Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile?: Zur Dogmatik des Schadensersatzrechts 3161474384, 9783161578793, 9783161474385

Hat der Geschädigte bei Beschädigung einer Sache über die Reparaturkosten hinaus einen Anspruch, weil er die Sache über

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil Einleitung und Problemanalyse
§ 1 Einleitung
§ 2 Analyse der Problematik
A. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Erstattung der Kosten für die Anmietung einer solchen
I. Grundlage des Ersatzanspruchs
II. Der zu ersetzende Schaden
1. Beschränkung der Ersatzpflicht auf wirtschaftliche Einbußen
2. Erforderlichkeit der Ersatzanmietung
3. Verhältnismäßigkeit der Mietkosten für eine Ersatzsache nach § 251 II BGB
4. Beschränkung des Ersatzes der Mietkosten nach § 254 II BGB
III. Zusammenfassung
B. Anspruch auf Nutzungsentschädigung
I. Ausgangspunkt des Problems
II. Ablehnung eines Geldersatzes
III. Begründungsansätze für einen Nutzungsersatz
1. Überwindung des Schadensdualismus
a) „Sparsamkeitsprämie“
b) Teleologische Reduktion des § 253 BGB
c) Die Bedarfstheorie Zeuners und § 249 S. 2 BGB
d) Entschädigung auf der Grundlage eines weiten Naturalherstellungsverständnisses
2. Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als Vermögensschaden
a) Die Lehre vom objektiven Schaden
b) Kommerzialisierungstheorie
c) Lizenzierungsgedanke
d) Subjektiv – funktionales Vermögensschadensverständnis
e) Frustrationstheorie
f) Ökonomische Analyse des Rechts
g) Beschränkung der Schadensersatzpflicht durch die Fühlbarkeit
IV. Rechtsprechung
1. Frühe Entscheidungen zum Nutzungsentgang
2. Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei Kraftfahrzeugen
3. Nutzungsersatz bei anderen Gegenständen
a) Tendenzen vor der Entscheidung des Großen Zivilsenats
b) Vorlagebeschluß und Entscheidung des Großen Zivilsenats
V. Ergebnis der Analyse und Fragestellung
Zweiter Teil Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechte und Nutzungen, ihre rechtliche Einordnung und Qualifizierung
§ 3 Eigentum, Nutzungsrechte und Nutzungen
A. Eigentum und Nutzungsbefugnis
I. Negative Befugnisse, Ausschließungsrechte
1. Ausschließungsbefugnis
2. Ausschließungsbefugnis und Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit
II. Positive Befugnisse, Einwirkungsrechte
III. Zusammenfassung
B. Nutzungsrechte
I. Verhältnis Eigentum/Nutzungsrecht
II. Inhalt der Nutzungsberechtigung
III. Vorenthaltung eines vertraglich eingeräumten Gebrauchsrechts
IV. Fazit
C. Nutzungen
I. Früchte
1. Unmittelbare Sachfrüchte
2. Unmittelbare Rechtsfrüchte
3. Mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte
4. Analyse des Fruchtbegriffs
II. Gebrauchsvorteile
1. Charakterisierung
2. Brutto- oder Nettobestimmung der Nutzungen
3. Rechtliche Einordnung gezogener Nutzungen vor dem Hintergrund ihrer vermögensrechtlichen Bedeutung
4. Faktoren zur Wertbestimmung von Gebrauchsvorteilen
a) Alters-/Nutzungsabschreibung
b) Mit der Vorteilsziehung verbundene Unkosten
c) Gewinn, „Nettogebrauchsvorteile“
5. Berechnung der Nutzungsvorteile in der Rechtsprechung
a) Nutzungsentgelte als Maßstab für die Bewertung gezogener Nutzungen
b) Berechnung der Gebrauchsvorteile auf der Grundlage der linearen Teilwertabschreibung
6. Nutzungen und Gewinn
III. Fazit
§ 4 Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechte, Nutzungen und ihre Rückabwicklung
A. Die Rückabwicklungsregeln der §§ 346, 347 BGB
I. § 346 BGB
II. § 347 BGB
III. Die Rückabwicklung im Rahmen der Konsumentenschutzgesetze – Abzahlungsgesetz, Verbraucherkreditgesetz und Haustürwiderrufsgesetz –
1. Abzahlungsgesetz
2. Verbraucherkreditgesetz
3. Rückabwicklung beim Widerruf
IV. Fazit
B. Bereicherungsrecht
I. Erlangtes Etwas
1. Historischer Hintergrund
2. Die Problematik der vermögensbezogenen Bestimmung des erlangten Etwas
II. Erlangtes Etwas bei der Rückabwicklung von Verträgen über Sachen
1. Eigentums-/Sachübertragung
2. Gebrauchsüberlassung
III. Erlangtes Etwas bei Geldleistungen
1. Leistung von Geld ohne Rückerstattungsmaßgabe
2. Leistung von Darlehen
3. Fazit
IV. Eingriffskondiktion
1. Grundsätzliches
2. Bestimmung des erlangten Etwas bei Anmaßung einer Nutzungsberechtigung
V. Exkurs: Wertersatz und Wegfall der Bereicherung
C. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
I. Grundlage und Intention der Eigentümer-Besitzer-Regeln
II. Der redliche Besitzer
1. Redlicher entgeltlicher Erwerb von einem Dritten
2. Redlicher unentgeltlicher Erwerb
3. Redlicher Erwerb und Leistungskondiktion
III. Der verklagte Besitzer
1. Prozeßbesitz
2. Herausgabe der Nutzungen gemäß § 987 I BGB
3. Erstattung schuldhaft nicht gezogener Nutzungen gemäß § 987 II BGB
4. Fremdbesitz
IV. Der unredliche Besitzer
V. Fazit
D. Fazit zu Rücktritt, Bereicherungsrecht, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
§ 5 Eigentums- und Immaterialgüterrechtsverletzungen
A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit einer Sache durch § 823 I BGB
I. Die Behandlung „reiner“ Nutzungsbeeinträchtigungen in der Rechtsprechung
II. Lösungsansätze in der Literatur
III. Analyse der Problematik
1. Negative oder positive Eigentumsbefugnis als Ausgangspunkt des Eigentumsschutzes
2. Erstreckung der Abwehrbefugnis auf wesentliche Eigenschaften der Sache
B. Schadensersatz wegen Anmaßung von Immaterialgüterrechten, insbesondere von gewerblichen Schutzrechten
I. Grundsätzliches
II. Berechnung auf Lizenzbasis
§ 6 Fazit zum zweiten Teil
Dritter Teil Verlust der Nutzungsmöglichkeit oder Entgang von Gebrauchsvorteilen als schadensersatzrechtlich relevanter Verlust?
§ 7 Der Schaden
A. Unterschiedliche Verwendung des Begriffs Schaden
I. Schaden als konkreter realer Nachteil
II. Schaden als der zu leistende Ersatz, rechnerischer Schaden
III. Schaden als Gesamtschaden
B. Schaden als konkreter realer Nachteil
I. Natürliche oder faktisch/normative Schadensbestimmung
II. Schaden als Güterbeeinträchtigung und entgangener Gewinn
§ 8 Der vom Schadensbegriff im engeren Sinne erfaßte Güterbestand
A. Historischer Hintergrund
I. Naturrechtskodifikationen
II. Gemeines Recht
B. Der geschützte Grundbestand und § 823 I BGB
I. § 823 I BGB
II. Relative Rechte
III. Nutzungsmöglichkeit als geschütztes Gut?
C. Erweiterung des geschützten Gütergrundbestandes
§ 9 Der Schaden im weiteren Sinne, lucrum cessans
A. Der Schutz von Zukunftserwartungen durch das Anspruchssystem des BGB
I. Deliktische Haftung
II. Vertragliche Haftung
B. Geschützte Zukunftserwartungen und entgangener Gewinn
I. Problemstellung
1. Vermögensorientierte Bestimmung
2. Geschützte Zukunftsinteressen
II. Fallkonstellationen des entgangenen Gewinns
1. Von einem Tätigwerden des Geschädigten unabhängige Vorteilserlangung, das Erfüllungsinteresse
2. Abhängigkeit der Vorteilserlangung von einer Handlung des Geschädigten
a) Eigentumsbefugnisse und ihre Ausübung
aa) Entgangener Veräußerungsgewinn
bb) Entgangener Mietzins
cc) Entgang von Früchten und Produktionsgewinnen
b) Arbeitskraft und ihr Einsatz
aa) Abhängige Arbeit
bb) Selbständige Arbeit
cc) Arbeitsleistungen im eigenen Haushalt
III. Schaden im weiteren Sinne und Entgang von Gebrauchsvorteilen
§ 10 Schaden als Verlust von Gebrauchsvorteilen
A. Schaden als Entgang von Gebrauchsvorteilen und die Beschränkung der Ersatzpflicht auf „fühlbare“ und „objektbezogene“ Eingriffe
I. Das Kriterium der Fühlbarkeit
1. Der Fühlbarkeitsgedanke
2. Fehlen der Fühlbarkeit aufgrund des schädigenden Ereignisses
II. Beschränkung auf objektbezogene Eingriffe
B. Beschränkung der Ersatzpflicht durch § 254 II BGB
C. Beweismaß und Darlegungspflicht bei Geltendmachung entgangener Gebrauchsvorteile
I. § 252 S. 2 BGB
II. § 287 ZPO
§ 11 Zusammenfassung zum dritten Teil
Vierter Teil Mietkostenersatz und Nutzungsentschädigung
§ 12 Anspruch des Geschädigten auf eine entsprechende Ersatzsache bzw. auf Ersatz der Kosten für die vorübergehende Anmietung einer Ersatzsache
A. Naturalrestitution
I. Der geschichtliche Hintergrund der Regelung des § 249 BGB
1. Vom römischen Recht bis zum gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts
2. Die Entstehungsgeschichte der §§ 249ff BGB
II. Der Naturalherstellungsanspruch des § 249 S. 1 BGB
1. Integritätsschutz
2. Integritätsschutz und zukünftige Gewinnerwartungen
III. Der Ersatzanspruch nach § 249 S. 2 BGB
1. Ersatz der vom Geschädigten tatsächlich aufgewandten Schadensbeseitigungskosten
2. Der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag als Geldersatz
IV. Fazit
V. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Ersatz entsprechender Mietkosten und § 249 BGB
B. Kostenersatz für die Anmietung einer Ersatzsache unter dem Gesichtspunkt der Schadensabwendung
I. Problemstellung
II. Schadensabwehr vor dem Hintergrund des durch das schädigende Ereignis begründeten Rechtsverhältnisses
III. Die Berechtigung des Geschädigten zu schadensabwendenden Maßnahmen
1. Drohender Schaden
2. Berechtigung zur Schadensabwehr
3. Verhältnismäßigkeit
4. Erforderlichkeit der schadensabwendenden Maßnahmen
5. Anspruch des Geschädigten auf Stellung einer Ersatzsache
C. Exkurs: Schadensabwendung durch den Geschädigten unter Verwendung eigener Mittel
I. Schadensabwendung durch den Geschädigten selbst
II. Ersatz der Vorsorgekosten bei der Benutzung von Reservegegenständen
§ 13 Entgang von Gebrauchsvorteilen und Nutzungsentschädigung
A. Der Vermögensschadensbegriff und sein entwicklungsgeschichtlicher Hintergrund
I. Der Vermögensbegriff
II. Rückwirkungen des Vermögensbegriffs auf das Obligationsverständnis
III. Rückwirkungen auf den Schadensbegriff, der Vermögensschaden
1. Ende des 18., zu Beginn des 19. Jahrhunderts
2. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert
B. Vermögensschaden und konkreter realer Schaden
I. Verlust oder Entgang einer vermögenswerten Position als Vermögensschaden
II. Entgangene Gebrauchsvorteile als Vermögensschaden
C. Vermögensschaden und Differenztheorie
I. Problemstellung
II. Differenztheorie Mommsens
D. Unterschiede zwischen der Bestimmung des Vermögensschadens auf der Grundlage des konkreten realen Schadens und der Differenztheorie
I. Einzelschadensbestimmung kontra Gesamtvermögensvergleich
II. Einbeziehung der Schadensbeseitigungs- bzw. Schadensabwendungskosten
III. Vermögensschaden und dauerhafte negative Vermögensauswirkung
E. Beispiele für die grundlegende Problematik der Differenztheorie
I. Theaterkartenfälle
II. Patentfälle
III. Hypothetische Schadensursachen
1. Schäden im engeren Sinne
a) „Objektschäden“
b) „Objektschäden“ und Schadensanlage
2. Schäden im weiteren Sinne
a) Zukünftige hypothetische Leistungsfähigkeit
b) Persönliche Schadensanlage des Geschädigten
3. Beweislast
4. Zusammenfassung
IV. Obligatorische Gefahrverlagerung
V. Vorteilsausgleichung
1. Der Gedanke der Vorteilsausgleichung
2. Vorteilsausgleichung bei einem Rechtsgutsverlust, Schaden im engeren Sinne
a) Leistungen Dritter
b) Abzug „Neu für Alt“
3. Schäden im weiteren Sinne
a) Berücksichtigung ersparter Aufwendungen
b) Schadensabwendendes oder schadensminderndes Verhalten des Geschädigten
c) Leistungen Dritter
d) Tod eines Unterhaltspflichtigen
4. Zusammenfassung
F. Kritik der Differenztheorie
G. Bemessung der Nutzungsentschädigung
I. Problematik
II. Anhaltspunkte und Kriterien zur Schätzung entgangener Gebrauchsvorteile
1. Gewerbliche Nutzung
2. Private Nutzung
a) Mietwert
b) Bereinigter Mietwert
c) Vorhaltekosten als Schätzungsgrundlage
d) Zeitersparnis als Kriterium der Schadensberechnung
3. Berechnung der Nutzungsentschädigung im vertraglichen Bereich
H. Fazit
§ 14 Zusammenfassung zum vierten Teil
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile?: Zur Dogmatik des Schadensersatzrechts
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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 48

Susanne Würthwein

Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile? Zur Dogmatik des Schadensersatzrechts

Mohr Siebeck

Susanne Würthwein, geboren 1959; 1978-84 Studium der Rechtswissenschaften in Marburg; 1989 Promotion; 1990 zweite juristische Staatsprüfung; 1991-97 wiss. Assistentin; 1998 Habilitation; seit 1998 Privatdozentin an der Universität Marburg; seit 2000 Richterin.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Deutsche

Bibliothek

Würthwein,

Susanne:

-

CIP-Einheitsaufnahme

Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile? : Zur Dogmatik des Schadensersatzrechts / Susanne Würthwein. - 1. Aufl. - Tübingen : Mohr Siebeck, 2001 (Jus privatum ; Bd. 48) ISBN 3-16-147438-4

978-3-16-157879-3 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 2001 J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Garamond-Antiqua belichtet, von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Dem Andenken meiner lieben Eltern und meinen Brüdern Ernst-Ulrich und Martin in herzlicher Dankbarkeit

Vorwort Die grundlegende Problematik unseres Schadensersatzrechts zeigt sich in besonderer Schärfe bei der Frage nach einer Schadensersatzpflicht wegen entgangener Nutzungen. Ich habe diese deshalb zum Ausgangspunkt genommen, um einerseits die Bedeutung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache in unserer Rechtsordnung und andererseits unser Schadensersatzrecht insgesamt einer kritischen Analyse zu unterziehen. Mein Ziel war es dabei, die grundlegenden, zum Teil verdeckten Wertungsentscheidungen unseres Schadensersatzsystems herauszuarbeiten, um so die Basis für sach- und systemgerechte Lösungen zu legen. D i e Abhandlung wurde im Wintersemester 1997/1998 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Habilitationsschrift angenommen. Sie wurde zur Drucklegung aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. dres. h.c. Hans Georg Leser, danke ich sehr herzlich für seine vielfältige, stets freundlich gewährte F ö r d e rung und Unterstützung bei der Entstehung der Arbeit. Seine darüber weit hinausreichende Betreuung und sein Verständnis waren mir sehr wertvoll. Mein D a n k gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. Herbert Leßmann und Herrn Prof. Dr. Erich Schanze für ihre anregenden Hinweise und für die Erstellung der Gutachten. Herzlicher D a n k gebührt auch den Mitarbeitern des Juristischen Seminars des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg, die mich bei der Literaturbeschaffung stets freundlich unterstützt haben. D e r deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die großzügige U n terstützung bei der Drucklegung, dem Verlag M o h r Siebeck für die Aufnahme in die Reihe Jus Privatum. Mein ganz besonders tiefer D a n k gilt denjenigen, denen diese Abhandlung gewidmet ist. Ich gedenke an dieser Stelle vor allem meines Vaters, der während der Entstehung der Studie meiner lieben Mutter nachgefolgt ist. Von Herzen D a n k sagen möchte ich auch meinen beiden Brüdern, Prof. Dr. rer.

nat. Ernst-Ulrich Würthwein und Dr. jur. Martin Würthwein, die mir treu zur Seite standen und mich, jeder auf seine Weise, unterstützt haben. In meinen D a n k schließe ich ihre Familien, meine Freunde und Verwandten ein. H e r b s t 2000

Susanne

Würthwein

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Einleitung und Problemanalyse $ 1 Einleitung §2

Analyse der Problematik

1 10

A. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Erstattung der Kosten für die Anmietung einer solchen I. Grundlage des Ersatzanspruchs II. Der zu ersetzende Schaden 1. Beschränkung der Ersatzpflicht auf wirtschaftliche Einbußen 2. Erforderlichkeit der Ersatzanmietung 3. Verhältnismäßigkeit der Mietkosten für eine Ersatzsache nach § 251 II BGB 4. Beschränkung des Ersatzes der Mietkosten nach § 254 II BGB III. Zusammenfassung B. Anspruch auf Nutzungsentschädigung

10 10 14 15 16 20 22 23 24

I. Ausgangspunkt des Problems

24

II. Ablehnung eines Geldersatzes

26

III. Begründungsansätze für einen Nutzungsersatz 1. Uberwindung des Schadensdualismus a) „Sparsamkeitsprämie" b) Teleologische Reduktion des § 253 BGB c) Die Bedarfstheorie Zeuners und § 249 S. 2 BGB d) Entschädigung auf der Grundlage eines weiten Naturalherstellungsverständnisses 2. Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als Vermögensschaden

30 30 30 31 32 36 37

X

Inhaltsverzeichnis

a) b) c) d) e) f) g)

D i e Lehre vom objektiven Schaden Kommerzialisierungstheorie Lizenzierungsgedanke Subjektiv - funktionales Vermögensschadensverständnis Frustrationstheorie Ö k o n o m i s c h e Analyse des Rechts Beschränkung der Schadensersatzpflicht durch die Fühlbarkeit

IV. Rechtsprechung 1. Frühe Entscheidungen zum Nutzungsentgang 2. Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei Kraftfahrzeugen . . . . 3. Nutzungsersatz bei anderen Gegenständen a) Tendenzen vor der Entscheidung des G r o ß e n Zivilsenats . b) Vorlagebeschluß und Entscheidung des G r o ß e n Zivilsenats V. Ergebnis der Analyse und Fragestellung Zweiter Teil

Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechte und Nutzungen, ihre rechtliche Einordnung und Qualifizierung $ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und Nutzungen

A. Eigentum und Nutzungsbefugnis I. Negative Befugnisse, Ausschließungsrechte 1. Ausschließungsbefugnis 2. Ausschließungsbefugnis und Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit II. Positive Befugnisse, Einwirkungsrechte III. Zusammenfassung B. Nutzungsrechte I. Verhältnis Eigentum/Nutzungsrecht II. Inhalt der Nutzungsberechtigung III. Vorenthaltung eines vertraglich eingeräumten Gebrauchsrechts IV. Fazit C . Nutzungen I. Früchte 1. Unmittelbare Sachfrüchte 2. Unmittelbare Rechtsfrüchte

Inhaltsverzeichnis

XI

3. Mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte 4. Analyse des Fruchtbegriffs

100 101

II. Gebrauchsvorteile 1. Charakterisierung 2. Brutto- oder Nettobestimmung der Nutzungen 3. Rechtliche Einordnung gezogener Nutzungen vor dem Hintergrund ihrer vermögensrechtlichen Bedeutung 4. Faktoren zur Wertbestimmung von Gebrauchsvorteilen . . . a) Alters-/Nutzungsabschreibung b) Mit der Vorteilsziehung verbundene Unkosten c) Gewinn, „Nettogebrauchsvorteile" 5. Berechnung der Nutzungsvorteile in der Rechtsprechung . . a) Nutzungsentgelte als Maßstab für die Bewertung gezogener Nutzungen b) Berechnung der Gebrauchsvorteile auf der Grundlage der linearen Teilwertabschreibung 6. Nutzungen und Gewinn III. Fazit

§ 4 Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechte, Nutzungen und ihre Rückabwicklung A. Die Rückabwicklungsregeln der §§ 346, 347 BGB

102 102 107

108 110 110 111 113 116 116 118 121 122

123 123

I. § 346 BGB

125

II. § 347 BGB

126

III. Die Rückabwicklung im Rahmen der Konsumentenschutzgesetze - Abzahlungsgesetz, Verbraucherkreditgesetz und Haustürwiderrufsgesetz 1. Abzahlungsgesetz 2. Verbraucherkreditgesetz 3. Rückabwicklung beim Widerruf

130 130 133 135

IV. Fazit

136

B. Bereicherungsrecht I. Erlangtes Etwas 1. Historischer Hintergrund 2. Die Problematik der vermögensbezogenen Bestimmung des erlangten Etwas II. Erlangtes Etwas bei der Rückabwicklung von Verträgen über Sachen 1. Eigentums-/Sachübertragung 2. Gebrauchsüberlassung

137 138 141 144 150 150 152

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Erlangtes Etwas bei Geldleistungen 1. Leistung von Geld ohne Rückerstattungsmaßgabe 2. Leistung von Darlehen 3. Fazit

159 159 163 166

IV. Eingriffskondiktion 1. Grundsätzliches 2. Bestimmung des erlangten Etwas bei Anmaßung einer Nutzungsberechtigung

166 166 170

V. Exkurs: Wertersatz und Wegfall der Bereicherung

173

C. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

178

I. Grundlage und Intention der Eigentümer-Besitzer-Regeln . . . . II. Der redliche 1. Redlicher 2. Redlicher 3. Redlicher

179

Besitzer entgeltlicher Erwerb von einem Dritten unentgeltlicher Erwerb Erwerb und Leistungskondiktion

181 181 183 184

III. Der verklagte Besitzer 1. Prozeßbesitz 2. Herausgabe der Nutzungen gemäß § 987 I BGB 3. Erstattung schuldhaft nicht gezogener Nutzungen gemäß § 987 II BGB

185 185 187 188

4. Fremdbesitz

190

IV. Der unredliche Besitzer

191

V. Fazit

192

D. Fazit zu Rücktritt, Bereicherungsrecht, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

193

§ 5 Eigentums-

und Immaterialgüterrechtsverletzungen

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit einer Sache durch § 823 I BGB I. Die Behandlung „reiner" Nutzungsbeeinträchtigungen in der Rechtsprechung II. Lösungsansätze in der Literatur III. Analyse der Problematik 1. Negative oder positive Eigentumsbefugnis als Ausgangspunkt des Eigentumsschutzes 2. Erstreckung der Abwehrbefugnis auf wesentliche Eigenschaften der Sache

...

194 194 196 200 202 202 204

Inhaltsverzeichnis

XIII

B. Schadensersatz wegen Anmaßung von Immaterialgüterrechten, insbesondere von gewerblichen Schutzrechten I. Grundsätzliches

210 210

II. Berechnung auf Lizenzbasis

213

§ 6 Fazit zum zweiten Teil

219 Dritter Teil

Verlust der Nutzungsmöglichkeit oder Entgang von Gebrauchsvorteilen als schadensersatzrechtlich relevanter Verlust? j 7 Der Schaden

224

A. Unterschiedliche Verwendung des Begriffs Schaden

225

I. Schaden als konkreter realer Nachteil II. Schaden als der zu leistende Ersatz, rechnerischer Schaden

226 . . .

III. Schaden als Gesamtschaden B. Schaden als konkreter realer Nachteil

227 228 232

I. Natürliche oder faktisch/normative Schadensbestimmung . . . .

233

II. Schaden als Güterbeeinträchtigung und entgangener Gewinn . .

235

§ 8 Der vom Schadensbegriff im engeren Sinne erfaßte Güterbestand A. Historischer Hintergrund I. Naturrechtskodifikationen

242 243 243

II. Gemeines Recht

246

B. Der geschützte Grundbestand und § 823 I BGB

247

I. § 823 I BGB II. Relative Rechte III. Nutzungsmöglichkeit als geschütztes Gut? C. Erweiterung des geschützten Gütergrundbestandes

§ 9 Der Schaden im weiteren Sinne, lucrum cessans

247 250 251 252

257

A. Der Schutz von Zukunftserwartungen durch das Anspruchssystem des BGB

257

I. Deliktische H a f t u n g

258

II. Vertragliche H a f t u n g

260

XIV

Inhaltsverzeichnis

B. Geschützte Zukunftserwartungen und entgangener Gewinn . . . I. Problemstellung 1. Vermögensorientierte Bestimmung 2. Geschützte Zukunftsinteressen II. Fallkonstellationen des entgangenen Gewinns 1. V o n einem Tätigwerden des Geschädigten unabhängige Vorteilserlangung, das Erfüllungsinteresse 2. Abhängigkeit der Vorteilserlangung von einer Handlung des Geschädigten a) Eigentumsbefugnisse und ihre Ausübung aa) Entgangener Veräußerungsgewinn b b ) Entgangener Mietzins cc) Entgang von Früchten und Produktionsgewinnen . . . b) Arbeitskraft und ihr Einsatz aa) Abhängige Arbeit b b ) Selbständige Arbeit cc) Arbeitsleistungen im eigenen Haushalt III. Schaden im weiteren Sinne und Entgang von Gebrauchsvorteilen

$ 10Schaden als Verlust von Gebrauchsvorteilen A. Schaden als Entgang von Gebrauchsvorteilen und die Beschränkung der Ersatzpflicht auf „fühlbare" und „ o b j e k t b e z o g e n e " Eingriffe I. Das Kriterium der Fühlbarkeit 1. D e r Fühlbarkeitsgedanke 2. Fehlen der Fühlbarkeit aufgrund des schädigenden Ereignisses

262 262 263 264 267 267 273 274 274 278 280 282 282 286 288 288

292

292 292 293 295

II. Beschränkung auf objektbezogene Eingriffe

297

B. Beschränkung der Ersatzpflicht durch § 254 II B G B

302

C . Beweismaß und Darlegungspflicht bei Geltendmachung entgangener Gebrauchsvorteile

306

I. § 252 S. 2 B G B

308

II. § 287 Z P O

§ 11 Zusammenfassung

310

zum dritten Teil

316

XV

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Mietkostenersatz und Nutzungsentschädigung § 12 Anspruch des Geschädigten auf eine entsprechende Ersatzsache bzw. auf Ersatz der Kosten für die vorübergehende Anmietung einer Ersatzsache

319

A.Naturalrestitution

319

I. Der geschichtliche Hintergrund der Regelung des § 249 B G B 1. Vom römischen Recht bis zum gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts 2. Die Entstehungsgeschichte der §§ 249ff B G B II. Der Naturalherstellungsanspruch des § 249 S. 1 B G B 1. Integritätsschutz 2. Integritätsschutz und zukünftige Gewinnerwartungen

.

. . . .

321 321 324 329 330 334

III. Der Ersatzanspruch nach § 249 S. 2 B G B 1. Ersatz der vom Geschädigten tatsächlich aufgewandten Schadensbeseitigungskosten 2. Der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag als Geldersatz

336

IV. Fazit

344

336 339

V. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Ersatz entsprechender Mietkosten und § 249 B G B

345

B. Kostenersatz für die Anmietung einer Ersatzsache unter dem Gesichtspunkt der Schadensabwendung

347

I. Problemstellung II. Schadensabwehr vor dem Hintergrund des durch das schädigende Ereignis begründeten Rechtsverhältnisses

347 . . .

349

III. Die Berechtigung des Geschädigten zu schadensabwendenden Maßnahmen 1. Drohender Schaden 2. Berechtigung zur Schadensabwehr 3. Verhältnismäßigkeit 4. Erforderlichkeit der schadensabwendenden Maßnahmen . . . 5. Anspruch des Geschädigten auf Stellung einer Ersatzsache . .

352 352 353 355 357 358

C. Exkurs: Schadensabwendung durch den Geschädigten unter Verwendung eigener Mittel I. Schadensabwendung durch den Geschädigten selbst

360 360

XVI

Inhaltsverzeichnis

II. Ersatz der Vorsorgekosten bei der Benutzung von Reservegegenständen

$ 13 Entgang von Gebrauchsvorteilen und Nutzungsentschädigung

363

368

A. Der Vermögensschadensbegriff und sein entwicklungsgeschichtlicher Hintergrund I. Der Vermögensbegriff II. Rückwirkungen des Vermögensbegriffs auf das Obligationsverständnis III. Rückwirkungen auf den Schadensbegriff, der Vermögensschaden 1. Ende des 18., zu Beginn des 19. Jahrhunderts 2. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert B. Vermögensschaden und konkreter realer Schaden I. Verlust oder Entgang einer Vermögenswerten Position als Vermögensschaden

368 368 373 375 375 377 381 382

II. Entgangene Gebrauchsvorteile als Vermögensschaden

384

C. Vermögensschaden und Differenztheorie

389

I. Problemstellung

389

II. Differenztheorie Mommsens

392

D. Unterschiede zwischen der Bestimmung des Vermögensschadens auf der Grundlage des konkreten realen Schadens und der Differenztheorie

397

I. Einzelschadensbestimmung kontra Gesamtvermögensvergleich II. Einbeziehung der Schadensbeseitigungsbzw. Schadensabwendungskosten III. Vermögensschaden und dauerhafte negative Vermögensauswirkung

. 397 398 399

E. Beispiele für die grundlegende Problematik der Differenztheorie I. Theaterkartenfälle II. Patentfälle III. Hypothetische Schadensursachen 1. Schäden im engeren Sinne a) „Objektschäden" b) „Objektschäden" und Schadensanlage

401 401 404 405 406 406 411

XVII

Inhaltsverzeichnis

2. Schäden im weiteren Sinne a) Zukünftige hypothetische Leistungsfähigkeit b) Persönliche Schadensanlage des Geschädigten 3. Beweislast 4. Zusammenfassung

412 414 417 418 418

IV. Obligatorische Gefahrverlagerung

419

V. Vorteilsausgleichung 1. Der Gedanke der Vorteilsausgleichung 2. Vorteilsausgleichung bei einem Rechtsgutsverlust, Schaden im engeren Sinne a) Leistungen Dritter b) Abzug „Neu für Alt" 3. Schäden im weiteren Sinne a) Berücksichtigung ersparter Aufwendungen b) Schadensabwendendes oder schadensminderndes Verhalten des Geschädigten c) Leistungen Dritter d) Tod eines Unterhaltspflichtigen 4. Zusammenfassung

426 426

F. Kritik der Differenztheorie

438

G. Bemessung der Nutzungsentschädigung

444

430 432 433 434 434 435 436 437 438

I. Problematik II. Anhaltspunkte und Kriterien zur Schätzung entgangener Gebrauchsvorteile 1. Gewerbliche N u t z u n g 2. Private N u t z u n g a) Mietwert b) Bereinigter Mietwert c) Vorhaltekosten als Schätzungsgrundlage d) Zeitersparnis als Kriterium der Schadensberechnung 3. Berechnung der Nutzungsentschädigung im vertraglichen Bereich H . Fazit

444

. . .

449 449 450 450 453 455 458 459 461

§ 142.usammenfassung zum vierten Teil

463

Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

466 491

Erster Teil

Einleitung und Problemanalyse § 1 Einleitung Zu den grundlegenden, viel diskutierten und ungelösten Problemen des Schadensersatzrechts gehört die Frage nach einem Ersatzanspruch des Geschädigten bei zeitweiligem Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache.1 Wird eine Sache beschädigt, so besteht der (Objekt-, Rechtsguts-, Verletzungs-) Schaden des Sacheigentümers zunächst in der Beeinträchtigung seines Eigentums. 2 Dieser Sachschaden ist nach § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution zu beseitigen oder aber, sofern dies nicht möglich ist und es sich um einen Vermögensschaden handelt, 3 Schadensersatz in Geld gemäß §§251 I, 253 BGB zu leisten. Ein solcher Sachschaden zieht jedoch regelmäßig darüber hinaus weitere negative Folgen nach sich, die ihre Ursache darin haben, daß dem Geschädigten zeitweise die Nutzungsmöglichkeit der Sache entzogen wird, er also nicht mehr nach Belieben auf sie zugreifen und sie nutzen kann, wodurch er regelmäßig in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigt wird. Soweit der Geschädigte die Sache gewerblich eingesetzt und mit ihr einen Gewinn erzielt hätte, ist ihm gemäß § 252 BGB der entgangene Gewinn zu ersetzen. Dieser „Gewinnerwerb", entsprechendes gilt gemäß §§ 842, 843 BGB auch für Erwerb und Fortkommen bei Beeinträchtigung der Arbeitskraft, 4 genießt insoweit besonderen schadensersatzrechtlichen Schutz und die negativen Auswirkungen des Eingriffs in die Sache bzw. in die körperliche Unversehrtheit sind zu kompensieren. Die negativen Auswirkungen können aber nicht nur in der Verhinderung „gewerbsmäßiger Gewinnerzielung" bestehen, sondern sie können auch 1 Vgl. Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 33; Ströfer, S. 21; Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613; leuner, JZ 1986, 395; Flessner, JZ 1987, 271; Graf, S. 25. 2 Vgl. dazu Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 3; Lange, Schadensersatz, § 2 III; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 870; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 I 2; zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden differenzierend Medicus, Unmittelbarer und mittelbarer Schaden, S. 23 f; ders., Bürgerliches Recht, Rn 835, 850. 3 Eine Sachbeschädigung hat regelmäßig einen Wertverlust der Sache zur Folge, so daß ein Vermögensschaden gegeben ist. 4 § 843 BGB schützt daneben auch die Befriedigung eigener Bedürfnisse wie die Versorgung des eigenen Haushalts, BGH NJW 1989, 2539; vgl. Würthwein, JZ 2000, 337, 343.

§ 1 Einleitung

2

darin liegen, daß der G e s c h ä d i g t e auf die beschädigte Sache nicht m e h r zur Eigenbedarfsbefriedigung zurückgreifen kann, er nicht m e h r mit seinem K r a f t f a h r z e u g fahren, im eigenen H a u s w o h n e n oder mit seiner Y a c h t segeln kann. E n t s p r e c h e n d e s gilt, w e n n der G e s c h ä d i g t e aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung seinen H a u s h a l t nicht m e h r führen kann. 5 In allen diesen Fällen erhebt sich die grundlegende, bisher einer sach- und wertungsgerechten wie auch systematisch und d o g m a t i s c h überzeugenden L ö s u n g harrende Frage, o b und inwieweit das Interesse des Geschädigten, ü b e r sein E i g e n t u m wie auch seine eigene P e r s o n frei disponieren zu k ö n n e n , S c h u t z genießt und o b i h m ein Schadensersatzanspruch in G e l d zuzugestehen ist. Sie wird deshalb ausgehend v o n den besonders k o n t r o v e r s diskutierten Fällen des zeitweiligen Verlustes der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer Sache z u m A n l a ß g e n o m m e n , u m einerseits grundsätzlich zu untersuchen, welche B e d e u t u n g unsere R e c h t s o r d n u n g der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer Sache bzw. der Z i e hung k o n k r e t e r N u t z u n g e n aus ihr b e i m i ß t , und andererseits das v o m Vermögensschadensbegriff d o m i n i e r t e Schadensersatzrecht zu ü b e r d e n k e n . K a n n der Geschädigte eine Sache aufgrund einer Beschädigung v o r ü b e r g e hend nicht n u t z e n und mietet er deshalb eine E r s a t z s a c h e an, so besteht w e i t gehend Einigkeit darüber, daß er v o m Schädiger die K o s t e n für die A n m i e tung nach § 2 4 9 B G B auf der G r u n d l a g e des Naturalherstellungsgedankens verlangen kann. 6 D a s Interesse des E i g e n t ü m e r s an der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache wird also insoweit als schutzwürdig anerkannt. D e m g e g e n ü b e r birgt die B e a n t w o r t u n g der Frage, o b und auf w e l c h e r G r u n d l a g e der G e s c h ä digte Geldersatz wegen des Verlustes der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t auch dann verlangen k a n n , w e n n er keine A u f w e n d u n g e n zur Schadensbeseitigung bzw. S c h a d e n s a b w e n d u n g gemacht hat, eine Vielzahl von Schwierigkeiten. Sie rühren - zumindest z u m Teil - daher, daß nach § 2 5 3 B G B in G e l d nur V e r m ö g e n s s c h ä d e n auszugleichen sind. N a c h der R e c h t s p r e c h u n g 7 und der ü b e r w i e g e n d e n Auffassung in der Literatur 8 ist bei der B e s t i m m u n g eines Vermögensschadens t r o t z der an ihr geübten K r i t i k v o n der D i f f e r e n z t h e o r i e auszugehen. E i n V e r m ö g e n s s c h a d e n liegt nach ihr dann vor, w e n n der jetzige tatsächliche W e r t des V e r m ö g e n s des G e s c h ä d i g t e n geringer ist als der Wert, den das V e r m ö g e n o h n e das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben

Würthwein, JZ 2000, 337ff. Vgl. dazuS. 10 ff, 319ff. 7 BGHZ 27,181, 183; 40, 345, 347; 75, 366, 371; 98,212,217; 99,182,196; BGH NJW 1994, 2357, 2359; 1997, 2378; 1999, 3625; BAG NJW 1985, 2545. 8 Mommsen, Interesse, S. 3; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I a; Lange, Schadensersatz, § 1 III 4; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 4ff; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 17f; ders., JuS 1968, 504, 507; Löwe, VersR 1963, 307, 309; v. Caemmerer, Uberholende Kausalität, S. 1, 5, 14 = Gesammelte Schriften I, S. 411,416, 426; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 8; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 867. Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 4 ff; Erman-Kuckuk, Vor § 249 Rn 26; Honsell/Harrer, JuS 1991, 441, 442; Wendehorst, S. 59, beziehen demgegenüber den Differenzgedanken nicht auf einen Vermögens-, sondern einen Zustandsvergleich vgl. S. 236, 329, 390. 5

6

§ 1 Einleitung

3

würde. 9 E i n e solche V e r m ö g e n s d i f f e r e n z läßt sich aber in den Fällen des zeitweiligen Verlustes der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer zur Eigenbedarfsbefriedigung b e s t i m m t e n Sache gerade nicht feststellen. D e n n der G e s c h ä d i g t e verzichtet regelmäßig auf die Sache und die durch sie vermittelten G e b r a u c h s vorteile oder behilft sich anderweitig, so daß sich der N a c h t e i l nicht auf D a u e r negativ in seiner V e r m ö g e n s b i l a n z niederschlägt und sich deshalb rechnerisch keine V e r m ö g e n s d i f f e r e n z feststellen läßt. A u s dem gleichen G r u n d läßt sich auch in Fällen des Verlustes der A r b e i t s k r a f t , insbesondere bei nicht gewerbsmäßig tätigen P e r s o n e n wie H a u s f r a u e n und - m ä n n e r n , u n ter U m s t ä n d e n aber auch bei Selbständigen, kein sich dauerhaft auswirkender Vermögensnachteil feststellen. A u c h hier führen Verzicht o d e r schadensabw e n d e n d e M a ß n a h m e n dazu, daß nachteilige D a u e r w i r k u n g e n v e r m ö g e n s neutral abgefangen werden. A u f g r u n d dieser B e s o n d e r h e i t trägt die D i f f e renztheorie - ihre grundlegende P r o b l e m a t i k wird später offenzulegen sein 1 0 - diesen Fallkonstellationen nicht ausreichend R e c h n u n g und ist nicht in der Lage, sie sach- und w e r t u n g s r e c h t zu würdigen. 1 1 D i e D i f f e r e n z t h e o r i e weist insoweit „schwarze L ö c h e r " 1 2 , „blinde F l e c k e n " 1 3 auf. I n all diesen Fällen stellt sich deshalb die Frage, o b auf der Basis der unserem Schadensersatzsystem zugrundeliegenden Wertungsentscheidungen der Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t o d e r aber der E n t g a n g v o n G e b r a u c h s v o r teilen als V e r m ö g e n s s c h a d e n anzusehen ist und o b und in w e l c h e m U m f a n g E r s a t z in G e l d zu leisten ist. 1 4 Sie gehört zu den grundlegenden und meist diskutierten P r o b l e m e n unseres Schadensersatzrechts schlechthin. 1 5 H a t der E i gentümer bei Beschädigung einer Sache, etwa eines Fahrzeugs, einer W o h nung, einer Y a c h t , einen A n s p r u c h auf eine Geldentschädigung, weil er auf sie w ä h r e n d der Reparaturzeit verzichten mußte, insbesondere keine Vorteile aus ihr ziehen k o n n t e ? D i e Auffassungen darüber, o b und inwieweit ein Vermögensersatz zu gew ä h r e n ist, gehen weit auseinander. S o wollen v o r allem die Vertreter des o b 9 BGHZ 27,181, 183; 40, 345,347; 75, 366, 371; 98,212,217; 99,182,196; BGH NJW 1994, 2357, 2359; 1997, 2378; 1999, 3625; BAG NJW 1985, 2545. 10 Vgl. dazu S. 389ff. 11 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 621; Steffen, NJW 1995, 2057, 2059; Schiemann, JuS 1988, 20,21. 12 Steffen, NJW 1995, 2057, 2059. 13 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 621; Schiemann, JuS 1988, 20, 21. 14 Über die grundlegende Bedeutung von wertenden Überlegungen im Schadensersatzrecht dürfte Einigkeit bestehen, vgl. BGHZ 98, 212, 217; Schiemann, NZV 1996, 1, 2; Staudinger/Schiemann, Vor § 249 Rn 41 f; Steffen, NJW 1995, 2057; Hagen, Festschrift Hauß, S. 83 ff. Meder, S. 167f, kommt in seiner erkenntnistheoretischen Untersuchung des Schadensverständnisses zu dem Ergebnis, auch Erwartungen könnten zum Gegenstand von Schadensprozessen gemacht werden. Er stellt aber die Frage, ob man sich bei den als schicksalhaft hinzunehmenden Einbußen nicht an dem von der klassischen Schadenslehre markierten Umkreis von Gütern orientieren sollte. 15 Vgl. Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 33; Ströfer, S. 21; Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613; Zeuner, JZ 1986, 395; Flessner,]Z 1987, 271; Graf, S. 25.

4

5 1

Einleitung

jektiven Schadensbegriffs 1 6 und der Kommerzialisierungstheorie 1 7 in extensivem Rahmen Ersatz in Geld gewähren. Ein Vermögensschaden liege immer dann vor, wenn die eingebüßte Nutzungsmöglichkeit gegen Geld erworben werden könne und damit einem Geldausgleich zugänglich sei. Demgegenüber stehen andere einer Geldersatzpflicht kritisch gegenüber. 1 8 Sie sehen keinen Anlaß, einen solchen Ersatz zu gewähren, da es an einer dauerhaften negativen Vermögensauswirkung fehle und der Schaden damit immateriellen C h a rakter habe. Ein Geldersatz widerspreche der Regelung des § 253 B G B und sei auch aus allgemeinen Wertungsüberlegungen abzulehnen. Bei Anerkennung einer Ersatzpflicht k o m m e es zu einer Doppelentschädigung 1 9 und es drohe eine Ausuferung der Schadensersatzpflicht des Schädigers, die weder unter gesellschaftlichen, wirtschaftlichen noch versicherungsrechtlichen G e sichtspunkten wünschenswert sei. 2 0 D a ß die Rechtsprechung 2 1 bei Kraftfahrzeugen 2 2 eine Nutzungsausfallentschädigung zuerkenne, gehe nicht unwesentlich auf die Tatsache zurück, daß in diesen Fällen Versicherungsschutz bestehe und der Schädiger nicht persönlich mit der Ersatzpflicht belastet werde, sondern die Versicherung. 2 3 Letztlich werde der Schadensausgleich jedoch aus dem Prämienaufkommen aller Versicherungsnehmer bestritten, wodurch das Kollektiv der versicherungspflichtigen Kraftfahrer belastet werde. 2 4 Eine gewisse Klärung der Problematik des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache wurde v o m G r o ß e n Senat des Bundesgerichtshofs erhofft. D e r V. Zivilsenat hat in seinem die Nutzungsmöglichkeit eines Wohnhauses betreffenden Vorlagebeschluß 2 5 eine Übertragung der Nutzungsentschädigung gewährenden Rechtsprechung bei Kraftfahrzeugen 2 6 auf andere Güter abgelehnt und sich gegen eine Geldersatzpflicht ausgesprochen. E r begrün-

Vgl. insbesondere Neuner, AcP 133, 277ff; siehe S. 38ff. Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36; ders., Jura 1979, 57, 69; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b; Wiese, S. 24ff; Küppers, S. 95, 136; vgl. dazu S. 40ff. 18 Keuk, S. 208; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401, 403; Baur, Festschrift Raiser, S. 119, 126, 129ff; Tolk, S. 95 f, 121; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5; Larenz, Schuldrecht I, § 2 9 11 c; Honsell/Harrer, JuS 1985, 161 f, 166; dies., JuS 1991, 441 ff, 447; Ströfer, S. 65ff; Hagen, J Z 1983, 833; vgl. dazu S. 26ff. 19 Brinker, S. 43; Dunz,]Z 1984, 1010, 1011; vgl. S. 28f. 20 Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5; Honsell/Harrer, JuS 1985, 161; dies., JuS 1991, 441; Honseil, Symposium Stark, S. 15 ff; vgl. dazu auch Schiemann, N Z V 1996, 1, 2. 21 B G H Z 40, 345, 347; 45, 212, 215; 56, 214, 215; 61, 325, 328; 61, 346, 349; 98, 212, 217. 22 In ihr wurde eine Sonderrechtsprechung für Kfz gesehen, vgl. Tolk, S. 121; Hagen, J Z 1983, 833, 836; Vorlagebeschluß des V. Senats des B G H , N J W 1986, 2037ff, 2040. 23 Baur, Festschrift Raiser, S. 122; Ströfer, S. 92; Tolk, S. 76. 24 Tolk, S. 78; Ströfer, S. 92. Der Versicherungsschutz führe dazu, daß die Schadensersatzfrage zur Vorentscheidung für den Versicherungsfall werde, Baur, Festschrift Raiser, S. 122. Weyers, Unfallschäden, S. 648 f, und Güllemann, S. 155, haben vorgeschlagen, zur Erleichterung der Schadensregulierung im Straßenverkehr an die Stelle der an der Haftungslage orientierten Schadensabrechnung eine Direktversicherungslösung treten zu lassen. 25 B G H N J W 1986, 2037ff. 26 B G H Z 40, 345, 347; 45, 212, 215; 56, 214, 215; 61, 325, 328; 61, 346, 349; 98, 212, 217. 16 17

§ 1

Einleitung

5

dete dies insbesondere damit, daß der Verlust der Nutzungsmöglichkeit nicht zu einer Vermögenseinbuße beim Geschädigten führe. D a auch keine zwingenden Wertungsgründe für einen Ersatz in Geld sprächen, liege ein zu ersetzender Vermögensschaden nicht vor. 2 7 Dieser Auffassung ist der G r o ß e Senat in seiner Entscheidung 2 8 nachdrücklich entgegengetreten. 2 9 N a c h ihm kann der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache einen zu ersetzenden Vermögensschaden begründen. 3 0 Indem die Entschädigung jedoch von weiteren Aspekten wie der Verkehrsauffassung, der Fühlbarkeit des Schadens und der Bedeutung der ständigen Verfügbarkeit der Sache für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung des Geschädigten abhängig gemacht wird, 3 1 wird die Ersatzpflicht merklich eingeschränkt und ein Mittelweg zwischen den beiden Extremen gesucht. 3 2 Letztlich hat sich der G r o ß e Senat des Bundesgerichtshofs jedoch bei seinem Urteil ganz auf die Entscheidung des ihm vorgelegten Falles der Nutzungsbeeinträchtigung eines Wohnhauses beschränkt 3 3 und mit seiner sibyllinischen Begründung 3 4 offen gelassen, w o im einzelnen die Grenzlinie zwischen zu entschädigendem Nutzungsausfall auf der einen Seite und nicht zu entschädigendem Verlust der Nutzungsmöglichkeit auf der anderen Seite verläuft. 3 5 D i e Unsicherheiten bei der Lösung des Problems spiegeln die Unsicherheiten bei der systematischen wie dogmatischen Einordnung des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache wider. Bezeichnenderweise hat der G r o ß e Senat in seiner Entscheidung im wesentlichen an die frühere Rechtsprechung zum Nutzungsentgang bei Kraftfahrzeugen und anderen Sachen angeknüpft und sich keiner der im Schrifttum vertretenen Theorien 3 6 zur Begründung ei-

27 28 29 30 31 32

B G H N J W 1986, 2037ff. B G H Z 98, 212ff. B G H Z 98, 212, 216f. B G H Z 98, 212, 216. B G H Z 98, 212, 216 ff. Vgl. dazu Schwerdtner., Jura 1987, 304, 305, der dem B G H deshalb Halbherzigkeit vor-

wirft. Kritisch dazu Geiß, D R i Z 1992, 47, 49. So ist man sich in der Literatur uneinig, ob der Bundesgerichtshof eine eher restriktive oder extensive Lösung anstrebt, vgl. dazu die Kritik von Geiß, D R i Z 1992, 47, 49; Schwerdtner, Jura 1987, 304, 305; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 31. 35 Die späteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, B G H Z 101, 328ff = N J W 1987, 771, 772; B G H Z 117, 262 = N J W 1993, 1793; B G H N J W 1994, 442, divergieren weiterhin. Entsprechendes gilt für die Instanzgerichte etwa L G Augsburg ZfS 1988, 42; L G Karlsruhe N J W - R R 1997, 468 (Reitpferd); L G Stuttgart N J W 1989, 2823 (Badezimmereinrichtung); O L G Düsseldorf BauR 1992, 96 (Hobbyraum); O L G Düsseldorf N J W - R R 1993, 36 (Oldtimer-Kraftrad); L G Tübingen N J W 1989, 1613; L G Osnabrück N J W - R R 1999, 349 (Einbauküche); L G Kiel N J W - R R 1996, 559 (Hausrat); O L G Koblenz N J W 1989, 1808 (Wasserrohrbruch); A G Ulm N J W - R R 1997, 556 (Laptop); A G Marburg N J W - R R 1989, 931 (Blindenhund); A G Darmstadt ZfS 1989, 160 und A G Frankfurt N J W 1993, 137 (Fernsehgerät); K G N J W - R R 1993, 1438 (Fahrrad). 33 34

36

Vgl. dazu S. 30ff.

6

§ 1 Einleitung

ner N u t z u n g s e n t s c h ä d i g u n g angeschlossen. T r o t z Z u s t i m m u n g im E r g e b n i s 3 7 hat die B e g r ü n d u n g der E n t s c h e i d u n g deshalb in systematischer H i n s i c h t deutliche K r i t i k erfahren, eine dogmatische E i n o r d n u n g der E n t s c h e i d u n g wird gar als u n m ö g l i c h angesehen. 3 8 D i e s e Fälle k ö n n e n deshalb w e d e r in w e r t e n d e r n o c h in s y s t e m a t i s c h - d o g m a t i s c h e r Sicht als gelöst angesehen w e r den. G r u n d l e g e n d e Voraussetzung für eine sach- und wertungsgerechte wie auch dogmatisch fundierte L ö s u n g der P r o b l e m a t i k ist die Klärung der Frage, w o r i n der schadensersatzrechtlich relevante Verlust besteht. B i s h e r wird ganz überwiegend davon ausgegangen, daß der auszugleichende N a c h t e i l in dem Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t als solcher, also im Verlust der D i s p o s i t i onsfreiheit ü b e r die Sache besteht. 3 9 Allerdings zeigt sich, daß dieser A n s a t z , den Schaden im Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t zu sehen und ihr V e r m ö gensqualität z u z u s p r e c h e n , w e d e r v o n der R e c h t s p r e c h u n g n o c h dem ganz überwiegenden Teil der Literatur stringent durchgehalten wird. D e n n o b w o h l der Schaden in dem Verlust der jederzeitigen Verfügbarkeit der Sache, ihrer N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t , 4 0 liegen soll, lehnt die R e c h t s p r e c h u n g und der überwiegende Teil der Literatur einen E r s a t z ab, w e n n der Schaden nicht „ f ü h l b a r " g e w o r d e n ist o d e r aber das L u x u s a r g u m e n t eingreift. 4 1 M a n sieht sich also genötigt, restriktive haftungsbeschränkende Kriterien aufzustellen, u m zu wertungsgerechten und sachgerechten E r g e b n i s s e n zu gelangen. E s fragt sich deshalb, o b der Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t für die E r s a t z pflicht tatsächlich der entscheidende F a k t o r ist oder o b es nicht vielmehr darauf a n k o m m t , daß der Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t zu einem N a c h t e i l bei dem Geschädigten geführt hat, er also b e s t i m m t e G e b r a u c h s v o r t e i l e nicht ziehen und damit b e s t i m m t e Bedürfnisse nicht befriedigen k o n n t e . Stellt m a n auf den E n t g a n g ganz k o n k r e t e r G e b r a u c h s v o r t e i l e ab, so verengt sich die Schadensersatzfrage v o n vornherein wesentlich, denn sie b e schränkt sich dann allein auf die Fälle, in denen der G e s c h ä d i g t e v o n der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t auch G e b r a u c h gemacht hätte und sie zur Bedarfsbefriedigung genutzt hätte. D a m i t gerät die grundsätzliche schadensersatzrechtliche Wertungsfrage, o b eine Ausgleichspflicht als sachgerecht anzusehen ist oder es zu einer gesellschaftlich wie wirtschaftlich u n e r w ü n s c h t e n A u s u f e r u n g der E r s a t z p f l i c h t des Schädigers k o m m t , in ein neues L i c h t . D e n n dann steht nicht die generelle Entschädigungspflicht für den Verlust der N u t z u n g s m ö g 37 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 77ff; Magnus, S. 339; einschränkend insbesondere im Hinblick auf den „Luxusgedanken" Medicus, NJW 1989, 1892; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 31; Brinkmann, BB 1987, 1828, 1832; Klingmüller, Festschrift Stiefel, S. 403, 410. 38 Hansell/Harrer, JuS 1991, 441, 448; Rauscher, NJW 1987, 53; Schiemann, JuS 1988, 20, 24; ders., NZV 1996, 1, 2; ders., Festschrift Hagen, S. 27, 29; vgl. auch Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 824ff, 829. 39 BGHZ 56, 214, 215; 98, 212, 217; vgl. dazu ausführlich S. lOff, 24ff. 40 BGHZ 56, 214, 215; 98, 212, 217; Escher-Weingart, S. 72ff. 41 Vgl. dazuS. 59ff,65ff.

§ 1

Einleitung

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lichkeit einer Sache, also die Beeinträchtigung der Dispositions- und H a n d lungsfreiheit des Geschädigten, in Rede, sondern es geht um den Ausgleich für ganz konkret entgangenen Sachgebrauch, der dem Geschädigten zur B e friedigung seiner Bedürfnisse gedient hätte. D e s t o mehr überrascht es, daß in der Literatur wie auch der Rechtsprechung auf diesen grundlegenden Aspekt kaum eingegangen wird. 4 2 Dadurch, daß auch sprachlich nicht zwischen der Nutzungsmöglichkeit einerseits und den konkreten Gebrauchsvorteilen andererseits differenziert wird, sondern die Begriffe synonym verwendet werden, wird vielmehr der entscheidende Unterschied verdeckt. So hat der Bundesgerichtshof etwa erklärt: „Der F o l geschaden wird danach in der Nichtbenutzbarkeit des Fahrzeugs, in dem Entzug der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs gesehen. Daher hat der G e schädigte ... Anspruch ... nur auf Ersatz für die Entbehrung der entgangenen Gebrauchsvorteile ... Die Rechtsprechung geht von der Annahme aus, daß die ständige Verfügbarkeit des eigenen Kraftfahrzeugs, auch wenn es nicht gewerblich genutzt wird, als geldwerter Vorteil, und dessen vorübergehende Entziehung als Vermögensschaden anzusehen ist." 4 3 Damit bleibt aber letztlich im Dunkeln, worin der schadensersatzrechtlich relevante Nachteil zu sehen ist. H i e r soll deshalb der grundlegenden und bisher nicht ausreichend beachteten Frage, die auch für den Erstattungsanspruch bei Anmietung einer Ersatzsache von maßgeblicher Relevanz ist, nachgegangen werden, worin der schadensersatzrechtlich relevante Verlust besteht, im Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher, also in dem Verlust der Dispositions- und Handlungsfreiheit über die Sache, oder in dem Entgang ganz konkreter Gebrauchsvorteile. D i e Klärung dieser Problematik ist nicht nur in wertender Hinsicht von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die systematische und dogmatische Einordnung des auszugleichenden Schadens. Knüpft man an die D i s p o sitionsfreiheit an, so liegt der auszugleichende Nachteil in dem Verlust einer bestehenden, dem Geschädigten zugeordneten Position. D i e geplante Verwendung der Sache ist danach für die Ersatzpflicht ohne Bedeutung. Soweit man der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als eigenständiger Rechtsposition Vermögenswert zuspricht, ist dieser dann nur noch der H ö h e nach zu bestimmen. G e h t man dagegen davon aus, daß der schadensersatzrechtlich relevante Verlust erst in dem Entgang ganz konkreter Gebrauchsvorteile besteht, hat der auszugleichende Nachteil seine Grundlage darin, daß sich die zukünftige Entwicklung beim Geschädigten aufgrund des schädigenden Ereignisses an-

42 Brinker, S. 224 ff, und auf ihn Bezug nehmend Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 75 ff, sprechen zwar die Bedeutung der „Ressourcenverwendungsplanung" an, ziehen daraus aber keine Rückschlüsse auf den ersatzfähigen Schaden. Demgegenüber stellt Detlefsen, S. 24, zumindest im Hinblick auf die Gewährung von Nutzungsentschädigung auf die Gebrauchsvorteile ab. 43 B G H Z 56, 214,216.

8

5 1

Einleitung

ders als vorgesehen gestaltet, ihm Vorteile entgehen, die er unter „normalen" Umständen gezogen hätte und die ihm zugute gekommen wären. Entscheidend ist damit, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erwartungen des Geschädigten auf eine bestimmte zukünftige Entwicklung schadensersatzrechtlichen Schutz genießen. D a dieser Aspekt die Fälle des entgangenen G e winns im Sinne von § 252 B G B charakterisiert, ist zu klären, inwieweit auf dieser Grundlage auch Ersatz für entgangene Gebrauchsvorteile zu gewähren ist. 4 4 Zur Lösung dieser grundlegenden, aber bisher unbeachtet gelassenen Frage nach dem schadensersatzrechtlich relevanten Verlust ist zweierlei erforderlich. Zum einen ist herauszufinden, welche Bedeutung und Stellung unsere Rechtsordnung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache einerseits und der Ziehung von Gebrauchsvorteilen andererseits beimißt, woran sie also ihre rechtlichen Konsequenzen knüpft. N i c h t zuletzt im Hinblick auf die K o m m e r z i a lisierungstheorie sind anhand der Rückabwicklungsregeln im Rücktritts- und Bereicherungsrecht sowie im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis die U n t e r schiede zwischen der Nutzungsmöglichkeit einer Sache, ihrer konkreten N u t z u n g durch den Eigentümer bzw. Eigenbesitzer und der Innehabung eines beschränkten Nutzungsrechts aufzuzeigen. Zum anderen ist vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse die grundlegende Frage nach dem „Schaden" neu zu überdenken und zu klären, was einen schadensersatzrechtlich relevanten Verlust kennzeichnet und worin er bestehen kann. Hier werden die bisher durch den Vermögensschadensbegriff verdeckten, grundlegenden schadensersatzrechtlichen Wertungsgedanken offengelegt und es wird untersucht, o b die Nutzungsmöglichkeit und damit die Dispositionsfreiheit des Einzelnen, über eine Sache frei verfügen zu können, bereits selbständigen Schutz genießt oder o b es entscheidend auf das Gebrauchmachen dieser Möglichkeit, die Ziehung von konkreten Nutzungen, ankommt. A u f dieser Basis gerät auch die Frage des Ersatzes von Mietkosten für eine Ersatzsache in ein neues Licht und kann einer sach- und wertungs- wie auch systemgerechten Lösung zugeführt werden. I m Anschluß daran wird die bisher im Vordergrund stehende Frage, ob der Schaden Vermögensqualität hat, beantwortet. Dabei wird auch darzulegen sein, warum die Differenztheorie nicht in der Lage ist, bestimmte Fallkonstruktionen zu erfassen. Die Beantwortung dieser Fragen führt über die Fälle des Verlustes der N u t zungsmöglichkeit bei Sachen hinaus und ist von genereller Bedeutung. D e n n vergleichbare Probleme stellen sich, wie bereits angedeutet, in den parallel gelagerten Fällen des Verlusts der Nutzungsmöglichkeit der Arbeitskraft, insbesondere bei nicht gewerbsmäßig tätigen Personen wie Hausfrauen und -männern wie auch bei Selbständigen. Auch in diesen Fällen versagt die Differenztheorie. Es k o m m t für eine sach- und wertungsgerechte wie auch systema-

44

Diesen Aspekt spricht Klingmüller,

Festschrift Stiefel, S. 403, 410, kurz an.

§ 1 Einleitung

9

tisch und dogmatisch überzeugende Lösung vielmehr entscheidend darauf an, worin man den schadensersatzrechtlich relevanten Schaden sieht, im Verlust der Arbeitskraft oder aber in den aus dem Verlust resultierenden konkreten Nachteilen. 4 5 4 6

Vgl. dazu Würthwein, J Z 2000, 337ff. Der Problematik des vertanen Urlaubs oder vertaner Freizeit soll hier nicht näher nachgegangen werden, vgl. dazu Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 109; Lange, Schadensersatz, § 6 X I V 4; Palandt/Heinricbs, Vor § 249 Rn 38 ff. Zwar weist sie Parallelen zur Nutzungsproblematik insoweit auf, als sich auch hier die Frage stellt, ob der ersatzrechtlich relevante Schaden in dem Eingriff in die Handlungsfreiheit oder aber in dem Entgang konkreter Vorteile zu sehen ist. Die Beeinträchtigung der Freizeit- oder Urlaubsgestaltung als Folge eines deliktischen Eingriffs in eine Sache oder die körperliche Integrität stellt jedoch, soweit in ihr keine Arbeitsleistungen, z.B. do-it-yourself-Arbeiten, erbracht werden sollten, B G H N J W 1989, 2539; 1990, 1037, einen immateriellen Schaden dar, B G H Z 60, 214ff; 86, 212ff; Grunsky, J Z 1973, 425 ff. Er ist aufgrund des Zeitaspekts auch regelmäßig einer Naturalrestitution nicht zugänglich; vgl. S. 336. Beruht die Beeinträchtigung des Urlaubs auf einem Eingriff in die körperliche Integrität und ist die Arbeitskraft betroffen, vgl. B G H Z 86, 212 ff, so kann sich die Frage stellen, ob sich der Geschädigte an seiner Entscheidung, in dieser Zeit seinen Urlaub zu nehmen und „ausnahmsweise" nicht zu arbeiten, festhalten lassen muß oder ob er in Anlehnung an die Regelung in § 9 B U r l G so zu stellen ist, als hätte er seiner üblichen Beschäftigung nachgehen wollen. Demgegenüber berührt die Frage des Ersatzes für vertanen Urlaub aufgrund mangelhafter Reiseleistungen eine vertragsrechtliches Sonderproblem, vgl. dazu Staudinger/Schwerdtner, § 651 f, Rn 45 ff; Blaurock, J Z 1985, 847, 848. 45

46

§ 2 Analyse der Problematik Bei Beschädigung einer Sache beschränken sich die nachteiligen Auswirkungen des Eingriffs regelmäßig nicht allein auf die Beeinträchtigung der Sache selbst und den damit verbundenen Wertverlust, sondern sie bestehen darüber hinaus auch darin, daß die beschädigte Sache bis zu ihrer Wiederherstellung oder einer Ersatzbeschaffung nicht genutzt werden kann. Die Frage nach einer Schadensersatzpflicht wegen des zeitweiligen Verlustes der Nutzungsmöglichkeit stellt sich dabei unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten: Zum einen, ob der Geschädigte für den Zeitraum der Unbenutzbarkeit der Sache einen Ersatzgegenstand bzw. die tatsächlichen Kosten für die Anmietung einer entsprechenden Ersatzsache verlangen kann, und zum anderen, ob er dann, wenn eine Ersatzbeschaffung unterbleibt, einen Geldersatz als Ausgleich für den Nutzungsausfall beanspruchen kann. Da beiden Fällen dieselbe Sachlage zugrunde liegt, gilt es zunächst zu analysieren, worin jeweils der schadensersatzrechtlich relevante Verlust zu sehen ist.

A. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Erstattung der Kosten für die Anmietung einer solchen I. Grundlage des Ersatzanspruchs Verliert der Geschädigte aufgrund der Beschädigung einer Sache während der notwendigen Reparatur- oder Ersatzbeschaffungsmaßnahmen vorübergehend die Nutzungsmöglichkeit dieser Sache, so wird ihm ein Anspruch auf eine Ersatzsache bzw. die Kosten für die Anmietung einer solchen ganz überwiegend und ohne Bedenken zuerkannt. 1 Bötticher spricht etwa davon, daß die Anerkennung „fast zu geräuschlos" 2 erfolgt sei. Allein das Vorliegen eines Vermögensschadens wird in Frage gestellt, so werden gegen die Zuerkennung von Nutzungsentschädigung durch die Rechtsprechung nach wie vor erhebliche Bedenken erhoben. 3

1 Vgl. Fußnote 6 und 7; krit. neuerdings Schiemann, JZ 1996,1077,1079; mann, § 251 Rn 70ff; Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 142, S. 164ff.

2 3

Bötticher, VersR 1966, 301. Vgl. dazu S. 26ff.

Staudinger/Schie-

A. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Erstattung der Mietkosten Interessanterweise wird erst neuerdings v o n Schiemann

4

und Stoll5

11

unter

u m g e k e h r t e n V o r z e i c h e n K r i t i k am weitreichenden E r s a t z v o n M i e t w a g e n k o s t e n geübt. A u s g e h e n d davon, daß die R e c h t s p r e c h u n g dem Geschädigten eine N u t z u n g s e n t s c h ä d i g u n g zugestehe, die regelmäßig weit unter den M i e t k o s t e n für eine E r s a t z s a c h e liege, sei die E r s t a t t u n g v o n M i e t k o s t e n auf die Fälle zu b e s c h r ä n k e n , in denen die A n m i e t u n g der A b w e h r oder der Verringerung v o n weiteren V e r m ö g e n s s c h ä d e n zu dienen b e s t i m m t o d e r geeignet sei. D i e R e c h t s p r e c h u n g 6 und überwiegende L e h r e 7 gehen d e m g e g e n ü b e r dav o n aus, daß der Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer Sache einen Schaden darstelle und der Geschädigte einen A n s p r u c h auf eine E r s a t z s a c h e aufgrund der in § 2 4 9 S. 1 B G B niedergelegten Naturalherstellungspflicht habe. N a c h § 2 4 9 B G B sei der G e s c h ä d i g t e so zu stellen, als o b der z u m E r s a t z verpflichtende U m s t a n d nicht eingetreten wäre. D a der G e s c h ä d i g t e o h n e das schädigende Ereignis die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache nicht verloren hätte, er also jederzeit auf sie hätte zugreifen und sie hätte n u t z e n k ö n n e n , habe er einen A n s p r u c h auf eine Ersatzsache. 8 N a c h dem in § 2 4 9 S. 1 B G B niedergelegten Prinzip der Naturalherstellung habe der Schädiger dem Geschädigten deshalb grundsätzlich eine E r s a t z s a c h e zur Verfügung zu stellen. 9 D a z u ist der Schädiger j e d o c h nur in den seltensten Fällen in der Lage. D a der G e s c h ä digte außerdem die E r s a t z s a c h e regelmäßig rasch benötigt, bleibt ihm keine Zeit abzuwarten, o b ihm der Schädiger eine solche beschafft, oder gar seinen A n s p r u c h auf eine E r s a t z s a c h e gerichtlich geltend zu m a c h e n . E r ergreift deshalb regelmäßig selbst die Initiative und beschafft sich selbst eine Ersatzsache. 1 0 D i e Schadensersatzfrage, mit der die R e c h t s p r e c h u n g insbesondere bei Kraftfahrzeugunfällen k o n f r o n t i e r t wird, k o n z e n t r i e r t sich daher weitgehend darauf, o b dem G e s c h ä d i g t e n n e b e n den R e p a r a t u r k o s t e n auch die K o s t e n für die A n m i e t u n g einer E r s a t z s a c h e zu ersetzen sind. A u s g e h e n d von einem A n s p r u c h des G e s c h ä d i g t e n auf Stellung einer E r satzsache erkennen R e c h t s p r e c h u n g und L i t e r a t u r - o h n e daß dies grundsätz-

Schiemann, JZ 1996, 1077, 1079; Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 70ff. Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 142, S. 164ff. 6 RGZ 171, 292, 295; BGHZ 40, 345, 348; 45, 212, 216; 56, 214, 215; 61, 325, 328; 61, 346, 349; 63,182,188; 98,212,220; BGH NJW 1963,1399; BGH VersR 1985,283, 284; BGH VersR 1985, 1090, 1092; BGH NJW 1996, 1958. 7 Jahr, AcP 183, 725, 726; Etzel/Wagner, VersR 1993,1192,1193; dies., DAR 1995,17; Greger, NZV 1994, 11, 13; ders., NZV 1994, 337; Honseil/Harrer, JuS 1985, 161, 166; dies., JuS 1991, 441, 447; Larenz, Schuldrecht I, §29 11 c; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2; Kötz, Rn 495; Detlefsen, S. 85f; Müller, JuS 1985, 279, 280; Möller/Durst, VersR 1993, 1070, 1071. 8 BGH VersR 1985, 283, 284; BGH NJW 1996, 1958; Greger, NZV 1994, 337; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2; Kötz, Rn 495; Detlefsen, S. 85 f; Müller, JuS 1985, 279, 280; Möller/Durst, VersR 1993, 1070, 1971; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., §251 Rn 57. 9 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Detlefsen, S. 87. 10 Vgl. dazu die Überlegungen in BGHZ 40, 345, 352. 4

5

12

5 2 Analyse der

Problematik

lieh in Frage gestellt würde 11 - einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine tatsächlich angemietete Ersatzsache an. 12 Es handele sich insoweit um zur Schadensbeseitigung erforderliche Kosten nach § 249 S. 2 BGB. 13 Da es sich um einen Fall der Naturalherstellung handele, komme es auch nicht darauf an, ob der Schaden materiellen oder immateriellen Charakter trage. 14 Der Ersatz der Mietkosten wird damit unter dem Aspekt der Schadensbeseitigung 15 zuerkannt. Es stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob es sich bei der Anmietung überhaupt um eine schadensbeseitigende Maßnahme handelt. Eine Schadensbeseitigung auf der Grundlage der Naturalherstellung durch Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, setzt voraus, daß neben der Sachbeschädigung ein weiterer Schaden eingetreten ist. Liegt aber in den Fällen der Ersatzanmietung im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung neben der Beschädigung der Sache bereits ein weiterer Schaden vor oder droht ein solcher bloß? Wird eine Sache beschädigt, so zeichnet sich ab, daß sie für einen bestimmten Zeitraum nicht nutzbar ist. Es droht dem Geschädigten damit zunächst nur ein weiterer Nachteil, nämlich der zeitweilige Verlust der Nutzungsmöglichkeit bzw. der Entgang von konkreten Gebrauchsvorteilen. Mit der Anmietung der Ersatzsache wird diesen Nachteilen entgegengewirkt und der Zeitraum des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit überbrückt, so daß er sich nicht negativ auswirken kann. Die Anmietung einer Ersatzsache hat damit nicht schadensbeseitigenden, sondern schadensabwendenden Charakter. 16 Aufgrund dieses die Ersatzanmietung kennzeichnenden Aspekts erscheint die von der Rechtsprechung vorgenommene Einordnung der Ersatzanmietungskosten als Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 S. 2 BGB problematisch. Bedenken gegen eine Ableitung des Anspruchs auf Ersatz der Mietkosten aus § 249 S. 2 BGB ergeben sich auch aus dem Wortlaut der Vorschrift. Nach Vgl. Bötticher, VersR 1966, l>0\;Jahr, AcP 183, 725, 726. BGHZ 98, 212, 220; BGH NJW 1974, 34; 1985, 793; 1985, 2637, 2638; 1996, 1958; Born, VersR 1978, 777, 783; Müller, JuS 1985, 279, 280; MünchKomm/Grunsky, §249 Rn 10, 27; Köhnken, VersR 1979, 788, 789, unter Hinweis auf § 3 Nr. 1 S. 2 PflVersG. 13 „Die Mietwagenkosten gehören nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zu dem Herstellungsaufwand, den der Schädiger nach § 249 S. 2 BGB zu ersetzen hat, wenn der Geschädigte diesen Weg der Schadensbeseitigung wählt." BGH NJW 1985, 2637, 2638; vgl. auch BGHZ 98, 212, 220; BGH NJW 1974, 34; 1985, 793; 1996, 1958; Born, VersR 1978, 777, 783; Müller, JuS 1985, 279, 280; MünchKomm/Grunsky, § 249 Rn 10, 27; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2; Detlefsen, S. 87. 14 Honsell/Harrer, JuS 1985, 161, 166; dies., JuS 1991, 441, 447; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2; Bötticher, VersR 1966, 301; Rauscher, NJW 1986, 2011, 2014; Koller, DAR 1981, 289, 291; anders allerdings Greger, NZV 1994, 337. Interessant ist, daß in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Entscheidungen zur Nutzungsentschädigung Bezug genommen wird. 15 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c. 16 Diesen Aspekt hat das Reichsgericht, RGZ 71, 212, 216, angesprochen; vgl. Bötticher, VersR 1966, 301, 302; Schiemann,JL 1996, 1077, 1079; Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 70ff; Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 142, S. 164ff; vgl. dazu S. 346ff. 11

12

A. Anspruch des Geschädigten

auf eine Ersatzsache

bzw. Erstattung

der Mietkosten

13

§ 249 S. 2 BGB steht dem Geschädigten nämlich nur bei Verletzung seiner Person oder bei Beschädigung einer Sache statt der Herstellung ein Anspruch auf den dazu erforderlichen Geldbetrag zu. Der Wortlaut des § 249 S. 2 BGB bezieht sich damit primär auf die Wiederherstellung der Sache selbst und sagt nichts darüber aus, ob auch der ganz anders geartete Nutzungsausfallschaden während der Reparatur der Sache erfaßt wird. 17 Wird eine Sache zerstört und mit der Mietsache der Zeitraum bis zur Beschaffung einer Ersatzsache überbrückt, ist jedenfalls der Ersatzanspruch nicht vom Wortlaut des § 249 S. 2 BGB gedeckt.18 Nach Medicus und Schiemann sollen die Mietkosten, da sie nicht ausdrücklich von § 249 S. 2 BGB erfaßt seien, als Vermögensfolgeschäden nach § 251 I BGB zu ersetzen sein.19 Aber auch die Heranziehung von § 251 I BGB erscheint problematisch. Denn § 251 I BGB geht von der Unmöglichkeit der Herstellung aus, setzt also voraus, daß ein nicht wiederherstellbarer Schaden eingetreten ist. Eine Herstellung bzw. Schadensabwendung ist aber, wie die Anmietung einer Ersatzsache zeigt, möglich.20 Zudem geht es nicht um einen Ausgleich für den Verlust eines Vermögenswerten Gutes oder Ersatz entgangenen Gewinns, sondern um die Erstattung der Kosten für die Ersatzanmietung, also eine schadensbeseitigende bzw. schadensabwendende Maßnahme. Ob eine solche Maßnahme gerechtfertigt und ersatzfähig ist, hängt jedoch allein davon ab, ob sie zur Beseitigung oder Abwehr des Schadens geeignet und erforderlich ist und der Geschädigte ein anzuerkennendes materielles oder immaterielles Interesse an ihr hat, ob also das Interesse des Geschädigten an der Nutzungsmöglichkeit oder aber der konkreten Nutzung der Sache als schutzwürdig anzusehen ist.21 Diesem Aspekt trägt der in § 251 I BGB angeordnete Vermögensschadensersatz, der allein von den negativen Vermögensfolgen ausgeht, jedoch nicht ausreichend Rechnung.22 Auch wenn die Ersatzfähigkeit von Mietkosten in Rechtsprechung und Lehre allgemeine Anerkennung gefunden hat, so bleiben doch im Hinblick auf die Begründung der Ersatzpflicht merkliche Defizite. Sie haben ihre Ursache letztlich in Unsicherheiten bei der Bestimmung des auszugleichenden bzw. abzuwendenden Schadens. 17 Schiemann, S. 214; Medicus, VersR 1981, 593, 599; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 223 ff; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 231 f. 18 Medicus, VersR 1981, 593, 599; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 223 ff; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Schiemann, S. 214; Soergel/Mertens, § 249 Rn 91; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 2, 13. Daß die Regelung des § 249 S. 2 BGB die Fälle der Erstattung von Mietkosten nicht uneingeschränkt erfaßt, hat seinen Grund letztlich darin, daß es sich nicht um eine schadensbeseitigende, sondern schadensabwendende Maßnahme handelt, vgl. dazu S. 346ff. 19 Medicus, VersR 1981, 593, 599; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 223 ff; Staudinger/Schiemann, §251 Rn 56; Schiemann, S. 214; ders., JZ 1996, 1077, 1079f; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II; Soergel/Mertens, § 249 Rn 91. 20 Vgl. dazu auch Born, VersR, 1978, 777, 783. 21 Vgl. dazu S. 345 ff. 22 Vgl. Bötticher, VersR 1966, 301, 302; vgl. dazu S. 338, 378ff, 384.

14

§ 2 Analyse der

Problematik

II. Der zu ersetzende

Schaden

W i r d eine Sache beschädigt und steht sie dem Geschädigten für einen b e stimmten Z e i t r a u m nicht zur Verfügung, so hat er, w e n n er eine Ersatzsache anmietet, wie gezeigt, nach allgemeiner A n s i c h t einen A n s p r u c h auf E r s t a t tung der M i e t k o s t e n . 2 3 Als Schaden wird dabei ganz überwiegend der Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache, auf die der G e s c h ä d i g t e v o r ü b e r g e h e n d nicht zugreifen kann, angesehen. D i e ständige Verfügbarkeit einer Sache, insbesondere eines Kraftfahrzeugs, stelle einen Vorteil dar, dessen Verlust es auszugleichen gelte. 2 4 E s k o m m e also grundsätzlich nicht darauf an, o b und wie der Geschädigte die Sache in dem entsprechenden Z e i t r a u m nutzen wollte. 2 5 In den Kraftfahrzeugfällen sind danach die M i e t k o s t e n grundsätzlich u n a b hängig von d e m voraussichtlichen F a h r b e d a r f zu ersetzen. 2 6 Dieses E r g e b n i s s t ö ß t in seiner vollen K o n s e q u e n z j e d o c h in R e c h t s p r e c h u n g und Literatur auf B e d e n k e n und wird als nicht sachgerecht empfunden. D i e Ersatzpflicht des Schädigers wird deshalb in Fällen, in denen der Geschädigte keinen oder n u r geringen F a h r b e d a r f hatte, überwiegend verneint. 2 7 A n g e s p r o c h e n w u r d e die B e d e u t u n g des Fahrbedarfs interessanterweise in einer E n t s c h e i d u n g des B u n d e s g e r i c h t s h o f s zur Nutzungsausfallentschädigung, in der er sich in ein e m o b i t e r dictum mit der F r a g e des Ersatzes v o n M i e t w a g e n k o s t e n auseinandergesetzt hat. 2 8 O b w o h l der B u n d e s g e r i c h t s h o f den Schaden im Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t sieht, hat er den A n s p r u c h auf M i e t k o s t e n für einen E r s a t z w a g e n v o m F a h r b e d a r f des Geschädigten abhängig gemacht und erklärt: „ D i e B e r e c h t i g u n g eines solchen A n s p r u c h s ergibt sich aus § 2 4 9 B G B und ist allgemein anerkannt, w e n n ein Bedürfnis für die B e n u t z u n g eines Ersatzwagens in der Reparaturzeit zu bejahen i s t . " 2 9 A u s g e h e n d davon, daß ein Erstattungsanspruch für die M i e t w a g e n k o s t e n einen B e d a r f voraussetzt, schlußfolgert er auch für den A n s p r u c h wegen N u t z u n g s e n t g a n g , daß der Schaden „ f ü h l b a r " g e w o r d e n sein müsse, also der Geschädigte im H i n blick auf die Sache s o w o h l die h y p o t h e t i s c h e N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t wie auch den N u t z u n g s w i l l e n gehabt haben müsse. 3 0 D e r B u n d e s g e r i c h t s h o f will damit beide F a l l k o n s t e l l a t i o n e n aufgrund der Parallelität der Sachlage einheitlich lösen. E r m a c h t deshalb, o b w o h l er den Schaden in dem Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t sieht, den A n s p r u c h in beiden Fällen v o n einem entsprec h e n d e n B e d a r f bzw. v o n einer fühlbaren N i c h t b e f r i e d i g u n g eines k o n k r e t e n Vgl. dazu S. lOff. BGHZ 40, 345, 349; 45, 212, 219; 56, 214, 215; 61, 325, 328; 61, 346, 349; 63, 182, 188; 98, 212, 220; BGH VersR 1985, 283, 284; Müller, JuS 1985, 279, 280; Koller, DAR 1981, 289, 291. 25 MünchKomm/Grunsky, § 249 Rn 26; Müller, JuS 1985, 279, 280; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2. 26 So insbesondere MünchKomm/Grunsky, § 249 Rn 26; Müller, JuS 1985, 279, 280. 27 Vgl. dazu S. 16ff. 28 BGHZ 45, 212, 219; Börner, VersR 1973, 702 Fußnote 2. 29 BGHZ 45, 212, 216 = NJW 1966, 1260. 30 BGHZ 45, 212, 219; vgl. dazu ausführlich S. 65 ff. 23

24

A. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Erstattung der Mietkosten

15

Bedarfs abhängig. 31 Dabei hat der Bundesgerichtshof allerdings offen gelassen, woraus er das „Bedarfskriterium" ableiten will. Die Lage ist dementsprechend dadurch geprägt, daß man auf der einen Seite den zu ersetzenden Schaden in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher sieht - sich also bewußt nicht auf die konkret entgangenen Gebrauchsvorteile bezieht 32 - , man aber auf der anderen Seite die sich daraus ergebende Ersatzpflicht zu beschränken sucht. Zur Begründung der Beschränkung der Ersatzpflicht wird zum einen auf wirtschaftliche Aspekte, zum anderen auf die Prinzipien der Erforderlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und des Mitverschuldens rekurriert.

1. Beschränkung

der Ersatzpflicht

auf wirtschaftliche

Einbußen

33

Greger hat kürzlich versucht, die rechtlichen Grundlagen des Mietwagenkostenersatzes auf der Grundlage des § 249 BGB neu zu bestimmen. Nach ihm reicht es für die Begründung eines Mietersatzanspruchs nicht aus, daß der Geschädigte aufgrund des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einen Mietwagen anmietet, sondern er müsse vielmehr dartun, daß ihm durch den Ausfall der ständigen Verfügbarkeit seines Kraftfahrzeuges tatsächlich eine wirtschaftliche Einbuße erwachse. 34 Werde das Kraftfahrzeug nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus Liebhaberei, Darstellungsbedürfnis, Gewohnheit, Bequemlichkeit u.ä. Motiven gehalten, könne die zeitweise entzogene Nutzungsmöglichkeit nicht als wirtschaftliche Einbuße im Sinne eines erweiterten Schadensbegriffs verstanden werden. In solchen Fällen komme „man vielmehr in den Bereich des nicht ersatzfähigen Immaterialschadens nach § 253 BGB" 35 . Allerdings soll auch der Sonntagsfahrer insoweit einen Schaden erleiden, als ihm sein Pkw für die gewohnte Ausflugsfahrt nicht zur Verfügung stehe. 36 Es komme entscheidend darauf an, daß der Geschädigte die Sache habe nutzen wollen und können. 37 Beschränke man die Ersatzpflicht von vornherein auf die Fälle eines wirtschaftlichen Verlustes, trage der Geschädigte sachgerechterweise auch die Darlegungs- und Beweislast für den wirtschaftlichen Verlust, also seine Nutzungsabsicht. 38 Leite man demgegenüber die Beschränkung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des §251 II BGB oder 31

Vgl. dazu im folgenden und S. 65f, 69f. Neuerdings in diese Richtung Greger, N Z V 1994, 337. 33 Greger war Richter am Bundesgerichtshof, gehörte aber, worauf er selber hinweist, nicht dem für das Haftungsrecht zuständigen VI. Zivilsenat an, N Z V 1994, 337 Fußnote 1. 34 Greger, N Z V 1994, 337. Ihm folgend Etzel/Wagner, D A R 1995, 17f. 35 Greger, N Z V 1994, 337, 338; Staudinger/Schiemann, §251 Rn 72, „zur Abwehr und Verringerung wo« (weiteren) Vermögensschäden". 36 Greger, N Z V 1994, 337; Etzel/Wagner, D A R 1995, 17f; a.A. Staudinger/Schiemann, §251 Rn 72. 37 Greger, N Z V 1994, 337; ders., N Z V 1994, 11, 13. 38 Greger, N Z V 1994, 337, 338. 32

16

§2 Analyse der

Problematik

dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens § 254 II B G B her, habe sie der Schädiger zu tragen. Seine Auffassung, daß nur wirtschaftliche Einbußen zu ersetzen seien, begründet Greger damit, daß der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen zur Nutzungsausfallentschädigung bei Kraftfahrzeugen den Schaden nicht als „reinen Rechtsbegriff", sondern als „auf die Rechtsordnung bezogenen wirtschaftlichen Begriff" verstehe. 39 Die Reduzierung des Naturalersatzes nach § 249 B G B auf wirtschaftliche Einbußen stößt jedoch auf grundsätzliche Bedenken. Denn die Naturalherstellungspflicht, entsprechendes gilt für die Schadensabwendung, 40 erfaßt anders als die Verpflichtung zum Schadensersatz in Geld auch immaterielle Schäden. Die Mietkosten sind deshalb grundsätzlich unabhängig davon zu ersetzen, ob der Verlust der Nutzungsmöglichkeit als Vermögensschaden zu qualifizieren ist oder ob er nur einen immateriellen Schaden darstellt. 41 Die Heranziehung von Wirtschaftlichkeitserwägungen zur Beschränkung des auf die Wahrung des Integritätsinteresses gerichteten Herstellungsanspruchs erscheint deshalb problematisch. Die - extensive - wirtschaftliche Interpretation des Vermögensschadensbegriffs durch den Bundesgerichtshof heranzuziehen, um damit den auch immaterielle Schäden erfassenden Naturalherstellungsanspruch restriktiv zu beschränken, kann deshalb nicht überzeugen. 42 Auch wenn die wirtschaftlichen Überlegungen Gregers zur Begründung seiner Ansicht, Mietkosten für eine Ersatzsache nur dann zu erstatten, wenn der Geschädigte die Sache auch nutzen wollte, nicht zu überzeugen vermögen, machen seine Ausführungen doch deutlich, daß eine einheitliche Lösung des Nutzungsproblems auf der Grundlage einer einheitlichen Schadensbestimmung als notwendig erachtet wird und es insoweit notwendig ist, zu klären, worin der schadensersatzrechtlich relevante Verlust besteht.

2. Erforderlichkeit

der

Ersatzanmietung

Die Erstattung des Herstellungsbetrages wird in § 249 S. 2 B G B auf die erforderlichen Kosten beschränkt. Aus dieser Regelung folgert insbesondere Greger, NZV 1994, 337. Vgl. S. 353 ff. 41 Vgl. S. 12,224f. 42 Greger, NZV 1994,337, weist außerdem darauf hin, daß § 249 B G B auf die „Herstellung der gleichen wirtschaftlichen Lage des Geschädigten" ziele. Da eine exakte Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, nicht möglich ist, hat der B G H , N J W 1985, 793; B G H Z 125, 56, 61 f; Lange, Schadensersatz, § 5 II 1; vgl. auch S. 330ff, verschiedentlich auf die Herstellung einer wirtschaftlich vergleichbaren Lage abgestellt. Im Fall der Anmietung eines Ersatzwagens geht es aber nicht darum, ob mit der Anmietung, die in der Zwischenzeit erfolgt ist, eine wirtschaftlich vergleichbare Lage erreicht wird, dies dürfte unstreitig sein. Hinter den Wirtschaftlichkeitserwägungen steht vielmehr die generelle Frage, ob der Verlust der Nutzungsmöglichkeit der schadensersatzrechtlich relevante Verlust ist oder ob es die konkret entgehenden Gebrauchsvorteile sind. 39

40

A. Anspruch des Geschädigten auf eine Ersatzsache bzw. Erstattung der Mietkosten

17

die R e c h t s p r e c h u n g , daß die K o s t e n für die A n m i e t u n g eines Mietwagens nur bei entsprechendem F a h r b e d a r f des G e s c h ä d i g t e n zu erstatten seien. 4 3 Als o b j e k t i v erforderliche A u f w e n d u n g e n i.S.d. § 2 4 9 S. 2 B G B sind diejenigen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich d e n k e n d e r M e n s c h in der Lage des G e s c h ä d i g t e n zur Beseitigung des Schadens m a c h e n würde. 4 4 B e i dieser B e t r a c h t u n g ist v o n der L a g e ex ante auszugehen, das heißt, daß der Geschädigte eine Z u k u n f t s p r o g n o s e zu stellen hat. E r w e i s t sich diese wider E r w a r t e n nachträglich als falsch, so hat der Schädiger das P r o g n o s e r i s i k o zu tragen. 4 5 I n die Prüfung der E r f o r d e r l i c h k e i t ist auch der letztlich auf § 2 4 2 B G B z u r ü c k g e h e n d e R e c h t s g e d a n k e des § 2 5 4 I I S. 1 B G B miteinzubeziehen. W e n n der Geschädigte die H ö h e der K o s t e n für die Schadensbeseitigung b e einflussen k ö n n e , sei er unter dem G e s i c h t s p u n k t der Schadensminderungspflicht gehalten, im R a h m e n des Z u m u t b a r e n den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. D a s E r f o r d e r l i c h k e i t s k r i t e r i u m wird so mit der Schadensminderungspflicht des § 2 5 4 B G B verbunden. 4 6 D i e s hat insbesondere beweisrechtliche K o n s e q u e n z e n . D e n n für die E r f o r d e r l i c h k e i t der K o s t e n trägt der G e s c h ä d i g t e die D a r l e g u n g s - und Beweislast, w ä h r e n d für die Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 2 5 4 I I B G B der Schädiger die Beweislast trägt. 4 7 Sieht man mit der R e c h t s p r e c h u n g und der Literatur den Schaden erklärt e r m a ß e n in dem Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache selbst, ist die A n m i e t u n g einer Ersatzsache zur Schadensbeseitigung regelmäßig u n a b h ä n gig v o m B e d a r f als erforderlich anzusehen. D e n n der Verlust der N u t z u n g s möglichkeit einer eigenen Sache läßt sich nicht anders ausgleichen als durch die A n m i e t u n g einer entsprechenden Ersatzsache. D i e B e n u t z b a r k e i t öffentlicher Verkehrsmittel o d e r von Taxen ist der ständigen Verfügbarkeit eines eigenen Fahrzeugs insoweit nicht vergleichbar. D e m Geschädigten wären daher die M i e t w a g e n k o s t e n auch bei fehlendem oder geringfügigem F a h r b e d a r f , etwa für nur k u r z e F a h r t e n z u r Arbeitsstelle und z u r ü c k , zu ersetzen. D e r G e s c h ä d i g t e hat - unter der Prämisse der R e c h t s p r e c h u n g und Literatur - mit dem Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einen Schaden erlitten und es m u ß ihm freistehen, den M i e t w a g e n in demselben U m f a n g zu n u t z e n bzw. nicht zu nutzen, wie er das mit seinem eigenen Wagen getan hätte. 4 8 D i e Frage der E r 43 BGH VersR 1985, 283, 284; Köhnken, VersR 1979, 788, 789f; kritisch dazu Staudingerl Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 223, der diese Fälle über §§ 249 S. 1, 251, 254 BGB lösen will. 44 BGHZ 54, 82, 85; BGH VersR 1975, 184, 186; 1985, 283, 284; Greger, NZV 1994, 11,13. 45 BGHZ 54, 82, 85; BGH VersR 1975, 184, 186; 1985, 283, 284; Dörner, VersR 1973, 703; Born, VersR 1978, 777, 787; Köhnken, VersR 1979, 788, 790. 46 BGHZ 54, 82, 85; 61, 346, 349; 63,182, 188; BGH NJW 1974, 34; BGH VersR 1975,184; 1975, 261, 262; 1976, 389, 390; BGH NJW 1985, 1237; vgl. auch Köhnken, VersR 1979, 788, 790; Born, VersR 1978, 777, 784; Möller/Durst, VersR 1993, 1070, 1071. 47 Köhnken,VersR 1979, 788, 791. Die Bedeutung der Beweislast in diesen Fällen hebt auch Greger, NVZ 1994, 337, 338, hervor. 48 LG Arnsberg vom 11.2.1980, VersR 1980, 779. Hier hatte der Geschädigte den Wagen an 22 Tagen durchschnittlich 15 km täglich gefahren. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang

18

§ 2 Analyse der

Problematik

forderlichkeit konzentriere sich deshalb darauf, ob und inwieweit die Mietwagenkosten ihrer Höhe nach gerechtfertigt seien; 49 eine Problematik, die insbesondere Bedeutung gewonnen hat, nachdem die - inzwischen auch ausgelaufene - Empfehlung des HUK-Verbandes vom 1.11.1992 für unzulässig erklärt worden war und es zur Entstehung unterschiedlicher Miettarife gekommen war. 50 Die Rechtsprechung greift auf das Kriterium der Erforderlichkeit jedoch darüber hinaus auch zurück, um die Anmietung eines Mietwagens einer grundlegenden Wirtschaftlichkeitsüberprüfung zu unterziehen. Mietkosten seien nur dann als erforderlich anzusehen, wenn ein wirtschaftlich denkender Mensch sich entsprechend verhalten und einen Mietwagen beschafft hätte. 51 Ein Ersatzanspruch sei deshalb dann zu verneinen, wenn ein ökonomisch handelnder Mensch wegen seines nur geringfügigen Fahrbedarfs nicht die erheblich höheren Kosten für einen Mietwagen aufgewendet hätte, sondern sich anders, indem er z.B. ein Taxi benutzt hätte, beholfen haben würde. In der Rechtsprechung wurde deshalb in verschiedenen Fällen eine Ersatzpflicht unter Hinweis auf §§ 249 S. 2, 254 II BGB abgelehnt, weil eine erhebliche, von Anfang an absehbare Diskrepanz zwischen Mietwagen- und Taxikosten vorgelegen habe. 52 Demgegenüber stellen andere Instanzgerichte betont auf die konkrete Situation im Einzelfall ab und machen die Ersatzpflicht davon abhängig, welche Unannehmlichkeiten der Verzicht auf ein eigenes Auto und die Inanspruchnahme eines Taxis für den Geschädigten nach sich gezogen hätte. Sie nehmen damit im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung eine Interessenabwägung vor und stellen dem Interesse des Geschädigten, über ein eigenes Fahrzeug zu verfügen, Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gegenüber. Selbst bei einer erheblichen Diskrepanz zwischen Mietwagen- und Taxikosten können danach die Mietwagenkosten ersatzfähig sein. 53 insbesondere darauf verwiesen, daß der Geschädigte nicht zu sinnlosen Fahrten genötigt werden dürfe; vgl. auch KG OLGZ 76, 193; OLG Karlsruhe VersR 1974, 1005; OLG Nürnberg NJW 1976, 1096; Dörner, VersR 1973, 702; Etzel/Wagner, VersR 1993, 1192, 1194; Koller, DAR 1981, 289, 291; Müller, JuS 1985, 279, 280. 49 Vgl. BGH NJW 1996, 1958; 1985, 2639; Freiberger, MDR 1996, 1091; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 13 ff. 50 Vgl. dazu Etzel/Wagner, VersR 1993, 1192ff; Möller/Durst, VersR 1993, 1070; Nonhoff, VersR 1995, 1015; Freyberger, MDR 1996, 1091; siehe auch S. 358. 51 BGH NJW 1985, 2637, 2638; Greger, NZV 1994, 11, 13; Möller/Durst, VersR 1993, 1070, 1071. 52 LG Essen vom 17.7.1988, ZfS 1989, 50 (300 km in 17 Tagen); LG Köln vom 22.4.1987, ZfS 1987, 328 (236 km in 17 Tagen); LG Wiesbaden vom 25.2.1982, VersR 1983, 671; AG Schweinfurt vom 27.4.1984, ZfS 1985, 12 (50 km in drei Wochen); LG Düsseldorf vom 16.7.1969, VersR 1970, 357 (18 km pro Tag); AG Stuttgart vom 10.4.1974, VersR 1975, 577 (22 km pro Tag); AG Dannenberg vom 24.9.1976, MDR 1977, 577 (83 km in 10 Tagen); OLG München, VersR 1993, 769; OLG Hamm, NZV 1995, 356; Becker/Böhme, Rn D 45ff; vgl. dazu Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 65. 53 Vgl. OLG Frankfurt vom 6.11.1991, VersR 1992, 620, 621 (112 km in 13 Tagen im Ergebnis unter Ablehnung einer Ersatzpflicht); vgl., allerdings auf der Grundlage von § 254 II

A. Anspruch des Geschädigten

auf eine Ersatzsache

bzw. Erstattung

der Mietkosten

19

In der Literatur w i r d demgegenüber vorgeschlagen, darauf abzustellen, ob der Geschädigte auch dann, w e n n er keinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger gehabt hätte, einen Mietwagen genommen hätte. 5 4 Dies w ü r d e jedoch bedeuten, daß der Schädiger in den G e n u ß auch einer überobligationsmäßigen Sparsamkeit des Geschädigten k o m m e n oder dadurch begünstigt w ü r d e , daß der Geschädigte nicht die nötigen Mittel z u r Verfügung hatte, um ein entsprechendes Ersatzfahrzeug anzumieten. Das hypothetische Verhalten des Geschädigten ist deshalb kein geeigneter Maßstab. 5 5 Die zentrale Bedeutung des A s p e k t s der Befriedigung k o n k r e t e n Fahrbedarfs zeigt sich nicht nur in Fällen geringen Fahrbedarfs, sondern auch dann, w e n n der Geschädigte besonders hohen Fahrbedarf hatte und damit auch entsprechend hohe Mietwagenkosten verursacht hat, weil er etwa mit dem Fahrzeug in U r l a u b gefahren ist. 56 Die Erwägung, ob dem Geschädigten in diesem Fall die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel 5 7 oder aber gar eine Verschiebung der Reise z u m u t b a r ist, 58 bezieht sich auch hier auf die ganz k o n k r e t e Benutzung des Fahrzeugs in einer ganz bestimmten Situation und beschränkt sich nicht auf die Herstellung der Nutzungsmöglichkeit durch die A n m i e tung einer Ersatzsache an sich. 59 BGB argumentierend, LG Karlsruhe vom 16.10.1981, VersR 1982, 810 (277 km in zwei Wochen, wobei der Geschädigte als Heilgymnast den Wagen für Hausbesuche benötigte und ein so geringer Fahrbedarf nicht eindeutig voraussehbar war); KG vom 26.1.1976, DAR 1977, 155 (636 km in 22 Tagen, wobei der Fahrbedarf des Wagens, der als Firmen und Privatwagen eingesetzt wurde, nicht genau vorhersehbar war); LG München vom 8.7.1976, DAR 1977, 296 (14 km, wobei der geringe Fahrbedarf nicht unbedingt voraussehbar war); LG Heilbronn vom 22.10.1980, VersR 1981, 791 (443 km in 23 Tagen, wobei das Gericht die um ca. 75% höheren Mietwagenkosten damit rechtfertigt, daß bei der Inanspruchnahme von Taxen Unannehmlichkeiten entstanden wären). Daß die Besonderheiten des Einzelfalles von maßgeblicher Bedeutung für die Ersatzpflicht sind, betonen auch Dörner, VersR 1973, 702ff; Born, VersR 1978, 777, 786. 54 Sanden/Voltz, Rn 298, stellen darauf ab, wie sich der Geschädigte verhalten hätte, wenn er keinen Ersatzanspruch gegen den Geschädigten gehabt hätte. Sie treten insbesondere aus sozialen und verkehrspolitischen Überlegungen für eine Einschränkung des Anspruchs auf einen Mietwagen ein und wollen ihn vorrangig dann anerkennen, wenn ein solcher aus beruflichen Gründen erforderlich ist. 55 Vgl. dazu Born, VersR 1978, 777, 784; Dörner, VersR 1973, 703. 56 BGH NJW 1985, 2637, 2639. 57 Dafür, daß die Reise im konkreten Fall mit einem günstigeren Verkehrsmittel, der Bahn, durchzuführen gewesen wäre, OLG Stuttgart vom 7.11.1977, VersR 1979, 44; OLG Nürnberg vom 21.9.1973, VersR 1974, 677; anders aber BGH NJW 1985, 2637; OLG Karlsruhe vom 14.3.1980, VersR 1981, 885; KG vom 11.10.1978, DAR 1977, 185; OLG Karlsruhe vom 27.2.1974, VersR 1974, 1005. 58 So OLG Köln vom 27.4.1979, VersR 1979, 965; LG Köln vom 10.12.1975, VersR 1977, 48; LG Bonn vom 6.8.1974, VersR 1975, 457; LG Kempten vom 15.1.1974, VersR 1974, 1036f; als nicht zumutbar wurde sie angesehen in BGH NJW 1985, 2637, 2639; OLG Karlsruhe vom 14.3.1980, VersR 1981, 885; KG vom 11.10.1976, DAR 1977, 185; vgl. dazu Born, VersR 1978, 787; Greger, NZV 1994, 11, 13; Möller/Durst, VersR 1993, 1070, 1071. 59 Um eine Frage der Erforderlichkeit handelt es sich hingegen, wenn die Mietwagenkosten die Höhe des Wertes des beschädigten Wagens überschreiten, da dann die Anschaffung eines

§ 2 Analyse der

20

Problematik

D i e R e c h t s p r e c h u n g ü b e r p r ü f t also im R a h m e n des E r f o r d e r l i c h k e i t s k r i t e riums nicht nur, o b die E r s a t z a n m i e t u n g ein geeignetes und erforderliches M i t t e l zur Beseitigung des Schadens, den sie im Verlust der N u t z u n g s m ö g lichkeit sieht, ist, sondern n i m m t darüber hinaus eine Interessenabwägung vor, die auf das Interesse des Geschädigten an der k o n k r e t e n N u t z u n g der Sache zur Bedarfsbefriedigung abstellt. I n d e m die R e c h t s p r e c h u n g die E r s t a t tung der M i e t w a g e n k o s t e n v o n einer solchen Interessenabwägung abhängig macht, w e r d e n in die E n t s c h e i d u n g ü b e r die Erstattung A s p e k t e hineingetragen, die sich mit der B e s t i m m u n g des Schadens als Verlust der N u t z u n g s m ö g lichkeit nicht vereinbaren lassen. N a c h d e m die R e c h t s p r e c h u n g z w a r erklärt, der Schaden bestehe im Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache, im R a h m e n ihrer Ü b e r l e g u n g e n zur E r f o r d e r l i c h k e i t j e d o c h eine v o m k o n k r e t e n B e darf des G e s c h ä d i g t e n ausgehende Interessenabwägung v o r n i m m t , stellt sich die Frage, o b der schadensersatzrechtlich relevante Schaden statt in dem Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t nicht vielmehr erst in dem E n t g a n g k o n k r e t e r G e b r a u c h s v o r t e i l e zu sehen ist.

3. Verhältnismäßigkeit der Mietkosten für eine nach §251 II BGB

Ersatzsache

N a c h § 2 5 1 II B G B b e s c h r ä n k t sich die Ersatzpflicht des Schädigers auf eine Geldleistung, w e n n die H e r s t e l l u n g nur mit unverhältnismäßigen M i t teln m ö g l i c h ist. H a t der Geschädigte keinen oder nur geringen F a h r b e d a r f , so k ö n n t e n die M i e t w a g e n k o s t e n als unverhältnismäßig anzusehen sein. 6 0 D a b e i ist j e d o c h zweierlei zu beachten. Sieht man den Schaden im Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t als solcher, so k o m m t es auf den N u t z u n g s b e d a r f nicht an. V o n einer UnVerhältnismäßigkeit k ö n n t e daher nur dann gesprochen w e r den, w e n n die A n m i e t u n g einer E r s a t z s a c h e einen unverhältnismäßigen A u f w a n d erfordern würde. A u ß e r d e m w e r d e n durch den Eingriff in die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Interessen des Geschädigten beeinträchtigt. 6 1 D a immaterielle Interessen einer B e w e r t u n g nicht zugänglich sind, ist eine Gegenüberstellung v o n Integritäts-interesse und Herstellungsaufwand p r o b l e m a t i s c h . § 2 5 1 I I B G B kann deshalb bei immateriellen Schäden, w e n n überhaupt, nur restriktiv A n w e n dung finden. 6 2 D i e E i n s c h r ä n k u n g der Mietersatzpflicht auf der G r u n d l a g e v o n § 251 II B G B wird vorrangig bei B e s c h ä d i g u n g v o n gewerblich genutzten F a h r z e u Ersatzfahrzeugs statt der Anmietung angezeigt sein kann; vgl. dazu Münch Komm/Grunsky, § 249 Rn 28; Becker/Böhme, Rn D 47; LG Köln vom 28.3.1991, VersR 1992, 621; BGH NJW 1985, 2637, 2639; 1985, 793; Soergel/Mertens, § 249 Rn 91; LG Karlsruhe VersR 1989, 61. 60 Koller, DAR 1981, 289, 294; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2. 61 Koller, DAR 1981, 289, 294. 62 Koller, DAR 1981, 289, 294; Jauernig/Teichmann, §251 Rn 8; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 251 Rn 18; MünchKomm/Grunsky, § 251 Rn 17.

A. Anspruch

des Geschädigten

auf eine Ersatzsache

bzw. Erstattung

der Mietkosten

21

gen, insbesondere Taxen, diskutiert. N a c h der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem Geschädigten auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen auf der Grundlage der Naturalherstellung gemäß § 2 4 9 B G B grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten zu. 6 3 Gehen die K o sten für die Anmietung eines Ersatzwagens jedoch über den voraussichtlich entgehenden Gewinn bzw. den tatsächlich erzielten Ertrag hinaus, so wird ihre Ersatzfähigkeit in Frage gestellt. Nachdem die Instanzgerichte die E r satzpflicht zunächst auf den entgehenden Gewinn beschränkt sahen, 6 4 ist dem der Bundesgerichtshof unter Betonung des Integritätsinteresses des Geschädigten, das über das Kompensationsinteresse hinausgehe, entgegengetreten. D e r Herstellungsanspruch werde allein durch die Unverhältnismäßigkeitsgrenze des § 251 II B G B beschränkt. D i e Feststellung, ob die Mietwagenkosten als unverhältnismäßig anzusehen seien, habe dabei auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu erfolgen, wobei neben dem entgehenden Gewinn auch dem Interesse des Geschädigten an der ungestörten Fortführung seines Betriebes Rechnung zu tragen sei. Zu den zu berücksichtigenden schutzwürdigen Belangen zählt er den guten R u f des Betriebes, die Dispositionsfreiheit über einen vollen Wagenpark und das Interesse, die sachliche Restkapazität an Kraftfahrzeugen nicht übermäßig beanspruchen zu müssen. D e r Bundesgerichtshof bezieht damit in seine Betrachtung alle negativen Folgen, die sich aus dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für den Geschädigten ergeben können, in die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein 6 5 und macht die Entscheidung davon abhängig, o b ein wirtschaftlich denkender Mensch in vergleichbarer Lage ein Ersatzfahrzeug angemietet hätte oder ein solches Vorgehen als unverhältnismäßig ansehen würde. 6 6 Dieselben Überlegungen, die zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten bei privaten Fahrzeugen im Rahmen des Erforderlichkeitskriteriums 63 B G H Z 7 0 , 1 9 9 , 203; B G H N J W 1985, 793 = VersR 1 9 8 5 , 2 8 3 , 284. D e r B G H , B G H Z 70, 199, 203, bezieht sich interessanterweise auf den im Hinblick auf die Nutzungsentschädigung entwickelten wirtschaftlichen Schadensbegriff, obwohl bei gewerblich eingesetzten Fahrzeugen die Nutzungsentschädigung regelmäßig auf den entgangenen Gewinn beschränkt angesehen wird; vgl. dazuS. 449. 64 So auch das Berufungsurteil, das der Entscheidung des B G H , N J W 1985, 783 = VersR 1985, 283, zugrundelag; vgl. auch O L G München M D R 1975, 755; O L G Nürnberg VersR 1978, 1148. 65 In diese Richtung auch O L G München, VersR 1988, 1043, im Hinblick auf den Ersatz von Mietkosten für ein Ersatzflugzeug. Hier hob das Gericht hervor, daß der Geschädigte das Flugzeug habe anmieten müssen, um seine Stellung als zuverlässiger, starker Partner zu behaupten. 66 Im einzelnen bestehen bei den Instanzgerichten jedoch Unsicherheiten, wie die Unverhältnismäßigkeitsgrenze zu bestimmen ist. Das L G Rottweil, ZfS 1989, 264, hat eine U b e r schreitung um 2 9 9 % noch als verhältnismäßig angesehen; das O L G Celle hat es als unverhältnismäßig angesehen, wenn die Miete 3 1/2 mal so hoch war wie der Gewinn, O L G Celle N Z V 1999, 209; L G Nürnberg N J W - R R 1999, 464; L G Bonn, N J W - R R 1999, 464; vgl. auch L G Frankfurt, N J W - R R 1988, 1303, und L G Stuttgart, VersR 1992, 711, 712, die sich für einen Richtwert aussprechen; vgl. dazu ausführlich S. 355 ff.

22

5 2 Analyse der

Problematik

nach §§ 249 S. 2, 254 II BGB angestellt werden, 67 werden damit bei gewerblicher N u t z u n g bei § 251 II BGB angesiedelt. Auch hier zeigt sich, daß Unsicherheiten über den Bezugspunkt der Ersatzpflicht bestehen. Liegt der Schaden in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher, wovon gemeinhin ausgegangen wird, so dürfte es auf die Gebrauchsabsicht und damit auf den voraussichtlichen Gewinn nicht ankommen, sondern die Ersatzanmietungskosten müßten unabhängig von der voraussichtlichen N u t z u n g bzw. der Gewinnerzielung ersatzfähig sein. Für die Anwendung von §251 II BGB bestünde allenfalls dann Raum, wenn die Anmietung nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich wäre, also etwa die Mietkosten exorbitant hoch wären. 68 Die Überlegungen, die der Bundesgerichtshof im Rahmen der Interessenabwägung nach § 251 II BGB anstellt, beziehen sich aber auf die ganz konkreten negativen Auswirkungen, die sich daraus ergeben, daß der Geschädigte seine Sache nicht wie beabsichtigt nutzen kann. Im Fall des entgehenden Gewinns ist dies offensichtlich, er soll durch den Gebrauch der Sache erwirtschaftet werden. Aber auch die sonstigen schutzwürdigen Belange wie guter Ruf, Dispositionsfreiheit etc. sind vorrangig vom entsprechenden Einsatz der Sache im konkreten Fall abhängig und ergeben sich nicht aus der Nutzungsmöglichkeit schlechthin. Auch hier zeigt sich, daß letztlich nicht auf die Nutzungsmöglichkeit als solche abgestellt wird, sondern darauf, welche Nachteile dem Geschädigten drohen, wenn er die Sache nicht wie beabsichtigt nutzen kann. Die Anmietung der Ersatzsache hat damit schadensabwendenden Charakter.

4. Beschränkung

des Ersatzes der Mietkosten nach § 254 II BGB

Schließlich wird auch § 254 II BGB herangezogen, um bei geringem oder fehlendem, aber auch bei besonders hohem 6 9 Fahrbedarf den Ersatz von Mietwagenkosten zu versagen und den Geschädigten auf andere Möglichkeiten der Bedarfsbefriedigung zu verweisen. Es wird argumentiert, daß der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten sei, ein Taxi oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. 7 0 Es wird also darauf abgestellt, ob der Nachteil, der sich aus dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit ergibt, nämlich bestimmten Fahrbedarf nicht befriedigen zu können, auf andere, günstigere Weise hätte abgewendet werden können. Für diese Argumentation gilt entsprechendes wie für die Beschränkung durch das Erforderlichkeitskriterium, in das die Rechtsprechung aus beweisrechtlichen Gründen bereits die Wertung des § 254 II BGB einbezieht. 71 Auch hier zeigen sich Unsicherheiten 67

Vgl. dazu S. 16ff. Diesen Aspekt betont Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 70ff. 69 Vgl. dazu S. 19f. 70 Müller, JuS 1985, 279, 281; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2. 71 Vgl. dazu bereits S. 17f. Die Rechtsprechung berücksichtigt diesen Aspekt regelmäßig bereits im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung, was zur Folge hat, daß der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast zu tragen hat und nicht der Schädiger. 68

A. Anspruch

des Geschädigten

auf eine Ersatzsache

bzw. Erstattung

der Mietkosten

23

bei der Bestimmung des auszugleichenden Schadens. Liegt der Schaden im Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher, wie gemeinhin angenommen wird, so ist er - unabhängig vom Bedarf - nur dadurch abwendbar, daß eine Ersatzsache angemietet wird. Die Verfügungsmöglichkeit über ein eigenes Fahrzeug kann mit der Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel oder ein Taxi benutzen zu können, nicht gleichgesetzt werden, so daß eine Herstellung nur durch die Anmietung einer Ersatzsache möglich ist. Besorgt sich der Geschädigte eine entsprechende Ersatzsache, so kann darin kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegen, denn die Schadensminderungspflicht des § 254 II B G B geht nicht so weit, daß sie vom Geschädigten einen Verzicht auf die Herstellung verlangen würde. 72 Eine Beschränkung des Ersatzes über die Schadensminderungs- und Schadensabwendungspflicht ist unter dieser Prämisse daher nicht möglich. Anders ist dies jedoch, wenn man den Schaden in den konkret entgehenden Gebrauchsvortei-len sieht. Denn dann zielt die Ersatzanmietung auf die Befriedigung einer ganz bestimmten Bedarfssituation, so daß entsprechende andere Möglichkeiten der Bedarfsbefriedigung, wie z.B. mit Taxen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, durchaus Berücksichtigung finden können. Auch hier wird damit deutlich, daß, obwohl man den Schaden im Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher sieht, faktisch auf die dem Geschädigten konkret entgehenden Gebrauchsvorteile abgestellt wird.

III.

Zusammenfassung

Aufgrund der Analyse zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Anmietung einer Ersatzsache bleibt festzuhalten, daß weder die Grundlagen des Erstattungsanspruchs noch die Frage, worin der auszugleichende Schaden besteht, als geklärt angesehen werden können. Bei der Beurteilung der Ersatzanmietung als schadensbeseitigende Maßnahme im Sinne von § 249 B G B wird dem Aspekt nicht ausreichend Rechnung getragen, daß die Ersatzanmietung verhindern soll, daß sich der Verlust der Nutzungsmöglichkeit negativ bemerkbar macht, die Ersatzanmietung also nicht schadensbeseitigenden, sondern präventiven, schadensabwendenden Charakter hat. Des weiteren hat sich gezeigt, daß zwar erklärtermaßen der Schaden in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit gesehen wird, man aber im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit gemäß § 249 S. 2 B G B , der Verhältnismäßigkeit gemäß § 251 II B G B und des Mitverschuldens nach § 254 II B G B immer wieder darauf abstellt und die Ersatzpflicht davon abhängig macht, welche konkreten Folgen der Verlust der Nutzungsmöglichkeit für den Geschädigten hat, welche Gebrauchsvorteile ihm also im einzelnen entgehen. Der Frage, 71 Medicus, Verzicht."

N J W 1 9 8 9 , 1 8 8 9 , 1 8 9 4 : „§ 254 II B G B verlangt das günstigste Mittel, nicht den

24

5 2 Analyse der

Problematik

w o r i n der schadensersatzrechtlich relevante Verlust besteht, k o m m t damit entscheidende B e d e u t u n g zu. E i n e L ö s u n g dieses bisher vernachlässigten P r o blems ist deshalb auch im H i n b l i c k auf das besondere wirtschaftliche G e w i c h t , das die Ersatzpflicht gerade auch in den Kraftfahrzeugfällen hat, notwendig.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

I. Ausgangspunkt des Problems W ä h r e n d ganz überwiegend Einigkeit darüber besteht, daß der G e s c h ä digte, der eine Sache aufgrund eines schädigenden Eingriffs über einen b e stimmten Z e i t r a u m nicht n u t z e n kann, einen A n s p r u c h auf Stellung einer E r satzsache für diesen Zeitraum bzw. einen A n s p r u c h auf Erstattung der K o sten für die A n m i e t u n g einer E r s a t z s a c h e hat, 7 3 ist die Frage, o b d e m G e s c h ä digten eine E n t s c h ä d i g u n g zusteht, w e n n er in dem betreffenden Z e i t r a u m keine E r s a t z s a c h e anmietet und auf die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache in dieser Zeit verzichtet, nach wie v o r heftig umstritten und gehört zu den meistdiskutierten im Schadensersatzrecht. 7 4 O b w o h l bei Kraftfahrzeugen seit den 60er J a h r e n eine N u t z u n g s e n t s c h ä d i g u n g zuerkannt wird, 7 5 w u r d e bisher w e d e r Einigkeit darüber erzielt, o b überhaupt ein einem Geldausgleich z u gänglicher V e r m ö g e n s s c h a d e n vorliegt, n o c h darüber, auf w e l c h e r G r u n d l a g e , unter w e l c h e n Voraussetzungen und in w e l c h e m U m f a n g E r s a t z zu leisten ist. D e r A u s g a n g s p u n k t der P r o b l e m a t i k liegt darin, daß nach § 2 5 3 B G B nur V e r m ö g e n s s c h ä d e n einem G e l d e r s a t z zugänglich sind. W i e bereits angesprochen, prägt die auf Mommsen

z u r ü c k g e h e n d e D i f f e r e n z t h e o r i e 7 6 t r o t z der ge-

gen sie e r h o b e n e n E i n w ä n d e nach wie v o r das Schadensersatzrecht. S o w o h l die R e c h t s p r e c h u n g 7 7 als auch die überwiegende M e i n u n g in der Literatur 7 8 gehen von ihr aus. N a c h ihr ist ein V e r m ö g e n s s c h a d e n dann gegeben, w e n n der jetzige tatsächliche Wert des V e r m ö g e n s des G e s c h ä d i g t e n geringer ist als der Wert, den das V e r m ö g e n o h n e das die Ersatzpflicht begründende Ereignis Vgl. dazu oben S. lOff. Vgl. Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 33; Ströfer, S. 21; Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613; Zeuner, JZ 1986, 395; Flessner, JZ 1987, 271; Graf, S. 25. 75 BGHZ 40, 345, 347; 45, 212, 215; 56, 214, 215; 61, 325, 328; 61, 346, 349; 98, 212, 217. 76 Mommsen, Lehre vom Interesse, S. 3ff; vgl. dazu ausführlich S. 389ff. 77 BGHZ 27, 181, 183; 40, 345, 347; 75, 366, 371; 98, 212, 217; 99, 182, 196; BGH NJW 1994, 2357, 2359; 1997, 2378; BAG NJW 1985, 2545. 78 Lange, Schadensersatz, § 1 III 4; Lange/Hagen, S. 41; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 867, 894; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 8; ]auernig/Teichmann, Vor § 249 Rn 5; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I a; Stoll, Begriff, S. 17; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 7; Scbiemann, Festschrift Hagen, S. 30; Littbarski, Rechtstheorie 1984, 171, 190; Weychardt, S. 26ff; Neuwald, S. 6ff; Roussos, S. 169ff; Graf, S. 25. Anders Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 6; Erman/Kuckuk, Vor § 249 Rn 26; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 41 ff; Honsell/Harrer, JuS 1991, 441, 442; Wendehorst, S. 59; vgl. S. 389ff. 73

74

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

25

haben würde. 79 Die Differenztheorie fordert damit, daß sich das schädigende Ereignis noch zum Zeitpunkt der Differenzbildung negativ im Vermögen des Geschädigten bemerkbar macht. Aufgrund der Tatsache, daß der Geschädigte in den Fällen des zeitweiligen Entgangs der Nutzungsmöglichkeit auf die Sache und die durch sie vermittelten Gebrauchsvorteile verzichtet oder sich anderweitig behilft, wirkt sich der Nachteil nicht auf Dauer vermögensmäßig aus, es läßt sich deshalb auch keine rechnerische Vermögensdifferenz feststellen. 80 Nach der Differenztheorie liegt daher mangels einer dauerhaften negativen Vermögensauswirkung der Nutzungsbeeinträchtigung kein Vermögensschaden vor, sie berücksichtigt diese besondere Fallkonstellation nicht. Man hat deshalb vom blinden Fleck der Differenztheorie gesprochen. 81 Diese Lücke hat Stoll folgendermaßen charakterisiert: „Ubergangen werden die in der Mitte stehenden Schadensfälle, in welchen das schädigende Ereignis zwar in die Vermögenssphäre des Geschädigten eingreift, aber weder zu einer konkreten Vermögensminderung noch zum Verlust konkreter Gewinne führt." 8 2 Den Fällen des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder der Arbeitskraft, insbesondere bei Selbständigen, Hausfrauen- und männern, 83 vermag die Differenztheorie, die sich darüber hinaus auch in den Fällen obligatorischer Gefahrverlagerung, hypothetischer Kausalität, der Vorteilsausgleichung etc. als problematisch erweist, 84 nicht gerecht zu werden. In diesen Fällen wird deshalb eine Lösung der Schadens- bzw. Vermögensschadensfrage auf der Grundlage von Wertungsentscheidungen gesucht. Es wird dabei von den Wertungsgrundlagen unseres Schadensersatzsystems ausgegangen und eine „normative" Würdigung 8 5 vorgenommen. In der Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang, den Begriff des „normativen Schadens" nun79 B G H Z 27, 181, 183; 40, 345, 347; 75, 366, 371; 98, 212, 217; 99, 182, 196; B G H N J W 1994, 2357, 2359; 1997, 2378; B A G N J W 1985, 2545. 80 Obwohl Medicus, Jura 1987, 240, 244, den Differenzgedanken nicht auf einen Vermögensvergleich, sondern einen Zustandsvergleich bezieht, kommt auch er zu dem Ergebnis, daß kein Vermögensschaden vorliege, weil sich die Einbuße beim Geschädigten nicht auf Dauer negativ im Vermögen bemerkbar mache: „Ist dagegen weder ein Gewinn entgangen noch sind Aufwendungen entstanden, so ergibt nach der Reparatur ein Vergleich von Ist- und Sollzustand keine Differenz mehr: Die Unannehmlichkeit, die der Geschädigte wegen des Nutzungsausfalls erlitten haben mag, sind ohne Spuren (zwar nicht an ihm, aber) an seinem Vermögen vorbeigegangen; ein Geldersatz wegen eines Vermögensschadens (§ 251 I B G B ) scheidet aus." 81 Schiemann, JuS 1988, 20, 21; Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 621. 82 Stoll, JuS 1968, 504, 512. 83 Vgl. dazu Würthwem, J Z 2000, 337, 340ff. 84 Vgl. dazu ausführlich S. 401 ff. 85 Es wird insoweit von „normativem Schaden" gesprochen, womit regelmäßig zum Ausdruck gebracht werden soll, daß bei der Schadensbestimmung auch normative, auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen beruhende Wertungen einzubeziehen sind; vgl. dazu Schiemann, NZV 1996, 1, 2; Steffen, N J W 1995, 2058; Hagen, Festschrift Hauß, S. 83 ff; Neuwald, S. 127; Weychardt, S. 149; Lange, Schadensersatz, § 1 II 9; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 13.

26

5 2 Analyse der

Problematik

mehr meidend,86 von „wertenden Korrekturen der Differenztheorie", davon, daß „die Differenzrechnung eines ergänzenden Wertansatzes" bedarf, gesprochen. 87 Die Diskussion um die Gewährung einer Nutzungsentschädigung bei zeitweiligem Nutzungsausfall entzündet sich an der Frage, ob und in welchem Rahmen unser Schadensersatzsystem trotz Fehlens einer Vermögensdifferenz eine Entschädigung fordert, eine Entschädigungspflicht systemgerecht und wünschenswert ist. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob es sich bei dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit um einen Vermögensschaden handelt oder nicht. 88 Betrachtet man die Sachlage jedoch genauer, so kann man den auszugleichenden Schaden nicht nur im Verlust der Nutzungsmöglichkeit sehen, sondern auch darin, daß dem Geschädigten aufgrund des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit ganz konkrete Gebrauchsvorteile entgangenen sind, ihm Vorteile nicht zugute gekommen sind, die er aller Wahrscheinlichkeit nach gezogen hätte. Der Nachteil des Geschädigten besteht also darin, daß sich seine zukünftige Entwicklung anders als erwartet gestaltet. Von zentraler Bedeutung für eine sachgerechte Lösung des Nutzungsproblems ist mithin die bisher vernachlässigte Frage, ob der schadensersatzrechtlich relevante Nachteil in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit, der Dispositionsfreiheit als solcher, wovon weithin ausgegangen wird, oder aber in dem Entgang konkreter Gebrauchsvorteile zu sehen ist. Diesen Aspekt im Auge behaltend, sollen zunächst die in Lehre und Rechtsprechung vorgebrachten Lösungsvorschläge analysiert werden. Gleichzeitig soll untersucht werden, welche Kriterien zur Begründung, Einschränkung oder Ablehnung der Ersatzpflicht herangezogen werden. Die Darstellung beschränkt sich dabei im Hinblick auf die enorme Fülle von Abhandlungen nach Steffen sind sie „Legion" 89 - auf die Skizzierung der Kernpunkte, wohl wissend, daß damit nicht allen vorgeschlagenen Lösungsansätzen ausreichend Rechnung getragen werden kann. 90

II. Ablehnung

eines

Geldersatzes

Bis zur Entscheidung des großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs 91 war ein nicht unerheblicher Teil des Schrifttums wie auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Vorlagebeschluß der Ansicht - inzwischen

86 87 88 89 90 91

BGHZ 43, 378, 381. B G H Z 9 8 , 212, 221. So ausdrücklich Wendehorst, S. 62. Steffen, NJW 1995, 2057. Zum Stand der Diskussion Graf, S. 37ff; Lange, Schadensersatz, § 6 VII. BGHZ 98, 212ff.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

27

wird sie nur n o c h vereinzelt vertreten 9 2 - , mit d e m Verlust der N u t z u n g s m ö g lichkeit erleide der Geschädigte, sofern ihm nicht aufgrund gewerbsmäßigen Einsatzes ein G e w i n n entgehe, nur einen gemäß § 2 5 3 B G B nicht ersatzfähigen immateriellen und keinen Vermögensschaden. 9 3 U n t e r Zugrundelegung der D i f f e r e n z t h e o r i e lasse sich keine V e r m ö g e n s d i f f e r e n z feststellen und G r ü n d e , die dazu zwängen oder es auch n u r ermöglichten, s c h o n allein im Verlust v o n G e b r a u c h s v o r t e i l e n einen ersatzfähigen Vermögensschaden zu erblicken, seien nicht ersichtlich. 9 4 G e g e n eine weitreichende Z u e r k e n n u n g v o n

Nutzungsentschädigungen

werden n e b e n dogmatischen auch rechtspolitische B e d e n k e n e r h o b e n . H ä u fig wird gewarnt, mit ihrer A n e r k e n n u n g k o m m e es zu einer D o p p e l e n t s c h ä digung und es d r o h e eine A u s u f e r u n g der Schadensersatzpflicht des Schädigers. 9 5 D a b e i ist der A s p e k t der U f e r l o s i g k e i t j e d o c h ambivalenter N a t u r und weist nur unpräzise auf eine zu lösende A u f g a b e , nicht aber auf deren L ö s u n g hin. 9 6 S o wollen einige A u t o r e n , wie Lange97

und Larenz98,

die diesen

A s p e k t b e t o n e n , einen E r s a t z nicht gänzlich ausschließen. E i n e Ersatzpflicht wird aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen wie auch versicherungsrechtlichen G e s i c h t s p u n k t e n als nicht w ü n s c h e n s w e r t angesehen. 9 9 D i e A n e r k e n n u n g der N u t z u n g s e n t s c h ä d i g u n g bei Kraftfahrzeugen sei nicht unwesentlich dadurch beeinflußt gewesen, daß in diesen Fällen Versicherungsschutz bestehe und der Schädiger nicht persönlich v o n der E r s a t z pflicht betroffen werde. 1 0 0 D a b e i werde j e d o c h der Tatsache nicht ausreichend R e c h n u n g getragen, daß letztlich der Schadensausgleich aus dem Prä92 Honsell/Harrer, JuS 1991, 441, 447; Honseil, Symposium Stark, S. 15, 38f; mit Einschränkungen Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 248, S. 306, 311; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5. 93 Vorlagebeschluß des V. Zivilsenats, NJW 1986, 2037ff; Honsell/Harrer, JuS 1985, 161, 166; ¿¿es., JuS 1991, 441, 447ff; Bötticher, VersR 1966, 301 ff; Keuk, S. 208ff, 223; Tolk, S. 94ff, 120; Baur, Festschrift Raiser, S. 119,131 f; Ströfer, S. 65 ff, 80, 269, für den deliktischen Bereich. Grundsätzlich ablehnend, für Kraftfahrzeuge jedoch eine Sonderregelung anerkennend, Hagen, JZ 1983, 833; Schiemann, S. 298ff; Kaufmann, AcP 162, 421, 435f; Hohloch, Gutachten I, S. 375, 420. 94 Vorlagebeschluß des V. Zivilsenats, NJW 1986, 2037, 2039. 95 Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Honsell/Harrer, JuS 1985, 161 f, 166; ¿¿es., JuS 1991, 441 ff, 447. 96 Vgl. dazu Schiemann, S. 55, 155; ders., NZV 1996, 1, 2; Schilcher, S. 45; Brinkmann, BB 1987, 1828, 1832. 97 Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 e. 98 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; vgl. auch Hansen, S. 70ff. 99 Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5; vgl. auch Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 248, S. 306ff, 311; Stoll, JuS 1968,504, 507. 100 Baur, Festschrift Raiser, S. 119, 122ff; Ströfer, S. 92; Tolk, S. 76. Hagen, JZ 1983, 833, 837, hat versucht, die Nutzungsentschädigung bei Kfz mit versicherungsrechtlichen Aspekten zu begründen. Neben internationalen Aspekten sei bei Verkehrsunfällen eine rasche rationelle Abwicklung angezeigt. Die Gewährung von Nutzungsentschädigung stelle insoweit einen Anreiz dar, auf einen Ersatzwagen zu verzichten. Dieser Verzicht auf einen Ersatzwagen verbillige letztlich den Haftpflichtversicherungsschutz der Solidargemeinschaft. In diese Richtung auch Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 828.

28

§ 2 Analyse der

Problematik

mienaufkommen aller Versicherungsnehmer bestritten werde, mithin das Kollektiv der versicherungspflichtigen Versicherungsnehmer belastet werde. 101 Vor dem Hintergrund des Versicherungsaspekts sei vielmehr zu fragen, ob die einzelnen Nutzungsausfälle von den Betroffenen tatsächlich als so gravierend empfunden würden, daß eine versicherungsrechtliche Abdeckung sinnvoll und lohnend erscheine. 102 Die Tatsache, daß in Osterreich der ganz überwiegende Teil der Versicherungsnehmer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, zugunsten eines niedrigeren Versicherungstarifs auf die Anmietung eines Ersatzwagens bzw. eine Ausfallentschädigung zu verzichten, 103 zeige, daß kein Entschädigungsbedürfnis bestehe. 104 Gegen die Ansicht, die Nutzungsmöglichkeit einer Sache stelle einen selbständigen Vermögenswert dar, hat sich insbesondere Larenz mit dem Argument gewandt, daß die Möglichkeit des Gebrauchs einer Sache keinen von ihrem Substanzwert zu sondernden, selbständigen Vermögenswert habe und es deshalb zu einer Doppelentschädigung komme. 105 In einer Vermögensgesamtrechnung stelle der Gebrauchswert einer Sache keinen von ihrem Substanzwert verschiedenen Posten dar, sondern gehe in diesem auf. Niemand werde in einer Vermögensaufstellung dieselbe Sache zweimal bewerten, einmal mit ihrem Substanzwert und ein zweites Mal mit ihrem Gebrauchswert. Auch wenn man sich von der Differenztheorie löse, so bleibe es doch dabei, daß mit der Beendigung der Reparatur die Gebrauchsmöglichkeit voll wiederhergestellt sei. 106 Larenz spricht damit das Verhältnis zwischen der Sache an sich und dem sich aus dem Eigentum an ihr ergebenden Recht, mit ihr gemäß § 903 B G B nach Belieben zu verfahren und sie damit auch nutzen zu können, an und grenzt die Nutzungsmöglichkeit von den selbständigen Nutzungsrechten ab. 107 Stehen Substanz- und Gebrauchswert nicht nebeneinander, kommt der Nutzungsmöglichkeit also kein eigenständiger Wert neben dem Substanzwert 101 Baur, Festschrift Raiser, S. 122; Ströfer, S. 92; Tolk, S. 78; anders Hagen, J Z 1983, 833, 837; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 828; vgl. schon die vorige Fußnote. 102 Tolk, S. 79. Darauf stellen insbesondere auch Beyers, Unfallschäden, S. 648f, und Güllemann, S. 160, ab, die vorgeschlagen haben, zur Erleichterung der Schadensregulierung im Straßenverkehr an die Stelle des Haftungssystems eine Direktversicherungslösung treten zu lassen. Sie stehen einer Nutzungsausfallentschädigung ablehnend gegenüber. 103 Vgl. zum österreichischen Spalttarif, Mayer-Maly, VersR 1974, 208ff; Tolk, S. 78 Fußnote 24; Littbarski, Rechtstheorie 1984, 171, 199; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5 Fußnote 210; Nebisen, S. 198ff. 104 Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5 Fußnote 210. 105 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; ders., VersR 1963, 312; ders., Festschrift Nipperdey, S. 489, 496ff; ders., Festschrift Oftinger, S. 151; Löwe, VersR 1963, 307; ders., N J W 1964, 701; Tolk, S. 95; Bötticher, VersR 1966, 301; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 b; Stöfer, S. 69ff; Hagen, J Z 1983, 833, 835; Dunz,JL 1984, 1010, 1012, 1014. 106 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c. Nach Larenz, a.a.O, kann ein Schaden allerdings in der zeitlichen Verschiebung des Gebrauchs bestehen; vgl. dazu Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1052; Köndgen, AcP 177, 1, 18; Brinkmann, B B 1987, 1828, 1832. 107 Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 496ff; vgl. dazu ausführlich S. 85ff.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

29

zu, so bedeutet dies jedoch nur, daß der Verlust der Nutzungsmöglichkeit an sich noch keinen Vermögensschaden darstellt, offen bleibt, wie die dem Geschädigten entgangenen Gebrauchsvorteile rechtlich einzuordnen sind. So differenziert Stüdemann unter Rückgriff auf wirtschaftliche Überlegungen und Grundsätze zwischen der Nutzungsmöglichkeit eines Gutes als dem ihm innewohnenden Nutzenpotential, das keinen eigenständigen Vermögensposten darstelle, 108 und den aus dem Nutzenpotential ziehbaren Nutzleistungen. Die aus dem Gut zu gewinnenden Nutzleistungen stellten selbständige Vermögensbestandteile dar, weshalb auch die Gebrauchsvorteile zum Vermögen zählen würden. 109 Köndgen hingegen hat in diesem Zusammenhang zwischen dem „Substanzwert" und Gebrauchswert einerseits 110 und dem Sachgebrauch als Aufwand andererseits111 differenziert. Mit dem Erwerb des Eigentums erbringe der Käufer den Gegenwert für sämtliche Nutzungen. Soweit die konsumtive Nutzung nicht möglich sei und es zu Amortisationsverzögerungen komme, könne deshalb für schadensrechtliche Zwecke auf die Abschreibungsverfahren der Selbstkostenrechnung zurückgegriffen werden. 112 Weiter wird argumentiert, daß es sich bei der geplanten konsumtiven Verwendung nicht um die Mehrung des Vermögens, sondern um dessen Verzehr gehe. 113 Wer konsumiere, erziele nicht nur nicht das Markteinkommen, sondern gar kein in Geld meßbares Einkommen. Ökonomisch gesehen liege nur ein Ressourcenverzehr vor, ein Opfer an ökonomischen Mitteln, dem kein wirtschaftlich meßbarer, sondern nur ein persönlicher Wert gegenübertrete. Mithin fehle es, halte man den Geschädigten an seiner Entscheidung fest, an einem meßbaren Verlust, so daß ein Nutzungsersatz ausscheide.114 Ob es allerdings sachlich zutreffend ist, in der Nutzung einer Sache - und damit der Ziehung konkreter Gebrauchsvorteile zur Befriedigung ganz bestimmter Bedürfnisse - einen einseitigen Vermögensverzehr zu sehen, dem keine entsprechenden Vorteile gegenübertreten, erscheint zweifelhaft. 115 Schließlich wird auf die regelmäßige Nachholbarkeit des Gebrauchs verwiesen und aus diesem Grund ein Ersatz abgelehnt. 116 Dies würde jedoch Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1054. Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1054, 1056. 110 Köndgen, AcP 177, 1,18. 111 Köndgen, AcP 177,1, 22 ff. 112 Köndgen, AcP 177, 1, 23 ff. Unter Zugrundelegung des Frustrationsgedankens will er dem Geschädigten deshalb wegen des Ausfalls konsumtiver Nutzung Ersatz für den fehlgeschlagenen Aufwand bzw. die Amortisationsverzögerung gewähren. 113 Askenasy, Gruchots Beiträge 70, 373, 379; Bötticher, VersR 1966, 301, 309; Köndgen, AcP 177, 1, 30; Ströfer, S. 72; Brinker, S. 288, 294 f, 298. 114 Brinker, S. 294, 298. 115 Köndgen, AcP 177, 1, 26, greift hier auf den Frustrationsgedanken zurück, vgl. dazu noch S. 51 ff. 116 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 e; Dunz, J Z 1984, 1010, 101 l f ; Hansen, S. 72. 108 109

§ 2 Analyse der

30

Problematik

insoweit nicht ganz k o n s e q u e n t 1 1 7 - bedeuten, daß der zeitweilige Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t grundsätzlich einen Schaden darstellt, bei dem ein E r satz allein aus G r ü n d e n der Vorteilsausgleichung, nämlich der N a c h h o l b a r keit des G e b r a u c h s , ausscheidet. D a m i t ist zumindest in den Fällen, in denen der G e b r a u c h nicht n a c h h o l b a r ist, ein E r s a t z zu gewähren. I n s b e s o n d e r e

La-

renz und Stoll, die grundsätzlich einer Ersatzpflicht kritisch gegenüberstehen, w o l l e n in diesen Fällen einen Ausgleich für die frustrierten K o s t e n , i n s b e s o n dere die G e m e i n k o s t e n , z u s p r e c h e n . 1 1 8

III.

Begründungsansätze

für einen

Nutzungsersatz

W e n n i n z w i s c h e n auch in R e c h t s p r e c h u n g und L e h r e nach der E n t s c h e i dung des G r o ß e n Senats 1 1 9 weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß der v o r ü b e r g e h e n d e Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einen E r s a t z a n s p r u c h begründen kann, so gehen die Auffassungen über die dogmatische B e g r ü n d u n g wie auch den U m f a n g der Ersatzpflicht nach wie v o r weit auseinander und setzen an unterschiedlichen A u s g a n g s p u n k t e n an.

1. Uberwindung a)

des

Schadensdualismus

„Sparsamkeitsprämie"

D i e G r u n d l a g e der N u t z u n g s p r o b l e m a t i k wird in dem sich aus §§ 2 4 9 , 2 5 3 B G B ergebenden Schadensdualismus gesehen, nach dem alle Schäden im W e g e der Naturalherstellung auszugleichen sind, Geldersatz aber n u r bei V e r m ö g e n s s c h ä d e n in B e t r a c h t k o m m t . A u f g r u n d der weitreichenden A n e r k e n n u n g eines A n s p r u c h s auf Stellung einer E r s a t z s a c h e bzw. der K o s t e n ü b e r n a h m e für eine solche wird die A b l e h n u n g eines N u t z u n g s e r s a t z e s als D i s k r e p a n z e m p f u n d e n . 1 2 0 D a ß der G e s c h ä d i g t e die K o s t e n für einen tatsächlich angemieteten M i e t w a g e n verlangen k ö n n e , j e d o c h dann, w e n n er auf die A n m i e t u n g verzichte, leer ausgehen solle, wird als nicht wertungsgerecht angesehen. E s sei mißlich und sachwidrig, w e n n es sich zugunsten des Schädigers auswirke, daß der Geschädigte auf die A n m i e t u n g eines E r s a t z w a g e n s verzichte und dadurch in die Tasche des Schädigers spare. 1 2 1

Schließlich

So auch Brinker, S. 294, 298. Larenz, Schuldrecht I, §29 11 c; Stoll, JuS 1968, 504, 507; den., Haftungsfolgen, Nr. 248ff, S. 306, 311; Köndgen, AcP 177, lff, 30; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 e; Hansen, S. 77; vgl. zur Frustrationstheorie S. 5lff. 119 BGHZ 98, 212ff. 120 Vgl. dazu S. 10 ff. 121 leuner, AcP 163, 380ff, 394ff; Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 30; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 828; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 33 ff; Medicus, VersR 1981, 593, 603; Schmidt-Salzer, BB 1970, 55ff. Der Gedanke, den Geschädigten nicht leer ausgehen zu 117 118

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

31

könne der Schädiger, um sich seiner Ersatzpflicht zu entziehen, sogar versuchen, eine Ersatzanmietung zu verhindern, indem er sich weigere, dem Geschädigten die Kosten für einen Mietwagen vorzuschießen. 1 2 2 Zur Uberwindung des Schadensdualismus und der wertungsmäßigen Diskrepanz zur umfassenden Ersatzpflicht von Mietwagenkosten sei, auch wenn es sich nur um einen immateriellen Schaden handele, in Abweichung zur Regelung des § 253 B G B Geldersatz zu leisten. Insbesondere Medicus123 hat aufgrund dieses „Billigkeitsarguments" der Ersatzfähigkeit eines in seinen Augen immateriellen Schadens zugestimmt und darauf verwiesen, daß es sich in diesen Fällen in Wahrheit um eine Sparsamkeitsprämie für den Geschädigten handele, der auf die Naturalherstellung verzichte. 124 den SparefUnter umgekehrten Vorzeichen sieht neuerdings Schiemann fekt. Indem er von einer Nutzungsausfallentschädigung als feststehender Tatsache ausgeht, 125 will er den Ersatz von Mietwagenkosten, die regelmäßig ein Mehrfaches der Nutzungsentschädigung betragen, beschränken und den G e schädigten primär auf die Nutzungsentschädigung verweisen. 126 Diese konträren Sparüberlegungen machen deutlich, daß die Gewährung einer niedrig bemessenen Nutzungsentschädigung aus wirtschaftlichen und versicherungsrechtlichen Gründen sinnvoll sein mag. Sie vermögen eine Ersatzpflicht jedoch nicht dogmatisch zu begründen.

b) Teleologische

Reduktion

des § 253

BGB

Nachdem Hobloch bereits in seinem Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts vorgeschlagen hatte, das Problem im Bereich des Ersatzes von Immaterialschäden zu lösen, 127 wird von Schulze neuerdings eine teleologische Reduktion von § 253 B G B gefordert. 128 Ausgehend von der Differenztheorie und dem bereits von Larenz angesprochenen Aspekt, daß die Nutzungsmöglichkeit einer Sache keinen selbständigen Wert neben der Sache lassen, wenn er keinen Ersatzgegenstand angemietet hat, war auch für die Rechtsprechung, wie die grundlegenden Urteile zur Anerkennung einer Nutzungsentschädigung zeigen, B G H Z 40, 345, 347; 45, 212, 215; 56, 214, 216, von Bedeutung. 122 Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 30. 123 Entsprechend handelt Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 R n 3 3 f f , auch die Nutzungsproblematik unter § 2 5 3 B G B ab; anders nunmehr Staudinger/Schiemann, §251 Rn 73 ff, der die Problematik bei § 251 B G B einordnet. 124 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 828; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 2 5 3 R n 3 3 f f ; Medicus, VersR 1981, 593, 603; Steffen, N J W 1995, 2057, 2061. Neuerdings will Nehlsen, S. 180ff, auf vertraglicher Grundlage für den Verzicht eine Entschädigung gewähren. 125 Nach Schiemann, S. 298, handelt es sich um richterliches Gewohnheitsrecht; vgl. auch Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 85. 126 Staudinger/Schiemann, § 251 Rn 72, 85; Schiemann, J Z 1996,1077,1079; vgl. auch Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 142, S. 164. 127 Hohloch, Gutachten I, S. 383, 424; vgl. auch Magnus, S. 338. Eine Schadensverteilung auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeitserwägungen schlägt Schilcher vor, S. 198ff, 236. 128 Schulze, N J W 1997, 3336 ff.

32

§ 2 Analyse der

Problematik

selbst habe, 1 2 9 sieht er in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit einen immateriellen Schaden. Mit wachsendem zeitlichen Abstand zum Erlaß der Kodifikation sei jedoch eine teleologische Reduktion des § 253 B G B für die Bewältigung vieler Problemlagen unentbehrlich geworden. N e b e n dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht seien deshalb weitere Fallgruppen von Nichtvermögensschäden als erstattungsfähig zu betrachten. I m Rahmen einer fallgruppenbezogenen Anerkennung von Ersatzpflichten, die das Ausufern des Ersatzes von Nichtvermögensschäden vermeide, sei deshalb insbesondere auch Ersatz für Nutzungsausfall zu gewähren. 1 3 0 In Anlehnung an die Rechtsprechung, die allerdings von einem Vermögensschaden ausgeht, sei daran festzuhalten, daß bei Entbehrungsschäden wie bei Nutzungsausfall nur objektiv meßbare Einbußen erstattungsfähig seien, nicht aber Affektionsinteressen. 1 3 1 O b der Nutzungsausfall einen materiellen oder immateriellen Schaden darstellt, hängt von zweierlei ab. Erstens, worin man den schadensersatzrechtlich relevanten Verlust sieht, in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder dem Entgang konkreter Gebrauchsvorteile, und zweitens, wie man einen Vermögensschaden bestimmt. G e h t man von der Differenztheorie aus, so fehlt es an einem materiellen Schaden. Anders ist dies jedoch, wenn man einen Vermögensschaden immer dann annimmt, wenn der Nachteil unter Zugrundelegung objektiver Kriterien einer vermögensmäßigen Bestimmung zugänglich ist. Die Grenzziehung zwischen Vermögensschäden und immateriellen Schäden erfolgt dann danach, o b es sich um einen objektiv bewertbaren, vermögensmäßig bezifferbaren Schaden oder aber Affektionsinteressen, die einer Bewertung in Geld nicht zugänglich sind, handelt. 1 3 2 Soweit man nicht der Differenztheorie folgt, m u ß es deshalb als in sich widersprüchlich erscheinen, eine „objektiviert bemeßbare E i n b u ß e " 1 3 3 als immateriellen Schaden einzuordnen.

c) Die Bedarfstheorie

Zeuners und § 249 S. 2 BGB

D i e Diskrepanz zwischen dem umfassenden Naturalherstellungsanspruch auf der einen Seite und der Beschränkung des Geldersatzes auf Vermögensschäden auf der anderen Seite sucht Zeuner mit der „Bedarfslehre" in Anlehnung an § 2 4 9 S. 2 B G B zu lösen. 1 3 4 D e m Geschädigten stehe ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich zur Schadensbeseitigung notwendigen Aufwendungen zu. Es stelle sich aber die Frage, o b ein dem Geschädigten zu ersetzender Schaden erst dann vorliege, wenn er Aufwendungen für die SchadensbeseitiVgl. dazu S. 27f. Schulze, N J W 1997, 3337, 3341 f. 131 Schulze, N J W 1997, 3337, 3341 f. 132 Vgl. S. 381 ff. 133 Schulze, N J W 1997, 3337, 3342. 134 Zeuner, AcP 163, 380; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99ff; ders., J Z 1986, 395, 396; ders., J Z 1988, 200. 129 130

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

33

gung getätigt habe, oder ob nicht vielmehr der Schaden bereits darin liege, daß er Aufwendungen machen müsse, um den Schaden zu beseitigen. 135 Durch das schädigende Ereignis, die Beeinträchtigung einer Sache etwa, sei der Geschädigte gezwungen, kostenaufwendige schadensbeseitigende Maßnahmen durchführen zu lassen.136 Da Sparsamkeit und Zurückhaltung des Verletzten, der sich ohne Beschaffung einer entsprechenden anderweitigen Gebrauchsmöglichkeit behelfe, nicht dem Schädiger zugute kommen dürfe, 137 sei der Schaden des Geschädigten bereits in dem durch die Gebrauchsbeeinträchtigung hervorgerufenen „Wertbedarf" zur Beseitigung und nicht erst in den tatsächlich aufgewandten Kosten zu sehen. 138 Für diesen Bedarf sei daher unabhängig von der tatsächlichen Schadensbeseitigung Ersatz zu gewähren. 139 Bei der Entscheidung über die Vornahme von Beseitigungsmaßnahmen handele es sich deshalb nur um eine private Disposition des Geschädigten. 140 Seine Auffassung stützt Zeuner insbesondere auf § 843 BGB. Nach dieser Vorschrift steht dem Geschädigten bei durch eine Körperverletzung hervorgerufenen vermehrten Bedürfnissen eine frei verwendbare Rente zu. 141 Bei dieser Regelung handelt es sich jedoch um eine Sonderregelung für Körperverletzungen mit Dauerfolgen, die langfristig eine adäquate zukünftige Bedarfsbefriedigung des Geschädigten sicherstellen und damit drohenden Nachteilen entgegenwirken soll.142 Der generelle Schluß, daß der für Herstellungsmaßnahmen zu leistende Schadensersatz nicht zweckgebunden sei, läßt sich aus ihr deshalb nicht ableiten. 143 Nach Zeuner und auch Rauscher144 ergibt sich der von der tatsächlichen Herstellung unabhängige Anspruch auf die Herstellungskosten ferner aus § 249 S. 2 BGB. 145 Durch § 249 S. 2 BGB werde der Herstellungsanspruch des § 249 S. 1 BGB in bestimmten Fällen in einen Geldanspruch transformiert und wandele sich in einen eigenständigen Geldanspruch um. Der Anspruch auf die zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten nach § 249 S. 2 BGB sei zweckungebunden und unabhängig davon, ob eine Wiederherstellung erfolge

135

Zeuner, AcP 163, 380, 390ff, 396; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 115ff; ders., JZ 1986, 395, 396. 136 Zeuner, AcP 163, 380, 396; vgl. dazu Bötticher, VersR 1966, 301, 303, der darin ein Passivum sieht. 137 Zeuner, Gedächtnisschrift Dietz, S. 117. 138 Zeuner, AcP 163, 380, 396; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 115ff, 123; ders., JZ 1986, 395, 396; ders.,]Z 1988,200. 139 Zeuner, AcP 163, 380, 396. 140 Zeuner, AcP 163, 380, 396. 141 Zeuner, AcP 163, 380, 395; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99,120; ders., JZ 1986, 395, 396. 142 Bötticher, VersR 1966, 301, 304. 143 Bötticher, VersR 1966, 301, 305. 144 Rauscher, N J W 1986, 2011; ders., JZ 1987, 53. 145 Zeuner, AcP 163, 380, 396; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 120ff; ders., JZ 1986, 395, 396; ders.,JZ 1988,200; Rauscher, N J W 1986, 2011, 2014; ders.,]Z 1987,53.

34

5 2 Analyse der

Problematik

und im Zeitpunkt der Ersatzforderung noch möglich sei.146 Daraus folge, daß immer dann, wenn der Geschädigte Herstellungsbedarf gehabt habe bzw. die Voraussetzungen des § 249 S. 1 BGB vorgelegen hätten, ihm entsprechend § 249 S. 2 BGB die Herstellungskosten unabhängig davon, ob eine Wiederherstellung noch erfolgen könne und solle, zu erstatten seien. 147 Entscheidend sei allein, daß der Geschädigte aufgrund seines Herstellungsbedarfs einen Herstellungsanspruch gehabt habe, dieser begründe dann einen von der eigentlichen Herstellung unabhängigen Anspruch auf die Herstellungskosten. 148 Der Anspruch auf die Herstellungskosten wird damit transformatorisch verstanden und erfährt insoweit eine Verselbständigung. Nach Stoll149 wird er „gleichsam verabsolutiert und auf eine hypothetische Grundlage gestellt". Damit ziehen Zeuner und Rauscher § 249 S. 2 BGB weit über seinen gesetzlich normierten Anwendungsbereich hinaus zur Begründung einer Ersatzpflicht heran. Sie berücksichtigen dabei die Bedeutung des § 249 S. 2 BGB als Naturalherstellungsanspruch nicht und setzen sich über den grundsätzlich zweckorientierten und damit transitorischen Charakter der Vorschrift des § 249 S. 2 BGB hinweg, der die Möglichkeit der Wiederherstellung voraussetzt. 150 Durch die Transformierung des auf Wahrung des Integritätsinteresses abzielenden Herstellungsanspruchs in einen Geldersatzanspruch wird die bewußt in den §§ 249, 251, 253 BGB zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen Herstellung und Geldersatz ignoriert und damit ein Grundprinzip unseres Schadensersatzrechts überwunden. 1 5 1 Zweifelhaft erscheint aber eine Lösung des Nutzungsproblems durch Rückgriff auf die Regelung des § 249 S. 2 BGB insbesondere deshalb, weil,

146

Zeuner, Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 120; Rauscher, N J W 1986, 2011, 2014. Zeuner, Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 120; Rauscher, N J W 1986, 2011, 2014. Rauscher, NJW 1986,2011, 2014, sieht zwar den Schaden in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit und nicht in dem „Bedarf", er will aber wie Zeuner die Kosten für eine Ersatzbeschaffung unabhängig davon, ob eine solche noch möglich ist, nach § 249 S. 2 BGB ersetzen. 149 Äo//,JuS 1968, 504, 506. 150 Bei Sachschäden wird zwar keine Zweckbindung des Ersatzanspruchs angenommen, der Geldersatzanspruch aber grundsätzlich von der Möglichkeit der Herstellung abhängig gemacht, vgl. B G H Z 66, 243; 102, 325; B G H N J W 1984, 2282; B G H N J W 1985, 2414. Bei Kfz soll der Verkauf des Fahrzeugs den Anspruch aus § 249 S. 2 BGB nicht ausschließen, vgl. B G H Z 66, 244; B G H NJW 1985, 2469, anderes soll für Grundstücke gelten, vgl. B G H Z 81, 392; B G H N J W 1993,1793. Auch in diesen Fällen bleibt jedoch anders als beim Untergang der Sache die Restitution grundsätzlich möglich, worauf auch der B G H , B G H Z 66, 244, verweist. Bei Körperschäden wird die Ersatzpflicht unter Zugrundelegung der Wertung der §§ 249, 253 BGB von der tatsächlichen Vornahme der Heilbehandlung abhängig gemacht und insoweit eine Zweckbindung angenommen, B G H Z 97, 14, 15; anders noch die Stärkemittelentscheidung, B G H N J W 1958, 627; vgl. dazu Honseil/Harrer, JuS 1991, 441, 444; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 821; ausführlich S. 339ff. 151 Stoll, JuS 1968, 504, 506; Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 505f; Bötticher, VersR 1966, 301, 306f; Detlefsen, S. 15; Keuk, S. 222; Brinker, S. 208, Ströfer, S. 56; Graf, S. 49f; ablehnend nunmehr auch Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 34; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 824, 828. 147

148

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

35

wie oben gesehen, die Grundlagen für die Erstattung der Kosten für eine Ersatzsache keineswegs als geklärt angesehen werden können. So erscheint fraglich, ob es sich überhaupt bei der Ersatzanmietung um Schadensbeseitigung und nicht vielmehr um Schadensabwendung handelt. 152 Handelt es sich aber um Schadensabwehr, so läßt sich ein Anspruch auf die Schadensabwendungskosten nicht rechtfertigen, wenn eine solche nicht mehr möglich ist, weil der Schaden eingetreten ist. Nach der Bedarfstheorie Zeuners kommt ein Ersatz nur dann in Betracht, wenn der Aufwand - ex post und nicht etwa ex ante gesehen 153 - zur Schadensbeseitigung, d.h. zur Anmietung einer Ersatzsache, gemäß § 249 S. 2 B G B objektiv erforderlich und angemessen gewesen wäre, wobei es wesentlich auf die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, den Nutzungswillen und die Möglichkeit, sich anders zu behelfen, ankommen soll. 154 Mit dieser Bedarfsbestimmung greift Zeuner auf die Überlegungen zur Ersatzanmietung zurück. Obwohl er auf den Umfang der Herstellungspflicht und den herzustellenden Schaden nicht näher eingeht, sieht er ihn letztlich interessanterweise in dem Bedarf zur Beseitigung bzw. Abwendung der ganz konkreten negativen Folgen des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit und damit im Entgang ganz bestimmter Gebrauchsvorteile und nicht im Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher. 155 Rauscher stellt demgegenüber auf den Verlust der Nutzungsmöglichkeit schlechthin ab, will den Herstellungsanspruch aber über § 254 II B G B auf die Fälle beschränken, in denen der Verlust auch fühlbar wird. 156 Vorbehalte ergeben sich gegen die Ableitung eines Ersatzanspruchs aus § 249 S. 2 B G B schließlich auch deshalb, weil dadurch dem Geschädigten ein Anspruch in Höhe der Schadensbeseitigungs- bzw. Schadensabwendungskosten, also regelmäßig der Kosten für die Anmietung einer Ersatzsache, zugestanden wird, 157 obwohl die Schadensbeseitigungs- bzw. Schadensabwendungskosten mit der Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens nicht identisch sind, sondern maßgeblich durch andere Kriterien bestimmt werden. 158

Vgl. dazu S. 12, 346ff. Zeuner, Gedächtnisschrift Dietz, S. 99,120. Rauscher, NJW 1986,2011,2016, läßt offen, ob der zur Wiederherstellung erforderliche Betrag aufgrund einer Betrachtung ex ante oder aber ex post zu bestimmen ist. 154 Zeuner, AcP 163, 380, 394ff; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 118f, 120ff; ders., JZ 1988,200. 155 In diese Richtung geht auch die Meinung Flessners, JZ 1987, 271, 280; Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 883. Sie stellen entscheidend darauf ab, ob eine tatsächliche Ersatzanmietung nach §§ 249 S. 2, 251 II, 254 II BGB zu vergüten gewesen wäre. 156 Rauscher, NJW 1986, 2011, 2017. 157 Rauscher, NJW 1986, 2011, 2016; Zeuner, AcP 163, 380, 396; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 123; ders., JZ 1986, 395, 397, unter Einräumung von Einschränkungen; kritisch Bötticher, VersR 1966, 301, 307f. 158 Vgl. dazu S. 450ff. 152 153

36

§ 2 Analyse der

d) Entschädigung eines weiten N a c h Gotthardt

Problematik

auf der Grundlage Naturalherstellungsverständnisses handelt es sich b e i m Ausfall der N u t z u n g einer S a c h e 1 5 9

für den Verletzten z w a r stets u m einen Schaden, j e d o c h nur u m einen i m m a teriellen, soweit er nicht „zu B e e i n t r ä c h t i g u n g e n des V e r m ö g e n s - etwa in F o r m entgangenen G e w i n n s - geführt h a b e . " 1 6 0 E i n V e r m ö g e n s s c h a d e n s e r satz scheide daher grundsätzlich aus. U n t e r dem A s p e k t der Naturalrestitut i o n k o m m e j e d o c h , soweit der Schaden fühlbar sei, das heiße tatsächlich wied e r g u t m a c h b a r sei, 1 6 1 selbst dann ein Schadensausgleich in B e t r a c h t , w e n n die A n m i e t u n g einer E r s a t z s a c h e unterbleibe. U n t e r Zugrundelegung eines sehr weitreichenden f u n k t i o n s b e z o g e n e n 1 6 2 Restitutionsverständnisses sei b e i m Ausfall eines K f z nicht nur die B e s c h a f f u n g eines Ersatzfahrzeugs, sondern jede A u f r e c h t e r h a l t u n g der M o b i l i t ä t des Verletzten, u m deretwillen das F a h r z e u g gehalten wurde, Wiederherstellung. K ö n n e der Geschädigte, auch w e n n er keinen E r s a t z w a g e n anmiete, seine persönliche M o b i l i t ä t - w o v o n auszugehen sei - dadurch aufrechterhalten, daß er im Bedarfsfall etwa zu F u ß gehe, öffentliche Verkehrsmittel b e n u t z e oder ein Taxi nehme, und passe er so seine Lebensverhältnisse dem Ausfall seines Kraftfahrzeugs an, so handele es sich funktional gesehen u m eine „ E i g e n h e r s t e l l u n g " , die mit einem Verzicht auf die tatsächliche W i e d e r g u t m a c h u n g nichts zu tun h a b e . 1 6 3 Zu ersetzen sei deshalb im R a h m e n v o n § 2 4 9 S. 2 B G B der schätzweise zu ermittelnde Preis einer fiktiven Vorhaltung ü b e r den M a r k t . 1 6 4 E i n e solche M ö g l i c h k e i t der „ E i genherstellung" o h n e k o n k r e t e E r s a t z m a ß n a h m e durch E r h a l t u n g der M o b i lität sei j e d o c h eine B e s o n d e r h e i t bei K r a f t f a h r z e u g e n . 1 6 5 Werde, wie dies regelmäßig geschehe, der B e d a r f gedeckt, sei auf die jeweiligen k o n k r e t e n K o sten abzustellen. 1 6 6 Gotthardts

L ö s u n g des N u t z u n g s p r o b l e m s auf der G r u n d l a g e einer f u n k -

tional verstandenen Naturalherstellung nach § 2 4 9 S. 2 B G B stößt auf B e d e n 159 Entsprechendes gilt nach ihm für den Ausfall der Arbeitskraft, Gotthardt, JuS 1995, 12 ff.

160 161

162

S. 124; ders.,

Gotthardt, S. 123. Gotthardt,

S. 43ff, 122.

Gotthardt, S. 36.

163 Gotthardt, S. 122, 168 ff: „bereits Bestand und dauernde Möglichkeit der Inanspruchnahme einer andernfalls ungenutzten Marktreserve an Mietwagen und Taxis" könne „die Tatbestandsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 249 S. 2 B G B begründen ...". Entsprechend geht er bei Beeinträchtigung der Haushaltsführung davon aus, daß die Versorgung niemals ganz entfalle, sondern auf niedriger Ebene geschehe und insoweit eine Eigenherstellung durch überobligatorische Maßnahmen oder unentgeltliche Hilfe Dritter erfolge, S. 143 ff. 164 Gotthardt, S. 177. Problematisch erweist sich insoweit jedoch, daß der Markt diese Mittel zur persönlichen Mobilisierung kostenlos vorhält und Kosten erst bei der Inanspruchnahme entstehen.

165 166

Gotthardt, S. 122, 123. Gotthardt, S. 122 ff.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

37

ken. D e n n seine Überlegungen führen, da er nicht wie Zeuner auf den H e r stellungsbedarf abstellt, zu einer mehr oder weniger fiktiven Annahme einer „Eigenherstellung", wenn es an einer konkreten Ersatzbeschaffung fehlt. 1 6 7 Damit verliert die vom Gedanken des Integritätsschutzes getragene Naturalherstellung ihre Konturen und wird überdehnt. Schließlich bleibt der eigentliche Bezugspunkt der Ersatzpflicht offen, wenn einerseits im Ausfall der Nutzungsmöglichkeit ein - immaterieller - Schaden gesehen wird, 1 6 8 die N a turalherstellungspflicht aber auf die „fühlbaren" Schäden, da nur sie wiederherstellbar seien, beschränkt wird. 1 6 9 Die konkrete Bestimmung des Schadens ist jedoch schon für die Einordnung der Ersatzmaßnahmen als schadensbeseitigende oder aber als schadensabwendende unerläßlich. 1 7 0

2. Verlust der Nutzungsmöglichkeit als Vermögensschaden

einer Sache

D e r Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache wird ganz überwiegend als Schaden begriffen. 1 7 1 Aufgrund der Tatsache, daß der Verlust der N u t zungsmöglichkeit sich nicht offensichtlich in einer Vermögenseinbuße beim Geschädigten niederschlägt, 1 7 2 besteht Streit darüber, ob und inwieweit es sich um einen nach § 253 B G B in Geld auszugleichenden Vermögensschaden handelt. Zur Begründung eines Vermögensschadens wird insbesondere auf den wirtschaftlichen Aspekt verwiesen, 1 7 3 bei der Nutzungsmöglichkeit bzw. den Nutzleistungen 1 7 4 handele es sich um eigenständige wirtschaftliche und damit Vermögenswerte Positionen. F ü r den Eigentümer stehe nicht die Substanz, sondern der Gebrauch und damit der Gebrauchswert im Vordergrund. D e n n der Eigentümer erwerbe die Sache, um sie zur Verfügung zu haben und in den G e n u ß ihrer Nutzungen zu kommen. Bei dem Anschaffungspreis handele es sich deshalb um eine „Vorratsausgabe". 1 7 5 Soweit die Nichtbenutzbar-

167 Unter dem Aspekt der „Eigenherstellung" ist dabei überraschend, daß die Nutzung eines „Zweitwagens" - mangels Fühlbarkeit - keinen Ersatzanspruch auslösen soll, Gotthardt, S. 45. 168 Gotthardt, S. 120. 169 Gotthardt, S. 43 ff. 170 Daß es sich letztlich um Schadensabwendung handelt, wird auch aus der Bemerkung Gotthardts, daß der Geschädigte einen Folgeschaden „auf Kosten des Schädigers verhüten darf", deutlich. Er geht dem Aspekt der Schadensabwendung jedoch nicht näher nach. 171 Vgl. dazu S. lOff. 172 Vgl. dazu S. 24ff. 173 B G H Z 98, 212, 217; Köndgen, AcP 177, 1, 17ff; Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1053ff; Larenz, Schuldrecht I, § 2 9 1 1 c; Mertens, S. 125ff, 139; Soergel/Mertens, Vor § 2 4 9 Rn 62; Esch er-Weingart, S. 72f. 174 Stüdemann;VersR 1990, 1048, 1053ff. 175 Köndgen, AcP 177, 1 ff, 23.

38

§2

Analyse der

Problematik

keit zu einem nicht nachholbaren Ausfall führe,176 sei er deshalb zu ersetzen. 177 Im einzelnen ist auf unterschiedlichste Weise und unter Heranziehung vielfältiger Aspekte zu begründen versucht worden, daß es sich bei dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache nicht nur um einen immateriellen, sondern einen materiellen Schaden handele, der bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sei. 178 a) Die Lehre vom objektiven

Schaden

Mit der Lehre vom objektiven Schaden179 wollte Neuner die Schwierigkeiten überwinden, die sich bei Anwendung der Differenztheorie insbesondere in den Patent- und Theaterbillettfällen,180 bei obligatorischem Gefahrübergang,181 bei hypothetischer Kausalität182 und auch bei Verlust der Nutzungsmöglichkeit ergeben.183 Nach Neuner ist bei der Schadensbestimmung von dem verletzten Gut auszugehen.184 Unabhängig davon, ob sich auf der Grundlage der Differenztheorie ein Schaden feststellen lasse, sei deshalb bei Verletzung eines obligatorischen Rechts der objektive Wert der unterbliebenen Leistung und bei Verletzung eines absoluten Rechts oder geschützten Gutes der objektive Wert des entzogenen Gutes zu ersetzen.185 Er unterscheidet damit zwischen dem bei Verletzung eines Vermögenswerten Gutes immer zu ersetzenden objektiven Schaden und dem auf der Grundlage der Differenztheorie zu ermittelndenVermögensschaden, insbesondere dem Vermögensfolgeschaden.186 176 Uneinigkeit besteht insoweit, ob grundsätzlich von einer Nachholbarkeit ausgegangen werden kann oder nicht. Von einer grundsätzlichen Nachholbarkeit gehen aus Königen, AcP 177, 1, 27; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Dunz, J Z 1984, 1010, 1013; Lange, Schadensersatz, S. 84; Ströfer, S. 28; Wiese, S. 23; vgl. dazu noch S. 29, § 6 V I I 4 e; dagegen Escher-Weingart, 262, 387, 457.

Vgl. dazu auch den Frustrationsgedanken, S. 51 ff. Aus der Vielfalt sollen hier nur einige kurz vorgestellt werden, allen gerecht zu werden ist bei der Vielzahl der Autoren - nach Steffen, N J W 1995, 2057, ist sie Legion - nicht möglich. 179 Neuner, AcP 133, 277ff; vgl. auch Bydlinski, S. 26ff; den., JBl. 1966, 439. 180 Neuner, AcP 133, 277, 283 und 289; vgl. S. 401 ff. 181 Neuner, AcP 133, 277, 281; vgl. dazu S. 419ff. 182 Neuner, AcP 133, 277, 286; vgl. auch Bydlinski, S. 25ff, und S. 405ff. 183 Daneben spricht er die mit § 840 B G B und § 281 B G B verbundenen Probleme an, Neuner, Kc¥ 1 3 3 , 2 7 9 , 2 8 1 . 184 Neuner, AcP 133, 277, 290, 306. 185 Neuner, AcP 133, 277, 292, 293, 311 f. 186 Neuner, AcP 133, 277, 291 ff. Dabei klingt die Differenzierung zwischen Rechtsguts-/ Objektschaden auf der einen Seite und Vermögensschaden auf der anderen Seite an, vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 3; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 778. Demgegenüber differenziert Medicus, Unmittelbarer und mittelbarer Schaden, S. 23 f; ders., Bürgerliches Recht, Rn 835, 850, zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden. Dies erscheint nicht ganz treffend, weil sich auch ein Rechtsgutsschaden erst mit zeitlicher Verzögerung verwirklichen kann und es sich nicht um eine Kausalitätsfrage handelt, vgl. dazu Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 3 Fußnote 20; Stoll, JuS 1968, 501, 509. 177

178

B. Anspruch

auf

Nutzungsentschädigung

39

Daß die Verletzung oder der Entzug eines Vermögenswerten Gutes einen Vermögensschaden darstelle, begründet Neuner mit der rechtsverfolgenden Natur und Funktion der Schadensersatzansprüche. Bei Vertragsverletzungen trete der Schadensersatzanspruch an die Stelle oder neben den rechtsverfolgenden Anspruch, insbesondere den Erfüllungsanspruch, und diene so zur Sanktion des Rechts. 187 Aufgrund der rechtsverfolgenden Natur dieser Ansprüche bestehe deshalb der (Mindest-)Schaden in dem Verlust des objektiven Wertes des Rechts. 188 Bei Deliktsansprüchen sei als Mindestschaden, soweit sich unter Anwendung der Differenztheorie kein höherer Schaden ergebe, immer der objektive Wert des Rechtsgutes zu ersetzen. 189 Ein auf der Grundlage des objektiven Schadensverständnisses zu ersetzender Vermögensschaden liegt damit immer dann vor, wenn ein vermögenswertes Recht oder Gut verletzt wird. 190 Ein vermögenswertes Gut ist nach Neuner ein Gut, das im Verkehr gegen Geld erworben und veräußert zu werden pflegt. 191 Zu den Vermögenswerten Gütern zählt Neuner insbesondere auch die Nutzungsmöglichkeit einer Sache. So erklärt er, sich wohl auf eine Entscheidung des sächsischen Oberlandesgerichts beziehend, 192 in der es um die Verletzung eines Luxuspferdes ging, daß es sich bei dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Pferdes um einen Vermögensschaden handele, und zwar unabhängig davon, „ob der Eigentümer das Pferd wirklich benutzt hätte." 193 Auch die Arbeitskraft sieht Neuner als ein solches vermögenswertes Gut an, wobei es nicht darauf ankomme, ob der Geschädigte seine Arbeitskraft auszunutzen pflege. 194 Neuner ist grundsätzlich zuzustimmen, daß eine Lösung des Schadensersatzproblems nur unter Betrachtung des konkreten Schadens und damit des verletzten Rechts bzw. Rechtsgutes möglich ist. 195 Gegen seine Schlußfolgerung, daß die Nutzungsmöglichkeit einer Sache wie die Arbeitskraft selbständige Vermögenswerte Güter seien, ihr Verlust also einen Vermögensschaden 187

Neuner, AcP 133, 277, 291 ff; vgl. auch Bydlinski,

S. 29; ders., JBl. 1966, 439;

Schiemann,

S. 205. 188 Neuner, AcP 133, 277, 291 ff; vgl. auch Bydlinski, S. 26ff; ders., JBl. 1966, 439; Stoll, JuS 1968, 504, 509; krit. Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 129ff; Lange, Schadensersatz, § 6 I. 189 Neuner, AcP 133, 277, 305 f. 190 Neuner, AcP 133, 277, 306. Ihm folgend Wilburg, JhJb 82, 51, 125ff; Kabel, Warenkauf, S. 449ff; Going, SJZ 1950, 866ff; Bydlinski, S. 26ff; Larenz, VersR 1963, lff; ders., Schuldrecht I, § 27 1,29 I b; leuner, AcP 163, 380, 387; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 5, 53; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 41 ff. 191 Neuner, AcP 133, 277, 306. 192 Annalen des sächsischen OLG 24, 527. Außerdem bezieht sich Neuner auf die Entscheidung des OLG Colmar, Recht 1907 Nr. 3058, in der es um einen Ersatzanspruch wegen Unbewohnbarkeit einer Villa aufgrund Unbrauchbarkeit der Heizung ging. Vgl. dazu noch S. 61 ff. 193 Neuner, AcP 133, 277, 309. 194 Neuner, AcP 133, 277, 313. 195 In diese Richtung auch Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 3; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 788; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 41 ff.

40

§ 2 Analyse der

Problematik

darstelle, erheben sich jedoch Bedenken. Zwar sind Nutzungsrechte an einer Sache Gegenstand des Verkehrs, bei der Beschädigung einer Sache bezieht sich der Eingriff jedoch - anders als beim Entzug der Sache - nicht auf das Nutzungsrecht als solches, sondern er betrifft allein die faktische Nutzungsmöglichkeit der Sache, die ihrerseits gerade nicht selbständiger Gegenstand des Verkehrs ist. 196 Entsprechend ist auch nicht die Arbeitskraft als solche Gegenstand des Rechtsverkehrs, sondern nur die Verpflichtung, bestimmte Arbeitsleistungen zu erbringen, § 611 BGB. Dieser Frage wird daher bei der Bestimmung des schadensersatzrechtlich relevanten Verlustes nachzugehen sein. b)

Kommerzialisierungstheorie

Der Kommerzialisierungstheorie liegt der besonders von Neuner entwikkelte Gedanke zugrunde, daß die Verletzung eines Vermögenswerten Gegenstandes oder Rechts einen Vermögensschaden darstellt. 197 Entscheidend für einen Vermögensschaden ist mithin, daß ein Gut, eine Rechtsposition, verletzt wurde, dem nach der Rechtsordnung ein Vermögenswert zukommt. Ob ein Gut Vermögenswert hat, hängt nach der Kommerzialisierungstheorie davon ab, ob es im Wirtschaftsverkehr eingeführt ist und gehandelt wird. 198 Vermögenswert haben dementsprechend alle die Güter und Vorteile, die nach der Verkehrsanschauung gegen Geld erworben werden können. 199 Werde ein Gut im Wirtschaftsleben allgemein in Geld bewertet, so gehöre es zum Vermögen. 200 Die Kommerzialisierungstheorie setzt damit an dem Vorgang an, der Vermögenswerte überhaupt erst entstehen läßt, nämlich dem Handel mit Gütern im Rahmen des Wirtschaftsverkehrs. Insofern entspricht sie auch den nationalökonomischen Ansätzen 201 und wird von der Preis- und Werttheorie der heutigen Volkswirtschaftslehre bestätigt. 202 Der Rückgriff auf die Bedeutung eines Gutes als Handels- und Tauschobjekt im Rahmen des Wirtschaftsverkehrs ist zur Bestimmung seines Vermögenswertes sachgerecht und geboten, sein heuristischer Wert ist insoweit anerkannt. 203 Nach Grunsky ist ein anderes Kriterium als die Erwerbbarkeit in 196 Vgl. auch Bydlinski, JB1. 1966, 439, 440, der darauf hinweist, daß der Gebrauch keinen von der Sache selbst trennbaren Wert habe; Stoll, JuS 1968, 504, 510; Löwe, NJW 1964, 701, 702. 197 Neuner, AcP 133, 277, 290; vgl. dazu S. 38 ff. 198 MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b; ders., Aktuelle Probleme, S. 36; ders., Jura 1979, 57, 69; Weyers, Begriff des Vermögensschadens, S. 37, 47ff; Wiese, S. 21; Küppers, S. 95, 136; Zeitz, S. 89. 199 BGHZ 63, 98, 102; MünchKomm/Grunsky, Vor §249 Rn 12 b; ders., Aktuelle Probleme, S. 36. 200 Wiese, S. 21; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b; ders., Aktuelle Probleme, S. 36; ders., Jura 1979,57, 69. 201 Fischer, S. l l f , 15 ff, 18. 202 Küppers, S. 95; Brinker, S. 335. 203 Lange, Schadensersatz, § 6 III; Brinker, S. 216; Küppers, S. 95.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

41

Geld zur Abgrenzung des Vermögens- vom Nichtvermögensschaden nicht ersichtlich. 2 0 4 Gegenstand des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs sind allein Rechte, die sich auf die unterschiedlichsten Gegenstände und Leistungen beziehen können. 2 0 5 D a ß einem gegen Geld erwerbbaren Recht ein Vermögenswert zukommt, dürfte dabei auf allgemeine Zustimmung stoßen. 2 0 6 Wird ein solches geldwertes Recht beeinträchtigt, liegt ein Vermögensschaden vor. Entsprechend liegt, wenn aufgrund einer schuldhaften Körperverletzung eine Theaterkarte, die gegen eine entsprechende Geldleistung erwerbbar ist, verfällt oder eine bezahlte Klavierstunde oder Reise nicht in Anspruch genommen werden kann, ein Vermögensschaden vor. 207 Auf den Kommerzialisierungsgedanken wird jedoch nicht nur rekurriert, um zu entscheiden, ob einem bestimmten Recht, sondern auch ob bestimmten tatsächlichen Positionen Vermögenswert zukommt. So stellen nach Grunsky alle Vorteile, für die ein Markt vorhanden ist, Vermögenswerte G ü ter dar. 208 Vermögenswert kann dementsprechend nicht nur Rechten zukommen, sondern auch tatsächlichen Rechtspositionen und Vorteilen, sofern sie im weitesten Sinne gegen Geld erworben werden können. Erweitert man den Bereich der Vermögenswerten Positionen über die Rechte hinaus auf alles, was gegen Geld erworben werden kann, so kommen als Vermögenswerte sowohl die Nutzungsmöglichkeit von Sachen als auch die Arbeitskraft, Urlaub und Freizeit in Betracht. 2 0 9 Dies stellt jedoch eine weitreichende Erweiterung des Bereichs der Vermögenswerten Güter dar, die nicht unproblematisch ist. 2 1 0 Insbesondere die Rechtsprechung, vor allem in ihren früheren Entscheidungen, wie auch ein Teil der Literatur haben sich im Fall des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache auf ein solches erweitertes K o m merzialisierungsverständnis zur Begründung eines Vermögensschadens ge-

MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b; AltKomm/Rüßmann, Vor § 249 Rn 27. Brinker, S. 218. 206 Lange, Schadensersatz, § 6 III; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 55; Palandt/ Heinrichs, Vor § 249 Rn 36; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I. 207 Lange, Schadensersatz, § 6 III; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 36; Küppers, S. 97; Zeitz, S. 89; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 55; vgl. dazu S. 401 ff. 208 MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b; Wiese, S. 21; Weyers, Begriff des Vermögensschadens, S. 49; AltKomm/Rüßmann, Vor § 249 Rn 26ff. 209 Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36, 73, 76; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 17ff. 210 Lange, Schadensersatz, §6111; Diederichsen, Festschrift Klingmüller, S. 73 f; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I c; ders., Festschrift Oftinger, S. 158; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 253 Rn 19; Staudinger/Schiemann, § 253 Rn 17ff; Tolk, S. 94f; Köndgen, AcP 177, 1, 12; Ströfer, S. 65ff; Weber, VersR 1984, 598; Rixecker, Recht und Dialog, S. 95, 105; Brinker, S. 215ff; Keuk, S. 214; Knobhe-Keuk, VersR 1976, 401; Schulte, S. 49f; Roussos, S. 166; Hagen, JZ 1983, 833, 835; Honsell/Harrer, JuS 1985, 161. Da mit Geld auch die Grundlage zur Verfolgung immaterieller Interessen geschaffen werden kann, kommt es zu einer Verwischung der Grenzlinie zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden. 204 205

42

5 2 Analyse der

Problematik

stützt. 2 1 1 B e d i n g t dadurch, daß n u r R e c h t e , nicht aber tatsächliche P o s i t i o n e n G e g e n s t a n d des R e c h t s v e r k e h r s sind, bestehen unterschiedliche A u f f a s s u n gen darüber, w o r i n der K o m m e r z i a l i s i e r u n g s v o r g a n g zu sehen ist. 2 1 2 D i e R e c h t s p r e c h u n g hat einen V e r m ö g e n s s c h a d e n dann

angenommen,

w e n n der herrschenden Verkehrsauffassung zu e n t n e h m e n sei, daß ein L e bensgut im V e r k e h r in gewisser Weise „ k o m m e r z i a l i s i e r t " sei, d.h. durch entsprechende V e r m ö g e n s a u f w e n d u n g e n „ e r k a u f t " w e r d e n k ö n n e . 2 1 3 D e r B u n desgerichtshof hat interessanterweise in den E n t s c h e i d u n g e n zur N u t z u n g s ausfallentschädigung bei K r a f t f a h r z e u g e n das „ E r k a u f e n " auf die Sache selbst b e z o g e n und auf die K o s t e n z u m E r w e r b und U n t e r h a l t der Sache rekurriert. „ N o c h stärker als in dem v o m e r k e n n e n d e n Senat entschiedenen Seereise-Fall gilt hier der Satz, daß die B e n u t z u n g s m ö g l i c h k e i t des Wagens angesichts dessen, daß sie in aller R e g e l n u r durch entsprechende V e r m ö g e n s a u f w e n d u n g e n „ e r k a u f t " w e r d e n kann, tatsächlich „ k o m m e r z i a l i s i e r t " w o r d e n ist, daß eine B e e i n t r ä c h t i g u n g dieser B e n u t z u n g s m ö g l i c h k e i t auch eine Beeinträchtigung des - mit den V e r m ö g e n s a u f w e n d u n g e n erstrebten - Vermögenswerten Ä q u i valents darstellt." 2 1 4 D e r B u n d e s g e r i c h t s h o f hat insoweit auf die A n s c h a f fungs- und U n t e r h a l t s k o s t e n abgestellt. D a s „ E r k a u f e n " der N u t z u n g s m ö g lichkeit wird letztlich in d e m E i g e n t u m s e r w e r b und der E i g e n t u m s u n t e r h a l tung des Kraftfahrzeugs und seiner Versicherung gesehen. O h n e in Frage stellen zu wollen, daß der E i g e n t ü m e r mit der A n s c h a f f u n g und N u t z u n g des Wagens vermögensrelevante Interessen verfolgt, bleibt j e d o c h festzuhalten, daß damit v o m E i g e n t u m s e r w e r b ausgegangen wird. 2 1 5 E s wird so der Tatsache R e c h n u n g getragen, daß G e g e n s t a n d des Wirtschaftsverkehrs das E i g e n t u m ist, nicht aber die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer Sache. D i e s e wird durch das E i g e n t u m nur vermittelt, stellt also nur die faktische M ö g l i c h k e i t dar, mit der Sache aufgrund der E i g e n t u m s b e f u g n i s u m z u g e h e n . 2 1 6 Sie ist deshalb nicht selbständiger G e g e n s t a n d des R e c h t s v e r k e h r s und hat deshalb auch keinen eigenen M a r k t w e r t . A u s der Tatsache, daß es sich bei dem E i g e n t u m um ein kommerzialisiertes G u t handelt, kann daher nicht zwingend geschlußfolgert werden, daß es sich auch bei der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t der Sache u m ein kommerzialisiertes G u t handelt. N a c h anderem A n s a t z soll entscheidend für die K o m m e r z i a l i s i e r u n g nicht der E r w e r b der Sache selbst, sondern die M ö g l i c h k e i t , ein entsprechendes

211 BGHZ 40, 345, 349; 56, 211, 216; 63, 393; 74, 231, 234; 86, 128, 133; 96, 124, 127ff; vgl. auch Weyers, Begriff des Vermögensschadens, S. 49; Wiese, S. 22; AltKomm/Rüßmann, Vor § 249 Rn 26 ff. 212 Zeitz, S. 80f. 213 BGHZ 40, 345, 347f; 45, 212, 215, 217; 55, 146, 149; 56, 214, 215f; 63, 98, 102. 214 BGHZ 40, 345, 349f; vgl. auch BGHZ 63, 98, 102 (Schwarzmeerküstenentscheidung), in der auf die Kraftfahrzeugrechtsprechung Bezug genommen wird. 215 Vgl. dazu Zeitz, S. 80 f; ablehnend Münch Komm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b Fußnote 30 a. 216 Vgl. dazu S. 81 ff.

B. Anspruch

auf

Nutzungsentschädigung

43

selbständiges Nutzungsrecht an der Sache entgeltlich zu erwerben, sein. 217 Die Nutzungsmöglichkeit einer Sache ist danach als kommerzialisiert anzusehen, wenn nach der Verkehrsauffassung ein entsprechendes Nutzungsrecht und damit die Überlassung der Sache zur Nutzung gegen einen entsprechenden Mietzins erlangt werden kann. 218 Es kommt also darauf an, ob ein entsprechender Mietmarkt für die Sache besteht. Damit wird letztlich nicht auf die Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers, sondern die eines Mieters rekurriert und die Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers nach Mietgrundsätzen bewertet. Schließlich wird als entscheidend angesehen, ob der Geschädigte die Nutzungsmöglichkeit als Gut hätte veräußern können, die Sache also einem anderen gegen ein entsprechendes Entgelt hätte vermieten können. Es wird insoweit auf die Vermietbarkeit und damit auf die Einräumung eines selbständigen Nutzungsrechts abgestellt. 219 Aus der Gleichsetzung der Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers mit der eines Nutzungsberechtigten wird der Schluß gezogen, daß regelmäßig der Mietwert auch den Wert der Nutzungsmöglichkeit widerspiegele 220 und damit letztlich der Eigentümer so zu stellen sei, als ob er die Sache gemietet oder vermietet hätte. Eine Anlehnung an den Erwerb eines entsprechenden Nutzungsrechts ist jedoch nur insoweit möglich, als ein Markt vorhanden ist, 221 also eine gewisse auf das betreffende Rechtsgut bezogene Quantität von Angebot und Nachfrage vorliegt. 222 Dies wirft die Frage auf, ob die Nutzungsmöglichkeit von Eigentum nur dann einen Vermögenswert aufweisen soll, wenn ein entsprechender Mietmarkt 223 vorhanden ist. Uberwiegend wird das Marktkriterium als notwendiges Korrektiv der Kommerzialisierungsthese angesehen und mit ihm versucht, die Ersatzpflicht bei Verlust der Nutzungsmöglichkeit zu begrenzen. 224 Dies würde aber bedeuten, daß der Nutzungsmöglichkeit von speziellen Dingen oder von spezifisch auf den Eigentümer bezogenen Gegenständen, z.B. einem Blindenhund oder einem behindertengerechten Fahrzeug, mangels eines entsprechenden Mietmarktes ein Vermögenswert abgesprochen werden müßte. 225 Hier zeigt sich ein grundlegender Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36; Münch Komm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 a. Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36; Zeitz, S. 81. 219 MünchKomm/Grunsky, § 249 Rn 22; vgl. auch Jahr, JZ 1984, 573, der mehrfach betont „nicht was man erkauft hat, sondern: was man verkaufen kann, macht einen reich." 220 BGHZ 40, 345, 350; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 a Fußnote 30. 221 Zum Marktkriterium Graf, S. 72; Escher-Weingart, S. 44f. 222 Graf, S. 73; Brinker, S. 331•,Küppers, S. 95,134f, 163; Wolf, Unhaltbarkeit, S. 13; EscherWeingart, S. 44 f. 223 Zur Problematik der Feststellung eines entsprechenden Marktes Brinker, S. 215 ff; Graf, S. 72. 224 Graf, S. 72; Küppers, S. 95, 134f, 163; Escher-Weingart, S. 44ff; Neuner, AcP 133, 277, 306f; anders Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36; Lipp, NJW 1992, 1916. 225 Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 13; Wiese, S. 21 f, wollen in diesen Fällen darauf abstellen, ob eine unterstellte Nachfrage nur gegen Geld befriedigt werden könnte. 217 218

44

5 2 Analyse der

Problematik

struktureller U n t e r s c h i e d zwischen der Bedarfsbefriedigung durch N u t z u n g des eigenen E i g e n t u m s und dem E r w e r b eines N u t z u n g s r e c h t s auf d e m von A n g e b o t und N a c h f r a g e beherrschten M i e t m a r k t . D i e B e z u g n a h m e auf einen entsprechenden M i e t m a r k t ist deshalb nicht u n p r o b l e m a t i s c h . 2 2 6 N a c h der K o m m e r z i a l i s i e r u n g s t h e o r i e stellt der Verlust einer erkaufbaren N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einen V e r m ö g e n s s c h a d e n dar. D e r Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer Sache soll nach ihr als V e r m ö g e n s s c h a d e n allerdings n u r dann zu ersetzen sein, w e n n er auf einem o b j e k t b e z o g e n e n E i n g r i f f in die Sache beruhe. K ö n n e der G e s c h ä d i g t e aufgrund eines s u b j e k t b e z o g e n e n E i n griffs, also etwa aufgrund einer k ö r p e r l i c h e n Beschädigung, die Sache nicht n u t z e n , 2 2 7 sei die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t nicht als eigenständiges R e c h t s g u t b e troffen. E i n E r s a t z a n s p r u c h scheide daher aus. K o m m t der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t einer Sache nach der K o m m e r z i a l i s i e rungstheorie ein V e r m ö g e n s w e r t zu, so stellt ihr Verlust unabhängig davon, o b der G e s c h ä d i g t e aus der Sache k o n k r e t e N u t z u n g s v o r t e i l e ziehen wollte, einen V e r m ö g e n s s c h a d e n dar. 2 2 8 D i e s ist j e d o c h einigen Vertretern der K o m merzialisierungstheorie zu weitreichend und sie s c h r ä n k e n die Ersatzpflicht auf der G r u n d l a g e v o n Wertungskriterien ein, zu denen insbesondere auch das F ü h l b a r k e i t s k r i t e r i u m bzw. der subjektive Schadenseinschlag g e h ö r e n . 2 2 9 D e n Kommerzialisierungsgedanken

zur B e g r ü n d u n g eines V e r m ö g e n s -

schadensersatzes bei Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t h e r a n z u z i e h e n , basiert auf der Ü b e r l e g u n g , daß dann, w e n n die tatsächliche N u t z u n g s m ö g l i c h keit nur unter E i n s a t z v e r m ö g e n s w e r t e r M i t t e l erlangt werden kann, auch die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t selbst ein G u t mit V e r m ö g e n s w e r t darstellen müsse. F e s t z u h a l t e n bleibt aber, daß es sich bei der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t n u r u m eine faktische, sich aus d e m E i g e n t u m s r e c h t oder einem N u t z u n g s r e c h t ergeb e n d e M ö g l i c h k e i t , die Sache zu nutzen, handelt, die nicht selbständiger G e genstand des R e c h t s v e r k e h r s ist und auch keinen b e s t i m m t e n G e l d w e r t hat. D i e „ K o m m e r z i a l i s i e r u n g t h e o r i e " basiert also letztlich darauf, daß man die N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t des E i g e n t ü m e r s mit dem N u t z u n g s r e c h t eines M i e ters, das G e g e n s t a n d des R e c h t s v e r k e h r ist und regelmäßig auch einen V e r kehrswert hat, gleichsetzt. D a m i t wird die E i g e n n u t z u n g einer Sache der V e r mietung der Sache bzw. der A n m i e t u n g einer entsprechenden Sache gleichgestellt und der E i g e n t ü m e r letztlich so behandelt, als seien ihm entsprechende M i e t z i n s e n entgangen. 2 3 0 O b und inwieweit aber eine solche G l e i c h s e t z u n g Vgl. dazu S.116ff,450ff. MünchKomm/Grunsky, Vor §249 Rn 20; Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 45; Wiese, S. 25; BGHZ 55, 146; vgl. dazu S. 297ff. 228 So insbesondere Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 36; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 12 b. Kritisch deshalb gegen die Kommerzialisierungsthese Lange, Schadensersatz, § 6 III; Latenz, Schuldrecht I, § 29 I c. 229 Wiese, S. 25; Werber, AcP 173, 158, 183ff; Zeitz, S. 141; Neuwald, S. 114; Wilk, S. 157; vgl. dazu S. 59ff. 230 Keuk, S. 214; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401. 226 227

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

45

gerechtfertigt ist, bedarf einer genauen Untersuchung des Verhältnisses von Eigentum, Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechten und Nutzungen. 2 3 1 c)

Lizenzierungsgedanke li2

Jahr leitet insbesondere aus der Haftung des Nichtberechtigten wegen Entziehung und Vorenthaltung des Besitzes ab, daß nach dem System des BGB bei Nutzungsausfall unabhängig von der konkreten Verwendungsabsicht des Geschädigten eine Nutzungsentschädigung zu leisten sei. Wer fremde Sachen verbrauche, habe dem Eigentümer nach §§ 812 I, 818 II BGB Wertersatz zu leisten, habe er schuldhaft gehandelt, so stehe dem geschädigten Eigentümer auch ein Wertersatzanspruch nach §§ 823 I, 251 I BGB zu. Der Bereicherungsanspruch gehe auf den objektiven Wert der Sache, denn die Bereicherung des Eingreifers sei das, was er dem Verletzten als Entgelt für seine Zustimmung hätte zahlen müssen. 233 Da der Geschädigte in dieser Höhe entreichert sei, gehe der Schadensersatzanspruch auf den „objektiven" oder „gemeinen" Wert unabhängig davon, ob der Geschädigte ein geringeres Wertinteresse an der Sache gehabt habe. 234 Der Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines Vermögenswerten subjektiven Rechts wie der Bereicherungsanspruch stellten nur Surrogate für das verletzte Recht dar, da ihre Begründung das Vermögen des Verletzten gegenständlich verändere, aber nicht vermehre. Da der Gebrauch einen „teilweisen" Verbrauch darstelle, gelte entsprechendes auch für den Verlust des Gebrauchs. Habe der Eingreifer Vermögenswerte Vorteile aus dem Gebrauch einer fremden Sache erlangt, die einem anderen ausschließlich zugewiesen seien, so habe der Eigentümer nach §§ 812 1 1 2 . Alt., 818 II BGB einen Wertersatzanspruch unabhängig davon, ob der Gebrauch der Sache kommerzialisiert sei oder nicht. Die Bereicherung entspreche einem entsprechenden Verlust des Geschädigten und zeige, was die Sache dem Eigentümer Wert sei, gleichgültig ob er sie selber nutze oder ungenutzt lasse.235 Ihm stehe deshalb auch ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu. Dem Fall der rechtsgrundlosen Nutzung einer fremden Sache sei die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit gleichzustellen, da es nicht darauf ankommen könne, ob der Entwender die Sache nutze oder nicht. N u r der Eigentümer habe das Recht zu entscheiden, ob der Wert des Gebrauchs realisiert werde oder nicht, und die Freiheit, auf die Realisierung des Werts des Ge231

Vgl. dazu Teil 2. Jahr AcP 183, 725ff; ders., JZ 1984, 573. Den Lizenzierungsgedanken legt auch Schulte, S. 101 f, zugrunde, der allerdings einen Anspruch dann ausschließen will, wenn der Betroffene die abzugeltende Entbehrung ohnehin erlitten oder aufgrund freiwilligen Entschlusses hingenommen hätte. 233 Jahr, AcP 183, 725, 733, 738, 757ff, 778. 234 Jahr, AcP 183, 725, 733 ff, 739. 235 Jahr, AcP 183, 725, 742, 744. 232

46

5 2 Analyse der

Problematik

brauchs zu verzichten. S o ergebe sich aus der Wertung des § 5 5 7 I B G B wie aus §§ 9 8 7 I I , 9 9 0 I S. 1 B G B , daß die Zahlungsverpflichtung des M i e t e r s wie des Besitzers unabhängig v o n der tatsächlichen N u t z u n g sei. 2 3 6 D i e E n t z i e h u n g der N u t z u n g sei deshalb nicht nur denkbare Schadensquelle, sondern selbst s c h o n ein Schaden. E s handele sich deshalb nicht etwa u m einen aus der Sachbeschädigung o d e r der Vorenthaltung des Besitzes f o l genden V e r m ö g e n s s c h a d e n , der ebenso aus einer K ö r p e r v e r l e t z u n g o d e r F r e i heitsentziehung folgen k ö n n e , 2 3 7 sondern vielmehr u m einen Primär- oder O b j e k t s c h a d e n wie der V e r b r a u c h der Sache. M i t der E n t z i e h u n g der N u t zung der Sache gehe aufgrund der zeitlichen D i m e n s i o n der N u t z u n g ein Teil des E i g e n t u m s unwiderruflich verloren. 2 3 8

Jahr

schlußfolgert daraus, daß in

allen Fällen haftungsbegründender zeitweiliger E n t z i e h u n g der N u t z u n g ein A n s p r u c h auf N u t z u n g s e n t s c h ä d i g u n g begründet sei, „besser: ein A n s p r u c h des Wertes des R e c h t e s zur N u t z u n g für die Zeit der E n t z i e h u n g " . 2 3 9 D i e s s t i m m e im übrigen mit der R e c h t s p r e c h u n g des Reichsgerichts und des B u n d e s g e r i c h t s h o f s überein, die bei Verletzung f r e m d e r U r h e b e r - , E r f i n der- und ähnlicher immaterieller R e c h t e einen Schadensersatzanspruch in H ö h e einer angemessenen L i z e n z gewährten. 2 4 0 A u ß e r d e m stützt

Jahr

seine

Auffassung auf § 8 4 9 B G B , w o n a c h bei E n t z i e h u n g oder B e s c h ä d i g u n g einer Sache die E r s a t z s u m m e zu verzinsen sei. D a m i t w e r d e unabhängig v o n der k o n k r e t e n N u t z u n g ein abstrakt zu b e r e c h n e n d e r Vorenthaltungsschaden ersetzt. 2 4 1

Jahr

a n e r k e n n t somit einen A n s p r u c h auf „Schadensersatz wegen delikti-

scher N u t z u n g s e n t z i e h u n g " 2 4 2 s o w o h l im Fall der deliktischen E n t z i e h u n g und Vorenthaltung des Besitzes wie auch im Fall des Verlustes der N u t z u n g s -

Jahr., AcP 183, 725, 747. Beruhe die Nutzungsentziehung auf einer körperlichen Beeinträchtigung des Geschädigten, sei hingegen, soweit sich kein Vermögensschaden feststellen lasse, mangels eines Eingriffs in die Zuweisung des Eigentumswertes kein Schadensersatz zu leisten, Jahr, AcP 183, 725, 750, 779ff. 238 Jahr begründet dies u.a. damit, daß dann, wenn der Nutzungsentzug beim Nießbraucher den Entzug des Nießbrauchs bedeute, dies beim Eigentümer zumindest einen teilweisen Rechtsentzug bedeute, da das Eigentum den Nießbrauch umfasse, vgl. auch Jahr, J Z 1984, 573 f. 239 Jahr, AcP 183, 725, 757; ders., J Z 1984, 573, unter Betonung der These „nicht was man erkauft hat, sondern: was man verkaufen kann, macht einen reich." 240 Jahr, AcP 183, 725, 760. Auch Schulte, S. lOlff, greift zur Begründung des Entschädigungsanspruchs auf die Rechtsprechung zum Eingriff in Immaterialgüterrechte zurück. Der Bundesgerichtshof hatte diesen Aspekt zunächst zur Begründung eines Ersatzanspruchs in seiner Clubhausentscheidung, N J W 1963, 2020, herangezogen, diesen Begründungsansatz aber später aufgegeben, vgl. B G H Z 75, 366, 372f; B G H Z 91, 20, 29; ablehnend auch der Vorlagebeschluß, N J W 1986, 2037, 2039, unter Bezugnahme auf B G H Z 57, 116, 118; 60, 206,209; Steindorff, J Z 1964, 423; vgl. dazu ausführlich S. 210ff. 241 Jahr, AcP 183, 725, 731, 736; vgl. dazu auch Stoll, JuS 1968, 504, 508. 242 Wie es bereits im Titel seines Aufsatzes „Schadensersatz wegen deliktischer Nutzungsentziehung", AcP 183, 725 ff, zum Ausdruck kommt. 236

237

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

47

m ö g l i c h k e i t einer Sache. O b aber die Fälle der E n t z i e h u n g o d e r Vorenthaltung des Besitzes, in denen sich der Schädiger ein N u t z u n g s r e c h t anmaßt, mit denen des Verlustes der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t aufgrund Sachbeschädigung gleichgesetzt w e r d e n k ö n n e n , erscheint zweifelhaft. D e n n bei der deliktischen E n t z i e h u n g o d e r Vorenthaltung des Besitzes n i m m t der Schädiger dem E i g e n t ü m e r die ihm zugewiesene Entscheidungsbefugnis ü b e r die E i n r ä u m u n g eines N u t z u n g s r e c h t s und verfügt damit faktisch ü b e r Befugnisse des E i g e n t ü m e r s . D e r Primärschaden liegt damit in der A n m a ß u n g eines N u t zungsrechts, entsprechend besteht das Unterlassungsinteresse des E i g e n t ü mers darin, daß D r i t t e nicht v o n den ihm zugewiesenen N u t z u n g s - und V e r wertungsbefugnissen G e b r a u c h m a c h e n . 2 4 3 A n d e r s ist dies, w e n n die Sache beschädigt wird und deshalb nicht genutzt w e r d e n kann. H i e r richtet sich der E i n g r i f f primär gegen die Sachsubstanz und nicht gegen die N u t z u n g s b e f u g nis des E i g e n t ü m e r s . D i e Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des E i gentümers ü b e r die Sache ist hier nur eine F o l g e des Eingriffs in die Substanz. Bei einer rein tatsächlichen Beeinträchtigung der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t aufgrund einer Sachbeschädigung handelt es sich deshalb nicht u m einen P r i m ä r schaden, sondern nur u m eine weitere negative F o l g e des Eingriffs. D i e B e sitzentziehung unterscheidet sich damit von der aufgrund einer S a c h b e s c h ä digung eingetretenen zeitweiligen N u t z u n g s u n m ö g l i c h k e i t einer Sache w e sentlich. 2 4 4 D e r Frage, o b und inwieweit sie gleichgesetzt w e r d e n k ö n n e n , ist im R a h m e n der rechtlichen E i n o r d n u n g v o n E i g e n t u m , N u t z u n g s r e c h t e n , tatsächlicher N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t und N u t z u n g e n nachzugehen.

d) Subjektiv

- funktionales

Vermögensschadensverständnis

D i e F u n k t i o n s s c h a d e n s l e h r e 2 4 5 baut auf einem subjektiven Schadensverständnis auf. 2 4 6 D e r Sinn und Z w e c k unseres Schadensersatzrechts bestehe nicht allein in dem S c h u t z v o n G e g e n s t ä n d e n und G ü t e r n an sich, sondern diene dem S c h u t z der P e r s o n , die ein G u t innehabe und n u t z e . 2 4 7 D u r c h die Z u o r d n u n g eines Gegenstandes oder G u t e s gewinne die P e r s o n als S u b j e k t einen W i r k u n g s r a u m , in dem sie frei sei, ihr L e b e n nach eigenen Zielen zu gestalten. 2 4 8 N e b e n dem „ H a b e n " b e s t i m m t e r P o s i t i o n e n k o m m e es deshalb auf das durch den G e g e n s t a n d gesicherte und gewährleistete „ K ö n n e n " des S u b -

Vgl. dazuS. 80f,210ff. Kritisch zur Lehre von Jahr der Vorlagebeschluß des V. Zivilsenats, NJW 1986, 2037, 2039; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 d; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 828; Graf, S. 78. 245 Mertens, S. 125ff; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 73f; Reinecke, S. 124ff; Bäh, S. l l f ; Hagen, S. 176ff; Ostendorf, BB 1973, 822, 825; vgl. ausführlich auch Roussos, S. 191 ff. 246 Mertens hat in seinem „Begriff des Vermögensschadens" den natürlichen Schadensbegriff verfochten, S. 93 ff, 111 ff, legt nunmehr aber den faktisch - normativen Schadensbegriff zugrunde, Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 45 Fußnote 12 und 13. 247 Mertens, S. 167, 227; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 21; vgl. Roussos, S. 226ff. 248 Mertens, S. 167, 227; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 10. 243

244

48

5 2 Analyse der

Problematik

jekts an. 249 Außer dem Interesse an der Integrität der Persönlichkeit und dem Vermögen genieße deshalb auch das Interesse, im Sinne eigener Zwecksetzung handeln zu können, schadensersatzrechtlichen Schutz, so daß grundsätzlich jede Veränderung einer Güterlage als nachteilig anzusehen sei, die nicht von einem rechtlich einwandfrei gebildeten Willen des Betroffenen getragen sei, denn sie stelle einen Eingriff in seine Handlungsfreiheit und autonome Planung dar.250 Das Schadensrecht schütze das Sacheigentum als Freiheitsgewährleistung und zum Zwecke der Rechtsfortsetzung. 251 Ziel des auf dem Ausgleichsprinzip 252 aufbauenden Schadensersatzrechts sei die Wiederherstellung der Persönlichkeit des Verletzten in ihrer vollen Planungs- und Handlungsautonomie. 253 Einem solchen subjektbezogenen Schadensverständnis 254 widerspreche es, den Vermögensschaden auf der Grundlage eines objektiv - summarischen Vermögensbegriffs zu bestimmen und das Vermögen als Summe aller einer Person zustehenden Rechte und Güter von wirtschaftlichem Wert wie rein faktischen geldwerten Positionen, insbesondere Gewinnaussichten, zu begreifen. 255 Mertens hat deshalb den Versuch unternommen, das unserem Schadensersatzrecht zugrundeliegende, überkommene Vermögensschadensverständnis zu überwinden und den Vermögensbegriff auf subjektivfunktionaler Basis neu zu bestimmen. 256 Das Vermögen sei daher nicht als Anhäufung einer Reihe geldwerter Positionen zu verstehen, sondern als gegenständliches Potential des Vermögenssubjekts. Vermögen meine deshalb nicht nur das „Haben" bestimmter Positionen, sondern das auf einen Gegenstand bezogene gesicherte und gewährleistete Können des Subjekts, also das der Person zur Verfügung stehende Potential geldwerter sachlicher Ressourcen. 257 Es sei deshalb als die Einheit der einzelnen Vermögensgegenstände in ihrer Beziehung auf die einzelnen Lebensgestaltungsziele des Vermögensträgers zu verstehen. 258 Das Vermögen umfasse die gegenständliche Gewährleistung eines freien soMertens, S. 125ff, 139f; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 62. Soergel/Mertens, Vor § 2 4 9 R n 2 1 . Den Aspekt der Ressourcenverwendungsplanung hat Brinker in seiner Arbeit betont, S. 317f. 251 Und zwar ohne jede Rücksicht auf die konkrete Verwendungsplanung des Betroffenen, Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 79. Einen Interimsschaden in Form eines Nutzungsausfalls nimmt Mertens dagegen nur dann an, wenn die Möglichkeit einer konkreten Beeinträchtigung der Interessen des Betroffenen bestand, Soergel/Mertens, Rn 56, 79. 252 Mertens, S. 95f; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 26f. 253 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 38; siehe dazu auch Roussos, S. 226ff. 254 Daneben bezieht sich Mertens zur Begründung auch auf den subjektiven Schadenseinschlag im Strafrecht, S. 130ff; vgl. auch Hagen, S. 165; Roussos, S. 158, und die subjektive Wertlehre, S. 134ff; vgl. auch Roussos, S. 195; Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1053. 255 Mertens, S. 125, 128. 256 Mertens, S. 125ff; in diese Richtung schon früher M.L. Müller, S. 86, 92ff; Mauczka, S. 28, 94. 257 Mertens, S. 125ff, 139f; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 62. 258 Mertens, S. 139ff, 227. 249 250

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

49

zialen Wirkungsraumes zur Verwirklichung aller Lebensziele des Subjekts 2 5 9 und garantiere so die Lebensentfaltung insgesamt, den subjektiven Freiheitsraum. 260 Ein Vermögensschaden liege daher bei jedem Eingriff in die gegenständliche Sphäre vor, sofern dem Vermögenssubjekt nur die Erreichung irgendeines materiellen oder ideelen Lebensziels erschwert werde. 261 O b w o h l Mertens von einem einheitlichen personenbezogenen Vermögensverständnis ausgeht, 262 differenziert er bei einem Sachschaden zwischen der Minderung des Substanzinteresses bzw. des individuellen Sachwerts, 263 d.h. dem objektiven Schadenskern, und dem vermögensbezogenen Ausfallwert. Der Ausfallwert beziehe sich auf die Möglichkeit, die Nutzung während der Zeitspanne des Ausfalls zu vollziehen. Sei die Nutzung nicht schon aus anderen konkreten Umständen ausgeschlossen und fehle es insoweit an einer Verkürzung des subjektiven Spielraumes, 264 sei der Ausfall der Möglichkeit, das Gut während einer bestimmten Zeit zu immateriellen Zwecken zu nutzen, als Vermögensschaden in Betracht zu ziehen. Mertens hat daraus in seinem „Begriff des Vermögensschadens" die Konsequenz gezogen, daß die Gegenwärtigkeit des Vermögens, die Möglichkeit seiner Nutzung hic et nunc, einen Wert darstelle, der zwar einem immateriellen Zweck diene, aber, sofern er sich nur in Geld ausdrücken lasse, 265 als Vermögenswert zu betrachten sei. 266 Darüber hinaus könne sich ein Vermögensschaden auch aus der Störung der Zuordnung eines Vermögensgutes zu einem Vermögenssubjekt ergeben. Eine solche Vermögensfunktionsstörung liege vor, wenn die Aktivierung eines Vermögensmittels in Richtung auf einen bestimmten subjektiven Zweck mißlinge und damit Aufwendungen fehlschlügen. 267 Ein solch weitreichendes Vermögensverständnis benötigt jedoch, um eine Ausuferung des Schadensersatzes zu vermeiden, 268 ein einschränkendes Regulativ. Dieses ergibt sich nach Mertens aus der sozialen Bindung des Vermögenssubjekts, weshalb dem Schadensbegriff eine Soziabilitätsschranke, die ihren gesetzlichen Anhaltspunkt in § 254 II B G B finde, innewohne. 2 6 9 Mertens, S. 130. Mertens, S. 142, 227. 261 Hagen, S. 181. 262 Die Einheit des Vermögensbegriffs betonend, spricht Mertens, S. 127ff, von einer personenbezogenen gegliederten Ganzheit und Einheit. 263 Zum objektiven Schadenskern Mertens, S. 143f. 264 Nach Mertens, S. 215 Fußnote 36; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 79, kommt es insoweit allein auf die Verkürzung des subjektiven Spielraums, also der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit, nicht aber auf den Nutzungswillen an. 265 Als Wertmesser stellt er auf den Beschaffungswert ab, S. 157, 184, 214. 266 Mertens, S. 145ff, 157; anders aber Hagen, J Z 1983, 833, der einem Vermögensschadensersatz für entgangene Gebrauchsvorteile ablehnend gegenübersteht. 267 Mertens, S. 158 ff. 268 Mertens, S. 170. 269 Mertens, S. 170ff, 228; kritisch Koziol, ZfRV 1969,22, 34; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I; Zeitz, S. 37; Keuk, S. 217; Graf, S. 44 f. 259 260

50

§ 2 Analyse der

Problematik

Nunmehr will Mertens 270 nicht mehr allein den funktionalen Vermögensschadensbegriff zur Grenzziehung zwischen materiellen und immateriellen Schäden heranziehen, sondern sieht in den Interimsschäden bei gestörter Sachnutzung eine durch das Gesetz nicht geregelte Frage. Die den Vermögensschadensersatz betreffende Regelungslücke sei auf der Grundlage normativer Überlegungen zu schließen. 271 Aufgrund der regelmäßig nicht existentiellen Bedeutung der Dispositionsmöglichkeit für den Geschädigten, den Transaktionskosten und der Undurchschaubarkeit der subjektiven Verwendungsplanung des Geschädigten spricht er sich nunmehr für eine eher restriktive Handhabung des Geldersatzes bei Dispositionsstörungen aus. 272 Als Wertmesser für die Nutzungsausfallentschädigung zieht er den Wert der möglichen Nutzung, 2 7 3 den Wert der effektiv entgangenen Nutzung 2 7 4 sowie die frustrierten Aufwendungen 2 7 5 heran. Das subjektiv - funktionale Schadensverständnis von Mertens stößt insoweit auf Bedenken, als die funktionale Vermögensbestimmung grundlegend von dem überkommenen Vermögensschadensverständnis abweicht, auf dem auch § 253 BGB basiert. 276 Die Lösung des Schadensersatzproblems wird somit nicht mehr im Rahmen der allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätze und Regeln, sondern außerhalb gesucht. 277 Auch in wertender Hinsicht erscheint die grundsätzliche Anerkennung des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit als Vermögensschaden problematisch. 2 7 8 Denn sie fordert eine Beschränkung der Ersatzpflicht durch entsprechende Wertungskriterien, so daß letztlich der subjektiv - funktionale Vermögensbegriff die eigentliche Wertungsfrage nicht löst, sondern nur verschiebt. 279 Von einem funktionalen Schadensverständnis geht auch Roussos aus. 280 Nach ihm ist bei der Ersatzfähigkeit des Schadens der funktionale Schutzinhalt des betroffenen Rechts oder Interesses zu berücksichtigen. Uber die Beeinträchtigung oder die Zerstörung des betroffenen Rechtsguts oder die Nichterfüllung entsprechender Vertragspflichten hinaus sei auch den funktionalen Interessen an der Nutzungsmöglichkeit der Sache bei der Wertungsent-

Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 45. Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 62, 77. 272 Soergel!Mertens, Vor § 249 Rn 75, 76. 273 Vgl. dazu im einzelnen Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 81 ff. 274 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 86 ff. 275 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 92 ff. 276 Larenz, Schuldrecht I, § 29 I; ders., Festschrift Oftinger, S. 151, 152, 160f; Tolk, S. 108; Keuk, S. 217; Zeiss, S. 35; Graf, S. 45; Königen, AcP 177, 1, 16. 277 Larenz, Schuldrecht I, § 29 I; Tolk, S. 108; Keuk, S. 217. 278 Keuk, S. 217, weist darauf hin, daß der subjektiv - funktionale Vermögensbegriff dazu führe, daß der Mensch zu einem „homo oeconomicus" werde, was Mertens gerade vermeiden wolle. 279 Vgl. auch Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 64 Fußnote 45; Brinker, S. 212. 280 Roussos, S. 234ff. 270 271

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

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Scheidung Rechnung zu tragen. 281 Bei Konsumtiveigentum sieht er „die Bewertung des sozialen oder gesellschaftspolitischen Ranges eines bestimmten Nutzungsbedarfs in einer konkret-individuellen Projektion" 2 8 2 als entscheidend an. Er greift damit letztlich auf die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien des Bedarfs und der Fühlbarkeit zurück, 283 um eine gewisse Objektivierung zu erreichen und bestimmte Dispositionsstörungen von vornherein auszuscheiden. Die Überlegungen zum subjektiv - funktionalen Vermögensbegriff machen deutlich, daß die Schadensersatzfrage zu komplex ist, um sie allein auf das Haben oder Nichthaben vermögenswerter Positionen beschränken zu können. Wesentlich ist für den Eigentümer einer Sache nicht allein das Haben einer Sache, sondern auch die Sache nach seinem Belieben einsetzen zu können und so das sich aus ihr ergebende Nutzungspotential zu realisieren. Zweifelhaft erscheint jedoch, ob tatsächlich schon die mit der Sache verbundene Nutzungsmöglichkeit, der durch die Sache eröffnete Freiraum als solcher, schadensersatzrechtlichen Schutz fordert oder ob es nicht vielmehr auf die konkrete Verwendung des Freiraums ankommt, die Erreichung ganz bestimmter Ziele. Auch im Hinblick auf ein subjektiv - funktional orientiertes Schadensverständnis gilt es deshalb aufzuklären, ob der schadensersatzrechtlich relevante Verlust darin liegt, daß der Geschädigte die Nutzungsmöglichkeit der Sache als solche und damit den durch sie vermittelten Freiraum verliert, oder aber darin, daß er ganz konkrete Vorteile nicht aus der Sache ziehen kann, sich also ganz bestimmte zukünftige Erwartungen im Hinblick auf die Verwendung und Nutzung der Sache nicht realisieren lassen. e)

Frustrationstheorie

Die Frustrationstheorie geht auf v. Tuhr zurück. Er vertrat als erster die These, daß auch die aufgrund eines zum Ersatz verpflichtenden Umstandes fehlgeschlagenen Aufwendungen zum Vermögensschaden zu rechnen seien. 284 Werde eine Ausgabe, welche ursprünglich von einem Konsumtionszweck getragen gewesen sei, nachträglich durch Vereitelung des Genusses zwecklos, liege darin ein Schaden. Eine Aufwendung habe deshalb nachträglich als Schaden zu gelten, wenn der Zweck, zu dessen Erreichung sie vorgeRoussos, S. 234ff, 270ff. Roussos, S. 273. 283 Letztlich überläßt er damit die Abgrenzung einer Fallrechtsentwicklung, vgl. dazu Staudinger/Schiemann, Vor § 249 Rn 39; ders., Festschrift Hagen, S. 27, 38. 284 V.Tuhr, Krit. Vierteljahresschrift 47 (1907), 63, 65; ders., Allgemeiner Teil I, § 18 Fußnote 33a: „Ein weiterer Fall des Vermögensschadens ohne Verletzung eines Vermögensrechts liegt dann vor, wenn ein Gegenstand, der ohne Vermögenswert zu haben, dem Eigentümer Anschaffungskosten verursacht hat, z.B. ein unübertragbares Theaterbillet, entzogen oder vernichtet wird. Der Schaden besteht darin, daß die Ausgabe, welche ursprünglich durch den Konsumtionszweck gerechtfertigt war, nachträglich durch Vereitelung des Genusses zwecklos wird." 281

282

52

5 2 Analyse der

Problematik

n o m m e n worden sei, wegfalle. 285 Zur Begründung zieht er insbesondere den Gedanken des negativen Interesses heran, der in §§ 122, 1298 B G B zum Ausdruck kommt. 2 8 6 E r verallgemeinert ihn dahingehend, daß immer dann, wenn der Zweck, der mit der Aufwendung verfolgt werde, nachträglich wegfalle, ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliege. 2 8 7 B e z o g v. Tuhr den A n w e n dungsbereich der Frustrationstheorie noch auf Objektschäden, insbesondere Theaterbillette und „wertlose" Katzen, 2 8 8 ist der Frustrationsgedanke später auch zur Überwindung anderer sich aus der Differenztheorie ergebender Probleme herangezogen worden. Zur Lösung der Nutzungsproblematik haben insbesondere Larenz 2 8 9 und LöweNa auf den Frustrationsgedanken zurückgegriffen und aus ihm einen Anspruch auf die frustrierten Aufwendungen, insbesondere die G e m e i n k o sten, abgeleitet. O b w o h l es sich bei den Aufwendungen um freiwillige Vermögensentscheidungen handele und sie auch nicht kausal durch das schädigende Ereignis verursacht worden seien, es also an der Kausalität fehle, seien sie einem Vermögensschaden gleichzusetzen. D e n n letztlich stellten die frustrierten Aufwendungen eine effektive Vermögensminderung dar, die nach der Wertung des Vermögenssubjekts durch ein selbst nicht zum Vermögen zählendes Äquivalent aufgewogen werde, das nun weggefallen sei. Ein Kausalzusammenhang bestehe deshalb zwar nicht zwischen dem die Ersatzpflicht begründenden Ereignis und der Vermögensminderung, d.h. der Aufwendung, wohl aber zwischen dem Ereignis und dem Fortfall des Äquivalents, durch den die Vermögensaufwendung nachträglich den Charakter eines „Schadens" erhalte. 291 D u r c h die spätere Zweckvereitelung werde das anfänglich vorhandene M o m e n t der „Freiwilligkeit" der Aufwendung in Frage gestellt, denn sie sei in der sicheren Erwartung des durch sie erkauften Vorteils getätigt worden. Dadurch, daß die Aufwendung nutzlos werde, werde der Geschädigte zu etwas genötigt, was nicht in seiner Willensrichtung gelegen habe. Darin bestehe eine Gemeinsamkeit mit einer unfreiwilligen Einbuße, die eine Analogie mit einem Vermögensschaden rechtfertige. 2 9 2

V. Tuhr, Allgemeiner Teil I, § 18 Fußnote 33a. V.Tuhr, Krit. Vierteljahresschrift 47 (1907), 63, 65f; ders., Allgemeiner Teil I, § 18 Fußnote 33a; vgl. auch Löwe, N J W 1964, 701, 704; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 III Fußnote 110. 287 V. Tuhr, Krit. Vierteljahresschrift 47 (1907), 63, 65; den., Allgemeiner Teil I, § 18 Fußnote 33a. 288 V. Tuhr, Krit. Vierteljahresschrift 47 (1907), 63, 65; ders., Allgemeiner Teil, § 18 Fußnote 33a. V. Tuhrs Beispiele beschränken sich dabei auf Eingriffe in Gegenstände, insbesondere den Verlust einer Theaterkarte und Katzen. Das Problem der Nutzungsentschädigung spricht er demgegenüber nicht an. 289 Larenz, VersR 1963, 312; ders., Festgabe Oftinger, S. 151, 161. 290 Löwe, VersR 1963, 307, 310; ders., N J W 1964, 701, 704; vgl. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 III; E. Schmidt, S. 573; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 823, 826. 291 Larenz, Festgabe Oftinger, S. 151, 161; ders., VersR 1963, 312f. 292 Larenz, VersR 1963, 312, 313. 285 286

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

53

Löwe verweist außerdem darauf, daß der Frustrationsgedanke geeignet sei, eine exakte Abgrenzung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu erreichen. Zwecklos gewordene Aufwendungen seien deshalb aus Billigkeitsgründen einem Vermögensschaden gleichzustellen. 293 Die Frustration der Aufwendungen kann nach Larenz 2 9 4 und Schmidt295 sowohl darin ihre Ursache haben, daß die Sache nicht nutzbar ist, als auch in einer persönlichen Nutzungsverhinderung des Geschädigten liegen. Nach Larenz muß es sich in diesem Fall jedoch um einen besonderen Aufwand zu einem bestimmten Zweck und nicht um den Aufwand im Rahmen normaler Lebenshaltung handeln. 296 In den Nutzungsfällen ist auf der Grundlage des Frustrationsgedankens regelmäßig Schadensersatz für den zeitweiligen Nutzungsverlust zu leisten. Dabei gehen die Auffassungen darüber auseinander, ob von den Gemeinkosten 297 oder von den Vorhaltekosten unter Einschluß der Verzinsung und Abschreibung des Anlagekapitals auszugehen ist. 298 Die frustrierten Aufwendungen zur Begründung eines Vermögensschadens heranzuziehen, ist allein vor dem Hintergrund der Differenztheorie zu verstehen. Weil sich mittels der Differenztheorie kein bezifferbarer Vermögensschaden feststellen läßt, wird - wie auch bei der Kommerzialisierungstheorie - auf einen im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehenden Gesichtspunkt zurückgegriffen, nämlich die Vornahme von Aufwendungen, um den Schaden vermögensmäßig genau beziffern zu können. Die Frustrationstheorie ist dementsprechend durch die Suche nach einem Kriterium geprägt, das eine vermögensmäßige Schadensbestimmung ermöglicht. Es wird deshalb trotz des fehlenden Kausalzusammenhangs zwischen dem schädigenden Ereignis und den vor dem schädigenden Ereignis getätigten freiwilligen Aufwendungen 299 auf diese zurückgegriffen, um letztlich das Interesse des Geschädigten an der Zweckerreichung beziffern zu können. 300 Daß es eigentlich um die Bewertung Löwe, VersR 1963, 307, 310; Larenz, VersR 1963, 312f. Larenz, Festgabe Oftinger, S. 151, 162 f. 295 Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 III; anders Deutsch, Haftungsrecht, Rn 828. 296 Larenz, Festgabe Oftinger, S. 151, 162f; vgl. auch Mertens, S. 159f; kritisch Schiemann, S. 286; Werber, AcP 173, 158, 160, 162, 180; Königen, AcP 177, 1, 29 Fußnote 149; Brinker, S. 222. 297 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Löwe, VersR 1963, 307, 311. 298 Dunz, J Z 1984, 1010, 1014; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 e. 299 Die Kritik an der Frustrationstheorie knüpft überwiegend an der fehlenden Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis und den freiwillig gemachten Aufwendungen an, vgl. Rauscher, N J W 1986, 2011, 2012; Weber, VersR 1985, 112f; Lange, Schadensersatz, § 6 IV; Ströfer, S. 59; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 826ff; Baur, Festschrift Raiser, S. 136f; Stoll, J Z 1971, 593, 594f; Küppers, S. 65ff; ders., VersR 1976, 604, 606. 300 Kritisch Lange, Schadensersatz, § 6 IV, der meint, damit würde dem Geschädigten die Bewertung der Höhe des Vermögensschadensersatzes überlassen und nicht an objektive Kriterien angeknüpft; vgl. auch Küppers, S. 91; ders., VersR 1976, 604, 606; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 128; Brinker, S. 22. Demgegenüber verweist Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/ 2, § 31 III 2 a, darauf, daß bei der Bestimmung der frustrierten Aufwendungen auf den Markt abzustellen sei. 293 294

54

§ 2 Analyse

der

Problematik

dieses Interesse geht, deutet Larenz an, wenn er von einem Ausgleich für ein „nach Wertung des Vermögenssubjekts" ... „(selbst nicht dem Vermögen zuzuzählendes) Äquivalent", ... „das nun hinweggefallen ist", spricht. 301 Die Gleichstellung der frustrierten Aufwendungen mit einem Vermögensschaden bedeutet damit nichts anderes, als daß das Interesse des Geschädigten an der Zweckerreichung mit dem Wert der Aufwendungen gleichgesetzt wird. Der Frustrationsgedanke ist dabei jedoch nur in der Lage, Anhaltspunkte für die vermögensmäßige Bemessung des Interesses des Geschädigten an der Zweckerreichung zu geben. Zur Beantwortung der entscheidenden Wertungsfrage, ob und in welchem Rahmen die von dem Geschädigten mit den Aufwendungen verfolgten Ziele von dem Schutz der Rechtsordnung erfaßt werden, so daß für den durch den schädigenden Eingriff herbeigeführten Nachteil im Wege des Schadensersatzes Ausgleich zu schaffen ist, trägt die Frustrationstheorie demgegenüber nichts bei. 3 0 2 Vorbehalte gegen die Frustrationstheorie ergeben sich deshalb daraus, daß der Kreis der geschützten Erwartungen und damit auch die Ersatzpflicht nicht absehbar ist. 303 So bleibt nach der Frustrationstheorie letztlich offen, ob Ersatz der frustrierten Kosten allein deshalb zu leisten ist, weil dem Geschädigten die Sache zeitweilig nicht zur Verfügung stand, oder ob es darauf ankommt, daß er konkrete N u t z u n g s vorteile aus ihr zielen wollte. 3 0 4 Larenz greift deshalb nunmehr nur noch auf die frustrierten Aufwendungen zur Bestimmung des Vermögensschadens zurück und sieht den Schaden in den Nutzungsfällen in dem Verlust der zeitbezogenen Gebrauchsmöglichkeit. 3 0 5 Festzuhalten bleibt damit, daß die Aufwendungen, die zur Erreichung einer bestimmten Position gemacht wurden, den Wert dieser Position widerspiegeln können. O b allerdings der Eingriff einen schadensersatzrechtlich relevanten Verlust herbeigeführt hat, ist eine auf der Grundlage unserer Rechtsordnung zu beantwortende Frage, die sich mit dem Frustrationsgedanken nicht beantworten läßt. 306 Die Frustrationstheorie ist damit nicht in der Lage, zur L ö s u n g der grundlegenden Frage beizutragen, worin der schadensersatzrechtlich relevante Verlust zu sehen ist: in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher oder aber in konkret entgehenden Gebrauchsvorteilen. Ist der schadensersatzrechtlich relevante Verlust hingegen lokalisiert, so können die 301

Larenz, Festgabe Oftinger, S. 151, 161. N a c h Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 III, ist nach dem „Gesamtzweck des deliktischen Haftungsrechts" und bei Vertragsverletzungen aufgrund des „nach den auch sonst maßgeblichen Umständen der Verkehrsüblichkeit und Angemessenheit zu konturierenden Obligationsschutzes" zu entscheiden, ob ein Ausgleich zu gewähren ist, vgl. dazu S. 267ff. 303 Der B G H hat sich deshalb in der Jagdpachtentscheidung, B G H Z 55,146, ablehnend gegenüber der Frustrationstheorie geäußert. Kritisch gegen die Frustrationslehre deshalb auch Küppers, S. 92 f; ders., VersR 1976, 604, 606; Lange, Schadensersatz, § 6 IV; Staudinger/ Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 128; Baur, Festschrift Raiser, S. 134ff; Brinker, S. 222. 304 Vgl. Dunz,]X 1984, 1010, 1013. 305 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c. 306 Dahingehend wohl auch Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 III. 302

B. Anspruch

auf

Nutzungsentschädigung

55

„frustrierten" Aufwendungen durchaus einen Hinweis auf das Vorliegen eines Vermögensschadens und auf seine Höhe geben.307 f) Ökonomische

Analyse des

Rechts

Ott und Schäfer308 haben sich mit der Nutzungsentschädigungsproblematik auf der Grundlage der ökonomischen Analyse des Rechts 309 auseinandergesetzt. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist weniger unser bestehendes Schadensersatzrecht, wie es im B G B seinen Niederschlag findet, als vielmehr die Entwicklung eines ökonomischen Überlegungen entsprechenden Schadensersatzkonzepts.310 Grundlage der ökonomischen Analyse des Rechts ist die Theorie der Wohlfahrtsökonomie.311 Nach ihr ist eine Entscheidung dann sachgerecht, wenn die Mitglieder der Gesellschaft ihr bei rationalem Verhalten und Wahrung ihrer eigenen Interessen generell, d.h. unabhängig von der konkreten Betroffenheit, zustimmen würden, wenn man sie fragen könnte. 312 Wesentlicher Maßstab für eine solche Zustimmung ist die gesamtgesellschaftliche Alllokationseffizienz. Auf der Grundlage einer Kosten - Nutzen - Überlegung werde sie dann erreicht,313 wenn die volkswirtschaftlich knappen Ressourcen so eingesetzt werden, daß sie den größten erzielbaren gesellschaftlichen Nutzen stiften, also jeweils am Ort ihrer sozial nützlichsten Verwendung zum Einsatz kommen. 314 Ziel ist es daher, die Verschwendung von Ressourcen so weit wie möglich zu verhindern, um die gesamtgesellschaftliche Allokationseffizienz zu erhöhen. Entsprechend wird demjenigen das Schadensrisiko durch entsprechende Haftungsregeln auferlegt, der es mit dem geringsten Aufwand beherrschen kann („cheapest cost avoider"). 315 Vgl. dazu S. 455 ff. Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 618; Schäfer/Ott, S. 261 ff. 309 Zur ökonomischen Analyse des Rechts und ihren Grundlagen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, siehe Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts; Huber, Schadensberechnung, S. 37ff; Schanze, Ökonomische Analyse, S. 1 ff; Schanze, ZgS 1982, 297; Posner, The Economics of Justice, S. 84ff; Posner, Ökonomische Analyse, S. 79ff; Adams, S. 17ff; Assmann, Ökonomische Analyse, S. 17ff; Kirchner, Ökonomische Analyse, S. 62ff; Coase, Ökonomische Analyse, S. 129ff, 131; Calabresi, Ökonomische Analyse, S. 239ff; Kötz/Schäfer, AcP 189, 500f; Kotz, Karlsruher Forum 1990, 14ff; Taupitz, AcP 196, 114 ff; Eidenmüller, S. 17ff. 310 Schäfer/Ott, S. 10; vgl. Huber, Schadensberechnung, S. 37f; Taupitz, AcP 196, 114, 122 ff. 311 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 618; Schäfer/Ott, S. 14, 37ff. 312 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 620. 313 Vgl. dazu Schanze, Ökonomische Analyse, S. 5, 14ff; Kotz, Rn 119; Schäfer/Ott, S. 187; Adams, S. 29, 45ff; Coase, Ökonomische Analyse, S. 129ff; Roussos, S. 207. 314 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 618. Die Wohlfahrtstheorie bestimme dabei die soziale Nützlichkeit allein auf der Grundlage des Einzelnutzens der Mitglieder der Gesellschaft und nicht „mit organizistischen oder mystischen Gemeinwohl-Vorstellungen". 315 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 618; Schäfer/Ott, S. 187; Adams, S. 20f. 307

308

56

5 2 Analyse der

Problematik

Von dieser Grundlage ausgehend, ergibt sich für das Schadensersatzrecht das Ziel, das Verhältnis von Schadensvermeidung und Schadenskosten zu optimieren und den Schadensvermeidungsaufwand auf ein gesamtgesellschaftlich optimales Niveau zu steuern. Dabei sollen durch die Haftungsregeln Anreize dafür geschaffen werden, daß das gesamtgesellschaftlich nützliche Maß an Kosten für die Verhinderung von Schäden auch tatsächlich aufgewendet wird. 316 Diese volkswirtschaftlich geprägten Überlegungen stellen damit anders als die überkommene Schadensersatzlehre nicht die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts, sondern seine Präventivfunktion, den Schadensvermeidungszweck, in den Vordergrund. 317 Zur Bestimmung der Allokationseffizienz sind dem gebotenen Schadensvermeidungsaufwand alle Kosten, die durch den Schaden einschließlich der Rechtsverfolgung verursacht werden, gegenüberzustellen. Eine genaue Bestimmung der Schadenskosten sei dabei von entscheidender Bedeutung, da eine zu hohe wie eine zu niedrige Bemessung zu entsprechend zu hohem oder niedrigem Schadensvermeidungsaufwand führe und in beiden Fällen Ineffizienz zur Folge habe. Das Ziel der Allokationseffizienz werde dann verfehlt, Ressourcen würden vergeudet. 318 Werde also nicht der volle Schaden als ersatzpflichtig anerkannt und würden bestimmte Schäden ausgenommen - wie die Nutzungsausfallschäden so würde dies den Anreiz vermitteln, systematisch zu geringe Schadensvermeidungskosten aufzuwenden, wodurch die Schäden über ein bei sinnvollem Einsatz der Ressourcen erreichbares Niveau ansteigen würden. 319 Für die Lösung der Nutzungsentschädigungsproblematik schlußfolgern Ott und Schäfer daraus, daß zu den Schadenskosten im ökonomischen Sinn alle Nutzenverluste, die beim Geschädigten anfallen, einschließlich immaterieller Schäden gehörten. 320 Eine grundsätzliche Differenzierung zwischen ma-

316 Kötz/Schäfer, AcP 189, 503; Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 618; Adams, S. 21, 33; Kötz, Karlsruher Forum 1990, 14ff; Huber, Schadensberechnung, S. 37. 317 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 620; Schäfer/Ott, S. 98 ff; Calabresi, S. 266; Adams, S. 17ff. Die ökonomische Analyse wählt damit einen vom überkommenen Schadensersatzrecht, das als primäres Ziel des Schadensersatzes den Schadensausgleich und in der Prävention ein „erwünschtes Nebenprodukt" der Schadensersatzpflicht sieht, abweichenden Ansatz, vgl. dazu iMarburger, Karlsruher Forum 1990, S. 5f; Larenz, Schuldrecht I, § 27 I; Lange, Schadensersatz, Einleitung III 2; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 17; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 3. 318 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 619; Schäfer/Ott, S. 265. 3 1 9 Die ökonomische Analyse geht von einer rationalen Kosten - Nutzen - Analyse der Individuen aus. Daß sich das tatsächliche Verhalten des Schädigers mit der Prämisse nutzenmaximierenden Verhaltens potentieller Schädiger deckt, das Postulat der Rationalität also der Realität entspricht, erscheint jedoch zweifelhaft. Kritisch insoweit Flessner, JZ 1987, 271, 273; Honsell, Symposium Stark, S. 15, 16; AltKomm/Rüßmann, Vor § 249 Rn 18; Brinkmann, BB 1987, 1828, 1830; Hager, Verkehrsschutz, S. 231 ff; Staudinger/Hager, Vor § 823 Rn 15 ff. 320 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 623, stellen dabei auf die Nutzungsmöglichkeit als solche ab. Nunmehr greifen sie jedoch auch auf das Fühlbarkeitskriterium zurück, Schäfer/Ott, S. 267; vgl. dazu S. 59ff.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

57

teriellen und immateriellen Schäden sei bei der Ermittlung der Schadenskosten nicht gerechtfertigt, weil auch immaterielle Schäden einen Nutzenentgang beim Geschädigten darstellten. 321 Allerdings sei es bei unüberwindlichen Bewertungsproblemen, wie sie bei immateriellen Schäden auftreten könnten, nicht möglich, diese bei der Kalkulation des Schadensvermeidungsaufwandes zu berücksichtigen. Sei eine Bewertung dagegen möglich, so bestehe kein Grund, bestimmte Nutzenverluste außer Ansatz zu lassen. 322 Da bei Nutzungsausfall regelmäßig eine am Marktpreis orientierte Bewertung des Schadens möglich sei - denn der Kaufpreis stelle nichts anderes als den zusammengezogenen Nutzungswert dar - , sei, von der Funktion des Schadensersatzrechts her gesehen, eine Entschädigung als erforderlich anzusehen. 323 Werde hingegen eine Nutzungsausfallentschädigung verneint, so sei kein ausreichender Schadensvermeidungsanreiz gegeben, es drohe die Ausuferung von Schäden. 324 Entgegen einer eher restriktiven Auffassung in der Literatur, die vor einer Ausuferung der Ersatzpflicht warnt und aus wertungspolitischen Gründen eine Ersatzpflicht ablehnt, 325 kommt damit die ökonomische Analyse des Rechts zu dem Ergebnis, daß eine Nutzungsentschädigung wertungspolitisch erwünscht und sinnvoll sei. Ersatz sei immer dann zu leisten, wenn der Schaden in Geld bewertbar sei, gleich ob es sich um einen materiellen oder immateriellen Schaden handele. Ott und Schäfer haben zunächst den auszugleichenden Schaden in dem Nutzenverlust gesehen und daher an den Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher und nicht an den Entgang konkreter Gebrauchsvorteile angeknüpft. Auf den Entgang im Einzelfall und damit auf die Fühlbarkeit des Verlustes abzustellen, haben sie zunächst abgelehnt, weil es dadurch zu einer einseitigen Berücksichtigung der nur unterdurchschnittlichen N u t z u n g komme und außerdem die Schadensermittlung erschwert und damit auch verteuert würde. 326 Demgegenüber wollen sie nunmehr das Kriterium der „Fühlbarkeit" berücksichtigen, da es im Kern nichts anderes besage, „als daß ein Schadensersatzanspruch nur in Betracht kommt, wenn ein Schaden entstanden ist." 327 Für die Ermittlung der Allokationseffizienz auf der Grundlage des konkret eingetretenen Schadens spreche dabei, „daß die Wohlfahrtstheorie

321 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 620. Anders in ihrem Lehrbuch, S. 266, in dem sie anscheinend in dem Verlust der Gebrauchsvorteile einen materiellen Schaden sehen: „Wer daraus folgert, daß der Verlust dieser Gebrauchsvorteile ein immaterieller Schaden ist, übersieht, daß der Eigentümer der beschädigten Sache Kosten für den Erwerb der Gebrauchsvorteile aufgewendet hat, zum Beispiel, indem er dafür den Kaufpreis bezahlt hat." 322 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 620. 323 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 621, 624. 324 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 624. 325 Vgl. dazu S. 26ff. 326 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 623. 327 Schäfer/Ott, S. 267.

58

5 2 Analyse der

Problematik

die soziale Nützlichkeit allein auf der Grundlage der Einzelnutzen der Mitglieder der Gesellschaft bemißt." 3 2 8 Unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet auch Huber das Schadensersatzproblem. Ihm geht es dabei vor allem darum, daß bei der Naturalherstellung das Wirtschaftlichkeitspostulat Beachtung findet und der wirtschaftlich effizienteste Weg beschritten wird. 329 Diesen sieht er vor allem in dem Einsatz eigener Ressourcen. 3 3 0 Werde dieser, wie dies bisher nicht selten der Fall sei, nicht durch angemessene Entschädigung honoriert, führe dies zur Inanspruchnahme der wesentlich kostenaufwendigeren Fremdherstellung. Bestehe ein Mißverhältnis zwischen der Bemessung des Schadensersatzes bei Eigenherstellung gegenüber der bei Fremdherstellung, fordere dies eine Ressourcenverschwendung heraus. 331 Dieser Aspekt wird bei der umfassenden Untersuchung der Kostenerstattung für eine Ersatzsache, der Gewährung von Nutzungsausfallentschädigung 332 und dem Ersatz von Vorhaltekosten für eine eigene Reservesache im Auge zu behalten sein. Letztlich erweist sich jedoch auch im Rahmen der ökonomischen Analyse des Rechts die Frage nach dem konkret auszugleichenden bzw. vorzubeugenden Schaden, also danach, ob er in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit oder konkreter Gebrauchsvorteile besteht, als entscheidend. Denn sie entscheidet darüber, welche Positionen bei der Kosten - Nutzen - Analyse zugrundezulegen sind. 333 Unter ökonomischen Gesichtspunkten kommt es dabei zu einem Widerstreit zwischen einer die kostengünstigste Rechtsverfolgung im Auge habenden abstrahierenden Schadensbetrachtung, die verbunden ist mit einer Pauschalierung des Schadensersatzes, und einer wesentlich kostenaufwendigeren, den konkreten individuellen Schaden in den Mittelpunkt stellenden Schadensermittlung. 334 Zu beachten ist bei Zugrundelegung der ökonomischen Analyse, daß eine auf wirtschaftlichen Kosten - Nutzen - Überlegungen basierende Schadensbestimmung nicht unbedingt mit den rechtlichen Wertungsvorstellungen un-

328 Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613; 618; vgl. auch Schanze, Ökonomische Analyse, S. 1 ff, 14; kritisch Flessner, J Z 1987, 271, 273. 329 Huber, Schadenberechnung, S. 37ff. 330 Die Arbeit Hubers, Fragen der Schadensberechnung, hat deshalb auch vorrangig die Berechnung des Schadensersatzes bei Eigenherstellung zum Inhalt, so insbesondere bei Eigenreparatur, Haushaltsdienstleistungen bei Verletzung des haushaltsführenden Ehegatten und bei Einsatz von Betriebsreserven. 331 Huber, Schadensberechnung, S. 37ff. In diese Richtung gehen auch die Überlegungen Schiemanns, vgl. S. 11. 332 Er steht aus Gründen der Ressourcenverschwendung einer Nutzungsentschädigung positiv gegenüber, Huber, Schadensberechnung, S. 129. 333 Vgl. auch Flessner, J Z 1987, 271, 273; Brinkmann, B B 1987, 1828, 1830. 334 Dies verdeutlichen die unterschiedlichen Überlegungen von Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 623, einerseits und Schäfer/Ott, S. 267, andererseits; vgl. auch Huber, Schadensberechnung, S. 49.

B. Anspruch auf

59

Nutzungsentschädigung

serer Rechtsordnung übereinstimmen muß. 3 3 5 Insoweit ist bei den auf der Grundlage der ökonomischen Analyse des Rechts erzielten Ergebnissen generell zu fragen, ob und inwieweit unsere Rechtsordnung den ökonomischen Wertvorstellungen Rechnung trägt. 3 3 6

g) Beschränkung

der Schadensersatzpflicht

durch die

Fühlbarkeit

A u f der Grundlage der Uberzeugung, daß der Geschädigte den zeitweiligen Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache nicht entschädigungslos hinzunehmen hat, hat man - wie gesehen - mit unterschiedlichsten Argumentationsansätzen zu begründen versucht, daß der Nutzungsmöglichkeit einer Sache Vermögenswert z u k o m m t und es sich deshalb bei ihrem Verlust um einen Vermögensschaden handelt. Allerdings erweist sich dies als zweischneidig. D e n n wenn man den Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als Vermögensschaden anerkennt, bedeutet dies tendenziell auch, daß bei jeder schuldhaften Sachbeschädigung neben dem Substanzschaden immer auch der zeitweilige Verlust der Nutzungsmöglichkeit zu entschädigen ist; ein Ergebnis, das überwiegend auf wertungsmäßige Bedenken stößt und zur Suche nach haftungsbeschränkenden Kriterien geführt hat, um der Gefahr einer Ausuferung der Schadensersatzpflicht, auf die die Gegner einer Nutzungsentschädigung immer wieder verweisen, zu begegnen. D i e Situation ist mithin dadurch geprägt, daß man auf der einen Seite in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit einen Vermögensschaden sieht, aber die so eröffnete Haftungsdimension als zu weitgehend erachtet und entsprechend auf haftungsbeschränkende Kriterien sinnt. Die Grundaussage, daß der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einen Vermögensschaden darstelle, wird deshalb mit dem für die Schadensersatzproblematik symptomatischen, nicht unumstrittenen 3 3 7 Kriterium der „Fühlbarkeit" stark relativiert. 338 Eine Nutzungsausfallentschädigung soll folglich nur dann zu leisten sein, wenn es sich um eine „fühlbare" Beeinträchtigung des Geschädigten handele. Fühlbar sei die Beeinträchtigung dann, wenn der Geschädigte in der betreffenden Zeit die hypothetische N u t zungsmöglichkeit und den Nutzungswillen gehabt habe. Entscheidend wird 335 Dies gilt, wie die Überlegungen von Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 623, zeigen, insbesondere dann, wenn aus Kostenüberlegungen nicht eine vom konkreten Schaden ausgehende, sondern eine abstrahierende, pauschale Betrachtungsweise zugrundegelegt wird. Hier kommt es dann zu einem Konflikt mit dem Grundsatz der konkreten Schadensberechnung und der Forderung nach einer gerechten Einzelfallentscheidung. 336 Vgl. Schäfer/Ott, S. 5; Taupitz, AcP 1996, 114, 135; Brinkmann, B B 1987, 1828, 1830; kritisch zur ökonomischen Analyse Hager, Verkehrsschutz, S. 231 ff; Staudinger/Hager, Vor § 823 Rn 15 ff; Eidenmüller, S. 393 ff. 337 MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 19 b; ders., Aktuelle Probleme, S. 36ff; AltKomm/Rüßmann, Vor § 249 Rn 22; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5 b - nach ihm ist das Erfordernis der persönlichen Nutzungsbereitschaft nur schwer zu begründen. 338 Vgl. zur Bedeutung des Fühlbarkeitskriteriums in der Rechtsprechung S. 65 ff.

60

5 2 Analyse

der

Problematik

damit auf die persönliche Verwendungsmöglichkeit und -planung des Geschädigten in dem fraglichen Zeitraum abgestellt. 339 Den Nutzungswillen hat Steindorff bereits 1964 als haftungsbeschränkendes Kriterium herangezogen. 340 Er sah in der Berücksichtigung des Nutzungswillens ein notwendiges Wertungskorrektiv. Denn es erscheine nicht gerecht, demjenigen eine Nutzungsausfallentschädigung zuzusprechen, der nicht die Intention gehabt habe, die Sache auch zu gebrauchen. Darüber hinaus betont er die Bedeutung des Nutzungswillens für die Anwendung des § 254 II B G B . Liege der Schaden schon im Entgang der Nutzungsmöglichkeit, so komme eine Schadensminderung nicht in Betracht, „denn wie sollte dieser Schaden gemindert werden können?" Erst die Einbeziehung des Nutzungswillens des Geschädigten eröffne eine sachgerechte Haftungsbeschränkung auf der Grundlage der Schadensminderungspflicht und ermögliche eine gerechte Einzelfallentscheidung. Schließlich sei die Einbeziehung des Nutzungswillens des Geschädigten Voraussetzung für eine dem Schadensersatzsystem entsprechende konkrete Schadensberechnung. 341 Indem sowohl der Bundesgerichtshof 342 wie auch ein großer Teil der Literatur 343 die Nutzungsentschädigung von dem Erfordernis der Nutzungsmöglichkeit und des Nutzungswillens abhängig machen, wird die Subjektbezogenheit des Schadens zur Entschädigungsvoraussetzung. Sie soll sicherstellen, daß der Entscheidung über den Ersatz des Nutzungsausfalls eine konkrete, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogene Schadensbetrachtung zugrundeliegt. 344 Das Fühlbarkeitskriterium trägt dem schadensersatzrechtlichen, insbesondere in § 252 B G B zum Ausdruck kommenden Grundprinzip Rechnung, daß Ersatz nur für sich konkret beim Geschädigten auswirkende Nachteile zu leisten ist. 345 Mit dem Fühlbarkeitskriterium soll also dem Prinzip der konkreten Schadensbestimmung Rechnung getragen werden und wertungsmäßig ein Einklang erreicht werden. Mit der Auffassung, daß der Nutzungsmöglichkeit einer Sache ein Vermögenswert zukommt, läßt sich eine solche konkrete Schadensbestimmung aber nicht vereinbaren. Denn wenn der Nutzungsmöglichkeit einer Sache ein selbständiger Wert zukommt, stellt dessen Verlust nach dem objektiv geprägten Schadensverständnis einen Vermögensschaden dar, der unabhängig von der konkreten Verwendung der Sache durch den Geschädigten zu ersetzen 339 Steindorff, J Z 1964,423; Werber, AcP 173, 158, 183ff; Wiese, S. 25; Dum, J Z 1013; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 22; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 822; Graf, Wilk, S. 157. 340 Steindorff, J Z 1964, 423. 341 Steindorff, J Z 1964, 424. 342 B G H Z 45, 212, 219, vgl. dazu S. 65 ff. 343 Steindorff, J Z 1964, 423; Werber, AcP 173,158, 183 ff; Wiese, S. 25; Du,nz, J Z 1013; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 22; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 822; Graf, Wilk, S. 157. 344 B G H Z 98, 212, 220. 345 B G H Z 9 8 , 2 1 2 , 219.

1984,1010, S. 170, 224;

1984,1010, S. 170, 224;

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

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ist. 346 Für eine Berücksichtigung der subjektiven Verwendungsplanung des Geschädigten bleibt insoweit kein Raum. 3 4 7 Es treffen damit zwei ganz unterschiedliche, miteinander nicht zu vereinbarende Schadensbetrachtungen aufeinander; zum einen die Bestimmung des Schadens als Verlust der Nutzungsmöglichkeit und damit als Verlust eines objektiven Vermögenswertes und zum anderen die sich an den fühlbaren F o l gen dieses Verlustes orientierende konkrete Schadensbestimmung. Eine solche Verbindung zweier gegensätzlicher Schadensbetrachtungen kann deshalb nicht zu einer dogmatisch überzeugenden Lösung der Nutzungsproblematik führen, denn sie läßt letztlich offen, worin genau der eigentliche schadensersatzrechtlich relevante Verlust zu sehen ist, im Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher oder in den fühlbaren Folgen dieses Verlustes, den konkret dem Geschädigten entgehenden Gebrauchsvorteilen.

IV.

Rechtsprechung

In unterschiedlichsten Fallgestaltungen wurde die Rechtsprechung mit der Frage konfrontiert, ob bei zeitweiliger Unbenutzbarkeit einer Sache ein Vermögensschadensersatz zu leisten ist, auch wenn sich keine negative Vermögensdifferenz feststellen läßt. Diese Entscheidungen haben die Rechtsentwicklung maßgeblich geprägt.

1. Frühe Entscheidungen zum

Nutzungsentgang

Bereits 1902 stellte sich dem O L G Dresden dieses Schadensersatzproblem. D e r Kläger begehrte Schadensersatz, weil er sein vom Beklagten schuldhaft verletztes Pferd eine Zeitlang nicht reiten konnte. 3 4 8 Das Gericht sprach dem Kläger eine Entschädigung zu und begründete dies damit, daß das Benutzungsrecht Teil des Vermögens sei und der Verlust des Gebrauchs eine Einbuße im Vermögen darstelle. Diese Einbuße sei auch in Geld abschätzbar, denn für die Benutzung eines Pferdes werde im Verkehr üblicherweise eine Vergütung in Geld verlangt. Dabei sei es gleichgültig, daß der Geschädigte das Pferd nur zum eigenen Vergnügen halte. Stützt das O L G Dresden damit die Ersatzpflicht ausdrücklich auf die B e einträchtigung des Nutzungsrechts, so stellt es überraschenderweise bei der Vgl. Neuner, AcP 133, 277ff; vgl. dazu S. 38 ff. Nach Hagen, J Z 1983, 833, 835, handelt es sich bei der Fühlbarkeit um ein wohl rechtspolitisch erforderliches, aber mit dem Kommerzialisierungsgedanken schwerlich vereinbares Topos; vgl. auch Jahr, AcP 183, 725ff, 733 ff; MünchKomm/Grunsk y, Vor § 249 Rn 19 b; Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 37; Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613, 623; AltKomm/Rüßmann, Vor § 249 Rn 22; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5 b; Schacht, N J W 1981, 1350; Nehlsen, S. 70. 348 O L G Dresden, Annalen des Sächsischen O L G 24 (1903), 527. 346 347

62

§ 2 Analyse der

Problematik

Berechnung der Ersatzpflicht darauf ab, „daß der, der sich ein Reitpferd zu seinem Vergnügen hält, es im Durchschnitte zwei Stunden täglich zum ausreifen benutzt, zumal in der Sommerszeit." 349 Das OLG geht damit nicht von dem Wert des Nutzungsrechts als solchem aus, sondern unterstellt, daß dem Geschädigten ganz konkrete Gebrauchsvorteile, ein zweistündiger Ausritt täglich, entgangen sind. 350 Zu ihrer vermögensmäßigen Bewertung zieht es entsprechende Mietkosten heran. 351 Die Begründung der Entscheidung ist damit nicht einheitlich und stellt auf unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte ab, zum einen auf den Verlust der Nutzungsmöglichkeit als Verlust des Nutzungsrechts und zum anderen auf den - unterstellten - Verlust ganz konkreter Gebrauchsvorteile. Das OLG Colmar erkannte 1907 dem Eigentümer eines Hauses, das aufgrund einer defekten Heizungsanlage nicht bewohnbar war, eine Entschädigung zu. 352 Es begründete seine Entscheidung ebenfalls damit, daß zum Vermögen auch die Gebrauchsrechte gehörten. Der Begriff des Vermögensschadens umfasse deshalb auch die langfristige Entziehung von Genüssen - wie sie die mehrmonatliche Entbehrung der Benutzung einer Villa darstelle - , die im Verkehr nur gegen Entgelt erlangt zu werden pflege. Nach der sehr knappen Entscheidung des OLG Colmar kommt es damit auf den Entgang eines Genusses an. Es bleibt dabei jedoch offen, wie das Gericht den Begriff des „Genusses" versteht, ob es subjektives Wohlbefinden oder aber die Vorteile des konkreten Gebrauchs der Sache meint. 353 Demgegenüber stand das Reichsgericht 1907 einer Entschädigungspflicht wegen Beeinträchtigung des Wohnwertes eines Hauses in einer allerdings besonders gelagerten Fallkonstellation ablehnend gegenüber. 354 Der Kläger begehrte u.a. Entschädigung, weil üble Gerüche, die durch die Ableitung von Schmutzwasser durch die verklagte Stadtgemeinde verursacht worden waren, den Wohnwert seines Hauses beeinträchtigt hätten. 355 Obwohl die jährliche

OLG Dresden, Annalen des Sächsischen OLG 24 (1903), 527, 528. OLG Dresden, Annalen des Sächsischen OLG 24 (1903), 527, 528. Entgegen Tolk, S. 22, kann deshalb aus der Entscheidung - auch wenn davon gesprochen wird, daß das Benutzungsrecht einen Vermögenswert darstelle - , nicht abgeleitet werden, daß der Kläger auch dann eine Entschädigung verlangen könne, wenn er in der fraglichen Zeit das Pferd gar nicht hätte benutzen wollen oder können. 351 OLG Dresden, Annalen des Sächsischen OLG 24 (1903), 527, 528; eine Berechnung auf der Grundlage der Verpflegungskosten des Pferdes lehnt das OLG ab. 352 OLG Colmar, Das Recht 1907, Nr. 3058, wobei die Sachverhaltsangaben wie auch die Begründung sehr knapp sind. 353 Tolk, S. 23, leitet daraus ab, daß das OLG Colmar jeden „Genuß", der in Geld erlangt zu werden pflege, ersetzen wolle, gleich wodurch der Genuß vereitelt werde, also auch im Fall persönlicher Verhinderung. Damit dürfte die Entscheidung aber überinterpretiert werden, zumal der Begriff „Genuß" nicht eindeutig ist. 354 RG Seuff Arch 63, Nr. 37. 355 Dem Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 906 BGB und seinem Schadensersatzanspruch wegen Ableitung von Schmutzwasser wurde dagegen i.H.v. 3300 M entsprochen. 349 350

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

63

Wohnungsentwertung auf 150,- M geschätzt worden war, verneinte das Reichsgericht einen Vermögensschaden, weil der negative Zustand nicht zahlenmäßig in Geld veranschlagt und festgesetzt werden könne. Ein in der Vergangenheit erlittener Vermögensschaden sei - unter Zugrundelegung der Differenztheorie - nicht ersichtlich. 356 Bereits diese ersten Entscheidungen verdeutlichen, daß die Problematik des Ersatzes für Nutzungsausfall sich nicht allein auf die Frage, ob Ersatz zu leisten ist, beschränkt, sondern vielmehr klärungsbedürftig ist, w o f ü r Ersatz zu leisten ist. Ist der Verlust des Nutzungsrechts, der Entgang von Genüssen oder aber der Entgang konkreter Gebrauchsvorteile auszugleichen?

2. Verlust der Nutzungsmöglichkeit

bei

Kraftfahrzeugen

Die Diskussion um einen Ersatzanspruch wegen des zeitweiligen Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache bekam in den sechziger Jahren neue Intensität, als die Gerichte bei Kraftfahrzeugen in ständiger Rechtsprechung eine Nutzungsentschädigung zubilligten, auch wenn der Geschädigte kein Ersatzfahrzeug angemietet hatte. 357 Die Entwicklung in der Rechtsprechung ist dadurch gekennzeichnet, daß der Bundesgerichtshof zunächst die Problematik auf der Grundlage von § 249 BGB unter Zugrundelegung eines wirtschaftlichen Schadensbegriffs zu lösen versucht hat. Die in § 249 BGB geforderte Herstellung beziehe sich nicht auf die Herstellung genau des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, sondern ausreichend sei vielmehr die Herstellung einer vergleichbaren wirtschaftlichen Lage. Der Schädiger habe deshalb die Pflicht, den Geschädigten wirtschaftlich und damit finanziell so zu stellen, wie er ohne den Unfall in der fraglichen Zeit gestanden hätte. 358 Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Ausweitung des Anspruchs aus § 249 BGB zu einem wirtschaftlichen Ausgleichsanspruch den Versuch unternommen, die sich aus 356

Da das Gericht dem Kläger einen Ersatz wegen des abgeleiteten Schmutzwassers zugesprochen hatte, kann der Grund für die Ablehnung eines weiteren Schadensersatzes darin liegen, daß eine Doppelentschädigung für ein und denselben Schaden vermieden werden sollte. In der Clubhausentscheidung, N J W 1963, 2020, hat der B G H dem Eigentümer eines Grundstücks auf der Grundlage von § 906 II S. 2 BGB eine Geldentschädigung zugesprochen, weil vom Clubhaus benachbarter Stationierungskräfte übermäßige Lärmimmissionen ausgegangen waren. Bei unbefugten Eingriffen in ausschließliche Rechte, zu denen auch das Eigentum zähle, sei eine Schadensberechnung auf hypothetischer Grundlage möglich, auch wenn sich beim Verletzten eine konkrete Vermögensminderung nicht feststellen lasse; vgl. auch Stoll, JuS 1968, 504, 511; B G H Z 91, 20, 28. 357 B G H Z 40, 345ff; 45, 212ff; 63, 203, 206; 63, 393, 397; 74, 231, 234; 76, 179, 185; 86, 128, 131, 133. Die Entschädigung wird auch bei Vertragsverletzungen gewährt, B G H Z 85, l l l f f ; B G H N J W 1983, 2139f. 358 B G H Z 40, 345, 347f, 351. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis dieses wirtschaftlich verstandenen Herstellungsanspruchs zum Naturalherstellungsanspruch, §§ 249 S. 2, 250 BGB, sind nur schwer nachvollziehbar; vgl. dazuS. 330ff.

64

§ 2 Analyse der

Problematik

der Differenztheorie ergebenden Schwierigkeiten mit Hilfe eines wirtschaftlich orientierten Herstellungsverständnisses zu lösen. 3 5 9 Dieser Versuch wurde jedoch später aufgegeben. 3 6 0 Die Diskussion konzentriert sich nunmehr darauf, ob es sich trotz fehlender feststellbarer Vermögensdifferenz bei dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit um einen aus Wertungsgesichtspunkten zu ersetzenden Vermögensschaden nach § 251 I B G B handelt, ein Ersatz also aufgrund normativer Überlegungen zu gewähren ist. 3 6 1 D a ß es sich um einen wirtschaftlichen Nachteil und damit um einen Vermögensschaden handelt, hat der Bundesgerichtshof mit verschiedenen Aspekten begründet: D a ß sich die vorübergehende Unbenutzbarkeit im Falle der Veräußerung auf den Kaufpreis auswirken könne, 3 6 2 der Geschädigte den Wagen während dieser Zeit nicht vermieten könne, die Benutzung eines Ersatzwagens bzw. anderer Beförderungsmittel in der Regel finanzielle Aufwendungen erforderten. 3 6 3 Besonderes Gewicht hat er jedoch auf den schon in der Seereiseentscheidung 3 6 4 angesprochenen Kommerzialisierungsgedanken gelegt. Bei wirtschaftlicher Wertung sei zu berücksichtigen, daß die regelmäßig ganz erheblichen finanziellen Aufwendungen für Anschaffung und Haltung eines Kraftfahrzeugs nur deshalb gemacht würden, um den Wagen jederzeit nutzen zu können, ihn also zum Fahren zur Verfügung zu haben. Angesichts dessen, daß die Benutzungsmöglichkeit des Wagens in aller Regel nur durch entsprechende Vermögensaufwendungen „erkauft" werden könne, also tatsächlich „kommerzialisiert" worden sei, stelle die Beeinträchtigung dieser Benutzungsmöglichkeit auch eine Beeinträchtigung des - mit den gemachten Vermögensaufwendungen erstrebten - Vermögenswerten Äquivalents dar. 365 Die durch die Beschädigung eingetretene Nichtbenutzbarkeit des Kraftfahrzeugs sei deshalb bereits selbst ein Vermögensschaden, der einen Schadensersatzanspruch entstehen lasse. Später hat der Bundesgerichtshof, eine restriktivere Linie verfolgend, das Vorliegen eines wirtschaftlichen Nachteils auch mit der gesteigerten Bedeutung der Kraftfahrzeughaltung begründet. So lägen die Vorteile eines jederzeit zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeugs vor allem in dem ermöglichten Zeitgewinn und der für viele Lebensbereiche wichtigen Vermittlung rascher Beweglichkeit. 3 6 6 Daß es sich um einen materiellen und nicht nur einen immateriellen Schaden handele, ergebe sich daraus, daß die Gebrauchsmöglichkeit 359 Dieser Ansatz steht mit dem eigentlichen Gedanken der Naturalherstellung und dem besonderen Schutz des Integritätsinteresses nicht in Einklang; vgl. dazu S. 330ff. 360 Neuerdings greift auf ihn Greger zur Begrenzung der Mietwagenkosten zurück, vgl. dazu S. 15 f. 361 BGHZ 45, 212, 221; 98, 212, 217. 362 BGHZ 40, 345, 348; vgl. dazu Stoll, JuS 1968, 504, 508; Bydlinski, JBl 1966, 439, 440. 363 BGHZ 40, 345, 348; krit. Löwe, NJW 1964, 701, 704. 364 BGH NJW 1956, 1234. 365 BGHZ 40, 345, 349f. 366 BGHZ 45, 212, 215.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

65

eines Kraftfahrzeugs in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung einen nach objektiven Maßstäben feststellbaren Vermögenswert habe und damit der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einen in Geld meßbaren Schaden darstelle. 367 Die Argumentation des Bundesgerichtshofs ist mithin zunächst dadurch gekennzeichnet, daß er unter Heranziehung unterschiedlichster Wertungsüberlegungen und Wertungskriterien - wie Vermietung, Veräußerung, Erkaufung, Verkehrsauffassung - zu begründen versucht hat, daß es sich bei der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs u m einen Vermögenswert handele, dessen Verlust auszugleichen sei. K o m m t der Nutzungsmöglichkeit einer Sache Vermögenswert zu, so lehnt der Bundesgerichtshof jedoch eine Nutzungsentschädigung immer dann ab, wenn der Nutzungsausfall für den Geschädigten nicht fühlbar gewesen ist. 368 Er stellt damit auf die konkrete Subjektbezogenheit des Schadens ab und ma:cht die Ersatzpflicht davon abhängig, daß der Geschädigte den N u t z u n g s willen und die hypothetische Nutzungsmöglichkeit gehabt habe. H a b e der Betroffene aus unfallunabhängigen Gründen den Wagen in der Reparaturzeit gar nicht nutzen können oder sei sein Gebrauch nicht beabsichtigt gewesen, so sei keine Entschädigung zu leisten. 369 Später hat der Bundesgerichtshof eine Nutzungsausfallentschädigung, allerdings mit Ausnahmen, auch dann abgelehnt, wenn der Geschädigte aus unfallbedingten Gründen, etwa einer eigenen unfallbedingten Verletzung, den Wagen nicht hätte nutzen können. 3 7 0 Desgleichen hat er eine Entschädigung dann versagt, wenn dem Geschädigten ein anderes Fahrzeug zur Verfügung stand. 3 7 1 Die Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung bei Kraftfahrzeugen ist somit durch zweierlei gekennzeichnet, z u m einen die Anerkennung des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit als Vermögensschaden und zum anderen die Beschränkung unter dem Aspekt der „Fühlbarkeit". Problematisch ist auch hier, daß zwei ganz unterschiedliche und konträre Schadensverständnisse miteinander verbunden werden. Die Anerkennung der Nutzungsmöglichkeit als selbständiger Vermögenswert verweist auf ein objektives Schadensverständnis, das dadurch gekennzeichnet ist, daß bei Verlust eines Vermögensgutes immer ein entsprechender Ausgleich zu leisten ist. Ist bei der Zerstörung von Eigentum immer der gemeine Wert als Mindestschaden zu ersetzen, 3 7 2 so ist entsprechend auch bei dem Verlust der N u t zungsmöglichkeit ihr Wert zu ersetzen, auf die subjektive Wertschätzung des 367 B G H Z 45, 212, 217; Stoll, JuS 1968, 504, 505, sieht darin das Bemühen, einer „uferlosen" Kommerzialisierung entgegenzuwirken. 368 B G H Z 40, 345, 353; 45, 212, 219; 89, 60; B G H N J W 1985, 2471. 369 B G H Z 40, 345, 353; 45, 212, 219. 370 B G H NJW 1968, 1778; B G H VersR 1975, 37,40. Dies soll allerdings nicht gelten, wenn Familienangehörige oder die Verlobte den Wagen bestimmungsgemäß genutzt hätten, vgl. B G H N J W 1974, 33; B G H NJW 1975, 922; vgl. dazu S. 295. 371 B G H NJW 1976, 286; vgl. dazu noch S. 303. 372 Jahr, AcP 183, 725, 733; Mertens, S. 141 ff; Möller, S. 88f.

66

5 2 Analyse der

Problematik

Vermögensgutes durch den Geschädigten kann es insoweit nicht ankommen. 373 Legt man mit dem Bundesgerichtshof ein solches, an dem Verlust einer bestimmten geschützten Rechtsposition orientiertes Schadensverständnis zugrunde, so bleibt für eine subjektbezogene Betrachtung, auf der das Fühlbarkeitskriterium aufbaut, kein Raum. 374 Der Bundesgerichtshof verquickt damit die objektive Schadensbestimmung mit einer subjektiv orientierten. Damit bleibt letztlich offen, wofür Ersatz zu leisten ist, für den objektiven Verlust eines Vermögensgutes oder die konkreten, aus dem Verlust folgenden Nachteile. Diese Unsicherheit zeigt sich auch bei der Schadensbemessung, denn während der Bundesgerichtshof ursprünglich an die Mietkosten anknüpfte, 375 orientiert er sich nunmehr an den Vorhaltekosten. 376 Aufgrund dieser Widersprüche erscheint die auf der Grundlage von wirtschaftlichen Erwägungen und der Verkehrsauffassung vorgenommene Einbeziehung der Nutzungsmöglichkeit in den Kreis der geschützten „Vermögensgüter" problematisch. Es fragt sich deshalb, was ein Rechtsgut mit Vermögenswert kennzeichnet. Klärungsbedürftig erscheint dabei nicht nur die „Vermögensqualität" der Nutzungsmöglichkeit, sondern auch ihre „Rechtsgutsqualität".

3. Nutzungsersatz

bei anderen

a) Tendenzen vor der Entscheidung

Gegenständen des Großen

Zivilsenats377

Auch wenn bei Kraftfahrzeugen in den sechziger Jahren aufgrund von wirtschaftlichen Erwägungen unter Bezugnahme auf die Verkehrsauffassung der Verlust der Nutzungsmöglichkeit als Vermögensschaden anerkannt wurde und in ständiger Rechtsprechung seitdem eine Nutzungsentschädigung gewährt wird, ist es nicht zu einer umfassenden, generellen Anerkennung des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als Vermögensschaden gekommen. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr in einer uneinheitlichen, eher restriktiven Praxis nur vereinzelt der Nutzungsmöglichkeit einer Sache einen selbständigen Vermögenswert zugesprochen und damit in deren Verlust

373 Vgl. zum objektiven Schadensverständnis Neuner, AcP 133, 277, sowie zum Objektschaden Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 3; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 870; Jahr, AcP 183, 725ff, 733 ff; siehe dazu S. 38 ff. 374 Hagen, JZ 1983, 833, 835; Jahr, AcP 183, 725, 735 ff. 375 BGHZ 40, 345, 355. 376 BGHZ 56, 214, 215; vgl. dazu S. 455 ff. 377 In Hinblick auf die spätere Entscheidung des Großen Senats beschränkt sich die Darstellung auf die allgemeinen Tendenzen, ohne auf die einzelnen Entscheidungen näher einzugehen. Vgl. im einzelnen den Vorlagebeschluß, NJW 1986, 2037, der sich ausführlich mit der Rechtsprechung auseinandersetzt.

B. Anspruch auf

67

Nutzungsentscbädigung

einen Vermögensschaden gesehen. So wurde im Pelzmantel- 378 , Wohnwagen- 379 , Motorsportboot- 3 8 0 wie auch im Schwimmbadfall 381 eine Nutzungsentschädigung abgelehnt, während sie im Tiefgaragenfall 382 bejaht wurde. Der Bundesgerichtshof hat sich dabei von dem Kommerzialisierungsgedanken, auf den er sich in den Kraftfahrzeugfällen vorrangig gestützt hatte, distanziert und erklärt, es reiche nicht aus, daß sich die Genußmöglichkeit gegen Geld erkaufen lasse. Entscheidend sei vielmehr, ob bei einer wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägung im Einzelfall die Benutzbarkeit einer Sache nach der Verkehrsauffassung als selbständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert angesehen werden könne und somit die Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit einen Vermögensschaden darstelle. 383 Er hat dabei insbesondere zwischen allgemeinen und alltäglichen Bedürfnissen und darüber hinausgehenden besonderen Bedürfnissen, Luxusbedürfnissen, unterschieden. 384 Die eine Ersatzpflicht einschränkende Argumentation des Bundesgerichtshofs geht dahin, mit Hilfe der Verkehrsauffassung den Kreis der als Vermögenswert anzuerkennenden Nutzungsmöglichkeiten auf bestimmte Gegenstände zu beschränken. Der Rückgriff auf die Verkehrsauffassung kann dabei allerdings nur schwer erklären, warum die Nutzungsmöglichkeit bestimmter Sachen vermögenswert sein soll, die Nutzungsmöglichkeit anderer Sachen aber nicht. Dies gilt um so mehr, als die Bedeutung des Verlustes für den Betroffenen ganz entscheidend davon abhängt, wie und zu welchen Zwecken er die Sache nutzen wollte. So kann die Nutzung eines Schwimmbades für den einen „Luxus", für den anderen aus medizinischen Gründen von existentieller Bedeutung sein. 385

b) Vorlagebeschluß

und Entscheidung des Großen

Zivilsenats

Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zur Frage der Entschädigung von Nutzungsausfall nahm der V. Zivilsenat, der ihr in seinen früheren Entscheidungen eher ablehnend gegenübergestanden war, 386 zum Anlaß, dem Großen Senat die Frage vorzulegen, ob in einem Fall, in dem ein Haus auf-

B G H Z 63, 393 ff. B G H Z 86, 128, 130. 3 8 0 B G H Z 89, 60. 381 B G H Z 76, 179. 382 B G H Z 96, 124, 127f; vgl. auch B G H N J W 1963, 2020, 2021; N J W 1967, 1803. Im Sprengschadenfall, B G H Z 75, 366, 370, - ein Haus war aufgrund eines Sprengschadens weitgehend nicht bewohnbar, die Eigentümerin blieb aber dennoch in ihm wohnen - hatte der V. Zivilsenat hingegen eine Entschädigung versagt. 383 B G H Z 63, 393, 398; 76, 179, 186; 86, 128, 131; 89, 60, 64. 384 B G H Z 63, 393, 398; 76, 179, 186; 86, 128, 131; 89, 60, 64. 385 Vgl. dazu S. 70f. 386 j } e r y Zivilsenat hatte in mehreren Entscheidungen eine Nutzungsentschädigung abgelehnt, B G H Z 66, 277ff; 71, 234 ff; 75, 366, 370ff. 378

379

68

5 2 Analyse der

Problematik

grund eines deliktischen Eingriffs vorübergehend nicht genutzt werden konnte, 387 Nutzungsentschädigung zu leisten sei. Nachdem der Vorlagebeschluß des V. Zivilsenats 388 noch einmal generell eine Ersatzpflicht wegen Nutzungsentgangs in Frage gestellt hatte, hat der Große Senat des Bundesgerichtshofs in seiner mit Spannung erwarteten Entscheidung klargestellt, daß der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache einen Vermögensschaden darstellen könne. Auch wenn der Verlust des Eigengebrauchs einer Sache sich nicht in der am Vermögensbestand ausgerichteten Differenzrechnung bemerkbar mache, sei ein Vermögensschadensersatz nicht ausgeschlossen. Die in die Differenzbilanz einzusetzenden Rechnungsposten seien vielmehr unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Haftung und der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts wertend zu bestimmen. Der Bundesgerichtshof bekennt sich damit zu einer normativen und damit wertungsorientierten Schadensbestimmung. 389 Daß es sich bei der Nutzungsmöglichkeit um eine Vermögenswerte Position handeln könne, leitet der Große Senat daraus ab, daß sich das Wesen und die Bedeutung des Vermögens für den Vermögensträger nicht in seinem Bestand erschöpfe, sondern auch die im Vermögen verkörperten Möglichkeiten umfasse, sie zur Verwirklichung von Lebenszielen zu nutzen. 390 Zwar wirke sich der Verlust der Nutzungsmöglichkeit nur in den Fällen erwerbswirtschaftlichen Einsatzes der Sache vermögensmäßig negativ aus, aber auch der eigenwirtschaftliche Einsatz stelle eine vermögensmäßige Aktivierung dar, deren Verkürzung die wirtschaftliche Sphäre des Geschädigten in vergleichbarer Weise treffe. Dies ergebe sich daraus, daß auch die Eigennutzung auf Wirtschaftlichkeitserwägungen beruhe und regelmäßig die Eignung zum eigenwirtschaftlichen Einsatz den Wert der Sache bestimme, wobei Substanz und N u t z w e r t nicht identisch seien. Der eigenwirtschaftliche Einsatz müsse deshalb der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes, wie dies bereits in den Kraftfahrzeugfällen geschehen sei, gleichgestellt werden. 391 Allerdings will der Bundesgerichtshof nicht in allen Fällen des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache einen Vermögensschaden annehmen, sondern nur dann, wenn der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit der Sache für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei.392 387 Aufgrund von Erdarbeiten der Beklagten drohte das Haus der Kläger abzurutschen und war deswegen für mehr als einen Monat nicht bewohnbar. Die Kläger verbrachten - nach eigenem, allerdings bestrittenem Vorbringen - diese Zeit in ihrem in der Nähe des Grundstücks abgestellten Campingwagen und verlangten für die zeitweilige Unbenutzbarkeit ihres Hauses eine Nutzungsentschädigung. 388 N J W 1986, 2037ff. 389 B G H Z 9 8 , 2 1 2 , 219. 390 B G H Z 98, 212,218. 391 B G H Z 98,212, 218 ff. 392 B G H Z 98,212, 216,222.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

69

Diese Einschränkung hält er für notwendig, um der Gefahr entgegenzuwirken, daß unter Verletzung von § 253 B G B auch Nichtvermögensschäden ersetzt würden. Soweit jedoch Wirtschaftsgüter von allgemeiner zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung betroffen seien, 393 handele es sich eindeutig um Vermögensschäden. Ihr Einsatz für die eigene Wirtschaftsführung sei deutlich der materiellen Vermögenssphäre zuzuordnen und es ließen sich aufgrund ihrer zentralen Rolle standardisierte Einsatzziele als objektive Bewertungsmaßstäbe für einen Vermögenswerten Kern finden. Dabei seien jedoch an die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die eigene Lebenshaltung hohe Anforderungen zu stellen, so müsse sich der objektiv bewertbare Funktionsverlust im Vermögen des Betroffenen tatsächlich niederschlagen. 394 Hierbei komme es maßgeblich auf die Verkehrsanschauung an. Daneben hält der Bundesgerichtshof auch an dem im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei Kraftfahrzeugen entwickelten Fühlbarkeitskriterium fest. Der Geschädigte müsse also zur Nutzung der Sache willens und fähig gewesen sein. 395 Habe der Geschädigte die Sache nicht konkret nutzen wollen oder aber aufgrund anderer Umstände nicht nutzen können, so scheide ein Nutzungsersatzanspruch aus. Durch das Fühlbarkeitskriterium werde im übrigen sichergestellt, daß von einer Privilegierung der konsumtiven Sachnutzung gegenüber einer auf Gewinnerzielung angelegten nicht die Rede sein könne, ein Widerspruch zu § 252 B G B liege daher nicht vor. 396 Auch die Entscheidung des Großen Senats ist somit dadurch gekennzeichnet, daß sie auf der einen Seite eine Nutzungsentschädigung nicht ausschließen will, einer generellen Ersatzpflicht aber mit beschränkenden Kriterien entgegentritt und so einen Mittelweg zu beschreiten versucht. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß auch der Große Senat bei seiner Argumentation nicht von einem einheitlichen Schadensverständnis ausgeht, sondern in seiner Argumentation auf unterschiedliche und miteinander unvereinbare Schadensauffassungen zurückgreift. Ausgangspunkt der grundsätzlichen Überlegungen des Bundesgerichtshofs ist wiederum, daß sich die Bedeutung einer Sache nicht auf das Haben beschränke, sondern darüber hinausgehe. Er erkennt deshalb dem Nutzungswert neben dem Substanzwert selbständige Bedeutung zu und erhebt die Nutzungsmöglichkeit zum eigenständigen „Rechtsgut", dem grundsätzlich auch Vermögenswert zukommen kann. Die Argumentation baut insoweit auf einem objektiv geprägten Schadensverständnis 397 auf. Es hat seinen Ausgangspunkt darin, daß in dem Verlust einer anerkannten Rechtsposition ein B G H Z 9 8 , 212,220, 223 f. BGHZ 98, 212, 222 ff. 395 BGHZ 98, 212, 220; vgl. dazu Schiemann, S. 50. 396 BGHZ 98, 212,219. 397 Vgl. Neuner, AcP 133, 277ff; zum Verständnis vom Objektschaden Schuldrecht I, § 27 II b 3; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 870. 393

394

Larenz,

70

5 2 Analyse der

Problematik

Schaden gesehen wird, der, soweit er in Geld bewertbar ist, als Vermögensschaden zu ersetzen ist, gleich ob er sich vermögensbilanzmäßig beim Geschädigten auswirkt oder nicht. Auf dieser Grundlage würde aber der Verlust der Nutzungsmöglichkeit regelmäßig einen Vermögensschaden darstellen. Ebensowenig, wie wenn das Eigentum des Geschädigten vernichtet wird, kann es bei einem solchen Schadensverständnis für die Ersatzfähigkeit des Schadens auf die Fühlbarkeit des Eingriffs 398 oder aber darauf ankommen, ob es sich um einen Gebrauchsoder Luxusgegenstand handelt und ob der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit der Sache für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung angewiesen ist oder nicht. Die Beschränkung auf Wirtschaftsgüter mit allgemeiner, zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung, also Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit der Geschädigte für die eigenwirtschaftliche Verwendungsplanung angewiesen ist, läßt sich mit einem solchen objektiven Schadensverständnis nicht vereinbaren. Der Bundesgerichtshof begründet sie, wie bereits angesprochen, vorrangig mit Wertungsüberlegungen und verweist insoweit auf ein normatives Schadensverständnis. Für eine solche wertende Differenzierung würde sprechen, wenn generell zwischen besonders schutzwürdigen Sachen, deren Nutzungsmöglichkeit deshalb in den Schutz einbezogen wird, und anderen Sachen, Luxussachen, unterschieden würde. Sie ist unserem Schadensverständnis jedoch fremd. 399 Auch der Verlust von Luxusgütern ist zu ersetzen und selbst dann, wenn der Eigentümer kein besonderes Interesse an der beschädigten Sache hat, besteht grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch. 400 Den Schutz nach Sachgruppen zu differenzieren, findet damit in allgemeinen Wertungsüberlegungen keine Grundlage. 401 Die einschränkenden Kriterien der Rechtsprechung lassen sich jedoch zumindest ansatzweise auf der Grundlage eines subjektbezogenen konkreten Schadensverständnisses verstehen. Im Vordergrund stehen dann die ganz konkreten Nachteile des Geschädigten durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit. Wenn der Bundesgerichtshof verlangt, daß der Gegenstand allgemeine, zentrale Bedeutung für die Lebenshaltung haben bzw. seine ständige Verfügbarkeit für die eigene Verwendungsplanung von wesentlicher Bedeutung sein muß, fordert er indirekt, daß der Verlust der Nutzungsmöglichkeit erhebliche nachteilige Folgen für den Geschädigten haben muß, daß er also 398 Darauf beruht auch die Kritik insbesondere von MünchKomm/Grunsky, Vor §249 Rn 19 b; ders., Aktuelle Probleme, S. 36-Jahr, AcP 183, 725, 735; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II c; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5 b. 399 Schon Windscheid, Pandekten, § 258, erklärte: „Es kann aber Ersatz begehrt werden für einen Nachteil, der seinen Grund in übermäßigem Luxus oder in einer Unehrenhaftigkeit hat." Graf, S. 170ff, geht dieser Unterscheidung vor dem Hintergrund der Pfändungsschutzvorschriften nach. 400 Jahr, AcP 183, 725, 735; Medicus, NJW 1989, 1889ff. 401 Krit. gegen die Differenzierung Palandt/Heinrichs, Vor §249 Rn31; Medicus, NJW 1989, 1889, 1891 ff; ders., Jura 1987, 240, 245; Schiemann, JuS 1988, 24f; Rauscher, NJW 1986, 2591, 2592; Klingmüller, Festschrift Stiefel, S. 403, 412.

B. Anspruch auf

Nutzungsentschädigung

71

wichtige, zu seiner Bedarfsbefriedigung notwendige Gebrauchsvorteile nicht aus der Sache ziehen konnte. 402 Daß der Bundesgerichtshof diesem Aspekt Rechnung tragen wollte, zeigt auch seine Auseinandersetzung mit § 252 B G B . Diese Vorschrift macht die Ersatzpflicht nämlich von den ganz konkret beim Geschädigten eingetretenen Schäden, den entgangenen Vorteilen, abhängig. 403 Auf der Grundlage eines solchen subjektbezogenen konkreten Schadensverständnisses wäre es dann allerdings konsequent, auf die Bedeutung der Ziehung konkreter Gebrauchsvorteile für den Geschädigten im konkreten Fall abzustellen 404 und nicht darauf, ob der Geschädigte „typischerweise" auf die ständige Verfügbarkeit angewiesen ist. 405 Demgemäß käme es also entscheidend darauf an, ob der Geschädigte mit den aus der Sache gezogenen Gebrauchsvorteilen ganz bestimmte vorrangige Bedürfnisse befriedigen, den Wohnwagen etwa während der Ferien als Fortbewegungsmittel und Behausung benutzen wollte. 406 Der Wert dieser Gebrauchsvorteile wäre dann anhand objektiver Kriterien zu schätzen. 407 Auch wenn der Bundesgerichtshof demgegenüber die allgemeine und zentrale Bedeutung der Sache für die Bedürfnisbefriedigung betont und objektivierbare Bewertungsmaßstäbe für erforderlich hält, um eine Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Schäden vornehmen zu können, 408 deutet sich doch an, daß der Bundesgerichtshof hier von einer subjektbezogenen, an den konkreten Auswirkungen, also an den entgangenen Gebrauchsvorteilen, orientierten Schadensbetrachtung beeinflußt ist. Die Relevanz dieses subjektiv orientierten konkreten Schadensverständnisses für die Lösung der Nutzungsproblematik wird auch in dem Rückgriff auf das Fühlbarkeitskriterium offenbar. 409 Die Beschränkung des Schadensersatzes auf die Fälle, in denen der Geschädigte sowohl die hypothetische Nutzungsmöglichkeit wie auch den entsprechenden Nutzungswillen gehabt habe, läßt sich allein erklären, wenn man nicht auf den Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher abstellt, sondern auf die Gebrauchsvorteile, die dem Geschädigten ganz konkret entgangen sind. In diese Richtung Flessner., J Z 1987, 271, 279. Medicus, N J W 1989, 1889,1891, weist darauf hin, daß auch im Rahmen von § 252 B G B nicht zwischen Gebrauchs- und Luxusgütern differenziert werde. 404 Eine gruppenbezogene Ausformung erwägt Medicus, N J W 1989, 1889, während Graf, S. 214, den Zweckgesichtspunkt in den Vordergrund stellt. 405 Stellt man auf die konkret entgangenen Gebrauchsvorteile ab, so reicht es darlegungsund beweislastmäßig, daß der Geschädigte entsprechend § 252 B G B vorträgt, daß er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die entgangenen Gebrauchsvorteile gezogen hätte; vgl. dazu ausführlich S. 308ff. 406 Diesen Aspekt hat das O L G Hamm, VersR 1990, 864, berücksichtigt, als es bei einem als Transportmittel eingesetzten Wohnmobil Schadensersatz gewährt hat. 407 Vgl. dazu Medicus, N J W 1989, 1889, 1894 f. 408 B G H Z 98, 212, 223. 409 Vgl. dazu bereits § 2 B III 2 g und § 10 A. 402 403

72

5 2 Analyse der

Problematik

Die Entscheidung des G r o ß e n Senats des Bundesgerichtshofs ist damit, wie bereits die Kraftfahrzeugrechtsprechung, 4 1 0 dadurch geprägt, daß, im Bestreben eine sachgerechte Lösung zu erreichen, nicht v o n einem einheitlichen Schadensverständnis ausgegangen wird, sondern A s p e k t e unterschiedlicher Schadensauffassungen herangezogen und miteinander verbunden werden. Dies macht - auch w e n n der Bundesgerichtshof auf diese Weise weitgehend sachgerechte Ergebnisse erzielt 4 1 1 und die Entscheidung deshalb Zustimmung erfahren hat, zumindest aber im Ergebnis weitgehend akzeptiert w i r d 4 1 2 deutlich, daß hinsichtlich der Frage, w o f ü r Schadensersatz zu leisten ist und w o r i n der schadensersatzrechtlich relevante Nachteil besteht, grundlegende Unsicherheiten bestehen. Die Heranziehung dieser unterschiedlichen, miteinander kaum zu vereinbarenden Kriterien haben z u r Folge, daß aus der Entscheidung keine klaren Vorgaben f ü r die generelle Lösung des N u t z u n g s p r o b l e m s abgeleitet w e r d e n können. 4 1 3 Dementsprechend haben die später ergangenen Entscheidungen die v o m G r o ß e n Senat vorgegebenen Wertungskriterien unterschiedlich - restriktiv - interpretiert und gewichtet. 4 1 4 Die Rechtsprechung ist daher nach w i e v o r uneinheitlich 4 1 5 und es fehlt ihr auch nach der Entscheidung des G r o ßen Senats ein dogmatisch überzeugendes G r u n d k o n z e p t . 4 1 6

Vgl. dazu S. 63 ff. Ob auf der Grundlage einer sachbezogenen und nicht personenbezogenen Grenzziehung immer wertungsgerechte Ergebnisse erzielt werden können, erscheint zweifelhaft. So kann auch die tägliche Benutzung eines Schwimmbades bei entsprechender medizinischer Indikation, z.B bei einer Körperbehinderung, von existentieller Bedeutung für die Bedarfsbefriedigung sein; vgl. auch Graf, S. 214; Medicus, NJW 1989, 1889, 1894; Klingmüller, Festschrift Stiefel, S. 403, 412. 412 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 77ff; Magnus, S. 339; Flessner, JZ 1987, 271 ff; Schwerdtner, Jura 1987, 304, 305; Hohloch, JR 1987, 107; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 31, allerdings kritisch gegenüber dem Luxusargument; mit Einschränkungen Staudinger/Scbiemann, §251 Rn 99. 413 Kritisch deshalb Geiß, DRiZ 1992, 47, 49. 414 Insbesondere der V. Zivilsenat hält auch weiterhin nur in engen Grenzen eine Entschädigung für möglich, vgl. BGH NJW 1987, 771, 772; 1992, 1500. 415 Zugesprochen wurde eine Entschädigung bei Beeinträchtigung einer Terrasse, BayOLG 87, 53; nicht aber eines Hobbyraumes, OLG Düsseldorf BauR 92, 96, und einer Garage, BGH NJW 1993, 1794, anders aber BGHZ 96, 124; zuerkannt wurde bei einer zu spät gelieferten Kücheneinrichtung eine Entschädigung vom LG Tübingen, NJW 1989, 1613; LG Kiel, NJW-RR 1996, 559; LG Osnabrück NJW RR 1999, 349; abgelehnt dagegen vom LG Stuttgart, NJW 1989, 2823, und LG Kassel, NJW-RR 1991, 790. Anerkannt wurde ein Nutzungsersatz für einen Fernseher, AG Frankfurt NJW 1993, 137; AG Darmstadt ZfS 1989, 160; einen Blindenhund, AG Marburg NJW-RR 1989 931; einen Elektrorollstuhl, Hildesheim NJW-RR 1991, 789; Fahrräder, KG NJW-RR 1993, 1438; AG Frankfurt NJW 1990, 1918; AG Mühlheim,DAR 1991, 462. Abgelehnt bei einem Flugzeug, OLG Oldenburg MDR 1993, 1067; a.A. OLG Karlsruhe MDR 1983, 575; Laptop, LG Kiel, NJW-RR 1996, 559. 416 Ihre fehlende dogmatische Grundlage kritisieren Schiemann, JuS 1988, 20, 24; ders., NZV 1996, 1, 2; Hansell/Harrer, JuS 1991, 441, 448; Rauscher, NJW 1987, 53; vgl. auch Lange, Schadensersatz, § 6 VII 5; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 824 ff, 829. 410 4,1

B. Anspruch

auf

Nutzungsentschädigung

73

VI Ergebnis der Analyse und Fragestellung D i e Analyse von Rechtsprechung und Literatur hat sowohl im Hinblick auf die Erstattung der Kosten für die Anmietung eines Ersatzgegenstandes wie auch einer Nutzungsentschädigung gezeigt, daß grundlegende Unsicherheiten bestehen, wofür Ersatz zu leisten ist, und damit, worin der auszugleichende schadensersatzrechtlich relevante Verlust zu sehen ist: im Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher oder aber in den negativen Folgen dieses Verlustes, in dem Entgang von Gebrauchsvorteilen. Eine wertungsmäßig wie auch dogmatisch überzeugende Lösung der Nutzungsproblematik setzt jedoch zunächst voraus, daß geklärt wird, worin der schadensersatzrechtlich relevante Verlust besteht, wofür also ein Schadensausgleich zu leisten ist. U m diese grundlegende, bisher vernachlässigte Frage lösen zu können, ist zunächst zu klären, welche rechtliche Bedeutung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache bzw. der konkreten N u t z u n g einer Sache in unserer Rechtsordnung beigemessen wird. Es ist deshalb vor dem Hintergrund unseres Rechtssystems und auf der Grundlage des Eigentumsverständnisses die rechtliche Stellung und Bedeutung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache in Abgrenzung zu den Nutzungsrechten und den Gebrauchsvorteilen zu beleuchten.

Zweiter Teil

Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechte und Nutzungen, ihre rechtliche Einordnung und Qualifizierung Die mit dem vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache verbundene Schadensersatzproblematik ist, wie die Analyse von Rechtsprechung und Lehre gezeigt hat, 1 durch die grundlegende Unsicherheit gekennzeichnet, worin der schadensersatzrechtlich relevante Verlust zu sehen ist: in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Sache oder aber erst in dem Entgang von konkreten Gebrauchsvorteilen. Zur Lösung dieser Frage ist zunächst zu klären, welche rechtliche Bedeutung unsere Rechtsordnung der Tatsache beimißt, daß jemand die rechtliche wie tatsächliche Möglichkeit hat, eine Sache zu nutzen und Vorteile aus ihr zu ziehen. Kommt bereits der Nutzungsmöglichkeit unabhängig von der konkreten Vorteilsziehung selbständige rechtliche Bedeutung zu, stellt ihr Verlust also den Verlust einer eigenständigen Rechtsposition dar, für den Ersatz zu leisten ist, oder aber mißt ihr unsere Rechtsordnung keine eigenständige Bedeutung bei und fordert, daß sich der Verlust in konkreten Nachteilen, dem Entgang von Vorteilen, niederschlägt? Das Eigentum an einer Sache vermittelt dem Berechtigten regelmäßig die Nutzungsbefugnis der Sache, er kann mit ihr gemäß § 903 BGB nach Belieben verfahren und sie damit auch nutzen. Es gilt daher, diese über das „Haben" der Sache hinausgehende Herrschaftsmacht näher zu beleuchten 2 und zu untersuchen, inwieweit es sich bei ihr um einen eigenständigen Wert handelt. Dazu wird der Rechtsposition des Eigentümers die eines Inhabers eines selbständigen Nutzungsrechts gegenübergestellt. Von Interesse ist dabei insbesondere, ob und inwieweit sich die Nutzungs- und Dispositionsbefugnis des Eigentümers von der eines Berechtigten aufgrund eines Nutzungsrechts unterscheidet oder ob sie, worauf insbesondere die Kommerzialisierungstheorie abstellt, gleichwertig sind. 3 Außerdem gilt es, die umfassende Herrschaftsmacht des Eigentümers von der Ziehung konkreter Vorteile aus der Sache ab-

1 2 3

Vgl. dazu S. lOff. Vgl. zum funktionalen Vermögensschadensverständnis B G H Z 98, 212, 218 ff und S. 47ff. Vgl. dazu S. 40ff.

A. Eigentum und

Nutzungsbefugnis

75

zugrenzen und so dem Verhältnis zwischen der Herrschaftsmacht an sich und ihrer Realisierung durch Vorteilsziehung nachzugehen. Rückschlüsse auf die rechtliche Einordnung und Bewertung selbständiger Nutzungsrechte, der Nutzungsmöglichkeit an sich und konkret gezogener Nutzungen lassen sich dabei insbesondere aus den Regelungen entnehmen, die sich mit der Rückabwicklung von Rechtsverhältnissen befassen. Denn sie setzen sich mit dem Problem auseinander, daß eine Person zeitweilig die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit einer Sache hatte, die ihr bei nunmehriger Betrachtung nicht zugestanden hätte. Aus der Anknüpfung der Ersatzpflicht bei der Rückabwicklung an ein bestimmtes Nutzungsrecht, die Nutzungsmöglichkeit oder aber die konkret gezogenen Nutzungen lassen sich daher Rückschlüsse auf die rechtliche Bedeutung der jeweiligen Rechtsposition ziehen. Es werden deshalb die Rückabwicklungsregeln im Rahmen des Rücktritts gemäß §§ 346, 347 B G B und der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 812, 818 B G B wie auch die Regelungen im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses näher untersucht. Schließlich wird der Frage nachgegangen, inwieweit der Eigentumsschutz nach § 823 I B G B nicht nur die Sache selbst in ihrem rechtlichen und tatsächlichen Bestand, sondern auch die Dispositionsfreiheit des Eigentümers, also die Nutzungsmöglichkeit der Sache, erfaßt. Ist die Dispositionsfreiheit, die Nutzungsmöglichkeit einer Sache, in § 823 B G B als Schutzgut und damit als eigenständige, schutzwürdige Rechtsposition anerkannt?

§ 3 Eigentum, Nutzungsrechte und Nutzungen A. Eigentum und

Nutzungsbefugnis

Anders als der Art. 14 G G zugrundeliegende weite Eigentumsbegriff, der alle konkreten subjektiven Vermögenswerten Rechtspositionen, 4 nicht aber das Vermögen als solches 5 erfaßt, beschränkt sich das zivilrechtliche Eigentum, wie sich aus § 903 B G B ergibt, auf Sachen, also körperliche Gegenstände i.S.d. § 90 B G B . Die generell bestehende Frage nach der Zuordnung von absoluten Rechten, die sich in vergleichbarer Weise auch bei Urheber-, Patent4 BVerfG 83, 201, 208f; BGHZ 83, 1, 3; BVerfG NJW 1992, 37; 1998, 1934, 1936; Maunz/ Dürig/Papier, Art 14 Rn 56ff; Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 25; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 13 Rn 10; MünchKomm/Säcker, § 903 Rn 1; Jauernig/Jauernig, Vor § 903 Rn 11. 5 Nicht zum „Eigentum" im Sinne der Bestandsgarantie des Art. 14 GG gehören das Vermögen als solches, BVerfG 27, 326, 343; 78,232, 243, da es kein subjektives Recht darstellt, und bloße Aussichten, Erwartungen und Chancen, BVerfGE 20, 31, 34; 28, 119, 142; 30, 292, 335; 68,193, 222 f; 83,201,210; BVerfG NJW 1992,1878,1879; BGHZ 123,166,169; vgl. dazu auch Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 25.

76

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

rechten und anderen Rechtspositionen stellt, 6 erfährt damit im BGB keine umfassende Regelung, sondern sie beschränkt sich allein auf körperliche Gegenstände. 7 Dem Eigentümer wird, wie § 903 BGB verdeutlicht, umfassend die Sachherrschaft über bewegliche wie unbewegliche Sachen zugeordnet, er hat das Vollrecht an der Sache. 8 Das Eigentum läßt sich so - im Vergleich zu den anderen dinglichen Rechten - als „das umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung zuläßt", 9 charakterisieren. 10 Es regelt die Beziehung einer Person zu einer Sache im Sinne einer absoluten Beherrschung, einer Beherrschung, die sich positiv in der beliebigen Einwirkungsmöglichkeit des Rechtsträgers auf die Sache einschließlich der Verfügungsmöglichkeit über sie und negativ in der Ausschließung jedes anderen von der Einwirkung auf die Sache äußert. 11 Ihre Grenzen 12 findet diese umfassende Sachherrschaft jedoch in den Gesetzen und Rechten Dritter. 13 Da das Eigentum die umfassende Herrschaft über die Sache ist, ist es auch nicht nur als die Addition aller dem Eigentümer zugewiesenen positiven wie negativen Befugnisse in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht zu begreifen. Vgl. zu dieser Problematik Ss. 21 Off. Johow, Sachenrecht, S. 490ff; Motive III, S. 257 = Mugdan III, S. 142; MünchKomm/ Säcker, § 903 Rn 1; Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 3. Auf die allgemeine Bedeutung einer Zuordnungslehre von Rechtspositionen weisen hin Westermann, Sachenrecht, § 2 II; Schultzevon Lasaulx, AcP 151, 449, 455. 8 Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 2, 6, 8. 9 Wolff/Raiser, § 51 II; Staudinger/Seiler, § 903 Rn 2; M. Wolf, NJW 1987, 2647, 2648; krit. zu dieser Formulierung im Hinblick auf den Eigentumsinhalt F. Baur, AcP 176, 109, 116f. 10 Die Motive III, S. 23 = Mugdan III, S. 13, sprechen von dem „vollkommensten und wichtigsten" Recht. 11 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 24 Rd 5; Reetz, S. 65 f; Staudinger/Seiler, § 903 Rn 2; Eichler, S. 16. 12 In der Begrenzung des Eigentums sah der Gesetzgeber den besonderen Wert der Bestimmung, Protokolle, S. 3525 = Mugdan III, S. 578; vgl. dazu Johow, Sachenrecht, S. 495f, 499; Staudinger/Seiler, § 903 Rn 3; Reetz, S. 66f. 13 Die immer stärker anwachsenden, insbesondere öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen haben Anlaß zu Zweifeln gegeben, ob das Eigentum gegenwärtig noch als umfassende Herrschafts- und Verfügungsmacht zu verstehen ist, vgl. dazu Sontis, Festschrift Larenz, S. 981; Olzen, JuS 1984, 328f; Schwab/Prutting, Sachenrecht, Rn 116ff; Jauernig, JZ 1986, 605, 612; F. Baur, AcP 176, 109, 116. Die Auffassungen gehen dabei in unterschiedliche Richtungen. Uberwiegend wird das Eigentum nach wie vor als umfassende Herrschaftsmacht, als umfassendes Nutzungs- und Verwertungsrecht verstanden und die Beschränkungen als dem Eigentum immanent angesehen, sogenannte Immanenztheorie. Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 982 ff, geht von einem umfassenden Eigentumsrecht aus, das in seiner Ausübung beschränkt ist; vgl. auch Soergel/J.F. Baur, § 903 Rn 15 ff; F. Baur, AcP 176, 97,117f; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 24 Rn 6; Wolff/Raiser, §§51 II 2, 52 II; Westermann, Sachenrecht, § 28 I; Staudinger/Seiler, § 903 Rn 3; krit. Boecken, S. 169ff; zum Teil wird auch eine begriffliche Trennung zwischen Eigentumsbegriff und Eigentumsinhalt versucht, so Georgiades, Festschrift Sontis, S. 150; gegen eine solche Trennung insbesondere F. Baur, AcP 176, 97, 117; Soergel/J.F. Baur, § 903 Rn 20. Zur Außentheorie Boecken, S. 169ff; anders die insbesondere in der schweizerischen Rechtslehre vertretene Auffassung von Liver, Gedenkschrift Gschnitzer, S. 247ff; abl. Soergel/J.F. Baur § 903 Rn 20; F. Baur, AcP 176, 97, 117. Zum Verständnis des Eigentums als Sach- oder Funktionseigentum, Pawlowski, AcP 165, 395; Soergel/J.F. Baur, § 903 Rn, 21 ff. 6 7

A. Eigentum

und

Nutzungsbefugnis

77

Zwar wurde bis zum 19. Jahrhundert im gemeinen Recht in Deutschland und zum Teil auch in Frankreich sowie im common law unter Eigentum die Zusammenfassung der unterschiedlichen Befugnisse des Berechtigten, der Verfügungsrechte - sog. Proprietätsrechte - und der Nutzungsrechte verstanden, sog. Summentheorie. 14 Danach setzte sich das Eigentum aus verschiedenen Einzelrechten zusammen, die selbständig übertragen werden konnten. Entsprechend konnte es durch die Übertragung eines Einzelrechts, etwa eines Nutzungsrechts, zum doppelten bzw. geteilten Eigentum kommen und das Eigentum aufgespalten werden. 15 Bereits im 19. Jahrhundert setzte sich jedoch im gemeinen Recht die Auffassung durch, daß das Eigentum sich nicht in einer Zusammenfassung von Einzelrechten erschöpfe, sondern eine umfassende Herrschaft über die Sache darstelle, die als solche unteilbar sei. So schreibt etwa Dernburg in § 192 seines Pandektenlehrbuches: „Es ist volles Eigenthumsrecht, wenn es in der That die volle und ausschließliche Macht über die Sache gewährt. Es schließt dann Besitz, Nutzung, Gebrauch - die s.g. Nutzungsrechte - und das Recht der Veräußerung, der dinglichen Belastung und der Vindikation - die s.g. Proprietätsrechte 16 - in sich, und zwar nicht als besondere Befugnisse, sondern als Ausflüsse des einen Eigenthumes." Entsprechend äußerte sich auch Windscheid: „Aber man darf nicht sagen, daß das Eigenthum aus einer Summe einzelner Befugnisse bestehe, daß es eine Verbindung einzelner Befugnisse sei, das Eigenthum ist die Fülle des Rechts an der Sache, und die einzelnen in ihm zu unterscheidenden Befugnisse sind nur Äußerungen und Manifestationen dieser Fülle." 17 14 Zur geschichtlichen Entwicklung des Eigentumsverständnisses und zur Summentheorie vgl. Sontis, Festschrift Larenz, S. 993; Olzen, JuS 1984, 328, 334 ff; Willoweit, JuS 1977, 429; HRG Hagemann, Eigentum IV; Schön, S. 10. 15 Vgl. Teil I, Titel 8 ALR: § 1 Eigenthümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache oder eines Rechts, mit Ausschließung anderer, aus eigener Macht, durch sich selbst oder einen Dritten zu verfügen. § 2 Das Recht, über die Substanz der Sache zu verfügen, wird Proprietät genannt. § 1 6 Das Eigenthum einer Sache ist getheilt, wenn die darunter begriffenen verschiedenen Rechte verschiedenen Personen zukommen. § 19 Wer nur die Proprietät der Sache ohne das Nutzungsrecht hat, wird Eigner genannt. § 20 Wer Miteigner der Proprietät ist und zugleich das Nutzungsrecht hat, wird Eigner genannt. § 357 ABGB: „Wenn das Recht auf die Substanz einer Sache mit dem Recht auf die Nutzungen in einer und derselben Person vereinigt ist, so ist das Eigenthumsrecht vollständig und ungetheilt. Kommt aber Einem nur ein Recht auf die Substanz der Sache; dem Anderen dagegen nebst, einem Recht auf die Substanz, das ausschließende Recht auf derselben Nutzungen zu, dann ist das Eigentumsrecht getheilt und für beyde unvollständig. Jener wird Obereigenthümer, dieser Nutzungseigenthümer genannt". Vgl. dazu auch MünchKomm/Säcker, § 903 Rn 12; Olzen, JuS 1984, 328, 330ff. 16 Hier greift Dernburg bezeichnenderweise wieder auf die früher gebräuchliche Unterscheidung von Nutzungs- und Proprietätsrechten zurück. 17 Windscheid, Pandekten, § 167; vgl. auch Puchta, Pandekten, S. 212: „Da das Eigenthum die volle Macht über die Sache, die Totalität aller dinglichen Rechte ist, so ist jedes jus in re zu

78

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Zu dieser Auffassung hat sich auch der Gesetzgeber in den Motiven ausdrücklich bekannt, wenn er erklärt: „Das Bedürfnis einer solchen Aufzählung (der Befugnisse des Eigenthümers) liegt auch nicht vor, da das Eigenthum nicht eine Summe einzelner Befugnisse ist." 1 8 Dem B G B liegt damit nach einhelliger Meinung das Verständnis vom Eigentum als umfassender Herrschaftsmacht über eine Sache zugrunde, wobei die einzelnen Befugnisse nicht selbständiger Natur sind, sondern in ihm aufgehen. Das Eigentum ordnet dem Berechtigten umfassend das Recht zu, das mit der Sache verbundene Potential zu nutzen und über es zu verfügen. Die Herrschaftsmacht wirkt, wie § 903 B G B deutlich macht, in zweierlei Richtung: die negative Befugnis - der negative Eigentumskern, das Ausschließungsrecht - 1 9 zielt darauf, andere von Einwirkungen auf die Sache auszuschließen, während die positive Befugnis - das Einwirkungsrecht, der positive Eigentumskern 20 - die Möglichkeit des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, zum Inhalt hat. 21 Dabei will, wie sich aus den Motiven ergibt, § 903 B G B keine eigentliche Definition des Eigentums aufstellen, sondern vielmehr nur den wesentlichen Inhalt der dem Eigentümer zustehenden Rechte umschreiben, zumal eine erschöpfende Aufzählung der negativen wie positiven Befugnisse des Eigentümers nicht möglich wäre. 22

denken als gebildet aus Elementen des Eigenthums, die von diesem abgesondert, einem Nichteigenthümer gegeben, und eben dadurch zu besonderen Rechten gestaltet sind, während sie mit dem Eigenthum vereinigt zu dem ununterschiedenen Inhalt des Eigenthums gehören, so bey dem Eigenthümer nicht den Charakter eines besonderen Rechts haben." 18 Motive III, S. 262 = Mugdan III, S. 145; vgl. auch Biermann, Sachenrecht, Vor § 903, 3; Olzen, JuS 1984, 3 2 8 ff; Münch Komm/Säcker, § 9 0 3 Rn 7ff; Schwab/Prutting, Sachenrecht, Rn 306; Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 987ff; Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 58; Westermann, Sachenrecht, § 28 I 2; anders, die anglo-amerikanische Rechtsvorstellung auf das deutsche Recht übertragend, Rittstieg, N J W 1982, 722; den Gedanken einer Funktionsteilung nimmt insbesondere auch Kaiser, Festschrift Sontis, S. 167, auf; krit. Westermann, Sachenrecht, § 28 I 2; F. Baur, AcP 176, 97, 116. 19 Staudinger/Seiler, § 903 Rn 2. 20 Staudinger/Seiler, § 903 Rn 2; Soergel/J.F. Baur, § 903 Rn 40. 21 Diese Doppelwirkung - Ausschluß- und Einwirkungsrecht - ist dabei nicht nur für das Eigentum als charakteristisch anzusehen, sondern für alle absoluten subjektiven Rechte, insbesondere auch die Immaterialgüterrechte, vgl. dazu S. 210ff. 22 Motive III, S. 257ff, 262 = Mugdan III, S. 142ff, 145; Wieling, Sachenrecht, § 8 II 1 c; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 4 Rn 5; MünchKomm!'Säcker, § 903 R n 3 f ; Westermann, Sachenrecht, § 28 I 2; Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 6; Sontis weist in Festschrift Larenz, S. 994ff, darauf hin, daß, auch wenn § 903 B G B nicht einen konkret-materiellen Gehalt des Eigentums angebe, diese Vorschrift doch ohne Zweifel die Wesensbestimmung des Eigentumsbegriffs in einwandfreier Weise enthalte und damit ein festes Fundament für die Konstruktion dieses Begriffs biete und eine andere Begriffsbestimmung weder möglich noch zweckmäßig sei. Schön, S. 8f, hält dem entgegen, daß diese Inhaltsbestimmung nicht geeignet sei, das Eigentum von anderen Rechten an Sachen abzugrenzen, es also zu definieren.

A. Eigentum

I. Negative 1.

und

Befugnisse,

Nutzungsbefugnis

79

Ausschließungsrechte

Ausschließungsbefugnis

Uber den negativen Eigentumskern wird die Sache als Gegenstand konkret dem Eigentümer zugewiesen, 23 er soll Eingriffe Dritter auf die Sache abwehren und ihnen entgegentreten können. § 903 BGB selbst stellt allerdings noch keinen Rechtsbehelf zur Verwirklichung der Ausschließungsbefugnis und auch keine Anspruchsgrundlage dar,24 sondern der Schutz des Eigentümers vor Eingriffen in die Zuordnung, vor Beschädigung bzw. Entziehung des Gegenstandes erfolgt primär durch die §§ 985, 1004, 823 BGB. 25 Die negative Befugnis orientiert sich, wie sich aus der Formulierung „von jeder Einwirkung ausschließen" ergibt, an der Sache selbst. Sie bezieht sich auf die Rechtsposition des Eigentümers an der Sache, 26 ist gegenstandsbezogen und hat das ungestörte „Haben" der Sache sowohl in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht zum Inhalt. 27 Bei den negativen Einwirkungen läßt sich unterscheiden zwischen solchen auf die Sachsubstanz, wie Zerstörung oder Beschädigung der Sache,28 Einwirkungen auf die Sachzuordnung, wie dinglich wirksamen Verfügungen zu Lasten des Eigentümers, 29 und Einwirkungen auf den Sachbesitz, d.h. das tatsächliche „Haben" der Sache. 30 Das negative Ausschließungsrecht wird dementsprechend tangiert, wenn ein Dritter auf die Sache zugreift, sei es dadurch, daß er sie nutzt, benutzt, verändert, verbraucht, beschädigt, vernichtet oder dem Eigentümer entzieht. 31 Entsprechend löst ein solcher gegenständlicher Eingriff regelmäßig einen Entschädi23 Insbesondere die Vertreter der Imperativentheorie sehen dieses M e r k m a l zur Bestimm u n g des Eigentums als subjektives Recht maßgebend an, Oertmann, J h J b 31 nF. (1892), 417, 440ff, 444ff; Windscheid, Pandekten, § 38 F u ß n o t e 3; Darmstaedter, A c P 1 5 1 , 3 1 1 , 3 1 4 ; Bucher, Das subjektive Recht als N o r m s e t z u n g s b e f u g n i s , S. 151 ff, 160ff; Aicher, S. 29ff, 77ff; dagegen ]. Schmidt, S. 17ff, 53ff; Larenz, A l l g e m e i n e r Teil, § 13 I; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 13 R n 25, 27; Raiser, Festschrift Sontis, S. 167, 168; Georgiades, Festschrift Sontis, S. 149, 163 f; Münch Komm/Säcker, § 903 R n 6. 24 Soergel/J.F.Baur, § 903 R n 40; Staudinger/Seiler, § 903 R n 6. 25 Daneben k o m m e n noch § § 228, 229, 277, 904, 1005 B G B in Betracht; vgl. auch die bei Staudinger/Seiler, § 903 R n 12, aufgeführten Rechtsbehelfe zur V e r w i r k l i c h u n g der Ausschließung. 26 Staudinger/Gursky, § 1004 R n 30ff; Müller, Sachenrecht, R n 287f. 27 Schwab/Priitting, Sachenrecht, R n 307; § 823 B G B w i r d deshalb auch p r i m ä r substanzbzw. gegenstandsbezogen interpretiert, vgl. Soergel/Zeuner, § 823 R n 32; Staudinger/Schäfer, 12. A u f l . , § 823 R n 50; Palandt/Thomas, § 823 R n 5; leuner, Festschrift F l u m e I, S. 783; Fraenkel, S. 126ff; Porzelt, S. 201 ff. Entsprechend reicht es f ü r einen A n s p r u c h aus § 823 B G B regelmäßig nicht, daß es zu einer Funktionsbeeinträchtigung k o m m t , Roussos, S. 261; a.A. Münch Komm/Mertens, § 823 R n 90; vgl. dazu ausführlich S. 194 ff. 28 Reetz, S. 74; vgl. dazuS. 194 ff. 29 Reetz, S. 75. 30 Reetz, S. 77. 31 Vgl. auch die umfassende Ubersicht ü b e r die Erscheinungsformen von Eigentumsbeeinträchtigungen bei Staudinger/Gursky, § 1004 R n 20 ff.

80

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

gungsanspruch nach § 823 I B G B aus. 32 Hindernisse, die den Gebrauch oder die Verwendung der Sache beeinträchtigen, und Einwirkungen allein auf den Sachgebrauch, 33 die ihre Ursache nicht in einer Einwirkung auf die Sache selbst oder ihre rechtliche Zuordnung zum Eigentümer haben, verletzen hingegen das Ausschließungsrecht nicht. 34

und 2. Ausschließungsbefugnis der Nutzungsmöglichkeit

Beeinträchtigung

Wird eine Sache beschädigt, so liegt in dem schädigenden Eingriff in die Sache eine Verletzung des Ausschließungsrechts des Eigentümers. Regelmäßig ist mit der Beschädigung der Sache auch der zeitweilige Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Sache durch den Eigentümer verbunden. Er ist zwar Folge der Sachbeschädigung und damit des Eingriffs in das Ausschließungsrecht, ihm liegt aber kein zweiter selbständiger Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentümers zugrunde. Die Nutzungsfälle sind damit dadurch gekennzeichnet, daß sich der Eingriff primär gegen die Sache richtet und der zeitweilige Verlust der Nutzungsmöglichkeit nur eine sekundäre nachteilige Folge darstellt. Sie zeigt sich vorrangig darin, daß der Eigentümer aufgrund der Beschädigung der Sache in seiner positiven Befugnis, mit ihr nach Belieben zu verfahren, also in der Ausübung seiner positiven Eigentümerbefugnis, gehindert ist. 35 Dies unterscheidet die Fälle des zeitweiligen Verlustes der Nutzungsmöglichkeit aufgrund eines Eingriffs in die Sachsubstanz entscheidend von den Fällen, in denen dem Eigentümer unter Verletzung seines Ausschließungsrechts die Sache von einem Dritten entzogen und unter Anmaßung eines Gebrauchsrechts genutzt wird. 36 Durch die Besitzentziehung und die unberechtigte Nutzung wird ebenso wie durch die Sachbeschädigung in den dem Eigentümer zugeordneten Ausschließungsbereich eingegriffen. In schadensersatzrechtlicher Hinsicht stellt sich deshalb in beiden Fällen die Frage nach einem Ausgleich für den Verlust einer dem Eigentümer ausschließlich zugewiesenen Position. In den Fällen, in denen der Eigentümer die Sache aufgrund einer Sachbeschädigung nicht nutzen kann, geht es hinsichtlich der Nutzungsentschädigung aber nicht primär um den Eingriff in

Reetz, S. 74; vgl. dazu S. 194ff. Vgl. dazu die Ausführungen zum Eigentumsverständnis in § 823 B G B S. 196ff. 34 Sog. negative Einwirkungen auf Sachen, wie der Entzug von Licht bei einem Grundstück, verletzen deshalb nach überwiegender aber nicht unbestrittener Meinung die Ausschließungsbefugnis regelmäßig nicht, da sie nur mittelbare Auswirkungen auf die Substanz der Sache haben; entsprechendes gilt für ideele Einwirkungen, vgl. dazu B G H Z 51, 396; 54, 56; 95, 307; Müller, Sachenrecht, Rn 288; Staudinger/Seiler, § 903 Rn 27; Palandt/Bassenge, § 903 Rn 9i; Jauernig, JZ 1986, 605; Jauernig/Jauernig, § 903 Rn 3; krit. Reetz, S. 79ff, 89, 179. 35 Vgl. dazu S. 81 ff. 36 Entsprechendes gilt auch für die Anmaßung eines fremden Immaterialgüterrechts, da es sich auch bei ihm um ein subjektives absolutes Recht handelt, vgl. S. 210 ff. 32

33

A. Eigentum und

Nutzungsbefugnis

81

den dem E i g e n t ü m e r zugewiesenen negativen B e r e i c h und einen Ausgleich für die erfolgte Verletzung - die Ersatzfähigkeit der R e p a r a t u r k o s t e n steht außer Frage - , sondern u m die F o l g e n dieser Verletzung für die A u s ü b u n g der positiven Befugnisse durch den Geschädigten, nämlich mit der Sache nach freiem B e l i e b e n verfahren zu k ö n n e n . D i e Fälle der B e s i t z e n t z i e h u n g durch einen E i n g r i f f in den Z u w e i s u n g s b e r e i c h des E i g e n t u m s unterscheiden sich damit grundlegend v o n denen, in denen sich der Verlust der N u t z u n g s m ö g lichkeit n u r als weitere F o l g e eines Substanzeingriffs darstellt. 3 7

II. Positive Befugnisse,

Einwirkungsrechte

L ä ß t sich die negative E i g e n t u m s b e s t i m m u n g als gegenstandsbezogen und auf das ungestörte H a b e n der Sache gerichtet k e n n z e i c h n e n , der E i g e n t ü m e r soll D r i t t e v o n rechtlichen wie tatsächlichen E i n w i r k u n g e n auf die Sache ausschließen k ö n n e n , ist die positive B e s t i m m u n g der E i g e n t u m s m a c h t geprägt durch den F r e i r a u m , der dem E i g e n t ü m e r hinsichtlich der Sache eröffnet wird. „ D a s R e c h t , mit der Sache nach B e l i e b e n zu verfahren, ist, wie gesagt, die natürliche Freiheit selbst, die Sache lediglich ein B e z u g s p u n k t ihrer B e t ä « 38

tigung . U b e r die B e d e u t u n g und N o t w e n d i g k e i t einer solchen positiven E i g e n t u m s b e s t i m m u n g sind die A n s i c h t e n geteilt. Z u m Teil w u r d e sie als u n e r h e b lich, z u m Teil gegenüber der negativen B e s t i m m u n g als untergeordnet angesehen. 3 9 D e r positiven B e g r i f f s b e s t i m m u n g k o m m t j e d o c h insofern b e s o n dere B e d e u t u n g zu, als, w o r a u f bereits die P r o t o k o l l e z u m B G B hinweisen, durchaus eine Gestaltung des E i g e n t u m s d e n k b a r ist, „nach w e l c h e r der E i genthümer z w a r jeden v o n E i n w i r k u n g e n auf die Sache ausschließen, aber selbst nicht beliebig mit der Sache verfahren k ö n n e . " 4 0 Erst durch die positive B e g r i f f s b e s t i m m u n g des E i g e n t u m s , durch die d e m E i g e n t ü m e r ein exklusives Verfügungs- und N u t z u n g s r e c h t zugewiesen wird, wird die umfassende 37 Jahr, AcP 183, 725 ff, der diese beiden Fallgruppen unter dem Aspekt der Entziehung der Nutzungsmöglichkeit gleichsetzt, kann deshalb nicht gefolgt werden, vgl. dazu S. 21 Off. 38 Sontis, Festschrift Larenz, S. 990. Dieser Aspekt wurde auch im Naturrecht besonders betont, vgl. Olzen, JuS 1984, 328, 334; zum funktionalen Schadensverständnis S. 47ff und S. 68 ff. 39 So noch die Motive III, S. 262 = Mugdan III, S. 145: „die positive Seite dieser Feststellung ist von geringerer Wichtigkeit, als deren negative Seite, nämlich, daß die ausschließliche Verfügungsbefugnis des Eigenthümers über die Sache so weit reicht, als nicht eine Beschränkung nachgewiesen wird. Die einzelnen Befugnisse des Eigenthümers würden, auch wenn eine allgemeine Bestimmung fehlte, aus den Vorschriften über den Eigenthumsschutz und über die von dem Eigenthümer vorzunehmenden Veräußerungsgeschäfte entnommen werden können." Vgl. auch die in Fußnote 23 genannten Vertreter der Auffassung, daß das Eigentum als subjektives Recht primär durch die Abwehrbefugnis gekennzeichnet sei. 40 Protokolle, S. 3523 f = Mugdan III, S. 577; vgl. dazu MünchKomm/Säcker, § 903 Rn 6; Schwab/Prütting, Rn 307; Wieling, Sachenrecht, § 8 II 1 c; Hedemann, DNotZ 52, 7ff.

82

5 3 Eigentum, Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Bedeutung der Herrschaftsmacht sichergestellt. 41 Die uneingeschränkte Zuordnung der Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse über die Sache wird so zur Grundlage der durch das Eigentum vermittelten persönlichen Freiheit des Einzelnen. Nicht mehr die Substanz der Sache, das Haben, steht im Mittelpunkt, sondern die Erweiterung der natürlichen Betätigungsfreiheit des Eigentümers, die ihm die Sache vermittelt. 42 Im einzelnen bedeutet dies, daß dem Eigentümer in umfassendem Rahmen die Verfügungs-, Nutzungs-, Gebrauchs- und sonstigen Möglichkeiten, die ihm die Sache aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften als Potential eröffnen, zugesprochen und die Ausübung dieser Befugnisse nur durch das Gesetz oder Rechte Dritter beschränkt werden. 43 Als Folge dieser Zuordnung der Herrschaft über die Sache lassen sich unter anderem auch die Regelungen des § 953 BGB, nach der die Früchte einer Sache grundsätzlich ihrem Eigentümer zustehen, und des § 816 BGB, nach der dem Eigentümer bei wirksamer Verfügung durch den Nichtberechtigten der Erlös zugewiesen wird, begreifen. 44 Aus den positiven, dem Eigentümer zugeordneten Befugnissen ergibt sich, daß es dem Eigentümer frei steht, wie er das Potential, das die Sache in sich birgt, einsetzt. Von seiner Befugnis kann er in unterschiedlicher Weise Gebrauch machen: er kann die Sache zu produktiven Zwecken einsetzen, Dritten entgeltlich oder unentgeltlich überlassen, sie zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse benutzen, sie aber auch zerstören oder ungenutzt lassen. Eine abschließende Aufzählung der mit einer Sache verbundenen positiven Befugnisse des Eigentümers ist, worauf bereits die Motive hinweisen, weder möglich noch zweckmäßig: „sie lassen sich nicht vollständig aufzählen, das Bedürfnis einer solchen Aufzählung liegt auch nicht vor." 45 Es läßt sich aber zwischen rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen bezüglich der Sache unterscheiden. 46 Zu den rechtlichen Verfügungsmöglichkeiten zählen insbesondere, die Sache nach §§ 873, 925 BGB zu veräußern, sie zu belasten und das Eigentum gemäß §§ 928, 959 BGB aufzugeben. Die tatsächliche oder faktische Herrschaft, mit der Sache frei zu verfahren, sie in beliebiger Form und zwar auch in einer ihrem Wesen nicht entsprechenden Weise zu nutzen, zeigt sich etwa darin, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen, auf die Substanz der Sache durch Umgestaltung, Veränderung oder auch Zerstörung einzuwirken und sie zu nutzen. 4 7 41

Sontis, Festschrift Larenz, S. 987; Baur, AcP 176, 97, 117; Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 I; vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 903 Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 50ff. 42 Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 990; MünchKomm/Säcker, § 903 Rn 3. 43 Vgl. dazu S. 76 Fußnote 12, 13. 44 Müller, Sachenrecht, Rn 285. 45 Motive III, S. 263 = Mugdan III, S. 145. 46 Müller, Sachenrecht, Rn 285 f; Staudinger/Seiler, § 903 Rn 10. 47 Vgl. Müller, Sachenrecht Rn 2 und 284; MünchKomm/Säcker, § 903 Rn lOf; Biermann, Sachenrecht, §903 Rn 1; Staudinger/Seiler, §903 Rn 10; Soergel/J.F. Baur, §903 Rn 33; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn 307; Westermann, Sachenrecht, § 28. Zur konkreten Sachnutzung als Ausübung des Eigentumsrechts Boecken, S. 187ff.

A. Eigentum

und

Nutzungsbefugnis

83

Die positive umfassende Verfügungs- und Nutzungsbefugnis vermittelt dem Eigentümer ein vielfältiges Potential an Möglichkeiten, mit der Sache zu verfahren, der Eigentümer erhält einen weitreichenden persönlichen Betätigungsfreiraum. Es bleibt allein ihm überlassen, welchen Gebrauch er von seinem Freiraum macht oder nicht. Dabei ist zu beachten, daß sich die unterschiedlichen Möglichkeiten, mit der Sache zu verfahren, gegenseitig ausschließen, so kann der Eigentümer die Sache entweder selber nutzen oder vermieten oder veräußern oder zerstören oder sie einfach ungenutzt lassen. Die aus der Herrschaftsmacht folgenden Befugnisse stellen mithin ein weitreichendes, dem Willen des Eigentümers unterliegendes Potential dar, das von seiner Struktur her offen und von der Ausübung durch den Eigentümer abhängig ist, es kommt also entscheidend darauf an, wie er von dem ihm zugeordneten „Dürfen" Gebrauch macht. 48 Macht der Eigentümer von einer ihm eröffneten Möglichkeit, mit der Sache zu verfahren, Gebrauch, so konkretisiert sich die umfassende Herrschaftsmacht auf ein konkretes Ziel. Bei der Betätigung seiner Handlungsfreiheit durch entsprechende Nutzung oder Verwertung des Eigentums kommt es zu einer Veränderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse. Diese schlägt sich bei der Verwertung, der Vermietung wie dem Einsatz der Sache zu produktiven Zwecken in einer Gewinnerzielung nieder. Die konkrete Betätigung der Handlungsfreiheit genießt in diesem Fall besonderen Schutz. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß dann, wenn die Gewinnerzielung aufgrund eines schädigenden Eingriffs unterbleibt, Ersatz für den aus der Verwertung, Vermietung oder dem produktiven Einsatz der Sache entgangenen Gewinn zu leisten ist. Entscheidend ist dabei immer, daß der Geschädigte das Nutzungspotential in einer ganz bestimmten Weise einsetzen wollte. Aufgrund der Vielzahl der dem Eigentümer zugeordneten positiven Befugnisse wird deutlich, wie auch der Große Senat in seiner Entscheidung betont, „daß das Wesen und die Bedeutung des Vermögens" (konkreter: des Eigentums) „sich nicht in dessen Bestand - dem „Haben" - erschöpft, sondern daß sie auch die im Vermögen" (konkreter: Eigentum) „verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger" (Eigentümer) „umfassen, es zur Verwirklichung seiner Lebensziele zu nutzen." 49 Dabei stellt die Nutzungsmöglichkeit einer Sache zur Befriedigung von bestimmten eigenen Bedürfnissen jedoch nur eine von einer Vielzahl von möglichen Betätigungs- und Verfügungsbefugnissen hinsichtlich der Sache dar. Zweifelhaft erscheint deshalb, ob der Schluß, den der Bundesgerichtshof und ein Teil der Literatur daraus gezogen haben, richtig ist, nämlich daß diese Nutzungsmöglichkeit - zumindest in bestimmten Konstellationen - neben

Vgl. dazu auch Boecken, S. 187ff. B G H Z 98, 212, 218. Vgl. auch Savigny, System I, S. 313; Kohler, Archiv für Bürgerliches Recht 12, 1 ff; Mertens, S. 124ff; Roussos, S. 264, 267ff; Boecken, S. 180; vgl. dazu S. 47ff. 48

49

84

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

dem „Haben" der Sache an sich, eine selbständige Rechtsposition mit Vermögenswert darstellt. 50 Das dem BGB zugrundeliegende Eigentumsverständnis ist, wie dargelegt, durch das „Haben" der Sache und die sich aus dieser Herrschaft über die Sache ergebenden Freiräume geprägt. Der Freiraum, der durch ein unumschränktes „Dürfen" des Eigentümers hinsichtlich der Sache gekennzeichnet ist, umschreibt insoweit die rechtliche und tatsächliche Bedeutung des „Habens" für den Eigentümer. Das „Haben" der Sache und die umfassende Herrschaftsmacht sind damit auf das engste miteinander verbunden. Dies spiegelt sich auch bei der Bestimmung des Verkehrswertes des Eigentums an einer Sache wider. Der Verkehrswert, der sich regelmäßig am Beschaffungspreis orientiert, 51 entspricht nämlich dem Wert, der gezahlt wird, um in den Genuß der Herrschaft über die Sache, also auch die mit ihr verbundenen Nutzungsmöglichkeiten, zu gelangen. 52 Die Herrschaftsmacht meint die umfassende Herrschaftsmacht und nicht einzelne Befugnisse, die nach § 903 BGB gerade nicht selbständiger N a t u r sind, sondern im Eigentum aufgehen. 53 Es erscheint deshalb mit dem umfassenden Eigentumsverständnis nicht vereinbar, bestimmte Befugnisse aus der umfassenden Herrschaftsmacht herauszugreifen und so gesondertes Funktionseigentum zu schaffen, wie dies geschieht, wenn - wenn auch nicht in sachenrechtlicher, so doch in schadensersatzrechtlicher Sicht - von Verwertungs-, Produktions-, und Konsumtiveigentum gesprochen wird. 54

50 B G H Z 98, 212, 218; Roussos, S. 267ff; Mertens, S. 124ff. D e r B G H hat dabei s o w o h l auf die B e d e u t u n g der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t f ü r den E i g e n t ü m e r zur Befriedigung seiner B e d ü r f nisse als auch auf die Ü b e r t r a g b a r k e i t der Befugnisse auf andere verwiesen; vgl. S. 64ff u n d S. 68 ff. 51 Vgl. Huber, Schadensberechnung, S. 144. A n d e m Veräußerungswert der Sache orientiert sich die B e w e r t u n g dagegen dann, w e n n die Sache veräußert w e r d e n sollte u n d k o n n t e , w o v o n insbesondere im gewerblichen H a n d e l auszugehen ist. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, daß der E i g e n t ü m e r von seiner H e r r s c h a f t s m a c h t in bestimmter Weise G e b r a u c h gemacht hat, er das ihm d u r c h die Sache eröffnete Potential in ganz bestimmter Weise eingesetzt hätte; vgl. d a z u S. 274ff. 52 D e r G e b r a u c h s w e r t spiegelt demgegenüber den Wert wider, der bei G e b r a u c h der Sache erwirtschaftet w e r d e n kann u n d hängt wesentlich von der A r t u n d d e m U m f a n g der N u t z u n g ab, er entzieht sich damit einer genauen Bewertung; vgl. dazu Roussos, S. 270ff, 195. Z u r u n terschiedlichen V e r w e n d u n g des Begriffs G e b r a u c h s w e r t , vgl. Huber, Schadensberechnung, S. 31f, 144 f. 53 Vgl. bereits oben S. 76ff. 54 Roussos, S. 268ff: „ N a c h den v o r s t e h e n d e n A u s f ü h r u n g e n k a n n m a n das K o n s u m - , das A b s a t z - und das P r o d u k t i o n s e i g e n t u m unterscheiden. Die E i n o r d n u n g einer k o n k r e t e n Eig e n t u m s n u t z u n g s f o r m u n t e r einen bestimmten T y p macht die typische E i g e n t u m s f u n k t i o n im k o n k r e t e n Fall aus. Sie hat abschließenden Charakter, so daß ein zeitweiliger F u n k t i o n s w e c h sel oder F u n k t i o n s ü b e r s c h n e i d u n g e n nicht als Regel, s o n d e r n n u r als A u s n a h m e d e n k b a r sind; vgl. auch Becker, U n e r l a u b t e H a n d l u n g e n , S. 336.

B.

III.

Nutzungsrechte

85

Zusammenfassung

Festzuhalten ist, daß nach dem in § 903 BGB zum Ausdruck kommenden Eigentumsverständnis Eigentum als umfassende Herrschaftsmacht zu begreifen ist. Diese Herrschaftsmacht kommt sowohl in negativen wie in positiven Befugnissen zum Ausdruck. Der negative Eigentumskern ist gegenstandsbezogen und hat das ungestörte „Haben" der Sache sowohl in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht zum Inhalt. Die zeitweilige Nutzungsunmöglichkeit einer Sache wegen Beschädigung der Sache stellt insoweit nur eine Folge des Eingriffs in die Sache selbst, nicht aber einen eigenständigen Eingriff in den negativen Eigentumskern dar. Während die Ausschließungsbefugnis gegenstandsbezogen ist, vermittelt die positive Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, einen Freiraum. Das Eigentum stellt sich dem Berechtigten insoweit als Potential dar, das ihm verschiedenste Möglichkeiten eröffnet. Erfaßt das Eigentum auch den Handlungsfreiraum und damit die Nutzungsmöglichkeit, die die Sache vermittelt, so bedeutet dies, daß dem Handlungsfreiraum als solchem neben dem Eigentum keine eigene rechtliche Bedeutung zukommt. Dies schließt allerdings nicht aus, daß es durch die konkrete Ausübung der Herrschaftsmacht zur Schaffung neuer Rechtspositionen und Werte kommen kann, wie dies z.B. der Fall ist, wenn Nutzungsrechte gegen Entgelt auf Dritte übertragen oder aber auch Früchte oder Gebrauchsvorteile aus einer Sache gezogen werden. Als ganz wesentlich erscheint es deshalb, welchen Gebrauch der Eigentümer von dem ihm eröffneten Freiraum macht oder machen wollte, insbesondere welche konkreten Gebrauchsvorteile er aus ihr zieht bzw. ziehen wollte.

B.

Nutzungsrechte

U m die Nutzungsmöglichkeit einer Sache durch den Eigentümer rechtlich besser einordnen und qualifizieren zu können, wird im folgenden der sich aus dem Eigentum ergebenden Nutzungsbefugnis die aus einem selbständigen Nutzungsrecht gegenübergestellt. Die Nutzungsbefugnis einer Sache setzt nicht notwendig das Eigentum an der Sache voraus, sondern sie kann sich auch aus einem selbständigen schuldrechtlich oder dinglich begründeten Nutzungsrecht ergeben. Diese aufgrund von Miete, Pacht, Leihe, Nießbrauch etc. eingeräumten Nutzungsrechte sind von eminenter ökonomischer Bedeutung und ihre Ausgestaltung ist durch volkswirtschaftliche Gesichtspunkte geprägt. 55 Durch die Einräumung eines 55 Zur Bedeutung volkswirtschaftlicher Überlegungen bei der Entstehung der Regeln zum dinglichen Nießbrauch, vgl. Dernburg, Verhandlungen des 19. DJT, Bd III, 1889, S. 108, 114; Schön, S. 26ff.

86

§ 3 Eigentum, Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Nutzungsrechts erhält der Nutzungsberechtigte - meist gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung - ein eigenständiges Recht, die Sache im vertraglich vereinbarten Rahmen zu nutzen. Die Nutzungsrechte sind - wie die entsprechenden Regelungen im BGB voraussetzen - selbständige Gegenstände des Rechtsverkehrs, denen regelmäßig ein Vermögenswert beigemessen wird, wie etwa §§ 535, 581 BGB zeigen. 56 Im Hinblick auf die schadensersatzrechtliche Behandlung ist dabei von besonderem Interesse, worin der Unterschied zwischen einem rechtsgeschäftlich begründeten Nutzungsrecht und der N u t zungsmöglichkeit aufgrund Eigentums liegt. 57

I. Verhältnis

Eigentum/Nutzungsrecht

Der Eigentümer einer Sache kann aufgrund seiner positiven Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, auch einem Dritten die Nutzungsbefugnis an der Sache einräumen. Er kann dabei dem Dritten das Nutzungsrecht mit dinglicher Wirkung, wie beim Nießbrauch, oder aber ihm ein vertragliches Nutzungsrecht, wie etwa bei der Miete, einräumen. Der Dritte ist dann aufgrund der ihm eingeräumten Nutzungsberechtigung befugt, im vereinbarten Rahmen die Sache zu nutzen, nicht aber über sie zu verfügen oder sie zu zerstören. 58 Die Einräumung insbesondere eines dinglichen Nutzungsrechts bedeutet gleichzeitig, daß sich die Rechtsstellung des Eigentümers im Hinblick auf seine aus dem Eigentum fließenden Befugnisse verändert. War die Rechtsstellung des Eigentümers zunächst durch eine umfassende Zuweisung von Befugnissen bis hin zur Vernichtung der Sache gekennzeichnet, so bedeutet die Überlassung der Sache zum Gebrauch an einen anderen und damit die Einräumung einer Nutzungsberechtigung aus Sicht des Eigentümers, daß er die Ausübung eines Teils der ihm aufgrund des Eigentumsrechts zustehenden Befugnisse, nämlich die Befugnis zum Gebrauch, auf einen anderen überträgt. Es wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, daß das Eigentum mehr oder weniger der ihm zukommenden Befugnisse entkleidet werde, insbesondere die Nutzungsrechte - Besitz, Nutzung, Gebrauch - verselbständigt und auf andere übertragen würden. 5 9 Wie man sich dieses Phänomen der

56 Nach B G H , ZIP 1989,1542ff, findet selbst bei einer kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung auf die Mietzinsen § 32 a III G m b H G Anwendung, anders Baumbach/Hueck, G m b H G , § 32a Rn 32; Seiler, S. 229 ff. 57 Insbesondere die Kommerzialisierungstheorie baut auf einer Gleichstellung der N u t zungsmöglichkeit aufgrund eigenen Eigentums mit einem Nutzungsrecht auf, indem sie darauf verweist, daß der Eigentümer eine entsprechende Sache hätte anmieten oder aber die Sache hätte vermieten können, vgl. dazu S. 40ff. 58 Für den Nießbrauch als umfassendstes Nutzungsrecht, Palandt/Bassenge, § 1030 Rn 8; MünchKomm/Petzoldt, Vor § 1030 Rn 4 und § 1030 Rn 1; vgl. auch Schön, S. 289ff. 59 Dernburg, Pandekten, §§ 194, 442.

B.

Nutzungsrechte

87

Ausgliederung von einzelnen Befugnissen aus dem umfassenden Eigentumspotential vorzustellen hat, ist im einzelnen umstritten. Zum Teil wird davon gesprochen, daß die aus dem Eigentum fließende Nutzungsbefugnis verselbständigt und als selbständiger „Eigentumssplitter" übertragen werde. 6 0 D e m wird entgegengehalten, daß durch die Einräumung des Nutzungsrechts das umfassende Eigentumsrecht nicht berührt werde, sondern nur dessen Ausübung vorübergehend übertragen werde, mit Erlöschen des Nutzungsrechts erhalte der Eigentümer wieder die vollständige Verfügungsfreiheit über die Sache. 61 Letztere Auffassung dürfte dem dargelegten, dem B G B zugrundeliegenden Verständnis vom Eigentum als umfassender ungeteilter Herrschaftsmacht am ehesten entsprechen 6 2 und wird auch dadurch bestätigt, daß der E i gentümer bei Eingriffen in die Sache in vollem Umfang aktivlegitimiert bleibt. 6 3 D i e rechtsgeschäftliche Einräumung eines Nutzungsrechts stellt eine besondere F o r m der Nutzung der Herrschaftsbefugnis über die Sache durch den Eigentümer dar. Indem der Eigentümer einem Dritten gegen ein entsprechendes Entgelt den Gebrauch der Sache überläßt, zieht er seinerseits Vorteile, nämlich den Mietzins, aus der Sache. N a c h § 99 I I I B G B handelt es sich bei dem Mietzins um eine mittelbare Sachfrucht, da zu den Früchten auch die Erträge gehören, welche eine Sache vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. 6 4 Diese Vorteilsziehung aus der Sache durch Überlassung des G e brauchs an einen Dritten genießt besonderen rechtlichen Schutz. D e n n nach allgemeiner Meinung kann der Eigentümer, sofern die Vermietung aufgrund eines schädigenden Eingriffs nicht erfolgen kann, vom Schädiger den ihm entgehenden Mietzins als entgangenen Gewinn gemäß § 252 B G B verlangen. 65 D i e Rechtsstellung des Nutzungsberechtigten ist dadurch gekennzeichnet, daß er durch die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts oder einen G e brauchsüberlassungsvertrag gegenüber dem Eigentümer ein R e c h t auf U b e r lassung der Sache zum Gebrauch und damit ein selbständiges vermögenswer-

60 Westermann, Sachenrecht, §§ 5 I, 28 I 3; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn 23; MünchKomm/Säcker, § 903 Rn 6; Heck, Sachenrecht, § 19, 4, 5, 21; Pucbta, Pandekten, S. 212; Rittstieg, N J W 1982, 722. Diese Vorstellung ist noch von der Summentheorie und dem Enumerationsprinzip geprägt, das jedoch überwunden ist, vgl. Schön, S. lOff und S. 77f. 61 Sontis, Festschrift Larenz, S. 993; Staudinger/Seiler, Vor § 903 Rn 54; vgl. dazu Raiser, Festschrift Sontis, S. 167, 170. Insoweit wird häufig von der dem Eigentum typischen „Elastizität" oder der „Expansivkraft" gesprochen. Schwab/Prutting, Sachenrecht, Rn 306; Sontis, Festschrift Larenz, S. 989. Wieling, Sachenrecht, § 8 II 1 c Fußnote 34, und Schloßmann, JherJB, 45, 1903, 289ff, 373, weisen darauf hin, daß diese „Elastizität" jedem Recht zukomme. Für das Verhältnis zwischen Eigentum und Nutzungsrechten ist sie jedoch nichtsdestotrotz charakteristisch, vgl. auch Schön, S. 13. 62 Vgl. dazu S. 77f. 63 Vgl. MünchKomm/Säcker, § 903 Rn 4. Als mittelbarer Besitzer gemäß § 868 B G B hat er die Rechte aus § 869 B G B . 64 Vgl. dazu S. lOOf. 65 Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 500; vgl. dazu S. 278 ff.

88

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

t e s R e c h t e r l a n g t . G e g e n ü b e r D r i t t e n g e n i e ß t e r als I n h a b e r e i n e s b e s c h r ä n k t e n d i n g l i c h e n R e c h t s o d e r z u m i n d e s t als b e r e c h t i g t e r B e s i t z e r S c h u t z n a c h § 823 B G B . 6 6

II. Inhalt der

Nutzungsberechtigung

M i t der E i n r ä u m u n g der N u t z u n g s b e r e c h t i g u n g erhält der N u t z u n g s b e rechtigte in e i n e m m e h r o d e r w e n i g e r b e s c h r ä n k t e n U m f a n g die N u t z u n g s b e f u g n i s . D a s a m w e i t g e h e n d s t e n a n g e l e g t e N u t z u n g s r e c h t ist d e r

dingliche

N i e ß b r a u c h , mit d e m e i n e m D r i t t e n auf L e b e n s z e i t 6 7 die B e r e c h t i g u n g erteilt w e r d e n k a n n , die N u t z u n g e n aus der S a c h e zu z i e h e n . 6 8

69

Miete, Pacht und

L e i h e sind d e m g e g e n ü b e r inhaltlich w i e zeitlich b e s c h r ä n k t e r u n d auf die B e friedigung ganz bestimmter Bedürfnisse bezogen. M i t d e m E r w e r b eines N u t z u n g s r e c h t s verfolgt der N u t z u n g s b e r e c h t i g t e regelmäßig ganz spezifische Ziele. Rechtlich wie auch

volkswirtschaftlich

s t e h t d e s h a l b n i c h t d i e N u t z u n g s ü b e r l a s s u n g als s o l c h e , s o n d e r n d i e Ü b e r l a s sung der Sache zu einem ganz b e s t i m m t e n Z w e c k im Vordergrund.70

Die

Z w e c k o r i e n t i e r u n g zeigt sich dabei darin, d a ß sich die P a r t e i e n i m jeweiligen Eigeninteresse auf eine ganz b e s t i m m t e A r t der N u t z u n g der Sache einigen.71 B e i der M i e t e etwa wird eine Sache aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften

66 Im Verhältnis zu Dritten genießt der Nutzungsberechtigte im Rahmen von § 823 I B G B Schutz, da der berechtigte Besitz als sonstiges Recht anzusehen ist; B G H N J W 1998, 377, 380; vgl. Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 500; Medicus, AcP 165, 136; Diederichsen, S. 64ff; Palandt/Thomas, § 823 Rn 12; Jauernig/Teichmann, § 823 Rn 16. 67 Sog. Versorgungsnießbrauch. 68 Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 501 Fußnote 35, will deshalb die umfassende Übertragung der Nutzungsberechtigung auf Lebenszeit der umfassenden Herrschaftsmacht eines Eigentümers gleichstellen und deshalb bei Beschädigung der Sache keine Nutzungsentschädigung gewähren. Er begründet dies insbesondere damit, daß es an einer für ein Nutzungsrecht typischen zeitlichen Begrenzung fehle. Vgl. zur Unterscheidung von Miete und Pacht im folgenden. 69 Von der Eigentümerstellung unterscheidet sich der Nießbrauch wesentlich dadurch, daß für den Nießbraucher der Grundsatz der Substanzerhaltung gilt, er ist anders als der Eigentümer nicht berechtigt, auf die Substanz als solche zuzugreifen und über sie zu verfügen, BayO b L G München B a y O L G Z 1972, 364ff; D N o t Z 1978, 99ff; K G RPfl 1992, 14ff; Wieling, Sachenrecht, § 14 I 1 d bb; MünchKomm/Petzoldt, Vor § 1030 Rn 16; Staudinger/Promberger, Vor § 1030 Rn lOff; kritisch Schön, S. 29ff, der den Gesichtspunkt der Zweckbindung und der Zeitbegrenzung in den Vordergrund stellt. Nach § 1059 B G B , der allerdings durch § 1059a B G B durchbrochen wird, ist der Nießbrauch nicht übertragbar und damit auf die Lebenszeit des Nießbrauchers beschränkt, vgl. dazu die Motive III, S. 262 = Mugdan III, S. 145. 70 Die besondere Bedeutung der Zweckbestimmung beim Nießbrauch betont Schön, S. 22, der in ihr das maßgebliche Kriterium zur Abgrenzung der Rechte und Pflichten sieht. 71 Die durch die Nutzungsüberlassung angestrebte Maximierung des Gesamtnutzens läßt sich nur verwirklichen, wenn die Parteien sich vorab auf eine bestimmte Nutzungsart einigen, von der sich beide den jeweils größten Vorteil versprechen, Posner, The Economics of Justice, Ch. 4, S. 88ff; Eschenburg, S. 9ff, 11; Schön, S. 34.

B.

Nutzungsrechte

89

und der Art ihrer Verwendbarkeit regelmäßig zu einem bestimmten Zweck ge- bzw. vermietet, etwa als Wohnraum, als Geschäftsraum, Laden oder Lager. Diese Zweckbestimmung beeinflußt regelmäßig auch entscheidend den Wert des Nutzungsrechts, d.h. den Mietzins. 72 Inhalt des Nutzungsrechts ist damit regelmäßig der Gebrauch der Sache zu einem bestimmten Zweck in einem bestimmten Umfang, wobei dem Vermieter bei vertragswidrigem Gebrauch die Rechte aus den §§ 550, 553 BGB zustehen. Aus der Vielzahl der Möglichkeiten, mit der Sache zu verfahren, wird damit eine ganz bestimmte Facette herausgegriffen. Die Nutzungsberechtigung ist außerdem regelmäßig zeitbezogen, ihr wohnt anders als dem Eigentum eine zeitliche Schranke inne. 73 Der Zeitaspekt zeigt sich bei der Miete in zweierlei Hinsicht: Zum einen bezieht sie sich nur auf einen befristeten Zeitraum bzw. kann durch Kündigung beendet werden, zum anderen ist der Mietzins für die Überlassung der Sache gemäß § 551 BGB regelmäßig für bestimmte Zeitabschnitte zu leisten. Dadurch, daß der Mietzins für einen genau bestimmten Zeitraum, z.B. einen Monat, zu leisten ist, wird der Wert des Gebrauchsrechts genau beziffert und sein Wert wird offensichtlich. 74 Der Grundsatz der synallagmatischen Verbindung von Leistung und Gegenleistung und ihrer Gleichwertigkeit wird dabei besonders an der Regelung des § 537 BGB deutlich. Erbringt der Vermieter seine vertraglich geschuldete Leistung nicht, sei es, daß er dem Mieter die Sache nicht überläßt oder sie nicht die notwendige Gebrauchstauglichkeit aufweist, mindert sich automatisch der Mietzins, ändern sich also kraft Gesetzes die Vertragspflichten. 75 Da der Grund für die Minderung des Mietzinses in einer teilweisen Nichterfüllung des Vermieters besteht, kann es nicht darauf ankommen, ob der Mieter die betreffende Sache nutzen konnte oder wollte. 76 Die Regelung des § 537 BGB sieht damit eine Vertragsmodifizierung aufgrund Nichterfüllung der geschuldeten Leistung vor. Macht der Mieter hingegen im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 538 oder 823 BGB 7 7 einen weitergehenden Schaden, insbesondere entgangenen Gewinn geltend, so kommt es darauf an, wie er die Sache konkret einsetzen wollte und welche Gewinne er dabei erzielt hätte. Der Schadensersatzanspruch knüpft damit an die konkrete Verwendung der Sache an. Es ist insoweit zwischen dem vertraglich geschuldeten Nutzungsrecht, dessen 72

Dies zeigt sich etwa darin, daß die Mieten für gewerbliche Räume wesentlich höher liegen als für Wohnräume. 73 Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 500. 74 Anders war dies in der Entscheidung B G H Z 101, 325. 75 B G H N J W 1987, 432, 433; NJW-RR 1991, 779. 76 Palandt/Putzo, § 537 Rn 21; B G H N J W 1958, 785 - entsprechend kommt es auch dann zur Mietherabsetzung, wenn während des Urlaubs des Mieters die Heizung ausfällt. 77 Im Verhältnis zu Dritten genießt der Nutzungsberechtigte als berechtigter Besitzer im Rahmen von § 823 I BGB Schutz, vgl. BGB N J W 1998, 377, 380; Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 500; Medicus, AcP 165, 136; Diedericbsen, S. 64ff; Palandt/Tbomas, § 823 Rn 12; Jauernig/Teichmann, § 823 Rn 16.

90

5 3 Eigentum, Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Wert sich in der Miete widerspiegelt, und den Vorteilen, die mit der Sache erzielt werden können, zu unterscheiden. Der Mietzins und die Vorteile, die der Mieter aus der Sache zu ziehen beabsichtigt, decken sich nicht notwendig, vielmehr geht das Interesse des Mieters normalerweise dahin, mehr Vorteile aus der Sache zu ziehen, als ihn die Miete der Sache und damit die Nutzungsbefugnis kostet. Dies wird insbesondere bei gewerblichem Einsatz bzw. erlaubter Untervermietung deutlich. Bei Miete und Pacht ist außerdem die Besonderheit zu beachten, daß sich die Rechte des Mieters/Pächters nicht allein auf das Nutzungsrecht, also die Gebrauchs-/Nutzungsüberlassung, beschränken. Wesentlicher Teil des Inhalts des Miet- wie auch Pachtvertrages ist, wie sich aus §§ 536, 586 B G B ergibt, die Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit der Sache während der Miet-/ Pachtzeit durch den Vermieter/Verpächter. Gemäß §§ 536, 537, 538, 586 B G B hat der Vermieter/Verpächter während der Miet-/Pachtzeit für die Mangelfreiheit der Mietsache einzustehen. Die Verpflichtung des Vermieters geht damit wesentlich über die einfache Einräumung eines Nutzungsrechts und damit die Überlassung der Sache zum Gebrauch hinaus. 78 Deutlich wird dies insbesondere daran, daß der Vermieter nicht nur dann seinen Anspruch auf den Mietzins verliert, wenn er die Sache dem Mieter nicht zum Gebrauch überläßt und ihm also das Nutzungsrecht vorenthält, sondern auch dann, wenn während der Mietzeit die Sache von einem Dritten beschädigt wird, so daß sie sich nicht mehr in dem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand befindet. In diesem Fall hat der Vermieter nicht seine Verpflichtung zur Überlassung des Gebrauchs verletzt, die Mietminderung gemäß § 537 B G B findet ihre Grundlage vielmehr allein in der darüber hinausgehenden Verpflichtung des Vermieters, die Gebrauchsfähigkeit der Sache zu erhalten. Bei der Miete haftet der Vermieter damit nicht nur für die Einräumung des Nutzungsrechts, sondern auch für die Gebrauchsfähigkeit, also die Nutzungsmöglichkeit der Sache in tatsächlicher Sicht, während der gesamten Mietzeit. Dies hat seine Grundlage in den besonderen Interessen der Parteien beim Mietvertrag. Der Mieter will mit der Sache bestimmte Bedürfnisse befriedigen, deshalb ist er nicht nur an dem Recht, die Sache gebrauchen zu dürfen, interessiert, sondern auch daran, daß sie sich tatsächlich während der gesamten Mietzeit in einem gebrauchsfähigen Zustand befindet. Diese für mietund pachtrechtliche Rechtsverhältnisse typische Verbindung von rechtlicher Nutzungsbefugnis und faktischer Benutzbarkeit der Sache gilt jedoch nicht für alle Nutzungsrechte. So hat beim Nießbrauch der Nießbraucher für die gewöhnliche Unterhaltung der Sache gemäß § 1041 B G B zu sorgen. 79 Es ist 78 Bei §§ 537, 586 B G B handelt es sich materiell um eine Nichterfüllungsregelung, Larenz, Schuldrecht II, § 48 II b; Jauernig/Teichmann, § 537 Rn 1. 79 Beim entgeltlichen Nießbrauch wird das Kausalgeschäft als „kaufähnliches Geschäft" i.S.v. § 493 B G B angesehen. Es finden deshalb im Grundsatz die §§ 459ff BGB, d.h. die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln, Anwendung, vgl. Schön, S. 363. Treten im Anschluß an die Bestellung des Nutzungsrechts Schäden an der Sache auf, die ihren bestimmungsgemäßen Ge-

B.

91

Nutzungsrechte

deshalb zwischen der Verletzung des Nutzungsrechts und der tatsächlichen Benutzbarkeit der Sache zu differenzieren. Entzieht jemand dem Nutzungsberechtigten die Sache oder aber beschädigt er sie mit der Folge, daß sie vom Besitzer nicht genutzt werden kann, so steht dem Nutzungsberechtigten als berechtigtem Besitzer ein Schadensersatzanspruch nach § 823 B G B zu. 8 0 Die Schadensersatzfrage bleibt jedoch bei der Miete regelmäßig ohne praktische Relevanz, weil der Mieter auf der Grundlage von § 537 B G B wegen der Beschädigung der Mietsache automatisch von seiner Mietzahlungspflicht befreit wird und damit der Schaden den Eigentümer und nicht ihn trifft. 81 D e n den Mietzins übersteigenden entgangenen Gewinn kann der Nutzungsberechtigte jedoch vom Schädiger verlangen. Soweit es um einen aufgrund zeitweiligen Verlustes der N u t z u n g s m ö g lichkeit der Sache entgangenen Gewinn geht, ist daher letztlich die Stellung des Besitzers mit der eines Eigentümers vergleichbar und er kann auf der Grundlage von § 823 B G B wegen Besitzverletzung einen entsprechenden E r satzanspruch geltend machen. 8 2

III.

Vorenthaltung eines vertraglich Gebrauchsrechts

eingeräumten

Von erheblicher Bedeutung für die Schadensersatzfrage ist, ob es um die Vorenthaltung eines vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts oder um den zeitweiligen Verlust der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit aufgrund einer Sachbeschädigung geht. 83 In seiner Entscheidung im 101. Band 8 4 hatte sich

brauch hindern, so käme bei Qualifikation des Kausalgeschäfts als miet- oder pachtähnliches Dauerschuldverhältnis eine Entgeltsminderung in Analogie zu § 537 B G B in Betracht, vgl. L G Düsseldorf, Z M R 1957, 55 f. Gegen eine solche Qualifikation als miet- oder pachtähnliches Verhältnis spricht jedoch, daß der Besteller einer Dienstbarkeit nicht verpflichtet ist, die dienende Sache aktiv in einem nutzungstauglichen Zustand zu halten, vgl. B G H N J W 1991, 837ff. Eine analoge Heranziehung von § 537 B G B kommt daher nur dann in Betracht, wenn es um außergewöhnliche Schäden geht, vgl. Schön S. 364. Kann der Nießbraucher die Sache aufgrund eines Eingriffs in die Sache vorübergehend nicht nutzen, so hat er aufgrund seines dinglichen Nießbrauchsrechts einen Anspruch gegen den Schädiger. O b ihm daneben aufgrund vertraglicher Abrede auch ein Minderungsrecht gegenüber dem Eigentümer zusteht, hängt dabei von der Ausgestaltung des Vertrages ab, wobei zu beachten ist, daß der Nießbrauchsbesteller regelmäßig, anders als bei der Miete, keine umfassende Gewährleistung für die Sache übernimmt und deshalb auch insoweit nicht haftet. Vgl. S. 89. Vgl. dazu Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 500; B G H N J W 1991, 1421, 1422 f. Der Eigentümer kann aber den ihm entgangenen Mietzins als entgangenen Gewinn gegen den Schädiger geltend machen. 82 B G H N J W 1998, 377, 380. 83 B G H Z 101, 325 ff; O L G Frankfurt N J W - R R 1998, 415. 84 S. 325ff; Anmerkungen zu dieser Entscheidung bei Zeuner, J Z 1988, 200; Schiemann, JR 1988, 369; Flessner/Kadner, JuS 1989, 879; Ott, EWiR § 249,1/88; vgl. auch zur parallelen Pro80 81

5 3 Eigentum, Nutzungsrechte und Nutzungen

92

der B u n d e s g e r i c h t s h o f mit der F r a g e des Schadensersatzes wegen Vorenthaltung einer vertraglich vereinbarten G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g auseinanderzusetzen. D i e Parteien hatten sich in einer Scheidungsvereinbarung darauf geeinigt, daß der Kläger mit den K i n d e r n in den F e r i e n ein der B e k l a g t e n gehörendes H a u s b e n u t z e n dürfe. In der F o l g e z e i t widersetzte sich dem die B e k l a g t e j e d o c h und es k a m zu einer Schadensersatzklage. D i e P r o b l e m a t i k auch dieser E n t s c h e i d u n g rührt nicht zuletzt daher, daß sich unter Zugrundelegung der D i f f e r e n z t h e o r i e kein

Vermögensschaden

feststellen ließ. 8 5 D e r B u n d e s g e r i c h t s h o f sprach dem Kläger d e n n o c h einen Schadensersatzanspruch zu und betont, daß das R e c h t auf die hier b e t r o f f e n e G e b r a u c h s m ö g l i c h k e i t nicht auf dem E i g e n t u m an der Sache beruhe, sondern auf einem durch die Vereinbarung der Parteien begründeten A n s p r u c h , der auf eine zeitlich begrenzte G e b r a u c h s g e w ä h r u n g gerichtet sei und dessen E r füllung für die weitere vereinbarte D a u e r verweigert w e r d e . 8 6 D e r B u n d e s g e richtshof spricht der G e b r a u c h s m ö g l i c h k e i t V e r m ö g e n s w e r t zu und erklärt: „ D i e s e Frage bereitet erhebliche Schwierigkeiten, soweit das R e c h t , das die G e b r a u c h s m ö g l i c h k e i t gewährt, aus dem E i g e n t u m an der Sache erwächst. I n s o w e i t wird der Beurteilung der G e b r a u c h s m ö g l i c h k e i t als V e r m ö g e n s w e r t entgegengehalten, daß der G e b r a u c h s w e r t für den E i g e n t ü m e r kein v o m S u b stanzwert „abspaltbarer" W e r t sei, sowie, daß das G e b r a u c h s r e c h t des E i g e n tümers keiner zeitlichen B e s c h r ä n k u n g unterliege und deshalb ein zeitweilig u n t e r b l i e b e n e r G e b r a u c h beliebig nachgeholt werden k ö n n e . " 8 7 A n d e r s verhalte es sich hingegen bei einem auf vertraglichem A n s p r u c h beruhenden, zeitlich begrenzten G e b r a u c h s r e c h t , denn „ein derartiger Vertrag führt zur A b s o n d e r u n g des G e b r a u c h s r e c h t s v o m E i g e n t u m und begründet seine Selbständigkeit als V e r m ö g e n s g u t " . 8 8 D e r B u n d e s g e r i c h t s h o f verweist insoweit auf die Zeitbegrenztheit der N u t z u n g s r e c h t e im G e g e n s a t z z u m E i g e n t u m 8 9 und die selbständige A n e r k e n n u n g vertraglicher N u t z u n g s r e c h t e durch das Gesetz.90 blematik des Entzugs oder der Vorenthaltung eines Dienstwagens und der Berechnung des Wertes der Nutzungsüberlassung BAG NJW 1999, 3507; 1995, 348. 85 BGHZ 101, 325, 330; vgl. dazu Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 881. 86 BGHZ 101, 325, 333. 87 BGHZ 101, 325, 332 unter Verweis auf BGHZ - GZS - 98, 220; BGHZ 76, 179,184; 96, 124, 128; Vorlagebeschluß NJW 1986, 386, 393; RGRK/Steffen, Vor § 249 Rn 444; Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489, 498 ff. 88 Hier verweist der BGH wieder auf BGHZ 76,179,184; vgl. auch Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4; Larenz, Festschrift Nipperdey, 489, 500; ders., Schuldrecht I, § 29 II c, S. 503; Esser/ Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 II 1 d. 89 „Außerdem tritt für die Zeit, in der das Gebrauchsrecht entzogen wird, ein endgültiger Verlust der Gebrauchsmöglichkeit ein, weil eine Nachholung des Gebrauchs wegen der zeitlichen Begrenzung ausscheidet. Jedenfalls eine solche Beeinträchtigung des Gebrauchsrechts stellt einen ersatzfähigen Vermögensschaden dar," BGHZ 101, 325; vgl. auch Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 500; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 II 1 d; Küppers, S. 102 ff, 109; Ströfer, S. 70. 90 BGHZ 101, 325, 333.

B.

Nutzungsrechte

93

Seine - weitgehend auf Zustimmung gestoßene 9 1 - Entscheidung, Schadensersatz für die Beeinträchtigung des Gebrauchsrechts zu gewähren, begründet der Bundesgerichtshof also im wesentlichen damit, daß ein verselbständigtes Gebrauchsrecht betroffen sei und nicht das Eigentum. Ein anderer Aspekt, den der Bundesgerichtshof nur kurz anspricht, 9 2 der aber dadurch, daß immer wieder auf die Entscheidung des Großen Senats 9 3 Bezug genommen wird, nicht genügend hervortritt, erscheint jedoch wesentlich gravierender. Wird dem Vertragspartner nicht die vertraglich zugesagte Gebrauchsmöglichkeit eingeräumt, so erfüllt der Schädiger seine vertragliche Verpflichtung nicht, der Vertragspartner erhält das ihm zugesagte Recht nicht. 94 Die Vorenthaltung des Gebrauchsrechts stellt demnach bereits einen Schaden dar, der sich vermögensmäßig dahingehend auswirkt, daß dem G e schädigten dessen objektiver Wert entgeht. 9 5 Daneben kann sich die Nichtgewährung des Gebrauchsrechts beim Verletzten auch dadurch negativ bemerkbar machen, daß er in dem betreffenden Zeitraum keine Gebrauchsvorteile aus der Sache ziehen kann, also sein Nutzungsrecht nicht ausüben und vorliegend die Ferien nicht in der Wohnung verbringen kann. Für die Schadensersatzfrage ist deshalb zu beachten, daß der Schaden in zweierlei liegen kann: in der Vorenthaltung des Gebrauchsrechts an sich und zum anderen in dem aus dieser Vorenthaltung folgenden Entgang konkreter Nutzungsvorteile. Darin unterscheidet sich diese Fallgestaltung maßgeblich von den Fällen, in denen der Eigentümer die Nutzungsmöglichkeit der Sache aufgrund eines Substanzeingriffs verliert. Denn diese sind dadurch gekennzeichnet, daß die primäre Rechtsverletzung in der Substanzverletzung besteht und nicht in einem Eingriff in die Nutzungsberechtigung. Der zeitweilige Verlust der N u t zungsmöglichkeit ist hier allein die Folge des Eingriffs in die Sachsubstanz und wirkt sich darin aus, daß die Sache nicht genutzt werden kann. Anders als bei der Vorenthaltung des Gebrauchs wird damit dem Geschädigten also nicht die Nutzungsbefugnis streitig gemacht, sondern die Sache ist allein aus faktischen Gründen infolge des Eingriffs nicht nutzbar. 9 6 O b w o h l der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu Recht immer wieder auf das Gebrauchsrecht als selbständige Rechtsposition abstellt, nimmt er, wie angesprochen, immer wieder B e z u g auf die Entscheidung des 91 Zeuner, J Z 1988, 200; Flessner/Kadner, J u S 1989, 879; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 4 Fußnote 197; ablehnend Schiemann, J R 1988, 369. Auch in der Stadthallenentscheidung, B G H Z 99, 182, hat der B G H neben demAspekt, daß Mietzinsen nicht zu zahlen waren, in beschränktem Rahmen einen Ersatzanspruch zuerkannt; vgl. zu ihrer besonderen Problematik S. 270ff. 92 B G H Z 101,325, 333. 93 B G H Z 98, 212ff. 9 4 Vgl. auch Ott, E W i R 1988, § 249 1/88; Schäfer, J A 1988, 155f. 9 5 Anders Schiemann, J R 1988, 369. 96 Parallelen weisen die Fälle der Vorenthaltung eines Gebrauchsrechts mit den Fällen auf, in denen sich ein Dritter ein Nutzungsrecht anmaßt und damit in die Nutzungsbefugnis des Eigentümers eingreift. Vgl. dazu S. 210ff.

94

§ 3 Eigentum, Nutzungsrechte

und

Nutzungen

G r o ß e n Zivilsenats zur Nutzungsentschädigung und läßt damit im unklaren, w o r i n er d e n e n t s c h e i d e n d e n a u s z u g l e i c h e n d e n S c h a d e n s i e h t , i n d e r V o r e n t h a l t u n g des G e b r a u c h s r e c h t s o d e r a b e r d a r i n , d a ß d e r K l ä g e r die S a c h e n i c h t n u t z e n k o n n t e . S o w i r d in d e r E n t s c h e i d u n g d a r a u f v e r w i e s e n , d a ß d e r K l ä g e r das F e r i e n h a u s h a b e n u t z e n w o l l e n , a l s o d e r V e r l u s t d e r N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t f ü r i h n f ü h l b a r g e w e s e n sei. A n d e r e r s e i t s s e t z t sie s i c h a b e r i n t e r e s s a n t e r w e i s e , o b w o h l es sich u m e i n e F e r i e n w o h n u n g h a n d e l t e , n i c h t m i t d e r F r a g e a u s e i n a n d e r , o b ein W i r t s c h a f t s g u t m i t a l l g e m e i n e r z e n t r a l e r B e d e u t u n g f ü r die L e b e n s h a l t u n g b e t r o f f e n war.97 D a ß dieses S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e einschränkende K r i t e r i u m bei der Vorenthaltung vertraglich vereinbarter verm ö g e n s w e r t e r N u t z u n g s r e c h t e n i c h t t r a g f ä h i g sein k a n n , ist d a b e i o f f e n s i c h t lich.98 A u f d e r G r u n d l a g e d e r A r g u m e n t a t i o n des B u n d e s g e r i c h t s h o f s , d a ß das G e b r a u c h s r e c h t des M a n n e s e i n e e i g e n s t ä n d i g e V e r m ö g e n s w e r t e R e c h t s p o s i t i o n d a r s t e l l e , d i e es z u e n t s c h ä d i g e n g e l t e , s i n d a u c h s e i n e Ü b e r l e g u n g e n z u r S c h a d e n s e r s a t z b e r e c h n u n g auf den ersten B l i c k überraschend. D e n n er weist d a r a u f h i n , d a ß d e m K l ä g e r e i n e E n t s c h ä d i g u n g f ü r das G e b r a u c h s r e c h t n i c h t f ü r die g e s a m t e D a u e r d e r S c h u l f e r i e n , s o n d e r n n u r f ü r d e n Z e i t r a u m , „ i n d e r e r ( d e r K l ä g e r ) die F e r i e n i m F a l l e d e r V e r f ü g b a r k e i t des F e r i e n h a u s e s d o r t v e r b r a c h t h ä t t e " , z u s t ü n d e . D i e s legt n a h e , d a ß d e r B u n d e s g e r i c h t s h o f l e t z t l i c h in W a h r h e i t d o c h n i c h t auf die V o r e n t h a l t u n g des G e b r a u c h s r e c h t s

abstellt,99

97 B G H Z 101, 325, 333. Diesen Widerspruch moniert Schiemann, J R 1988, 369, 370; vgl. auch Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 880. In seiner Entscheidung, N J W 1987, 771, verneinte der V. Zivilsenat zumindest teilweise einen Nutzungsersatzanspruch. Der Klägerin war ein lebenslanges vertragliches Nutzungsrecht an einer Wohnung eingeräumt worden, die ihr dann jedoch nicht übergeben oder nachträglich wieder entzogen worden war (der Sachverhalt war, was der Senat auch rügt, insoweit nicht eindeutig aufgeklärt). Einen Ersatzanspruch aufgrund einer Vertragsverletzung lehnte der Bundesgerichtshof unter Anlehnung an die Entscheidung des großen Zivilsenates, B G H Z 98, 212, mit der Begründung ab, ein Ersatzanspruch sei nur dann zu gewähren, wenn es sich um einen Fall entgangenen Gewinns handele oder aber die Berechtigte die Wohnung selbst habe bewohnen wollen und die Wohnung von zentraler Bedeutung für ihre Lebenshaltung gewesen sei. Die Klägerin habe jedoch erklärt, für sie komme eine eigene Nutzung nicht in Betracht. Dabei trägt der V. Zivilsenat jedoch dem Aspekt nicht ausreichend Rechnung, daß es sich um die Vorenthaltung eines vertraglichen Nutzungsrechts handelte. In einem notariellen Vertrag war nämlich bestimmt, daß der Klägerin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht, dessen Jahreswert auf D M 2400 festgesetzt wurde - zeitweise zahlten die Beklagten auch monatlich DM 200,-! - eingeräumt wird. O b diese Abrede durch die tatsächlichen Geschehnisse überholt wurde und die Klägerin später auf das Wohnrecht verzichtet hat, läßt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Interessanterweise erwägt der V. Zivilsenat einen Nutzungsherausgabeanspruch nach §§ 812, 818 bzw. §§ 987, 292 II B G B .

Vgl. dazu O L G Frankfurt N J W 1998, 415. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes läßt sich aus der Scheidungsvereinbarung nicht entnehmen, welchen Wert die Parteien der Gebrauchsüberlassung beimaßen, da aufgrund der besonderen Sachlage nicht von der Vermutung der Gleichwertigkeit der gegenseitig erbrachten Leistungen ausgegangen werden konnte, B G H Z 101, 325, 335. Das bedeutet aber nicht, daß dem Gebrauchsrecht kein Wert beigemessen wurde, insoweit hat das Gericht entsprechend § 287 ZPO den Wert des Gebrauchsrechts zu schätzen, anders Schiemann, J R 1988, 369, 370. 98

99

B.

Nutzungsrechte

95

sondern auf den Entgang konkreter Nutzungsvorteile. 100 Bei näherer Betrachtung des Falles erscheint es jedoch so zu sein, daß das Nutzungsrecht des Mannes von vornherein auf diesen Zeitraum beschränkt war, also nicht die gesamte Zeit der Schulferien umfaßte, sondern nur die Zeit, die tatsächlich auch in dem Haus verbracht werden sollte. 101 Als Berechnungsgrundlage schlägt der Bundesgerichtshof den gewinnbereinigten fiktiven Mietpreis vor. Dies erscheint aufgrund der Tatsache, daß bei der Scheidungsvereinbarung nicht von einer gewerblich orientierten, sondern einer privaten Gebrauchsüberlassung ausgegangen wurde, sachgerecht. 102

IV.

Fazit

Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den Fällen der Vorenthaltung eines vertraglich eingeräumten Gebrauchsrechts und denen, in denen eine Sache aufgrund eines Eingriffs in die Sachsubstanz vom Eigentümer zeitweilig nicht genutzt werden kann. Denn die Vorenthaltung des Nutzungsrechts bedeutet gleichzeitig, daß dem Geschädigten dieses Recht entgeht. Demgegenüber sind die Fälle der zeitweiligen Beeinträchtigung der faktischen - nicht rechtlichen - Nutzungsmöglichkeit einer Sache dadurch gekennzeichnet, daß in die Sache eingegriffen wird und als Folge davon, diese nicht nutzbar ist. Neben der Beschädigung der Sache, dem Primärschaden, kann hier in dem Entgang der Nutzungsmöglichkeit kein weiterer Verlust einer eigenständigen rechtlichen Position gesehen werden. Der Entgang eines Nutzungsrechts kann damit dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache aufgrund Sachbeschädigung nicht gleichgesetzt werden. Bei der Vorenthaltung eines vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts ist weiter zu beachten, daß der Schaden in zweierlei liegen kann: Zum einen im Entgang des Nutzungsrechts als solchem, zum anderen darin, daß dem Geschädigten dadurch, daß ihm das Nutzungsrecht nicht zur Verfügung steht und er von ihm nicht in bestimmter Weise Gebrauch machen kann, ein über den Wert des Nutzungsrechts hinausgehender Gewinn entgeht.

100 So stellt Zeuner, JZ 1988, 200, 201, in seiner Besprechung des Urteils schwerpunktmäßig auf den Aspekt der Subjektbezogenheit des Schadens ab, den er aus § 249 S. 2 ableitet, vgl. schon AcP 163, 380, 394ff sowie Gedächtnisschrift Dietz, S. 99, 118f, 120ff; auch Flessner/ Kadner, JuS 1989, 879, 882, beziehen sich vorrangig auf die Erforderlichkeit nach § 249 S. 2 BGB; krit. Schiemann, JR 1988, 369. 101 Die Scheidungsvereinbarung sah eine entsprechende Ferienplanung vor. Dieser Aspekt wird auch von Zeuner, JZ 1988, 200, 201, gesehen. Dann beruht aber die Begrenzung des Schadens darauf, daß das Nutzungsrecht von vornherein beschränkt war, und nicht auf dem Prinzip der Subjektbezogenheit. 102 Zustimmend Zeuner, JZ 1988, 200, 201; krit. Coester-Waltjen, WuB IV A, § 249 BGB

1.88.

96

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

C.

und

Nutzungen

Nutzungen

Die Nutzungsmöglichkeit einer Sache ist die Basis für die konkrete Vorteilsziehung aus ihr, die Ziehung von Nutzungen. Z u m besseren Verständnis des Verhältnisses der mit dem Haben einer Sache verbundenen abstrakten Nutzungsmöglichkeit und den tatsächlich realisierten Vorteilen wird im folgenden den Nutzungen und ihrer rechtlichen Bedeutung nachgegangen. Das Eigentum - in eingeschränktem Maße gilt dies auch für die Nutzungsrechte 103 - berechtigt den Eigentümer, soweit nicht Gesetze oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben zu verfahren. Diese positive Befugnis eröffnet ihm ein weitreichendes Potential, mit der Sache umzugehen und sie einzusetzen. 104 Dieses Potential kann er unter anderem in der Weise realisieren, daß er die Sache nutzt und Vorteile aus ihr zieht. Die Vorteilsziehung kann in der Weise geschehen, daß der Berechtigte selbst tatsächlich auf die Sache zugreift und von ihr Gebrauch macht oder aber dadurch, daß er einem Dritten die Sache gegen Entgelt zur N u t z u n g überläßt. Nutzungen sind damit die Vorteile, die der tatsächliche Gebrauch der Sache, also ihr über das „Haben" hinausgehender tatsächlicher Einsatz, vermittelt. Die Zuordnung von aus der Sache gezogenen Vorteilen, Früchten und Gebrauchsvorteilen, zu einem Rechtsträger ist von wichtiger rechtlicher wie wirtschaftlicher Bedeutung. Das BGB hat deshalb in einer Reihe von Vorschriften ihre Zuweisung an einen Rechtsträger bzw. die Verpflichtung zur Herausgabe geregelt, so in den §§292, 302, 347, 379, 446 I 2, 487, 581, 589, 743 I, 745, 818 I, 820, 953ff, 987, 988, 993, 1030,1068, 1213, 1214, 1698, 2020, 2023,2184, 2379, 2380 BGB. Der Begriff der Nutzungen hat in § 100 BGB eine Legaldefinition erfahren. Danach sind Nutzungen „die Früchte einer Sache oder eines Rechtes sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt." Es werden damit die Früchte einer Sache oder eines Rechtes und die hier besonders interessierenden Gebrauchsvorteile gleichgesetzt. In historischer Sicht stand die Zuordnung der Früchte als eigenständig neben die Muttersache tretende Sachen und Erträge im Vordergrund, vgl. §§ 953ff, 101 BGB. Dieser Zuordnung kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn der Nutzungsberechtigte nicht identisch mit dem Eigentümer ist, wie etwa im Fall der §§ 581, 1030 BGB, und wenn sich die Frage nach ihrer Herausgabe oder ihrer Erstattung stellt. 105 Auf den Begriff der Früchte, der in § 99 BGB eine eigenständige Definition erfahren hat, ist daher zunächst einzugehen.

103 Dies gilt insbesondere f ü r den dinglichen N i e ß b r a u c h als umfassendstes N u t z u n g s recht, vgl. S. 88. 104 Vgl. dazu S. 81 ff. 105 Johow, S. 81; Motive III, S. 67 = Mugdan I I I , S. 37.

C.

Nutzungen

97

I. Früchte Der Fruchtbegriff geht auf das römische Recht zurück. 106 Das Wort „fructus" bedeutet ursprünglich Genuß. 107 Im weiteren Sinne erfaßte er deshalb nicht nur Früchte im natürlichen Sinne, sondern auch Entgelte für die Gebrauchsüberlassung wie insbesondere Miet- und Pachtzinsen und Zinsen aus Kapital. 108 Auch das gemeine Recht ging von einem weiten, auf Sachen bezogenen Fruchtbegriff aus. Es unterschied zwischen natürlichen Früchten der Sache, den Erzeugnissen und der sonstigen Ausbeute, und bürgerlichen bzw. juristischen Früchten, insbesondere den Einkünften aus einer Sache aufgrund eines Rechtsverhältnisses. 109 Im B G B wurde der Fruchtbegriff über die Nutzung von Sachen hinaus auch auf die Nutzung von Rechten erstreckt. Der weite Fruchtbegriff des § 99 B G B erfaßt unmittelbare Sachfrüchte (§ 99 I B G B ) , unmittelbare Rechtsfrüchte (§ 99 II B G B ) und mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte (§ 99 III B G B ) .

1. Unmittelbare

Sachfrüchte

Der Begriff der Sachfrucht beschränkt sich in § 99 I B G B nicht auf Früchte im biologischen Sinne, sondern erfaßt alle organischen Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute. Von einem organischen Verständnis der Erzeugnisse ausgehend wird der Begriff wesentlich durch die Auffassung des Verkehrs und der Wirtschaft bestimmt. 110 Als Sachfrüchte werden insbesondere solche Produkte/Erträge angesehen, die bei entsprechender Bewirtschaftung immer wieder gewonnen werden können, also z.B. das auf dem Grundstück gewachsene Getreide, Obst, Holz und natürliche Tierprodukte wie Milch, Eier, etc. 111 Wesentliches Kennzeichen für die Erzeugnisse einer Sache ist, daß sie als selbständige Sachen neben die Muttersache treten und diese, wenn auch nicht unbeschadet, so doch in ihrer Substanz erhalten bleibt. 112 Auch wenn in 106 Vgl. zum Begriff der Frucht im römischen Recht insbes. Reichel, JhJb 42, 205 ff; Wieling, Sachenrecht, § 2 V 1. 107 Reichel, JhJb 42, 205, 207; Windscheid, Pandekten, § 144 Fußnote 5. 108 Vgl. dazu Wieling, Sachenrecht, § 2 V 1. 109 Windscheid, Pandekten, § 144; Johow, S. 81; Motive III, S. 68 = Mugdan III, S. 37. 110 Erman/Michalski, § 99 Rn 4; Soergel/Mühl, § 99 Rn 5; Schnorr v. Carolsfeld, AcP 145, 27. Es kommt damit zu einem Mittelweg zwischen der früher herrschenden organischen oder „Erzeugnistheorie", die insbesondere von Göppert, S. 1 ff, vertreten wurde und der von Petrazycki vertretenen Erträgnistheorie, Petrazycki, Einkommen, Bd I, S. 12f; Reichel, JhJb 42, 205, 244 ff; vgl. dazu auch Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 99, 1. 111 Larenz, Allgemeiner Teil, § 16 V 1; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 20 Rn lOlff. Ob der Gesichtspunkt des „Wiederkehrenden" maßgeblich für den Fruchtbegriff ist, ist umstritten; ablehnend Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch,§ 99,2; Reichel, JhJb. 42,251; a.A. Wieakker, AcP 148, 57ff, 98, der ihn in seinen Gesetzentwurf aufnahm. 112 Larenz, Allgemeiner Teil, § 16 V 1; Erman/Michalski, § 99 Rn 6; Soergel!Mühl, § 99 Rn 9; Palandt/Heinrichs, § 99 Rn 2; a.A. Staudinger/Dilcher, § 99 Rn 3.

98

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

den Motiven Zurückhaltung gegenüber dem Kriterium der Wahrung der Substanz in H i n b l i c k auf den Entwurf Johows, der ihm zentrale Bedeutung beimaß, 1 1 3 geübt wurde, 1 1 4 ist es ein ganz wesentliches Abgrenzungsmerkmal zu anderen F o r m e n der Verwendung der Sache, insbesondere ihrer Veräußerung und ihrem Verbrauch. 1 1 5 D i e von Windscheid vorgenommene Charakterisierung der organischen Erzeugnisse als der Nutzen, welchen die Sache ohne Verringerung ihrer Substanz gewährt und dessen Gewährung ihre wirtschaftliche Bedeutung bestimmt, trifft damit immer noch zu. 1 1 6 Letztlich fallen unter die unmittelbaren Sachfrüchte im wesentlichen die Erzeugnisse, die im Rahmen land-/waldwirtschaftlicher Nutzung 1 1 7 gewonnen werden. 1 1 8 F ü r die Qualifizierung als Frucht k o m m t es nach dem Gesetzeswortlaut des § 99 I B G B , anders als bei der sonstigen Ausbeute, den unmittelbaren und mittelbaren Rechtsfrüchten und den mittelbaren Sachfrüchten, allerdings nicht darauf an, ob sie im Rahmen der wirtschaftlichen bzw. der rechtlichen Bestimmung der Sache gezogen worden ist. 119 Auch Ubermaßfrüchte sind damit Sachfrüchte i.S.d. § 99 I B G B . D e n unmittelbaren Sachfrüchten wird in § 99 I B G B die bestimmungsgemäß gezogene sonstige Ausbeute gleichgestellt und damit der Fruchtbegriff auf die N u t z u n g des Bodens durch Kies-, Torfabbau etc. erweitert. Zwar k o m m t es hier häufig zu einer Beeinträchtigung der Substanz des Grundstücks. Das Prinzip der Schonung der Substanz wird jedoch durch die B e schränkung auf die bestimmungsgemäße N u t z u n g als gewahrt gesehen. 1 2 0

2. Unmittelbare

Rechtsfrüchte

N e b e n den unmittelbaren Sachfrüchten gehören gemäß § 99 II B G B auch die sog. unmittelbaren Rechtsfrüchte zu den Früchten. 1 2 1 Unmittelbare Johow, Sachenrecht, S. 82, 1240, 1242. Motive III, S. 69 = Mugdan III, S. 38, auch hier wird von der Schonung der Substanz gesprochen. 115 Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 b; Staudinger/Dilcher, § 99 Rn 8; Reichel, JhJb 42, 205, 274 ff; Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 99, 2; Kohler, Bürgerliches Recht, § 207; anders Schön, S. 96 ff, für den Nießbrauch. 116 Windscheid, Pandekten, § 144. 117 Ahnlich wie schon im römischen Recht, vgl. Reichel, JhJb. 42, 205, 222. 118 Kohler, Bürgerliches Recht, § 206, spricht insoweit von den Früchten als verkörperten Nutzungen, vgl. dazu kritisch Oertmann, § 100, 1 a. 119 Staudinger/Dilcher, § 9 9 Rn 3. Die besondere Bedeutung der Zweckbindung beim Nießbrauch betont Schön, S. 96. 120 Motive III, S. 69 = Mugdan III, S. 38. Diese Gleichstellung entspricht der auf die Römer zurückgehenden überkommenen Rechtstradition, vgl. dazu Göppert, S. 1 ff; Schön, S. 40; Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 b. Sie wird vor allem wirtschaftlich begründet, obwohl es hier anders als bei den organischen Erzeugnissen zu einer Verringung der Substanz des Grundstücks, mag dieses auch erhalten bleiben, kommt. 121 Windscheid, Pandekten, § 144, ging noch davon aus, daß Früchte allein aus Sachen gezogen werden. 113 114

C.

Nutzungen

99

Rechtsfrüchte sind die bestimmungsgemäß in den Grenzen geordneter Wirtschaft aus Rechten, insbesondere aus Nutzungsrechten, gezogenen Erträge. Bei den Rechtsfrüchten ist zwischen den Erträgen aus Rechten an Sachen und solchen aus Rechten an Rechten zu unterscheiden. Zu den Erträgen aus Rechten an Sachen gehören die von den Nutzungsberechtigten aufgrund ihres Rechts an der Sache gezogenen Erträge, z.B. die im Rahmen einer Pacht oder eines Nießbrauchs aus einer Sache gewonnenen Erzeugnisse. Sie unterscheiden sich von den in Absatz 1 behandelten Sachfrüchten dadurch, daß sie nicht aufgrund Eigentums, 122 sondern aufgrund eines Nutzungsrechts gezogen werden und vom Gesetzgeber primär als Erträge des Nutzungsrechts und nicht der Sache selbst verstanden werden. Hier handelt es sich vornehmlich um die im Rahmen eines Nutzungsrechts erzielten land- bzw. waldwirtschaftlichen Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute aus einem Grundstück. 1 2 3 Die Differenzierung zwischen Sachfrüchten und aufgrund von (Nutzungs-) rechten gezogenen Erzeugnissen und sonstiger Ausbeute erscheint wenig überzeugend. Denn die rechtliche Grundlage der Fruchtziehung und die Beschränkung auf die vereinbarte N u t z u n g ist zwar für die Frage der Fruchtziehungsberechtigung entscheidend, aber für die Bestimmung einer Frucht als solcher wenig erhellend. 124 So führt die Differenzierung dazu, daß die im Rahmen eines Nutzungsverhältnisses nicht bestimmungsgemäß gezogenen „Früchte" zwar keine Rechtsfrüchte nach § 99 II BGB sind, aber die Voraussetzungen einer Sachfrucht i.S.d. § 99 I BGB erfüllen können. 1 2 5 In § 99 II BGB wird der Fruchtbegriff auch auf Rechte an Rechten ausgedehnt. Der Gesetzgeber wollte damit insbesondere die Kapitalzinsen, Leistungen aus Reallasten und sonstige wiederkehrenden Leistungen, die das Hauptrecht nicht in seinem Bestand beeinträchtigen, erfassen. 126 Zinsen und Dividenden als Erträge aus Darlehen, Aktien, Anteilen etc. sind damit unmittelbare Rechtsfrüchte. 1 2 7 Auch die Rechtsfrüchte aus Sachen wie aus Rechten nach § 99 II BGB sind wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei den Erträgen um selb122 Außer Acht bleibt bei diesem Verständnis von Rechtsfrüchten, daß auch das Eigentum ein Recht darstellt, vgl. dazu Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 d; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, §20 Rn 106. 123 Soergel/Mühl, § 99 Rn 11; Palandt/Heinrichs, § 99 Rn 3; bei einem Jagdrecht stellt auch die Jagdbeute eine Rechtsfrucht dar, B G H Z 112, 392, 398; Staudmger/Dilcber, § 99 Rn 10; Palandt/Heinrichs, § 99 Rn 3. 124 Kritisch Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 d; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn 341. 125 Umstritten ist das Verhältnis zwischen § 99 I und II. Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 d, geht von dem weiten Begriff der Sachfrucht in § 99 I BGB aus, der durch das Erfordernis der Bestimmungsgemäßheit in § 99 II BGB nicht eingeengt werde. Nach Staudinger/Dilcher, § 99 Rdn 11, ist hingegen aufgrund der Gesetzessystematik § 99 II BGB vorrangig und es kann deshalb nicht mehr auf § 99 I zurückgegriffen werden. 126 Protokolle, S. 3370; Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 e. 127 Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 e; Staudinger/Dilcher, § 99 Rn 13; Palandt/Heinrichs, % 99 Rn 3; a.A. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 20 Rn 109.

100

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

ständige Sachen bzw. Rechte handelt, die ohne wesentliche Beeinträchtigung der Substanz der Sache bzw. des Rechts neben diese treten. So ist für die Rechte aus Rechten kennzeichnend, daß die Erträge neben das Stammrecht treten, aus dem sie hervorgegangen sind. Deutlich wird dies bei den Kapitalzinsen. 128 Der Gedanke der Substanzschonung ergibt sich außerdem daraus, daß als Früchte nur die im Rahmen der Bestimmung des Rechtes gezogenen Erträge angesehen werden. Die Nutzungsberechtigung ist aber z.B. bei der Pacht und dem Nießbrauch von vornherein auf die Nutzung nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft gemäß § 581 bzw. § 1036 II BGB beschränkt. 129 Es besteht also insoweit eine Diligenzschranke hinsichtlich der Substanz der Sache oder des Rechts. 130 Gezogene Ubermaßfrüchte, die zu Lasten der Substanz gehen, sind deshalb regelmäßig herauszugeben bzw. für sie ist Ersatz zu leisten.

3. Mittelbare Sach- und

Rechtsfrüchte

Während der Fruchtbegriff nach § 99 I und II BGB die durch unmittelbare, konkrete Nutzung der Sache oder des Rechts erwirtschafteten Erträge - Erzeugnisse, sonstige Ausbeute, Zinsen - erfaßt, erweitert § 99 III BGB den Fruchtbegriff auf die mittelbaren Sach- und Rechtsfrüchte. Mittelbare Sachund Rechtsfrüchte sind die durch die rechtsgeschäftliche Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung an andere erwirtschafteten Erträge, also die Gegenleistungen für die Nutzungsüberlassung. Es wird insoweit auch von juristischen oder bürgerlichen Früchten im Gegensatz zu den sogenannten natürlichen gesprochen. 131 Mit dieser Erweiterung des Fruchtbegriffs wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Nutzung einer Sache nicht nur dadurch erfolgen kann, daß der Eigentümer die unmittelbaren Sachfrüchte selbst erwirtschaftet, sondern auch dadurch, daß er das Recht zur Fruchtziehung Dritten gegen eine entsprechende Vergütung überläßt. Dies führt zu einer wesentlichen Ausdehnung des Fruchtverständnisses. Sie liegt nicht zuletzt auch darin, daß das dem Dritten eingeräumte Nutzungsrecht nicht auf die Ziehung von Sachfrüchten, also von Erzeugnissen oder sonstiger Ausbeute, gerichtet sein muß, sondern auch die Ziehung sonstiger Gebrauchsvorteile zum Inhalt haben kann, wie dies etwa bei der Miete von Räumen zu Wohn-, Geschäfts- oder Lagerzwecken der Fall ist. Der vom Eigentümer durch die Vermietung einer Sache, etwa einer Wohnung, erzielte Mietzins stellt somit

Soergel/Mühl, § 99 Rn 11. So ist beim Nießbrauch eine Abänderung des Inhalts des gesetzlichen Schuldverhältnisses mit dinglicher Wirkung durch die Parteien nicht möglich, wenn dadurch der Grundsatz der Erhaltung der Substanz der nießbrauchbelasteten Sache verletzt wird, Bay.ObLG, DNotZ 1978, 99; a.A. Schön, S. 94ff. 130 Reichel, JhJb 42, 205, 283. 131 Windscheid, Pandekten, § 144; Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 c. 128

129

C.

Nutzungen

101

eine mittelbare Frucht der Sache, des Hauses, dar.132 Entscheidend ist auch hier, daß der Ertrag aus der Sache neben diese tritt und die Sache in ihrer Substanz nicht tangiert wird. 133 4. Analyse

des

Fruchtbegriffs

Der Fruchtbegriff erfaßt nicht nur die aus der Sache gezogenen Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute, sondern auch die Erträge aus bestimmten anderen Formen der Nutzung, nämlich der Nutzung von Rechten, insbesondere auch an Rechten, und der Nutzung durch Einräumung von Nutzungsrechten. Für die Früchte i.S.v. § 99 BGB ist kennzeichnend, daß es sich um aus einer Sache oder einem Recht hervorgegangene selbständige „neue" Sachen, wie die Erzeugnisse oder die sonstige Ausbeute, oder Nutzungsentgelte, wie Kapital- oder Mietzinsen, handelt, die neben die Muttersache bzw. das Mutterrecht treten, ohne deren Substanz wesentlich zu beeinträchtigen.134 Ihre rechtliche Zuordnung folgt eigenen gesetzlichen Regeln, wie etwa in §§ 953 ff, 581,1030,818 1, 987ff BGB. Von dem Fruchtbegriff werden bestimmte Formen der Nutzung erfaßt, nämlich insbesondere die Erwirtschaftung von Sachfrüchten und die von Rechten durch Nutzungsüberlassung. Demgegenüber bleiben andere Formen der Nutzung einer Sache, insbesondere die Erwirtschaftung von Gewinnen durch produktiven Einsatz der Sache oder die Ziehung von Gebrauchsvorteilen zur Bedarfsbefriedigung, außen vor. Der weite Fruchtbegriff des § 99 BGB beschränkt sich damit auf eine kasuistische Erfassung bestimmter Erscheinungsformen der Nutzziehung. 135 Eine darüber hinausgehende Erfassung aller aus einer Sache oder einem Recht ziehbaren Vorteile als „Frucht" wurde im 19. Jahrhundert besonders von Dernburg und Petrazycki angestrebt. So setzt Dernburg den Begriff der Frucht mit dem des Einkommens gleich136 und definiert sie als „der regelmäßige Ertrag einer Sache oder eines anderen Vermögensbestandtheils - des Kapitals". 137 Nach ihnen muß die menschliche Wirtschaft zwischen dem „Kapitalstock" oder der Substanz des Vermögens auf der einen Seite und dessen Frucht oder Einkommen auf der anderen Seite unterscheiden. Als Frucht 132 RGZ 105, 408, 409; 138, 69, 71; BGHZ 63, 365, 368. Zu den mittelbaren Früchten zählen auch die Verzugszinsen, BGHZ 81, 8, 13; Soergel/Mühl, § 99 Rn 16; Staudinger/Dilcher, § 99 Rn 15. 133 Staudinger/Dächer, § 99 Rn 14; Larenz, Allgemeiner Teil, § 16 V 1. Deshalb ist auch der Kaufpreis keine Frucht in diesem Sinne. 134 Hinsichtlich der Ausbeute ist das nicht unproblematisch, die wirtschaftliche Gleichsetzung von organischen Erzeugnissen und der sonstigen Ausbeute ist jedoch seit dem römischen Recht überkommen, vgl. dazu S. 97f. 135 Reichel, JhJb 42, 205, 266; Bökelmann, S. 63. 136 Dernburg, Pandekten, § 78; vgl. auch Petrazycki, Einkommen Bd. I, S. 12ff. 137 Dernburg, Pandekten, § 78.

102

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

sieht Dernburg dabei insbesondere auch den Arbeitsertrag von Tieren an 138 und erweitert somit den Fruchtbegriff auch auf Gebrauchsvorteile. Dieser wirtschaftliche Fruchtbegriff zielt darauf ab, alle Erträge aus dem wirtschaftlichen Einsatz einer Sache, soweit sie dadurch nicht in ihrer Substanz betroffen wird, als Frucht zu begreifen. Damit wird das subjektive Verhältnis der nutzenden Person zur Sache in den Vordergrund gerückt. In Abstrahierung werden schließlich als „Frucht" die Reinerträge, d.h. das durch die Sache erzielte periodische Reineinkommen unter Abzug der erforderlichen Aufwendungen zur Erwirtschaftung der Erträge, verstanden. 139 Dieses wirtschaftliche Fruchtverständnis konnte sich jedoch in den Beratungen zum BGB nicht durchsetzen, 140 weil man meinte, die vielfältige Bedeutung erfordere einen möglichst allgemeinen Fruchtbegriff. 141

II. 1.

Gebrauchsvorteile

Charakterisierung

Nutzungen sind nach § 100 BGB die Früchte sowie die Vorteile, die der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Den Früchten, also den selbständigen, aus der Muttersache hervorgegangenen Sachen und Rechten, werden damit die sonstigen aus der Sache gezogenen Vorteile gleichgesetzt. Da der Gesetzgeber in weiten Teilen seiner Regelungen von den Nutzungen ausgeht, werden sie weitgehend gleich behandelt. Anders als der Fruchtbegriff ist der Begriff der Nutzungen erst spät als selbständiger Rechtsbegriff herausgearbeitet worden. Dies hat seinen primären Grund darin, daß beim Auseinanderfallen von Eigentum und Fruchtziehungsberechtigung sowohl für eine rechtliche Zuweisung der aus der Muttersache erwirtschafteten Sachen und Rechte als auch für die Frage ihrer Herausgabe wie ihrer Ersetzung eine genaue Definition der „Früchte" notwendig war, vgl. §§ 953ff BGB. Demgegenüber wurde eine genaue Bestimmung der sonstigen Gebrauchsvorteile nicht für erforderlich erachtet. Zwar enthielten einige Kodifikationen 142 eine Nutzungsdefinition und das preußische ALR definierte in I 2 § 110 Nutzungen als „Vortheile, welche eine Sache ihrem Inhaber unbeschadet ihrer Substanz gewähren kann". Aber Johow hielt in seinem Entwurf zum BGB eine allgemeine Definition der Nutzung ausdrücklich für nicht erforderlich, zumal der Ausdruck Nutzen nicht in einem von 138 Dernburg, Pandekten, § 78. Er begründet dies u.a. damit, daß in Rom zum Fruchtgenuß auch der Arbeitsertrag von Sklaven gezählt habe. 139 Petrazycki, Einkommen Bd I, S. 12ff, Bd II, S. 78; Dernburg, Pandekten, § 78. 140 Motive III, S. 67 = Mugdan III, S. 37. 141 Vgl. dazu auch Schön, S. 40. 142 § 72 Sächsisches BGB lautete: „Unter Nutzungen werden die Früchte und der Gebrauch einer Sache begriffen."

C.

Nutzungen

103

dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichenden Sinne gebraucht werde. Er befaßte sich mit ihm deshalb erst im Rahmen des Nießbrauchs. 143 Daß es im gemeinen Recht noch nicht zu einer Ausprägung eines allgemeinen Nutzungsbegriffs gekommen ist, bedeutet jedoch nicht, daß man den aus einer Sache gezogenen Vorteilen, soweit sie nicht zu den Früchten gehörten, keine rechtliche Bedeutung beimaß. Schon Dernburgs Bestreben, den auf Sach- und Rechtsfrüchte beschränkten Fruchtbegriff durch einen wirtschaftlichen Fruchtbegriff zu ersetzen, zeigt, daß man sich bewußt war, daß sich die Vorteilsziehung aus der Sache nicht auf die „Sach- und Rechtsfrüchte" beschränkt. 144 So befaßte sich auch Johow im Rahmen des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses in § 184 B G B seines Entwurfes ausführlich mit der Frage der Herausgabe des Nutzungsertrages durch den Besitzer und seiner Berech145

nung. Auch v. Kübel ging in seinem Obligationenrecht nicht von einem streng definierten allgemeinen Begriff der Nutzungen aus. 146 Er setzt sich jedoch an verschiedenen Stellen mit der Frage der Erstattung der aus der Sache gezogenen Vorteile auseinander. 147 So befassen sich seine die Rückabwicklung von Rechtsverhältnissen - Rücktritt, ungerechtfertigte Bereicherung - betreffenden Regelungsvorschläge interessanterweise mit der Herausgabe von Früchten und „sonstigem Gewinne", dem Zuwachs und Zubehör 1 4 8 bzw. mit der Herausgabe von Früchten und „zugegangenen Vortheilen." 1 4 9 Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde man sich der Notwendigkeit eines umfassenden einheitlichen Nutzungsbegriffs, insbesondere für das Obligationen- und Sachenrecht, bewußt und man entschloß sich zu einer Definition, 143 Johow, Entwurf zum Sachenrecht, S. 88: „In Ansehung des vermögensrechtlichen Vortheils, den eine Sache gewährt, enthalten neuere Kodifiktionen außer den die Früchte betreffenden Bestimmungen noch andere, von denen der Entwurf ganz ... Abstand nimmt ... Der Ausdruck Nutzen wird in dem B G B nicht in einem von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichenden Sinne gebraucht; und eine besondere technische Ausprägung des Ausdrucks Nutzung ist entbehrlich, da sich derselbe nur auf den Umfang der Befugnisse des Nutzungsberechtigten bezieht, über welche ohnehin bei den betreffenden Instituten das Erforderliche zu sagen ist." Den Begriff der Nutzungen erläuterte er erst im Rahmen des Nießbrauchs, S. 123 8 ff. 144 Vgl. dazu S. 101 f. 145 Vgl. dazu S. 116 Fußnote 220. 146 Von Nutzen ist die Rede z.B. im Entwurf zum Obligationenrecht Nr. 2 § 6, § 405 E I, § 487 IV B G B ; von Früchten und sonstigen Nutzungen im Entwurf zum Obligationenrecht Nr. 32 § 8, § 463 E I, § 446 B G B . 147 Keine Regelung zur Nutzungsfrage enthielt hingegen der Entwurf zum Obligationenrecht Nr. 32 § 13 gegenüber § 467 E I, § 452 B G B und Nr. 22 § 27 gegenüber dem ersten Entwurf § 252. Auch das B G B hat letztlich bei § 290 B G B auf eine Regelung verzichtet. Im Entwurf zum Obligationenrecht Nr. 2 § 34 ging v. Kübel vom Fruchtbegriff aus gegenüber § 258 E I, § 302 B G B ; ebenso in Nr. 15 § 15 gegenüber § 717 E I, § 849 B G B (der auf eine Regelung der Nutzungsproblematik verzichtet), vgl. dazu S. 113. 148 Entwurf zum Obligationenrecht Nr. 20 §§ 16, 17, 30, § 427 E I, §§ 346, 347 BGB. 149 Entwurf zum Obligationenrecht Nr. 10, §§ 5, 6, 8, 9, 11, § 740 E I, § 818 I B G B .

104

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

die zunächst im Sachenrecht ihren Platz finden sollte, 1 5 0 ehe sie wegen ihrer allgemeinen Bedeutung in den Allgemeinen Teil aufgenommen wurde. M i t der Einführung des Nutzungsbegriffs werden den Früchten - von Kohler als „verkörperte" Nutzung bezeichnet 1 5 1 - diejenigen Gebrauchsvorteile gleichgestellt, „die sich weder in realer Ausbeute aus der Sache noch in als ihr Ausgleich erlangten Rechtsansprüchen realisieren, sondern in irgendwelcher sonstigen R i c h t u n g . " 1 5 2 Insbesondere bei solchen Sachen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit keine unmittelbaren Sachfrüchte hervorbringen können, k o m m t der Ziehung von Gebrauchsvorteilen besondere Bedeutung zu. Dies sind zum einen Produktionsmittel, wie Maschinen, Fahrzeuge etc., und zum anderen Sachen, die zur Befriedigung von persönlichen Bedürfnissen dienen, wie Häuser, Wohnungen, M ö b e l , Kraftwagen etc. 1 5 3 Das Wohnen in einem Haus, das Fahren mit einem Kraftfahrzeug, die Benutzung von M ö b e l n stellen typische G e brauchsvorteile dar, Vorteile, die der Gebrauch dieser Sachen gewährt. Diese Gebrauchsvorteile, Nutzungen i.e.S., ergeben sich nicht bereits aus dem H a ben der Sache, sie verlangen vielmehr ihren tatsächlichen Einsatz, es sind also die aus dem Sachbesitz oder der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit gezogenen Vorteile. 1 5 4 Zu den Gebrauchsvorteilen sind auch die aus einem Unternehmen als Rechtsgesamtheit gezogenen Gewinne zu zählen, soweit sie sich als Vorteil aus der Sache selbst, lucrum ex re, darstellen. 1 5 5 Zwar wird die Meinung vertreten, Unternehmensgewinne seien, obgleich es sich bei einem Unternehmen um eine Gesamtheit von Sachen, Rechten und allen sonst dazugehörenden Gütern handele, als Erträge zu qualifizieren, die solchen aus einer Sache vergleichbar seien. 1 5 6 D i e Unternehmenserträge seien deshalb als Früchte gemäß § 99 I B G B analog anzusehen. Andere wiederum stellen sie den Rechtsfrüchten gleich und ziehen § 99 II B G B entsprechend heran. 1 5 7 D e r Fruchtbegriff bezieht sich jedoch nur auf die Erträge aus einer bestimmten F o r m der N u t zung von Sachen und Rechten, 1 5 8 während der Nutzungsbegriff darüber hinaus auch alle sonstigen Nutzungsvorteile, insbesondere die Gebrauchsvorteile, erfaßt. D a es sich bei dem Unternehmensgewinn um Vorteile handelt, die im weiteren Sinne durch den „ G e b r a u c h " , nämlich das Führen, des U n t e r § 793 E I . Kohler, Bürgerliches Recht, § 206. Nach Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 100, 1 a, trifft diese Bezeichnung höchstens auf die natürlichen Früchte zu. 152 O b m a n n , Bürgerliches Gesetzbuch, § 100, 1 b. 153 Vgl. Staudinger/Dilcher, § 100 Rn 1. 154 Staudinger/Dilcher, § 100 Rn 2. Sie können deshalb auch entgegen der Rechtsordnung gewonnen werden. 155 Vgl. dazu S. 121 f. 156 Larenz, Allgemeiner Teil, § 16 V 3; Larenz/Wolf, § 20 Rn 113; Baur, JZ 1958, 465ff; Palandt/Heinrichs, § 99 Rn 3. 157 RGRK/Kregel, § 99 Rn 4; MünchKomm/Holch, § 99 Rn 9. 158 Vgl. dazu S. 101. 150 151

C. Nutzungen

105

nehmens unter E i n s a t z entsprechender Sachen und R e c h t e erzielt werden, erscheint es richtiger, den U n t e r n e h m e n s g e w i n n den sonstigen G e b r a u c h s v o r teilen gemäß § 100 B G B z u z u o r d n e n . 1 5 9 1 6 0 W i e für die F r ü c h t e so ist auch für die G e b r a u c h s v o r t e i l e charakteristisch, daß die Sache in ihrer Substanz nicht tangiert wird. B e s o n d e r s deutlich hat diesen G e d a n k e n das A L R ausgesprochen, das N u t z u n g e n in I 2 § 110 „als Vortheile, welche eine Sache ihrem I n h a b e r unbeschadet ihrer Substanz gewähren k a n n " , definiert hat. D i e Sache dient letztlich bei der Ziehung v o n G e b r a u c h s v o r t e i l e n „als W e r k z e u g " zur Schaffung neuer W e r t e o d e r zur B e friedigung v o n Bedürfnissen. D i e G e b r a u c h s v o r t e i l e sind dabei j e d o c h im U n t e r s c h i e d zu den Sachfrüchten nicht körperlicher Natur. Charakteristisches und prägendes M e r k m a l s o w o h l für die F r ü c h t e wie die G e b r a u c h s v o r t e i l e ist damit der Substanzerhaltungsgrundsatz. 1 6 1

Nutzung

meint also eine ganz b e s t i m m t e A r t der Ziehung v o n Vorteilen aus einer Sache, nämlich die G e w i n n u n g selbständiger Vorteile, die v o n der Sache losgelöst sind und n e b e n sie treten. 1 6 2 D i e s gilt ungeachtet der Tatsache, daß die Sache bei z w e c k e n t s p r e c h e n d e r B e n u t z u n g unter U m s t ä n d e n abgenutzt und abgewirtschaftet wird. 1 6 3 D i e N u t z u n g der Sache durch Z i e h u n g v o n F r ü c h t e n o d e r G e b r a u c h s v o r teilen unter E r h a l t u n g der Substanz unterscheidet sich dadurch wesentlich von anderen, dem E i g e n t ü m e r eröffneten M ö g l i c h k e i t e n , mit der Sache zu verfahren, insbesondere sie zu verbrauchen oder zu veräußern. Bei verb r a u c h b a r e n Sachen im Sinne v o n § 92 B G B besteht deren b e s t i m m u n g s g e m ä ß e r G e b r a u c h in dem V e r b r a u c h oder in der Veräußerung. D i e v o m G e setzgeber verwendete T e r m i n o l o g i e „ b e s t i m m u n g s m ä ß i g e r G e b r a u c h " ist dabei irreführend, weil es gerade nicht u m den G e b r a u c h der Sache, die Ziehung v o n Vorteilen aus ihr, sondern ihre vollständige Verwertung geht. 1 6 4 Z w a r wird in der Literatur die Auffassung vertreten, bei dem V e r b r a u c h handele es

159 Vgl. BGH NJW 1978,1578; BGH LM § 818 II BGB Nr. 7; BGHZ 63, 365 = NJW 1975, 638; Schön, S. 211; Wieling, Sachenrecht, § 2 V 2 a und 3; Soergel/Mühl, § 99 Rn 3; Erman/Michalski, § 100 Rn 5. Zur Problematik der Bemessung der Gebrauchsvorteile und zur Frage, inwieweit gezogene Gewinne mit den Gebrauchsvorteilen identisch sind S. 121 f. 160 pjj r e j n e Zuordnung zu den Gebrauchsvorteilen spricht auch, daß diese rechnerisch bestimmt werden und es regelmäßig zu einer Nettofeststellung kommt, während für die Früchte das Bruttoprinzip gilt; kritisch Bökelmann, S. 65; vgl. dazu S. 107f. 161 Wieling, Sachenrecht, § 2 V 3; Staudinger/Dilcher, §100 Rn 1; Soergel/Mühl, §100 Rn 3; Larenz, Allgemeiner Teil, § 16 V 4; Planck/Stecker, § 100, 1; Waltjen, AcP 175, 109, 130ff; Bökelmann, S. 64; Kohler, Bürgerliches Recht, § 205. 162 Kohler, Bürgerliches Recht, § 205: „Die Nutzung hat eine doppelte Bedeutung: 1. Sie ist der wirtschaftliche Verdienst der Sache (nicht der Person). 2. Sie verselbständigt sich der Sache gegenüber, denn durch sie wird die Sache zwar vielleicht abgenutzt und abgewirtschaftet, aber nicht zerstört." 163 So schon Kohler, Bürgerliches Recht, § 205. 164 RG JW 1915, 324; BGH MDR 1954, 470; Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 100, 1 b; Erman/Michalski, § 100 Rn 3.

106

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

sich um eine besonders intensive Art des Gebrauchs, 165 und gerade im Hinblick auf den Ersatz von entgangenen Nutzungen wird argumentiert, die Nutzung führe zum Verbrauch der Sache, sie habe deshalb auch keinen selbständigen Wert neben der Sache. 166 Dabei wird jedoch der grundlegende Unterschied zwischen den verschiedenen Arten, mit einer Sache zu verfahren, übersehen. Bei der Verwertung und Veräußerung geht es um die Umwandlung der Sache in einen anderen Wert, während die Nutzung i.S.v. § 100 BGB dadurch gekennzeichnet ist, daß sie als „Werkzeug" eingesetzt wird, um aus ihr auf Dauer Vorteile zu ziehen. Zwar kommt es dabei regelmäßig auch zur Abnutzung der Sache und zu einem Wertverlust derselben, 167 aber diese ist nur eine - regelmäßig unliebsame - Nebenfolge, der Verwendungszweck weist in eine ganz andere Richtung, nämlich dahin, mit Hilfe der Sache möglichst viele Früchte und Gebrauchsvorteile zu erwirtschaften, so daß sich die Anschaffung der Sache amortisiert und darüber hinaus Vorteile erzielt werden. 168 Diesem grundlegenden Unterschied zwischen Ge- und Verbrauch trägt der Gesetzgeber mit seiner differenzierenden Regelung bei der unberechtigten Inanspruchnahme einer Sache Rechnung. In § 818 BGB ordnet er nämlich nicht etwa ohne Unterschied eine Ersatzpflicht für den Wertverlust der Sache an. Hinsichtlich des Gebrauchs der Sache schreibt er in § 818 I BGB vielmehr die Herausgabe der gezogenen Nutzungen vor, während im Fall der Verwertung der Sache oder ihres Verbrauches nach § 818 II BGB Wertersatz für sie zu leisten ist. 169 Auch im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses unterscheidet er in §§ 987, 989 BGB klar zwischen Ersatzansprüchen wegen Verschlechterung, Untergangs oder Sachverlustes aus einem anderen Grunde und dem Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen, neben dem ein Ersatzanspruch wegen des Wertverlustes der Sache aufgrund Abnutzung ausscheidet. 170 Gerade diese differenzierende Betrachtung zeigt, daß es sich bei den Nutzungen nicht nur um einen verkappten Verbrauch handelt, denn sonst bedürfte es einer solchen Unterscheidung zwischen Wertersatz aufgrund Abnutzung und Herausgabe der Nutzungen nicht. Festzuhalten bleibt somit, daß die Nutzungen im Sinne von § 100 BGB dadurch gekennzeichnet sind, daß die Gebrauchsvorteile wie die Früchte neben die Sache treten, gegenüber der Sache verselbständigt sind und ihre Ziehung die Sache in ihrer Substanz nicht beeinträchtigt.

165 Schön, S. 96, im Hinblick auf die Bestimmung des Inhalts des Nießbrauchsrechts, bei dem sich die Beschränkung auf den Gebrauch durchaus als problematisch erweisen kann. 166 Schiemann, JuS 1988, 24; Vorlagebeschluß NJW 1986, 2037, 2039. 167 Die Grenzziehung kann deshalb im Einzelfall schwierig sein. 168 Vgl. dazu S. 11 Off. 169 Vgl. dazu auch Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 100, 1; Reichel, JhJb 42, 205, 304; Warneyer, Rspr. 15, Nr. 70; RG JW 1915, 324. 170 MünchKomm/Medicus, § 989 Rn 3 Fußnote 4; Erman/Hefermehl, § 989 Rn 2.

C.

2. Brutto-

oder Nettobestimmung

107

Nutzungen

der

Nutzungen

Als charakteristisches Merkmal der Nutzungen wird zum Teil auch deren Bestimmung auf Bruttobasis angesehen. 171 Die Bruttobestimmung der Nutzungen wird aus der Gesetzessystematik abgeleitet, die die Frage der Gewinnungskosten für die Früchte sowie die Lastenfrage in §§ 102,103 B G B gesondert regelt. Das Gesetz ordnet an verschiedenen Stellen die Herausgabe der Nutzungen - in natura - an, so in §§ 818, 987 B G B . Gezogene Früchte sind deshalb als solche herauszugeben. Das Gesetz legt somit eine Bruttobestimmung zugrunde und gewährt dem zur Herausgabe Verpflichteten im Gegenzug gemäß § 102 B G B einen Anspruch auf die Gewinnungskosten und die von ihm getragenen Lasten. 172 Dem Gebot der Billigkeit Rechnung tragend soll derjenige, dem die Früchte letztlich zustehen, auch die Kosten ihrer Gewinnung übernehmen, 173 soweit sie nach der Verkehrsanschauung einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechen. 174 Bei den Früchten - insbesondere den Sachfrüchten - ist die Bruttobestimmung wegen der Ungleichartigkeit von Früchten einerseits und Gewinnungskosten andererseits zwingend, so daß ein Gegenanspruch auf die Gewinnungskosten selbständiger Normierung bedurfte. Demgegenüber können Gebrauchsvorteile regelmäßig nicht in natura herausgegeben werden. Ihr Wert muß vielmehr jeweils rechnerisch ermittelt werden. Bei dieser rein vermögensmäßigen Wertbestimmung ist es jedoch nicht notwendig, zunächst die Bruttogebrauchsvorteile zu bestimmen und unter Heranziehung der Wertungskriterien von § 102 B G B 1 7 5 dann die Gewinnungskosten in Abzug zu bringen, 176 sondern es kann auch unmittelbar auf den Nettogewinn abgestellt werden. Unter Durchbrechung des Bruttoprinzips kann deshalb die Bewertung der Gebrauchsvorteile direkt auf

Bökelmann, S. 85; Baur, J Z 1958, 465. § 102 stellt eine selbständige Anspruchsgrundlage dar und begründet nicht nur ein Zurückbehaltungsrecht, MünchKomm/Holch, § 102 Rn 6; Soergel/Mühl, § 102 Rn 2; RGRK/ Kregel, § 102 Rn 5; Staudmger/Dilcher, § 102 Rn 3; Erman/Michalski, § 102 Rn 3. 173 MünchKomm/Holch, % 102 R n l . 174 Gewinnungskosten sind solche Aufwendungen von unmittelbarem Vermögenswert, welche der Bestellung, Gewinnung, Erhaltung und Aberntung der Früchte dienen, wozu auch Arbeitsleistungen gehören, Erman/Michalski, § 102 Rn 2; MünchKomm/Holch, § 102 Rn 4; zu den Kosten sind auch geldwerte Aufwendungen, welche die Steigerung der Fruchtgewinnung zum Ziele haben, zu rechnen, soweit eine Steigerung des Fruchtgewinns eingetreten ist, K G O L G Z 22, 272; MünchKomm/Holch, § 102 Rn 5; vgl. auch Soergel/Mühl, § 102 Rn 3; Erman/ Michalski, § 102 Rn 2. 175 MünchKomm/Medicus, § 987 Rn 17. 176 Oertmann, § 100, 1 b, sieht in den abstrakten, rechnerischen Gebrauchsvorteilen den erzielten wirtschaftlichen Erfolg. Petrazycki, Einkommen, Bd. I, S. 12ff, Band II, S. 78, spricht von fingiertem Einkommen. Baur, J Z 1958, 465, und Bökelmann, S. 63, weisen darauf hin, daß bei Unternehmen eine Bestimmung der Vorteile auf Bruttobasis nicht sachgerecht ist, sondern auf den „Gewinn", die Nettovorteile, abzustellen sei. Auch dies spricht dafür, sie den Gebrauchsvorteilen zuzuordnen und nicht den Früchten, vgl. dazu S. 104f. 171

172

108

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Nettobasis erfolgen. 177 Das Bruttoprinzip ist deshalb für die Gebrauchsvorteile nicht kennzeichnend, in ihm kann deshalb kein allgemeines Merkmal der Nutzungen gesehen werden, sondern nur ein Merkmal für die Sach- und Rechtsfrüchte.

3. Rechtliche Einordnung gezogener Nutzungen vor dem Hintergrund ihrer vermögensrechtlichen

Bedeutung

Bei den Nutzungen handelt es sich um Vorteile, die aus einem Recht oder einer Sache gezogen werden. Indem man im gemeinen Recht interessanterweise von lucrum, Vorteilen/Gewinn, sprach, wurde bereits ihre wirtschaftliche Bedeutung offenbar. 178 Die Nutzung ist nicht identisch mit dem Verbrauch der Sache, sie ist vielmehr ein Vorgang, bei dem mit Hilfe der Sache neue selbständige Werte geschaffen werden. Während die Früchte, insbesondere die Sachfrüchte, gegenständlich neben die Sache, das Kapital, treten, ergibt sich bei den Gebrauchsvorteilen die Schwierigkeit, daß diese regelmäßig keine „greifbare Realität" 1 7 9 aufweisen, so zum Beispiel das Wohnen im eigenen Haus oder die Beförderung mit einem Fahrzeug. Gebrauchsvorteile werden regelmäßig zeitabhängig zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse gezogen und sind nur von vorübergehender Natur - wie etwa das Wohnen, Befördern etc. - mit der Folge, daß sie auf Dauer keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Soweit es deshalb um die Herausgabe von gezogenen Nutzungen geht, kommt, wie dargelegt, eine Erstattung der konkreten Vorteile in natura nicht in Betracht, es muß vielmehr eine abstrakte Bewertung der Nutzungen erfolgen. Der Nutzungswert, der den wirtschaftlich erzielten Erfolg im weitesten Sinne widerspiegelt, muß in Geld veranschlagt werden. Diese Bewertung wirft - auch wenn Oertmann noch meinte, sie sei als rechnerisches Ergebnis unschwer feststellbar 180 - erhebliche Probleme auf. Diese beginnen mit der Frage, ob und wann einem Gebrauchsvorteil Vermögenswert beizumessen ist. Gebrauchsvorteile müssen nicht notwendigerweise vermögensrechtlicher Natur sein. 181 Hat eine Sache - was kaum vorkommen dürfte - oder ein Recht keinen eigenen materiellen Wert, so soll regelmäßig auch den aus ihnen gezogenen Gebrauchsvorteilen der Vermögens177 MünchKomm/Medicus, § 987 Rn 17; vgl. auch B G H N J W 1995, 2627. Häufig erfolgt sofort eine Nettobestimmung, ohne daß die Gewinnungskosten miteinbezogen werden, so insbesondere bei der Bewertung der Gebrauchsvorteile auf der Grundlage des Abschreibungswertes bei der Wandlung, vgl. dazu S. 118 f. 178 So in den Protokollen, S. 3993 = Mugdan III, S. 682, wo im Hinblick auf § 994 B G B von der compensatio lucri et damni gesprochen wird. 179 Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 100, 1 b. 180 Oertmann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 100, lb. 181 Kniese, S. 136; MünchKomm/Holch, § 100 Rn 3; Palandt/Heinrichs, § 100 Rn 1; O L G Hamburg M D R 1953, 614.

C.

Nutzungen

109

wert fehlen. So wurde etwa der Ausübung eines Stimmrechts in einer Kapitalgesellschaft oder in einer Wohnungseigentümergemeinschaft der Vermögenswert abgesprochen. 182 Regelmäßig ist jedoch von einem Vermögenswert der Gebrauchsvorteile, wie die Regeln über die Herausgabe gezogener Nutzungen und damit auch der Gebrauchsvorteile zeigen, auszugehen. Dies ergibt sich aus dem engen wirtschaftlichen Bezug zwischen der Sache, die regelmäßig Vermögenswert hat, und den aus ihr gezogenen Vorteilen. 183 Zum Teil wird jedoch den Gebrauchsvorteilen, die primär zum persönlichen Vergnügen gezogen werden, der Vermögenswert abgesprochen und ihnen nur immaterielle Bedeutung beigemessen, so etwa bei der Nutzung eines Kfz für Sportzwecke. 184 Dabei werden jedoch - wohl im Hinblick auf die Entschädigungsproblematik zwei Aspekte miteinander vermengt, nämlich die Frage, ob die Vorteile, die aus einer Sache gezogen werden - also das Wohnen, die Beförderung mit einem Kfz - einen Wert haben, und die Frage, zu welchem Zweck die Gebrauchsvorteile gezogen werden, zum persönlichen Vergnügen, zur Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse oder zum produktiven Einsatz. Soweit ersichtlich wird jedoch nirgends die Konsequenz gezogen, daß dann, wenn Gebrauchsvorteile nur zum persönlichen Vergnügen gezogen wurden, wie bei der Verwendung eines Sportwagens oder eines Luxusgegenstandes, der Anspruch des Verkäufers oder des Eigentümers auf Herausgabe der Nutzungen nach §§ 347, 987 B G B wegen des angeblich nur immateriellen Charakters der Gebrauchsvorteile v.ersagt würde. Im Rahmen der §§ 347, 987 B G B kommt es vielmehr allein darauf an, ob den gezogenen Nutzungen Vermögenswert beizumessen ist, und nicht darauf, zu welchem Zweck sie gezogen wurden. Entsprechend wird bei Nutzungsherausgabeansprüchen bei Kraftfahrzeugen nicht zwischen Fahrten zur Arbeit und Vergnügungsfahrten differenziert. Ebenso wie eine Sache - unabhängig von ihrer konkreten Verwendung und Bedeutung für den einzelnen - einen objektiven Wert hat, haben auch die gezogenen Gebrauchsvorteile, unabhängig von den mit ihnen verfolgten Zwekken, einen objektiv bestimmbaren Wert. 185 Deshalb ist die Frage nach dem 182 R G Z 118, 269; K G O L G Z 79, 293; Staudinger/Dilcher, § 100 Rn 6; problematisch erscheint hingegen die Entscheidung des O L G Hamburg, wonach einem Grundstück in einem Naturschutzgebiet kein Vermögenswert zukomme und es mithin keine Gebrauchsvorteile vermittele, vgl. auch Kniese, S. 136 Fußnote 207. 183 Insoweit wird vom Gebrauchswert der Sache gesprochen, Roscher, S. 9f. Allgemein geht man im übrigen davon aus, daß Alters- und Abnutzungsverlust regelmäßig durch die gezogenen Gebrauchsvorteile amortisiert werden, vgl dazu S. 110ff. 184 RGRK/Kregel, § 100 Rn 3; Münch Komm/Holch, § 100 Rn 3, will anscheinend der Benutzung eines Musikinstrumentes oder eines Reitpferdes den Vermögenswert absprechen. Noch weitergehend Schön, S. 213, nach dem unter § 100 B G B in der Regel nur immaterielle Vorteile subsumiert werden sollen: das Wohnen im Haus, die Mobilität eines Fahrzeuges, die Freude an einer Kunstsammlung. 185 B G H J R 1954,460; B G H D B 1966, 738, 739, die sich für eine objektive Bestimmung der Gebrauchsvorteile aussprechen.

§ 3 Eigentum,

110

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Vermögenswert der aus einem Kraftfahrzeug durch Beförderung gezogenen Nutzungsvorteile unabhängig davon zu beantworten, ob es sich um den Weg zur Arbeit, den zum Einkaufen oder um eine Vergnügungsfahrt handelt. Daß den Nutzungen und damit auch den Gebrauchsvorteilen regelmäßig Vermögenswert zukommt, ist dabei keineswegs neu. So setzte dies schon Johow in seinem Entwurf zum Sachenrecht als selbstverständlich voraus, wenn er im Hinblick auf den Begriff des Nutzens und der Nutzung von Regelungen „in Ansehung des vermögensrechtlichen Vortheils, den eine Sache gewährt," spricht. 186

4. Faktoren

zur Wertbestimmung

von

Gebrauchsvorteilen

Es bleibt zu untersuchen, welche Faktoren zur Bestimmung des Wertes von Gebrauchsvorteilen in Betracht kommen, also ihren Gebrauchswert widerspiegeln. 187 Bei der Bewertung von - gezogenen 188 - Gebrauchsvorteilen sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.

a)

Alters-ZNutzungsabschreibung

Die Ziehung von Gebrauchsvorteilen aus einer Sache ist dadurch geprägt, daß mit Hilfe der Sache neue Werte geschaffen werden, die Sache fungiert im weitesten Sinne als Werkzeug zur Erzielung von Vorteilen. Bei wirtschaftlich orientiertem durchschnittlichem Einsatz der Sache, von dem auch bei privater Bedarfsbefriedigung regelmäßig auszugehen ist, soll deshalb mit den mit der Sache erwirtschafteten Gebrauchsvorteilen auf lange Frist gesehen 189 regelmäßig der Anschaffungspreis der Sache erwirtschaftet werden. Die Sache soll sich amortisieren und mit ihr ein darüber hinausgehender Gewinn erzielt werden. 190 Diesem Aspekt, daß während der voraussichtlichen Nutzungsdauer bei durchschnittlichem Einsatz zumindest so viele Vorteile aus der Sache gezogen werden sollen, daß sich ihre Anschaffung rentiert, ist dadurch 186 Johow, S. 88. Zu § 277 seines Entwurfs erklärt er, S. 1242, außerdem: „Der Gebrauch hat so gut seinen Verkehrswerth wie die körperliche Sache, der unmittelbare Gebrauch ist deshalb nur eine Form der Ertragsziehung, die ebensogut die Gestalt der Ziehung von bürgerlichen Früchten bei entgeltlicher Überlassung an andere Personen annehmen kann". 187 Vgl. dazu Roscher, S. 9; Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1053. 188 Zur Frage der Bewertung entgangener Gebrauchsvorteile siehe S. 449 ff, wobei auch dort die dargelegten Wertungskriterien zu berücksichtigen sind. 189 Da die Ziehung von Nutzungen auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet ist und die Gebrauchsvorteile für den entsprechenden Nutzungszeitraum die entsprechende Wertminderung ausgleichen sollen, ist von einer linearen Teilwertabschreibung über den entsprechenden Nutzungszeitraum auszugehen, B G H Z 115, 47, 50; Soergel/Huber, § 467 Rn 164; Reinking/ Eggert, Rn 804 ff, und nicht von der tatsächlichen Wertminderung der Sache, die häufig in der Anfangsphase sehr hoch ist und in einer degressiven Kurve verläuft. 190 Der B G H , N J W 1996, 250, 252, weist darauf hin, daß es sich bei der Anschaffung um eine Investitionsentscheidung handelt.

C.

111

Nutzungen

Rechnung zu tragen, daß man bei der Berechnung der Gebrauchsvorteile für den entsprechenden Zeitraum der Nutzung eine entsprechende Teilwertabschreibung zugrundelegt. Bei der Bewertung der Gebrauchsvorteile ist deshalb die anteilige Alters- und Abnutzungsabschreibung zu berücksichtigen. 191 Ein Faktor bei der vermögensrechtlichen und damit wirtschaftlichen Bewertung der Gebrauchsvorteile ist daher die lineare Abschreibung. 192 Dieser Aspekt ist jedoch nur einer von vielen, da wie dargelegt, die Nutzung einer Sache von ihrer Verwertung abzugrenzen ist, sie vielmehr zur Schaffung neuer Werte neben der Sache führt. 193 b) Mit der Vorteüsziebung

verbundene

Unkosten

Mit dem zielgerichteten Einsatz einer Sache, der Ziehung von Nutzungen aus ihr, sind häufig weitere Unkosten und auch Lasten verbunden, wie regelmäßige Wartung, Versicherung der Sache etc. Auch hier ist unter Zugrundelegung wirtschaftlicher Überlegungen davon auszugehen, daß die mit der Vorteilsziehung einhergehenden Unkosten durch die Gebrauchsvorteile aufgefangen werden und auch nach Abzug dieser Kosten noch „Nettogebrauchsvorteile" 194 verbleiben. Die Kosten und Lasten sollen - wie die Sache selbst durch die gezogenen Nutzungen amortisiert werden und spiegeln den Wert wider, den der einzelne bereit ist, für die Ziehung der Nutzungen aufzuwenden. 195 Insoweit ist dieser Faktor für die Bestimmung des - noch nicht bereinigten - Wertes der Gebrauchsvorteile von wichtiger Bedeutung. Auch der Gesetzgeber ist von dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgegangen und hat sie verschiedenen Regelungen zugrundelegt, wie die Gegenüberstellung von Nutzen und Lasten in verschiedenen Vorschriften zeigt, §§ 446 I S. 2, 995 I S. 2, 996 I S. 2, 1047, 2380 BGB. Die Regelung des § 446 I S. 2 BGB beruht etwa auf der wirtschaftlichen Überlegung, daß derjenige, dem die Nutzungen einer Sache zugute kommen, auch die Lasten derselben zu tragen habe, 196 wobei §§ 446 I S. 2, 2380 BGB eine generelle Lastentragungsregelung enthalten, gleich ob die Lasten auf der Substanz der Sache oder ihrer Nutzung beruhen. 197 Deutlicher noch tritt die wirtschaftliche Verknüpfung von Nutzungen und Kosten/Lasten in den Vorschriften hervor, in denen Nutzungsherausgabe Vgl. d a z u ausführlich B G H Z 115, 47, 51. Zu dieser Entscheidung siehe S. Kohler, R ü c k a b w i c k l u n g , S. 530 F u ß n o t e 24; Diesselhorst, Saldotheorie, note 74. 193 Vgl. S. 105 ff. 194 Die G e w i n n u n g s k o s t e n bei Früchten sind nach § 102 B G B zu erstatten, N e t t o b e s t i m m u n g siehe S. 107. 195 B G H Z 56, 214, 218; Magnus, S. 180ff; vgl. auch Escher-Weingart, S. 94ff. 196 MüncbKomm/Westermann, § 446 R n 1; Kniese, S. 43; Staudinger/Köhler, Soergel/Huber, § 446 R n 65; Motive II, S. 325 = Mugdan II, S. 180. 197 Motive II, S. 325 = Mugdan II, S. 180. 191

192

118 ff. S. 148f F u ß -

zur Brutto-/

§ 446 R n 13;

112

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

und Verwendungsersatzansprüche gegenübergestellt werden und in denen kraft gesetzlicher Anordnung eine Verrechnung auf der Grundlage von Billigkeitsüberlegungen stattfindet, etwa in §§ 994 I S. 2, 995 S. 2 und auch in § 1047 BGB. Die Regelung, daß der Besitzer dann, wenn ihm die Nutzungen der Sache verbleiben, keinen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten und notwendigen Lasten hat, zeigt, daß - was auch wirtschaftlichen Überlegungen entspricht - die mit und aus der Sache erwirtschafteten Vorteile regelmäßig die Erhaltungskosten und Lasten, wenn nicht gar übersteigen, so doch zumindest decken. Als gewöhnliche Erhaltungskosten werden die der Erhaltung der Sache dienenden, regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben angesehen, 198 wie zum Beispiel Fütterungskosten, 199 Kosten der Wartung, Pflege und Inspektion eines Kraftfahrzeugs, die Kosten einer regelmäßigen Generalüberholung, 200 die Beseitigung von Schäden aufgrund bestimmungsgemäßer Nutzung. 201 Keine Erhaltungskosten sind solche notwendigen Verwendungen, die zu einer erheblichen Verbesserung der Substanz führen, 202 entsprechend ist auch hier zu differenzieren zwischen substanzerhaltenden und substanzverbessernden Maßnahmen. 203 Die gewöhnlichen Erhaltungskosten erscheinen bei wirtschaftlicher Betrachtung als Korrelat der Nutzung, 204 wobei davon auszugehen ist, daß sie durch die Nutzungen gedeckt werden. 205 Aufgrund dieses wirtschaftlichen Grundverständnisses ordnet das Gesetz an, daß beim Verbleib der Nutzungen, insbesondere bei gutgläubigem Besitz, die gewöhnlichen Erhaltungskosten als ausgeglichen gelten, ohne daß es einer Abrechnung im einzelnen bedarf. 206 Als Korrelat der Nutzungen stellen sich, wie sich aus § 995 BGB ergibt, auch die gewöhnlichen Lasten dar. Denn gemäß § 995 S. 2 BGB sind für die Zeit, in der die Nutzungen dem Besitzer verbleiben, nur die Aufwendungen für außerordentliche Lasten zu ersetzen, die auf den Stammwert der Sache an198 MünchKomm/Medicus, § 994 Rn 21 f; BGH DB 1962, 1449; Westermann, Sachenrecht, § 33 II 1 b; Staudinger/Gursky, § 994 Rn 17; RGRK/Pikart, § 994 Rn 44; Erman/Hefermebl, § 994 Rn 7; nicht jedoch betriebsbedingte Aufwendungen, etwa für Ol und Kraftstoff, die keine Verwendung auf die Sache darstellen, siehe Medicus a.a.O. 199 RGZ 142, 201,205. 200 SchlHOLG SchlHAnz 1951, 32; Staudinger/Gursky (1999), § 994 Rn 17. 201 BGHZ 44, 237. 202 OLG Frankfurt, JW 1924, 987f. 203 Substanzverbessernde Maßnahmen wirken sich auf die Sache selbst aus und sind werterhöhend; soweit es alters- oder abnutzungsbedingt zu einer Wertminderung kommt, ist dies unter dem Abschreibungsgesichtspunkt zu berücksichtigen, vgl. dazu S. llOf, 118. 204 Biermann, § 994, 2 b; MünchKomm/Medicus, § 994 Rn 21; Staudinger/Gursky (1999), §994 Rn 18. 205 MünchKomm/Medicus, §994 Rn21; Staudinger/Gursky (1999), §994 Rn 18; Biermann, § 994, 2 b. 206 Sog. compensatio lucri et damni, Protokolle, S. 3993 = Mugdan III, S. 682; anders noch der Vorschlag in E I § 936 II. Entsprechend kommt es bei § 994 BGB nicht darauf an, ob die Sache tatsächlich genutzt wurde; vgl. dazu Staudinger/Gursky (1999), § 994 Rn 18.

C.

Nutzungen

113

gelegt anzusehen sind, nicht also die gewöhnlichen Lasten. Bei den Lasten kann es sich sowohl um öffentlichrechtliche, wie Grundsteuern, als auch privatrechtliche Lasten, wie Hypothekenzinsen, Sachsteuern, Sachversicherungsprämien 207 etc., handeln. Auch für die Abgrenzung zwischen gewöhnlich anfallenden und außergewöhnlichen Lasten ist der Substanzerhaltungsgedanke von entscheidender Bedeutung, § 995 BGB. Außergewöhnliche Lasten sind solche, die den Stammwert betreffen und deshalb typischerweise nicht aus den Erträgen bestritten werden können, 208 während, was sich aus dem Gegenschluß ergibt, bei Zugrundelegung wirtschaftlicher Betrachtungsweise die gewöhnlichen Lasten von den Nutzungen gedeckt werden. Als gewöhnliche Lasten werden dabei insbesondere auch Zinszahlungen bei Hypotheken und Grundschulden - im Gegensatz zu den Kapitalrückzahlungen - angesehen. Da Hypotheken und Grundschulden regelmäßig auch zur Finanzierung der Sache benutzt werden, ist davon auszugehen, daß mit den Gebrauchsvorteilen auch entsprechende Finanzierungskosten, insbesondere bei Grundstükken, erwirtschaftet werden, mithin auch die Finanzierungskosten bei der Bewertung der Gebrauchsvorteile einzubeziehen sind. c) Gewinn,

„Nettogebrauchsvorteile"

Stellen Alters- und Abnutzungsabschreibung wie auch die mit der Ziehung von Gebrauchsvorteilen verbundenen Kosten Aufwendungen dar, die mit den Gebrauchsvorteilen verbunden sind und die regelmäßig durch die Gebrauchsvorteile erwirtschaftet werden sollen, so bleibt die Frage, ob bei der Ziehung der Gebrauchsvorteile nicht regelmäßig auch ein über die Deckung der Unkosten hinausgehender Gewinn, „Nettogebrauchsvorteile", erwirtschaftet werden soll und bei der Bewertung mit einzubeziehen ist. Würde sich die wirtschaftliche Bedeutung der Gebrauchsvorteile allein auf die Erwirtschaftung der mit ihr verbundenen Kosten beschränken, wäre dies ökonomisch gesehen unbefriedigend, denn wirtschaftlich sinnvoll wird die Ziehung von Gebrauchsvorteilen erst dann, wenn „Nettovorteile" als Gewinn erzielt werden. Dies gilt um so mehr, als es andernfalls wirtschaftlich vorzugswürdiger wäre, die Sache nicht anzuschaffen und statt dessen den Betrag anzulegen und Zinsen zu erwirtschaften. Einen Hinweis darauf, daß Nutzungen einer Sache regelmäßig zu einem Nettogebrauchsvorteil führen, gibt § 849 BGB, der eine Verzinsungspflicht hinsichtlich der Ersatzsumme bei Zerstörung oder Wertminderung einer Sache anordnet. Denn mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber dem Geschädigten die Beweisführung erleichtern, daß er aus der Sache entsprechende Nutzungsvorteile gezogen hätte. 209 207

MünchKomm/Medicus, § 995 Rn 2. B G H N J W 1956, 1070 zu §2126. 209 Motive II, S. 66, 740f = Mugdan II, S. 36, 413: „Der Abs. 2 korrespondirt dem § 252. Der Gläubiger müßte im Falle des Deliktes, wie des Verzuges an sich beweisen, welchen Scha208

114

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

D a r a u f , daß die G e b r a u c h s v o r t e i l e zu e i n e m „ N e t t o v o r t e i l " führen, weisen a u c h d i e V o r s c h r i f t e n h i n , in d e n e n d e r N u t z u n g b z w . d e r N u t z u n g s h e r a u s gabe synallagmatisch eine Zinszahlungspflicht gegenübergestellt wird. Zinsen s t e l l e n N u t z u n g e n d e s G e l d e s dar, D a r l e h e n s z i n s e n e t w a s i n d F r ü c h t e

im

Sinne von § 99 II B G B . 2 1 0 Eine synallagmatische Gegenüberstellung v o n G e brauchsvorteilen u n d Zinsen setzt voraus, daß sich diese auch w e r t m ä ß i g ents p r e c h e n , daß den Z i n s e n also ein e n t s p r e c h e n d e r ü b e r die hinausgehender „Nettogebrauchsvorteil"

Kostendeckung

gegenübertritt.

G e m ä ß § 4 5 2 B G B hat der K ä u f e r v o n d e m A u g e n b l i c k an den K a u f p r e i s zu v e r z i n s e n , in d e m er N u t z u n g e n aus der S a c h e z i e h e n k a n n . 2 1 1 D i e V o r s c h r i f t e r k l ä r t s i c h d a r a u s , d a ß d e r K ä u f e r n i c h t z u g l e i c h in d e n „ G e n u ß " v o n N u t z u n g e n k o m m e n soll, o h n e den K a u f p r e i s verzinsen zu müssen. E s w i r d insoweit auch von Nutzungszinsen gesprochen. Dies weist darauf hin, daß die Z i n s e n einen A u s g l e i c h f ü r die N u t z u n g der K a u f s a c h e darstellen.212 I n § 3 4 7 B G B w i r d der N u t z u n g s h e r a u s g a b e die V e r z i n s u n g s p f l i c h t gegenübergestellt. Diese synallagmatische Verbindung von N u t z u n g e n / N u t z u n g s h e r a u s g a b e p f l i c h t u n d V e r z i n s u n g z e i g t , d a ß sie als w i r t s c h a f t l i c h g l e i c h r a n gig b e t r a c h t e t w e r d e n . E s w i r d also d a v o n a u s g e g a n g e n , daß, w i e bei der V e r zinsung, mit d e m Kapital ein z u s ä t z l i c h e r W e r t erwirtschaftet w i r d u n d auch den er durch Entziehung der Nutzungen des betr. Gegenstandes (§ 793) erlitten habe. Hier wie dort ist es billig, den Gläubiger von dieser Beweislast insofern zu befreien, als ihm die Befugnis eingeräumt wird, an Stelle des Schadens für die entzogenen Nutzungen 5 % Zinsen (§ 217) aus der ihm für die Entziehung oder Verschlechterung des Gegenstandes gebührenden Ersatzsumme zu verlangen." Entsprechend entfällt der Verzinsungsanspruch, wenn der Geschädigte seine entgangenen Nutzungsvorteile konkret berechnet und Nutzungsentschädigung verlangt; B G H Z 87, 38; B G H NJW, 1965, 392; vgl. dazu Stoll, JuS 1968, 504, 508. In § 849 B G B wird damit ausnahmsweise, ähnlich wie bei der Anordnung der Zinspflicht bei Geld, §§ 256, 347 S. 3, 452, 641 IV, 668, 698, 820 II, 1834 B G B , §§ 353, 354 II H G B , eine entsprechende Nutzung fingiert. Auch wenn in den Zinsen überwiegend eine Vergütung für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs gesehen wird, die unabhängig von der tatsächlichen Nutzung ist, MünchKomm/ v.Maydell, § 246 Rn 3; Soergel/Teichmann, § 246 Rn 5; Canaris, N J W 1978, 1891; Oertmann, § 246, 1; Planck, § 246, 1, weisen die Motive darauf hin, daß die Zinspflicht auf der Fiktion einer entsprechenden Nutzung des Geldes beruht. So erheische das praktische Bedürfnis, einen Durchschnittsbetrag festzustellen, von dem angenommen wird, daß ihn der Gläubiger jedenfalls hätte ziehen können, Motive II, S. 62 = Mugdan II, S. 34. Die Neuregelung der Verzugszinsen in § 288 B G B in Anlehnung an § 11 VerbrKrG stellt demgegenüber den Aspekt der Kapitalüberlassung in den Vordergrund und orientiert sich am Kreditzins. Kindler, S. 119ff, weist darauf hin, daß der Verzinsungspflicht ganz unterschiedliche Konstellationen zugrundeliegen. Vgl. dazu auch S. 457. Vgl. dazu S. 98f. Darauf, daß er tatsächlich Nutzungen zieht, kommt es nicht an, R G Z 80, 371; R G WarnR 1916, Nr. 13; Soergel/Huber, % 452 Rn 8. 212 Haymann, AcP 130, 129ff, 130; MünchKomm/Westermann, § 452 Rn 1; RGRK/Mezger, § 452 Rn 1; Staudinger/Köhler, § 452 Rn 1; Palandt/Putzo, § 452 Rn 1; Soergel/Huber, 11 Aufl., § 452 Rn 2. Demgegenüber handelt es sich nach anderer Ansicht nicht um Nutzungszinsen, sondern um einen Ausgleich für die Vorenthaltung des Kaufpreises durch den Käufer, Frömming, S. 12ff, Soergel/Huber, 12. Aufl., § 452 Rn 3; vgl. zu § 452 B G B auch Dänekamp, N J W 1994,2271. 210 211

C.

Nutzungen

115

die Ziehung von Gebrauchsvorteilen regelmäßig zur Schaffung neuer Werte neben der Sache führt. Wäre, wie zum Teil angenommen wird, der Wert der Nutzungen grundsätzlich identisch mit dem des Wertverlustes der Sache durch die Nutzung, 2 1 3 so würde die Herausgabepflicht hinsichtlich der N u t zungen zwar dazu führen, daß damit der Abschreibungsverlust der Sache aufgefangen würde. D e r Verzinsungspflicht stünde jedoch keine entsprechende Verpflichtung des Käufers gegenüber, sie wäre einseitig. 214 D i e bei wirtschaftlich orientiertem durchschnittlichem Einsatz der Sache erzielten Gebrauchsvorteile übersteigen damit regelmäßig die mit der Nutzung der Sache verbundenen Kosten wertmäßig zumindest in geringem Umfang, so daß der Verzinsungspflicht ein entsprechender Nettogebrauchsvorteil gegenübertritt. D i e ses Ergebnis entspricht auch wirtschaftlichen Überlegungen, denn Ziel jeder ökonomisch orientierten Handlung - wozu auch die möglichst günstige D e k kung des eigenen Bedarfs gehört - ist, daß die Anschaffung der Sache sich nicht nur rentiert und keinen Verlust darstellt, sondern daß sich die Anschaffung auch vermögensmäßig positiv auswirkt, die Investition sich „lohnt". D e r Bundesgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Berechnung der Entschädigung wegen entgangener Nutzungsvorteile von Kraftfahrzeugen von einem die frustrierten Kosten maßvoll überschreitenden Betrag gesprochen. 2 1 5 Von einer solchen Sichtweise geht im übrigen auch § 987 II B G B aus, der die Herausgabe schuldhaft nicht gezogener Nutzungen anordnet. Die A n ordnung eines solchen Herausgabeanspruchs macht nur dann Sinn, wenn von der Erwirtschaftung eines Nettogewinns ausgegangen wird. 2 1 6 Bei der Bemessung des Nettogebrauchsvorteils/Nettogewinns wird man sich regelmäßig an einer entsprechenden Verzinsung des eingesetzten Kapitalwertes orientieren können, 2 1 7 da sonst die Ziehung von Gebrauchsvorteilen aus einer Sache gegenüber einer entsprechenden Geldanlage als unwirtschaftlich anzusehen wäre. Dabei wird von einem entsprechenden Vorteil/ Gewinn insbesondere immer dann auszugehen sein, wenn die N u t z u n g eigener Gegenstände zur Bedarfsbefriedigung günstiger ist als die Bedarfsbefriedigung unter Anmietung einer entsprechenden Sache. Zusammenfassend wird bei wirtschaftlich orientiertem durchschnittlichem Einsatz der Sache mit der Ziehung von Gebrauchsvorteilen das Ziel verfolgt, alle mit der N u t z u n g verbundenen Ausgaben auszugleichen und darüber hinaus einen Vorteil im engeren Sinne zu erwirtschaften. Diese Aspekte sind deshalb auch bei der Berechnung des Wertes von Gebrauchsvorteilen zu berücksichtigen. Vgl. dazu S. 28 und S. 387f. Vgl. auch Kohler, Rückabwicklung, S. 530 Fußnote 24; Diesselhorst, Saldotheorie, S. 148f Fußnote 74; Soergel/Huber, 11. Aufl., § 467 Rn 103ff; a.A. nunmehr in 12. Aufl. Vgl. dazu aber auch Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 16, der auf den Mietwert abstellen will. 215 B G H Z 5 6 . 2 1 4 , 221. 216 Vgl. S. 188ff. 217 Vgl. O L G Celle N Z V 1991, 230, 232; Soergel/Huber, 11. Aufl., § 467 Rn 94, 104. 213 214

116 5. Berechnung

§ 3 Eigentum, Nutzungsrechte

der Nutzungsvorteile

und

in der

Nutzungen

Rechtsprechung

Das Gesetz ordnet an verschiedenen Stellen, insbesondere im Gewährleistungsrecht, §§ 347, 467 BGB, im Bereicherungsrecht, § 818 I BGB, und im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, § 987 BGB, die Herausgabe der gezogenen Nutzungen an. Aufgrund fehlender Gegenständlichkeit der Gebrauchsvorteile ist eine Herausgabe in natura nicht möglich. Es wird deshalb eine rechnerische und damit auch vermögensrechtliche Bewertung der Gebrauchsvorteile notwendig. Der Wert der Nutzungen ist in der Regel, da er nicht exakt berechenbar ist, analog § 287 II ZPO zu schätzen.218 Daß sich bei der vermögensrechtlichen Bewertung der konkret gezogenen Nutzungen Berechnungsschwierigkeiten ergeben würden, war abzusehen.219 Johow suchte diesen Schwierigkeiten entgegenzuwirken, indem er als Bewertungsgrundlage für die Nutzungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis eine Beweisregelung vorschlug, die den Durchschnittsertrag der Sache zugrundelegte.220 Der Gesetzgeber sah jedoch von einer solchen Regelung ab, weil aufgrund der dem Richter zugewiesenen freien Beweiswürdigung insbesondere bei der Bemessung von Schadensersatzansprüchen - vgl. § 287 ZPO - für eine solche Regelung kein Bedürfnis bestehe.221 Bei der Schätzung des Wertes der Gebrauchsvorteile auf der Grundlage von § 287 ZPO orientiert sich die Rechtsprechung - und mit ihr die Literatur zum einen an vergleichbaren Nutzungsentgelten und neuerdings - insbes. bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen über mangelhafte Sachen - an der linearen Wertminderung. a) Nutzungsentgelte als Maßstab für die gezogener Nutzungen

Bewertung

Die Rechtsprechung hat mangels anderer Orientierungspunkte bei der Bewertung von - insbesondere aus Häusern, Wohnungen oder Grundstücken gezogenen - Gebrauchsvorteilen häufig den üblichen Miet- oder Pachtzins 2 1 8 B G H Z 115, 47, 49; Soergel!Huber, § 4 6 7 Rn 163; Staudinger/Gursky (1999), § 9 8 7 Rn 19; B G H WM 1978, 1208, 1209; K. Schmidt, JuS 1979, 63; Reinking/Eggert, Rn 803; Kaufmann, D A R 1990, 294. 2 1 9 Schon Petrazycki, Einkommen, Bd. II, S. 88, prophezeite, daß sich bei der Schätzung der Gebrauchsvorteile Schwierigkeiten ergeben würden und die Praxis sich an dem ortsüblichen Mietzins orientieren werde. 220 § 184 der Sachenrechts vorlage von Johow lautete: „Der Eigenthümer kann verlangen, daß der Nutzungsertrag der Sache in dem Betrage erstattet werde, welcher sich, unter Annahme eines mittleren Ertrages und unter Abzug der Lasten der Sache und des ordentlichen Aufwandes zur Erhaltung der Sache und zur Gewinnung des Ertrages, auf die Zeit ergiebt, auf welche der Beklagte haftet. Von diesem Betrage kommen die dem Eigenthümer in Natur herausgegebenen Erzeugnisse und Gegenstände sonstiger Ausbeute in Abzug. Weiset der Beklagte nach, daß ein geringerer Ertrag durch Umstände, für welche er nicht verantwortlich, herbeigeführt ist, so kommt nur der wirkliche Ertrag zum Ansatz." 221 Motive III, S. 405 = Mugdan III, S. 226.

C.

Nutzungen

117

als den objektiven Wert der Gebrauchsvorteile herangezogen. 2 2 2 Miet- und Pachtwert spiegelten die durchschnittlich gezogenen Gebrauchsvorteile wider. D i e Nutzungen, die ein Nutzungsberechtigter aus der Sache ziehe, entsprächen regelmäßig wertmäßig denen, die der Eigentümer aus ihr ziehe. Es sei daher auf den üblichen Miet- oder Pachtwert abzustellen. 2 2 3 In den Miet- und Pachtwert fließen die Beträge für die Finanzierung, E r haltung, Alters- und Abnutzungsabschreibung, gewöhnliche Lasten einer Sache etc. ein. D a sie auch bei der Ziehung von Gebrauchsvorteilen durch den Eigentümer erwirtschaftet werden sollen, bestehen insoweit Parallelen. D i e Tatsache, daß der Vermieter bei der Vermietung, also der Ziehung mittelbarer Früchte nach § 99 I I I B G B , einen Gewinn erwirtschaften will, findet jedoch bei der Eigennutzung in dem Aspekt, daß auch diese regelmäßig auf einen „Nettogebrauchsvorteil", also „ G e w i n n " , gerichtet ist, nur eine vage E n t sprechung. 2 2 4 Darüber hinaus fallen insbesondere bei der gewerblichen Vermietung in zum Teil nicht unerheblichem Umfang Geschäftsunkosten durch die Vermietung an, die bei der Nutzung zum Zwecke eigener Bedarfsbefriedigung kein Pendant finden. 2 2 5 J e höher der Anteil nicht unmittelbar gebrauchsbezogener Kosten - etwa Geschäftskosten bei der regelmäßig nur auf kurze D a u e r angelegten Vermietung von Kraftfahrzeugen - beim Vermieter ist, desto weniger spiegelt der Mietzins den Wert der Gebrauchsvorteile bei Eigennutzung wider. 226 Zum Teil wird deshalb auch auf den Gedanken des bereinigten Mietzinses zurückgegriffen. 2 2 7 Das gewöhnlich zu zahlende Nutzungsentgelt ist deshalb als Bewertungsmaßstab für die Gebrauchsvorteile nur in eingeschränktem Maße verwendbar. Die Heranziehung von - zu bereinigenden - Miet- und Pachtzinsen dürfte dabei am ehesten bei der Ziehung von Gebrauchsvorteilen aus Grundstücken, Wohnräumen etc., die regelmäßig auf Dauer angelegt sind, angezeigt sein. 228 Außerdem ist bei der Bewertung der gezogenen Nutzungen auf der Grundlage des Mietwertes zu beachten, daß häufig der zur Herausgabe der 222 R G Z 93, 281, 283; 97, 245, 252; B G H Z 39, 186, 187; B G H J R 1954, 460; D B 1966, 739; B G H W M 1978, 1208, 1209 einen Betonmischer und zwei Warmluftheizer betreffend; B G H N J W 1992, 892; B G H N J W 1998, 1707; O L G Köln J M B l N R W 1960, 180; O L G Celle N J W 1964,1027, 1028; Soergel/Baur, 11. Aufl., § 100 Rn 2; MünchKomm/Holch, § 100 Rn 9 und 10; Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 168; Becker-Schaffner, D B 1993, 2078, 2080; a.A. Roth, Festschrift Küchenhoff, S. 371 ff, 384f, der die Gebrauchsvorteile subjektiv bewerten will.Vgl. auch B G H , N J W 1962, 1909, mit seiner Korrektur auf der Grundlage von schadensersatzrechtlichen Überlegungen. 223 Petrazycki, Einkommen Bd II, S. 89; Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 11, 16. 224 Die Höhe der Gewinne ist dabei von Branche zu Branche unterschiedlich, bei Mietwagen liegt sie nach Sanden/Danner/Kiippersbusch, VersR 1991, 21, bei etwa 2 0 % , während Escher-Weingart, S. 107, von einer Größenordnung von 4 % ausgeht, was der üblichen Verzinsung entsprechen würde. 225 Kohler, Rückabwicklung, S. 530, 531. 226 Vgl. dazu die oben dargelegten Wertungskriterien S. 1 lOff. 227 B G H Z 98, 212, 225; B G H Z 101, 325, 335. 228 Vgl. zu dieser Problematik auch S. 450ff.

118

§ 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

Nutzungen Verpflichtete die Kosten der Sache - gewöhnliche Erhaltungskosten, Versicherungen, Lasten etc. - getragen hat. Diese Kosten sind aber im Rahmen eines Nutzungsverhältnisses vom Vermieter und nicht vom Mieter zu tragen und werden durch den Mietzins abgegolten. Nimmt man die Miete als Berechnungsgrundlage für die Nutzungen, ohne dies zu berücksichtigen, kommt es zu einer Doppelbelastung des Nutzenden mit diesen Kosten. 229

b) Berechnung der Gebrauchsvorteile auf der der linearen Teilwertabschreibung

Grundlage

Bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen über mangelhafte - bewegliche - Sachen, 230 insbesondere Kraftfahrzeuge, 231 aber auch Maschinen 232 und Gebrauchsgüter wie Möbel, 233 hat sich die Rechtsprechung neuerdings von der Berechnung der Gebrauchsvorteile auf der Grundlage eines entsprechenden Nutzungsentgelts abgewandt 234 und legt nunmehr das Prinzip der linearen Teilwertabschreibung 235 zugrunde. 236 Danach ist der Gebrauchsvorteil durch Schätzung der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zum tatsächlichen Gebrauch und zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer zu ermitteln. Als Ausgangspunkt für die Bemessung der Gebrauchsvorteile wird dabei der Kaufpreis und zwar der Bruttokaufpreis gewählt. 237 Dieser verkörpere den Gesamtnutzungswert einer jeden zum Gebrauch bestimmten Sache. Mit der Bezahlung des Kaufpreises erkaufe sich der Käufer die Nutzbarkeit bis zur Gebrauchsuntauglichkeit. Dementsprechend ergebe sich der Nutzungswert aus dem inzwischen aufgezehrten Gebrauchswert. 238 239 Neben dieser linearen Wertabschreibung hat der BundesgerichtsLöwenheim, NJW 1966, 971 ff; Soergel/Huber, § 467 Rn 165. Nachdem der BGH, NJW 1992, 1965, noch betont hat, daß Nutzungen vom Wandlungsberechtigten bis zur Kenntnis des Wandlungsrechts nur nach Bereicherungsgrundsätzen herauszugeben seien, nimmt er in seiner grundlegenden Entscheidung, BGHZ 115, 47ff, auf der Grundlage von §§ 347, 987ff BGB eine Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzungen an, ohne die Bereicherungsfrage anzusprechen. 231 BGH NJW 1995, 2159,2161; OLG Köln, VersR 1993,109; OLG Celle, NZV 1991,230, 231; OLG Hamm, BB 1981, 1853; Reinking/Eggert, Rn 805. 232 BGH NJW 1996, 250, 252, allerdings einen Anspruch aus § 818 I BGB betreffend. 233 BGH WM 1984, 1098, 1099; BGHZ 115, 47, 50; BGH NJW 1996, 250, 252; OLG Koblenz, NJW-RR 1992, 688, 700. 234 BGHZ 115,47, 53; BGH NJW 1996,250,252; kritisch Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 18; Gursky, JZ 1997, 1154, 1155. 235 Reinking/Eggert, Rn 806: anteilige lineare Wertschwundberechnung. 236 BGHZ 115, 47, 50; BGH NJW 1995,2159,2161. Nach dem BGH, NJW 1996, 250,252, gilt dies nunmehr auch für die Nutzungsherausgabe nach § 818 I BGB. 237 BGHZ 115, 47, 54; Reinking/Eggert, Rn 804; BGHZ 60, 199, 203; OLG Düsseldorf NJW 1976, 1268. 238 BGH NJW 1996, 250, 252; Reinking/Eggert, Rn 804, nicht jedoch aus dem inzwischen eingetretenen Wertverlust. Der Gebrauchsvorteil bleibt während der gesamten Zeit gleich, während der Wertverlust besonders in der Anfangsphase bei Kfz sehr hoch ist und danach im229

230

C.

Nutzungen

119

hof in seiner Entscheidung im 115. Band, in der es um die Wandlung eines Kaufvertrages über 163 Betten wegen Sachmängel ging, die Anerkennung von Finanzierungskosten und auch eine Verzinsung des Kaufpreises abgelehnt. 2 4 0 D i e Berechnung des Wertes der Nutzungen allein auf der Grundlage einer Teilwertabschreibung erscheint jedoch nicht unproblematisch, weil man dem Gebrauch einer Sache nicht gerecht wird, wenn man ihn mit ihrem Verbrauch gleichsetzt, da ja, wie gezeigt, die Nutzungsziehung aus einer Sache darauf gerichtet ist, alle mit ihr verbundenen Kosten zu amortisieren und darüber hinaus einen Gewinn zu erwirtschaften. D a ß in dieser Entscheidung die lineare Wertabschreibung in den Vordergrund trat, läßt sich zumindest zum Teil aus der Fallgestaltung erklären. Wie oben dargelegt, sollen mit den Gebrauchsvorteilen regelmäßig auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten und Lasten erwirtschaftet werden. 2 4 1 Im Fall des Kaufs einer Sache, besonders deutlich wird dies beim Kauf eines Pkws, zahlt der Käufer diese Kosten - Versicherungskosten, Wartung, Pflege etc. jedoch selbst, dementsprechend sind sie mit den Nutzungsvorteilen zu verrechnen und treten allein aus diesem Grund bei der Bewertung der N u t zungsvorteile im Rahmen der Rückabwicklung nicht mehr in Erscheinung. 2 4 2 Daneben ist jedoch ein weiterer Aspekt bei der Bewertung der Nutzungen zu berücksichtigen, dem der Bundesgerichtshof nicht die notwendige Beachtung geschenkt hat, nämlich dem der Mangelhaftigkeit der Sache. Ausgehend von der Überlegung, daß der Wert der Gebrauchsvorteile nicht höher ist als die Kosten, die der Käufer für die dauernde Benutzung einer eigenen Sache aufwendet, 2 4 3 legt der Bundesgerichtshof den Bruttopreis für eine ordnungsgemäße Sache zugrunde. Dabei werden aber die anteiligen Kosten bei Inanspruchnahme einer intakten Sache herangezogen, um die tatsächlich aus der mangelhaften Sache gezogenen Nutzungen zu berechnen. D i e mit einer mangelhaften Sache - einer Sache, deren Tauglichkeit zum gewöhnlichen oder vertraglich vorausgesetzten Gebrauch gemindert oder aufgehoben ist - erziel-

mer geringer wird. Deshalb wird die Forderung erhoben, den Käufer an dem anfänglich erhöhten Wertverlust zumindest zu beteiligen, Kaufmann, D A R 1990, 294, 295; Creutzig, Nr. 7.4.11; Thilenius, D A R 1981, 102. 239 Bei fabrikneuen Kfz geht die Praxis von einer durchschnittlichen Gesamtfahrleistung von 150000 km und einer durchschnittlichen Fahrleistung von 15000 km im Jahr aus. Von dieser Basis ausgehend entspricht dann der Neupreis dem Wert für 150000 Fahrkilometer, woraus sich eine Nutzungsvergütung von 0,67% des Kaufpreises auf 1000 Fahrkilometer ergibt; vgl. dazu Soergel/Huber, § 467 Rn 167f; Reinking/Eggert, Rn 804ff, 816. 240 B G H Z 115, 47, 55. Hier ging es um die Wandlung eines Kaufvertrages über 163 Betten, die die Klägerin für ein von Asylanten bewohntes Hotel gekauft hatte. 241 Vgl. S. 111 ff. Es kommt mithin zu einer Verrechnung mit den Erhaltungskosten. Bei den Generalüberholungskosten differenzierend, B G H N J W 1996, 250, 253. 242 Reinking/Eggert, Rn 804; O L G Hamm B B 1981, 1853; Soergel/Huber, § 467 Rn 164, meint, nicht ganz zutreffend, diese Kosten berührten den eigentlichen Gebrauchsvorteil nicht. Vgl. dazu S. 111 ff. 243 Soergel/Huber, § 467 Rn 164.

120

5 3 Eigentum,

Nutzungsrechte

und

Nutzungen

ten Nutzungen bzw. Gebrauchsvorteile, die allein herauszugeben sind, können aber regelmäßig nicht mit den aus einer ordnungsgemäßen Sache gezogenen gleichgesetzt werden. Bei konsequenter Fortführung der Argumentation des Bundesgerichtshofs hätte der Käufer nämlich, wenn er die Betten, deren gesamte Lebensdauer auf ein Jahr veranschlagt wurde, über diesen Zeitraum benutzt hätte, Nutzungsvorteile in H ö h e des Bruttopreises der Betten zahlen müssen, der Verkäufer hätte also trotz Lieferung einer mangelhaften Sache Anspruch auf den vollen Bruttopreis gehabt. Es ist daher, wenn der lineare Wertverlust als ein F a k t o r bei der Berechnung des Wertes der Nutzungen zugrundegelegt wird, bei der Lieferung mangelhafter Sachen zu beachten, daß diese regelmäßig wegen Minderung der Tauglichkeit zum gewöhnlichen oder vertraglich vorausgesetzten Gebrauch nicht in der Lage sind, dieselben G e brauchsvorteile wie eine ordnungsgemäße Sache zu vermitteln. 2 4 4 Es ist daher bei der Teilwertabschreibung aufgrund der Mangelhaftigkeit der Sache ein Abschlag von dem Bruttopreis vorzunehmen und der Wert der mangelhaften Sache zugrundezulegen. D i e Mangelhaftigkeit der Sache dürfte auch erklären, warum allein auf die Abschreibung abgestellt, nicht die Ziehung eines „Nettogebrauchsvorteils" berücksichtigt und eine entsprechende Verzinsung abgelehnt wurde. D e n n auch wenn, wie gezeigt, regelmäßig bei wirtschaftlichem Einsatz einer Sache ein Vorteil mit dieser erwirtschaftet werden soll, so läßt sich ein solcher mit einer mangelhaften Sache nicht erzielen. I m Fall des Rücktritts des Käufers aufgrund eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts oder des Rücktritts des Verkäufers aufgrund Zahlungsverzuges würde jedoch eine der synallagmatischen Verbindung von Leistung und Gegenleistung entsprechende gerechte Rückabwicklung nicht erreicht, wenn man allein auf die lineare Wertabschreibung abstellen würde. D e n n diese liegt zum einen häufig unter dem Wertverlust der Sache, 2 4 5 zum anderen stünde dem Verzinsungsanspruch kein entsprechender selbständiger Gebrauchsvorteil gegenüber. 2 4 6 Bei der Berechnung der Gebrauchsvorteile ist deshalb zu berücksichtigen, daß mit dem G e brauch der Sache nicht nur die U n k o s t e n erwirtschaftet werden sollen, sondern aus ihr „Vorteile", Gewinne, gezogen werden sollen, der Kapitalwert „verzinst" werden soll.

244 Vgl. auch Dreher, J R 1992, 159; O L G Koblenz, N J W 1992, 688, einen Vertrag über die Lieferung von Hard- und Software betreffend. Das O L G Köln hat dies berücksichtigt, indem es von dem mangelbedingten Minderwert ausging, O L G Z 93, 332; abl. O L G Hamm N J W - R R 1988, 1140. Der B G H , B G H Z 88, 28, 33, hat bei einem Vergleich den Abzug der Fahrten zur Werkstatt für richtig erachtet. 245 Krit. deswegen O L G Celle N V Z 1991, 230, 231. 246 Vgl. dazu S. 113 ff. Davon, daß der Wert der Nutzung höher liegt als die Vermögenseinbuße, die mit der Abnutzung des Fahrzeuges verbunden ist, gehen auch aus O L G Celle N Z V 1991, 230, 231; Soergel/Huber, 11. Aufl, § 467 Rn 94, 104, anders nunmehr in 12. Aufl., § 467 Rn 168; Kohler, Rückabwicklung, S. 530.

C.

Nutzungen

121

A u c h wenn die Rechtsprechung eine Verzinsung ablehnt, trägt sie dem G e danken jedoch anscheinend 2 4 7 indirekt dadurch Rechnung, daß sie im R a h men der Rückabwicklung den Kaufpreis mit der Nutzungsvergütung verrechnet und damit die Pflicht zur Verzinsung des vollen Kaufpreises seit Empfang der Leistung gemäß § 347 B G B außer Acht läßt. Sie berücksichtigt also die Zinsen, soweit sich Kaufpreis und Nutzungs- und damit Abschreibungswert decken, weder hinsichtlich des Kaufpreises noch hinsichtlich des Abschreibungswertes. Dadurch wird die Frage der Verzinsung auf beiden Seiten gleichermaßen vernachlässigt, so daß wertmäßig letztlich die Bilanz erhalten bleibt.

6. Nutzungen und Gewinn Es bleibt die Frage, inwieweit die Gebrauchsvorteile mit dem mit der Sache erwirtschafteten Gewinn identisch sind. Gebrauchsvorteile sind die Vorteile, die die Sache unmittelbar durch ihren Gebrauch vermittelt. Diese Vorteile werden jedoch häufig nicht um ihrer selbst Willen gezogen, sondern um ein bestimmtes weiteres Ziel zu erreichen. D e r Gebrauch der Sache kann insoweit dienenden Charakter haben und in Verbindung mit dem Gebrauch anderer Sachen oder der Erbringung von Leistungen einer oder mehrerer Personen zur Schaffung neuer Werte führen. Die aus der Sache gezogenen G e brauchsvorteile sind dann notwendiges Mittel zur Erzielung eines weitergehenden Vorteils, eines Gewinns, nicht aber ihre alleinige Grundlage. Hinsichtlich des so erwirtschafteten Gewinns ist deshalb zwischen den G e brauchsvorteilen, die die Sache selbst vermittelt, lucrum ex re, und den mit ihrer Hilfe erwirtschafteten Gewinnen, lucrum ex negotiatione, zu unterscheiden. 2 4 8 Auch wenn aufgrund des persönlichen Einsatzes einer Person ein weitergehender Gewinn erzielt wurde, ist deshalb der Wert des Gebrauchsvorteils auf der Grundlage des üblichen Nutzungswerts zu bestimmen. 2 4 9 D i e Frage, inwieweit die Nutzungen mit dem Gewinn identisch sind, wird insbesondere bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen über Gewerbebetriebe und Unternehmen diskutiert. 2 5 0 Die Rechtsprechung hat zunächst eine 2 4 7 Aus der Entscheidung geht nicht klar hervor, ob die Verrechnung der Nutzungen direkt mit dem Kaufpreis erfolgte oder aber ob, wie es vom Gesetz vorgesehen ist, von dem Kaufpreis nebst Zinsen die Nutzungen abgezogen wurden, Palandt/Putzo, § 467 Rdn 16. Die Ausführungen des Gerichts sprechen dafür, daß eine direkte Verrechnung der Nutzungen mit dem Kaufpreis erfolgte und die Zinsen nicht auf den Kaufpreis aufgerechnet worden sind, sondern allein der verbleibende Differenzbetrag zu verzinsen war. 248 Motive II, S. 230 = Mugdan II, S. 127. 249 Dies gilt umgekehrt auch dann, wenn die gezogenen Gebrauchsvorteile, lucrum ex re, sich wegen anderer negativer Faktoren letztlich nicht in einem Gewinn niederschlagen, B G H D B 1966, 739, für den Fall einer unwirksamen Pacht. 250 Gursky, Staudinger (1999), § 987 Rn 20, weist darauf hin, daß § 987 B G B sich allein auf die Herausgabe von Sachen bezieht und deshalb auf den Gewinn aus einem Gewerbebetrieb nur analoge Anwendung finden kann.

122

§ 3 Eigentum, Nutzungsrechte

und Nutzungen

Erstreckung auf den Gewinn mit der Begründung, der Ertrag beruhe „mehr auf der persönlichen Tüchtigkeit und den Leistungen des Besitzers als auf der Nutzung der Sache", abgelehnt und die Nutzungen nach dem Miet- bzw. Pachtwert bemessen. 251 In späteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Frage differenzierter gesehen und auf den Einzelfall abgestellt. 252 Entscheidend ist danach, inwieweit der Betriebsgewinn auf die persönlichen Leistungen und die Fähigkeiten des Betriebsinhabers oder aber auf die durch das Unternehmen selbst verkörperten Vorteile, lucrum ex re, zurückzuführen ist. 253 Die Erwirtschaftung eines Gewinns aus einem Unternehmen hängt regelmäßig von betrieblichen Entscheidungen und Dispositionen ab und nicht allein von der „Nutzung" des Unternehmens an sich. Ein über den objektiven Nutzwert eines Unternehmens - bei dem auch der good will, die Marktbeziehungen etc. zu berücksichtigen sind 254 - hinausgehender Gewinn ist daher grundsätzlich als Ergebnis der unternehmerischen Leistung anzusehen. 255

III. Fazit Nutzungen im Sinne von § 100 B G B sind dadurch gekennzeichnet, daß die Gebrauchsvorteile wie die Früchte neben die Sache treten und gegenüber der Sache verselbständigt sind. Durch die Vorteilsziehung wird die Sache regelmäßig nicht wesentlich in ihrer Substanz beeinträchtigt, Substanzerhaltungsgrundsatz. Bei ihrer vermögensrechtlichen Bewertung sind als Faktoren zum einen der alters-/nutzungsbedingte Wertverlust der Sache und die Ausgaben, die der Erhaltung und der Nutzziehung aus der Sache dienen - gewöhnliche Erhaltungskosten sowie gewöhnliche Lasten - zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird mit dem Gebrauch der Sache - über die Deckung der genannten Unkosten - regelmäßig noch ein weiterer Vorteil erstrebt, der Gebrauchsvorteil im engeren Sinne. 256 251 So O L G Köln JMB1. NRW i960, 180; ähnlich BGHZ 7, 208, 218; BGH JR 1954, 460 mit ablehnender Anmerkung von Bufe; RGRK/Pikart, § 987 Rn 32; Erman/Hefermehl, § 987 Rn 3; Palandt/Bassenge, § 987 Rn 2; vgl. auch Beierstedt, Festschrift Schilling, S. 289ff. 252 BGH NJW 1978, 1578; BGHZ 63, 365, 368 mit Anmerkung Bassenge, J R 1975, 326. Der BGH hat dementsprechend in seiner Entscheidung, NJW 1992, 892, eine entsprechende Aufteilung befürwortet, wenn die Nutzungen zum einen auf der Sache selbst, zum anderen auf späteren Investionen beruhen. 253 BGH NJW 1978, 1578; BGHZ 63, 365, 368; vgl. auch MünchKomm/Medicus, §987 Rn 13; krit. Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 20. 254 Ballerstedt, Festschrift Schilling, S. 289, 294. 255 Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 20; Staudinger/Kaiser, § 347 Rn 68; Kohler, Rückabwicklung, S. 688; Schwintowski,JZ 1987, 592; MünchKomm/Medicus, § 987 Rn 13; Canaris, Festschrift Lorenz, S. 55 Fußnote 105; anders Schön, S. 214, der meint, „Nutzung" des Unternehmens sei nichts anderes als der „Reingewinn" des Unternehmens. 256 Nach Schön, S. 213, sind als Gebrauchsvorteile die Nettovorteile zu begreifen.

§ 4 Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechte, Nutzungen und ihre Rückabwicklung Wird ein Vertrag über eine Sache oder ihre Überlassung zum Gebrauch durch Rücktritt in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt oder hat jemand ohne rechtlichen Grund eine Sache erlangt, so stellt sich die Frage, wie der Tatsache Rechnung zu tragen ist, daß zeitweilig eine Person die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit der Sache hatte, die ihr bei nunmehriger Betrachtung rechtlich nicht zugestanden hätte. Ist für den vorübergehenden Genuß der Nutzungsmöglichkeit der Sache ein Ausgleich zu leisten bzw. von welchen Voraussetzungen ist die Ersatzpflicht abhängig? Die Beantwortung dieser Frage ist für die generelle rechtliche Bewertung und Einordnung der abstrakten Nutzungsmöglichkeit einer Sache auf der einen Seite und die der Nutzungsrechte bzw. der tatsächlich gezogenen Nutzungen auf der anderen Seite aufschlußreich. Denn aus der jeweiligen Anknüpfung und Ausgestaltung der Rückabwicklungsregeln lassen sich grundlegende Rückschlüsse darauf ziehen, welche Bedeutung unsere Rechtsordnung der Nutzungsmöglichkeit als solcher, Nutzungsrechten oder konkret gezogenen Nutzungen beimißt. Es ist deshalb zu untersuchen, wie diese Nutzungsfrage im Rahmen der Rückabwicklungsverhältnisse beim Rücktritt, der ungerechtfertigten Bereicherung und im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gelöst wird. Von Interesse ist dabei auch, inwieweit sich Parallelen und Unterschiede bei der rechtlichen Bewertung der Nutzungsmöglichkeit aufgrund Eigentums und aufgrund von beschränkten Nutzungsrechten feststellen lassen.

A. Die Rückabwicklungsregeln

der §§ 346, 347 BGB

Die Rückabwicklungsregeln zum vertraglichen Rücktrittsrecht gemäß §§ 346, 347 BGB sind aufgrund zahlreicher Verweisungen von allgemeiner, zentraler Bedeutung. Die Regeln des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts finden über § 327 BGB etwa auch beim gesetzlichen Rücktrittsrecht nach §§ 325, 326 BGB Anwendung. Allerdings geht ein Teil der Rechtsprechung und Literatur davon aus, daß sich aus der Ausnahmeregelung des § 327 S. 2 BGB ein allgemeiner Grundsatz ableiten lasse, wonach derjenige, der den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten habe, nur nach Bereicherungsrecht haften

1 2 4 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

solle und insoweit die §§ 346, 3 4 7 B G B verdrängt würden. 1 Die §§ 346, 3 4 7 B G B finden darüber hinaus über §§ 327, 462, 467, 6 3 4 IV B G B auch auf die Wandlung beim K a u f - und W e r k v e r t r a g entsprechende A n w e n d u n g . 2 Ziel des Rücktritts, der das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein vertragliches Abwicklungsverhältnis umwandelt, 3 ist es, den Vertrag soweit als möglich rückgängig zu machen. G e m ä ß § 3 4 6 S. 1 B G B sind deshalb die vertraglich geschuldeten Leistungen zurückzugewähren, d.h. eine zu Eigentum oder Besitz übertragene Sache ist zurückzuübertragen bzw. zurückzugeben. In den §§ 346, 3 4 7 B G B hält das Gesetz eine differenzierte Regelung bereit, u m der Tatsache, daß eine Vertragspartei zeitweilig in den G e n u ß der N u t zungsmöglichkeit einer Sache gekommen ist, gerecht zu werden. In § 3 4 6 B G B ordnet es f ü r die Fälle „der Überlassung einer Sache z u m Gebrauch" eine Wertersatzpflicht an, w ä h r e n d es in § 3 4 7 B G B hinsichtlich der Vergütung der N u t z u n g e n auf die Regeln über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verweist, §§ 347, 9 8 7 f f B G B . In § 346 B G B w i r d damit auf die Gebrauchsüberlassung als solche abgestellt, f ü r die ein entsprechender Wertersatz zu leisten ist, w ä h r e n d es nach § 3 4 7 B G B in Verbindung mit den Regeln z u m Eigentümer-Besitzer-Verhältnis auf die tatsächlich gezogenen N u t z u n g e n ank o m m t . Dies weist bereits darauf hin, daß der Gesetzgeber an die zeitweilige Nutzungsmöglichkeit einer Sache nicht uni sono eine Ausgleichspflicht knüpft, sondern die Ersatzpflicht maßgeblich v o n dem Inhalt des Vertrags1 Vgl. BGHZ 53, 144, 149; BGH VersR 1981, 138; BGH JZ 1987, 676; BGH NJW 1992, 1965; OLG Köln OLGZ 1980, 290, 211 - ohne weitere Differenzierung hat der BGH in der Entscheidung, BGHZ 115, 47ff, hingegen die §§ 467, 347, 987 BGB zugrundegelegt; Palandt/ Heinrichs, § 327 Rn 3; Staudinger/Otto, § 327 Rn 46; Woopen, JZ 1991, 540; Erman/Westermann, § 347 Rn 5; Staudinger/Kaduk, 12. Aufl., § 347 Rn 26; Soergel/Hadding, § 347 Rn 10; Soergel/Wiedemann, § 327 Rn 28; MünchKomm/Janßen, § 347 Rn 13 ff, 24; Flame, NJW 1970, 1161, 1165f; Muscheler, AcP 187, 367; Canaris, JZ 1992, 1114, 1116. Dem steht jedoch entgegen, daß vom Gesetzgeber § 327 S. 2 BGB bewußt eng verstanden wurde, Protokolle, S. 1303 = Mugdan II, S. 645 f. Vor allen Dingen spricht gegen eine gespaltene Rückabwicklung - auf der einen Seite nach §§ 346, 347, 987ff BGB und zum anderen nach Bereicherungsrecht mit der Möglichkeit des Entreicherungseinwandes - , daß damit zwei unterschiedlich angelegte Rückabwicklungsregelungen unabhängig voneinander angewendet werden und damit dem Gedanken der synallagmatischen Verbindung von Leistung und Gegenleistung nicht Rechnung getragen wird. Soll das Risiko nicht einseitig zu Lasten des Rücktrittsgegners verlagert werden, ist deshalb eine einheitliche Rückabwicklung nach §§ 346ff BGB anzunehmen, vgl. RGZ 145, 79, 82; Leser, Rücktritt, S. 207ff; Glaß, S. 86ff; Larenz, Schuldrecht I, § 26 b 1; MünchKomm/ Emmerich, §327 Rn 13; Staudinger/Honseil, §467 Rn 24ff, 27; Staudinger/Otto, §327 Rn 33ff, 35; Staudinger/Kaiser, §347 Rn 18ff; Huber, JZ 1987, 649ff, 655; Soergel/Huber, § 467 Rn 175 ff; Tiedtke, JZ 1990, 75, 79. Im Rahmen der Schuldrechtsreform wird eine einheitliche Rückabwicklung auf der Basis der §§ 346, 347 BGB in modifizierter Form erwogen, Huber, Gutachten I, S. 680; Abschlußbericht, S. 174ff, 178; vgl. dazu Staudinger/Otto, §327 Rn3, 34, 35. 2 Auch hier bestehen Meinungsunterschiede über den Anwendungsbereich des § 327 S. 2 BGB, vgl. dazu insbesondere Huber, JZ 1987, 649ff; Soergel/Huber, § 467 Rn 175ff. 3 BGH NJW 1984, 42; 1990, 2069; Leser, Rücktritt, S. 157ff; ders., Festschrift Wolf, S. 373, 380; E. Wolf, AcP 153, 97ff; MünchKomm/Janßen, Vor § 346 Rn 45ff.

A. Die Rückabwicklungsregeln

der $5 346, 347 BGB

125

Verhältnisses, insbesondere den rückabzuwickelnden Leistungspflichten, abhängig macht.

I.

§346

BGB

Nach § 346 S. 2 BGB ist „Für geleistete Dienste sowie für die Überlassung der Benutzung einer Sache ... der Wert zu vergüten oder, falls in dem Vertrag eine Gegenleistung in Geld bestimmt ist, diese zu entrichten." Aus dem Zusammenhang mit Satz 1 dieser Regelung ergibt sich, daß es sich bei den Diensten bzw. der Überlassung zur Benutzung um eine vertraglich vereinbarte selbständige Leistung handeln muß. § 346 S. 2 BGB meint damit die Fälle, in denen die Hauptleistungspflicht Dienste oder die Überlassung einer Sache zur Benutzung zum Inhalt hat, 4 so daß sich die Regelung also insbesondere auf Dienst-, Miet- und Pachtverträge bezieht. Gegenstand des Vertrages ist in diesen Fällen also nicht die Übertragung der Sache als solcher, sondern die Einräumung eines vertraglich vereinbarten Nutzungsrechts und die damit verbundene Überlassung der Sache zu einem bestimmten Zweck, dem vereinbarten Gebrauch. Letztlich geht es also um die Rückabwicklung von Verträgen, die die Einräumung von Nutzungsrechten zum Inhalt haben. Die Überlassung der Sache zum vertraglichen Gebrauch und damit die Einräumung des Nutzungsrechts kann aufgrund ihrer zeitlichen Dimension nicht in natura zurückgewährt werden. Da Gegenstand der Rückabwicklung das eingeräumte Nutzungsrecht ist, ordnet § 346 S. 2 BGB an, daß der Wert der Gebrauchsüberlassung, also des Nutzungsrechts, bzw. die vertraglich vereinbarte Gegenleistung als Ausgleich zu entrichten ist. Die Bewertung orientiert sich damit am objektiven bzw. vertraglich vereinbarten Wert des Nutzungsrechts. Da es um die Rückabwicklung des dem Vertragspartner aufgrund der vertraglichen Vereinbarung eingeräumten Nutzungsrechts geht, trägt er auch das Risiko für den sinnvollen tatsächlichen Gebrauch des Nutzungsrechts in der Zwischenzeit. Für den Anspruch aus § 346 BGB kommt es deswegen nicht darauf an, ob der Vertragspartner die ihm überlassene Sache genutzt hat oder nicht. 5 Anknüpfungspunkt für die Rückabwicklungsregelung ist damit die Einräumung eines ganz bestimmten Nutzungsrechts und nicht die Tatsache, daß der Vertragspartner, aus welchen Gründen auch immer, die faktische Nutzungsmöglichkeit der Sache hatte. Haben die Parteien einen Kaufvertrag über eine Sache geschlossen und hat der Vertragspartner das Eigentum an der Sache erworben, so hat er zwar auch als Eigentümer die Gebrauchsbefugnis hinsichtlich der Sache erlangt. Im Ge4 OLG Köln OLGZ 1980, 210, 211; Soergel/Hadding, § 346 Rn 7, § 347 Rn 10; MünchKomm/Janßen, § 346 Rn 20, § 347 Rn 19; Staudinger/Kaiser, § 346 Rn 53; Staudinger/Otto, § 327 Rn 28. 5 Auf eine Bereicherung des Mieters kommt es nicht an, RG JW 1907, 670; BGHZ 77, 310, 320; 85, 50, 59; Staudinger/Kaduk, 12. Aufl., § 346 Rn 48; RGRK/Ballhaus, % 346 Rn 21.

1 2 6 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen und ihre

Rückahwicklung

gensatz zur Miete und Pacht handelt es sich jedoch nicht um ein selbständiges Nutzungsrecht, sondern Gegenstand des Vertrages und damit Inhalt der Hauptleistungspflicht ist die Übertragung der Sache. Der Erwerb des Eigentums und damit der umfassenden Herrschaftsmacht über die Sache als solche steht im Vordergrund. Der vom Erwerber mit der Sache verfolgte Verwendungszweck - etwa Gebrauch, Verbrauch, Veräußerung, Vernichtung etc. 6 tritt, anders als bei der Einräumung eines begrenzten Nutzungsrechts, hinter der umfassenden Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben verfahren zu können, zurück. Daß § 346 B G B den Erwerb der Sachherrschaft aufgrund Eigentums nicht erfassen wollte, wird daran deutlich, daß diese Vorschrift ausdrücklich nur von der Überlassung der Benutzung der Sache, also von der Einräumung eines Gebrauchsrechts als Hauptleistung, und nicht von der Überlassung der Sache als solcher spricht. Die vom Erwerber gezogenen Nutzungen haben deshalb im Rahmen von § 347 B G B eine gesonderte Regelung erfahren. Der Gesetzgeber hat damit die Nutzungsmöglichkeit der Sache aufgrund Eigentums bewußt nicht einem vertraglich eingeräumten Nutzungsrecht gleichgestellt und ihr keine eigenständige Bedeutung neben der Rückübertragung der Sache beigemessen. Auf der Grundlage von § 346 S. 2 B G B ist daher nur die Sache zurückzugewähren, nicht aber auch Wertersatz für die Nutzungsmöglichkeit der Sache zu leisten. 7 § 346 B G B mißt damit rechtliche Relevanz allein der Gebrauchsüberlassung auf der Grundlage eines Nutzungsrechts zu, nicht aber der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit einer Sache.

II. §347 BGB Während § 346 B G B die Rückabwicklung der Hauptleistungspflichten regelt, befaßt sich § 347 B G B mit Problemen, die insbesondere bei der Rückabwicklung von Kauf- und Werklieferungsverträgen entstehen. 8 Diese Vorschrift ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß der Eigentümer durch die Eigentumsübertragung die umfassende Herrschaftsmacht über die Sache erlangt hat und mit ihr rechtlich wie tatsächlich gemäß § 903 B G B nach Belieben verfahren konnte. Die Rücktrittsvorschriften haben deshalb zum Ziel, bei Verlust oder bei Verschlechterung der Sache wie auch bei einer zwiVgl. dazu S. 81 ff. Abweichend davon will Serick I, § 7 II 4 Fußnote 59, S. 133, im Fall eines Kaufs unter Eigentumsvorbehalt § 346 BGB anwenden, da die Gebrauchsüberlassung bis zur vollständigen Zahlung als Hauptpflicht anzusehen sei; ebenso Blomeyer, JZ 1968, 691, 693 Fußnote 31; ders., DB 1969, 2117, 2119. Zu Recht ablehnend Raisch, Festschrift Weber, S. 337, 341. Denn damit wird für den Zeitraum der Gebrauchsüberlassung eine Art Miete angenommen, was nicht dem Willen des Käufers entsprechen dürfte. Vgl. zu dieser Problematik, die insbesondere bei Abzahlungsgeschäften hervortritt, S. 130ff. 8 O L G Köln O L G Z 1980, 210ff; MünchKomm/Janßen, § 346 Rn 20; Palandt/Heinrichs, § 346 Rn 4; Thielmann, VersR 1970, 1072. 6

7

A. Die Riickabwicklungsregeln

der §§ 346, 347 BGB

127

schenzeitlichen Benutzung eine möglichst umfassende und gerechte Rückabwicklung zu erreichen. 9 Nach § 347 BGB, der auf die Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses verweist, hat der Schuldner gemäß § 987 I BGB die Nutzungen herauszugeben. Bei zwischenzeitlichem Gebrauch der Sache knüpfen die §§ 347, 987 BGB damit nicht etwa an die Gebrauchsmöglichkeit der Sache als solche, sondern an die tatsächlich gezogenen Nutzungen an. 10 Es wird also darauf abgestellt, in welcher Weise der Eigentümer von seiner Befugnis, mit der Sache nach Belieben verfahren zu können, Gebrauch gemacht hat. Dies entspricht der Überlegung, daß die Nutzungsmöglichkeit als solche zunächst nur ein Potential darstellt, dessen Bedeutung von der N u t z u n g im konkreten Fall abhängt, also der Ziehung von Früchten und Gebrauchsvorteilen. Die N u t z u n gen sind, soweit es sich um Früchte handelt - wobei nur unmittelbare und mittelbare Sachfrüchte, § 99 I und III BGB, in Betracht kommen 1 1 - in natura herauszugeben. 12 Dies gilt insbesondere auch für die durch Vermietung erlangten Mietzinsen als mittelbaren Sachfrüchten. 13 Für Gebrauchsvorteile, die als nicht gegenständliche Nutzungen nicht in natura herausgegeben werden können, ist Wertersatz zu leisten. Die Bewertung der tatsächlich gezogenen Gebrauchsvorteile hat nach den oben dargelegten Kriterien unter Zugrundelegung der auf den konkreten Gebrauch bezogenen linearen Teilwertabschreibung zu erfolgen, 14 nicht hingegen auf der Grundlage eines entsprechenden Mietzinses. Denn nur so wird der Tatsache Rechnung getragen, daß nicht für die Einräumung eines gesonderten Gebrauchsrechts, sondern für die tatsächlich gezogenen Gebrauchsvorteile Wertersatz zu leisten ist. Darüber hinaus hat der Schuldner nach § 987 II BGB die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen zu erstatten, die er im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte ziehen können. 1 5 Man könnte meinen, es komme auf9 Entsprechend ist bei der Feststellung eines Verschuldens gemäß §§351, 989 BGB darauf abzustellen, ob es sich um eine freie Handlung des Zurücktretenden handelt, vgl. v. Caemmerer, Festschrift Larenz, S. 621, 629 Fußnote 29; Leser, S. 197f; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn 442; Münch Komm/Emmerich, § 327 Rn 14; Staudinger/Honseil, § 467 Rn 17. 10 Vgl. auch Art. 84 II CISG: „Der Käufer schuldet dem Verkäufer den Gegenwert aller Vorteile, die er aus der Ware oder einem Teil der Ware gezogen hat." Auch hier wird auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen abgestellt, vgl. dazu v. Caemmerer/Schlechtriem/Leser/ Hornung, CISG, Art. 84 Rn 16, 19, 22. 11 Es kommen nur Sachfrüchte nach § 99 I und III BGB in Betracht, vgl. Palandt/Bassenge, § 987 Rn 5; Staudinger/Gursky (1999), §987 Rn 10; a.A. Staudinger/Kaiser, §347 Rn 57, die übersieht, daß die Rückabwicklung von Nutzungsrechten nach § 346 S. 2 BGB erfolgt, also Wertersatz zu leisten ist und insoweit § 347 BGB nicht einschlägig ist. 12 Können die Früchte nicht in natura herausgegeben werden, haftet der Rückgewährschuldner nach § 280; vgl. Staudinger/Kaiser, § 347 Rn 60; Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 15. 13 Staudinger/Kaiser, § 347 Rn 57. Vgl. dazuS. 100. 14 Vgl. dazuS. 118ff. 15 Bei Art. 84 CISG, der keine entsprechende Regelung enthält, wird zum Teil eine Ersatzpflicht f ü r nicht gezogene N u t z u n g e n aus der allgemeinen Schadensminderungspflicht des

128

§4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

grund dieser Regelung letztlich doch nicht auf die konkret gezogenen N u t zungen, sondern auf die Nutzungsmöglichkeit als solche an. Damit würde man der Regelung des § 987 II B G B jedoch nicht gerecht, denn auch sie bezieht sich auf ganz konkrete Nutzungen, insbesondere Sachfrüchte, nämlich die, die der Besitzer nach den Regeln ordnungsmäßer Wirtschaft hätte ziehen müssen. D i e Regelung des § 987 II B G B ist vor dem Hintergrund einer rechtshängigen Klage zu sehen. 1 6 In dieser Situation weiß der Besitzer, daß er im Falle eines ungünstigen Prozeßausganges die gezogenen Nutzungsvorteile herauszugeben bzw. deren Wert zu erstatten hat. U m der Gefahr entgegenzuwirken, daß der Besitzer im Hinblick auf diese Herausgabepflicht keine Sach-, Rechtsfrüchte oder Gebrauchsvorteile mehr aus der Sache zieht und so die Nutzungen, die die Sache gewähren könnte, zu Lasten des Eigentümers verfallen, ordnet § 987 II B G B an, daß er so zu behandeln ist, als hätte er sich den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechend verhalten, also als hätte er entsprechende Nutzungen gezogen. 1 7 Ersatz nach § 987 II B G B ist deshalb nur dann zu leisten, wenn der Schuldner schuldhaft und, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, entgegen den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Wirtschaft von der Ziehung ganz konkreter Nutzungen abgesehen hat. D i e Problematik unterlassener Vorteilsziehung betrifft primär die Ziehung von Sach- und Rechtsfrüchten, die der Schuldner in natura herauszugeben hat, nicht aber die Ziehung von Gebrauchsvorteilen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse. 1 8 Bei dem gesetzlichen Rücktritt wird die Haftung nach den Regeln des E i gentümer-Besitzer-Verhältnisses für die Zeit vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes zum Teil, insbesondere im Hinblick auf die Ersatzpflicht des § 987 II B G B , für zu weitgehend erachtet und deshalb unter Ausdehnung von § 327 S. 2 B G B die Haftung auf die Herausgabepflicht bei ungerechtfertigter Bereicherung beschränkt. 1 9 D i e gezogenen Nutzungen sind dann nach § 8 1 8 1

Art. 77 C I S G abgeleitet, vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem/Leser/Hornung, Art. 84 Rn 22; Leser, Vertragsaufhebung, S. 254 f. 16 Vgl. dazu ausführlich S. 185 ff. 17 Vgl. dazu MünchKomm/Medicus, § 987 Rn 21 und ausführlich S. 188ff. 18 Vgl. dazu ausführlich S. 189f. 19 Vgl. dazu bereits Fußnote 1. Der Unterschied zeigt sich wegen des Entreicherungseinwandes auch bei „Luxusnutzungen", Staudinger/Otto, § 327 Rn 35; J. Schmidt, JuS 1979, 632. Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ist durch die Unsicherheit des Prozeßausgangs geprägt. Demgegenüber vertraut beim gesetzlichen Rücktritt die rücktrittsberechtigte Partei bis zur Kenntnis vom Rücktrittsgrund bzw. bis zur Rücktrittserklärung regelmäßig auf den Bestand ihrer Rechtsposition. Es wird deshalb für diese Fälle vorgeschlagen, entweder in Ausdehnung des § 327 S. 2 B G B - vgl. B G H N J W 1992, 1965; MünchKomm/Janßen, § 347 Rn 24; Thielmann, VersR 1970, 1069, 1072ff; Staudinger/Kaduk, § 347 Rn 26 - oder aber über § 988 B G B - v g l . B G H N J W 1952, 930, mit abl. Anmerkung Werner, abl. MünchKomm/Emmerich, § 327 Rdn 17; Thielmann, VersR 1970, 1069, 1072 ff - auf diese Fälle das Bereicherungsrecht an-

A. Die Rückabwicklungsregeln

der §§ 346, 347 BGB

129

BGB zu ersetzen. Auch hier kommt es also auf die konkret aus der Sache gezogenen Nutzungen an. 20 Festzuhalten ist damit, daß gemäß § 347 BGB bei der Rückabwicklung von Verträgen, die die Übertragung von Eigentum zum Inhalt haben, auf den tatsächlichen Gebrauch, die konkret gezogenen oder zu ziehenden Nutzungen, abgestellt wird und nicht auf die Gebrauchsmöglichkeit als solche. Dem steht auch nicht die in § 347 S. 3 BGB angeordnete Verzinsungspflicht entgegen. Ihr ist nicht zu entnehmen, daß außer bei Geld für die Gebrauchsmöglichkeit als solche eine Vergütung zu erstatten wäre. Die Verzinsungspflicht beruht vielmehr auf der Annahme, daß es den Gepflogenheiten entspricht, Geld durch eine entsprechende Anlage zu nutzen, weshalb die Ziehung von Zinsen unterstellt werden kann. 21 Dem Gläubiger soll aufgrund einer unwiderleglichen Vermutung der Nachweis erspart werden, daß tatsächlich Zinsen gezogen wurden. 2 2 Insgesamt zeigt die Analyse der Rücktrittsvorschriften, daß das BGB streng zwischen den Fällen, in denen die Überlassung einer Sache zum Gebrauch Hauptleistungspflicht ist, und den Fällen, in denen die Sache als solche Gegenstand des Vertrages ist, unterscheidet. Ist Gegenstand der Rückabwicklung ein selbständiges Nutzungsrecht, etwa aufgrund von Miete oder Pacht, so ist Gegenstand der Rückabwicklung dessen Verkehrswert bzw. der vertraglich vereinbarte Wert. Demgegenüber wird bei Überlassung einer Sache im Rahmen eines Kaufvertrages dem „Gebrauchmachenkönnen" der Sache, also ihrer Nutzungsmöglichkeit, keine selbständige Bedeutung bei der Rückabwicklung beigemessen. Rechtliche Relevanz kommt dieser im Eigentum verkörperten Möglichkeit erst zu, wenn von ihr konkret Gebrauch gemacht zuwenden, wodurch insbesondere auch der Entreicherungseinwand im Hinblick auf Luxusvorteile eröffnet würde. Gegen die Ausdehnung von § 327 S. 2 BGB und die Anwendung von Bereicherungsrecht ist jedoch vor allem einzuwenden, daß damit die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung aufgehoben würde. So könnte sich der Rücktrittsberechtigte auf den Wegfall der Bereicherung hinsichtlich der Nutzungen berufen, während ihm der Gegner zur Verzinsung des Kaufpreises und damit zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet bliebe. Ihm kämen damit zum einen die tatsächlich gezogenen Nutzungen, die ihm zustatten gekommen sind und um die er, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr bereichert ist, wie auch die Verzinsung, die Nutzungen des Rücktrittsgegners, zugute, während der Rücktrittsgegner doppelt getroffen wäre, vgl. R G Z 145, 79, 82. § 987 BGB belastet den Zurücktretenden mit der Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen auch nicht über Gebühr, zumal nunmehr auch nicht mehr auf den Mietpreis bei der Bewertung der Nutzungen abgestellt wird, vgl. dazu S. 118 ff. Die Bedeutung von § 987 S. 2 BGB wird außerdem leicht überschätzt. Denn gerade beim Kauf einer Sache ist zu berücksichtigen, daß der Eigentümer nicht in der Verwendung der Sache festgelegt ist, so daß nur in wenigen Fällen eine Pflicht zur Benutzung angenommen werden kann. Vgl. dazu unten S. 189f. 20 Vgl. dazu ausführlich S. 151 ff. 21 Vgl. § 246 BGB. Der Neuregelung des § 288 BGB liegen andere Überlegungen zugrunde. 22 Vgl. dazu S. 113.

1 3 0 $ 4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

wird, Vorteile aus ihr gezogen werden. Erst in dieser konkretisierten Form, den gezogenen Nutzungen, ist sie, wie sich aus §§ 347, 987 BGB ergibt, Gegenstand der Rückabwicklung. Die §§ 346, 347 BGB tragen damit dem grundlegenden Unterschied zwischen dem die umfassende Herrschaftsmacht vermittelnden Eigentum und den Nutzungsrechten Rechnung. Zugleich zeigen sie auf, welche besondere rechtliche wie wirtschaftliche Bedeutung der Realisierung der Herrschaftsmacht durch Ziehung konkreter Nutzungen zukommt.

III. Die Rückabwicklung im Rahmen der Konsumentenschutzgesetze Abzahlungsgesetz, Verbraucherkreditgesetz und Haustürwiderrufsgesetz Nachdem die Rücktrittsregeln in den §§ 346, 347 BGB streng danach differenzieren, ob ein Nutzungsrecht an der Sache oder Eigentum als solches übertragen wurde, ist der Frage nachzugehen, ob dieser Unterscheidung auch in den Rückabwicklungsregelungen der Konsumentenschutzgesetze Rechnung getragen wird.

1.

Abzahlungsgesetz

Das Abzahlungsgesetz von 1894, das am 1.1.1991 von dem Verbraucherkreditgesetz abgelöst wurde, sah in § 1 d III Halbsatz 1 für den Widerruf und in § 2 I S. 2 A b z G für den Rücktritt übereinstimmend vor, daß der Käufer für die Überlassung des Gebrauchs oder der Benutzung einer Sache deren Wert zu vergüten hatte. Darüberhinaus war die Wertminderung beim Rücktritt gemäß § 2 I S. 2 A b z G - anderes galt für den Widerruf gemäß § 1 d III Halbsatz 2 A b z G - zu berücksichtigen. 23 Die Regelungen in § l d A b z G und § 2 A b z G unterschieden sich damit wesentlich von den Rücktrittsregeln des BGB und gingen ihnen als Sonderregelungen vor. 24 Abgesehen von der problematischen Verbindung von Vergütungspflicht und Wertminderung in § 2 AbzG 2 5 besteht der wesentliche Unterschied zwischen der Regelung des BGB und den Regeln des Abzahlungskaufs darin, daß der Verkäufer beim Abzahlungskauf einen Anspruch auf eine Vergütung für 23

Kritisch Palandt/Putzo, 50. Aufl. (1991), § 1 d A b z G R n 6; Löwe, N J W 1974, 2257, 2263; Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, R n 493; Scholz, M D R 1974, 969. 24 MiinchKomm/Westermann, 2. Aufl., § 2 A b z G R n 4; Klauss/Ose, Abzahlungsgeschäfte, R n 533; Ostler/Weidner, § 1 A b z G , A n m . 169ff; Palandt/Putzo, 50. Aufl. (1991), § l d A b z G R n 5. 25 D u r c h sie w e r d e n zwei ganz unterschiedliche Wertungskriterien miteinander v e r k n ü p f t , w o b e i insbesondere die Tatsache zu beachten ist, daß bereits mit d e m Mietzins die übliche W e r t m i n d e r u n g abgegolten wird, MiinchKomm/Westermann, 2. Aufl., § 2 A b z G R n 25; vgl. auch Erman/Weitnauer/Klingsporn, 8. Aufl., § 2 A b z G R n 54.

A. Die Rückabwicklungsregeln

der §§ 346, 347

BGB

131

die Nutzungsüberiassung hat. Anders als beim Rücktrittsrecht nach dem B G B hat der Käufer also nicht nur die unter Realisierung der Herrschaftsmacht aus der Sache gezogenen Nutzungen zu erstatten, sondern er hat, wie in dem in § 346 B G B geregelten Fall der Überlassung zum Gebrauch, grundsätzlich Wertersatz für die eingeräumte Nutzungsmöglichkeit zu leisten. 26 Es stellt sich deshalb die Frage, warum anders als im B G B im Abzahlungsgesetz nicht auf die konkret aus der Sache gezogenen Nutzungen, sondern auf den Wert der Gebrauchsüberlassung abgestellt wurde. Der Grund dürfte darin zu sehen sein, daß man in dem Abzahlungsgeschäft eine selbständige Gebrauchsüberlassung, also ein mietähnliches Element, enthalten sah. 27 Der Abzahlungskauf unterscheidet sich von einem Barkauf wesentlich dadurch, daß der Käufer die Ware bereits lange vor vollständiger Bezahlung erhält, so daß die Beziehung des Verkäufers zum Käufer in der Zwischenzeit einer eigenen rechtlichen Qualifizierung bedarf. Das uneingeschränkte Recht des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, steht dem Käufer schon wegen des regelmäßig vereinbarten Eigentumsvorbehalts nicht zu, er ist vielmehr auf den ordnungsgemäßen Gebrauch beschränkt, so daß sich hier eine Parallele zum Mietrecht feststellen läßt. Es liegt daher nahe, im Falle des Scheiterns des Vertrages, wenn also das Ziel Kauf nicht erreicht wird, die Gebrauchsüberlassung in der Zwischenzeit als mietähnlich zu qualifizieren. Aufgrund dieser Parallelen hat der Gesetzgeber, wie auch die Entstehungsgeschichte zeigt, 28 auf mietrechtliche Gedanken zurückgegriffen und sich nicht an den Rückabwicklungsregeln beim Kauf orientiert. 29 Diese Parallelen zur Miete, auf die auch die Rechtsprechung immer wieder hingewiesen hat, 30 und die Anwendung mietrechtlicher Grundsätze haben zur Folge, daß an die Gebrauchsüberlassung und damit an das Gebrauchsrecht des Käufers unabhängig davon angeknüpft wird, ob der Käufer von der Sache Gebrauch gemacht hat oder nicht. 31 Dadurch wird der Käufer gegenüber der Regelung im B G B 26 Entsprechend besteht, anders als bei § 347 B G B , nach überwiegender Ansicht auch kein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen, Raisch, Festschrift Weber, S. 337, 345; Klaussl Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, Rn 605; B G H Z 44, 237ff, 239. 27 R G Z 138, 28, 32; B G H N J W 1985, 1544, 1546; Soergel/Hönn, § 2 A b z G Rn 27; MünchKomm/Westermann, 2. Aufl., § 2 A b z G R n 2 7 ; Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, Rn 602; Erman!Weitnauer/Klingsporn, § 2 A b z G Rn 52. 28 Lenzmann, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 1893/94, Bd II, S. 863 ff, 868; Raisch, Festschrift Weber, S. 337, 343. 29 Noch stärker als beim Abzahlungskauf tritt das Mietelement beim Mietkauf/Leasing hervor. Auch das im englischen Recht dem Abzahlungskauf entsprechende Rechtsinstitut, der hire purchase, ist durch Elemente aus Kauf und Miete geprägt, vgl. zum hire purchase law, Jung, S. 15 ff. 30 B G H Z 19, 330, 333; B G H N J W 1973, 1078, 1079. 31 Da die Überlassung zum Gebrauch zu vergüten ist - das B G B kennt einen solchen Anspruch nur bei Gebrauchsüberlassung als eigentlichem Vertragsinhalt, § 346 S. 2 - , kommt es für die Ansprüche des Verkäufers nicht darauf an, ob der Verkäufer die Nutzungsmöglichkeit auch wirklich realisiert hat. MünchKomm/Westermann, § 2 A b z G Rn 27; vgl. auch R G Z 138, 28, 32; B G H L M , § 2 A b z G Nr. 4; K G J W 1934, 1734; L G Oldenburg, M D R 1958, 770; Ost-

132

§4 Nutzungsmöglichkeit:

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

benachteiligt. Zum einen hat er die Gebrauchsüberlassungsvergütung unabhängig davon zu zahlen, ob er tatsächlich Nutzungen aus der Sache gezogen hat. Zum anderen ist die Uberlassungsvergütung, die nach der Rechtsprechung und der Literatur einhellig nach Mietgrundsätzen zu berechnen ist, regelmäßig wesentlich höher als der Wert der Nutzungen, die der Käufer aus der Sache ziehen konnte. 32 Auch wenn sich sicherlich Parallelen zum Mietrecht feststellen lassen, erscheint es jedoch zweifelhaft, ob die Anwendung mietrechtlicher Grundsätze beim Abzahlungskauf, wie sie in § 1 d III und § 2 I AbzG zum Ausdruck kommen, sachgerecht ist. 33 Denn der Käufer, der geschützt werden soll, will die Sache gerade nicht teuer mieten, sondern zu Eigentum erwerben. Zudem sind für den Mieter einer Sache andere Wirtschaft lichkeits- und Rentabilitätsüberlegungen maßgeblich als für denjenigen, der die Sache zu Eigentum erwirbt will. So kann es für einen Eigentümer durchaus von Interesse sein, eine Sache über einen bestimmten Zeitraum wenig oder gar nicht zu nutzen, die Sache also zur Reserve zu haben, während dies für einen Mieter kaum in Betracht kommt. 3 4

ler/Weidner, § 2 A b z G Anm. 70; Erman/Weitnauer/Klingsporn, 8. Auflage, § 2 A b z G Rn 52; Klauss/Ose,Verbraucherkreditgeschäfte, Rn 602; B G H N J W 1985, 1544, 1546. Dies gilt allein dann nicht, wenn die Sache aus Gründen, die im Risikobereich des Verkäufers liegen, gar nicht genutzt werden kann, MünchKomm/Westermann, 2. Auflage, § 2 A b z G Rn 27; L G Oldenburg M D R 1958, 770; B G H W M 1972, 558. Dies entspricht dem in § 537 B G B niedergelegten Grundsatz, daß Mietzinsen nur bei Überlassung einer einwandfreien Sache verlangt werden können. 32 Regelmäßig war die zu zahlende Nutzungsvergütung so hoch, daß eine Verrechnung mit den gezahlten Raten stattfand, die Raten also verfielen; vgl. dazu Reinicke/Tiedtke, ZIP 1992, 217, 220; Erman/Weitnauer/Klingsporn, § 2 A b z G Rn 2. Der B G H , B G H Z 44,237, 340, meint zwar, unter Bezugnahme auf B G H Z 19, 330ff, die Bemessung der Nutzungsvergütung auf der Grundlage von mietrechtlichen Grundsätzen sei günstiger für den Käufer als der Ersatz gezogener Nutzungen, da der Käufer regelmäßig einen über dem Mietwert liegenden Vorteil aus der Sache ziehe. Dabei wird jedoch erstens übersehen, daß der Erwerber einer Sache sich bei seinen Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht an dem Mietwert orientiert. Denn er schafft sich regelmäßig die Sache an, um sie nicht teuer mieten zu müssen. Zweitens ist zu berücksichtigen, daß die Nutzziehung aus einer Sache regelmäßig mit Aufwendungen verbunden und nur unter Verwendung anderer Mittel möglich ist. Dies ist bei der Nutzungsberechnung einzubeziehen, vgl. Löwenheim, N J W 1966, 971 ff, 972. Diese Meinung hat der B G H , N J W 1991, 2484, ausdrücklich aufgegeben. Die Höhe der Nutzungsvergütung nach § 2 A b z G wird durch das Erfüllungsinteresse des Verkäufers begrenzt angesehen, Klauss/Ose, Abzahlungsgeschäfte, Rn 541; B G H N J W 1985, 1544; MünchKomm/Westermann, 2. Aufl., § 2 A b z G R n 3 8 ; Palandt/Putzo, 50. Aufl., § 2 AbzG Rn 7. 33 Kritisch auch Raisch, Festschrift Weber, S. 337; dagegen meint Westermann, MünchKomm, 2. Auflage, § 2 AbzG Rn 1, die Regelung diene dem Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien. 34 Deshalb ist auch der - oben in Fußnote 7 dargelegten - Meinung, die beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt § 346 S. 2 B G B anwenden und damit unabhängig von dem tatsächlichen Gebrauch eine Nutzungsvergütung zusprechen will, entgegenzutreten. Sie überbewertet die Interessen des Verkäufers gegenüber denen des Käufers, vgl. auch Raisch, Festschrift Weber, S. 337, 342.

A. Die Rückabwicklungsregeln

der 55 346, 347 BGB

133

Ein tiefgreifender Vorbehalt gegen die Anwendung mietrechtlicher Grundsätze kommt bei einer verbreiteten Meinung dadurch zum Ausdruck, daß die strenge Haftung nach dem Abzahlungsgesetz nur den Zeitraum bis zur Erklärung des Widerrufs gemäß § ld III AbzG bzw. des Rücktritts gemäß § 2 1 A b z G erfassen, die Rückabwicklung im Zeitraum danach aber nach § 347 B G B erfolgen soll. Nach der Rücktrittserklärung wird die Haftung des Käufers also auf die gezogenen Nutzungen beschränkt gesehen. 35 Für die Rückabwicklungsregeln nach dem Abzahlungsgesetz ist damit charakteristisch, daß an die Überlassung des Gebrauchs und damit an die Einräumung eines besonderen Gebrauchsrechts und nicht an die Ziehung konkreter Nutzungsvorteile angeknüpft wird. Der Grund dafür liegt darin, daß man beim Abzahlungskauf, solange der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt ist, die Rechtsstellung des Käufers als mietrechtlich geprägt ansieht. Die Rückabwicklung orientiert sich deshalb an einem Mietverhältnis und damit an einem Vertrag über ein Nutzungsrecht.

2.

Verbraucherkreditgesetz

Das Verbraucherkreditgesetz, das zum 1.1.1991 an die Stelle des Abzahlungsgesetzes getreten ist, regelt in § 13 VerbrKrG den Rücktritt des Kreditgebers. Obwohl hinsichtlich der Rückabwicklung ursprünglich keine wesentliche Änderung gegenüber der Regelung in § 2 A b z G beabsichtigt war, 36 weicht § 13 II VerbrKrG von ihr in einem entscheidenden Punkt ab. Anders als § 2 A b z G , der eine Vergütung des Gebrauchs oder der Benutzung der Sache anordnete, verweist § 13 II VerbrKrG nämlich auf die §§ 346ff B G B . Damit stellt sich vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen die grundlegende Frage, ob sich die Rückabwicklung nach § 346 S. 2 B G B oder nach § 347 B G B richtet. Ist die Überlassung der Sache im Rahmen eines Verbraucherkreditgeschäftes als eigenständige Überlassung zum Gebrauch zu sehen, so daß entsprechend den Mietfällen für die Einräumung des Gebrauchsrechts eine nutzungsunabhängige Vergütung zu entrichten ist, oder überwiegt das 35 Blomeyer, MDR 1968, 6, 8; Scholz, MDR 1968, 631; Ostler/Weidner, § 2 AbzG Rn 6; Klauss/Ose, Abzahlungsgeschäfte, Rn541; Palandt/Putzo, 50. Aufl., § 2 AbzG Rn 4; O L G Zweibrücken, JW 1934, 304ff; anders RGRK/Keßler, § 2 AbzG Rn 2; Erman/Weitnauer/ Klingsporn, 8. Aufl., § 2 AbzG Rn 3; Soergel/Hönn, § 2 AbzG Rn 7, 8; MünchKomm/Westermann, 2. Aufl., § 2 AbzG Rn 5. Der § 2 AbzG uneingeschränkt anwendenden Meinung ist dabei einzuräumen, daß der Rücktritt den Charakter des Rechtsgeschäfts nicht ändert. Die Problematik liegt vielmehr, wie dargelegt, darin, ob die Anwendung mietrechtlicher Grundsätze beim Abzahlungskauf sachgerecht ist. Hinsichtlich des Widerrufs nach § ld III AbzG wird weitgehend angenommen, daß sich die Rückabwicklung nach Ausübung des Widerrufsrechts nach den Vorschriften der §§ 987ff BGB richtet, der auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen und nicht auf das Gebrauchsrecht abstellt, MünchKomm/Westermann, 2. Aufl., § ld AbzG Rn 8; Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, AbzG Rn 495; Palandt/Putzo, 50. Aufl., § ld AbzG Rn 6. 36 Vgl. Seibert zu § 12 des Entwurfs, S. 140.

134 § 4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen und ihre

Rückahwicklung

kaufrechtliche Element, so daß sich die Rückahwicklung nach § 347 B G B richtet und damit auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen abzustellen ist? Die Formulierung in § 13 II VerbrKrG, nach der bei der „Vergütung von Nutzungen" einer zurückzugewährenden Sache auf die inzwischen eingetretene Wertminderung Rücksicht zu nehmen ist, legt nahe, daß sich die Rückahwicklung nach § 347 B G B und nicht nach § 346 S. 2 B G B richtet, ohne die Frage jedoch abschließend zu lösen. Die Meinungen darüber, welche Grundsätze der Rückahwicklung zugrundezulegen sind, sind derzeit geteilt. Zum Teil wird in Anlehnung an die frühere Regelung im Abzahlungsgesetz von § 346 S. 2 B G B ausgegangen und angenommen, die Nutzungsvergütung sei unabhängig davon zu leisten, ob Nutzungen gezogen worden seien oder nicht. Bei der Bemessung der Nutzungsvergütung wird daher von einem entsprechenden Mietwert ausgegangen. 37 Demgegenüber befindet sich die Meinung im Vordringen, daß die Annahme eines mietähnlichen Verhältnisses den Grundsätzen des Konsumentenschutzes nicht gerecht werde und deshalb bei der Rückahwicklung § 347 B G B zugrundezulegen sei. Eine Nutzungsvergütung sei dementsprechend nur dann zu leisten, wenn tatsächlich Nutzungen gezogen worden seien. 38 Hinsichtlich der Bemessung der Vergütung wird aber nach wie vor häufig auf den üblichen Mietzins abgestellt 39 und der Wert der Nutzungen nicht auf der Grundlage der linearen Wertminderung ermittelt. 40 O b § 346 S. 2 B G B oder § 347 B G B bei der Rückahwicklung zugrundezulegen ist, hängt wesentlich davon ab, wie man die Stellung des Kreditnehmers im Hinblick auf die Sache qualifiziert. Steht die Sache dem Kreditnehmer aufgrund eines als selbständig anzusehenden Nutzungsrechts zu oder aber ist der 37 Münstermann/Hannes, VerbrKrG, § 13 Rn 703, 704; Vortmann, VerbrKrG, § 13 Rn 13, 14; Palandt/Putzo, § 13 VerbrKrG Rn 6; Canaris, Festschrift Lorenz, S. 19, 51, allerdings mit widersprüchlichen Aussagen und Hinweisen. Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG, §13 Rn 26, legen § 347 S. 2 BGB zugrunde, meinen aber „wenn dem Verbraucher die Sache übergeben worden ist, standen ihm auch die Gebrauchsvorteile zu, die er zu vergüten hat, und zwar unabhängig davon, ob und wie er sie für sich realisiert hat." Damit wird aber gerade nicht auf die gezogenen Nutzungen, sondern die Einräumung der Nutzungsberechtigung abgestellt. 38 Reimcke/Tiedtke, ZIP 1992, 217, 219f; Westphalen/Emmerich/Rottenburg, VerbrKrG, § 13 Rn 45 ff; Erman/Saenger, § 13 VerbrKrG Rn 36; Bülow, VerbrKrG, § 13 Rn 15, 21, 24; Seibert, VerbrKrG, § 13 Rn 4. Nach MünchKomm/Habersack, § 13 VerbrKrG Rn 28, soll allerdings auch Ersatz für nicht wahrgenommene Gebrauchsvorteile über § 987 S. 2 B G B hinaus geleistet werden. „Ein zu vergütender Gebrauchsvorteil kann allerdings bereits in der Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf die Sache liegen, ohne daß es auf die tatsächliche Inanspruchnahme ankommt." 39 Westphalen/Emmerich/Rottenburg, VerbrKrG, §13 Rn 46, 48; Erman/Saenger, §13 VerbrKrG Rn38ff; MünchKomm/Habersack, § 13 VerbrKrG Rn 29. Bei Finanzierungsleasingverträgen dürfte hingegen die Rückahwicklung über § 346 S. 2 B G B zu erfolgen haben, vgl. Bülow, VerbrKrG, § 13 Rn 22. 40 Bülow, VerbrKrG, § 13 Rn 24; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rn 1464, 381; dies., ZIP 1992,217, 220 f.

A. Die Rückabwicklungsregeln

der §§ 346, 347 BGB

135

Kaufvertrag entscheidende Grundlage des Rechts des Käufers an der Sache? Im Falle des Scheiterns des Vertrages auf ein selbständig eingeräumtes Nutzungsrecht abzustellen und damit den Zeitraum der Nutzung mietähnlichen Grundsätzen zu unterwerfen, entspricht den Interessen der Kreditgläubiger, denen damit zumindest ein entsprechender Mietzins für den Zeitraum der Überlassung der Sache zustehen würde. Das Interesse des Käufers ist demgegenüber jedoch primär durch den Erwerb der Sache zu Eigentum geprägt. Seine Wirtschaftlichkeitserwägungen orientieren sich allein daran, ob er mit der Sache seine Bedürfnisse möglichst kostengünstig befriedigen kann. Die zeitweilige Anmietung der Sache zu einem nicht unerheblichen Mietzins wäre in seinen Augen daher regelmäßig unwirtschaftlich und käme für ihn deshalb nicht in Betracht. Aufgrund der Tatsache, daß beim finanzierten Abzahlungskauf der Warenaustausch im Vordergrund steht, ist richtigerweise auch die Rückabwicklung nach kaufrechtlichen und nicht nach mietrechtlichen Grundsätzen zu bewerten. Die Rückabwicklung hat deshalb über § 347 B G B zu erfolgen. Damit ist zum einen auf die konkret gezogenen oder zu ziehenden Nutzungen gemäß § 987 B G B abzustellen. Demgemäß ist auch bei der Berechnung des Wertersatzes nicht von entsprechenden Mietzinsen auszugehen, sondern der Wert der Nutzungen ist auf der Grundlage der oben dargelegten Kriterien unter Zugrundelegung linearer Wertabschreibung zu ermitteln. 41 Eine Benachteiligung der Kreditgeber ist dabei nicht zu befürchten, da gemäß § 13 II S. 3 VerbrKrG bei der Bemessung der Nutzungsvergütung auch auf die inzwischen eingetretene Wertminderung der zurückzugewährenden Sache Rücksicht zu nehmen ist.

3. Rückabwicklung beim Widerruf Nach § 3 III Haustürwiderrufsgesetz bzw. der insoweit wortgleichen Neuregelung des Widerrufs in § 361 a II S. 6 B G B ist „Für die Überlassung des Gebrauchs oder die Benutzung einer Sache sowie für sonstige Leistungen bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs ... deren Wert zu vergüten". Dem Wortlaut entsprechend ist damit zwischen der Überlassung des Gebrauchs als solchem und der Benutzung der Sache, womit die konkrete Nutzziehung aus der Sache gemeint sein dürfte, zu unterscheiden. Der Gesetzestext dieser Vorschriften weist damit Parallelen zur Rücktrittsregelung in §§ 346, 347 B G B auf, die ebenfalls zwischen der Überlassung zum Gebrauch aufgrund eines Nutzungsrechts und der Übertragung von Eigentum, bei der nach § 347 B G B nur die konkreten Nutzungen zu erstatten sind, differenziert. Dieser Differenzierung wird jedoch häufig nicht Rechnung getragen, sondern § 3 III H a u s T W G als reine Parallelnorm zu § 1 d III A b z G angesehen, auf die die zu dieser Norm entwickelten Grundsätze übertragen werden. 41

Vgl. S. l i o f f , 116ff.

1 3 6 § 4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

So soll der Widerrufende unabhängig von einer tatsächlichen N u t z u n g der Sache eine Überlassungsvergütung auf Mietbasis zu erstatten haben. 4 2 Damit wird von den für das Mietrecht typischen Strukturen ausgegangen und die Überlassung der Sache als eigenständige Nutzungsrechtseinräumung und nicht als Folge eines Kaufvertrages angesehen. Dies erscheint jedoch sachlich problematisch und wird der differenzierenden Regelung im Haustürwiderrufsgesetz bzw. § 361 a II S. 6 B G B nicht gerecht. Insbesondere bei Barkäufen an der Haustüre ist es nicht gerechtfertigt, dem Widerrufenden unabhängig von der N u t z u n g der Sache eine Uberlassungsvergütung aufzuerlegen. Würde der Widerrufende trotz der Rückgabe der Sache von erheblichen Vergütungsansprüchen unabhängig davon betroffen, ob und in welchem Umfang er die Sache überhaupt genutzt hat, so erführe das ihn begünstigende „freie" Widerrufsrecht eine erhebliche Einschränkung. 4 3 Richtigerweise hat sich deshalb die Bemessung des Nutzungsentgelts auch nicht an einem entsprechenden Mietzins sondern an den gezogenen N u t z u n 44 gen zu orientieren.

IV. Fazit Als Ergebnis der Analyse der Rückabwicklungsregeln läßt sich feststellen, daß das B G B und in gewisser Weise auch die Konsumentenschutzgesetze danach unterscheiden, ob es sich um eine Überlassung zum Gebrauch, also die Übertragung eines selbständigen Nutzungsrechts handelt, oder o b die G e brauchsmöglichkeit Ausfluß einer umfassenderen Rechtsbefugnis, des Eigentums, ist. Während im ersteren Fall an das Nutzungsrecht und damit die G e brauchsüberlassung angeknüpft wird und deren Wert zu erstatten ist, k o m m t es im zweiten Fall auf die konkrete Ziehung von Nutzungen aus der Sache an. D i e Zuordnungsschwierigkeiten bei den Konsumentenschutzvorschriften resultieren dabei im wesentlichen daraus, daß problematisch ist, ob die zeitweilige Gebrauchsmöglichkeit unter mietrechtlichen Aspekten als selbständige Gebrauchsüberlassung oder unter kaufrechtlichen Aspekten als Folge der 42 MünchKomm/Ulmer, § 3 HausTWG Rn 12; MünchKomm/Ulmer, § 7 VerbrKrG Rn 67; Palandt/Putzo, § 3 HausTWG Rn 14; Soergel/Wolf, § 3 H W i G Rn 8; Scholz, Verbraucherkreditverträge, Rn 278 ff, 282; a.A. Canaris, Festschrift Lorenz, S. 19, 52. 43 Reinicke/Tiedtke, ZIP 1992, 217, 220; Erman/Saenger, § 3 HausTWG Rn 23f; Canaris, Festschrift Lorenz, S. 19, 52. 44 O L G Köln, ZIP 1995, 21, 22. Den Mietzins um den Gewinn, die Betriebskosten etc. zu bereinigen, schlagen demgegenüber vor Reinicke/Tiedtke, ZIP 1992, 217, 220; Westphalen/ Emmerich/Rottenburg, VerbrKrG, § 7 R n l l O ; MünchKomm/Ulmer, § 7 VerbrKrG Rn 67; Münstermann/Hannes, VerbrKrG, § 7 Rn 397; Dauner/Lieb, W M Sonderbeilage 1991, S. 20ff; Gilles, N J W 1986,1143, besonders zur Rückabwicklung von Dienstleistungsverträgen. Das Fernunterrichtsgesetz sieht in § 4 V - nunmehr III - bei Widerruf nur eine Rückabwicklung in stark beschränktem Rahmen vor, eine Überlassungsvergütung ist regelmäßig ausgeschlossen.

B.

Bereicherungsrecht

137

Sachübertragung anzusehen ist. Aufgrund der überragenden Bedeutung des Kaufvertrages und im Interesse des Konsumenten sollte im Ergebnis eine Rückabwicklung auf kaufvertraglicher Basis erfolgen. Gemäß §§ 347, 987 BGB sind deshalb die gezogenen Nutzungen herauszugeben und zu vergüten, eine für eine selbständige mietrechtliche Gebrauchsüberlassung typische Vergütung, die unabhängig von einer konkreten Vorteilsziehung ist, kann demgegenüber nicht verlangt werden.

B.

Bereicherungsrecht

Bereits die Untersuchung der Rückabwicklungsregeln beim Rücktritt hat gezeigt, daß zwischen der Nutzungsmöglichkeit aufgrund Eigentums und der aufgrund eines selbständigen Nutzungsrechts differenziert wird. Die Bedeutung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache wird also davon abhängig gemacht, auf welcher rechtlichen Grundlage sie beruht. So ist bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen die Gebrauchsüberlassung, also das N u t zungsrecht, als Hauptleistung Gegenstand der Rückabwicklung und ein entsprechender Wert bzw. die vereinbarte Vergütung ist für diese zu erstatten. Demgegenüber wird der Nutzungsmöglichkeit aufgrund Eigentums keine selbständige rechtliche Bedeutung neben dem Eigentum eingeräumt. Erst wenn der Eigentümer von seiner Herrschaftsmacht konkret Gebrauch gemacht und Nutzungen gezogen hat, hat er die gezogenen Nutzungen als N e benfolge nach den Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses zu erstatten. O b dieser unterschiedlichen rechtlichen Bewertung und Qualifikation der Nutzungsmöglichkeit aufgrund umfassender Herrschaftsmacht oder eines Nutzungsrechts allgemeine Bedeutung zukommt, soll im folgenden am Bereicherungsrecht überprüft werden. Dabei ist von besonderem Interesse, ob und inwieweit sich Hinweise auf eine differenzierende Betrachtungsweise zwischen der Nutzungsmöglichkeit aufgrund Eigentums und der aufgrund eines Nutzungsrechts auch aus den bereicherungsrechtlichen Herausgabebzw. Wertersatzregeln ergeben. Ist Bezugspunkt für die Herausgabe bzw. Wertersatzpflicht die Nutzungsmöglichkeit als solche, ein bestimmtes N u t zungsrecht oder aber die konkrete N u t z u n g der Sache, die Ziehung von N u t zungen? Es ist deshalb zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Nutzungsmöglichkeit einer Sache, die Gebrauchsüberlassung oder aber gezogene Nutzungen Gegenstand eines Bereicherungsanspruchs sind. Die Beantwortung dieser Frage erweist sich als schwierig, weil die Auffassungen über die Aufgabe, die Funktion und die Struktur des Bereicherungsrechts divergieren 45 45 Vgl. dazu nur die Darstellungen bei Reuter/ Martinek, §2; MünchKomm/Lieb, § 812 Rn lff; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 Rn 1; Fiume, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 111 ff.

138 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

und sich dies auf die Bestimmung des erlangten „Etwas" und seine Bewertung auswirkt. Uneinigkeit besteht vor allem in den Fällen, in denen es um nicht gegenständliche Leistungen, wie den Gebrauch einer Sache, Dienstleistungen etc., geht, in denen also eine gegenständliche Herausgabe von vornherein ausscheidet. Ohne die bereicherungsrechtliche Problematik vollständig ausloten zu wollen, ist deshalb auf die Bestimmung des erlangten „Etwas" im Bereicherungsrecht einzugehen.

I. Erlangtes

Etwas

Was unter dem „erlangten Etwas" in § 812 BGB zu verstehen ist, gehört neben der schadensersatzrechtlichen Nutzungsproblematik, mit der sie Parallelen aufweist - zu den umstrittensten Problemen des Zivilrechts. 46 Es hat seinen Ausgangspunkt in der grundlegenden Frage, ob das „erlangte Etwas" vermögensbezogen als Bereicherung aufzufassen oder aber gegenstandsorientiert zu bestimmen ist. Nach einer insbesondere in der Rechtsprechung aber auch in der Lehre vertretenen Auffassung ist das erlangte Etwas in der Bereicherung zu sehen und damit als Vermögensvorteil zu begreifen. 47 Konsequenz dieser Auffassung ist, daß zum einen nur Vermögenswerte Rechtspositionen Gegenstand von Bereicherungsansprüchen sein können. 48 Zum anderen hat dies zur Folge, daß dann, wenn eine gegenständliche Herausgabe nicht möglich ist, etwa bei Dienstleistungen, der Nutzung von fremden Immaterialgüterrechten und der hier besonders interessierenden Gebrauchsüberlassung, das erlangte Etwas im Sinne des § 812 BGB in den Auswirkungen im Vermögen gesehen wird, also in den ersparten Aufwendungen bzw. einer Vermögensvermehrung. 49 Reuter/ Martinek, § 15 I 1; Koppensteiner/Kramer, S. 117. BGHZ 26, 349, 353; 55, 128, 131; BGH NJW 1952, 417; NJW 1995, 53, 54; RGRK/Heimann-Trosien, § 812 Rn 1; Palandt/Thomas, § 812 Rn 16; Flume, Festschrift Niedermeyer, S. 148, 153, 164f, 175; ders., Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 111 ff; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 36ff; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 38ff; Kellmann, NJW 1971, 862, 864; Schauhoff, S. 28ff, 54ff. 48 BGHZ 26,349, 353; 55,128,131; BGH NJW 1952, 417; RGRK/Heimann-Trosien, § 812 Rn 1; Palandt/Thomas, § 812 Rn 16; Flume, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. l l l f ; Larenz, Schuldrecht II, § 68, der im übrigen der gegenstandsbezogenen Auffassung folgt; anders jetzt Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I 1; a.A. Kellmann, NJW 1971, 862, 864; Schauhoff, 54 ff. 49 BGHZ 26, 349, 353; 55, 128, 131; BGH NJW 1952, 417; NJW 1995, 53, 54; RGRK/Heimann-Trosien, § 812 Rn 1; Palandt/Thomas, § 812 Rn 16; Flume, Festschrift Niedermeyer, S. 148, 153, 164f, 175; ders., Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. l l l f ; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 3 8 ff. Die Rechtsprechung greift überwiegend auf den Ersparnisgedanken zurück, vgl. dazu S. 144 ff. Auf die Vermögensvermehrung und damit auf den Verwendungserfolg stellen hingegen insbesondere Jakobs, Eingriffserwerb, S. 36ff, 147f, und Wilburg, Bereicherung, S. 122, ab. Zu der Differenzierung zwischen Vermögensvermehrung und ersparten Aufwendungen im einzelnen Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 88ff; Münch Komm/Lieb, § 812 Rn 299. 46

47

B.

Bereicherungsrecht

139

Das erlangte Etwas wird also im Rahmen einer Vermögensdifferenzbildung ermittelt. 50 Demgegenüber bestimmt die inzwischen überwiegende Meinung, der sich zum Teil auch die Rechtsprechung anschließt, 51 das erlangte Etwas gegenstandsbezogen. 52 Erlangt ist danach die durch eine Leistung oder einen Eingriff erlangte Rechtsposition als solche, also die Sache, die Dienstleistung etc. Soweit eine Herausgabe in natura möglich ist, ist deshalb auch der Bereicherungsausgleich unabhängig davon, ob das erlangte Etwas einen Vermögenswert hat. 53 Handelt es sich bei dem erlangten Etwas um etwas nicht Gegenständliches, wie eine Dienstleistung oder den Gebrauch einer Sache, so ist diese Leistung als das erlangte Etwas zu begreifen und gemäß § 818 II BGB ihr Wert zu bestimmen und zu erstatten. 54 Soweit sich das erlangte Etwas nicht oder nicht mehr vermögensmäßig positiv auswirkt, ist dies im Rahmen des Entreicherungseinwandes nach § 818 III BGB 5 5 zu berücksichtigen. 56 50

R G Z 97, 310, 312; B G H Z 14, 7, 9; 20, 270, 275; 55, 128, 131; B G H NJW 1995, 53, 54; B G H NJW-RR 1986, 155; RGRK/Heimann-Trosien, § 812 Rn 9ff; Kellmann, N J W 1971, 862, 864; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 160ff; Staudinger/Seuffert, 11. Aufl., § 812 Rn 3. Auch in der Flugreiseentscheidung, B G H Z 55, 128, 131, legt der B G H seiner Entscheidung diese Prämisse zugrunde: „Die Rechtsprechung hat im Gegenteil stets den Standpunkt eingenommen, daß von einer Bereicherung im Sinne der §§ 812ff BGB in der Regel nur gesprochen werden kann, wenn und soweit der Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung und sei es allein durch die Ersparnis von Aufwendungen erfahren hat." Allerdings hat er sie nicht konsequent durchgehalten, sondern aufgrund von wertenden Überlegungen eingeschränkt, vgl. dazu S. 147f und die Besprechungen von Canans, JZ 1971, 560; Lieb, N J W 1971, 1289; Gursky, JR 1972, 279; Batsch, N J W 1972, 611; Pinger, M D R 1972, 101; Medicus, FamRZ 1971, 250; Kellmann, N J W 1971, 862; Beutkien/Weber, S. 54ff; Tori, S. 69; Ostendorf, S. 28 ff. 51 Zumindest in den Fällen des Eingriffs in Immaterialgüterrechte scheint der B G H nunmehr der gegenstandsbezogenen Richtung zu folgen, vgl. B G H Z 68, 90, 94; 82,299, 307; B G H NJW-RR 1986, 155. Der B G H , ZIP 1992, 857; N J W 1995, 53 f, hat allerdings neuerlich wieder auf den Ersparnisgedanken bzw. den Vermögensvermehrungsgedanken zurückgegriffen. 52 V. Caemmmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 368 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244; Koppensteiner/Kramer, S. 120; Erman/H.P.Westermann, §812 Rn 3; MiinchKomm/Lieb, §812 Rn 284; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 51 I 2; Jauernig/Schlechtriem, §812 Rn 8, § 818 Rn 2; Lieb, S. 91 ff, 96; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 Rn 65; Medicus, Schuldrecht II, Rn 672 f; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §71 I 1; Köhler, AcP 1990, 531; Pinger, M D R 1972, 101, 102; Beuthien/Weber, S. 57f; Kohler, Rückabwicklung, S. 312ff; Wieling, Bereicherungsrecht, § 2 III; Brox, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn 301; Batsch, S. 109ff; ders., N J W 1969, 1743, 1744; ders., N J W 1972, 611, 612; Beuthien, RdA 1969, 161, 164; Canaris, JZ 1971, 560, 561; Kleinheyer, JZ 1961, 473, 474; Koppensteiner, N J W 1971, 1769, 1774; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 211; Schlechtriem, Symposium König, S. 57ff, 80f; Tori, S. 37ff; a.A. Schauhoff, S. 54 ff; Fiume, Festschrift Niedermeyer, S. 103, 148ff, 151 ff; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 36ff; 123ff; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 62ff; differenzierend Reuter/Martinek, § 15; Kaiser, S. 38 ff. 53 Koppensteiner/Kramer, S. 116f; Erman/H.-P. Westermann, §812 Rn 6; MünchKomm/ Lieb, § 812 Rn 287; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 Rn 65; Martinek/Reuter, § 15 I 2; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I 1; vgl. auch Ostendorf S. 59ff; ders., BB 1973, 822. 54 Zur Bestimmung des Wertes nach § 818 II BGB siehe S. 173 ff. 55 In welchem Umfang der Entreicherungseinwand des § 818 III BGB eingreift, ist im einzelnen heftig umstritten. Während Kleinheyer, JZ 1961, 473, 475; Batsch, N J W 1969, 1745;

1 4 0 $ 4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

O b das erlangte Etwas im Wege einer Differenzbildung vermögensbezogen oder aber gegenstandsbezogen zu bestimmen ist, ist auch im Hinblick auf das Schadensersatzrecht von Interesse. Im Schadensersatzrecht stellt sich nämlich ebenfalls die Frage, ob die Bestimmung des Schadens gegenständlich, also konkret, oder aber - wie es die Differenztheorie fordert - im Wege eines Vermögensvergleichs zu erfolgen hat. N a c h d e m die Problematik der Differenztheorie im Schadensersatzrecht immer deutlicher geworden ist und von ihr weitreichende Ausnahmen gemacht werden, 5 7 ist aufschlußreich und beachtenswert, daß sich im Bereicherungsrecht bei der Bestimmung des erlangten Etwas eine generelle A b k e h r von dem Vermögensdifferenzdenken abzeichnet und die Lösung nunmehr auf der Grundlage einer gegenständlichen Betrachtung gesucht wird. Zum Schutz des Bereicherungsschuldners k o m m t es allein im Rahmen des Entreicherungseinwandes nach § 818 III B G B zu einer subjektiven, auf einem Vermögensvergleich aufbauenden Betrachtung. 5 8 A n s t o ß für die Änderung der Sichtweise und den Übergang zur gegenstandsbezogenen Bestimmung haben die Gebrauchs- und Dienstleistungsfälle gegeben, die auch im Schadensersatzrecht problematisch sind. 5 9 D i e Entwicklung im B e reicherungsrecht ist damit auch im Hinblick auf die grundlegende schadensersatzrechtliche Frage von Bedeutung, o b (Vermögens-)Schäden konkret, also „gegenständlich", oder auf der Grundlage eines Vermögensvergleichs zu bestimmen sind. 6 0

ders., N J W 1972,613f; Mestmäcker, J Z 1958, 521, 524; Beuthien/Weber, S. 60ff; Beuthien, RdA 1969, 167 (Arbeitsleistungen betreffend) bei einem nichtgegenständlichen Vorteil einen Wegfall der Bereicherung schon rein begrifflich für nicht möglich halten, kann es nach Soergel/ Mühl, § 818 Rn 19; Canaris, J Z 1971, 561; Goetzke, AcP 173, 318; Gursky, J R 1972, 282; Pinger, M D R 1972, 189; Kellmann, N J W 1971, 864; Erman/H.-P. Westermann, § 818 Rn 28; Lieh, N J W 1971, 1292, anders noch Ehegattenmitarbeit, S. 97, bei Luxusausgaben zu einem Wegfall der Bereicherung kommen. 56 Nach anderer Ansicht ist dieser Aspekt bereits im Rahmen von § 818 II B G B zu berücksichtigen, vgl. Beuthien/Weber, S. 60. 57 Vgl. zu diesem Problem ausführlich S. 389ff, 401 ff. 58 Hinsichtlich des Entreicherungseinwandes nach § 818 III B G B ist eine wertende Vermögensgesamtbetrachtung vorzunehmen, Münch Komm/Lieb, § 818 Rn 47ff; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 Rn 33ff; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 I; Beuthien, Jura 1979, 532. 59 Unter anderem zum Beispiel auch dann, wenn Leistungen im Haushalt nicht erbracht werden können, vgl. dazu Würthwein, J Z 2000, 337ff. 60 Hagen hat in der Festschrift Larenz (1973), S. 867, 868ff, auf diese Parallelen hingewiesen. Er meinte damals, die Entwicklungen im Schadensersatzrecht, in dem die Differenztheorie immer weitreichendere Einschränkungen erfahren habe, könnten richtungsweisend für das Bereicherungsrecht sein. Inzwischen hat sich das Blatt durch den Ubergang zur gegenstandsbezogenen Sichtweise im Bereicherungsrecht derart gewandelt, daß man fragen muß, ob nicht die bereicherungsrechtliche Lösung als Orientierung für die schadensersatzrechtliche Lösung heranzuziehen ist. Auf Parallelen zwischen Bereicherungs- und Schadensersatzrecht weisen auch hin: Reuter/Martinek, § 14 I; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 58ff; Beuthien, Jura 1979, 532, 533; Ostendorf, S. 32ff, 49; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 334 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 211.

B.

1. Historischer

Bereicherungsrecht

141

Hintergrund

U n t e r B e z u g n a h m e auf das g e m e i n e Recht 6 1 u n d die G e s e t z g e b u n g s g e schichte w i r d i n s b e s o n d e r e v o n F l u m e eine „ a b s t r a k t e V e r m ö g e n s o r i e n t i e r u n g " des B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h s a n g e n o m m e n . 6 2 D i e G e s e t z e s v ä t e r seien g a n z b e w u ß t v o n einer v e r m ö g e n s o r i e n t i e r t e n B e s t i m m u n g der B e r e i c h e r u n g a u s g e g a n g e n . 6 3 Sie hätten einen R ü c k f o r d e r u n g s a n s p r u c h nur z u g e s t a n d e n , „ w e n n der E m p f ä n g e r nach seiner g a n z e n V e r m ö g e n s l a g e im A u g e n b l i c k der K l a g e n o c h bereichert g e w e s e n s e i " . 6 4 D e r G e s e t z g e b e r stand bei der R e g e l u n g der ungerechtfertigten Bereicher u n g v o r der F r a g e , w e l c h e rechtlichen A u s w i r k u n g e n es h a b e n sollte, w e n n das E r l a n g t e nicht m e h r in natura v o r h a n d e n war. Sollte der Bereicherte z u m Wertersatz verpflichtet sein o d e r sollte er nur i n s o w e i t haften, als er n o c h bereichert w a r ? V. Kübel v e r k n ü p f t e in seinem V o r e n t w u r f diese beiden Prinzipien, Wertersatzpflicht u n d B e s c h r ä n k u n g der H a f t u n g auf die B e r e i c h e r u n g , u n d schuf d a m i t die G r u n d l a g e f ü r die geltende G e s e t z e s r e g e l u n g . 6 5 A u f der einen Seite ging er d a v o n aus, daß mit der L e i s t u n g d e m B e r e i c h e r u n g s s c h u l d ner regelmäßig ein Wert zufließt, er spricht d e m e n t s p r e c h e n d v o n d e m e m p f a n g e n e n Vorteil. 6 6 A u f der a n d e r e n Seite sollte der g u t g l ä u b i g e E m p f ä n g e r nur i n s o w e i t haften, als er n o c h bereichert war. In seinem Vorschlag ü b e r die R ü c k f o r d e r u n g einer N i c h t s c h u l d b e s c h r ä n k t v. Kübel die H a f t u n g des gutS c h u l d n e r s deshalb auf die z u m Z e i t p u n k t der R e c h t s h ä n g i g k e i t gläubigen noch vorhandene Bereicherung.67

61 Zur Rechtslage im gemeinen Recht vgl. v. Kübel, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, S. 35 ff; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 52 ff; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 R n 1. 62 Flume, Festschrift Niedermeyer, S. 103, 148ff, 151, 164, 175; ders., N J W 1970, 1161, 1162f; ders., A c P 194, 426, 437; ders., Gedächtnisschrift K n o b b e - K e u k , S. 111 ff; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 43; Schauhoff, S. 26ff, 45f, 59ff; vgl. auch Flessner, S. 12; dagegen Diesselhorst, Saldotheorie, S. 57 Fußnote 26 m.w.N.; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 368 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 Rn 1; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 55. 63 Flume, Festschrift Niedermeyer, S. 103ff, 148ff; ders., A c P 194, 426, 437; Schauhoff, S. 45 f. 64 Protokolle, S. 2986 = Mugdan II, S. 1183, zur Begründung der Regelung des § 818 B G B , auf die sich Flume, N J W 1970, 1161, 1162, beruft. Dieses Zitat bezieht sich allerdings auf den Entreicherungseinwand und nicht auf den Leistungsgegenstand als solchen. „ D i e Billigkeit erfordere und gestatte aber nur ihm insoweit einen Anspruch einzuräumen, als der gutgläubige Empfänger nicht dadurch Schaden leide." 6 5 Vgl. v. Kübel, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, S. 35 ff; siehe dazu König, S. 55; Schauhoff, S. 28 ff. 6 6 Vorentwurf v. Kübel, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, S. 47. 6 7 Dies k o m m t deutlich in § 5 Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung zum Ausdruck, in dem es heißt: „ H a t sich der Empfänger der Leistung in gutem Glauben befunden, so haftet er nur soweit, als er zur Zeit der Rechtshängigkeit noch bereichert ist."

1 4 2 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

Für die Leistung von Diensten und für die Gebrauchsüberlassung einer Sache sah v. Kübel eine eigene Regelung in § 10 des Teilentwurfs zum Bereicherungsrecht vor: 68 „Sind Dienste geleistet worden, welche belohnt zu werden pflegen, so kann hierfür eine Vergütung nach dem ordentlichen Werth derselben zur Zeit der Leistung gefordert werden. Wurde eine Sache zum Gebrauch überlassen, so geht der Anspruch auf Rückgabe des Besitzes und auf eine Vergütung für den Gebrauch nach dessen ordentlichem Werth während der Dauer des Gebrauchs. Der gutgläubige Empfänger haftet jedoch nur bis zu dem Betrage, welchen er seinem Bedürfnisse entsprechend, durch den Gebrauch oder die Annahme der Dienste, erspart hat." Ausgangspunkt ist damit eine Ersatzpflicht für das Erlangte, das unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs zu bewerten ist. Allein der gutgläubige Schuldner wird von dieser Haftung befreit, wenn er nicht mehr bereichert ist.69 Diese Regelung, die allein deshalb keinen Eingang in das B G B fand, weil man sie - wie etwa die Flugreiseentscheidung gezeigt hat, zu Unrecht 70 - für entbehrlich hielt,71 ist damit von der Grundauffassung getragen, daß der Empfänger auf Wertersatz für das Erlangte haften und sich seine Haftung allein bei Gutgläubigkeit auf die Bereicherung beschränken solle.72 V. Kübel legt damit eine gegenstandsorientierte Betrachtungsweise zugrunde,73 die allein bei Gutgläubigkeit zu Gunsten des Schuldners durch eine vermögensbezogene abgelöst wird. Während der Vorschlag v. Kübels noch eine detaillierte, zwischen den einzelnen Kondiktionsarten und Kondiktionsgegenständen differenzierende Regelung enthielt, unternahm die erste Kommission den Versuch, die Frage des Ersatzes bei Unmöglichkeit der Herausgabe einheitlich zu regeln. So wird

68 Vgl. auch schon Art. 985 des Dresdener Entwurfs: „Ist der Besitz, Gebrauch oder Fruchtgenuß einer Sache überlassen oder sind Dienste geleistet worden, welche belohnt zu werden pflegen, so kann der Rückforderungsberechtigte von dem Empfänger die Rückgabe des Besitzes und die Erstattung der Vorteile verlangen, welche diesem durch den Besitz, Gebrauch oder Fruchtgenuß zugegangen sind. Der Empfänger haftet jedoch, wenn er in gutem Glauben war, nur bis zu dem Betrage, welchen er seinem Bedürfnisse entsprechend für den Besitz, Gebrauch oder Fruchtgenuß oder für die Dienste aufgewendet haben würde." 69 V. Kübel, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, S. 46; Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, §§ 652-853, S. 786f; vgl. auch Schauhoff, S. 31 f. 70 Vgl. dazu S. 147ff. 71 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, §§ 652-853, S. 787; vgl. dazu Schauhoff, S. 31. 72 V. Kübel, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, S. 46. 73 O b er dabei auf die ungegenständlichen Vorteile oder deren Wert abgestellt hat, muß offen bleiben, ist aber ohne praktische Bedeutung; vgl. dazu Kohler, Rückabwicklung, S. 308 f; krit. Schauhoff, S. 33.

B.

Bereicherungsrecht

143

in § 7 3 9 E I 7 4 z u n ä c h s t e i n e W e r t e r s a t z p f l i c h t a u s g e s p r o c h e n , die i m 2 . A b s a t z d u r c h d i e H a f t u n g a u f die B e r e i c h e r u n g e i n g e s c h r ä n k t w i r d . E s w i r d a l s o d a v o n a u s g e g a n g e n , d a ß d a n n , w e n n d e r E m p f ä n g e r das E m p f a n g e n e

nicht

m e h r in N a t u r h e r a u s g e b e n k a n n , d e r W e r t d e s G e l e i s t e t e n i n sein V e r m ö g e n ü b e r g e g a n g e n u n d es u m d i e s e n W e r t v e r m e h r t w o r d e n i s t . 7 5 D a ß die Wertersatzpflicht z u m A u s g a n g s p u n k t gewählt wird und sich der Schuldner auf den Wegfall der B e r e i c h e r u n g berufen m u ß , hat einen beweisrechtlichen H i n t e r g r u n d . 7 6 N i c h t der G l ä u b i g e r soll n a c h w e i s e n m ü s s e n , daß d e r S c h u l d n e r b e r e i c h e r t ist, s o n d e r n d e r S c h u l d n e r , d a ß er n i c h t m e h r b e r e i c h e r t ist. D i e M o t i v e z u r R e g e l u n g d e s § 7 3 9 E I w i e a u c h d i e B e z u g n a h m e a u f d i e R e c h t s h ä n g i g k e i t w e i s e n d a b e i d a r a u f h i n , d a ß d e r E i n w a n d des W e g falls d e r B e r e i c h e r u n g n u r d e m g u t g l ä u b i g e n S c h u l d n e r z u g u t e

kommen

sollte.77 W e n n auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren der Aspekt der Beschränk u n g a u f d i e B e r e i c h e r u n g i m m e r m e h r in d e n V o r d e r g r u n d g e t r e t e n ist, s o l ä ß t s i c h aus d e r G e s e t z g e b u n g s g e s c h i c h t e d e n n o c h n i c h t e n t n e h m e n , d a ß d i e Bereicherungsregeln von einer abstrakt v e r m ö g e n s b e z o g e n e n Sichtweise ausg e h e n . 7 8 D e r V o r s c h l a g v. Kübels,

die W e r t e r s a t z p f l i c h t u n d a u c h , d a ß d e r

E n t r e i c h e r u n g s e i n w a n d n u r d e m R e d l i c h e n z u g u t e k o m m e n soll, w e i s e n v i e l m e h r auf eine differenzierte Sichtweise hin.79

74 § 739 E I: „Ist die Herausgabe durch die Beschaffenheit des Geleisteten ausgeschlossen oder der Empfänger bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Rückforderungsanspruches das Geleistete herauszugeben außer Stande, so hat der Empfänger den Werth des letzteren zu vergüten. Die Verbindlichkeit zur Herausgabe oder zur Werthvergütung fällt fort, soweit der Empfänger bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Anspruches durch das Geleistete nicht mehr bereichert ist." 75 Es ist deshalb, „in Rücksicht auf diesen die Regel bildenden Sachbestand (ist) von der Vermuthung auszugehen, daß der Empfänger, welcher nicht mehr herauszugeben vermöge, um den Werth des Empfangenen bereichert sei, unbeschadet seines Rechts, das Gegentheil nachzuweisen." Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III, §§ 652-853, S. 779. 76 Schauhoff, S. 33; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 55 f. 77 „Die §§ 739, 740 bestimmen über die besondere Beschaffenheit des Kondiktionsanspruches und der entsprechenden Verbindlichkeit des Empfängers, sofern dieser in gutem Glauben an den Bestand der Verbindlichkeit die Leistung empfangen hat." Motive II, S. 836 = Mugdan II, S. 467. Weiter heißt es: „... im Wesentlichen in Ubereinstimmung mit dem geltenden Rechte bestimmt der Entwurf, daß, falls der Empfänger bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Rückforderungsanspruches das Geleistete herauszugeben außerstande ist, er dem Kondizenten zwar den gemeinen Werth des Geleisteten zu vergüten habe ... Der Empfänger ist hiernach haftfrei, wenn und soweit er zur entscheidenden Zeit das Empfangene resp. den Werth nicht mehr hat und die durch den Empfang entstandene Bereicherung wieder weggefallen ist." Auch die Formulierungen in § 739 B G B „haftfrei", die „Verbindlichkeit fällt fort" machen deutlich, daß man von einer grundsätzlichen Wertersatzhaftung ausging und diese beschränkt wurde. 78 Der Gesetzgeber betont im übrigen immer wieder, daß er Wissenschaft und Lehre nicht vorgreifen wolle, Motive II, S. 837 = Mugdan II, S. 467. 79 König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 55; Staudinger/Lorenz (1999), §818 Rn 1. Offen bleibt, ob die Haftung auf die Bereicherung oder den Wertersatz im Vordergrund steht.

144 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

2. Die Problematik der vermögensbezogenen des erlangten Etwas

und ihre

Rückabwicklung

Bestimmung

Nach der vermögensorientierten Auffassung muß das erlangte Etwas einen Vermögenswert haben. 80 Dieses Erfordernis hat seinen Ursprung in der überkommenen Auffassung, die dem gesamten Obligationsverständnis zugrundelag, daß Gegenstand einer Obligation nur Vermögenswerte sein könnten, da nur Vermögenswerte Forderungen vollstreckbar seien. 81 Nachdem jedoch eine Herausgabevollstreckung in nicht Vermögenswerte Gegenstände möglich ist und regelmäßig auch unvertretbare Handlungen vollstreckbar sind, 82 ist dieses Erfordernis für Obligationen schon vor der Entstehung des BGB aufgegeben worden. 83 Auch im Schadensersatzrecht wird, wie die Naturalherstellungspflicht zeigt, nicht mehr generell das Vorliegen eines Vermögensschadens gefordert. 84 Es ist deshalb nicht sachgerecht, an dem Vermögenswerterfordernis im Bereicherungsrecht hinsichtlich des erlangten Etwas festzuhalten, zumal Leistungskondiktionen die Abwicklung unwirksamer Obligationen zum Gegenstand haben, deren Inhalt gerade nicht mehr auf Vermögenswerte Gegenstände beschränkt gesehen wird. 8 5 Bedeutsamer als die Frage, ob das erlangte Etwas einen Vermögenswert haben muß oder nicht, 86 ist der Unterschied zwischen gegenständlicher und vermögensbezogener Betrachtungsweise jedoch dann, wenn das erlangte Etwas nicht gegenständlich oder in Surrogatform gemäß § 818 I BGB herausgegeben werden kann. Nach der gegenständlich orientierten Auffassung besteht das Erlangte in dem konkreten Vorteil, also etwa Dienstleistungen oder dem Gebrauch einer Sache, deren Wert nach § 818 II BGB zu ersetzen ist, sofern

Nach Flume, NJW 1970, 1161, 1163, geht der Bereicherungsanspruch grundsätzlich nur auf die Bereicherung, während v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 368 Fußnote 136 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244; Diesselhorst, Saldotheorie, S. 57 Fußnote 26; Larenz, Schuldrecht II, § 64 II; Goetzke, AcP 173, 289, 312, die Wertersatzpflicht in den Vordergrund stellen und in § 818 III eine ausnahmsweise Begünstigung gegenüber §§ 818 IV, 819 BGB sehen. 80 BGH NJW 1952, 417; BGHZ 26, 349, 353; RGRK/Heimann-Trosien, § 812 Rn 1; a.A. Schauhoff, S. 54ff; Ostendorf, S. 36f. 81 Vgl. dazu S. 373 ff. 82 § 888 ZPO sieht Zwangsgeld und Zwangshaft vor. 83 Windscheid, Pandekten, § 250 insbes. Fußnote 3; Motive II, S. 22 = Mugdan II, S. 12; vgl. dazu S. 373 ff. 84 Vgl. dazu S. 224 f. 85 Reuter/Martinek, § 15 I 2 a; so nehmen auch einige Vertreter der vermögensorientierten Auffassung Abstand von diesem Erfordernis, soweit es um die Herausgabepflicht in natura geht, etwa Schauhoff, S. 54 f. 86 Dieser Frage dürfte mehr theoretische als praktische Bedeutung zukommen. Die Entscheidung des BGH, NJW 1952, 417, in der es um die Rückgabe einer Ehrenerklärung ging, betraf einen Einzelfall; auch in der Herrenreiterentscheidung, BGHZ 26, 349, 353 f, ging es nicht um das Erlangte als solches, sondern allenfalls um einen Wertersatz nach § 818 II BGB; Ostendorf, S. 36f; ders., BB 1973, 822.

B.

Bereicherungsrecht

145

nicht § 818 III B G B eingreift. Es ist dementsprechend zwischen dem Erlangten und der Bereicherung zu unterscheiden. Nach der vermögensorientierten Betrachtungsweise der Rechtsprechung ist hingegen das Erlangte in dem Vermögensvorteil als solchem zu sehen, es wird damit nicht zwischen dem Erlangten und der Bereicherung differenziert. Die Gebrauchsüberlassung von Sachen wie die Leistung von Diensten ohne Rechtsgrund habe zur Folge, daß der Bereicherte die Kosten erspare, die er normalerweise aufwenden müßte, um in den Genuß der Gebrauchsüberlassung oder der Dienstleistung zu gelangen, er habe regelmäßig diese ersparten Aufwendungen erlangt. 87 Indem auf die vermögensrechtlichen Auswirkungen, die ersparten Aufwendungen, abgestellt wird, umgeht die Rechtsprechung die Schwierigkeit, konkret gegenständlich bestimmen zu müssen, worin das erlangte Etwas bei unwirksamen Uberlassungsverträgen zu sehen ist und dessen Wert festzustellen. 88 Sie beschränkt sich von vornherein darauf, auf die offensichtlich zu Tage tretenden mittelbaren Vermögensfolgen abzustellen. 89 Man könnte meinen, daß es regelmäßig keinen praktischen Unterschied macht, ob man das erlangte Etwas konkret gegenständlich bestimmt und nach § 818 II B G B bewertet oder aber ob man das erlangte Etwas mit der Rechtsprechung erst in den mittelbaren Vermögensauswirkungen sieht; denn die Erlangung der „gegenständlich" bestimmten Position müßte quasi als Reflex eine Veränderung der Vermögenslage zur Folge haben und sich entsprechend vermögensmäßig auswirken. 90 Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn der Wert des - durch das Erlangte - Ersparten nach objektiven Grundsätzen bestimmt wird und der objektive Wert der Gebrauchsüberlassung, also der Mietwert, als Ersparnis zugrundegelegt wird. 91 87 R G Z 97, 310, 312; B G H Z 14, 7,9; 20, 270,275; 22,395,400; 36, 321; 37, 258, 264; 55,128, 131; B G H J Z 1960, 603. Bei den Immaterialgüterrechten scheint nunmehr auch die Rechtsprechung, die grundsätzlich der vermögensorientierten Bestimmung anhängt, der gegenstandsbezogenen zu folgen, vgl. B G H Z 82, 299, 307. Allerdings greift der B G H , ZIP 1992, 857, 859, wieder auf den Ersparnisgedanken zurück; krit. Schlechtriem, J Z 1993, 186. In der Literatur wird zum Teil auch deshalb auf den Verwendungserfolg abgestellt, um den vom Bereicherten gezogenen Gewinn in die Bereicherungshaftung miteinbeziehen zu können, Wilburg, Bereicherungsrecht, S. 122; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 24ff, 64ff, 77ff; Kleinheyer, J Z 1961, 474; Schauhoff, S. 56ff; krit. Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 88; Törl, S. 62. 88 Vgl. dazu S. 152 ff. 89 Schlechtriem, Symposium König, S. 57, 65, sieht den Grund für den Rückgriff auf die Aufwendungsersparnis unter Hinweis auf Dawson, Erasable Enrichment in German Law, 61, Boston U.L.Rev. (1981), 271 ff, 282-284, darin, daß dem Bereicherten die Berufung auf den Entreicherungseinwand abgeschnitten werde. Gursky weist darauf hin, daß die Ausgabenersparnis immer nur „die mittelbare Folge, der Reflex eines unmittelbar und primär erlangten ,Etwas' auf die gesamte Vermögenslage" sei, J R 1972, 280; vgl. auch Batsch, N J W 1969, 1743, 1744; Törl, S. 65. 90 In diese Richtung Beuthien/Weber, S. 57f. 91 So etwa hat der B G H , B G H Z 20, 270ff, im Falle einer unrechtmäßigen Benutzung eines Bahnhofsvorplatzes auf die ersparten Nutzungsgebühren abgestellt; anders jedoch der B G H ,

1 4 6 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

B e s t i m m t m a n h i n g e g e n das e r l a n g t e E t w a s m i t d e r R e c h t s p r e c h u n g

im

W e g e einer Vermögensdifferenzbildung unter E i n b e z i e h u n g subjektiver Elem e n t e , s o k o m m t es z u e n t s c h e i d e n d e n A b w e i c h u n g e n . 9 2 D e n n v o r d e m H i n t e r g r u n d d e r j e w e i l i g e n k o n k r e t e n V e r h ä l t n i s s e k a n n die Z u w e n d u n g f ü r d e n Bereicherungsschuldner einen geringeren oder höheren Wert haben.93

Die

R e c h t s p r e c h u n g ist d a b e i v o n d e m G e d a n k e n g e t r a g e n , d a ß die H e r a u s g a b e p f l i c h t des B e r e i c h e r t e n k e i n e s f a l l s z u e i n e r V e r m i n d e r u n g s e i n e s V e r m ö g e n s ü b e r den Betrag der wirklichen B e r e i c h e r u n g hinaus führen dürfe.94 B e i der E r m i t t l u n g des erlangten E t w a s im W e g e einer D i f f e r e n z b i l d u n g b e r ü c k s i c h t i g t sie d e s h a l b n i c h t nur, w e l c h e Z u w e n d u n g e n d e r B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r o b j e k t i v e r h a l t e n h a t , s o n d e r n a u c h , o b u n d w i e sie s i c h b e i m B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r i m Einzelfall v e r m ö g e n s m ä ß i g ausgewirkt haben. S o soll z u m B e i spiel v o n R e l e v a n z sein, o b d e r B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r sie u n t e r n o r m a l e n U m s t ä n d e n in A n s p r u c h g e n o m m e n o d e r a b e r o b er s i c h a n d e r w e i t i g b e h o l f e n h ä t t e . E s e r f o l g t i n s o w e i t e i n e w i r t s c h a f t l i c h o r i e n t i e r t e B e w e r t u n g , 9 5 in d e r e n R a h m e n ü b e r p r ü f t w i r d , o b als w i r t s c h a f t l i c h e r E r f o l g d e r Z u w e n d u n g e i n e E r s p a r n i s b z w . e i n e V e r m ö g e n s v e r m e h r u n g f e s t s t e l l b a r ist, o b a l s o ein V e r w e n d u n g s e r f o l g b e i m B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r e i n g e t r e t e n ist. 9 6 E s k o m m t z u e i n e r A r t „ N ü t z l i c h k e i t s k o n t r o l l e " m i t der F o l g e , d a ß L u x u s a u f w e n d u n g e n oder anderweitig

günstiger erlangbare

L e i s t u n g e n , die d e r

Bereicherungs-

B G H Z 21, 319ff, 336, in einem vergleichbaren Fall, in dem er auf das subjektiv Ersparte, nämlich die ersparte Zeit und den ersparten Treibstoff, abgestellt hat, vgl. dazu Lieh, Ehegattenmitarbeit, S. 90 Fußnote 25; Törl, S. 43. 92 B G H Z 55, 128, 133. 93 Allerdings führt die Rechtsprechung diesen Gedanken insofern nicht konsequent durch, als sie nur für den Bereicherten ungünstige Entwicklungen einbezieht. Bei der Bemessung der Vermögensvermehrung bzw. der Vermögensersparnis nach § 818 II B G B stellt sie nämlich auf den objektiven Wert und nicht auf den Gewinn des Bereicherten ab, B G H Z 132, 204, 215; 117, 31; 17, 239; vgl. dazu Gursky, J R 1972, 280; anders diejenigen, die auf den Verwendungserfolg abstellen. In diese Richtung auch diejenigen, die bei § 818 II B G B eine subjektive Wertbestimmung vornehmen, vgl. dazu S. 173 ff. 94 B G H Z 55, 128, 131; vgl. auch schon B G H Z 1, 75, 81 = J Z 1951, 333, 334 mit Anm. v. Coing. Dort hatte er ausgeführt: „Denn der Bereicherungsbegriff ist wirtschaftlicher Natur, und deshalb dürfen wirtschaftliche Gesichtspunkte, die der Annahme eines endgültigen Vermögenszuwachses zwingend entgegenstehen, nicht außer Betracht bleiben". 95 B G H Z 55, 128, 133: „Es wäre auch keine sachgerechte Lösung, bei der Ermittlung der Bereicherung zwar nach den ersparten Aufwendungen zu fragen, diese aber nicht nach den jeweiligen Verhältnissen des Bereicherungsschuldners, sondern danach zu bemessen, was die empfangene Leistung bei ordnungsgemäßem Vorgehen ganz allgemein gekostet hätte. Denn beide Male wäre der „gutgläubige" Leistungsempfänger benachteiligt, der im berechtigtem Vertrauen auf den Bestand der ihm zuteilgewordenen Leistung etwas erlangt, was er sich sonst nicht verschafft hätte, und dem daraus auch kein anderweitiger Vermögensvorteil verblieben ist." Besonders deutlich tritt dies in der Entscheidung des B G H , B G H Z 1, 75, 81 = JZ 1951, 333, 335, hervor: Hier wurde eine Bereicherung des Beklagten abgelehnt mit der Begründung, aufgrund des besonderen Verteilungs- und Abrechnungssystems bei der Versorgungsleistung hätte der Beklagte mit Sicherheit Beträge in entsprechender Höhe erlangt, so daß er nicht bereichert sei; kritisch dazu Coing in seiner Anmerkung J Z 1951, 335. 96 MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 299f, 303.

B.

Bereicherungsrecht

147

Schuldner nicht erworben hätte, ausgesondert werden. Auch wenn die Bestimmung des erlangten Etwas im Wege einer an sich rechnerisch objektiven Differenzbildung erfolgt, ist sie geprägt durch eine subjektive Vermögensbetrachtung des Schuldners und bezieht sich auf seine besonderen Verhältnisse. 97 Auf dieser Grundlage reduziert sich die Haftung des Bereicherungsschuldners aus § 812 B G B von vornherein auf die - noch - vorhandene Bereicherung und es bleibt außer Betracht, was der Bereicherungsschuldner ursprünglich objektiv durch die Leistung oder den Eingriff erlangt hat. Dies hätte zur Folge, daß auch von dem Bösgläubigen nur die Herausgabe dieser Bereicherung verlangt werden könnte. 9 8 Eine solche Haftungsbeschränkung ist aber weder system- noch wertungsgerecht. 9 9 Ist etwas ohne Rechtsgrund durch Leistung oder Eingriff erlangt worden, so gilt es, dies im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten, herauszugeben bzw. Wertersatz zu leisten, eine Vermögensabschöpfung wird dem nicht gerecht. 1 0 0 Sowohl aus der Entstehungsgeschichte 1 0 1 wie aus der Regelung des § 818 I I I B G B in Gegenüberstellung zu §§ 818 I V und § 819 B G B ergibt sich, daß der Entreicherungseinwand nur dem Gutgläubigen zugute k o m m e n soll. N u r die besondere Schutzwürdigkeit des Gutgläubigen rechtfertigt es, dem Bereicherungsgläubiger das Risiko aufzuerlegen, daß sich das Erlangte noch vermögensmäßig positiv beim Schuldner auswirkt. D e m hat die Rechtsprechung in der Flugreiseentscheidung letztlich auch Rechnung getragen. D o r t war ein Minderjähriger ohne entsprechenden Flugschein von H a m b u r g nach N e w Y o r k geflogen. Mangels eines Visums mußte er sofort wieder nach Deutschland zurückkehren. 1 0 2 D e r Bundesgerichtshof stand hier vor dem Problem, daß sich nach seiner vermögensorientierten B e stimmung des erlangten Etwas unter Zugrundelegung des Differenzgedankens keine Vermögensersparnis feststellen ließ. Zwar hatte der Minderjährige eine Vermögenswerte Dienstleistung der Fluggesellschaft erlangt. 103 Diese konnte sich jedoch nicht positiv im Vermögen des Bereicherungsschuldners 97 Darauf, daß die Bestimmung der Bereicherung i.S.v. § 818 III B G B - im Gegensatz zum erlangten Etwas bei § 812 B G B - wirtschaftlich und damit wertend zu verstehen ist, weisen hin Beuthien, Jura 1979, 532; Münch Komm/Lieh, § 818 Rn 49ff; Erman/H.-RWestermann, § 818 Rn 32; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 Rn 33. Besonders deutlich wird dies in den Fällen der aufgedrängten Bereicherung, vgl. dazu S. 175 Fußnote 228. 98 Roth, Festschrift Küchenhoff, S. 371. 99 Münch Komm/Lieb, § 812 Rn 300; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I 2; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 Rn 72. 100 V. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 368 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244. 101 Vgl. dazuS. 141. 102 B G H Z 55, 128 ff. Hier interessiert allein die Bereicherungsproblematik im engeren Sinne, die Minderjährigenproblematik bleibt deshalb unberücksichtigt. 103 Im einzelnen ist - ohne daß dies entscheidende Auswirkungen auf die zu behandelnde Problematik hätte - streitig, ob es sich um einen Fall einer Leistungs- oder Eingriffskondiktion handelt. Der B G H ging von einer Leistungskondiktion aus, vgl. dazu Beuthien/Weher, S. 58; anders Teichmann, JuS 1972, 249f, der von einer Eingriffskondiktion ausgeht; ebenso Reuter/ Martinek, § 15 I 1; Ostendorf, S. 17; Kellmann, N J W 1971, 863.

148 5 ^ Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

als Aufwendungsersparnis niederschlagen, da der Minderjährige sofort wieder zurückbefördert worden war und die Reise sonst nicht unternommen hätte. 104 Die sich daraus ergebende Schlußfolgerung, der Schuldner habe keinen Vermögenswert erlangt, wurde vom Bundesgerichtshof als nicht sachgerecht empfunden. 105 Er korrigierte deshalb dieses Ergebnis, nach dem es an einer Bereicherung gefehlt hätte, unter Rückgriff auf die Wertung des § 818 III BGB und folgte der Argumentation des Bereicherungsschuldners, es handele sich um eine Luxusausgabe, die ihm keine Aufwendungen erspart hätte, nicht. Entsprechend wie sich der bösgläubige Empfänger nicht darauf berufen könne, daß die Bereicherung nachträglich weggefallen sei, könne auch derjenige, der bewußt eine Leistung in Anspruch genommen habe, nicht darauf verweisen, daß er diese Leistung anderweitig nicht in Anspruch genommen und er deshalb auch keine Aufwendungen erspart hätte. 106 Der Bundesgerichtshof knüpft damit an die Argumentation in der Gleisanschluß-Entscheidung an. Nach ihr muß sich derjenige, der bewußt eine fremde Leistung in Anspruch nimmt, an dieser von ihm selbst geschaffenen Lage festhalten lassen und kann sich nicht darauf berufen, es sei keine Vermögensersparnis eingetreten. 107 Letztendlich fingiert damit der Bundesgerichtshof aufgrund wertender Überlegungen eine Vermögensersparnis und damit eine Bereicherung. Er kommt damit zum selben Ergebnis wie unter Zugrundelegung der gegenständlich orientierten Betrachtungsweise, ohne sich ihr jedoch anzuschließen. Wird nicht zwischen dem erlangten Etwas und der Bereicherung differenziert und allein auf die subjektiven Vermögensauswirkungen beim Bereicherten abgestellt, so kommt es zu einer Verknüpfung unterschiedlicher Wertungsfragen, nämlich der, ob der Schuldner etwas erlangt hat, mit der, ob er dadurch auch bereichert worden ist. Ist der Schuldner bösgläubig, so besteht kein Grund, die Haftung auf die Bereicherung zu beschränken, und es kommt, - wie die Flugreiseentscheidung verdeutlicht - zu erheblichen Wertungsproblemen. 108 Sie zeigen sich auch bei der Rückabwicklung gegenseitiBGHZ 55, 128, 131. Anders Roth, Festschrift Küchenhoff, S. 371, 381. 106 BGHZ 55, 128 (Leitsatz): „Wer ohne Rechtsgrund eine geldwerte Leistung in Anspruch nimmt (hier: eine Flugreise), die er sich anderweitig nicht verschafft hätte und durch die auch sonst sein Vermögen nicht vermehrt worden ist, muß sich gleichwohl so behandeln lassen, als hätte er die dafür übliche bzw. angemessene Vergütung erspart, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung kannte." Siehe auch BGHZ 55, 128, 133. MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 300, sieht darin nicht zu Unrecht eine verwegene Konstruktion. 107 Vgl. dazu schon die Gleisanschlußentscheidung RGZ 97, 310; Gursky, JR 1972, 279, 281, spricht insoweit von einer „Normativierung des Ersparnisgedankens", wodurch Assoziationen zum „normativen Schaden" geweckt werden. 108 Anders diejenigen, die meinen, das Bereicherungsrecht wolle aufgrund seiner besonderen Zielrichtung diese Fälle nicht erfassen, Roth, Festschrift Küchenhoff, S. 371. Zur parallelen Problematik der Wertbestimmung im Rahmen von § 818 II BGB und der Auseinandersetzung mit der zu § 818 II BGB vertretenen subjektiven Theorie vergleiche S. 173ff. 104

105

B.

Bereicherungsrecht

149

ger Verträge. 109 Eine Lösung der Problematik ist deshalb allein auf der Grundlage einer differenzierten Betrachtungsweise möglich. Das Bereicherungsrecht ist deshalb als zweistufiges System zu begreifen. Auf der einen Seite steht die zunächst am Gegenstand orientierte Bestimmung des erlangten Etwas und auf der anderen Seite der die subjektiven Verhältnisse des Entreicherungsschuldners berücksichtigende Entreicherungseinwand. 110 Das erlangte Etwas ist dementsprechend gegenstandsbezogen zu bestimmen. Im Hinblick auf die entsprechende Problematik im Schadensersatzrecht bleibt deshalb festzuhalten, daß es von entscheidender Bedeutung ist, ob man eine gegenständliche Sichtweise oder eine vermögensbezogene zugrundelegt. Bei Zugrundelegung einer gegenstandsbezogenen Sichtweise steht das konkret Erlangte bzw. im Schadensersatzrecht der konkrete Schaden im Vordergrund. Ausgangspunkt ist also der Erwerb bzw. Verlust konkreter Güter oder Vorteile. Demgegenüber führt die Differenztheorie dazu, daß allein auf die dauerhaften Vermögensauswirkungen abgestellt wird und deshalb bestimmte konkret erfolgte Zuwendungen bzw. Schäden nicht erfaßt werden. Die Beschränkung der Haftung gemäß § 818 III BGB durch die subjektive Bestimmung der Bereicherung erklärt sich dabei allein aus der besonderen Schutzwürdigkeit des gutgläubig Bereicherten. Da es im Schadensersatzrecht an einer entsprechenden Schutzwürdigkeit des Schädigers fehlt, erscheint eine am konkreten Schaden orientierte Sichtweise, wie beim unredlich Bereicherten, vorzugswürdig. Dies gilt um so mehr, als eine Vermögensbetrachtung unter Einbeziehung der zukünftigen Entwicklung beim Geschädigten sich regelmäßig zugunsten des Schädigers auswirkt, wie die Problematik der Vorteilsausgleichung, der hypothetischen Kausalität, der obligatorischen Gefahrverlagerung und schließlich auch die Frage des Schadensersatzes wegen entgangener Eigennutzungen zeigen. 111

109 Sie tritt auch bei der R ü c k a b w i c k l u n g gegenseitiger Verträge hervor, w e n n einer Seite die Leistung u n m ö g l i c h w i r d . Die auf einer umfassenden Vermögensbetrachtung basierende Saldotheorie des Reichsgerichts, R G Z 54, 137ff; vgl. dazu Flume, A c P 194, 427; Leser, Saldotheorie, S. 9ff, 92ff; ders., Rücktritt, S. 107ff, führt hier dazu, daß es von vornherein an einer Bereicherung fehlt. U b e r w i e g e n d w i r d diese Problematik, der hier nicht näher nachgegangen w e r d e n kann, auf der G r u n d l a g e von § 818 III B G B gelöst; vgl. auch B G H Z 57, 137, 150; 72, 255. Dabei w i r d insbesondere auf das faktische Synallagma, v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 368 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244; Leser, Saldotheorie, S. 49ff; ders., Rücktritt, S. 110ff, bzw. den Gesichtspunkt einer gerechten Risikoverteilung, vgl. dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 3 1,111; MünchKomm/Lieb, § 8 1 8 R n 47ff, 84ff; Staudinger/Lorenz, § 818 R n 31 ff, abgestellt. A b l e h n e n d Flume, A c P 194, 427ff. 110 Auf diese Unterscheidung haben schon v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 367f = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244 f; Gursky, J R 1972, 279, 280, hingewiesen; vgl. auch Erman/H.-P.Westermann, § 812 R n 9; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 R n 65, § 818 R n 1; Tori, S. 67 ff. 111 Vgl. d a z u S . 3 8 9 f f , 4 0 1 f f .

1 5 0 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

II. Erlangtes Etwas bei der Rückabwicklung über Sachen

Rückabwicklung

von Verträgen

Ist von einer gegenstandsbezogenen Bestimmung des erlangten Etwas auszugehen, so bleibt offen, worin im konkreten Einzelfall das erlangte Etwas zu sehen ist, in der Nutzungsmöglichkeit, der Gebrauchsüberlassung oder den gezogenen Nutzungen. Der Klarheit wegen und um die Probleme besser fassen zu können, wird hier zwischen der Leistungskondiktion und der Eingriffskondiktion differenziert. Trotz ihrer einheitlichen Behandlung durch den Gesetzgeber 112 liegen ihnen nämlich unterschiedliche Regelungsaufgaben und Problemkonstellationen zugrunde. 1 1 3 Des weiteren fordert die Unterschiedlichkeit des Leistungsgegenstandes eine Differenzierung zwischen Eigentumsübertragung, Gebrauchsüberlassung und Geldleistungen.

1.

Eigentums-/Sachübertragung

Die Fälle der Eigentums-/Sachübertragung sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß der Bereicherungsgläubiger im Vertrauen auf die Wirksamkeit einer schuldrechtlichen Vereinbarung dem Bereicherungsschuldner das Eigentum an einer Sache überträgt und sich erst später herausstellt, daß der Vertrag unwirksam war, die Leistung also ohne Rechtsgrund erbracht wurde. Bei der Übertragung von Eigentum, z.B. aufgrund eines unwirksamen Kauf- oder Werklieferungsvertrages, erlangt der andere als Folge des Abstraktionsprinzips regelmäßig wirksam das Eigentum an der Sache, der unwirksame Vertrag wird vollständig „erfüllt". Allein in den Fällen, in denen auch die Ubereignung, z.B. wegen eines Doppelmangels, unwirksam ist, erlangt der andere nur den Besitz und zwar in Form des Eigenbesitzes. 114 Bei der 112 D e r Vorlageentwurf v. Kübels, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, unterschied n o c h zwischen einzelnen K o n d i k t i o n e n : R ü c k f o r d e r u n g wegen Leistung einer N i c h t s c h u l d , §§ 1 ff, wegen Nichteintritts des vorausgesetzten künftigen Ereignisses, §§ 14ff, wegen verwerflichen E m p f a n g e s , §§ 18ff, wegen grundlosen H a b e n s , §§ 23ff, vgl. dazu auch Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 45. 113 W ä h r e n d die Leistungskondiktion d u r c h ihre A u f g a b e als R ü c k a b w i c k l u n g s i n s t r u m e n t bei gescheiterten Verträgen geprägt ist, v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 340ff = Gesammelte Schriften I, S. 209, 217ff, geht es bei der Eingriffskondiktion primär u m den Ausgleich f ü r Eingriffe in den Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition eines anderen, insbesondere auch in die N u t z u n g s b e f u g n i s s e eines anderen, vgl. dazu B G H Z 82, 299, 306; 99, 385, 387; 107, 117, 120f; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 340ff, 353ff = Gesammelte Schriften I, S. 209,217ff, 229ff; ders., G r u n d p r o b l e m e , Gesammelte Schriften I, S. 370, 375; Larenz/Canans, Schuldrecht II/2, §§ 67 I 2, 69 I 1; Medtcus, Bürgerliches Recht, R n 663 ff, 703 ff; Schlechtriem, S y m p o s i u m König, S. 58. A n d e r s die Vertreter der Einheitstheorie, Wilhelm, Rechtverletzung, S. 35ff; Batsch, S. 24ff, 91 ff; Kellmann, S. 106, die die Einheitlichkeit von Leistungsu n d E i n g r i f f s k o n d i k t i o n betonen. 1,4

Wobei d a n n neben dem A n s p r u c h aus ungerechtfertigter Bereicherung ein E i g e n t u m s herausgabeanspruch aus § 985 B G B besteht. Hinsichtlich der N u t z u n g s e n t s c h ä d i g u n g n i m m t die R e c h t s p r e c h u n g z w a r einen Ausschluß der Bereicherungshaftung d u r c h die Regeln z u m Eigentümer-Besitzer-Verhältnis an, w e n d e t in den Fällen einer Leistungskondiktion aber § 988

B.

Bereicherungsrecht

151

Rückabwicklung von auf die Übertragung von Eigentum gerichteten Verträgen - Kaufvertrag, Werklieferungsvertrag, Schenkung - steht daher regelmäßig die Rückübertragung des Eigentums bzw. - bei Unwirksamkeit auch der Eigentumsübertragung - des Besitzes im Vordergrund. Inhalt der Leistungskondiktion ist deshalb zunächst, daß die ohne Rechtsgrund erlangte Rechtsposition Eigentum bzw. Besitz an den Bereicherungsgläubiger herausgegeben, gemäß § 818 II Wertersatz geleistet oder aber nach § 818 I das Surrogat erstattet wird. Daneben stellt sich jedoch die Frage, wie es rechtlich zu bewerten ist, daß der ungerechtfertigt Bereicherte für einen gewissen Zeitraum durch die Übertragung des Eigentums auch die Nutzungsmöglichkeit der Sache erlangt hat, ihm das mit der Sache verbundene Nutzungspotential zur Verfügung stand. Hat die mit dem Eigentum erlangte zeitweilige Nutzungsmöglichkeit der Sache eigenständige rechtliche Bedeutung und ist für sie ein entsprechender Wertersatz zu leisten? Der Gesetzgeber hat diese Frage durch die Regelung des § 818 I B G B indirekt negativ beantwortet. Diese Vorschrift 115 befaßt sich, aufgrund der relativ abstrakten Formulierung des § 818 I B G B wird dies jedoch nicht mehr ganz deutlich, ganz konkret mit den Nebenfolgen bei der Übertragung von umfassenden Herrschaftsrechten, insbesondere Eigentum. So war im Vorentwurf v. Kübels zur ungerechtfertigten Bereicherung in § 6 davon die Rede, daß „Sachen" geleistet worden sind 116 und § 740 II des Ersten Entwurfs bezieht sich konkret auf den Fall, daß „der Empfänger eine zum Eigenthume empfangene Sache herauszugeben" hat. 117 Indem der Gesetzgeber in § 818 I B G B die Herausgabe der Nutzungen als Nebenfolge des Herausgabeanspruchs hinsichtlich der geleisteten Sache ausdrücklich anordnet bzw. klarstellt, erweitert er B G B entsprechend an, B G H Z 120, 204, 215; B G H N J W 1983, 164; N J W 1995, 454, 2627, und kommt damit zur Anwendung von Bereicherungsrecht. Demgegenüber nimmt die überwiegende Meinung in der Literatur in den Fällen der Leistungskondiktion eine Anspruchskonkurrenz an, vgl. Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987ff Rn 43; Hager, JuS 1987, 877; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 66; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 74 I; vgl. S. 184. 115 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Kaiser, S. 28ff; Schauboff, S. 97ff; Jakobs, lucrum, S. llOff. 116 „Sind Sachen geleistet worden, so sind dieselben in ihrem gegenwärtigen Bestand mit den zur Zeit der Rechtshängigkeit des Anspruchs vorhandenen Früchten zu erstatten. Für früher gezogene, nicht mehr vorhandene Früchte und für nicht mehr vorhandene, mit der Sache übergebene Zubehörungen hat der Empfänger insoweit, als er zur angegebenen Zeit aus denselben noch bereichert ist, Ersatz zu leisten." 117 „Hat der Empfänger eine zum Eigenthume empfangene Sache herauszugeben oder einen an ihn veräußerten, zur Zeit der Veräußerung bestehenden Nießbrauch zurückzugewähren, so bestimmen sich seine Verpflichtungen zur Herausgabe und Vergütung der Nutzungen nach den Vorschriften des Besitzers gegenüber dem Eigenthümer". Die Gleichstellung von Eigentümer und Nießbraucher ergibt sich dabei aus dem Gedanken, daß der Nießbrauch, insbesondere der lebenslange Nießbrauch, eine eigentümerähnliche Stellung im Hinblick auf die Nutzungsbefugnisse gewährt und sich ganz grundlegend von den beschränkten Nutzungsrechten wie Miete und Pacht unterscheidet; vgl. dazu auch Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489ff, 501 Fußnote 35; Schauhoff, S. 29.

152

§4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

den Anspruch des Bereicherungsgläubigers auf die gezogenen Nutzungen. 118 Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß der vorübergehenden Innehabung der Nutzungsmöglichkeit noch keine eigenständige rechtliche Bedeutung beigemessen wird. Der Bereicherte hat daher neben der Rückübertragung des Eigentums keinen Wertersatz für das ihm vorübergehend mit dem Eigentum übertragene Nutzungspotential als solches zu leisten. Die Herausgabe- bzw. Wertersatzpflicht trifft ihn erst dann, wenn er ganz konkret von dem Potential Gebrauch gemacht hat, er Nutzungen gezogen hat. Dies steht im Einklang mit der Überlegung, daß die durch das Eigentum vermittelte Herrschaftsmacht so vielgestaltig ist, daß sie erst noch einer Konkretisierung bedarf, um rechtliche Relevanz zu erlangen.119 Dies geschieht insbesondere dadurch, daß von der Sache Gebrauch gemacht wird, Nutzungen aus ihr gezogen werden. Damit knüpft der Gesetzgeber ganz bewußt nicht an das durch das Eigentum vermittelte Nutzungspotential an, sondern macht die Herausgabepflicht davon abhängig, daß konkret Nutzungen gezogen wurden. 120 Es ergibt sich so eine Parallele zu den Rücktrittsregeln. Denn auch im Rahmen der §§ 346, 347 BGB steht die Rückübertragung des Eigentums im Vordergrund und der Tatsache, daß der Rücktrittsgegner zeitweilig die Nutzungsmöglichkeit der Sache hatte, wird keine eigenständige rechtliche Bedeutung beigemessen. Erst die Ausübung der Nutzungsmöglichkeit, die Ziehung von Nutzungen, löst rechtliche Konsequenzen aus, nämlich die Nebenfolge, die Nutzungen nach den Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses herauszugeben. Damit läßt sich auch aus den bereicherungsrechtlichen Regeln über die Rückabwicklung von auf Eigentumsübertragung gerichteten Verträgen schlußfolgern, daß der Nutzungsmöglichkeit aufgrund Eigentums als solcher keine selbständige Bedeutung beigemessen wird. Erst an die konkrete Ausübung des Nutzungspotentials, an die Ziehung von Nutzungen aus der Sache, werden rechtliche Konsequenzen geknüpft. 2.

Gebrauchsüberlassung

Die Gebrauchsüberlassung ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, daß Inhalt der Verpflichtung nicht die Übertragung der Sache an sich, sondern nur die Einräumung eines Nutzungsrechts an ihr ist. Der Vertrag zielt also nur auf die Einräumung von Fremdbesitz an der Sache. Ist der Vertrag über die Ge118 Er folgte damit d e m gemeinen u n d d e m preußischen Recht, vgl. Windscheid/Kipp, § 424 A n m . 2; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 65; vgl. auch Kaiser, S. 36, der darauf hinweist, daß d e m eine gegenständliche Betrachtungsweise zugrundeliege. Z u r B e g r ü n d u n g des N u t z u n g s h e r a u s g a b e a n s p r u c h s Kaiser, S. 71 ff; anders Jakobs, Eingriffserwerb, S. 29 ff. 119 Vgl. d a z u S. 81 ff. 120 Flume, Gedächtnisschrift K n o b b e - K e u k , S. 111, 122ff; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 R n lOff. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 III 6 a; Kohler, Rückabwicklung, S. 512, wollen d a r ü b e r hinaus bei gegenseitigen Verträgen § 987 S. 2 B G B analog heranziehen.

B.

Bereicherungsrecht

153

brauchsüberlassung einer Sache, etwa ein Mietvertrag, unwirksam, fehlt es an einer wirksam eingeräumten Nutzungsberechtigung. Der Vertragspartner erhält zwar die Sache und damit den Besitz, nicht aber die Nutzungsberechtigung, denn anders als beim Kaufvertrag kennt hier unsere Rechtsordnung das Abstraktionsprinzip nicht. Dies hat zur Folge, daß dem anderen mit der Überlassung der Sache zwar faktisch die Sache zur Nutzung überlassen wird, er aber rechtlich mangels Nutzungsberechtigung als nichtberechtigter Fremdbesitzer anzusehen ist. 121 Dieses Divergieren zwischen faktischer Überlassung zur Nutzung auf der einen und Fehlen einer Nutzungsberechtigung auf der anderen Seite führt zu der entscheidenden Frage, was der andere in den Gebrauchsüberlassungsfällen erlangt, worin das erlangte Etwas besteht. Bei Nichtigkeit eines Gebrauchsüberlassungsvertrages hat der Bereicherungsschuldner zunächst nach § 812 BGB den Besitz der Sache herauszugeben. Ob ein weitergehender Wertersatzanspruch aufgrund der Überlassung der Sache als solcher oder der konkreten Nutzung besteht, hängt davon ab, worin man das Erlangte sieht. 122 Ist hier, anders als in den Fällen der Übertragung von umfassenden Herrschaftsrechten, auf die Überlassung zur Nutzung und nicht erst auf die konkrete Nutzziehung abzustellen? Bei der Gebrauchsüberlassung kommen als Grundlage für einen Bereicherungsausgleich zwei bereicherungsrechtliche Vorschriften in Betracht. Soweit in der „Gebrauchsüberlassung" das erlangte Etwas zu sehen ist, ergibt sich eine Ersatzpflicht aus §§ 812, 818 II BGB. Ist die Gebrauchsüberlassung nicht als primär Erlangtes anzusehen, so wäre, wie in den Eigentumsübertragungsfällen, § 818 I BGB heranzuziehen, wonach nur die tatsächlich aus der Sache gezogenen Nutzungen herauszugeben sind. 123 In den Fällen der Gebrauchsüberlassung bereitet die zutreffende Bestimmung und Bewertung des Erlangten Schwierigkeiten, weil die Rückabwicklung keine gegenständlichen Positionen betrifft. 124 Dies dürfte im übrigen auch ein Grund dafür sein, daß insbesondere die Rechtsprechung auf den Ersparnisgedanken, die mittelbaren Vermögensfolgen, zurückgreift. Dieser Weg hat sich allerdings als problematisch erwiesen, weil sich die Ersparnis sowohl objektiv wie auch subjektiv bestimmen läßt. 125 Das erlangte Etwas ist, wie oben dargelegt, gegenstandsorientiert zu bestimmen. 126 121

Z u m Verhältnis der L e i s t u n g s k o n d i k t i o n z u m Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vgl.

S. 184. Eine ähnlich Problematik stellt sich bei Dienstleistungen. Vgl. d a z u S. 150ff. 124 D a n n ist die B e s t i m m u n g unproblematisch, vgl. MiinchKomm/Lieh, § 812 R n 284ff. 125 Vgl. d a z u S. 173 ff. Darauf weist auch Lieb, J Z 1971, 1290, hin. 126 So die ü b e r w i e g e n d e M e i n u n g , vgl. von Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 368 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 244; Koppensteiner/Kramer, S. 110, 120; MünchKomm/Lieh, § 812 R n 284 und § 818 R n 1; Medicus, Schuldrecht II, R n 673f; Löwenheim, S. 19ff; Wieling, Bereicherungsrecht, § 2 III; Köhler, A c P 190, 531; Pinger, M D R 1972, 101,102; Beuthien, R d A 122 123

1 5 4 § 4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

Da der Bereicherungsschuldner wegen des fehlenden Rechtsgrundes das Gebrauchsrecht, die Gebrauchsbefugnis, gerade nicht wirksam erworben hat, stellt sich die Frage, was der Bereicherungsschuldner bei gegenständlicher Betrachtungsweise im Sinne von § 812 B G B erlangt hat. Uberwiegend wird das Erlangte als der Gebrauch bzw. die Gebrauchsvorteile, der Verbrauch bzw. die Verbrauchsvorteile oder die geleisteten Dienste, die Arbeit selbst angesehen. 127 Der Gebrauch einer Sache ist jedoch zunächst einmal etwas rein Tatsächliches 128 und es bleibt damit offen, worauf rechtlich abzustellen ist. Im wesentlichen lassen sich dabei zwei Auffassungen unterscheiden. Nach der überwiegenden, insbesondere auch von Canaris 129 vertretenen Auffassung, wird von dem tatsächlichen Gebrauch der Sache ausgehend das Erlangte in den Nutzungsvorteilen gesehen.130 Der primäre Kondiktionsgegenstand, also das erlangte Etwas, soll etwa im Fall eines unwirksamen Mietvertrages in den Gebrauchsvorteilen zu sehen sein. Erst wenn der Bereicherungs1969, 161, 164; Beuthien/Weber, S. 57f; Kohler, Rückabwicklung, S. 312ff; Brox, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn 389; Batsch, S. 109ff; den., N J W 1969, 1743, 1744; ders., N J W 1972, 611, 612; Canaris, JZ 1971, 560, 561; Kleinheyer,}?. 1961, 473,474; Koppensteiner, N J W 1971, 1769, 1774; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 211; Schlechtriem, Symposium König, S. 57, Reuter!Mar80f; Tori, S. 37ff; Ostendorf, S. 20. Differenzierter bestimmen das erlangte Etwas tinek, Bereicherungsrecht, § 15. Sie unterscheiden, ob es sich um eine Leistungs-, Eingriffsoder „Abschöpfungs-"kondiktion handelt. Im Falle einer Leistungskondiktion, die der Rückabwicklung fehlgeschlagener Schuldverhältnisse diene, sei das Erlangte gegenstandsbezogen zu bestimmen, wobei auf die Regelung der §§ 346, 347 B G B verwiesen wird, vgl. a.a.O., S. 528ff. Bei der Eingriffskondiktion sei das Erlangte wegen der Parallelität zum Schadensersatzrecht vermögensbezogen zu bestimmen, wobei allerdings in Anlehnung an die Theorie von der Objektivierung des Schadens als „Sonderelement" die objektive Mindestbereicherung zu beachten sei. Danach sei immer der objektive Wert des Verbrauchs- oder Gebrauchsvorteils zu ersetzen, wenn dieser die Aufwendungsersparnis übersteige, ansonsten sei die Aufwendungsersparnis als erlangt anzusehen, a.a.O., S. 533. In den Fällen der Abschöpfungskondiktion wollen sie das erlangte Etwas vermögensorientiert bestimmen, a.a.O., S. 542; a.A. RGRK/ Heimann-Trosien, § 812 Rn 9; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 54; Schauhoff, S. 26ff, 54ff. 127 Koppensteiner/Kramer, Bereicherungsrecht, S. 120; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 Rn 72; Erman/H.P.Westermann, § 812 Rn 9; Larenz, Schuldrecht II, § 68 II, S. 530; Schlechtriem, Symposium König, S. 64f, 80; Larenz!Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I; Pinger, M D R 1972, 101, 102; Beuthien/Weber, S. 57f; Kohler, Rückabwicklung, S. 312ff; Wieling, Bereicherungsrecht, § 2 III; Brox, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn 389; Batsch, S. 109ff; ders., N J W 1969, 1743, 1744; ders., N J W 1972, 611, 612; Beuthien, RdA 1969, 161, 164; Canaris, J Z 1971, 560, 561; Kleinheyer, J Z 1961, 473, 474; Koppensteiner, N J W 1971, 1769, 1774; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 211; Tori, S. 37ff.

Vgl. dazu Jakobs, Eingriffserwerb, S. 36ff. Canaris, Festschrift Lorenz, S. 49. 130 Koppensteiner/Kramer, S. 120; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 211; ders., Schuldrecht II, § 68 II; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 Rn 72 und § 818 Rn 13; Soergel/Mühl, § 818 Rn 17 und 50; Erman/H.P. Westermann, § 812 Rn 9 und § 818 Rn 25, 27; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 367, 381 = Gesammelte Schriften I, S. 209,243, 258; Canaris, J Z 1971, 560, 561; Futter, JuS 1974, 379, 381; Jauernig/Schlechtriem, § 812 Rn 8; Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn 641; Goetzke, AcP 173, 289, 311; Gursky, J R 1972, 279, 281 Fußnote 17; ders., N J W 1969, 2183, 2184; Kleinheyer, J Z 1961, 473, 474; Koppensteiner, N J W 1971, 1769, 1774; Köhler, AcP 190, 531; Ostendorf, S. 25 für die Eingriffskondiktion. 128

129

B.

Bereicherungsrecht

155

Schuldner von der Sache tatsächlich Gebrauch mache, erlange er etwas, den Gebrauchsvorteil. 1 3 1 Auch wenn der Gebrauch bzw. die Gebrauchsvorteile als der primäre Kondiktionsgegenstand angesehen werden, unterscheidet sich die Behandlung dieser Fälle damit nicht von der unwirksamer Kaufverträge, in denen die Nutzungen als Nebenfolge nach § 818 I B G B zu ersetzen sind. Die Gleichbehandlung von Kauf- und Mietverträgen wird damit gerechtfertigt, daß aufgrund der Unwirksamkeit des Mietvertrages die typusprägende Hauptpflicht entfalle, so daß der Bereicherungsschuldner nichts weiter als den blanken Besitz erhalte. Damit unterscheide sich der Bereicherungsanspruch des Vermieters in Wahrheit durch nichts von einer bloßen Besitzkondiktion, Käufer und Mieter befänden sich in genau derselben Lage. 1 3 2 Soweit der Bereicherungsschuldner Gebrauchsvorteile gezogen habe, seien die tatsächlich gezogenen Nutzungen unter Zugrundelegung des vereinbarten Mietzinses zu vergüten. O b die Überlassung einer Sache aufgrund eines Kaufvertrages mit der aufgrund eines Mietvertrages jedoch wirklich gleichgesetzt werden kann, erscheint zweifelhaft. Bedenklich ist zunächst, daß der primäre Leistungsgegenstand in den Gebrauchsvorteilen gesehen wird, auf der anderen Seite aber gesagt wird, die Kondiktion unterscheide sich nicht von einer Besitzkondition. Bei einer Besitzkondiktion wie bei einer Eigentumskondiktion ist aber das erlangte Etwas nur der Besitz bzw. das Eigentum. D e r Gebrauch oder die gezogenen Gebrauchsvorteile werden in beiden Fällen gerade nicht als primärer Leistungsgegenstand angesehen, sondern letztere sind als Nebenfolge nach § 8 1 8 1 B G B zu erstatten. Als primärer Kondiktionsgegenstand in den G e brauchsüberlassungsfällen wäre dann konsequenterweise allein der Besitz anzusehen, nicht aber die Gebrauchsvorteile. Fraglich ist auch, ob der Mieter tatsächlich „nichts weiter als den blanken Besitz" 1 3 3 erlangt hat. D a der Mietvertrag unwirksam war, mußte der Vermieter zwar seiner Hauptleistungspflicht, dem Vertragspartner die Sache in einem zu dem vertragsgemäßen G e brauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, nicht nachkommen. E r ist ihr jedoch in dem rückabzuwickelnden Zeitraum, und das ist das Besondere der Rückabwicklungsproblematik, nachgekommen. 1 3 4 E r hat eine gebrauchsbereite Sache dem B e reicherungsschuldner zu dessen Gebrauch überlassen, so daß dieser zwar rechtlich nur den bloßen Besitz erlangt, faktisch jedoch in dieser Zeit die Stel-

Canaris, Festschrift Lorenz, S. 49. Canaris, Festschrift Lorenz, S. 49. 133 Canaris, Festschrift Lorenz, S. 49. 134 Im übrigen scheint Canaris seine Auffassung zu modifizieren und einzuschränken, denn nach ihm „nutzt der Mieter eine Wohnung schon dann, wenn er sie bezogen, also z.B. möbliert hat; wenn er daraufhin dann nur selten oder überhaupt nicht darin wohnt, entfällt dadurch die Nutzung nicht", Festschrift Lorenz, S. 53. Damit stellt er nicht auf die konkret gezogenen Nutzungsvorteile ab, sondern auf eine objektive Bewertung der Vorteile, die der Bereicherte durch die Entgegennahme der Leistung erlangt hat. 131 132

156 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

lung eines Gebrauchsberechtigten eingenommen hat.135 Schließlich erscheint es auch nicht ganz konsequent, auf der einen Seite auf die Gebrauchsvorteile, also die konkret gezogenen Nutzungen abzustellen, auf der anderen Seite jedoch bei der Wertberechnung von dem üblichen Mietzins auszugehen. 136 Nach anderer, insbesondere von Lieb, Kohler, Lorenz und Reuter/Martinek vertretener Auffassung, 137 ist hinsichtlich des erlangten Etwas zwischen den Fällen der Eigentumsübertragung und den Fällen der Gebrauchsüberlassung zu differenzieren. 138 Entsprechend der Regelung der §§ 346, 347 BGB sei bei der Bestimmung des erlangten Etwas danach zu unterscheiden, ob der Leistungsgegenstand und damit auch der primäre Kondiktionsgegenstand die Eigentumsverschaffung als solche oder aber die Überlassung der Sache zum Gebrauch sei. Handele es sich um die Eigentumsverschaffung einer Sache, so sei das erlangte Etwas die Eigentümerstellung, die tatsächlich gezogenen Nutzungen seien nach § 818 I BGB als Nebenfolge zu erstatten. In den Fällen einer Gebrauchsüberlassung sei dagegen die Gebrauchsüberlassung als solche der primäre Leistungsgegenstand. Da Gegenstand der Gebrauchsüberlassungsverträge die Nutzungsmöglichkeit als solche und nicht die gezogenen Nutzungen seien, sei das erlangte Etwas in der Nutzungsmöglichkeit zu sehen. Genausowenig wie es für die vertragliche Vergütungspflicht darauf ankomme, ob und in welchem Umfang von der Nutzungsmöglichkeit Gebrauch gemacht werde, ob also Nutzungsvorteile gezogen würden, komme es auch für die Bereicherungskondiktion darauf an, ob und in welchem Umfang der Bereicherungsschuldner tatsächlich Gebrauchsvorteile gezogen habe. In den Gebrauchsüberlassungsfällen habe deshalb der Bereicherungsschuldner das Risiko des Verwendungserfolgs zu tragen.139 Die unterschiedliche Behandlung der Gebrauchsüberlassungsfälle gegenüber den Eigentumsüberlassungsfällen finde wertungsmäßig seine Entsprechung in den Rücktrittsregeln.140 135 Canaris, Festschrift Lorenz, S. 19, 54, differenziert im Rahmen von § 818 III BGB zwischen den Fällen der Eigentums- und der Gebrauchsüberlassung und will dem Schuldner in den Gebrauchsüberlassungsfällen den Bereicherungseinwand abschneiden, nicht aber bei der Eigentumsübertragung. 136 Canaris, Festschrift Lorenz, S. 19, 54; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 Rn 13. 137 MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 305, § 818 Rn lOff; Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 96; Kohler, Rückabwicklung, S. 313 ff; Staudinger/Lorenz (1999), §818 Rn 13; Wieling, Bereicherungsrecht, § 2 III; Reuter/Martinek, § 15 I 2 b, c, S. 530ff, allerdings uneingeschränkt nur für die Fälle der Leistungskondiktion; vgl. auch Batsch, S. 109; ders., N J W 1969, 1743, 1744; Kaiser, S. f>lH,7S. 138 MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 301, 305; Lieb, N J W 1971, 1289ff; ders., Ehegattenmitarbeit, S. 96ff; Kohler, Rückabwicklung, S. 312ff; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64; Reuter/Martinek, § 15 I 2 b, c, für die Leistungskondiktion; Beuthien, RdA 1969, 161, 165; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64; Wieling, Bereicherungsrecht, § 2 III; Ostendorf, S. 71 ff; vgl. auch Flume, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 111, 122 ff. 139 Kohler, Rückabwicklung, S. 313ff; MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 304ff, § 818 Rn lOff; Beuthien, RdA 1969, 161, 164, für die Leistung von Diensten; Kaiser, S. 63. 140 Vgl. dazu S. 152.

B.

Bereicherungsrecht

157

D i e Konsequenz dieser Unterscheidung zwischen der Nutzungs-/Gebrauchsmöglichkeit als selbständig erlangtem Etwas im Sinne von § 812 B G B und der Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe gemäß § 818 I B G B als bloßer Nebenfolge zeigt sich auch bei der unterschiedlichen Bestimmung der Wertersatzpflicht. Während bei der Gebrauchsüberlassung auf den objektiven Wert, den Mietzins, abzustellen sei, sei bei der Eigentumsverschaffung, bei der der Bereicherungsschuldner etwas erwerben und seine eigenen G e genstände nutzen wolle, auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen abzustellen, bei deren Wertermittlung von einer linearen Wertabschreibung auszugehen sei. 141 F ü r eine differenzierte Behandlung von Eigentumsverschaffung und G e brauchsüberlassung spricht ihre unterschiedliche Strukturierung. Soweit das Eigentumsrecht betroffen ist - entsprechendes gilt auch für den Eigenbesitz - , ist ein umfassendes Herrschaftsrecht betroffen, das eine Vielfalt von N u t zungs- und Verfügungsmöglichkeiten eröffnet. Demgegenüber sind die G e brauchsüberlassungsfälle dadurch gekennzeichnet, daß es nicht um das H e r r schaftsrecht als solches, sondern eine ganz bestimmte Art der Ausübung dieser Herrschaftsmacht, nämlich den Gebrauch der Sache zu einem bestimmten Z w e c k geht. Es k o m m t bei ihnen also zu einer Konkretisierung auf eine bestimmte A r t der Nutzung, dem Empfänger wird eine bestimmte F o r m der Fremdnutzung eingeräumt. 1 4 2 Dieser Unterschied zwischen unumschränkter Herrschaftsmacht/Eigentum und Überlassung der Sache zu einem ganz bestimmten Z w e c k für eine ganz bestimmte Zeit ist, wie oben gesehen, 1 4 3 auch der Grund für die Differenzierung zwischen der Sachüberlassung als solcher und der Gebrauchsüberlassung an Dritte in §§ 346, 347 B G B . Dementsprechend hat man sich in den Gebrauchsüberlassungsfällen bei der Bestimmung des erlangten Etwas an der vertraglichen Uberlassungsvereinbarung zu orientieren. Zweifelhaft erscheint jedoch, ob die Bestimmung des durch die Gebrauchsüberlassung erlangten Etwas als Nutzungsmöglichkeit ganz korrekt ist. 144 Bedenken ergeben sich deshalb, weil die Nutzungsmöglichkeit etwas Tat141 B G H N J W 1996, 252f; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 Rn 13. MünchKomm/Lieb, § 818 Rn 13, der sich dezidiert gegen die Heranziehung mietrechtlicher Grundsätze ausspricht, da sie den Gebrauch fremder und nicht eigener Sachen zum Inhalt hätten; vgl. auch Reuter/ Martinek, § 15 I 1, 2 c; anders Canaris, Festschrift Lorenz, S. 53. 142 Darauf weist auch Kohler, Rückabwicklung, S. 317, hin. 143 Vgl. S. 86ff. 144 Kritik an der Bestimmung des erlangten Etwas als Nutzungsmöglichkeit wird, insbesondere in den Fällen der Eingriffskondiktion, deshalb geübt, weil jeder die faktische Zugriffsmöglichkeit auf eine Sache habe und deshalb in der Nutzungsmöglichkeit noch nicht das Erlangte gesehen werden könne, Haines, S. 40ff; vgl. auch Gursky, J R 1972, 281 Fußnote 17; Batsch, N J W 1972, 614 Fußnote 17; Reuter/Martinek, § 15 II 1, S. 533f. Diese Kritik übersieht jedoch, daß zunächst ein Eingriffstatbestand, nämlich der Gebrauch der Sache, vorliegen muß und das erlangte Etwas nicht identisch mit dem Eingriffstatbestand, dem Gebrauch, ist, vgl. dazu MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 302.

158

§4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

sächliches ist. Gegenstand eines Gebrauchsüberlassungsvertrages ist aber die Nutzungsberechtigung hinsichtlich der Sache, die Nutzungsbefugnis, die die Grundlage für die Nutzungsmöglichkeit des Vertragspartners ist. Ist der G e brauchsüberlassungsvertrag unwirksam oder besteht, wie im Fall der Eingriffskondiktion, kein Gebrauchsüberlassungsvertrag, so ist die Stellung des Bereicherungsschuldners regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß er zwar rechtlich kein Gebrauchsrecht erlangt hat, aber faktisch die Stellung eines Nutzungsrechtsinhabers eingenommen hat, also von einem nicht bestehenden Nutzungsrecht Gebrauch gemacht hat. 145 Es erscheint deshalb präziser, das erlangte Etwas in der vom Bereicherungsschuldner wahrgenommenen faktischen Rechtsstellung zu sehen und so an das Rechtsverhältnis anzuknüpfen, das der Leistung zugrundeliegt, bzw. an das Recht, das sich der Eingreifende anmaßt. 1 4 6 D e n n es ist die Aufgabe der bereicherungsrechtlichen R ü c k abwicklungsregeln, bei gescheiterten Verträgen einen Ausgleich zu schaffen. F ü r diese ist aber typisch, daß die rechtliche und faktische Rechtsstellung auseinanderfallen. D a Inhalt der Gebrauchsüberlassungsverträge die Nutzungsbefugnis ist, bezieht sich die faktische Rechtsstellung regelmäßig auf das Nutzungsrecht. M i t der Entgegennahme der Sache erlangt der Bereicherungsschuldner die faktische Rechtsstellung eines Gebrauchsrechtsinhabers, er hat deshalb auch das Gebrauchsrisiko/Verwendungsrisiko zu tragen, es k o m m t also nicht auf die konkret aus der Sache gezogenen Gebrauchsvorteile an. Dementsprechend hat sich der Bereicherungsanspruch am Wert des Nutzungsrechts zu orientieren. Dies steht auch im Einklang mit dem Entwurf zum Obligationenrecht, der von der Vergütung des Gebrauchs spricht. Dabei dürfte entsprechend der hier vertretenen Auffassung die faktische Rechtsstellung gemeint sein, denn die Vergütung sollte sich nach dem ordentlichen Wert während der Zeit des Gebrauchs bemessen. 1 4 7 145 Vgl. dazu auch Batsch, N J W 1969,1743,1744 Fußnote 14 a, der unterscheidet zwischen 1. der rechtlichen Entscheidungsbefugnis (Gebrauchsbefugnis) bzgl. eines Gegenstandes = subj. Vermögensrecht (Eigentum), 2. der konkreten (tatsächlichen) Entscheidungsmöglichkeit (Gebrauchsmöglichkeit), die dem Berechtigten kraft seines subj. Vermögensrechts im Hinblick auf den Gegenstand zusteht und vom Unbefugten ausgeübt wird, 3. die konkrete (tatsächlich ausgeübte) Entscheidung (Gebrauch). 146 Daß auch einer nur faktisch, nicht aber rechtlich wirksam begründeten Rechtsposition rechtliche Bedeutung zukommen kann, zeigen insbesondere die Überlegungen zum faktischen Arbeits-, Gesellschaftsverhältnis etc. Der Frage, ob sich bei einer entsprechenden Bestimmung des erlangten Etwas als der faktischen Rechtsposition, für die nach § 818 II B G B Wertersatz zu leisten ist, ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut des faktischen Vertragsverhältnisses weitgehend erübrigen würde, kann hier nicht weiter nachgegangen werden, vgl. Beuthien, RdA 1969, 161, 168ff, 173; Lieh, Ehegattenmitarbeit, S. 56ff; Tori, S. 7ff. Stellt man auf die faktische Rechtsstellung ab, so ist auch das Argument von Koppensteiner/Kramer, S. 118, und Haines, S. 40ff, jeder könne auf die Sache zugreifen und von der Nutzungsmöglichkeit Gebrauch machen, nicht stichhaltig. Denn es geht um die angemaßte Rechtsstellung und nicht um die Nutzungsmöglichkeit als solche. 147

Vgl. Kohler, Rückabwicklung, S. 316; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64.

B.

Bereicherungsrecht

159

D i e G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g unterscheidet sich dabei m a ß g e b l i c h v o n der E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g , bei der der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t nach einhelliger M e i n u n g keine rechtliche B e d e u t u n g beigemessen wird und es auf die k o n krete Vorteilsziehung a n k o m m t . N a c h der hier vertretenen M e i n u n g ist für die B e s t i m m u n g des erlangten E t w a s entscheidend, daß der B e r e i c h e r u n g s schuldner mit dem G e b r a u c h der Sache faktisch die Rechtsstellung eines N u t zungsberechtigten e i n g e n o m m e n und dessen R e c h t s p o s i t i o n genossen hat. E r ist deshalb nach §§ 812, 818 II B G B z u m Wertersatz verpflichtet. 1 4 8

III.

Erlangtes Etwas bei

Geldleistungen

A u c h bei der Leistung v o n G e l d stellt sich eine der N u t z u n g v o n Sachen verwandte P r o b l e m a t i k , die k u r z aufgezeigt w e r d e n soll. H i e r ist zunächst zu unterscheiden, o b die Geldleistung endgültig b e i m Vertragspartner verbleiben sollte, also etwa als Gegenleistung bei einem u n w i r k s a m e n K a u f - , M i e t oder Werkvertrag, o d e r aber o b es sich u m rechtsgrundlos gewährte D a r l e hensvaluta handelt.

1. Leistung von Geld ohne

Rückerstattungsmaßgabe

W u r d e eine Geldleistung irrtümlich oder als Gegenleistung für eine Sachoder Dienstleistung erbracht, so ist das erlangte E t w a s zunächst der G e l d b e trag als solcher, der herauszugeben ist. D a j e d o c h der E m p f ä n g e r den G e l d b e trag v o r ü b e r g e h e n d n u t z e n k o n n t e , stellt sich die Frage, o b für diese M ö g l i c h keit der N u t z u n g des Geldes Wertersatz zu leisten ist. D e r G e s e t z g e b e r hat, anders als etwa in §§ 3 4 7 , 291 B G B , im B e r e i c h e rungsrecht keine Verzinsungspflicht für G e l d a n g e o r d n e t 1 4 9 und damit indirekt z u m A u s d r u c k gebracht, daß weder der zeitweiligen I n n e h a b u n g v o n G e l d rechtliche R e l e v a n z z u k o m m t n o c h v o n einer Z i e h u n g entsprechender N u t z u n g e n ausgegangen w e r d e n k a n n . 1 5 0 Einhellig wird in der zeitweiligen V e r w e n d u n g s m ö g l i c h k e i t des Geldes kein selbständig erlangtes E t w a s n e b e n dem geleisteten G e l d b e t r a g gesehen. 1 5 1 Z w a r hat die R e c h t s p r e c h u n g insbesondere in Fällen, in denen der B e 148 Anders diejenigen, die, wie dargelegt, in Anlehnung an § 818 I BGB auf die tatsächlich gezogenen Gebrauchsvorteile abstellen. 149 Vgl. dazu König, S. 67, der zu Recht meint, daß dies nicht unproblematisch ist und Schwierigkeiten aufwirft. 150 Ob die Verpflichtung zur Zinszahlung an die Nutzungsmöglichkeit als solche anknüpft oder aber eine tatsächlich erfolgte wirtschaftliche Nutzung unterstellt wird, soll hier nicht näher geprüft werden. Die Begründungen für die Zinsregelungen weisen jedoch darauf hin, daß der Gesetzgeber regelmäßig von einer entsprechenden wirtschaftlichen Nutzung der Geldbeträge ausgegangen ist, Motive II, S. 62 = Mugdan II, S. 34. 151 Schauhoff, S. 90; Münch Komm/Lieb, § 818 Rn 306; Kaiser, S. 61 ff; Reuter/Martinek, § 15 I 1, 2 c; Gretter, DB 1995, 516.

1 6 0 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

reicherungsschuldner Kaufmann war, angenommen, daß der Schuldner von dem empfangenen Geld Nutzungen in Höhe der üblichen Zinsen gezogen habe. 152 Sie hat dabei jedoch nicht auf die Verwendungsmöglichkeit als solche abgestellt, sondern eine konkrete Nutzziehung durch den Bereicherungsschuldner unterstellt. 153 Sie ist also von § 818 I BGB ausgegangen und hat im Wege einer Beweislastumkehr die Erwirtschaftung entsprechender Zinsen angenommen. 154 Daß nicht auf die Verwendungsmöglichkeit als solche, sondern nur auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen abzustellen ist, hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 8.10.1987 bestätigt. Dort hatte er eine Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der im Falle einer Uberzahlung der zu erstattende Betrag vom Empfang der Zahlung mit 4% zu verzinsen sein sollte, als gegen § 9 AGBG verstoßend angesehen, da die Bedingung grundlegend von der gesetzlichen Regelung abweiche, unangemessen und mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht vereinbar sei. 155 Mithin wird allein der Möglichkeit einer zinsbringenden Anlage des Geldes in diesen Fällen keine bereicherungsrechtliche Bedeutung beigemessen. Dies entspricht der Überlegung, daß mit der Übertragung einer umfassenden Herrschaftsposition, und darum handelt es sich auch bei der Zahlung von Geld, zunächst nur ein Nutzungspotential begründet wird, das zu seiner Realisierung erst noch einer Aktivierung in bestimmter Richtung bedarf. Ein Herausgabeanspruch kommt mithin nur dann in Betracht, wenn das erlangte Geld tatsächlich angelegt wurde, mit ihm Zinsen oder sonstige Erträge erzielt wurden. Zur Begründung eines solchen Anspruchs bietet sich § 818 I BGB an, der die Herausgabe der gezogenen Nutzungen anordnet. Dabei ist allerdings nicht ganz unproblematisch, ob es sich bei den aus einem Geldbetrag erwirtschafteten Zinsen oder sonstigen Gewinnen überhaupt um Nutzungen im Sinne von § 100 BGB handelt. Nutzungen sind primär die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Gebrauchsvorteile. 156 Kennzeichnend für Nutzungen ist damit, daß die Sache oder das Recht mehr oder minder unverändert bestehen bleiben und die Früchte und Gebrauchsvorteile R G Z 53, 363, 371; B G H W M 55, 1170, 1172. R G Z 53, 363, 371; B G H N J W 55, 1170, 1172; N J W 1998, 2529, 2530f. 154 Joergens, A l t K o m m , § 818 R n 35, w e n d e t sich gegen diese Beweislastumkehr, da sie den G r u n d s a t z des § 818 I B G B , w o n a c h nur die gezogenen Vorteile zu erstatten seien, unterlaufe, in ihr Gegenteil verkehre und mithin zu einer v e r w e n d u n g s e r f o l g s u n a b h ä n g i g e n Verzinsung führe. 155 B G H M D R 1988, 221: „Die Klausel begründet - u n a b h ä n g i g von einer tatsächlich gezogenen N u t z u n g - auch gegen den gutgläubigen Schuldner einen Zinsanspruch. Daneben gew ä h r t sie dem Gläubiger in jedem Fall der Ü b e r z a h l u n g einen pauschalen N u t z u n g s v e r g ü tungsanspruch. Sie ändert daher die nach dem dispositiven Recht gegebene Lage erheblich ab ... ( u n d ) ist mit den wesentlichen G r u n d g e d a n k e n dieser Vorschrift unvereinbar." Bei B a n k e n w i r d d e m g e g e n ü b e r eine pauschalierte Berechnung in A n l e h n u n g an § 11 I VerbrKrG i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der deutschen B u n d e s b a n k anerkannt, B G H N J W 1998, 2529,2531. 156 Vgl. d a z u S. 96 ff. 152

153

B.

Bereicherungsrecht

161

neben sie treten. 1 5 7 Geld, verstanden als Sache, erbringt aber weder Früchte noch lassen sich aus ihm Gebrauchsvorteile erwirtschaften. Damit aus einem Geldbetrag Zinsen oder Erträge erwirtschaftet werden, ist erforderlich, daß das Geld angelegt und damit veräußert wird. Rein technisch gesehen handelt es sich deshalb nicht u m eine N u t z u n g des Geldes als Sache, sondern vielmehr um eine Verwertung, die an sich nicht vom Begriff der N u t z u n g e n erfaßt wird. 1 5 8 Nichtsdestotrotz ist, wirtschaftlich gesehen, die zinsbringende A n lage von Geld als N u t z u n g und nicht als Verwertung des Geldes zu verstehen, denn die Zinsen oder Erträge treten in periodischen Abständen neben das K a pital, das erhalten bleibt. 1 5 9 Zinsen sind deshalb als Früchte der Kapitalforderung und damit als Rechtsfrüchte anzusehen. 1 6 0 Gerechtfertigt ist diese Behandlung der Zinsen und sonstigen Erträge auch deshalb, weil es nicht sachgerecht ist, die aus einem Geldbetrag erwirtschafteten Vorteile anders als die aus einer Sache gezogenen zu behandeln. 1 6 1 Der Empfänger ist damit nach Vgl. dazu S. 97ff, 122. Schauhoff, S. 93 f. D a s Reichsgericht hat, auf diesem Gedanken aufbauend, deshalb in einem Fall die Herausgabe von N u t z u n g e n nach § 818 I B G B abgelehnt, in dem die Beklagten den gezahlten Kaufpreis zum Kauf von Gesellschaftsanteilen verwendet und aus diesen eine Zeit lang Gewinne gezogen hatten. D e r Gegenstand, das gezahlte Geld, sei veräußert worden, die Herausgabepflicht erstrecke sich nicht auf den Gewinn, der aus dem mit dem Gelde rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte gezogen worden sei, R G Z 122, 288; vgl. auch schon O L G Braunschweig, O L G E 18, 53. 157

158

159 O b dies auch für die aus Gesellschaftsanteilen oder Investitionen in einen Betrieb erwirtschafteten Gewinne zu gelten hat, so B G H Z 64, 322 und Larenz/Canaris, Schuldrecht II/ 2, § 72 II 2, mag dahinstehen. Hier zeigt sich der Nachteil, daß der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Anordnung einer Verzinsungspflicht abgesehen hat. N a c h Schauhoff, S. 140ff, und Jakobs, Eingriffserwerb, S. lOlff, ist nach § 818 I B G B auch eine Vermögenssteigerung, die „aus" dem rechtsgrundlos empfangenen Gegenstand stammt, zu vergüten; anders König, U n gerechtfertigte Bereicherung, S. 68. 160 B G H Z 138, 160, 163; B G H N J W 1999, 2890; B G H M D R 1988, 221; Palandt/Hemrichs, § 99 R n 3; Soergel! Mühl, § 100 Rn 15; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 51 I 3 e; Büttner, B B 1970, 233; Medicus, Schuldrecht II, R n 675; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 R n 11. Hierin liegt auch der wesentliche Unterschied zu den Fällen, in denen eine Sache gewinnbringend veräußert wird und ein Herausgabeanspruch auf den Gewinn abgelehnt wird, R G Z 101, 389, 391; B G H N J W 1980, 178; B G H M D R 1991, 143; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 357 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 233; Staudinger/Lorenz (1999), § 8 1 8 Rn 27; Fikentscher, Schuldrecht, R n 1167; König, Festschrift v. Caemmerer, S. 180, 186; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 221; Reuter/Martinek, § 16 I 2, S. 551 ff; a.A. Münch Komm/Lieh, § 818 Rn 26; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 51 I 3 d; diff. Jakobs, Eingriffserwerb, S. 123 ff; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 75 ff. 161 Vgl. schon v. Kübel, Abschnitt II. Titel 8. Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung, S. 40: „ H a t der Beklagte aus dem indebite an ihn gezahlten Gelde Zinsen bezogen, so hat er auch diese bis zum Betrage seiner Bereicherung zu restituieren; es liegt, da die zinsbare N u t z u n g und Anlegung von Geld nach heutiger Anschauung zur gewöhnlichen naturund verkehrsmäßigen Benutzung gehört, Zinsen also unter die gewöhnliche Ausbeute aus Geld und den Früchten gleich zu rechnen sind, kein G r u n d vorhanden, den Anspruch des Klägers in dieser Hinsicht auszuschließen." V. Kübel hatte sich damit von der überkommenen Sichtweise, daß Zinsen nicht zu erstatten seien, gelöst, vgl. König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 67.

162 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte, Nutzungen und ihre

Rückabwicklung

§ 8 1 8 1 B G B zur H e r a u s g a b e der tatsächlich gezogenen Zinsen und sonstigen E r t r ä g e verpflichtet. Sind Vorteile, insbesondere Zinsen, aus dem Kapital gezogen w o r d e n , so stellt sich die weitere Frage, wie deren W e r t zu ermitteln ist. Ist der k o n k r e t erlangte Vorteil herauszugeben oder aber der o b j e k t i v e W e r t des G e b r a u c h s vorteils, also etwa der Anlagezins i.H.v. 4 % gemäß § 2 4 6 B G B ? § 818 I B G B k n ü p f t an die k o n k r e t gezogenen Vorteile an. D a m i t sind die k o n k r e t gezogenen Kapitalzinsen und Erträge herauszugeben, auch w e n n sie h ö h e r als der gesetzliche Zinssatz i.H.v. 4 % gemäß § 2 4 6 B G B sind. 1 6 2 E n t s p r e c h e n d hat nach der R e c h t s p r e c h u n g des B u n d e s g e r i c h t s h o f s der B e r e i c h e r u n g s s c h u l d ner, der das erlangte G e l d zur Tilgung v o n Schulden verwandt hat, die dadurch ersparten Z i n s z a h l u n g e n gemäß § 818 I, II B G B als Vorteile aus dem G e b r a u c h des Geldes an den Bereicherungsgläubiger herauszugeben. 1 6 3 Schwierigkeiten ergeben sich j e d o c h dann, w e n n das G e l d nicht gesondert angelegt wurde, sondern dem V e r m ö g e n einverleibt wurde. I n diesem Fall läßt sich z w a r regelmäßig eine allgemeine Vorteilsziehung bzw. G e w i n n e r z i e lung aus dem gesamten V e r m ö g e n feststellen, die k o n k r e t e Vorteilsziehung aus d e m betreffenden G e l d b e t r a g j e d o c h nicht m e h r eruieren. 1 6 4 In einem solchen Fall, in d e m der genaue N u t z u n g s v o r t e i l nicht m e h r feststellbar ist, dürfte sich ein R ü c k g r i f f auf o b j e k t i v e B e w e r t u n g s m a ß s t ä b e anbieten. 1 6 5 I n s besondere im gewerblichen V e r k e h r erscheint es dabei zulässig, v o n einer N u t z z i e h u n g in H ö h e der gesetzlichen Zinsen auszugehen. 1 6 6 B e i B a n k e n geht der B u n d e s g e r i c h t s h o f in A n l e h n u n g an § 11 I V e r b r K r G - vgl. n u n m e h r auch § 2 8 8 B G B - v o n einer Vorteilsziehung i.H.v. 5 % ü b e r dem D i s k o n t s a t z der deutschen B u n d e s b a n k bzw. n u n m e h r dem Basiszinssatz aus, soweit sich ihr wirtschaftlich nutzbares V e r m ö g e n e r h ö h t hat. 1 6 7 Demgegenüber erscheint es bedenklich, den Wert der Nutzungen generell, also auch dann, wenn der Geldbetrag nicht konkret zur Tilgung von Darlehen verwendet wurde, auf der Grundlage ersparter Darlehenszinsen bestimmen zu wollen. 1 6 8 162 Auf die konkreten Anlagevorteile stellen BGHZ 64, 322 = NJW 1975, 1510; BGHZ 138, 160, 165; BGH NJW 1998, 2529, ab. 163 BGH 138, 160, 165; Ehmann, WuB IV A. § 818 BGB 2.00; Schlechtriem, JZ 1998, 957, 959; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 51 I 3 e; Flume, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 111, 128 f. 164 Zum Unterschied zwischen der Herausgabe der Gebrauchsvorteile und der Herausgabe des Gewinns vgl. bereits S. 121 f. 165 So wohl der BGH, WM 1961, 1149, 1151. Er stellte in dieser Entscheidung, in der das Geld zum Kauf eines Hauses verwendet worden war, auf den üblichen Zinssatz i.H.v. 4% ab. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn 1314; vgl. auch RGRK/Heimann-Trosien, § 818 Rn 10; Soergel/Mühl, § 818 Rn 26. 166 RGZ 53, 363, 371; BGH WM 1955,1170,1172; BGH WM 1961,1149,1151; BGH NJW 1998, 2529; Fikentscher, Schuldrecht, Rn 1162; Soergel/Mühl, § 818 Rn 26. Kindler, S. 132, will § 353 I HGB auf die Geldkondiktion anwenden. 167 BGH NJW 1998, 2529, 2530f. 168 Büttner, BB 1970, 233, 234; Larenz! Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 2 c; krit. Gretter, DB 1995,516.

B.

Bereicherungsrecht

163

Denn wenn der Bereicherungsschuldner nicht aufgrund eines unwirksamen Darlehensvertrages, sondern aufgrund einer Uberzahlung oder als Gegenleistung in den Genuß des Geldes gekommen ist, konnte er davon ausgehen, daß ihm das Geld zur freien Verfügung steht. Von einer gewerblichen Beschaffung entsprechender Mittel zur Vorteilsziehung kann deshalb nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Zudem erlauben Darlehenskosten keinen Rückschluß auf die aus einem entsprechenden Geldbetrag tatsächlich gezogenen Vorteile. 169 Es kann deshalb aus ersparten Darlehenszinsen nicht auf den Wert gezogener Vorteile geschlossen werden. 1 7 0 1 7 1

2. Leistung von

Darlehen

Von der im vorigen Abschnitt dargelegten bereicherungsrechtlichen Behandlung der Fälle, in denen der Geldbetrag endgültig beim Vertragspartner verbleiben sollte, sind die Fälle zu unterscheiden, in denen Darlehensvaluta aufgrund eines unwirksamen Darlehens an den Bereicherungsschuldner ausgezahlt wurden. Der wesentliche Unterschied zwischen den Fallgruppen besteht darin, daß es sich hier nicht um die uneingeschränkte Übertragung von Geld, sondern, auch wenn das Eigentum an den Darlehensnehmer übertragen wird, doch letztlich um eine - unwirksame - befristete Überlassung von Kapital handelt. Das erlangte Etwas ist auch hier, wie oben dargelegt, entgegen der früher herrschenden Auffassung gegenstandsbezogen zu bestimmen. 172 Es bleibt jedoch die heftig umstrittene Frage, wie die befristete Überlassung von Kapital zum Gebrauch bei der Rückabwicklung nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rechtlich einzuordnen ist. Stellt die - wenn auch unwirksame zeitweilige Überlassung des Kapitals den primären Bereicherungsgegenstand dar, für den bereits nach § 812 I i.V.m. § 818 II BGB Wertersatz zu leisten ist, oder aber ist von einer Geldleistung ohne Rechtsgrund auszugehen, deren Nutzungen über § 818 I BGB herauszugeben sind? Ein Teil der Literatur sieht das erlangte Etwas in der Überlassung des Kapitals zum Gebrauch und damit in der Nutzungsmöglichkeit des Kapitals als solchem. 173 Dies rechtfertigt sich dadurch, daß auch dann, wenn das Darlehen nicht wirksam bestellt wurde, der Bereicherungsschuldner doch faktisch wie bei einem wirksamen Darlehensvertrag in der Vergangenheit in den Genuß 169

Erman/H.P.Westermann, § 818 Rn 11: „ersparte Zinsen sind keine Nutzungen." Gretter, DB 1995, 516. 171 Zu Bereicherungszinsen der öffentlichen Hand Schön, N J W 1993, 3289. 172 Vgl. dazu ausführlich S. 138ff, 144ff. Stellt man dagegen mit der insbesondere in der Rechtsprechung vertretenen vermögensbezogenen Auffassung auf die ersparten Aufwendungen ab, wird die Problematik verdeckt. 173 MünchKomm/Lieb, § 818 Rn 11 und § 812 Rn 306; Kohler, Rückabwicklung, S. 303 ff; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III; Löwenheim, S. 134; Canaris, W M 1981, 986; anders den., Bankvertragsrecht, Rn 1314; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64, für Gebrauchsüberlassungen; Bunte, WuB I El-7.87. 170

1 6 4 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

fremden Kapitals gekommen ist, also faktisch die Stellung eines Berechtigten eingenommen hat und „fremdes" Geld für seine Zwecke verwenden konnte. Im Unterschied zu den Fällen, in denen ein Geldbetrag ohne Rückerstattungsmaßgabe erbracht wurde, geht es hier eben nicht um die uneingeschränkte Übertragung von Kapital, sondern nur um die - regelmäßig entgeltliche - Überlassung von fremdem Kapital für einen bestimmten Zeitraum, bei der sich der Empfänger von vornherein über die Rückgabeverpflichtung im klaren ist. Die darlehensweise Geldüberlassung ist insoweit der Gebrauchsüberlassung einer Sache vergleichbar. Da dem Bereicherungsschuldner faktisch die Stellung eines Darlehensnehmers eingeräumt wurde, besteht das erlangte Etwas in der zeitweisen Verfügungsmöglichkeit über „fremdes" Geld. Er trägt deshalb auch das Risiko des Verwendungserfolgs, 174 soweit nicht nach § 818 III BGB die Bereicherung als nachträglich weggefallen anzusehen ist. 175 Der Wert des Herausgabeanspruchs bemißt sich somit gemäß § 818 II BGB nach dem objektiven Wert für eine entsprechende Darlehensleistung, also nach den üblichen Darlehenszinsen. 176 Demgegenüber geht die wohl überwiegende Meinung in der Literatur und Rechtsprechung davon aus, daß nicht die Überlassung des Darlehens, die faktische Stellung des Bereicherungsschuldners als Darlehensberechtigter, das erlangte Etwas ist, sondern allein die Eigentumserlangung an dem Geldbetrag, neben dem die tatsächlich gezogenen Zinsen als Nutzungen herauszugeben sind. Dabei werden zum Teil die gezogenen Nutzungen als erlangtes Etwas i.S.v. § 812 BGB angesehen, zum Teil wird aber auch auf die Regelung des § 818 I BGB zurückgegriffen. 177 Obwohl auf der Grundlage von § 818 I BGB die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben sind, wird bei der Bemessung des Wertersatzes jedoch nicht etwa auf den Anlagezins, sondern auf den Kreditzins abgestellt und damit die ersparten Aufwendungen zur Pauschalierung der tatsächlich gezogenen Nutzungen herangezogen. 178 Diese Art der Berechnung des Wertes der tatsächlich gezogenen Nutzungen erscheint nicht konsequent, denn die aus dem Kapital gezogenen Vorteile müssen nicht identisch mit den für den Kapitalerhalt erforderlichen Mitteln sein und sind es

174 Münch Komm/Lieh, § 818 R n 11; Kaiser, S. 61 ff; Reuter/ Martinek, § 15 I 1 , 2 c; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 III 2 e. 175 O b u n d i n w i e w e i t sich in diesen Fällen der Bereicherungsschuldner auf den Wegfall der Staudinger/LoBereicherung berufen kann, ist umstritten, MünchKomm! Lieh, § 818 R n 36ff; renz (1999), § 818 R n 16. 176 Dies gilt auch dann, w e n n er selbst höhere G e w i n n e erzielt hat, vgl. dazu S. 173 ff. 177 Canaris, Bankvertragsrecht, R n 1314; Koppensteiner/Kramer, Bereicherungsrecht, S. 119; Lass, W M 1997, 153; Staudinger/Lorenz (1999), § 818 R n 11, der nicht danach differenziert, ob es sich u m Geldleistungen als solche oder u m eine u n w i r k s a m e Kapitalüberlassung im R a h m e n eines Darlehens handelt; RGRK/Heimann-Trosien, § 818 R n 10; Soergel/Mühl, § 818 R n 26. 178 Erman/H.P.Westermann, § 818 R n 10; Larenz!Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 2 c; Lass, W M 1997, 153 f.

B.

Bereicherungsrecht

165

in der Regel auch nicht. 179 Wertbarometer für die gezogenen Nutzungen sind allein die regelmäßig auf dem Markt erzielbaren Zinsen, d.h. die regelmäßig wesentlich niedrigeren Anlagezinsen. Diese Auffassung ist daher insoweit in sich nicht stimmig und wird dem Unterschied zwischen der Überlassung fremden Kapitals für einen bestimmten Zeitraum gegenüber sonstigen uneingeschränkten Geldleistungen nicht gerecht. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat, nachdem sie zunächst auf die konkreten Nutzungen abgestellt hatte, 180 das erlangte Etwas in den ersparten Kreditzinsen gesehen. 181 Später hat sie wieder stärker den Aspekt der tatsächlich gezogenen Nutzungen betont. 182 Nachdem der Bundesgerichtshof zunächst die Problematik erneut aufgeworfen, aber offen gelassen hatte, 183 hat er sich nunmehr gegen die Auffassung ausgesprochen, daß die Überlassung des Kapitals bereits als erlangtes Etwas i.S.v. § 812 anzusehen sei und stellt auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen ab. 184 Dabei soll allerdings eine Vermutung dafür sprechen, daß Nutzungen im Wert der sonst üblicherweise zu zahRGZ 136,135,136; Medicus, Gedenkschrift Dietz, S. 161 ff; vgl. auch Erman/H.P.West§ 818 Rn 11. 180 RGZ 136, 135, 136. 181 „Zum Ersätze des Wertes der Kapitalnutzung ist sie darum nur nach der Maßgabe des §818 gehalten, d.h. sie schuldet zwar grundsätzlich die zur Zeit des Genusses übliche Vergütung für eine solche Kapitalnutzung in gewerblichen Betrieben, kann die Forderung aber durch den Nachweis abwenden, daß sie hierdurch nicht mehr bereichert ist." RGZ 151, 123, 127; siehe auch BGH NJW 1961, 472; 1962, 1148. Dabei wurde zum Teil auf die Vermutung zurückgegriffen, daß das Kapital vermutlich Nutzungsvorteile erbracht habe, die den üblichen Zinsen entsprächen, BGH WM 1977, 72, 73; BGH WM 1975, 797. 182 BGH WM 1977, 72, 72; BGH WM 1978, 1062, 1065. In beiden Fällen ging es um aufgrund falscher Rechtsberatung unwirksame Darlehen für die Anmietung eines Ersatzwagens bei einem Verkehrsunfall. Ein Zinsanspruch wurde mit der Begründung verneint, daß der Bereicherungsschuldner bei Kenntnis der Sachlage keinen Kredit aufgenommen hätte. Dies ist eine Argumentation, mit der man auch einen Wegfall der Bereicherung nach § 818 III BGB hätte begründen können. 183 NJW 1988, 1969. 184 BGH WM 1991, 1983; vgl. auch schon früher OLG Düsseldorf, WuB I El.-7.87. Bei beiden Urteilen dürfte grundlegende Bedeutung gehabt haben, daß der Darlehensgeber dann, wenn man ihm über den Bereicherungsanspruch den durchschnittlichen Darlehenszins gewähren würde, günstiger stehen könnte als nach den Schadensersatzregeln. Denn der Schadensersatzanspruch wegen nicht rechtzeitiger Rückzahlung war bei der Entscheidung des OLG Düsseldorf auf die Refinanzierungskosten beschränkt und auch der Verzugsschaden ist gemäß § 11 I VerbrKrG, auf den der BGH auch für Altdarlehen zurückgreift - vgl. dazu Bruchner in WuB I E 2 b.-1.92 - auf 5% über dem Diskontsatz der deutschen Bundesbank begrenzt. Man sah deshalb die Gefahr, dem Darlehensgeber mit dem Bereicherungsanspruch einen den Schadensersatzanspruch übersteigenden Anspruch einzuräumen. Auf der anderen Seite hat die Orientierung an den Refinanzierungskosten jedoch zur Folge, daß der Darlehensnehmer bei einem wirksamen Darlehen höhere Zinsen zu zahlen hat als wenn er sich vertragswidrig verhält oder der Vertrag aus anderen Gründen unwirksam ist; vgl. dazu Bunte WuB I E 1.-7.87. Um den Verbraucherschutz nicht leerlaufen zu lassen, wäre im übrigen zu überlegen, ob § 11 I VerbrKrG als Speziairegel nicht auch den Bereicherungsanspruch beschränkt. Auch bietet das Bereicherungsrecht über § 818 III BGB und bei sittenwidrigen Verträgen über § 817 S. 2 BGB, vgl. BGH NJW 1989, 3217, entsprechende Regulative an. 179

ermann,

166 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

lenden Zinsen gezogen worden sind, wenn das Kapital in einer Art und Weise verwendet worden ist, die nach der Lebenserfahrung einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg erwarten läßt. 185

3. Fazit Auch wenn im einzelnen Uneinigkeit über die Rückabwicklung unwirksamer Darlehensverträge besteht, zeigt sich doch auch hier, daß zwischen der „endgültigen" Übereignung von Geld und der von vornherein auf Darlehensbasis beruhenden zeitweiligen Geldüberlassung zu unterscheiden ist. Soweit dem Schuldner das Geld als Gegenleistung für eine eigene Leistung überlassen wurde, besteht Einigkeit darüber, daß der Nutzungsmöglichkeit als solcher keine rechtliche Bedeutung zukommt, da die Verwendung des Geldes der freien Entscheidung des Schuldners unterliegt. Die Nutzungsmöglichkeit des Geldes gewinnt erst dann rechtliche Bedeutung, wenn von ihr in der Weise Gebrauch gemacht wird, daß es zins- oder ertragsbringend anlegt wird. Dann sind die Zinsen nach § 818 I BGB als gezogene Nutzungen herauszugeben. N u r dann, wenn die Überlassung von Geld von vornherein als Darlehen beabsichtigt war, es sich also um die befristete Überlassung fremden Kapitals handelt und dem Schuldner nur ein „Nutzungsrecht" eingeräumt werden sollte, kommt eine Ersatzpflicht für die faktische Inanspruchnahme des Darlehens, die zeitweilige „Nutzungsmöglichkeit" in Betracht.

IV. 1.

Eingriffskondiktion

Grundsätzliches

Der Bereicherungsschuldner kann nicht nur durch Überlassung einer Sache oder Erbringung von Diensten, also durch Leistung eines anderen, etwas Gegenständliches oder nicht Gegenständliches erlangen, sondern auch durch eine eigene Handlung, durch einen Eingriff in ein fremdes Recht, so etwa durch den Gebrauch einer fremden Sache oder den Eingriff in fremde Immaterialgüterrechte, Urheberrechte, Patentrechte etc. H a t der Bereicherungsschuldner etwas nicht durch Leistung, sondern durch eine eigene Handlung, mit der er in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts eingegriffen hat, erlangt, so kommt ein Bereicherungsanspruch aufgrund Eingriffskondiktion in Betracht. 186 Bei der Eingriffskondiktion handelt es sich funktional gesehen 185

B G H Z 64, 322, 323; B G H N J W 1997, 933, 935; 1962, 1148. Im einzelnen wirft die Eingriffskondiktion, insbesondere durch das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten", nach wie vor eine Reihe von Fragen auf, denen hier aber nicht nachgegangen werden kann. Nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt ist entscheidend auf den Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechts abzustellen, während es nach der Rechtswidrigkeitstheorie entscheidend auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ankommt. Hier wird im wesentlichen die 186

B.

Bereicherungsrecht

167

um ein Institut des Güterschutzes - ähnlich Delikts-, Eigentumsherausgabeund Beseitigungsansprüchen. 187 Sie basiert auf dem Gedanken, daß allein dem Inhaber eines Rechts die faktischen und rechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich des Rechts zustehen und eine unberechtigte, nicht gestattete Nutzung einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Rechts darstellt. Allein dem Eigentümer steht das uti, frui und abruti zu, 188 ein unbefugtes Ge- und Verbrauchen einer Sache stellt einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines anderen dar und löst dementsprechend eine Eingriffskondiktion aus. 189 Mit der Eingriffskondiktion soll das durch den Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechts eines anderen Erlangte dem Bereicherungsgläubiger zurückerstattet bzw. ein entsprechender Wertersatz geleistet werden. Im Hinblick auf die rechtliche Einordnung und Qualifizierung von Nutzungsmöglichkeit, Nutzungsrechten und Nutzungen interessiert vorliegend die rechtliche Behandlung von Eingriffen in den Zuweisungsgehalt des Berechtigten durch Anmaßung einer Nutzungsbefugnis. Während bei der Leistungskondiktion die empfangene Leistung Ausgangspunkt der Überlegungen war, ist bei der Eingriffskondiktion von der Eingriffshandlung und ihrer Zielrichtung auszugehen. 190 Entscheidend ist, auf welche Befugnisse aus dem umfassenden Herrschaftsbereich des Rechtsinhabers der Eingreifende zugegriffen hat, welche Befugnisse er in Anspruch genommen hat. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen der Eingreifende eine Sache entsowohl in der Rechtsprechung, BGHZ 82, 299, 306; 99, 244, 247; 107, 117, als auch in der Literatur als herrschend anzusehende Lehre vom Zuweisungsgehalt zugrundegelegt, vgl. Wilburg, Bereicherungsrecht, S. 27ff, 97ff; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 352ff = Gesammelte Schriften I, S. 209, 228ff; Leser, Saldotheorie, S. 5; Schlechtriem, Symposium König, S. 60; Staudinger/Lorenz (1999), § 812 Rn 23; MünchKomm/Lieh, § 812 Rn 193 ff; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 703ff; Koppensteiner/Kramer, S. 75; Törl, S. 88ff, 90aff; anders die Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre, die auf Schulz, AcP 105, 3 ff, zurückgeht; siehe dazu Jakobs, Eingriffserwerb, S. 41 ff; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 77ff; Haines, S. 89ff. Wieder anders die Vertreter der Einheitslehre, die an einer Vermögensverschiebung festhalten, vgl. Batsch, S. 91 ff, 109 ff. 187 Schlechtriem, Symposium König, S. 59. 188 V. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 352 f = Gesammelte Schriften I, S. 209, 228 ff; vgl. dazu Fußnote 186. 189 Problematisch kann dabei sein, ob und inwieweit einzelne Rechtspositionen Schutz genießen, Schlechtriem, Symposium König, S. 63; Schlechtriem, ZHR 149, 332; ders., JZ 1993, 189; MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 204 ff; Koppensteiner/Kramer, S. 79; Westermann, AcP 178, 150,184f;Joerges, S. 42ff. Zum Teil wird auf die durch ein subjektives Recht begründeten Ausschließungsbefugnisse/Unterlassungsansprüche, vgl. Kleinheyer,JL 1970, 471, 474ff; Koppensteiner/Kramer, S. 76, zum Teil auf die positiven Befugnisse des Rechtsinhabers abgestellt, so MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 207; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 50 I 1 a. Nachdem lange umstritten war, ob auch Verletzungen von Warenzeichen nach dem WZG Bereicherungsansprüche begründen können, hat der BGH, BGHZ 99, 244, 247, dies anerkannt; vgl. dazu Sack, Festschrift Hubmann, S. 379; MünchKomm/Lieb, §812 Rn212; abl. Mestmäcker, JZ 1958, 525. Entsprechendes gilt nach der Neuregelung durch das Markengesetz auch für die Verletzung von Marken. 190 MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 302.

168

§4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

zieht, vernichtet, verbraucht oder veräußert, und denen, in denen er die Sache unbefugt nutzt. D e r Zweck, den der Eingreifende mit der Sache verfolgt, ob und wie er sie verwendet, entscheidet darüber, welche konkrete Eigentumsbefugnis betroffen ist und welche Rechtsposition sich der Bereicherungsschuldner konkret angemaßt hat. Wie der Eigentümer einer Sache erst eine ihrer verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten aus dem umfassenden N u t zungspotential herausgreifen und ausüben muß, um sie zu realisieren, ist bei der Eingriffskondiktion ausschlaggebend, in welchen Bereich des geschützten Zuweisungsgehalts des Eigentümers konkret eingegriffen wird. Ein Eingriff in die Nutzungsbefugnis eines anderen ist deshalb erst dann gegeben, wenn der Eingreifende die Sache nutzt und durch diese A r t der Verwendung der Sache die von ihm verfolgte Zielrichtung zu Tage tritt. Allein der Entzug einer Sache begründet deshalb noch keinen Bereicherungsanspruch hinsichtlich der mit dem „bloßen H a b e n " verbundenen Nutzungsmöglichkeit. 1 9 1 Greift der Eingreifende auf die mit der Sache verbundene N u t z u n g s m ö g lichkeit zu, indem er sie gebraucht, so wird der Zuweisungsgehalt des Eigentümers dadurch betroffen, daß faktisch die Nutzungsbefugnis von einem Dritten ausgeübt wird und es damit zu einer Verselbständigung der N u t z u n g wie bei der Einräumung eines Nutzungsrechts k o m m t . Es handelt sich dabei aus objektiver Sicht immer um eine Fremdnutzung, denn die angemaßte Rechtsposition bezieht sich auf ein vom Eigentum losgelöstes Nutzungsrecht. Dies gilt selbst dann, wenn der Eingreifende irrtümlich von einer berechtigten Eigennutzung ausgeht, weil er etwa annimmt, er nutze eine eigene Sache. In diesen Fällen ist jedoch in besonderem Maße der Entreicherungseinwand gemäß § 818 III B G B von Bedeutung. Für die Fälle des Gebrauchs fremder Sachen ist zu beachten, daß der G e setzgeber durch die Regeln zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in §§ 993, 987, 990 B G B Spezialregelungen geschaffen hat, durch die sowohl die schärfere deliktische als auch die bereicherungsrechtliche Haftung ausgeschlossen wird. 1 9 2 Allein bei deliktischem Besitz ist entsprechend § 992 B G B eine unbe-

191 Der Entzug der Sache führt zwar zum Verlust der Nutzungsmöglichkeit beim Eigentümer, jedoch fehlt es beim Eingreifenden an der konkreten Entscheidung, die Sache der Nutzung zuzuführen.Wie beim Eigentümer einer Sache reicht allein das Haben der Sache, das die Nutzung der Sache ermöglichen würde, noch nicht aus, um eine selbständige Rechtsposition zu begründen; vgl. MunchKomm/Lieb, § 812 Rn 302. Auch Jahr, AcP 183, 725, 741 ff, geht von einer Inanspruchnahme des Gebrauchs aus. Er stellt aber nicht auf die angemaßte Rechtsposition, sondern auf die gezogenen Vorteile ab. 192 Gemäß § 993 B G B ist eine Nutzungshaftung des redlichen Besitzers, der regelmäßig Eigenbesitzer ist, ausgeschlossen. Nach den §§ 987, 990 B G B kommen beim verklagten oder bösgläubigen Besitzer, anders als in den Fällen der Leistungskondiktion, Jauernig/Jauernig, Vor § 987 Rn 13; vgl. auch S. 179ff, 184 ff; Bereicherungsansprüche auf den Gebrauchswert nicht in Betracht, vgl. R G Z 163, 352; B G H Z 36, 186; 41, 157; 71, 135; MunchKomm/Medicus, § 993 Rn 9; Erman/Hefermehl, Vor § 987 Rn 28; Palandt/Bassenge, Vor § 987 Rn 22; Jauernig/ Jauernig, Vor § 987 Rn 14; a.A. Pinger, S. 51 f. Eine Ausnahme gilt für die Fälle unberechtigter Inanspruchnahme von Mieträumen, hier ordnet § 557 B G B ausdrücklich die Zahlung des

B.

169

Bereicherungsrecht

s c h r ä n k t e B e r e i c h e r u n g s h a f t u n g a n z u n e h m e n , d e n n es b e s t e h t k e i n G r u n d , d e n g e m ä ß § 9 9 2 B G B h a n d e l n d e n B e s i t z e r u n t e r d e n S c h u t z des E i g e n t ü m e r Besitzer-Verhältnisses zu stellen u n d einen B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h

auszu-

s c h l i e ß e n . W e g e n des G e b r a u c h s f r e m d e r S a c h e n k o m m t d e s h a l b eine E i n g r i f f s k o n d i k t i o n n u r s e l t e n in B e t r a c h t , so e t w a d a n n , w e n n d e r E i n g r e i f e n d e d e l i k t i s c h i.S.v. § 9 9 2 B G B h a n d e l t o d e r a b e r d e r G e b r a u c h u n a b h ä n g i g v o m B e s i t z d e r S a c h e ist. 1 9 3 D e m g e g e n ü b e r g r e i f t d i e E i n g r i f f s k o n d i k t i o n in d e n F ä l l e n d e r N u t z u n g v o n I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e n , Patenten, U r h e b e r r e c h t e n etc., u n e i n g e s c h r ä n k t e i n . 1 9 4 W u r d e j e d o c h u n v e r s c h u l d e t i r r t ü m l i c h in e i n f r e m d e s I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t e i n g e g r i f f e n , ist dies i m R a h m e n v o n § 8 1 8 I I B G B , s o f e r n m a n d e r subjektiven T h e o r i e folgt, bzw. bei § 8 1 8 I I I B G B zu berücksichtigen.195

Mietzinses bzw. der ortsüblichen Mietzinsen als „Entschädigung" an. Der B G H , N J W 1968, 197 (Apothekenfall), hat in einer vergleichbaren Fallgestaltung eine Eingriffskondiktion als nicht durch die Eigentümer-Besitzer-Regeln ausgeschlossen angesehen. 193 Vgl. dazu die Gleisanlagenentscheidung, R G Z 97, 310, 312; B G H Z 20, 270, 275 (Bahnhofsvorplatz); B G H WM 1981, 129, 131 (Kavernen-Fall); B G H N J W 1968,197; Schlechtriem, Symposium König, S. 66; MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 191. 194 Der B G H , B G H Z 68, 90ff (Kunststoffhohlprofil I), hat, sich der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum anschließend, v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 352 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 229; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 67ff; Haines, S. 152 ff; Erman/ H.P.Westermann, Vor § 812 Rn 15, die Haftung nach Bereicherungsrecht anerkannt. Lange Zeit war die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts neben den spezialgesetzlichen Schadensersatzansprüchen umstritten und wurde vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, R G Z 15, 121, 132; 121, 258, 261. Gegen die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts wurde insbesondere vorgebracht, sie führe zu einer Haftungsverschärfung, da bereits der unverschuldete Eingriff die Bereicherungshaftung auslöse, vgl. dazu B G H Z 68, 90ff. Es wurde auch eine entsprechende Anwendung der Eigentümer-Besitzer-Regeln erwogen, so Bolze, AcP 92, 319, 337ff; vgl. dazu Mestmäcker, J Z 1958, 521 ff, 523ff; Törl, S. 27ff; Batsch, S. lOff. 195 Auch wenn zum Teil die Anwendung des § 818 III B G B mit der Begründung, der Bereicherte müsse sich an der Sachlage, die er geschaffen habe, festhalten lassen, abgelehnt wird, B G H Z 20, 345, 355; vgl. dazu Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 73 I 5, erscheint im Falle eines unverschuldeten Eingriffs eine Begrenzung der Bereicherungshaftung auf die subjektive Bereicherung notwendig. Dies insbesondere schon allein deshalb, weil die spezialgesetzlichen Schadensersatzregeln der §§ 139 PatG, 24 GebrMG in den Fällen nur leicht fahrlässiger Rechtsverletzung eine Beschränkung des Schadensersatzes auf den gezogenen Gewinn, also die subjektive Bereicherung, als Obergrenze vorsehen. Vgl. auch die Begründung zu § 47 II S. 2 PatG, dem Vorgänger von § 139 PatG, in B1PMZ 1936,103, 113: „eine Bereicherung durch sein schuldhaftes Verhalten darf er aber nicht erfahren"; vgl. auch B G H Z 86, 91, 93. Allerdings greift der Einwand des Wegfalls der Bereicherung nicht bereits dann ein, wenn der Eingreifende keinen Gewinn erzielt hat, so Ulimann, G R U R 1978, 615, 620ff, sondern setzt außerdem voraus, daß der Eingreifende bei Kenntnis der Sachlage das fremde Immaterialgüterrecht nicht in Anspruch genommen hätte, was jedoch aufgrund seines Verhaltens zu vermuten ist, vgl. Benkard/Rogge, Patentgesetz, § 139 Rn 89.

1 7 0 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

2. Bestimmung des erlangten Etwas bei einer Nutzungsberechtigung

und ihre

Rückabwicklung

Anmaßung

Bei der Bestimmung des durch den Eingriff erlangten Etwas hat sich die Rechtsprechung und Lehre lange Zeit damit beholfen, daß sie auf die durch die Anmaßung eines entsprechenden Nutzungsrechts ersparten Aufwendungen abgestellt hat. Als ersparte Aufwendungen wurden regelmäßig eine entsprechende Miet- oder Lizenzgebühr angesehen.196 Der Aspekt der ersparten Aufwendungen, auf den der Bundesgerichtshof auch neuerdings wieder zurückgreift,197 verdeckt dabei jedoch nur, was eigentlich unter dem erlangten Etwas zu verstehen ist. Denn auf der einen Seite kann man im objektiven Wert der gegenständlich zu bestimmenden Position das Ersparte sehen, auf der anderen Seite es subjektiv auf der Grundlage einer Vermögensdifferenzbildung bestimmen.198 Mit der überwiegenden Meinung 199 ist das erlangte Etwas gegenständlich zu bestimmen. 200 Allerdings wirft auch die gegenständliche Bestimmung des erlangten Etwas, wenn durch Nutzung/Gebrauch in ein fremdes Rechtsgut eingegriffen wird, Probleme auf. Denn das Recht bzw. die Rechtsposition, die sich der Eingreifende anmaßt, erhält er durch sein Verhalten nicht, er erhält nicht die Nutzungsberechtigung, sondern er übt sie nur faktisch aus. 201 Die Rechtsprechung hat sich in einem eine Gebrauchsmusterverletzung betreffenden Fall (Holzprofile II) 2 0 2 für die gegenständliche Bestimmung des ErB G H Z 20, 270, 275; 20, 345, 354 f; 22, 395, 400; 81, 75, 81 f. B G H ZIP 1992, 857. 198 Deutlich wird der Unterschied in den Entscheidungen B G H Z 20, 270, 275 einerseits und B G H Z 21, 319ff, 336 andererseits. In beiden Entscheidungen ging es um die Inanspruchnahme von Parkraum. Einerseits wurde das Ersparte in einer entsprechenden Mietgebühr gesehen, B G H Z 20, 270, 275, andererseits auf den Zeitaufwand und die Fahrkosten zur Auffindung einer gebührenfreien Parkfläche abgestellt, B G H Z 21, 319ff, 336; vgl. dazu auch kritisch Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 90 Fußnote 25. Daß der Gesetzgeber von einer objektiven Bestimmung des erlangten Etwas ausging, wurde oben bereits dargelegt. Zur Problematik der subjektiven Bestimmung siehe S. 173 ff. 199 Vgl. dazu oben S. 138ff, 144ff; Reuter/Martinek, § 15 II 2, entwickeln unter Rückgriff auf das Schadensersatzrecht eine Mischtheorie, wonach das gegenstandsorientiert bestimmte Etwas - entsprechend dem objektiven Schaden - die Mindestbereicherung darstelle. 2 0 0 Wodurch auch die Problematik des Merkmals „auf Kosten", der Beziehung zwischen Be- und Entreicherung, also dem Eingriff in den Zuweisungsgehalt einerseits und dem erlangten Etwas andererseits, in einem neuen Licht erscheint; vgl. zur Zuweisungstheorie S. 166f; Tori, S. 88 ff; Ostendorf, S. 74 ff. 201 B G H Z 82, 299, 306; vgl. Kraßer, G R U R 1980, 268. 202 Die Anwendung des Bereicherungsrechts ist durch die spezialgesetzlichen Regelungen im Gebrauchsmustergesetz nicht ausgeschlossen, B G H Z 68, 90, 94; vgl. auch MünchKomm/ Lieb, § 8 1 2 R n 2 1 1 ; Törl, 31 ff; Ostendorf, S. 72f. Anders die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, R G Z 15, 121, 132; 21, 68, 72. Der B G H , B G H Z 99, 244, hat auch im Fall einer Warenzeichenverletzung einen Anspruch aus Eingriffskondiktion zugebilligt; siehe auch Koppensteiner/Kramer, S. 80; Reuter/Martinek, § 7 IV 1 e, S. 277; Staudinger/Lorenz (1999), Vor § 812 ff Rn 69; MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 212 m.w.N; entsprechendes hat nunmehr für das Markenrecht zu gelten, das das Warenzeichenrecht abgelöst hat; vgl. Fezer, Markenrecht, § 14 Rn 530; Berlit, Rn 262. 196

197

B. Bereicherungsrecht

171

langten ausgesprochen und das E r l a n g t e in d e m G e b r a u c h gesehen. 2 0 3 D e r G e b r a u c h stellt aber zunächst einmal n u r die Eingriffshandlung dar. M i t dem G e b r a u c h m a c h e n greift der B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r in die R e c h t s s p h ä r e des Bereicherungsgläubigers ein, verletzt er das gewerbliche S c h u t z r e c h t , dessen G e g e n s t a n d die ausschließliche B e n u t z u n g s b e f u g n i s ist. D e r G e b r a u c h ist nur ein rein tatsächliches Vorgehen, das Zugreifen auf die Sache, mit dem in den Zuweisungsgehalt einer Sache/eines R e c h t s eingegriffen wird. A u s dem G e b r a u c h ergibt sich n u r die Eingriffsrichtung. 2 0 4 Entsprechend

den unterschiedlichen

Grundauffassungen

im

Bereiche-

rungsrecht - der O r i e n t i e r u n g an dem Leistungsgegenstand bzw. E i n g r i f f s o b j e k t o d e r an den W i r k u n g e n b e i m S c h u l d n e r 2 0 5 - wird das Erlangte u n t e r schiedlich b e s t i m m t . Z u m Teil wird das E r l a n g t e in den G e b r a u c h s v o r t e i l e n , die unter I n a n s p r u c h n a h m e einer einem anderen zugewiesenen R e c h t s p o s i tion erzielt wurden, gesehen. D e n n dem R e c h t s i n h a b e r sei die N u t z z i e h u n g und V e r w e r t u n g als H a n d l u n g zugewiesen. D e m e n t s p r e c h e n d seien die N u t zungsvorteile dasjenige, was der B e r e i c h e r u n g s s c h u l d n e r durch den Eingriff in den Zuweisungsgehalt erlangt habe. 2 0 6 Es wird damit entsprechend § 8 1 8 1 B G B auf die aus dem verletzten R e c h t k o n k r e t gezogenen N u t z u n g e n abgestellt, w o b e i eine G e w i n n h a f t u n g a n g e n o m m e n wird. 2 0 7 D i e s e Auffassung orientiert sich damit nicht an der a n g e m a ß t e n R e c h t s p o s i t i o n , sondern an d e m Verwendungserfolg, dem N u t z u n g s e r f o l g . 2 0 8 D e m g e g e n ü b e r k n ü p f e n andere 2 0 9 an die angemaßte R e c h t s p o s i t i o n , die

B G H Z 82, 299, 306f; B G H Z 99, 244, 247. Der B G H , B G H Z 82, 299, 306, unterläßt es daher zu Unrecht, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen. Allerdings läßt die Bestimmung des Wertes des Gebrauch unter Rückgriff auf die durchschnittliche Lizenzgebühr Rückschlüsse zu. 2 0 5 Vgl. dazu schonS. 138ff, 144ff. Die Auseinandersetzung zwischen gegenständlicher und vermögensorientierter Bestimmung findet hier ihre Fortsetzung. 203

204

206

Kaiser, S. 94 ff, 104.

Kaiser, S. 133; Lindenmaier, Patentgesetz, § 47 Rn 44; Brandner, G R U R 1980, 359, 360ff; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 III 3 c, mit Einschränkungen. In diese Richtung wohl auch MünchKomm/Lieb, § 818 Rn 21, der damit eine Gewinnhaftung begründet, an anderer Stelle, MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 302, § 818 Rn 10, aber erklärt, daß es sich bei der Nutzungsmöglichkeit in den Fällen des Eingriffs in Immaterialgüterrechte regelmäßig um den primären Leistungsgegenstand handele, mithin nicht auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen, sondern auf die Nutzungsmöglichkeit abzustellen sei. Zum Teil wird die Gewinnhaftung unter Rückgriff auf die Rechtswidrigkeitslehre und die vermögensorientierte Bestimmung des erlangten Etwas, vgl. dazu Jakobs, Eingriffserwerb, S. 41 ff; Haines, S. 89ff, 127ff, oder die subjektive Wertbestimmung im Rahmen von § 818 II B G B begründet, Erman/H.P.Westermann, § 8 1 8 Rn 18; vgl. dazu S. 173 ff. 208 Da § 8 1 8 1 B G B nur eine Nebenfolge eines Bereicherungsanspruchs betrifft, bleibt letztlich die Frage nach dem primär erlangten Etwas offen. 2 0 9 Insbesondere MünchKomm/Lieb, § 812 Rn 302, § 818 Rn lOff; Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 87; ders., N J W 1971,1977; Löwenheim, Bereicherungsrecht, S. 95; Reeb, S. 37f; in diese Richtung auch v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 353, 356 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 229, 232. 207

1 7 2 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Riickabwicklung

Nutzungsmöglichkeit, an. 210 Dieser Auffassung steht der Bundesgerichtshof - auch wenn er sich für den „Gebrauch" und gegen die Nutzungsmöglichkeit als erlangten Gegenstand ausspricht - nahe, denn er stellt in den Fällen der Verletzung eines Immaterialgüterrechts in ständiger Rechtsprechung nicht auf die Gebrauchsvorteile i.S.v. § 818 I B G B , also die tatsächlich gezogenen Nutzungen bzw. den Gewinn, sondern auf den Wert des Gebrauchsrechts ab, indem er auf die durchschnittliche Lizenzgebühr rekurriert. 211 Danach erhält der Eingreifende durch den Zugriff in Form des Gebrauchs der Sache oder des Rechts die Möglichkeit der Nutzung. Unabhängig vom Verwendungserfolg hat er deshalb den Wert der Nutzungsmöglichkeit herauszugeben. Das Erlangte in der Nutzungsmöglichkeit zu sehen, erscheint jedoch nicht ganz zutreffend. 212 Denn auch die Nutzungsmöglichkeit ist etwas faktisches und die Rechtsordnung mißt nicht der Nutzungsmöglichkeit einen selbständigen Wert zu, sondern der die Nutzungsmöglichkeit vermittelnden Nutzungsberechtigung. Die Nutzungsberechtigung ist die Rechtsposition, die sowohl Gebrauch wie Gebrauchsmöglichkeit rechtfertigt. 213 Die Problematik des erlangten Etwas ist deshalb darin zu sehen, daß der Eingreifende zwar rechtlich gesehen keine Nutzungsberechtigung erlangt, faktisch aber genau diese Rechtsposition ausübt, indem er von dem Nutzungsrecht Gebrauch macht. Entsprechend wird zur Begründung der Bereicherungshaftung immer wieder darauf hingewiesen, daß der Eingreifende sich eine Rechtsposition angemaßt habe. 214 Bereicherungsrechtlich geht es deshalb nicht um die Herausgabe/den Wertersatz für eine Rechtspositionen im eigentlichen Sinne - diese konnte der Eingreifende nicht erlangen - , sondern um die Herausgabe bzw. den Wertersatz dafür, daß der Bereicherte faktisch die Stellung eines Nutzungsberechtig2 1 0 Nach noch anderer Auffassung soll das Erlangte in der Marktchance zu sehen sein, Kraßer, G R U R Int. 1980,259,268; abl. B G H Z 82, 299, 306; Delahaye, G R U R 1985, 856, 857. Vgl. zu der Bestimmung des Erlangten als den Gebrauchsvorteilen oder der Nutzungsmöglichkeit als der faktisch in Anspruch genommenen Rechtsposition schon oben S. 150ff, 159ff. Nach der hier vertretenen Auffassung ist bei objektiver Fremdnutzung - und darum handelt es sich bei dem Eingriff in ein fremdes Immaterialgüterrecht immer - auf die angemaßte Rechtsposition abzustellen. 211 B G H Z 82, 299, 306; 99, 244, 248; B G H NJW 1998, 1951 f, 1953; B G H NJW-RR 1997, 1537; 1998, 1502. Anders eine im Schrifttum stark vertretene Meinung, die sich für eine Gewinnhaftung ausspricht, Kleinhey er, ]7, 1961, 473, 477; Haines, S. 121, 127; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 128 ff; Reeb, S. 96; Erman/H.P.Westermann, § 818 Rn 18; auch Münch Komm/Lieb, § 818 Rn 20, soweit das Erlangte nicht bereits in der Nutzungsmöglichkeit zu sehen sei. 2 1 2 Dem ist insbesondere in Rechtsprechung und Lehre entgegengehalten worden, daß jedermann in das Recht eingreifen könne, weshalb man nicht auf die Nutzungsmöglichkeit abstellen könne, B G H Z 82, 299, 306; Kraßer, G R U R Int. 1980, 259, 268; Koppensteiner/Kramer, 118; Haines, S. 37ff. Dabei wird jedoch das Anliegen von Lieb mißverstanden, er greift auf den Begriff der Nutzungsmöglichkeit zurück, um die Unabhängigkeit vom Verwendungserfolg zum Ausdruck zu bringen. 2 1 3 Vgl. oben S. 81 ff, 85 ff. 214 B G H Z 82, 299, 306; Ulimann, G R U R 1978, 615, 619; Benkard/Rogge, % 139 Rn 85.

B.

173

Bereicherungsrecht

ten eingenommen hat, indem er die Sache wie ein Berechtigter in Anspruch genommen hat. Daß der Bereicherte aus der von ihm angemaßten Rechtsposition entsprechende Nutzungsvorteile gezogen hat, ist insoweit nur eine Folge dieses Eingriffs. Für die Bestimmung des erlangten Etwas ergibt sich daraus, daß das Erlangte in der faktisch ausgeübten, nicht aber rechtlich erlangten Rechtsposition zu sehen ist. Daß Gegenstand der Bereicherungsrückabwicklung nur faktisch, nicht aber rechtlich erlangte Rechtspositionen sind, ergibt sich aus der besonderen Aufgabe des Bereicherungsrechts. Aufgabe des Bereicherungsrechts ist es gerade, in den Fällen einen Ausgleich herbeizuführen, in denen eine Rechtsübertragung mißlungen ist, es zu einer Diskrepanz zwischen rechtlicher und faktischer Zuordnung gekommen ist. Es sollen rechtlich nicht gedeckte - ohne Rechtsgrund - erfolgte Zuweisungsverschiebungen/Leistungsverschiebungen rückgängig gemacht werden. Dies ist aber, soweit die Rechtsordnung von vornherein einen Ubergang einer Rechtsposition verneint - abgesehen von der durch das Abstraktionsprinzip ermöglichten Eigentumsübertragung ist dies regelmäßig der Fall - , nur möglich, wenn man die Aufgabe des Bereicherungsrechts darin sieht, bei faktisch - nicht rechtlich - erlangten Positionen einen Ausgleich herbeizuführen. Für die Wertbestimmung der faktisch erlangten Rechtsposition nach § 818 II BGB, etwa der Ausübung eines Patent- oder Markenrechts, kann dabei auf den Wert der entsprechenden Nutzungsberechtigung, eine entsprechende Lizenzgebühr etwa, abgestellt werden. 215 V. Exkurs: Wertersatz und Wegfall der

Bereicherung

In den Nutzungs-, Gebrauchsüberlassungsfällen können das erlangte Etwas bzw. die aus der Sache gezogenen Nutzungen nach § 818 I BGB regelmäßig nicht mehr in natura herausgegeben werden. 216 Anstelle des ursprünglichen Bereicherungsanspruchs, der einen Inhaltswandel erfährt, 217 tritt nach 215 Bei der Bemessung einer Lizenzgebühr für die angemaßte Rechtsposition ist konkret darauf abzustellen, in welchem Umfang das Patentrecht etc. in Anspruch genommen wurde und was vernünftige Geschäftspartner in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung im Verletzungszeitraum zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen gemacht hätten; vgl. BGHZ 82, 301; BGH NJW-RR 1992, 872; 1997, 1537; 1998, 1502; Haines, S. 111 ff. Kraßer, GRUR Int. 1980, 268, hat vorgeschlagen, das erlangte Etwas in der Marktchance zu sehen. Hintergrund seiner Überlegung ist, daß zwar der Gebrauch eines Warenzeichens - jetzt Markenrechts - oder Patentrechts eine Rechtsverletzung darstelle, diese aber regelmäßig erst dann entscheidend hervortrete, wenn die Produkte auf den Markt kämen und damit die Marktchance des Inhabers tangiert werde. Solange noch der ursprüngliche Zustand wiederherstellbar sei, liege daher auch noch keine Bereicherung vor. Dieser Problematik trägt die dargelegte Auffassung, nach der es auf die faktisch erlangte Rechtsposition ankommt, insoweit Rechnung, als dies dann, wenn die Verletzung noch nicht marktrelevant geworden ist, bei der Bestimmung der Lizenzgebühr zu berücksichtigen ist. 216 Erman/H.P.Westermann, § 818 Rn 15; Koppensteiner/Kramer, S. 153. 217 Erman/H.P.Westermann, § 818 Rn 16; Pinger, MDR 1972, 102.

1 7 4 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

§ 818 II BGB in diesen Fällen eine Wertersatzpflicht. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser Wertersatz nach § 818 II BGB zu bemessen ist. V. Kübel hat - wie oben dargelegt - das Prinzip des Wertersatzes mit dem der Bereicherung im BGB verknüpft. Er ging von einer objektiven Wertbestimmung aus, die für den gutgläubig Bereicherten auf die in seinem Vermögen eingetretene Bereicherung beschränkt wurde. So sah § 10 des Vorentwurfs - den man nicht für notwendig erachtete, in das BGB aufzunehmen bei Gebrauchsüberlassungen und Dienstleistungen eine Vergütung nach dem ordentlichen Wert vor, die im Falle der Gutgläubigkeit auf den ersparten Wert reduziert wurde. 218 Dies entspricht der Differenzierung zwischen dem gegenständlich bestimmten erlangten Etwas und den vermögensmäßigen Auswirkungen beim Bereicherten, der Bereicherung i.S.v. § 818 III BGB.219 Gesetzgebungsgeschichte und Systematik des BGB sprechen daher für eine objektive Wertbestimmung im Rahmen von § 818 II BGB.220 Dem folgend ist nach ständiger Rechtsprechung 221 und einer in weiten Teilen der Literatur vertretenen Auffassung 222 der Wert des erlangten Etwas und auch der der Nutzungen objektiv zu bestimmen. Das bedeutet, daß der übliche Wert, die übliche Vergütung an die Stelle des erlangten Etwas tritt. Entsprechend ist es für die Bemessung des Wertersatzes ohne Relevanz, ob der Bereicherte mit dem erlangten Etwas einen über den objektiven Wert hinausgehenden Gewinn erzielt hat oder ob sich aufgrund der besonderen Verhältnisse beim Bereicherten das erlangte Etwas nicht positiv in seinem Vermögen niedergeschlagen hat.223 Hat sich das Erlangte nicht positiv im Vermögen des Bereicherungsschuldners ausgewirkt, so findet dies erst im Rahmen von § 818 III BGB Berücksichtigung. Demgegenüber ist nach einer verstärkt vertretenen Meinung der Wert des erlangten Etwas konkret-individuell zu bestimmen, er hat sich also subjektiv 218

Vgl. d a z u S. 141 ff. Vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 211 ff; König, Festschrift v. Caemmerer, S. 179, 206. Die Erste K o m m i s s i o n ging im H i n b l i c k auf die heutige Regelung des § 818 II B G B von der Pflicht zur Vergütung des „gemeinen Werts der Leistung" aus, wobei man unterstellte, „daß regelmäßig der Wert des Geleisteten in das Verm ö g e n des E m p f ä n g e r s übergegangen ist." D e r Tatsache, daß eine wirkliche Bereicherung nicht eingetreten o d e r wieder weggefallen sei, sollte im R a h m e n des § 818 III B G B R e c h n u n g getragen werden; Motive II, S. 836 = Mugdan I I , S. 467. 220 Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209,211 ff; König, Festschrift v. Caemmerer, S. 179, 206; Reuter/Martinek, § 16 III 3; anders Jakobs, lucrum, S. lOOff. 221 R G Z 86, 343, 347; 101, 389, 391; 147, 396, 398; B G H Z 5, 197, 201; 10, 171, 180; 17, 236, 239; 55, 128, 135; 8 2 , 2 9 9 , 3 0 7 ; 99, 244, 248; 117,29, 31; 132, 198, 207. 222 V. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 376ff = G e s a m m e l t e Schriften I, S. 209, 252; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209; Reuter/Martinek, § 16 III 3; Münch Komm/Lieb, § 8 1 8 R n 35; Goetzke, A c P 173, 289; Soergel/Mühl, § 8 1 8 R n l l ; Medicus, Schuldrecht II, R n 678; Palandt/Thomas, § 818 R n 19; Fikentscher, Schuldrecht, R n 1167; Ehlke, W M 1979, 1022 ff; bei Immaterialgüterrechtsverletzungen ist das die entsprechende L i z e n z g e b ü h r siehe Ulimann, G R U R 1978, 619; Fromm/Nordemann, § 97 R n 57. 223 Vgl. d a z u die vorherige F u ß n o t e . 219

B.

Bereicherungsrecht

175

am Empfängervermögen zu orientieren. 224 Nach dieser Auffassung ist bereits bei der Wertersatzbemessung darauf Rücksicht zu nehmen, ob sich das erlangte Etwas auch vermögensmäßig positiv beim Bereicherten auswirkt. Kommt das Erlangte ersatzlos in Wegfall, so hafte der (gutgläubige) Bereicherungsschuldner nicht, da der Wert des Erlangten mit Null bemessen werden müsse. 225 Dies sei insbesondere deshalb von Bedeutung, weil § 818 III BGB nicht in der Lage sei, alle Fälle zu erfassen, in denen das erlangte Etwas ersatzlos weggefallen sei und sich nicht vermögensmäßig positiv bei dem Bereicherten niederschlage. 226 § 818 III BGB betreffe nur den Fall des Wegfalls der Bereicherung, setze also eine Bereicherung voraus und erfasse nicht die Fälle, in denen die Bereicherung von vornherein nicht eingetreten sei. In Fällen der Gebrauchsüberlassung und bei Dienstleistungen, in denen das erlangte Etwas von vornherein nicht herausgebbar sei, komme deshalb ein Wegfall der Bereicherung begrifflich nicht in Betracht, 227 weshalb der Empfänger konsequenterweise unabhängig davon, wie sich das erlangte Etwas in seinem Vermögen auswirke, immer auf den objektiven Wert hafte. Deshalb ließen sich auch die Fälle der aufgedrängten Bereicherung nur sachgerecht über eine subjektive Wertbestimmung im Rahmen von § 818 II BGB lösen. Das Problem der wenig sachgerechten Beschränkung des § 818 III BGB auf die Fälle des nachträglichen Wegfalls der Bereicherung läßt sich jedoch auch dahin lösen, daß man dem grundlegenden Aspekt der fehlenden Bereicherung über den eigentlichen Wortlaut des § 818 III BGB hinaus Rechnung trägt und § 818 III BGB entsprechend anwendet. 228 Dabei erscheint eine extensive Anwendung des § 818 III BGB gegenüber einer subjektiven Wertbestimmung im Rahmen von § 818 II BGB aus systematischen Gründen vorzugswürdig. Eine subjektive Bestimmung des Wertes im Rahmen von § 818 II BGB führt nämlich zu einer den Bereicherungsgläubiger benachteiligenden Beweislastumkehr. 229 Während bei objektiver Bestimmung des Wertes der Bereicherte den Nachweis zu führen hat, daß er nicht bereichert ist, führt die subjektive Auffassung dazu, daß der Bereicherungsgläubiger die Bereicherung des Schuldners darlegen und beweisen muß. Das vom Gesetzgeber ganz

224 Erman/H.P. Westermann, § 818 R n 16ff; Koppensteiner, N J W 1971, 1769; Koppensteiner/Kramer, S. 169ff; Ostendorf, S. 82ff; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 51 I 4 c; Hagen, Festschrift Larenz, S. 867, 883; differenzierend Reeb, S. 96ff. 225 Koppensteiner/Kramer, S. 170. 226 Koppensteiner/Kramer, S. 170, 128f; ErmantH.P.W'estermann, § 818 R n 16. 227 Erman/H.P.Westermann, § 818 R n 17; vgl. S. 154ff. 228 Dies gilt auch f ü r die Fälle der aufgedrängten Bereicherung, vgl. Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 224ff; v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 381 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 258; Goetzke, A c P 173, 289, 318f; vgl. zur Problematik der aufgedrängten Bereicherung auch M.Wolf, J Z 1966, 467, u n d Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 72 IV 1 b, der die Problematik differenzierend betrachtet. 229 Reuter/Martinek, § 16 III, S. 568; Fikentscher, Schuldrecht, R n 1171; a.A. Koppensteiner, N J W 1971, 588.

1 7 6 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

bewußt durch Grundsatz und Ausnahme geprägte Beweissystem wird somit von dieser Ansicht in sein Gegenteil verkehrt. 2 3 0 Darüber hinaus ist auf der Grundlage der subjektiven Theorie die Regelung des § 818 I I I B G B kaum mehr verständlich, da es zu einem Gleichlauf von § 818 II B G B und § 818 I I I B G B kommt, so daß § 818 I I I B G B seine Bedeutung fast völlig verlieren würde. 2 3 1 H i n z u kommt, daß dann, wenn man den Wert der Bereicherung subjektiv bestimmt, dieselben Probleme auftreten, die bei der bereicherungsrechtlichen Feststellung des erlangten Etwas in der Flugreiseentscheidung zum Vorschein kamen und der gegenständlichen Theorie mit zum D u r c h b r u c h verhalfen. 2 3 2 O b man der subjektiven oder der objektiven Theorie folgt, hängt schließlich entscheidend davon ab, ob man die bereicherungsrechtliche R ü c k a b wicklung grundsätzlich auf das konkret erlangte Etwas oder aber die Bereicherung und damit die Vermögensauswirkungen beim Bereicherungsschuldner bezieht. Bestimmt man, wie oben dargelegt, das Erlangte gegenständlich, so erscheint es konsequent, den objektiven Wert des Erlangten zugrundezulegen und nicht darauf abzustellen, welche Vorteile der Schuldner aus ihm gezogen hat. Dementsprechend bildet der gewöhnliche, gemeine Wert die Obergrenze des Wertersatzes. 2 3 3 Auch unter darlegungs- und beweisrechtlichen Aspekten ist dies vorzugswürdig, da der Bereicherungsgläubiger regelmäßig nur diesen ermitteln kann, während ihm eine subjektive Wertbestimmung unter Zugrundelegung der konkreten Verhältnisse beim Schuldner nicht möglich ist. 234

230 Entsprechend versuchen die Vertreter der subjektiven Auffassung, dem Bereicherungsgläubiger mit Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen bzw. mit Beweiserleichterungen zu helfen, vgl. Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 51 I 4; Erman/H.P.Westermann, § 818 Rn 18; Koppensteiner/Kramer, S. 173. 231 Reuter/Martinek, § 16 III 3; Koppensteiner/Kramer, S. 169; Erman/H.P.Westermann, § 818 Rn 17, treten diesem Einwand entgegen und verweisen darauf, daß § 818 II B G B gegenständlich zu bestimmen sei und damit § 818 III B G B dann Anwendung finde, wenn es um die bereicherungsrechtliche Berücksichtigung von Aufwendungen und Veräußerungskosten gehe. Offensichtlich dürfte jedoch sein, daß § 818 III B G B ursprünglich eine wesentlich umfassendere Bedeutung zugedacht war. 232 Vgl. dazu MünchKomm/Lieb, § 818 Rn 35; Larenz, Festschrift v. Caemmerer, S. 209, 228; Goetzke, AcP 173,289, 311; Sack, Festschrift Hubmann, S. 3 8 1 ; G « r s ^ , J R 1972,281; vgl. auch Koppensteiner, N J W 1971, 1775. 233 V. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 356ff = Gesammelte Schriften I, S. 209, 232; Gursky, J R 1972, 279, 280; Mestmäcker, J Z 1958, 521, 523; König, Festschrift v. Caemmerer, S. 206; ders., Gutachten, S. 1515, 1560ff; Larenz, Schuldrecht II, § 70 I; ders., Festschrift v. Caemmerer, S. 209; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 719; MünchKomm/Lieb, § 818 Rn 16, 34; Jauernig/Schlechtriem, § 818 Rn 14; Köhler, AcP 190, 533; Soergel/Mühl, § 818 Rn 31, 33; für Immaterialgüterverletzungen Delahaye, G R U R 1985, 856, 858; Benkard/Rogge, § 139 Rn 85; Sack, Festschrift Hubmann, S. 380. 234 Vgl. zum beweisrechtlichen Hintergrund von §§ 818 II und III B G B S. 143.

B.

Bereicherungsrecht

177

Eine Gewinnhaftung des Bereicherten 235 über den objektiven Wert hinaus, wie sie aus der subjektiven Theorie folgt, 236 erscheint auch nicht sachgerecht. Denn die Gewinnerzielung hängt davon ab, wie der Bereicherungsschuldner das Erlangte konkret einsetzt. Zwar ist die Überlassung der Sache Voraussetzung für den vom Bereicherten erzielten Gewinn, dieser ist aber vorrangig auf ihren besonderen Einsatz zurückzuführen. Der Bereicherungsgläubiger wird auch nicht unbillig benachteiligt, denn er hätte regelmäßig im Verkehr auch nur den objektiven Wert für das Erlangte, sei es eine Gebrauchsüberlassung oder Dienstleistung, erzielt. Im Gegenteil würde die Gewinnherausgabepflicht zu einer unverhofften Verbesserung der Lage des Bereicherungsgläubigers führen. 2 3 7 Es ist daher richtig, den Gewinn beim Bereicherungsschuldner zu belassen. 238 In den dargelegten Nutzungsfällen ist somit danach zu differenzieren, ob es sich um eine Gebrauchsüberlassung, die als ein selbständig erlangtes Etwas zu qualifizieren ist, oder aber um eine Nutzungsherausgabepflicht nach § 818 I BGB handelt. 239 In den Gebrauchsüberlassungs- und Dienstleistungsfällen, entsprechendes gilt auch für die Lizenzfälle etc., ist von dem faktisch in Anspruch genommenen Recht auszugehen und der objektive, also der gemeine Wert zugrundezulegen. Regelmäßig ist damit auf den üblichen Mietzins, die übliche Vergütung abzustellen. Die Bemessung des Wertersatzes für konkret gezogene Nutzungen nach § 818 I BGB birgt Schwierigkeiten in sich, da ihnen der Gedanke der Eigennutzung zugrunde liegt und die Eigennutzung gerade nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs ist, sondern nur die Fremdnutzung. Bei ihrer Bewertung kann auf die oben dargelegten Bewertungskriterien für gezogene Nutzungen zurückgegriffen werden. 240 Dabei ist zu beachten, daß die gezogenen N u t zungen nicht mit dem erwirtschafteten Gewinn identisch sein müssen und

235

Zur Begründung der Gewinnhaftung werden unterschiedlichste Überlegungen und Konstruktionen herangezogen, die hier im einzelnen nicht erörtert werden können. 236 Erman/H.P. Westermann, §818 Rn 18, 20; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 5 1 1 4; Kleinheyer, JZ 1961, 473, 477; Wilhelm, AcP 181, 555, 563; Koppensteiner/Kramer, Bereicherungsrecht, S. 155, 169; Kellmann, S. 71 ff; Haines, S. 121,127ff; Ostendorf, S. 87ff; Roth, Festschrift Küchenhoff, S. 377; Reuter/Martinek, S. 538ff; Reeb, S. 96; auf anderer Grundlage auch Jakobs, Eingriffserwerb, S. 128ff. 237 V. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 360 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 236, sieht in der Gewinnherausgabe eine Sanktion für deliktische Eingriffe. 238 Im übrigen hat der Gläubiger dann, wenn es sich um eine unechte Geschäftsführung nach § 687 II BGB handelt, gegen den Geschäftsführer einen Anspruch auf Herausgabe des Gewinns nach §§ 681, 667 BGB. 239 Anders Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 51 I 1 e, die prinzipiellen Unterschiede zwischen Fremdnutzung, Eigennutzung und Verwertung negierend. 240 Vgl. dazu S. llOff.

178

§4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

zwischen den Gebrauchsvorteilen und den mit ihrer Hilfe erwirtschafteten weiteren Gewinnen zu differenzieren ist. 2 4 '

C. Eigentümer-Besitzer-

Verhältnis

Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis beschäftigt sich mit dem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz und damit auch mit dem Auseinanderfallen von dem Eigentümer zugeordneter Herrschaftsmacht und tatsächlicher Nutzungsmöglichkeit durch den Besitzer. F ü r die rechtliche Qualifizierung und Einordnung der Nutzungsmöglichkeit als solcher ist deshalb von Interesse, wie der Tatsache Rechnung getragen wird, daß der Besitzer die an sich dem Eigentümer zukommende Nutzungsmöglichkeit der Sache hatte. 2 4 2 D e r Zugriff auf eine fremde Sache unter Anmaßung einer Nutzungsberechtigung hat regelmäßig zur Folge, daß aufgrund Delikts- bzw. Bereicherungsrechts eine entsprechende Nutzungsentschädigung bzw. ein Wertersatz zu leisten ist. 2 4 3 D i e Haftung nach den allgemeinen deliktischen und bereicherungsrechtlichen Regeln wird durch die §§ 9 8 7 f f B G B jedoch in Fällen besonderer Schutzwürdigkeit des Besitzers beschränkt, die unter anderem auch die Nutzungsfrage modifizierend regeln. 2 4 4 Ihnen liegt der Gedanke einer durch die Störung der Güterzuweisung begründeten Zustandshaftung zugrunde. 2 4 5 D a auf die Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses über die Herausgabe der N u t z u n g e n in weitem Rahmen, so insbesondere in § 292 B G B , beim Rücktritt gemäß § 347 B G B , bei der Wandelung gemäß §§ 467, 347 B G B , bei 241 Vgl. dazu die Überlegungen des B G H , N J W 1978, 1578; B G H Z 63, 365 = N J W 1975, 638, die sich allerdings auf die Rückabwicklung im Rahmen von § 987 B G B beziehen. Siehe auch MünchKomm/Lieh, § 818 Rn 16; RGRK/Heimann-Trosien, § 818 Rn 8; krit. Staudinger/ Lorenz (1999), § 818 Rn 12; Koppensteiner/Kramer, S. 126. 242 Die Darstellung beschränkt sich deshalb auf die Regeln zur Nutzungsherausgabe und ihren Hintergrund, ohne den vielfältigen Fragen zum Anwendungsbereich des EigentümerBesitzer-Verhältnisses näher nachzugehen, vgl. dazu ausführlich Michalski, Festschrift Gitter, S. 577ff; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 Rn 35ff; Baur/Stürner, § 11 Rn 33 ff. 243 Vgl. dazu S. 166ff, 194ff. 244 Michalski, Festschrift Gitter, S. 577, 634; Soergel/Mühl, Vor § 987 Rn 2; Staudinger/ Gursky (1999), Vor § 987 Rn 4; Wieling, M D R 1972, 645; M. Wolf, N J W 1987,2649. Insbesondere über das Verhältnis zu den deliktischen und bereicherungsrechtlichen Vorschriften besteht Streit. In der Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Literatur werden die Eigentümer-Besitzer-Regeln, von einigen Ausnahmen abgesehen, als abschließende Sonderregelung verstanden, R G Z 163, 348, 352; B G H Z 41, 157, 158; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 9 8 7 Rn 35; Wieling, Sachenrecht, § 12 II 3f, IV 12; Baur/Stürner, § 11 Rn 34; Soergel/Mühl, Vor § 987 Rn 3, 14ff; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 595; Müller, JuS 1983, 516ff. Anders Pinger, S. 44, 131, 202, der in den Eigentümer-Besitzer-Regeln haftungsverschärfende Normen sieht; vgl. auch E. Wolf, Sachenrecht, § 6 A VII. 245 Michalski, Festschrift Gitter, S. 577, 640; Pinger, S. 143ff, 149f; Reuter/Martinek, % 7 III 1; grundsätzlich v. Caemmerer, Festschrift Rabel, S. 333, 352 = Gesammelte Schriften I, S. 209, 229.

C.

Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

179

der ungerechtfertigen Bereicherung gemäß §§ 818 IV i.V.m. § 292, 819 BGB, und beim Erbschaftsbesitz gemäß §§ 2023, 2024 BGB, verwiesen wird, 246 kommt diesen Regeln eine besondere Rolle für die Analyse und rechtliche Einordnung der Nutzungsmöglichkeit auf der einen Seite und den tatsächlich gezogenen Nutzungen auf der anderen Seite zu. Wird die Haftung bereits an die vorübergehende Nutzungsmöglichkeit der Sache durch den Besitzer angeknüpft oder aber ist sie vom tatsächlichen Gebrauch, der Ziehung von Nutzungen, insbesondere auch von Gebrauchsvorteilen, abhängig? Von besonderem Interesse ist dabei, ob die oben dargelegten Unterschiede zwischen der Nutzungsmöglichkeit aufgrund umfassender Herrschaftsmacht und der aufgrund eines beschränkten Nutzungsrechts hier eine Entsprechung finden. 247

I. Grundlage

und Intention

der

Eigentümer-Besitzer-Regeln

Die Regeln zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sind durch einen dreistufigen Aufbau gekennzeichnet: 248 Die Haftung des redlichen Besitzers, §§ 988, 993 BGB, des Prozeßbesitzers, §§ 987, 989 BGB, dem der unredliche/bösgläubige Besitzer nach § 990 BGB gleichgestellt ist, und des deliktischen Besitzers, § 992 BGB. Dementsprechend ist auch die Frage der Herausgabe von Nutzungen je nach Fallgruppe unterschiedlich geregelt. Zu einem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz kommt es insbesondere, wenn der Besitzer die Sache dem Eigentümer im Rahmen eines deliktischen Eingriffs durch verbotene Eigenmacht entzieht. Auf eine gesonderte Regelung dieser Fälle zielen die §§ 987ff BGB jedoch gerade nicht ab. 249 § 992 BGB hebt deshalb die Sperrwirkung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses auf, wenn der Besitzer sich die Sache durch verbotene Eigenmacht oder eine Straftat verschafft hat. Aufgrund dieser Rechtsgrundverweisung 250 auf die deliktischen Regeln ist in diesen Fällen eine Nutzungsentschädigung wegen Anmaßung eines Nutzungsrechts zu leisten 251 und es besteht daneben ein entsprechender Bereicherungsanspruch. 252 246

Dhonau, S. 148, spricht insoweit von Institutsverweisungen. Vgl. d a z u oben S. 75ff, 123ff, 137ff. 248 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 11 R n 5 ff. 249 Motive III, S. 410f = Mugdan I I I , S. 228f; MünchKomm/Medicus, § 992 R n 1; Staudinger/Gursky (1999), § 992 R n 1. 250 Staudinger/Gursky, § 992 R n 1; Köhl, S. 167; Wieling, Sachenrecht, § 12 III 5 d; Brox, J Z 1965, 516, 517ff; AltKommBGB/Joerges, § 992 R n 2; Soergel/Mühl, § 992 R n 8; Jauernig/ Jauernig, § 992 R n 4; Palandt/Bassenge, § 992 R n 2; a.A. R G Z 117, 423, 425; RGRK/Johannsen, § 992 R n 12. Entsprechend ist auch f ü r eine H a f t u n g w e g e n verbotener Eigenmacht g e m ä ß § 823 B G B Verschulden erforderlich, vgl. dazu Staudinger/Gursky, § 992 R n 10; Baur/Stürner, § 11 R n 8; Jauernig/Jauernig, § 994 R n 4; Schwab/Prütting, R n 541; Kindl, J A 1996, 115, 116; a.A. MünchKomm/Medicus, § 992 R n 5. 251 Vgl. d a z u S . 194 ff, 210 ff. 252 Vgl. d a z u S. 166 ff. 247

1 8 0 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

Primäres Regelungsziel der Vorschriften der §§ 987ff BGB ist das Verhältnis des Eigentümers zum redlichen Besitzer bzw. zum Prozeßbesitzer, dem der unredliche gleichgestellt wird. Zu gutgläubigem Besitz bzw. Prozeßbesitz kommt es insbesondere dann, wenn ein gutgläubiger Eigentumserwerb von einem nichtberechtigten Dritten - insbesondere auf Grund von § 935 BGB scheitert oder in Fällen, in denen auch das dingliche Erwerbsgeschäft von der Nichtigkeit, etwa wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit, erfaßt wird. 253 Warum der Gesetzgeber sein besonderes Augenmerk gerade auf diese selten vorkommenden Fälle254 gerichtet hat, läßt sich nur historisch erklären. Der erstrebte Schutz des gutgläubigen Besitzers spielte im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle, weil das gemeine Recht, dem römischen Recht folgend,255 keinen gutgläubigen Erwerb des Eigentums kannte,256 sondern von dem Grundsatz ausging, daß niemand mehr Rechte einräumen könne, als er habe.257 Eigentum konnte der gutgläubige Besitzer nur im Wege der Ersitzung erwerben, die einen dreijährigen gutgläubigen Besitz bei beweglichen und einen 10 bzw. 20 jährigen gutgläubigen Besitz bei unbeweglichen Sachen voraussetzte.258 Auch der erste Teilentwurf zum BGB von Johow sah für bewegliche Sachen nur in ganz eng beschränktem Rahmen einen gutgläubigen Eigentumserwerb vor259 und verwies im übrigen auf die Möglichkeit, das Eigentum nach 3 Jahren zu ersitzen.260 Damit bestand in wesentlich weiterem Umfang als nach der Einführung des gutgläubigen Erwerbs im BGB die Gefahr, daß man im Verkehr „irrthümlicherweise Sachen erwirbt, welche dem Veräußerer nicht gehören, oder zur deren Veräußerung derselbe, obgleich Eigenthümer, nicht legitimiert ist."261 Auch wenn im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens im Interesse eines wirtschaftlichen Güterverkehrs der gutgläubige Erwerb Aufnahme in das Gesetz fand262 und damit einem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz weitgehend entgegengewirkt wurde

253 Vgl. Westermann/Pinger, Sachenrecht, 6. Aufl., § 31 II 2 c; Westermann/Gursky (1999), § 3 1 1 3 ; vgl. d a z u S . 181 ff, 185ff. 254 Medicus, Bürgerliches Recht, R n 573; MünchKomm/Medicus, Vor § 987 R n 3. Bedeutung hat neuerdings die H e r a u s g a b e gezogener N u t z u n g e n insbesondere im H i n b l i c k auf M i e t - und Pachtzinsen bei der Restitution von G r u n d s t ü c k e n in den neuen Bundesländern, vgl. dazu Hollweg, ZIP 1994, 191, 195. 255 Sohm, § 53; Käser, Römisches Privatrecht, § 91 II 2; vgl. auch Schiemann, J u r a 1981, 631, 635. 256 Schiemann, J u r a 1981, 631, 635; Westermann/Pinger, Sachenrecht, 6. Aufl., § 31 II 2 c. 257 Dernburg, Pandekten I, § 194. 258 Windscheid, Pandekten, § 180; Dernburg, Pandekten I, § 220. 259 § 135 des E n t w u r f s von Johow z u m Sachenrecht sah einen gutgläubigen E r w e r b von beweglichen Sachen nur bei E r w e r b einer Sache in einer öffentlichen Versteigerung, bei Geld oder Inhaberpapieren u n d bei Erzeugnissen u n d sonstiger Ausbeute einer Sache vor. 260 Vgl. auch § 139 des E n t w u r f s z u m Sachenrecht von Johow u n d seine B e g r ü n d u n g , S. 745. 261 Dernburg, Pandekten I, § 194. 262 Vgl. d a z u die Motive III, S. 341 ff = Mugdan I I I , S. 189ff.

C. Eigentümer-Besitzer-

Verhältnis

181

- im wesentlichen verbleiben nur noch die Fälle des § 935 B G B sind die Eigentümer-Besitzer-Regeln doch noch durch diese, das gemeine Recht im 19. Jahrhundert beherrschende Rechtslage geprägt. 263 Entsprechend zielen die Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses darauf ab, den gutgläubig von einem Nichtberechtigten erwerbenden Besitzer zu schützen 2 6 4 und die Rechtsbeziehungen der Parteien während des Rechtsstreits um das Eigentum an der Sache vor Gericht zu regeln. 265 Die Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gehen deshalb primär vom Eigenbesitz aus, also davon, daß der Besitzer die Sache für sich selbst aufgrund eines irrtümlich angenommenen Eigentumsrechts besitzt. 2 6 6 Wie § 988 B G B und § 991 B G B zeigen, wurde im Gesetzgebungsverfahren jedoch auch der Fremdbesitz miteinbezogen, wobei § 991 I B G B den Schutz des mittelbaren Besitzers im Auge hat. 2 6 7

II. Der redliche

Besitzer

1. Redlicher entgeltlicher Erwerb von einem Dritten D i e Rechtslage beim redlichen Besitz ist - wie gesehen - dadurch geprägt, daß der Besitzer davon ausgeht, Eigentum an der Sache erworben zu haben und dementsprechend mit ihr nach gusto umgehen zu können. D a er jedoch gleichzeitig in das Eigentumsrecht eines anderen eingreift, stellt sich die Frage, ob der Eigentümer gegen den redlichen Besitzer wegen der zeitweiligen Nutzungsmöglichkeit der Sache einen Anspruch auf einen Ersatz oder ei263 Westermann/Pinger, Sachenrecht, 6. Aufl., § 31 II 2 c; Schiemann, Jura 1981, 631, 635; Sohm, § 54, 52 I, 53 II; Wieling, M D R 1972, 645, 646. 264 Motive Iii, S. 394f = Mugdan III, S. 219; Protokolle, S. 3982 = Mugdan III, S. 678; vgl. dazu auch Wieling, AcP 169, 137ff; ders., M D R 1972, 645, 646; Müller, Sachenrecht, Rn 460. Diese Vorschriften wurden deshalb auch in § 180 des Vorentwurfs und in § 930 des ersten Entwurfs an den Beginn gestellt; a.A. Pinger, S. 20, 131 ff. 265 Raiser, J Z 1961, 529, 531, sieht in ihnen eine „Notordnung". 266 j } e r £ n t w u r f Johows zum Sachenrecht bezog sich nur auf den Eigenbesitzer, § 180; B G H Z 31, 129, 134; Erman/Hefermehl, Vor § 987 Rn 1; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 Rn 28; Wieling, Sachenrecht, § 12 II 2 c. 267 Erman/Hefermehl, Vor § 987 Rn 1; Staudinger/Gursky (1999), § 991 Rn 3. Die Einbeziehung auch des Fremdbesitzers ist dabei nicht vollständig gelungen, MünchKomm/Medicus, § 991 Rn 1; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 Rn 28, und führt deshalb zum Teil zu Problemen wie etwa beim Fremdbesitzerexzeß. Hier ist man sich weitgehend einig, daß das Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses der Anwendung des § 823 B G B nicht entgegensteht; R G Z 101, 307, 310; 157, 132, 135; B G H N J W 1951, 643; M. Wolf, N J W 1987, 2649; MünchKomm/Medicus, Vor § 987 Rn 11, § 993 Rn 13; Baur/Stürner, § 11 Rn 27; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 Rn 28. Schiemann, Jura 1981, 631, 637; Köhl, S. 179, ziehen dabei zur Begründung § 991 II B G B heran. Härder, Festschrift Mühl, S. 273 ff, meint unter Verweis auf die Protokolle III, S. 347, eine Regelung der Schadensersatzfrage sei nur hinsichtlich des Eigenbesitzers erfolgt, nicht aber auch hinsichtlich des Fremdbesitzers.

182

§4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

nen Ausgleich hat. Der Gesetzgeber hat diese Frage zugunsten des redlichen Besitzers entschieden und ihm in § 993 BGB ein Haftungsprivileg eingeräumt. 268 Soweit es sich nicht um Ubermaßfrüchte handelt, wird eine Bereicherungshaftung hinsichtlich des angemaßten Nutzungsrechts 2 6 9 und eine Schadensersatzpflicht nach § 993 BGB ausgeschlossen. Den Grund für die Haftungsbeschränkung sah man darin, daß „der Besitzer, welcher Grund hatte, die Sache für die seinige zu halten, (wollte) bei der Verwaltung, Nutzung, Veräußerung derselben lediglich innerhalb seiner vermeintlichen Befugniß handeln" wollte; „er hatte vor der Klagerhebung keinen Anlaß, die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß die Sache nicht ihm, sondern einem anderen gehöre." 270 Ziel des § 993 BGB ist es, den redlichen Besitzer für seine gute oder schlechte Behandlung der Sache außer Verantwortung zu setzen und ihm auch die Vorteile zu belassen, welche er aus der Sache, z.B. durch deren Gebrauch, Vermietung oder Verpachtung, gezogen hat. Der Besitzer soll, was für den dem Gesetzgeber vorschwebenden Fall sachlich gerechtfertigt erscheint, 271 vor einer nicht absehbaren Inanspruchnahme durch den Eigentümer geschützt werden. Einer Herausgabepflicht der vom Besitzer im Vertrauen auf sein Eigentum gezogenen Nutzungen wie einer Ersatzpflicht wegen der Einwirkungen auf die Sache steht dabei insbesondere entgegen, daß der Besitzer dem Eigentümer seinerseits keine entsprechenden Gegenpositionen, wie insbesondere die für den Erwerb der Sache aufgewandten Mittel, entgegenhalten kann. 272 Das Vertrauen des Besitzers in seine „Eigentümerstellung" wird geschützt und ihm nicht die Pflicht auferlegt, eine Entschädigung für das in der Zwischenzeit angemaßte Nutzungsrecht oder aber Ersatz für die gezogenen Nutzungen zu leisten. Eine Ausnahme gilt allein für die Ubermaßfrüchte, die, obgleich Sachfrüchte nach § 99 I BGB, materiell und wirtschaftlich nicht einen Ertrag, sondern einen Zugriff auf die Substanz

268

Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 R n 4, § 993 R n 1; MünchKomm/Medicus, § 993 R n 1; Müller, JuS 1983, 516, 517; Palandt/Bassenge, § 993 R n 1; Wieling, Sachenrecht, § 12 III 6; a.A. Finger, S. 44, 131. 269 Soweit m a n nicht davon ausgeht, daß eine Bereicherungshaftung aus Eingriffskondiktion bereits wegen des Vorliegens eines Leistungsverhältnisses zu einem Dritten ausgeschlossen ist, vgl. Pmger, S. 17f, 51 F u ß n o t e 263; krit. Staudinger./Gursky (1999), Vor § 987 R n 5. 270 Johow, Sachenrecht, S. 894, in seiner B e g r ü n d u n g zu § 180; vgl. auch die Motive I I I , S. 401 = Mugdan I I I , S. 223; vgl. auch Wieling, M D R 1972, 645, 646. 271 Wieling, A c P 169, 137. 272 Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 R n 4; v. Caemmerer, Festschrift Boehmer, S. 145, 154 F u ß n o t e 42 = Gesammelte Schriften I, S. 295, 308. Köhl, S. 226 ff, sieht in d e m N u t z u n g s behaltungsrecht eine „ M i n i m a l f o r m gutgläubigen E r w e r b s " . A.A. ist Pinger, S. 44ff; ders., J R 1973,268ff; ders., M D R 1974,184; Westermann/Pmger, Sachenrecht, 6. Aufl., § 31 II 2 b, c, der den Sinn u n d Z w e c k der Eigentümer-Besitzer-Regeln in einer H a f t u n g s v e r s c h ä r f u n g sieht. Eine N u t z u n g s h e r a u s g a b e v e r p f l i c h t u n g des redlichen Besitzers scheitert nach ihm regelmäßig an der Nachrangigkeit der E i n g r i f f s k o n d i k t i o n bei Leistungsverhältnissen, Pinger, S. 17f, 51 F u ß n o t e 263; krit. Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 R n 5.

C. Eigentümer-Besitzer-

Verhältnis

183

darstellen.273 Für eine solche Substanzminderung haftet der Besitzer deshalb nach bereicherungsrechtlichen Regeln. 2. Redlicher unentgeltlicher

Erwerb

Demgegenüber erscheint der redliche Erwerber bei einem rein lukrativen unentgeltlichen Erwerb weniger schutzwürdig. Die Regelung des § 988 BGB sieht deshalb - aus ähnlichen Wertungsüberlegungen wie bei § 816 BGB eine Herausgabe der Nutzungen nach Bereicherungsrecht vor.274 Die Herausgabepflicht knüpft dabei an die tatsächlich gezogenen Nutzungen, Früchte wie Gebrauchsvorteile, und nicht an ein angemaßtes Nutzungsrecht. Die Anknüpfung an die Nutzungen und nicht etwa an die zeitweilige Nutzungsmöglichkeit als solche erklärt sich dabei daraus, daß der Eigenbesitzer davon ausgeht, daß ihm die unbeschränkte Herrschaftsmacht über die Sache zukommt und er nicht nur ein beschränktes Nutzungsrecht an ihr hat. Die Nutzungsmöglichkeit der Sache erscheint ihm deshalb nur als Teil des sich aus der Sache ergebenden Potentials und verkörpert aus seiner Sicht für ihn noch keine eigenständige Vermögenswerte Position neben der Sache selbst.275 Einen selbständigen, durch die Nutzungsmöglichkeit der Sache vermittelten Wert stellen für ihn erst die konkret gezogenen Nutzungen, die Früchte und Gebrauchsvorteile, dar, auf deren Herausgabe bzw. Wertersatz deshalb die Haftung begrenzt ist. Der redliche Besitzer - ob Eigen- oder Fremdbesitzer 276 wird deshalb nach § 988 BGB nur zur Herausgabe tatsächlich realisierter Vorteile verpflichtet angesehen.277 Festzuhalten bleibt dabei, daß sich zugunsten des redlichen unentgeltlichen Besitzers die Herausgabe- bzw. Wertersatzpflicht nach § 988 BGB nicht an der angemaßten Rechtsposition, sondern an den von ihm konkret realisierten Vorteilen, den tatsächlich gezogenen Nutzungen, orientiert, die nach Bereicherungsrecht herauszugeben sind.

273 MünchKomm/Medicus, § 993 Rn 1, 5; Staudinger/Gursky (1999), § 993 Rn 3; Pinger, S. 20; Waltjen, AcP 175,128ff. O b auch übermäßige Gebrauchsvorteile herauszugeben sind, ist umstritten, abl. Staudinger/Gursky (1999), § 993 Rn 7; Goldmann/Lilienthal, § 51 Fußnote 6; a.A. Waltjen, AcP 175, 109, 131, soweit der zweckentfremdende Gebrauch zu einer noch vorhandenen Bereicherung geführt habe. 274 Protokolle, S. 3984 = Mugdan III, S. 679; Staudinger/Gursky (1999), § 988 Rn 2; MünchKomm/Medicus, § 988 Rn 1. 275 Vgl. dazu S. 81 ff. 276 Beim Fremdbesitzer erscheint die Anwendung nicht unproblematisch, weil der Wert der gezogenen Früchte und Gebrauchsvorteile über den Wert des - unentgeltlich erlangten Gebrauchsrechts hinausgehen kann, wie dies bei landwirtschaftlicher Nutzung regelmäßig der Fall ist, vgl. dazuS. 190f. 277 Im Rahmen von § 818 III BGB können die Kosten und Lasten der Fruchtziehung wie auch die Aufwendungen der Ziehung der Gebrauchsvorteile in Anrechnung gebracht werden, Staudinger/Gursky (1999), § 988 Rn 12.

184 §4 Nutzungsmöglichkeit,

3. Redlicher

Nutzungsrechte,

Erwerb und

Nutzungen

und ihre

Rückahwicklung

Leistungskondiktion

In den Fällen, in denen das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis seine Grundlage in einer fehlgeschlagenen Eigentumsübertragung durch den Eigentümer selbst hat, kommt es zu Konkurrenzproblemen mit der Leistungskondiktion. Denn im Gegensatz zu § 993 BGB sind nach §§ 812, 818 I BGB die gezogenen Nutzungen herauszugeben. 278 Da Ausgangspunkt für die Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses der Erwerb vom Nichtberechtigten ist - die gesamten Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bauen darauf auf, daß zwischen den Parteien bisher kein rechtlicher Kontakt bestand und der auf sein Eigentumsrecht vertrauende Besitzer vor den Ansprüchen des Eigentümers als Drittem geschützt werden soll 279 - , sind die Eigentümer-BesitzerRegeln restriktiv zu interpretieren und nur in diesen Fällen als abschließend anzusehen. Demgegenüber sind die Fälle, in denen der dingliche Erwerb nichtig ist, weil der Erwerber etwa aufgrund mangelnder Geschäftsfähigkeit des Veräußerers nur den Besitz und nicht das Eigentum erlangt hat, „atypisch". Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zielt nicht darauf ab, gescheiterte Rechtsverhältnisse abzuwickeln. 280 Die Regelung des § 993 BGB ist insoweit restriktiv auszulegen und nicht als abschließend anzusehen. 281 Vgl. dazu S. 150ff. Anders Pinger, S. 44, 53 ff, 100 ff; ders., MDR 1974, 184; Westermann/Pinger, Sachenrecht, 6. Aufl., § 31 II 2 b; E. Wolf, Sachenrecht, § 6 A VIII a, b 8, die grundsätzlich von einer Gesetzeskonkurrenz ausgehen, was jedoch kaum mit dem Wortlaut von § 993 BGB und der Gesetzgebungsgeschichte vereinbar ist, Motive III, S. 402 = Mugdan III, S. 224; Wieling, MDR 1972, 645ff; ders., AcP 169, 137, 139ff; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 Rn 5; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 31 I 3. 280 Hager, JuS 1987, 877, 879f; v. Caemmerer, Festschrift Böhmer, S. 145ff, 154 Fußnote 54 = Gesammelte Schriften I, S. 295, 308. 281 Hager, JuS 1987, 877, 879f; Palandt/Bassenge, § 988 Rn 8; Baur/Stürner, § 11 Rn 38; Schwab/Prütting, Rn 568; M. Wolf, NJW 1987, 2649; M. Wolf, Sachenrecht, Rn 205; Wolff/ Raiser, § 85 II 6; Erman/Hefermehl, § 988 Rn 6; MünchKomm/Medicus, § 988 Rn 9, § 993 Rn 7; Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987, Rn41ff; Raiser, Festschrift Wolff, S. 140. Dies wird zum Teil damit begründet, daß sich die Ausschlußwirkung auf die Eingriffskondiktion beschränke, so Erman/Hefermehl, Vor § 987 Rn 17; Soergel/Mühl, Vor § 987 Rn 14, 16 f; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 600; krit. Mühl, AcP 176, 396, 397f; Batsch, S. 9. Zum Teil werden die jeweiligen Regeln als ausschließlich angesehen, Reuter/Martinek, § 20 I 2 c cc, S. 681 ff; Emmerich, Verhältnis der Nebenfolgen, S. 58f, 102ff; Köhl, S. 265; Waltjen, AcP 175, 109f; v. Caemmerer, Festschrift Böhmer, S. 145 ff, 154 Fußnote 54 = Gesammelte Schriften I, S. 295 ff, 308. Anders die Rechtsprechung, die vom Ausschließlichkeitsdogma ausgeht, in diesen Fällen aber den rechtsgrundlosen Besitz dem unentgeltlichen Besitz gleichstellt und über § 988 BGB zur Anwendung von Bereicherungsrecht kommt, RGZ (Gr. Senat) 163, 348, 353; BGHZ 32, 76, 94; 37, 363, 365; 71, 216, 226; BGH NJW 1983, 164; 1995, 2627, 2628. Dadurch würde dem Eigentümer jedoch dann, wenn der Erwerber seinerseits die Sache unwirksam an einen Dritten veräußert, entgegen den Regeln im Dreipersonenverhältnis eine Durchgriffsmöglichkeit gegen den Dritten eröffnet, Westermann/Pinger, Sachenrecht 6. Aufl., § 31 II 3 a; MünchKomm/Medicus, § 988 Rn 8. Gegen die Heranziehung von § 988 BGB wenden sich u.a. auch Pinger, AcP 179,313; Schiemann, Jura 1981, 631, 636; Wieling, AcP 169,137,142; Roth, JuS 1997, 897, 899f; Westermann/Gursky (1999), Sachenrecht, § 31 II 2. 278

279

C. Eigentümer-Besitzer-

III. 1.

Der verklagte

Verhältnis

185

Besitzer

Prozeßbesitz

Zwar kommt ähnlich wie der redliche Besitz auch der Prozeßbesitz relativ selten vor, er ist jedoch wegen der häufigen Verweisung auf die Rechtslage nach Rechtshängigkeit von besonderer Bedeutung. 282 Ist der Besitzer auf Herausgabe verklagt und hat diese Klage später auch Erfolg, so ist die Frage zu lösen, welche Konsequenzen es hat, daß der Besitzer während des Prozesses die Nutzungsmöglichkeit der Sache hatte. Wie kann ein Ausgleich erreicht werden und wem sind die Nutzungen zuzuordnen? Die Nutzungsregelung ist dabei wesentlich durch die besondere Rechtslage während der Rechtshängigkeit der Klage geprägt. 283 Mit dem Eintritt der Rechtshängigkeit gemäß § 261 ZPO, regelmäßig der Zustellung der Klage nach § 253 ZPO, muß der bisher redliche Besitzer zum einen Zweifel an seinem Recht an der Sache haben, zum anderen ist jedoch bis zum rechtskräftigen Urteil der Ausgang des Rechtsstreits noch völlig offen, es steht nicht fest, ob der Besitzer die Sache herausgeben muß oder nicht. Im ersten Entwurf hat ]ohow den Vorschlag gemacht, den verklagten Besitzer wie einen Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln. 284 Die Gesetzgebungskommission lehnte eine Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, Mandat oder Sequestration jedoch ab. Auf die Regeln zur Geschäftsführung ohne Auftrag könne nicht zurückgegriffen werden, weil man dem Beklagten während der Zeit des Prozesses wegen der Ungewißheit seines Ausgangs nicht die Rücksichtnahme auf den Kläger als dominus negotii abverlangen könne. Es seien vielmehr die Interessen beider Teile zu wahren. 285 Die Regelungen in den §§ 987ff BGB sind daher von der Uberzeugung getragen, daß die Tatsache, daß überhaupt ein Prozeßbesitz stattgefunden hat und die Sache nicht sofort restituiert worden ist, dem Beklagten nicht angelastet werden kann. Man war jedoch der Überzeugung, daß, auch wenn der Besitzer nicht Vgl. §§ 292, 347, 818 IV i.V.m. 292, 819, 2023, 2024 BGB. Umstritten ist das Konkurrenzverhältnis zur deliktischen Haftung. Während Micbalski, Festschrift Gitter, S. 577, 602ff; Müller, JuS 1983, 519, von einer Anspruchskonkurrenz ausgehen, ist die Anwendung des § 823 BGB ausgeschlossen nach Staudinger/Gursky (1999), Vor § 987 Rn 35, 59ff, 611 ;Soergel/Mühl, § 992 Rn 2, § 993 Rn 1; Palandt/Bassenge, Vor § 987 Rn 23; Jauernig/Jauernig, Vor § 987 Rn 12; Wieling, Sachenrecht, § 12 III 6. Im Hinblick auf die Sondersituation des Prozeßbesitzes erscheint dies auch gerechtfertigt. 284 „Die Durchführung des dinglichen Anspruches erfordert stets eine gewisse Zeit. Wenn während dieser Prozeßzeit der Beklagte besitzt, so ist der Kläger ohne ein den Beklagten im klägerischen Interesse zu einer sorgfältigen Behandlung der Sache anhaltendes Schuldverhältnis gefährdet." Johow, Sachenrecht, S. 898. Bereits im römischen Recht hatte aufgrund eines verpflichtenden Akts, der erzwungen werden konnte, der Schuldner während des Rechtsstreits mit der Sache nach Treu und Glauben zu verfahren, vgl. dazu Johow, Sachenrecht, S. 898 ff; Wacke, Festschrift Hübner, S. 672 ff, 680; Rosenlöcher, S. 38 ff. In diese Richtung auch Savigny, System VI, S. 113,120; Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 1; Wilhelm, AcP 183, lff, 8. 285 Jakobs/Schubert, Sachenrecht I, §§ 854-1017, S. 782 282 283

1 8 6 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

für den Schaden hafte, welcher sich aus dem Aufschub der Restitution während der D a u e r des Rechtsstreits ergebe, eine Fürsorgepflicht des Beklagten gerechtfertigt sei. Diese beziehe sich darauf, daß der obsiegende Kläger hinsichtlich der aus der Sache gezogenen Nutzungen keinen Schaden erleide. Man einigte sich schließlich darauf, dem Beklagten schlechterdings die H e r ausgabe der Nutzungen zur Pflicht zu machen 2 8 6 und insoweit Sonderregeln aufzustellen. Man war sich nämlich über die Einordnung des Prozeßbesitzes wie des unredlichen Besitzes nach den allgemeinen Regeln nicht einig. U m stritten war insbesondere, ob und inwieweit der Prozeßbesitz wie der unredliche Besitz ein Delikt darstellt. 2 8 7 Die Rechtsstellung des Prozeßbesitzers ist dadurch geprägt, daß er mit der Möglichkeit des für ihn ungünstigen Ausgangs des Prozesses rechnen muß, 2 8 8 er durch die Klageerhebung ein entsprechendes „Warnsignal" 2 8 9 erhalten hat. Für die D a u e r des Prozesses bzw. während der Klärung der Eigentumsfrage nimmt der Besitzer deshalb eine Zwitterstellung ein. A u f der einen Seite steht nicht mit abschließender Sicherheit fest, daß der Dritte tatsächlich Eigentümer ist und von ihm die Sache herausverlangen kann, zum andern kann er nicht mehr darauf vertrauen, die Sache behalten zu können, und muß damit rechnen, sie herausgeben zu müssen. 2 9 0 Daraus ergibt sich, daß die Herausgabe- bzw. Wertersatzpflicht für die Nutzungen keine Schadensersatzpflicht wegen einer begangenen Besitzentziehung ist, 2 9 1 sondern es vielmehr um einen Ausgleich für eine zeitweilige Güterverschiebung während des Prozesses geht. 2 9 2 Eine solche ungeklärte, offene Rechtssituation ist im weiteren Sinne für alle Fälle kennzeichnend, auf die die Eigentümer-Besitzer-Regeln verweisen. So betreffen § 292 B G B und § 2023 B G B ebenfalls die Zeit während der Rechtshängigkeit. A u c h das vertragliche Rücktrittsrecht gemäß §§ 346, 347 B G B , auf das § 327 B G B und § 467 B G B verweisen, ist durch eine vergleichbare Si-

Motive III, S. 407f = Mugdan III, S. 227. Motive III, S. 394f = Mugdan III, S. 219f; MünchKomm/Medicus, Vor § 987 Rn 5. Überlegungen zur Rechtslage bei Anwendung der allgemeinen Regeln siehe bei DimopoulosVosikis, S. 5ff; Wieling, M D R 1972, 645, 646. Pinger, M D R 1974, 184ff, sieht demgegenüber in den §§ 987ff B G B keine Schutzvorschriften zugunsten des Eigentümers und begründet damit eine Anspruchskonkurrenz mit den allgemeinen Regeln. Dies wird jedoch den besonderen Regelungsintensionen, die mit dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verfolgt werden, nicht gerecht, vgl. dazu S. 179ff. 288 Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 1; Savigny, System, Band VI, S. 113, 120; Johow, Sachenrecht, S. 898ff; Denkschrift, S. 132 = Mugdan III, S. 978; Wilhelm, AcP 183,1 ff, 8; Roth, JuS 1997, 897. 289 B G H LM § 987 Nr. 3; vgl. auch Soergel/Mühl, § 987 Rn 1, Vor § 987 Rn 2, 3. 2 9 0 Vgl. auch Wacke, Festschrift Hübner, S. 669, 674; Johow, Sachenrecht, S. 899: „Die Prozeßungewißheit ist ein unverschuldeter Ubelstand, welcher beiden Theilen möglichst wenig Nachteile bringen soll." Vgl. auch Motive III, S. 407 = Mugdan III, S. 227. 291 So aber R G Z 93, 281 ff, 284; abl. Ptnger, S. 146. 292 Pinger, S. 149, spricht insoweit von einer Zustandshaftung. 286 287

C. Eigentümer-Besitzer-

Verhältnis

187

tuation geprägt. Denn der Rücktrittsberechtigte, obwohl Eigentümer, weiß, daß ihm die Sache nicht auf Dauer verbleibt und es zur Rückabwicklung kommt, wenn er von seinem Rücktritts- bzw. Wandlungsrecht Gebrauch macht. 293 Er hat deshalb auf die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht zu nehmen.

2. Herausgabe

der Nutzungen

gemäß § 9871 BGB

Bei der Ersatzpflicht könnte man, da der Besitzer - soweit er rechtskräftig zur Herausgabe verurteilt wird - Nichtberechtigter ist und er sich objektiv gesehen ein dem Eigentümer zustehendes Nutzungsrecht angemaßt hat, an die Nutzungsmöglichkeit als solche anknüpfen. Wie sich jedoch aus dem Wortlaut des § 987 I BGB ergibt, stellt das Gesetz auf die gezogenen Nutzungen ab und mißt damit der Tatsache, daß der Besitzer objektiv gesehen über einen bestimmten Zeitraum die Nutzungsmöglichkeit der Sache gehabt hat, keine selbständige Bedeutung bei. Allein die Tatsache, daß der Besitzer die Nutzungsmöglichkeit hatte, löst noch keine von den tatsächlich gezogenen Nutzungen unabhängige Wertersatzpflicht aus. Gemäß § 987 I BGB sind vielmehr zunächst nur die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. zu vergüten. Daß die Ersatzpflicht nicht an die Nutzungsmöglichkeit der Sache durch den Besitzer anknüpft, erklärt sich aus der besonderen Situation des Besitzers während des Prozesses. Der Besitzer, der sich regelmäßig für den Eigentümer, also den berechtigten Eigenbesitzer, 294 hält und dem die Sache während des Prozesses verbleibt, geht von seiner umfassenden Herrschaftsmacht über die Sache aus. Entsprechend ist bei der Ersatzpflicht zu berücksichtigen, daß der Prozeßbesitzer als Eigenbesitzer das umfassende Herrschaftspotential und nicht nur ein beschränktes Nutzungsrecht innehat. Nach dem Eigentumsverständnis des BGB kommt es jedoch erst zu einer Realisierung des Herrschaftspotentials, wenn von diesem konkret Gebrauch gemacht wird, wenn Nutzungen aus der Sache gezogen werden. 295 Deshalb hat der Besitzer nur die gezogenen Nutzungen herauszugeben und nicht etwa ein Nutzungsentgelt für ein angemaßtes Nutzungsrecht zu zahlen. 296

293

Vgl. dazu auch Dhonau,

S. 140ff; Soergel/Huber,

§ 467 R n l f f , 4; vgl. d a z u S. 123ff,

126 ff. 294 Die Eigentümer-Besitzer-Regeln sind auf den Eigenbesitz zugeschnitten, vgl. d a z u S. 179ff; z u m F r e m d b e s i t z siehe S. 190f. 295 Vgl. d a z u S . 1 8 f f . 296 Auf dieser G r u n d l a g e erklärt sich auch, w a r u m die Eigentümer-Besitzer-Regeln nicht geeignet sind, u n w i r k s a m e Gebrauchsüberlassungsverträge r ü c k a b z u w i c k e l n , vgl. dazu Michalski, Festschrift Gitter, S. 577, 587ff.

188 §4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

3. Erstattung schuldhaft nicht gezogener gemäß § 987 II BGB

und ihre

Rückabwicklung

Nutzungen

§ 987 II BGB erweitert die Nutzungshaftung auf die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen. Man könnte meinen, damit werde ein Ausgleich für den Verlust der Nutzungsmöglichkeit geschaffen und die Herausgabepflicht von den tatsächlich gezogenen Nutzungen auf eine allgemeine Entschädigungspflicht erweitert. 297 Die Erweiterung der Haftung erklärt sich jedoch aus der Sondersituation des Prozeßbesitzers. Während des Prozesses bleibt er zwar im Besitz der Sache und kann dementsprechend die Sache zu seinen Zwecken auch nutzen, er hat auf der anderen Seite jedoch auch die Interessen des Eigentümers zu wahren. So hat er durch ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Sache in der Zwischenzeit sicher zu stellen, daß der normale Nutzen aus der Sache gezogen wird. Er nimmt also quasi auch eine „Verwalterstellung" ein. 298 Unterläßt es der Besitzer, Nutzungen zu ziehen, die von ihm ohne weitere Schwierigkeiten nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft erzielbar gewesen wären und deren Ziehung auch nicht unzumutbar erscheint, so verstößt er schuldhaft gegen die Interessen des Eigentümers, insoweit handelt es sich um ein echtes, wenn auch in gewisser Weise typisiertes, Verschulden des Besitzers. 299 Es bezieht sich letztlich auf die dem Besitzer während des Prozesses auferlegte Pflicht zur zumutbaren Rücksichtnahme auch auf die Interessen des Herausgabeklägers. 300 Die Wertersatzpflicht für die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen ist deshalb unabhängig davon, ob auch der Eigentümer die Nutzungen hätte ziehen können. 301 Sie hat zum Ziel, zumindest wertmäßig die Lage herzustellen, die bestehen würde, wenn der Schuldner die Interessen des Eigentümers berücksichtigt hätte und entsprechende Nutzungen gezogen hätte. 302 Verhindert werden soll dabei im wesentlichen, 297 In der Ersatzpflicht für nicht gezogene Nutzungen sehen einen Schadensersatzanspruch etwa Dimopoulos-Vosikis, S. 156; Erman/Hefermehl, § 987 Rn 5; Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 40f; Bufe, JR 1954, 461; RGZ 93, 281, 283 f; 143,374,377. 2,8 Staudinger/Gursky (1999), §987 R n l f ; Larenz, Schuldrecht I, §26, zu §§347 S. 2, 987 II BGB; vgl. zur „Gestorhaftung" auch Pinger, S. 147. Zum Teil wird aus diesen Vorschriften ein Gebrauchsrecht des unredlichen Besitzers abgeleitet, Kohler, Rückabwicklung, 5. 344ff; vgl. auch Wacke, Festschrift Hübner, S. 669, 678. 299 Wieling, Sachenrecht, § 12 IV 2 a, cc; Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 33; Wacke, Festschrift Hübner, S. 669, 672ff; a.A. E. Wolf, Sachenrecht, § 6 A I c 5; Pinger, S. 16f; ders., MDR 1974, 184, 185; Palandt/Bassenge, §987 Rn 8; Westermann/Pinger, Sachenrecht, 6. Aufl., § 32 III 2 a bb. 300 Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn32f; Larenz, Schuldrecht I, § 2 6 Fußnote 21, §§ 347 S. 2, 987 BGB betreffend. 301 Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 32; Münch Komm/Medicus, § 987 Rn 21; Kohler, Rückabwicklung, S. 344; Pinger, MDR 1974, 185; Müller, Sachenrecht, Rn 502. Dies macht im übrigen deutlich, daß es sich nicht um eine Schadensersatzpflicht handelt. 302 Motive III, S. 403 = Mugdan III, S. 224; vgl. auch Roth, AcP 180, 273, 276; Pinger, S. 176; MünchKomm/Medicus, § 987 Rn 19; Kohler, Rückabwicklung, S. 344; Staudinger/ Gursky (1999), § 987 Rn 32.

C. Eigentümer-Besitzer-

Verhältnis

189

daß der Besitzer während des Prozesses eine wirtschaftlich gebotene Nutzung der Sache zu Lasten des Eigentümers in Hinblick darauf, daß er die Nutzungen im Fall der Verurteilung herausgeben muß, unterläßt und z.B. den Acker unbearbeitet oder eine Wohnung leerstehen läßt. Durch die Regelung des § 987 II BGB wird insoweit der Zustand hergestellt, der bei einem den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechenden Verhalten des Besitzers bestehen würde. Soweit es um Sachen geht, die auf die Ziehung von Sach- oder Rechtsfrüchten angelegt sind, wie insbesondere landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, Steinbrüche, Mietobjekte etc., bereitet die Feststellung der Unterlassung der Fruchtziehung nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung 303 unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs in der Regel keine Schwierigkeiten. Bei Gegenständen, die primär Gebrauchsvorteile vermitteln, ist demgegenüber die Anwendung des § 987 II BGB schwierig. Zum einen bestehen häufig verschiedene Möglichkeiten, mit der Sache zu verfahren. Dabei tritt regelmäßig die Ziehung von Gebrauchsvorteilen aus der Sache der Verwertung der - ungenutzten - Sache durch Veräußerung gegenüber. So ist bei Gebrauchsgegenständen zu berücksichtigen, daß - entgegen der Konzeption des § 987 II BGB, die davon ausgeht, daß eine wirtschaftliche Nutzung der Sache gleichermaßen im Interesse von Eigentümer und Besitzer ist304 - der Eigentümer unter Umständen daran interessiert sein kann, daß die Sache gerade nicht genutzt wird, etwa weil mit dem Gebrauch der Sache ein hoher Wertverlust verbunden ist und/oder der Eigentümer wenig oder kaum gebrauchte Gegenstände wesentlich günstiger als nach einer intensiven Nutzung weiterveräußern kann, so insbesondere Maschinen, Möbel, Teppiche etc. 305 Zum anderen ist bei der Anwendung des § 987 II BGB auf die Ziehung von Gebrauchsvorteilen zu beachten, daß die Sache zur Befriedigung der Bedürfnisse des Besitzers dient und dem Besitzer eine weitreichende Entscheidungsfreiheit darüber eingeräumt werden muß, wie er seine Bedürfnisse befriedigt. Auch wenn er im Hinblick auf einen ungünstigen Ausgang des Rechtsstreits die Interessen des Eigentümers zu wahren hat, geht diese Pflicht nicht so weit, daß der Besitzer seine Bedürfnisse im Interesse des Eigentümers in bestimmter Weise zu decken hat. Dies gilt um so mehr, als die Gebrauchsvorteile nicht in natura herausgegeben werden können und den Schuldner eine Wertersatzpflicht für die gezogenen Nutzungen trifft. Nur dann, wenn der Besitzer offensichtlich ungerechtfertigt die Interessen des Eigentümers außer Acht ge303

Müller, Sachenrecht, R n 498; B G H N J W 1958, 1773. Entsprechend ist auch die Risikoverteilung im Gesetz konzipiert, vgl. Wacke, Festschrift Hübner, S. 669, 772; Soergel/Huber, § 467 R n 49. 305 Zur Vereinbarkeit der N u t z u n g mit den Interessen des Eigentümers, B G H N J W 1958, 1774; siehe auch R G Z 145, 79, 83, w o n a c h eine N u t z u n g von Gebrauchsgütern gegen die Interessen des Eigentümers verstoßen u n d nach der W a n d l u n g s e r k l ä r u n g als schuldhaft anzusehen sein kann. 304

1 9 0 §4

Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

lassen hat, obwohl die Ziehung von Gebrauchsvorteilen ohne weiteres möglich und sinnvoll gewesen wäre, kann deshalb § 987 II B G B eingreifen. Zum Teil wird das Unterlassen der Ziehung von Gebrauchsvorteilen, sofern es sich nicht um den Einsatz einer Sache zur Gewinnerzielung handelt, 306 regelmäßig als nicht schuldhaft angesehen, weil die Gebrauchsvorteile bereits im Augenblick ihrer Erlangung ersatzlos, also ohne positive Auswirkung auf die Vermögenslage des Besitzers, untergehen würden. 307 Dabei wird jedoch übersehen, daß mit den tatsächlich gezogenen Gebrauchsvorteilen nicht nur der Wertverlust der Sache durch den Gebrauch erwirtschaftet wird, sondern ihre Bedeutung darüber hinaus geht, worauf ja auch die Regelung des § 987 II B G B hinweist. 308 Entscheidender ist vielmehr, daß die Berücksichtigung der Interessen des Eigentümers nicht soweit geht, daß er Einfluß auf die Art der Bedürfnisbefriedigung beim Besitzer nehmen kann mit der Folge, daß sich ein sparsamer Einsatz der Sache zu Lasten des Besitzers auswirken würde. Eine zur Ersatzpflicht führende Unterlassung der Ziehung von Gebrauchsvorteilen nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft kommt deshalb regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Besitzer die Sache selbst nicht nutzt und - obwohl dies wirtschaftlich angezeigt wäre - auch nicht vorübergehend vermietet oder verpachtet etc.

4. Fremdbesitz Die Regelungen der §§ 987, 990 B G B finden nach der Gesetzeskonzeption, sofern der mittelbare Besitzer gemäß § 991 B G B unredlich oder verklagt ist, auch auf den unmittelbaren Fremdbesitzer Anwendung. 309 Die Rechtsstellung des Fremdbesitzers im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ist dadurch gekennzeichnet, daß ihm in bestimmtem Umfang gegen ein entsprechendes Entgelt von einem Dritten die Nutzungsbefugnis an der Sache eingeräumt wurde, dessen Berechtigung dazu nunmehr in Frage steht. Der Prozeßbesitz des mittelbaren Besitzers führt nicht etwa dazu, daß der unredliche Fremdbesitzer nunmehr dem Eigentümer zu einer entsprechenden Entgeltzahlung verpflichtet wäre. Nach der gesetzlichen Regelung hat er vielmehr - auf der Grundlage seiner Stellung als Fremdbesitzer erscheint dies nicht unproblematisch - dem Eigentümer nach §§ 991, 987 B G B die Nutzungen, Früchte und Gebrauchsvorteile, herauszugeben, wobei er nach § 987 II B G B bei der Nutzung auch die Interessen des Eigentümers zu berücksichtigen hat und für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen haftet. Der Fremdbesitzer gerät dadurch während des Prozesses in einen Interessenwiderstreit. Hat er doch zum Einsatz einer Maschine, B G H N J W 1958, 1773 Nr. 3. Staudinger/Gursky (1999), § 987 Rn 38; Soergel/Huber, % 467 Rn 174; Canaris, Festschrift Lorenz, S. 49 Fußnote 80. 308 Dazu, daß mit den Nutzungen nicht nur die Wertminderung der Sache erwirtschaftet wird, vgl. ausführlich S. llOff und S. 455ff. 3 0 9 B G H W M 1971, 1268; B G H L M Nr. 7 zu § 987. 306

307

C. Eigentümer-Besitzer-

Verhältnis

191

einen aufgrund seines Rechtsverhältnisses mit dem mittelbaren B e s i t z e r dessen Interessen, zum anderen aber auch den Interessen des E i g e n t ü m e r s R e c h nung zu tragen. O f f e n s i c h t l i c h wird dieser Interessenwiderstreit u.a. dann, w e n n der F r e m d b e s i t z e r die Sache aufgrund eines Verwahrungsverhältnisses gegenüber d e m mittelbaren B e s i t z e r besitzt und nicht zur Z i e h u n g v o n N u t zungen berechtigt ist, im Sinne des E i g e n t ü m e r s aber die Z i e h u n g v o n N u t zungen wäre. 3 1 0 D a b e i divergieren die A n s p r ü c h e gegen den Fremdbesitzer. D e r B e s i t z mittler hat einen A n s p r u c h auf N u t z u n g s e n t g e l t , der E i g e n t ü m e r hingegen auf H e r a u s g a b e der N u t z u n g e n . D i e s macht sich z w a r bei G e b r a u c h s v o r t e i len, für die regelmäßig Wertersatz zu leisten ist, weniger bemerkbar, kann aber etwa bei der P a c h t eines G r u n d s t ü c k s , bei der die F r ü c h t e in natura herauszugeben sind, v o n B e d e u t u n g sein. D e n n bei guter E r n t e liegt der Wert der gezogenen F r ü c h t e regelmäßig h ö h e r als das übliche Nutzungsentgelt. 3 1 1 D i e für den E i g e n b e s i t z e r durchaus sachgerechte H a f t u n g auf die H e r a u s g a b e der gezogenen N u t z u n g e n erweist sich deshalb bei der Ü b e r t r a g u n g auf den F r e m d b e s i t z e r als p r o b l e m a t i s c h . D i e E i n b e z i e h u n g des F r e m d b e s i t z e r s kann insoweit nicht als geglückt angesehen werden.

IV. Der unredliche

Besitzer

F ü r die Fälle des unredlichen Besitzes gelten dieselben R e g e l n wie für den P r o z e ß b e s i t z . Als Fälle des unredlichen Besitzes wollten die G e s e t z g e b e r dabei insbesondere die K o n s t e l l a t i o n e n erfaßt wissen, in denen der B e s i t z e r z w a r v o n A n f a n g an bösgläubig war o d e r später v o n dem M a n g e l seines B e sitzrechts erfuhr, er aber nicht u n b e d i n g t K e n n t n i s v o n dem w a h r e n E i g e n t ü mer der Sache und damit v o n der B e r e c h t i g u n g des Herausgabeverlangens hatte. 3 1 2 I n diesen Fällen tritt die Parallelität zu den Fällen des P r o z e ß b e s i t z e s besonders deutlich hervor. A n d e r s als beim P r o z e ß b e s i t z bleibt die H a f t u n g des unredlichen Besitzers wegen Verzugs unberührt. Bei schuldhafter V e r z ö gerung der H e r a u s g a b e an den E i g e n t ü m e r haftet er daher für die Verzugsschäden, insbesondere auch für den Nutzungsausfall b e i m Eigentümer. E i n e Verzugshaftung scheidet mangels Verschuldens dann aus, w e n n sich der B e -

310 B G H WM 1971,1268; B G H LM Nr. 7 zu § 987, der B G H hat hier zumindest kein Verschulden hinsichtlich der nicht gezogenen Nutzungen angenommen. 311 Wobei dem Eigentümer offensteht, ob er von dem Fremdbesitzer die Nutzungen oder aber das von diesem gezahlte Nutzungsentgelt als mittelbare Rechtsfrucht nach § 99 III B G B vom mittelbaren Besitzer herausverlangt. 312 Johow, Sachenrecht, S. 905: „Man kann unredlicher Besitzer sein, ohne auch nur den Eigentümer zu kennen". Die Kenntnis von der Fremdheit des Besitzes wurde bewußt nicht einem Delikt gleichgesetzt, vgl .Johow, Sachenrecht, S. 911. Dabei kann jedoch die Abgrenzung zu Problemen führen.

192

§4 Nutzungsmöglichkeit,

Nutzungsrechte,

Nutzungen

und ihre

Rückabwicklung

sitzer in einem entschuldbaren Irrtum über die Person des Eigentümers befand. 313 V. Fazit Ausgangspunkt der Eigentümer-Besitzer-Regeln ist eine Vindikationslage, ein ungerechtfertigtes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz und damit auch ein Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Herrschaftsmacht. Die Inanspruchnahme und Vorteilsziehung aus der Sache durch den Besitzer stellt objektiv die Anmaßung eines Nutzungsrechts dar, die an sich einen Ausgleich durch Zahlung eines entsprechenden Nutzungsentgelts an den Eigentümer fordern würde. 314 Die Eigentümer-Besitzer-Vorschriften sehen demgegenüber zugunsten des Besitzers Sondervorschriften vor. Der redliche entgeltliche Besitzer wird von einer Ausgleichszahlung völlig freigestellt, der redliche unentgeltliche Besitzer muß nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen, also die auf der Grundlage der faktischen Nutzungsmöglichkeit tatsächlich realisierten Werte herausgeben. Auch die Haftung des Prozeßbesitzers - entsprechendes gilt für den unredlichen Besitzer - wird beschränkt. Angeknüpft wird auch hier nicht an ein unberechtigt in Anspruch genommenes Nutzungsrecht, sondern daran, daß der Prozeßbesitzer, der sich regelmäßig als - berechtigter - Eigenbesitzer betrachtet, Nutzungen gezogen und damit aus der Nutzungsmöglichkeit der Sache konkrete Vorteile erwirtschaftet hat. Die Erstreckung der Haftung auf schuldhaft nicht gezogene Nutzungen erklärt sich aus der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Eigentümers. Indem die Regeln zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis an die tatsächlich realisierten Nutzungen anknüpfen und gerade nicht an das angemaßte Nutzungsrecht als solches, tragen sie der Grundüberzeugung Rechnung, daß die Nutzungsmöglichkeit als Teil einer umfassenden Herrschaftsmacht, die aus einem - hier nicht bestehenden - Eigentumsrecht abgeleitet wird, für sich noch keine selbständige Vermögenswerte Rechtsposition darstellt, sondern eine solche erst in den konkret gezogenen Vorteilen zu sehen ist. Damit wird zugleich die besondere wirtschaftliche Bedeutung der Nutzungen betont. Besonders die Regelung des § 987 II BGB, die Ersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen anordnet, zeigt, daß ihnen Vermögenswert zukommt. Die Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses bestätigen damit, daß der Differenzierung zwischen der Nutzungsmöglichkeit einer Sache auf der einen Seite und der Ziehung von Nutzungen auf der anderen grundlegende Bedeutung zukommt. 313 Motive I I I , S. 409 = Mugdan I I I , S. 228; Biermann, A n m . 6 c; Staudinger/Gursky (1999), § 990 R n 81; Kohler, R ü c k a b w i c k l u n g , S. 79 Fußnote 19. 314 Vgl. z u r Rechtslage beim Eingriff in f r e m d e N u t z u n g s r e c h t e , Patentrechte, U r h e b e r rechte etc. vgl. S. 210ff.

D. Fazit zu Rücktritt,

Bereicherungsrecht,

Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

193

D. Fazit zu Rücktritt, Bereicherungsrecht, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Die Untersuchungen zu Rücktritt, Bereicherungsrecht und EigentümerBesitzer-Verhältnis haben übereinstimmend gezeigt, daß das Gesetz bei der Lösung der Nutzungsproblematik eine differenzierende Betrachtungsweise zugrundelegt und nicht an die Nutzungsmöglichkeit als solche anknüpft. Soweit es sich um Fälle der Eigennutzung handelt, also der Schuldner von einer wirksamen Eigentumsübertragung ausgeht, knüpft die Herausgabepflicht sowohl im Rahmen des Rücktritts, des Bereicherungsrechts wie auch des auf dem Eigenbesitz aufbauenden Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses gerade nicht an die Nutzungsmöglichkeit als solche, sondern an die tatsächlich gezogenen Nutzungen an, §§ 347, 987, 988, 818 I BGB. Der erlangten N u t zungsmöglichkeit der Sache wird damit gerade keine eigenständige Bedeutung beigemessen. Soweit ein konkretes Nutzungsrecht betroffen ist, wird an dieses angeknüpft. Für das Rücktrittsrecht ergibt sich dies unmittelbar aus § 346 BGB. Auch im Bereicherungsrecht zeigt sich, trotz aller Differenzen bei der rechtlichen Einordnung der Gebrauchsüberlassungs-/Gebrauchsanmaßungsfälle, daß es entscheidend auf die vom Bereicherungsschuldner faktisch in Anspruch genommene konkrete Rechtsposition ankommt, sofern man nicht erst auf die gezogenen Nutzungen abstellt. Bei der Bestimmung des Erlangten ist deshalb in Anlehnung an § 346 BGB von dem, wenn auch nicht rechtlich eingeräumten, so doch faktisch in Anspruch genommenen selbständigen N u t zungsrecht auszugehen und nicht von der Nutzungsmöglichkeit als solcher. Festzuhalten bleibt, daß dann, wenn ein absolutes Herrschaftsrecht betroffen ist, bei allen Rechtsinstituten rechtliche Konsequenzen erst an die gezogenen Nutzungen geknüpft werden, während dann, wenn ein verselbständigtes Nutzungsrecht betroffen ist, auf dieses und seinen Wert abgestellt wird. Die Differenzierung ist von grundlegender Bedeutung und zeigt sich auch darin, daß für die Bewertung in Geld bei den Nutzungsrechten einerseits und den gezogenen Nutzungen andererseits von unterschiedlichen Bewertungs- und damit Berechnungsgrundlagen auszugehen ist. An die Nutzungsmöglichkeit einer Sache als solche werden demgegenüber gerade keine rechtlichen Folgen geknüpft.

§ 5 Eigentums- und Immaterialgüterrechtsverletzungen A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit durch § 823 I BGB

einer Sache

Zur besseren Erschließung der rechtlichen Bedeutung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache ist im folgenden der Frage nachzugehen, o b die N u t zungsmöglichkeit einer Sache vom Eigentumsschutz des § 823 I B G B erfaßt wird. In § 823 I B G B wird das Eigentum als subjektives R e c h t geschützt. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang insbesondere, inwieweit auch die N u t zungsmöglichkeit einer Sache, also die Dispositionsfreiheit als solche, unabhängig von einer Integritätsverletzung derselben von dem Schutz des Eigentums durch § 823 I B G B erfaßt wird. Bezieht sich das durch § 823 I B G B geschützte Eigentum nur auf die Sache an sich oder genießt auch die N u t z u n g s möglichkeit der Sache bzw. die Dispositionsfreiheit unabhängig von einer Substanzbeeinträchtigung eigenständigen Schutz im Rahmen von § 823 I BGB? D e r in § 823 I B G B angeordnete Schutz des Eigentums ist von zentraler Bedeutung. Bei ihm handelt es sich um den Modelltyp des generell geschützten subjektiven Rechts, dem auch im H i n b l i c k auf die Bestimmung der sonstigen Rechte eine Leitbildfunktion zukommt. Von den anderen ausdrücklich benannten geschützten Rechtsgütern - Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit unterscheidet sich das Eigentum wesentlich dadurch, daß es sich bei ihm um ein Vermögensrecht handelt und es nicht wie jene immaterieller N a t u r ist. 1 Eigentum ist - wie oben gesehen 2 - die Befugnis des Eigentümers, mit der Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, nach B e lieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Das Eigentumsrecht ist damit durch das negative Ausschließungsrecht und die positive Befugnis, mit der Sache nach Belieben frei zu verfahren, gekennzeichnet. Einig ist man sich dabei darüber, daß immer dann eine Eigentumsverletzung vorliegt, wenn das negative Ausschließungsrecht 3 des Eigentümers berührt wird. Dieses findet in § 823 I B G B seinen zivilrechtlichen Schutz. 4 Eine 1 2 3 4

Möschel, JuS 1977, S. 1 ff. Vgl. S. 75 ff. Vgl. S. 79ff. Vgl. dazu S. 79ff.

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch § 823 I BGB

195

E i g e n t u m s v e r l e t z u n g k a n n darin bestehen, daß in die Rechtsstellung des E i gentümers durch unberechtigte Verfügung ü b e r den G e g e n s t a n d , Belastung oder E n t z i e h u n g der Sache eingegriffen wird. 5 S o l c h e Eingriffe betreffen den K e r n b e r e i c h des E i g e n t u m s r e c h t s und unterfallen dem E i g e n t u m s s c h u t z des § 823 B G B . D a n e b e n k a n n sich der Eingriff auch gegen die Sache selbst richten, i n d e m etwa die Sache in ihrer Sachsubstanz beeinträchtigt wird, sie zerstört o d e r beschädigt wird. A u c h hier wird unzweifelhaft in den dem E i g e n t ü m e r v o r b e h a l t e n e n B e r e i c h eingegriffen und dieser so in seiner E i g e n t ü m e r stellung verletzt. 6 V o n der negativen Ausschließungsbefugnis des E i g e n t ü m e r s ausgehend, wird der B e g r i f f der E i g e n t u m s v e r l e t z u n g grundsätzlich eng ausgelegt und primär auf R e c h t s - und Substanzverletzungen b e z o g e n . 7 D e r S c h u t z b e r e i c h „ E i g e n t u m " sichere den einzelnen n u r dagegen, daß andere auf die Sache z u greifen und ü b e r sie disponieren, schütze j e d o c h nicht die durch die Sache vermittelte Handlungsfreiheit des E i g e n t ü m e r s v o r Störungen durch D r i t t e . 8 D i e positive Befugnis des E i g e n t ü m e r s , mit ihr nach B e l i e b e n zu verfahren, werde nicht v o n dem E i g e n t u m s s c h u t z des § 823 B G B erfaßt. 9 P r o b l e m a t i s c h erweisen sich die Fälle, in denen der E i n g r i f f z w a r nicht zu einer Substanzbeeinträchtigung führt, aber M a ß n a h m e n im U m f e l d der Sache zur F o l g e haben, daß ihre b e s t i m m u n g s g e m ä ß e V e r w e n d b a r k e i t a u f g e h o b e n oder beeinträchtigt wird. T y p i s c h e Fälle, in denen die Sachsubstanz unverletzt bleibt, die N u t z b a r k e i t der Sache aber stark beeinträchtigt wird, sind Störungen des Verhältnisses der Sache zur U m w e l t durch Verhinderung des Zugangs zu einem G r u n d s t ü c k 1 0 , das E i n p a r k e n / „ E i n s p e r r e n " eines F a h r zeugs 1 1 sowie die Fälle, in denen aufgrund eines schuldhaft verursachten Stromausfalls M a s c h i n e n nicht b e n u t z t w e r d e n k ö n n e n . 1 2

5 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 a; Staudinger/Hager, § 823 B 64 ff; Zeuner, Festschrift Flume, S. 775, 778; Deutsch, MDR 1988, 441, 444; ders., VersR 1967, 562; Möschel, JuS 1977, 1 ff; Medicus, Schuldrecht II, Rn 792; Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 85, 92 ff; Soergel/Zeuner, § 823 Rn 32; vgl. dazu Boecken, S. 54 ff, 69 ff. 6 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §7611 3 b; Zeuner, Festschrift Flume, S. 775, 778; Deutsch, MDR 1988, 441, 444; Möschel, JuS 1977, lff; Medicus, Schuldrecht II, Rn 793; MiinchKomm/Mertens, § 823 Rn 85, 96 ff; Soergel/Zeuner, § 823 Rn 32; Brüggemeier, Rn 307; Roussos, S. 261; vgl. auch Boecken, S. 54ff, 74ff. 7 BGHZ 16, 366ff, 371; 41, 123ff, 126; 57, 245ff, 252; BGH MDR 1958, 502f; BGH JZ 1968, 430f; BGH NJW 1977, 1819; BGH VersR 1993, 1367f, 1368; vgl. dazu Roussos, S. 261 ff. 8 Frankel, S. 126 ff, 131, betont, daß in den Fällen der Gebrauchsbeeinträchtigung nur die Handlungsfreiheit, die Ausübung einer durch ein subjektives Recht zugewiesenen Handlungsbefugnis betroffen sei, nicht aber das subjektive Recht. 9 Reinhardt, JZ 1961, 713, 719; Schmid, NJW 1975, 2056; siehe auch Stall, JZ 1976, 281 ff, 283 Fußnote 14; ders., AcP 162,203, 219; vgl. dazu Möschel, JuS 1977,1, 3; ablehnend Boecken, S. 208ff, 381 f, siehe auch S. 8lff. 10 Vgl. dazu BGH NJW 1977, 2264; BGHZ 86, 152ff. 11 BGHZ 55, 153 ff. 12 BGHZ 29, 65; 41, 123.

196

§5

Eigentums-

und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

Bei diesen „reinen" Nutzungs- oder Verwendungsstörungen wird aufgrund fehlender Substanzverletzung ein Eingriff in die negative Ausschließungsbefugnis angezweifelt und deshalb diskutiert, inwieweit über das Substanz-/Integritätsinteresse hinaus auch die Entfaltungsfreiheit, also die M ö g lichkeit, die Sache nach Belieben gebrauchen zu können, Eigentumsschutz genießt. D i e Frage konzentriert sich dabei darauf, ob der Eigentumsschutz auf das negative Ausschließungsrecht, den Rechts- und Substanzschutz, beschränkt ist oder ob darüber hinaus - unabhängig von einer Sachbeschädigung - die Nutzungsmöglichkeit, also die Dispositionsfreiheit, im Rahmen des Eigentumsschutzes eigenständigen Schutz genießt.

I. Die Behandlung „ reiner" Nutzungsbeeinträchtigungen in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung wurde mit der Problematik „reiner" Gebrauchsbeeinträchtigungen grundlegend in der Fleetentscheidung konfrontiert. 1 3 D o r t war infolge eines Versäumnisses des gewässerunterhaltspflichtigen Beklagten eine Ufermauer eingebrochen, die eine Mühle mit dem Hafen verband. Zur Zeit des Einsturzes befand sich eine Schute, die M S Christel, in der N ä h e der Mühle und wurde für mehrere M o n a t e eingesperrt, drei andere Schuten, mit denen der Kläger den Transport zur Mühle gewährleisten wollte, konnten nicht mehr an die Mühle heranfahren und diese beliefern. D e r Bundesgerichtshof entschied im Hinblick auf das eingesperrte M o t o r schiff Christel in Abweichung von einer Entscheidung des Reichsgerichts, das in einer ähnlichen Fallgestaltung eine Eigentumsverletzung mangels Substanzverletzung abgelehnt hatte, 1 4 daß die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine sonstige, die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgen könne. 1 5 Im einzelnen begründet der Bundesge-

B G H Z 55, 153ff. R G Gruchot 68, 76, 79; dort hatte das Reichsgericht allerdings die Möglichkeit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb in Erwägung gezogen. Zum Verhältnis Eigentum/Eingriff in den Gewerbebetrieb vgl. die nächste Fußnote. 15 Die Fleetentscheidung ist, wie auch die Entscheidung B G H N J W 1977, 2264, der Eigentumsproblematik zuzuordnen. Eine Eigentumsverletzung durch Nutzungsbeeinträchtigung geht dem Eingriff in einen Gewerbebetrieb vor, B G H Z 55, 153, 159. Die Frage einer Eigentumsverletzung durch Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit ohne Substanzverletzung ist von genereller Bedeutung, also nicht auf den gewerblichen Einsatz von Gegenständen begrenzt, vgl. auch Medicus, Bürgerliches Recht, R n 6 1 3 ; Zeuner, Festschrift Flume, S. 775 ff, 787; Schnug, J A 1985, 614,618; Staudinger/Hager, § 823 Rn B 95. Anderer Ansicht ist Brüggemeier, Rn 321; ders., VersR 1984, 902. Nach ihm handelt es sich bei solchen Betriebsstörungen nicht um eine Frage einer Eigentumsverletzung, sondern um das Vorliegen eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb wie in B G H VersR 1961, 831 - Textilhaus - und B G H Z 69, 128 - Charterreisegesellschaft. 13

14

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch 5 823 I BGB

197

richtshof die E i g e n t u m s v e r l e t z u n g damit, daß das Schiff durch die E i n s p e r rung jede B e w e g u n g s m ö g l i c h k e i t verloren habe. E s habe dadurch seine E i genschaft als Transportmittel eingebüßt und sei seinem b e s t i m m u n g s m ä ß i g e n G e b r a u c h entzogen worden. In der „ E i n s p e r r u n g " des Schiffs wird damit eine die Eigentümerbefugnisse der Klägerin berührende tatsächliche E i n w i r k u n g auf die Sache gesehen, die einer Substanzverletzung g l e i c h k o m m e . 1 6 Anders als bei dem eingesperrten Schiff n i m m t der Bundesgerichtshof bei den anderen drei Schiffen keine Eigentumsverletzung an. D i e s e seien durch die Sperrung des Fleets in ihrer „Eigenschaft als T r a n s p o r t m i t t e l " 1 7 nicht betroffen und ihrem natürlichen G e b r a u c h nicht entzogen worden. D e r insoweit entstandene Schaden beruhe nicht auf einer Gebrauchsbeeinträchtigung der Schuten, sondern auf der Sperrung der Wasserstraße, die zu einer Behinderung der Klägerin in der A u s ü b u n g des ihr, wie j e d e m anderen Schiffahrttreibenden, an dem Fleet zustehenden G e m e i n g e b r a u c h s geführt habe. D i e N u t z u n g der Schuten zur Belieferung der M ü h l e werde deshalb nicht v o n dem E i g e n t u m s s c h u t z erfaßt. D i e Fleetentscheidung macht zweierlei deutlich: Z u m einen, daß der B u n desgerichtshof eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g nicht nur bei k ö r p e r l i c h e n E i n w i r kungen auf die Sachsubstanz in B e t r a c h t zieht, sondern auch dann, w e n n die Sache aufgrund des Eingriffs b e s t i m m t e N u t z u n g s e i n s c h r ä n k u n g e n erfährt, sie ihrem b e s t i m m u n g s g e m ä ß e n G e b r a u c h e n t z o g e n wird. Z u m anderen wird aus der E n t s c h e i d u n g hinsichtlich der drei „ausgeschlossenen" S c h u t e n aber auch deutlich, daß nicht bei jeder beliebigen F u n k t i o n s b e e i n t r ä c h t i g u n g , j e der Beeinträchtigung der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t , die Voraussetzung einer E i gentumsverletzung erfüllt ist. 1 8 D e r B u n d e s g e r i c h t s h o f hat seine in der Fleetentscheidung vorgezeichnete, nur ganz eingeschränkte A n e r k e n n u n g v o n F u n k t i o n s s t ö r u n g e n als E i g e n tumsverletzung in späteren E n t s c h e i d u n g e n im wesentlichen bestätigt und fortgeführt. Als eine Lager- und Umschlagsanlage durch den B r u c h des E l b e Seitenkanals nicht m e h r wasserseitig erreichbar w a r und der B e t r e i b e r auf Schadensersatz klagte, hat er einen A n s p r u c h w e g e n E i g e n t u m s v e r l e t z u n g versagt. 1 9 E s liege w e d e r eine Substanzverletzung vor, n o c h sei in die technische B r a u c h b a r k e i t der Lager- und Umschlagsanlagen eingegriffen w o r d e n , diese seien b e n u t z b a r geblieben. 2 0 D a ß die A n l a g e n wasserseitig für K u n d e n nicht zugänglich gewesen seien, begründe allein n o c h keine E i g e n t u m s v e r l e t zung an den Lagereinrichtungen. 2 1 BGHZ55, 153, 159. BGHZ55, 153, 160. 18 Zustimmend Möschel, JuS 1977, 1, 4; Schnug, JA 1985, 614, 617; krit. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 613; Frankel, S. 127ff. 19 BGHZ 86, 152ff. 20 BGHZ 86, 152ff, 154f; krit. Schnug, JA 1985, 614, 618; zustimmend Müller-Graff, JZ 1983, 857, 860. 21 Nach dem BGH lag auch keine Verletzung des Gemeingebrauchs oder des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs vor, BGHZ 86, 152 ff, 156 ff; krit. Brüggemeier, VersR 16

17

198

§5 Eigentums- und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

Auch die Großtanklagerentscheidung geht in diese Richtung. 22 Aufgrund eines Brands in einem Großtanklager wurde das benachbarte Betriebsgrundstück der Klägerin für zwei Stunden polizeilich geräumt und gesperrt. Danach war der Zugang zu dem Grundstück durch Lösch- und Polizeifahrzeuge noch für drei weitere Stunden blockiert. Die Klägerin verlangte für die gesamte Zeit, also insgesamt 5 Stunden, in der der Betrieb auf ihrem Grundstück gestört gewesen sei, Schadensersatz. Der Bundesgerichtshof sprach ihr nur für die ersten zwei Stunden Schadensersatz zu. In dieser Zeit hätten das polizeiliche Räumungsgebot und die akute Gefährdung einem Betreten und einer Nutzung des Betriebsgrundstücks entgegengestanden. Insoweit sei durch die Einwirkung auf das Grundstück die Nutzung und Gebrauchsfähigkeit desselben behindert gewesen. 23 Dies gelte jedoch nicht für die Zeit, in der die Straße durch Rettungsfahrzeuge blockiert gewesen sei. Die Annahme einer Eigentumsverletzung sei insoweit „abwegig", da sich die Blockade nicht auf das Grundstück als solches ausgewirkt habe, sondern nur auf die Zugangsmöglichkeit über die öffentlichen Straßen, die nur im Rahmen des Gemeingebrauchs gewährleistet sei. 24 Eine Eigentumsverletzung an Rohrleitungen hat der Bundesgerichtshof in einem Fall angenommen, in dem ein schädliches und damit mangelhaftes Gewindeschneidemittel verwendet worden war. Zwar waren die Rohrleitungen durch die Verwendung des Gewindeschneidemittels nicht in ihrer Substanz beschädigt worden, es war jedoch so auf die Rohre übergegangen, daß sie für den vorgesehenen Zweck nicht mehr geeignet waren. 25 Der Bundesgerichtshof stellte insoweit primär auf die Funktions- bzw. Verwendungsfähigkeit der Sache ab. 26 Eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache sei als Eigentumsverletzung anzusehen. 27

1984, 902 ff, der in ihnen Betriebsstörungsfälle sieht, die auf der Grundlage der ökonomischen Analyse des Rechts zu lösen seien. 22 BGH NJW 1977, 2264; vgl. auf BGHZ 137, 98 = NJW 1998, 377, 380 (Blockade von Baumaschinen). 23 BGH NJW 1977, 2264. 24 BGH NJW 1977, 2264. 25 BGH NJW 1994, 517f; vgl. auch BGH NJW 1992, 1225, 1227; 1998, 1942, 1943. Brüggemeier, JZ 1994, 578, vertritt demgegenüber in seiner Besprechung dieser Entscheidung die Auffassung, es handele sich bei schwer löslichen Rückständen wie Verschmierungen, Verschmutzungen u.a. um einen Substanzschaden, eine Sachbeschädigung. 26 Vgl. auch BGH NJW-RR 1993, 1113. 27 Der BGH, NJW-RR 1990, 1172, verfolgt diese Linie weiter, wenn er eine Eigentumsverletzung i.S.v. § 823 I BGB an einer in einem Straßenbankett verlegten Versorgungsleitung (Hauptwasserleitung) durch ein später in demselben Bankett verlegtes Stromkabel verneint, das den Zugang zu der Versorgungsleitung erschwert und Wartungs- und Reparaturarbeiten verteuert. Denn die Wasserleitung werde durch das Stromkabel nicht in ihrem bestimmungsmäßigen Gebrauch beeinträchtigt, die Nutzungsfähigkeit des Eigentumsobjekts nicht unmittelbar gestört. Zur Entscheidung B G H NJW 1989, 707, 709 - kontaminierte/kontaminationsverdächtige Fische - vgl. S. 207.

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch § 823 I BGB

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Insgesamt ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dadurch gekennzeichnet, daß sie auf der einen Seite zwar keine Substanzverletzung verlangt, auf der anderen Seite aber keinesweges jede Nutzungsbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung anerkennt und eine solche insbesondere bei Maschinenausfall aufgrund einer Unterbrechung der Stromzufuhr ablehnt.28 Nur bei ganz bestimmten sachbezogenen Eingriffen, die in Intensität und Auswirkung letztlich einer Substanzbeeinträchtigung gleichkommen, wie etwa im Fleetfall, im Gewindeschneidemittelfall und im Großtanklagerfall, nimmt sie eine Eigentumsverletzung an. Da die Rechtsprechung an die Nutzungsbeeinträchtigung anknüpft und nicht ausreichend den konkreten Bezug zur beeinträchtigten Sache herstellt,29 lassen sich aus den genannten Einzelfallentscheidungen jedoch nur bedingt tragfähige Rückschlüsse für das Vorliegen einer Eigentumsverletzung ziehen. So kommt etwa Hager,30 der ebenso wie die Rechtsprechung in einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung eine Eigentumsverletzung sieht, insbesondere in den Stromkabelfällen und im Elbe-Seitenkanal-Fall zu anderen Ergebnissen. Die differenzierende Vorgehensweise der Rechtsprechung hat deshalb neben Zustimmung im Ergebnis31 auch heftige Kritik erfahren, weil sich nicht nachvollziehen lasse, wann und aus welchen Gründen eine Nutzungsbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung zu qualifizieren sei.32 Die Kritik, insbesondere von Medicus, richtet sich dagegen, daß die Rechtsprechung, sehe man von dem Aspekt der Sachbezogenheit des Eingriffs ab, keine überzeugenden Kriterien aufzeige, nach denen sich beurteilen lasse, wann eine Nutzungsbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung anzusehen sei und wann nicht. So sei die Differenzierung der Ersatzfähigkeit des Schadens zwischen den verschiedenen Schiffen in der Fleetentscheidung und zwischen den verschiedenen Zeiträumen in der Großtanklagerentscheidung aus wirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Die Eingriffe hätten sich in gleicher Weise auf alle Schiffe wie auf die gesamte Zeit der Betriebsstörung negativ ausgewirkt und es sei insoweit gleich, worauf der Gewinnentgang zurückzuführen sei.33

28 BGHZ 29, 65; 66, 388, 393; anders wenn der Stromausfall zu einer Eigentumsverletzung führt, BGHZ 41, 123, vgl. dazu S. 207f. 29 Vgl. dazu S. 204 ff. 30 Staudinger/Hager, § 823 Rn B 97. 31 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 c; Zeuner, Festschrift Flume, S. 775 ff; Rosenbach, S. 132f. 32 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 613; ders., Schuldrecht II, Rn 795ff; Fraenkel, S. 128ff; AltKomm/Joerges, § 823 Rn 12; Brüggemeier, Rn304ff; Möschel, JuS, 1977, lff; Plum, AcP 181, 68 ff, 92 ff. Kötz, Deliktsrecht, Rn 60, lehnt etwa im Großtanklagerfall eine Eigentumsverletzung auch für die Zeit ab, in der das Grundstück geräumt und nicht betreten werden durfte, weil die Störung nur vorübergehend gewesen sei; in diese Richtung auch MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 114 f. 33 Medicus, Schuldrecht II, Rn 797; ders., Bürgerliches Recht, Rn 613.

200

5 5 Eigentums-

II.

und

Lösungsansätze

Immaterialgüterrechtsverletzungen

in der

Literatur

Versuche, unter Zugrundelegung der Rechtsprechung den Inhalt und die Grenzen des Eigentums in den Fällen der Störung des Verhältnisses zwischen Sache und Umwelt näher zu bestimmen, haben insbesondere Zeuner,34 Mertens35 und neuerdings Boecken36 und Rosenbach37 unternommen. Neuner geht von einem funktionsbezogenen Eigentumsverständnis aus, angesichts dessen der Kreis möglicher Eigentumsverletzungen nicht von vornherein auf die Fälle des Eingriffs in den rechtlichen Bestand des Eigentums, der körperlichen Entziehung der Sache und der Beeinträchtigung der Sachsubstanz beschränkt sei. 38 Verwendungsfunktionen implizierten die Abhängigkeit einer Sache von der Umwelt, was hinsichtlich der geschützten Eigensphäre zu berücksichtigen sei. 39 Entsprechend könne auch in der Störung des Verhältnisses der Sache zur Umwelt unter bestimmten Umständen eine Eigentumsverletzung liegen. Nach ihm ist wesentlich darauf abzustellen, ob der Eingriff den Schutzbereich der Sache oder aber den der Person betrifft. Nur soweit der Eingriff sachbezogen sei, also gewissermaßen ohne Ansehung der Person jede Nutzung der jeweiligen Art in gleicher Weise behindere oder ausschließe, komme eine Eigentumsverletzung in Betracht. Beziehe sich die Verletzung hingegen primär auf die Person als solche oder auf Leistungsbeziehungen, 40 liege keine Eigentumsverletzung vor. Darüber hinaus werde das Eigentumsverständnis durch allgemeine Risikotragungsgedanken, wie sie in den Regeln zum Gemeingebrauch und den Straßenverkehrsvorschriften zum Ausdruck kämen, bestimmt. 41 Damit geht Zeuner von der Nutzungsbeeinträchtigung als solcher aus und versucht einschränkende Aspekte herauszuarbeiten, wobei sich jedoch auch bei seinem Ansatz, ähnlich wie bei der Rechtsprechung, Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben. Mertens folgert aus den Grundsätzen des Rechtsgüterschutzes, daß die sozialtypische Verwendungsfunktion einer Sache Schutz verlange und deshalb Funktionsstörungen als Eigentumsverletzungen anzusehen seien. Die in 34

Zeuner, Festschrift Flume, S. 775 ff. MünchKomm/Mertens, § 823 R n 71, 112. 36 Deliktischer Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, Berlin 1995. 37 Rosenbach, S. 61 ff, stellt darauf ab, ob in den Zuweisungsgehalt des Eigentums eingegriffen wurde. 38 Zeuner, Festschrift Flume, S. 775, 781. 39 Zeuner, Festschrift Flume, S. 775ff; Soergel/Zeuner, § 823 Rn 32f; Möschel, J u S 1977, 1, 2; AltKomm/Joerges, § 823 R n 12. Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn 186, nach ihm sind Benutzung und Genuß der Sache weitere Befugnisse des Eigentümers und „ihre anerkannte Erwartung" unterfalle dem Funktionsschutz. 40 Hier nimmt Zeuner Bezug auf die Stromkabelfälle, Festschrift Flume, S. 775, 784; Soergel/Zeuner, § 823 Rn 33. 41 Zeuner, Festschrift Flume, S. 775, 785; Soergel/Zeuner, § 823 R n 29; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 c, stellt bei der Würdigung der Entscheidungen des B G H wesentlich auf Schutzzwecküberlegungen ab; vgl. auch Möschel, J u S 1977, 1, 4. Risikozurechnungsregeln sieht Müller-Gräff, J Z 1983, 863, als entscheidend an. 35

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch $ 823 I BGB

201

§ 823 I BGB bestimmten Rechtsgüter hätten die Aufgabe, die soziale Integrität der Person zu wahren und den freien Entfaltungsspielraum des Menschen zu sichern. Gegenstand des Rechtsgüterschutzes sei deshalb letztlich die Persönlichkeit als solche. Entsprechend werde mit dem Rechtsgut Eigentum zugleich die Freiheit seines Trägers, über sie zu disponieren, geschützt, weshalb Dispositionsbeeinträchtigungen der Sache eine Eigentumsverletzung darstellten, auch wenn die Sachsubstanz unangetastet bleibe.42 So sei eine Eigentumsverletzung in jeder physischen Einwirkung auf die Sache zu sehen, die ihre Verwendbarkeit im Sinne der Zwecke des Eigentümers herabsetze. Dies gelte insbesondere bei sachbezogenen Funktionsstörungen.43 Hänge die Nutzung einer Sache typischerweise von der Gewährleistung bestimmter physikalisch erfaßbarer Umweltbeziehungen ab, so könne auch eine sich unmittelbar auf die betreffende Sach-Umweltrelation auswirkende Veränderung als Eigentumsverletzung anzusehen sein. Der Schutz sei jedoch auf sozialtypische Verwendungsfunktionen begrenzt und erfasse Leistungen, die dem Vertragsrecht unterfielen, nicht.44 Der Gebrauch der Sache müsse für einen so erheblichen Zeitraum aufgehoben oder so nachhaltig gestört sein, daß dadurch deren Marktwert herabgesetzt werde. Durch das Marktwertkriterium werde dabei gewährleistet, daß nur sozialtypische Verwendungsfunktionen geschützt würden, und gleichzeitig eine Abgrenzung von Eigentumsschäden und Vermögensschäden ermöglicht.45 Nur vorübergehende Beeinträchtigungen, die sich nicht auf den Marktwert auswirkten, stellten deshalb auch keine Eigentumsverletzung dar.46 Nach Boecken und Rosenbach schließlich sind reine Nutzungsbeeinträchtigungen, also Beeinträchtigungen des Eigentümers bei der Wahrnehmung der Nutzungsmöglichkeit beweglicher oder unbeweglicher Sachen, die auf einer Veränderung des Verhältnisses zwischen der Sache und der Außenwelt beruhen, ohne mit einer Verletzung der Sach-, Rechts- oder Personenintegrität einherzugehen, als Eigentumsverletzung einzuordnen. Denn das Eigentum schütze, wie sich aus § 903 BGB ergebe, die Möglichkeit mit der Sache nach Belieben zu verfahren.47 Deshalb sei von einem Nutzungsschutz auszugehen, der über den bloßen sozialtypischen Funktionsschutz hinausgehe.48 Er Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 71, 112. MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 112; vgl. auch Schnug, JA 1985, 614, 617. 44 MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 71, 112. 45 Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 114; zust. Kötz, Deliktsrecht, Rn 60. Im wesentlichen stimmt Mertens den von Zeuner genannten, oben dargelegten Kriterien zu, meint aber, sie würden durch das Marktwertkriterium erfaßt; dem widerspricht SoergeUZeuner, § 823 Rn 34; krit. zum Marktwertkriterium auch Brüggemeier, VersR 1984, 902; Staudinger/Hager, § 823 Rn B 94; Rosenbach, S. 64. 46 MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 113ff; a.A. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 c. 47 Boecken, S. 178ff; zust. Grunsky, AcP 196, 611; Brüggemann, VersR 1984, 902; Erman/ Schiemann, § 823 Rn 31. 48 Boecken, S. 383; anders MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 112. 42 43

202

§ 5 Eigentums-

und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

erfährt jedoch unter entsprechender Heranziehung von § 906 B G B 4 9 bzw. unter Beschränkung auf den geschützten Zuweisungsgehalt des Eigentums 5 0 eine weitreichende Relativierung.

III. Analyse der

Problematik

1. Negative oder positive Eigentumsbefugnis des Eigentumsschutzes

als Ausgangspunkt

Die Problematik, inwieweit die Nutzungsmöglichkeit einer Sache unabhängig von einer Sachbeeinträchtigung eigenständigen Schutz im Rahmen von § 823 I B G B genießt, ist dadurch geprägt, daß man einerseits die B e schränkung des Eigentumsschutzes auf Substanzbeeinträchtigungen als zu eng erachtet, man andererseits aber den uneingeschränkten Schutz der D i s p o sitionsmöglichkeit als zu weitgehend ansieht. 5 1 D i e Überlegungen gehen dabei davon aus, daß die sich am ungestörten H a b e n orientierende negative A b wehrbefugnis des Eigentümers nur Rechts- und Substanzverletzungen betreffe und deshalb nicht in der Lage sei, auch reine Funktions- und N u t z u n g s beeinträchtigungen zu erfassen. Man meint daher, den Eigentumsschutz aus den positiven Befugnissen des Eigentümers ableiten zu müssen. 5 2 D i e E i n b e ziehung der positiven Eigentümerbefugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, erweist sich jedoch als problematisch. D e n n damit wird letztlich nicht nur die Sache in ihrem rechtlichen und tatsächlichen Bestand, sondern auch die Handlungsfreiheit hinsichtlich der Sache zum Schutzgut erhoben. Dies steht aber im Widerspruch zur K o n z e p t i o n des § 823 I B G B , wonach bestimmte G ü t e r und subjektive Rechte Schutz genießen, nicht aber die Handlungsfreiheit als solche. 5 3 Es fragt sich deshalb, o b ein solcher Rückgriff auf die positiven Befugnisse des Eigentümers, also seine Handlungsfreiheit hinsichtlich der Sache, für eine sachgerechte Lösung dieser Fälle überhaupt notwendig ist. K ö n n e n die Fälle, für die eine Störung der Umweltbeziehung zur Sache typisch ist, auf der Grundlage der negativen, auf dem ungestörten H a b e n der Sache aufbauenden Abwehrbefugnis, die anerkanntermaßen Ausgangspunkt des EigentumsBoecken, S. 286ff. Rosenbach, S. 61 ff. 51 Es werden deshalb wertende Korrekturen notwendig, wie etwa die Beschränkung auf sozialtypische Funktionsbeeinträchtigungen, vgl. Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 71, 112 ff. 52 Insbesondere Boecken, S. 208ff; Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 71, 112; Schnug, J A 1985, 614, 617; Brüggemeier, Rn 319; ders., VersR 1984, 902. 53 Frankel, S. 126; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 3 b\Jauernig/Teichmann, § 823 Rn 3; Staudinger/Hager, § 823 Rn B 54, 89, 90. Anders Eckert, JuS 1994, 625, der die Entscheidungsfreiheit über das Rechtsgut Freiheit, das ganz überwiegend auf die Bewegungsfreiheit bezogen wird, geschützt sieht und die Fälle der Funktionsbeeinträchtigung als Freiheitsverletzungen einordnet. 49

50

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch § 823 I BGB

203

schutzes in § 823 I B G B ist, tatsächlich nicht gelöst w e r d e n ? E s ist deshalb der Frage nachzugehen, o b sich nicht auch in diesen Fällen der S c h u t z der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t aus dem S c h u t z der Sache selbst ergibt und der B e e i n t r ä c h tigung der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t daher keine eigenständige

anspruchsbe-

gründende B e d e u t u n g m e h r n e b e n d e m S c h u t z der Sache z u k o m m t . E s ist deshalb zu klären, w a n n ein E i n g r i f f in eine durch das E i g e n t u m s recht geschützte Sache vorliegt. U n z w e i f e l h a f t ist er gegeben, w e n n die Sache in ihrer Substanz beeinträchtigt wurde. M a n wird der B e d e u t u n g einer Sache j e d o c h nicht gerecht, w e n n man sie allein auf ihre Substanz reduziert sieht. 5 4 E i n e Sache wird geprägt durch ihre Eigenschaften. E n t s p r e c h e n d stellen die Irrtumsregeln in § 119 II B G B auf einen E i g e n s c h a f t s i r r t u m ab und auch die Sachmängelhaftung baut in §§ 4 5 9 , 5 3 1 , 633 B G B auf einem F e h l e r und damit letztlich auf einer B e s c h a f f e n h e i t s - bzw. E i g e n s c h a f t s a b w e i c h u n g auf. E i g e n schaften sind prägende M e r k m a l e tatsächlicher o d e r rechtlicher A r t , die in dem G e g e n s t a n d selbst begründet sind und eine gewisse Beständigkeit aufweisen. 5 5 Z u den Eigenschaften einer Sache zählen, darüber ist man sich w e i t gehend einig, neben den auf der natürlichen B e s c h a f f e n h e i t

beruhenden

M e r k m a l e n auch tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse und B e z i e h u n g e n zur U m w e l t , soweit sie nach der Verkehrsauffassung für die Wertschätzung oder V e r w e n d b a r k e i t , also die F u n k t i o n der Sache, v o n B e d e u t u n g sind. 5 6 A u ß e r auf die physischen Eigenschaften und damit auf die „ S u b s t a n z " der Sache k o m m t es also entscheidend auch auf die sonstigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse an. 5 7 D i e nicht i m m e r leicht zu treffende E n t s c h e i dung, o b die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Einzelfall als E i genschaften der Sache zu qualifizieren und damit als schutzwürdig anzuerk e n n e n sind, hat dabei unter Zugrundelegung v o n w e r t e n d e n Ü b e r l e g u n g e n und der Verkehrsauffassung zu erfolgen. Sieht m a n eine Sache als durch ihre Eigenschaften geprägt an, so liegt eine Verletzung derselben, ein E i n g r i f f in das ungestörte H a b e n der Sache also,

Vgl. dazu M. Wolf, Sachenrecht, Rn 236; Deneke, S. 66; krit. Boecken, S. 192 ff. BGHZ 34, 41; 88, 245; Palandt/Heinrichs, § 119 Rn 24', Jauernig/Jauernig, § 119 Rn 8ff. 56 BGHZ 34, 41; 88, 245; Palandt/Heinrichs, § 119 Rn 24; Münch Komm/H.P. Westermann, § 459 Rn 18; Soergel/Huber, § 459 Rn 25 ff. 57 Dem trägt bei Grundstücken § 906 BGB Rechnung. Diese Vorschrift räumt dem Eigentümer das Recht ein, wesentlichen Beeinträchtigungen durch Immissionen, u.a. Lärm, durch die nicht notwendig die Substanz des Grundstücks verletzt wird, entgegentreten zu können. Auch hier führt regelmäßig die Einwirkung dazu, daß in eine Eigenschaft des Grundstücks seine Bewohnbarkeit, seine Verwendbarkeit als Arbeitsstätte - eingegriffen und dadurch auch seine Benutzbarkeit beeinträchtigt wird, vgl. Zeuner, Festschrift Flume, S. 775, 778; Soergel/ Zeuner, § 823 Rn 34; Börgers, S. 266. Inwieweit auf der Grundlage dieses Aspekts auch die Fälle ideeller, unästhetischer, optischer Immissionen - in der Regel dürfte hier keine Eigenschaftsverletzung des Nachbargrundstücks vorliegen - einer Lösung zugeführt werden können, kann hier nicht weiterverfolgt werden, vgl. dazu Jauernig/Jauernig, § 906 Rn 2; Pawlowski, AcP 165, 395; MünchKomm/Säcker, % 906 Rn 21; BGH NJW 1985, 2823; RGZ 57, 239ff; RGZ 76, 130ff; BGHZ 51, 396ff. 54

55

204

5 5 Eigentums-

und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

nicht nur dann vor, wenn in ihre Substanz eingegriffen wird, sondern auch dann, wenn sie durch den Eingriff eine ihrer wesentlichen Eigenschaften verliert und aufgrund dessen ihre Verwendbarkeit, ihre Funktionsfähigkeit einbüßt. Sowohl Substanzverletzungen als auch der Verlust von Eigenschaften einer Sache führen regelmäßig zu einer Funktionsbeeinträchtigung und damit zu einem Eingriff in die Dispositionsfreiheit. Funktionsstörungen, Nutzungsbeeinträchtigungen, Beeinträchtigungen der Dispositionsfreiheit, auf die Zeuner, Mertens und Boecken abstellen,58 sind in diesen Fällen jedoch nur Folge eines Eingriffs in die Sache bzw. eines Eigenschaftsverlusts der Sache, nicht aber selbständige Eigentumsverletzungen. 59 Stellt man die Substanz- oder Eigenschaftsbeeinträchtigung einer Sache in den Mittelpunkt, so kommt eine Eigentumsverletzung von vornherein nur bei sachbezogenen Eingriffen in Betracht.60 Denn der Schutz der Sache mit allen ihren Eigenschaften steht im Vordergrund und nicht der der Dispositionsfreiheit des Eigentümers. Der Schutz der Dispositionsfreiheit ergibt sich insoweit erst mittelbar als Reflex aus dem Sachschutz. Zu beachten ist dabei auch, daß zwischen der Eigentumsverletzung und dem zu ersetzenden Schaden zu differenzieren ist. Zwar führt der Verlust einer Eigenschaft regelmäßig zum Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Sache. Ob aber der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als Schaden anzusehen ist oder ob es nicht vielmehr auf den Entgang konkreter Vorteile ankommt, betrifft die zentrale Frage dieser Arbeit. 61

2. Erstreckung der Sache

der Abwehrbefugnis

auf wesentliche

Eigenschaften

Betrachtet man die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle, so zeigt sich, daß in all den Fällen, in denen eine Eigentumsverletzung angenommen wurde, die schädigende Handlung dazu geführt hat, daß die Sache eine ihrer wesentlichen Eigenschaften eingebüßt und dadurch ihre Benutzbarkeit verloren hatte.62 Rechtliche oder tatsächliche Einwirkungen auf die Sache führten Vgl. S. 200 ff. Vgl. bereits S. 80 f. 60 Zeuner, Festschrift Flume, S. 775, 779: „Denn wollte man für die Eigentumsverletzung auf das Erfordernis einer spezifischen Sachbezogenheit der Störung verzichten, so liefe das nicht nur darauf hinaus, daß jede Verletzung von Rechtsgütern der Personensphäre, die - wie sich das namentlich bei Körper-, Gesundheits- und Freiheitsverletzungen leicht ergeben kann - den Betroffenen auch in der Nutzung seiner Sachgüter hindert, zugleich als Verletzung des Eigentums (oder sonstiger ähnlicher Rechte) zu qualifizieren wäre." Vgl. auch die Kritik bei Medicus, Bürgerliches Recht, Rdn 613; ders., Schuldrecht II, Rn 707, der bemängelt, daß es neben der Sachbezogenheit des Eingriffs an überzeugenden Kriterien fehle. 61 Vgl. Teil 3, S. 222 ff. 62 Auf die objektive Gebrauchstauglichkeit stellen ab Larenz, Schuldrecht II/2, § 72 I; Staudinger/Schäfer, 12. Aufl., § 823 Rn 55; Plum, AcP 181, 68, 91. 58

59

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch § 823 I BGB

205

dazu, daß sie nicht mehr einsatzfähig war. Im Fleetfall war auf das eingeschlossene Schiff so eingewirkt worden, daß es seine Eigenschaft als Transportfahrzeug, Waren befördern zu können, vorübergehend verloren hatte. Demgegenüber hatten die anderen drei ausgesperrten Schiffe diese Eigenschaft behalten. Im Hinblick auf die drei ausgeschlossenen Schuten spricht der Bundesgerichtshof selbst davon, daß sie ihre „Eigenschaft als Transportmittel" 63 nicht verloren hätten. Sie konnten nach wie vor Waren befördern, allein der Wasserweg zu dem Zielort war blockiert. 64 Wenn ein Fahrzeug derart eingeparkt oder eine Ausfahrt blockiert wird, daß der Eigentümer nicht mehr mit dem Fahrzeug am Verkehr teilnehmen kann, ist dementsprechend eine Eigentumsverletzung anzunehmen. 65 Auch hier führt die schädigende Handlung dazu, daß das Fahrzeug seine Eigenschaft, als Beförderungsmittel fungieren zu können, einbüßt, wobei es für den Geschädigten im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Verlust der Beförderungseigenschaft auf einem Zuparken, dem Anbringen einer Parkkralle, einer behördlichen Verfügung oder aber einem Eingriff in die Substanz beruht, etwa dem Diebstahl eines Reifens. Anders stellt sich die Sache jedoch dann dar, wenn ein Fahrzeug im Rahmen seiner Teilnahme am allgemeinen Verkehr in einen Stau gerät oder aber an einer roten Ampel anhalten muß. Durch das Wartenmüssen im Stau oder an der Ampel wird nicht etwa in die Eigenschaft des Kraftfahrzeugs als Beförderungsmittel eingegriffen und dessen Eignung dazu aufgehoben, sondern die Benutzung des Fahrzeugs als Beförderungsmittel unterliegt insoweit den Gegebenheiten des allgemeinen Verkehrs, den Straßenverkehrsregeln etc. Es besteht kein Recht auf ungestörtes Fahren mit dem Fahrzeug, sondern nur ein Recht darauf, daß der Wagen in seiner Eigenschaft als Beförderungsmittel nicht angetastet wird. 66 Auch die Großtanklagerentscheidung 67 mit ihrer zeitlichen Differenzierung steht im Einklang mit diesen Überlegungen. Solange das Grundstück auf behördliche Anordnung hin nicht betreten werden durfte bzw. vernünftigerweise aufgrund der Gefährdung nicht betreten wurde, fehlte ihm eine ganz wesentliche Eigenschaft, nämlich die, als Aufenthaltsort und Arbeitsstätte BGHZ 55, 153, 160. In der Schärenkreuzerentscheidung, BGH WM 1990, 1539, ging es letztlich auch um die Anerkennung der Eigenschaft als Schärenkreuzer. Zur Problematik dieser Entscheidung, in der der BGH auf die Verletzung eines Mitgliedschaftsrechts abstellt, vgl. Beuthien/Kießler, WuB II § 31 BGB L. 1.91; Staudinger/Hager, % 823 Rn B 144. 65 Vgl. dazu das obiter dictum in BGHZ 63, 203; Dörner, JuS 1978, 666, 667; Grüneberg, NJW 1992, 945. Eine „Aussperrung" des Fahrzeuges begründet hingegen keine Eigentumsverletzung am Pkw, Grüneberg, NJW 1992, 946; Dörner, DAR 1979, 11; möglicherweise liegt aber in der Zugangsbehinderung zum Grundstück eine Grundstücksverletzung. 66 Bei nicht verkehrsbedingten Verkehrsstörungen, wie insbesondere Verkehrsblockaden, kann daher eine Eigentumseinwirkung vorliegen, BGH NJW 1998,1942,1943. Regelmäßig ist in diesen Fällen auch ein Anspruch aus § 826 BGB gegeben. 67 BGH NJW 1977,2264. 63

64

206

5 ^ Eigentums-

und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

von Menschen geeignet zu sein. In der Zeit hingegen, in der aufgrund der blockierten Straßen ein geregelter Betrieb nicht möglich war, war das Grundstück als solches in seinen Eigenschaften nicht beeinträchtigt. Das Grundstück war wieder betretbar. Es war auch nicht etwa der Zugang zu dem Grundstück an sich beeinträchtigt, 6 8 die Störungen hatten ihren Grund vielmehr darin, daß die Straßen aufgrund des Einsatzes noch verstopft waren. Als Eigenschaft des Grundstücks ist aber allenfalls der Zugang zu demselben zu betrachten, nicht aber auch das Fehlen von Verkehrsstörungen in der entsprechenden Straße. D e r Verkehrsstau führte dementsprechend nicht zu einem Eigenschaftsverlust des Grundstücks. 6 9 D a ß eine Eigentumsverletzung keine Substanzverletzung erfordert, sondern es ausreicht, daß die Sache eine wesentliche Eigenschaft verliert, macht auch die Forellenentscheidung deutlich. 7 0 In ihr hatte der Kläger seine Forellen mit kontaminiertem Futter gefüttert. Während sich die Befindlichkeit eines Teiles der Fische veränderte und eine Kontamination festgestellt wurde, geriet der andere Teil der Fische nur unter den Verdacht, kontaminiert zu sein, weil er möglicherweise das fragliche Futter auch zu sich genommen hatte. Hinsichtlich der kontaminierten Fische war unzweifelhaft eine Substanzverletzung und damit eine Eigentumsverletzung gegeben. Hinsichtlich der übrigen Fische nahm der Bundesgerichtshof ebenfalls eine Eigentumsverletzung an, weil sie nicht veräußert und bestimmungsgemäß verwertet werden konnten und insoweit in die Eigentumsbefugnisse des Klägers eingegriffen worden sei. 71 D i e Rechtsprechung stellt insoweit auf die Brauchbarkeit und die positiven Eigentumsbefugnisse ab. 68 Eine Zugangsbeeinträchtigung kann eine Grundstücksverletzung darstellen, weil der Zugang eine wesentliche Eigenschaft des Grundstücks ist, vgl. dazu Grüneberg, N J W 1992, 946; Dörner, D A R 1979, 11; ders., JuS 1978, 667. 69 Krit. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 613; Schnug, J A 1985, 614, 618; Kötz, Deliktsrecht, Rn 59f; Staudinger/Hager, § 823 Rn B 98. Im Fall des Elbe-Seiten-Kanals, B G H J Z 1983, 856, ist problematisch, ob es zu einer Beeinträchtigung einer wesentlichen Eigenschaft des Grundstücks gekommen ist. Hier war nämlich nicht der wasserseitige Zugang zu dem Grundstück - dieser war nach wie vor gegeben - , sondern der gesamte Lübecker Hafen vom Binnenschiffahrtsnetz aufgrund eines Dammbruchs abgeschnitten, so daß deshalb die Kunden die Lagerstätten nicht erreichen konnten. Nicht nur den wasserseitigen Zugang, sondern auch die Anbindung an das Binnenschiffahrtsnetz als wesentliche Eigenschaft eines Grundstücks anzusehen, erscheint jedoch sehr weitgehend. Denn die Benutzung des Elbe-Seitenkanals und damit die Anbindung an das Binnenschiffahrtsnetz unterfällt den allgemeinen Regeln des Verkehrs, es besteht kein Anspruch auf die Befahrbarkeit über den Gemeingebrauch hinaus. Der Lagevorteil des Grundstücks ist insoweit von vornherein von den allgemeinen Bedingungen und Umständen abhängig, das Risiko der Nichtbefahrbarkeit liegt dementsprechend beim Eigentümer, vgl. dazu auch Müller-Graff., J Z 1983, 860ff, 863; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 55 I 2; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 c. Es bestehen Parallelen zum Großtanklagerfall, in dem auch nicht der Zugang als solcher gestört war, sondern die Benutzung der umliegenden Straßen, vgl. bei S. 198f. Krit. Brüggemeier, VersR 1984, 902, 903, den Aspekt der Betriebsstörung betonend. 70 71

B G H VersR 1989, 91. B G H VersR 1989, 92; vgl. Kötz, Deliktsrecht, Rn 58; Staudinger/Hager,

§ 823 Rn B 83.

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch 5 823 /

BGB

207

In einer ähnlich gelagerten Fallkonstellation hatte sich der Bundesgerichtshof bereits früher unter dem Aspekt der Sachmängelhaftung mit der Frage zu befassen, wie der Verdacht einer gesundheitsschädlichen Beschaffenheit einer Sache zu bewerten sei, nämlich in dem argentinischen Hasenfleischfall. 7 2 D o r t hatte er entschieden, daß bei zur Weiterveräußerung bestimmten Lebensmitteln auch schon der bloße Verdacht einer gesundheitsgefährdenden Verseuchung durch Salmonellen und die dadurch zwangsläufig herbeigeführte U n verkäuflichkeit einen Mangel darstelle. 73 Ein Mangel setzt eine Beschaffenheitsabweichung voraus, also daß die Sache nicht die vorausgesetzten Eigenschaften besitzt. 7 4 D e r Salmonellenverdacht, der zur Folge hatte, daß das Hasenfleisch nicht mehr als unbedenklich genießbares Lebensmittel veräußert werden konnte, bedeutet daher den Verlust einer wesentlichen Eigenschaft. Entsprechend läßt sich auch die Forellenentscheidung begründen. D u r c h den nicht ausräumbaren Kontaminierungsverdacht hatten die Forellen ihre Eigenschaft, als Lebensmittel verwendet werden zu können, verloren. Letztlich kam es dadurch zwar auch zu einer Verkürzung der Eigentumsbefugnisse des Eigentümers. Dies war aber allein Folge der Tatsache, daß die Fische eine wesentliche Eigenschaft verloren hatten. Die Beschränkung der Dispositionsmöglichkeit/Verwendungsmöglichkeit ist damit genau wie in den Fällen der Substanzverletzung nur eine Folge einer Eigenschaftsverletzung. Auf dieser Grundlage können schließlich auch die Stromkabelfälle einer Lösung zugeführt werden. 7 5 Wird ein Stromkabel beschädigt und können deshalb bestimmte elektrische Geräte nicht betrieben werden, fehlt es an einer Eigenschaftsbeeinträchtigung des elektrischen Geräts. Das Gerät ist zwar wegen des fehlenden Stroms nicht nutzbar, der fehlende Strom führt aber nicht dazu, daß das elektrische Gerät eine Eigenschaft verliert, die N u t z u n g des Geräts hängt von vornherein von der Stromzufuhr ab, es hat von vornherein 72 B G H Z 52, 51 ff, dort bestand der Verdacht, daß aus Argentinien importiertes Hasenfleisch mit Salmonellen verseucht war. 73 B G H Z 52, 51, 54; B G H N J W 1972, 1462, 1463. 74 Nach dem objektiven Fehlerbegriff ist unter einem „Fehler" nur eine Abweichung gegenüber der gewöhnlichen Beschaffenheit einer Sache solcher Art zu verstehen, vgl. Knöpf Je, N J W 1987, 801; ders., JuS 1988, 767; nach dem subjektiven oder konkreten Fehlerbegriff ist hingegen entscheidend, ob die Sache die bei Kaufabschluß von den Parteien vorausgesetzte Beschaffenheit, also die vorausgesetzten Eigenschaften hat; Palandt/Putzo, § 459 Rn 8; Soergel/ Huber, Vor § 459 Rn 39ff; R G Z 135, 342; 161, 334; B G H Z 16, 55; 52, 55; 90,202; 98,104; O L G Frankfurt, N J W 1982, 652. Während bei der Fehlerbestimmung beim Kauf wegen der vertraglichen Grundlage und wegen des verfolgten Vertragszwecks der subjektive oder konkrete Fehlerbegriff zugrundezulegen ist, ist bei der Frage, ob ein deliktischer Eingriff zu einem Eigenschaftsverlust geführt hat, auf objektive Kriterien abzustellen. 75 Vgl. dazu B G H Z 29, 65; 41, 127; Larenz/Canans, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 c; leuner, Festschrift Flume, S. 784f; Gluckert, AcP 166, 311; Schwitanski, S. 356f; Kötz, Deliktsrecht, Rn 61; MünchKomm/Mertens, 823 Rn 116ff; krit. G. Hager, J Z 1979, 83ff; Schnug, J A 1985, 614,617; Erman/Schiemann, § 823 Rn 31; Mertens!Reeb, JuS 1971,469,471. Im Schmelzeisenfall, O L G Hamm, N J W 1973, 760, lag hingegen nach überwiegender Ansicht eine Substanzverletzung vor, Möschel, JuS 1977, 2•, Jauernig/Jauernig, § 823 Rn 8.

208

5 ^ Eigentums-

und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

die Eigenschaft, o h n e S t r o m nicht betrieben w e r d e n zu k ö n n e n . 7 6

Anders

w ä r e nur d a n n zu e n t s c h e i d e n , w e n n m a n die ständige S t r o m v e r s o r g u n g des e n t s p r e c h e n d e n G e r ä t e s b z w . des G r u n d s t ü c k s , der W o h n u n g o d e r des B e t r i e b s als E i g e n s c h a f t d e r s e l b e n a n z u s e h e n h ä t t e . 7 7 D i e s w ü r d e j e d o c h z u w e i t gehen. G e n a u w i e die v e r k e h r s t e c h n i s c h e E r r e i c h b a r k e i t eines G r u n d s t ü c k s v o n d e n S t r a ß e n v e r k e h r s b e d i n g u n g e n a b h ä n g i g ist u n d d i e B e n u t z u n g

der

Straßen

die

den

Grundsätzen

des

Gemeingebrauchs

unterfällt,

ist

auch

Stromversorgung von den allgemeinen Leitungs- und Versorgungsbedingungen wie

den

gewöhnlichen

Umständen

abhängig.

Die

Versorgung

eines

G r u n d s t ü c k s mit S t r o m im R a h m e n entsprechender Verträge begründet damit keine selbständige Eigenschaft des G r u n d s t ü c k s , so daß bei U n t e r b r e chung der S t r o m v e r s o r g u n g keine Eigentumsverletzung vorliegt.78 E s ist d a m i t f e s t z u h a l t e n , d a ß in all d e n d a r g e l e g t e n F ä l l e n , in d e n e n d i e R e c h t sprechung eine Eigentumsverletzung

a n g e n o m m e n hat, o b w o h l keine

Sub-

stanzverletzung vorgelegen hat, eine Eigenschaft der Sache aufgrund des E i n griffs b e e i n t r ä c h t i g t w o r d e n w a r . 7 9 D i e E i g e n s c h a f t s b e e i n t r ä c h t i g u n g m u ß d a b e i v o n w e s e n t l i c h e r A r t s e i n . I n A n l e h n u n g a n § 4 5 9 B G B ist dies i m m e r d a n n a n z u n e h m e n , w e n n in i h r e r F o l g e die G e b r a u c h s t a u g l i c h k e i t d e r S a c h e a u f g e h o b e n o d e r g e m i n d e r t ist. I m ü b r i g e n w i r d a u c h i m S t r a f r e c h t d i e A n n a h m e ein e r S a c h b e s c h ä d i g u n g n a c h § 3 0 3 B G B ü b e r die V e r l e t z u n g d e r S u b s t a n z a u f d i e F ä l l e a u s g e d e h n t , in d e n e n d i e S a c h e i h r e G e b r a u c h s t a u g l i c h k e i t v e r l i e r t . 8 0

Larenz, Schuldrecht II, § 72 I; Staudinger/Schäfer, 12. Aufl., § 823 Rn 50. In diese Richtung Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 55 I 2 a; Kötz, Deliktsrecht, Rn 62, auf den Versicherungsaspekt hinweisend. Staudinger/Hager, § 823 Rn B 97, begründet seine Auffassung insbesondere mit der Notwendigkeit eines vorbeugenden Unterlassungsschutzes. O b es aber notwendig und sachgerecht ist, neben dem Eigentümer der Leitung, dem unzweifelhaft ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zusteht, auch jedem bedrohten Stromabnehmer einen solchen einzuräumen, erscheint zweifelhaft. 78 B G H Z 29, 65; Larenz!Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 c; Zeuner, Festschrift Flume, S. 784f; Schwitanski, S. 356f; Kötz, Deliktsrecht, R n 6 1 ; MünchKomm/Mertens, §823 Rn 116ff; a.A. Staudinger/Hager, § 823 Rn B 97; Erman/Schiemann, § 823 Rn 31. Anders ist dies, wenn es aufgrund des Stromausfalles zu Eigentumsverletzungen kommt, z.B. Waren verderben oder Bruteier nicht ausgebrütet werden können, B G H Z 41, 123. Hier kommt es letztendlich zu Substanzverletzungen. Aufgrund des eindeutig in § 823 B G B angeordneten Güterschutzes ist hier Ersatz zu gewähren, auch wenn die § 823 B G B zugrundeliegende unterschiedliche Bewertung von Eigentums- und Vermögensverletzungen zu Ergebnissen führt, die nicht immer ganz unproblematisch erscheinen, vgl. dazu Hager, J Z 1979, 53 ff; Möschel, JuS 1977, S. 2; Löwisch/Meier-Rudolph, JuS 1982, 243. 76

77

79 Dies gilt im übrigen auch für die Fälle der Störung der systematischen Ordnung einer organisatorischen Sacheinheit wie einer Briefmarkensammlung, einer Bibliothek oder eines Archivs, B G H N J W 1980, 1518. Die Lieferung einer mangelhaften Ware stellt demgegenüber keine Eigentumsverletzung dar, Larenz, Schuldrecht II, § 72 I; Freund/Barthelmeß, NJW 1975, 281; Kötz, Deliktsrecht, Rn 65; Plum, AcP 181, 68 ff; ebensowenig die Vereitelung eines Grundstücksverkaufs, anders Willoweit, N J W 1975,1190. Insoweit fehlt es an einer Substanzoder Eigenschaftsverletzung. 8 0 Unter Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB wird jede nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung auf die Sache verstanden, durch die ihre stoffliche Zusammensetzung

A. Schutz der Nutzungsmöglichkeit

einer Sache durch 5 823 I

BGB

209

Werden in den Schutz der Sache und damit in den ihres ungestörten Habens auch die Eigenschaften der Sache miteinbezogen, wird auch die Grundlage einiger, von der Literatur herangezogener, zum Teil wenig greifbarer 81 Wertungskorrektive deutlich. So ergibt sich aus der Anknüpfung an eine Eigenschaftsverletzung zwingend, daß der Verlust der Nutzungsmöglichkeit auf einem „sachbezogenen" Eingriff beruhen muß, während Beeinträchtigungen der Nutzungsmöglichkeit, die sich aus sonstigen Ursachen oder aus der Person des Eigentümers ergeben, auch wenn sie den Eigentümer ähnlich hart treffen, nicht vom Eigentumsschutz erfaßt werden können. 82 Durch das Erfordernis, daß die Gebrauchs-/Nutzungs-/Dispositionsbeeinträchtigung ihre Ursache in einem Eigenschaftsverlust der Sache haben muß, kommt es zugleich zu einer Konkretisierung des geschützten Eigentumsbereichs. Demgegenüber wird es der Grundkonzeption des Eigentumsschutzes nicht gerecht, allein auf die Gebrauchsbeeinträchtigung/Funktionsbeeinträchtigung einer Sache abzustellen, denn Gebrauchs- und Funktionsbeeinträchtigungen können, wie die Beispiele aus der Rechtsprechung gezeigt haben, auch unterschiedliche andere Ursachen haben. 83 Da der Wert einer Sache durch ihre Eigenschaften bestimmt wird, wirkt sich ein Eigenschaftsverlust auch regelmäßig auf ihren Marktwert aus. Wenn Mertens auf den Marktwert abstellt, knüpft er somit letztlich an die Sache und ihre Eigenschaften an. 84 Bei nur vorübergehendem Verlust einer Eigenschaft, also bei zeitweiliger Unbenutzbarkeit der Sache wie im Fleetfall, stößt jedoch mangels entsprechender Vergleichs großen die Feststellung einer Marktwertminderung auf Schwierigkeiten, so daß das Marktwertkriterium zur Bestimmung eines Eigentumsschadens nur als bedingt tauglich angesehen werden kann. 85 Von Mertens und Kotz wird gefordert, daß die Gebrauchsbeeinträchtigung von Dauer sein müsse. 86 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Eigenverändert oder ihre Unversehrtheit derart aufgehoben wird, daß die Brauchbarkeit für ihre Zwecke gemindert ist, RGSt 43, 204, 205; 74, 13, 14; B G H S t 13, 207; B a y O b L G N J W 1987, 3271; vgl. auch Stree, JuS 1988, 187, 188 ff. Letztlich vorzugswürdiger wäre es allerdings auch hier, auf eine Eigenschaftsverletzung abzustellen, die zur Gebrauchsuntauglichkeit führt. Denn die Gebrauchsuntauglichkeit setzt, sofern sie sachbezogen ist, einen Eigenschaftsverlust voraus. 81 Wie etwa die „sozialtypische Verwendungsfunktion", MiinchKomm/Mertens, § 823 Rn 71; Möschel, JuS 1977, 1, 4; Risikoverteilungskriterien, AltKomm/Joerges, § 823 Rn 12; Müller-Graff, J Z 1983, 862. 82 Vgl. dazu S. 194 ff. 83 Vgl. etwa den Fleetfall hinsichtlich der ausgeschlossenen Schuten, B G H Z 55, 153 ff, und den Großtanklagerfall, N J W 1977, 2264, im Hinblick auf die Zeit, in der die Zufahrt zu dem Grundstück durch den Verkehrsstau blockiert war. 84 Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 113 ff. 85 Schnug, J A 1985, 614, 617; Brüggemeier, Rn 320; ders., VersR 1984, 902; Müller-Graff, J Z 1983, 862; Rosenbach, S. 65; Staudinger/Hager, § 823 Rn B 94. 86 MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 113ff; Kötz, Deliktsrecht, Rn 62; Jauernig/Teichmann, % 823 Rn 8; kritisch Schnug, J A 1985, 614, 617.

210

§}

Eigentums- und.

Immaterialgüterrecbtsverletzungen

tumsverletzung in dem den G e b r a u c h beeinträchtigenden Eigenschaftsverlust zu sehen ist und ein solcher, w e n n auch nur zeitweilig, wie etwa in dem G r o ß tanklagerfall, 8 7 definitiv eingetreten ist. 8 8 Allerdings ist zu beachten, daß es bei einer nur zeitweiligen Eigenschaftsbeeinträchtigung der Sache unter U m s t ä n den an einem entsprechenden Schaden fehlen kann, weil etwa der G e s c h ä digte von der betreffenden Sache keinen G e b r a u c h gemacht hätte oder im R a h m e n v o n § 2 5 4 I I B G B gehalten war, sich anders zu behelfen. 8 9 F ü r die Ausgangsfrage, inwieweit im R a h m e n v o n § 823 I B G B der Verlust der N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t bzw. der Dispositionsfreiheit eine eigenständige E i g e n t u m s v e r l e t z u n g darstellt, läßt sich damit festhalten: R e g e l m ä ß i g liegt eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g bei einer Integritätsverletzung vor. S o w e i t die R e c h t s p r e c h u n g eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g aufgrund der Beeinträchtigung der b e s t i m m u n g s g e m ä ß e n V e r w e n d u n g auch dann, w e n n die Substanz der Sache nicht verletzt wurde, a n g e n o m m e n hat, lag der Verlust einer wesentlichen Eigenschaft vor, der die entsprechenden A u s w i r k u n g e n auf die B r a u c h b a r k e i t der Sache zur F o l g e hatte. D e r E i g e n t u m s s c h u t z des § 823 I B G B bezieht sich damit vorrangig auf den S c h u t z der Sache mit ihren Eigenschaften, also das ungestörte „ H a b e n " . D u r c h diese E r w e i t e r u n g des E i g e n t u m s s c h u t z e s auf die wesentlichen Eigenschaften der Sache wird eine systemgerechte A b g r e n zung zwischen E i g e n t u m s s c h ä d e n einerseits und reinen V e r m ö g e n s s c h ä d e n durch Eingriffe in die Entfaltungsfreiheit andererseits, die v o n § 823 I B G B gerade nicht erfaßt werden, erreicht. E i n gesonderter, ü b e r die A u s s c h l i e ßungsbefugnis hinausgehender S c h u t z positiver Eigentumsbefugnisse wie der Dispositionsfreiheit läßt sich aus § 823 I B G B nicht ableiten. A u s § 823 I B G B ergibt sich damit kein H i n w e i s darauf, daß die b l o ß e N u t z u n g s m ö g l i c h keit einer Sache eigenständigen rechtlichen S c h u t z genießt.

B. Schadensersatz wegen Anmaßung von Immaterialgüterrechten, insbesondere von gewerblichen Schutzrechten I.

Grundsätzliches

N u t z t j e m a n d unberechtigt schuldhaft ein fremdes Immaterialgüterrecht, insbesondere ein fremdes gewerbliches S c h u t z r e c h t wie U r h e b e r - , P a t e n t - , G e b r a u c h s - , G e s c h m a c k s m u s t e r - oder M a r k e n r e c h t 9 0 , so ist er aufgrund deliktischer Vorschriften wie § 823 I B G B bzw. § 97 I U r h G , § 139 I I P a t G , BGH NJW 1977, 294; BGHZ 137, 98. Soergel/Zeuner, § 823 Rn 30; Grüneberg, NJW 1992, 948; Larenz/Canaris, recht II/2, S. 288 ff. 89 Grüneberg, NJW 1992, 948; Dörner, JuS 1978, 668; vgl. dazu S. 288ff, 302ff. 90 Früher Warenzeichenrecht. 87 88

Schuld-

B. Schadensersatz

wegen Anmaßung

von Immaterialgüterrechten

211

§ 24 II GebrMG, § 14 a I GeschmMG, §§ 14 VI, VII, 15 V, VI MarkenG 91 zum Schadensersatz verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts wie auch des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte seinen Schaden in diesen Fällen auf der Grundlage einer entsprechenden Lizenzgebühr berechnen. 92 Daraus ist gefolgert worden, daß eine entsprechende Schadensberechnung in allen Fällen der Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines Rechts wie auch einer Sache in Betracht komme. 93 Zur rechtlichen Einordnung und Qualifizierung der Nutzungsmöglichkeit ist deshalb der Frage nachzugehen, auf welcher Grundlage der Schadensausgleich auf Lizenzbasis beruht und inwieweit sich aus ihm Hinweise auf eine besondere Schutzwürdigkeit der Nutzungsmöglichkeit eines Rechts oder einer Sache ergeben. Die Fälle der unberechtigten Inanspruchnahme eines fremden Immaterialgüterrechts sind dadurch gekennzeichnet, daß der Verletzer in den Zuweisungsgehalt eines Rechts eines anderen eingreift und es gegen den Willen des Rechtsinhabers zwar nicht rechtlich, aber faktisch zu einer - zumindest teilweisen - Abspaltung der Nutzungsberechtigung kommt. Anders als in den Fällen vorübergehender Gebrauchsuntauglichkeit einer Sache, in der die Sache von dem Eigentümer nicht nach gusto eingesetzt und genutzt werden kann, führt hier der Eingriff dazu, daß gegen seinen Willen die Nutzungsbefugnis von einem Dritten ausgeübt wird. 94 Wegen ihrer spezifischen Verletzlichkeit kommt dem Eingriff in Immaterialgüterrechte besondere Bedeutung zu, 95 zu denen neben den gewerblichen Schutzrechten auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gehört, das u.a. auch das Recht am eigenen Bild umfaßt. 96 Die Immaterialgüterrechte sind wegen Früher § 24 II WarenzeichenG. Vgl.S. 213 ff. 93 Jahr, A c P 183, 725ff; Schulte, S. lOlff; vgl. dazu S. 45ff. 94 Dieser grundlegende Unterschied ist bei der Frage nach der Gleichbehandlung eines angemaßten N u t z u n g s r e c h t s mit der v o r ü b e r g e h e n d e n Gebrauchsbeeinträchtigung einer Sache zu beachten. Im H i n b l i c k auf die konkrete/abstrakte Schadensberechnung differenziert deshalb Steindorff, A c P 158,431, 448 ff; anders Jahr, A c P 183, 726 ff; Schulte, S. 101 ff, die sie gleich behandeln. 95 B G H Z 57, 116, 118; Neuner, A c P 133, 277, 291; Löwenheim, Z H R 135, 97, 107, 115ff; ders., J Z 1972, 12, 14f; Lange, Schadensersatz, § 6 XII 3; Steindorff, A c P 158, 431, 454ff; Däubler, J u S 1 9 6 9 , 5 1 . 96 B G H Z 20, 345 (Paul Dahlke); B G H G R U R 1961, 138 (Familie Schölermann). Bei schweren ehrverletzenden Persönlichkeitsverletzungen w i r d eine fiktive Berechnung eines N u t z u n g s e n t g e l t s abgelehnt, weil w e g e n der h e r a b w ü r d i g e n d e n W i r k u n g eine fiktive Berechnung als erneute Persönlichkeitsverletzung zu begreifen w ä r e , a.A Reinhardt in seiner A n m e r kung zur Herrenreiterentscheidung in Schulze, Rspr z u m U R , B G H Z Nr. 43, der auch in diesen Fällen einen auf Lizenzbasis zu berechnenden Vermögensschaden annehmen will. Bei besonders schweren Persönlichkeitsverletzungen w i r d jedoch ein Schmerzensgeldanspruch für die immateriellen Schäden zugestanden, vgl. B G H Z 26, 349 (Herrenreiterentscheidung); B G H Z 128, 1, 14; Medicus, Bürgerliches Recht, R n 614; Lange, Schadensersatz, § 6 XII 2 b; Larenz, Schuldrecht I, § 29 III b; MünchKomm/Grunsky, § 252 R n 16. Letztlich steht hinter 91

92

212

§5 Eigentums-und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

ihrer unkörperlichen N a t u r besonders gefährdet, weil anders als bei Sachen n u r beschränkt Sicherheitsvorkehrungen getroffen w e r d e n können und eine Verletzung v o m Verletzten häufig erst nach einer gewissen D a u e r erkannt w i r d . 9 7 Bei der Verletzung v o n Immaterialgüterrechten durch A n m a ß u n g einer Nutzungsberechtigung kann der Geschädigte deshalb nach ständiger Rechtsprechungspraxis, die bereits auf das 19. Jahrhundert zurückgeht, 9 8 zwischen drei unterschiedlichen Schadensberechnungsarten wählen. 9 9 Z u m einen kann er den Schaden auf der Grundlage des ihm entgangenen G e w i n n s 1 0 0 berechnen, insoweit w i r d auch v o n der Erstattung des k o n k r e t e n Schadens gesprochen. Z u m anderen kann er sich bei der Schadensersatzberechnung an einer angemessenen Lizenzgebühr orientieren, w o b e i es nicht darauf ankommt, ob er eine entsprechende Lizenz vergeben hätte oder eine solche hätte erteilt w e r d e n können. 1 0 1 Schließlich kann er Herausgabe des G e w i n n s verlangen, den der Ersatzpflichtige aufgrund seines rechtswidrigen Eingriffs gezogen hat. 1 0 2 Die Möglichkeit, Herausgabe des G e w i n n s verlangen zu können, ist in § 9 7 I 2 U r h G und in § 14a I S. 2 und 3 G e s c h m M G ausdrücklich gesetzlich normiert. 1 0 3 der Gewährung eines Schmerzensgeldes in diesen Fällen jedoch auch der Gedanke des Schutzes vor der Presse durch eine zumindest teilweise Gewinnabschöpfung, vgl. dazu Schlechtriem, JZ 1995, 363 ff; Staudinger/Hager, § 823 Rn C 254 m.w.N. 97 BGHZ57, 116, 118; Lange, Schadensersatz, § 6 XII 3; Däubler, JuS 1969,51. 98 RGZ 35, 63, 67ff, das Urheberrechtsgesetz vom 11.6.1870 betreffend; RGZ 43, 56, 58 für das Patentgesetz vom 25.7.1877 und vom 7.4.1889; RGZ 50, 111, 115 für die Entschädigung nach dem Gebrauchsmustergesetz vom 1.6.1891, vgl. Rogge, Festschrift Nirk, 1993, 929,930ff. 99 Vgl. dazu RGZ 156, 65, 67; 156, 321, 325; 172, 29, 35; BGHZ 44, 372, 374; 80, 841 ff; BGH NJW 1992, 2753; 1993, 1989; Steindorff, AcP 158, 451; Keuk, S. 72ff; Däubler, JuS 1969, 49; Löwenheim, ZHR 135, 97ff; ders., JZ 1972, 12; Joerges, Bereicherungsrecht, S. 57ff, 69ff; Gottwald, S. 171; Kroitzsch, Festschrift Hefermehl, S. 123ff, 129ff; Schmidt-Salzer, JR 1969, 81, 85; Schrewe, S. 206ff. Im Wettbewerbsrecht wird eine Berechnung auf Lizenzbasis nur dann gestattet, wenn Ausschließlichkeitsrechte oder fremde Leistungen in vergleichbarer Weise verletzt wurden, z.B. bei sklavischer Nachahmung, BGHZ 57, 116 mit abl. Anm.Haines, NJW 1972, 482; Gottwald, S. 171; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. Rn 383, 384. 100 Vgl. dazu Benkrad/Rogge, PatentG, § 139 Rn 62; Berlit, Rn 259. 101 BGHZ 44, 372, 375 (Meßmer Tee II); 77, 16, 18ff (Tolbutamid); 82, 310, 313ff (Fersenabstützvorrichtung); 97, 37, 41 ff (Filmmusik); Lange, Schadensersatz, § 6 XII 1. 102 RG JW 1890, 162; RGZ 43, 56, 59; Pietzcker, GRUR 1972, 151, 153; Lange, Schadensersatz, § 6 XII 1; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 180; Staudinger/Scbiemann, § 249 Rn 200; MünchKomm/Grunsky, § 252 Rn 16. Man ist sich heute jedoch weitgehend darüber einig, daß es sich bei diesem Herausgabeanspruch nicht um einen Schadensersatzanspruch im eigentlichen Sinne handelt, sondern der Anspruch seine Grundlage in einer unerlaubten Eigengeschäftsführung nach § 687 II BGB hat, vgl. schon RGZ 35, 71; BGHZ 34, 320, 321; Gottwald, S. 177; Däubler, JuS 1969, 49, 53; v. Bar, Ufita 81 (1978), 57, 59; Münch Komm/Grunsky, §252 Rn 16. 103 Diese auch im Patent- und Gebrauchsmusterrecht bestehende Praxis hat mittelbare Anerkennung durch § 139 II S. 2 PatG und § 24 II S. 2 GebrMG erfahren; vgl. RGZ 50, 111 (zum Gebrauchsmusterrecht); BGH GRUR 1963, 640, 642 (zum Geschmacksmusterrecht); BGHZ 60, 206 (Namen- und Filmrechte betreffend); BGHZ 20, 345 (zum Recht am eigenen Bild);

B. Schadensersatz

wegen Anmaßung

von Immaterialgüterrechten

213

Diese unterschiedlichen Berechnungsarten zeigen, daß der durch die A n maßung einer Nutzungsberechtigung beim Geschädigten eingetretene Schaden unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden kann. 1 0 4 Während noch das Reichsgericht alle drei Schadensberechnungsarten als mit den allgemeinen Regeln des Schadensrechts vereinbar angesehen hat, 1 0 5 überwiegt nunmehr die Meinung, daß allein die Berechnung auf der Basis des dem Geschädigten entgangenen Gewinns, also die „konkrete" Schadensberechnung, den allgemeinen Schadensersatzrechtsgrundsätzen, insbesondere der Differenztheorie, entspreche. 1 0 6 Bei dieser Schadensberechnung wird nicht das Unterlassungsinteresse als solches bewertet, sondern auf die ganz konkret beim G e schädigten aufgrund der Verletzung eingetretenen Nachteile, den dadurch entgangenen Gewinn, abgestellt. Diese „konkrete" Schadensberechnungsweise knüpft daran an, welche Nutzungen und Vorteile der Inhaber des Rechts selbst aus seiner Rechtsposition gezogen hätte, wenn die Verletzung nicht eingetreten wäre. Entscheidend ist damit die - legt man den Zeitpunkt der Verletzung zugrunde - aufgrund des Eingriffs abweichende negative zukünftige „Vermögens"entwicklung beim Geschädigten. Dabei ist der N a c h weis eines entgangenen Gewinns oft schwierig, weil dem Geschädigten insoweit die Darlegung eines hypothetischen Geschehensablaufs obliegt, er die Ursächlichkeit der Patentverletzung für einen Absatzverlust und die H ö h e des entgangenen Gewinns darlegen muß. 1 0 7

II. Berechnung auf

Lizenzbasis

N a c h ständiger Rechtsprechung kann der Verletzte bei schuldhafter unberechtigter Nutzung eines immateriellen Rechts seinen Schaden und damit sein Unterlassungsinteresse auch auf Lizenzbasis berechnen. 1 0 8 Allerdings wird in der Literatur die Vereinbarkeit dieser Schadensberechnungsmöglichkeit mit den allgemeinen Schadensersatzregeln angezweifelt, weil sich unter Zugrun-

B G H Z 34, 32 = N J W 1961, 1017 (zum Warenzeichenrecht). Entsprechendes gilt auch für § 14 VI, VII und § 15 V, VI Markengesetz, Fezer, MarkenG, § 14 Rn 519; Berlit, Rn 259. 104 Das R G , R G Z 43, 67, unterscheidet zwischen dem Interesse an der Unterlassung und dem Interesse an der Genehmigung, vgl. dazu auch Keuk, S. 77. 105 R G Z 35, 63 ff; 43, 56, 66. 106 MünchKomm/Grunsky, § 252 Rn 16; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 2 4 9 Rn 180; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 201; Lange, Schadensersatz, § 6 X I I 5; Larenz, Schuldrecht I, § 29 III b; denn nur soweit der Geschädigte Vermögenseinbußen oder entgangenen Gewinn geltend mache, lasse sich auf der Grundlage der allgemeinen Schadensregeln, insbesondere der Differenztheorie, ein Vermögensschaden feststellen. 107 Zu den Anforderungen, denen sein Vortrag genügen muß, um eine Schätzung des entgangenen Gewinns nach § 287 Z P O zu ermöglichen, vgl. B G H Z 77, 16, 18 ff; krit. Weitnauer, Karlsruher Forum 1983, 192f; Körner, Festschrift Steindorff, S. 882; Gottwald, S. 173f; Pietzkker, G R U R 1975, 55. 108 B G H Z 20, 345, 353; 53, 116, 119; 5 9 , 2 8 6 , 2 9 1 ; 77, 16; 119, 20, 23 ff.

214

§3 Eigentums-und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

delegung der D i f f e r e n z t h e o r i e b e i m Geschädigten keine entsprechende V e r m ö g e n s d i f f e r e n z ergebe und sich damit kein entsprechender V e r m ö g e n s s c h a den feststellen lasse. 1 0 9 D i e D i f f e r e n z t h e o r i e wirft also nicht nur bei der Frage nach einem N u t z u n g s e r s a t z wegen des Entgangs v o n G e b r a u c h s v o r t e i l e n , sondern auch bei der S c h a d e n s b e r e c h n u n g auf L i z e n z b a s i s bei I m m a t e r i a l g ü terrechtsverletzungen P r o b l e m e auf. 1 1 0 G e g e n eine S c h a d e n s b e r e c h n u n g auf L i z e n z b a s i s wird insbesondere vorgebracht, daß sie auf dem G e d a n k e n einer Vergütung eines rechtswidrig erlangten Vorteils, der nach der G ü t e r z u o r d n u n g nicht d e m Eingreifer, sondern dem B e r e c h t i g t e n gebühre, beruhe, hinter ihr also ein bereicherungsrechtlich geprägter G e d a n k e stehe. D e r A n s p r u c h auf eine entsprechende L i z e n z g e b ü h r finde deshalb seine R e c h t f e r t i g u n g in einem A n s p r u c h aus E i n g r i f f s k o n diktion, 1 1 1 bei der die L i z e n z g e b ü h r dem erlangten E t w a s des Eingreifers entspreche. 1 1 2 D i e B e r e c h n u n g auf L i z e n z b a s i s stehe deshalb außerhalb der R e geln des allgemeinen Schadensersatzrechts, in ihr sei allenfalls etwas Verwandtes zu e r b l i c k e n . 1 1 3 U b e r w i e g e n d wird die S c h a d e n s b e r e c h n u n g auf Lizenzbasis j e d o c h als sachgerecht und erforderlich angesehen. 1 1 4 M a n versucht sie deshalb auf der G r u n d l a g e v o n Wertungsüberlegungen zu rechtfertigen. D i e R e c h t s p r e c h u n g spricht n u n m e h r v o n einer gewohnheitsrechtlichen E r g ä n z u n g 1 1 5 und b e gründet die S o n d e r e n t w i c k l u n g mit der b e s o n d e r e n Verletzlichkeit der I m materialgüterrechte. 1 1 6 109 Rogge, Festschrift Nirk, S. 932; Münch Komm/Grunsky, § 252 Rn 16; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 178; ders., Bürgerliches Recht, Rn 833; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 199ff; Lange, Schadensersatz, § 6 XII 5; Joerges, S. 69ff; Larenz, Schuldrecht I, § 29 III b; Haines, NJW 1972, 482; Schrewe, S. 211 ff. 110 Zur Problematik der Differenztheorie ausführlich S. 389ff. 111 Vgl. dazu S. 166 ff. 112 Larenz, Schuldrecht I, §29111 b Fußnote 119; Staudiger/Medicus, 12. Aufl., §249 Rn 180; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 201; MünchKomm/Grunsky, § 252 Rn 16; Joerges, Bereicherungsrecht, S. 69ff; Sack, Festschrift Hubmann, S. 373ff; Haines, S. 4ff, 29ff, 107f; ders., NJW 1972, 482; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 81 ff. Vgl. zur Eingriffkondiktion S. 166ff. Dabei ist jedoch zu beachten, daß ein Eingriff regelmäßig bei dem anderen auch zu einem entsprechenden Verlust führt. Nach Bötticher, AcP 158, 385, 406, sträubt sich deshalb nicht zu Unrecht das Rechtsgefühl, einen schuldhaften Eingriff lediglich unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zu betrachten. 113 Larenz, Schuldrecht I, § 29 III b; Kroitzsch, Festschrift Hefermehl, S. 53, 61; Jahr, AcP 183, 725, 761 Fußnote 175, weist auf die Bedeutung der deliktsrechtlichen Begründung des Schadensersatzanspruchs für die Anwendung des internationalen Deliktsrechts hin. 114 BGHZ 57, 116, 118; Gottwald, S. 170ff; Keuk, S. 72ff; von Bar, Ufita, 1981, 57, 68; Pietzcker, GRUR 1972, 151, 153; Löwenheim, JZ 1972, 12, 14f, den schadensersatzrechtlichen Charakter betonend. 115 BGHZ 20, 345, 353 (Paul Dahlke); BGHZ 57, 116, 119 (Wandsteckdose II); BGHZ 59, 286, 291 (Tarifgebühr); 77, 16 (Tolbutamid). 116 BGHZ 57, 116, 118; in diese Richtung auch Steindorff, AcP 158, 469, der aus diesen Gründen ausnahmsweise eine abstrakte Schadensberechnung zulassen will; Däuhler, JuS 1969, 49; Löwenheim, ZHR 135, 113 ff.

B. Schadensersatz

wegen Anmaßung

von Immaterialgüterrechten

215

Zum Teil wird die Gewährung des Schadensersatzes in Höhe der Lizenzgebühr, obwohl dem Schadensersatzrecht das Ausgleichsprinzip zugrundeliegt, mit Sanktions- bzw. Präventionserwägungen wegen des besonderen Verletzungspotentials der subjektiven Rechte 117 begründet. Zwar lasse sich kein auszugleichender Vermögensschaden feststellen, Sanktions- und Präventionsgesichtspunkte machten es aber erforderlich, diese Rechte besonders zu schützen und deshalb eine entsprechende Lizenzgebühr zu gewähren, da sonst der Rechtsverletzer besser gestellt würde als derjenige, der eine Lizenz erwerbe. 118 Steindorff will deshalb ausnahmsweise eine abstrakte Schadensberechnung auf der Grundlage einer entsprechenden Lizenzgebühr zulassen.119 Keuk 120 hat im Anschuß an eine Entscheidung des Reichsgerichts 121 die Gewährung der Lizenzgebühr damit zu rechtfertigen gesucht, daß zwischen dem Interesse des Geschädigten an der Unterlassung als solchem, das sich in dem konkreten Schaden widerspiegele, und dem Interesse des Geschädigten daran, um eine entsprechende Lizenz ersucht zu werden, zu differenzieren sei. Soweit das Interesse auf Lizenzersuchung verletzt werde, bestehe der Schaden in dem Entgang einer entsprechenden Lizenzgebühr. In dieselbe Richtung zielend, wird die Gewährung der Lizenzgebühr mit der Fiktion eines faktischen Vertrages122 oder mit dem Gedanken entgangenen Gewinns 123 zu begründen versucht, indem man darauf verweist, daß dem Geschädigten gegenüber einer ordnungsgemäßen Einräumung der Lizenz eine entsprechende Lizenzgebühr entgehe. Soweit beim Geschädigten die Bereitschaft zur Vergabe einer entsprechenden Lizenz fehlt, 124 wird argumentiert, daß niemand durch einen unerlaubten Eingriff besser stehen dürfe als wenn er um eine entsprechende ordnungsgemäße Erlaubnis nachgesucht hätte. 125 Insbesondere die Rechtsprechung greift auf diese erst-recht-Argumentation zurück und erkennt eine Schadensberechnung auf Lizenzbasis auch dann an, wenn eine entsprechende Lizenz entweder überhaupt nicht vergeben werden konnte oder doch nicht an den Schädiger vergeben worden wäre. 126 117 Und auch der objektiven Rechtsordnung, worauf Löwenheim für die Warenzeichenverletzungen hinweist, Z H R 135, 123ff. 118 Gottwald, S. 172; Pietzcker, G R U R 1972, 151, 153; Löwenheim, J Z 1972, 12,14f. 119 Steindorff, AcP 158, 431, 469. 120 Keuk, S. 72 ff. 121 R G Z 35, 63. 122 B G H Z 44, 372, 379; Kroitzsch, Festschrift Hefermehl, S. 53, 59ff. 123 B G H Z 44, 372, 379; Mertens, S. 14 Fußnote 15; Gottwald, S. 174ff. Dabei bleibt jedoch die Tatsache außer Betracht, daß der Verletzte gar nicht die Absicht hatte, eine solche Lizenz einzuräumen, so daß über den Rahmen von § 252 B G B weit hinausgegangen wird, krit. Kroitzsch, Festschrift Hefermehl, S. 53, 61. 124 B G H Z 44, 372, 279f (Meßmer Tee II); B G H Z 119, 20, 26. 125 R G Z 144, 187, 190; B G H Z 20, 345, 353; 26, 349, 352f; 57, 116, 118f. 126 Bei Warenzeichenrechten, auf die die Grundsätze übertragen wurden, war eine Lizenzvergabe von Gesetzes wegen mit dinglicher Wirkung gar nicht vorgesehen, B G H Z 44, 372, 375

216

§5 Eigentums-

und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

Letztlich sind diese Begründungen, insbesondere das erst-recht-Argument, von dem Billigkeitsgedanken getragen, daß der sich nicht rechtmäßig Verhaltende nicht besser gestellt werden könne als derjenige, der sich regelgerecht verhält. Für die Berechnung des Schadensersatzes auf der Grundlage einer entsprechenden Lizenzgebühr sprechen aber auch grundlegende schadensersatzrechtliche Überlegungen. Die Rechtsstellung des Inhabers eines Immaterialgüterrechts ist dadurch gekennzeichnet, daß er andere von dem Zugriff auf sein Recht ausschließen kann. 127 Dementsprechend stehen ihm u.a. nach (MessmerTee II); BGHZ 77, 16,18 ff, (Tolbutamid); BGHZ 82, 310, 313 ff; 97, 37,41 ff. Die Lizenzgebühr orientierte sich hier an einer entsprechenden denkbaren Vereinbarung mit zulässigem Inhalt, vgl. Lange, Schadensersatz, § 6 XII 2. Bei Markenzeichen orientiert sie sich nunmehr an einer bei Abschluß eines Markenlizenzvertrages angemessenen Lizenzgebühr, Fezer, MarkenG, § 14 Rn 522. 127 Eine Ausnahme bilden insoweit u.a. die in §§ 45 ff UrhG genannten Einschränkungen des Urheberrechts. Nach ihnen ist im Interesse der Allgemeinheit die Vervielfältigung und Verbreitung von Schriften etc. in bestimmten Fällen - jedoch regelmäßig nur gegen eine entsprechende Gebühr - zulässig. Soweit die Verwertung durch Verwertungsgesellschaften geschieht - GEMA, VG WORT, GVL, ZPÜ, GÜFA - , unterliegen diese einem Wahrnehmungsund Abschlußzwang, §§ 6, 11 WahrnG. Bei Verstoß gegen entsprechende Anmeldungspflichten und die dadurch erfolgte Verletzung musikalischer Urheberrechte hat sich für die GEMA eine gesonderte Schadensersatzrechtsprechung entwickelt. Danach wird bei Verletzung von musikalischen Urheberrechten - aber nur diesen, eine Übertragung auf andere Verwertungsrechte wurde von der Rechtsprechung abgelehnt, vgl. BGH GRUR, 1966, 570 (unangemeldete Aufführung einer Eisrevue); BGHZ 77, 16, 26ff; BGHZ 97, 37, 50; - ein 100% Zuschlag zu den Normaltarifen gewährt, BGHZ 17, 376; 59, 286; zustimmend Möhring, GRUR Int. 1973, 299ff. Begründet wird dies insbesondere mit dem erhöhten Uberwachungsaufwand. Zweifelhaft erscheint dabei, ob sich die unterschiedliche Bewertung, die Verurteilung zum Doppelten, aus schadensersatzrechtlichen Gründen rechtfertigen läßt, vgl. auch Löwenheim, JZ 1973, 792, 793; Gottwald, S. 178; Lange, Schadensersatz, § 6 VIII 2; Schiemann, S. 112 ff; Staudinger/ Schiemann, § 249 Rn 118. Da in diesen Fällen ein Abschlußzwang gegenüber der GEMA besteht, erscheint auch eine Lösung des Problems auf vertraglicher Grundlage möglich. Unterwirft sich jemand bei zwangsweisem Vertragsschluß nicht dem entsprechenden Verfahren, so ist zu fragen, ob sich in diesem Fall eine höhere Lizenzgebühr rechtfertigt. So ist zu überlegen, ob sich nicht die Bevorzugung derjenigen, die sich dem ordnungsgemäßen Verfahren unterwerfen, gegenüber denjenigen, die dies nicht tun und damit ein kostspieliges Uberwachungssystem erforderlich machen, dadurch begründen läßt, daß den ersteren ein entsprechend günstigerer Pauschalsatz, mithin ein Rabatt, eingeräumt wird. Diesen Ansatz hat das RG, MuW XII, 658, anklingen lassen, als es den höheren Schadensersatz damit rechtfertigte, daß der Verletzer keinen Anspruch auf eine Berechnung nach einem besonders günstigen Pauschalsatz habe. Die Rabattgewährung für den sich rechtmäßig Verhaltenden läßt sich dabei durch die wesentlich geringeren Verwaltungskosten bei ordnungsgemäßer Anmeldung und das legitime Interesse, zu ordnungsgemäßem Kontrahieren anzureizen, begründen. Die Uberwachungskosten stellen damit „Vertragsabschlußkosten" im weiteren Sinne dar, die auf den anderen übergewälzt werden können. Die unterschiedliche Behandlung wäre dann dadurch gerechtfertigt, daß nicht den unrechtmäßig Vorgehenden eine Strafe trifft, sondern dem korrekt Handelnden eine Ermäßigung eingeräumt wird. Eine Staffelung der Lizenzgebühren danach, ob jemand den ordnungsmäßen Weg einhält und damit die Verwaltungskosten der GEMA gering hält oder nicht, erscheint insoweit durchaus sachgerecht. Diesem Begründungsansatz, der bereits im Referentenentwurf - allerdings auf 25% Basis - anklingt, vgl. Entwürfe des Bundesjustiz-

B. Schadensersatz wegen Anmaßung von Immaterialgüterrechten

217

§ 97 I UrhG, § 139 I PatG und § 24 I GebrauchsmusterG Unterlassungsansprüche zu. Maßt sich ein Dritter ein solches Recht an, so verletzt er das Interesse des Rechtsinhabers an der Unterlassung einer entsprechenden Nutzung. Der Schaden des Rechtsinhabers besteht mithin darin, daß sein Unterlassungsinteresse verletzt worden ist. Es stellt sich deshalb die Frage, wie das Interesse des Berechtigten an der Unterlassung eines solchen Eingriffs zu bewerten und zu schätzen ist. Dabei kann daraus, daß das Unterlassungsinteresse in der Vermögensbilanz keine Berücksichtigung findet, 128 nicht geschlossen werden, daß ihm jeglicher Vermögenswert fehlt. Der Wert des Unterlassungsinteresses für den Berechtigten wird sichtbar, wenn er auf seinen Unterlassungsanspruch verzichtet, also einem Dritten die Nutzungsberechtigung einräumt. Der Wert des Unterlassungsinteresses entspricht also dem Wert, zu dem der Berechtigte bereit wäre, einem Dritten die Nutzung des Rechts zu überlassen. Die übliche Lizenzgebühr spiegelt dementsprechend den Wert wider, zu dem der Berechtigte regelmäßig bereit ist, sein Unterlassungsinteresse hintanzustellen. Mit Hilfe der üblichen Lizenzgebühr kann somit auf das Unterlassungsinteresse des Berechtigten geschlossen werden. Da die Lizenzgebühr nur als Schätzungsgrundlage 129 für das Unterlassungsinteresse fungiert, kommt es auch nicht darauf an, ob der Verletzte tatsächlich bereit gewesen wäre, eine entsprechende Lizenz zu gewähren oder nicht und ob die Einräumung einer entsprechenden Lizenz möglich gewesen wäre. 130 Da die Lizenzgebühr nur Schätzungsgrundlage für das Unterlassungsinteresse ist, kann bei der Berechnung des Schadens daneben auch der Marktverwirrungsschaden gesondert berücksichtigt werden. 131 Zusammenfassend läßt sich somit entgegen den Bedenken in der Literatur die Berechnung des Schadensersatzes bei der Anmaßung von Immaterialgüministeriums zur Urheberrechtsreform 1959, S. 219, fehlt bisher jedoch die entsprechende gesetzliche Absicherung. Soweit ein Abschlußzwang mit der entsprechenden Verwertungsgesellschaft besteht und die dargelegten Überlegungen übertragbar erscheinen, dürfte auch einer entsprechenden Anwendung auf andere Fälle in entsprechendem Rahmen nichts entgegenstehen. 128 Die Differenztheorie versagt hier, weil das Recht auf Unterlassung vermögensmäßig erst dann in Erscheinung tritt, wenn sein Inhaber auf es verzichtet, einem anderen die Nutzung gegen Entgelt erlaubt und es damit lizenziert. 129 Vgl. dazu BGHZ 44, 372, 380, 382; Pietzcker, GRUR 1975, 55f; Körner, Festschrift Steindorff, S. 887; Gottwald, S. 174; Däubler, JuS 1969, 49, 54. 130 RGZ 144, 187, 190; BGHZ 20, 345, 353; 26, 349, 352f; 57, 116, 118f. 131 Dagegen kann neben der Berechnung auf Lizenzbasis nicht noch entgangener Gewinn geltend gemacht werden. Denn das Unterlassungsinteresse umfaßt auch das Interesse, das Recht ungestört nutzen zu können. Dem Interesse an dem entgangenen Gewinn kommt deshalb erst dann Bedeutung zu, wenn es über das Interesse an der reinen Unterlassung hinausgeht. Keuk, S. 72 ff, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß bei der Zugrundelegung der Lizenzgebühr immer eine Verschlechterung der Verwertungschancen des Rechtsinhabers zu berücksichtigen sei, denn mit der Lizenzgebühr werde gerade diese Beeinträchtigung des Rechtsinhabers in der eigenen Verwertbarkeit ausgeglichen, vgl. dazu BGHZ 44, 372, 380, 382; Pietzcker, G R U R 1975, 55 f; Körner, Festschrift Steindorff, S. 887; Gottwald, S. 174; Däubler, JuS 1969, 49, 54.

218

§5

Eigentums-und

Immaterialgüterrechtsverletzungen

terrechten auf Lizenzbasis auf schadensersatzrechtlicher Grundlage rechtfertigen. D e r Schaden des Verletzten besteht in der Verletzung seines Unterlassungsinteresses. Zur Bestimmung seiner H ö h e kann auf den Lizenzierungsgedanken zurückgegriffen werden. D e n n die Lizenz spiegelt den Betrag wider, zu dem der Berechtigte regelmäßig bereit ist, auf seinen Unterlassungsanspruch zu verzichten. D i e Berechnung auf Lizenzbasis knüpft damit an die Verletzung eines konkreten, sich auf die unberechtigte Nutzung beziehenden Unterlassungsanspruchs an. U b e r die Fälle der unbefugten N u t z u n g eines Rechts und der Verletzung des entsprechenden Unterlassungsinteresses hinaus 1 3 2 lassen sich aus der angeführten Rechtsprechung jedoch keinerlei Hinweise darauf entnehmen, daß der Nutzungsmöglichkeit als solcher eigenständige rechtliche Bedeutung zukäme. Anknüpfungspunkt bei der Berechnung der Schadensersatzpflicht auf Lizenzbasis ist der Eingriff in die E n t scheidungsfreiheit hinsichtlich der Einräumung eines Nutzungsrechts und nicht der in die Nutzungsmöglichkeit als solche.

132 Eine Übertragung der Überlegungen auf die Fälle der ungerechtfertigten Nutzung einer Sache, insbesondere die unberechtigte Untervermietung, erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, vgl. Neumann-Duesberg, B B 1965, 799; krit. Däubler, JuS 1969, 49ff, 51 ff. Ganz überwiegend wird ein Schadensersatzanspruch abgelehnt und damit dem Unterlassungsinteresse des Eigentümers kein eigener Vermögenswert beigemessen. Ein Untermietzuschlag wird dem Eigentümer von der Literatur jedoch aus Eingriffskondiktion zugestanden, Münch Komm/Lieb, § 812 Rn 34; Erman/Westermann, § 812 Rn 71; Theuffel, JuS § 812 Rn 221; Palandt/Putzo, 1997, 886, 887; Gebauer., Jura 1998, 128, 131; ablehnend B G H Z 131, 297ff, 300; Mutter, M D R 1993,303.

§ 6 Fazit zum zweiten Teil Die Gegenüberstellung von Eigentum und Nutzungsrechten hat gezeigt, daß sich bei ihrer rechtlichen Einordnung und Behandlung gravierende U n terschiede feststellen lassen. D a s Eigentumsrecht ist dadurch geprägt, daß dem Eigentümer gemäß § 903 B G B die umfassende Herrschaftsmacht über die Sache zugeordnet wird, er kann Dritte ausschließen und frei über die Sache und deren N u t z u n g entscheiden. Ihm ist das Nutzungspotential an der Sache zugewiesen. Dabei hat sich jedoch auch gezeigt, daß der positiven Nutzungsbefugnis des Eigentümers noch keine eigenständige rechtliche Bedeutung neben dem „ H a b e n " der Sache beigemessen wird, sondern sie als Teil der umfassenden Herrschaftsmacht angesehen wird. D a s Nutzungspotential ist als solches noch nicht formiert, es bedarf zu seiner Realisierung erst noch des Einsatzes zu einem bestimmten Zweck, also einer entsprechenden Nutzung. 1 Rechtlich eigenständige Bedeutung wird der Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers deshalb erst dann beigemessen, wenn von ihr konkret Gebrauch gemacht wird, N u t z u n gen aus der Sache gezogen werden. Erst die Ziehung von konkreten N u t zungsvorteilen gemäß § 100 B G B führt zur Konkretisierung der N u t z u n g s möglichkeit des Eigentümers. Dementsprechend macht der Gesetzgeber auch nicht die Nutzungsmöglichkeit als solche z u m Ausgangspunkt der A u s gleichsansprüche gegen diejenigen, die aus nachträglicher Sicht unberechtigt die umfassende Herrschaftsmacht als Eigenbesitzer innehatten, sondern die tatsächlich gezogenen Nutzungen. Der sachgerechten Zuordnung gezogener N u t z u n g e n kommt nach dem Gesetz zentrale Bedeutung zu. So hat der Gesetzgeber den Begriff der N u t zungen im Allgemeinen Teil des B G B in § 100 B G B definiert und damit der generellen rechtlichen wie wirtschaftlichen Bedeutung der N u t z u n g e n als den aus einer Sache gezogenen Vorteilen Ausdruck verliehen. 2 Z u d e m zeigt die Vielzahl der Nutzungsherausgabevorschriften, die durch Verweisungen eng miteinander verzahnt sind, daß der Zuordnung von N u t z u n g e n eine zentrale Bedeutung z u k o m m t und das Gesetz eine umfassende Gesamtkonzeption verfolgt. Wie sich aus den vielfältigen Rückabwicklungsregelungen ergibt, wird grundsätzlich von einem Vermögenswert der N u t z u n g e n ausgegangen. Bei der Bestimmung des Wertes der N u t z u n g e n sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, so insbesondere die Abschreibung, bei der von den zur 1 2

Vgl. dazu oben insbesondere S. 81 ff und S. 102 ff. Vgl. dazu S. 96 ff.

220

§ 6 Fazit zum zweiten Teil

N u t z u n g erforderlichen Aufwendungen auszugehen ist, und die „Nettogebrauchsvorteile", für deren Bewertung an eine entsprechende Verzinsung angeknüpft werden kann. 3 Selbständige Nutzungsrechte zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, daß der Eigentümer einer Sache bestimmte Nutzungsbefugnisse einem Dritten zur Ausübung überträgt und damit „abspaltet". Durch diese Verselbständigung vom Eigentum werden sie zu eigenständigen Rechten, die Gegenstand des Rechtsverkehrs sind und denen ein eigener Wert zukommt. 4 Den N u t zungsrechten ist damit ein selbständiger Wert immanent, sie können aber auch ihrerseits zur Erzielung von Vorteilen, Gewinnen genutzt werden. Aufgrund der eigenständigen Bedeutung der Nutzungrechte wird, soweit es um Herausgabe geht, auf das Nutzungsrecht selbst abgestellt. Den grundlegenden Unterschieden zwischen Eigentum und selbständigem Nutzungsrechten tragen die „Rückabwicklungsbestimmungen" bei Rücktritt, ungerechtfertigter Bereicherung und auch im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Rechnung. Soweit es um Eigenbesitz geht, wird an die konkrete Verwirklichung der Nutzungsentscheidung, nämlich die Ziehung von N u t z u n gen, angeknüpft, während bei Nutzungsrechten diese selbst Ausgangspunkt der Rückabwicklung sind. Der Nutzungsmöglichkeit als solcher wird hingegen keine rechtliche Relevanz beigemessen. So wird im Rücktrittsrecht 5 unterschieden, ob Gegenstand der Rückabwicklung die Eigentumsübertragung als solche ist oder aber die Gewährung eines entsprechenden Nutzungsrechts. Soweit ein Nutzungsrecht betroffen ist, es also zu einer Ausgliederung der Nutzungsausübung aus dem Eigentum gekommen ist, wird auf den Mietzins abgestellt. Demgegenüber wird bei der Eigentumsübertragung, bei der es noch nicht zu einer Konkretisierung des Nutzungspotentials gekommen ist, auf die konkret gezogenen Nutzungen abgestellt, die entsprechend zu vergüten sind, § 347 BGB. Eine entsprechende Differenzierung läßt sich auch bei der ungerechtfertigten Bereicherung - ungeachtet weitreichender und grundlegender Streitigkeiten - feststellen. 6 Hier ist in entsprechender Weise zu unterscheiden, ob Leistungs- bzw. Eingriffsgegenstand die Sache selbst ist oder ob es um die faktische Inanspruchnahme eines Nutzungsrechts geht. Ist Leistungsgegenstand die Sache selbst, etwa bei der Rückabwicklung eines unwirksamen Kaufvertrages, so beschränkt sich der Herausgabeanspruch neben der Herausgabe der Sache auf die gemäß § 818 I BGB tatsächlich gezogenen Nutzungen. Allein dann, wenn im weitesten Sinne ein Nutzungsrecht betroffen ist, dem Bereicherungsschuldner ein solches zwar nicht rechtlich, so doch faktisch eingeräumt wurde oder er sich ein solches angemaßt hat, kommt als Anknüpfungspunkt des Herausgabean-

3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

dazu dazu dazu dazu

S.llOff. S. 85 ff. S. 123 ff. S. 137ff.

$ 6 Fazit zum zweiten

Teil

221

spruchs die Überlassung bzw. Inanspruchnahme der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit der Sache in Betracht. Eine entsprechende Parallele läßt sich auch im Bereich des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses feststellen. 7 Dieses ist geprägt durch die Vorstellung des gutgläubigen Eigenbesitzes bzw. den Prozeßbesitz. Auch hier wird in §§ 987, 988 BGB auf die gezogenen Nutzungen abgestellt. § 987 II BGB mit seiner Verpflichtung, auch die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen herauszugeben, knüpft dabei an die pflichtgemäße Eigennutzung im Interesse des Eigentümers an und erhebt damit ebenfalls nicht die Nutzungsmöglichkeit an sich zum Ausgangspunkt für eine Vergütungspflicht. Im Rahmen der Rückabwicklungsregeln wird damit nicht an die N u t zungsmöglichkeit als solche angeknüpft und ihr damit keine rechtliche Bedeutung beigemessen. Bezugspunkte sind entweder die vom Eigenbesitzer gezogenen konkreten Nutzungen oder ein konkret eingeräumtes oder zumindest in Anspruch genommenes Nutzungsrecht. Auch die Untersuchung zu § 823 BGB bestätigt, daß der Nutzungsmöglichkeit als solcher keine eigenständige rechtliche Bedeutung zukommt, sondern daß der Ausgangspunkt des Eigentumsschutzes in § 823 I BGB die Abwehr- und Ausschließungsbefugnis ist.8 Geschützt wird die Sache mit all ihren Eigenschaften, nicht aber die Nutzungsmöglichkeit als solche. In den Fällen der Anmaßung einer Nutzungsberechtigung 9 schließlich verletzt der Eingriff das Unterlassungsinteresse des Geschädigten, dessen Wert u.a. auf Lizenzbasis ermittelt werden kann. 10 Auch hier ist daher nicht die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit als solche, sondern die Mißachtung des U n terlassungsinteresses durch die Anmaßung eines Nutzungsrechts Bezugspunkt für den Ersatzanspruch.

7 8 9 10

Vgl. dazu S. 178 ff. Vgl. dazu S. 194 ff. Vgl. dazu S. 21 Off. Vgl. dazu S.213ff.

Dritter Teil

Verlust der Nutzungsmöglichkeit oder Entgang von Gebrauchsvorteilen als schadensersatzrechtlich relevanter Verlust? Wird eine Sache schuldhaft beschädigt und kann sie ihr Eigentümer deshalb vorübergehend nicht nutzen, stellt sich die Frage nach der Ersatzfähigkeit von Mietkosten für eine Ersatzsache bzw. nach einem Anspruch auf N u t zungsentschädigung. O b Ersatz zu leisten ist, hängt entscheidend davon ab, worin man den schadensersatzrechtlich relevanten Verlust, also den „Schaden", sieht. N a c h Rechtsprechung und Literatur ist in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit ein, wenn nicht materieller, so doch immaterieller Schaden zu sehen. 1 E r sei, soweit Naturalherstellung möglich sei und erfolge, nach § 2 4 9 B G B uneingeschränkt ersatzfähig. Als Naturalherstellung wird insbesondere die Anmietung einer Ersatzsache für die Zeit, in der die beschädigte Sache wegen notwendiger Reparaturarbeiten nicht benutzt werden kann, angesehen. D e n n durch die Anmietung einer Ersatzsache werde der Geschädigte so gestellt, wie er stehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. 2 Wenig konsequent erscheint es bei dieser Bestimmung des Schadens als Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher jedoch, bei fehlendem Nutzungsbedarf einen Ersatz unter wertenden Gesichtspunkten zu versagen. 3 Während man sich in Rechtsprechung und Literatur überwiegend darüber einig ist, daß es sich beim Verlust der Nutzungsmöglichkeit um einen Schaden Vgl. dazu S. 10 ff, 24 ff. Konstruktiv wird die Ersatzpflicht der Mietkosten von der Rechtsprechung und überwiegend auch von der Lehre auf § 249 S. 2 B G B gestützt und in diesen Kosten der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag gesehen; vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des B G H , B G H Z 61, 346; B G H VersR 1985, 283, 284; B G H VersR 1985, 1090, 1092; B G H N J W 1993, 3321; Lange, Schadensersatz, § 6 VII 2; Kötz, Deliktsrecht, Rn 495; Greger, N Z V 1994, 337ff; Etzel/Wagner, D A R 1995,17; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 32 I lc; leuner, AcP 163,395 f; Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 21; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 12; nach anderer Ansicht sind sie nach § 251 I B G B zu ersetzen, vgl. Medicus, N J W 1989, 1890, 1893; ders., Jura 1987, 244; Schiemann, S. 214; ders., JuS 1988, 22; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn 230ff, § 251 Rn 56ff; Larenz, Schuldrecht I, § 27 II c; vgl. S. 13ff, 338. 1

2

3

Vgl. dazu S. 14 ff.

Dritter

Teil: Schadensersatzrechtlich

relevanter

Verlust

223

handelt, ist heftig umstritten, ob der Verlust der Nutzungsmöglichkeit auch einen Vermögensschaden darstellt. Während insbesondere der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Vorlagebeschluß 4 den Vermögensschadenscharakter des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit verneint hat, weil sich beim Geschädigten auf Dauer keine Vermögenseinbuße feststellen lasse, 5 kann es sich nunmehr nach Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur doch unter bestimmten Umständen um einen Vermögensschaden handeln. 6 Die Rechtsprechung legt dabei eine differenzierte Betrachtungsweise zugrunde und stellt auf den Einzelfall ab. Sie nimmt einen Vermögensschaden insbesondere dann an, wenn der Verlust der Nutzungsmöglichkeit für den Geschädigten fühlbar geworden ist und die Sache der Befriedigung existentieller Bedürfnisse dient. 7 O b man allerdings der Problematik gerecht wird, wenn man den Verlust der Nutzungsmöglichkeit ohne weiteres als Schaden anerkennt und allein seine Vermögensqualität in Frage stellt, erscheint zweifelhaft. 8 Den „Schaden" mit der Rechtsprechung und Literatur in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher zu sehen, stößt auf zweierlei Bedenken. Zum einen sieht sich die Rechtsprechung immer wieder zu wertenden Korrekturen veranlaßt und schränkt die Ersatzpflicht unter dem Aspekt der Notwendigkeit einer entsprechenden Bedarfsbefriedigung ein, so stellt sie insbesondere auf die Fühlbarkeit ab. 9 Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit zieht also weder bei den Ersatzanmietungskosten noch bei der Nutzungsentschädigung stringent eine Ersatzpflicht nach sich. Zum anderen haben die Betrachtungen zur Nutzungsmöglichkeit, den Nutzungsrechten und den Nutzungen gezeigt, daß zwischen der sich aus dem Eigentum an einer Sache ergebenden abstrakten Nutzungsmöglichkeit und den konkret aus ihr gezogenen Nutzungen zu differenzieren ist. So knüpfen die Rückabwicklungsregeln bei der Nutzung durch den Eigentümer oder Eigenbesitzer nicht an die abstrakte Nutzungsmöglichkeit, sondern an die konkreten, aus der Sache gezogenen Gebrauchsvorteile an. 10 Entsprechend bezieht sich die Herausgabepflicht weder im Rücktritts-, Bereicherungsrecht noch im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis auf die abstrakte N u t zungsmöglichkeit, sondern immer auf die konkret gezogenen Vorteile. Es stellt sich deshalb die Frage, ob in dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit als solcher unabhängig vom geplanten Einsatz der Sache der schadensersatzrechtlich relevante Verlust gesehen werden kann oder ob er nicht vielNJW 1986, 2037ff. Vgl. dazu S. 6, 67f. 6 Vgl. dazuS. 30ff,61ff. 7 BGHZ 98, 212, 217ff; vgl. dazu ausführlich S. 66ff. 8 Vgl. dazu S. 24ff. Insbesondere Zeuner, AcP 163, 380ff; ders., Gedächtnisschrift Dietz, S. 99ff; ders., JZ 1986, 395; Rauscher, NJW 1986, 2011, 2014; Flessner, JZ 1987, 271, 280; Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 883, suchen deshalb den Schadensdualismus zu überwinden und beide Fallgruppen einer einheitlichen Lösung zuzuführen, vgl. dazu S. 32ff. 9 Vgl. dazu S.65ff,69ff. 10 Vgl. S. 123 ff. 4

5

224

§ 7 Der

Schaden

mehr erst in dem Entgang konkreter Nutzungsvorteile liegt. Sie ist sowohl für eine wertungsgerechte Entscheidung im Einzelfall als auch für eine systematisch und dogmatisch richtige Lösung von entscheidender Bedeutung. Denn sie entscheidet darüber, ob vom Verlust der Nutzungsmöglichkeit als Verlust einer bestehenden geschützten Rechtsposition oder aber von der konkreten negativen Zukunftsentwicklung beim Geschädigten auszugehen ist.

§ 7 Der Schaden Das Schadensersatzsystem des BGB ist durch seine Zweigleisigkeit, den Schadensdualismus, geprägt. Es ist daher zwischen Schaden und Vermögensschaden zu unterscheiden. Das Schadensersatzrecht baut auf dem Grundsatz des umfassenden Ersatzes materieller wie immaterieller Schäden auf. 11 Demgegenüber bezog sich die Schadensdefinition in §218 des ersten Entwurfs zum BGB noch allein auf Vermögensschäden: „Ist Schadensersatz zu leisten, so umfaßt der zu ersetzende Schaden sowohl die erlittene Vermögenseinbuße als auch den entgangenen Gewinn." 12 In den Beratungen setzte sich jedoch die Uberzeugung durch, daß auch immaterielle Schäden zu ersetzen seien, soweit Naturalherstellung möglich sei. 13 So ergibt sich aus der Formulierung des § 253 BGB, „ein(es) Schaden(s), der nicht Vermögensschaden ist", daß das Gesetz von einem umfassenden Schadensverständnis ausgeht und auch Schäden anerkennt, die nicht Vermögensschäden sind. Allein die Ersatzpflicht in Geld wird durch § 253 BGB auf Vermögensschäden beschränkt und damit bestätigt, daß sich der in § 249 BGB niedergelegte Grundsatz der primären Schadensersatzleistung durch Restitution sowohl auf materielle wie immaterielle Schäden bezieht. 14 Auf der anderen Seite kommt es durch § 253 BGB zu einer Beschränkung des Geldersatzes auf Vermögensschäden. Es stellt sich daher nicht nur die Frage, wann ein Schaden vorliegt, sondern auch wann es sich um einen Vermögensschaden handelt. Vorliegend ist, auch wenn sich die Nutzungsentschädigungsdiskussion ganz auf die Frage eines Vermögensschadens konzentriert, 15 zunächst der bisher vernachlässigten Frage nach dem Schaden als solchem nachzugehen. Zwar wird die Diskussion um den Begriff des Schadens „im natürlichen Sinn" für die Praxis und Dogmatik des Schadensersatzrechts als wenig ergiebig angesehen 16 11 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 2; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 7; Lipp, NJW 1992, 1914; Schiemann, JuS 1988, 25; Lange/Hagen, Wandlungen, S. 61; Escher-Weingart, S. 18. 12 Vgl. dazu ausführlich S. 375 ff. 13 Motive II, S. 23 = Mugdan II, S. 12; vgl. dazu auch S. 325. 14 Vgl. dazu S. 325. 15 Vgl. dazu S. 24 ff. 16 Palandt/Heinrichs, Vor §249 Rn 7; auch Medicus, Staudinger, 12. Aufl., Vor §249 Rn 32, bezweifelt die Nützlichkeit eines Schadensbegriffs. Seih spricht gar von einer „Jugendsünde", je von einem Schadens-,.Begriff" gesprochen zu haben, AcP 173, 366, 367.

A. Unterschiedliche

Verwendung

des Begriffs

Schaden

225

und deshalb der Vermögensschaden in den Vordergrund gestellt. 17 Bei der Entscheidung über die Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten steht jedoch die Naturalherstellung in Rede, 18 so daß es unumgänglich ist, dem umfassenden immaterielle wie materielle Schäden erfassenden - Schadensbegriff nachzugehen. Darüber hinaus leistet die Auseinandersetzung mit dem Schadensbegriff auch wesentliche Vorarbeit für das Verständnis vom Vermögensschaden. Denn der Schadensbegriff bildet notwendigerweise die Basis für die Bestimmung von Vermögensschäden, da dann, wenn es bereits an einem Schaden fehlt, auch kein Vermögensschadensersatz in Betracht kommt. 1 9 Außerdem läßt sich die Vermögensqualität eines Schadens eher beantworten, wenn vorher genau lokalisiert wurde, worin der konkrete Schaden besteht. Dies fordert jedoch ein Abgehen von der Differenztheorie in ihrer ursprünglichen Form, da sie die Schadensproblematik auf eine sich aus einem umfassenden Vermögensvergleich ergebende Vermögensdifferenz reduziert. 2 0 Wenn deshalb im folgenden dem „Schadensbegriff" nachgegangen wird, bedeutet dies nicht, daß es um Begrifflichkeiten oder den Versuch einer neuen Schadensdefinition geht. Es wird vielmehr vor dem Hintergrund der N u t zungsausfallproblematik die grundsätzliche Frage gestellt, wann ein Verlust als Schaden anzuerkennen ist, also als schadensersatzrechtlich relevant anzusehen ist. Es geht also darum, die allgemeinen Wertungskriterien offenzulegen, die dazu führen, daß ein Verlust oder der Entgang von Vorteilen als Schaden angesehen wird und auszugleichen ist. 21

A. Unterschiedliche Verwendung des Begriffs Schaden Betrachtet man den Begriff Schaden - nach Stüdemann gibt es so viele Schadensbegriffe wie darüber nachdenkende Köpfe 22 - , so zeigt sich, daß er in grundlegend unterschiedlicher Weise benutzt wird. 2 3 Einerseits wird unter Schaden der konkrete reale Nachteil verstanden, den der Geschädigte erlitten hat, die Verschlechterung des Gesundheitszustands, eine eingetretene Behinderung, die Beschädigung oder Zerstörung einer SaE t w a bei Deutsch, Haftungsrecht, R n 801 ff. So die h.M. vgl. S. lOff. 19 Escher-Wemgart, S. 17; Larenz, VersR 1963, 312; Wilk, S. 69ff; Lipp, J R 1993, 192f. 20 Vgl. d a z u S. 389ff. 21 Vgl. auch Staudinger/Schiemann, Vor § 249 R n 42. 22 Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1058. 23 Die Auseinandersetzung beschränkt sich hier auf die grundlegende Differenzierung z w i s c h e n dem k o n k r e t e n realen Schaden u n d d e m zu ersetzenden rechnerischen Schaden, da sie von grundsätzlicher Bedeutung f ü r den P r o b l e m z u g a n g ist, vgl. auch Wendehorst, S. 67ff. Zu den unterschiedlichen Schadensverständnissen u n d - einteilungen vgl. die Darstellungen bei Lange, Schadensersatz, § 1; Larenz, Schuldrecht I, § 27 II; Staudinger/Medicus, 12. A u f l . , Vor § 2 4 9 R n 3 2 f f ; Staudinger/Schiemann, Vor § 2 4 9 R n 3 5 f f ; Deutsch, Haftungsrecht, R n 787ff, 801 ff. 17 18

226

5 7 Der

Schaden

che. 24 Andererseits wird von Schaden dann gesprochen, wenn man den vom Schädiger als Ausgleich zu leistenden Geldbetrag meint, Larenz spricht insoweit von rechnerischem Schaden. 25 Schließlich wird als Schaden die Gesamtheit aller nachteiligen Folgen aus einem schädigenden Ereignis bezeichnet.

I. Schaden als konkreter

realer

Nachteil

Schaden meint zunächst, und dies ist die primäre schadensersatzrechtliche Bedeutung des Begriffs, von der auch die meisten anderen Rechtsordnungen ausgehen,26 den konkreten realen durch das schädigende Ereignis verursachten Nachteil, wie den Verlust einer Rechtsposition, eine Körperverletzung, einen Sachschaden, die Beeinträchtigung des Fortkommens etc. 27 Dieses vom jeweiligen Verletzungserfolg ausgehende Schadensverständnis28 - es wird in diesem Zusammenhang auch von Verletzungs-, Rechtsguts- oder Objektschaden gesprochen 29 - spiegelt sich in § 253 B G B wider, der von einem Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, spricht und damit auf den konkreten realen Nachteil Bezug nimmt. Auch die in § 249 B G B niedergelegte Naturalherstellungspflicht 30 bezieht sich trotz des allgemein gefaßten Wortlautes - „hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre" - nicht auf den Gesamtschaden als solchen, sondern nur auf einen ganz konkreten Nachteil, da sich die Naturalherstellung immer auf die Beseitigung eines ganz bestimmten Schadens - Sachschadens, Körperschadens etc. - bezieht. 31 Diesem Schadensverständnis, das die konkrete durch das schädigende Ereignis hervorgerufene Verletzungsfolge im Auge hat, ist im folgenden näher nachzugehen. Denn nur so läßt sich eine Antwort auf die Frage finden, welche konkreten Nachteile als schadensersatzrechtlich relevant anzusehen sind, und damit auch, ob bereits der Verlust der Nutzungsmöglichkeit als Schaden zu begreifen ist oder erst der Entgang von konkreten Nutzungen. Das Vorliegen eines konkreten realen Schadens bedeutet allerdings noch nicht, daß dem Geschädigten ein Scha24 25

Vgl. dazu S. 232 ff. Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2; Deutsch,

Haftungsrecht, Rn 788 ff; vgl. auch

Keuk,

S. 21. 26 V. Caemmerer, Uberholende Kausalität, S. lff, 5 = Gesammelte Schriften I, S. 411, 416; Flessner, J Z 1987,271,274. 27 Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 788ff; Keuk, S. 21; Gottwald, S. 43; Escher-Weingart, S. 17; Lange, Schadensersatz, § 2 V 4; Reinecke, S. 26ff; Neuwald, S. 22; Oertmann, Vorteilsausgleichung, S. 5ff; Walsmann, S. 10; Wendehorst, S. 67ff. 28 Gottwald, S. 43; Keuk, S. 2 l f f ; kritisch gegenüber dem realen Schadensbegriff v. Caemmerer, Überholende Kausalität, S. lff, 5 = Gesammelte Schriften I, S. 411, 416. 2 9 Vgl. dazu S. 232 ff. 30 Vgl. dazu S. 329ff. 31 Gottwald, S. 43; Lange, Schadensersatz, § 5 III 1; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 7; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 853; Keuk, S. 23 ff; Reinecke, S. 58ff, 66ff; Wendehorst, S. 68 ff.

A. Unterschiedliche

Verwendung

des Begriffs

227

Schaden

densersatzanspruch zusteht. D i e s e r ist vielmehr davon abhängig, o b der Schaden einem Ausgleich im R a h m e n v o n §§ 2 4 9 , 2 5 0 B G B zugänglich ist bzw. o b es sich um einen V e r m ö g e n s s c h a d e n handelt.

II. Schaden als der zu leistende Ersatz, rechnerischer

Schaden

H ä u f i g wird der B e g r i f f Schaden j e d o c h nicht dazu verwendet, den k o n k r e ten realen N a c h t e i l zu bezeichnen, sondern den zu leistenden Ersatz, den rechnerischen Schaden. 3 2 E s wird damit nicht auf den eigentlichen Verletzungserfolg, sondern auf seine A u s w i r k u n g e n im V e r m ö g e n des G e s c h ä d i g ten abgestellt. S o wird als Schaden die V e r m ö g e n s m i n d e r u n g angesehen, die sich als F o l g e des k o n k r e t e n realen Verletzungserfolgs ergibt, wie die V e r m ö genseinbuße durch die W e r t m i n d e r u n g oder V e r n i c h t u n g einer Sache, der E n t g a n g eines G e w i n n s etc. N e b e n den V e r m ö g e n s s c h ä d e n werden auch sogenannte Vermögensfolgeschäden,

wie Schadensbeseitigungskosten,

Scha-

d e n s a b w e n d u n g s k o s t e n , R e c h t s v e r f o l g u n g s k o s t e n , in den „ S c h a d e n " einbezogen. 3 3 B e i den K o s t e n für die E r s a t z a n m i e t u n g einer Sache, den H e i l u n g s k o s t e n des G e s c h ä d i g t e n und dergleichen handelt es sich j e d o c h , genau besehen,

nicht

um

eine

unmittelbare

nachteilige

Folge

des

schädigenden

Ereignisses selbst, s o n d e r n u m K o s t e n , also m e h r oder weniger freiwillige A u f w e n d u n g e n , u m den k o n k r e t eingetretenen Schaden wieder zu beseitigen oder weiteren Schaden a b z u w e n d e n . 3 4 O b sie zu ersetzen sind, hängt deshalb allein davon ab, o b man dem G e s c h ä d i g t e n wegen des k o n k r e t e n realen Schadens einen entsprechenden A n s p r u c h zugesteht. Sie sind deshalb im eigentlichen Sinn keine Schäden, sondern setzen einen k o n k r e t e n realen N a c h t e i l voraus und spiegeln das k o n k r e t e Wiederherstellungsinteresse des G e s c h ä digten wider. D i e nach § 2 4 9 S. 2 B G B zu ersetzenden H e r s t e l l u n g s k o s t e n sind dabei der rechnerische M a ß s t a b zur B e w e r t u n g des realen Schadens v o r dem H i n t e r g r u n d des Wiederherstellungsinteresses des Geschädigten. 3 5 E s ist deshalb z w i s c h e n dem k o n k r e t e n realen durch das schädigende Ereignis eingetretenen N a c h t e i l und der Frage der Beseitigung und B e w e r t u n g dieses Schadens zu unterscheiden. 3 6 D i e Tatsache, daß K o s t e n zur Beseitigung v o n Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 790; Wendehorst, S. 68 ff. Deutsch, Haftungsrecht, Rn 813; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II e; MiinchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 11; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 7 - Heilungskosten als Vermögensfolgeschaden. 34 Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 142. 35 Wendehorst, S. 89f; Lange, Schadensersatz, § 5 IV 2. 36 Dies wird verschleiert, wenn erklärt wird, ein immaterieller Schaden könne zu einem Vermögensschaden führen, vgl. etwa Deutsch, Haftungsrecht, Rn 813; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II e. Die Ausführungen Stiidemanns, VersR 1990, 1048, 1051, der schlußfolgert, daß zwischen materiellem und immateriellem Vermögen einerseits und materiellem und immateriellem NichtVermögen andererseits zu differenzieren sei, sind insoweit für die Unsicherheiten bei der Schadensbestimmung symptomatisch. 32 33

228

§ 7 Der

Schaden

immateriellen Schäden, z.B. die Behandlungskosten bei einer Körperverletzung, also Schadensbeseitigungskosten, allgemein als Vermögensschäden angesehen werden und damit ihrerseits als Schäden bezeichnet werden, 37 trägt entscheidend dazu bei, daß der Begriff des Schadens seine Konturen verliert. 38 Das Vorliegen eines konkreten realen Schadens auf der einen Seite und die rechnerische Bewertung dieses Schadens auf der anderen Seite, die über seine Ersatzfähigkeit als Vermögensschaden entscheidet, 39 stehen auf ganz unterschiedlichen Ebenen. 4 0 Die Vermischung dieser beiden Ebenen führt zur Verdeckung der Probleme. Denn nur dann, wenn eine sach- und wertungsgerechte Bestimmung des konkreten realen Schadens erfolgt ist, ist eine entsprechende rechnerische Bewertung desselben möglich. 41

III. Schaden als

Gesamtschaden

Auf dem Verständnis des Schadens als Gesamtheit aller nachteiligen Vermögensfolgen basiert die Differenztheorie in ihrer von Mommsen geprägten Form. 4 2 Denn in der Vermögensdifferenz schlagen sich nach dem Grundverständnis Mommsens alle Vermögensschäden des Geschädigten nieder, die Vermögensdifferenz spiegelt den Gesamtvermögensschaden wider. 43 Die ein-

37 B G H Z 103, 129, 139ff; Deutsch, Haftungsrecht, Rdn 813; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II f; E. Wolf, Unhaltbarkeit, S. 11. 38 Z.B. stellt die Verletzung des Körpers des Geschädigten, eines immateriellen Rechtsguts, einen immateriellen Schaden dar. Die zur Behebung des immateriellen Schadens aufgrund der allgemeinen Schadensersatzgrundsätze zu ersetzenden notwendigen Aufwendungen, § 249 B G B , werden ihrerseits - ohne daß dies zur Begründung des Ersatzes notwendig wäre - neu als selbständiger Vermögensschaden qualifiziert, vgl. nur Larenz, Schuldrecht I, § 29 II e; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 813. Dadurch wird die eigentliche Rechtfertigung des Ersatzes die Behebung des konkreten Körperschadens - durch eine andere vermögensorientierte Betrachtung - Vermögenseinbußen sind auszugleichen - abgelöst und verdeckt, daß die Aufwendungen allein wegen ihrer Notwendigkeit zur Behebung des immateriellen Schadens, der Körperverletzung, zu ersetzen sind und der Feststellung einer Vermögensdifferenz kein gesonderter Begründungswert zukommt. 39 Vgl. dazu S. 381 ff. 40 Vgl. Gottwald, S. 43; Keuk, S. 23ff, 52ff; Neuwald, S. 8 Fußnote 6, S. 22; Escher-Weingart, S. 17. 41 Die undifferenzierte Verwendung des Schadensbegriffs kennzeichnet auch das Problem der Vorteilsausgleichung. Damit eine Vorteilsausgleichung, eine Verrechnung der nachteiligen mit den vorteilhaften Auswirkungen eines schädigenden Ereignisses, in Betracht kommt, muß beim Geschädigten zunächst ein Schaden, ein Nachteil, eingetreten sein. Durch das Institut der Vorteilsausgleichung wird die Ersatzfähigkeit des eingetretenen Schadens wegen der mit dem Schadenseintritt verbundenen vorteilhaften Auswirkungen in Frage gestellt. Deshalb ist in diesen Fällen nicht etwa zweifelhaft, ob ein Schaden vorliegt, sondern allein, ob er im Hinblick auf die eingetretenen Vorteile zu ersetzen ist, vgl. dazu Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 6 und 137; Rother, S. 225 sowie S. 426ff. 42 Vgl. dazu S. 3 89 ff; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I a. 43 Lange, Schadensersatz, § 1 II 8; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I a.

A. Unterschiedliche

Verwendung

des Begriffs

Schaden

229

zelnen sich aus einem schädigenden Ereignis ergebenden nachteiligen Folgen - vom Wertverlust einer Sache, dem entgangenen Gewinn bis hin zu den Rechtsverfolgungskosten - werden als einheitlicher Vermögensschaden begriffen. Ausgangspunkt ist damit nicht der konkrete reale Schaden, sondern seine Vermögensauswirkungen. 44 Mommsens Zusammenfassung aller vermögensrechtlichen Folgen als Vermögensschaden beruht auf dem Gedanken, daß über den durch eine unerlaubte Handlung, eine Vertragsverletzung etc. herbeigeführten Schaden in einem Prozeß unter Zugrundelegung eines bestimmten Zeitpunktes, dem der letzten mündlichen Verhandlung, abschließend entschieden werden soll. Ahnlich wie bei den Verjährungsregeln 45 wurde eine einheitliche abschließende Entscheidung über alle nachteiligen Folgen einer entsprechenden Handlung angestrebt, die eine spätere Geltendmachung weiterer Schäden ausschließen soll. 46 Nach dem Urteil bzw. nach der letzten mündlichen Verhandlung sollte die Geltendmachung weiterer - Vermögens- Schäden ausgeschlossen sein, wobei dem Kläger allerdings die Möglichkeit

Vgl. dazu S. 24ff und unten S. 389ff. Nach § 852 B G B verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung „entstandenen Schadens" in drei Jahren vom Zeitpunkt der Kenntnis an. Diese Verjährungsregelung versteht unter Schaden die Gesamtheit aller nachteiligen Folgen aus einer unerlaubten Handlung, B G H Z 33,112, 116; 67, 372, 373; MünchKomm/Stein, § 852 Rn 20ff. Als genügend für den Verjährungsbeginn wird die Kenntnis vom Eintritt eines Schadens, d.h. konkreter nachteiliger Folgen bestimmter Art, angesehen, auch wenn der Umfang und die Höhe des Ersatzanspruchs noch nicht voll zu übersehen ist, B G H Z 33, 112, 116; 67, 372, 373; B G H N J W 1992, 3034; B G H N J W 1993, 648; B G H N J W 1997, 2448; MünchKomm/Stein, § 852 Rn 20. Alle nachteiligen Folgen aus einer unerlaubten Handlung sollen damit hinsichtlich der Verjährung das gleiche Schicksal haben, Lange, Schadensersatz, § 1 II 8; Staudinger/Schäfer, 12. Aufl., § 852 Rn 47; anders Keuk S. 32ff. Zu einer Ausnahme davon und damit zu einer Durchbrechung dieses Gesamtschadensverständnisses kommt es jedoch dann, wenn später nachteilige Folgen, die vorher noch nicht erkennbar oder voraussehbar waren, eintreten, Latenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 83 V I; B G H N J W 1973, 702; 1997, 2448. Dabei kann es im einzelnen zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, vgl. dazu MünchKomm/Stein, § 852 Rn 20 ff; Palandt/Thomas, § 852 Rn 8. Auch liegt der Grund für die Unsicherheiten nicht zuletzt darin, daß nicht ausreichend zwischen dem Vorliegen eines konkreten Schadens und dessen Bezifferung unterschieden wird. Für die Verjährung ist die Erkennbarkeit eines konkreten realen Schadens, der einem Schadensausgleich zugänglich ist, entscheidend, nicht aber dessen Bezifferbarkeit, vgl. auch die Motive II, S. 742 = Mugdan II, S. 414, die davon ausgehen, daß es bei verschiedenen „Schäden" jeweils auf den Zeitpunkt der Kenntnis ankommt. 44

45

46 So erklärt Mommsen, Interesse, S. 199: „Demnach kann die Feststellung der Zeit, nach welcher das Interesse zu berechnen ist, von einem wesentlichen Einfluß auf den Umfang des im einzelnen Fall zu leistenden Interesse sein, wenn diese Feststellung die Bedeutung hat, daß dadurch die Berücksichtigung der später eintretenden Umstände ausgeschlossen ist. Eine derartige Feststellung kann dem Berechtigten sowohl zum Vortheil, als auch zum Nachtheil gereichen; zum Vortheil, wenn später Ereignisse eintreten, aus denen hervorgeht, daß der Schaden auch ohne die Dazwischenkunft der zum Ersatz verpflichtenden Ereignisse eingetreten wäre; zum Nachtheil dann, wenn später Ereignisse eintreten, welche, wenn der Zustand nicht durch die zum Ersatz verpflichtende Thatsache geändert wäre, dem Berechtigten einen Gewinn verschafft hätten, welcher ihm jetzt entgeht."

230

5 7 Der

Schaden

eingeräumt wurde, für später eintretende Vermögensnachteile einen entsprechenden Vorbehalt zu erwirken. 47 Die hinter diesem Vermögensschadensverständnis stehende prozessuale Grundüberlegung einer abschließenden Entscheidung über den gesamten Schadensersatzanspruch des Geschädigten in einem Rechtsstreit findet zumindest heute keinen zivilprozessualen Rückhalt mehr. 48 Der Kläger legt aufgrund der Dispositionsmaxime mit seiner Klage den Streitgegenstand - nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch Antrag und Sachverhalt 49 - fest. Gemäß § 253 II S. 2 ZPO hat er zu erklären, für welche Folgen des schädigenden Ereignisses und damit für welchen konkreten realen Schaden er in welcher Höhe Ersatz beansprucht. Er hat deshalb die einzelnen, sich aus dem schädigenden Ereignis ergebenden nachteiligen Folgen gesondert darzulegen und zu beziffern. Denn nur so kann sichergestellt werden, daß nicht eine Klage mit gleichem Streitgegenstand anderweitig rechtshängig oder gar rechtskräftig entschieden worden ist. 50 Der Antrag und der Vortrag des Klägers entscheiden somit darüber, welche Nachteile als Schadenspositionen Gegenstand des Rechtsstreits und damit rechtshängig werden. Würde der Kläger seine Klage allein mit dem Hinweis auf eine eingetretene Gesamtvermögensdifferenz begründen, wäre sie als unzulässig abzuweisen, da sie den Erfordernissen des § 253 II S. 2 ZPO nicht entspricht. 5152 Der Geschädigte muß in seiner Klage auch nicht den „gesamten Schaden" geltend machen, sondern er kann sich auf bestimmte Einzelpositionen be-

Mommsen, Interesse, S. 200f, siehe auch S. 120. Gottwald, S. 46ff; Keuk, S. 24ff. 49 BGHZ 79, 245, 248f; BGH NJW 1983, 2032; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 95 III 2; Zeiss, Zivilprozessrecht, Rn 307ff; Schilken, Zivilprozeßrecht, Rn 229ff; Thomas/Putzo, Einl. II Rn 11; MünchKommZPO/Lüke, Vor § 253 Rn 31 ff. 50 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 43; Gottwald, S. 47; Keuk, S. 32; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 806; Dörfelt, S. 79 ff. Im einzelnen ist die Abgrenzung zwischen selbständigen Ansprüchen und reinen Rechnungsposten schwierig, vgl. Pawlowski, ZZP 78 (1965), 307. Der BGH, NJW 1984, 2346, 2347, hat im Falle eines Brandschadens sowohl zwischen Sachschäden und Verdienstausfallschaden als auch innerhalb der Sachschäden zwischen solchen an gewerblichem Inventar und privatem Hausrat unterschieden und angenommen, daß es sich um selbständige Ansprüche handele. Eine eingeklagte Geldforderung, die sich aus Teilbeträgen für einen Sachschaden, Heilungskosten und Schmerzensgeld zusammensetzt, stellt dementsprechend nicht nur einen einzigen, sondern drei Streitgegenstände dar, Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rn 73, anderes gilt, wenn unterschiedliche Schadensberechnungsarten in Rede stehen, BGH NJWRR 1991, 1279. 51 RGZ 157, 321 ff, 326; BGHZ 11, 192, 194ff; BGH LM § 253 Nr. 11; vgl. auch Keuk, S. 32. 52 Dementsprechend ist dann, wenn die dargelegten Einzelpositionen den geltend gemachten Klagebetrag überschreiten, die Klage unzulässig, da der Umfang und die Grenzen der Rechtskraft einer Entscheidung nicht ausreichend erkennbar wären, vgl. dazu BGHZ 11, 192, 194; BGH NJW 1990, 2068, 2069. Der Kläger hat in diesem Fall die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Einzelpositionen zu verteilen. 47 48

A. Unterschiedliche

Verwendung

des Begriffs

Schaden

231

schränken und Teilklagen erheben. 53 Er muß dabei nur erkennen lassen, welche von mehreren selbständigen Einzelforderungen des Gesamtanspruchs in welchem Umfang Streitgegenstand werden sollen. 54 Dabei erfaßt die Rechtskraft immer nur die geltend gemachten Einzelpositionen, ohne daß es eines ausdrücklichen Vorbehalts bedürfte. 55 Von prozessualer Seite her steht deshalb die Entscheidung über die ganz konkrete vom Kläger geltend gemachte und bezifferte Schadensposition im Vordergrund. Das Bestreben, alle aus einem schädigenden Ereignis fließenden nachteiligen Folgen aus prozeßökonomischen Gründen in einem Schadensersatzanspruch zusammenzufassen, führt dazu, daß von den Vermögensfolgen insgesamt ausgegangen wird und nicht von dem konkreten realen Schaden. 56 Bei diesem Gesamtschadensverständnis im Sinne Mommsens tritt deshalb die zentrale Frage, ob ein konkreter realer Schaden auszugleichen ist und damit bei der Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen ist, in den Hintergrund. 57

53 Zum Problem offener und verdeckter Teilklagen B G H N J W 1997, 3019; 1997, 1990; Marburger, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 187; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 63 II; Leipold, Festschrift Zeuner, S. 445 ff. 54 B G H M D R 1985, 132, vgl. dazu Zöller/Stephan, § 253 Rn 15. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 154: „Die Rechtskraft kann aber nur soweit reichen, als der Anspruch erhoben und über ihn entschieden ist. Die Zu- oder Aberkennung eines Anspruchs enthält nur die rechtskraftfähige Feststellung, daß der Anspruch in dieser Höhe besteht oder nicht besteht, darüber, ob dem Kläger außer diesem Anspruch noch mehr oder ob ihm noch weitere Ansprüche zustehen, ist nicht entschieden und war nicht zu entscheiden." Entsprechend ist dem Kläger das Erheben weiterer Ansprüche aus demselben Sachverhalt gegen den Beklagten nicht versagt. Gemäß § 301 Z P O kann ein Gericht bei einem einheitlichen Klageanspruch dann, wenn über einen abgrenzbaren und eindeutig individualisierten quantitativen Teil des Anspruchs entschieden werden kann, ein Teilurteil erlassen. So ist ein Teilurteil zulässig hinsichtlich einzelner ziffernmäßig bestimmbarer Posten, aus denen sich eine Schadensberechnung zusammensetzt, vgl. Celle O L G Z 65, 48; Düsseldorf M D R 1985, 942; einschränkend Zöller/Vollkommer, § 301 Rn 4. 55 B G H N J W 1985, 2825, 2826; vgl. MünchKomm/ZPO/Lüke, § 322 Rn 121: „Auch die konkludente Erklärung im Erstprozeß, den gesamten Anspruch einzuklagen, kann keine Auswirkung auf den Umfang der Rechtskraft haben, da das Gericht nicht über diese Erklärung, sondern nur über den gestellten Antrag entscheidet. Eine solche Erklärung kann aber materielle Wirkung haben und unter Umständen als Verzicht, Erlaßangebot oder als Verwirkung gewürdigt werden. Das bloße Geltendmachen des Schadens zu einem bestimmten Stichtag hat aber nicht einen derartigen materiell-rechtlichen Erklärungswert." Vgl. auch O L G Celle, W M 1988, 353, 354; B G H N J W 1997, 3017; 1997, 1990. 56 Vgl. dazu S. 389ff. 5 7 Auch im Hinblick auf die Differenztheorie wird immer wieder betont, daß es entscheidend darauf ankomme, welche Positionen man in die Differenzrechnung aufnehme, B G H Z 98, 212, 217ff, vgl. dazu S. 389ff.

232

5 7 Der

Schaden

B. Schaden als konkreter

realer

Nachteil

In §§ 249 und 253 B G B wird unter Schaden eine bestimmte, konkrete nachteilige Folge 5 8 aufgrund eines schädigenden Ereignisses verstanden. 59 Das B G B macht diesen am konkreten Nachteil orientierten Schadensbegriff damit zum Ausgangspunkt seiner Ersatzpflicht, soweit es um Naturalherstellung und nicht um Geldersatz geht. Ist aber dieser Schadensbegriff Grundlage des Schadensersatzrechts, so überrascht es, daß ihm keine wesentliche Bedeutung für die Lösung schadensersatzrechtlicher Probleme beigemessen wird, sondern sich die Schadensersatzbetrachtungen weitgehend auf den Begriff des Vermögensschadens reduzieren. So erklärt Heinrichs, daß der Begriff des Schadens im natürlichen Sinn - der sich am konkreten Nachteil orientiert für die Praxis und Dogmatik des Schadensersatzrechts wenig ergiebig sei. Die Kernfrage des Schadensersatzrechts, ob ein bestimmter Nachteil ein zu ersetzender Schaden sei, könne nicht durch Aussagen über den allgemeinen, materielle wie immaterielle Schäden umfassenden Schadensbegriff, sondern nur durch Abgrenzung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden beantwortet werden. 6 0 Diese Sichtweise übersieht jedoch, daß grundlegende Voraussetzung für die Naturalherstellungspflicht - aber auch für den Vermögensschadensersatz - ist, daß überhaupt ein Schaden gegeben ist. Mithin ist die Frage, ob überhaupt ein Schaden vorliegt, wegweisend. 61 Daß die eigentliche Bedeutung des Schadensbegriffs nicht erkannt wird, hängt nicht unwesentlich mit der Struktur und dem Aufbau unseres deliktischen Haftungssystems zusammen. 6 2 Nach der zentralen deliktischen Haftungsnorm des § 823 I B G B kommt ein Schadensersatzanspruch nämlich nur dann in Betracht, wenn eine Rechts- oder Rechtsgutsverletzung vorliegt. Ist in den geschützten Güterbestand des Geschädigten eingegriffen worden, ist jedoch auch regelmäßig zugleich die Frage nach einem konkreten realen Schaden beantwortet. 6 3 Denn die Verletzung eines absoluten Rechts oder Rechts58 Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 788 ff; vgl. dazu Keuk, S. 21; Gottwald, S. 43; Esch er-Weingart, S. 17; Lange, Schadensersatz, § 2 V 4; Reinecke, S. 26ff; Neuwald, S. 22; Oertmann, Vorteilsausgleichung, S. 5ff; Walsmann, S. 10. 59 Vgl.S. 226f. 60 Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 7; krit. auch Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 206; Staudinger/ Medicus, 12. Aufl., Vor § 249 Rn 32; Selb, AcP 173, 366, 367. Vgl. auch Roussos, S. 133, nach dessen Meinung sich aufgrund eines derzeit weit gefaßten Begriffs der Herstellungsunmöglichkeit der Schwerpunkt der Zurechnungsproblematik vom Realschaden zum Vermögensschaden verlagert habe. Auch Staudinger/Schiemann, Vor § 249 Rn 31, steht der Schadensbegriffsdiskussion kritisch gegenüber, erkennt aber die Notwendigkeit an, allgemeine Prinzipien herauszuarbeiten. 61 Esch er-Weingart, S. 17; Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 88; Larenz, VersR 1963, 312; Wendehorst, S. 87ff. 62 Vgl. dazu S. 247ff, 257ff. 63 Zum Teil wird die Frage diskutiert, ob es trotz Vorliegens einer Eigentumsverletzung an einem Schaden fehlen könne, etwa wenn der Nachbar gegen den Willen des Eigentümers des-

B. Schaden als konkreter

realer

233

Nachteil

guts stellt einen konkreten Schaden dar. 64 Anders ist dies jedoch, wenn nicht ein als schutzwürdig anerkanntes selbständiges Recht oder Rechtsgut beeinträchtigt wurde, wie etwa im Fall des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit einer Sache. H i e r bleibt die Frage, o b und inwieweit die nachteiligen Auswirkungen des Eingriffs als rechtlich relevante Beeinträchtigung und damit als Schaden anzusehen sind. Inwieweit und unter welchen Umständen ist auch das Interesse an der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder eines Rechtsguts geschützt und ist eine Beeinträchtigung als Schaden zu qualifizieren, der auszugleichen ist? O h n e die Klärung dieser Frage läßt sich - wie sich zeigen wird - auch keine sachgerechte Entscheidung über die Vermögensqualität des Schadens treffen. Die Klärung des Schadensbegriffs ist daher entgegen weitverbreiteter Meinung, die sich primär mit dem Vermögensschaden auseinandersetzt, von entscheidender Bedeutung für die Lösung der Nutzungsausfallproblematik.

I. Natürliche oder faktisch/normative

Schadensbestimmung

Das B G B enthält keine Definition des Schadens, man sah vielmehr ganz bewußt von einer Schadensdefinition ab, weil man sich nicht im Stande sah, alle möglichen Fälle zu erfassen und zu regeln. 6 5 Aus den §§ 249, 253 B G B ergibt sich allein, daß der Gesetzgeber von einem umfassenden, am konkret eingetretenen Nachteil orientierten Schadensbegriff ausging, der materielle wie immaterielle Schäden umfaßt. 6 6 So bezieht sich auch die Regelung des § 249 S. 1 sen Zaun angestrichen habe und der Eigentümer nunmehr einen zwar ihm nicht gefallenden, aber objektiv wertvolleren Zaun besitze. Für eine Differenzierung zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden besteht jedoch keine Notwendigkeit. Hat man unter entsprechender wertender Entscheidung eine Rechtsgutsverletzung angenommen, ist eine weitere Bewertung des Rechtsverletzungsvorgangs unter dem Schadensaspekt nicht notwendig. Dies ergibt sich, wie noch näher gezeigt werden wird, aus dem „natürlichen" Schadensbegriff in seinem Verhältnis zu § 823 B G B . Siehe dazu unten ausführlich S. 247ff; vgl. dazu auch Roussos, S. 106; Gottwald, S. 44; Mertens, Vermögensschaden, S. 122; Fischer, S. 322f; Planck/Siher, § 249, 3 b; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 8; anders Lange, Schadensersatz, § 1 III 3. 64 Gottwald, S. 44, setzt insoweit Realschaden und Verletzungserfolg gleich. Zum Teil wird als wesentliches Merkmal eines Schadens das Dauerelement angesehen, vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn 781; Fischer, Schaden, S. 1,5. Zur Frage, inwieweit das Dauerelement, dem wesentliche Bedeutung im Rahmen der Differenztheorie zukommt, Teil des Schadensbegriffs ist, vgl. S. 389ff. Hinzuweisen ist jedoch schon hier darauf, daß zu unterscheiden ist, ob ein Schaden endgültig eingetreten ist und ob er einem Ausgleich zugänglich ist, etwa zu ersetzende Beseitigungskosten nach sich zieht. So stellt eine bei einer Schlägerei erlittene Prellung einen Körper-Schaden dar. Wird sie jedoch nicht behandelt und heilt von alleine, hat der Geschädigte keine Beseitigungskosten gehabt, die er ersetzt verlangen könnte. Die nachträgliche Heilung ohne Geldaufwendungen führt aber nicht etwa dazu, daß ein Schaden zu verneinen wäre, er hat nur keine vermögensrelevanten Restitutionskosten zur Folge gehabt. So kann ein, wenn auch nur geringfügiges, Schmerzensgeld in Betracht kommen. 65 66

Motive II, S. 19 = Mugdan II, S. 10; vgl. Staudinger/Schiemann, Vgl. S . 2 2 6 f .

Vor § 249 Rn 2.

234

5 7 Der

Schaden

B G B allein a u f d i e F r a g e , w i e ein e i n g e t r e t e n e r S c h a d e n a u s z u g l e i c h e n ist, n ä m l i c h d u r c h H e r s t e l l u n g des Z u s t a n d e s , d e r b e s t e h e n w ü r d e , w e n n das s c h ä d i g e n d e E r e i g n i s n i c h t e i n g e t r e t e n w ä r e , n i c h t a b e r d a r a u f , w a n n ein Schaden vorliegt.67 B e i d e r B e s t i m m u n g des S c h a d e n s ist n a c h ü b e r k o m m e n e r A n s i c h t e i n e „ n a t ü r l i c h e " S i c h t w e i s e z u g r u n d e z u l e g e n , n a c h n e u e r A n s i c h t h a t sie „ f a k tisch-normativ" zu erfolgen.68 D a s S c h a d e n s v e r s t ä n d n i s des B G B b a u t a u f d e m a u f das g e m e i n e R e c h t z u r ü c k g e h e n d e n s o g e n a n n t e n n a t ü r l i c h e n S c h a d e n s b e g r i f f - auf d e n n o c h e i n z u g e h e n sein w i r d 6 9 - auf. D i e s e r b e r u h t a u f e i n e m v o r r e c h t l i c h e n V e r s t ä n d nis u n d k n ü p f t an die v o n d e r V e r k e h r s a n s c h a u u n g als S c h a d e n a n e r k a n n t e n N a c h t e i l e an, w i e d e n V e r l u s t v o n L e b e n s g ü t e r n u n d s o n s t i g e n G ü t e r n . 7 0 E i n e n S c h a d e n , v e r s t a n d e n als „ N a c h t e i l " , „ E i n b u ß e " v o n L e b e n s g ü t e r n u n d sonstigen G ü t e r n , 7 1 allein aufgrund „ n a t ü r l i c h e r " Sichtweise, d.h. auf der G r u n d l a g e e i n e s v o r r e c h t l i c h e n V e r s t ä n d n i s s e s b e s t i m m e n z u w o l l e n , ist j e d o c h n i c h t m ö g l i c h . 7 2 S o k a n n s c h o n d i e E n t s c h e i d u n g d a r ü b e r , w a s als „ E i n b u ß e " b z w . „ N a c h t e i l " a n z u s e h e n ist, n i c h t w e r t u n g s f r e i g e t r o f f e n w e r d e n . 7 3 W e r t e n d e E n t s c h e i d u n g e n sind aber insbesondere auch erforderlich, u m ausg e h e n d v o n e i n e r n a t ü r l i c h e n S i c h t w e i s e f e s t z u l e g e n , o b es s i c h b e i d e r e i n g e b ü ß t e n P o s i t i o n u m ein g e s c h ü t z t e s G u t h a n d e l t u n d d a m i t d e r V e r l u s t als

Vgl. dazu ausführlich S. 329f. Deutsch, Haftungsrecht, Rn 784 ff; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., Vor § 249 Rn 34 und § 249 Rn 7; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 45; Lange, Schadensersatz, § 1 II 9 und III; Zeuner, AcP 163, 381 f; Schlechtriem, Schuldrecht I, Rn 181; Gotthardt, S. 1; Koziol, ZfRV 1969, 22; Hagen, Festschrift Hauß, S. 83 ff; auch Mertens, der in seinem „Begriff des Vermögensschadens", S. 17ff, noch auf den natürlichen Schadensbegriff abgestellt hatte, hat sich inzwischen dieser Ansicht angeschlossen, Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 45, Rn 60 Fußnote 42; kritisch E. Wolf, Festschrift Schiedermair, S. 545 ff. 69 Vgl. dazu S. 242 ff. 70 Larenz, Schuldrecht I, § 27 II a; Lange, Schadensersatz, § 1 II 9 und III; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 786. 71 Vgl. dazu S. 242 ff. 72 Schiemann, NZV 1996, 1, 2: „Demgegenüber darf man es wohl Allgemeingut der Autoren zum heutigen Schadensersatzrecht nennen, daß die Gewährung von Entschädigungen ebenso wie die Entscheidung anderer Zivilrechtsfragen primär auf der Anwendung von Prinzipien und Wertungen beruht. So unklar der Begriff des „normativen Schadens" im einzelnen sein mag, zeigt er doch jedenfalls zweierlei an: die Abhängigkeit der Entschädigungsbemessung von Grund und Funktion der Haftung und die Notwendigkeit, vor jeder Schadens„Rechnung" erst einmal wertend festzulegen, welche Posten in diese Rechnung überhaupt einzustellen und welche nicht zu berücksichtigen sind." 73 Schiemann, NZV 1996, 1, 2; Larenz, Schuldrecht I, § 2 7 1 1 a; Lange, Schadensersatz, % 1 III 1; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 781; Koziol, ZfRV, 1969, 22ff; Soergel!Mertens, Vor § 249 Rn 45; anders Roussos, S. 104f, der meint, die Feststellung eines auf die Güter der realen Welt bezogenen nachteiligen Zustandes bereite in aller Regel keine Schwierigkeiten. E. Wolf, Schuldrecht AT, § 4 III a; ders., Festschrift Schiedermair, S. 551 ff; Wilk, Die Erkenntnis des Schadens und seines Ersatzes, S. 143 ff. 67 68

B. Schaden als konkreter

realer

Nachteil

235

Schaden im Rechtssinne anzusehen ist.74 Die Relevanz wertender Überlegungen zeigt sich besonders deutlich beim entgangenen Gewinn, der, soweit er auf einer gesetzes- oder sittenwidrigen Handlung beruhen würde, nicht ersatzfähig ist. 75 In den Fällen des Verlustes der Nutzungsmöglichkeit konzentriert sich dementsprechend die Frage entscheidend darauf, ob es sich bei der N u t zungsmöglichkeit um ein geschütztes Gut handelt, dessen Verlust einen Schaden darstellt oder nicht. Die Frage der Zuordnung von Rechtspositionen zu dem geschützten Güterbestand läßt sich dabei nicht auf der Grundlage eines natürlichen Schadensverständnisses wertungsfrei beantworten, sondern sie ist durch das gesamte Rechtsverständnis und die Rechtsordnung beeinflußt und mit ihnen wandelbar. 76 Bei der Anerkennung von Rechtspositionen, wie insbesondere auch der Einordnung der Nutzungsmöglichkeit bzw. der N u t z u n gen, ist daher eine faktisch/normative Betrachtungsweise zugrundezulegen.

II. Schaden als Güterbeeinträchtigung

und entgangener

Gewinn

Nach § 218 des ersten Entwurfs zum BGB umfaßt der zu ersetzende Schaden die erlittene Vermögenseinbuße und den entgangenen Gewinn. 7 7 Diese Schadensdefinition bringt den Grundsatz der Totalreparation zum Ausdruck, nach dem alle Nachteile, gleich ob sie in der Einbuße eines Gutes oder aber in einer negativen Zukunftsentwicklung, dem Entgang von Gewinnen, bestehen, zu ersetzen sind. Er prägt das Schadensersatzsystem unseres BGB, das in § 252 S. 1 BGB klarstellt, daß auch der entgangene Gewinn uneingeschränkt und damit nicht nur der Verlust von Gütern auszugleichen ist. 78

74 D e m natürlichen Schadensverständnis wird z u m Teil ein normativer Schadensbegriff gegenübergestellt. Insbesondere Selb, S. 11, 49; ders., Karlsruher F o r u m 1964, 3, 19; Steindorff, A c P 158, 431 ff, sind f ü r eine normative Schadensbestimmung eingetreten. A n ihr ist heftige Kritik geübt w o r d e n u n d sie ist als inhaltsleere Begriffshülle kritisiert w o r d e n , vgl. Keuk, S. 42; E. Wolf, Festschrift Schiedermair, S. 545, 549; Wilk, S. 142; Mertens, S. 87, 89, 91; Ströfer, S. 55; Magnus, S. 10. Auf ein normatives Schadensverständnis wird u n t e r verschiedenen Aspekten Bezug g e n o m m e n , vgl. Medicus, JuS 1979, 233 ff; Brinker, S. 212 ff; Lange, Schadensersatz, § 1 II 9. Besondere B e d e u t u n g hat das normative Schadensverständnis im Z u s a m m e n h a n g mit der D i f f e r e n z t h e o r i e , die a u f g r u n d ihrer besonderen K o n s t r u k t i o n nicht in der Lage ist, bestimmte Fallkonstellationen zu erfassen bzw. wertungsgerecht zu lösen; Brinker, S. 212ff; Steffen, N J W 1995, 2059; Hagen, Festschrift H a u ß , S. 83ff; Medicus, JuS 1979, 233, 237; vgl. auch S. 389ff. 75 Vgl. dazu S. 264. 76 Esser/Schmidt, Lange, Schadensersatz, § 1 III 1; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 R n 6; Schuldrecht 1/2, § 31 I 2; Soergel/Mertens, Vor § 249 R n 45; Medicus, JuS 1979, 233, 237; vgl. dazu S. 249. 77 Die Schadensbestimmung beschränkte sich n o c h auf Vermögensschäden vgl. dazu S. 3 75 ff. 78 Halfpap, S. 55; vgl. S. 257ff.

236

5 7 Der

Schaden

Während das Gesetz zwei Aspekte - Gütereinbuße einerseits, entgangener Gewinn andererseits - heranzieht, um den zu ersetzenden Schaden zu beschreiben, wird in der Literatur unter dem Eindruck des Grundsatzes der Totalreparation und nicht zuletzt der Differenztheorie Mommsens versucht, den Schaden einheitlich zu bestimmen. Schaden bedeute danach zunächst einen unfreiwillig erlittenen - Nachteil. 7 9 Aus § 249 S. 1 B G B , nach dem der Schädiger den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, folgert Medicus, daß sich der zu ersetzende Schaden aus der Differenz zwischen zwei Zuständen ergibt. 8 0 Ein Schaden liegt danach bei einer negativen Zustandsabweichung vor. § 249 S. 1 B G B , der nur besagt, wie ein Schaden auszugleichen ist, nämlich durch Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, 8 1 gibt jedoch keine Auskunft darüber, wann eine Zustandsabweichung als Schaden anzusehen ist. 82 D a nicht uneingeschränkt in jedem beliebigen Nachteil, jeder negativen Zustandsabweichung ein Schaden, der einen Ausgleich fordert, gesehen werden kann, 8 3 fragt sich, worauf sich der schadensersatzrechtlich relevante Verlust beziehen muß. Regelmäßig wird der Schaden auf eine Güterbeeinträchtigung bezogen. So hat Fischer in seiner grundlegenden Abhandlung zum Schaden diesen als „Einbuße, welche das Rechtssubjekt durch die Verletzung von Rechtsgütern erleidet", definiert. 84 Andere beschreiben den Schaden im natürlichen Sinne als Einbuße, die jemand an seinen Lebensgütern, nicht nur seinen Vermögenswerten erleidet, 85 oder als die Einbuße selbst, welche das Rechtssubjekt in Gestalt der Entziehung oder Beschädigung eines Vermögensbestandteils am Vermögen oder auch in Gestalt einer Verletzung an seiner Person erlitten 79 Brox, Schuldrecht I, R n 319; Deutsch, Haftungsrecht, R n 781; Fischer, Schaden, S. 1, 5; Roussos, S. 102; E. Wolf, Schuldrecht I, § 4 G II a 2 aa; Stüdemann, VersR 1990, 1048. 80 Er reduziert damit die Differenztheorie entgegen der Mommsen folgenden h.M. auf einen Zustandsvergleich, Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 R n 4; ders., D A R 1 9 9 4 , 4 4 2 ; Gotthardt, S. 2; Wendehorst, S. 59; vgl. dazu Larenz, Schuldrecht I, § 29 I; Staudinger/Schiemann, § 2 4 9 Rn 5 f und auch S. 329f. 81 N o c h deutlicher war die Formulierung im ersten Entwurf § 219: „Der Schuldner hat den Schadensersatz dadurch zu leisten . . . " Vgl. dazu auch S. 324ff. 82 Roussos, S. 110; Reinecke, S. 56ff; Jauernig/Teichmann, Vor § 249 Rn 1; Erman/Kuckuk, Vor § 249 R n 15; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 II 1 \Hohloch, Gutachten, S. 447; Ströfer, S. 26; Schiemann, S. 164ff, 185f; Staudinger/Schiemann, Vor § 249 Rn 2 ; J a k o h s , Wissenschaft, S. 142; vgl. dazu auch S. 329f. 83 So auch Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 Rn 7; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §31 I I . 84 Fischer, S. 1; vgl. auch Lange, Schadensersatz, § 1 1 ; Brox, Schuldrecht I, R n 3 1 9 ; Schlechtriem, Schuldrecht I, Rn 180f; Palandt/Heinrichs, Vor § 2 4 9 Rn 7; Mertens, Vermögensbegriff, S. 121; Soergel!Mertens, Vor § 249 R n 41; Escher-Weingart, S. 19; Deutsch, Haftungsrecht, R n 781. 85 Planck, § 249 A n m 2. 86

Oertmann,

§§ 249-254, 2; ders., Vorteilsausgleichung, S. 6ff; Walsmann,

S. 10.

B. Schaden als konkreter

realer

Nachteil

237

hat. 86 Larenz bestimmt den Schaden als eine „Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Vorganges oder Ereignisses an seinen Lebensgütern, sei es an seiner Gesundheit, seiner körperlichen Integrität, seinem beruflichen Fortkommen, seinen Erwerbsaussichten oder an bestimmten Vermögensgütern, erleidet." 87 Mertens und Escher-W'eingart sehen als wesentliches Merkmal eines Schadens an, daß es sich um einen Eingriff in einen geschützten Bestand an Gütern handelt.88 Bei der Bestimmung des Schadens als „Einbuße", „Nachteil" im Hinblick auf Lebensgüter oder den Güterbestand, der zum Teil sehr weit gefaßt wird, 89 wird als Bezugspunkt der derzeitige Bestand an Gütern gewählt, der Schaden also als ein Verlust an bestehenden Gütern angesehen. Unter Zugrundelegung eines solchen bestandsorientierten Schadensbegriffs reduziert sich der Blick jedoch auf den sogenannten positiven, wirklichen 90 Schaden, damnum emergens. Unser Schadensersatzsystem beschränkt den Ersatz jedoch nicht auf den Verlust an bestehenden Gütern, den sog. positiven, wirklichen Schaden, damnum emergens, sondern die Schadensersatzpflicht bezieht sich auch auf den Entgang zukünftiger Gewinne bzw. Vorteile, lucrum cessans.91 Wie sich aus den §§ 252, 842, 843 B G B ergibt, wird der Geschädigte nicht nur vor Bestandsbeeinträchtigungen, sondern auch vor nachteiligen Zukunftsentwicklungen, dem Entgang von Vorteilen, Gewinnen geschützt. Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Schadens ist nicht allein, daß der im Zeitpunkt der Schädigung gegebene Güterbestand vermindert ist, sondern auch die negativen Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung sind zu 87 Larenz, Schuldrecht I, § 27 II a; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 B G B Rn 7: „Schaden im natürlichen Sinne ist jede Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Lebensgütern wie Gesundheit, Ehre oder Eigentum erleidet." RGRK/Alff, vor §§ 249 Rn 1: „Schaden ... bedeutet eine Einbuße, die eine bestimmte Person durch ein bestimmtes Ereignis gegen ihren Willen an Rechtsgütern erleidet und für die das Gesetz in irgendeiner Weise einen Ausgleich vorsieht"; MünchKomm/Grunsky, Vor § 249 Rn 6: „Schaden ist jede Beeinträchtigung eines Interesses, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um ein vermögenswertes oder um ein rein ideelles Interesse handelt." Vgl. weitere Schadensdefinitionen bei Staudinger/Medicus, 12. Aufl., Vor § 249 Rn 1; Neuwald, S. 1 ff. 88 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 41; Mertens, Vermögensbegriff S. 121; Escher-Weingart, S. 19. Nach E. Wolf, Schuldrecht I, § 4 G II a 2 aa, ist Schaden „jede Einbuße an Möglichkeiten und jedes Nichterlangen von Möglichkeiten, sich als personenhaftes Lebewesen (Person) zu erhalten, zu entfalten und zu vermehren, sowie als entschließungsfähiger Mensch (Persönlichkeit) über die in ihm oder in äußeren Bedingungen seines Existierens eintretenden Erfolge selbst zu entscheiden." Vgl. auch E. Wolf, Festschrift Schiedermair, S. 574. Nach Wilk, S. 173, ist ein Schaden „ein individueller Nachteil, der eine in bezug auf einen oder mehrere in besonderer Weise miteinander zusammenhängende Gegenstände eintretende Einbuße einer individuellen Möglichkeit personenhaften Existierens darstellt." 89 Wendehorst, S. 59, will einen Vermögenszustandsvergleich vornehmen, bei dem das Vermögen auch immaterielle Rechtspositionen und bloße Chancen erfaßt. 90 Art. 283 A D H G B . 91 Vgl. Keuk, S. 35: „Wenn wir als Schaden verstehen den Verlust, welchen der Vermögensinhaber in Gestalt der Entziehung oder Beeinträchtigung eines vorhandenen oder des Nichterwerbs eines weiteren Vermögensbestandteiles erleidet ..."

238

5 7 Der

Schaden

berücksichtigen. Sie zeigen sich in dem Entgang von Gewinnen, insbesondere durch die Beeinträchtigung von Erwerb und Fortkommen des Geschädigten gemäß §§ 842, 843 B G B . 9 2 Damit kann der am Güterbestand orientierte Schadensbegriff von seinem Ausgangspunkt her nur einen Teil des ersatzfähigen Schadens, den Schaden im engeren Sinne, erfassen. Von ihm ist ein weiter angelegter, die zukünftige Entwicklung einbeziehender Schaden im weiteren Sinne zu unterscheiden. Dies entspricht der unserem B G B zugrundeliegenden überkommenen Schadensbestimmung als Bestandsschaden, damnum emergens, und dem auch Zukunftsentwicklungen berücksichtigenden entgangenen Gewinn, lucrum cessans. 93 Der Differenzierung zwischen damnum emergens und lucrum cessans wird häufig, z.B. von Medicus,94 Lange95 und Mertens,96 deshalb keine besondere Bedeutung beigemessen, weil sowohl der positive Schaden wie auch der entgangene Gewinn zu ersetzen seien und jeder entgangene Gewinn im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits als Gewinnaussicht vorhanden sei, deren Realisierung mehr oder minder wahrscheinlich sei. 97 Möller hat in seiner Abhandlung vom Summen- und Einzelschaden den entgangenen Gewinn als die Negation einer Beziehung zu einer Gewinnanwartschaft bezeichnet. 98 Aus diesem Verständnis folgert er, daß jeder entgangene Gewinn bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses als Gewinnaussicht vorhanden gewesen sei, deren Realisierung mehr oder minder wahrscheinlich gewesen sei. Zwar handele es sich um die Negation einer Wertbeziehung zu einem Gute des werdenden Vermögens, aber in einem weiteren Sinne seien auch die Güter des werdenden Vermögens bereits seiend, also in der Gegenwart vorhanden. 99 Der Verlust einer solchen Anwartschaft stelle deshalb bereits die Verkleinerung vorhandenen Vermögens dar. Die Verhinderung der Vermögensvermehrung bedeute damit zugleich eine Schmälerung der vorhandenen Güter. 100 Gegenüber den sonstigen Rechtsgütern ist eine solche Anwartschaftsbeziehung 1 0 1 nach Möller durch ihren Ubergangscharakter und

Vgl. dazu Würthwein, J Z 2000, 337, 342. Vgl. dazu auch Halfpap, S. 56. 94 Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 252 Rn 6. 95 Lange, Schadensersatz, § 2 II; Fischer, S. 50 Fußnote 2. 96 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 67. 97 Lange, Schadensersatz § 2 II; Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 257; Möller, S. 112. 98 Möller, S. 53, 111; auf ihn Bezug nehmend Lange, Schadensersatz, § 2 II; Staudinger/ Medicus, 12. Aufl., § 252 Rn 6. 99 Möller, S. 112, unter Bezugnahme auf Kisch, JherJb 61, 4 ff, dessen Ausführungen sich jedoch mit der Einbeziehung einer nacherbschaftlichen Anwartschaft bei der Berechnung des Pflichtteils befassen. 100 Möller, S. 112; ihm schließt sich Lange, Schadensersatz, § 2 II, an. 101 Möller, S. 119ff, unterscheidet nach ihrem Inhalt unterschiedliche Arten von Anwartschaften: solche, die die Entstehung von Sachbeziehungen erwarten lassen, solche, die Wertebeziehungen zu Geistesprodukten entstehen lassen und solche, die die Realisierung einer Forderungsbeziehung zur Entstehung gelangen lassen. Neben dieser juristischen Einteilung beste92

93

B. Schaden

als konkreter

realer

Nachteil

239

das Ungewißheitsmoment gekennzeichnet. 1 0 2 Dieser Übergangscharakter beruhe darauf, daß jede Anwartschaft, verstanden als „Erwerbsinteresse", die Neuentstehung einer Wertbeziehung zu einem Gute des im engeren Sinne seienden Vermögens, also etwa zu einer Sache, einem Geistesprodukt, einer Forderung oder einer faktischen Forderung, erhoffen lasse. 103 Handele es sich um eine gesicherte Gewinnaussicht, sei diese Aussicht bereits als vorhandenes Vermögensgut und damit bei Verlust als positiver Schaden zu begreifen. 1 0 4 Bei dieser Sichtweise wird der Schaden in dem Verlust einer Anwartschaft bzw. einer Anwartschaftsbeziehung gesehen, nicht also in dem Entgang einer erwarteten Position. Der grundlegende Unterschied zwischen Eingriffen in den Güterbestand und in die zukünftige Entwicklung - dem Entgang künftiger Vorteile - wird durch diese dem Güterbestand zugeordneten A n w a r t schaftsbeziehungen überwunden. Entgangenen Gewinn als Eingriff in eine Anwartschaftsbeziehung und damit in etwas bereits Bestehendes zu verstehen, stößt jedoch auf Bedenken. Denn diese Betrachtung wird nicht ausreichend der Tatsache gerecht, daß sich der Eingriff beim Geschädigten erst darin bemerkbar macht, daß sich seine zukünftige Entwicklung anders gestaltet, indem er etwa die Sache nicht wie geplant verwerten und einsetzen kann oder, im Fall einer bleibenden körperlichen Beeinträchtigung, seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann. Der Schädiger büßt nicht nur eine Anwartschaftsbeziehung, sondern ganz konkrete Vorteile ein. A u f g r u n d des Prinzips der Totalreparation hat der Geschädigte deshalb für den Entgang der ganz konkreten Vorteile und nicht nur für den Verlust der Anwartschaftsbeziehung Ausgleich zu leisten. 105 Entscheidend für einen Ersatzanspruch ist deshalb auch, ob dem Geschädigten unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Sicht ein hen nach ihm mannigfache wirtschaftliche Einteilungsmöglichkeiten, wobei er insbesondere kaufmännische Anwartschaften erwähnt, Möller, S. 121 ff. Zur Frage, ob Anwartschaften bzw. Anwartschaftsbeziehungen subjektive Rechte darstellen, vgl. Möller, S. 127ff. 102 Möller, S. 113. 103 Möller, S. 113. Er unterscheidet dabei grundlegend zwischen Anwartschaft und Chance. Während bei einer Anwartschaft die Neuentstehung einer Wertebeziehung zu erhoffen sei, könne sich die Chance auch auf Veränderungen der Wertebeziehungen beziehen, so daß diese wertvoller würden oder sich eine Unwertbeziehung weniger gravierend darstelle. Sie verhielten sich zueinander wie die Begriffe Verlustmöglichkeit und Gefahr. Neben diesem quantitativen Unterschied lasse sich auch ein qualitativer Unterschied insofern feststellen, als der Anwartschaftsbegriff auf einer statischen, der Chancenbegriff hingegen auf einer dynamischen Betrachtungsweise beruhe. Während die Anwartschaft einen gegenwärtig vorhandenen Vermögensbestandteil darstelle, bedeute eine Chance nur die Möglichkeit einer günstigen Veränderung des status quo, Möller, S. 114. 104 Möller, S. 53, 112; vgl. auch Lange, Schadensersatz, § 2 11; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 252 Rn 6. 105 Ob man auf den Verlust einer Anwartschaft oder auf den Entgang der konkreten Vorteile abstellt, hat auch für die Höhe des Ersatzes nicht unerhebliche Bedeutung, da der Wert der Anwartschaftsbeziehung geringer ist als der Realisationswert, also die aufgrund des Eingriffs entgangenen konkreten Vorteile, vgl. Möller, S. 117.

240

§ 7 Der

Schaden

Vorteil entgangen ist, 1 0 6 und nicht, o b im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein solcher Vorteil wahrscheinlich war. 1 0 7 Auch wenn sich die Schadensersatzpflicht sowohl auf den Bestandsschaden wie den entgangenen G e w i n n bezieht und zum Teil Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen mögen, 1 0 8 dürfen deshalb die grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen ihnen nicht übersehen werden. So bezieht sich der Schaden im engeren Sinne auf den vorhandenen Güterbestand und seinen Schutz. Ausgleich ist für einen Güterverlust zu leisten, der sich regelmäßig leicht feststellen läßt. Demgegenüber bezieht sich der Ersatz des lucrum cessans auf bestimmte Erwartungen im Hinblick auf die zukünftige E n t w i c k lung, den E r w e r b von Vorteilen. Entscheidend ist hier daher, inwieweit entsprechende Zukunfts-/Gewinnerwartungen als schutzwürdig anzusehen sind, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssen, um als ersatzfähig angesehen werden zu können. D e r Bezugspunkt für die Schadensfeststellung ist also jeweils ein ganz verschiedener, einmal der Güterbestand als solcher und zum anderen die zukünftige Entwicklung, E r w e r b , F o r t k o m m e n etc. Larenz hat versucht, die Beschränktheit des am Bestand orientierten Schadensbegriffs dadurch zu überwinden, daß er zu den Lebensgütern des G e schädigten auch berufliches F o r t k o m m e n und Erwerbsaussichten zählt. E r spricht von „Einbuße, die jemand ... an seinen Lebensgütern, sei es an seiner Gesundheit, seiner körperlichen Integrität, seinem beruflichen F o r t k o m m e n , seinen Erwerbsaussichten oder an bestimmten Vermögensgütern erleidet." 1 0 9 E r stellt damit Positionen wie Gesundheit, körperliche Integrität und bestimmten Lebensgütern - gemeint sein dürften die Rechtsgüter und Rechte des Geschädigten, die diesem zugeordnet sind und etwa durch § 823 I B G B besonderen Schutz genießen - das berufliche F o r t k o m m e n und Erwerbsaussichten gleich. Bei diesen handelt es sich jedoch um zukunftsorientierte E r wartungen, die maßgeblich von den zukünftigen Gegebenheiten abhängen. Ihre Zuordnung zum Bestand der Rechtsgüter des Geschädigten erscheint daher überraschend und ihre Qualität als „Rechtsgut" bzw. „geschützter B e stand" zweifelhaft. D u r c h eine solche Vorgehensweise wird die beschriebene heterogene N a t u r des Schadensbegriffs verdeckt, der ohnehin schon recht konturenlose Güterbegriff verliert gänzlich seine Faßbarkeit und hilft deshalb Fischer, Schadensersatz, S. 69. § 252 S. 2 B G B wird ganz überwiegend als Beweisnorm betrachtet. Ein entgangener Gewinn ist deshalb auch dann zu ersetzen, wenn er im Zeitpunkt der Schädigung zwar noch nicht wahrscheinlich war, sich aber später herausstellt, daß der Geschädigte eine entsprechende Position erlangt hätte, B G H Z 29, 393, 397ff; B G H N J W 1979, 865, 866; 1983, 758; Staudinger/ Medicus, 12. Aufl., § 252 Rn 4f; Larenz, Schuldrecht I, § 29 II; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 32 II 3 a; Schmid, VersR 1980, 123ff, 124; Lange, Schadensersatz, § 2 II, § 6 X 1; MünchKomm!Grunsky, § 2 5 2 Rn 9; Palandt/Heinrichs, § 2 5 2 Rn 2; Fischer, Schadensersatz, S. 69; a.A. Möller, S. 117; Steindorff, AcP 158, 431, 462; Giesen, VersR 1979, 389ff, 391; vgl. dazu auch S. 276, 308ff. 106

107

108 109

Lange, Schadensersatz, § 2 II. Larenz, Schuldrecht I, § 27 II a.

B. Schaden als konkreter realer Nachteil

241

bei der Bestimmung des schadensersatzrechtlich relevanten Nachteils im konkreten Fall nicht weiter. Es ist deshalb im folgenden zwischen dem Schaden im engeren Sinne, also nachteiligen Auswirkungen im Güterbestand, dem Verlust von Rechtsgütern, damnum emergens, und dem Schaden im weiteren Sinne, dem auch nachteilige zukünftige Entwicklungen erfassenden entgangenen Gewinn, lucrum cessans, zu unterscheiden. Dabei gilt es festzustellen, inwieweit die Nutzungsmöglichkeit einer Sache bereits dem Güterbestand des Geschädigten zuzurechnen ist und damit ihr Verlust einen Schaden im engeren Sinne darstellt bzw., sollte dies nicht der Fall sein, ob im Nutzungsentgang ein Schaden im weiteren Sinne, ein entgangener Vorteil nach § 252 BGB, zu sehen ist.

§ 8 Der vom Schadensbegriff im engeren Sinne erfaßte Güterbestand Unter Schaden im engeren Sinne, zum Teil wird auch von Rechtsguts-, Verletzungsschaden gesprochen, 1 wird, wie gesehen,2 überwiegend die nachteilige Einwirkung auf Güter, auch als Lebensgüter bezeichnet, verstanden. Allerdings bleibt weitgehend offen, welche Rechtspositionen als Güter in diesem Sinne anzusehen sind, nur exemplarisch werden Rechtsgüter wie Körper, Gesundheit und Vermögensbestandteile aufgeführt. Auch der Hinweis, daß der Schaden sich auf (sämtliche) Güter der realen Welt beziehen könne, 3 bleibt relativ vage. Die Bestimmung des Schadens als „Einbuße" oder „Nachteil" im Hinblick auf Lebensgüter oder den Güterbestand ist mithin wenig konkret und gibt ohne eine Spezifizierung der geschützten Rechtspositionen für die Lösung von Schadensproblemen wenig Aufschluß. 4 Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, daß man, wie etwa Heinrichs,5 der Tauglichkeit des Schadensbegriffs zur Problemlösung kritisch gegenübersteht. Die Frage, ob die Nutzungsmöglichkeit zu diesen Gütern zu zählen ist, es sich bei dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit also um einen Schaden im engeren Sinne handelt, läßt sich daher nicht ohne weiteres entscheiden. Mertens (\ EscherWeingart7 und Roussos8 haben sie neuerdings bejaht 9 und die Nutzungsmöglichkeit bzw. die Verwendungsplanung einer Sache als zum Güterbestand des Geschädigten gehörend angesehen und die Nutzungsmöglichkeit damit als „Gut" qualifiziert. O b dem gefolgt werden kann und die Nutzungsmöglichkeit dem Bestand zuzurechnen ist, hängt davon ab, welche Rechtspositionen als geschützte Lebensgüter anzusehen sind und damit dem Güterbestand zugehören.

1 Allerdings in Abgrenzung zum Vermögensfolgeschaden, vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn 788, 870; Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 2; vgl. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 I 2. 2 Vgl. S . 2 2 6 f , 232ff. 3 Roussos, S. 105. 4 Dies gilt auch für die Kennzeichnung als „evidente" Schäden durch Schiemann, S. 164ff. 5 Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 7; Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 204. 6 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 46, 56. 7 Escher-Weingart, S. 72ff, 104ff. 8 Roussos, S. 105. Er sieht die Verwendungsplanung als unkörperliches Gut an. 9 Siehe auch Rauscher, N J W 1986, 2011, 2015; ausführlich dazu S. 47ff.

A. Historischer

A. Historischer I.

Hintergrund

243

Hintergrund

Naturrechtskodifikationen

Die Gesetzesväter haben ganz bewußt auf eine Schadensdefinition verzichtet 10 und damit auch die Frage offen gelassen, welche Positionen als Rechtsgüter anzusehen sind, deren Beeinträchtigung einen Schaden darstellt. Demgegenüber haben die am Ende des 18., zu Beginn des 19. Jahrhunderts verfaßten Gesetzbücher, insbesondere das preußische Allgemeine Landrecht und das österreichische A B G B , vom natürlichen/realen Schaden ausgehend den Schadensbegriff definiert und dabei den geschützten Güterbestand umrissen.11 So lautet I 6 § 1 A L R : „Schade heißt jede Verschlimmerung des Zustandes eines Menschen, in Ansehung seines Körpers, seiner Freiheit oder Ehre, oder seines Vermögens." Unter Schaden auf dem Gebiete des Privatrechts wurde damit „jeder Nachtheil, welcher Jemandem in bezug auf privatrechtliche Güter, namentlich hinsichtlich seines Vermögens erwuchs", verstanden. 12 Unter dem Begriff Vermögen wurden alle dinglichen und vertraglichen Rechte, also Rechte an Sachen (dingliche Rechte) und Rechte auf Handlungen (persönliche Rechte), zusammengefaßt. 13 Vermögen meinte mithin die einer Person zustehenden Vermögensrechte, wobei auch Belastungen mit Verbindlichkeiten als negatives Vermögen miteinbezogen wurden. 14 Anders als nach der Differenztheorie Mommsens, die vom Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ausgehend auch den entgangenen Gewinn in den Vermögensschaden miteinbezieht, liegt ein Schaden nach I 6 § 1 A L R nur vor, wenn in ein bereits im Zeitpunkt der Schädigung bestehendes Vermögensrecht eingegriffen wurde. Entsprechend werden vom Schadensbegriff des A L R nur Verluste an bestehenden Gütern erfaßt, also Beeinträchtigungen Motive II, S. 19 = Mugdan II, S. 10. Gottwald, S. 41; Reinecke, S. 61 ff; krit. Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 204. 12 Dernburg, Preuß. Privatrecht, Bd II, § 7 4 , S. 177; Förster, Preuß. Privatrecht, S. 544: „Schaden ist die Verletzung eines Rechts irgendeiner Art"; vgl. auch Koch, Lehrbuch des preuß. Privatrechts II, § 465; Klein/Rönne, Preuß. Civilrecht, § 136. 13 Förster, Preuß. Privatrecht, S. 124; Dernburg, Preuß. Privatrecht, Bd I, § 37: „Unter den Privatrechten treten die Vermögensrechte besonders hervor. Vermögen ist der Antheil, welcher dem Individuum an den geldwerthen Gütern zusteht. Zu diesem Antheile zählen auch die Forderungen, vermöge deren uns Andere zur Leistung von Vermögensobjekten gehalten sind. Es gehören zu demselben umgekehrt die Verpflichtungen, welche uns in dieser Hinsicht obliegen." Vgl. auch Koch, Lehrbuch des preuß. Privatrechts I, § 93. Auch der Gewerbebetrieb wurde als Vermögen betrachtet und Beeinträchtigungen durch „Verrufserklärung" als Vermögensbeschädigung angesehen, vgl. R G Z 27, 238ff, 247f, zur Gleichsetzung von Vermögen und Eigentum siehe auch Biermann, Vorbem. § 903. 14 Dernburg, Preuß. Privatrecht, Bd I, § 37; Koch, Lehrbuch des preuß. Privatrechts II, § 465. Belastet jemand das Vermögen des Geschädigten, indem er etwa in Überschreitung seiner Innenmacht den Geschädigten gegenüber Dritten wirksam verpflichtet, so verstößt er gegen eine Unterlassungspflicht, der Schaden besteht in der so geschaffenen Verpflichtung des Geschädigten zur Leistung, der Verbindlichkeit. 10 11

244

§8 Der vom Schadensbegriff

im engeren Sinne erfaßte

Güterbestand

der Gesundheit, des Lebens, des Vermögens - verstanden als alle dinglichen wie persönlichen Rechte des Geschädigten - , nicht aber zukunftsbezogene Entwicklungen. So erklärt Dernburg: „Positiver Schaden ist die Zerstörung von Werthen, welche dem Beschädigten zur Zeit der Beschädigung bereits erworben waren; entgangener Gewinn sind Vermögensvortheile, welche der Beschädigte erworben hätte, wenn ihm der Schaden nicht zugefügt w o r d e n «15 wäre. Aus der Schadensdefinition des A L R ergibt sich damit, daß ein Schaden nur dann vorliegt, wenn in die bereits bestehende Güterlage eingegriffen wird. Als geschädigte Rechtspositionen k o m m e n allein der Mensch - Körper, Freiheit, Ehre - und das Vermögen, also die Beeinträchtigung persönlicher oder dinglicher Rechte sowie die Belastung mit Verbindlichkeiten, in Betracht. Gleichzeitig w i r d durch die A u s g r e n z u n g der entgangenen Vortheile - I 6 § 5 A L R : „Vortheile, die jemand erlangt haben würde, wenn eine H a n d lung oder Unterlassung nicht vorgefallen wäre, werden z u m entgangenen Gewinn gerechnet" - aber auch deutlich, daß die Schadensersatzpflicht nicht auf „Schäden" im Sinne eines reinen Güterverlusts beschränkt ist, sondern auch der Entgang zukünftiger Vortheile als Schaden im weiteren Sinne der Ersatzpflicht unterliegt. 1 6 Das österreichische A B G B geht mit seiner Schadensdefinition in dieselbe Richtung. So heißt es in § 1293 A B G B : „Schade heißt jeder Nachteil, welcher jemanden an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat." Die Umschreibung des geschützten Güterbestandes hat dabei während des Gesetzgebungsverfahrens variiert. In § 35 I des TheilUrentwurfes war, naturrechtlich geprägt, nur von dem Verlust des „Seinigen" die Rede. 1 7 Nach dem Entwurf mußte sich das „Uebel" auf die Güter oder Rechte des Geschädigten beziehen, 1 8 wobei mit der Umformulierung von „Gütern" in „Vermögen" keine sachliche Änderung beabsichtigt war. 1 9 Mit Vermögen ist von seinem Ursprung her auch hier die Summe der Gegenstände - Rechtspositionen, Sachen i.S.d. § 285 A B G B - , die einer Person kraft Privatrechts zustehen, gemeint. 15

Dernburg, Preuß. Privatrecht, Bd II, § 76, S. 183. Vgl. dazu S. 235 ff. 17 Ofner, U r e n t w u r f , § 35: „Derjenige, w e l c h e m ein Schaden, das ist ein Verlust des Seinigen verursacht w o r d e n ist, der ist auch berechtigt, den Ersatz dieses Schadens von dem U r h e ber zu fordern." Den Begriff des Seinigen verwendet bereits Christian Wolff, Grundsätze, § § 88 ff. Als geschützt sah e t w a Pufendorf, Sitten- und Staatslehre I, VI § § 5 ff an: Leib, Leben, Unversehrtheit der Glieder, Freiheit, Eigentum sowie alles das, w a s man durch U b e r e i n k u n f t e r w o r b e n hat. 18 § 1 des Vorentwurfs: „Schade heißt jedes Uebel, welches J e m a n d e n an seinen Gütern oder Rechten z u g e f ü g t w o r d e n ist. D a v o n unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den er ohne die erlittene Beschädigung nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge erlangt haben würde." 19 Ofner, Vorentwurf, S. 184. 16

A. Historischer

Hintergrund

245

Nach dem Wortlaut von § 1293 ABGB war auch hier eine strikte Trennung zwischen dem Eingriff in den Bestand auf der einen Seite und dem entgangenen Gewinn auf der anderen Seite beabsichtigt. 20 Die Trennung zwischen Schaden und entgangenem Gewinn ist im ABGB insofern von wesentlicher Bedeutung, als gemäß dem Gedanken der Proportionalität von Schuld und Haftung 2 1 höhere Verschuldensanforderungen an den Ersatz des entgangenen Gewinns als an den Ersatz eines Schadens i.S.v. § 1293 ABGB gestellt werden. Gemäß § 1324 ABGB setzt der Ersatz entgangenen Gewinns zumindest grobe Fahrlässigkeit des Schädigers voraus. Dies hat sich allerdings nicht als glücklich erwiesen 22 und führte dazu, daß der Bereich des positiven Schadens bald sehr weit - über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus - ausgedehnt wurde. 2 3 Während ALR und ABGB die Schadensdefinition in den Mittelpunkt stellen und die geschützten Güter nennen, ist die Bestimmung des Schadens im Code Civil weniger präzise. Art. 1149 besagt zur l'inexécution de l'obligation: „Les dommages et intérêts dus au créancier sont, en général, de la perte qu'il a faite et du gain dont il a été privé, sauf les exceptions et modifications ci-après." 24 Damit unterscheidet auch der Code Civil - von einem natürlichen Schadensverständnis ausgehend 25 - zwischen dem erlittenen Verlust, dem Schaden im engeren Sinne, und dem entgangenen Gewinn, gibt aber keine Hinweise auf den als geschützt anzusehenden Güterbestand. Diskutiert wird in Frankreich, ob ein Schaden nur bei Verletzung eines subjektiven Rechts an-

20 Interessant ist dabei, wie Krainz später § 1293 A B G B ganz u n t e r d e m E i n d r u c k der D i f ferenztheorie Mommsens in seinem „System des allgemeinen österreichischen Zivilrechts" in § 138 interpretiert: „ D e r am Vermögen zugefügte Schade besteht entweder in der Verminder u n g des Vermögens u m einen gegenwärtigen Bestandtheil, in welchem Falle er positiver Schade ( d a m n u m emergens) oder Schade im engeren Sinne genannt wird, oder in der Vereitelung eines erst zu erwartenden, w o er d a n n negativer Schade o d e r G e w i n n s t e n t g a n g (lucrum cessans s. interceptum) heißt." 21 Stall, H a f t u n g s f o l g e n , N r . 258; vgl. dazu Edlbacher, S. 81 ff, 87f; Armasow, S. 26; Schiemann, Festschrift Seiler, S. 259, 263. 22 Vgl. schon die Ä u ß e r u n g e n von Rubel, Warenkauf, S. 481, der seinerseits auf die Kritik von Strohal verweist, Rabel, a.a.O., S. 481 F u ß n o t e 3. Siehe auch Stoll, H a f t u n g s f o l g e n , N r . 257f. 23 Die Praxis hat sich, u m den Gegensatz zu ü b e r w i n d e n , im wesentlichen damit beholfen, daß sie - eigentlich systemwidrig - sichere Z u k u n f t s p o s i t i o n e n wie den E r w e r b von Arbeitse i n k o m m e n d e m Bereich des positiven Schadens u n d nicht d e m entgangenen G e w i n n z u schlägt, vgl. dazu Rummel/Reischauer, § 1293 R n 7ff, § 1325 R n 2 1 ; Stoll, H a f t u n g s f o l g e n , N r . 257f. Dieselben Tendenzen lassen sich im übrigen auch im deutschen Recht feststellen, soweit der Ersatz des entgangenen G e w i n n s ausnahmsweise ausgeschlossen ist, vgl. § 53 W G , § 6 N r . 6 V O B ; siehe d a z u Lange, Schadensersatz, § 2 II; Soergel/Mertens, Vor § 249 R n 67; R G Z 97, 44. 24 „ D e r d e m Gläubiger zu leistende Schadensersatz besteht in der Regel in d e m Ersatz des erlittenen Verlustes u n d des entgangenen G e w i n n s , vorbehaltlich der nachstehenden A u s n a h men u n d A b w e i c h u n g e n . " 25 Vgl. dazu Ferid, Franz. Zivilrecht, Band I, 2 B 87; Magnus, S. 50ff.

246

§8

Der vom Schadensbegriff

im engeren

Sinne erfaßte

Güterbestand

zunehmen oder ob auch die Verletzung eines nicht als Recht anerkannten Interesses zu berücksichtigen ist.26

II. Gemeines

Recht

Ein sich am konkreten Verlust orientierendes Schadensverständnis lag auch dem gemeinen Recht am Ende des 18., zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugrunde. So erklärt Dabelow: „Schade, damnum, heißt jeder Nachteil, welcher jemand an seiner Person oder an seinem Vermögen erleidet." 27 Es wird dabei zwischen dem positiven Schaden und entgangenem Gewinn differenziert, so erklärt Höpfner: „Ist das Gut, welches ich verliere, schon wirklich mein, und in meinem Besitz gewesen, so heißt der Schade damnum positivum, s. emergens. Wenn ich hingegen einen Vortheil erst zu erhalten hoffte, und mir diese Hoffnung vereitelt wird: so heißt es damnum privativum oder lucrum cessans." 28 Auch bei Dernburg klingt noch ein solches konkretes Schadensverständnis an, wenn er erklärt: „Nachtheile, welche uns treffen, bezeichnet man als Schaden - damnum - , wenn sie nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge entweder überhaupt nicht oder wenigstens noch nicht zu erwarten waren. Sie können sich auf unser Vermögen, aber auch auf andere Güter beziehen." 29 Allerdings treten die Überlegungen zum Schadensbegriff im gemeinen Recht hinter der Frage nach dem ersatzfähigen Vermögensschaden zurück. So erklärt Windscheid, ohne auf die eigentliche Schadensfrage einzugehen, der Verpflichtete müsse Ersatz gewähren für den Nachteil, welcher in der Vermögenslage des Gläubigers infolge einer gewissen Tatsache eingetreten sei. Ob dieser Nachteil positiver Schaden oder entbehrter Gewinn sei, sei gleichgülFestzuhalten bleibt somit, daß Schaden von seiner ursprünglichen Bedeutung her den Verlust bestimmter Rechtsgüter meint. Als geschützte Positionen - Güter - wurden dabei Leben, Körper, Gesundheit und Vermögen, verstanden als persönliche wie dingliche Rechte, angesehen. Negative zukünftige 26 Vgl. dazu Ferid, Franz. Zivilrecht, Band 1,2 B 91, danach wird zumindest bei Verletzung eines ausdrücklich rechtlich geschützten Interesses Ersatz gewährt, neuerdings soll bereits ein rein tatsächliches Interesse ausreichend sein. 27 Dabelow, Handbuch, § 284; bei Höpfner, § 754, heißt es entsprechend: „Schade, damnum ist der Verlust eines Gutes, eines Vortheils, einer Vollkommenheit. So vielerley ist der Schaden in Rücksicht auf den Gegenstand. Man kann Schaden erleiden an seiner Gesundheit, seinem guten Namen, seinem Vermögen etc." Wenig-Ingenbeim, Lehrbuch, § 193, erklärt entsprechend: „Schaden, damnum, bedeutet im weitern Sinne jeder Nachtheil, Verlust, welchen eine Person oder Sache in irgendeiner Beziehung erleidet."

Höpfner,%754. Dernburg, Pandekten II, § 44; vgl. auch Baron, Pandekten, § 71: „Der Schaden besteht meist in einer Minderung des Vermögens, häufig aber in der Verletzung anderer Güter des Menschen: so bei der Ehrverletzung, Mißhandlung usw." 30 Windscheid, Pandekten, § 258; vgl. S. 377ff. 28 29

B. Der geschützte Grundbestand

247

und § 823 I BGB

E n t w i c k l u n g e n , der E n t g a n g v o n G e w i n n e n , waren zwar im R a h m e n des entgangenen G e w i n n s zu ersetzen, nicht aber dem Schaden im engeren Sinne z u geordnet.

B. Der geschützte

Grundbestand /. §8231

und § 823 I BGB

BGB

A u s dem historischen R ü c k b l i c k ergibt sich, daß z u m K e r n b e s t a n d der geschützten G ü t e r alle v o n der R e c h t s o r d n u n g als schutzwürdig anerkannten, einer P e r s o n zugeordneten R e c h t e und R e c h t s g ü t e r zu zählen sind. D a z u geh ö r e n z u m einen die P e r s o n in ihrer körperlichen und persönlichen U n v e r sehrtheit, z u m anderen ihre subjektiven R e c h t e . D e r G e d a n k e des b e s o n d e r e n Schutzes dieses G ü t e r b e s t a n d e s tritt im B G B in der deliktischen H a f t u n g s n o r m des § 823 I B G B hervor. D i e naturrechtlichen K o d i f i k a t i o n e n regeln die Schadensersatzhaftung im G e g e n s a t z z u m r ö m i s c h e n R e c h t 3 1 durch deliktische Generalklauseln. 3 2 A l lerdings differenzieren A B G B und A L R hinsichtlich des ersatzfähigen S c h a dens. D e n n der E r s a t z des positiven Schadens und des entgangenen G e w i n n s wurde

von

unterschiedlichen

Verschuldenserfordernissen

abhängig

ge-

macht, 3 3 so daß der im G ü t e r b e s t a n d eingetretene Verlust i m m e r auszugleichen war, der E n t g a n g v o n G e w i n n , der regelmäßig seine G r u n d l a g e in einem E i n g r i f f in die Handlungsfreiheit hat, j e d o c h nur bei g r o b e r Fahrlässigkeit. 3 4 D e r V o r e n t w u r f v. Kübels

z u m B G B baute d e m g e g e n ü b e r auf einer u m f a s -

senden - nicht nach Verschuldensgraden differenzierenden - Generalklausel Schwitanski, S. 97; Börgers, S. 70; Fraenkel, S. 98. Code civil art. 1382: „Tout fait quelconque de l'homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé, à le réparer." 33 Vgl. dazu I 6 §§ 10ff ALR: § 10 „Wer einen Anderen aus Vorsatz oder grobem Versehen beleidigt, muß demselben vollständige Genugthuung leisten." § 1 2 „Wer nur aus mäßigem Versehen den Anderen durch eine Handlung oder Unterlassung beleidigt, der haftet nur für den daraus entstandenen wirklichen Schaden." Die Haftung wird in I 6 § 13 erweitert, sodaß der Schädiger „auch einen solchen entgangenen Gewinn ersetzen (muß), den der Beschädigte durch den gewöhnlichen Gebrauch desjenigen, woran er gekränkt worden, erlangt haben würde." § 1295 A B G B : „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädigten den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein." § 1324 A B G B : „In dem Falle eines aus böser Absicht oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugtuung; in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtigt." Vgl. dazu Rummel/Reiscbauer, § 1324 A B G B Rn 10, 14; Edlbacher, S. 81 ff, 87f; Armasow, S. 26. 34 Vgl. dazu S. 245; sowie Stoll, Haftungsfolgen, Nr. 258; Schiemann, Festschrift Seiler, S. 259, 263 f. 31

32

248

§ 8 Der vom Schadensbegriff

im engeren

Sinne e r f a ß t e

Güterbestand

auf, die dem Geschädigten bei schuldhafter Schädigung einen Anspruch auf die Vermögenseinbuße wie den entgangenen Gewinn eröffnete. 35 Dieser Vorschlag wurde jedoch von der ersten Kommission zurückgewiesen und bei der Haftung zwischen Verletzungen von Rechten und widerrechtlich begangenen Handlungen differenziert. So sah § 704 II des ersten Entwurfs vor, daß der Schädiger bei schuldhafter Verletzung eines Rechts, worunter auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre zu verstehen war, uneingeschränkt auf Schadensersatz haften sollte. 36 Demgegenüber sollte der Schädiger im Falle widerrechtlichen Verhaltens nur für den vorhersehbaren Schaden haften. 37 In § 704 des ersten Entwurfs wird damit zwischen der uneingeschränkten Haftung für Schädigungen des Güterbestandes, also subjektiver, absoluter Rechte, 38 und sonstigen Eingriffen, etwa Eingriffen in die Handlungsfreiheit des Geschädigten mit der Folge eines Gewinnentgangs, differenziert.

35 Vorentwurf v. Kübels, Abschnitt I. Titel 2. III. Unerlaubte Handlungen, § 1: „Hat jemand durch eine widerrechtliche Handlung oder Unterlassung aus Absicht oder aus Fahrlässigkeit einem Anderen einen Schaden zugefügt, so ist er diesem zum Schadensersatz verpflichtet". V. Kübel stellt in § 14 dabei klar, daß Schaden auch den entgangenen Gewinn meint: „Die Erstattung des in Folge unerlaubten Verhaltens von dem Beschädiger verursachten Vermögensschadens umfaßt sowohl die Vermögenseinbuße, welche der Beschädigte erlitten hat, als auch den ihm entgangenen Gewinn." Umstritten ist in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung v. Kübel dem Aspekt der Widerrechtlichkeit beigemessen hat, ob er ein Verhalten nur dann als widerrechtlich ansah, wenn ein Verhalten gegen eine Norm verstieß, oder ob er vielmehr jedes schädigende Verhalten als widerrechtlich ansah, vgl. dazu Börgers, S. 71 ff; Schwitanski, S. 100 f. Die Äußerung v. Kübels in der Begründung seines Entwurfs, Abschnitt I. Titel 2. III. Unerlaubte Handlungen, S. 4: „Damit, daß ein Interesse von der Rechtsordnung als des privatrechtlichen Schutzes würdig erkannt wird, ist auch im Falle seiner Verletzung und dadurch herbeigeführter Beschädigung der Anspruch auf Schadensersatz gegeben, wenn nicht für einen bestimmten Fall aus besonderen Gründen eine positive Ausnahme gemacht wird", spricht dafür, daß v. Kübel nicht nur die in den Kreis des Vermögens gehörigen, sondern überhaupt alle Interessen, die des privatrechtlichen Schutzes würdig und bedürftig erscheinen, erfassen wollte. 36 § 704 II E I: „Hat Jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines Anderen verletzt, so ist er den durch die Rechtsverletzung dem Anderen verursachten Schaden diesem zu ersetzen verpflichtet, auch wenn die Entstehung eines Schadens nicht vorauszusehen war. Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen." 37 § 704 I E I: „Hat Jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung - Thun oder Unterlassen - einem Anderen einen Schaden zugefügt, dessen Entstehung er vorausgesehen hat oder voraussehen mußte, so ist er dem Anderen zum Ersätze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht." Unterschiedliche Ansichten bestehen dabei darüber, was der Gesetzgeber mit Widerrechtlichkeit meinte, vgl. dazu Schwitanski, S. 103 ff; Börgers, S. 77ff; Frankel, S. 115; Fezer, S. 478. 38 Motive II, S. 728 = Mugdan II, S. 406; vgl. dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 I; v. Caemmerer, Absolute Rechte, S. lff = Gesammelte Schriften I, S. 554 ff; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 16f; RGRK/Steffen, § 823 Rn 4.

B. Der geschützte

Grundbestand

und § 823 I BGB

249

Im zweiten Entwurf setzte sich hingegen wie im späteren § 823 B G B die Auffassung durch, daß der Schutz der bestehenden G ü t e r und Rechte vorrangig gewährleistet werden müsse, 3 9 während die Haftung für nicht den G ü t e r bestand betreffende Handlungen, also insbesondere Eingriffe in die H a n d lungsfreiheit, auf Schutzgesetzverletzungen reduziert wurde. 4 0 D i e Aufzählung der einzelnen Rechtsgüter ist dabei nicht etwa als Zusammenfassung von Einzeltatbeständen zu verstehen, sondern als Versuch, den Bestand der geschützten Güter auf der Grundlage der damaligen Rechtserkenntnis zu beschreiben. 4 1 D i e in § 823 I B G B aufgeführten Rechtspositionen spiegeln damit den damals als schutzwürdig erkannten Güterbestand wider. 4 2 Bei Verletzung eines der in § 823 I B G B genannten Schutzgüter liegt daher immer ein Schaden im engeren Sinne vor. D i e als besonders schutzwürdig erkannten und in § 823 B G B aufgeführten Rechtspositionen - Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum sowie sonstige Rechte - decken sich dabei weitgehend mit den in naturrechtlichen und gemeinrechtlichen Schadensdefinitionen Genannten, sieht man von den persönlichen Rechten, d.h. relativen Forderungsrechten, ab. 4 3 Soweit im Laufe der Zeit im Rahmen von § 823 I B G B unterschiedlichste Rechtspositionen als sonstige Rechte - wie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, 4 4 das allgemeine Persönlichkeitsrecht 4 5 oder Mitgliedschaftsrechte 4 6 - anerkannt worden sind, zeigt sich daran, wie sich das Verständnis vom geschützten Güterbestand wandelt und fortentwikkelt.

Protokolle, S. 2719 = Mugdan II, S. 1076. Den Schutz der weitergehenden Interessen, insbesondere den Ersatz von entgangenem Gewinn bei einem Eingriff in die Handlungsfreiheit, suchte man durch die Haftung bei Schutzgesetzverletzungen zu gewährleisten. Entscheidend ist damit nicht mehr, ob ein widerrechtlich verursachter Schaden vorhersehbar war, sondern ob ein zum Schutz des Geschädigten bestehendes Gesetz verletzt wurde. Zur Problematik dieser Sichtweise, vgl. S. 257ff. 41 Fezer, S. 473, 478ff. 42 Fezer, S. 473, 478 ff; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 58; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 3 a. 43 Die widerrechtliche Verletzung eines Rechts aus einem Schuldverhältnis wurde bewußt aus § 823 I B G B ausgenommen, da sich nur der Schuldner einer Verletzung dieses Rechts schuldig machen könne, Motive II, S. 727 = Mugdan II, S. 406. 44 B G H Z 45, 296, 307; 86, 152, 156. Interessanterweise hat schon das Reichsgericht unter Anwendung preußischen Rechts den Gewerbebetrieb als Vermögen betrachtet und Beeinträchtigungen durch „Verrufserklärung" als Vermögensbeschädigung angesehen, R G Z 27, 238ff, 247f. 45 B G H Z 13, 334, 338; 35, 363, 365; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 70; Larenz!Canaris, Schuldrecht II/2, § 80. 46 B G H Z 110, 323, 327; vgl. dazu die Besprechung von Beuthien/Kießler, WuB II L, § 31 B G B 1.91; Schmidt, J Z 1991,157; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 4 e; MünchKomm/ Mertens, § 823 Rn 152; Reuter, Festschrift Lange, S. 707. 39

40

250

§ 8 Der vom Schadensbegriff

im engeren Sinne erfaßte

II. Relative

Güterbestand

Rechte

N e b e n den in § 823 I B G B genannten Gütern und absoluten, subjektiven Rechten gehören zum schadensersatzrechtlich geschützten Güterbestand auch die von § 823 I B G B nicht erfaßten Forderungsrechte. 4 7 Zu diesen relativen Rechten zählen etwa vertraglich eingeräumte Nutzungsrechte - die im übrigen ein Besitzrecht begründen können - wie auch Leistungsansprüche. Auch die Berechtigung zur Teilnahme an einer Theateraufführung, einem Konzert, einer Sportveranstaltung etc., gleich o b der Berechtigte das R e c h t erworben oder geschenkt b e k o m m e n hat, sind als Forderungsrechte zum vom Schadensbegriff erfaßten geschützten Güterbestand zu rechnen. 4 8 Ein Schaden im engeren Sinne liegt damit immer dann vor, wenn in ein bestehendes absolutes oder relatives R e c h t des Geschädigten eingegriffen wird und damit sein Bestand an „Vermögensrechten" verringert wird. Dieser B e stand ist interessanterweise weitgehend identisch mit dem durch Art. 14 G G geschützten Eigentum. D e n n vom Eigentum i.S.d. Art. 14 G G werden alle Vermögenswerten subjektiven Rechte des Privatrechts erfaßt, also nicht nur das Eigentum i.S.v. § 903 B G B und sonstige dingliche Rechte, sondern auch Forderungen, Anteils- und Mitgliedschaftsrechte bis hin zum R e c h t am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. 4 9 Auch der Schutz des Art. 14 G G bezieht sich jedoch nur auf das bereits Erworbene, bloße Chancen und Hoffnungen, die sich noch nicht zu konkreten Rechtspositionen verfestigt haben, genießen deshalb keinen Schutz über Art. 14 G G . 5 0 Art. 14 G G schützt - wie der schadensersatzrechtliche Güterbestand - nur bestehende Rechte als Basis für die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens, nicht aber die Handlungsfreiheit als solche. 5 1 D e r Schadensbegriff im engeren Sinne erfaßt damit zunächst die Verletzung der Person des Geschädigten und seiner relativen wie dinglichen - auch 47 Die Verletzung relativer Rechte sah der Gesetzgeber als durch das Vertragsrecht geregelt an, Motive II, S. 727 = Mugdan II, S. 406. Deshalb wurde auch eine gesonderte Regelung in den Fällen notwendig, in denen Unterhaltsberechtigte durch Tötung des Unterhaltsschuldners ihren Unterhaltsanspruch verlieren, § 845 B G B . Zur Diskussion, ob § 823 I B G B auch Forderungsverletzungen erfaßt, vgl. Staudinger/Hager, § 823 Rn B 161 m.w.N.; Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 131. 48 Da jedoch relative Rechte von § 823 I B G B nicht geschützt werden, beschränkt sich der deliktische Schutz im Rahmen von § 823 I B G B auf die Fälle, in denen sich die Beeinträchtigung des relativen Rechts als Folge einer Verletzung eines absoluten Rechts darstellt, wenn etwa das Konzert wegen Diebstahls der Konzertkarte nicht besucht werden kann, mithin der Konzertbesucher wegen Verlustes der Eintrittskarte seinen Anspruch nicht durchsetzen kann. Zur rechtlichen Qualifizierung von Theaterkarten als kleinen Inhaberpapieren i.S.d. § 807 B G B siehe Palandt/Thomas, § 807 Rn 3. 49 BVerfGE 83, 201, 209; B G H N J W 1998, 1934, 1936; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 4 Rn 10. 50 BVerfGE 20, 31, 34; 28, 119, 142; 30, 292, 335; 68, 193, 222f; 83 201, 210; BVerfG N J W 1992, 1878, 1879; B G H Z 123, 166, 169. 51 Sie wird über Art. 2 G G geschützt.

B. Der geschützte

Grundbestand

und § 823 I BGB

251

nichtvermögensrechtlichen - Rechte, sein „Vermögen" als die Gesamtheit seiner Rechte. 5 2 Von ihnen wird auch als „Rechtsguts-", „ O b j e k t - " oder „Verletzungsschaden" gesprochen. 5 3

III.

Nutzungsmöglichkeit

als geschütztes

Gut?

Zu diesem geschützten Bestand an absoluten wie relativen Rechten gehört die Eigennutzungsmöglichkeit einer Sache nicht. D e n n sie stellt kein eigenständiges Recht dar. Dies wird schon daran deutlich, daß der Schutz des Eigentums durch § 823 I B G B nicht auch die Nutzungsmöglichkeit einer Sache als solche erfaßt. D e r Eigentumsschutz bezieht sich auf die A b w e h r - negative Befugnis - von Eingriffen auf die Sache in rechtlicher und tatsächlicher Sicht. 5 4 Zwar hat der Eigentümer gemäß § 903 B G B die Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren. Zu einer Konkretisierung dieses aus dem Eigentum fließenden Nutzungspotentials k o m m t es - wie oben gezeigt - jedoch erst dann, wenn der Eigentümer von ihm in bestimmter Weise Gebrauch macht, indem er entweder selbst Nutzungen zieht oder aber Nutzungsrechte abspaltet, sich also für eine Fremdnutzung entscheidet. 5 5 Entsprechend knüpfen die Rückabwicklungsregeln beim Rücktritt und bei der ungerechtfertigten Bereicherung wie auch die Regeln zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis rechtliche Konsequenzen erst an die Einräumung oder Inanspruchnahme eines Nutzungsrechts bzw. an die Ziehung konkreter Nutzungen. 5 6 D e r N u t zungsmöglichkeit einer Sache wird demgegenüber keine eigenständige rechtliche Bedeutung beigemessen. Dies steht im Einklang mit den wirtschaftlichen Überlegungen insbeson-

dere von Larenz,

Köndgen

und Stüdemann,

die darauf hinweisen, daß der

Nutzungsmöglichkeit kein eigenständiger Vermögenswert z u k o m m e und sie deshalb auch im Rahmen einer Vermögensbilanzierung nicht neben der Sache berücksichtigt werde. 5 7 D i e Nutzungsmöglichkeit unterscheidet sich dem-

52 Zwischen den Begriffen Vermögen und Vermögensschaden ist dabei streng zu trennen. Während sich bei dem Begriff Vermögen, verstanden als Zusammenfassung aller Rechte und Verbindlichkeiten, bereits im 19. Jahrhundert die Uberzeugung durchsetzte, daß die Rechte nicht notwendig Geldwert haben müßten, ist der Begriff des Vermögensschadens gerade dadurch geprägt, daß sich der Schaden in einem Geldwert ausdrücken lassen muß, vgl. dazu S. 368 ff, 375ff. 53 Deutsch, Haftungsrecht, Rn 788, 870; Larenz, Schuldrecht I, § 27 II 3; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 I 2; vgl. auch den objektiven Schadensbegriff Neuners, siehe S. 38 ff. 54 Vgl. dazu ausführlich S. 75 ff, 194 ff. 55 Vgl. dazuS. 81 ff, 85ff, 102ff. 56 Vgl. dazu ausführlich S. 123 ff. 57 Larenz, Festschrift Nipperdey, S. 489ff, der daraus den Schluß gezogen hat, es fehle in den Nutzungsfällen an einem Vermögensschaden; vgl. auch Köndgen, AcP 177, 1,18; Koziol, ZfRV 1969, 32; Mayer-Maly, VersR 1969, 867; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 31 II d; Brüggemeier, Deliktsrecht, Rn 310; E. Schmidt, Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts I,

252

5 8 Der vom Schadensbegriff

im engeren

Sinne erfaßte

Güterbestand

entsprechend von den geschützten „Gütern" im wesentlichen dadurch, daß es sich bei ihr, unabhängig von der Frage der vermögensrechtlichen Bewertung, nicht um eine rechtlich anerkannte eigenständige Rechtsposition handelt.

C. Erweiterung

des geschützten

Gütergrundbestandes

Wird die Nutzungsmöglichkeit einer Sache nicht vom ursprünglich als schadensersatzrechtlich geschützt angesehenen Gütergrundbestand erfaßt, so stellt sich die Frage, ob dieser auf die Nutzungsmöglichkeit einer Sache zu erweitern ist. Es bestehen Tendenzen, die Nutzungsmöglichkeit, 58 die Verwendungsplanung, 59 Verwendungsmöglichkeiten, 60 die Dispositionsfreiheit 61 als Schaden anzuerkennen und damit zugleich den geschützten Bestand über die Person des Geschädigten und ihre dinglichen wie persönlichen Rechte hinaus auf sie auszudehnen und sie zu einem selbständigen Gut zu erheben. Den Schaden allein auf die Person des Geschädigten sowie seine dinglichen und relativen Rechte, „das Haben", zu beziehen, wird von Mertens und anderen Vertretern des funktionalen Schadensbegriffs 62 als zu eng empfunden. Sie folgen der Gleichsetzung von Vermögen und „Haben" nicht, sondern definieren darüber hinausgehend das Vermögen als das gegenständlich gesicherte und gewährleistete „Können" des Subjekts und betonen damit seinen besonderen Aspekt als Potential. Danach ist das Vermögen nicht einfach die Summe aller Güter, es muß vielmehr als eine Einheit, die die Vermögensgüter als Werte für das Subjekt zusammenfaßt, verstanden werden. Insoweit hat das Vermögen die Funktion, einen Spielraum, einen Handlungsfreiraum zu sichern, in dem sich das Subjekt nach seinem Belieben entfalten kann. Entscheidend ist nach dieser Auffassung allein die Hinordnung auf das Vermögenssubjekt. 63 Der Bundesgerichtshof hat diesen Aspekt in der Entscheidung des Großen Senats aufgenommen, wenn er ausführt, daß sich das Wesen und die

§ 9 IV 1; Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 102; Werber, A c P 173, 181 ff. Nach Stüdemann, VersR 1 9 9 0 , 1 0 4 8 , 1061, ist die von der rechtswissenschaftlichen Literatur aufgeworfene Frage, ob die Gebrauchsmöglichkeit einer Sache neben dieser Sache selbst ein eigenständiger Vermögensposten sei, zu verneinen, VersR 1990, 1048, 1054, andererseits aber erklärt er: „Vermögensschaden in wirtschaftlicher Betrachtungsweise bedeutet demnach die Beeinträchtigung oder Entzug der Möglichkeit, Nutzleistungen wahrzunehmen." Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 77. Brinker, S. 224ff, 320ff. Nach ihm läßt sich die Nutzungsproblematik nur lösen, indem man klärt, inwieweit subjektive Verwendungspläne und -risiken im Rahmen eines Schadensereignisses zu berücksichtigen sind, sie mithin als Schaden/Vermögensschaden anzuerkennen sind. Entscheidend ist nach ihm, inwieweit der Schädiger rechtlich auch das Risiko des Scheiterns von Verwendungsplänen des Geschädigten zu übernehmen habe. 60 Jahr, A c P 183, 743 ff; Roussos, S. 191 ff. 61 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 72. 62 Vgl. dazu S. 47ff. 63 Mertens, S. 121 ff, 125; Roussos, S. 191; vgl. dazu Koziol, Z f R V 1969, 29. 58 59

C. Erweiterung

des geschützten

Gütergrundbestandes

253

Bedeutung des Vermögens nicht in dessen Bestand, dem „Haben", erschöpfe, sondern auch die im Vermögen verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger erfasse, es zur Verwirklichung seiner Lebensziele zu nutzen. 64 Aus dem Gedanken der Subjektbezogenheit des Schadens und dem Ziel des Schadensersatzes, das Rechtssubjekt letztlich wiederherzustellen, leitet Mertens ab, daß das Schadensrecht nicht nur das Interesse des Geschädigten an seiner persönlichen und vermögensmäßigen Integrität schütze, sondern auch die Bewahrung der Handlungsfreiheit und Verfolgung seiner autonomen Planung erfasse. 65 Ziel des Schadensersatzrechts sei die Wiederherstellung der Persönlichkeit in ihrer vollen Planungs- und Handlungsautonomie. 66 Daraus ergebe sich für den Schadensbegriff, daß als „Güter, deren Veränderung als Schaden anzusehen sein kann, prinzipiell zu nennen (sind) die Interessen aller in Betracht kommenden Anspruchsberechtigten an der Integrität der Persönlichkeit, der Gewährleistung einer den - heute weitgehend, aber nicht abschließend durch Rechtsnormen festgelegten - Standards der Gesellschaft entsprechenden sozialen und biologischen Umweltqualität, der Erhaltung und Mehrung des Vermögens sowie an der Freiheit, i.S. eigener Zwecksetzung handeln zu können und nicht fremdbestimmt handeln zu müssen." 6 7 Mertens ist daher so zu verstehen, daß die Handlungsfreiheit des Geschädigten ein eigenes Gut neben der Person und ihrem Vermögen darstellt und zum geschützten Güterbestand gehört. Da nach Mertens bei der Verkürzung von Verhaltensmöglichkeiten und der Störung geplanten Verhaltens ein Schaden gegeben ist, stellt auch der Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache einen Schaden dar, den der Geschädigte auf Kosten des Schädigers beseitigen kann. 68 Auch Roussos geht von der Frage aus, ob der Sachgebrauch als Funktion oder Erscheinungsform des Eigentums schutzwürdig ist, die Sachnutzung mit Rücksicht auf den Wandel der gesellschaftlichen Anschauung als Eigentumsfunktion verselbständigt und in der verselbständigten Form geschützt werden muß. 6 9 Er bejaht dies mit dem Vorbehalt, daß anders als beim Substanzinteresse die Schutzwürdigkeit des Nutzungsinteresses einer strengeren, an den Funktionszielen orientierten Bewertung zu unterziehen sei. 70 O b konkreten Nutzungsinteressen aus dem Bereich der Konsumtion schadensrechtlich Rechnung zu tragen sei, ist nach Ansicht Roussos Sache von Einzelfallent-

B G H Z 98, 212, 218 unter Bezugnahme auf Savigny, System I, S. 339. Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 34. 66 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 38. 67 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 46; Mertens, Vermögensschaden, S. 142. 68 Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 71: „Die Verkürzung von Verhaltensmöglichkeiten und die Störung geplanten Verhaltens bilden als solche ebensowenig einen Vermögensschaden wie die Beeinträchtigung der mit einem bestimmten Lebensvollzug verbundenen immateriellen Annehmlichkeiten. Einen Vermögensbezug solcher Störungen kann der Betroffene aber herstellen, indem er Vermögensgüter, insbes. Geld, aufwendet, um die Störung zu beseitigen." 69 Roussos, S. 271 f. 70 Roussos, S. 272. 64

65

254

5 8 Der vom Schadensbegriff

im engeren Sinne erfaßte

Güterbestand

Scheidungen, wobei die Kasuistik berufen sei, den anerkannten Bedürfnissen zur rechtlichen Typisierung zu verhelfen. 7 1 So sei im Kfz-Bereich der schadensersatzrechtliche Gebrauchsschutz in aller Regel anzuerkennen, 7 2 im übrigen müsse der Nutzungsbedarf, unbeschadet seines sozialen oder sonst gesellschaftspolitischen Ranges, auch im Individualbereich konkret projizierbar und aus einem auf die Individualbedürfnisse zugeschnittenen „Versorgungsprinzip" ableitbar sein. 7 3 Diese funktionalorientierten Schadensauffassungen tragen der Tatsache Rechnung, daß eine Sache regelmäßig nicht nur um ihrer selbst Willen angeschafft wird, sondern der Erwerber mit ihr bestimmte Zwecke verfolgt, mit ihr Dispositionsmöglichkeiten und damit einen entsprechenden Handlungsspielraum erwerben 7 4 bzw. bestimmte Lebensgestaltungsziele verwirklichen will. 7 5 Ein Gedanke, auf dem im übrigen auch die Frustrationstheorie aufbaut, denn sie stellt darauf ab, daß der verfolgte Z w e c k nicht erreicht werden kann und deshalb die Kosten zur Erreichung desselben als frustriert anzusehen sind. 7 6 D e r Aspekt, daß sich Rechte - wie etwa das Eigentum - nicht nur in ihrem Bestand erschöpfen, sondern darüber hinaus, wie § 903 B G B deutlich macht, dem Eigentümer bestimmte Möglichkeiten eröffnen, mit der Sache zu verfahren und bestimmte Ziele zu erreichen, ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist daher der Tatsache, daß sich die Interessen eines Eigentümers nicht auf das H a b e n der Sache beschränken, sondern darüber hinaus gehen, Rechnung zu tragen. Es fragt sich jedoch, ob bereits der mit der Sache eröffnete Handlungsspielraum als solcher zum geschützten Bestand zu rechnen ist oder aber ob erst die Verwirklichung ganz bestimmter Ziele schutzwürdig ist. G e h t es primär um die zukünftige Erreichung von bestimmten Zielen, die Erzielung von Nutzungen, Gebrauchsvorteilen, ist durch den Eingriff nicht der Güterbestand als solcher betroffen, sondern die Erwartung des Geschädigten, zukünftig Vorteile aus der Sache zu ziehen. D i e Problematik betrifft dann nicht den am Güterbestand orientierten engen Schadensbegriff, sondern den weiten Schadenbegriff, durch den zukünftige Vorteile/Gewinnerwartungen in den ersatzfähigen Schaden miteinbezogen werden.

Roussos, S. 272. Roussos, S. 273, gegen Hohloch, Gutachten, S. 421. 73 Roussos, S. 273; vgl. zum Versorgungsprinzip Schiemann, S. 234ff; Soergel/Mertens, Vor § 2 4 9 Rn 31. 74 Mertens, Vor § 249 Rn 38; B G H Z 98, 212, 218. 75 Roussos, S. 191. 76 In ihrer ursprünglichen - von von Tuhr, KrVJSchr Bd. 47, 63, 65; Löwe, N J W 1964, 701, 704; Larenz, VersR 1963, 312, 313; ders., Festschrift Oftinger, S. 161; anders ders. nunmehr in seinem Lehrbuch, Schuldrecht I, § 29 II c vertretenen - Fassung wird die Frustrationstheorie kaum noch vertreten. Zur Frustrationstheorie Graf, S. 62; Tolk, S. 49; vgl. auch schon S. 51 ff. Auf den Frustrationsgedanken wird bei Zweckverfehlungen jedoch immer wieder zurückgegriffen, siehe etwa Roussos, S. 294; Soergel/Mertens, Vor § 249 Rn 92 ff. 71 72

C. Erweiterung

des geschützten

Gütergrundbestandes

255

Für eine Anerkennung der Nutzungsmöglichkeit als geschütztes Gut neben der Sache selbst würde sprechen, wenn sie in unserem Rechtssystem als selbständige Rechtsposition anerkannt wäre, ihr generell Bedeutung beigemessen würde. Die Analyse von Nutzungsmöglichkeit und Nutzungen im zweiten Teil der Abhandlung hat aber gerade erbracht, daß unsere Rechtsordnung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache als solcher an keiner Stelle rechtliche Bedeutung beimißt. Anknüpfungspunkt für rechtliche Konsequenzen ist immer die Einräumung oder Anmaßung eines selbständigen Nutzungsrechts oder die Ziehung von konkreten Nutzungen. Dies macht deutlich, daß es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit als solche, sondern den mit ihr verfolgten Zweck, die Ziehung von Nutzungen, ankommt. D i e Nutzungsmöglichkeit, die Dispositionsmöglichkeit und damit letztlich auch die Handlungsfreiheit sind auch nicht als deliktisch geschütztes Rechtsgut anzusehen. § 823 I B G B schützt die Person des Geschädigten, ihr Eigentum und ihre sonstigen Rechte, erhebt aber die Handlungsfreiheit des Einzelnen gerade nicht zu einem eigenständigen Rechtsgut. 7 7 Die Handlungsfreiheit bzw. Nutzungsmöglichkeit einer Sache wird zwar mittelbar dadurch geschützt, daß mit dem Schutz der Person und des Eigentums dem Einzelnen ein Freiraum geschaffen wird, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, dieser Freiraum wird von der Rechtsordnung aber nicht als selbständiges G u t betrachtet. 7 8 Die Handlungsfreiheit und damit die Nutzungsmöglichkeit einer Sache stellt für den Berechtigten zunächst allein ein umfassendes, ungeformtes Potential dar. Konturen und rechtliche Bedeutung erhält es erst dann, wenn der Berechtigte sich entscheidet, von ihm Gebrauch zu machen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dementsprechend sind Ersatzansprüche wegen Eingriffs in die Handlungsfreiheit davon abhängig, daß sie zu einer negativen Zukunftsentwicklung beim Geschädigten führen und sich seine Zukunft anders gestaltet als geplant, ihm Vorteile bzw. Gewinne entgehen. Zwar wird immer wieder versucht, die Nutzungsmöglichkeit einer Sache aufgrund Eigentums einem selbständigen Nutzungsrecht gleichzustellen, um so ihre Vermögensqualität zu begründen. So geht die Kommerzialisierungstheorie, die in unterschiedlichen Spielarten vertreten wird, 7 9 davon aus, daß die Nutzungsmöglichkeit einem entsprechenden Nutzungsrecht, das der Eigentümer einem Dritten gegen Entgelt hätte einräumen können, vergleichbar sei. 8 0 D e r Rückgriff auf anerkannte Nutzungsrechte macht dabei jedoch deutlich, daß es sich bei der Nutzungsmöglichkeit als solcher eben gerade nicht um eine selbständige Rechtsposition handelt und man deshalb auf die aner-

Vgl. dazu S. 194ff. Larenz/Canans, Schuldrecht 11/2, § 75, sieht den wesentlichen Unterschied zwischen den geschützten Gütern und der Handlungsfreiheit darin, daß ihr der Zuweisungsgehalt und die Ausschlußfunktion wie auch die sozialtypische Offenkundigkeit fehle. 79 Vgl. dazu S. 40 ff. 80 Vgl. dazu S. 40 ff. 77 78

256

§8

Der vom Schadensbegriff

im engeren Sinne erfaßte

Güterbestand

kannten Nutzungsrechte zurückgreifen m u ß , u m einen (Vermögens-) Schaden zu begründen.81 D e r V e r l u s t d e r N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t e i n e r S a c h e stellt d a h e r k e i n e n S c h a d e n i m e n g e r e n S i n n e dar. D a sich d e r V e r l u s t d e r N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t j e d o c h n e g a t i v a u f die Z u k u n f t s e n t w i c k l u n g a u s w i r k e n k a n n , d e r B e r e c h t i g t e n i c h t w i e g e p l a n t N u t z u n g s v o r t e i l e aus d e r S a c h e z i e h e n k a n n , k a n n es s i c h u m einen Schaden im weiteren Sinne handeln.

81 Bei dieser Gegenüberstellung der Nutzungsmöglichkeit mit selbständigen Nutzungsrechten, die als Vermögensrechte anerkannt sind, wird der entscheidende Unterschied verkannt. Das Eigentum vermittelt zunächst nur ein Nutzungspotential, das die unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten umfaßt. Diese können zwar, durch Ausgliederung etwa, zu selbständigen Nutzungsrechten werden, dazu muß der Eigentümer jedoch in ganz bestimmter Weise von seinem Nutzungspotential Gebrauch machen, vgl. auch Stüdemann, VersR 1990, 1048, 1054. An einer solchen Konkretisierung der Nutzungsmöglichkeit durch den Eigentümer fehlt es jedoch, solange er nicht konkret von der Nutzungsmöglichkeit Gebrauch macht, die Sache nutzt.

§ 9 Der Schaden im weiteren Sinne, lucrum cessans A. Der Schutz von Zukunftserwartungen das Anspruchssystem des BGB

durch

Ein Schaden kann nicht nur im Verlust eines Gutes bestehen - Schaden im engeren Sinne - , sondern auch darin, daß sich die zukünftige Entwicklung beim Geschädigten anders gestaltet, ihm Vorteile, Gewinne entgehen. Auf der Grundlage des Prinzips der Totalreparation sind sowohl die Gütereinbuße wie der entgangene Gewinn, § 252 S. 1 B G B , auszugleichen. Wird hinsichtlich des zu ersetzenden Schadens also nicht zwischen Schaden im engeren Sinne und entgangenem G e w i n n unterschieden, so zeigt sich doch, daß unser H a f tungssystem bei der Ausgestaltung der Anspruchsgrundlagen zwischen Eingriffen in den Güterbestand und Eingriffen in die Handlungsfreiheit differenziert. Büßt eine Person ein bestehendes G u t - Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder ein sonstiges R e c h t - aufgrund eines schuldhaften Verhaltens eines Dritten ein, so steht ihm aus § 823 I B G B ein Schadensersatzanspruch zu. E b e n s o führt die E i n b u ß e eines relativen Rechts zu einer vertraglichen Haftung. 1 D i e schuldhafte Verursachung eines Schadens im engeren Sinne löst damit regelmäßig 2 einen Schadensersatzanspruch auf deliktischer bzw. vertraglicher Grundlage aus. 3 U n s e r Haftungssystem baut damit auf dem Gedanken des Ersatzes für schuldhaft verursachten Schaden im engeren Sinne auf. Demgegenüber genügt allein die Tatsache, daß dem Geschädigten aufgrund des schädigenden, schuldhaft herbeigeführten Ereignisses ein Gewinn entgeht, er also einen Vermögensschaden erleidet, nicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Im Gegensatz zum Schaden im engeren Sinne löst nicht jede schuldhafte Verursachung eines Schadens im weiteren Sinne einen Ersatzanspruch aus. 4 Eine allgemeine Haftung für schuldhafte VerVgl. dazu S. 247ff. Eine Ausnahme bilden die deliktischen Forderungsverletzungen; zur Diskussion ihrer Erfassung durch § 823 I B G B vgl. Staudinger/Hager, § 823 Rn B 161; Münch Komm/Mertens, § 823 Rn 131. 3 Vgl. dazu S. 242 ff. 4 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 11 b, sieht den Grund dafür darin, daß der Handlungsfreiheit sowohl Zuweisungsgehalt und Ausschlußfunktion wie auch sozialtypische O f fenkundigkeit fehlten, vgl. dazu S. 258ff. 1

2

258

5 9 Der Schaden

im weiteren

Sinne, lucrum

cessans

mögensschädigungen, insbesondere für Gewinnentgang, ist dem BGB fremd. 5 Es soll deshalb z u m Gesamtverständnis ein kurzer Blick auf das Haftungssystem des BGB geworfen werden, um aufzuzeigen, wann Zukunftserwartungen, Gewinnerwartungen, eigenständigen Schutz genießen, ohne jedoch die vielfältigen damit verbundenen Probleme lösen zu wollen.

I. Deliktische

Haftung

Die deliktische Haftung ist durch die drei kleinen Generalklauseln, §§ 823 I, 823 II, 826 BGB, geprägt. 6 Die grundlegende deliktische Haftungsnorm des § 823 I BGB knüpft die Schadensersatzhaftung, wie oben gezeigt, an das Vorliegen eines Schadens im engeren Sinne, eine Güterverletzung, an. 7 N u r soweit ein in § 823 I BGB genanntes Schutzgut betroffen ist, 8 kommt auch der Ersatz von durch die Verletzung des Schutzgutes verursachten Gewinneinbußen in Betracht. 9 Die Handlungsfreiheit und damit die Erwartung des Geschädigten, Gewinne erzielen zu können, wird nur insoweit geschützt, als sie sich auf eines der in § 823 I BGB genannten Güter bezieht und ihre Beeinträchtigung die Ursache des Gewinnentgangs ist. Durch § 823 I B G B wird mithin z u m einen das Gut als solches und zum anderen die Handlungsfreiheit hinsichtlich dieses Gutes und die damit verbundene Gewinnerwartung geschützt. Die §§ 842, 843 BGB betonen in diesem Zusammenhang, daß bei einer Beeinträchtigung einer Person auch die negativen A u s w i r k u n g e n auf ihren Erwerb und ihr Fortkommen auszugleichen sind. Durch die §§ 823 II, 826 B G B wird der Bereich der geschützten Interessen des Geschädigten über die in § 823 I B G B genannten Rechtsgüter hinaus erweitert. Denn sie nehmen nicht bestimmte Güter z u m Ausgangspunkt der 5 RGZ 51, 92, 93; 95, 173, 174; BGHZ 27, 137, 140; 41, 123, 127; Soergel/Zeuner, § 823 Rn 47; Staudinger/Schäfer, 12. Auflage, § 823 Rn 76; Canaris, Festschrift Larenz, S. 27, 81 ff. 6 Problematisch erweist sich dabei, daß nicht alle sich aus Verkehrspflichtverletzungen ergebenden Schäden erfaßt werden, vgl. zu den Verkehrspflichten, v. Caemmerer, Wandlungen, S. 49, 72 = Gesammelte Schriften I, S. 452, 479. Zur Frage der Anerkennung und Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichtverletzungen, die sich nicht auf die in § 823 I BGB genannten Güter und Rechte beziehen, als Schadensersatzgrundlage, vgl. Leser, AcP 183, 586, 584ff; MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 472ff; v. Bar, Gutachten II, S. 1714f; ders., Verkehrspflichten, S. 204ff; K. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 359, 377f; krit. Canaris, Festschrift Larenz, S. 27, 81 ff. 7 Vgl. dazu ausführlich S. 247 ff. s Durch § 824 BGB wird darüber hinaus die Kreditwürdigkeit zum selbständigen Schutzgut erhoben. Schutzgut ist die wirtschaftliche Wertschätzung von Personen und Unternehmen vor unmittelbaren Beeinträchtigungen, vgl. BGH N J W 1978, 2151; MünchKomm/Mertens, § 824 Rn 38; Soergel/Zeuner, § 824 Rn 6; Staudmger/Schäfer, 12. Aufl., § 824 Rn 2; krit. Schwerdtner, JZ 1984, 1103 ff. Steinmeyer, JZ 1989, 781, 786, stellt den Schutz vor Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen in den Mittelpunkt. 9 Die Vermögenseinbuße muß vom Schutzzweck der Norm erfaßt werden. Der BGH, BGHZ 27, 137, 140, hat deshalb den Ersatz der Kosten eines Strafverfahrens abgelehnt.

A. Der Schutz von Zukunftserwartungen

durch das

BGB

259

Haftung, sondern spezifische Verletzungshandlungen, Schutzgesetzverletzungen, Verletzungen der guten Sitten. Das hat zur Folge, daß die Erwartung des Geschädigten in eine bestimmte zukünftige Entwicklung, insbesondere die Erzielung von Vorteilen, unabhängig von einem Rechtsgutseingriff i.S.v. § 823 I B G B Schutz genießt. 1 0 D u r c h die §§ 823 II, 826 B G B wird das Vertrauen des einzelnen in die Rechtsordnung bzw. die Sittenordnung geschützt. Damit werden die Rahmenbedingungen für ein redliches menschliches Zusammenleben, das die Grundlage für die Handlungsfreiheit des einzelnen bildet, gesichert. Verletzungen werden dadurch sanktioniert, daß dem Geschädigten Ersatz für die Nachteile zugesprochen wird, die ihm durch die Beeinträchtigung seiner Handlungsfreiheit entstehen, also für den Entgang von Vorteilen, Gewinnen. 1 1 Geschützt wird so insbesondere das Interesse des G e schädigten daran, daß die Realisierung seiner Ansprüche vom Schädiger nicht dadurch hintertrieben wird, daß er den Vertragspartner zum Vertragsbruch verleitet, 1 2 daß keine gläubigergefährdenden oder -benachteiligenden Handlungen vorgenommen werden, 1 3 oder aber daran, daß er seine Marktchancen realisieren kann und der Erwerb von Ansprüchen im Rahmen des freien Wettbewerbs nicht durch B o y k o t t oder wettbewerbswidriges Verhalten behindert wird. 1 4 D i e §§ 823 II, 826 B G B schützen insoweit, ohne daß es zu einer anderweitigen Rechtsverletzung beim Geschädigten k o m m e n müßte, die Rechts- und Sittenordnung als Grundlage für die freie Betätigung des Einzelnen und damit seine Handlungsfreiheit. Zu beachten ist dabei jedoch, daß nach den §§ 823 II, 826 B G B Ersatz nur dann zu leisten ist, wenn der Schaden von dem Schutzbereich der N o r m erfaßt wird, die Einhaltung der Rechtsund Sittenordnung also auch dem Schutz der Interessen des Geschädigten und damit seiner Handlungsfreiheit dient. 1 5 10 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 I 1 a; MünchKomm/Mertens, § 826 Rn 1. Dies gilt generell, also nicht nur im Hinblick auf materielle, sondern auch immaterielle Interessen. " Zur Erweiterung des § 823 II B G B auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, vgl. Leser, AcP 183, 586, 584 ff; MünchKomm/Mertens, § 823 Rn 472 ff; v. Bar, Gutachten II, 1714; ders., Verkehrspflichten, S. 204ff; K. Huher, Festschrift v. Caemmerer, S. 359, 377f; vgl. auch Deutsch, Haftungsrecht, Rn 890; krit. Canans, Festschrift Larenz, S. 27, 81 ff; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 2; Fikentscher, Schuldrecht, Rn 1057; Soergel/Zeuner, § 823 § 826 Rn 4; Erman/Schiemann, § 823 Rn 76. Rn 47, 285; Soergel/Hönn/Dönneweg, 12 B G H N J W 1981, 2184; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 IV 1; MünchKomm/ Mertens, § 826 Rn 124 ff. 13 B G H Z 75, 96, 114f; 90, 381, 399; 96, 231, 235f; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 IV 2; MünchKomm/Mertens, § 826 Rn 145ff; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 876. 14 Palandt/Thomas, § 826 Rn 59ff. 15 Auch bei § 826 B G B ist ein Schaden nach überwiegender Meinung nur dann zu ersetzen, wenn er in den Schutzbereich der verletzten (Sitten-)pflicht fällt, M. Wolf, N J W 1967, 709; B G H Z 57, 137, 142; B G H N J W 1979, 1599; v. Caemmerer, Festschrift Larenz, S. 631, 641; § 826 Rn 69ff; MünchKomm/MerRGRK/Steffen, § 826 Rn 40; Soergel/Hönn/Dönneweg, tens, § 826 Rn 52ff; Erman/Schiemann, § 826 Rn 16; Deutsch, Haftungsrecht, Rn 67; Larenz! Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 II 3; krit. Staudinger/Schäfer, 12. Aufl., § 826 Rn 84; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn 99, 1 lOf.

260

5 9 Der Schaden

im weiteren

Sinne, lucrum

cessans

Festzuhalten ist damit, daß bei deliktischen Eingriffen ein Schaden im weiteren Sinne, lucrum cessans, nur dann zu ersetzen ist, wenn er Folge einer Rechtsgutsverletzung gemäß § 823 I BGB ist oder aber eine Verletzungshandlung nach §§ 823 II, 826 BGB vorliegt, durch die in die geschützten Interessen des Geschädigten, insbesondere seine Handlungsfreiheit, eingegriffen wurde. Die Handlungsfreiheit des Einzelnen und seine Vermögenserwartungen genießen damit, anders als die in § 823 I BGB genannten Güter, keinen umfassenden, sondern nur eingeschränkten Schutz.

II. Vertragliche

Haftung

Die Vertragsparteien können im Rahmen der Privatautonomie durch Vertrag Rechte und Pflichten begründen, sich insbesondere zur Erbringung von bestimmten Leistungen verpflichten. Verletzt der Schuldner schuldhaft seine Leistungspflicht, so hat der Geschädigte regelmäßig einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, z.B. aus §§ 280,325, 326,463 BGB. 1 6 Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zielt im Gegensatz z u m negativen Interesse, das am Schutz der bestehenden Lage orientiert ist, 17 darauf ab, den Gläubiger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht erfüllt hätte. 18 Das Erfüllungsinteresse des Gläubigers kann z u m einen primär auf das „Haben" der Leistung gerichtet sein. Zum anderen kann es auch dahin gehen, die Leistung zu einem bestimmten Zweck verwenden zu können, mit ihr Vorteile bzw. Gewinne zu erzielen. 19 Das Erfüllungsinteresse erfaßt damit auch das Interesse an der Ausübung der durch die Leistung eröffneten Handlungsfreiheit. Es ist mithin zwischen dem Interesse des Gläubigers an der Leistung als solcher und seinem Interesse, die Leistung zu einem konkreten Zweck einsetzen und verwenden zu können, zu unterscheiden. Dem spezifischen Schutz der Erwartung des Geschädigten, die Leistung ab einem ganz bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Zweck einsetzen zu können, dienen die Verzugsvorschriften. Mit der Anordnung eines Ersatzanspruchs für den Verzugs- oder besser Verzögerungsschaden in § 286 I BGB wird das Vertrauen in die Rechtzeitigkeit der Erbringung der zukünftigen Leistung und damit die Erwartung, die Leistung ab einem bestimmten Zeit16 Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung ergeben sich ferner aus: §§ 179 I 1. Alt., 283, 286 II, 480 II, 523 II, 524 II, 538, 541, 635, 65lf, 1613 I BGB, §§ 31 II, 35 II S. 2 VerlG, § 840 II S. 2 ZPO. 17 Beim negativen Interesse, auf das insbesondere die culpa in contrahendo gerichtet ist, soll der Geschädigte so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten, Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 4; Rengier, S. 49ff, 56f. 18 RGZ 91, 33; BGHZ 114, 193, 197 = JZ 1992,465; Larenz, Schuldrecht I, § 27 II b 4; G. Müller, S. 90; Fikentscher, Schuldrecht, Rn 346; Palandt/Heinrichs, Vor § 249 Rn 16; Keuk, S. 109ff; Gillig, S. 376 ff. 19 Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen die Leistungspflicht auf den Erhalt des Güterbestandes abzielt und nicht auf dessen Erweiterung, vgl. dazu Keuk, S. 110.

A. Der Schutz von Zukunftserwartungen

durch das BGB

261

punkt nutzen und Gewinne aus ihr ziehen zu können, geschützt. 20 Die Besonderheit der Haftung für Verzögerungsschäden zeigt sich in ihrer Abgrenzung zur Haftung wegen Nichterfüllung. Denn während es bei der Nichterfüllungshaftung um das Leistungsinteresse als solches geht, geht es hier um das Zeitinteresse an der konkreten N u t z u n g der Leistung, das neben dem Erfüllungsinteresse besteht. 21 Nicht das Leistungsinteresse als solches ist geschützt, sondern die Leistung ab einem bestimmten Zeitpunkt für sich einsetzen zu können. Die Verzugshaftung macht damit deutlich, daß nicht nur die Erwartung hinsichtlich der zukünftigen Leistung als solche geschützt wird, sondern auch deren Nutzung, also ihre Verwendung ab einem bestimmten Zeitpunkt. Von Kübel hat diesen Gedanken in seinem Entwurf zum BGB, Abschnitt I. Titel 3. III. 2. § 19, wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Bei Verbindlichkeiten auf Leistung einer Sache hat der Schuldner dem Gläubiger für die demselben während des Verzuges entgangene Benutzung der Sache Ersatz zu leisten, insbesondere die Früchte, welche der Gläubiger hätte ziehen können, nach Abrechnung der hierauf zu verwendenden Auslagen zu erstatten." Ein paralleler, noch weitergehender Vorschlag Plancks ging dahin, § 19 wie folgt zu fassen: 22 „Der Schuldner hat dem Gläubiger für die demselben während des Verzuges entgangenen Nutzungen des Leistungsgegenstandes Ersatz zu leisten, insbesondere die Früchte usw. ..." Ausdrückliches Ziel der Verzugsregeln war damit, die Nutzungserwartung des Gläubigers zu schützen und ihm einen entsprechenden Ausgleichsanspruch für entgangene Vorteile, lucrum cessans, zu gewähren. Daß diese Vorschriften nicht Gesetz wurden, hatte im übrigen keinen sachlichen Grund, man hielt vielmehr - wie die Diskussion zeigt zu Unrecht - eine entsprechende Regelung „wegen des die Verpflichtung zum Ersätze des vollen Interesse aussprechenden ersten Absatzes des § 14" 23 für überflüssig, wobei diese Vorschrift freilich später auch gestrichen wurde. Nach Uberzeugung des Gesetzgebers war damit der Schutz der N u t z u n g einer Sache über den umfassenden Schadensbegriff gedeckt, wobei die entgangenen Nutzungen dem entgangenen Gewinn zuzuordnen sind.

20

Motive I I , S. 61 = Mugdan II, S. 33; Soergel/Wiedemann, § 286 R n 3, Vor § 284 R n 4. Z u m Verhältnis von § 286 I zu §§ 286 II, 326 B G B u n d zur Problematik, ob u n d inwieweit der Schadensersatz wegen N i c h t e r f ü l l u n g auch den Verzögerungsschaden u m f a ß t bzw. umfassen kann, MünchKomm/Thode, § 286 R n 3; Soergel/Wiedemann, § 286 R n 6ff; Palandt/ Heinrichs, § 286 R n 3. 22 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 304. 23 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 304 u n t e r Verweis auf § 249, S. 88. D e r E n t w u r f v. Kübels, Abschnitt I. Titel 2. III. U n e r l a u b t e H a n d l u n g e n § 14 I, lautete: „Die Erstattung des in Folge u n e r l a u b t e n Verhaltens von d e m Beschädiger verursachten Vermögensschadens u m f a ß t s o w o h l die Vermögenseinbuße, welche der Beschädigte erlitten hat, als auch den ihm entgangenen G e w i n n . " 21

262

§ 9 Der Schaden

im weiteren

Sinne, lucrum

cessans

Kennzeichnend für den Schutz des Interesses an der Nutzung der Sache ist der zeitliche Aspekt. Deshalb widerspricht auch der häufig gegen einen N u t zungsersatz angeführte Gedanke, daß die N u t z u n g doch später nachgeholt werden könne, 2 4 dem mit den Verzugsregeln beabsichtigten Ziel, nämlich dem Schutz des Zeitinteresses. D u r c h die Verzugsregeln sollen die Nutzungserwartungen zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich zum entsprechenden Leistungstermin, geschützt werden, nicht die N u t z u n g irgendwann. 2 5 D i e vertraglichen Haftungsregeln schützen damit das Erfüllungsinteresse, das sowohl in dem „ H a b e n " der Sache als auch der konkreten Verwendung der Sache, also der Ausübung der mit der Leistung erworbenen Handlungsfreiheit, bestehen kann. Außerdem verdeutlichen die Verzugsregeln, daß nicht nur das Erfüllungsinteresse, sondern auch das Zeitinteresse, also die Erwartung, die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt einsetzen zu können, Schutz genießt.

B. Geschützte

Zukunftserwartungen

und entgangener

Gewinn

I. Problemstellung Unser Schadensersatzsystem schützt nicht nur den Güterbestand, damnum emergens, sondern, wie sich aus dem Prinzip der Totalreparation 2 6 ergibt und in §§ 252, 842, 843 B G B zum Ausdruck k o m m t , auch bestimmte Erwartungen, Interessen des Geschädigten hinsichtlich der zukünftigen - Vermögens- Entwicklung. Sofern sich das schädigende Ereignis nachteilig auf die Erzielung von Gewinnen, den E r w e r b und das F o r t k o m m e n auswirkt, 2 7 hat der Schädiger für die entgangenen Gewinne bzw. Vorteile 2 8 Ersatz zu leisten. D e r Bestimmung des entgangenen Gewinns, lucrum cessans, in Abgrenzung zum positiven, wirklichen 2 9 Schaden wird wenig Aufmerksamkeit ge-

Roussos, S. 360. Der Aspekt, später noch entsprechende Vorteile realisieren zu können, schließt deshalb einen Schadensersatzanspruch nicht aus. Allerdings kann dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sein, vgl. dazu unten S. 457. 2