufwendigeren Buchschmuck?36 Für diese Hypothese sprechen vor allem die sauber und ordentlich, aber ganz offensichtlich sehr zügig niedergeschriebenen Handschriften Ü Ms. 16 und Ü Ms. 28. Die Zoffinger Handschrift Ü Ms. 5 ist hinsichtlich ihres Inhaltes ein klassisches Beispiel für eine Schenkung an einen zu reformierenden Dominikanerinnenkonvent: Sie vereint in einem Band die Vita des Ordensgründers Dominicus (zusammengestellt von Dietrich von Apolda37), die Dominikanerinnen-Konstitutionen, das ›Ämterbuch‹38 und das ›Buch der

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von Cordula von Schönau angebrachten Wortreklamanten nicht vollständig); in Ü Ms. 28, der von derselben in Zoffingen geschriebenen Fortsetzung des Passionstraktates nach Ludolf von Sachsen, unterlief der Rubrikatorin ein Fehler: Zu Textbeginn steht fälschlich die Lombarde D, in welche Cordula von Schönau mit roter Tinte ein Minuskel-h hineinschreibt, da es heissen muss: Hie vachet an, nicht: Die vachet an; aufgrund dessen liegt die Vermutung nahe, dass die Lombarden nicht von einer anderen Zoffinger Konventualin angebracht wurden (die Rubriken-Texte stammen zweifelsfrei von der Schreiberin). Vor allem fehlen in ihren Zoffinger Hss. die für ihre St. Galler Codices charakteristischen Fisch-Verzierungen (von ihrer Hand); hingegen finden sich die Blümchen-Rahmen für Texteinfügungen und -korrekturen auch hier (Ü Ms. 16 u. Ms. 28); zu den Codices sangalenses von ihrer Hand siehe im ›Katalog der Handschriften‹ zu Cod. sang. 406, Cod. sang. 490 sowie Cod. sang. 491. Siehe Kap. II .3.2.9: Cordula von Schönau. Der Erfurter Dominikaner Dietrich von Apolda stellte zwischen ca. 1286 u. 1298 die umfangreichste Dominicus-Vita des 13. Jahrhunderts zusammen; Williams-Krapp, Hagiographie der Dominikaner (1998), S. 151; VL 2 2 (1980), Sp. 103–110 (Helmut Lomnitzer). In dieser Abschrift des ›Ämterbuchs‹ findet sich f. 213vb ein Eintrag zum Verfahren bei Ausleihe von Büchern aus der Konventsbibliothek an vssre[] personen: [. . .] So mag man vordren das die person die es bitten ist inen ainen e erkantnus briefflin geben Also Jtem schwoster kathe[f. 214ra]rin des closters zoffnigen [. . .] bekenn mich mit disser geschrifft das ich hab enpfangen von der o o priorin vnd conuent in Sant katherina closter czu Sant gallen das buch der e empter der schwostren prediger ordens [. . .] Anno dni m o cccc o liij vff Sant

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Ersetzung‹ des Ordenschronisten Johannes Meyer, sowie Sendbriefe von Humbertus de Romanis und Raymundus von Capua.39 All dies »deutet auf die Grundausrüstung einer observanten Nonnenbibliothek hin«.40 Die Handschrift entspräche in ihrem Inhalt der von Engler-Maurer entwickelten Begriffsbestimmung eines ›Regelbuchs‹:41 mit einem primären Grundbestand von Verfassungstexten für Dominikanerinnen sowie mit sekundären ›observanten‹ Ergänzungen, zu denen auch ›Ämterbuch‹ und ›Buch der Ersetzung‹ zu rechnen sind. Vermutlich wurden die Texte in diesem Sammelband von den St. Galler Schwestern eigens für die Erfüllung des Reformauftrags zusammengestellt. Offen ist die Frage, ob die ›Redaktion‹ eine selbständige Leistung der Schwestern war, bei der sie sich ähnliche Sammelhandschriften (welche sie vielleicht selbst zu Beginn ihrer Reformbemühungen aus bereits reformierten Konventen erhalten hatten) zum Vorbild nahmen; oder ob sie ihre Betreuer um Rat ersuchten und deren Vorgaben folgten. Der Sammelband wurde von Cordula von Schönau und Regina Sattler gemeinsam geschrieben. Die Handschrift ist nicht datiert; eine chronologische Einordnung aufgrund eines Wasserzeichens ist nicht möglich, da solche fehlen. Die Schreiberinnen-Ablösungen42 mitten im laufenden Text und Satz lassen jedoch einzig den Schluss zu, dass die Niederschrift noch vor dem Weggang der Cordula von Schönau im St. Galler Scriptorium erfolgte. Ebenfalls in gemeinsamer Schreibarbeit von Cordula von Schönau und Regina Sattler entstand die Handschrift Ü Ms. 22. Dieser aszetische Sammelband wirft hinsichtlich der Umstände seiner Herstellung Fragen auf:43

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dnicus tag translacio; dieser Eintrag ist jedoch reine Fiktion, da Johannes Meyer das Ämterbuch 1454 schrieb. Raimund von Capua OP , ab 1374 Lektor in Siena, dort geistlicher Mentor der Katharina von Siena, die ihn zur Reform des Predigerordens anregte, welcher er sich seit 1389 intensiv widmete; Ordensgeneral ab 1380; 1396 im Nürnberger Dominikanerkloster; † 1399 in Nürnberg. VL 2 7 (1989), Sp. 982–986 (Werner Williams-Krapp). Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 669, Anm. 77. Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 160–164, die Handschrift ist jedoch a. a. O. nicht berücksichtigt (hingegen Hs. Ü Ms. 2, mit der Augustinerregel f. 3r–13v, als ›Regelbuch‹ a. a. O., S. 54–57). Zum Beispiel Ü Ms. 5, f. 290vb, Z. 5 (mitten auf der Zeile); f. 294ra, u. a. Vorlage der Zoffinger Handschrift war Cod. sang. 603, siehe im ›Katalog der Handschriften‹. Gemäss Meyer, Katharinental (1995), S. 12, wäre die Handschrift Ü Ms. 5 »geschrieben [worden] im Dominikanerinnenkloster St. Ka-

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Die Partien der beiden Schreiberinnen sind hier, im Gegensatz zu Ü Ms. 5, klar voneinander abzugrenzen. Die verschiedenen Wasserzeichen sind chronologisch zwischen 1501 und 1510 einzuordnen; die Herstellung der gesamten Handschrift im St. Galler Scriptorium noch vor der Entsendung der Reformschwestern ist demzufolge auszuschliessen. Da die Marken mitten im ersten, von Cordula von Schönau geschriebenen Teil wechseln,44 ist nicht denkbar, dass dessen Niederschrift in Zoffingen erfolgte, während die Abschrift für den 2. Teil aus dem St. Galler Scriptorium nachgeschickt wurde. Aufgrund dessen erscheint die These plausibel, dass Cordula von Schönau den 1. Teil der Handschrift in Zoffingen schrieb und dann die leeren Faszikel desselben Papiers, zusammmen mit der von dort entliehenen Vorlage (Cod. sang. 603), nach St. Gallen geschickt wurden, wo Regina Sattler den 2. Teil aus der Vorlage in Abschrift hinzufügte. Übermittler der Handschriften zwischen St. Gallen und Konstanz könnte Wendelin Fabri gewesen sein, welcher seit 1508 Spiritual der Zoffinger Schwestern war45 und 1512 das St. Galler Katharinen-Kloster visitierte.46 Die St. Galler Chronik erwähnt ihn anlässlich der Fertigstellung einer Samtharina Zoffingen in Konstanz«; diese Behauptung wohl entstanden aus einer missverständlichen Aussage bei Grubmüller, Viten (1969), S. 175, demzufolge die »unmittelbare Herkunft aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina zu Zofingen/Konstanz [sic] [. . .] durch Besitzeinträge gesichert« sei; ders., a. a. O., hält jedoch S. 179–181 explizit die Abhängigkeit von Ü Ms. 22 von Cod. sang. 603 fest. Dies., a. a. O., S. 12 f., ohne Unterscheidung der Hände, ohne Identifikation der (ihr aus Cod. sang. 603 bekannten) Hand der Regina Sattler; die Behauptung ders., a. a. O., S. 12 (siehe oben) ist (nicht begründet und) aufgrund der Identifikation der Schreiberin Regina Sattler (durch die Verf.in dieser Studie) nicht haltbar. – Heitzmann, Handschriften Überlingen (2002), S. 61–63, mit Identifikation der 2. Hand in Ms. 22 mit der Hand von Ü Ms. 1 und Ü 26, jedoch ohne Identifikation der Hand der Regina Sattler. 44 Bis f. 156 Ochsenkopf, ab f. 157 Doppelturm. 45 Spiritual in Zoffingen seit 1508 (3. Aug.), nachdem Agatha Muntprat, Witwe des Conrad Mangolt, dem Kloster eine Stiftung vermacht hatte, damit es einen observanten Beichtvater halten könnte; Höpf, Fabri (1953), S. 11, mit Anm. 79, dort Verweis auf Urk. Zoff. 145. – Zu möglichen Verwechslungen des Zoffinger Spirituals ders., a. a. O., S. [2] in Anm. 1 (mit Verweis auf a. a. O., S. 32). 46 Im Auftrag des Bischofs von Konstanz, gemeinsam mit dem Konstanzer Domkustos Hans Zwick; KlA Wil, Chronik, f. 133r, siehe auch Kap. I .2, Zur Geschichte, S. 39 f. Eine Abschrift der Visitationsakte in deutscher und lateinischer Sprache befindet sich im StiASG, Bd. 177, S. 288 f. (Angabe nach Vogler, St. Katharina [1938], S. 127, Anm. 5); zur Visitation in St. Katharina St. Gallen Höpf, Fabri (1953), S. 13 f.; a. a. O. zu den Kritikpunkten; a. a. O., S. 15 zum Inhalt der neuen Statuten, Punkt 1–14; diese Statuten waren jenen

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melhandschrift als Verfasser der vor dem Zoffinger Konvent gehaltenen Predigten, welche Regina Sattler, Dorothea von Hertenstein und Elisabeth Schaigenwiler im St. Galler Scriptorium abschrieben.47 Der Chronik-Eintrag, von der Hand der Priorin Sapientia Wirt, »zwingt nicht zur Annahme, die Urschrift habe den St. Galler Kopistinnen als Vorlage gedient, sondern besagt nur, daß Fabri selber, und nicht Ohrenzeugen, seine Predigten aufgezeichnet habe«; die Frage, »ob die Abschrift nach dem Autograph des Verfassers oder nach einer Kopie der Zoffinger Schwestern hergestellt wurde«, ist offen.48 Allgemein ist bei den Handschriften, welche aus dem Scriptorium St. Katharina St. Gallen an die Schwestern in Zoffingen gingen (Ü Ms. 1, Ms. 5, Ms. 26, Ms. 29), die grosse Sorgfalt der Ausführung sowohl in der Schrift als auch in der Rubrizierung zu vermerken. Betrachtet man die in Zoffingen hergestellten (respektive fertig gestellten) Handschriften unter codicologischen Aspekten, so treten deutliche Unterschiede zu den Büchern der St. Galler Katharinen-Schwestern zutage. Die Codices der Zoffinger Bibliothek, auch die vom St. Galler Konvent geschenkten Handschriften, unterscheiden sich bereits in ihrer äusseren Gestalt deutlich von jenen des St. Galler Scriptoriums: Während die dort gefertigten Einbände sehr schlicht gehalten sind, weisen die Zoffinger Bände reiche Verzierungen mit nachgebildet, welche Bischof Hugo ein Jahrzehnt zuvor den Schwestern von Zoffingen und St. Peter (KN ) gegeben hatte (a. a. O., S. 15, Anm. 121). 47 Fabri hatte die Predigten zu aszetischen Traktaten für die Tischlesung ausgearbeitet: Cod. sang. 990, p. 316a–589a; KlA Wil, Chronik, f. 166v, zum Jahr 1521, der Eintrag zitiert im ›Katalog der Handschriften‹. Zur Handschrift Höpf, Fabri (1953), Kapitel IV , S. 18–20; zum Inhalt S. 20–26; die Handschrift ist (bis heute) die einzige Quelle, durch welche wir Kenntnis von den geistlichen Schriften Fabris haben. – Höpf, a. a. O., S. 19, meinte »die Schriftzüge von sieben anderen Schwestern« von den drei namentlich bekannten Schreiberinnen abgrenzen zu können; die Einschübe (siehe hier im ›Katalog der Handschriften‹) stammen jedoch alle von ein und derselben (bekannten, jedoch nicht namentlich zu identifizierenden) Hand. Zu Wendelin Fabri: * um 1465, um 1485 Eintritt in den Predigerorden, 1511/1512 Erlangung der Doktorwürde in Rom, † nach 1533; Art. ›Wendelin Fabri‹ (Kurt Hannemann), VL 2 2 (1980), Sp. 698–670 (Lit.); Höpf, Fabri (1953), S. 26–29. 48 A. a. O., S. 19; vgl. in der Handschrift zum Beispiel p. 201a: Der gaistlichen materi genampt villicatorius des Erwirdigen hochgelerten heren vnd vatters e wendelinus fabri der gotlichen schriff [sic] ain bewerter doctor vß dem Conuent pfortzhaim hatt dise nach folgent matery¨ geprediget vnd hat es selbs vff geschriben ze constantz in dem closter zoffingen der bicht vatter er dozemal was.

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Stempeln auf, welche in die Werkstatt eines Konstanzer Buchbinders zurückweisen.49 Schon die Einbände eröffnen somit eine entstehungsgeschichtliche Perspektive. Beim Aufschlagen der in Zoffingen geschriebenen Bücher (Ü Ms. 16 und Ms. 28) fällt auf, dass dort andere Tinten verwendet wurden: Die braune Tinte ist heller, ev. stärker verblasst als die der St. Galler Codices, vermutlich aufgrund anderer Zusammensetzung.50 Diesbezüglich eine Ausnahme stellt die schwarze Tinte der Plenar-Handschrift (Ü Ms. 16) dar, welche im Katharinen-Scriptorium nur für repräsentative Chorbücher benutzt wurde.51 Die für Rubriken, Initialen, Lombarden und Unterstreichungen verwendete Tinte ist zumeist hellrot;52 im Unterschied zu derjenigen der St. Galler Codices weist sie heute nicht die Blei-Oxidierung der MennigeMischung auf, wie sie für die Handschriften des Katharinen-Scriptoriums charakteristisch ist. Bei näherer Betrachtung ist festzustellen, dass die Zoffinger Handschriften auf anderem Papier geschrieben sind als im St. Galler Scriptorium gebräuchlich: Keines der dort aufgefundenen Wasserzeichen ist in Schreiberzeugnissen der St. Galler Katharinen-Schwestern nachweisbar. Auch die Lagenzusammenstellung entspricht nicht den Usanzen ihrer Schreibwerkstätte.53

49 Ü Ms. 1, Ms. 2, Ms. 5 (jeweils Scriptorium, St. Gallen); Ü Ms. 16 und Ms. 28 (jeweils Scriptorium Zoffingen). 50 Siehe auch das von Cordula von Schönau in die Zoffinger Handschrift Ü Ms. 16, Spiegelblatt vorne – f. 1v eingetragene Tintenrezept, aufgrund der zahlreichen Verschriebe und Korrekturen der Massangaben wohl eine Abschrift. 51 Die Handschrift Ü Ms. 16 wurde zur Tischlesung herangezogen, siehe oben, S. 244. 52 Mit Ausnahme von Ü Ms. 22, wo neben der hellroten Tinte auch dunklere verwendet wurde, d. h.: Lombarden/Rubriken und Rubrizierungen im Text wurden bei diesem Codex nicht zur selben Zeit, nicht im selben Zug (und ev. auch nicht von derselben Hand) ausgeführt. 53 Im St. Galler Konvent waren, seit dem Bestehen eines eigentlichen Scriptoriums, Sexternionen gebräuchlich, während die Zoffinger Mss. unregelmässige Lagen-Zusammenstellung aufweisen, z. B. Ms. 16: wechselnd Quaternionen, Quinternionen, Sexternionen, zwischen den grösseren Lagen Binio. Unklar ist, weshalb die Schreiberin Cordula von Schönau in Zoffingen von den ihr vertrauten Gewohnheiten abwich und insbesondere, weshalb auch die von Regina Sattler in St. Gallen geschriebenen Handschriften stets Unregelmässigkeiten in der Lagen-Zusammenstellung aufweisen, die sich sonst in St. Galler Handschriften kaum finden (Ü Ms. 1, Ms. 26, besonders Ms. 29).

VI Zusammenfassung Grundanliegen und Ausgangspunkt aller Fragestellungen war der historische Handschriftenbestand des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen, insbesondere die erhaltenen, in der klostereigenen Schreibwerkstätte hergestellten Handschriften. Die als grundlegende Revision notwendige Neu-Durchsicht der in der Monographie von S. Thoma Vogler im Katalog-Anhang erfassten Handschriften erbrachte zum einen ›Neufunde‹ in der Stiftsbibliothek St. Gallen: Aufgrund von Schriftvergleichen mit in Wiler Handschriften figurierenden Händen konnten neun weitere, bei Vogler nicht erfasste Codices dem Scriptorium St. Katharina zugeordnet werden. Zum anderen mussten Handschriften entgegen ihrer Zuweisungen durch Vogler (»Schriftcharakter weist zweifelsohne in die Schreibstube St. Katharina«) ausgeschieden werden (drei StiBSG, fünf KlA Wil). Somit liegt nunmehr ein Corpus von 48 erhaltenen, im Katharinen-Kloster geschriebenen Handschriften vor, wovon 23 Bände im Archiv des Dominikanerinnenklosters St. Katharina Wil SG , 25 in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrt werden. Die Herstellung der Codices – sowohl der schon zuvor identifizierten wie auch der neu gehobenen – konnte mit der (von Vogler nicht vollumfänglich ausgeschöpften) Konvents-Chronik respektive deren detailreichem Quellenmaterial zur Organisation des Scriptoriums, zum Prozess des Handschriften-Schreibens, -Illuminierens, -Bindens etc. rekonstruiert werden. Aufgrund einlässlicher Quellenforschung sowie von Schriftanalysen und -vergleichen konnten Handschriften sieben Schreiberinnen des Konvents zugeordnet werden, deren Hände bislang nicht bekannt respektive nicht in Schriftzeugnissen identifiziert waren (Anna Krumm, Verena Gnepser, Euphrosina Keller, Potentiana Talmann, Sapientia Wirt, Justina Blarer, Elisabeth Schaigenwiler), so dass nunmehr 13 Katharinen-Schwestern als Schreiberinnen mit erhaltenen Handschriften zu belegen sind. Die Hand der Justina Blarer konnte von mir aufgrund ihrer namentlich subskribierten Notiz in einer vom Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen nach St. Gallen entliehenen (!) Handschrift in der Katharinen-Chronik identifiziert werden.

VI Zusammenfassung

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Gemäss Vergleich mit diesem Eintrag schrieb sie auch teils grössere Passagen in die Chronik.1 Hinzu tritt die sehr wahrscheinliche Zuweisung von vier Codices an die ›subskribierende‹ schriberin alias (?) Barbara von Boswil. Auch den bereits zuvor ›bekannten‹ Katharinen-Schreiberinnen (Angela Varnbühler, Elisabeth Muntprat, Regina Sattler und Cordula von Schönau) konnten weitere Handschriften zugewiesen werden, so dass über ihre Schreibtätigkeit neue ›Eckdaten‹ ihrer Biographien greifbar wurden. Eine Entdeckung war die von mir in den (in der StiBSG aufbewahrten) Gebetbüchern der Hand der Cordula von Schönau zugewiesene halbkursive Bastarda, die von mir in heute in der Leopold-Sophien-Bibliothek Überlingen aufbewahrten Handschriften mit Provenienz aus dem Kloster Zoffingen aufgrund von Schriftvergleichen zweifelsfrei ihrer Hand zugewiesen werden konnte.2 War sie bisher nach 1498 (d. h. nach ihrer Entsendung nach Zoffingen) für die Forschung nicht mehr greifbar, ist sie jetzt durch die von ihr im Zoffinger Konvent geschriebenen Handschriften bis 1504 nachzuweisen. Weitere vier Katharinen-Schreiberinnen sind mit Chronik-Einträgen zu belegen (Juliana Schlaipfer, Elisabeth von Watt, Petronella Mangolt, Barbara Studer). Durch Schriftvergleiche konnte bei fünf (schon bei Vogler figurierenden) Codices ihre H e r s t e l l u n g im Katharinen-Scriptorium bestimmt (respektive gesichert, wo bislang vermutet) werden (Cod. sang. 407, Cod. sang. 486, Cod. sang. 597, Cod. sang. 1917, Cod. sang. 1919), aufgrund der Übereinstimmung der Schreiberinnenhände mit ›bekannten‹ Händen. Bei drei weiteren Bänden konnte eine Übereinstimmung mit aus anderen Codices vertrauten Schreiberinnenhänden ermittelt werden, von denen eine in zwei Handschriften namentlich zu identifizieren war (Cod. sang. 1854 und Cod. sang. 1869: Hand der Angela Varnbühler). Bei einzelnen Schreiberinnen, die über einen grösseren Zeitraum in Schriftzeugnissen zu belegen sind, konnte die Entwicklung ihrer individuell-charakteristischen Schrift über die Jahre verfolgt werden. Ferner konnte über die Identifikation von Schreiberinnenhänden die chronologische Einordnung von (nicht datierten oder sonst datierbaren) Handschriften präziser eingegrenzt werden. Weitere (ausser den bereits der Forschung bekannten) Katharinen-Hände konnten in im 1 Siehe Kap. IV .2: Inzigkofen, S. 223 f., sowie II .3.2.10: Justina Blarer, S. 97 f. 2 Zu den Zoffinger Handschriften siehe Kap. V .2. Die Schreiberin konnte (mangels Vergleichsmaterial) nicht identifiziert werden von Heitzmann, Handschriften Überlingen (2002).

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VI Zusammenfassung

Katharinen-Scriptorium hergestellten, als Schenkung an befreundete Konvente bestimmten Abschriften identifiziert werden. Somit trat eine grössere Produktivität des Katharinen-Scriptoriums zutage, als zuvor vermutet respektive gesichert zu belegen war. Beim Erarbeiten dieser neuen Erkenntnisse trat die Notwendigkeit einlässlicher, akribischer Schriftvergleiche umso deutlicher zutage, als selbst in der neueren Forschung infolge falscher Analysen teilweise weitreichende Fehlschlüsse publiziert wurden: Grubmüller (1969) hat bei der einlässlichen Analyse von Cod. sang. 603 nach der Untersuchung der Wasserzeichen bei der Abgrenzung der Hände zu kurz gegriffen, da sie sich bei einlässlichem Vergleich als nicht haltbar erwiesen hat. Hingegen plädiere ich wie Grubmüller und entgegen CMD−CH III (1991) im Kolophon für die Lesart S. R. S., aufzulösen mit »Schwester Regina Sattler«.3 Die Unzulänglichkeiten der an sich gründlichen Untersuchung durch Grubmüller wurden in der Dissertation von Meyer (Katharinental, 1995) beibehalten, trotz Bemühen, Hände zu unterscheiden, als Folge völliger Missachtung der Wasserzeichen zur Abgrenzung der Faszikel. Entgegen Rüther/Schiewer (1992) ist von Cod. sang. 1066 nicht der erste Teilband verloren, sondern vollständig erhalten; als verschollen muss der zweite Teil angenommen werden.4 Aufgrund meiner Identifikation der Angela Varnbühler als Schreiberin von Cod. sang. 1869 konnte die von Kurt Ruh als Schenkung des Bickenklosters Villingen vermutete Zuordnung widerlegt werden.5 Ferner weist die Untersuchung von Greifenstein über den Hiob-Traktat (1973) bei der Analyse der Handschriften-Verhältnisse einen weitreichenden Irrtum auf: Meine Recherchen kamen zum Schluss, dass die heutige Münchner Handschrift Cgm 5233 das ›Original‹ der St. Galler KatharinenBibliothek und Vorlage für die nach Inzigkofen und Zoffingen bestimmten Abschriften war. 3 Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 193 f., ohne Auflösung der Initialen; Meyer löst die Schreiberinnen-Initialen B. (sic) R. S. kommentarlos mit »Regina Sattler« auf, wie Grubmüller und entgegen dem CMD−CH III (1991), wo eine andere (anonyme) Hand vorgeschlagen wird. – Zur Abgrenzung der Hände siehe im ›Katalog der Handschriften‹. 4 So schon Vogler; fraglich, ob überhaupt eine Autopsie des Bandes durch Rüther/Schiewer stattgefunden hat: Im Register (f. Bra−Eva) sind mit roter Tinte die den 2. Teil betreffenden Einträge durchgestrichen. 5 Zu den Handschriften und zur Literatur siehe im ›Katalog der Handschriften‹.

VI Zusammenfassung

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Da zum Druck des St. Galler Supplement-Katalogs von Beat Scarpatetti (1983) der Handschriftenkatalog von Karin Schneider zu Cgm 4001–5247 (1996) noch nicht vorlag, blieb die Überlieferungsgeschichte resp. die Provenienz der ›Compilatio Mystica‹ alias ›Greith’scher Traktat‹ im Dunkeln. Da der textgeschichtlich von Cod. sang. 1917 abhängende Block II des Cgm 5233 mit dem ›Greith’schen Traktat‹ ebenfalls aus dem St. Galler Katharinen-Kloster stammt (Schneider, a. a.O., gemäss den Wasserzeichen n a c h unserer Handschrift zu datieren), entspricht unsere Handschrift der in der kritischen Edition der gesamten Compilation erschlossenen ›Urschrift‹ bei Cadigan, zumal einige Textstellen ausschliesslich in der St. Galler Handschrift überliefert sind; mit anderen Worten: die ›Compilatio Mystica‹ entstand im St. Galler Katharinen-Kloster. Nachdem in den vergangenen Jahren Forschungsarbeiten zur Bedeutung der Schriftlichkeit im Kontext der Observanzbewegungen sowie zu Schriftund Buchkultur in Frauenklöstern des Spätmittelalters erschienen waren,6 konnte mit der Rekonstruktion von Scriptorium und Bibliothek des nicht inkorporierten, sich aus eigener Initiative der Reformbewegung anschliessenden St. Galler Dominikanerinnenklosters St. Katharina ein weiteres Fragment gehoben und ein Beitrag zur Erhellung der Handschriftenherstellung in einem spätmittelalterlichen Dominikanerinnenkonvent geleistet werden.

6 Stellvertretend: Bürkle, Literatur im Kloster (1999); Rüther, Schreibbetrieb (1999); Ehrenschwendtner, Bildung (2004); Williams-Krapp, Observanzbewegungen (1995).

Bibliographie 1 Abkürzungverzeichnis Zeitschriften, Reihen, Werke AEKG AFP AH AOP BZGA CMD−CH DWB GW Hain HBLS HLS HS HZ ISTC Kdm St. G. LexMA MBK MTU Rep. Hymn. ZfB ZfdA ZfdPh ZGO ZSKG

Archiv für elsässische Kirchengeschichte Archivum Fratrum Praedicatorum Analecta hymnica medii aevi Analecta sacri Ordinis Fratrum Praedicatorum Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz Grimm, Deutsches Wörterbuch Gesamtkatalog der Wiegendrucke Hain, Repertorium bibliographicum Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz Historisches Lexikon der Schweiz Helvetia Sacra Historische Zeitschrift Incunabula Short Title Catalogue Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen Lexikon des Mittelalters Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz Münchener Texte und Untersuchungen Repertorium Hymnologicum Zentralblatt für Bibliothekswesen Zeitschrift für deutsches Altertum u. deutsche Literatur Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte

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Bibliographie

Übrige Abkürzungen a. a. O. Abb. Bd. bearb. betr. Bl(l). BLB BSB B. M. V. Bsp. bzgl. bzw. do. ebd. ed. Ed. edd. ev. Expl. f./ff., fol. Fragm. Fs. Gde. Hd. HD HDK Hg./Hgg. Hs(s). hg. (v.) i. a. i. e. Inc. insbes. Inv. I. v. A. Jb. Jh. Kat. KlA Wil korr. Lit. Lomb. Ms. orn. p.

am angeführten Ort Abbildung(en) Band bearbeitet betreffend Blatt/Blätter Badische Landesbibliothek (Karlsruhe) Bayerische Staatsbibliothek (München) Beata Maria Virgo Beispiel bezüglich beziehungsweise dito ebenda edidit Edition editores eventuell Exemplar folium/folia Fragment(e) Festschrift Gemeinde Hand Hinterdeckel Hinterdeckelkante Herausgeber Handschrift(en) herausgegeben (von) im allgemeinen id est Incipit insbesondere Inventar Ildefons von Arx (1755–1833), Stiftsbibliothekar von St. Gallen Jahrbuch Jahrhundert Katalog Klosterarchiv St. Katharina, Wil SG korrigiert Literatur Lombarde(n) Manuskript ornamental pagina

1 Abkürzungsverzeichnis Pap. Pg. Ps red. resp. rest. rubr. s. a. sc. Schwb. s. l. a. t. s. o. sog. Sp. StA StadtASG StB StiASG StiBSG Stp. Sr., S. St. T. Tl. Tf. tw. u. a. UB Urk. Var. VD VDK Verf. v. o./v. u. WZ Zs.

Papier Pergament Psalm redigiert respektive restauriert rubriziert sine anno scilicet Schwesternbuch sine loco, anno et typographo siehe oben sogenannt Spalte Stadtarchiv, Staatsarchiv Stadtarchiv St. Gallen Stadtbibliothek Stiftsarchiv St. Gallen Stiftsbibliothek St. Gallen Stempel Schwester Sankt Tomus Teil Tafel teilweise unter anderem/und andere Universitätsbibliothek Urkunde Variante(n) Vorderdeckel Vorderdeckelkante Verfasser (Zeile) von oben/unten Wasserzeichen Zeitschrift

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Bibliographie

2 Ungedruckte Quellen Johannes Meyer, ›Ämterbuch‹ und ›Buch der Ersetzung‹: Ü Ms. 51 Zitate nach der Sammelhandschrift Ü Ms. 5, f. 120vb–239va (›Ämterbuch‹), f. 261ra–262vb (10 Kapitel aus dem ›Buch der Ersetzung‹). Die Handschrift war bestimmt für das Kloster Zoffingen/Konstanz, die Abschrift erfolgte in St. Gallen durch die als Reformschwester nach Zoffingen bestimmte Cordula von Schönau, andere Teile der Handschrift stammen von der Hand der Regina Sattler. Papier, 371 Seiten, 33 × 23, [15./2 Jh., nach 1455, vor 1498]. Einband helles Leder, Streicheisenlinien und Stempelung, Blindpressung; restauriert.

3 Gedruckte Quellen Analecta hymnica medii aevi, Leipzig 1886–1922 (55 Bde.). Chartularium Sangallense III–IX [1000–1381], bearb. v. O. P. Clavadetscher/Stefan Sonderegger, St. Gallen 1983–2003. Chevalier, Ulysse, Repertorium Hymnologicum, Catalogue des chants, hymnes, proses, se´quences, tropes en usage dans l’e´glise latine depuis l’origine jusqu’a` nos jours, Louvain 1892–1921 (Subsidia hagiographica 4, T. I–VI ). Die Geissenhof’sche Chronik des Klosters Inzigkofen [anonym hg. v. Theodor Dreher], Freiburger Katholisches Kirchenblatt 38 (1894), Sp. 405 ff.; 39 (1895), Sp. 8 ff. (jeweils in Fortsetzungen). Krämer, Sigrid, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, München 1989 (MBK Ergänzungsband 1). [Meyer, Johannes], Expositio Humberti de Romanis in regulam Augustinianam [ad usum monialium], deutsch: Wil A.16 Zitate: Inkunabel Wil A.16 [Konrad Dinckmut: Ulm, um 14882]. Da die (gedruckte) römische Foliierung fehlerhaft ist, wird diese bei Zitationen stillschweigend korrigiert und in arabische Ziffern übertragen. Die deutsche Bearbeitung ist, wie das ›Ämterbuch‹, auf die Bedürfnisse von (dominikanischen) Klosterfrauen ausgerichtet. Sie enthält in loser Abfolge Wegleitungen für deren monastischen Alltag, nach thematischen Stichworten von o

e

1 Zum ›Ämterbuch‹: Der ›Übersetzer‹ dess buchs der empter der schwostren preo e diger ordens das gemachet ist vnd zu samen gefugt ist vss dem latinischen ampt o o buch May¨ster humberti von ainem bruder dess selben ordens von dem Convent e e ze bassel ze trost vnd ze furdrung Allen schwostren in tu´czschen land bleibt in vb ra der Schrift anonym: Ü Ms. 5, f. 120 –121 ; zum ›Buch der Ersetzung‹: Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 347, nimmt an, diese Übersetzung stamme sehr wahrscheinlich von Johannes Meyer, da sie im Inhalt grosse Ähnlichkeit mit dessen ›Ämterbuch‹ habe; mit dieser Zuweisung auch ISTC . 2 Kaeppeli, Scriptores II (1975), Nr. 2016 (geschrieben zwischen 1248 u. 1254). Hain 9030; ISTC ; Van der Haegen 2 (2006), 52, 3.

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4 Literaturverzeichnis

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Katalog der Handschriften Handschriften aus dem Scriptorium des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen Im vorliegenden Katalog sind ausschliesslich die nachweislich (aufgrund von Schreiberinnen-Subskription etc.) im Katharinen-Scriptorium entstandenen Handschriften erfasst; Bände aus dem Besitz desselben werden gegebenenfalls im Anmerkungstext zitiert. Die Beschreibungen der Handschriften orientieren sich an den Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG ), welche derzeit in der 5. Auflage vorliegen. In Abweichung davon folgen sie den Grundsätzen der Handschriftenkatalog-Praxis der StiBSG (siehe Scarpatetti, in: Handschriften St. Gallen 1 [2003], Einleitung, 3. Bearbeitungsgrundsätze und Beschreibungsmodell, S. XXIX f.). Im Besonderen werden in den Handschriftenbeschreibungen des vorliegenden Katalogs, in Ergänzung zum Textteil, alle Aspekte der Klassierung eines Codex als ›einer im Katharinen-Scriptorium geschriebenen Handschrift‹ fokussiert (Schriftanalyse, Schreiberinnenzuweisung, Usanzen des Katharinen-Scriptoriums allgemein). Aus diesem Grund werden in der letzten Rubrik der Schlagzeile lediglich, so vorhanden, Schreiberinnennamen und Schreibdaten sowie die übliche Jahrhundert-Datierung angegeben. In der ersten Rubrik wird der Herstellungsort als selbstverständlich vorausgesetzt. Bei den Katharinen-Handschriften, welche der Stiftsbibliothek St. Gallen zugehören, wurde mit Bezug auf die von Beat von Scarpatetti verfassten Kataloge Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen Supplement-Kat. (1983), Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen 1, Abt. IV (2003) sowie auf den unter Mitarbeit der Verfasserin entstandenen Katalog Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen 2, Abt. III /2 (2008) selektiv verfahren: Hervorgehoben wurde neben den Basisinformationen lediglich das für das Thema dieser Untersuchung Einschlägige; darüber hinaus wurden die Angaben in den Katalogen redigiert und/ oder ergänzt. Für die vollständige Beschreibung der Handschriften sei auf die Kataloge von Beat von Scarpatetti verwiesen.

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1 Klosterarchiv St. Katharina Wil 1. Wil M II – Antiphonar (de tempore, pars hiemalis) Pergament · 224 folia · 53 × 39 cm · [15./2 Jh.: 1483? 1484?] Moderne Bleistiftfoliierung zwischen den Linien in den Ecken unten links. Einband: Leder auf Holz. Je fünf grosse ziselierte Metallbeschläge VD und HD ; 2002 war noch eine Leder-Metall-Schliesse VDK−HD erhalten, die andere verloren. Leder- und Hanfschnur-Signakel. Das Fehlende ersetzt bei Restaurierung 2004: Leder-Langschliessen (samt Befestigung VDK ) erneuert, die fünf zuvor verlorenen Buckel auf den Metallbeschlägen ersetzt. Rücken und Lederüberzug VD restauriert. Lagen: Quaternionen, regelmässige Wortreklamanten von der Texthand. Schriftraum: Schriftspiegel-Begrenzung: doppelte Linien mit roter Tinte, 38 × 24,5/25 cm. Weite Rastrierung, breit gezogen. Hufnagel-Notation, 9 Systeme a` 4 Linien pro Seite. Schrift: Textualis, mit Haarstrichen (sogar bei den Reklamanten, nicht beim r), sehr intensiv in der Rubrizierung. f. 79v, Bogenverbindung, das a tendiert deutlich zum zweistöckigen a. Keine Zusatz-/Ergänzunghand im Text. Buchschmuck: f. I v figürliche Initiale: blaues A, mit rotem und blauem, fraulich verspieltem Fleuronne´, auf der (gegen den unteren Blattrand) auslaufenden Ranke sitzt eine Menschen-Figur, federgezeichnet (Konturen und Gesichtszüge), Körper/Kleidung blau coloriert. Siehe Abb. 1. f. 50r ornamentale Initiale: rot-blaue H-Initiale mit Fleuronne´-artigem Schlaufen-/Filigranwerk mit brauner Tinte; die Illuminierung ist sehr sorgfältig ausgeführt. f. 71r ornamentale Initiale gleicher Faktur. Einfache rote und blaue Lombarden, ganz vereinzelt mit kleinen Aussparungen, f. 102r–108v auch grüne Lombarden (sehr schön). Einfache schwarz-rote Cadellen, gut möglich ebenfalls von einer Schwester, vgl. das Experimentartige f. 45r, f. 47v, f. 58r, f. 132r u. e.m. Korrekturen/Nachträge: f. 204r in margine Zusatz wohl der Texthand, mit Notation. f. 216v in margine Notenzusatz, mit Rastrierung, Hufnagel-Notation. f. 109r im Text eingefügt deus, von einer Hand des 15. Jhs., die sich in Bogenverbindung (bei de) versucht. Auf vorne eingelegtem Blatt Bibliothekarinnenvermerk: »Geputzt + mit Terpentin getränkt Juni 1933. So auch die andern Bücher«. Zustand: Die Beschläge sind nicht mehr die zeitgenössischen. Herkunft: Spiegelblatt VD : diß buoch vacht ain [sic] S andreas abend [30. Nov.] am [!] vnd weret bis // . . . , bricht ab, ev. der ganze Eintrag hier

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Verschrieb (falscher Band)? Zur mutmasslichen Entstehungszeit der Handschrift vgl. KlA Wil, Chronik f. 27v, zum Jahr 1483: Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain gross gesang buoch von den hailgen dz halbtail im Sumer vns [sic, Verschrieb für vnd oder für vss(-geschriben)?] dz ander halbtail [i. e. unsere Handschrift?] an gehebt [. . .]; siehe auch bei Wil M III . Auf die Antiphonarien bezieht sich wohl der Eintrag in der Chronik, f. 85r, zum Jahr 1499: Jtem wir hand [. . .] die grossen gesang bu´cher beschlagen [.. .]. Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag; Spiegelblatt VD : Eigentum des Klosters St. Katharina, Wil, Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: Anfang ev. verloren? Eingangsrubrik f. 1r: Dnca. 1a in adventu dni Sabbato precedenti ad vesperas. [1483 fielen St. Andreas und Dnca 1a in adv. zusammen: auf den 30. Nov.; 1484 fiel der 1. Advent auf den 28. Nov., gem. Grotefend, Zeitrechnung I (1891), S. 89]. Schluss fehlt, Reklamante f. 224v. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 233, Nr. 1. 2. Wil M III – Antiphonar (de sanctis, pars aestivalis) Pergament · 219 folia · 53 × 39 cm · [1483? 1484?] Moderne Bleistiftfoliierung (in der doppelten Schriftspiegel-Begrenzung links unten). Einband: Einband wie M I , Beschläge do.; zwei Lederbänder VDK−HD , Metall-Schliessen verloren. Lagen: Regelmässige Quaternionen und Wortreklamanten. Schriftraum: Schriftspiegelbegrenzung wie M II : doppelte Linien mit roter Tinte, 38 × 24,5/25 cm; Hufnagelnotation, 9 Systeme a` 4 Linien pro Seite. f. 70rv Rastrierung verdorben (Rastrierfeder verrutscht?). Schrift: Von derselben Hand wie M I (vgl. die a); ab f. 194r Abschnitte in kleinerer Schrift, aber wohl von ders. Hand, ab f. 208v wieder im normalen Schriftgrad. Buchschmuck: Gleiche Lombarden (aber nicht grün) und Cadellen, wie in M II , am oberen Blattrand teilweise beschnitten. f. 78r Zusatz ders. (Ergänzungs-) Hand wie M IV , Quadratnotation mit schwarzer Tinte, Rastrierung. f. 1r ornamentale Initiale mit rotem Fleuronne´ und rot-blauem Filigranwerk im Innern des U[nus ex duobus qui secuti sunt (. . .)]. f. 48r ornamentale Initiale in rot und blau, mit Schlaufenwerk in brauner Tinte, der blaue Querbalken

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des S mit versuchter Ziselierung (Gravur); siehe Abb. 2. Wohl von ders. Illuminatorin wie in M II , aber nicht so gelungen und hübsch wie die ornamentale Initiale gleicher Faktur in M II , dort sehr sorgfältig. f. 109v und f. 120v schöne rot-blaue Initialornamentik mit wenig rotem Fleuronne´. f. 141r schöne rot-blaue ornamentale Initiale E mit rot-blauem Rankenwerk im Innern, wenig rotes und blaues Fleuronne´ aussen. f. 154v braune Cadelle mit reichlich braunem Fleuronne´, darin drei angedeutete menschliche Gesichter im Profil (siehe Abb. 3); weitere ähnliche f. 158v und f. 159r. f. 160r braune Cadelle mit rotem Fleuronne´ und Filigranwerk, Menschengesicht im Profil, mit Blumen in brauner Tinte. f. 171r und f. 172r einfachere Cadellen, nur Gesichter (Profil). Korrekturen/Nachträge: Spiegelblatt vorne: dis buoch vacht an ain [sic] S andreas abend ain [?] vnd weret bis vff [durchgestrichen: den advent] v. osteren von den hailgen. f. 189r und f. 190r Notenzusatz auf (vorhandener) Rastrierung, Hufnagel-Notation, Hand des 17. Jhs.?, dilettantisch angebracht. Herkunft: Zur mutmasslichen Entstehungszeit der Handschrift vgl. KlA Wil, Chronik, f. 27v: Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain gross gesang buoch von den hailgen dz halbtail im Sumer [. . .]; vgl. auch ebd., f. 43v, zum Jahr 1484: Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain gross gesang buch ain halbtail sumertails der hailgen [. . .]. Besitzer: Gemäss Vogler fände sich in diesem Band der Besitzeintrag (ohne genaue Stellenangabe): Dis büch gehörtt dem gotshus s. Catherinenberg. Dieser Eintrag nicht ebd., kein zeitgenössischer Besitzeintrag; Spiegelblatt VD : Eigentum des Klosters St. Katharina, Wil, Kt. St. Gallen. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 233, Nr. 2.

3. Wil M IV – Antiphonar (de tempore, pars hiemalis) Pergament · 236 folia · 54 × 40 cm · 15./2 Jh. Einband: Pergament guter Qualität, wohl Kalbspergament (Blaustich, wenig Struktur), vereinzelt kleine Risse und Löcher, vernäht. Spiegel VD und HD Pergament; Pergament-Schmutzblatt, f. A. Lagen: Quaternionen, ausser II A–3; regelmässige Wortreklamanten; Bastarda des 15./2 Jhs., teilweise sehr kleine Schrift, die Hand ist identisch mit der Nachtragshand in Wil M VI , f. 22v (8 Zeilen). Schriftraum: 25 × 36/36,5 cm. Hufnagelnotation auf 4 Linien, 9 Systeme pro Seite, f. 153v ergänzt mit

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Quadratnotation. Reglierung teilweise etwas linkisch, da Rastrierfeder zu dick und zu langsam gezogen. Schrift: Korrekte Textualis des 15./2 Jhs. mit brauner Tinte, relativ enge Buchstabenabstände, zweistöckiges a, Bogenverbindung, Schaftgabelung, Haarstriche (aber der r -Haarstrich fehlt, wäre 1510/20er Jahre), Quadrangeln, einzelne Manierismen, vgl. das Initial-J. Zu Frauenarbeit vgl. f. 233v: Textualis eher pygnisch, schwerfällig, hausbacken. Vgl. ferner f. 218r ressurrc¯ionis nicht korrekt gekürzt; f. 219r Secuntur. Buchschmuck: Schlichte rot-blaue ornamentale Initialen, z. B. f. 1v, f. 7v, f. 11r, f. 21v, f. 34r, f. 45r, f. 53r, f. 70r, f. 73r, f. 89r, f. 109r, f. 122v, f. 131r, f. 141v, f. 150r, f. 156r, f. 172r, f. 179r; f. 140r blaue Lombarde mit rotem Fleuronne´. Einfache rote und blaue Lombarde, meist ohne Verzierungen, vereinzelt mit Schaftaussparungen und Punktverdickungen. Zahlreiche Cadellen mit Gesichtern, v. a. f. 54r–58v. Korrekturen/Nachträge: f. 185v, im Officium historiatum de visitatione B. M. V., fügt eine andere, etwas unsichere Hand, ev. des 16. Jhs., das Katharinen-Officium (25. Nov.) ein, mit schwarzer Tinte, mit kleiner roter Lombarde, mit kleinen Verzierungen; f. 212r untere Zeile Zusatz ders. Hand, auch Hufnagel-Notation passim von dieser Hand. Herkunft: Zur Entstehungszeit der Handschrift für den Teil ›de tempore, pars hiemalis‹ kein entsprechender Chronik-Eintrag; vgl. die zitierten Einträge ebd. bei Wil M II , M III und M V . Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag; vorne eingelegter Zettel von Hand des 19./Anf. 20. Jhs.: Eigentum des Klosters St. Katharina Wil, Kt. St. Gallen. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 233, Nr. 3. 4. Wil M V – Antiphonar (de tempore, pars aestivalis) Pergament · 153 folia · 59 × 42 cm · 15./2 Jh. Pergament gleicher Qualität wie M IV ; pergamentenes Spiegelblatt vorne. Bleistiftfoliierung des 20. Jhs. (?), oben rechts. Einband: Einband komposit, noch gotisch (vgl. die Abschrägung der Kanten); die fünf ziselierten Messing-Beschläge VD−HD schon 17. Jh.? Leder auf Holz, zwei Leder-Langschliessen, restauriert 2003. Siehe auch bei M IV . Lagen: Quaternionen; die dritte Lage do., aber in etwas kleinerem Format. Keine Reklamanten, ausser bei der ersten Lage: Wortreklamante stark

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beschnitten, ev. geschrieben von der Texthand. Schriftraum: Hufnagelnotation auf 4 Linien, 8 Systeme pro Seite. Schrift: Der Band stammt von ders. Hand wie M IV (s. dort); ebenfalls dies. Ergänzungshand wie in M IV , z. B. f. 2rv. Buchschmuck: Rot-blaue Initialen ohne Verzierungen (wie in M IV ): f. 41r, f. 88r, f. 105r, f. 110r, f. 115v; rote und blaue Lombarden, z. B. f. 1v, 2r; Cadellen, bis f. 7v mit federgezeichneten Verzierungen (hier keine Gesichter), im folgenden rot-braun. Die Rubrikatorinnen-Hand ist hier nicht identisch mit der Texthand. Zustand: Passim Bleioxidation der MennigeMischung. Herkunft: Zur mutmasslichen Entstehungszeit der Handschrift vgl. KlA Wil, Chronik, f. 43v, zum Jahr 1484: Jtem wir hand geschriben vnd genotiert ain gross gesang buch ([. . .] ain halbtail sumertails der hailgen vnd) dz sumertail von dem zit angehept. Besitzer: Besitzeintrag Spiegelblatt vorne: Das buch gehoert dem gocß hus S Cathrinenberg, Hand des 16. Jhs.; darunter, von Hand des 15./2 Jhs.: Dis buoch ist von der zitt vnd vacht zuo osteren ain [sic] vnd weret bis zuo dem adventt. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 234, Nr. 4. 5. Wil M VI – Processionale Pergament · A + B + 22 + Z folia · 15 × 22,5 cm · 15./2 Jh. Zeitgenössische Tintenfoliierung arabisch 1–22, ev. von der Hand der Schreiberin; Vor- und Nachsatz mit Bleistift A+B, Z. Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: helles Leder ohne jede Verzierung, Kanten abgeschrägt. Vier Leder-Signakel, die von f. B abgerissen. Leder-Schliesse VDK−HD abgerissen, der Stift auf HD verloren (Loch). Lagen: IV 1–8, IV 9–16, III 17–22. Schriftraum: Hufnagelnotation, sehr weite Rastrierung: 6/7 Systeme a` 4 Linien pro Seite, Schriftspiegel braune Tinte, 15,5/17 × 10,5/11 cm. Schrift: Von der Hand einer nicht sehr geübten Schreiberin des 15./2 Jhs. (siehe die Buchstabenabstände), dennoch akzeptable Textualis, mit dunkelbrauner Tinte: zweistöckiges a, rundes s, angedeutete Bogenverbindung und Quadrangeln. Ev. ist die Hand identisch mit der Schreiberin der Processionalia M VII , M VIII und Cod. sang. 1914. Buchschmuck: Einfache, improvisierte rote Lombarden im Katharinen-Stil;

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dunkelbraun-rote Cadellen, teilweise dilettantisch. Korrekturen/Nachträge: Passim Korrekturen und Ergänzungen einer Hand des 17. Jhs. f. 22v Nachtrag von Hand des 15./2 Jhs. in halbkursiver Bastarda mit brauner Tinte, spitz-kursive d, p mit geschwungenem Schaft, teilweise Lateinisch; von dieser Hand die Wortreklamanten in Wil M IV . Besitzer: Auf dem papierenen Vorsatz f. Br: Dis büchli gehörtt in daz closter zuo Sant katherinen zuo Sant gallen prediger ordens, von einer Hand des 15./2 Jhs., ev. Cordula von Schönau (in Halbkursive, hier flüchtig); f. 24v: Monasteriæ sanctæ Catharina [!], von der bekannten Hand des 17. Jhs. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 240, Nr. 38. 6. Wil M VII – Processionale Pergament · 24 folia · 22 × 15,5 cm · 15. Jh. [1484?] Foliierung Tinte arabisch 1–24. Pergament mittlerer Qualität (heute stark gewellt). Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: hellbraunes Leder ohne jede Verzierung, eine Leder-Langschliesse HDK−VD . Lagen: V1–9, III 10–15, (V–1)16–24. Schriftraum: Einspaltig 15,5/16,5 × 10/ 10,5 cm, Schriftspiegel teils rote, teils braune Tinte. Rastrierung rote Tinte, Hufnagel-Notation auf vier Linien, 7 Systeme pro Seite. Schrift: Von ders. Hand wie M VIII , ev. auch M VI , ebenso Cod. sang. 1914: Textualis des 15. Jhs., qualitativ nicht allzu hochstehend (Buchstabenabstände), aber mit Bogenverbindung und Haarstrichen; siehe Abb. 4. Buchschmuck: Sehr simple, versuchsweise improvisierte schwarz-rote Cadellen (Nachahmung der Cadellen im Processionale M IX durch eine weniger versierte Illuminatorin?). Einfache rote Lombarden, mit Spuren von Bleioxidation der Mennige-Mischung, auch bei den Linien. Herkunft: In der Chronik sind f. 43v, zum Jahr 1484, ij nu´wi procesional erwähnt, welche 1485 (Chronik, f. 44v) eingebunden wurden; ev. beziehen sich diese Einträge auf M VII und M VIII . Besitzer: Besitzeintrag Spiegelblatt vorne: dis büchli gehörtt in dz closter zuo sant katherinen zuo sant gallen prediger ordens, Hand der Cordula von Schönau; f. 24v Monasteriæ stæ Catharineæ, von Hand des 17. Jhs. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 240, Nr. 40.

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7. Wil M VIII – Processionale Pergament · 26 folia · 20 × 13,5 cm · 15. Jh. [1484?] Foliierung Tinte arabisch 1–26. Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: rot gefärbtes Leder auf Holz, ohne jede Verzierung, abgenutzt; allseits abgeschrägte Kanten. Langschliesse HDK−VD verloren, gepunzte Messingbefestigung HDK erhalten. Fünf rot gefärbte Leder-Signakel. Lagen: Regelmässige Quaternionen, auf dem Recto der Folia in den rechten unteren Ecken römische Ziffern i−iiii, bis zur Lagenmitte. Schriftraum: Einspaltig 15 × 8 cm, Schriftspiegel teils schwarze, teils rote Tinte. Linierung schwarze Tinte, Rastrierung rote Tinte, Hufnagel-Notation auf 4 Linien, 7 Systeme pro Seite. Schrift: Der Band stammt vermutlich von einer Hand, f. 19rv Kielwechsel. Gleiche Hand wie M VII , ev. auch M VI , ebenso Cod. sang. 1914. Herkunft: Schrift, Einrichtung (Rastrierung) und Cadellen entsprechen M VII und Cod. sang. 1914: vermutlich von ders. Hand. In der Chronik sind zum Jahr 1484, f. 43v, ij nu´wi procesional [!] genannt, welche 1485 (KlA Wil, Chronik, f. 44v) eingebunden wurden; 1488 folgen fünf weitere (Chronik, f. 58v). Wahrscheinlich bezieht sich einer dieser Einträge auf die Processionalia M VII und M VIII . Besitzer: Spiegelblatt hinten: Dis buechli gehoert in S Katherinen kloster zuo S gallen, Hand des 15. Jhs., darunter: S wibbertly¨ [?], Hand des 17. Jhs. Letzterer Eintrag nicht zitiert bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 240, Nr. 37, späterer Eintrag wohl einer Konventualin: im Konventualinnen-Verzeichnis bei Vogler kommt nur Wiborada Rüttiner in Frage (S. 276), als Konventualin bezeugt 1607. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 240, Nr. 37. 8. Wil M IX – Processionale Pergament · 51 folia · 20 × 13,5 cm · 15.(/2?) Jh. Foliierung Tinte arabisch 1–51. Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters (wie M VIII ): rot gefärbtes Leder (abgenutzt), mit Streicheisenlinien (Rautenmuster), zwei Leder-Langschliessen HDK−VD . Fünf Leder-Signakel.

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Lagen: Regelmässige Quinternionen, ausser (V+1)11–21. Wortreklamanten mit brauner Tinte, beschnitten. 13 × 7,5 cm, oft überschritten (bis 8 cm). Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, Rastrierung rote Tinte, Rand ganz fein mit schwarzer Tinte; Hufnagel-Notation auf 4 Linien, meist 7 Systeme pro Seite. Schrift: Qualifizierte Textualis einer recht versierten Hand, mit Bogenverbindung und Haarstrichen. Buchschmuck: Zu Beginn eine rot-blaue ornamentale Initiale mit Filigranwerk; blaue und rote Lombarden (teils Bleioxidation der Mennige-Mischung), schwarz-rote Cadellen (zu vergleichen mit denen in M VIII ). Korrekturen/Nachträge: f. 50v unten bis f. 51v Nachtrag einer aus der Chronik bekannten Hand (vgl. KlA Wil, Chronik, f. 91v), mit Notation. Spuren von Bleioxidation der MennigeMischung auch hier. Besitzer: Kein Besitzeintrag. f. 15r: Ad maius altarem in chore sororum [. . .]. – f. 50v: Jn festo Corporis xpi ad vesperas so man Daz heilig sacrament in den cor treit so singen wir dise dru´ vers. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 240, Nr. 39. 9. Wil M XIV – Officium parvum (Cursus de B. M. V.) · Vigilia mortuorum Pergament · 70 folia · 13,5 × 9,5 cm · 15. Jh. Summarische Foliierung mit Tinte f. 1, dann auf jedem 10. Blatt bis f. 70, dazwischen fortlaufend mit Bleistift arabisch 2, 3 etc., ev. von anderer Hand. Einband: Einband dunkelbraunes Leder, mit Streicheisenlinien und Stempelung, wegen starker Abnutzung des Bandes kaum mehr sichtbar. Zwei einfache Leder-Messing-Schliessen HDK−VDK . Ehemals blaugesprenkelter Schnitt. Spiegel VD und HD Pergament, Nachsatz Papier. Lagen: Quaternionen. Keine Reklamanten. Schriftraum: Einspaltig 9,5/10 × 7/7,5 cm, Schriftspiegel braune Tinte; Linierung blind und braune Tinte. Schrift: Der Band stammt wohl von einer Hand, mit Kielwechseln, z. B. f. 63r−v, Zeilen 1–7. Sehr qualifizierte, regelmässige, sorgfältige, leicht rechtsgeneigte Bastarda einer Katharinen-Hand des 15./1 Jhs.: einstöckiges a, rundes und langes s (nicht unter der Linie), rundes r. Buchschmuck: Einfache rote und blaue 1–3-zeilige Lombarden, rubriziert. Korrekturen/Nachträge: f. [1]r Federproben, verblasst.

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Besitzer: Auf Spiegel VD eingeklebter Zettel von Hand des 19./Anfang des 20. Jhs.: Eigentum des Frauenklosters St. Katharina Wil. Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: f. [2]r-[48]r Cursus de B. M. V. – f. [48]v-[70]r Vigilia mortuorum. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 239, Nr. 32.

10. Wil M XVIII – Officium defunctorum Pergament · > 200 Seiten [nicht foliiert] · 7,5 × 6 cm · [15. Jh.] Keine Paginierung oder Foliierung; in–16o min. Einband: Schöner 16. Jh.-Einband, mit Streicheisenlinien und Stempeln; lädiert, Bünde offen. Lagen: Lagenformel unregelmässig, zumeist Quaternionen. Schriftraum: Schriftspiegel rote Tinte, 5/5,5 × 4/4,5 cm. Schrift: Bastarda mit kursiven Elementen. Buchschmuck: Zu Beginn eine kleine rot-blaue Fleuronne´Initiale, 1–2-zeilige rote Lombarden (teils Bleioxidation der Mennige-Mischung). Teilweise mit Quadratnotation. Korrekturen/Nachträge: Teilweise deutsche Rubriken in div. Partien, z. B. für ain man, für fyl man, für fyl frowen. Herkunft: Privat-Brevier des 15. Jhs. von einer bekannten KatharinenHand. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 239, Nr. 30.

11. Wil M 1 – Psalterium feriatum, für das Chorgebet Papier · I + 25–130 folia · 33 × 22 cm · [15./2 Jh., ca. 1470er Jahre?] Anfang fehlt (f. 1–24 = 2 Lagen), beginnt f. 25 (vgl. auch den entprechenden Bleistift-Eintrag auf dem späteren papiernen Vorsatzblatt: . . . 1906 P. B. G.). Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: braunes (wohl ursprünglich helles) Leder auf Holz, schlicht, ohne jede Verzierung; zwei Lederbänder HDK−VDK abgerissen, auf VD zwei Löcher von Stiften für Schliesse sichtbar.

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Lagen: Regelmässige Sexternionen, keine Reklamanten. WZ: Wasserzeichen Ochsenkopf mit Augen, Stange mit Krone und Blume, ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 14599 (Württemberg [?], 1480); ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /3 (1966), Abt. XV , Nr. 134 (Freiburg, Strassburg, Nürnberg, Rottweil, 1471–1486), ähnlich (dem Modell nach, nicht den Massen) auch Nr. 202 (Ulm, Nürnberg, 1477–1482). Schriftraum: Zweispaltig, 23/24 × 7/7,5 cm, Schriftspiegel braune Tinte. Schrift: Zwei Hände des 15./2 Jhs.: 1. f. 25ra–87rb: saubere, disziplinierte, enge, vertikale Bastarda; mit dunklerer Tinte als die 2. Hand; 30–35 Zeilen. – 2. f. 87va–129va: Hand der Angela Varnbühler, aufgrund von Übereinstimmung der charakteristischen Buchstabenformen, insbesondere der kursiven d, der g und der r, mit hellbrauner Tinte, 40/41 Zeilen. Sie setzt f. 87va mitten in Psalm 107 fort, anfangs unsicher, mehrfach Kiel- und Tintenwechsel, erster Kielwechsel bereits f. 87vb; Verschriebe und Durchstreichungen, später Tintenwechsel. Noch ›jugendliche‹ Schrift der Angela Varnbühler (Profess 1455, als 14Jährige), die hier noch kleiner, enger und formbetonter schreibt (siehe Abb. 5) als in ihren späteren Codices (vgl. ihre ersten Einträge in der Chronik, 1480/81ff.). f. 124vb am Schluss (ev. von anderer Hand?) mit roter Tinte: bit gott fu´r mich min liebe swoester elisabet; Gebetsbitte an eine der Schreiberin besonders nahestehende Mitschwester (ev. Elisabeth Muntprat)? Von der Texthand mit dems. Kiel und ders. Tinte die Rubrik f. 125ra, do. der folgende Text, mit brauner Tinte wie zuvor. Buchschmuck: Rubriken von der Hand der Schreiberinnen. Einfache rote 1–2-zeilige Lombarden zur Kennzeichnung von Abschnitten; f. 100vb A-Lombarde, auslaufend in Frucht- oder Blütenansatz. f. 30rb, f. 41ra rote ornamentale Initiale mit braunem Filigranwerk im Binnenfeld; f. 39rb Filigran eher improvisiert, f. 41ra etwas sorgfältiger. Einfache rote Lombarden, passim mit kleinen Verzierungen; Elongierungen am oberen Blattrand, verziert mit roter Tinte, z. B. f. 58v. Korrekturen/Nachträge: Die Psalmen sind von einer Hand des 17. Jhs. durchnumeriert, beginnend bei Psalm 34. Zustand: Papier mit Feuchtigkeitsflecken. Besitzer: (Zeitgenössischer) Besitzeintrag fehlt, wohl aufgrund von Blattverlust zu Anfang: ursprünglich 11 Sexternionen (=132 folia), davon die ersten 24 folia verloren (s. o.). Auf Spiegel VD eingeklebter Zettel von Hand des 19./Anfang des 20. Jhs.: Eigentum des Frauenklosters St. Katharina Wil. Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: Psalterium feriatum: Psalmen lateinisch und nachstehend deutsch (bei beiden Schreiberinnen).

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Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 241, Nr. 44. 12. Wil M 3 – Brevier Papier · 208 folia · 24 × 17 cm · [15./2 Jh.: nach 1457, vor 1498] · [Cordula von Schönau, Verena Gnepser] Einband: Einband zeitgenössisch: braun gefärbtes Leder auf Holz, Streicheisenlinien, Stempel in Blindpressung; Einband stark abgenutzt. Die Verzierungen sind dilettantisch aufgebracht: Rahmen-Rechteck aus Streicheisenlinien schief/nicht im Lot; im Rahmen des zentralen Rechtecks kleine, kaum mehr erkennbare Stempel (VD schlechter als HD ), wohl vegetabile Motive (kleines Blatt? Blüte?), im äusseren Rahmen vermutlich Spruchband, nicht mehr lesbar. Ehemals eine Leder-Messing-Schliesse HDK−VDK , Lederband abgerissen, Metall auf VD und HD (mit kleinem herzförmigem Ornament: Lindenblatt?) erhalten. Lagen: Sexternionen, letzte Lage f. 204–208 unvollständig, ehemals Quinternio, am Herausfallen; f. 207v–208v leer. Römische Lagennummerierung von der Hand der Cordula von Schönau (im Teil der Verena Gnepser nicht mehr, 2 Lagen). WZ: 1. die mitra-ähnliche Marke wie in Cod. sang. 363 und Cod. sang. 1066, ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Inde´termine´s: Varianten der Nr. 16061 und Nr. 16062 (dort u. a. Bern, Biel, Sion, Genf, Fribourg, 1457–1496). – 2. Traube mit grossen Beeren, nie ganz sichtbar. Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte (kräftig gezogen): Kalendar einspaltig, 19/19,5 × 10/11 cm, 31 Zeilen; Brevier zweispaltig (ab f. 10vb, f. 10r leer, mit Einrichtung) 14,5/15 × 9,5/10 cm, 25–27 Zeilen (bis 30 Zeilen). f. 203 ohne Linierung, nur Schriftspiegel, einspaltig (siehe Abb. 6). Schrift: 1. Hand f. 4r–196v Cordula von Schönau. – 2. Hand f. 197ra–207ra Verena Gnepser. Beide schrieben mühelos Latein, mit den klassischen Kürzungen. Der Duktus Cordulas von Schönau hier wie gewohnt (siehe bei Cod. sang. 406), mit breitem Kiel und dunkler Tinte, daher eher schwerfällig. Buchschmuck: Einfache rote 1–2-zeilige Lombarden, Rubrizierung von der jeweiligen Texthand. Korrekturen/Nachträge: Im Kalendar Nachträge der Verena Gnepser: Todesdaten ihrer Geschwister, Basen, Vettern u. a.: f. 5r: Obijt her baltaser gnepser min lieber bruoder xiiij jar, Obijt magdalena gnepserin min liebe [mit -er-Kürzung, unklar] schwöster zuo arbon, f. 5v: Obijt Johannes gnepser apt ze Cru´tzlingen min liepster bruoder, f. 6r: Obijt vrsula zwikin min liebsti muoter, f. 6v: Obijt Casper gnepser min lieber bruoder, f. 7r (siehe Abb. 7): Obijt hugo gnepser student min lieber bruoder, Obijt

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melchior gnepser min lieber bruoder, f. 7v: Obijt Johannes gnepser min hertz liebster vatter, f. 8r: Obijt barbara gnepser min liebi schwöster, f. 8v: Obijt maister hans zwik [!] tuomher [!] zuo costens [!] m. l. vetter [sic, i. e. Vatersbruder]. Von derselben Hand auch f. 197ra–207ra, aufgrund des Duktus sowie übereinstimmender Buchstabenformen: (eher) schmales a, unziales d, r, p mit nach rechts eingebogenem Schaft, u. a. Herkunft: Chronologisch ist die Handschrift nach 1457 (Jahr des Eintritts von Verena Gnepser) und vor 1498 (Entsendung der Cordula von Schönau nach Zoffingen, Konstanz) einzuordnen. Besitzer: Besitzeintrag f. 1r: Diß buoch gehoert in dz kloster zuo Sant katherina zuo Sant Gallen prediger ordens, Hand der Cordula von Schönau, darunter von anderer, flüchtiger Hand (ev. Verena Gnepser) Gebets-Inc. (4 Zeilen), weiter unten von Hand des 17. Jhs.: Monasteriae St. catharina [!]. f. 1 (bis auf Besitzeintrag) bis f. 3 leer. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 235, Nr. 9. 13. Wil M 4 – Brevier Papier · 319 folia · 22,5 × 15,5 cm · 15./2 Jh. [Mitte 1470er Jahre] Arabische Bleistiftfoliierung von Hand (vermutl.) des 20. Jhs. f. 1 restauriert, ev. bereits zeitgenössisch (war zu 2/3 abgerissen, bis auf den zitierten Eintrag, s. o.); do. f. 2 (unteres 1/4). Spiegelblatt VD und HD Pergament. Einband: Ehemals schöner Einband des 15./2 Jhs.: braunes Leder auf Holz, mit Streicheisenlinien und reicher vegetabiler Stempelung in zentralem Rechteck; Kanten abgeschrägt; Leder abgenutzt. Zwei Messingschliessen an Lederbändern HDK−VDK . Leder-Signakel (teilweise gefärbt oder vergoldet), zwei Hanfschnur-Signakel. Lagen: Regelmässige Sexternionen, keine Reklamanten. WZ: 1. einfache grosse, achtblättrige Blume (f. 250 mit Bleistift nachgezeichnet); f. 39 und f. 40 am oberen Blattrand Teile sichtbar; ähnlich Piccard, Wasserzeichen XII (1982), Abt. IV , Nr. 1891 (Esslingen, 1476), Nr. 1893 (Ulm, 1479), Nr. 1897 (Esslingen, Strassburg, 1475/1477). – 2. ein Kronen-Wasserzeichen f. 36 und f. 49, nie ganz sichtbar. – 3. f. 272 und f. 273 ein Kelch, nur der Fuss sichtbar. Schriftraum: Kalendar f. 3r–8v: Einspaltig, Schriftspiegel braune Tinte, 18,5/19,5 × 10,5/11 cm (meist nicht beachtet), 29–31 Zeilen. f. 9r ohne Einrichtung. f. 9v leer. f. 11r Brevier: Psalm Beatus vir. Einspaltig, Schrift-

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spiegel f. 91–103 mit brauner Tinte (davor und danach keine Spuren einer Blindeinrichtung sichtbar), 15/15,5 × 9,5/10 cm (oft überschritten), 18–21 Zeilen. Schrift: Der ganze Band von einer Hand, mit Schreibcäsuren und Kielwechseln, Schriftgrad schwankt: Zur Kursiven tendierende, nicht besonders ausgeformte Semi-Bastarda mit grossen, rundlichen Buchstabenformen, eher breit auseinandergezogen, mit breitem Kiel, von ders. schreibgewohnten Hand wie M 5, M 12, wahrscheinlich auch Cod. sang. 407 (siehe dort und Abb. 16); von dieser Hand auch das Kalendar (ohne hervorhebenswerte Nachträge). Buchschmuck: 1–2-zeilige rote Lombarden, vereinzelt mit kleinen Verzierungen, rubriziert; Initiale f. 91r (der Buchstabe ohne Funktion im Text). Korrekturen/Nachträge: f. 9r Nachtrag von der Haupthand zu Antiphonen, darunter von Hand des 16. Jhs. Incipit einer Oratio (lat.). f. 10rv Nachträge der Haupthand, f. 10v Rubr.: von fil confessor u´ber ma[tutina] an[tiphona] si ist vergessen ain ir rechten statt; f. 307r Rubrik: von fil confessor ad m[atutinam]; weitere Rubrik dt. f. 291r: in der ersten not. Besitzer: Besitzeintrag Spiegelblatt VD : Monasteriæ Stæ Catharinæ, von der bekannten Hand des 17. Jhs.; f. 1r: Diss buoch gehoertt gen Sant katherina Zuo Sant Gallen gott helff vns allen Jn den ewigen froeden zuo samen, von der Hand der Cordula von Schönau. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 235, Nr. 10.

14. Wil M 5 – Brevier Papier · 379 folia · 22 × 15,5/16 cm · 15./2 Jh. Moderne Bleistiftfoliierung des 20. Jhs. arabisch 1–376, papierener Vor- und Nachsatz A / Z Hand S. M. Einband: Einband wie M 4 (siehe dort); Leder-, Stoff- und HanfschnurSignakel. Zwei Messingschliessen an Lederbändern HDK−VDK , nicht mehr vollständig (die originalen Bänder wurden [ev. früh?] ersetzt). r

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Lagen: Sexternionen, ausser IV 109 –116 , VIII 117 –132 , IV 133 –140 , (VIII –1)141 –155 , r v r v r v r v r V156 –165 , VII 166 –179 , IV 180 –188 , II 189 –192 , (VI –2)373 –[Z]. Nach f. 376 zwei Blätter herausgeschnitten; f. [Z] zu mehr als der Hälfte herausgerissen, auf dem Verso zeitgenössische Federproben. Keine Reklamanten. WZ: 1. dies. Blume wie M 4 (siehe dort). – 2. grosse Krone (f. 26 und f. 353, nie ganz sichtbar). Schriftraum: Kalendar f. 2r–7v einspaltig, Schriftspiegel und Li-

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nierung braune Tinte, 18,5/19 × 10,5/11 cm (vielfach überschritten), 28–31 Zeilen. Brevier f. 11r: Beatus vir. Einspaltig, keinerlei Einrichtung, trotzdem korrekte Zeilenführung, 14,5/15 × 9,5/10,5 cm, 18–21 Zeilen; f. 112–142 Schriftspiegel braune Tinte (in margine meist nicht beachtet), davor und danach keine Spuren einer Blindeinrichtung sichtbar. Schrift: Der Band stammt von ders. Hand wie die Breviere Wil M 4 und M 12, von dieser Hand wahrscheinlich auch Cod. sang. 407. Gleiche Einrichtung, Ausstattung und Schrift wie M 4 (siehe dort). Von der Haupthand der Brevier-Teil, f. 9r–379v, und das Kalendar, f. 2r–7r. Buchschmuck: 1–2-zeilige rote Lombarden, vereinzelt mit kleinen Verzierungen, Rubrizierung f. 1r Nachträge von einer (?) Hand des 15./2/16./1 Jhs. betr. Jahrzeiten, mit OrationenIncipits, ohne Einrichtung. f. 8r Nachträge von einer Hand des 16. Jhs. (Orationen-Incipits, lat.), ohne Einrichtung; f. 8v leer. Korrekturen/Nachträge: f. 1rv Nachträge (Jahrzeiten) einer bekannten Katharinen-Hand des 16./1 Jhs. f. 8r Zusatz (Orationen, lat.) einer späteren, ebenfalls bekannten Hand. Kleine Korrekturen von der Haupthand in margine. Besitzer: Diß buoch gehört dem gozhu´s S.Catherinenberg, Hand des 16./2 Jhs. Darunter: Behört in st. Catharina Kloster vor Weil, Hand des 17./1 Jhs. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 234, Nr. 8. 15. Wil M 8 – Notel · Zeremoniale Papier · 249 folia · 21 (20) × 15 (14,5) cm · [15./2 Jh.: 1476–1498/Nachträge 16./1 Jh.] · [Regina Sattler, Cordula von Schönau, Barbara von Boswil (?), u. a.] Einband: Neuer Einband, Restaurierung 1989: kastanienbraunes Leder auf Holz, keine Verzierungen, keine Schliesse; rotgesprenkelter Schnitt, drei rote und zwei blaue Stoff-Signakel. Auf Rücken, in Schreibschrift von Hand des 20. Jhs.: Zeremoniale Notel. Vgl. p. 1 der Handschrift, oben (mittig): Notel, von Hand des 16./17. Jhs. Siehe Abb. 8. Lagen: Lagenformel nicht zuverlässig zu erheben ohne Strapazierung des seit Restaurierung zu engen Buchrückens, Heftfäden nicht sichtbar; offenbar grosse und unregelmässig zusammengestellte Lagen. Keine Reklamanten, ausser f. 23v und f. 27v (Hand Cordula von Schönau). WZ: Wasserzeichen wegen (zu) enger (Neu-)Bindung nicht zu identifizieren: ab f. 6r Fragment Menschenkopf, im folgenden schlecht sichtbar, in Spuren passim, offenbar die ganze Handschrift auf diesem Papier. Schriftraum: Zweispal-

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tig 15 × 10,5/11 (columne 14,5 × 5) cm, 23–27 Zeilen, Schriftspiegel braune Tinte (sehr fein), keine Linierung. Schrift: Die Handschrift ist Gemeinschaftsarbeit von Regina Sattler und Cordula von Schönau (u. a.). – 1. Regina Sattler: f. 1ra–23vb (Wortreklamante von der 2. Hand), f. 24ra–66vb (untere Hälfte der columne Handwechsel, s. u.), f. 66vb–67ra wieder Hand Regina Sattler, aber kleinere Schrift, f. 78ra in Zeile 13 bis f. 78rb, f. 78va–80ra (bis obere Hälfte der columne), f. 80ra (f. 80rb leer) bis f. 80vb, 4. Zeile von oben, f. 80vb–81ra, f. 81vb, Zeilen 1–8, f. 82ra–92ra, 8. Zeile, f. 93ra–166rb, f. 126va (obere Hälfte der columne) Tintenwechsel (für 2 1/2 Seiten), f. 166rb–169rb, f. 169va–180vb, f. 182ra–185rb, f. 185vb–194vb, f. 208v–209r ziemlich unordentlich: ständiger Tintenwechsel, Seiteneinrichtung nicht beachtet, f. 237r–238r einspaltig, ohne Einrichtung. Die Zuweisung an die Hand der Regina Sattler schon im Katalog bei Vogler, ohne Begründung; gemäss Vergleich mit CMD−CH III (1991), Nr. 241, Abb. 589a und 589b hier die g-Unterlänge flachbauchig und geschlossen. – 2. Cordula von Schönau: f. 66vb (untere Hälfte der columne), f. 80vb, 5. Zeile von oben bis f. 81ra, f. 81vb, 8. Zeile bis f. 92vb, f.144va, 5 Zeilen, f.164vab, 22 Zeilen, f. 185va, f. 195ra–236vb, f. 238v–239r (nicht sicher von ders. Hand), f. 239v–249v. Die 2. Hand identisch mit der Hand der Cordula von Schönau, aufgrund des Duktus allgemein (vgl. mit M 3), sowie insbesondere aufgrund der Übereinstimmung der Buchstabenformen des speziellen e, der h und der g; zum Schriftvergleich mit M 3 siehe hier besonders f. 79ra, wo sie 4 Zeilen mit anderem Kiel in kleinerer Schrift schreibt. Charakteristisch für die 2. Hand: unziales d mit flach und weit nach links gebogener Oberlänge; bauchiges e mit gerader ›Basislinie‹, keine Oberschlaufen; beim h gerader Abstrich der Schlaufe, der Schaft der l teilweise leicht geschwungen, ansatzweise mitunter auch beim h. Die 2. Hand nicht identifiziert von Vogler. – 3. f. 166vb die unteren vier Zeilen, f. 208rb die ersten drei Zeilen von der bekannten, charakteristischen Hand aus Cod. sang. 509, Cod. sang. 510, Cod. sang. 513 (Haupthand), Cod. sang. 1870 (Haupthand), vermutlich Hand der Barbara von Boswil (Eintritt 1493, als Schreiberin belegt ab 1501). – Weitere Einschubshände: I. f. 24ra–66vb (untere Hälfte der columne); II . f. 67vb–77vb (ev. identisch mit der Hand der Regina Sattler?); III . f. 166rb (vier Zeilen), f. 181rab, von der 4. Hand des Cod. sang. 503f (f. 103r–111v, f. 146r–157r). Buchschmuck: Einfache 1–2-zeilige rote Lombarden, ohne Verzierungen. Korrekturen/Nachträge: Nachträge: f. 11ra, Hand des 16. Jhs.: nit aus schuldigkeit sonder[!] won die gewonheit ist; von ders. Hand weitere kurze Nachträge passim; ferner Nachträge von Hand des 17. Jhs., z. B. f. 17rb, f. 58ra. Zustand: Teilweise starke Bleioxidation der Mennige-Mischung, Feuchtigkeitsflecken f. 71–80.

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Herkunft: Der Chronik-Eintrag f. 58v, zum Jahr 1488: Item wir hand [. . . geschriben] den notel mit siner declarirung[!] wie sich die mutren von nu´renberg haltend in dem gotlichi[!] ampt bezieht sich wohl auf unsere Handschrift. Vogler verweist für die Abfassungszeit, welche sie mit 1484–1486 angibt (trotz Verweis auf KlA Wil, Chronik, f. 58v, zum Jahr 1488), auf f. 124a und f. 184b: f. 124rb: Jtem do man zalt M o cccc o vnd lxxxxiiii do gefielent die zwai simplex decem milia[!] vnd geruasi vnd protasy¨ [19. Juni] in die oct[av] Corporis xpi do spart man Sant Geruasi vnd prothasy¨ [!] vff vnd begieng sy¨ vff den fry¨tag nach der octauff [!] von den x tussent[!] rittern hieltent wir [f. 124va] Ain Me˜ [Psalm Miserere] an jrem rechten tag etc. Hand Regina Sattler, Unterstreichungen mit roter Tinte; f. 184vb: Jtem do man zalt im vj vnd achczigesten [!] jar [. . .] Hand Regina Sattler, mit (hell-)brauner Tinte: nicht von der 2. Hand (wie auf vorne eingelegtem Zettel vermerkt), nur Tinten- und Kielwechsel. Da sich die zitierten Textstellen nicht auf die Niederschrift der Handschrift beziehen (s. o. Erratum Vogler), sondern nur als Terminus post quem eine ungefähre chronologische Einordnung ermöglichen, figuriert die Handschrift nicht im CMD−CH III (1991). Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag, ren. Handschrift chronologisch einzuordnen diesem Jahr vermutlich Eintritt der Cordula (Entsendung der Cordula von Schönau zur Zoffingen, Konstanz).

ev. bei Restaurierung verlowohl erst nach 1484, da in von Schönau und vor 1498 Reformierung des Klosters

Inhaltsangabe: Der Band enthält Rubriken über Vorschriften und Gebrauche beim Gottesdienst und anderen klösterlichen Übungen; für Ergänzungen blieb in den columnen viel Platz ausgespart, einzelne Seiten leer. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 238 f., Nr. 29. 16. Wil M 12 – Brevier Papier · ca. 117 folia [nicht foliiert] · 18,5 × 15,5 cm · 15./2 [um 1475?] Keine Foliierung/Paginierung. Einband: Einband des 17. Jhs., Pergament (aus liturgischer Handschrift, wohl 15./2/16.1 Jh.) auf Karton, Spiegelblatt VD und HD Papier, je ein papierenes Schmutzblatt, blauer Schnitt. Lagen: Regelmässige Sexternionen, keine Reklamanten. WZ: 1. Bär, nie ganz sichtbar, wohl in zwei Varianten, mindestens eine mit heraushängen-

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der Zunge, vermutlich ders. wie in M 46 (siehe dort). – 2. Kelch, do. nie ganz sichtbar. Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, improvisiert, 14,5/ 15 × 11,5/12 cm, 17/18 Zeilen, keine Linierung. Schrift: Haupthand grosse Semi-Bastarda des 15./2 Jhs. (um 1475? siehe Wil M 4), mit rundlichen Buchstabenformen, mit breitem Kiel, von ders. Hand wie die Breviere M 4, M 5, wahrscheinlich auch Cod. sang. 407. – Eine Zusatzhand auf den letzten 12ff., ebenfalls bekannte Katharinen-Hand, do. ca. f. [80r]: kleinere Bastarda (einer etwas späteren Hand?) mit gekrümmten Schäften bei l, b und u. Buchschmuck: Einfache rote Lombarden. Zustand: Oxidationsspuren der Mennige-Mischung: bei der Haupthand und der späteren Hand, bei der Zusatzhand sehr stark. Besitzer: Besitzeintrag auf vorderem Spiegelblatt von der bekannten Hand des 17. Jhs.: Monasteriæ sanctæ Catharinæ. Darunter eingeklebter Zettel mit Eintrag von Hand des 19./Anfang des 20. Jhs.: Eigentum des Frauenklosters St. Katharina Wil, Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: Privat-Brevier Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 236, Nr. 15. 17. Wil M 13 – Brevier Papier · I + 238 folia · 16,5 × 11,5 cm · Cordula von Schönau · [14]92 Moderne Bleistiftpaginierung (von der Hand Voglers?) alle fünf Blätter, p. 228–238 jede Seite (obwohl leer). Beschriebene Blätter 1–228; letztes beschriebenes Blatt p. 228, Hand des 17. Jhs., verso leer, folgen zehn leere Blätter, mit Schriftspiegel-Einrichtung Tinte. Einband: Einband zeitgenössisch: braunes Leder auf Holz; Streicheisenlinien, Rechteck mit Rhomben, darin Einzelstempel: 1. quadratischer Stempel mit gehörntem Vierfüßler (Steinbock? Widder?). – 2. kleine Rhomben-Stempel mit Lilie. – 3. vegetabiles Motiv: vierblättriges Blatt? Blume? – 4. ders. Stempel, nur kleiner, zentral plaziert. Die Stempel ev. teilweise identisch mit Wil M 3 (siehe dort), auch hier Stempel und Streicheisenlinien teils etwas schief aufgebracht. Originale Messingschliesse an Lederband HDK−VDK , mit kleiner gepunzter Verzierung an Schliesse (diagonale Linien); neun Leder-Signakel. Lagen: Regelmässige Sexternionen, ausser (VI –1)61–71, (VI –2)120–129, VII 91–104, (VI –1)143–154, nach f. 148 ein Blatt herausgeschnitten (Lagenmitte), f. 229-

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237 leer. Regelmässige Wortreklamanten von der Hand der Schreiberin. WZ: Wasserzeichen nicht verifizierbar, da nur Fragmente in Falznähe sichtbar, ev. ein Anker (vgl. Cod. sang. 503 f, do. Fragm.). Schriftraum: Einspaltig 10 × 7 cm, 16–18 Zeilen; Schriftspiegel Tinte, bis zum Blattrand gezogen, auch auf leeren Seiten, nur Schriftraumbegrenzung; keine Linierung. Schrift: Hier schreibt Cordula von Schönau mit schmalerem Kiel als gewohnt, was die Schrift weniger schwerfällig wirken lässt (vgl. CMD−CH III [1991] Abb. 469 mit Abb. 822 sowie Abb. 14 hier). Ausgesprochen runde, hübsche, kräftige Schrift mit einfachen, runden Buchstabenkörpern (vgl. die a, unziale d, brezelförmige finalis-s) ohne Schnörkel und Schlaufen, die eher den Mittelkörper betont (vgl. die kurzen, tw. nach links heruntergebogenen Schäfte der unzialen d), einzig beim a die Rundung leicht gebrochen (›Sattel‹); dunkelbraune Tinte. Buchschmuck: Einfache, aber sehr sorgfältige Lombarden und Initialen von der Schreiberin; Initiale mit Schaftaussparungen f. 47v, f. 55v, f. 155r, f. 157v (J-Lombarde mit Fisch längs dem Schaft, f. 165v, f. 169v, f. 170v, f. 171v. Korrekturen/Nachträge: f. I v: vmb iij [unklar, fehlen i-Punkte] batzen [‹ batze: kleine Münze der Stadt Bern mit deren Wappen (betz = Bär)]. Zustand: Passim Bleioxidation der Mennige-Mischung. Einzelne Blätter zeitgenössisch restauriert, z. B. f. 55. Herkunft: Spiegel VD Pergament-Makulatur aus liturgischer Handschrift mit Quadratnotation, unten rechts in der Ecke Notiz der Schreiberin: bittend got fu´r die schriberin dis buochs S[chwester] cordula von schönow. [Transkription CMD−CH diff.: sic wie hier]. Papierenes Vorsatzblatt im Falz angeklebt. Zur Datierung der Handschrift vgl. den Chronik-Eintrag f. 67r, zum Jahr 1492: Jtem wir hand angefangen ainen briefer [!] schriben vf papir [in den Jahren zuvor und danach (bis 1498) kein Brevier erwähnt], sowie f. 69r: Jtem der prefier [!] den wir hand angefangen zeschriben in dem fordren iar ist vs geschriben. Derselbe Eintrag lässt im folgenden darauf schliessen, dass das Brevier 1493 eingebunden wurde. Besitzer: Besitzeintrag f. I r: Diß buoch gehoert gen Sant katherinen zuo Sant Gallen prediger ordens etc. geschriben im lxxxxij [sc. iar], von der Hand der Cordula von Schönau; darunter von der bekannten Hand des 17. Jhs.: Monasteriæ sanctæ Catharinæ. Siehe CMD−CH III (1991) Abb. 468. Inhaltsangabe: p. (1)–(4): leer – p. (6)–(17): Kalendar, Linierung Tinte, p. (6) zum 9. Januar von späterer Hand: obiit margareta zwiki mi liebsti bäsi – p. 18: leer – p. 10: Invitatoriumsps.: venite exultemus dno.

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Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 234, Nr. 7; CMD−CH III (1991) Nr. 412, Abb. 468, Abb. 469 [Abb. 470: CMD -Scherz: Es schreibt gar keine 2. Hand]. 18. Wil M 16 – Ascetica et Liturgica varia Papier · 126 folia · 15 × 10 cm · [15. Jh.]; 1513 Moderne arabische Bleistiftfoliierung. Einband: Kettenstichband, mit Leder-Verstärkung am Rücken, in der Mitte Blüten-Motiv ausgestanzt, Umschlag ein Pergament-Fragment einer Urkunde des Bischofs von Konstanz 1441, in lateinischer Kursive. Lagen: Lagennummerierung 1–3 arabisch, mit brauner Tinte. WZ: 1. kleiner Ochsenkopf mit Augen, Nüstern, löffelförmigen (länglich-runden) Ohren, kurzer Stange und Stern, der Kopf teilweise sichtbar f. 14, f. 17, f. 24; der Kopf läuft schmal zu (die Nüstern berühren einander); ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 294 (unter anderem Trier, 1466– 1470), Nr. 374 (Basel, Freiburg i. Br., Genf, 1450–1453). – 2. ab f. 50 Ochsenkopf mit Nase, schiefem Maul und heraushängender Zunge und einem Beizeichen zwischen den Hörnern; diese Marke verwandt mit Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. I , Nr. 721 (1471–1473/4, Nürnberg, Speyer); derselbe Ochsenkopf wieder f. 73, f. 85, f. 96 auf dem Verso mit Bleistift nachgezeichnet. – 3 (?). f. 51 ähnliches Modell mit nach rechts verschobener Nase, die (zu einem der beiden Marken) dazugehörigen Hörner f. 65. Schriftraum: 1. f. 1r–40v Schriftspiegel braune Tinte, 6,5 × 9,5/10 cm, 16–20 Zeilen. Arabische Nummerierung der Lagen 3 und 4 von der Schreiberin, mit brauner Tinte. – 2. f. 42r–47v Schriftspiegel braune Tinte, 6,5/7 × 10 cm, 15/16 Zeilen. – 3. f. 55r–95r, f. 103r–110v keine Einrichtung, 13–15 Zeilen. – 4. f. 96r–101v ohne Einrichtung. Schrift: 1. f. 1r–40v schöne, ausgeformte Bastarda einer offensichtlich geschulten und geübten Schreiberin, mit runden Buchstabenkörpern, keine Buchstabenformen persönlicher Prägung, so dass die Schrift (im besten Sinn) ›schulmässig‹ wirkt; konsequent angebrachte Haarstriche sowie Ansätze zu Schaftgabelung bei b und h, zum Beispiel f. 13r; Duktus aufrecht und regelmässig, mit klaren Wortabständen (f. 18v–21r enger). – 2. f. 42r–47v ebenfalls schöne, aber weniger runde Bastarda, auffallend die tief nach unten gezogene Unterschlaufe der g, tendenziell auch der z, bei den kursiven b und d sind Oberschlaufe und Bauch nahezu gleich gross; vermerkenswert das finalis-s, wie ein (verhältnismässig zu) kleines ß; Elongierungen, Haarstriche (kleine Häkchen über den u). –

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f. 49rv, f. 50rv, f. 51r–53v, f. 54r (3 Zeilen) schreiben weniger geübte Hände des 16. Jhs. in unregelmässiger Halbkursive, mit teils stärker schwankender Zeilenführung (11–14 Zeilen/17–19 Zeilen/14–15 Zeilen), vor allem die dritte dieser Hände sehr unbeholfen. – 3. f. 55r–95r, f. 103r–110v wenig formbestimmte, tendenziell nach oben gezogene halbkursive Bastarda wohl der 2. Hälfte des 15. Jhs., offenbar schreibgewohnt, aber wenig diszipliniert: Der Bogen des h tief und rund nach unten ausholend, die v und w mit links oben angesetzten Ansatzschlaufen (mehr gerade als rund, mit kleinen Häkchen). – 4. f. 96r–101v formlose, schwankende halbkursive Bastarda, wohl der 2. Hälfte des 15. Jhs.; untere Hälfte der letzten Seite von Hand des 16. Jhs. – 5. f. 110v–113r Kursive wohl des 16. Jhs. mit Vorliebe für Schlaufen und Elongierungen, sehr auffällig die verschnörkelten k. – 6. f. 114v–115v noch der Bastarda nahe Kursive der 1. Hälfte des 16. Jhs., unsicher, schwankend. – 7. f. 116r–117v formbestimmtere, bastardanahe Kursive der 2. Hälfte des 15. Jhs. – 8. f. 118r–120r korrekte, enge, vertikale Bastarda. – 9. f. 120v–123r gleichmässige, linksgeneigte Bastarda mit runden Buchstabenkörpern, regelmässige Zeilenführung, obwohl die Einrichtung fehlt. Buchschmuck: 1. f. 1r–40v schöne, etwas verspielte Lombarden mit Schlaufen. – 2. f. 42r–47v rote Lombarden (teils mit Bleioxidation der Mennige-Mischung), deren Form etwas von den typischen Katharinen-Lombarden abweicht. – 3. f. 55r–95r, f. 103r–110v Rubriken und Lombarden von der Schreiberin, einzelne Worte im Text mit roter Tinte; zu vermerken die roten O in den Anrufungen, die mit einem Kranz aus kleinen Strichen umgeben sind und im Innern ein (lächelndes) Gesicht haben (wie eine kleine lachende Sonne). – 4. f. 96r–101v ohne Rubrizierung. – 5. f. 120v–123r rubriziert, Lombarden (mit Bleioxidation der Mennige-Mischung). Korrekturen/Nachträge: f. 21r untere Hälfte der Seite durchgestrichen. f. 126v achtzeiliges lateinisches Gebet nachgetragen von einer kursiven Hand des ausgehenden 15. Jhs. Nach f. 28 zwei getrocknete Blüten sowie Haare eingelegt. Herkunft: f. 47v: .1.5.1.3. J. a e. [das hochgestellte e nur schwach sichtbar, aber wohl sic]; möglicherweise Initialen der Schreiberin? Im Konventualinnen-Verzeichnis bei Vogler, St. Katharina (1938) keine Konventualin mit entsprechendem Namen gefunden. f. 101v die Initialen J. h. L., wohl der Schreiberin. Im Konventualinnen-Verzeichnis bei Vogler, St. Katharina (1938), keine Konventualin mit entsprechendem Namen gefunden. Herstellung im Katharinen-Scriptorium gut möglich, aber nicht beweisbar: keine mir bekannte Katharinen-Hand.

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Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag; auf pergamentenes Spiegelblatt VD aufgeklebter Zettel von einer Hand des 19./Anf. 20. Jhs.: Eigentum des Klosters St. Katharina Wil, Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: f. 1r–40v: Gebete zu den einzelnen Horen; flüssiges Latein der Schreiberin. – f. 41: leer. – f. 42r–47v: lateinische Gebete; auch diese Schreiberin ohne Latein-Fehler. – f. 48: leer. – f. 55r–62r: zur Rosenkranzbruderschaft: Einführung und Verbreitung Welcher mensch sich wil lassen in schriben in die loblichen bruoderschaft des psalters oderrosen krantz vnser lieben frowen marie [mit roter Tinte] der bedarff kan gelt geben dz da kan simony¨ verdacht wird ... – ... so werdens sy¨ dalhaftig [!] aller guothait die by¨ dem salue geschicht glich als sy¨ da wered, darin f. 56r, Rubrik mit roter Tinte: hie finstu den psalter geschriben von vnser lieben frowen wie du in betten solt mit xv vatervnser vnd ander talb[!] hundert ave maria vnd mit iij gouben [sic, =?]. – Der wiss rosen krantz. – f. 72r: Hie vacht an der rot rosen krantz het ouch v rosen vnd l auemaria . . . – ... Die erst vermanung zuo dem er sten roten rosen [alles sic]. f. 81v die ander vermanung von vnser lieben suochen zuo dem rotten rosen [alles sic], f. 82r die drit [. . .]. – f. 82v die fy¨ert [. . .]. – f. 85v die v ermanung [!]. – f. 91r: hie facht an der gel rosen krantz, f. 92r erst vermanung [. . .] zuo dem gellen rosen krantz. – f. 93r die ander armanung [!], folgen keine weiteren Ermahnungen, bricht wohl f. 95r ab. – f. 102: leer. – f. 113v–114r: leer. – f. 118r–120r: Gebete zu Beata Maria Virgo, vgl. f. 118v: [. . .] o süssmütige willige helferin alle sünderin der ich laider aine bin [. . .]. – f. 126v: achtzeiliges lateinisches Gebet. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 253, Nr. 75, ohne Erwähnung der möglichen Schreiberinnen-Initialen (nur Datierung); CMD−CH III (1991), Nr. 413, Abb. 552.

19. Wil M 18 – Brevier Papier · 118 folia [gemäss Eintrag von Hand des 20. Jhs. auf letzter Seite] · 15,5 × 10,5 cm Nicht foliiert/paginiert. Einband: Schlichter zeitgenössischer Einband, ev. des Katharinen-Klosters: abgenutzt, ehemals rot gefärbtes Leder auf Holz, keine Verzierungen, keine Stempelung, Leder-Messing-Schliesse HDK−VDK , die Befestigung auf HD eine vierblättrige Blume. Zehn Leder-Signakel.

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Schriftraum: f. [1]r−[6]v: 6,5 × 9/9,5 cm. – f. [7]r−[116]v zweispaltig; keine Schriftspiegel-Einrichtung, nur die letzten 16 Seiten Schriftspiegel mit brauner Tinte (Text von der Haupthand), 7,5 × 10/10,5 cm (eine columne 3/3,5 × 10/10,5 cm), 21–24 Zeilen. Schrift: Haupthand kleine, runde, halbkursive Bastarda mit wenig ausgeprägten Ober- und Unterlängen. f. [1]r−[6]v, von der Texthand, mit (unbedeutenden) kleinen Nachträgen. Buchschmuck: 1–2-zeilige rote Lombarden, ohne Verzierungen, zu Beginn des Breviers eine einfache rote Initiale B[eatus vir]; rubriziert. Korrekturen/Nachträge: f. [117]rv, f. 118r zwei Nachtragshände des 15. Jhs. in Bastarda. Herkunft: Herstellung im Katharinen-Scriptorium gut möglich, aber nicht beweisbar: Keine bekannte Katharinen-Hand. Besitzer: Auf f. [i] eingeklebter Zettel mit Eintrag von Hand des 19./Anfang des 20. Jhs.: Eigentum des Klosters St. Katharina Wil, Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: f. [1]r-[6]v: Kalendar. – f. [7]r-[116]v: Brevier. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 235, Nr. 11.

20. Wil M 21 – Brevier Papier · [171 folia] · 14 × 10 cm · [15./2–16./1 Jh.] Keine zeitgenössische Foliierung/Paginierung. Moderne Foliierung Hand S. M. 1. folio zur Hälfte auf Spiegel VD geklebt, die 2. Hälfte im Falz angeklebt, ebenso drei weitere leere paginae, folgt erste Lage, gebunden. Unsorgfältiger, unregelmässiger Buchschnitt, sehr stark beschnitten. Einband: Einband braunes (ehemals rötlich-braunes, abgenutztes) Leder mit Streicheisenlinien und Stempelung, im zentralen Rahmen Einzelstempel mit Frauen- und Männerköpfen, kaum mehr erkennbar; im Zentrum diagonale Streicheisenlinien über Kreuz. Zwei Leder-Messing-Schliessen HDK−VDK . Lagen: VI 1–12, (VII –1)13–26, V27–32, V33–43, VI 44–55, VI 56–68, VI 69–78, im folgenden sämtliche Bünde herausgelöst, sehr fragil. WZ: Ochsenkopf in mindestens zwei Varianten: 1. f. 42 schmaler Ochsenkopf mit aneinanderstossenden runden Nüstern, wie M 42, 3. Variante f. xxxviij, eventuelle Beizeichen in unserer Handschrift nicht verifizierbar, vgl. Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 432 (Bern, Konstanz, 1446–1449), zu vergleichen auch mit der 2. Variante in M 42 f. 17, f. 31, ähnlich Piccard, ebd., Abt. I , Nr. 211

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(Radolfzell, Rottenburg a.N., 1459, 1460). – 2. f. 45 anderes WZ-Fragment, undefinierbar. – 3. f. 51 weiteres WZ-Fragment, do. Schriftraum: Einrichtung und Schrift improvisiert, manche Partien ohne jede Einrichtung, viele Einträge nur flüchtig-notizartig. Schrift: Chaotisches Privat-Brevier von diversen weiblichen Händen, darunter bekannte Katharinen-Hände des 15./2–16./1 Jhs. in Halbkursive und Kursive. Letztes folio [167]rv in kleiner, passabler Gotica. Buchschmuck: Einzelne Partien mit roten Lombarden, passim Quadratnotation. Korrekturen/Nachträge: Nach f. 96 Fragment zu St. Joseph eingelegt (unklar, ob zur Handschrift gehörig), von Hand des 16. Jhs. Nach f. 110 vierblättriges Kleeblatt eingelegt. Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag; auf Spiegel VD eingeklebter Zettel von Hand des 19./Anfang des 20. Jhs.: Eigentum des Klosters St. Katharina Wil, Kt. St. Gallen. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 236, Nr. 16. 21. Wil M 32 – Augustinus-Regel und Konstitutionen (dt.) Papier · A−C + 112 + X−Z folia · 18,5 × 15 cm · 15. Okt. 1543 · Regula Keller Bleistiftfoliierung des 20. Jhs. 1–112, Vorsatz A−C, Nachsatz X−Z; nach f. 70 und f. 71 je ein Blatt übersprungen. Papierener Vorsatz Binio, erstes folio auf Spiegel VD geklebt. Einband: Einband wohl zeitgenössisch (oder täuschend gut restauriert?), Halbleder über Rücken bis 2 cm auf VD /HD gezogen, Rest Papier (altrose´ mit Muster [Rosen?]) auf Karton. Ehemals rot-/blaue Schnittfärbung. Zweifarbiges Kapital. Lagen: VI 2–13, V14–23, VII 24–37, V38–47, VII 48–61, V62–70, VI 71–81, V82–91, VII 92–104, f. 105–112 leer, do. Nachsatz X−Z. WZ: 1. Kleiner Bär, mit kurzem Kopf und winzigen Ohren, ein weiterer Bär mit längerer Schnauze f. 87, f. 89, eine weitere Variante f. 90, mit weit geöffneter Schnauze und Ohren wie eine Beule auf dem Kopf; die genaue Bestimmung der Bären-Marken ist schwierig, da immer nur Teile sichtbar, zudem das Papier sehr dick. – 2. Auf den leeren f. 107 ff. spätere Wasserzeichen: grosse Krone und mindestens noch ein weiteres Wasserzeichen. Engler-Maurer, Regelbuch (1998) identifiziert das Bären-WZ, ohne Erwähnung von Varianten, mit Piccard, Wasserzeichen XV /2 (1987), Abt. I , Nr. 287, ohne Angabe von Ort und Datierung (recte: Tuttlingen, 1525). Schriftraum: Einspaltig 15/16 × 12/12,5 cm, 21–25 Zei-

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len, Schriftspiegel und Linierung braune Tinte. Schrift: Duktus klassisch Regula Keller, grosse Nähe besonders zu Cod. sang. 1788, auch dieser auf Papier mit Wasserzeichen Bär, dieses sehr ähnlich Piccard, Wasserzeichen XV /2 (1987), Abt. I , Nr. 237 (Kempten, 1538/1539) und Nr. 240 (Memmingen, 1539). Duktus-Vergleich mit Cod. sang. 1788: Regelmässige Bastarda mit engen Buchstaben-Abständen und klaren Wortgrenzen; die schrägen Striche statt der i-Punkte hier Haarstriche, auch bei den y (Cod. sang. 1788 kräftiger). Die Unterschlaufe der z ist geschlossen und durchschneidet an der Basislinie den Schlaufen-Ansatz. Auffällig zudem die k: neben den Schaft ist ein kleines rundes s gesetzt (ähnlich dem hochgestellten r). Bis f. 75r schreibt sie auch kursive d neben den unzialen. Wenig Kürzungen, nur die gängigen m/n, pri für patri. Von der Hand der Regula Keller auch Cod. sang. 1788 (ihre ›Alters-Handschrift‹). Ob, gemäss der (nicht begründeten) Zuweisung Voglers, S. 249, Nr. 66, auch Wil M 45 von ihrer Hand stamme, ist offen (s. u. zur Handschrift). Ziemlich sicher ihre Hand auch in der Chronik, siehe dort. Buchschmuck: Rote Initialen (ornamental) f. 2r, 1–2zeilige einfache rote Lombarden, Rubrizierung und Unterstreichungen im Text, unvollständige Zeilen mit primitiven Zierbändern in roter Tinte aufgefüllt. f. 105-Z leer. Korrekturen/Nachträge: f. 11v kleine Korrektur einer aus anderen Katharinen-Handschriften bekannten (Korrektur-)Hand des 17. Jhs. Zustand: Teilweise starke Bleioxidation der Mennige-Mischung, so f. 2r, f. 18r, f. 26r und weitere; siehe Abb. 9. Der Band hat teils starke Feuchtigkeitsschäden, v. a. f. 60 bis Schluss. Herkunft: f. 104v subskribiert und datiert 1543 (d. h. in ihrem mittleren Lebensalter): Hie habend end die constitucion der schwesteren prediger ordens M ccccc xliij Iar daz dis buoch folendet ist vor sant gallen tag von schwester regel kellerin von zürich, die begert ein aue maria: deo gracias. Unterstreichungen mit roter Tinte, von der Hand der Schreiberin. Besitzer: Besitzeintrag f. 1v: Dis buoch gehörtt dem gots hus S[ant] Cathrina [!] zuo will jm durgouw, Hand um 1600/des 17./1 Jhs. Zeitgenössische Signatur von der Hand der Regula Keller mit schwarzer Tinte: m. i.i. regula keller. Inhaltsangabe: f. 2r–9v: Augustinusregel, dt. – f. 9v–75r: Auslegung der Augustinusregel nach Hugo von St. Viktor. – f. 75v–104v: Konstitutionen für Dominikanerinnen, dt.3 3 Das im CMD gegebene Inhaltsinventar wird von Engler-Maurer, Regelbuch (1998), S. 59, Anm. 175, als »unvollständig resp. (mit) falsche(n) Foliierungsan-

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Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 260, Nr. 88; CMD−CH III (1991) Nr. 414, Abb. 678, Abb. 679; Engler-Maurer, Regelbuch (1998) mit unserer Handschrift (mit Siglum W), Beschreibung S. 58–60; bei Uffmann, Innen und aussen (2000) wird die Handschrift als »St. Galler Statuten« zitiert (vgl. ebd., S. 192, Anm. 16).

22. Wil M 41 – [Otto von Passau, Die vierundzwanzig Alten] Papier · 452 folia · 21 × 14,5 cm · 9. Juli 1484 Keine zeitgenössische Foliierung. Summarische Bleistiftfoliierung von Hand des 20. Jhs. (vermutlich Vogler) auf jedem 10./5. folio, fehlerhaft, daher neue (summarische) Foliierung mit Bleistift (Hand S. M.) auf jedem 10. Folio. Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: helles Leder auf Holz, ohne jegliche Verzierungen, sehr starker Wurmfrass; zwei Messing-Leder-Langschliessen HDK−VD , vollständig erneuert. Auf dem Rücken Pergament (?)-Schildchen aufgeklebt: oben zentriert B, darunter M... I [? nur noch teilweise sichtbar, da Schild beschädigt]. Lagen: Regelmässige Sexternionen, ausser 1. Lage: Unio, verklebt mit dem papierenen Vorsatz- und Spiegelblatt (VI –2)238–247, letzte Lage IV 442–448; alle Lagen mit Pergament-Falzverstärkung; regelmässige Wortreklamanten bis f. 259 (letzte Reklamante).WZ: 1. kleiner Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, waagrecht abstehenden Ohren, Stange und Stern, ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 126 (Basel, Frankfurt a. M., Köln, 1454, 1455), sowie ebd., Nr. 338 (Bern, Breisach, 1450–1453). – 2. kleinerer Ochsenkopf, f. 17, f. 31, mit schmaler Nase und aneinanderstossenden Nüstern, ohne Beizeichen (oder solche nicht auffindbar?), ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. I , Nr. 211 (Radolfzell, Rottenburg a. N., 1459, 1460). – 3. Ochsenkopf, f. 22, mit waagrecht abstehenden, löffelförmigen (länglich-runden) Ohren und auffallend grossen Nüstern (gleiche Grösse wie die Augen), zugehöriges Beizeichen (Stange mit Stern?) nicht verifizierbar; ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 282, entfernter ähnlich auch Nr. 286 (u. a. Basel, Konstanz, 1455–1457). – 4. f. 165ff., f. 255, f. 262, f. 264, f. 271 eine schwer definierbare Marke: zwei sich kreuzende, doppelkonturige Stangen, vermutlich eine Schere, für eine genaue gaben« (wohl gemeint das Kolophon, das nicht f. 105v, sondern f. 104v steht) kritisiert.

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Identifizierung zu wenig sichtbar. – 4. f. 283f., f. 274 gotisches P, nur teilweise sichtbar, do. f. 284, f. 287, f. 290. – 5. f. 331 und f. 314 Fragmente eines Hifthorns, nie ganz sichtbar (stets im Falz), do. f. 429, f. 437, bis Schluss, auf f. 442v mit Bleistift nachgezeichnet. Schriftraum: Schriftspiegel-Einrichtung braune Tinte, teilweise nicht besonders sorgfältig gezogen, nur Schriftraumbegrenzung, keine Linierung. Die Schriftspiegel-Einrichtung wird von allen Händen teilweise überschritten, am ehesten beachtet ist sie bei der 2. Hand. Schrift: Der Band stammt von vier Schreiberinnen des 15./2 Jhs., korrigiert von zwei weiteren (do.): 1. Hand (siehe CMD−CH III , Abb. 447) f. 1r–121r, 14,5/15 × 9/9,5 cm, 24–32 [!] Zeilen: halbkursive Bastarda einer schreibgewohnten, routinierten Hand, identisch mit der Hand von Cod. sang. 1919 sowie der Hand von Wil M 42; a und u ›auf spitzem Fuss‹, unziales d mit flachem Bauch, die g-Unterlänge schliesst beim Schlaufenansatz ab, Oberschlaufen bei b, h, k und l, brezelförmiges finalis-s, st-Ligatur, (passim stark) rückwärtsgeneigtes r. – 2. Hand f. 121v–138v (Handwechsel im laufenden Text und Satz, auf der 4. Zeile von unten), f. 245r (ausser den oberen 2 Zeilen): 14,5/15,5 [gröber gezogen] x 9,5 cm, 26/27 Zeilen, die Hand gemäss Schriftvergleich identisch mit der 2. Hand in Cod. sang. 1066 (Schriftcharakterisierung siehe dort; siehe CMD−CH III , Abb. 448) sowie mit der Haupthand von Cod. sang. 1916 (siehe hier Abb. 27), mit passim geringfügigen Abweichungen im Duktus. – 3. Hand f. 138v–189v (passim zeilenweiser Wechsel mit der 2. Hand), f. 245v–448v, 14,5/15 × 8,5/9 cm, 24–26 Zeilen, von ders. Hand auch das Datierungs-Kolophon f. 448v/449r (mit zäher, schlecht fliessender Rubrizierungstinte); diese Hand (= die datierende, Kolophon f. 448v/449r) ist gemäss Schriftvergleich identisch mit der Hand des Cod. sang. 1854 (Schriftcharakterisierung siehe dort sowie CMD−CH III , Abb. 449). – 4. Hand (siehe CMD−CH III , Abb. 450), f. 190r–245r: streng vertikale Bastarda mit engen Buchstabenabständen, aber grosszügigem Zeilenabstand, 14,5/15 × 8,5/9 cm, 18–22 Zeilen; diese Hand ohne ›weibliche‹ graphologische Eigenschaften, kaum kursive Elemente (keine Oberschlaufen), ›auf spitzem Fuss stehend‹ einzig die a, vermerkenswert die weit nach unten ausgreifende g-Unterlänge, vertikales r mit kleinem Füsschen nach rechts, vereinzelt klassische us-Kürzung. – 5. Hand unterhalb des Kolophons f. 449r (s. u.), in halbkursiver Bastarda, Korrektureintrag (siehe CMD−CH III [1991], Abb. 451): Text-Einfügung zu f. 414r, mit dems. Einfügungszeichen, f. 449r 4. Zeile von oben, von Hand der Euphrosina Keller (da gemäss Schriftvergleich nicht identisch mit der Nachtragshand der Potentiana Talmann im Kalendar von Wil M XVII ). Charakteristika für ihre Hand: keine Oberschlaufen bei l und h, rundes a,

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rückwärtsgeneigtes r, e mit Bauch fast auf der Linie, unziales d mit kurzem Fähnchen nach links. Buchschmuck: Einfache 1–3-zeilige rote Lombarden im bekannten Katharinen-Stil, vereinzelt auch blau, so f. 190r (Farbe verblasst), f. 113v (mit improvisiertem ›Fadenwerk‹); vereinzelt kleine Verzierungen an den Lombarden, so f. 15v ein kleiner Fisch in margine links entlang des Texts (am Fuss der I -Lomb. hängend), wohl von der Schreiberin (1. Hand = Schreiberin Cod. sang. 1919, identisch mit den Fisch-Lombarden dort). Weitere kleine 3-zeilige Initialen/Lombarden ohne Verzierung f. 5r, f. 9v, f. 20r, f. 29v. f. 221v eine ursprünglich rote, heute silbern verfärbte P-Initiale, do. passim (Bleioxidation der Mennige-Mischung), rubriziert. Korrekturen/Nachträge: Korrekturen von den Händen der Euphrosina Keller und der Potentiana Talmann. f. 415r, am unteren Rand von der Hand der Potentiana Talmann: Die ander vnd die dritt gab sind hy¨e vberhept worden Die suoch zuo hindrest an dem ussgeng[!] disser materi diss buochs by¨ dem roten Crutz[!]. Der Nachtrag der andren vnd der dritten gab auf f. 449r stammt sehr wahrscheinlich von der Hand der Euphrosina Keller (Begründung wie oben). Darunter (f. 449r): Also ker wider vmb vnd nem die fierden gab fu´r dich da dz rot Cru´tz verzaichnet ist in rößli rot, wohl ebenfalls (wie f. 415r unten, s. o.) von der Hand der Euphrosina Keller. f. 449r: Bittent got fur die zwo schwoestren mit aim aue maria die diss buoch mit grosser arbait vnd fliss gecoriert[!] hand als man es wol sicht S[chwester] potenciana t[almann] vnd efrosina k[eller]. Von der Hand der Euphrosina Keller (Begründung wie oben). Von den beiden Schwestern stammen nur die K o r r e k t u r e n , z. B. f. 157r–158v, f. 161v–168v, f. 415r, f. 417v–418r, f. 435v–437v. Die beiden Korrekturhände sind kaum voneinander abzugrenzen: die meisten Korrekturen scheinen von Potentiana Talmann zu stammen; passim korrigieren offenbar auch die jeweiligen Texthände in kleinerer Schrift mit feinerem Kiel am Rand. Zur Hand der Euphrosina Keller siehe Abb. 10. Zustand: Der Band weist, v. a. in der Mitte, teils grössere Feuchtigkeitsschäden auf. Herkunft: Kolophon f. 448v/449r: Dis buoch ist uss geschriben worden a.n. [anno?] als man zalt nach Christus [!] geburt m CCCC vnd lxxxiiij iar in der octau[!] visitacio. Auf diese Handschrift bezieht sich wohl der ChronikEintrag f. 43v, zum Jahr 1484: Jtem wir hand [. . .] die xxiiij alten voll vs[geschriben] [. . .]. Eingebunden wurde die Handschrift 1485 (Chronik, f. 44v). Besitzer: Rest eines Besitzeintrags des 17. Jhs. auf Spiegelblatt. VD aufgeklebt: [. . . gehö]rt zu d[em] St: katharina kloster.

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Inhaltsangabe: f. 1r–448v: Otto von Passau, Die vierundzwanzig Alten. Literatur: Zur Handschrift Vogler, St. Katharina (1938), S. 244, Nr. 52, datiert irrtümlicherweise mit 1494, gibt drei Hände an, ohne Zuweisung; CMD−CH III (1991) Nr. 415, Abb. 447–451, datiert irrtümlich m CCC [!] vnd lxxxiiij iar. CMD−CH III (1991), Nr. 415, mit differierender Abgrenzung der Hände, jedoch sic wie oben; gemäss CMD ebd., Schreiberverzeichnis S. 288 fände sich die Hand der Eufrosina Keller auch in Wil M 17: Widerspruch zu CMD−CH III (1991), S. 150; dort liegt eine (doppelte) Verwechslung vor 1. mit der Nachtrags-/Korrekturhand der Potentiana Talmann, 2. Konfusion der Handschriftensignatur: Nachträge der Potentiana Talmann in Wil M XVII [römisch!]; ein Wil M (arabisch) 17 gibt es gemäss meiner Signaturkonkordanz (nach Typoskript der Bibliothekarin Sr. Alberta †) mit Vogler gar nicht. – Zu Potentiana Talmann Vogler, St. Katharina (1938), S. 162f., S. 234, S. 244; CMD−CH III (1991) Schreiberverzeichnis S. 307. – Zu Eufrosina Keller ebd. Schreiberverzeichnis S. 288; Vogler, St. Katharina (1938), S. 52, S. 111, S. 244. – Zu Otto von Passau VL 2 7 (1989), Sp. 229–234 (Andre´ Schnyder). 24. Wil M 42 – Predigten [Marquard von Lindau, ›De reparatione hominis‹, deutsch] Papier · A−C + 290 folia · 15 × 21 cm · 15./2 Jh. Tintenfoliierung von der Texthand i−cclxiiii, von neuzeitlicher Hand fortgesetzt 265–290; Vorsatz Foliierung Hand S. M. A−C. Einband: Ursprünglich schöner rehbrauner Leder-Einband: Streicheisenlinien, im Rechtecksrahmen Rautenmuster, darin reiche Stempelung VD und HD , darunter ein quadratischer Stempel mit dem Agnus dei; Einzelstempel siebenblättrige kleine Blume. Leder-Messing-Schliesse HDK−VDK abgerissen (Leder-Riemen und Halterung auf VD erhalten; HD etwas zerschlissen). Spiegelblätter VD und HD Papier, teilweise (v. a. vorne) eingerissen. Lagen: Sexternionen, ausser dem Vorsatz (ein Unio mit einem eingehängten Blatt); letzte Lage unklar, vermutlich (VI –4)284–289, nach f. 289 ehemals Lagenmitte, danach noch ein halber Bogen (vor f. 284 sichtbar), letzte Reklamante des letzten vollständigen Sexternio f. 283v. Pergament-Falzverstärkung. Regelmässige Wortreklamanten von der Hand der Schreiberin. WZ: 1. Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, Stange und Stern, Kopf gut

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sichtbar f. xx und f. xxii: Ohren fast waagrecht abstehend, Augen bündig mit den Kopfkonturen, Kopf zum Maul hin schmal zulaufend; Horn- und Stangenansatz f. lxxiii; ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 434 (Basel, Bregenz, Konstanz, Lenzburg, Rheinfelden, 1450–1464); ebenso ähnlich, aber nicht identisch ebd., Nr. 440 (Basel, Bern, 1456/57). – 2. f. lxxiii kleinerer Ochsenkopf mit schmalerer Nase (aneinanderstossende Nüstern) und schmaleren, waagrecht abstehenden Ohren, vermutlich ebenfalls mit (kurzer) Stange und Stern (die dazugehörige obere Hälfte der Marke nicht auffindbar), ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 441 (u. a. Winterthur, 1457–1463), nicht bei Briquet, Filigranes IV (1907). – 3. f. xxxviiii, Ochsenkopf mit langen, waagrecht abstehenden Ohren, kurzem, schmal zulaufendem Kopf, Kopfbreite auf Augenhöhe ca. 0,8 cm; vgl. Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 432 (Bern, Konstanz, 1446–1449). Schriftraum: 14,5/15 × 10/11,5 cm, 24–28 Zeilen, keine Schriftspiegel-Einrichtung, keine Linierung. Schrift: Der ganze Band von der Hand einer (offensichtlich lateingewohnten) Schreiberin, identisch mit der Hand von Cod. sang. 1919 (Schriftcharakterisierung siehe dort) sowie mit der 1. Hand in Wil M 41 (hier ohne das auffällige dreibogige z). Die Niederschrift wirkt improvisiert, weist auf eine Gebrauchshandschrift. Braune Tinte. Buchschmuck: Einfache rote Lombarden, von der Texthand, teilweise etwas unsicher wirkend (so auch Cod. sang. 1919), so z. B. f. Clvv; meist mit kleinen Verzierungen: f. Ar (kleine Strichelungen und Punktierungen im Buchstabenkörper, Zickzacklinie), f. 279v. Auf der stark beschädigten Seite (s. u.) f. Clii auch Lombarden/Initialen-Verzierung mit blauer Tinte; f. xliv am Fuss der I -Lombarde ein Fisch entlang des Texts; f. 289v–290v bei den ursprünglich roten Lombarden besonders starke Spuren von Bleioxidation der Mennige-Mischung. Korrekturen/Nachträge: Regelmässige Wortreklamanten; vereinzelt Korrekturen von der Texthand. f. Arv Conspectus (von der Texthand): hie finst du wz in disem buoch stat, darunter: Ain schoeni bregi [sic, so stets], teils mit Incipit, lateinisch; die A-Lombarden sind bei den (stereotypen) Einträgen nur beim ersten ausgeführt. Zustand: f. Clii obere Hälfte des Foliums fast vollständig weggerissen. Besitzer: Besitzeintrag Spiegelblatt VD : dis buoch gehoert den frowen ze sant katherinen ze sant gallen, von einer mir bekannten Hand des 15./2 Jhs. Darunter von Hand des 17. Jhs.: Gehört in St. Catharina Closter vor Wey¨l. Inhaltsangabe: f. I r−290v: Predigten. – f. ir−cljr Predigtzyklus zum Sündenfall und seinen Folgen. – Die weiteren Predigten, bis f. cclxr, handeln zu

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Johannes Evangelista, Maria Magdalena; eine Fastenpredigt, eine zum 1. Sonntag im Advent, eine zum ostertag. – f. cclxr−279v: Patrizius-Legende. – f. 279v−290v: Predigt zu Johannes Baptista: Rubrik Ego vox clamantis in deserto [darüber mit Rubrizierungstinte, durchgestrichen: jn dem ersten sunentag des aduentz], im Text: [. . .] johans paptisten den toeffer [. . .], bricht ev. f. 290v ab (Textverlust nicht evident).4 Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 67. Die Handschrift erwähnt bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187 Anm. 78 sowie S. 188. 25. Wil M 45 – Predigtbuch [Predigtauszüge von Othmar Engeler] Papier · 28 folia [nicht foliiert/paginiert] · 11,5 × 16 cm · 16./1 Jh./[1516] · [Regula Keller?] 28 Blätter, gemäss Eintrag von Hand des 20. Jhs. auf letztem Folio. Einband: Pergament-Umschlag. Lagen: II 1–4, VI 5–16, VI 17–28, VIII 29–44. WZ: Die Identifikation des/der Wasserzeichen ist nicht möglich. Schriftraum: Ohne jegliche Einrichtung. Schrift: Von einer Hand. Buchschmuck: Keine Rubrizierung, keine Lombarden. Zustand: Das Papier ist bräunlich verfärbt; das nur lose in einen Pergament-Umschlag geheftete Bändchen löst sich bereits in seine Hefte auf. Herkunft: Gemäss Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 66 »[i]m Jahre 1516 von Regula Keller geschrieben«. Sie war 1514 ins Katharinen-Kloster eingetreten; die Zuweisung an ihre Hand ist fraglich, aber möglich, geht man davon aus, dass sie diese bald nach ihrer Profess (1515) als wenig schreibgewohnte Nonne im Alter von 19/20 Jahren geschrieben haben könnte. Inhaltsangabe: f. 1v: hie nach findstu ainen vszug von den siben todsünden damit du macht komen in aigne erkantnus rüw vnd bicht dis ist gebredget durch den erwirdigen vatter othmarus engeler im xvj jar zuo .S. kathr[inen] es ist och hie alain [!] die sünd vf zegen [?, wohl sic] vff dz kürczest.

4 Freundlicher Hinweis von Bala´zs J. Nemes, Beschreibung der Handschrift auf www.handschriftencensus.de.

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Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 249, Nr. 66; die Handschrift erwähnt bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78, sowie S. 188. 26. Wil M 46 – Sammelband: Predigten, Traktate Papier · 50 folia · 15,5 × 10,5 cm · 15./2 Jh. Band bis auf einzelne Seiten nicht foliiert. Einband: Band in Pergament-Umschlag geheftet: Fragment eines Kalendars des 14./2 Jhs. mit Nachträgen verschiedener Hände (Todesdaten, Jahrzeiten). Lagen: II [1–7], VII [8–14], (V–1)[15–30], (VI –1)[31–41], letzte Lage vermutlich VI [42–50], die folia der 2. Lagenhälfte fehlen bis auf f. 48 (Hälfte des folio herausgeschnitten) und f. 50 (leer). WZ: f. 19 Bär mit heraushängender Zunge, sonst kaum sichtbar (Papier sehr steif), ev. dies. Marke wie in M 12 (do. nie ganz sichtbar). Schriftraum: Teil II f. [8r]–[30r] ohne Einrichtung. Teil III f. [31r]–[49r] Schriftspiegel braune Tinte, 10,5 × 6,5/7 cm, keine Linierung. Schrift: Teil I f. [2r]–[7v] kleine linksgeneigte Kursive von einer Hand des 16./2 Jhs. – Teil II f. [8r]–[30r] Haupthand recht regelmässige, deutlich rechtsgeneigte Bastarda des 15./2 Jhs., keine Oberschlaufen, ausser passim bei kursiven d ›auf spitzem Fuss‹, g-Unterschlaufe bis zur Grundlinie heraufgezogen, rundes r, a mit Sattel und kleinem Füsschen nach rechts, Schlaufe der e bis auf Basislinie gezogen, spitz-eckige v und w, auffällig die h aus zwei versetzt nebeneinander gesetzten geraden Schäften. Auffälligste Merkmale sind die Rechtsneigung sowie das Fehlen jeglicher kursiver Elemente (ausser der spitzen d). – Teil III f. [31r]–[49r] Kleine halbkursive Bastarda, vereinzelt Korrekturen ders. Hand. Buchschmuck: Teil II f. 8r Initiale mit Schaftaussparungen und Punktverdickungen, eine grössere Lombarde zu Textbeginn, rubriziert. Teil III drei 2-zeilige rote Lombarden, ganz vereinzelt einfache rote Lombarden, nur die untere Hälfte f. 45r, rubriziert. Zustand: f. 30 die rechte untere Blattecke abgerissen. Herkunft: Kolophon f. [7v] F. C. A., darunter in Schlaufen-Ornament 1 5 8 9. Scriptorium St. Katharina Wil nicht beweisbar. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Inhaltsangabe: f. 2r–8r: Zwei Predigten über die Nächstenliebe, aus dem Lateinischen übersetzt. – f. 8r–30v: Predigt für Ordensleute. – f. 31r–32v:

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Traktat über Sünde und Reue. – f. 32v–38v: Mich zwingt u´wer gebett gaistlichi tochter Christi in allen vch mit goettlicher vorcht zu gevallen, jr begeret ettwas zu wissen von tröme [. . .] – f. 38v–49r: Ain gaistlich underwisung vast kostlich. Zu Windeshaim was ain bruder des ordens canonici regularis. der begert von hertzen von dem wirdigen Florencius ain kurtze ler [. . .]. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 254, Nr. 77. 27. Wil **m 18 – Gebete, lateinisch Papier · 70 folia [nicht foliiert] · 15 × 10,5/11 cm · [15./2 Jh.] Keine Paginierung/Foliierung; von späterer Hand am Schluss mit Bleistift 70. Einband: Koperteinband. WZ: Einer der bekannten Ochsenköpfe mit Stange und Z, nie ganz sichtbar, mit Augen und Nüstern, das linke Ohr hängt nach unten, vgl. f. [18], so wohl auch in Cod. sang. 1066, daher sehr ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15192 (Zürich, 1473–1499; Konstanz, 1473). Schriftraum: Schriftspiegel-Einrichtung mit brauner Tinte nur passim, keine Linierung, trotzdem gute Zeilenführung. Keine Reklamanten. Schrift: Der ganze Band von einer Hand, in sauberer, regelmässiger Bastarda, teilweise zur Kursiven tendierend, ohne spezielle graphologische Auffälligkeiten: vertikal, Betonung des Mittelkörpers, keine Oberschlaufen, g-Unterschlaufe nicht ausgeprägt. Keine orthographischen Auffälligkeiten gesehen, ausser mayestatis. Buchschmuck: Einzelne 2-zeilige rote Lombarden, sonst einzeilig in blau und rot (Bleioxidation der Mennige-Mischung), rubriziert. Korrekturen/ Nachträge: Passim dte. Rubriken: f. [2r] Rubr.: wer diß gebet spricht der hat von dem bapst ccc tag aplas; f. 16r–16v Rubr.: wer diß nach geschriben gebet alle [16v] spricht vnsers herren marter vnd allen sinen angsten die er hat in siner marter vnd ze ietlichen pr nr ain venie5 tuott der wirt nit verloren. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 245, Nr. 57. 5 venie: (gestracte oder strak venie) ‹ venia (cum toto corpore) = Gebetshaltung, die mit in Kreuzform ausgebreiteten Armen am Boden liegend ausgeführt wird (diese Gebetshaltung wurde im Dominikanerorden besonders gepflegt); vgl. Meyer, Katharinental (1995), Kommentar S. 202 (ad 13,2) und S. 189 (ad 3,3).

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28. Wil **m 19 – Gebet- und Betrachtungsbuch Papier · 11 × 9 cm · 165 folia · 1620//15./2 Jh.//um 1600 Keine Paginierung/Foliierung, von späterer Hand am Schluss mit Bleistift 165. Einband: Koperteinband, in Pergament-Umschlag geheftet (Heftschnüre am Rücken gut sichtbar), Fragment eines Lektionars in schöner Gotica (Bogenverbindung, Haarstriche), aussen Tinte zum grossen Teil abgeschabt, innen tadellos erhalten und gut lesbar. WZ: Wasserzeichen schwer auffindbar, f. [6] Spuren eines solchen, ev. ein Turm. Schrift: f. 1r–45r Hand der Maria Ferrin. Charakteristikum für ihre Hand ist ein schräg durchgestrichenes v als Kürzung für ver-, f. 45r, f. 48r. Der ganze erste Teil stammt von ihrer Hand, trotz Schreibcäsur und Kielwechsel: bis f. 34r kleine, sehr zierliche Schrift mit feinem Kiel, bastardanah, leicht rückwärtsgeneigt, geringfügige Schwankungen im Duktus (keine Linierung, nur Schriftspiegel mit Tinte); charakteristisch das h, das statt eines Bogens einen leicht gewellten Abstrich hat, auch die nach rechts geführte Unterlänge der g ist gewellt. Auch die Rubriken von ihrer Hand, heute vom ursprünglichen Rot kaum noch etwas sichtbar (Bleioxidation der MennigeMischung); f. 34v Übergang zu grösserer Schrift mit breiterem Kiel und dunklerer Tinte, weiterhin ihre Hand aufgrund der genannten charakteristischen Buchstabenformen, gegen Schluss vereinzelt kleine Häkchen in Form von Haarstrichen an den Schäften. Die Partie der Maria Ferrin wurde später hinzugebunden. – Der (heute) zweite Teil stammt von zwei Händen des 15./2 Jhs./um 1600: f. 48r−[156v] ebenso zierliche, kleine Bastarda mit runderen Buchstabenformen, leicht rechtsgeneigt; auch diese Schreiberin hat das spezielle h (s. o.); regelmässige Silben-Reklamanten, f. [156v] unten Reklamant en, Textfortsetzung nicht auffindbar, im folgenden lose Einzelblätter, wohl Textverlust. – Der Rest des Bändchens (f. 156r−165r) von einer stärker kursiven, leicht unregelmässigen Hand. Buchschmuck: Einfachste kleine rote Lombarden, rubriziert. Herkunft: Kolophon f. 45r: min hertz liebe sch[wester] anna barbara baeten got für mich vewere liebe s[wester] maria ferrin jch wil gwüß nit v[er]gaeßen [Kürzung unklar] ∼ 1620 ∼ an Simon vnd jude tag ∼. Eine Schwester Maria Ferrin figuriert nicht bei Vogler im Konventualinnen-Verzeichnis. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 243 f., Nr. 51.

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29. Wil o. Sign. – Chronik (›Konventsbuch‹)6 Papier · 187 folia · 29 (28,5) × 21,5 (21) cm · [Datierung ca. 1481/82–1528] Einband: Einband neu: Karton, mit schwarzer Leinwand (Kunstleder?) überzogen, keine Schliessen. VD und HD Spiegelblatt Papier, vorne und hinten je ein papierenes Schmutzblatt, vorne zusätzlich die bischöfliche Rückgabeerklärung eingebunden (nach dem Schmutzblatt). Lagen: II [1]–4, VIII [5]–20, VI 21–32, VII 33–46, X47–66, VIII 68–82, IV 83–90, VIII 91–106, IV 107–114, dann vermutlich (III +1)115–121, IV 122–129, f. 130–134 unklar: (II +1) oder (III –1)?, III 140–145, VIII 135–150, (IX +1)151–169, (IX +1)170–187. WZ: Wasserzeichen mehrheitlich die bereits aus anderen Katharinen-Handschriften bekannten: die charakteristischen Ochsenköpfe in verschiedenen Varianten, darunter der Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, mit Stange und Z, z. B. f. 3, wie in Codd. sang. 363 und 1916 (siehe dort; hier das rechte Auge höher sitzend, das rechte Ohr nach unten hängend, die rechte Wange eingedrückt). – f. 4 mitra-ähnliche Marke (wie in Codd. sang. 363, 406, 1916, siehe dort). – f. 19 ff. kleine Krone (wie in Cod. sang. 1066, f. IIII −xlii, siehe dort). – f. 106ff. Frauenkopf, wie im Urbar-Registerheft (s. dort). – Aus anderen Katharinen-Handschriften nicht bekannte Wasserzeichen: ein kleiner, etwas unförmiger Ochsenkopf mit kleinen Augen, kleinen, runden Ohren und schmalen, sehr flach und weit auseinandergebogenen Hörnern f. 66–69, recht gut sichtbar f. 67, entfernt ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 226 (Basel, Strassburg, 1489), nur dass dieses Modell als Beizeichen Stange mit Stern hat (hier ev. das Beizeichen nicht sichtbar?), nicht bei Briquet; des Weiteren f. 135 Kelch, sehr gut sichtbar f. 155 und f. 167, sehr ähnlich Briquet, Filigranes II (1907), Nr. 4546 (u. a. Sitten, 1490; 6 P. Pius Kolb, St. Galler Stiftsbibliothekar im 18. Jh., nannte die Handschrift »Hausbuch der Angela Varnbühler«; Lehmann sprach von der »Hauschronik« (Lehmann, MBK I [1918], S. 147 f., ebd. auch das Zitat von P. Pius Kolb), seit Vogler heisst sie nur noch »Chronik«; Rüther/Schiewer bezeichnen sie als »Reformchronik« (Rüther/Schiewer, Predigthandschriften [1992], S. 186, Anm. 75) und Rüegg neuerdings als »Konventsbuch« (Rüegg, Chronik [2010], S. 74 f.). Zu P. Pius Kolb siehe HBLS IV (1927), S. 527: St. Galler Stiftsbibliothekar 1748–†1762; sein Katalog der St. Galler Handschriften (1755–59 entstanden) blieb infolge Krankheit (ab 1760) ungedruckt, ebenso seine ›Chronik des Kloster St. Katharina Wil‹. – In der Handschrift selbst findet sich kein dem heute gebräuchlichen Titel ›Chronik‹ entsprechender Eintrag von zeitgenössischer Hand; auch in den Bücherverzeichnissen von 1484 und 1507 ist die Handschrift nicht explizit genannt. Dasselbe gilt für das sog. ›Schwesternbuch‹.

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Luzern, 1492; Freiburg i. Br., 1494); gegen Schluss noch eine grosse Krone, f. 175 der untere, f. 180 der obere Teil, nie ganz sichtbar. Schrift: Anlagehand Angela Varnbühler, in ihrer charakteristischen, disziplinierten und formbetonten Bastarda, ab dem Jahr 1481 abwechselnd mit der Hand der Elisabeth Muntprat. Angela Varnbühler schreibt über die Jahre kontinuierlich immer wieder passim Einträge; ihre Schrift entwickelt sich jedoch zu einer stärker rechtsgeneigten, weniger ausgeformten Halbkursive (siehe Abb. 5 und 11). Ihr letzter eigenhändiger Eintrag betrifft das Jahr 1505 (geschrieben im Alter von 64 Jahren); in den letzten Jahren vor ihrem Tod (1509) schrieb sie nicht mehr selbst in die Chronik, sondern diktierte einer Mitschwester (die Einträge f. 106r [1505], f. 109r [1506], f. 113r [1507]), mit der Nennung von mine[m] lieben vetter hansen varnbueler stammen sicher nicht von der Hand der Angela Varnbühler). – Als weitere bekannte Schreiberinnen-Hände liessen sich identifizieren: Cordula von Schönau (f. 70v–71v), Justina Blarer (f. 86r, f. 87r, f. 87v–88v, f. 96v–97r, f. 111v–114v und passim e. m.), Sapientia Wirt, Elisabeth Schaigenwiler (f. 132v–143v) und Regula Keller (f. 102rv, f. 115vf., f. 152rv, f. 154r–157r, f. 158r–160r [oben], f. 160r [unten]–160v, f. 162v–164r, f. 169r ff., f. 175v, f. 185r). Herkunft: Zur Abfassungszeit der Chronik vgl. ebd., f. [5]v: In einem eigenhändigen Eintrag berichtet Angela Varnbühler u. a. von der Verwundung der Subpriorin Ursula Eberli in den Tumulten anlässlich des Beginns der gemaind im Jahr 1459; jedoch habe Ursula Eberli danach noch xxij Jahre gelebt; daraus ergibt sich als Todesjahr für Ursula Eberli 1481; d. h. die Chronik kann nicht vor 1481 angelegt worden sein, daher Beginn der Eintragungen vermutlich 1481/82: Vorne ist ein Binio (f. [I]–4) eingeheftet, leer bis auf f. [I]r, mit der Jahresrechnung der Schaffnerin zum Jahr 1481. Die ersten ›gebundenen‹ Einträge erfolgten demnach ex post: Auf die autobiographischen Einträge der Angela Varnbühler und das Konventsverzeichnis (f. 6rv) folgen f. 7rv Einträge zu Land- und Walderwerb (datiert ins Jahr 1476), sodann die Jahresrechnung der Schaffnerin zum Jahr 1477 sowie Eintritte von Novizinnen im selben Jahr. Die Wasserzeichen (s. o.) lassen keine exakte Datierung, nur eine ungefähre chronologische Einordnung (in die 1480er Jahre) zu.7 7 Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 174, mit der Datierung »1450– 1528«, ohne Begründung; Rüther, Schreibbetrieb (1999), S. 656, Anm. 10: »1492 und später«, ohne Begründung; nicht nachvollziehbar die Datierung »1420 bis 1528« bei Ehrenschwendtner, Bildung (2004), S. 282, mit Bezug auf Vogler in Anm. 52.

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Inhaltsangabe: In der Chronik finden sich Berichte und Notizen aus den verschiedensten Bereichen der zeitgenössischen Konventsgeschichte: Die Anlagehand der Angela Varnbühler setzt (ex post) ein mit ihrer Wahl zur Priorin 1476, und fährt fort mit einem Verzeichnis der Konventualinnen sowie mit Berichten von der Durchführung der ersten Schritte zur Reformierung des Klosters. Die weiteren Einträge, in chronologischer Abfolge, verzeichnen Begebenheiten aus dem alltäglichen Konventsleben: Eintritte von Novizinnen und deren spätere Profess; Todesnachrichten (von Konventualinnen, Angehörigen und Freunden); Stiftungen (von Jahrzeiten und Zinsen) und Schenkungen; Bücherherstellung im Scriptorium; Ökonomie des Klosters (Jahresrechnungen der Schaffnerin, Verwaltung, Landerwerb [Äcker, Wald, Rebberge]); Aus- und Umbau sowie künstlerische Ausstattung der Klostergebäude; zeitgenössische Geschehnisse aus der Klosterund Ordensgeschichte – sogar das Ereignis der Sonnenfinsternis im Jahre 1485 hat mit einem Eintrag der Priorin Eingang in die Chronik gefunden (f. 45r). Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 260, Nr. 87. 30. Wil o. Sign. – ›Schwesternbuch‹8 Papier · 31 × 23,5 cm · 257/266 folia · [Anfang 1480er Jahre (?)] Zeitgenössische Tintenfoliierung j−CCLXIV v; Paginierung des 20. Jhs. (ev. Hand Voglers) 5–32 [= f. jr−xiijv]. Einband: Einband neu: Karton mit braunem/braun-marmoriertem Kunstleder überzogen. 8 Die Bezeichnung ›Schwesternbuch‹ ist irreführend: Sie meint nicht, wie sonst in der Forschung gebräuchlich, eine Sammlung von Nonnenviten, »eine scheinbar chronikartige Zusammenstellung einer Vielzahl von Kurzviten verstorbener Schwestern eines bestimmten Klosters, herausgegeben von Angehörigen der nachfolgenden Schwesterngeneration« (Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur [1980], S. 4). Mit diesen gemeinsam hat das St. Galler Schwesternbuch zwar den chronikartigen Charakter (im 1. Teil, s. u.), das allmähliche Anwachsen des Textcorpus, sowie eine didaktische (wie auch erbauliche) Funktion (im 2. Teil, s. u.); es darf jedoch nicht, wie leider mehrfach in der älteren Forschung geschehen, missverstanden werden in der Weise, dass es (gerade in seinem 2. Teil) als Dokument vorbildlicher Tradition geistlichen Lebens in St. Katharina St. Gallen gelesen wird. Dieser so verstandene Literaturtyp entstand in der 1. Hälfte des 14. Jhs. und bildete das auf Nonnen ausgerichtete Pendant zu den ›Vitas fratrum‹; vgl. Meyer, Katharinental (1995), S. 23.

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Lagen: Sexternionen. Die ersten vier Sexternionen von der Hand der Angela Varnbühler bezeichnet mit Wortreklamanten: f. xiijv der erst Sext[ern], f. xiijr der ander, f. xxvijr der dritt, f. xlvr der iiij. WZ: Der 3. Sexternio ein eigenes Heft in kleinerem Format, auf Papier mit einem aus anderen Katharinen-Handschriften nicht bekanntem Wasserzeichen, z. B. f. xliiij; nicht zu identifizieren bei Piccard, Wasserzeichen (1961–1997) und Briquet, Filigranes (1907). Schrift: Haupt- und Anlagehand Elisabeth Muntprat, zumeist in sehr kleiner halbkursiver Bastarda, abgelöst passim von Angela Varnbühler, teils in ihrer charakteristischen Buchschrift, teils in rechtsgeneigter Halbkursive; wenige kurze Abschnitte auch von Regina Sattler (f. CClr), Cordula von Schönau (f. Ljv−Liijr) und der späteren Priorin Sapientia Wirt f. CCxliiijr). Herkunft: Alte Signatur S. [4]: M. 2, do. f. xiiijv. Inhaltsangabe: Hinsichtlich seines Inhalts ist das Schwesternbuch zweigeteilt; seine Anlage erfolgte vermutlich zu Beginn der 1480er Jahre: 1. Teil, f. jr−xxiiijr [p. 5–32 der neuen Paginierung]: Regesten zur Geschichte des Klosters in den Jahren 1228–1488, mit Verweisen auf die betreffenden Urkunden: f. jr [p. 5]: Jhm xpm vnserm himelschen Ainige[!] gespons wellend wir hie legen zuo ainem vesten fundament vnd grund vesti . . . – . . . So vindt man hir [!] nach gezaichnet die frighait brief Da mit vnser wirdiger convent begabet ist [. . .]. Am Ende jedes Regest-Eintrags findet sich eine ›Buchstaben-Signatur‹, die derjenigen auf der betreffenden Original-Urkunde (KlA Wil, Schachtel A) entspricht: des anfang ist [. . .] [folgt Incipit] [. . .] ist vssen gezaichnet [Buchstaben-Signatur]. – f. xv−xjr [p. 26–27]: [. . .] an Sant michels tag in dem vorgemelten iar [1482] do wz v´nser wirdigi .m. priorin genempt S engel varnbu´lerin [folgt Auflistung der Konventualinnen mit ihren Ämtern] [. . .] disser besttaetigung hand wir ainen versigleten brief [. . .] ist vssen gezaichnet mit dem buchstaben .xx. – f. xvr−xvjv: Kurze Berichte zu einzelnen General- und Provinzkapiteln sowie zu Generalmeistern und Provinzialen des Ordens. – 2. Teil, f. xxvir−xxxvjv und f. xlviijr−CClvjr: Briefwechsel der St. Galler Dominikanerinnen mit dem Katharinen-Konvent Nürnberg: f. xxvir−xxxvjv: Briefe der Nürnberger Priorin Kunigunda Haller, in Abschrift eingetragen. Die einzelnen Briefe sind generell nur durch Absätze voneinander abgegrenzt (keine Rubriken, kein ›Briefkopf‹), ansonsten nahezu fortlaufend eingetragen; sie sind nicht mit einem Abfassungsdatum versehen, sondern nur über ihren Inhalt (Bezugnahme auf bestimmte Ereignisse) zeitlich einzuorden; vgl. die Jahrzahlen in margine von einer Hand des 19./20. Jhs., passim. – f. xlviijr−CClvjr

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nicht mehr in Briefform (mit Anrede, Grussformel etc.), sondern in Berichtform redigierte, nach Themen gruppierte Resume´s der Nürnberger Usanzen. – f. CCLIX r−CCLXIV v: Register: [CCLIX r] hie nach findst du dz register aller ding die an diesem buoch stond [. . .], von der Anlagehand der Elisabeth Muntprat. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 260. Nr. 89. 31. Wil o. Sign. – Urbar Papier · 99 folia · 31 × 41,5 cm · [Mitte 15. Jh./15./2 Jh.] Zeitgenössische Foliierung mit brauner Tinte: I−lxxxj; moderne Bleistiftfoliierung 3–84, setzt auf f. I der alten Foliierung ein, da in dieser der ›Vorspann‹ nicht berücksichtigt ist; dieser von Hand vermutlich des 18. Jhs. mit dunkelbrauner Tinte foliiert f. 1.−f. 2. Einband: Einband zeitgenössisch: Leder auf Karton, ohne Verzierungen, zwei Leder-Messing-Schliessen (mit Schrift-Punzung) HDK−VDK , die untere abgerissen. Lagen: V f. 1.-Vii, nach f. VI ein Bogen eingelegt, Vx-xix, VII xx-xxxiii, Vxxxiiij-xliii, VII xliii-lvii, Vlviii-lxvi, VII lxviij-lxxxi. Hinten Lagenverlust (Fäden sichtbar); PapierFragmente des 15./2 Jhs. eingelegt. WZ: Sehr starkes Papier, Wasserzeichen markanter Ochsenkopf (ohne Beizeichen) mit Augen, Ohren und Nüstern, die Nasenkonturen laufen aus den Augenwinkeln schief nach links aus, zwischen den Hörnern drei ›Locken‹. Ähnlich, aber nicht identisch mit Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. I , Nr. 701 (Ansbach, Bamberg, Koblenz, Rothenburg, 1451–1468); ähnlich auch Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 14329 (u. a. Toulouse, 1441–1454; Avignon, 1447) und Nr. 14332 (u. a. Montpellier, 1458); Varianten der Nrr. 14336–14340 (u. a. St. Gallen bis 1433; Genf, 1438–1488). Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, nur Schriftraum-Begrenzung oben und links, Schriftraum ca. 33 × 23/25 cm, maximale Ausnutzung f. lxxxr−lxxxiv: 36 × 28 cm; nur wenige Seiten sind ganz beschrieben, viele sogar leer, so f. 84–[99]. Schrift: Haupt- und Anlagehand ist die der Priorin Anna Krumm: z. B. f. 1. r–2. r [f. 1. v leer], f. ljrv, f. lxiijr−lxviv, und passim, abwechselnd mit der Hand der Angela Varnbühler in Halbkursive; beide Schreiberinnen mit brauner Tinte; f. lxxiiijv siebenzeiliger Eintrag der Elisabeth Schaigenwiler (mit fast schwarzer Tinte); daneben weitere Hände, um 1450, darunter auch einige von sonst unbekannten Schreiberinnen. Buchschmuck: Auf einigen Seiten sind Abschnitte

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mit Fischen an J-Lombardschäften (mit brauner Tinte) gekennzeichnet. Korrekturen/Nachträge: Passim zu Einträgen Zusätze von der Hand der Regula Keller in der 1. Hälfte des 16. Jhs. (ca. 1530 ff.) mit sehr feinem Kiel, z. B.: f. 1. r: die hoff sind in d r widerwertigen zitt d r luttery¨ von denen von sant gallen v rkofft worden; f. 4v: Der hoff ist auch v rkofft in der widerwertigen zitt der luttery¨ von denen von sant gallen (siehe Abb. 12); f. 11r: der hoff ist auch v rkofft worden von denen von sant gallen als sy¨ vns befogtend [!] hand. – Nach f. 84 eingelegt (oben am Kapital mit einer Schnur befestigt) ein Faszikel mit Register, von einer aus der Chronik bekannten Hand um 1600 in Halbkursive: Verzeichnis der Güter, Höfe und Landstücke, mit alphabetischer Registratur am Schnitt rechts: 14 nicht foliierte Doppelblätter, in der Mitte Falzverstärkung mit Pergament-Fragment aus liturgischer Handschrift in Textualis. Wasserzeichen Frauenkopf, mit Locken im Nacken, mit einkonturiger Stange und Stern; ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15692 (Provence, 1508). Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag; Spiegelblatt VD : Eigentum des Klosters St. Katharina, Wil, Kt. St. Gallen. Inhaltsangabe: Beschrieben f. I r−lxxxjv: Verzeichnis der Grundstücke und Höfe mit den darauf ruhenden Leistungen und Einkünften – (84) leer. Die Einträge sind am Rand mit Bleistift von Hand des 20. Jhs. datiert (aufgrund des Inhalts), einige betreffend das 13. und 14. Jh., der früheste Betreff in einem Eintrag, f. xijr, zum Jahr 1263. Die meisten Einträge zu Angelegenheiten des 15./1 Jhs. (v. a. 1430er und 1440er Jahre). Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 260, Nr. 90; zu den Nachträgen der Regula Keller ebd., S. 174.

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2 Stiftsbibliothek St. Gallen 32. Cod. sang. 363 – [Dt. Plenar/Lektionar OP] Papier · II + 718 paginae · 30/31 × 21,5/22 cm · Elisabeth Muntprat, 1483 IX 8 Neue Bleistiftpaginierung römisch I −II , sowie im Lektionar arabisch 1–43; zeitgenössische Foliierung im Mess-Teil römisch I−CClxxxxiij, wohl von der Hand der Schreiberin; neue Bleistiftfoliierung im Schlussteil sowie im Conspectus f. 294–336. Fünf folia nach f. CClxv von Hand S. M. mit Bleistift nachfoliiert: f. CClxva−e. Einband: Einband zeitgenössisch, stark abgenutzt, Rücken offen: Einbandmakulatur und Bindung sichtbar. Je fünf Metallbeschläge VD und HD ; vgl. dazu KlA Wil, Chronik, f. 58v, zum Jahr 1488: Jtem her vlrich motz het vns beschlecht geschenckt an dz groß mess buch kost j lb hlr got sy sin lon. Ev. war der vorliegende Codex gemeint? – Ehemals (rot?) gefärbter Schnitt. Titel auf Rücken: Evangelia per Annum germanice. Lagen: Sexternionen, ausser IV 25–40, VII xxijar-xxxiiijv (R), (V–1)lxi-lxix, Vcvi-cxvi, VII Clij-Clxv; VClxxxx-Clxxxxix, (V+2)CClx-CClxve, VCClxxix-CClxxxviij, (IV –1)CClxxxix–295, III 296–301, (VI –1)326–336. Alle Lagen mit Pergament-Falzverstärkung. Regelmässige Wortreklamanten von der Schreiberin, 2. bis 8. Lage zudem Lagennummerierung ij−viii, die folgenden Lagen nur noch mit Wortreklamanten, auf dem letzten Blatt verso der vorangehenden Lage Wortreklamante von der Hand der Schreiberin: incipit tabula. WZ: 1. f. 1–23 mitra-ähnliche Marke, bekannt aus der Chronik sowie aus Cod. sang. 406 und Cod. sang. 1916, besonders gut sichtbar auf dem leeren folio 336, entspricht bei Briquet, Filigranes IV (1907) bei den Filigranes inde´termine´s Varianten der Nr. 16062 (u. a. Bern, Biel, Sion, Genf, Fribourg, 1457–1496). – 2. kleiner Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, mit Stange und Z, p. 25, p. 41, p. 302– 325, sehr gut sichtbar p. 325 auf dem leeren Verso des folio, sehr ähnlich, ev. identisch mit Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15193 (u. a. St. Gallen, ca. 1487; Bern, 1487), sehr ähnlich auch Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. II , Nr. 167 (Konstanz, Rottweil, 1481), dieser Ochsenkopf auch in Cod. sang. 503f, f. 31 und f. 34, und Cod. sang. 1916 (siehe dort). Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, zweispaltig 23 × 15,5/16,5 (7/7,5) cm, 28–40 (!) Zeilen. Schrift: Der ganze Band von der Hand der Elisabeth Muntprat: Halbkursive Bastarda, etwas in die Breite gezogen (Buchstabenabstände), Oberschlaufen nur bei b, h und k, unziales d, cz-Ligatur. Sehr

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charakteristisch für ihre Hand ist das stark linksgeneigte, oben offene r; die Linksneigung auch beim runden und langen s (siehe hier Abb. 13, sowie CMD−CH III [1991], Abb. 442). Das Lektionar p. 1–42 steht in grösserer, aufrechter Schrift, im Mess-Teil ab p. 43 (resp. fol. I , s. o.) ist die Schrift kleiner und v. a. flacher. Buchschmuck: teilweise mit Blumenranken (z. B. f. xv); schlichte, aber saubere rote 2–3-zeilige Lombarden, sehr variabel gestaltete Initialen; beide von der Hand der Schreiberin: passim KonturenVorzeichnung mit ders. Texttinte sichtbar, z. B. f. cxxxvvb. Hervorzuheben die grosse A-Initiale f. CClxxvjra, f. CClxiijvb, vgl. auch f. CCxxivv am unteren Blattrand die in einen Zweig mit Eichel-Motiv und Phantasieblüte auslaufende J-Initiale, sowie f. CCxxvra die Schlange in der J-Initiale; sehr schön auch die B-Initiale f. CCxxrb, sowie A f. CClvvb (siehe Abb. 13), D f. CClxxvjvb. Einzelne Wörter rot unterstrichen. Die Verzierung der Lombarden/Initialen in diesem Band sehr phantasievoll und abwechslungsreich. Starker Tintendurchschlag passim (v. a. bei der roten Tinte), vgl. z. B. f. CClixv−CClxvjv. Kolorierte Holzschnitt-Drucke eingeklebt f. xiijra (Heilige drei Könige), f. lxxxxiiijra (Kreuzigung). Korrekturen/Nachträge: Von der Schreiberin sorgfältig redigiert: Korrekturen und Einfügungen passim; (teils ausführliche) Rubriken. Zustand: Codex mit starken Gebrauchsspuren: p. lxij linke untere Ecke zeitgenössisch ausgebessert mit einem Papierstückchen: priorin vnd [. . .] des conven[ts] [...] zuo S ga[llen], ziemlich sicher Hand der Priorin Angela Varnbühler, gemäss Schriftvergleich mit ihrem namentlichen Chronik-Eintrag f. 94v, zum Fest ihrer goldenen Profess. Auf HD innen eine beschädigte Seite aus einem in–16o-Bändchen eingeklebt, ev. geschrieben von der Konventualin Verena Gnepser. Herkunft: Kolophon p. 693a: Explicit Liber iste. Dis buoch ist volendet vnd geschriben von der gnad gocz durch Schwoester Elizabeth Muntpratin zuo Sant Katherina prediger ordens an der aller hailgen Octauf[!] in dem iar do man zalt nach der gebuort Jhesu christi M o CCCC o lxxxiij iar [1483] bittend gott fu´r die schriberin des begert sy vonn ganczem herczen lebind vnd todt. [Elisabeth Muntprat (*1459) schrieb die Handschrift im Alter von 25 Jahren]. – Ein weiteres Kolophon f. 324ra: Dis buoch ist volendet vnd geschriben von der gnad gocz [!] durch Swoester Elizabeth muntpratin zuo Sant katherina prediger ordenn dem iar do man zalt nach der gebuort Jhesu christi M o CCCC o lxxxiij iar. – Der Chronik-Eintrag f. 27r, zum Jahr 1483, von der Hand der Elisabeth Muntprat: Jtem wir hand j ewangelium buoch geschriben [. . .] bezieht sich wohl auf diese Handschrift (s. o.). Abschrift einer Nürnberger Vorlage, KlA Wil, Chronik, ebd.: [. . .] haut man v´ns die buecher

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gelichen von nu´renberg vss Sant kattrinen kloster prediger ordens Die erwirdigen lieben muotren vnd tru´wen mit schwoestren [. . .].9 – Vgl. den Vermerk am Schluss des Bandes p. 718, am unteren Rand des letzten leeren Blattes: bitend got fver mich [. . .] arme dienerin gretlin schoechlin: Hat diese ev. als Buchbinderin an diesem Band Anteil gehabt? Im KonventualinnenVerzeichnis bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 271–287, figuriert keine Schwester dieses Namens, ev. handelt es sich um eine Laienschwester.10 Besitzer: Besitzeintrag p. I : Dis buoch gehoert in Sanct katerinen Closter ze Sanct gallen brediger orden, von einer bekannten Hand des 15./2 Jhs.; mit der Handschriften-Akquisition P. Nepomuk Hauntingers 1780–1792 an StiBSG (vgl. Cod. sang. 1285, p. 11). Inhaltsangabe: Lektionar. Enthält alle Lesungen der Messe in deutscher Übersetzung, mit zahlreichen erläuternden Rubriken, so p. 22a, p. 37b–42a. Als Tischlesungs-Exemplar bestimmt der I. Teil, p. 1–42, mit den entsprechenden Rubriken: Incipit, p. 1a: Jn dem namen der vnzertailten hailgen drifaltikait. Darvmb das man dester Bas verstand das vnderschidlich werck der hailgen Ewangelisten So schrib ich hie die vorred v´ber ainen yetlichen Ewangelisten [. . .] das mag man zu tisch lesen. – p. 21b: Expliciunt prologorum Supra Ewangelistarum. Darunter Rubrik: Dissi vorreden sind lieplich zuo lesen an iren tagen. – p. 37b: Wer disse vor reden list der verstaut disster bas die manigvaltig vnderschaid der eppistel vnd send briefen der hailgen xijbotten So man hier nach wirt finden vnd lesen nach ordnung des hailgen 9 Betreffend den Chronik-Eintrag und dessen nicht zwingendem Bezug zu unserer Handschrift freundlicher Hinweis von Carsten Kottmann, Tübingen: Gemäss den Nürnberger Usanzen (terminologisch exakte Katalogisierung) meint ein evangelium buoch eigentlich nur ein Evangelistar und nicht ein ganzes Plenar. Die übliche Bezeichnung im Mittelalter für das heutige ›Plenar‹ ist das buoch der epistel und evangelii durch das iar o. ä. Darum weise der Eintrag der Katharinen-Chronik betreffend ein evangelium buoch eigentlich auf ein Evangelistar, nicht ein ganzes Plenar. Evaluation der Verfasserin: Da, wie gesehen, die Chronik-Einträge betreffend Scriptorium und Bibliothek des Konvents des öfteren vage/unpräzise formuliert sind, ist der Bezug zu unserer Handschrift doch sehr wahrscheinlich. Unter den erhaltenen Plenar-Handschriften des Katharinenklosters Nürnberg, heute StB Nürnberg, konnte weder von C. Kottmann noch von mir eine entsprechende Vorlage-Handschrift identifiziert werden. 10 Als Beispiel für die Notiz einer Buchbinderin vgl. Schneider, Handschriften o Nürnberg (1965) S. 255, zu Cod. Cent. VI , 98, f. 155v: Min allerlie〈b〉ste muter p〈iolin〉 vs liebe han ich vich dis biehelin ingebunden [. . .] gedenken min doby o zu got. S〈wester〉 K. fon M.

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prediger Ordens [. ..] – p. 38a: Wenn man denn das selb ewangely list v´ber tisch so sol man lesen an dem anfang Des ewangeliums [. . .] – p. 39b: Vnd So man denn die selben Ewangely zuo tisch list so sol man alzit vorlaussen gon die wort [. . .] Vnd ob es nit als ordilich geschriben stund vor allen ewangelium so sol es es doch halten nach der ordnung (f. 40a) Wol Sant Marcus ewangely¨ das er in dem anfang schribt list man nit nach ordnung des prediger ordens Aber die laig priester singend vnd lesend es an dem ersten Sunnentag im aduent.11 – Leseanweisung p. 41b: Man sol war nemen das man pausier an den versalen die da gerubriciert sind Oder da ain strichly¨ ist mit rubric vnd suss nit won die versaul Sind suss dick valsch vnd nit ordilich geschriben Darvmb soll man all ain der war nemen Mit dem pausieren Die gerubriciert sin Vnd disser nit Vnd wo es suss gerubriciert ist / ist es ioch [!] nit ain versal So sol man Doch da pausieren. – II. Teil [Mess-Teil], f. I ra−CCClxxxxiijra: f. I ra: Jn Dem Namen der Gebendicten [!] Drifaltikait So vachend hie an die Eppistlen[!] vnd Ewangeli von dem zit vnd den hailgen Nach dem Prediger Orden Als man die sing vnd list jn der hailgen Mess. Das eigentliche Text-Incipit steht schon einmal auf der vorangehenden p. 43, dort ohne Rubriken und ohne Initialen, dasselbe wiederholt f. I ra.12 Explicit des Plenars f. CCClxxxxiijra, ohne Datierung und ohne Nennung der Schreiberin. – f. 296ra–323vb Johannes-Apocalypse: f. 296ra: hie hept an die Vorred v´ber das Buoch der haimlichen offenbarung. – f. 323vb: Dis vorgeschriben Buoch Der haimlichen offenbarung Johannis Das man nempt das buoch der togin Oder zuo latin Apokalipsy¨ [!] Das mag man zuo tisch lesen Ob man wil. (f. 323rb, von der Hand der Elisabeth Muntprat mit roter Tinte: O Johannes du su´sser Edler harpfer vf der zerspanen [!] guldin harpfen des hu´nigflissenden [!] herczen Jhesu christi Vnd du suptiler inblicker in dz v´berbekantlich [!] formlos wesen der hailgen dri [id. fol. va] faltikait Wie su´ss vnd trostlich ist din liepliche Minriche ler der rainen gemu´ten die da begerend mit dir veraint zuo werdind [. . .])13 – f. 324va–325vb Von den toten das ampt als 11 Der identische Wortlaut in Ü Ms. xvi, f. 18rab. 12 Der identische Wortlaut in Ü Ms. xvi, f. 21ra, zu Beginn des Plenars. 13 Vogler, St. Katharina (1938), S. 81, mit Transkription dieses Gebets ebd. Anm. 5, meint, Elisabeth Muntprat habe sich »mit dem Geiste einer vergangenen Zeit verwandt gefühlt«, und habe »mit Vorliebe die mystischen Werke kopiert«; das Gebet habe sie »wohl einem Andachtsbuche mystischer Prägung entnommen«; es müsse »ihr besonders entsprochen haben«, da sie »es in den schönsten Lettern und mit roter Tinte mitten in den schwarzen Text hinein« schreibt – was nicht stimmt: Es steht steht überleitend am Anfang des Explicits der Apocalypse. Das Gebet steht auch nicht, wie ebd. angegeben, auf »Bl. 351« der Handschrift, sondern f. 323rb–323vb; ein fol. 351 existiert nicht.

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man ains begrept – f. 326ra–331ra Jncipit Tabula Eppistolarum [!] Et Ewangeliarum Tocius[!] anni Secundum ordinem fratrum predicatorum. – f. 331ra JnCipit [!] tabula in natalicijs sanctorum Tocius[!] anni ..s [sic: das s von der Schreiberin ›unterpunktet‹: sie war offenbar unsicher, wie der Genetiv von annus lautet] Secundum Ordinem fratrum predicatorum. Conspectus f. 326v–335r. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 239 f., Nr. 36; CMD−CH III (1991), Nr. 86, Abb. 442, Schreiberverzeichnis, S. 288; die Zuweisung an ihre Hand in Cod. sang. 1916, CMD−CH III (1991), Nr. 285, Abb. 440, ist gemäss Schriftvergleich nicht haltbar (siehe hier zu Cod. sang. 1916). 33. Cod. sang. 406 – Breviarium [historiatum] OP, ad usum monasterii Stae. Catharinae sangallensis Papier · 631 paginae14 · 24,5 × 17 cm · [15./2 Jh.: nach 1492, vor 1498] · Cordula von Schönau Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: helles Leder auf Holz, schlicht, ohne Verzierungen; zwei Leder-Messing-Schliessen HDK−VDK verloren, nur die Messing-Befestigung VDK (mit zwei gepunzten kleinen fünfblättrigen Blüten) und HDK erhalten. Lagen: Sexternionen, ausser der 1. Lage, von der letzten Lage nur die ersten drei folia beschrieben, die restlichen nur mit Einrichtung, das letzte folium der letzten Lage auf hinteren Spiegel geklebt. Regelmässige Wortreklamanten von der Hand der Schreiberin. WZ: Die ganze Handschrift auf dems. Papier, mit der aus der Chronik und Cod. sang. 363 und Cod. sang. 1916 bekannten mitra-ähnlichen Marke, entspricht bei Briquet, Filigranes IV (1907) bei den Filigranes inde´termine´s Varianten der Nr. 16062 (u. a. Bern, Biel, Sion, Genf, Fribourg, 1457–1496). Schriftraum: Zweispaltig, 16/16,5 × 10 cm, 29–31 Zeilen, Schriftspiegel braune Tinte (keine Linierung, daher Zeilenführung teilweise geringfügig schwankend). Duktus eher schwerfällig, nicht zuletzt wegen breitem Kiel, z. B. p. 171, p. 486, p. 491, in seiner Regelmässigkeit, die ein tadelloses Seitenbild ergibt, aber trotzdem sehr korrekt. Schrift: Der ganze Band von der Hand der p. 617b subsrkibierenden Schreiberin Cordula von Schönau: Deo gracias ihesus Maria etc. Soror Cordula de Schoenow schri[berin?] etc. Regelmässige, disziplinierte, auf 14 Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 137, gibt 632 Seiten an.

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klassische Schulung weisende Bastarda mit runden Buchstabenkörpern, enge Buchstaben- und Wortabstände (p. 18b–19b Abstände weniger eng: Schreibcäsur). Charakteristisch für ihre Hand ist die Deformierung des e mit bis auf die Basislinie heruntergezogener Schlaufe, auch die unzialen d mit dem Bauch auf der (imaginären) Linie aufliegend, g-Unterlänge oberhalb des Bauches ansetzend. Zur Schreiberin siehe CMD−CH III (1991), Abb. 822 sowie hier Abb. 14 und 15. Buchschmuck: Von der Hand der Schreiberin auch die Rubrizierung: Einfache 1–2-zeilige rote Lombarden, meist leicht verziert (Punktverdickungen), p. 505 J-Lombarde mit Fisch längs dem Schaft (siehe Abb. 14), do. p. 578. – Titelminiatur p. 6: colorierter Einblatt-Druck mit der Hl. Barbara (vgl. die nachstehende Oratio) eingeklebt, mit Zierrahmen mit roter Tinte von der Schreiberin. p. 19 kleinerer kolorierter Holzschnitt eingeklebt: Frau mit langen blonden Haaren, Mandorla, in der rechten Hand drei Speere/Lanzen, in der linken ein Palmzweig, gemäss der Attribute die Hl. Debora. Korrekturen/Nachträge: Korrekturen von der Hand der Schreiberin in margine, mit schmalerem Kiel, p. 15b, p. 22a, p. 27b, p. 31a, p. 35b und passim; teilweise sind (v. a. grössere) Text-Einfügungen mit einem Zierrahmen aus einfachen Blümchen versehen, so p. 375 (siehe Abb. 15) und p. 406; passim rubrizierte Elongierungen am oberen Blattrand, so p. 20b, p. 21a, p. 76b. Vor p. 154 ein eingefügter Zettel von ihrer Hand. – Spiegelblatt vorne Eintrag von P. Jodocus Metzler (1574– 1639, stift-st. gallischer Offizial): Breuiarium iuxta usum ordinis predi[verschmiert]catorum est monasterij S Catharinae in Sancto Gallo MS . Darunter von seiner Hand: De sancta Barbara oratio, ferner [das Incipit der Oratio] Deus amator. Zustand: p. 111–114 starker Tintendurchschlag. Herkunft: Die Handschrift wurde sehr wahrscheinlich zwischen 1492 und 1498 geschrieben: Nach dem von Cordula von Schönau ins Jahr 1492 datierten Brevier (Wil M 13, siehe dort) finden sich bis 1498 (dem Jahr ihrer Entsendung als Reformschwester in das Kloster Zoffingen) keine ChronikEinträge zur Herstellung von Brevieren. Besitzer: Besitzeintrag p. 1: Diss buoch gehoert gen Sant kattrinen czuo Santt gallen prediger orden, Hand der Cordula von Schönau; darunter von der Hand des P. Pius Kolb (1712–1762): Scripsit eiusdem Monasterij Sacra Virgo Nomine Cordula de Schönau. Inhaltsangabe: p. 3a 3 1/4 Zeilen mit Incipits diverse Antiphonen, von der Hand der Cordula von Schönau, mit feinerem Kiel in kleiner Bastarda. Darunter: j Alma virgo virginis Sancta dei [.. .] jj Ab hoste maligno eripiat

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[.. .]. Einträge der Cordula von Schönau überwischt, dieses Blatt als Vorsatzblatt verwendet. – p. 7 De sta. Barbara. oratio Deus amator pudicicie . . . concede propicius vt ab hostium[!] vtriusque sexus simus semper liberi . . . – ... [ebd.] ad gaudia perueniamus eterna. Folgen 9 Lectiones, p. 13a De conceptione B. M. V. antiphona, Oratio de eadem, etc. – p. 7–617: Lectiones (/historiae) de sanctis. Literatur: Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 137; Vogler, St. Katharina (1938), S. 236f., Nr. 20; CMD−CH III (1991), Nr. 754 (Schreiber ohne Datum), Abb. 822, vgl. Abb. 468–470; Schreiberverzeichnis p. 286f. 34. Cod. sang. 407 – Lektionar [per totum annum: de tempore et de sanctis] Papier15 · Aa−Bo + 379 + X−Z folia · 23,5 × 15/15,5 cm · [15./2 Jh.: nach 1460, vor 1484] Zeitgenössische Tintenfoliierung j−CCClxxxviij mit (dunkel-)brauner Tinte, ev. von der Hand der Schreiberin; Foliierung setzt nach f. CCCxxxvj aus bis f. [338], f. 337a−g nachgetragen mit Bleistift (Hand S. M.), folgt wieder die zeitgenössische Foliierung CCCxxxviij−CCClxxxviij; f. Aa−Bo, f. X−Z mit Bleistift nachgetragen (Hand S. M.). Einband: Einband des 15. Jhs.: dunkel-rotbraunes Leder auf Holz, Streicheisenlinien diagonal über Kreuz, in den Feldern kleine runde Stempel mit fünfblättriger Blume und je vier grössere vegetabile Stempel in Blindpressung (VD und HD identisch, abgerieben); originale Leder-Messing-Schliesse HDK−VDK , Schliesse gepunzt. Keine Spiegelblätter; elf rot gefärbte Leder-Signakel. Zweifarbiges Kapital. Lagen: wechselnd: VI Aa−Al, VIII Am−Az, VI Ba−Bm, VI Bn−xj, (VI –1)xij−xxiiij, VI xxv−xxxvj, Vxxxvij−xlvi, VII xlvij−lx, Vlxj−lxx, VII lxxi−lxxxiiij, Vlxxxv−lxxxxiiij, VIII lxxxxv−lx, IV lxj−lxx, VIII lxix−lxxxiij, Vlxxxiij−lxliij, VI lxlv−Clvj, VI Clvij−Clxviij, VI Clxix−Clxxx, VI Clxxxj−[C]lxxxxiij, VI [C]lxxxxij−Cliiij, VI CCv−CCxv, VI CCxvij−CCxxvij, VI CCxxviij−CCxxxix, (VI –1)CClxiiij−CClxxiiij, folgen Sexternionen bis VII CCClxiij−CCClxxvj, (VII –1)CCClxxvij−X, IY−Z (Conspectus). Zeitgenössische arabische Lagennummerierung 1–34 mit roter Tinte (in der rechten oberen Ecke). WZ: f. Ac, f. Ad, f. Ae, f. Aj gut sichtbar: Handschuh, ohne Beizeichen, schlanke Hand, am Handgelenk rechts ein 15 Entgegen Vogler, St. Katharina (1938), S. 236, Nr. 19 (»Brevier«) Papier, nicht Pergament.

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›Ring‹, entfernt ähnlich Briquet, Filigranes III (1907), Nr. 11118 (Gordano, 1431), Nr. 11129 (Lyon, 1457), Nr. 11150 (Fossano, 1484); nicht bei Piccard, Wasserzeichen XVII (1997). Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, 13/13,5 (–14,5 gegen Schluss) × 8,5/9,5 cm, nicht ganz eingehalten, 18–20 Zeilen (–23/24 Zeilen gegen Schluss). Schrift: Der ganze Band auf dems. Papier (dieses singulär im Katharinen-Scriptorium), geschrieben von einer bekannten Katharinen-Hand in Semi-Bastarda des 15./1 Jhs., sehr wahrscheinlich identisch mit der Hand von Wil M 4, M 5 und M 12 (Schriftcharakterisierung siehe bei Wil M 4, sowie Abb. 16), auch hier mit breitem Kiel und mit eher weiten Buchstabenabständen; f. 195v schwerfällig, mit breitem Kiel; f. CCCliijv−Xr mit schmalerem Kiel. f. Aav lateinische Gebetstexte, die beiden oberen Einträge mit schmalem, unten mit breitem Kiel, von der Texthand. Buchschmuck: Einfache 1–2-zeilige Lombarden mit sparsamsten Verzierungen, einfache Initiale f. Acr. Zustand: f. 22 herausgerissen, do. f. xij zu mehr als der Hälfte abgerissen. Herkunft: Das Schreiben eines Lektionars wird in der Chronik nicht erwähnt; dennoch sind in beiden Verzeichnissen (1484 und 1507) zwai sumer tail vnd wintertail lectionarius aufgeführt. Aufgrund dessen kann vermutet werden, dass dieses Lektionar vor 1484 geschrieben wurde. Da bei den Lektionen f. Clxxxjv die 1460 kanonisierte Katharina von Siena figuriert, dürfte die Handschrift nach der Mitte des 15. Jhs. geschrieben worden sein. Nach 1460, aufgrund der Rubrik f. Clxxxjv: de sancta katerina [!] de senis ad vesperas super ps antiphona; Wiborada f. Clxxijv: Rubrik: sancta wibrada [!] virginis lectio j; f. CCxxxxiiijrv: von S johannes baptisten lecgen durch die octaf vnd an dem sonentag in der octaf so nem die vj on die dri ersten zuo dem ewangelium; do. deutsche Rubrik f. CCxxxxvv, f. CCxiiv, u. e. m. Besitzer: Kein Besitzeintrag; Zuweisung an das St. Galler KatharinenKloster aufgrund der Identifikation der Schreiberin. Mit der HandschriftenAkquisition P. Nepomuk Hauntingers 1780–1792 an StiBSG (vgl. Cod. sang. 1285, p. 11). Inhaltsangabe: f. Ac−Az, Ba−Bo: Psalmi hebdomadae. – f. j-lxxxvij: Lectiones hebdomadae. – f. lxxxviij−CCCxx: Lectiones (historiae) de sanctis. – f. CCCxx−337g: Commune sanctorum. – f. CCCxxxviij−CCClxxxviij: Officia varia selecta – Lateinisch mit deutschen Rubriken, diese aus offensichtlich lateinischer Vorlage eingedeutscht; dominikanisch, da f. CCxijv Rubrik: von S dominicus v´nserm wirdigen vater letzgen durch die octaff vnd och nemm da von an dem sonnentag [!] in der octaff, mit Oktav. – [zur arabi-

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schen Foliierung s. o.] f. 337gv: Hie nach stond geschriben die empter die durch die octaf letzgen hand an dissen buoch man hat nit willen[!] ain so grosses buo[ch] zuo schribend man het sus die empter zuo den letzgen gesetz[!]. – Am Schluss des Bandes f. Br−Cv Conspectus von bekannter Katharinen-Hand (Mitte 15. Jh.): hie findest du wz ain disem buoch geschriben ist. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 236, Nr. 19.

35. Cod. sang. 480 – Kleines dominikanisches Offizium [Buchrücken: Cursus B. M. V.] Pergament · A + 200 folia · 12 × 8/8,5 cm · 15./2 Jh. (nach 1460) Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 95–97: Einband: Einband 15. Jh. oder ev. 16./1 Jh., dunkelbraunes Leder auf (sehr dünnem) Holz, stark abgenutzt, die ehemals sehr hübsche Stempelung mit einem zentralen Medaillon und vier vegetabilen kleineren Stempeln in einem Rhombus kaum mehr sichtbar, Leder teilweise abgerissen (Holz sichtbar). Zwei Leder-Messing-Schliessen HDK−VDK verloren, bis auf die Ösen am VD , auf HD der obere Schliessen-Ansatz abgerissen. Schrift: Die Haupthand diszipliniert, mit zweistöckigem a, unzialem d, rundem s. Ablösung oder starke Schreibcäsur; f. 188v oben ev. weitere Katharinen-Hand. Korrekturen/Nachträge: Drei halbkursive Ergänzungshände f. 139v–140v; die Ergänzungshand f. 140r−v ist identisch mit der Schreiberin des Cod. sang. 407 sowie Wil M 4, M 5 und M 12, f. 177r. Herkunft: Kein Besitzeintrag; der Band nicht im Akquisitionskatalog von P. Nepomuk Hauntinger (1780–1792; Cod. sang. 1285, p. 11). Der Band stammt aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen gemäss der Identifikation der Schreiberinnenhände (s. o.).

36. Cod. sang. 486 – Processionale Pergament · 247 paginae · 7,5 × 5 cm · 14. Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 125–127: Schrift: Wohlgeformte kleine Gotica textualis des ausgehenden 14. Jhs. von einer mir bekannten Katharinen-Hand.

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Besitzer: Vogler, St. Katharina (1938), S. 241, Nr. 42, ohne nähere Begründung der Zuweisung; kein entsprechender Besitzeintrag. Die Chronik nennt f. 43v und f. 58v sieben Processionalia der Jahre 1484–1488. 37. Cod. sang. 490 – Deutsche Gebete Papier · A−G + 255 folia · 10 × 7,5 cm · 15. Jh. [vor 1498] · [Privates Gebetbuch, Cordula von Schönau] Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 137–141: Tintenfoliierung von der Hand der Schreiberin. Schriftraum: ab Mitte und gegen Schluss 15 Zeilen, jedoch nur Schriftspiegel, mit brauner Tinte, keine Linierung. Schrift: schlichte kleine, vertikale, gegen Schluss etwas halbkursive Bastarda des 15./2 Jhs., von der Hand der Cordula von Schönau, gemäss Schriftvergleich mit dem deutschsprachigen Teil des von ihr subskribierten Cod. sang. 491: Die Schrift ist sorgsam, regelmässig, diszipliniert und (für Frauenhand) ziemlich eng, z. B. f. 8v/9r; an Buchstabenformen hervorzuheben einzig die g, deren Unterschlaufe quasi ein Dreieck bildet, unziales d, vereinzelt auch die kursive Form, Schlaufe der e relativ nahe an die Basislinie heruntergezogen. Sie schreibt hier nicht ihre charakteristische, buchschriftnahe Bastarda ihrer Breviere, sondern eine mehr zur Halbkursiven tendierende, kleinere und engere Bastarda; dennoch stimmen die charakteristischen Buchstabenformen der e, unzialen d und r überein; der Duktus divergiert zwar geringfügig, ihr charakteristischer Duktus scheint aber dennoch durch. Im Vergleich mit dem deutschsprachigen Teil in Cod. sang. 491, f. 104v–141r, sowie mit Ü Ms. 5 fällt hier die Neigung zu kursiven Elementen auf, vgl. die Oberschlaufen der b, h, l, sowie die (gegen Schluss häufigen) kursiven d (neben unzialem d). Buchschmuck: einfache rote, leicht verzierte Lombarden, passim mit kleinen Schaftaussparungen, hervorzuheben die J-Lombarden mit Fisch entlang dem Schaft f. 87r, f. 89r, f. 92v, f. 115v, die gleiche Faktur wie in Cod. sang. 406 [Text und Rubrizierung von der Hand der Schreiberin], p. 505, p. 578. Korrekturen/Nachträge: Rubriken f. 38v, f. 44v, f. 92rv: patter [!] noster. Herkunft: Zur Frauenhandschrift vgl. z. B. f. 72r su´nderin, f. 173v mir armen sünderin und allgemein die Sprache, z. B. f. 107v [zu Christus] din zartes libly¨, dini minenklichen gelidly¨.

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Besitzer: Vermerkenswert die oben beschriebene fast noch zeitgenössische Restaurierung ganzer Partien von Blättern, welche offenbar früh durch starken Gebrauch unten angerissen und gebrochen waren. Inhaltsangabe: f. 79v–100v: Rosenkranz zum auferstandenen Christus, aus drei traettlin zusammengeflochten. (f. 80r) Zuo dem ersten die schin ist von drien minenklichen traettlin zuo samen geflochten ains guldin das ander silbri das drit rot guldin geschmeltzt Bett fu´r die schinen ainen globen [. . .].

38. Cod. sang. 491 – Lateinisches Officium defunctorum / Vigilia mortuorum [ad usum monasterii Stae. Catharinae sangallensis] · Gebete für die Verstorbenen Papier · A + 142 + Z folia · 10,5 × 7 cm · [vor 1498] · [Cordula von Schönau] Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 142–144: Lagen: Wortreklamanten von der Hand der Schreiberin, mit feinerem Kiel und hellerer Tinte. Schrift: Charakterisierung siehe bei Cod. sang. 490. Buchschmuck: Die Rubriken und Lombarden von der Hand der Schreiberin. Korrekturen/Nachträge: Korrekturen von ihrer Hand, wie Cod. sang. 406 (nur wesentlich seltener), Einfügungen ebenfalls mit Zierrahmen, z. B. f. 106v (hier aber nicht mit Blümchen, sondern mit einfachen kleinen Strichen), siehe Abb. 17. Nachtragshand des 16./1 Jhs.: auffallend die gebogenen Schäfte der l, t, p, h und b; unziales d, spitzes a. Herkunft: Herstellung im Katharinenkloster aufgrund der Schreiberin sowie allgemein der Ausstattung des Bändchens; vor 1498 (Entsendung der Schreiberin Cordula von Schönau in das Kloster Zoffingen/Konstanz). Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag.

39. Cod. sang. 503 f – Deutsche Gebete Papier · A, B + 157 folia · 9 × 7 cm · nach 1496/16. Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 197–200: WZ: 1. f. 34 kleiner Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, f. 42 mit Stange und Z, ziemlich sicher dies. Marke wie Cod. sang. 363 u. a., sehr ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. II , Nr. 167 (Konstanz, Rottweil, 1481), sehr ähnlich auch Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15193 (u. a.

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St. Gallen, ca. 1487; Bern, 1487). – 2. f. 39 Anker (Fragment), vom grossen Schlussknauf bis zur Widerhakenspitze 3 cm, anschliessend ausser wenigen minimen Spuren f. 92–102, f. 112–157 nichts mehr sichtbar, daher kaum verifizierbar bei Piccard, Wasserzeichen VI (1978), allenfalls ähnlich ebd. Nr. 117 (Strassburg, 1448); nicht bei Briquet, Filigranes I (1907). Schrift: 1. Hand: f. 1r–32v, 15 Zeilen, kleine vertikale, recht regelmässige Bastarda, charakteristisch die bis fast auf die Basislinie herabgezogenen Ansatzschlaufen der v, sowie die stark nach links herabgedrückten Schäfte der unzialen d mit kleinem Häkchen nach rechts, zu vermerken: hier u für lat. v, z. B. f. 10v, f. 22v Salue regina, vgl. auch f. 104v driualtikait, f. 35v aue maria, f. 22v schmaragden, die Schreiberin hat generell keine Mühe beim Schreiben lateinischer Wörter (der Duktus bleibt auch dann flüssig), vgl. auch die klassische Kürzung von corpore xpi, f. 16v keine Einrichtung sichtbar. – 2. Hand: f. 33r–91v, 14–16 Zeilen, sehr flache, auseinandergezogene, kleine Bastarda, es dominiert der Mittelkörper der Schrift, abgesehen von den Unterlängen der g und z sowie den Schäften der f und (langen) s, anfänglich mit dunklerer, fast schwarzer Tinte, auch die Rubrizierung dieses Teils von dieser Hand; zur Sprache vgl. f. 40v schmaragt, lemly¨; diese Hand identisch mit der Schreiberin von Teil I des Cod. sang. 507, f. 1r–261v, wahrscheinlich auch mit der Einschubshand in Cod. sang. 491, f. 63v–67v. – 3. Hand: f. 92r–101v, 12–14 Zeilen, eine halbkursive, sehr charakteristische Hand, mit weit nach links gezogenen Unterschlaufen; am Schluss von Teil III ein Nachtrag einer anderen, ungelenken Zusatzhand in Halbkursive, f. 102v, (f. 102r leer), anschliessend Textbruch im neu einsetzenden Teil. – 4. Hand: f. 103r–111v, f. 146r–157r, 16–18 Zeilen, identisch mit der Einschubs-/Nachtragshand in Wil M 8, f. 166rb (4 Zeilen), f. 181rab, geschrieben nach 1496, gemäss der inhaltlichen Datierung der Freuden Mariens f. 103r, der Gotica nahestehende, sehr enge Halbkursive, die geformteste Hand dieses Bändchens; sehr charakteristisch sind die w: ein Abstrich wie beim runden r mit unverbunden anschliessendem v, charakteristisch auch die Füsschen (ähnlich Quadrangeln) bei r, e, t, n, m, i, auch das g, mit nach rechts ausholender Unterlänge, Ansatz zu Unterschlaufe oberhalb des Bauches, der Bogen des h läuft ebenfalls als ›Unterlänge‹ nach links aus, etwas auffällig das finalis-n wie ein y; trotz fehlender Linierung recht gutes Seitenbild, passim Tendenz zu Elongierungen, vgl. f. 135v. – 5. Hand: f. 112r–145v, grössere Buchschrift mit hochgezogenen Schäften, Häkchen und Schlaufen. Literatur: Ochsenbein, Bernhard von Clairvaux (1994), S. 213–232, unsere Handschrift S. 215.

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40. Cod. sang. 507 – Deutsche Gebete und Rosenkränze Papier · A−D + 365 folia · 14 × 10,5 cm · 16. Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 225–228: Einband: Dunkelbraunes Leder auf Holz. WZ: f. 8, f. 78, f. 89 ein isolierter Ochsenkopf von den Ohren bis zum Horn über alles 1,8 cm, vom Typus Piccard Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. I Nrr. 220f. [in unserer Handschrift sind die Hörner aber noch stärker abwärts zurückgebogen] (Konstanz und Schaffhausen, 1461). Schrift: Teil I : f. 1r–261v: flache, aber kräftige, vorwärtseilende (daher rechtsgeneigte) Kursive einer routinierten Schreiberin des 15./2 Jhs., vgl. f. 109r su´nderin. Diese Hand identisch mit der flachgepressten Kursive in Cod. sang. 503f, f. 33r–91v – dort (f. 91v) schriberin –, wahrscheinlich auch mit der Nachtragshand in Cod. sang. 491, f. 63v–67v. – Teil II : f. 262r–365v, f. 353r mitten im Text Abbruch, f. 353v–364v leer bis auf das Fragment f. 362v, von einer Hand des 16./2 Jhs. in zur Kursiven tendierender Bastarda. Sehr charakteristische Kursive des 16./2 Jhs. einer auch in anderen Handschriften Ergänzungen anbringenden Schreiberin (wie in Cod. sang. 513 und in Cod. sang. 514, f. 144r–186). Die Nachtragshand schreibt auch auf dem vorderen Spiegelblatt einen Text zur Seitenwunde Christi. Buchschmuck: 2–3-zeilige rote Lombarden, daneben Lombarden der gleichen Faktur wie in Cod. sang. 490 und Cod. sang. 406 von Cordula von Schönau, so f. 36r, f. 37v mit Fisch an J-Lombard-Schäften [Fisch-J-Lombarden auch in Cod. sang. 1919, p. 624], f. 96v grosse O-Lombarde mit Frauengesicht, am Rand Blumenstock. Besitzer: Kein Besitzeintrag; Zuweisung aufgrund der Schreiberin. Literatur: HS IX /2 (1995), ›Klause und Schwesternhaus bei St. Georgen‹ (M. Bless-Grabher), S. 621, unsere Handschrift Anm. 20. – Die Handschrift nicht erfasst bei Vogler, St. Katharina (1938). 41. Cod. sang. 509 – Geistliches Marienbrevier: Deutsche Gebete und Betrachtungen durch das Kirchenjahr Papier · A + 190 folia · 15 × 10 cm · 16./1 Jh. · [Barbara von Boswil?] Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 230–235: Lagen: Wortreklamanten von der Hand der Schreiberin. WZ: Kleiner Bär, Vorderpartie z. B. f. 9, f. 17, f. 19, Hinterpartie z. B. f. 18; vom Typ her

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ähnlich Piccard, Wasserzeichen XV /2 (1987), Abt. I , Nr. 341 (u. a. Basel, Nürnberg, 1536/1537) und Nr. 372 (Augsburg, 1536). Schrift: Die Hand ist identisch mit der Hand des Cod. sang. 510, mit der Haupthand von Cod. sang. 513 (schriberin; siehe dort), demzufolge ev. Hand der Barbara von Boswil, sowie mit der Hand von Cod. sang. 1870, zudem findet sie sich als Einschubshand in Wil M 8, f. 166vb, f. 208rb. Rechtsgeneigte halbkursive Bastarda; a mit kleinem Sattel, unziales d (passim spitz nach links), cz- und st-Ligatur, charakteristisch der nach links gerissene Schlaufenabstrich der h, die i-Striche statt i-Punkt, sehr charakteristisch die w: ein Abstrich wie beim runden r mit unverbunden anschliessendem v. Zur Frauenhand vgl. auch f. 56r: ich ellende su´nderi, f. 63v: mich arme sunderin, f. 114v: mich arme su´nderin, f. 152v: bilgerin, f. 170v: su´nderin. Zur schriberin siehe Abb. 18. Buchschmuck: 1–2-zeilige Lombarden, ab f. 131v mit Schaftaussparungen und Punktverdickung, f. 138v J-Lombarde sehr schön (in margine links, 6,8 cm). Korrekturen/Nachträge: Rubriken von der Hand einer geschulten, disziplinierten Schreiberin des 16./1 Jhs. Herkunft: Aus dem St. Galler Dominikanerinnen-Kloster St. Katharina aufgrund der Identifikation der Schreiberin (s. o.). Besitzer: Kein Besitzeintrag. Inhaltsangabe: f. 34v: Zum Jesuskind.16 [E, steht B]y¨a du v´ber gu´ltes turtel tu´blin Ach wie hastu din wainliche stim lassen hoeren mit luttem kintlichen geschraig [. . .], wie Cod. sang. 510, f. 125r, mit geringfügigen orthographischen Abweichungen. – f. 39r: Alia. Ey¨a wie mit so lieplicher wis so muetterlich du den [. . .] kindly¨ waert bietten din maegtlichen brustly¨ die so suessenclich [. . .], wie Cod. sang. 510, f. 126r – f. 49r: Am Tag der Beschneidung. O her Nun ermanen ich dich des schmerczen so du hattest [. . .] von der beschnidung [. . .], drei Tropfen des rosenfarbenen Blutes erbittet sich die Betende auf ihren Leib, wie Cod. sang. 510, f. 143v. – f. 183v/184r Bruch im Text (f. 183v unten Bleistiftvermerk: lacuna, do. f. 190v). 16 Zum Jesuskind-Motiv vgl. den ausführlichen Kommentar bei Meyer, Katharinental (1995), S. 184 f., mit Verweis auf Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur (1980), S. 187–189. Ringler (ebd., S. 187 ff.) konnte eine breite Überlieferung dieses Erzählmotivs auch ausserhalb von Frauenklöstern nachweisen, womit gemäss Meyer eine psychologisierende Deutung hinfällig sei: Die Motivik habe »ihre Wurzeln in der Thematik der Menschheit Christi, die ab dem 13. Jh. zunehmend die theologische Reflexion und die Frömmigkeit bestimmt und besonders als Teil der Bettelordenspiritualität auch den illiterati zugänglich wurde«.

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Literatur: Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 159, ohne Zuweisung an das St. Galler Katharinen-Kloster; die Handschrift nicht erfasst bei Vogler, St. Katharina (1938).

42. Cod. sang. 510 – Deutsche Gebete Papier · 312 minus 42: 280 folia · 13 × 9,5/10 cm · 16./1 Jh. · [Barbara von Boswil?] Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 235–240: Einband: Schlichter Einband mit hellem Leder, keinerlei Verzierung; rotblaue Schnittfärbung. WZ: Kelch z. B. f. 57, f. 74, Durchmesser 2 cm, f. 58, f. 66 Fuss, ca. 2 cm, doppelt geschweift, bei Briquet, Filigranes II (1907) ev. Nr. 4548 (u. a. Sion, 1510–1513; St. Gallen, 1512–1528) [der entsprechende Band der PiccardWasserzeichenkartei noch nicht erschienen], identisch auch in Cod. sang. 513 und Cod. sang. 514. Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte. 16–19 (meist 17) Zeilen. Schrift: Charaktervolle, konzise Bastarda einer routinierten Schreiberin des 16./1 Jhs., vgl. f. 147v: ich arme ellende su´nderin, f. 278v: mich arme su´nderin. Die Hand ist identisch mit der Hand des Cod. sang. 509 (mit weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmungen, bis in die Formulierungen, s. u.), mit der Haupthand von Cod. sang. 513 (schriberin; siehe dort), demnach ev. Hand der Barbara von Boswil, sowie der Hand von Cod. sang. 1870, mit etwas spitzeren b und d; zudem findet sie sich als Einschubshand in Wil M 8, f. 166vb, f. 208rb. Duktus aufrecht, regelmässig, diszipliniert; hier sind (im Vergleich mit Cod. sang. 509) die Buchstabenformen runder, weniger kantig, die Oberlängen sind im Verhältnis zu den Unterlängen deutlich stärker betont (vgl. die g); die a (mit leichtem ›Sattel‹) stehen ›auf spitzem Fuss‹, sehr charakteristisch die w: ein Abstrich wie beim runden r mit unverbunden anschliessendem v. Zur schriberin siehe Abb. 18. Buchschmuck: Von der Hand der Schreiberin die einfachen roten zweizeiligen Lombarden, vgl. f. 156r die O-Lombarde mit ›aufgehender Sonne‹ im Innern; einzelne Lombarden nicht ausgeführt. Korrekturen/ Nachträge: Von der Hand der Schreiberin auch die Rubriken, vgl. f. 105v: responß, antiffen. Zustand: f. 51 fehlt die rechte Hälfte mitsamt der rechten Texthälfte (Textersatz Hand der Schreiberin, Schriftspiegel braune Tinte, 9 × 3,5 cm), f. 163 die untere, f. 233 die obere Ecke (beides ohne Text).

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Besitzer: f. 117 Wachstropfen: Hinweis auf nächtliche (Privat-)Lektüre. Inhaltsangabe: f. 125r: Eya du v´bergu´ltes turtul tu´bly Ach wie hastu din wainliche stim lasen hoeren mit lutem kintlichem geschray vnd mit mengen biterlichen traechnen Die dine kintlichen lutren oeglin so betrueplich vsgiessent vnd vf dinen rosanlechten wenglin von scharpfer kelty gefrurent [. . .]. – f. 130v: ›Dialog‹ mit dem Jhesuskind [Gebet zu allen Körperteilen des Christkindes, in Vorwegnahme der Peinigungen der Passion]: Ach aller liebstes kindlin Jhesus ich bitt dich [. . .] dz du mir erlobest mit dir zuo reden vnd ze kosen [. . .] vnd erlob mir fuer dich ze knu´wen vnd mit dir ze kosen Jch ku´ss dir dine zarten fuessly [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir dine bainly [. . .] Jch gru´tz vnd ku´ss dir dine knu´ly [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din maegliche kunschait [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din zartes bru´stlin vnd erdem din zartes hertz beschlosen lit [. . .] Jch gruetz dir din kinlichs kelin [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din zartes kinlin [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din zartes mu´ndlin [. . .] din zartes naesly [. . .] din hu´pschen wengly die dir din [. . .] muotter [. . .] dick mit grosen froeden hat ku´st [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din lu´tselgen oeglin [. . .] din stirnlin [. . .] dine oerlin [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir dine aermly mit denen du din muotter lieplichen vmfangen hast [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir dine hu´pschen zarten hendly mit denen du vil guoter werck hast gewuerckt [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din kintlich hoeptly [. . .] dine aechselin [. . .] Jch gruetz vnd ku´ss dir din zartes ru´gly [. . .], wie Cod. sang. 509, f. 36r–38v (bricht ab). – f. 143r: Gebet zur Beschneidung Christi: O her nun Ermanen ich dich des schmertzens [. . .] von der beschnidung [. . .] Bitt ich dich durch dz rosenuarb bluot so du vergossen hast dz du mir dauon wellest tailen den tropfen ainen vff min lib [. . .] Ainen in min hertz [. . .] ainen vff min sel dz sy davon gelu´tret vnd gerainget werd von allen su´nden [. . .], wie Cod. sang. 509, f. 49r. – f. 144r: Gebet zur Beschneidung Xpi, f. 144v: O Du vsblügendes wort des hymelschen vatters geboren jn menschlich natur [. . .] O du lieplichs zarts kindly [. . .] wie mocht din jungges geminnts hertzly so mengen schrecken nen [. . .] aber willeclich liestu dich vss der krippe nemen vnd entwinden vnd din schöns libly entbloetzen [. . .] vnd dine hendly vnd fueslin hefteclich heben vnd liest din haimlichs zarts glidly suochen vnd berueren [. . .] O vsserwelter hord wie hastu dich hu´t so rilich ergossen in dem vsfliessen dins bluotes vonn dinem verwunten zarten glidly dz erwirdiclich enpfangen vnd gehalten ward von Maria [. . .] Ach da von all din kintlich natur so ser bewegt ward vnd durch trungen mit pinlichem besniden Das din schoens lutsaeligs angesicht davon entestelt [!] vnd din rosenlacht wenglin blaichvarb wurdent vnd din claren schoenen oeglin vnzalich hais zechren vergussent mit lutem kintlichen

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geschray vnd mit wainlicher stim [. . .] Das enkain zarten noch tru´tlenn [Verschrieb: ›turteln‹] noch lieplich wis vnd geberd diner wirdigen muotter nit enhalf [. . .]. – f. 226r: [...] mit den klarificierten [!] bluot xpi [. . .]. Literatur: Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 159, ohne Zuweisung an das St. Galler Katharinen-Kloster. Die Handschrift nicht erfasst bei Vogler, St. Katharina (1938). 43. Cod. sang. 513 – Deutsche Gebete für Nonnen Papier · 249 folia · 14 × 10 cm · 16./1 Jh. · [Barbara von Boswil?] Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 252–257: Das Blatt 196, 11 × 8 cm, ev. 15./1 Jh. WZ: Kelch (wie Cod. sang. 510 und Cod. sang. 514), z. B. f. 51, f. 59, f. 66, f. 85, Durchmesser 2 cm, Fuss do., z. B. f. 43, f. 56, f. 57, Mittelknauf, Fussdekor wenig ausgeführt, ähnlich Briquet, Filigranes II (1907), Nr. 4548 (u. a. Sion, 1510–1513; St. Gallen, 1512–1528) [der entsprechende Band der Piccard-Wasserzeichenkartei noch nicht erschienen]. Schrift: Haupthand f. 1r–228v: nur leicht rechtsgeneigte, halbkursive Bastarda einer geschulten, recht regelmässigen und disziplinierten Hand einer Schreiberin des 16./1 Jhs., vgl. f. 226r die Schlussbitte: Bit got fu´r die schriberin. Konventname ders. ev. Barbara, gemäss der Rubrik f. 213r: von sant barbara [. . .] miner patroenin, daher Schreiberin ev. Barbara von Boswil (als Schreiberin belegt ab 1503); zur Hand siehe Abb. 18. Die Haupthand ist identisch mit der Hand von Cod. sang. 509 und Cod. sang. 510 sowie mit der Haupthand in Cod. sang. 1870; ferner findet sie sich als Einschubshand in Wil M 8, f. 166vb, f. 208rb. Charakteristisch der nach links gezogene Abstrich der h, die ›kantige‹ Form der b und d, die oben offenen r, die v und w, die Schäfte der b, d, h, k und l hier mit kleinen ›Fähnchen‹ nach links, die i mit Strichen statt i-Punkt; die g-Unterlänge hier (im Vergleich mit Cod. sang. 509) schwungvoller. Zur Frauenhand vgl. auch f. 85r, f. 117v, f. 168r: su´nderin, f. 64v, f. 118r dienerin, f. 227r: Das du mich din arme vnd sunder lieb gehepte dienerin gerüchist ze enpfachen. Buchschmuck: f. 108r blau-rote Initiale ornamental, mit angedeutetem rotem ›Fleuronne´‹, f. 149v do., f. 89r Initiale ornamental rot-blau, beschädigt, do. f. 161v, f. 168v intakt, kleinere Initialen ornamental ders. Faktur f. 67r, f. 82r, f. 151v, f. 210v; f. 208r ehemals rot-blaue Initiale ornamental, nur noch am linken Rand sichtbar, Illustration darübergeklebt, Leimspuren sichtbar, do. f. 216r. 2–4-zeilige rote und blaue

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Lombarden, mit Punktverdickung sowie vereinzelt mit kleinen Schaftaussparungen; Rubriken von der Hand der Schreiberin. Korrekturen/Nachträge: f. 229r–248v eine erste Nachtragshand des 16./2 Jhs., auch hier f. 232r: dienerin; f. 249r Fragment einer weiteren (vermutlich ebenfalls weiblichen). Eine Reihe verlorener Blätter wurde bereits zeitgenössisch ersetzt und von einer bekannten kursiven Hand des 16./2 Jhs. (welche auch in anderen Katharinen-Handschriften Ergänzungen vornimmt, so in Cod. sang. 507, f. 262r–365v, Cod. sang. 514, f. 144r–186r). f. 162rv ist durch ein neues papierenes Folium mit Textersatz von einer weiteren Nachtragshand (vermutlich des 16./2 Jhs.) ersetzt (sehr wahrscheinlich ebenfalls Frauenhand). Zustand: Rund 15 ehemalige Holzschnittillustrationen fehlen, unter den entfernten Bildern treten vereinzelt Themen-Stichworte von der Haupthand hervor, siehe f. 11r: hailge anuas [? unklar], 14r: hailig. f. 87 ist aufgrund der Bildentfernung lädiert (eingerissen). f. 48 f. und passim Wachsspuren; nach f. 134 Wiesenschaumkraut eingelegt. Herkunft: Der Band stammt gemäss der Schreiberin aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Inhaltsangabe: f. 27v–58v: Rosenkränze zur Passion. Auch in Cod. sang. 507, f. 262r–287r, Cod. sang. 514, f. 144r–166r und Cod. sang. 1870, p. 161– 173. Literatur: Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 160, ohne Zuweisung an das St. Galler Katharinen-Kloster. Die Handschrift nicht erfasst bei Vogler, St. Katharina (1938). 44. Cod. sang. 514 – Deutsches Gebetbuch Papier · A−D + 186 folia · 14 × 10,5 cm · [16./1 Jh.] · Regina Sattler, Elisabeth Schaigenwiler u. a. Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 2 (2008), S. 257–261: Lagen: Vorsatz A−C ev. ein ehemaliger Binio. Teil I: III D+1–4, 3IV 5–29, II 30–33, VI 34–45, IV 46–53, (IV –1)54–60, das letzte Blatt herausgerissen; Teil II : (IV +2)61–70, mit nach f. 62 eingehängtem leerem Bogen f. 63+64, späteres Papier, 3IV 71–94, III 95–100 (Textschluss), 2IV 101–116, II 117–120, IV 121–128 ist zusammengeklebt, am Anfang Blattrest; Teil III : VIII 129–143; Teil IV : VI 144–155, 3IV 156–179, III 180–186 (Textende f. 186r). WZ: Teil I: 1. Grosser Ochsenkopf,

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ohne Nüstern, Augenpartie und Hornansatz nie sichtbar (ev. das Gesicht mit Mittelachse), mit Stange und Schrägbalken über 8 cm, z. B. f. 1, f. 21, f. 26, von Hornspitze bis zum Kreuzungspunkt Schrägbalken 5,5 cm, klotziger Kopf, gut sichtbar f. 2, f. 20. – Teil II : Doppelturm mit drei Zinnen, Mittelteil nie sichtbar (Fenster? Falltor? etc.), Turmbreite beim Kragen 1,6 cm, ähnlich auch Piccard, Wasserzeichen III (1970), Abt. VIII , Nr. M 224 (u. a. Konstanz, Meersburg, Salem, 1589–1592). – Teil III : 1. Kelch (wie in Cod. sang. 510 und Cod. sang. 513), doppelt geschweift, bei Briquet, Filigranes II (1907) ev. Nr. 4548 (u. a. Sion, 1510–1513; St. Gallen, 1512– 1528) [der entsprechende Band der Piccard-Wasserzeichenkartei noch nicht erschienen]. – Teil IV : vermutlich grosser Ochsenkopf, nur Seitenprofil sichtbar; f. 129, f. 141 Ochsenkopf mit löffelförmigen Ohren, mit kurzer Stange und Stern, f. 131, f. 143, ev. identisch mit dem 2. Ochsenkopf in Wil M 42, ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 441 (u. a. Winterthur, 1457–1463), nicht bei Briquet, Filigranes IV (1907). Schrift: Teil II , von Frauenhand des 16./2 Jhs. – Teil III : 1. Hand: f. 129r–142v, halbkursive, vertikale Bastarda von der Hand der Regina Sattler (zur Schrift siehe bei Cod. sang. 990). 2. Hand: f. 142v–143v, disziplinierte und elegante, leicht elongierte Bastarda einer ausgebildeten Schreiberin, gemäss Schriftvergleich identisch mit der Hand der Elisabeth Schaigenwiler (ihre Hand auch in Cod. sang. 990, p. 316a–589a, dort kalligraphisch sehr qualifiziert). Charakteristisch hier das finalis-s, die g, e, v und w, sowie insbesondere die Fähnchen an den Schäften der (unzialen) d, der h und k. – Teil IV : f. 144r–186r, stark rechtsgeneigte, flüchtige Kursive des 16./2 Jhs., identisch mit der bekannten kursiven Katharinen-Hand, die auch in anderen Handschriften Ergänzungen vornimmt, wie in Cod. sang. 513 (siehe dort) und in Cod. sang. 507, f. 262r–365v. Zustand: f. 43 tintenverschmiert. Herkunft: Zuweisung an das Katharinen-Kloster aufgrund der Schreiberinnen. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Inhaltsangabe: f. 129r: Gebet vom Leiden Christi, mit 583991 Jahren Ablass, auch in Cod. sang. 513, f. 10v–20v (jedoch mit einer GesamtablassSumme von 583 880 Jahren). – Die Rosenkränze zur Passion Christi auch in Cod. sang. 507, f. 262r–287r, Cod. sang. 513, f. 27v–52v sowie Cod. sang. 1870, p. 161–173. Literatur: Die Handschrift nicht erfasst bei Vogler, St. Katharina (1938).

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45. Cod. sang. 597 – Leben der Altväter (Vitaspatrum, deutsch) Papier · 474 paginae · 21 × 14,5 cm · 15. Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), S. 148f.: Vorne papierner Conspectus von der Hand Gustav Scherrers; ev. fehlt eine Vorsatz-Lage, obwohl Textbeginn p. 1, Platz und Fäden noch vorhanden, ebenso ein pergamentener Falzstreifen, mit deutschem Text in kleiner Kursive wohl des 14. Jhs. (Makulatur). Einband: Zeitgenössischer schlichter Katharinen-Einband. Lagen: Lagennummerierung i−xx mit roter Tinte, wohl von der Hand der Schreiberin. WZ: Traube vgl. auch Briquet Filigranes IV (1907), Nr. 13027 (u. a. Zürich, 1432–1435; Nyon, 1434/1500; Lausanne, 1435/1469). Schrift: Spätgotische Buchschrift mit ausgesprochen runden Buchstabenformen, Duktus aufrecht, ohne Oberschlaufen, von der Hand einer aus Wiler Codices bekannten Schreiberin. Herkunft: Zuweisung an das Katharinen-Kloster aufgrund der Schreiberin. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Literatur: Zur Handschrift siehe hier Kap. III .1: Bibliotheksverzeichnisse, S. 135, mit Anm. 24. 46. Cod. sang. 600 – Das Buch der neuen Ee (Leben Jesu und Marien) Papier · 148 folia · 30 × 21 cm · 15./2 Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), S. 153f.: Schrift: Zierliche, saubere Kursive von einer Hand des 15./2 Jhs., tendenziell mit Betonung des Mittelkörpers. Herkunft: Geschrieben nach einer Vorlage der Nürnberger Dominikanerinnen, gemäss KlA Wil, Chronik, f. 62v, zum Jahr 1490: wir hand [. . .] geschriben [. . .] ain schoen großß [!] buoch von dem leben Christi [. . .] und hatend uns die von Nürenberg das buch gelichen darab wirs schribend. Besitzer: Kein Besitzeintrag. Literatur: Zur Handschrift siehe hier Kap. IV .1: Schriftlicher Austausch, Nürnberg, S. 215 f., mit Anm. 48.

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47. Cod. sang. 603 – Von den 40 Myrrhenbüscheln · Leben der Schwestern von Töss · Leben der heiligen Ida, Elisabeth von Ungarn, Margarethe von Ungarn · Mechtild von Hackeborn, Buch der besonderen Gnade · Kloster Katharinenthal: Gründung und Leben der Schwestern · Leben des heiligen Ludwig Papier · II + 689 paginae · 27 × 20 cm · 15./2 Jh. [1493] · S. R. S. [Regina Sattler] und andere Ergänzungen zu Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), S. 162–166: WZ: [Analyse des Codex nach Grubmüller, Viten (1969)] Faszikel A: p. 1– 162 (7 Lagen: VI + V + 4VI + [VI –1]). Lage 1–6: Ochsenkopf mit Stange und Schrägstab [Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. V , Nr. 357 (Bodenseeraum, 1491–1501)]. Ehemals Einheit: durchlaufende Foliierung des 16. Jhs. f. 1–80 [recte: –81]; Hand a; Inhalt: 40 Myrrhenbüschel, Vita der Hl. Ida. – Faszikel B: p. 163–443 (11 Lagen: [VI –1] + V + 9VI ); Wasserzeichen Lage 1–11: Krone mit Kreuz [Piccard, Wasserzeichen I (1961), Abt. IV , Nr. 2, Zürich, 1493]. Ehemals Einheit: Paginierung des 16. Jhs. p. 1–149 [recte: –150] (= neue Paginierung p. 163–329), doch eher von Hand des 15. Jhs., ab p. 330 (der neuen Paginierung) fortgesetzt von einer späteren Hand des 16. oder 17. Jhs., bis p. 189 (= p. 368 der neuen Paginierung); Hand b; Inhalt: Schwesternbuch von Töss, Vita der Margarethe von Ungarn, Mechthild von Hackeborn, Liber specialis gratiae. – Faszikel C (C1 + C2): p. 444–499 (2 Lagen: VI + V), p. 500–571 (3 Lagen: 3VI ); Wasserzeichen C1: Krone mit Kreuz (wie B) und Ochsenkopf mit Stange und Schrägstab [ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. V , Nr. 141]; C2: Krone mit Kreuz (wie Faszikel B). Ehemals Einheit: Paginierung des 16. Jhs. (?) p. 1–110 durch beide Teil-Faszikel (p. 461–571 der neuen Paginierung); C1: Hand g; C2: Hand b. Inhalt: Katharinentaler Schwesternbuch. Faszikel C1 gemäss Meyer, Katharinental (1995), S. 61 »gezielte Ergänzung zu C2 [Grundcorpus der Viten]«, »streng genommen die beiden Faszikel beim Binden vertauscht«. Ferner wäre gemäss ders., ebd. Ü Ms. 22 eine getreue Abschrift von Cod. sang. 603, C1 (Meyer: G1) und C2 (G2), so schon Grubmüller, Viten (1969), S. 179–181; siehe Kap. V .2: Kloster Zoffingen, Handschriften, S. 246f., mit Anm. – Faszikel D: p. 572–689 [recte: –684] (5 Lagen: 4VI + [V+1]); Wasserzeichen Lage 1 und 2: Ochsenkopf Nr. 357, Lage 3–5: Ochsenkopf Nr. 358 (beide wie in Faszikel A); Hand a; Inhalt: Ludwigs-Legende. – Die ehemals selbständigen Faszikel wurden Ende des 15. Jhs. zu einem Sammelband vereint; der heutige Einband ist

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nicht mehr der originale (s. u.). Eine Untersuchung der Wasserzeichen der einzelnen Faszikel durch Meyer, Katharinental (1995), S. 9, ist nicht erfolgt, diejenige durch Grubmüller, Viten (1969), S. 173–175, bei ders., ebd. offenbar nicht weiter berücksichtigt – mit weitreichenden Konsequenzen, s. u. – Wasserzeichen im Nachsatz sehr speziell: in einem doppelten Kreis (Durchmesser 7 cm) ein auf den Hinterbeinen stehender Bär sowie ein Geissbock (do.), nicht bei Piccard, Wasserzeichen XV /2, Abt. I (1987), Nrr. 1266–1285, auch nicht bei Briquet, Filigranes III (1907). Schrift:17 1. Hand der Regina Sattler, p. 1a–153b, p. 572a–684b, wenig ausgeformte Bastarda, mit Kolophon p. 684b: Gedenckent durch got der schriberin S.[chwester] R.[egina] S.[attler] (siehe CMD−CH III [1991], Abb. 814, mit Lesung B. R. S. sub Nr. 785). Nicht sehr regelmässiger Duktus aufgrund schwankender Buchstaben- und Wortabstände, unsichere Zeilenführung (teils innerhalb einzelner Wörter, da keine Linierung, nur Schriftspiegel-Einrichtung), das Wortbild gelingt ihr mitunter recht gut, aber das Seitenbild insgesamt ist nicht klar und einheitlich (vgl. z. B. p. 7b); die unzialen d sind sehr bauchig (mitunter auf der imaginären Linie aufliegend), die Schlaufe des e ist teilweise bis fast auf die Basislinie heruntergezogen (vgl. v. a. die Rubriken), die Schäfte der b, h, k, l etc. sind meist nach oben verdickt, die g-Schlaufe zum Bauch heraufgezogen (sogar bis oberhalb der imaginären Zeile), die t sind meist stark linksgeneigt. – 2. Hand p. 163a–443b, p. 446a–499b, p. 500a–571b, tief schwarze (respektive schwarz gebliebene) Tinte. p. 163a Textualis, fortgesetzt in von der Gotica beeinflusster, frakturnaher Bastarda, etwas mehr formbestimmt, trotz Schwankungen im Duktus (Buchstaben- und Wortabstände) und in der Zeilenführung, p. 163a ff. passim kleiner und enger; aufrecht, nur 17 Zur Forschungsdiskussion um die Auflösung der Schreiber(innen)-Initialen siehe Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), S. 163 (Lit.); Vogler, St. Katharina (1938), S. 255, Nr. 80 gibt als Schreiberinnen drei Hände an, von welchen sie eine der Schwester Regina Sattler zuweist, ohne Präzisierung des Schreiberanteils und ohne auf die Initialen einzugehen, sie datiert aufgrund chronikalischer Quellen um 1490–1493; Grubmüller, Viten (1969), S. 172–175 und später Meyer, Katharinental (1995), S. 9, lösen mit »Regina Sattler« auf, Grubmüller präzisiert den Textanteil dieser Hand und übernimmt dabei die nur chronikalisch abgestützte Datierung der Handschrift durch Vogler. Der Vorschlag einer Lesung B. R. S. und einer anderen Hand als die der Regina Sattler im CMD−CH III (1991) sub Nr. 758 erwies sich als nicht haltbar: Obwohl Duktus und Schriftbild (Buchstabenabstände) unserer Handschrift und des von Regina Sattler (auch nur mit Initialen) subskribierten Cod. sang. 990 divergieren, weisen Buchstabenvergleiche doch auf dieselbe Schreiberin. Zur Hand der Regina Sattler siehe ebd., mit Abb. 814.

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die langen s sowie p und l mitunter linksgeneigt, mit tendenzieller Betonung des Mittelkörpers; v. a. zu Beginn, p. 163 ff., ist die Hand sehr diszipliniert.18 Charakteristisch für die B/C2-Hand ist ein gezacktes Häkchen (weder hochgestelltes e noch Strichlein) über dem u für Umlaut, z. B. (im Faszikel B seltener, öfter hochgestelltes e, aber dort:) p. 180b cruztz, p. 518 bruznent, p. 530a Cruztz, dasselbe findet sich auch bei der C1-Hand, p. 446b gestruzpf, luzt, luztten, p. 497b natuzrlich, p. 499a nuzt. Charakteristisch für die Hand ist ferner das unziale d mit einem ›Dorn‹ nach links in der Bauchmitte: im Faszikel C1 z. B. p. 446a, Zeile 7 und 9 (des Texts), im Faszikel C2 p. 500b, Zeile 13. – Die Blätter p. 444 und p. 445 sind in die Bindung (nach Textende p. 443b) integrierte Zettel von einer Hand des 18. Jahrhunderts; dies. Text-Hand (i. e. die 2. Hand des Bandes) setzt p. 446a mit dunkelbrauner Tinte neu ein (mit der Gründungsgeschichte des Klosters St. Katharinental): p. 446a–449b eine Art ›Zwischenpartie‹, die Schrift weniger formbetont und diszipliniert, aber engere Buchstabenabstände, dafür mit Unregelmässigkeiten im Duktus, v. a. in der Zeilenführung. Es finden sich in beiden Partien (vor und nach der ›Cäsur‹ p. 443/446) übereinstimmende Buchstabenformen, vgl. die e und a (beide jeweils in verschiedenen Ausformungen), die h, k, das finalis-s, vgl. v. a. auch die v am Wortanfang p. 443 (Faszikel B) und p. 444 (Faszikel C1); charakteristisch auch die h, wie ein l mit Oberschlaufe und daneben gesetztem geradem Abstrich (wie ein j); ›eckig‹ v. a. die unzialen d sowie die Oberschlaufen der h, k, l. Korrekturen/Nachträge: In margine einzelne zeitgenössische Korrekturen, ferner wenige Marginalien des 17. Jhs. Herkunft: Gemäss Chronik-Eintrag f. 71v wurde die Handschrift (wenigstens der grössere Teil) im Jahr 1493 geschrieben: Jtem in dem lxxxiij jar hand wir geschriben . . . – . . . ain schwoestren buoch vnd ain hu´psch ler genamp [!] dz mirren bu´schelin [vnd?] der[?] von Sant ludwigs leben des barfuossen[,] dis gehoert zemen ze binden. Gebunden wurden die Faszikel im Jahr 1495: [.. .] wir hand [. . .] ain gross tu´tzsch buch in gebunden dz vor 18 Vgl. Abb. 8 (»2.« Hand), S. 61 von p. 500 der Handschrift und Abb. 7 (»3.« Hand), S. 60 von p. 446 der Handschrift bei Meyer, Katharinental (1995); dies. ebd., S. 9, unterscheidet drei Hände: Hand a: Faszikel A und D, = Regina Sattler, Hand b: Faszikel B und C2 (= G2), Hand g: Faszikel C1 (= G1), ohne Abgrenzung der (mit keiner der drei von ihr unterschiedenen Hände) identischen Hand p. 446a–449b. – Eine »3. Hand« (Hand g: Faszikel C1) hat erstmals Grubmüller, Viten (1969), S. 173 f., ausgegrenzt, ohne die Übereinstimmung der Hände der Faszikel B und C2 (Grubmüller: Hand b) mit der (Haupt-) Hand des Faszikel C1 (Hand g) zu erkennen.

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etlichen iaren geschriben ist[,] stat von Selgen S ran vnd dz mirren bu´schili [. . .], KlA Wil, Chronik, f. 76r, zum Jahr 1495. Nicht zu klären ist, ob mit schwoestren buoch das Schwesternbuch von Töss (Handschrift p. 163–368) oder das Katharinentaler (Handschrift p. 500–571) gemeint ist. Inhaltsangabe: p. 1a–145a Vierzig Mirren Büscheln.19 – p. 145b–152b: Von santa Yta leben.20 – p. 162b unten: avch gott wie kan und mag ijch fröchlich sin [.. .] – p. 163a–328b [Viten der Schwestern zu Töss].21 – p. 446a–499b [Gründungsgeschichte von St. Katharinental bei Diessenhofen].22 – p. 571b moralisierendes Verslein zum Lügen: lugni schaidet fru´ntschaft fil / wo man der lugni geloben wil . . . – . . . halt fu´r guot jeder man / du waist nit wz der ander kan amen.23 – Explicit p. 571b: [.. .] Hie hat dis buoch von den saelgen Schwoestren des Closters Sant Katherina Tal bij diessenhoffen [am Rand, abgekürzt: predyger orden] ain end in dem Jar do man zalt . . . // bricht ab, Jahreszahl fehlt. Literatur: Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 193 f.; Vogler, St. Katharina (1938), S. 255f., Nr. 80; Knoepfli, Albert, Die Geschichte des Klosters St. Katharinental, in: Das Graduale von St. Katharinental, Kommentarband 19 Der Titel ›Fasciculus myrrhae‹/›Myrrhenbüschel‹ leitet sich ab von Ct 1,12: Fasciculus myrrhae dilectus meus mihi; inter ubera mea commorabitur (wo die sponsa den Wohlgeruch ihres Geliebten preist). Im Abendland wurde dieses Bibelwort fast von Anbeginn auf die Betrachtung des Leidens Christi bezogen (Beda, Alkuin). Breit ausgebaut wurde diese Vorstellung erstmals von Bernhard von Clairvaux (Sermones in Cantica, Nr. 43). »Der Traktat, in dem unter dem Bild von 40 Myrrhenbüscheln 40 Stationen von Jesu Leiden (vom letzten Abendmahl bis zu Grabbewachung/Auferstehung) behandelt werden, zeigt dem geistig-stilistischen Habitus nach ein Nachklingen der ›Seuse-Mystik‹. Ein geistlicher Vater führt in den teilweise dialogisch gestalteten ›V. M.‹ anhand der ›Erlebnisse‹ einer exemplarischen Seele seine geistlichen Kinder (primär: Nonnen) in die Leidensmystik ein und belehrt sie über den Nutzen der Betrachtung der jeweiligen Leidensstation.« VL 2 6 (1987), Sp. 832–839 (Dietrich Schmidtke) (unsere Hs. Sp. 834 f., als Nr. 3 unter deutsche und niederländische Fassungen); Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003), S. 165 (Lit.). 20 Stimmt gemäss Vogler, St. Katharina (1938), S. 257, wörtlich mit der IdaLegende in Überlingen Ms. 1 überein. 21 Das Schwesternbuch von Töss wurde von Johannes Meyer um die Mitte des 15. Jhs. mit einer eigenen Einführung neu herausgegeben; vgl. Williams-Krapp, Frauenmystik und Ordensreform (1993), S. 123. 22 Vgl. VL 2 2 (1980), Sp. 93–95 (Klaus Grubmüller), unsere Hs. Sp. 93 f. unter fünf weiteren. 23 Dieser Spruch auch in Ü Ms. 22, f. 320ra, mit orthographischen Abweichungen. Nicht bei Scarpatetti, Handschriften St. Gallen 1 (2003).

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zur Faksimile-Ausgabe, Luzern 1983. CMD−CH III (1991), S. 244f., Nr. 758; Meyer, Katharinental (1995), zur Handschrift S. 9 f., S. 44–46, S. 53–56 passim (S. 53 Stemma), S. 59–66, S. 70, S. 78 f. 48. Cod. sang. 990 – [Sammelband aszetischen Inhalts] Papier · 589 paginae · 30,5 × 21/21,5 cm · 1521 Juni 11/1522 · Regina Sattler, Dorothea von Hertenstein, [Elisabeth Schaigenwiler] 589 Seiten, Tintenpaginierung I. v. A., springt 391/93, danach die Geraden rechts. Keine Vorsätze. Einband: Einband helles Leder auf Holz; Streicheisenlinien, die einen vierfachen Rahmen bilden: Im äusseren Rahmen Flechtband, im zweiten in frauenfigürlicher Darstellung die Tugenden FIDES , SPES , CARITA [S], FORTIT [UDO ]. Leder-Messing-Schliesse (vermutlich original) erhalten; Schutzecken VD und HD aus Pergament-Fragmenten (liturgisch, Textualis, mit Notation).24 Lagen: VIII 79–108, V109–128, VII 129–156, V157–176, VII 177–204, II 205–218, VIII 219–250, IV 251–266, VIII 267–299, III 300–311, (VIII –1)312–341, V342–361, VII 362–389, (VI –1)390–409, VII 410–437, V428–457, VII 458–485, (V+1)486–507, (V+1)508–529 (Lage hängt nur noch lose an einem Faden), p. 530/531 ein folium unklarer Zuordnung, do. p. 532/533, (V+1)534–555, p. 556–573 unklar, letzte Lage II 582–589. Die unregelmässigste Lagenformel in Handschriften des Katharinen-Scriptoriums (was der sehr sorgfältigen Ausführung der Abschrift widerspricht). Bunter Wechsel von Binio, Tern-, Quint-, Sext-, Sept- und Okternionen; einzelne Lagen zudem in sich unregelmässig, da unvollständig, daher nicht klar bestimmbar. Die Usanzen der Blütezeit des Scriptoriums waren offenbar vollständig ausser Gebrauch geraten. WZ: 1. Bär mit heraushängender Zunge, Senkrücken, Stummelschwanz, gut sichtbar p. 79 (leeres folium), ders. Bär p. 18, ähnlich Piccard, Wasserzeichen XV /2 (1987), Abt. I , Nr. 439f. (Kopfform variiert) (Solothurn, Zürich, Zug, 1513; Ansbach, Tuttlingen, 1514; vgl. auch Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 12268 (Bern, 1513). – 2. Traube p. 53, klein- und engbeerig, nie ganz sichtbar: vgl. Piccard, Wasserzeichen XIV /I (1983), Nr. 643 (Schwyz, 1447); ferner ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 13048 (Kirchberg, 1444; Schwyz, 24 Höpf, Fabri (1951), S. 19, Anm. 183: »Dr. Bischof in München hält den heutigen Einband für ursprünglich (mündliche Mitteilung vom 20. Sept. 1948)«. Zur Handschrift allgemein: ders. ebd., Kap. IV , S. 18–20; zum Inhalt S. 20–26.

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1452).25 Schriftraum: Zweispaltig 22/22,5 × 6,5/7 cm, 31–36 Zeilen (Elisabeth Schaigenwiler), Schriftspiegel braune Tinte, schlichte 2–3-zeilige rote Lombarden, p. 527a–528b (Elisabeth Schaigenwiler) bei den J-Lombarden verschnörkelte Verzierungen. Schrift: 1. p. 3a–200a von der Hand der Regina Sattler (mit fremden Einschüben, s. u.): kräftige, halbkursive Bastarda mit eher runden, nur passim und andeutungsweise gebrochenen Buchstabenformen (u, a, i), brezelförmiges finalis-s; sehr charakteristisch die g mit oberhalb des Bauches ansetzender Unterschlaufe, welche bis zum Bauch heraufgezogen ist (sogar über die imaginäre Linie), schräge Haarstriche statt i-Punkte. Kolophon p. 200a: Est finis Laus deo Mille deo gratias Anno domini x v xxij S.[oror] R.[egina] S.[attler] Orate pro me; CMD−CH III (1991), Abb. 589 a und b. Datierung p. 75b: Durch doctor wendelinum von phorczen geprediget. Laus deo mille. Deo Gratias. Scripsit m ccccc vnd xxj jar 〈xv c xxj〉 [am Rand]. Est finis jn die barnabe apostoli. Wendelin Fabri war gemäss der Rubrik p. 201a Beichtvater und Lesemeister (p. 3a) des Dominikanerinnenklosters Zoffingen in Konstanz, vgl. auch das Incipit p. 3a: Das ewig hail allen lesenden dissen Tractat wuensch ich vff [?, Verschrieb ab der Vorlage (= Autograph Fabris?)] Wendelinus von phorczen prediger ordens Lesmaister der goetlichen geschrifft. – 2. p. 201a–314b von der Hand der Dorothea von Hertenstein, in fortlaufendem Wechsel mit Elisabeth Schaigenwiler (nicht verzeichnet im CMD und bei Höpf, Fabri [1951], s. u.); p. 314b: Deo Gratias Bittend got fuer mich boesse Schriber〈in〉 [radiert] S.[chwester] Dorothea von hertenstein, siehe Abb. 19; CMD−CH (1991), Abb. 590. Klare, kräftige Bastarda fast ohne kursive Elemente, mit aufrechten, runden, einfachen Buchstabenformen ohne Schlaufen und Schnörkel, kleine ›Fähnchen‹ an den Schäften der unzialen d, der l, b und k, brezelförmiges finalis-s. – 3. p. 316a–589a von der kalligraphisch sehr qualifizierten Hand (singulär im Katharinen-Scriptorium) der Elisabeth Schaigenwiler (nicht subskribiert, gemäss KlA Wil, Chronik, f. 166v, s. o.): buchschriftnahe Bastarda auf hohem Niveau, sehr diszipliniert und formbetont, offensichtlich routiniert, Duktus aufrecht, enge Buchstabenabstände, keine Oberschlaufen; Buchstabenformen generell etwas ›scharfkantig‹, g mit zurückgenommener Unterlänge, Schlaufen-Abstrich nach oben und rechts verlängert, do. die h-Abwärtsschlaufe kaum ausgeprägt, do. die Unterschlaufe der z; rundes und kursives r, neben langem s rundes finalis-s, spitzes a mit kleinem ›Sattel‹, rundes, tief auf die Linie heruntergezogenes e, mit kleiner 25 Die Wasserzeichenbestimmung bei Höpf, Fabri (1951), S. 18, mit Anm. 176, nicht zutreffend.

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Einbuchtung rechts; n und m mit quadrangel-ähnlichen Füsschen, statt i-Punkten feine Haarstriche, Neigung zu Häkchen an den Schäften der b, d, h, k und l, passim häufiger, z. B. p. 575. Siehe Abb. 20; CMD−CH III (1991), Nr. 241, Abb. 591, ohne Identifikation der Hand (in Unkenntnis der zitierten Chronik-Stelle), mit der Vermutung, »die anschliessende kalligraphisch sehr qualifizierte Hand« der nicht subskribierten Partie p. 316a–589a sei möglicherweise ebenfalls Dorothea von Hertenstein zuzuweisen. – Neben den beiden subskribierenden Schreiberinnen und Elisabeth Schaigenwiler Einschübe einer (nicht namentlich identifizierten) Katharinen-Hand in halbkursiver Bastarda: p. 32b (7. Zeile von unten, zwei letzte Wörter) bis p. 33b kleiner und mit schmalerem Kiel, p. 62a (in der 10. Zeile nach dem 2. Wort) bis p. 62b (13. Zeile von oben), p. 130a, p. 131a (4. Zeile von oben bis 13. Zeile von unten), p. 210a (mitten im Teil der Elisabeth Schaigenwiler, nicht verzeichnet im CMD−CH III [1991]); charakteristisch für diese schwungvolle Hand das kursive d (neben der unzialen Form) mit (im Verhältnis zum Bauch) recht grosser, nach links geneigter Oberschlaufe, ähnlich bei h, b und l, mit nach rechts geneigten Oberschlaufen. Die Einschübe erfolgen jeweils mitten im laufenden Text und Satz, vgl. besonders f. 62va: [.. .] doch verzicht es nit die su´nd dz in der conscientz sind dz ist die su´nd in der der mensch ainen lust vnd willen noch hat vnd die nit lassen will [. . .] (normal: Hand Regina Sattler, fett: Nebenhand). Schriftvergleiche mit bekannten Katharinen-Händen ergaben keine Übereinstimmung mit dieser Einschubshand.26 Korrekturen/Nachträge: p. 586a Korrekturen in margine von ders. Hand des 17. Jhs. wie in Cod. sang. 1788. p. 361b–365a Bibelstellen und Nummerierung von Hand des 17. Jhs. Zustand: Der Band teilweise stark beschnitten, z. B. p. 454 am oberen Blattrand die Rubrik, p. 542/543. Herkunft: Zur Handschrift KlA Wil, Chronik, f. 166v, von der Hand der Priorin Sapientia Wirt, zum Jahr 1521: Jtem in disem jar hand wir ablon schriben gar hu´bsche nutzliche matere[!] von dem hailgen wirdigen sacrament vnd von der hailgen mess vnd sust gar nutzi guoti ler von haltung vnd lob gaistlichs lebens das alles geprediget vnd mit siner hand geschriben der erwirdig hochgelert her vnd vater doctor wendelinus fabri der zit er bicht vater wz zuo zoffnigen [!] in constantz vnd dis buoch hand abgeschriben S r regina satlerin [!] vnd S r dorate von hertenstain vnd S r elsbet schaigenwillerin [!] ist ain groß hu´bsch buoch in briter gebunden. – Wendelin Fabri 26 Die »Schriftzüge von 7 anderen Schwestern« bei Höpf, Fabri (1951), S. 19, Anm. 181 (mit Stellenangabe) sind ein Irrtum: die Einschübe stammen alle von derselben Hand (s. o.).

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arbeitete seine Zoffinger Klosterpredigten in den Jahren 1510 bis 1518 für die klösterliche Tischlesung aus. Besitzer: Besitzeintrag Spiegelblatt vorne: Behört zu St. Catharina kloster vor Weil, von der bekannten Hand der Wiler Einträge (16./2 Jh.). Zuweisung an das Katharinen-Kloster aufgrund des obigen Chronik-Eintrags sowie aufgrund der Schreiberinnen.27 Inhaltsangabe: p. 3a–589a: Wendelinus Fabri, Traktate:28 p. 3a–70a: Tractat von dem sacrament des fronlichnams,29 (p. 5a–7a) Die infuerent red Concipite et manducate hoc est enim corpus meum [. . .] und Inhaltsübersicht (Conspectus). – p. 70a–75b: Predigt über die fünf Gerstenbrote der Ordensleute. – p. 76a–82b leer. – p. 83a–200a: Tractat von der mess: Die ›Früchte der mess‹. – p. 201a–314b: Villicatorius, (p. 201a)30 DEr [!] gaistlichen materi genampt villicatorius des Erwirdigen hochgelerten heren vnd vatters wendelinus fabri der goetlichen schriff ain bewerter doctor vß dem Conuent pfortzhaim hatt dise nach folgent matery¨ geprediget vnd hat es selbs vff geschriben ze constantz in dem closter zuo zoffingen der bicht vatter er do zemal was . . . – (p. 314b) ... Damit endet sich villicos [!] im ersten taill.31 – p. 315ab leer. – p. 316a–533b: Prudentia simplex religiosorum,32 (p. 316a–385a) Tractatus von 27 Der zitierte Besitzeintrag bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 246, Nr. 60 (ohne die zitierte Chronik-Stelle) sowie bei Höpf, Fabri (1951), S. 19 (beide mit Lesefehlern). 28 Wendelin Fabri (* um 1465, um 1485 Eintritt in den Predigerorden, † nach 1533) war 1508 Lektor in Pforzheim, 1509 Spiritual des Frauenklosters Zoffingen Konstanz. Im Jahr 1512 wurde das Katharinen-Kloster von Fabri visitiert; 1511/12 erlangte er in Rom die Doktorwürde; seit 1527 im Meersburger Exil; seit 1528 Besitzer der Pfründe von Allerheiligen auf dem Gehrenberg bei Markdorf. Zur Biographie des Wendelin Fabri Höpf, Fabri (1951), S. 8–18, zum Spiritual in Zoffingen S. 11 f. Zu Fabri auch VL 2 2 (1980), Art. ›Wendelin Fabri‹ (Kurt Hannemann), Sp. 698–670 (Lit.), zur Handschrift Sp. 669; Höpf, Fabri (1951), S. 26–29. – Unsere Handschrift ist, gemäss Höpf, Fabri (1951), S. 18, »bis heute die einzige Quelle geblieben, die uns die geistlichen Werke des [Wendelin Fabri] übermittelt«. 29 Überarbeitung einer Reihe von eucharistischen Predigten, in 16 Kapiteln. 30 Allegorie einer ›geistlichen Meierei‹, als Einführung in das asketische Leben: emblematische Übertragung des Landbaus auf das geistliche Leben. 31 D. h.: ein 2. Teil in Aussicht gestellt, von dem jedoch jede Spur fehlt. Höpf Fabri (1951), S. 26 wagt die These, Fabri sei von seinem Plan eines 2. Teils abgekommen; an dessen Stelle sei das Sammelwerk ›Prudentia simplex religiosorum‹ getreten. 32 In vier Traktate gegliederte geistliche Übungen für Religiosen.

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der schlechten ainfaltigen wißhait: Ordinarius vitae religiosae (= 1. Traktat), (p. 385a–449b) Von den Übungen der Geistlichen/Exercitatorius religiosorum (= 2. Traktat), (p. 450a–496b) Von den uebungen des tags/Diurnale exercitiorum/Tractaetli Diurnale (= 3. Traktat), (p. 474a) von lessen vnd stuodiren vnd betrachten in buochern vnd schrifften, (p. 491b ff.) von tisch lessen, (p. 497a–533b) Von den uebungen der nacht/Nocturnale exercitiorum (= 4. Traktat). – p. 534a–589a: Wendelin Fabri, Collationes: Über die 7 O [i. e.: O-Antiphonen] vor winacht [christologische Auslegung].33 Literatur: Zur Handschrift und zu den Schreiberinnen: Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 376: »Den Nonnen zu S. Kathrinen in Wyl gehörig«; Vogler, St. Katharina (1938), S. 246, Nr. 60, nennt als dritte Hand Elisabeth Schaigenwiler; dies. ebd., S. 118, S. 183 (Dorothea von Hertenstein); dies. ebd., S. 32, S. 276 (Regina Sattler); CMD−CH III (1991), Nr. 241, Abb. 589a und b (Regina Sattler), Abb. 590, Abb. 591 (Dorothea von Hertenstein), Schreiberverzeichnis S. 295 (Dorothea von Hertenstein), S. 309 (Regina Sattler). 49. Cod. sang. 991 – Buch von der gemachelschaft christi Papier · 845 paginae · 29 × 19 cm · 1484 Okt. 13 · [Angela Varnbühler] 845 paginae, Tintenpaginierung I .v.A., wiederholt 727, danach die Geraden rechts. Keine Vorsätze. Einband: Katharinen-Einband des 15. Jhs.: helles Leder auf Holz, ohne jegliche Verzierungen, ehemals zwei Leder-Langschliessen HDK−VD , die obere abgerissen, Stift auf VD erhalten. Lagen: Sexternionen; Wortreklamanten von der Hand der Schreiberin. WZ: 1. Hifthorn f. 5/6–9/10 (2x), f. 229/230–844/845, Länge über alles 4,3 cm, Breite über alles 3 cm, ähnlich Piccard, Wasserzeichen VII (1979) Abt. II , Nr. 2 (Niederrhein, 1453), aber dort mit rundem Hornansatz, nicht bei Briquet, Filigranes II (1907). – 2. Andreaskreuz mit Krone f. 19/20– 225/226, bei Briquet, Filigranes II (1907), Nr. 5745 (Genf, 1480); Piccard, Wasserzeichen XI (1981), Abt. VI , Nrr. 1484 f. (Genf, 1484/85). Schrift33 In allegorischer Einkleidung entwickelt Fabri fünf Grundsätze über das Leben der Abtötung in Frauenklöstern; die Collationes, »Musterstück seiner geistlichen Beredtsamkeit« (Höpf, Fabri [1951], S. 25), bewahren stärker als die übrigen Schriften Fabris die Form und Eigenart seiner Predigt. Zum Inhalt vgl. die Übersicht bei Höpf, Fabri (1951), S. 18 sowie S. 20–26, zu den Stoffquellen S. 26–29.

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raum: Zweispaltig, 20/20,5 × 14/14,5 cm, 23–27 Zeilen; Schriftspiegel braune Tinte. Schrift: Der Band stammt von einer Hand, in leicht rechtsgeneigter halbkursiver Bastarda, gemäss Schriftvergleich identisch mit der Hand der Angela Varnbühler (siehe Abb. 21), aufgrund von Übereinstimmung der charakteristischen Buchstabenformen: kursive d ›auf spitzem Fuss‹, der ›Fuss‹ ist nach links ›ausgestellt‹, runde a mit ›Sattel‹ (daneben einfaches flacheres a), die r mit Füsschen nach rechts, die z mit energisch nach links gezogener Unterschlaufe, ähnlich bei y¨ und g, bei letzteren Schlaufe leicht aufwärts gezogen; teilweise Ansatzschlaufen bei v am Wortanfang von unten. Von ihrer Hand auch Cod. sang. 1869, aufgrund des Duktus allgemein sowie ihrer charakteristischen spitzkursiven d und der runden a mit Sattel, dort etwas enger und leicht zugespitztere Formen, mit etwas runderen gund z-Unterlängen.34 Buchschmuck: Rubriken von der Hand der Schreiberin, sehr wahrscheinlich auch die 2–3-zeiligen roten Lombarden und Initialen, teilweise mit kleinen Verzierungen, vgl. die angedeuteten Blattranken p. 467a, p. 479a (siehe Abb. 21); p. 94 Initiale/Lombarde nicht ausgeführt. Korrekturen/Nachträge: p. 230a eine Nachtragshand des 16. Jhs. in margine. Herkunft: Kolophon p. 842b–843a: Dis buoch ist vss geschriben worden als man zalt von der geburt christi vnsers lieben heren m CCCC vnd y¨m lxxxiiij am michen vor Sant gallen tag v´nsser wirdigen vatters Bittend gott fv´r die schriberin vmb gotz wilen [bei der Jahrzahl sind von den vier i die beiden mittleren zusammengeflossen, es stehen aber vier i-Punkte]. – Zur Handschrift KlA Wil, Chronik, f. 43v: Jtem wir hand geschriben [. . .] ain gross buoch am tutzschen von der gemachelschaft, zum Jahr 1484; eingebunden im folgenden Jahr, gemäss Chronik-Eintrag zum Jahr 1485, f. 44v: [. ..] alle tutzschi bu´cher die wir in dem selben iar [i. e. 1484] in geschriben [Verschrieb, stand ge-bunden, gestrichen und ersetzt durch -schriben] hattend hand wir in gebunden in der vasten vnd nach ostren im lxxxv vnd kostend mit der beschlecht vnd leder vnd allem bind zu´g wol iiij guldi. Besitzer: Kein zeitgenössischer Besitzeintrag des Katharinen-Klosters; p. 4 Eintrag von Hand des 18. Jhs.: Liber mon[aste]ry¨ S. Galli. 1782. – Beim Ausbruch der Reformation schickte die Buchmeisterin Regula Keller die 34 Gemäss CMD−CH III (1991), Schreiberverzeichnis S. 309 stammte der Band von der Hand der Regina Sattler (davon jedoch nichts ebd. unter Nr. 242). Diese Zuweisung ist nach Schriftvergleichen mit den subskribierten Codd. sang. 603 und 990 zu korrigieren.

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Handschrift zusammen mit einer weiteren, dem ›Paradies der Seele‹,35 ins Schwesternhaus nach Appenzell; von dort kam sie ins Kloster Wonnenstein und 1782 in StiBSG, gemäss Eintrag von der Hand des P. Pius Kolb auf p. 2 der Handschrift: Liber Monasterij S. Galli 1782. Der Büchersendung beigefügt war ein Brief der Regula Keller, heute in unserer Handschrift auf p. 2 eingeklebt: In gott min gruotz vnd was ich guotz vermocht[,] wer ich alweg gen u´ch bereit[.] andechtige lieby¨ muotter in dem schwoester hus zuo apenzel[:] ich schwester Regel Kellerin[,] kloster frow zuo sant katrinen [!] in sant gallen stat[,] schik [!] üch czwey¨ buecher[,] eins heist dz baradiß der sel oder dz tugend buoch[,] dz ander die geistlich gmachelschaft der sel mit gott[;] vnd ist dz die vrsach[:] es ist vmerdar [wohl sic] etwas vnruo by¨ vns[,] dz wir muesend sorgen[,] dz wir glicht vmb soliche ding komind[.] dar vmb so lich ich u´chs[,] dz ir dar in lesind vnd sy¨ bruchind zuo nutz vwren [wohl sic] selen so lang bis dz ein schwester vnsers koffents[!] soliche buecher wider von u´ch erfordret vnd bit u´ch dar by¨[,] ir wellend schaffen dz sy¨ suber gehan werdind vnd daz mans niemand in vnsrem kloster sag[,] dz ich u´chs gelichen hab[;] es weist niemant nu´t drum dan schwester Katrin[.] ich bin buoch meisterin vnd furcht[,] wir kumind drum vnd han doch nit torfen ein vrlob dar zuo nen[.] legend dz brieffly¨ in dz ein buoch[,] ob etwar vnder u´ch sturb[,] dz man wusty¨[,] war die buecher hortind[,] vnd bittend got fur vns[,] fraget in aber nieman me nach[,] dz vnser koffent [!] zergieng vnd die frowen all sturbind[,] so behebend ir die buecher. Inhaltsangabe: p. 4a–843a: ›Buch von der Gemachelschaft Christi‹:36 (p. 4a–12b) Register, von der Texthand, (p. 4a) [Rubr.:] [D]is buoch ist genan [!] 35 Das ›Paradies der Seele‹ heute offenbar verloren, so angezeigt schon bei Vogler, St. Katharina (1938), S. 267, Nr. 257, mit Verweis auf KlA Wil, Chronik, f. 83r, zum Jahr 1498; dieser Eintrag ist syntaktisch verwirrend, wohl daher von V ogler irrtümlich auf das Schreiben dieser Handschrift bezogen (der eigentliche Schreibeintrag f. 80r, zum Jahr 1497, von Vogler ebd. nicht erwähnt), es muss jedoch das Binden der Handschrift gemeint sein, vgl. KlA Wil, Chronik, o ebd.: Jtem wir hand [. . .] dz meß buch gerobriciert vnd in lon binden vnd dz baradis der sel [. . .]. 36 Die (geläufige) Allegorie von der Seele als Braut, die sich ihrem Bräutigam Christi bereiten und ihm entgegengehen soll, ist nicht konsequent durchgeführt, sondern vielfach durch umfangreiche Belehrungen, katechetische Aufzählungen und grössere Exkurse unterbrochen, darunter zwei Kapitel über Gehorsam des geistlichen Menschen (p. 432b–444a, p. 444a–467a, p. 479a–510b) und über Besitzlosigkeit im Kloster (p. 588a–603a, p. 603a–610b, p. 610b–627b), zwei in spätmittelalterlichen Ordenskreisen sehr häufig behandelte Themen; v. a. der Kampf gegen das Privateigentum im Kloster war ein Hauptanliegen

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die gemachelschafft Cristi[!] mitt der gloebigen sel andaechtigen [sic, Verschrieb, recte: vgl. p. 14b] dz hatt xiv Capitel vnd stuck darinn vil aigenschafft vnd gezierd begriffen sind wie sich die gloebig andaechtig sel iren gespontzen Cristo glich machen sol vnd zieren 37 ob sy¨ sin gespontz werden vnd sin wil, p. 12a leer, (p. 13a–843a) Text. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 247, Nr. 62; CMD−CH III (1991), Nr. 242, Abb. 452. Zu Wonnenstein (Gemeinde Teufen AR ) HS IX /2 (1995), ›Wonnenstein‹ (M. Bless-Grabher), S. 173–182, unsere Handschrift S. 176, Anm. 8. 50. Cod. sang. 1066 – Nikolaus von Strassburg, Rudolph Goltschlacher, Meister Eckhart, Johannes Tauler u. a., Deutsche Predigten [Rückenschild] Papier · A−F + 329 folia · 31 × 21 cm · [15./2 Jh.: 1484 (?), sicher vor 1488 (s. u.)] · Elisabeth Muntprat u. a. Neue Bleistiftfoliierung B−F, zeitgenössische Tintenfoliierung j−CCCxxix. Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: braun gefärbtes Leder auf Holz, ohne jede Verzierung, zwei Messingschliessen HDK− VDK , mit Rautenmuster und Sternenbändern. Lagen: Wegen ihres grossen Umfangs musste der Buchblock geteilt werden; hernach kann keine bestimmte Lagenformel ermittelt werden. Meist Sexternionen, bis auf einzelne Lagen sehr grossen Umfangs, wohl aufgrund der Teilung, vermerkenswert auch die dicke 4. ›Lage‹, die eher ein Heft bildet, mit durchgenähter Bindung. Ausser bei der ersten und bei der letzten Lage regelmässige Wortreklamanten, meist von der jeweiligen Texthand selbst, jedoch schreibt dreimal die 3. Hand Reklamanten zur 1. Hand, sowie einder Ordensreformer. – Verfasser unbekannt; gemäss Inhalt Klostergeistlicher, der sein Erbauungsbuch für Ordensleute schrieb. Karin Schneider (VL 2 2 [1980], Sp. 1189 f., Art. ›Gemahelschaft Christi mit der gläubigen Seele‹) vermutet einen Augustiner-Eremiten aus dem nordbair.-frk. Raum; Entstehungszeit zwischen 1379 und 1413. Die Handschrift (neben elf weiteren) erwähnt bei H. Fischer/H. Fromm, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Univ.Bibl. München, in: PBB 84 (1962), S. 443. Gemäss dens. ist eine weitere Abschrift des Textes aus dem Besitz des Katharinenklosters Nürnberg heute verloren. Schneider nennt drei weitere Handschriften, die den Text überliefern. 37 Zu ›zieren‹ vgl. Grimm, DWB XV (1913), Sp. 1171–1187.

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mal die 2. Hand zur 1. Hand. WZ: 1. f. B, f. Ci ff. kleiner Ochsenkopf mit Stange und Z, (grossen) Augen und Nüstern, besonders gut sichtbar f. Cxxvi, f. Cxlviii, vom Typ her sehr ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. II , Nr. 164 (u. a. Basel, Konstanz, Nürnberg, 1482–1486) oder Nr. 166 (Basel, 1486); sehr ähnlich, aber nicht identisch Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15192 (Zürich, 1473–1499; Konstanz, 1473). – 2. f. D, f. xlvi kleiner Ochsenkopf mit Stange und kleiner Krone, Augen und Nüstern, Kopf etwas breiter als der erste; weder bei Piccard, Wasserzeichen II /3 (1966), Abt. XV , noch bei Briquet, Filigranes IV (1907). – 3. f. IIII −xlii, f. li ff. kleine Krone, gut sichtbar f. xi, nicht bei Piccard, Wasserzeichen I (1961), Abt. I und II , nicht bei Briquet, Filigranes II (1907). Schriftraum: 1. Hand: Zweispaltig 19,5/20 × 13,5/14 cm, 24–28 Zeilen; Schriftspiegel braune Tinte, keine Linierung, trotzdem korrekte Zeilenführung. – 2. Hand: Zweispaltig 19/19,5 × 13,5/14 cm, 24–26 Zeilen; Schriftspiegel braune Tinte, keine Linierung, trotzdem korrekte Zeilenführung. – 3. Hand: Zweispaltig 19,5/20 × 13/13,5/14 cm, 36–41 Zeilen, Schriftspiegel braune Tinte; keine Linierung, trotzdem korrekte Zeilenführung, nur mitunter etwas schwankend, z. B. f. xlixvb. – 4. Hand: f. CC xxxva−CC xxxivb; zweispaltig 19/21 × 13,5/14 cm, Schriftspiegel braune Tinte, 32–36 Zeilen. Schrift: Es schreiben vier Hände, von denen drei auch in anderen Katharinen-Handschriften figurieren (s. u.). Die Handschrift ist ein gutes Beispiel für Frauen-Gemeinschaftsarbeit im Scriptorium, vgl. die SchreiberinnenAblösungen (mitten im laufenden Text und Satz, teilweise sogar mit Worttrennung), die Korrekturen, den Wechsel der verschiedenen Texthände für die Rubriken. Eine Art ›Redaktionsfunktion‹ übernahm Elisabeth Muntprat als Haupt-Korrekturhand und Register-Hand des Bandes (s. u.).38 – 1. Hand: f. ira−xiva, f. xlira-vb, f. lira−lxvirb, f. lxxiira−lxxvvb, f. lxxxviivb(mitten im Text)−CC xxvirb, f. CC xxxiira−CC xliiiva, f. CC xlviira−CC lxiivb, f. CC lxviira− CCC xxra [hier wieder sehr eng, diverse Rubriken und Korrekturen der 3. Hand], f. CCC xxiva−CCC xxixrb. Aufrechte, hochgezogene Bastarda mit betont gerundeten, deutlich ausgeprägten Oberschlaufen (bei den kursiven d drückt die Oberschlaufe den Bauch auf die Basislinie herunter), sehr charakteristisch der rechtskonkave Bauch der a, ebenso bei v; vgl. Abb. 22. Regelmässiger, weicher Duktus, vergleichsweise enge Buchstabenabstände, 38 So auch im Nürnberger Katharinenkloster, wo in den Jahren 1440–1455 zahlreiche Handschriften in Gemeinschaftsproduktion geschrieben wurden: Die Hände wechseln nicht lagenweise oder zu Ende eines Textes, sondern ganz willkürlich; Schneider, Handschriften Nürnberg (1965), S. XXIV .

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klare Wortgrenzen; mehrere Schreibcäsuren und Kielwechsel, z. B. f. C xviiiva, f. C xlirb; passim etwas nachlässiger, z. B. f. C lxiir, besonders f. CC lxxiv ff., in der folgenden Passage gehäuft Korrekturen, Streichungen, Einfügungen; f. C xxxvir unten ein mit einem roten Kreuz gekennzeichneter Texteinschub, mit anderer Tinte, anderem Kiel, in kleinerer und weniger ›kalligraphischer‹ Schrift, tendenziell flüchtiger als der Haupttext. Die Schreiberin war lateinkundig, beherrschte auch die klassischen Kürzungen, z. B. f. ljra e¯et für esset. – 2. Hand: f. xiira−xlvb, f. xliira−vb, f. lxviira−lxxivb, f. lxxviira−lxxxviivb. Charakteristische, schwungvolle Hand in halbkursiver Bastarda, mit auseinandergezogenen Buchstabenabständen und ›zackigen‹ Buchstabenformen, mit Oberschlaufen; die kursiven d und meist auch a wie ›auf spitzem Fuss‹ stehend, besonders charakteristisch f. lxvij ff., ferner die nach links gezogene Unterschlaufe der g, die runden finalis-s mit einem waagrechten Strich nach rechts ausholend; vgl. Abb. 27. Die Hand ist identisch mit der 2. Hand in Wil M 41, CMD−CH III (1991), Abb. 448, identisch zudem mit der Haupthand des Cod. sang. 1916 (besondere Nähe im Duktus in der Schlusspartie von Cod. sang. 1916, sowie am Anfang p. 1–24). Auch diese Schreiberin war lateingewohnt. – f. xlvb/ f. xljra mitten im laufenden Text SchreiberinnenAblösung, mit Worttrennung: [2. Hand] [. . .] die hand dz zart kindli also her= [1. Hand] klich lieb [. . .], sowie ebd. f. lxxxviivb Wechsel 2. Hand zu 1. Hand (siehe Abb. 23). – 3. Hand (= Conspectus-Hand): f. Bra−Eva; Text: f. xliiira−lvb, f. lxvirb−vb, f. lxxvvb−lxxvivb, f. CC xxvirb−CC xxxva, f. CC xliiivb− CC xlvivb [hier zeitgenössisch ein Blatt herausgeschnitten, Rest der Lombarde sichtbar], f. CC lxiiira−CC lxviva, f. CCC xxra−CCC xxirb. Die Hand ist identisch mit der Hand der Elisabeth Muntprat, in kleiner, unscheinbarer, leicht rechtsgeneigter Halbkursive, deren Hauptmerkmal hier der sehr flache Mittelkörper ist (vgl. z. B. f. CC xxviir [39 Zeilen] mit ihrer Hand im Schwesternbuch), charakteristisch die schmalen a, die unzialen d, tw. ›mit Bauch auf der Linie‹; sehr enge Buchstaben und Zeilenabstände (bis 40 Zeilen, zum Vergleich: 1. Hand f. CC iiir 28 Zeilen, 2. Hand: 26/27 Zeilen), siehe Abb. 24. – 4. Hand: Die Hand setzt mitten im laufenden Text und Satz (11. Zeile v. o.) ein (siehe Abb. 25), in einer männlichen Hand sehr nahstehender, streng vertikaler, wohlproportionierter, routinierter Bastarda ohne ›weibliche‹ graphologische Eigenschaften, welche die anderen Hände fraglos haben; Oberschlaufen (neben der kursiven d-Form auch einfache unziale d), ch- und cz-Ligatur, a mit kleinem ›Sattel‹, r passim leicht rückwärtsgeneigt; vermerkenswert die fast horizontale g-Unterlänge, die mit einem Haarstrich an den Basiskörper schliesst; siehe Abb. 25. – f. ljra mitten im Text Schreiberinnen-Ablösung: die 1. Hand übernimmt die letzten drei

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Zeilen der Predigt und fährt dann mit weiterer Predigt fort; f. CC xxxva Wechsel 3. Hand zu 4. Hand (siehe Abb. 25); f. ccxxvjrb unten Nachtrag und Rubrik von der Hand der Elisabeth Muntprat, do. der Nachtrag f. C xxxvj unten. Diese Hand ist zugleich auch die Haupt-Korrekturhand (s. u. Korrekturen), gemäss Schriftvergleich mit Cod. sang. 363 (von der Hand der Elisabeth Muntprat); besonders deutliche Übereinstimmung dort p. 324f. sowie (ebd.) im Conspectus p. 326–337. Zwar schreibt sie hier kleiner und enger, aber ihre charakteristischen Buchstabenformen sind vorhanden, vgl. die flachen a, die rückwärtsgeneigten r, die eckigen v in vnd, die g und h, die ch-Ligatur, die z, die unzialen d, die Capitalis-D mit Häkchen nach oben rechts. – f. C xixra eine Einschubshand, diese bringt auch f. CC xxxvijrb eine Korrektur zu einer Rubrik an (siehe dort); die Hand ist ev. identisch mit der Hand der Verena Gnepser, aufgrund des Duktus sowie insbesondere der p mit dem eingebogenen Schaft (vgl. zu ihrer Hand in Wil M 3); die Zwischenhand hat neben der runden auch die eckige v-Form. Buchschmuck: Einfache rote Initialen: z. B. f. lxxxxiiiiva S-Initiale, f. lxxxixvb D-Initiale; einfache, rote Initialen ornamental: z. B. f. ljra C–Initiale mit Blütenkranz, f. lxijvb H-Initiale mit einzelner, fünfblättriger Blüte, f. CC lxxxxvjva D-Initiale mit Blütenkranz, f. lxxxxixvb D-Initiale mit floraler Verzierung, f. C lxviiva mit roter Tinte am unteren columna-Rand improvisierter kleiner Eichenzweig (Frucht mit zwei kleinen Blättern); rote Lombarden, rubriziert. Mit dem Griffel geritzte Vorzeichnung für M-Lombarde f. C lxj; f. C vr in margine rechts mit Griffel IHS eingeritzt (schlägt bis auf f. C xi durch). Sehr sorgfältige, ausführliche Rubriken; im allgemeinen schreiben die Hände 1–3 jeweils Rubriken zu ihren eigenen Partien, vgl. aber f. lxxxiijvb, wo die 1. Hand eine Rubrik zum Text der 2. Hand schreibt, sowie f. CC lxxxxviijra und f. CC lxxxxvjva, wo die 3. Hand zwei Rubriken zum Text der 1. Hand schreibt. – Orthographische/sprachliche Auffälligkeiten: f. Bra [in der Rubrik zum Register]: bredgy¨, bredig [sc. Predigt]; f. xxjvb [in der Rubrik]: wienechten; f. lxxjvb: oeschli [sc. Öchsli]; Rubrik f. C lxiiiirb: predig am balm abend; f. C lxiira: am donstag vor dem balm tag; f. C lxirb: an dem balm abent; f. C lxxxirb: osterlemli; f. CC xvivb bei der Nota de octava setzt die Schreiberin das hochgestellte a über das o (statt nach dem t), do. f. CC xxxvii in margine. Korrekturen/Nachträge: Korrekturen und Nachträge von der Hand der Elisabeth Muntprat, z. B. f. C xxvjrb, f. C xxxijvb, f. C xxxvjr Nachtrag am unteren Blattrand, f. C lvrv, f. C lxxxiijrb am rechten Blattrand drei Mal an die Texthand (=1. Hand) ›angehängt‹, f. CC xxxjra am unteren Blattrand, f. CC lxxxiij, f. CCC xxviijvab, u. e. m. Hervorzuheben f. CC xxxvijra (siehe Abb. 26) neben der Rubrik mit schwarzer

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Tinte von Elisabeth Muntprat nachgetragen maister egckart prediger orden, in der Rubrik dritten durchgestrichen, mit schwarzer Tinte von der Einschubshand von f. C xixra darübergeschrieben andren, abermals durchgestrichen, daneben iij, am rechten Blattrand weiterer Nachtrag von ders. Hand, am andren sunnentag nach[!] der octav, f. CC xxxxvb do. egghart; f. CC xxxijrb eine weitere korrigierte Rubrik. – f. lxxvb Kreuz bei Rubrik, am unteren Blattrand Text, von der 1. Hand: an disem sunentag in der E[pi]ph[an]i octav ist nach ain predig die vff dise vor geschriben predig soelt ston die suoch hier nach an dem plat by¨ diser zal lxxx [. . .] [Rest übermalt, darunter in schwarzer Tinte:] lxxxiiij, tatsächlich beginnt diese Predigt (ebenfalls von der 1. Hand) f. lxxiijva. Auch die 1. und die 2. Hand bringen in ihren Textpartien Nachträge und Korrekturen an, z. B. f. xijrb, f. xliijvb. Zustand: Der Band hat Feuchtigkeitsschäden (f. lxxvij sehr stark). Herkunft: Gemäss Chronik-Eintrag, f. 43v, war 1484 ain gross predig puch geschrieben worden, Bezug zu unserer Handschrift sehr wahrscheinlich [vor 1488 keine weiteren Predigtbücher in der Chronik erwähnt]; aufgrund der Wasserzeichen (s. o.) ist eine Entstehung um 1484 ebenfalls wahrscheinlich. 1488 (KlA Wil, Chronik, f. 58v) wurde der Codex geteilt: [. . .] wir [. . .] hannd ain gross predi buch getailt daz zuo tick was vnd zwai bu´cher dar vs gemachet. Ursprünglich war der Codex noch einmal so umfangreich; gemäss Register (s. u.) umfasste er 624 folia und enthielt 152 (Rüther/Schiewer [s. u.]: 150) Predigten [1. Teil 80 + 1 nachgetragene, 2. Teil 71], s. u. (Inhalt). Der 2. Teil des Predigt-Werks muss als verloren angenommen werden.39 Besitzer: Der ursprüngliche Besitzeintrag auf der Innenseite des VD ist bis zur völligen Unleserlichkeit durchgestrichen (auch mit Quarzlampe aussichtslos). Der Eintrag auf dem Vorsatzblatt Das buoch ist denen [Kürzung unklar] schwoesternn [!] Zuo sanntt Jörgen stammt aus dem 17. Jh. Gemäss Nemes, Von der Schrift zum Buch (2010), verblieb der Codex auch nach der Neugründung des Dominikanerinnenklosters St. Katharina SG /Wil zunächst in St. Georgen, aus unbekannten Gründen; von dort gelangte er im 18. Jh. in die StiBSG.40 39 Entgegen Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 188, ist mit unserer Handschrift der erste Teilband des ursprünglichen Codex vollständig erhalten; heute verloren ist der zweite Teilband; auch Vogler, St. Katharina (1938), S. 248, Nr. 65, suggeriert einen fehlenden Anfang der Handschrift, indem ihr Inhaltsinventar erst bei »Bl. 64a« mit der »Predigt von Joh. Tauler« einsetzt. 40 Freundlicher Hinweis von Bala´zs J. Nemes, Von der Schrift zum Buch – vom Ich zum Autor. Text- und Autorenkonstitution in Überlieferung und Text des

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Inhaltsangabe: f. Bra−Eva: Register: Verzeichnis der Predigten, mit ihrem Anlass und Incipit, f. Dra mit roter Tinte nachgetragen ein +, darunter da ist dist[!] buoch vss, die restlichen Kolumnen des Verzeichnisses f. Dr−Ev mit roter Tinte (wohl von ders. Hand) diagonal über Kreuz durchgestrichen (zur Teilung des Codex s. o.), f. Bva (3. und 6. Eintrag v. o.): wie du leben solt ain guoti ler lis wenn du wilt, [...] lis an ain laeren tag so du suss kaini [sc. predig] hast, f. Bvb: (1. Eintrag v. o.) Ain predig [. . .] von der eppistel also sond ir lossen dz ir mugind begriffen. – f. Evb: Eintrag zu zwei Gallus-Predigten, die mit dem 2. Teil verloren gegangen sind. – f. lxxvjvb: drei Strophen eines ›Gedichts‹ (teilweise holprig gereimt): Wol hin wol hin won es muoss sin / die zit ist hie Got well dz wir mit froeden schier kumend wider her zuo land [Absatz] Jn Gottes namen farent wir / Siner gnaden begerend wir / Maria nun tuo vns hilfy¨ sin / vnser gelaiterin solt du sy¨ alzit [Absatz] Richt vff den segel wir farend mit su´sem wind hin in dz gelopt land stat vnser sin [//. . .?], bricht ev. ab. – f. j−CC lxxxix: Predigten, von verschiedenen Spiritualen des Dominikanerordens, durch das Kirchenjahr.41 – f. jra−iiivb: von der zuo kunfft v´nsers lieben heren an dem ersten sunnen Tag in dem advent: Veniet dilectus [. . .]. – f. iijvb−xxjvb: Predigten zu den vier Advents-Sonntagen. – f. xxjvb: Explicit: [. . .] geminter gemachel vnser her jhs. xps. amen. – f. xxjvb folgt auf das Explicit mit roter Tinte die Rubrik: Ain dem hailge [sic, m. E. kein erloschener Kürzungsstrich] abent zuo wienacht. St.issimi hodie et estote [!] parati in die crastina [. . .]. – f. xxxjva−xliijra: Ain den hoch wirdigen hailgen tag ze wienachten [!] ain predig. – f. xljvb: nach sechs Zeilen Rest der columne leer, f. xlijra Fortsetzung nach Handwechsel, ohne Bruch im Text. – f. xliijra−xlvrb: Ain schoeni predig an dem nach tag nach dem in genden iartag von dem su´ssen namen jhesus. – f. xlvrb−xlvijra: Ain predig an dem andren tag in der otauf[!] circumcisio domini. – f. xlvijra−xlixvb: Ain predig an dem dritten tag in der octauf [? Kürzungstrich über dem a unklar]. – f. xlixvb−ljra: Ain schoeni predig an der hailgen drig [!] ku´ng tag. – f. ljra−lvvb: Alia ad idem. – f. lvvb−lvijvb: Alia ad idem. – f. lvijvb−lxijrb: Das ist die iij [sc. dritt] predig an der hailgen dry¨ ku´ng Tag. – f. lxiijra−lxiiijrb: dise predig ist an der hailgen dry¨ ku´ng tag. – f. lxiiijrb−lxvjrb: Johannes Tauler, Predigt (zu »Fließenden Lichts der Gottheit« der Mechthild von Magdeburg. Bibliotheca germanica, Bd. 55, Tübingen 2010. 41 Die Texte werden verschiedenen Dominikanerspiritualen zugewiesen; Nikolaus von Strassburg, Rudolph Goltschlacher, Meister Eckhart, Johannes Tauler; einige bleiben anonym. – Im Register (s. o.) sind weder für den ersten (i. e. dieser Band) noch für den zweiten Teilband Verfasser der Predigten genannt, es stehen nur die Themen (nach de tempore und de sanctis).

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Matth 2, 2).42 – f. lxiijira am Rand der Vermerk von Hand Ende des 15. Jhs., sehr wahrscheinlich Hand der Euphrosina Keller: och am nu´wen tauler der glich. – f. lxxvjvb−lxxvijrab: ›Altes Pilgerlied‹:43 wol hin wol hin won es muoss sin . . . – . . . wir farend in das himelsch yerusalem in dz flu´ssen [? unklar, am unteren Blattrand, Feuchtigkeitsschaden] von milch vnd honig hin. – f. lxxvijva−lxxxiijvb: Nikolaus von Straßburg, Predigt.44 – f. lxxxviijvb− lxxxixvb: Predigt von Meister Eckhart.45 – f. lxxxixva−lxxxxiiijva: Predigt von Rudolf Goltschlacher,46 Rubr. f. lxxxixva: dis predig hat geton zuo pilnriet ruodolff goltschlacher leßmaister zuoden predigern die predig an Sant paulus tag vor vastnach wie man a[!] gaistlich vasnach sol hab [!]. Inc. f. lxxxixvb: dne quid me iubes facere actuum appostolorum. Die wortt stond geschriben in dem buoch der wercken der zwoelffboten [. . .]. – f. C xxvjrb−C lxxxviijr: Nikolaus von Strassburg, Zehn Predigten zur Fastenzeit, f. C xxvjrb Rubrik: bruoder Nicolaus von strassburg der leßmaister wz zuo koeln der prediget das zuo frey¨burg zuoden predigern ain der mittwuchen in der andren vast42 Nach einer Engelberger Handschrift hg. v. Ferdinand Vetter, Deutsche Texte des Mittelalters, Bd. XI , diese Predigt S. 20 f., Nr. 4 (zu Matth 2, 2). – Zu Johannes Tauler OP VL 2 9 (1995), Sp. 631–656 (Louise Gnädinger (I+III )/ Johannes G. Mayer (II , IV + V), ohne unsere Handschrift. 43 Figuriert nicht im Register; Vogler, St. Katharina (1938), S. 248 mit Literatur. 44 Pfeiffer I (1845), Nr. XII , S. 297–301: Man liset hiute in der letzen und vahet daz ampt an da mit, daz got himel und erde geschuof und alle kreaturen [. . .]. – Zu Niklaus von Strassburg OP VL 2 6 (1987), Sp. 1153–1162 (Eugen Hillenbrand/Kurt Ruh), zu den deutschen Predigten Sp. 1157–1160, unsere Handschrift Sp. 1158 (ohne Stellenangabe); Eugen Hillenbrand, Nikolaus von Strassburg. Religiöse Bewegung und dominikanische Theologie im 14. Jh., Freiburg i. Br. 1968 (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 21). 45 Pfeiffer II (1857), Nr. IV , S. 24–30: Et cum factus esset Jesus annorum duodecim etc. (Luc 2, 42) Man liset in dem ewangelio, do unser herre zwelf jar alt wart, do gienc er mit Amrein und Josebe zuo Jerusalem [. . .]. – Zu Meister Eckhart VL 2 3 (1980), Sp. 327–348 (Kurt Ruh), ohne unsere Handschrift. 46 Zu Rudolf Goltschlacher VL 2 3 (1981), Sp. 96–98 (Dietrich Schmidtke); gemäss ebd., Sp. 97, findet sich in inserer Handschrift f. 79v–84v [Erratum, recte: f. 89v–94v] eine deutsche Predigt von Rudolf Goltschlacher über Act. 9, 6; diese (vom damaligen Lesemeister des Augustinerinnenklosters Pillenreuth bei Nürnberg) gehaltene Predigt auch in StB Nürnberg, Cod. Cent. VI 43g (15./2 Jh.), f. 173v–179v; nachdem Incipit und Explicit mit unserer Handschrift übereinstimmen, könnte unser Text ev. im Katharinen-Scriptorium ab einer Vorlage der Nürnberger Dominikanerinnen abgeschrieben worden sein (in der Chronik kein entsprechender Eintrag). – Rudolf Goltschlacher war Lektor des Nürnberger Dominikanerklosters und galt als ein den Idealen der dominikanischen Reformbewegung treu ergebener Mönch.

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wuchen, f. C xxviijrb−C xxxiva: Nikolaus von Strassburg, von dem richen man vnde von lazaro.47 – f. CC xxvjrb−CC xxxjvb: [David von Augsburg, ›Die sieben Staffeln des Gebetes‹],48 f. CC xxvjrb: Rubrik: hir nach ist ain huebschi ler von dem gebet sid dem mal dz die hailig kilch nun begot von dem gebet vnd dissi wuch ist an [sc. ain] wuch des gebetz So lert vns dise ler wie wir beten sond vnd ist an dem zinstag in der † wuochen [!]. f. CC xxvjva: Text: Got ist ain ewig[=]es angeng vnd ain volbrachtes [!] end alles guoten von dem flu´sset vnd wider flu´sset alles dz volbracht [!] vnd volkumen [!] ist won nun menschlichi natur geschaffen ist dz sy in got volbracht [!] werd So bedarf sy zwaiger hand gnad von got Ainer dz sy von vntugenden gerainget[!] werd [. . .], folgen ab f. CC xxvjrb die 7 Gradus des gebetz. – f. CC xxxijra− CC xxxvijra: Predigt zu ›Mulier cum parit‹ [Joh 16, 21]: Über das Leiden, den Tod und die Sakramente.49 – f. CC xxxvijra−CC xxxxvb: Predigt von Meister Eckhart, Rubrik: disse predig ist an dem dritten sunentag nach ostren, mit roter Tinte. Am Rand links daneben mit brauner Tinte von Hand der Elisabeth Muntprat: maister egckart [!] prediger orden. In der Rubrik mit roter Tinte, durchgestrichen: dritten, darüber mit brauner Tinte: andren, daneben iij, braune Tinte ders. Korrekturhand. – f. CC xxxxvb−CCxliijva: Predigt von Meister Eckhart: f. CC xxxxvb am Rand von der Hand der Elisabeth Muntprat (s. o., Korrekturen): egghart [!].50 Text: Omne datum optimum et omne donum perfectum [Jac 1, 17] de sursum etc dis wortt spricht Sant Jacobusß[!] hu´t in der Epistel die aller erst gab vnd volkomenhait [!] die koment von oben herab von dem vatter [. . .]. – 47 Pfeiffer I (1845), S. 261 ff. Auch in Cod. sang. 1915 [Besitz St. Katharina], p. 406–417. 48 Edition von Ruh, Franziskanisches Schrifttum I (1965), S. 221–247 (Leithandschrift ZB Zürich, Ms. C 76); die Handschrift mit Sigle Sang6, ›Filiationsschema‹ (Stemma) S. 222, zur Stellung der Handschrift innerhalb der Überlieferung S. 222 f., S. 223: »Mit Sang6 beginnen die Bearbeitungen. Der Text wird umgeformt nach dem Wortschatz und der syntaktischen Fügung, paraphrasierend erweitert, stilistisch aufgeschwemmt, aber auch gekürzt.« Weitere Edition von dems., Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 1 (1965), Analyse der handschriftlichen Überlieferung S. 24 (Edition aufgrund ders. Leithandschrift wie oben). – Zu Davids von Augsburg ›Sieben Staffeln des Gebetes‹ VL 2 2 (1980), Sp. 47–58 (Kurt Ruh), bes. Sp. 52–55; Pfeiffer I (1845), S. 387, ›Die siben stapheln des gebetes‹; Vogler, St. Katharina (1938), S. 248: »Mystischer Traktat über das Gebet (Verfasser unbekannt)«. 49 Vermutlich Abschrift aus Cod. sang. 1869 (siehe dort); Edition von Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159–165, auf der Grundlage von Cod. sang. 1869, mit Varianten aus unserer Handschrift im textkritischen Apparat. 50 Pfeiffer II (1857), Nr. XL , S. 134–137.

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f. CC lxxxvjvb−CC lxxxixva: Predigt von Johannes Tauler, Rubr. f. CC lxxxvjvb: dise predig ist am donst[=]tag [Trennung sic] in der pfingwochen [!], fortgesetzt mit schwarzer Tinte: dise bredig staüt[!] am truckten tauler och. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 248 f., Nr. 65, mit Inhalts-Inventar (ab »Bl. 64a«, s. o.), 3 Hände; Scherrer, Verzeichnis (1875), S. 363: zwei Schreiber! Kurt Ruh, David von Augsburg, in: Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters, H. 1 (1965), S. 19, bei Sigle ›Sang6‹ (i. e. Cod. sang. 1066) noch »Provenienz: unbekannt«; Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78 unsere Handschrift erwähnt, S. 188 (knapp zum Inhalt). 51. Cod. sang. 1788 – Geistliche Unterweisungen · Deutsche und lateinische Gebete Papier · I−VIII + 168 paginae · 16 × 10,5/11 cm · [16./2 Jh.: 1561–1573] · [Regula Keller] Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 50–52: Paginierung I .v.A. mit brauner Tinte 1–164, moderne Foliierung I–VIII , 165–168 mit Bleistift. WZ: 1. f. V /VI , 167/168 (späteres Vor- und Nachsatzpapier) Bügelkrone mit Abt- oder Bischofsstab; nicht bei Piccard, Wasserzeichen I (1961) und Briquet, Filigranes II (1907). – 2. p. 1–166 kleiner Bär (ähnlich in Cod. sang. 1870), in 2 Varianten, mit ausgeprägtem Stummel-Schwanz, gut sichtbar p. 32, p. 128; p. 34, p. 130 Kopf und Rumpf gut sichtbar, auffällig die Beule auf dem Kopf, die Zunge hängt weit heraus, die 2. (gröbere) Variante z. B. p. 102 und p. 150; sehr ähnlich Piccard, Wasserzeichen XV /2 (1987), Abt. I , Nr. 237 (Kempten, 1538/1539) und Nr. 240 (Memmingen, 1539), dem Typ nach (entfernt) ähnlich auch Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 12266 (Bern, 1488–1491), Nr. 12268 (Solothurn, Bern, 1508–1513), Nr. 12270 (u. a. Zürich, 1518/1527; Bern 1526) und ff. (Bern, Solothurn und alemannisch/bayrischer Raum, 16. Jh.). Schriftraum: Einspaltig 11 × 7,5/8 cm, 17/18 Zeilen, Schriftspiegel und Linierung braune Tinte. Schrift: Der ganze Band von der Hand der Regula Keller, in sehr sorgfältiger, regelmässiger, vertikaler Bastarda. Sehr charakteristisch für ihre Hand ist das r, das aussieht wie ein kleines z; typisch auch die Fähnchen und Häkchen an den Schäften der (unzialen) d, b und h; enge Buchstaben-Abstände, klare Wortgrenzen; anstelle von i-Punkten konsequent (kräftige) schräge Striche, auch bei den y.

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Die Unterschlaufe der z ist geschlossen und durchschneidet an der Basislinie den Schlaufen-Ansatz; auffällig zudem die k: neben den Schaft ist ein kleines rundes s gesetzt (ähnlich dem hochgestelltem r), besonders deutlich p. 40, 4. Zeile von unten, p. 58, 7. Zeile von oben, p. 142, 3. Zeile von unten. Die charakteristischen Formen der z und k auch in der Handschrift Wil M 32 (subskribiert und datiert 1543), zu der generell eine sehr grosse Nähe im Duktus besteht; siehe Abb. 9. r- sowie m/n-Kürzungen, vgl. z. B. p. 48, an lateinischen Kürzungen beherrscht sie per-, pro-, quod, -orum, -que; die patebat-Kürzung p. 81, 3. Zeile von oben ist unklar; p. 87 kürzt sie, nicht den Usanzen entsprechend, u mit einem Strich über dem Wort (wie gewöhnlich bei m oder n): la¯da, ga¯dia, p. 91: la¯des. – In dieser Handschrift finden sich (z. T. gravierende) Latein- und sonstige Orthographie-Fehler. Beispiele: p. 1 Dis ist die ordnung des angenenen[!] zittes der fasten. Jnfocabit [!] [. . .], p. 5 Reminisere [!] hab vor dir [. . .], p. 39 [. . .] bet ir das stabat muotter. p. 65 [Hymnus de B. M. V.], Saue [!] mater saluatoris vas electum vas honorir[!] vas zelestis gratie / Ab eterrno[!] vas prouisum vas insingne [!] vas excisum manu sapiencie [. . .], AH 54, S. 383, Rep. Hymn. 18050: [. . .] porta klausa [. . .] cella custos vngentorem [!, recte: unguentorum] cella piu[??]gwentaria [recte: pigmentaria] Zinamomum [recte: Cinnamomi] calamum [. . .] Verby¨ tamen in carnaty¨ [recte: incarnati] spesialy¨ magestaty¨ [!] [.. .] Jn suprema [recte: supremo] sita poly¨ [. . .] es [darüber korrigiert: et] nos tue claritatis, p. 79 [Hymnus de B. M. V., tpe. nativitatis domini], Surgit radix y¨ese florum [. . .] Mortem vitta mordsu strauit [. . .] ex intacktta[!] matre natus [. . .] peranimphum [!, recte: Paranymphum] cum fidisti [!][. . .] Aue in quid [!, recte: inquit] benedicta [. . .] cunctis aliuoribus [!, recte: a livoribus] [. ..] mattrem dey¨ me expauy¨ et in fantem [!, recte: infantem] adoraui [. . .] Certe spem dat vis [!, recte: ius] nascentis [. . .] Simus [unklar, wohl sic, recte: scimus] christum peperise [!][. . .] nostri misserere[!]. AH 54, S. 368; Rep. Hymn. 18051. p. 167 Ein loblich sequerz von dem helgen Sant franscigo [!]. Surgit victor virtualis [. . .] Crucis fator [recte: lator] cordialis princeps punge [recte: pugnae] spiritalis in signis [recte: insignis] amancium Quem premisit rex futurum [recte: -us] pugnaturus pro uisurus [recte: provisurus] celebri concilio [recte: consilio] [. ..] Quia crutzis [!] contemblator [!] [.. .] Dicas nobis o francise cur afixus sis sic crutze [!, recte: sis in cruce] [. . .], AH 55, S. 155, Rep. hymn. 19927. Buchschmuck: Schlichte, 1–2-zeilige rote Lombarden von der Hand der Schreiberin, einzelne leicht verziert, so z. B. p. 101, p. 106, p. 108–110, p. 133. Korrekturen/Nachträge: Passim Korrekturen der Schreiberin, z. B. p. 42, p. 45; p. 2–24 passim Zusätze von einer (wohl weiblichen) Hand des 16. Jhs.; passim Zusätze einer ungelenken

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Hand des 17. Jhs., p. 92 oben, p. 107, p. 109 am Rand, von dieser Hand auch die Nummerierungen (der Freuden Mariens) am Rand (mit ders. schwarzen Tinte) p. 89–91 sowie p. 99–136 (Freuden und Grüsse); dies. Nachtragshand auch in Cod. sang. 990, p. 586a. p. 66 zahlreiche Korrekturen einer späteren Hand, vier Wörter sind ganz durchgestrichen, darüber und daneben korrekt geschrieben, z. B. confalium (mit Kürzungen), recte: convallium, cella piu[??]gwentaria, recte: pigmentaria (s. o.). Zustand: Der Band hat teilweise grössere Feuchtigkeitsschäden, v. a. p. VII–VIII (Vorsatzblätter), p. 1–18. Herkunft: Regula Keller schrieb diese Handschrift im Exil auf dem Nollenberg, also nach 1561; demnach war sie bei der Niederschrift 61 Jahre alt oder älter, d. h. Cod. sang. 1788 ist die späteste erhaltene Handschrift von ihrer Hand. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 243, Nr. 50 (mit Identifikation der Hand); M. Bless-Grabher, in: HS IV /5, 2 (1999), Art. ›Nollenberg‹, S. 733: »Betrachtungs- und Gebetbuch mit der Schrift Regula Kellers (wohl auf dem Nollenberg geschrieben)«, sowie dies. ebd., S. 727, Anm. 13, mit Bezug auf Vogler, St. Katharina (1938) (s. o.). 52. Cod. sang. 1854 – Geistliche Predigten und Lehren Papier · 304 paginae · 10,5 × 6,5/7 cm · 15. Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 97–100: Lagen: Vor p. 89 und p. 110 je ein Blatt herausgeschnitten. WZ: 1. Ochsenkopf mit Stange und Stern, Kopf fol. 39/40 nachgezeichnet, Stange fol. 139/140, zum Maul hin schmale Form, Nüstern aneinanderstossend, Augen ausgebeult, Ohren löffelförmig, waagrecht abstehend; vgl. Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 338 (u. a. Bern, Breisach, 1450– 1453) und Nr. 441 (u. a. Winterthur, 1457–1463). – 2. Ochsenkopf mit fünfzackigem Stern, vgl. Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. X , Nr. 711–717 (Süddeutschland, 1480–1486). Schrift: Der ganze Band von einer Hand, identisch mit der 3. Hand in Wil M 41 (siehe CMD−CH III [1991], Abb. 449); p. 13–269 der Duktus im grossen Ganzen konstant, im folgenden zusehends nachlässiger, die Hand wirkt müde. Charakteristische Buchstabenformen: das a ›auf spitzem Fuss‹, mit links leicht eingebuchtetem Bauch, das finalis-s, dessen unterer Bogen (meist) geschlossen ist, die (teilweise fast horizontal) nach links gezogene g-Unterschlaufe, die in ein kleines Haarstrich-Häkchen nach rechts ausläuft. Einzelne Stücke beginnen

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zunächst in Gotica, so p. 13, p. 19, nach wenigen Wörtern resp. Zeilen Wechsel in die Hauptschrift (s. o.); die Gotica auch vereinzelt in den Rubriken, so z. B. p. 62; dies. Gotica auch im Teil dieser Hand in Wil M 41. Buchschmuck: 1–2-zeilige rote Lombarden, mit Spuren von Bleioxidation der Mennige-Mischung (so p. 19, p. 31, p. 44, p. 60, p. 278, u. a.). Besitzer: Besitzeintrag Spiegelblatt VD : Dis bvechli gehoert den frowen zvo sant katherinen zvo sant gallen. Dieser Eintrag stammt von ders. Hand wie derjenige in Cod. sang. 1017, p. [351], Besitzeintrag farnbülerin, wohl Hand der Angela Varnbühler (wenngleich ihre charakteristischen spitz-kursiven d und a hier fehlen). Literatur: Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78 unsere Handschrift erwähnt. 53. Cod. sang. 1869 – Predigten und geistliche Unterweisungen Papier · 532 paginae · 15 × 10,5 · 15./2 Jh. · [Angela Varnbühler] Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 122–125: Paginierung des 20. Jhs. Einband: Zeitgenössischer Einband des Katharinen-Klosters: helles (Ziegen-)Leder ohne jede Verzierung, Leder-Langschliesse VDK−HD . Lagen: Sexternionen, ausser VIII 97–128, V201–220, (IV –1)413–426, erstes Blatt der Lage vor 413 herausgeschnitten, VII 475–530. Lagennummerierungen j−xxij und regelmässige (teils ausführliche) Wortreklamanten (jeweils bereits auf dem vorletzten Blatt der Lage) von der Schreiberin. WZ: Kleiner Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, mit Stange und Z, p. 36 mit Bleistift nachgezeichnet, sehr ähnlich, ev. identisch mit Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15193 (St. Gallen, um 1487, sowie Zentral- und Ostschweiz), auch Varianten dieses Zeichens schweizweit, frühester Beleg Chur 1473–1483; sehr ähnliches Wasserzeichen wie Cod. sang. 1066 (ebd., Nr. 15192, Zürich, 1473–1499; Konstanz, 1473), sowie in der Chronik (siehe dort). Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, 9/9,5/10 × 6,5/7 cm, 14/15 Zeilen, in der Schlusspartie (in kleinerer Schrift) bis 21 Zeilen. Schrift: Der Band stammt von der Hand der Angela Varnbühler, gemäss Schriftvergleich mit ihrer Hand in der Chronik, aufgrund des Duktus allgemein sowie den übereinstimmenden Buchstabenformen der unzialen d, der a, e, h und z, des finalis-s, der ch- u. ck-Ligatur, ausser dass hier bei den g die Unterlänge

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oberhalb des Bauches ansetzt; generell fällt die grosse Sorgfalt und Regelmässigkeit im Duktus auf; sehr akkurat, diszipliniert und konstant auch in den Buchstabenformen, regelmässiges Schriftbild [sehr ähnlich ihrer Schrift zu Beginn der Chronik, also wohl ungefähr zur selben Zeit wie die Anlage der Chronik (1481/82)]. Die Schlusspartie p. 525–530 in (zunehmend) kleinerer Schrift. Von ihrer Hand auch Cod. sang. 991, aufgrund ders. charakteristischen Buchstabenformen, einzig ist dort der Duktus etwas runder und breiter; ihre Hand auch als 2. Hand in Wil M 1. Buchschmuck: Einfache, saubere 3-zeilige Lombarden; p. 106 unten Zierleiste mit roter Tinte, ähnlich p. 132 (Absatz), p. 196 (do.), ähnliche Verzierungen im Text (zum ›Ausfüllen‹ von Zeilen) passim p. 391–401. Die ›Konturen-Vorzeichnungen‹ für die Lombarden stammen von der Hand der Schreiberin, deshalb wohl auch die (sehr sorgfältigen, wie ›gemalten‹) Lombarden selbst. Korrekturen/ Nachträge: Passim Korrekturen von der Hand der Schreiberin. Besitzer: Besitzeinträge: p. 1: Das buoch gehörtt in das closter zuo Sant katherinen zuo Sant gallen prediger ordens (vor 1498: Eintrag von ders. Besitzeintrags-Hand wie in Überlingen Ms. 22, f. 2r, i. e. Cordula von Schönau). Inhaltsangabe: p. 1–219: Predigt über die heilige Jungfrau Clara, in die deren Vita eingearbeitet ist.51 – p. 221–242: [Geistlicher Sendbrief eines Vaters an seine besonderen Kinder], einem bruoder des ordens francisci zugeschrieben.52 – p. 256–291: Predigt zu ›Mulier cum parit‹ [Joh 16, 21]: Über das Leiden, den Tod und die Sakramente.53 – p. 427–530: [Ps.-]Anselm, von der maß des gaistlichen crutz [De mensuratione crucis, dt.].54 51 Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159, Anm. 2: »Betrachtungen zum Leben der Klara von Assisi in Predigtform«. Siehe dens., Franziskanisches Schrifttum I (1965), S. 57–65 (Handschriften und Lit.), dort in kurzen Auszügen gedruckt, unter Beizug dieser Handschrift; dazu ergänzend ders., Das ›St. Klara-Buch‹, in: Wissenschaft und Weisheit 46 (1983), S. 192–206 (unter dem Titel: Klara-Traktat ›Der herr aller ding‹). 52 Der Sendbrief auch in Cod. sang. 1859 [Besitz St. Katharina], p. 525–540. 53 Auch in Cod. sang. 1066, f. 232ra–237ra, vermutlich Abschrift aus unserer Handschrift. Ediert von Kurt Ruh, Franziskanisches Schrifttum II (1985), S. 159–165, auf der Grundlage dieser Handschrift, mit Varianten aus Cod. sang. 1066 im textkritischen Apparat. Die Hypothese bei dems. ebd., S. 159, zur Provenienz der Handschrift aus dem Klarissen-Kloster Villingen, ist zu korrigieren, siehe im Kap. IV .4: Schriftlicher Austausch, Villingen, mit Anmerkungen. Die Predigt bei Morvay/Grube, Bibliographie deutsche Predigt (1974), S. 199, T 204, mit unserer Handschrift als Leithandschrift. 54 Parallel-Überlieferung in München BSB Cgm 4597, f. 1r–34r, und UB Freiburg Hs. 490, f. 153r–166r (Block V ); zur Freiburger Handschrift siehe Kap. IV .2:

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Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 251 f., Nr. 71: »Kursive, ausgehendes XV . Jh., gleiche Hand wie Nr. 54«, i. e. Cod. sang. 1916. Diese Zuweisung beruht offensichtlich auf einem Irrtum und ist zu korrigieren; Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78 unsere Handschrift erwähnt; Fechter, Handschriften Inzigkofen (1997), S. 122 f. – Zur Handschrift siehe hier Kap. IV .4: Schriftlicher Austausch, Villingen, S. 236. 54. Cod. sang. 1870 – Deutsche Gebete Papier · 628 paginae · 15,5 × 10,5 · 16./1 Jh. · [Barbara von Boswil?] Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 125–129: Lagen: Lagenzählung p. 1–372 mit Buchstaben a−z (von der Hand der Schreiberin), danach Silben- und Wortreklamanten (do.). WZ: 1. p. 1–127 kleiner Bär mit sehr kleinem Kopf, vom Typ her ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nrr. 12266 (Bern, 1490/1491), 12268 (Solothurn, 1508–1513), 12270 (u. a. Zürich, 1518/1527; Bern, 1526; Augsburg, 1530); ähnlich auch Piccard, Wasserzeichen XV /2 (1987), Nr. 427 (Solothurn, 1508). – 2. p. 130ff. weiterer kleiner Bär, mit Senkrücken, weder bei Briquet noch bei Piccard. Schriftraum: Einspaltig 9,5/10 × 6,5/7 cm, Schriftspiegel dunkelbraune Tinte, keine Linierung, 17–24 Zeilen. Schrift: Haupthand p. 7– 620: Bastarda von persönlichem Duktus, mit leichter Rechtsneigung, von einer bekannten Schreiberin des 16./1 Jhs., mit deutlichen Schreibcäsuren: p. 1–5, p. 585–620 in kleinerer, flacherer Schrift, Buchstaben- und Zeilenabstand deutlich enger (bis 24 Zeilen). Die Hand ist identisch mit der Hand der Codd. sang. 509 (Schriftcharakterisierung siehe dort) und 510 sowie mit der Haupthand in Cod. sang. 513 (siehe dort: schriberin, ev. Barbara von Boswil); zudem findet sie sich als Einschubshand in Wil M 8, f. 166vb, f. 208rb. Charakteristisch sind der kantige Abstrich der a und u, sowie der schwungvolle Anstrich bei v und w, der schwungvoll schräg nach links gezogene Abstrich des h (hier besonders ausgeprägt), do. die Unterlängen der y und z, die l mit ›quadrangel-ähnlichen Füsschen‹, die b ›auf spitzem Fuss‹ stehend, die Form der unzialen d variiert: teils (andeutungsweise) ›auf spitzem Fuss‹ stehend, teils annähernd auf der imaginären Linie aufliegend, Schriftlicher Austausch, Inzigkofen, S. 228, Anm. 94. – Zu Ps.-Anselm, De mensuratione crucis, lat.: PL 159, Sp. 289–302; zu deutschen Übersetzungen VL 2 1 (1978), Sp. 380 (Georg Steer).

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teils einfach rund; i-Striche statt i-Punkt, die g-Unterschlaufe eher zurückgenommen, rundlich, allgemein Kürzungsstriche schwungvoll nach oben gezogen. – Feminine Formen im Hauptteil: p. 4: sünderin, p. 7: arme su´nderin, p. 58: mir armen su´nderin, p. 62: aller ermste su´nderin, p. 63: erbarm dich min diner armen sunderin, p. 366: arme su´nderin, p. 422: disser froed las mich arme su´nderin geniessen, p. 423: maria gottes muotter vnd aller sunderin ain trost [. . .] bis von mir [+, Einfügung am Rand] armen su´nderin ermanet, p. 587: gegen mir armen su´nderin. Buchschmuck: 1–3-zeilige rote Lombarden mit Punktverdickung, ab p. 35 passim auch mit Schaftaussparungen (teils ausführliche). Korrekturen/Nachträge: Rubriken von der Hand der Schreiberin. p. 314 Durchstreichungen der Schreiberin, mit Korrekturen; p. 621–622 deutsche Kursive des 16. Jhs. Herkunft: Herstellung im Katharinen-Kloster St. Gallen gemäss der Schreiberin. Auf dem hinteren Spiegel Federprobe der Hand von p. 621/622. Inhaltsangabe: Inhaltlich zahlreiche Übereinstimmungen mit Cod. sang. 507, Cod. sang. 513 und Cod. sang. 514: Die Rosenkränze zur Passion Christi, p. 161–173, auch in Cod. sang. 507, f. 262r–287r, Cod. sang. 513, f. 45v–58v und Cod. sang. 514, f. 144r–166r; weitere Übereinstimmung, z. B. das Passionsgebet p. 46–51 alle herschafft dienet [. . .], auch in Cod. sang. 503f, f. 135v–138v. Literatur: Die Handschrift nicht erfasst bei Vogler, St. Katharina (1938); Ochsenbein, Bernhard von Clairvaux (1994), S. 230f., mit Anm. 1, mit Abdruck der Rubrik; gemäss dems. lässt sich von der lateinischen Vorlage eine Abschrift in einem Zisterzienserinnengebetbuch von 1485 nachweisen: Darmstadt, LB , Hs. 4, f. 42v–44v. – Die Handschrift figuriert bei Schiewer, Literarisches Leben (2004) im Anhang II , S. 308f. irrtümlich mit St. Katharinentaler Provenienz, auch die chronologische Einordnung ist zu korrigieren.

55. Cod. sang. 1914 – Processionale Pergament · 20 folia/40 paginae · 23/24,5 × 14,6/16 cm · 15. Jh. [1484–1488?] Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 190: Zeitgenössische Foliierung 1–20 mit brauner Tinte, wohl von der Schreiberin; moderne Bleistiftpaginierung 1–14, Hand des 20. Jhs.

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Einband: Zeitgenössischer schlichter Katharinen-Einband: Rot gefärbtes (Schaf-)Leder auf Holz; eine Leder-Langschliesse HDK−VD verloren, Stift VD und Messing-Fassung HDK erhalten; sechs rot gefärbte (heute verblasste) Leder-Signakel, ein Buchzeichen aus (ehemals) roter Seide am oberen Kapital angenäht (vermutlich später als die Handschrift). Lagen: III 1–6, IV 7–14, III 15–20 (der mittlere Bogen kleineres Format). Schrift: Schrift, Einrichtung (Rastrierung) und Cadellen entsprechen den Handschriften Wil M VII und M VIII , vermutlich von ders. Hand (siehe bei Wil M VII und M VIII sowie Abb. 4). Buchschmuck: Einfache 2–3-zeilige rote Lombarden, Cadellen mit brauner Tinte, meist mit rotem Abstrich, teilweise improvisiertes federgezeichnetes Beiwerk (kaum definierbar) mit brauner Tinte. Zustand: f. 4 kleiner Riss genäht. Herkunft: In der Chronik sind mehrfach Processionalia auf Pergament erwähnt (1484 zwei, 1488 acht procesional), diese Handschrift vermutlich eines davon. Besitzer: Spiegelblatt hinten: Dis buoch gehört in S katherinen kloster zuo S Gallen, Hand des 15. Jhs., vermutlich Hand der Verena Gnepser; von ders. Hand oberhalb des Besitzeintrags auf vorderem Spiegel ein kleiner ›Conspectus‹: purificatio — — —, palmarum — — —, mandatum — — —, Ascensione dni — — —, Dedicatione — — —, Assumpcione marie — — —.

56. Cod. sang. 1916 – Johannes Meyer, Buch der Reformatio Prediger Ordens Papier · II + 760 paginae · 21,5/22 × 14,5 cm · [1483] Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 195–197: Neue Bleistiftpaginierung; summarische Bleistiftfoliierung von Reichert (s. u.) auf jedem zehnten folio. Einband: Katharinen-Einband des 15. Jhs.: Helles Leder auf Holz, ohne jegliche Verzierungen, abgeschabt (sieht aus wie Veloursleder); ehemals zwei Leder-Langschliessen HDK−VD , verloren, auf VD die Stift-Löcher der Schliessenfassung, an HDK Abdrücke der Messing-Fassung sichtbar. ›Schwanz‹ erhalten, über den Kopf hinausragendes Leder teilweise abgerissen. Ledernes Lesezeichen mit vier Bändern und Kopf, lose eingelegt.

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Lagen: Zeitgenössische Nummerierung der 32 Lagen in römischen Ziffern, ev. von der Texthand. WZ: 1. mitra-ähnliche Marke (wie Cod. sang. 363, Cod. sang. 406 und KlA Wil, Chronik), p. 150, p. 522, p. 176/177 im Falz mit Bleistift nachgezeichnet, vgl. exemplarisch in Cod. sang. 363, f. 266, sowie in der Chronik auf leerem f. 4, entspricht bei Briquet, Filigranes IV (1907) bei den Filigranes inde´termine´s Varianten der Nr. 16062 (u. a. Bern, Biel, Sion, Genf, Fribourg, 1457–1496). – 2. kleiner Ochsenkopf mit Augen und Nüstern, mit Stange und Z, p. 658, p. 726 (Kopf), p. 672, p. 710 (Z), ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. II , Nr. 164 (u. a. Basel, Konstanz, Nürnberg, 1482–1486), bei unserem Modell sind die Augen versetzt; entfernter ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 15193 (u. a. St. Gallen, ca. 1487; Bern, 1487). Schriftraum: Schriftspiegel braune Tinte, 14,5/16 × 9,5/10 cm, 20–26/27 Zeilen. Schrift: Schrift dunkelbraune Tinte. Der ganze Band (760 paginae) von einer Hand, mit Ausnahme der unteren Hälfte von p. 339 (f. 169r), welche (gemäss Schriftvergleich) von der Hand der Elisabeth Muntprat stammt.55 Die Haupthand ist identisch mit der 2. Hand in Cod. sang. 1066 sowie mit der 2. Hand in Wil M 41: charakteristische, schwungvolle, energische Halbkursive mit zackigen Buchstabenformen, auffallend die vertikal nach links gezogene Unterschlaufe der g; die d und meist auch die a wie ›auf spitzem Fuss‹ stehend; vgl. Abb. 27. Sie schreibt hier z. T. deutlich enger, zusammengezogener und kleiner als in ihren übrigen Handschriften, vgl. p. 110 bis ca. p. 230; in ihrer typischen Schrift schreibt sie p. 680 bis Schluss, dort besondere Nähe zu Cod. sang. 1066. Mehrere deutliche Schreibcäsuren, passim auch Kielwechsel, aber gleichwohl von einer Hand [entgegen der vermuteten »2. Hand« bei Vogler, St. Katharina (1938) (s. u.), so auch Scarpatetti (s. u.)]. Die Schreiberin war offenbar sehr routiniert, vgl. den Duktus sowie den Umfang der Bände respektive der Partien von ihrer Hand. Buchschmuck: Zahlreiche, sehr sorgfältig ausgeführte Initialen und Lombarden: p. 1, p. 3, p. 6, p. 11, p. 43, p. 55 (vgl. Abb. 27), p. 85, p. 87, p. 90, p. 102, p. 110, p. 118, p. 122[!], p. 206, p. 243, p. 270, p. 307, p. 338 [!], p. 349, p. 374, p. 394, p. 398, p. 426, p. 437, p. 440, p. 442[!], p. 495, p. 505, p. 531 [!], p. 562[!!], p. 574[!! Eichel-Ranken], p. 578, p. 584, p. 604, p. 615, p. 620, p. 624, p. 627, p. 630, p. 640, p. 656, p. 664[!], p. 668, p. 673, p. 687, p. 713 [!!], p. 729, p. 738, p. 752–754. Die Lombarden und Initialen gleicher Stil wie Cod. sang. 1066, vgl. die S-In55 So auch Vogler (s. u.); Fechter, Blarerin (1979), S. 436–439; die Abb. in CMD−CH III (1991), Nr. 285, Abb. 440, ist nicht die Hand der Elisabeth Muntprat, gemäss Vergleich Abb. 440 mit Abb. 442, sondern die Haupthand.

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itiale p. 60, p. 716 mit Cod. sang. 1066, f. lxxxxiiiiva, sowie die D-Initiale p. 584 mit Cod. sang. 1066, f. lxxxixvb. p. 134, neben der Rubrik/Initiale primitive schwarz-rote Federzeichnung (Nonne), wohl von der Hand der Schreiberin, vermutlich Versuch einer ›Kopie‹ nach einer Miniatur aus der Nürnberger Vorlage: sie ähnelt den aus Nürnberger Handschriften bekannten Nonnen-Miniaturen.56 Herkunft: Die Handschrift dürfte, gemäss KlA Wil, Chronik, f. 27v, zum Jahr 1483,57 nach einer Vorlage des Katharinenklosters Nürnberg geschrieben worden sein: Jtem wir hand [. . .] geschriben [. . .] das schwoestren buoch Wie die kloester reformiert sind [. . .] haut man v´ns [. . .] gelichen von nu´renberg Vss Sant kattrinen kloster prediger ordens Die erwirdigen lieben muotren Vnd tru´wen mit schwoestren Vnd kostet das papir vnd in binden iij guldi.58 Besitzer: Spiegelblatt vorne: Dis buoch gehört in sant katherinen kloster zuo S[ant] gallen prediger orden, von mir bekannter Katharinen-Hand des 15. Jhs., ev. Cordula von Schönau; links daneben von Hand des 17. Jhs.: Behört zu st. Catharinen kloster vor Weil. Darunter: Gehört dem Tit. Dr. Carl Joh. Greith Bischof von St. Gallen, daneben: 1864, darunter Besitzeintrag des Bischöflichen Ordinariates: Gehört dem bisch. Ordinariate von St. Gallen + Carl Joh. Greith, Bischof, daneben: 1880. Weiterer Besitzeintrag p. 2, von der Hand der Schreiberin: Jtem daz buoch gehoert in dz Closter zuo sant katherina prediger ordens in sant gallen statt. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 244 f., Nr. 54; CMD−CH (1991), Nr. 285, Abb. 440, diese Abb. zeigt jedoch nicht die Hand der Elisabeth 56 Vgl. Elisabeth Schraut, Stifterinnen und Künstlerinnen im mittelalterlichen Nürnberg (Ausstellungskatalog), Nürnberg 1987. 57 Reichert datiert die Handschrift auf das Jahr 1474 (Benediktus M. Reichert, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 2: Buch I–III , Leipzig 1909; ders. ebd. 3: Buch IV +V, Leipzig 1908 [!], S. XXI , ohne Begründung). 58 Die Handschrift »München BSB Cgm 8081, erworben 1967 aus Nürnbergischem Privatbesitz, stammend aus dem dortigen Katharinenkloster, geschrieben wahrscheinlich zwischen 1474 und 1483, annähernd inhaltsgleich mit unserer Handschrift, an Authentizität besser als die von Reichert für die Ausgabe benutzte St. Galler Hs.«, ist wohl die in der Chronik erwähnte Vorlage (s. o.) und damit vermutlich direkte Vorlage unserer Handschrift; siehe Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 197 (Lit.). – Eine unvollständige Handschrift in Tübingen, Md. 456, siehe hier Kap. IV .2: Schriftlicher Austausch, Inzigkofen, S. 221.

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Muntprat, sondern die (weibliche) Haupthand. Die Handschrift auch erwähnt (ohne Signatur, da in StiBSG erst seit 1930) bei Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 362f. – Zur Handschrift siehe hier Kap. IV .1: Schriftlicher Austausch, Nürnberg, S. 212f. 57. Cod. sang. 1917 – Compilatio mystica (Greith’scher Traktat) Papier · 342 paginae · 20,5 × 14,5 cm · 15./2 Jh. Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 197–199: WZ: 1. Traube an Henkel mit Griff, ziemlich ähnlich Briquet, Filigranes IV (1907), Nr. 12996 (Genf, Babenhausen, 1446, 1447), p. 16 mit Bleistift nachgezeichnet, p. 14 die untere Hälfte. – 2. ab Lage XII p. 269ff. Ochsenkopf mit Stern, ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 301ff. (u. a. Rheinfelden, Basel, Konstanz, 1456–1459). Schriftraum: Einspaltig 14/15 × 7,5/9,5 cm (am rechten Rand kaum berücksichtigt), 21–25 Zeilen, Linierung Bleistift und Tinte. Schrift: Der ganze Band von einer Hand des 15./2 Jhs.59 Duktus diszipliniert und regelmässig, Elongierungen am oberen Blattrand passim (v. a. d-Oberschlaufen), vgl. z. B. p. 63, Haarstriche p. 21 ff. bis ca. p. 64, danach verlieren sie sich zusehends, gegen Schluss ca. p. 300ff. keine mehr; teils schwungvolle Ansatzschlaufen von links bei v und w, so p. 112, p. 138, p. 159, im folgenden ebenfalls kaum noch; zu Beginn linksgeneigt, dann mehr und mehr Tendenz zur Vertikalen; Duktus weich und rund; Buchstabenformen: kursive d, mit tw. nach links geneigter Oberschlaufe (vgl. p. 34 ff.), teils Tendenz zu ›spitzem Fuss‹, teils Oberschlaufe heruntergedrückt, g mit runder Unterlänge, Schlaufe nicht ausgeprägt, stLigatur, teilweise de-Ligatur (ähnlich der gotischen Bogenverbindung). p. 21–29 frakturnäher, ab ca. p. 161 wirkt sie etwas bemüht, wird in der Folge etwas nachlässig. Buchschmuck: Keinerlei Buchschmuck, Platz für 2–3-zeilige, nicht ausgeführte Lombarden/Initialen ausgespart p. 86, p. 90, p. 136, p. 149, p. 160, p. 270, u. a. Korrekturen/Nachträge: p. 121 am rechten Rand lateinisches Stossgebet von anderer, zeitgenössischer Hand: Domine non secundum peccata mea facias nobis [. . .]. Bleistiftmarginalien von der Hand Greiths passim. Besitzer: Behört in St. Catharina Closter vor Weyl, Hand des 16./2/ 17./1 Jhs. 59 Siehe Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 8*[d], Abb. [5].

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Inhaltsangabe: p. 1–342: [Compilatio mystica / Greith’scher Traktat]:60 Der Text unserer Handschrift ist identisch mit dem ›Lehrsystem der dt. Mystik‹ in dem ebenfalls aus dem Katharinen-Kloster stammenden Block II der Handschrift Cgm 5233, f. 1r–96v, f. 105rv, f. 97r–104v; sic bei Schneider.61 Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 248, Nr. 64; VL 2 5 (1985), Sp. 676–678 (Volker Honemann), mit unserer Handschrift Sp. 676f., wo Honemann sie ins 14. Jh. (!) setzt.

58. Cod. sang. 1919 – Deutsche Predigten (›Engelberger Prediger‹, Johannes Tauler) · Geistliche Lehren · Geistliche Parabeln Papier · 632 paginae · 21 × 15 cm · 15./2 Jh. [vor 1498] Ergänzungen zu Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 200–205: Einband: Ehemals dunkelbraunes Leder auf Holz, stark abgerieben. Auf 60 Gemäss Honemann (s. u.) sei die Kompilation im späten 14. Jh. in dominikanischem Milieu entstanden; zum grössten Teil aus Partien mystischen Schrifttums des 14. Jhs. zusammengesetzt (knapp 60 % sind heute als Übernahmen nachgewiesen); »in seiner hochabstrakten Spekulation schliesst sich [der Text] an die Mystik Meister Eckharts und seines Umkreises an« (ders. ebd., Sp. 677 f.); unterscheidet sich »von den für das 14. u. 15. Jh. spezifischen Formen der ›Frauenmystik‹« radikal: Das ›Lehrbuch‹ sei ein »später Versuch [. . .], geistlich lebenden Frauen wesentliche Aspekte der Mystik Meister Eckharts und seines Umkreises systematisch zu vermitteln«. 61 Zu Cgm 5233 siehe Schneider, Handschriften BSB München (1996), S. 552 f., sowie hier Kap. IV .2: Schriftlicher Austausch, Inzigkofen, S. 225 f., mit Anmerkungen, III .3: Profil der Bibliothek, S. 161. – In der alle fünf Handschriften des ›Greith’schen Traktats‹ (Zürich Ms. C 108b; BSB München, Cgm 5233, Cgm 4373; StaUB Hamburg, Cod. theol. 1886 [Nilüfer Krüger, Die theologischen Handschriften der StaUB Hamburg, Stuttgart 1993, S. 45 f., ebd. nicht als ›Greith’scher Traktat‹ identifiziert], Cod. sang. 1917) berücksichtigenden kritischen Edition von Cadigan figuriert im Handschriften-Stemma S. lxxviii unsere Handschrift zusammen mit Cgm 5233 an erster Stelle nach der erschlossenen ›Urschrift‹. Da der textgeschichtlich von Cod. sang. 1917 abhängende Block II des Cgm 5233 mit dem ›Greith’schen Traktat‹ ebenfalls aus dem St. Galler Katharinen-Kloster stammt (Schneider, ebd., gemäss den Wasserzeichen n a c h unserer Handschrift zu datieren), entspricht unsere Handschrift der ›Urschrift‹ bei Rosemary Cadigan, The Compilatio Mystica (Greith’s Traktat) in the Original: An Edition of Ms. C 108b Zürich with reference to four other parallel Manuscripts, Diss. University of North Carolina, Chapel Hill 1973 (ungedruckt, Mikrofilm).

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Katalog der Handschriften

dem Buchrücken: Papierschild (mehrfach eingerissen) mit Aufschrift einer Hand des 16./2 Jhs.: A Ein deütsches Predig buch N I .62 Lagen: Alle Lagen mit Pergament-Falzverstärkung. WZ: 1. Ochsenkopf mit Stange und Stern (wie in Wil M 41), Kopf z. B. p. 204, p. 244, p. 246, p. 250, p. 288 (mit Bleistift nachgezeichnet), Stange mit Stern z. B. p. 230, p. 238; ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 282, entfernter ähnlich auch Nr. 286 (u. a. Basel, Konstanz, 1455–1457). – 2. Ochsenkopf mit Stange und Stern, fol. 207/208, kurzer Kopf mit eingedrückten Wangen, grossen aneinanderstossenden Nüstern, schmalen, waagrecht abstehenden Ohren (sehr ähnlich, ev. identisch mit dem 2. Ochsenkopf in Wil M 42), ähnlich Piccard, Wasserzeichen II /2 (1966), Abt. VII , Nr. 309 (Engen, 1471– 1480), nicht bei Briquet, Filigranes IV (1907). Schriftraum: Einspaltig 15/17 × 9/10,5 cm, 24–28 Zeilen. Schriftspiegel braune Tinte (am rechten Rand kaum berücksichtigt), fehlt ab p. 194, p. 217 Spuren einer (Blind?–) Einrichtung, ab p. 261 bis Schluss wieder Tinte, p. 291–344 wieder ohne Einrichtung, p. 345–368 Einrichtung braune Tinte, zusätzlich Bleistiftlinierung, p. 369–372 ohne Einrichtung, p. 373–538 mit Tinte, p. 539–562 ohne Einrichtung, danach bis Schluss mit brauner Tinte, 9/10,5 × 15,5/17 cm (in den Teilen mit Einrichtung). Schrift: Der Band stammt von der Hand einer routinierten Schreiberin, in aufrechter, aber durchaus schwungvoller (vgl. besonders p. 50), halbkursiver Bastarda, mit einer gewissen persönlichen Prägung; charakteristisch der rechtskonkave Bauch des a, ähnlich der Kopf des g, dessen Unterschlaufe zudem bis an den Abstrich hochgezogen ist, der Bauch des unzialen d eher kantig (ähnlich die o, v. a. am Wortanfang), sein Schaft steht fast aufrecht; sehr speziell auch die z mit drei (statt zwei) kleinen Bögen; geringfügige Schwankungen im Duktus aufgrund von Schreibcäsuren und Kielwechseln: unterschiedliche Schriftgrade, variierende Buchstaben- und Wortabstände; mehrfach Wechsel im Schreibtempo, bei offensichtlich zügiger Niederschrift; vereinzelt Streichungen und Korrekturen von der Texthand, z. B. p. 78, p. 80, p. 86 f. Die Hand ist identisch mit der Hand von Wil M 42 (so schon Vogler, St. Katharina [1938], s. u.) sowie mit der 1. Hand in Wil M 41 (mit Abweichungen: dort fehlt das z mit drei [statt zwei] Bögen, hier das runde finalis-s, das dort konsequent steht). – p. 608–630 von einer zweiten Hand ähnlichen Typs, nicht rubriziert. Buchschmuck: Primitive 1–2-zeilige rote Lombarden, teilweise mit Bleioxidation 62 Zu ›A‹ vgl. die Bibliotheks-Ordnung im ›Ämterbuch‹ des Johannes Meyer [Überlingen Ms. 5, f. 211ra–212ra (Abschnitt ›Buchmeisterin‹)].

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der Mennige-Mischung, so z. B. p. 293, p. 360, p. 539. p. 624 drei mit einem Fisch (ein grösserer, zwei kleinere) verzierten J-Lombarden (zu drei FischSinnspüchen), von der Texthand (mit derselben Tinte, mit demselben Kiel). Auch in Wil M 42, von ders. Hand, eine Fisch-verzierte Lombarde f. xliv. Korrekturen/Nachträge: p. 597 Korrektur/Ergänzung in margine mit ursprünglich roter, heute dunkelgrauer Tinte (Bleioxidation der MennigeMischung) von der Hand der Schreiberin. – Kleine Marginalien fremder Hände p. 343 und p. 387; p. 631 (nach Schlussvermerk der ›Fischli und Fögeli‹ p. 630) drei Parabeln nachgetragen von einer 3. Hand.63 p. 59 Bleistiftnotiz Carl Greith zur Parallelstelle [Marquard von Lindau, Nabuchodonosor] in Cod. sang. 1155, p. 233–345. Besitzer: Besitzeinträge Spiegelblatt vorne: Dis bvoch gehoert den frowen ze sant katherinen ze sant gallen, Hand des 15. Jhs.; darunter: Behört in St. Catharina Closter vor wey¨l, Hand des 17. Jhs. Inhaltsangabe: p. 1–2: Inhaltsverzeichnis, von der Haupthand: p. 1, mit roter Rubrizierungstinte: hie finst [!] du was in disem buoch stat. Von der Texthand, do. das Register selbst, mit (vermutlich nachgetragenen) foliaAngaben einer anderen Hand. – p. 3–33: [›Engelberger Prediger‹], Predigt von St. Andreas.64 – p. 608–631: [Geistliche Sinngedichte]65 ICh haiss v´nser frowen fischli [. . .], 64 plus 3 nachgetragene (p. 631) Parabeln, z. T. gereimt,66 p. 608: Ain tistel fogeli ich bin / min gessang ist lieplich vnd fin / gaistliche froed soltu in dinem herczen haben / so wirt dir alle arbait licht ze tragent [!] / durch dinen suessen heren on allen spot / den froelichen vffgeber 63 Dieser nochmalige Handwechsel nicht vermerkt bei Scarpatetti, SupplementKat. (1983), S. 200. 64 Auch in Cod. sang. 1878, p. 432–464 sowie in Wil M 47 (Besitz St. Katharina), f. 166v–178r. Vgl. S. Beck, Untersuchungen zum ›Engelberger Prediger‹, Freiburg/Schweiz 1952; M. Stauffacher, Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung des Engelberger Predigers, Basel 1987. 65 Vgl. die Notiz p. 630: Die erwirdigen andechtigen f[rowen?] von filingen Clae rissera habent v´ns disi fogeli vnd fischli geben got well sij ewiklich gesegnen. Vogler, St. Katharina (1938), S. 82 f., vermutet als Verfasserin der Sinnsprüche Ursula Haider, Priorin des Klarissenklosters Villingen; wenn diese These von der Verfasserschaft Ursula Haiders zutrifft, wäre die Handschrift vermutlich vor oder kurz nach 1498 fertiggestellt worden (Terminus ante quem, da Ursula Haider † 1498). 66 Eine Anzahl dieser Parabeln ist mit dem Namen einer Schwester versehen, vgl. Scarpatetti, Supplement-Kat. (1983), S. 205, dort die Namen der Konventualinnen.

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Katalog der Handschriften

minnet [?] got, p. 610: Ain brust roeteli jch bin / vnd nim alle zitliche sorgfaltikait hin / min gesang tuot dich leren / v´briger sorg solt dich weren / vnd och massen / got wil die sinen nit verlassen, p. 611: tu´bly, p. 612: spaerber, p. 612: schalm, p. 612: amsel, p. 613: waechteli, p. 613: orhan, p. 617: turtel tueblin, p. 622: wasser stelzli. Literatur: Vogler, St. Katharina (1938), S. 250, Nr. 69, mit Inhalts-Inventar; Williams-Krapp, Legendare (1986), S. 227 (Sg5), mit Verweis auf die ebenfalls im Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen entstandene Handschrift Erlangen, UB, cod. B21 (El1), S. 203; die Handschrift erwähnt bei Hauber, Handschriften in Frauenklöstern (1914), S. 363, sowie bei Rüther/Schiewer, Predigthandschriften (1992), S. 187, Anm. 78. – Zur Handschrift siehe hier Kap. IV .4: Schriftlicher Austausch, Villingen, S. 234–236.

Abbildungen

Abbildungen

Abb. 1: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M II, f. 1v.

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Abbildungen

Abb. 2: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M III, f. 48r.

Abbildungen

Abb. 3: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M III, f. 154v.

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Abbildungen

Abb. 4: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M VII, f. 5r.

Abbildungen

Abb. 5: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M 1, f. 120r [Angela Varnbühler].

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Abbildungen

Abb. 6: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M 3, f. 203r [Verena Gnepser].

Abbildungen

Abb. 7: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M 3, f. 7r [Verena Gnepser].

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Abbildungen

Abb. 8: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M 8, p. 1 [Regina Sattler].

Abbildungen

Abb. 9: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M 32, f. 2r [Regula Keller].

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Abbildungen

Abb. 10: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, M 41, f. 415r [Euphrosina Keller].

Abbildungen

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Abb. 11: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, Chronik (›Konventsbuch‹), f. 94v [Angela Varnbühler].

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Abbildungen

Abb. 12: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, Urbar, f. 4v [Regula Keller].

Abbildungen

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Abb. 13: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 363, f. CClvvb [Elisabeth Muntprat].

382

Abbildungen

Abb. 14: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 406, p. 505 [Cordula von Schönau].

Abbildungen

Abb. 15: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 406, p. 375.

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Abbildungen

Abb. 16: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 407, f. Bar.

Abbildungen

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Abb. 17: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 491, f. 106v [Cordula von Schönau].

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Abbildungen

Abb. 18: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 513, f. 168v [schriberin].

Abbildungen

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Abb. 19: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 990, p. 314 [Dorothea von Hertenstein].

388

Abbildungen

Abb. 20: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 990, p. 206 [Elisabeth Schaigenwiler].

Abbildungen

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Abb. 21: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 991, p. 479 [Angela Varnbühler].

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Abbildungen

Abb. 22: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. Cxviijr (1. Hand).

Abbildungen

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Abb. 23: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. lxxxvijvb (2. → 1. Hand).

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Abbildungen

Abb. 24: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. CClxiijr (3. Hand).

Abbildungen

393

Abb. 25: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. CCxxxva (3. → 4. Hand).

394

Abbildungen

Abb. 26: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. CCxxxvijra.

Abbildungen

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Abb. 27: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1916, p. 55 (= 2. Hand Cod. sang. 1066).

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Abbildungen

Abb. 28: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, Chronik (›Konventsbuch‹), f. 131r [Justina Blarer].

Abbildungen

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Abb. 29: Wil, Klosterarchiv St. Katharina, A.I.9, Nr. 19, f. 1v [Elisabeth Schaigenwiler].

398

Abbildungen

Abb. 30: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. ljr.

Abbildungen

Abb. 31: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. sang. 1066, f. CClxxxxvjv.

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