Der Plan von St. Gallen: Ein Modell europäischer Klosterkultur 9783205792741, 9783205795025


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Der Plan von St. Gallen: Ein Modell europäischer Klosterkultur
 9783205792741, 9783205795025

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Osten

Legende zum Klosterplan 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10a 10b 11 12 13

Süden

Norden

14 15a 15b 16 17a 17b 17c 17d 17e 17f 17g 17h 17i 17j 17k

Westen

17l 17m 17n 17o 17p 17q 17r 17s 17t 17u 17v 17w 17x 17y 17z 18 19

Widmung Kreuzgang und Unterkünfte der Novizen Küche und Badehaus der Novizen Kapelle der Kranken und Novizen Infirmerie Küche und Badehaus der Kranken Heilkräutergarten Haus des Arztes und der Schwerkranken Aderlasshaus Abtpfalz Badehaus, Keller und Küche der Abtpfalz Schule Gästehaus Küche, Backhaus und Brauerei des Gästehauses Unterkunft der Gastmönche Unterkunft des Schulvorstehers Unterkunft des Pförtners Torhaus der Gäste und Schüler Torhaus zur Kirche Turm des Hl. Michael Turm des Hl. Gabriel Westparadies Altar des Hl. Petrus Altar der Hll. Lucia und Cäcilia (Sänger-)Chor Altar der Hll. Agathe und Agnes Taufbrunnen Altar der Unschuldigen Kinder Altar des Hl. Johannes des Täufers und des Hl. Johannes Evangelisten Altar des Hl. Sebastian Altar des Hl. Martin Kreuzaltar Altar des Hl. Mauritius Altar des Hl. Stephanus Ambo Altar des Hl. Laurentius Lesepult Altar der Hll. Philippus und Jakobus Altar des Hl. Benedikt Altar des Hl. Columban Altar des Hl. Andreas Altar der Hll. Maria und Gallus Altar des Hl. Paulus Ostparadies Unten Skriptorium und oben Bibliothek Unten Sakristei und oben Paramentenkammer

20 21 22 23a 23b 23c 24a 24b 25 26a 26b 26c 27a 27b 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37a 37b 37c 38a 38b 39a 39b 39c 39d 39e 39f 39g 39h 39i 39j 40 41a 41b 41c 42 43 44 45

Raum für die Zubreitung des heiligen Brotes Kreuzgarten mit Sevenbaum kirchseitiger Kreuzgang Unten Calefaktorium und oben Dormitorium Latrinen der Mönche Badehaus der Mönche Unten Refektorium und oben Kleiderkammer Küche der Mönche Unten Keller und oben Vorratsraum Torhaus der Klosterbediensteten Unterkunft des Armenpflegers Sprechzimmer der Mönche Pilgerherberge Brauerei und Backhaus der Pilgerherberge Stall der Schafe und Unterkunft der Hirten Unterkünfte der Knechte und Diener Ziegenstall und Unterkunft der Hirten Schweinestall und Unterkunft der Sauhirten Kuhstall und Unterkunft der Rinderknechte Stall der Stuten und Fohlen und Unterkunft der Knechte Ochsen- und Pferdestall und Unterkunft der Knechte Küferei und Drechslerei Kornspeicher Mühle Stampfe Darre Backhaus der Mönche Brauerei der Mönche Werkstatt des Schildners Werkstatt des Sattlers Werkstatt des Schusters Werkstatt des Schwertfegers Werkstatt des Kämmerers Gerberei Drechslerei Walkerei Werkstatt des Eisenschmieds Werkstatt des Goldschmieds Scheune und Tenne Gänsestall Unterkunft des Geflügelwärters Hühnerstall Unterkunft und Scheune des Gärtners Gemüsegarten Obstgarten Friedhof





Barbara Schedl

DER PLAN VON ST. GALLEN EIN MODELL EUROPÄISCHER KLOSTERKULTUR

Mit einem Beitrag von Karl Brunner

BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR



Gedruckt mit Unterstützung durch das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung das Kulturamt der Stadt Wien die Stiftsbibliothek St. Gallen den Kanton St. Gallen, Amt für Kultur

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Klosterplan, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, recto, Detail © 2014 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Bettina Waringer Korrektorat: Gabriele Fernbach Druck und Bindung: Dimograf, Poland Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-205-79502-5

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen . . . . . . . . . . 13 3. Was man vom Plan schon weiß: Forschungslage & Einordnung . . . . 21 4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung . 25 5. Erhaltungszustand & Technologischer Befund . . . . . . . . . . . 51 6. Wie der Plan entstand: Diskussions- & Herstellungsprozess . . . . . Das Reichenauer Skriptorium . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstes Stück Pergament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweites Stück Pergament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittes Stück Pergament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschriftung der Pergamente 1, 2 & 3 . . . . . . . . . . . . . . Viertes Stück Pergament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünftes Stück Pergament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschriftung der Pergamente 4 & 5 . . . . . . . . . . . . . . . Endredaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine wichtige Nebensache: Die Faltung . . . . . . . . . . . . . .

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57 57 59 61 68 74 76 77 82 83 83 85

Inhalt

7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 8. Wo er seine Heimat fand: Der Plan & das Kloster St. Gallen . . . . . 93 9. Zum späteren Geschick: Die Martinsvita im Kloster St. Gallen (Karl Brunner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 10. Zusammenstellung der Aufschriften . . . . . . . . . . . . . .

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 135 12. Verzeichnis der Illustrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Vorwort

»Weltberühmt – das kann man ohne die geringste Übertreibung sagen: Von der Schweiz, wo der Klosterplan als einer der größten Schätze des Landes gilt, über ganz Europa, wo man in dieser außergewöhnlichen Zeichnung ein Schlüsseldokument der karolingischen Renaissance sieht, bis hin zu so weit entfernten Ländern wie Japan und China, wo das Kloster St. Gallen und der dort aufbewahrte Plan Fachleuten, Touristen und gebildeten Menschen genauso vertraut ist, wie jenen, die heute noch im Schatten der Klosterkirche leben, als einzigartiges, wenn auch rätselhaftes Zeugnis für die frühmittelalterlichen Vorstellungen von Architektur und Kultur. Der Ruhm des Klosterplanes hat sogar Kalifornien im Wilden Westen der Vereinigten Staaten erreicht.« So charakterisierte Patrick Geary, Professor für Geschichte des abendländlichen Mittelalters, im Rahmen eines Roundtable in der Stifts­bibliothek St. Gallen die karolingische Architekturzeichnung. Patrick Geary war es auch, der mich im Jahr 2003 an die University of California Los Angeles (UCLA) holte, um gemeinsam ein Projekt über den Klosterplan zu initiieren, das die Andrew W. Mellon Foundation in den Jahren 2004 bis 2010 großzügig finanzierte. Damals begann für mich eine nachhaltig inspirierende, sehr harmonische und freundschaftliche Zusammenarbeit mit hochkarätigen Wissenschaftlern, hochmotivierten Spezialisten sowie überaus hilfsbereiten Bibliothekaren und Archivaren, weit über die Grenzen Österreichs hinweg. Für diese Lebenserfahrung, aber auch für das entgegengebrachte Vertrauen und den warmherzigen Umgang fern meines Heimatortes bin ich Patrick Geary sehr dankbar.

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Vorwort

Beteiligt an dem Projekt »Codex Sangallensis 1092. Content and Context«, das sich in einer ersten Phase auf eine inhaltliche – also objektbezogene – Unter­ suchung der Architekturzeichnung konzentrierte und erst in einer weiteren »Ausbauphase« den Kontext miteinbezog, waren unter der Projektleitung von Patrick Geary und Bernhard Frischer, Studenten und Studentinnen der UCLA, ein beratendes wissenschaftliches Komitee und ein technisches Team. Die Projektergebnisse, allen voran die hoch aufgelösten digitalen Aufnahmen des Klosterplanes, sind auf der Website »Carolingian Culture at Reichenau & St. Gall« (http://www.stgallplan.org) abrufbar. Diese Fotos bieten nun auch die Basis für dieses Buch, in dem ich jene Beobachtungen darlege, die ich während der jahrelangen intensiven Auseinandersetzung mit dem St. Galler Plan machte. Es war mir wichtig, durch eine systematische strukturelle Aufbereitung der auf der Architekturzeichnung vorhandenen Texte, kleinteiligen Grundrissdarstellungen und Symbole ein benutzerfreundliches Buch zu schaffen. Es soll helfen, den Überblick zu bewahren, damit weitere, neue Fragestellungen um diese komplexe Architekturzeichnung entwickelt werden können. Dieses Vorwort gibt mir auch die Gelegenheit, meinen herzlichen Dank all jenen aussprechen, die dieses internationale Projekt begleiteten, mich in meiner wissenschaftlichen Projektarbeit unterstützten und mir schließlich bis zum Druck dieser Publikation hilfreich zur Seite standen. Für die studentische Mithilfe bedanke ich mich bei Melissa Cocks, Hannah Friedman, Leanne Good, Jennifer Ng, Ned Schoolman, Erica Westhoff und Sarah Whitten. Die professionelle fototechnische Arbeit übernahm Lukas Rosenthaler von der Universität Basel, die programmtechnische webbasierende Umsetzung realisierte zunächst das Team um Bernhard Frischer vom Institute for Advanced Technology in the Humanities at the University of Virginia und später das Team um Stephen Davison an der UCLA. Worthy Martin, Henry Chiong, Parinita Ghorpade, und Elizabeth McAulay möchte ich hierfür meinen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit aussprechen. Bedanken möchte ich mich bei Julian Hendrix, der maßgeblich die zweite Projektphase koordinierte. Sehr bedeutend und anregend für meine wissenschaftliche Arbeit während der gesamten Projektlaufzeit und letztlich bei der Vorbereitung der gegenständlichen Publikation waren die zahlreichen Diskussionen und Gespräche mit Experten und

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Vorwort

namhaften Kennern der karolingischen Kultur. Ich bin Karl Brunner, Peter Erhart, Christoph Flüeler, David Ganz, Werner Jacobsen, Rosamond McKitterick und Clemens Kosch für viele wertvolle Hinweise und zahlreiche Gespräche sehr verbunden. Doch ohne die maßgebliche Hilfe von den Mitarbeitern der Stiftsbibliothek St. Gallen, die großzügig des Öfteren den Klosterplan aus der gesicherten Panzerglasvitrine hervorholten, damit ich ihn im Original studieren konnte, wären wesentliche Grundvoraussetzungen für meine Arbeit nicht möglich gewesen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei dem Team der St. Galler Stiftsbibliothek für die freundliche Arbeitsatmosphäre vor Ort, und ganz besonders aber bei dem Stiftsbibliothekar Ernst Tremp und dem wissenschaftlichen Leiter Karl Schmuki für das engagierte Entgegenkommen. Das Buchprojekt umgesetzt hat in gewohnt professioneller Weise der Böhlau Verlag. Ich bin Peter Rauch, Ursula Huber sowie dem Team, das mit der Buchherstellung befasst war, zu großem Dank verpflichtet. Der Weg vom Projektanfang in Los Angeles bis zum Erscheinen dieser Publikation war lang und oftmals steinig. Ich bin ihn unbeirrt gegangen und wurde dabei immer wieder von Karl Brunner unterstützt. Ich freue mich deswegen sehr, dass Karl Brunner für diese Publikation einen Beitrag verfasst hat. Ein Beitrag, der die Geschichte um den St. Galler Plan zu einem guten Ende führt. Danke! Barbara Schedl, Januar 2014

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1. Einleitung

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ie Stiftsbibliothek St. Gallen (Schweiz)1 verwahrt seit mehr als 1100 Jahren eine einzigartige Architekturzeichnung, die in der kultur­historischen ­Forschung unter der Bezeichnung St. Galler Klosterplan bekannt ist und als »Musterplan« für mittelalterliche Klosteranlagen Eingang in viele Schulbücher fand. (Abb. 1 und 2) Der Plan trägt dort die formelle Bezeichnung Codex Sangallensis 1092, war also immer schon den kostbaren Handschriften gleich geordnet. Dieses Werkstück ist aber nicht im St. Galler Kloster entstanden, sondern für St. Gallen von Fachleuten der nicht weit entfernten Reichenauer Mönchsgemeinschaft angefertigt worden. Das Konzept des Klosterplanes ist im Wesentlichen auf eine bildhafte Umsetzung der Regula Benedicti ausgerichtet, der Regel des Heiligen Benedikt (um 500), die besonders seit der Karolingerzeit das abendländische Mönchtum ganz wesentlich bestimmte. Auf eine insgesamt ca. 112 x 77 cm große Pergamentfläche, die aus fünf Teilen zusammengesetzt ist, wurde in roten Linien der Grundriss von ca. 52 1

Die Fürstabtei St. Gallen war eine Benediktinerabtei in der heutigen Ostschweiz. Im Jahr 612 ließ sich Gallus, ein Gefährte Columban von Luxeuil, an der Steinach nieder und gründete eine Einsiedlerzelle. Der eigentliche Gründer des Klosters St. Gallen war Otmar (719). Bis 1798 war der Abt von St. Gallen Reichsfürst mit Sitz und Stimme im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches. Das Kloster wurde 1805 aufgehoben. Die Stiftsbibliothek sowie das Stiftsarchiv blieben an ihren Orten erhalten. Der Bestand der Bibliothek ging in den Besitz des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen über.

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1. Einleitung

Gebäuden gezeichnet. Eine sorgfältige lateinische Beschriftung in brauner und blass graubrauner Tinte ermöglicht die Identifizierung der dargestellten Bauwerke: Der Plan verzeichnet eine Klosteranlage mit Kirche, Klausurgebäuden, Noviziat, Hospital, Abthaus, Schule, Gästehaus, Pilgerherberge, Werkstätten, Wirtschaftsgebäuden, Gartenanlagen, Scheunen und Stallungen. Dass die Architekturzeichnung für das Kloster St. Gallen bestimmt war, besagt nicht nur eine Widmungsaufschrift (1), sondern auch das Patrozinium des Hauptaltars, das dem Hl. Gallus (17x) gewidmet war. Erste Ansätze zu Entstehungszeit und Entstehungsort des Planes ergeben sich aus dieser Beschriftung in karolingischen Schriftzügen: Diese sind Schreibern des Inselklosters Reichenau am Bodensee zuzuordnen, wobei einer vermutlich mit Reginbert von der Reichenau († 846) zu identifizieren ist.2 Nach Faltung der Architekturzeichnung auf annäherndes Buchformat brachte man sie in das Kloster St. Gallen und verwahrte sie in einem Bücherschrank. Im 12. Jahrhundert benötigte ein St. Galler Mönch zur Niederschrift einer Martinsvita offenbar Pergament, das er anders nicht bekommen konnte, und ­verwendete dafür die unbeschriebene Rückseite des Klosterplanes. 3 Allerdings fand der Text dort nicht zur Gänze Platz und so wurden vorne, jedoch an einer wenig bedeutenden Stelle der Planzeichnung, nach Rasur des dargestellten ­Gebäudes, die letzten Textpassagen der Martinsvita angebracht. Dem Schreiber wurde offenbar nicht erlaubt, dem Text an der Vorderseite die sonst üblichen Initialen, wie sie an der Rückseite zu sehen sind, beizufügen, so als ob jemand die Störung der alten Architekturzeichnung nicht gerne gesehen hätte. Diese Details geben Zeugnis für einen respektvollen Umgang mit dem karolingischen Klosterplan noch im 12. Jahrhundert und das war wohl ein Grund, warum sich das Dokument bis heute erhalten hat. Der Text der Martinsvita dürfte für die Klosterliturgie von St. Gallen bestimmt gewesen sein.4

2 3 4

Bischoff, 1962, 67-78. Lehmann, 1951. Officium de translatione Martini Turonensis, Siehe Kapitel 9, 113.

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2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen

D

ie beiden frühmittelalterlichen Klostergründungen Reichenau auf der ­Bodenseeinsel und St. Gallen an der Steinach gehörten zu dem großen alemannischen »Missionsbistum«, das an der Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert eingerichtet wurde. Es umfasste das weitläufige Gebiet beiderseits des Bodensees und des Rheins, vom Schwarzwald und von der Schwäbischen Alb bis in den ­Aareraum und zum Alpenkamm.5 Geistliches und kulturelles Zentrum war die am Südufer des Bodensees gelegene Bischofsstadt Konstanz, in der bereits im 7.  Jahrhundert eine Bischofskirche erwähnt wird. Noch zu Anfang des 7. Jahrhunderts, also zu Zeiten des Hl. Gallus, waren ­Teile dieses Siedlungsraumes, besonders das Süd- und Ostufer des Bodensees, aber auch das Rheingebiet stark romanisch geprägt. Das Galluskloster war ursprünglich nach Chur hin orientiert gewesen, aber in der Trägerschicht stärker alemannisch beeinflusst. Konstanz konnte, nicht zuletzt mit Unterstützung der Franken, seinen Einflussbereich im 8. Jahrhundert aus­ dehnen.

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Das und das Folgende: Borst, 1997, 19–65; Zu den historischen Gegebenheiten von St. Gallen: Duft, 1999, 11–30; Zu denen von der Reichenau: Maurer, 1974. Allgemein zu den Beziehungen der beiden Klöster im frühen Mittelalter: Tremp, Schmuki u. Flury, 2002.

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2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen

Seit ehedem stellten der Bodensee sowie der Rhein wichtige Wasserwege für die Binnenschifffahrt dar, sowohl für Reisende als auch für den Transport von ­Gütern. Nicht nur das Kloster Reichenau war durch seine besondere Lage am See verkehrstechnisch begünstigt; auch St. Gallen nutzte den Wasserweg von seinem Hafenort Steinach am Seeufer, der ungefähr 13 km vom Kloster im Steinachtal entfernt lag. Denn Reisen zu Wasser waren vergleichsweise günstiger und bequemer als zu Lande.6 Diese guten Verkehrsbedingungen waren wohl auch mit ausschlaggebend, dass die beiden Klöster von Anfang an rege Kontakt hielten. So bestand seit dem Jahr 800 zwischen den Mönchsgemeinschaften in St. Gallen und auf der Reichenau eine schriftliche Vereinbarung zum gegenseitigen Gebetsgedenken.7 Dieser Verbrüderungsvertrag wurde zwischen den beiden Äbten Waldo (786–806), Abt des Klosters Reichenau, und Werdo (784–812), Abt des Klosters St. Gallen, abgeschlossen.8 In detaillierten Bestimmungen wurden hier die Gebetsverpflichtungen festgelegt, die beide Klöster nach dem Tod eines Mitbruders zu leisten hatten. Es ist nicht bekannt, welche Mönchsgemeinschaft diese Initiative zu dem detaillierten Verbrüderungsvertrag ergriffen hat, vermutlich war sie von beiden Klöstern bzw. deren Äbten ausgegangen: Denn der Reichenauer Abt Waldo war zuvor Mönch in St. Gallen gewesen und war da 782 sogar auch als Abt gewählt worden. 784 legte er die Abtwürde in St. Gallen nieder, da es Auseinandersetzungen mit dem Konstanzer Bischof Egino (782–811) gab. Werdo, ein Verbündeter des Bischofs, wurde Waldos Nachfolger in St. Gallen. Die Reichenauer Mönche wählten aber im Jahr 786 Waldo zu ihrem Abt. Beide Mönchsgemeinschaften legten in den folgenden Jahrzehnten Verbrüderungsbücher an, in die sie die mit ihnen verbrüderten Mönche, Nonnen, Bischöfe, Priester und Laien von unterschiedlicher sozialer Herkunft eintrugen.9 Die Ver-

6 7 8 9

Ohler, 1986, 53–59. Das und das Folgende: Geuenich, 1999, 83–85. Abschrift des Vertrages im Codex Sang. 915, p.19 und p.25 (http://www.e-codices.unifr.ch/de/ list/one/csg/0915). Ältestes St. Galler Verbrüderungsbuch, kurz nach 800 angelegt: Stiftsarchiv St. Gallen Codex Sang. Class. I. Cist. C3 B55; Reichenauer Verbrüderungsbuch, um 824: Zentralbibliothek Zürich, Ms.Rh. hist. 27 (http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/zbz/Ms-Rh-hist0027); ­Autenrieth, Geunrich, Schmid, 1979; Erhart, 2010.

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2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen

brüderungsbücher regeln nicht nur das Totengedenken, sondern beziehen auch die Fürbitte für noch Lebende in die Gebete mit ein. Bei der Messfeier wurden diese Bücher feierlich auf den Altar gelegt. So stand die Reichenau mit etwa hundert anderen Mönchsgemeinschaften und Kapiteln im fränkischen Reich in Verbindung; darunter – an erster Stelle – mit St. Gallen.10 Das Funktionieren solcher Verbrüderungen setzte eine intensive Kommunika­ tion zwischen beiden Klöstern voraus, und auf solche Weise fanden auch andere Neuerungen oder Errungenschaften sowie liturgische, wissenschaftliche, histo­ riografische und hagiografische Texte ihre Wege von der einen Abtei in die andere, wobei die Äbte und Mönche der Reichenau durch ihre Verbindungen zum ­Karolingerhof noch etwas besser in das überregionale Netzwerk des Reiches einge­bunden waren. In diesem Kontext wäre auch der Klosterplan zu nennen, der im Reichenauer Skriptorium für die St. Galler Mönchsgemeinschaft hergestellt wurde. Ebenso zeugen die Bibliothekskataloge, die beide Klöster angelegt hatten, von einem permanenten Wissenstransfer. Das älteste Bücherverzeichnis von St. Gallen umfasst 294 Einträge mit 426 Bänden bzw. Heften und ist nach Sachgruppen und Autoren gegliedert.11 Es enthält darüber hinaus auch zahlreiche Einträge über Wert, Nutzen und Verbleib von Büchern. So ist unter den Büchern des Papstes Gregor ein Band zum alttestamentlichen Buch Ezechiel genannt, und dieses Buch, so der nachträg­ liche Eintrag, sei an das Kloster Reichenau zurückgegeben und dafür ein neuer Band ausgeliehen worden.12 So intensiv und rege sich die gemeinsamen Kontakte, der Wissensaustausch und die gegenseitige Gebetshilfe auch gestalteten, so unterschiedlich waren aber die geistig-liturgischen und wirtschaftspolitischen Voraussetzungen der beiden Klöster. 10 Die Namenslisten der Mönche von St. Gallen beginnend mit Abt Gozbert (816–37) folgen unmittelbar auf jene der Reichenau selbst. Zentralbibliothek Zürich, Ms.Rh. hist. 27, p.10 (http:// www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/zbz/Ms-Rh-hist0027). 11 Stiftsbibliothek St. Gallen, Codex Sang. 728: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/ csg/0728. 12 Stiftsbibliothek St. Gallen, Codex Sang. 728, p.6: http://www.e-codices.unifr.ch/de/ csg/0728/6/small; Tremp, Schmuki u. Flury, 2002, 107.

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2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen

Gallus, der im Gefolge des irischen Wanderabts Kolumban in das alemannische Gebiet gekommen war, zog entlang der Steinach landeinwärts und ließ sich 612 am Arboner Forst im abgelegenen Steinachtal nieder, während Kolumban in das Langobardenreich weiterreiste.13 In dieser abgeschiedenen Gegend erbaute er eine Einsiedelei, um die sich bald Schüler und Gefolgsleute scharten. Gallus starb am 16. Oktober 650 in Arbon, wurde aber in seiner Einsiedlerzelle an der Steinach bestattet. Zeitgenossen und Einheimische verehrten Gallus alsbald als Heiligen und suchten Schutz und Hilfe an seinem Grab. Bereits 680 wurde die Lebens­ geschichte des Gallus von einem seiner Mitbrüder aufgeschrieben; dieses Werk war das erste in lateinischer Sprache im alemannischen Raum. Der am Bischofsitz in Chur zum Priester ausgebildete Alemanne Otmar richtete dann bei dieser Kultstätte im Jahr 719 ein Kloster ein und stand diesem als erster Abt vor.14 Otmar geriet in Konflikt mit dem Konstanzer Bischof und den Franken. Er wurde 759 vor Gericht gestellt und auf die Rheininsel Wird verbannt, wo er im gleichen Jahr verstarb. Im Jahre 769 holten die St. Galler Mönche seinen Leichnam in ihr Kloster zurück. Fast gleichzeitig mit St. Gallen erfolgte die Gründung eines Klosters auf der Boden­seeinsel Reichenau, unweit der Bischofstadt Konstanz. 724 soll sich, nach Klostertradition, der Wanderbischof Pirmin mit einer Mönchsgemeinschaft dort niedergelassen haben.15 Pirmin stammte wohl aus dem nördlichen Gallien. Da er unter Schutz von Karl Martell stand, wurde er im Gefolge eines Aufstandes des alemannischen Herzogs gegen die Karolinger im Jahr 727 aus dem Bodenseegebiet vertrieben.16 Er gründete dann im Elsass das Kloster Murbach und etwas später in Hornbach in der Pfalz ein weiteres Kloster. 755 starb Pilgrim in Hornbach, wo er auch begraben wurde. Es ist wahrscheinlich, dass diese Reichenauer Klostergründung politisch ­motiviert war, denn bereits unter Kaiser Karl dem Großen stieg Reichenau zu den großen fränkischen Königsklöstern auf, während das Kloster St. Gallen im Wettstreit mit dem Konstanzer Bischof lag und erst 854 die endgültige Befrei13 14 15 16

Borst, 1997, 19–32. Borst, 1997, 32–48. Maurer, 1974. Tremp, Schmuki u. Flury, 2002, 38.

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2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen

ung von der Zinszahlung an Konstanz erreichte. Allerdings verlieh Kaiser Ludwig der Fromme bereits im Jahr 818 dem Galluskloster das Immunitätsprivileg.17 Seit dem Jahr 806 stand der damalige Bischof von Basel, Haito (762/63–836) dem Reichenauer Kloster vor.18 Er war bereits mit fünf Jahren dem Kloster übergeben worden, war dort Mönch und später Leiter der Klosterschule. Haito hatte großes Ansehen bei Karl dem Großen, war dessen Ratgeber und nahm 811 auch an einer Gesandtschaft nach Konstantinopel teil. Haito war Bauherr der Basler ­Bischofskirche und er veranlasste auch den Neubau der Klosterkirche auf der ­Reichenau, die 816 geweiht wurde.19 Damals tagte bereits die 1. Synode in Aachen, die von dem reformfreudigen Kaiser Ludwig dem Frommen (778–840; Ks. 813– 840) und Benedikt von Aniane (um 750–821) einberufen wurde.20 Bei den Synoden ging es darum, weitgehend die Bindung der Klöster an die Außenwelt, an die Laien, abzuschaffen. Es sollte eine Rückkehr zu Regeltreue und Handarbeit, zu striktem Gehorsam und liturgischer Strenge in den karolingischen Klöstern forciert werden. Dort wo die Regula Benedicti nicht genügte, sollte jetzt vom Mutterkloster Benedikts von Aniane, Kornelimünster bei Aachen, aus eine für alle Klöster verbindliche Ordnung festgeschrieben werden, deren Nichteinhaltung auch geahndet wurde. Die Synoden tagten dreimal in Aachen und zwar 816, 817 und dann noch 818/19, und Abt Haito nahm jedes Mal daran teil. Die Reichenauer Mönche Grimald und Tatto wurden damals von ihrem Lehrer Reginbert und wohl auch auf Geheiß des Abtes Haito nach Aachen geschickt, um von der bereits von Karl dem Großen veranlassten buchstabengetreuen Abschrift der Regel des Hl. Benedikt von Nursia eine neuerliche Abschrift für die Reichenauer Mönchs­

17 18 19 20

Duft, 1999, 11–30. Borst, 1997, 52. Jacobsen, 1992, 152–154. Semmler u. Bacht, 1977/1999), vol. 1, cols 1864–1867: Ludwig der Fromme rief 816 eine Synode in Aachen ein, die unter der Leitung Benedikts von Aniane stand. Ziel der Synode war es, die Regula Benedicti verbindlich in allen Klöstern des Reiches durchzusetzen. 817 tagte eine zweite Synode, wieder unter dem Vorsitz Benedikts von Aniane, die über die Einhaltung und ersten Erfahrungen der Klosterreform beriet. Dabei wurden einzelne im Vorjahr beschlossene Punkte abgeändert. 818/19 tagte man schließlich ein letztes Mal. Die bei der Synode verfassten Statuten wurden rasch durch Rundschreiben verbreitet und deren Befolgung überwacht.

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gemeinschaft zu erstellen, an die man sich fortan halten wollte.21 Grimald und Tatto kamen mit dem Exemplar auf die Reichenau zurück, doch dieses ist heute verloren. Allerdings dürfte man in St. Gallen von dem Reichenauer Exemplar ziemlich bald eine Abschrift angefertigt haben, die, neben einem Brief der Mönche Grimald und Tatto, indem die beiden ihr akribisch genaues Arbeiten beschreiben, in einem St. Galler Codex erhalten geblieben ist.22 Während diese reformpolitischen Diskussionen um die Einhaltung und Auslegung der Regula Benedicti in Aachen im Gange waren, war Gozbert, wohl der in der Widmung (1) genannte Klosterplan-Empfänger, Abt in St. Gallen. 23 Er plante vermutlich damals schon den Umbau seiner Klosterkirche, der letztendlich auch in den Jahren 830 bis 835 erfolgte.24 In diesen Planungsprozess war wohl die Reichenauer Mönchsgemeinschaft miteinbezogen, hatte sie doch soeben ihre Kloster­kirche fertiggestellt. Allerdings galt es in St. Gallen, eine für das Kloster sehr wesent­liche Haustradition zu berücksichtigen, und zwar eine, mit der die Reichenauer Mönchsgemeinschaft wenig bis gar keine Erfahrung hatte.25 Denn in St. Gallen gab es den Heiligenleib des Gallus, der seit der Klostergründung Otmars dort Verehrung gefunden hatte. Nicht nur Mönche beteten am Grab des Heiligen, auch Pilger erhofften sich Wunder, wenn sie seinen Begräbnisort besuchten. Reichenau hingegen besaß kein Grab seines Gründungsheiligen Pirmin, wohl aber einen reichen Reliquienschatz, der allmählich im 9. und 10. Jahrhundert zugekauft wurde. So sind vermutlich im Jahr 830 Reliquien des Evangelisten Markus auf die Reichenau gelangt. Außerdem zählen das Haupt des Hl. Georg, ein Krug der Hochzeit zu Kana und eine Heiligenblutreliquie zu den wichtigsten Heil­ tümern der Reichenau. Die St. Galler Mönche waren sich der ungebrochenen Kontinuität ihres Heiligenkultes bewusst. Die erste Lebensbeschreibung des Heiligen Gallus reicht 21 Tremp, Schmuki u. Flury, 2002, 118. 22 Stiftsbibliothek St. Gallen, Codex Sang. 914: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/ csg/0914; vgl. dazu Kapitel 6, 58, Anm. 246. 23 Duft, 1999, 17. 24 Jacobsen, 1992, 176–185. 25 Das und das Folgende: Tremp, Schmuki u. Flury, 2002, 32–40.

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2. Wo der Plan entstand: Reichenau & St. Gallen

bis um 680 zurück und wurde bis in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts mehrfach erweitert. Abt Gozbert ließ diese Vita des Klosterpatrons von Wetti († 824), Mönch im Kloster Reichenau, in eine sprachlich neue Fassung bringen, um dann etwa zehn Jahre später noch einmal einen anderen Reichenauer Mönch, Walahfrid von Strabo (808/09–849), mit einer Neufassung zu beauftragen.26 Aber auch von dem (zweiten) Klostergründer Otmar wurde um 830 eine Lebensbeschreibung ­verfasst, und zwar von dem St. Galler Mönch und Schreiber Gozbert dem Jüngeren (zw. 817–842). Auch diese Vita erfuhr dann von Walahfrid von Strabo eine Neubearbeitung.27 Im Jahr 864 wurden die sterblichen Überreste Otmars vom Konstanzer Bischof feierlich in das Gallus-Kloster transferiert, was einer Heiligsprechung gleichkam. Die ungebrochene Verehrung der beiden Gründerfiguren des St. Galler Klosters, Gallus und Otmar, zeigte sich nicht nur in wiederholten Niederschriften von deren Lebensgeschichten und Wunderberichten, sondern äußert sich augenfällig in dem komplexen Baukonzept der Klosterkirche, das Heiligenkultstätte und mönchische Lebensform zu vereinbaren versuchte. So lag das Heiligengrab des Gallus in allernächster Nähe zum Hauptaltar und konnte sowohl von den Pilgern und Besuchern, durch einen schräg nach oben führenden Sichtstollen von der Kryptakammer, als auch von den im Mönchschor betenden Mönchen betrachtet werden.28 Aber auch die Gebeine des Otmars wurden in die architektonische Anlage miteinbezogen, als man für dieses Grab in den Jahren 864–867 westlich an den Gozbert-Bau eine dreischiffige Halle errichtete. Der rege Kommunikationsfluss und Wissenstransfer, der zwischen den beiden Mönchsgemeinschaften bestand, beeinflusste wohl deren alltägliche Praxis in ­Liturgie, Geschichtsschreibung, Wissenschaft und Bauprogramm gerade in einer Zeit, in der um das »richtige« benediktinische Lebensmodell einmal mehr diskutiert wurde.

26 Stiftsbibliothek St. Gallen, Codex Sang. 553, p. 166–227; http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/ one/csg/0553. 27 Stiftsbibliothek St. Gallen, Codex Sang. 564, p. 162–230; http://www.e-codices.unifr.ch/de/ list/one/csg/0564. 28 Jacobsen, 1992, 182 und Sennhauser, 2001, 3–9; vgl. auch das Kapitel 8, 93–95.

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3. Was man vom Plan schon weiß: Forschungslage & Einordnung

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as Interesse der Forschung verschiedener Disziplinen an dieser einzigartigen und so komplexen Architekturzeichnung des europäischen Mittelalters hält seit mehr als 400 Jahren unvermindert an. In einem Bücherverzeichnis des Jahres 1461 wurde die Zeichnung fälschlich als Plan des Martinsklosters von Tours aufgeführt. Das Manuskript wurde damals als ein großes Fell, worauf das Leben des Hl. Martin geschrieben und das Gefüge seiner Baulichkeiten gezeichnet ist, beschrieben, also sozusagen von hinten nach vorne gelesen.29 Im Jahre 1604 fand das Pergament aber Eingang in die wissenschaftliche ­Diskussion, als Heinrich Canisius, der damalige Professor und Rektor in Ingolstadt, seine Aufschriften publizierte und interpretierte.30 Heinrich Canisius sprach den Plan als Erster als Zeichnung des Klosters St. Gallen an. Die Veröffentlichung durch Canisius weckte zunehmend wissenschaftliches Interesse. Jean Mabillon, der berühmte Historiograf des Benediktinerordens, besichtigte den Plan 1683 in St. Gallen und veröffentlichte ihn 1704 in Form eines Kupferstiches.31 1844 legte Ferdinand Keller eine verbesserte Reproduktion mitsamt einem 44-seitigem Kommentarheft vor, welche für die nächsten hundert Jah-

29 Pellis magna, continens vitam s.Martini scriptam structuramque domorum eius depictam. ­Codex Sang. 1399 Nr. 1, Zeilen 25–26, zit. nach Duft, 2002, 60. 30 Vogler, 2002, 73–75. 31 Vogler, 2002, 75.

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3. Was man vom Plan schon weiß: Forschungslage & Einordnung

re Grundlage aller weiteren wissenschaftlichen Erörterung blieb.32 Bereits damals entstand nach zeichnerischen Vorlagen von Georg Lasius auch ein imposantes Baumodell des Klosterplanes, das Jules Leemann herstellte und das sich im historischen Museum der Stadt St. Gallen befindet.33 Folgende Schwerpunkte des Forschungsinteresses lassen sich erkennen:34 Im Vordergrund stand zunächst die Frage nach der Herkunft des Planes. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Plane die örtlichen Geländeverhältnisse von St. Gallen nicht beachtet worden waren. Daraus folgerte man, der Plan sei ein »Musterplan«, welcher zeigen sollte, wie ein ideales Kloster generell zu errichten sei. Mehrere Herkunftsorte wie Italien, Südfrankreich, Fulda und Reichenau wurden vorgeschlagen; ebenso wurde der Reformator Benedikt von Aniane (750–821) als Planverfasser in die Diskussion gebracht. Eine andere Frage beschäftigt sich damit, zu welchem Zwecke der Plan denn angefertigt worden war und wozu er denn dienen sollte. Da die Planzeichnung überaus genau und mit präzisen, geraden Strichen auf das Pergament aufgetragen und zudem auch ausführlich beschriftet wurde – selbst Maßangaben in der Kirche fehlten nicht –, gelangte man zu dem Schluss, dass der Plan im Sinne eines Bauoder Bestandsplanes zu verstehen sei. Der Paläograf Bernhard Bischoff wies im Jahre 1952 nach, dass, wie erwähnt, die Beschriftung des Planes im Inselkloster Reichenau erfolgte, und zwar von zwei Schreibern.35 Der aus Deutschland (Heidelberg) stammende und an der Universität Kalifornien, Berkeley, lehrende Architekturhistoriker Walter Horn legte erstmals, ebenfalls in den 50er-Jahren, seine gesammelten Beobachtungen zum Klosterplan vor und publizierte seine weiterentwickelten Thesen in einem monumentalen dreibändigem Werk.36 Dieses sollte dann Jahrzehnte die Forschung prä-

32 Keller, 1844. 33 Edelmann, 1962, 291–295; Modell nach Jule Leemann im historischen Museum der Stadt St. Gallen: http://www.stgallplan.org/de/reconstruction.html. 34 Einen umfassenden Forschungsüberblick gibt Werner Jacobsen 2002: Jacobsen, 2002, 25–41. 35 Bischoff, 1962, 67–78. 36 Horn, 1979. 1983 wurden post mortem die detaillierten Studien zum Klosterplan von Konrad Hecht publiziert, der – ebenso wie Walter Horn – die Architekturzeichnung als Durchpausung eines verschollenen Planes betrachtete und zahlreiche Überlegungen zu den Sinnbildern, Maß-

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3. Was man vom Plan schon weiß: Forschungslage & Einordnung

gen. Seiner Meinung nach war der erhaltene Plan die Durchpausung eines bereits existierenden, heute verloren gegangenen Originalplans. Kritik zu der vorgebrachten Lehrmeinung von Walter Horn übte Norbert Stachura.37 Er fand entgegen den Behauptungen Walter Horns am Pergament sehr wohl Vorzeichnungen, Zirkellöcher und Zirkelschläge, insbesondere im Bereiche des Westparadieses – des westlichen Vorbaus der Kirche –, aber auch in anderen Bereichen des Planes, was die These einer Pausung, bzw. einer Abschrift des Planes von einer dem Zeichner bekannten Vorlage zunichtemachte. Die jüngeren Untersuchungen Werner Jacobsens am Klosterplan ließen weitaus mehr Vorzeichnungen, Rasuren und Korrekturen erkennen, als bis dahin an­ genommen.38 Mithilfe des Streiflichtes und unter Ultraviolettlicht lassen sich heute die schemenhaften Zeichnungen von zwei Vorgängerkirchen samt deren Inneneinrichtung erkennen. Walter Jacobsen konnte zudem an einer Fülle von Vergleichsbeispielen nachweisen, dass die dargestellten Gebäude, besonders aber die Anlage der Kirche, den zur Karolingerzeit üblichen Bautypen entsprachen. Im Zuge einer Tagung zum Klosterplan wurde 1998 erstmals eine technische Untersuchung am Plandokument durchgeführt, die etliche Beobachtungen, die Norbert Stachura und Werner Jacobsen machten, bestätigte.39 Der Plan weist zahlreiche Blindrillen auf, die als Konstruktionshilfen dienten, und man sieht ­Zirkeleinstiche; die Zeichnung wurde zunächst in hellroter Tinte aufgetragen und zum größten Teil mit dunkelroter Tinte nachgezogen; die einzelnen Pergamentteile sind mit unterschiedlichen Stichtechniken und Fäden zusammengenäht. Nach Erscheinen des entsprechenden Tagungsbandes im Jahr 200240 blieb die Forschung um den Plan nicht stehen. Ein von der Europäischen Union finanziertes Projekt versuchte, Klausurgebäude und Werkstätten computertechnisch zu visualisieren, stieß aber dabei, ähnlich wie die zahlreichen »Modellbauer« davor, 41

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einheiten, Haustypen, Funktionszusammenhängen der dargestellten Gebäude sowie zu dem historischen Kontext anführte. Hecht, 1983. Stachura, 1978; Stachura, 1980; Stachura, 1982. Jacobsen, 1992. Fuchs u. Oltrogge, 2002, 307–331. Ochsenbein u. Schmuki, 2002. Zeichnerische Modelle nach Vorlage des St. Galler Klosterplanes: Karl Lasius (1876), Ernst

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3. Was man vom Plan schon weiß: Forschungslage & Einordnung

auf kaum überwindbare Schwierigkeiten, vor allem was die Annahme der Baumaterialen, der Geschoßhöhen und Maßangaben betraf.42 Denn der Plan dürfte nun einmal kein Bauplan im modernen Sinn sein: Es sind keine Höhen angegeben, keine Mauerstärken, keine Baumaterialien und keine äußeren oder inneren Oberflächen. Proportionen widersprechen einander und die Frage, ob man einen oder mehrere Maßstäbe anlegen müsste, um die Gebäude zu deuten, ist nach wie vor offen. Die Frage, was der Klosterplan tatsächlich in seinem zeitgenössischen Umfeld bedeutet hat, was er bewirken sollte und ob er nachhaltig Einfluss auf geplante Bauprojekte hatte, nachdem er dem St. Galler Kloster übergeben worden war, wird schwer zu lösen sein, wenn man sich nicht erneut der Quelle selbst und ganz besonders ihrer Genese und ihrem Entstehungsprozess zuwendet. Aktuelle Fragestellungen rund um die Klosterplanforschung konzentrieren sich vornehmlich auf das kulturelle, politische und gesellschaftliche Umfeld, in dem der Plan entstanden ist.43 Was aber war in den Köpfen der Planverfasser, um ein derartiges komplexes Gebilde auf dem Pergament zu gestalten? Und wie gingen sie vor? Welche Ressourcen mussten verfügbar sein? Und warum wollte man sich so ein »Denkmal« leisten?

Fiechter-Zollikofer (1936), Karl Gruber (1937), Alan Sorell (1965); Baumodelle, die nach Vorlage des Klosterplanes angefertigt wurden: Walter Horn (1965 und 1979), Jules Leemann nach Karl Lasius (1877), Hans Gelbhaar (1991) und Walter Studer (1996) (http://www.stgallplan.org/de/ reconstruction.html). 42 »The Benedictine Monastery plan« EU-Project Culture 2000, Technische Universität Darmstadt. (http://www.cad.architektur.tu-darmstadt.de/st_gallen/index.html). 43 »Karolingische Kultur in Reichenau und St. Gallen - Codex Sangallensis 1092: Inhalt und Kontext«: http://www.stgallplan.org/de/index_plan.html.

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung Die Widmung

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lanempfänger war, gemäß dem Widmungstext 44 (1), der sich am oberen Rand der Architekturzeichnung befindet, ein dulcissimus filus Cozbert, der mit dem St. Galler Abt Gozbert (816–837) oder seinem Neffen, wie jüngst vorgeschlagen wurde,45 gleichzusetzen ist. Tatsächlich wurde unter dem Abt Gozbert das alte Gallus­kloster umgebaut und erweitert und zwar in den Jahren 44 Haec tibi dulcissime fili Cozberte de positione officinarum paucis exemplata direxi quibus sollertiam exerceas tuam meamque deuotionem utcumque cognoscas qua tuae bonae uolun tati satisfacere me segnem non inueniri confido Ne suspiceris autem me haec ideo elaborasse quod uos putemus nostris indigere magisteriis sed potius ob amorem dei· tibi soli perscrutinanda pinxisse amicabili fraternitatis intuitu crede Uale in christo semper memor nostri · amen (Dir, liebster Sohn Gozbert, habe ich diese knappe Aufzeichnung einer Anordnung der Klostergebäude geschickt, damit du daran deine Findigkeit üben und jedenfalls meine Anhänglichkeit erkennen mögest. Ich vertraue darauf, dass ich dadurch nicht nachlässig gefunden werde, deiner guten Absicht zu entsprechen. Vermute aber nicht, ich hätte das deshalb ausgearbeitet, weil wir meinen, ihr bedürftet unserer Belehrungen, glaube vielmehr in freundschaftlicher Ansehung unserer Brüderlichkeit, dass wir es aus Liebe zu Gott für dich allein zum Studium gemalt haben. Leb wohl in Christus und bleib unser stets eingedenk. Amen); (Aufschrift, Nr. 1). 45 Berschin, 2005, 132.

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

830–835.46 Gozbert der Jüngere hingegen ist als Mönch und Verfasser von Urkunden und literarischen Texten im Kloster St. Gallen zwischen 817 und 842 in den Quellen genannt. Er stand in engem Kontakt zu Walahfrid Strabo, seit 838 Abt der Klosters Reichenau und bedeutender Dichter und Autor seiner Zeit.47

Die Orientierung des Planes Die Orientierung der Kirche und somit des Gesamtplanes nach Osten ergibt sich aus einer Beischrift, die, beginnend beim Altar des Hl. Paulus (17y), in der gesamten Längsachse der Klosterkirche angebracht ist.48

Der Eingang und die Torhäuser So betritt man den Klosterbezirk von Westen her, über eine breite Straße49, die – vorbei an Gesindehaus (29) und Stallungen (28) – direkt auf das vor dem halbrunden Atrium der Kirche (17d), dem sogenannten Westparadies, und zwischen den Rundtürmen (17b, 17c) liegende Torhaus50 (17a) der großen Klosterkirche hinläuft. Von dort führt ein gedeckter Gang51 des halbkreisförmig angeleg46 Jacobsen, 2002, 176. 47 Schär, 2008, 7–21. 48 AB ORIENTE IN OCCIDENTEM LONGITUDO ·PEDUM · CC · (Von Ost nach West beträgt die Länge 200 Fuß) (Aufschrift, Nr. 17). 49 OMNIBUS AD SANCTUM TURBIS PATET HAEC UIA TEMPLUM QUO SUA UOTA FERANT · UNDE HILARES REDEANT · (Allen Leuten steht dieser Weg zur heiligen Kirche offen, / wohin sie ihre Gebete tragen und woher sie heiter zurückkehren mögen) (Aufschrift, Nr. 17). 50 Adueniens aditum populus hic cunctus habebit · (Das ganze ankommende Volk soll hier seinen Eingang finden) (Aufschrift, Nr. 17). 51 HIC MURO TECTUM IMPOSITUM PATET ATQUE COLUMNIS (Hier steht offen das Dach, das auf einer Mauer und auf Säulen aufliegt) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

ten, sonst unbedachten Westparadieses52 einmal zu den beidseits der Westapsis liegenden Eingängen in die Seitenschiffe der Kirche beziehungsweise zu zwei weiteren Torhäusern: Das südliche Torhaus53 (26a) ermöglicht den Klosterbediensteten – vermutlich aber auch den Pilgern –, das Kloster zu betreten; das nördliche Torhaus54 (16) gestattet Gästen und Schülern den Zutritt zu ihren Gebäuden, die nördlich der Kirche liegen. Die beiden Rundtürme, der nördliche ist dem Hl. Michael55 (17b) und der südliche dem Hl. Gabriel56 (17c) geweiht, haben jeweils einen Verbindungsgang zum Westparadies und besitzen Wendeltreppen57 und ornamentale Schmuckmotive, von denen nicht klar ist, ob und wie sie in der Realität gedacht waren.

Die Kirche – Westbereich Die Klosterkirche ist mit Ostparadies, Ostapsis, Chorquadrat, »Winkelgangkrypta«, Querschiff, dreischiffigem, gestreckten Langhaus, Westapsis, halbkreisförmigem Westparadies sowie zwei freistehenden Rundtürmen das größte Gebäude des Planes.

52 HIC PARADISIACUM SINE TECTO STERNITO CAMPUM (Hier leg ein ebenes Vorhallen-Feld ohne Dach an) (Aufschrift, Nr. 17). 53 Tota monasterio famulantum hic turba subintret (Die ganze Schar der Klosterbediensteten soll hier eintreten) (Aufschrift, Nr. 26). 54 Exiet hic hospes uel templi tecta subibit / Discentis scolae pulchra iuuenta simul (Hier soll der Gast die Kirche betreten oder verlassen / und ebenso die schöne lernende Schuljugend) (Aufschrift, Nr. 16). 55 in summitate altare sancti michahelis arch · (in der Spitze ein Altar des heiligen Erzengels Michael) (Aufschrift, Nr. 17). 56 alter similis / in fastigo altare sancti gahelis arch (ein ähnlicher / oben ein Altar des heiligen Erzengels Gabriel) (Aufschrift, Nr. 17). 57 ascensus per cocleam ad uniuersa superinspicienda · (Aufstieg über eine Wendeltreppe, um alles zu überschauen) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Die westliche Rundapsis58 ist um zwei Stufen59 erhöht und dürfte eine umlaufende Sitzbank aufweisen; der Altar in der Westapsis ist dem Hl. Petrus60 (17e) geweiht.

Die Kirche – Langhaus – Seitenschiffe Das Langhaus besitzt neun Pfeilerpaare; die Stützen der Kirche sind nicht wie im Westparadies als einfache Quadrate, sondern als Quadrate mit zentral eingezeichneten Kreisen dargestellt, obwohl sie ohne Unterschied vom Planbeschrifter als columnae angesprochen werden.61 In der Höhe jedes zweiten Pfeilerpaares ist in den Seitenschiffen jeweils ein Altar aufgestellt: So finden sich im süd­ lichen Seitenschiff von West nach Ost der Altar der Hll. Agathe und Agnes62 (17h), der Altar des Hl. Sebastian63 (17l), der des Hl. Mauritius64 (17o) und der des Hl. Laurentius65 (17r). Im nördlichen Seitenschiff sind von Westen nach Osten folgende Altarpatrozinien anzutreffen: Der Altar der Hll. Lucia und ­Cäcilia66 (17f ), der Altar der Unschuldigen Kinder67 (17j), der des

58 exedra (Apsis) (Aufschrift, Nr. 17). 59 gradus (Stufen) (Aufschrift, Nr. 17). 60 Hic petrus eclesiae pastor sortitur honorem (Hier erfährt Petrus Ehre, der Hirt der Kirche) (Aufschrift, Nr. 17). 61 Vgl. dazu Jacobsen, 1992, 17. 62 altare sanc agathe et agnetis (Altar der heiligen Agatha und Agnes) (Aufschrift, Nr. 17). 63 altare sancti sebastiani (Altar des heiligen Sebastian) (Aufschrift, Nr. 17). 64 altare sancti mauricii (Altar des heiligen Mauritius) (Aufschrift, Nr. 17). 65 altare sancti laurenti (Altar des heiligen Laurentius) (Aufschrift, Nr. 17). 66 altare cie et ceciliae (Altar der heiligen Lucia und Cäcilia) (Aufschrift, Nr. 17). 67 altare sanctorum innocentium (Altar der heiligen Unschuldigen Kinder) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Hl. Martin68 (17m) und der des Hl. Stephan69 (17p). Die Altäre der Seitenschiffe sind jeweils mit einem Kreuz geschmückt und von Schranken umgeben. Diese haben alle eine gegen Westen orientierte Öffnung.

Die Kirche – Langhaus – Mittelschiff Im Mittelschiff befinden sich wichtige liturgische Bereiche für die Laien und den Konvent. Gleich gegenüber dem Petrusaltar (17e) in der Westapsis liegt ein gegen die Seitenschiffe abgeschrankter Bereich, der wohl für den Konvent vorgesehen ist.70 (17g) Der Komplex ist gegen den Petrusaltar geöffnet und nur von Osten durch zwei Portale zu betreten. Ostwärts dieses Bereichs, wohl als geschlossenes Konventgestühl interpretierbar, befindet sich der Taufbrunnen71 (17i) mit dem ihm zugeordneten – mit Schranken und Kreuz gekennzeichneten – Johannesaltar72 (17k); hier, in diesem für Laien vorgesehenen Bereich, öffnen sich die Mittelschiffarkaden zu den Seitenschiffen. Dort steht auch der mit Schranken und großem Kreuz ausgezeichnete Kreuzaltar73 (17n), an dem gewöhnlich für die Laien die Messe zelebriert wurde. In einem von Seitenschiffen und einer mittel68 altare sancti martini (Altar des heiligen Martin) (Aufschrift, Nr. 17). 69 altare sancti stephani martyris (Altar des heiligen Martyrers Stephanus) (Aufschrift, Nr. 17). 70 Chorus (Chor) (Aufschrift, Nr. 17). 71 FONS (Taufbrunnen); / Ecce renascentes susceptat christus alumnos (Siehe Christus nimmt auf seine wiedergeborenen Kinder!) (Aufschrift, Nr. 17). 72 altare sancti iohannis et sancti iohannis euangelistae (Altar des heiligen Johannes des Täufers und des heiligen Johannes des Evangelisten) (Aufschrift, Nr. 17). 73 altare sancti salutoris ad crucem / Crux pia uita salus miserique redemptio mundi (Altar des heiligen Erlösers am Kreuz / Hehres Kreuz, du bist das Leben, das Heil und die Erlösung der elenden Welt) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

schiffbreiten Querschranke abgeschlossenen Bereich befindet sich der Ambo (17q), eine Art Kanzel, von dem aus die Lesung der Epistel und des Evangeliums erfolgte.74 Dahinter sind zwei Pulte für die nächtliche Lesung (17s) aufgestellt.75

Die Kirche – Querhaus An das Langhaus schließt ein durch Schranken in drei Raumkompartimente geteiltes und von zwei Gängen durchbrochenes Querhaus. Das nördliche wie auch das südliche Seitenschiff sind zu einem Großteil durch Mauern vom Querschiff abgetrennt; lediglich zwei schmale Gänge führen ostwärts, vorbei an dem isolierten mittleren Raumkompartiment, zu den beidseitig des Chorpodiums liegenden rundbogigen Eingangs-Portalen.76 Von hier führt ein gewölbter Winkelgang in die »Krypta« im Osten. Der abgeschrankte Bereich im nördlichen Querarm ist kirchseitig vom Süden her zu betreten. Hier gibt es noch drei weitere Öffnungen: Einmal zu einem Verbindungsgang mit der Abtpfalz (10a), eine Türe gibt es zu der an die Kirche angrenzenden Unterkunft der Gastmönche (14), und schließlich ein Portal zu dem nördlichen zweigeschoßigen Choranbau, der eine Bibliothek und das Skriptorium (18) beherbergt. Eine Beischrift nennt einen weiteren Zugang in die Bibliothek über der »Krypta«.77 Auf einem durch Treppen78 erhöhten Podium befindet 74 ambo / Hic euangelicae recitatur lectio pacis (Ambo / Hier wird die Friedensbotschaft des Evangeliums verlesen) (Aufschrift, Nr. 17). 75 analogia duo ad legendum in nocte (Zwei Pulte für die nächtlichen Lesungen) (Aufschrift, Nr. 17). 76 In criptam ingressus vel egressus (Eingang und Ausgang der Krypta) (Aufschrift, Nr. 17). 77 Introitus in bibliothecam super criptam superius (Eingang zur Bibliothek weiter oben über der Krypta) (Aufschrift, Nr. 18); »Krypta« bezeichnet in der Architekturterminologie einen unterirdischen Raum; dort wurden Reliquien aufbewahrt bzw. wurden dort Märtyrer und Heilige bestattet. 78 gradus (Treppen) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

sich ein den Heiligen Phillipus und Jakobus geweihter Altar79 (17t). In der Mitte des Raumes steht eine Sitzbank80, weitere Bänke sind entlang der nördlichen, westlichen und südlichen Wand geführt. Im abgeschrankten mittleren Raumkompartiment ist der Mönchs­chor81 untergebracht. Dieser separierte Bereich ist vom Westen sowie von den beiden Gängen im Norden und Süden zu begehen. In seinem westlichen Bereich, vor den Stufen zum Chorpodium82, stehen vier Bänke.83 Zwei Altäre, einer dem Hl. Benedikt84 (17u) der andere dem Hl. Columban85 (17v) geweiht, sind auf erhöhten Podesten rechts und links der Chortreppen errichtet. Zwischen den Altarpodesten und den Chortreppen verweist die Beschriftung auf eine Öffnung bzw. eine Verbindung zu dem unter dem Hauptaltar liegenden Heiligengrab, der Confessio (17x).86 Der abgeschrankte südliche Querhausarm ist kirchenseitig von Norden her zu betreten und besitzt drei weitere Portale; eine Türe führt in den anschließenden Kreuzgang; eine in den östlichen Konventflügel und die östlichste Türöffnung in den zweigeschoßigen südlichen Chorannexbau, indem Schatzkammer und Sakristei (19) untergebracht sind. Ähnlich wie das nördliche Querhauskompartiment ist auch hier eine Sitzbank entlang der Nord-, West- und Südwand angelehnt; eine weitere Bank87 steht mitten im Raum.

79 altare sancti philippi et iacobi (Altar der heiligen Philippus und Jakobus) (Aufschrift, Nr. 17). 80 formula (Bank) (Aufschrift, Nr. 17). 81 chorus psallentium (Chor der Psallierenden) (Aufschrift, Nr. 17). 82 septem gradus / similiter (sieben Stufen / dasselbe) (Aufschrift, Nr. 17). 83 formulae (Bänke) (Aufschrift, Nr. 17). 84 altare sancti benedicti (Altar des heiligen Benedikt) (Aufschrift, Nr. 17). 85 altare sancti columbani (Altar des heiligen Columban) (Aufschrift, Nr. 17). 86 accessus ad confessionem · (Zugang zum Heiligengrab) (Aufschrift, Nr. 17). 87 formula (Bank) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Ostseitig erhebt sich ein über Stufen88 erreichbares Podest, auf dem ein Andreas-Altar89 (17w) errichtet ist.

Die Kirche – Chor und »Krypta« Der Hauptaltar (17x) im erhöhten Chorrechteck 90 ist, wie erwähnt, Maria und dem Hl. Gallus geweiht91; darunter befindet sich das Grab des Heiligen, die Confessio,92 das durch den gewölbten Winkelgang93 von Osten her zu betreten ist. Die Eingänge zu dem Winkelgang befinden sich ebenerdig zu beiden Seiten des erhöhten Chores. Das bedeutet, dass die »Krypta« bzw. Confessio am Klosterplan nicht unterirdisch gedacht war, sondern auf gleicher Ebene wie das Kirchenschiff bzw. das Querhaus lag.94 Der Chor hingegen war maßgeblich, und zwar um sechs Stufen, erhöht. An das Chorrechteck schließt eine Rundapsis mit einem Paulus-Altar95 (17y). Das Ostparadies (17z) soll nach Angaben der Planzeichner – im Gegensatz zum Westparadies – ohne Dächer errichtet sein.96

88 gradus (Stufen) (Aufschrift, Nr. 17). 89 altare sancti andreae (Altar des heiligen Andreas) (Aufschrift, Nr. 17). 90 SANCTA SUPER CRIPTAM SANCTORUM STRUCTA NITEBUNT (Über der Krypta soll das Allerheiligste erglänzen) (Aufschrift, Nr.  17). 91 altare sanctae mariae et sancti galli (Altar der heiligen Maria und des heiligen Gallus) (Aufschrift, Nr. 17). 92 sarcofagum sancti corporis (Der Sarg mit seinem heiligen Leib) (Aufschrift, Nr. 17). 93 Inuolutio arcuum (Bogengewölbe) (Aufschrift, Nr. 17). 94 vgl. dazu 30, Anm. 77. 95 Hic pauli dignos magni celebramus honores / exedra (Hier feiern wir würdig die Ehre des großen Paulus / Apsis.) (Aufschrift, Nr. 17). 96 HIC SINE DOMATIBUS PARADISI PLANA PARANTUR · (Hier ist eine ebene Fläche einer Vorhalle ohne Dächer vorgesehen) (Aufschrift, Nr. 17).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Die Kirche – Massangaben Die Kirche besitzt fünf Beschriftungen mit der Angabe von Fußmaßen. Eine Beischrift, die in der Längsachse der Kirche beginnend bei der Ostapsis angebracht ist, besagt, dass der Bau eine Gesamtlänge von 200 Fuß haben soll.97 Im östlichen Teil des Mittelschiffes verläuft eine Beschriftung, die eine Gesamtbreite von 40 Fuß benennt.98 Während eine andere Angabe besagt, dass die Seitenschiffe 20 Fuß messen sollen.99 Zwischen der Pfeilerreihe des Langhauses steht, dass die Stützenabstände des Langhauses zweimal sechs Fuß betragen sollen.100 Und zwischen den Stützen des Westparadieses ist eingetragen, dass die Abstände dort zehn Fuß messen sollen.101

Skriptorium & Bibliothek; Sakristei & Paramentenkammer Nördlich und südlich des Ostchors sind doppelgeschoßige Anbauten gezeichnet. Im Norden sind im Erdgeschoß das Skriptorium und darüber die Bibliothek (18) untergebracht.102 Entlang der Außen­wand sind offensichtlich zwischen Fensteröffnungen die ein97 AB ORIENTE IN OCCIDENTEM LONGITUDO ·PEDUM · CC · (Von Ost nach West beträgt die Länge 200 Fuß) (Aufschrift, Nr. 17). 98 Latitudo interioris templi pedum xl (die innere Weite der Kirche beträgt 40 Fuß) (Aufschrift, Nr. 17). 99 Latitudo utriusque porticus pedem xx ( Jeder der beiden Säulengänge ist 20 Fuß breit) (Aufschrift, Nr. 17). 100 Bis senos metire pedes interque columnas Ordine quas isto constituisse decet (Zwölf Fuß sollst du zwischen den Säulen messen, / nach dieser Ordnung soll man sie aufstellen) (Aufschrift, Nr. 17). 101 Has interque pedes denos moderare columnas (und zwischen diesen Säulen sollst du zehn Fuß vorsehen) (Aufschrift, Nr. 17). 102 Infra sedes scribentium · / supra bibliotheca / (Unten die Schreibersitze / oben die Bibliothek) (Aufschrift, Nr. 18).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

zelnen Schreiberpulte angedeutet; in der Mitte des Raumes steht ein massiver Tisch – und einen solchen brauchte man auch, um zum Beispiel so großformatige Manuskripte wie den Klosterplan herzustellen. Das Skriptorium ist ebenerdig vom nördlichen Querschiffkompartiment zu betreten. Der Eingang in die Bibliothek soll sich, nach der Aufschrift, über der »Krypta«, also am Chorpodium befinden.103 Der südliche Anbau nimmt die Sakristei und im Obergeschoß die Paramentenkammer auf.104 (19) Die Sakristei ist vom südlichen Querschiffkompartiment zu betreten. In der Raummitte ist ein Tisch eingezeichnet, der für das Abstellen von liturgischen Geräten dienen sollte.105 An die Wände lehnen sich Sitzbänke, denn in der Sakristei bereitet man sich auch betend auf die Messe vor, und in der Ecke befindet sich ein Ofen, da ja auch das für die Liturgie benötigte Wasser nicht einfrieren darf. Die Sakristei ist durch einen gewinkelten Gang mit einem Raum verbunden, in dem Öl gepresst wird und der zur Zubereitung der Hostien dient.106 (20) Auch hier sind entlang der Wände Sitzbänke verzeichnet; in der Ecke befindet sich ein einfacher (Back-)Ofen. Ein Quadrat mit eingeschriebenem Kreis könnte die Vorrichtung für die Ölgewinnung darstellen.

103 Introitus in bibliothecam super criptam superius (Eingang zur Bibliothek weiter oben über der Krypta) (Aufschrift, Nr. 18). 104 subtus sacratorium / supra uestium eclesiae reposito (Unten die Sakristei / oben die Kleiderkammer der Kirche) (Aufschrift, Nr. 19). 105 mensa sanctorum uasorum (Tisch für die liturgischen Geräte) (Aufschrift, Nr. 19). 106 domus ad praeparandum panem sanctum · et oleum exprimendum · (Haus zur Vorbereitung des heiligen Brotes und zum Auspressen des Öls) (Aufschrift, Nr. 20).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Die Klausur der Mönche Südlich an die Kirche schließt sich der Lebensbereich der Mönche, die Klausur. Der Kreuzgang (21) – im Klosterplan in dieser Form zum ersten Mal nachgewiesen – ist fast quadratisch angelegt und öffnet sich zum Innenhof mit je neun Arkaden. Die mittlere Arkadenöffnung107 ist größer gestaltet und bildet wohl den Durchgang zu den Wegen108 im Innenhof, in dessen Zentrum ein Sebenbaum109, eine Wacholderart, gepflanzt ist. Der sich an die Kirche lehnende nördliche Kreuzgang­ flügel110 (22) hat an den Wänden Sitzbänke eingezeichnet. Hier sollen laut Beschriftung die Mönche zur Beratung zusammen­ kommen.111 Am östlichen Kreuzgang grenzt – in Verlängerung des Querhausarmes und mit diesem durch ein Portal verbunden – ein zweigeschoßiger Trakt an. (23a) In diesem ist im Untergeschoß ein Wärmeraum, der mittels Hypokaustenanlage, eine Fußbodenheizung nach römischem Vorbild, gewärmt wird112, untergebracht. Und im Obergeschoß befindet sich das Dormitorium mit zahlreichen Betten.113 Dieser östliche Konventbau ist durch einen gewinkelten Gang mit der Latrinenanlage der Mönche (23b) verbunden,

107 arcus (Bogen) (Aufschrift, Nr. 21). 108 semitae per transuersum claustri quattuor (Vier Wege quer durch den Kreuzgang) (Aufschrift, Nr. 21). 109 sauina (Sevenbaum) (Aufschrift, Nr. 21). 110 porticus ante eclesiam (Säulengang vor der Kirche) (Aufschrift, Nr. 22). 111 Hinc pia consilium pertractet turba salubre (Hier soll die fromme (Mönchs-) Schar heilsamen Rats pflegen) (Aufschrift, Nr. 21). 112 Porticus ante domum stet haec fornace calentem / subtus calefactoria domus (Dieser Säulengang soll vor dem ofenbeheizten Haus stehen / Unten Wärmeraum) (Aufschrift, Nr. 23). 113 supra dormitorium / lecti / similiter (oben Schlafsaal / Betten / desgleichen [Betten]) (Aufschrift, Nr. 23).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

in der Sitze und eine Leuchte eingezeichnet sind.114 Ein weiterer Gang führt in das Bade- und Waschhaus.115 (23c) An den südlichen Kreuzgang schließt ebenfalls ein zweigeschoßiges Gebäude mit Refektorium (Speisesaal) und darüberliegender Kleiderkammer an.116 (24a) Entlang der Wände des Refektoriums verlaufen Sitzbänke; davor stehen große längsrechteckige Tische und weitere Bänke.117 Der Tisch des Abtes118, ein Lesepult119, Tisch und Bänke für Gäste120 und ein Geschirrkasten121 sind extra ausgewiesen. Von dort führt ein gewinkelter Gang in die Küche der Mönche122 (24b), in deren Mitte ein gemauerter Herd123 steht. Der westliche Trakt nimmt den Keller, in dem Fässer gelagert sind, sowie im Obergeschoß eine Vorratskammer auf.124 (25) Dieser Trakt besitzt zwei Portale; eines führt direkt in den Kreuzgang, das 114 exitus ad necessarium / lucerna / sedilia (Ausgang zum Abtritt / Leuchte / Sitze) (Aufschrift, Nr. 23). 115 egressus de pisale / balneatorium et lauandi locus (Ausgang aus dem Wärmeraum / Badstube und Waschraum) (Aufschrift, Nr. 23). 116 Haec domui adsistit cunctis qua porgitur aesca / Infra refectorium / supra uestiarium (Dieser (Säulengang) verläuft dem Haus entlang, in dem allen das Essen gereicht wird / Unten der Speisesaal / oben die Kleiderkammer) (Aufschrift, Nr. 24). 117 sedes in circuitu / mensa / scamnum / aliud / (Ringsum Sitze / Tisch / Bank / und noch eine) (Aufschrift, Nr. 24). 118 / mensa abbatis (Tisch des Abts) (Aufschrift, Nr. 24). 119 analogium (Lesepult) (Aufschrift, Nr. 24). 120 ad sedendum cum hospitibus (zum Sitzen mit den Gästen) (Aufschrift, Nr. 24). 121 toregma (Geschirrgestell) (Aufschrift, Nr. 24). 122 egressus ad coquinam (Ausgang zur Küche) (Aufschrift, Nr. 24). 123 fornax super arcus (Herd über Bögen) (Aufschrift, Nr. 24). 124 Huic porticui potus quoque cella coheret / Infra cellarium · / Supra lardarium · et aliorum necessariorum repositio / maiores tunnae / minores (An diesen Säulengang schließt sich das Getränkelager an. / Unten der Keller / oben die Speckkammer und Aufbewahrungsort anderer notwendiger Dinge. / Größere Fässer / und kleinere) (Aufschrift, Nr. 25).

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andere zu der Küche bzw. in den Bereich der landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe und Lagerräume. Zwischen dem Vorratsbereich und dem südlichen Kirchenschiff liegt in Fortsetzung des nördlichen Kreuzgangflügels und mit diesem durch ein Portal verbunden das Sprechzimmer der Mönche. (26c) Dieses Sprechzimmer ist mit Bänken entlang der Wände ausgestattet. Nach der Vorschrift der Regula Benedicti (RB 53, 13) soll hier Gästen die Füße gewaschen werden.125

Die Produktionsbetriebe & Lagerräume Südlich dieses internen Bereichs der Mönche, aber mit diesem verbunden, sind landwirtschaftliche Betriebe, Lagerräume und Produktionsstätten der Mönche untergebracht. Im unmittelbaren Nahbereich des Vorratstraktes im westlichen Klausurflügel liegen die Werkstätten und Schlafräume der Küfer und Drechsler, die zur Fass- und Wagenherstellung notwendig sind.126 (35) Die Eingänge zu der Drechslerei bzw. zu der Küferei sind gegen Norden ausgerichtet. Und weiter gegen Westen befinden sich die großen Stallungen der Arbeitstiere bzw. Zugtiere mit den Unterkünften der Stallburschen.127 (34) Sowohl der Pferdestall als auch der Ochsenstall ist zweigeschoßig angelegt; im jeweiligen Obergeschoß befindet sich 125 exitus et introitus ante claustrum ad conloquendum cum hospitibus et ad mandatum faciendum (Ein- und Ausgang vor dem Kreuzgang zum Gespräch mit den Gästen und zur Fußwaschung) (Aufschrift, Nr. 26). 126 Hic habeat fratrum semper sua uota minister / tunnariorum domus / tornariorum / famulorum cubilia (Hier bekomme der Diener der Brüder immer seine Wünsche erfüllt. / Küferei / Drechslerei / Schlafräume der Diener.) (Aufschrift, Nr. 35). 127 Ista bubvs conseruandis domus atque caballis / domus bubulcorum et equos seruantium / ad hoc seruitium mansio (Dieses Haus dient der Unterbringung der Ochsen und Pferde. / Haus der Ochsen- und Pferdeknechte / Wohnraum für diesen Dienst) (Aufschrift, Nr. 34).

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ein Heuboden.128 Unterschiedlich gestalten sich die Futterstellen der Zugtiere. Der Pferdestall besitzt eine große Futterkrippe129, die Futterstellen im Ochsenstall sind unterteilt130. Direkt an die Drechslerei angebaut ist ein kleiner Kornspeicher (36), der das für die Bierbrauerei gereinigte Getreide aufnehmen soll.131 Sein Zugang ist gegen Norden zu dem Brauhaus der Mönche (38b) gerichtet. Das Brauhaus (38b) und die Bäckerei der Mönche (38a) sind in einem eigenen Gebäude untergebracht, das durch einen Gang mit der Küche der Mönche (24b) verbunden ist. Beide Produktionsbetriebe sind durch einen gemeinsamen Vorraum zu betreten und haben jeweils Ruheräume für das dort tätige Klosterpersonal. Die Brauerei selbst ist in zwei Funktionsbereiche unterteilt. In einem Raum wird das Bier gereinigt, die andere Raumeinheit ist die ­eigentliche Brauerei.132 Die Bäckerei der Mönche besitzt ­einen großen Backofen und einen Backtrog sowie eine eigene Mehl­ kammer.133 Dem kleinen Kornspeicher, dem Brauhaus und der Mönchs­ bäckerei gegen Süden vorgelagert sind jene landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe, die zur Aufbereitung des Getreides und anderer Feldfrüchte dienen: Es gibt eine eigene Funktionseinheit, in

128 stabulum equorum infra / supra tabulatum / boum stabulum infra / supra tabulatum · unten Pferdestall, / oben Heuboden / unten Ochsenstall / oben Heuboden / (Aufschrift, Nr. 34). 129 praesepia (Futterkrippen) (Aufschrift, Nr. 34). 130 praesepia boum (Futterkrippen für die Ochsen) (Aufschrift, Nr. 34). 131 granarium · ubi mundatum frumentum seruetur et quod ad ceruisam praeparatur · (Kornspeicher, in dem das gereinigte Getreide aufbewahrt wird, das dann für das Bier(brauen) bereitgehalten wird) (Aufschrift, Nr. 36). 132 hic fratribus conficiatur ceruisa / hic coletur celia (Hier soll das Bier für die Brüder gebraut werden / Hier werde das Bier gereinigt) (Aufschrift, Nr. 38). 133 pistrinum fratrum / caminus / alueolus / repositio farinae (Bäckerei für die Brüder / Backofen / Backtrog / Mehlkammer) (Aufschrift, Nr. 38).

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der Malz bzw. Obst getrocknet, gedörrt und geröstet wird.134 (37c) Daran schließen sich eine Stampfe (37b) und eine Mühle (37a) an.135 Jeder dieser Nutzungsräume hat auch eine Kammer für die dort diensttuenden Knechte.136

Weitere Handwerksbetriebe In unmittelbarer Nähe des südlichen Klausurflügels der Mönche, der Refektorium und Kleiderkammer (24a) beherbergt, befinden sich jene Handwerksbetriebe, die zur Instandsetzung und Herstellung von Bekleidung, Alltagsgegenständen und Rüstzeug notwendig sind. Die Lage der Räume bzw. ihre Türöffnungen sind zur Klausur hin ausgerichtet. Die beiden größten Räume sind für den Kämmerer137 (39e) vorgesehen. Im Norden liegen die Werkstätten des Schusters (39c) und des Sattlers (39b).138 Neben den Funktionseinheiten des Kämmerers sind die Werkstatt des Schwertfegers bzw. Messerschleifers139 (39d) und die des Schildmachers140 (39a) untergebracht. Südlich daran schließen die Handwerksbetriebe des Drechslers141 (39g) und des Gerbers142 (39f ). Von diesen Werkstätten durch einen Gang getrennt sind die Arbeitsräume der Goldschmiede (39j), der Eisenschmiede (39i) und der Walker (39h) 134 locus ad torrendas annonas (Platz zum Rösten der Jahresfrüchte) (Aufschrift, Nr. 37). 135 pilae / molae (Stampfen / Mühlen) (Aufschrift, Nr. 37). 136 eorundem famulorum cubilia (Schlafräume der zugehörigen Diener) (Aufschrift, Nr. 37). 137 domus et officina cameraii (Haus und Werkstatt des Kämmerers) (Aufschrift, Nr. 39). 138 / sutores / sellarii (Schuster / Sattler) (Aufschrift, Nr. 39). 139 emundatores vel politores gladiorum (Schwertschleifer oder Schwertfeger) (Aufschrift, Nr. 39). 140 scutarii (Schildmacher) (Aufschrift, Nr. 39). 141 tornatores (Drechsler) (Aufschrift, Nr. 39). 142 coriarii (Gerber) (Aufschrift, Nr. 39).

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sowie kleine Einzelräume angeordnet, die als Wohnungen der Handwerker bezeichnet sind.143

Scheune, Geflügelhaltung & Gemüsegarten mit Gärtnerei Östlich der Handwerksbetriebe liegt die große Scheune mit einer Tenne (40), wo das Getreide gedroschen wird.144 Die zweiteilige Toreinfahrt orientiert sich nach Westen zu den landwirtschaftlichen Produktionsbetrieben. Gleich daneben befinden sich zwei Rundbauten, die für die Haltung der Hühner145 (41c) und der Gänse146 (41a) vorgesehen sind. Ähnlich wie die Türme der Kirche besitzen die Dächer der beiden Rundbauten einen ornamentalen Schmuck. Zwischen den beiden Ställen ist die Unterkunft des Geflügelwärters untergebracht147 (42), die von zwei Seiten, von Westen und Osten zu begehen ist. Neben dem Bereich für die Geflügelhaltung liegt ein Gemüsegarten, in dessen Beeten Zwiebel, Knoblauch, Lauch, Schalotten, Sellerie, Petersilie, Koriander, Kerbel, Dill, Salat, Mohn, Pfeffer143 aurifices / fabri ferramentorum / fullones / eorundem mansiunculae (Goldschmiede / Eisenschmiede / Walker. Deren kleine Wohnungen) (Aufschrift, Nr. 39). 144 horreum · i · repositio fructuum annalium / area in qua triturantur grana et paleae (Scheune, das heißt Aufbewahrungsort der Jahresernte / Tenne, auf der Korn und Stroh gedroschen werden) (Aufschrift, Nr. 40). 145 PULLORUM HIC CURA ET PERPES NUTRITIO CONSTAT (HIER WERDEN FORTWÄHREND DIE HÜHNER VERSORGT UND GEFÜTTERT) (Aufschrift, Nr. 41). 146 ANSERIBUS LOCUS HIC PARITER MANET APTUS ALENDIS · (GLEICHERWEISE IST DIESER ORT GEEIGNET ZUR AUFZUCHT DER GÄNSE) (Aufschrift, Nr. 41). 147 domus communis / mansio pullorum custodis / Item custodis aucarum (Gemeinsames Haus / Wohnung des Wächters über die Hühner / ebenso des Wächters über die Gänse) (Aufschrift, Nr. 41).

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kraut, Rettiche, Pastinak-Rüben, Kohl, Mangold und Schwarzkümmel angebaut sind.148 Vor dem Eingang in den Gemüsegarten (43) befindet sich eine Gärtnerei mit der Unterkunft des Gärtners und seiner Gehilfen sowie ein Geräteschuppen (42).149

Obstgarten & Friedhof Dem östlichen Konventflügel der Mönche gegenüber liegt ein Obstgarten. (44) Zahlreiche ornamentale Zeichen stehen für die dort gepflanzten Baumarten, wie Apfelbaum, Birnbaum, ­Pflaumenbaum, Speierlingbaum, Mispelbaum, Lorbeerbaum, Kastanienbaum, Feigenbaum, Quittenbaum, Pfirsichbaum, Haselnuss-Strauch, Mandelbaum, Maulbeerbaum und Walnussbaum.150 In der Mitte des Baumgartens ist ein großes Kreuz eingezeichnet, das diesen Ort auch als Friedhof symbolisiert.151 (45) 148 HORTUS / cepas / aleas / prros / ascolonias / apium / petrosilium / coliandrum / cerefolium / anetum / lactuca / papauer / sataregia / radices / pestinachas / magones / caulas / betas / gitto (GEMÜSEGARTEN / Zwiebel / Knoblauch / Lauch / Schalotten / Sellerie / Petersilie / Koriander / Kerbel / Dill / Kopfsalat / Mohn / Pfefferkraut / Rettiche / Pastinaken / Mohn / Kohl / Mangold / Schwarzkümmel) (Aufschrift, Nr. 43). 149 mansio hortolani / Ipsa domus / cubilia · famulorum / hic ferramenta seruantur et seminaria holerum (Wohnung des Gärtners / Das Haus selbst / Schlafräume der Diener / Hier werden Werkzeuge und Gemüsesamen aufbewahrt.) (Aufschrift, Nr. 43). 150 Ma uel perarius / prunarius / sorbarius / mispolarius / laurus / castenarius / ficus / gudunarius / persicus / auellenarius / amendelarius / murarius / nugarius (Apfelbaum und Birnbaum / Pflaume / Speierling / Mispel / Lorbeer / Kastanie / Feige / Quitte / Pfirsich / Haselnuss / Mandelbaum / Maulbeerbaum / Walnuss) (Aufschrift, Nr. 44). 151 Inter ligna soli haec semper sanctissima crux est / in qua perpetuae · poma salutis olent / Hanc circum iaceant defuncta cadauera fratrum / Qua radiante iterum · Regna poli accipiant · (Unter diesen Hölzern der Erde ist das heiligste immer das Kreuz, / an dem duften die Früchte des ewigen Heils. / Um es herum

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Zwischen den Baumarten sind einzelne rechteckige Grabstellen ausgebildet.

Infirmerie (Krankenhaus) & Noviziat Genau auf Achse der großen Klosterkirche liegt gegen Osten ein weiterer Sakralbau, der für die Novizen und Kranken vorgesehen ist. (4) Es handelt sich bei diesem Bau um eine Saalkirche mit jeweils einer gestelzten östlichen und westlichen Apside, in deren – durch eine Stufe erhöhtem – Chor jeweils ein Altar steht; davor befinden sich Bänke.152 In der Mitte der Kirche verläuft eine Querwand, die den Bau in zwei Funktionsbereiche teilt: Die Westhälfte dieser Kirche steht den Kranken zur Verfügung; die Osthälfte ist für die Novizen vorgesehen. Separate Eingänge führen direkt in die anschließenden Klausuren, und zwar in die der Novizen im Osten153 (2) und in die der Kranken im Westen154 (3). Die Klausur der Novizen liegt um einen fast quadratischen Klosterhof.155 Ein mit Arkadenbögen gezierter Kreuzgang156 verbindet die einzelnen Funktionseinheiten: Kammer und Speisesaal157 im Westen; die beheizbare Kammer des Novizenmeisters und der ebenfalls beheizbare Krankenraum, jeweils mit eigenen Abtritten versehen, im Süden;158 Dormitorium und der mit einer Hypokaustenanlage be-

152 153 154 155 156 157 158

sollen liegen die Leiber der verstorbenen Brüder; / wenn es wieder erglänzt, mögen sie empfangen die Reiche des Himmels.) (Aufschrift, Nr. 45). ECLESIA / altar / grad / formulae (Kirche / Altar / Stufen / Bänke) (Aufschrift, Nr. 4). istorum (scil. ingressus) hic. (Hier ist der Eingang) (Aufschrift, Nr. 2). istorum ingressus (Hier ist der Eingang) (Aufschrift, Nr. 5). Hoc claustro oblati pulsantibus adsociantur · (In diesem Kreuzgang werden die Oblaten den angehenden Mönchen beigestellt) (Aufschrift, Nr. 2). porticus (Säulengang) (Aufschrift, Nr. 2). camera / refectorium (Kammer / Speisesaal) (Aufschrift, Nr. 2). mansio magistri eorum / exitus / Infirmorum domus (Wohnraum des Meisters / Ausgänge / Krankenhaus) (Aufschrift, Nr. 2).

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heizbare Wärmeraum im Osten.159 Dormitorium und Wärmeraum sind mit eigenen Latrinenanlagen ausgestattet. Die Infirmerie im Norden der Nebenkirche besteht ebenfalls aus einem Klosterhof, der von einem mit Arkadenbögen geschmückten Kreuzgang umgeben ist.160 Im Westen liegen eine Kammer und das Refektorium,161 im Norden die beheizbaren Räume des Krankenpflegers und der Schwerkranken,162 ein Schlafsaal und ein mit einer Hypokaustenanlage geheizter Wärmeraum im Osten.163 Eine Latrinenanlage ist mit dem Schlafsaal verbunden. Das Noviziat und auch die Infirmerie haben jeweils einen eigenen Gebäudekomplex mit Küche und Badestube, der sich für die Novizen südlich des Ostparadieses der großen Klosterkirche befindet.164 (3) Kranke und die meist jungen Novizen bekommen eine besonders stärkende Kost, zu der auch Fleisch gehört. Küche und Badehaus der Infirmerie liegen nördlich des Ostparadieses der Klosterkirche.165 (6) Die Ein- und Ausgänge der Küchen- und ­Badehäuser sind nach Norden zu Infirmerie bzw. Noviziat ausgerichtet.

159 dormitorium · / necessaria / pisalis / exitus fumi / caminus (Schlafsaal / Abtritte / Wärmeraum / Rauchabzug / Ofen) (Aufschrift, Nr. 2). 160 Fratribus infirmis pariter locus iste paretur / porticus (Den kranken Brüdern soll in gleicher Weise dieser Ort bereitet werden / Halle) (Aufschrift, Nr. 5). 161 Camera / Refectorium (Kammer / Speisesaal) (Aufschrift, Nr. 5). 162 domus magistri eorum / locus ualde infirmorum (Wohnraum des Krankenpflegers / Raum der Schwerkranken) (Aufschrift, Nr. 5). 163 dormitorium / pisalis (Schlafsaal / Wärmeraum) (Aufschrift, Nr. 5). 164 Batorium · / coquina eorundem (Badstube / Küche derselben) (Aufschrift, Nr. 3). 165 coquina eorundem · et sanguinem minuentium / balnearum domus (Küche ­derselben und derer, die zur Ader gelassen werden / Badstube) (Aufschrift, Nr. 6).

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Heilkräutergarten, Arzthaus & Aderlasshaus Nördlich der Infirmerie befindet sich ein Heilkräutergarten (7), in dem Salbei, Krauseminze, Raute, Kümmel, Schwertlilie, Liebstöckel, Poleiminze, Fenchel, Stangenbohne, Pfefferkraut, Frauenminze, Griechisch Heu, Rosmarin, Minze, Lilie und Rosen gepflanzt sind.166 Gleich daran schließt sich das Haus des Arztes167 (8) an, dessen Portal zur Infirmerie (5) orientiert ist. Von einem Vorraum gelangt man zum beheizten Wohnraum des Arztes, zur Apotheke und zum Krankenzimmer für Schwerkranke.168 Der Wohnraum des Arztes und das Krankenzimmer sind jeweils beheizt und haben einen eigenen Abtritt. Von dem Ärztehaus, durch eine Quermauer oder einen Zaun mit eingezeichneter Türe abgegrenzt, liegt das Aderlasshaus.169 (9) Dessen Eingangsportal öffnet sich zur Infirmerie bzw. zu der Küche des Krankenbereichs. Das Aderlasshaus besitzt einen Raum mit vier Wärmeöfen; an den Wänden stehen Bänke und davor Tische170. Ein Gang führt zu einer großzügig angelegten Latrinenanlage.

166 herbularis / saluia / sisimbria / ruta / cumino / gladiola / lubestico / pulegium / fenuclum / fasiolo / sataregia / costo / fenegreca / rosmarino / menta / lilium / rosas (Heilkräutergarten / Salbei / Krauseminze / Raute / Kümmel / Schwertlilie / Liebstöckel / Poleiminze / Fenchel / Stangenbohne / Pfefferkraut / Frauenminze (Marienblatt) Griechisch Heu / Rosmarin / Minze / Lilie / Rosen) (Aufschrift, Nr. 7). 167 domus mediocorum (Ärztehaus) (Aufschrift, Nr. 8). 168 cubiculum ualde infirmorum / armarium pigmentorum / mansio medici ipsius (Zimmer der Schwerkranken / Arzneischrank / Arztwohnung) (Aufschrift, Nr. 8). 169 fleotomatis hic gustandum vel potionariis (Hier werden die verköstigt, die zur Ader gelassen worden sind oder medizinisch behandelt werden) (Aufschrift, Nr. 9). 170 mensae (Tische) (Aufschrift, Nr. 8).

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Abthaus Im Norden der Kirche liegt das Abthaus (10a), das von einem Zaun umgeben,171 mit ihr aber durch einen eigenen Gang verbunden ist.172 Dieses Gebäude ist doppelgeschoßig angelegt, besitzt in seinem Untergeschoß vorgelagerte Arka­dengänge,173 einen mit Kamin, Geschirrschrank und Sitzgelegenheiten eingerichteten Wohnraum für den Abt174 sowie einen Schlafraum mit angrenzender ­Latrinenanlage.175 Im Obergeschoß befinden sich eine Kammer und eine nicht überdachte Terrasse, ein Söller.176 Im nördlich angeschlossenen Nebengebäude, dessen Portale auf die Abtpfalz ausgerichtet sind, sind die Schlafräume der Bediensteten, eine Küche, ein Vorratsraum und eine Badestube untergebracht.177 (10b)

Schule, Gastmönche & Schulleiter Westlich der Abtpfalz befindet sich die Schule (11), die von einem Zaun178, der kirchenseitig zwei Tore hat, umgeben ist. Die Schule besitzt einen durch eine Trennwand geteilten Gemeinschafts-

171 Saepibus in gyrum ductis sic cingitur aula (Die Halle ist so von Zäunen rings umgeben) (Aufschrift, Nr. 10). 172 ad eclesiam ingressus (Eingang zur Kirche) (Aufschrift, Nr. 10). 173 porticus arcubus lucida / porticus similis / (Lichte Halle mit Arkaden / Eine ähnliche Halle) (Aufschrift, Nr. 10). 174 mansio abbatis / caminata / sedilia / toregmata (Wohnung des Abts, / Kaminecke, / Sitze, / Geschirrgestelle) (Aufschrift, Nr. 10). 175 dormitorium (Schlafsaal) (Aufschrift, Nr. 10). 176 / supra camera · et solarium (darüber eine Kammer und ein Söller) (Aufschrift, Nr. 10). 177 cubilia famulantium / coquina / cellarium / balnaetonrium (Schlafräume der Bediensteten, / Küche, / Vorratsraum, / Badstube) (Aufschrift, Nr. 10). 178 Haec quoque septa premunt discentis uota iuuentae (Und diese Zäune schränken die Wünsche der Schuljugend ein) (Aufschrift, Nr. 11).

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raum179, um den sich zwölf Studierzimmer reihen180, sowie ein Vor­ raum, der zu der großen Latrinenanlage181 führt. In dem Gemeinschaftsraum sind zwei Quadrate mit der Bezeichnung testu gezeichnet, was möglicherweise auf eine Feuerschale oder ein Feuer­becken hindeuten könnte.182 Kleine Quadrate in der Mitte dieser gleichförmigen Raumeinheiten der Schüler könnten hingegen Schreibpulte symbolisieren. Gegenüber der Schule, direkt an das Langhaus der Kirche angebaut, liegen die Unterkünfte der Gastmönche.183 (14) Diese bestehen aus einem beheizbaren Wohn- und Schlafraum, ausgestattet mit Sitzgelegenheiten und Betten, sowie einem Abtritt.184 Von dem Wohnraum führt ein Portal direkt in den nördlichen Querarm der Kirche. An die Unterkünfte der Gastmönche angrenzend und ebenfalls an die Kirche angebaut liegt die Unterkunft des Schulvorstehers.185 (15a) Auch diese besteht aus einem beheizten Wohnraum und einem Schlafraum, beide ausgestattet mit Sitzgelegenheit bzw. Bett, sowie einem Abtritt.186 179 domus communis scolae id est uacationis (Gemeinschaftshaus der Schule, das heißt der Unterrichtsstätte) (Aufschrift, Nr. 11). 180 mansiunculae scolasticorum hic (Hier sind die kleineren Wohnungen der Schüler) (Aufschrift, Nr. 11). 181 necessarius exitus (Ausgang zu den Abtritten) (Aufschrift, Nr. 11). 182 Testu (Feuerbecken?, Feuerschale ?, Geschirr?) (Aufschrift, Nr. 11); findet sich auch im Pilgerhaus (Aufschrift 27). testudo, inis (von TESTU oder TESTA). Nach Vitruvius 5, 10, 13 bezeichnet dies ein System oder eine Einrichtung, die zu einer Bade- bzw. Heizvorrichtung gehört. Ist möglicherweise aber im Sinne eines Feuerbeckens, einer Feuerschale zu verstehen; die unter anderem für Räucherwerk, abgebrannten Docht oder Leuchtmittel Verwendung fand. testu bei Berschin, 2002 und 2005 »Geschirr«. Vgl. dazu 48, Anm. 201. 183 Susceptio fratrum superuenientium (Aufnahme der ankommenden Brüder) (Aufschrift, Nr. 14). 184 dormitorium eorum / necessarium (ihr Schlafsaal, / Abtritt) (Aufschrift, Nr. 14). 185 mansio capitis scolae (Wohnung des Schulvorstehers) (Aufschrift, Nr. 15). 186 eiusdem secretum / necessaria (sein Privatraum, / Abtritte) (Aufschrift, Nr. 15).

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Gästehaus & Pförtner Westlich der Schule und von dieser durch einen Zaun begrenzt liegt das Gästehaus187 mit seinen Nebengebäuden. Das Gästehaus besitzt einen Vorraum und zwei Kammern für Bedienstete.188 (12) Der große Wohnraum hat in der Mitte eine offene Feuerstelle189, an den Wänden lehnen Sitzbänke, davor stehen Tische; es gibt auch Geschirrschränke.190 Das Gästehaus verfügt über vier Kaminzimmer mit Betten und jeweils einem Abtritt191 sowie einen großzügigen Pferdestall mit Futterkrippe.192 Von dort gelangt man zu einer weitläufigen Latrinenanlage.193 Das Nebengebäude unterteilt sich in eine Küche mit Vor­ratsraum,194 eine Bäckerei mit großem Backofen195 und einen Neben­raum für die Teigzubereitung196 sowie eine Brauerei mit angeschlossenem Kühlraum197. (13) Gegenüber der Unterkunft für vornehme Gäste liegt – an die Kirche angebaut – die Wohnung des Pförtners. (15b) An den durch einen Kamin beheizbaren Wohnraum198 schließt das Schlafzimmer199 mit einem Ausgang zum Abtritt an. 187 Haec omus hospitibus parta est quoque suscipiendis (Auch dieses Haus steht für die Aufnahme von Gästen bereit) (Aufschrift, Nr. 12). 188 cubilia seruitorum (Schlafräume der Diener) (Aufschrift, Nr. 12). 189 locus foci (Herdstelle) (Aufschrift, Nr. 12). 190 toregmata / mensae (Geschirrgestelle / Tische) (Aufschrift, Nr. 12). 191 caminatae cum lectis / necessarium (Kaminzimmer mit Betten, / Abtritte) (Aufschrift, Nr. 12). 192 stabula caballorum / praesepia (Pferdeställe, / Futterkrippen) (Aufschrift, Nr. 12). 193 exitus necessarius (Ausgang zu den Abtritten) (Aufschrift, Nr. 12). 194 culina hospitum / promptuarium (Gästeküche, / Vorratsraum) (Aufschrift, Nr. 13). 195 fornax / pistrinum (Backofen, / Bäckerei) (Aufschrift, Nr. 13). 196 interdendae pastae locus (Ort zum Anrühren des Teigs) (Aufschrift, Nr. 13). 197 domus conficiendae celiae / hic refrigeratur ceruisa (Brauhaus / Hier wird das Bier gekühlt) (Aufschrift, Nr. 13). 198 caminata portarii (Kaminzimmer des Pförtners) (Aufschrift, Nr. 15). 199 cubile eius (sein Schlafraum) (Aufschrift, Nr. 15).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Pilgerherberge & Unterkunft des Pilgermeisters Südlich der Kirche – dem Haus für vornehme Gäste gegenüber – befindet sich eine Herberge für einfache Pilger.200 (27a) Das Pilgeroder Armenhospiz besteht aus einem Gemeinschaftsraum, in dessen Mitte eine Wärmestelle201 eingezeichnet ist. Außerdem gibt es zwei Schlafräume202, eine Wohnung für die Bediensteten203, eine Kammer204 und einen Vorratsraum205. Von dort führt ein Verbindungsgang zum Brauhaus mit eigenem Kühlraum,206 und zur Bäckerei,207 in der ein großer Backofen208 steht. (27b) In einem Nebenraum der Bäckerei befindet sich der Trog zum Anrühren des Teiges.209 Die Unterkunft des Pilgermeisters (26b) ist an der Südseite der Kirche zwischen südlichem Torhaus und dem Sprechzimmer angebaut und besteht lediglich aus einem durch einen Ofen beheizbaren Raum.210

200 Hic peregrinorum laetetur turba recepta (Hier freue sich die Pilgerschar über ihre Aufnahme) (Aufschrift, Nr. 27). 201 testu bei Berschin, 2002 und 2005 »Geschirr«. (Aufschrift, Nr. 27) Vgl. dazu auch 46, Anm. 182. 202 dormitorium / aliud (Schlafsaal / und noch einer) (Aufschrift, Nr. 27). 203 seruientium mansiones (Wohnungen der Bediensteten) (Aufschrift, Nr. 27). 204 camera (Kammer) (Aufschrift, Nr. 27). 205 cellarium (Vorratsraum) (Aufschrift, Nr. 27). 206 bracitorium / ad refrgerandum ceruisam (Brauhaus / zum Bierkühlen) (Aufschrift, Nr. 27). 207 pistrinum (Bäckerei) (Aufschrift, Nr. 27). 208 fornax (Backofen) (Aufschrift, Nr. 27). 209 locus conspergendi (Ort zum Anrühren) (Aufschrift, Nr. 27). 210 pausatio procuratoris pauperum (Ruheraum des Armenpflegers) (Aufschrift, Nr. 26).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Stallungen & Gesindehaus Dem gesamten Westbereich des Klosters vorgelagert sind die sehr schematisch konstruierten und einfach ausgestatteten Stallungen für den unterschiedlichsten Viehbestand mit den dazugehörigen Unterkünften der Viehhüter sowie ein Gesindehaus. Das große Gebäude in der nordwestlichen Ecke des Planes lässt sich heute nicht mehr näher bestimmen, da dieses bereits im 12. Jahrhundert größtenteils wegradiert wurde, um Textpassagen der Martinsvita niederzuschreiben.211 So liegt neben der großen Einfahrtstraße der Schafstall mit den Unterkünften der Schafhirten212 (28); gleich daneben ist der Ziegenstall angeordnet.213 (30) Auch hier gibt es Kammern für die Ziegenhirten. Weiter südlich befindet sich ein großer Kuhstall mit den dazugehörigen Unterkünften der Knechte.214 (32) Dem Schafstall westlich vorgelagert ist ein einfaches Haus, das als Unterkunft für Diener und Gefolgschaft der reisenden Gäste dient.215 (29) Daneben befindet sich der Schweinestall mit den

211 Vgl. dazu Kapitel 9, 113 u. 120. 212 Hic caulas ouium caute dispone tuarum / Ipsa domus / cubilia opilionum / caulae (Hier richte geschickt deine Schafhürde ein. / Das Haus selbst / Schlafkammern der Schäfer / Schafhürde) (Aufschriften, Nr. 28). 213 Ista domus cunctas nutrit seruatque capellas / stabula / cubilia pastorum (Dieses Haus nährt und behütet die Ziegen. / Ställe. / Schlafkammern der Hirten) (Aufschrift, Nr. 30). 214 Hic m tibi ·lac· faetus atque ministrant / domus armentariorum / cubilia seruantium / stabula (Hier bringt das Großvieh Milch und Kälber. / Haus der Rinderknechte / Schlafkammern der Bediensteten / Ställe) (Aufschrift, Nr. 32). 215 Hic requiem inueniat famulantum turba uicissim / domus famuliae quae cum seruitio aduenerit · / cubilia custodientium (Hier findet von Fall zu Fall die Schar der Bediensteten Ruhe. / Haus der Dienerschaft, die mit dem Hofdienst(?) ankommt / Schlafkammern der Wächter) (Aufschrift, Nr. 29).

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4. Der Codex Sangallensis 1092: Eine Führung durch Text & Zeichnung

Kammern der Stallburschen.216 (31) Am südwestlichsten Eck befindet sich das große Stallgebäude und Gestüt der Stuten und Fohlen mit den Unterkünften für die Pferdeknechte.217 (33)

216 Ista sues locus enutrit custodit adultas / domus procariorum / cubilia pastorum (Dieser Ort zieht die Sauen auf und hütet die Ausgewachsenen. / Haus der Schweinehirten. / Schlafkammern der Hirten) (Aufschrift, Nr. 31). 217 Hic faetas seruabis equas tenerosque caballos / domus equaritiae / cubilia custodum / stabula (Hier sollst du die trächtigen Stuten und die zarten Fohlen unterbringen. / Gestüt / Schlafkammern der Hüter / Ställe) (Aufschrift, Nr. 33).

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5. Erhaltungszustand & Technologischer Befund

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er Klosterplan ist von vielen Benutzungs- und Gebrauchsspuren der vergangenen Jahrhunderte stark gezeichnet. Neben zahlreichen Knicken, Kratzern, bräunlichen Schmutzspuren, Einrissen und Ausbrüchen an den Rändern fallen besonders drei »Eingriffe« sofort auf. (Abb. 1 und 2) Die großformatige Pergamentfläche ist von breiten Faltlinien durchzogen, die eine Einteilung in sechzehn Felder mit sich bringen. Diese Faltlinien sind auf die frühmittelalterliche Art der Aufbewahrung von Manuskripten zurückzuführen. Denn die Architekturzeichnung war auf Heftgröße gefaltet und wurde in dem Bücherkasten der Bibliothek, so wie die anderen Manuskripte auch, liegend aufbewahrt.218 (Abb. 3) Im 12. Jahrhundert wurde, wie mehrfach erwähnt, die linke untere Ecke der Architekturzeichnung ausradiert, um den Schluss der Martinsvita, die damals auf der Rückseite niedergeschrieben wurde, dort anzubringen.219 Eine gewisse Wertschät218 Zur Faltung siehe Kapitel 6, 85; Die Darstellung im Codex Amiatinus, Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Amiat. 1, fol. 5v, ante a. D. 716 (Abb. 3) gibt eine gute Vorstellung über die Aufbewahrung der Bücher im Frühmittelalter. Die Miniatur zeigt Cassiodor in Gestalt des alttestamentlichen Autors Esdras (Esra, Ezras) mit den drei von ihm in den Institutiones geschilderten Bibelexemplaren. Im Bücherschrank (armarium) liegt die neunbändige Bibel. 219 Lehmann, 1951, 745–751; Duft, 2002, 59–60. Die online zur Verfügung gestellten Aufnahmen der recto und verso Seiten des Klosterplanes ermöglichen eine exzellent vergrößerte Darstellung des Manuskripts und eine Analyse bzw. Autopsie der Gebrauchsspuren: http://www.stgallplan. org/de/index_plan.html.

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5. Erhaltungszustand & Technologischer Befund

zung des Schreibers an der karolingischen Architekturzeichnung zeigt sich darin, dass er ein in der Bedeutungshierarchie weniger wichtiges Gebäude ausradierte und damit zur Erhaltung des Klosterplanes beitrug. Vermutlich im 19. Jahrhundert wurde der Versuch unternommen, die radierten Stellen dieses Gebäudes mithilfe von Chemikalien wieder sichtbar zu machen. Diese Behandlung hinterließ auf dem Pergament nicht wieder entfernbare Flecken von Berliner Blau.220 Am schwerwiegendsten ist wohl aber der dritte Eingriff zu bezeichnen: Wohl aufgrund des gestiegenen Interesses der Forschung an der Architekturzeichnung im 17. und/oder 18. Jahrhundert wurde das Pergament, das bis zu diesem Zeitpunkt in gefaltetem Zustand aufbewahrt wurde, auf eine Leinwand aufkaschiert.221 Möglicherweise sind dabei Falten leicht ausgebügelt worden. Die Textur des mit Leim aufgeklebten Stoffes ist auf der Rückseite noch deutlich zu sehen, auch wenn im Jahr 1949 versucht wurde, die Kaschierung und den Klebstoff mechanisch abzulösen. Die durch das Auftragen des Leims erzeugte Feuchtigkeit hat zu einem Durchschlagen der Zeichnung auf der Rückseite geführt. Einzelne, schon früher durchgeführte, stützende Reparaturnähte mit einem grünen Seidenfaden wurden bei der Ablösung belassen, um die Festigkeit des Pergaments nicht zu gefährden.222 Der Klosterplan ist auf eine Pergamentfläche gezeichnet, die sich aus fünf ungleich großen Pergamentstücken zusammensetzt. Die Anordnung der Pergamentteile ergibt sich aus der überlappenden Beschaffenheit der Pergamentnähte zueinander:223 (Abb. 4) Dabei wurde zunächst ein dreiteiliges Mittelstück erstellt, das sich aus den Pergamentteilen 1 (ca. 39 x 59 cm), 2 (ca. 19,5 x 59 cm) und 3 (ca. 19,5 x 58 cm) zusammensetzt. Die Pergamentteile dieses Mittelstücks – also Pergament 1, 2 und 3 – sind mit einem S-förmig gezwirnten Faden knapp überlappend zusammengenäht.224 (Abb. 5) Die Heftlöcher sind in einem Abstand von ca. 1,3 mm gestochen.

220 Fuchs u. Oltrogge, 2002, 309. 221 Duft, 2002, 59; Fuchs u. Oltrogge, 2002, 308–309; http://www.stgallplan.org/verso.html. 222 Diese sieht man im Bereich des südlichen Kreuzgangflügels: http://www.stgallplan.org/recto. html. 223 Reinhardt, 1952, 8; Jacobsen, 1992, 36, fig. 10, 37. 224 Fuchs u. Oltrogge, 2002, 309–311.

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5. Erhaltungszustand & Technologischer Befund

In der vollen Breite des Mittelstückes wurden oben und unten die Pergamentteile 4 (ca. 27 x 77,5 cm) und 5 (ca. 28 x 77, 4 cm) angenäht. (Abb. 4) Die Fäden, die das Mittelstück mit den Pergamentteilen 4 und 5 verbinden, sind Z-förmig gezwirnt, und die Heftlöcher hier sind in einem größeren Abstand (ca. 2 mm) gestochen als die des Mittelstücks. (Abb. 6) Eine DNA-Analyse des Pergamentteils 4 konnte diesen als Schafshaut identifizieren; und es ist anzunehmen, dass auch die übrigen Pergamentteile aus Schafshäuten angefertigt wurden.225 Der Klosterplan ist auf der feineren Fleischseite gezeichnet; dafür wurde das Pergament zunächst mit einem gezähnten Schabeisen geglättet und dann mit einem Bimsstein aufgeraut. Teilweise sind die Parallelschraffuren des Schabeisens auf dem Pergament noch sichtbar. Bei der Zeichnung kann man zwei unterschiedlich rote Tinten (eine sehr hellrote und eine tiefrote Tinte) erkennen, die mit einer Feder aufgetragen wurden. Zumeist – besonders am Mittelstück – überdeckt die dunkelrote Tinte die hellrote Zeichnung. Die Pergamente 4 und 5 sind nur in hellroter Tinte bemalt, dort wurden die hellroten Linien nicht nachgezogen. Bei den roten Tinten handelt es sich nach Ausweis der technischen Untersuchung um Mennige.226 Die Umgrenzungslinien der beiden Querhausarme, die west-östlich ver­laufenden Abschrankungen der Vierung und die Wandbegrenzungen des Chorrechtecks wurden zudem mit einer dunkelbraunen Eisengallus-Tinte nachge­zogen.227 (Abb. 7) An mehreren Stellen verläuft die rote Architekturzeichnung eines Gebäudes über zwei Pergamentteile bzw. über deren Nahtstellen, und zwar im Ostbereich (17z) im westlichen Joch der Kirche (17f, 17h), beim Gästehaus (12), bei der Küferei und Drechslerei (35) sowie bei dem großen Stall der Zugtiere. (34) Die innere Linie der östlichen Apsis (17y) ist unter der Nahtstelle zwischen Pergament 1 und 4 weiter gezogen; der Apsisbogen ist auf dem 1. Pergament vollständig erhalten, was sich lediglich am Original selbst feststellen lässt.228 225 226 227 228

Fuchs u. Oltrogge, 2002, 311. Fuchs u. Oltrogge, 2002, 314; http://www.stgallplan.org/recto.html. Jacobsen, 1992, 68; Fuchs u. Oltrogge, 2002, 313; http://www.stgallplan.org/recto.html. Für das freundliche Entgegenkommen, den Klosterplan im Lesesaal der Stiftsbibliothek studieren zu dürfen, möchte ich mich bei dem Team der Stiftsbibliothek, ganz besonders aber bei Herrn Dr. Karl Schmuki und Herrn Prof. Dr. Ernst Tremp herzlichst bedanken.

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5. Erhaltungszustand & Technologischer Befund

Pergament 1 und Pergament 2 besitzen jeweils in der Mitte eine senkrechte Falzlinie; sie verläuft exakt durch die Stützenreihe. Eine dritte Falzlinie kann man mittig am Pergament 3 – in der Höhe der Außenbegrenzung der Mühle und ­Bäckerei der Mönche (37a, 38a) – erkennen.229 (Abb. 7) Teilweise mit freiem Auge – besonders aber in starker Vergrößerung230 – sichtbar sind Zirkeleinstichlöcher, Randlöcher, Blindlinien und Rasuren.231 (Abb. 8) Zirkeleinstichlöcher befinden sich in der Nebenkirche (4), in den Stützen des Westparadieses (17d), in den Langhausstützen der Klosterkirche, im Kreisrund des Hühnerstalls (41c) und in den Zentren der Kirchentürme (17b, 17c). Besonders auffällig sind eine Fülle von Einstichlöchern, die an den Rändern des Mittelstücks – am Pergament 1 und 3 – zu finden sind. Dass die Architekturzeichnung größtenteils am Pergament mittels Blindlinien vorgezeichnet wurde, zeigen die – in starker Vergrößerung – sichtbaren Grate, die in den roten Tintenlinien erkennbar sind. Besonders an Pergament 4 und 5 lassen sich nahezu in jedem Gebäude Vorzeichnungen in Form von Blindlinien finden, wohl deswegen, weil die Architekturzeichnungen auf Pergament 4 und 5 nur in hellroter Tinte ausgefertigt wurden, und nicht, wie am Mittelstück, nochmals mit einer dunkelroten Tinte nachgezogen wurden. Diese zweifache »Malweise« dürfte die feinlinigen Vorzeichnungen gänzlich überdeckt haben. Für das Anbringen von Geraden wurde bei der Vorzeichnung eine Art »Lineal« verwendet; das Ausziehen der vorgezeichneten Blindlinien erfolgte freihändig. Diese Blindrillen sind wohl mit einem nicht abreibenden Griffel oder der Zirkelspitze eingedrückt, denn es können keine farbigen Spuren von einem Metallgriffel festgestellt werden.232 Im Streiflicht sichtbar sind natürlich besonders jene Blindrillen, die später nicht nachgezogen wurden und auf die bereits Norbert Stachura und Werner Jacobsen aufmerksam gemacht haben:233 Diese betreffen vor allen die Konstruktionslinien für die Apsisvarianten der Nebenkirche (4) und die des 229 230 231 232 233

http://www.stgallplan.org/recto.html. http://www.stgallplan.org/recto.html. Stachura, 1978, 184–186; Stachura, 1980, 33–37 und Stachura, 1982, 58–63: Jacobsen, 1992, 35–78. Fuchs u. Oltrogge, 2002, 314. Stachura, 1980, 33–37, Jacobsen, 1992, 48–52; Fuchs u. Oltrogge, 2002, 317–319; http://www. stgallplan.org/recto.html.

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5. Erhaltungszustand & Technologischer Befund

Westabschlusses der Klosterkirche. (17d) In starker Vergrößerung, besonders aber im Streiflicht, sind zahlreiche Rasuren der roten Linien bemerkbar. Es wurde z. B. korrigierend am Friedhof (44) und in der Gästeküche (13) eingegriffen. Besonders auffällig aber sind die Rasurspuren in der Kirche (17) und in der Klausur der Mönche. (23a, 21) So sind die Zutrittsmöglichkeiten von Abt (10a) und Mönchen in die Kirche, die Arkadenbögen des nördlichen Kreuzganges (22), das Lesepult im Refektorium (24a), aber auch die Bettenstellung im Dormitorium (23a) korrigiert. Auffällige Pentimenti (Korrekturen) finden sich in der Kirche im Bereich des Ambos (17q), in den Seitenschiffen, besonders am Altar für die Unschuldigen Kinder (17j) und am Sebastiansaltar (17l) sowie quer durch die Kirche auf der Höhe des Lucia und Cäcilien-Altars (17f ) und des Agathe und Agnes-Altars (17h). Der Klosterplan enthält 334 Aufschriften – 333 Tituli und den Widmungsbrief.234 Davon sind 60 Tituli in einer alemannischen Minuskel geschrieben.235 (Abb. 9) Dieser Schreiber, wohl Reginbert von der Reichenau, verwendet eine sehr blassbraune Schreibtinte. Die anderen Beschriftungen sind in der karolingischen Minuskel geschrieben; dieser Schreiber gebraucht eine dunkelbraune Tinte. ­Jedoch für den Widmungstext benützt auch er die helle Schreibtinte. Mit der hellbraunen Schreibtinte sind auch einige Türkorrekturen nachgetragen, wie z. B. die der Torbauten im Westen der Kirche. Aufgrund der Größe der Zeichnung kann davon ausgegangen werden, dass zuerst das Mittelstück beschriftet wurde, bevor die Pergamentteile 4 und 5 daran genäht wurden. Nur an vier Stellen der Architekturzeichnung geht die Planbeischrift über zwei Pergamenteile bzw. sitzt sie auf der Nahtstelle: Das ist bei Pergament 1 und 2 im Bereich des Gästehauses, hospitibus,236

234 Berschin, 2002, 109; Fuchs u. Oltrogge, 2002, 314. 235 Zu den in alemannischer Minuskel niedergeschriebenen Texten gehören die Beschriftung des Heilkräutergartens (Aufschrift, Nr. 7), die Beschriftung des Obergeschoßes der Abtpfalz (Aufschrift, Nr. 10), die Turmbeischriften (Aufschrift, Nr. 17), die Beschriftung der Seitenaltäre (Aufschrift, Nr. 17), die Beschriftung des Obergeschoßes des Pferdestalls (Aufschrift, Nr. 34), die Beschriftung des Gemüsegartens (Aufschrift, Nr. 43) und die Beschriftung des Obstgartens (Aufschrift, Nr. 44). Vgl. dazu Berschin, 2002, 109 Anm. 16; vgl. dazu auch Kapitel 6, 76 u. 83; http://www.stgallplan.org/recto.html. 236 Aufschrift, Nr. 12; http://www.stgallplan.org/recto.html.

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(12) und in der Kirche im westlichen Langhausjoch bei den Altären altare cie et ceciliae (17f ) und altare sanc agathe et agnetis (17h) der Fall sowie bei der Überlappung von Pergament 2 und 3 im Bereich der Drechslerei und Küferei Hic habeat fratrum semper sua uota minister237 (35) und schließlich auch im Ostbereich der Kirche bei der Überlappung von Pergament 4 und 2: PARANTUR · und AB sowie exedra.238 (17z) Die Beschriftung des Klosterplanes erfolgte in unterschiedlicher Leserichtung, d. h. die Texte sind immer wieder gekippt, was wohl schreibtechnische Gründe haben dürfte. (Abb. 9) Bei dem mehrzeiligen Widmungstext am obersten Pergamentrand verzichtet der Skriptor entgegen der sonst in der Buchproduktion üblichen Zeilenmarkierung auf eine solche und schreibt diese freihändig.

237 Aufschrift, Nr. 35; http://www.stgallplan.org/recto.html. 238 Aufschrift, Nr. 17; http://www.stgallplan.org/recto.html.

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Das Reichenauer Skriptorium

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ie bereits dargelegt, dürfte der Bibliothekar des Klosters Reichenau, Reginbert († 846), an der Beschriftung des Klosterplanes beteiligt gewesen sein. Reginbert – er kann wohl als ein großer Gelehrter seiner Zeit bezeichnet werden – übernahm, wie zahlreiche Details am Klosterplan belegen, den führenden, wenn nicht sogar den planenden Teil der Herstellung. Neben den Beschriftungen des Obstgartens (44), der Gemüsebeete (43), des Heilkräutergartens (7), der Langhausaltäre (17f, h, j, l, m, o, p, r) und der Turmbezeichnungen (17 b, c) korrigierte er auch den zunächst eingeschoßig geplanten Entwurf der Abtpfalz (10a), indem er der Beschriftung supra camera · et solarium · beifügte und somit dem Gebäude ein Obergeschoß aufsetzte.239 Ähnliche Ergänzungen führte er auch beim Pferde- und Ochsenstall (34) aus.240 (Abb. 9) Möglicherweise brachte er auch die nachträglich in hellbrauner Tinte ergänzten Türöffnungen der Torhäuser an. Dass der Plan nicht nur im Reichenauer Skriptorium beschriftet, sondern auch dort diskutiert, entworfen und gezeichnet wurde, ist demnach durchaus wahrscheinlich. 239 Aufschrift, Nr. 10; vgl. dazu Kapitel 5, 55, Anm. 235. 240 Aufschrift, Nr. 34.

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6. Wie der Plan entstand: Diskussions- & Herstellungsprozess

Das Kloster auf der Bodenseeinsel verfügte im 9. Jahrhundert nicht nur über ein sehr produktives Skriptorium, sondern auch über sehr gut sortierte Bibliotheken, wie die überlieferten Bibliothekskataloge zeigen.241 Es darf in diesem Zusammenhang wohl nicht verwundern, dass aktuelle Diskussionen um das »richtige Klosterleben« und Kommentare242 den Entstehungsprozess des Klosterplanes mitbestimmten. Aber auch Buchwissen, wie z. B. aus der Antike tradierte, wissenschaftliche Texte243 sowie zeitgenössische Dokumente244 – also Beschlüsse, Reformtexte245, Reiseberichte – und Regelwerke, besonders die Regula Benedicti,246 flossen in den Klosterplanentwurf ein. 241 Lehmann, 1918, 240–262. 242 Der Mönch Hildemar von Corbie ist fränkischer Herkunft und hielt sich in oberitalienischen Klöstern auf. Er dürfte um 850 verstorben sein. Er verfasste mehrere Werke und ist auch Urheber des von seinen Schülern niedergeschriebenen Kommentars zur Regula Benedicti. Seine Erläuterungen sind umso spannender, da sie unter dem Eindruck der damaligen Reformbestrebungen Benedikts von Aniane entstanden sind. Zum Beispiel der »Hildemarkommentar«, der in mehreren Fassungen überliefert ist. Eine stark erweiterte Fassung ist 1880 im Druck erschienen und mittlerweile auch online verfügbar: http://www.stgallplan.org/de/hildemar_plan.html (Mittermüller, 1880); Hafner, 1962, 178. 243 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang besonders das von Marcus Vitruvius im 1. Jahrhundert v. Chr. verfasste Werk »Decem libri architecturae«, das die Vorstellungen zur römischen Architektur darlegt. Dieser Text wurde in der karolingischen Zeit vielfach kopiert. Die Bibliothek des Klosters Reichenau besaß im 9. Jahrhundert zumindest eine Vitruvius-Ausgabe: Lehmann, 1918, 254–255; eine Edition von Vitruvius liegt von Curt Fensterbusch vor. Fensterbusch, 1991. 244 So z. B. das in den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts entstandene Capitulare de Villis vel curtis imperii. Das Capitulare de villis ist eine Vorschrift für die effiziente Verwaltung der (königlichen, kaiserlichen) Gutshöfe und ist wohl im 2. Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts verfasst worden. Thematisiert werden Land- und Viehwirtschaft sowie der Weinbau. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: Cod. Guelf. 254 Helmst f. 12v - 16r: http://www.stgallplan.org/stgallmss/ viewItem.do?ark=p21198-zz0026k8qx. Eine leicht zugängliche Edition und Übersetzung des Capitulare de villis wurde 1974 von Günther Franz vorgelegt. Zum Capitulare de villis im Kontext mit dem Klosterplan vergleiche: Dopsch, 1916; Berschin, 2005, 136, 153, 154 und 156. 245 Die Protokolle und Beschlüsse der Synoden von Aachen (816, 817 und 818/19) wurden von Josef Semmler zugänglich gemacht: CCM I, 433–481 und 503–535. 246 Der St. Galler Codex, Cod. Sang. 914, enthält neben der Regula Benedicti (fol. 1–24) u. a. auch eine Abschrift der Reformkapitel Benedikts von Aniane; der Codex steht in engem Zusammen-

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Damals stand, wie erwähnt, Haito dem Reichenauer Inselkloster als Abt (806– 823) vor.247 Haito war gleichzeitig auch Bischof von Basel (803–823), er hatte gute Verbindungen zum Herrscherhof und war während seiner Amtszeit ebenfalls mit dem Umbau seiner Klosterkirche beschäftigt. So dürfte dem eigentlichen Zeichenvorgang zur Planherstellung eine Diskussion unter Gelehrten vorausgegangen sein, die sowohl den spirituellen Hintergrund, den monastischen Alltag als auch die architektonische Praxis im weitesten Sinn im Auge hatte. Vielleicht gab es eine Anfrage oder Bitte des Abtes Gozbert von St. Gallen, zu seinem geplanten Bauvorhaben Stellung zu nehmen, da er ebenso wie Abt Haito mit dem Umbau seines Klosters konfrontiert war.

Vorbereitungen Die praktische Umsetzung der Gelehrtendiskussion darf man sich wohl in mehreren Etappen vorstellen. Das Reichenauer Skriptorium dürfte zu diesem Zeitpunkt über eine entsprechend hinreichende Ausstattung verfügt haben, die weit über die Ressourcen einer karolingischen Buchproduktionsstätte hinausragten. Nach Hildemar von Corbie, Mönch und Autor eines Kommentars zur Benediktsregel, sollte ein Skriptor, Schreiber, grundsätzlich – neben Sitz und Pult – mit Feder, Schreibrohr, Schemelchen, Schabmesser, Bimsstein und Pergament ausgestattet sein.248 Für die Klosterplanproduktion standen jedoch zusätzliche Schreib- und Zeichenwerkzeuge für die Konstruktion der Gebäude zur Verfügung sowie besonders große und damit kostspielige Pergamentbögen. Darüber hinaus gab es auch ein grö-

hang mit dem Skriptorium der Reichenau, denn im Bibliotheksverzeichnis des Reginbert findet sich ein Manuskript gleichen Inhalts, das heute leider verloren gegangen ist: In XX. libello est regula sancti Benedicti abbatis (I) et hymni Ambrosiani et epistola ad Karolum de monasterio sancti Benedicti directa (II) et capitulares de statu regulae (III) et martyrologium per anni circulum (V), quem Tatto et Crimolt mihi condonaverunt. Vgl. dazu: Lehmann, 1918, 260, 20–24; Cod. Sang. 914: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0914. 247 Jacobsen, 1992, 152–163. Das Kloster Reichenau zählte zu den wichtigsten fränkischen Königsklöstern. Haito war Teilnehmer an der Aachener Synode im Jahr 816. Vgl. dazu: Kapitel 2, 17, Anm. 20. 248 Zu Hildemar von Corbie vgl. 58, Anm. 242; Mittermüller, 1880, 139.

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ßeres – über das normale Folio-Format hinausreichendes – Schreibpult, wohl eine Spezialanfertigung, oder einen entsprechend soliden Tisch. Offensichtlich wollte man sich eine aufwendige Produktion leisten und konnte auch genug Mittel aufbringen, um das erforderliche Equipment zur Verfügung stellen zu können. Für die Aufbereitung der Pergamentfläche wurden ein Bimsstein und ein gezähntes Schabeisen verwendet. An Zeichen- und Schreibgerät mussten Zirkel, Lineal249, Griffel, Radiermesser sowie zahlreiche Schreibfedern verfügbar gewesen sein. Außerdem benötigte man Falzbeil, Nadel und wertvolle, gefärbte Fäden, um die Pergamentteile zusammenzunähen und schließlich zu falten. In dem Skriptorium waren zumindest fünf unterschiedliche Tinten vorhanden, denn für die Zeichnung wurden zwei verschiedene Mennige verwendet; die ­Beschriftung erfolgte ebenfalls in zwei unterschiedlichen Tinten; einer dunkelbraunen und einer sehr hellbraunen Eisengallustinte. Und schließlich gab es noch eine fast schwarze Tinte, die für die Übermalung der Ostteile der Kirche verwendet wurde. Zudem waren sicherlich mehrere Wachstäfelchen vorhanden, auf denen zunächst die zeichnerischen Entwürfe zu den einzelnen Gebäuden festgehalten wurden. So berichtet Adamnan, Abt von Iona (679–704), im Vorwort seines Werkes über den Reisebericht zu den Pilgerstätten nach Jerusalem, den ihm der gallische Pilgerbischof Arculf diktierte, sehr ausführlich von dieser Praxis.250 So hätte er sich selbst zunächst Notizen auf Wachstäfelchen gemacht, als Arculf ihm seinen Pilgerbericht diktierte. Und an einer anderer Stelle seines Vorworts schildert er, dass Arculf die Grundrisse mehrerer von ihm besuchter Kirchen in und um Jerusalem auf die tabula cerata zeichnete, um seine Angaben besser veranschaulichen zu können. Diese Grundrisszeichnungen gab Adamnan dann seinem Werk »De locis sanctis« bei. 249 Ob das Lineal Markierungsabstände besessen hat, lässt sich nicht mit Sicherheit belegen. Es spricht jedoch vieles dafür, dass es eine »Schablone« mit Abstandsmarkierungen von ungefähr 4,0–4,5 mm gegeben hat, um die kleinteiligen Symbole (Latrinensitze, Betten usw.) in einheitlicher Größe zeichnen zu können. 250 Adamnan, De locis sanctis libri tres, I, 2, (2) und I, 2 (15); Binding u. Linscheid-Burdich, 2002, 75; Vgl. dazu Kapitel 7, 89.

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Ähnlich wie bei Adamnan dürfte auch bei der Konzeption des Klosterplans vorgegangen worden sein: Die auf den Wachstäfelchen angebrachten Skizzen zu den einzelnen Gebäuden des Klosterplanes dienten zunächst als Diskussionsgrundlage, als Demonstrationsobjekte und wohl auch als Vorlage für die endgültige Zeichnung am Klosterplan. Denn erst jetzt wurden die Entwürfe auf das kostbare Pergament übertragen, zunächst mit dem Griffel eingedrückt und erst in einem zweiten Schritt großzügig in Rot nachgezogen. Gleichzeitig dürfte man sich schon Aufzeichnungen zu den Beschriftungen der Gebäude gemacht haben, sind doch die beigefügten Texte, wie Walther Berschin darlegen konnte, teilweise wohl sachlich »in gebundener Rede formuliert«, teilweise besitzen sie aber auch großen »Anspielungs- und Beziehungsreichtum«.251

Erstes Stück Pergament So folgte also wohl erst nach eingehender Diskussion und Entwurfsplanung auf diversen Wachstäfelchen der eigentliche Zeichenvorgang auf dem kostbaren Pergament. In einem ersten Schritt wurde zunächst ein aus Schafhäuten gewonnener, mit einem Schabeisen geglätteter und mit Bimsstein aufgerauter Pergamentbogen, der mit einer ungefähren Formatgröße eines heutigen A2-Bogens übereinstimmt, geradlinig zugeschnitten und in der Mitte gefalzt, wie es auch für die Buchproduktion üblich war. Diese Pergamentbögen waren in dem Skriptorium in diesem Zustand schon vorfabriziert, denn sie entsprachen mit der Größe 39 x 59 cm, einmal gefaltet, dem damals gängigen Folio-Format. (Abb. 4) Es könnte sogar sein, dass das erste Blatt überhaupt ursprünglich als Teil einer Handschrift, z. B. der Benediktsregel oder eines Kommentars, gedacht war. Auf diesem ersten Pergament wurde zunächst eine Klosterkirche mithilfe von Blindlinien vorkonstruiert, wobei die mittige Falzlinie des Pergamentbogens als Konstruktionshilfe diente. (Abb. 10) Diese erste Klosterkirche hatte ein kurzes Langhaus und ein östliches und ein westliches Querhaus.252 Der Ostbereich besaß

251 Berschin, 2002, 108. 252 Jacobsen, 1992, 63 fig. 26 und 74.

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noch kein der Apsis vorgelagertes Atrium. Jedoch dürften der erhöhte Chor mit dem Marien- und Gallus-Altar (17x) und die darunter liegende »Winkelgangkrypta«, die zum Grab des Gallus führte, sowie die beiden östlichen Annexbauten (18, 19) bereits bestanden haben, da in diesem Bereich der Zeichnung keine Korrekturspuren zu finden sind. (Abb. 8) Von dem südlichen Annexbau gelangt man bereits in dieser Planversion zu einem Raum, in dem die Hostien für die Messe zubereitet wurden. (20) An diese erste Klosterkirche setzte man nun die Klausur der Mönche (21, 22, 23, 24). Nach Hildemar ist das Klaustrum, das sich um einen Innenhof gruppieren sollte, der eigentliche Aufenthaltsort der Mönche.253 Es soll die entsprechende Größe besitzen, denn dort sollen auch die notwendigen Arbeiten von den Mönchen verrichtet werden können. Welche Räume sich innerhalb des Klaustrums befinden sollten, wird von Hildemar nicht genannt. Die südlich der Kirche gelegene Klausur der Mönche besteht am Klosterplan aus einem vierflügeligen, mit Arkadenbögen geschmückten Kreuzgang (21), der ­einen bepflanzten, von Wegen durchkreuzten Garten umschließt. In seiner Mitte ist ein Sadebaum eingezeichnet (Iuniperus sabina), der auch in der Landgüterverordnung, dem Capitulare de villis, vorkommt.254 Am kirchenseitigen Kreuzgang (22) verlaufen an den Wänden jeweils Sitzbänke, denn dort sollen die Mönche zu Versammlungen zusammenkommen, sooft etwas Wichtiges zu besprechen ist. Diese regelmäßigen Besprechungen werden ausdrücklich in der Regula Benedicti gefordert. 255 An der Ostseite des Kreuzganges ist die Wärmestube mit Heizöffnung und Schornstein untergebracht; darüber befindet sich das große Dormitorium mit zahlreichen Betten, das damit offenbar mit temperiert wurde. (23a) Nach der Regula Benedicti sollte jeder Mönch sein eigenes Bett haben und man sollte gemeinsam in einem großen Raum schlafen.256

253 Mittermüller, 1880, 613. 254 Zum Capitulare de villis allgemein vgl. 58, Anm. 244; Capitulare de villis, c. 70. Zu Deutung des Sadebaums als »Lebensbaum« des Paradieses: Sennhauser, 2001, 23–28; vgl. dazu Aufschrift Nr. 21. 255 RB 3,1; vgl. dazu Aufschrift Nr. 22. 256 RB 22.

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Der einzelne Schlafplatz, zum Schutz der Keuschheit, ist allgemeine klöster­ liche Vorschrift und grundsätzlich Gegenstand kirchlicher Gesetzgebung.257 Von diesem zweigeschoßigen Trakt führt jeweils ein Gang zu den Latrinen (23b), ein anderer zu der Badeanlage der Mönche (23c). Der Klosterplan zeichnet im Winkel der Latrinenanlage eine Beleuchtung ein. Die Regula Benedicti schreibt ein ständiges Licht im Dormitorium vor258, während Hildemar in seinem Kommentar – gleich wie im Klosterplan – eine Beleuchtung in der Latrinenanlage der Mönche empfiehlt259. Der neben dem Dormitorium liegende Bade- und Waschraum wird auch bei Hildemar erwähnt. Im Waschraum sollen die Mönche, nach Hildemar, auch nachts ihre Kleider waschen können.260 Derartige konkrete Anweisungen finden sich nicht in der Benediktsregel. Die Regula Benedicti bestimmt zwar, dass einmal wöchentlich von den Küchendienst tuenden Mönchen die Handtücher gewaschen werden sollten.261 Wo dies aber geschehen soll, wird nicht erwähnt. Im Gegensatz zur Regula Benedicti, die nur ganz kurze Angaben zum Baden gibt – erlaubt sei das Bad den Gesunden und Jungen nicht so oft wie den Kranken262 –, präzisiert Hildemar, dass das Baden nur drei- oder zweimal im Jahr zu den Hochfesten zulässig sei.263 Außerdem soll man dem Einzelnen je nach seiner Arbeit ein Bad gestatten, wobei die Jüngeren nicht so oft baden sollten. Gemeint ist in jedem Fall das Baden des ganzen Körpers in warmem Wasser. Für das Bad soll jeder einen einzelnen Badezuber verwenden, wie dies auch im Klosterplan ein­gezeichnet ist. Das Thema »Baden« wurde auch bei den Aachener Synoden diskutiert: Benedikt von Aniane hingegen verbietet grundsätzlich das Baden, er konnte sich jedoch bei der Aachener Synode damit nicht durchsetzen; denn letztendlich wurde beschlossen, dass das Bad den Mönchen hinfort zweimal im Jahr

257 Vgl. dazu Konzil von Tours 567, can 15. 258 RB 22,4 In diesem Raum brennt ständig eine Lampe bis zum Morgen (Candela iugiter in eadem cella ardeat usque mane); vgl. dazu Aufschrift Nr. 23. 259 Mittermüller, 1880, 331. 260 Mittermüller, 1880, 204. 261 RB 35,7. 262 RB 36,8. 263 Mittermüller, 1880, 408.

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gestattet sei, nämlich zu Ostern und zu Weihnachten.264 Am Südflügel verzeichnet der Klosterplan einen zweigeschoßigen Trakt mit einer Kleiderkammer im Obergeschoß und dem Refektorium im Untergeschoß (24a). Eine Kleiderkammer, die unter Verwaltung des Cellerar steht, wird in der Regula Benedicti – ohne konkrete Ortsangabe – mehrmals erwähnt.265 Das im Erdgeschoß des Südflügels untergebrachte Refektorium ist durch einen gewinkelten Gang mit der Küche der Mönche (24b) verbunden.266 Die Kapitel 35 bis 41 der Regula Benedicti ordnen die tägliche Versorgung der Mönchsgemeinschaft; erwähnen aber explizit keinen Speisesaal; geregelt wird aber der wöchentliche Dienst des Tischlesers.267 Streng nach diesen Vorschriften zeichnen die Planverfasser im Refektorium ein Lesepult für die vorgeschriebene Tischlesung ein. Der westliche Trakt (25) nahm das Wein- und Bierlager268 sowie im Obergeschoß eine Vorratskammer auf.269 Deutlich wird die Funktion dieses Traktes durch die Darstellung von großen und kleinen Fässern. Offenbar war damals eine derartige Getränkelagerung nicht selbstverständlich. Für die Aufbewahrung und zum besseren Transport von Getränken sollten, nach der Landgüterverordnung, dem Capitulare de villis, stets eisenbeschlagene Fässer verwendet werden und nicht die seit der Antike üblichen Lederschläuche.270 Im unmittelbaren Nahbereich des Vorratstraktes wurde dann in der 2. Planungsphase auch die Werkstatt des Fassbinders (35) untergebracht.271 In dieser ersten Version gab es den zwischen Vorratstrakt und Kirche liegenden Sprechraum (26c) noch nicht; es ist anzunehmen, dass das westliche Querschiff der Kirche an den Klausurwesttrakt anschloss.

264 CCM I, c.7, 459. 265 RB 55,9; RB 55,13; RB 58,27; Der Cellerar ist für die materiellen Belange des Klosters zuständig RB 31; jedoch übernimmt der Abt, besonders was die Versorgung der Mönche betrifft, die letzte Verantwortung; vgl. RB 22,2; RB 32,1; RB 33,5; RB 55,3, 8, 17, 18 und 20. 266 RB 46,1. 267 RB 38,1. 268 RB 40. 269 RB 46,1. 270 Capitulare de villis, c. 68. 271 Siehe, 74 (drittes Stück Pergament).

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Die erste Plankirche hatte mit dem kurzen Langhaus und den beiden Querhäusern eine ähnliche Gestalt wie die Reichenauer Klosterkirche des 9. Jahrhunderts.272 (Abb. 11) Auch die Anlage des kirchenseitigen Kreuzganges und die dort verzeichnete Sitzbank sowie die Konstruktion des Heizsystems im Wärmeraum entsprachen Reichenauer Verhältnissen.273 Ebenso besaß der von Haito errichtete Neubau zweigeschoßige Anbauten im Osten.274 Die diebstahlsichere Aufbewahrung von Büchern in Türmen lässt sich in karolingischer Zeit auch für Köln275 und St. Gallen276 nachweisen. Die Orientierung der Schlafräume der Mönche nach Osten, ebenso wie der Standort der nach Osten ausgerichteten Bibliothek oder die Disposition des Speisesaals nach Süden ist vermutlich aus antiken Traktaten übernommen. So empfiehlt der römische Ingenieur und Architekturtheoretiker Vitruv in seinem Traktat, dass zur Aufbewahrung von Büchern Räume zu verwenden sind, die gegen Osten liegen.277 Die westlichen, feuchten Winde fördern die Schimmelbildung und die Heranbildung von Bücherwürmern. Allgemein ist hinzuzufügen, dass die Anlage von vierflügeligen Klausurtrakten bereits in der karolingischen Baukunst bekannt war; oft waren jedoch die Funktionen der Räume unterschiedlich belegt. Die regelmäßige Disposition und einheitlichen Nutzungskonzepte sind demnach am Klosterplan das erste Mal belegt. Spätestens jetzt dürften die mit einem Griffel, Lineal und Zirkel vorkonstruierten, eingedrückten zarten Blindlinien der ersten Klosteranlage mit hellroter Tinte freihändig nachgezogen worden sein. Dieses erste Konzept einer Klosteranlage konzentrierte sich ausschließlich auf den internen Lebensbereich der Mönche, die Klausur, und hatte keinen Raum für externe Personengruppen vorgesehen.278 Links blieb eine Spalte – vielleicht für

272 273 274 275 276 277

Jacobsen, 1992, 149–152. Zettler, 1988, 185–261. Jacobsen, 1992, 122. Jacobsen, 1992, 120. Ekkeharti casus s. Galli, 67, 241; Jacobsen, 1992, 121. Zu Vitruvius vgl. 58, Anm. 243; Vitruvius, VI, 4 (Wie man bei der Anlage der einzelnen Räume auf die Himmelsrichtungen Rücksicht nehmen muss). 278 RB 53.

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Abb. 11: Grundriss der karolingischen Klosterkirche von Reichenau

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e­ inen ursprünglich vorgesehen Text – frei; das könnte ein weiterer Anhaltspunkt dafür sein, dass das erste Blatt zunächst für eine Handschrift vorgesehen war. Reisende Mönche, Pilger, die das Grab des Hl. Gallus besuchen wollten, oder auch vornehme Gäste fanden in dieser Anlage noch keinen Platz, sodass der erste Entwurf wohl eine Erweiterung erfahren musste. Diese Konzeptänderung ist umso spannender, da gerade die Position des Abtes hinsichtlich seiner Gastgeberrolle zu dieser Zeit kontrovers diskutiert wurde.279 Denn die Regula Benedicti fordert das gemeinsame Mahl von Abt, Gästen und Pilgern, gibt jedoch keinen Hinweis, wo das geschehen soll.280 Das Kapitel 53 der Benediktsregel sagt diesbezüglich nur, dass Abt und Gäste ihre eigenen Küchen haben sollten.281 Die Endredaktion der Aachener Synoden setzte fest, dass neben geistlichen Würdeträgern auch ranghohe Adelige im Refektorium der Mönche Platz nehmen konnten und somit aus der Küche der Mönche mitversorgt wurden.282 Alle übrigen Laien wurden aber ausgeschlossen. Hildemar von Corbie kommentiert den Beschluss mit der Forderung nach der Errichtung von getrennten Küchen für Abt und Gäste, wie es die Regula Benedicti vorsieht; diese sollte seiner Meinung nach gleich neben der Küche der Mönche liegen; er äußert sich aber explizit nicht über die Lokalisierung der Refektorien.283 Der Klosterplan sieht im Speisesaal (24a) – trotz der Klausurvorschrift – einen Platz für Gäste vor284. Die Beischrift verrät jedoch nichts vom sozialen Rang des Gastes. Es lässt sich auch nicht mit Sicherheit sagen, ob der im Refektorium für Gäste vorgesehene Platz auch schon dieser ersten Projektphase angehört oder erst eine spätere Hinzufügung ist.

279 Semmler, 2002, 98. 280 RB 56. 281 RB 53, 16; vgl. Anmerkung bei Berschin, 2005, 138, Nr. 10, Zeile 16. 282 CCM I, c. 21, 521. Semmler, 1963, 41–42; Semmler, 2002, 98. 283 Mittermüller, 1880, 507. 284 ad sedendum cum hospitibus (zum Sitzen mit den Gästen) (Aufschrift, Nr. 24).

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Zweites Stück Pergament Der Diskussion über die Aufnahme, Bewirtung und Versorgung der Klosterfremden sowie der Gastgeberrolle des Abtes dürften sich die Planverfasser wohl nicht entzogen haben und erweiterten die Zeichnung großzügig, um den genannten externen Personengruppen, Pilgern und vornehmen Gästen sowie dem Abt Raum zu geben. Durch die mutige Vergrößerung der Pergamentfläche erzeugte man ein bislang in der Reichenauer Handschriftenproduktion äußerst unübliches Format. Denn jetzt wurde ein zweites, dem Folioformat entsprechendes Pergament herbeigeschafft und in die Hälfte geschnitten. (Abb. 4) Einer der beiden Streifen (19,5 x 59 cm) wurde an der unteren Seite des ersten Pergaments angenäht, der andere Streifen (58 x 19,5 cm) diente der seitlichen Erweiterung. Beide Streifen zeigen heute noch die ehemalige mittige Falzlinie des geteilten Folios. Bei Pergamentstreifen 2 verläuft diese entlang der südlichen Stützenreihe der Kirche (17); bei Pergamentstreifen 3 findet sich diese an der Begrenzungslinie von Mühle (37a) und Mönchsbackhaus (38a). (Abb. 7) Jetzt war auch die sonst übliche Schreibunterlage, das Schreibpult, zu klein, um den nach unten und rechts erweiterten ersten Pergamentteil eben auflegen zu können. Die jetzt gewonnene Pergamentfläche, die sich aus den Pergamentteilen 1, 2 und 3 zusammensetzte, hatte eine Größe von ca. 58 x 78,5 cm. (Abb. 4 und 12) Um die Zeichenarbeit fortsetzen zu können, dürfte wohl jetzt im Skriptorium ein größeres Pult zur Verfügung gestellt oder ein Tisch benützt worden sein. Einstichlöcher an den Rändern des Mittelstücks lassen darauf schließen, dass dieses auf der Schreibunterlage fixiert wurde. Zunächst erfuhr die erste Kirchenkonzeption eine Veränderung, wie zahlreiche Rasurspuren zeigen.285 (Abb. 8) Die Langhausstützen wurden wegradiert und durch größere ersetzt; ebenfalls wurde das alte Westquerhaus entfernt und das Kirchenlanghaus um zwei Arkadenstellungen nach Westen erweitert, wobei man wohl an die zu erwartenden Besucher dachte. Den ehemaligen südlichen Querhausarm funktionierte man in ein Sprechzimmer für die Mönche (26c) um, das mit einer rundum laufenden Bank ausgestat285 Jacobsen, 1992, 76 und 163–165.

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tet war. Nach der Vorschrift der Benediktsregel sollte hier den Gästen die Füße ge­waschen werden.286 Hildemar meint, dass die Fußwaschung an Kranken und Pilgern vollzogen werden sollte287, bei vornehmen und reichen Gästen sollte die Fußwaschung unterlassen werden, denn da würde sie lächerlich wirken.288 Dieser neue Kirchenentwurf besaß zunächst auch ein Westquerhaus, das der Zeichner aber noch in dieser Konzeptionsphase aufgegeben haben muss.289 (Abb. 13) Das Langhaus wurde nun abermals auf insgesamt neun Arkadenpaare verlängert; das nördliche und das südliche Querhausende wurden in Langhausanbauten umgewandelt, nämlich in das Pförtnerhaus an der Nordseite (16) und in die Unterkunft des Armenpflegers an der Südseite (26a). Hildemar berichtet, dass wegen der zahlreichen Gäste und Besucher zwei Mönche Dienst an der Pforte tun müssten.290 Diese hätten nichts anderes zu tun als die Armen ans Hospital zu verweisen und die ranghohen Gäste dem Abt zu melden. Mehrere Blindrillen, die besonders unter Streiflicht zu sehen sind, zeigen, dass die Planzeichner die nunmehrige Position und das Aussehen einer zweiten Apsis, der Westapsis, direkt auf dem Plan in mehreren Varianten konstruierten. (Abb. 7 und 13) Schließlich entschied man sich für die jetzt sichtbare eingezogene, gestelzte Apsis. Jetzt erhielt die Kirche am Plan wohl auch ihren Westabschluss mit halbrundem Westatrium (17d) und den beiden Torhäusern – im Norden das für Gäste und Schüler (16), im Süden das für Klosterbedienstete (26a). Außerdem wurden der Eingangsbau (17a) sowie zwei frei stehende Rundtürme (17b, 17c), die durch einen Gang mit dem Westatrium verbunden waren, hinzugefügt. Die Einrichtung der Kirche entsprach der heute am Plan sichtbaren Anordnung mit Altären, Lesepulten, Bänken, Ambo, Kreuzaltar, Taufbecken sowie den massiven Schranken im Mittelschiff. Jetzt wurde auch ein Sängerchor (17g) im Westen eingezeichnet. Die Ostapsis war dem Hl. Paulus (17y) geweiht; die Westapsis bekam nun einen Petrusaltar (17e). Diese Aufstellung entsprach den beiden römischen Kirchen, Alt 286 287 288 289 290

RB 53,13. Mittermüller, 1880, 508. Mittermüller, 1880, 502. Jacobsen, 1992, 76– 77 und 166. Mittermüller, 1880, 605.

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St. Peter und San Paolo fuori le Mura. Das Grab des Hl. Paulus war nach Osten ausgerichtet, das des Hl. Petrus nach Westen. Die mit dieser Konzeptänderung nun doppelchörig angelegte Kirche am Klosterplan verrät damit deutlich einen starken Rom-Bezug, der besonders wieder um 830 höchste Aktualität besaß.291 Allerdings blieb der liturgische Schwerpunkt der Klosterkirche mit »Krypta« und Grab des Hl. Gallus (17x) weiterhin im Osten bestehen. Der westliche Anbau erfüllt die Funktion eines Gegenchores und entspricht mit diesem Konzept auch der, um 830 durchgeführten, westlichen Erweiterung der Klosterkirche von Reichenau-Mittelzell.292 Das Mittelschiff nahm die liturgischen Funktionsbereiche sowohl für Laien als auch für die Mönche auf: Im Westen den abgeschrankten Sängerchor für die Mönche (17g), dann den Bereich für die Taufe mit Brunnen (17i) und dazugehörigem Johannesaltar (17k), den Kreuzaltar (17n) für die Messfeier der Laien, den Ambo (17q) für die Lesung der Epistel und des Evangeliums, vielleicht auch für die Laien­predigt, und schließlich das abgeschlossene Gestühl der Mönche im Osten. Die Regula Benedicti fordert ja explizit ein Oratorium, also einen Ort, der ausschließlich für das Gebet der Mönche da ist und sonst keine andere Funktion erfüllen sollte.293 Die nunmehrige Anlage der Kirche mit ihren Abschrankungen und Altarstellungen in den Seitenschiffen bildete einen Prozessionsweg, der aus dem Westatrium durch die Seitenschiffe vorbei an den zahlreichen Altären zur »Krypta« um das Grab des Hl. Gallus herum und auf der Gegenseite wieder zurück zum Westatrium und zum Haupteingang der Kirche führte. Trotz durchdachter Abschrankungssysteme überschneiden sich die Bereiche der Mönche mit denen der Kirchenbesucher, und zwar dann, wenn die Mönche den Sängerchor im Westen beziehen wollten und auch, wenn die Mönche, aus ihrem Klausurtrakt kommend, zu den Stundengebeten ihr Chorgestühl im Osten (Oratorium) aufsuchten und die Zugänge zur »Winkelgangkrypta« durchqueren mussten.

291 Jacobsen, 1992, 258–259. 292 Jacobsen, 1992, 162. 293 RB 52, 1.

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Wie Werner Jacobsen ausführte, war der Besuch von Laien und Fremden durchaus keine Selbstverständlichkeit für eine karolingische Klosterkirche.294 An vielen Orten hatte sich die Mönchsgemeinschaft ganz bewusst gegen Besucher verwehrt und von vornhinein auf die Erwerbung von Reliquien, die ja zahlreiche Pilger und Gäste anzogen, verzichtet.295 Falls dennoch ein Heiligenleib im Kloster Verehrung gefunden hatte, hatte man beim architektonischen Konzept besonders darauf Rücksicht genommen, die Klosterfremden und Mönche zu separieren.296 Die Einrichtung der Klosterplankirche nimmt in dieser Planungsphase jedoch nur bedingt auf eine strenge Trennung der unterschiedlichen Personengruppen Rücksicht. Nach Fertigstellung des Kirchengrundrisses konnten die Unterkünfte der externen Besuchergruppen zeichnerisch angelegt werden, deren Grundriss vermutlich bereits auf Wachstafeln vorgezeichnet war und jetzt auf entsprechende Stelle des Pergaments übertragen wurde. (Abb. 14) Für diese Konstruktionsweise sprechen die annähernd einheitliche Größe der Gebäude sowie die kaum vorhandenen Korrekturen der roten Linien am Klosterplan selbst. (Abb. 8) An der südlichen Seite, gleich neben dem Eingang zur Kirche, erhielten die Pilger (27a) eine großzügige Herberge mit eigener Brauerei und Bäckerei (27b). Die Unterkunft des Armenpflegers (26b) war in der unmittelbaren Nähe am südlichen Langhaus vorgesehen. Nördlich des Eingangs zur Kirche war ein komfortabel ausgestattetes Gebäude für ranghohe Gäste (12) geplant, das mit eigenem Backhaus, Brauerei und Küche (13) ausgestattet wurde. Auch nach Hildemar sollte die Verpflegung der Gäste ihrem Stand entsprechen.297 So meint er, dass die Vornehmen, wenn dies möglich sei, ein eigenes Klaustrum haben sollten, eben ein solches, wie es die Mönche hätten. Eine entsprechende Unterkunft sollte man auch für die Armen bereitstellen. Wie schon dargelegt, wurde die Regelung der Verpflegung der Gäste, besonders was deren Zutritt in das Refektorium der Mönche betrifft, offenbar in den 294 Jacobsen, 1992, 305–317, Jacobsen, 2002, 48–52. 295 So z. B. in Kornelimünster (zwischen 814–817 errichtet; Weihe wohl 817), Jacobsen, 1992, 268f und Jacobsen, 2002, 48–50. 296 So z. B. in der Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach (zwischen 815–828 errichtet); Jacobsen, 1992, 265 und 305f. 297 Mittermüller, 1880, 506–507.

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karolingischen Großklöstern kontrovers praktiziert. Weshalb bei den Aachener Zusammenkünften aller wichtigen Männer des Reiches dieses Thema dann auch mehrmals diskutiert wurde. Man einigte sich schließlich dahingehend, dass neben geistlichen Würdeträgern auch ranghohe Adelige im Refektorium Platz nehmen konnten.298 Ebenfalls nördlich der Kirche – also von der Klausur der Mönche getrennt – lag die großzügige Residenz des Abtes (10a) mit eigener Küche, einem Bad (10b) und direktem Verbindungsgang in die Kirche. Die Abtpfalz war zunächst als einstöckiges Gebäude gedacht und wurde durch die schriftlichen Ergänzungen Reginberts supra camera · et solarium mit einem Obergeschoß »versehen«, das Kammer und einen Söller aufnehmen sollte.299 Ein Söller ist nicht nur ein nach außen balkonartig gestalteter Bauteil, sondern mit dem Wort wurden auch hölzerne emporenartige Inneneinbauten bezeichnet. Diese großzügige Unterkunft des Abtes ist, wie Josef Semmler bemerkte, den spätantiken bischöflichen Anlagen an Kathedralen nachgebildet, die außerhalb der Klausur der Kanoniker lagen.300 In karolingischer Zeit lassen sich etliche Repräsentationsbauten von Äbten bei Großklöstern nachweisen, so z. B. der Bau von Abt Angilbert von Saint-Riquier oder das Haus von Walahfried von der Reichenau. Zwischen Abtpfalz und Gästehaus legte man, durch Zäune getrennt, eine Schule für Knaben (11) an. Es ist nicht zu entscheiden, ob es sich bei dem Schulgebäude um eine Unterrichtsstätte für externe Schüler handelt oder ob hier die Schule für Oblati gemeint ist. Das sind Kinder, die sehr früh von ihren Familien dem Kloster übergeben werden. Da keine Versorgungseinrichtungen dem Schulgebäude beigefügt sind, könnte angenommen werden, dass es sich um die Schule der Oblati handelt. Diese werden von der Klostergemeinschaft ja mit versorgt. Der Eingang der Schüler in das Kloster befindet sich allerdings an der nördlichen Klosterpforte (16), an der nur Klosterfremde Einlass finden. Die Erziehung der Jugend nimmt in karolingischen Klöstern generell einen wichtigen Platz ein. Schon dreijährig werden Knaben dem Kloster übergeben,

298 CCM I, c. 21, 521. Semmler, 1963, 41–42; Semmler, 2002, 98. 299 Aufschrift, Nr. 10; vgl. dazu Kapitel 5, 55, Anm. 235 und Kapitel 6, 57. 300 Semmler, 2002, 99f; Jacobsen, 1996, 59–68.

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weiß Hildemar zu berichten.301 Drei bis vier Lehrer werden dem Schüler zur Seite gestellt.302 Geschlossen ziehen die Knaben nach der Komplet zu den Altären und dann ins Dormitorium, wo sie verteilt schlafen.303 Der Abt hat dafür Sorge zu tragen, dass die Knaben gute Kleidung, aber auch genügende Mahlzeiten bekommen. Er soll ihnen Fisch, Milch, Butter und an Festtagen sogar Fleisch geben, wobei die Jüngsten am meisten bekommen sollen, die Größeren weniger, weil diese nach und nach den Erwachsenen gleichgestellt werden.304 Einmal in der Woche oder wenigstens im Monat, so Hildemar, sollen die Schüler im Freien spielen dürfen.305 Gegenüber der Schule, also direkt an die nördliche Langhausseite der Kirche angelehnt, war die Unterkunft der Gastmönche306 (14) mit einem direkten Zugang zur Kirche. Daneben, ebenfalls an der Kirche, befand sich die Wohnstätte des Schulmeisters (15a). Die Gastmönche, die sich nur kurz im Kloster aufhielten, so Hildemar, sollten ihre Unterkunft nahe der Kirche haben, damit sie zu den nächtlichen Stundengebeten rasch zum Mönchschor gelangen konnten.307 Sie nahmen ihre Mahlzeiten gemeinsam mit den anderen Mönchen im Refektorium ein. Blieb ein fremder Mönch jedoch längere Zeit im Kloster oder gehörte er zur Klosterfamilia, so sollte er im Dormitorium der Mönche schlafen, mit den Brüdern gemeinsam im Refektorium essen und auch die Kapitelversammlungen besuchen.308 Auch wenn jemand in das Kloster als Mönch aufgenommen werden wollte, wurde er die ersten Tage in die Unterkunft der Gastmönche gebracht. Erst wenn sichergestellt war, dass der Eintretende ernsthaft die monastische Laufbahn einschlagen wollte, wohnte er im Noviziat.

301 Mittermüller, 1880, 548, und 419. 302 Mittermüller, 1880, 418. 303 Mittermüller, 1880, 333. 304 Mittermüller, 1880, 419. 305 Mittermüller, 1880, 419. 306 RB 58,4; 61, 1–3. 307 Mittermüller, 1880, 611. 308 Mittermüller, 1880, 582.

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Drittes Stück Pergament Den dritten, rechts angenähten Pergamentstreifen nutzte man, um die wohl sehr klein geratene Küche der Mönche (24b) mit einer großen Brauerei (38b) und einem Backhaus (38a) zu erweitern. Die Regula Benedicti kennt ebenfalls den von der Küche abgesonderten Backraum, in dem Mönche ihren Dienst zu verrichten haben.309 Der »Zubau« wurde mit der Küche der Mönche durch einen Verbindungsgang zusammengefügt; allerdings vergaß man, seine Durchgänge, sowohl in die Küche der Mönche als auch in das Back- und Brauhaus, am Plan zu öffnen. Im unmittelbaren Nahbereich des Vorratstraktes im westlichen Klausurflügel wurden die Werkstätten der Küfer und Drechsler (35) angeordnet.310 Dort lagen auch die Stallungen der Arbeitstiere (34). Beide Gebäudeeinheiten, also die der Drechsler und Fassbinder sowie das große Stallgebäude der Arbeitstiere, sind über die Pergamentteile 2 und 3 angelegt. Die Stallungen der Zugtiere sind sehr großflächig konstruiert und in ihrer Ausstattung auch differenziert. Während im Pferde­ stall eine Pferdetränke oder Futtertrog für alle Tiere steht, sind die Futterstellen der Ochsen unterteilt. Später wurde diese Gebäudeeinheit verändert.311 Dem südlichen Klausurflügel der Mönche vorgelagert, der Refektorium und Kleiderkammer beherbergte, waren dann die Produktionsstätten der Gerber (39f ), Walker (39h) und Schuster (39c) sowie der Sattler (39b), Schildner (39a), Schwertfeger (39d), Schmiede (39i) und Goldschmiede (39j) untergebracht. Die Zugehörigkeit der Handwerksbetriebe zu der Kleiderkammer der Mönche wird mit einer Verbindungslinie markiert. Das Capitulare de villis nennt unter dem Personal eines Königshofes ebenfalls Grob- und Goldschmied, Schuster, Drechsler, Schildmacher mit dem Hinweis, dass derartige Handwerksbetriebe in den einzelnen Bezirken bzw. Reichshöfen nicht fehlen dürften.312 Auch Hildemar beschreibt in seinem Kommentar Handwerksbetriebe im Kloster, wo Kleider genäht, Schuhe angefertigt oder auch Schwerter oder Schlüssel hergestellt werden.313 Von dem 309 310 311 312 313

RB 46,1. vgl. dazu 64, Anm. 271. Aufschrift, Nr. 34; vgl. 83, Anm. 339. Capitulare de villis, c. 45. Mittermüller, 1880, 182.

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Schneider wird der sofortige Abbruch der Arbeit verlangt, wenn das Zeichen zum Gottesdienst gegeben wird.314 Um diese zentralen Versorgungsstätten der Mönche lagerten am Außenbereich des imaginären Klostergeländes Kornspeicher (36), Mühle (37a), Darre (37c) und Stampfe (37b). Die Stampfe konnte möglicherweise für die Lodenerzeugung gebraucht werden. Die Mühle, aber auch einzelne Handwerksbetriebe werden in der Regula Benedicti explizit im Kapitel 66 genannt, und zwar im Zusammenhang mit einer Beschreibung der architektonischen Anlage eines Klosters, um dessen Bereich abzustecken. »Alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten solle innerhalb des Klosters angelegt sein, damit Mönche den geschlossenen Komplex nicht unbedingt verlassen müssen.«315 Indirekt empfahl die Benediktsregel damit die richtige Auswahl des Ortes, also die Lage des Klosters in der Nähe oder direkt bei einem Wasserlauf oder See. Ausreichende Wasserzufuhr ist nicht nur für die Lebensmittelproduktion, das Betreiben der Mühle, die Hygiene und Abfallwirtschaft notwendig, sondern auch für die Vorratshaltung wie zum Beispiel in Form von Kühlhäusern oder von Fischteichen. Während Kühlhäuser am Klosterplan vorgesehen sind, und zwar in den Versorgungsstätten der Gäste (13) und Pilger (27), fehlt die Dokumentation von Fischteichen gänzlich. Das Capitulare de Villes fordert dringend dazu auf, innerhalb eines Königshofes Fischteiche anzulegen, diese sogar zu erweitern.316 Anders hingegen die Regula Benedicti, in der das Fleischverbot wohl ausgesprochen wird, der alternative Fischkonsum und seine Handhabung jedoch nicht ausdrücklich erwähnt sind. Offenbar sollten nach den Planverfassern die Fischteiche außerhalb der Klosterbereiches liegen und von externen Pfründern bewirtschaftet werden, so wie das Abt Adalhard von Corbie in seinen Statuten für dieses Klosters festlegt.317

314 315 316 317

Mittermüller, 1880, 459. RB 66, 6. Capitulare de villis, c. 21. Consuetudines Corbeienses, 356–406; Lampen, 2000, 42–52 und 138. Vgl. dazu auch 80 Anm. 333.

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Beschriftung der Pergamente 1, 2 & 3 Die die ganze Pergamentfläche füllende, großformatige Architekturzeichnung wurde, jetzt, nachdem die Blindlinien rot nachgezogen waren und möglicherweise schon in diesem Stadium abermals mit einer dunkelroten Tinte übermalt wurden, beschriftet. Aufgrund der Größe der späteren gesamten Pergamentfläche sollte davon ausgegangen werden, dass das Mittelstück wohl bereits jetzt mit den erklärenden Texten zu den einzelnen Grundrissen versehen wurde, wobei man Textpassagen des Ostparadieses (17c), der Ostapsis (17y) und der Maßangabe später – wie bereits dargelegt – nachbesserte. Übersehen wurde jedoch, die westlichste Beischrift, nämlich die des Eingangsportals (17a) zur Kirche, Adueniens aditum populus hic cunctus habebit, zu korrigieren.318 Dieser Text wird von dem überlappenden 5. Pergamentteil teilweise überdeckt. Die Aufschriften folgen keiner einheitlichen Leserichtung. (Abb. 9) Immer wieder werden die Texte gekippt, und zwar nach einem ganz praktischen Prinzip: nach der leichteren Erreichbarkeit des zu beschriftenden Objekts und – bis auf wenige Ausnahmen – der Funktionszusammengehörigkeit der Gebäude. Das heißt, der Klosterplan wurde für das Anbringen der Beischriften mehrmals gedreht. Die Beschriftung der am rechten Rand liegenden Handwerksbetriebe (39) und Produktionsstätten Mühle (37a), Darre (37c), Stampfe (37b), Brauerei (38b) und Bäckerei (38a) ist um 90 Grad im Uhrzeigersinn gedreht, während der Text der gleich daneben liegenden Stallungen der Zugtiere (34) und der dazugehörigen Betriebe der Drechsler und Fassbinder (35) aufgrund ihrer Funktionszugehörigkeit in Leserichtung geschrieben ist. Die Beischriften der am linken Rand liegenden Gebäude wie Abtpfalz (10), Schule (11), Gästehaus (12) erfolgen sowohl in Leserichtung und auch – wohl aufgrund des einfacheren Aktionsradius – um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Ähnliches lässt sich auch für das Anbringen der Altar-Tituli in der Kirche (17e, 17f, 17h, 17j, 17k, 17l, 17m, 17n, 17o, 17p, 17r, 17t, 17u, 17v, 17w, 17x, 17y) und in den Klausurgebäuden der Mönche (21, 22, 23, 24, 25) sagen: Bei der Beschriftung wurde das Pergament funktional je nach Aktionsradius immer wieder gedreht, wobei aber auffällt, dass die Texte der liturgi318 Aufschrift, Nr. 17; Detailansicht: Recto: http://www.stgallplan.org/de/manuscript_recto.html.

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schen Einrichtungen der Kirche, wie Heiligengrab, Altäre, Lesepulte, Chorstühle, Taufbrunnen, allesamt in Leserichtung angeführt sind. Reginbert, der die Kennzeichnung der Seitenaltäre sowie die Korrekturen der Abtpfalz und der großen Stallungen vorgenommen hat, hält bei seiner Schreibtätigkeit die Leserichtung ein.

Viertes Stück Pergament Trotz dieser anscheinend sorgfältig durchdachten Anordnung der unterschiedlichen Funktionseinheiten war die Planzeichnung mit dieser Phase noch keineswegs abgeschlossen. Denn zwei wesentliche, in der Regula Benedicti ausdrücklich genannte Einheiten wurden bislang nicht berücksichtigt: Der Krankenbereich, die Infirmerie,319 und der Bereich der Novizen.320 Zu diesem Zwecke wurde diesmal ein Pergament mit besonderem Format angefordert. Dieses war nicht in Form eines sonst im Skriptorium vorgefertigten foliogroßen Pergamentbogens zugeschnitten, sondern es war wesentlich breiter und besaß – wohl weil der Rand der Tierhaut erreicht wurde – eine charakteristische Rundung an der rechten Seite. (Abb. 4) Dieses großformatige Pergament wurde horizontal in der Mitte durchschnitten. Ein Streifen (27 x 77, 5 cm), dessen eine Ecke massiv abgerundet war, wurde an der oberen Seite des Kernstückes möglicherweise schon jetzt angenäht. (Abb. 15) Es ist allerdings zu bedenken, dass dadurch der Aktionsradius des Schreibers für das Auftragen der Konstruktionslinien sehr groß geworden ist. Andererseits konnte man die Pergamentfläche ja drehen, um so die auf Wachstäfelchen vorgezeichneten Gebäude mit Lineal, Griffel und Zirkel übertragen zu können. An dieser Ergänzung zeigt sich, dass die Planidee längst ein Eigenleben gewonnen hatte, weil nicht mehr bloß das ohnehin im Skriptorium vorhandene Material verwendet wurde. Das erste Blatt wäre noch als Beilage zu einer Handschrift im Folio-Format denkbar gewesen, bei der ersten Ergänzung – mit den Pergamentstreifen 2 und 3 – hatte man noch ein Blatt im üblichen Folio-Format benützen können: Jetzt musste man den Pirmentarius um eine Sonderausfertigung bitten,

319 RB 36. 320 RB 58.

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die allerdings schwer aus den zur Verfügung stehenden Häuten zu gewinnen war. Damit wird der Plan endgültig zu einem Objekt eigenen Charakters, das sich von jeglichen Anklängen zur Buchproduktion entfernt hat. Die abermals vergrößerte Pergamentfläche musste nun auf einem besonders großen Tisch, womöglich auch eine Spezialanfertigung, aufgelegt werden, um sie mit Lineal und Schreibfeder bearbeiten zu können. Der andere Streifen (28 x 77,4 cm), dessen rechte Seite nur leicht abgeschrägt war, war für den unteren Rand des Kernstücks vorgesehen; doch es ist nicht zwingend anzunehmen, dass man diesen in dem jetzigen Arbeitsstadium schon gleich an das Mittelstück annähte. Für die genaue Platzaufteilung der Gebäude des 4. Pergamentstreifens musste zunächst der Ostbereich der großen Klosterkirche (17z) nachkorrigiert werden, besonders, was die Ausdehnung des Ostparadieses betrifft. (Abb. 16) Dass es bei der Konstruktion der anschließenden Nebenkirche (4) Schwierigkeiten gegeben hat, zeigt die Blindrille in ihrer Ostapsis. (Abb. 8) Offensichtlich war die Nebenkirche zunächst etwas kleiner konzipiert, als es die jetzige Ausführung ist. Diese Kirche (4) ist völlig symmetrisch angelegt: Westapsis und westliches Langhaus wurde den Kranken zugewiesen, das von diesem getrennte östlich anschließende Langhaus und die Ostapsis den Novizen. (Abb. 17) Nördlich und südlich dieser »Kapelle« lagen die abgeschlossenen Bereiche der Kranken (5) und der Novizen (2), die jeweils einen mit Arkadenbögen gezierten Kreuzgang, Kammern, Speise- und Schlafräume aufwiesen sowie eigene Küchen und Badehäuser (6, 3) hatten. Die Novizen werden von einem Novizenmeister beaufsichtigt, der, so erzählt es Hildemar, mit den Neulingen essen und schlafen solle, aber auch Strafen austeilen durfte.321 Bei den Mahlzeiten wird im Noviziat ebenfalls, wie es im Kloster üblich ist, vorgelesen; Novizen sollen dabei schweigend zuhören. Neben dem Lernen der Psalmen sollen die Novizen, so Hildemar weiter, auch bei der Reinigung des Hauses mithelfen, so wie sie das später auch als Mönche machen werden.

321 Mittermüller, 1880, 536.

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Große Sorge soll und wird den Kranken entgegengebracht. Aber manchmal kann es vorkommen, sagt Hildemar, dass der Abt vor lauter Geiz das Haus der Kranken nicht restaurieren lässt.322 Das Krankenhaus sollte, nach Hildemar, mehrere Zimmer haben, denn je nach Krankheit kann einer im Sterben liegen, ein anderer sich erbrechen, ein Dritter essen und ein Vierter seine Notdurft verrichten wollen.323 Das Krankenhaus soll ein eigenes Oratorium haben, damit die Kranken liegend die Messe hören können; man solle, so Hildemar weiter, vor den Kranken ein ganzes Offizium singen. Hildemar sagt auch, dass der Abt das Krankenhaus so anlegen sollte, dass er es selbst auch bewohnen kann, wenn er krank ist.324 Er soll dann mit den Gästen sprechen können, ohne die anderen Kranken zu stören. Und die Kranken, die wieder gesund sind, sollen mit dem Abt speisen. Hildemar führt des Weiteren aus, dass sich ein Abt, wenn er des Öfteren krank und schwach ist, sich ein eigenes Häuschen, caminata, errichten solle, und zwar in der Nähe des Krankenhauses. In diesem solle er essen und wenn er selbst nicht gehen kann, sollten die Gesunden zu ihm kommen. Obwohl in der Regula Benedicti nicht angesprochen und auch bei Hildemar nicht erwähnt, verzeichneten die Planverfasser nördlich der Infirmerie (5) zudem noch einen externen komplexen Spitalsbereich, zu dem ein Heilkräutergarten (7) und ein Haus für den Arzt (8) zählten, und in dem eine Abteilung für Schwerkranke und eine Apotheke untergebracht waren. Über den Arzt meint Hildemar lediglich, dass dieser Aderlasser, Salben, Brenneisen, Kräuterbuch besitzen sollte.325 In dem nördlich seines Hauses liegenden Garten sind Heilkräuter gepflanzt, die allesamt im Capitulare de villis erwähnt sind326, zudem aber auch in Walahfrids Gedicht vom Gartenbau, De cultura hortorum, aufscheinen.327 Südlich an den Ärztekomplex angelehnt lag das Aderlasshaus (9). Der Aderlass und die Verwendung von Purgativmitteln waren in der mittelalterlichen Heilkunst unentbehrlich und gehörten wohl auch in den Klosteralltag. Die Aachener 322 323 324 325 326 327

Mittermüller, 1880, 123. Mittermüller, 1880, 406. Mittermüller, 1880, 407. Mittermüller, 1880, 139. Capitulare de villis, c. 70. Berschin, 2005, 136–137.

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Reformtexte von der 1. Sitzung bestimmten, dass diejenigen, die zu Ader gelassen wurden, mit einer größeren Menge an Mahlzeiten versorgt werden sollten.328 Sie erhielten damit ähnlichen Status wie die kranken und alten Mönche, die ebenfalls vom Abt Sonderrationen bekommen sollten, wie dies die Regula Benedicti verlangt.329 Auch Hildemar hebt die bevorzugte Behandlung der zur Ader gelassenen hervor.330 Die Anordnung der Infirmerie, des Arzthauses mit Heilkräutergarten und des Aderlasshauses in der Nähe der Abtpfalz am Klosterplan entspricht grundsätzlich den Vorstellungen der Regula Benedicti und auch denen von Hildemar; denn der Abt habe besondere Fürsorge auf die Bedürfnisse der Kranken und Schwachen zu legen.331 Südlich des Novizenbereichs lag ein Baumgarten (44), der zudem den Klosterfriedhof (45) aufnahm. Daran schloss der Gemüsegarten (43) mit der Unterkunft der Gärtner (42). Die zur Aussaat empfohlenen Baum- und Pflanzensorten wurden fast zur Gänze aus dem Capitulare de Villis übernommen.332 Zwei sehr groß dimensionierte Rundbauten waren für die Haltung von Hühnern (41c) und Gänsen (41a) vorgesehen. Die Regula Benedicti fordert ja nur, auf das Fleisch vierfüßiger Tiere zu verzichten,333 der Genuss des feiertäglichen Gänsebratens war den Mönchen ja erlaubt, wie dies auch die Reformbeschlüsse von 818/819 mitteilten.334 Und der Bedarf an Masthühnern und Gänsen musste jederzeit auch in ausreichender Menge für vornehme Gäste zu decken sein.335 Die karolingische Landgüterverordnung verfügt u. a. auch, dass bei Scheunen eine entsprechende große Anzahl an Geflügel gehalten werden sollte.336 Die Anordnung der Gänse- und Hühnerställe am Klosterplan gleich gegenüber der gro-

328 329 330 331 332 333 334 335 336

CCM I, c. 10, 459. RB 36,9 und 37. Mittermüller, 1880, 212. RB 36, 6; 36, 10 und 48, 25. Berschin, 2005, 135 Nr. 6, 153 Nr. 43, 154 Nr. 44; Vgl. dazu 79 Anm. 326. RB 39, 11. CCM I, c. 43, 481. Capitulare de villis, c. 38. Capitulare de villis, c. 19.

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ßen Scheune, die zum Dreschen des Korns vorgesehen ist, entspricht dieser Vorschrift, deren Sinn darin zu sehen ist, liegen gebliebenes und durch das Dreschen verstreutes Korn zu verwerten und dem Geflügel zu verfüttern. Spätestens jetzt wurde der vierte Pergamentstreifen oben am Mittelstück angenäht, falls man das nicht ohnehin schon für die Konstruktion der Ostapsis und der in ihrer Achse liegenden Nebenkirche gemacht hatte. Jetzt konnten auch die mit Griffel vorgezeichneten Blindrillen in hellroter Tinte nachgezogen werden sowie der Ostbereich der Klosterkirche nachkorrigiert werden. Auf eine abermalige Nachzeichnung der Grundrisslinien mit der dunkelroten Tinte wurde jetzt verzichtet.

Fünftes Stück Pergament Der untere Streifen des Pergaments wurde mit Stallungen für den unterschiedlichsten Viehbestand und mit einer langen Zufahrtsstraße versehen. Die Zeichnungen dieser Stallungen (28, 29, 30, 31, 32, 33) wurden sehr schematisch angefertigt, auf die sonst übliche Nachzeichnung mit dunkelroter Tinte wurde hier verzichtet. Sie sind aber auch zunächst mit einem Griffel in das Pergament in feinen Blindlinien vorgezeichnet worden. Ein Spezialist für Gartenbau oder auch Viehwirtschaft, den man auf der Reichenau vermuten hätte dürfen, war offensichtlich an der Planherstellung nicht beteiligt, sonst wären diese Bereiche wohl in der bildlichen Umsetzung detaillierter ausgefallen. Allerdings folgt der Viehbestand den Ausführungen des Capitulare de villis, sind doch auch dort Kühe, Schweine, Schafe und Ziegen genannt, die auf einem Hof nicht fehlen dürfen.337 Ebenso wird die gesonderte Unterbringung der Stuten und Fohlen von den Zuchthengsten in der Landgüterverordnung geregelt, auf die auch am Klosterplan Rücksicht genommen wird.338 Dieser möglicherweise schon fertig gezeichnete Pergamentstreifen ist dann am unteren Rand des Mittelstücks angenäht worden, und zwar in der gleichen Stichtechnik und mit demselben Faden wie der obere, 4. Pergamentstreifen. Jetzt wur-

337 Capitulare de villis, c. 23. 338 Capitulare de villis, c. 14.

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den auch die Begrenzungslinien des Eingangsportals zur Kirche angebracht; aber auch die große Zufahrt zur Klosterkirche in ihren seitlichen Begrenzungen konnte durchgezogen werden. Wohl korrigierte man dabei auch die Begrenzungslinien des Kircheneingangportals. Die durch das Hinzufügen des fünften Pergamentstreifens verursachte Verdeckung der Beschriftung des Entrees (17a) nahm man in Kauf.

Beschriftung der Pergamente 4 & 5 In einem letzten Schritt wurden diese beiden großen Pergamentteile beschriftet, falls man dies nicht schon in einem früheren Stadium des Herstellungsprozesses gemacht hatte. (Abb. 9) Besonders der mehrzeilige Widmungstext (1), die Beschriftung des Friedhofkreuzes (45) und der Text des Ostparadieses (17z) stellten eine große Herausforderung für den Schreiber dar. Diese sind – ohne die sonst übliche Zeilenmarkierung, was explizit für die Widmung gilt – in Leserichtung angebracht und zudem an sehr exponierter Stelle. Andererseits haben der Widmungstext, die Kreuzes-Beischrift und die Kennzeichnung der liturgisch bedeutenden Ostapsis einen besonderen Stellenwert, sodass der Skriptor diese Schwierigkeit in Kauf nahm und sich für eine präzise Ausfertigung umso mehr bemühen wollte. Für die anderen Textbeifügungen, wie den Krankenbereich (5, 6, 7, 8, 9), das Noviziat (2), den Obst- und den Gemüsegarten (43, 44), die Geflügelställe (41a, 41c) aber auch die Stallungen (29, 30, 31, 32, 33) konnte die großformatige Pergamentfläche durchaus gedreht werden, sodass jeweils vom Rand aus beschriftet werden konnte, was auch ausnahmslos geschah.

Endredaktion Wohl ein letztes Mal prüfte man das Werk und einige Korrekturen wurden angebracht, aber auch Konzeptänderungen verdeutlicht. Möglicherweise entschied man sich erst jetzt für den mehrgeschoßigen Ausbau der Abtpfalz sowie des Pfer-

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de- und Ochsenstalls und setzte die dementsprechenden Beischriften dazu.339 Ebenso wurden manche Türeingänge nochmals kontrolliert und ergänzt.340 So erhielten die Torbauten im Westen der Kirche (16, 26a) nachträgliche – in brauner Tinte – eingezeichnete Türöffnungen. Zudem wurden noch einmal Veränderungen an der dargestellten Plankirche vorgenommen. Durch die in die Plankirche eingefügten Maßangaben zu Gesamtlänge und -breite sowie die Angaben zu den unterschiedlichen Stützabständen vergrößerte man erheblich die gedachte Dimension der dargestellten Kirche.341 Auch Teile der Ostpartie der Kirche wurden mit einer dunkelbraunen bis schwarzen Tinte nachgezogen, um die architektonischen Abschrankungen dort noch deutlicher hervorzuheben,342 oder wie Rudolf Sennhauser vorgeschlagen hat, um die schwer lesbaren Ostteile besser zu verdeutlichen.343 (Abb. 7) Große Schwierigkeiten und Diskussionsbedarf bereitete den Planverfassern jedenfalls das Raumleitsystem in der Kirche, besonders was die Ordnung der zum Grab des Heiligen Gallus (17x) pilgernden Besucher und der das Stundengebet verrichtenden Mönche betrifft. Denn die vorliegende architektonische Lösung sah eine wenig strenge Separierung der Mönche von den Besuchern, die an das Grab des Heiligen wollten, vor. Durch das Nachzeichnen nicht nur der Begrenzungsmauern, sondern auch der seitlichen Abschrankungen des Mönchschores wurde die rotlinige Plankirche nun in einen »Zellenquerbau« umgewandelt, was eine völlige Abmauerung der Seitenschiffe zu den östlich anschließenden Querarmen bedeutet; somit konnten zusätzliche Meditationsräume bzw. Andachtskapellen für die Mönche geschaffen werden.

339 vgl. Kapitel 5, 55; Kapitel 6, 74; Aufschrift, Nr. 10 und 34; Berschin, 2005, 129. 340 Jacobsen, 1992, 72–74, 75, Fig. 32 und 78. 341 Jacobsen, 1992, 170–175 und 328; Kapitel 4, 33. 342 Jacobsen, 1992, 68, 168 und 188 Fig. 81. Werner Jacobsen rekonstruierte die schwarze Übermalung dahin gehend, dass die Krypta-Eingänge von den Planverfassern in die Seitenschiffe vorgezogen gemeint wären und sich so zu (unterirdischen) Winkelstollengängen – i.G. zu den ebenerdig angelegten Winkelgängen der rotlinigen Plankirche – herausgebildet hätten, wie das dann auch am Gozbertbau realisiert wurde. Vgl. dazu Kapitel 8, 93. 343 Sennhauser, 2001, 14f.

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In diesem Zusammenhang darf nicht unbemerkt bleiben, dass sich die Darstellung der Nebenaltäre in den Seitenschiffen (17f, 17h, 17j, 17l, 17m, 17o, 17p, 17r), die eine Prozessionsliturgie für die Pilger ermöglichten, gänzlich von den Altären unterschied, die von den Mönchen für ihre Gebete und Andachten (17t, 17u, 17v, 17w, 17x, 17y, 17e) genutzt wurden. So sind die Altäre der Seitenschiffe von Chorschranken umgeben und besitzen ein Kreuz als Altarschmuck; die Altäre im Chor der Mönche, in den beiden Apsiden und auch die in den Querschiffarmen sind dagegen bloß als einfache Altarmensa wiedergegeben, ohne jegliche Ausstattungselemente. Bei der schwarzen Übermalung der Kirchenostteile übersah man den bereits vorbereiteten Toreingang von der Abtpfalz in die Kirche und musste in einer neuer­lichen Rasur diese Übermalung wieder korrigieren. (Abb. 8) Durch diese nachträglich angefügten Korrekturen, besonders was die schwarze Übermalung betrifft, gewinnt man erneut einen Einblick in den Denk- und Kommunikationsprozess der Planhersteller.

Eine wichtige Nebensache: Die Faltung Zum leichteren Transport und wohl auch zum Schutz der Zeichnung wurde das großformatige Pergament gefaltet, und zwar in einer Art, wie dies mit Urkunden damals üblich war.344 Dafür falzte man das großflächige Pergament zunächst einmal horizontal in der Mitte und breitete es wieder auseinander. Die obere und untere Kante der Pergamentfläche schlug man zu dem vorgegebenen Falz ein, sodass die Architekturzeichnung nun gänzlich verdeckt war. Jetzt wurde das Pergament abermals zur Mitte, also zum Falz, zusammengelegt, sodass sich nun vier horizontale Unterteilungen ergeben. Der gefaltete längsrechteckige Pergamentstreifen konnte nun abermals in seiner Mitte gefalzt werden und wieder wurden seine Ränder zu der Falzlinie hin eingeschlagen. Nach einer abermaligen Faltung hatte man schlussendlich ein Heft in der ungefähren Größe eines

344 Zur Faltung des Klosterplans: http://www.stgallplan.org/de/makingtheplan.html; Schwarz, 1952, Vgl. Kapitel 9, 113.

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6. Wie der Plan entstand: Diskussions- & Herstellungsprozess

damals üblichen Quart-Buchformates vor sich.345 Die Faltung führte somit wieder auf die Buchidee zurück, allerdings in einer etwas ungewöhnlichen Ausführung, da ja die sonst übliche Bindung der Lagen fehlte. Da aber Bücher vorzugsweise liegend aufbewahrt wurden346, spielte das wohl keine große Rolle. (Abb. 3)

345 Die Größe des zusammengefalteten Klosterplanes betrug ca. 28 x 19 cm. 346 Vgl. dazu Kapitel 5, 51.

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D

ie gesamte Klosterplanzeichnung ist konsequent auf das rechteckige Hochformat der Pergamentfläche hin gestaltet. Die quadratischen bzw. rechteckigen Gebäudeeinheiten füllen geometrisch angeordnet die Fläche. Aus der Anordnung der Gebäude ergibt sich keine spezifische Geländetopografie. Die geostete Ausrichtung der Klosterkirche ist der Planbeschriftung zu entnehmen. Die Planzeichner halten sich im Allgemeinen an eine dem Grundriss entsprechende Darstellungsform. Nur an einigen wenigen Stellen wird dieses Prinzip durchbrochen und durch Aufrisse ergänzt. So sind die Altarkreuze der Seiten­ altäre (17f, 17h, 17j, 17l, 17m, 17o, 17p, 17r), die Eingänge in die gewölbte »Krypta« der Kirche, die Türen zur Küche der Mönche (24b) sowie die Arkadengänge der Abtpfalz (10a) und die der Kreuzgänge (21) in die Fläche geklappt. Doppelgeschoßige Gebäude wie die Annexbauten der Kirche mit Skriptorium und Bibliothek (18) sowie Schatzkammer und Sakristei (19), die Klausurtrakte der Mönche mit Wärmeraum und Dormitorium (23a), Refektorium und Kleiderkammer (24a) sowie Vorratskeller- und Kammer (25), die Abtpfalz mit darüberliegendem Solarium (10a), der Pferde- und Ochsenstall mit dem Heuboden (34) werden zeichnerisch nur eingeschoßig dargestellt; das verbleibende Geschoß wird durch den beigefügten Text beschrieben. Lediglich der Ostbereich der Kirche, der ebenerdige »Kryptagang« und der darüberliegende Chor mit breiter Treppenanlage werden gleichzeitig dargestellt. Die Planzeichner nehmen in Kauf, dass dadurch dieser Bereich der Kirche schwer lesbar wird, aber diese Gebäudeteile waren offenbar 86

7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan?

von großer Bedeutung. Bei der Grundrissdarstellung wird auf eine verbindliche Maßstabsangabe verzichtet. Nur die dargestellte Kirche besitzt fünf Einträge von Maßangaben:347 So soll die Kirche eine Gesamtlänge von 200 Fuß und eine Gesamtbreite von 40 Fuß haben, während die Seitenschiffe 20 Fuß messen. Die Stützenabstände des Langhauses sollen sechs Fuß betragen, die des Westparadieses zehn Fuß. Das kann mit Zahlensymbolik zu tun haben, wobei aber auffällt, dass man sich weder an den Maßen des Salomonischen Tempels noch der Arche Noah orientierte, wie es bei anderen Kirchen gelegentlich vorkommt. Die Planverfasser geben auch keine Informationen über die Baumaterialien und die Beschaffenheit der Fundamente oder gar über die Ausführung des aufgehenden Mauerwerks und der Dachkonstruktionen. Die Wände bzw. Mauerzüge sind ebenso wie die Einrichtungsgegenstände (Altäre, Bänke, Tische, Öfen oder Bottiche) einheitlich mit roter Linie gezeichnet. Es fehlen auch Angaben über Stiegenaufgänge bei den Konventbauten der Mönche, des Abtpalastes und des Pferdeund Ochsenstalls. Es kann vermutet werden, dass Klosterkirche und Nebenkirche in Stein zu errichten sind; ebenso die Arkadenanordnungen der Kreuzgänge und die des Abt­ palastes. Ebenso dürften rundbogig ausgebildete Portale sowie die Hypokaustenanlagen aus Stein gedacht sein. Wie dargelegt, halten sich die Zeichner nur bedingt an eine konsequente Grundrisswiedergabe, unter der generell ein waagrechter Schnitt durch ein Bauwerk in Form einer abstrahierten Linienzeichnung mit Lage und Größe der Räume, Anzahl und Position der Türen, Treppen und Fenster verstanden wird. Grundrissdarstellungen werden zum einen im Zuge von Bestandsaufnahmen vorhandener Gegebenheiten erstellt, beziehungsweise sind sie Teil einer Bauplanung und begleiten das Bauvorhaben. Als wesentlicher Teil der Baudurchführung besitzen Grund- und Aufrisse eine gewisse Maßstäblichkeit. In dieser Form kann der Klosterplan wohl kaum als Bauzeichnung bzw. Architekturriss im heutigen Sinn verstanden werden, der bindend für eine Bauausführung ist.

347 Aufschrift, Nr. 17.

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7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan?

Wie Günther Binding feststellte und durch zahlreiche Schriftquellen zum mittelalterlichen Baugeschehen belegte, wurde vor dem Jahr 1250 der tatsächlichen Bauausführung kein grafisches oder auch plastisches Medium im Sinne eines Bauplanes vorangestellt.348 Das planerische Vorgehen ist ein wesentliches Kriterium der gotischen Baukunst.349 Vielmehr wird das Bauwerk im Frühmittelalter im Geist des Entwerfers bzw. Architekten erdacht, und sodann erfolgt die Umsetzung der Idee auf der Baustelle, beginnend mit dem Einmessen der Fundamente. Zur Unterstützung der Erinnerung des im Geiste konzipierten Werkes können Skizzen, Zeichnungen, aber auch Modelle angefertigt worden sein. Heiric von Auxerre (841 – gest. um 876) erwähnt, dass für die zu errichtende Kirche Saint-Germain d’Auxerre ein Wachsmodell angefertigt wurde.350 In diesem Kontext sind auch die berühmten Skizzen von Villard de Honnecourt von etwa 1220/30 zu sehen. Sie dienen der Erinnerung und sind nicht als Bauplan zu verstehen. 351 Im Reichenauer Skriptorium wurde von den selben Schreibern, die am Klosterplan tätig waren, auch eine Kopie eines damals sehr beliebten Pilgerberichts De locis sanctis hergestellt, zwischen dessen Textzeilen zur Demonstration des Gesagten auch Grundrissdarstellungen der wichtigsten Kirchen in und um Jerusalem, der Grabeskirche, der Zionsbasilika, der Himmelfahrtsbasilika und der Kirche über dem Jakobsbrunnen, eingefügt sind.352 Und zwar handelt es sich um eine Abschrift jenes schon erwähnten Pilgerberichts, den der Ire Adamnan nach Erzählungen des gallischen Reisenden Arculf verfasst hatte. Arculf besuchte die Heiligen Stätten in den 80er-Jahren des 7. Jahrhunderts und fertigte zur Illustration seiner Erzählung 348 349 350 351

Binding u. und Linscheid-Burdich, 2002, 73–99. Zusammenfassend dazu: Schedl, 2013, 44–47. Zit. nach Binding u. Linscheid-Burdich, 91, Anm. 46; Berschin, 1991, 357–362. Binding u. Linscheid-Burdich, 2002, 90. Musterbuch des Villard de Honnecourt um 1220/30 (Paris, Bibl. Nat., Ms.fr. 19093). 352 Zürich, Zentralbibliothek, Ms Rh 73: (die Grabeskirche in Jerusalem f.5r; die Zionsbasilika (Stephanskirche), f.9v; die Himmelfahrtsbasilika, f.12r; Kirche über den Jakobsbrunnen, f.18v); http://www.stgallplan.org/stgallmss/viewItem.do?ark=p21198-zz0028rnww Von diesem Reisebericht sind im 9. Jahrhundert gerade im Bodenseegebiet vier Abschriften entstanden: Burgerbibliothek Bern, Cod. 582; Bibliothèque Nationale Paris, Bibl.nat.lat. 13048; Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 458; Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Aug.129; vgl. dazu: Gnägi, 2004/05, 31–45; Stähli, 2005, 20–30.

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7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan?

Skizzen der besuchten Kirchen auf Wachstafeln an. Diese Vorlagen fügte Adamnan zum leichteren Verständnis, wie er im Vorwort sagt, seinem Text bei.353 Das Book of Mulling, eine irische Handschrift aus dem 8. Jahrhundert, enthält ebenfalls eine Architekturskizze, die allerdings direkt ohne Vorzeichnungen auf das Pergament gezeichnet wurde. Bei der Darstellung soll es sich um eine Ortsangabe für frei stehende Kreuze im Zusammenhang mit einem Kloster handeln, dessen Lage durch zwei konzentrische Kreise angedeutet wurde. So dieser Interpretation zuzustimmen ist, würde dies der früheste überlieferte Lageplan eines Klosters in Europa sein. Eine Verbindung zu den erwähnten Pilgerskizzen oder gar dem Klosterplan lässt sich jedoch nicht herstellen.354 Die Grundrisszeichnungen des Pilgerberichts der Zürcher Handschrift wurden hingegen schon lange von der Forschung mit dem Klosterplan in Verbindung gebracht, – nicht nur wegen des paläografischen Befundes – vor allem wegen der farblichen Ausführung der Zeichnung.355 Denn gleich wie am Klosterplan wurde für die Grundrisszeichnung eine rote, für die Beschriftung aber eine schwarze ­Tinte verwendet. In der zeichnerischen Wiedergabe der Gesamtkonzeption, aber auch dem Entstehungs-Zweck unterscheiden sich die Grundrisse der Adamnan-Handschrift jedoch sehr deutlich von den Darstellungen am Klosterplan. Stilistisch differenzieren die Illustrationen des Pilgerberichts vom Klosterplan vor allem durch die doppelte Linienausführung der Wände und die reduzierte Wiedergabe der Architekturdetails. Im Gegensatz zu den Format füllenden Zeichnungen des Klosterplans geht es bei dem Layout der Adamnan-Handschrift um eine klare Bild-Text-Komposition. Der Text weist auch immer wieder auf die beigefügten Darstellungen hin, dienen sie doch der bildlichen Verdeutlichung der besuchten Orte, die der Pilgerbericht erwähnt: So werden die Skizzen als formula (Zionsbasilika), figura vilis quamvis pictura sic depicta (Himmelfahrtskirche) bezeichnet.356 Subiecta decla-

353 Vgl. Kapitel 6, 60. 354 Trinity College Library MS 60, fol. 94v; Nees, 1983, Skizze 69 Fig. 1 und Abb. nach 78 Plate I; zur Datierung vgl. Richter 2008, 116 mit Anm. 4 und 120. 355 Horn, 1979, I, 53–55; Hecht, 1997, 182–184. 356 Stähli, 2005, 28.

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7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan?

rat pictura357 steht einleitend im Text zur Grabeskirche bzw. hac descriptiuncula demonstratur subiecta358 bei der Himmelfahrtskirche. Die Grundrissdarstellungen der vier Kirchen Jerusalems in der AdamnanHandschrift sind Einzelobjekte, die als Illustration der Textbeschreibungen dienen; sie erfüllen damit einen ganz anderen Zweck. Bei dem Klosterplan stand nicht die Wiedergabe von bereits realisierten Bauten im Vordergrund. Hier war das Konzept von Anfang an darauf ausgelegt, architektonische Funktionszusammenhänge nach der Regula Benedicti darzustellen und dies war für ein frühmittelalterliches Skriptorium eine äußerst innovative Projektidee. Zunächst ging es um den internen Lebensbereich der Mönche, die dafür notwendigen Gebäude so sinnvoll und zuträglich anzuordnen, sodass die Wege zum Stundengebet in die Kirche – von dem Schlafraum, dem Speisesaal und dem Wärmeraum – möglichst kurz gehalten werden können. Dieser von den Himmelsrichtungen beeinflussten Anordnung folgt der weitere Aufbau des Planungsprozesses. In einem zweiten Schritt wurden Gäste und Pilger in das Baukonzept mitein­ bezogen und deren Unterkünfte so positioniert, wie es die Regula Benedicti vorsieht: die Pilger inklusive dem Sprechzimmer zur Fußwaschung in der Nähe der Klausur zu den Mönchen anzuordnen; Abt und vornehme Gäste von der Klausur in größerer Entfernung unterzubringen. Die Produktionsbetriebe und Handwerksbetriebe reihten sich dann konsequenterweise um den südlichen und westlichen Klausurtrakt mit den dort liegenden Vorratsräumen. Und auch die letzte Entwurfserweiterung folgte konsequent dem Regeltext, galt es doch, den Kranken große Sorge vonseiten des Klostervorstehers entgegenzubringen. Die Klosterplanzeichnung enthält also Angaben zur Lagebestimmung der Gebäude innerhalb des gedachten Klosterareals, das jedoch – entgegen vieler Rekonstruktionsversuche – nicht von einer Umfassungsmauer umgrenzt ist. Die funktionalen Zusammenhänge der Baukomplexe werden zumeist durch Verbindungsgänge, Linien oder durch die zueinander gerichtete Anordnung der Portale markiert. Dieses konsequent durchdachte Arrangement der Gebäude- bzw. Funktionseinheiten zueinander bringt den Klosterplan in die Nähe von Vitruvs Lehrbuch 357 Zürich, Zentralbibliothek, Ms Rh 73, f.5r. 358 Zürich, Zentralbibliothek, Ms Rh 73, f.12r.

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7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan?

über die Baukunst, das für die Anlage, das Ansehen und den Nutzen von (privaten und öffentlichen) Bauten, die »der Nachwelt zum Gedächtnis überliefert werden«, verfasst wurde.359 Besonders die Umsetzung des theoretischen Wissens über die Ausrichtung und Anordnung der Gebäude in Bezug zu Winden, Himmelsrichtungen sowie zur sozialen Stellung der Bewohner weist Parallelen auf.360 Aber auch die Methoden des Planungsvorganges selbst und die Zusammenstellung der Dinge entsprechen den Ausführungen des antiken Architekten.361 Für die zeichnerische Umsetzung des komplexen Denkvorganges nennt Vitruv die Ichono­graphia, das Erstellen eines Grundrisses unter Verwendung von Lineal und Zirkel »in verkleinertem Maßstab«, aus dem später die Umrisse der Gebäudeteile auf dem Baugelände genommen werden sollten. Die Umsetzung eines derart komplexen Vorganges verlangt ein großes Können und eine gründliche Ausbildung des Architekten, der nach Vitruv schreibgewandt sein musste, »damit er durch schriftliche Erläuterungen (zu seinem Werk) ein dauerndes Andenken begründen kann. Zweites muss er den Zeichenstift zu führen wissen, damit er um so leichter … das beabsichtigte Aussehen seines Werkes darstellen kann.«362 In diesem Kontext könnte der Klosterplan dem frühmittelalterlichen Verständnis nach einem aus Buchwissen gewonnenen Planungsvorgang eines Architekten sehr nahekommen und in diesem Sinne als Architekturzeichnung bezeichnet werden. Die Disposition und die Wiedergabe der Bauwerke und deren Ausstattungsdetails erfüllen zudem mnemotechnische Aufgaben – sowohl für die Planhersteller als auch für den Adressaten.

359 vgl. Kapitel 6, 58, Anm. 243; Vitruvius, I, (Vorrede zum 1. Buch). 360 Vitruvius, I, 6 (Ausrichtung der Straßenzüge mit Rücksicht auf die Winde) VI, 4 (Wie man bei der Anlage der einzelnen Räume auf die Himmelsrichtungen Rücksicht nehmen muss) und VI, 5 (Über die Anordnung von Räumen für den Privatgebrauch und Anlage der Gebäude nach der sozialen Stellung der Bewohner). 361 Vitruvius, I, 2 (ästhetische Grundbegriffe der Baukunst). 362 Vitruvius, I, 1 (Ausbildung des Baumeisters).

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7. Was ist der Plan: Gedankenbild – opus in mente conceptum – oder Bauplan?

Abb. 17: Grabungsplan von der Klosterkirche in St. Gallen

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8. Wo er seine Heimat fand: Der Plan & das Kloster St. Gallen

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as nun fertiggestellte Plandokument wurde dem Kloster St. Gallen übermittelt. Der Bauherr des sich im Neubau befindlichen St. Galler Klosters, Abt Gozbert, hielt sich jedoch nur bedingt an die Architekturzeichnungen. Erst gegen Ende seiner Amtszeit sind Umbauarbeiten im Kloster St. Gallen im Gange; so soll nach schriftlicher Überlieferung im Jahre 830 mit dem Kirchenneubau begonnen worden sein, für den bereits fünf Jahre später eine Weihe überliefert ist.363 Der in gotischer und barocker Zeit stark veränderte karolingische Kirchenbau wurde im Zuge einer großangelegten Kirchenrestaurierung in den Jahren 1964 bis 1966 archäologisch untersucht.364 Die Ausgrabungen zeigten, dass der karolingische Bauherr bestenfalls die letzten Korrekturen am Klosterplan bei der Errichtung seiner Kirche berücksichtigte.365 (Abb. 17) Die neue Klosterkirche wurde in den angegeben Größenverhältnissen realisiert.366 Ebenso übernahm Gozbert den Vorschlag zur Gestaltung des Ostbereiches der Kirche mit der völligen Abschrankung des Mönchsbereiches von dem 363 Jacobsen, 176–185. 364 Sennhauser, 2001, 3–9. 365 Jacobsen, 1992, 15–190 und 323; Wie die anderen Klostergebäude realisiert wurden, ist nicht bekannt, da diesbezüglich die Quellen fehlen. Allerdings konnten im Sommer 2011 im Klosterbezirk Fundamentreste freigelegt werden, die wohl aus karolingischer Zeit stammen. Die Auswertungen der Grabungsbefunde liegen noch nicht vor. 366 Sennhauser, 2001, 9–18.

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Bereich der Besucher. Doch sah die architektonische Lösung dann gänzlich doch anders aus, als sie auf dem Klosterplan dargestellt war. Denn der von ihm errichtete Bau besaß keine Apsis, kein ausladendes Querhaus und auch kein halbrundes Westparadies, wie dies die Kirche am Klosterplan aufweist.367 Gozberts Bau hatte einen rechteckigen Grundriss und war in drei Schiffe unterteilt, wobei das Mittelschiff die fast doppelte Breite der Seitenschiffe hatte. Die Kirche wurde in der Mitte von einer querliegenden Schrankenanlage mit vier Stützen halbiert, hinter der auf gleicher Ebene das Langhaus des Mönchschors lag. Die Langhausseitenschiffe gehen über die Höhe der Schranke ein wenig weiter nach Osten hinaus, bis zu jeweils einer Trennmauer. Von dort führen sowohl im Norden als auch im Süden Treppen hinab zu Winkelgängen, die entlang der Außenmauer verlaufen, in die im Osten liegende Kryptakammer. Die Confessio war demnach im Gegensatz zur Klosterplanzeichnung unterirdisch angelegt. Von der Kryptakammer gab es aus der Kryptawestwand einen in Kirchenachse liegenden schräg nach oben führenden Sichtstollen zum Sarkophag des Heiligen Gallus. Das realisierte Baukonzept war also auf eine gänzliche Separierung der Mönche und der Laien ausgerichtet, da man die Zutritte in die Krypta vor den Mönchschor in die Seitenschiffe legte. Die Seitenschiffe selbst waren durch quergestellte Mauern vom östlichen Bereich der Kirche, der den Mönchschor aufnahm, abgeschnitten. Die Besucher konnten so das Heiligengrab in der Krypta besuchen, ohne die Stundenliturgie der Mönche zu stören. In diesem Sinne kann der aufwendige und teure Entwurf des Klosterplanes mit zahlreichen Konzeptänderungen kaum als eine verbindliche Architekturzeichnung für die reine Bauausführung verstanden werden. Nach Aussage des Widmungstextes wurde er ja aus dem Grunde erstellt, um sich an der »... knappen Aufzeichnung einer Anordnung der Klostergebäude ...« üben zu können.368 Es ging also nicht um Anwendung eines Bauplanes, sondern um Anregung eines eigenständigen Planungsvorganges. Die erhaltene Fassung des Klosterplanes repräsentiert also einen Entwurf des Reichenauer Skriptoriums, der unter den beiden Äbten und Bauherren der Reichenau und St. Gallens, Haito und Gozbert, von diesen mit ihrem gelehrten Mitarbeiterstab diskutiert wurde. 367 Sennhauser, 2001, 7f. 368 Aufschrift, Nr. 1.

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Aus dem gelehrten Denkprozess bei der Gestaltung sollte offenbar vor allem ein didaktischer Gewinn gezogen werden. Aber auch zu Meditationen über Mönchtum und Klosterregel konnte das Werk Anlass geben. Die im Klosterplan umgesetzte bildliche Wiedergabe einer zeitgenössischen Diskussion unter Gelehrten um eine mögliche Anordnung der unterschiedlichen, für einen Klosterbetrieb notwendigen Funktionseinheiten spricht für sich. Dieses seit karolingischer Zeit nachweisbare Anordnungsschema von Klosterbauten bewährte sich über Jahrhunderte, aber kaum, weil man dem St. Galler Plan oder Kopien davon gefolgt wäre – davon gibt es keine Spuren –, sondern weil die Plan­ idee konsequent die Vorstellungen eines Klosters in benediktinischer Tradition am Pergament zu realisieren versuchte, wie es auch, angepasst an die jeweils örtlichen Gegebenheiten, in der Realität geschah. Diese Ideen aus der Karolingerzeit wirkten noch lange fort bzw. wurden in Reformzeiten wieder aufgegriffen. Selbstverständlich erfuhren sie aber auch entscheidende Weiterentwicklungen. Der Klosterplan verblieb fortan in der Bibliothek des St. Galler Klosters. Man bewahrte das gefaltete Dokument aufgrund seines großen spirituellen und materiellen Wertes weiterhin auf.

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Abb. 1: Klosterplan, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, recto

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Abb. 2: Martinsvita auf der Rückseite des Klosterplans, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, verso

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Abb. 3: Codex Amiatinus, Darstellung einer frühmittelalterlichen Bücheraufbewahrung, Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Amiat. 1, fol. 5v

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Abb. 4: Grafik des Klosterplans, Zusammensetzung der Pergamentteile und Gewinnung der Sonderformate 4 und 5

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Abb. 5: Klosterplan St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092 recto, Detail der Nahtstelle zwischen Pergament 1, 2 und 3

Abb. 6: Klosterplan St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092 recto, Detail der Nahtstelle zwischen Pergament 2, 3 und 5

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Abb. 7: Grafik des Klosterplanes mit Kennzeichnung der dunkelbraunen Bereiche in der Kirche sowie Falzlinien und Blindrillen

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Abb. 8: Grafik des Klosterplans mit Kennzeichnung der übermalten Blindrillen (grün), Einstichlöchern (blau) und Rasurflächen (gelb)

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Abb. 9: Grafik des Klosterplans mit farblicher Markierung der Leserichtungen der Aufschriften und der in alemannischen Minuskel geschriebenen Textstellen von »Reginbert«

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Abb. 10: Grafik des Klosterplans, Pergament 1 mit 1. Klosterkirche und Klausur der Mönche

Abb. 12: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit 2. Klosterkirche und Klausur der Mönche

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Abb. 13: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit ausgeführter Klosterkirche und Klausur der Mönche

Abb. 14: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit ausgeführter Klosterkirche und Klausur der Mönche, Abthaus, Gästebereich und Handwerksbetriebe

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Abb. 15: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit ausgeführter Klosterkirche und Klausur der Mönche, Abthaus, Gästebereich und Handwerksbetrieben mit angefügten Pergamentstreifen 4 und 5

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Abb. 16: Grafik des Klosterplans, fertiggestellte Zeichnung der Klosteranlage

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Abb. 18: Grafik des Klosterplans verso, Leserichtung der Martinsvita (fol. 7–11)

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Abb. 19: Martinsvita auf der Rückseite des Klosterplans, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, verso, Detail von fol. 14

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Abb. 20: Martinsvita auf der Rückseite des Klosterplans, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, verso, fol. 1 (Incipt-Seite)

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Abb. 21: Martinsvita am Klosterplan, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, recto, links unten

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9. Zum späteren Geschick: Die Martinsvita im Kloster St. Gallen Karl Brunner

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m Rahmen der Vorbereitung zur ersten Faksimilierung des St. Galler Klosterplanes um 1950 wurde auch der bedeutende Philologe und Traube-Schüler Paul Lehmann herangezogen, der sich ein Leben lang um die Erschließung der mittelalterlichen Bibliothekskataloge verdient gemacht hat. Auf seine Anregung hin wurde die auf die Rückseite aufgeklebte Leinwand entfernt, mit der man in der Barockzeit den Plan verstärkte und flach legte; zu jener Zeit hat man wohl auch viele Falten flach gebügelt.218 (Abb. 1 und 2) Der Plan wurde nämlich in einer früh erfolgten Faltung liegend aufbewahrt, wie es für Bücher ganz üblich war. (Abb. 3) Die Außenseite dieses Konvoluts war wohl schon zu dem Zeitpunkt, als die Rückseite im 12. Jahrhundert beschrieben wurde, abgewetzt und für den Text nicht mehr brauchbar. Erst im 17. Jahrhundert beschriftete man das Heft: Delineatio antiquissima Monasterii S. Galli sub Gosberto Abbate Saeculo Nono facta. (Abb. 2 und 18) Im Mittelalter blieben diese beiden Felder frei, obwohl der Schreiber mit dem Platz nicht ganz auskam und letztlich auf die Vorderseite, wo die Planzeichnung war, überlaufen musste.

218 Vgl. dazu Kapitel 5, 51.

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9. Zum späteren Geschick: Die Martinsvita im Kloster St. Gallen

Die einzelnen Felder, die sich durch die Faltung219 ergaben, wurden so beschrieben, wie sie sich beim fortschreitenden Öffnen dem Betrachter anboten. (Abb. 18) Der Schreiber drehte das Pergament jeweils in jene Richtung, damit er immer die jeweils untersten Felder vor sich hatte. Er musste sich also nirgends über schon beschriebene Textfelder beugen. Schwierigkeiten haben ihm nicht so sehr die beim ersten Auffalten darunter liegenden Teile gemacht, sondern sie ergaben sich eher am Ende, wenn sich das Pergament gegen die völlige Auffaltung sperrte, wie wir es ja auch bei Urkunden und Briefen kennen. In dieser letzten Phase musste der Plan allerdings auch zur Hälfte offen auf dem Pult oder Tisch liegen, was seine Handhabung zusätzlich erschwerte. Es muss mit großem Respekt vermerkt werden, dass Paul Lehmann mit seinem Seminar den Aufbau des Textes, im Wesentlichen eine Kompilation der Vita des Heiligen Martin220 mit anderen Texten von Sulpicius Severus221 und von Gregor von Tours,222 bloß aufgrund von am Original gemachten Notizen und verkleinerten Fotos exakt bestimmt hat.223 Seiner Analyse ist nach neuerlicher, genauer Autopsie, jetzt aber mithilfe von exzellenten Fotografien und unter Einsatz modernster digitaler Technik, kaum etwas hinzuzufügen. Nur ein Aspekt kann ergänzt werden und führt uns zu einer naheliegenden Vermutung über den Anlass der Entstehung dieser Kompilation. An mehreren Stellen gibt es Anklänge an liturgische Texte, die im Zusammenhang mit Feiern zum Martinsfest stehen. An einer Stelle (fol. 8, Z. 10–12) wird die Antiphon zur Vesper am Martinsfest224 zitiert. Der Beginn eines Abschnittes von Wundergeschichten ab Blatt 10 hat Anklang zu einem Officium zur Translation des Hl. Martin verfasst von Radbod von Utrecht († 917).225 Dieser Anklang mag nicht sehr 219 220 221 222 223

Zur Faltung siehe Kapitel 6, 84; Schwarz, 1952, 35; Sennhauser, 2001, 3. SVM, 109–137. SD, 152–216; SE, 316–344. GH; GV, 584–661. Lehmann, 1951, 745–751. Ich danke Herrn Karl Schmuki von der St. Galler Klosterbibliothek für den Hinweis und die Kopie der Publikation von Paul Lehmann. 224 Antiphonales sacrosanctae Romanae excclesiae (Rom 1912) 764, zugänglich unter http://www. sanctamissa.org/en/music/gregorian-chant/choir/antiphonale.pdf. 225 Radbod von Utrecht, 163–165, hier 163: Responsorium. Huius reginae stantis a dextris regis imperiali ornamento multum splendoris contulit gemma fulgidissima Martinus sacerdos Domini gloriosus.

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spezifisch erscheinen. Als gemma sacerdotum wird Martin aber auch in einem Lied des Dichters Archipoeta angesprochen. Fac ergo concordiam cum sancto Martino.226 Es dürfte also ein Lesetext für liturgische Zwecke im Kloster angestrebt worden sein. Nun gibt es in St. Gallen keine über das übliche Maß hinausgehende Verbindung zum Hl. Martin, an dessen Tag selbstverständlich auch hier ein wichtiger Zinstermin war. Am Klosterplan hat der Heilige Martin einen Altar (17m). Das würde zum Befund passen: Es gab einen liturgischen Anlass, aber ein zentrales Anliegen war es wohl für St. Gallen nicht. Wäre die Neufassung der Vita im Kloster so ein zentrales Anliegen gewesen, hätte man auch für neues Pergament gesorgt. So hat offenbar ein durchaus gebildeter Geistlicher die Lebensbeschreibung des Heiligen Martin von Sulpicius Severus aus der Zeit um 400, die im Mittelalter für viele Heiligenviten zum Vorbild genommen wurde, von allem gereinigt, was er nicht mehr für zeitgemäß fand. So wurden z. B. die Nachrichten über das römische Militär, in dem schon der Vater Martins diente und dieser selbst seine Karriere begann, weitgehend gestrichen, die Epitheta ajouriert und nach dem Geschmack der Zeit besonders die Wundergeschichten hervorgehoben und aus verschiedenen Quellen ergänzt, aber stark gekürzt. Oft wurden die nicht mehr interessanten Namen von handelnden Personen weggelassen. Die Vita selbst endet auf fol. 6 (von 15), dann folgt der Kompilator anderen Quellen. In St. Gallen befindet sich unter anderen einschlägigen Handschriften der Codex 557 aus dem späten 9. Jahrhundert mit der Vita, Briefen und den Dialogi des Sulpicius, außerdem einem Exzerpt aus Gregor von Tours, De obitu et translatione s. Martini. 227 Dieser Codex dürfte auch St. Galler Ursprungs sein. Die Varianten Radbod war eine Zeit lang am Hofe Karls des Kahlen und setzte nach dessen Tod seine Studien in St. Martin zu Tours fort. Sein gleichnamiger Zeitgenosse Radbod von Trier war übrigens in St. Gallen erzogen worden. 226 Archipoeta, V 53 und 73, http://www.thelatinlibrary.com/archpoet.html; Vgl. zum Dichter: Schieffer, 1990, 59–79, hier besonders 72, wo das Lied auf 1164 datiert wird; Binsfeld, 1987, 57–59. 227 Cod. Sang. 557: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0557; Ferner: Cod. Sang. 567 aus dem 8. und 9. Jahrhundert mit Vitae sanctorum, davon fol. 164–199 mit der Vita des Sulpicius: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0567; Cod. Sang. 552 aus dem 8./9. Jahrhundert mit diversen Viten, darunter fol. 251–282 unsere Vita: http://www.e-codices.unifr.ch/ de/list/one/csg.

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dieser Handschrift, die Reihenfolge der Exzerpte und sogar einige Stellen der roten Initialen stimmen mit dem vorliegenden Text weitgehend überein. 228 Darüber hinaus gibt es noch einen interessanten Beleg: Auf fol. 8, erste Zeile, findet sich das Wort contribulatum, das in den vom Editor Karl Halm ausgewiesenen Varianten nicht auftaucht und im Codex 557 von zeitgenössischer Hand übergeschrieben ist. Das ist wohl das stärkste Argument dafür, dass gerade diese Handschrift Vorlage gewesen sein könnte. Benutzungsspuren hat der Kompilator dort allerdings nicht hinterlassen. Es kann allerdings auch eine eng mit Codex 557 verwandte Handschrift gewesen sein. Diese Art von Quellenzusammenstellung zum Hl. Martin war offenbar seit der Karolingerzeit sehr beliebt.229 Von den Texten des Venantius Fortunatus über Martin, die in zwei Fassungen aus St. Gallen überliefert sind (Cod. Sang. 196 und Cod. Sang. 573), gibt es hingegen keine Spur, ebensowenig von der Martinsvita des Paulinus von Périgueux, die ebenfalls im Codex 573 vorlag.230 Über seine ohnehin schon gegenüber dem frühmittelalterlichen Text geglättete Vorlage hinaus, folgt der Kompilator manchmal dem eigenen Sprachgefühl; er versteht offenbar seine Veränderungen auch als Korrekturen in der sprachlichen Gestaltung. Der Kompilator, mehr aber wohl der Schreiber, machen aber erwartungsgemäß auch eigene Fehler. Strukturell wurden die einzelnen Textelemente äußerst geschickt zusammengestellt. Der Kompilator kürzt nicht bloß linear, sondern fügt z. T. recht weit auseinanderliegende Satzteile, auch zurückgreifend, zu einem logisch klingenden Ganzen zusammen. An einigen Stellen aus den Briefen und den Dialogen belässt er die Ich-Form des Sulpicius, ohne je irgendeine Andeutung über den Autor des Textes zu verlie228 Karl Halm (SVM, 109–137) fand ähnliche Varianten in den Handschriften A = clm 3711, aus Augsburg, 11. Jahrhundert: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00006545/images/ index.html und F = clm 6326, 10. Jahrhundert aus Freising: http://daten.digitale-sammlungen. de/~db/bsb00006546/images/index.html. 229 Eine Internet-Suche empfiehlt sich wegen der präziseren Trefferquote nach der »Vita Briccii« = Gregor, Historiae, (GH und GV, 584–661) 37f., die auch den Cod. Sang. 557 pag. 267–247 abschließt. Auch nur die im Internet verfügbaren Handschriften zusätzlich zu kollationieren, geht über Sinn und Zweck dieses Beitrages hinaus. 230 Cod. Sang. 196: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0196; Cod. Sang. 573: http:// www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0573.

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ren. Er formt aber einige dieser Wunderberichte stark um und interpretiert einzelne sogar neu: So schreibt Sulpicius, das Gift, das Martin entfernte, sei aus der Wunde von einem Schlangenbiss herausgeflossen wie beim Melken von Schafen und Ziegen.231 Der Kompilator verwendet auf fol. 12 einen einfachen medizinischen Vergleich: admodum vene incise, wie beim Einschnitt einer Vene. Daher ist nicht anzunehmen, dass das unmittelbar nach dieser Stelle folgende nos aus Nachlässigkeit stehen geblieben wäre. Die erste Person bewahrte in dem Bericht offenbar die erwünschte Authentizität. Eine Anrede im Rahmen des Dialogs wurde hingegen sehr wohl in die dritte Person umgeschrieben.232 Aber bei einer Straffung des Textes formuliert der Kompilator selbstständig unus ex nobis,233 ein anderes Mal e fratribus nostris, als wäre er der Zeitgenosse Martins.234 Auf den Innenfeldern (fol. 7–14), spätestens aber ab dem großen, modellhaften Bericht von der Sterbeszene, mit Einschüben aus Gregor von Tours (fol. 8), mehren sich die Flüchtigkeitsfehler; ab fol. 9 wird die Schrift sehr unruhig, ohne dass sich am Buchstabenbestand ein deutlicher Handwechsel ausnehmen ließe. (Abb. 2) Bei den in diesem zweiten Teil folgenden Wundergeschichten kommt es, besonders ab fol. 12, geradezu zu einer »Inflation« von Initialen am Beginn jedes kurzen Geschichtleins, für die in diesem Bereich aber erstmals die Vorschreibungen in der üblichen Schreibertinte erhalten sind. (Abb. 19) Die Änderung im Duktus, vor allem die engeren Zeilen, könnten aber auch damit erklärt werden, dass langsam absehbar geworden ist, dass es sich mit dem Platz auf der Rückseite des Planes nicht ganz ausgehen würde. Das ganze Puzzle vorzustellen, bleibt einer geplanten Edition vorbehalten. Als Beispiel für das Verfahren des Kompilators sei hier der Anfang vor- und dem Text der Vita des Sulpicius gegenübergestellt:235 (Abb. 20)

231 232 233 234 235

SD II 2 (6), 182. SD II 4, 184. SD III 3 (6–8), 201, fol. 13. SD III 14 (8) 213, fol 14. SVM; hochgestellt nach der Seiten- folgt die Zeilenzahl. Kursiv sind die Ergänzungen des Kompilators. Eine Edition wird vorbereitet.

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[fol 1] Incipit vita Beati Martini episcopi.a Sanctib Martini vitam scribere exordiarc, quia nefas / putarem tanti viri latere virtutes.d Ea tamen, que conperta nobis / erant plura obmisimus,e ea autem in quibus ipse sibi consciusf fuit ne/sciuntur, quia quantum in ipso fuitg omnes virtutes suas latere vo/luisset.h Obsecro autem eos, qui hoc librum lecturi sunt,i ut fidem dictis / adhibeant, neque me quicquam nisi conpertum et probatum scripsisse arbitrentur: alioquin tacere quam falsa dicere maluissem.k a

In roter vergrößerter Uncialis. b Zweizeilige Initiale S. c [sancti SVM 1, 111 Z. 14f.. d [quia nefas SVM

prol. 110 Z. 2. e [que comperta SVM 1, 111 Z. 19f. (dort quae). f s fehlt. g Wegen Abriebs heute schlecht lesbar. h [in quibus SVM 1, 111 Z. 17-19 (Auslassung: laudem ab hominibus non requirens). i Macc 6, 12. k [Obsecro SVM 1, 111 Z. 22-25.

Es beginnt die Lebensbeschreibung des seligen Bischofs Martin. Ich beginne die Lebensbeschreibung des Heiligen Martin zu schreiben, weil ich es für Unrecht halte, die Tugenden eines solchen Mannes zu verbergen. Von dem aber, was wir wussten, haben wir vieles ausgelassen, von dem aber, von dem er sich selbst bewusst war, weiß man nichts, weil er, was ihn anging, alle seine Tugenden verbergen wollte. Ich beschwöre aber jene, die dieses Buch lesen werden, dass sie dem Gesagten Glauben entgegenbringen, und schätzen, dass ich nichts als Gewusstes und Geprüftes schrieb: Sonst will ich lieber schweigen, als Falsches zu sagen. Sulpicius Severus, Vita s. Martini236, ohne Rückgriffe des Kompilators auf den Prolog (Übernahmen kursiv): Igitur sancti Martini vitam scribere exordiar ut se vel ante episcopatum vel in episcopatu gesserit quamvis nequaquam ad omnia illius potuerim pervenire adeo ea in quibus ipse tantum sibi conscius fuit nesciuntur quia laudem ab hominibus non requirens quantum in ipso fuit omnes virtutes suas latere voluisset. Quamquam etiam ex his quae conperta nobis erant plura omisimus quia sufficere credidimus si tantum excellentia notarentur. Simul et legentibus consulendum fuit ne quod his pareret copia congesta fastidium. Obsecro autem eos qui lecturi sunt ut fidem dictis adhibeant neque me quicquam nisi conpertum et probatum scripsisse arbitrentur alioquin tacere quam falsa dicere maluissem. 236 SVM c. 1, 111

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Der Entwurf des Textes wurde wohl wie üblich auf Wachstäfelchen geschrieben. Der Kompilator suchte dann nach Material für eine Reinschrift. Er bekam dafür, aus welchen Gründen immer, kein neues Pergament. Da fiel ihm der Klosterplan in die Hände, dessen Rückseite, die zuerst erschien, wenn man ihn auffaltete, unbeschrieben war. Er war also keine der klösterlichen Führungspersonen, aber hatte Zugang zur Bibliothek. Die Außenseiten des Planes waren, wie erwähnt, für die damalige Tinte nicht mehr gut verwendbar. Sie machten den gleichen Eindruck wie der Einband der meisten damaligen Handschriften. Der spätere Titelhinweis zum Klosterplan wurde mit einer anderen Art von Tinte geschrieben. Einer ersten Schätzung durch den Kompilator nach müsste sich der vorbereitete Text für die übrigen freien Seiten ausgehen. Es wurde eine Seiteneinteilung geplant, durch die sich der Text beim Auffalten des Konvolutes logisch präsentierte. Einerseits erwartete man angesichts der Kürzungen einen routinierten Vorleser, aber diesem wurden andererseits mit den Initialen, für die der Platz freigehalten wurde, ehe sie in roter Tinte ausgeführt wurden, und mit einer sorgfältigen Satztrennung, mit Satzzeichen – auch Fragezeichen – und Großbuchstaben, einige Lesehilfe geboten. Der Schreiber war routiniert. Er dürfte Romane gewesen sein, während der Diktator Alemanne war: Mehrfach wird ein überflüssiger h-Anlaut geschrieben – besonders krass bei »Habraham« (fol. 7, letzte Zeile) – und es erfolgte die in solchen Fällen häufige Verwechslung von -e- und -i-; es könnten auch -f- zu -v- und umgekehrt (fol. 3 Z. 7 vere statt fere, fol. 4 Z. 2 v. u. de fora statt devora) auf das Hören zurückgehen. Die Eigenschaften des alten Pergaments mit den Unregelmäßigkeiten, Unebenheiten und Nähten mussten berücksichtigt werden. Dennoch oder deswegen sind nur im ersten Textfeld Zeilenlinien in Tinte vorgezeichnet; einmal zu Beginn von fol. 13 findet man noch eine Hilfslinie. In der ersten Zeile von fol. 14 verwendet der Schreiber plötzlich gelängte Buchstaben wie bei einer Urkunde. Man würde also, um ihn zu identifizieren, auch im Archiv suchen müssen. Fallweise machte der Schreiber i- und ii-Striche, aber keine ae-Ligaturen. Oft gibt es Abstände zwischen Vorsilben und Stammwort, andererseits werden Präpositionen und Nomina verbunden.

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9. Zum späteren Geschick: Die Martinsvita im Kloster St. Gallen

Es ging sich dann doch nicht aus: Der Text läuft inhaltlich nahtlos auf die linke untere Ecke der Vorderseite über, wofür sogar etwas vom Plan radiert werden musste. (Abb. 21) Aber damit ergab sich ein Wertekonflikt. Auf der Vorderseite wurden die vorgesehenen Initialen nicht mehr ausgeführt. Zufällig befinden sich genau in diesem letzten Textabschnitt jene Passagen, für die bisher keine Quelle gefunden wurde:237 [fol. 15] [Q]uadam itaque die Martinus ad beatum Ambrosium antistitem casu pervenit. Erat enim Ambrosius personatus / ac vultu venerabills, Martinus vero statura pussillus erat. Porro cum digne sollemne incessione receptus fuisset, / Ambrosius Dei hominem orantem diligentius respiciens, tacitus in corde suo admirans ait: »Mirabilis Deus in sanctis / suis,238 qui tantam gratiam et virtutem huic humili persone conferre dignatus es[t].« Conversus Martinus dixit illi: / ‘Ambrosi frater, [q]uid est quod loqueris? En quidem pauper sum et modicus.239 Sicut tu non possumus esse gigantes, quoniam Domimus fecit nos / et non ipsi nos.’ Ille prostravit se [ad] pedes eius: ‘O’, inquit, ‘sanctissime hominum, ignosce mihi, ignosce! Tu enim nosti corda / hominum.’ Tunc vir discrecione plenissimus allevavit eum dicens ‘Noli de cetero iudicare!’ Eines Tages traf Martin den Bischof Ambrosius. Ambrosius war als Persönlichkeit und vom Antlitz her verehrungswürdig, Martin hingegen von Statur aus klein. Nachdem er in würdiger und feierlicher Weise empfangen worden war, sah Ambrosius den betenden Gottesmann liebevoll an und sprach bewundernd zu sich selbst: »Wundersam ist Gott in seinen Heiligen, der dieser demütigen Person solche Gnade und Tugend zugebilligt hat.« Martin drehte sich um und sagt zu ihm: »Bruder Ambrosius, was ist es, das Du sagst? Denn ich bin arm und mittelmäßig. Wir können keine Riesen sein so wie Du, denn Gott schuf und nicht wir selbst.« Jener fiel ihm zu Füßen: »O«, sagte er, »Heiligster unter den Menschen, verzeih mir, verzeih! Denn Du kennst die Herzen der Menschen.« Da richtete der Mann ihn voll Rücksicht auf und sagte: »Mögest Du in Zukunft nicht urteilen!«

237 Lehmann, Martinsvita, 751. 238 Ps 67, 36. 239 Vgl. SE, 3, c. 21.

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9. Zum späteren Geschick: Die Martinsvita im Kloster St. Gallen

Der Wunsch, dass die einzige »originäre« Passage – die, wie Lehmann meint, der Kompilator gewiss nicht erfunden hat – noch der Herkunft nach bestimmt werden könne,240 ist mit den derzeit vorliegenden Editionen immer noch nicht erfüllbar.

240 Lehmann, Martinsvita, 751.

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

333 einzeilige Beischriften und ein mehrzeiliger Widmungstext.241 Die textkritische Edition von Walter Berschin gliedert die Beschriftungen in 45 Einheiten, die architektonisch zusammenhängende Bereiche bezeichnen.242 1.) Widmung Haec tibi dulcissime · fili cozberte de positione officinarum paucis exemplata direxi · quibus sollertiam exerceas tuam · meamque deuotionem utcumque cognoscas · qua tuae bonae uolun tati satisfacere me segnem non inueniri confido · Ne susciperis autem me haec ideo elaborasse · quod uos putemus nostris indigere magisteriis · sed potius ob amorem dei tibi soli perscrutinanda pinxisse amicabili fraternitatis intuitu crede · Uale in christo semper memor nostri · amen · »Dir, liebster Sohn Gozbert, habe ich diese knappe Aufzeichnung einer Anordnung der Klostergebäude geschickt, damit du daran deine Findigkeit üben und jedenfalls meine Anhänglichkeit erkennen mögest. Ich vertraue darauf, dass ich dadurch nicht nachlässig gefunden werde, deiner guten Absicht zu entsprechen. Vermute aber nicht, ich hätte das deshalb ausgearbeitet, weil wir meinen, ihr bedürftet unserer Belehrungen, glaube vielmehr in freundschaftlicher Ansehung unserer Brüderlichkeit, dass wir es aus Liebe zu Gott für dich allein zum Studium gemalt haben. Leb wohl in Christus und bleib unser stets eingedenk. Amen.«

241 Bischoff, 1962. 242 Berschin, 202 und Berschin, 2005.

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

2.) Noviziat Hoc claustro oblati pulsantibus adsociantur · / porticus / camera / refectorium / mansio magistri eorum / exitus / Infirmorum domus / dormitorium · / necessaria / pisalis / exitus fumi / caminus / istorum (scil. ingressus) hic. »In diesem Kreuzgang werden die Oblaten den angehenden Mönchen beigestellt / Säulengang / Kammer / Speisesaal / Wohnraum des Meisters / Ausgänge / Krankenhaus / Schlafsaal / Abtritte / Wärmeraum / Rauchabzug / Ofen / Hier ist der Eingang.« 3.) Badestube und Küche der Novizen Batorium · / coquina eorundem »Badstube / Küche derselben.« 4.) Kirche der Novizen ECLESIA / altar / grad / formulae »Kirche / Altar / Stufen / Bänke.« 5.) Infirmerie Fratribus infirmis pariter locus iste paretur / porticus / Camera / Refectorium / domus magistri eorum / locus ualde infirmorum / dormitorium / pisalis / istorum ingressus »Den kranken Brüdern soll in gleicher Weise dieser Ort bereitet werden / Halle / Kammer / Speisesaal / Wohnraum des Krankenpflegers / Raum der Schwerkranken / Schlafsaal / Wärmeraum / Hier ist der Eingang.« 6.) Küche und Badestube der Infirmerie coquina eorundem · et sanguinem minuentium / balnearum domus »Küche derselben und derer, die zur Ader gelassen werden / Badstube.« 7.) Heilkräutergarten herbularis / saluia / sisimbria / ruta / cumino / gladiola / lubestico / pulegium / fenuclum / fasiolo / sataregia / costo / fenegreca / rosmarino / menta / lilium / rosas »Heilkräutergarten / Salbei / Krauseminze / Raute / Kümmel / Schwertlilie / Liebstöckel / Poleiminze / Fenchel / Stangenbohne / Pfefferkraut / Frauenminze (Marienblatt) / Griechisch Heu / Rosmarin / Minze / Lilie / Rosen.« 124

10. Zusammenstellung der Aufschriften

8.) Haus des Arztes domus mediocorum / cubiculum ualde infirmorum / armarium pigmentorum / mansio medici ipsius »Ärztehaus / Zimmer der Schwerkranken / Arzneischrank / Arztwohnung.« 9.) Aderlasshaus fleotomatis hic gustandum vel potionariis / mensae »Hier werden die verköstigt, die zur Ader gelassen worden sind oder medizinisch behandelt werden / Tische.« 10.) Abtpfalz Saepibus in gyrum ductis sic cingitur aula · / porticus arcubus lucida / porticus similis / Ingressus / mansio abbatis / caminata / sedilia / toregmata / ad eclesiam ingressus / dormitorium / supra camera · et solarium · / caminata / lecti hic / requisistum naturae / cubilia famulantium / coquina / cellarium / balnaetonrium »Die Halle ist so von Zäunen rings umgeben. / Lichte Halle mit Arkaden. / Eine ähnliche Halle. / Eingang, / Wohnung des Abts, / Kaminecke, / Sitze, / Geschirrgestelle, / Eingang zur Kirche. / Schlafsaal, / darüber eine Kammer und ein Söller. / Kaminecke. / Hier sind die Betten, / Klosett. Schlafräume der Bediensteten, / Küche, / Vorratsraum, / Badstube.« 11.) Schule Haec quoque septa premunt discentis uota iuuentae / domus communis scolae id est uacationis / Introitus / testu / testu / mansiunculae scolasticorum hic / necessarius exitus »Und diese Zäune schränken die Wünsche der Schuljugend ein. / Gemeinschaftshaus der Schule, das heißt der Unterrichtsstätte. / Eingang, / Geschirr, / Geschirr. / Hier sind die kleineren Wohnungen der Schüler. / Ausgang zu den Abtritten.« 12.) Haus für vornehme Gäste Haec omus hospitibus parta est quoque suscipiendis / domus hospitum ad prandendum / ingressus / locus foci / cubilia seruitorum / caminatae cum lectis / necessarium / toregmata / mensae / caminatae cum lectis / necessaria / stabula caballorum / praesepia / exitus necessarius 125

10. Zusammenstellung der Aufschriften

»Auch dieses Haus steht für die Aufnahme von Gästen bereit. / Gästehaus zum Essen. / Eingang, / Herdstelle, / Schlafräume der Diener, / Kaminzimmer mit Betten, / Abtritt, / Geschirrgestelle, / Tische, / Kaminzimmer mit Betten, / Abtritte, / Pferdeställe, / Futterkrippen, / Ausgang zu den Abritten.« 13.) Küche, Bäckerei und Brauhaus des Gästehauses culina hospitum / promptuarium / fornax / pistrinum / interdendae pastae locus / domus conficiendae celiae / hic refrigeratur ceruisa »Gästeküche, / Vorratsraum, / Backofen, / Bäckerei. / Ort zum Anrühren des Teigs. / Brauhaus. / Hier wird das Bier gekühlt.« 14.) Unterkunft der Gastmönche Susceptio fratrum superuenientium · / dormitorium eorum / necessarium »Aufnahme der ankommenden Brüder, / ihr Schlafsaal, / Abtritt.« 15.) Unterkunft des Schulvorstehers und des Pförtners mansio capitis scolae / eiusdem secretum / necessaria / caminata portarii / cubile eius »Wohnung des Schulvorstehers, / sein Privatraum, / Abtritte. / Kaminzimmer des Pförtners, / sein Schlafraum.« 16.) Torhaus für Gäste und Schüler Exiet hic hospes uel templi tecta subibit / Discentis scolae pulchra iuuenta simul »Hier soll der Gast die Kirche betreten oder verlassen / und ebenso die schöne lernende Schuljugend.« 17.) Kirche HIC SINE DOMATIBUS PARADISI PLANA PARANTUR · / AB ORIENTE IN OCCIDENTEM LONGITUDO ·PEDUM · CC · / HIC MURO TECTUM IMPOSITUM PATET ATQUE COLUMNIS / Has interque pedes denos moderare columnas / HIC PARADISIACUM SINE TECTO STERNITO CAMPUM / OMNIBUS AD SANCTUM TURBIS PATET HAEC UIA TEMPLUM QUO SUA UOTA FERANT · UNDE HILARES REDEANT · / Adueniens aditum populus hic cunctus habebit ·/ ascensus per cocleam ad uniuersa 126

10. Zusammenstellung der Aufschriften

superinspicienda · / in summitate altare sancti michahelis arch · / alter similis / in fastigo altare sancti gahelis arch ·/ exedra / Hic petrus eclesiae pastor sortitur honorem / gradus / chorus / Bis senos metire pedes interque columnas Ordine quas isto constituisse decet / altare cie et ceciliae / altare sanc agathe et agnetis / FONS / Ecce renascentes susceptat christus alumnos / altare sanctorum innocentium / altare sancti iohannis et sancti iohannis euangelistae / altare sancti sebastiani / altare sancti martini / altare sancti salutoris ad crucem / Crux pia uita salus miserique redemptio mundi / altare sancti mauricii · / Latitudo utriusque porticus pedem xx / Latitudo interioris templi pedum xl / altare sancti stephani martyris / ambo / Hic euangelicae recitatur lectio pacis / altare sancti laurenti / analogia duo ad legendum in nocte / formula / gradus / altare sancti philippi et iacobi / In Criptam introitus vel exitus / chorus psallentium / formulae / altare sancti benedicti / septem gradus / similiter / accessus ad confessionem · / altare sancti columbani / In criptam ingressus vel egressus / formula / gradus / altare sancti andreae / altare sanctae mariae et sancti galli / sarcofagum sancti corporis / SANCTA SUPER CRIPTAM SANCTORUM STRUCTA NITEBUNT / Inuolutio arcuum / Hic pauli dignos magni celebramus honores / exedra »Hier ist eine ebene Fläche einer Vorhalle ohne Dächer vorgesehen / Von Ost nach West beträgt die Länge 200 Fuß / Hier steht offen das Dach, das auf einer Mauer und auf Säulen aufliegt / und zwischen diesen Säulen sollst du zehn Fuß vorsehen / Hier leg ein ebenes Vorhallen-Feld ohne Dach an / Allen Leuten steht dieser Weg zur heiligen Kirche offen, / wohin sie ihre Gebete tragen und woher sie heiter zurückkehren mögen. / Das ganze ankommende Volk soll hier seinen Eingang finden. / Aufstieg über eine Wendeltreppe, um alles zu überschauen / in der Spitze ein Altar des heiligen Erzengels Michael / Ein ähnlicher / oben ein Altar des heiligen Erzengels Gabriel / Apsis. / Hier erfährt Petrus Ehre, der Hirt der Kirche / Stufen / Chor / Zwölf Fuß sollst du zwischen den Säulen messen, / nach dieser Ordnung soll man sie aufstellen. / Altar der heiligen Lucia und Caecilia / Altar der heiligen Agatha und Agnes / Taufbrunnen / Siehe, Christus nimmt auf seine wiedergeborenen Kinder. / Altar der heiligen Unschuldigen / Altar des heiligen Johannes des Täufers und des heiligen Johannes des Evangelisten / Altar des heiligen Sebastian / Altar des heiligen Martin / Altar des heiligen Erlösers am Kreuz / Hehres Kreuz, du bist das Leben, das Heil und die Erlösung der elenden

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

Welt / Altar des heiligen Mauritius / Jeder der beiden Säulengänge ist 20 Fuß breit / die innere Weite der Kirche beträgt 40 Fuß / Altar des heiligen Märtyrers Stephanus / Ambo / Hier wird die Friedensbotschaft des Evangeliums verlesen / Altar des heiligen Laurentius / Zwei Pulte für die nächtlichen Lesungen / Bank / Stufen / Altar der heiligen Philippus und Jakobus / Eingang und Ausgang der Krypta / Chor der Psallierenden / Bänke / Altar des heiligen Benedikt / sieben Stufen / dasselbe / Zugang zum Heiligengrab / Altar des heiligen Columban / Ein- und Ausgang der Krypta / Bank / Stufen / Altar des heiligen Andreas / Altar der heiligen Maria und des heiligen Gallus / Der Sarg mit seinem heiligen Leib / Über der Krypta soll das Allerheiligste erglänzen / Bogengewölbe / Hier feiern wir würdig die Ehre des großen Paulus / Apsis.« 18.) Skriptorium und Bibliothek Infra sedes scribentium · / supra bibliotheca / Introitus in bibliothecam super criptam superius »Unten die Schreibersitze / oben die Bibliothek / Eingang zur Bibliothek weiter oben über der Krypta.« 19.) Sakristei und Paramentenkammer subtus sacratorium / supra uestium eclesiae reposito / mensa sanctorum uasorum »Unten die Sakristei / oben die Kleiderkammer der Kirche / Tisch für die liturgischen Geräte.« 20.) Raum zur Hostien- und Ölzubereitung domus ad praeparandum panem sanctum · et oleum exprimendum · »Haus zur Vorbereitung des heiligen Brotes und zum Auspressen des Öls.« 21.) Klosterhof mit Sevenbaum semitae per transuersum claustri quattuor / arcus / arcus / sauina »Vier Wege quer durch den Kreuzgang / Bögen / Bögen / Sevenbaum.«

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

22.) Kirchenseitiger Kreuzgangflügel Hinc pia consilium pertractet turba salubre / porticus ante eclesiam · »Hier soll die fromme (Mönchs-)Schar heilsamen Rats pflegen / Säulengang vor der Kirche.« 23.) Östlicher Kreuzgangflügel, Calefactorium, Dormitorium, Latrinen, Badestube und Waschraum Porticus ante domum stet haec fornace calentem / subtus calefactoria domus / supra dormitorium / lecti / similiter / caminus ad calefaciendum / euaporatio fumi · / exitus ad necessarium / lucerna / sedilia / egressus de pisale / balneatorium et lauandi locus »Dieser Säulengang soll vor dem ofenbeheizten Haus stehen / Unten Wärmeraum / oben Schlafsaal / Betten / desgleichen [Betten] / Wärmofen / Rauchabzug / Ausgang zum Abtritt / Leuchte / Sitze / Ausgang dem Wärmeraum / Badstube und Waschraum.« 24.) Südlicher Kreuzgangflügel, Refektorium, Kleiderkammer und Küche Haec domui adsistit cunctis qua porgitur aesca / Infra refectorium / supra uestiarium / sedes in circuitu / mensa / scamnum / aliud / mensa abbatis / analogium / ad sedendum cum hospitibus / sedile · / aliud / mensa / toregma / egressus ad coquinam / fornax super arcus »Dieser (Säulengang) verläuft dem Haus entlang, in dem allen das Essen gereicht wird / Unten der Speisesaal / oben die Kleiderkammer / ringsum Sitze / Tisch / Bank / und noch eine / Tisch des Abts / Lesepult / zum Sitzen mit den Gästen / Bank / und noch eine / Tisch / Geschirrgestell / Ausgang zur Küche / Herd über Bögen.« 25.) Westlicher Kreuzgangflügel, Keller und Vorratskammer Huic porticui potus quoque cella coheret / Infra cellarium · / Supra lardarium · et aliorum necessariorum repositio / maiores tunnae / minores »An diesen Säulengang schließt sich das Getränkelager an. / Unten der Keller / oben die Speckkammer und Aufbewahrungsort anderer notwendiger Dinge. / Größere Fässer / und kleinere.«

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

26.) Pforte des Klosterpersonals, Unterkunft des Armenpflegers und Sprechzimmer der Mönche Tota monasterio famulantum hic turba subintret / pausatio procuratoris pauperum / exitus et introitus ante claustrum ad conloquendum cum hospitibus et ad mandatum faciendum · »Die ganze Schar der Klosterbediensteten soll hier eintreten / Ruheraum des Armenpflegers / Ein- und Ausgang vor dem Kreuzgang zum Gespräch mit den Gästen und zur Fußwaschung.« 27.) Pilgerhaus, Brauhaus und Bäckerei Hic peregrinorum laetetur turba recepta / domus peregrinorum et paupervm / testu / camera/ dormitorium / aliud / seruientium mansiones / cellarium / bracitorium / ad refrgerandum ceruisam / pistrinum / fornax / locus conspergendi »Hier freue sich die Pilgerschar über ihre Aufnahme / Pilger- und Armenhospiz / Geschirr / Kammer / Schlafsaal / und noch einer. / Wohnungen der Bediensteten / Vorratsraum / Brauhaus / zum Bierkühlen / Bäckerei / Backofen / Ort zum Anrühren.« 28.) Stall der Schafe Hic caulas ouium caute dispone tuarum / Ipsa domus / cubilia opilionum / caulae »Hier richte geschickt deine Schafhürde ein. / Das Haus selbst / Schlafkammern der Schäfer / Schafhürde.« 29.) Unterkunft der Gefolgschaft und Diener Hic requiem inueniat famulantum turba uicissim / domus famuliae quae cum seruitio aduenerit · / cubilia custodientium »Hier findet von Fall zu Fall die Schar der Bediensteten Ruhe. / Haus der Dienerschaft, die mit dem Hofdienst(?) ankommt / Schlafkammern der Wächter.« 30.) Ziegenstall Ista domus cunctas nutrit seruatque capellas / stabula / cubilia pastorum »Dieses Haus nährt und behütet die Ziegen. / Ställe. / Schlafkammern der Hirten.«

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

31.) Schweinestall Ista sues locus enutrit custodit adultas / domus procariorum / cubilia pastorum »Dieser Ort zieht die Sauen auf und hütet die Ausgewachsenen. / Haus der Schweinehirten. / Schlafkammern der Hirten.« 32.) Stall der Kühe und Kälber Hic m tibi ·lac· faetus atque ministrant / domus armentariorum / cubilia seruantium / stabula »Hier bringt das Großvieh Milch und Kälber. / Haus der Rinderknechte / Schlafkammern der Bediensteten / Ställe.« 33.) Stall der Stuten und Fohlen Hic faetas seruabis equas tenerosque caballos / domus equaritiae / cubilia custodum / stabula »Hier sollst du die trächtigen Stuten und die zarten Fohlen unterbringen. / Gestüt / Schlafkammern der Hüter / Ställe.« 34.) Stall der Ochsen und Pferde Ista bubvs conseruandis domus atque caballis / domus bubulcorum et equos seruantium / ad hoc seruitium mansio / stabulum equorum infra / supra tabulatum · / praesepia / conclaue assecularum / boum stabulum infra / supra tabulatum · / praesepia boum »Dieses Haus dient der Unterbringung der Ochsen und Pferde. / Haus der Ochsen- und Pferdeknechte / Wohnraum für diesen Dienst / unten Pferdestall, / oben Heuboden / Futterkrippen / Schlafraum der Trossburschen / unten Ochsenstall / oben Heuboden / Futterkrippen für die Ochsen.« 35.) Küferei und Drechslerei Hic habeat fratrum semper sua uota minister / tunnariorum domus / tornariorum / famulorum cubilia »Hier bekomme der Diener der Brüder immer seine Wünsche erfüllt. / Küferei / Drechslerei / Schlafräume der Diener.«

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

36.) Kornspeicher granarium · ubi mundatum frumentum seruetur et quod ad ceruisam praeparatur · / repositoria · earundem rerum / similiter »Kornspeicher, in dem das gereinigte Getreide aufbewahrt wird, das dann für das Bier (brauen) bereitgehalten wird. / Aufbewahrungsorte derselben Sachen / und ebenso.« 37.) Darre, Stampfe und Mühlen locus ad torrendas annonas / pilae / molae / eorundem famulorum cubilia »Platz zum Rösten der Jahresfrüchte / Stampfen / Mühlen / Schlafräume der zugehörigen Diener.« 38.) Brauhaus und Bäckerei der Mönche Hic uictus fratrum cura tractetur honesta / uernarum repausationes / hic fratribus conficiatur ceruisa / hic coletur celia / pistrinum fratrum / caminus / alueolus / repositio farinae »Hier sollen die Lebensmittel für die Brüder mit anständiger Sorgfalt bereitet werden. / Ruheräume der Knechte / Hier soll das Bier für die Brüder gebraut werden / Hier werde das Bier gereinigt / Bäckerei für die Brüder / Backofen / Backtrog / Mehlkammer.« 39.) Werkstatt des Kämmerers, Schwertschleiferei, Schusterei, Sattlerei, Schildmacherei, Gerberei, Drechslerei, Goldschmiede, Eisenschmiede und Walkerei Haec sub se teneat fratrum qui tegmina curat / domus et officina cameraii / emundatores vel politores gladiorum / sutores / sellarii / scutarii / coriarii / tornatores / aurifices / fabri ferramentorum / fullones / eorundem mansiunculae »Dieser Bereich soll dem unterstehen, der die Sorge für die Kleidung der Brüder übernommen hat. / Haus und Werkstatt des Kämmerers. / Schwertschleifer oder Schwertfeger / Schuster / Sattler / Schildmacher / Gerber / Drechsler / Goldschmiede / Eisenschmiede / Walker. Deren kleine Wohnungen.«

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

40.) Scheune und Tenne Frugibus hic instat cunctis labor excutiendis / horreum · i · repositio fructuum annalium / area in qua triturantur grana et paleae »Alle arbeiten hier am Ausdreschen der Feldfrucht. / Scheune, das heißt Aufbewahrungsort der Jahresernte / Tenne, auf der Korn und Stroh gedroschen werden.« 41.) Hühnerstall, Unterkunft des Geflügelwärters, Gänsestall PULLORUM HIC CURA ET PERPES NUTRITIO CONSTAT · / domus communis / mansio pullorum custodis / Item custodis aucarum / ANSERIBUS LOCUS HIC PARITER MANET APTUS ALENDIS · »HIER WERDEN FORTWÄHREND DIE HÜHNER VERSORGT UND GEFÜTTERT. / Gemeinsames Haus / Wohnung des Wächters über die Hühner / ebenso des Wächters über die Gänse / GLEICHERWEISE IST DIESER ORT GEEIGNET ZUR AUFZUCHT DER GÄNSE.« 42.) Unterkunft des Gärtners und Gärtnerei mansio hortolani / Ipsa domus / cubilia · famulorum / hic ferramenta seruantur et seminaria holerum · »Wohnung des Gärtners / Das Haus selbst / Schlafräume der Diener / Hier werden Werkzeuge und Gemüsesamen aufbewahrt.« 43.) Gemüsegarten Hic plantata holerum pulchre nascentia uernant / HORTUS / cepas / aleas / prros / ascolonias / apium / petrosilium / coliandrum / cerefolium / anetum / lactuca / papauer / sataregia / radices / pestinachas / magones / caulas / betas / gitto »Hier grünen die schön aufwachsenden Gemüsepflanzen. / GEMÜSEGARTEN / Zwiebel / Knoblauch / Lauch / Schalotten / Sellerie / Petersilie / Koriander / Kerbel / Dill / Kopfsalat / Mohn / Pfefferkraut / Rettiche / Pastinaken / Mohn / Kohl / Mangold / Schwarzkümmel.«

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10. Zusammenstellung der Aufschriften

44.) Obstgarten Ma uel perarius / prunarius / sorbarius / mispolarius / laurus / castenarius / ficus / gudunarius / persicus / auellenarius / amendelarius / murarius / nugarius »Apfelbaum und Birnbaum / Pflaume / Speierling / Mispel / Lorbeer / Kastanie / Feige / Quitte / Pfirsich / Haselnuss / Mandelbaum / Maulbeerbaum / Walnuss.« 45.) Friedhof Inter ligna soli haec semper sanctissima crux est / in qua perpetuae · poma salutis olent / Hanc circum iaceant defuncta cadauera fratrum / Qua radiante iterum · Regna poli accipiant · »Unter diesen Hölzern der Erde ist das heiligst immer das Kreuz, / an dem duften die Früchte des ewigen Heils. / Um es herum sollen liegen die Leiber der verstorbenen Brüder; / wenn es wieder erglänzt, mögen sie empfangen die Reiche des Himmels.«

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis

Adamnan, De locis sanctis libri tres, Ludwig Bieler (ed.), in: Corpus Christianorum, Series Latina 175 (Itineraria et Alia Geographica I), Turnholt 1965 Archipoeta, http://www.thelatinlibrary.com/archpoet.html Autenrieth, Johanne / Geunrich, Dieter / Schmid, Karl (Hgg.), Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau (Monumenta Germaniae Historica, Libri Memoriales et Necrologie. Nova Series 1), Hannover 1979 Berschin, Walter, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, in: Studien zum Klosterplan II, hrsg. von Peter Ochsenbein und Karl Schmuki (Mitteilungen zur Vaterländischen Geschichte 52, hrsg. von Historischer Verein des Kantons St. Gallen), St. Gallen 2002, 107–150 Berschin, Walter, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal (Mittellateinische Studien), Heidelberg 2005, 27–156 Berschin, Walter, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter 3, Stuttgart 1991 Berschin, Walter, Eremus und Insula. St. Gallen und die Reichenau im Mittelalter – Modell einer lateinischen Literaturlandschaft, Wiesbaden 2005

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis

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11. Quellen- & Literaturverzeichnis

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12. Verzeichnis der Illustrationen

Abb. 1: Klosterplan, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, recto Abb. 2: Martinsvita auf der Rückseite des Klosterplans, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, verso Abb. 3: Codex Amiatinus, Darstellung einer frühmittelalterlichen Bücheraufbewahrung, Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Amiat. 1, fol. 5v Abb. 4: Grafik des Klosterplans, Zusammensetzung der Pergamentteile und Gewinnung der Sonderformate 4 und 5 Abb. 5: Klosterplan St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092 recto, Detail der Nahtstelle zwischen Pergament 1, 2 und 3 Abb. 6: Klosterplan St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092 recto, Detail der Nahtstelle zwischen Pergament 2, 3 und 5 Abb. 7: Grafik des Klosterplanes mit Kennzeichnung der dunkelbraunen Bereiche in der Kirche sowie Falzlinien und Blindrillen Abb. 8: Grafik des Klosterplans mit Kennzeichnung der übermalten Blindrillen (grün), Einstichlöchern (blau) und Rasurflächen (gelb) Abb. 9: Grafik des Klosterplans mit farblicher Markierung der Leserichtungen der Aufschriften und der in alemannischen Minuskel geschriebenen Textstellen von »Reginbert« Abb. 10: Grafik des Klosterplans, Pergament 1 mit 1. Klosterkirche und Klausur der Mönche Abb. 11: Grundriss der karolingischen Klosterkirche von Reichenau Abb. 12: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit 2. Klosterkirche und Klausur der Mönche 145

12. Verzeichnis der Illustrationen

Abb. 13: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit ausgeführter Klosterkirche und Klausur der Mönche Abb. 14: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit ausgeführter Klosterkirche und Klausur der Mönche, Abthaus, Gästebereich und Handwerksbetriebe Abb. 15: Grafik des Klosterplans, Pergament 1, 2 und 3 mit ausgeführter Klosterkirche und Klausur der Mönche, Abthaus, Gästebereich und Handwerksbetrieben mit angefügten Pergamentstreifen 4 und 5 Abb. 16: Grafik des Klosterplans, fertiggestellte Zeichnung der Klosteranlage Abb. 17: Grabungsplan von der Klosterkirche in St. Gallen Abb. 18: Grafik des Klosterplans verso, Leserichtung der Martinsvita (fol. 7–11) Abb. 19: Martinsvita auf der Rückseite des Klosterplans, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, verso, Detail von fol. 14 Abb. 20: Martinsvita auf der Rückseite des Klosterplans, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, verso, fol. 1 (Incipt-Seite) Abb. 21: Martinsvita am Klosterplan, St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092, recto, links unten verkleinertes Faksimile: Cod. Sang. 1092, St. Gallen Stiftsbibliothek, recto Klosterplan; verso Martinsvita Abbildungsnachweis: Infografiken: Schedl / Claude, Wien 4, 7, 8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16: Schedl, Wien 1, 2, 5, 6, 19, 20, 21, verkleinertes Faksimile: Stiftsbibliothek St. Gallen, Schweiz 3: Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana 18: Horn / Born 1979 11, 17: Institut für Kunstgeschichte Universität Wien

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KATJA SCHRÖCK, BRUNO KLEIN, STEFAN BÜRGER (HG.)

KIRCHE ALS BAUSTELLE GROSSE SAKRALBAUTEN DES MITTELALTERS

Wer sich heute große mittelalterliche Kirchen in den alten Städten Europas anschaut, sieht zumeist nur das künstlerische Resultat, ohne die schwierige Entstehungsgeschichte dieser Monumente zu bedenken. Die Bauherren lösten mit ihrem Bauauftrag stets Prozesse aus, die sie in vielerlei Hinsicht nicht überblicken konnten: Weder ließ sich die zeitliche Dauer abschätzen noch die endgültige künstlerische Gestalt. Vor allem aber vermochten sie die potenzielle soziale Dynamik eines solchen Projektes nicht zu kalkulieren, da solche großen Bauvorhaben das Engagement zahlreicher Personen und Gruppen erforderten. Dabei konnte jeder Stifter und Förderer versuchen, seine soziale Stellung und politische Position zu stabilisieren oder zu verändern. Dass diese Aktivitäten als Teil der baukünstlerischen Qualität zu verstehen sind, wird im vorliegenden Band systematisch und anhand zahlreicher Einzelfälle dargestellt. 2013. 428 S. 134 S/W-ABB. GB. 178 X 260 MM | ISBN 978-3-412-20976-6

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BARBARA SCHEDL

DIE KUNST DER GOTIK EINE EINFÜHRUNG (UTB 8525 L)

Von 1150 bis Anfang des 16. Jahrhunderts etablierte sich ein neues kulturelles Zeitalter – die „Gotik“. Extreme Umweltbedingungen, technische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Errungenschaften beeinflussten Denkweise, Kommunikation und Handlungsprozesse der damaligen Menschen. Beachtliche Leistungen in der Baukunst und neue Darstellungsweisen in den Bildkünsten ließen gigantische Kathedralen, repräsentative Malereien, kostbare Bücher und fi ligrane Schatzwerke entstehen, die bis heute beeindrucken. In übersichtlicher Form werden gesellschaftspolitische Zusammenhänge dargestellt und aus heutiger Perspektive jene Kunstzentren aufgezeigt, in denen Spitzenleistungen geschaffen wurden. Andererseits wird nach dem Blickwinkel jener Personen gefragt, für die Kunstwerke angefertigt wurden bzw. von denen sie gemacht wurden. Dieser Titel liegt auch für eReader, Tablet und Kindle vor. 2013. 176 S. 39 S/W-ABB. BR. 170 X 240 MM. € 18,99 [D] | € 19,60 [A] | ISBN 978-3-8252-8525-8

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